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Full text of "Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere : Specieller Thiel"

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LEHRBUCH 


DER 


VERGLEICHENDEN 


ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


DER 


WIRBELLOSEN  THIERE 


VON 


Dr.  E.  KORSCHELT  und  Dr.  K.  HEIDER, 

PR1VATDOCENTO  A.  D.  ICGL.  UNIVERSITÄT  ZU  BERLIN. 


SPECIELLER  THEIL. 
ZWEITES  HEFT. 

MIT  315  ABBILDUNGEN   IM   TEXT. 


-3>>-l~"s—'^» 


JENA. 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1891. 


Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


"RqI  fruit»     ^"rancis  M.,  M.A.>  F.R.S.,  Fellow  and  Lecturer  of  Trinity  College,  Cambridge, 

JjdllüUTj  Handbuch  der  vergleichenden  Embryologie,  zwei  Bände. 

Mit  Bewilligung  des  Veriassers  aus  dem  Englischen  übersetzt  von  Dr.  B.  Vetter. 
Professor  am  Polytechnikum  in  Dresden. 

I.  Band.     580  S.  und  275   Holzschnitte.     1880.     Preis:   15  Mark. 
II.   Band.      740  S.  und  429  Holzschnitte.      1882.     Preis:    18  Mark. 

"RoVPVl     ^r    Theodor,  Privatdocent  an  der  Universität  München,    Zcllcil-Studien. 

'  Heft  I.  Die  Bildung  der  Richtungskörper  bei  Ascaris  megaloeephala  und 
Ascaris  lumbrieoides.  (Aus  dem  Zoologischen  Institut  zu  München.)  Mit  4  litho- 
graphischen Tafeln.  Preis:  4  Mark  50  Pf.  —  Heft  II.  Die  Befruchtung  und 
Teilung  des  Eies  von  Ascaris  megaloeephala.  (Aus  dem  Zoologischen  Institut  zu  Mün- 
chen.) Mit  5  lithographischen  Tafeln.  Preis:  7  Mark  50  Pf.  —  Heft  III.  üeber  das 
Verhalten  der  chromatischen  Kernsubstanz  bei  der  Bildung  der  Richtungskörper  und 
bei  der  Befruchtung.     Mit  3  lithographischen  Tafeln.     Preis:  4  Mark.     t. 

Da  IIa    Torrp     Dr*  K  w>  v'  Professor'    Die  Fauna  von  Helgoland. 

Utilld)      J-Ullt?j      Zoologische    Jahrbücher    herausgegeben     von     Prof.    Dr.     J.     W. 

S  p  e  n  g  e  1  in  Giessen.     Supplementheft  II.  —  Preis :  2  M.  40  Pf. 
-Tji»  Dr.  G.  H.  Theodor,    Professor  der  Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie  zu 

XLlHl<3r?  Tübingen,  Die  Entstehung  der  Arten  auf  Grund  von  Vererben  er- 
worbener Eigenschaften  nach  den  Gesetzen  organischen  Wachsens.  Ein  Beitrag  zur 
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Eine  systematische  Darstellung  der  Abänderungen,  Abarten  und  Arten  der  Segeltalter- 
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Tj        l     i    Ernst,  Die  Naturanschauung  von  Darwin,  Goethe  und 

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Ursprung  und  Entwickchmg  der  thierischen  Gewebe.    1884. 

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Pelagischen  Fauna  und  Flora.     1891.     Preis:   2  Mark. 

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TJ      +        L      1         Dr.    Berthold,    o.   ö.    Professor    deT   Zoologie    an    der    deutschen    Carl- 
JtlatSCiieK?    Ferdinands -Universität    in    Prag,     Lehrbuch     der     Zoologie. 

Eine  morphologische  Utbersicht  des  Thierreichs  zur  Einführung  in  das  Studium  dieser 
Wissenschaft.  Erste  bis  dritte  Lieferung.  Mit  296  Abbildungen  im  Text.  1888  —  1891. 
Preis:  9  M.  50  Pf. 

tj    •!        Dr.  Karl,   Die  Embryonalentwickelung  von  Hydrophilus 

XltJlUtJlj  piceUS  L.  I.  Theil.  Mit  12  lithographischen  Tafeln  und  9  Abbildungen 
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Tj         1        •         Dr.  Richard,    o.  ö.  Professor  der  Zoologie  und  Direktor  des  zoologischen 

XleriWlg'j  Instituts    der    Universität    München,     Lehrbuch     der     Zoologie. 

Erste  Abtheilung.     Mit    Abbildungen    im   Texte.      Die   zweite   Abtheilung   erscheint 

im  Laufe  des  Winters  1891/92.     Preis  des  vollständigen  Werkes  10  Mark. 

TT  Ort  "W-!  CT     Dr.    Richard,    Professor    der    Zoologie    und    Direktor    des    zoologischen 

Xlt;ilWlg?  Museums  an  der  Universität  München,   Der   Organismus   der 

Eadiolarien.     Mit  10  lithographischen  Tafeln.     1879.     Preis:  25  Mark.i 

Die  Actinien   der  Challengerexpedition.    Mit  u  nthogr.  Tafein. 

1882!     gr.   4U.     Preis:   20  Mark. 

tj     j-     •       Oscar  und  Richard,   Der  Organismus   der  Medusen  und 
nerLVVlg,  sejne  Stellung  zur   Keimblättertheorie.    Mit  3  lithogra- 
phischen Tafeln.     1878.     Preis:  12  Mark. 


LEHRBUCH 


DER 


VERGLEICHENDEN 


j 


ENTWICKLUNGSGESCHICHTE 


DER 


WIRBELLOSEN  THIERE 


VON 


Dk  E.  KOKSCHELT  und  De.  K.  HEIDER, 

PR1VATDOCENTEN  AN  DER  KGL.  UNIVERSITÄT  ZU  BERLIN. 


SPECIELLER  THEIL. 
ZWEITES  HEFT. 

MIT  315   ABBILDUNGEN   IM  TEXT. 


--=*§*=— 


JENA. 
VERLAG   VON   GUSTAV   FISCHER. 

1892. 


XV.  Capitel. 

CRUSTACEEN. 


Systematik:    A.  Entomostraca. 


f   I.   Branchiopoda[(fpu%B^nchV 

{  tt     m      i  l  Pus>    Esthena). 

[IL   C 1  a d o e e r a. 


a.  Phyllopoda  j  £    g  — c 

b.  Ostracoda 

c.  Cirripedia, 

d.  Copepodaj  L  Encopepoda(J 

l  II.  Branchiu r a  (Arg 

B.  Malacostraca. 


Gnathostomata. 
Parasita. 
(Argulus). 


a.  Leptostraca  (Nebalia). 

I.   S  C  b  i  Z  0  p  0  d  a  (Euphausia,  Mysis). 

1.  Macrura. 
IL  Decapoda 


b.  Thoracostraca 

(Podophthalmata) 


2.  Anomura. 

3.  Brachyura. 
[I.  Stomatopoda. 

IV.  Cumacea. 

I.   Anisopoda  (Tanais,  Apseudes). 
%  Arthrostrac a      n    j  Ad 

hdnophthalmata       TTT      .       L  ,  . 


III.  A  m  p  h  i  p  o  d  a. 


I.    Embryonalentwicklung. 

1.    Eiablage,  Brutpflege. 

Die  Eier  der  Crustaceen  weisen  meist  vollständige  Kugelform  auf; 
nur  in  einzelnen  Fällen  sind  sie  etwas  mehr  ellipsoidisch  gestaltet 
(Oniscus,  Gammarus,  Ligia,  Palaemon,  Atyephyra,  Crangon  etc.).  In 
jenen  Fällen,  wo  die  Eier  in  einem  Brutraum  eine  gedrängte  Lagerung 
einnehmen  (z.  B.  bei  den  Arthrostraken) ,  kann  die  Gestalt  der  Eier  in 
den  ersten  Stadien  durch  den  gegenseitigen  Druck  wohl  auch  eine  etwas 
unregelmässigere  werden. 

Es  wurde  bei  verschiedenen  Crustaceen  beobachtet,  dass  der  Ablage  der 
Eier  eine  Häutung  des  Mutterthieres  vorhergeht,  z.  B.  bei  einigen  Cladoceren 
vor  Ablage  der  Sommereier  (Jueine,  Geobben),  bei  Gammarus  (Della  Valle), 
bei  Atyephyra  (Ischikawa). 

Korsch  elt- Heider,   Lehrbuch.  21 


310  x^-  Capitel. 

Sehr  mannigfaltig  sind  die  Einrichtungen  zum  Schutze  der  Eier.  Nur 
selten  werden  nämlich  die  Eier  einzeln  (Cypris,  ferner  Cetochilus,  Dias, 
Centropages  unter  den  Copepoden),  oder  in  Streifen  (Argulus)  sowie  zu  Klum- 
pen vereinigt  (Stomatopoden)  abgelegt.  Die  Wintereier  der  Cladoceren 
werden  entweder  bloss  von  den  eigentlichen  Eihüllen  oder  ausserdem  von 
einer  cuticularen,  sattelförmigen  Bildung,  dem  sog.  Ephippium  (cuticulare 
Verdickung  der  Rückenhaut  des  Mutterindividuums),  umschlossen  abgesetzt. 
Die  Sommereier  dagegen  entwickeln  sich  hier  in  einem  von  der  Schale  der 
Mutter  umhüllten  Brutraum ;  in  einem  ähnlichen  Matricalraum  durchlaufen  die 
Eier  der  Notodelphyiden  (Copepoden)  ihre  Entwicklung.  Bei  den  Branchio- 
poden  finden  sich  mannigfache  Einrichtungen  zum  Schutze  der  Eier,  welche 
bis  zur  Erreichung  eines  gewissen  Stadiums  von  der  Mutter  umhergetragen 
werden.  So  finden  wir  bei  Apus  aus  klappenförmigen  Anhängen  des  11.  Bein- 
paares gebildete  Eierbehälter,  bei  Branchipus  einen  taschenförmigen  Brutraum 
im  Abdomen,  während  bei  Estheria  die  Eier  zwischen  den  Schalen  der  Mut- 
ter an  fadenförmigen  Anhängen  getragen  werden.  Erst  nach  vollendeter 
Blastodermbihlung  und  Entwicklung  der  äusseren  Keimschale  werden  die 
Eier  in  den  Schlamm  abgelegt.  Während  bei  den  Ostracoden  die  Eier 
im  Allgemeinen  einzeln  abgelegt  werden  (Cypriden),  werden  sie  bei  den 
Cypridinen  im  Schalenraume  der  Mutter  bis  zum  Ausschlüpfen  der  Jungen 
aufbewahrt;  ähnlich  verhält  sich  die  Sache  bei  den  Leptostraken  (Ne- 
balia)  und  den  Cirripedien.  Bei  letzteren  sammeln  sich  die  Eier  in 
lamellösen  Schläuchen  (Lepaden)  oder  verästelten  Eiersäcken  (Rhizocephalen) 
an.  Bei  den  Copepoden  werden  die  Eier  mit  Ausnahme  der  erwähnten 
Fälle  (Cetochilus,  Notodelphyiden)  in  Eiersäcken  getragen,  welche  aus  dem 
Secret  einer  eigenen  Kittdrüse  gebildet  werden  und  am  Genitalsegment  be- 
festigt sind.  Bei  den  Arthrostraken,  Cumaceen  und  Mysideen 
liegen  die  Eier  in  einem  an  der  Ventralseite  des  Thorax  befindlichen  Brut- 
raum, welcher  durch  lamellöse  Anhänge  des  Coxalgliedes  der  entsprechenden 
Thoraxbeine  nach  Aussen  abgeschlossen  wird.  Bei  den  Decapoden  hin- 
gegen werden  die  Eier  meist  mittelst  des  Secretes  besonderer  Kittdrüsen  an 
die  Extremitäten  der  Abdominalsegmente  (Pleopoden)   angeheftet. 

2.    Furchung  und  Blastoderinbildung. 

Das  Ei  der  Crustaceen  zeichnet  sich  im  Allgemeinen  durch  seinen 
beträchtlichen  Gehalt  an  Nahnmgsdotter  aus.  Letzterer  besteht  aus 
rundlichen  Kügelchen  und  dazwischen  gelegenen  Fetttröpfchen.  In  den 
meisten  Fällen  zeigt  sich  der  Nahrungsdotter  gleichmässig  im  Eie  ver- 
theilt;  doch  dürften  im  Allgemeinen  die  Dotterkügelchen  an  der  Ober- 
fläche des  Eies  ein  geringeres  Volumen  besitzen.  Nur  in  einzelnen 
Fällen  kommt  es  hier  bei  Eiern  mit  geringerem  Nahrungsdottergehalt  zur 
Ausbildung  einer  oberflächlichen  Schicht  von  Protoplasma  (Bildungsdotter), 
z.  B.  bei  den  Eiern  vieler  Cladoceren  und  Cetochilus.  In  den 
meisten  Fällen  dagegen  ist  der  Bildimgsdotter  zum  Theil  gleichmässig 
zwischen  den  Nahrungsdotterpartikelchen  vertheilt,  zum  Theil  in  der 
Nähe  des  ersten  Furchungskernes  angehäuft.  Nur  in  seltenen  Fällen, 
wie  bei  Moina,  lässt  sich  an  der  ungleichmässigen  Vertheilung  des 
Nahrungsdotters  die  polare  Differenzirung  des  Eies  erkennen,  indem  der 
vegetativen  Eihälfte  eine  grössere  Dotteransammlung  zukommt.  Hier 
findet  sich  auch  der  erste  Furchungskern  (wie  auch  bei  Cetochilus) 
nicht  völlig  im  Centrum  des  Eies,  sondern  excentrisch,  etwas  näher  dem 
animalen  Pole.     Der   erste   Furchungskern  liegt  sammt  einer  ihn  um- 


Crustaceen.  311 

gebenden  Plasmaansammlung  meist  im  Inneren  des  Eies,  in  der  Nähe 
des  Mittelpunktes  desselben;  auch  bei  jenen  Formen,  denen  eine  discoi- 
dale  Furchung  zukommt  (z.  B.  bei  Mysis),  weist  er  anfangs  eine  ähn- 
liche Lagerung  im  Inneren  auf. 

Das  Ei  der  Crustaceen  ist  meist  nach  Ausstossung  der  Richtungs- 
körperchen  und  erfolgter  Befruchtung  zunächst  nur  von  einer  homo- 
genen, cuticularen  Hülle  umgeben,  welche  wahrscheinlich  von  dem  Eie 
selbst  abgeschieden  wird  und  demnach  als  Dotterhaut  bezeichnet 
werden  muss. 

Es  ist  noch  nicht  allgemein  anerkannt,  dass  die  Deutung  dieser  Membran 
als  Do  tt er haut  die  richtige  ist.  Die  Bildung  derselben  geht  entweder  in 
den  unteren  Abschnitten  des  Eileiters,  oder  erst  nach  erfolgter  Eiablage  (und 
der  gleichzeitig  eintretenden  Befruchtung)  vor  sich.  Schon  Claus  hat  die- 
selbe vom  Eie  aus  als  Abscheidung  oder  Erhärtung  der  Randschicht  des 
Dotters  entstehen  lassen  und  dieselbe  demnach  als  Dottermembran  in  An- 
spruch genommen,  während  E.  tax  Beneden  (No.  1)  ihre  Entstehung  von 
den  Zellen  des  Follikels  oder  des  Eileiterepithels  (in  jenen  Fällen,  in  denen 
kein  Follikel  zur  Ausbildung  kommt)  für  wahrscheinlich  hielt  und  demnach 
diese  Membran  als  Chorion  bezeichnete.  Letztere  Bezeichnung  wurde  von 
vielen  neueren  Autoren  festgehalten.  H.  Blanc  (No.  35)  hat  für  diese  Auf- 
fassung angeführt,  dass  bei  Cuma  die  fragliche  Membran  den  Follikelzellen 
inniger  adhärirt,  als  der  Eioberfläche.  Für  die  Deutung  dieser  Membran  als 
Dotterhäutchen,  der  sich  auch  Ludwig  anschloss,  sprechen  vor  Allem  die  Be- 
obachtungen von  Ceaus,  welcher  an  Chondracanthus  gleichzeitig  mit  dem  Auf- 
treten dieser  Membran  eine  Verkleinerung  des  Eivolumens  durch  Messung 
nachweisen  konnte  und  die  Beobachtungen  Gkobben's  an  Cetochilus  (No.  21), 
bei  welcher  Form  diese  Membran  erst  nach  der  Eiablage  unter  Auftreten 
einer  ähnlichen  Contraction  des  Eies  gebildet  wird.  Diese  Beobachtungen 
stehen  in  Uebereinstimmung  mit  denen  Weismanns,  welcher  für  verschiedene 
Cladoceren  den  Uebertritt  des  nackten  Eies  in  den  Brutraum  und  die  erst 
später  erfolgende  Bildung  der  Dotterhaut  beobachtete.  Neuerdings  hat  Delea 
Vaele  (No.  76)  für  Gammarus  nachgewiesen,  dass  auch  hier  die  Eier  ohne 
Hülle  in  den  Brutraum  entleert  werden  und  erst  nach  erfolgter  Befruchtung 
die  Dotterhaut  ausscheiden. 

Vielfach  kommen  zu  dieser  Hülle  noch  äussere  secundäre  Eihüllen 
hinzu,  welche  als  Secrete  besonderer  Drüsen  gebildet  werden.  Hieher 
sind  zu  rechnen  die  äussere  harte  Schale  der  Dauereier  der  Phyllo- 
poden  (pag.  313,  Fig.  227  r?),  die  Eiersäckchen  der  Copepoden  und 
Cirripedien  und  die  gestielte,  das  Ei  nicht  immer  vollständig  um- 
schliessende  Anheftungsmembran  der  Decapoden. 

Die  Furchmig'  der  Crustaceen  weist  bei  den  einzelnen  Formen  viel- 
fache Verschiedenheiten  auf.  Die  mannigfaltigen  Furchungstypen  sind 
hiebei  nicht  auf  die  einzelnen  Unterabtheilungen  der  Crustaceengruppe 
regelmässig  vertheilt,  sondern  es  zeigen  sich  oft  verschiedene  Furchungs- 
arten  bei  nächstverwandten  Formen.  Ein  Beispiel  hiefür  liefert  die 
Gattung  Gammarus,  innerhalb  welcher  die  einzelnen  Species  hinsicht- 
lich der  Furchung  gewisse  Unterschiede  aufweisen,  welche  allerdings  nach 
den  Mittheilungen  von  Della  Valle  (No.  76)  nicht  so  bedeutend  sind, 
als  man  nach  den  älteren  Beobachtungen  von  La  Valette  St.  George 
(No.  77),  sowie  Van  Beneden  (No.  1)  und  Bessels  (No.  2)  anzunehmen 
berechtigt   war.    Aehnliche  Beispiele  Hessen   sich   aus  der  Gruppe   der 

21* 


312 


XV.  Capitel. 


parasitischen  Copepoden  und  der  Cladoceren  anführen.  In  letzterer 
Gruppe  zeigt  sich  besonders  deutlich,  wie  die  Menge  des  vorhandenen 
Nahrungsdotters  und  die  Möglichkeit  einer  anderweitigen  Versorgung  des 
Eies  mit  Nährmaterial  von  Einfluss  auf  den  Furchungstypus  ist.  Bei 
manchen  Formen  weist  hier  das  nahrungsdotterreiche  Wintere!  einen 
anderen  Furchungstypus  auf,  als  das  dotterarme  Sommerei,  welchem 
während  der  ganzen  Dauer  seiner  Embryonalentwicklung  von  Seiten  der 
Mutter  flüssige  Nahrungssubstanzen  durch  den  eiweissführenden  Inhalt  des 
Brutraums  zugeführt  werden  (Weismann,  Claus).  Wir  können  bei  den 
Crustaceen  im  Allgemeinen  vier  Furchungstypen  *)  unterscheiden: 

I.  Typus.  Eier  mit  reiner  totaler  und  äqualer  Furchung.  Dieser 
Furchungstypus  steht  unter  den  Crustaceen  ganz  vereinzelt  da.  Er- 
findet sich  aber  an  dem  sehr  dotterarmen  Eie  von  Lucifer  (Brooks 
Nr.  43,  Fig.  226).  Hier  bildet  sich  nach  einer  äusserst  regelmässig  ab- 
laufenden Furchung  eine  aus  wenigen  Zellen  bestehende  Coeloblastula 
(Fig.  226  B)  mit  geräumiger ,  centraler  Furchungshöhle ,  aus  welchem 
Stadium  eine  ungemein   ursprüngliche  Invaginationsgastrula  (Fig.  226  C) 


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Fig.  226.     Drei  Entwicklungsstadien  des  Eies  von  Lucifer  (nach  Brooks). 

A  achtteiliges  Furchungsstadium,  B  Blastulastadium  mit  centraler  Furchungshöhle, 
C  Gastrulastadium,  d  dotterhaltige  Theilstücke  von  der  Zelle  c  stammend. 

hervorgeht.  Alle  Zellen  erscheinen  anfangs  gleich  gestaltet  und  in  gleicher 
Weise  mit  Dotterkörnchen  versehen.  Zu  Beginn  des  Invaginations- 
processes  jedoch  zeichnet  sich  eine  am  vegetativen  Pol  gelegene  Zelle 
(Fig.  226  B  c)  durch  ihren  grösseren  Dotterreichthum  aus.  Durch  Thei- 
lung  trennen  sich  von  derselben  zunächst  zwei,  dann  vier  Theilstücke  ab, 
(Fig.  226  Cd),  welche,  aus  dem  Verband  des  Entoderms  rückend,  im 
Inneren  der  primären  Leibeshöhle  am  Gipfel  der  Urdarmeinstülpung  ge- 
legen sind.  Die  Bedeutung  dieser  Theilstücke  ist  noch  unklar  (vgl. 
unten  pag.  330). 

II.  Typus.  Eier  mit  anfänglich  totaler,  in  späteren  Stadien 
superfizieller  Furchung.  Dieser  Typus  ist  unter  den  Crustaceen  vielfach 
verbreitet.  Die  Furchung  beginnt  hier  mit  einem  totalen  und  in  den 
meisten  Fällen  auch  äqualen  Zerklüftungsprocess  (vgl.  Fig.  227  B  u.  C). 
Das  Ei  zerfällt  zunächst  in  2,  4,  8,  16  gleich  grosse  Furchungskugeln, 
welche  in  ganz  gleichmässiger  Weise  mit  Dotterkügelchen  erfüllt  sind. 
Im  Inneren   dieser  Furchungskugeln   liegt  ein  Zellkern,   der  von   einer 


l)  Es  muss  erwähnt  werden,  dass  J.  Ndsbadm  (No.  39)  für  die  Crustaceen  in 
ähnlicher  Weise  wie  wir  vier  Furchungstypen  unterscheidet.  Doch  stimmen  die  von 
ihm  aufgestellten  Typen  I  und  II  mit  unseren  nicht  überein. 


Crustaceen.  313 

sternförmigen,  zahlreiche  Ausläufer  entsendenden  Protoplasmamasse  um- 
geben ist.  Je  weiter  die  Furchung  fortschreitet,  um  so  mehr  nähern  sich 
diese  einzelnen  Furchunoskerne  der  Oberfläche  des  Eies.  In  Folge  dessen 
verlieren  dieselben  die  Fähigkeit,  die  nach  dem  Inneren  sich  erstreckenden 
Theile  der  prismatischen  Furchungszellen  zu  beherrschen.  Es  resultirt 
hieraus  ein  Stadium,  an  welchem  wir  an  der  Oberfläche  durch  Furchen 
getrennte  Zellregionen  erkennen,  während  im  Inneren  des  Eies  die  Zell- 
antheile  untereinander  verschmolzen  sind  (Fig.  227  D).  Die  Furch ung 
ist  eine  super ficielle  geworden.  Gleichzeitig  vollzieht  sich  eine 
immer  schärfere  Sonderung  des  Bildungsdotters  vom  Nahrungsdotter.    Die 

R  v  B 


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Fig.  227.     Furchung  von  Branchipus  (nach  A.  Brauer). 

A  Befruchtung,  B  und  C  jüngere  Stadien  mit  totaler  Furchung,  I)  älteres  Stadium 
mit  superficieller  Furchung,  c  Dotterhäutchen,  d  secundäre  Eischale,  /  Furchungshöhle, 
pf  weiblicher  Pronucleus,  pm  männlicher  Pronucleus,  r  Eichtungskörperchen. 

Zellen  an  der  Oberfläche  enthalten  schliesslich  bloss  mehr  Bildungsdotter  und 
grenzen  sich  durch  eine  deutliche  Linie  gegen  den  Nahrungsdotter  ab. 
Wir  erhalten  so  zum  Schlüsse  ein  Blastulastadium  (Fig.  228  D),  welches 
aus  einer  an  der  Oberfläche  gelegenen,  gleichmässigen  Zellenlage  und 
einer  inneren  (nun  anscheinend  die  Furchungshöhle  erfüllenden  *)  Dotter- 


l)  Streng  genommen  liegt  der  Nahrungsdotter  nicht  in  der  Furchungshöhle, 
sondern  nimmt  einen  beträchtlich  grösseren  Raum  ein,  als  die  ursprüngliche  Furchungs- 
höhle besass.  Wir  müssten  daher  eigentlich  an  dem  Nahrungsdotter  zwei  Parthien 
unterscheiden:  eine  centrale,  welche  den  Raum  der  ursprünglichen  Furchungshöhle 
erfüllt,  und  eine  periphere,  welche  den  verschmolzenen  proximalen  Theilen  der  Bla- 
stomeren entspricht.  Nur  die  distalen  Hälften  der  Blastomeren  sind  in  die  Bildung  des 
Blastoderms  eingegangen. 


314  XV.  Capitel. 

masse  besteht.  An  letzterer  kann  man  meist  keine  deutliche  Abgrenzung 
des  den  einzelnen  Blastodermzellen  zugehörigen  Antheils  mehr  erkennen. 
Doch  finden  sich  Andeutungen  dieser  Abgrenzung  erhalten  durch  radiäre 
Furchen,  die  sich  besonders  deutlich  bei  dem  dem  folgenden  Furchungs- 
typus zugehörigen  Ei  von  Astacus  (Fig.  232,  pag.  318)  vorfinden,  wo  die 
centrale  Dottermasse  in  die  sog.  primären  oder  Rathke'schen 
Dotterpyramiden  (später  von  Lereboullet  (No.  58)  und  Bobretzky 
(No.  41)  beobachtet)  und  einen  rundlichen  Centralkörper  (Reichenbach 
No.  64,  65)  zerfällt.  Die  Dotterpyramiden  stellen  hier  die  Dotterantheile 
der  einzelnen  Blastomeren  dar,  während  der  Centralkörper  ungefurchte 
Dottermasse  repräsentirt ,  welche  die  eigentliche  Furchungshöhle  erfüllt. 
Aehnliche  Dotterpyramiden  wurden  von  Bobretzky  bei  Palaemon  beob- 
achtet, wo  sie  jedoch  im  Centrum  des  Eies  untereinander  verschmolzen 
erscheinen.  In  gleicher  Weise  verhalten  sich  Alpheus,  Palaemonetes 
und  Hippa  (nach  Herrick). 

Es  wurde  beobachtet,  dass  in  einzelnen  Fällen  nicht  sämmtliche  Furchungs- 
kerne  an  die  Oberfläche  rücken,  um  das  Blastoderm  zu  bilden,  sondern  dass 
einzelne  in  der  centralen  Dottermasse  zurückbleiben  können  (Atyephyra 
Ischikawa;  Crangon  Kixgsley  No.  53).  Die  Bedeutung  dieser  Zellen  ist 
noch  nicht  ganz  klar.  Kixgsley  glaubt,  dass  wir  es  mit  Nachzüglern  zu 
tbun  haben,  welche  sich  beim  Process  der  Blastodermbildung  verspätet  haben. 
Möglicherweise  sind  sie  jedoch  als  frühzeitig  auftretende  Vitellophagen  (vgl. 
unten  pag.  336)  zu  betrachten. 

Eine  sehr  ursprüngliche  Furchungsart,  welche  diesem  oben  beschriebenen 
Typus  einzureihen  ist ,  finden  wir  nach  den  noch  nicht  veröffentlichten  Be- 
obachtungen von  A.  Brauer  bei  Branchipus  (Fig.  227).  Diese  Form 
zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  der  totale  Furchungstypus  lange  Zeit  verfolgt 
wird  und  erst  in  späten  Stadien  dem  superficiellen  den  Platz  einräumt *), 
und  dass  es  zum  frühzeitigen  Auftreten  eines  sich  allmählich  vergrössernden 
Blastocoels  (f)  kommt.  Letzteres  ist  bei  Crustaceeneiern  des  vorliegenden 
Furchungstypus  in  der  Regel  nicht  zu  beobachten.  Die  prismatischen  oder 
pyramidalen  Blastomeren  stossen  meist  im  Centrum  aneinander. 

Bei  genauerem  Studium  dotterreicher  Crustaceeneier ,  welche  diesem 
Furchungstypus  zugehören .  kann  man  bemerken ,  dass  die  Blastomeren  oft 
schon  in  den  ersten  Stadien  kaum  mehr  im  Stande  sind,  die  ihnen  zukom- 
mende Nahrungsdottermasse  beisammen  zu  halten  und  ein  Zusammenfliessen 
mit  benachbarten  Blastomeren  zu  vermeiden.  In  einzelnen  Fällen  kann  man 
ein  förmliches  Ringen  der  Blastomeren  nach  dieser  Dotterbeherrschung  con- 
statiren.  So  fand  Ischikawa  (No.  51)  für  Atyephyra,  dass  nach  der  Zwei- 
theilung die  beiden  Blastomeren  wieder  vollständig  zu  einer  einzigen  ellipsoidischen 
Masse  zusammenfliessen.  Ebenso  wird  die  Viertheilung  durch  eine  Sonderung 
der  vier  Blastomeren  eingeleitet,  welche  jedoch  bald  ihre  Selbstständigkeit 
aufgeben,  um  mit  einander  völlig  zu  verschmelzen.  Erst  in  späteren  Stadien 
bleiben  die  Blastomeren  selbstständig.  In  das  Bereich  dieser  Störungen 
scheint  auch  der  eigentümliche  Furchungstypus  zu  fallen,  welchen  Paul 
Mayer  (No.  59)  bei  Eupagurus  Prideauxii  beobachtet  hat  (Fig.  228). 
Hier    theilt    sich    zunächst   der    erste  Furchungskern    in  zwei,    vier  und  acht 


J)  Nach  neueren,  inzwischen  fortgeführten  Untersuchungen  von  Db.  Brauer 
scheinen  sich  die  Verhältnisse  bei  Branchipus  insoferne  etwas  anders  zu  gestalten, 
als  das  letzte,  als  superficielle  Furchung  gedeutete  Stadium  (Fig.  227  D)  bereits  in  das 
Stadium  der  Keimblätterbildung  getreten  ist  und  die  Furchungshöhle  durch  das  Ein- 
wandern von  Entodermzellen  erfüllt  wird. 


Crustaceen. 


315 


c 


D 


Kerne,  ohne  dass  es  zu  einer  Trennung  der  einzelnen  Blastomeren  kommt; 
erst  dann  tritt  eine  anfangs  totale  Durchfurchung  des  Eies  auf.  Vom  16- 
zelligen  Stadium  an  folgt  das  Ei  dann  schon  dem  superficiellen  Typus. 

Ausser  den  angeführten  For- 
men (Branchipus,    Atyephyra,  Eu-  A  B 
pagurus)    gehören    noch    folgende 
Crustaceeneier   diesem   Furchungs- 
typus   zu:    1)    die  Sommer  eier 
mancher  Cladoceren  (Polyphe- 
mus  und  Bythotrephes  nach  Weis- 
mann und  Ischikawa  (No.  6),  letz- 
tere Form  mit  Blastocoel).    2)  Die 
Eier    der    Ostracoden    (Cypris 
reptans      nach      Weismann      und 
Ischikawa    No.  6).     3)    Die  Eier 
der      freilebenden      Copepoden 
(nach   Claus   No.  18,   19;    Hoek 
No.  22,   Cetochilus  nach  Grobben 
No.  21,   Cetochilus   und  Harpacti- 
cus     nach     Van     Beneden      und 
Bessels  No.  2).     4)  Chondracan- 
thus  unter  den  parasitischen  Cope- 
poden   (nach    Van    Beneden    und 
Bessels).     5)  Die  meisten  Amphi- 
poden    (nach    den    Beobachtungen 
von  Ul janin  (No.    75),    Pereyas- 
lawzewa  und  Rossi.iskaya  (No.  70 
bis  73).      Für    die    einzelnen    Gammarusarten 
obachtungen    von   La    Valette    St.    George 
Bessels    (No.    1    u.    2)    eine    beträchtliche 
kennen  zu  können,  indem 
Gammarus     locusta     sich 
nach     dem     vorliegenden 
Typus  furchen  sollte,  wäh- 
rend   die  Süsswasserarten 
(G.  pulex   und  fluviatilis) 
unserem     dritten     Typus 
angehören  sollten.     Doch 
hat  Della  Valle  (No.  76) 
in  Bestätigung  älterer  Be- 
obachtungen    Leydig's 
nachgewiesen ,    dass   auch 
bei  letzteren  die  Furchung 
in     den     ersten     Stadien 
eine  totale  ist,  so  dass  wir 
sämmtliche        Gammarus- 
arten dem  in  Rede  stehen- 
den   Furchungstypus    zu- 
rechnen müssen.     6)  Viel- 
leicht sind  noch  mehrere  Decapoden  hieherzurechnen,  so  ausser  Eupagurus 
und  Atyephyra  möglicherweise  auch  Palaemon  (nach  Bobretzky  No.  41) 
und  Palaemon  et  es  (nach  W.  Faxon  No.  46). 


Fig.  228.  Vier  Furchungsstadien  von 
Eupagurus  Prideauxii  (nach  P.  Mayer,  aus 
Balfour's  Handbuch). 

bl  das  fertig  ausgebildete  Blastoderm. 


glaubte    man    nach    den   Be- 

(No.    77),    Van   Beneden   und 

Differenz    der   Furchungsart   er- 


Fig.  229.  Drei  aufeinander  folgende  Furchungs- 
stadieii von  Baianus  (nach  Lang). 

A  Stadium  der  Zweitheilung,  B  die  obere  Zelle  a 
hat  sich  in  zwei  getheilt,  C  dieselbe  hat  sich  in  vier 
Zellen  getheilt. 


316  XV.  Capitel. 

Diesem  Furchungstypus  schliessen  sich  vielleicht  auch  die  Cirripedien 
an,  deren  erste  Entwicklungsstadien  ziemlich  eigenartig  abzulaufen  scheinen. 
Bei  Baianus  (Lang  No.  28,  Hoek  No.  27,  Nassonow  No.  13  u.  29,  Nuss- 
baüm  No.  30,  31)  scheint  die  Furchung  anfangs  eine  totale,  aber  etwas 
inäquale  zu  sein  (Fig.  229),  so  dass  wir  den  seltenen  Fall  einer  inäqualen 
Furchung  bei  Crustaceen  vorliegen  hätten.  Das  längliche  Ei  weist  einen  ab- 
gerundeten und  einen  spitzen  Pol  auf.  Durch  die  erste  Furche,  welche  quer 
oder  etwas  schräg  verläuft,  zerfällt  das  Ei  in  zwei  ungleiche  Furchungskugeln. 
von  denen  die  vordere,  ausschliesslich  aus  Bildungsdotter  bestehende  (a)  das 
spätere  Ectoderm  liefert,  während  die  dem  spitzen  Pol  genäberte,  nahrungs- 
dotterreiche  Kugel  (6)  die  Elemente  des  Mesoderms  und  Entoderms  erzeugt. 
Zunächst  theilt  sich  nun  die  Ectodermkugel  und  liefert  eine  kappenförmige 
Zellansammlung  (Fig.  229  B,  C),  welche  allmählich  die  nahrungsdotterreiche 
Kugel  umwächst  (pag.  329  Fig.  236  A).  Dieses  Umwachsen  wurde  als  epi- 
bolische  Gastrulation  gedeutet  (Lang).  Es  muss  aber  noch  fraglich  sein,  ob 
wir  mit  dieser  Deutung  das  Richtige  treffen.  Nach  Abbildungen  Nassonow' s 
(No.  13)  scheint  es,  dass  zum  Schluss  der  Blastodermbildung  auch  aus  der 
centralen  Nahrungsdotterkugel  die  zelligen  Elemente  ausgeschieden  werden 
und  sich  mehr  oberflächlich  in  der  Umgebung  des  von  der  Umwachsung  zu- 
letzt betroffenen  Punktes  (Blastoporus  Lang,  Nassonow)  anhäufen.  Wir 
hätten  dann  vielleicht  doch  nur  einen  modificirten  Vorgang,  welcher  auf  eine 
anfangs  totale ,  später  superfizielle  Furchung  zurückzuführen  wäre.  Das 
Gastrulastadium  wäre  erst  später  bei  dem  Auftreten  einer  kleinen  Einsenkung 
der  Oberfläche  (pag.  329  Fig.  236  B,  bl)  an  dem  erwähnten  Punkte  und  einer 
gleichzeitigen  Einwanderung  der  Entodermzellen  (m)  in  die  Nahrungsdotter- 
masse zu  suchen.  Diese  Art  der  Blastodermbildung  würde  sich  jenen  Fällen 
von  superficieller  Furchung  anschliessen,  bei  der  das  Blastoderm  ursprünglich 
nur  als  Scheibe  auftritt.  Es  würde  sich  von  dieser  aber  dadurch  unterscheiden, 
dass  der  Punkt,  an  welchem  diese  Scheibe  auftritt,  hier  dem  späteren  Blasto- 
porus gegenüberliegt,  während  er  in  den  übrigen  Fällen  mit  demselben 
zusammenfällt.     (Vgl.  pag.  319.) 

Etwas  anders  verläuft  die  Furchung  bei  Sacculina  (Van  Beneden  No.  25, 
Kossmann).  Hier  vollzieht  sich  die  Trennung  des  Biblungsdotter-  und 
Nahrungsdotterantheils  erst  im  -Izelligen  Stadium ,  welches  durch  totale  und 
regelmässige  Furchung  erreicht  wurde.  Wir  haben  dann  vier  aus  Bildungs- 
dotter bestehende  Micromeren  und  vier  nahrungsdotterreiche  Macromeren. 
Während  die  Micromeren  durch  Theilung  sich  vermehren  und  als  Blastoderm- 
schicht  die  Oberfläche  des  Eies  umwachsen,  tritt  eine  Fusion  der  Macromeren 
zu  einer  einheitlichen  centralen  Nahrungsdottermasse  ein.  Die  von  Koss- 
mann beobachtete  Dotterfurchung  scheint  auch  hier  ein  den  späteren  Stadien 
zukommender,  seeundärer  Vorgang  zu  sein.  Da  die  Furchung  von  Sacculina 
sich  an  unseren  unten  (pag.  319)  unterschiedenen  Typus  IIb  anzuschliessen 
scheint,  so  wird  hiedurch  die  oben  gewählte  Auffassung  der  Furchung  von 
Baianus  gestützt. 

III.  Typus.  Eier  mit  rein  superficieller  Furchung.  Hier  fehlt  dem 
Bildungsdotter  von  allem  Anfange  an  die  Fähigkeit  zur  Beherrschung  der 
Nahrungsdottermasse.  Der  im  Centrum  des  Eies  gelegene  erste  Furchungs- 
kern  (Fig.  230  Ä)  theilt  sich  in  regelmässiger  Weise  in  2,  4,  8  etc. 
Furchungskerne  (Fig.  2301?—  D,  Fig.  231^4),  welche  von  strahligen  Proto- 
plasmaanhäufungen umgeben  sind.  Es  kommt  aber  nicht  zur  Abgrenzung 
der  einzelnen  Zellterritorien  durch  das  Auftreten  durchschneidender 
Furchen.    In  einzelnen  Fällen  sind  jedoch  diese  Furchen  als  Einkerbungen 


Crustaceen. 


317 


der  Eioberfläche  (Fig.  230  E)  schon  in  frühen  Stadien  angedeutet.  Je 
mehr  die  Furchungskerne  an  Zahl  zunehmen,  um  so  mehr  rücken  sie 
nach   der  Oberfläche  (Fig.  230  D  u.  331  B),   und  schliesslich  bildet  sich 


Fig.  230.  Schematische  Darstellung  der  Furchung  von  Callianassa  sub- 
terranea  (nach  Mereschkowski). 

In  den  Stadien  F — H  ist  der  Nahrungsdotter  auf  den  centralen  Antheil  des  Eies 
beschränkt. 

hier  ein  gleichförmiges  Blastoderm  auf  dieselbe  Weise,  wie  wir  dies  für 
den  IL  Typus  geschildert  haben  (Fig.  230  F—H). 

Man  hat  vielfach  die  hier  im  Inneren  des  Eies  sich  vollziehende  Thei- 
lung  der  Furchungskerne  und  das  Auseinanderrücken  der  dieselben  umgeben- 
den sternförmigen  Plasmainseln  als  Furchung  bezeichnet.     Ja,  man  hat  diese 


B 


/■■ 


Fig.  231.     Zwei  Furchungsstadien  des  Astaeus-Eies  (nach  Mokin). 

A  jüngeres  Stadium  mit  spärlichen  Furchungskernen  im  Inneren,  B  älteres  Stadium 
mit  oberflächlicher  Vertheilung  der  Furchungskerne  und  dementsprechend  welliger 
Oberfläche. 


Plasmainseln  selbst  als  Furchungszellen  benannt,  welche  dann  in  einen 
gewissen  Gegensatz  zur  Nahrungsdottermasse  gestellt  erscheinen.  Insoferne 
wir  aber  dem  gesammten  Eie  den  Werth  einer  Zelle  zuerkennen  und  die 
bei  der  totalen  Furchung  aus  demselben  hervorgehenden  2,  4,  8  etc.  geson- 
derten Furchungskugeln  als  Zellen  betrachten,  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein, 


318 


XV.  Capitel. 


dass  wir  diese  als  „Furchungszellen"  bezeichneten  Plasmainseln  nicht  als  voll- 
werthige  Blastomeren  anerkennen  dürfen.  Sie  repräsentiren  nur  die  Centreu 
von  Blastomeren,  deren  Territorien  wegen  des  Ausfalls  der  Furchung  nicht 
abgegrenzt  sind.  Das  Ei  steht  in  den  ersten  Stadien  der  superficiellen 
Furchung  auf  der  Stufe  einer  mehrkernigen  Zelle.  Diese  Anschauung  wird 
gestützt  durch  die  mehrfach  beobachtete  Thatsache,  dass  die  sogenannten 
n  Furchungszellen*'  durch  ein  Reticulum  feiner  Plasmaausläufer  unter  einander 
in  Verbindung  stehen.  Wenn  wir  nun  unter  Furchung  hier  wie  überall  den 
Act  der  Abgrenzung  gesonderter  Zellterritorien  verstehen,  so  ergiebt  sich, 
dass  der  Ausdruck  superficiale  Furchung  für  den  vorliegenden  Typus 
ein  zutreffender  ist,  da  die  Furchung  sich  thatsächlich  hier  bloss  auf  die 
oberflächlichen  Parthien  des  Eies  erstreckt. 


Ä 


B 


Fig.  232.  Spätere  Furchungsstadien  des  Astacuseies  (nach  Reichenbach,  aus 
Hatschek's  Lehrbuch). 

A  Durchschnitt  eines  Furchungsstadiums.  Das  Protoplasma  hat  sich  an  der 
Oberfläche  angesammelt.  Der  Nahrungsdotter  ist  in  einzelne  Dotterpyramiden  getheilt. 
Im  Inneren  der  Centralkörper.  B  späteres  Stadium,  die  Blastodermzellschicht  (1)  hat 
sich  von  den  Dotterpyramiden  (2)  gesondert, 


Dieser  Furchungstypus  ist  gleichfalls  bei  den  Crustaceen  sehr  verbreitet. 
Wir  finden  ihn:  1)  bei  den  Sommereiern  vieler  Cladoceren  (Moina, 
Daphnia,  Sida,  Leptodora,  Daphnella  nach  Weismann  und  Ischikawa  No.  6) 
und  bei  sämmtlichen  Wintereiern  (Moina,  Daphnia,  Sida,  ßythotrephes, 
Polyphemus,  Leptodora  nach  Weismann  und  Ischikawa  No.  16).  Es  giebt 
hienach  unter  den  Cladoceren  eine  Reihe  von  Formen  (ßythotrephes,  Poly- 
phemus), deren  Soramereier  sich  nach  dem  II.  Typus  furchen,  während  die 
Wintereier  den  III.  Typus  einhalten.  2)  bei  mehreren  Isopoden:  Asel- 
lus1)  nach  Van  Beneden  (No.  79),  Porcellio  nach  Reinhard  (No.  91)  und 
Roüle  (No.  92).  Vielleicht  ist  dieser  Furchungstypus  unter  Isopoden-Eiern 
verbreiteter,  als  man  bisher  angenommen.     3)  bei  Penaeus  (nach  Haeckel 


*)  Nach  neueren,  nicht  ganz  klaren  Mittheilungen  von  Roule  (No.  92)  möchte  es 
scheinen,  als  wenn  die  Furchung  von  Asellus  anfangs  eine  totale  und  erst  später 
eine  superficielle  wäre.  Dagegen  hebt  Van  Beneden  (No.  79)  ausdrücklich  hervor,  dass 
anfangs  bloss  eine  Vermehrung  der  Kerne  im  Inneren  des  Dotters  vor  sich  geht,  dass 
diese  Kerne  sich  später  an  der  Oberfläche  des  Eies  verbreiten,  und  dass  daselbst  eine 
Abgrenzung  der  einzelnen  Zellterritorien  stattfindet,  während  im  Inneren  eine  un- 
gefurchte Dottermasse  zurückbleibt.  Es  kann  demnach  nicht  zweifelhaft  sein,  dass 
Asellus  unserem  III.  Typus  angehört. 


Crustaceen.  3] 9 

No.  47),  Callianassa  subterranea  (nach  Mereschkowski  No.  60),  Astacus 
(nach  Morin  No.  61),  Homarus  nach  Herrick  (No.  50a). 

Es  ist  von  grosser  Wichtigkeit,  bei  der  als  Abschluss  der  super- 
ficiellen  Furchung  erfolgenden  Blastodermbildung  zwei  Unterarten  scharf 
auseinanderzuhalten,  welche  im  Folgenden  mit  a  und  b  bezeichnet 
werden  sollen: 

a)  Mit  allseitig  gleichzeitig  erfolgender  B 1  a  s  1 0  d  e  r  m  - 
b  i  1  d  11  n  g.  Die  Entwicklung  des  Blastoderms  geht  an  der  ganzen  Ober- 
fläche des  Eies  gleichzeitig  vor  sich,  z.  B.  bei  Astacus,  Branchipus,  den 
freilebenden  Copepoden. 

b)  Mit  vorzeitiger  Entwicklung  des  Blastoderms  an 
der  Ventralseite  des  Eies.  Die  Blastodermbildung  beginnt  an 
einem  Punkte  der  Eioberfläche  und  schreitet  von  hier  aus  allmählich  vor. 
Dabei  entspricht  der  Beginn  der  Blastodermbildung  stets  der  späteren 
Ventralseite  des  Eies  und  bei  den  Decapoden  dem  hintersten  Ende  der 
Ventralseite  oder  jener  Stelle,  an  welcher  später  die  Gastrulaeinstülpung 
auftritt.  Dies  ist  für  Palaemon  und  Eriphia  beobachtet,  wo  die  Blasto- 
dermbildung im  ganzen  Umkreise  des  Eies  erst  vollendet  wird  und  an 
der  Dorsalseite  zum  Abschlüsse  kommt,  wenn  an  der  Ventralseite  schon 
die  Embryonalanlage  zu  erkennen  ist. 

Da  die  erwähnten  Modificationen  der  Blastodermbildung  sowohl  bei  un- 
serem Typus  II,  als  auch  bei  Typus  III  sich  vorfinden,  so  ergeben  sich  hier- 
aus vier  Untertypen  (IIa,  IIb,  lila,  III b)  der  Furchung,  welche  im  Einzelnen 
besprochen  zu  werden  verdienen. 

Typus  IIa.  Mit  anfangs  totaler,  später  superficieller  Furchung  und 
allseitig  gleichzeitig  erfolgender  Blastodermbildung;  Branchipus,  freilebende 
Copepoden,   Sommereier  von  Polyphemus  und  Bythotrephes,  Eupagurus. 

Typus  IIb.  Mit  anfangs  totaler,  später  superficieller  Furchung  und 
vorzeitiger  Entwicklung  des  Blastoderms  an  der  Ventralseite.  Dieser  Furchungs- 
typus  ist  unter  den  Amphipoden  ungemein  verbreitet.  Da  bei  diesem  Typus 
die  Zellen  an  der  späteren  Ventralseite  sich  rascher  theilen  und  daselbst 
frühzeitig  eine  Abtrennung  der  Blastodermzellen  von  dem  Nahrungsdotteran- 
theil  eintritt,  so  ergiebt  sich  ein  beträchtlicher  Grössenunterschied  zwischen 
den  Zellen  der  Ventralseite  und  den  noch  grossen,  dotterreichen  der  späteren 
Dorsalseite.  Man  sieht,  dass  dieser  Furchungstypus,  für  den  die  verschiede- 
nen Amphipoden  (vor  Allem  Gammarus  locusta  nach  van  Beneden  und 
Bessels  No.  2)  ein  Beispiel  liefern ,  in  seinen  ersten  Stadien  sehr  an  die 
totale  inäquale  Furchung  erinnert.  Aber  es  ergiebt  sich  ein  wesentlicher 
Unterschied  in  dem  Umstände,  dass  hier  der  Pol  der  kleinen  Zellen  der  ve- 
getativen Eihälfte  angehört,  jenem  Theil  der  Oberfläche,  an  welchem  sich 
später  die  Entodermbildung  geltend  macht,  während  die  grösseren  Zellen 
mehr  der  animalen  Sphäre  (der  späteren  Dorsalseite)  angehören.  Allerdings 
scheinen  die  beiden  hier  verglichenen  Axen  (animal  —  vegetativ  und  klein- 
zellig —  grosszellig)  nicht  zusammenzufallen,  sondern  sich  schräg  zu  kreuzen 
(vgl.  unten  pag.  343). 

Typus  III a.  Mit  rein  superficieller  Furchung  und  allseitig  gleichzeitig 
erfolgender  Blastodermbildung.  Viele  Decapoden  (Penaeus,  Astacus,  Callia- 
nassa), sämmtliche  Wintereier  und  viele  Sommereier  der  Cladoceren. 

Typus  III  b.  Mit  rein  superficieller  Furchung  und  vorzeitiger  Ent- 
wicklung des  Blastoderms  an  der  Ventralseite  des  Eies.  Hier  treten  von  den 
zahlreichen  im  Inneren  des  Dotters  befindlichen  Elementen  zunächst  einige  an 


320  xv-  Capitel. 

eine  bestimmte  Stelle  der  Oberfläche  des  Eies,  um  sich  daselbst  zu  Blasto- 
dermzellen  umzugestalten.  Es  entsteht  so  eine  kleine  Blastodermscheibe, 
welche  der  Lage  nach  der  späteren  Ventralseite  entspricht  und  sich  allmäh- 
lich vergrössert,  indem  an  ihrer  Peripherie  immer  neue  Elemente  aus  dem 
Inneren  des  Dotters  auftauchen  und  sich  zu  Blastodermzellen  umgestalten.  Es 
ergiebt  sich  hieraus,  dass  dieser  Fall  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  gleich  zu 
besprechenden  discoidalen  Furchung  haben  muss.  Der  Unterschied  zwischen 
beiden  Typen  besteht  darin,  dass  in  dem  einen  Falle  (III b)  das  Anwachsen 
der  Blastodermscheibe  auf  einem  Hinzutreten  neuer  aus  dem  Inneren  kom- 
mender Elemente  beruht,  während  bei  der  echten  discoidalen  Furchung  (IV) 
die  Vergrösserung  derselben  ausschliesslich  durch  Theilung  der  bereits  in  der 
Blastodermscheibe  vorhandenen  Elemente  sich  vollzieht.  Da  bisher  in  vielen 
Fällen,  in  welchen  man  das  Vorkommen  einer  discoidalen  Furchung  bei 
Crustaceen  behauptet  hat,  die  Beobachtung  nicht  unter  systematischer  An- 
wendung der  Schnittmethode  ausgeführt  wurde,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  man  häufig  die  discoidale  Furchung  und  den  vorliegenden  Furchungs- 
typus  verwechselt  hat.  So  ist  es  uns  wahrscheinlich,  dass  die  meisten  para- 
sitischen Copepoden,  denen  Vax  Beneden  und  Bessels  (No.  2)  eine  discoidale 
Furchung  zuschreiben ,  thatsächlich  sich  nach  dem  Typus  III  b  entwickeln. 
Das  Gleiche  ist  möglicherweise  bei  den  Isopoden  (Oniscus,  Ligia x),  für  welche 
von  Bobeetzky  (No.  80)  und  Van  Beneden  (No.  1)  die  discoidale  Furchung 
behauptet  worden  war)  der  Fall.  Ja,  es  ist  gerechtfertigt,  die  Frage  aufzu- 
werfen, ob  echte  discoidale  Furchung  bei  den  Crustaceen  überhaupt  vorkommt, 
oder  ob  bei  genauerer  Untersuchung  der  IV.  Furchungstypus  in  den  Typus 
III  b  vollkommen  aufgehen  dürfte.  Auch  unter  den  Decapoden  folgen  einige 
diesem  letzteren  Typus,  so  Homarus,  Eriphia  und  vielleicht  auch  Palaemon. 
Letztere  Gattung  ist  möglicherweise  mit  Rücksicht  auf  die  in  den  ersten 
Stadien  totale  (?)  Furchung  ebenso  wie  Atyephyra  unserem  Typus  IIb  zu- 
zurechnen. 

IV.  Typns.  Eier  mit  discoidaler  Furchung.  Bei  den  bisher  be- 
trachteten Furchungstypen  laufen  zwei  Processe  gleichzeitig  nebeneinander 
her:  1)  die  Vermehrung  der  Elemente,  2)  die  Loslösung  der  Blastomeren 
vom  Nahrungsdotter  (Trennung  des  plastischen  vom  nutritiven  Antheil 
des  Eies).  In  dem  bei  Typus  II  und  III  zum  Schlüsse  resultirenden 
Blastulastadium  finden  wir  dann  eine  oberflächliche,  aus  zahlreichen  Zellen 
gebildete  Epithel  Schicht  und  im  Inneren  eine  Nahrungsdottermasse,  in 
der  sich  in  der  Regel  keine  Zellkerne  oder  sonstige  plastische  Antheile 
mehr  vorfinden.  Denken  wir  uns  nun  jene  Trennung  der  Blastomeren 
vom  Nahrungsdotter  in  die  frühesten  Furchungsstadien  verlegt,  so  ge- 
langen wir  zu  einer  Erklärung  für  die  discoidale  Furchung,  wie  dieselbe 
fi'u  Mysis  (Van  Beneden  No.  37,  Nusbaum  No.  38,  39)  und  Ciima 
(Blanc  No.  35)  sowie  einige  andere  Formen  beobachtet  worden  ist.  Hier 
löst  sich  schon  die  erste  Furchungszelle  vollständig  vom  Nahrungsdotter 
ab ,  an  dessen  Oberfläche  sie  sich  lagert.  Der  Nahrungsdotter  enthält 
von  nun  an  keine  Furchungskerne  mehr.  Die  Bildung  des  Blastoderms 
geht  von  der  oberflächlich  gelagerten  Furchungszelle  aus,  welche  sich 
theilt  (Fig.  233  A)  und  so  eine  Kappe  von  Blastomeren  (Fig.  233  5) 
liefert,  die  durch  fortgesetzte  Theilung  sich  vermehren  und  allmählich 
die  ganze  Oberfläche  der  Nahrungsdotterkugel  umwachsen.    Es  entspricht 


x)  Auch   neuerdings'  wurde  noch  von  Nusbaum  für  Ligia  das  Vorhandensein 
discoidaler  Furchung  behauptet  (No.  85  a). 


Crustaceen. 


321 


hiebei  der  Ausg 
Gastrulabildung 
das  Blastoderni 
jener  ventralen 
das  Blastoderm 
hieselbst  höher 


angspunkt  der  Blastodermbildung  der  Stelle  der  späteren 
(hinteres  Ende  der  Ventralseite  des  Embryos),  während 
an  der  Dorsalseite  zuletzt  vollständig  wird.  Entsprechend 
Stelle,  von  welcher  die  Blastodermbildung  ausging,  zeigt 
von  Anfang  an  eine  dichtere  Lagerung  der  Zellen,  welche 
sind  und  eine  rundliche  Verdickung  (Keimscheibe)  bilden. 


J 


Das  Vorkommen  des  IV.  Furchungstypus  ist,  ausser  für  Mysis  und 
Cuma,  noch  für  mehrere  Isopoden  (Oniscus  nach  Bobretzky  No.  80,  Ligia 
nach  Van  Beneden  No.  1)  behauptet  worden.  Ausserdem  sollte  er  sich  bei 
zahlreichen  parasitischen  Copepoden  (Anchorella,  Caligus,  Clavella, 
Lernaea,  Lernaeopoda,  Brachiella  etc.)  finden  (Van  Beneden  und  Bessels 
No.  2).  Es  muss  jedoch  als  wahrschein- 
lich bezeichnet  werden,  dass  die  Mehrzahl 
der  hieher  gerechneten  Fälle  in  "Wirklich- 
keit dem  Typus  III  b  zuzurechnen  ist.  Mit 
der  letzteren  Annahme  würden  die  Be- 
obachtungen von  Buczynski  (No.  37  a)  in 
Uebereinstimmung  stehen,  welcher  —  wie 
aus  den  Tafeln  seiner  russisch  geschriebenen 
Arbeit  zu  ersehen  ist,  bei  Parapodopsis 
c  o  r  n  u  t  a  eine  einfache  superficielle  Furchung 
beobachtet  hat.  Wenn  wir  an  der  Aufstel- 
lung des  Typus  der  discoidalen  Furchung 
für  Crustaceen  bislang  noch  festhalten,  so 
geschieht    dies   nur  mit  Rücksicht   auf   die 


neueren    Mittheilungen    Nusbaum's  ,     nach 


Fig.  233.  Zwei  Furchungs- 
stadien  von  Mysis  (nach  Van 
Beneden)  als  Beispiel  der  dis- 
coidalen Furchung. 

A  an  der  Oberfläche  des  Dot- 
ters sind  zwei  Zellen  erkennbar, 
B  letztere  sind  durch  Theilung  ver- 
mehrt und  bilden  eine  Kappe. 


dessen  Schilderung  bei  Ligia  oceanica 
thatsächlich  ein  mit  dem  oben  für  Mysis 
geschilderten  übereinstimmender  Furchungs- 
typus vorkommen  soll  (No.  85  a). 

Der  hier  entwickelte  Typus  der  dis- 
coidalen Furchung  weist  einige  oberfläch- 
liche Aehnlichkeit    mit   jener  Art  von  dis- 

coidaler  Furchung  auf,  welche  sich  in  manchen  Thiergruppen  (z.  B.  Cepkalo- 
poden)  aus  der  totalen,  inäqualen  Furchung  herausgebildet  hat.  Bei  genauerer 
Betrachtung  ergiebt  sich  jedoch,  dass  hier  ein  eigenartiger  Process  vod 
discoidaler  Keimentwicklung  vorliegt,  welcher  sich  offenbar  im  Be- 
reich der  Crustaceen  selbstständig  aus  dem  superficiellen  Furchungs- 
typus herausgebildet  hat.  Denn  wo  sich  discoidale  Furchung  aus  der  totalen, 
inäqualen  Furchung  entwickelt  hat,  finden  wir,  dass  der  Bildungspol  der  Keim- 
scheibe dem  animalen  Pole,  ihr  allmählich  sich  ausbreitender  Rand  dem  Blasto- 
porus  und  der  Dotterpropf  dem  vegetativen  Pole  des  Eies  entspricht.  Hier  aber 
(bei  der  discoidalen  Furchung  der  Crustaceen)  liegen  die  Verhältnisse  wesent- 
lich anders.  Der  Bildungspol  der  Keimscheibe  entspricht  der  Ventralseite  des 
Embryos  und  alle  Beobachtungen  deuten  darauf  hin,  dass  auch  hier  die  Keim- 
blätterbildung, vor  Allen  der  etwas  verwischte  Process  der  Gastrulation  ein- 
geleitet wird.  Die  Umwachsung  des  Nahrungsdotters  vollzieht  sich  hier  von  der 
Ventralseite  gegen  die  Dorsalseite  zu  und  diese  Umwachsung  hat  hier  offen- 
bar mit  der  Gastrulation  Nichts  zu  thun,  weil  wir  sonst  zur  Annahme  ge- 
nöthigt  wären,  dass  bei  den  Crustaceen  mit  discoidaler  Furchung  ein  dorsal- 
wärts  sich  schliessender  Blastoporus  vorhanden  wäre,  was  mit  den  Verhält- 
nissen bei  den  übrigen  Crustaceen  in  Widerspruch  stünde. 


322  xy-  Capitel. 

Wir  werden  durch  die  erwähnten  Ueberlegungen  dazu  geführt,  in  der 
discoidalen  Furchung  der  Crustaceen  einen  extremen  Fall  des  oben  unter  III  b 
beschriebenen  Furchungstypus  zu  erblicken.  Bei  der  discoidalen  Furchung 
kommt  die  Blastodermbildung  an  dem  entsprechenden  Pole  des  Eies  so  früh- 
zeitig zur  Durchführung,  dass  die  Anlage  des  Blastoderms  ursprünglich  aus 
einer  einzigen  Blastodermzelle  besteht,  welche  durch  später  successive  er- 
folgende Theilungen  aus  sich  das  ganze  Blastoderm  hervorgehen  lässt. 

Wenn  wir  die  aus  dem  verschiedenen  Organisationsplane  der  Wirbel- 
thiere  sich  ergebenden  Differenzen  berücksichtigen,  so  erscheint  zwischen  der 
discoidalen  Furchung  der  Vertebraten  und  der  Crustaceen  ein  gewisses  Ver- 
gleichsmoment in  dem  Umstände  gegeben,  dass  in  beiden  Fällen  eine  Ver- 
lagerung der  Nahrungsdottermasse  zur  Seite  der  Hauptaxe  stattfindet  und  den 
eigentümlichen  Entvvicklungstypus  bedingt.  Bei  den  Vertebraten  mit  dis- 
coidaler  Furchung  eilt  die  Dorsalseite  des  Körpers  in  der  Entwicklung  voraus, 
während  die  Entwicklung  der  Ventralseite  durch  die  Nahrungsdotteransamm- 
lung behindert  isi.  Der  Blastoporus  ist  hier  nach  der  Dorsalseite  verlagert. 
Bei  den  Crustaceen  mit  discoidaler  Furchung  dagegen  wird  die  ventrale 
Körperseite  zuerst  angelegt  und  der  Blastoporus  nimmt,  entsprechend  dem 
Organisationsplane  dieser  Gruppe,  eine  ventrale  Lagerung  ein.  Hier  ist  die 
Dorsalseite  des  Körpers  in  ihrer  Ausbildung  durch  die  Nahrungsdotteran- 
sammlung beeinträchtigt. 

Bei  vielen  Crustaceen  findet  nach  vollendeter  Blastodermbildung  an 
der  Oberfläche  der  Blastodermzellen  die  Ausscheidung  einer  Cuticula 
statt.  Wir  bezeichnen  diese  Membran  nach  dem  Vorgange  von  Van 
Beneden  (No.  79)  als  B 1  a  s  t  o  d  e  r  m  h  a u  t  (C  u  t  i  c  u  1  a  b  1  a  s  t  o  d  e  r  m  i  c  a). 
Ihr  Auftreten  ist  wohl  nur  durch  einen  in  frühe  embryonale  Perioden 
verlegten  Häutungsprocess  zu  erklären.  Aehnliche  Membranen  werden 
bei  den  Eiern  der  Araclmiden  und  des  Limulus  abgeschieden. 

Die  Bildung  einer  Blastodermhaut  ist  vorzugsweise  bei  den  Malacostraken 
beobachtet.  Doch  wurde  sie  auch  bei  den  parasitischen  Copepoden 
durch  Van  Beneden  (No.  17)  erkannt.  In  der  Gruppe  der  Malacostraken 
scheint  sie  vielfach  verbreitet.  Wir  finden  sie  hier  beiNebalia  (Van  Be- 
neden No.  79),  bei  denCumaceen  (H.  Blanc  No.  35),  bei  vielen  Deca- 
poden  (Lereboullet  und  Reichenbach  No.  64,  65  für  Astacus,  P.  Mayer 
für  Eupagurus  No.  59,  Bobretzky  No.  41  für  Palaemon,  Kingsley  No.  53 
und  Van  Beneden  No.  79  für  Crangon,  Dohrn  für  Portunus) ,  bei  den 
Amphipoden  (Van  Beneden  und  Bessels  No.  2  für  Gammarus  locusta, 
Van  Beneden  No.  79  für  Caprella,  Uljanin  No.  75  für  Orchestia),  endlich 
bei  den  Isopoden  (Van  Beneden  für  Asellus  No.  79,  Bobretzky  No.  80 
für  Oniscus).     Für  Tanais  wird  sie  von  Dohrn  erwähnt. 

Nach  der  Bildung  dieser  Blastodermhaut  werden  bei  manchen  Crusta- 
ceen in  späteren  Embryonalstadien  noch  weitere  Häutungen  durchgemacht. 
Es  ist  dies  besonders  bei  abgekürzter  Entwicklung  der  Fall,  wo  zahl- 
reiche Entwicklungsstadien  in  das  Embryonalleben  verlegt  sind.  Die  bei 
diesen  Häutungen  gebildeten  Cuticulae  zeichnen  sich  meist  durch  den 
Extremitätenanlagen  entsprechende  Aussackungen  aus.  Man  bezeichnet 
diese  Membranen  als  Larvenhäute. 

Da  in  der  Zeit  des  Auftretens  aller  dieser  cuticularen  Membranen  ge- 
wisse Schwankungen  erkennbar  sind,  ist  es  in  den  einzelnen  Fällen  oft 
schwierig,  die  eigentlichen  Eihäute,  die  Blastodermhaut  und  später  auftretende 


Crustaceen.  323 

Larvenhäute  klar  auseinanderzuhalten,  und  die  Homologie  der  betreffenden 
Cuticularbildung  für  jeden  bestimmten  Fall  in  exacter  Weise  festzustellen. 
Doch  ist  es  zweifellos,  dass  die  bei  Ligia  von  F.  Müller  (No.  4)  beobach- 
tete und  bei  den  Arthrostraken  sehr  verbreitete  Cuticula,  ferner  die  bei 
Mysis  und  den  Decapoden  nach  Vollendung  des  Naupliusstadiums  sich 
entwickelnde  Haut  die  Bedeutung  von  Larvenhäuten  haben  (vgl.  Van 
Beneden  No.  79).  Bei  den  Decapoden  kommt  es  vielfach  noch  zur  Ent- 
wicklung einer  zweiten,  in  späteren  Stadien  auftretenden  Larvenhaut,  von 
welcher  die  ausschlüpfenden  Zoeen  umhüllt  erscheinen  und  welche  von 
Conn  als  Cuticula  des  Protozoeastadiums  in  Anspruch  genommen  wurde.  Bei 
den  Anchorellen  und  Lernaeopoden  (Van  Beneden  No.  17)  macht  der  Embryo 
während  seiner  Entwicklung  eine  dreimalige  Häutung  durch:  1)  bei  der  Bil- 
dung der  Blastodcrmhaut ,  2)  bei  der  Ausbildung  der  Nauplius  -  Cuticula, 
3)  beim  Uebergang  in  das  Cyclops-Stadium.  Das  Vorhandensein  von  Larven- 
häuten wird  vor  Allem  in  den  verschiedenen  Arbeiten  von  Dohrn  erwähnt. 
(Vergleiche  dessen  Angaben  über  die  Larvenhaut  bei  Cumaceen ,  bei  Tanais 
und  an  dem  Nauplius -Stadium  im  Eie  von  Daphnia  longispina).  Bei  der 
grossen  Mannigfaltigkeit ,  die  unter  den  Crustaceen  vorherrscht  und  der  Un- 
sicherheit der  Identificirung  der  Cuticulae  in  den  verschiedenen  Fällen  würde 
es  den  Rahmen  dieses  Buches  überschreiten,  wenn  wir  auf  sämmtliche  hier- 
her gehörige  Fälle  eingehen  wollten. 

Zeitlich  mit  den  Furchungserscheinungen  zusammenfallend  spielen  sich 
jene  eigenthümlichen  Processe  ab,  welche  von  Weismann  und  Ischikawa 
(No.  16)  an  dem  Winterei  zahlreicher  Cladoceren  beobachtet  und  als 
Paracopulation  bezeichnet  worden  sind.  Hier  findet  sich  im  Eie  nach 
Ausstossung  der  Richtungskörperchen  und  erfolgter  Befruchtung  ein  kernähn- 
licher Körper  mit  einer  umgebenden  Protoplasmaansammlung,  die  sogenannte 
Copulationszelle.  Während  der  ersten  Theilungen  des  Furchungskernes, 
durch  welche  die  hier  dem  reinen  superficiellen  (III.)  Typus  angehörende 
Furchung  eingeleitet  wird,  verhält  sich  die  Copulationszelle  anscheinend  passiv 
in  der  Nähe  des  vegetativen  Eipoles,  nähert  sich  aber  bald  einem  der  durch 
die  Theilung  entstandenen  Furchungskerne ,  um  mit  demselben  eine  innige 
Verschmelzung  einzugehen.  Die  weiteren  Schicksale  der  von  der  Paracopu- 
lation betroffenen  Furchungszelle  wurden  nicht  verfolgt.  Es  ist  eine  blosse 
Vermuthung ,  dass  sie  bestimmt  sei ,  die  Genitalanlage  zu  liefern.  Die  erste 
Entstehung  der  Copulationszelle  fällt  in  die  Zeit  der  Eibildung.  Es  werden 
im  reifenden  Eierstocksei  Chromatinpartikelchen  aus  dem  Keimbläschen  aus- 
gestossen.  Diese  vereinigen  sich,  um  den  Kern  der  Copulationszelle  zu  bilden, 
welcher  später  mit  einer  —  wahrscheinlich  dem  Zellkörper  entstammenden 
—  Protoplasmamasse  umhüllt  wird.  Ueber  die  Bedeutung  des  Processes  der 
Paracopulation  fehlt  uns  bisher  noch  jede  Hypothese.  Die  Entstehung  der 
Copulationszelle  eriunert  an  die  von  Stuhlmann  und  Blochmann  an  Insecten- 
eiern  beobachtete  Ausstossung  von  Chromatinpartikeln  aus  dem  Keimbläschen. 
Aehnliche  Vorgänge  sind  auch  an  den  reifenden  Eiern  von  Myriopoden  (Balbiani) 
und  Spinnen  (Leydig)  und  in  anderen  Thiergruppen  beobachtet  worden. 

3.   Keiinblätterbildung. 

A.   Copepoden. 

Unter  sämmtlichen  Crustaceen  —  soweit  wir  deren  Entwicklung 
bisher  kennen  gelernt  haben  —  bietet  die  Entwicklung  der  Copepoden 
Verhältnisse,  welche  sich  am  nächsten  an  die  der  Anneliden  anschliessen. 
Wir  finden  hier  eine  Invaginationsgastrula   und  Mesodermbildung  durch 


324 


XV.  Capitel. 


Sonderung  zweier  Urmesodermzellen.  Die  Keimblätterbildung  bei  Cope- 
poden  ist  durch  die  Untersuchungen  von  Grobben  (No.  21),  Hoek  (No.  22) 
und  Urbanovicz  (No.  23 ,  24)  bekannt  geworden.  Wir  legen  unserer 
Darstellung  die  eingehenden  Untersuchungen  Grobbens  für  Cetochilus 
zu  Grunde. 

Cetochilus  folgt,  wie  die  meisten  freilebenden  Copepoden,  unserem 
IL  Furchungstypus.  Die  Furchung  ist  anfänglich  eine  totale,  in  späteren 
Stadien  eine  superficielle  (vgl.  pag.  312  u.  ff).  Schon  im  32zelligen  Stadium 
wird  der  Uebergang  zum  eigentlichen  Blastulastadium  eingeleitet  und 
machen  sich  die  Anfänge  der  histologischen  Differenzirung  der  einzelnen 
Keimblätter  geltend.  Wir  finden  im  Inneren  dieses  Stadiums  eine 
kugelige  Furchungshöhle  von  geringer  Ausdehnung,  in  welcher  der  Nah- 


Fiar.  234.     Vier  Entwicklungsstadien  von  Cetochilus  (nach  Grobben). 

A  32zelliges  Stadium  von  der  Bauchseite  betrachtet ;  B  späteres  Stadium,  dieselbe 
Ansicht;  sämmtliche  Keimblätter  sind  bereits  gesondert;  C  Gastruladium  im  Längsschnitt; 
D  Gastrulastadium  von  der  Bauchseite  gesehen.     Schliessung  des  Gastrulamundes. 

cn  centrale  Entodermzelle,  gm  Gastrulamund,  m  Mesodermzelle,  sn  seitliche  Ento- 
dezmizellen,  um  Urmesodermzellen,  vn  vordere  Entodermzellen. 


rungsdotter  gelegen  ist  und  in  welche  auch  der  Richtungskörper  ein- 
wandert. Eine  ähnliche  Einwanderung  des  Richtungskörpers  wurde  von 
Weismann  und  Ischikawa  (No.  6)  an  den  Sommereiern  von  Bytho- 
trephes  beobachtet.  Wahrscheinlich  ist  die  von  Urbanovicz  in  der 
Furchungshöhle  von  Cyclo ps  beobachtete  kleine  Zelle  auch  auf  den 
Richtungskörper  zu  beziehen. 

Wenn  wir  den  vegetativen  Pol  des  32zelligen  Stadiums  von  Ce- 
tochilus ins  Auge  fassen,  so  erkennen  wir  eine  entschiedene  bilaterale 
Anordnung  des  Blastomeren  (Fig.  234  Ä).  Wir  finden  eine  grössere, 
durch  ihr  grobgranulirtes  Plasma  sich  auszeichnende  Zelle  (cn)  und  vor 
derselben  eine  kleinere  Zelle  (vn).  Beide  liegen  in  der  Medianebene 
und  liefern  später  ausschliesslich  Entodermelemente.  Sie  werden  als 
centrale  (cn)  und  als  vordere  Entodermzelle^«)  unterschieden. 


Crustaceen.  325 

Die  vier  symmetrisch  an  den  Seiten  dieser  beiden  Zellen  vertheilten 
Blastomeren  (Seitenzellen)  liefern  durch  spätere  Theilungen  sowohl 
Elemente  des  Entoderms,  als  des  Ectoderms.  Von  Wichtigkeit  erscheint 
auch  die  hinter  der  centralen  Entodermzelle  gelegene  Furchungskugel  (u). 
Sie  theilt  sich  später  in  vier  Elemente,  von  denen  die  beiden  grösseren 
vorderen  die  Urmesodermz eilen  (Fig.  234  #,  um)  repräsentiren,  wäh- 
rend die  beiden  hinteren  zu  Ectodermelementen  werden. 

Fig.  234  B  zeigt  uns  die  centrale  Entodermzelle  in  zwei  Blasto- 
meren (cn)  zertheilt;  ferner  haben  sich  die  seitlichen  Entodermelemente 
(sri)  durch  Theilung  der  Seitenzellen  abgesondert.  Wir  haben  demnach 
hier  eine  aus  sieben  Zellen  bestehende  Entodermanlage ,  hinter  welcher 
die  zwei  Urmesodermzellen  (um)  gelegen  sind.  Es  vollzieht  sich  nun 
zunächst  die  Einwanderung  der  Mesodermelemente  in  das  Innere  des 
Embryos.  Die  Urmesodermzellen  liefern  durch  Theilung  zwei  lateral 
gelegene  Elemente  (Fig.  234  C,  m)  und  diese  vier  Mesodermzellen  (von 
denen  die  beiden  medialen  als  die  Polzellen  der  späteren  Mesoderm- 
streifen  betrachtet  werden  müssen)  rücken  nun  in  die  Furchungshöhle 
(Fig.  234  C).  Bald  darauf  vollzieht  sich  die  Einstülpung  der  Entoderm- 
elemente (en) ,  wodurch  das  Gastrulastadium  (Fig.  234  C)  erreicht 
ist.  Das  in  die  Tiefe  gerückte  Entoderm  wird  durch  den  Schluss  des 
Blastoporus  zu  einem  rings  abgeschlossenen  Säckchen  umgebildet.  Der 
Gastrulamund  stellt  im  Moment  seines  Verschlusses  eine  Längsspalte 
dar  (Fig.  234  D) ;  der  Verschluss  desselben  vollzieht  sich  in  der  Richtung 
von  vorne  nach  hinten.  Es  scheint,  dass  der  Blastoporus  seiner  Lagerung 
nach  der  späteren  Ventralseite  des  Embryos  entspricht.  Die  am  spätesten 
zum  Verschlusse  kommende  Parthie  würde  demnach  in  der  Nähe  der 
späteren  Afteröffnung  gelegen  sein. 

Der  Vorderdarm  und  Enddarm  entstehen  nach  den  Untersuchungen 
von  Urbanovicz  (an  Cyclops)  als  Ectodermeinstülpungen,  und  zwar 
fällt  die  Entstehung  des  Vorderdarms  noch  in  das  Bereich  der  Embryonal- 
entwicklung, während  das  Proctodaeum  erst  in  dem  frühesten  Larven- 
stadium zur  Ausbildung  kommt.  Beide  verbinden  sich  sodann  mit  dem 
Mitteldarmsäckchen. 

Das  Gastrulastadium  der  Copepoden  wurde  zuerst  von  Hoek  erkannt 
und  beschrieben. 

Die  Angaben  von  Urbanovicz  über  die  Keimblätterbildung  bei  Cyclops 
lassen  sich  mit  denen  Grobben's  in  Uebereinstimmung  bringen.  Hier  ist  es 
zunächst  nur  eine  Entodermzelle,  welche  in  die  Tiefe  versenkt  wird  und  über 
welche  der  Blastoporus  sich  schliesst,  worauf  aus  dieser  Zelle  durch  Theilung 
die  gesammte  Entodermanlage  hervorgeht.  Hierauf  soll  durch  Abschnürung 
von  Ectodermelementen  ein  Mesenchym  geliefert  werden,  aus  welchem  die 
meisten  mesodermalen  Bildungen  des  Nauplius  hervorgehen ,  während  das 
eigentliche  Mesoderm  eine  spätere  secundäre  Bildung  sei,  welche  wahrschein- 
lich dem  Entoderm  entstamme  und  ausschliesslich  den  Mesodermstreif  liefert. 
Wenn  wir  jedoch  bedenken,  dass  im  Umkreis  der  centralen  Entodermzelle 
bei  Cetochilus  Elemente  lagern,  welche  durch  Theilung  in  Ectoderm-  und 
Entodermzellen  zerfallen,  so  muss  es  als  möglich  erscheinen,  dass  Urbanovicz 
diesen  Process  als  Mesenchymbildung  aufgefasst  hat. 

Das  spätere  Schicksal  des  Mesoderms  ist  für  die  Copepoden  noch 
nicht  völlig  klar  gestellt.  Es  scheint  jedoch,  dass  die  Elemente  desselben 
in  den  Segmenten  des  Naupliusstadiums  sich  mehr  unregelmässig  nach 
Art  eines  Mesenchyms  vertheilen  und   sehr  bald  zu   den   Organen   des 

Korschelt-Heider,   Lehrbuch.  22 


326  x^  •  Capitel. 

Nauplius  sich  gruppiren.  Gewisse  Zellen  lagern  sich  dem  Darm  an,  um 
dessen  Musculatur  zu  bilden,  andere  werden  zu  Extremitätenmuskeln 
oder  vereinigen  sich  zur  Bildung  der  Antennendrüse.  Die  Leibeshöhle 
weist  hier  den  Charakter  eines  Pseudocoels  auf.  In  der  hinteren  Körper- 
region, welche  die  weiteren  Leibessegmente  liefert,  kommt  es  dagegen 
zur  Ausbildung  eines  wirklichen  paarigen  Mesodermstreifs ,  in  welchem 
nach  Urranovicz  (No.  23)  und  Fritsch  (No.  20)  echte  Coelomsäcke  an- 
gelegt werden.  Das  vorderste  Paar  derselben  entspricht  dem  Maxillar- 
segmente.  Die  Dissepimente  zwischen  den  aufeinanderfolgenden  Coelom- 
säcken,  welche  auch  Grobben  (No.  21)  im  Abdomen  von  Cetochilus 
beobachtet  zu  haben  scheint,  schwinden  in  späteren  Stadien,  dagegen 
sollen  ein  dorsales  und  ventrales  Mesenterium  zeitlebens  persistiren 
(Fritsch).  Das  dorsale  fügt  sich  dem  Rücken  mittelst  eines  in  zwei 
Blätter  gespaltenen  Endes  an  und  so  entsteht  ein  Rückensinus,  welcher 
als  Blastocoel Überrest  und  als  Homologon  der  Herzhöhle  zu  deuten  ist. 
Dieser  Rückensinus  steht  mit  dem  als  Pseudocoel  entwickelten  vordersten 
Theil  der  Leibeshöhle  im  Zusammenhang.  Schon  frühzeitig  kann  man 
an  dem  noch  kurzen  Mesodermstreifen  eine  vergrösserte  Zelle,  die 
Genitalzelle  unterscheiden,  welche  sich  jederseits  zur  Anlage  der  Ge- 
schlechtsdrüse umbildet. 

Der  Nahrungsdotter  ist  bei  Cetochilus  nur  in  geringer  Menge  vor- 
handen und  spielt  keine  grosse  Rolle.  Bei  den  dotterreicheren  Eiern 
der  parasitischen  Copepoden  dagegen  scheint  es  (Van  Beneden),  dass 
die  Zellen  des  Entoderms  sich  anfangs  im  Nahrungsdotter  vertheilen  und 
denselben  in  sich  aufnehmen,  wodurch  das  Bild  der  secundären  Dotter- 
furchung  zu  Stande  kommt.  Später  treten  die  Zellen  jedoch  wieder  an  die 
Oberfläche  der  Nahrungsdottermasse,  um  daselbst  ein  Epithel  zu  bilden, 
aus  welchem  die  Wand  des  Mitteldarmsäckchens  hervorgeht  (pag.  348, 
Fig.  250  C,  en).  Letzteres  umschliesst  demnach  zuletzt  die  durch  all- 
mähliche Resorption  sich  verringernden  Reste  des  Nahrungsdotters  (vgl. 
unten  die  Bildung  des  Mitteldarms  bei  den  Cirripedien  pag.  329  u.  373). 

B.    Phyllopoden. 

Hier  ist  die  Keimblätterbildung  vor  Allem  für  das  Sommerei  von 
Moina,  einer  Cladocere,  durch  die  eingehenden  Untersuchungen 
Grobben's  (No.  11)  bekannt  geworden.  Die  Verhältnisse  schliessen  sich 
ziemlich  nahe  den  für  Cetochilus  geschilderten  an ;  doch  müssen  wir  uns 
vor  Augen  halten,  dass  zwei  Momente  auf  die  Entwicklung  dieses  Eies 
verändernd  eingewirkt  haben:  1)  die  Ernährung  mittelst  des  in  den  Brut- 
raum transsudirten  Blutplasmas,  welche  wahrscheinlich  zu  einer  secun- 
dären Verringerung  des  Nahrungsdotters  führte  (auch  bei  Cetochilus 
scheint  die  Nahrungsdottermasse  secundär  verringert  zu  sein,  aber  aus 
anderen  Ursachen)  und  2)  die  Paedoparthenogenese,  welche  mit  der  ab- 
norm frühzeitigen  Anlage  einer  gesonderten  Genitalzelle  im  Zusammen- 
hang steht. 

Die  Furchung  ist  hier  —  wie  bei  den  meisten  Cladoceren  —  eine 
rein  superfizielle  (III.  Typus,  vgl.  pag.  316).  Wir  finden  schon  im 
32zelligen  Stadium  die  Blastomeren  an  der  Oberfläche  ziemlich  scharf 
von  der  centralen  Nahrungsdotteransammlung  gesondert.  Wie  bei  Ce- 
tochilus, so  bereiten  sich  auch  hier  am  vegetativen  Pole  des  Eies  die 
Anfänge  jener  Sonderung  vor,  unter  welcher  die  Keimblätterbildung  ein- 
hergeht.    Es  liegen  hier  jene  Anlagen,   welche   später  (wohl  nach  einer 


Crustaceen. 


327 


gewissen  Verschiebung)  an  der  Ventralfläche  des  Embryos  gelagert  sind. 
Wir  finden  liier  eine  central  gelegene,  körnchenreiche  Zelle,  welche  als 
Genitalzelle  (Fig.  235  #)  zu  bezeichnen  ist.  Aus  ihr  geht  später  die 
paarige  Genitalanlage  hervor.  Hinter  dieser  Zelle  liegt  eine  in  Theilung 
begriffene  Zelle,  welche  die  Anlage  des  gesammten  Entoderms  darstellt, 
die  Entodermzelle  (en).  An  einem  etwas  späteren  Stadium  finden 
wir  diese  beiden  Anlagen  durch  Theilung  mehrzellig  geworden.  Wir  sehen 
ein  Feld  von  zahlreichen  Entodermzellen  (Fig.  235  B,  en)  und  vor  dem- 
selben vier  Genitalzellen  (g).  Im  Umkreis  derselben  ist  eine  Anzahl  von 
Zellen  erkennbar,  welche  die  Meso der m anläge  (ms)  darstellen.  Alle 
übrigen  Zellen  bilden  nun  das  Ectoderm. 

Schon  in  diesem  Stadium  zeigt  die  Mesodermanlage 
unter  die  Genitalzellen  in  die  Tiefe  zu  rücken  (Fig.  235  B). 
Stadien  hat  sich   dieser  Process  vollzogen  (Fig.  235  0,  ms) 


die   Tendenz 

In  späteren 

Das  Meso- 


derm  liegt  nun  völlig  im  Inneren  des  Embryos.  Gleichzeitig  stülpt  sich 
das  Entodermfeld  (b)  ein.  Es  wird  hiermit  das  Gastrulastadium 
erreicht  (Fig.  235  C). 


ms 


en 


Fig".  235.    Drei  Entwicklungsstadien  des  Sommereies  von  Moina  (nach  Grobben). 

A  Ei  im  32zelligen  Stadium  vom  vegetativen  Pole  aus  gesehen,  B  Blastula- 
stadium  in  derselben  Ansicht,  C  Gastrulastadium  im  Medianschnitt. 

b  Blastoporus,  cn  Entodermzellen,  g  Genitalzellen,  ms  Mesodermzellen,  n  Nahrungs- 
dotter, s  Scheitelplatte. 


Bald  darauf  schliesst  sich  der  Gastrulamund  vollständig  und  es 
rücken  nun  auch  acht  Genitalzellen,  welche  durch  Theilung  aus  den 
vieren  hervorgegangen  sind,  in  die  Tiefe  und  legen  sich  unter  das  Ento- 
derm  (vgl.  unten  pag.  347 ,  Fig.  249  A,  g).  Gkobben  ist  der  Ansicht, 
dass  die  Stelle,  an  welcher  der  Blastoporus  zum  Verschlusse  kommt,  der 
späteren  Oesophaguseinstülpung  entspreche.  Es  würde  jedoch  mit  den 
Verhältnissen  der  übrigen  Crustaceen,  vor  Allem  der  Decapoden,  besser 
stimmen,  wenn  wir  annehmen  dürften,  dass  sie  in  der  Nähe  des  späteren 
Afters  gelegen  ist. 

Während  der  Embryo  sich  streckt,  die  Naupliusgliedmassen  hervor- 
sprossen und  an  dem  Vorderende  seiner  Dorsalseite  die  Gehirnanlage  als 
symmetrische  Ectodermverdickung  (Scheitelplatte)  deutlich  wird  (Fig. 
249  A,  pag.  347),  erleiden  auch  die  Anlagen  der  inneren  Organe  eine  ent- 
sprechende Weiterbildung.  Die  Entodermanlage  (en)  wächst  zu  einem 
cylindrischen  Körper  aus.  Die  Zellen  desselben  zeigen  am  Querschnitt 
eine  radiäre  Anordnung;  doch  lässt  sich  zunächst  noch  kein  Lumen  er- 
kennen. Vorderdarm  (m)  und  Enddarm  (Fig.  249  B,  af)  entstehen  als 
Ectodermeinstülpungen ;  ersterer  ist  schon  im  Nauplius,  letzterer  erst  in 
späteren    Stadien   erkennbar.     Sie   treten    mit  der  Mitteid armanlage   in 

22* 


328  xv-  Capitel. 

Verbindung.  Das  Mesoderm  (ms)  hat  sich  längs  der  ganzen  Ventralseite 
und  nach  vorn  bis  unter  die  Scheitelplatte  ausgedehnt.  Es  liegt  zu 
beiden  Seiten  der  Darmanlage  und  zeigt  eine  bilateral-symmetrische  An- 
ordnung; doch  kommt  es  nicht  zur  vollständigen  Scheidung  paariger 
Mesodermstreifen.  Die  Genitalanlage  theilt  sich  in  eine  paarige  zu  den 
Seiten  des  Darmcanals  gelegene  Zellenmasse. 

Der  Nahrungsdotter  liegt  ursprünglich  in  der  primären  Leibeshöhle. 
Er  wird  in  dem  Masse  resorbirt,  in  welchem  die  inneren  Organe  die 
Leibeshöhle  erfüllen.  In  späteren  Stadien  trennen  sich  einzelne  Zellen 
vom  Mesoderm  ab,  um  den  Nahrungsdotter  zu  durchwachsen.  Sie  liegen 
sodann  an  der  Dorsalseite  des  Embryos  und  werden  zum  Fettkörper  des 
Thieres. 

Es  würde  von  Interesse  sein,  über  die  Bildung  des  Mitteldarms  und  über 
die  Rolle,  welche  der  Nahrungsdotter  hierbei  spielt,  an  dotterreicheren  Eiern 
von  Cladoceren  oder  Branchiopoden  etwas  zu  erfahren.  Moina  bietet  durch 
seinen  Dottermangel  einen  entschiedenen  Ausnahmsfall  dar.  An  den  jungen 
Larven  der  Branchiopoden  (Branchipus)  erscheinen  sämmtliche  Gewebe,  auch 
die  des  Ectoderms,  mit  Nahrungsdotterkörnchen  durchsetzt  (vgl.  Claus  No.  9). 

Bei  Daphnia  similis  bildet  sich  nach  neueren  Untersuchungen  von 
Lebedixsky  (No.  IIa)  zunächst  durch  superfizielle  Furchung  ein  das  Ei  voll- 
ständig gleichmässig  überziehendes  Blastoderm.  Erst  später  wird  dasselbe 
entsprechend  den  Kopflappen  und  der  Ventralseite  des  Eies  durch  Höher- 
werden der  Zellen  verdickt.  Die  Bildung  der  Keimblätter  wird  eingeleitet 
durch  Auftreten  einer  seichten  Vertiefung  (Blastoporus),  von  welcher  aus  eine 
Einwanderung  amoeboider  Zellen  in  den  Dotter  vor  sich  geht.  Letztere  re- 
präsentiren  das  Meso-Entoderm.  Während  die  Mesodermzellen  sich  in  zwei 
vom  Blastoporus  nach  vorn  verlaufende  symmetrische  Streifen  anordnen  (Meso- 
dermstreifen), bildet  das  Entoderm  einen  soliden  Strang,  in  welchem  sich  erst 
später  eine  Höhle  entwickelt.  An  dem  Aufbau  dieses  Stranges  (Mitteldarm) 
nehmen  aber  nicht  alle  Entodermzellen  Theil.  „Einige  von  ihnen  überziehen 
den  Nahrungsdotter  und  bilden  zwei  grosse,  symmetrisch  liegende,  proviso- 
rische Lebersäcke"  (?). 

Ein  Zerfall  des  Mesoderms  in  Somiten  und  die  Ausbildung  eines 
eigentlichen  Cöloms  wurde  bei  Moina  nicht  beobachtet.  Anders  verhält 
sich  dies  bei  den  Branchiopoden,  deren  Keimblätterbildung  bisher 
noch  nicht  bekannt  geworden  ist.  Wir  sind  auf  die  Angaben,  welche  an 
den  jüngsten  Larvenstadien  gewonnen  wurden,  angewiesen.  Hier  scheint 
an  den  frühesten  Nauplien  von  Arte mia,  wie  aus  den  Abbildungen  von 
Nassonow  (No.  13)  zu  schliessen  ist,  die  vorübergehende  Ausbildung 
paariger  Coelomsäcke  vorzukommen.  Dagegen  liegen  bei  Branchipus, 
dessen  jüngste  als  Metanauplien  zu  bezeichnende  Stadien  von  Claus 
(No.  9)  genau  untersucht  sind,  andere  Verhältnisse  vor.  Hier  hat  das 
Mesoderm  im  Bereich  der  eigentlichen  Naupliussegmente  und  des  End- 
segmentes sich  bereits  zu  Organbildungen  umgewandelt  und  die  definitive 
histologische  Differenzirung  gewonnen.  Das  gleiche  ist  mit  dem  splanch- 
nischen  Blatte  im  Bereiche  des  ganzen  Darmcanals  der  Fall  (pag.  377, 
Fig.  265^4,  sp).  In  jenen  Segmenten,  welche  zwischen  dem  Mandibel- 
segment  und  Endsegment  eingeschoben  und  im  Entstehen  begriffen  sind, 
weist  das  somatische  Blatt  mehr  embryonales  Gepräge  auf.  Es  ist  hier  in 
paarigen  Mesodermstreifen  angeordnet,  dessen  Zellen  in  bestimmter  Weise 
segmental  angeordnet  erscheinen.  Diese  Anordnung  beruht  nur  auf  einer 
regelmässigen  Gruppirnng  der  Mesodermzellen,  welche  einigermassen  an  die 


Crustaceen. 


329 


unten  (pag.  339)  für  die  Isopoden  zu  schildernden  Verhältnisse  erinnert.  Im 
hintersten  Körperabschnitte  sind  die  Mesodermstreifen  zu  einer  unter  dem 
Darm  gelegenen  Platte  vereinigt  und  hier  findet  sich  die  Knospungszone, 
von  welcher  die  Bildung  neuer  Segmente  ausgeht.  Grobben  glaubte 
zwei  hinter  dieser  Knospungszone,  an  der  Grenze  gegen  das  Endsegment 
gelegene  Zellen  als  Urmesodermzellen  in  Anspruch  nehmen  zu  dürfen; 
doch  hat  Claus  nachgewiesen,  dass  diese  Zellen,  deren  jederseits  zwei 
vorhanden  sind,  in  den  bisher  untersuchten  Stadien  sich  an  der  Pro- 
duction  von  Mesodermelementen  nicht  betheiligen.  Am  auffallendsten 
muss  für  Branchipus  erscheinen  die  frühzeitige  Selbstständigkeit,  welche 
das  Darmfaserblatt  aufweist. 

C.   Cirripedien. 

Nach  vollendeter  Blastodermbildung  (vgl.  pag.  316)  weist  der  Embryo 
von  Bai  an  us  eine  über  die  ganze  Oberfläche  verbreitete  Zellschicht  (Ecto- 
derm)  und  eine  centrale  Nahrungsdottermasse  auf  (Fig.  236  B).  In  der  Nähe 
des   hinteren  Eipoles,    wo   sich   eine  unbedeutende  Einsenkung  (bl)  erkennen 


Fig.  236.  Längsschnitte  durch  drei  Embryonalstadien  von  Baianus  im- 
pro visus  (nach  Nässonow). 

A  späteres  Furchungsstadium  (vgl.  oben  Fig.  229,  pag.  315),  B  und  C  Stadien  mit 
Keimblätterbildung,  bl  Blastoporus,  ec  Ectoderm,  en  Entoderm,  ms  Mesoderm. 


lässt  (Blastoporus),  ist  das  Blastoderm  mehrschichtig.  Die  tieferen  Schichten 
repräsentiren  die  Anlage  des  Entoderms  (en)  und  Mesoderms  (ms).  Von  hier 
aus  vertheilen  sich  die  Mesodermelemente  längs  der  Ventralseite  des  Eies 
(Fig.  236  C)  in  Form  einer  symmetrischen  Mesodermplatte ,  entsprechend 
welcher  auch  das  Ectoderm  etwas  verdickt  wird,  so  dass  auf  diese  "Weise 
eine  einem  Keimstreif  ähnliche  ventrale  Verdickung  der  oberflächlichen  Schich- 
ten des  Embryos  zu  Stande  kommt.  Die  Elemente  des  Entoderms  dagegen 
scheinen  sich  gleichmässig  im  Nahrungsdotter  zu  vertheilen  (Fig.  236  C,  en), 
worauf  durch  eine  secundäre  Dotterfurchung  die  Abgrenzung  der  entsprechen- 
den Zellterritorien  erzielt  wird.  Schliesslich  rücken  die  Kerne  der  dotter- 
reichen Entodermkugeln  an  die  Oberfläche,  um  hier  das  Mitteldarmepithel  zu 
bilden,  während  durch  Verflüssigung  des  Nahrungsdotters  die  Darmhöhle  zu 
Stande  kommt  (vgl.  unten  pag.  373).  Ueber  das  Detail  aller  dieser  Vor- 
gänge bei  Cirripedien  herrscht  noch  manche  Unklarheit.  Da  der  Text  der 
Abhandlung  Nassoxow's  (No.  13)  russisch  ist,  so  konnten  wir  nur  aus  den 
Abbildungen    das  Wichtigste  erschliessen.     Es  scheint,    dass  der  Blastoporus 


330  xv-  Capitel. 

der  Lage  nach  der  späteren  Afteröffnung  entspricht.  Vgl.  über  diese  Ent- 
wicklungsstadien auch  die  neueren  Angaben  von  Nussbaum  (No.  30  u.  31), 
welche  im  Wesentlichen  mit  der  hier  gegebenen  Darstellung  übereinstimmen. 
Nach  Nussbaum  liefert  die  bei  der  ersten  Zweitheilung  entstehende  vordere 
Furchungskugel  eine  Zellkappe,  welche  die  zweite  Furchungskugel  vollkommen 
umwächst.  Sobald  diese  Umwachsung  beinahe  vollendet  ist,  beginnt  in  der 
oberflächlichen  Zellschicht  in  der  Nähe  des  spitzen  Eipoles  ein  starker  Zell- 
theilungsprocess  und  hier  bildet  sich  nun  eine  Gastrulaeinstülpung.  Die  durch 
diese  Einstülpung  gelieferte,  nach  Innen  umgeschlagene  Schichte  umwächst  nun, 
von  spitzem  Pol  einseitig  ausgehend,  die  innere  (Nahrungsdotterkugel)  gegen 
den  stumpfen  Pol  zu.  „Inzwischen  hat  sich  auch  diese  innere  Kugel  (oder 
die  zweite  untere  Furchungskugel)  getheilt ;  ihre  Theilung  schreitet  weiter  vor ; 
doch  geht  sicher  die  innere  Lage  von  Zellen  der  Gastrula  nicht  aus  den  Ab- 
kömmlingen der  inneren  oder  unteren  Furchungskugel  hervor."  Nach  Nuss- 
baum würde  demnach  die  vordere  Furchungskugel  nicht  bloss  das  Ectoderm, 
sondern  auch  das  Entoderm  liefern.  Der  Gegensatz  seiner  Auffassung  gegen- 
über der  von  Nassonow  wird  jedoch  sehr  gemildert,  wenn  wir  annehmen 
dürfen,  dass  die  oberflächliche  Zellschicht  nicht  ausschliesslich  durch  Theilung 
von  der  vorderen  Furchungskugel  aus  entsteht,  sondern  dass  an  derselben 
sich  auch  Elemente  betheiligen ,  welche  durch  Micromerenbildung  von  der 
hinteren  Furchungskugel  erzeugt  wurden.  Es  würde  letztere  dann  dieselbe 
Rolle  spielen,  wie  die  centrale  Nahrungsdotteransammlung  bei  den  übrig  super- 
ficiell  sich  furchenden  Crustaceeneiern. 

Die  Vertheilung  der  Mesodermelemente  ist  in  den  späteren  Embryonal- 
stadien ,  sowie  in  den  jungen  Cirripediennauplien  eine  anscheinend  unregel- 
mässige. Doch  fand  Grobben  (No.  21)  im  hinteren  Körperabschnitte  der 
Nauplien  von  Sacculina  und  Baianus  einige  grosse,  offenbar  in  Pro- 
liferation begriffene  Zellen  jederseits  zu  einem  kurzen  Mesodermstreifen  an- 
geordnet. 

D.    Decapoden. 

Wir  haben  schon  oben  (pag.  312)  der  sehr  ursprünglichen,  aus  einer 
Coeloblastula  sich  entwickelnden  Invaginationsgastrula  (Fig.  226  C)  von 
Lucifer  Erwähnung  gethan,  welche  uns  durch  Brooks  (No.  42,  43)  be- 
kannt geworden  ist.  Leider  sind  die  Stadien,  welche  diese  Gastrula  mit 
dem  Nauplius  verbinden,  nicht  bekannt  geworden. 

Die  Entwicklung  des  Lucifer -Eies  ist  charakterisirt :  1)  durch  die 
geringe  Menge  von  Nahrungsdotterkügelchen,  welche  in  den  Blastomeren  an- 
fangs gleichmässig  zerstreut  erscheinen ,  2)  durch  die  sehr  regelmässig  ab- 
laufende Furchung  und  Ausbildung  eines  verhältnissmässig  umfangreichen 
Blastocöls,  3)  durch  Ausbildung  einer  Invaginationsgastrula.  Das  hiebei  ent- 
stehende Mitteldarmsäckchen  zeigt  an  seinem  Gipfel  vier  durch  Theilung  von 
den  benachbarten  Entodermzellen  abgeschnürte,  nahrungsdotterreiche  Ballen 
von  unbekannter  Bedeutung.  Brooks  erblickt  in  ihnen  rudimentäre  Dotter- 
pyramiden, welche  den  primären  Dotterpyramiden  von  Astacus  und  Palämon 
entsprechen  würden.  An  Lucifer  schliesst  sich  vielleicht  am  nächsten 
P  e  n  a  e  u  s  an,  insofern  vielleicht  auch  hier  der  Mitteldarm  direct  aus  dem  in- 
vaginirten  Säckchen  entwickelt  wird  (Haeckee  No.  47). 

Unter  den  übrigen  Decapoden  nimmt  Astacus,  dessen  Entwicklung 
uns  hauptsächlich  durch  Bobretzky  (No.  41)  und  Reichenbach  (No.  64,  65) 


Crustaceen. 


331 


bekannt  geworden  ist1), 
eine  verhältnissmässig  ur- 
sprüngliche Stellung  ein, 
insofern  hier  die  Zellen 
der  Gastrulaeinstülpung 
in  ihrem  ursprünglichen 
Zusammenhange  verblei- 
ben, so  dass  das  Säck- 
chen des  Urdarms  bis  zu 
seiner  Umbildung  in  den 
Mitteldarm  als  solches 
erhalten  bleibt ,  wenn- 
gleich die  Beziehungen 
zu   dem    umfangreichen 

Nahrungsdotter     hier 
schon   auf  die  Entwick- 
lung   modificirend    ein- 
wirken. 

Bei  Astacus  ent- 
steht das  Blastoderm 
durch  reine  superficielle 
Furchung  (Morin  (No. 
61).  Nachdem  die  Fur- 
chungskerne  sich  an  der 
Oberfläche  des  Eies  angeordnet 
haben,  zerfällt  der  Nahrungsdotter, 
den  einzelnen  Furchungszellen  ent- 
sprechend (pag.  318,  Fig.  232),  in 
die  sog.  p  r  i  m  ä  reu  od .  R  a  t  h  k  e  '- 

sehen  Dotterpyramiden, 
wobei  ein  rundlicher  Centralkörper 
von  dieser  Durchfurchung  des  Nah- 
rungsdotters ausgeschlossen  bleibt 
(vgl.  oben  pag.  314).  Nach  der 
Loslösimg  der  Blastodermzellen 
vom  Nahrungsdotter  und  der  voll- 
ständigen Ausbildung  des  Blasto- 
derms  fliessen  die  primären  Dotter- 
pyramiden wieder  unter  einander 
zusammen.  Jetzt  wird  an  der 
Ventralseite  des  Eies  die  Embryo- 
nalanlage in  der  Form  einer  Bla- 
stodermverdickung  kenntlich ,  in 
welcher  wir  die  Anlage  des  späteren 
Keimstreifs  erblicken.  Ursprüng- 
lich bemerkt  man  im  Bereich 
dieser  Anlage  fünf 
Verdickungen     (Fig. 


Fig".  237.  Kugelabschnitt  des  Eies  mit  Embryonal- 
anlage von  Astacus  fluviatilis  (nach  Reichenbach, 
aus  Laxg's  Lehrbuch). 

BM  Bildungszone  des  Mesoderms,  ES  Entoderm- 
scheibe,  K  Kopf  läppen  (Augenanlage),  TA  Thoraco- 
abdominalanlaoen. 


ms 


P 


gesonderte 
237) :      die 


paarigen    Augenlappen-    (K) 


Fig".  238.  Längsschnitt  durch  das 
Gastro]  astadium  von  Astacus  fluviatilis 
(nach  Reichenbach,  aus  Hatschek's  Lehrb.). 

D  Dotter,  ms  Mesoderm,  P  Blastoporus, 
*  bezeichnet  die  Stelle,  an  welcher  das 
Vorderende  des  Körpers  sich  entwickelt. 


!)  Hinsichtlich  der  Angaben  Morin's  (No.  61)  konnten  wir  nur  die  Abbildungen 
vergleichen.  Die  Angabe  Rossuksaya's  (No.  72,  pag.  570),  dass  Morin  für  Astacus 
fluviatilis  eine  gleiche  Art  der  Entodermbildung  beschrieben  habe,  wie  sie  von  Bobretzky 
für  Oniscus  angegeben  worden  war,  beruht  wohl  nur  auf  einem  Irrthum. 


332  XV.  Capitel. 

und  T  h  o  r  a  c  o  a  b  d  o  in  i  n  a  1  a  n  1  a  g  e  n  (TA)  und  eine  unpaare,  hinter  diesen 
gelegene  Verdickung,  die  Ento-dermscheibe  (ES),  welche  in  den  folgen- 
den Stadien  durch  Einstülpung  das  Gastrulasäckchen  (Fig.  238)  liefert.  Die 
Einstülpung  dieser  Scheibe  wird  durch  Ausbildung  einer  halbmondförmigen 
Furche,  welche  den  vorderen  Rand  derselben  umgiebt  und  sich  bald 
durch  Ausbildung  im  hinteren  Theile  zu  einer  ringförmigen  Furche  er- 
gänzt, eingeleitet.  Es  resultirt  hieraus,  dass  die  mittlere  Partie  der  in 
die  Tiefe  versenkten  Entodermscheibe  eine  Zeit  lang  hügelartig  (Ento- 
dermhügel)  gegen  das  Lumen  des  Urdarmsäckchens  vorspringt  (Fig.  239  eh). 
Noch  bevor  der  Einstülpungsprocess  eingeleitet  ist,  macht  sich  am 
vorderen  Rande  der  Entodermscheibe  eine  rege  Zeilproliferation  (Fig.  237 
BM)  geltend,  durch  welche  eine  Anzahl  von  Zellen  geliefert  wird,  welche 
unter  das  Blastoderm  rücken  (Fig.  238,  239me.s).  Es  ist  die  erste  An- 
lage des  Mesoderms,  welches  demnach  bei  Astacus  an  einer  be- 
stimmten Stelle  am  vorderen  Rande  des  Blastoporus  an  der  Uebergangs- 
stelle  des  Ectoderms  in  das  Entoderm  seinen  Ursprung  nimmt. 

Nachdem  die  Ein- 
stülpung des  Gastrula- 
säckchens  sich  voll- 
zogen hat,  scbliesst  sich 
der  Blastoporus.  Die 
Stelle,  an  welcher  der- 
selbe zum  Verschlusse 
kommt,  entspricht  dem 
liinterstenTheil  derEm- 
bryonalanlage.    Nach 

v.     Oo0    ,r  ,.        T ..  ...  ,     ,  ,    n        ,        Reichenbach   liegt  sie 

rig.  z6v.  Medianer  Längsschnitt  durch  das  Gastrula-         ,         ,.    ,  eV  n 

Stadium  von  Astacus  (nach  Reichenbach).  etwas  JllllterjenerbteJle. 

d  Nahrungsdotter,   ec   Ectoderm,    eh  Entodermhügel,       all  welcher  111111  bald  die 
en  Entoderm,  in  secundäres  Mesoderm,  mes  Mesoderm.  ectodermale   Ellddarill- 

einstülpung  zu  erken- 
nen ist. 
Das  durch  die  Einstülpung  entstandene  Urdarmsäckchen  ist  ursprüng- 
lich im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Eies  wenig  umfangreich.  Später  ver- 
grössern  sich  seine  Zellen  durch  Aufnahme  von  Nahrungsdotter  (Fig.  240 
Ä,  en) ,  welche  innerhalb  jeder  einzelnen  Entodermzelle  in  der  Weise 
abgelagert  wird,  dass  der  Zellkern  und  die  Hauptmasse  des  Zellplasmas 
an  die  äussere  Oberfläche  des  Urdarmsäckchens  zu  liegen  kommen.  An 
dieser  Aufnahme  des  Nahruiigsdotters  betheiligen  sich  am  regsten  die 
dorsalen  und  seitlichen  Parthien  des  Urdarmsäckchens,  während  die  ven- 
tralen Theile  desselben,  welche  mit  der  übrigen  Embryonalanlage  in 
innigerem  Contact  stehen,  weniger  daran  participiren  (Fig.  240). 
Schliesslich  ist  die  gesanimte  Nahrungsdottermenge  in  den  Entoderm- 
zellen  deponirt.  Da  letztere  hiedurch  zu  ungemein  grossen,  säulen- 
förmigen ,  radiär  angeordneten  Elementen  (Fig.  240  B,  dp)  ausgedehnt 
wurden,  so  kommt  es  auf  diese  Weise  zur  Bildung  der  sog.  se Clin- 
da ren  D otter py ramiden.  Aus  diesem  (in  späteren  Stadien  an  der 
Oberfläche  in  Lappen  zertheilten)  Mitteldarmsäckchen  geht  der  definitive 
Mitteldarm  und  die  Leber  (Mitteldarmdrüse)  des  Flusskrebses  hervor. 
Indem  die  Entodermzellen  einer  Vermehrung  unterliegen,  sich  von  den 
ihnen  zugehörigen  secundären  Dotterpyramiden  loslösen  und  sich  dicht 
aneinanderschliessen ,  kommt  es  zur  Entwicklung  des  Mitteldarmepithels, 
während  die  secundären  Dotterpyramiden  zerfallen  und  resorbirt  werden. 
(Ueber  die  Ausbildung  des  Mitteldarms  siehe  unten  pag.  373.) 


Crustaceen. 


333 


en 


Ein  merkwürdiges  Verhalten  der  Mitteldarmanlage  des  Astacus  -  Eies, 
welches  von  Bobketzky  und  Reichenbach  nicht  erwähnt  wird  und  daher 
wohl  bloss  die  Bedeutung  eines  gelegentlichen  Vorkommnisses  haben  dürfte, 
wird  von  Schimkewitsch  (No.  66)  mitgetheilt.  Dieser  Beobachter  fand  im 
Inneren  des  Mitteldarmsäckchen  ein  zweites,  aus  Zellen  bestehendes  Säckchen, 
welches  in  den  Stadien  vor  Schliessung  des  Gastrula-Mundes  durch  einen  De- 
laminationsprocess  von  den 

Entodermzellen   abgespal-  t         Ad 

ten    worden    sei.      Dieses  A  -vd 

innere  Säckchen  werde 
wahrscheinlich  in  späteren 
Stadien  resorbirt.  Schim- 
kewitsch vergleicht  es 
mit  jenen  inneren  Zellen 
des  Darmdrüsenkeims  bei 
Palaemon,  welche  nicht  an 
die  Oberfläche  treten,  um 
das  Mitteldarmepithel  zu 
bilden,  sondern  im  Inneren 
einer  Auflösung  anheim- 
fallen (vgl.  unten  pag.334). 


Das  charakteristi- 
scheste Verhältniss  in 
der  Entwicklung  des 
Mitteldarms  von  Astacus 
liegt  in  dem  Umstände, 
dass  die  Nahrungsdotter- 
masse, ursprünglich  aus- 
serhalb des  Gastrulasäck- 
chens  gelegen,  die  Fur- 
chungshöhle  erfüllt,  wäh- 
rend sie  später  in  die 
Wand     des    Entoderm- 

sackes  aufgenommen 
wird,  um  schliesslich  bei 
Ausbildung  des  definiti- 
ven Mitteldarms  in  das 
Lumen  desselben  zu  ge- 
langen. —  Die  übrigen 
bisher  untersuchten  De- 
capoden  unterscheiden 
sich  von  Astacus  dadurch, 
dass  die  Zellen  des  Ento- 
dermsäckchens  ihren  epi- 
thelialen Zusammenhang 
aufgeben ,  als  Wander- 
zellen den  Dotter  durch- 
setzen  und    erst  später 

wieder  an  der  Oberfläche  desselben  zur  Bildung  des  Mitteldarmepithels 
zusammentreten.  Bei  diesen  Formen  schwindet  das  Lumen  des  ursprüng- 
lichen Entodermsäckchens ;  der  Darmdrüsenkeim  ist,  währenddem  die 
Entodermzellen   den  Dotter   durchsetzen,    solide,   und   das   Lumen    des 


Fig".  240.  Mediaue  Längsschnitte  durch  zwei  Em- 
bryonen des  Flusskrebses  (nach  Reichenbach). 

A  durch  das  Naupliusstadium,  B  durch  das  Stadium 
mit  angelegten  Gangbeinpaaren. 

d  Nahrungsdotter,  dp  secundäre  Dotterpyramiden, 
ec  Ectoderm,  en  Entoderm,  ep  Entodermplatte,  g  Anlage 
der  Bauchganglienkette,  h  Herzanlage,  hd  Hinterdarm, 
m  Mesoderm,  md  Mitteldarm,  og  oberes  Schlundgang- 
lion, sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesodernis,  vd  Vorder- 
darm, t  Thoracoabdominalanlage. 


334 


XV.  Capitel. 


Mitteldarms  stellt  sich   erst  bei   der  später   erfolgenden  Auflösung   und 
Resorption  des  in  seinem  Inneren  gelegenen  Dotters  her. 

So  entwickelt  sich  z.  B.  bei  Palaemon  (nach  Bobretzky  No.  41) 
zu  einer  Zeit,  wo  das  Blastoderm  noch  nicht  vollständig  ausgebildet  ist, 
d.  h.  wo  die  Trennung  der  Blastodermzellen  von  den  zugehörigen  Dotter- 
pyramideu  sich  noch  nicht  im  ganzen  Umkreise  des  Eies  vollzogen  hat, 
eine  kleine  Gastrulaeinstülpung  (Fig.  241  A),  deren  Zellen  nach  erfolgtem 
Schluss  des  Blastoporus  ihren  epithelialen  Zusammenhang  verlieren 
(Fig.  241  B).  Aus  den  Seitenwänden  des  Entodermsäckchens  (ms)  stammen 
Elemente,  welche  später,  dem  Keimstreif  angelagert,  das  Mesoderm  dar- 
stellen, während  die  dem  Boden  des  Säckchens  entspringenden  Ento- 
dermzellen  (eri)  in  den  Dotter  eindringen,  denselben  nach  Art  von 
Wanderzellen  durchsetzen  und  sich  daselbst  vermehren.  Jede  dieser 
Entodermzellen  nimmt  die  umgebenden  Nahrungsdotterparthien  amöben- 
artig in  sich  auf  und  formirt   dieselben  zu  einem  rundlichen  Ballen,   so 


m  s 


Fig.  241.  Drei  Schnitte  durch  den  Embryo  von  Palaemon  zur  Darstellung 
der  Keimblätterbildung  (nach  Bobretzky,  copirt  aus  W.  Faxox.  Selections  from  Em- 
bryological  Monographs). 

A  Gastrulastadium,  B  Schliessung  des  Gastrulamundes,  C  Längsschnitt  durch  ein 
späteres  Stadium. 

d  Nahrungsdotter,  ec  Ectoderm,  en  Entoderm,  ep  Entodermplatte,  g  Bauchgang- 
lienkette, h  Herzanlage,  lul  Enddarmeinstülpung,  ms  Mesoderm,  og  oberes  Schlund- 
ganglion, vd  Vorderdarmeinstülpung. 


dass  der  ganze  Nahrungsdotter  durch  einen  Act  secundärer  Furchung 
(sog.  Dotterfurchung)  in  rundliche  Dotterballen  zerfällt  wird,  deren  jeder 
einer  Entodermzelle  entspricht  und  welche  das  Honiologon  der  secun- 
dären  Dotterpyramiden  von  Astacus  darstellen.  In  späteren  Stadien 
treten  die  Plasmaantheile  mit  den  Kernen  zum  Theil  an  die  Oberfläche 
des  Nahrungsdotters  und  ordnen  sich  daselbst  zu  einem  Epithel  an, 
welches  die  Wand  des  Mitteldarms  darstellt  (Fig.  241  C),  der  nun  auch  — 
wie  bei  Astacus  —  den  Nahrungsdotter  in  seinem  Inneren  beherbergt. 
Ein  anderer  Theil  der  Entodermzellen  scheint  jedoch  an  der  Bildung 
des  Mitteldarmepithels  keinen  Antheil  zu  nehmen,  sondern,  im  Inneren 
des  Dotters  verbleibend,  mit  diesem  dem  Zerfall  und  einer  schliesslichen 
Resorption  anheimzufallen.     In  diesen  Zellen  würden  wir  das  Honiologon 


Crustaceen.  335 

der  später  für  Mysis  (pag.  336)  zu  erwähnenden  Vitellophagen  zu  erblicken 
haben.     (Vgl.  auch  Bobretzky  No.  80.) 

Bei  H omar us  findet  sich  nach  Herrick:  (No.  50  und  50a)  an  Stelle 
des  sich  einstülpenden  Gastrulasäckchens  nur  eine  ganz  flache  Einsenkung, 
von  welcher  aus  eine  solide,  keilförmige  Zellwucherung  (the  keel)  in  den 
Dotter  eindringt.  Die  Zellen  dieser  Wucherung  nehmen  bald  Dotterelemente 
in  sich  auf. 

Die  Einwanderung  der  amöbenartigen  Entodermzellen  in  den  Nahrungs- 
dotter und  die  Entstehung  des  Mitteldarmepithels  an  der  Oberfläche  desselben 
scheint  in  vielen  Fällen  auf  die  angegebene  Weise  abzulaufen.  Doch  ist  das 
Verhalten  der  wandernden  Entodermzellen  zum  Nahrungsdotter  in  den  einzel- 
nen Fällen  ein  wechselndes.  So  zerfällt  nach  P.  Mayer's  Angaben  bei  Eu- 
pagurus  (No.  59)  nach  der  Einwanderung  der  Entodermelemente  der 
Nahrungsdotter  allerdings  in  eine  Anzahl  von  unregelmässigen  Theilstücken 
und  erleidet  eine  Art  Umordnung,  doch  sind  die  Entodermkerne  mit  ihren 
Piasmatheilen  hier  nicht  im  Inneren  der  einzelnen  Dotterschollen  gelegen, 
sondern  nehmen  die  sie  trennenden  Räume  ein.  Aehnlich  verhält  sich  viel- 
leicht Atyephyra  (nach  Ischikawa  No.  51).  Bei  Crangon  und  Al- 
pheus dagegen  scheint  nichts  der  secundären  Dotterfurchung  einigermassen 
Aehnliches  sich  vorzufinden  (nach  Kingsley  No.  53  und  Herrick  No.  49). 

In  allen  diesen  Fällen  wird  die  Keimblätterbildung  durch  die  Ausbildung 
eines  Gastrulasäckchens  eingeleitet.  Neuerdings  sind  von  Lebedinsky  (No.  57) 
Mittheilungen  über  die  Keimblätterbildung  einer  Krabbe,  Eriphia  spini- 
frons,  gemacht  worden,  die,  wie  uns  scheint,  noch  einigermassen  der  Auf- 
klärung bedürfen.  Auch  hier  findet  sich  eine  Gastrulaeinstülpung,  aus  deren 
Boden  die  in  den  Dotter  einwandernden  Entodermzellen  hervorgehen,  während 
aus  den  Seitenwänden  des  Säckchens  das  Mesoderm  hervorsprosst.  Trotzdem 
war  aber  schon  vor  Ausbildung  dieser  Einstülpung  an  der  mehrschichtigen 
Keimscheibe  die  Trennung  in  den  drei  Keimblättern  entsprechende  über- 
einanderliegende Schichten  zu  erkennen.  Ausserdem  soll  das  Ectoderm  des 
Keimstreifs  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  durch  Theilung  seiher  Zellen  nach 
Innen  Mesodermelemente  abspalten.  Die  im  Nahrungsdotter  zerstreuten  Ento- 
dermelemente begeben  sich  zum  Schluss  an  die  Oberfläche  desselben ,  und 
ordnen  sich  daselbst  zur  Mitteldarmwand  an.  Gleichzeitig  zerfällt  jedoch  der 
Nahrungsdotter  in  den  einzelnen  Zellterritorien  entsprechende  Säulen,  so  dass 
es  auch  hier  —  in  ganz  späten  Stadien  —  zur  Ausbildung  der  secundären 
Dotterpyramiden  kommt. 

Das  Mesoderm  entsteht,  nach  den  Beobachtungen  von  Bobretzky 
(No.  41)  und  Reichenbach  (No.  64,  65)  für  Astacus  und  von  P.  Mayer 
(No.  59)  für  Eupagurus  von  einer  bestimmten  Stelle  am  vorderen 
Rande  des  Blastoporus  (Fig.  237  BM,  239  nies).  Andere  Angaben  haben 
den  Ursprung  desselben  weniger  bestimmt  in  den  Umkreis  des  Blastoporus 
(  Kingsley  No.  53  für  Crangon,  H aeckel  No.  47  für  P  e  n  a  e  u  s)  oder  an  die 
Seitenwände  des  eingestülpten  Gastrulasäckchens  (Bobretzky  für  Palaemon 
[No.  41]  und  Lebedinsky  für  Eriphia  [No.  57])  verlegt.  Stets  ist  die 
erste  Anlage  des  Mesoderms  bereits  eine  vielzellige.  Die  Mesoderm- 
zellen,  welche  sich  durch  Theilung  rasch  vermehren,  breiten  sich  an- 
scheinend regellos  zwischen  dem  Ectoderm  des  Keimstreifs  und  dem 
Nahrungsdotter  aus  (Fig.  240  m).  Nur  in  wenigen  Stadien  ist  die  Ver- 
keilung der  Mesodermelemente  in  paarige  Mesodermstreifen  andeutungs- 
weise zu  erkennen.  Ebenso  spärlich  sind  die  Hinweise  auf  eine  segmen- 
tale    Gliederung.     Nur   im   Abdomen   eines   ganz    späten    Stadiums   des 


336  XV.  Capitel. 

Flusskrebses  (mit  bereits  angelegten  Abdominalbeinen)  konnte  Reichenbach 
eine  Gruppirung  der  Mesodermelemente  zu  paarigen,  segmentweise  an- 
geordneten Cölomsäcken  erkennen.  In  den  vorderen  Körperparthien  kommt 
es  entschieden  nicht  zur  Entwicklung  von  Cölomsäcken;  die  Leibeshöhle 
trägt  hier  den  Charakter  eines  Pseudocöls. 

Neben  den  gewöhnlichen  Mesodermzellen  findet  Reichexbach  in  der 
Mesodermanlage  kleinere  Elemente  von  eigentümlich  schaumigem  Protoplasma 
(Fig.  239  m,  u.  pag.  361  Fig.  259  A,  smj,  welche  mehrere  sehr  kleine,  stark 
tingirbare  Kerne  enthalten,  und  welche  von  ihm  als  Elemente  des  secundären 
Mesoderms  unterschieden  werden.  Diese  sollen  durch  einen  Process  endogener 
Zellbildung  in  den  Entodermzellen  des  Gastrulasäckchens  und  zwar  in  der  ven- 
tralen Wand  desselben  ihren  Ursprung  nehmen.  Später  verschwinden  diese 
secundären  Mesodermzellen  und  Reichenbach  meint,  dass  sie  sich  in  Blut- 
körperchen umgewandelt  hätten.  Ein  ähnliches  secundäres  Mesoderm  wurde 
von  Ischikawa  für  Atyephyra  und  von  Lebedinskt  für  Eriphia,  sowie 
von  Hekkick  für  Alpheus  und  Homarus  beobachtet. 

E.   Schizopoden. 

Hinsichtlich  der  Keimblätterbildung  bei  den  Schizopoden  sind  wir  vor 
Allem  auf  die  Beobachtungen  von  J.  Nusbauju  für  Mysis  chamaeleo 
(No.  38,  39)  angewiesen.  Die  Furchung  verläuft  hier  nach  dem  discoidalen 
Typus  (vgl.  pag.  320).  Der  erste  Furchungskern  gewinnt  eine  ganz  ober- 
flächliche Lagerung  und  aus  ihm  geht  durch  Theilung  eine  rundliche  Blasto- 
dermscheibe  hervor.  Dieselbe  entspricht  der  Lage  nach  der  Ventralseite  des 
Eies  und  zwar  dem  späteren  hinteren  Körperende.  Schon  von  den  ersten 
Stadien  an  kann  man  an  der  Blastodermscheibe  eine  Zusammensetzung  aus 
zwei  Schichten  erkennen.  Während  die  oberflächliche  Lage  sich  immer  mehr 
und  mehr  ausbreitet,  um  schliesslich  das  ganze  Ei  als  zartes  Blastoderm  zu 
überwachsen ,  treten  die  Zellen  der  unteren  Schicht  in  den  Nahrungsdotter 
ein,  vertheilen  sich  in  demselben  und  tragen  zur  Auflösung  des  Nahrungs- 
dotters wesentlich  bei,  indem  sie  denselben  nach  Art  von  Amöben  auffressen 
und  verdauen.  Diese  sogenannten  Vitellophagen  nehmen  an  dem  späte- 
ren Aufbau  des  Embroys  keinen  Antheil.  Es  ist  jedoch  wahrscheinlich,  dass 
aus  ihnen  später  Blutkörperchen  hervorgehen. 

Nach  vollständiger  Ausbildung  des  Blastoderms  ist  die  Stelle  der  frühe- 
ren Blastodermscheibe  noch  immer  durch  eine  Blastodermverdickung  kenntlich, 
an  welcher  wir  bald  eine  Trennung  in  drei  Lappen  erkennen  können.  Zwei 
seitliche  paarige  Lappen  wachsen  nach  vorne  zur  Bildung  der  seitlichen 
paarigen  Hälften  des  Keimstreifs  aus,  während  der  unpaare,  mediane,  etwas 
nach  hinten  gelegene  Lappen  als  C  au  dal-  oder  Abdominalanlage  be- 
zeichnet werden  muss  (vgl.  Fig.  254  A,  pag.  353).  Im  Bereich  der  letzteren 
und  zwar  unterhalb  einer  queren  Furche,  welche  wohl  auf  die  einwachsende 
Schwanzfalte  zu  beziehen  ist ,  entsteht  das  Entoderm  durch  Abspaltung  von 
den  Zellen  der  oberen  Schichte.  Das  Mesoderm  dagegen  soll  in  der  ganzen 
Länge  der  paarigen  seitlichen  Hälften  des  Keimstreifs  vom  Ectoderm  durch 
Abspaltung  entstehen,  indem  einzelne  Blastodermzellen  sich  theilen  und  ein 
unteres  Theilstück  in  die  untere  Mesodermschicht  einrückt,  oder  wohl  auch 
ganze  Blastodermzellen  nach  unten  wandern.  Im  Naupliusstadium  zeigt  die 
so  entstandene  Mesodermschicht  nicht  bloss  eine  deutliche  Anordnung  in 
paarige  Mesodermstreifen,  sondern  auch  eine  Gliederung  derselben  nach  den 
einzelnen  Segmenten;  dagegen  konnte  niemals  die  Bildung  von  Cölomsäcken 
beobachtet  werden. 


Crustaceen. 


337 


Was  uns  an  der  Mysis-Entwicklung  -  -  vorausgesetzt,  dass  die  angeführ- 
ten Beobachtungen  sich  bestätigen  —  vor  Allem  auffallen  rauss,  ist  (abge- 
sehen von  dem  Mangel  der  Gastrula-Einstülpung l))  das  Verhalten  des  Ento- 
derms  zum  Nahrungsdotter.  Die  Entodermanlage  bleibt  hier  in  inniger  Ver- 
bindung mit  dem  Keimstreif  (Fig.  242  en,  l,  Fig.  243  I)  und  tritt  in  keine 
näheren  Beziehungen  zum  Nahrungsdotter,  ausser  zum  Schlüsse  der  Entwick- 
lung, wo  sie  denselben  umwächst,  um  das  Mitteldarmsäckchen  zu  liefern.  Die 
Verflüssigung  des  Nahrungsdotters  liegt  hier  nicht  den  eigentlichen  Entoderm- 
zellen  ob,  sondern  den  oben  erwähnten  Vitellophagen.  Nichtsdestoweniger 
werden  wir  durch  den  Vergleich  mit  Astacus  und  Palaemon  dazu  geführt,  in 
beiden  Elementen  zusammengehörige  Parthieen  des  Entoderms  zu  erblicken. 
Schon  bei  Astacus  konnten  wir  beobachten,  dass  die  Zellen  der  ventralen 
Wand    des   Entodermsäckchens   sich    wenig   an   der   Nahrungsdotteraufnahme 


Fig.  242.  Etwas  seit- 
licher Längsschnitt  durch  das 
Naupliusstadium  (vgl.  Fig.254(7) 
von  Mysis  (nach  Ndsbaüm). 

«'  erste  Antenne,  a"  zweite 
Antenne,  d  Xahrungsdotter,  ec 
Ectoderm,  en  Entoderm,  k  Keim- 
streif, l  Leberanlage,  md  Man- 
dibel,  og  Anlage  des  Ganglion 
opticum. 


Fig.    243.      Querschnitt  durch   ein   etwas 
älteres  Stadium  von  Mysis  (nach  Nusbaüm). 

d  Nahrungsdotter,    ec  Ectoderm,   g  Bauch- 
ganglienkette, l  Leberanlagen,  ms  Mesoderm. 


betheiligen.  Von  hier  und  vor  Allem  von  jener 
Stelle,  welche  dem  blinden  Ende  des  Enddarms 
zunächst  gelegen  ist  (vgl.  Fig.  240  B,  ep), 
geht  bei  den  Decapoden  (vgl.  unten  pag.  373) 
die  Ausbildung  der  definitiven  Mitteldarmwand 
aus.  Andererseits  konnten  wir  bei  Palaemon  beobachten,  dass  nicht  alle 
im  Dotter  befindlichen  Entodermzellen  an  die  Oberfläche  treten,  um  in 
die  Bildung  des  Mitteldarmepithels  einzugehen,  sondern  dass  einzelne  im 
Inneren  des  Dotters  zurückbleibende  später  aufgelöst  werden.  Hier  haben 
wir  also  die  Anfänge  einer  Theilung  des  Entoderms  in  zwei  Parthien:  einer 


J)  Nach  Wagner,  von  dessen  vorl.  Mittheilungen  uns  nur  die  zweite  vorgelegen 
hat,  scheint  bei  Mysis  die  Gastrulaeinstülpung  durch  eine  Zeileinwucherung  repräsentirt 
zu  sein,  in  welcher  später  eine  spaltförmige  Höhle  auftritt  (No.  40). 


338 


XV.  Capitel. 


plastischen,  welche  zum  Aufbau  des  späteren  Mittehlarmsäckchens  verwendet 
wird,  und  einer  abortiven,  deren  Zellen  ausschliesslich  als  Vitellophagen 
fungiren.  Wir  werden  später  verschiedentlich  und  vor  Allem  im  Bereiche  der 
Insecten  ganz  ähnliche  Verhältnisse  vorfinden. 

F.   Arthrostraken  und  Cumaceen. 

Den  Beobachtungen  Nusbaum's  über  die  Keimblätterbildung  der 
Mysideen  schliessen  sich  die  Studien  dieses  Autors  an  Ligia  oceanica 
(No.  85  a)  innig  an  und  liefern  zum  Theil  den  Schlüssel  für  das  Ver- 
ständniss  der  Keimblätterbildung  in  der  ersteren  Gruppe.  Auch  hier 
findet  sich  nach  vollendeter  Ausbildung  des  Blastoderms  eine  der  späteren 
Ventralseite  entsprechende  Verdickung  desselben,  die  Keimscheibe, 
an  welcher  man  bald  einen  Zerfall  in  drei  Parthien  erkennen  kann 
(Fig.  244).  Von  letzteren  stellen  die  zwei  vorderen  paarig  angeordneten 
(Fig.  244  w)  die  Wucherungsstellen  für  die  Elemente  des  Mesoderms 
dar,  während  die  hintere  unpaarige  Verdickung  (en)  durch  eine  besonders 


a 

c 


Fig.  244.  Oberflächenansicht 
des  Eies  von  Ligia  oceanica  im 
Stadium  der  Keimblätterbildung  (nach 
Nusbaüm). 

en  Eimvucherungsstelle  des  En- 
toderms,  k  Blastodermkerne,  m  paarige 
Eimvucherungsstelle    des  Mesoderms. 


W~--    -V/^   • 


Figf.  245.  Zwei  Querschnitte  durch  dieKeim- 
scheibe  von  Ligia  oceanica  (nach  Nusbaum). 

A  Querschnitt  durch  die  vordere  Parthie  auf 
der  Höhe  der  Linie  ab  in  Fig.  244,  B  Querschnitt 
durch  die  hintere  Parthie  auf  der  Höhe  der  Linie 
cd  in  Fig.  244. 

d  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  en  Entoderm, 
m  Mesoderm,  c  centrale  Einsenkung  der  Keim- 
scheibe (Blastoporus). 


in  ihrem  centralen  Theile  sehr  lebhafte  Zelleinwucherung  die  Elemente 
des  Entoderms  liefert  (vgl.  die  Querschnitte  Fig.  245^1  und  B).  Die 
hier  vorliegenden  Verhältnisse  lassen  sich  sehr  leicht  mit  dem  Typus  der 
Keimblätterbildung  von  Astacus  in  Verbindung  setzen.  Wir  werden  die 
hintere  unpaare  Wucherungszone  von  Ligia  dem  sich  später  einstülpenden 
Entodermfelde  (Eig.  237  Es)  von  Astacus  vergleichen  dürfen,  vor  welchem 
sich  die  Wucherungszone  für  das  Mesoderm  (BM )  findet.  Letztere  zeigt 
auch  bei  Astacus  nach  Reichenbach  schon  in  frühen  Stadien  eine  deut- 
liche bilateral-symmetrische  Vertheilung  der  Elemente.  Bei  Ligia  finden 
wir  sie,  entsprechend  den  beiden  Hälften  des  späteren  tveimstreifs,  in  zwei 
paarige  Wucherungsstellen  vertheilt.  In  welcher  Weise  die  Bildung  des 
eigentlichen  Keimstreifs  von  diesen  Wucherungszonen  ausgeht,  ist  im 
Einzelnen  nicht  bekannt.  Doch  werden  wir  annehmen  dürfen,  dass  die 
Elemente  des  Mesoderms  unter  dem  Ectoderm  nach  vorne  rücken,    und 


Crustaceen. 


339 


dass  gleichzeitig  der  darüber  gelegene  Theil  des  Ectoderms  sich  verdickt. 
Auf  jeden  Fall  liefern  uns  spätere  Stadien  von  Ligia  und  Cymothoa 
den  deutlichsten  Beweis,  dass  wir  die  erwähn- 
ten Wucherungszonen  des  Mesoderms,  als  dem 
hintersten  Ende  des  späteren  Keimstreifs  ent- 
sprechend, uns  vorstellen  müssen.  Denn  im 
Naupliusstadium  von  Ligia  (Fig.  246)  finden 
wir  hinter  dem  dritten  Extremitätenpaare  (3) 
eine  vor  der  Anlage  der  Afteröffnimg  (a)  sich  ein- 
schiebende Bildungszone  (K)  für  die  daselbst 
sich  neu  anlegenden  hinteren  Körpersegmente. 
Diese  Bildungszone  besteht  bereits  aus  zwei 
Zellschichten  (Ectoderm  und  Mesoderm),  deren 
Zellen  durch  Vermehrung  einer  ganz  hinten 
vor  der  Afteröffnung  («)  gelegenen  Querreihe 
grosser  Bildungszellen  hervorgegangen  sind 
und  sowohl  im  Ectoderm  als  auch  im  Meso- 
derm eine  äusserst  regelmässige  Anordnung  in 
Querreihen  und  Längsreihen  aufweisen.  Nach 
Patten  (Quart.  Jourm  Micr.  Sc.  Vol.  XXXI 1890, 
pag.  371)  liegen  in  jeder  Querreihe  jederseits 
bei  Cymothoa  vier  Mesodermzellen  (Fig. 
247  ms),  aus  deren  Vermehrung  in  den  vorderen, 
ausgebildeteren  Segmentanlagen  das  Mesoderm- 
material  des  gesammten  Segmentes  in  der  Weise 
sich  herausbildet,  dass  die  Abkömmlinge  der 
drei  lateralen  Zellen  sich  vereinigen,  während  die  der  vierten  medianwärts 


Fig'.  246.  Keimstreif  im 
Naupliusstadium  von  Ligia 
oceanica   (nach  Nusbälm). 

a  After,  h  Entoderm- 
lappen  (Leberanlagen) ,  o 
Augenlappen.  1,  2,  3  erstes, 
zweites,  drittes  Paar  von 
Naupliusgliedmassen.  olOher- 
lippe,  k  Segment-Knospungs- 
zone. 


gelegenen 


Zelle 


mit 
samen  Complex  sich 
ordnen.  Diese  ungemein 
gesetzmässige  Anordnung 
des  Zellmaterials  in  den 
neu  entstehenden-  Seg- 
menten des  hinteren  Kör- 
perabschnittes erinnert  an 
ganz  ähnliche  Verhält- 
nisse, wie  sie  von  Claus 
für  Branchipus  an  der 
gleichen  Stelle  beobach- 
tet wurden.  Andererseits 
fordert  aber  die  Anord- 
nung der  Mesodermzellen 
in  den  durch  sämmtliche 
Segmente  nach  vorne  ver- 
laufenden Längsreihen  zu 
einem  Vergleich  mit  den 
von  Wilson  und  neuer- 
dings von  Bergh  bei  den 
Oligochäten  (vgl.  oben 
pag.  195)  beobachteten 
Verhältnissen  heraus.  Aus 
dem  gesetzmässigen  An- 
wachsen   der   Mesoderm- 


denen  der  anderen  Körperhälfte  zu  einem  gemein- 
an- 


A 


Fig.  247.  Ein  Stück  der  segmentbildenden  Zone 
des  Keimstreifs  von  Cymothoa  (nach  Patten). 

A  medianer  Längsschnitt,  B  Innenansicht  des 
hinteren  Endes  des  Keimstreifs  (vgl.  Fig.  246).  Kechts 
sind  die  Zellen  der  Mesodermschicht  in  der  Zeichnung 
weggelassen. 

ec  Ectoderm,  ms  Mesoderm. 


340  XV.  Capitel. 

streifen  scheint  jedoch  hervorzugehen,  dass  bei  Ligia  und  Cyinothoa 
die  beiden  urspünglichen  Wucherungszonen  des  Mesoderms  der  Lage 
nach  dem  hintersten  Ende  des  späteren  Keimstreifs  entsprechen.  Wir 
werden  daher  auch  für  Mysis  vermuthen  dürfen,  dass  ähnliche  Verhält- 
nisse vorliegen  und  dass  die  beiden,  oben  erwähnten,  lateralen  Lappen 
der  Keimscheibe  den  paarigen  Wucherungszonen  des  Mesoderms  ent- 
sprechen. Dann  würden  wir  annehmen  dürfen,  dass  das  gesammte 
Mesoderm  des  Keimstreifs  durch  Proliferation  von  diesen  Wucherungs- 
stellen aus  entsteht  und  nicht  —  wie  Nusbaum  für  Mysis  annimmt  — 
durch  eine  Art  Delamination  von  der  Innenfläche  des  Ectoderms  des 
Keimstreifs  sich  abspaltet. 

Bei  Ligia  und  überhaupt  bei  den  Isopoden  finden  sich  nur  spär- 
liche Dotterzellen,  welche  dieselbe  Rolle  spielen,  wie  die  von  Mysis.  Sie 
lösen  sich  in  frühen  Stadien  von  den  unteren  Schichten  der  Embryonal- 
anlage los,  wandern  in  den  Dotter  ein,  um  sich  als  Vitellophagen  an 
dessen  Auflösung  zu  betheiligen,  und  gehen  schliesslich  zu  Grunde.  Das 
eigentliche  Entoderm  tritt  hier  nicht  in  das  Innere  des  Dotters  ein,  son- 
dern bildet  eine  mit  dem  Keimstreif  in  inniger  Verbindung  bleibende, 
bald  in  zwei  Hälften  angeordnete  paarige  Zellmasse  (Fig.  246  h).  Wie 
aus  diesen  Anlagen  der  definitive  Mitteldarm  gebildet  wird,  darüber  sind 
die  vorläufigen  Mittheilungen  Nusbaum's  etwas  undeutlich.  Die  beiden 
Anlagen  vereinigen  sich  im  Vordertheile  des  Embryos  und  bilden  daselbst 
die  Mitteldarmwand;  ausserdem  wachsen  zwei  rinnenförmige,  nach  dem 
Dotter  offene  und  concave,  nach  Aussen  convexe,  dem  Keimstreifen  dicht 
anliegende  Fortsätze  nach  hinten:  die  Anlagen  der  primären  Leber- 
schläuche, welche  sich  erst  später  durch  Längseinschnürung  in  vier 
theilen;  die  Mitteldarmanlage  ist  nach  hinten  und  dorsalwärts  von  der 
Dottermasse  überlagert.  Letztere  wird  erst  allmählich,  indem  sich  die 
Entodermzellen  durch  Theilung  vermehren,  von  dem  Epithel  der  Mittel- 
darmanlage völlig  umwachsen,  wodurch  die  in  jüngeren  Stadien  dorsal- 
wärts offene  Mitteldarmanlage  dann  ihren  dorsalen  Abschluss  erhält. 
Letztere  ist  bei  Ligia,  wie  bei  Porcellio  ziemlich  umfangreich,  während 
sie  bei  Oniscus  sich  auf  die  Leberausstülpungen  und  die  ihrer  Ein- 
mündung zunächst  gelegene  Darmparthie  zu  beschränken  scheint. 

Die  Verhältnisse  der  Keimblätterbildung,  wie  wir  sie  nach  Nusbaum  für 
Ligia  geschildert  haben,  dürften  vielleicht  im  Bereiche  der  Isopoden  weitere 
Verbreitung  haben,  wenngleich  unsere  Kenntnisse  über  diese  Verhältnisse  noch 
zu  ungenügende  sind,  um  ein  Urtheil  hierüber  aussprechen  zu  dürfen.  Am 
Genauesten  ist  noch  die  Keimblätterbildung  von  Oniscus  bekanntgeworden. 
Auch  hier  soll  das  Blastoderm  nach  Bobretzky  (No.  80)  durch  discoidale 
Furchung  gebildet  werden,  doch  möchte  dieselbe  vielleicht  in  Wirklichkeit 
unserem  Typus  III  b  (vgl.  oben  pag.  319)  zuzurechnen  sein1).  Jene  Stelle 
der  Eioberfläche ,    von  welcher  die  Bildung  des  Blastoderms  ausging,  ist  wie 


*)  Mit  letzterer  Auffassung  lassen  sich  auch  die  Beobachtungen  von  Roule 
(No.  92)  in  Uebereinstimmung  bringen,  obgleich  sie  manche  Unklarheit  enthalten.  Nach 
Roule  bildet  sich  bei  Porcellio  eine  oberflächliche  Zellscbicht,  welche  am  Rande 
durch  Anfügung  neuer,  aus  der  Tiefe  des  Dotters  kommender  Plasmaparthien  vermehrt 
wird.  Die  Kerne  sollen  jedoch  in  dieser  Zellschicht  spontan  (!)  entstehen.  Diese  Zell- 
schicht (Blastoderm),  welche  Roule  als  Ectoderm  bezeichnet,  zeigt  sich  zuerst  in  den 
vorderen  Partbien  des  Embryos,  breitet  sieb  von  hier  über  die  ventrale  Fläche  nach 
hinten  aus  und  erstreckt  sich  zum  Schluss  auch  auf  die  dorsale  Seite.  Die  innere, 
von  dieser  Zellschicht  umschlossene  Nahrungsdottermasse  wird  von  Roule  als  Meso- 
entoderm  in  Anspruch  genommen. 


Crustaceen. 


341 


bei  Mysis  und  Ligia  auch  späterhin  durch  eine  rundliche  Blastodermverdickung, 
die  Keimscheibe,  gekennzeichnet.  Die  Keimscheibe  entspricht  der  späteren 
Ventralfläche  des  Embryos;  aus  ihr  geht  der  Keimstreif  hervor.  Die  Keim- 
blätterbildung wird  (ähnlich  wie  bei  Ligia,  doch  ohne  vorhergehende  Ab- 
grenzung des  mesodermalen  und  entodermalen  Bezirkes)  durch  eine  Ein- 
wanderung von  Zellen  im  Centrum  der  Keimscheibe  eingeleitet.  Die  Gastrula- 
einstülpung  ist  hier  durch  eine  einfache  Zeileinwucherung  ersetzt.  Durch 
letztere  wird  die  Keimscheibe  mehrschichtig.  Während  ihre  äusserste  (oberste) 
Schicht  zum  Ectoderm  des  Keimstreifs  sich  umwandelt,  liefert  die  untere 
Schicht  das  Mesoderm  und  Entoderm.  Bobretzky  (No.  80) ,  dem  wir  eine 
grundlegende  Darstellung  der  Oniscusentvvicklung  verdanken,  beobachtete,  dass 
von  dieser  unteren  Schicht  einzelne  Zellen  in  den  Nahrungsdotter  einwandern, 
denselben  durchsetzen  und,  indem  sie  sich  daselbst  vermehren,  durch  einen 
Act  secundärer  Dotterfurchung  den  Zerfall  des  Dotters  in  einzelne  Zell- 
territorien bewirken  (Fig.  248  liy).  Diese  Zellen  sollten  das  Entoderm  re- 
präsentiren   und   später   —   ähnlich  wie  die  Zellen  im  Dotter  von  Palaemon 


Fig.  248.  Zwei  Längsschnitte  durch  den  Embryo  von  Oniscus  murarius 
(nach  Bobretzkv,  aus  Balfour's  Handbuch). 

A  jüngeres,  B  älteres  Stadium. 

do  Dorsalorgan,  hy  Nahrungsdotter  mit  Dotterzellen,  ld  Herzanlage,  li  Leber,  m, 
mb  Mesoderm,  ol  Oberlippe,  pr  Enddarm,  sg  Gehirn,  st  Vorderdarm,  vg  Bauchganglien- 
kette, zp  Anlage  des  Kauapparates. 


—  zur  Bildung  des  Mitteldarms  (vor  Allem  der  Leber)  Anlass  geben.  Die 
dicht  an  der  Keimscheibe  verbleibenden  Zellen  der  unteren  Schicht  dagegen 
sollten  das  Mesoderm  (Fig.  248  m)  repräsentiren.  Diesen  Angaben  ist 
neuerdings  Nusbaum  (No.  85)  entgegengetreten  mit  der  Behauptung,  dass  die 
Dotterzellen,  welche  übrigens  nicht  bloss  von  der  Keimscheibe,  sondern  von 
dem  ganzen  Umkreis  des  Blastoderms  ins  Innere  einwandern,  an  dem  weiteren 
Aufbau  des  Embryos  keinen  Antheil  nehmen,  sondern  bloss,  wie  bei  Mysis  und 
Ligia,  als  Vitellophagen  fungiren.  Das  eigentliche  Entoderm  liegt  bei 
Oniscus  nach  Nusbaum  ursprünglich  mit  den  Elementen  des  Mesoderms  vereinigt, 
in  den  unteren  Schichten  der  Keimscheibe,  ordnet  sich  jedoch  bald  zu  zwei 
lateralen  Zellanhäufungen  an,  welche  mit  einander  verwachsen  und  die  Mittel- 
darmanlage, sowie  die  Leberausstülpungen  (Fig.  248  B,  li)  bilden.  Bei 
Oniscus  scheint  die  Ausbildung  zweier  primärer  Lebersäcke  der  Entwicklung  des 
Mitteldarms  voranzugehen,  indem  sich  eine  von  den  genannten  Zellanhäufungen 
ausgehende,  streifenförmige  Entodermanlage  jederseits  zur  Bildung  eines  Leber- 
säckchens  einkrümmt,  welche  erst  später  unter  Entwicklung  eines  sehr  kurzen 
Mitteldarmantheils  unter  einander  in  Verbindung  treten.  Bei  Porcellio  da- 
gegen   scheint  nach  Reinhard  (No.  91)   die  Bildung    des  Mitteldarmantheils 

Korschelt -H  eider,  Lehibucb.  &> 


342  xy.  Capitel. 

der  Abschnürung  der  Lebersäcke  vorauszueilen.  Die  beiden  primären  Leber- 
schläuche theilen  sich  durch  Längseinschnürung  später  in  vier.  Es  ist  zu 
bemerken,  dass  der  Mitteldarm  bei  Oniscus  —  wie  überhaupt  bei  den  höheren 
Crustaceen  —  auf  ein  sehr  kurzes  Stück  in  der  Umgebung  der  Lebereinmün- 
dungsstellen beschränkt  ist,  während  der  grösste  Theil  des  Darmcanals  dem 
Vorderdarm  und  Enddarm  entstammt.  Während  dieser  Entwicklungsvorgänge 
breitet  sich  die  Schicht  der  Mesodermzellen  unter  dem  in  die  Länge  wachsen- 
den Keimstreif  gleichmässig  aus  und  tritt  in  das  Innere  der  Extremitäten- 
anlagen. Es  verdient  jedoch  Erwähnung ,  dass  Wasil.jeff  (No.  84)  bei 
Oniscus  einen  Zerfall  des  Mesoderms  in  segmentale  Somiten  beobachtet  zu 
haben  glaubt. 

Mit  dieser  Darstellung  der  Keimblätterbildung  bei  Ligia  und  Oniscus, 
welche  hauptsächlich  auf  den  Angaben  Nusbaum's  beruht  und  welche  mit  den 
Mittheilungen  Bullar's  (No.  81)  für  Cymothoa  in  Uebereinstimmung  steht, 
lassen  sich  die  Ergebnisse,  zu  denen  Pereyaslawzewa  (No.  70  u.  71)  und 
Rossiiskaya  (No.  72 — 78)  an  den  Eiern  verschiedener  Amphipoden 
(Gammarus  poecilurus,  Orchestia,  Caprella,  Sunamphithoe,  Amphithoe)  gelangt 
sind,  ziemlich  gut  in  Uebereinstimmung  bringen.  Hier  entstammen  die  Ele- 
mente des  Entoderms  einer  Einwanderung  einzelner  Blastodermzellen  in  tiefere 
Schichten  und  ordnen  sich  bald ,  nachdem  sie  vorübergehend  im  Nahrungs- 
dotter zerstreut  waren,  zu  zwei  lateralen  Entodermstreifen  an,  welche  zunächst 
in  den  vorderen  Parthien  des  Embryos  auftreten  und  sich  zur  Bildung 
des  Mitteldarmrohres  aneinanderschliessen.  Durch  Abfaltung  von  letzterem  ent- 
stehen dann  die  primären  Leberschläuche,  welche  sich  bald  durch  Theilung 
bis  auf  vier  vermehren.  Von  diesem  Verhalten  weicht  Caprella  und  Sunamphithoe 
insofern  ab,  als  sich  hier  die  Anlagen  der  Leberschläuche  vor  Ausbildung  des 
übrigen  Theiles  des  Mitteldarms  differenziren.  Sie  schliessen  sich  in  dieser 
Hinsicht  an  Oniscus  an.  Dagegen  soll  das  Mesoderm  erst  in  verhältnissmässig 
späten  Stadien  durch  eine  Art  Delaminationsprocess  vom  Ectoderm  in  den 
einzelnen  Extremitätenanlagen  entspringen  (?). 

Die  Cumaceen  schliessen  sich  durch  die  Verhältnisse  der  Keimblätter- 
bildung, durch  die  Lage  und  Gestalt  des  Keimstreifs  und  des  Dorsalorgans 
am  nächsten  an  die  Isopoden  an.  Hier  bildet  sich  durch  discoidale  Furchung 
zunächst  eine  rundliche  Scheibe  aus,  welche  allmählich  die  Oberfläche  des 
Eies  überwächst.  Bevor  jedoch  auf  diese  Weise  das  Blastoderm  vollständig 
gebildet  ist,  macht  sich  im  Centrum  dieser  Scheibe  eine  Zellproliferation 
geltend,  welche  zur  Anhäufung  von  Zellen  unterhalb  des  Blastoderms  führt. 
An  diesen  inneren  Zellen  lassen  sich  bald  zwei  Schichten ,  Mesoderm  und 
Entoderm  unterscheiden.  Diese  Processe  zeigen  grosse  Aehnlichkeit  mit  den 
von  Bobretzky  für  Oniscus  beschriebenen.  Die  beiden  erwähnten  unteren 
Schichten  verbreiten  sich  hierauf  längs  eines  an  der  Ventralseite  des  Eies 
gelegenen  streifenförmigen  Bereiches ,  welcher  auf  diese  Weise  zu  der  als 
„Keimstreif"  zu  bezeichnenden  Embryonalanlage  ausgebildet  wird.  Dieselbe 
bleibt  nicht  bloss  auf  die  Ventralseite  beschränkt,  sondern  greift  bald  mit 
ihrem  vorderen  und  hinteren  Ende  auf  die  dorsalen  Parthien  des  Eies  über. 
Gleichzeitig  entwickelt  sich  an  der  Dorsalseite  eine  als  „Dorsalorgan"  zu  be- 
zeichnende Zellanhäufung  (vgl.  unten  pag.  351).  An  allen  diesen  Entwick- 
lungsvorgängen nimmt  der  Nahrungsdotter  anscheinend  keinen  activen  Antheil. 
Es  lassen  sich  in  demselben  anfangs  auch  keinerlei  zellige  Elemente  wahr- 
nehmen. Nach  Ausbildung  des  Keimstreifs  treten  jedoch  in  der  Nähe  des- 
selben im  Nahrungsdotter  vereinzelte  halbmondförmige  Zellen  auf,  welche  ein 
Dotterkorn  umschliessen.  Ausserdem  finden  sich  noch  ganz  vereinzelte  grössere, 
feingranulirte   Elemente   im  Nahrungsdotter.     Die  Rolle   dieser  Elemente   ist 


Crustaceen.  343 

nicht  genau  erkannt.  Es  scheint,  dass  sie  an  der  Mitteldarmentwicklung 
keinen  Antheil  nehmen.  In  späteren  Stadien  (zur  Zeit  der  Extremitäten- 
entwicklung) wurde  ein  Zerfall  des  Nahrungsdotters  in  grössere  Ballen  be- 
obachtet (H.  Blanc  No.  35). 

G.   Allgemeines. 

Wir  müssen  zunächst  die  Lagebeziehungen  des  Blastoporus  ins  Auge 
fassen.  Wenn  wir  die  Verhältnisse  verwandter  Gruppen,  vor  allem  der 
Anneliden  (vgl.  das  oben  pag.  174  über  den  Verschluss  des  Blastoporus 
bei  Eupomatus  Gesagte),  zum  Vergleiche  heranziehen ,  so  würden  wir 
geneigt  sein,  auch  bei  Crustaceen  die  ganze,  zwischen  Mund  und  After- 
öffnung sich  hinziehende  Strecke  für  die  Lage  des  Blastoporus  in  Anspruch 
zu  nehmen.  Für  eine  solche  Ausdehnung  finden  sich  aber  nur  in  der 
Ontogenie  ganz  weniger  Formen  gewisse  Andeutungen,  so  z.  B.  in  dem 
spaltf örmigen ,  von  vorne  nach  hinten  sich  schliessenden  Urmunde  von 
Cetochilus  (nach  grobben,  vgl.  oben  pag.  325)  und  in  dem  Fortsatz, 
mittelst  welchen  die  Einwucherungsstelle  des  Entoderms  bei  Ligia 
(vgl.  oben  pag.  338  Fig.  244)  sich  nach  vorne  zwischen  die  beiden 
Mesodermkeime  erstreckt.  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle 
lauten  die  Angaben  dahin,  dass  der  Blastoporus  seiner  Lage  nach  dem 
hintersten  Ende  des  Keimstreifs  und  ungefähr  der  Stelle  der  sich  später 
bildenden  Afteröffnung  entspricht.  Wir  werden  aber  hier  die  ungemeine 
Kürze  der  ersten  Embryonalanlage  (Keimscheibe)  bei  vielen  Crustaceen 
in  Berücksichtigung  ziehen  müssen  und  uns  vorstellen  dürfen,  dass  bei 
dem  Auswachsen  dieser  kurzen  Anlage  zur  Bildung  des  gestreckteren 
Keimstreifs  Elemente,  welche  ursprünglich  im  Bereich  des  sich 
schliessenden  Blastoporus  waren,  durch  Wachsthunisverschiebungen  weiter 
nach  vorne  verlagert  werden,  so  dass  im  Grunde  vielleicht  dem 
Blastoporus  doch  eine  grössere  Ausdehnung  nach  vorne  zugesprochen 
werden  müsste,  als  man  dies  im  Allgemeinen  für  die  Crustaceen  zuzu- 
geben geneigt  ist. 

Wenn  wir  durch  den  sich  schliessenden  Blastoporus  die  Lage  des 
späteren  hinteren  Körperendes  und  des  vegetativen  Eipoles  gekennzeichnet 
annehmen,  so  würden  wir  für  die  durch  die  Bildung  der  Kopf  läppen 
(Augenlappen)  deutlich  werdende  Anlage  des  Vorderendes,  unter  Berück- 
sichtigung der  bei  den  Anneliden  zu  beobachtenden  Verhältnisse,  den 
diametral  gegenüberliegenden  Punkt  der  Eiperipherie  in  Anspruch  nehmen. 
Eine  solche  Lagerung  weisen  die  Kopf  läppen  aber  nur  in  wenigen  Fällen 
[z.  B.  bei  Moina  (Fig.  235  C,  b,  s)  und  Cetochilus]  annäherungsweise  auf. 
Bei  den  dotterreicheren  Eiern  gehören  die  Kopf  läppen  und  der  Blastoporus 
derselben  Hemisphäre  des  Eies  an  und  erscheinen  einander  mehr  oder 
weniger  genähert  (vgl.  Fig.  238  pag.  331,  an  welcher  das  spätere  Vorder- 
ende des  Körpers  durch  ein  *  gekennzeichnet  ist).  Man  erkennt  hieraus, 
dass  die  Anlage  der  späteren  Ventralseite  im  Eie  bedeutend  kürzer  ist, 
als  die  der  Dorsalseite  oder  —  mit  anderen  Worten  -  die  Dorsalseite 
des  Embryos  erscheint  durch  Einlagerung  von  Nahrungsdottermassen 
beträchtlich  aufgequollen  und  dementsprechend  in  ihrer  Entwicklung 
verzögert.  Die  Lage  der  Nahrungsdotterkugel  ist  demnach  im  Verhältniss 
zur  Längsaxe  des  sich  entwickelnden  Embryos  eine  excentrische  und 
zwar  dorsalwärts  verschobene.  Ein  Vergleich  der  bei  den  Vertebraten 
zu  beobachtenden  Verhältnisse,  wo  wir  eine  dorsale  Lagerung  des 
Blastoporus    und   eine   Verlagerung  der  Nahrungsdottermasse   nach   der 

23* 


344  XV.  Capitel. 

Ventralseite  vorfinden,    ist  nach  mancher  Hinsicht   lehrreich.     Vgl.  das 
oben  pag.  322  über  diese  Verhältnisse  Gesagte. 

Fassen  wir  die  Art  und  Weise  der  Keimblätterbildung  und  zwar 
zunächst  die  Entstehung  des  Entoderms  ins  Auge,  so  sind  es  nur 
verhältnissmässig  wenige  Formen  mit  dotterärmeren  Eiern,  bei  denen 
ursprüngliche ,  direct  auf  die  Entwicklungsweise  der  Anneliden  zu 
beziehende  Verhältnisse  zu  bemerken  sind.  Auch  hier  wäre  in  erster 
Linie  Cetochilus  zu  nennen,  bei  welchem  ein  durch  Invagination  ent- 
standenes Urdarmsäckchen  nach  Schluss  des  Blastoporus  sich  wahrscheinlich 
direct  in  die  Mitteldarmanlage  umwandelt.  Auch  Moina,  vielleicht  auch 
Lucifer  und  Penaeus  scheinen  diesen  Verhältnissen  noch  nahe  zu  stehen. 
Im  Allgemeinen  ist  die  Entodermbildung  durch  Invagination  unter  den 
Crustaceen  ziemlich  verbreitet.  In  anderen  Fällen  [Artlirostraken, 
Mysideen,  Cumaceen,  Cirripedien  (?)]  unterbleibt  die  Bildung  einer 
Einstülpung  und  die  Sonderung  des  Entoderms  vollzieht  sich  in  der 
Form  einer  soliden  Zeilein  Wucherung  (vgl.  Fig.  245  B,  pag.  338). 

Wichtige  und  charakteristische  Verschiedenheiten  ergeben  sich  in 
der  Entwicklung  der  dotterreicheren  Crustaceeneier,  insofern  die 
späteren  Schicksale  der  Entodermzellmasse  in  Frage  kommen.  Bei  jenen 
Umbildungen,  durch  welche  aus  dem  Material  des  Entoderms  die  Anlage 
des  Mitteldarms  mit  seinen  Leberausstülpungen  hervorgeht,  machen 
nämlich  die  Beziehungen  dieser  Anlage  zur  Nahrungsdotteranhäufung 
ihren  bestimmenden  Einfluss  geltend.  Im  Anfange  der  Entwicklung 
erscheint  nach  Ablauf  der  Blastodermbildung  das  Blastocöl  von  Nahrungs- 
dotter erfüllt.  Es  geht  hieraus  hervor,  dass  bei  dem  Eintritt  der 
Gastrulation  der  Nahrungsdotter  ausserhalb  des  Urdarmsäckchens  in 
der  sog.  primären  Leibeshöhle  gelegen  ist.  Später  aber  wird  die 
Mitteldarmanlage  in  der  Regel  in  der  Weise  gebildet,  dass  sie  die  ge- 
sammte  Nahrungsdottermenge  in  ihrem  Inneren  beherbergt.  Es  hat 
demnach  in  den  relativen  Lageverhältnissen  der  Entodermanlage  und 
des  Dotters  eine  Veränderung  stattgefunden.  Dieselbe  kann  bei  den 
Crustaceen  auf  dreierlei  verschiedene  Art  vollzogen  werden,  so  dass 
sich  drei  verschiedene  Typen  der  Entwicklung  des  Mitteldarms  ergeben, 
welche  in  folgender  Weise  charakterisirt  werden  können: 

I.  Entwicklung  des  Mitteldarms  unter  Filtration  des  Nahrnngs- 
dotters,  z.  B.  bei  Astacus  (Fig.  240  pag.  333).  Der  Nahrungsdotter, 
welcher  in  der  primären  Leibeshöhle  gelegen  ist,  wird  successive  in  das 
Innere  der  Entodermzellen  aufgenommen.  Wenn  diese  Aufnahme  unter 
Entwicklung  der  secundären  Dotterpyramiden  beendet  ist,  erscheinen  die 
Kerne  der  Entodermzellen  an  die  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  gerückt. 
Dort  bildet  sich  das  Epithel  des  Mitteldarmsäckchens  aus,  in  dessen 
Inneren  schliesslich  die  ganze  Dottermasse  gelegen  ist.  Das  Typische 
an  diesem  Vorgange  ist,  dass  das  durch  die  Invagination  entstandene 
Gastrulasäckchen  während  der  ganzen  Dauer  dieser  Processe  in  seinem 
Zusammenhange  erhalten  bleibt,  wie  denn  auch  das  Lumen  dieses 
Säckchens  in  das  Lumen  des  späteren  Mitteldarms  übergeht.  Die 
Entodermzellen  verlieren  hier  niemals  ihren  epithelialen  Zusammenhang. 
Der  Nahrungsd otter  —  ursprünglich  ausserhalb  des  Entodermsäckchens 
gelegen  ■  tritt  zunächst  in  die  Wand  dieses  Säckchens  und  schliesslich 
in  das  Lumen  des  Säckchens  selbst  ein.  Diese  Art  der  Mitteldann- 
bildung scheint  sehr  vereinzelt  da  zu  stehen.  Bisher  bildet  Astacus  den 
einzigen    bekannt   gewordenen   Fall    dieser  Art,    der   aber   von   um    so 


Crustaceen.  345 

grösserem  Interesse  ist,  als  er  uns  den  Schlüssel  für  das  Verständniss 
der  beiden  anderen  Entwicklungstypen  abgiebt. 

II.  Entwicklung    des    Mitteldarms    unter   Dnrchwanderuug    des 

Nahrungsdotters,  z.  B.  bei  Palaemon  (Fig.  241,  pag.  334).  Hier  ver- 
lieren die  Zellen  des  durch  Invagination  entstandenen  Gastrulasäckchens 
sehr  bald  ihren  epithelialen  Zusammenhang,  so  dass  das  Säckchen  selbst 
unter  diesem  Auflösungsprocess  scheinbar  verschwindet.  Die  Entodermzellen 
treten  vereinzelt  in  der  Form  amoeboider  Wanderzellen  in  den  Dotter 
ein,  welchen  sie  durchziehen,  um  sich  schliesslich  an  der  Oberfläche 
desselben  zur  Bildung  des  Mitteldarmepithels  anzuordnen.  Man  sieht, 
dass  auch  in  diesem  Falle  die  Bewegungsrichtimg  der  Entodermzellen 
die  gleiche  ist,  wie  bei  dem  oben  geschilderten  Typus.  Der  einzige 
Unterschied  gegenüber  demselben  besteht  darin,  dass  in  dem  hier  vor- 
liegenden Falle  die  Wand  des  Gastrulasäckchens  zeitweilig  ihren  epithe- 
lialen Zusammenhang  verliert.  Um  diesen  Typus  von  dem  vorher- 
gehenden ableiten  zu  können,  dürfen  wir  uns  nur  vorstellen ,  dass  bei 
geringer  Anzahl  der  Entodermzellen  und  grosser  Nahrungsdottermenge 
die  Abstände  der  bei  der  Vergrösserung  des  Gastrulasäckchens  aus- 
einanderrückenden Entodermzellen  so  beträchtliche  werden,  dass  der 
Zusammenhang  des  Epithels  nicht  erhalten  bleiben  konnte.  Thatsächlich 
erscheint  aber  mit  dem  zeitweiligen  Selbstständigwerden  der  entodermalen 
Wanderzellen  eine  Vereinfachung  des  Entwicklungsprocesses  gegeben, 
durch  welche  der  Beginn  der  Einwanderung  in  den  Dotter  in  früheren 
Stadien  ermöglicht  wurde.  Der  vorliegende  Entwicklungstypus  scheint 
unter  den  Crustaceen  grosse  Verbreitung  zu  besitzen.  Wir  finden  ihn 
bei  den  meisten  Decapoden  und  wahrscheinlich  auch  bei  den  dotter- 
reicheren Eiern  vieler  Entomostraken  (der  Cirripedien,  Copepoden, 
Cladoceren).  Wir  werden  ihn  ausserdem  später  bei  manchen  anderen 
Arthropodengruppen,  z.  B.  bei  Limulus,  den  Spinnen  etc.,  wiederkehren 
sehen.  Vielfach  kommt  es  während  der  Durchwanderung  des  Nahrungs- 
dotters zu  einer  nachträglichen  Abgrenzung  der  Zellterritorien  der  im 
Dotter  zerstreuten  Entodermzellen.  Diesen  Process  hat  man  als 
Dotterfurchung  bezeichnet.  Er  hat  aber  natürlich  mit  der  eigent- 
lichen Furchung  durchaus  Nichts  zu  thun.  Denn  diese  müssen  wir  ja 
mit  der  vollendeten  Ausbildung  des  Blastoderms  als  abgeschlossen 
betrachten. 

III.  Entwicklung  des  Mitteldarms  unter  Uniwaclisung  des 
Nahrungsdotters ,  z.  B.  bei  Mysis  und  Ligia  (vgl.  oben  pag.  337, 
Fig.  243).  Hier  trennen  sich,  ähnlich  wie  bei  dem  vorhergehenden 
Typus  von  der  (bei  den  hierhergehörigen  Formen  wohl  stets  durch 
solide  Einwucherung  entstandenen)  Entodermzellenmasse  einzelne  Zellen 
ab,  und  treten  in  den  Dotter  ein,  um  sich  in  demselben  zu  zerstreuen. 
Diese  Zellen  nehmen  aber  an  dem  späteren  Aufbau  des  Mitteldarms 
keinen  Antheil;  sie  dienen  als  Vitellophagen  der  Assimilation  des 
Nahrungsdotters  und  gehen  später  zu  Grunde  oder  werden  vielleicht  in 
Blutkörperchen  umgewandelt.  Der  Hauptantheil  der  Entodermzellen 
betheiligt  sich  aber  nicht  an  dieser  Einwanderung,  sondern  bleibt  nahe 
seiner  Ursprungsstelle  an  der  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  liegen,  um 
sich  später  in  zwei  paarige,  unter  dem  Keimstreif  gelegene,  scheiben- 
förmige Entodermzellschichten  umzuwandeln  (Fig.  243  1  und  246  h), 
welche,  indem  sie  sich  durch  Theilung  der  Zellen  vergrössern ,  sich  an 
der  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  ausbreiten  und  denselben  allmählich 


346  XV.  Capitel. 

umwachsen.  Hier  hat  sich  demnach  das  Entoderm  —  wie  wir  dies 
bereits  oben  pag.  337  auseinandergesetzt  haben  —  in  zwei  differente 
Antheile,  einen  plastischen  und  einen  abortiven,  getrennt.  Wir  werden 
uns  hierbei  daran  zu  erinnern  haben,  dass  auch  bei  dem  II.  Entwicklungs- 
typus  nicht  sämmtliche  im  Dotter  zerstreute  Wanderzellen  an  die  Ober- 
fläche treten  (vgl.  oben  pag.  334),  um  sich  an  der  Bildung  des  Mittel- 
darmepithels zu  betheiligen,  sondern  dass  eine  Anzahl  derselben  im 
Dotter  zurückbleibt,  um  schliesslich  zu  Grunde  zu  gehen.  Diese  letzteren 
entsprechen  offenbar  den  Vitellophagen  des  vorliegenden  Typus.  Den 
eigentlichen  Schlüssel  für  die  Erklärung  der  hier  gegebenen  Verhältnisse 
liefert  eine  genaue  Betrachtung  der  für  Astacus  beschriebenen  Ent- 
wicklungsweise.  Wir  haben  oben  (pag.  332)  erwähnt,  dass  die  Zellen 
des  Entodermsäckchens  sich  bei  Astacus  nicht  in  gleicher  Weise  an  der 
Aufnahme  des  Nahrungsdotters  betheiligen.  Am  meisten  werden  hierzu 
die  Zellen  der  dorsalen  Hälfte  herangezogen,  während  die  der  ventralen 
Hälfte  von  der  Filtration  des  Nahrungsdotters  weniger  afficirt  werden. 
Von  letzterer  Parthie  geht  aber  gerade  die  Bildung  des  definitiven 
Mitteldarmes  zuerst  aus.  Wir  finden  zunächst  in  der  Nähe  des  blinden 
Endes  des  Proctodäums  eine  Entodermzellplatte  (Fig.  240  B,  ep),  welche 
bereits  die  Charaktere  des  definitiven  Mitteldarmepithels  aufweist  und 
sogar  eine  gewisse  Tendenz  zur  Ueberwachsung  der  übrigen,  noch  nicht 
modificirten  Entodermparthien  zeigt.  Eine  ganz  übereinstimmende 
Entodermzellplatte  wird  auch  bei  dem  II.  Entwicklungstypus  gebildet 
(Fig.  241  C,  ep),  so  dass  auch  dort  ein  Theil  der  im  Dotter  zerstreuten 
Entodermzellen  grössere,  plastische  Fähigkeiten  beweist,  als  die  übrigen. 
Hier  finden  wir  demnach  die  Anfänge  einer  Arbeitsteilung  gegeben, 
welche  im  III.  Entwicklungstypus  zur  vollen  Ausbildung  gekommen  ist. 
(Vgl.  das  oben  pag.  337  über  diese  Verhältnisse  Gesagte.)  Dem  vor- 
liegenden Entwicklungstypus  gehören  die  Mysideen,  Arthrostraken  und 
Cumaceen  (?)  an.  Er  findet  sich  jedoch  auch  sonst  im  Kreise  der  Arthro- 
poden in  mannigfachen  Modifikationen  wieder.  Wir  werden  ihm 
beispielsweise  bei  den  Scorpionen  und  den  Insecten  begegnen. 

Was  das  3Iesoderm  anlangt,  so  finden  Mir  nur  bei  dem  kleinen 
Cetochilusei  eine  Anlage  desselben  aus  paarigen  Urmesodermzellen.  Bei 
den  meisten  Crustaceen  ist  die  Anlage  eine  von  Anfang  an  vielzellige. 
Gegenüber  den  verschiedenartigen  Angaben  über  die  erste  Entstehung 
und  Lagerung  des  Mesoderms  in  den  einzelnen  Crustaceengruppen 
werden  wir  die  Entstehung  desselben  an  der  vorderen  Parthie  der 
Urmundlippe  (bei  Decapoden)  als  einen  verhältnissmässig  ursprünglichen 
Vorgang  zu  betrachten  haben,  von  welchem  sich  die  Verhältnisse  bei 
Ligia  (vgl.  oben  pag.  338)  und  durch  Vermittlung  dieser  Form  vielleicht 
die  vieler  anderer  Crustaceen  ableiten  lassen. 

Auffallend  ist  die  geringe  Tendenz  der  Mesodermzellen,  sich  von  An- 
fang an  einer  gesetzmässigen  Lagerung  einzufügen.  Nur  andeutungsweise 
erkennen  wir  eine  Anordnung  in  paarige  Mesodermstreifen  und  eine  seg- 
mentale Gliederung  derselben.  Auch  hier  sei  wieder  auf  die  Verhältnisse 
von  Ligia  und  Cymothoa  hingewiesen.  Hinsichtlich  des  Auftretens 
metamerer  Cölomsäcke  finden  sich  nur  einige,  obenerwähnte  (pag.  326, 
228,  336  u.  342),  spärliche  Angaben.  Im  Allgemeinen  entwickelt  sich  die 
Leibeshöhle  der  Crustaceen  nach  Art  eines  Pseudocöls  als  ein  System 
unregelmässig  begrenzter,  lacunärer  Räume  innerhalb  des  Lagers  der 
Mesodermzellen.  Je  mehr  diese  Bäume  sich  ausweiten,  muss  der  Abstand 
der  Körperoberfläche  von  der  im  Inneren  gelegenen  Nahrungsdottermasse 


Crustaceen. 


347 


sich  vergrössern.  Im  Allgemeinen  sind  die  Räume  der  Leibeshöhle  von 
Serum  erfüllt;  doch  verdient  hier  die  Angabe  Nusbaum's  erwähnt  zu 
werden,  dass  im  vorderen  Theile  des  Embryos  von  Mysis  Nahrungs- 
dottermassen zur  Erfüllung  der 
kommen. 


Räume  der  Leibeshöhle  in  Verwendung 


4.   Entwicklung  der  äusseren  Körperform. 

A.    Entomostraken. 

Bei  den  Eiern  vieler  Entomostraken,  welche  nur  in  beschränk- 
terer Weise  mit  Nahrungsdotter  versehen  sind  und  deren  Embryo  vielfach 
schon  in  frühen  Entwicklungsstadien  (als  Nauplius)  ausschlüpft,  entwickelt 

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Fig.  249.  Drei  Embryonalstadien  von  Moina  recticostris  in  seitlicher  Ansicht 
(nach  Grobben),  im  Anschlüsse  an  die  Stadien  Fig.  235,  pag.  327. 

A  Naupliusstadium ,  B  Stadium  mit  vier  Thoracalfüssen  und  der  ersten  Anlage 
der  Schale,  C  Stadium  mit  fünf  Thoracalfüssen  und  den  beiden  Maxillenpaaren. 

«'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  «/"After,  en  Entoderm,  /'  /"  /'"  etc.  erster, 
zweiter,  dritter  etc.  Thoracalfuss  (in  Stad.  C  mit  Anlage  der  Kiemensäckchen),  g  Genital- 
anlage, gh'  primäres  Gehirn,  gh"  secundäres  Gehirn,  m  Mund,  md  Mandibel,  ms  Meso- 
derm,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  n  Nackendrüse,  ob  Oberlippe,  oe  Oesophagus, 
s  Schale,  seh  Scheitelplatte,  sd  Schalendrüse,  za  zusammengesetzte  Augen. 

sich  die  Körperform  des  Nauplius  durch  ganz  allmähliche  Umbildungen 
aus  der  kugeligen  Gestalt  des  Eies.  Indem  eine  Streckung  des  Eies  sich 
bemerkbar  macht,  zeigen  sich  durch  quere  Einschnürungen  die  Grenzen 
der  einzelnen  Segmente  des  Naupliuskörpers,  während  die  Extremitäten 
als  Ausstülpungen  der  Körperoberfläche  angelegt  werden  (Fig.  249  A), 
an  denen  sowohl  das  Ectoderm  als  die  darunter  liegende  Zellmasse  des 
Mesoderms  betheiligt  ist.  Solche  Verhältnisse  finden  wir  sowohl  an  den 
Embryonen  der  Branchiopoden,  freilebenden  Copepoden  und  Cirripedien, 
als  auch  bei  gewissen,  durch  geringen  Nahrungsdotter  ausgezeichneten 
Cladoceren-Embryonen  (Moina,  Grobben)  (Fig.  249).  An  den  Embryonen 
jener  Formen,  welche  über  das  Naupliusstadium  hinaus  im  Eie  verweilen, 
macht  sich  mit  der  Entwicklung  der  hinteren  Körpersegmente  und  der 
dieser  entsprechenden  Streckung  des  Embryos  eine  dorsale  Einkrümmung 


348 


XV.  Capitel. 


Ventralseite   gelagerten   Embryonalanlage   und 


derselben  geltend  [Apus  productus  (Brauer),  Moina  (Fig.  249  B  und  C) 
Grobben].  Hier  wird  schon  frühzeitig  an  einer  der  Maxillarregion  ent- 
sprechenden Stelle  die  Schalenanlage  (s)  in  Form  einer  Duplicatur  des 
Rückenintegumentes  kenntlich. 

Anders  liegen  die  Verhältnisse  an  den  dotterreicheren  Eiern  mancher 
Cladoceren  (so  z.  B.  bei  der  von  Dohrn  No.  10  untersuchten  Daphnia 
longispina  und  auch  bei  Leptodora  nach  P.  E.  Müller  No.  12),  an  denen 
sich    bereits    ein    gewisser  Gegensatz  zwischen   der  ursprünglich  an  der 

der  dorsal  aufliegenden 
Nahrungsdottermasse  er- 
kennen lässt.  Noch  deut- 
licher tritt  dieser  Gegen- 
satz an  den  Embryonen 
der  parasitischen  Copepo- 
den  (Fig.  250  A  und  B) 
(nach  Rathke  No.  89  und 
Van  Beneden  No.  17)  zu 
Tage,  bei  denen  man  be- 
reits deutlich  einen  kurzen 
ventral  en  Keimstreif 
von  einer  dorsalen  Dot- 
termasse  trennen  kann. 

Hinsichtlich  derReihen- 
folge  in  der  Entwicklung 
der  einzelnen  Körperseg- 
mente gilt  im  Allgemeinen 
das  Gesetz,  dass  die  vor- 
dersten Körpersegmente 
zuerst  angelegt  werden, 
während  von  einer  am 
hinteren  Körperende,  aber 
vor  dem  frühzeitig  ausge- 
bildeten End-  oder  After- 
segmente gelegenen  Knos- 
pungszone  successive  neue 
Körpersegmente  geliefert 
werden.  Dementsprechend 
ist  auch  die  Entwicklung 
der  Extremitätenpaare  im 

Allgemeinen  eine   von 
vorne    nach    hinten   fort- 
schreitende, wenngleich  in 


Fig.  250.   Drei  Entwicklungsstadien  parasitischer 

Copepoden  (nach  Van  Beneden). 

A  Naupliusstadium  von  Brach iella  Thynni, 
B  späterer  Embryo  mit  den  Anhängen  des  ersten 
Cyclopsstadiums  von  A  n  c  h  o  r  e  1 1  a ,  C  embryonales 
Cyclopsstadium  von  Hessia  colorata. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  d  Nahrungs- 
dotter, en  Entoderm  (Mitteldarmwand),  k  Keimstreif, 
m  Mandibel,  mx  erste  Maxille,  mf  erster  Maxillarfuss, 
mf"  zweiter  Maxillarfuss,  oe  Oesophagus,  ol  Oberlippe, 
p*  p"  erstes  und  zweites  Thorax-(Kuder-)fusspaar. 


der  Zeit  des  Auftretens  der 

einzelnen  Körperregionen  Unterschiede   erkennbar 

Naupliusextremitäten    häufig   gleichzeitig   oder  in 

sich   das  Naupliusstadium   meist   durch    eine 


Extremitäten   für   die 

sind.     So   treten    die 

rascher  Folge   auf,    worauf 

Ruhepause  (und  öfters  durch  Ausbildung  einer  Larvencuticula)  documentirt, 

während  die  Ausbildung  der  hinteren  Extremitätenpaare  mehr  successive 

zu   erfolgen   pflegt.     Für   die  Phyllopoden  macht  sich,   entsprechend  der 

kümmerlichen  Entwicklung  der  Maxillenpaare,  im  ausgebildeten  Zustande 

ein  verspätetes  Auftreten  derselben  im  Embryo  geltend  (Fig.  249  B  u.  C) 

(Zaddach). 


Crustaceen. 


349 


B.   Arthrostraken  und  Cumaceen. 


Bei  den  Arthrostraken  ist  die 
später  die  Embryonalanlage  ausbildet, 
durch  die  daselbst  gelegenen  kleineren 
findende   frühzeitigere  Ausbildung  des 


Stelle  des  Eies,   an  welcher  sich 

häufig   schon    bei   der  Furchung 

Blastomeren  oder  die  dort  statt- 

Blastoderms   gekennzeichnet.     Es 


tu 


II      y      ;y 

Fig.  251.   Zwei  Entwicklungsstadien  von  Asellus  in  seitlicher  Ansicht.  Schematisch. 

^4  Naupliusstadium  (nach  Van  Beneden),  B  älteres  Entwicklungsstadium  nachDoHKN). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  af  After,  l  lappenförmige  Anhänge,  md  Man- 
dibel,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  mf  Maxillarfuss,  1—  FI  erstes  bis  sechstes 
Gangbeinpaar,  1 — 5  erstes  bis  fünftes  Pleopodenpaar,  m  Mund,  x  Dotterhaut,  y  Blasto- 
dermhaut. 

entwickelt  sich  eine  anfangs  rundliche  Keimscheibe,  welche  sich  bald  zu 
einem  die  ganze  ventrale  Fläche  des  Eies  bedeckenden  und  gelegentlich 
auch  an  den  Enden  dorsälwärts  übergreifenden  Keimstreifen  (Fig.  251  Ä) 
streckt,  Das  vorderste  Ende  des  Keimstreifs  ist  durch  paarige  Aus- 
breitungen, die  Kopf  läppen  (pag.  339  Fig. 
246  0),  gekennzeichnet,  welche  vorzugsweise  die 
Anlagen  der  Augen  und  des  Gehirns  enthalten, 
während  der  Keimstreif  selbst  bald  durch  auf- 
tretende Querfurchen  in  die  einzelnen  Körper- 
segmente getheilt  erscheint  (Fig.  251 B).  Diese 
Segmentirung,  sowie  das  Auftreten  der  Glied- 
maassenpaare  erfolgt  auch  hier  in  der  Reihenfolge 
von  vorne  nach  hinten;  doch  macht  sich  häufig 
diese  Gliederung  in  allen  Körperregionen  fast 
gleichzeitig  bemerkbar.  Da  der  sich  in  die  Länge 
streckende  Keimstreif  keinen  Raum  zur  freien 
Entfaltung  besitzt,  so  treten  bald  charakteristische 
Krümmungsverhältnisse  zu  Tage.  Bei  den  Iso- 
poden  wird  die  ursprüngliche  dorsale  Krümmung 
(Fig.  251  B)  erst  gegen  das  Ende  des  Embryonal- 
lebens mit  einer  entgegengesetzten  Lage  vertauscht ,  während  die  Am- 
phipoden  das  letztere  Verhalten  in  frühe  Entwicklungsstadien  verlegt 
zeigen  und  demzufolge  während  des  ganzen  Embryonallebens  ein 
ventralwärts  eingeschlagenes  Abdomen  aufweisen  (Fig.  252). 

Während  im  Allgemeinen  die  Extremitäten  sämmtlich  sich  fast  gleich- 
zeitig anzulegen  scheinen,  zeigt  Asellus,  in  dessen  Embryonalentwicklung 
mehrfach  ursprüngliche  Züge  erhalten  sind,  ein  durch  das  Auftreten  der 
beiden  Antennenpaare  und  die  Abscheidung  einer  Larvenhaut  charakterisirtes 


Fig.     252.       Embryo 
eines      A  m  p  h  i  p  o  d  e  n 
(Corophium)   (nach   F. 
Müller). 

K kugelförmiges  Organ. 


350  XV.  Capitel. 

Naupliusstadium  *)  (Fig.  251  Ä),  später  treten  die  Mundtheile  und  6  Thorax- 
beinpaare und  zum  Schluss  die  Abdominalbeinpaare  auf  (Fig.  251  B).  Nach- 
dem die  Extremitäten  angelegt  sind ,  bilden  sich  hinter  dem  Munde  paarige 
Höcker  (Paragnathen)  aus,  welche  zur  Anlage  einer  zweilappigen  Unterlippe 
werden. 

Den  für  die  Ausbildung  des  Keimstreifs  von  Asellus  beobachteten 
Verhältnissen  schliesst  sich  Ligia  durch  das  Vorhandensein  eines  deutlich 
erkennbaren  Naupliusstadiums  (pag.  339 ,  Fig.  246)  an.  An  den  späteren 
Stadien  der  Embryonalentwicklung  dieser  Form  ist  vor  Allem  der  Umstand 
bemerkenswerth,  dass  die  Anlagen  der  Thoraxextremitäten  ursprünglich  einen 
zweiästigen  Bau  aufweisen  (Nusbaum  No.  85  a),  so  dass  die  definitiven  Gang- 
beine aus  diesen  unter  Rückbildung  des  Aussenastes  hervorgehen,  ein  Ver- 
halten ,  welches  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Vorhandensein  rudimentärer 
Exopoditen  an  den  zwei  vordersten  Thoraxbeinpaaren  der  Scheerenasseln 
(Anisopoden)  für  die  Ableitung  der  Isopoden  und  somit  aller  Arthrostraken 
von  schizopodenähnlichen  Vorfahren  spricht. 

Es  scheint  ein  sämmtlichen  Isopoden  zukommendes  Verhalten  zu  sein, 
dass  von  den  7  Gangbeinpaaren  (Thoraxbeinpaaren)  das  letzte  im  Embryo 
unterdrückt  ist  und  erst  nach  dem  Ausschlüpfen  aus  dem  Eie  angelegt  wird. 
Die  Ausbildung  ähnlicher  Larvenhäute,  wie  die  für  den  Nauplius  von  Asellus 
erwähnte,  ist  ein  bei  den  Arthrostraken  sehr  weit  verbreitetes  Vorkommen. 

Von  der  angeführten  Kegel,  dass  der  Keimstreif  der  Isopoden  in  den 
ersten  Stadien  eine  dorsale  Krümmung  aufweist,  macht  der  von  Bullae 
(No.  81)  studirte  Embryo  von  Cymothoa  nur  eine  scheinbare  Ausnahme. 
Der  an  der  Ventralseite  des  hier  sehr  grossen ,  dotterreichen  Eies  gelegene 
Keimstreif  zeigt  in  dem  hauptsächlichsten  Verlauf  seiner  ganzen  Ausdehnung 
dieselbe  dorsale  Krümmung  wie  bei  den  übrigen  Isopoden.  Nur  das  hinterste 
Ende  (Anlage  des  Telson)  ist  ventralwärts  umgeschlagen. 

Bei  dem  in  späteren  Stadien  zunehmenden  Breiten  wachstimm  rücken 
die  lateralen  Parthien  des  Keimstreifs  an  dem  dorsal  aufliegenden 
Nahrungsdotter  empor  und  geben  so  zur  Ausbildung  der  Seitentheile  des 
Embryos  Veranlassung.  Die  gleiche  Wachsthumstendenz  führt  schliesslich 
zur  Vereinigung  der  Seitenränder  des  Keimstreifs  in  der  dorsalen  Mittel- 
linie, wodurch  die  Aufnahme  der  Nahrungsdottermasse  in  das  Innere  des 
Embryos  vollendet  wird.  Man  beachte,  dass  hierbei  jener  Theil  des 
Ectoderms,  welcher  früher  die  dorsale  Nahrungsdotteranhäufung  bedeckte, 
auf  einen  kleineren  Raum  zusammengedrängt  wird  und  schliesslich  der 
Rückbildung  anheimfällt.  Hiermit  scheint  die  Ausbildung  eines  in  der 
Dorsalregion  des  Embryos  bei  vielen  Arthrostraken  sich  entwickelnden 
Organes  in  Zusammenhang  zu  stehen,  welches  von  Meissner  für 
Garn  mar  us  entdeckt  und  als  Micro  pylapparat  beschrieben,  später 
bei  zahlreichen  Amphipoden  und  einigen  Isopoden  aufgefunden  wurde 
und  als  kugelförmiges  Organ  oder  Dorsalorgan  die  mannig- 
fachsten Deutungen  erfahren  hat.  Bei  den  Amphipoden  entwickelt  sich 
das  Dorsalorgan  zur  Zeit  der  Ausbildung  des  Keimstreifs  als  eine  dorsal 
gelegene,  scheibenförmige  Blastodermverdickung  (Fig.  252  K),  welche 
nach  Innen  gegen  den  Dotter  vorspringt  und  nach  Ausbildung  der 
Larvenhaut    eine    besondere    Adhärenz    an    diese    zeigt.     Hier   soll   in 


M  Während  die  älteren  Beobachter  an  dem  Naupliusstadium  von  Asellus  das 
Vorhandensein  einer  Mandibularanlage  nicht  erkennen  konnten,  gelang  es  Eoas  (No.  3 
des  Litt.  Verz.  über  die  Crustaceen-Metamorphose)  an  einigen  Individuen  die  Anwesen- 
heit einer  solchen  nachzuweisen. 


Crustaceen. 


351 


derselben  eine  Durchbohrung  sich  entwickeln  (Micropyle),  während  die 
mittleren  Parthien  der  Scheibe  sich  zur  Bildung  einer  kleinen  Höhlung 
einstülpen  (Fig.  253).  In  späten  Stadien  der  Embryonalentwicklung, 
wenn  die  Ausbildung  des  Herzens  unter  dem  Dorsalorgan  vor  sich  geht, 
wird  dasselbe  rückgebildet,  indem  Mesodermzellen  zwischen  seine  Zellen 
einwandern  und  wahrscheinlich  an  der  Auflösung  des  Dorsalorganes 
activen  Antheil  nehmen  (Rossijskaya  No.  72). 


Ein  derartig  entwickeltes  Dorsalorgan  wurde  von  Fr.  Müllee  für  zahl- 
reiche Amphipoden  nachgewiesen;  doch  wurde  es  in  ähnlicher  Ausbildung 
auch  bei  Isopoden  (Fig.  253)  beobachtet  (bei  Cymothoa  von  Claus  und 
Bullae  No.  81 ,  bei  Praniza  von  Dohen).  Von  Interesse  ist  unter  den 
Amphipoden  die  Gattung  Orchestia,  deren  Dorsalorgan  ursprünglich  asymme- 
trisch einem  Seitenrande  des  Keimstreifs  angelagert  sich  entwickelt  und  erst 
später  nach  der  dorsalen  Mittellinie  rückt  (Uljanin  No.  75,  Rossijskaya 
No.  72).  — 

Eine  andere  Entwicklungsform  des 
Dorsalorgans  zeigt  sich  bei  Oniscus 
(Dohen  No.  83,  Bobretzky  No.  80),  bei 
welcher  Form  die  Zellen  eines  grösseren 
Bereiches  sich  zur  Bildung  einer  der 
Larvenhaut  adhärenten ,  sattelförmi- 
gen Platte  (pag.  341,  Fig.  248  A,  do) 
verdicken.  Letztere  wird  im  Verlauf 
der  weiteren  Entwicklung  durch  ein- 
dringende Hautfalten  immer  mehr  vom 
Embryo  abgeschnürt,  welcher  schliess- 
lich mit  derselben  nur  mehr  durch 
einen  dünnen  Strang  verbunden  ist. 
Zum  Schluss  scheint  diese  Platte  unter 
Lösung  dieser  Verbindung  dem  Zerfall 
entgegengeführt  zu  werden.  Ein  ähn- 
liches Dorsalorgan  findet  sich  bei 
Ligia  (Fe.  Müllee  No.  4,  Rosalie 
Nusbaum  No.  39). 

Ein  Dorsalorgan,  welches  dem  der 
Amphipoden  ähnlich  ist,  wurde  bei  den  Cumaceen  (Dohen  No.  36)  beobachtet. 
Bei  Mysis  ist  es  ursprünglich  paarig  entwickelt  (vgl.  unten  pag.  353,  Fig. 
254  d).  Ebenso  dürften  die  bei  Tanais  gefundenen  (Fe.  Müller  No.  4) 
paarigen,  mit  der  Larvenhaut  zusammenhängenden  Scheibenwülste  hierauf  zu 
beziehen  sein.  Unter  den  Decapoden  findet  es  sich  in  sehr  rudimentärer 
Form  bei  C rang on  (Kingsley  No.  53)  und  vielleicht  (?)  auch  bei  Pandalus 
und  Palinurus  (Dohen  No.  45),  sowie  bei  Homarus  (Herrick:  No.  50). 

Unter  den  verschiedenen  Deutungen,  die  man  diesem  embryonalen  Organ 
hat  zukommen  lassen,  hat  die  von  Fe.  Müllee  (No.  4)  ausgesprochene,  später 
von  Grobben  (No.  11)  eingehender  begründete,  am  meisten  Anklang  gefunden. 
Hienach  hätten  wir  in  dem  Dorsalorgan  den  embryonalen  Ueberrest  eines  bei 
den  Jugendstadien  der  Phyllopoden  fungirenden,  theilweise  sich  zeitlebens  er- 
haltenden Anheftungsorganes,  der  sog.  Nackendrüse  (Fig.  249  C, n)  vor  uns. 
Eine  solche  Nackendrüse  wurde  von  Grobben  und  Uebanovicz  auch  bei  Cope- 
poden  (Cyclops,  Ergasilus)  und  von  Geobben  bei  Euphausia  vorgefunden.  Wenn 
auch  der  Vergleich  mit  der  Nackendrüse  viel  Wahrscheinlichkeit  zu  haben 
seheint,  so  dünkt  uns  doch  die  Homologie  beider  Bildungen  noch  nicht  völlig 


Fig.  253.  Schematischer  Querschnitt 
durch  den  Embryo  von  Cymothoa  (nach 
Bullar,  aus  Balfour's  Handbuch). 

Unten  der  quergetroffene  Keimstreif, 
oben  das  Dorsalorgan. 


352  xv-  Capitel. 

sicher  gestellt.  Es  ist  die  Möglichkeit,  die  wir  oben  andeuteten,  nicht  aus- 
geschlossen, dass  in  dem  Dorsalorgan  bloss  die  Involutionsform  des  den 
Nahrungsdotter  bedeckenden  Blastodermtheils  vorliegt.  Die  Involution 
würde  sich  dann  bei  dem  Amphipoden-Typus  durch  Einstülpung,  bei  dem 
Oniscus-Typus  durch  Amputation  einleiten.  Diese  Vorgänge  haben  vielleicht 
in  der  Bildung  des  Rückenorgans  bei  den  Insecten  ihre  Analoga. 

In  die  Reihe  der  mit  dem  Dorsalorgan  zu  homologisirenden  Bildungen 
wurden  vielfach  auch  die  paarigen,  lappenförmigen  Anhänge  (Fig.  251  l) 
der  Asellus-Embryonen  gestellt,  deren  wahre  Bedeutung  erst  durch  Claus 
(No.  82)  unter  Vergleich  der  von  ihm  beobachteten  Jugendstadien  von  Apseudes 
klargestellt  wurde.  An  letzteren  beobachten  wir  der  Maxillarregion  zugehörende, 
flügeiförmige  Integument  -  Duplicaturen ,  die  Anlagen  einer  über  eine  kleine 
Athemhöhle  sich  ausdehnenden  Schale,  unter  welcher  die  Taster  der  vorderen 
Maxille  und  die  schwingende  Epipodiallamelle  des  Maxillarfusses  zu  liegen 
kommen.  Bei  Asellus  ist  diese  Schalenduplicatur  auf  ein  dreilappiges  Rudiment 
reducirt,  welches  -  wie  schon  Rathke  (No.  88)  annahm  —  als  embryonale 
Kieme  fungiren  dürfte. 

Die  soeben  herangezogenen  Anisopoden  (Tanais,  Apseudes)  schliessen 
sich  in  der  Conformation  ihres  Embryos  am  nächsten  den  Isopoden  an ,  mit 
denen  sie  die  dorsale  Einkrümmung  und  das  Fehlen  des  7.  Brustbeinpaares 
gemein  haben.  Dagegen  mangeln  den  aus  dem  Ei  schlüpfenden  Jungen  noch 
sämmtliche  Abdominalbeinpaare  mit  Ausnahme  der  des  letzten  (6.)  Paares, 
ein  Verhalten ,  wodurch  sie  sich  den  Cumaceen  nähern  (Fr.  Müller 
No.  4,  Claus  No.  78).  Dass  die  paarigen,  von  Fr.  Müller  am  Tanais- 
Embryo  beobachteten  Scheibenwülste  wahrscheinlich  auf  das  Dorsalorgan  zu 
beziehen  sind,  haben  wir  oben  (pag.  351)  erwähnt. 

Auch  die  Embryonen  der  Cumaceen  schliessen  sich  durch  ihre  dorsale 
Einkrümmung,  durch  das  Fehlen  des  7.  Brustbeinpaares  und  durch  ein  (wohl 
dem  von  Cymothoa  ähnliches)  Dorsalorgan  den  Isopoden  an.  Wie  bei  den 
Anisopoden  besitzt  der  ausschlüpfende  Embryo  bloss  ein  (das  6.)  Abdominal- 
beinpaar. 

C.   Leptostraken,  Schizopoden,  Decapoden. 

Zwei  Momente  sind  es,  durch  welche  die  Embryonalentwicklung 
dieser  Gruppen  im  Allgemeinen  beeinflusst  wird:  1)  die  in  den  meisten 
Fällen  sehr  beträchtliche  Ansammlung  von  Nahrungsdotter,  wodurch  die 
Grösse  des  Eies  und  die  in  den  ersten  Stadien  völlig  flächenhafte 
Ausbreitung  der  Embryonalanlage  bedingt  ist  und  2)  die  allmähliche 
Entwicklung  des  gestreckten  Keimstreifs  aus  einer  ursprünglich  kurzen, 
aus  wenigen  Segmenten  bestehenden  Anlage  (deutliche  Ausprägung  des 
Naupliusstadiums). 

Ueber  die  vermuthlich  sehr  ursprüngliche  Verhältnisse  aufweisende  Ent- 
wicklung des  Larvenkörpers  in  den  Eiern  jener  Gattungen,  welche  das  Ei 
als  Naupliusform  verlassen  (Euphausia,  Penaeus,  Lucifer)  ist  bisher  nichts 
Näheres  bekannt  geworden. 

Wir  können  die  Entwicklung  von  Mysis  zum  Ausgangspunkte 
unserer  Darstellung  nehmen,  indem  wir  vor  Allem  den  Angaben  von 
E.  van  Beneden  (No.  37)  und  Nusbaum  (No.  39)  folgen.  Die  Eier  von 
Mysis  entwickeln  sich  (wie  die  der  Cumaceen  und  Arthrostraken)  in 
einer  von  Epipodiallamellen  der  Brustbeine  überdeckten  Bruttasche.  Die 
erste  Entwicklung  des  Embryos  geht  hier  von  derselben  Stelle  aus,  von 


Crustaceen. 


353 


welcher  die  Bildung  des  Blastoderms  ihren  Ursprung  nahm  und  welche 
dem  hinteren  Theile  der  späteren  Ventralfläche  entspricht.  Wenn  die 
Bildung  des  Blastoderms  durch  Entwicklung  einer  rundlichen  Scheibe 
eingeleitet   wurde,   so   zeigt  sich  bei  fortschreitender  Weiterentwicklung 


Fig.   254.     Fünf  Embryonen  von  Mysis  (nach  Nüsbaum). 

A  jüngstes  Naupliusstadimn ,  B  älteres  Nauplinsstadium  im  Profil,  C  Nauplius 
nach  Abstreifung  der  Dotterhaut  im  3k  Profil,  D  späteres  Naupliusstadimn  mit  der 
Naupliushaut  («),  E  Larve  mit  Thoraxbeinen. 

a!  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  c  Dotterhaut,  d  Dorsalorgan,  md  Mandibel, 
n  Naupliushaut,  o  Augenlappen,  p  Anlage  des  zusammengesetzten  Auges,  s  Schwanz- 
abschnitt. 


354  XV.  Capitel. 

der  Keimbaut  eine  ähnliche  rundliche  Blastoderm  Verdickung  (Keimscheibe), 
welche  die  erste  Embryonalanlage  darstellt,  jedoch  bald  in  drei  Lappen 
zerfällt,  von  denen  der  mittlere,  etwas  nach  hinten  gelegene  die  Anlage 
des  Schwanzabschnittes  darstellt,  während  die  paarigen,  seitlichen  Lappen 
die  Anlagen  des  Keimstreifs  repräsentiren.  Letztere  wachsen  thatsächlich 
bald  in  zwei  nach  vorne  divergirende  Streifen  aus,  an  denen  die  Anlagen 
der  Nauplius  -  Extremitäten  als  rundliche  Höcker  hervorsprossen  (Fig. 
254  A).  Das  verbreiterte  Vorderende  (o)  dieser  paarigen  Keimstreif- 
hälften entspricht  den  Kopflappen  des  Entomostraken-  und  Arthrostraken- 
Keimstreifs.  Da  sich  hier  aus  ihnen  ausschliesslich  die  Anlage  des 
zusammengesetzten  Auges  und  des  Ganglion  opticum  entwickelt,  so 
wollen  wir  sie  mit  dem  präciseren  Namen:  Augen  läppen  bezeichnen. 
Zu  beiden  Seiten  dieses  kurzen  Keimstreifs,  ungefähr  in  der  Höhe 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Antennenpaar  liegt  die  scheibenförmige, 
paarige  Anlage  des  Dorsalorgans  (d).  Die  plattenförmige  Anlage  des 
Schwanzabschnittes  (s)  wird  nach  vorne  durch  eine  quere  Einsenkung 
begrenzt  (Abdominalfalte).  Letztere  wird  bald  von  dem  nach  vorne  in 
zwei  Zipfel  auswachsenden  hinteren  Körperende  (Fig.  254  B,  s)  überdeckt. 
Wir  gelangen  auf  diese  Weise  zu  einem  Naupliusstadium  mit  ventral- 
wärts  eingeschlagenem  Schwanzabschnitt  (Fig.  2541?). 

Nach  Erreichung  dieses  Stadiums  wird  die  Dotterhaut  gesprengt, 
gleichzeitig  aber  eine  neue  Cuticula  (die  Naupliushaut)  abgesondert.  Der 
Embryo  liegt  nun  frei  in  der  Bruthöhle,  bloss  von  der  ziemlich  lose 
anliegenden  Naupliuscutieula  umhüllt.  Das  Abdomen  hat  sich  mittler- 
weile gestreckt  (Fig.  254  C)  und  füllt  sich  immer  mehr  und  mehr  durch 
die  sich  gleichmässiger  im  Inneren  verteilenden  Nahrungsdottermassen 
(Fig.  254  D),  während  die  Gesammtkörperform  schliesslich  eine  deutliche 
dorsale  Krümmung  annimmt.  Wir  können  nun  (wie  bei  den  Arthrostraken) 
einen  ventralen  Keimstreif  von  der  dorsal  aufliegenden  Nahrungsdotter- 
masse unterscheiden.  Letztere  zeigt  besonders  im  Kopftheile  eine 
beträchtliche  Anschwellung.  Es  werden  nun  die  hinteren  Parthien  des 
Embryos  deutlicher  segmentirt.  Von  den  Gliedmassen  treten  zunächst 
die  Mundtheile  und  Thoraxbeinpaare  gleichzeitig  auf  (Fig.  254  .E),  während 
die  Anlage  der  Abdominalbeine  in  ein  späteres  Stadium  fällt.  Während 
dieser  Umwandlungen  haben  sich  die  scheibenförmigen  Dorsalorgane  in 
der  Mittellinie  des  Rückens  vereinigt  und  weisen,  indem  sich  eine  Ein- 
stülpung daselbst  etablirt.  jetzt  nach  Lage  und  Form  Verhältnisse  auf, 
welche  dem  Dorsalorgan  der  Amphipoden  vergleichbar  sind. 

Der  Embryo  von  Nebalia  erinnert  nach  Metschnikoff's  (No.  33) 
Darstellung  sehr  an  die  Gestaltung  desjenigen  von  Mysis.  Auch  hier  haben 
wir  das  ventralwärts  eingekrümmte  Naupliusstadium,  sowie  die  nach  dem  Ver- 
lassen der  Eihaut  erfolgende  Streckung  und  dorsale  Einkrümmung  etc.  Doch 
ist  —  wie  es  scheint  —  das  Vorhandensein  eines  Dorsalorgans  für  diese 
Form  bisher  nicht  beobachtet  (vgl.  unten  pag.  440). 

Von  den  für  Mysis  geschilderten  Verhältnissen  unterscheiden  sich 
die  Eier  der  Decapoden  hauptsächlich  durch  die  Körperhaltung, 
indem  hier  die  dem  Nauplius  von  Mysis  anfangs  zukommende  ventrale 
Einkrümmung  (das  ventralwärts  eingeschlagene  Abdomen)  auch  noch  viel 
späteren  Stadien,  bis  zum  Ausschlüpfen  der  Larven,  erhalten  bleibt,  was 
mit  dem  viel  später  erfolgenden  Zerreissen  der  Eihüllen  in  Zusammenhang 
steht.  Im  Uebrigen  sind  die  Entwicklungsvorgänge  sehr  ähnliche.  Bei 
Astacus,    in    dessen   Entwicklung    wir    durch    die   Beobachtungen  von 


Crustaceen. 


355 


Rathke  (Xo.  63),  Lereboullet  (No.  58),  Bobretzky  (No.  41)  und 
Reichenbach  (No.  64,  65)  sehr  genauen  Einblick  gewonnen  haben, 
machen  sich  nach  Ausbildung  des  Blastoderms  die  ersten  Embrvonal- 
anlagen  in  der  Gestalt  von  fünf  aus  einer  einfachen  Zellschichte  be- 
stehenden Blastodermverdickungen  (Fig.  255)  bemerkbar.  Von  diesen 
entspricht  das  vordere  Paar  (K)  den  Augenanlagen  von  Mysis  und  kann 
auch  hier  als  Augenlappen  bezeichnet  werden;  das  hintere  Paar 
(TA)  mehr  einander  genäherter  Bildungscentren  entspricht  der  impaaren 
Schwanzanlage  von  Mysis.  Da  hier  nicht  bloss  die  Segmente  des 
Abdomens,  sondern  auch  Brustsegmente  an  dem  ventralwärts  ein- 
geschlagenen Körpertheile  angelegt  werden,  so  bezeichnen  wir  diese 
Scheiben  als  die  Tho- 
racoabdominalan- 
lagen.  Die  hinterste 
unpaare  Scheibe  ist  die 
Entodermscheibe 
(ES).  Vor  dieser  finden 
wir  eine  Stelle,  an  wel- 
cher durch  rege  Zell- 
proliferation  Zellen  ge- 
liefert werden,  welche 
unter  der  Blastoderm- 
zellschicht  sich  ausbrei- 
ten; es  ist  die  Bil- 
dungsstelle des 
M  es  od  er  ms  (BM). 
Während  nun  durch 
Entwicklungsvorgänge, 
welche  wir  oben  ge- 
nauer geschildert  haben 
(pag.  331  u.  ff.),  die  Ein- 
stülpung der  Entoderm- 
scheibe und  der  allmäh- 
lich sich  vollziehende 
Verschluss  des  Gastrula- 
mundes  erfolgt,  rücken 
die  Thoracoabdominalanlagen  zur  Bildung  einer  unpaaren  Platte  (Fig.  256 
TA)  zusammen,  in  deren  Mitte  sich  bald  die  Aftereinstülpung  (A)  er- 
kennen lässt.  Der  vordere  Rand  dieser  Platte  wird  bald  durch  eine  sich 
daselbst  geltend  machende  quere  Einsenkung  (die  Schwanz  falte) 
schärfer  markirt,  welche  im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung  sich  tiefer 
und  schräg  nach  hinten  einsenkt.  Indem  gleichzeitig  die  Thoracoab- 
dominalplatte  über  diese  Einsenkung  nach  vorne  auswächst,  kommt  es  zur 
Ausbildung  eines  längeren,  ventralwärts  eingeschlagenen,  der  übrigen 
Embryonalanlage  dicht  anliegenden,  hinteren  Körperabschnittes  (Fig.  257 
u.  240  B  auf  pag.  333). 

Während  sich  diese  Vorgänge  in  der  hinteren  Körperhälfte  vollziehen, 
machen  sich  jederseits  in  einem  die  Augenlappen  mit  der  Thoracoabdo- 
minalanlage  verbindenden  Streifen  regere  Wachsthumsprocesse  geltend 
(paarige  Anlage  des  Keimstreifs),  welche  schliesslich  zur  Ausbildung  von 
drei  Extremitätenpaaren  (Naupliusgliedinassen)  führen  (Fig.  256).  Von 
diesen  treten  nach  Bobretzky  und  Reichenbach  die  Mandibeln  etwas 
früher  auf,  als  die  beiden  Antennenpaare.    Die  mittlere  Region  zwischen 


Fig.  255.  Kugelabschnitt  des  Eies  mit  Embryonal- 
anlage  von  Astacus  fluviatilis  (nach  Reichenbach, 
aus  Lang's  Lehrbuch). 

BM  Bildungszone  des  Mesoderms,  ES  Entoderm- 
scheibe, K  Kopflappen  (Augenanlage),  TA  Thoraco- 
abdominalanlag-en. 


356 


XV.  Capitel. 


diesen  Anlagen  zeigt  längere  Zeit  die  Charaktere  des  unveränderten 
Blastoderms ,  doch  macht  sich  bald  in  dem  vorderen  Abschnitte  eine 
unpaare  Aufwulstung  als  Anlage  der  Oberlippe  (7)  und  die  dahinter 
gelegene  Vor  d  er  d  arme  in  stülpung  geltend,  während  an  der  Innen- 
seite der  Extremitätenanlagen  die  zugehörigen  Ganglienpaare  (ga2, 
gm)  als  Ectodermverdickungen  erkennbar  sind.  Mit  dem  so  erreichten 
Naupliusstadium  begrenzt  sich  ein  natürlicher  Abschnitt  der 
Embryonalentwicklung  des  Flusskrebses,  was  auch  durch  die  Entwicklung 
einer  Larvenhaut  (Nauplius-Cuticula)  angedeutet  ist. 

Es  ist  zu  bemerken,  dass 
in  dem  Naupliusstadium  die 
einzelnen  Theile  des  Embryos 
einander  näher  liegen,  als  bei 
ihrer  ersten  Anlage  (vgl.  die 
bei  gleicher  Vergrösserung 
gezeichneten  Figg.  255  und 
256).  Eine  solche  Zusam- 
menziehung der  Embryo- 
nalanlage scheint  bei  Deca- 
poden  in  diesen  Stadien  ganz 
allgemein  vorzukommen. 

Das  Naupliusstadium 
der  übrigen  Decapoden  ent- 
wickelt sich  im  Allgemeinen 
in  ganz  ähnlicher  Weise,  wie 
bei  Astacus.  Doch  tritt  in 
den  meisten  Fällen  die  Em- 
bryonalanlage erst  nach  er- 
folgtem Verschluss  des  Ga- 
strulamundes  zu  Tage;  wir 
finden  dann  in  der  nächsten 
Umgebung  des  verschlossenen 

Blastoporus  eine  unpaare 
rundliche  Vorwölbung,  in 
welcher  wir  die  Anlage  des 
hinteren  Körperendes  erken- 
nen ,  welches  demnach  hier 
nicht,  wie  bei  Astacus,  paarig  angelegt  wird.  Letztere  können  wir  bei  den  Lo  ri  - 
caten  nach  den  Beobachtungen  voiiDohrn(No.  45),  wie  bei  Astacus,  als  Thoraco- 
abdominalanlage  bezeichnen ,  während  sie  in  anderen  Fällen  ausschliesslich 
Segmenten  des  Abdomens  den  Ursprung  zu  geben  scheint.  Frühzeitig  gewinnt 
diese  Anlage  paarige  nach  vorne  ziehende,  flügeiförmige  Auswüchse,  welche 
die  Verbindung  mit  den  inzwischen  kenntlich  gewordenen  Augenlappen  her- 
stellen. Im  Bereich  dieser  Verbindungsstränge  machen  sich  dann  die  Anlagen 
der  Nauplius-Extremitäten  bemerkbar. 

Eine  quere  Vorwölbung,  welche  die  hinteren  Parthien  der  Augenlappen 
mit  einander  verbindet,  wird  zur  Anlage  der  Oberlippe,  hinter  welcher  bald 
die  Vorderdarmeinstülpung  zu  erkennen  ist.  Letztere  liegt  in  der  Regel  iu 
dem  Räume  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Antennenpaare;  doch  wird  von 
Kingsley  für  Crangon  die  ursprünglich  postorale  Lagerung  des  ersten  An- 
tennenpaares ausdrücklich  hervorgehoben.  Paarige,  nahe  dem  hinteren  Rande 
der  Mundöffnung  auftretende  Vorwölbungen  machen  sich  als  Anlagen  der 
Paragnathen,  eine  Art  zweilappiger  Unterlippe  bildend,  bemerkbar. 


Fig.  256.  Embryo  im  Naupliusstadium  von 
Astacus  fluviatilis  (nach  Reichenbach,  aus 
Lakg's  Lehrbuch). 

A  (vorne)  Augenanlage,  ax  a2  erste  und  zweite 
Antenne,  G  Gehirnganglion,  ga2  Antennenganglion, 
gm  Mandibelganglion,  m  Mandibel,  l  Oberlippe, 
TA  Thoracoabdominalanlage,  A  (in  TA  gelegen)  After. 


Crustaceen. 


357 


Die  späteren  Stadien  (Fig.  257,  258  und  260)  sind  durch  das  An- 
wachsen der  Thoracoabdominalanlage,  an  welcher  bald  ein  Zerfall  in 
Segmente  deutlich  wird ,  sowie  durch  die  Entwicklung  der  hinteren 
Extremitätenpaare ,  die  in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten 
hervorsprossen,  cbarakterisirt.  Gleichzeitig  macht  sich  an  den  zuerst 
angelegten,  vorderen  Extremitäten  die  Ausbildung  der  typischen  zwei- 
ästigen Form  und  eine  weitere,  der  zu  entwickelnden  Gestalt  entsprechende 
Gliederung  bemerkbar.  (Ueber  die  in  den  einzelnen  Gruppen  der 
Decapoden  sehr  variirende  Zahl  und  Gestalt  der  Extremitäten  an  der 
aus  dem  Eie  schlüpfen- 
den Larve  siehe  unten 
pag.  445  unter :  Metamor- 
phose der  Decapoden.) 
Die  Augenanlagen  ge- 
winnen an  Selbstständig- 
keit, indem  sie  sich  vor- 
wölben und  allmählich 
von  ihrer  Unterlage  ab- 
heben, so  dass  die  keulen- 
förmige Gestalt  des  Stiel- 
auges in  der  Anlage  kennt- 
lich wird.    (Fig.  258.) 

Wichtige  Verände- 
rungen betreffen  das  hin- 
tere Körperende.  Wir 
müssen  an  diesem  ein 
frühzeitig  ausgebildetes 
End-  oder  After- 
segment (Fig.  257, 
258  T)  von  einer  vor 
demselben  (an  dem  Em- 
bryo aber  weiter  nach 
hinten)  gelegenen ,  aus 
grossen  Zellen  bestellen- 
den Knospungszone 
unterscheiden.  Während 
die  Afteröffnung  ur- 
sprünglich an  jener  Flä- 
che des  Endsegmentes 
zur  Anlage  kam,  welche 
später  zur  dorsalen  sich 
lappig  gestalteten  Endsegmente  in  die  Bucht  zwischen  beiden  Lappen 
und  durch  diese  allmählich  auf  die  spätere  Ventralseite,  wodurch  das 
definitive  Lagerungsverhältniss  erreicht  ist. 

Dicht  hinter  der  Thoracoabdominalanlage,  an  jener  Stelle,  wo 
dieselbe  mit  dem  übrigen  Körper  zusammenhängt,  kann  man  in  späteren 
Stadien  eine  Anhäufung  von  Mesodermzellen  als  erste  Anlage  des 
Herzens  erkennen  (vgl.  Fig.  240,  241,  h  pag.  333,  334). 

Die  Thoracoabdominalanlage  ist  in  frühen  Stadien  (Fig.  256)  wie 
von  einem  hellen  Hof  umgeben,  welcher  nach  aussen  von  dichter 
gestellten  Blastodermzellen  umgrenzt  ist.  Letztere  heben  sich  später 
zu  einer  besonders  in   den   seitlichen  Theilen   deutlich   werdenden  Falte 


Embryo   von   Astacus   fluviatilis 
der  Thoracalfüsse  (nach  Reichenbach, 


Fig.  257. 

mit  den  Anlagen 

aus  Lang's  Lehrbuch). 

A  Augen,  ax  a2  erste  und  zweite  Antenne,  ab  Ab- 
domen ,  g  Gehirnanlage  (Procerebrum  -f-  Antennular- 
ganglion),  go  Ganglion  opticum,  l  Oberlippe,  m  Mandibel, 
mxx  mx2  erste  und  zweite  Maxille,  TTelson,  ^-/8  Thoral- 
füsse  (^1-/3  Maxillarfiisse,  <4-^8  Gangbeine),  ts  Thoracal- 
schildanlage. 


entwickelt,   rückt   dieselbe  an  dem  bald  zwei- 


Korschelt-Heider,   Lehrbuch. 


24 


358 


XV.  Capitel. 


empor,   der   ersten  Anlage  des  Thoraxschildes  (Fig.  257  ts).     Jener 
helle  Hof  ist  demnach  auf  die  Anlage  der  Kiemenhöhle  zu  beziehen. 

Eine  merkwürdige,  als  dorsale  Scheibe  dem  Embryo  aufliegende  Anlage 
des  „Carapax"  wurde  von  Ischikawa  für  frühe  Stadien  von  Atyephyra 
angegeben. 


*&-£     ^idiils 


Fig.  258.  Embryo  von  Astacus  fluviatilis  mit  den  Anlagen  sämintlicher 
Gliedmassenpaare  (vgl.  Fig.  260  pag.  362)  (nach  Eeichenuaoh,  aus  Lang's  Lehrbuch). 
Das  in  Wirklichkeit  ventralwärts  eingeschlagene  Thoracoabdomen  ist  lospräparirt  und 
zurückg-eschla^en. 

ad  Antennendrüse,  ab  Abdomen,  t4  erstes  Gangbeinpaar  (Scheerenfuss),  t&-ts  zweites 
bis  fünftes  Gangbeinpaar,  T  Telson. 


Die  Entwicklung  der  Decapoden  ist  hauptsächlich  durch  den  Umstand 
charakterisirt ,  dass  die  ganze  Nahrungsdottermasse  der  Dorsalseite  des 
vorderen  Körperabschnittes    angehört,    während   die   Thoracoabdominal- 


Crustaceen.  359 

anläge  des  Nahrungsdotters  entbehrt.  Noch  in  späten  Stadien,  an  denen 
die  Form  des  ausschlüpfenden  jungen  Thieres  bereits  völlig  angelegt 
ist,  erscheint  das  Kopfbruststück  durch  den  Nahrungsdotter  kugelig 
aufgetrieben. 

5.   OrganMldung. 

Unsere  Kenntniss  über  die  Entwicklung  der  einzelnen  Organe  im 
Embryo  der  Crustaceen  ist  noch  eine  ziemlich  beschränkte.  Am  ein- 
gehendsten sind  die  Verhältnisse  bei  den  Decapoden  durch  die  Unter- 
suchungen von  Bobretzky  (No.  41),  Reichenbach  (No.  64,  65)  und 
Kingsley  (No.  52—55)  bekannt  geworden.  In  zweiter  Linie  kommen 
die  Beobachtungen  von  Nusbaum  (No.  39)  an  Mysis,  Bobretzky  (No.  80) 
und  Nusbaum  (No.  85)  an  Oniscus,  Grobben  (No.  11,  21)  an  Moina 
und  Cetochilus,  Claus  (No.  8,  9)  an  Branchipus  und  Apus  und  andere 
in  Betracht. 

A.   Aeussere  Haut 

Indem  die  oberflächliche,  ectodermale  Zellschicht  des  Embryos  an 
ihrer  Aussenseite  das  cuticulare  Chitinscelet  der  Larve  zur  Ausscheidung 
bringt,  gewinnt  sie  allmählich  die  Charaktere  der  als  Hypo dermis 
zu  bezeichnenden  Matricalschicht  dieses  Exosceletes.  Es  wurde  neuer- 
dings von  T.  Tullberg  für  den  Hummerpanzer  nachgewiesen,  dass  die 
Entstehung  dieses  Chitinsceletes  auf  eine  directe  Umbildung  (Chiti- 
nisirung)  des  Zellleibes  zurückzuführen  sei.  Es  ist  von  Interesse,  dass 
die  Hypodermiszellen  nicht  bloss  die  Fähigkeit  haben,  sich  in  ihrem 
äusseren  der  Körperoberfläche  zugewandten  Theile  in  Chitinsubstanz  um- 
zuwandeln, sondern  dass  auch  gelegentlich  ihre  basalen  Theile  eine 
derartige  Modifikation  erfahren.  So  hat  Reichenbach  beobachtet,  dass 
bei  Astacus  einzelne  Hypodermiszellen,  sich  nach  Innen  verlängernd,  zu 
chitinisirten  Balken  und  Pfeilern  auswachsen,  welche  zum  Theil  als 
Stützen  des  Panzers ,  zum  Theil  als  Ansatzstellen  der  Muskelgruppen 
functioniren.  Im  einzelnen  Falle  ist  es  oft  unmöglich  zwischen  solchen 
eingewucherten  Ectodermparthien  und  wirklichem  Bindegewebe  zu  unter- 
scheiden. In  sehr  reicher  Entwicklung  wurde  dies  dem  Ectoderm  zuge- 
hörige, chitinisirte  innere  Stützgewebe  von  Claus  (No.  9)  bei  Branchipus 
angetroffen. 

B.    Endoscelet. 

Zu  einer  umfangreicheren  Ausbildung  innerer  Chitintheile  führen 
Einfaltungen  und  Einstülpungen  der  äusseren  Haut.  So  entwickeln  sich 
jene  röhrenförmigen,  in  ihrem  Inneren  chitinisirten  Ein  Wucherungen, 
welche,  den  wichtigeren  Muskeln  zum  Ansatz  dienend,  als  Chitinsehnen 
bezeichnet  und  zum  Theil  sogar  —  wie  Baur  für  den  Mandibularmuskel 
von  Astacus  nachwies  —  bei  der  Häutung  erneuert  werden.  Eine  be- 
sonders umfangreiche,  aus  einer  Ectodermeinstülpung  sich  entwickelnde 
(Reichenbach)  chitinige  Sehnenbildung  dieser  Art  findet  sich  bekanntlich 
auch  im  vorletzten  Scheerenglied  des  Flusskrebses.  In  ähnlicher  Weise 
als  Einstülpung  der  äusseren  Haut  entwickelt  sich  nach  Bobretzky 
(No.  41)  das  die  Thoraxganglien  bei  Astacus  überbrückende  innere 
Sternalscelet  durch  einen  "Einfaltungsprocess  der  inneren  Wand  der 
Kiemenhöhle.  Für  Oniscus  konnte  Nusbaum  (No.  85)  die  Entstehung 
eines   ganz   übereinstimmenden,    die  Ganglienkette  im  Thoraxabschnitt 

24* 


360  XV.  Capitel. 

überdeckenden,  chitinösen  Diaphragmas  aus  paarigen  seitlichen  Ectoderm- 
einstülpungen  beobachten.  Als  Ectodermeinstülpiing  entsteht  auch  die 
halbkugelige,  chitinöse  Gelenksfalte  an  dem  beweglichen  Auge  der 
Cladoceren  und  der  meisten  Branchiopoden  (Grobben). 

C.    Nervensystem. 

Obgleich  wahrscheinlich  einer  einheitlichen  Anlage  zugehörig1) 
müssen  das  obere  Schlundganglion  (Gehirn)  und  die  Bauchganglienkette 
bei  der  Darstellung  getrennt  behandelt  werden.  Das  gesammte  Central - 
nervensystem  wird  als  Ectodermverdickung  angelegt.  Schon  in  frühen 
Stadien  erkennt  man  an  der  Innenseite  der  Extremitätenanlagen  paarige 
Ectodermverdickungen ,  welche  die  Anlagen  des  dem  entsprechenden 
Segment  zukommenden  Ganglienpaares  der  Bauchgangiienkette 
repräsentiren.  Die  aufeinanderfolgenden  Ganglienpaare  stehen  jedoch 
durch  verdickte  Ectodermstreifen ,  den  Anlagen  der  Längscommissuren, 
unter  einander  in  Verbindung,  so  dass  man  als  erste  Anlage  der  Bauch- 
gangiienkette zwei  längsverlaufende  Ectodermwülste  „P  r  i  m  i  t  i  v  w  ü  1  s  t e" 
(Hatschek)  annehmen  kann  (Fig.  259  pw),  welche  segmentweise  An- 
schwellungen (Ganglienanlagen)  zeigen  und  durch  die  mediane  Pri- 
mi tivrinne  (pr)  getrennt  sind.  Im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung 
(Fig.  259  B)  vollzieht  sich  im  Bereich  der  Primitivwülste  eine  Spaltung, 
durch  welche  die  oberste  Schichte  derselben  (welche  sich  nun  zur 
Hypodermis  (h)  dieser  Region  umwandelt)  von  den  tieferen  Schichten 
abgetrennt  wird.  Letztere  repräsentiren  nun  als  Seitenstränge  (s) 
die  Anlage  des  Bauchmarks.  Reichenbach,  auf  dessen  Schilderung  der 
Entwicklung  des  Nervensystems  von  Astacus  wir  uns  vor  Allem  stützen, 
konnte  den  Nachweis  erbringen,  dass  in  die  Bildung  jedes  Ganglien- 
paares der  Bauchkette  ausser  dem  entsprechenden  Theil  der  Seitenstränge 
auch  noch  eine  unpaare,  mediane  Einstülpung  (in)  eingeht,  welche  auf 
die  Primitivrinne  zurückzuführen  ist  und  als  Mittelstrang  bezeichnet 
wird.  Es  steht  dies  mit  den  zuerst  von  Hatschek  für  die  Bauch- 
gangiienkette der  Insekten  gemachten  Angaben  in  Uebereinstimmung. 

Die  Seitenstränge  zeigen  ursprünglich  eine  ziemlich  einheitliche  Zusammen- 
setzung aus  embryonalen  Zellen.  In  späteren  Stadien  jedoch  (Fig.  259  B) 
kann  man  auch  an  ihnen  complicirtere  Verhältnisse  erkennen ,  insoferne  der 
Querschnitt  eine  Zusammensetzung  aus  drei  Parthien  erkennen  lässt.  Bald 
kann  man  an  dem  innersten  (oder  basalen)  Theil  die  ersten  Anfänge  der 
Bildung  von  Nervenfasern  (f)  erkennen,  welche  als  zwei  längsverlaufende 
Bündel  unter  den  Seitensträngen  hinlaufen  und  mit  feinsten  Ausläufern  der 
zu  Ganglienzellen  sich  umwandelnden  Zellen  der  Seitenstränge  in  Verbindung 

J)  Die  Angaben  der  meisten  Autoren  stimmen  darin  überein,  dass  bei  den 
<  lustaceen  die  Anlage  des  Gehirns  von  ihrem  ersten  Auftreten  an  nach  hinten  mittelst 
paariger  Ectodermverdickungen  (Anlagen  der  Schlundcommissur)  in  die  Primitivwülste 
der  Bauchganglienkette  übergeht.  Doch  stellt  diese  Ansicht  nicht  ohne  Widerspruch 
da.  So  sei  z.  B.  erwähnt,  dass  nach  Urbanowicz  bei  Cyclops  (No.  23)  das  Gehirn 
und  ein  unteres  Schlundganglion  unabhängig  von  einander  auftreten  und  erst  später 
durch  die  Entwicklung  der  Schlundcommissuren  mit  einander  verbunden  werden.  Eine 
solche  Beobachtung  würde  noch  nicht  als  directer  Beweis  für  die  Anschauungen 
Klkijjenberg's  über  die  ursprünglich  gesonderte  Anlage  dieser  beiden  Theile  des 
Centralnervensystems  (vgl.  oben  pag.  190  u.  191)  zu  verwerthen  sein,  denn  es  ist  er- 
klärlich, dass  die  Anlagen  der  massigeren  Theile  des  Centralnervensystems  früher  als 
Ectodermverdickungen  bemerkbar  werden,  während  die  Anlagen  der  gradieren  Parthien 
(z.  B.  der  Schlundcommissur)  erst  später  deutlich  zu  erkennen  sind. 


Crustaceen. 


361 


stehen.  Ausser  diesen  paarigen  Faserbündeln  findet  sich  in  der  Anlage  jedes 
Ganglienpaares  auch  eine  unpaare  Ansammlung  von  Fasersubstanz ,  welche 
vielleicht  dem  Mittelstrang  entstammt  und  zur  Bildung  der  Quercommissuren 
Anlass  giebt.  Frühzeitig  erhalten  die  Seitenstränge  von  Seite  des  umgeben- 
den embryonalen  Gewebes  eine  mesodermale  Hülle,  welche  nach  Reichenbach 
das  Neurilemm  darstellt  und  mit  ihren  Fortsätzen  nicht  nur  in  das  Innere 
der  Ganglienparthien ,  sondern  sogar  der  centralen  Fasermasse  vordringt. 
Das  Auftreten  der  Fasermassen  an  der  inneren  oder  basalen  Seite  der  Seiten- 
stränge hat  wahrscheinlich  die  Bedeutung  einer  ontogenetischen  Recapitulation 
eines  ursprünglichen  Zustandes,  bei  welchem  das  gesammte  Nervensystem 
als  epitheliale  Bildung  die  Fasermassen  an  der  basalen  Seite  zur  Entwicklung 
brachte. 

Schon  in  ganz  frühen  Stadien  konnte  Reichenbach  an  den  Ganglienan- 
lagen grössere  und  kleinere  Zellen  von  verschiedenem,  histologischem  Charakter 
unterscheiden.  Diese  Trennung  ist  auch  im  ausgebildeten  Zustande  zu  er- 
kennen.    Aus    den    grösseren   Elementen    (Fig.    259  B,   g)    gehen    die   so- 


Srri 


ß 


IZ  ~  7  . 

Fig.  251).  Entwicklung  der  Bauchganglienkette  von  Astacus  fluviatilis  (nach 
Eeichenbach). 

A  Querschnitt  durch  das  Mandibelsegment  eines  Embryos  mit  bereits  angelegten 
Maxillarfüssen,  B  Querschnitt  durch  die  Ganglienanlage  in  einem  Maxillarsegment  eines 
Embryos  mit  bereits  entwickelten  Abdominalfüssen. 

a"  Querschnitt  der  zweiten  Antenne,  bi  eine  die  Ganglienanlage  innen  über- 
deckende Bindegewebslamelle,  cc  Ectoderm,  en  Entoderm,  /  Nervenfaserbündel  im 
Querschnitt,  g  grosse  Ganglienzellen,  h  Hypodermis,  m  eingestülpter  Mittelstrang  der 
Ganglienanlage,  ms  Mesoderm,  fr  Primitivrinne,  piv  Primitivwülste  der  Ganglienanlage, 
s  Seitenstrang,  sm  secundäres  Mesoderm. 

genannten  grossen  Ganglienzellen  im  Centralnervensystem  des  Flusskrebses 
hervor.  Aehnliche  grosse  Zellen  beobachtete  Nusbaum  schon  in  frühen  Stadien 
bei  Mysis.  Verschiedentlich  sind  in  den  späteren  Entwicklungsstadien  der 
Bauchganglienkette  in  einzelnen  Ganglien  mächtige  Pigmentanhäufungen  be- 
obachtet worden,  welche  wahrscheinlich  in  Mesodermzellen  deponirt  sind,  so 
im  Ganglion,  welches  dem  6.  Anhangspaare  bei  Crangon  entspricht  (Kings- 
ley)  und  in  den  Thoraxganglien  bei  Mysis  (Nusbaum). 

Die  Angaben  Reichenbach's  über  die  Theilnahme  eines  median  sich  ein- 
stülpenden Mittelstranges  an  der  Bildung  der  Ganglienkette  hat  später  nur 
theilweise  Bestätigung  erfahren.  Allerdings  wurde  sie  von  Nusbaum  bei  Mysis 
beobachtet;  auch  glaubte  Grobben  sie  für  Moina  annehmen  zu  können.    Doch 


362 


XV.  Capitel. 


V 


wurde  von  Claus  die  Theilnahme  einer  Medianeinstülpung  an  der  Bildung 
des  Bauchmarks  von  Branchipus  in  Abrede  gestellt.  Dagegen  wurde  neuer- 
dings bei  Isopoden,  bei  denen  Bobeetzky  (No.  80)  und  Bullae,  (No.  81) 
die  Anlage  der  Bauchkette  als  unpaare  ventrale  Verdickung,  an  welcher  erst 
später  eine  Theilung  in  symmetrische  Hälften  erkennbar  werde,  beschrieben 
worden  war,  von  Nusbaum  das  Vorhandensein  des  Mittelstrangs  erkannt  (für 
Oniscus  No.  39). 

Hinsichtlich  der  Entwicklung  der  peripheren  Nerven  ist  es  durch 
Reichenbach  (No.  65)  und  Claus  (No.  9)  wahrscheinlich  geworden,  dass 
dieselben  nicht  durch  Auswachsen  aus  der  losgetrennten  Nervensystemanlage 
ihren  Ursprung  nehmen,  sondern  dass  sie  als  entsprechende  Ectodermver- 
dickungen   bereits   zu   einer  Zeit  angelegt  werden ,    in  welcher  das  gesammte 


mA. 


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9 

mx   - 
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Fig.  260.  Embryo  von  Astacus  fluviatilis  im  Stadium  mit  sämmtlichen  Glied- 
massenanlagen  (nach  Reichenbach). 

a  vorderster,  b  mittlerer,  c  hinterster  Theil  der  Gehirnanlage,  ab  Abdomen,  an'  erste 
Antenne,  an"  zweite  Antenne,  d  Mandibularganglion,  md  Mandibel,  mx'  erste  Maxille, 
mx"  zweite  Maxille,  mf  mf"  mf"  erster,  zweiter,  dritter  Maxillarfuss,  o  Anlage  des 
Facettenauges,  o'  aus  der  Augeneinstülpung  entstandener  Theil  des  Ganglion  opticum, 
o"  innerer  Theil  des  Ganglion  opticum,  ol  Oberlippe,  r  Anlage  des  Stirnstachels,  t  Telson, 
th  Thoracalschildfalte,  /,  II —  V  erstes,  zweites  bis  fünftes  Gangbeinpaar. 


Nervensystem  seinen  Zusammenhang  mit  dem  Ectoderm  noch  bewahrt  hat. 
In  gleicher  Weise  sollen  nach  Claus  (No.  9)  die  bei  Branchipus  in  jedem 
Segmente  doppelten  Quercommissuren  entstehen. 

Es  würde  den  Rahmen  dieser  Darstellung  überschreiten,  wenn  wir  auf 
die  verschiedenen  secundären  Veränderungen,  welche  die  Bauchganglienkette 
in  den  einzelnen  Gruppen  durch  Verschmelzung  aufeinanderfolgender  Ganglien- 
paare etc.  erleidet,  hier  näher  eingehen  wollten. 

Hinsichtlich  der  Entwicklung  d  es  G  eh  i  r  n  s  oder  oberenSchlund- 
ganglions  müssen  wir  uns  zunächst  an  die  eingehende  Schilderung 
Reichenbach's  für  Astacus  halten.  Nach  Reichenbach  (No.  65)  legt 
sich  das  gesammte  Centralnervensystem  des  präoralen  Körperabschnittes 


Crustaceen.  363 

in  der  Form  dreier,  unter  einander  gleichwertiger  und  drei  getrennten 
Körpersegmenten  zukommender  Ganglienpaare  an  (Fig.  260),  von  denen 
das  vorderste,  in  dem  Proximaltheil  des  Augenstiels  zur  Entwicklung 
kommende,  das  Ganglion  opticum  {d,  o")  liefert,  während  die  beiden 
nachfolgenden  den  Segmenten  des  ersten  und  zweiten  Antennenpaares  zuge- 
hören und  in  die  Bildung  des  Gehirns  im  engeren  Sinne  oder  des  oberen 
Schlundganglions  eingehen.  Von  letzteren  zerfällt  das  im  Segment  der 
I.  Antenne  (Antennula)  liegende  sehr  bald  durch  quere  Einschnürung 
in  zwei  hinter  einander  folgende  Ganglienpaare  (a,  b),  von  denen  wir 
das  vordere  (a)  mit  einem  PACKARD'schen  Ausdruck  als  Procerebrum 
bezeichnen  wollen,  während  das  hintere  den  Nerven  zur  I.  Antenne 
abgiebt  und  daher  als  Antennularganglion  (b)  benannt  werden 
kann.  Es  muss  erwähnt  werden,  dass  Reichenbach  in  späten  Stadien 
auch  im  Bereich  des  dahinter  gelegenen  Ganglienpaares,  welches  den 
Nerven  zur  II.  Antenne  entsendet  und  als  Antennen gangiion  (c) 
bezeichnet  ist,  eine  ähnliche  Quertheilung  beobachtet  zu  haben  glaubt; 
doch  ist  letztere  wohl  nicht  so  eclatant  und  wohl  auch  nicht  von  gleicher 
Bedeutung,  wie  die  zwischen  Procerebrum  und  Antennularganglion  sich 
in  frühen  Stadien  ausbildende  Trennung. 

Es  ist  von  Wichtigkeit,  dass  die  genannten  Ganglienpaare  nach 
Reichenbach  in  ihrer  Entwicklung  sowohl  untereinander  als  auch  mit 
den  Ganglien  der  Bauchganglienkette  eine  grosse  Uebereinstimmung  zeigen. 
Wir  können  an  jedem  dieser  Ganglienpaare  Seitenstränge  und  einen 
Mittelstrang  unterscheiden ;  die  Seitenstränge  zeigen  an  dem  Querschnitt 
einen  Zerfall  in  drei  Portionen,  ähnlich  wie  dies  für  die  Bauchganglien 
erkannt  wurde.  Der  Mittelstrang  verhält  sich  allerdings  in  den  einzelnen 
Regionen  verschieden.  Im  Bereich  der  optischen  Ganglien  rücken  die 
beiden  Hälften  des  Mittelstranges  weit  auseinander  und  treten  mit  den 
entsprechenden  Ganglien  in  separate  Verbindung  ein.  Im  Bereich  des 
Procerebrums  und  Antennularganglions  dagegen  findet  sich  je  eine 
Medianeinstülpung  des  Mittelstrangs,  welche  wohl  zur  Ausbildung  der 
Commissurentheile  des  Gehirns  führt.  Im  Bereich  des  Antennenganglions 
fehlt  dagegen  eine  entsprechende  Medianeinstülpung.  Reichenbach 
glaubt,  dass  dieselbe  nach  vorne  gerückt  und  durch  die  zwischen  den 
Antennularganglien  etablirten  Einstülpung  repräsentirt  sei.  Wenn  wir 
jedoch  bedenken,  dass  die  Quercommissur  zwischen  den  Antennenganglien 
ursprünglich  offenbar  postoral  gelegen  war  und  vielleicht  noch  jetzt  an 
dieser  Stelle  zu  suchen  ist  (Claus  No.  78) ,  so  werden  wir  über  den 
Mangel  der  Medianeinstülpung  zwischen  diesem  Ganglienpaar  nicht 
erstaunen.  In  späteren  Stadien  sind  die  Einstülpungen  des  Mittelstrangs 
im  Bereich  des  Procerebrums  und  Antennularganglions  nicht  mehr  von 
einander  getrennt,  wie  denn  überhaupt  ein  engerer  Anschluss  der  einzelnen 
Theile  des  Gehirns  sich  geltend  macht.  Aus  dem  Procerebrum  soll  nach 
Reichenbach  hauptsächlich  die  „vordere  Hirnanschwellung"  hervorgehen, 
während  das  Antennularganglion  mit  der  Ausbildung  der  „Seiten- 
anschwellung" (Krieger,  Dietl)     in  Zusammenhang  steht. 

Mit  diesen  Angaben  Reichenbach's  stehen  die  Beobachtungen  von 
Kingsley  (No.  55)  insoferne  in  Uebereinstimmung,  als  auch  er  für 
Crangon,  abgesehen  von  den  optischen  Ganglien,  drei  hinter  einander 
folgende  Ganglienpaare  in  die  Bildung  des  Gehirns  eingehen  lässt.  Von 
diesen  betrachtet  Kingsley  jedoch  das  vorderste  (Procerebrum)  als  eine 
vom  ersten  Ursprünge  an  selbstständige  Bildung,  welche  allein  ursprünglich 
präoral    gelegen   und    dem  supraoesophagealen   Ganglion   der  Anneliden 


364  xv-  Capitel. 

homolog  sei.  Die  dahinter  folgenden  Ganglienpaare  (Antennular-  und 
Antennenganglien)  seien  in  der  ersten  Zeit  ihrer  Entwicklung  postoral 
gelagert,  und  daher  nur  als  in  das  Bereich  des  Gehirns  einbezogene 
Ganglienpaare  der  Bauchkette  zu  betrachten. 

Wir  werden  durch  die  angeführten  Beobachtungen  zur  Behandlung  der 
Frage  nach  der  primären  Segmentirung  des  präoralen  Kopfabschnittes  der 
Crustaceen  geführt.  Reichenbach,  mit  welchem  auch  Nusbaum  (No.  39)  der 
Hauptsache  nach  übereinstimmt,  wird  durch  seine  entwicklungsgeschichtlichen 
Beobachtungen  dazu  geführt,  für  diesen  Körperabschnitt  eine  Zusammensetzung 
aus  drei,  den  übrigen  Körpersegmenten  homonomen  Abschnitten  anzunehmen : 
Augensegment,  Antennularsegment  und  Antennensegment.  Im  Bereich  des 
Augen  Segmentes  würden  die  optischen  Ganglien  das  segmentale  Ganglien- 
paar repräsentiren ,  während  die  ganzen  Lagerungsverhältnisse  am  Astacus- 
Embryo  Reichenbach  geneigt  machen,  zur  alten  MiLNE-EDWARDs'schen  Auf- 
fassung zurückzukehren ,  der  zufolge  die  Augenstiele  das  Extremitätenpaar 
dieses  Segmentes  repräsentiren.  Letztere  Auffassung,  welche  noch  in  neuerer 
Zeit  in  Huxley  und  SrENCE  Bäte  Vertreter  gefunden  hat,  ist  jedoch  —  wie 
uns  scheint  mit  voller  Berechtigung  —  von  Claus  und  Fr.  Müller  zurück- 
gewiesen worden ,  und  zwar  unter  dem  Hinweise  auf  die  Entwicklung  des 
Stielauges  bei  den  Phyllopodenlarven  (Branchipus)  und  an  der  Zöa  von 
Lucifer,  nach  welcher  die  Augenstiele  als  secundär  abgeschnürte,  zu  selbst- 
ständiger Beweglichkeit  gelangte  Seitentheile  des  Kopfes  aufzufassen  sind, 
während  das  Ganglion  opticum,  als  vorgeschobener  Gehirntheil,  auch  erst  zu 
einer  mehr  secundären  Selbstständigkeit  gelangt.  Mit  diesem  Hinweise  ent- 
fällt jedoch  jeder  Grund,  das  Vorhandensein  eines  selbstständigen  Augen- 
segmentes anzunehmen. 

Hinsichtlich  des  dem  zweiten  Antennen  paar  entsprechenden 
Körperabschnittes  kann  es  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir  es  hier 
mit  einem  ursprünglich  postoral  gelegenen  Körpersegmente,  also  mit  einem 
echten  Rumpfsegmente,  zu  thun  haben,  welches  erst  secundär  eine  Lagever- 
schiebung nach  vorne  erlitten  und  hiemit  einen  innigeren  Anschluss  an  die 
präoralen  Kopfparthien  erreicht  hat.  Hiefür  sprechen:  die  während  der 
embryonalen  Entwicklung  sich  geltend  machende  Veränderung  des  gegenseitigen 
Lageverhältnisses  des  Mundes  und  der  zweiten  Antennen  (vgl.  oben  pag.  356), 
vor  Allem  aber  die  Verhältnisse  des  Nervensystems,  an  denen  im  Bereich 
der  Crustaceen- Gruppe  alle  Uebergänge  von  der  selbstständigen  Ausbildung 
des  Ganglienpaares  dieses  Segmentes  bis  zu  einer  innigen  Verschmelzung  mit 
der  Gehirnmasse  sich  vorfinden.  So  ist  es  seit  den  Untersuchungen  von 
Zaddach  bekannt ,  dass  bei  Apus  der  Ursprung  des  Antennennervenpaares 
postoral  in  der  Schlundcommissur  zu  suchen  ist,  und  es  ist  durch  spätere 
Untersuchungen  (Pelsenker  No.  14)  das  daselbst  gelegene,  durch  eine  postorale 
Quercommissur  verbundene  Ganglion  beobachtet ,  wenngleich  zum  Theil  in 
anderer  Weise  gedeutet  worden.  Aehnliche  Verhältnisse  finden  sich  bei  an- 
deren Phyllopoden.  So  kann  man  an  der  nach  Claus  entworfenen  Abbildung 
eines  Cladoceren- Gehirnes  (Fig.  261)  drei  Abschnitte  unterscheiden,  von  denen 
nur  die  beiden  vorderen  präoral  gelagert  sind.  Der  vorderste  Abschnitt  (c1, 
dem  PAcxARD'schen  Procerebrum  entsprechend)  giebt  die  Nerven  zu  den 
Augen  und  zu  den  frontalen  und  anderen  Sinnesorganen  ab,  der  zweite  Ab- 
schnitt (c2)  giebt  die  Nerven  zu  den  ersten  Antennen  (na')  ab,  während 
der  hinterste,  in  den  Verlauf  der  Schlundcommissur  hinter  dem  Oesophagus 
eingelagerte  Abschnitt  (c8)  die  Nerven  der  zweiten  Antenne  (na")  entsendet. 
Im  Bereich   der  übrigen  Crustaceen  erleidet  das  Antennenganglion  eine  mehr 


Crustaceen. 


365 


oder  weniger  weitgehende  Verschiebung  längs  der  Schlundcommissur  nach 
vorne  und  eine  dementsprechende  Verschmelzung  mit  dem  Gehirn.  Eine  ge- 
wisse Schwierigkeit  ergiebt  sich  für  die  Auffassung  dieser  Lageveränderung 
aus  dem  (ursprünglich  hinter  dem  Schlünde  hinziehenden)  Verlaufe  der  Quer- 
commissur  zwischen  diesem  Ganglienpaare.  Wir  stehen  hier  vor  der  Alter- 
native, entweder  die  Ausbildung  einer  secundären,  präoralen  Querverbindung 
zu  supponiren  oder  anzunehmen,  dass  die  Querfasern  nach  vollzogener  Wande- 
rung des  Ganglienpaares  nach  wie  vor  ihren  Weg  hinter  dem  Schlünde  nehmen. 
Thatsächlich  hat  Claus  (No.  78)  eine  bei  vielen  Crustaceen  (Apseudes, 
Stomatopoden,  Decapoden)  sich  fin- 
dende, vor  dem  Mandibelganglion  gelegene 
Querbrücke  zwischen  denSchlundcommissuren 
auf  die  das  Antennenganglion  verbindenden 
Fasermassen  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
beziehen  zu  können  geglaubt.  In  anderen 
Fällen  ist  diese  Faserbrücke  vielleicht  mit 
der  Quercommissur  des  Mandibelganglions 
verschmolzen. 

Es  würde  sich  nun  die  Frage  erheben, 
ob  wir  die  vor  dem  Antennenganglion  ge- 
legenen Gehirntheile  als  einen  ursprünglich 
einheitlichen  Complex  aufzufassen  berechtigt 
sind ,  oder  ob  sich  auch  an  diesem  eine 
Trennung  in  (zwei)  aufeinanderfolgende  Seg- 
mente erkennen  lässt.  Wir  müssen  hier  der 
Theorie  Ray  Lankestee's  (No.  15)  ge- 
denken, der  an  dem  Crustaceen-Gehirn  einen 
vordersten,  mit  den  optischen  Ganglien  in 
Verbindung  stehenden  Abschnitt  als  A  r  c  h  i  - 
cerebrum  unterscheidet,  welches  erst 
durch  Beiziehung  der  Ganglienpaare  zweier 
folgender  Segmente  (des  Antennular-  und 
Antennensegmentes)  zu  einem  S  y  n  c  e  r  e  - 
brum  erweitert  werde.  Dieser  Anschauung 
hat  sich  Packard  (No.  86)  angeschlossen, 
indem  er  an  dem  Gehirn  von  Asellus  als 
gesonderte  Abschnitte  unterscheidet:  1)  die 
optischen  Ganglien ,  2)  das  Procerebrum, 
3)  die  Antennularganglien,  4)  die  Anten- 
nenganglien.  Wir  würden  in  diesem  Falle 
nur  in  dem  Procerebrum  das  Homologon  des 

aus  der  Scheitelplatte  hervorgegangenen  Annelidengehirnes  zu  erblicken  haben, 
während  in  den  optischen  Ganglien  ein  erst  bei  der  später  eingetretenen  Ent- 
wicklung des  paarigen  Seitenauges  entwickelter  secundärer  Gehirntheil  \)  in 
den  Antennular-  und  Antennenganglien  Ganglien  des  Bauchmarkes  vorliegen 
würden.  Dieser  Auffassung  steht  die  Anschauung  von  Claus  (No.  78)  gegen- 
über, nach  welchem  die  Antennularganglien  sammt  dem  Procerebrum  einen 
ursprünglich  einheitlichen  Complex,  das  primäre  Gehirn,  ausmachen  würden. 
Dieser  von  der  Scheitelplatte  der  Annelidenlarve  abzuleitende  Theil  enthält 
die  Ganglien    der   früher    vorhandenen  medianen  Sinnesorgane  (Naupliusauge, 


Fig.  261.  Ventrale  Ansicht 
des  Gehirns  von  D a  p  h  n  i  a  si mili s 
(nach  Claus). 

c1  vorderer,  c-  mittlerer,  c3  hin- 
terer Gehirnabschnitt,  go  Ganglion 
opticum  ,  n  Nerv  des  Sinnesorgans 
der  Nackengegend ,  na'  Nerv  der 
ersten  Antenne,  na"  Nerv  der  zweiten 
Antenne,  n'  zweiter  Nerv  der  zweiten 
Antenne,  sc  Schlundcommissur. 


1)  Eine  Auffassung,  welcher  zuerst  Hatschek  (Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte 
der  Lepidopteren)  Raum  gegeben,  und  später  Grobben  für  die  Crustaceen  vertreten  hat. 


366  XV.  Capitel. 

Frontalorgan)  und  der  Vorderantennen,  welche  morphologisch  auf  die  schon 
an  der  Scheitelplatte  auftretenden  Fühler  der  Anneliden  zurückzuführen  seien. 
Für  diese  letztere  Auffassung  würde  die  Angabe  Reichenbach's  sprechen, 
nach  welcher  die  Anlage  des  entsprechenden  Gehirntheils  ursprünglich  als 
einheitlicher  Complex  an  der  Basis  der  ersten  Antenne  zu  finden  sei  und 
erst  später  in  zwei  Ganglienpaare  zerfalle.  Eine  gewisse  Stütze  erfährt  die- 
selbe auch  aus  der  eigenartigen  Gestaltung  der  ersten  Antenne,  welche  als 
Trägerin  wichtiger  Sinnesorgane  eine  auf  den  Grundtypus  des  eigentlichen 
Crustaceenbeines  nicht  zurückführbare  Ausbildung  aufweist,  worauf  besonders 
Claus  und  Boas  hingewiesen  haben.  Allerdings  könnte  eine  solche  hetero- 
morphe  Gestaltung  der  Antennulae  auch  secundär  erworben  und  in  der  an- 
geführten physiologischen  Bedeutung  derselben,  sowie  in  der  Lagerung  der- 
selben am  vorderen  Körperende  begründet  sein.  Für  die  Auffassung  von 
Ray  Lankestee  und  Packaed  sprechen  vor  Allem  die  von  Kingsley  (No.  55) 
für  Crangon  angegebenen  Befunde,  welcher  nicht  bloss  für  das  Procerebrum 
eine  vom  Antennularganglion  unabhängige  Entstehung,  sondern  auch  eine 
deutliche  postorale  Lagerung  der  Antennulae  und  ihres  Ganglienpaares  be- 
obachten konnte.  Allerdings  müssten  wir  bei  einer  solchen  Anschauungsweise 
mit  Ray  Lankestee  eine  Wanderung  des  Mundes  nach  hinten  annehmen.  Es 
müssen  erst  neuere  Beobachtungen  über  den  Bau  des  Crustaceen-Gehirns,  vor 
Allem  aber  über  die  Entwicklung  der  ganzen  in  Frage  kommenden  Körper- 
region abgewartet  werden,  bevor  wir  uns  ein  bestimmtes  Urtheil  bilden  können. 
Offenbar  steht  bei  der  Biscussion  über  die  primäre  Segmentirung  des 
vordersten  Körperabschnittes  der  Crustaceen  die  Frage  nach  dem  morpholo- 
gischen Werthe  der  ersten  Antenne  im  Vordergrunde.  Wir  sehen  uns  hier 
vor  die  Alternative  gestellt,  entweder  in  derselben  eine  —  wenn  auch  einiger- 
massen  abweichend  gestaltete  —  echte  Rumpfgliedmasse  zu  erblicken  oder 
—  wie  diess  Boas  will  —  ihr  diese  Bedeutung  abzusprechen  und  sie  nur 
als  gestieltes  Sinnesorgan  (ähnlich  den  Stielaugen)  gelten  zu  lassen.  Nur 
unter  letzterer  Annahme  werden  wir  sie  als  Homologon  der  primären  Kopf- 
tentakel der  Anneliden  betrachten  dürfen.  Uns  scheint  jedoch  Vieles  für  die 
Auffassung  der  ersten  Antenne  als  Rumpfgliedmasse  zu  sprechen.  Wir  er- 
innern an  die  Aehnlichkeit  in  der  Lagerung  und  Entwicklung  mit  letzteren 
im  Embryo ,  an  die  Verwendung  dieser  Gliedmasse  als  Ruder  im  Nauplius- 
stadium  und  bei  zahlreichen  Entomostraken,  bei  denen  die  ersten  Antennen 
zum  Theil  auch  noch  zu  anderen  Verrichtungen  (zum  Anklammern  und  An- 
saugen etc.)  beigezogen  werden.  Erst  bei  den  höheren  Krebsen  tritt  die  aus- 
schliessliche Verwendung  dieser  Gliedmasse  als  Sinnesorgan  deutlich  hervor. 
Wenn  wir  auf  Grund  dieser  Ueberlegungen  geneigt  sind,  die  erste  Antenne  der 
Reihe  der  echten  Rumpfgliedmassen  einzuordnen,  so  tritt  uns  die  Frage  nahe, 
ob  wir  nicht  in  einer  anderen  Bildung  die  Rudimente  der  bei  den  Anneliden  so 
verbreiteten  primären  Kopftentakel  nachweisen  können.  Es  liegt  nahe,  die  sog. 
frontalen  Sinnesorgane  (pag. 456,  Fig.  300,  fs)  welche  als  paarige  Zapfen 
oder  fadenförmige  Ausläufer  an  den  Jugendstadien  vieler  Crustaceen  sich  finden 
und  vom  Procerebrum  aus  innervirt  werden,  nach  dieser  Richtung  in  Anspruch 
zu  nehmen.  Dieser  Gedanke  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit  durch  den  Vergleich 
mit  Peripatus,  an  dessen  Embryonen  ganz  ähnliche  Zapfen  beobachtet  sind, 
während  die  Antenne  von  Peripatus  sich  nach  ihrer  Entwicklung  und  nach 
ihrem  Verhältniss  zu  den  Cölomsäcken  wohl  nur  als  Rumpfgliedmasse  deuten 
lässt.  Wir  würden,  wenn  wir  dieser  Anschauung,  der  wir  selbst  natürlich  nur 
hypothetischen  Werth  zuschreiben,  huldigten,  dazu  geführt,  an  dem  vordersten, 
das  Gehirn  enthaltenden  Kopfabschnitt  der  Crustaceen  (ähnlich  wie  Ray 
Lankestee)    drei  Abschnitte   zu   unterscheiden:    einen  eigentlichen  primären, 


Crustaceen.  367 

ursprünglich  allein  präoralen  Kopfabschnitt  mit  dem  Procerebrum,  den  Augen 
und  den  frontalen  Sinnesorganen  und  zwei  dahinter  folgende,  dem  Kopf  bei- 
gezogene Rumpfsegmente  (das  Antennularsegment  und  das  Antennensegment), 
für  welche  wir  eine  ursprünglich  postorale  Lagerung  in  Anspruch  nehmen 
müssten.  Doch  müssen  wir  nochmals  darauf  hinweisen,  dass  wir  mit  einer 
solchen  Anschauung  durchaus  auf  hypothetischem  Boden  stehen. 

D.    Sinnesorgane. 

Ueber  das  Detail  der  Entwicklung  des  unpaaren,  dreitheiligen 
Nauplius-  oder  E  n  t  o  m  o  s  t  r  a  k  e  n  au  g  e  s x)  ist  bisher  nichts  bekannt 
geworden.  Erwähnt  seien  die  Beobachtungen  von  Leydig  und  Grobben, 
wonach  dasselbe  bei  den  Cladoceren  aus  einer  paarigen  Anlage  hervorgeht. 

Nach  Ukbanovicz  (No.  23)  bildet  sich  das  Auge  bei  Cyclops  aus  „drei 
Ectodermzellen,  deren  jede  Pigment  ausscheidet  und  zur  lichtbrechenden 
Kugel  wird." 

Die  Entwicklung  des  paarigen,  zusammengesetzten  Auges  ist 
hauptsächlich  bei  Decapoden  studirt  (Bobretzky  No.  41,  Reichenbach 
No.  65,  Kingsley  No.  52,  Herrick  No.  48,  49,  und  Parker  No.  62), 
ausserdem  aber  auch  für  Mysis  (Nusbaum  No.  39),  Parapodopsis 
(Buczynsky  No.  37a)  und  Branchipus  (Claus  No.  8  und  9)  bekannt 
geworden.  Die  Besprechung  der  Entwicklung  des  zusammengesetzten 
Auges  lässt  sich  von  der  des  Ganglion  opticum  nicht  trennen. 

Am  einfachsten  gestalten  sich  die  Verhältnisse  bei  Branchipus. 
Die  Anlage  des  zusammengesetzten  Auges  sowohl,  als  auch  die  des 
Augenganglions  ist  auf  eine  seitliche,  wulstförmige  Hypodermiswucherung 
zurückzuführen,  welche  in  ihren  oberflächlichen  Parthien  zum  Auge  sich 
umgestaltet,  während  sie  in  der  Tiefe  das  Material  für  das  mit  dem 
Gehirn  in  Zusammenhang  stehende  Augenganglion  enthält.  Die  mehr- 
schichtige Zellenlage,  welche  die  Anlage  des  Auges  darstellt  und  als 
eine  einfache  Verdickung  der  Hypodermis  betrachtet  werden  muss,  lässt 
bald  eine  Anordnung  der  Elemente  in  eine  oberflächliche  Schicht  (von 
welcher  die  corneale  Cuticula  und  die  Krystallkegel  geliefert  werden) 
und  in  eine  tiefere  pigmentirte  Schicht  zur  Ausbildung  der  Retinulae 
erkennen,  wrelch  letztere  durch  Faserzüge  mit  der  Anlage  des  Augen- 
ganglions zusammenhängen.  Während  in  den  lateralen  Parthien  der 
ganzen  Anlage  frühzeitig  die  histologische  Differenzirnng  des  Augen- 
ganglions und  der  das  Auge  zusammensetzenden  Ommatidien  sich  geltend 
macht,  erhält  sich  in  dem  vorderen,  mehr  medialen  Theile  bis  in  späte 
Stadien  eine  proliferirende  Hypodermisparthie  von  embryonalem  Charakter 
(Fig.  262),  welche  immer  neue  Elemente  zur  Vergrösserung  der  ganzen 
Anlage  liefert.  Streng  genommen,  kann  man  an  dieser  Stelle  zwei  ge- 
sonderte, aber  mit  einander  in  Contact  stehende  Knospungszonen  (Je',  Je") 
unterscheiden,  von  denen  die  eine  (Je")  durch  Production  neuer  Omma- 
tidien das  Auge  selbst  vergrössert,  während  die  andere  mehr  proximal 
gelegene  (h')  dem  Augenganglion  entsprechende  Elemente  zuführt. 
Während  dieser  Entwicklungsprocesse  sind  die  beweglichen  Augenstiele 
durch  einfaches  Auswachsen  der  seitlichen  Kopfparthien  hervorgegangen. 

J)  Nach  neueren  Mittbeilungen  von  Claus  (Acad.  Anz.  Wien  1891)  ist  das 
Naupliusauge  aus  drei  inversen  Becheraugen  zusammengesetzt,  an  denen  die  Nerven 
von  der  dem  Pigmentbecher  abgewendeten  Seite  in  die  Ptetinazellen  eintreten,  während 
die  Stäbchen  der  letzteren  gegen  den  Pigmentbecber  gerichtet  sind.  Es  ergiebt  sich 
hieraus  eine  gewisse  Cebereinstimmung  mit  den  Medianaugen  der  Arachnoiden. 


368 


XV.  Capitel. 


Ganz  ähnliche  Verhältnisse,  wie  bei  Branchipus,  finden  wir  in  der 
Entwicklung  des  Auges  bei  den  S  c  h  i  z  o  p  o  d  e  n  und  D  e  c  a p  o  d  e  n. 
Auch  hier  geht  das  zusammengesetzte  Auge  aus  einer  Verdickung  der 
Hypodermis  hervor,  welche  von  Anfang  an  in  inniger  Verbindung  mit 
der  Anlage  des  Ganglion  opticum  steht.  Wir  können  an  den  Augenlappen 
schon  in  frühen  Stadien  den  äusseren  und  vorderen  Theil  als  Anlage  des 
Auges  (pag.  357 ,  Fig.  257,  A  und  pag.  362,  Fig.  260,  o),  den  inneren, 
hinteren  als  Anlage  des  Ganglion  opticum  (Fig.  257  go  und  Fig.  260  o'  d ) 
unterscheiden.  Letzteres  steht  demnach  vom  ersten  Anfange  an  in 
innigem  Contact  mit  der  Anlage  des  Auges  sowohl,  als  proximalwärts 
mit  der  des  Oberschlundganglions. 

Die  Augenanlage  ist  also  nur  ein  Theil  des  Ectoderms  (vgl.  Fig.  263^4), 
welcher  mehrschichtig  wird  und  aus  seinen  oberflächlichen  Schichten  die 
corneagenen  und  Krystallkegelzellen  erzeugt,  während  von  den  tieferen 
Schichten    die   Bildung   der  Retinulae   und   der  Pigmentzellen   ausgeht, 

Eine  an  der  inneren  Fläche 
dieser  mehrschichtigen  Hy- 
podermisparthie  zur  Aus- 
scheidung kommende  Basal- 
membran (Fig.  263  mb)  lie- 
fert die  das  Auge  gegen 
das  optische  Ganglion  ab- 
grenzende Membrana  limi- 
tans.  Dieser  Membran  wer- 
den von  Innen  Mesoderm- 
elemente  angelagert ,  in 
denen  bei  Mysis  das  Pig- 
ment der  3.  innersten  Pig- 
mentschicht  deponirt  wird. 
Bei  Mysis  erfolgt  nach  Nus- 
baum  (No.  39)  die  Entwick- 
lung des  Auges  in  jener  Zeit, 
in  welcher  das  Stielauge  sich 
von  seiner  Unterlage  abzu- 
heben beginnt,  und  zwar  tritt  die  erste  Differenzirung  der  Ommatidien 
gerade  in  jener  dorsalwärts  eingekrümmten  Lamelle  zu  Tage,  durch  deren 
Einfaltung  sich  das  Auge  vom  Nahrungsdotter  abtrennt.  In  dieser 
Lamelle  kann  man  frühzeitig  eine  sehr  regelmässige  Anordnung  der 
Zellen  sowohl  in  horizontalen  Schichten,  als  in  vertikalen  Pfeilern 
gewahren.  Die  horizontale  Schichtung  trennt  die  corneagenen  von  den 
Krystallkegelzellen  u.  s.  w.  Durch  die  vertikale  Anordnung  werden 
zweierlei  alternirend  gestellte  Zellpfeiler  gebildet,  welche  wir  als 
0 m m a t e a  1  p f e i  1  e r  und  Zwischenp feiler  unterscheiden  wollen.  In 
jedem  Ommatealpfeiler  liegen  als  oberflächlichste  Querschicht  zwei 
corneagene  Zellen  (nach  Claus  No.  78),  welche  zur  Ausscheidung  der 
cuticularen  Cornealinse  bestimmt  sind;  darunter  folgt  die  Krystallkegel- 
schicht,  ebenfalls  aus  zwei  Zellen  bestehend.  Dieser  Zahl  entsprechend, 
konnte  schon  Grenacher  die  erste  Entstehung  der  Krystallkegel  aus 
zwei  getrennten  Segmenten  nachweisen,  deren  Grenzen  auch  am  aus- 
gebildeten Krystallkegel  zu  erkennen  sind.  Die  in  den  tieferen  Schichten 
gelegenen  Zellen  der  Ommatealpfeiler  gelten  wohl  die  Elemente  der 
Pietinulae,  während  Nusbaum  geneigt  ist,  dieselben  von  den  Zwischen- 
pfeilern   herzuleiten.     Aus    letzteren    lässt    Claus    die    vorderen    und 


Figf.  262.  Linkes  Auge  eines  jungen  Bran- 
chipus  von  der  Ventralseite  gesehen  (nacli  Claus). 

go  Ganglion  opticum,  k'  Knospungszone  für 
das  Ganglion  opticum ,  k"  Knospungszone  für  das 
Facettenauge,  m  Augenmuskel. 


Crustaceen. 


369 


hinteren  Pigmentzellen,  welche  die  Krystallkegel  von  Mysis  umgeben, 
hervorgehen.  Die  Untersuchung  dieser  Verhältnisse  wird  durch  die 
frühzeitige  Ablagerung  von  Pigment  erschwert,  welches  sich  innerhalb 
der  Augenanlage  in  zwei  Schichten  und  in  einer  dritten  mesodermalen 
unterhalb  derselben  bemerkbar  macht. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  wir  hier  die  Entstehung  des  Auges  von  Mysis 
dargestellt  haben,  schildern  dieselbe  Herrick:  (No.  48  für  Alpheus)  und 
Parker  (No.  62  für  Homarus).  Die  Augenlappen  entwickeln  sich  hier 
durch  Proliferation  der  Ectodermzellen  zu  einer  mehrschichtigen  Anlage 
(Fig.  263  A).  (Herrick  lässt  zur  Bildung  derselben  auch  indifferente  Ele- 
mente aus  dem  Dotter  beitreten.)     Im  Bereich  der  letzteren  tritt  sodann  eine 

A 


Fig.  263.  Drei  Entwicklungsstadien  an  Schnitten  durch  das  Facettenauge  des 
amerikanischen  Hummers  (Homarus  americanus)  (nach  Parker). 

A  Querschnitt  durch  den  Augenlappen  eines  jungen  Stadiums,  B  älteres  Stadium 
mit  beginnender  Sonderung  der  Augenanlage  {r)  und  des  Ganglion  opticum  (go)  durch 
das  Auftreten  einer  Basalmembran  (mb),   C  noch  älteres  Stadium  im  Querschnitt. 

c  Gehirnanlage,  go  Ganglion  opticum,  mb  Basalmembran,  r  Augenanlage  (Petinogen). 


Scheidung  in  eine  oberflächliche  und  eine  tiefer  gelegene  Parthie  ein  (Fig.  263 
B  und  C).  Die  erstere  (Retinogen)  wird  zur  Augenanlage  (r),  während 
aus  der  Zellmasse  der  tieferen  Schichte  (Gangliogen)  die  Anlage  des 
Ganglion  opticum  (go)  hervorgeht.  Beide  werden  in  späteren  Stadien  durch 
das  Auftreten  einer  cuticularen  Basalmembran  (mb)  von  einander  getrennt, 
während  die  Nervenfaserstränge  diese  Membran  durchbrechen.  In  dem  eigent- 
lichen, als  Retinogen  bezeichneten  Augenkeim  kommen  nach  Herrick  die  An- 
lagen der  einzelnen  Ommatidien  zur  Entwicklung,  indem  in  der  oberfläch- 
lichsten Schicht  je  zwei  corneagene  Zellen  zu  einer  Gruppe  zusammentreten, 
in  der  darunter  gelegenen  Schicht  je  vier  Krystallkegelzellen ,  während  in 
der  untersten  Schicht  je  sieben  Retinulazellen  zu  einem  Bündel  sich  vereinigen, 
welches  das  unterste,  ausgezogene  Ende  der  Krystallkegelzellen  erreicht  und 
umschliesst.  Die  einzelnen  Ommatidien -Anlagen  sind  von  einander  durch 
zahlreiche  unveränderte  Ectodermzellen  getrennt. 


370  XV.  Capitel. 

In  dem  letzteren  Punkte  weicht  die  Schilderung  Parker's  von  der 
Heeeick's  ab.  Bei  Homarus  sollen  die  einzelnen  Ommatidien -Anlagen  ein- 
ander dicht  anliegen  und  durch  keinerlei  Zwischenpfeiler  getrennt  sein.  Man 
kann  drei  Schichten  unterscheiden :  aus  der  äussersten  entstehen  die  corneage- 
nen  Hypodermiszellen  und  die  vorderen  Pigmentzellen  (distal  Retinulae),  aus 
der  mittleren  die  Krystallkegelzellen ,  während  die  unterste  die  eigentlichen 
Retinulae  liefert. 

In  ähnlicher  Weise  entwickelt  sich  auch  das  paarige  Seitenauge  der  Iso- 
poden.  Nach  den  Angaben,  welche  Bullae  (No.  81)  für  Cymothoa  ge- 
macht hat,  steht  die  Augenanlage  ursprünglich  in  inniger  Verbindung  mit  der 
Anlage  des  Ganglion  opticum.  Beide  gehen  aus  ein  und  derselben  Ectoderm- 
verdickung  hervor.  Während  die  inneren  Schichten  der  letzteren  sich  zur 
Bildung  des  mit  dem  übrigen  Gehirn  in  Zusammenhang  stehenden,  optischen 
Ganglions  absondern,  wird  eine  oberflächliche  Hypodermisverdickung  durch 
Ausbildung  einer  pigmentirten ,  basalen  Membran  abgegrenzt.  Diese  Hypo- 
dermisverdickung stellt  die  Anlage  des  Facettenauges  dar,  in  welchem  die 
einzelnen  Ommatidien  durch  einen  starken  Pigmentzellmantel  von  einander 
abgegrenzt  erscheinen.  Die  Details  der  Ommatidienentwicklung  wurden  hier 
nicht  verfolgt. 

Während  nach  den  bisher  angeführten  Beobachtungen  die  Entwicklung 
des  Auges  sich  verhältnissmässig  einfach  gestaltete,  weist  dieselbe  bei 
Astacus  (nach  Reichenbach  No.  65)  und  bei  Crangon  (nach 
Kingsley  No.  52)  eine  Complication  auf  durch  die  Theilnahme  einer 
Einstülpung,  wrelche  an  der  Grenze  zwischen  Augenanlage  und  Ganglien- 
anlage sich  einsenkt.  Aus  dieser  Einsenkung,  welche  nach  Reichenbach 
in  einem  gewissen  Zeitpunkt  der  Entwicklung  durch  eine  mehr  solide 
Einwucherung  ersetzt  ist,  geht  die  zwischen  Augenanlage  und  Gangliogen 
gelegene  Augenfalte  hervor,  an  welcher  man  ein  inneres  und  ein 
äusseres  Blatt  unterscheiden  kann.  Obgleich  Reichenbach  die  späteren 
Schicksale  der  Augenfalte  nicht  genau  verfolgt  hat,  ist  es  ihm  doch 
wahrscheinlich  geworden,  dass  das  äussere  Blatt  der  Augenfalte  in  die 
Bildung  des  Auges  eingeht  und  die  Retinulaschicht  liefert,  während  das 
innere  Blatt  in  die  Bildung  des  Ganglion  opticums  eingehen  soll.  Es 
wurde  vor  Allem  von  Carriere  (No.  44)  darauf  hingewiesen,  dass  bei 
einem  solchen  Modus  der  Entwicklung  der  Retinulaschicht  die  Zellen  der- 
selben ursprünglich  eine  verkehrte  Orientirung  aufweisen,  indem  ihr  basales 
Ende  gegen  die  Krystallkegelzellen,  ihr  oberes  Ende  aber  gegen  die 
Ganglienanlage  gerichtet  ist,  dass  wir  demnach  eine  spätere  Umordnung 
im  Bereich  der  Retinulae  annehmen  müssten,  wie  eine  solche  für  Spinnen 
bekannt  geworden,  aber  bei  Crustaceen  bisher  nicht  beobachtet  ist.  Uns 
will  die  Vermuthung  Pattens  wahrscheinlich  dünken,  wonach  die 
Augenfalte  mit  der  Bildung  des  Auges  überhaupt  Nichts  zu  thun  hat, 
sondern  lediglich  Material  zur  Vergrösserung  des  optischen  Ganglions 
liefert.  Sie  würde  demnach  der  proximalen  Knospungsstelle  (für  Ver- 
grösserung des  Ganglions  Fig.  262  k')  im  Augenstiel  von  Branchipus  ent- 
sprechen. Letzterer  Auffassung  hat  sich  neuerdings  auch  Kingsley  (No.  55) 
angeschlossen,  welcher  ursprünglich  aus  der  äusseren  Wand  der  Augen- 
einstülpung die  Krystallkegelschicht  und  Retinulaschicht  hervorgehen  liess. 

Für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  spricht  vor  Allem,  wie  Caeeieee 
hervorhob,  das  Lagerungsverhältniss  einer  pigmentirten  Mesodermzellschicht. 
welche  sich  nach  Reichenbach  zwischen  der  Aussenwand  der  Augenfalte  und 


Crustaceen.  37  \ 

seiner  Krystallkegelschicbt  entwickelt,  jedoch  offenbar  mit  der  oben  für  Mysis 
(pag.  368)  erwähnten,  unter  der  Basalmembran  des  Auges  gelegenen  (3.) 
Pigmentzellschicht  identisch  ist. 

Hinsichtlich  der  Deutung  der  einzelnen  Theile  des  Ommatidiums,  bezüg- 
lich deren  sich  in  neuerer  Zeit  die  Anschauungen  Gkenacher's  und  Patten's 
gegenüberstehen,  ist  die  Beobachtung  Pabker's  hervorzuheben,  welcher  den 
Zusammenhang  der  Retinulazellen  mit  feinen  Nervenfasern  beobachtete,  während 
die  Krystallkegelzellen  allerdings  bis  zur  Basalmembran  reichen,  an  letzterer 
jedoch  endigen.  Dies  würde  mit  der  Anschauung  Gkanacher's,  welcher  in 
den  Retinulazellen  die  pereipirenden  Elemente  erblickte,  übereinstimmen, 
während  Pattex  die  als  Retinophoren  bezeichneten  Krystallkegelzellen 
als  die  mit  Nerven  in  Zusammenhang  stehenden  Elemente  betrachtete. 

An  der  Entwicklung  des  zusammengesetzten  Auges  der  Cladoceren, 
welche  durch  Grobben  (No.  11)  genau  ermittelt  wurde,  ist  von  besonderem 
Interesse  die  Bildung  einer  Hautfalte,  durch  welche  das  Auge  überwachsen 
wird  und  welche  einen  halbkugelförmigen,  präcornealen  Raum  abschliesst. 
Letzterer  vermittelt  wie  eine  Gelenkshöhle  die  Bewegungen  des  in  die  Tiefe 
versenkten  Auges.  Aehnliche  Verhältnisse  finden  wir  bei  Apus,  Estheria, 
Limnadia  und  Limnetis.  Wir  können  die  zusammengesetzten  Augen  dieser 
Formen,  sowie  wahrscheinlich  das  der  Ostrakoden  als  ein  in  die  Tiefe  versenk- 
tes, bewegliches  Stielauge  mit  rückgebildetem  Stiel  betrachten.  Wo  sich,  wie 
bei  den  Cladoceren,  ein  unpaares  zusammengesetztes  Auge  findet,  muss  dies 
als  durch  Verschmelzung  aus  einer  paarigen  Anlage  entstanden  gedacht  werden. 

In  Bezug  auf  die  Entwicklung  des  G  e  h  ör  0  r  g  a  n  s  ist  die  Beobachtung 
Reichenbach's  (No.  65)  zu  erwähnen,  dass  dasselbe  bei  Astacus  als 
dorsal  gelegene  Einstülpung  im  Basalglied  der  Antennula  angelegt  wird. 
Schon  in  frühen  Stadien  zeichnet  sich  das  ectodermale  Sinnesepithel, 
welches  wahrscheinlich  die  Hörleisten  liefert,  durch  mehrschichtige  und 
regelmässige  Anordnung  der  Zellen  aus.  In  ähnlicher  Weise  konnte 
Nusbaum  (No.  39)  die  Entstehung  des  im  Endopoditen  des  letzten 
Pleopodenpaares  gelegenen  Gehörsäckchens  von  Mysis  aus  einer 
Ectodermeinstülpung  beobachten. 


E.   Kiemen. 

Die  Kiemen  sind  in  ihrer  ersten  Anlage  auf  einfache  Aussackungen 
des  oberflächlichen  Körperepithels  (Ectoderms)  zurückzuführen,  in  deren 
Innerem  mit  Bindegewebe  durchzogene,  lacunäre  Bluträume  zur  Ent- 
wicklung kommen  (Reichenbach  No.  65).  Wir  werden  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  die  Kiemensäckchen  oder  -schlauche,  insoferne  sie  der 
Aussenseite  des  Basalgliedes  der  Extremitäten  angehören,  und  somit  als 
Epipodialkiemen  zu  bezeichnen  sind  (vgl.  unten  pag.  388),  in  der 
ganzen  Reihe  der  Crustaceen  für  homologe  Bildungen  erklären  und 
dieselben  vielleicht  auf  Kiemenschläuche  der  Anneliden  zurückführen 
dürfen.  Dagegen  muss  hervorgehoben  werden,  dass  auch  an  anderen 
Stellen  Kiemenausstülpungen  zur  Entwicklung  kommen,  z.  B.  an  dem 
Exopoditen  der  Pleopoden  (Squilla)  oder  an  dem  Endopoditen 
derselben  (Siriella),  als  Rückenanhänge  bei  gewissen  Ostracoden 
(Asterope),  als  Mantelfalten  bei  den  Balaniden  etc.  Diese  werden 
wir  natürlich  den  Epipodialkiemen  nicht  homolog  setzen  dürfen.  Die  bei 
den  Phyllopoden  in  einfacher  Reihe  vorhandenen  epipodialen  Kiemen- 


372  xv-  Capitel. 

säckchen  erscheinen  bei  den  Decapoden  durch  drei  Reihen  verastelter 
Schläuche  ersetzt,  welche  nach  ihrem  genauem  Ansatzpunkte  im  An- 
schlüsse an  Huxley  als  Podobranchien,  Arthrobranchien  und 
Pleurobranchien  unterschieden  werden.  Bei  den  Euphausiden 
und  Lophogastrid  en  finden  wir  statt  deren  nur  eine  einfache  Reihe 
baumförmig  verastelter  Kiemenschläuche,  so  dass  schon  Claus  die  Frage 
erhebt,  ob  nicht  die  drei  Kiemen  der  Decapoden  auf  die  auseinander- 
gerückten Hauptäste  der  Schizopodenkiemen  zu  beziehen  seien. 

F.   Darmcanal. 

Die  Bildung  des  Darmcanals  geht,  wie  in  den  meisten  Thiergruppen, 
von  drei  gesonderten  Anlagen  aus,  von  denen  der  Vorderdarm  und 
Enddarm  als  Ectodermeinstülpungen  entstehen,  während  der  Mitteldarm 
aus  dem  Zellmaterial  des  Entoderms  aufgebaut  wird.  Während  die 
beiden  ersteren  durch  verhältnissmässig  einfache  Umwandlungen  sich  der 
definitiven  Form  nähern,  geht  die  Ausbildung  des  Mitteldarms  entsprechend 
den  durch  die  Anwesenheit  des  Nahrungsdotters  bedingten  Störungen 
unter  viel  eingreifenderen,  in  den  einzelnen  Ordnungen  verschiedenen 
Entwicklungsprozessen  vor  sich. 

Hinsichtlich  der  relativen  Zeit  des  Auftretens  der  Vorder-  und  End- 
darmeinstülpung liegen  in  den  einzelnen  Untergruppen  der  Crustaceen  ver- 
schiedene Verhältnisse  vor.  Bei  den  Entomostraken  scheint  in  der  Regel  die 
Ausbildung  der  Vorderdarmanlage  der  des  Enddarms  vorauszueilen.  Dasselbe 
ist  bei  Asellus,  Gammarus  und  bei  Mysis  der  Fall,  während  bei  Oniscus  die 
Entwicklung  des  Enddarms  früher  eintritt,  Bei  den  Decapoden  wird  meist 
die  Enddarmeinstülpung  früher  angelegt,  was  mit  der  frühzeitigen  Entwicklung 
des  Abdomens  in  Zusammenhang  steht. 

Von  Wichtigkeit  ist  das  Lagerungsverhältniss  dieser  Einstülpungen  zu 
dem  verschlossenen  Blastoporus.  Während  nach  Grobbex1s  Ansicht  bei  Moina 
die  Stelle  des  verschlossenen  Blastopors  der  späteren  Mundöffnung  entspricht, 
liegt  dieselbe  bei  den  Decapoden  allgemein  in  der  nächsten  Nähe  der  späte- 
ren Afteröffnung.  Nach  Reichenbach  liegt  sie  bei  Astacus  etwas  hinter  dem 
Ort  der  sich  bildenden  Afteröffnung;  damit  stimmt  die  Angabe  von  Ischi- 
kawa  für  Atyephyra  überein.  Das  entgegengesetzte  Verhältniss  giebt  Lebe- 
dinsky  für  Eriphia  an.  Hier  soll  sich  die  Enddarmeinstülpung  hinter  dem 
Blastoporus  entwickeln.  Dagegen  glaubt  Kingsley,  dass  bei  Grangon  die 
Enddarmeinstülpung  genau  der  Stelle  des  verschlossenen  Blastoporus  ent- 
spreche, was  schon  Bobretzky  für  Astacus  behauptet  hat  und  womit  auch 
die  Angaben  P.  Mayer's  für  Eupagurus  stimmen  würden.  Für  die  freilebenden 
Copepoden  fand  Hoek,  dass  die  Stelle  des  verschlossenen  Blastoporus  mit 
Lage  der  späteren  Afteröffnung  übereinstimmt.  Dasselbe  beobachtete  Nas- 
sonow  für  Baianus,  so  dass  man  im  Allgemeinen  für  den  Blastoporus  der 
Crustaceen  die  Lage  in  der  Nähe  der  späteren  Afteröffnung  annehmen  kann 
(vgl.  oben  pag.  343). 

Je  nach  der  Entwicklungsstufe ,  auf  welcher  die  Larve  das  Ei  verlässt, 
ist  die  Zeit  der  Vereinigung  der  drei  Anlagen  zu  einem  einheitlichen  Canale 
eine  verschiedene.  Bei  den  freilebenden  Copepoden  (Cetochilus)  geht  die 
Vollendung  des  Darmcanals  in  frühen  Stadien  vor  sich,  während  bei  den 
Decapoden  meist  erst  in  später  Zeit  eine  Communication  zwischen  Vorder- 
und  Enddarm  mit  dem  Mitteldarmsäckchen  sich  herausstellt.  Hier  scheint 
der  Enddarm  früher  als  der  Vorderdarm  das  definitive  Verhältniss  aufzuweisen. 


Crustaceen.  373 

Ueber  die  Art  und  Weise,  auf  welche  sich  der  Mitteldarm  bei  den 
Entomostraken  ausbildet,  ist  bisher  wenig  Genaues  bekannt  geworden. 
Bei  Moina  bilden  die  Entodermzellen  zunächst  einen  soliden  Zellstrang, 
der  am  Querschnitt  kein  centrales  Lumen,  aber  eine  radiäre  Anordnung 
der  Zellen  erkennen  lässt  (Grobben).  Dagegen  scheint  bei  Cetochilus 
das  aus  der  Einstülpung  hervorgehende  Entodermsäckchen  direct  in  den 
Mitteldarm  sich  umzuwandeln.  Bei  vielen  anderen  Entomostraken  ist 
wohl  die  Mitteldarmanlage  als  eine  centrale  Masse  mit  Nahrungsdotter 
erfüllter  Zellen  zu  erkennen,  z.  B.  bei  Baianus  (Lang,  Nassonow).  In 
späteren  Stadien  nähern  sich  die  Kerne  der  Entodermzellen  mit  dem  sie 
umgebenden  Protoplasma  der  Oberfläche,  und,  während  der  Nahrungsdotter 
allmählich  aufgezehrt  wird ,  entsteht  im  Inneren  die  Höhlung  des 
Mitteldarms  (also  ähnlich  wie  bei  Palaemon  pag.  334).  Aehnlich  scheint 
nach  den  Andeutungen  van  Beneden's  (No.  17)  die  Ausbildung  des 
Mitteldarms  bei  den  parasitischen  Copepoden  vor  sich  zu  gehen.  Das 
so  entstandene,  mit  Nahrungsdotter  erfüllte  Mitteldarmsäckchen  steht  mit 
seinem  vorderen  Ende  mit  der  Vorderdarmeinstülpung,  an  seinem  hinteren 
Ende  mit  der  Enddarmeinstülpung  in  Zusammenhang. 

Am     genauesten    ist    die    Entwicklung    des    Mitteldarms    für    die 
Decapoden    bekannt    geworden.     Bei    Astacus,    wo    die    Zellen    des 
Entodermsäckchens  den  gesammten  Nahrungsdotter  in   sich   aufnehmen, 
ohne  dass  dadurch  die  Conformation  des  Säckchens  gestört  wird,  entsteht 
das  Mitteldarmepithel ,   indem  die   Kerne   der   dotterhaltigen  Entoderm- 
pyramiden  an  die  Oberfläche  rücken,   wo  schliesslich  eine  Trennung  der 
Entodermzelle  von  dem  zugehörigen  Dotterantheil  sich  vollzieht;    indem 
die  Entodermzellen  sich  vermehren,    ordnen    sie  sich  zu  einem  Epithel 
an,    welches   nun  an   der  Oberfläche  des  dem  Zerfall  entgegengehenden 
Nahrungsdotters  gelegen  ist  (vgl.   oben  pag.    333).     Gleichzeitig  erhält 
durch    Einschnürungen    von    aussen    die    ganze   Mitteldarmanlage    eine 
gelappte  Gestalt.    Es  bilden  sich  paarige  vordere  Lappen,    welche  mit 
der  centralen  unpaaren  Mitteldarmanlage    zusammenhängen,    an    deren 
dorsaler,  hinterer  Parthie  noch  eine  Vorwölbung,  die  Anlage  des  dorsalen 
Mitteldarmblindsackes   des  Flusskrebses,   zu   erkennen    ist.    Jene    oben 
beschriebene  Ausbildung    des   Mitteldarmepithels    macht   sich    zuerst   an 
jener  Stelle  geltend,  wo  das  Entodermsäckchen  und   die  Enddarmanlage 
sich  berühren.     Hier  erkennen  wir  schon  bald  eine  entodermale  Epithel- 
platte (Fig.  240  B,  ep).    Aehnliches   beobachtet  man   an  jenen   Stellen, 
von  denen  die  Bildung  der  Leberschläuche   ausgeht.     Entsprechend   den 
vorderen,  seitlichen  und  hinteren  Leberlappen  des  ausgebildeten  Thieres 
finden    wir    an    den    vorderen,    seitlichen    und    hinteren    Parthien    des 
Mitteldarmsäckchens   gesonderte  Centren    der  Epithelbildung,    in   deren 
Bereich   sich  das  Epithel   bald   zur  Bildung  eines  primären  Leberblind- 
sackes emporhebt.    Letztere  zerfallen  später  durch  Einschnürung  in  die 
zahlreichen    secundären    Leberschläuche.      Die    Anlage     des     hintersten 
Paares  scheint  von  Anfang  an  mit  der  oben  geschilderten  Entodermplatte 
in  Zusammenhang  zu  stehen.     Indem  später  auch  im  Bereich  der  übrigen 
Theile  des  Entodermsäckchens  die  Epithelbildung  fortschreitet,   entsteht 
der  centrale  Theil   des  Darmcanals,   welcher  die  Ausführungsgänge  der 
Mitteldarmdrüse  (Leber)   in   sich    aufnimmt    und    der    im    ausgebildeten 
Thiere  nur  eine  geringe  Ausdehnung   aufweist.     Durch  Anlagerung  von 
mesodermalen    Elementen    kommt    die    Muskulatur    dieses    Theils    des 
Darmcanals  zu  Stande. 

Korschel  t-Heider,  Lehrbuch.  25 


374  xv-  Capitel. 

Die  Vorderdarmeinstülpung  weist  bald  eine  Trennung  in  einen 
engeren  Oesophagealtheil  und  einen  weiteren  Theil,  Anlage  des  sog. 
Magens,  auf.  An  letzterer  erkennt  man  die  Anlagen  der  Zahnplatten 
als  Epithelverdickungen  und  die  der  Gastrolithensäckchen  als  zwei  nach 
der  Ventralseite  abgehende  Divertikel.  Der  junge  Flusskrebs  schlüpft 
mit  zwei  vollständig  ausgebildeten  Gastrolithen  aus  dem  Eie  (Reichenbach). 
Erst  in  späten  Stadien  tritt  die  Vorderdarm-  und  Enddarmeinstülpung 
mit  dem  Mitteldarm  in  Communication. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  erfolgt  die  Ausbildung  des  Mitteldarms  bei 
jenen  Decapoden,  bei  denen  das  Entodermsäckchen  nicht  in  continuo  erhalten 
bleibt,  sondern  in  einzelne  Elemente  zerfällt,  welche  im  Nahrungsdotter  sich 
zerstreuen  (Palaemon,  Eupagurus,  Eriphia,  Atyephyra,  .Crangon  etc.).  Bei 
diesen  treten  ebenfalls  die  Entodermelemente  zum  Schluss  an  die  Oberfläche 
und  liefern  in  der  oben  geschilderten  Weise  das  Mitteldarmepithel.  Auch 
hier  wurde  das  erste  Auftreten  dieses  Epithels  entsprechend  dem  blinden, 
inneren  Ende  der  Enddarmeinstülpung  beobachtet  (Fig.  241  C,  ep).  Es 
scheinen  aber  noch  drei  Paare  ursprünglich  gesonderter  Leberanlagen  hinzu- 
zukommen (Crangon,  Kingsley). 

Von  dem  für  die  Decapoden  geschilderten  Typus  der  Mitteldarm- 
entwicklung unterscheiden  sich  die  Arthrostraken,  insoferne  hier  die 
Bildung  des  Mitteldarmepithels  nicht  von  Elementen  ausgeht,  welche  im 
Dotter  zerstreut  sind,  sondern  von  einer  paarigen,  lateralen  Zellan- 
häufung, welche  dem  Nahrungsdotter  oberflächlich  aufliegt  und  denselben 
allmählich  umwächst  (vgl.  oben  pag.  340  u.  ff.),  während  im  Inneren  des 
Dotters  nur  in  einzelnen  Fällen  Dotterzellen  (Vitellophagen)  erkannt 
wurden  (Oniscus  nach  Nusbaum),  in  anderen  dagegen  (Porcellio,  Amphi- 
poden)  zellige  Elemente  daselbst  vollständig  fehlen.  Indem  die  paarige 
Ento  denn  anläge  von  beiden  Seiten  den  Nahrungsdotter  umwächst,  wird 
das  Mitteldarmsäckchen  abgeschlossen ,  zu  dessen  Seiten  sich  durch 
Einschnürung  die  sehr  umfangreichen  primären  Lebersäcke  ausbilden. 
Aus  letzteren  gehen  durch  Längseinschnürung  später  4  resp.  6  Leber- 
schläuche hervor.  In  einzelnen  Fällen  (Oniscus,  Caprella,  Sunamphithoe) 
geht  die  Ausbildung  der  Leberschläuche  der  Entwicklung  des  Mittel- 
darmsäckchens  voraus.  In  den  meisten  Fällen  liefert  das  Entoderm  aus 
dem  überwiegenden  Theil  seines  Materials  die  Leberanlagen;  nur  ein 
kleiner  Theil  geht  in  die  Bildung  des  centralen  Theils  des  Darmcanals 
ein.  Letzterer  wird  fast  ausschliesslich  vom  Vorderdarm  und  Enddarm 
gebildet,  während  nur  ein  kurzes  Stück  in  nächster  Nähe  der  Einmündungs- 
stelle  der  Lebergänge  entodermalen  Ursprungs  ist.  Als  Divertikel  des 
hintersten  Abschnittes  des  Mitteldarms  entstehen  bei  Gammarus  nach 
Pereyaslawzewa  jene  paarigen  Schläuche  (H  a r  n  d  r  ü  s  e  n) ,  deren 
entodermale  Natur  nach  dem  anatomischen  Befunde  schon  von  Nebeski 
erkannt  worden  war.  Eine  Homologisirung  dieser  Drüsenschläuche  mit 
den  Malpighi'schen  Gefässen  der  Insecten  ist  aus  diesem  Grunde  nicht 
durchführbar,  da  letztere  dem  Enddarm  und  somit  dem  Bereich  des 
Ectoderms  zugehören. 

Die  von  Bullae  (No.  81)  für  die  Entwicklung  des  Mitteldarms  von 
Cymothoa  gemachten  Angaben  stehen  mit  denen  Nusbaum's  für  Oniscus 
in  ziemlich  genauer  Uebereinstimmung.  Hier  finden  sich  keine  sog.  Dotter- 
zellen im  Inneren  der  sehr  beträchtlichen  Nahrungsdottermasse ;   die  Bildung 


Crustaceen.  375 

des  Mitteldarms  geht  von  der  inneren  Zellschicht  des  Keimstreifs  aus.  Die 
erste  Spur  einer  gesonderten  Entodermanlage  findet  sich  in  einer  etwas  hinter 
der  Vorderdarmeinstülpung  gelegenen  paarigen  Zellanhäufung,  von  welcher 
die  Ausbildung  von  drei  Paaren  Leberschläuchen  ausgeht.  In  einem  späte- 
ren Stadium  überwächst  eine  mit  dem  Epithel  der  Leberschläuche  in  Zu- 
sammenhang stehende  Zellschichte  den  ganzen  Nahrungsdotter.  Die  Mittel- 
darmanlage besteht  nun  aus  diesem  so  entstandenen  Dottersack  und  den  mit 
demselben  communicirenden  Leberschläuchen.  Das  vordere  Ende  des  Dotter- 
sacks steht  mit  der  Vorderdarmeinstülpung  in  Zusammenhang.  Die  Enddarm- 
einstülpung dagegen  setzt  sich  nicht  an  das  hintere  Ende  des  Dottersackes 
an ,  sondern  schiebt  sich  über  die  Dorsalseite  des  letzteren  nach  vorne ,  um 
sich  ganz  in  der  Nähe  der  Vorderdarmeinstülpung  zu  inseriren.  Da  der  nun 
als  ventrales  Divertikel  anhängende  Dottersack  einer  Resorption  anheimfällt, 
so  ergiebt  sich,  dass  auch  hier  nur  ein  ganz  kleiner  Theil  des  definitiven 
Darmcanals  in  der  Umgebung  der  Lebereinmündungsstelle  dem  Mitteldarm 
angehört.     Vgl.  hier  auch  das  oben  pag.  340  für  Ligia  Gesagte. 

An  die  obige  Darstellung  der  Mitteldarmbildung  bei  Arthrostraken, 
welche  wir  den  Schilderungen  Bullae' s,  Nüsbaum's,  Pekeyaslawzewa's  und 
Rossijskaya's  entnehmen,  schliessen  sich  nach  Nusbaum  die  Verhältnisse 
von  Mysis  an  (vgl.  Fig.  242  und  243,  pag.  337).  Hier  liegt  das  Ento- 
derm  ursprünglich  als  eine  Zellanhäufung  im  hintersten  Abschnitte  des  Keim- 
streifs (vgl.  pag.  336).  Bald  vermehren  sich  die  Entodermzellen  und  breiten 
sich  auf  der  ganzen  ventralen  Fläche  des  Embryos  aus.  Später  gelangen  sie 
auch  auf  die  lateralen  und  dorsal  gelegenen  Parthien ,  und  auf  diese  Weise 
wird  der  Nahrungsdotter  von  einer  Entodermzellschicht  umwachsen.  Während 
sich  diese  Umwachsung  in  den  hinteren  Parthien  des  Embryos  vorbereitet, 
bildet  das  Entoderm  im  vorderen  Theile  (hinter  dem  Mandibelsegmente)  zwei 
laterale,  aus  grossen  succulenten  Zellen  gebildete  Rinnen  (Fig.  243,  Z),  die 
Anlagen  der  Leberschläuche,  welche  später  durch  entodermales  Epithel  an 
der  Ventralseite  mit  einander  in  Verbindung  treten.  Hier  erheben  sich  zwei 
Längsfalten,  welche  mit  den  sich  einkrümmenden  oberen  Rändern  der  Rinnen 
verwachsen ,  wodurch  die  Trennung  der  Leberschläuche  von  dem  mittleren 
Theil  des  Darmcanals  erfolgt.  Gleichzeitig  zerfallen  die  Leberschläuche  durch 
eine  Längseinfaltung  in  vier  secundäre  Leberschläuche  in  gleicher  Weise,  wie 
diess  bei  den  Arthrostraken  beobachtet  wurde.  Es  scheint,  dass  bei  Mysis 
bei  Ausbildung  des  Mitteldarmsäckchens  nicht  der  gesammte  Nahrungsdotter 
ins  Innere  desselben  aufgenommen  wird,  sondern  dass  im  Kopfantheil  eine 
Parthie  desselben  ausserhalb  des  Darms,  also  in  der  Leibeshöhle  zu  liegen 
kommt.     Aehnlich  ist  die  Lagerung  des  Nahrungsdotters  bei  Moina. 

G.    Herz. 

Hinsichtlich  der  Entwicklung  des  Herzens  müssen  wir  von  Beobach- 
tungen, welche  Claus  (No.  8  und  9)  für  Branchipus  mitgetheilt  hat, 
ausgehen.  Hier  bildet  die  somatische  Mesodermschicht  ein  in  einzelne 
Segmente  getheiltes,  ursprünglich  der  ventralen  Fläche  angehöriges  Zell- 
stratum,  welches  allmählich  an  den  seitlichen  Parthien  der  Haut  empor- 
wächst. Die  äusserste  Kante  dieser  emporwachsenden  Mesodermsegmente 
wird  durch  eine  einfache  Reihe  (Fig.  264  c  und  265  A,  c)  succulenter 
Zellen  (Cardiobl asten  Nusbaum)  gebildet,  welche  im  späteren 
Verlauf  Halbmondform  (Fig.  265  B,  c)  annehmen ,  so  dass  nun  jeder- 
seits  eine  Halbrinne  gebildet  ist.  Diese  Halbrinnen  lassen,  indem  sie  in 
der  dorsalen  Mittellinie  aufeinander  treffen  und  verwachsen,  das  Rücken- 

25* 


376 


XV.  Capitel. 


rohr  (Fig.  265  C,  c)  hervorgehen.  Letzteres  zeigt  sich  demnach  von 
seinem  ersten  Anfange  an  in  einzelne  segmentale  Abschnitte  (Kammern) 
gegliedert,  deren  Grenzen  durch  die  seitlichen  Ostien  markirt  sind.  Aus 
dieser  Entstehungsweise  des  Herzens  scheint  deutlich  hervorzugehen,  dass 
wir  sein  Lumen  als  einen  Rest  der  primären  Furchungshöhle  zu  betrachten 
haben  (Bütschli,  Schimkewitsch). 

An  den  Grenzen  der  einzelnen  segmentalen 
Abschnitte  kommen  die  Ostien  zur  Entwicklung. 
Die  Cardioblasten  wandeln  sich  in  die  Muskelzellen 
der  Herzwand  um.  Letztere  stehen  während  ihrer 
Entwicklung  mit  ihrem  unteren  Ende  in  einer  ge- 
wissen Verbindung  mit  dem  Dorsaltheil  der  Muskel- 
schicht der  Darmwand.  Von  hier  aus  spannt  sich 
ein  queres  Septum  gegen  die  Körperwancl  aus, 
das  pericardiale  Diaphragma  (Fig.  265 
C,  s),  welches  einen  oberen  Theil  der  Leibeshöhle, 
in  dem  das  Herz  gelegen  ist,  von  der  übrigen 
Leibeshöhle  abgrenzt  und  allen  Crustaceen  zu- 
kommt. 

In  ganz  gleicher  Weise  durch  Verwachsung 
zweier  Halbrinnen,  die  aus  einer  einzigen  Zellreihe 
jederseits  entstanden  sind,  entwickelt  sich  das  Herz 
von  Oniscus  (Nusbaum).  Auch  die  Herzbildung 
der Amphipoden (Pereyaslawzewa,  Rossijskaya) 
ist  auf  diese  Verhältnisse  zurückzuführen.  Während 
bei  Oniscus  das  Herz  in  den  hinteren  Körper- 
parthien  zuerst  angelegt  wird ,  und  die  Herz- 
bildung allmählich  nach  vorne  fortschreitet,  legt 
sich  das  Herz  der  Amphipoden  zunächst  in  der 
mittleren  Körperregion  an.  Gleichzeitig  entsteht 
vor  dem  Dorsalorgan  auf  dieselbe  Weise  ein  Gefässstamm.  Beide  Anlagen 
verwachsen  erst  nach  Rückbildung  des  Dorsalorgans  mit  einander,  sodass 
letzteres  für  die  Ausbildung  des  einheitlichen  Rückenrohres  ein  Hemmniss 
darstellt.  Bei  den  Amphipoden  geht  die  Verwachsung  der  beiden  Halbrinnen 
in  der  Weise  vor  sich,  dass  die  ventrale  Verwachsung  früher  eintritt  als  die 
dorsale.     Diess  führt  uns  zu  den  Verhältnissen  der  Decapoden  über. 

Bei  Astacus  ist  die  erste  Anlage  des  Herzens  als  eine  Ansammlung 
von  Mesodermzellen  im  hintersten  Theile  der  Embryonalscheibe  zu  erkennen 
(vgl.  pag.  333  Fig.  240  B,  h) ,  also  hinter  jener  Stelle,  von  welcher  der 
ventralwärts  umgeschlagene  Thoracoabdominaltheil  entspringt.  An  Schnitten 
erkennt  man,  dass  sich  diese  Mesodermzellen  zur  Bildung  einer  queren  Platte 
vereinigen,  welche  sich  jederseits  an  das  Ectoderm  anlegt.  Der  zwischen 
Ectoderm  und  Cardioblastenplatte  befindliche  Hohlraum  ist  der  Innenraum 
des  späteren  Herzens.  Diese  Platte  zeigt  schon  pulsirende  Bewegungen,  an 
denen  sich  das  Ectoderm  passiv  betheiligt,  bevor  sie  sich  noch  zur  Bildung 
eines  Rohres  dorsalwärts  einkrümmt  (Reichenbach).  Ganz  ähnliche  Ver- 
hältnisse beschreibt  Lebedixsky  für  Eriphia  (No.  57). 

Die  Entwicklung  des  Herzens  von  Mysis  schliesst  sich  an  die  für 
Oniscus  beschriebenen  Verhältnisse  an.  Das  Herz  entsteht  hier  als  Aushöh- 
lung in  einer  Art  von  dorsalem  Mesenterium,  welches  durch  Verwachsung 
der  seitlichen  Ränder  des  somatischen  Mesoderms  gebildet  wird.  Die  Bil- 
dung des  Herzens  schreitet  von  hinten  nach  vorne  fort. 


Fig.  264.  Dorsalan- 
sicht einiger  hinterer  Kör- 
persegmente einer  jungen 
Branchipuslarve  zur 
Darstellung  der  Herzent- 
wicklung (nach  Claus). 

c  Cardioblasten,  h  Herz- 
höhle, ms  Mesodermsomiten, 
os  Anlage  der  Ostien. 


Crustaceen. 


377 


..so 


Als  Grundform  des  Crustaceenherzens  müssen  wir  ein  langgestrecktes, 
mit  zahlreichen,  segmental  angeordneten,  venösen  Ostienpaaren  versehenes 
Rückengefäss  annehmen,  wie  es  sich  bei 
den  B  r  a  n  c  h  i  p  o  d  e  n  (vgl.  unten  pag.  394 
Fig.  272  h)  erhalten  hat  und  auch  den 
Stomatopoden  zukommt.  Das  kurze, 
sackförmige  Herz  der  Copepoden  und 
Cladoceren  stellt  eine  Rückbildungsform 
des  langgestreckten  Typus  dar.  Diese 
Rückbildimg  kann  bei  kleinen  Entomo- 
straken  bis  zu  einem  völligen  Verschwin- 
den des  Herzens  führen  (viele  Copepoden 
und  Ostracoden).  In  gleicher  Weise  ist 
das  kurze,  sackförmige  Herz  der  Decapo- 
den  mit  Rücksicht  auf  die  gestrecktere 
Herzform  der  Stomatopoden  und  Lepto- 
straken  durch  Rückbildung  von  einer 
solchen  Form  herzuleiten.  Es  ist  durch 
die  Untersuchungen  von  Claus  an  dem 
Gefässsystem  der  Stomatopodenlarven  im 
Hinblick  auf  die  Verhältnisse  der  Arterien- 
ursprünge wahrscheinlich  geworden,  dass 
das  Decapodenherz  dem  vordersten  Ab- 
schnitte des  Rückengefässes  der  Stomato- 
poden entspricht. 


H.    Drüsen. 

Zwei  Paare  von  Drüsen  müssen  bei 
den  Crustaceen  als  modificirte  Segmen- 
talorgane betrachtet  werden:  die  An- 
tennendrüse  (grüne  Drüse)  und 
die  Schalendrüse.  Während  für  die 
erstere  von  Reichenbach  (No.  65)  und 
Ischikawa  (No.  51)  die  Entstehung  der- 
selben aus  einer  Ectodermeinstülpung 
behauptet  worden  war,  hat  Kingsley 
(No.  54)  für  Crangon  die  erste  Ent- 
stehung derselben  aus  einer  Ansammlung 
von  Mesodermzellen  nachgewiesen.  Erst 
secundär  öffnet  sich  das  Säckchen  nach 
aussen.  Für  die  Schalendrüse  der  Clado- 
ceren wurde  von  Geobben  (No.  11)  und 
Lebedinsky  (No.  11  a)  der  mesodermale 
Ursprung  festgestellt. 

Unsere  Ansicht,  dass  in  diesen  beiden, 
in  früherer  Zeit  vielfach  mit  einander  ver- 
wechselten Drüsenpaaren,  Homologa  der 
Segmentalorgane  der  Anneliden  vorliegen, 
geht  zum  Theil  auf  Leydig  und  Gegenbatjr 
zurück.  Für  die  Antennendrüse  stützt  sie 
sich  vor  Allem  auf  die  genauen,  anatomischen 


Fig1.  265.  Drei  Querschnitte 
durch  junge  Branchipuslarven 
(nach  Claus). 

A  Querschnitt  durch  ein  Thorax- 
segment des  Metanaupliusstadiums, 
B  Querschnitt  durch  ein  Thorax- 
segment eines  späteren  Stadiums, 
C  Querschnitt  durch  ein  Abdominal- 
segment  eines  noch  späterenStadiums. 

c  Cardioblasten,  d  Darmcanal, 
dl  dorsaler  Längsmuskel,1  ^  Anlage 
der  Bauchganglienkette,  h  Herzhöhle, 
ov  Ovarium ,  *  Pericardialseptum, 
so  somatische  und  sp  splanchnische 
Schicht  des  Mesoderms,  vi  ventraler 
Längsmuskel. 


378  xv-  Capitel. 

Untersuchungen  Geobben's,  und  auf  die  Uebereinstimmung,  welche  hiernach 
in  dem  Bau  dieser  Organe  mit  den  durch  Sedgwick  vollständig  erkannten 
Nephridien  von  Peripatus  sich  ergiebt.  Nach  Grobben  müssen  wir  an  der 
Antennendrüse  (sowohl  der  Entomostrakenlarven  als  der  ausgebildeten 
Malakostraken)  zwei  Abschnitte  unterscheiden :  ein  Endsäckchen  und  einen 
mehrfach  verschlungenen  Ausführungsgang ,  welcher  häufig  vor  seiner  Aus- 
mündung an  dem  Basalglied  der  II.  Antenne  zur  Bildung  einer  Erweiterung 
(Harnblase)  anschwillt.  Alle  diese  einzelnen  Theile  können  durch  Ausbildung 
secundärer  Divertikel  eine  weitere  Cornplication  erlangen.  Durch  neuere 
Untersuchungen,  welche  mittelst  der  von  Kowalevsky  empfohlenen  Indig- 
Carmin-Injection  angestellt  wurden,  ist  Weldon  (No.  68) *)  dazu  gekommen, 
für  Palaemon  serratus  einen  complicirten  Bau  dieses  Harnorgans  an- 
zunehmen, welcher  sich  dem  oben  gegebenen  Schema  nicht  anschliesst.  Man 
wrar  bisher  geneigt,  in  Uebereinstimmung  mit  den  Befunden  an  Peripatus 
in  dem  Endsäckchen  der  Antennendrüse  das  Rudiment  des  Cölomsäckchen 
dieses  Segmentes  zu  sehen.  "Weldox  dagegen  fand  einen  umfangreichen,  vor 
der  Geschlechtsdrüse  gelegenen,  mit  der  übrigen  Leibeshöhle  nicht  communi- 
cirenden  Cölomsack,  welcher  nach  vorne  mit  zwei  nach  rechts  und  links  abgehen- 
den Nephridialcanälen  in  Zusammenhang  steht,  welche  letztere  sich  zur  Bildung 
der  Harnblase  erweitert.  Diesem  Canalsystem  ist  das  Endsäckchen .  einem 
Malpighi' sehen  Glomerulus  vergleichbar,  seitlich  angefügt  und  mit  der  Harn- 
blase durch  5  Canälchen  verbunden.  Bei  der  Unklarheit,  in  der  wir  uns 
hinsichtlich  der  Leibeshöhlenverhältnisse  der  Crustaceen  noch  immer  befinden, 
ist  eine  Nachuntersuchung  dieser  merkwürdigen  Ergebnisse  sehr  wünschens- 
werth.  Vorläufig  scheint  es  uns  gerathen,  noch  an  der  durch  Gkobben  be- 
gründeten Auffassung  der  Verhältnisse  festzuhalten. 

Dass  mit  den  genannten  Drüsenpaaren  und  den  Harn  ausscheidenden 
Theilen  des  Mitteldarms  (bei  Copepoden  und  Amphipoden)  die  Reihe  der 
Excretionsorgane  der  Crustaceen  noch  lange  nicht  erschöpft  ist,  beweisen  die 
oben  erwähnten  Fütterungsversuche  Metschnikoff's  und  Kowaleysky's  (Biol. 
Centralbl.  IX.  Bd.),  durch  welche  in  den  Thoraxbeinen  von  Mysis  Farbstoff 
anhäufende  Röhrchen  und  bei  Nebalia  entsprechend  gelagerte  Zellgruppen 
nachgewiesen  wurden. 

Für  Eriphia  spinifrons  hat  Lebedinsky  (No.  57)  die  Entwicklung  eines 
„Segmentalorgans"  beschrieben,  welches  als  paarige  Ausstülpung  der  Somato- 
pleura  angelegt  wird.  Das  so  entstandene  Röhrchen  verlängert  sich  nach 
vorne  und  bildet  einen  gewundenen  Canal,  welcher  mit  einer  im  Coxalgliede 
des  ersten  Kieferfusspaares  entstehenden  Ectodermeinstülpung  in  Communi- 
cation  tritt  (Schalendrüse?). 

I.    Genitalorgane. 

Ueber  die  Entwicklung  der  Genitalorgane  bei  den  Crustaceen  be- 
sitzen wir  bisher  nur  ganz  fragmentarische  Nachrichten.  Auf  jeden  Fall 
gehören  die  Anlagen  der  Geschlechtsdrüsen  dem  Mesoderm  zu.  Bei 
Cetochilus  fand  Grobben  (No.  21)  die  Geschlechtsanlagen  im  Nauplius- 
stadium  paarig  und  ventralwärts  vom  Darmcanal  gelegen.  Erst  später 
rücken  sie  dorsalwärts  über  den  Darm,  wo  sie  sich  zu  einer  unpaaren 
Anlage  vereinigen.  Jede  Geschlechtsanlage  besteht  aus  den  grossen, 
eigentlichen  Genitalzellen  und  aus  angelagerten  Mesodermzellen,  welche 
die  Hüllen  und  Ausführungsgänge  liefern. 


J)  Vgl.  ähnliche  bestätigende  Angaben  von  Marchal  (Compt.  Rend.  Bd.  111)  und 
Weldon  (Quart.  Journ.  Micr.  Sc.  XXXII.  Bd.). 


Crustaceen.  379 

Es  hängt  wahrscheinlich  mit  der  Pädo  -  Parthenogenese  von  M  0  i  n  a x) 
zusammen,  dass  die  Geschlechtsanlage  als  unpaare  Genitalzelle  schon  während 
der  Sonderung  der  Keimblätter  zu  erkennen  ist. 

Eine  aus  dieser  Zelle  durch  Theilung  hervorgegangene  Zellmasse  rückt 
in  das  Innere  des  Embryos  und  ordnet  sich  daselbst  zu  einer  dorsalwärts 
über  der  Mitteldarmanlage  gelegenen,  unpaaren  Platte,  welche  sich  erst  secun- 
där  in  zwei  Hälften  theilt.   Diese  Zellmasse  erhält  später  eine  mesodermale  Hülle. 

Von  Wichtigkeit  sind  die  Angaben  von  Claus  (No.  9)  über  die  Ent- 
wicklung der  Geschlechtsorgane  bei  Branchipus.  Hier  ist  die  Anlage  der 
Geschlechtsdrüse  als  ein  paariger,  in  den  drei  bis  vier  vorderen  Abdominal- 
segmenten zu  den  Seiten  des  Darms  gelegener  Strang  schon  in  früheren 
Stadien  zu  erkennen.  Die  Ausbildung  der  Ausführungsgänge  fällt  jedoch 
erst  in  die  spätere  Periode  der  sexuellen  Differenzirung  (vgl.  unten  pag.  393) 
und  geht  von  einer  Umwandlung  der  Extremitätenanlagen  des  12.  und  13. 
postcephalischen  Segmentes  zu  zwei  Paaren  von  Genitalwülsten  aus.  Letztere 
vereinigen  sich  im  weiblichen  Geschlechte  in  der  Medianlinie,  während  die 
der  männlichen  Anlage  gesondert  bleiben.  In  beiden  Geschlechtern  werden 
die  Wülste  des  hinteren  Segmentes  von  den  vorderen  überwachsen.  Die  ver- 
einigten Wülste  treten  dann  entweder  als  breiter  Medianzapfen  (Weibchen) 
oder  als  rechter  und  linker  Seitenzapfen  (Männchen)  zu  Tage.  Das  in  den 
Genitalwülsten  vorfindliche  Zellmaterial  kommt  in  der  Weise  zur  Verwendung, 
dass  die  Mesodermzellen  den  ausführenden  Apparat  (Oviduct  und  Uterus  — 
Samenleiter  und  Samenblase)  nebst  den  zugehörigen  Anhangsdrüsen  liefern, 
während  eine  Ectoderm Wucherung  am  zweiten  Wulstpaare  beim  Weibchen 
zum  kurzen  Ausmündungsabschnitt  des  Uterus  (Vagina),  beim  Männchen  zum 
langgestreckten,    als  Cirrhus    vorstülpbaren  Begattungsglied    umgebildet  wird. 

Bei  den  Decapoden  ist  die  Genitalanlage  erst  in  den  spätesten  Stadien 
des  embryonalen  Lebens  beobachtet  worden.  Bobretzky  und  Reichenbach 
(No.  65)  vermuthen  sie  in  zwei  Zellsträngen,  welche  über  dem  Darmcanal 
gelegen  sind.  Nach  Bobretzky  liegen  dieselben  im  Bereich  des  Mitteldarms 
unter  dem  pericardialen  Septum,  während  Reichenbach  die  Anlage  in  hin- 
teren Segmenten    im  Bereich  des  Enddarms  beobachtete. 

Bei  Mysis  fand  Nusbaum  (No.  39)  die  Genitalanlage  in  einer  paarigen, 
hinter  der  Leberanlage  gelegenen  Zellgruppe ,  welche  später  bei  Ausbildung 
der  Leberschläuche  mehr  nach  der  Dorsalseite  zu  rückt,  um  später  wahr- 
scheinlich zu  einer  unpaaren,  zwischen  Herz  und  Darm  gelegenen  Anlage  zu 
verschmelzen.  Es  muss  als  zweifelhaft  erscheinen,  ob  einige  im  Stadium  der 
Keimblätterbildung  im  Ectoderm  beobachtete  grosse  Zellen ,  die  später  im 
Abdomen  liegen,  wirklich,  wie  der  Autor  will,  auf  die  Genitalanlage  zu  be- 
ziehen sind. 

Während  wir  aus  allgemeinen  Gründen  geneigt  sind,  die  Genitalanlage 
dem  Mesoderm  zuzurechnen,  lassen  Pereyaslawzewa  und  Rossijskaya  (No.  70 
bis  73)  die  Genitalzellen  der  Amphipoden  der  Wand  des  Mitteldarmes 
entstammen  (!).  Es  rücken  einzelne  Entodermzellen  (bei  Orchestia  auch  aus 
den  Leberschläuchen)  aus  dem  Verbände  des  Mitteldarmepithels,  um,  von 
einer  mesodermalen  Hülle  umwachsen,  zur  Anlage  der  Genitaldrüse  zu  werden. 
Eine  ähnliche  Entstehung  der  letzteren  wurde  bekanntlich  von  Sedgwick  für 
Peripatus  behauptet. 


*)  Bei  Daphnia  similis  konnte  Lebedinsky  (No.  IIa)  die  Genitalzellen  durch- 
aus nicht  in  so  frühen  Stadien  unterscheiden,  wie  diess  bei  Moina  möglich  ist.  Sogar 
im  Naupliusstadium  war  hier  die  Anlage  der  Geschlechtsorgane  noch  nicht  zu  unter- 
scheiden. 


380  Litteratur. 

Litteratur  über  Embryonalentwieklung  der  Crustaceen. 

Crustaceen  im    Allgemeinen. 

1.  Beneden,    E.  van.     Recherches   sur  la  composition  et  signification  de  l'ceitf.     Mim. 

cour.  et  Mim.  Sav.  Etrang.  de  V  Acad.  roy.  des  Sciences  de  Belgique.     34.  Bd.  1870. 

2.  Beneden,  E.  van  u.  Bessels,  E.    Memoire  sur  la  formation  du  blastoderme  chez 

les  Amphipodes,    les  Lerneens   et    les   Copepodes.     Mein,    cour.    et    Mein.  Sav.    Etrang. 
Acad.   Roy.  Belgique.     34.  Bd.     1870. 

3.  Gerstaecker,    A.     Crustacta   in  Bronn' s  Classen  und  Ordnungen  des  Thierreichs. 

V.  Bd.     1.  Abth.     1.  Hälfte  1866—1879.     2.  Hälfte  (im  Erscheinen)  1881—1889. 

4.  Müller,  E.     Für  Darwin.     Leipzig.     1864. 

5.  Weismann,  A.     Jxichtungskörper  bei  parthenogenetisclicn  Eiern.    Zool.  Anz.    9.  Jahrg. 

1886. 

6.  "Weismann,  A.  u.  Ischikawa,  C.      lieber  die  Bildung  der  Richtung sk'ör per chen  bei 

thierischen  Eiern.     Ber.  d.  naturforsch.  Gesellsch.     Freiburg.     3.  Bd.    1887. 

7.  Weismann,  A.  u.  Ischikawa,  C.     Weitere  Untersuchungen  zum  Zahlengesetz  der 

Richtungskörper.     Zool.  Jahrb.     Bd.  3.     Abth.  f.   Anat.     1889. 

Phyllopoden. 

8.  Claus,   C.    Zur  Kcnntniss  des  Baues  und  der  Entuicklung  von  Branchipus  und  Apus. 

Abhandl.  Acad.    Wüs.     Göttingen.     18.  Bd.      IS73. 

9.  Claus,    C.      Untersuchungen    über   die  Organisation  und  Entuicklung  von  Branchipus 

und  Artemia.     Arb.  Zool.  Institut   Wien.     6.  Bd.     1886. 

10.  Dohrn,   A.      Unters,  über  Bau  und  Entwicklung  der  Arthropoden.     3.  Die  Schalen- 

drüae  und  die  embryonale  Entwicklung  der  Daphnien.    Jen.  Zeitschr.f.  Naturw.    5.  Bd. 
1870. 

11.  Grobben,  C.     Die  Entwicklungsgeschichte  der  Moina  rcctirostris  etc.     Arb.  Zool.  Inst. 

Wien.     2.  Bd.     1879. 

Ha.  Lebedinsky,   J.     Die    Entwicklung    der  Daphnia   aus   dem    Sommereie.      Zool.  Anz. 
14.  Jahrg.     1891. 

12.  Müller,    P.  E.     Bidrag   til  Cladoccrernes   Forplantnings-historie.      Naturhistor.  Tid- 

skrift.     (3)  5.  Bd.     1868. 

13.  NassonofF,  N.  B.     Zur  EnUvicklungsgeschichte  der  Krebsformen  Baianus  und  Artemia 

(Russisch).     Nachr.  d.  k.  Ges.  d.  Liebhaber  d.   JS'aturwissensch.,  Anthropol.  u.  Ethnol. 
Moskau.     52.  Bd.     I8s7. 

14.  Pelseneer,  P.     Observations  on  the  Nervous  System  of  Apus.    Quart.  Journ.    Microsc. 

Sc.      Vol.  25.      7, ss.l. 

15.  Ray  Lankester,  E.    Appcndagcs  and  nervous  System  of  Apus  cancriformis.    Quart. 

Journ.     Micr.  Sc.      Vol.  21.     1881. 

16.  Weismann,    A.    u.  Ischikawa,    C.      Ueber   die  Paracopulation   im   Daphnidenei, 

sowie  über  Reifung  und  Befruchtung  desselben.     Zool.  Jahrb.    4.  Bd.    Abth.  f.  Anat. 
1891. 

Copepoden. 

17.  Beneden,  E.  van.     Recherches  sur  Vembryogenie  des  Crustaces.     IV.  Developpement 

des  genres  Anchorella,  Lcrnaeopoda,  Brachiella  et  Hessia.     Bull.  Acad.  Roy.  Belgique 
(2).     T.  29.     1870. 

18.  Claus,  C.     Zur  Anatomie  und  Enttvicklungsgeschichte  der  Copepoden.     Arch.  f.  Katur- 

gesch.     24.  Bd.     1858. 

19.  Claus,  C.     Die  frei  lebenden  Copepoden  etc.     Leipzig.     1863. 

20.  Pritsch,  J.  A.     Note  preliminaire  sur  l'ontogenie  de  nos  Copepodes  (feau  douce.    Zool. 

Anz.     5.  Jahrg.     1882. 

21.  Grobben,  C.     Die  Entwicklungsgeschichte   von  Cetochilus  septentrionalis.     Arb.  Zool. 

Institut   Wien.     3.  Bd.     1881. 


Litteratür.  381 

22.  Hoek,  P.  P.  C.     Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Entomostraken.     IL  Zur  Embryol. 

der  frei  lebenden  Copepoden.     Niederl.  Arch.  f.  Zool.     4.   Bd.     1877 — 1S78. 

23.  Urbanowicz,  Fei.     Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Cyclopiden.    Zool.  Anz.    7.  Jahrg. 

1S84. 
24    Urbanowicz,  Fei.     Contributions  a  Tembryologie  des  Copepodes.    Arch.  Slav.  de  Biol. 
Tom.  1-     1886. 

Cirripedien. 

25.  Beneden,  E.  van.     Recherches  sur  Vembryogenie  des  Crustace's.    III.  Developpement 

de  Vmnf  et    de  Tembryon   des    Sacculines.     fSacculina   earcini  Thomps.J     Bull.  Acad. 
Roy.  Belgiquc.     (2)  29.  Bd.     1870. 

26.  Bovallius,  C.   Embryologiska  Studier  I.  Om  Balanidernas  Vtveckling.  Stockholm.  1875. 

27.  Hoek,   P.    P.    C.     Zur   Entwicklungsgeschichte   der  Entomostraken.     I.   Embryologie 

von  Baianus.     Niederl.  Arch.  f.   Zool.     >'J.  Bd.     1876 — 1877. 

28.  Lang,  A.    Die  Dotterfurchung  von  Baianus.    Jen.  Zeitschr.f.  Naturw.    12.  Bd.    1878. 

29.  Nassonow,  N".     Zur  embryonalen  Entwicklung  von  Baianus.     Zool.  Anz.     8.  Jahrg. 

1885. 

30.  Nussbaum,  M.     Vorl.  Ber.  über  die  Ergebnisse  einer  mit  Unterstützung  der  k.  Acad. 

ausgef.  Reise  nach  Californien.     Sitz.  Ber.  Akad.   Berlin.     1887. 

31.  Nussbaum,   M.     Anat.  Studien  an  Californischen  Cirripedien.     Bonn.     1890. 


Leptostraken. 

32.  Claus,    C.      lieber    den  Organismus  der  Nebaliden   und  die   systematische  Stellung  der 

Leptostraken.     Arb.  Zool.  Institut   Wien.     8.  Bd.     1888. 

33.  Metschnikoff ,    E.      Zur   Entwicklung    von   Nebalia   (Russisch).      1868.      13.   Bd. 

Sapiski  Acad.  St.  Petersburg. 

34.  Metschnikoff,   E.     Sitzungsber.  d.    Yerhandl.  deutscher  Naturforscher  zu  Hannover. 

1865.    p.  218. 

Cumaceen. 

35.  Blanc ,  H.     Leveloppement  de  l'ceuf  et  formation  des  feuillets  pn'mitifs  chez  la  Cuma 

Rathkii  Kröy.     Recueil  Zool.  Suisse.    Tom.  2.     1885. 

36.  Dohrn ,    A.      Ueber  Bau   und  Entwicklung  der  Cumaceen.     Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw. 

5.  Bd.     1870. 

Schizopoden. 

37.  Beneden,  E.  van.     Recherches   sur  Vembryogenie  des  Crustace's.     IL  Leveloppement 

des  Mysis.     Bull.  Acad.  Roy.  de  Belgique.     (2)  28.  Bd.     1869. 
37a.  Boutchinsky,  P.     Observations  sur  le  devcloppement  de  Parapodopsis  comuta  Czern. 
Me'm.   Soc.  de  Naturalistes  de  la  Nouv eile- Rus sie.     Odessa.    15.  Bd.    1890.    (Russisch.) 

38.  Nusbaum,  J.    Zur  Embryologie  der  Schizopoden  (Mysis  Chamaeleo) .    Biol.  Centralbl. 

6.  Bd.     1887. 

39.  Nusbaum,    J.     L' embryologie   de  Mysis   chamaeleo   (Thompson).     Arch.  Zool.  Exper. 

(2)  T.  5.     1887. 

40.  Wagner ,    Jul.     Sur  le  devcloppement  des  Schizopodes.     Comm.  prel.     L.  Sur  la  for- 

mation des  feuillets  embryonnaires  de  Neomysis  vulgaris  var.  baltica  Czern.  Rev.  Sc. 
Nat.  Soc.  Natural.  St.  Petersbourg.  1.  Ann.  1890.  —  IL  La  formation  et  la  signi- 
fication  du  sillon  caudal  de  la  Neomysis  vulgaris  var.  baltica  Czern.  Rev.  Sc.  Nat. 
Soc.  Natural.     St.  Petersbourg.     1.  Ann.     1890. 


Decapoden. 

41.  Bobretzky,  N.  Zur  Embryologie  der  Arthropoden.  (Entwicklung  von  Astacus  und 
Palaemon.J  Aufzeichnungen  (Sapiski)  der  Kiewer  Gesellsch.  d.  Naturforscher.  III.  Bd. 
Kiew.  1873  (Rttssisch).  Uns  nur  nach  dem  Referat  von  Hoyer  im  Jahresber.  f. 
Anat.  u.  Phys.  von  Hof  mann  u.  Schwalbe.     2.  Bd.   1873  bekannt. 


382  Litteratur. 

42.  Brooks,    W.  K.      The   Embryology  and   Metamorphosis   of  Sergcstidae.     Zool.  Anz. 

3.  Jahrg.     1SS0. 

43.  Brooks,    W.  K".     Lucifer,   a  study  in  Morphology.     Phil.  Irans.  R.   Soc.     London. 

Vol.  173.     1SS3. 

44.  Carriere,  J.     Bau   und  Entwicklung  des  Auges  der  zehnfüssigen  Crustaceen  und  der 

Arachnoiden.     Biol.   Centralbl.     9.  Bd.     1889. 

45.  Dohrn,    A.      Untersuchungen   über  Bau   und  Entwicklung   der  Arthropoden.     6.  Zur 

Entwicklungsgeschichte  der  Fanzerkrebse  (Decapoda  Loricala).     Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool. 
20.  Bd.     1870. 

46.  Faxon,    W.     The   dcvelopment  of  Palaemonites  vulgaris.     Bull.  Museum  Comp.  Zool. 

Vol.  5.     1879. 

47.  Haeckel,    E.     Studien   zur  Gastraea-Theorie.     II.  Die  Gastrula  und  die  Eifurchung 

der  Thiere.     Jena.     1877.     (Separat  aus:  Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw.     9.  Bd.    1875. ) 

48.  Herrick,    F.   H.     Th'e   development   of  the   Compound  eye  of  Alpheus.      Zool.    Anz. 

12.  Jahrg.     1889. 

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Litteratur.  383 


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384  XV.  Capitel. 

II.   Metamorphose. 

1.   Das  Naupliusstadiuiu. 

Der  typische  Ausgangspunkt  für  die  Metamorphose  der  Crustaceen 
ist  das  sog.  Naupliusstadiuiu.  In  jenen  Fällen,  in  denen  das  junge 
Thier  erst  in  einem  späteren  Entwicklungsstadium  aus  dein  Eie  ent- 
schlüpft (z.  B.  bei  den  Cladoceren,  den  Arthrostraken,  den  meisten  Deca- 
poden),  wo  demnach  das  Naupliusstadium  in  die  Reihe  der  Embryonal- 
stadien verlegt  ist,  zeigt  sich  das  letztere  vielfach  durch  eine  auf  das- 
selbe folgende  Ruhepause,  sowie  durch  Abscheidung  einer  Larvenhaut 
(Naupliushaut)  besonders  markirt  (vgl.  oben  pag.  322). 

Der  Körper  des  Nauplius  (Fig.  266)  weist  im  Allgemeinen  eine 
ovale  Form  mit  einem  mehr  abgerundeten  vorderen  und  einem  ver- 
schmälerten hinteren  Leibesende  auf.  Im  Uebrigen  unterliegt  die  Körper- 
form zahlreichen  Variationen.  Wir  finden  flachgedrückte,  seitlich  com- 
primirte,  langgestreckte,  ja  sogar  querverbreiterte  Nauplien.  Der  Besitz 
von  drei  Extremitätenpaaren  [den  späteren  ersten  Antennen  («').  zweiten 
Antennen  (a")  und  Mandibeln  (md)]  weist  darauf  hin,  dass  wir  im  Nau- 
plius bereits  eine  segmentirte  Larvenform  vor  uns  haben.  Doch  ist  am 
Körper  des  Nauplius  diese  Segmentirung  äusserlich  nicht  erkennbar, 
wenngleich  die  betreffenden  Segmentgrenzen  an  den  zum  Nauplius 
hinüberführenden  Embryonalstadien  angedeutet  sein  können  (freilebende 
Copepoden,  Cirripedien).  In  den  typischesten  Fällen  kommt  dem  Nau- 
plius keine  schildförmige  Duplieatur  des  Rüekenintegumentes  zu,  doch 
kann  eine  solche  (die  gewöhnlich  erst  in  späteren  Stadien  angelegt  wird) 
in  einzelnen  Fällen  auch  schon  am  Nauplius  deutlich  erkennbar  (Cirri- 
pedien vgl.  Fig.  279^4)  oder  doch  wenigstens  durch  kleine  Hautfalten  der 
Rüekenfläche  angedeutet  sein.  Das  hintere  Körperende  entbehrt  noch 
paariger  Furcalfortsätze ,  doch  treten  daselbst  paarige  Borsten  (Furcal- 
borsten)  auf.  Von  den  Extremitäten  sind  die  des  vordersten  Paares 
(a',  ersten  Antennen)  einästig,  aus  wenigen  Gliedern  bestehend  oder  noch 
ungegliedert.  Sie  dienen  zur  Locomotion  und  sind  wohl  auch  bereits 
als  Träger  von  Sinnesorganen  von  Bedeutung.  Die  beiden  hinten  folgen- 
den Extremitätenpaare  sind  in  der  Form  zweiästiger  Ruderbeine  ent- 
wickelt. Von  diesen  steht  das  erste  («",  II.  Antenne)  zu  den  Seiten  des 
Mundes  und  ist  durch  einen  von  seinem  Basalglied  nach  innen  vor- 
springenden kräftigen,  hakenförmigen  Kaufortsatz,  welcher  bei  der  Nah- 
rungsaufnahme zur  Verwendung  kommt,  ausgezeichnet.  Ebenso  functionirt 
das  dritte  Extremitätenpaar  (md  Mandibeln)  noch  hauptsächlich  als 
Locomotionsorgan.  Eine  Kaulade  ist  an  seinem  Basalabschnitt  nicht  ent- 
wickelt oder  kaum  angedeutet.  Doch  können  sich  auch  hier  ähnliche 
hakenförmige  Kaufortsätze  vorfinden.  Die  zwischen  den  II.  Antennen  (in 
deren  Basalal »schnitt  die  schleifenförmige  Antennendrüse  (at)  ausmündet) 
gelegene  Mundöffnung  ist  von  einer  oft  excessiv  grossen,  helmförmigen 
Oberlippe  überdeckt  und  führt  in  den  Darmcanal,  an  welchem  wir  einen 
kurzen  Oesophagus,  einen  erweiterten  Mitteldarm  und  den  Enddarm  unter- 
scheiden können.  Die  Afteröffnung  kann  den  ersten  Naupliusstadien  noch 
fehlen  (Cetochilus,  Cyclops).  Mehrfach  ist  für  die  ersten  Stadien  eine 
ursprünglich  dorsale  Lagerung  der  Afteröffnung  beobachtet  [Cirripedien 
(vgl.  pag.  405,  Fig.  280),  Cetochilus  (vgl.  pag.  424,  Fig.  288  B),  embryo- 
nales Entwicklungsstadium  der  Cladoceren  (vgl.  oben  pag.  347,  Fig.  249)], 


Crustaceen. 


385 


während  dieselbe  erst  später  an  das  hintere  Körperende  zwischen  die 
daselbst  entwickelten  Fnrcalfortsätze  rückt.  Das  Nervensystem  hat  seinen 
ursprünglichen  Zusammenhang  mit  dem  Ectoderm  bewahrt,  es  besteht 
aus  dem  oberen  Schlundganglion,  den  Commissuren  und  den  ersten 
Ganglienpaaren  der  Bauchkette.  Die  II.  Antenne  wird  von  einem  hinter 
dem  Munde  gelegenen  Ganglienpaar  aus  innervirt  (Claus,  Dohrn),  ein 
Verhältniss,  welches  bei  den  Phyllopoden  auch  im  ausgebildeten  Zustande 
erhalten  ist.  Von  Sinnesorganen  ist  das  unpaare,  in  der  Stirngegend 
gelegene,  aus  drei  Theilen  zusammengesetzte  Naupliusauge  zu  erwähnen. 
Von  Muskeln  sind  hauptsächlich  die  Extremitätenmuskeln  entwickelt, 
welche  an  einer  Stelle  in  der  Mitte  der  dorsalen  Farthie  ihren  Ansatz- 
punkt finden.     Ein  Herz  ist  noch  nicht  ausgebildet. 


md- 


Wenngleich  am  Körper  des 
Nauplius  eine  Segmentirung  äusser- 
lich  nicht  erkennbar  ist,  so  müssen 
wir  an  demselben  doch  folgende 
Segmente  trennen :  Ein  vorderes, 
präorales  oder  primäres  Kopf- 
segment,  den  hintersten  Körper- 
abschnitt als  dasEnd-  oder  Anal- 
segment und  die  dazwischen  ge- 
legenen echten  Rumpfsegmeute. 
Als  letztere  werden  wir  den  der  IL 
Antenne  zukommenden  Leibesab- 
schnitt, ferner  ein  Mandibular- 
segment  annehmen  müssen.  Der 
Nauplius  wäre  sonach  aus  dem  pri- 
mären Kopfsegment,  zwei  aufein- 
anderfolgenden Rumpfsegmenten 
und  dem  Endsegment  zusammen- 
gesetzt. "Wir  haben  aber  oben  pag. 
365,  366  darauf  hingewiesen,  dass 
möglicherweise  auch  der  Region 
der  I.  Antenne  ein  eigenes  Rumpf- 
segment entspricht,  welches  früh- 
zeitig seine  Selbstständigkeit  ver- 
loren hat.  Das  Kopfsegment  und 
Endsegment  sind  zu  den  Rumpf- 
segmenten in  einen  gewissen  Gegen- 
satz zu  stellen,  insoferne  nur  den  letzteren  echte  Extremitätenanlagen  zu- 
kommen. •  Das  Endsegment  des  Nauplius  enthält  die  hinterste  zum  späteren 
Analsegment  sich  ausbildende  Körperparthie  und  eine  an  der  vorderen  Grenze 
derselben  gelegene  Knospungszone ,  von  welcher  die  stetige  Production 
neuer  Rumpfsegmente  ausgeht. 

Die  oben  geschilderte  Grundform  des  Nauplius  erleidet  im  Einzelnen 
zahlreiche  Variationen,  die  zum  Theil  noch  Gegenstand  späterer  Schilderung 
sein  werden.  In  den  meisten  Fällen  sind  an  den  sog.  Naupliusstadien  nicht 
nur  die  oben  aufgezählten  Rumpfsegmente  zu  erkennen,  sondern  es  machen 
sich  auch  schon  die  Anlagen  weiterer,  hinten  folgender  Segmente  bemerkbar. 
Solche,  eine  höhere  Stufe  der  Leibesgliederung  aufweisende  Stadien  werden 
richtiger  mit  dem  von  Claus  (No.  8)  vorgeschlagenen  Namen  als  Meta- 
nauplien    bezeichnet,    unter    welcher  Benennung    man   sämmtliche    an    die 


Fig.  266.  Nauplius  von  Cyclo ps  (nach 
Claus). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne, 
md  Mandibel,  o  Naupliusauge,  at  Antennen- 
drüse,  dr  Darmaussackungen  mit  Harnzellen. 


386  XV.  Capitel. 

Naupliusforra  sich  anschliessende  Larvenstadien  zusammenfasse  welche  durch 
den  Besitz  von  hinter  dem  Mandibularsegment  gelegenen  Rumpfsegmenten 
und  wohl  auch  daselbst  zur  Entwicklung  gekommener  Extremitäten  über  die 
Gliederung  der  Naupliusstufe  hinaus  gediehen  sind,  im  Uebrigen  aber  noch 
den  Habitus  des  Naupliusstadiums  bewahrt  haben.  Eine  solche  Erweiterung 
des  Naupliusbegriffes  erscheint  um  so  zulässiger,  als  0.  F.  Müller  sein 
vermeintliches  Genus  Nauplius  für  eine  Cyclopslarve  mit  vier  Extremitäten- 
paaren aufstellte,  während  er  das  entsprechend  jüngere  Stadium  mit  drei 
Extremitätenpaaren  als  Amymone  bezeichnete.  Nachdem  man  die  Zu- 
gehörigkeit des  MüLLER'schen  Genus  Nauplius  in  den  Entwicklungskreis  von 
Cyclops  erkannt  hatte  (Jurine),  wurde  der  Name  „Nauplius"  für  sämmtliche 
ähnlich  gestaltete  Krebslarven  acceptirt. 

Man  hat  eine  Zeit  lang  im  Anschlüsse  an  Fritz  Müller  (No.  16)  in 
dem  Nauplius  eine  Larvenform  von  hoher  phylogenetischer  Bedeutung  erblickt 
(Haeckel,  Dohrn  No.  9),  indem  man  der  Ansicht  war,  dass  er  die  gemein- 
same Stammform  sämmtlicher  Crustaceen  repräsentire.  In  welcher  Weise 
diese  Stammform  ihren  Anschluss  an  die  niederen  Thiergruppen  finden  sollte, 
darüber  wurden  die  Ansichten  weniger  bestimmt  ausgesprochen.  Doch  glaubte 
man  die  nächsten  Verwandten  der  hypothetischen  Stammform  in  der  Nähe 
der  Räderthiere  oder  Anneliden  suchen  zu  sollen.  Der  erste,  der  gegen 
diese  herrschende  Ansicht  auftrat,  war  Hatschek  (No.  15),  welcher  auf 
die  Uebereinstimmung  im  Körperbau  der  Crustaceen  und  Anneliden  hinwies 
und  urgirte,  dass  wir  der  gemeinsamen  Stammform  der  Crustaceen  bereits 
einen  aus  zahlreichen  Körpersegmenten  zusammengesetzten  Leib  zuschreiben 
müssten  und  daher  eine  clirecte  Ableitung  dieser  Stammform  von  den  Anneliden 
supponiren  könnten.  Diese  Anschauung  gewann  eine  wesentliche  Stütze  in 
der  genaueren  Kenntniss  über  den  Bau  zweier  Drüsenpaare  (der  Schalendrüse 
und  Antennendrüse),  deren  Homologie  mit  den  Segmentalorganen  der  Anneliden 
bereits  von  Letdig  und  Gegenbaur  behauptet  worden  war.  So  neigte  man 
sich  allmählich  der  jetzt  acceptirten  Ansicht  (Dohrx  No.  11)  zu,  dass  die 
Naupliusform  nicht  in  den  Kreis  der  directen  Crustaceenahnen  gehöre,  sondern 
eine  cänogenetische,  adaptiv  veränderte  Larvenform  sei,  an  welcher  specifische 
Crustaceencharactere  (z.  B.  die  Form  der  Extremitäten,  die  starke  Cuticulari- 
sirung  der  Körperfläche  und  die  damit  verbundene  Entwicklung  borstenförmiger 
Fortsätze,  der  Mangel  von  Wimperepithelien,  die  Auflösung  der  Cölomsäcke  und 
lacunäre  Ausbildung  der  Leibeshöhle)  frühzeitig  zur  Entwicklung  kommen. 
So  zeigt  die  Naupliusform  in  ihrem  Bau  und  ihrer  histologischen  Beschaffen- 
heit typische  Crustaceencharactere,  während  sie  nach  der  Gliederung  ihres 
Leibes  auf  einer  Stufe  steht,  welche  wir  höchstens  der  eiuer  polytrochen 
Annelidenlarve  gleichsetzen  könnten.  Der  Nauplius  ist  demnach  eine  durch 
frühzeitige  Entwicklung  des  (phylogenetisch  in  viel  späteren  Stadien  ent- 
standenen) Crustaceenhabitus  secundär  abgeänderte  Larvenform. 

Ein  Hauptgrund  für  die  Auffassung  des  Nauplius  als  Stammform  der 
Crustaceen  war  in  der  allgemeinen  Verbreitung  dieser  Larvenform  in  den 
verschiedensten  Krebsgruppen  gegeben.  Es  ergiebt  sich  aus  diesem  typischen 
Vorkommen  des  Nauplius  in  der  Entwicklung  sämmtlicher  Crustaceen,  dass 
bereits  die  hypothetische  gemeinsame  Ahnenform  der  Crustaceen  sich  durch 
ein  Naupliusstadium  entwickelte,  dass  demnach  jene  oben  erwähnte  Ab- 
änderung in  der  Ontogenie  der  Crustaceen  in  sehr  frühen  Zeiten  vor  sich 
gegangen  ist.  Es  wird  uns  dies  nicht  allzusehr  in  Erstaunen  versetzen, 
wenn  wir  bedenken ,  in  welch1  beträchtlichem  Masse  die  Ontogenie  einer 
Form  durch  eine  die  ausgebildete  Form  betreffende  Variation  beeinflusst  zu 
werden    pflegt      Nur    insofern    die    Verbreitung    der    Naupliuslarve    uns    zu 


Crustaceen. 


387 


Schlüssen  hinsichtlich  der  Ontogenie  der  Stammform  der  Crustaceen  be- 
rechtigt, ist  ihr  eine  gewisse  phylogenetische  Bedeutung  beizumessen  (Hat- 
schek,  Lehrbuch  der  Zool.,  pag.  25). 


Die  weitere  Entwicklung  des  Naupliusstadiums  vollzieht  sich  bei 
vielen  Entomostraken  z.  B.  bei  den  Phyllopoden  und  zum  Theil  auch 
bei  den  Copepoden  auf  dem  Wege  einer  durch  zahlreiche  Häutungen 
vermittelten  Reihe  ganz  allmählicher  Form- 
veränderungen,  durch  welche  unter  fort- 
schreitender Vermehrung  der  Körperseg- 
mente und  Extremitätenpaare,  unter  dem 
Anwachsen  der  dorsalen  Schalenduplica- 
tur,  der  Anlage  der  Seitenaugen  und 
anderen  Umwandlungen  successive  der 
ausgebildete  Zustand  erreicht  wird.  Wäh- 
rend so  die  Metamorphose  bei  diesen 
niederstehenden  Formen  einen  verhält- 
nissmässig  einfachen  Verlauf  beibehält, 
gewinnt  sie  im  Kreise  der  Malacostraken 
eine  Complication ,  indem  sich  selbst- 
ständigere Larvenformen,  vor  Allem  die 
Zoea,  einschieben,  welche  nicht  der 
directen  Reihe  von  Umwandlungen  zwi- 
schen dem  Nauplius  und  dem  ausgebilde- 
ten Zustande  angehören,  sondern,  durch 
secundär  erworbene  Eigentümlichkeiten 
ausgezeichnet,  eine  Erweiterung  des  Be- 
reichs der  der  Metamorphose  zugehörigen  Formumwandlungen  bedingen. 
(Vgl.  hinsichtlich  der  Metamorphose  der  Malacostraken  unten  pag.  436.) 


Fig.  267.  A  Thoraxbein  eines 
Copepoden  (nach  Claus). 

B  Abdominalbein  von  Garn- 
mar us  locusta  (nach  Boas). 

1  erstes,  2  zweites  Glied  des 
Protopoditen,  en  Endopodit,  ex  Exo- 
podit. 


2.    Grundform  der  Crustaceen-Gliedniaassen. 

In  den  beiden  hinteren  Paaren  der  Naupliusextremitäten  ist  eine 
sehr  ursprüngliche  Form  der  Crustaceengliedmaassen  gegeben.  Wenn  wir 
von  den  I.  Antennen  (Antennulae)  absehen,  welche  durchgehends  eine 
heteromorphe  Bildung  aufweisen,  so  können  wir  sämmtliche  Crustaceen- 
beine  auf  ein  Grundschema  zurückführen,  das  dem  zweiästigen  Typus 
des  zweiten  und  dritten  Paares  der  Naupliusextremitäten  entspricht.  Wir 
können  stets  einen  proximalen  Abschnitt,  als  Extremitätenstamm 
oder  Protop odit  (Huxley)  unterscheiden,  welcher  sich  in  zwei  distal 
gelegene  Gabeläste  spaltet,  von  denen  der  innere  als  Innenast  oder 
Endopodit  (Fig.  267 en),  der  äussere  als  Aussenast  oder  Exopo- 
dit  {ex)  bezeichnet  zu  werden  pflegen.  Während  Exopodit  und  Endo- 
podit beträchtlichen  Variationen  unterliegen,  indem  sie  entweder  un- 
gegliedert in  Form  lamellöser  oder  anders  gestalteter  Anhänge  zur 
Entwicklung  kommen  oder  in  eine  sehr  wechselnde  Zahl  von  abgesetzten 
Gliedern  zerfallen,  lässt  der  Protopodit  in  den  meisten  Fällen  eine  Zu- 
sammensetzung aus  zwei  Gliedern  (Fig.  267,  268,  l,  2)  erkennen,  von 
denen  das  erste  (proximale)  mit  Claus  als  Basalglied  (jf),  nach  Huxley 
als  Coxopodit  bezeichnet  wird,  während  das  zweite  (distale)  als 
Stammglied  (Claus)  {2}  oder  Basipodit  (Huxley)  unterschieden 
wird.  Es  muss  erwähnt  werden,  dass  in  vielen  Fällen  (besonders  bei 
den  Malacostraken)  die  Gliederreine  des  Endopodits  in  der  directen  Fort- 


388 


XV.  Capitel. 


Setzung  des  Protopodits  gelegen  zu  sein  scheint,  (z.  B.  Fig.  268,  B)  während 
der  Exopodit  mehr  einen  Seitenanhang  darstellt.  Doch  werden  wir  dies 
Verhalten  nicht  als  das  ursprüngliche  betrachten  dürfen. 

Da  die  ventralwärts  gestellten,  einander  genäherten  Crustaceenbeine 
ein  Gegeneinanderwirken  der  beiden  Hälften  eines  und  desselben  Paares 
gestatten,  so  finden  wir  häufig  an  der  Innenseite  der  Glieder  des  Endo- 
podits  und  Protopodits  Fortsatzbildungen  der  verschiedensten  Art,  welche 
zum  Zweck  einer  mechanischen  Einwirkung  auf  dazwischengerathene 
Fremdkörper  (Nahrungspartikelchen)  entwickelt  sind.  Solche  Fortsätze, 
im  Allgemeinen  alsEnditen  bezeichnet,  führen,  insoweit  sie  am  Proto- 
podit  auftreten,  besondere  Namen  (Fig.  268 k)  und  werden  als  Kiefer- 
haken, Kieferlamellen  sowie  Lappen  oder,  wenn  sie  stärker  chitinisirt  und 
an  der  Innenseite  bezahnt  sind,  als  Kau  laden  unterschieden.  Wir 
haben  oben  (Fig.  266,  pag.  385)  an  dem  Protopodit  der  zweiten  Antenne 
die  Entwicklung  solcher  Kieferhaken  beobachtet. 


Fig.  268.     Verschiedene  Krebsgliedniaassen  (nach  Claus). 

A  Maxille  von  Calanella,  B  Thoraxfuss  von  Nebalia,  C  erster  Maxillarfuss 
einer  älteren  Penaeuslarve. 

1  erstes,  2  zweites  Glied  des  Protopoditen,  k  Kantortsätze  desselben,  en  Endo- 
podit,  ex  Exopodit,  ep  Epipodialplatte,  ep'  Anlage  eines  Kiemenschlanches. 


Ein  weiterer  Bestandtheil  des  Crustaceenbeines,  welcher  jedoch  nicht 
regelmässig  zur  Entwicklung  kommt,  findet  sich  an  der  Aussenseite  des 
Protopodits  und  steht  in  den  meisten  Fällen  in  Beziehung  zur  Bewegung 
des  umgebenden  Wassers  und  der  respiratorischen  Function.  Wir 
werden  diese  Anhänge,  welche  auch  in  der  Mehrzahl  auftreten  können 
als  Epipoditen  (Fig.  268^)  bezeichnen,  gleichviel  ob  sie  mehr  la- 
mellös  entwickelt  sind  (Epipodialplatte  ep)  oder  mit  reicher  Blutcirculation 
im  Inneren  ausgestattete  Kieniensäckchen  oder  Kiemenschläuche  {ep') 
darstellen  (vgl.  oben  pag.  371).  Es  scheint,  dass  die  Epipodialanhänge 
in  der  Regel  dem  Coxopodit  oder  Basalglied  zugehören. 

Die  vielfachen  Abänderungen  und  Rückbildungen,  denen  diese  einzelnen 
Bestandteile  des  Crustaceenbeines  im  Einzelnen  unterliegen ,  werden  im 
Folgenden  öfters  zur  Sprache  kommen.  Es  scheint,  dass  die  gestreckten 
Beinformen  sich  erst  allmählich  entwickelt  haben,  und  dass  die  lamellöse 
verbreiterte    Beinform,    wie    sie    den    meisten    Phyllopoden   (Fig.  269)    und 


Crustaceen. 


389 


den  Thoraxbeinen  (Fig.  268  5)  von  Nebalia  zukommt,  einem  ursprünglicheren 
Typus  entspricht. 

Es  ist  noch  nicht  völlig  sichergestellt,  in  welcher  Weise  die  einzelnen 
Theile  des  blattförmigen  Phyllopodenfusses  auf  das  oben  geschilderte  Schema 
des  Crustaceenbeines  zu  beziehen  sind.  Eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit 
scheint  uns  die  Deutung  Ray  Laxkester's  für  sich  zu  haben,  nach  welchem 
von  den  sechs  der  Innenseite  angehörigen  Enditen  der  fünfte  dem  Endopodit 
(Fig.  269m5),  der  sechste  dem  Exopodit  (en6)  entspricht.  Diese  Deutung 
wird  durch  die  Beobachtungen  von  Claus  (No.  20,  21),  denen  zufolge  an 
dem  sich  entwickelnden  Bein  von  Branchipus  diese  beiden  Lappen  zuerst 
gesondert  werden,  gestützt.  Die  viel  später  auf- 
tretende Fächerplatte  (ep)  ist  dann,  ebenso  wie  das 
Kiemensäckchen  (ep')  als  ein  Epipodialanhang  zu 
betrachten.  Ein  Zerfall  des  Stammtheiles  der  Ex- 
tremität in  einzelne  Glieder,  wie  unsere  Figur  269 
ihn  aufweist,  gehört  an  dem  Phyllopodenbein  zu  den 
Ausnahmen. 

Man  ist  versucht,  die  typische  zweiästige  Form 
des  Crustaceenbeines  direct  von  der  ähnlichen  ge- 
gabelten Gestalt  der  Annelidenparapodien  herzu- 
leiten. Hiefür  spricht  die  eben  erwähnte  Thatsache, 
dass  die  Sonderung  von  Exopodit  und  Endopodit 
sich  an  den  Beinanlagen  von  Branchipus  ungemein 
frühzeitig  geltend  macht  (Claus).  Während  aber 
die  Annelidenparapodien  im  Allgemeinen  der  Lateral- 
seite des  Körpers  angehörige  Fortsatzbildungen  dar- 
stellen, sind  die  Extremitäten  der  Crustaceen  nach 
der  Ventral seite  gerückt  und  einander  genähert,  was 
wohl  darauf  hindeutet,  dass  wir  uns  die  zwischen  An- 
neliden und  Crustaceen  vermittelnde  Stammform  als 
eine  am  Grunde  des  Meeres  kriechende  Form  zu 
denken  haben.  Die  gegenseitige  Einwirkung  der 
Extremitäten  und  die  damit  in  Verbindung  stehende 
Entwicklung  von  Enditen  ist  demnach  eine  Neuer- 
werbung im  Bereiche  der  Crustaceen.  Dagegen  wird 
man  wohl  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  Epipodial- 
anhänge    auf    Dorsalcirren    der   Anneliden    beziehen 

dürfen.  Gegen  letztere  Auffassung  spricht  allerdings  das  verspätete  Auftreten 
dieser  Bildungen  in  der  Ontogenie  der  Crustaceen.  Doch  darf  man  nicht  ver- 
gessen, dass  eine  Steigerung  des  respiratorischen  Bedürfnisses  erst  bei  einer 
gewissen  Körpergrösse  sich  geltend  zu  machen  pflegt  und  es  somit  erklär- 
lich scheint,  wenn  kleine  Krebslarven  (ebenso  wie  ausgebildete  Formen  von 
geringer  Körperentwicklung)  der  Kiemenanhänge  entbehren. 


Fig-,  269.  Zweites 
Thoraxbein     von     Apus 

cancriformis     (nach 
Ray  Lankester). 

1  erstes ,  2  zweites 
Stammglied,  en1,  en2,  ens, 
en*,  en5,  en6  erster  bis 
sechster  Enclit,  ep  Fächer- 
platte (Epipocliallamelle), 
ep'  Kiemensäckchen. 


3.    Pkyllopoden. 

A.   Branchiopoda. 

Die  Larven  der  Branchiopoden  besitzen,  nachdem  sie  aus  dem  Eie 
entschlüpft  sind,  im  Allgemeinen  den  Habitus  der  Naupliusform ,  lassen 
jedoch  eine  Sonderimg  des  Körpers  in  einen  vorderen  cephalischen  Ab- 
schnitt, welcher  die  Naupliusgliedmaassen  trägt,  und  einen  hinteren  thoraco- 
abdominalen  Abschnitt  erkennen.    Mit  Rücksicht  auf  den  Umstand,  dass 


Korscheit- Heider,   Lehrbuch. 


26 


390  XV.  Capitel. 

an  dem  letzteren  bereits  eine  Anzahl  von  Körpersegmenten  angelegt  ist, 
müssen  wir  das  erste  Larvenstadium  der  Branchiopoden  als  Meta- 
nauplius  (Fig.  270 Ä)  bezeichnen.  Das  betreffende  Stadium  zeigt  bei 
den  verschiedenen  Branchiopodengattungen  einen  ungemein  überein- 
stimmenden Bau.  In  der  Regel  fehlt  noch  die  Anlage  der  dorsalen 
Schalenduplicatur,  welche  erst  in  späteren  Stadien  zur  Entwicklung 
kommt.  Die  weitere  Metamorphose  verläuft  höchst  einfach,  indem  vom 
hinteren  Körperende  aus  successive  neue  Segmente  angelegt  werden 
und  in  derselben  Reihenfolge  das  Hervorsprossen  der  Extremitätenanlagen 
sich  vollzieht.  Eine  Ausnahme  von  dieser  regelmässigen  Entwicklungs- 
weise machen  die  Extremitäten  der  Maxillarregion,  welche  entsprechend 
ihrer  geringen  Entwicklung  im  ausgebildeten  Thiere  verspätet  zur  Anlage 
kommen.  Während  so  allmählich  die  Gliederung  des  Körpers  sich  (lei- 
der ausgebildeten  Form  nähert,  vollzieht  sich  die  Entwicklung  des  paa- 
rigen zusammengesetzten  Auges,  der  der  Maxillarregion  zuzurechnenden 
Schalenduplicatur,  die  Ausbildung  der  inneren  Organe  und  die  Rück- 
bildung und   Umgestaltung  der  drei  Naupliusbeinpaare. 

Als  Typus  mag  uns  die  Entwicklung  von  Ap  us  dienen,  welche  durch  die 
Untersuchungen  von  Zaddach  (No.  31),  Brauer  (No.  18)  und  vor  Allem  von 
Claus  (No.  20,  21)  eingehend  bekannt  geworden  ist.  Der  Metanauplius 
von  Apus  (Fig.  210 A)  hat  im  Allgemeinen  eine  ovale,  nach  hinten  ver- 
schmälerte Gestalt,  und  zeigt,  sobald  er  aus  dem  Eie  kommt,  noch  die 
ursprüngliche  Krümmung  nach  der  Dorsalseite  (Brauer),  welche  später 
einer  geraden  Streckung  des  Körpers  Platz  macht.  Von  inneren  Organen  ist 
nur  das  Naupliusauge  und  der  vorne  erweiterte  Darmcanal  zu  erkennen, 
welcher  in  einer  am  hinteren  Körperende  gelegenen  Einbuchtung  aus- 
mündet. Die  drei  Gliedmaassenpaare  zeigen  den  für  den  Nauplius  typischen 
Bau.  Die  erste  Antenne  (1),  welche  zu  den  Seiten  der  grossen  helm- 
förmigen  Oberlippe  sich  inserirt,  ist  einfach  stabförmig,  ungegliedert  und 
trägt  an  ihrer  Spitze  zwei  Borsten.  Die  zweite  Antenne  {2)  ist  ein  um- 
fangreicher, zweiästiger  Ruderfuss.  Sie  trägt  an  ihrer  Basis  einen  be- 
weglichen Kieferhaken.  Der  Endopodit  ist  klein,  an  seinem  Ende  be- 
borstet, während  der  fünfgliedrige  Exopodit  an  seiner  Innenseite  mit  fünf 
Ruderborsten  besetzt  ist.  Die  Mandibel  (3)  ist  kleiner,  wiederholt  aber 
im  Allgemeinen  den  Bau  der  zweiten  Antenne.  Ein  Kieferhaken  fehlt 
hier ;  die  spätere  Kaulade  lässt  sich  nur  in  der  Anlage  als  schwache  Vor- 
wölbung an  der  Innenseite  des  Protopodits  erkennen.  Endopodit  und 
Exopodit  sind  ungegliedert,  an  ihren  Enden  mit  Borsten  besetzt.  Der 
die  Naupliusextremitäten  tragende  vordere  oder  cephalische  Körperabschnitt 
grenzt  sich  in  seinem  dorsalen  Antheil  nach  hinten  durch  eine  kleine  Vor- 
wölbung ab,  in  welcher  wir  die  erste  Anlage  des  Rückenschildes  erkennen. 
In  der  Mitte  dieses  vorderen  Dorsalantheils  bemerkt  man  als  hellere, 
rundliche,  scharf  umschriebene  Stelle  die  Anlage  der  bei  den  Phyllopoden 
so  verbreiteten  Nackendrüse  (vgl.  oben  pag.  351).  Am  hinteren,  thoraco- 
abdominalen  Abschnitt  sind  fünf  aufeinander  folgende  Thoracalsegmente 
als  Querwülste  (I — V)  angelegt. 

Nach  der  ersten  Häutung  (Fig.  2705)  erscheint  die  Körperform 
durch  die  schildförmige  Verbreiterung  des  vorderen  Körperabschnittes 
und  die  Streckung  des  kegelförmig  verengerten  hinteren  Leibesabschnittes 
wesentlich  verändert.  Der  Rückenschild  überdeckt  nun  schon  das  erste 
Thoracalsegment  von  der  Dorsalseite.  Die  Naupliusextremitäten  haben 
im  Wesentlichen  denselben  Charakter  beibehalten.  Der  Endopodit  der 
zweiten  Antenne  ist  nun  zweigliedrig.     An  dem  Basalabschnitt  der  Man- 


Crustaceen. 


391 


dibel  (5)  hat  sich  eine  kräftige,  am  Innenrande  gezähnelte  Kaulade  ent- 
wickelt, welche  von  der  jetzt  relativ  kleineren  Oberlippe  überdeckt  wird. 
Hinter  den  Mandibeln  ist  das  erste  Maxillenpaar  als  einfache  Platte  (4) 
angelegt.  An  den  vordersten  Thoraxsegmenten  sind  drei  bis  vier  gelappte  Ex- 
tremitätenanlagen zu  erkennen.  Die  Zahl  der  Thoraxsegmente  hat  sich 
durch  das  Hinzukommen  neuer  Anlagen  bis  auf  acht  vermehrt.  Am 
hinteren  Körperende  sind  die  ansehnlichen  Furealfortsätze  zur  Entwicklung 
gekommen.     Erwähnenswerth  für  dieses  Stadium    ist   ferner:    die   Ent- 


Fig1.  270.  Drei  Larvenstadien  von  Apus  cancrifo  rmis  nach  Claus,  aus 
Lang's  Lehrbuch). 

A  eben  ausgeschlüpfte  Larve  (Metanauplius),  B  zweites  Larvenstadium  mit  den 
vorderen  Maxillen  und  sieben  (oder  acht)  Thoraxsegmenten,  C  viertes  Larvenstadium 
mit  ungefähr  fünfzehn  Thoraxsegmenten. 

1  erste,  2  zweite  Antenne,  3  Mandibel,  4  erste  Maxille,  I — XIII  erstes  bis  drei- 
zehntes Kumpfsegment,  fs  frontales  Sinnesorgan,  s  Rückenschale,  L  Leber. 


Wicklung  der  als  griffeiförmige  Fäden  auftretenden,  neben  dem  Nauplius- 
auge  gelegenen  frontalen  Sinnesorgane  (fs),  die  Anlage  der  Leberaus- 
stülpungen an  dem  erweiterten  vordersten  Abschnitt  des  Mitteldarms, 
das  Deutlichwerden  der  Antennendrüse  in  dem  Basalabschnitt  der 
II.  Antenne,  sowie  die  erste  Anlage  der  Schalendrüse  in  den  unteren 
Seitentheilen  des  Rückenschildes. 

Das  dritte  Larvenstadium   (nach   der  zweiten   Häutung)    weist  nun 
schon  an  den  sechs  vordersten  Thoraxsegmenten  gelappte  Beinanlagen  auf; 

26* 


392  xv-  Capitel. 

an  dem  siebenten  Segment  ist  eine  ungelappte  Beinanlage  vorhanden, 
und  dahinter  finden  sich  noch  zwei  bis  drei  Segmentanlagen.  Hinter  dem 
ersten  Maxillenpaare  ist  die  Anlage  eines  zweiten  Paares  als  querliegende 
Erhebung  zu  erkennen.  Die  Schalendrüse  tritt  nun  an  den  Seitentheilen 
des  wenig  vergrösserten  Rückenschildes  deutlicher  hervor.  In  diesem 
Stadium  lässt  sich  bereits  die  Herzanlage  erkennen,  welche  von  der 
Maxillarregion  nach  hinten  bis  zum  sechsten  Thoracalsegment  reicht. 
Hier  hinten  werden  mit  der  fortschreitenden  Entwicklung  der  Segmente 
neue  Herzkammern  angefügt  (vgl.  oben  pag.  376,  Fig.  264). 

Das  vierte  Larvenstadium  (Fig.  270  C)  zeigt  an  den  sieben  vordersten 
Thoraxsegmenten  deutlich  gelappte ,  an  den  zwei  folgenden  undeutlich 
gelappte  und  an  den  drei  bis  vier  dahinterliegenden  gänzlich  üngelappte, 
in  der  Entstehung  begriffene  Beinanlagen.  Der  Thoraxschild  (s)  sowohl 
als  die  Furcalfortsätze  haben  sich  beträchtlich  vergrössert.  Als  wichtige 
Neuanlagen  machen  sich  die  über  und  hinter  dem  Naupliusauge  auf  der 
Rückenseite  sichtbaren  Anlagen  des  paarigen  Auges  bemerkbar,  in  denen 
sich  Pigment  abzulagern  beginnt.  Diese  Anlagen  werden  zugleich  mit 
den  sich  entwickelnden  optischen  Ganglien  in  den  folgenden  Stadien 
immer  deutlicher. 

Das  fünfte  Stadium  besitzt  neun  deutlich  gelappte  Beinpaare,  ein 
zehntes  undeutlich  gelapptes  und  vier  darauf  folgende  noch  ungelappte. 
Dahinter  sind  sechs  weitere  Segmentanlagen  zu  erkennen.  In  diesen 
Stadien  schreitet  die  Bildung  des  Herzens  und  die  Verästelung  der  Leber- 
schläuche durch  Bildung  secundärer  Divertikel  allmählich  vorwärts. 
Während  in  den  späteren  durch  zahlreiche  Häutungen  aus  einander  her- 
vorgehenden Stadien  der  Körper  durch  das  Auftreten  weiterer  Segmente 
und  Beinanlagen,  durch  das  Anwachsen  des  Rückenschildes,  welcher  all- 
mählich fast  den  ganzen  hinteren  Körperabschnitt  bedeckt,  sowie  durch 
die  Verlängerung  der  Furcalfortsätze  sich  allmählich  immer  mehr  der 
Gestaltung  des  ausgebildeten  Thieres  nähert,  erfolgt  eine  Rückbildung 
der  Naupliusgliedmaassen ,  von  denen  die  erste  Antenne  als  kurzer 
zweigliedriger  Stummel ,  die  zweite  Antenne  als  ein  noch  kleineres  un- 
gegliedertes Rudiment  sich  erhält,  während  von  der  Mandibel  nur  das 
zur  mächtigen  Kaulade  umgestaltete  Basalglied  erhalten  bleibt.  Der 
ganze  distale  Theil  dieser  Extremität  ist  als  ein  immer  mehr  in  Rück- 
bildung begriffener  Mandibulartaster  an  den  späteren  Larvenstadien 
noch  zu  erkennen,  bis  er  schliefslich  verschwindet.  Hand  in  Hand  mit 
der  Rückbildung  dieser  Gliedmaassen  geht  eine  Aenderung  in  der  Be- 
wegungsweise  vor  sich.  Während  die  Larve  sich  in  den  ersten  Stadien 
durch  die  Ruderschläge  der  zweiten  Antenne  stossweise  forttrieb,  wird 
jetzt  die  Fortbewegung  durch  die  Schwimmaction  der  Ruderfüsse  eine 
mehr  gleichmässige. 

Die  obige  Schilderung  bezieht  sich  auf  Apus  cancriformis.  Die  Ent- 
wicklung von  Apus  productus,  welche  uns  durch  Brauer  (No.  18)  be- 
kannt geworden  ist,  verläuft  übrigens  in  ganz  übereinstimmender  Weise. 
Nur  ist  das  Ei  hier  beträchtlich  grösser  und  die  Entwicklung  eine  mehr 
abgekürzte.  Die  Zahl  der  Häutungen  und  der  einzelnen  Entwicklungsstadien 
ist  eine  geringere.  Schon  im  vierten  Stadium  hört  die  zweite  Antenne  auf,  als 
Ruderantenne  zu  wirken,  im  sechsten  Stadium  ist  sie  schon  sehr  stark  rück- 
gebildet. Der  aus  dem  Ei  kommende  Metanauplius  weist  nicht  nur  eine  grössere 
Zahl  von  Segmenten,  sondern  auch  schon  die  Anlagen  der  paarigen  Augen  auf. 

Die  Metanauplien  von  Branchipus  zeigen  eine  etwas  gestrecktere 
Körperförm   und    eine   schärfere  Trennung  des   thoracoabdominalen  Ab- 


Crustaceen.  393 

Schnittes  vom  cephalischen  Körperabschnitt.  Man  kann  bereits  die 
Maxillarsegmente  und  die  zwei  ersten  Thoracalsegmente  mit  den  ent- 
sprechenden thoracalen  Beinanlagen,  sowie  den  Beginn  der  metameren 
Gliederung  des  nachfolgenden  Körperabschnittes  erkennen  (Claus  No.  20). 
Die  allmähliche  Entwicklung  der  Larven  verläuft  hier,  ebenso  wie  bei 
Artemia,  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  Apus,  wenn  wir  die  aus  dem 
Mangel  eines  Rückenschildes  und  der  demzufolge  eng  verpackte  Lagerung 
der  Schalendrüse,  deren  Ausmündung  von  Claus  (No.  21)  am  zweiten 
Maxillenpaare  erkannt  wurde,  sich  ergebenden  Unterschiede  in  Rücksicht 
ziehen.  Besonders  klar  lassen  sich  hier  die  Verhältnisse  der  Entwicklung 
des  zusammengesetzten  Auges  verfolgen,  welches  sammt  dem  ihm  zu- 
gehörigen optischen  Ganglion  aus  einer  Wucherung  der  Hypodermis  zu 
den  Seiten  des  Kopfabschnittes  seinen  Ursprung  nimmt  (vgl.  oben  pag.  367). 
Während  in  dieser  Hypodermis  Wucherung  eine  Trennung  der  inneren 
zum  Ganglion  sich  umbildenden  Schicht  von  der  oberflächlichen ,  das 
eigentliche  zusammengesetzte  Auge  liefernden  Lage  sich  geltend  macht, 
erfolgt   durch  ein  seitliches  Anwachsen  der  betreffenden  Kopfparthie  die 


Fig.    271.      Sogenanntes   Nanpliusstadium    von    Estheria  ticinenis     (nach 
G.  Ficker). 

«'  erste,  a"  zweite  Antenne,  md  Mandibel,  ol  Oberlippe. 

Entwicklung  des  Augenstieles,  welcher  sich  später  als  beweglicher  Theil 
von  dem  Kopfe  abgliedert  (Claus).  Die  Entwicklungsweise  des  gestielten 
Auges  dieser  Form  liefert  die  gewichtigsten  Einwände  gegen  die  Auf- 
fassung desselben  als  einer  den  Extremitäten  homologen  Bildung  (vgl. 
oben  pag.  364).  Bis  zu  jenen  Larvenstadien,  in  denen  die  volle  Zahl 
der  Segment-  und  Gliedmaassenanlagen  erreicht  ist  (erste  Entwicklungs- 
periode) bewahren  die  Antennen  und  Mandibeltaster  den  von  dem  Meta- 
naupliusstadium  an  sich  erhaltenden  larvalen  Charakter.  Erst  in  der 
darauffolgenden  Periode  der  sexuellen  Differenzirung ,  in  welcher  die 
Genitalsegmente  in  der  für  beide  Geschlechter  charakteristischen  Weise 
zur  Ausbildung  kommen,  werden  die  Muskeln  der  Schwimmfussantennen 
und  Mandibeltaster  rückgebildet.  Letztere  gehen  vollständig  verloren, 
während  die  Schwimmfussantennen  nach  der  Stirnfläche  sich  verschieben 
und  zu  den  sog.  Kopfhörnern  in  der  für  die  einzelnen  Arten  charakte- 
ristischen Weise  umgestalten.  Gleichzeitig  kommt  ein  mit  dem  paarigen 
Frontalorgan  nicht  zu  verwechselndes,  zwischen  Gehirn  und  Stirnauge 
gelegenes  Sinnesorgan  (Organ  der  gehäuften  Kolbenzellen 
Claus  No.  21)  zur  Ausbildung.  Dies  Organ  besteht  aus  einer  Anhäufung 
kolbenförmiger  Nervenendzellen,  welche  in  ihrem  Inneren  eigenthümliche, 
dreizinkige,  stark  lichtbrechende  Einlagerungen  enthalten.     Es  entspricht 


394 


XV.  Capitel. 


dasselbe  der  von  Leydig  für  Cladoceren   als  Nackenorgan  beschriebenen 
Bildung. 

Auch  die  Entwicklung  der  Estheridae  weicht  in  keinem  wesentlichen 
Punkte  von  der  für  Apus  und  Branchipus  geschilderten  ab.  Das  sog.  Nauplius- 
stadiuin  (Fig.  271)  entbehrt  noch  der  dorsalen  (bei  Estheria  zweiklappigen) 
Schalenduplicatur  vollständig.  Es  unterscheidet  sich  von  dem  gleichaltrigen 
Stadium  von  Branchipus  nur  durch  die  auffallend  grosse  Oberlippe  (ol)  und 
die    rudimentäre   Beschaffenheit    der   ersten   Antenne  («'),    welche    eine    mit 


Fig.  272.  Aelteres  (cladocerenähnliches)  Larvenstadium  von  Estheria  (nachCL  aus). 
a'  erste,  a"  zweite  Antenne,  d  Darm,  fr  frontales  Sinnesorgan,  h  Herz,  k  Kiemen, 
md  Mandibel,  «  Nervensystem,  o  Naupliusauge,  sd  Schalendrüse. 


einer  langen  Borste  besetzte  halbkugelige  Anschwellung  darstellt  (FickekNo.  22). 
Ein  späteres  Stadium  lässt  die  beiden  Maxillarsegmente  und  sechs  deutlich 
gesonderte  Fusssegmente,  jedoch  noch  ohne  entsprechende  Extremitätenanlagen, 
erkennen.  Am  hinteren  Leibesende  sind  die  Furcalfortsätze  bereits  zur  Ent- 
wicklung gekommen.  Die  Anlage  des  paarigen  Auges  und  des  zugehörigen 
Ganglions  ist  zu  erkennen.  Erst  in  diesem  Stadium  tritt  die  Schalenanlage 
in  Form  einer  paarigen  Ausstülpung  des  dorsalen  Integuments  der  Maxillar- 
region  auf  (vgl.  Fig.  273,  s).  Im  Inneren  dieser  Anlage  ist  bereits  die  noch 
wenig  entwickelte  Schalendrüse  zu  erkennen.  Die  späteren  Stadien  sind 
hauptsächlich    durch  das  Anwachsen  der  Schale,    durch  die  Vermehrung  der 


Crustaceen. 


395 


Segmente  und  Extremitäten ,  durch  die  Umbildung  der  Naupliusgliedmaassen 
und  die  allmähliche  Verkleinerung  der  Oberlippe  charakterisirt.  Solche  Stadien 
(Fig.  272)  zeigen  eine  auffallende  Uebereinstimmung  mit  der  ausgebildeten 
Form  der  Cladoceren.  Der  Kopf,  welcher  noch  nicht  von  den  Schalenklappen 
bedeckt  ist,  zeigt  ein  Paar  kleiner  mit  Riechfäden  besetzter  Antennulae  (a') 
und  grosse  in  ihrem  Bau  auffallend  an  die  gleichen  Extremitäten  der  Daph- 
niden  erinnernde  Ruderantennen  (a ").  An  der  Mandibel  (md)  ist  der  Taster- 
antheil  stark  zurückgebildet.  Die  Gestaltung  der  Schalendrüse  (sd),  die  Form 
des  hintersten  Körperabschnittes  (Postabdomen)  mit  seinen  Furcalhaken  und 
zwei  grossen  Tastborsten  erinnern  so  auffallend  an 
die  Cladoceren,  dass  wir  nicht  zweifeln  dürfen,  dass 
letztere  Gruppe  unter  einer  allmählichen  Reduction 
(Verringerung  der  Segmentzahl  und  Extremitätenzahl, 
Rückbildung  des  Herzens  zu  einer  kurzen  Sackform) 
aus  der  Gruppe  der  Estheriden  hervorgegangen  ist 
(Claus  No.  8). 

Limnadia  scheint  hinsichtlich  ihrer  Larven- 
entwicklung vollständig  mit  Estheria  übereinzustim- 
men (Lereboullet  No.  26).  Auch  hier  entwickeln 
sich  die  beiden  Schalenklappen  als  ursprünglich  ge- 
trennte Ausstülpungen  des  Rückeninteguments  der 
Maxillarregion  (Fig.  273  s),  welche  erst  später  in 
der  Medianlinie  mit  einander  verschmelzen.  Wenn- 
gleich hier,  sowie  bei  den  Cladoceren  (Grobben)  die 
beiden  Schalenhälften  anfangs  gesondert  sich  ent- 
wickeln, so  werden  wir  sie  doch  auf  einen  ursprüng- 
lich einheitlichen  Rückenschild,  wie  er  sich  z.  B.  bei 
Apus  findet,  zurückzuführen  haben. 

Sehr  merkwürdig  gestaltet  sind  die  jüngsten  von 
Grube  (No.  23)  bei  Limnetis  beobachteten  Larven- 
stadien (Fig.  274),  welche  nach  der  Zahl  und  dem 
Bau  der  Extremitäten  mit  den  sog.  Nauplien  der 
übrigen  Branchipoden  übereinstimmen,  aber  durch 
den  Besitz  eines  flachen  kreisrunden  etwas  quer- 
verbreiterten Rückenschildes  ausgezeichnet  sind.  Diesem  entspricht  an  der 
Ventralseite  eine  ebenso  querverbreiterte  grosse  Oberlippe.  An  der  vorderen 
Kopfparthie  findet  sich  ein  unpaarer  und  zwei  seitliche  paarige  zapfenförmige 
Vorsprünge.  Erst  in  ziemlich  späten  Stadien  wird  der  flache  Rückenschild 
durch  eine  zweiklappige  Schale  ersetzt. 


Fig.  273.  Dorsalan- 
sicht der  Larve  von  Lim- 
nadia (nach  Lekebodl- 
let). 

a"  Basis  der  zweiten 
Antennen,  d  Darm,  md 
Mandibel,  ol  Oberlippe, 
*  Anlage  der  Schalen- 
klappen. 


In  der  manichfaltigen  Gruppe  der  Branchiopoden  haben  sich  vielfach 
sehr  ursprüngliche  Gestaltungsverhältnisse  des  Körpers  erhalten.  Wir 
werden  das  Vorhandensein  zahlreicher  Leibessegmente,  die  verhältniss- 
mässig  homomorphe  Ausbildung  der  Extremitäten,  den  Ursprung  des 
Antennennervs  von  einem  in  der  Schlundcommissur  gelegenen  Ganglien- 
paar, das  Vorhandensein  gesonderter  Ganglien  in  jedem  Kiefersegmente, 
die  strickleiterförmige  Ausbildung  der  Bauchganglienkette,  das  Vorhanden- 
sein eines  langen,  gekammerten  Rückengefässes  und  vielleicht  auch  die 
lamellöse  Ausbildung  der  Beinpaare  als  solche  ursprüngliche  Verhältnisse 
in  Anspruch  nehmen  dürfen.  Der  Umstand,  dass  viele  der  übrigen 
Crustaceengruppen  mittelst  ihrer  ursprünglichsten  Mitglieder  den  Anschluss 
an  die  Branchiopoden  gewinnen  (Nebalia) ,  wird  uns  noch  mehr  geneigt 
machen,  in  dieser  Gruppe  die  jetzt  lebenden  Repräsentanten  einer  Formen- 


396 


XV.  Capitel. 


reihe  zu  erblicken,  welche  sich  von  den  hypothetischen  Krebsahnen  am 
wenigsten  weit  entfernt  hat  (Dohrn  No.  9).  Andererseits  dürfen  wir 
nicht  vergessen,  dass  die  jetzt  lebenden  Branchiopoden  (Phyllopoden)  in 

Bezug  auf  manche  Verhält- 
nisse unzweifelhaft  stark 
secundär  verändert  erschei- 
nen.    In  erster  Linie  muss 
hier  an  die  reducirte  Form 
der  Mundgliedmassen  (Man- 
dibeln  und  Maxillen)  er- 
innert  werden.     In   dieser 
Hinsicht    werden    wir   uns 
an   die  Copepoden   und  an 
die  Malacostrakenlarven  zu 
wenden  haben,  um  das  Bild 
der  hypothetischen  Stamm- 
form  in   richtigerer  Weise 
zu  ergänzen.    Immerhin 
werden    wir   bei  Beurtbei- 
lung  der  phylogenetischen 
Verhältnisse   der  Crustaceen  vielfach  auf  die  Phyllopoden  als  einer  sehr 
ursprünglichen  Gruppe  zu  recurriren  haben. 


vv 

Fig.  274.  Naupliusstadium  von  Limnetis 
braehyura  (nach  Grube). 

a"  zweite  Antenne ,  k  Kaufortsatz  derselben, 
md  Mandibel. 


B.   Cladoceren. 

Während   die  Branchiopoden   eine  durch  zahlreiche  Häutungen  ver- 
mittelte Metamorphose  durchzumachen  haben,  kommt  eine  solche  bei  den 


nahe  verwandten  Cladoceren 


vollständig 


in 


Fig".  275.  Aus  dem  Winterei  entwickeltes  Meta- 
naupliusstadium  von  Leptodora  hyalin a  (nach 
G.  O.  Sars). 

a'  erste,  a"  zweite  Antenne,  md  Mandibel,  pl-p%1 
Anlage  des  ersten  bis  sechsten  Thoraxbeinpaares, 
ol  Oberlippe. 


Ausfall ,  da  bei  ihnen  die 
Jungen  in  einer  der  aus- 
gewachsenen Form  völ- 
lig gleichenden  Körper- 
gestaltung dem  Ei  ent- 
schlüpfen. Die  gesammte 
Ausgestaltung  des  Körpers 
ist  hier  in  die  Embryonal- 
stadien verl  egt,unter  denen 
wir  ein  deutlich  erkenn- 
bares Naupliusstadium  an- 
treffen, welches  in  man- 
chen Fällen  sogar  durch 
eine  Häutung  (Entwick- 
lung der  Naupliuscuticula) 
markirt  ist  (Dohrn).  (Vgl. 
oben  pag.  347,  Fig.  249.) 
Besondere  Verhalt- 
Gestalt  der  aus  dem  Ei 
Gattung  Leptodora  an. 
Jungen    in    der  Gestalt 


nisse  treffen  wir  jedoch  hinsichtlich  der 
kommenden  Jungen  in  der  merkwürdigen 
Während  die  dem  Sommerei  entstammenden 
dem  ausgebildeten  Thiere  gleichen  (P.  E.  Müller),  schlüpfen  die  aus 
dem  Winterei  kommenden  Larven  in  der  Form  eines  vorgerückten  Meta- 
naupliusstadiums  (Fig.  275)  aus  und  haben  demnach  noch  eine  Metamor- 
phose zu  durchlaufen  (G.  0.  Sars  No.  29).  Der  Körper  dieser  Meta- 
nauplien  ist  langgestreckt,  ohne  äusserlich  erkennbare  Segmentirung  und 


Crustaceen.  397 

läuft  nach  hinten  in  die  beiden  Furcalfortsätze  aus.  Die  ersten  An- 
tennen (d)  sind  kurz,  keulenförmig,  die  zweiten  Antennen  (a")  lange,  zwei- 
ästige Schwimmfüsse,  welche  jedoch  des  den  Branchiopodennauplien  eigenen 
Kieferhakens  entbehren.  Die  Mandibeln  (md)  bestehen  aus  dem  basalen 
Ladentheil  und  einem  langen,  ungegliederten,  ruderförmigen  Tasterantheil. 
Die  Mundöffnung  wird  von  einer  umfangreichen  Oberlippe  {61)  überwölbt. 
Im  thoracalen  Abschnitt  des  Körpers  sind  die  Anlagen  von  sechs  Ex- 
tremitätenpaaren (pl  — 2>VI)  in  der  Form  querer  Wülste  zu  erkennen.  Im 
Kopfabschnitt  erkennt  man  nur  das  Naupliusauge,  während  das  zusammen- 
gesetzte Auge  erst  später  zur  Entwicklung  kommt.  Die  weitere  Meta- 
morphose vollzieht  sich  unter  Ausbildung  der  Beinpaare  und  der  Körper- 
segmentirung,  Entwicklung  des  Rückenschildes,  Verkleinerung  der 
Oberlippe,  Rückbildung  des  Mandibulartasters  und  Ausbildung  der 
charakteristischen  Körperknickung.  Das  Naupliusauge  persistirt  jedoch  bei 
der  aus  dem  Winterei  kommenden  Generation,  während  es  den  aus 
Sommereiern  entwickelten  Individuen  fehlt. 

Die  Gattung  Leptodora  hat  demnach  in  Hinsicht  auf  die  Metamor- 
phose des  Wintereies  und  auf  das  den  Branchiopodien  ähnliche  Meta- 
naupliusstadium  —  wie  in  mancher  anderen  Hinsicht  —  unter  den 
Cladoceren  ursprüngliche  Verhältnisse  bewahrt. 

So  wie  hier  die  Sommereier  und  Wintereier  rücksichtlich  der  Entwick- 
lung der  Embryonen  differiren,  so  weisen  sie  auch  in  anderen  Punkten  Unter- 
schiede auf.  Wir  haben  oben  (pag.  318)  darauf  hingewiesen,  dass  bei  Bytho- 
trephes  und  Leptodora  das  Sommerei  sich  nach  einem  anderen  Furchungs- 
typus  furcht,  als  das  Winterei.  Saks  (No.  30)  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  die  im  Winterei  (in  Ephippien)  sich  entwickelnden  Embryonen  während 
der  ganzen  Dauer  der  Entwicklung  von  der  Eihülle  („Chorion")  umhüllt 
bleiben,  während  die  Sommereier  die  sehr  dünne  Dotterhaut  vor  Erreichung 
der  letzten  Entwicklungsstufe  abwerfen. 

Die  Anzahl  von  sechs  Thoraxbeinpaaren,  welche  wir  oben  bei  der  An- 
lage dieser  Extremitäten  an  dem  Metanauplius  auftreten  sahen,  müssen  wir 
als  die  ursprüngliche  der  Cladoceren  betrachten.  Diese  Zahl  ist  auch  bei 
den  Sididen  erhalten.  Im  Embryo  von  Lynceus  werden  sechs  Paare  an- 
gelegt, von  denen  das  letzte  später  rückgebildet  wird  (Claus  No.  8). 


4.    Ostracoden. 

Die  mit  einer  zweiklappigen,  häufig  mit  Kalksalzen  infiltrirten  Schale 
versehenen  Ostracoden,  welche  unter  Reduction  der  Segmentzahl  und 
Verminderung  der  Beweglichkeit  von  ähnlich  gestalteten  Phyllopodenahnen 
durch  eine  Art  Rückbildungsprocess  (einseitige  Entwicklung  nach  be- 
stimmter Richtung)  abgeleitet  wTerden  müssen,  durchlaufen  eine  mehr  oder 
weniger  ausgeprägte  Metamorphose.  Letztere  erscheint  bei  denCypri- 
dinen,  Cytheriden  und  Halocypriden,  deren  Entwicklung  uns 
nur  unvollkommen  bekannt  ist,  in  einigermassen  abgekürzter  Form,  in- 
dem die  Larven  in  einer  dem  ausgebildeten  Thiere  nahestehenden  Ge- 
stalt geboren  werden;  dagegen  durchlaufen  die  Cypriden  eine  durch 
zahlreiche  aufeinanderfolgende  Häutungen  vermittelte,  von  dem  Nauplius- 
stadium  bis  zur  ausgebildeten  Form  reichende  Metamorphose,  welche  uns 
durch  die  Untersuchungen  von  Claus  (No.  32,  34)  für  Cypris  fasciata, 
sowie  für  Cypria  ovum  und  vidua  bekannt  geworden  ist.     Nach  der  Zahl 


398 


XV.  Capitel. 


der   aufeinanderfolgenden  Häutungen  lassen  sich   hier  neun,   zum  Theil 
allerdings  wenig  von  einander  verschiedene  Stadien  unterscheiden. 

Der  Nauplius  (Fig.  276  A)  ist  durch  die  Verwendung  der  drei  Glied- 
maassenpaare  als  Locomotionsorgane ,  sowie  durch  den  Besitz  einer  um- 
fangreichen, helmförmigen  Oberlippe  (OL)  dem  gleichwertigen  Entwick- 
lungsstadium der  Phyllopoden  ähnlich,  weist  jedoch  in  dem  Vorhandensein 
einer  hohen,  zweiklappigen,  durch  einen  Schliessmuskel  (SM)  verschliess- 
baren  Schale  bereits  ein  typisches  Ostracodenmerkmal  auf,  dessen  Ent- 
wicklung offenbar  secundär  in  dies  frühe  Stadium  verlegt  ist.  Die  weitere 
Metamorphose  vollzieht  sich  wie  bei  den  Phyllopoden  unter  dem  all- 
mählichen, der  Reihenfolge  nach  sich  vollziehenden  Hervorsprossen  der 
hinteren  Extremitätenpaare,  dem  Auswachsen  des  hinteren  Leibesabschnittes 
und  der  demselben  entsprechenden  inneren  Organe.  Demgemäss  vollzieht 
sich  auch  eine  schon  von  Zenker  (No.  35)  beobachtete  Aenderung  in 
der  Form  der  Schale.  Im  Nauplius  ist  die  vordere  Schalenhälfte  be- 
deutend entwickelt.    Die  grösste  Ausdehnung  nach  der  Höhendimension, 

A  B 


\.--Ä 


Mx  Sit 


Fig.  27G.  Zwei  Larvenstadien  von  Cypris  (nach  Claus,  aus  Balfour's 
Handbuch). 

A  Naupliusstadium,  B  zweites  Larvenstadium,  A',  erste,  A"  zweite  Antenne, 
/"  erster  Fuss,  Md  Mandibel,  OL  Oberlippe,  Mx'  erste  Maxille,  SM  Schliessmuskel. 


sowie  die  nach  der  Breite  fällt  vor  die  Körpermitte.  Der  hintere  Ab- 
schnitt der  Schale  erscheint  stark  abschüssig,  das  hintere  Schalenende  mehr 
spitz  zulaufend.  Mit  der  Ausbildung  der  hinteren  Körperparthien  gewinnen 
auch  die  hinteren  Schalenhälften  allmählich  an  Umfang  (vgl.  Fig.  276 
bis  278).  Von  dem  Gesetz  des  regelmässigen  Auftretens  der  Extremi- 
täten in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  machen  die  zweiten 
Maxillen  insofern  eine  Ausnahme,  als  sie  erst  nach  Entwicklung  des 
dahinter  gelegenen  Beinpaares,  also  etwas  verspätet  auftreten.  Es  wieder- 
holen sich  hier  Verhältnisse,  welche  wir  ähnlich  bei  den  Phyllopoden  und 
einigen  Copepoden  (Cyclopiden,  Harpactiden)  wiederfinden. 

Das  Naupliusstadium  (erstes  freies  Larvenstadium  Fig. 
276  Ä)  ist,  wie  erwähnt,  durch  das  Vorhandensein  einer  zweiklappigen,  mit 
einem  Schalenschliessmuskel  (SM)  versehenen  Schale  ausgezeichnet.  Ent- 
sprechend dem  höchsten  Punkte  derselben  findet  sich  das  hier  sehr  grosse, 
mit  paarigen  Linsen  versehene  Naupliusauge.  Der  Darmcanal ,  aus  Oesopha- 
gus ,  Mitteldarm  und 
Die  Mundöffnung    ist 


Enddarm  bestehend ,    entbehrt  noch  der  Leberanhänge, 
von    einer   mächtigen  Oberlippe  (OL)   überwölbt.     Die 


drei  Gliedmaassenpaare  weichen  in  ihrer  Gestalt  von  denen  des  Phyllopoden- 


Crustaceen. 


399 


nauplius  einigermassen  ab.  Sie  sind  hier  als  einästige  Kriechbeine  entwickelt. 
Die  beiden  ersten  Paare  nähern  sich  in  ihrer  Gestalt  schon  der  definitiven 
Form.  Die  erste  Antenne  (Af)  erscheint  eingekrümmt  und  besteht  aus  vier 
Gliedern ,  von  denen  die  drei  kürzeren  Endglieder  an  der  oberen  Seite  mit 
Ruderborsten  besetzt  sind.  Die  zweite  Antenne  (A ")  weist  bereits  die  charak- 
teristische knieförmige  Einbiegung  auf.  Die  Mandibel  (Md)  ist  hier  noch 
vollständig  als  dreigliedriger  Kriechfuss  entwickelt,  dessen  Spitze  mit  einer 
ansehnlichen  Hakenborste  endet.  Die  spätere  Kaulade  ist  in  diesem  Stadium 
nur  als  ein  kleiner  gekerbter  Fortsatz  des  Basalgliedes  entwickelt. 

Im  darauffolgenden  zweiten  Larvenstadium  (Fig.  276  B)  verliert 
die  Mandibel  den  eben  gekennzeichneten  ursprünglichen  Charakter.  Ueber- 
dies   sind  hinter  derselben  die  Anlagen  zweier  weiterer  Beinpaare,  und  zwar 


B 


fi  im  i    m* 


Fig.  277.     Zwei   weitere  Entwicklungsstadien   von   Cypris   (nach    Claus,   aus 
Balfour*s  Handbuch). 

A  viertes  Stadium,   B  fünftes  Stadium. 

Mx'  erste  Maxille,  Mx"  und  /'  zweite  Maxille,  /"  erstes  Fusspaar,  L  Leber. 


der  ersten  Maxille  (Mx)  und  des  ersten  Fusspaares  (/")  aufgetreten.  Der 
Körper  hat  sich  dementsprechend  gestreckt.  Das  Basalglied  des  dritten  Glied- 
maassenpaares  ist  jetzt  zu  einer  umfangreichen  triangulären,  an  der  Innenseite 
mit  Zähnchen  besetzten  Kauplatte  (Mandibel)  umgestaltet,  während  der  Rest 
dieser  Extremität  als  viergliedriger  Mandibulartaster  persistirt.  An  dem  Basal- 
giied  des  letzteren  ist  die  erste  Anlage  des  bandförmigen,  mit  Borsten  be- 
setzten Anhangs  (Exopodit)  zu  erkennen.  Von  den  nach  hinten  folgenden 
Extremitätenanlagen  zeigt  die  folgende  (erste  Maxille)  die  Gestalt  einer  blatt- 
förmigen, gebogenen  Platte  (Mx),  während  das  erste  Fusspaar  (f")  als  un- 
gegliedertes, mit  einem  Endhaken  versehenes  Klammerorgan  angelegt  erscheint. 
Im  dritten  Stadium  nähert  sich  die  Maxille  der  definitiven  Gliede- 
rung, indem  zwei  stärkere,  bezahnte  Kieferfortsätze  und  die  Anlage  eines 
dritten  zu  erkennen  sind.  Auch  die  Anlage  der  mit  Haaren  besetzten, 
schwingenden  Fächerplatte  (Exopodit)    ist  bereits  zu  erkennen.     Das  darauf- 


400 


XV.  Capitel. 


folgende  vierte  Larvenstadium  (Fig.  277-4)  zeigt  an  den  Antennen 
und  dem  Mandibulartaster  mit  Ausnahme  des  reichlicheren  Borstenbesatzes 
keine  wesentliche  Aenderung;  dagegen  sind  an  den  ersten  Maxillen  (Mx') 
sämmtliche  vier  Kieferfortsätze  entwickelt ,  deren  oberer  (Endopodit)  bereits 
die  Abschnürung  eines  Endgliedes  erkennen  lässt.  Hinter  dieser  Gliedmaasse 
ist  in  dem  vorliegenden  Stadium  eine  neuaufgetretene,  den  Raum  zwischen  erster 
Maxille  und  erstem  Fusspaar  einnehmende  Gliedmaassenanlage  (Mx")  zu  er- 
kennen: die  als  trianguläre  Platte  auftretende  Anlage  der  zweiten  Maxille, 
welche  somit  erst  nach  der  Anlage  des  ersten  Fusspaares  zur  Entwicklung 
kommt.  Das  zweite  Fusspaar  fehlt  noch ;  dagegen  ist  das  hinterste  Körperende 
durch  die  Entwicklung  zweier  Furcalborsten  gekennzeichnet. 

Das  fünfte  Larvenstadium  (Fig.  277  B)  zeichnet  sich  durch  die 
Weiterbildung  der  zweiten  Maxille  (Mx")  aus,  welche  jetzt  als  viergliedriger, 
nach  hinten  gerichteter  Fuss  erscheint,  dessen  Basalglied  einen  vorspringenden 
Kieferfortsatz  trägt.    Es  ist  von  Interesse,  dass  diese  Extremität  in  den  Ent- 


flfae') 

Fig.  278.  Sechstes  Larvenstadium  von  Cypris  (nach  Claus,  aus  Balfoür's 
Handbuch). 

Mx'  erste  Maxille,  Mx"  und/'  zweite  Maxille,/",/'"  erstes,  zweites  Fusspaar, 
Fu  Schwanzgabel,  L  Leber,  SD  Schalendrüse. 

wicklungsstadien  von  Cypris  sich  der  Beinform  nähert,  eine  Ausbildungsart, 
welche  dieselbe  in  der  Familie  der  Cytheriden  zeitlebens  beibehält.  Jetzt 
werden  auch  die  beiden  Furcalglieder  am  hinteren  Körperende  deutlicher 
ausgeprägt.  Von  inneren  Organen  ist  die  Entwicklung  der  in  die  Schalen- 
klappen eintretenden  Leberschläuche  (L)  zu  erwähnen,  sowie  das  erste  Auf- 
treten eines  von  Claus  als  die  Anlage  der  Schalendrüse  (?)  gedeuteten, 
unter  dem  Auge  gelegenen  verästelten  Gebildes  (Fig.  278  SD). 

Das  sechste  Entw'icklungsstadium  (Fig.  278)  ist  durch  das 
Auftreten  des  letzten  (zweiten)  Beinpaares  (f")  charakterisirt.  Das  zweite 
Maxillenpaar  hat  durch  Vergrösserung  des  Kaufortsatzes  und  Verkleinerung 
des  beinähnlichen  Endabschnittes  eine  Umgestaltung  erlitten.  Das  vordere 
Fusspaar,  welches  bisher  ziemlich  unentwickelt  geblieben  war,  hat  sich  nun 
in  mehrere  Abschnitte  gegliedert.  Das  hintere  (letzte)  Beinpaar  zeigt  im 
"Wesentlichen  die  gleiche  Form  wie  die  Anlagen  der  vorhergehenden  Extre- 
mitäten in  den  früheren  Stadien.  Die  Furca,  nähert  sich  bereits  der  bleiben- 
den Gestaltung  und  endet  mit  zwei  starken  Hakenborsten. 

Im  siebenten  Stadium,  welches  im  Bauseiner  Gliedmaassen  die  de- 
finitiven Verhältnisse  aufweist,  werden  die  Anlagen  des  Geschlechtsapparates 


Crustaceen.  401 

erkennbar.  Von  den  Aenderungen ,  welchen  die  Gliedmaassenanlagen  unter- 
liegen, ist  besonders  die  Entwicklung  eines  kleinen  blattförmigen  Anhangs 
(Exopodit)  am  Basalglied  der  zweiten  Maxille,  sowie  die  auftretende  Gliede- 
rung des  letzten  Beinpaares  zu  erwähnen. 

Während  im  achten  Stadium  bei  fortschreitender  Entwicklung  der 
Geschlechtsanlagen  auch  die  Ausbildung  der  sexuellen  Differenzen  angebahnt 
wird,  erscheint  das  neunte  und  letzte  Stadium  als  die  Entwicklungs- 
stufe der  Geschlechtsreife. 

Die  Cytheriden  schlüpfen  nach  Zenker  in  einem  Entwicklungs- 
stadium aus  dem  Eie,  welches  ungefähr  dem  vierten  Stadium  der 
Cypriden  zu  vergleichen  ist.  Es  sind  ausser  den  beiden  Antennenpaaren 
die  Mandibeln  und  ersten  Maxillen  angelegt  und  in  ihrer  Form  bereits 
ziemlich  ausgebildet.  Dahinter  scheinen  zwei  Beinpaare  in  der  ersten 
Anlage  vorhanden  zu  sein.  Der  Mandibulartaster  fungirt  noch  als  Loco- 
motionsorgan. 

Die  Cypridinen,  deren  Eier  —  wrie  die  der  Cytheriden  — 
zwischen  den  Schalenklappen  der  Mutter  ihre  embryonale  Entwicklung 
durchlaufen,  zeigen  hinsichtlich  der  Gestaltungsverhältnisse  der  Schale 
dieselben  Unterschiede,  welche  wir  für  die  Jugendformen  von  Cypris  gegen- 
über der  ausgebildeten  Form  hervorgehoben  haben.  Das  zusammen- 
gesetzte paarige  Auge  wird  frühzeitig  angelegt.  Dem  Ausschlüpfen  nahe 
stehende  Embryonen  zeigten  bereits  die  Furcalanhänge,  entbehrten  aber 
noch  der  drei  hintersten  Extremitätenpaare  (Fuss,  Putzfass  und  Genital- 
höcker). Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Larven  in  einer  der  ausgebildeten 
Form  sehr  ähnlichen  Gestalt  aus  dem  Ei  schlüpfen  (Claus  No.  33). 

Auch  bei  den  Halo cypriden  ist  die  Metamorphose  fast  völlig  in 
Wegfall  gekommen,  insofern  die  ausschlüpfenden  Jungen  bereits  sämmt- 
liche  Gliedmaassen  zu  besitzen  scheinen  und  sich  nur  durch  die  mangelnde 
Reife  der  Geschlechtsorgane,  die  geringere  Zahl  der  Furcalhaken  und  die 
mangelhafte  Entwicklung  der  Sexualcharaktere  von  der  ausgebildeten 
Form  unterscheiden  (Claus). 


5.   Cirripedien. 

Die  durch  die  Anpassung  an  die  festsitzende  Lebensweise  in  merk- 
würdiger Art  umgestaltete  Gruppe  der  Cirripedien  wird  vielfach  im 
Anschlüsse  an  die  Anschauungen  von  Claus  (No.  8)  in  nähere  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  zu  den  Copepoden  gebracht.  Doch  dürften  wir 
wrohl  mit  Rücksicht  auf  das  in  ihrer  Metamorphose  sich  findende,  mit 
zwei  Schalenklappen  versehene  sog.  Cyprisstadium ,  welches  den  Ueber- 
gang  von  der  freien  zur  festsitzenden  Lebensweise  vermittelt,  eine  ähn- 
lich gestaltete  Ahnenform,  welche  wir  dann  unter  den  Phyllopoden  zu 
suchen  hätten,  supponiren.  Da  sich  die  Uebereinstimmungen  im  Bau 
und  in  der  Entwicklung  der  Cirripedien  mit  den  Copepoden  auch  als 
Wirkungen  einer  gleichgerichteten  Anpassung  ( Convergenz)  erklären  lassen, 
dagegen  unter  den  Copepoden  die  Schale  durchgängig  eine  Rückbildung 
erfahren  hat,  so  werden  uns  diese  beiden  Ordnungen  der  Crustaceen  als 
selbstständige  Ausläufer  des  ursprünglichen  Phyllopodenstammes  erscheinen 
(vgl.  unten  pag.  500). 


402  XV.  Capitel. 

Die  Metamorphose  der  Cirripedien  beginnt  mit  einem  echten  Na u- 
plius Stadium,  welches  durch  den  Besitz  der  sog.  Stirnhörner 1)  und 
eines  meist  dreieckigen  Rückenschildes  charakterisirt  ist.  Die  Reihe  der 
durch  mehrfache  Häutungen  aus  einander  hervorgehenden  Naupliusstadien 
schliesst  mit  einem  Metanauplius,  welcher  die  Anlagen  des  paarigen 
Auges,  eines  vierten  Extremitätenpaares  und  der  dahinter  folgenden  sechs 
Thoraxbeinpaare  erkennen  lässt.  Durch  eine  nochmalige  Häutung  geht 
die  Larve  in  das  freischwimmende  Cyprisstadium  über,  welches 
nach  erfolgter  Festsetzung  den  Uebergang  in  die  definitive  Körperform 
vorbereitet,  die  durch  eine  weitere  Häutung  aus  dem  festsitzenden 
Cyprisstadium  (Puppe)  hervorgeht. 

A.   Thoracica. 

Die  der  Reihe  der  Naupliusformen  angehörigen  Stadien  der 
Balaniden  (Fig.  279.4)  sind  im  Allgemeinen  einfacher  gestaltet,  als 
die  bedeutend  grösseren,  bedornten  Lepadennauplien,  so  dass  wir 
bei  unserer  Schilderung  von  den  ersteren  ausgehen  können.  Der  Körper 
zeigt  keine  Anzeichen  einer  äusseren  Segmentirimg  und  ist  an  der  dor- 
salen Seite  von  einer  flachen,  dreieckigen  oder  mehr  ovalen  Schale  be- 
deckt, welche  an  den  lateralen  Enden  ihres  Stirnrandes  zur  Bildung  der 
„Stirnhörner"  (h)  ausgezogen  erscheint.  Das  hintere  Ende  dieser  Rücken- 
schale scheint  anfangs  abgerundet  zu  sein,  kann  jedoch  auch  in  späteren 
Stadien  mit  einem  Paar  nach  hinten  und  aufwärts  gerichteter  Stacheln 
besetzt  sein.  Die  Stirnhörner  bergen  in  ihrem  Inneren  einen  stiletartigen 
Fortsatz  (Claus  No.  8),  während  in  die  denselben  aufnehmende  Scheide  die 
Ausführungsgänge  zweier  grosser  und  mehrerer  kleiner  einzelliger  Drüsen 
(Fig.  279  B,  dr)  ausmünden  (Claus  No.  8,  Willemoes -Suhm  No.  62).  Wir 
haben  es  demnach  hier  wahrscheinlich  mit  einem  Vertheidigungsapparat,  und 
nicht  mit  einem  Sinnesorgan  zu  thun.  Das  hintere  Körperende  (Thoraco- 
abdominalabschnitt  Fig.  279  A,  t)  ragt  über  den  Rückenschild  nach  hinten 
frei  vor  und  läuft  in  eine  Schwanzgabel  aus.  Die  Afteröffnung  (af)  liegt 
ziemlich  weit  vorne  an  der  Dorsalseite  dieses  Abschnittes.  Zwischen  der- 
selben und  dem  hinteren  Rande  des  Rückenschildes  entspringt  von  der  Dorsal- 
seite des  Thoracoabdominalabschnittes  ein  mächtiger,  nach  hinten  sich 
erstreckender,  spitz  endigender  Stachel,  der  sog.  Schwanzstachel  (/7s). 

In  späteren  Stadien  findet  sich  an  der  Ventralseite  des  Thoraco- 
abdominalabschnittes vor  der  Schwanzgabel  ein  Paar  die  Configuration 
der  Schwanzgabel  wiederholender  Dornen  und  vor  diesem  noch  ein  kleines 
Paar.  Durch  das  Auftreten  dieser  bei  einigen  Formen  noch  etwas  stärker 
ausgebildeten  Bedornung  kann  der  Anschein  einer  Segmentirimg  des 
Thoracoabdominalabschnittes  erzeugt  werden.  Doch  sind  diese  Verhält- 
nisse nicht  auf  eine  wirkliche  Segmentirimg  des  betreffenden  Abschnittes 
zu  beziehen. 

Im  vorderen  Abschnitt  des  Körpers  ist  stets  das  dem  Gehirn  an- 
liegende, unpaare  Naupliusauge  deutlich  zu  erkennen.    Die  Mundöfmung 


1)  Es  muss  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass  der  Besitz  von  Stirnhörnern 
kein  dem  Cirripediennauplius  ganz  allgemein  zukommendes  Merkmal  ist.  Dieselben 
fehlen  beispielsweise  bei  dem  Nauplius  der  Laura  Gerardiae  (vgl.  unten  pag.  419) 
und  bei  einem  von  Sluiter  gefundenen  in  Ascidien  schmarotzenden  Wurzelkrebse, 
Sphaer  othylacus  polycarpae.  Ebenso  fehlen  sie  bei  jener  merkwürdigen,  ihrer 
Stellung  nach  allerdings  noch  zweifelhaften  Larve,  welche  bei  Mindanao  pelagisch  ge- 
fischt und  von  Willemoes-Suhm  anfangs  für  die  Larve  von  Limulus  gehalten,  später 
jedoch  den  Cirripedienlarven  zugerechnet  wurde  (No.  63). 


Crustaceen. 


403 


ist  von  einer  grossen, 
helmförmigen  Ober- 
lippe (ol)  überwölbt, 
welche  ihrer  Gestalt 
nach  an  die  Oberlippe 
derPhyllopodenlarven 
erinnert.  Die  Extre- 
mitätenpaare zeigen 
den  für  das  Nauplius- 
stadium  typischen  Bau 
und  erscheinen  in  den 
ersten  Stadien  oft  nur 
undeutlich  gegliedert, 
während  die  späteren 

Stadien  eine  deut- 
lichere und  reichere 
Gliederung  der  Ex- 
tremitäten aufweisen. 
Die  vorderste  Extre- 
mität (d,  erste  An- 
tenne) besteht  stets 
aus  einer  einzigen 
Reihe  von  Gliedern, 
welche  in  ihrem  dis- 
talen Theil  mit  langen 
Ruderborsten  besetzt 
sind.  Das  zweite  und 
dritte  («",  md)  Extre- 
mitätenpaar ist  zwei- 
ästig. Der  längere 
Exopodit  besteht  aus 
einer  grösseren  An- 
zahl dicht  gedrängter, 
mit  Ruderborsten  be- 
setzter Glieder;    der 

kürzere  Endopodit 
weist  eine  geringere 
Zahl  von  Gliedern  auf. 
An  dem  Protopodit 
beider  Extremitäten- 
paare finden  sich 
mehrere  nach  innen 
gegen  die  Mundöff- 
nung gerichteteKiefer- 
haken. 

Die  späteren  Sta- 
dien sind  durch  die 
allmähliche  Grössen- 
zunahme  des  Körpers, 
durch  das  Auftreten 
der    oben    erwähnten 


Fig*.  279.    Larvenstadien  von  Baianus  (nach  Claus). 

A  älteres  Naupliusstadium,  B  Metanauplius. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  af  After,  dr  Drüsen- 
zellen der  Stirnhörner ,  ds  dorsaler  Schwanzstachel ,  fl-fvl 
erstes  und  sechstes  Thoraxbeinpaar,  fs  frontales  Sinnes- 
organ, h  Stirnhörner,  md  Mandibel,  mx  Maxillaranlagen, 
ol  Oberlippe,   t  Thoraeoabdominalanhang. 


Stachelfortsätze  am  Rückenschilde  und  am  Thoracoabdominalabschnitt,  vor 
Allem  aber  durch  das  Vorhandensein  des  paarigen  frontalen  Sinnesorganes  (fs) 


404  XV.  Capitel. 

charakterisirt,  welches  hier  in  der  Form  zweier  neben  dem  Naupliusauge 
sich  inserirender,  fadenförmiger  Fortsätze  zur  Entwicklung  kommt.  Von 
inneren  Organen  sind  ausser  den  bisher  erwähnten  (Auge,  Gehirn,  Drüsen- 
schläuche der  Stirnhörner)  noch  die  zur  Bewegung  der  Extremitäten  und 
des  Thoracoabdominalanhangs  dienenden  Muskelgruppen,  sowie  der  Ver- 
dauungstract  zu  erwähnen.  Letzterer  gliedert  sich  in  einen  kurzen 
Oesophagus,  einen  weiteren  Mitteldarm  und  in  den  mit  der  dorsal  ge- 
legenen Afteröffnung  ausmündenden  Enddarm.  Ueber  das  Vorhandensein 
der  sonst  bei  den  Xauplien  der  Entomostraken  vorkommenden  An- 
tennendrüse (im  Basalglied  des  IL  Extremitätenpaares)  ist  bisher  für  die 
Cirripediennauplien  Nichts  bekannt  geworden. 

Die  Nauplien  der  Lepaden  erscheinen,  wenn  sie  aus  dem  Eie 
schlüpfen,  in  der  Gestalt  denen  der  Balaniden  ziemlich  ähnlich,  mit 
dem  einzigen  Unterschiede,  dass  die  lang  ausgezogenen  Stirnhörner  nach 
hinten  zurückgebogen  erscheinen.  Sie  erleiden  bald  nach  dem  Aus- 
schlüpfen eine  erste  Häutung,  nach  welcher  der  stachelförmige  Thoraco- 
abdominalanhang  und  der  dorsale  Schwanzstachel  erst  in  ihrer  vollen 
Länge  hervortreten.  Während  der  späteren  Häutungen  wächst  der  Le- 
padennauplius  zu  einer  ganz  ungeheueren  Grösse  (12  mm  Länge)  an  und 
zeichnet  sich  dann  durch  zahlreiche  Fortsatzbildungen  des  Körpers  aus. 
Bei  Lepas  fascicularis  werden  bis  zur  Erreichung  des  Metanauplius- 
stadiums  sieben  Häutungen  durchlaufen.  Solche  spätere  Stadien  (Fig.  280) 
zeigen  den  Thoracoabdominalanhang  (t)  und  den  dorsalen  Schwanz- 
stachel (äs)  zu  langen,  spitz  zulaufenden,  mit  Häkchen  besetzten  Fort- 
sätzen ausgezogen.  Ein  ganz  ähnlicher  Fortsatz  (d)  hat  sich  im  Mittel- 
punkt der  Rückenschale  erhoben.  Der  letztere,  schief  nach  hinten  verlau- 
fende Fortsatz  wird  als  Rückenstachel  bezeichnet.  Auch  am  Rande  des 
Rückenschildes  sind  nun  ausser  den  Stirnhörnern  acht  grössere  stachel- 
förmige Fortsätze  zu  erkennen,  von  denen  das  erste  Paar  vorne  zwischen 
den  Stirnhörnern  gelegen,  die  anderen  dagegen  an  den  Seiten  und  hinten 
vertheilt  sind.  Ausserdem  sind  sowohl  der  Rückenschild  als  auch  die 
grösseren  Fortsätze  mit  einer  Reihe  kleinster  Stacheln  besetzt.  Nur  die 
Stirnhörner  entbehren  dieses  Besatzes.  Viele  dieser  kleinsten  Stacheln 
sowohl,  als  auch  die  Randfortsätze  des  Rückenschildes  erweisen  sich  als 
durchbohrte,  mit  den  Ausführungsgängen  von  Drüsenzellen  (Hautdrüsen) 
im  Zusammenhang  stehende  Erhebungen.  An  der  Ventralseite  des  Tho- 
racoabdominalanhangs unterscheiden  wir  ausser  zwei  weiter  nach  hinten 
gelegenen  Paaren  unbeweglicher  Dornen  weiter  vorne  sechs  Paare  be- 
weglicher grösserer  Stacheln  (x),  welche  nicht  gleichzeitig,  sondern  suc- 
cessive  angelegt  werden,  so  dass  jede  neue  Häutung  ein  neues  Paar 
solcher  Stacheln  zur  Entwicklung  bringt,  bis  mit  der  letzten  Häutung  die 
Zahl  von  sechs  Paaren  erreicht  ist.  Uns  erscheint  es  ziemlich  plau- 
sibel —  was  Dohrn  (No.  42)  und  Willemoes-Suhm  (No.  62)  mit  Vor- 
sicht muthmassen  — ,  dass  diese  Stachelpaare  den  Anlagen  der  sechs 
Thoraxbeinpaare  der  cyprisähnlichen  Larve  entsprechen.  Wir  müssten 
dann  dies  letzte  Stadium  bereits  als  Metanauplius  in  Anspruch  nehmen. 

Dohrn  (No.  42)  hat  eine  —  wahrscheinlich  auf  Lepas  australis  zu  be- 
ziehende —  grosse  Naupliuslarve  unter  dem  Namen  Ar chizoea  gigas  ein- 
gehend beschrieben.  Neuere  Angaben  über  die  Lepadidenlarven  verdanken 
wir  vor  Allem  Willemoes-Suhm  (No.  62).  Mit  der  Zoealarve  der  Malako- 
straken  haben  diese  Stadien  absolut  nichts  zu  thun.  Die  Entwicklung  langer 
stachelförmiger  Fortsätze  ist  eine  bei  den  pelagischen  Thierformen  sehr  häufig 


Cnistaceen. 


405 


vorkommende    Schutzeinrichtung    (vgl.   Radiolariengehäuse    und    Pluteuslarven 
mit  ihren  Stacheln). 

Während  in  der  Reihe  der  Naupliusstadien,  wenn  wir  von  der  Ver- 
größerung des  Körpers  und  obenerwähnten  Ausbildung  von  Dornen  und 
stachelförmigen  Körperfortsätzen  absehen,  keine  wesentlichen  Veränderungen 
sich  bemerkbar  machen,  weist  das  letzte,  unmittelbar  vor  dem  Uebergang 
in  das  Cyprisstadiuni  stehende  Endglied    dieser  Reihe  (Metanauplius 
Fig.  279  B)  wichtige  Neuanlagen  von  Organen  auf.     Hinsichtlich  der  all- 
gemeinen Leibesgestaltung  ist   hervorzuheben,  dass   die  Seitentheile  des 
Rückenschildes   sich  nun   schon   allmählich  herabbiegen  und,   indem  sie 
den  Körper  lateralwärts  bedecken,  die  Lagenverhältnisse  der  zweiklappigen 
Schale  des  Cyprisstadiums   vorbilden.     Die   drei   vorderen  Extremitäten- 
paare weisen  im  Allgemeinen  noch  die 
dem  Nauplius  zukommende  Gestalt  auf, 
doch  lässt  sich  bereits  im  Inneren  des 
vordersten  Paares  (erste  Antenne)  die 
für  das  Cyprisstadium  wichtige  Anlage 
des  Saugnapfes  erkennen  (Krohn  Xo.50, 
Willemoes-Suhm  No.  62,  Claus  No.  8). 
Es  wird  hiedurch  der  Beweis  erbracht, 
dass  thatsächlich  die  Haftantennen  der 
späteren  Stadien  von  dem  vordersten 
Paare   der  Naupliusextremitäten   her- 
zuleiten   sind    (Krohn    No.    50,    Fr. 
Müller).    Hinter  der  Mandibel  ist  die 
noch  ziemlich  rudimentäre  Anlage  eines 
vierten  Extremitätenpaares  zu  erkennen, 
in   welcher  jedoch   wahrscheinlich   — 
wie   wir  später   ausführen  werden  — 
die  Anlagen  zweier  aufeinanderfolgen- 
der Extremitätenpaare  (mx)  versteckt 
liegen  (Metschnikoff  No.  53,   Claus 
No.8).  Eine  beträchtliche  Vergrösserung 
hat  der  Thoracoabdominalabschnitt  der 
Larve   erfahren,    an   welchem,    unter 
der  Naupliuscuticula  gelegen,  die  An- 
lagen   der    sechs    Ruderfusspaare    (f1 
bis  f"1)  der  Larve  (Thoraxbeinpaare), 
sowie  die  Caudalfortsätze  des  kurzen 
Abdomens  (Furcalanhänge)   zu  erken- 
nen sind  (Krohn  No.  50,  Claus  No.  8). 
Von   Wichtigkeit  ist  ferner,   dass  in 
diesem    Stadium    bereits    neben   dem 
sammengesetzten ,   durch  Muskelfasern 
der  cyprisähnlichen  Larve  angelegt  erscheinen 
Metanaupliusstadium  -   ■  wie  mit  einem  Schlage 


Fig.  280.  Larve  von  Lepas 
australis(Archizoea  g i g a s)  (nach 

DOHRX). 

a  Afteröffnung,  d  Rückenstachel, 
ds  dorsaler  Schwanzstachel,  h  Stirn- 
hörner,  ol  Oberlippe,  t  Thoracoabdomi- 
nalanhang,  x  bewegliche  Stachelpaare. 


Naupliusauge    die   paarigen,    zu- 
Augen  (Fig.  2795) 
So  sind  denn  in  diesem 
—  sämmtliche  wichtigere 


beweglichen 


Organ-  und  Extremitätenanlagen  der  cyprisähnlichen  Larve  gebildet  worden, 
welch'  letztere  durch  Abstossung  der  Naupliushaut  aus  dem  vorliegenden 
Stadium  hervorgeht. 

Das  freischwimmende  Cyprisstadium  (Fig.  281),  welches 
nur  von  kurzer  Dauer  ist,  führt  seinen  Namen  von  der  zweiklappigen, 
den  ganzen  Körper  umhüllenden  Schale.  Die  eigentliche  Körpergliederung 
und  die  innere  Organisation  hat  mit  den  Ostracoden  nichts  Gemeinsames. 


Korscheit- Hei  der,    Lehrbuch. 


27 


406 


XV.  Capitel. 


In  dieser  Hinsicht  weist  das  Cyprisstadium  Verhältnisse  auf,  welche  sich  be- 
reits stark  denen  der  ausgebildeten  Form  nähern.  Die  beiden  Schalenklappen 
welche  durch  einen  Schliessmuskel  einander  genähert  werden  können, 
gehen  an  der  dorsalen  Seite  direct  in  einander  über.  Ihr  dorsaler  Rand 
erscheint  gewölbt,  während  der  ventrale  abgeflacht  ist.  Vorne  sind  sie 
abgerundet,  nach  hinten  jedoch  spitz  zulaufend.  In  dem  vordersten  An- 
theil  der  Schalenklappen  bemerkt  man  nahe  der  Ventralseite  einen  wenig 
vorspringenden  Höcker,  in  welchem  der  letzte  Rest  der  Stirnhörner  des 
Näuplius  zu  erkennen  ist.  Die  ventralen  Schalenränder  hängen  im 
mittleren  Theile  fest  zusammen.  Nach  hinten  öffnet  sich  der  Spalt 
zwischen  denselben  zum  Durchtritt  der  Ruderfüsse  der  Larve  (rf)  und 
ebenso  findet  sich   eine   vordere   Oeffnung,    durch  welche  die   nun   als 

Haftantennen  fungiren- 
den  I.  Antennen  (1)  vor- 
gestreckt werden.  Letz- 
tere werden  im  freien 
Cyprisstadium  zur  ge- 
legentlichen Festheftung 
der  Larve,  welche  der 
definitiven  Festsetzung 
vorhergeht  und  dieselbe 
gleichsam  vorbereitet, 
benützt.  Sie  bestehen 
in  diesem  Stadium  aus 
vier  Gliedern,  von  denen 
das  Basalglied  dem  Kör- 
per mit  breiter  Basis 
aufsitzt  und  verschiedene 
Chitinspangen  zum  An- 
sätze von  Muskeln  trägt. 
Das  zweite,  armähnlich  gestreckte  Glied  ist  gegen  das  Basalglied  gebeugt; 
das  kurze  dritte  Glied  trägt  an  seiner  äusseren  Seite  die  Haftscheibe, 
in  deren  Mitte  der  Cementgang  (Ausführungsgang  der  s  Cementdrüse) 
mündet,  während  das  stummeiförmige  vierte  Glied  mit  einigen  gewöhn- 
lichen Borsten  und  einer  grösseren  Riechborste  (Claus  No.  39,  Willemoes- 
Suhm  No.  62)  besetzt  erscheint. 

Die  Cementdrüse  (vgl.  Fig.  282  cd)  selbst  weist  in  der  Cyprislarve 
sehr  verschiedene  Grade  der  Ausbildung  auf.  Sie  rückt  in  den  später 
folgenden  Puppenstadien  an  die  Basis  des  zum  Stiel  sich  umwandelnden 
Kopftheils  der  Larve  und  bildet  hier  entweder  dichtgedrängte  gewundene 
Zellstränge  (Lepas  pectinata)  oder  überall  zerstreute  Zellen,  welche  nur 
durch  die  Ausführungsgänge  im  Zusammenhang  stehen.  Dem  Bau  nach 
ist  die  Cementdrüse  als  eine  Anhäufung  zahlreicher  einzelliger  Drüsen 
an  einen  vielfach  verzweigten  Ausführungsgang  zu  betrachten,  welchem 
die  einzelnen  Drüsenzellen  wie  Beeren  einer  Traube  aufsitzen. 


Fig.  281.  Cyprisstadium  von  Lepas  fasci- 
culata  (nach  Claus,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

ua  Naupliusauge,  pa  paariges  Auge,  rf  Ruderfüsse, 
ab  Abdomen,  1  erste  Antenne. 


Ueber  die  Genese  dieser  Drüse  und  deren  morphologische  Zurückführung 
sind  wir  noch  vollkommen  im  Unklaren.  Es  hat  nicht  an  Versuchen  gefehlt, 
dieselbe  auf  eines  der  beiden  den  Crustaceen  zukommenden  typischen  Drüsen- 
paare (Antennendrüse  und  Schalendrüse)  zu  beziehen,  wenngleich  einer  solchen 
Homologisirung  durch  die  Ausmündung  an  einer  anderen  Extremität  erheb- 
liche Schwierigkeiten  sich  entgegenstellen.  Claus  (No.  8)  findet  im  Inneren 
der    Schalenduplicatur    an    dem  freischwimmenden  Cyprisstadium    von    Lepas 


Crustaceen.  407 

australis  einen  gewundenen  drüsenähnlichen  Zellstrang  und  ist  geneigt,  den- 
selben mit  der  Schalendrüse  der  übrigen  Entomostraken  zu  horaologisiren, 
während  er  muthmasst,  dass  die  in  späteren  Stadien  erkennbare  Cementdrüse 
sich  von  diesem  Zellstrang  herleitet.  Dagegen  hat  Willemoes-Suhm  (No.  62) 
schon  in  späteren  Naupliusstadien  eine  paarige,  zu  den  Seiten  des  Ursprungs 
der  Oberlippe  gelegene  Drüsenmasse  erkannt,  aus  welcher  sich  nach  seiner 
Ansicht  die  Cementdrüse  entwickeln  soll.  Bei  diesem  herrschenden  Wider- 
streit der  Ansichten  werden  wir  gut  thun,  in  der  Cementdrüse  vor  der  Hand 
eine  eigenartige  Bildung  der  Cirripedien  zu  erblicken  und  vorläufig  von 
Homologisirungen  mit  Drüsen  anderer  Krebsgruppen  abzusehen. 

Eine  äusserst  tiefgreifende  Veränderung  ist  in  der  Bildung  der  im 
Nauplius  die  Mundöffnung  umgebenden  Gliedmaassenpaare  vor  sich  ge- 
gangen. Die  IL  Antenne  scheint  vollständig  zu  schwinden  (wenn  sie  sicli 
nicht  etwa  —  wie  Pagenstecher  (No.  58)  vermuthet  —  in  dem  taster- 
förmigen  Anhang  der  Oberlippe  erhalten  hat).  Die  eigentlichen  Muncl- 
theile  erscheinen  nun  schon  samint  der  Oberlippe  auf  einen  wenig  vor- 
ragenden Mundkegel  gerückt  und  treten  in  der  Form  von  drei  Paaren 
stummeiförmiger  Anlagen  auf,  welche  wir  auf  die  späteren  Mandibeln, 
I.  Maxillen  und  die  durch  Vereinigimg  der  IL  Maxillen  hervorgegangene 
Unterlippe  beziehen  müssen.  In  welcher  Weise  diese  Mundtheile  auf 
die  Extremitäten  des  Metanaupliusstadiums  zurückzuführen  sind,  ist  noch 
völlig  unklar.  Am  wahrscheinlichsten  dünkt  uns  die  Annahme  von  Claus 
(No.  8),  der  zufolge  die  Mandibeln  aus  dem  Basalabschnitt  des  dritten 
Naupliusextremitätenpaares  hervorgehen,  während  die  dahinter  gelegene 
Extremitätenanlage  des  Metanauplius  (Fig.  279  _B,  mx)  in  ihrem  äusseren 
Abschnitte  die  I.  Maxillen  liefert.  Dagegen  soll  aus  einem  an  der 
Innenseite  dieser  Extremitätenanlage  gelegenen  Rudiment  die  Unterlippe 
entstehen.  Wir  müssten  sonach  in  dieser  Gliedmaassenanlage  des  Meta- 
nauplius die  nahe  zusammengedrängten  Anlagen  des  I.  und  IL  Maxillen- 
paares  vermuthen.  Auch  Metschnikoff  (No.  53)  lässt  aus  dieser  Anlage 
zwei  Extremitätenpaare  hervorgehen,  bezieht  dieselben  jedoch  auf  die 
Mandibeln  und  Maxillen  des  ausgebildeten  Cirripeds,  während  die 
III.  Gliedmaasse  des  Nauplius  ebenso  wie  die  des  II.  Paares  vollständig 
verschwinden  soll.  An  dem  weiter  nach  hinten  folgenden  Körperabschnitt 
finden  wir  sechs  Paare  von  Ruderfüssen  (rf),  wTelche  in  ihrem  Bau  auf- 
fallend an  die  Thoraxbeinpaare  der  Copepoden  erinnern  und  auch  in 
ähnlicher  Weise  als  Schwimmfüsse  verwendet  werden.  Sie  bestehen  aus 
einem  zweigliedrigen  Basalabschnitt  und  aus  einem  demselben  eingefügten 
Exopoditen  und  Endopoditen ,  welche  je  aus  zwei  Gliedern  zusammen- 
gesetzt sind  und  einen  Besatz  von  längeren  Ruderborsten  aufweisen.  Das 
hinterste  Körperende  trägt  ein  kurzes  viergliedriges  Abdomen  (ab), 
welches  mit  zwei  in  lange  Borsten  auslaufenden  Furcalanhängen  endigt. 

Von  inneren  Organen  sei  erwähnt,  dass  in  diesem  Stadium  sich  bereits 
sackförmige  Ausstülpungen  der  als  Magen  bezeichneten  Erweiterung  des  Darm- 
canals  anlegen,  welche  zur  sog.  Leber  sich  umbilden,  ferner,  dass  die  Anlage 
der  Ovarien  in  der  Gestalt  paariger,  im  Kopfabschnitt  nahe  der  Ventral- 
seite gelegener  Schläuche  bemerkbar  wird. 

Aus  der  freischwimmenden  Cyprislarve  geht  nach  erfolgter  definitiver 
Fixirung  die  festgeheftete,  cyprisähnliche  Larve  (Fig.  282)  der 
Cirripedien  hervor.    Da  in    diesem  Stadium  die  Nahrungsaufnahme,    so- 

27  * 


408 


XV.  Capitel. 


wie  die  Locomotion  völlig  unterdrückt  ist  und  unter  der  Cuticula  des 
Cyprisstadiums  (wie  unter  einer  Puppenhaut)  durch  Wachsthunisprocesse 
wichtige  innere  und  äussere  Umbildungen  am  Körper  der  Larve  sich 
vollziehen,  so  hat  man  dies  Stadium  mit  einiger  Berechtigung  auch  als 
cyprisähnliche  Puppe  bezeichnet.  Auch  letzterer  geht  durch  Abstreifung 
der  Cuticula  des  Cyprisstadiums  das  fertige,  junge  Cirriped  hervor. 
Ueber  das  Detail  der  Vorgänge,  unter  welchen  sich  diese  Umwandlung  voll- 
zieht, sind  wir  hauptsächlich  durch  die  Untersuchungen  von  Dakwin 
(No.  40),  Pagenstecher  (No.  58)  und  Claus  (No.  39,  8)  unterrichtet 
worden. 

Die  Larve  heftet  sich  mittelst  der  an  den  ersten  Antennen  befind- 
lichen Saugnäpfe  und  mittelst  des  von  der  Cementdrüse  ausgeschiedenen 
Klebestoffes  an  der  Unterlage  fest.     Sie  ist  ursprünglich  derart  befestigt, 


Fig".  282.     Puppe  von  Lepas  pectinata  (nach  Claus,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

ua  Naupliusauge ,  pa  paariges  Auge,  rf  Thoraxbeinpaare  (mit  den  Anlagen  der 
Rankenfüsse  im  Inneren),  o  Mund,  d  Darm,  L  Leber,  sm  Schliessmuskel ,  sc  Sputa, 
t  Terga,  ca  Carina,  cd  Cementdrüse,  1  erste  Antenne  mit  dem  Saugnapf. 


dass  ihre  ganze  ventrale  Seite  die  Unterlage  berührt  (vgl.  Fig.  283  A 
und  B).  Die  erste  Umänderung,  welche  zunächst  bemerkbar  wird,  sind 
gewisse  Wachsthumsvorgänge ,  durch  welche  einzelne  Theile  der  Larve 
der  definitiven  Form  genähert  werden.  So  werden  die  an  dem  Gipfel  des 
Mundkegels  gelegenen,  bisher  ungemein  rudimentären  Mundtheile  deutlich 
entwickelt,  welcher  Vorgang  sich  bei  den  Lepaden  vor  Allem  unter  Ver- 
grösserung  der  Oberlippe  vollzieht.  Ebenso  wachsen  die  Thoraxbeinpaare 
(Fig.  283  B)  viel  länger  zur  Anlage  der  Rankenfüsse  (rf)  aus.  Alle 
diese  Theile  werden  unterhalb  der  etwas  gelockerten  Cypriscuticula  an- 
gelegt. Es  ist  natürlich,  dass  die  lang  auswachsenden  Rankenfüsse  in 
den  kurzen  Hüllen  der  Thoraxbeine  des  Cyprisstadiums  nicht  genügenden 
Platz  zur  Entwicklung  finden,  und  daher  unter  mannichfachen  Krüm- 
mungen einigermassen  gegen  das  Innere,  des  Thorax  vordrängen  (Fig.  282). 
Das  Abdomen  verkümmert  fast  vollständig,  während  von  der  Basis  des- 
selben (Genitalsegment)  der  unpaare  Penis  als  Ausstülpung  vorwächst. 

Gleichzeitig  mit  diesen  Entwicklungsvorgängen  vollzieht  sich  eine  be- 
deutsame Lageveränderung  des  gesammten  Thorax  (vgl.  Fig.  283  A  und  B). 
Während  derselbe  in  den  früheren  Stadien  der  Ventralfiäche  annähernd 
parallel  gelagert  war,  richtet  er  sich  nun  mehr  senkrecht  gegen  dieselbe, 


Crustaceen. 


409 


so  dass  die  Afteröffnung  jetzt  nicht  mehr  hinter  der  Mundöffnung,  son- 
dern über  dieselbe  zu  liegen  kommt.  Hand  in  Hand  mit  dieser  Lage- 
veränderung vollzieht  sich  auch  eine  schärfere  Abgrenzung  des  Thorax 
von  der  Kopfregion,  indem  die  Uebergangsstelle  (a)  der  Thoraxwand  in 
die  innere  Mantelfläche  nach  der  Ventralseite  zu  vorrückt  (vgl.  die  Lage 
des  Punktes  x  in  Fig.  283  A  und  B). 

Inzwischen  gehen  auch  mehrfache  Veränderungen  in  dem  vorderen 
Kopfabschnitte  der  Larve  vor  sich,  welche  die  Umwandlung  desselben  in 
den  Stiel   der  Lepadiden  vorbereiten.     Zunächst  ist  zu  erwähnen ,    dass 


Fig.  283.     Schematische  Darstellung  der  Metamorphose  von  Lepas. 

A  Cyprisstadium,  B  festgeheftete  sog.  Puppe,  C  junges  Lepasstadiuni,  noch  von 
der  gelockerten  Cyprisschale  (s)  umhüllt. 

a'  erste  Antenne,  ab  Abdomen,  c  Carina,  d  Darmcanal,  m  Mund,  o  unpaares  Auge, 
pa  paariges  Auge,  rf  Thoraxfüsse.  *  Cyprisschale,  sc  Scuta,  t  Terga,  x  Umschlagsstelle 
des  dorsalen  Integumentes,  y  ventrale  Einbuchtung. 


das  verbreiterte  Basalglied  der  Haftantennen  vollständig  mit  dem  Kopf- 
abschnitt verschmilzt  und  in  denselben  aufgenommen  wird,  so  dass  die 
Haftantennen  des  ausgebildeten  Cirripeds  nur  mehr  aus  drei  Gliedern 
bestehen.  Ausserdem  bildet  sich  etwas  hinter  dieser  Stelle  eine  tiefe 
Einfaltung  (Fig.  283  B,  y)  der  Körperoberfläche,  als  Andeutung,  dass  der 
zum  Stiel  sich  umwandelnde  Kopfabschnitt  in  den  Larven  dieser  Stadien 
eine  geknickte  Lagerung  einnimmt. 

Diese  Einfaltung  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  die  Haut  des  Stieles 
sich  von  der  Cuticula  der  Cyprislarve  nach  innen  zurückzieht.  Dabei  bleiben 
jedoch  einige  wichtige  Organe  der  Larve,  welche  in  das  ausgebildete  Thier 
nicht  mit  übernommen  werden,  an  der  Cyprishaut  haften.  So  vor  Allem  das 
paarige  Auge  (Fig.  282  2)a),  (während  das  Naupliusauge  in  das  ausgebildete 
Cirriped  übergeht  und  zeitlebens  vorhanden  ist),  ferner  die  von  Darwin  als 
Apodemen  bezeichneten  Chitinfortsätze,  welche  zum  Ansatz  der  Antennen- 
muskel dienen  und  mit  der  nun  folgenden  Häutung  abgeworfen  werden.  Diese 
Details  sind  an  unseren  Abbildungen  nicht  angegeben. 


410  XV.  Capitel. 

Die  wichtigste  nun  folgende  Veränderung  ist  eine  Lageveränderung 
der  Larve  und  die  damit  in  Zusammenhang  stehende  Streckung  des 
Stieles.  Die  Larve  erhebt  sich  nun  von  ihrer  Unterlage,  ihre  Ventralfläche 
steht  dann  gegen  die  Unterlage  senkrecht.  Gleichzeitig  rückt  der  Stiel 
zwischen  den  Schalenklappen  des  Cyprisstadiums  heraus  (Fig.  283  C)  und 
streckt  sich,  wobei  die  eben  erwähnte  Einfaltung  seiner  ventralen  Seite 
ausgeglichen  wird. 

Es  wurde  von  Darwin  (No.  40)  hervorgehoben,  dass  jener  Theil,  mit 
welchem  die  Fixirung  der  Larve  zunächst  sich  vollzieht,  nicht  dem  Stirn- 
rande entspricht,  sondern  dem  vordersten  Theil  der  ventralen  Fläche.  Erst 
nach  der  erwähnten  Aufrichtung  kommt  der  Stirnrand  mit  der  Unterlage  in 
Berührung  und  wird  mit  derselben  durch  Secret  verklebt.  Bei  Crypto- 
phialus  dagegen,  sowie  bei  Alcippe,  Lithotrya  und  Anelasma  wird 
diese  Parthie  nicht  festgeklebt,  sondern  wächst  noch  weiter  aus.  Das  kann 
nur  geschehen,  wenn  die  Unterlage  entsprechend  nachgiebt,  was  bei  Anelasma 
als  einfache  Folge  des  ausgeübten  Druckes,  bei  den  übrigen  genannten  Formen 
in  Folge  einer  bohrenden  Action  des  Stieles  bewirkt  wird. 

Das  Herausrücken  des  Stieles  aus  der  Cyprisschale  wird  dadurch  er- 
möglicht, dass  die  letztere  in  diesen  Stadien  ihrer  Unterlage  nur  mehr  ganz 
locker  aufsitzt.  Während  im  Cyprisstadium  der  gesammte  Kopfabschnitt  in 
das  Innere  der  zweiklappigen  Schale  aufgenommen  ist,  unterscheidet  sich  das  aus- 
gebildete Cirriped  von  der  Larve  dadurch,  dass  sein  vorderster  Kopfabschnitt 
(Stiel)  von  der  Schale  unbedeckt  ist,  während  hier,  ähnlich  wie  bei  den 
Cladoceren,  nur  der  die  Mundtheile  tragende  Abschnitt  des  Kopfes  in  das 
Innere  der  Schale  aufgenommen  erscheint.  Wir  können  uns  diese  Verände- 
rung dadurch  zu  Stande  gekommen  denken,  dass  jener  vorderste  Theil  der 
Mantelfalte,  welcher  in  der  Cirripedienpuppe  den  vordersten  Kopfabschnitt 
bedeckt,   bei   dem  Auswachsen   des  Stieles  secundär  wieder  geglättet  wurde. 

Nun  tritt  unter  der  Cyprisschale  auch  schon  die  definitive  Cirri- 
pedienschale  deutlicher  hervor,  und  sind  an  der  letzteren  die  ersten  An- 
lagen (primary  valves  Darwin)  der  fünf  Kalkplatten  (Scuta,  Terga  und 
Carina)  zu  erkennen  (Fig.  283  0,  c,  sc,  t).  Diese  Primärplatten  (primary 
valves)  zeichnen  sich  durch  ihre  siebähnliche  Sculptur  aus,  was  davon  herrührt, 
dass  die  Grenzen  der  Matrixzellen  an  der  mit  Kalk  imprägnirten  Abscheidimg 
erkennbar  bleiben.  An  der  Oberfläche  sind  diese  Platten  von  einem  cuti- 
cularen  Häutchen  bedeckt.  Die  Primärplatten  nehmen  nicht  an  Grösse 
zu ;  die  Vergrösserung  der  Platten  vollzieht  sich  in  der  Weise,  dass  unter 
den  Primärplatten  immer  neue  Kalkschichten  zur  Abscheidung  kommen, 
welche  die  vorher  abgelagerten  Schichten  an  Grösse  übertreffen.  Das 
Oberflächenbild  zeigt  dann  die  Primärplatten  von  den  concentrischen 
Grenzlinien  der  darunter  liegenden  Kalkschichten  umgeben.  Durch  diese 
Vergrösserung  der  Platten  werden  die  nicht  verkalkten  Parthien  der 
Schale,  welche  sich  zwischen  den  Platten  ausdehnen,  immer  mehr  ein- 
geengt. Doch  können  diese  Zwischenräume  in  einzelnen  Fällen  auch  in 
ansehnlicher  Ausdehnung  erhalten  bleiben  (Conchoderma).  Es  verdient 
erwähnt  zu  werden,  dass  bei  jenen  Formen,  denen  eine  grössere  Platten- 
zahl zukommt,  doch  zunächst  nur  jene  angeführten  fünf  Primärplatten 
angelegt  werden. 

Die  Metamorphose  derBalaniden  ist  für  die  ersten  Stadien  eine  ganz 
ähnliche.    Auch  hier  entwickelt  sich  zunächst  aus  der  Cyprispuppe  eine  Jugend- 


Crustaceen.  411 

form,  welche  mit  einem  kurzen  fleischigen  Stiel  der  Unterlage  aufsitzt.  Erst 
später  entwickelt  sich  aus  letzterem  die  für  die  Balaniden  charakteristische 
basale  Ausbreitung  und  bildet  sich  jene  äussere  secundäre  Mantelfalte,  gegen 
welche  das  die  Scuta  und  Terga  tragende  oberste  Stück  der  Schale  als  Oper- 
culum  eingesenkt  erscheint.  Die  erste  Anlage  der  Platten  ist  hier  eine  mem- 
branöse,  entbehrt  jedoch  jener  für  die  Lepaden  erwähnten  charakteristischen 
Sculptur. 

Während  auf  diese  Weise  die  Gestaltungsverhältnisse  des  ausgebildeten 
Thieres  erreicht  werden,  treten  auch  an  den  inneren  Organen  wichtige,  zum 
Theil  noch  wenig  gekannte  Veränderungen  ein.  Einige  Organe  werden  mit 
der  Häutung  abgeworfen  (paariges  Auge,  Antennenapodemen),  andere  einfach 
rückgebildet  (Antennenmuskeln).  Inzwischen  zeigt  sich  am  Darmcanal  das 
Auswachsen  der  Leberausstülpungen.  Die  Cementdrüse  erscheint  beträchtlich 
vergrössert,  vor  Allem  aber  sind  die  Geschlechtsorgane  zur  Entfaltung  ge- 
•kommen.  Für  die  Ovarien  vollzieht  sich  eine  charakteristische  Lageverände- 
rung,  indem  sie  in  das  Innere  des  Stieles  hineinrücken. 

Mit  der  nun  erfolgenden  Häutung,  durch  welche  die  Cuticula  der  Cypris- 
larve  abgeworfen  wird,  ist  der  Abschluss  dieser  Entwicklungsperiode  gegeben. 
Die  Häutung  geschieht  in  der  Weise,  dass  zunächst  die  äussere  Cuticula  der 
beiden  Schalenklappen  abgeworfen  wird.  Erst  später  häutet  sich  der  Thorax 
und  der  innere  Mantelraum. 

Die  Metamorphose  scheint  für  die  meisten  Thoracica  in  der  geschilder- 
ten Weise  abzulaufen.  Nur  in  einzelnen  Fällen  ist  die  Metamorphose  mehr 
abgekürzt.  So  scheint  es  nach  den  Angaben  von  Koken  und  Daxielssen 
(No.  48),  dass  die  Earven  von  Anelasma  squalicola  den  grössten  Theil 
ihrer  Metamorphose  innerhalb  des  Mantelraums  der  Mutter  durchlaufen. 
Kossmann  erwähnt  die  Nauplien  dieser  Form,  deren  Larven  nach  den  oben- 
genannten Autoren  mit  sechs  Beinpaaren  versehen  ausschwärmen  sollen. 
Pagexstecher  hat  mit  Recht  diese  Verhältnisse  mit  der  Fixirung  von  Ane- 
lasma auf  Haifischen  in  Zusammenhang  gebracht.  Noch  mehr  abgekürzt  ist 
die  Metamorphose  bei  Seal pellum  Strömii,  wo  Hoek  (No.  45)  das  von 
der  Naupliushaut  umhüllte  Cyprisstadium  noch  innerhalb  der  Eihüllen  vorfand. 

B.   Abdominalia. 

Die  Metamorphose  der  in  die  Columella  von  Fusus-  und  Buccinum- 
schalen  (besonders  solcher,  welche  einen  Paguriden  beherbergen)  sich 
einbohrenden  Alcippe  scheint  nicht  wesentlich  von  der  der  Thoracica 
abzuweichen.  Die  Nauplien  sind  durch  Hancock  bekannt  geworden. 
Das  Cyprisstadium,  welches  von  Darwin  (No.  40)  beschrieben  wird,  ist 
durch  den  Besitz  von  sechs  Thoraxbeinpaaren  ausgezeichnet,  was  er- 
wähnenswerth  ist  gegenüber  der  reducirten  Zahl  und  Gestalt  dieser  Ex- 
tremitäten im  ausgebildeten  Thiere,  von  denen  sich  nur  vier  Paare  (das 
erste  tasterförmig ,  das  zweite  zweiästig,  das  dritte  und  vierte  einästig) 
erhalten. 

Bei  der  in  Haliotisschalen  sich  einbohrenden  Ko chlorine  fand 
Noll  (No.  56)  zweierlei  Larvenformen:  kleinere,  mit  den  Haftantennen 
versehene ,  aber  eines  Mantels  entbehrende  Larven ,  und  grössere ,  mit 
zweiklappiger  Schale  versehene,  einem  Cyprisstadium  ähnliche  Formen. 
Es  ist  wahrscheinlich ,  dass  die  Metamorphose  sich  hier  eng  an  die  der 
nahe  verwandten  Gattung  Cryptophial  us  anschliesst. 

Die  Entwicklung  von  Cryptophialus,  welche  durch  Darwin 
(No.  40)  bekannt  geworden  ist,  muss  als  eine  stark  abgekürzte  bezeichnet 


412  XV.  Capitel. 

werden.  Das  Ei  wandelt  sich  hier  ziemlich  direct  in  die  cyprisähnliche 
Larvenform  um.  Zunächst  entsteht  aus  dem  ovalen  Ei  eine  Larvenform, 
an  welcher  man  zwei  Fortsätze  als  Anlagen  der  Haftantennen  erkennen 
kann.  Ein  dritter  Fortsatz  deutet  das  hintere  Körperende  an.  In  einem 
späteren  Stadium  sitzen  die  Haftantennen  genähert,  während  der  Körper 
im  Allgemeinen  mehr  spitz  eiförmig  gestaltet  erscheint.  Aus  diesem 
Stadium  geht  die  Cyprisform  hervor,  an  welcher  wir  die  Mantelduplicatur, 
das  paarige  Auge  und  die  wohlentwickelten  Haftantennen  unterscheiden 
können.  Thoraxbeinanlagen  fehlen  hier,  doch  finden  sich  an  dem  Ab- 
domen drei  Borstenpaare.  Diese  Larven  kriechen  mittelst  der  Haft- 
antennen in  der  Mantelhöhle  der  Mutter  umher,  um  sich  schliesslich  in 
die  ausgebildete  Form  umzuwandeln.  Lieber  die  Entwicklung  des  Stieles 
bei  diesen  Formen  vgl.  oben  pag.  410. 

C.    Rhizocephala. 

Die  freischwimmenden  Stadien  der  Rbizocephalen  (Nauplius-  und 
Cyprisstadium)  sind  schon  früher  durch  F.  Müller  No.  54,  55,  Koss- 
mann  No.  49  und  Andere  beobachtet  worden.  Die  späteren  Umwand- 
lungen dagegen,  durch  welche  der  Uebergang  des  Cyprisstadiums  in  die 
ausgebildete  parasitäre  Form  vermittelt  wird,  sind  erst  durch  die 
Beobachtungen  von  Delage  (No.  41)  fürSacculina  carcini  bekannt 
geworden.  Wir  legen  deshalb  unserer  Schilderung  der  Rhizocephalen- 
entwicklung  die  Mittheilungen  von  Delage  zu  Grunde. 

DieNauplien  vonSacculina  carcini  verlassen  das  Ei  in  einer 
mehr  gedrungenen  Form,  gehen  jedoch  durch  eine  bald  nach  dem  Aus- 
schlüpfen erfolgende  Häutung  in  eine  gestrecktere  Form  (Fig.  284  A) 
über.  Im  Uebrigen  zeigen  sie  ganz  den  für  die  Cirripedien  normalen 
Typus.  Die  beiden  Stirnhörner  mit  ihren  Drüsen  (gl)  sind  wohl  ent- 
wickelt, ebenso  die  fadenförmigen  Frontalorgane  (fs)  und  das  dem  Ge- 
hirn aufgelagerte  Naupliusauge  (ua).  Als  Rest  der  Oberlippe  ist  ein  als 
Rostruin  bezeichneter  Vorsprung  zu  erkennen;  dagegen  fehlt  die  Mund- 
öffnung, der  Darmcanal  und  die  Afteröffhung.  Die  Stelle  des  Darmcanals 
ist  hier  von  einer  umfangreichen  Nahrungsdotteransammlung  eingenommen. 
Die  Naupliusextremitäten  (1,  2,  3)  sind  in  der  typischen  Weise  ent- 
wickelt; doch  fehlen  an  den  Protopoditen  der  zwei  hinteren  Paare  die 
sonst  daselbst  zu  findenden  Kieferhaken.  Eine  zwischen  dem  Gehirn 
und  dem  Rostrum  im  Inneren  des  Körpers  gelegene  unpaare  Zellgruppe 
wird  von  Delage  als  Ovarium  (ov)  in  Anspruch  genommen. 

Fkitz  Müller  hat  für  die  Nauplien  von  Sacculina  das  Vorhanden- 
sein eines  breiten,  ovalen  Rückenschildes  behauptet.  Doch  hat  bereits  Koss- 
maxn  darauf  hingewiesen,  dass  die  betreffenden  Bilder  auf  Larven  zu  beziehen 
seien ,  welche  vor  der  Häutung  stehen  und  bei  denen  sich  die  Naupliuscuti- 
cula  weit  abgehoben  hat. 

Die  wichtigsten  nach  einer  weiteren  dritten  Häutung  sich  geltend 
machenden  Veränderungen  bestehen  in  dem  Anwachsen  des  hinteren, 
thoracoabdominalen  Abschnittes  des  Nauplius,  an  welchem  bald  die  sechs 
Thoraxsegmente  mit  ihren  Beinanlagen  und  die  rudimentäre  Anlage  des 
Abdomens  gesondert  erscheinen.  Gleichzeitig  bereitet  sich  in  den 
vordersten  Gliedmassen  des  Nauplius  die  Bildung  der  Haftantennen  vor 
( M  e  t  a  n  a  u  p  1  i  u  s  s  t  a  d  i  u  m). 


Crustaceen. 


413 


Durch  die  vierte  Häutung  wird  das  freie  Cypris Stadium 
(Fig.  2845)  erreicht.  Mit  dieser  Häutung  werden  die  zweiästigen  Ex- 
tremitäten des  Näupliusstadiums  völlig  abgeworfen  und  zwar  bleiben  nicht 
nur  die  Chitinhüllen  dieser  Extremitäten  an  der  abgestreiften  Hülle 
hängen,  sondern  es  scheint,  dass  auch  von  den  Weichtheilen  desselben 
Einiges  amputirt  und  mit  der  Häutung  abgeschnürt  wird.  Das  Cypris- 
stadium,  welches  ebenso  wie  die  vorhergehenden  Stadien  des  Darmcanals 
völlig  entbehrt ,  weist  in  seiner  Gestalt  eine  grosse  Uebereinstimmung 
mit  dem  gleichnamigen  Stadium  der  Thoracica  auf.  Die  zweiklappige  Schale 
hat  ungefähr  die  gleiche  Gestalt;  die  Gliederung  des  Thorax,  die  Gestalt 


Fig.  284.  Aufeinanderfolgende  Larvenstadien  von  Sacculina  Carcini  (nach 
Delage,  aus  Läng's  Lehrbuch). 

A  Nauplius  nach  der  ersten  Häutung,  B  freischwimmendes  Cyprisstadium,  (7Cypris- 
stadium  nach  erfolgter  Festheftung  an  einer  Borste  (bb)  des  Wirthes,  D  Bildung  des 
kentrogonen  Stadiums,  E  kentrogones  Stadium  nach  Abstreifung  der  Cyprislarvenschale 
und  mit  Bildung  des  Pfeiles,  F  Durchstossung  des  Pfeiles  durch  den  Chitinpanzer  des 
Wirthes. 

1,  2,  3  die  drei  Paare  der  Naupliusgliedmaassen,  I — VI  Thoraxbeinpaare,  ab  Ab- 
domen, bb  Borste  des  Wirthes,  /  Fettkugeln,  /*  frontales  Sinnesorgan,  gl  Drüsen  der 
Stirnhörner,  ov  Anlage  des  Ovariums,  pf  Pfeil,  ua  Naupliusauge. 


der  Ruderfüsse  (I — VI)  stimmen  überein.  Das  Abdomen  (ab)  ist  ungemein 
rudimentär  und  besteht  aus  einem  einzigen  Gliede.  welchem  zwei  Furcal- 
fortsätze   anhängen.     Die   erste   Antenne   (1)    entbehrt    der   Saugscheibe 


414  XV.  Capitel. 

und  des  Cementganges.  Sie  besteht  aus  drei  Gliedern:  einem  ver- 
breiterten, mit  den  chitinösen  Apodemen  in  Verbindung  stehenden  Grund- 
gliede,  einem  gestreckten  Mittelgliede  und  einem  kurzen,  mit  drei  Haken- 
borsten versehenen  Endgliede.  Erwähnenswerth  ist  der  Mangel  des 
paarigen  Auges,  während  das  Xaupliusauge  (ua)  persistirt.  Von  inneren 
Organen  sind  vor  Allem  die  sehr  deutliche  Zellmasse  des  Ovariums  (ov), 
die  kräftig  entwickelte  Musculatur ,  die  noch  vorhandene  Drüse  der 
Stirnhörner  (gl),  ferner  Pigmentansammlungen  und  Xahrungsdottermasse  (/") 
zu  erkennen. 

Das  nächste  Stadium,  welches  wir  der  Puppe  der  Thoracica  gleich- 
stellen können,  wird  von  Delage  als  das  kentrogone  Stadium  be- 
zeichnet. In  diesem  Stadium  vollzieht  sich  die  Fixirung  der  Larve  an 
dem  Körper  des  Wirthes  (Carcinus  maenas)  und  das  Eindringen  der- 
selben in  die  Leibeshöhle  des  letzteren.  Nachdem  das  freie  Cyprisstadium 
drei  bis  vier  Tage  lang  umhergeschwärmt  ist,  sucht  es  eine  junge 
Krabbe  (von  3 — 12  mm  Breite)  auf,  um  sich  an  einer  der  Borsten  (bb), 
die  sich  andern  Integument  der  letzteren  erheben,  festzuklammern.  Die 
Fixirung  (Fig.  284  C)  vollzieht  sich  in  der  Weise,  dass  eine  jener  Borsten 
nahe  ihrer  Insertionsstelle  von  einer  der  beiden  Haftantennen  des  Cypris- 
stadiums  (1)  umfasst  wird.  Die  Stelle,  an  welcher  die  Cyprislarven  sich  fest- 
heften, ist  nicht  —  wie  man  a  priori  erwarten  sollte  —  an  der  Ventral- 
fläche des  Abdomens  (des  Wirthes)  gelegen,  sondern  eine  mehr  beliebige. 
Häufig  geschieht  die  Fixirung  am  Rücken  des  Wirthes,  sehr  häufig  auch 
an  den  Beinen.  Die  nächsten,  sich  nun  vollziehenden  Veränderungen 
können  bezeichnet  werden  als  eine  Häutung,  welche  unter  umfangreicher 
Abstossung  (Amputation)  wichtiger  Körperparthien  sich  vollzieht.  Zunächst 
zieht  sich  die  weiche  Inhaltsmasse  in  den  Haftantennen  zurück  und 
gleichzeitig  werden  die  Apodemen  (Chitinsehnen  der  Antennenmuskeln) 
aus  dem  Inneren  des  Körpers  ausgestossen.  Letztere  haften  noch  lange 
an  den  Hüllen  der  Haftantennen.  Auch  diese  erhalten  sich  längere  Zeit 
(Fig.  284  D) ,  denn  sie  sind  zur  Vermittlung  der  Fixirung  am  Wirthe 
von  Wichtigkeit.  Während  sich  nun  die  Weichtheile  der  Cyprislarve 
überall  von  der  Chitinumhüllung  zurückziehen,  wird  der  Thorax  weit  aus 
den  Schalenklappen  vorgestreckt  und  in  toto  amputirt  (Fig.  2840). 
Dies  kann  nur  unter  einer  ziemlich  umfangreichen  Continuitätstrennung 
bewerkstelligt  werden  und  durch  die  so  entstandene  Ruptur  werden  in 
der  Folge  zahlreiche  Reste  innerer  Organe  nach  aussen  befördert,  welche 
in  gleicher  Weise  für  die  Larve  verloren  gehen.  So  wird  ein  grosser 
Theil  des  in  der  Larve  befindlichen  Pigmentes,  sowie  die  Dotterreste 
ausgestossen,  die  Stirndrüsen  und  die  gesammte  Körpermusculatur  fällt 
einem  Rückbildungsprocess  anheim  und  die  dabei  entstehenden  Detritus- 
massen werden  sammt  dem  Naupliusauge  eliminirt.  Der  nach  Lostrennung 
aller  dieser  Organe  übrig  bleibende  Rest  des  Körpers  zieht  sich  nun  zur 
Bildung  eines  ovalen ,  soliden  Sackes  (Fig.  284  D)  zusammen ,  welcher 
sich  bald  mit  einer  Chitinhülle  umgiebt.  Letztere  liegt  dem  Sacke 
ringsum  dicht  an;  nur  im  vordersten,  den  Haftantennen  zugewendeten 
Antheil  bemerkt  man,  dass  der  Weichkörper  gegen  das  Innere  der  Haft- 
antennen anscheinend  bloss  liegt.  Wahrscheinlich  ist  die  neugebildete 
Hülle  hier  ungemein  zart  und  der  Innenfläche  der  Haftantennen  dicht 
angelagert.  Die  Schichten,  in  welche  der  Inhalt  des  Sackes  zerfällt,  sind 
in  diesen  Stadien  sehr  undeutlich.  Doch  kann  man  eine  oberflächliche, 
ectodermale  Zellschicht  von  der  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  mesoder- 
malen  Innenmasse  unterscheiden,  deren  Hauptbestandtheil  die  Zellmasse 


Crustaceen.  415 

des  Ovariums  ausmacht,  während  aussei"  Pigment-  und  Dotterresten  wohl 
auch  weitere  Mesodermelemente  in  die  Bildung  dieser  Schicht  eingegangen 
sein  dürften,  von  welchen  sich  die  Hodenanlagen,  sowie  die  Musculatur 
und  andere  Organe  der  ausgebildeten  Sacculina  herleiten.  Es  ist  von 
Wichtigkeit,  im  Auge  zu  behalten,  dass  der  so  entstandene  encystirte 
Sack,  nachdem  der  gesammte  Thorax  abgestossen  wurde,  ausschliesslich 
aus  dem  Kopfabschnitt  der  Cyprislarve  hervorgegangen  ist. 

Zunächst  beginnt  nun  der  Weichkörper  der  sackförmigen  Larve  an 
seinem  vorderen  Ende  eine  kleine  ausgezogene  Spitze  zu  entwickeln 
(Fig.  284  D),  welche  in  den  Innenraum  der  zur  Festheftung  verwendeten 
Antenne  vorgeschoben  ist,  worauf  die  Abscheidung  einer  neuen  Chitin- 
cuticula  an  der  Oberfläche  des  Weichkörpers  (zweite  Häutung  des 
kentrogonen  Stadiums)  erfolgt  (Fig.  284  E).  Indem  diese  neuaus- 
geschiedene  Cuticularschicht  sich  im  Bereiche  des  vorderen  Spitzchens 
beträchtlich  verdickt,  kommt  es  hier  zur  Bildung  jener  pfeilförmigen 
Röhre,  nach  welcher  das  kentrogone  Stadium  benannt  ist.  Letztere 
stülpt,  indem  sie  sich  durch  Längenwachsthum  vergrössert  und  dabei 
etwas  krümmt,  die  Oberfläche  des  Sackes  in  dessen  vorderem  Antheile 
nach  Innen  ein  (Fig.  284 E).  In  diesem  Stadium  haftet  die  ab- 
gestossene  Cyprisschale  nur  mehr  ganz  locker  an  dem  Sacke  und  wird 
meist  völlig  abgeworfen. 

Nun  erfolgt  die  Vorstossung  des  Pfeiles  (Fig.  284  F,  pf),  wobei  die 
eben  erwähnte  Einstülpung  wieder  ausgestülpt  wird.  Der  Pfeil  gelangt 
zunächst  in  den  Innenraum  der  Haftantenne,  und  von  da  —  durch  die 
letztere  geleitet  —  an  die  weiche  Einlenkungsmembran  der  Borste,  an 
welcher  das  Cyprisstadium  sich  festgeheftet  hat.  Indem  der  Pfeil  diese 
Membran  durchbohrt,  ist  eine  Comnmnication  zwischen  dem  Innenraum 
des  Sackes  und  der  Leibeshöhle  des  Wirthes  hergestellt.  Während  dieser 
Vorgänge  umgiebt  sich  der  weiche  Innenkörper  mit  einer  weiteren,  ganz 
feinen  Chitincuticula  (dritte  Häutung  des  kentrogonen  Stadiums). 

Es  folgt  nun  eine  Lücke  in  unserer  Kenntniss  der  Sacculina- 
Entwicklung.  Es  kann  jedoch  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass 
der  Weichkörper  der  Larve  durch  den  Canal  des  Pfeiles  hindurchschlüpft, 
um  auf  diese  Weise  in  die  Leibeshöhle  des  Wirthes  zu  gelangen. 
Die  Sacculina  ist  nun  zu  einem  Endoparasiten  (Sacculina  interna) 
geworden. 

Sacculina  interna.  Die  endoparasitäre  Larve  wandert  nun  von 
jenem  Punkte,  an  welchem  die  Festheftung  des  Cyprisstadiums  sich 
vollzog  im  Inneren  des  Wirthes  weiter,  bis  sie  die  ventrale  Seite  des 
Darmcanals  im  Bereiche  des  Abdomens  erreicht  hat,  wo  die  endgültige 
Fixirung  stattfindet.  Gleichzeitig  entsendet  sie  bereits  ein  äusserst  aus- 
gebreitetes Geflecht  von  Wurzeln,  welche  in  sämmtliche  Körperregionen 
des  Wirthes  eindringen,  die  Oberfläche  sämmtlicher  Organe  umspinnen 
und  nur  das  Herz  und  die  Kiemen  unbelästigt  lassen.  An  der  Stelle, 
an  welcher  die  eigentliche  Sacculina  sich  findet,  treten  sämmtliche 
Wurzeln  zur  Bildung  einer  Platte  (Basalmembran)  zusammen  (vgl. 
Fig.  286  5),  in  deren  Mitte  eine  Vorwölbung  (Central tum or  (Fig. 
286  C)  zu  bemerken  ist.  Die  Anlage  des  Körpers  der  Sacculina  liegt  in 
diesen  Centraltumor  als  sog.  Nucleus  eingesenkt.  Wurzeln,  Basal- 
membran und  Centraltumor  zeigen  im  Wesentlichen  denselben  histologischen 
Bau.  Sie  bestehen  aus  einem  oberflächlichen  Epithel  (Ectoderm)  und 
einem  inneren,  cavernösen  Gewebe,  welches  aus  sternförmigen,  mit 
einander  anastomosirenden  Bindegewebszellen  zusammengesetzt  ist. 


416 


XV.  Capitel. 


Der  Nucleus  (Fig.  285)  ist  in  den  Centraltumor  vollkommen  ein- 
gesenkt; er  liegt  demnach  in  einer  Höhle,  welche  Delage  als  Perivis- 
ceralhöhle  (jp)  bezeichnet  und  welche  nur  durch  eine  feine  Oeffnung  (o) 
nach  aussen  mündet.  Auch  diese  Oeffnung  schliesst  sich  (Fig.  285  B),  um 
später  in  der  Form  einer  quergestellten  Spalte  (Fig.  286  f,  fentedesortie) 
wiederzuerscheinen.  Jene  Stelle,  an  welcher  der  Nucleus  der  Wand  der 
Perivisceralhöhle  aufsitzt,  wird  schon  jetzt  als  Stiel  (Pedunculus)  des  Nucleus 
bezeichnet. 


Am  Nucleus  (Fig.  285  Ä)  selbst  können  wir  eine  oberflächliche 
ectodermale  Schichte  unterscheiden,  welche  im  Umkreis  des  Stieles  in 
die    Wandung    der    Perivisceralhöhle    übergeht.      Die    Innenmasse    des 

Nucleus  besteht  in  diesen  Sta- 
dien fast  ausschliesslich  aus  der 
Ovarialanlage  (ov) ;  doch  finden 
sich  in  seinem  Stiel  einige 
Mesodermzellen  (m),  welche  für 
die  Ausbildung  der  Hoden,  der 
Musculatur,  des  Bindegewebes 
etc.  von  Bedeutung  werden. 

Es  tritt  nun  zunächst  in 
der  Ectodermschicht  des  Nucleus 
eine  Spaltung  (Delamination) 
auf,   indem    diese   Lage   durch 


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Zellvermehrung  zweischichtig 
wird  und  die  beiden  so  gebil- 
deten Schichten  auseinander- 
rücken (Fig.  285  B).  In  den 
Zwischenraum  zwischen  beiden 
wandern  einige  der  oben  er- 
wähnten Mesodermzellen  ein, 
um  die  Musculatur  des  Mantels 
der  Sacculina  zu  liefern.  Die 
beiden  nun  entstandenen  Ecto- 
dermschichten  bezeichnet  man 
als  ä  u  s  s  e  r  e  (am)  und  innere 
(im)  Mantelschicht  nach 
ihrer  Beziehung  zum  Mantel 
der  späteren  Sacculina.  Es  voll- 
zieht sich  nun  ein  ganz  ähn- 
licher zweiter  Delaminations- 
process  im  Bereich  der  inneren 
Mantelschicht,  durch  welchen 
von  dieser  nach  innen  ein  den 
centralen  Theil  des  Nucleus 
umkleidendes  ectodermales 
Blatt  abgetrennt  wird.  Letzteres  wird,  da  es  den  späteren  Visceralsack  der 
Sacculina  bildet,  als  perivisceraleEctoderm  schicht  unterschieden . 
Zwischen  dieser  und  der  inneren  Mantelschicht  tritt  nun  eine  von  Chitin 
ausgekleidete  Höhlung  (Fig.  286  6)  auf,  der  sog.  Brutraum  (cavite 
incubatrice).  Man  sieht,  dass  auf  solche  Weise  durch  Umbildungen 
des  Nucleus  an  diesem  die  wichtigsten  Körperparthien  der  ausgebildeten 
Sacculina  angelegt  worden   sind:   der  innere  Visceralsack,   die  Bruthöhle 


Fig.  285.  Zwei  Schnitte  durch  den  Nucleus 
einer  Sacculina  interna  (nach  Delage). 
A  jüngeres  Stadium,  B  älteres  Stadium. 

am  äussere  Mantelschicht,  im  innere  Mantel- 
schicht, m  Mesodermzellen  o  Oeffnung  der  peri- 
visceralen Höhle,  ov  Ovarialanlage,  2}  peri- 
viscerale  Höhle. 


Crustaceen. 


417 


und  die  dieselbe  umgebende  Mantelduplieatur.  Der  Visceralsack  wird 
nicht  ringsum  von  der  Bruthohle  umgeben,  sondern  längs  eines  Halb- 
Meridians  geht  die  innere  Mantelschicht  in  zwei  Blättern  in  die  perivis- 
cerale Ectodermschicht  über;  diese  Uebergangsstelle  ist  das  sogen. 
Mesenterium,  für  welches  Delage  eine  ventrale  Lage  am  Körper 
der  Sacculina  in  Anspruch  nimmt. 


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Fig".  286.  Längsschnitte  durch  zwei  Entwicklungsstadien  von  Sacculina 
carcini  (nach  Delage). 

A  Sacculina  interna,  B  Sacculina  externa. 

a  Atrium  (Erweiterung  des  Oviducts),  am  äussere  Mantelschicht,  b  Bruthöhle 
(Mantelhöhle),  B  Basalmembran,  C  Centraltumor,  cl  Cloakenöffnung,  D  Darmwand  des 
Wirthes,  dr  Eiersackdrüsen,  /  Oeffnung  der  perivisceralen  Höhle,  g  Ganglion,  im  innere 
Mantelschieht,  L  Leibeswand  des  Wirthes,  ov  Ovarium,  p  periviscerale  Höhle,  pe  peri- 
viscerale Ectodermschicht,  £  Wurzelausläufer  (z.  Th.  im  Querschnitt  getroffen),  t  Hoden- 
anlagen. 


Nachdem  wir  uns  so  über  die  Entstehung  der  Gesammtkörperform  der 
Sacculina  orientirt  haben,  sind  noch  einige  Worte  über  die  Anlage  der  wich- 
tigsten Organe  beizufügen.  Im  Bereiche  des  Mantels  sind  die  Veränderungen 
wenig  eingreifend.  Es  bildet  sich  —  und  zwar  erst  in  späten  Stadien  — 
eine  Durchbrechung  der  Mantelhöhe  gegen  die  Perivisceralhöhle  aus:  die 
spätere  Cloakenöffnung  (Fig.  286  Cl),  welche  dem  Stiel  der  Sacculina 
ungefähr  gegenüber,  doch  einigermassen  nach  der  linken  Körperseite  ver- 
schoben  liegt.     Während   die  Ectodermzellen    des  Mantels   sich   zur  Bildung 


418  XV.  Capitel. 

transversaler  Connectivfasern  (Fig.  286  B)  verlängern,  wandeln  sich  die 
Mesoderrazellen  zu  längsverlaufenden  Muskelzügen  und  zum  Cloaken- 
sphincter  um. 

Wichtigere  Veränderungen  greifen  im  Bereiche  des  Visceralsackes  Platz. 
Hier  bildet  sich  das  Ganglion  (g)  durch  eine  Einwanderung  von  Ectoderm- 
zellen,  an  welcher  sich  nicht  nur  die  periviscerale  Ectodermschicht,  sondern 
auch  (wohl  unter  Vermittlung  des  Mesenterialrandes?)  die  innere  Mantel- 
schicht betheiligen  soll.  Während  in  früheren  Stadien  der  ganze  Innenraum 
des  Visceralsackes  fast  ausschliesslich  von  der  Ovarialanlage  eingenommen 
war ,  wandern  nun  vom  Stiel  aus  zahlreiche  Mesenchymzellen  in  den 
Visceralsack  ein,  umgeben  das  Ovarium,  um  welches  sie  eine  peritoneale 
Hülle  bilden,  und  erfüllen  den  Raum  zwischen  Leibeswand,  Ganglion  und 
Ovarium.  Gleichzeitig  erfährt  die  Ovarialanlage  einen  Zerfall  in  zwei  laterale, 
durch  eine  Commissur  verbunden  bleibende  Lappen.  Nicht  völlig  sicher- 
gestellt ist  die  Art  der  Entstehung  der  kurzen  0  v  i  d  u  c  t  e.  Doch  glaubt 
Delaoe  dieselben  auf  eine  paarige,  seitliche  Ectodermeinstülpung  zurück- 
führen zu  können,  welche,  indem  sie  sich  nach  innen  erweitert,  zur  Bildung 
der  sog.  Atrien  (o)  Anlass  giebt,  an  deren  Wand  als  seitliche  Ausstülpungen 
die  Eiersackdrüsen  (Kittdrüsen,  glandes  cementaires  dr)  angelegt  werden. 
In  gleicher  Weise  entstehen  die  Vasa  deferentia  durch  Ectodermein- 
stülpungen  nahe  dem  Stiele  des  Visceralsackes,  während  die  eigentlichen 
Hoden  (t)  von  Mesodermzellen,  welche  sich  dem  Ende  der  Vasa  deferentia 
anlagern,  abzuleiten  sind. 

Nachdem  auf  diese  Weise  die  Sacculina,  völlig  im  Inneren  des 
centralen  Tumors  (in  der  perivisceralen  Höhle)  eingeschlossen,  last  voll- 
ständig die  Entwicklungsstufe  des  ausgebildeten  Thieres  erreicht  hat, 
tritt  sie  zunächst  an  die  Oberfläche  des  Centraltumors,  indem  sie  durch 
die  erweiterte  Ausgangsöffnung  der  perisomatischen  Höhle  nach  aussen 
schlüpft.  Jene  Faltenbildung,  durch  welche  diese  Höhle  gebildet  war, 
zieht  sich  nun  an  die  Basis  des  Stieles  der  Sacculina  zurück,  um  bald 
vollständig  zu  verschwinden.  Während  des  nun  erfolgenden  Grössen- 
wachsthums  der  aus  dem  Centraltumor  hervorgetretenen  Sacculina  übt 
dieselbe  auf  die  ventrale  Wand  des  Abdomens  (Fig.  286  B,  L)  des 
Wirthes  einen  ständigen  Druck  aus,  welcher  zur  Gangrän  der  betreffenden 
Parthien  und  in  Folge  dessen  zur  Ausbildung  einer  Usur  führt,  durch 
welche  der  Körper  der  Sacculina  frei  nach  aussen  vortritt,  während  der 
Stiel  die  Verbindung  mit  der  im  Inneren  verbleibenden  Basalplatte  und 
dem  Wurzelgeflecht  vermittelt, 

Die  Sacculina  ist  durch  diese  Vorgänge  zur  Sacculina  externa 
(Fig.  286  B)  umgewandelt  worden.  Die  nach  aussen  vorliegenden  Theile 
erleiden  nun  eine  stärkere  Chitinisirung.  Unter  weiterer  Grössenzunahme 
wird  das  Stadium  der  Geschlechtsreife  erreicht. 

Die  im  Vorstehenden  geschilderte  Metamorphose  der  Sacculina 
gehört  wrohl  zu  den  merkwürdigsten  Umwandlungsprocessen  im  ganzen 
Thierreiche.  Die  Einschiebung  eines  vorübergehenden  endoparasitären 
Zustandes  müssen  wir  wohl  auf  die  damit  verbundene  geschützte  Lage 
der  Larve  zurückführen ,  wie  denn  überhaupt  diese  ganze  Form  der 
Entwicklung  jedenfalls  starke  cänogenetische  Veränderungen  erlitten  hat. 
Wenn  wir  nach  der  Entwicklungsgeschichte  mit  Rücksicht  auf  die 
ungemeine  Vereinfachung  im  Bau  der  kentrogonen  Larve  auch  nicht  im 
Stande  sind,  die  Körpertheile  des  ausgebildeten  Thieres  auf  die  des 
Cyprisstadiums    zurückzuführen ,    so    werden    wir  doch  unter  Beiziehung 


Crustaceen. 


419 


anderer  Formen  (wie  Anelasma)  keinen  Moment  im  Zweifel  sein 
können,  in  welcher  Weise  wir  den  Körper  der  ausgebildeten  Sacculina 
zu  deuten  haben.  Demnach  würde  der  an  seiner  Basis  in  Wurzeln  aus- 
laufende Pedunculus  der  Sacculina  dem  Stiel  der  Lepaden,  der  Mantel  der 
Sacculina  der  Schale  der  letzteren  und  der  Brutraum  der  Sacculina  dem 
Mantelraum  der  Lepaden  gleichgesetzt  werden  müssen.  Die  Cloake  von 
Sacculina  würde  dann  dem  Schalenschlitz  der  Lepaden  entsprechen. 
Für  diese  Deutung  spricht  vor  Allem  die  gleiche  Lagerung  der  Eier- 
säckchen  in  diesen  Räumen.  Es  ist  unter  Vergleich  mit  Anelasma 
wahrscheinlich,  dass  die  von  Delage  gewählte  Bezeichnung  des  mesen- 
terialen Randes  als  Ventralseite  der  Sacculina  in  der  That  die  richtige  ist. 
Es  ist  in  neuerer  Zeit  mehrfach  versucht  worden,  die  Gruppen 
der  Rhizocephalen  den  übrigen  Cirripedien  als  eine  mehr  selbstständige 
Gruppe  (Unterordnung)  gegenüberzustellen.  Dem  gegenüber  muss  darauf 
hingewiesen  werden,  dass  dieselben  in  den  Nauplius-  und  Cyprisstadien 
eine  so  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  den  übrigen  Cirripedien 
aufweisen,  dass  wir  auf  die  in  Folge  des  Parasitismus  offenbar  ganz 
secundär  aufgetretenen  Veränderungen  des  Baues  der  ausgebildeten  Form 
kein  allzugrosses  Gewicht  lesen  dürfen. 


D.   Ascothoracida. 

Die  Gruppe  der  Ascothoracida  umfasst  einige  Formen,  welche  in 
Anthozoen  leben  (Laura  Gerardiae,  Synagoga  mira,  Petrarca 
bathyactidis),  während  Dendrogaster  astericola  als  Endoparasit 
in  Ästenden  (Solaster,  Echinaster)  vorgefunden  wird.  Den  wichtigsten  Zügen 
der  Organisation  nach  zeigen  sich  diese  Formen,  von  denen  Laura  durch 
die  Untersuchungen  von  Lacaze-Duthieks  (No.  51)  am  eingehendsten  be- 
kannt geworden  ist,  als  echte  Cirripedien,  wenngleich  sie  innerhalb  dieser 
Gruppe  eine  Sonderstellung  beanspruchen.  Sie  sind  von  einem  umfangreichen 
Mantel  umschlossen,  welcher  hier  directe  Beziehungen  zu  den  Schalenklappen 
des  Cyprisstadiums  zeigt  und  sowohl  die  Leberausstülpungen  des  Darmcanals, 
als  auch  die  Ovarien  zwischen  seinen  beiden  Lamellen  beherbergt.  Der  eigent- 
liche Körper  erscheint  sehr  reducirt, 
doch  noch  deutlich  gegliedert,  die 
Mundwerkzeuge  saugend,  die  6  (re- 
spective  5)  Thoraxbeinpaare  verküm- 
mert, das  Abdomen  kurz.  Es  verdient 
zur  Charakteristik  der  Gruppe  Erwäh- 
nung, dass  die  1.  Antennen  hier  nie- 
mals in  der  Weise,  wie  bei  den  übrigen 
Cirripedien,  zur  Fixirung  des  -Körpers 
Verwendung  finden.  Ueberhaupt  müs- 
sen wir  zur  morphologischen  Erklä- 
rung dieser  Formen  weniger  die  aus- 
gebildete Lepasform,  als  vielmehr  die 
freischwimmende  Cyprislarve  zum  Ver- 
gleiche heranziehen. 

Von    der  Entwicklungsgeschichte  Fig.  287.   Freischwimmendes  Cypris- 

dieser    Formen    ist  bisher   sehr  wenig       Stadium  von  Dendrogaster  astericola  (nach 

bekannt.     Hinsichtlich   der  Furchung      Khipowitsch). 

™u„-    *.     •  i    t  »i     t  i        •     t>   l  a  erste  Antenne,  ab  Abdomen,  d  Darm, 

scheint   Sich  Laura  ahnlich  Wie  Bala-       m  Mundkegelj   „  Nervensystem,  p  Penis- 

nus  zu  verhalten.    Die  Nauplien  dieser      rudiment. 


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420  xv-  Capitel. 

Form  zeigen  wenig  Aehnlichkeit  mit  dem  typischen  Cirripediennauplius,  indem 
ihnen  die  so  ungemein  charakteristischen  Stirnhörner  fehlen.  Eine  kleine, 
jedenfalls  in  den  Entwicklungskreis  von  Laura  gehörige  Form,  welche  Lacaze- 
Duthiers  beobachtete,  dürfte  möglicherweise  als  Zwerchmännchen  aufzufassen 
sein.  Dagegen  sind  die  Cypris-Larvenstadien  für  Dendrogaster  (Fig.  287) 
durch  Kuipowitsch  (No.  47)  bekannt  geworden,  bei  welcher  Form  die  Meta- 
morphose abgekürzt  erscheint,  indem  kein  freies  Naupliusstadium  durchlaufen 
wird.  Die  Larven,  denen  eine  Afteröffnung  ebenso  fehlt,  wie  den  aus- 
gebildeten Formen,  ähneln  im  Allgemeinen  den  Cyprisstadien  der  Cirripedien. 
Doch  fehlen  sowohl  die  einfachen,  als  die  zusammengesetzten  Augen.  An 
der  ersten  Antenne  ist  ein  äusserst  umfangreicher  Riechfaden  («')  entwickelt. 
Es  finden  sich  fünf  zweiästige  Thoraxbeinpaare ;  das  erste  Abdominalsegment 
trägt  ein  Penisrudiment  (p).  Das  Abdomen  (ab),  welches  sich  durch  seine 
Länge  auszeichnet,  besteht  aus  fünf  Gliedern  und  den  Furcalanhängen. 


E.  Zur  morphologischen  Zurückführung  der  „complemental  males". 

In  Hinsicht  der  geschlechtlichen  Differenzirung  weisen  die  Cirripedien 
äusserst  complicirte  und  schwierig  zu  deutende  Verhältnisse  auf.  Im 
Allgemeinen  sind  die  Cirripedien  hermaphroditisch.  Wir  werden  nicht 
fehlgehen,  wenn  wir  dieses  Verhältniss  unter  Berücksichtigung  der  bei  fast 
allen  übrigen  Crustaceen1)  als  Regel  geltenden  Trennung  der  Geschlechter 
als  ein  in  Folge  der  festsitzenden  Lebensweise  secundär  erworbenes  be- 
trachten. Wir  müssen  annehmen,  dass  die  freischwimmenden  Ahnen  der 
Cirripedien  getrennte  Geschlechter  aufwiesen  und  dass  der  Hermaphrodi- 
tismus erst  nach  erfolgter  Festsetzung  erworben  wurde  und  sich  allmäh- 
lich befestigte.  Während  letzteres  bei  den  Bai  an  i  den  und  Pihizo- 
cephalen  in  dem  Grade  stattfand,  dass  der  Hermaphroditismus  in  diesen 
Gruppen  das  ausschliesslich  herrschende  Verhältniss  darstellte,  zeigt  die 
Gruppe  der  Lepaden  die  Tendenz  in  manchen  Gattungen  nach  der 
Pachtung  der  Trennung  der  Geschlechter  zurückzuschlagen,  indem  hier 
männliche  Formen  auftreten,  welche  entweder  neben  den  Hermaphroditen 
sich  vorfinden  und  dann  als  Ergänzungsmännchen  (Co m p  1  e m e n - 
tal  males)  bezeichnet  werden,  oder  aber  —  im  Falle  vollständiger 
Trennung  der  Geschlechter  —  neben  echten  weiblichen  Formen  vor- 
kommen. Stets  sind  diese  männlichen  Formen  kleiner  als  die  Herma- 
phroditen (beziehungsweise  Weibchen);  sie  finden  sich  an  dem  Körper 
der  hermaphroditischen  (bez.  weiblichen)  Form  wie  Parasiten  an- 
geheftet. Während  aber  in  einzelnen  Fällen  die  Verhältnisse  der 
Körpergestaltung  des  Männchens  dasselbe  nur  wenig  von  der  herma- 
phroditischen Form  entfernen  (Scalpellum  villosum  und  Peronii),  macht 
sich  in  anderen  Fällen  ein  auffallender  sexueller  Dimorphismus  geltend, 
indem   die  Männchen  einem  Rückbildungsprocess   unterliegen,    in  Folge 


*)  Es  muss  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass  Hermaphroditismus  auch  in 
anderen  Crustaceengruppen  beobachtet  ist.  So  scheint  er  nach  Bullar,  P.  Mayer  u.  A. 
unter  den  Isopoden  verbreitet,  ferner  wurde  er  als  ein  mehr  gelegentliches  Vor- 
kommen von  Nebeski  bei  Amphipoden,  von  Ischikawa  bei  Gebia  und  von  Bernard 
bei  Lepidurus  (Apus)  beobachtet.  Es  geht  hieraus  hervor,  dass  die  Trennung  der  Ge- 
schlechter bei  den  Crustaceen  sehr  leicht  mit  dem  hermaphroditischen  Verhalten  ver- 
tauscht wird.  Letzteres  wurde  bei  den  Cirripedien  in  Folge  der  festsitzenden  Lebens- 
weise zur  Regel. 


Crustaceen.  421 

dessen  sie  der  kalkigen  Scelettheile,  der  Extremitäten  sowie  des  Mundes 
und  Darmcanals  verlustig  werden  und  als  echte  Zwergmännehen  auf  eine 
sehr  niedere  Stufe  der  Organisation  herabsinken.  Es  lassen  sich  in 
Hinsicht  auf  diesen  Rtickbildungsprocess  der  Männchen  für  die  Gattungen 
Scalpellum  (im  Anschlüsse  an  Hoek  No.  46)  folgende  Stufen 
unterscheiden : 

I.     Echte  hermaphroditische  Formen  (Scalpellum  balanoides  Hoek). 
II.     Grosse    hermaphroditische    Formen    mit    kleinen    Ergänzungs- 
männchen. 

a)  die  Männchen  sind  im  Bau  der  hermaphroditischen  Form 
ähnlich.  Die  Trennung  von  Capitulum  und  Pedunculus 
ist  erkennbar,  Mund  und  Darmcanal  vorhanden  (Scalpellum 
villosum,  Scalpellum  Peronii). 

b)  die  Männchen  rückgebildet.  Ohne  Mund  und  Darm,  ohne 
oder  nur  mit  rudimentären  Kalkschalen,  ohne  Pedunculus 
(Scalpellum  vulgare,  Scalpellum  rostratum). 

III.  Getrennte  Geschlechter.  Die  Weibchen  gross,  mit  der  herma- 
phroditischen Form  der  vorhergehenden  Arten  übereinstimmend 
entwickelt.  Männchen  sehr  klein  (Scalpellum  omatum,  Sc.  regium 
Hoek,  etc.). 

An  die  letztere  Gruppe  würden  sich  die  Abdominalia  (Alcippe, 
Cryptophialus)  anschliessen.  Auch  hier  finden  wir  getrennte  Geschlechter, 
mit  sehr  entwickeltem  sexuellen  Dimorphismus.  Die  Zwergmännchen  er- 
scheinen ungemein  rückgebildet.  Sie  entbehren  der  Rankenfüsse,  sowie  des 
Mundes  und  Darmcanals.  Im  Uebrigen  lässt  sich  ihre  Körperbildung  unter 
Berücksichtigung  der  eingetretenen  Reductionen  auf  die  Formgestaltung  der 
Weibchen  zurückführen. 

Aehnliche  Verhältnisse,  wie  die  oben  für  Scalpellum  erwähnten,  finden 
sich  auch  in  der  Gattung  I b  1  a.  Hier  begegnen  wir  bei  Ibla  quadri- 
valvis  neben  der  hermaphroditischen  Form  ein  kleines  Ergänzungsmännchen 
mit  umfangreichem  Pedunculus  aber  sehr  reducirtem  Capitulum  und  ver- 
minderter Zahl  der  Thoraxbeine,  während  bei  IblaCumingii  ein  ähn- 
liches Männchen  neben  echten  Weibchen  vorkommt,  sich  sonach  Trennung 
der  Geschlechter  findet. 

Es  geht  aus  dem  Obigen  hervor,  dass  wir  —  im  Anschlüsse  an  Hoek 
(No.  46)  —  bei  der  Ableitung  der  geschlechtlichen  Verhältnisse  der  Cirripedien 
von  der  hermaphroditischen  Form  ausgehen,  aus  welcher  sich  erst  secundär 
Zwergmännchen  neben  Hermaphroditen  und  in  anderen  Fällen  völlig  getrennte 
Geschlechter  mit  entwickeltem  sexuellen  Dimorphismus  herausgebildet  haben. 
Es  wird  sonach  die  Reihe  der  „complemental  males"  sowohl  als  der  Zwerg- 
männchen unter  Rückbildung  der  weiblichen  Geschlechtsanlage  von  der  her- 
maphroditischen Form  abgeleitet.  Wir  gewinnen  hiedurch  für  diese  ganze 
Reihe  rückgebildeter  männlicher  Formen  einen  einheitlichen  Ausgangspunkt. 
Allerdings  möchte  es  schwer  fallen,  zu  erklären,  wie  bei  hermaphroditischen 
Formen  ein  Bedürfniss  zur  Entwicklung  complementärer  männlicher  Formen 
sich  geltend  machen  konnte.  Wir  werden  hier  von  der  durch  F.  Müller 
beobachteten  Thatsache  ausgehen  müssen,  dass  auch  bei  den  echten  Herma- 
phroditen der  Lepaden  gegenseitige  Begattung  ausgeübt  wird.  Halten  wir 
uns  die  Bedeutung  vor  Augen,  welche  die  Vermischung  der  Zeugungsproducte 
zweier  gesonderter  Individuen  für  die  Lebenskräftigkeit  der  Nachkommen- 
schaft im  ganzen  Thierreiche  besitzt,  so  werden  wir  uns  vielleicht  vorstellen 
können,    dass    neben    den  Vortheilen    des    durch    die   sedentäre  Lebensweise 

Korscheit -H  eider ,  Lehrbuch.  28 


422  XV.  Capitel. 

erzeugten  Hermaphroditismus  durch  Production  von  Complementärmännchen 
auch  noch  jene  Vortkeile  gesichert  werden  sollten,  welche  für  die  Art  aus 
der  Befruchtung  der  Eier  mit  den  männlichen  Zeugungsproducten  eines  anderen 
Individuums  resultiren.  Wir  müssen  dieses  Verhältniss  als  ein  theilweises 
Zurückschlagen  nach  der  Richtung  der  Trennung  der  Geschlechter  betrachten, 
zu  welcher  es  dem  im  weiteren  Verlaufe  bei  einzelnen  Formen  auch  wieder 
gekommen  ist. 

Der  geschilderten  Auffassung  steht  die  Ansicht  von  Claus  (No.  8) 
gegenüber,  nach  welcher  die  getrennt  geschlechtlichen  Formen  (wie  Alcippe 
und  Cryptophialus)  das  ursprüngliche  Verhältniss  der  Trennung  der  Ge- 
schlechter ständig  beibehalten  haben.  Aus  diesen  hätte  sich  durch  Um- 
wandlung der  Weibchen  in  die  grosse  hermaphroditische  Form  das  für  die 
meisten  Lepaden  gültige  Verhalten  herausgebildet,  während  die  Männchen 
sich  nur  in  einzelnen  Arten  als  complementäre  Männchen  erhalten  hätten. 
Demzufolge  wären  die  Männchen  ein  rudimentäres  Ueberbleibsel  aus  jenen  Zeiten, 
in  denen  der  Hermaphroditismus  sich  noch  nicht  als  allgemeine  Regel  bei  den 
Cirripedien  herausgebildet  hatte.  Durch  diese  geistvolle  Auffassung  würde 
das  Vorkommen  von  Zwergmännchen  neben  Hermaphroditen  für  eine  Anzahl 
von  Formen  (aber  nicht  für  Scalpellum  villosum  und  Peronii)  ungezwungen 
erklärt.  Doch  hat  Hoek  gegen  diese  Anschauung  geltend  gemacht,  dass  in 
diesem  Falle  die  Zwergmännchen  eine  beträchtlichere  Annäherung  des  Baues 
an  den  der  Cyprisform  aufweisen  müssten,  als  diess  thatsächlich  der  Fall  ist, 
während  in  Wirklichkeit  die  Zwergmännchen  durch  allmähliche  Uebergänge 
mit  den  Complementärmännchen  von  Scalpellum  villosum  und  Peronii  ver- 
bunden erscheinen,  welch'  letztere  sich  offenbar  von  der  hermaphroditischen 
Form  ableiten. 

Jene  von  Claus  geäusserte  Auffassung  würde  für  die  Rhizocephalen 
zutreffen,  wenn  die  Behauptung  von  Fe.  Müller  und  Delage  sich  bewahr- 
heiten sollte,  dass  diesen  Formen  Zwergmännchen  zukommen,  welche  zeit- 
lebens über  die  Körpergestaltung  der  Cyprispuppe  nicht  hinausgehen.  Diese 
Ansicht,  welche  sich  auf  den  Befund  einiger  an  der  Cloakenöffnung  der  jungen, 
äusseren  Sacculina  angehefteter,  abgestorbener  Cyprishüllen  gründet,  muss 
jedoch  vorläufig  als  zweifelhaft  erscheinen  ,  wie  sie  denn  auch  thatsächlich 
von  Giakd  zurückgewiesen  worden  ist. 

6.    Copepoden. 

Die  mit  Rücksicht  auf  ihre  Körpergliederung  sehr  einheitliche  und 
trotzdem  ungemein  gestaltenreiche  und  mannichfaltige  Gruppe  der  Cope- 
poden weist  morphologische  Charaktere  auf,  welche  wir  mit  Bezug  auf 
die  hypothetische  Ahnenform  der  Entomostraken  als  entschiedene  Rück- 
bildungserseheinimgen  bezeichnen  müssen.  Hierher  sind  zu  rechnen 
die  geringe  Körpergrösse  und  die  verhältnissmässig  geringe  Anzahl  von 
Leibessegmenten,  die  reducirte  Gestalt  oder  der  vollständige  Mangel  des 
Herzens,  der  Mangel  gesonderter  Respirationsorgane  (Kiemensäckchen), 
der  Verlust  des  paarigen  Seitenauges,  das  nur  in  den  Familien  der 
Corycaeiden  und  Pontelliden  erhalten  ist  (?)  und  vielleicht  auch  die  geringe 
Entwicklung  des  Rückenschildes.  Andererseits  finden  wir  jedoch  Merk- 
male, nach  denen  wir  die  Copepoden  den  ursprünglichsten  Crustaceen- 
formen  der  jetzt  lebenden  Fauna  zurechnen  müssen.  Als  solche  sind  vor 
Allem  zu  nennen:  die  Verwendung  beider  Antennenpaare  als  Loco- 
motions-  und  Klammerorgane,  der  sehr  ursprüngliche  Bau  der  Mund- 
werkzeuge   bei   den  freilebenden  Formen  (Vorkommen  eines  zweiästigen 


Crustaceen.  423 

Mandibulartasters,  die  reiche  Gliederung  der  1.  Maxille  (vgl.  Fig.  268  A) 
und  die  bei  den  freilebenden  Formen  auf  sehr  ursprüngliche  Verhältnisse 
hinweisende  Metamorphose. 

Hinsichtlich  der  Körpergliederung  sei  darauf  hingewiesen,  dass  wir 
als  vorderste  Körperregion  einen  einheitlichen  Kopfabschnitt  unterscheiden, 
welcher  die  Antennen-  und  Mund  Werkzeuge  trägt.  Von  letzteren,  welche 
in  drei  Paaren  (Mandibeln,  I.  Maxillen,  IL  Maxillen)  vorhanden  sind, 
spaltet  sich  das  letzte  Paar  zu  einem  Doppelpaar  von  Gliedmaassen,  indem 
der  Exopodit  nach  vorne  gerückt  als  1.  Maxillarfusspaar  bezeichnet  wird, 
während  der  Endopodit  den  nach  hinten  folgenden  2.  Maxillarfuss  liefert. 
Die  Thoraxregion  besteht  aus  5  mit  gabelästigen  Ruderfüssen  (Fig.  267  A) 
versehenen  Segmenten,  von  denen  das  letzte  rudimentär  entwickelt  sein 
kann,  während  das  vorderste  häufig  mit  dem  cephalischen  Abschnitt 
verschmilzt,  aus  welcher  Vereinigung  der  als  Cephalothorax  zu  bezeich- 
nende vorderste  Körperabschnitt  entsteht.  Das  Abdomen  besteht  aus 
5  Segmenten,  von  denen  nur  das  vorderste  ein  Extremitätenrudiment 
(Genitalhöcker)  trägt.  Durch  Verschmelzung  der  beiden  vordersten 
Abdominalsegmente  entsteht  bei  den  Weibchen  meist  ein  Genitaldoppel- 
segment,  welches  die  Geschlechtsöffnung  trägt. 

Es  ist  ein  in  der  Crustaceenreihe  fast  einzig  dastehendes  Vorkommen, 
dass  bei  einigen  Pontelliden  der  Cephalothoraxabschnitt,  durch  auftretende 
Segmentgrenzen  in  einzelne  (aus  je  zwei  Segmenten  bestehende)  Unterab- 
theilungen zertheilt  wird.  Vir  werden  diese  Segmentirung  wohl  nur  als 
secundäres  Wiederauftreten  einer  längst  verloren  gegangenen  Selbstständigkeit 
der  Kopfsegmente  bezeichnen  dürfen.  Immerhin  ist  sie  von  einem  gewissen 
Interesse. 

A.   Gnathostomata. 

Die  Metamorphose  der  freilebenden  Copepoden  vollzieht  sich  als 
ein  sehr  allmählicher,  durch  zahlreiche  Häutungen  vermittelter  Uebergang 
von  der  Naupliusform  zur  Gestalt  des  ausgebildeten  Thieres.  Immerhin 
tritt  in  einem  bestimmten  Punkt  der  Entwicklung  ein  mehr  plötzlicher 
Gestaltwechsel  ein,  und  dieser  dient  uns  zur  Trennung  der  Metamorphose 
in  zwei  Unterabtheilungen,  von  denen  die  erste  die  Reihe  der  Nauplius- 
und  Metanauplius formen  enthält,  während  die  zweite  mit  einem 
von  der  Metamorphose  der  Cyclopiden  entnommenen  Namen  als  die 
Reihe  der  cylops- ähnlichen  Larvenformen  bezeichnet  wird.  In 
der  ersteren  Reihe  zeigen  die  Naupliusextremitäten  noch  im  Allgemeinen 
die  ursprüngliche  Form;  es  hat  sich  der  Abdominalabschnitt  noch  nicht 
scharf  abgesetzt,  und  die  Furcalfortsätze  sind  noch  nicht  zur  Ausbildung 
gekommen.  Die  zweite  Reihe  zeigt  diese  letzteren  Entwicklungsfort- 
schritte, während  sich  die  Antennen  und  Mundgliedmaassen  der  definitiven 
Form  nähern. 

Die  Entwicklung  der  freilebenden  Copepoden  ist  vor  Allem  durch 
Claus  (No.  64  und  67)  bekannt  geworden.  Wir  legen  unserer  Darstellung 
die  Metamorphose  von  Cetochilus  zu  Grunde,  welche  von  Grobben 
(No.  73)  in  eingehender  Weise  geschildert  worden  ist,  Die  freilebenden 
Copepoden  verlassen  das  Ei  in  einem  ungemein  typischen  N au plius- 
Stadium  (Fig.  288^4).  Der  meist  ovale  (nur  in  einzelnen  Fällen 
längliche,  quer  verbreiterte  oder  tonnenförmige)  Körper  zeigt  keine 
Spuren  einer  äusseren  Segmentirung  und  trägt  an  seiner  Unterseite  die 
mächtig  vorgewölbte  Oberlippe  (ol),  sowie  die  drei  typisch  entwickelten 

28* 


424 


XV.  Capitel. 


Naupliusextremitätenpaare  (1,  3,  3).  Von  diesen  ist  das  vorderste  ein- 
ästig (I.  Antenne),  das  folgende  (IL  Antenne)  zweiästig  und  mit  einem 
am  Protopodit  entwickelten  Kieferhaken  versehen.  Die  Mandibel  entbehrt 
bei  Cetochilus  eines  solchen  Kieferfortsatzes  und  stellt  einen  reinen 
zweiästigen  Ruderfuss  dar.  Die  Extremitäten  sind  an  ihren  Enden  mit 
langen  Borsten  besetzt. 

Der  Darmcanal  lässt  einen  Vorderdarm  und  einen  gestreckt  ver- 
laufenden Mitteldarm,  sowie  einen  Enddarmabschnitt  unterscheiden. 
Letzterer  ist  bei  Cetochilus  im  ersten  Naupliusstadium  noch  als  solider 
Ectodermzapfen   entwickelt.    Die  Afteröffnung  ist   demnach   noch    nicht 

zum  Durchbruch  gekom- 
men. Das  Nervensystem 
ist  noch  in  allen  Theilen 
mit  dem  Ectoderm  in 
Zusammenhang.  Von 
Sinnesorganen  ist  das 
Naupliusauge  entwickelt. 
Als  Excretionsorgan 
fungirt  die  wahrschein- 
lich schon  in  diesem  Sta- 
dium entwickelte  schlei- 
fenförmige  Antennen- 
drüse; ausserdem  schei- 
nen auch  die  Zellen  des 
Mitteldarmes  excretori- 
sche  Function  übernom- 
men zu  haben;  wenig- 
stens hat  man  in  gewis- 
sen, vorspringenden  Zel- 
len der  Cyclops-Nauplien 
Harnconcremente  nach- 
gewiesen (Leydig.  Vgl. 
pag.  385,  Fig.  266  dr). 
Der  Endabschnitt  des 
Nauplius  ist  stark  ven- 
eingekrümmt 
zwei  Borsten 
Hier  findet  sich 
jederseits  im  Inneren  eine 
grosse  Mesodermzelle 
{me),  welche  von  Grob- 
ben als  Urzellen  des 
Mesoderms  in  Anspruch 
genommen  werden. 
Spätere  Naupliusstadien  zeichnen  sich  durch  eine  gestrecktere 
Körperform  und  durch  das  Auswachsen  des  hinteren  Körperabschnittes 
aus.  Während  dieser  sich  verlängert,  grenzt  sich  das  stärker  chitinisirte 
Integument  der  vorderen  Rückenparthie  durch  Entwicklung  einer 
Integumentfalte  an  seinen  Randparthien  als  späterer  Cephalothoraxschild 
deutlich  ab.  Der  Enddarm  ist  nun  schon  zum  Durchbruch  gelangt  und 
lässt  die  deutlieh  dorsalwärts  gelegene  Afteröffnung  erkennen.  Das 
Gehirn  steht  hinter  dem  Naupliusauge  mit  einer  paarigen  Ectoderm- 
wucherung  in  Verbindung,  in  welcher  wir  die  später  rudimentär  werdende 


Fig".  288.     Larvenstadien  von  Cetochilus 


sep- 


tentrionalis  (nach  Grübben,    aus  Lang's  Lehrbuch). 

A  Naupliusstadium,  B  Metanauplius,  C  älterer  Meta- 
uauplius. 

1,  2  erste  und  zweite  Antenne,  3  Mandibel,  4  Maxille, 
5,5  Exopodit  und  Endopodit  der  zweiten  Maxille  (=  erster 
und  zweiter  Maxillarfuss),  I,  II  erstes  und  zweites  Thorax- 
beinpaar, an  Anus,  g  Gehirn,  gz  Genitalzellen,  m  Mund, 
me  TJrmesodermzellen,  ol  Oberlippe. 


tralwärts 
und  mit 
versehen. 


Crustaceen.  425 

Anlage  eines  Seitenauges  und  Augenganglions  (secundäres  Gehirn)  er- 
kennen. Als  Anlage  der  Geschlechtsorgane  ist  eine  zu  beiden  Seiten 
des  Darmcanals  gelesene,  vergrösserte  Mesodermzelle  zu  erkennen  (gz, 
in  Fig.  288  B). 

Nun  tritt  hinter  den  Mandibeln  ein  kleiner  zweiästiger  Fuss,  die 
Anlage  der  ersten  Maxille  (4)  auf.  Hiermit  tritt  die  Larve  in  das  erste 
Metanaupliusstadium  (Fig.  288  5). 

Ein  späteres  Metanaupliusstadium  (Fig.  288  C)  zeigt  uns 
drei  weitere  Extremitätenanlagen,  nämlich  die  IL*  Maxillen  (5)  aus  deren 
beiden  Aesten  die  sog.  Maxillarfüsse  der  Copepoden  hervorgehen,  und 
die  beiden  ersten  Thoraxbeinpaare  (1,  II).  Dies  Stadium  besitzt  noch 
entschiedenen  Naupliushabitus.  Der  Körper  ist  zwar  in  die  Länge 
gewachsen,  zeigt  aber  noch  in  der  Seitenansicht  die  für  die  Nauplien 
charakteristische  ventrale  Einkrümmung.  Das  hintere  Körperende  ent- 
behrt noch  der  Furcalfortsätze.  Die  beiden  Antennenpaare  haben  mit 
Ausnahme  der  Vermehrung  der  Borstenzahl  gegenüber  den  früheren 
Stadien  keine  wesentlichen  Veränderungen  erlitten.  Noch  finden  sich 
die  Kieferhaken  an  dem  Basalglied  der  zweiten  Antenne.  An  der 
Mandibel  (3)  macht  sich  die  Entwicklung  einer  mächtigen,  von  dem 
Basalglied  ausgehenden  Kaulade  bemerkbar.  Die  erste  Maxille  (4)  stellt 
eine  kleine  gelappte  Platte  dar,  während  an  der  zweiten  Maxille  (5)  die 
Trennung  des  Exopodits  (sog.  vorderer  od.  äusserer  Maxillarfuss)  von  dem 
Endopoditen  (sog.  hinterer  oder  innerer  Maxillarfuss)  bereits  vorbereitet 
wird.  Die  Anlagen  der  beiden  vorderen  Thoracalfusspaare  stellen  in 
zwei  Aeste  gespaltene  Wülste  dar  (I,  11).  Auf  dies  Stadium  folgen 
mehrere  Häutungen,  durch  welche  die  Körpergestaltung'  der  Larve  keine 
wesentlichen  Veränderungen  erfährt  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass 
sich  hinter  dem  zweiten  Thoraxsegmente  die  Anlage  eines  dritten 
bemerkbar  macht.  Die  Reihe  dieser  Stadien  erfährt  ihren  Abschluss 
durch  eine  Häutung,  durch  welche  die  Larve  in  die  Reihe  der  cyclops- 
ähnlichen  Stadien  übergeführt  wird. 

Das  erste  dieser  Stadien,  welches  wir  nach  der  für  die  Copepoden- 
Metamorphose  acceptirten  Terminologie  als  erstes  Cyclopsstadium 
(richtiger  mit  Grobben  als  erstes  Cetochilusstadium)  bezeichnen  müssen, 
weist  wesentliche  Gestaltveränderungen  auf.  Der  Körper  ist  nicht  mehr 
ventralwärts  eingebogen ,  sondern  gerade  gestreckt.  Der  hinterste 
Körperabschnitt  hat  sich  von  dem  Vorderkörper  scharf  abgeschnürt,  die 
Furcalanhänge  sind  zur  Entwicklung  gekommen.  Ausserdem  ist  die 
Anlage  eines  vierten  Thoraxsegmentes  zur  Entwicklung  gekommen.  Die 
Extremitäten  nähern  sich  in  ihrer  Gestalt  der  des  ausgebildeten  Thieres, 
wenngleich  sie  noch  nicht  so  reich  gegliedert  erscheinen.  Die  erste 
Antenne  ist  aus  der  kurzen  blattförmigen  Gestalt  in  die  eines  lang- 
gestreckten, cylindrischen,  vom  Körper  seitlich  abstehenden,  aus  zahlreichen 
Gliedern  bestehenden  Ruders  übergeführt  worden.  Die  zweite  Antenne 
ist  ein  zweiästiger  Fuss  geblieben,  hat  aber  ihren  Kaufortsatz  eingebüsst; 
an  der  Mandibel  sind  die  Kauladen  stark  vergrössert.  Die  Maxille  er- 
scheint vergrössert  und  reicher  gegliedert,  die  Maxillarfüsse  zu  grossen 
Greiffüssen  umgewandelt.  Die  zwei  vorderen  Thoraxbeinpaare  sind  als 
Ruderfüsse  mit  bereits  zweigliedrigem  Basalabschnitt ,  aber  noch  ein- 
gliedrigen Aesten  entwickelt;  das  dritte  Thoraxbeinpaar  dagegen  ist  erst 
in  der  zweigespaltenen  Anlage  zu  erkennen. 

Von  den  Umwandlungen,  welche  die  inneren  Organe  in  der  Reihe  der 
Cyclopsstadien    durchmachen,    ist  die  Rückbildung  der  paarigen  Augenanlage 


426 


XV.  Capitel. 


und  des  secundären  Gehirnes  zu  erwähnen.  Jetzt  erst  werden  die  zu  dem 
paarigen  Frontalorgan  ziehenden  Nerven  deutlich  erkennbar.  Auch  die  An- 
tennendrüse wird  jetzt  rückgebildet.  Für  sie  tritt  nunmehr  —  wie  es  scheint 
—  vicariirend  die  an  der  Basis  des  vorderen  Maxillarfusses  ausmündende 
Schalendrüse  in  Function.  Die  Afteröffnung  liegt  nicht  mehr  dorsal - 
wärts,  sondern  rückt  an  das  hintere  Körperende  zwischen  die  beiden  Furcal- 
fortsätze.  An  den  Genitalorganen  ist  die  Vermehrung  der  Genitalzellen  und 
die  Ausbildung  der  Ausführucgsgänge  fortgeschritten.  Die  paarigen  Genital- 
anlagen treffen  nun  über  dem  Darmcanal  zusammen  und  verwachsen  zu 
einer  unpaaren  Anlage.  Das  Herz  entwickelt  sich  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Thoracalsegment  aus  einer  paarigen  Anlage  von  Mesodermzellen. 


Fig.  289.  Zwei  Eutwicklungsstadien  von  Cauthocamptus  staphylinus 
(nach  Claus). 

A  Metanaupliusstadium,  B  Cyclopsstadium  mit  drei  Kuderfusspaaren. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  md  Mandibel,  mx  Maxille,  mf  zweite  Maxille 
(Anlage  der  beiden  sog.  Maxillarfusspaare),  mf  erster  sog.  Maxillarfuss ,  mf"  zweiter 
sog.  Maxillarfuss,  p'  p"  p'"  erstes,  zweites,  drittes  Thoraxbeinpaar. 


Im  zweiten  Cyclopsstadium  (vgl.  Fig.  289  B)  tritt  zunächst 
die  Extremitätenanlage  des  vierten  Thoraxsegmentes  und  die  Sonderung 
des  fünften  Thoraxsegmentes  auf.  In  diesem  Stadium  finden  wir  demnach 
auf  den  Cephalothorax  folgend  vier  freie  Thoraxsegmente  und  dahinter 
das  noch  ungegliederte  Abdomen.  Von  den  Thoraxextremitäten  sind  die 
drei  vorderen  Paare  wohl  entwickelt.  Im  dritten  Cyclopsstadium 
ist  das  vierte  Thoraxbeinpaar  zur  vollen  Entwicklung  gelangt  und  das 
erste  Abdominalsegment  ausgebildet;  in  den  folgenden  Cyclopsstadien 
vollzieht  sich  sodann  die  allmähliche  Gliederung  des  Abdomens  und  die 
vollständige  Ueberführung  der  Form  der  Extremitäten  in  die  definitive 
Gestalt.  Ausser  der  Ausbildung  einer  reicheren  Gliederung  ist  nach 
dieser  Hinsicht  hervorzuheben,  dass  in  den  Familien  der  Cyclopiden 
und  Corycaeiden  der  (innere)  Nebenast  der  zweiten  Antenne  schon  im 
ersten  Cyclopsstadium  verloren  gegangen  ist,  ebenso  wie  der  Mandibular- 
taster  einer  Rückbildung  anheimfiel. 


Crustaceen.  427 

Wenn  die  hier  als  Typus  betrachtete  Metamorphose  der  Calaniden 
(Cetochilus)  sich  durch  die  ganz  regelmässige  Entwicklung  der  Extremitäten 
in  der  Reihenfolge  von  vorn  nach  hinten  auszeichnete,  so  ist  für  die 
Harpactiden  (vgl.  Fig.  289)  und  Cyclopiden  von  diesem  Verhalten 
insofern  eine  Ausnahme  zu  constatiren,  als  die  II.  Maxille  (mf)  in  den 
späteren  Naupliusstadien  sich  zwar  angelegt,  aber  in  ungemein  rudimentärem 
Zustande  vorfindet,  so  dass  die  dahinter  folgenden  beiden  Thoraxbeinpaare 
in  der  Entwicklung  vorauseilen.  Wir  haben  hier  eine  Parallele  zu  dem  ent- 
sprechenden Verhalten  der  Maxillen  bei  den  Phyllopoden. 


B.   Parasita. 

Die  Gruppe  der  freilebenden  Copepoden  ist  durch  zahlreiche  Ueber- 
gangsformen  mit  den  schmarotzenden  Copepoden  verbunden,  durch  welche 
die  verschiedenen  Stufen  der  Umbildung'  und  Rückbildung,  denen  die 
Körpergliederung  in  Folge  der  parasitischen  Lebensweise  anheimfällt, 
markirt  werden.  Im  Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  die  Weibchen 
entsprechend  den  Aufgaben,  die  ihnen  in  Bezug  auf  das  Fortpflanzungs  - 
geschält  zugewiesen  sind,  eine  stärkere  Tendenz  aufweisen,  sich  der 
parasitischen  Lebensweise  zu  ergeben,  und  in  Folge  dessen  eine  Rück- 
bildung der  Bewegungsorgane,  ein  Verstreichen  der  Segmentgrenzen  und 
eine  Deformirung  der  Körpergestalt  zu  erfahren.  So  findet  man  schon 
in  der  Gruppe  der  Sapphirinen  die  Weibchen  in  der  Athemhöhle  von 
Salpen  oder  in  der  Glockenhöhle  von  Diphyes  festsitzend,  während  die 
Männchen  stets  nur  frei  umherschwrärmend  angetroffen  werden.  In 
excessiver  Weise  findet  sich  diess  Verhalten  bei  den  Lernäen  (Fig. 
291.4,  B),  deren  Metamorphose  mit  einem  cyclops  -  ähnlichen,  flei- 
sch wärmenden  Stadium  abschliesst,  in  dem  die  Begattung  sich  vollzieht, 
worauf  die  Weibchen  sich  an  einem  Wirth  (Gadiden)  festsetzen  und  eine 
sehr  starke  Deformirung  des  Körpers  erleiden  (Fig.  291  C,  D).  In  dieser 
Gruppe  bildet  sich  demnach  ein  Heteromorphismus  der  Geschlechter  in 
der  Weise  heraus,  dass  die  Männchen  sich  von  der  Körpergliederung 
späterer  Cyclopsstadien  nur  wenig  entfernen,  während  das  Weibchen 
stark  parasitär  umgebildet  wird.  Aehnlich  verhält  es  sich  bei  den 
Philichthyden  und  Chondracanthiden.  In  einer  anderen 
Formenreihe  dagegen  entfernt  sich  auch  das  Männchen  durch  secundär 
eintretende  Umwandlungen  von  der  cyclops-ähnlichen  Gestalt  der  späteren 
Larvenstadien.  Während  bei  den  Caligiden  und  Dichelestiiden 
die  beiden  Geschlechter  in  der  Körpergestaltung  und  Grössenentwicklung 
nicht  auffallend  differiren,  kommt  es  bei  den  Lernäopoden  (vgl. 
Fig.  292,  B  und  E)  auf  einem  anderen  Wege,  als  bei  den  Lernäen  zu 
einer  heteromorphen  Ausbildung  der  beiden  Geschlechter,  indem  das 
Männchen  sich  an  der  in  Folge  des  Parasitismus  auftretenden  Rück- 
bildung der  Körpergliederung  betheiligt,  aber  eine  Hemmung  in  seinem 
Körperwachsthum  erfährt,  so  dass  es  dem  enorm  vergrösserten  Weibchen 
gegenüber  als  „Zwergmännchen"  erscheint.  Diese  Art  der  heteromorphen 
Ausbildung  der  beiden  Geschlechter  muss  als  eine  durch  die  parasitäre 
Lebensweise  ermöglichte  excessive  Anpassung  an  die  verschiedenen  Auf- 
gaben im  Bereiche  der  geschlechtlichen  Functionen  betrachtet  werden. 

Wir  können  die  parasitären  Formen  von  der  Gestalt  der  freilebenden 
ableiten,  indem  wir  uns  vorstellen,  dass  letztere  in  Folge  der  parasitären 
Lebensweise  gewisse  Umwandlungen  erfahren  hat.    Es  wird  demnach  die 


428  xv-  Capitel. 

Metamorphose  der  parasitischen  Copepoden  sich  in  der  Weise  gestalten, 
dass  zunächst  durch  Metanauplius-  und  Cyclopsstadien  ein  an  die 
Körpergestaltung  der  freilebenden  Formen  sich  anschliessendes  Stadium 
erreicht  wird,  worauf  durch  eine  Reihe  weiterer  Stadien  die  parasitären 
Umformungen  erreicht  werden.  Es  hat  also  die  Metamorphose  im  Be- 
reiche der  parasitären  Copepoden  durch  Hinzufügung  der  schmarotzenden 
Endstadien  eine  Verlängerung  erfahren.  Dementsprechend  erscheinen 
jedoch  die  beiden  ersten"Formenreihen  abgekürzt.  Vielfach  kommen  die 
Larven  der  parasitischen  Copepoden  nicht  in  der  Naupliusform,  sondern 
in  einem  vorgerückten  Metanaupliusstadium  oder  Cyclopsstadium  aus  dem 
Eie  (vgl.  pag.  348  Fig.  250;  Chondracanthus,  Tracheliastes,  Achtheres, 
Anchorella,  Brachiella  etc.).  Andererseits  wird  die  Metamorphose  durch 
Unterdrückung  der  späteren  Cyclopsstadien  abgekürzt,  indem  in  den 
Fällen  hochgradiger  parasitärer  Rückbildung  schon  das  erste  Cyclops- 
stadium direct  in  die  parasitären  Formen  übergeführt  wird  (Chondra- 
canthus, Lernäopoden). 

Ein  weiterer  Unterschied  der  Metamorphose  der  parasitischen  Cope- 
poden gegenüber  den  freilebenden  ergiebt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 
auch  im  Bereiche  der  Larvenformen  die  sedentäre  Lebensweise  (an  den 
Kiemen  eines  Wirthes)  acceptirt  wird  und  dass  es  dementsprechend  zu 
einer  Ausbildung  geeigneter  Haftapparate  (das  Stirnband  der  Larven  bei 
Caligiden,  Lernäen  und  Lernäopoden)  und  zur  Entwicklung  ruhender 
Stadien  mit  reducirten  Gliedmaassen  (sog.  Puppen)  kommt. 

Es  würde  zu  weit  führen,  im  Folgenden  eine  vollständige  Aufzählung 
der  sehr  zerstreuten  Angaben  über  einzelne  Larvenformen  der  parasitischen 
Copepoden  zu  geben,  um  so  mehr,  da  die  Angaben  über  die  Entwicklung 
dieser  Formen  vielfach  noch  sehr  lückenhaft  sind.  Es  muss  genügen,  einzelne 
wichtigere  Formen  herauszugreifen,  an  denen  eine  genauere  Kenntniss  der 
Metamorphose  erreicht  wurde.  Wir  werden  hiebei  zunächst  jene  Familien, 
in  denen  die  Larven  des  larvalen  Haftapparates  (Stirnband)  anscheinend  ent- 
behren, von  denen  zu  trennen  haben,  bei  welchen  ein  solches  Organ  be- 
obachtet ist. 

Während  in  jenen  Familien,  welche  im  ausgebildeten  Zustande  die 
Körpergliederung  der  freilebenden  Copepoden  mehr  oder  weniger  beibehalten, 
z.  B.  den  Corycäiden  und  den  unter  die  Gnathostomata  zu  rechnenden 
Notodelphyiden,  auch  die  Metamorphose  nicht  wesentlich  von  der  oben 
geschilderten  der  freilebenden  Formen  verschieden  zu  sein  scheint,  finden 
wir  bei  den  Chondracanthiden  die  oben  erwähnte  Abkürzung  der  Meta- 
morphose. Die  jungen  aus  dem  Eie  kommenden  Larven  von  Chondracanthus 
gibbosus  zeigen  hinter  den  Naupliusbeinpaaren  bereits  die  Anlage  zweier 
weiterer  Extremitätenpaare,  müssen  daher  als  Metanauplien  bezeichnet  werden 
(Claus  No.  71).  Die  jüngsten  parasitischen  Weibchen  stehen  im  Wesent- 
lichen auf  der  Entwicklungsstufe  des  ersten  Cyclopsstadiums.  Von  den  vier 
deutlich  gesonderten  Thoracalsegmenten  tragen  nur  die  beiden  vordersten 
zweilappige,  der  Borsten  entbehrende  Extremitätenanlagen.  Der  hinterste 
Körperabschnitt  (Abdomen)  ist  klein  und  in  zwei  Abschnitte  getheilt,  Auf 
dieses  erste  folgen  keine  späteren  Cyclopsstadien,  sondern  während  das  kleine 
Männchen  zeitlebens  auf  der  Gliederungsstufe  dieses  Stadiums  stehen  bleibt, 
erleiden  die  Weibchen  eine  secundäre  Umbildung,  indem  das  dritte  und  vierte 
Thoraxsegment  zu  einem  umfangreichen  Leibesabschnitt  auswachsen.  Nun 
erleidet  der  so  vergrösserte  Thoracalabschnitt  eine  äusserst  merkwürdige 
Umgestaltung,  indem  an  den  einzelnen  Thoraxsegmenten    (mit  Ausnahme  des 


Crustaceen. 


429 


ersten)  als  secundäre  Ausstülpungen  dorsale  und  ventrale  Erweiterungen  und 
seitliche  Zipfel  angelegt  werden. 

Ziemlich  ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  in  der  Familie  der  Philich  - 
thyden.  Hier  ist  die  aus  dem  Eie  schlüpfende  Larvenform  für  die  Gattung 
Lernaeascus  ein  mit  viel  Dottermaterial  ausgestatteter  Nauplius,  dessen 
II.  Antennen  der  Kieferhaken  entbehren  und  an  welchem  man  ebensowenig 
wie  an  dem  Metanauplius  von  Chondracanthus  einen  Haftapparat  (Stirnband) 
bemerken  kann.  Die  parasitären  Formen  gehen  von  einem  Cyclopsstadium 
aus,  welches  eine  deutliche  Segmentirung  an  Thorax  und  Abdomen  erkennen 
lässt,  aber  nur  an  den  beiden  vorderen  Thoraxsegmenten  eine  wohlentwickelte 
Ruderfussanlage  aufweist,  während  das  dritte  Thoraxsegment  nur  ein  Extremi- 
täten-Rudiment besitzt.  Die  Männchen 
bleiben  in  einer  dieser  Entwicklungsstufe 
ähnlichen  Gestalt  erhalten,  während  die 
Weibchen  unter  Streckung  des  Thoracal- 
abschnittes  und  eigenthümlicher  Entwick- 
lung asymmetrisch  angeordneter  Chitin- 
schuppenreihen parasitär  umgebildet 
werden  (Claus  No.  69). 

Während  bei  den  soeben  besproche- 
nen Familien  die  aufsteigende  Reihe  der 
Larvenformen  über  das  erste  Cyclopssta- 
dium nicht  erheblich  hinausgeht,  werden 
bei  den  Dichelestiinen,  deren  Körper 
im  ausgebildeten  Zustande  sich  durch 
eine  weniger  weitgehende  Reduction  aus- 
zeichnet, auch  noch  die  späteren  Cy- 
clopsstadien  durchlaufen.  Die  dem  Ei 
entschlüpfenden  Jungen  sind  echte  Nau- 
plien.  Ein  Stirnband  scheint  den  Larven 
dieser  Gruppe  zu  fehlen  (?). 

Dagegen  kommt  ein  derartiger  An- 
lief tungsapparat  den  Larven  der  Caligi- 
den  zu,  welche  in  den  jüngeren  Stadien 
auffallend  den  Cyclopsstadien  (Puppen) 
von  Lernaea  gleichen  (Claus  No.  70, 
vgl.  unten).  Die  späteren,  im  Habitus 
schon  mehr  der  ausgebildeten  Form  ähn- 


Zwei    Larvenstadien 
branchialis     (nach 


B  soo\ 


Fig.   290. 

von    Lernaea 
Claus). 

A   erstes    Cyclopsstadium, 
Puppenstadium. 

«'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne, 
/'  erstes  und  f'1  zweites  Thoraxbein- 
paar, k  Klebemasse,  oc  Auge. 


liehen,  aber  noch  durch  den  Besitz    des 

Stirnbandes  ausgezeichneten  Larven  wurden  von  Buemeister  als  Chalimus 

beschrieben.    Dagegen  wurde  später  durch  F.  Müller  die  schon  von  Keoyer 

vermuthete  Zugehörigkeit  dieser  Formen  in  den  Entwicklungskreis  von  Caligus 

nachgewiesen. 

Sehr  interessante  Verhältnisse  sowohl  durch  den  Parasitismus  der  Larven- 
formen als  durch  die  erst  nach  erfolgter  Begattung  eintretende  Deformirung 
am  Körper  des  Weibchens  bietet  die  Familie  der  Lernäen  dar,  deren 
Metamorphose  für  Lernaea  branchialis  durch  Metzger  und  Claus  (No.  70) 
bekannt  geworden  ist.  Wahrscheinlich  sind  die  aus  den  Eiern  entschlüpfenden 
Larven  hier  denen  von  Achtheres  ähnliche  Nauplien,  unter  deren  Cuticula 
bereits  die  Körpergliederung  des  ersten  Cyclopsstadiums  angelegt  erscheint. 
In  diese  Stadien  würde  eine  Periode  freien  ümherschwärmens  und  des  An- 
suchens des  ersten  Trägers  (Platessa  flesus)  fallen.  Die  jüngsten  an  den 
Kiemen  befestigten  Formen  zeigten  noch  durchaus  die  Gliederung  des  ersten 


430  xv-  Capitel. 

Cyclopsstadiums  (Fig.  290  Ä).  Sie  entsprechen  der  gleichen  Entwicklungs- 
stufe von  Achtheres.  Auf  den  Cephalothoraxahschnitt  folgen  drei  freie  Thorax- 
segmente  und  ein  hinterer  ungegliederter  Körperabschnitt,  welcher  die  Furcal- 
fortsätze  trägt.  Zwei  Paare  deutlich  entwickelter  Ruderbeine  (f1,  fn)  am 
Cephalothorax  und  am  ersten  freien  Thoraxsegmente,  sowie  ein  stummei- 
förmiges drittes  Paar  (am  zweiten  freien  Thoraxsegmente)  sind  zu  erkennen. 
Die  Mundtheile  zeigen  bereits  den  echten  Siphonostomentypus.  Oberlippe 
und  Unterlippe  (Paragnathen  ?)  sind  zur  Bildung  einer  Saugröhre  verschmolzen, 
in  deren  Inneres  die  stiletförmigen  Mandibeln  aufgenommen  sind,  während 
die  tasterähnlichen,  zugespitzten  Maxillen  zu  den  Seiten  befestigt  sind.  Die 
ersten  Antennen  (a')  sind  mit  Sinnesborsten  besetzt,  die  zweiten  Antennen 
(a")  sowie  die  vorderen  Maxillarfüsse  zu  Klammerhaken  umgestaltet.  Die 
hinteren  Maxillarfüsse  sind  völlig  rückgebildet,  was  einen  Unterschied  gegen- 
über der  Larve  von  Achtheres  darstellt. 

Die  späteren  unter  mehrfachen  Häutungen  aus  einander  hervorgehenden 
Cyclopsstadien  (Fig.  290  B)  zeigen  eine  entschiedene  Anpassung  an  die 
parasitäre  Lebensweise.  Eine  dem  Stirnband  der  Caliguslarven  vergleich- 
bare, von  der  Stirne  ausgehende  erhärtende  Secretmasse  (Je)  vermittelt  die 
Befestigung  an  die  Kiemen  des  Wirthes,  und  dieser  dauernden  Fixirung  ent- 
spricht die  Rückbildung  der  Locomotionsorgane.  Fast  sämmtliche  Glied- 
maassen,  vor  allem  die  Ruderfüsse  (f1,  fn)  erscheinen  nun  als  ungegliederte, 
des  Borstenbesatzes  entbehrende,  unbewegliche  Stummel.  Man  hat  daher 
diese  einer  selbstständigen  Beweglichkeit  entbehrenden  Stadien  wohl  auch  als 
Puppen  bezeichnet.  In  diesem  Zustande  werden  die  noch  fehlenden  hinteren 
Körperringe  und  Extremitätenpaare  ausgebildet.  Wir  unterscheiden  ein 
Stadium  mit  drei  Ruderfusspaaren  und  vier  freien  Thoraxsegmenten,  in 
welchem  am  Körper  der  männlichen  Formen  der  bisher  unterdrückte,  hintere 
Maxillarfuss  deutlich  wird ,  dann  ein  ferneres  Stadium  mit  vier  Ruderfuss- 
paaren; letzteres  Stadium  führt  durch  eine  weitere  Häutung  zu  dem  Frei- 
werden des  frei  umherschwärmenden  Begattungsstadiums  (Fig.  291  A  und  B). 
Der  Körper  zeigt,  wenn  wir  von  der  mangelhaften  Gliederung  des  Abdomens 
absehen,  im  Uebrigen  die  volle  Körperentwicklung  der  freilebenden  Copepoden. 
Die  ersten  Antennen  («')  sind  nun  gegliedert,  mit  Borsten  und  Sinnesfäden 
besetzt,  die  vier  Ruderfusspaare  (f1 — fiv)  mit  ihrem  Borstenbesatz  zu  kräftiger 
Schwimmbewegung  geeignet,  während  im  Bau  der  zweiten  Antenne  (a")  und 
der  Mundtheile  der  Siphonostomentypus  ausgeprägt  ist.  Die  weibliche  Form 
(Fig.  291  B)  unterscheidet  sich  durch  eine  auffallende  Verlängerung  des 
Genitalsegmentes,  wodurch  das  ganze  Abdomen  als  ein  wurmförmig  gestreckter 
Anhang  erscheint.  Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  sind  noch  nicht  zur 
Production  befruchtungsfähiger  Eier  genügend  entwickelt;  dagegen  hat  das 
Receptaculum  seminis  mit  den  beiden  die  Samenmasse  aus  den  Spermatophoren 
aufnehmenden  Poren  (g)  seine  volle  Ausbildung  erlangt.  Dies  freischwärmende, 
der  Begattung  gewidmete,  cyclopsähnliche  Stadium  ist  das  letzte  Lebens- 
stadium des  Männchens,  während  die  begatteten  Weibchen  einen  neuen  Wirth 
(aus  der  Familie  der  Gadiden)  aufsuchen,  an  welchem  sie  eine  bedeutende 
Umgestaltung  (Fig.  291  C  und  B)  des  Körpers  durchmachen.  Das  zur  Ent- 
wicklung der  Eier  vergrösserte  Genitalsegment  stellt  nun  einen  doppelt  ge- 
krümmten, mächtigen  Körperabschnitt  dar,  welchem  das  kleine  Abdomen 
mit  den  Furcalstummeln  als  zipfelförmiger  Abschnitt  aufsitzt.  Das  Kopf- 
bruststück wird  durch  Ausbildung  dreier,  als  Widerhaken  fungirender  Hörner 
umgebildet,  welche  an  ihrer  Spitze  gabelartige  Auswüchse  treiben.  Die 
Gliedmaassen  bleiben  bei  dieser  Umwandlung  sämmtlich  erhalten .  erfahren 
jedoch  durch  starke  Chitinisirung  eine  gewisse  Umbildung. 


Crastaceen. 


431 


Hier  schliesst  sich  in  Bezug  auf  ihre  Metamorphose  die  merkwürdige,  in  der 
Bruthöhle  von  Amphithoe  schmarotzende  Sphaeronella  Leuckartii  an. 
Bei  dieser  Form  fand  Salensky  (No.  80)  ein  auf  das  erste  (freischwimmende) 
Cyclopsstadium  folgendes  äusserst  rückgebildetes  Puppenstadium,  an  dessen 
sackförmigem  Körper  weder  Gliederung  noch  Gliedmaassen  zu  erkennen  waren, 
und  welches  mittelst  eines  larvalen  Haftapparates  an  den  Epimeralplatten 
des  Wirthes  befestigt  war. 
Letzteres  führte  durch  all- 
mähliche Uebergangsstadien 
zur  ausgebildeten  Form  über. 
Am  genauesten  ist  die 
Metamorphose  der  Ler- 
näopodiden  durch  Kol- 
lae  (No.  77),  v.  Nordmann 
(No.  79),  Claus  (No.  66), 
Vejdowsky  (No.  81)  u.  A. 

bekannt  geworden.  Sie 
scheint  für  die  verschie- 
denen Formen  sehr  überein- 
stimmend zu  verlaufen,  so 
dass  wir  Achtheres  nach 
der  Schilderung  von  Claus 

als  Typus  herausgreifen 
können.  Die  aus  dem  Eie 
schlüpfenden  Jungen  (Fig. 
292  A)  gleichen  vollkom- 
men einem  mittelst  seiner 
beiden  vorderen  Extremi- 
tätenpaare (erste  und  zweite 
Antenne)  schwerfällig  um- 
herschwimmenden Nauplius. 
Eine  genauere  Untersuchung 
lässt  jedoch  erkennen,  dass 
der  unter  der  Nauplius-Cu- 
ticula  versteckte  Körper  be- 
reits die  Organisation  des 
ersten  Cyclopsstadiums  auf- 
weist. Es  liegen  nicht  bloss 
die  Mundtheile,  sondern  auch 
zwei  Paare  von  Schwimm- 
füssen  (p1,  p2)  unter  der 
Naupliushaut  versteckt.  Die 
Mandibeln  (md)  und  ersten 
Maxillen  (mx)  liegen  als 
kleine  Stummel  zu  den  Sei- 
ten der  in  die  Bildung  des 


von   Ler- 


naea  branchialis  (nach  Claus 


A  Männchen,  B  Weibchen  im  Begattungsstadium, 


C  und    D   spätere,    parasitisch   umgebildete   Zustände 
der  Weibchen,  bei  schwächerer  Vergrösserung. 

a'  erste,  a"  zweite  Antenne, /I—/1V  erstes  bis  viertes 
Thoraxbeinpaar,  g  Begattungsporus,  mxf  Maxillarfuss, 
oc  Auge,  sp  Spermatophorensack,  t  Hoden. 


späteren  Rostrum  eingehen- 
den Mundkappe  (Oberlippe). 
Von  Interesse  ist  die  Lagerung  der  beiden  Maxillarfusspaare  (jpm1,  pm2), 
insofern  aus  derselben  auf  das  Deutlichste  hervorgeht,  dass  beide  als 
Exopodit  und  Endopodit  einer  und  derselben  Gliedmaasse  (zweite  Maxille) 
angehören.  Ausserdem  erkennt  man  den  späteren  Anheftungsapparat  in 
der  Form    eines    von   einem   stark   lichtbrechenden  Stirnzapfen  (z)  ausgehen- 


432 


XV.  Capitel. 


den,  spiralig  eingerollten  Fadens,  welcher  mit  einer  kugeligen  Anschwellung 
endigt.  Claus  hält  den  homogen  erscheinenden  Faden  für  eine  mit  zäh- 
flüssigem Secret  erfüllte  Röhre  und  erblickt  in  demselben  den  Ausführungs- 
gang einer  eine  Kittsubstanz  absondernden  Drüsenmasse.  Dies  erste  Stadium, 
durch  welches  die  Naupliusreihe  repräsentirt  erscheint,  häutet  sich  schon 
nach  wenigen  Stunden,  und  die  nun  folgende  Larve  steht  auf  der  Stufe  des 
ersten  Cyclopsstadiums  (Fig.  292  B).  Wir  erkennen  einen  langgestreckten 
Cephalothoraxabschnitt ,  auf  welchen  drei  freie  Thoraxsegmente  und  ein  un- 
gegliederter Abdomialabschnitt  folgen.  Der  Thoraxabschnitt  lässt  zwei  Paare 
wohlentwickelter  Ruöerfüsse  (p1,  p2)  und  ein  drittes  rudimentäres  Paar  (p3) 


Fig.  292.  Metamorphose  von  Achtheres  percarum  (nach  Claus,  aus 
Balfour's  Handbuch). 

A  sog.  Naupliusstadium,  B  erstes  Cyclopsstaclium,  C  älteres  Stadium  der  männ- 
lichen Larve,  I)  geschlechtsreifes  Weibchen,  E  geschlechtsreifes  Männchen. 

at1,  at2  erstes,  zweites  Antennenpaar,  md  Mandibel,  mx  Maxille,  pm1,  pm2  erstes, 
zweites  Maxillarfusspaar,  p1,  p2  erstes,  zweites  Ruderfusspaar,  z  Stirnzapfen,  i  Darm- 
canal,  o  Naupliusauge ,  b  drüsiger  Körper,  t  Tastorgan,  ov  Ovarium,  /  aus  den  ver- 
wachsenen Kieferfüssen  hervorgegangene  Borste,  g  Kittdrüse,  rs  Receptaculum  seminis, 
n  Nervensystem,  te  Hoden,  v  Vas  deferens. 


erkennen.  Die  ersten  Antennen  (at1)  sind  cylindrische,  dreigliedrige,  mit 
Borsten  besetzte  Anhänge.  Die  zweiten  Antennen  sind  noch  zweiästig  (at2), 
aber  schon  zu  Klammerorganen  der  Larve  umgebildet,  insofern  der  längere 
Ast  mit  einem  klauenförmig  gebogenen  Haken  endigt,  während  der  kürzere 
Ast  mit  Papillen  besetzt  ist.  Die  Oberlippe  hat  sich  mit  einer  rinnenförmig 
ausgehöhlten  (aus  den  Paragnathen  hervorgegangenen?)  Unterlippe  zur  Bil- 
dung eines  kegelförmigen  Saugrüssels  vereinigt,  an  dessen  Aussenseite  die 
kurzen,  in  einen  zapfenförmigen  Fortsatz  auslaufenden,  den  Uebergang  von 
den  kauenden  Kiefern  der  Cyclopiden  zu  den  stechenden  Stileten  der  Para- 
siten darstellenden  Mandibeln  und  die  tasterförmigen  ersten  Maxillen  sich 
vorfinden.  Es  folgen  nun  die  beiden  zu  Klammerhaken  umgewandelten 
Maxillarfusspaare  (pm1,  pm2),    von    denen    die    äusseren  bereits   eine    mehr 


Crustaceen.  433 

nach  vorn  gerückte,  die  inneren  eine  hintere  Lage  einnehmen.  Von  inneren 
Organen  ist  der  Darmcanal,  das  weit  nach  hinten  gerückte  Naupliusauge  und  zwei 
zu  den  Seiten  desselben  gelegene  (b)  bohnenförmige  Körper  (Drüsen?)  zuerkennen. 
Es  ist  wahrscheinlich ,  dass  die  Larven  nach  kurzem  Umherschwärmen 
schon  in  diesem  Stadium  an  der  Schleimhaut  der  Gaumenfläche  des  Barsches 
(v.  Nokdmann)  sich  festsetzen.  Das  eigenthümliche  Haftorgan  scheint  jedoch 
erst  nach  einer  weiteren  Häutung  frei  zu  werden  und  zur  Anwendung  zu 
kommen.  In  diesen  und  den  durch  weitere  Häutungen  wahrscheinlich  nun 
folgenden  festsitzenden  Stadien  dürften  die  Mandibeln  in  das  Innere  des  Saug- 
rüssels hineinrücken ,  während  wahrscheinlich  eine  Reduction  des  Borsten- 
besatzes der  Schwimmfus'spaare  eintritt.  Diese  Stadien  kamen  jedoch  nicht 
zur  Beobachtung,  sondern  erst  ein  etwas  späteres,  welches  sich  in  seinem 
Bau  schon  beträchtlich  der  ausgebildeten  Form  von  Achtheres  nähert  (Fig. 
292  C).  Die  Körpergestalt  ist  annähernd  wurmförmig  geworden,  indem  sich 
das  erste  Thoraxsegment  vom  Kopf  abgetrennt  und  mit  den  vier  dahinter 
gelegenen  Abschnitten  zur  Bildung  eines  sackförmig  gestalteten  Körpertheiles 
vereinigt  hat,  an  dessen  Ende  die  zipfelförmigen  Furcalanhänge  zu  erkennen 
sind.  Antennen  und  Mundtheile  gleichen  schon  im  Wesentlichen  den  ent- 
sprechenden Theilen  des  ausgebildeten  Thieres.  Das  an  der  Stirne  befestigte 
Haftorgan  ist  bis  auf  ein  Rudiment  seines  basalen  Abscbnittes  (#)  verschwun- 
den, dagegen  ist  an  den  äusseren  (vorderen)  Maxillarfüssen  (pm1)  ein  neues 
provisorisches  Haftorgan  in  Gestalt  eines  ganz  ähnlichen  Fadens  (/')  ent- 
standen, welcher  von  der  Spitze  der  an  ihren  Enden  mit  einander  verwachse- 
nen äusseren  Kieferfüsse  ausgeht.  Es  ist  von  Interesse,  dass  man  an  diesem 
Stadium  bereits  den  Beginn  der  sexuellen  Differenzirung  bemerken  kann. 
Kleinere  Exemplare  (die  jugendlichen  Männchen)  zeigen  auffallend  kräftige 
äussere  Maxillarfüsse  (pm1) ,  welche  nur  durch  den  Ansatz  des  Haftfadens 
mit  einander  vereinigt  sind  und  einen  kräftigen  Endhaken  tragen.  Wenn 
mit  der  nachfolgenden  Häutung  der  Haftfaden  abgestossen  wird,  so  gehen 
aus  denselben  die  mit  einander  nicht  verwachsenen,  als  Klammerhaken  fungi- 
renden ,  vorderen  Maxillarfüsse  der  Männchen  (Fig.  292  E)  hervor.  Die 
hinteren  Maxillarfüsse  (pm2)  sind  ziemlich  gross  und  tragen  einen  kleinen 
Klammerhaken.  In  der  weiblichen  Form  dagegen  sind  die  vorderen  Maxillar- 
füsse (pm1)  entsprechend  dem  aus  ihnen  entstehenden  mit  einem  Saugnapf 
endenden  Doppelarm  (Fig.  292  D)  ziemlich  langgestreckt;  ebenso  sind  die 
hinteren  Maxillarfüsse  durch  ein  grösseres  hakenförmiges  Endglied  von  denen 
der  männlichen  Form  unterschieden.  Von  inneren  anatomischen  Merkmalen 
dieser  Larvenform  sei  zunächst  erwähnt  die  Rückbildung  des  Naupliusauges. 
Letzteres  wird  allerdings  nicht  überall  bei  den  parasitischen  Crustaceen 
rückgebildet.  Es  erhält  sich  bei  den  Pygmäenmännchen  der  Chondracanthen 
und  Lernäopoden ,  sowie  auch  in  manchen  Fällen  im  weiblichen  Geschlechte 
(z.  B.  bei  Chondracanthus  cornutus).  Im  hinteren  Kopfabschnitte  unserer 
Larve  finden  sich  zu  den  Seiten  des  Darmes  zwei  Paare  aus  den  oben  er- 
wähnten bohnenförmigen  Körpern  hervorgegangener  Drüsen,  deren  Ausführungs- 
gänge an  der  Basis  der  Maxillarfüsse  münden  und  welche  ein  zähes,  erstarren- 
des Secret  absondern.  Zwischen  diesen  Drüsenkörpern  bemerkt  man  ein 
dorsalwärts  gelegenes  pulsirendes  Organ,  welches  wahrscheinlich  ebenso  wie 
ein  ähnliches  von  Vejdovsky  bei  Tracheliastes  und  von  Hesse  bei  Lernäen- 
larven  gesehenes  ein  kurzes  sackförmiges  Herz  darstellt.  Die  Anlage  der 
Geschlechtsorgane  ist  bereits  deutlich  zu  erkennen.  Mit  der  nächsten  Häutung 
tritt  der  Körper  in  das  Stadium  der  geschlechtlichen  Ausbildung  über.  Das 
Männchen  nimmt  nun  nicht  mehr  an  Grösse  zu,  während  der  hintere  Körper- 
abschnitt des  Weibchens  eine  ausserordentliche  Vergrösserung  erleidet. 


434 


XV.  Capitel. 


C.    Branchiura. 

Die  Branchiura  (A r gul  us)  werden  gewöhnlich  im  Anschlüsse  an 
Claus  (No.  68)  in  die  nähere  Verwandtschaft  der  Copepoden  gestellt. 
Letztere  Auffassung  ist  besonders  durch  die  Aehnlichkeit  der  Ruderfüsse 
sowie  durch  den  durch  Claus  genauer  bekannt  gewordenen  Bau  der 
Mundtheile  begründet.  Letztere  erinnern  thatsächlich  sehr  an  die  bei 
den  parasitischen  Copepoden  (Siphonostomen)  vorliegenden  Verhältnisse. 
Wir  unterscheiden  hakenförmige   Mandibeln   und   stiletförmige  Maxillen, 

welche  in  das  In- 
nere eines  aus  Ober- 
lippe und  Unterlip- 
pe unter  Vermittlung 
einer  seitlichen,  der 
Mandibel  zuzurech- 
nenden Parthie  ge- 
bildeten Rüssels  auf- 
genommen erschei- 
nen und  zwei  da- 
hinter folgende,  als 
Klammerorgane  die- 
nende Maxillarfuss- 
paare.  Die  Deutung 
der  letzteren  als 
selbstständig  gewor- 
dene Aeste  der  zwei- 
ten Maxille,  welche 
eine  beträchtliche 
Uebereinstimmung 
mit  den  Verhältnis- 
sen der  Copepoden 
'  begründen  würde, 
wird  besonders  durch 
die  Lage  der  Aus- 
mündung der  von 
Claus  entdeckten 
Schalendrüse  be- 
kräftigt, welche  dem 
basalen  Theile  des 
zweiten  Maxillarfuss- 
paares  angehört. 
Immerhin  zeigt  Ar- 
gulus  im  Baue  sei- 
ner Geschlechtsor- 
gane, sowie  in  anderen  Organisationsverhältnissen  beträchtliche  Eigen- 
thümlichkeiten,  und  nähert  sich  durch  den  Besitz  paariger  beweglicher 
Seitenaugen,  sowie  verästelter  Leberschläuche  den  Phyllopoden,  so  dass 
wir  in  den  Branchiuren  wahrscheinlich  einen  von  den  gemeinsamen 
Copepodenahnen  frühzeitig  selbstständig  gewordenen  Seitenzweig  zu  be- 
trachten haben. 

Die  dotterreichen  Eier,  in  denen  der  Keimstreif  eine  ventralwärts 
eingekrümmte  Lagerung  gewinnt,  werden  von  den  Weibchen  in  Reihen 
an   Steinen  etc.    angeklebt.    Die    ausschlüpfenden  Jungen,    deren  Meta- 


Fig.  293.  Eben  ausgeschlüpfte  Larve  von  Argulus 
foliaceus  (nach  Claus). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  md  Mandibel,  mdt 
Mandibulartaster,  mf  erster,  mf"  zweiter  Maxillarfuss,  p*-p* 
erstes  bis  viertes  Ruderfusspaar. 


Crustaceen.  435 

morphose  durch  Claus  genauer  bekannt  geworden  ist,  nähern  sich  in 
der  Gestalt  schon  sehr  dem  ausgebildeten  Thiere  (Fig.  293)  und  besitzen 
bereits  die  gleiche  Körpergliederung,  sowie  (wenn  wir  von  dem  Mangel 
der  Maxillen  absehen)  die  gleiche  Extremitätenzahl. 

Der  schildförmige  vorderste  Körperabschnitt  (Cephalothorax)  ver- 
einigt die  Kopfsegmente  und  das  vorderste  ein  Kuderfusspaar  tragende 
Beinsegment.  Es  folgen  hierauf  drei  je  ein  Ruderfusspaar  tragende 
freie  Thoraxsegmente,  denen  ein  ungegliedertes  Abdomen  mit  (bei  den 
Jungen)  terminalen  Furcalanhängen  folgt.  Bei  dem  ausgebildeten  Thiere 
erscheinen  die  letzteren  dorsalwärts  emporgerückt.  Ausserdem  unter- 
scheiden sich  die  Jungen  von  dem  erwachsenen  Thiere  durch  die  geringe 
Ausdehnung  des  Cephalothoraxschildes  (Fig.  293) ,  welcher  die  freien 
Thoraxsegmente  dorsalwärts  noch  nicht  überdeckt.  Im  Uebrigen  bezieht 
sich  die  Metamorphose  hauptsächlich  auf  Umgestaltungen  der  einzelnen 
Beinpaare.  An  den  eben  ausgeschlüpften  Jungen  erscheint  die  erste 
Antenne  («')  kurz,  dreigliedrig,  mit  einem  grossen  Hakenanhang  des 
Basalgliedes.  Die  zweite  Antenne  («")  ist  bedeutend  grösser  und  zwei- 
ästig, indem  ein  mit  Klammerhaken  endender  Endopodit  und  ein  be- 
borsteter  Exopodit  zu  unterscheiden  sind.  An  der  Mandibel  (md)  ist 
ein  in  das  Innere  des  Rüssels  aufgenommener  Basalabschnitt  (Kaulade), 
ein  die  Seitenwand  des  Bussels  bildender,  mittlerer  Abschnitt,  und  ein 
nach  aussen  frei  vorstehender,  beborsteter ,  langer  Tasteranhang  zu  er- 
kennen. Dieser  bildet  mit  dem  Aussenast  der  zweiten  Antenne  und  dem 
vordersten  Ruderfusspaar  die  wichtigsten  Locomotionsorgane  der  Larve. 
Von  der  stiletförmigen ,  in  das  Innere  des  Rüssels  aufgenommenen 
Maxille  war  an  der  Larve  keine  Spur  zu  erkennen.  Die  beiden 
Maxillarfusspaare  (mf,  mf")  sind  mit  Haken  endende  Klammerorgane. 
Von  den  vier  Ruderfusspaaren  (pl — p4)  ist  nur  das  vorderste  frei  und 
beweglich  und  in  seiner  Gestalt  einem  zweiästigen  Copepodenfusse 
ziemlich  ähnlich.  Die  zweiästigen  Anlagen  der  drei  hinteren  Ruderfuss- 
paare  sind  noch  ungegliedert  und  unbeweglich. 

Während  der  durch  mehrfache  Häutungen  vermittelten  Metamorphose 
verstärken  sich  die  basalen  Hakenfortsätze  der  beiden  Antennenpaare, 
während  der  Exopodit  der  zweiten  Antenne,  ebenso  wie  der  Taster  der 
Mandibel  verschwinden,  und  der  Endopodit  der  zweiten  Antenne  unter 
Verlust  der  Endhaken  in  einen  einfachen  Tastanhang  umgewandelt  wird. 
An  dem  ersten  Maxillarfusspaar  kommt  die  mächtige  Saugscheibe  zur 
Entwicklung.  Die  Ruderfi'isse  werden  als  beborstete,  zweiästige  den 
Beinen  der  Copepoden  ähnliche  Gliedmaassen  ausgebildet.  Bald  legt  sich 
an  den  beiden  vorderen  Paaren  derselben  der  als  Flagellum  bezeichnete, 
innere  Nebenast  an,  während  an  den  beiden  hinteren  Paaren  die 
sexuellen  Differenzen  sich  bemerkbar  machen,  indem  beim  Männchen 
charakteristische  Umbildungen  des  Protopodits  zu  erkennen  sind. 

7.   Allgemeines  über  Körpergliederung-  und  Metamorphose 

der  Malacostraken. 

Der  Körper  der  Malakostraken  besteht  aus  drei  primären  Regionen 
von  bestimmter,  in  sämmtlichen  Unterabtheilungen  übereinstimmender 
Segmentzahl.  Während  die  vorderste  oder  cephalische  Region, 
welcher  fünf  Gliedmaassenpaare  (die  beiden  Fühler-  und  die  drei  Kiefer- 
paare) zukommen,  —  von  seltenen  Ausnahmen  abgesehen  —  keine  Spur 
einer  Trennung  der  einzelnen  Segmente  erkennen  lässt,  und  die  dahinter 


436  XV.  Capitel. 

folgende,  aus  acht  Gliedmaassen  tragenden  Segmenten  bestehende 
thoracale  Region  bei  mehr  oder  weniger  deutlicher  Abgrenzung 
eine  verminderte  Beweglichkeit  der  einzelnen  Körpersegmente  aufweist, 
hat  die  aus  sechs  mit  Gliedmaassen  versehenen  Segmenten  und  dem 
Endstück  (Telson)  bestehende  abdominale  Region  die  volle  Be- 
weglichkeit der  einzelnen  Segmente  in  der  Regel  bewahrt,  was  mit  der 
Ausbildung  des  hinteren  Körperendes  zu  einer  für  die  Steuerung  und 
Locomotion  des  Körpers   wichtigen  Ruderflosse  in  Zusammenhang  steht. 

Der  in  dem  dorsalen  Theil  verstärkte  cuti  ciliare  Panzer  des  Kopf- 
abschnittes (Rückenschild)  geht  an  seinen  seitlichen  und  dem  hinteren 
Rande  in  eine  Hautfalte  über,  welche  sich  nach  hinten  über  die  Thorax- 
region hinüberschiebt  und  so  einen  Theil  oder  sämmtliche  Thoraxsegmente 
von  der  dorsalen  Seite  bedeckt.  Nur  selten  erhalten  sich  die  von  dem 
Rückenschilde  überdeckten  Thoraxsegmente  unter  demselben  einigermassen 
selbstständig  (Stomatopoden  [Fig.  318,  pag.  483],  einige  Schizopoden, 
Nebalia);  in  den  meisten  Fällen  gehen  sie  in  ihrem  dorsalen  Antheile 
eine  innige  Verwachsung  mit  der  clarüberliegenden  Integumentfalte  des 
Rückenschildes  ein.  Hierdurch  ist  die  Vereinigung  des  cephalischen  und 
thoracalen  Abschnittes  zu  einer  gemeinsamen  Körperregion  (Cephalo- 
thorax)  gegeben.  Dagegen  hat  in  einer  bestimmten  Formenreihe  der 
Malacostraken  die  Randfalte  des  Rückenschildes  eine  Rückbildung  er- 
litten- (Arthrostraken) ;  hier  geht  meist  bloss  das  vorderste  Thoraxsegment 
eine  innige  Verwachsung  mit  dem  cephalischen  Abschnitte  ein,  wodurch 
der  kurze  Cephalothorax  dieser  Gruppe  gebildet  erscheint,  während  nach 
hinten  sieben  freie  und  bewegliche  Thoraxsegmente  folgen. 

Die  eben  erwähnte  Verwischung  der  Grenze  zwischen  cephalischer 
und  thoracaler  Region  macht  sich  auch  in  dem  Verhalten  der  Glied- 
maassen geltend.  Nur  in  seltenen  Fällen  (Nebalia,  Euphausiden)  weisen 
sämmtliche  acht  Thoraxbeinpaare  einen  ziemlich  übereinstimmenden  Bau 
auf.  Meist  treten  ein  oder  mehrere  Paare  des  vordersten  Thoraxabschnittes 
in  nähere  Beziehung  zum  Munde  und  erscheinen  zum  Zweck  der  Kau- 
function  umgestaltet.  Diese  werden  dann  als  Maxillarfüsse  oder 
Kieferfüsse  unterschieden,  während  die  dahinter  folgenden,  der  Loco- 
motion dienenden  Thoraxextremitäten  in  vielen  Gruppen  als  Gangbeine 
bezeichnet  zu  werden  pflegen.  Während  bei  den  Arthrostraken  nur  das 
vorderste  Thoraxbeinpaar  als  Maxillarfuss  umgebildet  erscheint,  weisen 
die  Deca/poden  drei  Maxillarfusspaare  auf  und  sind  in  der  Gruppe  der 
Stomatopoden  sogar  die  fünf  vordersten  Thoraxbeinpaare  zu  Maxillar- 
füssen  umgebildet. 

Als  Grundform  des  Malacostrakenbeines  dürfen  wir  die  an  den 
Thoraxbeinen  der  Schizopoden  erhaltene  Form  des  zweiästigen  Ruder- 
fusses  mit  basalem  Epipodialanhang  annehmen,  welche  sich  vielleicht  -  -  wie 
nach  der  Gestaltung  der  Thoraxbeine  von  Nebalia  (vgl.  Fig.  268  B, 
pag.  388)  sich  vermuthen  lässt  —  aus  einer  mehr  lamellösen,  phyllo- 
podenbeinälmlichen  Form  hervorentwickelt  hat.  Ein  zweigliedriger 
Protopodit  geht  in  einen  fünfgliedrigen  Endopoditen  über,  während  der 
häufig  einer  Rückbildung  anheimfallende  Exopodit  (Geisselast)  öfters 
eine  grössere  Zahl  dicht  gedrängter  und  beborsteter  Glieder  aufweist. 

Wenn  wir  die  Metamorphose  der  meisten  Entomostraken  (vor 
Allem  der  Phyllopoden)  mit  der  der  Malacostraken  vergleichen  (vgl. 
oben  pag.  387),  so  finden  wir  in  ersterer  Gruppe  einen  mehr  allmählichen, 
durch  zahlreiche  Häutungen  vermittelten  Uebergang  von  der  Nauplius- 
form    zur    ausgebildeten   Form,    während    bei    den    Malacostraken    die 


Crustaceen.  437 

Metamorphose  dadurch  eine  höhere  Ausbildung  erhalten  hat,  dass  die  ein- 
zelnen Stadien  zum  Theil  schärfer  von  einander  getrennt  erscheinen 
und  dass  sich  Larvenstadien  einschieben,  welche  nicht  auf  dem  directen 
Wege  des  Ueberganges  von  der  Jugendform  zur  ausgebildeten  Form 
gelegen  sind,  sondern  welche  durch  Entwicklung  secundärer  Eigen- 
thümlichkeiten  eine  gewisse  Selbstständigkeit  gewinnen  und  erst  durch 
weitere,  wichtige  Umformungen  zur  ausgebildeten  Gestaltung  überführen. 
Es  steht  demnach  die  Metamorphose  der  niederen  Crustaceen  zu  derjenigen 
der  Malacostraken  in  einem  ähnlichen  Verhältnisse,  wie  die  der  Insecten 
mit  unvollkommener  Verwandlung  zu  der  der  höheren  Insecten  mit 
vollkommener  Verwandlung  (vgl.  unten  den  Abschnitt:  Metamorphose 
der  Insecten).  Als  solche  —  wenn  wir  so  sagen  dürfen  —  neu  ein- 
geschobene Glieder  des  Entwicklungsganges  sind  vor  Allem  zu  nennen: 
die  Zoea  der  Decapoden  und  die  zoea  ähnlichen  Entwicklungsstadien 
der  Schizopoden  (Calyptopis)  und  der  Stomatopoden,  welche  bei 
bereits  vollständig  entwickelter  Zahl  der  Körpersegmente  durch  den 
rudimentären  Zustand  einer  mittleren  Leibesregion  ausgezeichnet  sind. 
Es  erscheinen  hier  nämlich  die  fünf  (beziehungsweise  6  oder  7)  hinteren 
Thoraxsegmente  in  der  Entwicklung  ungemein  zurückgeblieben  und  ohne 
oder  mit  völlig  rudimentären  Gliedmaassenanlagen,  während  die  Segmente 
des  Abdomens  bereits  mächtig  entwickelt  sind.  Es  ist  die  Zoeaform 
offenbar  eine  durch  eminente  Anpassung  an  die  pelagische  Lebensweise 
secundär  veränderte  Larvenform.  Es  mag  unter  diesem  Gesichtspunkte 
als  zweckmässig  erscheinen,  dass  durch  längere  Zeit  dem  Körper  eine 
gedrungenere  Gestalt  erhalten  blieb,  dass  die  wichtigsten  Locomotions- 
organe  (Maxillarfüsse  und  z.  Th.  Antennen)  in  einer  vorderen  Körper- 
region entwickelt  wurden  und  dass  ein  hinterer  ungemein  beweglicher 
Körperabschnitt  (Abdomen)  als  Ruder  und  Steuer  zu  frühzeitiger  Ent- 
wicklung kam.  Hiedurch  erscheint  der  rudimentäre  Zustand  einer  mitt- 
leren Körperregion  einigermassen  erklärt. 

Von  besonderem  Interesse  für  die  Auffassung  der  Zoea  als  einer  secun- 
där in  den  Entwicklungskreis  eingeschobenen  Larvenform,  welche  eine  gewisse 
selbstständige  Geltung  und  Bedeutung  für  sich  in  Anspruch  nahm,  erscheinen 
die  Verhältnisse  der  Entwicklung  des  Herzens.  Mit  Rücksicht  auf  das  Ver- 
halten des  Herzens  bei  Nebalia  und  den  Schizopoden  würden  wir  bei  den 
Larvenformen  der  Decapoden  eher  eine  gestreckte,  röhrenförmige  Herzform 
erwarten.  Ebenso  würden  wir  voraussetzen  dürfen,  dass  die  drei  dem  Deca- 
podenherzen  zukommenden  Spaltenpaare  bereits  am  Zoeaherzen  vorzufinden 
seien.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Das  Herz  der  Zoea  ist  von  kurzer 
sackförmiger  Gestalt  und  erinnert  einigermassen  an  das  Copepodenherz.  Es 
weist  nur  zwei  seitliche  Spaltenpaare  auf  (in  einzelnen  Fällen  [Penaeus, 
Euphausia]  nur  eines).  Die  fehlenden  Ostien  werden  erst  später  angelegt.  Es 
ergiebt  sich  hieraus  deutlich,  dass  das  Herz  eine  secundäre,  den  Bedürfnissen 
des  Zoealeibes  entsprechende  Modifikation  eingegangen  ist.  Die  Entwicklung 
des  Herzens  wurde  mit  Rücksicht  auf  die  Organisationsverhältnisse  des  Zoea- 
stadiums  gefälscht. 

An  der  vollständigen  Entwicklungsreihe  der  Decapoden,  welche  aber 
nur  in  den  wenigsten  Fällen  in  dieser  Ausdehnung  eingehalten  wird, 
lassen  sich  folgende,  meist  durch  mehrfache  Häutungen  aus  einander 
hervorgehende  Larvenstadien  unterscheiden : 

1.  Das  Naupliusstadium  (vgl.  unten  pag.  455,  Fig.  299.4). 
Im  Bau   mit   dem   Nauplius    der  Entomostraken   sehr   übereinstimmend 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  29 


438  xv-  Capitel. 

und  durch  den  Besitz  der  drei  typischen  Extremitätennaare  ausgezeichnet, 
von  denen  das  vordere  (I.  Antenne)  einfach,  die  beiden  hinteren  Paare 
(II.  Antenne,  Mandibel)  zweiästig  erscheinen.  Ein  freies  Naupliusstadium 
findet  sich  bei  Penaeus  und  unter  den  Schizopoden  bei  Euphausia. 

2.  Das  Metanaupliusstadium  (vgl.  unten  pag.  445  Fig.  295 
und  pag.  442  Fig.  294  A),  welches  in  der  Körperform  sich  noch  völlig 
an  das  vorhergehende  Stadium  anschliesst,  aber  hinter  den  etwas  nach 
vorne  gerückten  Naupliusextremitäten  noch  die  Anlage  von  vier  (bei 
Euphausia  nur  drei)  weiteren  Extremitätenpaaren  aufweist.  Eine  seitlich 
und  hinten  sich  erhebende  Hautfalte  ist  die  erste  Anlage  des  Rücken- 
schildes.  Das  hintere  Körperende  ist  durch  zwei  kurze  beborstete  Höcker 
(Furcalfortsätze)  gekennzeichnet.  Das  Metanaupliusstadium  ist  der  Aus- 
gangspunkt der  Metamorphose  von  Lucifer. 

3.  Das  Protozoeastadium  (vgl.  pag.  446  Fig.  296  A,  D, 
pag.  451  Fig.  298  A.)  Die  im  Metanauplius  neu  angelegten  Glied- 
maassenpaare  (I.  und  IL  Maxille,  I.  und  IL  Maxillarfusspaar)  sind  zur 
vollen  Entwicklung  gekommen.  Der  vordere  Körperabschnitt  ist  von 
dem  Cephalothoraxschilde  bedeckt,  nach  hinten  geht  der  Körper  in  eine 
schmälere  Region  über,  welche  die  Anlage  des  Thorax  und  Abdomens 
vereinigt  und  in  seiner  vorderen  Parthie  auch  schon  eine  Segmentirung 
erkennen  lässt,  während  der  hintere  (abdominale)  Abschnitt  noch  nicht 
vollständig  segmentirt  erscheint.  Die  Antennen  haben  noch  Nauplius- 
charakter  und  fungiren  noch  als  Ruder.  Als  solche  dienen  auch  die 
zweiästigen  Maxillarfüsse.  Die  Mandibel  hat  sich  stark  verändert;  ihr 
Basalglied  ist  als  Kaulade  erhalten,  während  ihr  distaler  Abschnitt 
(Taster)  verloren  gegangen  ist.  Das  Protozoeastadium  tritt  in  der 
Metamorphose  der  Penaeiden  und  Sergestiden  auf.  Es  zeichnet 
sich  durch  den  Besitz  deutlicher  Furcalfortsätze  aus.  In  einzelnen  Fällen 
(Sergestes)  kann  auch  bereits  das  dritte  Maxillarfusspaar  zur  Entwicklung 
kommen. 

4.  Das  Zoeastadium  (vgl.  pag.  446  Fig.  296  E,  pag.  456 
Fig.  300  C,  pag.  459  Fig.  301  und  pag.  476  Fig.  313.)  In  allen  wichtigen 
Charakteren  mit  dem  vorhergehenden  Stadium  übereinstimmend ,  von 
welchem  es  sich  durch  die  deutliche  Segmentirung  des  hintersten,  abdo- 
minalen Abschnittes  unterscheidet.  Allerdings  bleibt  das  sechste  Abdo- 
minalsegment häufig  noch  lange  Zeit  mit  dem  Telson  vereinigt.  Die 
Extremitäten  des  Zoeastadiums  sind  dieselben,  wie  im  vorhergehenden 
Stadium.  Bei  den  ursprünglicheren  Decapoden  fungiren  auch  die 
Antennen  als  Ruder,  während  diese  Gliedmaassen  an  den  Zoeen  der 
Brachyuren  ganz  in  den  Hintergrund  treten  und  die  Locomotion  aus- 
schliesslich durch  die  beiden  zweiästigen  Maxillarfusspaare  in  Gemeinschaft 
mit  dem  beweglichen  Abdomen  ausgeübt  wird.  Vielfach  (Macruren) 
ist  auch  das  III.  Maxillarfusspaar  bereits  in  Function  getreten.  Die 
dahinter  folgenden  Thoraxbeinpaare  können  als  sackförmige,  ungegliederte, 
an  den  Körper  angedrückte  Anlagen  vorhanden  sein,  treten  jedoch  an 
der  Zoea  niemals  in  Function.  Die  Pleopoden  fehlen  noch  vollständig  mit 
Ausnahme  des  sechsten  Pleopodenpaares  (Uropoden),  welches  in  einzelnen 
Fällen  schon  im  Zoeastadium  zur  Entwicklung  kommt.  Man  hat  früher 
zur  Charakterisirung  des  Zoeastadiums  auf  die  vom  Cephalothorax  ab- 
gehenden Stachelfortsätze,  welche  den  Brachyurenzoeen  typisch  zukommen, 
übergrosses  Gewicht  gelegt.  Ein  wichtiges  Charakteristicum  dieses 
Stadiums  dagegen  ist,  dass  die  Segmente  der  hinteren  Thoraxregion 
(vom    III.    Maxillarfusspaar    angefangen)    meist    nur   in    rudimentärem 


Crustaceen.  439 

Zustande  vorhanden  und  oft  gar  nicht  deutlich  zu  erkennen  sind, 
während  die  Abdominalsegmente  durch  ihre  Grösse  und  deutliche 
Abgrenzung  hervortreten.  Das  Zoeastadium  bezeichnet  für  viele  Deca- 
poden  den  Anfang  der  Metamorphose.  Das  Protozoöa-  und  Zoeastadium 
sind  dem  Metanauplius  gegenüber  durch  die  allmähliche  Entwicklung 
des  paarigen,  gestielten  Auges  charakterisirt ,  welches  —  wie  bei 
Branchipus  — ,  anfänglich  in  der  Form  seitlicher  Vorwölbungen  des 
Kopfabschnittes  angelegt  (vgl.  die  Zoea  von  Lucifer  pag.  446  Fig. 
296  E),  erst  allmählich  die  Entwicklung  abgegliederter  Augenstiele 
erkennen  lässt. 

5.  Das  Mysisstadium  (vgl.  pag.  448  Fig.  297  A,  und  pag.  456 
Fig.  300 D)  und  Metazoeastadium  (vgl.  pag.  473  Fig.  3105). 
Durch  die  Entwicklung  der  hinter  dem  III.  Maxillarfusspaare  folgenden 
Thoraxextremitäten  geht  die  Zoea  in  das  M y s i s -  oder  Schizopoden- 
Stadium  über.  Diese  nun  in  Function  tretenden  Gliedmaassen  erscheinen 
in  Uebereinstimmung  mit  den  Maxillarfüssen  als  zweiästige  beborstete 
Ruderfüsse,  welche  nun  mit  letzteren  die  Locomotion  übernehmen  und 
an  die  Schizopodenbeine  erinnern.  In  diesem  Stadium  kommen  die 
Pleopoden  zur  Entwicklung. 

Bei  Brachyuren  und  Anomuren  erscheint  der  Entwicklungsgang 
insofern  vereinfacht,  als  die  schon  im  Zoeastadium  vorhandenen,  schlauch- 
förmigen Anlagen  der  Gangbeine  niemals  schizopodenbeinähnlich  werden, 
sondern  direct  in  die  definitive  Form  übergehen.  Es  unterbleibt  hier 
die  Ausbildung  eines  Exopoditen  an  diesen  Extremitätenanlagen.  Es 
resultirt  hieraus,  dass  in  diesen  Gruppen  auf  das  Zoeastadium  ein  im 
Habitus  der  Zoea  noch  sehr  ähnliches  Stadium  folgt,  welches  die  Anlagen 
der  fünf  Gangbeinpaare  schon  in  ziemlicher  Entwicklung,  aber  noch  an 
den  Körper  angedrückt  erkennen  lässt.  Dies  Stadium,  welches  bei  den 
Anomuren  und  Brachyuren  das  Mysisstadium  ersetzt,  hat  Claus  (No.  7) 
als  Metazoea  bezeichnet. 

6.  End Stadien  der  Metamorphose.  Sie  unterscheiden  sich 
nur  mehr  in  unwichtigeren  Merkmalen  von  der  ausgebildeten  Form,  zu 
welcher  sie  den  Uebergang  vermitteln.  Durch  den  Verlust  der  Exopoditen 
an  den  Thoraxbeinen  und  unter  Vergrösserung  des  Abdomens  geht  bei 
den  Sergestiden  aus  dem  Mysisstadium  das  Mastigopusstadium 
(pag.  448  Fig.  297  C)  hervor.  Bei  den  Penaeiden  und  Carididen  be- 
zeichnet man  das  entsprechende  Stadium  als  erstes  Gar neel Stadium. 
Die  Endstadien  der  Anomuren-  und  Brachyurenmetamorphose  werden 
als  Megalopa  (pag.  480  Fig.  316 A  und  B)  bezeichnet,  wobei  zu 
erwähnen  ist,  dass  die  Umwandlung  dieses  Stadiums  in  die  ausgebildete 
Form  bei  den  Brachyuren  unter  beträchtlicheren  Veränderungen  erfolgt, 
als  bei  den  Anomuren,  weil  letztere  zeitlebens  auf  einer  dem  Megalopa- 
stadium  näheren  Entwicklungsstufe  verbleiben. 

Ueberblicken  wir  die  geschilderte  Serie  der  Larvenstadien,  so  sehen 
wir,  dass  die  Reihenfolge  der  Entwicklung  der  Segmente  und  Extre- 
mitäten von  vorne  nach  hinten  im  Allgemeinen  eingehalten  wird.  Nur 
im  Einzelnen  ergeben  sich  gewisse,  charakteristische  Abweichungen.  So 
erscheint  die  Entwicklung  der  Thoraxsegmente  im  Zoeastadium  meist 
gegenüber  derjenigen  der  Abdominalsegmente  unterdrückt,  und  unter  den 
Extremitäten  macht  das  sechste  Pleopodenpaar  durch  sein  frühzeitiges  Auf- 
treten eine  Ausnahme.  Wir  haben  diese  Abweichungen  von  der  Regel  als 
aus  einer  Anpassung  der  Larvenstadien  an  die  pelagische  Lebensweise 
hervorgegangen  ableiten  können. 

21)* 


440  XV.  Capitel. 

Nur  in  ganz  wenigen  Fällen  wird  die  ganze,  oben  geschilderte 
Entwicklungsreihe  bei  den  Decapoden  frei  durchlaufen.  Penaeus  und 
Lucifer  können  nach  dieser  Hinsicht  als  Beispiel  dienen.  Meist  erfolgt 
eine  mehr  oder  minder  weitgehende  Abkürzung  der  Metamorphose,  indem 
die  Anfangsstadien  derselben  in  das  Embryonalleben  einbezogen  erscheinen. 
So  schlüpfen  beispielsweise  die  Sergestiden  im  Protozoeastadium ,  die 
meisten  Carididen  im  Zoeastadium,  die  marinen  Astaciden  im  Mysis- 
stadium  aus  dem  Eie.  Die  weitestgehende  Abkürzung  der  Metamorphose 
findet  sich  bei  manchen  im  Süsswasser  und  auf  dem  Lande  lebenden 
Formen  (Astacus,  Telphusa,  Gecarcinus). 

In  anderer  Weise  wird  eine  Abkürzung  der  Metamorphose  erzielt 
durch  die  Tendenz,  die  Charaktere  der  einzelnen  Entwicklungsstufen  zu 
verwischen.  So  werden  wir  sehen,  dass  bei  den  Carididen  das  Zoea- 
stadium dadurch  abgeändert  erscheint,  dass  es  gewisse  Merkmale  des 
Mysisstadiums  anticipirt.  In  ähnlicher  Weise  ist  das  vollständige 
Schwinden  des  Mysisstadiums  in  der  Brachyuren-  und  Anomuren- 
metamorphose  zu  erklären. 

Die  oben  geschilderte  Entwicklungsreihe  bezieht  sich  auf  die 
Decapoden;  doch  schliessen  sich  die  Verhältnisse  der  Schi zop öden 
(E u p h a u s i d e n)  und  der  Stomatopoden  nahe  an  dieselbe  an.  Wir 
könnten  die  Calyptopisstadien  der  Euphausiden  direct  als  Protozoea-  und 
Zoeastadien  in  Anspruch  nehmen,  wenn  sie  sich  nicht  durch  den 
Mangel  des  zweiten  Kieferfusspaares  von  diesen  letzteren  entfernten. 
In  der  Stomatopodenmetamorphose  sehen  wir  andererseits  durch  eine 
ganz  ähnliche  Unterdrückung  der  Thoraxsegmente  und  der  zugehörigen 
Extremitäten,  wie  bei  der  Decapodenzoea,  Larvenformen  zu  Stande 
kommen,  welche  direct  als  Pseudozoea  der  Stomatopoden  bezeichnet 
worden  sind. 

Dagegen  zeigt  eine  zweite  Formenreihe  der  Malacostraken,  welche 
die  Cumaceen  und  Arthrostraken  umfasst,  im  Anschlüsse  an  die  dort 
vorherrschende  Brutpflege  ein  ganz  allgemeines  Schwinden  der  Meta- 
morphose. Die  Verhältnisse  schliessen  sich  bei  diesen  Gruppen  dies- 
bezüglich an  die  der  Mysideen  und  Leptostraken  an.  Immerhin  werden 
wir  in  dem  verspäteten  Auftreten  des  letzten  Thoraxbeinpaares  bei 
den  Isopoden  einen  letzten  Rest  jener  Entwicklungsrichtung  erblicken 
dürfen,  welche  bei  den  Decapoden  zur  Ausbildung  des  Zoeastadiums 
geführt  hat. 

8.   Leptostraken. 

Die  Leptostraken  (Nebali a)  entbehren,  gleich  den  Mysideen, 
frei  schwimmender  Larvenstadien.  Wenn  die  Jungen  den  als  Brutraum  be- 
nützten, inneren  Schalenraum  der  Mutter  verlassen,  so  zeigen  sie  sich  nach 
Metschnikoff  (No.  82)  im  Wesentlichen  in  der  definitiven  fertigen  Gestalt. 
Die  Metamorphose  ist  demnach  hier ,  ähnlich  wie  bei  den  Mysideen ,  Cuma- 
ceen und  vielen  Arthrostraken,  auf  jene  Stadien  beschränkt,  welche  noch  im 
Brutraum  gelegen  sind ,  aber  schon  die  Eihaut  gesprengt  haben.  In  Bezug 
auf  das  Hervorsprossen  der  einzelnen  Gliedmaassen  wird  die  Reihenfolge  von 
vorne  nach  hinten  eingehalten.  Es  schliessen  sich  die  Leptostraken  hinsicht- 
lich dieser  Verhältnisse  und  durch  den  Mangel  eines  deutlich  ausgesprochenen 
Zoeastadiums  mehr  an  die  Phyllopoden  an.  Zunächst  werden  die  drei  Glied- 
maassenpaare  des  Nauplius  angelegt.  Es  folgt  hierauf  ein  Stadium ,  welches 
dieselben  in  weiterer  Entwicklung  und  dahinter  vier  weitere  Beinpaare  (zwei 
Maxillenpaare    und    die    zwei    vordersten    Thoraxbeinpaare)    erkennen    lässt. 


Crustaceen.  441 

Dieses  Stadium  würde  somit  nach  der  Zahl  der  vorhandenen  Gliedmaassen- 
anlagen  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  der  Zoeaform  aufweisen.  Ein 
weiteres  Stadium  lässt  die  Anlage  eines  dritten  Thoraxbeinpaares  erkennen. 
Der  Embryo  liegt  im  Ei  in  der  Weise  gekrümmt,  dass  die  Ventralfläche  des 
nach  vorne  eingeschlagenen  Schwanzabschnittes  der  Ventralfläche  des  vorderen 
Körperabschnittes  anliegt.  Nun  wird  die  Eihülle  gesprengt  und  die  frei 
werdende,  aber  noch  von  der  Larvencuticula  umhüllte  Larve,  welche  bereits 
die  Anlagen  sämmtlicher  Thoraxbeinpaare  aufweist,  nimmt  nicht  nur  eine  ge- 
streckte, sondern  sogar  etwas  dorsalwärts  eingekrümmte  Haltung  an.  Es 
wiederholt  sich  also  bei  Nebalia  hinsichtlich  der  Lagerungsverhältnisse  der 
Körperabschnitte  dieselbe  Aenderung,  welche  wir  (pag.  353  u.  354)  bei  Mysis 
eintreten  sahen,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  dort  der  Riss  der  Eihaut  und 
die  Streckung  des  Körpers  bereits  im  Naupliusstadium,  hier  dagegen  in  einem 
späteren  Stadium  stattfindet.  Nun  werden  allmählich  die  Pleopoden  in  der 
Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  angelegt,  der  Körper  nähert  sich  der  aus- 
gebildeten Form,  und  das  Junge  schwärmt  aus  dem  Brutraum  aus  (Metsch- 
nikopf  No.  82). 

9.   Scliizopoden. 

In  der  Gruppe  der  Schizopoden  hat  die  Familie  der  Euphau- 
siidae  eine  durch  zahlreiche  Häutungen  vermittelte  sehr  ursprüngliche 
Art  der  Metamorphose  bewahrt,  während  die  Mysideen  in  einer  dem 
ausgebildeten  Thier  sehr  ähnlichen  Form  die  Naupliuscuticula  abstreifen, 
die  Bruttasche  der  Mutter  verlassen  und  frei  umherschwimmen  (vgl.  oben 
pag.  353). 

Die  verschiedenen  Larvenstadien  der  Euphausiidae,  von  denen 
sich  keines  vollständig  auf  die  Protozoea  und  Zoea  der  Decapoden  zurück- 
führen lässt,  wurden  von  Dana  als  eigene  Gattungen  unter  den  Namen 
Calyptopis,  Furcilia  und  Cyrtopia  beschrieben.  Erst  Claus 
(No.  91)  wies  die  Zugehörigkeit  dieser  Formen  in  den  Entwicklungs- 
kreis der  Euphausiidae  nach.  Die  jüngsten  Stadien  wurden  durch 
Metschnikoff  (No.  93  und  94)  bekannt,  welchem  der  wichtige  Nachweis 
zu  verdanken  ist,  dass  die  Euphausialarven  als  echte  Nauplien  das  Ei 
verlassen.  Die  wichtigsten  Momente  der  Entwicklung  der  späteren  Stadien 
wurden  hauptsächlich  von  Claus  (No.  91  und  8)  für  Euphausia  fest- 
gestellt. Neuerdings  wurde  der  Gang  der  Entwicklung  für  verschiedene 
Formen  ausführlicher  von  G.  0.  Sars  (No.  95),  sowie  Brook  und  Hoyle 
(No.  90)  geschildert. 

Der  aus  dem  Ei  schlüpfende  Nauplius  von  Euphausia  zeigt 
einen  ovalen,  unsegmentirten ,  der  Schalenduplicatur  noch  entbehrenden 
Körper,  an  dessen  vorderer  Hälfte  die  drei  Paare  von  Naupliusextremi- 
täten  in  der  typischen  Form  entwickelt  sind.  Das  vorderste  Paar  der 
letzteren  ist  einästig,  die  beiden  hinteren  Paare  sind  zweiästig.  Die 
distalen  Enden  sind  mit  Ruderborsten  besetzt,  eine  Gliederung  der  Ex- 
tremitäten in  gesonderte  Ringel  ist  noch  nicht  deutlich  zu  bemerken.  Im 
Uebrigen  ist  an  dem  Körper  des  Nauplius  nur  die  sehr  kleine  Mund- 
öffnung zu  erkennen. 

Spätere  Stadien  (Fig.  294  A)  zeichnen  sich  durch  die  Entwicklung 
von  drei  weiteren  Gliedmaassenanlagen  (zwei  Maxillenpaare  [4,  5]  und 
das  erste  Maxillarfusspaar  [I])  aus  und  müssen  deshalb  schon  als  Meta- 
nauplius  in  Anspruch  genommen  werden.  Die  drei  vorderen  Glied- 
maassenpaare  (I,  2,  3)  haben  noch  den  Charakter  des  Naupliusstadiums 
bewahrt.    Wir  bemerken  die  Anlage  des  Naupliusauges,  der  Oberlippe  (o), 


442 


XV.  Capitel. 


der  paarigen  Paragnathen  (u)  und  einer  Schildduplicatur,  welche  die 
seitliehen  Theile  der  hinteren  Extremitätenanlagen  überdeckt.  Das  hintere 
Körperende  ist  hinter  der  nun  deutlich  werdenden  Afteröffnung  in  zwei 
rundliche,  borstenrandige  Furcalfortsätze  verlängert.  Spätere  Metanauplius- 
stadien  zeigen  eine  Veränderung  des  dritten  Extremitätenpaares,  welches 
die  Form  eines  Ruderfusses  vollständig  aufgegeben  hat  und  zu  einer 
Kaulade  (Mandibel)  mit  ganz  rudimentärem  Tasteranhang  umgebildet  ist. 
Die   Schildduplicatur  hat  sich   nun   auch   im  vorderen   Körperabschnitte 


Fig.  294.     Drei  Entwicklungsstadien    von  Euphausia  (aus  Laxg's  Lehrbuch). 

A  Metanauplius  (nach  Metschnikoff),  B  Calyptopisstadium  (nach  Claus),  C  älteres 
Calyptopisstadium  (nach  Claus). 

],  2  erste  und  zweite  Antenne,  3  Mandibel,  4,  5  erste  und  zweite  Maxille,  /erstes 
Maxillarfusspaar,  ab  Abdomen,  («x) — (aB)  erstes  bis  fünftes  Abdominalsegment,  aQ  sechstes 
Pleopodenpaar,  an  After,/«  frontales  Sinnesorgan,  o  Oberlippe,  u  Paragnathen,  th  Thoracal- 
segmente. 

entwickelt,  so  dass  sie  auch  den  Kopftheil  der  Larve  rings  umsäumt 
(vgl.  die  späteren  Stadien  Fig.  294  B  und  C).  An  den  hinteren  Glied- 
maassen  macht  sich  die  erste  Andeutung  der  Lappenbildung  bemerkbar, 
während  neben  dem  Naupliusauge  das  so  verbreitete,  paarige  Frontal- 
organ (fs)  zur  Entwicklung  gekommen  ist. 

Aus  dem  Metanauplius  geht  durch  weitere  Häutungen  die  Reihe  der 
Calyptopisstadien  (Fig.  294  B  und  C)  hervor,   welche   durch   die 


Crustaceen.  443 

Entwicklung  der  sechs  vordersten  Extremitätenpaare  und  durch  die  Aus- 
bildung eines  längeren  hinteren  Körperabschnittes  (Thoracoabdominal- 
theil)  charakterisirt  sind.  Die  beiden  Antennenpaare  haben  noch  im 
Wesentlichen  die  Naupliuscharaktere  bewahrt,  wenngleich  sich  an  ihnen 
jetzt  eine  reichere  Gliederung  bemerkbar  macht.  Die  ersten  Antennen 
zeigen  nun  einen  aus  drei  Gliedern  bestehenden  Schaft,  an  dessen  Ende 
zwei  kurze  Fortsätze  (die  Anlagen  der  späteren  Geissein)  sich  inseriren. 
Die  zweiten  Antennen  lassen  an  dem  beborsteten  Ende  des  Exopoditen 
einen  deutlichen  Zerfall  in  dicht  gedrängte  Kingel  erkennen.  Die  Maxillen- 
paare  (4,  5)  und  der  erste  Maxillarfuss  (2)  stellen  eine  vielfach  gelappte 
Anlage  dar,  die  in  ihrer  Form  eine  ziemliche  Uebereinstimmung  mit  den 
Phyllopodenbeinen  aufweist.  Die  erste  Maxille  (4)  lässt  ausser  den  zwei 
Kauladen  und  dem  Endopoditen  noch  einen  kurzen  beborsteten  Stummel 
(Exopoditen),  der  Anlage  der  späteren  Fächerplatte  erkennen.  An  der 
zweiten  Maxille  (5)  ist  der  Exopodit  in  völlig  rudimentärem  Zustande 
vorhanden,  während  an  der  Innenseite  des  Protopoditen  vier  Kaufortsätze 
zur  Entwicklung  gekommen  sind.  Der  erste  Kieferfuss  (I)  trägt  (be- 
sonders deutlich  bei  Nyctiphanes)  den  Charakter  eines  zweiästigen 
Ruderfusses.  An  der  weiter  hinten  folgenden  Basis  des  thoracoabdomi- 
nalen  Abschnittes  erkennt  man  bereits  deutlich  die  dichtgedrängten  An- 
lagen der  weiter  folgenden  Thoraxsegmente  (Fig.  294  B,  th) ,  während 
der  abdominale  Abschnitt  (ab)  noch  ungegliedert  erscheint.  Das  hinterste 
Ende  desselben  ist  bereits  zur  Bildung  der  Mittelplatte  des  Schwanz- 
fächers umgestaltet  und  an  seinem  hinteren  Rande  mit  starken  Dornen 
besetzt.  Ebenso  sind  vor  der  Afteröffnung  die  Seitenglieder  des 
Schwanzfächers  (sechstes  Pleopodenpaar  [a6])  in  der  ersten  Anlage  zu 
erkennen.  Die  den  vorderen  Theil  des  Körpers  bedeckende  Mantel- 
duplicatur  hat  eine  stärkere  Entwicklung  erfahren.  Bei  Euphausia  ist 
sie  durch  den  Besitz  eines  an  der  Rückenseite  vom  hinteren  Rande  ent- 
springenden unpaaren  Stachelfortsatzes,  durch  die  zierliche  Zähnelung  der 
Ränder  und  durch  eine  an  den  Seiten  erkennbare  Einbiegung  ausgezeichnet, 
welche  an  den  Schalenausschnitt  der  Cypridinen  und  Halocypriden 
erinnert.  Bei  anderen  Gattungen  (Nyctiphanes)  entbehrt  die  Schale 
des  Rückenstachels,  sowie  der  Randfransen  und  weist  nur  eine  ganz  un- 
deutliche seitliche  Einbuchtung  auf.  Von  inneren  Organen  sind  die  nun 
allmählich  sich  entwickelnden  paarigen  Augenanlagen,  die  Leberaus- 
stülpungen des  Darmcanals,  sowie  das  mit  einem  venösen  Spaltenpaar 
versehene,  kurze,  sackförmige  Herz,  das  sich  in  ein  wohlentwickeltes 
Arteriensystem  fortsetzt,  zu  erwähnen. 

Spätere  Calyptopisstadien  (Fig.  294  0)  unterscheiden  sich 
von  den  eben  beschriebenen  durch  die  deutlichere  Ausbildung  der  noch 
immer  unter  dem  Rückenpanzer  verborgenen  paarigen  Augenanlagen  und 
durch  die  vollzählige  Segmentirung  des  Körpers.  Es  ist  nicht  nur  die 
Region  des  Mittelleibes  (Thorax  th)  in  sieben  —  wenngleich  kurze  — 
Segmente  zerfallen,  sondern  auch  das  Abdomen  erscheint  vollständig 
[(ax) — (a6)]  segmentirt.  Im  letzten  Stadium  dieser  Reihe  ist  auch  schon 
das  sechste  Pleopodenpaar  (a6)  als  frei  vorragende  Seitengliedmaasse  des 
Schwanzfächers  ausgebildet. 

Wenn  wir  die  Reihe  der  Calyptopisstadien  mit  den  übrigen 
Malacostrakenlarven  vergleichen,  so  müssen  wir  die  jüngeren  Calyptopis- 
formen  der  Protozoea,  die  späteren  der  Zoeaform  gleichstellen.  Sie  unter- 
scheiden sich  von  diesen  durch  den  Mangel  des  zweiten  Kieferfusspaares, 
welches  noch  nicht  zur  Entwicklung  gekommen  ist. 


444  XV.  Capitel. 

Die  späteren,  als  Furcilia  bezeichneten  Stadien  charakterisiren  sich 
vor  Allem  durch  die  vollständige  Entwicklung  des  nun  schon  beweglichen 
Stielauges,  welches  von  nun  an  nicht  mehr  von  einer  Fortsetzung  des 
Rückenschildes  überdeckt  ist,  sondern  aus  einem  Einschnitt  im  Rande 
des  letzteren  frei  vorragt.  Dementsprechend  wird  auch  die  zwischen  den 
Augen  befindliche  Parthie  des  Kopfschildes  allmählich  zur  Bildung  einer 
zu  einem  Rostrum  sich  zuspitzenden  Frontalplatte  umgewandelt.  Während 
die  sechs  vorderen  Extremitätenpaare  vorläufig  dieselbe  Gestalt,  wie  in 
den  Calyptopisstadien,  beibehalten,  kommen  die  noch  fehlenden  hinteren 
Anhänge  zur  Entwicklung,  und  zwar  weist  das  erste  Furciliastadium  die 
Anlage  des  zweiten  Kieferfusspaares  und  des  ersten  Abdominalbeinpaares 
auf.  Die  Ausbildung  der  weiteren  abdominalen  Extremitäten  folgt  sehr 
bald  nach,  während  die  Anlagen  des  dritten  Maxillarfusses  und  der 
Thoraxbeine,  ''sowie  der  zugehörigen  Kiemenknospen  mehr  allmählich  in 
der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  erfolgt.  Gleichzeitig  kommen  bei 
Euphausia  die  Anlagen  der  augenähnlichen  Leuchtorgane  an  der  Basis 
der  Extremitäten  zur  Entwicklung. 

Für  die  Cyrtopiastadien  ist  vor  Allem  die  Aenderung  in  der 
Gestaltung  der  Antennen  charakteristisch,  welche  von  nun  an  nicht  mehr 
als  Ruder  verwendet  werden  und  in  ihrer  Gestalt  sich  der  definitiven 
Form  nähern.  Beide  Geisseiäste  der  ersten  Antenne  haben  sich  erheblich 
gestreckt  und  weisen  einen  Zerfall  in  zahlreiche  Ringel  auf.  Für  die 
zweite  Antenne  ist  die  Umbildung  des  Endopoditen  zur  Geissei,  des 
Exopoditen  in  die  Schuppe  bemerkbar.  Unter  Vervollständigung  der  Zahl 
der  Extremitätenanlagen  und  Ausbildung  der  zuletzt  angelegten  Thorax- 
beine geht  die  Cyrtopialarve  allmählich  in  die  ausgebildete  Form  über. 

DieMysideen  zeigen,  ähnlich  wie  Nebalia,  nur  eine  im  Brutraum  der 
Mutter  ablaufende  Metamorphose,  indem  die  aus  demselben  ausschlüpfenden 
Jungen  bereits  die  fertige  Gestalt  der  ausgebildeten  Form  aufweisen.  Wir 
haben  schon  oben  (pag.  354)  erwähnt,  dass  die  Eihaut  bei  Mysis  im  Nauplius- 
stadium  gesprengt  wird.  Die  nun  bloss  von  der  Naupliuscuticula  umhüllte 
Larve  zeigt  übrigens  im  Wesentlichen  noch  völlig  embryonalen  Habitus.  Sie 
ist  madenförmig,  wenig  beweglich,  die  Gliedmaassen  entbehren  des  Borsten- 
besatzes. Die  Larvencuticula,  unter  welcher  die  weiteren  Extremitätenanlagen 
zur  Ausbildung  kommen,  ist  bei  Mysis  vulgaris  und  tlexuosa  dadurch  ausge- 
zeichnet, dass  sie  an  ihrem  hinteren  Ende  in  zwei  behaarte  Furcalfortsätze 
ausläuft.  Von  den  weiteren  nun  zur  Ausbildung  kommenden  Gliedmaassen 
werden  die  nächsten  zehn  Paare  (zwei  Maxillenpaare  und  acht  Thoraxbein - 
paare)  gleichzeitig  angelegt.  Von  den  Pleopoden  erscheinen  zunächst  die  in 
die  Bildung  des  Schwanzfächers  eingehenden  Anlagen  des  sechsten  Paares 
(pag.  353,  Fig.  254  E);  die  fünf  vorderen  Paare  sprossen  erst  nach  Ab- 
streifung der  Naupliuscuticula  hervor  (P.  J.  u.  E.  van  Bexeden,  Nusbaum). 

Die  Entwicklung  der  Lophogastriden  scheint  mit  der  der  Mysideen 
vollkommen  übereinstimmend  abzulaufen.  Wenigstens  giebt  M.  Saks  die  Ab- 
bildung eines  Entwicklungsstadiums  von  Lophogaster,  welches  einem 
späteren  Mysis-Larvenstadium  völlig  gleicht,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass 
hier  bereits  sämmtliche  Pleopodenpaare  angelegt  erscheinen.  Letztere  treten 
daher  vielleicht  bei  Lophogaster  etwas  früher  auf,  als  bei  Mysis. 

Im  Allgemeinen  werden  wir  die  Entwicklung  der  Mysideen  und  Lopho- 
gastriden gegenüber  den  Euphausiden  als  eine  wesentlich  abgekürzte  bezeich- 
nen können.  Erstere  Gruppen  schliessen  sich  nach  dieser  Richtung,  wie  auch 
hinsichtlich  der  inneren  Entwicklungsvorgänge  nahe  an  die  Cumaceen  und 
Arthrostraken  an. 


Crustaceen. 


445 


10.    Decapoden. 
A.   Sergestiden. 

Unter  den  Decapoden  sind  die  Serge  stielen  und  Penaeiden 
durch  den  an  ursprüngliche  Verhältnisse  erinnernden  Ablauf  ihrer  Meta- 
morphose ausgezeichnet,  welche  mit  einem  sehr  frühen  Stadium  (Nau- 
plius  oder  Metanauplius)  beginnt  und  überdies  die  regelmässige  Reihen- 
folge in  der  Entstehung  der  Körpersegmente  (in  der  Richtung  von  vorne 
nach  hinten)  beibehalten  hat. 

In  der  Familie  der  Sergestidae  ist  die  Metamorphose  besonders 
für  die  Gattung  Lucifer  genau  bekannt  geworden.  Die  Protozoea  dieser 
Entwicklungsreihe    wurde    von   Dana  als  Erich th in a    demissa  be- 


A 


B 


Fig.  295.     Zwei  Metanaupliusstadien  von  Lucifer  (nach  Brooks). 
A  eben  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Larve,   B  etwas  älteres  Stadium. 
a'  erste  Antenne,    a"   zweite  Antenne,  d  Schildduplicatur,  md  Mandibel,  mx'  erste 
Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  mf  erster  Maxillarfuss,  ol  Oberlippe,  p  Paragnathen. 

schrielien;  später  fand  Claus  (No.  8)  das  dazugehörige  Zoeastadium. 
Erst  Willemoes-Suhm  (No.  157)  stellte  die  Zugehörigkeit  dieser  Larven 
zu  Lucifer  fest,  während  Brooks  (No.  109)  den  vollständigen  Gang  der 
Metamorphose  vom  Ausschlüpfen  bis  zur  ausgebildeten  Form  beobachtete. 
Seine  Beobachtungen  stimmen  mit  den  aus  dem  Challengermaterial  durch 
Spence  Bäte  (No.  100)  und  Willemoes-Suhm  bekannt  gewordenen  That- 
sachen  überein. 

Das  eigentliche  Naupliusstadium  wird  noch  im  Eie  durchlaufen;  die 
jungen  Luciferlarven  schlüpfen  in  einem  Stadium  aus,  welches  wir  als 
Metanauplius  (Fig.  295  A)  bezeichnen  müssen.  An  dem  kurzen, 
ovalen  Körper  können  wir  das  Naupliusauge,  die  stark  vorragende  Ober- 
lippe (ol)  und  einige,  das  hintere  Körperende  bezeichnende,  Furcalborsten 
erkennen.  Jede  Spur  einer  Schildduplicatur  fehlt  noch.  An  dem  vorderen 
Körperabschnitte  inseriren  sich  die  drei  Naupliusbeinpaare  (a\  a",  md). 
Von  diesen  ist  das  vorderste  Paar  (a')  einästig,  aus  fünf  Gliedern  zu- 
sammengesetzt und  an  seinem  Ende  mit  Ruderborsten  versehen.  Die 
zweiten  Antennen  (a")  zeigen  einen  zweigliedrigen  Protopoditen  und  zwei 
Ruderäste,  von  denen  wir  mit  Rücksicht  auf  den  Vergleich  mit  anderen 


446 


XV.  Capitel. 


Formen  (im  Gegensatze  zu  Brooks)  den  mehrfach  gegliederten,  stärker 
beborsteten  Ast  als  Aussenast  (Exopodit) ,  den  einfacheren  Ast  dagegen 
als  Endopoditen  betrachten.  Das  dritte  Extremitätenpaar  (Mandibel) 
erinnert  im  Bau  an  das  zweite,  doch  ist  es  kleiner  und  weniger  gegliedert. 
Es  weist  einen  ungegliederten  Protopoditen ,  einen  eingliedrigen  Endo- 
poditen und  einen  aus  drei  Gliedern  bestehenden  Exopoditen  auf,  welche 
einige  Ruderborsten  tragen.  Weiter  nach  hinten  folgen  vier  Paare  von 
Wülsten,  welche   die  Anlagen  der  beiden  Maxillenpaare  (mx,  mx")  und 


Fig.  296.     Protozoeastadien  und  Zoea  von  Lucifer  (nach  Brooks). 

A  erstes  Protozoeastadium,  B  erste  Maxille  desselben,  C  zweite  Maxille  desselben, 
I)  späteres  Protozoeastadium  (Eriehthina),  E  Zoeastadium. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne.  ab6  sechstes  Pleopodenpaar  (Seitenglieder 
des  Schwanzfachers,  «?  Endopodit,  ex  Exopodit,  h  Herz,  ^  Leberausstülpungen,  »w«?Mandibel, 
mf  erster  Kieferfuss,  mf"  zweiter  Kieferfuss,  mf"  dritter  Kieferfuss,  mp'"  Segment  des 
dritten  Kieferfusspaares,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  o  paariges,  zusammen- 
gesetztes Auge,  oc  Naupliusauge,  ol  Oberlippe,  r  Stirnstachel  (Kostrum),  thl,  th2,  thz,  th4 
erstes  bis  viertes  Gangbeinpaar  in  der  Anlage,  t1,  t",  ts,  t4  erste-:  bis  viertes  gangbein- 
tragendes  Segment.  1,  2,  3,  4 — 6  erstes  bis  sechstes  Abdominalsegment. 


Crustaceen.  447 

des  ersten  und  zweiten  Kieferfusspaares  darstellen.  Spätere  Meta- 
naupliusstadien  (Fig.  295  5),  deren  Gliedmaassen  eine  Art  Rück- 
bildung erkennen  lassen,  zeigen  zu  den  Seiten  des  Körpers  die  Anlage 
einer  Schildduplicatur  (d),  und  überdies  ist  an  dem  Basalglied  der  Man- 
dibel  ein  steifer  Kaufortsatz  zur  Entwicklung  gekommen. 

Die  nun  folgenden  Protozoeaformen  (Fig.  296  A)  zeigen  die 
sieben  vorderen  Extremitätenpaare,  welche  für  das  Zoeastadium  charakte- 
ristisch sind,  vollkommen  ausgebildet  und  functionirend.  Der  vordere 
Theil  des  Körpers  ist  von  einem  Rückenschilde  bedeckt,  welcher  vorne 
über  dem  Naupliusauge  in  einen  langen  Stirnstachel  (Rostrum  r) 
sich  fortsetzt  und  auch  an  seinem  hinteren  Rande  einen  unpaaren, 
dorsalen  und  zwei  etwas  längere  seitliche  Stacheln  trägt.  Der  hintere 
Abschnitt  des  Körpers  ist  zu  einem  umfangreichen  Thoracoabdominal- 
abschnitt  ausgewachsen,  dessen  hinterstes  Ende  sich  zur  Mittelplatte 
des  Schwanzfächers  umbildet  und  mit  kräftigen  Stacheln  besetzt  ist, 
während  an  der  Basis  dieses  Körperabschnittes  vier  weitere  Segmente 
[das  des  dritten  Kieferfusspaares  (mpm)  und  die  der  drei  vordersten  Gang- 
beinpaare (t1 — 23)]  gesondert  erscheinen.  Von  inneren  Organen  ist  die 
Entwicklung  des  Herzens  (h)  und  der  Leberausstülpungen  des  Darm- 
canals  (I)  zu  erwähnen.  Die  Antennen  des  I.  Paares  (a)  bestehen  jetzt 
aus  einem  langgestreckten  Basalglied  und  einem  kurzen,  mit  Ruderborsten 
besetzten  Endgliede ;  die  des  zweiten  Paares  (a")  haben  im  Wesentlichen 
dieselbe  Gestalt,  wie  in  den  vorhergehenden  Stadien  bewahrt;  sie  zeigen 
einen  mehrfach  gegliederten,  mit  zahlreichen  Ruderborsten  besetzten 
Exopoditen  und  einen  einfacheren  Endopoditen  und  functioniren  noch 
immer  als  das  Hauptlocomotionsorgan  der  Larve.  Die  Mandibeln 
(Fig.  296  D,  md)  bestehen  nun  ausschliesslich  aus  einer  am  Innenrande 
gezähnten  Kaulade.  Jede  Spur  des  an  dieselbe  im  früheren  Stadium 
sich  anschliessenden  Tasters  ist  nun  verloren  gegangen.  Die  beiden 
Maxillenpaare  zeigen  bereits  die  definitive  Gestaltung  vorgebildet.  Die 
des  ersten  Paares  (Fig.  296  B)  zeigen  an  der  Innenseite  des  Protopoditen 
zwei  vorspringende  Ladenfortsätze,  einen  kurzen  zweigliedrigen  Endo- 
poditen und  einen  stummeiförmigen,  mit  befiederten  Borsten  besetzten 
Exopoditen.  Die  zweite  Maxille  (Fig.  296  G)  unterscheidet  sich  vor 
Allem  durch  die  grössere  Zahl  der  nach  innen  gerichteten  Ladenfortsätze. 
Die  beiden  Kieferfusspaare  (Fig.  296  D,  mf\  mf")  haben  die  Gestalt 
zweiästiger  Ruderfüsse  mit  längerem,  aus  mehreren  Gliedern  zusammen- 
gesetztem Endopoditen  und  ungegliedertem  kürzeren  Exopoditen.  In  der 
Maxillarregion  ist  die  Entwicklung  einer  Schalendrüse  zu  bemerken. 

Späte  reProtozoeastadien  (Fig.  296  D),  welche  der  D  Ansehen 
Erichthina  demissa  entsprechen,  zeichnen  sich  durch  die  beginnende  Ent- 
wicklung der  paarigen  Augen  (0),  sowie  durch  die  weiter  fortgeschrittene 
Gliederung  des  Thoracoabdominalabschnittes  aus.  Es  macht  sich  an  den 
vorderen  Parthien  des  Rückenschildes  eine  seitliche  buckeiförmige  Vor- 
treibung bemerkbar,  in  deren  Innerem  durch  eine  Pigmentanhäufung  die 
Anlage  des  paarigen  Auges  gekennzeichnet  ist.  Von  neuen  Segmenten 
sind  am  hinteren  Körperabschnitte  das  des  vierten  Gangbeinpaares  (t4), 
sowie  die  vier  vorderen  Abdominalsegmente  (1 — 4)  aufgetreten.  Das 
letzte  Thoraxsegment  (das  des  fünften  Gangbeinpaares)  kommt  bei  Lucifer 
niemals  zur  gesonderten  Entwicklung.  Der  hinterste  Körperabschnitt  ist 
noch  nicht  in  Segmente  zerfallen. 

Das  nächste  Stadium  (Fig.  296  JE)  zeichnet  sich  durch  die  voll- 
ständige Gliederung  des   Abdomens   aus  und  muss  demnach   als   Zoea 


448 


XV.  Capitel. 


bezeichnet  werden.  Die  vollständig  entwickelten  Extremitäten  sind  noch 
dieselben,  wie  in  den  Protozoeastadien ;  doch  sind  hinter  diesen  in  dem 
vorliegenden  Stadium  die  zweiästigen  Anlagen  des  dritten  Maxillarmss- 
paares  (mf")  und  .der  vier  vorderen  Gangbeinpaare  (ih1 — th*)  als  rudi- 


Fig.  297.     Drei  spcätere  Larvenstadien  von  Lucifer  (nach  Brooks). 

A  jüngeres  Mysis-  oder  Schizopodenstadium,  B  älteres  Mysis-  oder  Schizopoden- 
stadium  bei  schwächerer  Vergrösserung,  C  Mastigopusstadium. 

«'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  dbx — ab6  erstes  bis  sechstes  Pleopodenpaar, 
c  Cephalothoraxschild ,  dr  Antennendrüse,  en  Geisselast  und  ex  Schuppe  der  zweiten 
Antenne,  md  Mandibel,  mf  erster  Maxillarfuss,  mf"  zweiter  Maxillarfuss,  mx'  erste 
Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  o  zusammengesetztes  Auge,  oc  Naupliusauge,  ol  Oberlippe, 
r  Stirnstachel,  (Rostrum),  7,  2,  .3  —  6'  erstes,  zweites,  drittes  bis  sechstes  Abdoininal- 
segment. 


Crustaceen.  449 

mentäre  Stummel  aufgetreten.  Ausserdem  sind  die  seitlichen  Gliedmaassen 
(abG)  des  Sehwanzfächers  (sechstes  Pleopodenpaar)  nun  in  der  Anlage 
vorhanden. 

Mit  der  nächsten  Häutung  erfährt  die  Larve  eine  sehr  bedeutende 
Umwandlung  ihrer  äusseren  Gestaltungsverhältnisse.  Sie  tritt  nun  in 
das  sog.  M  y  s  i  s  -  oder  Schizop  öden  Stadium  (Fig.  297  Ä)  ein,  welches 
von  Dana  unter  dem  Namen  Sceletina  armata  beschrieben  wurde.  Die 
Antennenpaare  haben  ihre  locomotorische  Function  aufgegeben  und  wan- 
deln sich  nach  der  Richtung  der  definitiven  Form  um,  die  paarigen 
Augen  (o)  sind  zu  beweglichen  Stielaugen  geworden,  neben  denen  das 
Naupliusauge  (oc)  noch  erhalten  ist.  Als  Locomotionsorgane  fungiren 
sieben  Paare  zweiästiger  Ruderfüsse  (nämlich  die  drei  Maxillarfusspaare 
und  die  vier  vorderen  Gangbeinpaare).  Die  Bewegung  der  Larve  ist  von 
nun  an  nicht  mehr  eine  hüpfende,  wie  in  den  vorhergehenden  Stadien, 
sondern  eine  gleichmässige,  rasche  Fortbewegung.  Der  Rückenschild  hat 
seine  Gestalt  im  Allgemeinen  beibehalten,  doch  haben  sich  in  seiner 
vorderen  Parthie  die  Stielaugen  abgeschnürt.  Die  jene  letzteren  auf- 
nehmende Bucht  des  Schildrandes  ist  durch  die  Entwicklung  eines  Paares 
seitlicher  vorderer  Dornen  ausgezeichnet,  während  die  Dornen  am  Hinter- 
rande verschwunden  sind.  Gegenüber  dem  in  den  folgenden  Stadien 
mächtig  anwachsenden  Abdomen  tritt  nun  der  Cephalothoraxschild  mehr 
zurück.  An  dem  Abdomen  erkennt  man  sechs  vollkommen  getrennte 
Segmente  und  den  Schwanzfächer,  bestehend  aus  dem  Telson  (Mittel- 
platte) und  dem  mächtig  entwickelten  sechsten  Pleopodenpaare  (abG). 

Die  erste  Antenne  Ja)  besteht  nun  aus  einem  zwei-  (später  drei-) 
gliedrigen  Schaft  und  einem  als  Rudiment  des  Flagellums  aufzufassenden 
kurzen  Endgliede  und  weist  einen  reichen  Besatz  an  Fiederborsten  auf. 
Die  zweite  Antenne  (a)  erscheint  als  eine  rudimentäre  zweiästige,  des 
Borstenbesatzes  fast  entbehrende  Gliedmaasse.  In  den  späteren  Mysis- 
stadien  wird  der  Endopodit  in  die  Geissei,  der  Exopodit  in  den  Schuppen- 
anhang umgewandelt.  Die  Mandibeln  (md)  sind  einfache  Kauladen  und 
entbehren  des  Tasters.  Die  Maxillen  (nix,  mx")  haben  im  Wesentlichen 
die  gleiche  Beschaffenheit  wie  in  den  vorhergehenden  Stadien  beibehalten. 
Dasselbe  ist  mit  dem  ersten  Paar  von  Maxillarfüssen  (mf)  der  Fall, 
deren  Gliederung  etwas  undeutlicher  geworden  ist,  als  in  den  vorher- 
gehenden Stadien.  Die  weiter  hinten  folgenden  sechs  Ruderfusspaare 
(IL  und  III.  Maxillarfusspaar  und  I. — IV.  der  späteren  Gangbeinpaare) 
sind  zweiästig  und  stimmen  unter  einander  hinsichtlich  ihrer  Gestalt  sehr 
überein.  Sie  bestehen  aus  einem  zweigliedrigen  Protopoditen ,  einem 
längeren  viergliedrigen  Endopoditen  und  einem  kürzeren,  aber  in  eine 
grössere  Zahl  von  Ringel  undeutlich  getheilten  Exopoditen.  Ein  starker 
Besatz  mit  Ruderborsten  befähigt  diese  Gliedmaassen  zur  Ausübung  einer 
kräftigen,  locomotorischen  Thätigkeit. 

Spätere  Mysisstadien  (Fig.  297  B),  welche  hauptsächlich  durch 
die  Gliederung  der  zweiten  Antenne  und  die  mächtige  Entwicklung  des 
Abdomens  ausgezeichnet  sind ,  weisen  an  den  fünf  vorderen  Abdominal- 
segmenten  die  noch  unbeborsteten,  knospenförmigen  Anlagen  der  Pleopoden- 
paare auf. 

Der  Uebergang  von  den  Mysisstadien  zur  ausgebildeten  Form  wird 
durch  das  Mastigopusstadium  (Fig.  297  C)  vermittelt,  welches  in 
der  gestreckten  Körpergestalt  bereits  dem  ausgebildeten  Lucifer  nahe 
steht,  sich  von  jenem  aber  durch  den  Mangel  der  halsförmigen  Ver- 
längerung des  Cephalothorax  unterscheidet.     Dieses  Stadium  zeichnet  sich 


450  XV.  Capitel. 

durch  die  Kürze  des  Flagellums  der  ersten  Antenne  aus  («"),  während 
der  Geisseifortsatz  der  zweiten  Antenne  (eri)  sich  bedeutend  gestreckt 
hat.  Die  Mundtheile  und  die  Thoraxbeinpaare  haben  die  Charaktere 
der  ausgebildeten  Form  erlangt.  Die  Mandibel  entbehrt  des  Tasters, 
die  ersten  Maxillen  haben  den  Exopoditen  verloren ;  letzterer  ist  an  den 
zweiten  Maxillen  in  eine  umfangreiche  Fächerplatte  umgewandelt.  Der 
erste  Maxillarfuss  ist  in  einen  kurzen,  zweigliedrigen  Anhang  umgebildet; 
der  IL  Maxillarfuss  {mf")  hat  —  wie  alle  übrigen  Brustfüsse  —  den  Exo- 
poditen verloren  und  eine  gestreckte,  knieförmig  eingebogene  Gestalt  an- 
genommen. Der  III.  Maxillarfuss  und  die  drei  vorderen  Gangbeinpaare 
stellen  eine  einfache,  kurz  beborstete  Gliederreihe  dar.  Das  vierte  Gang- 
beinpaar ist  völlig  verschwunden.  Das  erste  Pleopodenpaar  (a&j)  zerfällt 
in  einen  Basaltheil  und  einen  Endtheil,  während  die  vier  folgenden 
(2. — 5.)  Pleopodenpaare  die  gewöhnliche  spaltästige  Form  aufweisen. 
Das  Naupliusauge  und  die  Schalendrüse  sind  nun  verschwunden;  dagegen 
ist  die  an  der  Basis  der  IL  Antenne  mündende  Antennendrüse  (dr)  als 
ein  gewundener  Canal  zu  erkennen. 

Die  ausgebildete  Form  ist  gegenüber  dem  Mastigopusstadium  durch 
die  Verlängerung  der  Geissei  der  I.  Antenne,  in  deren  Basalglied  das 
Gehörorgan  zur  Entwicklung  gekommen  ist,  sowie  durch  die  Ausbildung 
der  halsförmigen  Verlängerung  des  Kopfes  charakterisirt.  Auch  an  der 
IL  Antenne  hat  der  Geisseifortsatz  eine  beträchtliche  Verlängerung  er- 
fahren. Es  kommen  nun  die  sexuellen  Differenzen  zur  Entwicklung,  in- 
dem das  Männchen  sich  durch  Fortsatzbildungen  am  ersten  und  zweiten 
Pleopodenpaare,  durch  Dornen  an  der  Ventralseite  des  fünften  Abdominal- 
segmentes, sowie  durch  gewisse  Unterschiede  am  Schwanzfächer  aus- 
zeichnet, während  das  Weibchen  in  dieser  Hinsicht  die  Charaktere  der 
Larvenform  beibehält. 

Der  oben  geschilderten  Entwicklung  von  Lucifer  steht  die  Metamorphose 
von  Sergestes  in  allen  wesentlichen  Punkten  ungemein  nahe,  wenngleich 
der  äussere  Habitus  der  Larven  ein  ziemlich  abweichender  ist.  Die  durch 
ihre  abgeplattete  Körperform  und  durch  ausserordentlich  grosse  verästelte 
Dornfortsätze  ausgezeichnete  Zoea  dieser  Gattung  war  durch  Dohen  (No.  120) 
unter  dem  Namen  Elaphocaris  beschrieben  worden,  während  die  späteren 
Stadien  schon  früher  als  Acanthosoma  (Claus  No.  91)  und  Mastigo- 
pus  (Leuckakt,  Claus  No.  91)  bekannt  waren.  Erst  durch  Claus  (No.  8) 
und  gleichzeitig  durch  Willemoes-Suhm  (No.  157)  wurde  die  Zugehörigkeit 
dieser  Formen  in  den  Entwicklungskreis  von  Sergestes  nachgewiesen  und  das 
zugehörige  Protozoeastadium  aufgefunden.  Neuerdings  sind  zahlreiche  hieher 
gehörige  Larvenformen  aus  dem  Challenger  -  Material  beschrieben  worden 
(Spence  Bäte  No.  100). 

Die  jüngste  Protozoealarve  der  Sergestes-Entwicklungsreihe  ist  nur  durch 
eine  Zeichnung  von  "Willemoes-Suhm  (No.  100,  pag.  354)  bekannt.  Sie 
besitzt  die  sieben  vorderen  Extremitätenpaare ;  dagegen  sind  die  Maxillarfüsse 
des  dritten  Paares  noch  nicht  zur  Entwicklung  gekommen.  Von  dem  paarigen 
Auge  sind  nur  die  ersten  Anlagen  bemerkbar.  Im  Inneren  des  Darmes  findet 
sich  ein  umfänglicher  Dotterrest,  welcher  wohl  darauf  schliessen  lässt,  dass 
Sergestes  in  der  Protozoeaform  aus  dem  Eie  schlüpft.  Im  Uebrigen  stimmt 
die  Larve  Willemoes  -  Suhm's  in  Allem  mit  dem  jüngsten  von  Claus  be- 
schriebenen Stadium  (Fig.  298  Ä)  überein. 

Letzteres  (Fig.  298-4)  lässt  sich  im  Wesentlichen  den  späteren  Prot o- 
zoeastadien  von  Lucifer  (Fig.  296  D)  vergleichen,  von  denen  es  sich  je- 


Crustaceen. 


451 


doch  durch  die  gedrungene  Körperform ,  durch  die  frühzeitige  Entwicklung 
der  gestielten  Augen  und  durch  die  Anlage  des  dritten  Maxillarfusspaares 
{mf")  unterscheidet.  Die  sieben  vorderen  Extremitätenpaare  stimmen  im 
Bau,  sowohl  mit  denen  der  Protozoeastufe  von  Lucifer,  als  auch  der  Penaeus- 
garneelen  sehr  genau  überein.  Vor  Allem  zeigt  die  erste  Antenne  («')  eine 
auch  bei  Penaeus  wiederkehrende  Eingebung  der  Basis  in  fünf  Glieder.  Die 
Mandibeln  entbehren  des  Tasteranhangs,  die  erste  Maxille  {mx')  zeigt  einen 
als  Fächerplatte   entwickelten  Exopoditen ,    welcher   auch   an   der  beinförmig 


Fig.  298.     Zwei  Larvenstadien  von  Sergestes  (nach  Claus). 

A  Protozoeastadium,  B  Acanthosomastadium,  von  der  Kückenseite  gesehen. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  mf  erster  Maxillarfuss,  mf"  zweiter  Maxillar- 
fuss,  mf"  dritter  Maxillarfuss,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  ol  Oberlippe, 
sd  Schalendrüse. 


gestreckten  zweiten  Maxille  {mx")  sich  wiederfindet.  In  der  Basis  der  letz- 
teren wurde  von  Claus  das  Vorhandensein  der  gewundenen  Schalendrüse  (sd) 
nachgewiesen.  Die  drei  Kieferfusspaare  (mf — mf)  sind  als  gestreckte 
Spaltfüsse  entwickelt,  von  denen  das  dritte  Paar  aber  noch  in  ziemlich  rudi- 
mentärer Form  vorhanden  ist.  Dahinter  finden  wir  die  fünf  Segmente  der 
späteren  Gangbeinpaare  als  kurze  Querringel  angelegt,  während  das  Abdomen 
noch  völlig  unsegmentirt  erscheint.     Letzteres  endet  mit  einer  hier  viel  deut- 


452  XV-  Capitel. 

licher,  als  bei  Lucifer,  in  zwei  Gabeläste  ausgebenden  Endplatte,  in  welcher 
das  Analsegment  der  Phyllopoden  mit  seinen  beiden  Furcalanhängen  wieder- 
holt erscheint.  Sehr  auffällig  ist  für  dies  Stadium  die  umfangreiche  Ent- 
wicklung des  beweglichen  Stielauges  und  die  starke  Bewaffnung  des  verbrei- 
terten Rückenschildes.  An  letzterem  können  wir  einen  mit  breiter  Basis 
beginnenden  vorderen  Rostralstachel ,  zwei  Seitenstacheln  und  einen  Rücken- 
stachel unterscheiden,  von  denen  jeder  durch  Bildung  secundärer  Dornen 
verästelt  erscheint.  Diese  Fortsätze  sind  wohl  auf  die  der  Lage  nach  über- 
einstimmenden beträchtlich  kürzeren  Dornen  an  der  Lucifer-Larve  zu  beziehen. 

Die  aus  dem  geschilderten  Larvenstadium  hervorgehende  Zoea  (Ela- 
p  h  o  c  a  r  i  s)  weist  eine  noch  mächtigere  Entwicklung  der  Dornbewaffnung  auf. 
Stirn-Rücken-  und  hintere  Seitenstacheln  haben  sich  im  Allgemeinen  ver- 
größert. Der  Stirnstachel  ist  im  Verhältniss  etwas  schlanker  geworden  und 
zu  den  Seiten  seiner  Basis  ist  ein  Paar  verästelter  vorderer  Seitenstacheln 
zur  Entwicklung  gekommen.  Auch  an  den  einzelnen  Segmenten  des  Ab- 
domens, welche  nun  (mit  Ausnahme  der  noch  nicht  durchgeführten  Abgrenzung 
des  sechsten  Segmentes  von  dem  noch  immer  eine  deutliche  Furcalgabel  auf- 
weisenden Telson)  schon  deutlich  von  einander  getrennt  sind,  ist  eine  starke 
Bewaffnung  mit  seitlichen  Dornen  zu  erkennen.  Während  die  vorderen  Ex- 
tremitätenpaare, einschliesslich  der  drei  Kieferfusspaare,  denselben  Charakter 
aufweisen  wie  im  vorhergehenden  Stadium,  sind  an  den  fünf  dahinter  folgen- 
den Thoraxsegmenten  nun  die  schlauchförmigen  Anlagen  zweiästiger  Glied- 
maassenpaare  zu  erkennen.  In  ähnlicher  Weise  ist  auch  das  sechste  Pleopoden- 
paar  zur  Entwicklung  gekommen. 

Mit  dem  Uebergang  in  das  Mysisstadium  (Acanthosoma  Fig. 
298  B)  geht  das  complicirte  Stachelkleid  des  Rückenschildes  verloren,  indem 
sich  von  den  "verästelten  Fortsätzen  der  Elaphocaris  nur  die  Basaltheile  als 
einfache  zugespitzte  Ausläufer  erhalten,  während  die  Bedornung  des  Abdomens 
erhalten  bleibt.  Ebenso  verschwinden  die  Furcalfortsätze  des  Telsons  bis 
auf  zwei  nach  hinten  vorragende,  kurze,  stachelähnliche  Ausläufer.  In  Bezug 
auf  die  Entwicklung  der  Gliedmaassen  machen  sich  bedeutende  Veränderungen 
bemerkbar.  Die  ersten  Antennen  weisen  in  jüngeren  Acanthosomen  einen 
gestreckten ,  noch  ungegliederten  (mit  basalem  Zackenfortsatz  versehenen) 
Stammtheil  und  zwei  kurze  Endausläufer  auf,  in  welchen  die  Hauptgeissel 
und  Nebengeissel  der  späteren  Stadien  angelegt  erscheinen.  An  den  zweiten 
Antennen  {a")  ist  der  früher  vielgliedrige  Exopodit  zu  einem  stabförmigen 
Anhang  (Schuppe)  umgebildet,  während  der  Endopodit  zu  einer  mächtigen 
Geissei  verlängert  erscheint.  Die  beiden  Maxillenpaare  weisen  noch  die  für 
die  früheren  Stadien  geschilderten  Charaktere  auf.  Das  vorderste  Maxillar- 
fusspaar  ist  durch  die  Reduction  seines  Exopoditen  auffällig;  dagegen  sind 
die  dahinter  folgenden  sieben  Gliedmaassenpaare  (die  zwei  weiteren  Maxillar- 
fusspaare  und  die  durch  Entwicklung  der  fünf  Thoraxbeinanlagen  hervor- 
gegangenen Extremitäten)  zu  kräftigen  zweiästigen  Ruderfüssen  umgebildet, 
an  denen  vor  Allem  die  stark  beborsteten  Exopoditen  durch  ihre  Grösse 
hervortreten.  Die  Extremitäten  des  Abdomens  sind  in  der  Form  kurzer, 
schlauchförmiger  Anlagen  zu  erkennen ,  die  des  sechsten  Segmentes  dagegen 
als  langgestreckte,  beborstete  Seitenglieder  des  Schwanzfächers  wohl  entwickelt. 
Spätere  Acanthosomastadien  sind  durch  die  Ausbildung  der  Gehörblase  in 
der  Basis  der  ersten  Antenne,  sowie  durch  ein  mächtigeres  Auswachsen  der 
Pleopodenanlagen  bemerkenswerth. 

Die  aus  der  Acanthosoma  sich  entwickelnden  Mastigopus formen 
sind  denen  des  Lucifer  ungemein  ähnlich.  Auch  hier  macht  sich  ein  mäch- 
tiges Anwachsen  des  Abdomens  gegenüber  dem  relativ  kleinen  cephalo-thora- 


Crustaceen.  453 

calen  Abschnitt  geltend.  Die  Stachelbewaffnung  ist  mit  Ausnahme  des  per- 
sistirenden  Rostrums  bis  auf  kleine  Rudimente  geschwunden.  An  den  Thorax- 
beinpaaren (Maxillarfüssen  und  Gangbeinen)  sind  die  Exopoditen  verloren 
gegangen  und  die  beiden  letzten  Beinpaare  des  Thorax  sind  völlig  verschwun- 
den. Die  Pleopodenpaare  sind  nun  mächtig  entwickelt,  entbehren  aber  noch 
des  Exopoditen,  welcher  nur  an  den  beiden  hinteren  Paai'en  als  Knospe  be- 
merkbar ist  und  erst  im  weiteren  Verlaufe  zur  Entwicklung  kommt. 

Die  Umwandlungen,  durch  welche  die  Mastigopuslarve  in  die  ausgebildete 
Sergestesform  übergeführt  wird,  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  die  Umge- 
staltung der  Gliedmaassen  (vor  Allem  der  Mundtheile),  durch  welche  dieselben 
der  definitiven  Gestaltung  sich  nähern,  z.  B.  in  dem  Hervorsprossen  des 
Mandibulartasters,  ferner  in  dem  Wiederauftreten  der  beiden  letzten  Thorax- 
beinpaare und  in  der  Entwicklung  der  Kiemen.  Der  nun  hervorsprossende 
Mandibulartaster  bleibt  bei  Sergestes  zweigliedrig;  die  vorderen  Maxillen 
weisen  in  späteren  Mastigopusstadien  noch  ein  kurzes  Tasterrudiment  auf. 
An  der  hinteren  Maxille  ist  dagegen  der  Exopodit  zu  einer  umfänglichen 
Fächerplatte  umgestaltet.  Am  vorderen  Kieferfuss  lassen  sich  Exopodit  und 
Endopodit  als  kurze  Anhänge  nachweisen,  während  am  Protopoditen  ein  um- 
fangreicher platten  förmiger  Kaufortsatz  zur  Entwicklung  gekommen  ist.  Der 
Kieferfuss  des  zweiten  Paares  weist  eine  knieförmige  Einbiegung  auf,  während 
der  des  dritten  Paares  die  Form  eines  langgestreckten  Beines  bewahrt.  Schon 
in  früheren  Stadien  sind  an  dem  zweiten  und  dritten  Gangbeinpaare  die  An- 
lagen der  Scheeren  zu  erkennen.  Von  den  inneren  Organen  ist  der  Verlust 
des  Naupliusauges  und  der  Schalendrüse,  dagegen  die  Entwicklung  der  An- 
tennendrüse zu  erwähnen. 

Lucifer  weist  durch  das  Fehlen  der  Kiemen  und  durch  den  Mangel 
der  beiden  hinteren  Thoraxbeinpaare  ein  Verhalten  auf,  welches  bei  Sergestes 
im  Mastigopusstadium  sich  wiederfindet.  Erstere  Form  hat  demnach  gewisse 
Larvencharaktere  beibehalten. 

Die  zahlreichen,  aus  dem  Challenger-Material  bekannt  gewordenen  Larven- 
stadien von  Sergestiden  stimmen  in  den  wesentlichsten  Punkten  mit  den  oben 
geschilderten  Entwicklungsstufen  überein ,  zeigen  jedoch  eine  grosse  Variabi- 
lität hinsichtlich  der  Stachelbewaffnung  des  Cephalothorax  und  Abdomens. 
Von  Interesse  ist  die  als  Platysaccus  crenatus  bezeichnete  Sergestiden- 
Zoea,  deren  am  Rande  mit  stacbeligen  Lappen  versehener,  rundlicher  Rücken - 
schild  die  vier  hintersten  (bereits  mit  Gliedmaassenanlagen  versebenen)  Thorax- 
segmente völlig  unbedeckt  lässt,  ein  Verhalten,  durch  welches  diese  Form 
mit  den  Penaeus-  und  Luciferlarven  übereinstimmt.  Einige,  als  Sciocaris 
telsonis  unterschiedene  Larven  des  Mysis-  und  Mastigopusstadiums  sind 
durch  die  Gestalt  des  Telsons  merkwürdig,  welches  selbstständig  abgegliederte 
Furcalfortsätze  erkennen  lässt. 

Die  Gegensätze,  welche  im  äusseren  Habitus  zwischen  den  kurzen,  ver- 
breiterten, stark  bedornten  Sergesteslarven  und  den  schlanken  Larvenformen 
von  Lucifer  sich  finden,  werden  durch  eine  Reihe  von  Entwicklungsstadien 
vermittelt,  welche  Brooks  (No.  109)  auf  das  Genus  Acetes  zurückführt. 
Diese  Larven  sind  von  gedrungenerer  Körpergestalt  als  die  Luciferlarven  und 
weisen  auch  eine  etwas  stärkere  Stachelbewaffnung  auf.  Brooks  ist  geneigt, 
eine  von  Dohrn  (No.  121  „Larve  eines  unbekannten  Krebses",  Taf.  29  u. 
30,  Figg.  62  —  67)  und  Claus  (No.  8  „phyllopodenähnliche  Protozoea  un- 
bekannter Herkunft",  Taf.  4,  Figg.  2 — 7)  beschriebene  Protozoea  auf  diese 
Entwicklungsreihe  zu  beziehen.  Letztere  Larve  ist  vor  Allem  durch  die 
mächtige  Entwicklung  der  noch  ungestielten  Seitenaugen  charakterisirt,  welche 
ähnlich   wie   bei    Lucifer   eine    buckeiförmige    Vorragung    des    Rückenpanzers 

Korsehelt-  Heider  ,   Lehrbuch.  30 


454  xv-  Capitel. 

verursachen.  Sie  hält  hinsichtlich  der  Entwicklung  des  Stielauges,  welche 
bei  der  Protozoea  von  Sergestes  bereits  weit  vorgeschritten  ist,  zwischen 
dieser  Form  und  Lucifer  die  Mitte. 

B.   Penaeiden. 

Wir  verdanken  die  Kenntniss  der  Metamorphose  von  Penaeus, 
welche  durch  das  Vorhandensein  eines  Naupliusstadiums,  sowie  durch  die 
ursprünglichen  Verhältnisse  in  der  Reihenfolge  der  Entwicklung  der 
Segmente  und  Gliedmaassen  von  grosser  Bedeutung  für  die  Auffassung  der 
Decapodenmetamorphose  geworden  ist,  vor  Allem  den  Untersuchungen 
von  F.  Müller  (No.  141  und  142).  Später  hat  Claus  (No.  8)  unsere 
Kenntniss  besonders  hinsichtlich  der  Protozoeaformen  vervollständigt. 
Neuere  Mittheilungen  stammen  von  Brooks  (No.  110),  welcher  sämmt- 
liche  auf  das  erste  Protozoeastadium  folgende  Stadien  an  gezüchteten 
Exemplaren  aus  einander  hervorgehen  sah.  Eine  Reihe  von  Larvenformen 
meist  späterer  Stadien  beschreibt  Spence  Bäte  unter  Zugrundelegung 
der  Notizen  von  Willemoes -Sühm  (No.  100). 

Wie  die  Euphausiden,  so  verlässt  auch  Penaeus  das  Ei  in  der  Ge- 
stalt eines  echten  Nauplius  (Fig.  299  A).  Der  birnförmige,  gestreckte 
Körper  desselben  entbehrt  noch  der  Schalenduplicatur  und  läuft  nach 
hinten  in  zwei  lange  Furcalborsten  aus.  Am  vorderen  Körperende  be- 
merken wir  das  Naupliusauge.  Die  drei  typisch  entwickelten  Nauplius- 
beinpaare  sind  noch  ungegliedert  und  weisen  einen  Besatz  von  Ruder- 
borsten auf. 

Ein  darauffolgendes  Metanaupliusstadium  ist  im  Habitus  dem 
Nauplius  noch  sehr  ähnlich,  zeichnet  sich  vor  letzterem  aber  schon  durch 
das  Erscheinen  einer  queren  Integumentfalte  am  Rücken  (Anlage  des 
Rückenschildes)  und  zweier  stummeiförmiger  beborsteter  Fortsätze  am 
hinteren  Körperende  (Furcalfortsätze)  aus.  Dies  Stadium  ist  dem  Meta- 
nauplius  von  Lucifer  (pag.  445,  Fig.  295  B)  sehr  ähnlich.  Wie  dieses 
besitzt  es  eine  mächtige,  helmförmige  Oberlippe.  Während  die  drei 
Naupliusbeinpaare  am  Körper  etwas  mehr  nach  vorne  gerückt  erscheinen, 
sind  hinter  denselben  vier  Paare  wulstförmiger  Extremitätenanlagen  auf- 
getreten. Von  den  Naupliusbeinpaaren  weist  das  dritte  eine  wichtige 
Veränderung  auf,  insofern  eine  Verdickung  seines  Basaltheiles  die  An- 
lage des  Kautheils  der  späteren  Mandibel  erkennen  lässt,  während  sich 
aus  den  beiden  Schwimmfussästen  der  lebende  Inhalt  zurückzieht,  als 
Andeutung,  dass  diese  Parthie  bei  der  nächsten  Häutung  abgeworfen 
wird.  Neben  dem  Auge  ist  schon  jetzt  das  auch  der  Zoeareihe  zu- 
kommende paarige  Frontalorgan  (vgl.  Fig.  299  B)  als  vorspringendes 
Zäpfchen  zu  erkennen. 

Das  nächste  beobachtete  Stadium  ist  eine  Protozoea  (Fig.  299  B) 
mit  wohlentwickeltem,  rundlichem  Cephalothoraxschild,  mit  sieben  Bein- 
paaren und  ungegliedertem ,  in  deutliche  Furcalfortsätze  auslaufendem 
Abdomen  (ab).  Die  Antennen  haben  noch  immer  die  Bedeutung  von 
Bewegungwerkzeugen.  Die  vordere  Antenne  (1)  zeigt  einen  Zerfall  in 
vier  Glieder.  An  der  hinteren  Antenne  (2)  ist  ein  dreigliedriger  Endo- 
podit  und  ein  vielgliedriger  Exopodit  zu  unterscheiden.  Die  Oberlippe 
ist  helmförmig  und  durch  einen  nach  vorne  ausgehenden  Stachel  aus- 
gezeichnet, der  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  den  Larven  der  Sergestiden 
wiederkehrt.  Die  Mandibeln  sind  nun  tasterlose,  bezahnte  Kauladen.  Die 
Maxillen    stimmen    in    der   Form    mit    den    für    Lucifer    abgebildeten 


Crustaceen. 


455 


(Fig.  296  B  und  GT,  p.  446)  ziemlich  überein.  An  den  ersten  Maxillen 
kann  man  zwei  nach  innen  vorspringende  Ladenfortsätze  des  Protopo- 
diten,  einen  mehrgliedrigen  Endopoditen  und  einen  blattförmigen,  be- 
borsteten  Exopoditen  unterscheiden.  Aehnlich  ist  der  Bau  der  zweiten 
Maxille;  nur  kann  man  hier  vier  Ladenfortsätze  des  Protopoditen  und 
einen  etwas  längeren  Endopoditen 
bemerken.  Die  dahinter  folgenden 
zwei  (vorderen)  Maxillarfusspaare  (I, 
11)  zeigen  sich  als  zweiästige  Ruder- 
füsse  entwickelt.  An  der  Basis  des 
dahinter  folgenden  Körperabschnittes 
(Thoracoabdominalabschnitt)  ist  schon 
durch  quere  Ringelung  der  Zerfall  in 
sechs  weitere  Segmente  [des  dritten 
Maxillarfusspaares  und  der  fünf  Gang- 
beinpaare {111 — VIII)]  zu  erkennen. 
Erwähnenswerth  ist  die  Lage  der 
Afteröffnung,  welche  in  diesem  Sta- 
dium völlig  endständig  zwischen  den 
beiden  Furcalfortsätzen  gelegen  ist 
und  erst  später  an  die  Ventralseite 
des  Telsons  rückt.  Ferner  kann  man 
bereits  das  Vorhandensein  von  drei 
Paaren  von  Leberausstülpungen  des 
Darmes  bemerken.  Das  am  Ende 
des  mit  dem  Rückenschilde  ver- 
wachsenen Leibesabschnittes  gelegene 
Herz  weist  nur  ein  Spaltenpaar  (?) 
auf.  Am  vorderen  Rande  des  Cephalo- 
thorax  sind  die  Anlagen  des  paari- 
gen Auges  als  Wülste  zu  erkennen, 
denen  das  Frontalorgan  dicht  anliegt. 

Späte  reProtozoeaformen 
(Fig.  300,4),  welche  Claus  (No.  8) 
beobachtete,  lassen  neben  einer 
stärkeren  Entwicklung  des  paarigen 
Auges,  und  dem  Zerfall  der  Basis 
der  I.  Antenne  (1)  in  fünf  Glieder 
(welcher  in  ähnlicher  Weise  bei  der 
Protozoea  von  Sergestes  wiederkehrt) 
vor  Allem  die  Entwicklung  von  fünf 

Abdominalsegmenten  (ax) — (a5), 
welche  noch  unter  der  Larvencuticula 
versteckt  liegen,  erkennen.  Das 
sechste  Abdominalsegment  dagegen 
ist  noch  mit  dem  Telson  verschmol- 
zen. Von  Extremitätenanlagen  ist 
ausser  den  früher  erwähnten  nur  die 
stummeiförmige  Anlage  des  III.  Maxillarfusspaares  zu  bemerken  (III). 

Die  hieraus  hervorgehende  Zoea  (Fig.  300  B  und  C)  ist  durch  die 
Entwicklung  der  beweglichen  Stielaugen  und  eines  zwischen  diesen  be- 
findlichen Stirnstachels,  sowie  durch  das  Hervorsprossen  der  Gliedmaassen 
des    Thorax    gekennzeichnet.      Die    Abdominalsegmente     wachsen    nun 


Fig".  299.  Zwei  Entwicklungsstadien 
von  Penaeus  (nach  F.  Müller,  aus  Laxg's 
Lehrbuch). 

A  Nauplius,  B  Protozoeastadium. 

1 ,  2  erste  und  zweite  Antenne, 
3  Mandibel,  5  zweite  Maxille,  I,  II  erster 
und  zweiter  Maxillarfuss ,  (III — VIII) 
Anlagen  des  dritten  bis  achten  Thorax- 
segmentes, ab  Abdomen. 


30 : 


456 


XV.  Capitel. 


mächtig  an,  so  dass  sie  bald  die  Segmente  des  Mittelleibes  an  Länge 
übertreffen.  Das  Kieferfusspaar  des  III.  Paares  ist  nun  schon  als  zwei- 
ästiger Stummel  zu  erkennen  (Fig.  300  B,  111).  Dahinter  sind  die  An- 
lagen der  Gangbeinpaare  (IV— V  111)  und  als  noch  schwächer  angedeutete 
Höcker  die  Extremitätenanlagen  der  fünf  vorderen  Abdominalsegmente 
(«! — ab)  zu  erkennen.  Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  bei  Penaeus  die  An- 
lagen der  Extremitäten  in  ihrer  Entwicklung  die  Reihenfolge  von  vorne 
nach  hinten  einhalten.  Eine  Ausnahme  hievon  macht  das  sechste  Pleo- 
podenpaar,  welches  in  diesem  Stadium  bereits  als  zweilappige  Anlage  (a6) 


Fig.  300.  Spätere  Larvenstadien  von  Penaeus  (nach  Claus  ;  aus  Lang's  Lehrbuch). 

A  älteres  Protozoeastadium,  vom  Rücken  gesehen,  B  Thoracoabdominalabschnitt 
einer  etwas  älteren  Larve  mit  Extremitätenanlagen ,  Ventralansicht;  C  Zoeastadium, 
Ventral  ansieht;  D  Mysisstadium,  Seitenansicht. 

1,  2  erste  und  zweite  Antenne,  3  Mandibel,  4,  5  erste  und  zweite  Maxille,  J,  II, 
III  erstes  bis  drittes  Maxillarfusspaar ,  IV — VIII  erstes  bis  fünftes  Gangbeinpaar, 
(IV) — (VIII)  viertes  bis  achtes  Thoraxsegment,  («j) — (a6)  erstes  bis  sechstes  Abdominal- 
segment, ax — «6  erstes  bis  sechstes  Pleopodenpaar,  ab  Abdomen,  en  Endopodit,  ex  Exopodit, 
/*  frontales  Sinnesorgan,  L  Leber,  t  Telson. 


zu  erkennen  ist  und  demnach  den  übrigen  Extremitätenanlagen  des  Ab- 
domens in  der  Entwicklung  vorauseilt.  Jenes  kommt  (als  Seitentheile 
der  Schwanzflosse)  zur  Entwicklung  (Fig.  300  0,  a6),  während  die  kleinen 
Extremitätenanlagen  an  den  fünf  vorderen  Abdominalsegmenten  später 
unterdrückt  erscheinen  [Fig.  300  C,  (ax)— (a6)].  An  solchen  späteren 
Zoeastadien  erscheinen  die  fünf  Glieder  an  der  Basis  der  ersten  An- 


Crustaceen.  457 

tenne  wieder  geschwunden;  die  Anlagen  der  fünf  Gangbeinpaare  sind 
nun  schon  als  zweizipflige  Schläuche  zu  erkennen  (IV— VIII). 

In  der  nun  folgenden  Mysisstufe  (Fig.  300  D)  haben  die  An- 
tennen die  Bedeutung  von  Bewegungsorganen  aufgegeben.  Als  solche 
fungiren  von  nun  an  die  zweiästigen  Brustfüsse.  Der  Cephalothorax 
tritt  jetzt  an  Grösse  gegenüber  dem  mächtig  sich  entwickelnden  Abdomen, 
an  welchem  nun  die  noch  fehlenden  Pleopodenpaare  zur  Entwicklung 
kommen,  beträchtlich  zurück.  An  letzterem  lässt  sich  vom  2.-5.  Seg- 
mente eine  Bewaffnung  mit  dorsalen  Stacheln  erkennen.  Die  vorderen 
Antennen  (1)  lassen  einen  dreigliedrigen  Schaft  und  zwei  noch  un- 
gegliederte Geisseischläuche  erkennen;  erst  in  späteren  Stadien  gliedern 
sich  die  letzteren  und  es  kommt  zur  Entwicklung  von  Riechfäden,  sowie 
zur  Bildung  des  in  der  Basis  dieser  Extremität  gelegenen  Gehörorgans.  An 
dem  zweiten  Fühlerpaar  (2)  ist  der  Exopodit  in  eine  borstenrandige  Platte 
(Schuppe)  umgewandelt,  während  der  Endopodit  in  der  Form  eines  langen 
Schlauches  sich  zur  späteren  Geissei  umbildet.  Die  Oberlippe  hat  den 
Dornfortsatz  verloren.  An  der  Mandibel  entwickelt  sich  der  später  zwei- 
gliedrige Taster.  An  den  vorderen  Maxillen  wird  der  Endopodit  zu  einem 
kurzen  Stummel  rückgebildet,  der  Exopodit  dagegen  vollständig  ab- 
geworfen. Letzterer  wird  an  der  zweiten  Maxille  zur  umfangreichen  Athem- 
platte  umgebildet.  Die  Maxillarfüsse  des  I.  Paares  bilden  sich  ähnlich  denen 
von  Sergestes  um,  indem  der  Protopodit  in  eine  umfängliche  ladenförmige 
Platte  ausläuft,  während  Endopodit  und  Exopodit  erhalten  bleiben  und 
am  Basalglied  ein  Kiemenschlauch  hervorsprosst  (vgl.  pag.  388,  Fig.  268  C). 
Die  Kieferfüsse  des  zweiten  und  dritten  (III)  Paares  sowie  die  fünf 
{IV — VIII)  folgenden  Thoraxbeinpaare  stellen  ansehnliche  Spaltbeine  mit 
umfangreichem  Schwimmfussast  (Exopodit)  dar. 

Letzterer  erfährt  bei  dem  Uebergang  der  Mysisstufe  in  die  Garne  el- 
form  (junge  ausgebildete  Form)  eine  Reduction,  während  die  Antennen- 
geisseln  sich  gliedern  und  die  schon  in  der  Mysisstufe  zur  Entwicklung 
gekommenen  Pleopodenpaare  ihre  volle  Ausbildung  erlangen.  Das  zweite 
und  dritte  Maxillarfusspaar  bewahrt  den  Charakter  eines  Spaltfusses  am 
vollständigsten  bei.  Die  Maxillarfüsse  des  IL  Paares  zeigen  einen  knie- 
förmig  umgebogenen  Endopoditen,  einen  kleineren  Exopoditen  (Geissel- 
anhang) und  Kiemen ;  die  des  dritten  Paares  zeigen  den  Endopoditen  als 
langgestreckten  Gehfuss  entwickelt,  während  auch  hier  der  Exopodit  als 
Geisselanhang  persistirt.  Die  drei  folgenden  Beinpaare  (L,  IL,  III. 
Gangbeinpaar)  sind  schon  in  der  Mysisstufe  mit  rudimentären  Scheeren 
versehen. 

Die  verschiedenen  aus  dem  Challenger-Material  bekannt  gewordenen  Ent- 
wicklungsstadien von  Penaeiden  lassen  sich  leicht  mit  dem  geschilderten 
Entwicklungsgange  in  Uebereinstimmung  bringen.  Doch  zeigen  sie  vielfache 
Variationen,  welche  auf  Art-  und  Gattungsunterschiede  zurückzuführen  sind 
und  sich  hauptsächlich  auf  die  Stachelbewaffnung  des  Körpers  (vor  Allem 
des  Abdomens)  aber  auch  auf  Verschiedenheiten  in  dem  relativen  Entwick- 
lungszustand der  Extremitäten  (der  Thoraxbeine  und  der  Pleopoden)  beziehen. 

Als  Larvenform  muss  wohl  auch  die  merkwürdige  Petein ura  guber- 
nata  angesehen  werden,  welche  Sfence  Bäte  (No.  100)  auf  Grund  gewisser 
Uebereinstimmungen  mit  Aristeus  als  vielleicht  den  Penaeiden  zugehörig  be- 
trachtet. Diese  Form  stimmt  nahe  mit  der  von  Dohrx  (No.  121)  beschrie- 
benen Cerataspis  longiremis  überein,  welcher  sie  sich  hinsichtlich  der 
Bewaffnung   des  Cephalothorax,   der   Gestalt    der   Beine   und   der   excessiven 


458  XV.  Capitel. 

Entwicklung  des  Exopoditen  des  sechsten  Pleopodenpaares  anschliesst.  Cera- 
t  a  s  p  i  s  wird  von  Boas  und  Claus  als  eine  Larvenform  betrachtet ,  wrelche 
nach  dem  durch  Claus  bekannt  gewordenen  Bau  der  Kiemen  in  die  Verwandt- 
schaft der  Penaeidengruppe  zu  stellen  ist. 

Ueber  die  Metamorphose  von  Stenopus,  welche  sich  an  die  von  Pe- 
naeus  anschliesst  und  Beziehungen  zu  den  Sergestiden  aufweist,  sind  wir  durch 
Mittheilungen  von  Bkooks  und  Herrick  (No.  111)  unterrichtet.  Die  aus 
dem  Eie  schlüpfende  Larve  ist  eine  Protozoea  mit  sessilen  Augen,  als 
Ruder  dienenden  Antennen,  einem  tief  gegabelten  Telson,  einem  langen  Rostrum 
und  sämmtlichen  Anhangspaaren  bis  zu  dem  ersten  Thoraxbeinpaar  (inclusive). 
Der  hintere  Körperabschnitt  ist  nur  undeutlich  segmentirt  und  entbehrt  der 
Anhänge.  Aus  dieser  Form  entwickelt  sich  eine  echte  Zoea,  welche  die 
Charaktere  der  Carididen-Zoea  (vgl.  unten  pag.  459)  aufweist.  Ein  späteres 
Stadium  ist  besonders  durch  die  enorme  Verlängerung  des  fünften  Gang- 
beinpaares ausgezeichnet ,  welches  als  hauptsächliches  Locomotionsorgan  der 
Larve  fungirt  und  ein  an  Länge  dem  Körper  gleichkommendes  Ruder  dar- 
stellt, Diese  Extremität  verschwindet  im  darauffolgenden  Mastigopus- 
stadium  bis  auf  ein  kleines  Rudiment,  und  ebenso  wird  das  vorausgehende 
Extremitätenpaar  (viertes  Gangbeinpaar)  rückgebildet,  um  später  neu  ent- 
wickelt zu  werden.  In  dieser  Hinsicht  schliesst  sich  Stenopus  an  die  ähn- 
lichen Verhältnisse  der  Sergestiden  (vgl.  oben  pag.  453)  an. 


C.   Carididen. 

Bei  den  Carididen  (Palaemoniae,  Alpheinae,  Crango- 
ninae  etc.)  ist  die  Metamorphose  im  Vergleiche  zu  Penaeus  wesentlich 
abgekürzt.  Wir  finden  hier  niemals  mehr  ein  freies  Stadium  der  Nau- 
plius-  und  Protozoeareihe ,  welche  in  den  Kreis  der  embryonalen  Ent- 
wicklung einbezogen  sind.  Der  Embryo  verlässt  das  Ei  in  der  Regel 
in  der  Form  einer  eigenthümlich  gestalteten  Zoea  (Fig.  301),  welche 
gewisse  Charaktere  aus  dem  Mysisstadium  anticipirt  und  daher  nach 
mancher  Hinsicht  bereits  weiter  entwickelt  ist,  als  es  der  typischen  Zoea 
zukommt.  Als  Typus  mag  eine  von  Claus  (No.  113)  beschriebene  und 
auf  Hippolyte  bezogene  Larve  gelten.  Wir  können  an  derselben 
einen  vorderen,  cephalothoracalen  und  einen  hinteren,  abdominalen  Ab- 
schnitt unterscheiden.  Letzterer  ist  gestreckt  und  in  sämmtliche,  später 
zu  unterscheidende  Segmente  zerfallen  (doch  ist  bei  den  Zoeen  verwandter 
Formen  vielfach  die  Trennung  des  sechsten  Abdominalsegmentes  vom 
Telson  anfangs  noch  undeutlich).  Das  Telson  weist  in  der  Regel  nicht 
mehr  die  bei  den  Sergestiden  und  Penaeus  zu  beobachtende  Gabelform 
(Furcalbildung)  auf,  sondern  stellt  eine  breite  Platte  mit  bedorntem 
Hinterrande  dar;  doch  findet  sich  bei  einzelnen  Formen  (z.  B.  bei 
Pontophilus  nach  G.  0.  Sars  Xo.  151)  eine  furcaähnliche  Gabelung 
in  zwei  seitlich  abstehende  Flügel.  Der  Rückenschild  trägt  ein  einfach 
gestaltetes,  zugespitztes  Rostrum  und  kurze  Supraorbital-  sowie  An- 
tennalstacheln,  entbehrt  jedoch  im  Uebrigen  stärker  ausgebildeter  Dorn- 
fortsätze. Dagegen  findet  sich  bei  vielen  Larven  dieser  Gruppe  ein 
stärker  vortretender  Rückenstachel  auf  dem  zweiten  Abdominalsegmente, 
sowie  kleinere  auf  den  drei  folgenden  Segmenten.  Im  Uebrigen  unter- 
liegt die  Dornbewaffnung  dieses  Körperabschnittes  bei  den  hierher  ge- 
hörigen Formen  mannichfachen  Variationen.  Neben  dem  Naupliusauge  tritt 
das  paarige  Auge  in  der  Form  kurzer,  bereits  abgesetzter  Stielaugen  hervor. 


Crustaceen. 


459 


An  dem  vorderen  Körperabschnitte  ist  ausser  den  sieben  der  Zoea 
zukommenden  Extremitätenpaaren  auch  das  nächstfolgende  Gliedmaassen- 
paar  (III.  Maxillarfusspaar  Fig.  301  Mf") 
in  der  Form  eines  wohlausgebildeten 
zweiästigen  Ruderfusses  entwickelt.  Die 
dahinter  folgende  Region  der  fünf  den 
Gangbeinen  zukommenden  Segmente  ist 
noch  völlig  unterdrückt  und  nur  in  nuce 
vorhanden.  Die  entsprechenden  Segmente 
kommen  erst  in  den  späteren  Stadien 
gleichzeitig  mit  den  ihnen  zukommenden 
Extremitätenanlagen  deutlicher  zur  Ent- 
wicklung. Die  Pleopoden  fehlen  noch 
vollständig.  An  der  zweiten  Antenne  ist 
bereits  die  Umbildung  des  Exopodits  in 
die  Schuppe,  des  Endopodits  in  die  Geissei 
der  späteren  Form  zu  erkennen,  der 
Mandibulartaster  fehlt,  ebenso  der  bei 
Penaeus  sich  findende  blattförmige  An- 
hang (Exopodit)  der  ersten  Maxille.  Das 
Herz  weist,  wie  dies  für  die  Zoeaform 
die  Regel  ist,  zwei  Spaltenpaare  auf, 
während  das  dritte  Spaltenpaar  erst  in  der 
Reihe  der  Mysisstadien  zur  Entwicklung 
kommt. 

Während  in  der  Reihenfolge  der 
Ausbildung  der  Körpersegmente  durch  die 
Unterdrückung  der  fünf  Segmente  des 
Mittelleibes  eine  scheinbare  Unregel- 
mässigkeit gegeben  ist,  treten  die  Ex- 
tremitätenanlagen in  der  gesetzmässigen 
Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  zu 
Tage.    Eine  Ausnahme  hievon  macht  nur 

das  sechste  Pleopodenpaar,  welches  vielfach  in  der  Entwicklung  voraus- 
eilt. Im  Bereiche  der  Gangbeine  ist  die  Entwicklung  eine  allmähliche, 
von  vorne  nach  hinten  fortschreitende,  wodurch   ein  Unterschied  gegen- 


Fig.  301.  Zoea  von  Hippo- 
lyte  (nach  Claus,  aus  Bälfour's 
Handbuch). 

Mx'  erste,  Mx"  zweite  Maxille. 
Mf,  Mf",  Mf"  erster,  zweiter  und 
dritter  Maxillarfuss. 


Fig.   302.     A  eitere   Larve    von    Hippolyte,    nach    Ausbildung   der    Thoracal- 
anhäng-e  (nach  Clads,  aus  Bälfour's  Handbuch). 


460  xv-  Capitel. 

über  den  Sergestiden  und  Penaeus  gegeben  erscheint,  bei  welchen  sämmt- 
liche  Gangbeinpaare  gleichzeitig  zur  Entwicklung  kommen.  Im  Einzelnen 
ergeben  sich  für  die  Entwicklung  der  Brustfüsse  allerdings  vielfache,  bis- 
her zum  Theil  nur  ungenügend  erkannte  Verschiedenheiten. 

Bei  Hippolyte  erscheinen  die  zwei  ersten  Gehfusspaare  und  das  sechste 
Abdominalbeinpaar  (Uropoden)  gleichzeitig.  In  einem  späteren  Stadium  (Fig. 
302)  entwickeln  sich  diese  zu  zweiästigen  Anlagen,  während  die  Knospen  der 
drei  hintersten  Gangbeinpaare  hervorsprossen.  Bei  Palaemon  hat  die  aus 
dem  Ei  schlüpfende  Larve  bereits  hinter  dem  dritten  Maxillarfusspaare  die 
Anlagen  der  drei  folgenden  Thoraxbeinpaare  entwickelt  (Bobbetzky).  Bei 
Crangon  besitzt  die  Larve  beim  Ausschlüpfen  die  knospenförmigen  Anlagen 
der  zwei  vorderen  Gangbeinpaare  (Claus  No.  113,  Ehbenbaum  No.  123) 1). 
Die  Anlagen  der  drei  hinten  folgenden  Paare  werden  sehr  bald  danach  ent- 
wickelt. Die  ausschlüpfende  Larve  von  Palaemonetes  vulgaris  weist 
die  Anlagen  der  beiden  vorderen  Thoraxbeinpaare  auf,  die  dahinter  folgenden 
sprossen  einzeln  in  den  darauffolgenden  Stadien  (W.  Faxon)  u.  s.  w. 

Erst  nachdem  die  Thoraxgliedmaassen  zur  Entwicklung  gekommen 
sind,  werden  die  Pleopodenpaare  als  Knospen  angelegt.  Durch  die  Ent- 
wicklung der  Thoraxbeinpaare  zu  spaltästigen  Paiderfüssen  wird  die  Larve 
allmählich  in  das  Mysisstadium  übergeführt,  -welches  für  die  einzelnen 
Formen  verschiedenartig  gestaltet  erscheint,  insofern  die  Entwicklung 
eines  Aussenastes  an  einzelnen  Thoraxbeinpaaren  unterdrückt  sein  kann. 
So  finden  wir,  dass  bei  Hippolyte,  Caridina  und  Palaemonetes  vulgaris 
das  letzte  Thoraxbeinpaar  des  Exopoditen  entbehrt  (ein  Verhalten,  welches 
vielleicht  für  die  meisten  Carididenlarven  Geltung  hat),  während  bei 
Cheraphilus  und  Pontophilus  (nach  G.  0.  Sars  No.  151)  und  bei 
der  Süsswasserform  von  Palaemonetes  varians  die  Anlage  des 
Exopoditen  an  den  drei  letzten  Thoraxbeinpaaren,  bei  Crangon  vulgaris 
(nach  Ehrenbaum  und  G.  0.  Sars)  und  bei  Sabinaea  (nach  Sars) 
dagegen  an  den  vier  letzten  Thoraxbeinpaaren  unterdrückt  erscheint,  so 
dass  bei  letzteren  Formen  eine  offenbare  Tendenz  zu  erkennen  ist,  das 
Mysisstadium  in  der  Metamorphose  zum  Ausfall  zu  bringen. 

Die  in  diesen  Verhältnissen  zum  Ausdruck  kommende  Tendenz  zur  Ver- 
einfachung des  Entwicklungsganges  hat  in  einzelnen  Fällen  zu  einer  viel  aus- 
geprägteren Abkürzung  der  Metamorphose  geführt.  So  zeigt  der  Embryo 
der  hochnordischen  Hippolyte  polaris  nach  den  Beobachtungen  von 
Keöyee  (No.  136)  bereits  die  fünf  Gangbeinpaare  als  einfache,  gegliederte 
Anhänge,  deren  vorderstes  Paar  bereits  die  Scheerenanlagen  erkennen  lässt. 
Die  fünf  vorderen  Abdominalbeinpaare  waren  auch  schon  als  zweiästige  An- 
lagen zu  erkennen,  während  das  sechste  Paar  noch  fehlte.  In  ähnlicher 
Weise  abgekürzt  erscheint  die  Metamorphose  von  Sabinaea  nach  G.  0.  Sabs 
(No.  151),  deren  jüngste  aus  dem  Eie  kommende  Larve  (die  KBövEE'sche 
Myto  Gaimardii)  bereits  die  Anlage  sämmtlicher  fünf  Gangbeinpaare 
und  der  fünf  vorderen  schon  zweiästigen  Pleopodenpaare  aufweist.  Von  den 
Gangbeinpaaren  trägt  nur  das  vorderste  einen  Exopoditen,  während  das  zweite 
einästig    und   sehr   klein  ist.     Bei   S cl er o crangon   boreas,   dessen  Eier 


x)  Dagegen  soll  nach  G.  ü.  Sars  (No.  151)  bei  Crangon  vulgaris,  wie  auch 
bei  Cheraphilus  und  Pontophilus  zunächst  nur  die  Knospe  des  ersten  Gangbein- 
paares vorhanden  '  sein ,  während  die  vier  übrigen  Paare  im  nächsten  Stadium  gleich- 
zeitig auftreten. 


Crustaceen.  4(31 

sich  durch  besondere  Grösse  auszeichnen,  scheint  die  Metamorphose  völlig  in 
Ausfall  gekommen  zu  sein  (Sp.  Bäte  No.  100,  G.  0.  Saes  No.  151).  Das 
Gleiche  ist  bei  den  Tiefseeformen  Cryptocheles  und  Bythocaris  der 
Fall  (G.  0.  Saes  No.  151). 

Von  den  im  Süsswasser  lebenden  Carididen  zeigen  manche  (z.  B.  Cari- 
dina  Desmarestii)  gegenüber  den  marinen  Verwandten  keine  Abkürzung  der 
Metamorphose,  während  eine  solche  bei  Palaemon  Potiuna  (nach  F. 
Müllee  No.  143)  und  bei  Palaemonetes  varians  (nach  P.  Mayee 
No.  138)  deutlich  zu  erkennen  ist.  Palaemon  Potiuna  verlässt  das  Ei  in 
einem  Entwicklungsstadium ,  welches  dem  von  Hippolyte  polaris  sehr  ähnlich 
ist  und  sich  von  demselben  nur  durch  die  stummeiförmige  Beschaffenheit  der 
Mundtheile  (entsprechend  der  unterdrückten  Nahrungsaufnahme,  und  durch 
das  Vorhandensein  der  Kiemenanlagen  unterscheidet. 

Die  in  den  südlichen  Theilen  Europas  im  Süsswasser  vorkommende  Varie- 
tät von  Palaemonetes  varians  schlüpft  nach  P.  Mayee  in  einem  vor- 
gerückten ,  den  Uebergang  zum  Mysisstadium  darstellenden  Zoeastadium  aus 
dem  Eie,  welches  sämmtliche  Extremitäten  mit  Ausnahme  des  letzten  Pleo- 
podenpaares  besitzt.  Von  den  Gangbeinpaaren  weisen  die  beiden  vorderen 
bereits  die  Anlage  der  Scheeren  auf  und  sind  mit  einem  Exopoditen  ver- 
sehen; letzterer  fehlt  an  den  drei  folgenden  Gangbeinpaaren.  Die  Kiemen 
(Pleurobranchien)  sind  an  sämmtlichen  Beinpaaren  wohl  entwickelt.  Die  Ab- 
dominalbeine sind  als  zweiästige  Knospen  vorhanden.  Das  Telson  zeigt  Ge- 
stalt und  Bewaffnung,  wie  sie  bei  den  Zoeen  der  Carididen  sich  findet,  und 
ist  von  dem  sechsten  Abdominalsegment  noch  nicht  scharf  abgesetzt.  Dem- 
gegenüber ist  es  von  Interesse,  dass  die  im  nördlichen  Europa  im  Meere  an 
den  Küsten  (aber  auch  im  Brack-  und  Süsswasser)  vorkommende  Varietät 
von  Palaemonetes  varians  eine  viel  geringere  Abkürzung  der  Metamor- 
phose aufweist.  Nach  Boas  (No.  105)  sind  die  aus  dem  Ei  kommenden 
Zoeen  dieser  Form  nur  mit  ungegliederten  Stummeln  der  Gangbeinpaare  ver- 
sehen, während  die  Extremitäten  des  Abdomens  vollständig  fehlen. 

Bei  sämmtlichen  Formen  mit  abgekürzter  Entwicklung  sind  die  Eier 
beträchtlich  grösser;  die  Anzahl  der  von  dem  Weibchen  producirten  Eier  ist 
dagegen  verringert.  Die  Jungen  werden  mit  reichlicher  Nahrungsdottermasse 
versehen  geboren ,  auf  deren  Kosten  sie  sich  weiter  entwickeln.  Dement- 
sprechend sind  die  Mundtheile  der  sonst  so  hoch  entwickelten  Larven  in 
einem  mehr  rudimentären  Zustande. 

In  ähnlicher  Weise  findet  sich  nach  Heeeick  (No.  133)  und  Pakaed 
(No.  144)  bei  zwei  AI  pheus arten  eine  Abkürzung  der  Metamorphose. 
Während  die  übrigen  Alpheusarten  eine  von  den  übrigen  Carididen  nicht  ab- 
weichende Metamorphose  zeigen,  ist  letztere  bei  Alpheus  heterochelis  abge- 
kürzt und  bei  dem  in  Spongien  lebenden  Alpheus  praecox  fast  vollständig 
verloren  gegangen. 

Amphion.  Im  Anschlüsse  an  die  Carididen  mag  Amphion  erwähnt 
werden,  eine  Form,  deren  Stellung  noch  sehr  zweifelhaft  ist.  Amphion 
schliesst  sich  nach  der  Gestalt  seiner  Zoealarve  und  durch  den  Besitz  von 
Kiemenrudimenten ,  welche  den  Charakter  der  Phyllobranchien  tragen  (Sp. 
Bäte  No.  100),  an  die  Carididen  an.  Die  ältesten  bekannt  gewordenen 
Stadien  von  Amphion  scheinen  —  wie  aus  der  mangelhaften  Gliederung  der 
Antennen  hervorgeht  —  noch  nicht  die  volle  Ausbildung  erlangt  zu  haben 
und  müssen  wahrscheinlich  noch  als  Larven  in  Anspruch  genommen  werden 
(Claus  No.  8),  wenngleich  Dohex  (No.  120)  und  Wieeemoes-Suhm  sie  auf 
Grund  des  Befundes  von  Geschlechtsanlagen  (?)  im  Inneren  als  ausgebildete 
Formen  zu  betrachten  geneigt  waren.     Der  langgestreckte  Körper  wird  durch 


462 


XV.  Capitel. 


sechs  Spaltfusspaare  bewegt ,  welche  dein  zweiten  und  dritten  Maxillarfuss- 
paar  und  den  vier  darauffolgenden  Thoraxbeinpaaren  entsprechen,  während 
das  letzte  Thoraxbeinpaar  nur  in  rudimentärer  Form  vorliegt.  In  der  Gestalt 
dieser  Spaltbeine,  sowie  durch  das  Vorhandensein  verästelter  Leberschläuche 
in  den  vorderen  Parthien  des  Cephalothorax  nähert  sich  A  m  p  h  i  o  n  auf- 
fallend den  Pbyllosomen,  und  thatsächlich  hat  Boas  (No.  103)  in  ihm  die 
Larve  der  den  Loricaten  verwandten  Gattung  Polycheles  vermutbet.  Die 
jüngsten  bekannt  gewordenen  Stadien  von  Amphion  sind  Zoeen,  welche  im 
Habitus  den  Carididen-Zoeen  gleichen.  Als  Locomotionsorgane  dienen  vor 
Allem  der  zweite  und  dritte  Maxillarfuss ,  welche  als  spaltästige  Ruderbeine 
entwickelt  sind,  während  das  erste  Maxillarfusspaar  bereits  zum  Munde  heran- 
gezogen erscheint.  Das  Abdomen  endet  mit  einer  ovalen  Telsonplatte ;  die 
Pleopoden  fehlen ;  doch  kommt  das  sechste  Pleopodenpaar  sehr  bald  zur  Ent- 
wicklung. Andere  mit  Amphion  nahe  verwandte  Formen  werden  von 
Willemoes- Suhm  erwähnt  und  die  Aehnlichkeit  der  Körperform  mit  der  von 
Sergestes  hervorgehoben.    Diese  Formen  werden  als  Amphiones  bezeichnet. 


D.   Astacidae. 


In  der  Familie  der  Astacidae  macht  sich  eine  noch  weitergehende 
Abkürzung  der  Metamorphose  geltend,  als  dies  bei  den  meisten  Carididen 
der  Fall  ist.  Hier  findet  sich  kein  freies  Zoeastadium  mehr.  Bei  Ho- 
marus,  dessen  Metamorphose  durch  Kröyer  (No.  136),  G.  0.  Sars 
(No.  148),    Sidney  J.  Smith  (No.  153)   und  Ryder   (No.  147)    bekannt 

geworden  ist,  ist  das  erste  aus  dem 
Eie  kommende  Stadium  (Fig.  303) 
ein  Mysisstadium,  welches  sich 
mittelst  der  als  kräftige  Ruder- 
äste  entwickelten  Exopoditen  des 
III.  Maxillarfusspaares  und  der  fünf 
Gangbeinpaare  (mfm—pY)  umher- 
bewegt. Der  Rückenschild  geht  nach 
vorne  in  ein  einfaches  Rostrum  und 
einen  Zahn  unter  dem  Auge  aus; 
das  Abdomen  ist  durch  die  Bewaff- 
nung seiner  Segmente  mit  dorsalen 
und  lateralen  Dornen  ausgezeichnet, 
entbehrt  jedoch  der  Beinanlagen. 
Das  Telson  ist  eine  hinten  ausge- 
buchtete und  bezahnte,  trianguläre 
Platte.  Die  ersten  Antennen  (a)  sind 
noch  ungegliedert,  die  zweiten  (a") 
zweiästig,  mit  einem  zu  einer  Schuppe 
umgebildeten  Exopoditen  und  einem 
schlankeren  Endopoditen  (Anlage  der  Geissei).  Die  Mandibeln  tragen 
einen  dreigliedrigen  Taster,  an  der  ersten  Maxille  fehlt  ein  Exopodit. 
Die  zweiten  Maxillen,  sowie  die  Maxillarfüsse  sind  im  Wesentlichen  der 
ausgebildeten  Form  schon  ähnlich ,  nur  noch  in  mancher  Hinsicht  etwas 
rudimentär.  Die  Endopoditen  der  drei  vordersten  Gangbeinpaare  endigen 
bereits  mit  einer  Scheerenanlage. 

Im  nächstfolgenden  Stadium  erscheinen  die  Extremitätenknospen  an 
dem  zweiten  bis  fünften  Abdominalsegment.    An   den  ersten  Antennen 


Fig.  303.  Eben  ausgeschlüpfte  Larve 
des  amerikanischen  Hummers  (nach  Smith). 

«'  erste,  a"  zweite  Antenne,  mf"  dritter 
Maxillarfuss,  pl—pv  erstes  bis  füuftes  Gang- 
beinpaar. 


Crustaceen.  463 

ist  die  Gliederung  der  Hauptgeissel  und  die  Anlage  der  Nebengeissel  zu 
erkennen.  Die  drei  vordersten  Gangbeinpaare  haben  sieh  vergrössert 
und  die  Scheerenanlage  deutlicher  zur  Entwicklung  gebracht. 

Im  dritten  Larvenstadium  gehen  die  Schizopodencharaktere  allmäh- 
lich verloren,  während  die  definitiven  Bildlingsverhältnisse  erreicht  werden. 
Die  Exopoditen  des  dritten  Maxillarfusspaares,  sowie  der  fünf  Gangbein- 
paare werden  nun  rückgebildet,  während  die  Extremität  des  sechsten 
Abdominalsegmentes  zur  Ausbildung  gelangt.  Die  Dornen  der  Ab- 
dominalsegmente erscheinen  nun  kleiner. 

Im  nächsten  Stadium  sind  die  Schizopodencharaktere  vollständig 
verloren  gegangen.  Die  Exopoditen  der  Gangbeine  sind  bis  auf  Rudi- 
mente verschwunden.  Die  Larve  gleicht  im  Wesentlichen  der  aus- 
gebildeten Form,  hat  jedoch  noch  die  pelagische  Lebensweise  beibehalten 
und   schwimmt  mittelst    der   Abdominalfüsse    umher.    Erst  in   späteren 


Fig.  304.     Späteres  Mysrsstadium  von  Nephrops  norvegicus  (nach  Sars). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  mf"  dritter  Maxillarfuss,  p1 — p^  erstes  bis 
fünftes  Gangbein,  pl2  Pleopodenpaar  des  zweiten  Abdominalsegments,  pln  Pleopodenpaar 
des  fünften  Abdominalsegments,  r  Rostrum. 

Jugendformen,  welche  bereits  auf  den  Grund  gesunken  sind,  macht  sich 
die  Asymmetrie  der  Scheeren  bemerkbar,  während  gleichzeitig  das  an- 
fangs für  beide  Geschlechter  gleichgebildete  erste  Abdominalbeinpaar  auf- 
tritt. In  einem  noch  späteren  Stadium  entwickeln  sich  die  sexuellen 
Differenzen. 

Die  Metamorphose  von  Nephrops  norvegicus,  aus  welcher  ein  ein- 
zelnes Stadium  schon  seit  Langem  durch  Claus  (No.  113)  bekannt  war  und 
welche  neuerdings  durch  G.  0.  Sars  (No.  149)  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  be- 
schrieben wurde,  stimmt  bis  auf  sämmtliche  Einzelheiten  mit  der  von  Homarus 
überein.  Hier  wie  dort  können  wir  die  oben  beschriebenen  vier  Entwicklungs- 
stufen ,  die  sich  in  beiden  Fällen  in  gleicher  Weise  charakterisiren,  unter- 
scheiden. Dagegen  weist  die  Larve  von  Nephrops  (Fig.  304)  einen  durch 
die  Bewaffnung  des  Abdomens  gekennzeichneten  eigenartigen  Habitus  auf. 
Wir  finden  hier  am  dritten  Abdominalsegment  einen  kleinen,  am  vierten  und 
fünften  je  einen  grossen  unpaaren  Rückendorn,  während  das  sechste  Abdominal- 
segment ein  Paar  nach  hinten  divergirender  langer  Stacheln  aufweist.  Das 
Telson ,  welches  im  ersten  und  zweiten  Stadium  vom  sechsten  Abdominal- 
segment sich  nicht  scharf  absetzt,  läuft  in  zwei  ungeheuere,  geschwungene 
und  bedornte  Fortsätze  aus,  welche  noch  im  dritten  Stadium  neben  den  Seiten- 


464  xv-  Capitel. 

platten  des  Schwanzfächers  (sechstes  Pleopodenpaar)  sich  erhalten  und  erst 
im  vierten  Stadium  verschwinden ,  in  welchem  das  Telson  zur  Mittelplatte 
des  Schwanzfächers  umgebildet  erscheint. 

Die  Jungen  von  Astacus  unterscheiden  sich,  wenn  sie  aus  dem  Eie 
schlüpfen,  nur  in  unwesentlichen  Merkmalen  von  der  ausgebildeten  Form. 
Entsprechend  der  Menge  des  vorhandenen  Nahrungsdotters  ist  der  Cephalo- 
thorax  aufgetrieben  und  das  Rostrum  zwischen  den  Augen  nach  unten  ge- 
krümmt. Das  erste  Abdominalbeinpaar  ist  noch  unentwickelt.  Ebenso  sind  die 
Pleopoden  des  sechsten  Segmentes  noch  nicht  zur  freien  Entfaltung  gekommen. 
Das  Telson  weist  eine  eigenthümliche,  ovale«  Gestalt  auf.  Im  Uebrigen  stimmen 
die  Jungen  von  Astacus,  welche  noch  eine  Zeit  lang  an  den  Abdominalan- 
hängen der  Mutter  anhängen  und  von  der  Mutter  beschützt  werden,  voll- 
kommen mit  der  ausgebildeten  Form  überein.  Die  Metamorphose  ist  hier, 
wie  bei  so  vielen  Süsswasserthieren,  völlig  in  Ausfall  gekommen. 

Ganz  ähnlich  gestaltet  sind  auch  die  durch  W.  Faxon  (No.  127)  be- 
kannt gewordenen  Jungen  von  Cambarus,  welche  ebenso  wie  die  von 
Astacus  nach  gewisser  Hinsicht  an  die  Gruppe  der  Parastacidae  erinnern. 
Das  erste  und  sechste  Pleopodenpaar  fehlen  noch;  ebenso  ist  die  quere  Abglie- 
derung  im  Bereich  der  Telsonplatte  noch  nicht  entwickelt,  Letztere  zeigt 
zum  Unterschiede  von  Astacus  an  dem  Rande  keinen  Borstenbesatz.  Die 
Entwicklung  scheint  noch  mehr  abgekürzt  als  bei  Astacus,  insofern  der 
Schwanzfächer  sehr  bald  zur  vollständigen  Ausbildung  gelangt. 

E.    Loricaten. 

Die  Larven  der  Loricaten  schlüpfen  in  einer  Form  ans  dem  Eie, 
welche  seit  Langem  als  Phyllosoma  bekannt  war  und  früher  als 
selbstständiges  Genus  theils  zu  den  Stomatopodeu  bezogen  wurde,  theils 
den  Decapoden  zugerechnet  wurde.  Die  Zugehörigkeit  dieser  Form  in 
den  Entwicklungskreis  der  Loricaten  wurde  durch  die  Züchtungsversuche 
von  Couch  (No.  116)  wahrscheinlich,  welcher  aus  den  Eiern  von  Pali- 
nurus  Larven  erzielte,  die  schon  Gerstäcker  als  junge  Phyllosomen  in 
Anspruch  nahm.  Zu  dem  gleichen  Resultate  kamen  fast  gleichzeitig 
Coste  und  Gerbe.  In  ausführlicherer  Weise  wurde  die  Embryonal- 
entwicklung von  Scyllarus  und  Palinurus,  sowie  der  Uebergang  in  das 
junge  Phyilosoma  durch  Dohrn  (No.  119)  bekannt,  während  die  Meta- 
morphose der  Phyllosomen  hauptsächlich  durch  Claus  (No.  91  u.  No.  8) 
und  Richters  (No.  146)  festgestellt  wurde.  Neuerdings  sind  verschiedene 
Phyllosomen  durch  Spence  Bäte  (No.  100)  beschrieben  worden. 

Wir  müssen  das  Phyllosoma  (Fig.  307  und  308)  als  ein  eigen- 
thümlich  gestaltetes  Mysisstadium  bezeichnen.  Die  Loricaten  verlassen 
demnach  in  demselben  Stadium  das  Ei,  in  welchem  viele  Astaciden  aus- 
zuschlüpfen pflegen.  Die  blattförmig  flachgedrückte  Körperform  und  die 
geringe  Entwicklung  des  Abdomens  muss  als  eine  Anpassung  an  die 
schwimmende  und  treibende  Lebensweise  in  den  bewegten  Strömungen  der 
hohen  See  aufgefasst  werden,  während  andererseits  in  der  Selbstständigkeit 
des  Thorax  und  dem  Vorhandensein  von  Furcalfortsätzen  des  Telsons 
anscheinend  ursprüngliche  Charaktere  erhalten  sind.  Andere  Merkmale 
jedoch  lassen  sich  nur  durch  Rückbildungserscheinungen  erklären, 
wie  solche  durch  den  Vergleich  mit  den  Embryonalstadien  kenntlich 
werden. 

Die  Embryonen  von  Scyllarus,  deren  Entwicklung  durch  Dohrn 
(No.  119)  bekannt  geworden  ist,  durchlaufen  ein  Naupliusstadium,  welches 


Crustaceen.  465 

im  Allgemeinen  dem  oben  (pag.  356)  für  Astacus  beschriebenen  ähnlich 
ist,  und  sich  durch  die  Abscheidung  einer  Larvenhaut  (Naupliuscuticula) 
markirt.  Auch  das  spätere  beobachtete  Stadium  ist  dem  entsprechenden 
von  Astacus  insofern  ähnlich,  als  ein  nun  producirter  hinterer  Körper- 
abschnitt (Thoracoabdominalabschnitt)  gegen  die  Ventralseite  eingeschlagen 
erscheint.  Der  vordere  dem  Dotter  aufgelagerte  Körperabschnitt  trägt 
die  beiden  Antennenpaare  und  die  Mundwerkzeuge  bis  einschliesslich  dem 
I.  Maxillarfusspaare.  An  dem  umgeschlagenen  Thoracoabdominalabschnitt 
finden  sich  das  zweite  und  dritte  Maxillarfusspaar,  sowie  die  Anlagen  der 
drei  vorderen  Gangbeinpaare.  Hinter  dem  letzten  Paar  dieser  Anlagen 
folgt  ein  ungegliederter  Endabschnitt  in  Form  einer  quadratischen  Platte. 
Die  meisten  Anhänge  zeigen  noch  ziemlich  embryonales  Gepräge,  doch 
ist  zu  erwähnen,  dass  die  drei  vordersten  Extremitätenpaare  des  thoraco- 
abdominalen  Abschnittes  (IL  u.  III.  Maxillarfusspaar  und  I.  Gangbeinpaar) 
aus  einer  zweiästigen  Anlage  bestehen,  während  die  beiden  folgenden 
Paare  (IL  und  III.  Gangbeinpaar)  noch  ungespaltene  wulstförmige  Aus- 
wüchse darstellen. 

In  einem  etwas  späteren  Stadium  zeigen  die  IL  Antennen,  welche 
an  Länge  denen  des  ersten  Paares  nicht  viel  nachstehen,  in  ihrem  basalen 
Antheil  die  Anlage  der  Antennendrüse.  Die  Mandibeln,  denen  die  Taster- 
anlage fehlt,  erscheinen  an  ihrem  Ende  schwach  zweilappig,  die 
I.  Maxillen  sind  zweilappig ;  ebenso  zeigen  die  des  zweiten  Paares  durch 
Einbuchtung  an  ihrem  Innenrande  einen  Zerfall  in  drei  Lappen.  Auch 
das  erste  Maxillarfusspaar,  welches  im  früheren  Stadium  ein  einfacher 
Stummel  war,  ist  nun  zu  einer  kurzen  zweilappigen  Anlage  ausgewachsen. 
Dagegen  sind  jetzt  die  Exopoditen  des  zweiten  und  dritten  Kieferfuss- 
paares  rudimentär  geworden,  während  das  IL  und  III.  Gangbeinpaar 
deutlich  spaltästig  erscheinen.  Weiter  nach  hinten  folgen  die  ganz  kleinen 
stummeiförmigen  Anlagen  des  IV.  und  V.  Gangbeinpaares. 

Eine  ganz  ähnliche  Gliederung  zeigen  Palinurus-Embryonen  spä- 
terer Stadien  (Fig.  305).  Die  vorderen  Antennen  (a')  sind  einfach  und  un- 
gegliedert, während  die  etwas  längeren  zweiten  Antennen  (a")  die  Anlage 
eines  Seitenastes  aufweisen.  Die  ersten  Maxillen  (mx)  zeigen  eine  dreilappige, 
die  zweiten  Maxillen  (mx")  eine  zweilappige  Form.  An  den  beiden  vorderen 
Kieferfusspaaren  (mf,  w*/'"),  sowie  am  dritten  Gangbeinpaar  (t'")  ist  der 
Exopodit  rudimentär;  dagegen  sind  der  dritte  Maxillarfuss  (wif'")  und  das 
erste  und  zweite  Gangbeinpaar  (t',  t")  mit  grösseren  Exopoditen  versehen. 
Der  hintere,  gegliederte  Körperabschnitt  enthält  die  Segmente  des  vierten 
und  fünften  Gangbeinpaares  (t4,  t'°),  sowie  die  Abdominalsegmente  (1 — 6) 
und  endet  mit  einem  in  Furcalanhänge  gespaltenen  Telson. 

Die  spätesten  Stadien  des  embryonalen  Lebens  zeigen  schon  deut- 
lich die  Leibesgliederung  des  späteren  Phyllosomas.  Der  Körper  zerfällt 
in  drei  Abschnitte,  von  denen  der  verbreiterte  vordere  noch  durch  ein- 
gelagerte Dottermassen  aufgetrieben  erscheint  und  die  Antennen  sowie 
die  Mandibeln  und  Maxillen  trägt.  Dahinter  folgt  ein  noch  wenig  ver- 
breiterter Körperabschnitt,  welcher  aus  den  Segmenten  der  Kieferfuss- 
paare  und  Gangbeinpaare  besteht,  während  hinten  sich  ein  kurzes, 
schmales  Abdomen  anschliesst.  Bevor  das  Phyllosoma  die  Embryonal- 
hüllen verlässt,  machen  sich  gewisse  Reductionsvorgänge  (vgl.  Fig.  306) 
an  dem  Embryonalleibe  bemerkbar.  Die  Antennen  des  zweiten  Paares 
(a")   werden  zu  einfachen,   unverästelten  Schläuchen  umgebildet.     Die 


466 


XV.  Capitel. 


zweite  Maxille  (mx")  wird  zu  einem  kleinen  ungegliederten  Stummel. 
Das  erste  Kieferfusspaar  geht  bei  Scyllarus  vollständig  verloren,  während 
es  bei  Palinurus  in  der  Form  einer  ganz  rückgebildeten  Anlage  sich 
erhält.  Ebenso  werden  die  Exopoditen  des  zweiten  und  dritten  Kiefer- 
fusspaares  (mf",  mf")  schon  im  früheren  Stadium  rückgebildet.  Ferner 
werden  die  Segmente  des  vierten  und  fünften  Gangbeinpaares  undeutlich, 
wie  denn  auch  am  Abdomen  die  Segmentirung  weniger  deutlich  wird. 

An  diese  ältesten  Embryonalstadien  schliessen  sich  die  jüngsten 
ausgeschlüpften  Phyllosomen  (Fig.  306  u.  307)  sehr  innig  an. 
Der  glashell  durchsichtige  Körper  ist  nun  völlig  blattförmig  verflacht  und 
zerfällt  in  die  drei  ebengenannten  Körperabschnitte.  Der  vorderste  der- 
selben (Kopfabschnitt),  welcher  meist 
einen  ellipsoidischen  oder  ovalen 
Umriss  aufweist,  trägt  an  seinem 
vorderen  Ende  die  beiden  Fühler- 
paare und  die  gestielten  Augen, 
während  das  Naupliusauge  (oc)  dem 
Gehirn  dicht  aufsitzt.  An  der  Unter- 
seite findet  sich  ziemlich  in  der 
Mitte  der  von  den  Mandibeln  und 
ersten  Marillen  umstellte  Mund; 
die  reducirten  zweiten  Maxillen  (mx' ) 
sind  weiter  nach  hinten  abgerückt. 
Von  den  I.  Maxillarfüssen  findet 
sich  bei  den  Scyllarusphyllosomen 
(Fig.  306)  keine  Spur,  bei  Palinurus 
nur  völlig  rudimentäre  Höcker. 

Der  nach  hinten  folgende 
Thoraxabschnitt  (vgl.  Fig.  307  und 
308)  hat  ungefähr  die  Gestalt  einer 
verbreiterten  Scheibe  und  trägt  die 
Maxillarfüsse  und  Gangbeinpaare. 
Von  diesen  sind  bei  den  jüngsten 
Scyllarusphyllosomen  (Fig.  306)  die 
beiden  vordersten  Paare  (IL  und 
III.  Maxillarfusspaar)  einästig  und 
fünfgliedrig,  während  die  drei  vor- 
dersten Gangbeinpaare  aus  sechs 
Gliedern  bestehen  und  einen  Aussen- 
ast  tragen.  Die  Anlagen  des  IV. 
und  V.  Gangbeinpaares  sind  sammt 
den  ihnen  zugehörigen  Segmenten 
fast  völlig  verschwunden.  Dagegen 
tragen  bei  den  jüngsten  Palinurus- 
phyllosomen  (Fig.  307)  die  III.  Ma- 
xillarfüsse einen  Aussenast,  und  ist 
auch  das  fünfte  nur  als   Knospe   zu 


Fig.  305.  Aelterer  Embryo  von 
Palinurus  q  u  a  d  r  i  c  o  r  n  i  s  mit  zurück- 
geschlagenem Thoracoabdominalabschnitt 
(nach  Claus). 

a  After,  a'  erste  Antenne,  a"  zweite 
Antenne,  w«?Mandibel,  mf,  mf" ,  mf"  erster, 
zweiter,  dritter  Maxillarfuss,  mx',  mx"  erste, 
zweite  Maxille,  oc  Naupliusauge,  ol  Ober- 
lippe, p  Paragnathen,  t',  t" ,  t'"  erstes, 
zweites,  drittes  Gangbein,  t*,  th  Segment 
des  vierten  und  fünften  Gangbeinpaares, 
x — x  Grenzlinie  des  Cephalothorax,  1,  2, 
3 — 6  erstes,  zweites,  drittes  bis  sechstes 
Abdominalseffment. 


das    vierte   Gangbeiupaar ,    sowie 
bemerken. 

Der  thoracale  Körperabschnitt  ist  dem  vorderen  cephalischen  Ab- 
schnitt ursprünglich  hinten  angefügt.  Später  wird  er  jedoch  von  dem 
letzteren  dorsalwärts  überwachsen.  Es  bildet  sich  hiebei  die  dorsale 
Fläche  des  vorderen  Abschnittes  zum  Kückenschilde  aus,  während  aus 
dem  hinteren  Abschnitte  hauptsächlich  das  „Plastron  sternal"  gebildet  wird. 


Crustaceen. 


467 


Das  Abdomen  ist  ein  kurzer,  undeutlich  segraentirter ,  völlig  rudi- 
mentärer Anhang,  welcher  mit  zwei  zipfelförmigen  Furcalfortsätzen  endigt. 
Zwischen  diesen,  am  hinteren  Körperende  gelegen,  findet  sich  die  After- 
öffnung,  welche  erst  secundär  durch  Verwachsung  der  Basaltheile  der 
Furcalfortsätze  eine  ventrale  Lagerung  einnimmt.  Es  erinnert  dies  an 
die  für  Penaeus  (pag.  455)  und  Astacus  (pag.  357)  erwähnte  Lagever- 
schiebung  des  Afters  und  zeigt,   dass  die  Phyllosomen  in  Hinsicht   auf 


Fig.  306.  Junges  Scyllarusphvllosoma  (nach  Claus).  Von  den  Beinpaaren  sind 
z.  Th.  nur  die  Basalglieder  eingezeichnet. 

a!  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  d  Antennendrüse,  g  Gehirn,  l  Leberanhänge 
des  Darmcanals,  md  Mandibel,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  mf"  zweiter 
Maxillarfuss,  mf"  dritter  Maxillarfuss,  n  Bauchganglienkette,  oe  Naupliusauge,  ol  Ober- 
lippe, p',  p",  p'"  erstes,  zweites,  drittes  Gangbein. 


die  Ausbildung  des  hinteren  Körperendes  Verhältnisse  bewahrt  haben, 
welche  eigentlich  einem  früheren  Larvenstadium  (Protozoea  von  Penaeus) 
eigenthümlich  sind. 

Die   Metamorphose   der  Phyllosomen   besteht  in   dem  Auf- 
treten  (respective  Wiederauftreten)   der  noch  fehlenden  Körpersegmente 


468 


XV.  Capitel. 


und  Extremitätenpaare,  und  in  einer  Umbildung  der  schon  vorhandenen, 
wodurch  sie  der  definitiven  Form  sich  nähern.  Die  erste  Antenne  wird 
gegliedert  und  gewinnt  die  Anlage  der  Nebengeissel  (Fig.  308),  sowie 
der  Riechfäden  der  Hauptgeissel  und  des  Gehörorgans  im  Basalgliede. 
Auch  die  zweite  Antenne  (Fig.  308)  gliedert  sich  und  zeigt  bei  den 
Scyllarusphyllosomen  bereits  die  Andeutung  der  für  die  ausgebildete 
Form  typischen  lamellösen  Gestaltung.  An  den  Mandibeln  kommt  ein 
anfangs  einfacher,  später  dreigliedriger  Taster  zur  Ausbildung.  Die 
Maxillen   nähern  sich   der  ausgebildeten  Form.     Das  erste  Maxillarfuss- 

paar  und  das  IV.  und 
V.  Gangbeinpaar  kom- 
men nun  zur  Entwick- 
lung, während  das  vor- 
letzte Gangbeinpaar,  so- 
wie das  zweite  Maxillar- 
fusspaar  zu  mächtigerer 
Entfaltung  gelangen.  An 
den  Basalgliedern  der 
Kieferfüsse  und  Gang- 
beinpaare  sprossen  nun 
die  Kiemenanlagen  her- 
vor. Das  Abdomen  wird 
deutlich  seginentirt,  und 
es  kommen  an  demselben 
die  6  Pleopodenpaare 
zur  Ausbildung,  von 
denen  das  letzte  an  der 
Bildung  des  Schwanz- 
fächers participirt.  Von 
inneren  Organen  ist  die 
zurAusbildung  derLeber- 
schläuche  (l)  führende 
Divertikelbildung  am 
Mitteldarm  zu  erwähnen,  welche  bei  den  Scyllarusphyllosomen  (Fig.  306) 
durch  Ausbildung  dreier  Paare  von  Blindsäcken  eingeleitet  wird,  von 
denen  das  mittlere  bald  secundäre  Ramificationen  eingeht.  Dagegen 
weisen  die  Palinurusphyllosomen  von  Anfang  an  (Fig.  307)  eine  reichere 
Verästelung  der  sog.  Leberschläuche  auf.  Die  Kreislaufsorgane  tragen, 
wie  Gegenbaur  nachwies,  bereits  den  typischen  Decapodencharacter.  Wir 
finden  ein  mit  drei  Spaltenpaaren  versehenes  Herz,  von  welchem  die 
arteriellen  Blutbahnen  in  der  für  die  Decapoden  charakteristischen  Form 
ausgehen  (vgl.  Claus  No.  6). 

Die  Umwandlung  der  Phyllosomen  in  das  jüngste  Stadium  der  aus- 
gebildeten Form,  welches  erheblich  kleiner  ist  als  die  ältesten  Phylloso- 
men, ist  bisher  noch  nicht  direct  beobachtet. 

Die  Palinurusphyllosomen  lassen  sich  von  den  Scyllarusphyllosomen  durch 
gewisse,  zum  Theil  oben  erwähnte  Merkmale  unterscheiden.  In  erster  Linie 
sind  hier  zu  erwähnen  die  zweiten  Antennen ,  welche  bei  Palinurus  die  des 
ersten  Paares  an  Länge  übertreffen ,  bei  den  lamellicornen  Formen  dagegen 
von  Anfang  an  kleiner  sind  und  in  späteren  Stadien  die  lamellöse  Umbildung 
erkennen  lassen.  Ferner  ist  für  die  Palinurusphyllosomen  charakteristisch 
das  Vorhandensein   eines  Rudiments   des   ersten  Maxillarfusspaares ,    und  die 


Fig.  307.  Junges  Phyllosomastadium  von  Pali- 
nurus kurz  nach  dem  Ausschlüpfen  (nach  Claus,  aus 
Lang 's  Lehrbuch). 

ad  Abdomen,  L  Leber,  77 — 777  zweites  und  drittes 
Maxillarfusspaar ,  IV —  VI  erstes  bis  drittes  späteres 
Gangbeinpaar. 


Crustaceen. 


469 


vorgeschrittene  Ausbildung  der  Maxillarfüsse  und  Gangbeine  in  dem  jüngsten 
aus  dem  Eie  kommenden  Stadium.  Wenn  es  so  nicht  schwer  ist,  die  Pali- 
nurusphyllosomen  von  den  übrigen  zu  trennen,  so  sind  die  zahlreichen  übrigen 
Phyllosomen,  welche  zum  Theil  sehr  merkwürdige  Formen  aufweisen,  nur  mit 
Unsicherheit  und  vermuthungsweise  auf  die  einzelnen  Genera  der  lamellicornen 
Loricaten  (Scyllarus,  Thenus,  Ibacus,  Paribacus  etc.)  bezogen  worden  (vgl. 
Richtees  No.  146).  Unter  letzteren  ist  ein  vermuthlich  zu  Ibacus  ge- 
höriges Phyllosoraa  von  Haswell  (No.  131)  beschrieben  worden.  Haswell 
stellt  dasselbe  als  ein  weiteres  Entwicklungsstadium  von  Phyllosoma  Du- 
perreyi  Guerin  dar,  welches  der  Milne-Edwaeds' sehen  Gruppe  der  Lati- 


Fig'.  308.     Aelteres  Phyllosomastadinm  von  Palinurus  (nach  Claus). 
I  Leberschlänche  des  Darmcanals,  mf"  zweiter  Maxillarfuss,  mf"  dritter  Maxillar- 
fuss,  px,  p2,  pz,  p*,  p*  erstes  bis  fünftes  Gangbeinpaar. 


caudes  zugehört,  deren  Abdomen  mit  breiter  Wurzel  als  directe  Verlängerung 
des  Thorax  aus  demselben  entspringt.  Dagegen  hat  Richtees  vermuthungs- 
weise die  Brevicaudes  zu  Ibacus  und  Paribacus  bezogen. 

Fossile  Phyllosomen  sind  aus  den  Solenhofener  Schiefern  bekannt 
geworden. 

F.   Thalassiniden. 

Die  Larven  der  Thalassiniden  (Gebia,  Calocaris,  Callia- 
nassa,  Calliaxis),  deren  Kenntniss  wir  den  Mittheilnngen  von 
G.  0.  Sars  (No.  149)   und  Claus  (No.  6,  7  u.  8)  verdanken,  schliessen 


Korschelt-Heider,  Lehrtuch. 


31 


470 


XV.  Capitel. 


sieh  in  der  Körperform  durch  den  Besitz  eines  langen  Stirnstachels, 
sowie  durch  die  (bei  Gebia  allerdings  fehlende)  eigentümliche  Bewaff- 
nung des  Abdomens  (ein  längerer  Rückenstachel  am  zweiten  Abdominal- 
segment, kürzere  an  den  drei  folgenden  Segmenten)  den  Carididenlarven  an. 
Durch  andere  Merkmale  jedoch  wird  ihre  Metamorphose  von  besonderem 
Interesse,  insoferne  ein  vollständiger  Uebergang  zur  Entwicklungsweise 
der  Anomuren  und  Brachyuren  gegeben  ist. 

Das  jüngste  Larvenstadium  von  Gebia  (Fig.  309 Ä)  ist  eine  Zoea, 
welche  sich  von  den  Zoöen  der  übrigen  Macruren  vor  Allem  dadurch 
unterscheidet,  dass  hier  nur  die  zwei  vorderen  Kieferfusspaare  (mf,  mf") 
als  zweiästige  Ruderfüsse  zur  Function  gekommen  sind,  während   das 

dritte  Kieferfusspaar,  sowie  die  vier 
folgenden  Gangbeinpaare  als  unbe- 
borstete,  ventral  wärts  eingeschlagene 
Anlagen  vorhanden  sind,  von  denen 
die  vier  vorderen  Paare  zweiästig 
sind,  das  hinterste  Paar  aber  noch 
einfach  ist.  Das  fünfte  Gangbein- 
paar sowie  die  Pleopodenpaare  feh- 
len noch  vollkommen.  Das  Telson, 
welches  von  dem  sechsten  Abdomi- 
nalsegmente noch  nicht  abgetrennt 
erscheint,  stellt  eine  spateiförmige, 
am  hinteren  Rande  etwas  eingebuch- 
tete und  mit  Borsten  besetzte  Platte 
dar.  Die  noch  unbeweglichen  paari- 
gen Augen  erinnern  an  die  der 
Anomurenlarven ,  insoferne  durch 
eine  Verlängerung  der  Krystallkegel 
des  hinteren  Abschnittes  ein  nach 
hinten  prominirender  Vorsprung  ge- 
bildet erscheint. 

Die  hieraus  unter  Vermittlung 
eines  Uebergangsstadiums  sich  ent- 
wickelnde M  y  s  i  s  f  o  r  m  (Fig.  309  B) 
hat  das  fünfte  Gangbeinpaar,  sowie 
die  Pleopodenanlagen  mit  Ausnahme 
der  des  ersten  Abdominalsegmentes 
zur  Entwicklung  gebracht.  An  dem 
III.  Maxillarfusspaare,  sowie  an  den 
drei  vorderen  Gangbeinpaaren  (mf" 
bisp"')  sind  die  Exopoditen  beborstet 
und  functioniren  als  Ruderfüsse.  Dagegen  zeigen  die  Endopoditen  dieser 
Gliedmassen  noch  völlig  embryonalen  Habitus;  sie  sind  ungegliedert  und 
entbehren  des  Borstenbesatzes.  Das  Telson,  welches  nun  zu  einer  läng- 
lich viereckigen  Platte  umgebildet  ist,  weist  an  seinem  hinteren  Rande 
einen  kleinen  unpaaren  Stachel  und  sieben  längere  an  jeder  Seite  auf. 
Die  Seitengliedmaassen  des  Schwanzfächers  sind  bereits  ziemlich  ent- 
wickelt. 

In  späteren  Stadien  gelangen  die  Endopoditen  der  Gangbeine  zu 
mächtigerer  Entfaltung  und  machen  sich  am  I.  Gangbeinpaare  die 
Scheerenanlagen  bemerkbar,  während  die  Exopoditen  allmählich  rück- 
gebildet werden. 


Fig.  309.  Zwei  Larvenstadien  von 
Gebia  littoralis  (nach  G.  O.  Saks). 

^Zoeastadium(Dorsalansicht), -ßMysis- 
stadium  (Seitenansicht). 

«'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne, 
a2 — «6  Extremitätenanlagen  des  zweiten  bis 
sechsten  Abdominalsegmentes,  mf,  mf", 
mf"  erstes,  zweites,  drittes  Maxillarfuss- 
paar,  pl-  py  erstes  bis  fünftes  Gangbein- 
paar, oc  Naupliusauge. 


Crustaceen.  47  \ 

Die  Uebereinstimmung  in  der  Metamorphose  von  Gebia  mit  der  der 
Anomuren  findet  sich  in  der  Form  der  paarigen  Augen,  des  Telsons,  der  spalt- 
ästigen Kieferfüsse  und  vor  Allem  in  dem  Verhalten  des  dritten  Maxillar- 
fusspaares,  welches  erst  im  Mysisstadium  als  Ruderfuss,  aber  mit  noch  völlig 
rudimentärem  Endopoditen  zur  Verwendung  kommt.  Während  in  dieser  Hin- 
sicht die  Larve  von  Calliaxis  mit  der  Zoea  von  Gebia  übereinstimmt, 
nähern  sich  die  Zoeen  von  Callianassa  und  Calocaris  denen  der  Cari- 
diden,  insoferne  hier  sämmtliche  drei  Maxillarfusspaare  als  zweiästige  Ruder- 
füsse  functioniren. 

Gegenüber  den  Zügen,  welche  die  Metamorphose  der  Thalassiniden  mit 
der  der  Anomuren  und  Brachyuren  verbinden,  ist  auf  die  deutliche  Ausbil- 
dung des  Mysisstadiums  hinzuweisen ;  letzteres ,  für  die  Metamorphose  der 
Macruren  charakteristisch,  ist  -  wie  wir  sehen  werden  —  in  der  Entwick- 
lungsreihe der  Anomuren  und  Brachyuren  unterdrückt  . 

Die  Zoea  der  merkwürdigen  Tiefseeform  Calocaris  Macandreae 
ist,  wie  die  der  übrigen  Formen,  mit  wohlentwickelten,  paarigen  Augen  ver- 
sehen. Erst  nach  dem  Mysisstadium  vollzieht  sich  die  für  die  ausgebildete 
Form  charakteristische  Rückbildung    dieses  Organs  (G.  0.  Saks  No.  149). 

Die  durch  Claus  (No.  6,  7)  bekannt  gewordene  Calliaxislarve  ist 
durch  eine  merkwürdige  halsförmige  Verlängerung  des  Kopfabschnittes  aus- 
gezeichnet, durch  welche  sich  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mitLucifer  heraus- 
stellt. Charakteristisch  für  diese  Larvenform,  welche  von  G.  Brook  (No.  107) 
als  Trachelifer  bezeichnet  wurde,  ist  die  Verlängerung  des  Telsons  in 
zwei  flügeiförmige,  hinten  bedornte  Lappen. 

G.   Anomuren. 

Die  Gruppe  der  Anomuren  weist  hinsichtlich  ihrer  Metamorphose 
ziemlich  einheitliche  Verhältnisse  auf,  an  welchen  in  mancher  Hinsicht  eine 
Uebereinstimmung  mit  den  Brachyuren  zu  erkennen  ist.  In  den  meisten 
Fällen  ist  die  jüngste  aus  dem  Ei  kommende  Larve  eine  Zoea  (Fig. 3KL4), 
an  welcher  —  wie  bei  den  Brachyuren  und  einigen  Thalassiniden  (vgl. 
oben  pag.  470)  — ,  die  beiden  vorderen  Maxillarfusspaare  als  Hauptloco- 
motionsorgane  fungiren.  Das  dritte  Maxillarfusspaar  ist  nur  in  der  Form 
völlig  rudimentärer  Anlagen  vorhanden  (Fig.  310  C).  Die  aus  der  Zoea 
sich  entwickelnde  spätere  Bildungsstufe  (Fig.  310  B),  welche  als  dem 
Mysisstadium  der  Macruren  gleichwerthig  betrachtet  werden  muss,  weist 
bereits  sämmtliche  Gangbeinpaare  und  die  Anlagen  der  meisten  Pleopoden- 
paare  auf.  Die  Gangbeine  entbehren  eines  Schwinimfussastes  und  deuten 
in  ihrer  Anlage  bereits  auf  die  definitive  Gestaltung.  Wir  werden  dies 
Stadium  im  Anschlüsse  an  Claus  (No.  7)  in  Uebereinstimmung  mit  dem 
gleichgebildeten  Stadium  der  Brachyuren  als  Metazoea  zu  bezeichnen 
haben.  Die  Charaktere  des  Mysisstadiums  erscheinen  hier  unterdrückt. 
Die  Metazoea  muss  als  Uebergangsform  zwischen  der  Zoeastufe  und  der 
jüngsten  ausgebildeten  Form  (Megalopa  der  Brachyuren)  betrachtet 
werden.  Durch  ein  wichtiges  Moment  unterscheidet  sich  die  Metazoea 
der  Anomuren  von  der  der  Brachyuren ,  nämlich  durch  das  Verhalten 
des  III.  Maxillarfusspaares ,  welches  hier  bei  sonst  rudimentärer  Ge- 
staltung einen  wohlentwickelten  und  als  Ruderfuss  fungirenden  Exopoditen 
zur  Ausbildung  bringt,  während  diese  Extremität  bei  den  Metazoeen  der 
Brachyuren  noch  völlig  embryonale  Gestaltung  aufweist.  Durch  diese 
Beiziehung  des  III.  Maxillarfusspaares  zur  locomotorischen  Function 
schliessen  sich   die  Anomuren   an  die  Carididen   an,   bei  denen  dieselbe 

31* 


472  XV.  Capitel. 

allerdings  schon  im  Zoeastadium  stattgefunden  hat  (vgl.  pag.  459).  Wir 
müssen  dies  als  ein  dem  Mysisstadium  entlehntes  Merkmal  bezeichnen, 
durch  welches  die  Zoea  der  Carididen  gefälscht  wurde,  während  es  bei 
der  Metazoea  der  Anomuren  als  letzter  Rest  eines  verloren  gegangenen 
Mysisstadiums  betrachtet  werden  muss. 

Die  Entwicklung  der  Anomuren  hat  neuerdings  durch  G.  0.  Sars 
(No.  150;  eine  einheitliche  Darstellung  erfahren,  während  einzelne  Frag- 
mente derselben  schon  früher  durch  Claus  (No.  6,  7,  8  u.  113),  Spence 
Bäte  (No.  98),  Dohrn  (No.  120),  Faxon  (No.  126),  F.  Müller  (No.  140), 
Smith  (No.  152)  und  Andere  bekannt  geworden  waren.  Als  Typus  mag 
uns  die  Entwicklung  von  Eupagurus  bernhardus  dienen. 

Die  Zoea  von  Eupagurus  (Fig.  310^4.)  weist  einen  ziemlich  ge- 
drungenen Körperbau  auf  und  ist  vor  Allem  durch  die  Gestalt  ihres 
Rückenschildes  auffällig,  welcher  nach  vorne  in  einen  langen  Rostral- 
stachel  ausläuft,  hinten  dagegen  eine  tiefe  Einbuchtung  zeigt,  durch 
welche  zwei  nach  hinten  spitz  auslaufende  Zipfel  von  einander  getrennt 
werden.  Eine  ähnliche  Grundform  des  Rückenschildes  findet  sich  bei 
sämmtlichen  Anomurenlarven.  Die  kurzgestielten,  noch  unbeweglichen, 
paarigen  Augen  sind  durch  eine  schon  oben  für  Gebia  (pag.  470)  er- 
wähnte Vorwölbung  nach  hinten  bemerkenswert.  Zwischen  ihnen  erkennt 
man  das  Naupliusauge.  Die  beiden  vordersten  Abdominalsegmente  sind 
von  dem  Rückenschilde  bedeckt,  das  sechste  Abdominalsegment  ist  von 
dem  Telson  noch  nicht  abgegliedert.  Der  hintere  Rand  der  mittleren 
Abdominalsegmente  ist  dorsalwärts  gezähnt.  Das  Telson  ist  durch  eine 
hintere  Einbuchtung  in  zwei  flügelförmige  Fortsätze  getheilt  (eine  Grund- 
form, welche  wir  bei  den  Brachyuren  wiederfinden)  und  jederseits  mit 
sechs  Borsten  bewaffnet.  Die  ersten  Antennen  (a)  stellen  einfache,  un- 
gegliederte, am  Ende  beborstete  Fortsätze  dar.  An  den  zweiten  Antennen 
(a")  ist  der  ungegliederte  Endopodit  noch  mit  dem  Protopodit  continuir- 
lich,  während  der  schmale,  an  der  Innenseite  beborstete  Exopodit  bereits 
abgegliedert  erscheint.  Die  Mandibeln  entbehren  der  Tasteranlage. 
Hinter  den  beiden  Maxillenpaaren  folgen  zwei  als  Ruder  zur  Verwendung 
kommende  zweiästige  Maxillarfusspaare  (mf,  mf"),  während  das  dritte 
Paar  (Fig.  310  C)  nur  in  Form  eines  ganz  kleinen  zweigliedrigen  An- 
hanges an  der  Ventralfläche  angedrückt  zu  finden  ist.  Die  fünf  Gang- 
beinpaare und  die  Pleopodenanlagen  fehlen  noch  vollständig. 

In  einem  späteren  als  Metazoea  (Fig.  310  B)  zu  bezeichnenden 
Stadium,  welches  im  Habitus  noch  völlig  der  Zoeaform  gleicht,  sind  die 
Anlagen  des  dritten  Maxillarfusspaares  (mf")  zu  weiterer  Entwicklung 
gekommen.  Sie  besitzen  einen  mit  Ruderborsten  besetzten,  zweiglied- 
rigen Exopoditen,  welcher  gleich  dem  der  beiden  vorhergehenden  Paare 
als  Schwimmfassast  fungirt,  während  der  undeutlich  gegliederte  Endopodit 
noch  unbeborstet  und  rudimentär  erscheint  und  noch  nicht  in  Function 
getreten  ist.  Den  gleichen  Charakter  weisen  die  dahinter  folgenden  An- 
lagen der  fünf  Gangbeinpaare  (vgl.  pl— p1Y)  auf,  von  denen  die  grösste 
dem  ersten  Paare  angehört  und  eine  deutliche  Scheerenanlage  zeigt. 
Eine  ähnliche  Anlage  trägt  auch  das  sehr  kleine  (auf  unserer  Abbildung 
nicht  sichtbare)  fünfte  Gangbeinpaar.  An  dem  Abdomen  hat  sich  die 
Sonderung  des  sechsten  Abdominalsegmentes  vom  Telson  vollzogen;  wir 
finden  jetzt  an  dem  zweiten  bis  fünften  Abdominalsegmente  kleine  Pleo- 
podenanlagen, während  die  Anlagen  des  sechsten  Segmentes  (ae)  in  der 
Entwicklung  weiter  vorgeschritten  erscheinen.  Besonders  ist  der  Exopodit 
bereits  als  beborstete  Platte  angelegt   (Fig.   310  D,  aß),   während  der 


Crustaceen. 


473 


Endopodit  als  kleiner  Höcker  entwickelt  und  vom  Protopodit  noch  nicht 
abgegliedert  ist.  Die  Mittelplatte  des  Schwanzfächers,  das  Telson,  hat 
eine  gestreckte,  hinten  quer  abgestutzte  Form,  während  die  im  früheren 
Stadium  zu  bemerkende  Einbuchtung  verstrichen  erscheint.  Auch  an 
den  Fühlern  und  Mundtheilen  ist  die  Entwicklung  weiter  vorgeschritten. 
So  finden  wir  jetzt  an  dem  I.  Antennenpaare  (Fig.  310  B,  a)  die  kurzen 
Anlagen  der  beiden  Endgeissein,  am  IL  Antennenpaar  (a")  hat  sich  der 
Endopodit  abgegliedert  und  zeigt  den  beginnenden  Zerfall  in  einzelne 
Glieder,  der  Mandibulartaster  (t)  ist  als  ein  kurzer  Stummel  hervor- 
gesprosst. 

Das  aus  der  Metazoea  hervorgehende  Jugendstadium  kann  mit  dem 
Megalopastadium   der  Brachyuren  gleichgestellt   werden.     Es   gleicht   in 


Fig.  310.     Larvenstadien  von  Eupagurus  bemhardus  (nach  G.  0.  Sars). 

A  Zoeastadium  (Dorsalansicht),  B  Metazoeastadium  (Lateralansicht),  C  Ventral- 
ansicht des  das  III.  Maxillarfusspaar  tragenden  Körperabschnittes  im  Zoeastadium, 
D  Schwanzfächer  des  Metazoeastadiums. 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  «5  Pleopodenanlage  des  fünften  Abdomiual- 
segnients,  a6  Pleopoden  des  sechsten  Abdominalsegments  (Uropoden),  mf,  mf",  mf" 
erstes,  zweites,  drittes  Maxillarfusspaar,  pl— pn  erstes  bis  viertes  Gangbeinpaar,  k  Kiemen- 
anlagen, ol  Oberlippe,  t  Mandibulartaster,  r  Rostrum. 


allen  wesentlichen  Zügen  bereits  dem  völlig  ausgebildeten  Thiere  mit 
dem  Unterschiede,  dass  die  Augen  noch  verhältnissmässig  gross  sind, 
dass  das  Abdomen  sowie  die  Extremitäten  desselben  noch  nicht  die  für 
die  ausgebildete  Form  charakteristische  Rückbildung  erfahren  haben,  und 
dass  die  assyinmetrische  Entwicklung  des  Körpers  noch  bei  Weitem  nicht 
so  deutlich  ausgeprägt  erscheint.  Das  Abdomen  ist  noch  nicht  spiralig. 
eingedreht,  sondern  symmetrisch  und  besteht  aus  sechs  wohlgesonderten 
Segmenten,  an  denen  (mit  Ausnahme  des  ersten)  mit  langen  Schwimm- 
borsten versehene  Pleopoden  sich  vorfinden.  An  dem  Schwanzfächer,  sowie 
an   den   Scheeren   des  I.  Gangbeinpaares  ist   bereits   ein   gewisser  Grad 


474  XV.  Capitel. 

von  Asymmetrie  zu  bemerken.  Die  Schuppen  der  zweiten  Antennen  sind 
abgeworfen,  die  zwei  Geisselanlagen  der  Vorderfühler  sind  grösser  ge- 
worden. Die  auf  dies  Stadium  folgenden  Jugendformen  mit  noch  wenig 
ausgeprägter  Asymmetrie  wurden  von  M.  Edwards  unter  dem  Genus- 
namen Glaucothoe'  zusammengefasst. 

Die  Metamorphose  von  Spi  ropagurus,  sowie  von  Galatkea  stimmt 
in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  der  von  Eupagurus  überein.  Die  Zoeen 
von  Spiropagurus  unterscheiden  sich  von  den  Eupaguruszoeen  durch  die  Form 
des  Telsons,  welches  hier  der  hinteren  Einbuchtung  entbehrt.  Die  Larven 
von  Galathea,  welche  denen  von  Pagurus  so  sehr  gleichen,  dass  sie  vielfach 
mit  ihnen  verwechselt  wurden,  sind  daran  zu  erkennen,  dass  die  beiden  nach 
hinten  gerichteten  Zipfel  des  Rückenschildes  einen  Besatz  von  kleinen  Zähn- 
chen aufweisen.  [Vgl.  einige  hieher  gehörige  und  als  Zoontocaris  be- 
schriebene Larvenformen  bei  Spence  Bäte  (No.   100)]. 

In  einzelnen  Fällen  erleidet  die  Metamorphose  eine  nicht  unbeträchtliche 
Abkürzung,  indem  die  Larven  erst  im  Metazoeastadium  frei  ausschwärmen. 
Dies  ist  der  Fall  bei  Galathodes  und  bei  der  den  Paguriden  sehr  nahe 
stehenden  Gattung  Li tho des.  Bei  beiden  Formen  sind  die  Eier  verhältniss- 
mässig  gross,  und  nehmen  die  ausschwärmenden  Larven  beträchtliche  Dotter- 
massen ins  Larvenleben  mit,  auf  deren  Kosten  die  weitere  Entwicklung  sich 
vollzieht.  Dementsprechend  verbleiben  bei  Galathodes  die  Mundtheile  (ähn- 
lich, wie  wir  dies  oben  pag.  461  für  Palaemon  Potiuna  erwähnt  haben)  in 
einem  auffallend  unentwickelten  Zustande;  sie  erscheinen  stummeiförmig  und 
entbehren  des  Borstenbesatzes.  Bei  beiden  Formen  erscheint  die  Entwicklung 
des  sechsten  Pleopodenpaares  (Seitengliedmaassen  des  Schwanzfächers)  gegen- 
über den  übrigen  Extremitäten  der  Abdominalsegmente  verzögert.  Eine  noch 
viel  weiter  gehende  Rückbildung  der  Metamorphose  findet  sich  vielleicht  bei 
Birgus  latro,  wenn  nämlich  die  allerdings  nur  auf  die  Aussagen  eines 
Fischers  sich  stützende  Mittheilung  von  Willemoes  -  Suhm  sich  bestätigen 
sollte,  wronach  die  Jungen  dieser  Art  in  einer  der  ausgebildeten  Form  sehr 
nahestehenden  Gestalt  aus  dem  Eie  schlüpfen. 

Die  Larven  von  Munida,  deren  Metamorphose  in  allen  wichtigen 
Punkten  dem  oben  geschilderten  Typus  der  Anomurenentwicklung  sich  an- 
schliesst,  sind  durch  die  stärkere  Entwicklung  der  Stachelbewaffnung  ausge- 
zeichnet; das  Rostrum  übertrifft  an  Länge  den  übrigen  Theil  des  Rücken- 
schildes, die  beiden  hinteren  Zipfel  des  letzteren  sind  in  lange  Stacheln  aus- 
gezogen; ebenso  läuft  das  tiefgegabelte  Telson  in  zwei  lange  Stachelfort- 
sätze aus. 

Eine  excessive  Entwicklung  der  Stacheln  weist  die  schon  seit  Langem 
alsLonchophorus  (Eschscholz)  bekannte  Porcellanalarve  (Fig.  311) 
auf,  deren  Entwicklung  —  von  älteren  Angaben  abgesehen  —  durch  F. 
Müller  (No.  140),  Dohen  (No.  121),  Claus  (No.  8),  Faxon  (No.  126) 
und  G.  0.  Saks  (No.  150)  bekannt  geworden  ist.  Der  Stirnstachel  ist  hier 
von  einer  ganz  ausserordentlichen  Länge.  Auch  die  beiden  nach  hinten  ge- 
richteten ,  am  Ende  häkchenförmigen  Seitenstacheln  sind  von  beträchtlicher 
Länge.  Das  Telson  entbehrt  hier  des  hinteren  Einschnittes  und  hat  die  Form 
einer  rhombischen  Platte.  In  einigen  Zügen  nähert  sich  die  Metamorphose 
von  Porcellana  der  der  Krabben,  so  in  der  Haltung  des  Abdomens,  welches 
ventralwärts  eingekrümmt  ist,  sowie  in  der  Reihenfolge  der  Gliedmaassen- 
sprossung,  welche  sich  dadurch  auszeichnet,  dass  das  dritte  Maxillarfusspaar 
gleichzeitig  mit  den  Gangbeinanlagen  (Fig.  311  mf'"  und  j>)  zur  Entwicklung 
kommt.     Von    den   Pleopoden    werden   zuerst   die   des  zweiten,    dritten   und 


Crustaceen. 


475 


vierten  Segmentes  angelegt,  während  die  des  fünften  Abdominalsegmentes  und 
die  Seitengliedmaassen  des  Schwanzfächers  erst  später  entwickelt  werden. 

Auch  die  Entwicklung  der  Sand  krebse  (Hippidae  Fig.  312),  welche 
durch    die  Mittheilungen  von  F.  Mülleb  (No.  16),    Claus  (No.  8),    Sidney 
Smith  (No.  152)  und  W.  Faxon  (No.  126)  bekannt  geworden  ist, 
schliesst  sich  den  für  die  Anomuren  geschilderten  Verhältnissen  im  All-  . 

gemeinen  an,  wenngleich  sie  —  ähnlich  wie  Porcellana  —  in  mancher  1 

Hinsicht  den  Uebergang  zu  den  Brachyuren  darbietet.  Das  jüngste, 
durch  W.  Faxon  für  Hippa  talpoidea  geschilderte  Stadium  ist  eine 
Zoea,  deren  Rückenschild  die  später  auftretenden  Stachelfortsätze 
nur  in  der  Anlage  erkennen  lässt.  Das  Abdomen,  welches  ventral- 
wärts  eingeschlagen  getragen  wird,  zeigt  das  erste  Segment  noch 
undeutlich  vom  Thorax  abgesetzt  und  das  sechste  Segment  mit  dem 
Telson  verschmolzen.  Letzteres  hat  die  Gestalt  einer  hinten  ab- 
gerundeten und  bezahnten  Platte.  Von  Gliedmaassen  sind  die 
beiden  Fühleranlagen,  die  Kiefer  und  die  als  Ruderbeine  verwende- 
ten zwei  vorderen  Maxillarfusspaare  vorhanden,  während  das  dritte 
Maxillarfusspaar ,  sowie  sämmtliche  nach  hinten  folgenden  Glied- 
maassen noch  völlig  fehlen.  Aus  diesem  Stadium  geht  die  von 
Sidney  Smith  beobachtete  Metazoea  (Fig.  312)  hervor,  welche 
die  Anlagen  des  dritten  Maxillarfusspaares  (mf'")  und  der  vier 
vorderen  Gangbeinpaare  (p1—^)  aufweist.  Das  fünfte  Gangbein- 
paar entwickelt  sich  etwas  später.  Das  dritte  Maxillarfusspaar 
wird  nicht  als  Bewegungsorgan  der  Larve  verwendet.  Letzteres 
ist  aber  bei  der  von  Claus  beschriebenen  und  auf  Albunea  be- 
zogenen (No.  8)  Larve  der  Fall.  Am  Cephalothoraxschild  der  Hippa- 
larve  fehlt  der  für  die  Zoeen  der  Brachyuren  so  ungemein  charak- 


Fig".  312.  Metazoeastadium  von  Hippa  tal- 
poidea (nach  S.  Smith). 

mf,  mf",  mf"  erster,  zweiter,  dritter  Maxillar- 
mss,  p[—piv  Anlage  des  ersten  bis  vierten  Gangbeines. 


teristische  Rückenstachel ;  dagegen  ist  ein  langes, 
nach  vorne  gekrümmtes  Rostrum  ausgebildet,  des- 
gleichen sind  die  bei  allenAnomuren  vorkommenden 
nach  hinten  reichenden  Seitenstacheln  vorhanden. 
Aus  der  Metazoea  geht  nach  mehreren  Häutungen 
ein  der  ausgebildeten  Form  ungemein  ähnliches 
Megalopastadium  hervor,  welches  sich  von  letz- 
terer hauptsächlich  in  der  verhältnissmässigen  Grösse  der  Augen  und  durch 
das  Vorhandensein  kräftiger,  zweiästiger  Schwimmanhänge  an  dem  zweiten 
bis  sechsten   Abdominalsegmente  unterscheidet. 

Auch  die  Larven  der  Apteruren  (Dromia,  Homola),  welche  durch 


Fig.  311.  Meta- 
zoea von  Porcel- 
lana longicornis 
(nach  G.   O.  Sars). 

mf,  mf",  mf" 
erster,  zweiter,  drit- 
ter Maxillarfuss ,  p 
Anlagen  der  Gang- 
beinpaare und  der 
zugehörigen  Kiemen. 


476 


XV.  Capitel. 


Boas  (No.  104)  und  Gourret  (No.  130)  bekannt  geworden  sind,  schliessen 
sich  denen  der  Anomuren  nahe  an.  Sie  besitzen,  zum  Unterschiede  von  den 
Brachyurenzoeen,  einen  als  Schwimmfussast  fungirenden  Exopoditen  am  drit- 
ten Maxillarfusspaare ;  ja,  es  findet  sich  sogar  bei  Dromia  ein  gleicher  Ast 
am  ersten  Gangbeinpaare,  wodurch  der  Hinweis  auf  ein  Mysisstadium  deut- 
licher zum  Ausdrucke  kommt,  als  dies  bei  den  Anomuren  der  Fall  ist.  In 
der  Gestalt  des  Rückenschildes  und  des  mit  zweiästigen  Pleopodenpaaren 
versehenen  Abdomens  stimmen  die  Apterurenlarven  mit  den  Anomuren 
überein. 

H.    Brachyuren. 

Die  meisten  Brachyuren  verlassen  das  Ei  in  Gestalt  einer  Zoea, 
welche  in  der  ganzen  Gruppe  einen  sehr  übereinstimmenden  Habitus 
beibehält  (Fig.  313).  Der  gedrungene,  meist  ovale  Vorderkörper  ist  in 
der  Regel  durch  typische  Stachelbildungen  ausgezeichnet l).  Wir  unter- 
scheiden einen  schräg  nach  vorne  und  abwärts  sich  erstreckenden  Stirn- 
stachel,    einen   der  Mitte   des  Rückenschildes   aufsitzenden   und    schräg 

nach    hinten   und    oben 

gerichteten  Rücken- 
stachel und  ein  Paar 
schräg  nach  aussen  ge- 
richteter Seitenstacheln 
am  hinteren  unteren 
Winkel  des  Rückenschil- 
des. Dem  vorderenTheile 
des  Körpers  sitzen  die 
kurzgestielten ,  grossen 
Seitenaugen  mit  breiter 
Basis  auf.  Zwischen 
ihnen  findet  sich  das 
Naupliusauge.  Das  be- 
wegliche, als  Steuerruder 
verwendete  Abdomen  ist 
ventral wärts  und  nach 
vorne  eingekrümmt  und  besteht  aus  fünf  freien  Segmenten,  während  das 
sechste  mit  dem  Telson  noch  zu  einem  Stücke  vereinigt  erscheint.  Jener 
Abschnitt  des  Körpers,  an  welchem  in  späteren  Stadien  die  Gangbeine 
zur  Entwicklung  kommen,  erscheint  im  Zoeastadiuin  noch  sehr  wenig  ent- 
wickelt. Er  stellt  eine  ganz  kurze,  rudimentäre,  unter  dem  Rückenschilde 
versteckte  Körperparthie  dar,  an  welcher  die  Extremitätenanlagen  (Pereio- 
poden)  entweder  vollständig  fehlen  oder  nur  in  der  Form  kurzer  Stummel 
angelegt  erscheinen.  In  letzterem  Falle  würden  wir  das  aus  dem  Eie 
schlüpfende  Stadium  vielleicht  richtiger  als  Metazoea  bezeichnen. 

Von  den  Gliedmaassen  sind  im  Zoeastadium  die  sieben  vorderen 
Paare  deutlich  entwickelt  und  in  Function  getreten.  Die  Antennenpaare 
zeichnen  sich  allerdings  durch  eine  ungemein  einfache  Gestalt  aus.  Die 
ersten  Antennen  haben  die  Gestalt  eines  kurzen,  ungegliederten  Fort- 
satzes, an  dessen  Ende  nur  wenige  Riechborsten  (bei  dem  jüngsten  Stadium 
von  Carcinus  maenas  nach  Spence  Bäte  nur  zwei)  zur  Entwicklung 
gekommen  sind.  Die  zweite  Antenne  besteht  aus  einem  Basalabschnitt, 
welcher  in   einen   oft   sehr  langen 'Stachelfortsatz   (vgl.  Fig.  314  B,  si) 


Fig.  313,     Zoea  von  Thia  polita  (nach  Claus). 
mf  erster  Maxillarfuss,  mf"   zweiter  Maxillarfuss. 


J)  Weldon  hat  auf  die  Bedeutung  dieser  Stacheln   für  das  Einhalten  einer  be- 
stimmten Bewegungsrichtung  hingewiesen. 


Crustaceen. 


477 


ausläuft,  der  sich  in  schwächerer  Ausbildung  auch  bei  den  Anomuren- 
larven  (z.  B.  Eupagurus)  wiederfindet.  Ein  weiterer  abgegliederter, 
am  Ende  mit  Borsten  besetzter  Fortsatz  muss  als  Exopodit  (Schuppenast) 
in  Anspruch  genommen  werden.  Der  Endopodit  (Anlage  der  späteren 
Geissei)  fehlt  anfangs  vollständig,  wird  jedoch  bald  in  Form  eines  kleinen 
zwischen  den  genannten  Fortsätzen  vorwachsenden  Höckers  angelegt. 
Die  Mandibel  besteht  noch  ausschliesslich  aus  der  Kaulade;  der  Mandi- 
bulartaster  fehlt  vollständig.  Die  Maxillen  zeigen  bereits  die  für  die 
Decapoden  typische  Gestaltung  (vgl.  Fig.  31 4  D  und  E).  Die  ersten 
Maxillen  besitzen  zwei  nach  innen  gerichtete,  beborstete  Kauladen  des 
Protopodits  und  einen  zweigliedrigen  Taster  (Endopodit).  An  den 
zweiten  Maxillen  finden  wir  vier  lappenförmige  Kaufortsätze  des  Proto- 
podits, von  denen  je  zwei  einem  Gliede  zukommen,  einen  breiten,  in 
zwei  ähnliche  Lappen  gegliederten  Endopoditen  und  einen  als  borsten- 
randige,  noch  wenig  umfangreiche  Athemplatte  entwickelten  Exopoditen. 


Fig\  314.  Gliedmaassen  eines  älteren  Zoeastadiums  eines  Portnniden  (nach  Claus). 
A  erste  Antenne,  B  zweite  Antenne,  C  Mandibel,  D  erste  Maxille,  E  zweite  Maxille. 
en  Endopodit,  ex  Exopodit,  st  Staehelfortsatz,  t  Mandibulartaster. 

Die  beiden  vorderen  Maxillarfusspaare  (Fig.  313  mf,  ruf")  sind  als 
spaltästige  Ruderfüsse  zur  Entwicklung  gekommen.  Der  Endopodit  des 
ersten  Paares  zerfällt  in  fünf  Glieder,  während  der  des  zweiten  Paares 
mehr  rudimentär  bleibt  und  meist  aus  drei  kurzen  Gliedern  besteht. 
Die  Exopoditen  (Geisseiäste)  sind  an  ihrem  Ende  mit  langen  Schwimm- 
borsten besetzt.  Die  Anlagen  der  dahinter  folgenden  Extremitätenpaare 
(III.  Maxillarfusspaar  und  L--V.  Gangbeinpaar)  scheinen  bei  manchen 
Brachyuren  in  den  jüngsten  Zoeastadien  noch  vollständig  zu  fehlen 
(z.  B.  bei  Pin  nix  a  nach  W.  Faxon),  in  anderen  Fällen  sind  sie  in  der 
Form  kurzer  stummeiförmiger  Anlagen  theilweise  oder  in  vollständiger 
Zahl  (Maja,  Inachus)  erkennbar.  Die  Pleopoden  fehlen  noch  vollständig. 
Das  Abdomen  ist  meist  durch  eine  bestimmte  Form  der  Bewaffnung 
ausgezeichnet,  indem  am  zweiten  Segmente  ein  Paar  nach  vorn  gerichteter 
Stacheln ,  an  den  drei  folgenden  Segmenten  je  ein  Paar  nach  hinten 
gerichteter  Stacheln  zu  erkennen  ist.  Das  Telson  zeigt  in  der  Regel 
eine  charakteristische  Gabelform  und  läuft  nach  hinten  jederseits  in  einen 
langen  Stachel  aus.  An  der  Innenseite  der  beiden  Fortsätze  des  Telsons 
erkennt  man  in  den  meisten  Fällen  drei  stärkere  Borsten. 


478  xv-  Capitel. 

Die  hier  geschilderte  Form  der  typischen  Brachyurenzoea  unterliegt  in 
einzelnen  Fällen  nicht  unbedeutenden  Variationen,  welche  sich  hauptsächlich 
auf  die  Gestalt  und  Entwicklung  der  Stachelfortsätze,  sowie  auf  die  Form 
des  Telsons  beziehen.  So  sind  hei  Gelasimus  die  Stachelfortsätze  des 
Rückenschildes  ungemein  kurz.  Bei  Achaeus  fehlt  der  Stirnstachel,  sowie 
die  Seitenstacheln,  während  ein  kurzer  Rückenstachel  erhalten  ist.  Bei 
Inachus  fehlt  ebenfalls  der  Stirnstachel  (Claus  No.  8,  Gourret  No.  130). 
Bei  Maja  sollen  nach  Couch,  sowie  bei  Eurynome  nach  Kinahan  sämmtliche 
Stachelfortsätze  fehlen.  Dagegen  hat  Claus  an  der  Zoea  von  Maja  einen 
langen  Stirnstachel  beobachtet.  Bei  einer  von  Dohrn  (No.  121)  alsFisso- 
caris  beschriebenen  Larve  mit  langem  Stirnstachel  und  zwei  Paaren  von 
umfänglichen  Seitenstacheln  fehlt  der  Rückenstachel.  In  anderen  Fällen 
können  Rücken-  und  Stirnstachel  ungeheuer  lang  werden  und  mit  ballon- 
förmigen  Auftreibungen  enden.  Solche  mit  nach  hinten  abstehenden  Seiten- 
stacheln versehene  Larven  wurden  von  Claus  (No.  8)  als  Pluteocariden 
bezeichnet.  Eine  als  Pterocaris  unterschiedene  Zoeaform  ist  durch  flügei- 
förmige Auftreibung  der  Seitentheile  des  Panzers  und  durch  die  daraus 
resultirende  querverbreiterte  Form  merkwürdig. 

Manche  Zoeen  von  Brachyuren  sind  durch  die  mächtige  Entwicklung 
des  obenerwähnten  Stachelfortsatzes  der  zweiten  Antenne  ausgezeichnet,  so 
die  von  Xantho  rivulosus  (nach  Goukret  No.  130)  und  die  von  Pano- 
paeus  Sayi  (W.  Faxon  No.  125),  wo  derselbe  an  Länge  dem  mächtigen 
Frontalstachel  gleichkommt. 

Wenn  das  jüngste  Zoeastadium  das  Ei  verlässt,  so  befindet  es  sich  nicht 
in  vollkommen  freiem  Zustande,  sondern  es  erscheint  noch  von  einer  etwas 
lose  abstehenden  embryonalen  Larvenhaut  (vgl.  oben  pag.  323)  umgeben, 
welche  von  Conn  als  Cuticula  des  während  des  embryonalen  Lebens  durch- 
laufenen Protozoeastadiums  in  Anspruch  genommen  worden  ist.  Erst  nach 
einer  meist  sehr  bald  erfolgenden  Häutung  kommt  die  Zoea  zur  freien  Ent- 
faltung. Aehnliche  Verhältnisse  finden  wir  auch  bei  vielen  anderen  Decapoden 
(z.  B.  bei  allen  Anomuren  und  manchen  Macruren).  Auf  das  morphologische 
Interesse,  welches  das  Studium  dieser  Larvenhaut  darbietet,  hat  F.  Müller 
(No.  16)  aufmerksam  gemacht,  indem  er  sagt,  dass  der  Schwanz  dieser 
jüngsten  Larvenhülle  bei  Achaeus  und  vielleicht  auch  bei  Maja  an  die 
Garneelenlarven  erinnert.  Später  ist  das  Studium  der  Larvencuticula  be- 
sonders von  Paul  Mayer  (No.  137)  zur  Ableitung  der  verschiedenen  Formen 
des  Telsons  und  zu  phylogenetischen  Feststellungen  verwerthet  worden. 
Neuere  Mittheilungen  über  diese  Larvenhaut  rühren  von  W.  Faxon  (No.  125) 
und  Conn  (No.  114  u.  115)  her.  Stets  fehlen  an  der  Larvenhaut  die 
Stachelfortsätze  des  Rückenschildes.  Diese  werden  unter  der  Larvencuticula 
häufig  in  fernrohrartig  eingezogenem  Zustande  angelegt.  Während  in  der 
Gruppe  der  Grapsoideen  (Sesarma)  die  Larvenhaut  hinsichtlich  der 
übrigen  Verhältnisse  einen  ziemlich  getreuen  Abguss  der  daraus  hervorgehenden 
Zoea  darstellt,  zeigt  dieselbe  bei  den  meisten  übrigen  Brachyuren  nicht  un- 
erhebliche Abweisungen.  Vor  Allem  erscheinen  die  Antennen  an  der 
Larvenhaut  in  einer  höheren  Stufe  der  Ausbildung.  Die  erste  Antenne  be- 
steht aus  einem  Schaft  und  zwei  beborsteten  Endästen,  von  denen  der  eine 
von  beträchtlicher  Länge  erscheint.  Die  zweite  Antenne  ist  vor  Allem  durch 
das  Vorhandensein  mächtiger ,  behaarter  Fortsätze  des  Exopoditen  merk- 
würdig. Von  den  übrigen  Körpertheilen  ist  hauptsächlich  die  Schwanzgabel 
durch  das  Vorhandensein  von  meist  sieben  behaarten  Borsten  an  jeder  Seite 
charakterisirt.  Letztere  Zahl  scheint  für  die  Beborstung  des  Telsons  die  im 
ganzen  Kreise  der  Decapoden  typische  zu  sein,  und  liefert  das  Studium  der 


Crustaceen. 


479 


eben  ausgeschlüpften  Zoeen  vor  Abstreifung  der  Larvenhaut  werthvolle 
Anhaltspunkte  für  die  Zurückführung  der  im  späteren  Stadium  oft  abweichenden 
Gestaltung  des  Telsons  auf  die  genannte  Grundform  (Paul  Mayee). 

Die  aus  der  Zoea  zunächst  hervorgehenden  späteren  Entwicklungs- 
stadien, welche  bisher  meist  mit  dem  gleichen  Namen  bezeichnet  wurden, 
aber  mit  Claus  passender  als  Metazoea  (No.  7)  benannt  weiden, 
schliessen  sich  in  den  allgemeinen  Gestaltungsverhältnissen  (vgl.  das 
etwas  jüngere  Stadium  Fig.  315)  noch  völlig  an  die  Zoea  an,  unter- 
scheiden sich  von  letzterer  jedoch  durch  die  höhere  Ausbildung  der 
Extremitätenanlagen.  An  den  ersten  Antennen  (Fig.  314^4)  erkennen 
wir  nun  einen  ungegliederten,  durch  die  Anlage  des  Gehörorgans  blasig 
aufgetriebenen  Stamm  und  zwei  Geisselanlagen,  von  denen  die  innere 
noch  kurz  und  ungegliedert  erscheint,  während  die  mit  Riechfäden 
besetzte  äussere  Geissei  an  ihrem  Ende  in  kurze  Ringel  zerfallen  ist. 
Die  zweiten  Antennen  (Fig.  3145)  haben  die  Geisselanlage  (Endopodit) 
zur  mächtigen  Entwicklung 
gebracht ;  dagegen  hat  sich 
der  weiche  Körperinhalt  aus 
dem  Stachelfortsatz  und 
Exopoditen  zurückgezogen, 
zum  Zeichen,  dass  diese 
Anhänge  mit  der  nächsten 
Häutung  verloren  werden. 
An  der  Mandibel  (c)  ist  ein 
fingerförmiger,  noch  unge- 
gliederter Mandibulartaster 
zur  Entwicklung  gekommen. 
Verhältnissmässig  geringere 
Veränderungen  haben  die 
beiden  Maxillenpaare  (D 
und  E)  erlitten,  während 
an  den  beiden  vorderen 
Maxillarfusspaaren  der  Exo- 
podit  an  seinem  Ende  in 
kurze  Glieder  zertheilt  und 
mit  zahlreichen  Ruderbor- 
sten besetzt  erscheint.  Die 
Anlagen  des  III.  Maxillar- 
fusspaares  und  der  fünf 
Gangbeinpaare  (Fig.  315 
III — VIII)  sind  nun  schon 
als  ziemlich  umfangreiche 
Anhänge  entwickelt.  Sie 
entbehren    aber    noch   des 

Borstenbesatzes  und  sind  noch  nicht  in  Function  getreten,  sondern  werden 
nach  vorne  an  die  Ventralseite  angedrückt  getragen.  Diese  Anlagen  ent- 
wickeln sich  direct  nach  der  Richtung  der  späteren  definitiven  Gliederung. 
So  zeigt  das  III.  Maxillarfusspaar  bald  sämmtliche  Abschnitte  der  späteren 
definitiven  Gliedmaasse,  einen  zweigliedrigen  Exopoditen  und  die  auch 
an  den  drei  nachfolgenden  Beinpaaren  zur  Entwicklung  kommenden 
Kiemenanhänge.  Von  den  Gangbeinen  kommt  das  vorderste  Paar  mit 
der  Scheerenanlage  zur  mächtigsten  Ausbildung.     Am  Abdomen  sind  nun 


Fig.  315.  Zoea  von  Maja  nach  der  Häutung 
(nach  Claus,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

1,  2  erste  und  zweite  Antenne,  i,  77,  ///erster 
bis  dritter  Maxillarfuss,  IV—  V11I  erstes  bis  fünftes 
Gangbeinpaar,  a2—  a6  zweites  bis  sechstes  Pleopoden- 
paar,  h  Herz. 


480 


XV.  Capitel. 


auch  schon  die  Pleopoden  als  undeutlich  zweigliedrige  Anhänge  entwickelt, 
während  die  des  sechsten  Paares  noch  einfache  Stummeln  darstellen. 
An  den  Gangbeinpaaren  kommt  ein  Geisselast  (Exopodit)  nicht  zur 
Entwicklung.  Das  Mysisstadium  ist  demnach  in  der  Meta- 
morphose der  Brachyuren  unterdrückt  und  durch  das 
Metazoeastadium  ersetzt.  Wir  haben  hier  einen  interessanten 
Fall  von  Vereinfachung  des  Entwicklungsablaufs. 

Das  Metazoeastadium  geht  in  die  als  Megalopa  (Fig.  316^4  und  B) 
bezeichnete  Jugendform  der  Brachyuren  über,  welche  den  Uebergang 
von  der  pelagischen  zur  kriechenden  Lebensweise  vermittelt  und  in  den 
wichtigsten  Punkten  der  Gliederung  bereits  mit  der  ausgebildeten  Form 
übereinstimmt.    Nach  dem  Verhalten  des  Abdomens  steht  die  Megalopa 


Fig.  316.     Drei  Entwicklungsstadien  von  Carcinus  maenas. 
A  jüngeres   und  B  älteres  Megalopastadium ,    C  junge  Krabbe.     (A  nach  Spence 
Batk,  B  und  C  nach  Bkook). 

d  Rückenstachel,  r  Kostrum. 


ungefähr  auf  dem  Stadium  eines  ausgebildeten  anomuren  Decapoden. 
Der  Vorderleib  mit  den  Gliedinaassen  trägt  bereits  den  typischen 
Brachyurencharakter.  Doch  tragen  die  jüngsten  Megalopastadien  in  den 
meisten  Fällen  am  Rückenschild  noch  Spuren  der  früher  vorhandenen 
Zoeastacheln  (Fig.  316  A).  Die  Gliedmaassen  sind  nun  schon  in  der 
definitiven  Form  entwickelt;  die  Maxillarfüsse  haben  die  Function  von 
Locomotionsorganen  verloren  und  sind  im  Verhältuiss  von  geringerer 
Grösse.  Dagegen  sind  die  Gangbeinpaare  zu  mächtiger  Entwicklung 
gekommen.  Das  Abdomen  wird  noch  nach  hinten  gestreckt  getragen  und 
zeigt  die  Pleopoden  in  der  Form  mit  langen  Borsten  besetzter  Schwimm- 
füsse  entwickelt,  an  denen  allerdings  nur  ein  Stammglied  and  eine  ovale 
beborstete   Endplatte   (Exopodit)    zu    unterscheiden    sind,    während    der 


Crustaceen. 


481 


ganz  kurze,  mit  (Häkchen  versehene  Endopodit  als  Retinaculum  eine 
Verbindung  und  in  Folge  dessen  gleichzeitige  Bewegung  des  rechten  und 
linken  Fusses  bewerkstelligt.  Das  gabelige  Telson  der  Zoea  ist  in  eine 
rundliche  Schwanzplatte  übergegangen. 

Die  verschiedenen  Brachyurenmegalopen  zeigen  ebenfalls  im  Einzelnen 
ziemliche  Variationen,  auf  welche  Dana  verschiedene  Genera  (Marestia, 
Monolepis,  Cyllene,  Triloba)  begründete.  Hinsichtlich  der  noch 
vorhandenen  Reste  der  Zoeastacheln  zeigen  die  jüngsten  Megalopen  der  ver- 
schiedenen Formen  ein  abweichendes  Verhalten.  Während  dieselben  nach 
Spence  Bäte  (No.  97)  bei  Carcinus  Maenas  noch  ansehnlich  erhalten 
sind,  erscheinen  sie  in  anderen  Fällen  mehr  rückgebildet,  können  sogar 
(Portunus)  an  dem  jüngsten  aus  der  Metazoea  sich  entwickelnden  Megalopa- 
stadium  vollkommen  fehlen. 


Die  Megalopa  geht  allmählich  unter 
ausgebildete    Form    (Fig.    316  C)    über. 


mehrfachen  Häutungen  in   die 
Die 


Veränderungen 


während 

dieser  Periode,  welche  von  Brook  (No.  106)  für  Carcinus  maenas 
geschildert  worden  sind,  beziehen  sich  auf  Aenderungen  in  der  Gestalt 
des  Rückenschildes  und  auf  die  für  die  Brachyuren  typische  Rückbildung 
des    Abdomens,     welches     von     nun     an     ventralwärts 


getragen 


wird. 


eingeschlagen 


Während  die  Metamorphose  der  weitaus  meisten  Brachyuren  in  der  ge- 
schilderten Weise  abläuft,  erleidet  sie  doch  in  einzelnen  Fällen  durch  Aus- 
fall bestimmter  Stadien  eine  beträchtliche  Abkürzung.  Ein  interessanter 
Fall  dieser  Art  liegt  für  Pin- 
n  i  x  a  vor ,  bei  welcher  Form 
sich  aus  dem  Metazoeastadium 
bei  der  letzten  Häutung  der- 
selben direct  eine  junge  Krabbe 
entwickelt,  so  dass  bei  dieser 
Form  das  Megalopastadium 
vollständig  in  Ausfall  gekom- 
men ist  (W.  Faxon  No.  126). 

In  anderer  Weise  erscheint 
die  Metamorphose  einiger  Land- 
krabben und  der  Süsswasser- 
krabben  abgekürzt.  Wir  wis- 
sen durch  Westwood  (No.156), 
dass  die  Jungen  einer  G  e  car- 
cinus-Art   das  Ei   in   einem  Zustande 

man  von  dem  Mangel  der  Pleopoden  absieht,  vollkommen  «^  ^.^^ 
Form  gleichen.  Dagegen  fand  Thompson  bei  anderen  Gecarcinus- 
arten,  dass  die  Jungen  als  Zoeen  aus  dem  Ei  schlüpfen.  In  ähnlicher 
Weise  verhalten  sich  auch  andere  Landkrabben  (Ocypoda,  Gelasimus); 
es  scheint  demnach,  dass  bei  den  meisten  landbewohnenden  Krabben  die 
Metamorphose  keine  Abkürzung  erfahren  hat,  und  dass  die  jungen  Zoeen  in 
das  Meer  abgesetzt  werden,  womit  die  regelmässigen  Wanderungen  der  Land- 
krabben nach  dem  Meere  in  Zusammenhang  stehen  (F.  Müller  No.   16). 

Dagegen  stimmt  es  mit  dem  Verhalten  der  übrigen  im  Süsswasser 
lebenden  Decapoden  (z.  B.  Palaemonetes,  Astacus  etc.)  überein,  dass 
die   Süsswasserkrabben    eine   Abkürzung    der  Metamorphose    erlitten    haben. 


Fig.  317.  Jüngstes  aus  dem  Eie  schlüpfen- 
des Stadium  von  Telphusa  fluviatilis  (nach 
Mercanti). 

A  Dorsalansicht,  B  Seitenansicht. 


verlassen,    in   welchem   sie,   wenn 
der  ausgebildeten 


482  XV.  Capitel. 

Wir  wissen  dies  durch  F.  Müller  für  Trichodact ylus  (No.  143),  durch 
Göldi  (No.  129)  für  Dilocarcinus  und  durch  Mercanti  (No.  139)  für 
Telphusa.  Hier  kommen  die  Jungen  (Fig.  317)  in  einer  Form  aus  dem 
Ei,  welche  dem  ausgebildeten  Zustande  nach  jeder  Hinsicht  bereits  sehr 
ähnlich  ist.  Die  Augen  erscheinen  noch  verhältnissmässig  gross,  der  Cephalo- 
thorax  durch  die  Anwesenheit  von  Nahrungsdottermassen  im  Inneren  stark 
aufgetrieben.  Das  Abdomen  entbehrt  der  Pleopoden.  Bei  Dilocarcinus 
sind  die  einzelnen  Abdominalringe  noch  völlig  getrennt  und  haben  noch 
nicht  die  für  die  ausgebildete  Form  charakteristischen  Verschmelzungen  ein- 
gegangen. 

11.    Stoiiiatopoden. 

Die  Stomatopoden  stellen  einen  Zweig  der  höhereD  Crustaceen 
dar,  welcher  sich  sehr  frühzeitig  von  der  gemeinsamen  Wurzel  des 
Malacostrakenstammes  abgetrennt  hat  und  in  dessen  Organisation  neben 
eigenartigen  Entwicklungsformen  sich  sehr  ursprüngliche  Charaktere 
erhalten  haben.  Zu  letzteren  haben  wir  das  lange,  mit  zahlreichen 
Spaltenpaaren  versehene  Rückengefäss,  sowie  das  Verhalten  des  Rücken- 
schildes  zu  rechnen,  welcher  die  Segmente  der' Kieferfüsse  zwar  dorsal- 
warts  überdeckt,  aber  mit  denselben  keine  Verwachsung  eingeht.  Als 
ursprünglicher  Charakter  ist  vielleicht  auch  das  Vorhandensein  von 
10  Paaren  segmental  angeordneter  Leberschläuche  zu  betrachten,  welche 
zum  Theil  dem  Abdomen  angehören.  Ueberhaupt  ist  die  Einlagerung 
wichtiger  innerer  Organe  (Leberschläuche,  Genitalorgane,  Herz)  in  das 
mächtige  Abdomen  ein  unterscheidender  Charakter  der  Stomatopoden 
gegenüber  den  übrigen  Malacostraken ,  bei  denen  dieser  Körperabschnitt 
zu  einem  fast  ausschliesslich  miisculösen,  der  Bewegung  dienenden  Organ 
umgebildet  ist. 

Dementsprechend  zeigt  auch  die  Metamorphose  der  Stomatopoden 
eigenartige  Charaktere,  wenngleich  eine  gewisse  gleichgerichtete  Ent- 
wicklungstendenz gegenüber  den  anderen  Malacostraken  nicht  zu 
verkennen  ist.  Unsere  Kenntniss  der  Stomatopoden-Metamorphose  ist 
trotz  der  grundlegenden  Arbeiten  von  Claus  (No.  87)  und  Brooks 
(No.  83  und  84)  noch  immer  eine  ziemlich  lückenhafte,  besonders 
insoweit  es  sich  um  die  ersten,  aus  dem  Eie  schlüpfenden  Stadien,  sowie 
um  die  Zurückführimg  der  oft  stark  variirenden  Larvenformen  auf  die 
zugehörigen,  weniger  variirenden  Geschlechtsthiere  handelt.  Im  Allge- 
meinen können  wir  zwei,  allerdings  durch  Zwischentypen  mit  einander 
verbundene  Larventypen  unterscheiden,  welche  früher  als  besondere 
Genera:  Erichthus  und  Alima  aufgeführt  wurden.  Von  diesen  zeigt 
die  Erichthusform  die  ursprünglicheren  Verhältnisse  der  Metamorphose, 
so  dass  wir  sie  in  der  Schilderung  voranstellen. 

Die  jüngsten  bekannt  gewordenen  Stadien  der  Erichthusreihe,  welche 
wahrscheinlich  in  dieser  Form  aus  dem  Eie  entschlüpfen,  werden  als 
Erichthoidina  bezeichnet.  Die  jüngste,  durch  Fr.  Müller  und 
Claus  (No.  87)  bekannt  gewordene  Larve  von  2  mm  Länge  lässt  drei 
Körperregionen  erkennen:  eine  vorderste  ungegliederte,  cephalische 
Region,  welche  die  Augen,  Fühler  und  Mundtheile  trägt  und  die  nach 
hinten  vorragende  Duplicatur  des  Rückenschildes  entwickelt,  eine  mittlere 
aus  acht  Segmenten  bestehende  Thoraxregion,  von  welcher  die  fünf  vorderen 
Segmente  copepodenähnliche  Spaltbeine  tragen,  während  dieselben  sowie 
die  drei  hinteren,  gliedmaassenlosen  Segmente  unter  dem  Rückenschilde 


Crustaceen. 


483 


versteckt  liegen.  Die  hinterste  Körperregion,  das  noch  völlig  ungegliederte 
Abdomen,  ist  in  der  Form  einer  flachen  Schwanzplatte  entwickelt.  Der 
Rückenschild  erinnert  in  seiner  Bewaffnung  an  die  Protozoeastadien  von 
Lucifer.  Wir  erkennen  ein  nach  vorne  vorspringendes  Rostrum,  einen 
kurzen,  unpaaren,  am  hinteren  Rande  vorspringenden  Medianstachel, 
sowie  zwei  längere,  hintere  Seitenstacheln  (Vgl.  Fig.  318  A).  Neben 
dem  Naupliusauge  sind  bereits  die  gestielten  paarigen  Augen  an  der 
Unterseite  des  Rückenschildes  eingefügt.     Die  beiden  Antennenpaare  sind 


Fig.  318.  Verschiedene  auf  einander  folgende  Erichthoidinastadien 
(nach  Claus). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  ax — a6  erstes  bis  sechstes  Pleopodenpaar, 
/ —  V  erstes  bis  fünftes  Maxillarfusspaar,  6,  7,  8  sechstes  bis  achtes,  in  diesen  Stadien 
gliedmaassenloses  Thoraxsegment. 


noch  kurz,  einästig.  Die  Mandibel  entbehrt  des  Tasteranhanges,  die 
beiden  Maxillenpaare  sind  in  sehr  rudimentärer  Form  als  kleine  Lappen 
vorhanden.  Die  nun  folgenden  fünf  Schwimmfusspaare  (Fig.  318  A,  I — V), 
welche  zweiästig  und  an  den  Enden  mit  Ruderborsten  besetzt  sind,  ent- 
sprechen den  späteren  fünf  Maxillarfusspaaren ,  während  die  darauf 
folgenden  drei  gliedmaassenlosen  Segmente  (6,  7,  8)  später  die  spaltästigen 
Gangbeine  tragen.     Das  vorliegende  Stadium  zeigt    demnach   sämmtliche 


484 


XV.  Capitel. 


Thoraxsegmente,  deren  fünf  vordere  mit  Gliedmaassen  versehen  sind, 
vollkommen  gesondert,  während  das  Abdomen  noch  ungegliedert  erscheint. 
In  den  nun  folgenden  Stadien  werden  die  Abdominalsegmente  der 
Reihenfolge  nach  angelegt.  Gleichzeitig  sprossen  aber  auch  die 
zugehörigen  Pleopodenanlagen  hervor,  während  an  den  drei  letzten 
Thoraxsegmenten  noch  lange  keine  Spur  von  Gliedmaassenanlagen  zu 
bemerken  ist.  Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  für  die  Stomatopoden- 
metamorphose  die  ursprüngliche  Reihenfolge  der  Segmentknospung  von 

vorne  nach  hinten  eingehalten  wird,  während 
für  die  Gliedmaassenknospung  diese  Reihenfolge 
durch   das  späte   Auftreten   der  Extremitäten- 


anlagen an  den  drei 
ten 


hintersten  Thoraxsegmen- 
unterbrochen  erscheint. 
Das  nächste  Stadium  (von  3  mm  Länge) 
(Fig.  318  Ä)  zeigt  das  erste  Abdominalsegment 
abgesondert  und  an  demselben  bereits  die 
noch  borstenlose  Anlage  des  ersten  Pleopoden- 
paares  hervorgesprosst  (a,).  An  den  vorderen 
Antennen  ist  die  Anlage  einer  Nebengeissel  als 
kurzer  conischer  Fortsatz  zu  erkennen.  Auch 
an  den  fünf  Ruderfusspaaren  sind  Veränderungen 
zu  bemerken.  Besonders  an  dem  zweiten  dieser 
Extremitätenpaare  zeigt  sich  der  Endopodit  als 
Anlage  des  späteren  mächtigen  Raubfusses  ver- 
grössert. 

In  den  nun  folgenden  Stadien  (Fig.  318  J5, 
C)  werden  allmählich  die  einzelnen  Abdomi- 
nalsegmente, sowie  die  zugehörigen  Extremi- 
tätenanlagen der  Reihenfolge  nach  producirt. 
Hierbei  erscheinen  die  vorderen  Pleopodenpaare 
bereits  als  lamellöse,  zweiästige,  mit  Borsten 
versehene  Anhänge  entwickelt,  während  die  der 
hinteren  Segmente  noch  mehr  rudimentäre  Ge- 
stalt (a1—aG)  aufweisen.  Auch  das  sechste 
Pleopodenpaar  (a6),  welches  später  als  Seiten- 
gliedmaasse  des  Schwanzfächers  zu  mächtiger 
Entfaltung  kommt,  macht  hievon  keine  Aus- 
nahme, sondern  wird  zuletzt  in  einer  den 
übrigen  Pleopodenanlagen  vollkommen  gleichen 
Weise  erzeugt. 

Inzwischen  erfahren  die  Extremitäten  der 
vorderen  Körperabschnitte  —  vor  Allem  die  der 
Maxillarfussregion  —  wichtige  Veränderungen. 
An  den  vorderen  Antennen  (Fig.  31 8 D,  a')  kann 
man  einen  deutlich  dreigliedrigen  Schaft,  einen 
kürzeren,  mit  Riechborsten  besetzten  Aussen- 
ast  und  einen  längeren  Innenast  (die  später 
entstandene  Anlage  der  Nebengeissel)  unter- 
scheiden. Die  zweiten  Antennen  zeigen  neben  der  aus  dem  Endab- 
schnitt hervorgegangenen  Fächerplatte  die  knospenförmige  Anlage  einer 
Geissei.  Während  die  Mandibeln  noch  lange  des  Tasters  entbehren,  er- 
scheinen an  den  beiden  Maxillenpaaren  kurze  Tasteranlagen.  Von  den 
Maxillaifüssen  (Fig.  318  B,    C,  D,  I  und  II)  wandeln  sich  die  beiden 


Fig.  319.  AelteresErich- 
thusstadium(nach  Claus). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite 
Antenne,  1 — V  Kieferfuss- 
paare,  VI — Till  Anlagen  der 
drei  Gangbeinpaare,  a1 — «6 
erstes  bis  sechstes  Pleopoden- 
paar, br  Kiemenanlagen. 


Crustaceen. 


485 


vorderen  nach  der  Richtung  der  definitiven  Gestaltung  um;  der  als 
Schwimmfussast  fungirende  Exopodit  wird  rückgebildet  und  geht  schliess- 
lich vollkommen  verloren,  während  der  Innenast  des  ersten  Paares 
verhältnissmässig  klein  bleibt  und  an  seinem  Endabschnitt  die  Anlage 
einer  kleinen  Greifzange  allmählich  zur  Entwicklung  bringt.  Der 
Endopodit  des  zweiten  Paares  dagegen  wird  frühzeitig  zu  dem  mächtigen 
Raubfusse  umgebildet.  Gleichzeitig  sprossen  an  den  Basalgliedern  beider 
Extremitätenpaare  die  rundlichen,  noch  unbeborsteten  Epipodialplatten. 
Die  drei  folgenden  Spaltfusspaare  unterliegen  inzwischen 
einem  ungemein  interessanten  Rückbildungsprocesse, 
durch  welchen  die  Umwandlung  derselben  in  die  definitive  Form  ein- 
geleitet wird.  Während  auch  hier 
der  Exopodit  allmählich  völlig 
verschwindet,  geht  der  Endopodit 
in  die  Form  eines  unbeborsteten, 
ungegliederten  Rudimentes  über, 
aus  welchem  erst  in  den  späte- 
ren Stadien   die  definitive,    mit 

kurzer   Greifhand   endigende 
Gliedmaasse  hervorgebildet  wird. 
Ja,  die  Rückbildung  dieser  drei 
Extremitätenpaare  kann  so  weit 

gehen,  dass  dieselben  voll- 
ständig verschwinden,  um 
erst  in  späteren  Stadien  gleich- 
zeitig mit  den  Extremitätenan- 
lagen der  drei  folgenden  Thorax- 
segmente (des  VI.  -  VIII.  Thorax- 
segmentes) wieder  hervorzuknos- 
pen.  Im  letzteren  Falle  liegt 
uns  dann  eine  Larvenform  vor, 
welche  durch  den  Besitz  der  sie- 
ben vorderen  Extremitätenpaare 
und  den  Mangel  der  dahinter  fol- 
genden sechs  Thoraxbeinpaare 
mit  der  Zoea  der  übrigen  Malaco- 
straken  eine  gewisse  Ueberein- 
stimmung  aufweist,  und  welche 
daher  als  Pseudozoea  (Fig. 
320)  der  Stomatopoden  bezeich- 
net worden  ist.    Letzterer  zuerst 

von  Fritz  Müller  beschriebene  Larventypus  kommt  nach  Claus  vor 
Allem  bei  jenen  Larvenreihen  vor,  welche  den  Gattungen  Pseudo- 
squilla  und  Gonodactylus  zugehören  und  welche  von  Brooks  als 
Pseuderichthus  und  Gonerichthus  bezeichnet  wurden;  er  findet 
sich  jedoch  nach  Brooks  auch  in  der  Entwicklungsreihe  der  zur  Gattung 
Lysiosquilla  führenden  L y s i e r i c h t h e n. 

Spätere  Entwicklungsstadien,  welche  sich  durch  die  Ausbildung  des 
sechsten  Pleopodenpaares  zu  den  Seitengliedmaassen  des  Schwanzfächeis 
auszeichnen,  vermitteln  den  Uebergang  zum  eigentlichen  Erichthus- 
stadium  (Fig.  319),  indem  die  drei  hinteren  Maxillarfusspaare  allmählich 
in  der  definitiven  Gestalt  hervorsprossen  und  gleichzeitig  die  bisher  noch 
fehlenden  Extremitätenpaare  der  drei  letzten  Thoraxsegmente  als  Knospen 

Kors  che!  t-  Heider  .    Lelirtmeli.  32 


Fig.  320.  S  quill  oidlarve  (sog. 
Pseudozoea)  (nach  Claus). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne,  i, 
II  erstes  und  zweites  Maxillarfusspaar,  ep  Epi- 
podialanhang,  a1— a6  erstes  bis  sechstes  Pleo- 
podenpaar. 


486 


XV.  Capitel. 


angelegt  werden.  Wenn  an  den  drei  letzten  Maxillarfusspaaren  die 
Anlage  der  rundlichen  Greifhand  zu  erkennen  ist,  und  die  Extremitäten 
der  drei  letzten  Thoraxsegmente  als  bald  zweiästig  werdende  Schläuche 
zu  erkennen  sind ,  so  erscheint  das  Erichthusstadium  erreicht, 
welches  demnach  bereits  sämmtliche  Extremitätenpaare  der  ausgebildeten 
Form  besitzt.  Der  Uebergang  in  die  geschlechtsreife  Form  vollzieht  sich 
ganz  allmählich,  indem  das  Abdomen  stetig  an  Grösse  zunimmt  und  an 
den   Exopoditen    der    Abdominalextremitäten   die  Kiemenschläuche    (br) 

hervorsprossen.  Jene  Larven- 
formen, welche  diesen  Ueber- 
gang zur  geschlechtsreifen  Form 
vermitteln ,  werden ,  wenn  sie 
breit  und  gedrungen  erscheinen 
und  den  Habitus  der  Erichthus- 
form  beibehalten  haben,  als 
S  quill  e  ri  cht  hus  bezeichnet, 
während  gewisse  Entwicklungs- 
reihen, welche  schon  im  Erich- 
thoidina-  und  Erichthusstadium 
durch  ihre  schlanke  Gestalt  auf- 
fallen, aus  letzterem  in  ein  dem 
Habitus  nach  der  ausgebildeten 
Form  ähnlicheres  Squilloid- 
stadium  (Claus)  eintreten. 

Eine  zweite  Entwicklungs- 
reihe der  Stomatopoden  ist  als 
die  der  A 1  i  m  a  f  o  r  m  e  n  bezeich- 
net worden.  Die  Alimalarven 
(Fig.  321)  unterscheiden  sich 
durch  ihre  bedeutende  Grösse, 
durch  die  gestreckte  Körperform, 
durch  den  flach  ausgebreiteten 
Cephalothoraxschild,  welcher  ge- 
wöhnlich die  hinteren  Thorax- 
segmente nicht  überdeckt,  durch 
die  weit  nach  hinten  gerückte 
Lage  des  Mundes  und  durch  ein 
Zurücktreten  des  Vorderrandes 
des  Rückenschildes,  wodurch  es 
bewirkt  wird,  dass  die  Insertions- 


a 


Fig.    321.      Junge    Alimalarve    (nach 
Brooks). 

a'  erste  Antenne,    a"   zweite   Antenne,    J, 
II  erster    und    zweiter  Maxillarfuss ,    6 ,    7 .  S 
sechstes    bis   achtes  Thoraealsegment , 
erstes  bis  fünftes  Pleopodenpaar. 

bloss  vom  Rostrum  überdeckt  er- 
scheint. Keines  dieser  Merkmale  ist  für  die  Unterscheidung  der 
Alima  von  den  Erichthusformen  völlig  stichhaltig.  Ja,  es  finden 
Formen,  welche  durch  den  nach  vorne  gerückten  Mund  und 
Bedeckung  sämmtlicher  Thoraxsegmente  durch  den  Rückenschild 
an  Erichthus  anschliessen,  während  sie  durch  die  freie  Lage  der  Augen- 
stiele und  die  Abflachung  des  Cephalothorax  Alimacharaktere  aufweisen. 
Diese  Uebergangs-Formen  hat  man  als  AI  im  erichthus  unterschieden. 
Die  jüngsten  bekannt  gewordenen  Alimastadien  (Fig.  321) 
schliessen  sich  sehr  nahe  an  die  oben  für  die  Erichthusreihe  ge- 
schilderte Pseudozoea  an.  Die  vorderen  Antennen  zeigen  bereits  die 
Anlagen  der  Nebengeissel ,   während  an  der  mit  ovaler  Platte   endenden 


stelle  der  Augenstiele  dorsalwärts 


sich 

die 

sich 


C'rustaceen.  437 

zweiten  Antenne  die  Geisselanlage  noch  fehlt.  Von  den  Maxillarfüssen 
sind  die  des  ersten  Paares  (7)  in  gestreckter  Tasterform,  die  des  zweiten 
Paares  (77)  in  der  definitiven  Raubfussform  entwickelt.  Die  drei 
folgenden  Maxillarfusspaare  (III. — V.  Maxillarfusspaar),  sowie  die  drei 
spaltästigen  Gangbeinpaare  fehlen  noch  vollständig.  Die  Segmente 
dieser  letzteren  können  noch  undeutlich  gesondert  sein.  Von  den 
Pleopoden  sind  die  vier  vorderen  Paare  wohl  entwickelt,  während  das 
fünfte  und  sechste  Abdominalsegment  noch  kaum  in  der  Anlage  vorhanden 
sind  und  der  Extremitätenanlagen  noch  entbehren.  Es  scheint,  dass  die 
Alimalarven  in  der  beschriebenen  Form  (vgl.  die  Note  von  P.  Mayer 
JS'o.  138,  pag.  219)  aus  dem  Eie  entschlüpfen;  hiernach  würde  die 
Metamorphose  der  Alimareihe  als  eine  durch  Unterdrückung  der  Erich- 
thoidinastadien  abgekürzte  erscheinen.  Die  weitere  Entwicklung  verläuft 
bei  den  Alimaformen  in  übereinstimmender  Weise,  wie  bei  den 
Erichthusformen. 

Die  Zurückführung  einzelner  Entwicklungsreihen  auf  bestimmte  Gattungen 
und  Arten  der  Stomatopoden  ist  bei  der  Schwierigkeit  der  Beschaffung  con- 
tinuirlicher  Entwicklungsserien  noch  kaum  durchzuführen.  Doch  muss  es 
nach  den  Ausführungen  von  Brooks  (No.  84)  als  wahrscheinlich  bezeichnet 
werden,  dass  die  Alima-  und  Alimerichthus formen  die  Larven  der 
Gattung  Squilla  darstellen.  "Wenigstens  ist  es  W.  Faxon  gelungen,  aus 
einer  vorgeschrittenen  Alima  das  Jugendstadium  von  Squilla  empusa  zu  er- 
ziehen. In  Alimerichthus  glaubt  Brooks  die  Larven  der  mit  Squilla  mikro- 
phthalma  näher  verwandten  Arten  erkennen  zu  können.  Viel  schwieriger  zu 
entscheiden  ist  die  Frage ,  in  welcher  Weise  sich  die  vielfach  ineinander 
übergehenden  Erichthusformen  auf  die  übrigen  Stomatopodengenera  ver- 
teilen. Doch  hat  schon  Claus  gewisse  Erichthusformen  mit  hohem,  seitlich 
comprimirtem  Stirnstachel  und  kurzem  Schalenpanzer  (Pseuderichthus 
Brooks)  auf  die  Gattung  Pseudosquilla  bezogen,  während  er  ähnliche 
durch  den  seichtgewölbten  Rückenschild,  die  Länge  des  Rostrums  und  der 
einander  nahegerückten  hinteren  Seitenstacheln,  vor  Allem  aber  durch  den 
Mangel  der  Bezahnung  am  Endglied  des  grossen  Raubarmes  charakterisirte 
Formen  (Gonerichthus  Brooks)  auf  G o n o d a c t y  1  u s  zurückführte.  Eine 
andere  Reihe  von  Larvenformen  (Erichthus  Duvaucellei  und  multispinosus). 
welche  sich  durch  den  hochgewölbten  Rückenschild,  durch  das  flache  Abdomen, 
die  sehr  weit  von  einander  entfernt  stehenden,  hinteren  Seitenstacheln,  sowie 
durch  die  ventralwärts  eingeschlagenen  Seitenränder  des  Rückenschildes 
charakterisiren ,  kann  nach  dem  Vorhandensein  zahlreicher  Zähne  am  End- 
gliede  des  Raubfusses  mit  Brooks  auf  Lysiosquil  la  bezogen  und  demnach 
als  Lysio erichthus  bezeichnet  werden.  Es  gelang  Brooks,  für  eine  dem 
Lysioerichthus  multispinosus  nahestehende  Larve,  den  directen  Uebergang  in 
Lysiosquilla  excavatrix  zu  beobachten.  Hinsichtlich  anderer,  schwieriger  ein- 
zuordnender Larvenformen  muss  im  Auge  behalten  werden,  dass  unsere  Kennt- 
niss  der  ausgebildeten  Formen  noch  keineswegs  abgeschlossen  ist,  wie  durch 
gelegentliche  Funde  (vgl.  die  merkwürdige,  durch  Hilgendorf  entdeckte 
Pterygosquilla)  bewiesen  wird  Neuerdings  hat  man  auch  fossile  Stoma- 
topodenlarven  kennen  gelernt. 

12.   Cuniaceen. 

Die  Gruppe  der  Cuniaceen,  welche  eine  vermittelnde  Stellung  zwischen 
den  Schizopoden  und  Arthrostraken  (vor  Allem  den  Anisopoden)  einnimmt, 
zeigt  eine  abgekürzte,  ziemlich  directe  Form  der  Entwicklung.     Wie  bei  den 

32  ' 


488 


XV.  Capitel. 


Mysideen  (vgl.  oben  pag.  353  und  444)  ist  die  Metamorphose  fast  aus- 
schliesslich auf  die  im  Brutraume  der  Mutter  durchlaufenen  Stadien  reducirt. 
Die  Embryonen  erinnern  durch  ihre  dorsale  Einkrümmurig,  sowie  durch  das 
Vorhandensein  des  Dorsalorgans  an  die  Isopoden.  Das  im  ausgebildeten 
Zustande  meist  unpaare  zusammengesetzte  Auge  entsteht  durch  Verschmelzung 
einer  paarigen  Anlage.  Die  aus  dem  Brutraum  ausschlüpfenden  Jungen 
entbehren  noch  des  letzten  Thoracalbeinpaares  und  erinnern  in  dieser  Hinsicht 
an  die  Isopoden.  Von  den  Pleopoden  ist  nur  das  sechste  Paar  (Uropoden) 
wohl  entwickelt.  Die  fünf  vorderen  Paare  fehlen  den  Jungen  (wie  dies  auch 
bei  den  Anisopoden  der  Fall  ist)  und  kommen  überhaupt  nur  bei  den  Männ- 
chen zu  theilweiser  Entwicklung  (Dohrn  No.  96). 


13.    Anisopoden. 

Von  den  Arthrostraken  weisen  die  A  n  i  s  o  p  o  d  e  n  (A  p  s  e  u  d  e  s ,  T  a  n  a  i  s) 
die  ursprünglichsten,  zu  den  Schizopoden  hinführenden  Verhältnisse  auf.  Die 
Embryonalentwicklung  und  der  grösste  Theil  der  Metamorphose  läuft  hier 
im  Brutraume    der  Mutter   ab  (wie  bei  Mysis  und  den  Cumaceen).     Die  aus 

dem  Brutraume  ausschlüpfenden  Jungen 
(Fig.  322)  unterscheiden  sich,  wie  die 
der  Isopoden  von  der  ausgebildeten  Form 
durch  den  Mangel  des  letzten  Thorax- 
beinpaares. Es  fehlen  ihnen  ausserdem 
(und  hierdurch  schliessen  sie  sich  an  die 
Cumaceen  an)  noch  sämmtliche  Pleo- 
poden mit  Ausnahme  des  sechsten  Paares 
(ab 6) ,  welches  fadenförmige  Schwanz- 
anhänge darstellt.  Von  grossem  Interesse 
ist  das  Vorhandensein  einer  flügeiförmi- 
gen, seitlich  abstehenden  Schilddupli- 
catur  (jjs)  des  Cephalothorax ,  wodurch 
die  Ableitung  der  Arthrostraken  von  einer 

mit    einem    Rückenschilde    versehenen 
Stammform    ermöglicht    und    ausserdem 
die    Deutung    der    lappenförmigen    An- 
hänge    des    Asellusembryos     festgestellt 
(Claus)  erscheint.    Vgl.  oben  pag.  352. 


14.    Isopoden. 

lieber  die  Entwicklung  des  Em- 
bryos der  Isopoden  haben  wir  bereits 
oben  (pag.  349  u.  ff.)  Einiges  erwähnt,  vor 
Allem  die  charakteristische,  dorsale  Ein- 
krümmung  desselben ,  sowie  die  Ausbil- 
dung des  Dorsalorgans.  Auch  hier  werden, 
nachdem  die  vollzählige  Gliederung  des 
Körpers  zu  erkennen  ist  und  die  Extre- 
mitätenanlagen aufgetreten  sind,  die  Ei- 
hüllen  gesprengt,  und  die  junge,  noch  un- 
bewegliche, madenförmige  Larve  erfährt 
bloss  von  der  Naupliuscuticula  um- 
hüllt —  im  Brutraume  ihre  weitere  Ent- 


Fig.  322.  Junge  dem  Brutraum 
entnommene  Larve  von  Apseudes 
L  a  t  r  e  i  1 1  i  i  (nach  Claus). 

II  —  VII  zweites  bis  siebentos 
Thoraxsegment,  !  —  (>  erstes  bis  sechs- 
tes Abdominalsegment,  a'  erste  Antenne, 
a"  zweite  Antenne,  ab6  sechstes  Pleo- 
podenpaar,  cp  Epipodialanhang  des 
Maxillarfusses,  ex  Exopoditen  des  ersten 
und  zweiten  Thoraxbeinpaares,  tnxf 
Maxillarluss ,  p\  p2  erstes  und  zweites 
Thoraxbeinpaar,  ps  Panzersehild. 


Crustaceen.  439 

Wicklung  (Asellus).  Wenn  dieselbe  den  Brutraum  verlässt,  so  gleicht  sie  in 
den  allgemeinen  Verhältnissen  der  Körpergliederung  bereits  dem  ausgebildeten 
Thiere,  von  dem  sie  sich  nur  durch  die  verhältnissmässige  Grösse  des  Kopfes 
und  der  Augen ,  durch  die  theihveise  unvollständige  Gliederung  und  Beborstung  der 
Gliedmaassen,  vor  Allem  aber  durch  den  Mangel  des  letzt en  Thorax- 
beinpaares unterscheidet.  Durch  allmähliche,  durch  mehrere  Häutungen 
vermittelte  Umwandlungen  geht  diese  Jugendform  in  die  ausgebildete  Form 
über.  So  unterscheiden  Schiödte  und  M einer t  (No.  175)  für  die  Aegiden 
(und  Cymothoiden  überhaupt)  drei  aufeinanderfolgende  Larvenstadien, 
von  denen  das  jüngste  noch  im  Brutraum  der  Mutter  befindliche,  durch  den 
Mangel  der  Beborstung .  der  Extremitäten  und  des  Telsons  kenntlich  ist. 
Das  zweite,  frei  umherschwimmende  Larvenstadium  hat  diesen  Borstenbesatz 
bereits  ausgebildet,  während  das  dritte  Larvenstadium  die  Extremitätenanlag^n 
des  letzten  Thoraxsegmentes  zur  Entwicklung  bringt.  Bei  den  Cymo- 
thoinen  gehen  sodann  mit  der  Metamorphose  gewisse  durch  den  Parasitismus 
bedingte  Rückbildungscrscheinungen  Hand  in  Hand,  welche  in  der  Verkürzung 
der  Antennen  und  der  Umbildung  der  Thoraxextremitäten  zu  Greifhaken 
zum  Ausdrucke  kommen. 

In  einzelnen  Fällen  führen  diese  durch  den  Parasitismus  hervorgerufenen 
Reductionen  zu  einer  viel  deutlicheren  Ausprägung  der  Metamorphose,  sowie 
auch  die  sexuelle  Heteromorphie  schärfer  hervortritt,  als  dies  bei  den  frei 
lebenden  Isopoden  stattfindet.  Dies  ist  in  den  Familien  der  Anceiden, 
Bopyriden  und  Entonisciden  der  Fall. 

Bei    den    Anceiden,     deren    weibliche     (P  r  a  n  i  z  a-)     Form     durch 
den    kleinen    dreieckigen    Kopf    und    die    Verschmelzung    der    drei    hinteren 
Thoraxsegmente  zu  einem  sackförmigen  Abschnitt  sich  sehr  deutlich  von  der 
geschlechtsreifen    männlichen  Form  (Anceus)    mit   gedrungenem  Körperbau, 
quadratischem,  breitem  Kopfe  und  hirschkäferartigen  Greifzangen  unterscheidet, 
weisen  die  Jugendformen  im  Allgemeinen  den  gestreckteren  Pranizatypus  auf, 
lassen  jedoch  schon  in  den  frühesten  Stadien  eine  Andeutung  jenes  sexuellen 
Dimorphismus    erkennen,  insoferne   bei    den    zu   Weibchen    sich    umbildenden 
Larven   die  Verschmelzung   der   drei    hinteren  Thoraxsegmente   bereits  auge- 
deutet erscheint,    während  letztere  bei  den  jungen  männlichen  Formen  deut- 
lich   getrennt    sind.      Diese    pranizaähnlichen    jungen    Larven     führen     eine 
parasitische    Lebensweise    (an    Fischen).      Demgemäss   besitzen   sie   saugende, 
unter  einer  grossen  Oberlippe  nach  vorne  gestreckte  Mundwerkzeuge.     Man- 
dibeln    und  Maxillen    erscheinen    als   tasterlose,    stiletförmig  zugespitzte,  zum 
Theil  (Mandibel   und  zweite  Maxille)  am  Ende  bezahnte  Stechwerkzeuge;    es 
folgen  zwei  Paare  von  Maxillarfüssen ,    deren  Segmente  mit  dem  Kopfe  ver- 
schmolzen   sind.     Von    diesen    bildet    das    vordere,    ebenfalls  ziemlich  lang- 
gestreckte,   eine  Art  Unterlippe,    während    das    zweite  mit  einem  Klammer- 
haken   endigt.     Die   fünf   nach   hinten    folgenden  Thoraxsegmente  (das  dritte 
bis    siebente),    von    denen    die  drei    hinteren  im  weiblichen  Geschlechte   ver- 
schmelzen ,    tragen    fünf   zu  Klammerhaken    umgewandelte  Thoraxbeine.     Das 
achte  Thoraxsegment,  ist  als  ganz  rudimentäre  Anlage  erhalten;    es  folgt  ein 
mit   zweiästigen,    zum  Schwimmen    verwendeten  Pleopoden    besetztes,  wohlge- 
gliedertes Abdomen.     Bei    der  Umwandlung    in  die  ausgebildete  Form  gehen 
die  Oberlippe,    sowie  die  Kieferpaare  völlig  verloren,  während  die  Maxillar- 
fusspaare  sich  bedeutend  verändern.    Sie  werden  zu  lamellären,  der  Wasser- 
bewegung  dienenden  Organen  umgebildet.     Bei   den    weiblichen   Larven   ver- 
kleinert  sich   der  Kopf,    die  Augen    erleiden  eine  Rückbildung,  während  bei 
den    männlichen  Larven    der  Kopf   zu  einem  mächtigen,   allerdings  auch  mit 
rückgebildeten  Augen    versehenen,   quadratischen  Körperabschnitt    auswächst, 


490 


XV.  Capitel. 


welcher  nach  vorne,  zu  den  Seiten  der  ganz  rudimentären  Oberlippe,  zwei 
starke  Greifzangen  entsendet.  Letztere  würden  wir  geneigt  sein,  auf  die 
Mandibeln  der  Jugendform  zu  beziehen,  wenn  nicht  Dohrx  beobachtet  hätte, 
dass  sie  unabhängig  von  diesen  eine  selbstständige  Entstehung  nehmen  (vgl. 
die  Angaben  von  Spence  Bäte  (No.  161),  Hisse  (No.  168)  und  Dohkn 
(No.  164).'  — 

Bei  den  mit  saugenden,  sehr  rückgebildeten  Mundwerkzeugen  versehenen 
und  parasitär  stark  umgewandelten  Bopyriden  kommt  es  in  ähnlicher 
Weise,  wie  bei  manchen  parasitischen  Copepoden  (Lernaeopodiden)  zur  Ent- 
wicklung eines  auffallenden  sexuellen  Dimorphismus,  indem  die  weniger  rück- 
gebildeten, aber  kleinen  Männchen  den  grossen,  stark  deformirten  Weibchen 

als  „Zwergmännchen''  aligeheftet  er- 
schienen. Bei  den  Männchen  (vgl.  Fig. 
324  Ä)  erhält  sich  im  Allgemeinen  der 
asseiförmige  Habitus;  der  Körper  bleibt 
symmetrisch ,  deutlich  segmentirt ,  die 
Augen  erhalten  sich,  wenngleich  im  rück- 
gebildeten Zustande.  Bei  den  Weibchen 
dagegen  sind  die  Augen  fast  vollständig 
verloren  gegangen ;  der  scheibenförmig 
verbreiterte  Körper  ist  asymmetrisch  ge- 
staltet, die  einzelnen  Segmente  desselben 
vielfach  undeutlich  von  einander  abge- 
setzt. Im  Bereich  des  Abdomens  kann 
allerdings  die  Segmentirung  in  beiden 
Geschlechtern  rückgebildet  werden. 

Die  aus  dem  Brutraume  ausschlüpfen- 
den Larven  der  Bopyriden  (Fig.  323) 
zeigen  wohlentwickelte,  gegliederte  Anten- 
nen, von    denen    die  des  zweiten  Paares 
vorwiegend  als  locomotorische  Organe  zur 
Verwendung   kommen.     Die    Mundwerk- 
zeuge haben  bereits  die  für  die  Bopyri- 
den     charakteristische    Bildung.        Von 
Klammerbeine    entwickelt.      Das    letzte 
wie    bei    sämmtlichen    Isopodenlarven    — 
Die  Abdominalsegmente    erscheinen    zum    grössten 
nur    die  beiden  letzten  sind  mit  dem  Telson   ver- 


Fig.  323.  Larve  von  Bopyrus 
virbii  mit  sechs  Brustbeinpaaren (nach 
Walz). 

a'  erste  Antenne,  a"  zweite  Antenne, 
nid  Mandibel,  ul  Unterlippe,  abs  erstes 
Abdominalsegment. 


Thoraxanhängen    sind    sechs    Paar 
Thoraxsegment    entbehrt   noch 
der    Extremitätenanlage. 
Theile    deutlich  getrennt; 


schmolzen.  Es  zeigen  sich  fünf  zweiästige  (bei  manchen  Formen  nur  ein- 
ästige), als  Ruderbeine  verwendete  Pleopodenpaare,  während  die  des  sechsten 
Segmentes  (Uropoden)  als  Schwanzgriffel  zur  Entwicklung  gekommen  sind. 
Sexuelle  Unterschiede  sind  an  den  Larven  dieser  Stadien,  welche  frei  um- 
herschwärmen und  das  spätere  Wohnthier  aufsuchen ,  noch  nicht  zur  Ent- 
wicklung gekommen. 

Nach  erfolgter  Festsetzung  in  der  Kiemenhöhle  des  Wirthes  (Carididen) 
erfolgt  die  weitere  Entwicklung  unter  Ausbildung  des  letzten  Thoraxbeinpaares, 
bedeutender  Rückbildung  der  Antennen  und  der  Pleopoden,  bis  endlich  die 
oben  geschilderte,  reducirte,  ausgebildete  Form  erreicht  erscheint.  An  letzterer 
zeigt  das  Abdomen  in  vielen  Formen  der  Lage  nach  den  Pleopoden  ent- 
sprechende ungegliederte  Schläuche  oder  Lamellen ,  welche  vielleicht  als 
Respirationsorgane  von  Bedeutung  sind.  Letztere  wurden  früher  vielfach 
als  umgewandelte  Pleopoden  in  Anspruch  genommen.  Doch  hat  Kossmann 
darauf  hingewiesen,  dass  sie  erst  nach  vollständigem  Schwunde  der  letzteren 


Crustaceen. 


491 


als  Neubildungen  angelegt  werden.  Mit  diesem  Nachweise  ist  allerdings  die 
Pleopodennatur  der  in  Rede  stehenden  Anhänge  nicht  zurückgewiesen ,  da 
vielfach  in  der  Metamorphose  der  Crustaceen  einzelne  Anhänge  völlig  rück- 
gebildet werden,  um  später  wieder  zu  erscheinen. 

Die  bedeutendsten  parasitären  Umgestaltungen  der  Weibchen  finden  wir 
in  der  Gruppe  der  Entonisciden,  welche  — ■  wie  durch  die  neueren 
Untersuchungen  von  Giard  und  Bonniek  (No.  167)  bestätigt  wurde  —  in 
die  nächste  Verwandtschaft  der  Bopyriden  zu  stellen  sind.  Diese  Parasiten 
finden  sich  im  Inneren  der  Leibeshöhle  ihrer  Wirthe  (Krabben,  Paguriden), 
müssen  jedoch  als  Ectoparasiten  bezeichnet  werden,  da  sie  von  einem  durch 


ii- 


Fig.  3*24.  A  Männchen  eines  Entonisciden  (Cancrion  miser),  B  junge  Larve 
eines  Entonisciden  (Portunion  Maenadis)  (nach  Giard  und  Bonnier,  aus  Lang's 
Lehrbuch). 

a1  erste  Antenne,  a2  zweite  Antenne,  ab  Abdomen,  au  Auge,  h  Hode,  he  Herz, 
l  Leberschläuche,  plt — plG  erstes  bis  sechstes  Pleopodenpaar,  r  Eostrum,  t.2 — t-t  Beinpaar 
des  zweiten  bis  siebenten  Thoraxsegmentes,  th  Thorax. 


Einstülpung  der  äusseren  Körperoberfläche  (Kiemenhöhlenwand  des  Wirthes) 
entstandenen  chitinösen  Sacke  umschlossen  sind.  An  dem  dorsalwärts  ein- 
gekrümmten, sehr  merkwürdig  gestalteten  Körper  des  Weibchens  (Fig.  325  B) 
unterscheidet  man  einen  rundlichen  Kopfabschnitt  (cg)  mit  stechenden  Mund- 
werkzeugen und  Antennenrudimenten  (ae.  ai),  einen  ungegliederten  Thorax- 
abschnitt (th) ,    welcher    die    ventrale    durch    Lamellen    der   Beine    gebildete 


492 


XV.  Capitel. 


Bruthöhle  (Fig.  325-4)  trägt,  und  ein  segraentirtes  Abdomen  (ab)  mit 
säbelförmigen  oder  lamellösen  (en3)  Pleopoden.  Die  kleinen  Männchen 
(Fig.  324  A)  sitzen  dem  Weibchen  auf  und  sind  im  Habitus  den  Bopyriden- 
männchen  ähnlich,  von  denen  sie  sich  durch  die  Abwesenheit  des  letzten 
Thoraxbeinpaares  (welcbes  rückgebildet  wird)  und  der  zweiten  Antennen 
unterscheiden.  Die  jungen  Larven  (Fig.  324  B)  sind  denen  der  Bopyriden 
ungemein  nahestehend  und  besitzen  stets  paarige  Augen  (au),  zum  Theil 
auch  ein  Naupliusauge  (Grapsion).  Sie  unterscheiden  sich  von  den  Bopyriden- 
larven  hauptsächlich  durch  die  für  die  einzelnen  Genera  variirende  und  von 
der  der  übrigen  Toraxbeine  abweichende  Gestaltung  des  vorletzten  Thorax- 
beinpaares (t-,).     Das    letzte    fehlt,    wie    bei    allen   Isopoden.      Ein    späteres 


Fig.  325.  Ausgewachsene  Weibchen  eines  Entonisciden  (Portunion  Maenadis) 
(nach  Giard   und  Bonnier,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

A  mit  in  der  ventralen  Medianlinie  tlieihveise  geöffneter  Bruthöhle  und  aus- 
einandergelegten Brutlamellen.  Abdomen  {ab)  in  der  Ansicht  von  der  Ventralseite. 
B  ohne  geöffnete  Bruthöhle,  Dorsalansicht  des  Abdomens  (ab). 

Ir  die  vorderen ,  mittleren  und  hinteren  Lappen  der  rechten  ersten  Brutlamelle, 
II  dieselben  der  linken  ersten  Brutlamelle ,  Ilr,  III  rechte  und  linke  Brutlamelle  des 
zweiten  Paares,  Illr,  IIB  rechte  und  linke  Brutlamelle  des  dritten  Paares,  IV  vierte 
Brutlamelle,  Vr ,  VI  rechte  und  linke  Brutlamelle  des  fünften  Paares,  ab  Abdomen, 
ae  äussere,  ai  innere  Antenne,  ex2  Exopodit  des  zweiten  Pleopodenpaares,  enz  Endopodit 
des  dritten  Pleopodenpaares,  cg  Kopfabschnitt  (sog.  Cephalogaster),  h  Herzbuckel, 
mf  Maxillarfuss,  pl  Pleurallamelle  des  ersten  Abdominalsegmentes,  ov  Ovarium,  th  Thorax. 


Stadium  (stade  cryptoniscien)  hat  dies  fehlende  Beinpaar  zur  Entwicklung 
gebracht.  Die  Larven  dieses  Stadiums  werden  als  Complementärmännchen 
geschlechtsreif,  wie  denn  überhaupt  bei  Isopoden  protandrischer  Herma- 
phroditismus verbreitet  erscheint  (Bullae,  P.  Mayee).  Sie  wandeln  sich 
später  in  Weibchen  oder  in  die  rückgebildeten  definitiven  männlichen  Formen 
um  (Giaed  et  Bonniee  Ko.  167). 


Crustaceen.  493 

15.   Aniphipodeii. 

Die  Embryonen  der  Amphipoden,  welche  sich  —  wie  oben  (pag.  349) 
bemerkt  wurde  —  durch  ihre  ventrale  Einkrümmung  im  Eie  von  denen  der 
Isopoden  unterscheiden,  erhalten  bereits  die  volle  Zahl  der  dem  ausgebildeten 
Thier  zukommenden  Körpersegmente  und  Beinpaare.  Selbst  die  Verwach- 
sungen, welche  zwischen  einzelnen  Segmenten  bei  einigen  Formen  eintreten, 
werden  bereits  im  Embryo  gebildet  (F.  Müller  No.  16).  Demnach  redu- 
cirt  sich  die  Metamorphose  eigentlich  nur  auf  geringfügige  Aenderungen  der 
Gestalt,  die  Vermehrung  der  Fühlerglieder  und  Riechfäden,  sowie  des  Borsten- 
besatzes und  der  Zähne.  • 

Eine  etwas  eingreifendere  Metamorphose  findet  sich  bei  den  Hyperi- 
nen.  Hier  hat  F.  Müller  an  den  eben  ausgeschlüpften  Jungen  von  Hy- 
pe r  i  a  die  Pleopodenanlagen  noch  völlig  vermisst,  während  Claus  bei  einer 
an  Discomedusa  schmarotzende  Hyperia  an  den  eben  ausgeschlüpften  Larven 
bereits  die  Pleopoden  und  Uropoden  entwickelt  fand.  Im  Allgemeinen  fallen 
die  Jungen  der  Hyperiden,  gegenüber  den  ausgewachsenen  Formen,  bei  denen 
die  Augen  oft  eine  excessive  Entwicklung  nehmen,  durch  die  Kleinheit  der 
Augen  und  in  Folge  dessen  des  Kopfes  auf.  Oft  unterscheiden  sie  sich  auch 
durch  die  Gestalt  der  Gliedmaassen.  So  fehlt  den  Jungen  von  Phronima 
nach  Pagenstecher  die  gewaltige  Scheere  am  drittletzten  Fusspaare.  Für 
die  Platysceliden  haben  Spexce  Bäte  (No.  2)  und  neuerdings  Claus 
(No.  177)  Angaben  über  auffällige  Unterschiede  zwischen  der  Jugendform 
und  der  ausgebildeten  Form  gemacht,  welche  zum  Theil  sich  schon  auf  den 
allgemeinen  Habitus  beziehen.  So  erscheinen  die  Larven  von  Rhabdosoma 
auffallend  gedrungen,  die  von  Eu  typ  bis  dagegen  langgestreckt.  Die 
Rhabdosomalarven  erinnern  an  den  Bau  der  Gattung  Vibilia.  Die  Abdominal- 
beine waren  erst  in  der  Form  kleiner  Rudimente  angelegt.  Die  Eutyphis- 
larven  schlössen  sich  im  Habitus  an  Gammariden  an,  so  dass  durch  die 
Jugendstadien  die  Ableitung  der  Hvperiden  von  Crevettinen  gestützt  erscheint 
(Claus  No.  177). 

16.   Allgemeines  über  die  Crustaceenentwickluiig. 

Das  Studium  der  Metamorphose  in  der  ungemein  formenreichen 
und  mannichfaltigen  Gruppe  der  Crustaceen  gehört  zu  den  anziehendsten 
und  interessantesten  Themen  der  morphologischen  Forschung.  Vielfach 
wurde  auf  einzelne  Larvenzustände  nach  der  phylogenetischen  Richtung 
grosses  Gewicht  gelegt.  Wenn  nun  auch  in  neuerer  Zeit  die  Nauplius- 
und  Zoeaform  des  Nimbus,  als  Stammformen  der  Crustaceengruppe 
zu  gelten,  entkleidet  erscheinen,  so  verliert  desshalb  die  Betrachtung  der 
Crustaceen-Metamorphose  doch  nicht  alle  phylogenetische  Bedeutung, 
insoferne  in  der  Art  der  Entwicklung  sehr  deutliche  Hinweise  auf  die 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  einzelnen  Gruppen  unter  einander 
zu  erkennen  sind.  Von  grossem  Interesse  ist  auch  die  Betrachtung  der 
Ursachen,  welche  auf  die  Metamorphose  der  Crustaceen  secundär  ver- 
ändernd eingewirkt  haben. 

Die  Ansicht,  dass  das  Naupliusstadium  der  hypothetischen 
Stammform  sämmtlicher  Crustaceen  entspräche,  geht  vor  Allem  auf  Fritz 
Müller  (No.  16)  zurück  und  fand  in  der  Entdeckung  dieses  Forschers, 
dass  auch  unter  den  Malacostraken  eine  Form  (Penaeus)  existire,  deren 
Metamorphose  mit  einem  freilebenden  Naupliusstadium  beginnt,  eine 
nicht    unerhebliche    Stütze.     Nachdem    sich    Haeckel    (Generelle    Mor- 


494  xv-  Capitel. 

phologie)  dieser  Ansicht  angeschlossen  hatte,  traten  ihr  die  hervor- 
ragendsten Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Crustaceen  (Dohrn,  Claus) 
bei.  Sie  konnte  lange  als  die  herrschende  Ansicht  gelten.  In  welcher 
Weise  der  Nauplius  von  niederen  Thierformen  abzuleiten,  darüber  äusserte 
man  sich  nur  in  vorsichtiger  Weise.  Man  musste  an  ungegliederte  oder 
nur  aus  wenigen  Körpersegmenten  bestehende  Wurmformen  denken, 
und  es  wurden  nach  dieser  Richtung  am  ehesten  die  Rotatorien  oder 
einfach  gestaltete  Annelidenlarven  in  Betracht  gezogen. 

In  ähnlicher  Weise  wie  der  Nauplius  für  sämmtliche  Crustaceen, 
sollte  die  Z  o  e  a  als  Stammform  der  höheren  Crustaceen  oder  Malacostraken 
gelten.  Es  war  hierbei  besonders  der  damalige  Stand  der  Kenntnisse 
über  den  Bau  der  Bracbyuren-Zoea  massgebend.  Ausgehend  von  der 
Anschauung,  dass  die  Segmente  des  Mittelleibes  (die  fünf  hinteren 
Thoraxsegmente)  an  der  Zoea  nur  in  nuce,  oder  —  wie  man  vielfach 
meinte  —  gar  nicht  vorhanden  seien,  stellte  F.  Müller  (No.  16)  die 
Ansicht  auf,  dass  die  Malacostraken  durch  eine  ganz  andere  Reihenfolge 
in  der  Segmentbildung  von  den  Entomostraken  geschieden  seien.  Er 
unterschied  an  dem  Körper  der  Malacostraken  vier  Regionen,  von  denen 
jede  aus  fünf  Segmenten  bestehen  sollte:  Urleib,  Vorderleib,  Mittelleib 
und  Hinterleib.  Der  Urleib  geht  direct  aus  dem  Naupliuskörper  hervor 
und  liefert  die  drei  vordersten  (I.  Antenne,  IL  Antenne,  Mandibel)  und 
die  zwei  hintersten  Körpersegmente  (Segment  der  Uropoden  und  das 
Telson).  Später  schieben  sich  die  jüngeren  Körperregionen  in  die  Mitte 
des  Urleibs  ein,  indem  zuerst  die  Segmente  des  Vorderleibes  (Maxillen 
und  Maxillarfüsse),  dann  die  des  Hinterleibes  (5  vorderen  Abdominal- 
segmente) und  ganz  zum  Schlüsse  die  des  Mittelleibes  (Segmente  der 
fünf  Gangbeinpaare)  gebildet  werden  sollten.  Dieser  Anschauung  ist  schon 
1871  Claus  durch  den  Hinweis  auf  die  Entwicklung  der  Stomatopoden 
entgegengetreten,  bei  denen,  ganz  ebenso  wie  bei  den  Phyllopoden, 
die  einzelnen  Segmente  successive  in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach 
hinten  hervorsprossen. 

Die  Ansicht  von  dem  Werth  der  Zoea  als  hypothetischer  Stamm- 
form wurde  von  Dohrn  (No.  9)  erweitert  und  modificirt.  Auf  Grund 
gewisser  Merkmale,  in  denen  man  auch  bei  den  Entomostraken  Zoea- 
eigenthümlichkeiten  zu  erkennen  glaubte,  und  vor  Allem  gestützt  auf  die 
Betrachtung  des  wegen  seiner  Stachelbildungen  als  Archizoea  aufgefassten 
Lepadennauplius  glaubte  Dohrn  die  Zoea  als  Stammform  sämmtlicher 
Crustaceen  in  Anspruch  nehmen  zu  dürfen,  welche,  aus  dem  Nauplius 
hervorgegangen,  den  Uebergang  zu  einer  phyllopoden-ähnlichen  Vorfahren- 
form der  Crustaceen  vermittelt  hätte.  Dohrn  begründete  vor  Allem  die 
Ansicht,  dass  in  der  centralen  Gruppe  der  Phyllopoden  die  ursprüng- 
lichsten Krebsformen  erhalten  seien,  und  dass  sämmtliche  übrigen  Krebs- 
gruppen sich  von  Phyllopoden  ableiten  lassen,  eine  Anschauung,  die  noch 
jetzt  in  Geltung  ist,  und  der  auch  wir  uns  anschliessen,  wenngleich  wir 
mit  Claus  der  angenommenen  hypothetischen  Stammform  nicht  aus- 
schliesslich die  Charaktere  der  jetzt  lebenden  Phyllopoden  vindiciren, 
sondern  für  dieselbe  eine  nach  mancher  Hinsicht,  besonders  in  Bezug 
auf  die  Bildung  der  Mundtheile,  noch  ursprünglicher  gestaltete,  hypothe- 
tische Stammgruppe  der  Urphyllopoden  construiren. 

Immerhin  war  mit  dem  DoriRN'schen  Hinweis  auf  die  Bedeutung  der 
Phvllopodeu  als  centraler  Gruppe,  von  welcher  sämmtliche  Crustaceen 
sich  ableiten  lassen,  ein  bedeutender  Fortschritt  unserer  Auffassung 
gegeben,  insoferne  der  durch  F.  Müller  begründete  Gegensatz  zwischen 


Crustaceen.  495 

Malacostrakeu  und  Entomostraken  aufgehoben  erschien  und  eine  ein- 
heitliche Ableitung  der  gesannnten  Crustaceenclasse  ermöglicht  war.  Ja, 
es  war  durch  die  DomiN'schen  Ausführungen  der  Weg  zu  weiteren 
Fortschritten  geebnet,  da  eine  consequente  Verfolgung  seiner  Ideen  leicht 
dazu  führen  musste,  die  Pbyllopoden  direct  auf  annelidenähnliche  Vor- 
fahrenformen zu  beziehen. 

Diese  Erkenntniss  brach  sich  jedoch  erst  allmählich  Bahn.  Zunächst 
blieb  der  Nauplius  in  seiner  Stellung  als  Stammform  sämmtlicher  Krebse 
unerschüttert,  während  die  phylogenetische  Bedeutung  der  Zoeaform  in 
den  Hintergrund  trat.  Es  ist  das  Verdienst  von  Claus  (No.  8),  auf 
Grund  eines  umfassenden  Beobachtungsmaterials  den  Charakter  der  Zoea 
als  einer  secundär  abgeänderten  Larvenform  erkannt  und  d.argethan  zu 
haben.  Neben  der  Stomatopodenentwicklung  war  es  vor  Allein  die 
Metamorphose  von  Penaeus,  aus  welcher  sich  am  deutlichsten  erkennen 
liess,  dass  zwischen  der  Larvenentwicklung  der  Malacostraken  und  der 
Entomostraken  hinsichtlich  der  Reihenfolge  der  neuentstehenden  Segmente 
keine  prinzipielle  Differenz  bestände,  indem  bei  beiden  die  Reihenfolge 
der  Entstehung  von  vorne  nach  hinten  eingehalten  werde.  Es  war 
hiermit  eine  der  wichtigsten  Eigenthümlichkeiten  der  Zoeen  der  höheren 
Macruren     und    der    Brachyuren  nämlich    das    Zurückbleiben    der 

Segmente  des  Mittelleibes  in  der  Entwicklung  —  als  ein  erst  secundär 
erworbener  Charakter  erkannt.  Aber  auch  für  diese  letzteren  Formen 
geht  aus  neueren  Untersuchungen  von  Claus  (No.  6)  auf  das  Deutlichste 
hervor,  dass  jene  Segmente  hier  durchaus  nicht  -  wie  man  früher 
annahm  —  vollkommen  fehlen,  sondern  nur  in  äusserlich  wenig  er- 
kennbarer Form  und  in  dichtgedrängter  Anlage  vorhanden  sind.  Claus 
beobachtete  nämlich,  dass  an  dem  Zoeastadium  sämmtliche  Ganglienpaare 
der  scheinbar  noch  fehlenden  Segmente  des  Mittelleibs  als  dichtgedrängte 
Bauchganglienmasse  bereits  vorhanden  sind  und  dass  diese  Ganglien- 
masse von  der  zur  Sternalarterie  herabführenden  absteigenden  Arterie 
bereits  durchsetzt  werde,  wie  denn  überhaupt  der  Gefässverlauf  des 
Zoeastadiums  bereits  völlig  die   definitiven  Verhältnisse   erkennen   lässt. 

Allerdings  glaubte  noch  Balpoue  (Handbuch  der  vergleichenden  Embryo- 
logie I.  Bd  pag.  479)  gewisse  Erscheinungen  der  Malacostrakenentwicklung, 
so  besonders  das  Verschwinden  und  Wiederauftreten  gewisser  Anhangspaare 
(Mandibulartaster,  die  beiden  letzten  Thoraxbeinpaafe  im  Mastigopusstadium 
der  Sergestiden,  die  drei  hinteren  Maxillarfusspaare  der  Stomatopoden)  nur 
unter  Zuhülfenahme  einer  Stammform  erklären  zu  können,  welche  nach 
mancher  Hinsicht  (vor  Allem  in  dem  rudimentären  Zustande  des  Mittelleibes) 
Zoeacharaktere  aufwies.  Es  hätten  sich  dann  aus  den  Urphyllopoden  zu- 
nächst nebaliaähnliche ,  sog.  praezoeale  Formen ,  aus  dieser  zoeaähnliche 
Formen  und  erst  aus  letzteren  die  postzoealen  Malacostraken  (Thoracostraken 
und  Arthrostraken)  entwickelt.  Wenn  es  nun  auch  auffällig  ist,  dass  bei 
Nebalia  die  acht  Thoraxsegmente  dichtgedrängt  einen  verhältnissmässig 
kurzen  Leibesabschnitt  zusammensetzen,  und  dass  die  Extremitäten  dieses 
Abschnittes  ein  phyllopodenbeinähnliches  Aussehen  bewahrt  haben,  so  nöthigt 
uns  doch  nichts  zur  Annahme,  dass  dieser  Abschnitt  bei  den  Stammformen, 
welche  zu  den  Urschizopoden  (den  Ahnenformen  der  übrigen  Malacostraken) 
hinüberführten,  eine  noch  weitergehende  Reduction  erfahren  hat.  Hinsicht- 
lich des  Verschwindens  und  Wiederauftretens  einzelner  Anhänge  muss  darauf 
hingewiesen  werden ,  dass  diese  Erscheinung  gleich  unerklärlich  bleibt,  ob 
man  dieselbe  in  die  ontogenetische  oder  in  die  phylogenetische  Entwicklungs- 


496  XV.  Capitel. 

reihe  verlegt.  Ja,  es  lassen  sich  manche  Gründe  dafür  anführen,  welche 
diese  Erscheinung  unter  der  Annahme,  dass  hier  ein  caenogenetisch  abge- 
ändertes Verhalten  des  Entwicklungsganges  vorliegt,  nicht  so  ganz  unerklärlich 
erscheinen  lassen.  La:ng  (Lehrh.  d.  Vergl.  Anat.  2.  Abth.  pag.  424)  führt 
das  erste  Auftreten  dieser  Gliedmaassen  in  den  jüngeren  Larvenstadien  auf 
eine  von  den  Vorfahren  überkommene  Vererbungstendenz  zurück,  während 
das  temporäre  Verschwinden  derselben  durch  die  geänderten  Existenzbedingungen 
der  pelagischen  Larvenformen  zu  erklären  ist.  Es  muss  hier  auch  darauf 
hingewiesen  werden,  dass  diese  Gliedmaassen  meist  im  definitiven  Zustande 
ganz  anders  gestaltet  erscheinen,  als  bei  ihrem  ersten  Auftreten  in  der 
Larvenform.  Wir  finden  nun  mehrfach,  dass  Extremitäten,  während  sie  aus 
einer  Form  in  die  andere  übergehen,  ein  rudimentäres  Zwischenstadium 
durchmachen  (solche  Beispiele  liegen  besonders  in  der  Lucifermetamorphose 
nach  Brooks  vor).  Es  mag  einer  gewissen  Vereinfachung  des  Entwicklungs- 
ganges entsprochen  haben,  dass  statt  einer  langwierigen  Umwandlung  einer 
Extremität  ein  Entwicklungsgang  eingeschlagen  wurde,  bei  welchem  nach 
vollständigem  Verlust  der  larvalen  Extremität  die  andersgestaltete  definitive 
Form  dieser  Gliedmaasse  einfach  neu  angelegt  wurde.  Eine  solche  Ab- 
änderung des  Entwicklungsganges  musste  sich  besonders  in  jenen  Fällen 
geltend  machen ,  in  denen  in  Folge  der  eigenartigen  Lebensbedingungen  der 
Larvenform  die  betreffende  Extremität  für  das  betreffende  Stadium  von  ge- 
ringem Werth  geworden  war.  Parallelen  für  eine  derartige  Abänderung  des 
Entwicklungsganges  bei  beträchtlicher  Gestaltungsdifferenz  der  larvalen  und 
ausgebildeten  Form  lassen  sich  aus  verschiedenen  anderen  Thiergruppen  bei- 
bringen. Wir  erinnern  hier  nur  an  den  Verlust  des  larvalen  Nervensystems 
und  der  Haut  des  Pilidiums  und  der  Entstehung  dieser  Organe  an  der  jungen 
Nemertine  aus  einer  Neuanlage.  Im  Uebrigen  können  wir  hinsichtlich  der 
Ansichten  Balfour's  nur  auf  die  durch  gewichtige  Gründe  (vor  Allem  durch 
den  Hinweis  auf  die  Stellung  und  Entwicklung  von  Penaeus)  gestützte  Wieder- 
legung  verweisen,  welche  dieselben  durch  P.  Mayer  (No.  138)  erfahren  haben. 

Wir  betrachten  demnach  die  Zoea  mit  Claus  als  eine  seeundäre, 
den  eigenartigen  Existenzbedingungen  des  Larvenlebens  entsprechend 
abgeänderte  Entwicklungsform ,  welche  sich  nicht  der  Reihe  der  hypo- 
thetischen Malacostrakenahnen  einordnet. 

In  gleicher  Weise  muss  aber  auch  der  Nauplius  als  eine  seeundär 
abgeänderte  Crustaceerj -Larvenform  betrachtet  werden.  In  diesem  Falle 
handelt  es  sich  um  eine  Verlegung  speeifischer  Crustaceen-Charaktere  in 
frühere  Stadien.  Es  ist  das  Verdienst  Hatschek's  (No.  15),  zuerst 
darauf  hingewiesen  zu  haben,  dass  bei  einer  Ableitung  der  Crustaceen 
von  phyllopodenälmlichen  Vorfahren  der  Anschluss  der  letzteren  an  die 
Gruppe  der  Anneliden  sich  als  die  natürlichste  Ableitung  der  Crustaceen- 
gruppe  ergiebt,  Hatschek  stützte  sich  vor  Allem  auf  die  Übereinstimmung, 
welche  sich  in  der  Körpergliederung  und  dem  Bau  der  ausgebildeten 
Crustaceen  und  Anneliden  vorfindet,  und  welche  schon  Cuvier  und 
von  Baer  zur  Aufstellung  des  Typus  der  Ar ticulaten  (Anneliden  und 
Arthropoden)  veranlasst  hatte.  Vor  Allem  herrscht  im  Bau  des 
Centralnervensystems  (gegliederte  Bauchganglienkette)  eine  solche  Uebei- 
einstimmung,  dass  wir  dieselbe  nur  auf  wahre  Homologie  zurückführen 
können.  Würden  wir  dagegen  die  Crustaceen  durch  Vermittlung  des 
Nauplius  von  einer  unsegmentirten  Wurmform  herleiten,  so  würden  wir 
zur  Annahme  gezwungen  sein,  dass  die  übereinstimmenden  Merkmale 
im  Bau  der  Anneliden  und  der  Crustaceen  in  beiden  Gruppen  selbst- 
ständig zur  Entwicklung   gekommen   seien,    daher  auf  blosser  Analogie 


Crustaceen.  .       497 

beruhen  —  eine  Annahme,  zu  welcher  man  nach  den  Ergebnissen  der 
vergleichenden  Anatomie  kaum  berechtigt  ist.  Es  sei  hier  neben  der 
Uebereinstimmung  im  Bau  des  Centralnervensystems  nur  noch  auf  die 
Schalendrüse  und  Antennendrüse  hingewiesen,  deren  Homologie  mit 
Segmentalorganen  der  Anneliden  als  erwiesen  betrachtet  werden  kann. 
Zu  einer  ganz  übereinstimmenden  Auffassung  über  den  Werth  der 
Naupliusform  kam  auch  Dohrn  (No.  11). 

Wenn  wir  demnach  die  Crustaceen  (Phyllopoden)  von  anneliden- 
ähnlichen  Vorfahren  ableiten,  so  müssen  wir  für  die  letzteren  die  Ent- 
wicklung durch  ein  Trocbophora- Stadium  und  im  weiteren  Verlauf  durch 
ein  aus  wenigen  Segmenten  bestehendes  (polytroches)  Larvenstadium 
annehmen.  Wir  würden  dann  bei  ungefälschter  Wiedergabe  der  Vor- 
fahren-Charaktere auch  für  die  Crustaceen  die  Entwicklung  durch  derartige 
Larvenstadien  erwarten  müssen;  statt  deren  finden  wir  jedoch  das 
Naupliusstadium  als  typischen  Ausgangspunkt  der  Crustaceenmetamorphose. 
Die  Larven  der  Crustaceen  sind  demnach  durch  frühzeitige  Entwicklung 
typischer  Crustaceen  -  Charaktere  secundär  modificirt.  Hatschek  war 
geneigt,  im  Anschlüsse  an  die  damals  verbreitete  Auffassung  des  Nauplius 
als  unsegmentirter  Form  denselben  der  Anneliden-Trochophora  gleichzu- 
stellen. In  neuerer  Zeit  hat  sich  eine  Aenderung  der  Ansichten  insofern 
geltend  gemacht,  als  man  dem  Nauplius  mehrere  echte  Rumpfsegmente 
zuerkennt.  Massgebend  hiefür  war  besonders  der  von  Claus  und  Dohrn 
geführte  Nachweis,  dass  das  zweite  Gliedmaassenpaar  des  Nauplius  von 
einem  hinter  dem  Munde  gelegenen  Ganglion  aus  innervirt  werde.  Man 
musste  demnach  den  Nauplius  als  bereits  segmentirte  Larvenform  betrachten 
und  konnte  denselben  höchstens  mit  schon  metamer  gegliederten,  jungen 
Annelidenlarven  in  Parallele  stellen  (Claus  Nr.  7).  Wie  viele  Rumpf- 
segmente wir  dem  Nauplius  zuerkennen ,  darüber  wird  die  Antwort 
verschieden  ausfallen,  je  nach  der  Anschauung,  welche  man  hinsichtlich 
der  Segmentirung  des  Kopfabschnittes  der  Crustaceen  zu  Grunde  legt. 
Uns  scheint  es  mit  den  entwicklungsgeschichtlichen  Thatsachen  sowohl,  als 
auch  mit  den  aus  der  Anatomie  des  Crustaceengehirnes  sich  ergebenden 
Verhältnissen  am  meisten  in  Uebereinstimmung,  wenn  man  für  jedes  der 
drei  Naupliusextremitätenpaare  ein  echtes  Rumpfmetamer  in  Anspruch 
nimmt  und  ausserdem  einen  vor  diesen  gelegenen  primären  Kopfabschnitt 
und  einen  hinteren,  mit  der  Knospungszone  (für  die  Entstehung  neuer 
Metamere)  vereinigten  Endabschnitt  (Aftersegment) ,  aus  welchem  das 
Telson  hervorgeht,  annimmt  (vgl.  das  oben  über  die  primäre  Seg- 
mentirung des  Kopfes  der  Crustaceen  pag.  364  u.  ff.,  sowie  das  über  das 
Naupliusstadium  pag.  385  Gesagte). 

Der  Uebergang  von  Anneliden  zu  den  Vorfahrenformen  der  Crustaceen 
(Protostraken  Claus)  war  mit  gewissen  Aenderungen  des  Baues  und  der 
Bewegungsweise  verbunden.  Selbst  bei  pelagischen  Anneliden  (z.  B.  Tomo- 
pteris)  ist  die  Locomotionsform  die  seitlicher  Schlängelungen  des  Körpers1). 
Es  tritt  hier  die  Beweglichkeit  der  Körpersegmente  gegen  einander  in  den 
Vordergrund ,  während  den  Parapodien  nur  ein  geringes  Maass  von  Eigen- 
bewegung zukommt.  Bei  der  stärkeren  Chitinisirung  der  Körperoberfläche 
der  Crustaceenahnen  wurde  die  Beweglichkeit  der  Metameren  gegen  einander 
eingeschränkt.  Der  Rumpf  gewann  an  Festigkeit  und  Starrheit,  während 
die    Extremitäten    sich    vom    Rumpfe    zu    selbstständiger    Beweglichkeit   ab- 


*)  Von   dieser  Bewegungsform    haben  sich  noch  Spuren  bei  Branchipus  erhalten. 
Vgl.  Dohrn  (No  9). 


498       '  XV.  Capitel. 

gliederten.  Es  ist  gewiss,  dass  hiemit  eine  vollkommenere,  mit  weniger  Kraft- 
aufwand verbundene  Bewegungsform  erzielt  wurde.  Mit  der  Umwandlung  der 
Annelidenparapodien  zu  selbstständig  beweglichen  Rudern  wrar  der  Grund 
zur  Gestaltveränderung  dieser  Fortsätze  gegeben,  welche  schliesslich  zur  Aus- 
bildung des  zweiästigen  Crustaceenbeines  führte.  Mit  Rücksicht  darauf,  dass 
die  Parapodien  mancher  pelagischer  Anneliden  thatsächlich  eine  lamellöse 
Form  annehmen,  werden  wir  für  die  hypothetischen  Crustaceenahnen  eine 
ähnliche  Beinform  supponiren  dürfen.  Wir  werden  uns  deshalb  der  Ansicht 
zuneigen,  dass  die  lamellösen,  noch  nicht  gestreckten  Beinformen  der  Phyllo- 
poden ,  welche  auch  bei  Nebalia  und  an  den  Maxillen  der  Copepoden  und 
Malacostraken  wiederkehren ,  dem  ursprünglichen  Gliedmaassentypus  nahe- 
stehen ,  und  dass  sich  aus  diesen  erst  secundär  gestrecktere  Beinformen 
herausgebildet  haben.  Wir  werden  die  Zweiästigkeit  des  Crustaceenbeines 
direct  auf  die  entsprechende  Gestalt  der  Annelidenparapodien  zu  beziehen 
haben,  und  es  dürfte  vielleicht  gerechtfertigt  sein,  den  Epipodialanhang  des 
Crustaceenbeines  von  Dorsalkiemen  des  Annelidenparapodiums  abzuleiten. 
Dagegen  war  mit  der  grösseren  Beweglichkeit  der  Segmentanhänge  als  neu 
hinzukommende  Function  ein  Gegeneinanderwirken  der  beiden  Theile  eines 
und  desselben  Paares  ermöglicht,  wras  zur  Entwicklung  dementsprechender 
lappenförmiger  Fortsätze  (Enditen,  Kaufortsätze)  an  der  Innenseite  führte. 
Derartige  Fortsatzbildungen  kommen  noch  sämmtlichen  Rumpfbeinen  der 
Branchiopoden  zu  und  werden  daselbst  auch  zum  Zwecke  der  Beförderung 
von  Nahrungspartikelchen  verwendet.  Bei  den  meisten  Crustaceen  ist  da- 
gegen die  Entwicklung  derartiger  Fortsatzbildungen  auf  die  in  der  Umgebung 
des  Mundes  stehenden  Gliedmaassen  eingeschränkt.  Es  verdient  besondere 
Beachtung ,  dass  auch  die  zweite  Antenne  im  Naupliusstadium  sich  durch 
Kieferfortsätze  ihres  Basalgliedes  an  dem  Kaugeschäfte  betheiligt  und  erst 
später  eine  völlig  präorale  Lagerung  gewinnt,  worauf  ihre  Verwendung  als 
Kauwerkzeug  in  Wegfall  kommt. 

Wenn  wir  uns  durch  die  oben  geschilderte  Aenderung  in  der 
Bewegungsweise,  durch  die  angedeutete  Umwandlung  der  Extremitäten 
(und  damit  steht  eine  Veränderung  in  den  Leibeshöhlenverhältnissen  im 
Zusammenhange)  aus  Annelidenformen  eine  als  Stammform  der  Crustaceen 
geltende  Protostrakenform  hervorgegangen  denken,  so  leuchtet  ein, 
dass  wir  derselben  noch  nicht  alle  jene  Charaktere  zuschreiben  dürfen, 
durch  welche  die  Gruppe  der  Crustaceen  einheitlich  umschrieben  erscheint. 
Die  Vereinigung  der  fünf  vordersten,  gliedmaassentragenden  Segmente  zu 
einem  gemeinsamen  Körperabschnitt  (Kopf),  die  Umbildung  der  beiden 
vordersten  Extremtätenpaare  zur  typischen  Form  der  Crustaceenantennen, 
die  Entwicklung  durch  ein  Naupliusstadium  —  das  sind  Charaktere, 
welche  sämmtlichen  Crustaceen  zukommen,  welche  wir  auch  den 
Urphyllopoden  zuschreiben  werden ,  welche  aber  noch  nicht  mit 
Notwendigkeit  der  Protostrakenform  vindicirt  werden  müssen.  Für 
letztere  werden  wir  im  Gegentheil  eine  grössere  Variationsbreite  in 
Anspruch  nehmen  dürfen.  Wir  werden  annehmen  dürfen,  dass  in  der 
hypothetischen  Protostrakengruppe  Lebensformen  vereinigt  waren,  welche 
von  dem  typischen  Bau  der  Crustaceen  sich  weit  entfernten.  Als  solche 
aus  der  Protostrakengruppe  selbstständig  hervorgegangene  Stämme  werden 
wir  die  Classe  der  Palaeostraken  (Trilobiten,  Gigantostraken ,  Xi- 
phosuren),  sowie  die  Gruppe  der  Pantopoden  bezeichnen  dürfen,  von 
denen  noch  im  Folgenden  die  Rede  sein  wird. 

Es  sei  hier  darauf  hingewiesen,  dass  auch  Peripatus  in  einigen 
wenigen  Punkten  eine  merkwürdige  Uebereinstimmung  mit  den  Crustaceen 


Crustaceen.  499 

erkennen  lässt.  So  haben  die  Untersuchungen  von  Sedgwick  eine  grosse 
Aehnlichkeit  im  Bau  der  Nephridien  beider  Gruppen  ergeben.  Dann 
erinnert  die  Beiziehung  des  Kieferganglions  von  Peripatus  zum  Gehirn 
an  die  entsprechenden  Verhältnisse  des  Antennenganglions  der  Crustaceen. 
Ferner  ist  es  uns  wahrscheinlich  geworden,  dass  eine  bei  Peripatus  bisher 
wenig  beachtete  Bildung  das  Homologon  des  Frontalorgans  der  Crustaceen 
darstellt.  Auf  Grund  dieser  Uebereinstimmungen  darf  man  vermuthen, 
dass  auch  die  Ahnenformen  der  zu  den  Myriopoden  und  Insecten 
hinführenden  Arthropodenreihe  ihre  Wurzel  in  der  Protostrakengruppe 
gehabt  haben. 

Versuchen  wir  uns  ein  Bild  jener  Ahnenformen  zu  entwerfen,  welche 
von  der  mehr  allgemein  umschriebenen  Gruppe  der  Protostraken  den 
Uebergang  zu  den  eigentlichen  Crustaceen  vermittelten,  und  welche 
wir  als  Urphyllopoden  zu  bezeichnen  pflegen,  so  werden  wir  für 
dieselben  einen  mein'  homonom  segmentirten  Körper,  eine  geringere 
Differenz  der  einzelnen  Leibesregionen,  als  dies  bei  den  jetzigen  Crustaceen 
der  Fall  ist,  voraussetzen  dürfen.  Jedes  der  gleichartigen,  den  grössten 
Theil  des  Körpers  bildenden  Rumpfsegmente  besass  ein  Ganglienpaar 
des  Bauchnervenstrangs ,  ein  Paar  zweiästiger,  lamellöser,  phyllopoden- 
beinähnlicher  Extremitäten  und  vielleicht  auch  (wie  bei  Peripatus)  ein  Paar 
von  Nephridien.  Denn,  da  wir  die  Antennendrüse  und  die  Schalendrüse, 
sowie  die  Geschlechtsausführungsgänge  als  umgewandelte  Nephridien 
in  Anspruch  nehmen  müssen,  so  scheint  die  in  den  einzelnen  Crustaceen- 
gruppen  sehr  wechselnde  Lagerung  der  Geschlechtsausführungsgänge 
darauf  hinzudeuten,  dass  wir  der  gemeinsamen  Ahnenform  der  Crustaceen 
eine  grössere  Zahl  von  Nephridienpaaren  zuzuschreiben  haben.  Für  den 
gliedmaassenlosen  hintersten  Körperabschnitt  (End-  oder  Analsegment) 
werden  wir  vielleicht  den  Besitz  paariger  Furcalfortsätze  als  von  der 
gemeinsamen  Ahnenform  der  Crustaceen  ererbt  annehmen  dürfen.  Die 
typischesten  Crustaceencharaktere  waren  aber  offenbar  schon  bei  den 
Urphyllopoden  in  der  Gestaltung  des  vordersten  Körperabschnittes,  des 
sog.  Kopfes  zum  Ausdruck  gekommen.  Wir  finden  hier  die  Vereinigung 
der  fünf  vordersten,  gliedmaassentragenden  Körpersegmente  (denen  wahr- 
scheinlich als  sechster  gesonderter  Abschnitt  ein  vorderstes,  primäres 
Kopfsegment  mit  den  Augen  und  Frontalorganen  zugerechnet  werden 
muss)  zu  einer  gemeinsamen  Körperregion,  deren  durch  eine  Duplicatur 
erweitertes  Rückenintegument  zur  Bildung  des  schützenden  Rückenschildes 
sich  vergrösserte.  Von  den  fünf  dieser  Region  zugehörigen  Gliedmaassen- 
paaren  nehmen  die  ursprünglich  überall  einreihigen  Antennulae  als 
Träger  wichtiger  Sinnesorgane  eine  exceptionelle  Stellung  ein.  Dir 
darauffolgenden  zweiten  Antennen  waren  zweiästig  und  funsirten  vor- 
nehmlich als  Ruder,  vielleicht  auch  noch  an  dem  Kaugeschäfte  sich 
betheiligend.  Zu  letzterem  erschienen  die  hinter  der  Oberlippe  gelegenen 
Mandibeln  durch  Umbildung  ihres  Basalgliedes  besonders  befähigt,  während 
der  übrige  Theil  der  Extremität  sich  bei  den  Copepoden  als  zweiästiger 
Taster  erhalten  hat.  Zwei  darauffolgende  Maxillenpaare  näherten  sich 
im  Bau  den  dahinter  folgenden  Rumpfgliedmaassen  und  haben  vielfach 
unter  den  jetzt  lebenden  Crustaceen  noch  ursprüngliche  Charaktere 
bewahrt.  Mit  Rücksicht  auf  das  Vorhandensein  einer  hinter  den  Mandibeln 
gelegenen  paarigen  Unterlippenbildung  (Paragnathen)  in  verschiedenen 
Crustaceengruppen  werden  wir  eine  solche  auch  der  gemeinsamen 
Stammform  zuschreiben  dürfen.  Dem  vordersten  Kopfabschnitte  kamen 
zu:  die  Frontalorgane  (primäre  Kopftentakel  der  Anneliden?),  das  unpaare 


500  xv-  Capitel. 

Auge  (sog'.  Naupliusauge)  und  die   paarigen,   zusammengesetzten  Augen, 
welche    wir   offenbar   als    von    der   gemeinsamen    Crustaceenstammform 
ererbt   annehmen   dürfen.      Durch    die    so    geschilderte   Ausbildung    des 
Kopfabschnittes  und  seiner  Gliedmaassen  waren  die  Charaktere  gegeben, 
durch  welche  die  eigentlichen  Crustaceen  (Urphyllopoden)  sich   von   den 
Palaeostraken  und  den  übrigen  Stämmen  der  Arthropoden  trennten.    Die 
Urphyllopoden  waren  wahrscheinlich  getrennt  geschlechtlich ;  sie  besassen 
ein    langes  Rückengefäss   mit  segmentalen   Ostienpaaren    und    vielleicht 
auch  ein  Paar  von  Leberausstülpungen  in  jedem  Segmente.     Für  letztere 
Charaktere    sprechen    die    Organisationsverhältnisse    der    Stomatopoden. 
(Hinsichtlich  der  gemeinsamen  Crustaceenstammform  vergleiche  die  ähn- 
lichen Aufstellungen  in  Lang's  Lehrbuch  der  vergl.  Anatomie  pag.  419.) 
Zum  Schlüsse  noch  einige  Hinweise  darauf,  wie  sich  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  der  einzelnen  Crustaceengruppen  unter  einander  darstellen. 
Den  Urphyllopoden  stehen  unter  den  Entomostraken  dieBranchiopoden, 
unter  den  Malacostraken  Nebalia,  und  in  Hinsicht  auf  manche  Punkte  der 
inneren  Organisation  die    Stomatopoden    am    nächsten.     Unter  den  Ento- 
mostraken haben  sich  wahrscheinlich    die  Copepoden  am  frühesten  selbst- 
ständig abgezweigt  und,  während  sie  in  Anpassung  an  die  pelagische  Lebens- 
weise eine  gewisse  Reduction  erfuhren  (Rückbildung  des  Rückenschildes,  des 
Herzens,    der   Respirationsorgane,    Verlust   des    paarigen  Auges),    in  anderer 
Hinsicht,   besonders   in    Bezug   auf   den  Bau   der  Mundtheile   sehr  ursprüng- 
liche   Verhältnisse     bewahrt.       Die     übrigen     Entomostraken     (Phyllopoden, 
Ostrakoden  und  Cirripedien)  scheinen  einander  etwas  näher  zu  stehen.    Unter 
den  Phyllopoden  stellen  die  kleinen,  aus  wenigen  Körpersegmenten  bestehenden 
Cladoceren    eine   offenbare    Rückbildungsform    der    Estheriden    dar.     Für 
die    Ostracoden    werden  wir  eine  von    einer   zweiklappigen    Schale    völlig 
umschlossene  Urphyllopodenform  zum  Ausgangspunkte  zu  nehmen  haben,  eine 
Form,    welche    demnach    im  Habitus    offenbar    den  Estheriden    ähnlich    war. 
Die   ursprünglichsten  Formen   unter   den    Ostracoden,    die  Cypridinen,  weisen 
in  der  Gestaltung  der  Gliedmaassen  deutlich  auf  die  Verwandtschaft  mit  den 
Phyllopoden    hin.      Da    wir    für    die    Urphyllopoden    einen    aus    zahlreichen 
Segmenten   bestehenden  Körper    voraussetzen  müssen,    so  werden  wir  für  die 
Ostracoden    eine    secundär    eingetretene  Verringerung    der  Segmentzahl  anzu- 
nehmen haben.    Von  einer  ähnlichen  Stammform,  wie  die  Ostracoden,  haben 
wir   auch   die    Cirripedien    abzuleiten,    bei    deren  Beurtheilung  wir  von 
der  freischwimmenden ,    cyprisähnlichen  Larve  ausgehen  müssen.      Allerdings 
wird    für  die  Cirripedien  im  Anschlüsse  an  Claus  vielfach  eine  nähere  Ver- 
wandtschaft mit  den  Copepoden  angenommen.    Letztere  Annahme  stützt  sich 
auf  die  Aehnlichkeit  der  Thoraxgliedmaassen,  sowie  auf  die  übereinstimmende 
Segmentalzahl    dieses  Körperabschnittes    in    beiden  Gruppen.     Da  aber  diese 
Merkmale   in    beiden    Gruppen    selbstständig   erworben    sein   können,    wie  sie 
denn    auch    thatsächlich   bei  anderen  Crustaceen  wiederkehren  (die  Zahl  von 
sechs  Thoraxsegmenten  z.  B.    auch    bei    den  Cladoceren),    so  werden  wir  auf 
dieselben  keine  ntscheidendes  Gewicht  legen  können.    Fassen  wir  die  typischesten 
Copepodencharaktere    (Rückbildung  der  Seitenaugen  und  des  Rückenschildes, 
Auflösung   der    zweiten    Maxille    in   ein  Doppelpaar    von  Maxillarfüssen)   ins 
Auge,    so    finden    wir,    dass    dieselben  der  Cyprislarve  der  Cirripedien  nicht 
zukommen.      Auf    das    Vorhandensein    einer    umfangreichen,    zweiklappigen 
Schale,   aus  welcher  der  Mantel  der  ausgebildeten  Form  hervorgegangen  ist, 
werden  wir  bei  der  Beurtheilung  der  systematischen  Stellung  der  Cirripedien  in 
erster  Linie  Werth    legen   müssen.     Uns   erscheinen    demnach    die    verwandt- 
schaftlichen Beziehungen    dieser   Gruppe  zu  den  Copepoden  nur  fernere,  und 


Crustaceen.  501 

mit  Rücksicht  auf  die  cyprisähnliche  Larve  ist  wohl  die  Ableitung  von  einer 
mit  zweiklappiger  Schale  versehenen  Urphyllopodenform  gerechtfertigt.  Wir 
schliessen  uns  in  dieser  Hinsicht  den  Ausführungen  Balfour's  (Handbuch 
der  Vergl.  Embryologie.  Deutsche  Ausgabe.  I.  Bd.  pag.  482)  und  Fowler's 
(No.  43)  an. 

Unter  den  Malacostraken   nehmen  die  L e p t o s t r a k e n ,  zu  denen 
ausser   der  jetzt   lebenden  Gattung  Nebalia   und  Verwandten   mit   grosser 
Wahrscheinlichkeit   noch   eine   Reihe   fossiler    Formen,    wie   Ceratocaris, 
Dictyocaris,    Hymenocaris   zu  rechnen  ist,  die  ursprünglichste    Stufe 
ein   und   zeigen  morphologische  Charaktere,    durch  welche  sie  sich  direct  an 
die    Phyllopoden   anschliessen.      Nebalia,    deren  Bau    hauptsächlich    durch 
Claus    genauer    bekannt    geworden    ist,    wie  denn  auch   die  Präcisirung  der 
systematischen  Stellung  dieser  Form  auf  diesen  Forscher  zurückzuführen  ist, 
zeigt   in    der    Regioneneintheilung    des    Körpers,   in    dem  Bau    und  der  Zahl 
der  Gliedmaassen,  sowie  in  zahlreichen  Punkten  der  inneren  Anatomie  (Vor- 
handensein   eines    dem    Vorderdarm    zuzurechnenden    Kaumagens,    Zahl   und 
Vertheilung    der  Leberschläuche)    ganz   entschiedenen  Malacostrakentypus,    so 
dass   über    die  Zurechnung   dieser  Form    zu    den  Malacostraken  kein  Zweifel 
aufkommen  kann.      Selbst  die  in  acht  gleichgestalteten  Paaren   vorhandenen, 
phyllopodenbeinähnlichen  Thoraxgliedmaassen  schliessen  sich  nach  der  Glieder- 
zahl ihres  Endopoditen  den  Malacostraken  an.     Demgegenüber    fällt  es  kaum 
ins  Gewicht,  dass  das  Abdornen  an  seinem  hintersten  Eude  ein  überzähliges, 
gliedmaassenloses    Segment    aufweist.      Von    Merkmalen,    durch    welche   die 
Nebalien    sich   an    die   Phyllopoden   anschliessen   und   daher  sich  als  directe 
Abkömmlinge  der  hypothetischen  Gruppe    der  Urphyllopoden  darstellen,  sind 
zu    erwähnen :    das    Vorhandensein    eines   langgestreckten    Herzens   mit   einer 
grösseren  Anzahl  venöser  Spaltenpaare  (vier  grosse  und  drei  kleine),  die  sehr 
ursprüngliche  Gestaltung   der  Bauchganglienkette,    deren   Kieferganglien   sich 
wie   bei  Branchipus   gesondert   erhalten   haben,    die  flache,    lamellöse,  an  die 
Form  der  Phyllopodenbeine  erinnernde  Gestaltung  der  acht  Thoraxbeinpaare, 
an  denen  eine  Sonderung  von  Maxillarfüssen  und  Gang-  oder  Schwimmfüssen 
noch    nicht    eingetreten    ist,    das  Vorhandensein    einer   umfangreichen,    zwei- 
klappigen ,    durch    einen    eigenen  Schliessmuskel    verschliessbaren  Schale  und 
schliesslich  der  Besitz  zweier  langgestreckter,  selbstständig  beweglicher  Furcal- 
fortsätze,   welche  sehr  an  die  von  Branchipus  erinnern. 

Unter  den  übrigen  Malacostraken  nehmen  die  Stomatopoden  eine 
ungemein  selbstständige  Stellung  ein.  Offenbar  haben  wir  es  hier  mit  einem 
Stamm  zu  thun,  der  sich  sehr  frühzeitig  von  den  Urmalacostraken  abgesondert 
hat.  Während  die  Form  des  Herzens  und  vielleicht  auch  die  Vertheilung 
der  Leberschläuche  auf  ursprüngliche  Verhältnisse  hinweisen,  finden  wir  nach 
anderer  Richtung  vielfach  originelle ,  offenbar  selbstständig  erworbene  Ge- 
staltungsverhältnisse zur  Ausbildung  gelangt. 

Der  Hauptstamm  der  Malacostraken  dagegen  leitet  sich  von  den  Lepto- 
straken  unter  Vermittlung  der  Schizopoden  ab,  unter  denen  wieder  die 
Euphausiden  als  die  ursprünglichste  Gruppe  gelten  dürfen.  Als  solche 
geben  sich  die  letzteren  besonders  durch  die  Gestaltung  der  Thoraxbeine  zu 
erkennen,  welche  sämmtlich  als  zweiästige  Ruderfüsse  entwickelt  sind  und  von 
ziemlich  gleicher  Form  erscheinen.  Die  Ansicht,  dass  die  Decapoden  von 
Schizopoden  abstammen,  wird  durch  das  Vorhandensein  eines  schizopoden- 
ähnlichen  Stadiums  in  der  Metamorphose  vieler  Decapoden  besonders  gestützt. 
Unter  letzteren  schliessen  sich  die  Penaeiden,  denen  auch  die  Astaciden  nahe 
stehen,  am  nächsten  an  die  Schizopoden  an.  Die  übrigen  Decapoden  erscheinen 
als   abgeleitete  Formen  der  von  den  Sohizopoden  ausgehenden   Entwicklungs- 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  33 


502  x^  ■  Capitel. 

reihe.  Die  Brachyuren,  durch  zahlreiche  als  Anomuren  bezeichnete 
Uebergänge  mit  den  Macruren  verbunden,  müssen  als  die  höchstent- 
wickelte, aber  abgeleitetste  Gruppe  dieser  Formenreihe  betrachtet  werden. 

Eine  zweite  von  den  Schizopoden  ausgehende  Formenreihe  führt  unter 
Vermittlung  der  Mysideen  und  Cumaceen  zu  den  Arthros  traken , 
welche  wir  uns  unter  Rückbildung  des  Cephaiothoraxschildes,  des  Stielauges 
und  der  Exopoditen  der  Thoraxgliedmaassen  aus  den  Schizopoden  hervor- 
gegangen zu  denken  haben.  Letztere  Ableitung  wurde  in  neuerer  Zeit 
besonders  durch  Boas  (No.  4)  urgirt.  Für  dieselbe  spricht  der  Bau  der 
Scheerenasseln  (Anisopoden),  bei  denen  an  den  zwei  vorderen  Thoraxbeinen 
rudimentäre  Exopoditen  erhalten  sind,  sowie  sich  auch  der  Rest  einer  dorsalen 
Schildduplicatur  hier  vorfindet.  Eine  weitere  Stütze  gewinnt  diese  Ableitung 
durch  die  Beobachtung  Nusbaum's,  welcher  am  Embryo  von  Ligia  (Litt. 
d.  Embryo-Entw.  No.  85  a)  für  sämmtliche  Thoraxbeinpaare  eine  spaltästige 
Anlage  feststellen  konnte.  Den  Anisopoden  stehen  die  Isopoden, 
unter  denen  besonders  Asellus  ursprüngliche  Verhältnisse  bewahrt  hat, 
nahe,  während  die  Amphipoden  als  eine  mehr  abgeleitete  Gruppe  dieser 
Formenreihe  betrachtet  werden  müssen. 


Litteratur  der  Metamorphose  der  Crustaceen. 

Crustaceen  im  Allgemeinen. 

1.  Bäte ,    C.   Spence.     Report   on    the  present  state  of  our  knowledge  of  the  Crustacea. 

Report  of  the  British  Association  Adv.  Sei.  .  For  1S7S. 

2.  Bäte,  C.  Spence  and  Westwood,  J.  O.     A  History  of  the  British  Sessile-eyed 

Crustacea.     2   Vols.     London.     1861 — 1868. 

3.  Bell,  Th.     A  History  of  the  British  Stalk-eyed  Crustacea.     London.     1853. 

4.  Boas,    J.    E.    V.      Studien    über   die  Uerivandtsehaftsbeziehungen    der   Malacostraken. 

Morph.  Jahrb.     8.  Bd.     1883. 

5.  Claus,  C.    JJie  morphologischen  Beziehungen  der  Copepodm,  Phyllopoden.  Cirrhipedien  etc. 

Würzburg.    Naturwiss.  Zcitsch.     3.  Bd.     1862. 

6.  Claus,  C.    Zur  Kenntniss  der  Kreislaufsorgane  der  Schizopoden  und  Decapoden.    Arb. 

des  Zool.  Inst.   Wien.     5.  Bd.     1883. 

7.  Claus,    C.     Neue  Beiträge   zur  Morphologie   der  Crustaceen.     Arb.  Zool.  Inst.    Wien. 

6.  Bd.    1885. 

8.  Claus,   C.      Untersuchungen  zur  Erforschung  der  genealogischen  Grundlage  des  Crusta- 

ceen-Systems.      Wien.     1876. 

9.  Dohrn,  A.     Geschichte  des  Krebsstammes.    Jen.  Zeit  sehr.  f.  Naturw.     6.  Bd.     1871. 

10.  Dohrn,  A.      Untersuchungen  etc.     8.    Ute   Ueberrcste  des  Zoea- Stadiums  in  der  onto- 

genetischen  Entwicklung  der  verschiedenen  Crustaccen-Familien.     Jen.  Zeitschr.  f.  Natur- 
wissensch.     5.  Bd.     1870. 

11.  Dohrn,    A.     Die  Pantopoden   des   Golfes   von  Neapel  und  der   angrenzenden  Meeres- 

abschnitte.    Leipzig.      1881.      (Ueber   die  Bedeutung    des  Nauplius  und  die  Fhylogcnie 
der  Crustaceen.) 

12.  Faxon,   W.     Selections  front   Embryological  Monographs ,    compiled  by  Alex.   Agassiz, 

W.  Faxon   and   F..    L.  Mark.     I.  Crustacea.     Mem.   Mus.   Comparat.     Zool.  Harvard 
College.     Cambridge.      Vol.  !).     1882. 

13.  Faxon.    W.      Bibliography   to   aecompany   Selections   from    embryological    monographs 

compiled  by  Alex.  Agassiz,     W.  Faxon  and  E    L.  Mark.     I.    Crustacea.     Bull.  Mus. 
Comp.     Zool.  Harvard  College.     Cambridge.      Vol.  9.     1882. 

14.  Gerstaecker.  A.     Crustacea   in  Bronn' s  Classen   und  Ordnungen    des   Thierrciehs. 

V.  Bd.     1.  Abth.     I.  Hälfte  1866—1879.    2.  Hälfte  1881— 18S9  noch  unvollendet. 


Crustaceen.  503 

15.  Hatschek,  B.     Beiträge  zur  Entwicklung  der  Lepidopteren.     Jen.  Zeitschr.    Bd.  11. 

1877  und  Studien  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Anneliden.     Arb.  Zool.  Inst.  Wien. 
1.  Bd.    1878.    (TJeber  die  Bedeutung  des  Nauplius  und  die  Phylogenie  der  Crustaceen.) 

16.  Müller,  F.     Für  Darwin.     Leipzig.     1864. 

17.  Packard ,   A.    S.      On    the   Homologies    of    the   Crustacean    Limbs.   Atner.    Natural. 

Vol.  IG.     1882. 

Phyllopoclen. 

18.  Brauer,  F.      Vorl.  Mittheilung   über  die  Entwicklung  und  Lebensiveise  des  Lepidurus 

(Apus)  produetus.     Sitz.  Ber.  Acad.   Wiss.   Wien.     69.  Bd.     1874. 

19.  Chambers,  V.  T.     The  Larva  of  Estheria  mexicana.    Amer.  Nat.     Vol.  19.    1885. 

20.  Claus,  C.     Zur  Kenntniss   des  Baues  und  der  Entwicklung  von  Branchipus  stagnalis 

und  Apus  cancriformis.     Abh.  k.  Acad.   Wiss.  Göttingen.     18.  Bd.     1873. 

21.  Claus,   C.      Z'ntersuchungen   über   die  Organisation   und  Entwicklung   von  Branchipus 

und  Artemia.     Arb.  Zool.  Inst.   Wien.     6.  Bd.     1886. 

22.  Ficker,   G.     Zur  Kenntniss  der  Entwicklung  von  Estheria  ticinensis  Bals.  Criv.   Sitz. 

Ber.  Acad.    Wiss.    Wien.     74.  Bd.     1876. 

23.  Grube,  E.     Bemerkungen   über   die  Phyllopoden  nebst  einer   Vebersicht  etc.     Arch.  f. 

Katurg.     19.  Bd.     1853. 

24.  Joly,  N.    Histoire  d'un  petit  Crustace  (Artemia  salina  Leach.J  etc.    Ann.  Sc.  Nat.  (2). 

Vol.  13.     1840. 

25.  Joly,   W.    Recher  ches  zool.  anat.  et  physiologiques  sur  Visaura  cycladoides  (=  Estheria) 

nouveau  genre  etc.     Ann.  Sc.  Nat.   (2).      Vol.  17.     1842. 

26.  Lereboullet,  A.     Observalions   sur  la  gtneration  et  le  developpement  de  la  Limnadia 

de  Hermann.     Ann.  Sc.  Nat.  (5).     Vol.  5.     1866. 

27.  Leydig,  F.      Veber  Artemia  salina  und  Branchipus  stagnalis.    Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool. 

13.  Bd.     1851. 

28.  Packard,  A.  S.    A  Monograph  of  North- American  Phyllopod  Crustacea.     12.  Ann. 

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29.  Sars,  G.  O.     Om  en  dimorph  Udvikling  samt  Generationsvexel  hos  Leptodora.    Vidensk. 

Selskab  Forhandl.     1873. 

30.  Sars,  G.  O.     On  some  Australian  Cladocera  raised  from   dried  mud.     For.   Vidensk. 

Selskab.     Christiania.      1885. 

31.  Zaddach.   G.     De  apodis  cancriformis  Schaeff.  anatome  et  historia  evolutionis.     Diss. 

inaug.   zootomica.     Bonnae.     1841. 


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32.  Claus,  C.     Zur   näheren  Kenntniss  der  Jugendformen  von  Cypris  ovum.     Zeitschr.  f. 

Wiss.  Zool.     15.  Bd.     1865. 

33.  Claus.   C.     Veber  die  Organisation  der  Cypridinen.     Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.     15.  Bd. 

1865. 

34.  Claus,   C.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  Ostracoden.    Entwicklungsgeschichte  von  Cypris 

ovum.     Schrift,  d.  Ges.  zur  Befbrd.  d.  gesammt.  Natunv.     Marburg.     9.  Bd.    1868. 

35.  Zenker,  W.     Monographie  der  Ostracoden.     Arch.  f.  Naturgesch.     20.  Bd.     1854. 


Cirripedien. 

36.  Bäte,    C.    Speiice.      On   the    development   of  the  Cirrhipedia.     Ann.    and  Mag.   of 

Natur.  Eistor y  (2).     8.  Bd.     1851. 

37.  Burmeister,  H.     Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Rankenfilsser .     Berlin.     1S34. 

38.  Claparede,  E.    Beobachtungen  über  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  wirbelloser 

Thiere.     Leipzig.     1863.    p.  98—101. 

39.  Claus,    C.     Die  cypris-ähnliche  Larve  der  Cirrhipedien.     Marburg.     1869.     Schrift. 

d.   Gesellsch.  z.  Beförd.  d.  gesammt.  Naturw.     9.  Bd.     5.  Suppl.-Heft. 

40.  Darwin,   Ch.    A  monograph  of  the  sub-class  Cirripedia,  Ray.  Society.    1851 — 1854. 

(Besonders  tvichtig  die  Darstellung  im  2.  Bde.    [Balanidae]). 

41.  Delage,  Yves.    Evolution  de  la  Sacculine.    Arch.  Zool.  Exper.  (2).    Tome  2.    1884. 


504  XV.  Capitel. 

42.  Dohrn,  A.     Untersuchungen  über  Bau  und  Entwicklung  der  Arthropoden.    IX.    Eine 

neue  Naupliusform  (Archizoca  gigas).     Zeitschr.  f.   Wiss.  Zool.    20.  Bd.     1870. 

43.  Fowler,  G.  H.    A  Remarkuble  Crustacean  Farasite  and  its  Bearing  on  the  Phylogeny 

of  the  Entomostraca.     Quart.  Journ.  Microsc.  Sc.   (2).     30.  Bd.     1890. 

44.  Hesse,    M.      Memoire    sur    les    metamorphoses ,     que    subissent   pendant    la   periode 

embryonnaire  les  Anatifs  appeles  Scalpels  obliques.    Ann.  Sc.  Nat.  (4).    Tom.  11 .  1S59. 

45.  Hoek,  P.  P.  C.     Report  on  the  Cirripedia  etc.    Challenger  Reports.    8.  Bd.     1883. 

46.  Hoek,  P.  P.  C.     Report  on  the  Cirripedia  etc.   (Anatomical  Part).    Cliallenger  Reports. 

10.  Bd.     1884. 

47.  Knipowitsch,  N.     Dendrogaster  astericola  n.  g.  et  n.  sp.,  eine  neue  Form  aus  der 

Gruppe  Ascothoracida.     Biol.  Centralbl.     10.  Bd.     1891. 

48.  Koren,  J.,  u.  Danielssen,  D.    Zoologiske  Bidrag.    Nyt  Magazin  for  Naturviden- 

skaberne.      V.  3.     1847  (auch  in:  Isis.     1848). 

49.  Kossmann,  E.     Suctoria  und  Lepadidae.    Arb.  Zool.  Instit.  Würzburg.    1.  Bd.    1874. 

50.  Krohn,    A.     Beobachtungen  über  die  Entwicklung  der  Cirrhipedien.    Arch.  f.  Natur- 

geschichte.    26.  Bd.     1860. 

51.  Laeaze-Duthiers ,    H.  de.     Histoire   de   la  Laura  Gerardice.     Institut   de  France. 

Me'm.  de  V  Academie  des  Sciences.     Tome  42.     1882.     Ferner  in :  Arch.  Zool.  Exper. 
8.  Bd.     1879—1880. 

52.  Lang,    A.      Veber   die  Metamorphose   der  Naupliuslarven   von  Baianus   mit  Rücksicht 

auf  die  Gestaltung  der  Gliedmaassen  und  die  Verwandlung  in  die  Cypris-ähnliche  Larve. 
Mitth.  Aargauische  nat,  Gesellsch.     1.  Bd.     1878. 

53.  Metsehnikoff ,    E.     Sitz.  Ber.    Versamml.  deutsch.  Naturforsch,  zu  Hannover  1865. 

pag.  218. 

54.  Müller,  Fr.    Die  Rhizocephalen,  eine  neue  Gruppe  schmarotzender  Kruster.    Arch.  f. 

Natur gesch.     28.  Bd.     1862. 

55.  Müller,  Fr.     Die  zweite  Entwicklungsstufe  der   Wurzelkrebse  (Rhizocephalen).    Arch. 

f.  Naturgesch.     29.   Bd.     1863. 

56.  Noll,  C.     Kochlorine  hamata,  ein  bohrendes  Cirrhiped.    Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.  25.  Bd. 

1875. 

57.  Norman.      Ueber  Synagoga  mira.     Report  of  the  British  Assoc.     18S7  (1888). 

58.  Pagenstecher,    A.      Beiträge  zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  von   Lepas 

pectinata.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     13.  Bd.     1863. 

59.  Schultze,  Max.     Zoolog.  Skizzen.    Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.    4.  Bd.     1853.    p.  189. 

60.  Thompson,    J.    V.       Zoological    Rescarches    and    Illustrations.       Vol.    1.       Part    1. 

Memoir  4:   On  the  Cirripedes  or  Barnacles  etc.     Cork.     1830. 

61.  Thompson,  J.  V.     Discovery  of  the  Metamorphosis  in  the  second  type  of  the  Cirri- 

pedes, viz.  the  Lepades  etc.    Philos.  Transactions.     London.     1835.     Part  II. 

62.  "Willemoes-Suhm,  R.  von.    On  the  derelopment  of  Lepas  fascicularis.    Phil.  Transact. 

London,      Vol.  166.    1876.     Part  I. 

63.  Willemoes-Suhm,    E,.  von.     On   a  Crustacean  Larva  at   one  time  supposed  to  be 

the  Larva   of  Limulus    (veröffentl.   von  Ray  Lankester).     Quart.  Journ.  Micr.  Sc. 
Vol.  23.     1883. 

Copepoden. 

64.  Claus,  C.     Zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Copepoden.    Arch.  f.  Natur g. 

Bd.     1858. 

65.  Claus,  C.      Untersuchungen  über  die  Organisation  und  Verwandtschaft  der  Copepoden. 

Würzb.  Naturw.  Zeitschr.     3.  Bd.      1862. 

66.  Claus,    C.      Ueber  den  Bau  und  die  Entivicklung  von  Achtheres  percarum,     Zeitschr. 
f.    Wiss.  Zool.     11.  Bd.     1862. 

67.  Claus ,    C.     Die  freilebenden  Copepoden   mit   besonderer   Berücksichtigung   der  Fauna 

Deutschlands,  der  Nordsee  und  des  Mittelmeeres.     Leipzig.     1863. 

68.  Claus,    C.       Ueber    die   Entwicklung,    Organisation    und   systematische   Stellung    der 

Arguliden.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     25.  Bd.     1875. 

69.  Claus,  C.     Ueber  Lernaeascus  nematoxys  Cls.  und  die  Familie  der  Philichthydtn,    -  Irb. 

Zool.  Inst.    Wien.     7.  Bd.     1887. 

70.  Claus,   C.    Beobachtungen  über  Lernaeocera,  Peniculus  und  Lernaea.    Ein  Beitrag  zur 

Naturgeschichte  der  Lernaeen.    Schrift,  Ges.  zur  Beförd.  d.  Gesammt.  Naturw.  Marburg. 
1868.     9.  Bd.     2.  Suppl.-Heft. 

71.  Claus,  C.    Ueber  den  Bau  u.d.  Entivicklungsgesch. parasitischer  Crustaceen,  Cassel.  1858. 


Crustaceen.  505 

72.  Claus,  C.     Zur  Morphologie   der  Copepoden.     3.    TJeber   die  Leibesgliederung  und  die 

Mundiverkzeuge  der  Schmarolzerkrebse.      Würzburg.  Naturw.  Zeitschr.    1.  Bd.    1860. 

73.  Grobben,  C.     Die  Entwicklungsgeschichte  von  Cetochilus  septentrionalis  Goodsir.   Arb. 

Zool.  Inst.    Wien.     3.  Bd.     1881. 

74.  Hartog,  M.  M.     The  morphology  of  Cyelops  and  the  relations  of  the  Copepoda.   Trans. 

Linn.  Soc.      (2)   Vol.  5.  Part.  I.     1888. 

75.  Hartog,  M.  M.     The  morphology  of  Cyelops  and  the  relations  of  the  Copepoda.    Zool. 

Anz.     8.  Jahrg.     1885. 

76.  Kellikott,  D.   S.     A  larval  Argulus.     North.  Amer.  Entomol.      Vol.  1. 

77.  Kollar,  V.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  lernaeenartigen  Crustaceen.     Ann.  d.   Wien. 

Mus.     1.  Bd.     1835. 

78.  Leydig,  Fr.      Ueier  Argulus  foliaceus.    Neue  Mitth.    Arch.  f.  Micr.  Anat.    33.  Bd. 

1889. 

79.  Nordmann,  v.     Mikrographische  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  wirbellosen  Thiere. 

IL  Heft.     1832. 

80.  Salensky.     Sphaeronella  Leuckartii.     Arch.  f.  Naturgesch.     34.  Bd.  1868. 

81.  Vejdowsky,  F.     Untersuchungen  über  die  Anatomie  und  Metamorphose  von  Trache- 

liastes  polycolpus.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     29.  Bd.     1877. 

Leptostraken. 

82.  Metsehnikoff,  E.     Zur  Entwicklung  von  Nebalia  (Russisch).     13.  Bd.    Sapiski  Acad. 

St.  Peter sbour g .     18(>S. 

Stomatopoden. 

83.  Brooks,    W.  K.     The   larval   stages   of  Squilla  Empusa  Say.     Chesapeake  Zoological 

Laboratory.     Scientific  Results  of  the  Session  of  1878.     Baltimore.     1879. 

84.  Brooks,    W.    K.      Report    on    the   Stomatopoda    collected   by   H.   M.    S.    Challenger. 

Challenger  Reports.      Vol.  16.     1886. 

85.  Brooks,  W.  K.    Notes  on  the  Stomatopoda.    Ann.  Mag.  Nat.  Hist.  (5).    Vol.  17.  1886. 

86.  Claus,    C.     Die   Kreislauf sorgane   und   Blutbewegung   der  Stomatopoden.     Arb.  Zool. 

Inst.    Wien.     5.  Bd.     1883. 

87.  Claus,    C.     Die  Metamorphose  der  Squilliden.     Abh.  d.  königl.  Ges.   Wiss.  Göttingen. 

16.  Bd.     1871. 

88.  Müller,  F.    Bruchstück  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Maulfüsser.    Arch.  f.  Natur g. 

28.  Bd.     1862. 

89.  Müller,  F.     Ein   zweites  Bruchstück  aus   der  Entwicklungsgeschichte  der  Maulfüsser. 

Arch.  f.  Naturg.     29.  Bd.     1863. 

Schizopoden. 

90.  Brook,    G.    and    Hoyle,    W.    E.      The   Metamorphosis    of  British  Euphausiidae. 

Procced.  Roy.  Soc.  Edinburgh.     15.    Vol.     1887—1888. 

91.  Claus,  C.      Ueber  einige   Schizopoden   und  niedere  Malacostraken.     Zeitschr.  f.   Wiss. 

Zool.     13.  Bd.     1863. 

92.  Dohrn,    A.      Untersuchungen   über   den  Bau  und  die  Entwicklung  der  Arthropoden. 

Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.   21.  Bd.    1871.  pag.  375.  Penaeuszoea  =  Larve  von  Euphausia. 

93.  Metsehnikoff,    E.      Ueber   ein   Larvenstadium   von    Euphausia.      Zeitschr.  f.    Wiss. 

Zool.     19.  Bd.     1869. 

94.  Metsehnikoff,    E.       Ueber  den  Nßupliuszustand  von  Euphausia.    Zeitschr.  f.    Wiss. 

Zool.     21.  Bd.     1871. 

95.  Sars,  G.  O.     Report  on  the  Schizopoda.    In  Challenger  Reports.     Vol.  13.     1885. 

Cumaceen. 

96.  Dohrn,   A.      Ueber  Bau   und  Entwicklung   der  Cumaceen.     Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw. 

5.  Bd.     1870. 

Decapoden. 

97.  Bäte,  C.  Spence.     On  the  development  of  Decapod  Crustacea.    Phil.  Transact.  Roy. 

Society  London.     148.  Bd.     1859. 

98.  Bäte,  C.   Spence.     Carcinological  Gleanings.     No.  IV.     Ann.  and  Mag.  Nat.   Hist. 

(4).    2.  Bd.    1868.    (Larven  von  Porcellanat  Pagurus,  Palinurus  etc.) 


506  XV.  Capitel. 

99.  Bäte,  C.  Spenee  and  Power.  W.  H.  On  the  development  of  the  Crustacean 
Embryo  and  the  Variations  of  Forms  exhibited  in  the  Larva  of  thirty-eight  gener a  of 
Fodophthalmia.     Ann.  Mag.  Nat.  Hist.   (4).     18.  Bd.     1876. 

100.  Bäte,   C.  Spenee.    Report  on  the  Crustacea  Macrura  collected  by  H.  M.  S.  Challenger. 

Challenger-Reports.      Vol.  24.     1888. 

101.  Birge,  E.  A.      The  ßrst  Zorn  Stage  of  Pinnotheres  ostreum.    Amer.  Natur.     Vol.  16. 

1882. 

102.  Birge,  E.  A.     Notes    on  the  development  of  Panopaeus  Sayi.  Stud.  Biol.  Lab.  Johns 

Hopkins.    Univ.      Vol.  2.     1883. 

103.  Boas,  J.  E.V.     Amphion  und  Tolycheles  (Willemoesia) .    Zool.  Anz.    2.  Jahrg.    1879. 

104.  Boas,    J.    E.    V.      Studier     over    Dckapodernes    Slägtskabsforhold.       Kong.    Danske 

Videnskab.  Sehkabs  Skrifter.  Naturvid.  og  mathem.  Afd.  (6).  2.  Bd.  Kj'obenhavn.  1880. 

105.  Boas,   J.   E.  V.     Kleinere  earcinologische  Mittheilungen.    (Spengels  Zool.  Jahrb.     Abth. 

f.  System.     4.    Bd.     4.  Heft.     1889.     2.)      lieber   den   ungleichen   Entwicklungsgang 
der  Salzwasser-  und  der  Süsswasserform  von  Palaemonetes  varians. 

106.  Brook,  G.     On  the  rate  of  development  of  the  common  shore-crab   (Carcinus  maenas). 

Ann.  Mag.  Nat.   Hist.  (5).      Vol.  14. 

107.  Brook,    G.      Lucifer-like  Decapod  Larva.     Proc.    Roy.    Soc.    Edinbourg.      Vol.  15. 

(Calliaxislarve.)     1887—1888. 

108.  Brooks,    W.   K.     The   Embryology   and  Metamorphosis   of  Sergestidae.     Zool.  Anz. 

3.  Jahrg.     1880. 

109.  Brooks,    W.    K.      Lucifer,    a  study   in   Morphology.      Thilos.    Transact.  Roy.  Soc. 

London.     Vol.  173.     1882. 

110.  Brooks,  W.  K.     The  Metamorphosis  of  Tenaeus.    Johns  Hopkins  Univ.  Circ.     Vol.  2. 

1882.     Auch  in:  Ann.  and  Mag.  Nat.  Hist.  (5).      Vol.  11.     1883. 

111.  Brooks,    W.    K.      A   preliminary  abstract    of  researches   by    W.  K.   Brooks   and 

F.  H.  Herrick  on  the  life.  history  of  Stenopus.    John.  Hopkins  Univ.  Circul.    Vol.  8. 
Abstr.  in:  Journ.  R.  Micr.  Soc.     1889. 

112.  Brooks,  W.  K.  and  "Wilson,   E.  B.     The  ßrst  Zo'ea  of  Porcellana.     Stud.  Biol. 

Lab.     John  Hopkins   Univ.  Baltimore.     2.  Bd.     1881. 

113.  Claus,    C.      Zur   Kenntniss   der   Malacostrakenlarven.      Würzburg.   Naturw.  Zeitschr. 

2.  Bd.     1861. 

114.  Conn,    H.      The   signißcance    of  the  larval    skin   of  deeapods.     Stud.   Biol.  Laborat. 

J.   Hopkins   Univ.      Vol.  3. 

115.  Conn,  H.     Evidence  of  a  Protozoea  stage  in  er  ab  development.    John  Hopkins   Univ. 

Circul.     Vol.  3.     Auch  in:  Ann.  Mag.   Nat.  Hist.   (5).     Vol.  13.    1884. 

116.  Couch,    R.  Q.      On   the   Metamorphoses   of  the  Decapod  Crustaceans.     The   Eleventh 

Ann.  Report  of  the  Roy.  Cornwall  Folytechnic  Society.     Falmouth.     1848. 

117.  Czerniawski,  W.     Die  megalopa-ähnlichen  Krabbenlarven.    Arb.   Soc.  Entom.  Ross. 

Petersburg.     11.  Bd.     1880. 

118.  Czerniawski,   W.     Crustacea  decapoda  Pontica  littoralia.     IL  Beilage  zum  13.  Bd. 

der  Sehr.  Naturf.  Ges.  Cliarkoff.     1884.     (Russisch,  hat  uns  nicht  vorgelegen.) 

119.  Dohrn,    A.      Untersuchungen    etc.     6.    Zur  Entwicklungsgeschichte   der  Panzerkrebse 

(Decapoda  Loricata).     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     20.  Bd.     1870. 

120.  Dohrn,  A.      Untersuchungen  etc.    10.   Beiträge  zur  Kenntniss  der  Malacostraken  und 

ihrer  Larven.     (Amphion,   Lophogaster,    Fortunus,  Pandalus,    Galathea,    Elaphocaris.) 
Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     20.  Bd.     1870. 

121.  Dohrn,    A.      Untersuchungen  etc.     11.    Zweiter  Beitrag    zur  Kenntniss   der  Malaco- 

straken  und   ihrer  Larvenformen  (Zoeaej.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     21.  Bd.     1871. 

122.  Du  Cane,    C.     On    the   Metamorphoses   of  the    Crustacea.     Ann.   and  Mag.  of  Nat. 

Hist.     3.  Bd.     1839. 

123.  Ehrenbaum,    E.     Zur  Naturgeschichte  von   Crangon    vulgaris.     Fabr.  Sonderbeilage 

zu   den  Mittheil,   der   Sektion  f.  Küsten-    u.  Hochseefischerei  des  Deutschen  Fischerei- 
Vereins.     Berlin.     1890. 

124.  Faxon,    W.     On  the  development  of  Palaemonetes  vulgaris.     Bull.  Mus.  Comp.  Zool. 

Harvard  College.     Cambridge.     5.  Bd.     1879. 

125.  Faxon,    W.      On  some  points   in   the   strueture    of  the  embryonic  Zo'ca.     Bull.  Mus. 

Comp.  Zool.  Harvard  College.     Cambridge.     6.  Bd.     1880. 

126.  Faxon,    W.     On   some  young   stages    in   the   development    of  Hippa,   Forcellana   and 

Pinnixa.     Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  Harvard  College.     Cambridge.     5.  Bd.     1S?!>. 

127.  Faxon ,    W.     A  revision  of  the  Astacidae.     Mem.  of  the  Mus.  of  Comp.  Zoology  at 

Harvard  College.     Cambridge.     1885.      Vol.  10.     (Jugendstadien  von  Cambarus.) 


Crustaceen  507 

128.  Gegehbaur,    C.      Organisation    von   Phyllosoma  etc.      Müllers    Arch.    f.    Anal,    und 

Phys.     1858. 

129.  Göldi,  Em.  A.     Studien  über  neue  oder  weniger  bekannte  Podophthalmen  Brasiliens. 

Arch.   f.  Xaturgesch.     52.  Jahrg.     18S6.     (Junge  von  Bilocarcinus  septemdentatus.) 

130.  Gourret,  P.     Consielerations  sur  la  faune  peiagique  du  Golfe  de  Marseille  etc.    Ann. 

Mus.  H.  Xat.  Marseille.     Tom.  2.     (Pontonia,  Inachus,  Xantho,  Porcellana,  Bromia, 
Pisei,  Lambrus,  Pilumnus,  Pinnothcres.) 

131.  Haswell,    W.  A.     Note   on   the  Phyllosoma  Stage   of  Ibacus  Peronii,    Leach.  Proc. 

Zinn.  Soc.     New  South   Wales.     4.  Bd.      1879. 

132.  Herrick,  F.  H.     The  devclopment  of  Alpheus.    J.  Hopk.  Univ.  Circ.     Vol.  7.    1888. 

133.  Herrick,    F.  H.      The   abbreviated  metamorphosis  of  Alpheus  and  its  relation  to   the 

conditions  of  life.     John  Hopkins   Univ.  Circ.      Vol.  7.     1888. 

134.  Huxley,  T.  H.     Per  Krebs.     Eine  Einleitung  in  das  Studium  der  Zoologie.    Intern. 

wiss.  Bibliothek.     48.  Bd.     Leipzig.     1881. 

135.  Joly,    N.     Etudes  sur  les  Mozurs,    le  Bcveloppement  et  les  Metamorphoses  d)une  petite 

Salicoque  d'Eau  douce  (Caridina  Desmarestii)  etc.    Ann.  Sc.  Nat.  (2).    19.  Bd.    184S. 

136.  Kvöyer,    H.     Monographisk   Fremstilling  af  Sleegten  Hippolytes  Xoreliske  Arter  etc. 

Kjöbenhavn.     1S42.     K.  Danske  Vidcnsk.  Selskab.  Xaturvid.  og  mathem    Af.    9.  Bd. 
(Larven  von  Hippolyte,   Homarus  und  Cymopolia) 

137.  Mayer,    P.     Zur  Entwicklungsgeschichte   der   Beceipoden.     Jen.  Zeitschr.  f.    Naturw. 

11.  Bd.     1877. 

138.  Mayer,    P.     Carcinologischc  Milth.     9.    Bie  Metamorphosen  von  Palaemonetes  varians 

Leach.   Math.  a.  d.  Zool.  Station  zu  Neapel.    2.  Bd.    18S1 .    (Mit  einer  Notiz  über  die 
aus  dem  Ei  schlüpfende  Squillalarve.) 

139.  Mercanti,    F.     Sullo    sviluppo  postembrionede    della  Telphusa  ßuviatilis.     Lat.  Bull. 

Soc.  Entom.  Ital.     Anno  17.     1885.     Auch  in:  Arch.  Ital.  de  Biol.     Tom.  8. 

140.  Müller,  F.     Bie  Verwandlung  der  Porcellanen.     Arch.  f.  Xaturgesch.    28.  Bd.    1862. 

141.  Müller,  F.     Bie  Verwandlung  der  Garneelen.     Arch.  f.  Xaturgesch.    29.  Bd.    1863. 

142.  Müller,  F.    Ueber  die '  Xaupliusbrut  der  Garneelen.  Zeitschr.  f.  TViss.  Zool.  30.  Bd.  1878. 

143.  Müller ,    F.     Palaemon  potiuna.     Ein  Beispiel   abgekürzter  Entwicklung.     Zool.  Anz. 

3.  Jahrg.     1880. 

144.  Packard. ,    A.   S.     Notes   on   the   eeirly   larval   stages   of  the  fidler   Crab  (Gelasimus 

pugnax)  and  of  Alphcus.    Amer.  Xatur.     1881.     Auch  in:  Ann.  Mag.  Xat.  Hist.  (5). 
S.  Bd. 

145.  Rathke,  H.     Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Becapoden.    Arch.  f.  Xaturgesch.    6.  Bd. 

1840.     (Homarus,  Pagurus,  Galathea,  Hyas.J 

146.  Richters,  F.    Bie  Phyllosomen.    Ein  Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Loricaten. 

Zeitschr.  f.    TViss.  Zool.     23.  Bei.     1873. 

147.  Ryder,  J.  A.     Metamorphoses  of  Homarus  americanus.     Amer.  Xat.      Vol.  20. 

148.  Sars,    G.    O.      Om    Humerens  postembryonale    Udvikling.     Eorhandl.    Vidensk.   Selsk. 

Christiania.     1875. 

149.  Sars,   G.  O.      Bielrag   til  Kundskaben   om  Becapodernes  Forvandlinger.     I.  Xephrops, 

Calccaris,  Gebia.     Arch.  f.  Mathem.  og  Xaturvid.     9.  Bd.     1884. 

150.  Sars,    G.   O.     Bielrag  til  Kundskaben  om  Bekapodernes  Forvandlinger.     II.  Lithodes, 

Eupagurus,  Spiropagurus,  Gedathodes,   Galathea,  Munida,  Porcellana  (Xephrops).    Arch. 
f.  Mathem.  og  Xaturvid.     13.  Bd.     1889. 

151.  Sars ,    G.    O.     Bidrag   til  Kunelskaben   om    Becapodernes   Forvandlinger.     III.    Farn. 

Vrangonidae.     Arch.  f.  Mathem.  og.  Xaturvid.     14.  Bd.     1890.     (Crangon,  Cheraphilus, 
Pontophilus,   Sabinaea  und  Sclerocrangon  boreas). 

152.  Smith,    Sidney  J.      The   eeirly   stages    of   Hippa    tedpoidea.      Trans.  Connect.    Acad. 

Arts  and  Sc.     3.  Bd.     1877. 

153.  Smith,  Sidney  J.     The  early  stages  of  the  Americem  Lobster  (Homarus  americanus 

Edwards).     Trans.   Connecticut  Acad.  of  Arts  and  Sc.      Vol.  2.     1873. 

154.  Smith,    Sidney  J.     The   metamorphoses   of  the  Lobster   and   other  Crustacea.     Rep. 

U.  S.  Fish.  Comm.     1871—1872.      Washington     1873. 

155.  Stuxberg,    A.     Karcinologiska  Iakttagelser.     Öfvers.  k.  Svenska  Vetensk.  Akad.     För- 

handl.     30.  Bd.     1874.     (Stenorhynchus ,    Carduus,    Portunus,    Galathea,   Hippolyte, 
Palaemon,   Pachybdella.) 

156.  Westwood ,    J.  O.      On   the  supposed  Existence   of  Metamorphoses  in  the  Crustacea. 

Phil.  Tr ansäet.  Roy.  Soc.  London.     1835  (Gecarcinus). 

157.  Willemoes-Suhm,  R.  v.    Preliminary  Remarks  on  the  Bevelopment  of  some  Pelagic 

Becapods.     Proc.  Roy.  Soc.  London.     24.  Bd.     1876. 


508  XV.  Capitel. 


Anisopoden. 

158.  Claus,  C.      Veber  Apseudes  Latreillii  Edw.  und  die  Tanaiden.    Arb.  Zool.  Inst.  Wien. 

5.  Bd.     1S84. 

159.  Claus,    C.      Veber  Apseudes  Latreillii  Edw.   und  die  Tanaiden.     IL   Arb.  Zool.  Inst. 

Wien.     7.  Bd.     18S7. 

160.  Dohrn,  A.      Untersuchungen    etc.     7.   Zur  Kenntniss  vom  Bau  und  der  Entwicklung 

von  Tanais.     Jen.  Zeitschr.     5.  Bd.     1S70. 

Isopoden. 

161.  Bäte,  C.  Spence.     On  Praniza  and  Anceus  and  their  Affinüy  to  each  other.     Ann 

Mag.  Nat.  Eist.  (3).     2.  Bd.     1858. 

162.  Beneden,  E.   van.    Becherches  sur  V  cmbryogenie  des  Crustaces.    I.  Asellus  aquaticus. 

Bull.  Acad.  Roy.  Belg.  (2).     Tom.  28.     1869. 

163.  Dohrn,    A.     Die   embryonale  Entivicklung  des  Asellus  aquaticus.     Zeitschr.  f    Wiss. 

Zool.     17.  Bd.     1867. 

164.  Dohrn,  A.      Untersuch,  etc.     4.  Entwicklung  und  Organisation  von  Praniza  (Anceus) 

maxillaris.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     20.  Bd.     1870. 

165.  Fraisse,    P.     Die   Gattung    Cryptoniscus   Fr.   Müller.     Arb.   Zool.   Inst.    Würzburg 

4-  Bd.     1878. 

166.  Fraisse,    P.     Entoniscus  C'avolinii   n.  sp.   nebst  Bemerkungen   über   die   Umwandlung 

und  Systematik  der  Bopyriden.     Arb.  Zool.  Inst.    Würzburg      4.  Bd.     1S78. 

167.  Giard,    A.    et  Bonnier,    J.      Contributions   a   Vetude  des  Bopyriens.     Trav.  Inst. 

Zool.  Lille.     Tome  5.     1887. 

168.  Hesse,  E.    Memoire  sur  les  Pranizes  et  les  Ancees.    Ann.  Sc.  Nat.  (4).    9.  Bd.    1858. 

169.  Kossmann,  R.     Die  Entonisciden.     Mitth.  Zool.  Stat.  Neapel.     3.  Bd.     1SS2. 

170.  Kossmann,  R.    Studien  über  Bopyriden.    IL  Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.   35.  Bd.    1881. 

171.  Kossmann,   R.    Studien  über  Bopyriden.    III.  Mitth.  Zool.  Stat.  Neapel.   3  Bd.  1882. 

172.  Müller,  F.    Entoniscus  Porcellanae,  eine  neue  Schmarotzerassel.    Arch.  f.  Naturgesch. 

28.  Bd.     1862. 

173.  Müller,  F.     Bruchstücke  zur  Naturgeschichte  der  Bopyriden.    Jen.  Zeitschr.  f.  Naturic. 

6.  Bd.     1871. 

174.  Rathke,    H.      Untersuchungen   über   die   Bildung   und  Entivicklung   der   Wasserassel. 

Leipzig.     1832. 

175.  Sehiödte,  J.  C.  u.  Meinert,  Fr.     Symbolae  ad  monographiam  Cymothoarum  crusta- 

ceorum  isopodorum.     Nat.  Tidskrift.  (3).     12.  Bd   u.   13.  Bd.     1879 — 1S83. 

176.  Walz,  R.     Utber  die  Familie  der  Bopyriden  etc.    Arb.  Zool.  Inst.  Wien.    4.  Bd.    1882. 

A  m  p  h  i  p  o  d  e  n. 

177.  Claus,  C.     Die  Platysceliden.      Wien.     1887. 


XVI.  Capitel. 

PALAEOSTRAKEN. 


Unter  dem  Namen  Palaeostraken  werden  von  Steinmann  und 
I  )öderlein  die  vereinigten  Gruppen  der  T  r  i  1  o  b  i  t  e  n ,  G  i  g  a  n  t  o  s  t  r  a  k  e  n 
und  Xiphosuren  zusammengefasst.  Die  Vereinigung  dieser  drei 
Gruppen,  an  deren  näherer  verwandtschaftlicher  Zusammengehörigkeit 
wir  kaum  zweifeln  können,  wurde  hauptsächlich  durch  Dohrn  (Nr.  11) 
eingehender  begründet.  Die  Xiphosuren,  unter  denen  die  Gattung  L  i  m  u  1  u  s 
üls  einziger  jetzt  lebender  Repräsentant  dieser  Gruppe  für  uns  von  be- 
sonderem Interesse  ist,  zeigen  in  der  Gestaltung  des  Cephalothorax- 
schildes  (besonders  von  Belinurus)  eine  auffallende  Uebereinstimmung 
mit  den  Trilobiten,  auf  welche  auch  die  Entwicklungsstadien  von  Limulus 
hinweisen.  Andererseits  schliessen  sich  die  Gigantostraken  (Euryp- 
terus,  Pterygotus)  in  der  Regioneneintheilung  des  Körpers  und  im  Glied- 
maassenbaue  sehr  nahe  an  Limulus  an.  Wie  Limulus  besitzen  sie  eine 
vordere  Cephalothoraxregion ,  deren  sechs  zum  Theil  scheerentragende 
Extremitätenpaare  sich  durch  ihren  verbreiterten  Coxalabschnitt  an  dem 
Kaugeschäfte  betheiligen.  Die  Kauregion  wird  nach  hinten  durch  eine 
als  M  e  t  as  t o  m  bezeichnete  Unterlippenbildung  (bei  Limulus  durch  paarige 
Chilaria  [Fig.  335  ch  und  336  JB  pag.  521  j  vertreten)  abgegrenzt.  Es 
folgt  sodann  eine  aus  sechs  Körpersegmenten  bestehende  gegliederte  Re- 
gion (Praeabdomen) ,  deren  blattförmige  Extremitäten  der  Respiration 
dienten,  während  sich  hinten  ein  aus  sechs  gliedmaassenlosen  Segmenten 
und  dem  Telson  bestehendes  Postabdomen  (bei  Limulus  nur  in  reducirtem 
Zustande  vorhanden)  anschliesst.  Wollten  wir  wie  dies  vielfach  ge- 
schehen ist  —  die  Palaeostraken  den  Crustaceen  unterordnen,  so  wäre 
dies  nur  unter  einer  Erweiterung  des  Begriffes  der  Crustaceen  möglich.  Die 
Crustaceen  erscheinen  durch  den  Besitz  zweier  präoraler  Antennenpaare, 
welche  sich  im  ausgebildeten  Zustande  an  dem  Kaugeschäfte  nicht  be- 
theiligen und  nebst  locomotorischen  Functionen  hauptsächlich  der  Sinnes- 
perception  dienen,  als  eine  einheitliche  Gruppe1)  charakterisirt.  Ausser- 
dem erscheint  für  ihre  Entwicklung  das  Naupliusstadium  ungemein  typisch. 


x)  Auch  im  Bau  der  Mundwerkzeuge,  welche  in  der  typischen  Form  der  Man- 
dibeln  und  Maxillen  entwickelt  sind,  sowie  durch  die  Lagerung  der  in  verschiedenen 
Krebsgruppen  auftretenden  paarigen  Unterlippenbildung  (Paragnathen)  hinter  den 
Mandibeln  und  vor  den  Maxillen  unterscheiden  sich  die  Crustaceen  von  den  Palaeos- 
traken. Für  die  Locomotion  kommen  die  Kieferpaare  der  Crustaceen  an  den  aus- 
gebildeten Formen  kaum  mehr  in  Betracht. 


510 


XVI.  Capitel. 


,ep 


Den  Palaeostraken  hingegen  scheinen  diese  beiden  Merkmale  zu  fehlen. 
Wir  werden  desshalb  die  systematische  Stellung  der  Palaeostraken  viel- 
leicht richtiger  beurtheilen,  wenn  wir  sie  nicht  als  echte  Crustaceen  be- 
trachten, sondern  als  eine  selbstständige  Gruppe  auffassen,  welche  zwar 
mit  den  Crustaceen  verwandt  ist,  aber  sich  von  den  hypothetischen 
Ahnenformen  der  Crustaceen  (Protostraken)  als  selbstständiger  Seitenast 
abgezweigt  hat.  bevor  es  zur  Entwicklung  der  für  die  ersteren  typischen 
Charaktere  (zwei  Antennenpaare,  Entwicklung  durch  ein  Naupliusstadium) 
gekommen  war  (vgl.  oben  pag.  498).  Eine  bei  den  Palaeostraken  sehr 
ausgebreitete  Erscheinung,  welche  in  dieser  Ausdehnung  bei  den  echten 
Crustaceen  nicht  wiederkehrt,  ist  die  häufige  Verschmelzung  der  hin- 
tersten Körpersegmente  zu  einem  einheitlichen  Abschnitte  (Pygidium), 
eine  Erscheinung,  welche  offenbar  eine  Anpassungsform  an  das  Vermögen 
der  Einrollung  darstellt. 

Unter  den  Palaeostraken  nehmen  die  Trilobiten  durch  die  mehr 
homonome  Segmentirung  des  postcephalischen  Abschnittes  und  den  — 
wie  es  nach  Walcott  scheint  —  einheitlichen  Charakter  der  zahlreichen 

Extremitäten  die  niederste  Ent- 
wicklungsstufe ein.  Im  Bau  der 
Extremitäten  zeigen  sie  nach  den 
Untersuchungen  von  Walcott 
(Nr.  5)  eine  auffällige  Ueberein- 
stimmung    mit    dem    Typus    der 

Crustaceengliedmaassen.  Die 
Beine  der  Trilobiten  (Fig.  326) 
sind  zweiästig,  mit  einem  fünf- 
oder  mehrgliedrigen  Endopoditen 
(en) ,  welcher  mit  einer  Kralle 
endete,  und  einem  zwei-  bis 
dreigliedrigen  Exopoditen  (ex).  An 
der  Aussenseite  des  Coxal(Basal)- 
gliedes  finden  sich  spiralige  als 
Kiemen  gedeutete  Epipodialan- 
hänge  (ep)  befestigt.  Es  sei  hier 
darauf  hingewiesen,  dass  auch  bei  Linmlus  durch  das  Vorhandensein  eines 
als  Exopodit  aufzufassenden  Anhanges  am  sechsten  Extremitätenpaare 
(Fig.  335,  rr,  pag.  520),  sowie  durch  die  Gestaltung  der  Abdominalbeine 
(ax ,  a2)  der  zweiästige  Charakter  der  Crustaceenbeine  zum  Ausdruck 
kommt. 

WTenn  sich  so  die  Palaeostraken  nach  einer  Richtung  an  die  Crustaceen 
und  deren  hypothetische  Stammgruppe,  die  Protostraken,  anschliessen,  so 
werden  sie  für  uns  noch  dadurch  von  grösserem  Interesse,  dass  sie  wahr- 
scheinlich die  Ausgangs-Gruppe  darstellen,  aus  welcher  die  luftathmenden 
Arachnoiden  sich  herausgebildet  haben.  Die  Ansicht  von  der  näheren  Ver- 
wandtschaft der  Arachnoiden  —  vor  Allem  der  Scorpione  —  mit  Linmlus, 
zuerst  von  Strauss-Dürkheim  ausgesprochen  und  neuerdings  durch  Ray- 
Lankester  (No.  16)  auf  breiterer  Basis  begründet,  erscheint  durch  so 
zahlreiche  Uebereinstimmungen  des  Baues  und  der  Entwicklung  beider 
Gruppen  gestützt,  dass  wir  uns  derselben  nicht  verschliessen  können. 
Wir  werden  auf  dieselbe  unten  (vgl.  pag.  530  u.  ff.)  ausführlicher  zurück- 
kommen. 

Von  den  Entwicklungsstadien  der  fossilen  Palaeostraken  sind  nur 
wenige  durch    die  günstige  Beschaffenheit    des    sie   einschliessenden  Ge- 


Fig.  326.  Schematiseher  Querschnitt 
durch  ein  Rumpfsegment  eines  Trilobiten 
(nach  Walcott,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

en  Endopodit,  ep  Epipodialanhänge, 
ex  Exopodit,  d  Darmcanal,  r  Ehachis, 
p  Pleuren. 


Palaeostraken.  511 

steines  unserer  Untersuchung  erhalten  geblieben.  Immerhin  kennt  man 
Entwicklungsstadien  zahlreicher  Trilobitenformen  und  ist  es  für  manche 
Formen  gelungen,  ziemlich  complete  Entwicklungsserien  zusammenzu- 
stellen, so  dass  wir  über  die  Metamorphose  der  Trilobiten  hinsichtlich 
mancher  wichtiger  Punkte  orientirt  sind.  Dagegen  scheinen  über  Ent- 
wicklungsstadien  von  Gigantostraken  bisher  keine  Beobachtungen  vorzu- 
liegen. 


-&v 


I.   Trilobiten. 

Wenngleich  neuere  Untersuchungen  (Ford,  No.  2,  3,  Walcott, 
No.  6,  Matthew,  No.  4)  vorliegen,  so  bilden  doch  die  älteren  Angaben 
von  Barrande  (No.  1),  denen  wir  hier  folgen,  die  Grundlage  für  unsere 
Kenntniss  der  Metamorphose  der  Trilobiten.  Barrande  unterschied 
vier  Entwicklungstypen  cler  Trilobiten,  welche  er  übrigens  selbst  nur  als 
provisorisch  aufgestellt  betrachtet  wissen  wollte.  Drei  dieser  Entwicklungs- 
weisen lassen  sich  als  Modifikationen  eines  Typus  betrachten,  während 
der  Agnostus-Typus  den  übrigen  schärfer  gegenüber  zu  stehen  scheint. 

1.   Entwicklungstypus  mit  später  Ausbildung  des 
definitiven  Pygidiums. 

Eine  sehr  vollständige,  durch  zahlreiche  aufeinander  folgende  Stadien 
vermittelte  Metamorphose  ist  durch  Barrande  fürSao  hirsuta  bekannt 
geworden  (Fig.  327),  welche  Form  dem  ersten  Entwicklungstypus  Bar- 
rande's  folgt.  Die  jüngsten  bekannt  gewordenen  Stadien  (Ä)  weichen 
im  Aussehen  noch  sehr  von  der  ausgebildeten  Form  ab.  Sie  sind  unge- 
mein klein  (2  3  Millimeter  Durchmesser),  rundlich,  scheibenförmig  und 
zeigen  noch  keinen  Zerfall  des  Körpers  in  scharf  gesonderte  Segmente. 
Der  Körper  besteht  zum  grössten  Theile  aus  der  Anlage  des  späteren 
Kopfabschnittes,  an  welchem  man  bereits  die  Glabella  durch  Dorsal- 
furchen von  den  Wangen  abgesetzt  erkennt.  Nach  vorne  erscheint  die 
Glabella  noch  nicht  deutlich  begrenzt.  Zu  ihren  beiden  Seiten  kann  man 
dicht  am  Vorderrande  des  Körpers  zwei  bogenförmige  Einbiegungen  er- 
kennen, welche  —  wie  man  vermuthen  darf  —  mit  der  Anlage  der  Augen 
(a)  in  Beziehung  stehen.  Die  Anlage  des  Kopfschildes  nimmt  den  grössten 
Theil  des  ganzen  Körpers  ein.  Ein  ganz  kleiner  hinterer  Abschnitt  zeigt 
die  Anlagen  einiger  weniger  undeutlicher  Körpersegmente.  Einige  Zacken 
des  Hinterrandes  sind  auf  die  Pleuren  dieser  Segmente  zu  beziehen. 
Diese  Region  enthält  in  nuce  die  Anlage  des  ganzen  späteren  Thorax 
und  des  Pygidiums. 

In  einem  wenig  späteren,  bereits  etwas  gestreckteren  Stadium  (B) 
hat  sich  der  Kopfabschnitt  des  Körpers  durch  eine  scharfe  Grenze  von 
der  erwähnten  hinteren  Körperregion  abgesetzt.  In  dieser  letzteren  sind 
die  Segmentanlagen  deutlicher  geworden,  und  ihre  Zahl  hat  zugenommen. 
Von  derselben  wird  in  den  nun  folgenden  Stadien  (C,  Z),  E)  die  Thorax- 
region angelegt,  indem  die  vordersten,  am  meisten  entwickelten  Segmente 
sich  abgliedern  und  als  frei  bewegliche  Segmente  der  Thoraxregion  selbst- 
ständig werden.  Während  die  Region  der  hinteren  verschmolzenen  Seg- 
mentanlagen auf  diese  Weise  nach  vorne  successive  Segmente  abgiebt, 
werden  an  ihrem  hinteren  Ende  immer  neue  Segmentanlagen  producirt. 
Man  darf  diese  Region  der  hinteren  noch  unvollständig  getrennten  Seg- 
mentanlagen, welche  nichts  weiter  ist,   als   die  Knospungszone  der  noch 


512 


XVI.  Capitel. 


fehlenden  Thoraxsegmente,  nicht  mit  dem  Pygidium  des  ausgebildeten 
Thieres  verwechseln.  Sie  wurde  von  Barrande  als  „Pygidium  transi- 
toire"  bezeichnet  und  unterscheidet  sich  auch  äusserlich  von  dem  defini- 
tiven Pygidium;  denn  während  letzteres  bei  Sao  und  Dalmanites 
ganzrandig  erscheint,  trägt  das  transitorische  Pygidium  nach  hinten  frei 
vorspringende  Zacken,  welche  zu  der  Entwicklung  der  Pleuren  der  freien 
Thoraxsegmente  in  Beziehung  stehen.  Erst  nachdem  die  volle  Zahl  (bei 
Sao  17)  der  freien  Thoraxsegmente  zur  Ausbildung  gekommen  ist,  ent- 
wickelt sich  das  bei  Sao  sehr  kurze  definitive  Pygidium. 

Während  auf  diese  Weise  die  Gliederung  der  ausgebildeten  Form 
allmählich  erreicht  wird,  erleidet  der  Kopfabschnitt  anscheinend  durch 
einfache  Wachsthumsveränderungen  Umbildungen,   welche  denselben  der 


B 


D 


Fig.  327.     Fünf  Entwicklungsstadien  von  Sao  hirsuta  (nach  I3a.kranjl>e). 
A  jüngstes   Stadium ,    B   etwas  älteres    Stadium    mit  deutlicher  Abgrenzung    des 
Kopfabschnittes,   C  Stadium  mit  zwei  freien  Tlioraxsegmenten,    I)  Stadium  mit  sieben 
freien  Thoraxsegmenten,  E  Stadium   mit  zwölf  freien  Thoraxsegmenten. 

a  Augenanlage,  g  Gesichtsnaht,  p  transitorisches  Pygidium. 

Gestaltung  der  ausgebildeten  Form  entgegenführen.  Es  erscheinen  der 
Limbus,  die  Occipitalfurche,  die  Hörner  der  Hinterecken.  Die  Glabella 
grenzt  sich  schärfer  ab  und  zeigt  durch  die  auftretenden  Querfurchen 
die  Andeutungen  einer  Segmentirung.  Schliesslich  wird  die  Gesichts- 
naht ig)  deutlich  erkennbar,  und  es  entwickelt  sich  die  für  Sao  charak- 
teristische gekörnelte  Verzierung  der  Oberfläche.  Während  die  genannten 
Entwicklungserscheinungen  nur  selbstverständliches  darbieten,  ist  die  Lage- 
veränderung der  Augenanlage  (a)  mit  Rücksicht  auf  die  Position  der 
Seitenaugen  von  Limulus  von  grossem  Interesse.     Die  Augenanlage  liegt 


Palaeostraken. 


513 


ursprünglich  ganz  nahe  dem  Vorderrande  des  Kopfschildes  zu  den  Seiten 
der  Glabella.  Die  Augen  erseheinen  mit  ihrem  grössten  Durchmesser 
quer  gestellt.  Die  Lage  der  Augen  erinnert  in  diesen  frühen  Stadien 
einigermassen  an  das  Verhältniss,  welches  bei  Cromus  intercostatus  zeit- 
lebens besteht.  Erst  in  den  späteren  Entwicklungsstadien  von  Sao 
rücken  die  Augen  seitlich  von  der  Glabella  ab  und  nach  hinten  und 
stellen  sich  mit  ihrem  Längendurchmesser  parallel  zur  Längsaxe  des 
Körpers. 

In  ganz  übereinstimmender  Weise  verläuft  auch  die  Entwicklung  von 
Dalmanites  socialis.  Ebenso  scheint  auch  die  durch  Matthew  (No.  4) 
bekannt  gewordene  Metamorphose  von  Ptychoparia  Linnarssoni  in 
nichts  Wesentlichem  von  dem  Entwicklungstypus  von  Sao  abzuweichen. 
Auffällig  ist  für  die  ersten  Stadien  von  Ptychoparia  die  genäherte  Lage  der 
beiden  Dorsalfurchen ,  wodurch  eine  Schmalheit  der  vorne  noch  nicht  ge- 
schlossenen Glabella  resultirt.  An  lezterer  bemerkt  man,  dass  die  durch  die 
Querfurchen    getrennten    hinteren    Segmente   Anfangs   bedeutend    kürzer   und 


A 


C 


/  i    ß 


Fig".  328.     Fünf  Entwicklungsstadien  von  Ölen  eil  us  asaphoides  (nach  Ford). 
A  und  B  jüngere  Entwicklungsstadien,  Cund  D  ältere  Stadien,  E  ausgebildete  Form. 
«  Wangenstachel,  b  innerer  Stachel,  c  Augenanlage,  d  innerhalb  der  Augenanlage 
gelegener  Wulst,  p  transitorisches  Pygidium. 


gedrängter  sind ,  als  die  langgestreckten ,  vorderen  Abschnitte ,  was  sich  bei 
weiterer  Entwicklung  des  Kopfabschnittes  ausgleicht.  Auch  hier  finden  sich 
Lageveränderungen  der  Augenanlage,  allerdings  in  anderer  Art,  als  wir  sie 
oben  für  Sao  und  Dalmanites  angegeben  haben. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  Angaben  von  Eokd  (No.  2  und  3) 
über  die  Entwicklungsstadien  des  amerikanischen  Olenellus  asaphoides. 
Wie  bei  Sao,  so  sind  auch  hier  die  jüngsten  Stadien  (Fig.  328  -4.)  scheiben- 
förmig. Man  erkennt  eine  aus  fünf  hintereinanderliegenden  Segmenten 
bestehende  Anlage  der  Glabella  und  einen  dahinter  gelegenen  noch  unseg- 
mentirten,  kleinen  Körperabschnitt  (p),  in  welchem  die  Anlage  des  gesammten 
Thorax  und  Pygidiums  vorliegt.  Schon  im  nächsten  Stadium  (B)  zeigt 
dieser  Abschnitt  die  ersten  Spuren  einer  Segmentirung.  Zu  beiden  Seiten 
der  Glabella  liegen  je  zwei  S-förmig  gekrümmte  Wülste  (c,  d),  welche  sich 
nach   hinten  in    den  Rand   des  Körpers    überragende   Stacheln  (a,    b)   fort- 


514  XVI.  Capitel. 

setzen.  Von  diesen  Wülsten  stellt  der  äussere  (c)  die  Augenanlage  dar, 
während  der  innere  {d)  in  die  Bildung  des  festen  Theils  der  Wange  über- 
geht. Von  den  beiden  nach  hinten  sich  erstreckenden  Stachelpaaren  geht 
das  äussere  (a)  wahrscheinlich  in  den  Wangenstachel  an  den  Hinterecken  des 
Kopfschildes  über.  Die  inneren  Stacheln  (b)  bleiben  noch  in  späteren 
Stadien  erkennbar,  verschwinden  aber  später  und  sind  an  dem  ausgebildeten 
Thiere  (E)  nur  durch  eine  Leiste,  welche  schräg  von  dem  Auge  zum  Hinterrande 
des  Kopfschildes  zieht,  repräsentirt.  Wie  man  sieht,  schiebt  sich  während 
der  Entwicklung  zwischen  beide  Stachelpaare  ein  beträchtlicher  Theil  des 
Hinterrandes  des  Kopfschildes  ein.  Der  innere  Stachel  ist  durch  seine  Lage 
von  einem  gewissen  Interesse.  Wie  wir  unten  bei  der  Besprechung  der 
Entwicklung  des  Kopfschildes  von  Limulus  (pag.  527)  noch  ausführen  werden, 
ist  es  vielleicht  gerechtfertigt,  an  dem  Kopfschilde  der  Trilobiten  (ähnlich 
wie  bei  Limulus)  drei  Regionen  zu  unterscheiden ,  deren  Grenzen  durch  die 
Gesichtsnaht  angedeutet  wären.  Wir  würden  dann  nur  den  festen  Theil  der 
Wange  als  den  zu  den  hinteren  Segmenten  der  Glabella  gehörigen  Pleural- 
antheil  betrachten  können,  während  der  bewegliche  Theil  der  Wangen  sammt 
den  Augen  ursprünglich  dem  vordersten  Kopfsegmente  zugehörte  und,  indem 
er  die  hinteren  Kopfsegmente  seitlich  umwachsen  hätte,  nach  hinten  gerückt 
wäre.  Es  würde  sich  hiedurch  die  Lage  der  Augen  von  Limulus  an  einem 
hinteren  sog.  Thoraxsegmente  erklären.  Wenn  wir  die  Entwicklungsstadien 
(Fig.  328,  C  und  D)  von  Olenellus  betrachten,  so  sehen  wir,  dass  die 
Pleuren  der  freien  Thoraxsegmente  Anfangs  seitlich  sich  nicht  weiter  er- 
strecken, als  der  erwähnte  mittlere  Antheil  des  Kopfabschnittes.  Es  wird 
daher  nahegelegt ,  die  Frage  aufzuwerfen ,  ob  der  erwähnte  innere  Stachel 
nicht  auf  einen  vorspringenden  Pleuralfortsatz  eines  jener  hinteren  Segmente, 
welche  in   die  Bildung  der  Glabella  einbezogen  wurden,  zu  beziehen  sei. 

Die  späteren  Entwicklungsstadien  von  Olenellus  asaphoides  zeichnen 
sich  dadurch  aus,  dass  die  Pleuren  des  dritten  freien  Thoraxsegmentes  auf- 
fällig nach  hinten  verlängert  erscheinen  (Fig.  328,  C  und  D),  ein  Verhalten, 
welches  dem  ausgebildeten  Zustande  fehlt,  dagegen  bei  einigen  Paradoxides- 
Arten  für  die  vorderen  Segmente  wiederkehrt,  Da  die  Jugendzustände  von 
Olenellus  mit  diesen  Paradoxidesarten  überdies  durch  den  abgeknickten 
Verlauf  des  Hinterrandes  des  Kopfschildes  übereinstimmen,  so  scheint  in  der 
Metamorphose  von  Olenellus  ein  gewisser  Hinweis  auf  die  Phylogenie  dieser 
Gattung  erhalten  zu  sein. 

Der  dritte  Entwicklungstypus  von  Barrande  umfasst  jene  Formen, 
deren  Entwicklungsstadien  dieselben  Charaktere  aufweisen,  wie  die  älteren 
Stadien  von  Sao  hirsuta.  Der  Kopfabschnitt  zeigt  meist  bereits  die  defi- 
nitiven Gestaltungsverhältnisse ;  dagegen  ist  die  Zahl  der  Thoraxsegmente 
noch  unvollständig,  während  ein  als  transitorisches  Pygidium  fungirender 
hinterer  Körperabschnitt  durch  Abgliederung  die  noch  fehlenden  freien 
Thoraxsegmente  liefert.  Die  weitere  Entwicklung  verläuft  wie  bei  dem 
ersten  Typus.  Wir  müssen  annehmen,  dass  in  dem  dritten  Typus  Bar- 
rande's  Formen  vereinigt  sind,  deren  jüngste  Entwicklungsstadien  wir  ent- 
weder nicht  kennen,  oder  deren  Metamorphose  thatsächlich  in  der  Weise 
abgekürzt  war,  dass  sie  in  einem  späteren  Entwicklungsstadium  aus 
dem  Eie  schlüpften.  Barrande  führt  als  hieher  gehörige  Gattungen  auf: 
Arethusina,  Cyphaspis,  Proetus,  Arionellus,  Conocepha- 
lites,  Aeglina,  Hydro  cephalus,  Illaenus,  Acidaspis,  Am- 
pyx,  Ogygia  und  Triarthus. 

Einer  noch  beträchtlicheren  Abkürzung  der  Metamorphose  scheint  der 
vierte  Entwicklungstypus  von  Barrande  zu   entsprechen.     Hier  ist   der 


Palaeostraken. 


515 


Kopfabschnitt  und  der  Thorax  bereits  vollständig  entwickelt;  dagegen 
weist  das  Pygidium  noch  einen  geringeren  Entwicklungsgrad  auf,  inso- 
ferne  die  Zahl  der  dasselbe  zusammensetzenden  Segmente  noch  nicht 
völlig  complet  ist.  Hieher  sind  Paradoxides,  die  der  Haus m  anni- 
g  r  u  p  p  e  zugehörigen  D  a  1  m  a  n  i  t  e  s  a  r  t  e  n ,  einige  Arten  von  P  h  a  c  o  p  s , 
Proetus,  Asaphus  u.  A.  zu  stellen. 


2.   Entwicklungstypus  mit  frühzeitiger  Ausbildung  des 

definitiven  Pygidiums. 

Diese  Abtheilung  entspricht  dem  zweiten  Entwicklungstypus  Bar- 
rande's,  welcher  für  Agnostus  und  Trinucleus  Geltung  hat.  Die 
jüngsten  bekannt  gewordenen  Stadien  bestehen  bloss  aus  der  Anlage  des 
Kopfschildes  und  des  Pygidiums.  Letztere,  wenngleich  noch  unvollkom- 
men, zeigt  doch  schon  im  Wesentlichen  die  Charaktere  der  ausgebildeten 
Form.  Die  Metamorphose  beschränkt  sich  daher  auf  die  Entwicklung 
der  Thoraxregion,  welche  in  der  Weise 
zu  Stande  kommt,  dass  —  wie  bei  den 
früher  betrachteten  Formen  —  successive 
freie  Thoraxsegmente  sich  von  dem  vor- 
deren Rande  des  Pygidiums  abgliedern. 
Die  übrigen  Veränderungen  bestehen  in 
der  Vermehrung  der  Segmentanlagen  des 
Pygidiums  und  in  der  vollkommeneren 
Ausgestaltung  des  Kopfabschnittes.  So 
werden  beispielsweise  bei  Trinucleus  die 
charakteristischen  Porenreihen  des  Limbus 


^ 


ausgebildet  u.  s. 


f. 


Wir  müssen  diesen  Entwicklungstypus 
gegenüber  dem  früheren  als  einen  abge- 
leiteten betrachten.  Bei  der  Wichtigkeit, 
welche  offenbar  dem  Vorhandensein  des 
Pygidiums  zukam,  darf  es  uns  nicht  allzu- 
sehr verwundern,  die  Umwandlung  der  hin- 
teren Körpersegmente  zu  dieser  Bildung 
bereits  in  ganz  frühe  Stadien  verlegt  zu 
sehen.  Hinsichtlich  der  geringen  Zahl  der 
Segmentanlagen  in  den  ersten  Stadien,  der 
Abgliederung  der  Thoraxsegmente  und  der 
Entwicklung  neuer  Segmentanlagen  an  seinem 
hinteren  Ende  nähert  sich  das  Pygidium 
der  jüngeren  Stadien  dieses  Typus  allerdings 
sehr  dem  transitorischen  Pygidium  der  oben 
beschriebenen  Typen.  Es  unterscheidet  sich 
aber  von  letzterem  dadurch ,  dass  es  sich 
hinsichtlich  seiner  Gestaltungsverhältnisse 
schon  mehr  der  ausgebildeten  Form  nähert. 
Wie  man  sieht ,  ist  zwischen  den  beiden 
hier  unterschiedenen  Entwicklungstypen 
kaum  eine  scharfe  Grenze  zu  ziehen. 

Die  Entwicklungsstadien  von  Agnostus 
und  Trinucleus    erinnern   auffallend  an  ge- 


Fig.  329.  Drei  Entwicklungs- 
stadien von  Trinucleus  ornatus 
(nach  Bärrande). 

A  jüngstes  Stadium,  bloss  aus 
Kopfschild  und  Pygidium  bestehend, 
B  Stadium  mit  einem  freien  Thorax- 
segment, C  Stadium  mit  vier  freien 
Thoraxsegmenten. 


516 


XVI.  Capitel. 


wisse  frühe  Ausbildungsstufen  des  Keimstreifs  der  Scorpione,  wie  sie  besonders 
durch  Metschnikoff  (pag.  540  und  541)  bekannt  geworden  sind.  Auch  dort 
finden  wir  zunächst  einen  vorderen  und  hinteren  Körperabschnitt,  während  sich 
bald  einige  wenige,  successive  entstehende,  freie  Segmente  vom  hinteren  Ab- 
schnitte abgliedern  und  zwischen  beide  Abschnitte  einschieben.  Aehnliche  Stadien 
finden  wir  bei  den  Spinnen.  Wir  werden  freilich  im  Auge  behalten  müssen, 
dass  die  freien  Segmente  dieses  Keimstreifs  später  dem  Kopf  beigezogen  werden 
und  bei  den  Trilobiten  offenbar  durch  Segmente  der  Glabella  repräsentirt  sind. 
Wir  dürfen  dieselben  also  nicht  mit  den  freien  Thoraxsegmenten  der  Trilobiten 
homologisiren.     Immerhin   ist    aber  durch  das  Vorhandensein  eines  grösseren 

verschmolzenen  hinteren  Kör- 


Ä. 


B. 


perabschnittes  und  durch  die 
Art  der  Segmententstehung 
eine  gewisse  Uebereinstim- 
mung  gegeben. 

Es  wurde  von  Barrande 
darauf  hingewiesen,  dass  die 
meisten  Trilobitenspecies  mit 
Metamorphose  den  älteren 
Schichten  des  böhmischen 
Silurs  angehören ,  während 
in  den  jüngeren  Schichten 
Jugendzustände  von  Trilobi- 
ten bedeutend  seltener  ge- 
funden werden ,  obgleich  in 
letzteren  Schichten  die  Zahl 
der  Arten  eine  reichere  ist 
und  die  Verhältnisse  für  die 
Erhaltung  dieser  zarten  For- 
men zum  Theil  auch  nicht  ungünstige  sind.  Es  erscheint  daher  nicht  ungerecht- 
fertigt, wenn  Barrande  die  Frage  aufwirft,  ob  vielleicht  die  Metamorphose  bei 
der  höheren  Entwicklung  des  Trilobitenstammes  durch  eine  directe  Entwicklung 
ersetzt  wurde. 

II.   Xiphosuren. 

Von  den  hieher  gehörigen  Formen  ist  bisher  nur  Limulus  poly- 
phemus  auf  seine  Entwicklungsgeschichte  untersucht  worden x).  Die  Ent- 
wicklungsstadien von  Limulus  moluccanus  sind  bisher  unbekannt 
geblieben.  Es  verdient  Erwähnung,  dass  Willemoes-Suhm  (No.  31)  eine 
während  der  Challenger-Fahrt  bei  den  Philippinen  gefangene  pelagische 
Krebslarve,  welche  den  Cirripedien-Larven  ähnlich  ist  (vgl.  oben  pag.  402), 
auf  Limulus  molluccanus  beziehen  zu  können  glaubte.  Er  ist  jedoch  später 
selbst  von  dieser  Ansicht  abgekommen  und  hat  die  betreffende  Larve  den 
Cirripedien-Larven  zugereiht. 


Fig".  330.  VierEntwicklungsstadien  vonAgnos- 
tus  nudus  (nach  Barrande). 

A  jüngstes  Stadium ,  bloss  aus  Kopfschild  und 
Pygidium  bestehend,  B  Stadium  mit  den  Anlagen  der 
zwei  Thoraxsegmente,  C  Stadium  nach  Abschnürung 
der  beiden  Thoraxsegmente,  D  ausgebildete  Form. 


1. 


Furckuiig  und  KeiiubUitterbildung. 


Die  Eier  von  Limulus  polyphemus  werden  am  Meeresufer  in 
von  dem  Weibchen  gegrabene  Löcher  im  Sande  in  der  mittleren  Region 
zwischen  dem  niedrigsten  und  höchsten  Wasserstand  (Kingsley  No.  14) 


1)  Neuerdings  auch  L.  Ion gispinus  durch  Kishinouye  (Zool.Anz.  14.  J.  No.  369), 
dessen  Angaben  hier  nicht  mehr  genauer  berücksichtigt  werden  konnten. 


Palaeostraken.  517 

oder  nahe  der  Hochfluthmarke  selbst  (Lockwood)  abgelegt.  Dagegen 
sollen  nach  einer  Bemerkung  von  Willemoes- Suhm  Limulus  rotun- 
d i c a u d a  und  L i  m u  1  u s  molucc a n u s  ihre  Eier  nicht  ablegen ,  son- 
dern an  den  Schwimmfüssen  befestigt  mit  sich  herumtragen. 

Die  Eier  sind  bei  ihrer  Ablage  von  einer  sehr  dicken,  lederartigen 
aus  mehrfachen  Schichten  zusammengesetzten  Membran  umhüllt,  welche 
von  den  Autoren  als  Chorion  bezeichnet  wird,  und  deren  Bildung  viel- 
leicht (Dohrn  No.  11)  nicht  im  Ovarium  selbst,  sondern  in  einem  be- 
sonderen dafür  bestimmten  Abschnitte  der  Ausführungsgänge  bewirkt 
wird.  Bei  der  zunehmenden  Vergrösserung  des  Embryos  reisst  diese 
Membran,  so  dass  der.  Embryo  in  späteren  Stadien  ausschliesslich  von 
der  später  gebildeten  Cuticula  blas  todermica  bedeckt  ist. 

Hinsichtlich  der  ersten  Entwicklungsvorgänge  im  Eie  von  Limulus 
sind  wir  ausschliesslich  auf  die  kurzen  vorläufigen  Mittheilungen  von  Os- 
born  (No.  22),  Brooks  und  Bruce  (No.  10),  sowie  Kingsley  (No.  15) 
angewiesen.  Aus  diesen  scheint  hervorzugehen,  dass  eine  beträchtliche 
Uebereinstimmung  mit  den  Entwicklungsvorgängen  der  Arachniden, 
speciell  der  Scorpione,  vorherrscht.  Wir  folgen  in  Bezug  auf  die 
ersten  Entwicklungsvorgänge  hauptsächlich  den  neueren  Angaben  von 
Kingsley. 

Der  erste  Furchungskern  liegt,  von  Bildungsdotter  umgeben,  nahe 
dem  Centrum  des  Eies.  Aus  diesem  geht  durch  wiederholte  Theilung 
eine  grössere  Zahl  von  Furchungskernen  hervor,  welche  sich  im  Innern 
des  Eies  vertheilen,  bevor  eine  Durchfurchung  des  Eiinhaltes  (Abgren- 
zung bestimmter  Zellterritorien)  sich  geltend  macht.  Diese  Vertheilung 
ist  keine  gleichmässige,  sondern  es  zeigt  sich,  dass  an  jener  Stelle,  an 
welcher  in  späteren  Stadien  die  erste  Anlage  des-  Embryos  auftritt,  die 
Furchungskerne  rascher  nach  der  Oberfläche  wandern,  als  in  den  übrigen 
Parthien  des  Eies.  Da  an  dieser  Stelle  zuerst  eine  Abgrenzung  der 
Furchungszellen  stattfindet,  so  hat  die  Furchimg  einen  anscheinend 
meroblastischen  (discoidalen)  Charakter  und  erinnert  demnach  an  die  bei 
dem  Scorpion  zu  beobachtenden  Verhältnisse  (vgl.  unten  pag.  537,  Fig.  343). 
Schliesslich  zerfällt  jedoch  das  ganze  Ei  in  Furchungskugeln,  welche  zum 
grössten  Theil  aus  Nahrungsdotterelementen  zusammengesetzt  sind,  von 
denen  jedoch  jede  in  ihrem  Inneren  einen  von  Protoplasma  umgebenen 
Furchungskern  beherbergt. 

Die  oben  erwähnte  Wanderung  der  Furchungskerne  nach  der  Ober- 
fläche führt,  indem  daselbst  Zellen  zur  Abgrenzung  kommen,  zur  Bildung 
des  Blastoderms.  Das  Blastoderm  wird  demnach  an  jener  oben  genannten 
Stelle  des  Eies  zuerst  fertig  gebildet  und  stellt  daher  in  diesen  Stadien 
eine  an  diesem  Pole  sich  findende  dichtere  Zellanhäufung  dar,  während 
an  der  ganzen  übrigen  Peripherie  des  Eies  noch  grössere,  dicht  mit 
Nahrungsdotter  erfüllte  Zellen  gelagert  sind.  Entsprechend  dieser  Stelle 
erhält  sich  —  wie  es  scheint  —  auch  in  späteren  Stadien,  wenn  die 
Ausbildung  des  Blastoderms  bereits  über  die  ganze  übrige  Oberfläche 
des  Eies  vorgeschritten  ist,  eine  Blastodermverdickung,  welche  mit  dem 
Primitivcumulus  des  Spinneneies  verglichen  worden  ist. 

Noch  während  die  Blastodermbildung  vor  sich  geht,  erfolgt  eine 
cuticulare  Ausscheidung  an  der  Oberfläche  der  Blastodermzellen,  welche 
ähnlich,  wie  bei  vielen  Crustaceen  (vgl.  oben  pag.  322),  zur  Aus- 
bildungeiner Bl  astodermhaut  (Cuticula  blastodermica)  führt. 
Diese  Cuticula,  welche  eine  beträchtliche  Dicke  erreicht  und  in  späteren 
Stadien  nach  Abstreifung   des  Chorions   die   einzige  Hülle  des    Embryos 

Korschelt-Heider,    Lehrbuch.  34 


518 


XVI.  Capitel. 


darstellt,  zeigt  an  ihrer  Aussenfläche  eine  polygonale  Felderung,  welche 
den  Grenzen  der  Blastodermzellen,  von  denen  diese  Membran  abgeschie- 
den wurde,  entspricht. 

Nicht  sämmtliehe  bei  der  Furchung  entstandenen  Theilstücke  gehen 
in  die  Bildung  des  Blastoderms  ein.  Ein  grosser  Theil  derselben  bleibt 
mit  Nahrungsdottermassen  erfüllt  im  Innern  des  Eies.  Die  Summe 
dieser  sog.  Dotterzellen  soll  das  Entoderm  repräsentiren.  Das  Blasto- 
derm  dagegen  enthält  die  Elemente  des  späteren  Ectoderms  und 
Mesoderms. 

Die  nächsten  Bildungsvorgänge,  welche  als  Gastrulation  bezeichnet 
werden  müssen  und  zur  Ausbildung  des  Keimstreifs  hinüberführen,  gehen 
nun  vom  Primitivhügel  aus.  In  der  Mitte  dieses  letzteren  tritt  zunächst 
ein  rundliches  Grübchen  auf,  welches  als  Blastoporus  zu  bezeichnen  ist 
und  bald  eine  mehr  dreieckige  und  hierauf  eine  verlängerte  Gestalt  an- 
nimmt. Es  geht  so  in  die  Bildung  einer  Primitivrinne  über  (Fig.  332  A). 
Gleichzeitig  tritt  hinter  dem  Primitivhügel  eine  zweite  mit  demselben  in 

Zusammenhang  stehende  Blasto- 
dermverdickung  auf,  welche  an  den 
Oberflächenbildern  in  Gestalt  einer 
weisslichen  Wolke  erscheint.  In 
diese  erstreckt  sich  bald  die  nach 
hinten  sich  verlängernde  Primitiv- 
rinne. Von  letzterer  geht  während 
dieser  Zeit  die  Proliferation  von 
Mesodermzellen  aus,  welche  sich 
in  den  benachbarten  Parthien 
unter  dem  Ectoderm  ausbreiten 
(Fig.  331).  Bei  dieser  Zell- 
ausschliesslich   Mesoderm ,    aber 


Fig.  331.  Querschnitt  durch  die  Keim- 
scheibe von  Limulus  im  Stadium  der  Keim- 
blätterbildung (nach  Kingsley). 

b  Blastoporus  (Primitivrinne),  d  Dotter- 
zellen, ec  Ectoderm,  m  Mesoderm. 


Wucherung    soll  von  der  Primitivrinne 
kein  Entoderm  geliefert  werden. 

Die  Ausbreitung  von  Mesodermelementen  unter  dem  Ectoderm, 
welche  von  der  Primitivrinne  ausgeht,  erscheint  an  den  Oberflächenbil- 
dern wie  ein  die  letztere  umgebender  heller  Hof  (Fig.  332  A).  Dieser 
verbreitert  sich  bald,  und  diese  ganze  hellere  Region,  welche  von  Meso- 
derm unterlagert  ist,  müssen  wir  als  die  beginnende  Embryonalanlage 
betrachten  und  können  sie  von  nun  an  als  Keimscheibe  bezeichnen. 
In  ihrer  Mitte  ist  noch  immer  der  Primitivstreif  erkennbar,  wenngleich 
derselbe  in  den  nun  folgenden  Stadien  bereits  viel  weniger  deutlich  er- 
scheint, als  am  Anfange  seines  Auftretens. 


2.   Ausbildung  der  äusseren  Körperforni. 

Die  nunmehr  etwas  länglich  -  ovale  Keimscheibe ,  deren  bilaterale 
Symmetrie  durch  die  Reste  der  undeutlich  gewordenen  Primitivrinne  ge- 
kennzeichnet ist,  wird  zunächst  durch  eine  auftretende  Querfurche  in  eine 
vordere  cephalische  und  eine  hintere  postorale  Region  getrennt.  Von 
letzterer  schnürt  sich  sehr  bald  durch  das  Auftreten  einer  weiteren  Quer- 
furche das  vorderste  Thoraxsegment  ab.  Dieses  Stadium,  welches  aus 
einer  abgerundeten  cephalischen  Parthie,  einem  dahinter  eingeschobenen 
Rumpfsegment  und  einer  noch  unsegmentirten  hinteren  Körperregion  be- 
steht, erinnert  sehr  an  ein  ähnliches,  für  den  Scorpion  bekannt  gewor- 
denes Stadium  (vgl.  unten  pag.  541).  Die  Medianfurche  reicht  nach 
vorne  in  das  cephalische  Segment,  während  sie  sich  nach  hinten  in  dem 


Palaeostraken. 


519 


unsegmentirten  hinteren  Körperabschnitt  verliert.  Es  lösen  sich  nun 
successive  neue  Thoraxsegmente  von  dem  hinteren  Körperabschnitte  ab, 
bis  die  Zahl  von  sechs  freien  Thoraxsegmenten  erreicht  ist.  Ein  ganz 
übereinstimmendes  Stadium  ist  für  die  Spinnen  bekannt  geworden 
(Fig.  367  A,  pag.  579). 

Wir  unterscheiden  nun  (Fig.  332  B  und  Fig.  339)  einen   halbkreis- 
förmig begrenzten  vorderen  cephalischen  Körperabschnitt,   sechs  Thorax- 


Fig.  332.     Zwei  Embryonalstadien  von  Limulus  (nach  Kingsley). 

A  Stadiuni  mit  Primitivrinne,  B  Stadium  mit  Extremitätenanlao-en. 

1 — 6  erstes  bis  sechstes  Thoraxbeinpaar,  a  After,  b  Primitivrinne  (Blastoporus), 
do  Dorsalorgan,  me  Keimscheibe  mit  darunterliegender  Mesodermschicht,  m  Mund, 
n  Neuralrinne,  ax  Operculumanlage  (erstes  Abdominalbein). 


—5 


segmente  und  eine  hintere,  ebenfalls  halbkreisförmig  umrandete,  abdomi- 
nale Körperregion.  Sehr  bald  treten  an  den  Thoraxsegmenten  die  An- 
lagen der  Gliedmaassen  [der  Cheliceren  (1)  und  der  fünf  dahinter  folgenden 
Paare  (3—6)]  als  anfangs  kleine  knopfförmige  Erhabenheiten  auf.  Von 
diesen  sind  die  Anlagen  der  Cheli- 
ceren (Fig.  332  B,  1)  am  kleinsten, 
während  die  dahinter  folgenden 
Paare  bis  zum  letzten  an  Grösse 
zunehmem  Die  Mundöffnung  (m) 
und  Afteröffnung  (a)  sind  durch 
Ectodermeinsenkungen  gekennzeich- 
net. Von  diesen  liegt  die  erstere  in 
der  cephalischen  Körperregion  und 
daher  deutlich  vor  dem  ersten  Glied- 
maassenpaare  (Cheliceren),  welches 
ja  dem  ersten  Thoraxsegmente  ange- 
hört (Packard,  Kingsley).  In  spä- 
teren Stadien  verändert  der  Mund 
seine  Lage,  indem  er  weiter  nach 
hinten  rückt,  so  dass  er  dann  hinter 
die  Cheliceren  in  den  Raum  zwi- 
schen dem  zweiten  Gliedmaassen- 
paare  zu  liegen  kommt  (Fig.  333). 
Zwischen  Mund-  und  Afteröffnung, 
welche  nach  Kingsley  (No.  14)  eine 
eigenthümliche  in  die  Länge  ge- 
zogene Form  aufweisen,  zieht  sich 
die  Neuralrinne  (Fig.  332  n)  hin, 
welche  an  der  Stelle  der  inzwischen 


Fig.  333.  Embryo  von  Limulus 
(nach  Dohen). 

1 — 6  erstes  bis  sechstes  Paar  der 
Thoraxextremitäten,  ax  erstes  Abdominal- 
bein (Operculum),  a»  zweites  Abdominal- 
bein, ab  ventralwärts  umgeschlagenes  Ab- 
dominalende bg  Bauchganglienkette,  c  Cu- 
ticula  blastodermica,  d  Chilaria,  m  Mund, 
r  Rand  des  späteren  Cephalothoraxschildes, 
x  Exopodit  des  sechsten  Thoraxbeinpaares. 

34* 


520 


XVI.  Capitel. 


verschwundenen  Primitivrinne  gelegen  ist.  Die  ganze  längliche  Keim- 
seheibe ist  an  den  Seiten  von  einem  verdickten  Wall  (Fig.  333  r)  um- 
randet, in  welchem  wir  die  erste  Anlage  des  Cephalothoraxschildes  zu 
erkennen  haben.  Sehr  bald  treten  an  dem  abdominalen  Körperabschnitt 
die  ersten  undeutlichen  Anlagen  des  vordersten  Extremitätenpaares  dieser 
Region  (av  Operculum)  zu  Tage.  Schon  in  diesem  Stadium  erkennt  man  zu 
den  Seiten  der  Keimscheibe,  aber  ausserhalb  derselben,  ungefähr  auf  der 
Höhe  des  vierten  Thoraxsegmentes  zwei  rundliche  Verdickungen  (Fig.332r7o), 
welche  wahrscheinlich  dem  sog.  Dorsal organ  (Watase)  entsprechen. 

Das  folgende  Stadium  (Fig.  333)  zeigt  die  Thoraxextremitäten  stärker 
entwickelt  und  nach  Innen  winkelig  abgeknickt.  Es  sind  nun  zwei  Paare 
blattförmiger  abdominaler  Extremitäten  (ax,  a2)  angelegt,  welche  sich  von 
den  Thoraxextremitäten  durch  ihre  Gestalt,  ihre  der  Medianlinie  ge- 
näherte Lage  und  durch  die  Art  ihrer  Entstehung  unterscheiden.  Sie 
lösen  sich  dadurch  von  der  Keimscheibe,  dass  eine  Einfaltimg  der  Körper- 
oberfläche von  hinten  unter  sie  eindringt  (Kingsley).   In  diesem  Stadium 


"3    \    y  K6 

Fig.  334.  Embryo  von  Limulus 
(nach  Watase). 

1 — 6  erstes  bis  sechstes  Thorax- 
beinpaar, a-y  erstes  Abdominalbeinpaar 
(Operculum),  a2  zweites  Abdominalbein- 
paar, ab  Abdomen,  au  Stelle,  an  welcher 
nach  Watase  das  Seitenauge  sich  an- 
legt, c  Cuticula  blastodermica,  x  Exo- 
podit  des  sechsten  Thoraxbeinpaares. 


Fig".  335.  Seitenansicht  eines  Limulus- 
embryos  (nach  Kingsley). 

1 — 6  erstes  bis  sechstes  Thoraxbeinpaar, 
«!  erstes  Abdominalbeinpaar  (Operculum), 
«2  zweites  Abdominalbeinpaar,  ab  Abdomen, 
eh  Chilaria,  do  Dorsalorgan,  x  Exopodit  des 
sechsten  Thoraxbeinpaares. 


glaubte  Packard  eine  Fortsetzung  der  Segmentgrenzen  auf  die  seitlich 
neben  der  Keimscheibe  gelegenen  Parthien  des  Dotters  erkennen  zu 
können,  was  aber  Kingsley  nicht  bestätigen  konnte. 

Die  Embryonalanlage  lag  bisher  als  eine  sich  allmählich  ausdehnende 
flache  Scheibe  der  rundlichen  Dotterkugel  auf.  Letztere  beginnt  nun  mit 
der  fortschreitenden  Resorption  des  Nährmaterials  sich  zur  Rückenhälfte 
des  Embryonalkörpers  umzubilden  (Fig.  334).  Noch  immer  erscheint 
der  Schwanzabschnitt  (ab)  sehr  kurz  und  mit  seinem  hintersten  Ende 
ventralwärts  eingekrümmt  (Dohrn)  (vgl.  Fig.  333  ab).  Der  Embryo  be- 
deckt sich  nun  mit  einem  zarten,  cuticularen  Häutchen,  welches  schon 
in  den  nächstfolgenden  Stadien  durch  Häutung  abgestossen  wird  und  dann 
innerhalb  des  von  der  Blastodermhaut  umschlossenen  Raumes  liegen  bleibt. 

Das  folgende  Stadium  (Fig.  335)  ist  durch  die  quere  Zerreissuug 
des  Chorions  charakterisirt,  dessen  beide  Hälften  noch  längere  Zeit  als 
halbkugelförmige  Schalen  dem  Eie  anhaften  bleiben.  Der  Embryo  be- 
wegt sich  jetzt  innerhalb  des  durch  Aufnahme  von  Seewasser  vergrösserten, 


Palaeostraken. 


521 


von  der  Blastodermcuticula  umschlossenen  Raumes.  Letztere  erleidet 
hierbei  eine  beträchtliche  Ausdehnung,  wobei  das  zellähnliche  Mosaik  an 
ihrer  Oberfläche  verschwindet.  Die  Extremitäten  entwickeln  sich  nun 
allmählich  mehr  nach  der  Richtung  der  definitiven  Gestalt,  indem  an 
ihnen  die  Scheerenanlagen  sowie  die  Gliederung  kenntlich  werden.  Auch 
tritt  an  dem  sechsten  Extremitätenpaar  der  als  Exopodit  (x)  gedeutete 
äussere  Anhang  der  Coxa  auf.  Hinter  diesem  Extremitätenpaare,  der 
Medianlinie  genähert,  machen  sich  die  Anlagen  der  als  Chilaria  (ch, 
Metastoma)  bezeichneten  paarigen  Unterlippenbildung  bemerkbar,  welche, 
da  ihnen  kein  eigenes  Bauchganglion,  sowie  kein  Mesodermsegment  ent- 
spricht (Kingsley  No.  14),  nicht  als  Extremitäten  aufgefasst  werden 
dürfen  1).  An  dem  Abdominalabschnitt  macht  sich  eine  Art  von  Segmen- 
tirung  geltend  (Fig.  334,  335  ab). 


Fig.  336.  Zwei  Entwicklungsstadien  von  Limulus  (nach  Kingsley,  aus  Lang's 
Lehrbuch).  A  junge  eben  ausgeschlüpfte  Larve  des  Trilobitenstadiums,  von  der  Rücken- 
seite, B  Embryo,  nahe  vor  dem  Ausschlüpfen,  von  der  Bauchseite  gesehen. 

Mit  der  allmählichen  Verringerung  des  Nahrungsdotters  und  der  Aus- 
bildimg des  Rückens  machen  sich  an  dem  Embryo  des  folgenden  Sta- 
diums bereits  die  Grundzüge  der  Limulusgestalt  bemerkbar.  Der  vor- 
dere Körperabschnitt,  welcher  aus  dem  cephalischen  Segment  und  den 
hinzugetretenen  sechs  Thoraxsegmenten  besteht,  ist  nun  schildförmig  ge- 
staltet, wenngleich  seine  Rückenseite  noch  halbkugelig  gewölbt  erscheint. 
Es  macht  sich  an  der  Rückenseite  dieses  Körperabschnittes  durch  die 
Vertheilung  des  Nahrimgsdotters  (Mitteldarmanlage)  und  durch  nach 
Innen  wachsende  Mesodermsepten  eine  den  sechs  Thoraxsegmenten  ent- 
sprechende Segmentirung  geltend,  indem  man  jederseits  sechs  durch  Meso- 
dermsepten getrennte  Dotterlappen  (Leberanlagen),  die  an  der  Aussenseite 
wieder  secundär  gelappt  erscheinen,  erkennen  kann  (Fig.  335).  Die  vor- 
deren dieser  Lappen  erscheinen  nicht  mehr  quer,  sondern  radiär  gestellt. 
Nun  sind  auch  schon  die  Augenanlagen  deutlich  zu  erkennen.  Von 
diesen  liegen  die  der  Mittelaugen  ursprünglich  nach  Packard  (No.  23)  an 
der  Ventralseite ,  rücken  jedoch  bald  über  den  vorderen  Cephalothorax- 
rand  nach  der  Dorsalseite  hinüber.  Die  Anlagen  der  Seitenaugen  ent- 
sprechen nach  Watase  dem  vierten  Leberlappen  und  liegen  an  der  Innen- 
seite des  von  ihm  beschriebenen  Dorsalorgans  (Fig.  334  au).   Der  Abdominal- 


])  Nach   Kishinouve    soll   diesem  Anhangspaar   ein   eigenes   Bauchganglion   zu- 
kommen, daher  es  als  echtes  Extremitätenpaar  zu  betrachten  sei. 


522 


XVI.  Capitel. 


ma 


Fig.  337.     Larve    des  Trilobiten- 

stadiums  von  Limulus  (nach  Wätase). 

do  Dorsalorgan,  ZLeberausstülpungen 

des  Mitteldarms,  toLateralauge,  wiaMedian- 

augen,  s  Anlage  des  Schwanzstachels. 

ma 


abschnitt  zeigt  nun  schon  eine  deutliche  Segmentirung,  welche  nach  Kingsley 
allerdings  blos  auf  die  inneren  Organe  sich  erstreckt,  während  das  Ecto- 

derm  daran  unbetheiligt  erscheint  (?). 
Wir  können  im  Ganzen  neun  Abdo- 
minalsegmente  unterscheiden  (vgl.  Fig. 
337),  von  denen  das  letzte  die  Anlage 
des  Schwanzstachels  darstellt  und  von 
den  nächstvorderen  gekrümmten  Seg- 
menten seitlich  umfasst  wird  (Fig. 
336  A).  An  der  Basis  dieses  Seg- 
mentes liegt  die  Afteröffnung.  Die 
Extremitäten  nähern  sich  nun  immer 
mehr  der  ausgebildeten  Form,  doch 
fehlen  noch  die  Zähne  an  den  zu 
Kauladen  umgebildeten  Coxalab- 
schnitten.  An  den  beiden  Paaren 
von  Abdominalanhängen,  hinter  denen 
die  Anlage  eines  dritten  Paares  er- 
kennbar wird,  macht  sich  die  zwei- 
lappige Grundform  geltend,  indem  ein 
kleiner  Innenlappen  (Endopodit)  zur 
Ausbildung  kommt  (Fig.  335  ax  a2, 
Fig.  336  B). 

Das  Stadium,  in  welchem  der 
Embryo  aus  der  Blastodermcuticula 
ausschlüpft,  wird  als  Tri- 
lobiten-Stadium  (Fig. 
336.4,337)  bezeichnet.  In 
der   That    macht    sich    an 

demselben  durch  zwei 
Längsfurchen  eine  deutliche 
Abgrenzung  eines  mittleren 
und  zweier  seitlicher  Kör- 
pertheile  geltend.  Am  Ce- 
phalothorax  sind  nun  die 
Anzeichen  einer  Segmen- 
tirung nicht  mehr  zu  er- 
kennen; er  erscheint  als 
einheitlicher  Körpertheil, 
Eine  halbkreisförmige,  dem 
Rande  ungefähr  parallele 
Leiste  verbindet  die  Me- 
dianaugen und  Seitenaugen. 
Der  Abdominalabschnitt  er- 
scheint noch  immer  im  Seg- 
mente getrennt.  Wir  er- 
kennen an  seinem  Seiten- 
rande sechs  bewegliche 
Dornen  (Fig.  337),  welche 
dem  zweiten  bis  siebenten 
Segmente  angehören.  Es 
tritt  nun  die  Anlage  eines 
vierten  Abdominalbein- 


Fig.  338.  Aelteres  Larvenstadium  von  Limulus 
(nach  Watase). 

I  Leberausstülpungen  des  Mitteldarms,  la  Lateral- 
auge, ma  Medianaugen. 


Palaeostraken.  523 

paares  auf.  Das  erste  Abdominalbeinpar  wird  jetzt  zum  Operculum 
umgebildet.  Es  tritt  eine  ziemlich  weitgreifende  Verwachsung  der 
Innenseite  der  beiden  Hälften  dieses  Paares  ein,  wobei  der  Endopodit 
eine  Rückbildung  erleidet.  Am  zweiten  und  den  folgenden  Abdominal- 
beinpaaren machen  sich  nun  schon  die  Anlagen  der  Kiemenblätter  gel- 
tend, von  denen  anfangs  bloss  vier  an  jeder  Extremität  zu  bemerken 
sind.  Später  wird  ihre  Zahl  durch  Sprossung  neuer  Lamellen  an  der 
Basis  der  Extremität  vermehrt.  Der  Endopodit  dieser  Gliedmaassen  er- 
fährt eine  Gliederung  in  drei  Abschnitte. 

Die  aus  dem  Ei  geschlüpften  Jungen  des  Trilobitenstadiums  bohren 
schon  im  Sande  wie  die  ausgebildeten  Thiere.  Immerhin  scheint  ihnen 
eine  grössere  Beweglichkeit  eigen  zu  sein.  Sie  sind  im  Stande,  mittelst 
ihrer  Abdominalgliedmaassen  umherzuschwimmen  und  werden  gelegent- 
lich freischwimmend  (so  ein  Exemplar  von  A.  Agassiz  drei  Meilen  von 
der  Küste)  angetroffen.  Nach  der  ersten  Häutung  gehen  sie  in  ein  Sta- 
dium über,  welches  sich  von  dem  vorhergehenden  durch  die  stärkere 
Verästelung  der  gradier  gewordenen  Leberschläuche,  durch  die  innigere 
Verschmelzung  der  Abdominalsegmente  und  durch  die  Verlängerung  des 
Schwanzstachels  unterscheidet.  Dieses  Stadium  (Fig.  338)  ist  durch  seine 
Uebereinstimmung  mit  der  palaeozoischen  Hemiaspidengattung  Prest- 
wichia  bemerkenswert!].  Die  späteren  Stadien  weisen  schon  durchaus 
die  Charaktere  der  ausgebildeten  Form  auf  bis  auf  den  Mangel  der 
sexuellen  Differenzen.  Letztere  scheinen  erst  sehr  spät  (nach  Lockwood 
im  dritten  oder  vierten  Lebensjahre)  ausgebildet  zu  werden.  Während 
die  jungen  Männchen  den  Weibchen  gleichen,  erhalten  sie  dann  an  dem 
zweiten  Extremitätenpaare  statt  der  Scheere  eine  starke  Endklaue. 


3.   Die  Bildung  der  Organe. 

A.    Nervensystem  und  Sinnesorgane. 

Die  Bauchganglienkette  entwickelt  sich  in  der  Form  zweier  zu 
den  Seiten  der  Medianlinie  zur  Ausbildung  kommender  Ectodermver- 
dickungen  (Fig.  333  bg),  welche  zwischen  sich  eine  weniger  verdickte 
Ectodermparthie  einfassen.  Letztere  erscheint  an  dem  Oberflächenbilde 
als  Neuralrinne,  obgleich  sie  eigentlich  nicht  unter  die  Oberfläche  einge- 
sunken ist.  Indem  die  Seitenstränge  sich  segmentweise  verdicken  und 
von  der  Hypodermis  loslösen  (welche  Abtrennung  von  vorne  nach  hinten 
erfolgt)  kommen  die  seitlichen  Hälften  der  Bauchganglienkette  zur  Ent- 
wicklung. Die  Quercommissuren  scheinen  sich  durch  Einstülpung  der 
Mittelparthie  anzulegen  (Kingsley).  Es  entwickelt  sich  demnach  die 
Bauchganglienkette  im  Wesentlichen  nach  demselben  Typus,  den  wir 
oben  für  die  Crustaceen  geschildert  haben  (pag.  360)  und  der  für  alle 
Arthropoden  gültig  scheint.  Man  erkennt  im  Embryo  im  Ganzen  acht 
deutliche  Ganglienpaare,  von  denen  die  sechs  vorderen  auf  die  sechs 
Thoraxsegmente  entfallen.  Mit  der  Verlagerung  der  Mundöffhung  nach 
hinten  rückt  das  vordere  den  Cheliceren  zugehörige  Ganglienpaar  immer 
mehr  nach  vorn,  so  dass  es  schliesslich  der  eigentlichen  Schlund commissur 
angehört  und  der  Ursprung  des  ihm  zukommenden  Nerven  dicht  an  der 
Grenze  des  Gehirns  gelegen  ist.  Der  thoracale  Abschnitt  der  Bauch- 
ganglienkette ist  im  Embryo  noch  mehr  gestreckt.  Erst  in  späteren 
Stadien  concentrirt  er  sich  nach  vorne,  und  gleichzeitig  kommt  durch 
Auseinanderweichen  seiner  beiden  Hälften  die  für  die  ausgebildete  Form 


524 


XVI.  Capitel. 


charakteristische  ringförmige  Gestalt  zur  Entwicklung,  lieber  die  Ent- 
stehung der  bei  Limulus  diese  Theile  des  Nervensystems  umhüllenden 
Gefässscheiden  ist  bisher  nichts  Genaueres  bekannt  geworden,  doch  erwähnt 
Kingsley  (No.  15),  dass  sie  in  ihrer  Entwicklung  ein  Stadium  durch- 
laufen, wie  es  bei  den  Scorpionen  zeitlebens  persistirt,  indem  sie  der 
Schlundcommissur  blos  aufliegen,  ohne  dieselbe  vollständig  zu  umhüllen. 


m 


lieber  die  Entwicklung  des  eigentlichen  oberen  Schlundganglions 
oder  Gehirns,  welches  die  Augennerven  und  einige  Hautnerven  (Nervi  fron- 
tales) abgiebt,  liegen  nur  einige  kurze  vorläufige  Mittheilungen  vor  (Patten 
No.  28  und  29,  Kingsley  No.  15)  aus  denen  der  eigentliche  Modus  der 
hier  eintretenden  complicirten  Bildungsvorgänge  kaum  zu  ersehen  ist.  Nach 
Patten,  dem  Kingsley  beistimmt,  soll  die  Gehirnanlage  [in  Uebereinstimmung 
mit  dem  von  Patten  für  die  Scorpione  und  Acilius  (vgl.  den  Abschnitt  über 

die  Entwicklung  des  Nerven- 
systems der  Insecten)  auf- 
gestellten Schema]  aus  drei 
hinter     einander     folgenden 

Ganglienpaaren    bestehen, 

welche    gleichsam    eine    im 

cephalischen  Körperabschnitt 

gelegene ,    präorale    Fort- 

—  so.  Setzung  der  Bauchganglien- 
kette      darstellen.        Jedem 

—  sos  dieser  drei  Paare  entspricht 
ein  ursprünglich  an  der  Aus- 

'-  so,  senseite  derselben  gelegenes 
Paar  von  Einstülpungen,  aus 
denen  die  optischen  Ganglien 
hervorgehen.  Bei  Limulus 
sollen  sich  die  beiden  vor- 
dersten Paare  dieser  Ein- 
stülpungen zur  Bildung  der 
Medianaugen,  sowie  der  ihnen 
zukommenden    Nerven     ver- 


.-  so, 


so. 


x- so* 


a 


einigen,    während  das  dritte 


Fig.  339.  Schematische  Darstellung  einer 
Keimscheibe  von  Limulus  mit  den  lateralen,  seg- 
mentalen Sinnesorganen  (nach  Patten). 

a  After,  m  Mund,  r  Rand  des  Cephalothorax- 
sehildes,  s  Sinnesorgan  des  dritten  Gehirnsegmentes, 
sol—  so6  erstes  bis  sechstes  laterales,  segmentales 
Sinnesorgan,  so4  Dorsalorgan,  1 — 6  erstes  bis  sechs- 
tes Thoraxbeinpaar. 

Paar  von  Einstülpungen  beim 
Scorpion  das  optische  Ganglion  der  Seitenaugen  liefert,  bei  Limulus  dagegen  nur 
zu  einem  kleinen  Sinnesorgan  (Fig.  339  s)  in  Beziehung  stehen  soll,  während  die 
Lateralaugen  nach  Patten  dem  dritten,  nach  Kingsley  dem  fünften,  nach  anderen 
Autoren  dem  vierten  Thoraxsegmente  angehören,  also  postcephalische  Bildungen 
sind.  Die  optischen  Ganglien  setzen  sich  nach  hinten  in  einen  Nervenstrang, 
eine  Art  von  an  der  Aussenseite  der  Beinanlagen  hinziehendem  Lateralnerv 
fort,  welcher  mit  je  einem  Sinnesorgan  in  jedem  Segment  (Fig.  339  so1 — so6) 
in  Zusammenhang  steht.  Nach  Patten  sollen  diese  Sinnesorgane  (die  Anlagen 
der  Lateralaugen  abgerechnet)  meist  nur  provisorische  Bedeutung  haben  und 
bald  verschwinden.  Nach  Kingsley  dagegen  liefert  das  erste  Paar  (so/)  die 
Medianaugen,  das  zweite  ein  eigenthümliches  noch  unbeschriebenes  Sinnesorgan ; 
das  dritte  verschwindet;  aus  dem  vierten  entwickelt  sich  das  Dorsalorgan  (so4) 
von  Watase  ,  welches  längere  Zeit  persistirt ;  das  fünfte  geht  in  die  zu- 
sammengesetzten Seitenaugen  über,  und  das  sechste  endlich  wird  rückgebildet. 
Wir  stehen  allen  diesen  Angaben  bis  zu  dem  Erscheinen  ausführlicherer 
Mittheilungen  noch    ziemlich  sceptisch    gegenüber.     Hinsichtlich   der  bei  dem 


Palaeostraken. 


525 


Mangel  genügender  Abbildungen  kaum  verständlichen  Darstellung  der  Ent- 
wicklung des  Gehirns  von  Limulus  müssen  wir  den  Leser  auf  die  genannte 
Abhandlung  Patten's  verweisen.  Ebenso  sind  wir  bei  dem  fragmentarischen 
Charakter  der  bisher  vorliegenden  Mittheilungen  nicht  in  der  Lage  zu  ent- 
scheiden, in  wie  weit  sich  die  neueren  Angaben  Packaed's  (No.  27)  über 
den  Bau  des  Limulus  -  Gehirnes  mit  denen  PatteVs  in  Uebereinstimmung 
bringen  lassen.  Packakd  hebt  hervor,  dass  das  Chelicerenganglion  bei 
Limulus  nicht  mit  dem  Gehirn  verschmilzt ,  sondern  getrennt  bleibt.  Das 
eigentliche  Gehirn  entsendet  nur  die  Nerven  zu  den  Medianaugen  und  Seiten- 
augen ,  sowie  zwei  Paare  von  Integumentnerven  (N.  frontaux  und  fronto- 
inferieurs).  Es  besteht  aus  drei  Lappenpaaren :  die  Lappen  der  Seitenaugen, 
der  Medianaugen  und  die  eigentlichen  Cerebrallappen.  Bei  dem  Mangel  von 
Abbildungen  war  es  uns  nicht  möglich,  über  die  Lagebeziehungen  dieser 
Gehirnlappen  eine  klare  Vorstellung  zu  gewinnen. 


Fig.  340.    Querschnitt  durch  das  Trilobitenstadium  von  Limulus  (nach  Watase). 

bg  Bauehganglienkette,  d  Nahrungsdotter  (Mitteldarmanlage),  do  Dorsalorgan, 
df  Dorsalfalte  und  vf  Ventralfalte  der  Anlage  des  Seitenauges  {la),  ent  Endosternum, 
cz  Extremitätenanlage. 


In  Bezug  auf  die  Entwicklung  der  Median  au  gen  scheinen  nach 
den  Andeutungen  Pattens  bei  Limulus  Verhältnisse  vorzuliegen,  welche 
sich  sehr  enge  an  die  für  die  Scorpione  bekannt  gewordenen  anschliessen. 
Auch  hier  sind  es,  wie  bei  den  Scorpionen,  zwei  (oder  vielleicht  nach 
Patten  vier)  Einstülpungen,  welche,  indem  sie  nach  hinten  rücken,  sich 
in  der  Medianlinie  zu  einem  Sacke  mit  gemeinsamer  hinterer  Oeffnung 
vereinigen.  Der  so  gebildete  Sack  entsendet  nach  vorne  zwei  röhren- 
förmige Ausläufer,  deren  blinde  Enden,  indem  sie  sich  an  die  Hypo- 
dermis  des  Cephalothorax  anlegen,  zu  den  Medianaugen  umgebildet  wer- 
den, während  der  übrige  Theil  dieser  röhrenförmigen  Ausläufer  zu  den 
optischen  Nerven  sich  umwandelt  (vgl.  unten  pag.  547). 

Viel  einfacher  gestaltet  sich  die  Entwicklung  der  Seitenaugen, 
welche  neuerdings  durch  Watase  (Nr.  30)  genauer  bekannt  geworden 
ist.     Wir  können  die  Seitenaugen  auf  eine  höher  differenzirte  Stelle  der 


526 


XVI.   Capitel. 


Hypodermis  zurückführen.  Die  eigentliche  Anlage  (Fig.  340  Ja)  des  zu- 
sammengesetzten Seitenauges  stellt  sich  als  eine  verdickte  Stelle  der 
Hypodermis  in  der  Nähe  des  sog.  Dorsalorgans  (do)  dar,  welche  schein- 
bar einem  hinteren  Thoraxsegment  (nach  Packard  und  Patten  dem 
dritten,  nach  Doelrn  dem  vierten,  nach  Kingsley  dem  fünften  Thoraxseg- 
ment) angehört  (vgl.  auch  Fig.  334  au  u.  do).  Das  eigentliche  Augenfeld 
(Fig.  340  la)  (optic  area)  ist  an  seiner  dorsalen  (medialen)  und  an  seiner 
ventralen  (lateralen)  Seite  von  einer  Einfaltung  (df  u.  vf)  begrenzt, 
welche,  indem  sie  nach  hinten  convergirend  zusammenlaufen,  die  Gestalt 
eines  V  darstellen.  An  dem  Punkte,  an  welchem  die  beiden  Schenkel 
des  V  zusammentreffen,  stülpt  sich  ein  kurzer,  röhrenförmiger  Zapfen 
nach  hinten  unter  die  Hypodermis  ein,  so  dass  die  Form  des  V  in  die 
eines  Y  übergeht.  Diese  aus  sehr  grossen  Zellen  zusammengesetzten 
Einfaltungen  (Fig.  341  df  und  vf)  liefern  neues  Zellmaterial  zur  Bildung 


Fig.  341.  Querschnitt  durch  die  Anlage  des  Lateralauges  vonLimulus  (nach 
Watase). 

om  Anlage  eines  Ommatidiums,  c  Anlage  einer  Corneallinse,  df  Dorsalfalte  und 
vf  Ventralfalte  der  Augenanlage. 

junger  Ommatidien  am  Rande  des  Augenfeldes.  Jedes  Ommatidium  (om) 
entsteht  in  Form  einer  einfachen  Einsenkung  der  Hypodermis,  über  wel- 
cher die  Cuticula  zur  Bildung  der  zapfenförmigen  Linse  (c)  verdickt  wird. 
Es  ist  nicht  ganz  klar,  auf  welche  Weise  der  optische  Nerv  dieses  Seiten- 
auges entsteht.  Er  wird  von  Patten  und  Kingsley  auf  den  Nerven- 
strang der  lateralen  Sinnesorgane  (siehe  oben  pag.  524)  zurückgeführt. 

Die  Lageverhältnisse  der  Seitenaugen  von  Limulus  müssen  als  sehr 
merkwürdige  bezeichnet  werden.  Nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der 
Autoren  würden  die  letzteren  einem  postoral  gelegenen,  thoracalen 
Körpersegment  angehören.  Sie  würden  somit  eine  im  ganzen  Bereich  der 
Arthropoden  durchaus  exceptionelle  Lage  einnehmen.  "Wenngleich  die  eben 
erwähnten  Angaben  von  Patten  und  Kingsley  eine  gewisse  Erklärung  dafür 
beibringen  würden,  so  muss  es  doch  auffallend  erscheinen ,  dass  trotz  dieser 
Lagerung  die  Innervation  dieser  Augen  nicht  von  dem  entsprechenden  Bauch- 
ganglion ,  sondern  von  dem  Gehirne  aus  besorgt  wird.  A  priori  würden 
wir  auch  bei  der  kaum  abzuweisenden  näheren  Verwandtschaft  zwischen 
Limulus  und  den  Scorpionen  geneigt  sein ,  die  Seitenaugen  von  Limulus  mit 
den  Seitenaugen  der  Scorpione   in  Homologie   zu    stellen.     Letztere    gehören 


Palaeostraken.  527 

aber  ohne  Zweifel  dem  präoralen ,  cephalischen  Körperabschnitte  an. 
Allerdings  wurde  diese  Homologie  von  Patten  unter  Hinweis  auf  das  oben- 
erwähnte, von  ihm  gefundene,  kleine  Sinnesorgan  (Fig.  339  s),  welches  den 
Seitenaugen  der  Scorpione  entsprechen  soll,  in  Abrede  gestellt.  Eine  Be- 
trachtung der  Nervenvertheilung  am  ausgewachsenen  Limulus  muss  uns  aber 
hinsichtlich  der  Zurechnung  der  Seitenaugen  zu  jenem  Thoraxsegmente ,  in 
welchem  sie  zu  liegen  scheinen ,  einigermassen  vorsichtig  machen.  Es  gehen 
nicht  bloss  die  Nervi  optici  der  Seitenaugen  vom  Gehirne  aus,  sondern  es 
reicht  auch  ein  umfangreicher  Ast  der  dem  Gehirn  entspringenden  Haut- 
nerven (Nervi  frontales)  in  den  Seitentheilen  des  Cephalothorax  sehr  weit 
nach  hinten.  Es  wird  hierdurch  gerechtfertigt,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob 
nicht  die  die  Seitenaugen  tragenden  lateralen  Parthien  des  Cephalothorax 
durch  Wachsthumsverschiebungen  secundär  nach  hinten  verlagerten  Theilen 
des  präoralen,  cephalischen  Körperabschnittes  entsprechen  1).  Es  würde  nach 
dieser  Auffassung  nur  der  mittlere  Theil  des  Cephalothorax  oder  die  Gla- 
bella  nebst  den  angrenzenden  Theilen  der  Wangen  den  gliedmaassentragenden 
Thoraxsegmenten  zuzurechnen  sein.  Hiemit  würde  sich  auch  der  Verlauf 
der  Gesichtsnath  der  Trilobiten  in  Uebereinstimmung  bringen  lassen.  (Vgl. 
oben  pag.  514.) 

B.   Darmcanal. 

Vorderdarm  und  Enddarm  entstehen  aus  Ectodermeinstülpungen, 
welche  erst  im  Larvenleben  nach  erfolgter  erster  Larvenhäutung  mit  dem 
Mitteldarm  in  Communication  treten.  Wir  haben  über  die  Lagever- 
schiebung" der  von  einer  Oberlippe  (?)  überragten  Mundöffnung  schon 
oben  (pag.  519)  berichtet.  Der  Vorderdarm  steigt  in  seinem  Verlaufe 
schräg  nach  vorne  an  und  erreicht  nach  einer  knieförmigen  Knickung 
den  Mitteldarm.  Seine  stark  cuticularisirte  Innenwand  ist  längsge- 
faltet. Die  Afteröffnung  findet  sich  dicht  vor  der  Insertionsstelle  des 
Schwanzstachels;  der  Enddarm  ist  zeitlebens  nur  von  geringer  Ausdehnung. 

Es  ist  ein  merkwürdiges,  aber  mit  den  Seorpionen  übereinstimmen- 
des Verhältniss,  dass  der  Mitteldarm  ausserordentlich  spät  zur  definitiven 
Ausbildung  gelangt.  Während  des  ganzen  Embryonallebens  besteht  die 
Mitteldarmanlage  aus  der  durchgefurchten,  in  polygonale  Zellen  zertheil- 
ten  Nahrungsdottermasse  (Fig.  340  d),  deren  Oberfläche  in  späteren 
Stadien  mit  einer  dem  Mesoderm  entstammenden  splanchnischen  Schicht 
bedeckt  erscheint.  Anfangs  hat  diese  Entodennmasse  noch  Kugelgestalt ; 
später  passt  sie  sich  der  Form  des  Embryos  an;  doch  wird  ihr  vorderer 
im  Cephalothorax  gelegener  Abschnitt  sehr  bald  durch  seitlich  einwach- 
sende Mesodermsepten  in  Lappen  zeitheilt,  welche  die  erste  Anlage  der 
Leberlappen  darstellen.  Es  finden  sich  ursprünglich  jederseits  sechs 
solcher  primärer  Leberlappen  (vgl.  oben  pag.  521),  welche  jedoch  bald 
durch  secundäre  Lappenbildung  (Fig.  337  und  338)  ramificirt  erscheinen. 
(Ueber  die  Ausbildung  der  Mesodermsepten  vgl.  unten  pag.  528.)  Durch 
die  Entwicklung  dieser  Mesodermsepten,  sowie  durch  die  Entwicklung 
paariger  Leberlappen  erhalten  die  im  Inneren  des  Cephalothorax  ge- 
legenen Organe  den  Anschein  einer  den  sechs  Thoraxsegmenten  ent- 
sprechenden Segmentirung. 

Die  Umwandlung  des  Nahrungsdotters  in  den  definitiven  Mitteldarm 
erfolgt,  indem  die  der  Oberfläche  genäherten  Dotterzellen  sich  vermehren 
und  zu  einem  einschichtigen  Epithel  anordnen,   welches  sich  sehr  bald 


*)  Die  Beobachtungen  von  Kishinouye  scheinen  für  diese  Auffassung  zu  sprechen. 


528  XVI.  Capitel. 

von  der  centralen  Dottermasse  abhebt,  indem  sich  zwischen  dieser  und 
dem  Epithel  verflüssigte  Dottersubstanzen  ansammeln.  Allmählich  wird 
der  ganze  Nahrungsdotter  verflüssigt  und  aufgebraucht.  Der  Durch- 
bruch des  Vorderdarms  gegen  den  Mitteldarm  findet  früher,  der  des 
Enddarms  später  statt.  Hinsichtlich  der  Vertheilung  der  Leberlappen  ist 
zu  erwähnen,  dass  sie  sich  um  zwei  Paare  von  Ausführungsgängen 
gruppiren,  mittelst  deren  sie  in  den  vorderen  Theil  des  Mitteldarms  ein- 
münden. Während  die  überwiegende  Zahl  derselben  dem  Cephalothorax 
angehört,  reicht  ein  mit  dem  zweiten  Paar  von  Ausführungsgängen  ge- 
meinsam mündender  Leberschlauch  nach  hinten  in  den  Abdominalabschnitt 
des  Körpers. 

C.    Bildungen  des  Mesoderms. 

Das  Mesoderm  entsteht  —  wie  wir  oben  (pag.  518)  gesehen  haben  — 
in  der  Form  einer  von  der  Primitivrinne  ausgehenden  und  unter  dem 
Ectoderm  sich  ausbreitenden  Zellwucherung.  Zur  Zeit  des  Auftretens 
der  Extremitätenanlagen  trennt  sich  die  Mesodermschicht  längs  der  Mittel- 
linie, so  dass  sie  nun  aus  zwei  unter  den  Extremitätenstummeln  hin- 
ziehenden Mesodermstreifen  besteht,  welche  aber  vorne  und  hinten  unter 
einander  zusammenhängen.  Es  wird  hiebei  der  Innenraum  der  Glied- 
maassenanlagen  völlig  von  Mesodermzellen  erfüllt.  Es  treten  nun  bald 
—  wie  bei  den  Arachniden  —  segmentweise  paarige  Cölomhöhlen  auf. 
welche  in  die  Extremitätenanlagen  sich  fortsetzen  Dieselben  entwickeln 
sich  aus  mehrfachen  kleineren  Auseinanderweichungen  der  Mesoderm- 
zellen, welche  zur  Bildung  der  Cölomhöhlen  zusammenfliessen.  Das 
Mesoderm  wird  durch  dieselben  in  ein  splanchnisches  und  somatisches 
Blatt  getrennt.  An  dem  seitlichen  Rande,  wo  beide  Blätter  in  einander 
übergehen,  wächst  das  Mesoderm  als  einfache  Zellschicht  gegen  den 
Rücken  zu  aus,  in  welcher  erst  später  -  nach  erfolgter  Anlage  des 
Herzens  —  eine  Spaltung  in  ein  somatisches  und  splanchnisches  Blatt 
sich  geltend  macht.  In  dieser  einfachen  Zellschicht  entwickelt  sich  sehr 
bald  eine  paarige,  längsverlaufende  Verdickung,  die  Anlage  der  dorsalen 
Längsmuskel  und  gleichzeitig  der  Ansatzpunkte  der  von  der  Ventralseite 
emporstrebenden  Extremitätenmuskeln.  Letztere  entwickeln  sich  in  Meso- 
dermsepten,  welche  von  der  Ventralseite,  aber  auch  von  den  lateralen 
Parthien  emporwachsen  und  die  Nahrungsdottermasse  vom  Rande  her 
in  eine  Anzahl  (ursprünglich  sechs)  Lappen  zertheilen,  wodurch  eine  an- 
scheinende Segmentirung  an  den  inneren  Organen  des  Cephalothorax 
zum  Ausdrucke  kommt.  Wenngleich  durch  die  Beziehung  dieser  Meso- 
dermsepten  zu  den  in  ihnen  sich  entwickelnden  Extremitätenmuskeln 
ein  gewisser  segmentaler  Charakter  gegeben  ist,  so  werden  wir  doch  nicht 
ausser  Augen  lassen  dürfen,  dass  dieser  anscheinenden  Segmentirung  zu- 
folge der  cephalische  Abschnitt  ungemein  eingeengt  erscheint,  während 
wir  für  denselben  nach  der  Lage  der  Augen  eine  grössere  Ausdehnung 
erwarten  würden. 

Sobald  die  dorsalwärts  vorwachsenden  Mesodermplatten  sich  in  der 
dorsalen  Mittellinie  berühren,  entsteht  daselbst  eine  längsverlaufende 
Verdickung,  die  erste  Anlage  des  Herzens.  Kingsley  konnte  nicht  be- 
stimmt entscheiden,  ob  die  zur  Bildung  dieser  Verdickung  zusammen- 
tretenden Zellen  ausschliesslich  dem  Mesoderm  angehören,  oder  ob  nicht 
durch  Auswanderung  von  Dotterzellen  zu  derselben  beigetragen  wird. 
Bald  tritt  im  Inneren  der  Herzanlage  ein  Lumen  auf,  in  welches  einzelne 


Palaeostraken. 


529 


von  der  Wand  sich  loslösende  Zellen,  die  zu  Blutkörperchen  werden,  ein- 
wandern. Die  Wand  des  röhrenförmigen  Herzens  löst  sich  nun  zunächst 
von  dem  splanchnischen  Blatt,  erst  später  von  dem  somatischen  Blatt 
des  Mesoderms  ab. 

In  späteren  Entwicklungsstadien  erleidet  das  Cölom  eine  Rückbil- 
dung, insoferne  alle  Räume  der  Leibeshöhle  von  reticulärem  Bindegewebe 
durchsetzt  werden.  Immerhin  ist  über  das  Genauere  dieser  Vorgänge 
bisher  nichts  bekannt  geworden. 

Limulus  ist  ebenso,  wie  die  Arachniden,  durch  den  Besitz  eines 
zwischen  der  Bauchganglienkette  und  dem  Darmcanal  gelegenen  inneren 
Skeletkörpers ,  der  aus  faserknorpelähnlichem  Gewebe  besteht,  ausge- 
zeichnet, des  Endosternums  (Fig.  340  ent  u.  pag.  530),  welches  zahl- 
reichen Muskelgruppen  zum  Ansätze  dient.  Dasselbe  soll  nach  Brooks 
and  Bkuce  (No.  10)  aus  einer  Verdickung  des  splanchnischen  Mesoderms 
an  der  Ventralseite  der  Nahrungsdottennasse  (Mitteldarmanlage)  seinen 
Ursprung  nehmen. 

Die  von  Packard  gefundene  „ziegelrothe  Drüse",  in  welcher 
wir  mit  Ray  Lankester  (No.  17)  das  Homologon  der  Coxaldrüsen 
des  Scorpions  erblicken,  und  welche  wahrscheinlich  auf  ein  umgewandeltes 
Nephridium  zu  beziehen  ist,  ist  auch  ein  Derivat  des  Mesoderms.  Diese 
Drüse,  welche  im  ausgebildeten  Zustande,  wie  es  scheint,  einer  äusseren 
Mündung  entbehrt,  und  längs  des  Endosternums  zu  den  Seiten  der  Coxal- 
ansätze  des  zweiten  bis  fünften  Extremitätenpaares  hinzieht,  stellt  ein 
ziemlich  complicirt  gebautes  Convolut  von  vielfach  anastomosirenden 
Schläuchen  dar,  welches  einen  längsverlaufenden  Körper  und  vier,  nach 
den  Seiten  sich  erstreckende  Zipfel  erkennen  lässt.  In  den  von  Gulland 
(No.  13)  beobachteten  Jugendstadien  fehlen  letztere,  während  die  Drüse 
an  der  Coxa  des  fünften  Gliedmaassenpaares  nach  Aussen  mündet.  Dieses 
Organ  entwickelt  sich  im  Embryo  nach  Kingsley  (No.  15)  aus  dem  Meso- 
derm  und  nimmt  in  sein  Inneres  einen  Theil 
der  Cölomhöhle  des  fünften  posturalen  Kör- 
persegmentes auf.  Seine  innere  Endigung 
läuft  in  eine  dünne  Schicht  flacher  Epithel- 
zellen aus.  Es  scheint  demnach  sein 
Bau  im  Wesentlichen  dem  der  Nephridien 
von  Peripatus  zu  gleichen.  Der  röhren- 
förmige Theil  der  Drüse  biegt  sich  zu- 
nächst schleifenförmig  nach  vorne,  während 
der  äussere  Ast  der  Schleife  neuerdings 
eine  vierfache  Knickung  erfährt.  Diese 
neuen  secundären  Schleifen  wachsen  in 
jedem  Körpersegment  zu  den  obenerwähn- 
ten   vier  Lappen    des    ausgebildeten  Zu- 


"•  v •: v  &  £  •:••. \ä'''  &     lw-l 


Standes  aus.     An 
rührungssteilen  der 
eine  Verwachsung 


den  gegenseitigen  Be- 
einzelnen Schleifen  tritt 
und  Perforation  ein. 


D.    Respirationsorgane. 

Die  Kiemenblätter  (Fig.  342  k)  ent- 
stehen an  der  hinteren,  dorsalwärts  ge- 
richteten Seite  des  zweiten  bis  fünften  ab- 
dominalen  Extremitätenpaares    und    zwar 


Fig.  342.  Längsschnitt  durch 
die  Abdominalanhänge  des  Limu- 
lusernbryos,  zur  Darstellung  der 

Eutstehungsweise   der   Kiemen- 
lamellen (nach  Kikgsley). 

ga-n  ga2  erstes  und  zweites 
kiementragendes  Beinpaar,  o  Oper- 
culum,  k  Kiemenblätter,  m  Muskel, 
d  Nahrungsdotter. 


530  XVI.   Capitel. 

als  einfache  Ausstülpungen  der  Körperoberfläche.  Anfangs  sind  sie  nur 
in  geringer  Zahl  angelegt;  mit  der  fortschreitenden  Entwicklung  treten 
jedoch  immer  neue  Anlagen  von  Kiemenlamellen  an  dem  Basalabschnitt 
der  betreffenden  Extremität  hinzu.  Kingsley  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  in  den  jungen  Stadien  der  Entwicklung  des  Kiemenbuches  die  ganze 
Region  ein  wenig  unter  die  Oberfläche  eingesunken  erscheint,  als  wenn 
hiedurch  die  Entstehung  der  Scorpionlunge  durch  Einstülpung  andeutungs- 
weise vorgebildet  wäre  (vgl.  Fig.  342  ga^). 

4.   Allgemeines. 

Wir  haben  bereits  oben  (pag.  509)  hervorgehoben,  dass  die  Xiphosuren 
offenbar  in  ziemlich  naher  Verwandtschaft  zu  den  Trilobiten  stehen.  Ge- 
wisse übereinstimmende  Charaktere,  welche  die  Xiphosuren  und  Trilobiten 
einander  nähern,  treten  besonders  an  den  jungen  Larven  von  Limulus 
(Trilobitenstadium)  hervor,  sind  jedoch  auch  an  der  ausgebildeten  Form 
nicht  zu  verkennen.  Wie  bei  den  Trilobiten  zerfällt  auch  hier  der 
Körper  durch  zwei  längs  verlaufende  Furchen  in  einen  mittleren  Theil 
und  zwei  seitliche  Theile.  Die  Lage  der  Seitenaugen  ist  in  beiden 
Gruppen  eine  übereinstimmende,  während  Ocellen  (Mittelaugen)  für  die 
Trilobiten  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen  sind.  Ebenso  stimmt 
die  allgemeine  Configuration  des  Cephalothorax,  das  Vorhandensein  eines 
unteren  Umschlags  am  Kopfschilde  u.  a.  überein.  Was  wir  bisher  über  die 
Kopfgliedmaassen  der  Trilobiten  kennen  gelernt  haben,  scheint  darauf 
hinzudeuten,  dass  sie  sich  denen  der  Gigantostraken  im  Bau  näherten. 
Es  sind  im  Ganzen  vier  Paare  von  Kaufüssen  nachgewiesen,  von  denen 
besonders  das  letzte  mächtig  entwickelt  wrar  und  in  eine  ruderförmig 
verbreiterte  Gliedmaasse  auslief.  Die  Verbindung  zwischen  Limulus  und 
den  Trilobiten  wird  durch  verschiedene  fossile  Xiphosurenformen  ver- 
mittelt, unter  denen  besonders  Belinurus  durch  die  Gestalt  seines  in 
lange  Wangenstacheln  sich  fortsetzenden  Cephalothorax(kopf)schildes  auf- 
fallend an  die  Trinucleiden  unter  den  Trilobiten  erinnert. 

Wenn  so  die  Palaeostraken  als  eine  einheitliche,  auf  natürlicher 
Verwandtschaft  beruhende  Gruppe  sich  darstellen,  so  wird  besonders 
unter  Betrachtung  des  neuerdings  durch  Walcott  (No.  5)  genauer  be- 
kannt gewordenen  Baues  der  Trilobitengliedmaassen ,  sowie  des  zwei- 
ästigen Baues  der  abdominalen  Gliedmaassen  von  Limulus  eine  gewisse 
entferntere  Verwandtschaft  mit  den  Crustaceen  -  -  wie  wir  oben  (pag.  498 
und  510)  betont  haben,  sich  nicht  in  Abrede  stellen  lassen.  Wir  haben 
oben  ausgeführt,  warum  wir  die  Palaeostraken  den  Crustaceen  als  gleich- 
werthige  Gruppe  gegenüberstellen,  aber  von  einer  Vereinigung  beider 
Gruppen  Abstand  nehmen.  Immerhin  erscheint  es  uns  gerechtfertigt, 
anzunehmen,  dass  beide  aus  einer  gemeinsamen  Stammgruppe  der 
Protostraken  (welche  vielleicht  auch  als  Stammgruppe  der  Peripatus- 
Myriopodenreihe  zu  betrachten  ist)  ihren  Ursprung  genommen  haben. 

Eine  ausführlichere  Betrachtung  verdienen  die  Beziehungen,  welche 
zwischen  den  Palaeostraken  und  den  luftathmenden  Arachniden  zu  be- 
stehen scheinen.  Schon  von  Strauss-Dürkheim  waren  1829  die  nahen 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  von  Limulus  und  den  Arachniden  betont 
worden.  Strauss-Dürkheim  stützte  sich  hierbei  vor  Allem  auf  die  radiäre 
Anordnung  der  Beine  um  eine  gemeinsame  Sternalplatte  und  auf  das 
Vorhandensein  eines  inneren,  zwischen  Bauchmark  und  Darm  gelegenen 
Endoskeletkörpers  (E  n  d  o  s  t e  r  n  u  m),  wrelcher  zahlreichen  Muskelgruppen 


ö 


Palaeostraken.  531 

den  Ansatz  bietet.  Die  Anschauungen  Strauss  -  Dürkheim's  wurden 
von  Ed.  van  Beneden  (No.  8)  1871  und  J.  Barrois  1878  auf  Grund 
embryologischer  Beobachtungen  gestützt.  Auch  Claus  sprach  1876 
(Unters,  zur  Geneal.  Grundl.  der  Crustac.  -  Systems)  die  Ansicht  aus, 
dass  „aus  den  polygnathen  Merostomen  (Trilobiten,  Eurypteriden 
und  Xiphosuren)  die  luftathmenden  Arachnoiden  hervorgegangen  sein 
dürften".  In  ähnlicher  Weise  hatte  sich  auch  Huxley  über  den  genea- 
logischen Zusammenhang  der  Arachnoiden  und  Merostomen  ausgesprochen. 
Neuerdings  wurden  die  nahen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  beider 
Gruppen  besonders  durch  Ray  Lankester  (No.  16)  auf  Grund  einer 
ausführlichen  Vergleichung  des  Baues  von  Limulus  und  Scorpion  ein- 
gehender erörtert.  Wenn  Ray  Lankester  unserer  Ansicht  nach  ent- 
schieden zu  weit  gegangen  ist,  indem  er  Limulus  einfach  als  Arachniden 
betrachtet  wissen  will,  so  gebührt  ihm  doch  das  Verdienst,  die  Zu- 
sammengehörigkeit beider  Formen  in  dieselbe  Entwicklungsreihe  auf  einer 
breiteren  Basis,  als  dies  bisher  geschehen  war,  begründet  zu  haben. 
Nach  unserer  Ansicht  bieten  der  dem  Wasserleben  entsprechende  Bau 
der  zur  Respiration  verwendeten  Gliedmaassen,  die  Abwesenheit  der 
Malpighi'schen  Gefässe  und  ferner  die  Zusammengehörigkeit  mit  den 
Trilobiten,  welche  den  Arachniden  ferner  stehen,  genügende  Gesichts- 
punkte,  um   den  Xiphosuren   eine  selbstständigere  Stellung  zu  belassen. 

Es  kann  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  auf  die  Beweise,  welche  sich 
aus  den  palaeontologischen  Daten  für  den  genealogischen  Zusammenhang 
der  Arachnoiden  und  Palaeostraken  ergeben,  näher  einzugehen.  Hier  sei 
nur  erwähnt,  dass  in  der  den  Xiphosuren  nahe  verwandten  Gruppe  der 
Gigantostiaken  Formen  vorliegen,  welche  im  Habitus  und  in  der  Gliederung 
des  hinteren  Körperabschnittes  den  Scorpionen  noch  näher  stehen  als 
Limulus  selbst.  Im  Uebrigen  können  wir  uns  auf  eine  kurze  Betrachtung 
der  Vergleichspunkte  zwischen  Limulus  und  den  Scorpionen  beschränken. 

An  beiden  Formen  erkennen  wir  einen  vorderen  einheitlichen,  sechs 
Extremitätenpaare  tragenden  Körperabschnitt  (Cephalothorax),  an  dessen 
oberer  Seite  zwei  Mittelaugen  und  mehr  dem  Rande  genäherte  Seiten- 
augen sich  finden.  Die  Mittelaugen  von  Limulus  und  dem  Scorpion 
stimmen  ihrem  Baue  nach  so  sehr  überein,  dass  wir  an  ihrer  Homologie 
nicht  zweifeln  werden.  Die  gleiche  Anschauung  dürften  wir  wohl  auch 
für  die  Seitenaugen  haben,  wenngleich  die  mehrfach  vorhandenen,  uni- 
cornealen  Seitenaugen  der  Scorpione  sich  in  ihrem  Bau  von  den  merk- 
würdigen, sehr  ursprünglichen  zusammengesetzten  Seitenaugen  von  Limulus 
wesentlich  unterscheiden  Wir  müssten  dann  die  Seitenaugen  der  Scorpione 
für  einen  abgeleiteten  Typus  erklären  (vgl.  hierzu  pag.  549  u.  598  u.  ff.). 
Von  den  sechs  dem  Cephalothorax  angehörigen  Gliedmaassenpaaren  rückt 
das  vorderste  (Cheliceren)  während  der  Entwicklung  vor  die  Mundöffnung, 
während  das  ihm  zugehörige  Ganglienpaar  in  nähere  Verbindung  mit  dem 
Gehirn  tritt,  Die  fünf  dahinter  gelegenen  Beinpaare  dienen  der  Loco- 
motion  und  dem  Kaugeschäfte.  Während  bei  Limulus  die  Coxae  sämmt- 
licher  Paare  zu  bezahnten  Kauladen  vergrössert  erscheinen,  weisen  bei 
den  Scorpionen  nur  die  Pedipalpen  und  die  beiden  ersten  Gangbeinpaare 
eine  basale  ladenähnliche  Bildung  auf.  Eine  vor  dem  Munde  zwischen 
den  Cheliceren  gelegene  Oberlippe  (Rostrum,  Camerostome)  ist  beiden 
Formen  gemeinsam ;  ebenso  eine  ursprünglich  paarige,  hinter  dem  sechsten 
Extremitätenpaar  gelegene  Vorragung,  bei  Limulus  durch  die  Chilaria 
repräsentirt,  bei  den  Scorpionen  dagegen  zu  einer  kleinen  pentagonalen 
Platte,  welche  vor  dem  Operculum  sich  findet,  verschmolzen. 


532  XVI.  Capitel. 

Hinter  dem  Cephalothorax  folgt  bei  den  Seorpionen  ein  aus  sieben 
Segmenten  bestehendes  Präabdomeu,  an  das  ein  aus  fünf  Segmenten  be- 
stehendes Postabdomen  mit  dem  terminalen  Giftstachel  sich  anschliesst. 
Wenn  wir  als  Repräsentanten  des  letzteren  den  langen  Schwanzstachel  von 
Limulus  betrachten,  so  werden  wir  die  gewöhnlich  als  Abdomen  bezeich- 
nete Region  von  Limulus  als  das  Aequivalent  des  Prae-  und  Postabdomens 
der  Scorpione  auffassen.  Diese  Region  besteht  bei  Limulus  aus  acht  mit 
einander  verschmolzenen  Körpersegmenten.  Mit  Rücksicht  auf  gewisse 
fossile  Formen  (Belinurus)  werden  wir  jedoch  muthmassen  dürfen,  dass  das 
letzte  dieser  Segmente  streng  genommen  mehreren,  nicht  zur  Sonderung 
gelangenden  Körpersegmenten  entspricht.  Die  Uebereinstimmung  zwischen 
Limulus  und  dem  Scorpion  spricht  sich  in  der  Gliedmaassenentwicklung 
des  abdominalen  Körperabschnittes  aus.  In  beiden  Fällen  werden  im 
Embryo  an  den  sechs  vordersten  Segmenten  dieser  Region  Anlagen  von 
Gliedmaassen  gebildet.  Von  diesen  wandelt  sich  das  vorderste  Paar  bei 
Limulus  in  die  auch  beim  Scorpion  angedeutete,  als  Operculum  bezeich- 
nete plattenförmige  Bildung  um,  an  deren  innerer  Seite  die  Geschlechts- 
öffnungen gelegen  sind.  Die  fünf  hinteren  Extremitätenpaare  dienen  bei 
Limulus  als  blattförmige,  kiementragende  Gliedmaassen  der  Respiration. 
Bei  dem  Scorpion  entwickelt  sich  das  vorderste  Paar  derselben  zu  den 
Pectines,  während  die  vier  übrigen  zur  Zeit  der  Entwicklung  der  Lungen- 
säcke zu  verschwinden  scheinen. 

Bei  der  Annahme  naher  verwandtschaftlicher  Beziehungen  zwischen  Limulus 
und  den  Seorpionen  spielt  die  Umwandlung  der  Kiemen  des  Limulus  in  die 
Lungen  der  Scorpione  eine  wichtige  Rolle.  Die  Uebereinstimmung  im  Bau 
der  betreffenden  Organe  ist  thatsächlich  eine  sehr  beträchtliche.  Indess  er- 
geben sich  bei  einer  genaueren  Ueberlegung,  wie  wohl  der  Uebergang  von  dem 
Kiemenbuch  des  Limulus  in  das  Lungenbuch  des  Scorpions  sich  vollzogen 
haben  mag  ,  gewisse  Schwierigkeiten ,  welche  man  durch  verschiedene  Hypo- 
thesen (Ray  Lankester  No.  16  und  20,  Kingsley  No.  14  und  Mac  Leod 
No.  21)  zu  beseitigen  gesucht  hat.  Ray  Lankester  ist  von  einer  recht  ge- 
künstelten, ursprünglichen  Ansicht  später  selbst  zurückgekommen  und  leitet 
neuerdings  die  Scorpionlunge  durch  einfache  vollständige  Einstülpung  nach 
Innen  von  der  Limuluskieme  ab.  Es  würde  hiebei  nicht  nur  die  Extremität 
als  Ganzes,  sondern  jedes  einzelne  Kiemenblatt  für  sich  eingestülpt,  so  dass 
die  Zwischenräume  zwischen  den  Kiemenblättern  dann  zu  den  Blättern  des 
Lungenbucb.es  werden.  Dieser  Auffassung  steht  die  Kingsley's  nahe.  Nach 
unserer  Ansicht  liefert  die  Betrachtungsweise  Mao  Leod's  die  einfachste  und 
mit  den  Thatsachen  am  besten  in  Uebereinstimmung  stehende  Erklärung. 
Mac  Leod  (No.  21)  geht  von  der  Ansicht  aus,  dass  die  Blätter  des  Kiemen- 
buches denen  des  Lungenbuches  homolog  sind.  Die  kiementragenden  Ex- 
tremitäten des  Limulus  werden  gewöhnlich  dicht  an  die  Ventralseite  des 
Abdomens  angedrückt  gehalten.  Nur  an  jener  angedrückten  oberen  Fläche 
der  Extremität  entwickeln  sich  die  Kiemenblätter.  Die  Ventralseite  von 
Limulus  zeigt  bereits  eine  den  Kiemenblättern  entsprechende  Einbuchtung. 
Denken  wir  uns  die  einzelnen  respiratorischen  Gliedmaassenpaare  weiter  aus- 
einandergerückt, als  dies  bei  Limulus  der  Fall  ist,  und  die  Ränder  der 
eben  erwähnten  Einbuchtung  mit  den  Rändern  der  blattförmigen  Extremität 
verwachsen ,  so  wird  hierdurch  ein  abgescblossener  Raum ,  der  Lungensack, 
gebildet,  Der  freie  hintere  Rand  der  Extremität  würde  dann  zum  vorderen 
Rand  des  entsprechenden  Stigma's.  Durch  diese  Annahme  Mac  -  Leod's 
werden  gewisse  Verhältnisse  im  Bau  der  Spinnenlunge   erklärbar,  z.  B.  dass 


Palaeostraken.  533 

die  Lungenblätter  zum  Theil  nicht  bloss  an  ihrem  hinteren ,  sondern  auch 
an  ihrem  seitlichen  Rande  frei  sind,  dass  die  entsprechenden  Lungensäcke 
der  beiden  Seiten  unter  einander  eine  Verbindung  haben  etc.  Es  scheint 
daher  die  Auffassung  Mac  Leod's  am  besten  begründet. 

Wenn  wir  in  der  äusseren  Körpergliederung-,  sowie  im  Bau  und  der 
Verwendung  der  Extremitäten  zahlreiche  Züge  der  Uebereinstimmung 
auffanden,  so  ist  die  Aehnlichkeit  in  Bezug  auf  die  innere  Anatomie  nicht 
minder  bemerkenswert!].  Das  Vorhandensein  des  Endosternums  wurde 
bereits  oben  erwähnt.  Hier  sei  nur  erinnert  an  die  mächtige,  verästelte, 
durch  mehrere  Ausführungsgänge  in  den  Darm  mündende  Leber,  an  die 
netzförmige  Anlage  der  Geschlechtsdrüse,  an  das  Vorhandensein  eines  cir- 
eumösophagealen,  die  Schlundcommissur  begleitenden,  arteriellen  Gefäss- 
ringes  (bei  Limulus  zu  einer  förmlichen  Gefässscheide  werdend)  und  end- 
lich an  das  Vorhandensein  einer  an  der  Coxa  des  fünften  Beinpaares 
(dritten  Gangbeinpaares)  gelegenen  Drüse  (ziegelrothen  Drüse  von  Limulus, 
Coxaldrüse). 

Wir  haben  oben  vielfach  Gelegenheit  gehabt,  auf  Uebereinstimmungen 
in  der  Entwicklungsweise  von  Limulus  und  den  Arachnoiden  hinzuweisen. 
Die  Uebereinstimmungen  des  Baues  und  der  Entwicklung  in  beiden 
Gruppen  sind  so  bedeutende,  dass  wir  sie  wohl  kaum  anders,  als  durch 
genetische  Beziehungen  zu  erklären  im  Stande  sind.  Wir  schliessen  uns 
daher  der  Ansicht  an,  dass  die  Arachnoiden  sich  aus  den  Paläostraken 
durch  Anpassung  an  das  Landleben  entwickelt  haben. 

Es  sei  hier  erwähnt,  dass  vielleicht  auch  im  Bereich  der  Gigantostraken 
eine  Anpassung  an  den  Aufenthalt  im  süssen  Wasser  und  auf  dem  Lande  (?) 
stattgefunden  hat.  Nach  Zittel  (No.  7)  finden  sie  sich  in  der  Steinkohlen- 
formation mit  Landpflanzen ,  Scorpionen ,  Insecten ,  Fischen  und  Süsswasser- 
Amphibien  vereinigt.  Auffallend  ist  für  diese  Gruppe  die  Schuppenbedeckung 
der  Körperoberfläche. 

Es  ist  ein  naheliegender  Gedanke,  dem  auch  Ray  Lankestek.  Ausdruck 
gegeben  hat,  die  Coxaldrüse  der  Arachnoiden  und  Xiphosuren  mit  einem  der 
Nephridienpaare  der  Crustaceen  in  Homologie  zu  setzen.  Es  könnte  hierbei 
nur  die  Schalendrüse  in  Frage  kommen ,  welche  dem  Segmente  der  zweiten 
Maxillen,  also  ebenfalls  dem  fünften,  glieclmaassentragenden  Körpersegmente 
angehört.  Hieraus  würde  sich  die  Folgerung  ergeben,  dass  wir  die  Cheliceren 
der  Arachnoiden  dem  I.  Antennenpaar  der  Crustaceen  homolog  setzen  müssten, 
eine  Annahme,  welche  uns  ziemlich  gewagt  und  durch  den  Bau  und  die  Ent- 
wicklung des  Gehirns  in  beiden  Gruppen  nicht  genügend  gestützt  erscheint. 
Für  die  Annahme  einer  Homologie  zwischen  der  Schalendrüse,  der  Crustaceen 
und  der  Coxaldrüse  von  Limulus  und  Scorpio  liegt  um  so  weniger  eine 
Nöthigung  vor,  als  wir  ja  —  wie  uns  Peripatus  beweist  —  ursprünglich 
jedes  Körpersegment  als  mit  einem  derart  beschaffenen  Drüsenpaar  versehen 
uns  vorzustellen  haben. 


Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  •>•' 


534  XVI-  Capitel. 

Litteratur. 

I.  T  r  i  1  o  b  i  t  e  11. 

1.  Barrande,  J.     Systeme  Silurien  du  Centre  de  la  Boheme.    Prague  et  Paris.    Premiere 

Partie.      Vol.  1.     1852  und  Supplement  au    Vol.  1.     IS?,?. 

2.  Ford,    S.  W.      On    some  Embryonic  Forma    of  Trilobitea  fron,    the  Primordial  Rocks 

at  Troy  N.Y.     Silliman's  Americ.  Journ.  of  Science  and  Arts.     (3)    Vol.  13.     1877. 

3.  Ford,    S.    W.      On    additional   Embryonic   Forma   of   Trilobitea  from   the   Primordial 

Rocks  of  Troy  N.  T.  etc.    Silliman's  Americ.  Journ.  of  Science  and  Arts.    (3)  Vol.  22. 
1881. 

4.  Matthew,    M.    A.     Sur    le   developpement   des    Premiers  Trilobites.     Ann.   Soc.  Roy. 

Malacologique  de  Belgique.     Tome  23.     1888. 

5.  Waleott,    C.  D.     The  Trilobite :   New  and  Old  Evidencc  relating  to  its  Organization. 

Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  Harvard  Coli.  Cambridge.      Vol.  8.     18S0  —  1881. 

6.  Walcott,   C.    D.     Fossils   of  the   Utica  Slate.     Trans.  Albany  Inst.  X.    1879  (?).    Soll 

Angaben  über  die  Metamorphose  von  Priarthrus  Becki  enthalten. 

7.  Zittel,    K.    A.      Randbuch    der   Paläontologie.      I.    Bd.      2.   Abtheil.      München    und 

Leipzig.     1885. 

II.  Xiphosuren. 

8.  Beneden,  E.  van.    De  la  Place  que  les  Limules  doivent  oecuper  dans  la  Classification 

des  Arthropodes  d'aprea  leur  developpement  embryonnaire.    Ann.  Soc.  Entom.  Belgique. 
15.  Bd.     1871.     Ann.  and  Mag.  Nat.  Eist.     (4)  9.  Bd.     1872. 

9.  Beneden,  E.  van.     Beobachtungen  über  die  ersten  Stadien  der  Embryonalentwicklung 

von  Limulus.     Tageblatt    der   46.    Versammlung   deutsch.  Naturf.   u.  Aerzte   in    Wies- 
baden.    1873.    p.  58. 

10.  Brooks,  W.  K.   and  Bruce,  A.   T.     Abstract  of  Reaearches  on  the  Embryology  of 

Limulus  polyphemus.     J.   Eopkina   Univ.  Circ.      Vol.  5.     1885. 

11.  Dohrn,    A.      Untera.  etc.     12.    Zur  Embryologie  und  Morphologie  dea  Limulus  Poly- 

phemus.    Jen.  Zeitschr.  f.  Nat.     6.  Bd.     1871. 

12.  Gerstäcker,    A.      Crustacca   in    Bronn's   Classen   und  Ordnungen   des   Thierreichs. 

5.  Bd.     1.  Abth.     1866—1879. 

13.  Gulland,    G.  L.     Evidence   in  favour  of  the   View  that  the  Coxal  Gland  of  Limulus 

and  of  other  Arachnida   is   a   Modified   Nephridium.      Quart.   Journ.   Mio:    Science. 
(2)  25.  Bd.     1885. 

14.  Xingsley,    J.    S.      Notea     on    the   Embryology   of  Limidus.      Quart.    Journ.    Microsc. 

Science.     (2)  25.  Bd.     1885. 

15.  Kingsley,  J.  S.     The  Ontogeny  of  Limulus.     Zool.  Anz.    13.  Jg.    1890.     Auch  in: 

Amer.  Natur.     24.  Bd.     1890. 

16.  Lankester,  E.   Ray.     Limulus  an  Arachnid.     Quart.  Journ.  Micr.  Sc.    (2)  21.  Bd. 

1881. 

17.  Lankester,    E.    Ray.      On    the   Coxal   Glands   of   Scorpio   hitherto    undescribed   and 

corresponding  to  the  brick-red  Glands  of  Limulus.     I'roc.  Roy.  Soc.  London.     Vol.  34. 
1882—1883. 

18.  Lankester,    E.  Ray   and  Bourne,    A.  G.     The  minute  Structure  of  the  Lateral 

and  the   Central  Eyea   of  Scorpio    and   of  Limulus.     Quart.  Journ.  Microac.  Science. 
(2)  23.      Vol.  1883. 

19.  Lankester,    E.  Ray.     On   the  Sceleto-trophic  Tissucs   and  Coxal  Glands   of  Limulus, 

Scorpio  and  Mygale.     Quart.  Journ.  Micr.  Sc.     (2)   Vol.  24.     1884. 

20.  Lankester,    E.  Ray.     New  Eypothesis   as    to   the  Relationship    of  the  Lung-book  of 

Scorpio  to  the  Gill-book  of  Limulus.    Quart.  Journ.  Microsc.  Science.     Voc.  25.    1885. 

21.  Mac  Leod,  J.     Recherches  sur  la  structure  et  la  aignifieation  de  Vapparcil  respiratoire 

des  Arachnidas.      Arch.    Biol.    Tome  5.     1884. 

22.  Osborn,    H.   L.      The  Metamorphosis    of  Limulus   polyphemus.     John  Eopkin's    Univ. 

Circ.      Vol.  5.     1885. 

23.  Packard,  A.   S.  jr.     The  development  of  Limulus  polyphemus.    Mem.  Bost.  Soc.  Nat. 

Eist.     2.  Bd.     1872. 

24.  Paekard,  A.  S.     Farther  Obscrvaiions  on  the  Embryology  of  Limulus  etc.    Amer.  Nat. 

7.  Bd.     1873. 


Palaeostraken.  535 

25.  Packard,    A.  S.     The  Anatomy,    Histology  and  Embryology  of  Limulus  polyphemus. 
Anniversar y  Mein.  Bost-  Soc.  Nat.  Hist.     1880. 

26.  Paekard,    A.    S.      On    the   Embryology  of  Limulus   polyphemus.     III.    Amer.   Nat. 

Vol.  19.     1885. 

27.  Packard,   A.   S.     Farther   studies   on  the  brain  of  Limulus  polyphemus.     Zool.  Anz. 

14.  Jg.     1891. 

28.  Patten,  Will.     Segmental  Sense  Organs  of  Arthropods.     Journ.  of  Morphol.     Vol.  2. 

1889. 

29.  Patten,  Will.      On  the  Origin  of   Vertebrates  from  Arachnids.    Quart.  Journ.    Micr. 

Science.     (2)  31.   Vol.     1890. 

30.  Watase,    S.      On   the  Morphology  of  the  Compound  Eyes  of  Arthropods.     Stud.  Biol. 

Laborat.      Johns   Hopkin's    Univ.     Vol.  4.     1890.     Extr.   in  Quart.  Journ.  Microsc. 
Sc.     (2)   Vol.  31.     1890. 

31.  Willemoes-Suhm ,    R.  v.     On   a  Crustacean  Larva  at   one  Urne  supposed  to  be  the 

larva  of  Limulus.     Quart.  Journ.   Micr.  Sc.     Vol.  23.     1883. 


• '  \  ■■ 


35 


Systematik 


XVIL  Capitel. 

ARACHNOIDEN 

k:   I. 

S  c  o  r  p  i  o  n  e 

IL 

P  e  d  i  p  a  1  p  e  n 

III. 

Pseiidoscorpione 

IV. 

Phalangiden 

V. 

Solpugiden 

VI. 

Araneinen 

VII. 

Acarinen. 

1.   Scorpione. 

Beschaffenheit    und    Entwicklnngsbedingnngen    der    Eier.     Die 

Scorpione  sind  vivipar.  Ihre  dotterreichen,  von  einer  dünnen  Membran 
umgebenen,  ovalen  oder  kugelrunden  Eier  liegen  in  einem  Follikel, 
welcher  durch  Ausstülpung  an  der  Wand  der  Eierstocksröhren  entstanden 
ist.  Entweder  erfolgt  schon  hier  die  Befruchtung,  so  bei  Euscorpius 
und  Buthus  (Metschnikoff,  Laurie)  oder  dieselbe  findet  erst  statt, 
wenn  das  Ei  bereits  aus  dem  Follikel  in  die  Ovarialröhre  übergetreten 
ist  (Androctonus  nach  Kowalevsky  und  Schulgin).  Im  ersteren 
Falle  verweilt  der  Embryo  während  eines  grossen  Theils  seiner  Em- 
bryonalentwicklung  im  Follikel  (Buthus  nach  Joh.  Müller)  oder  er 
verlässt  dasselbe  bei  beginnender  Segmentirung  des  Keimstreifens  (Eu- 
scorpius italicus).  Die  weitere  Entwicklung  läuft  dann  in  den 
Ovarialröhren  bezw.  Eileitern  ab,  welche  somit  zum  Uterus  werden.  Die 
geburtsreifen  Embryonen  zeigen  im  Ganzen  die  Organisation  des  Mutter- 
thieres. 

1.    Fiirclmng  und  Keiiiiblätterbildung. 

Die  Furchung  der  Eier  ist  eine  discoidale.  An  dem  gegen  die 
Ovarialröhre  gerichteten  Pol  des  Eies  wurde  (in  dem  jüngsten  bisher 
beobachteten  Stadium)  eine  Anzahl  von  Zellen  gefunden,  welche  eine 
nur  wenig  umfangreiche,  einschichtige  Kappe  auf  dem  Eidotter  bilden, 
die  Keimscheibe  (Fig.  343).  Von  hier  aus  verbreitet  sich  das  Blasto- 
derm  allmählich  und  zwar  sehr  langsam  fortschreitend  über  den  Dotter 
(Fig.  344  A  u.  B).  Schon  längst,  bevor  es  diesen  umwachsen  hat,  ist  an 
der    Stelle,    wo    es   zuerst   angelegt   wurde,    die   Anlage   und   weitere 


Arachnoideu. 


537 


Differenzirung  des  Keimstreifens  erfolgt.  Eine  Zerklüftung  des  Dotters, 
wie  sie  an  den  Eiern  der  Spinnen  auftritt,  findet  bei  den.  Scorpionen 
nicht  statt. 


Die  discoidale  Furchung  der  Scorpione  möchten  wir  mit  dem  als  Typus  IV 
bezeichneten  Furchungsmodus  bei  den  Crustaceen  vergleichen  und  ihn  wie 
diesen  auf  die  superficielle  Furchung  zurückführen  (vgl.  pag.  321  u.  322).  Dies 
wird  um  so  eher  gestattet  sein,  als  auch  bei  den  Arachnoiden  die  super- 
ficielle Furchung  im  Allgemeinen  eine  grosse  Verbreitung  besitzt.  Wir 
schreiben  in  dieser  Beziehung  den  Scor- 
pionen gegenüber  den  Araneinen  abge- 
leitete Verhältnisse  zu,  obwohl  sie  sich 
im  Uebrigen  als  ursprünglichere  Formen 
darstellen.  Die  Entwicklung  der  Em- 
bryonen im  Innern  des  mütterlichen 
Körpers  zeigt  zur  Genüge ,  dass  Ver- 
änderungen im  ursprünglichen  Entwick- 
lungsmodus eingetreten  sind. 

Die    Bildung    der   Keimblätter. 

Nicht  lange  bewahrt  die  Keimscheibe 
ihren  Charakter  als  einschichtige  Zellen- 
lage. In  ihrer  Mitte  tritt  eine  Ver- 
dickung auf,  welche  sich  an  der 
gegen  den  Dotter  gekehrten  Fläche 
der  Keimscheibe  als  eine  Vorwölbung 
zu  erkennen  giebt.  Diese  Bildung  ist 
nach  Kowalevsky  und  Schulgin  durch 
Einsenken  von  Zellen  entstanden.  Wenn 
man  dazu  die  von  Metschnikoff  be- 
schriebene Längsfurche  an  der  Ober- 
fläche der  jetzt  oval  gewordenen  Keim- 
scheibe in's  Auge  fasst  (Fig.  346  A,  pag.  541 ),  ist  man  geneigt,  an  einen 
langen  spaltförmigen  Blastoporus  zu  denken,  wie  er  dem  Peripatus 
zukommt  und  als  Längsrinne  des  Keimstreifens  bei  den  Insecten  besteht. 
Jedenfalls  geht  auch  hier  von  dieser  Bildung  die  Differenzirung  des 
inneren  und  mittleren  Keimblattes  aus. 

Obwohl  das  „Einsenken  von  Zellen"  sowie  die  Längsrinne  in  der  erst 
kürzlich  erschienenen  Arbeit  von  Laurie  (No.  23)  nicht  direct  in  Abrede 
gestellt  wird,  so  vermochte  sich  der  genannte  Forscher  doch  nicht  von  dem 
Vorhandensein  beider  zu  überzeugen,  ja  er  scheint  viel  eher  geneigt  zu  sein, 
an  das  Fehlen  dieser  Vorgänge  zu  glauben.  Dieselben  können  somit  noch 
nicht  als  feststehend  betrachtet  werden ,  zumal  die  davon  gegebenen  Be- 
schreibungen keine  sehr  genauen  sind.  Laurie  lässt  das  Entomesoderm 
durch  Abspaltung  aus  der  Zellmasse  der  Keimscheibe  hervorgehen,  ohne  dass 
dabei  eine  besondere  Regelmässigkeit  in  der  Bildung  zu  beobachten  wäre.  Doch 
findet  auch  er  am  Hinterende  der  Keimscheibe  eine  verdickte  Stelle,  an 
welcher  eine  starke  Vermehrung  der  Zellen  (Bildung  des  Entomesoderms) 
vor  sich  geht  und  welche  somit  einer  Invagination  gleich  gesetzt  werden 
könnte  (Fig.  345  A,  e).  Mit  dieser  Wucherungsstelle  dürfte  der  von 
Metschnikoff  (No.  24)  beschriebene  Schwanzhügel  identisch  sein,  welcher 
an   der  Innenfläche   der  Keimscheibe    gegen   den  Dotter   vorragt   und  später 


Fig.  343.  Ei  von  Euscorpius 
italicus  mit  der  aufgelagerten  Keim- 
scheibe (nach  Metschnikoff,  aus  Bal- 
fodr's  Handbuch). 


538 


XVII.  Capitel. 


^mssssmäm 


in  den  Schwanztheil  des  Embryos  verlegt  wird.  Laurie  vergleicht  die  ver- 
dickte Stelle  mit  dem  Primitivstreifen  der  Wirbelthiere,  und  unwillkürlich 
wird  man  auch  hierdurch  wieder  an  die  bei  Peripatus  obwaltenden  Ver- 
hältnisse erinnert.  Dort  liegt  die  „Einwucherungsstelle"  am  Hinterende  des 
langgestreckten  Blastoporus. 

Wenn  die  Keiniseheibe  durch  rege  Vermehrung  ihrer  Zellen  bereits 
eine  Dicke  von  mehreren  Zellschichten  erreicht  hat,  scheinen  sich  diese 
noch  recht  wenig  von  einander  abzugrenzen.  Die  gegen  den  Dotter  ge- 
kehrte (innere)  Fläche  der  Keimscheibe  erscheint  jetzt  ganz  unregel- 
mässig gestaltet,  denn  hier  lösen  sich  einzelne  Zellen  von  ihr  los  und 
rücken  in  den  Nahrungsdotter  hinein  (Fig.  344  B).  Aus  ihnen  gehen 
die  Dotterzellen  hervor,  welche  amöboid  gestaltet  im  Dotter  sich  ver- 
teilen und  dessen  Verflüssigung  bewirken  ohne  aber  am  Aufbau 
des  Embryos  Theil  zu  nehmen  (Kowalevsky  und  Schulgin, 
Laurie).  Sie  verhalten  sich  somit  anders,  als  man  von  den  entsprechen- 
den Zellen  bei  den  Ar  anei- 
nen annimmt,  welche  am 
Aufbau  des  Mitteldarmes 
betheiligt  sind.  Das  Ento- 
derm  der  Scorpione  entsteht 
dadurch,  dass  sich  von  der 
Zellmasse  der  Keimscheibe 
die  unterste  Zellschicht  in 
Form  eines  regelmässigen 
Epithels  differenzirt  (Fig. 
345  A  und  B,  ent).  Diese 
Zellen,  wplche  dem  Dotter 
eng  anliegen,  unterscheiden 
sich  auch  durch  ihre  sonstige 

Beschaffenheit  von  der 
darüber  gelegenen  dichten 
Zellenmasse,  indem  sie  durch 
Aufnahme  flüssiger  Dotter- 
substanz ein  glasartiges  Aus- 
sehen gewinnen. 

Die  voluminöse  Zellen- 
masse, welche  nach  der 
Differenzirung  des  Entoderms  zwischen  diesem  und  dem  Ectoderm  übrig 
bleibt,  entspricht  dem  Mesoderm  (Fig.  345  A  u.  B).  Anfangs  eine  ziem- 
lich unregelmässig  gelagerte  Masse,  welche  sich  im  ganzen  Bereich  der 
Keimscheibe  ausdehnt,  erscheint  dasselbe  in  späteren  Stadien  in  Form 
zweier  symmetrisch  angeordneter  Bänder  neben  der  Mittellinie.  Diese 
beiden  Mesodermstreifen,  welche  am  Hinterende  in  einander  übergehen, 
erfahren  späterhin  eine  Gliederung  in  die  Ursegmente  und  Aushöhlung 
derselben  (Fig.  345  B,  mes). 

Die  Volumzunahme  des  Mesoderms  wird  auf  Vermehrung  der  unteren 
Zellenmasse  der  noch  nicht  in  Keimblätter  differenzirten  Keimscheibe  zurück- 
geführt (Laurie).  Wenn  es  sich  so  verhielte,  dass  die  hauptsächliche  Ver- 
mehrung der  Zellen  von  einer  Stelle  am  hinteren  Ende  der  Keimscheibe 
ausgeht,  worauf  schon  weiter  oben  hingewiesen  wurde,  so  würde  sich  damit 
ein  Vorwachsen  der  Mesodermstreifen  von  hinten  nach  vorn  ergeben,  so  wie 
es  auch  bei  anderen  gegliederten  Formen  stattfindet.  Die  Differenzirung  der 
Mesodermstreifen    schreitet   dann    wie   bei  diesen  von  vorn  nach  hinten  fort, 


Fig-.  344.  A  und  B  Schnitte  durch  die 
Keimscheibe  und  einen  Theil  des  Eies  von  E  u  - 
scorpius  italicus  (nach  Laurie). 

d  Dotter,  ks  Keimscheibe. 


Arachnoiden. 


539 


2.    Die  Entstellung  der  Embryonalüüllen  und  die  Ausbildung 

der  äusseren  ESrperforin. 

Während  der  bisher  besprochenen  Vorgänge  hat  die  Keimseheibe 
erst  geringe  Ausbreitung  auf  dem  Dotter  gewonnen.  Sie  stellt  eine 
rundliche  bis  ovale  Scheibe  dar.  Schon  zu  dieser  frühen  Zeit  beginnt 
die  Bildung  der  Embryoualhülleii.  Gegen  die  Peripherie  zu  entsteht 
auf  der  Keimscheibe  eine  rings  um  dieselbe  verlaufende  Rinne,  welche 
nunmehr  den  centralen  Theil  der  Keimscheibe  in  Form  einer  leichten 
Erhebung  gegen  den  wenig  umfangreichen  peripheren  Bezirk  abgrenzt. 
Am  Rand  der  Rinne  erhebt  sich  eine  Duplicatur  des  Ectoderms,  und 
diese  Falte  wächst  nun  von  der  Peripherie  her  über  die  Keimscheibe 
hinweg,  um  schliesslich  in  deren  Mitte  zur  Verwachsung  zu  gelangen. 
So  werden  die  beiden  Blätter  der  Embryonalhülle  gebildet,  ein  äusseres 


Fig.  345.  A  Querschnitt  durch  die  hintere  Parthie  einer  Keimscheibe,  B  durch 
eines  der  vorderen  Segmente  eines  Keimstreifens  (mit  bereits  angelegten  Extremitäten) 
von  Euscorpius  italicus  (nach  IjAURIe). 

am  Amnion,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  e  Einwucherungsstelle,  ect  Ectoderm, 
ent  Entoderm,  mes  Mesoderm,  n  Anlage  der  Ganglienkette,  se  Serosa. 

Blatt,  die  Serosa,  welche  dicht  unter  der  Eihaut  liegt,  und  ein  inneres, 
das  Amnion.  Zwischen  beide  hinein  sollen  sich  bei  der  Bildung  der 
Ectodermduplicatur  einzelne  Mesodermzellen  erstrecken  (Kowalevsky 
und  Schulgin). 

Nach  der  durch  Kowalevsky  und  Schulgin  gegebenen  Darstellung  von 
der  Bildung  der  Embryonalhüllen  würde  sich  dieselbe  beiden  Scorpionen 
(wenigstens  bei  Androctonus)  so  verhalten,  wie  wir  sie  von  den  Insecten 
und  Wirbelt  liieren  kennen.  Laurie  konnte  sich  bei  der  von  ihm  unter- 
suchten Form  (Euscorpius  italicus)  von  einer  derartigen  Bildungsweise 
der  Embryonalhüllen  nicht  überzeugen,    sondern  er  glaubt,    dass    die  beiden 


540  XVII.  Capitel. 

Zellschichten ,  welche  die  Serosa  und  das  Amnion  bilden ,  jede  für  sich  von 
der  Peripherie  der  Keimscheibe  aus  über  diese  hinwegwachsen.  Zuerst 
entsteht  die  Serosa,  indem  sich  rings  um  den  Rand  der  Keimscheibe  eine 
Zellenschicht  erhebt  und  über  deren  Oberfläche  gegen  ihre  Mitte  hin  strebt, 
um  dort  zu  verwachsen.  Erst  nachdem  diese  Verwachsung  erfolgt  ist,  tritt 
unter  ihr  eine  zweite  Zellenlage  auf,  das  Amnion,  welches  den  gleichen 
Process  durchmacht  (Fig.  345  A  und  B).  Ein  derartiges  Vorwachsen  einer 
einschichtigen  Zellenlage  ist  schwer  zu  verstehen  und  muss  wohl  auf  die 
Bildung  einer  Falte  zurückgeführt  werden.  Die  von  Kowalevsky  und 
Schulgix  beobachtete  Bildungsweise  der  Embryonalhüllen  ist  daher  als  der 
ursprünglichere  Modus  anzusehen.  Ganz  ähnliche  Verhältnisse  scheinen 
übrigens  auch  bei  den  Insecten  (besonders  bei  den  Hymen  opferen) 
aufzutreten,  indem  dort  ebenfalls  das  äussere  Blatt  der  Falte  über  das  innere 
hinauswächst  und  dies  ganz  hinter  sich  zurücklässt,  so  dass  es  rudimentär 
erscheint  oder  ganz  schwindet  (man  vgl.  die  weiter  unten  für  die  Hyme- 
nopteren  sowie  für  die  Aphiden  und  Oecanthus  gegebene  Darstellung 
dieser  Verhältnisse).  Die  Embryonalhülle  besteht  dann  nur  aus  dem 
äusseren  Blatte,  der  Serosa.  Soweit  erstreckt  sich  die  Reduction,  wie  es 
scheint,  bei  den  Scorpionen  nicht,  sondern  es  werden  bei  ihnen  immer  zwei 
Blätter  gefunden  (Metschnikoff,  Ganin1),  Blochmann).  Auch  Metschni- 
koff fand ,  dass  das  innere  Blatt  erst  später  als  die  Serosa  gebildet  wird, 
und  es  scheint  dadurch  die  Angabe  von  Laueie  bestätigt  zu  werden,  obwohl 
Metschnikoff  über  die  Bildungsweise  des  inneren  Blattes  genaue  Angaben 
nicht  zu  geben  vermag.  Während  sich  die  Serosa  aus  grossen  Zellen  zu- 
sammensetzt, wird  das  Amnion  aus  weit  kleineren  Zellen  gebildet.  Zwischen 
beiden  sollen  sich  feine  Fäden  ausspannen ,  welche  von  den  kleinen  Zellen 
des  inneren  Blattes  ausgehen  (Fig.  347). 

Bei  den  Mesodermzellen,  welche  sich  nach  Kowalevsky  und  Schulgin 
zwischen  beide  Blätter  der  Embryonalhülle  erstrecken,  ist  man  geneigt,  an 
Dotterpartikel  zu  denken,  wie  sie  sich  auch  bei  den  Insecten  zwischen  Amnion 
und  Serosa  zuweilen  finden ,  eine  Erscheinung ,  welche  durch  das  ursprüng- 
liche Zustandekommen  der  Embryonalhüllen  erklärt  wird.  Laukie  fand 
keine  Mesodermzellen  zwischen  den  Embryonalhäuten  auf.  Eine  bessere 
Beurtheilung  dieses  Verhaltens  wird  erst  nach  dem  Erscheinen  der  ausführ- 
lichen Arbeit  möglich  sein ,  da  bisher  nur  eine  nicht  von  Abbildungen  be- 
gleitete Mittheilung  vorliegt.     (No.  19). 

Während  der  Differenzirung  der  Keimblätter  und  der  Ausbildung  der 
Embryonalhüllen  verändert  die  Keimscheibe  ihre  Gestalt  in  der  Weise, 
dass  sie  sich  am  vorderen  Ende  verbreitert  (Fig.  346  ^4).  Die  schmale 
hintere  Parthie  ist  stark  verdickt,  da  hier  eine  rege  Production  von  Zell- 
material stattfindet.  In  der  Mittellinie  erscheint  an  der  Oberfläche  der 
Keimscheibe  die  schon  früher  erwähnte  rinnenförmige  Einsenkung,  welche 
schon  sehr  bald  wieder  verschwindet  (Fig.  346  A,  nach  Metschnikoff). 
Durch  eine  mehr  dem  Vorderende  genäherte  Querfurche  wird  der  Kopf- 
abschnitt vom  primären  Rumpf  getrennt,  doch  scheinen  ungefähr  gleich- 
zeitig oder  doch  sehr  bald  darauf  einige  weiter  nach  hinten  gelegene 
Querfurchen  aufzutreten,  welche  die  Anlagen  der  ersten  Körpersegmente 
und  einen  grösseren  hinteren  Abschnitt  bezeichnen,  von  welchem  letzteren 
aus  sodann  die  Abschnürung  weiterer  Segmente  erfolgt  (Laurie). 


J)  Die  russisch  geschriebene  und,  soviel  uns  bekannt  ist,  nicht  von  Abbildungen 
begleitete  Abhandlung  Ganin's  über  Scorpionentwicklung  (No.  18,  1867)  konnte  von 
uns  nicht  eingesehen  werden. 


Arachnoiclen. 


541 


Mktschnikoff  beschreibt  ein  Stadium,  auf  welchem  der  Embryo  in  drei 
primäre  Abschnitte  getheilt  erscheint.  Der  vorderste  entspricht  dem  primären 
Kopfabschnitt  und  der  hintere  dem  Postabdomen,  während  aus  dem  mittleren 
Abschnitt  der  übrige  Körper  hervorgehen  solle.  Diese  Auffassung  konnte 
von  Metschxikoff  nicht  sicher  erwiesen  werden,  und  es  ist  wahrscheinlicher, 
dass  alle  Rumpfsegmente  sich  vom  hinteren  Abschnitte  abgliedern.  Diese 
ersten  Stadien  des  segmentischen  Keimstreifens  zeigen  eine  gewisse  Aehnlich- 
keit  mit  Entwicklungsstadien  der  Trilobiten  und  könnten  dadurch  zu  einer 
Vergleichung  beider  Anlass  geben  (vgl.  oben  pag.  516). 

Bei  Euse or pi us  wurde  ein  Stadium  beobachtet,  auf  welchem  der 
primäre  Kopfabschnitt,  ein  darauf  folgendes  kleineres  Segment  (das  der 
Cheliceren),  ein  nächstes  grösseres  (das  der  Pedipalpen) ,  sowie  ein  in 
der  Anlage  begriffenes,  noch  nicht  völlig  abgegrenztes  Segment  (das  des 
ersten  Beinpaares)  und  end- 
lich der  umfangreichere 
Schwanzabschnitt  vorhanden 

war.  Durch  Abtrennung 
weiterer  Segmente  von  dem 
letzteren  wird  die  Zahl  der 
Körperabschnitte  vermehrt. 
Die  vordersten  derselben  er- 
scheinen, mit  Ausnahme  des 
ersten  primären  Rumpfseg- 
ments, am  weitesten  ausge- 
bildet, Sie  verlieren  an  Deut- 
lichkeit der  Ausprägung,  je 
näher  sie  dem  Schwanzende 
kommen.  Eine  in  der  Mittel- 
linie auftretende  Furche  (Neu- 
ralrinne),  welche  in  Beziehung 
zur  Bildung  der  Bauchgang- 
lienkette steht  und  nichts  mit 
jener  früher  erwähnten  media- 
nen Längsfurche  zu  thun  hat. 
theilt  die  Keimscheibe  in  zwei 
symmetrische  Hälften  (Fig. 
346  B).  Nunmehr  tritt  die 
Aehnlichkeit  dieser  Embryo- 
nalanlage  mit  dem  Keim- 
streifen anderer  Arthropoden  und  des  Peripatus  stark  hervor.  Der 
Keimstreif  liegt  dem  Dotter  auf,  indem  er  seine  ventrale  Fläche  nach 
aussen  kehrt,  In  dem  Bereich,  welchen  er  einnimmt  und  welcher 
den  grössten  Theil  der  Keimscheibe  umfasst,  erscheint  letztere  stärker 
verdickt  (Fig.  345  B) ,  doch  erstrecken  sich  die  Keimschichten  auch 
ausserhalb  des  Keimstreifens  über  den  Dotter,  nur  erscheinen  sie  hier 
weit  schwächer  ausgebildet,  Sie  umwachsen  allmählich  den  ganzen 
Dotter,  der  somit  ins  Innere  des  Embryos  zu  liegen  kommt. 

Die  Umwachsung  des  Dotters  durch  die  schon  längst  als  Keimblätter 
differenzirten  Zellschichten  kann  nicht  als  Gastrulation  aufgefasst  werden, 
wofür  sie  Balfoue  ansah.  Demgemäss  liegt  auch  der  Blastoporus  nicht  an 
der  Rückenfläche,  sondern  er  ist  vielmehr  an  der  Ventralfläche  zu  suchen, 
worauf  bereits  weiter  oben  hingewiesen  wurde  (pag  537). 


Fisr.  346.  A — C  Keimscheibe  (A)  mit  der 
medianen  Längsfurche  und  Keimstreifen  (B  und  C) 
von  Eusc orpius  italicus  (nach  Metschxikoff, 
aus  Balfour's  Handbuch). 

In  B  und  C  ist  die  Neuralrinne,  in  C  sind  am 
Kopfabschnitt  die  halbmondförmigen  Scheitelgruben, 
sowie  sowie  weiter  hinten  die  Anlagen  der  Extre- 
mitäten des  Cephalothorax  und  Abdomens  zu  sehen. 


542 


XVII.  Capitel. 


Wenn  etwa  zehn  Körpersegmente  angelegt  sind  (Metschnikoff)  oder 
nach  Laurie's  Darstellung'  bereits  früher,  machen  sich  die  Extremitäten 
bemerkbar.  Sie  entstehen  als  V.orwulstungen  der  Segmente  zu  beiden 
Seiten  der  Mittellinie  (Fig.  346  C  u.  348)  und  erscheinen  als  hohle 
Stummel,  da  sich  die  jetzt  bereits  zur  Ausbildung  gelangten  Ursegmente 
grösstentheils  in  sie  hinein  lagern  (Fig.  347  u.  855  A,  pag.  555),  ein 
Verhalten,  welches  wir  in  ganz  entsprechender  Weise  ausser  bei  den 
Spinnen  auch  noch  bei  Peripatus  und  den  niederen  Vertretern 
der  Insecten  kennen  lernen  werden.  Die  Ausbildung  der  Extremitäten 
erfolgt  ebenfalls  in  der  Reihenfolge  von  vorn  nach  hinten,  doch  bleiben 
die  Cheliceren  auffallender  Weise  sehr  stark  zurück  (Fig.  346  C).  Wenn 
die  Pedipalpen  bereits   als    umfangreiche  Gebilde    erscheinen,    treten  sie 

kaum  erst  als  kleine  Höcker  auf  (Fig. 
348).  Man  muss  dies  Verhalten  wohl 
durch  den  weit  geringeren  Umfang  er- 
klären, welchen  sie  auch  beim  ausgebil- 
deten Thier  besitzen.  Sowohl  Pedipalpen 
wie  Cheliceren  zeigen  eine  zweifellos 
postorale  Lagerung,  denn  der  Muud 
kommt  weit  nach  vorn  zwischen  den 
Scheitellappen  zur  Anlage  (Fig.  348  m). 
Vor  dem  Mund  tritt  später  ein  unpaares 
Gebilde,  die  Oberlippe  (oder  das  Rostrum) 
auf  (Fig.  349  B).  Mit  den  Cheliceren  und 
Pedipalpen  zeigen  die  darauf  folgenden 
vier  Beinpaare  in  der  Anlage  die  grösste 
Aehnlichkeit  sowohl  der  Gestaltung  wie 
der  Lagerung  nach  (Fig.  347  u.  348). 
An  die  Reihe  der  thoracalen  Beinpaare 
schliesst  sich  eine  weitere  von  sechs 
Paar  abdominalen  Extremitäten  an, 
welche  ebenfalls  die  gleiche  Beschaffen- 
heit aufweisen  (Fig.  347),  nur  sind  sie 
weniger  umfangreich.  Letzteres  betrifft 
zumal  das  erste  Paar,  welches  bald  zurück- 
tritt und  an  dessen  Stelle  die  leichten 
Erhebungen  für  die  Genitalöffnungen 
(Genitalpapillen,  Opercula)  entstehen, 
während  aus  dem  zweiten  Paar  die  um- 
fangreichen Kämme  hervorgehen  (Fig. 
349  (7,  pe).  Die  vier  hinteren  Paare 
werden  wieder  rückgebildet,  doch  treten 
sie  vorher  in  Beziehung  zur  Bildung  der  Lungensäcke,  wie  weiter  unten 
besprochen  werden  soll  (Fig.  350  ap  III  bis  ap  VI). 

Während  der  Keimstreifen  an  Zahl  der  Segmente  und  Glied maassen 
zunahm,  haben  sich  auch  seine  Lagebeziehungen  zum  Dotter  einiger- 
massen  geändert.  Durch  fortschreitendes  Wachsthum  hatte  er  schliess- 
lich die  eine  Hälfte  des  ovalen  Eidotters  ziemlich  bedeckt;  indem  dann 
aber  besonders  das  Vorderende  stark  auswuchs,  legten  sich  die  Scheitel- 
lappen auf  die  andere  Hälfte  hinüber,  und  der  Keimstreif  erschien  nun- 
mehr um  den  Eipol  herum  gebogen  (Fig.  355  A  u.  B,  pag.  555).  Das 
Hinterende  des  Keimstreifens  schlägt  sich  dagegen  nach  vorn  um  (Fig. 
347,   348  und  355  B)  und,   Ventralfläche   gegen  Veiitraltiäehe  gekehrt, 


Fig.  347.  Embryo  von  Euscor- 
pius  italicus  in  den  Embryonal- 
hüllen, zwischen  denen  sich  feine 
Fäden  ausspannen  (nach  Mktschni- 
koff,  aus  Balfour's  Handbuch). 

Man  sieht  den  auf  dem  Dotter 
liegenden  Keimstreifen  im  Profil. 

ab  das  nach  vorn  umgeschlagene 
Postabdomen,  ch  Cheliceren,  pd  Pedi- 
palpen, P\— Pi  die  vier  Gangbeine, 
dahinter   die   Abdominalextremitäten. 


Arachnoiden. 


543 


m. 


r- 


r— 


wächst  so  das  Postabdomen  eine  ganze  Strecke  vor.  An  seiner  unteren 
Fläche  ist  eine  Furche,  die  Fortsetzung  der  Neuralrinne,  zu  bemerken 
(Fig.  349  B).  Es  gliedern  sich  später  an  ihm  fünf  Segmente  ab ,  und 
am  Ende  bleibt  das  Telson  übrig  (Fig.  349  G).  Am  Keimstreifen  selbst 
ist  in  Form  segmentweise  angeordneter  Verdickungen  die  Bauchganglien- 
kette deutlich  geworden  (Fig.  349  A  u.  B).  Schon  lange  bevor  die  Ent- 
wicklung des  Keimstreifens  so  weit  vorschritt,  haben  sich  ausserhalb  des- 
selben die  Keimschichten  weiter  über  den  Dotter  verbreitet,  nicht  nur 
das  Ectoderm,  sondern  unter  ihm  auch  das  aus  grösseren  Zellen  be- 
stehende Entoderm,  welches  somit  den  Dotter  direct  in  sich  einschliesst  *). 
Dieser  wird  im  Laufe  der  Entwicklung  von  ihm 
resorbirt,  nachdem  sich  wahrscheinlich  die  in 
ihm  vertheilten  Dotterzellen  an  seiner  Ver- 
flüssigung betheiligt  haben.  Mit  dem  vom  Ento- 
derm durch  Umwachsung  des  Dotters  gebildeten 
Mitteldarm  tritt  die  Ectodermeinstülpung  in  Ver- 
bindung, welche  sich  zwischen  den  Scheitellappen 
einsenkte  (Fig.  348  und  355  B,  m).  So  entsteht 
der  Vorderdarm.  Auch  der  Enddarm  geht  aus 
einer  Einsenkung  des  Ectoderms  hervor,  welche 
wohl  an  der  Ventralfläche  des  Telsons  (nach 
Kowalevsky  und  Schulgin  am  vorletzten  Seg- 
ment) liegt.  —  Bei  dem  Vorwachsen  der  Zellen- 
schichten vom  Keimstreifen  aus  über  den  Dotter 
hin  hat  sich  auch  das  Mesoderm  betheiligt,  wel- 
ches, ebenfalls  von  der  Ventralseite  ausgehend, 
zwischen  Ectoderm  und  Entoderm  weiter  vor- 
rückt. So  setzt  sich  von  der  schon  früh  ange- 
legten Ventralfläche  her  die  Ausbildung  des  Em- 
bryos gegen  die  Rückenfläche  fort,  bis  zuletzt 
auch  diese  zu  völliger  Bedeckung  gelangt. 

Es  scheint,  als  ob  bei  der  Ausbreitung  der 
Embryonal  anläge  über  den  Dotter  auch  die  Ur- 
sprungslinie der  E  m  b  r  y  o  n  a  1  h  ü  1 1  e  n  mit  ver- 
lagert würde  und  diese  infolgedessen  schliesslich 
den  ganzen  Embryo  umgeben.  Nach  Mjetsch- 
nikoff's  Beobachtung  sollen  sie  sieh,  offenbar 
nach  vorausgegangener  Verwachsung  am  Pdicken,  ganz  vom  Embryo  ab- 
lösen und  dann  eine  isolirte  zweischichtige  Hülle  um  ihn  bilden.  Uebrigens 
soll  nach  der  von  Metschnikoff  bestätigten  Angabe  Ganin's  zwischen 
der  inneren  Embryonalhülle  und  dem  Embryo  von  letzterem  noch  ein 
feines  cuticulares  Häutchen  abgesondert  und  losgelöst  werden.  Dies 
würde  also  eine  Art  Larvenhaut  sein,  wie  sie  bei  Spinnen  und  Milben 
vorkommt.  Der  Embryo  wird  mit  den  Embryonalhüllen  geboren  und 
durchbricht  sie  erst  im  Freien  (Metschnikoff). 

Bei  dem  Embryo,  soweit  wir  ihn  bis  jetzt  kennen  leinten,  traten 
die  Extremitäten  nur  als  stummeiförmige  Anhänge  hervor.  Dies  ändert 
sich,  indem  die  Pedipalpen  sich  gabeln  und  damit  ihren  späteren  Cha- 
rakter als  Scheeren  gewinnen  (Fig.  349  B).     Die  Cheliceren  folgen  ihnen 


Fig.  348.  Keimstreifen 
von  Euscorpius  itali- 
cus  (nach  Laurie). 

eh  Cheliceren,  g  Gang- 
lien des  Chelicerensegmen- 
tes,  kl  Kopflappen,  m  Mund, 
p  die  Gangbeine,  pab  das 
nach  vorn  umgeschlagene 
Postabdomen ,  ped  Pedi- 
palpen, 1,  2,  3,  4  erstes  bis 
viertes  Beinpaar. 


*)  Man  vergl.   hierzu  die  weiter  unten  (pag.  552)   gegebene  ausführlichere  Dar- 
stellung von  der  Bildung  des  Darmcanals. 


544 


XVII.  Capitel. 


darin  nach.  Beide  rücken  gegen  den  Mund  bin  und  lagern  sich  zu 
dessen  Seite.  An  der  Basis  der  Pedipalpen  und  der  vier  Beinpaare  tritt 
schon  früh  ein  nach  der  Mittellinie  gerichteter,  anfangs  ziemlich  umfang- 
reicher Fortsatz  auf,  aus  welchem  die  kauladenähnlichen  Anhänge  dieser 
Extremitäten  hervorgehen.  Dieselben  haben  bekanntlich  bei  der  Ver- 
gleichung  der  Scorpione  mit  Limulus  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen. 
Es  dürfte  von  Bedeutung  sein,  dass  der  Embryo  (nach  Laurie)  an  allen 
vier  Beinpaaren  diese  Anhänge  besitzt,  während  beim  ausgebildeten 
Thier  (ausser  den  Pedipalpen)  nur  die  beiden  ersten  Beinpaare  damit 
versehen  sind. 

Erst  ziemlich  spät  (in  dem  Stadium  der  Fig.  349  C)  tritt  die  Gliede- 
rung der  Extremitäten  auf,  mit  deren  Fortschreiten  der  Embryo  sich 
mehr  seiner  definitiven  Gestalt  nähert  (Fig.  350  u.  349  C),  da  die  Glied- 
maassen  zugleich  in  die  Länge  wachsen  und  auch  der  übrige  Körper  die 


Fig.  349.  B  und  C  drei  Embryonen  von  Euscorpius  italicus  (nach  Metsch- 
nikoff,  aus  Balfodr's  Handbuch). 

ab  Postabdomen,  ch  Cheliceren,  pd  Pedipalpen,  px—p*  die  vier  Gangbeine,  pe  die 
Kämme,  st  Stigmen. 

In  der  Medianlinie  die  Neuralrinne,  zu  deren  beiden  Seiten  die  Anlage  der  Bauch- 
ganglienkette. An  den  Scheitellappen  sind  in  A  und  B  die  Scheitelgruben,  in  C  die 
Mittelaugen  zu  sehen.  Die  quere  Streifung  am  Abdomen  ist  der  Ausdruck  der  durch 
die  Ursegmente  hervorgerufenen  inneren  Segmentirung. 


schon  früher  charakterisirten  Veränderungen  durchmacht.  Von  den  ab- 
dominalen Anhängen  treten  diejenigen  des  ersten  Segments  zurück, 
während  die  des  zweiten  weiter  auswachsen  und  die  Querfurchen  erhal- 
ten, welche  anzeigen,  dass  man  es  in  ihnen  mit  der  Anlage  der  Kämme 
zu  thun  hat.  Wichtige  Veränderungen  vollziehen  sich  mit  den  folgenden 
vier  Gliedmaassenpaaren,  indem  an  ihrer  Rückseite  Einstülpungen  ent- 
stehen, die  zur  Bildung  der  Lungen  führen  (Laurie).  Während  der  Bil- 
dung dieser  Einstülpungen  treten  die  Abdominalanhänge  selbst  allmählich 
zurück.  Der  Embryo  der  Fig.  350  lässt  die  Abdominalextremitäten  noch 
deutlich  erkennen,  während  in  Fig.  349  C  die  vier  Stigmenpaare  bereits 
vorhanden  sind. 


Arachnoiden. 


545 


Die  Entstehung  der  Lungen  als  Einstülpungen  an  der  Rückseite  der 
Abdominalextremitäten  bildet  einen  wichtigen  Punkt  in  der  Vergleichung  der 
Scorpione  mit  dem  Limulus,  indem  man  diesen  ontogenetischen  Vorgang 
auf  die  Einbeziehung  der  Kiemenblätter  in's  Innere  des  Körpers  zurückführt. 
Obwohl  auch  wir  geneigt  sind,  uns  auf  diesen  Standpunkt  zu  stellen,  so 
scheint  uns  doch ,  dass  die  von  Laurie  zur  Stütze  dieser  wichtigen  Frage 
beigebrachten  Beweise  noch  nicht  völlig  genügend  sind  und  dass  ein  Gegen- 
stand von  so  weittragender  Bedeutung  eine  etwas  gründlichere  Behandlung 
verlangt,  als  er  sie  in  jener  Abhandlung  gefunden  hat.  Es  ist  gar  nicht 
zu  verkennen ,  dass  die  Beziehung  der  Lungeneinstülpungen  zu  den  Abdo- 
minalextremitäten eine  höchst  auffallende  ist.  Dies  geht  schon  aus  einer  von 
Metschnikoff  gegebenen  Abbildung  hervor  (Fig.  350),  obwohl  dieser  Forscher 
bemerkt,  dass  die  (von  ihm  als  Kiemen- 
löcher bezeichneten)  Lungeneinstülpungen 
nicht  aus  den  Extremitäten  hervorgehen. 
Nach  ihm  entstehen  sie  nur  an  der  Stelle 
der  verschwun  denen  Abdominalextremitäten. 


Hinter  dem  letzten  stigmentragen- 
den Segment  kommt  noch  ein  weiteres 
Segment  des  Präabdomens  zur  Ausbil- 
dung, worauf  das  nunmehr  in  fünf  echte 
Segmente  und  das  Telson  gegliederte 
Postabdomen  folgt,  welches  noch  immer 
nach  vorn  umgeschlagen  ist  (Fig.  349  C). 
An  seinem  Ende  hat  sich  der  Stachel 
geformt,  und  zwei  Ectodermeinstül- 
pungen  lassen  hier  die  paarige  Giftdrüse 
entstehen,  welche  auch  beim  ausgebil- 
deten Thier  durch  zwei  Oeffnungen  an 
der  Spitze  des  Telson  ausmündet.  An 
der  Basis  desselben  trat  als  Ectoderm- 
einstülpung  der  After  auf. 

Mit  den  geschildertenVeränderungen 
hat  der  Embryo  im  Ganzen  die  Gestalt 
des  ausgebildeten  Thieres  erreicht,  in- 
dem während  dessen  auch  die  noch  zu 


Fig.  350.  Embryo  von  Euscor- 
pius  italicus  (nach  Metschjsikoff). 

1 — 4  (p)  die  vier  Beinpaare,  apu 
bis  ap\i  Abdominalextremität  II — VI, 
b(j  Bauchganglienkette,  ch  Cheliceren, 
m  Mund,  pab  Postabdomen,  ped  Pedi- 
palpen. 


schildernde   Ausbildung   der  inneren 
Organe  und   diejenige    der  Körperbedeckung,    besonders   auch   die  Ab- 
scheidung der  Chitindecke,   vor  sich  gegangen  ist.     Zur  Zeit   des   Aus- 
schlüpfens  erhebt  der  junge  Scorpion  das  Postabdomen  über  den  Kücken 
und  gleicht  dann  völlig  dem  alten. 


3.    Die  Bildung  der  Organe. 

A.    Das  Nervensystem  und  die  Augen. 

Die  (Tanglienkette  ist  bereits  früh  in  Form  zweier  verdickter  Streifen 
angelegt,  welche  zu  beiden  Seiten  der  medianen  Rinne  durch  die  ganze 
Länge  des  Körpers  verlaufen  (Fig.  349  A.  u.  B.).  An  ihnen  ist  bald  die 
Segmentirung  in  die  ventralen  Ganglien  zu  bemerken.  Diese  vermehren 
ihre  Zellmasse  (nach  Kowalevsky  und  Schülgin)  dadurch,  dass  an  zehn 
bis  zw7ölf  Punkten  jedes  Körpersegmentes   grubenförmige  Einsenkungen 


546  XVIL  Capitel. 

auftreten,  welche  besonders  starke  Wucherungsstellen  des  Ectoderms  dar- 
stellen. Solche  finden  sich  auch  an  15 — 20  Stellen  des  Kopfabschnittes. 
Man  möchte  dabei  an  Anlagen  (bezw.  Rudimente)  von  Sinnesorganen 
denken.  Sie  schwinden,  wenn  die  Ganglienkette  sich  von  der  Hypodermis 
löst  und  in  die  Tiefe  verlagert  wird.  An  der  Bildung  der  Bauch- 
ganglienkette scheint  auch  der  eingestülpte  Mittelstrang  (die  Neuralrinne) 
betheiligt  zu  sein  (Patten,  Laurie),  doch  sind  diese  Verhältnisse  noch  nicht 
genügend  klar  gestellt. 

Ob  zwischen  der  Ganglienkette  und  dem  oberen  Schlundganglion 
eine  Continuität  der  Anlage  besteht  oder  ob  sie  sich  getrennt  anlegen, 
vermögen  wir  aus  den  vorliegenden  Angaben  nicht  zu  ersehen. 

Das  obere  Schlundgauglion  scheint  in  enger  Verbindung  mit  den 
Einstülpungen  zu  entstehen,  welche  man  in  frühen  Stadien  anfangs  als 
rundliche,  später  als  halbkreisförmige  Gruben  an  den  Scheitellappen  be- 
merkt (Fig.  346  C  u.  349  A  u.  B).  Wenn  diese  Scheitelgruben  noch 
ziemlich  flach  sind ,  tritt  zwischen  ihnen  eine  starke  Verdickung  des 
Ectoderms  auf  (Fig.  354  ^4).  Dieselbe  bildet  die  mediane  Wand  beider 
Einsenkungen.  Wir  möchten  annehmen ,  dass  diese  Verdickung  haupt- 
sächlich zur  Bildung  des  Gehirnes  verwendet  wird.  Später  vertiefen  sich 
die  Gruben  und,  indem  sich  ihre  Oeffnungen  verengern,  rücken  dieselben 
mehr  nach  hinten,  wie  dies  bei  der  Bildung  der  Augen  noch  genauer  be- 
sprochen werden  muss.  Es  scheint,  dass  dabei  die  Anlage  des  Gehirns  sich 
allmählich  von  den  Gruben  ablöst  und  wohl  auch  mehr  seitlich  verlagert  wird. 
So  kommt  es,  dass  die  Gehirnanlage  später  seitlich  von  den  Gruben  ge- 
funden wird.     Diese  letzteren  stellen  die  Anlage  der  Mittelaugen  dar. 

Vorstehende  Darstellung  entspricht  nicht  ganz  den  von  La.urie,  sowie 
von  Kowalevsky  und  Schulgin  gemachten  Mittheilungen,  da  diese  das  Ge- 
hirn in  noch  innigerem  Zusammenhang  mit  den  Einsenkungen ,  ja  sogar 
direct  aus  diesen  hervorgehen  lassen;  doch  vermögen  wir  die  von  Laukie 
und  Patten  gegebenen  Bilder  nicht  anders  zu  deuten ,  als  dies  vorstehend 
geschah.  Danach  würde  zwar  ein  Zusammenhang  in  der  Bildung  des  Ge- 
hirns und  der  Mittelaugen  vorhanden  sein,  aber  nicht  ein  so  inniger,  wie 
dies  aus  den  Worten  der  genannten  Autoren  hervorzugehen  scheint. 

An  der  Anlage  des  Gehirns  und  besonders  an  den  Parthien  der 
Gruben,  welche  an  seiner  Bildung  theilnehmen,  sind  die  nämlichen 
kleinen  Vertiefungen  vorhanden,  welche  schon  bei  der  Bildung  der 
Ganglienkette  erwähnt  wurden  und  als  Bildungsheerde  von  Zellen  ange- 
sehen werden  (Kowalevsky  und  Schulgin,  Laurie).  Mit  der  Trennung 
des  Gehirns  von  den  Gruben  scheint  dasselbe  auch  seinen  Zusammenhang 
mit  dem  Ectoderm  zu  verlieren. 

Mit  dem  Gehirn  vereinigen  sich  die  Ganglien  des  Chelicerenseg- 
mentes  (Kowalevsky  und  Schulgin),  was  auch  den  Verhältnissen  beim 
ausgewachsenen  Thiere  entspricht.  Die  beiden  Nervenpaare  der  Cheli- 
ceren  nehmen  demnach  ihren  Ursprung  vom  Gehirn,  welches  sich  in 
einen  vorderen  Abschnitt  (Ursprung  der  beiden  Sehnervenpaare),  einen 
mittleren  unpaaren  Abschnitt  von  geringem  Umfang  (Ursprung  des  Nerven 
für  das  Rostrum)  und  einen  hinteren  paarigen  Theil  (Ursprung  der 
Cheliceren-  und  sympathischen  Nerven)  gliedert.  Die  Ganglienpaare  der 
Brust  und  (wie  es  scheint)  die  der  beiden  ersten  Hinterleibssegmente 
vereinigen  sich  zu  der  grossen  thoracalen  Ganglienmasse,  welche  sich 
hinter  dem  Oesophagus  nahe  an  das  Gehirn  herandrängt,  Die  Zahl  der 
Abdominalganglien  wird  durch  Verschmelzung  einzelner  Paare  auf  sieben 


Arachnoiden. 


547 


(wahrscheinlich  vier  für  das  Prä-  und  drei  für  das  Postabdomen)  reducirt. 
Diese  Verhältnisse  sind  zum  Theil  schon  durch  die  bereits  im  Jahre  1837 
angestellten  Untersuchungen  von  H.  Rathke  bekannt  geworden  (No.  28). 
Die  Bildnug  der  Mittelaugen  steht  dadurch  in  Beziehung  zu  der- 
jenigen des  oberen  Schlundganglions,  dass  beide  Gebilde  ihre  Entstehung 
auf  die  Scheitelgruben  zurückleiten,  oder  doch  wenigstens  zum  Theil  auf 
diese  zurückzuführen  sind.  Dass  die  Scheitelgruben  an  der  Bildung  des 
Gehirns  betheiligt  sein  sollen,  wurde  bereits  früher  erwähnt.  Wahr- 
scheinlich noch  ehe  die  völlige  Trennung  des  Gehirns  von  den  Gruben 
erfolgt  ist,  rücken  die  beiden  Einstülpungsöffnungen  (Fig.  351  A,  e)  nach 
hinten  und  gegen  die  Mittellinie  hin,  um  hier  später  zu  einer  gemein- 
samen Einsenkung  zu  verschmelzen.  Dieser  Vorgang  beruht  offenbar  auf 
einem  Wachsthumsprocess,  vermöge  dessen  die  jetzt  zwischen  den  Gruben 
gelegenen  Parthien  allmählich  in  sie  einbezogen  werden.  Wenn  wir 
Laurie's  Darstellung  recht  verstehen,  so  scheint  die  gemeinsame  Grube 
sehr  umfangreich  aber  ziemlich  seicht  zu  sein  (Fig.  351  B,  e).  Sie  liegt 
dicht  vor  den  jetzt  bereits  scheerenförmig  entwickelten  Cheliceren. 


B. 


Fig.  351.     A  —  C  Euscorpius  italicus  (nach  Laurie). 

A  Querschnitt  durch  den  vorderen  Theil  des  Embryos,  B  vorderer  Theil  eines 
Embryos  in  der  Ebene  ausgebreitet  und  von  der  Ventralseite  gesehen,  C  Längsschnitt 
durch  das  Vorderende. 

a  Anlage  der  Mittelaugen  (Linsen),  ch  Cheliceren,  e  Scheitelgruben ,  g  Gehirn, 
Pn  Vi  erstes  und  zweites  Gangbeinpaar,  pcd  Pedipalpen,  vd  Vorderdarm. 


Freilich  lässt  sich  die 


Lagenbeziehung 


der  Cheliceren  zu  dieser  Grube 
aus  den  betreffenden  Abbildungen  nicht  recht  erkennen,  doch  muss  man 
sich  in  Ermangelung  einer  besseren  damit  begnügen.  In  der  Fig.  354,  F 
sind  einige  Stadien  der  Gruben  durch  die  Umrisse  angedeutet;  doch  sind 
leider  auch  aus  Patten' s  Darstellung  diese  Verhältnisse  nur  sehr  unvoll- 
kommen zu  erkennen. 


Indem  der  vordere  Rand  der  Grube  gegen  den  hinteren  vorwächst, 
wird  dieselbe  überdeckt,  resp.  ihre  Oeffnung  nach  aussen  wird  immer 
kleiner  (Fig.  351  C  u.  354  F).  Die  nach  aussen  gerichtete,  unter  der 
Hypodermis  gelegene  Wand  der  Grube  verdickt  sich  (Fig.  351  (7),  während 
die  innere  Wand  schwach  und  einschichtig  bleibt.  Die  ganze  Einsenkung, 
welche  sich  ziemlich  dicht  der  Hypodermis  anlegt,  erfährt  eine  Abplat- 
tung von  vorn  nach  hinten,  so  dass  sie  nur  noch  als  eine  flache  Tasche 
erscheint  (Fig.  352  A).  Doch  lässt  sich  an  ihr  eine  rechtsseitige  und 
linksseitige  Parthie  unterscheiden,  welche  der  Anlage  je  eines  der  beiden 
Augen  entsprechen. 


548 


XVII.  Cäpitel. 


Bei  der  von  vorn  nach  hinten  gerichteten  Abplattung,  welche  die 
gemeinsame  Augengrube  erfuhr,  wurde  die  Höhlung  derselben  grössten- 
teils verdrängt,  und  es  sind  schliesslich  nur  noch  Spuren  desselben  zu 
erkennen  (Fig.  352  A).  Auch  die  Oeffnung  der  Augengrube  nach  aussen 
gelangt  bald  zu  völligem  Schluss.  Die  verdickte  Vorderwand  der  Grube 
liegt  jetzt  der  Hypodermis  dicht  an  (Fig.  352  A,  r).  In  ihr  ist  bereits  Pig- 
ment aufgetreten.  Sie  repräsentirt  die  Retina  des  Auges,  aus  welcher  später 
durch  allmähliche  Differenzinmg  die  Gruppen  der  Retinulazellen ,  sowie 
die  zwischenliegenden  Pigmentzellen  hervorgehen.  Die  über  der  Retina 
gelegene  Hypodermisschicht  (h)  wird  zum  Glaskörper  und  hat  nach  aussen 
die  Linse  abzuscheiden,  weshalb  man  sie  neuerdings  auch  als  lentigene 
Schicht  bezeichnet  (Mark).  Die  hinter  der  Retina  (d.  h.  nach  innen  von 
derselben)  gelegene  Zellschicht  (Fig.  352  p/-)  ist  eine,  auch  beim  ausge- 
bildeten Thier  vorhandene  postretinale  Schicht  von  Ectodermzellen. 
Diese  scheidet  nach  hinten  eine  Cuticula  ab,  welche  das  Auge  abschliesst 


Fig.  352.  A — C  Schnitte  durch  verschiedene  Entwicklungsstadien  der  Mittelaugen 
des  Scorpions  (A  nach  Parker,  B  und  C  schematisch). 

g  Gehirn  (?),  gl  Glaskörper,  h  Hypodermis,  l  Linse,  n  Sehnerv,  pr  postretinale  Schicht, 
r  Retina,  rh  Rhabdome. 

(Fig.  352  G).  Die  postretinale  Schicht  selbst  tritt  später  in  engen  Con- 
tact  mit  der  Retina.  Eine  Cuticula-ähnliche  Bildung  wie  die  Basal- 
membran der  Postretinalschicht  tritt  auch  zwischen  Glaskörperschieht 
und  Retina  auf  (Parker).  Sie  stellt  die  verschmolzenen  Cuticular- 
säume  dieser  beiden  Zellschichten  dar,  welche  sie  von  einander  trennt 
(Fig.  352  G). 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  Innervirungsverhältnisse  des  sich 
entwickelnden  Auges.  Es  wurde  schon  früher  gezeigt,  dass  ein  Theil  der 
Scheitelgruben  mit  zur  Bildung  des  Gehirns  beiträgt,  und  zwar  dürften 
auf  diese  Weise  hauptsächlich  die  optischen  Ganglien  entstehen 
(Patten).  In  Fig.  354  B  u.  C  sieht  man  dieselben  in  Verbindung  mit 
der  Augengrube.  Wenn  sie  sich  später  von  ihr  absetzen,  entsteht  an 
dieser  Stelle  der  Sehnerv  (Fig.  354  Ou.  D).  Nach  der  entgegengesetzten 
Seite  stehen  die  Sehüanglien  noch  von  früher  her  in  Verbindung  mit  dem 
Gehirn  (Fig.  354  A—D). 


Arachuoiden.  549 

In  den  früheren  Entwicklungsstadien  des  Auges  steht  der  Sehnerv 
zunächst  mit  der  convexen  Fläche  der  Augeneinstülpung  in  Verbindung 
(Parker),  und  zwar  scheinen  sich  die  Nervenfasern  besonders  mit  der 
gegen  die  Hypodermis  zu  gerichteten  Fläche  der  Augentasche  zu  ver- 
einigen (Fig.  352  B).  Diese  Fläche  entspricht  aber  der  beim  fertigen 
Auge  nach  vorn  gerichteten  Seite  der  Retina,  d.  h.  die  Nervenfasern  ver- 
binden sich  in  diesem  Stadium  mit  demjenigen  Ende  der  Sehzellen,  welches 
beim  ausgebildeten  Auge  das  freie,  nach  Aussen  gerichtete  Ende  darstellt, 
Sie  zeigen  also  das  entgegengesetzte  Verhalten  wie  beim  ausgebildeten 
Thier,  und  man  nimmt  an,  dass  die  Nervenendstellen  während  des  wei- 
teren Laufes  der  Entwicklung  vom  äusseren  nach  dem  inneren  Ende  der 
Sehzellen  verlagert  werden  (Mark,  Parker).  Die  hierbei  sich  vollziehen- 
den Vorgänge,  welche,  wenn  sich  die  Sache  wirklich  so  verhält,  von 
grossem  histologischen  Interesse  sein  würden,  sind  noch  nicht  als  klar 
gestellt  zu  betrachten.  Vom  theoretischen  Standpunkte  aus  ist  ein  Ver- 
halten des  Sehnerven,  wie  es  hier  geschildert  wird,  recht  einleuchtend.  Die 
Augenanlage  erscheint  als  Einstülpung,  und  man  sollte  erwarten,  dass 
bei  deren  Schluss  vorn  die  Linse  und  der  Glaskörper,  an  der  Hinter- 
seite aber  die  Retina  zur  Ausbildung  gelange.  An  die  Hinterwand  würde 
dann  der  Nerv  herantreten.  Letzteres  ist  zwar  wirklich  der  Fall,  aber 
Linse  und  Glaskörper  werden  von  einem  ausserhalb  des  Bereichs  der 
Einstülpung  gelegenen  Theil  der  Hypodermis  gebildet  (Fig.  352  A — C). 
Es  ist  also  eine  auffallende  Veränderung  in  der  Bildung  der  Augen  ein- 
getreten, deren  Ursache  wir  noch  nicht  kennen.  Die  Folge  dieser  Ver- 
änderung ist,  dass  die  früher  nach  innen  gerichtete  Fläche  der  Retina 
nunmehr  nach  Aussen  (gegen  die  lentigene  Hypodermis)  gekehrt  werden 
muss  (Fig.  352  B).  Mit  dieser  Fläche  verbindet  sich  zwar  noch  der 
Nerv,  indem  er  dem  früheren  Verhalten  treu  bleibt;  um  aber  die  Bildung 
des  Auges  nach  dem  neuen  Modus  zu  ermöglichen  muss  er  von  der 
früher  inneren  und  convexen  Fläche  an  die  früher  äussere  und  concave 
Fläche  der  Einstülpung  verlagert  werden  (Fig.  352  B  u.  C).  Ein  Theil 
der  letzteren  wird  bei  diesem  Vorgang  zu  der  postretinalen  Schicht.  Diese 
Schicht  muss  nothwendiger  Weise  von  dem  Nerven  durchsetzt  werden, 
wie  es  (nach  der  Darstellung  von  Ray  Lankester  und  Bourne  No.  20) 
auch  wirklich  bei  dem  ausgebildeten  Thier  der  Fall  ist. 

Man  muss  den  Wunsch  aussprechen,  über  die  vorliegenden  höchst  auf- 
fallenden und  bisher  nicht  recht  erklärlichen  Bildungs Vorgänge  der  Mittel- 
augen des  Scorpions  noch  genauere  und  eingehendere  Darstellungen  zu  er- 
halten, als  sie  bisher  gegeben  werden  konnten,  obwohl  schon  einige  recht 
anerkennenswerthe  Versuche  (so  die  von  E.  L.  Maek  und  G.  H.  Paekee) 
vorliegen ,  diese  schwierigen  Verhältnisse  zu  grösserer  Klarheit  zu  bringen. 
Eine  genauere  Besprechung  können  dieselben  erst  weiter  unten  nach  Be- 
handlung der  Entwicklung  der  Spinnenaugen  erfahren  (vgl.  pag.  597). 

Die  Seitenaugen  zeigen  eine  weit  einfachere  Entstehungsweise  als 
die  Mittelaugen.  Zur  Zeit  der  Bildung  der  Mittelaugen  treten  seitlich 
von  diesen  und  etwas  weiter  nach  hinten  gelegen  zwei  längliche  pigmen- 
tirte  Hautstellen  hervor,  welche  nun,  wie  das  ebenfalls  schon  pigmentirte 
Mittelauge,  als  Augenanlagen  zu  erkennen  sind.  Die  Hypodermis  ist  an 
den  betreffenden  Stellen  stark  verdickt,  und  man  erkennt  eine  Anzahl 
(je  nach  der  Zahl  der  Seitenaugen  des  betreffenden  Scorpions  bis  zu 
fünf)  Einsenkungen  an  dieser  verdickten  Region  (Fig.  353  A,  11 — V).  Aus 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  36 


550 


XVII.  Capitel. 


jeder  dieser  Gruben  lieht  ein  Auge  hervor,  und  zwar  verläuft  die  weitere 
Ausbildung  in  sehr  einfacher  Weise,  entsprechend  dem  einfachen  Bau 
der  fertigen  Seitenaugen  (Parker).  Die  eingestülpte  Stelle  wird  grössten- 
theils  zur  Retina.  Wenn  die  Linse  gebildet  werden  soll,  strecken  sich 
von  der  Seite  her  die  mehr  peripher  gelegenen  Zellen  über  den  mittleren 
Theil  (die  Retina)  hin  und  scheiden  die  Linse  ab.  Diese  liegt  nun  über 
dem  nur  wenig  eingesenkten  mittleren  Theil  (Fig.  353  B).  In  diesem 
differenziren  sich  die  Sehzellen  von  den  zwischen  gelegenen  Pigment- 
zellen, und  diese  einschichtige  Zellenlage  geht  über  in  die  peripher  ge- 
lagerten (lentigenen)  Zellen,   welche   sich   ihrerseits  direct  in  die  Hypo- 

dermis  fortsetzen  (Fig. 


d. 


HVC5. 


n. 


3b. 


\~~ 


353  B).  Diese  con- 
tinuirliche  Zellenlage 
scheidet  nach  hinten  zu 
eine  cuticulare  Basilar- 
membran  aus,  welche 
das  Auge  gegen  die  Um- 
gebung abgrenzt.  Der 
Nerv  tritt  mit  dieser 
Hinterseite  des  Auges 
in  Verbindung. 

Während  die  Mittel- 
augen des  Scorpions  durch 
einen  ziemlich  compli- 
cirten  Eintältungsprozess 
ihren  Ursprung  nehmen, 
sieht  man  die  Seitenaugen 
in  recht  einfacher  Weise 
aus  blossen  Einsenkungen 
der  Hypodermis  hervor- 
gehen. Aus  dem  etwas 
einfachen  Bau  der  Seiten- 
augen allein  lässt  sich 
diese  Differenz  nicht  wohl 

erklären,    sondern  es 
müssen    andere ,    bisher 
nicht  genügend  bekannt 
gewordene  Umstände  da- 
bei   in   Frage   kommen. 
Auffallend  ist  in  dieser 
Beziehung  das  Ueber- 
gehen  der  Scheitelgruben 
in  die  ebenfalls  gruben- 
förmigen  Anlagen  der 
Mittelaugen. 
Die    Schilderung    der    Entstehung    des  Gehirns    und    der  Augen    ist   im 
Vorstehenden   so  gegeben   worden,   wie   sie   sich   uns  aus  den  Angaben    der 
Autoren  auf  diesem  Gebiet  darstellte;    doch  sind  diese  Angaben,    zumal  was 
die   Bildung    des    Gehirns    und   die   erste  Anlage    der   Mittelaugen    betrifft, 
grösstentheils    recht   ungenügend.      Theilweise   widersprechen    sie    sich    direct 
oder   sind  in  Folge  der   zum  Theil    mangelhaften    textlichen   und    bildlichen 
Darstellung  völlig  unverständlich. 


Fig.  353.  A  und  B  Schnitte  durch  ein  früheres 
Entwicklungsstadiuin  und  einen  späteren  Entwicklungs- 
zustand der  Seitenaugen  des  Scorpions  (etwas  schematisirt 
nacli  Parker  und  Laurie). 

II — V  die  Einsenkungen  der  Augen,  h  Hypodermis, 
in  interneurale  Zellen,  l  Linse,  mes  Mesodermgewebe, 
n  Sehnerv,  pn  perineurale  Zellen,  r  Retina,  rh  Khab- 
dome,  sz  Sehzellen  (Nervenendzellen). 


Arachnoiden. 


551 


Wir  müssen  hier  noch  kurz  auf  die  von  Patten  gegebene  Darstellung 
von  der  Entstehung  des  Gehirns  und  der  Augen  eingehen,  die  wesentlich 
von  derjenigen  der  anderen  Autoren  abweicht.  Patten  nimmt  für  die 
Scorpione  eine  dreifache  Gliederung  der  Kopflappen  an,  wie  er  dieselbe 
früher  schon  für  die  Insecten  beschrieben  hatte  (man  vgl.  unten  die  Bildung 
des  Gehirns  bei  den  Insecten).  Danach  zerfallen  die  Scheitellappen  in  drei 
Abschnitte,  von  denen  jeder  sich  wieder  in  drei  verschiedene  Parthien  theilt. 
{Fig.  354  E  und  F.)  An  jedem  Abschnitt  unterscheidet  mau  die  mittlere 
eigentliche    Gehirnparthie ;    daran    schliessen   sich   jederseits   die   Sehganglien 

a. 


-  n.o„ 


Fig.  354.  A  etwas  schematisch  nach  Laurie,  B — F  nach  Patten.  A  Quer- 
schnitt durch  die  Scheitellappen  von  Euscorpius  italicus,  die  beiden  Hirn- 
augengruben  (e)  zeigend.  B — D  Sagittalschnitte  durch  die  Scheitellappen  von  Bu- 
thus  carolinianus,  die  Bildung  des  Gehirns  und  der  Mittelaugen  zeigend.  E  und 
F  Schemata  der  Scheitellappen  vom  Embryo  desselben  Scorpions  in  verschiedenen 
Stadien. 

e  Scheitelgrube,  eL — em  dieselbe  in  den  drei  Segmenten  der  Scheitellappen,  g  Ge- 
hirnanlage, gi — ^iii  dieselbe  in  den  drei  Segmenten,  g.o.  Ganglion  opticum  (yo, — gom  in 
den  drei  Segmenten),  m.a.  Mittelaugen,  n.o.  Nervus  opticus  (noIZ  und  wom  im  zweiten  und 
dritten  Segment),  opt — opm   „optic  plate"  der  drei  Segmente,  r  Retina,  s.a.  Seitenaugen. 


und  an  sie  die  Regionen  an,  welche  die  Augen  zu  liefern  haben  („optic 
plates").  Diese  Regionen  wiederholen  sich  also  dreimal  von  vorn  nach  hinten. 
(Fig.  354  E.)  Während  die  anderen  Autoren  nur  die  beiden  halbkreis- 
förmigen Einsenkungen  der  Scheitellappen  kennen,  beschreibt  Patten  drei  Paare 
von  Einsenkungen,  eines  an  jedem  Abschnitt.  Das  mittlere  derselben  dürfte 
mit  den  von  den  anderen  Autoren  gesehenen  Hirnaugengruben  identisch 
sein;  seine  Umbildung  wurde  bereits  früher  verfolgt  (pag.  546  u.  ff).  Diese 
mittleren  Gruben  geben  den  Mittelaugen  und  gleichzeitig 
den  optischen  Ganglien    den  Ursprung,   indem  diese  sich  mit 

36* 


552  XVII.  Capitel. 

ihnen  einsenken  (Fig.  354  E).  So  ist  die  Entstehung  des 
Sehnerven  leicht  zu  erklären  (Fig.  354  C  und  D).  Die  Sehganglien 
stehen  in  Verbindung  mit  der  unterdessen  ebenfalls  in's  Innere  verlegten 
Gehirnparthie  (Fig.  354  D). 

Am  ersten  Segment  liegen  keine  Augen,  wohl  aber  am  dritten,  welches 
die  Seitenaugen  trägt.  Dieselben  werden  jedoch  nicht  eingestülpt.  Wir 
können  auf  die  weiteren  Ausführungen  Patten's  hier  nicht  eingehen,  da 
seine  Resultate  nicht  genügend  gestützt  erscheinen  und  allzu  fragmentarisch 
mitgetheilt  werden.  So  ist  es  denn  auch  nicht  möglich ,  über  den  Werth 
der  PATTEN'schen  Angaben,  die,  wie  schon  der  Titel  der  Abhandlung  (No.  27) 
zeigt,  zu  einem  anderen  Zweck  gemacht  wurden,  ein  sicheres  Urtheil  zu  ge- 
winnen ;  ja,  vielfach  ist  es  bei  der  Art  seiner  Darstellung  völlig  ausgeschlossen, 
eine  auch  nur  halbwegs  genügende  Vorstellung  der  von  ihm  mitgetheilten 
Bildungsvorgänge  zu  gewinnen. 

B.    Die  Lungensäcke. 

Die  Lungensäcke  entstehen,  wie  schon  oben  (pag.  544)  erwähnt,  als 
Einsenkungen  an  der  Hinterseite  der  Anhänge  des  dritten  bis  sechsten 
Abdominalsegmentes  (Metschnikoff,  Laurie,  Fig.  350,  pag.  545).  Diese 
Einsenkungen  sind  anfangs  flach,  vertiefen  sich  dann,  und  erscheinen  von 
ihrer  sich  verengernden  Oeffnung  aus  nach  vorn  gerichtet.  Die  Oeffnung 
entspricht  dem  späteren  Stigma  des  Lungensackes  (Fig.  349  C,  st).  Die 
Säcke  ragen  in  einen  Spaltraum  des  Mesoderms  hinein,  welcher  von 
Blutelementen  erfüllt  ist  (Kowalevsky  und  Schulgin,  Laurie). 

Die  Umbildung  der  Lungensäcke  zu  ihrem  definitiven  Bau  geht  erst 
im  spätesten  Embryonalstadium  vor  sich  und  wird  dadurch  eingeleitet, 
dass  die  nach  Innen  gekehrte  Wand  Einbuchtungen  erfährt.  Dadurch 
bilden  sich  einige  Falten,  welche  immer  tiefer  in  den  Hohlraum  des 
Sackes  hinein  (also  nach  hinten  zu)  wuchern.  Ihnen  folgen  weitere 
Falten,  und  so  kommt  der  lamelläre  Bau  des  Lungensackes  allmählich 
zu  Stande  (Laurie).  Die  Wand  des  embryonalen  Lungensackes  besteht 
aus  einem  Cylinderepithel ,  welches  an  der  gegen  den  Hohlraum  des 
Sackes  gerichteten  Fläche  eine  feine  Cuticula  absondert  (Metschnikoff). 

Ueber  die  Auffassung  des  geschilderten  Entwicklungsmodus  der  Lungen- 
säcke und  ihre  morphologischen  Beziehungen  soll  bei  Betrachtung  der  Respira- 
tionsorgane der  Araneinen  noch  Einiges  hinzugefügt  werden  (pag.  604  ff). 

C.    Der  Darmcanal. 

Die  Ausbildung  des  Mitteldarmes  verläuft  in  den  einzelnen  Ab- 
theilungen des  Körpers  in  etwas  verschiedener  Weise.  Während  das 
Entoderm  in  der  ganzen  Umgebung  des  Dotters  eine  einschichtige  Lage 
von  Zellen  darstellt,  bildet  es  da,  wo  das  umgeschlagene  Postabdomen 
zur  Ausbildung  kommt,  eine  compacte  Zellenmasse  (Fig.  355).  Hier  im 
Postabdomen  erfährt  der  Mitteldarm  zuerst  seine  völlige  Ausbildung,  in- 
dem sich  aus  dieser  Zellenmasse  ein  Rohr  gestaltet,  welches  entsprechend 
der  geringen  Dicke  und  Länge  dieses  Körperabschnittes  nicht  sehr  um- 
fangreich ist.  Von  hier  aus  setzt  sich  die  Ausbildung  des  Darmes  nach 
vorn  fort  und  zwar  in  der  Weise,  dass  sie  dabei  von  der  ventralen  nach 
der  dorsalen  Fläche  vorschreitet.  Zwar  war  bereits  früher  der  ganze 
Dotter  vom  Entoderm    umwachsen,    aber   es  scheint,    dass   sich  dessen 


Aracknoiden.  553 

Zellen  in  ähnlicher  Weise  verhalten,  wie  wir  dies  bereits  früher  von  den 
Entodermzellen  der  Crustaceen  kennen  gelernt  haben  (pag.  332). 
Sie  schwellen  stark  an  und  erhalten  eine  hoch  cylindrische  Ge- 
stalt, machen  also  noch  nicht  den  Eindruck  des  definitiven  Darm- 
epithels, sondern  sind  mehr  mit  der  Assimilation  des  Dotters  beschäftigt. 
Von  hinten  nach  vorn  vorschreitend,  sich  zuerst  auf  die  ventralen  Par- 
thien  und  von  da  gegen  die  Dorsalseite  erstreckend,  geht  nunmehr  die 
allmähliche  Umwandlung  des  provisorischen  Epithels  in  das  definitive 
Darmepithel  vor  sich.  Als  Ausstülpungen  desselben,  vielleicht  auch  ver- 
anlasst durch  das  Eindringen  von  Falten  des  splanchnischen  Mesoderm- 
blattes  in  die  Dottermasse,  wie  es  ähnlich  bei  den  Spinnen  beobachtet 
wird  (vgl.  pag.  610),  bilden  sich  die  Leberblindschläuche,  welche  zuerst 
noch  reichliche  Dottermassen  enthalten.  Es  hat  den  Anschein,  als  ob 
den  Leberschläuchen  eine  segmentale  Anordnung  zukäme.  Durch  weitere 
Ausbreitung  und  Verzweigung  erreicht  die  Leber  ihre  definitive  Form. 

Die  hier  geschilderte  Bildungsweise  des  Mitteldarmes  dürfte  die  grösste 
Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben,  da  sowohl  Laurie,  wie  auch  Kowaleysky 
und  Schulgin  von  einer  ziemlich  frühzeitig  erfolgenden  vollständigen  Um- 
wachsung des  Dotters  durch  das  Entoderm  sprechen.  Doch  ist  es  uns  nicht 
gelungen,  aus  den  vorliegenden  Darstellungen  zu  völliger  Klarheit  über  diesen 
Punkt  zu  gelangen.  Dieselben  könnten  vielleicht  auch  so  verstanden  werden, 
dass  die  Umwachsung  des  Dotters  durch  das  Entoderm  nur  an  einigen 
Theilen  eine  völlige  ist,  z.  B.  vorn,  wo  sich  der  Keimstreifen  um  den  Eipol 
herumlegt,  und  zumal  hinten,  und  dass  dann  erst  von  hinten  aus  (ventro- 
dorsal  fortschreitend)  die  Umwachsung  des  Dotters  durch  das  Entoderm 
erfolgt ,  welches  letztere  dann  in  kürzerer  Zeit  zum  definitiven  Darmepithel 
ausgebildet  würde.  Eine  derartige  Entstehungsweise  des  Darmes  würde  sich 
den  Verhältnissen  bei  den  Spinnen  mehr  nähern,  bei  welchen  das  Mittel- 
darmepithel die  vom  Mesoderm  direct  begrenzte  Dottermasse  umwächst  (vgl. 
pag.  610).  Wir  vermochten  jedoch  eine  solche  Anschauung  aus  den  vor- 
liegenden Angaben  nicht  zu  gewinnen,  und  es  würden  sich  auch  dann  noch 
erhebliche  Differenzen  gegen  das  Verhalten  der  Spinnen  ergeben ,  da  bei 
diesen  die  erste  Anlage  des  Mitteldarmes  aus  einer  Ansammlung  von  Dotter- 
zellen gebildet  werden  soll  (Fig.  383,  pag.  609). 

Als  Ausstülpungen  des  Mitteldarms  entstehen  im  letzten  Segment 
des  Präabdomens  nach  Laurie  die  beiden  langen  schlauchförmigen  Darm- 
anhänge, welche  man  bisher  als  MALPiGHfsche  Gefässe  bezeichnete 
und  damit  den  gleichnamigen  Gebilden  der  Insecten  und  Myriopoden 
für  homolog  erachtete.  Sie  bilden  sich  in  Form  zweier  Ausstülpungen 
verhältnissmässig  weit  vorn  am  Mitteldarm  zu  einer  Zeit,  da  die  End- 
darmeinstülpung noch  nicht  angelegt  ist.  Wenn  diese  auftritt,  sieht  man 
die  MALPiGHi'schen  Gefässe  im  Präabdomen  vom  Darm  abgehen ;  es  liegt 
also  eine  weite  Strecke  zwischen  ihrer  Ursprungsstelle  und  dem  End- 
darm. Bei  den  Spinnen  verhält  sich  dies  anders,  denn  bei  ihnen  ent- 
springen die  sog.  MALPiGHi'schen  Gefässe  dicht  an  der  Verbindungsstelle 
von  Mittel-  und  Enddarm.  Auch  bei  den  Scorpionen  hat  man  den  an- 
sehnlichen, hinter  der  Eininündungsstelle  der  MALPiGHi'schen  Gefässe 
gelegenen  Darmabschnitt  für  den  Enddarm,  d.  h.  für  ectodermal  ge- 
halten. Wenn  sich  Laurie's  Beobachtung  als  richtig  erweist,  müsste 
dieser  Abschnitt  oder  doch  ein  grosser  Theil  desselben  entodermaler 
Natur  sein,   und  der  eigentliche  Enddarm  würde   sich   dann   wohl   auch 


554  XVII.  Capitel. 

beim  ausgebildeten  Thiere  als  sehr  kurz  erweisen,  es  wäre  denn, 
dass  eine  bedeutende  Verlagerung  der  „MALPiGHi'schen  Gefässe"  statt- 
gefunden hätte. 

Obwohl  Kowalevsky  und  Schulgin  nicht  von  der  Entstehung  der 
MALriGHi'schen  Gefässe  sprechen,  stimmen  ihre  Angaben  über  die  Bildungs- 
weise des  Mittel-  und  Enddarmes  doch  mit  der  Auffassung  Laurie's  überein. 
Nach  ihnen  wächst  die  röhrenförmige  hintere  Parthie  des  Mitteldarmes  durch 
das  ganze  Postabdomen  bis  zum  vorletzten  Segment,  um  sich  hier  mit 
der  Aftergrube  zu  vereinigen.  Ohne  Kenntniss  dieser  Angabe  könnte 
man  geneigt  sein ,  an  eine  Verwechslung  des  im  Postabdomen  gelegenen 
Darmabschnittes  mit  einem  Entodermtheil  zu  denken,  und  annehmen,  dass 
das  Proctodäum  sich  sehr  weit  nach  vorn  erstrecke ,  zumal  es  auch  bei  den 
Spinnen  recht  umfangreich  wird.  Doch  scheint  eine  solche  Annahme  nach 
den  Darstellungen  von  Latjkie  und  Kowalevsky  -  Schulgin  ausgeschlossen. 
Wir  müssen  daher  die  sogenannten  Malpighfschen  Gefässe  der  Scorpione 
für  entodermal  halten,  obwohl  wir  als  wünschenswerth  hervorheben  möchten, 
dass  über  diesen  wichtigen  Punkt  noch  genauere  Untersuchungen  angestellt 
würden.  Die  Malpighi'schen  Gefässe  der  Myriopoden  und  Insecten  entstam- 
men zweifellos  dem  Ectoderm,  d.  h.  sie  sind  Anhänge  des  Enddarms;  bei 
einigen  Crustaceen  (z.  B.  den  Amphipoden)  finden  sich  dagegen  schlauch- 
förmige Anhänge  am  hinteren  Theile  des  Mitteldarmes,  welchen  wahrschein- 
liche excretorische  Function  zukommt,  und  die  ebenfalls  eine  ähnliche 
Structur    besitzen  wie  die  Malpighi'schen  Gefässe. 

Der  Vorderdarni  entsteht  als  Einstülpung  zwischen  den  Scheitellappen 
(Fig.  348  u.  355  B) :  die  Enddarmeinstülpung,  welche  nach  Laueie  erst 
in  sehr  spätem  Stadium  auftritt,  scheint  gegen  das  vorletzte  Segment 
verschoben  zu  sein,  welches  Verhalten  der  Lagerung  des  Afters  ent- 
spricht, wie  man  sie  auch  beim  ausgebildeten  Thier  beobachten  kann. 
Beide  ectodermale  Gebilde,  Stomodäum  und  Proctodäum,  treten  erst  in 
später  Zeit  mit  dem  Mitteldarm  in  Verbindung,  wie  überhaupt  die  Aus- 
bildung des  Darmes  erst  so  spät  vor  sich  geht,  dass  beim  geburtsreifen 
Embryo  im  vorderen  Theil  des  Mitteldarmes  die  Zellen  noch  nicht  ihre 
regelmässige  epitheliale  Anordnung  erhalten  haben,  sondern  sich  zum 
Theil  zwischen  die  Dottermasse  hineinschieben.  Die  Begrenzung  der 
Zellen  nach  Innen  ist  keine  distincte,  und  ein  Darmlumen  ist  hier  noch 
nicht  vorhanden.  Bei  dieser  mangelhaften  Ausbildung  des  Darmes  und 
dem  Vorhandensein  einer  Menge  von  Dottersubstanz  im  Darm  ist  es 
höchst  wahrscheinlich,  dass  der  junge  Scorpion  erst  längere  Zeit  nach 
der  Geburt  Nahrung  aufnimmt.  Bekanntlich  übt  das  Mutterthier  auch 
nach  der  Geburt  noch  eine  Brutpflege  aus,  indem  es  die  Jungen  einige 
Zeit  auf  dem  Rücken  mit  sich  herumträgt. 


Die  meso dermalen  Bildungen. 

Bezüglich  der  Entstehung  der  mesodermalen  Gebilde  ist  unsere 
Kenntniss  eine  sehr  geringe.  Das,  was  über  die  Differenzirung  der 
Mesodermstreifen  bekannt  geworden  ist,  lässt  dieselbe  als  sehr  ursprüng- 
lich erscheinen.  Die  beiden  Mesodermstreifen  gliedern  sich  in  eine  der 
Segmentirung  des  Körpers  entsprechende  Zahl  von  Abschnitten,  deren 
Ausbildung  von    vorn    nach    hinten   erfolgt   (Fig.   355  h   u.   mes).      Im 


Arachnoiden. 


555- 


Postabdomen  werden  die  Ursegmente  zuletzt  ausgebildet.  Auch  dem 
(primären)  Kopfabschnitt  kommt  ein  wohlausgebildetes  Paar  von  Urseg- 
menten  zu  (Fig.  355  Ä).  Zuerst  liegen  die  Ursegmente  eine  Strecke 
entfernt  von  der  ventralen  Mittellinie  (Fig.  345  B,  pag.  539) ,  dehnen 
sich  aber  später  gegen  diese  hin  aus.  Vor  Allem  kommt  jedoch  ihre  Er- 
weiterung gegen  die  Dorsalfläche  zu  in  Betracht.  Während  dieselbe  in 
den  vorderen  Segmenten  zunächst  weniger  bedeutend  ist,  fällt  sie  da- 
gegen im  Abdomen  auf,  wo  die  Ursegmente  schon  bald  über  den  Bereich 
des  Keimstreifens  hinaus  und  gegen  die  Dorsalseite  hin  wachsen.  Im 
hinteren  Theil  der  Fig.  349  J5,  pag.  544,  sieht  man  die  Ursegmente  (nur 


Fig.  355.  A  und  B  sagittale  Längsschnitte  durch  den  Embryo  von  Euscorpius 
italicus  (nach  Laurie),  um  die  dorsale  Krümmung  des  Embryos  zu  zeigen.  A  ist 
neben  der  Mittellinie,  B  in  deren  Ebene  geführt. 

ab  Abdomen,  eh  Cheliceren,  d  Dotter,  ent  Entoderm ,  h  Höhle  der  Ursegmente, 
T\l  Kopflappen ,  m  Mund  (Stomodäum),  mes  Mesoderm,  px — jo4  erstes  bis  viertes  Bein- 
paar, pab  Postabdomen,  ped  Pedipalpen. 


etwas  zu  scharf)  hervortreten.  Indem  auch  die  vorderen  Ursegmente 
denselben  Process  durchmachen,  breitet  sich  das  ganze  Mesoderm,  zwischen 
Ectoderm  und  Entoderm  vordringend,  gegen  den  Rücken  hin  aus.  Die 
äussere  Wand  der  Ursegmente  (das  somatische  Blatt)  scheint  dabei  dicker, 
aus  mehreren  Zellschichten  zusammengesetzt,  während  die  innere  Wand 
(das  splanchnische  Blatt)  nur  aus  einer  Zellenlage  besteht.     Ganz  beson- 


556  XVII.  Capitel. 

ders  dünnwandig  und    mit  verhältnissmässig  geringer  Höhlung  versehen 
ist  das  Ursegmentpaar  des  Kopfabschnittes  (Laurie). 

Die  Ausbreitung  des  Mesodenns  nach  dem  Rücken  hin  ist  nicht 
allein  durch  die  Erweiterung  der  Ursegmente  bedingt,  d.  h.  die  Aus- 
breitung setzt  sich  in  der  Weise  fort,  dass  die  Unischlagsstelle  (des  so- 
matischen in  das  splanchnische  Blatt)  als  einfache  Zellenschicht  weiter 
wächst  (Kowalevsky  und  Schulgin).  Erst  später  soll  in  diesem,  mehr 
dorsal  gelegenen  Theil  des  Mesoderms  die  Spaltung  eintreten  und  ist 
dann  in  jedem  Segment  ein  Paar  weiter  Segmenthöhlen  gebildet,  deren 
Wände  sich  nunmehr  in  der  ventralen  und  dorsalen  Mittellinie  berühren 
(Laurie).  Wie  man  sieht,  herrschen  in  Bezug  auf  die  Differenzirung  des 
Mesoderms  bei  den  Scorpionen  sehr  ursprüngliche  Verhältnisse,  welche 
stark  an  diejenigen  der  Anneliden  erinnern.  Ein  entsprechendes  Ver- 
halten werden  wir  auch  bei  den  Araneinen  antreffen.  Ehe  noch  die 
Ausbildung  der  Ursegmente  so  weit  fortgeschritten  ist,  soll  bereits  das 
Herz  angelegt  werden. 

D.   Blutgefässsystem  und  Leibeshöhle. 

Die  Bildung  des  Herzens  geht  (nach  der  Darstellung  von  Kowa- 
levsky und  Schulgin)  von  den  beiden  Blättern  aus,  welche  oben  als 
Fortsetzungen  der  Umschlagsstelle  des  somatischen  und  splanchnischen 
Blattes  charakterisirt  wurden.  Diese  rücken  gegen  die  dorsale  Mittel- 
linie vor,  wo  sie  sich  vereinigen.  Gleichzeitig  scheinen  sie  sich  dort  in 
der  Weise  einzubiegen,  dass  sie  ein  gegen  das  Entoderm  hin  offenes 
Halbrohr  bilden,  welches  sich  in  der  ganzen  Länge  des  Embryos  vom 
Kopf  bis  zum  Schwanz  ausdehnt.  Wenn  sich  das  Halbrohr  an  seiner 
unteren  offenen  Seite  zusammenschliesst ,  ist  die  Bildung  des  Rücken- 
gefässes  der  Hauptsache  nach  vollendet.  Die  vordere,  im  Cephalothorax 
gelegene  Parthie  und  der  hinterste  Theil  liefern  wohl  die  vordere  und 
hintere  Aorta. 

Im  Herzrohr  liegen  viele  isolirte  Zellen,  welche  sich  bereits  vor  der  Aus- 
breitung der  Ursegmente  gegen  den  Rücken  hin  von  ihnen  losgelöst  hatten 
und  sich  in  der  dorsalen  Mittellinie  zu  einem  Strang  vereinigten.  Um  diesen 
Strang  herum  erfolgte  jene  Biegung  der  Mesadermblätter,  so  dass  die  isolirten 
Zellen  in's  Innere  des  Rohres  zu  liegen  kamen  (Kowalevsky  und  Schulgix). 
Diese  Zellen  liefern  die  Blutkörperchen.  Ein  ganz  ähnliches  Verhalten  wurde 
bei  der  Herzbildung  der  Araneinen  beobachtet  und  kann  erst  dort  durch 
Abbildungen  besser  erläutert  werden.   (Fig.  387 — 389,  pag.  614  ff.) 

Die  Darstellungen,  welche  von  Kowalevsky- Schulgin  und  Laukie  von 
der  Entstehung  des  Herzens  gegeben  werden ,  lassen  sich  nicht  völlig  auf 
einander  beziehen.  Die  Angaben  der  erstgenannten  Autoren  lauten  so  be- 
stimmt, dass  wir  uns  genöthigt  sahen,  ihnen  zu  folgen;  doch  scheinen  ander- 
seits die  von  Laukie  gemachten  Beobachtungen  mehr  mit  dem  Verhalten  der 
Spinnen  übereinzustimmen.  Freilich  ist  es  unmöglich,  aus  den  vorliegenden 
Angaben  überhaupt  eine  klare  Anschauung  dieser  Verhältnisse  zu  gewinnen. 
Nach  Laukie  scheint  es,  als  wäre  im  dorsalen  Theil  des  Mesoderms  die 
Spaltung  schon  eingetreten,  wenn  die  Bildung  des  Herzens  beginnt,  und  dann 
würde  die  Bildung  des  Herzens  in  ähnlicher  Weise  vor  sich  gehen ,  wie  bei 
den  Spinnen.  Man  ist  ausserdem  geneigt,  die  Verhältnisse  so  aufzufassen, 
wie  bei  den  Anneliden  und  an  eine  Abspaltung  von  Mesodermzellen  zur 
Bildung  des  Rückenrohres  zu  denken;  doch  wird  das  Zustandekommen  des 
Herzens  bei  den  Spinnen  etwas  anders  aufgefasst  (pag.  614  ff.). 


Arachnoiden.  557 

Kowalevsky  und  Schulgin  unterscheiden  am  Herzen  ein  Endothel  und 
eine  Muskelschicht,  die  heide  vom  Mesoderm  her  entstehen.  Während  der 
Differenzirung  dieser  Schichten  treten  die  Spalten  im  Herzrohr  auf.  Die 
Flügelmuskeln  bilden  sich  aus  dem  Mesoderm,  und  um  das  fertige  Herz  tritt 
eine  Schicht  von  Mesodermzellen  auf,  welche  eine  continuirliche  Hülle  um 
dasselbe  bildet,  das  Pericar dium. 

Die  Leibesliöhle  des  Scorpions  zeigt  bis  zur  Bildung  des  Herzens 
ganz  ähnliche  Verhältnisse,  wie  wir  sie  schon  bei  den  Anneliden  keimen 
lernten.  Sie  besteht  zuerst  aus  einzelnen  Abteilungen,  welche  von  den 
Ursegmenten  gebildet  werden.  Die  Scheidewände  des  letzteren  (die 
Dissepimente)  werden  zwar  durchbrochen,  aber  die  Höhlungen  selbst 
bleiben  zunächst  noch  erhalten  und  werden  vom  Cölomepithel  ausge- 
kleidet, entsprechen  also  einem  echten  Cölom.  Zur  Zeit,  wo  sich  Aus- 
buchtungen des  splanchnischen  Blattes  bereits  zwischen  die  Lappen  der 
Leber  hinein  erstrecken,  ist  dies  nach  Laurie  noch  immer  der  Fall. 
Diese  Spalten  erfüllen  sich  sodann  mit  Zellen,  die  wohl  von  der  Wand  der 
Ursegmente  abstammen.  Die  Continuität  derselben  wird  dadurch  unter- 
brochen. Ihr  somatisches  Blatt  erfährt  eine  weitere  Differenzirung,  in- 
dem sich  aus  ihm  die  Körpermuskulatur  bildet.  Die  Verhältnisse  der 
Leibeshöhle  sollen  bei  Betrachtung  der  Spinnenentwicklung  noch  be- 
sprochen werden,  da  sie  von  diesen  Formen  etwas  genauer  bekannt  ge- 
worden sind. 

E.    Die  Coxaldrüsen. 

Bei  den  Scorpionen  findet  sich  im  Cephalothorax  jederseits  eine  um- 
fangreiche, aus  einem  vielfach  gewundenen  Schlauch  bestehende  Drüse, 
welche  im  Jugendzustand  an  der  Basis  der  dritten  Gangbeine  nach  Aussen 
mündet  (Fig.  356  A).  Das  jüngste  Stadium  dieser  Drüse  wird  von 
Laurie  als  ein  einfaches,  gerade  gestrecktes  Rohr  beschrieben,  welches 
von  seiner  Ausmündung  an  der  Basis  der  dritten  Gangbeine  im  soma- 
tischen Blatt  des  Mesoderms  nach  vorn  verläuft  und  mit  einem  offenen 
Trichter  in  das  Cölom  mündet.  Später  macht  das  Rohr  mehr- 
fache Windungen  und  knäuelt  sich  zuletzt  zu  der  Drüsenmasse ,  welche 
es  im  ausgebildeten  Zustand  darstellt.  Die  äussere  Mündung  konnte 
noch  beim  geburtsreifen  Thier  constatirt  werden.  Sie  wurde  auch  von 
Kowalevsky  und  Schulgin  gesehen,  welche  die  Drüse  in  dem  jüngeren 
Stadium,  in  dem  sie  erst  wenige  Windungen  macht,  sowie  im  späteren, 
stark  gewundenen  Zustande  beobachteten. 

Bei  dem  Bau  und  der  Lage,  welche  das  jüngste  beobachtete  Stadium  der 
Coxaldrüsen  besitzt,  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  sie  vom  somatischen 
Mesoderm  gebildet  werden.  Man  spricht  sie  als  Nephridien  an,  und  auch  diese 
Auffassung  hat  grosse  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Bei  den  ursprünglichen 
Verhältnissen,  welche  das  Cölom  der  Scorpione  darbietet,  müsste  erwartet 
werden ,  dass  die  Nephridien  mit  offenem  Trichter  in  die  weite  Cölomhöhle 
münden,  und  so  scheint  es  sich  auch  thatsächlich  eine  Zeit  lang  zu  verhalten. 
Die  weitere  Ausbildung  der  inneren  Drüsenendigung  dürfte  wesentlich  von 
den  Veränderungen  abhängen,  welche  die  Leibeshöhle  erleidet;  doch  ist  gerade 
dieser  Punkt  in  ziemliches  Dunkel  gehüllt.  Ob  wie  bei  Peripatus  und 
den  Crustaceen  eine  Abkapselung  eines  Theils  der  Leibeshöhle  zur  Bildung 
des  Drüsenendsäckchens  erfolgt,  oder  ob  die  Mündung  des  Trichters  in  eine 
weite    secundäre  Leibeshöhle   längere   Zeit    erhalten    bleibt,    darüber  dürften 


558 


XVII.  Capitel. 


mit  Sicherheit  erst  eingehendere  entwicklungsgeschichtliche  Untersuchungen 
Auskunft  geben.  Dem  neuesten  Beobachter  dieser  Verhältnisse,  Sturany 
(No.  14)  ist  es  nicht  gelungen,  eine  Oeffnung  der  Coxaldrüse  in  die  Leibes- 
höhle bei  den  Arachniden  nachzuweisen,  und  er  glaubt  eher  an  das  Vor- 
handensein eines  geschlossenen  Endsäckchens,  wie  es  die  Crustaceen  besitzen ; 
doch  muss  auch  hierfür  ein  stricter  Nachweis  noch  gefordert  werden. 


F.    Die  Genitalorgane. 


Die  Genitalorgane  sind  noch  wenig  auf 
worden.     Von  Laurie  wurden  sie   erst  in 
Stadium,  kurz  vor  der  Geburt  des  Embryos, 


»ö- 


— n. 


Fig.  356.  A  und  B  Theile  von  Schnitten 
durch  den  soeben  ausgeschlüpften  Scorpion  (A) 
und  einen  älteren  Embryo  (B),  um  die  Coxaldrüse 
und  die  Bildung  der  Genitalorgane  zu  zeigen. 
Euscorpius  italicus  (nach  Laürie). 

a  Ausführungsgang  der  Coxaldrüse,  ec  Ecto- 
derm,  g  Ausführungsgang  der  Genitalorgane,  g.op 
Genitaloperculum,  Ih  Leibeshöhle,  m  Mündung  der 
Coxaldrüse,  mes  Mesoderm,  n  Bauchmark,  p3,  p± 
Basis  des  dritten  und  vierten  Beines,  so  somati- 
sches, sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms. 


ihre  Entwicklung  untersucht 
einem  späten  Entwicklungs- 
im  ersten  Abdominalsegment 
als  röhrenförmige,  nach  Innen 
sich  erweiternde  Gebilde  auf- 
gefunden (Fig.  356  B).  Von 
Kowalevsky  und  Schulgin, 
welche  sie  ebenfalls  bemerk- 
ten, werden  sie  (jedoch  nicht 

mit  Sicherheit)  auf  das 
splanchnische  Blatt  des  Meso- 
derms zurückgeführt.  Aus 
Laurie's  Darstellung  (Fig. 
356  B)  könnte  man  eher  ent- 
nehmen, dass  sie  aus  dem 
somatischenBatt  hervorgehen, 

wie  die  Coxaldrüsen  des 
Scorpions  und  die  Nephridien 
der  Anneliden  (Fig.  137,  pag. 
197).  Die  Natur  der  Aus- 
führungskanäle als  Nephri- 
dien  scheint  dadurch  erhärtet 
zu  wrerden,   dass  sie  sich  in 

Form  eines  Trichters  mit 
weiter  Mündung  in  die  Leibes- 
höhle öffnen  (Kowalevsky 
und  Schulgin).  Das  nach 
Aussen  gerichtete  Ende  der 
Canäle  bleibt  lange  Zeit  blind 
geschlossen,  ein  Verhalten, 
welches  wir  nicht,  wie  Laurie, 

als  gegen  den  Nephridial- 
charakter  der  Ausführungs- 
gänge sprechend  betrachten 
können,  da  sich  ja  die  Nephri- 
dien  der  Anneliden  auf  ganz 
ähnliche  Weise  entwickeln. 


Aus  Laurie's  Darstellung  möchten  wir  entnehmen,  dass  sich  die  meso- 
dermalen  Ausfühl  ungsgänge  an  den  Stellen,  wo  in  Form  einer  verdickten  Ecto- 
dermparthie  die  Reste  des  ersten  Abdominalbeinpaares  liegen  (Fig.  356  B,  g.op) 
sich  direct  mit  dem  Ectoderm  verbinden,  ähnlich  wie  es  nach  Bergh  bei  der 
Entstehung  der  Nephridien  bei  den  Anneliden  der  Fall  ist;  doch  sprechen 
Kowalevsky   und   Schulgin    von    einer  Ectodermeinstülpung ,    gegen    welche 


Arachnoiden.  559 

der  mesodermale  Ausführungsgang  hinwächst,  um  sich  mit  ihr  zu  verbinden. 
Diese  Einstülpung  scheint,  soweit  man  dies  aus  der  kurzen  Darstellung  zu 
ersehen  vermag,  nur  wenig  umfangreich  zu  sein,  und  es  scheint  recht  wohl 
möglich ,  dass  an  der  verdickten  Stelle ,  welche  die  Gegend  der  Abdominal- 
extremität  bezeichnet,  eine  solche  Ectodermeinstülpung  auftritt.  Ist  doch 
auch  für  die  Nephridien  und  die  Geschlechtsausführungsgänge  der  Anneliden 
eine  ectodermale  Endparthie  der  Canäle  verschiedentlich  angenommen  wor- 
den. Höchst  wahrscheinlich  rührt  aber  der  kurze  unpaare  Theil  von  einer 
Einsenkung  des  Ectoderms  her.  Bei  den  Pedipalpen  ist  dieser  unpaare  Ab- 
schnitt weit  umfangreicher  und  wird  zu  einer  weiten  Höhle  (No.  31). 

Die  Geschlechtsdrüsen  lassen  Kowalevsky  und  Schulgin  als  Zellen- 
polster entstehen,  welche  sich  „dem  inneren  Rohr  auflegen".  Man  muss 
dies  wohl  so  auffassen,  dass  ein  Theil  des  Peritoneums  (d.  h.  ein  Abschnitt 
der  secundären  Leibeshöhle)  in  die  Bildung  der  Genitalorgane  einbezogen 
wird;  doch  sind  darüber,  wie  überhaupt  bezüglich  der  Differenzirung  der 
mesodermalen  Gebilde  noch  genauere  Nachrichten  abzuwarten. 

II.    Pedipalpen. 

Ueber  die  Entwicklung  von  Phrynus  sind  durch  Bruce  einige  wenige 
Angaben  gemacht  worden,  wonach  die  Embryonen  wie  die  der  Scorpione  eine 
Embryonalhülle  besitzen.  Ueberhaupt  ist  wohl  anzunehmen,  dass  die  Ent- 
wicklung der  Pedipalpen  ähnlich  wie  diejenige  der  Scorpione  verläuft.  Als 
besonders  bemerkenswerth  hebt  Bruce  die  Existenz  eines  Sinnesorganes  an 
der  Basis  der  zweiten  Gangbeine  hervor ,  welches  aus  säulenförmigen ,  nach 
Aussen  fadenförmig  verlängerten  Zellen  besteht. 

Die  Pedipalpen  schliessen  sich  sehr  nahe  an  die  Scorpione  an,  und 
wie  diese  zeigen  sie  vielfache  Anklänge  an  die  Organisationsverhältnisse 
des  Limulus  (Ray  Lankester,  Bruce).  Leider  sind  unsere  Kenntnisse 
von  der  Entwicklung  der  Pedipalpen  bisher  völlig  ungenügende.  Ebenso 
steht  es  mit  der  von  Grassi  (in  der  Ebene  von  Catania  unter  Steinen) 
aufgefundenen  Form ,  K  o  e  n  e  n  i  a  In  i  r  a  b  i  1  i  s ,  welche  mit  den  Pedi- 
palpen (besonders  Telyphonus)  grosse  Aehnlichkeit  besitzt,  von 
Grassi  aber  zu  einer  besonderen  Ordnung,  Micro telyphonidae, 
erhoben  wird.  Diese  Form  soll  besonderer  Respirationsorgane  entbehren, 
und  Grassi  sieht  daher  in  ihr  eine  Mittelform  zwischen  den  Giganto- 
straken  und  den  Arachnoiden,  welche  „bereits  die  Kiemen  verloren 
und  die  Athmungsorgane  des  Luftlebens"  noch  nicht  erworben  hat! 
Derart  dürfen  wir  uns  den  Uebergang  wohl  kaum  vorstellen,  und  wir 
möchten  das  Fehlen  der  Respirationsorgane,  falls  es  wirklich  statthat, 
eher  als  eine  Rückbildungserscheinung  betrachten,  wie  sie  in  ähnlicher 
Weise  auch  bei  anderen  luftlebenden  Arthropoden  auftritt,  wenn  deren 
Körper  sich  gegenüber  den  grösseren  verwandten  Formen  durch  be- 
sondere Kleinheit  auszeichnet,  so  z.  B.  unter  den  Arachnoiden  bei  einigen 
Milben,  unter  den  Myriopoden  bei  Pauropus. 

III.    Pseudoscorpione. 

Das  Wenige,  was  bisher  über  die  Entwicklung  der  Pseudoscorpione  be- 
kannt geworden  ist,  erscheint  nicht  genügend  sichergestellt,  so  dass  ein  ab- 
schliessendes Urtheil  über  die  merkwürdigen  Entwicklungsverhältnisse  dieser 


^\CAl 


560 


XVII.  Capitel. 


Formen  nicht  zu  gewinnen  ist.  Die  Befunde  Metschnikopf's  über  die  Ent- 
wicklung des  Chelifer  bis  zur  Blastodermbildung  werden  zwar  von 
Stecker  an  Chthonius  bestätigt,  doch  vermag  die  Darstellung  des  letzteren 
Autors  kein  rechtes  Vertrauen  zu  erwecken.  Eine  neuere  Mittheilung  von 
J.  Baerois1)  über  die  Entwicklung  von  Chelifer  ist  zu  kurz  gehalten, 
als  dass  daraus  Genaueres  zu  ersehen  wäre. 

Die  Eier  von  Chelifer  und  Chthonius  sind  kugelrund  und  von 
dicht  aneinander  gelagerten  Dotterkügelchen  erfüllt.  Sie  werden  von 
einer  Dotterhaut  und  einer  weiteren,  wahrscheinlich  vom  Eileiter  abge- 


Fig.  357.  A — C  Embryonen  von  Chelifer  in  den  Eihüllen  (nach  Metschni- 
koff,  aus  Balfoue's  Handbuch). 

A  Furchungsstadium,  B  Stadium,  auf  welchem  das  Blastoderm  (bl)  von  der  inneren 
Dottermasse  geschieden  ist,  C  Spaltung  des  Blastoderms  in  zwei  Lagen.  Im  Innern 
die  Dottermasse.  Auftreten  der  zellenähnlichen  Eiweissgebilde  zwischen  Blastoderm 
und  Eihaut. 


schiedenen  Hülle  umgeben.  Die  so  gestalteten  Eier  werden  vom  Mutter- 
thiere  an  der  Ventralfläche  des  Abdomens  getragen  und  machen  hier 
ihre  Entwicklung  durch.  Die  Furchung  ist  Anfangs  eine  totale.  Das  Ei 
zerfällt  in  zwei,  vier  und  acht  Blastomeren  (Fig.  357  A).  In  dem  letz- 
teren Stadium,  d.  h.  wenn  das  Ei  in  acht  Kugeln  getheilt  ist,  sollen  an 
der  Peripherie  protoplasmatische  Zellen  auftreten.  Die  Zahl  derselben 
vermehrt  sich  bald  reichlich,  und  sie  bilden  rings  um  das  Ei  eine  Lage 
heller  Zellen  (Fig.  357  B),  welche  man  als  Blastoderm  ansprechen  muss. 
Gleichzeitig  lassen  sich  aber  im  Innern  die  wenigen  grossen  Dotter- 
segmente mit  ihren  Kernen  noch  deutlich  erkennen. 

Man    muss    den   ganzen  Vorgang   wohl    so    erklären ,    dass   die    wenigen 
Kerne ,    welche    den  Dotter    in    Segmente    zu    zerfallen    vermochten ,    durch 


J)  Eine  ausführliche  Arbeit  von  Barrois  über  diesen  Gegenstand  ist  uns  nicht 
bekannt  worden;  desgl.  scheint  auch  der  vorläufigen  Mittheilung  von  Stecker  keine 
ausführliche  Arbeit  gefolgt  zu  sein. 


Arachnoiden.  561 

Theilung  Kerne  an  die  Peripherie  absenden,  und  dass  die  im  Innern  zurück- 
bleibenden Kerne  den  Dotterkernen  anderer  Arthropodeneier  entsprechen. 
Eine  Abweichung  ist  dadurch  gegeben,  dass  der  Dotter  selbst  gefurcht  bleibt. 

Während  die  Segmentirung  des  Dotters  allmählich  schwindet,  spaltet 
sich  nach  Metschnikoff's  Angabe  die  äussere  Zellenschicht  in  eine 
äussere  und  eine  innere  Lage  (Fig.  357  C).  Zu  dieser  Zeit  und  schon 
früher  treten  zwischen  Blastoderm  und  Eihaut  Concretionen  auf,  welche 
kernartige  Gebilde  enthalten  und  dadurch  wie  Zellen  erscheinen 
(Fig.  357  C).  Metschnikoff  dachte  dabei  an  eine  Embryonalhülle, 
konnte  sich  jedoch  nicht  von  dem  wirklichen  Vorhandensein  einer  solchen 
überzeugen,  sondern  scheint  diese  Gebilde,  ebenso  wie  nach  ihm  Stecker, 
für  niedergeschlagene  Eiweissmassen  zu  halten.  Sie  erinnern  an  die  bei 
den  Milben  unter  der  cuticularen  Hülle  sich  vorfindenden  Zellen  (Clapa- 
rede's  Hämamöben,  vgl.  pag.  625  Fig.  395). 


T— 


K.  Z- 


JP* 


--pj 

1 

^LL— ab 

\ 

ab 


Fi£.  358.  A  und  B  Larven  von  Chelifer,  C  deren  provisorischer  Eüssel  (nach 
Metschnikoff).     A  von  der  Ventralfläche,  B  und  C  von  der  Seite  gesehen. 

ab  Abdomen,  d  Dotter,  g  Gehirn,  p  die  vier  Beinpaare,  pd  Pedipalpen,  r  Rüssel 
(provisorisches  Larvenorgan);  in  C  von  einem  älteren  Stadium  als  das  der  Fig.  B. 

Die  Weiterentwicklung  des  Embryos  ist  dadurch  charakterisirt,  dass 
sich  durch  Anhäufung  einer  grösseren  Menge  von  Zellen  der  unteren 
Schicht  das  spätere  Vorderende  zu  erkennen  giebt.  In  dessen  Nähe  er- 
scheint ein  paariger  dicker  Wulst,  aus  dem  bald  ein  grösserer  Stummel 
jederseits  hervorgeht  (Fig.  358  Ä).  Dies  sind  die  Anlagen  der  Pedi- 
palpen, die  also  auch  hier  wie  bei  den  Scorpionen  am  frühesten  gebildet 
werden.  Diese  Gliedmaassen  lassen  noch  ein  höchst  primitives  Verhalten 
erkennen,  indem  sich  die  innere  Dottermasse  weit  in  sie  hinein  erstreckt 
(Fig.  358  A  u.  B).  Vor  ihnen  wölbt  sich  nach  vorn  und  gegen  die 
Ventralfläche  ein  wulstiges  Gebilde  hervor,  welches  schon  in  diesem 
frühen  Stadium  durch  den  Besitz  einer  starken  Muskulatur  ausgezeichnet 
ist  und  in  Folge  dessen  ein  streifiges  Aussehen  zeigt  (Fig.  358  A  u.  B,  r, 
359  Ä).  Es  ist  dies  die  Anlage  eines  provisorischen  Organs,  eine  Art 
von  Saugrüssel  (Fig.  358  C),  welcher  zum  Anheften  und  zur  Aufnahme 
von  Nahrung  dient.  Schon  in  diesem  Stadium  durchbricht  der  Embryo 
die  Eihüllen,  nachdem  er  sich  kurz  vorher  gehäutet  hat.  Eine  feine 
Cuticula,  welche  zwischen  der  Basis  der  beiden  Extremitäten  eine  eigen- 
thümlich  modificirte  Stelle  zeigt,  löst  sich  vom  Embryo  ab.  Die  aus- 
geschlüpfte Larve,  deren  jüngstes  Stadium  Fig.  358  A  darstellt,  zeigt  den 


562 


XVII.  Capitel. 


muskulösen  Rüssel,  die  Stummel  der  Pedipalpen  und  die  etwas  nach  vorn 
umgeschlagene  Anlage  des  Abdomens.  Der  Rüssel,  von  den  Autoren  als 
eine  modificirte  Oberlippe  angesehen,  scheint  schon  eine  saugende  Wir- 
kung ausüben  zu  können,  denn  die  Larve  setzt  sich  mit  seiner  Hülle  an 
der  Bauchfläche  der  Mutter  fest.  Der  Rüssel  verlängert  sich  später  be- 
deutend und  legt  sich  an  die  Bauchfläche  der  Larve  zwischen  die  Ex- 
tremitäten (Fig.  358  B).  Er  scheint  einen  röhrenförmigen  Bau  zu  be- 
sitzen (Fig.  358  0),  denn  Barrois  spricht  von  einer  provisorischen  Mund- 
öffnung, in  welche  der  Rüssel  übergeht.  Dieselbe  würde  zwischen  den 
Pedipalpen  liegen.     Nach  Barrois    sollen   auch  Chitingebilde  im  Rüssel 


Fig.  359.  A— C  Embryo  und  Larven  von  Chelifer  (nach  Metschnikoff,  aus 
Balfour's  Handbuch). 

A  Embryo  in  der  Eihaut,  B  und  C  Larven,  von  der  Bauchfläche  des  Mutter- 
thieres  genommen. 

ab  Abdomen  mit  den  provisorischen  Anhängen,  an.i  Aftereinstülpung,  eh  Cheliceren, 
pd  Pedipalpen;  zwischen  den  beiden  letzteren  {ch  und  pd)  erkennt  man  in  C  die  Ober- 
lippe. Ueber  den  Pedipalpen  sieht  man  in  A  die  Anlage,  in  B  die  Basis,  in  C  den 
Rest  des  Küsseis.  In  B  ist  dorsal  von  dem  Rüssel  die  Anlage  des  oberen  Schlund- 
ganglions zu  erkennen.  Auf  die  Pedipalpen  folgen  nach  hinten  die  vier  Beinpaare 
und  in  B  die  rudimentären  Abdominalanhänge.  C  stellt  die  Larve  im  Stadium  der 
Häutung  dar.  Die  Larvenhaut  ist  zum  Theil  abgehoben  (besonders  an  der  Ventral- 
seite); an  ihr  sitzt  der  Rest  des  Rüssels  fest. 


vorhanden  sein.  Ueber  eine  äussere  Oeffnung  des  Rüssels  finden  wir  keine 
Angaben;  Metschnikoff  konnte  eine  solche  nicht  bemerken,  obwohl 
auch  er  annimmt,  dass  sich  die  Larve  von  den  Blutsäften  der  Mutter  mit 
ernährt,  Sie  schwillt  nämlich  schon  bald,  nachdem  sie  sich  am  mütter- 
lichen Körper  befestigte,  erheblich  an  (man  vgl.  Fig.  359  A  u.  B)  und 
erfüllt  sich  mit  einer  hellen  Flüssigkeit.  Sollte  letztere  von  Aussen  her- 
rühren, so  müsste  man  wohl  als  sicher  annehmen,  dass  in  der  Umgebung 
der  inneren   Dottermasse    bereits    ein   Darmepithel   zur  Ausbildung  ge- 


Arachnoiden.  563 

kommen  ist,  obwohl  die  Autoren  von  einer  solchen  Diffenzirung  nichts 
erkennen  konnten  und  den  Bau  der  Larve  als  einen  höchst  primitiven 
schildern. 

Zwischen  den  jüngsten  Larven  (Fig.  358  A)  und  den  späteren 
Stadien  (Fig.  358  u.  359  B)  tritt  ein  Unterschied  in  der  äusseren 
Gestalt  besonders  durch  die  in  Folge  der  Schwellung  eingetretene  Auf- 
treibung der  dorsalen  Körperregion  hervor.  Fernerhin  sind  aber  Ver- 
änderungen insofern  aufgetreten,  als  hinter  den  Pedipalpen  zunächst  die 
Anlage  des  ersten  Beinpaares  hervorsprosste  und  darauf  die  anderen  drei 
folgten  (Fig.  359  B).  Auch  an  dem  nach  vorn  umgeschlagenen  Ab- 
domen treten  vier  Paar  rudimentärer  Extremitäten  auf  (Fig.  359  B), 
welche  bald  wieder  zur  völligen  Rückbildung  gelangen.  Darin  stimmen 
also  die  Pseudoscorpione  mit  anderen  Arachnoiden  überein.  Das  vorderste 
Gliedmaassenpaar  fehlt  noch;  dagegen  findet  sich  dorsal  über  der  Basis 
des  Rüssels  eine  paarige  Verdickung,  die  allem  Anschein  nach  aus  einer 
Einstülpung  hervorging,  die  Anlage  des  oberen  Schlundganglions 
(Fig.  358  5,  g).  Man  wird  hierdurch  an  die  Scheitelgruben  der  Scor- 
pione  und  Spinnen  erinnert  (pag.  546  u.  583). 

'  Die  Larve  geht  der  definitiven  Form  des  ausgebildeten  Thieres 
immer  mehr  entgegen,  indem  sowohl  an  den  Extremitäten,  wie  auch  am 
Körper  selbst  die  Gliederung  auftritt.  Letzteres  gilt  für  das  Abdomen, 
da  der  Cephalothorax  ungegliedert  bleibt.  Vor  den  Pedipalpen  sind 
inzwischen  auch  die  Cheliceren  hervorgesprosst.  Zwischen  ihnen  ent- 
steht die  definitive  Oberlippe,  ziemlich  weit  entfernt  und  völlig  un- 
abhängig von  dem  Larvenrüssel  (Fig.  359  C).  Der  Rüssel  bildet  sich 
zurück,  und  sein  letzter  Rest  wird  entfernt,  wenn  die  Larve  ungefähr 
auf  dem  in  Fig.  359  C  abgebildeten  Stadium  eine  Häutung  durch- 
macht. Man  findet  ihn  dann  noch  durch  einen  zarten  Faden  mit  einer 
Stelle  hinter  dem  definitiven  Munde  verbunden,  bis  er  mit  der  Larven- 
haut abgeworfen  wird  (Barrois).  Noch  immer  bemerkt  man  eine 
reiche  Dottermasse  im  Innern  des  Körpers.  Sie  ist  im  Mitteldarm  ein- 
geschlossen, welcher  sich  durch  den  ectodermalen  Enddarm  am  Hinter- 
ende des  Körpers  nach  Aussen  öffnet  (Fig.  359  C  an.i).  Durch  eine 
Ectodermeinstülpung  wird  höchstwahrscheinlich  auch  der  Vorderdarm  ge- 
bildet (Metschnikoff). 

Allgemeines.  Die  Entwicklung  der  Pseudoscorpione  ist  dadurch 
merkwürdig,  dass  dieselben  auf  einem  sehr  einfach  gebauten  und  weit 
früheren  Stadium  als  andere  Arachnoiden  die  Eihüllen  verlassen,  und  dass 
die  Larven  bei  ihrem  halb  parasitischen  Leben  am  Körper  des  Mutter  - 
thieres  ein  provisorisches  Saugorgan  entwickele  welches  Anfangs  vor  den 
ersten  Gliedmaassen  gelegen  ist,  später  (in  Folge  von  Wachsthumsvor- 
gängen)  mehr  nach  hinten  an  die  Ventralfläche  verlagert  wird  (Fig.  358 
u.  359),  einem  Extremitätenpaar  aber  nicht  verglichen  werden  kann. 
Ueberhaupt  ist,  soviel  darüber  bis  jetzt  bekannt  wurde,  für  diesen  Rüssel 
ein  Homologon  im  Bereich  der  Arthropoden  nicht  zu  finden,  weshalb  er 
vorläufig  als  ein  bei  der  eigenthümlichen  Entwicklungsweise  der  Pseudo- 
scorpione erworbenes  Organ  angesehen  werden  muss. 

Auffällig  erscheint  die  grosse  Verschiedenheit  in  der  Entwicklung  der 
Pseudoscorpione  von  derjenigen  der  echten  Scorpione,  mit  denen  man 
dieselben  am  ehesten  zusammenbringen  möchte.  Die  Furchung,  Blastoderm- 
bildung  und  die  erste  Anlage  des  Embryos  lassen  sich  bei  beiden  Gruppen 
kaum    in    Vergleich   setzen.      Freilich    differiren    beide    auch    in    wichtigen 


564  XVII.  Capitel. 

Punkten  ihrer  Organisation.  Das  Fehlen  des  schwanzartigen  Postabdoinens, 
das  Schwinden  der  abdominalen  Ganglien  (nach  Croneberg) ,  die  Lagerung 
der  Geschlechtsöffnungen  (am  zweiten  Abdominalsegment)  und  nicht  am 
wenigsten  das  Athmen  durch  Tracheen  entfernen  die  Chernetiden  von  den 
echten  Scorpionen.  so  dass  im  Hinblick  darauf  die  Abweichung  in  der  Ent- 
wicklungsweise weniger  auffällig  erscheint.  Man  hat  versucht,  die  Pseudo- 
scorpione  anderen  Abtheilungen  der  Arachnoiden,  vor  Allem  den  Phalan- 
giden  zu  nähern,  ohne  dies  freilich  durch  die  Organisation  beider  Ab- 
theilungen genügend  begründen  zu  können.  So  muss  nach  dem  Urtheil  eines 
neueren  Bearbeiters  der  Anatomie  der  Chernetiden  (Croneberg)  die 
systematische  Stellung  der  Pseudoscorpione  unentschieden  bleiben,  denn 
auch  die  Entwicklungsgeschichte,  so  weit  sie  bis  jetzt  bekannt  geworden 
ist,  giebt  darüber  keinen  Aufschluss. 


IV.   Phalangiden. 

Die  kugelrunden  Eier  der  Phalangiden  sind  von  einer  doppelten 
Hülle  umgeben.  Die  innere  wird  vom  Ei  abgeschieden,  die  äussere  vom 
Epithel  der  Leitungswege  secemirt;  sie  repräsentiren  die  Dotterhaut  und 
das  Choiion.  Die  Eier  werden,  zu  einem  grösseren  Ballen  verklebt,  in  eine 
Erdhöhle  abgelegt  (Henking).  Die  ersten  Entwicklungsvorgänge  sind  be- 
sonders eingehend  von  Henking  bei  0  p  i  1  i  o  und  L  e  i  o  b  u  n  u  m  studirt 
worden;  freilich  vermögen  wir  uns  seiner  Auffassung  von  der  Entstehung 
der  Furchungskerne  durch  freie  Kernbildung  nicht  anzuschliessen,  da  sie 
ganz  dem  widerspricht,  was  wir  von  andern  Arthropoden  wissen.  Nach 
Faussek  zerfällt  das  Ei  von  Phalangium  in  einen  Haufen  grosser 
sphärischer  Zellen,  die  mit  Dotterkugeln  angefüllt  sind  und  in  deren 
Mitte  ein  Kern  liegt.  Die  Furchung  ist  also  eine  totale.  Man  möchte 
diese  Zellen  den  Dotterpyramiden  der  Spinneneier  vergleichen,  aber  die 
folgenden  Entwicklungsvorgänge  scheinen  bei  den  Phalangiden  doch 
in  anderer  Weise  zu  verlaufen  als  bei  den  Araneinen.  Eine  Furchungs- 
höhle  tritt  nicht  auf.  Die  Blastodermbildung  erfolgt  dadurch,  dass  die 
peripher  gelegenen  Zellen  sich  von  den  übrigen  sondern  und  sich  rascher 
theilen.  Es  steigen  also  bei  der  Blastodermbildung  nicht  alle,  ja  nicht 
einmal  die  meisten  Zellen  an  die  Oberfläche,  sondern  ein  grosser  Theil 
von  ihnen  bleibt  als  Dotterzellen  im  Innnern  des  Eies  zurück  (Henking. 
Faussek).  Die  Blastodermbildung  geht  an  der  einen  Hälfte  des  Eies 
rascher  vor  sich  als  an  der  andern.  Aehnliches  wurde  auch  bei  der 
Blastodermbildung  der  Spinnen  beobachtet  (vgl.  pag.  571). 

Durch  rege  Vermehrung  der  Zellen  des  Blastoderms  bildet  sich  eine 
Verdickung  desselben,  die  Keimscheibe.  Von  ihr  aus  soll  nach  Faussek 
eine  Einwanderung  von  Zellen  in  die  Dottennasse  nicht  stattfinden,  das 
Entoderm  wird  vielmehr  durch  die  im  Dotter  verbleibenden  Zellen 
repräsentirt,  und  aus  ihnen  geht  später  das  Epithel  des  Mitteldarms  hervor. 

Eine  Entstehung  des  Entoderms  aus  Zellen ,  welche  von  Anfang  an  im 
Dotter  zurückbleiben,  ist  auch  für  die  Araneinen  angenommen  worden 
(Schimkewitsch),  doch  ist  die  Bildung  der  Keimblätter  bei  den  Phalan- 
giden bisher  nicht  eingehend  genug  untersucht  worden,  als  dass  sich  schon 
jetzt  Sicheres  über  diesen  Punkt  aussagen  Hesse.  Faussek  findet  in  dem 
Embryo,  bei  welchem  die  Segmentirung  des  Keimstreifens  beginnt,  am 
Hinterende  des   letzteren   eine  Zellenanhäufung,    welche   grosse  Aehnlichkeit 


Arachnoiden.  565 

mit  der  Einwucherungsstelle  am  Keimstreifen  der  Scorpione  besitzt.  Bisher 
lauten  die  Angaben  über  die  Natur  dieses  Gebildes  aber  noch  zu  wider- 
sprechend, als  dass  sich  eine  bestimmte  Ansicht  über  seine  Natur  gewinnen 
liesse.  Faussek  führt  diese  Zellenanhäufung ,  welche  wie  eine  Verdickung 
des  Blastoderms  erscheint ,  auf  eine  Anlagerung  von  Dotterzellen  an  das 
Blastoderm  zurück.  Anfangs  liess  er  daraus  (also  aus  Dotterzellen)  die 
Keimdrüsen  hervorgehen,  später  leitete  er  die  letzteren  aber  von  einer  Ver- 
dickung des  Blastoderms  her,  welche  bereits  in  sehr  früher  Zeit  aufträte. 
Eine  genauere  Darstellung  der  sich  zum  Theil  widersprechenden  Angaben 
muss  von  der  angekündigten  ausführlichen  Arbeit  des  genannten  Autors  er- 
wartet werden. 

Aus  den  wenigen  vorliegenden  Angaben  geht  hervor,  dass  das  Meso- 
derm  sich  in  ein  somatisches  und  splanchniscb.es  Blatt  spaltet,  dass  also 
in  dieser  Beziehung  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  Scorpionen 
und  Ar  aneinen  obwalten. 

Die  Bildung  des  Mitteldarms  scheint  sich  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  den  Spinnen  zu  vollziehen,  abgesehen  von  der  durch  Faussek  anders 
dargestellten  eisten  Entstehung  des  Entodernis.  Der  Dotter  ist  direct 
von  dem  splanchnischen  Mesodermblatt  umgeben,  und  an  dieses  legen  sich 
nunmehr  die  Dotterzellen  an,  um  so  schliesslich  das  continuirliche  Epithel 
des  Mitteldarmes  entstehen  zu  lassen.  Dieser  Vorgang  beginnt  in  dem 
vorderen  Theil  des  Körpers. 

Ueber  die  weitere  Entwicklung  der  Phalangiden  liegen  nur  verein- 
zelte Angaben  vor.  Metschnikoff  (No.  34,  pag.  520)  berichtet  über 
das  Auftreten  abdominaler  Extremitäten,  und  Balbiani  beschreibt  einige 
Stadien  der  späteren  Entwicklung.  Daraus  geht  hervor,  dass  die  zu  den 
vier  Beinpaaren  gehörigen  Segmente  des  Cephalothorax  beim  Embryo 
deutlich  von  einander  abgesetzt  sind,  welche  Segmentirung  bei  der  wei- 
teren Ausbildung  schwindet  und  beim  ausgebildeten  Thier  nicht  mehr 
wahrzunehmen  ist.  Zwischen  den  Augen  und  der  Basis  der  Cheliceren 
liegt  ein  unpaares  stachelförmiges  Gebilde,  welches  wir  in  Uebereinstim- 
mung  mit  ähnlichen  Bildungen  bei  den  Spinnen  und  besonders  bei  den 
Myriopoden  (Chilognathen)  als  Ei  zahn  bezeichnen  (vgl.  pag.  588 
sowie  das  Capitel  Myriopoden). 

Das  Wenige,  was  von  der  Entwicklung  der  Phalangiden  bekannt  ist, 
zeigt  den  Charakter  der  Arachnoideiientwicklung.  Ein  wichtiger  Charakter, 
der  übrigens  auch  beim  ausgebildeten  Thier  noch  zu  erkennen  ist,  scheint 
nach  Balbiani's  Darstellung  beim  Embryo  besonders  deutlich  zum  Aus- 
druck zu  kommen.  Das  sind  die  Kauladen  an  den  Pedipalpen  und  den 
beiden  vorderen  Beinpaaren.  In  ihrem  Vorhandensein  drückt  sich  eine 
auffallende  Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  der  Scorpione  aus. 
Als  echte  Arachnoiden  erweisen  sich  die  Phalangiden  ausser  durch  die 
Zahl  und  Stellung  der  Extremitäten  am  Körper  auch  durch  den  Besitz 
einer  Coxaldrüse  (Mac  Leod),  welche  den  gleichnamigen  Organen  anderer 
Arachnoiden  homolog  ist.  Während  sie  aber  bei  diesen  nur  einen  vor- 
übergehenden Zustand  darstellt  und  beim  ausgebildeten  Thier  eine  Rück- 
bildung erfährt  (Scorpione,  Spinnen),  stellt  sie  bei  den  Phalan- 
giden ein  wohlentwickeltes  Organ  dar,  welches  wohl  auch  beim  ausge- 
bildeten Thier  noch  functionirt  und  aus  einem  umfangreichen  Schleifen- 
kanal ,  dem  weiten  sackförmigen  Reservoir,  sowie  dem  Ausführungsgang 
besteht,  der  hinten  an  der  Basis  der  dritten  Gangbeine  nach  aussen 
mündet  (Loman  No.  9). 

Korscheit -H  eider,  Lehrbuch.  37 


566 


XVII.  Capitel. 


V.   Solpugiden. 

Wie  von  den  vorhergehenden  Abtheilungen  der  Arachnoiden  ist  auch 
über  die  Entwicklung  der  Solpugiden  unseres  Wissens  bisher  nur  sehr 
wenig  bekannt  geworden;  dies  Wenige  bezieht  sich  auf  Gale ödes  ara- 
n  e  o  i  d  e  s ,  von  welcher  Form  einige  späte  Stadien  durch  Croneberg  be- 
schrieben wurden. 

Das  erste  Stadium,  welches  Croneberg  auffand,  war  schon  weit 
entwickelt  und  stand  kurz  vor  dem  Ausschlüpfen.  Die  Figur  360  A, 
welche  es  darstellt,  zeigt,  dass  der  Embryo  demjenigen  einer  Spinne 
sehr  ähnlich  ist.  Wie  bei  diesem  bildet  auch  hier  das  kuglige,  wahr- 
scheinlich stark  mit  Dotter  angefüllte  Abdomen  die  Hauptmasse  des  Em- 
bryos. Der  breite  und  abgeflachte  Cephalothorax  erscheint  dicht  an  die 
Ventralfläche  des  Abdomens  angedrückt.  An  dieses  legen  sich  auch  die 
Extremitäten  an.  Die  Cheliceren  neigen  sich  gegen  das  Rostrum 
(Fig.  360  Ä).  In  der  Nähe  des  letzteren  erkennt  man  die  spaltförmige 
Afteröffnung  (a). 

B. 


Fig.  360.  A  und  B  Embryo  und  ausgeschlüpftes  junges  Thier  von  Galeodes 
araneoides  (nach  Croneberg). 

a  After,  ch  Cheliceren,  pcd  Pedipalpen,  p  Beine,  r  Rostrum. 

Bei  dem  ausgeschlüpften  Jungen  erscheint  das  Abdomen  in  die 
Länge  gestreckt.  Es  zeigt  einige  leichte  Einschnürungen,  welche  wohl 
den  Segmenten  entsprechen  (Fig.  360  B).  Am  Rücken  trägt  es  zwei 
Reihen  von  je  sechs  Borsten.  Im  Uebrigen  fehlt  der  Haarbesatz  der 
Körperdecke,  welcher  dem  ausgebildeten  Thier  in  so  reichem  Maasse  zu- 
kommt. Die  Chitinhaut  des  jungen  Thieres  ist  also  nur  eine  proviso- 
rische. Wahrscheinlich  verharren  die  jungen  Thiere  nach  dem  Aus- 
schlüpfen noch  einige  Zeit  in  einem  puppenartigen  Zustande  und  zeigen 
in  dieser  Beziehung  ein  ganz  ähnliches  Verhalten  wie  die  echten  Spinnen 
(vgl.  pag.  587).  Auch  diese  verlassen  das  Ei  in  einem  unbeweglichen 
Zustande,  umgeben  von  einer  cuticularen  Hülle,  welche  erst  nach  einiger 
Zeit  abgeworfen  wird.  Dadurch  wird  es  auch  erklärlich,  dass  die  (jetzt  nach 
hinten  zurückgeschlagenen)  Extremitäten  nach  Croneberg's  Angabe  bisher 
noch  keine  Gliederung  aufweisen  (Fig.  3605).  Sie  entbehren  auch  der  Krallen. 


Arachnoiden.  567 

Abdominalextremitäten  wurden  bei  dem  jungen  Thier  nicht  aufgefunden, 
wie  dies  auch  bei  einem  so  späten  Stadium  nicht  anders  zu  erwarten  war. 

Eine  höchst  auffallende  Bildung,  welche  dem  erwachsenen  Thier1) 
nicht  zukommt,  besteht  in  einem  Paar  flügeiförmiger  Anhänge  (Fig.  360  B). 
Dieselben  entspringen  dorsal  von  dem  Ansatzpunkt  der  Extremitäten 
zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Beinpaar.  Sie  bestehen  aus  einer 
doppelten  Zellschicht  und  darüber  liegender  Cuticula,  stellen  also  eine 
Faltung  der  Haut  dar;  Nerven  und  Tracheen  erstrecken  sich  nicht  in  ihr 
Inneres;  ebensowenig  finden  sich  Muskeln  darin. 

Die  Bedeutung  der  flügeiförmigen  Gebilde  ist  nicht  bekannt.  Ceonkberg 
vergleicht  sie  mit  den  paarigen,  als  Ueberreste  der  Schale  zu  betrachtenden 
Anhängen  der  Embryonen  von  Asellus  (vgl.  pag.  352),  ohne  übrigens 
besonderes  Gewicht  auf  diesen  Vergleich  zu  legen.  Unwillkürlich  wird  man 
an  eine  Flügelbildung  denken ,  zumal  der  Körper  der  Solpugiden  in  der 
Gliederung  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  Insekten  zeigt,  aber  die  Lage 
der  Flügelrudimente  würde  sich  mit  deren  Stellung  bei  den  Insecten  nicht 
vereinigen  lassen,  denn  sie  liegen,  wie  Ckonebeeg's  Abbildung  (Fig.  360,  B) 
erkennen  lässt,  noch  vor  dem  Prothorax,  an  einem  Segment,  welches  bei 
den  Insecten  schon  dem  Kopf  zuzurechnen  wäre.  Aehnliche  flügeiförmige 
Anhänge  nicht  nur  an  den  flügeltragenden  Segmenten,  sondern  auch  am  Pro- 
thorax, kommen  manchen  Termitenlarven  zu,  wovon  weiter  unten  die  Rede 
sein  wird. 

Die  Solpugiden  unterscheiden  sich  von  den  übrigen  Arachnoiden 
durch  einige  wichtige  Merkmale,  welche  sie  mehr  den  Insecten  zu  nähern 
scheinen.  Das  vorderste  Beinpaar  tritt  sammt  dem  zugehörigen  Segment 
in  engere  Beziehung  zu  den  vorhergehenden  (Kopf-)Segmenten  und  setzt 
sich  gegen  die  hinteren  (Thoracal-)Segmente  ab,  so  dass  ein  gesonderter 
Kopfabschnitt  mit  drei  Paar  Anhängen  zu  Stande  kommt.  Man  hat  den- 
selben mit  dem  Kopf  der  Insecten  verglichen  und  den  folgenden  nunmehr 
aus  drei  Segmenten  mit  je  einem  Beinpaar  bestehenden  Körperabschnitt 
dem  Thorax  der  Insecten  gleichgestellt.  Die  Uebereinstimmung  wird 
erhöht  durch  das  zehngliedrige,  äusserlich  segmentirte  Abdomen.  Eine 
auffallende  Thatsache  ist  dann  noch,  dass  die  Solpugiden,  welche  durch 
baumförmig  verästelte  Tracheen  athmen,  ausser  einem  Stigmen- 
paar  am  zweiten  und  dritten  Abdominalsegment  noch  ein 
solches  am  zweiten  (dem  ersten  vermeintlichen)  Thor acal- 
segment  besitzen. 

Wir  vermögen  uns  denjenigen  nicht  anzuschliessen,  welche  in  den 
genannten,  allerdings  recht  auffallenden  Merkmalen  wirkliche  Beziehungen 
zu  den  Insecten  sehen  und  die  Solpugiden  als  ein  Bindeglied  zwischen 
den  beiden  Stämmen  der  luftathmenden  Arthropoden  betrachten.  Die 
Theilung  des  Vorderkörpers  in  Kopf  und  Thorax,  bei  welcher  man  die 
drei  vorderen  Extremitätenpaare  wohl  den  drei  Paar  Mund  Werkzeugen  der 
Insecten  gleich  setzen  müsste,  verliert  dadurch  an  Werth,  dass  noch  immer 
ein  Paar  fehlt,  d.  h.  bei  den  Solpugiden  kein  Hoinologon  für  die  Antennen 
der  Insecten  vorhanden  ist.  Am  schwersten  ist  es,  die  Lage  des  einen 
Stigmenpaares  am  Cephalothorax  zu  erklären;  man  kann  in  dieser  Be- 
ziehung nur  die  Annahme  machen,  dass  es  eine  spätere  Erwerbung  dar- 
stellt. Diese  Annahme  hat  nicht  so  viel  Unwahrscheinliches  an  sich, 
wenn  man  sieht,  wie  auch  bei  den  Milben  Stigmen  am  Cephalothorax 
auftreten,  und  wie  solche  bei  Scolopendrella  und  S m i n t h u r u s  (?) 

v)  Cronebkrg  untersuchte  auch  die  ausgebildeten  Thiere  derselben  Art,  und  diesen 
fehlt  das  betr.  Gebilde  gänzlich. 

37* 


568  XVII.  Capitel. 

am  Kopfe  gefunden  werden.  Das  Vorhandensein  eines  Spiralfadens, 
welchen  die  Tracheen  der  Solpugiden,  wie  es  seheint,  besitzen,  bildet 
keinen  Beweis  für  deren  Beziehungen  zu  den  Insecten,  da  er  auch  bei 
anderen  Arachnoiden  vorkommt. 

Die  Solpugiden  zeigen  trotz  der  äusserlichen  Dreitheilung  des  Kör- 
pers doch  so  grosse  Uebereinstimmung  der  äusseren  und  inneren  Organi- 
sation mit  den  Arachnoiden,  dass  man  nicht  berechtigt  ist,  sie  von  ihnen 
zu  trennen.  Die  Gestalt  der  Cheliceren,  der  Besitz  einer  Coxaldrüse, 
wie  sie  in  gleicher  Weise  den  Arachnoiden  zukommt  (Mac  Leod  No.  44), 
die  Leberdivertikel  des  Mitteldarms1),  die  Lage  der  Geschlechtsöffnung 
am  ersten  Abdominalsegment,  alle  diese  Punkte  und  noch  andere  weniger 
in  die  Augen  fallende  sprechen  für  die  Arachnoidennatur  der  Solpugiden. 
Wir  betrachten  dieselben  daher  als  einen  in  besonderer  Richtung  ent- 
wickelten Zweig  des  Arachnoidenstammes,  welche  Auffassung  übrigens  der- 
jenigen Ray  Lankester's  (No.  45)  und  anderer  Forscher  entspricht.  Die 
geringen  Anhaltspunkte,  welche  die  Entwicklungsgeschichte  giebt,  bestätigen 
unsere  Auffassung,  da  der  Embryo  von  Galeodes  ganz  einem  Spinnen- 
embryo gleicht.  Es  wäre  sehr  wichtig,  genauere  Daten  über  die  Entwick- 
lung der  Solpugiden  zu  erhalten. 

VI.   Araneinen. 

Systematik:    A.    Tetrapneumones. 

Avicularia  (Mygale),  Atypus. 
B.    D  i  p  n  e  u  m  o  n  e  s. 

Epeira,  Tkeridium,  Agalena,  Lycosa  und  sämmt- 
liche  andere  der  liier  erwähnten  Spinnen. 

Die  Ablage  und  Beschaffenheit  der  Eier.  Die  Spinnen  bauen 
Nester  für  ihre  Eier  oder  verfertigen  Cocons.  Diese  bewachen  sie  ge- 
wöhnlich ;  in  vielen  Fällen  tragen  sie  die  Cocons  mit  sich  herum,  indem 
sie  dieselben  mit  den  Cheliceren  fassen  (z.  B.  Dolomedes,  Ocyale) 
oder  am  Hinterleib  befestigen  (z.  B.  Lycosa,  Tarantula). 

Die  dotterreichen  Eier  sind  von  einer  Dotterhaut,  sowie  von  einer 
äusseren,  wahrscheinlich  vom  Eileiter  ausgeschiedenen  Hülle  umgeben, 
welche  man  auch  als  Chorion  bezeichnet  findet.  Den  Dotter  bedeckt  eine 
dünne  Protoplasmaschicht  (Blastem)  und  Protoplasma  umgiebt  auch  den 
centralen  Kern,  von  wo  aus  es  sich  in  feinen  Strängen  zwischen  die  Dotter- 
körner erstreckt.  Ausser  dem  Kern  findet  sich  in  den  Eiern  der  Spinnen 
ein  als  Dotterkern  bezeichnetes  merkwürdiges  Gebilde,  dessen  Natur 
bisher  nicht  genügend  bekannt  geworden  ist.  Der  Dotterkern  besteht  aus 
einer  rundlichen  Anhäufung  von  Körnchen  von  mehr  oder  weniger  com- 
paktem  Gefüge;  zuweilen  erhebt  er  sich  sogar  zu  einer  complicirteren 
Structur,  indem  er  aus  mehreren  concentrischen  Schichten  zusammen- 
gesetzt erscheint.  Mit  der  Reifung  des  Eies  pflegt  der  Dotterkern  zu 
schwinden,  doch  scheint  er  zuweilen  länger  erhalten  zu  bleiben  und  soll 
sich  nach  Kishinouye  noch  im  zwei-  und  vierzelligen  Furchungsstadium 
des  Eies  in  einem  der  Dottercomplexe  neben  dem  Kern  vorfinden. 


J)  Bezüglich  der  Leber  muss  bemerkt  werden,  dass  ein  neuerer  Bearbeiter  der- 
selben (Birula  No.  42)  gewisse  Differenzen  im  Bau  dieses  Organs  gegenüber  dem  Ver- 
halten der  Arachniden  im  Allgemeinen  findet;  doch  beschreibt  auch  er  die  Leber  als 
ein  machtig  entwickeltes  Organ,  welches  die  Zwischenräume  zwischen  den  übrigen 
Organen  ausfüllt,  ein  Verhalten,  welches  wohl  bei  einem  Arachniden,  nicht  aber  bei 
bei  einem  Insect  erwartet  werden  kann. 


Arachnoiden. 


569 


Nach  Ludwig  (No.  66)  zeigt  die  äussere  Hülle  eine  polygonale  Felde- 
rung,  doch  wird  diese  letztere  in  Uebereinstiramung  mit  den  älteren  An- 
gaben von  Balbiani  (No.  46)  neuerdings  wieder  auf  einen  Zerfall  des 
Blastems  in  polygonale  Abtheilungen  zurückgeführt  (Sabatiek,  No.  70, 
Locy  No.  64).  Diese  Erscheinung  ist  nicht  mit  der  (erst  später  erfolgenden) 
Bildung  des  Blastoderms  zu  verwechseln,  sondern  sie  soll  sich  bereits  am 
ungefurchten  Ei  zeigen.  Locy,  dem  sich  neuerdings  im  Ganzen  auch  Kishi- 
nouye  anschliesst ,  erklärt  die  Felderung  damit ,  dass  nach  der  Ablage  der 
Eier  eine  Contraction  derselben  eintritt,  und  dabei  das  Blastem  dichter  an 
den  Dotter  herangezogen  wird.  Die  einzelnen  Dotterkörner  geben  sich  an 
der  Peripherie  als  Erhebungen  zu  erkennen,  und  dadurch  würde  die  Felde- 
rung der  Oberflächen  hervorgebracht.  Einige  der  vielen  auf  diesen  Punkt 
bezüglichen  Abbildungen  Balbiani' s  scheinen  eine  solche  Auffassung  zu  be- 
stätigen, andere  aber  sprechen  dagegen;  in  ihnen  ist  ausser  der  ursprüng- 
lichen Felderung  auch  die  durch  die  Blastodermzellen  veranlasste  zu  sehen. 
Da  eine  Contraction  des  Eies  stattfinden  soll,  möchte  man  auch  an  eine 
in  regelmässiger  Weise  (in  Form  polygonaler  Felder)  erfolgende  Faltung 
der  Dotterhaut  denken,  wie  sie  z.  B.  bei  Cetochilus  vorkommen  soll 
(Gbobben)  ,  doch  scheint  dies  hier  ausgeschlossen ,  da  Locy  von  einer 
perivitellinen  Flüssigkeit  spricht,  welche  bei  der  Contraction  des  Eies  zwischen 
dessen  Oberfläche  und  der  Dotterhaut  auftritt. 

1.    Furchung  und  Keimblätterbildung. 

Die  Furchung  kann  in  ihrem  Anfang  als  totale  bezeichnet  werden 
und  geht  in  die  superfizielle  über.  Der  centrale  Kern  theilt  sich  in 
zwei  Kerne,  welche  in  der  Nähe  des  Centrums  liegen  (Fig.  363  A).    Ob- 


Fig.  361.      A—C  drei  Furchungsstadien   von  Philodromus    limbatus   (nach 
H.  Ludwig,  aus  Bälfour's  Handbuch). 


wohl  nun  eine  das  Ei  in  zwei  Theile  trennende  Furche  nicht  auftritt,  so 
ist  doch  eine  Zweitheilung  desselben  angedeutet,  die  sich  allerdings  zu- 
nächst nur  auf  den  Dotter  bezieht.  Nach  der  bereits  vor  längerer  Zeit 
von  Ludwig  gemachten  Beobachtung  ordnen  sich  die  Dotterkörner  radiär 


570 


XVII.  Capitel. 


hintereinander  in  Form  von  Säulen  an  (Fig.  361  und  363  A).  Diese 
vom  Centrum  radial  ausstrahlenden  Säulen  scheiden  sich  bei  der  Zwei- 
theilung des  Kernes  in  zwei  Gruppen  (Fig.  361  B).  Dazwischen  soll 
Bildungsdotter  liegen.  Mit  dem  Fortschreiten  der  Kerntheilung  theilen 
sich  auch  die  beiden  von  Ludwig  als  Rosetten  bezeichneten  Gruppen 
von  Dottersäulen  wieder  und  liefern  nun  vier  Rosetten  (Fig.  361  C), 
welche  sich  sodann  nach  dem  bei  der  totalen  äqualen  Furchung  gewöhn- 
lichen Gang  in  8,  16  und  32  Rosetten  theilen.  Jeder  Rosette  kommt 
ein  Kern  zu.  Mit  dem  weiteren  Fortgang  der  Furchung  (Fig.  362  Ä) 
rücken  die  Kerne  nach  der  Peripherie,  wobei  sie  von  dem  ihnen  zu- 
kommenden Protoplasma  begleitet  werden.  Letzteres  sondert  sich  (mit 
sammt  dem  hier  schon  vorhandenen  Blastem)  zu  einer  peripheren  Lage, 
welche  nunmehr  die  Kerne  enthält  und  somit  als  Blastoderm  zu  be- 
zeichnen ist  (Fig.  362  B,  bl).  Die  Dottersäulen  oder  jetzt  besser  Dotter- 
pyramiden können  zu  dieser  Zeit  noch  vorhanden  sein.  Schon  früher 
trat  im  Centrum  ein  Hohlraum ,  die  Furchungshöhle,  auf  (Fig.  362  B), 
indem  die  centrale  Dottermasse  mit  der  Ausbildung  der  Blastomeren 
von   diesen  einbezogen  und  mehr  nach  der  Peripherie  hingedrängt  wird. 


Fig.  362.  A  und  B  Oberflächenansicht  und  optischer  Durchschnitt  eines 
späteren  Furchungestadiums  von  Philo  dromus  limbatus  (nach  Ludwig,  aus 
Balfour's  Handbuch). 

bl  Blastoderm,  yk  Dotterpyramiden.  Zwischen  Eihaut  und  Blastoderm  befindet 
sich  in  dem  weiten  Räume  (ß)  perivitelline  Flüssigkeit. 


Die  Dotterrosetten  scheinen  zumeist  nicht  in  so  deutlich  abgegrenzter 
Weise  aufzutreten,  wie  dies  von  Ludwig  an  Philodromus  beobachtet 
wurde.  Bei  A g a  1  e n a ,  Theridium,  E p e i r a ,  P h o  1  c u s  u.  A. 
werden  die  Dottersäulen  zwar  ebenfalls  bemerkt,  doch  liegen  die  von 
ihnen  gebildeten  Gruppen  (die  Rosetten  von  Philodromus)  enger  an- 
einander (Fig.  363  Ä).  Ein  von  acht  solchen  Gruppen  gebildetes  Stadium 
bietet  ganz  das  Bild  eines  total  und  äqual  gefurchten  Eies  mit  wenig 
umfangreicher  Furchungshöhle  (Fig.  363  B).  Jede  Gruppe  von  Dotter- 
säulen mit  dem  zugehörigen  Kern  entspricht  einem  Blastomer.  Die 
Blastomeren  theilen  sich  auch  hier  nach  dem  von  der  äqualen  Furchung 
her  bekannten  Modus  weiter,  und  wenn  sie  nach  einer  Anzahl  von 
Theilungen  eine  grössere  Zahl  (etwa  128)  erreicht  haben,  trennen  sich 
die  unterdessen  nach  der  Peripherie  gerückten  Kerne  mit  ihrem  Proto- 
plasma von  dem  darunter  liegenden  Dotter  ab,  um  dadurch  das  Blasto- 
derm entstehen  zu  lassen  (Fig.  363  C  und  B).  Die  Furchungshöhle, 
welche  einen  ziemlichen  Umfang  erreichen  kann  (Fig.  362  B  u.  363  C), 
wird  zu  dieser  Zeit  wieder  mit  Dotter  angefüllt.  Die  regelmässige  An- 
ordnung desselben  geht  dabei  allmählich  verloren  (Fig.  363  D  und  E). 


Arachnoiden. 


571 


Es  scheint,  dass  die  Bildung  des  Blastoderms  an  der  einen  Hälfte  des 
Eies  etwas  früher  vor  sich  geht  als  an  der  anderen  (Salensky,  Ludwig, 
Locy,  Mokin,  Schimkewitsch).  Das  ist  jedenfalls  die  Gegend,  an  welcher 
später  der  Keimstreifen  angelegt  wird,  und  es  würde  somit,  wenn  auch 
in  sehr  beschränktem  Maasse,  eine  ähnliche  Bildung  vorhanden  sein  wie 
die  Keimscheibe  der  Scorpione  (Fig.  363  E  u.  F). 

Die  geschilderte  Furehung  des  Spinneneies  zeigt  die  grösste  Ueberein- 
stimmung  mit  derjenigen ,  welche  wir  früher  bei  den  Crustaceen  kennen 
lernten  (Typus  II,  pag.  312).  Sollte  nicht  allen  Spinneneiern  eine  Furchungs- 
höhle   zukommen ,    wie   es   uns   fast  scheint ,    sondern  in  einigen  Fällen    das 


ver- 


Fig-.  363.     A—F  Schnitte   durch  Eier  von  Theridium   maculatum    in 
schiedenen  Stadien  der  Furchung  und  Blastodermbildung  (nach  Murin). 

bl  Blastoderm,  d  Dotter,  dp  Dotterpyramiden,  dz  Dotterzellen,  fh  Furchungshöhle, 
p  periphere  Plasmaschicht  (Blastem). 


Centrum  von  einer  ungefurchten  Dottermasse  erfüllt  bleiben,  so  würden  diese 
Fälle  doch  wahrscheinlich  ebenfalls  demjenigen  Typus  zuzurechnen  sein, 
welcher  bei  den  Crustaceen  als  totale  Furchung  mit  nachherigem  Uebergang 
in  die  superficielle  Furchung  bezeichnet  wurde  (pag.  312). 

Bezüglich  der  auf  die  Bildung  des  Blastoderms  folgenden  Entwick- 
lungsvorgänge stimmen  die  Autoren  in  ihren  Auffassungen  wenig  überein, 
indem  einige  von  ihnen  den  von  Claparede  als  Cum ulus  primitivus 
bezeichneten  Hügel,  welcher  am  Blastoderm  durch  Verdickung  der  Zell- 
schicht auftritt  (Fig.  364  B  und  Fig.  365  A  und  B) ,  eine  grosse  Be- 
deutung bei  der  Bildung  der  Keimblätter  zuschreiben,  andere  aber  diese 


572  XVII.  Capitel. 

Bedeutung  leugnen.  Nach  Morin's  Beobachtung  entsteht  in  der  Gegend, 
welche  der  späteren  Ventralfläche,  d.  h.  der  Anlage  des  Keimstreifens, 
entspricht ,  eine  Verdickung  des  Blastoderms  (Fig.  363  F) ;  nicht  nur, 
dass  die  Zellen  selbst  an  Umfang  zunehmen,  es  spalten  sich  auch  von 
ihnen  einige  ab  und  ordnen  sich  unter  den  anderen  an.  Es  wird  also 
hier  eine  mehrschichtige  Lage  von  Zellen  gebildet.  Gleichzeitig  lösen 
sich  aber  in  derselben  Gegend  einige  Zellen  gänzlich  aus  dem  Zusammen- 
hang mit  den  übrigen  ab  und  rücken  in  den  Dotter  hinein  (Fig.  363  F,  dz). 
Damit  sind  bereits  die  drei  Keimblätter  angelegt:  die  äussere  Schicht, 
welche  zugleich  den  grössten  Theil  des  Blastoderms  in  sich  fasst  (das 
Ectoderm),  die  dicht  darunter  liegende  Schicht  (das  Mesoderm)  und  die 
in  den  Dotter  eingetretenen  Zellen,  welche  das  Entoderm  repräsentiren. 
Erst  nach  der  Anlage  der  Keimblätter  soll  bei  den  von  Morin  beobach- 
teten Spinnen  (z.B.  bei  Pholcus)  der  Primitivhügel  auftreten,  wenn  er 
nicht  gänzlich  fehlt,  wie  bei  Theridium,  derjenigen  Form,  an  welcher 

a.  2ß. 


Fig.  364.  A  und  B  Schnitte  durch  Eier  von  Pholcus  phalangoides  in 
Stadien  der  Keimblätter bildung  (nach  Morin). 

c.p  Cumulus  primitivus,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  e  Einwucherungsstelle. 

die  soeben  geschilderte  Bildung  der  Keimblätter  verfolgt  wurde  (Morin). 
Doch  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  dieses  Verhalten  nicht  das  ursprüng- 
liche, sondern  ein  abgeändertes  darstellt  und  dem  Primitivhügel  doch 
eine  grössere  Bedeutung  zukommt,  als  aus  dem  späten  Auftreten  desselben 
bei  Pholcus  und  seinem  gänzlichen  Fehlen  bei  Theridiuin  hervorzu- 
gehen scheint.  Diese  letztere  Auffassung  wird  auch  durch  die  erst 
neuerdings  erschienene  Arbeit  von  Kishinouye  bestätigt  (vgl.  pag.  575). 

Der  Cumulus  primitivus  entsteht  als  eine  Verdickung  des 
Blastoderms  (Fig.  364  B)}  welche  sich  zur  Höhe  eines  ansehnlichen 
Hügels  über  das  Blastoderm  erheben  kann  (so  z.  B.  bei  Tegenaria 
und  Agalena  (Fig.  365  A  u.  B,  pag.  577).  Er  ist  bei  den  meisten  der 
bisher  zur  Beobachtung  gelangten  Spinnen  gefunden  worden.  Vor  ihm 
soll  eine  Einsenkung  am  Blastoderm  auftreten  (Salensky  No.  71,  Schimke- 
witsch  No.  72).  Es  liegt  nahe,  die  letztere  als  Blastoporus  anzusehen, 
an  dessen  hinterem  Rand  die  Einwucherung  der  Zellen  in  besonders 
starkem  Maasse  vor  sich  geht,  ähnlich,  wie  wir  dies  für  die  Scorpione 
darstellten   (pag.  537).     Einige   Angaben,   welche  über  das  Verhältniss 


Arachnoiden.  573 

des  Primitivhügels  zu  den  in  der  Bildung  begriffenen  Keimblättern  ge- 
macht werden,  z.  B.  die  von  Bruce  (No.  54)  und  Lendl  (No.  63)  dürften 
wohl  in  dieser  Weise  aufzufassen  sein. 

Wenn  wir  den  Cumulus  primitivus  an  das  Hinterende  des  Embryos 
verlegen,  so  stehen  wir  damit  auf  einem  Standpunkt,  welcher  seinerzeit 
schon  von  Balfoue  (No.  47)  eingenommen  wurde.  Obgleich  seit  jener  Zeit 
verschiedene  Bearbeitungen  der  Spinnenentwicklung  unternommen  wurden,  so 
konnte  dieser  Punkt  doch  noch  zu  keiner  erheblich  grösseren  Klarheit  ge- 
bracht werden.  Während  nach  der  obigen  Auffassung  der  Primitivhügel  in 
seiner  Lage  ungefähr  dem  künftigen  Schwanzende  entspricht,  vor  ihm  die 
Einsenkung  gelegen  ist  und  vor  dieser  die  Scheitellappen  auftreten  (Balfouk, 
Schimkewitsch,  Lendl),  entsteht  nach  einer  anderen  Annahme  das  Schwanz- 
ende in  ziemlicher  Entfernung  vom  Primitivhügel,  während  der  Kopf  läppen 
vielmehr  in  seiner  Nähe  gelegen  ist  (Balbiani,  Locy).  Wenn  wir  uns  mehr 
der  Ansicht  zuneigen ,  dass  der  Cumulus  primitivus  dem  Hinterende  des 
Embryos  entspricht ,  so  sind  es  hauptsächlich  Gründe  theoretischer  Natur, 
welche  uns  hierzu  bewegen.  Doch  scheinen  auch  die  von  Mobin  und 
Schimkewitsch  gegebenen  Abbildungen  auf  eine  derartige  Auffassung  hinzu- 
weisen. Freilich  bieten  dieselben  für  eine  Entstehung  des  Mesoderms  vom 
Primitivhügel  aus,  wie  man  sie  anzunehmen  geneigt  war,  wenig  Ueberzeugen- 
des.  Zwar  findet  offenbar  am  Primitivhügel  eine  starke  Wucherung  der 
Zellen  statt,  aber  auch  vor  demselben  (im  Bereich  des  künftigen  Keim- 
streifens) erscheint  das  Blastoderm  bereits  mehrschichtig  (Fig.  364  B). 
üass  Mobin  dem  Cumulus  primitivus  eine  solche  wichtige  Bedeutung  über- 
haupt ganz  abstreitet ,  wurde  schon  oben  erwähnt.  Nach  diesem  Forscher 
soll  der  Primitivhügel  erst  nach  Ausbildung  der  Keimblätter  entstehen,  wenn 
er  überhaupt  vorhanden  ist.  Es  ist  aber  nicht  zu  verkennen,  dass  auch 
nach  Mobin' s  Darstellung  der  Primitivhügel  einen  bedeutenden  Umfang  be- 
sitzt (Fig.  364  B).  Denselben  soll  er  später  verlieren ,  indem  er  einzelne 
Mesodermzellen  abgiebt.  Dabei  wird  er  allmählich  nach  dem  Rücken  ver- 
lagert, ein  Verhalten,  welches  auch  aus  den  von  Clapaeede  gegebenen  Ab- 
bildungen hervorgehen  würde ,  falls  die  dort  sichtbare  Erhebung  wirklich 
dem  Primitivhügel  entspricht  (Fig.  367  A  und  B,  pag.  579).  Dass  der 
Blastoporus  oder  doch  ein  Rest  desselben  eine  solche  Lagerung  erhalte, 
hat  von  vornherein  wenig  Wahrscheinliches  für  sich ,  wenn  man  nicht  an- 
nehmen muss ,  dass  die  Wucherungsstelle  nur  beim  Auswachsen  des  Hinter- 
endes mit  verschoben  wurde  und  so  eine  nur  scheinbar  dorsale  Lagerung 
erlangte.  Doch  sind  weitere  Ausführungen  über  diesen  Punkt  wohl  vorläufig 
besser  zu  vermeiden,  denn  ein  Blick  auf  die  von  Clapaeede,  Balbiani,  Salensky, 
Balfoue,  Schimkewitsch,  Locy  und  Mobin  gegebenen  Abbildungen  zeigt, 
dass  sich  dieselben  nicht  in  Uebereinstimmung  bringen  lassen.  Offenbar 
trägt  die  Schwierigkeit  der  Beobachtung  Schuld  an  der  Unsicherheit,  die 
uns  bezüglich  dieses  Punktes  entgegentritt.  Die  Orientirung  an  dem  beinahe 
kugelrunden  Ei  ist  jedenfalls  durch  das  Auftreten  der  einzelnen  Theile  des 
Embryos  (Kopflappen  und  Schwanzende)  bei  gleichzeitigem  Zurücktreten  des 
Primitivhügels  wesentlich  erschwert.  So  konnte  sich  auch  ein  neuerer  Be- 
arbeiter der  Spinnenentwicklung ,  Kishinouye  ,  über  die  Lage  des  Primitiv- 
hügels zum  Embryo  nicht  mit  genügender  Sicherheit  orientiren.  Vorläufig 
darf  in  Bezug  auf  die  am  Blastoderm  der  Spinnen  auftretende  Einsenkung 
und  den  Cumulus  primitivus  nur  mit  grosser  Vorsicht  als  einer  der  Gastru- 
lation  entsprechenden  Bildung  gesprochen  werden ,  obwohl  eine  solche  Auf- 
fassung zumal  im  Hinblick  auf  die  bei  den  Scorpionen  obwaltenden  Ver- 
hältnisse sehr  nahe  liegt. 


574  xvn-  Capitel. 

Mit  der  Frage,  ob  die  Keimblätter  in  einem  der  späteren  Ventralfläche 
entsprechenden  Bezirk  ihren  Ursprung  nehmen,  in  welchem  der  Cumulus 
primitivus  einen  Herd  stärkerer  Zellvermehrung  (vielleicht  die  Einwuche- 
rungsstelle)  repräsentirt,  findet  dieser  Gegenstand  noch  nicht  seine  Erledigung, 
und  zwar  deshalb,  weil  die  Entstehung  der  Keimblätter  noch  auf  andere 
Weise  dargestellt  wird.  Nach  der  oben  vertretenen  Auffassung  ist  anzu- 
nehmen ,  dass  die  Furchungszellen  zur  Bildung  des  Blastoderms  an  die 
Peripherie  rücken ,  und  dass  dann  von  hier  aus  durch  Einwucherung 
von  Zellen  die  Keimblätter  entstehen  (Fig.  363,  Fund  Fig.  364,  A  und  B). 
Während  das  Mesoderm  in  dichter  Anhäufung  an  der  Ventralseite  gelagert 
bleibt,  lösen  sich  die  Zellen  des  Entoderms  davon  ab  und  rücken  in  den 
Dotter  hinein.  Aus  ihnen  baut  sich  später  der  Mitteldarm  auf.  Der  Ur- 
sprung und  das  Schicksal  dieser  Dotterzellen  wird  noch  in  anderer  Weise 
dargestellt,  als  es  oben  geschah  (Balpoue,  Schimkewitsch,  Locy[?]).  Wenn  wir 
den  wichtigsten  Punkt  dieser  abweichenden  Auffassung  sogleich  hervorheben 
sollen,  so  besteht  derselbe  darin,  dass  man  ein  Verbleiben  eines  Theiles  der 
Furchungszellen  im  Dotter  annimmt.  Diese  Zellen,  welche  beim  Aufbau  des 
Blastoderms  keine  Verwendung  finden,  repräsentiren  nicht  allein  das  Ento- 
derm,  sondern  werden  auch  zum  Theil  dem  Mesoderm  beigefügt  (Balfoue, 
Schimkewitsch). 

Nach  Schimkewitsch  geht  die  Furchung  und  Blastodermbildung  so  vor 
sich,  dass  das  Ei  in  ähnlicher  Weise,  wie  dies  schon  früher  geschildert 
wurde ,  in  eine  grössere  Anzahl  von  Dotterpyramiden  zerfällt.  Jede  der 
letzteren  besitzt  einen  Kern,  welcher  anfangs  central  liegt.  Später  rücken 
die  Kerne  an  die  Peripherie  und  isoliren  sich  hier  mit  dem  sie  umgebenden 
Protoplasma  vom  Dotter.  Dadurch  wird  eine  äussere  Zellenschicht,  das  Blasto- 
derm  gebildet.  Es  scheint  aber,  als  ob  bereits  vorher  eine  weitere  Theilung 
der  Kerne  stattgefunden  habe  und  eine  grosse  Anzahl  derselben 
im  Innern  des  Dotters  verbleibe,  wenigstens  muss  man  die  Dar- 
stellung von  Schimkewitsch  so  auffassen1).  Während  der  Ausbildung  des 
Blastoderms  findet  eine  weitere  Vermehrung  der  im  Innern  verbliebenen 
Kerne  statt.  Ehe  wir  ihr  weiteres  Schicksal  verfolgen,  müssen  wir  eines 
Vorganges  Erwähnung  thun ,  welcher  von  Schimkiwitsch  an  den  Spinnen- 
eiern beobachtet  und  auch  schon  früher  von  Salensky  wahrgenommen 
wurde.  Danach  sollen  nämlich  die  Blastodermzellen,  welche  anfangs  das  Ei 
umgeben,  gegen  die  Ventralseite  hin  rücken  und  dort  eine  Verdickung  bilden, 
welche  zusammen  mit  der  später  daselbst  eintretenden  Zell  Vermehrung  die 
Anlage  des  Keimstreifens  bildet.  Auch  aus  Moein's  Darstellung,  soweit  uns 
dieselbe  zugänglich  ist,  scheint  sich  Aehnliches  zu  ergeben,  und  die  von  ihm 
entnommenen  Figuren  (363  ,  D — F)  lassen  erkennen ,  dass  anfangs  an  der 
Dorsalseite  des  Eies  eine  ganze  Anzahl  von  Blastodermzellen  gelegen  ist, 
während  man  dort  in  einem  späteren  Stadium  nur  wenige  wahrnimmt.  Nach 
Schimkewitsch  wird  die  Dorsalseite  des  Eies  ganz  vom  Blastoderm  entblösst, 
das  erst  später  wieder  dahin  vorwächst.  Wir  waren  anfangs  mehr  geneigt, 
das  Fehlen  des  Blastoderms  an  der  dorsalen  Seite  auf  ein  verspätetes  Her- 
vortreten der  Kerne  aus  dem  Dotter  zurückzuführen,  zumal  die  Autoren  von 


:)  Was  Schimkewitsch  über  den  Zerfall  der  Dotterpyramiden  und  die  Bildung 
der  mononucleären  und  polynucleären  Dotterzellen  sagt,  gehört  nicht  in  den  Rahmen 
unserer  Darstellurg  und  bedarf  wohl  auch  einer  Richtigstellung.  Im  Ganzen  lassen 
sich  die  von  ihm  gegebenen  Bilder  mit  der  früheren  Darstellung  vereinigen.  Auch 
Schimkewitsch  fand  bei  einigen  Formen  (Tegenaria,  Epeira)  die  centrale  Furchungs- 
höhle  und  beschreibt  ihre  Ausfüllung  mit  Dottermasse,  ähnlich  wie  dies  oben  von 
Theridium  dargestellt  wurde  (Fig.  363  C  u.  B). 


Arachnoiden.  575 

einem  Fortschreiten  der  Ausbildung  des  Blastoderms  von  der  ventralen  nach 
der  dorsalen  Seite  sprechen.  Es  schien  uns  darin  eine,  wenn  auch  nur  ent- 
fernte Aehnlichkeit  mit  der  Furchung  und  Blastodermbildung  der  Scorpion- 
eier  zu  bestehen.  Genauere  Untersuchungen  werden  erst  zeigen  können ,  ob 
diese  Vermuthung  die  richtige  ist,  oder  ob  wirklich,  wie  es  nach  den  vor- 
liegenden Abbildungen  scheint,  ein  so  starkes  Zusammenrücken  der  Blasto- 
dermzellen  erfolgt.  Ein  ähnliches  Zusammenschieben  der  Blastodermzellen, 
wenn  auch  nicht  bei  Weitem  in  so  starkem  Masse,  wurde  übrigens  auch  bei 
anderen  Arthropoden  (Astacus)  beobachtet  (vgl.  oben  pag.  356). 

Nach  der  Darstellung  von  Schimkewitsch,  die  sich  hierin  wesentlich 
an  diejenige  von  Balfour  anschliesst ,  betheiligen  sich  die  Dotterzellen  in 
nicht  unbedeutendem  Masse  an  der  Bildung  des  Mesoderms,  obwohl  ihre 
Hauptmasse  als  Entoderm  zu  bezeichnen  ist.  Schimkewitsch  nimmt  wie 
Balfour  eine  doppelte  Entstehungsweise  des  Mesoderms  an ,  indem  es  nach 
ihm  sowohl  durch  Verdickung  der  ventralen  Parthie  des  Blastoderms,  zumal 
vom  Cumulus  primitivus  aus,  wie  auch  durch  Hinzutreten  von  Dotterzellen  zu 
den  verdickten  Theilen  gebildet  wird.  Hier  sollen  bei  den  einzelnen  Formen 
(Tegenaria,  Epeira,  Lycos  a)  gewisse  Modificationen  auftreten,  auf 
die  wir  aber  nicht  eingehen,  da  wir  uns  dieser  Auffassung  nicht  anzuschliessen 
vermögen.  Von  den  beiden  einander  gegenüberstellenden  Auffassungen ,  von 
denen  die  eine  die  Dotterzellen  als  gegeben  annimmt  und  von  ihnen  das 
Entoderm,  sowie  zum  Theil  das  Mesoderm  ableitet,  die  andere  aber  Entoderm 
und  Mesoderm  durch  einen  der  Gastrulation  gleich  zu  setzenden  Vorgang 
entstehen  lässt,  scheint  uns  die  letztere  bei  Weitem  mehr  Berechtigung  für 
sich  zu  haben.  Wir  werden  in  dieser  Auffassung  durch  die  neu  erschienene 
Arbeit  von  Kishinouye  (No.  62)  bestärkt,  welcher  nach  der  Blastoderm- 
bildung im  Dotter  keine  Kerne  vorfindet,  sondern  von  der  Blastoderm- 
verdickung  aus  Zellen  in  den  Dotter  hinabsteigen  sieht,  ähnlich  wie 
dies  früher  schon  dargestellt  wurde  (Fig.  363  und  364).  Diese  Zellen, 
welche  sich  im  Dotter  vertheilen,  bilden  das  Entoderm.  Durch  weitere  Ver- 
dickung der  ventralen  Gegend  des  Blastoderms  entsteht  das  Mesoderm, 
so  wie  wir  dies  ebenfalls  früher  schon  schilderten  (pag.  572).  Die  uns  als 
Cumulus  primitivus  bekannt  gewordene  ventrale  Blastodermverdickung  ist 
jedenfalls  bei  der  Bildung  dieser  beiden  Keimblätter  von  Bedeutung,  denn 
sie  tritt  ebenso  wie  die  (noch  zu  beschreibende)  Ventralplatte  vor  der 
Differenzirung  der  Keimblätter  auf  (Kishinouye)  und  nicht  nach  derselben, 
wie  Morin  annahm  (vgl.  pag.  572). 

Wenn  wir  die  Bildung  der  Keimblätter  auf  das  Blastoderm 
zurückführen,  so  ist  damit  gesagt,  dass  auch  die  Dotterzellen  vom 
Blastoderm  aus  entstehen.  Die  Dotterzellen  enthalten  bei  den  Spinnen 
nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der  Autoreu  die  Anlagen  des  ge- 
sammten  Entoderms,  indem  sie  später  das  Epithel  des  Mitteldarmes  aus 
sich  hervorgehen  lassen.  Würden  diese  Zellen  bei  der  Furchung  im  Dotter 
zurückbleiben,  so  müsste  man  den  Vorgang  der  Blastodermbildung  als 
eine  Epibolie  auffassen,  was  aber  den  Verhältnissen  bei  verwandten  Formen 
widerspricht.  Zudem  werden  bei  den  Scorpionen  ebenfalls  durch  Ein- 
wucherung  von  Zellen  an  der  ventralen  Seite  des  Blastoderms  die  Keim- 
blätter gebildet  und  das  in  Entstehung  begriffene  Entoderm  nimmt  in 
beiden  Abteilungen  der  Arachniden  dieselbe  Lagerung  ein.  Bei  den 
Scorpionen  gestaltet  es  sich  zu  einer  regelmässigen  Epithellage,  so  dass 
es  als  gesondertes  Keimblatt  nicht  zu  verkennen  ist,  doch  treten  auch 
hier  einzelne  Zellen  in  den  Dotter  hinein.     Alles  dies  lässt  uns   die  von 


576  XVII.  Capitel. 

Morin  und  Kishinouye  vertretene  Auffassung  der  Keimblätterbildung' 
(Fig.  363  F)  als  die  richtige  erscheinen.  Trotzdem  kann  nicht  in  Ab- 
rede gestellt  werden,  dass  die  von  Schimkewitsch  und  besonders  von 
Balfour  gegebenen  Abbildungen  auf  früheren  Stadien  und  in  grösserer 
Entfernung  von  dem  verdickten  Theil  des  Biastoderms  Dotterzellen  er- 
kennen lassen,  von  denen  man  eher  annehmen  möchte,  sie  seien  noch 
von  der  Furchung  her  im  Dotter  zurückgeblieben  und  nicht  von  jenen 
verdickten  Theilen  des  Biastoderms  abgelöst.  Sollte  solches  der  Fall 
sein,  so  spricht  dies  trotzdem  noch  nicht  gegen  die  hier  vertretene  Auf- 
fassung; wir  haben  es  dann  nur  mit  einzelnen  Zellen  zu  thun,  welche 
bei  der  Blastodermbildung  keine  Verwendung  fanden  und  im  Dotter 
zurückblieben.  Vielleicht  kommt  diesen  Zellen  als  Vitellophagen 
die  Function  der  Nutzbarmachung  des  Dotters  zu.  Wir  müssten  dann  an- 
nehmen, dass  sie  beim  späteren  Aufbau  des  Entoderms  nicht  mit  ver- 
wendet werden,  sondern  wahrscheinlicher  Weise  bei  dem  allmählichen 
Schwinden  des  Dotters  zu  Grunde  gehen,  wie  dies  wohl  auch  bei  den 
entsprechenden  (Dotter-)Zellen  der  Inseeten  der  Fall  ist. 

2.   Die  Ausbildung  der  äusseren  Körperforni. 

Diejenigen  Spinnen,  welche  bisher  auf  die  Entwicklung  ihrer  äusseren 
Körpergestalt  untersucht  wurden,  lassen  erkennen,  dass  diese  Vorgänge 
in  recht  übereinstimmender  Weise  verlaufen.  Es  ist  eine  ganze  Anzahl 
von  Spinnen,  Agalena,  Clubiona,  Epeira,  Theridium,  Lycosa, 
Pholcus,  welche  daraufhin  mehr  oder  weniger  vollständig  und  alle  zu 
wiederholten  Malen  studiert  wurden.  Trotzdem  und  obwohl  sich  eine 
ganze  Reihe  von  Forschern  mit  diesem  Gegenstand  beschäftigte  -  wir 
nennen  nur  Herold,  Claparede,  Salensky,  Balfour,  Schimkewitsch, 
Locy  und  Kishinouye  —  so  sind  doch  noch  einige  Punkte,  besonders  in 
den  frühen  Entwicklungsstadien,  dunkel  geblieben.  Dies  betrifft,  wie 
wir  gleich  von  vornherein  bemerken  wollen,  zumal  die  erste  Anlage  des 
Embryos  und  das  Auftreten  der  Segrnentirung. 

Zur  Zeit,  wenn  das  Blastoderm  schon  völlig  oder  doch  grösstenteils 
ausgebildet  ist,  tritt  (wahrscheinlich  an  der  späteren  Ventralseite)  die 
hügelförmige  Erhebung  auf,  der  Cumulus  primitivus,  dessen  Be- 
deutung schon  früher  erörtert  wurde  (pag.  572  u.  ff.).  Von  ihm  geht 
ein  Streifen  aus,  welcher  sich  durch  seine  weissliche  Färbung  von  dem 
übrigen  Ei  unterscheidet  und  von  einer  entsprechenden  Verdickung  des 
Biastoderms  herrührt  (Fig.  365  A,  Claparede,  Balfour).  Schon  Herold 
spricht  von  einem  kometenförmigen  Gebilde,  welches  in  frühen  Stadien 
an  der  Oberfläche  des  Spinneneies  auftritt,  und  man  möchte  annehmen, 
dass  ihm  jener  Streifen  zusammen  mit  dem  Cumulus  primitivus  zu  diesem 
Vergleich  Anlass  gegeben  habe  (Fig.  365).  Der  Streifen  verbreitert 
sich  nämlich  etwas  an  dem  vom  Primitivhügel  abgewandten  Ende,  und 
diese  Verbreiterung  nimmt  noch  mehr  zu,  wenn  die  Verdickung  des 
Biastoderms  von  dem  Streifen  aus  sich  nach  den  Seiten  hin  ausdehnt. 
Dieser  Vorgang  scheint  Herold  zu  einem  Vergleich  mit  dem  Schwanz 
eines  Kometen  geführt  zu  haben. 

Wenn  wir  von  einer  Ausbreitung  der  Blastodermverdickung  vom 
Streifen  aus  nach  den  Seiten  hin  sprachen,  so  ist  damit  gesagt,  dass  wil- 
den Streifen  selbst  wie  den  Primitivhügel  als  eine  Verdickung  des  Biasto- 
derms ansehen,  welche  durch  eine  stärkere  Vermehrung  der  Zellen  an 
dieser  Stelle  entstanden   ist.     Nach   der  von  Salensky  gegebenen  Dar- 


Arachnoiden.  577 

Stellung  soll  vor  dem  Cumulus  primitivus  eine  Einsenkung  auftreten, 
welche  sich  bald  wieder  schliesst  und  von  ihm  als  Blastoporus  ange- 
sehen wird.  Wir  sind  geneigt,  jener  Zellenverdickung  des  Blastoderms 
eine  ähnliche  Bedeutung  zuzuschreiben,  worauf  auch  schon  früher  bei 
Besprechung  der  Keimblätterbildung  hingewiesen  wurde.  Wir  nehmen 
somit  an,  dass  der  Primitivhügel  am  späteren  Hinterende  liegt  und  von 
hier  aus  jener  Streifen  nach  vorn  verläuft.  Seine  Lage  bezeichnet  dem- 
nach die  Ventralfläche.  Diese  giebt  sich  in  einem  etwas  späteren  Stadium 
zweifellos  als  solche  zu  erkennen,  indem  die  Zellverdickung  sich  weiter 
verbreitet  und  schliesslich  in  einem  Bezirk  ungefähr  von  der  Gestalt 
eines  gleichschenkligen  Dreiecks  auch  äusserlich  am  Ei  deutlich  zum 
Ausdruck  kommt  (Fig.  365  C).  Letzteres  scheint  in  der  Weise  aufzu- 
treten, dass  zuerst  die  an  seiner  Basis  gelegenen  Parthien  (Fig.  365 B) 
und  sodann  erst  allmählich  die  gegen  die  Spitze  zu  gelegenen  Theile 
hervortreten.  Die  Basis  des  Dreiecks  entspricht  der  Anlage  der  Scheitel- 
lappen, die  Spitze   dem  Hinterende   des  Embryos.    In  letzterer  Gegend 

JST.  &  C. 


c>r-  A. 

Fig.  365.  A — C  drei  frühe  Stadien  aus  der  Entwicklung  des  Spinnenembryos, 
um  die  ersten  Anlagen  desselben  zu  zeigen  (A  und  B  von  Agalena  labyrinthica 
nach  Balfour,  C  von  Theridium  nach  Morin). 

Alle  drei  Bilder  geben  Oberfläehenansichten  des  Eies. 

c.pr  Cumulus  primitivus,  h  hinten,   v  vorn. 

würde  nach  dieser  Darstellung  der  Cumulus  primitivus  zu  suchen  sein 
(Fig.  365  B),  und  jener  zuerst  aufgetretene  Streifen,  der  vom  Primitiv- 
hügel  ausgeht  (Fig.  365  Ä),  würde  danach  die  Längsaxe  des  Embryos 
bezeichnen.  Das  ganze  dreieckige  Gebilde  repräsentirt  somit  den  Keim- 
streifen oder  die  sog.  Bauchplatte. 

Es  muss  erwähnt  werden ,  dass  die  vorstehend  geschilderten  Vorgänge 
der  ersten  Anlage  des  Embryos  nicht  völlig  verbürgt  erscheinen ;  sie  wurden 
hier  so  dargestellt,  wie  sie  nach  den  Angaben  der  Autoren  (Claparede, 
Balfour,  Morin)  die  meiste  Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben. 

Die  Bildung  von  Embryonalhüllen,  wie  sie  für  die  Scorpione  beschrieben 
wurde  (pag.  539),  findet  bei  den  Spinnen  nicht  statt,  Die  von  Bruce  am 
Kopf  der  Spinnenembryonen  beschriebene  Amnionfalte  dürfte  wohl  auf  eine 
Verwechslung  mit  der  Einfaltung  zurückzuführen  sein,  welche  bei  der 
Bildung  des  Gehirns  stattfindet.  Ueber  die  Bildung  cuticularer  Larvenhäute 
bei  den  Spinnen  soll  weiter  unten  (pag.  587)  noch  gesprochen  werden. 

Ungefähr  zu  der  Zeit,  wenn  die  von  den  Autoren  als  Bauchplatte  be- 
zeichnete Anlage  des  Keimstreifens  zur  Ausbildung  kommt  (Fig.  365,  A — C), 


578 


XVII.  Capitel. 


soll  das  Ei  an  dieser  Seite  eine  Abplattung  erfahren,  doch  erscheint  in  wenig 
späteren  Stadien  die  Ventralfläche  des  Embryos  stark  gewölbt  (Fig.  366 
u.  367  A),  sei  es  nun,  dass  die  Abplattung  wieder  verstreicht  oder  überhaupt 
nicht  diese  Gegend  betroffen  hatte.  Bei  Pholcus  erscheint  eher  die  dorsale 
Parthie  abgeplattet  (Fig.  367  A  u.  B).  und  Clapakede  spricht  davon,  dass 
sich  auf  diese  Weise  das  Vorder-  und  Hinterende  einander  mehr  nähern. 

Die  Segmentirung  des  Keimstreifens  macht  sich  in  der  Weise  geltend, 
dass  einige  Querfurchen  auftreten,  welche  einen  umfangreichen  vorderen 
und   hinteren   Abschnitt,   sowie   mehrere  dazwischen  liegende   Segmente 

zur  Sonderimg  bringen  (Fig. 
366).  Diese  Abschnitte  erschei- 
nen zuerst  nur  sehr  undeutlich, 
und  es  konnte  nicht  sicher  fest- 
gestellt werden,  wrelchen  Teilen 
des  Körpers  sie  entsprechen.  In 

dem  jüngsten  segmentirten 
Stadium,  welches  sich  einiger- 
massen  sicher  erkennen  Hess, 
sind  ausser  dem  umfangreichen 
vorderen  und  hinteren  Abschnitt 
drei  Segmente  vorhanden  (Fig. 
366,  Salensky,  Balfour,  Locy, 
Lendl).  Es  scheint,  dass  die- 
selben den  ersten  drei  Brust- 
segmenten entsprechen. 

Nach  Locy's  Darstellung 
müsste  man  jedoch  annehmen, 
dass  die  drei  mittleren  Segmente 
dem  zweiten,  dritten  und  vierten 
Brustsegment  angehören.  Er  stellt 
den  Beginn  der  Segmentirung  so 
dar,  dass  sich  zuerst  das  vierte, 
darauf  das  dritte,  zweite,  erste 
Brustsegment,  sodann  das  Segment  der  Pedipalpen  und  Cheliceren  sondern. 
Es  würde  somit  die  Differenzirung  dieser  Segmente  von  hinten  nach  vorn 
erfolgen ,  was  dem  gewöhnlichen  Verhalten  der  segmentirten  Formen  wider- 
spricht. Im  Ganzen  hat  diese  Auffassung  einige  Aehnlichkeit  mit  der  von 
Metschnikopp  für  die  Scorpione  vertretenen,  wonach  sich  deren  Embryonen 
zunächst  in  drei  Abschnitte  gliedern  sollen.  Der  vorderste  derselben  ent- 
spräche dem  Kopfabschnitt,  der  hintere  dem  Telson  mit  den  noch  nicht 
differenzirten  Segmenten  des  Postabdomens,  und  aus  der  mittleren  Parthie 
gingen  die  übrigen  Segmente  des  Körpers  hervor  (pag.  541). 

Wir  können  bezüglich  dieser  und  der  sogleich  folgenden ,  auf  die 
Reihenfolge  in  der  Segmentbildung  bezüglichen  Ausführungen  die  Bemerkung 
nicht  unterdrücken ,  dass  sich  wohl  bei  weiterer  Untersuchung  dieser  und 
jener  Irrthum  der  verschiedenen  Autoren  herausstellen  wird.  Die  Orienti- 
rung  an  Spinnenembryonen  dieser  Stadien  ist,  wie  wir  aus  eigener  Erfahrung 
bestätigen  können ,  eine  recht  schwierige.  Dies  zeigt  schon  ein  Blick  auf 
die  Abbildungen  Fig.  365—367.  Bezüglich  der  Fig.  366  (nach  Salensky) 
dürfte  nicht  feststehen,  ob  die  von  ihm  gewählte  und  hier  acceptirte 
Orientirung  die  richtige  ist.  Ebensowenig  ist  die  Bedeutung  der  drei  mitt- 
leren und  des  vierten  sich  ausbildenden  Segmentes  sicher. 


Fig.  366.  Ei  mit  dem  im  Stadium  der 
beginnenden  Segmentirung  befindlichen  Embryo 
von  Clubiona  ineompta  (nach  Salensky). 

kl  Kopflappen,  sl  Schwanzlappen,  da- 
zwischen einige  in  der  Anlage  begriffene 
Körpersegmente.  Die  ausser  dem  Bereich  des 
Keimstreifens  befindlichen  grösseren  Zellen 
sollen  Blastodermzellen  darstellen,  die  hier 
weniger  dicht  gelagert  sind  (Salensky). 


Arachnoiden. 


579 


Die  Segmente  der  Pedipalpen  und  Cheliceren  sollen  nach  den  ziem- 
lich übereinstimmenden  Angaben  der  Autoren  erst  später  als  die  vier 
Brustsegmente  zur  Anlage  kommen.  Wie  der  hintere  Abschnitt  des  erst 
aus  fünf  Abtheilungen  bestehenden  Embryos  eine  Summe  von  Segmenten 
in  sich  fasst,  so  würde  auch  der  vordere  Abschnitt  ausser  dem  Kopftheil 
noch  die  Segmente  der  Cheliceren  und  Pedipalpen  enthalten.  Eine  durch- 
gehende Sonderung  der  Körpersegmente  von  vorn  nach  hinten  findet 
demnach  nicht  statt.  Auf  dem  Stadium,  in  welchem  ausser  dem  Kopf- 
und  Schwanztheil  eine  Anzahl  von  Segmenten  vorhanden  ist  (Fig.  367 
A  und  B),   erscheinen  die   vier  hinteren   immer  weit  besser   ausgebildet 


Fig.  367.  A—C  verschiedene  Stadien  der  segmentirten ,  aber  noch  nicht  mit 
Extremitäten  versehenen  Embiyonen,  A  und  B  von  Pholcus  opilionides,  C  von 
einer  Clubiona  (nach  Claparkde). 

A  und  B  von  der  Seite,  C  von  der  Bauchfläche  gesehen. 

eh  Chelicerensegment,  c.pr  Cumulus  primitivus  (?),  eh  Eihaut,  h  hinten,  kl  Kopf- 
lappen, ped  Pedipalpensegment,  I—JV  Thoraxsegmente,  1  erstes  Abdominalsegment, 
sl  Schwanzlappen,  v  vorn. 

und  deutlicher  abgesetzt,  als  die  beiden  vorderen.  Balfour,  Schimke- 
witsch  und  Locy  geben  Abbildungen  dieses  Stadiums  von  Agalena, 
auf  welchen  das  Chelicerensegment  noch  mit  dem  Kopftheil  vereinigt 
oder  eben  erst  in  der  Abtrennung  begriffen  ist.  In  welcher  Reihenfolge 
die  Differenzirang  der  Brustsegmente  vor  sich  geht,  ist  aus  diesen  Dar- 
stellungen leider  nicht  zu  erkennen;  nur  von  dem  hintersten  (dem  vierten) 
scheint  es,  als  ob  es  nach  den  anderen  entstände.  Die  Abdominalseg- 
mente trennen  sich  in  der  gewöhnlichen  Reihenfolge  von  vorn  nach  hinten 
vom  Schwanztheil  ab. 

Mit  beginnender  Gliederung  des  Keimstreifens  dehnt  sich  derselbe 
weiter  über  das  Ei  aus;  nicht  nur,  dass  sein  Vorder-  und  Hinterende 
mehr  gegen  die  Dorsalseite  hin  auswachsen,  auch  nach   beiden  Seiten 


580  XVII.  Capitel. 

verbreitet  sich  der  Keimstreifen  und  kann  so  bei  einigen  Formen,  z.  B. 
bei  Pholcus,  den  grössten  Theil  der  Oberfläche  des  Eies  einnehmen 
(Fig.  367  A).  Von  der  Ventralfläche  gesehen,  erscheint  der  Keim  jetzt 
in  Querbänder  zerlegt,  welche  über  diese  ganze  Fläche  des  Eies  hin- 
wegziehen (Fig.  367  C).  Die  Segmente  erscheinen  ziemlich  schmal  und 
wie  durch  breite  Qnerfurchen  getrennt.  Wir  möchten  das  Bild  etwa 
mit  einer  zusammengerollten  Assel  vergleichen,  die  man  vom  Rücken 
betrachtet.  Dieser  Zustand  erhält  sich  aber  nicht  lange,  sondern  es  tritt 
von  den  Seiten  her  eine  Contraction  der  Embryonalanlage  ein,  vermöge 
deren  sich  der  Keimstreifen  wieder  an  die  Ventralfläche  zurückzieht 
(Fig.  367  B )  und  nunmehr  hier  in  Form  eines  segmentirten  Bandes  ge- 
legen ist.  Das  Kopf-  und  Schwanzende  behalten  dabei  ihre  Lage  bei, 
so  dass  beide  einander  stark  genähert  erscheinen  und  der  Keimstreifen 
eine  starke  Krümmung  nach  der  Dorsalseite  aufweist  (Fig.  367  5).  Bei 
denjenigen  Formen,  bei  welchen  der  Keimstreifen  in  frühen  Stadien  keine 
so  starke  Verbreitung  über  das  Ei  besitzt,  wie  z.  B.  bei  Agalena, 
rücken  erst  jetzt  Kopf-  und  Schwanzende  weiter  gegen  die  Dorsalfläche 
vor  und  nähern  sich  einander. 

Der  Keimstreifen  erfährt  eine  Veränderung  seiner  Gestalt  dadurch, 
dass  der  Kopftheil  sich  verbreitert  und  eine  bilaterale,  zweilappige  Form 
annimmt,  sowie  weiterhin  dadurch,  dass  von  dem  ebenfalls  verbreiterten 
Schwanztheil  sich  die  Abdominalsegmente  abgliedern.  Die  Zahl  derselben 
kann  bis  zu  zwölf  ausser  dem  Telson  fortschreiten,  wie  dies  nach  Schimke- 
witsch  bei  Pholcus  der  Fall  ist.  Der  Hinterleib  der  Spinnen 
zeigt  somit  bei  den  Embryonen  eine  reiche  Gliederung, 
welche  zu  dem  Verhalten  der  ausgebildeten  Thiere  in  strictem  Gegen- 
satz steht.  Die  vollständige  Gliederung  des  Hinterleibes  tritt  erst  in 
späteren  Stadien  ein;  zuvor  machen  sich  noch  andere  wichtige  Ver- 
änderungen am  Keimstreifen  bemerkbar.  Von  ihnen  ist  zunächst  das 
Auftreten  einer  Längsfurche  in  der  ventralen  Mittellinie  hervorzuheben 
(Fig.  370  A),  welche  dadurch  veranlasst  wird,  dass  das  an  der  Ventral- 
fläche gelegene  Mesoderm  sich  in  zwei  Bänder  theilt,  die  von  der  Mittel- 
linie weg  in  mehr  seitliche  Lage  rücken.  Durch  diesen  Vorgang  wird 
der  Keimstreifen  in  zwei  symmetrische  Hälften  getheilt  (Fig.  370  A  und 
B  und  Fig.  368),  welche  soweit  von  einander  getrennt  werden  können, 
dass  der  Dotter  sich  zwischen  ihnen  vorwölbt,  so  z.  B.  bei  Agalena 
nach  Balfour  (Fig.  371  pag.  584).  Vorn  an  den  Scheitellappen,  sowie 
am  Schwanzende  stehen  jedoch  beide  Hälften  des  Keimstreifens  im  Zu- 
sammenhang (Fig.  370  A  und  B  und  Fig.  368). 

Noch  lange  bevor  die  Trennung  des  Keimstreifens  so  weit  vorge- 
schritten war,  traten  die  Anlagen  der  Gliedmaassen  auf,  und  zwar  zuerst 
diejenigen  der  vier  Gangbeinpaare,  welche  in  einiger  Entfernung  von  der 
Medianrinne  als  leichte  Erhebungen  angelegt  wurden  (Fig.  370  A,  3 — 6). 
Ihnen  folgt  als  eine  entsprechende  Bildung  die  Anlage  der  Pedipalpen 
(Fig.  370  .4,  2)  und  etwas  später  diejenige  der  Cheliceren  (1).  Des- 
gleichen entstehen  an  den  vier  ersten  Abdominalsegmenten  entsprechende 
Anlagen  von  Extremitäten  (Fig.  370  A,  a  und  Fig.  369),  so  dass  also  d  a  s 
Abdomen  des  Embryos  nicht  nur  eine  ungleich  reichere 
Gliederung  zeigt  als  dasjenige  des  ausgebildeten  Thieres, 
sondern  auch  an  einer  Anzahl  seiner  Segmente  Extremi- 
täten anlagen  besitzt.  Wir  finden  in  dieser  Beziehung  eine  grosse 
Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  der  Scorpione,  welche  ebenfalls  an 
den  vorderen  Abdominalsegmenten  Extremitäten  aufweisen  (pag.  542).  Eine 


Arachnoiden. 


581 


weitere  Uebereinstimmung  der  Spinnen  mit  den  Scorpionen  tritt  auch 
darin  hervor,  dass  der  hintere  Theil  des  Abdomens  sich  nach  vorn  um- 
schlagen kann,  wie  es  das  Postabdomen  der  Scorpione  beim  Embryo 
thut.  So  verhält  sich  z.  B.  Pholcus  (Fig.  368).  wie  schon  Claparede 
zeigte  und  nach  ihm  Emerton,  Schimkewitsch  und  Morin  bestätigten. 
Ziemlich  allgemein  findet  man  angegeben,  dass  die  ersten  vier  Ab- 
dominalsegmente die  provisorischen  Anhänge  tragen  (Balfour,  Locy  etc.). 
Auch  aus  der  mit  Hilfe  der  neueren  Methoden  ausgeführten  Arbeit  von 
Morin  lässt  sich  nichts  Anderes  erkennen,  obwohl  schon  Salensky  von 
einem  ersten  anhanglosen  Segment  gesprochen  hatte  und  Schimkewitsch 
sich  dieser  Auffassung  anschloss.  Aehnliches  wie  aus  den  Angaben  der 
beiden  letzteren  Autoren  ist  auch  aus  den  Notizen  und  Abbildungen  von 


<i_. 


A#<*. 


Fig.  368.  Embryo  von  Pholcus 
opilionides,  in  der  Ebene  liegend  ge- 
dacht (nach  Clapaekde). 

ch  Cheliceren,  d  Dotter,  kl  Kopf- 
lappen, ped  Pedipalpen,  py— j»4  erstes  bis 
viertes  Beinpaar,  1 — 3  die  ersten  Abdo- 
minalsegmente, pab  der  hintere  nach  vorn 
umgeschlagene  Theil  des  Abdomens. 


Fig.  369.  Embryo  einer  nicht  näher 
bestimmten  Spinne,  um  die  dorsale  Krüm- 
mung des  Keimstreifens  und  die  Anlage  der 
Abdominalextremitäten  zu  zeigen  (Original). 

ch  Cheliceren,  d  Dotter,  kl  Kopflappen, 
ped  Pedipalpen,  p1— pA  Gangbeine,  .7 — 7  Ab- 
dominalsegmente, an  denen  bei  den  fünf 
ersten  die  provisorischen  Extremitäten  sicht- 
bar sind,  nl  Sehwanzlappen. 


Bruce  zu  entnehmen,  welche  nach 
dem  Tode  dieses  Forschers  veröffent- 
licht wurden  (No.  54).  An  Embryo- 
nen  einer  nicht  näher  bestimmten 
Spinne  vermochten  wir  uns  leicht  von  dem  Vorhandensein  eines  ersten 
Abdominalsegmentes  zu  überzeugen  (Fig.  369  1).  Dasselbe  ist  ganz  eben- 
so deutlich  ausgeprägt  wie  die  folgenden  Segmente  und  zeigt  die  An- 
deutung einer  Abdominalextremität1).  Uebrigens  besitzt  auch  die  mehr- 
fach untersuchte  Agalena  das  betreffende  Segment  und  der  Embryo 
zeigt  in  einem  Stadium ,  welches  ungefähr  der  Fig.  369  entspricht ,  an 
demselben   die  Andeutung  eines  Extremitätenrudimentes.     Allerdings  ist 


x)  Auch  aus  den  Angaben  zweier  neuerer  Untersucher  der  Spinnenentwicklung, 
Jaworowski  (No.  5)  und  Kishinouye  (No.  62)  geht  hervor,  dass  vor  demjenigen  Seg- 
ment, welches  die  erste  grössere  Abdominalextremität  trägt  und  welches  gewöhnlich 
für  das  erste  gehalten  wurde,  noch  ein  Segment  gelegen  ist.  Einen  Anhang  fanden 
die  genannten  Autoren  an  diesem  Segment  aber  nicht  auf.  Dass  ein  solcher  vorhanden 
sein  kann,  wurde  oben  beschrieben  und  abgebildet. 

Korscheit- Heider  ,   Lehrbuch.  38 


582 


XVII.  Capitel. 


das  letztere  bei  Agalena  nur  sehr  schwach  (weniger  als  in  Fig.  369) 
entwickelt  und  schwindet  schon  sehr  bald  wieder.  Aehnlich  verhalten 
sich  auch  andere  Spinnen  in  Bezug  auf  das  Vorhandensein  des  betreffen- 
den ersten  Abdominalsegmentes  (Korschelt). 

Auf  den  ersten  Abdominalanhang  folgen  vier  weitere  Anhänge,  welche  den 
bisher  bekannten  entsprechen  {2 — 5).  Endlich  glaubten  wir  bei  der  abge- 
bildeten Form  noch  einen  weit  schwächer  ausgeprägten  Anhang  am  sechsten 
Segment  zu  erkennen.  Wir  würden  darauf  kein  Gewicht  legen,  da  der 
sechste  Anhang  nicht  deutlich  genug  hervortrat,  wenn  nicht  aus  Abbildungen 
Claparede's  und  Emerton's  zu  erkennen  wäre,  dass  bei  anderen  Spinnen 
(Club io na  und  Pholcus)  das  sechste  provisorische  Extremitätenpaar 
ganz  klar  ausgeprägt  ist.  Dieses  Auftreten  von  sechs  Paar  Abdominalextre- 
mitäten ist  deshalb  von  Wichtigkeit,  weil  dadurch  die  Spinnen  in  grössere 
Uebereinstimmung  mit  den  Scorpionen  gebracht  werden.  Dies  geht  zumal 
aus  dem  weiteren  Schicksal  der  provisorischen  Anhänge  hervor  (vgl.  pag.  587 ). 


Fig.  370.  A — C  verschiedene  Stadien  des  Embryos  von  Agalena  labyrinthica 
(nach  Balfoür,  aus  Lang's  Lehrbuch).  A  und  B  in  der  Ebene  liegend  gedacht.  Zwischen 
6  und  a  muss  man  das  erste  Abdominalseffment  von  ziemlicher  Breite  ergänzen. 

a  Abdominalanhänge,  aw  Spinnwarzen,  kl  Kopflappen  (in  B  mit  der  halbmond- 
förmigen Einsenkung;  zwischen  beiden  Hälften  des  Kopflappens  der  Mund,  umgeben 
von  Ober-  und  Unterlippe),  st  Stomodaeum,   1  Cheliceren,  2  Pedipalpen,  3  —  6  Beinpaare. 


Das  erste  Abdominalsegment  scheint  bei  manchen  Arten  schon  früh- 
zeitig eine  Rückbildung  zu  erfahren.  Balfouk's  Abbildungen  von  Agalena 
lassen  nichts  davon  erkennen  (Fig.  370  A  und  B) ,  ebenso  einige  Figuren 
von  Locy,  welcher  eine  andere  Art  derselben  Gattung  untersuchte.  Aus 
anderen  Figuren  des  letzteren  Autors  ist  allerdings  bereits  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit das  Vorhandensein  dieses  Segmentes  bei  derselben  Art  zu  entnehmen 
(Fig.  372  A).  Von  anderen  Autoren  wird  ebenfalls  das  erste  beintragende, 
also  das  zweite  Abdominalsegment  für  das  erste  angesehen ,  doch  ist  es  in 
Wirklichkeit  das  zweite,  und  wir  werden  dementsprechend  die  Segmente  zählen. 

Die  zunächst  an  dem  Embryo  sich  vollziehenden  Veränderungen 
lassen  sich  am  besten  an  dem  in  der  Ebene  ausgebreiteten  Keimstreifen 
(Fig.  370  A  u.  B)  einer  Agalena  erkennen.  Die  auffälligsten  derselben 
bestehen  im  Auftreten  der  Gliederung  an  den  Extremitäten  des  Cephalo- 


Arachnoiden.  583 

thorax.  Vom  Basalglied  der  Pedipalpen  spaltet  sich  durch  eine  Längs- 
furche nach  vorn  ein  Theil  ab,  welcher  die  Kaulade  liefert,  während  der 
übrig  bleibende,  weit  längere  und  gegliederte  Abschnitt  den  eigentlichen 
Palpus  darstellt  (Schimkewitsch).  Nur  die  Cheliceren  lassen  vorläufig 
noch  wenig  von  einer  Veränderung  erkennen,  doch  folgen  auch  sie  bald 
in  der  Gliederung  nach.  Dagegen  ist  vor  ihnen  eine  Neubildung  aufge- 
treten, nämlich  das  Stomodaeum  (st).  Zwischen  den  Kopflappen  und  mehr 
am  hinteren  Rande  derselben  macht  sich  eine  Vertiefung  bemerkbar, 
welche  anfangs  eine  Grube,  später  ein  sackförmiges,  nach  aussen  offenes 
Gebilde  (Fig.  375  m  u.  vd  pag.  590),  die  Anlage  des  Vorderdarms  darstellt. 
In  der  Umgebung  des  Mundes  treten  nach  Schimkewitsch  zwei  paarige 
Bildungen  auf:  zwei  kleine  Höcker,  welche  vorn  neben  den  Mundöffnungen 
liegen  und  wohl  den  Antennen  Croneberg's  entsprechen  (pag.  636),  ver- 
einigen sich  dicht  vor  dem  Mund  zur  Bildung  der  unpaaren  Oberlippe  oder 
des  Rostrums.  Zwei  ganz  ähnliche  Höcker  sollen  auch  hinten  an  der  Mund- 
öffnung liegen  und,  indem  sie  ebenfalls  mit  einander  verschmelzen,  eine 
Art  von  Unterlippe  liefern.  Beide  Gebilde,  die  stärkere  Oberlippe  und  die 
schwächere  Unterlippe,  von  denen  jene  einen  vorderen,  diese  einen  hinteren 
Halbkreis  bildet,  umschliessen  zusammen  die  Mundöffnung  (Fig.  370). 

Eine  halbmondförmige  Furche,  welche  an  den  Scheitellappen  auftritt 
(Fig.  370  B)  und  wie  bei  den  Scorpionen  mit  der  Bildung  des  Gehirns 
und  der  Augen  im  Zusammenhang  steht,  vollendet  die  charakteristische 
Gestaltung  dieses  Stadiums. 

Bisher  zeigte  der  Embryo  eine  starke  dorsale  Krümmung,  vermöge 
deren  sich  sein  Kopf-  und  Schwanzende  beinahe  berührten  (Fig.  369). 
An  der  Rückenfläche  ist  demnach  auf  diesem  Stadium  nur  eine  kleine 
Parthie  des  Dotters  vom  Keimstreifen  unbedeckt.  Dies  ändert  sich  aber 
in  den  nun  folgenden  Entwicklungsstadien,  welche  dadurch  charakterisirt 
sind ,  dass  der  Embryo  aus  der  dorsalen  allmählich  in  eine  ventrale 
Krümmung  übergeht.    Wir  bezeichnen  diesen  Process  als  Umrollung. 

Die  Umrollung  des  Embryos  beruht  hauptsächlich  darauf,  dass  sich 
der  Keimstreif  verkürzt  und  die  bisher  gänzlich  zurückgebliebene  Rücken- 
fläche nunmehr  zur  Ausbildung  gelangt  (Balfour).  Dadurch  wird  der 
bisher  so  weit  dorsal  und  nach  vorn  gelagerte  Schwanzabschnitt  zurück- 
gedrängt (Fig.  372  A),  und  es  würde  dieser  Vorgang  bei  weiterem  Fort- 
schreiten ohne  Weiteres  zu  einer  ventralen  Einkrümmung  des  gesammten 
Embryos  führen,  wenn  nicht  der  voluminöse  Nahrungsdotter  vorhanden 
wäre.  Durch  diesen  ist  offenbar  der  auffallende  Modus  des  Umrollungs- 
processes  bedingt,  der  zunächst  mit  einem  stärkeren  Auseinanderweichen 
der  beiden  Hälften  des  Keimstreifens  beginnt. 

Es  wurde  schon  früher  darauf  hingewiesen,  dass  in  der  ventralen 
Mittellinie  des  Keimstreifens  eine  Furche  auftritt  (Fig.  370  Ä),  welche 
sich  allmählich  mehr  verbreitert  (Fig.  368  u.  370  B).  Diese  Verbreite- 
rung wird  eine  noch  stärkere  beim  Beginn  des  Umrollungsprocesses, 
woraus  folgt,  dass  die  mittleren  Parthien  der  beiden  Keimstreif hälften 
mehr  gegen  die  Dorsalseite  rücken,  der  Dotter  aber  zwischen  ihnen  an 
der  Ventralseite  vorgedrängt  wird  und  auf  diese  Weise  eine  Art  von 
ventralem  Dottersack  bildet  (Barrois,  Balfour).  Dieser  Dottersack 
kann  noch  bedeutend  umfangreicher  werden,  als  man  dies  aus  der 
Fig.  373  A  von  Agalena  erkennt,  bei  welcher  Form  die  vorher  über 
einander  gekreuzten  Extremitäten  der  beiden  Seiten  jetzt  beiderseits  am 
Dottersack  gelagert  ziemlich  weit  von  einander  abstehen  (Fig.  371  und 
373  Ä).   Bei  Epeira  umklammern  die  Extremitäten  den  Dottersack  in  ähn- 

38* 


584 


XVII.  Capitel. 


lieher  Weise  und  der  ganze  Embryo  dieser  Form,  welcher  an  der  Dorsal- 
fläche bereits  früher  ausgebildet  zu  werden  scheint,  krümmt  sich  um  den 
an  seiner  Ventralseite  gelegenen  mächtigen  Dottersack  herum  (Barrois). 
Indem  bei  der  allmählichen  dorsalen  Verlagerung  der  beiden  Hälften 
des  Keimstreifens  auch  das  Zurückweichen  des  Hinterendes  von  der 
Dorsalfläche  weitere  Fortschritte  macht,  so  ergiebt  sich  daraus  von  selbst,' 
dass  die  vorherige  dorsale  Krümmung  des  Embryos  all- 
mählich in  eine  ventrale  übergehen  muss  (Fig.  372  u.  373). 
Jedenfalls  findet  dabei  eine  Verkürzung  des  Keimstreifens  statt  (Locy). 
Die  Vergrösserung  des  vom  Keimstreifen  unbedeckten  Theiles  der  Rücken- 
fläche  erstreckt  sich  hierbei  in  der  Richtung  der  Längsaxe,  denn  ein  Ver- 
gleich der  Figuren  369  u.  372  ergiebt,  dass  diese  Fläche  durch  das  seit- 
liche Vorrücken  der  beiden  Keimstreifenhälften  nach  der  Dorsalseite  in 
der  Querrichtung  an  Ausdehnung  verloren  hat. 

Das  Ende  des  Umroll imgsprocesses  ist  dann  erreicht,  wenn  das  Ab- 
domen nach  vorn  umgeschlagen  ist  (Fig.  370  C),  also  die  entgegengesetzte 
Krümmung  von  derjenigen  zeigt,  die  es  vorher  besass.     Bei  Agalena, 

auf  welche  Form  sich 
diese  Darstellung  haupt- 
sächlich bezieht,  ist  mit 
dem  Umrollungsprocess 
gleichzeitig  eine  starke 
Reduction  der  hinteren 
Abdominalsegmente  ver- 
bunden (Fig.  373).  Die- 
selben heben  sich 
übrigens  bei  Beginn  des 
Umrollungsprocesses  et- 
was vom  Dotter  ab,  so 
dass  der  Schwanz  des 
Embryos  einen  dem 
Dotter  lose  aufliegenden 

Zipfel  bildet  (Locy). 
Diese  Einrichtung  mag 
wohl  die  Umrollung  des 
hintersten  Körperab- 
schnittes erleichtern,  und 
durch  sie  wird  ein  sol- 
ches Verhalten,  wie  es 
Epeira   zeigt,    leichter 


me.s 


Fig. 

Embryos 
der  Fig. 
Der 


371. 


Querschnitt  durch  die  Brustregion  eines 
von   Agalena   labyrinthica   im   Stadium 
373  A  (nach  Balfour). 

Schnitt  ist  durch  die  stärkste  Vorragung  des 
ventralen  Dottersacks  geführt,  ao  Aorta,  mes  Mesoderm 
(Ursegment),  welches  beiderseits  bis  an  die  dorsale  Mittel- 
linie vordringt,  vn  Bauchmark,  yk  Dotter  mit  Dotter- 
zellen. 


verständlich.  Bei  dieser 
Form  scheint  das  Post- 
abdomen erst  später  zur 
Rückbildung  zugelangen. 
Barrois  (No.  48)  beschreibt  ein  Entwicklungsstadium  dieser  Spinne,  in 
welchem  der  ventral  gekrümmte  und  dem  Dottersack  aufliegende  Embryo 
ausser  den  vier  beintragenden  Abdominalsegmenten  noch  mindestens  sechs 
(vielleicht  auch  acht)  weitere  Segmente  aufweist.  Die  frühe  Ausbildung  der 
Rückenseite  des  Abdomens,  welche  hier  stattgefunden  hat,  ist  durch  jene 
Abhebung  vom  Dotter  leichter  verständlich.  Uebrigens  tritt  bei  diesem 
Verhalten  von  Epeira  die  Verlagerung  des  Dotters  von  der  dorsalen 
nach  der  ventralen  Seite  in  besonders  auffälliger  Weise  hervor.  Der  Embryo 
selbst  mit  seinem  langen  Altdomen,  dessen  vorderen  Segmente  breit,  dessen 


Arachnoiden. 


585 


hinteren  Segmente  schmal  sind,  zeigt  einen  scorpionähnlichen  Habitus,  falls 
wir  uns  auf  die  von  Barrois  gegebene  Darstellung  verlassen  dürfen. 

Barrois  bildet  das  besprochene  Entwicklungsstadium  sowohl  in  dorsaler 
Ansicht ,  wie  auch  im  Profil  so  deutlich  ab ,  dass  man  an  und  für  sich  an 
der  von  ihm  gegebenen  Darstellung  nicht  zweifeln  sollte ,  würde  nicht  von 
anderer  Seite  in  Abrede  gestellt,  dass  die  von  Barrois  beschriebene  dorsale 
Segmentirung  wirklich  vorhanden  wäre  (Schimkewitsch  No.   12  b  u.  72). 

Die  reiche  Gliederung  des  Abdomens,  welche  sich  bis  auf  zehn,  viel- 
leicht sogar  bis  auf  zwölf  Segmente  erstreckt  und  somit  dem  Embryo 
vor  (oder  vielleicht  auch  kurz  nach  der  Umrollung,  wie  bei  Epeira) 
einen  von  dem  Habitus  des  Spinnenkörpers  ganz  abweichenden  Charakter 
verleiht,  geht  dadurch  verloren,  dass  die  vorderen  Abdominalsegmente, 
besonders  diejenigen,  welche  die  Extremitätenrudimente  tragen,  eine 
starke  Ausbildung  gewinnen,  die  anderen  dagegen  zurücktreten.  Das  lässt 
sich  bei  Agalena  schon  auf  einem  frühen  Stadium  während  der  Umrol- 


J2. 


s/: 


*■  m 


Vt#a?. 


Fig.  372.  A  und  B  ältere  Embryonen  von  Agalena  naevia,  von  denen  der 
erste  sich  im  Stadium  der  Umrollung-  befindet,  der  andere  am  Ende  derselben  und  kurz 
vor  dem  Ausschlüpfen  steht  (nach  Locv). 

Der  Embryo  in  A  ist  etwas  schräg"  von  hinten  gesehen. 

ab1 — aba  die  ersten  Abdominalsegmente,  wovon  vier  die  provisorischen  Extremi- 
täten tragen,  d  Dotter,  ch  Cheliceren,  ped  Pedipalpen,  p  die  vier  Gangbeine  der  l-echten 
Seite,  kl  Kopflappen,  sl  Schwanzlappen,  sp  Spinnwarzen  (provisorische  Abdominalanhänge). 


hing  beobachten,  und  zwar  sollen  nach  Locy's  Darstellung  die  vorderen 
Abdominalsegmente  besonders  rasch  gegen  die  Dorsalfläche  vorwachsen. 
Die  Fig.  372  A,  welche  dieses  Verhalten  illustrirt,  zeigt  den  Embryo 
nicht  ganz  von  der  Seite,  sondern  etwas  von  hinten  gesehen,  so  dass  die 
vorderen  Abdominalsegmente  beider  Seiten  im  Vorwachsen  gegen  den 
Rücken  zu  erkennen  sind.  Dazwischen  legt  sich  der  dorsal  gekrümmte 
Schwanzabschnitt  (sl)  und  auf  der  Bauchseite  tritt  in  dieser  Gegend  schon 
der  Dottersack  vor  (d).  An  den  Abdominalsegmenten,  welche  die  grösseren 
Extremitätenrudimente  tragen,  sind  diese  noch  deutlich  zu  erkennen  (ab2 
bis  ab5).  Aus  dieser  Figur  geht  übrigens  recht  deutlich  das  schon  früher 
betonte  Vorhandensein  eines  vor  dem  ersten  deutlichen  provisorischen  An- 
hang gelegenen  Abdominalsegmentes  hervor  (ab]).  Dasselbe  nimmt  eben- 
falls an  dem  Wachsthum  nach  der  Dorsalseite  theil,  ebenso  wie  das  auf 
das  letzte  beintragende  Segment  folgende.  Aus  der  betreffenden  Figur, 
sowie  auch  besonders  aus  den  folgenden  von  Locr  gegebenen  scheint  uns 


586  XVII.  Capitel. 

ferner  zu  entnehmen,  dass  die  Segmentirung  der  Dorsalseite  in  diesem 
Theil  des  Körpers  eine  echte  Segmentirung  ist,  dass  also  auch  die  von 
Bakrois  beobachtete  Gliederung  der  Dorsalseite  des  Kreuzspinnenembryos 
entsprechend  aufzufassen  sein  würde.  Es  scheint  uns  nicht  ohne  Werth, 
dies  hervorzuheben,  da  gerade  der  Embryo  vonEpeira  noch  in  späteren 
Stadien  eine  so  charakteristische  Gestaltung  darbietet.  Die  äussere  Seg- 
mentirung ist  der  Ausdruck  der  gegen  den  Rücken  hin  sich  verbreitenden 
Ursegmente,  die  bei  den  Spinnen  in  ganz  ähnlicher  Weise  durch  Gliede- 
rung des  Mesodermstreifen  auftreten  wie  bei  den  Scorpionen  (vgl.  pag. 
555  u.  612). 

Die  weitere  Ausbildung  der  äusseren  Körpergestalt  ist  ausser  dem 
schon  besprochenen  Zurückweichen  des  Schwanzabschnittes  bedingt  durch 
die  Vereinigung  der  beiderseitigen  Segmenthälften  in  der  Mittellinie  des 
Rückens.    Während   dieses   Vorganges    zieht   sich   die  Hauptmasse   des 


Fig.    373.      A    und   B   zwei    ältere   Embryonen    von   Agalena   labyrinthica 
nach  Balfour). 

A  Embryo  von  der  Seite  gesehen,  mit  der  grossen,  ventralen  Dottervorragung. 
Der  Winkel,  den  die  beiden  Linien  bilden,  welche  man  durch  die  Ursprungsstellen 
der  bleibenden  und  der  provisorischen  Anhänge  legen  kann,  bezeichnet  den  Grad  der 
ventralen  Krümmung.  B  Embryo  kurz  vor  dem  Ausschlüpfen.  Das  Abdomen,  welches 
seine  bleibende  Form  noch  nicht  ganz  erlangt  hat,  ist  der  Bauchseite  des  Thorax 
angedrückt. 

ch  Cheliceren,  cl  Schwanzlappen,  pd  Pedipalpen,  pr.l  Scheitellappen,  pr.p  Pro- 
visorische Anhänge. 

Dotters  in  das  Abdomen  zurück,  und  so  kommt  es,  dass  Cephalothorax 
und  Abdomen  sich  nunmehr  von  einander  absetzen  (Fig.  372  B).  Die 
Rückenparthie  des  ersteren  ist  nur  wenig  umfangreich  und  lässt  keinerlei 
Segmentirung  erkennen. 

Der  Kopfabschnitt  hat  eine  ziemlich  starke  Veränderung  erlitten,  in- 
dem die  Scheitellappen  gegenüber  ihrem  früheren  Umfang  verhältniss- 
mässig  zurücktreten  (Fig.  372  u.  373).  Die  Cheliceren  geben  ihre  post- 
orale Lagerung  auf  und  rücken  vor  den  Mund  (Fig.  373  B).  Zwischen 
ihnen  hatte  sich  die  schon  früher  erwähnte  Oberlippe,  das  sog.  Rostrum, 
gebildet. 


Arachnoiden.  587 

Wie  am  Rücken  eine  Vereiniguno-  der  beiderseitigen  Segmenthälften 
erfolgte,  so  geschieht  dies  auch  an  der  Bauchfläche,  nachdem  die  durch 
Verdickung  des  inneren  Randes  der  Keimstreifhälften  entstandenen  Bauch  - 
nervenstränge  abgelöst  und  in's  Innere  einbezogen  wurden.  Wie  erwähnt 
sind  es  die  vorderen  Abdominalsegmente,  welche  durch  ihr  starkes 
Wachsthum  den  umfangreichen  kugligen  Hinterleib  der  Spinne  entstehen 
lassen.  Wir  möchten  sie  dem  Präabdomen  der  Scorpione  vergleichen. 
Die  dem  Postabdomen  der  letzteren  vergleichbaren  hinteren  Segmente 
werden  jedoch  entweder  gänzlich  oder  doch  grösstenteils  zurückgebildet. 
Der  langgestreckte  Hinterleib  des  Embryos  weicht  also  dem  gedrungenen 
Abdomen,  welches  wir  vom  ausgebildeten  Thier  kennen. 

Von  Wichtigkeit  ist  noch  das  bisher  unbeachtet  gelassene  Schicksal 
der  abdominalen  Anhänge.  Wie  die  Fig.  373  A  erkennen  lässt,  sind 
dieselben  in  ihrer  Anlage  den  thoracalen  Extremitäten  ganz  ähnlich; 
während  diese  aber  wachsen  und  sich  gliedern,  nehmen  sie  eher  an  Um- 
fang ab  und  erscheinen  knopfförmig.  Bei  der  Umrollung  und  auch  nach 
derselben  behalten  sie  die  gleiche  Gestalt  und  Lage  bei  (Fig.  372  und 
373  A).  Dann  aber  beginnt  mit  ihnen  eine  Veränderung.  An  der  Basis 
der  Extremitäten  des  zweiten  Segments  stülpt  sich  das  Ectoderm  zur 
Bildung  der  Lungen  sacke  ein.  Das  gleiche  Verhalten  lernten  wir 
bereits  bei  den  Scorpionen  kennen.  Wie  schon  erwähnt,  hielt  man  bis- 
her das  erste  beintragende  Segment  ziemlich  allgemein  auch  für  das 
erste  Abdominalsegment.  Mit  dem  sicheren  Nachweis  eines  vor  dem- 
selben gelegenen  Segmentes  wird  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  dem 
Verhalten  der  Scorpione  hergestellt.  Dieses  Segment,  welches 
ebenfalls  Andeutungen  von  Extremitätenanlagen  besitzt 
(Fig.  369 1),  entspricht  dem  Genitalsegment  der  Scorpione, 
und  in  seinen  Höckern  erkennt  man  deren  Genital-Oper- 
cula.  Dieselben  treten  auch  bei  den  Scorpionen  weniger  hervor  als  die 
folgenden  Anhänge.  Das  zweite  Segment  liefert  bei  den  Scorpionen  die 
Kämme.  Dies  sind  den  Scorpionen  specifisch  zukommende  Gebilde. 
Wenn  dasjenige  Segment,  welches  bei  den  Scorpionen  die  Kämme  trägt, 
bei  den  Spinnen  Lungen  zur  Ausbildung  bringt,  so  wird  dies  im  Hinblick 
auf  das  Verhalten  desLimulus  verständlich,  bei  welcher  Form  das  be- 
treffende Segment  Kiemen  trägt. 

Die  Abdominalanhänge  des  dritten  Segmentes  sollen  zu  Grande 
gehen,  während  sich  die  des  vierten  und  fünften  Segmentes  zu  Spinn- 
warzen  umwandeln  (Fig.  372  u.  373)  (Salensky,  Locy,  Morin).  Auf 
diesen  Warzen  entstehen  in  Form  von  Ectodermeinstülpungen  die  Spinn- 
drüsen (Fig.  388  spw ,  pag.  615).  Wenn  wir  es  in  den  Spinnwarzen 
mit  rudimentären  Extremitäten  zu  thun  haben,  so  werden  wir  die  Spinn- 
drüsen für  eine  Art  von  Cruraldrüsen  halten  müssen,  die  einen  ähnlichen 
phylogenetischen  Ursprung  haben  dürften,  wie  die  entsprechenden  Gebilde 
des  Peripatus,  der  Myriopoden  und  Insecten. 

Am  letzten  Abdominalsegment  entsteht  zur  Zeit  der  Umrollung  des 
Embryos,  wenn  das  Postabdomen  schon  in  Rückbildung  begriffen  ist,  als 
eine  Ectodermeinsenkung  der  After. 

Wenn  die  junge  Spinne  die  Eihüllen  verlässt,  ist  sie  in  vielen  Fällen 
fast  ganz  bewegungslos.  Sie  verharrt  längere  Zeit,  bei  manchen  Formen, 
mehrere  Tage  an  Ort  und  Stelle,  ohne  dass  man  merkliche  Bewegungen 
an  ihr  wahrnehmen  kann.  Sie  ist  von  einer  mehr  oder  weniger  fest  an- 
liegenden strueturlosen  Hülle,  der  zuerst  gebildeten  embryonalen  Cuticula 
umgeben,    unter    welcher   bereits    die    definitive,   mit  Haaren  versehene 


588  XVII.  Capitel. 

Körperbedeckung  vorhanden  ist.  Jene  gewissermassen  als  Larvenhaut  an- 
zusehende obere  Cuticularhülle  wird  nach  einiger  Zeit  durchbrochen. 
Noch  immer  ist  die  junge  Spinne  ziemlich  unbehülflich ;  sie  bewegt  zwar 
ihre  Gliedmaassen,  aber  eine  freie  Ortsbewegung  pflegt  erst  nach  einer 
abermaligen  Häutung  einzutreten.  Bei  Epeira  cornuta  ist  dagegen 
die  junge  Spinne  beim  Verlassen  des  Eies  schon  ziemlich  beweglich 
(Purcell). 

Es  ist  von  Interesse,  dass  die  obere  Cuticularhaut  mit  einer  Art  von 
Ei  zahn  versehen  sein  kann,  welcher  jedenfalls  zur  Sprengung  der  Ei- 
häute dient.  Nach  den  noch  nicht  publicirten  Untersuchungen  von 
F.  Purcell  findet  sich  bei  Tegenaria  domestica  an  der  Basis  der 
beiden  Pedipalpen  eine  verdickte  plattenförmige  Parthie  der  öfteren  Chitin- 
haut, welche  im  Gegensatz  zu  der  übrigen  Cuticularbedeckung  des  Em- 
bryos dunkel  pigmentirt,  fast  schwarz  erscheint.  Darauf  sitzt  ein  mit 
der  Spitze  nach  aussen  gerichteter  Stachel,  den  wir  oben  als  Eizahn  be- 
zeichneten. Ein  gleiches  Gebilde  von  entsprechender  Lagerung,  doch 
etwas  schwächerer  Ausbildung  besitzt  Attus  floricola,  und  auch  bei 
einem  Cysticus  war  dasselbe  nachzuweisen.  Aehnliches  mag  wohl  auch 
bei  anderen  Spinnen  vorkommen.  Purcell  beobachtete,  dass  an  der 
Stelle,  wo  der  Eizahn  liegt,  der  erste  Riss  im  Chorion  auftritt,  der  sich 
von  hier  aus  fortschreitend  vergrössert  und  bald  eine  kappenförmige 
Parthie  der  Eihäute  abtrennt.  Bewegungen  des  Embryos,  die  jedenfalls 
vorhanden  sind,  konnten  dabei  allerdings  nicht  bemerkt  werden.  Der 
Stachel,  welcher  durch  die  Sprengung  der  Eihäute  seine  Function  erfüllt 
hat,  wird  mit  der  Cuticularhülle  abgeworfen.  Wir  werden  einer  ganz 
ähnlichen  Einrichtung  bei  den  Myriopoden  begegnen,  bei  welchen 
ebenfalls  ein  der  cuticularen  Hülle  angehöriger  Eizahn  zur  Ausbildung 
kommt.     Aehnliches  zeigen  die  Phalangide n  (pag.  565). 


■- 


3.    Die  Bildung  der  Organe. 

A.    Das  Nervensystem. 

Die  Bauehganglienkette  wird  kurz  nach  Entstehung  der  Glied- 
maassen in  Form  von  Ectodermanschwellungen  am  Grunde  der  letzteren 
angelegt  (Fig.  374  Ä).  Schon  vor  der  Bildung  der  Extremitäten  war 
jederseits  neben  der  Mittellinie  ein  verdickter  Längsstreifen  des  Ecto- 
derms  aufgetreten;  beide  Streifen  wurden  durch  eine  dünne  mediane 
Ectodermparthie  getrennt.  Die  Bildung  derselben  beginnt  vorn  und  setzt 
sich  nach  hinten  fort.  Jedem  Segment  kommt  ein  Paar  solcher  Anschwel- 
lungen zu  (Balfour,  Locy),  dem  Cephalothorax  je  ein  Paar  für  die  Seg- 
mente der  Cheliceren  und  Pedipalpen,  sowie  für  die  vier  Beinpaare.  Im 
Abdomen  werden  bis  zu  zehn,  bei  Pholcus  (nach  Schimkewitsch)  zwölf 
Ganglienpaare  angelegt.  Die  hinter  einander  Heuenden  Ganglien  sind 
durch  weniger  stark  verdickte  Ectodermparthien  verbunden,  dagegen  ent- 
behren sie  jeglicher  queren  Verbindung,  indem  noch  immer  eine  dünne 
Ectodermschicht  zwischen  ihnen  liegt  (Fig.  374  A).  Dies  wird  sogar  in 
späteren  Stadien  noch  auffälliger,  wenn  die  beiden  Hälften  des  Keim- 
Streifens  auseinanderweichen  (Fig.  374  B,  n).  Die  beiden  Stränge  der 
Ganglienkette,  welche  sich  anfangs  nahe  an  der  Mittellinie  befanden, 
liegen  dann  am  weitesten  von  einander  entfernt,  wenn  der  Dotter  nach 
der  Bauchseite  hin  gedrängt  wird,  um   hier  den  sogenannten  Dottersack 


Arachnoiden. 


589 


zu  bilden  (Fig.  374  B  u.  371,  pag.  584).  Bevor  dies  geschieht,  hat 
sich  aber  auch  in  der  Längserstreckung  der  Ganglienkette  verschiedenes 
geändert;  auch  lösen  sich  die  Ganglien  allmählich  aus  der  Verbindung 
mit  dem  Ectoderm  und  werden  mehr  nach  innen  verlagert  (Fig.  390  B 
u.  C,  pag.  619). 

Wenn  der  Keimstreifen  noch  eine  dorsale  Krümmung  zeigt,  reicht 
auch  die  Ganglienkette  um  den  ganzen  Dotter  herum,  mit  der  Umrollung 
des  Keimstreifens  tritt  aber  eine  Verkürzung  derselben  ein,  und  zwar  be- 
steht diese  in  einer  von  hinten  nach  vorn  fortschreitenden  Concentration 
(Locy).  Während  die  Ganglienkette  des  Cephalothorax  an  Umfang  stark 
zunimmt,  verkürzt  sich  diejenige  des  Abdomens,  indem  sie  sich  von  hinten 
nach  vorn  zusammendrängt  (Fig.  375  A  u.  B).  Die  einzelnen  Ganglien 
haben  sich  schon  vorher  zur  Bildung  zweier  dicker  Stränge  aneinander  ge- 
schoben. Anfangs  hängt  der  mächtigen  im  Cephalothorax  gelagerten 
Ganglienmasse  noch  ein  Strang  von  Abdominalganglien  an  (Fig.  375  Ä), 
aber  auch  er  wird  mit  dem  fortschreitenden  Wachsthum  des  Embrvos  zu 


a. 


<lB. 


-h*. 


Fig.  374.  A  und  B  Querschnitte  durch  Embryonen  verschiedener  Altersstadien 
von  Theridium  raaculatum  (nach  Morin). 

bl  Blutzellen,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  ex  Extremitäten,  l  Lungeneinstülpung, 
n  Anlage  der  Ganglienkette,  us  Ursegmente. 

jener  gemeinsamen  Ganglienmasse  in  den  Cephalothorax  einbezogen,  denn 
so  muss  man  wohl  den  Vorgang  auffassen.  Anfangs  lassen  sich  äusser- 
lich  die  Ganglien  noch  deutlich  unterscheiden  (Fig.  375  Ä),  späterhin 
scheint  dies  weniger  leicht  der  Fall  zu  sein  (Locy,  Morin). 

Bei  der  durch  die  Reduction  des  Dottersackes  eintretenden  Annähe- 
rung der  beiden  Keimstreifhälften  an  einander,  fand  auch  wieder  eine  An- 
näherung der  beiderseitigen  Theile  der  Ganglienkette  statt,  und  es  erfolgt 
nunmehr  die  Bildung  der  Quercommissuren. 


Balpour  spricht  bei  der  Bildung  der  Quercommissuren  nur  von  einem 
Auftreten  zarter  verbindender  Fasern  an  der  dorsalen  Region  der  Ganglien- 
knoten und  stellt  ausdrücklich  die  Betheiligung  einer  medianen  Ectoderm- 
Einstülpung  bei  der  Bildung    der  Ganglienkette    in  Abrede.     Schimkewitsch 


590 


XVII.  Capitel. 


hingegen    tritt    mindestens    ebenso    bestimmt    für    das 
solchen  medianen  Stranges    ein,    der    als    flache  Rinne 
genäherten  Bauchnervenstämmen  erscheint  (Fig.  390  B 
Es    wurde    bereits   früher    (pag.    546)    darauf  hin 
bei    den    Scorpionen    von    der    ßetheiligung    eines 
Stranges  an   der  Bildung  der  Ganglienkette  gesprochen 
muss  wohl  annehmen,    dass  aus  diesem  dann  in  beiden 
missuren  hervorgehen. 


Vorhandensein    eines 

zwischen  den  beiden 

und  C,  m,  pag.  619). 

gewiesen ,    dass   auch 

unpaaren  medianen 
worden  ist,  und  man 

Fällen  die  Quercom- 


wu 


Fig.  375.  A  und  B  Längsschnitte  durch  Embryonen  von  The  rid  iura  macn- 
latum  in  verschieden  alten  Stadien  (nach  Morin). 

a  After,  bl  Blutzellen,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  g  Gehirn,  h  Herz,  l  Leberlappen, 
m  Mund,  md  Anlage  des  Mitteldarms,  mu  Muskeln,  n  Bauchganglien,  rb  Rectalblase, 
*  Andeutung  der  äusseren  Segraentirung,  sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms, 
vd  Vorderdarm. 


^lit  der  eintretenden  Concentration  der  Ganglienkette  macht  sich  die 
Bildung  der  Fasersubstanz  bemerkbar,  welche  am  dorsalen  Theil  der 
Ganglien  auftritt,  also  da,  wo  Balfour  die  Quercommissuren  erscheinen 
lässt  (Fig.  375  A  u.  B).    Wenn  die  Concentration  schon  eine  sehr  starke 


Arachnoiden.  591 

geworden  ist,  lassen  sich  die  einzelnen  Ganglienpaare  noch  durch  die  Quer- 
commissuren  nachweisen.  Die  ausgedehnte  Ganglienkette  der  früheren 
Stadien  ist  nunmehr  auf  die  verhältnissmässig  kurze,  aber  voluminöse 
Ganglienmasse  des  Cephalothorax  reducirt,  wie  sie,  wenn  auch  in  ge- 
ringerem Umfang,  beim  ausgebildeten  Thier  vorhanden  ist.  Nur  einer 
wichtigen  Veränderung  ist  dabei  noch  zu  gedenken.  Das  Ganglienpaar, 
welches  dem  Chelicerensegment  zukommt  und  welches,  wie  oben  erwähnt 
wurde,  anfangs  postoral  gelagert  ist,  rückt  später  vor  den  Mund,  um  mit 
dem  Gehirn  zu  verschmelzen  und  gleichzeitig  den  vorderen  Theil  der 
Schlundcommissur  zu  bilden.  Den  unteren  Abschluss  der  letzteren,  also 
den  direct  hinter  dem  Schlund  gelegenen  Theil  bilden  die  Ganglien  der 
Pedipalpen. 

So  viel  man  aus  den  Angaben  der  Autoren  (Balpoue,  Schimkewitsch, 
Locy,  Moein)  ersehen  kann,  scheint  die  Verschmelzung  der  Ganglien  des 
Chelicerensegmentes  mit  dem  Gehirn  schon  recht  früh  einzutreten  und  darf 
deshalb  vielleicht  angenommen  werden ,  dass  eine  Commissur  derselben  erst 
oberhalb  des  Schlundes  gebildet  wird.  Diese  Commissur  wird  von  Balpoue 
beschrieben. 

Bezüglich  der  Verschmelzung  der  Chelicerenganglien  mit  dem  Gehirn 
verhalten  sich  die  Spinnen  ganz  wie  die  Scorpione,  und  wir  erinnern  hier 
nur  kurz  an  die  vielleicht  entsprechenden  Vorgänge  bei  den  Crustaceen 
und  bei  Peripatus  (Hinzuziehung  der  Ganglien  der  zweiten  Antenne,  bezw. 
der  Kiefer  zum  Gehirn,  pag.  363,  364  und  703).  Nach  Schimkewitsch 
soll  übrigens  zwischen  den  Chelicerenganglien  und  dem  Gehirn  noch  ein 
Ganglienpaar  vorhanden  sein,  und  derjenigen  Gehirnparthie  entsprechen, 
welche  dem  (unpaaren)  Rostrainerven  den  Ursprung  giebt.  Davon  wird 
später  noch  die  Rede  sein. 

Die  Ganglien  werden,  nachdem  sie  ins  Innere  verlagert  wurden, 
dicht  von  einer  flachen  Mesodermschicht  umgeben,  welche  auch  in  sie 
und  zwischen  die  Fasermasse  eindringt.  So  entsteht  nach  Schimkewitsch 
das  Neurilemm  und  das  Gerüstwerk  zwischen  den  einzelnen  von  einander 
unterschiedenen  Parthien  der  Ganglien.  Aehnliches  ist  auch  für  die 
Crustaceen  angegeben  worden  (pag.  361). 

Das  obere  Schlundganglion  nimmt  von  einer  umfangreichen  Ver- 
dickung der  Scheitellappen  aus  seinen  Ursprung.  Nach  den  Beobach- 
tungen von  Kishlnouye  (No.  62)  soll  die  Anlage  des  Gehirns  in  Conti- 
nuität  mit  derjenigen  der  Ganglienkette  stehen,  so  dass  beide  zwei  von 
vorn  nach  hinten  verlaufende  Längsbänder  bilden.  Die  beiderseitigen 
Verdickungen  der  Kopflappen  stehen  anfangs  in  keinem  Zusammenhang 
mit  einander.  Nach  vorn  sind  sie  durch  die  schon  früher  erwähnten 
halbkreisförmigen  Furchen  abgegrenzt  (Fig.  370  B).  Diese  Furchen  wer- 
den zu  ziemlich  tiefen  und  engen  Spalten,  welche  von  einem  Epithel 
ausgekleidet  erscheinen.  Sie  bleiben  in  engem  Zusammenhang  mit  der 
Gehirnanlage.  Wenn  sich  diese  aus  der  Verbindung  mit  dem  äusseren 
Blatt  löst,  werden  die  eingestülpten  Ectodermparthien  ebenfalls  von  dem 
letzteren  abgeschnürt  und  fügen  sich  als  geschlossene  Blasen  den  oberen 
Schlundganglien  an  (Salensky,  Balfour,  Mokin).  Die  mit  den  halbkreis- 
förmigen Einsenkungen  (Scheitelgruben)  in  Verbindung  stehenden  Theile 
liefern  die  oberen  heniisphärenartigen  Parthien  des  Gehirns;  die  Höh- 
lungen bleiben  an  den  Seiten  längere  Zeit  erhalten.  In  den  centralen 
Parthien  werden  Fasern  gebildet,   und  hier   entstehen   die  Commissuren, 


592  XVII.  Capitel. 

welche  beide  Hälften  des  Gehirns  verbinden.  Ausserdem  unterscheidet 
Balfour  noch  eine  ventrale,  unmittelbar  vor  den  Chelicerenganglien  ge- 
legene Region,  welche  vielleicht  den  von  Schimkewitsch  beschriebenen 
Rostralganglien  entspricht. 

Die  Bildung  des  Gehirns  ist  bei  den  Spinnen  bisher  nicht  mit  genügender 
Sicherheit  festgestellt  worden.  Was  aus  den  Angaben  der  Autoren  mit 
einiger  Bestimmtheit  zu  entnehmen  ist,  spricht  dafür,  dass  das  Gehirn  wie 
bei  den  Scorpionen  als  Verdickung  des  Ectoderms  unter  Antheilnahme  einer 
Einfaltung  entsteht.  Die  halbkreisförmigen  Einsenkungen  der  Scheitellappen 
scheinen  in  beiden  Fällen  grosse  Uebereinstimmung  zu  bieten,  und  doch  konnte 
aus  den  bisherigen  Angaben  der  Autoren  nicht  entnommen-  werden,  dass 
dieselben  bei  den  Spinnen  wie  bei  den  Scorpionen  zur  Entstehung  der  Augen 
beitrügen.  Im  Gegentheil  schien  nach  den  bisherigen  Beobachtungen  eher 
eine  völlige  Unabhängigkeit  der  Augenanlagen  von  den  halbkreisförmigen 
Einsenkungen  zu  besteben.  Trotzdem  möchten  wir  annehmen,  dass  die  durch 
Einfaltung  entstehende  Gehirnparthie  vielleicht  dem  Ganglion  opticum  ent- 
spricht, und  dass  die  Einfaltungen,  welche  später  die  Augen  liefern,  in  Be- 
ziehung dazu  treten.  Die  mittlere  Parthie  des  Gehirns  (Protocerebrum  St. 
Remy,  No.  12)  möchten  wir  auf  die  Verdickung  der  Scheitellappen  zurück- 
führen, während  die  hintere  Parthie,  das  Ganglion  rostro-mandibulare,  wahr- 
scheinlich als  ein  Theil  der  ursprünglichen  Ganglienkette  zu  betrachten  ist, 
wie  schon  früher  ausgeführt  wurde. 

Die  oben  ausgesprochene  Vermuthung  von  einem  Zusammenhang  der 
Scheitelgruben  mit  den  Anlagen  der  Augen  wird  durch  eine  neuerdings  er- 
schienene Arbeit  von  Kishinouye  (No.  62)  bestätigt.  Diese  Arbeit  unter- 
scheidet sich  von  früheren  Publicationen  über  die  Entwicklung  der  Spinnen- 
augen dadurch,  dass  sie  wirklich  einen  Zusammenhang  der  Augen  (vorderen 
Mittelaugen  oder  Hauptaugen)  mit  den  Scheitelgruben  annimmt  und  dadurch 
auch  in  dieser  Beziehung  eine  grössere  Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten 
der  Scorpione  herstellt.  Zudem  findet  Kishinouye  an  dem  sich  anlegen- 
den Gehirn  drei  Segmente,  wie  sie  Patten  von  der  Anlage  des  Gehirns  beim 
Scorpion  angenommen  hat  (vgl.  pag.  551).  Leider  sind  die  gemachten 
Angaben  ebensowenig  wie  die  von  Patten  klar  genug,  um  die  ziemlich  aus- 
führlich dargestellte  Entwicklung  des  Gehirns  daraus  zu  verstehen  und  sie 
mit  den  Befunden  früherer  Beobachter  in  Einklang  zu  bringen.  Sie  stimmen 
übrigens  nicht  einmal  mit  denen  von  Patten  überein ,  wie  sich  aus  der  Be- 
ziehung der  Augenanlagen  zu  den  einzelnen  Segmenten  des  Gehirns  ergiebt. 
Kishinouye  stellt  das  Vorhandensein  einer  Einstülpung  fest,  welche  unab- 
hängig von  den  halbmondförmigen  Scheitelgruben  vorhanden  ist;  über  ihr 
Verhältniss  zu  den  Hirnabschnitten  ist  aber  sicheres  nicht  zu  erkennen.  Es 
ist  zu  erwarten ,  dass  eine  eingehende  Untersuchung  dieser  Verhältnisse 
interessante  und  wichtige  Aufschlüsse  geben  wird. 

Die  Angaben  von  Schimkewitsch,  dass  die  Höhlungen  der  Gehirnanlage 
nicht  von  den  Einfaltungen  des  Ectoderms  herrühren,  sondern  einem  späteren 
Faltungsprocess  der  bereits  vom  Ectoderm  getrennten  Ganglienmasse  ihren 
Ursprung  verdanken ,  widersprechen  der  Auffassung  der  anderen  Autoren 
und  dürften  keinen  Anklang  finden. 


*& 


B.    Die  Augen. 

Die  Augen  der  Spinnen  entstehen  durch  einen  Einfaltungsprocess, 
der  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  demjenigen  hat,  welcher  für  die 
Mittelaugen  der  Scorpione  bereits  beschrieben  wurde,   doch  kommen  bei 


Arachnoiden. 


593 


den  Augen,  der  Spinnen  noch  besondere  Modifikationen  hinzu.  Eine  Ver- 
bindung der  Augenfalten  mit  den  Einsendungen  der  Scheitellappen,  welche 
einem  Theil  des  Gehirns  den  Ursprung  geben ,  wurde  bis  vor  kurzem 
nicht  angenommen,  vielmehr  glaubte  man,  dass  die  Augengruben  erst  auf- 
treten, wenn  die  Scheitelgruben  bereits  zum  Schluss  gelangten.1)  Ihre 
Bildung  fällt  gewiss  in  eine  späte  Zeit  der  Embryonalentwicklung  und 
beginnt,  wenn  letztere  beinahe  beendet  ist.  Dann  erscheinen  an  der 
Stirn  des  Embryos  mehrere  Paare  von  (quergerichteten?)  spaltförmigen 
Einsenkungen,  die  neben  bezw.  hinter  einander  gelegen  sind.  Bei 
P  h  o  1  c  u  s  sollen  es  nach  Claparede  zwei,  bei  L  y  c  o  s  a  drei  Paare  sein, 
doch  sind  unsere  Kenntnisse  darüber,  sowie  über  die  Lage  der  Ein- 
faltungen  überhaupt  so  dürftige,  dass  sich  bestimmtes  in  dieser  Beziehung 


Fig.  376.  A  und  B  vorderes  und  hinteres  Mittelauge  einer  Spinne  (schematisch 
nach  Grenacher  und  Bertkau). 

ch  Chitinbedeckung-  des  Körpers,  gl  Glaskörper,  h  Hypodermis,  l  Linse,  n  Seh- 
nerv, r  Retina,  st  Stäbchen,  t  Tapetuin. 


nicht  aussagen  lässt.  Jedenfalls  dürfte  aber  das  sicher  sein,  dass  die  in 
der  Vierzahl  vorhandenen  Augenpaare  aus  verschiedenen  Einfaltungen 
hervorgehen  (Mark). 

Die  Entstehungsweise  der  einzelnen  Augen  ist  eine  verschiedenartige, 
und  zwar  unterscheidet  sich  darin  das  vordere  mittlere  Paar  von  den  zwei 
hinteren  Mittelaugen  und  den  beiden  seitlichen  Paaren.  Dies  stimmt  mit 
den  Unterschieden  der  Augen  im  Bau  überein,  indem  bei  den  vorderen 
Mittelaugen  die  Stäbchen  der  Retinazellen  vor  den  Kernen  liegen  (Fig.  376 
A,  st),  bei  den  übrigen  Augen  aber  die  Stäbchen  hinter  den  Kernen  ge- 
funden werden  (Fig.  376  B,  st).  Im  ersteren  Falle  liegen  die  Kerne  am 
hinteren,  im  letzteren  am  vorderen  Ende  der  Retinazellen.  Ausserdem 
fehlt  den  vorderen  Mittelaugen  das  Tapetum  (Fig.  376  B,  t),  d.  i.  eine 
hinter  der  Retina  gelegene,  mit  glänzenden  Schüppchen  erfüllte  Zell- 
schicht, welche  den  übrigen  Augen  zukommt  und   allem  Anschein   nach 


J)  Diese  Auffassung  werden  die  weiter  unten   mitgetheilten  Beobachtungen   von 
Kishinouye  wesentlich  modificiren,  falls  sich  dieselben  als  richtig  erweisen. 


594 


XVII.  Capitel. 


ebenfalls  einen  Unterschied  in  der  Bildungsweise  derselben  bedingt.  In 
Anlehnung  an  Bertkau  bezeichnen  wir  der  Kürze  wegen  die  vorderen 
Mittelaugen  als  Hauptaugen,  die  hinteren  Mittelaugen  und 
die  Seiten  äugen  als  Nebenaugen.  Beide  sind  nicht  nur  durch 
den  Bau,  sondern  möglicherweise  auch  durch  den  Modus  ihrer  Ent- 
wicklung unterschieden  (vgl.  weiter  unten),  wodurch  eine  derartige  Be- 
zeichnung berechtigt  wäre. 
^  Der    letztere   Punkt    bedarf 

££•  allerdings  noch  einer  weite- 

ren Klarstellung. 


Was  bisher  über  die  Ent- 
stehung der  Spinnenaugen  be- 
kannt geworden  ist,  verdanken 
wir  hauptsächlich  den  Unter- 
suchungen von  Locy  (No.  64) 
und  Mark  (No.  67) ,  welche 
anAgalena  naevia  ausge- 
führt wurden.  Die  folgenden 
Darstellungen  beziehen  sich  da- 
her besonders  auf  diese  Form. 
Neuerdings  wurden  von  Kishi- 
nouye  (No.  62)  Untersuchungen 
über  die  Entwicklung  der  Spin- 
nenaugen angestellt,  welche 
sich  ebenfalls  auf  die  genannte 
Form,  sowie  auf  L  y  c  o  s  a  be- 
ziehen. Die  Resultate  des  letz- 
teren Forschers  weichen  in 
wesentlichen  Punkten  von  denen 
der  Vorgänger  ab  und  sind, 
wenn  sie  sich  bestätigen,  von 
Wichtigkeit  für  die  Auffassung 
der  Spinnenaugen. 


Die  vorderen  Mittelaugen 
(Hauptangen)  machen  sich  zu- 
erst alsEctodermverdickungen 
der  Frontalregion  bemerkbar. 
Vor  der  verdickten  Parthie 
tritt  dann  eine  Einstülpung 
auf  (Fig.  377  A,  a),  und  mit 
dieser  senkt  sich  die  ganze 
verdickte  Parthie  ein  (Fig.  377  B).  Die  tiefe  Tasche ,  welche  sich  da- 
durch bildet,  erscheint  nach  hinten  gerichtet  und  legt  sich  mit  der 
verdickten  Wand  der  Hypodermis  an  (Fig.  377  B).  Wir  können  zur 
besseren  Erläuterung  dieses  Verhaltens  noch  auf  die  Fig.  352  B,  pag.  548 
verweisen,  welche  die  in  sehr  ähnlicher  Weise  verlaufende  Bildung  der 
Mittelaugen  des  Scorpions  illustrirt.  Wie  dort  bildet  auch  hier  die  über 
der  Tasche  gelegene  Ectoderm-(oder  Hypodermis-)schicht  den  Glaskörper 
und  scheidet  nach  aussen  hin  die  Linse  aus  (Fig.  377  B  und  C,  l).  Die 
Einstülpungsöffnung  (a)  schliesst  sich,  und  das  Auge  schnürt  sich  dadurch 
ab.    Die  Zellen   der  verdickten  Wand   der  Einstülpung   verlängern  sich 


Fig.  377.  A — C  Entwicklung  der  Hauptaugen 
von  Agalena  naevia.  Sagitalschnitte (nach Locr). 

a  Augeneinstülpung,  gl  Glaskörper,  h  Hypo- 
dermis, l  Linse,  pr  postretinale  Schicht,  r  Retina. 


Arachnoiden.  595 

distal,  indem  ihre  Kerne  eine  proximale  Lage  einnehmen,  wie  dies  eben- 
falls aus  der  Figur  377  C  zu  erkennen  ist.  Am  distalen  Theil  werden 
dann  die  Stäbchen  ausgeschieden,  welche  demnach  vor  den  Kernen 
liegen.  Diese  ganze  verdickte  Schicht  repräsentirt  die  Retina,  während 
die  dünne  Wand  der  Einstülpung  (pr.)  die  sog.  postretinale  Lage,  viel- 
leicht die  hintere  Umhüllungsschicht  der  Augen  liefert  (Locy).  Eine 
Umlagerung  des  Nerven  resp.  der  Retinaelemente  muss  hier  in  ähn- 
licher Weise  gefordert  werden  wie  beim  Scorpionauge  (pag.  548  und 
Fig.  352  A  u.  C),  da  beim  ausgebildeten  Auge  der  Nerv  mit  dem  hinteren 
Ende  der  Retinazellen  in  Verbindung  steht  (Fig.  376  A). 

Die  hinteren  Mittelaugen  und  die  zwei  Paare  seitlicher  Augen 
(Nebenaugen)  entstehen  ebenfalls  durch  Einfaltungen  des  Ectoderms, 
welche  sich  nach  hinten  gerichtet  der  Hypodermis  anlagern.  Darüber 
wird  dann  die  Linse  abgeschieden  (Locy,  Mark).  Insoweit  scheint  also 
die  Bildung  dieser  Augen  mit  derjenigen  der  vorderen  Mittelaugen  überein 
zu  stimmen. 

In  den  vorderen  seitlichen  Augen  ist  die  Einstülpung  nach  vorn  ge- 
richtet ,  wie  Mark  angiebt.  Vielleicht  ist  aus  diesem  Verhalten  die  Zahl 
der  von  Claparede  beschriebenen  Augenfalten  erklärlich,  indem  die  vor- 
deren Augen  getrennt  von  einander ,  die  hinteren  aber  aus  einer  gemein- 
samen Einfaltung  entständen.  Freilich  ist  das  nur  eine  Vermuthung,  zu  der 
man  aber  geführt  wird,  da  man  sich  aus  den  vorliegenden  Angaben  über 
dieses  möglicherweise  wichtige  Verhältniss  keine  genaue  Vorstellung  zu  machen 
vermag. 

Weiterhin  gestaltet  sich  die  Entwicklung  der  hinteren  mittleren  und 
der  seitlichen  Augen  dadurch  verschieden,  dass  die  Bildung  der  Stäbchen 
nicht  im  distalen,  sondern  im  proximalen  Theil  der  Retinazellen  erfolgt. 
Während  die  Kerne  also  distal  gelagert  erscheinen,  verlängern  sich  die 
Zellen  in  proximaler  Richtung  und  scheiden  hier  die  Stäbchen  aus.  In- 
folgedessen liegen  die  Stäbchen  dann  hinter  den  Kernen,  welche  Lage 
ihnen  beim  ausgebildeten  Auge  zukommt  (Fig.  376  B). 

Während  also  die  distale  Wand  der  Einstülpung  sich  wie  bei  den 
vorderen  Mittelaugen  zur  Retina  umwandelt,  scheint  der  proximale  Theil 
eine  abermalige  Faltenbildung  durchzumachen  (Mark).  Die  neue  Falte 
erhebt  sich  hinein  in  das  Lumen  der  ersten  Einfaltung  und  stellt  die 
Anlage  des  Tapetums  dar.  Seine  Zellen  scheiden  später  die  Füttern 
(Kryställchen)  aus,  welche  den  Glanz  des  ausgebildeten  Auges  bedingen. 
Die  noch  hinter  der  Tapetfalte  vorhandene  postretinale  Lage  bildet  wohl 
auch  hier  den  hinteren  Abschluss  des  Auges  (Mark). 

Das  Tapetum  würde  nach  Locy's  Darstellung  eher  darauf  zurückzu- 
führen sein ,  dass  sich  die  äussere  Chitinbekleidung  des  Körpers  in  die 
Augenfalte  hinein  fortsetzen  soll.  Da  aber  das  Tapetum  zelliger  Natur  ist, 
wie  auch  die  Untersuchungen  Bertkau's  (No.  52)  zeigten ,  so  hat  eine  der- 
artige Entstehung  desselben  nicht  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Man 
muss  deshalb  wohl  die  von  Mark  angegebene  Bildungsweise  des  Tapetums 
acceptiren,  wenn  man  nicht  an  eine  Betheiligung  eingewanderter  Mesoderm- 
zellen  denken  will,  welche  auch  für  das  Arachnidenauge  verschiedentlich 
behauptet  worden  ist. 

Eine  Umlagerung  der  Nerven  resp.  der  Retinaelemente  wird  viel- 
leicht bei  diesen  Augen  nicht  anzunehmen  sein,  denn  nach  Bertkau  ver- 


596  XVII.  Capitel. 

bindet  sich  der  Nerv  im  Spinnenauge  immer  mit  demjenigen  Ende  der 
Sehzellen,  an  welchem  der  Kern  liegt  (Fig.  376  A  und  B),  im  vorliegen- 
den Falle  ist  dies  also  die  distale  Seite  der  Retina.  Der  Nerv  hätte 
demnach  seine  ursprüngliche  Lagerung  beibehalten. 

Aus  Bertkau's  Darstellung  geht  hervor,  dass  sich  die  Nerven  mit  den 
distalen  Enden  der  Sehzellen  verbinden  (Fig.  376  B) ;  und  zwar  treten  die 
Nervenfasern  von  der  Peripherie  her  an  die  Enden  der  Zellen.  Dieses  Ver- 
halten ist  es,  welches  als  das  ursprüngliche  erscheint.  Nach  Bertkau  sollen 
aber  auch  Nervenfasern  durch  das  Tapetum  hindurch  treten  (Fig.  376  B) 
und  sich  (also  zwischen  den  Sehzellen  hindurch)  zu  den  distalen  Enden  der 
Zellen  begeben.  Diesen  letzteren  Verlauf  des  Nerven  müsste  man,  wenn  man 
sich  an  die  Vorgänge  der  Entwicklung  hält,  als  secundär  betrachten,  denn 
es  findet  dann  eine  Durchsetzung  der  postretinalen  Schicht  statt. 

Mit  Bertkau's  Darstellung  lässt  sich  die  auf  entwicklungsgeschichtliche 
Untersuchung  gegründete  Auffassung  von  Mark  vereinigen ,  nach  welcher 
die  Nervenfasern  ebenfalls  zum  Theil  um  das  Tapetum  herumlaufen,  um  an 
das  distale  Ende  der  Retinazellen  zu  treten,  zum  Theil  aber  auch  die  post- 
retinalen Theile  mitsammt  dem  Tapetum  durchsetzen  sollen. 

Nachtrag  zu  der  Entwicklung  der  Haupt-  und  Nebenaugen.  Wie 
schon  oben  erwähnt,  würden  die  Befunde  von  Kishinouye  über  die  Ent- 
wicklung der  Spinnenaugen  für  die  Auffassung  derselben  von  Bedeutung 
sein,  wenn  sie  sich  bestätigen.  Die  Hauptaugen  entstehen  danach  durch 
Inversion  und  zwar  der  Hauptsache  nach  in  der  Weise,  wie  dies  oben 
geschildert  wurde.  Allerdings  kommt  als  wichtiges  Moment  hinzu,  dass 
ihre  Einstülpungsöffnung  zugleich  die  zuletzt  übrig  bleibende  Oeffnung 
der  zum  Schluss  kommenden  Scheitelgrube  repräsentirt.  Die  (vorderen) 
Mittelaugen  stehen  demnach  wie  beim  Scorpion  in  Beziehung  zu  der 
eingestülpten  Parthie  der  Kopf  läppen,  welches  Verhalten  aus  den  Dar- 
stellungen der  früheren  Autoren  nicht  entnommen  werden  konnte. 

Während  die  Hauptaugen  durch  Inversion  entstehen,  soll  sich  dies 
nach  Kishinouye  bei  den  Neben  äugen  ganz  anders  verhalten;  sie 
sollen  durch  eine  blosse  Einsendung  des  Ecto denn  s  ohne 
Inversion  gebildet  werden.  Sie  werden  später  angelegt  als  die 
Hauptaugen  und  liegen  hinter  denselben.  Es  scheint,  dass  sie  zu  der 
vorerwähnten  Einstülpungen  in  Beziehung  stehen,  welche  unabhängig  von 
den  Scheitelgruben  gebildet  werden  und  am  Aufbau  des  Gehirns  theil- 
nehmen  sollen.  Man  denkt  hierbei  an  die  Bildung  der  optischen  Ganglien. 
Die  Nebenaugen  scheinen  unabhängig  von  einander  als  grubenförmige 
Ectodermeinsenkungen  zu  entstehen.  Der  Boden  dieser  Einsenkungen 
verdickt  sich  stark  und  wird  zur  Retina.  An  ihn  tritt  von  hinten  her 
der  Nerv  heran,  so  dass  also  von  einer  Inversion  keine  Rede  ist,  sondern 
das  Ganze  ähnlich  einem  Insectenstemma  erscheint.  Die  Grube  schliesst 
sich,  indem  die  äusseren  Parthien  sich  gegen  einander  neigen  und  ver- 
wachsen. Sie  liefern  den  Glaskörper,  und  darüber  wird  die  Linse  abge- 
schieden. 

Sollte  sich  die  Bildung  der  Spinnenaugen  wirklich  so  verhalten,  wie 
es  hier  dargestellt  ist,  so  würde  sich  damit  eine  grosse  Uebereinstimmung 
mit  den  Augen  der  Scorpione  ergeben.  Die  vorderen  Mittel- 
augen der  Spinnen,  welche  sich  durch  Inversion  ent- 
wickeln, würden  den  auf  gleiche  Weise  entstehenden 
Mittelaugen  der  Scorpione  entsprechen,  und  die  hinteren 
Mittelaugen  und  Seitenaugen  der  Spinnen  würden  mit  den 
Seitenaugen  der   Scorpione   zu    vergleichen  sein,    welche 


Arachnoiden.  597 

ebenfalls  nur  als  Ectodermeinsenkungen  (ohne  Inversion) 
ihren  U  r  s  p  r  11  n  g  n  e  h  111  e  n.  So  würde  damit  die  Unterscheidung  der 
Spinnenaugen  in  „Haupt-  und  Neb'enaugen"  (Bertkau)  eine  ge- 
wisse Bedeutung  gewinnen. 

Wenn  wir  die,  wie  man  sieht,  recht  wichtigen  Resultate  von  Kishinouye 
nicht  an  erster  Stelle  berücksichtigten,  so  geschah  dies  einestheils  desshalb, 
weil  sie  uns  erst  während  des  Druckes  unseres  Buches  zugänglich  wurden, 
anderntheils,  weil  sie  gegenüber  den  Ergebnissen  früherer  Forscher  nicht  ge- 
nügend gestützt  erschienen.  Doch  muss  hierzu  bemerkt  werden,  dass  Unter- 
suchungen ,  welche  von  F.  Purcell  zunächst  unabhängig  von  der  Arbeit 
Kishixouye's  über  Bau  und  Entwicklung  der  Spinnenaugen  unternommen 
wurden,  zu  ähnlichen  Resultaten  führten.  Auch  danach  scheinen  die  Seiten- 
augen in  Form  leichter  Einsenkungen  des  Ectoderms  zu  entstehen,  über  deren ' 
Boden  (Retina)  sich  die  seitlichen  Theile  als  Glaskörper  hinüberneigen.  Mit 
diesem  Verhalten  scheint  auch  der  Bau  der  ausgebildeten  Augen  übereinzu- 
stimmen ,  worüber  wie  auch  über  die  Entwicklungsvorgänge  Purcell  selbst 
noch  nähere  Mittheilungen  machen  wird. 


■ev 


C.   Zur  Auffassung  der  Arachnidenaugen. 

Um  die  Entwicklung  und  den  Bau  der  Spinnenaugen  zu  verstehen, 
ist  es.nöthig,  sie  mit  den  Augen  der  Scorpione  zu  vergleichen.  Während 
die  Augen  der  Spinnen  nach  der  gewöhnlichen  Auffassung  für  einfache 
Augen  gelten,  d.  h.  für  sog.  Ocellen,  deren  Netzhaut  eine  regelmässige 
Gruppirung  von  Zellen  (Retinulabildung)  nicht  besitzt  (Fig.  376  A  und  B), 
weisen  die  Scorpionaugen  Retinulae1),  d.  h.  Gruppen  von  Zellen  mit 
centralem  Rhabdom1),  auf  (Fig.  353  B  und  Fig.  352  (7,  pag.  550  und  548). 
Damit  zeigen  die  Augen  der  Scorpione,  zumal  die  Mittelaugen,  einen  wesent- 
lichen Charakter  der  zusammengesetzten  Augen,  obwohl  sie  ebenso  wie 
die  Spinnenaugen  eine  einzige,  nicht  in  Facetten  getheilte  Cornealinse 
besitzen  und  damit  eines  anderen  wichtigen  Charakters  der  zusammen- 
gesetzten Augen  verlustig  gehen.  Trotzdem  müssen  wir  sie  für  zusammen- 
gesetzte Augen  halten,  wenn  auch  nur  für  reducirte,  wie  die  folgenden 
Betrachtungen  erweisen  sollen. 

Führt  man  die  Arachnidenaugen  auf  zusammengesetzte  Augen  zurück, 
so  ist  es  für  ihr  Verständniss  nöthig,  das  Zustandekommen  der  letzteren 
zu  erklären.  Es  dient  dabei  zur  Erleichterung,  sich  auf  die  höchst  wahr- 
scheinlich analogen  Verhältnisse  bei  den  Insecten  zu  beziehen.  Die  ein- 
fachsten Augen  (Ocellen)  der  letzteren  stellen  grubenförmige  Einsenkungen 
der  Hypodermis  dar,  über  denen  sich  die  Linse  ablagert.  Entsprechende 
einfache  Augen  kommen  auch  bei  den  Anneliden  vor,  auf  welche  wir  in 
letzter  Instanz  zurückgehen  müssen;  blosse  Gruben  der  Körperhaut  mit 
darin  liegender  Linse  und  entsprechender  Pigmentirung,  so  bei  D  i  0  p  a  t  r  a 

v)  Zur  Erläuterung  soll  hier  nur  kurz  bemerkt  werden,  dass  beim  einfachen  Auge 
der  Arthropoden  (Ocellus,  Stemma  etc.)  die  Retina  eine  Schicht  gleichartiger  Seh- 
zellen bildet  (Fig.  378  r);  beim  zusammengesetzten  Auge  jedoch  zerfällt  sie  in  Gruppen 
von  Zellen,  die  Retinulae  (Fig.  352,  pag.  548).  Diese  Zellen,  deren  Zahl  in  den 
einzelnen  Fällen  wechselt,  tragen  an  den  einander  zugekehrten  Seiten  die  Sehstäbe, 
welche  zu  einem  zusammenhängenden  Ganzen,  dem  R  h  a  b  d  0  m ,  verschmelzen  können 
(Fig.  379  rh  u.  352).  Die  Retinula  bildet  mit  den  darüberliegenden  Glaskörperzellen 
und  der  zugehörigen  Corneafacette  eines  der  Ommatidien  (Fig.  539  D,  Capitel  XXIV), 
welche  in  grösserer  oder  geringerer  Zahl  das  Auge  zusammensetzen.  Wenigstens  gilt 
dies  für  die  typischen  Formen  der  zusammengesetzten  Augen;  bei  den  hier  zu  be- 
handelnden Augen  der  Arachniden  liegen  die  Verhältnisse  etwas  anders. 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  39 


598 


XVII.  Capitel. 


pz 


und  Onuphis  (v.  Kennel,  No.  60).  Die  Stemmata  der  Insecten  er- 
heben sich  auf  eine  etwas  höhere  Stufe,  indem  sich  die  Hypodermisschicht 
von  den  Seiten  her  über  die  Retina  vorwölbt  und  dadurch  unter  der 
Linse  die  sog.  Glaskörperschicht  bildet  (Fig.  378  gk).  Bei  den  Myrio- 
poden,  den  Insectenlarven  und  den  Thysanuren  findet  sich  eine  Anzahl 
solcher  Stemmata  neben  einander.  Denkt  man  sich  ihre  Zahl  noch  ver- 
mehrt und  eine  engere  Verbindung  unter  ihnen  eingetreten,  so  erhält 
man  das  Bild  des  Facettenauges.  Bei  den  Myriopod  en,  speciell  bei 
Scutigera,  scheint  ein  solcher  Zustand  wirklich  erreicht  zu  werden. 
Das  auf  solche  Weise  zu  Stande  gekommene  Auge  entbehrt  zunächst  noch 
jeglicher  Einheitlichkeit.  Seine  Bestandteile  erscheinen  noch  als  selbst- 
ständige Gebilde  von  zu  complicirtem  Bau,  um  schon  jetzt  ein  Zusammen- 
wirken zu  ermöglichen.  Allmählich  tritt  in  den  Einzelaugen  eine  Reduction 
der  Elemente  ein  und  führt,  weiter  fortschreitend,  zu  dein  Resultat,  welches 
wir  beim  zusammengesetzten  Auge  kennen,  nämlich  zum  Vorhandensein 
nur  noch  ganz  weniger  Elemente  in  jedem  Einzelauge.  Damit  ist  das 
Einzelauge  zum  Ommatidium  geworden.  Wir  denken  uns  also  die  Omma- 
tidien  hervorgegangen  aus  Ocellen.    Das  Princip  dieses  Vorganges,  welches 

gleichzeitig    zur    Reduction    der 
gk   i  Elemente    im    Ocellus   und    zur 

Vermehrung  der  Ocellen  selbst 
führte,  muss  in  der  Function  des 
zusammengesetzten  Auges  gesucht 
werden,  welche  eine  möglichste 
Verringerung  der  Sehfläche  im 
Einzelauge  verlangt. 

Solche  einfachste  Augenfor- 
men, wie  die  Stemmata  der  In- 
secten, finden  sich  bei  den  Arach- 
niden  nicht,  doch  müssen  wir  das 
Vorhandensein  ähnlicher  Gebilde 
bei  ihren  Vorfahren  voraussetzen. 

Das  am  einfachsten  gebaute 
Aiachnidenauge  finden  wir  in 
den  Seitenaugen  desScor- 
pions  wieder  (Fig.  353  B,  pag. 
550),  ein  einschichtiges  Auge,  in 
Form  einer  Grube,  welche  von  der  Linse  erfüllt  wird  und  deren  Boden 
(die  Retina)  sich  direct  in  die  Hypodermis  fortsetzt.  Obwohl  dieses  Auge 
durch  die  genannten  Charaktere  die  Hauptmerkmale  eines  einfachsten 
Auges  besitzt,  vermögen  wir  es  doch  nicht  als  ein  solches  anzusehen.  Der 
Grund  hiefür  liegt  einerseits  in  dem  inneren  Bau  des  Auges,  und  anderer- 
seits in  der  auffallenden  Uebereinstimmung  der  Augen  des  Scorpions  mit 
denjenigen  von  L  i  m  u  1  u  s.  Die  Seitenaugen  des  letzteren  sind  einschichtig, 
diejenigen  der  Scorpione  ebenfalls,  während  die  Mittelaugen  beider 
Formen  zwei-,  bezw.  dreischichtig  sind.  Die  Seitenaugen  der  Scorpione 
sowohl  wie  des  Limulus  entwickeln  sich  in  Form  blosser  Einsenkungen, 
die  Mittelaugen  hingegen  zeigen  einen  complicirteren,  aber  in  beiden  Fällen 
allem  Anschein  nach  recht  übereinstimmenden  Entwicklungsmodus. 

Die  Seitenaugen  des  Limulus  bestehen  aus  einer  Anzahl  von 
Retinulae  mit  zugehöriger  Cornealinse  (Fig.  379).  Die  Retinulae  liegen 
in  der  Continuität  der  Hypodermis,  und  jede  von  ihnen  möchten  wir  als 
Einzelauge  ansehen,    welches  in  der  früher  besprochenen  Weise   durch 


Fig".  378.  Schnitt  durch  ein  Stemma 
einer  Larve  von  Dy  tiscus  (nach  Gkenächer, 
aus  Hatschek's  Lehrbuch  der  Zoologie). 

b  Basalmembran,  c  Chitindecke,  gk  Glas- 
körper, h  Hypodermis,  /  Linse,  pz  Pigment- 
zellen, r  Retina. 


Arachnoiden. 


599 


Vereinfachung  eines  Stemma-ähnlichen  Auges  entstanden  ist.  Die  Linsen 
der  Einzelaugen  sind  nur  in  ihrem  proximalen  Theil  getrennt  geblieben 
(Fig.  379  T),  in  ihrem  distalen  Theil  erscheinen  sie  jedoch  mit  einander 
verschmolzen  (ch).  Wir  möchten  glauben,  dass  dieser  Vorgang  der  Ver- 
schmelzung in  den  Seitenaugen  der  Scorpione  noch  weiter  fortgeschritten 
ist  und  schliesslich  zur  Bildung  der  jetzt  vorhandenen  gemeinsamen  Linse 
geführt  hat.  Bei  dieser  Auffassung  betrachten  wir  jedes  Seitenauge  des 
Scorpions  als  die  Summe  einer  Anzahl  von  Einzelaugen.  Die  zwischen 
den  Retinazellen  enthaltenen  Rhabdome  entsprechen  denjenigen  des 
Limulusauges.  Letzteres  ist  schon  ziemlich  hoch  entwickelt  und  lässt 
auch  durch  die  Bildung  von  Rhabdomen  in  den  Retinulae  seinen  Charakter 


wo. 


Fig".  379.     Drei  Ommatidien  des  Seitenauges  von  Lim  u Ins  (nach  Watase). 

In  A  ist  die  Retinula  der  Länge  nach  durchschnitten  gedacht,  in  B  und  0  ist  sie 
in  ihrer  Totalität  erhalten. 

c  centrale  Ganglienzelle,  ch  Chitindecke,  hyp  Hypodermis,  l  Linsenkegel,  mes  Meso- 
dermgewebe,  n  Nerv,  rh  Rhabdom,  rt  Retinula. 


als  zusammengesetztes  Auge  erkennen.  Somit  erscheint  auch  das  Seiten- 
auge der  Scorpione  als  rückgebildetes  Facettenauge.  Die  Einsenkung. 
als  welche  es  in  der  Ontogenie  auftritt  (Fig.  353  A),  darf  demnach  nicht 
als  die  primäre  Augengrube  angesehen  werden. 

Bekanntlich  sind  beim  Scorpion  jederseits  mehrere  Seitenaugen  vor- 
handen. Von  ihnen  ist  jedes  als  ein  Complex  von  Einzelaugen  aufzu- 
fassen, und  alle  zusammen  entsprechen  einem  Seitenauge  des  Limulus. 
Sie  sind  vielleicht  durch  Sonderung  einzelner  Complexe  von  Einzelaugen 
aus  einem  grösseren  Facettenauge  hervorgegangen.  Ein  ganz  analoger 
Prozess  scheint  sich  bei  den  Trilobiten  abzuspielen. 

Während  die  Trilobiten  gewöhnlich  jederseits  ein  facettirtes  Auge 
aufweisen,  zeigen  die  Angehörigen  der  Gattung  Harpes  an  Stelle  der 
Facettenaugen  zwei  oder  drei  Höcker  (H.  vittatus  2,  H.  ungula  3  nach 
Barrande)  mit  völlig  glatter  Oberfläche,  welche  nichts  anderes  sind  als  die 

39* 


600  XVII.  Capitel. 

Augen  und  die  den  Seitenaugen  der  Scorpione  im  äusseren  Anblick  sehr 
gleichen.  Sie  werden  auch  von  den  Paläontologen  recht  bezeichnend 
Stemmata  genannt,  obwohl  sie  vom  zoologischen  Standpunkt  aus  diese  Be- 
nennung nicht  verdienen,  sondern  höchst  wahrscheinlich  auf  ähnliche 
Weise  entstanden  sind,  wie  wir  dies  von  den  Seitenaugen  der  Scorpione 
vermuthen. 

Uebrigens  erlauben  die  Oberflächenbilder  der  Trilobitenaugen  vielleicht 
noch  weitere  Schlüsse  auf  die  Entstehung  dieser  Facettenaugen ,  welche  sich 
mit  der  oben  erörterten  Auffassung  decken.  Für  gewöhnlich  ist  die  ganze 
Oberfläche  des  Facettenauges  in  ihrer  Structur  von  der  übrigen  Körper- 
bedeckung verschieden,  bei  einigen  Gattungen  jedoch  (Phacops,  Dalmania 
nach  Zittel's  Handbuch)  ist  die  Decke  der  Sehfläche  mit  der  übrigen 
Schale  identisch,  dagegen  liegen  in  rundlichen  oder  polygonalen  Vertiefungen 
die  einzelnen  Linsen.  Dies  macht  den  Eindruck,  als  ob  im  letzteren  Falle 
die  Einzelaugen  einander  noch  nicht  völlig  genähert  wären ,  während  sie  im 
anderen  Falle  schon  dicht  an  einander  gelagert  sind.  Bei  der  geringen  Kennt- 
niss,  welche  wir  vom  Bau  des  Trilobitenauges  haben,  kann  dies  natürlich 
nur  als  Vermuthung  geäussert  werden. 

Die  Mittelaugen  der  Scorpione  documentiren  sieh  durch  ihre 
deutliche  Retinula-  und  Rhabdombildung  noch  weit  zweifelloser  als  zu- 
sammengesetzte Augen.  Sie  sind  mehrschichtig  (Fig.  352  C,  pag.  548). 
Das  Gleiche  gilt  auch  von  den  Mittelaugen  des  Limulus,  deren  Elemente 
ebenfalls  mit  denen  der  Scorpionaugen  zu  vergleichen  sind.  Die  Mehr- 
schichtigkeit stellt  einen  höheren  Entwicklungszustand  dieser  Augen  dar, 
welcher  sich  auch  in  ihrer  complicirteren  ontogenetischen  Bildungsweise 
zu  erkennen  giebt.  Diese,  sowie  die  Mehrschichtigkeit  erlauben  es  nicht, 
die  Mittelaugen  des  Scorpions  und  Limulus  auf  die  Seitenaugen  zurück- 
zuführen, obwohl  beide  Augen  andererseits  grosse  Uebereinstimmung  mit 
einander  zeigen.  Beide,  sowohl  die  Seiten-  wie  die  Mittelaugen  des 
Scorpions  erscheinen  als  zusammengesetzte  Augen,  welche  aber,  die  einen 
mehr,  die  anderen  weniger,  die  Tendenz  zum  Zerfall  der  Einzelaugen 
und  zur  Bildung  eines  einheitlichen  Auges  erkennen  lassen.  Die  Ver- 
einigung der  früher  getrennten  Augen  würde,  wenn  wir  dieser  Auf- 
fassung weiter  folgen  dürfen,  eine  immer  innigere  werden  und  schliess- 
lich zur  Bildung  eines  •  Auges  führen,  in  welchem  die  Einzelaugen  als 
solche  gar  nicht  oder  kaum  mehr  zu  unterscheiden  sind.  Es  scheint 
uns  nicht  unmöglich,  dass  die  Augen  der  Spinnen  auf  dieser 
Stufe  angelangt  sind,  obwohl  man  es  vielleicht  paradox  finden 
wird,  erst  das  einfache  Auge  zu  dem  zusammengesetzten  zu  leiten  und 
dieses  wieder  in  ein  Auge  überzuführen,  welches  man  jetzt  als  einfaches 
anzusprechen  gewöhnt  ist. 

Die  Augen  der  Ar  aneinen  zeigen  besonders  durch  ihre  Ent- 
wicklungsweise die  grösste  Uebereinstimmung  mit  den  Augen  (und  zwar 
mit  den  Mittelaugen)  der  Scorpione,  abgesehen  davon,  dass  sie  sich  auch 
durch  ihre  Lage  als  homologe  Bildungen  zu  erkennen  geben.  Der  Ein- 
faltungsprozess  stimmt  in  so  auffallender  Weise  mit  dem  entsprechenden 
Vorgang  bei  den  Scorpionen  überein,  dass  wir  genöthigt  sind,  beiden 
Gebilden  gleichen  Werth  zuzuschreiben,  also  auch  die  Spinnenaugen  für 
höher  entwickelt  zu  halten,  als  sie  es  ihrem  Bau  nach  zu  sein  scheinen. 
Man  betrachtet  die  Augen  der  Araneinen  für  gewöhnlich  als  Ocellen 
und  stellt  sie  den  Stemmata  der  Insecten  an  die  Seite.  Ihr  Bau  scheint 
diese  Auffassung  zu  rechtfertigen,   denn  die  Retina  setzt  sich   aus  einer 


Arachnoiden. 


601 


continuirlichen  Lage  gleichartiger  Zellen  zusammen  (Fig.  380  A  und  B). 
Die  Entwicklung  dieser  Lage  gestaltet  sich  aber  weit  complicirter,  als 
beim  einfachen  Auge,  und  zeigt  dieselbe  Bildungsweise,  wie  beim  Scorpion- 
auge  (Fig.  377,  pag.  594,  und  352,  pag.  548).  Die  Mehrsehiehtigkeit  ent- 
steht nicht  wie  beim  Stemma  einfach  dadurch,  dass  sich  die  Hypodermis- 
lage  von  den  Seiten  her  über  die  Retina  vorschiebt,  sondern  sie  ist  eine 
Folge  jenes  Einfaltungsprocesses  (Fig.  377  und  352).  Schon  wegen  dieser 
auffallenden  Uebereinstimmung  mit  dem  Scorpionauge  sind  wir  geneigt, 
auch  das  Spinnenauge  als  zusammengesetztes  Auge  zu  be- 
trachten. Mit  der  Auflösung  der  Retinulae  wurde  die  Gleichartigkeit 
der  Retina  wieder  erreicht.  Uebrigens  sind  auch  im  Bau  der  Spinnen- 
augen  gewisse  Anzeichen  gegeben,  welche  diese  Ausführungen  zu  unter- 
stützen scheinen  und  aus  denen  man  schliessen  könnte,  dass  die  Retina 
doch  nicht  aus  lauter  einzelnen  Sehzellen  continuirlich  zusammengesetzt 


Fig.  380.  A  und  R  vorderes  und  hinteres  Mittelauge  einer  Spinne  (schematisch 
nach  Grenacher  und  Bertkau). 

ch  Chitinbedeckung,  in  die  Cuticularlinse  (l)  übergehand,  gl  Glaskörper,  h  Hypo- 
dermis,  l  Linse,  n  Sehnerv,  r  Retina,  st  Stäbchen,  t  Tapetum. 


ist.  Nach  Grenacher  bestehen  die  Stäbchen  in  den  Augen 
aller  Spinnen  aus  zwei  Theilen,  erscheinen  also  in  der  Längs- 
axe  wie  gespalten-,  bei  Phalangium  setzt  sich  jedes  Stäbchen 
sogar  aus  drei  Theilen  zusammen,  was  auf  dem  Querschnitt  das 
Bild  eines  Kleeblattes  giebt.  Obwohl  nun  ausdrücklich  angegeben  wird, 
dass  die  Stäbchen  in  der  Zelle  liegen  sollen,  kann  man  sich  doch  der 
Vermuthung  nicht  entschlagen,  als  ob  es  sich  bei  der  Zwei-  resp.  Drei- 
theiligkeit  der  Stäbchen  vielleicht  um  Reste  der  Rhabdom-  und  Retinula- 
bildung  handeln  möchte1).  ' 


1)  Bei  den  Augen  einiger  Spinnen,  z.  B.  bei  denen  von  Atypus,  erscheint  die 
Glaskörperschicht  äusserst  dünn.  Bertkau  (No.  50)  vergleicht  die  betreffenden  Augen 
mit  den  Stemmata  der  Insectenaugen,  und  spricht  davon,  dass  sie  den  Unterschied 
zwischen  ein-  und  zweischichtigen  Augen  verwischen.  Diejenigen  Stemmata,  mit  denen 
die  betreffenden  Spinnenaugen  zu  vergleichen  sind,  zeigen  auch  bereits  einen  von  der 
Retina  gesonderten  Glaskörper  (so  bei  Phryganea  und  Vespa  nach  Grenacher), 
d.  h.  Glaskörperschicht  und  Retina   stellen  nicht  mehr   eine  continuirliche  Lage  dar. 


*•  %^>  c^Jdv^- '--   ■        -~wW 


M<* 


602  XVII.  Capitel. 

Die  Beziehung  der  verschiedenen  Paare  von  Spinnenaugen  auf  einander 
ist  durch  die  Differenz  in  ihrem  Bau  und  ihrer  Entwicklung  sehr  erschwert. 
An  und  für  sich  ist  man  geneigt,  die  vorderen  Mittelaugen  auf  die  Mittel- 
augen der  Scorpione,  und  die  übrigen  Paare  auf  deren  Seitenaugen  zu  be- 
ziehen. Damit  lässt  sich  aber  nicht  vereinigen,  dass  die  hinteren  Mittel- 
augen und  die  seitlichen  Augen  ungefähr  den  gleichen  Entwicklungsgang  auf- 
weisen wie  die  vorderen  Mittelaugen,  während  die  Seitenaugen  der  Scorpione 
auf  sehr  einfache  Weise  gebildet  werden  (Fig.  353,  pag.  550).  Daher 
möchte  man  eher  sämmtliche  Augen  der  Spinnen  auf  einen  Zerfall  der  Mittel- 
augen in  einzelne  Complexe  zurückführen,  wie  er  in  ähnlicher  Weise  für  die 
Seitenaugen  des  Scorpions  angenommen  wurde1).  Die  Seitenaugen  würden 
in  diesem  Falle  den  Spinnen  gänzlich  fehlen.  Immerhin  sind  die  Differenzen 
im  Bau  der  verschiedenen  Augenpaare  sehr  bemerkenswerthe ;  doch  ist  es 
bei  dem  bisherigen  Stand  der  Kenntnisse  nicht  möglich,  dieselben  in  be- 
friedigender Weise  zu  erklären. 

Mit  der  Einfaltung  der  Arachnidenaugen  und  der  Ausscheidung  der 
Linse  über  dem  der  Hypodermis  genäherten  Theil  der  Falte  (Fig.  377 
und  352)  hängt  es  zusammen,  dass  die  Elemente  der  Retina  eine  Um- 
ordnung  erfahren.  Der  früher  nach  aussen  gekehrte  Theil  der  Zellen, 
ist  jetzt  nach  innen  gerichtet.  Er  trägt  die  Stäbchen  und  behält  sie 
auch  bei  den  sog.  Nebenaugen  (den  Seitenaugen  und  hinteren  Mittel- 
augen) der  Spinnen  (Fig.  380  B).  Die  Nervenfasern  setzen  sich  an  die 
früher  nach  innen,  jetzt  nach  aussen  gerichteten  Enden  der  Zellen  an. 
An  diesen  Enden  liegen  die  Kerne  der  Retinazellen.  Dies  scheint  der 
bleibende  Zustand  der  Nebenaugen  zu  sein,  und  er  entspricht  zugleich 
dem  Zustand  vor  der  Einfaltung,  abgesehen  von  einigen  vielleicht  doch 
noch  eintretenden  Modificationen  in  der  Innervirung  (vgl.  pag.  596). 
Anders  verhalten  sich  jedoch  die  sog.  Hauptaugen  (vorderen  Mittelaugen) 
der  Spinnen  und  die  Mittelaugen  des  Scorpions.  Bei  den  ersteren  liegen 
die  Stäbchen  an  den  nach  aussen  gerichteten  (distalen)  Enden  der  Retina- 
zellen, während  die  Kerne  proximal  gelagert  sind  (Fig.  380  Ä).  Die 
Nervenfasern  verbinden  sich  mit  dem  kernhaltigen,  proximalen  Ende 
der  Zellen.  Das  letztere  gilt  auch  für  die  Mittelaugen  des  Scorpions 
(Fig.  352  C).  Es  hat  also  hier  in  Folge  der  Einfaltung  eine  Umlagerung 
stattgefunden.  Das  Ausbleiben  derselben  bei  den  übrigen  Augen  der 
Spinnen  kann  man  vielleicht  durch  die  Entwicklung  des  Tapetums  er- 
klären, von  welchem  das  Licht  auf  die  nach  innen  gerichteten  Stäbchen- 
enden zurückgeworfen  wird. 

Die  oben  angeführten  Beobachtungen  von  Kishinouye  und  Pürcell  nach 
denen  bei  Entstehung  der  Nebenaugen  eine  Inversion  nicht  stattfindet,  machen 
die  Innervirungsverhältnisse  dieser  Augen,  wie  man  sie  bisher  als  wahrscheinlich 
annehmen  musste,  wieder  zweifelhaft  und  lassen  den  verschiedentlich  angegebenen 
Eintritt  der  Nerven  von  der  Hinterseite  her  wieder  als  möglich  erscheinen. 


Insofern  zeigen  diese  Augen  einen  ähnlichen  Bau  wie  die  Spinnenaugen  und  entfernen 
sich  bereits  vom  Bau  des  einschichtigen  Stemma.  Nach  der  oben  vertretenen  Auf- 
fassung dürfen  die  so  auffällig  übereinstimmend  gebauten  Mittelaugen  der  Spinnen  und 
jene  Insectenstemmata  nicht  als  homologe  Bildungen  betrachtet  werden,  sondern  es  ist 
anzunehmen,  dass  verschiedene  Wege  zu  dieser  scheinbar  so  gleichartigen  Ausbildung 
führten. 

1)  Die  neuen  Angaben  von  Kishinouye  und  Purcell's  Beobachtungen  (pag.  597), 
wonach  die  vorderen  Mittelaugen  mittelst  Inversion,  die  übrigen  jedoch  ohne  dieselbe 
entstehen,  würden  die  oben  ausgesprochene  Vermuthung  einer  Zurückführung  der 
ersteren  auf  die  Mittelaugen  der  Scorpione,  der  letzteren  auf  deren  Seitenaugen  zu 
grosser  Wahrscheinlichkeit  erheben. 


Arachnoiden. 


603 


Nach  dem,  was  bisher  über  Bau  und  Entwicklung  der  Arachnidenaugen 
bekannt  geworden,  ist  man  nicht  berechtigt,  an  dem  Vorgang  der  Umlage- 
rung  zu  zweifeln.  Die  genaueren  Umstände  dieser  besonders  von  Mark  und 
Pauker  verfolgten  Vorgänge  sind  freilich  noch  nicht  zur  Genüge  bekannt, 
um  schon  jetzt  ein  sicheres  Urtheil  über  das  Wesen  derselben  zu  gestatten. 
Mark  hat  sich  vor  Allem  bemüht ,  das  Morphologische  der  Vorgänge  zu  er- 
klären. Um  seine  Auffassung  zu  verstehen,  ist  aber  nöthig,  eine  andere 
Ansicht  vom  Zustandekommen  der  Arachnidenaugen,  als  die  in  Vorstehendem 
vertretene,  kurz  zu  berühren. 

Wir  leiteten  die  zusammengesetzten  Augen  der  Scorpione  und  des 
Limulus  von  höher  organisirten  (Facetten-) Augen  her;  eine  andere,  beson- 
ders von  Ray  Lankester  vertretene  Auffassung  lässt  sie  aus  einem  ein- 
fachen Auge  (Stemma,  Ocellus)  durch  Gruppirung  der  Retinaelemente 
zu  Retinulae  entstehen.     Das  Seitenauge   von   Limulus   würde   nach   dieser 


Fig".  381.     A — E  schematisehe  Darstellung  der  Entstehung  der  Arachnidenaugen 
(grösstenteils  nach  E.  L.  Mark). 

gl  Glaskörper,  h  Hypodermis,  l  Linse,  n  Sehnerv,  pr  Postretinale-Schicht,  r  Retina, 
st  Stäbchen. 


Auffassung  ein  späteres  Stadium  darstellen,  in  dem  auch  bereits  eine  Sonde- 
rung der  Linsen  eingetreten  ist,  welche,  weiter  fortschreitend,  zur  Bildung 
des  Facettenauges  führt.  Obwohl  diese  Auffassung  eine  in  verschiedener 
Hinsicht  befriedigendere  Erklärung  der  einzelnen  Augenformen  zulässt,  ver- 
mochten wir  uns  derselben  doch  nicht  anzuschliessen ,  weil  uns  für  die  An- 
nahme eines  Zerfalls  der  continuirlichen  Retina  in  einzelne  Gruppen  kein 
genügender  Grund  vorhanden  zu  sein  scheint. 

Leichter  wird  es  bei  der  directen  Herleitung  des  Arachnidenauges  vom 
Ocellus  die  Entwicklungsvorgänge  zu  erklären.  Die  Einstülpung  entspricht 
dann  der  primären  Augengrube.  Fasst  man  jedoch  das  Auge  als  ein  zu- 
sammengesetztes auf,  wie  wir  es  thaten,   so  besteht  es  aus  einer  Summe  von 


604  XVII.  Capitel. 

Einzelaugen,  und  die  Einstülpung  ist  nicht  mit  der  primären  Augengrube 
vergleichbar,  sondern  muss  vielmehr  als  eine  secundäre  Bildung  angesehen 
werden,  welche  das  ganze  Gesichtsfeld  in  Form  einer  Einfaltung  nach  innen 
verlagert,  ein  Vorgang,  welcher  nicht  ohne  Weiteres  zu  verstehen  ist.  Der 
Vorgang  der  Umkehrung  bleibt  übrigens  auch  dann  im  Ganzen  der  gleiche. 
Für  den  einfacheren  Fall  der  Ableitung  vom  Ocellus  wird  derselbe  von 
Mark  durch  Verkümmerung  eines  Theils  der  Retina  und  stärkere  Entwick- 
lung des  andern  Theils  bei  gleichzeitiger  Verrückung  der  Linse  gegen  den 
letzteren  erklärt  (Fig.  381  A  —  C).  Der  stärker  entwickelte  Theil  der 
Retina  kommt  immer  mehr  unter  die  Linse  zu  liegen  (Fig.  381  D  und  E). 
Während  an  der  nunmehr  nach  aussen  sich  kehrenden  Fläche  die  Nerven 
verkümmern ,  sollen  andere  mit  dem  inneren  Ende  dieser  Zellen  in  Ver- 
bindung treten  (D  und  E).  Die  Stäbchen,  deren  ursprüngliche  Lagerung 
wohl  hinter  den  Kernen  war  (D),  werden  nun  vor  denselben  gefunden  (E). 
Mark  fasste  die  rundlichen  Gebilde,  welche  man  im  Mittelauge  des  Scorpions 
hinter  den  Kernen  findet,  die  sog.  Phao Sphären  Ray  Lankester's  als 
Reste  der  ursprünglichen  Stäbchen  auf,  während  die  jetzt  vor  den  Kernen 
vorhandenen  Stäbchen  (E,  st)  Neubildungen  darstellen.  Da  man  die  „Phao- 
sp hären"  aber  auch  in  den  nicht  durch  Inversion  entstehenden  Seitenaugen 
des  Scorpions  findet  (Ray  Laxkester,  v.  Carriere),  so  lässt  sich  diese 
Auffassung  nicht  aufrecht  erhalten. 

Werden  die  beiden  Auffassungen  von  dem  Zustandekommen  der  Arach- 
nidenaugen  gegen  einander  abgewogen,  so  dürfte  als  wichtiges  Moment  dabei 
noch  in  Betracht  kommen ,  dass  sich  die  zusammengesetzten  (Facetten-) 
Augen  auf  einer  convexen  Basis  aufbauen ,  die  Arachnidenaugen  aber  eine 
concave  Basis  besitzen  wie  die  einfachen  Augen ,  und  dadurch  mehr  den 
Charakter  der  letzteren  zeigen.  Für  die  zusammengesetzten  Augen  des  Limulus 
fällt  dieses  Merkmal  übrigens  weg,  denn  dessen  Grundlage  ist  eine  ungefähr 
ebene  Fläche. 

Der  vorstehende  Versuch,  die  verschiedenen  Arachnidenaugen  in  Be- 
ziehung zu  einander  zu  bringen ,  wurde  unternommen ,  um  die  durch  die 
Entwicklungsgeschichte  bekannt  gewordenen  Thatsachen  mit  dem  Bau  des 
ausgebildeten  Auges  in  Einklang  zu  bringen.  Vielleicht  müsste  dabei  das 
physiologische  Moment  grössere  Berücksichtigung  finden.  Es  soll  hier  ausdrück- 
lich hervorgehoben  werden,  dass  Vorstehendes  eben  nur  ein  Versuch  ist,  das 
Verständniss  der  Arachnidenaugen  zu  erleichtern ,  bis  durch  weitere  Unter- 
suchungen eine  noch  genauere  Kenntniss  des  Baues  und  der  Entwicklungs- 
vorgänge derselben  erlangt  ist,  welche  bisher  in  vielen  Punkten  noch  recht 
dunkel  sind.  Bei  der  ausgedehnten  Litteratur  des  hier  behandelten  Gebietes 
musste  davon  abgesehen  werden,  die  Ansichten  der  einzelnen  Autoren  in  der 
Weise  zu  würdigen,  wie  dies  sonst  gewöhnlich  in  diesem  Buche  geschah. 
Der  Gegenstand  wurde  daher  in  etwas  freierer  Weise  behandelt. 


D.    Die  Respirationsorgane. 

Die  Lungen.  Die  beiden  Lungen  der  Dipneumones  entstehen  in 
Form  zweier  weiter  Einsenkungeu  an  der  Basis  der  Abdominalextremi- 
täten des  zweiten  Segmentes  (Salensky,  Bruce,  Morin).  Was  über  ihre 
weitere  Ausbildung  bekannt  geworden  ist  (Schimkewitsch,  Locy),  darf 
wohl  so  gedeutet  werden,  dass  sie  in  entsprechender  Weise  entstehen, 
wie  die  Lungen  der  Seorpione,  weshalb  wir  auch  zum  Theil  auf  diese 
verweisen  können  (pag.  552). 


Arachnoitlon. 


605 


Die  Lungensäcke  sind  von  dem  Stigma  aus  nach  vorn  gerichtet. 
Am  vorderen  Ende,  und  wohl  besonders  auch  am  ventralen  Theil  des 
Sackes,  rindet  die  Einfaltung  (Bildung  der  Lungenblätter)  statt.  Der 
Hohlraum  zwischen  den  beiden  Lamellen  jedes  Blattes  geht  direct  in  die 
Leibeshöhle  über,  so  dass  die  Blutzellen  in  die  Lungenblätter  hinein- 
treten können.  Die  beiden  Lamellen  verbinden  sich  durch  zellige,  wohl 
dem  Mesoderm  entstammende  Querbrücken  (Locy)  ,  welche  auch  beim 
ausgebildeten  Thier  vorhanden  sind  (Fig.  382)  und  dort  muskulöser  Natur 
sein  sollen  (Mac  Leod).  An  der  freien,  d.  h.  nach  dem  Hohlraum  des 
Lungensackes  gerichteten  Fläche  der  Blätter  wird  eine  Cuticula  abge- 
schieden, welche  an  der  nach  der  Ventralseite  gerichteten  Fläche  homogen 
und  von  gleichmässiger  Dicke  erscheint,  während  sie  an  der  Dorsalseite 
stärker  und  mit  kleinen,  zähnchenartigen  Verdickungen  besetzt  ist  (Locy), 
ein  Verhalten,  welches  auch  beim  erwachsenen  Thier  die  Oberseite  von 
der  Unterseite  jedes  Blattes  unterscheidet  (Fig.  382). 


vo. 


\Nw^uuiifl^<i""gggtraJguUH"'u'(p'kM^iJUUW 


Figr.  382.  Ein  etwas  schematischer  Längsschnitt  durch  eine  Spinnenlunge  (nach 
Mac  Leod). 

bl  Lungenblätter,  ch  Chitindecke  des  Körpers,  darunter  die  Zellen  der  Hypo- 
dermis,  d  Dorsalseite,  dk  dorsale  Luftkammer,  do  dorsale  Fläche  des  Lungenblattes, 
mit  dickerer  Chitinlage  und  Zähnchen  ausgestattet,  /  Bindegewebsfasern,  welche  dem 
Lungensack  anhaften,  h  Hinterseite,  Ik  Luftkammern,  Ir  gemeinsamer  Luftraum  des 
Lungensackes,  st  Stigmenspalte,  v  Ventralseite,  ve  ventrale  Fläche  eines  Lungenblattes 
mit  dünner,  gleichmässiger  Chitinlage,  vo  Vorderseite,  w  Hinterwand  des  Lungensackes 
mit  der  zelligen  Matrix.  Zwischen  den  beiden  Lamellen  jedes  Lungenblattes  (bl)  erkennt 
man  die  dunkel  gehaltenen  Querbrücken. 


Es  ist  schon  früher  (pag.  532)  darauf  hingewiesen  worden,  dass  die 
Lungen  der  Arachniden  in  ihrem  morphologischen  Verhalten  eine  grosse 
Uebereinstimmung  mit  den  Kiemen  der  Xiphosuren  zeigen.  Zudem 
hebt  Kixgsley  hervor  (No.  61),  die  Anlage  der  Lungen  bei  den  Spinnen 
und  die  der  Kiemen  bei  Limulus  sei  so  übereinstimmend,  dass  die  eine  für 
die  andere  gelten  könne.  Auch  die  Kiemen  des  Limulus  werden  nämlich 
bei  der  Anlage  etwas  unter  das  Niveau  der  Ventralfläche  eingesenkt.  Vor 
Allem  ist  aber  die  Lage  der  entstehenden  Lunge  an  der  Hinterseite  der 
Extremität  von  Wichtigkeit.  Wir  sind  daher  geneigt,  die  Lungen  der 
Arachniden  auf  früher  vorhandene  Kiemen  zurückzuführen,    wie  dies  bereits 


606  XVII.  Capitel. 

bei  einer  früheren  Gelegenheit  genauer  erörtert  wurde  (pag.  532).  Wenn 
die  Kieme  in  der  Weise  ins  Innere  des  Körpers  einbezogen  wird ,  dass  der 
freie  Hinterrand  der  Extremität  durch  seine  theilweise  Verwachsung  mit  der 
Körperdecke  das  Stigma  liefert,  so  muss  die  nach  unten  gekehrte  Fläche  der 
dem  Körper  dicht  anliegenden  Extremität  zur  Körperdecke  der  betreffenden 
Stelle  werden.  Damit  stimmt  die  Angabe  von  Monix  überein,  wonach  die 
rudimentäre  Extremität  die  äussere  Decke  der  Lunge  liefert.  Bei  einer 
derartigen  Entstehung  der  Lungen  ist  es  erklärlich ,  dass  die  Lungenblätter 
hauptsächlich  von  der  ventralen  Wand  des  Sackes  entspringen  (Fig.  382). 
Die  Lungenblätter  entsprechen  direct  den  Blättern  der  Kiemen,  wie  sie  noch 
jetzt  bei  Limulus  gefunden  werden.  Wir  beziehen  also  die  Lungenblätter 
auf  die  Blätter  der  Kieme,  ohne  eine  Umstülpung  der  letzteren  anzunehmen, 
wie  sie  von  einigen  Seiten  verlangt  wurde  (vgl.  pag.  532).  Es  ist  die  An- 
sicht ausgesprochen  worden,  dass  man  bei  einer  derartigen  phylogenetischen 
Entstehung  des  Lungenbuches  erwarten  sollte ,  die  Blätter  als  vorspringende 
Falten  an  der  Abdominalextremität  auftreten  zu  sehen,  ehe  noch  die  Ein- 
senkung  erfolgt,  so  dass  damit  das  Lungenbuch  auch  ontogenetisch  das 
Stadium  der  Kieme  durchlaufen  würde.  Ein  derartiges  ontogenetisches 
Stadium  ist  nicht  vorhanden,  sondern  zuerst  erfolgt  die  Einstülpung,  und  in 
ihr  tritt  sodann  die  Faltenbildung  auf;  aber  es  scheint  uns  zu  weit  ge- 
gangen, ein  solches  ontogenetisches  Stadium  zu  verlangen  und  auf  sein  Fehlen 
einen  Schluss  im  entgegengesetzten  Sinne  aufbauen  zu  wollen.  Eine  der- 
artige zeitliche  Verschiebung  der  ontogenetischen  Bildungsvorgänge  hat  hier 
um  so  weniger  etwas  Unwahrscheinliches  an  sich,  als  auch  die  Kiemen  des 
Limulus  bereits  etwas  eingesenkt  erscheinen. 

Der  wichtigste  Anhalt,  welchen  die  Entwicklungsgeschichte  für  den 
Vergleich  der  Arachnidenlungen  mit  den  Kiemen  der  Xiphosuren  liefert,  ist 
ihre  Entstehung  an  den  abdominalen  Extremitäten.  Dazu 
kommt  aber  die  auffällige  Uebereinstimmung  im  Bau  der  ausgebildeten  Organe, 
welche  besonders  durch  Ray  Lankester  und  Mac  Leod  hervorgehoben  worden 
ist,  sowie  die  canalartige  Communication  der  Lungensäcke  beider  Seiten, 
welche  allem  Anschein  nach  ihr  Homologon  in  einer  ähnlichen  Verbindung 
der  beiderseitigen  Kiemenhöhlen  des  Limulus  findet. 

Die  Tracheen.  Wenn  das  Lungenpaar  der  Dipnenmones  aus  den 
zweiten  Abdominalextremitäten  hervorgeht,  so  ist  anzunehmen,  dass  das 
dahinter  gelegene  zweite  Lungenpaar  der  Tetrapneumones  von  den 
dritten  Abdominalgliedmaassen  herkommt.  Nach  Morin's  Beobachtung 
verschwindet  dieses  Extremitätenpaar  bei  den  Dipneumones;  doch  dürfte 
von  genaueren,  besonders  darauf  gerichteten  Untersuchungen  vielleicht  der 
Nachweis  erwartet  wrerden,  dass  von  ihm  aus  die  beiden  Tracheenstämme 
ihren  Ursprung  nehmen,  welche  bei  den  meisten  Spinnen  ausser  den 
Lungen  noch  angetroffen  werden.  Bei  wenigen  Spinnen  (den  Gattungen 
Dysdera,  Sege Stria,  Argyroneta)  rindet  man  die  beiden  Stigmen 
dieser  Tracheenstämme  dicht  hinter  den  Stigmen,  welche  zu  den  Lungen 
führen,  und  man  möchte  deshalb  kaum  daran  zweifeln,  dass  sie  den  ent- 
sprechend gelegenen  hinteren  Stigmen  der  Tetrapneumones  zu  vergleichen 
sind.  Wo  sich  zwei  Stigmen  (Salticus,  Microphantes)  oder,  wie 
dies  gewöhnlich  der  Fall  ist,  ein  vereinigtes  Stigmenpaar  in  Form  eines 
queren  Spaltes  weit  hinten,  dicht  vor  den  Spinnwarzen  rindet,  dürfte 
anzunehmen  sein,  dass  jenes  zweite  Stigmenpaar  nach  hinten  verlagert 
wurde,  in  ähnlicher  Weise  wie  auch  die  folgenden  Extremitätenpaare  als 
Spinnwarzen  an  das  Hinterende  des  Körpers  gedrängt  werden. 


Arachnoiden.  607 

Wie  sich  schon  aus  den  vorstehenden  Betrachtungen  ergiebt,  führen  wir 
die  Tracheen  der  Spinnen  (und  der  Arachniden  überhaupt)  auf  die  Lungen 
zurück.  Wir  nehmen  an,  dass  die  Luftkammern  der  Lungen  sich  stark  in 
den  Körper  hinein  verlängerten,  wobei  sie  gleichzeitig  eine  Verschmälerung 
erfuhren.  Dadurch  kam  schliesslich  die  Form  der  Tracheen  zu  Stande.  Die 
abgeplattete  Form  der  Tracheen  bei  den  Spinnen  scheint  auf  den  Ursprung 
von  Lamellen  hinzuweisen.  Nach  Mac  Leod's  Darstellung  nimmt  die  in  den 
Lungen  am  meisten  dorsal  gelegene  Luftkammer  (Fig.  382,  dk),  welche  von 
der  Wand  des  Lungensackes  und  der  dorsalen  Lamelle  des  letzten  Blattes 
begrenzt  wird,  gewöhnlich  eine  von  den  anderen  Kammern  abweichende  Ge- 
stalt an,  indem  sie  sich  (im  Querschnitt  gedacht)  mehr  abrundet  und  eine 
beinahe  cylinderförmige  Gestalt  erhält,  während  die  anderen  Kammern  nur 
schmale  Spalträurae  darstellen.  So  nähert  sich  diese  Kammer  schon  der 
Gestaltung  der  Tracheen,  denen  sie  übrigens  auch  in  der  Structur  ihrer 
ringsum  von  Chitinzähnchen  besetzten  Wandung  gleicht.  Damit  ist  bereits  bei 
den  eigentlichen  Lungensäcken  ein  theilweiser  Uebergang  zur  Form  der 
Tracheen  gegeben.  Uebrigens  zeigen  die  Tracheen  auch  insofern  eine  grosse 
Uebereinstimmung  mit  den  Lungen,  als  sich  zwischen  den  Hauptstämmen 
der  beiden  Seiten  der  Verbindungscanal  erstreckt,  welcher  auch  bei  den 
Lungen  vorhanden  ist  und  dort  ein  wichtiges  Vergleichsmoment  mit  den 
Kiemen  des  Limulus  darbietet. 

Der  Process  der  grösseren  Ausbreitung  der  Tracheen  im  Körper  war 
höchst  wahrscheinlich  durch  die  Anpassung  an  das  Leben  in  wenig  feuchter 
Luft  bedingt ;  er  führte  zu  einer  ganz  ähnlichen  Bildung ,  wie  sie  das 
Tracheensystem  der  übrigen  luftathmenden  Arthropoden  darstellt.  Bekannt- 
lich sind  auch  die  Tracheen  der  Arachniden  vielfach  als  homolog  mit  den 
Tracheen  der  übrigen  Arthropoden  angesehen  worden.  Die  Lungen  Hess 
man  bei  dieser  Auffassung  durch  Abplattung  und  starke  Verbreiterung  aus 
Tracheenröhren  hervorgehen.  Eine  solche  Auffassung  schien  um  so  eher 
berechtigt,  als  die  Tracheen  auch  bei  den  Arachniden  (Pseudoscorpionen, 
Solpugiden,  Phalangiden  u.  a.)  mit  einem  Spiralfaden  versehen  sein 
können  und  dadurch  eine  wirklich  auffallende  Uebereinstimmung  in  der 
Structur  mit  den  Tracheen  der  Insecten  etc.  zeigen.  Wir  haben  bereits 
dargelegt,  dass  wir  uns  einer  solchen  Auffassung  nicht  anschliessen  können, 
sondern  für  die  Respirationsorgane  der  Arachniden  eine  gesonderte  Ent- 
stehung annehmen.  Uebrigens  muss  noch  erwähnt  werden,  dass  die  Tracheen 
der  Spinnen  des  Spiralfadens  entbehren ,  dagegen  feine  Stacheln  an  ihrer 
Chitinauskleidung  besitzen,  welche  in  gleicher  Weise  auch  den  Lungen  zu- 
kommen. Eine  weitere  Eigenthümlichkeit  der  Structur,  welche  die  Tracheen 
der  Arachniden  von  denjenigen  der  Insecten  unterscheidet,  und  welche  man 
in  ähnlicher  Weise  bei  den  Lungen  antrifft  (Fig.  382  /"),  besteht  in  feinen 
Bindegewebsfasern,  die  von  den  Tracheen  ausgehen  und  sich  an  anderen 
Theilen  des  Körpers  inseriren.  Entsprechende  Bildungen  sollen  den  Tracheen 
der  Myriopoden  und  Insecten  stets  fehlen  (Mac  Leod,  No.  10). 

Das  gleichzeitige  Vorkommen  von  Lungen  und  Tracheen  im  Abdomen 
der  Spinnen  führte  schon  Leuckakt  (No.  8)  auf  die  Raumverhältnisse  des 
letzteren  zurück ,  welche  im  breiten  vorderen  Theil  eine  massigere  Entwick- 
lung gestatten,  im  hinteren  Theil  aber  zur  Längsstreckung  und  weiteren  Aus- 
breitung in  dieser  Richtung  führen.  Es  ist  hier  also  ein  nur  theilweiser 
Uebergang  zur  Athmung  durch  Tracheen  vorhanden,  der  bei  anderen  Arach- 
niden zur  alleinigen  Ausbildung    eines  Tracheensystems  führt. 


608  XVII.  Capitel. 


E.    Die  Spinndrüsen  und  die  Giftdrüse. 

Die  Spinndrüsen  entstehen  als  Einstülpungen  des  Ectoderms  auf 
dem  zu  Spinnwarzen  umgewandelten  vierten  und  fünften  Abdominal- 
gliedmaassenpaar  (Morin,  Locy).  Diese  vier  Spinnwarzen  sind  als  die 
ursprünglichen  zu  betrachten  und  entsprechen  wohl  den  bei  den  Tetra- 
pneumones  vorhandenen  zwei  Paaren  (Schimkewitsch).  Bei  den  Di- 
pneumones  können  noch  mehr  Spinnorgane  zur  Ausbildung  kommen. 
Bei  ihnen  liegt  zwischen  den  vorderen  und  hinteren  Spinnwarzen  ein 
drittes  Paar.  Dasselbe  ist  weniger  entwickelt  und  entbehrt  der  Gliederung, 
welche  die  beiden  anderen  besitzen  können.  Diese  documentiren  sich 
schon  dadurch  als  rückgebildete  Extremitäten.  Die  Spinndrüsen  selbst 
dürften,  wie  schon  früher  bemerkt,  als  Cruraldrüsen  aufzufassen  sein. 
Die  gleiche  Bedeutung  ist  wohl  der  Giftdrüse  zuzuschreiben,  welche  als 
Ectoderm verdickung  an  der  Spitze  der  Cheliceren  entsteht  und  von  da 
nach  innen  vorwuchert  (Schimkewitsch). 

Die  Beziehung  der  abdominalen  Extremitäten  zu  den  verschiedenen 
Paaren  von  Sp  innwarzen  des  ausgebildeten  Thieres  ist  noch  nicht  als  völlig 
festgestellt  zu  betrachten.  Wenn  zwei  Paare  mit  ihren  Drüsen  aus  den 
Extremitäten  hervorgehen,  ist  nicht  wohl  anzunehmen,  dass  dass  dritte  Paar 
dazwischen  unabhängig  von  einem  Gliedmaassenpaar  entstellt,  und  doch 
spricht  Salensky  von  der  Anlage  eines  dritten  Paares  zwischen  den  schon 
vorhandenen.  Auf  das  Abdominalbeinpaar  des  dritten  Segmentes  ein  Paar 
von  Spinnwarzen  zurückzuführen,  scheint  unthunlich,  da  an  seiner  Stelle  beim 
Vorhandensein  von  vier  Lungensäcken  (Tetrapneumones)  ein  Paar  der- 
selben entstehen  dürfte  und  da  dieses  Paar  bei  den  Dipneumones  zur 
Rückbildung  gelangen  soll,  wie  Morix  angiebt,  Dagegen  wurde  schon  früher 
darauf  hingewiesen  (pag.  582),  dass  ausser  den  fünf  ersten  noch  ein  weiteres 
Paar  von  Abdominalextremitäten  vorhanden  zu  sein  scheint  und  vielleicht 
kommt  diesem  eine  Bedeutung  bei  der  Bildung  eines  Spinnwarzenpaares  zu. 

Ueber  die  Entwicklung  des  vor  den  vorderen  Spinnwarzen  gelegenen 
Cribrellums  und  eventuelle  Beziehungen  desselben  zu  den  abdominalen 
Anhängen  scheint  bisher  Genaueres  noch  nicht  festgestellt  worden  zu  sein. 

F.    Der  Darmcanal  und  seine  Anhangsgebilde. 

Den  Vorderdarm  lernten  wir  bereits  als  eine  zwischen  den  Kopf- 
lappen gelegene  und  deren  Hinterrande  genäherte,  schon  früh  auftretende 
Einstülpung  kennen  (Fig.  370  B,  pag.  582).  Dieselbe  verlängert  sich  nach 
hinten  (Fig.  383  A  und  J5),  und  aus  ihr  differenziren  sich  Pharynx,  Oeso- 
phagus und  Saugmagen.  An  den  ersteren  und  letzteren  setzen  sich  starke 
Muskelzüge  an,  welche  nach  der  Körperwand  verlaufen  (Fig.  383  A  und 
B  mu) :  ein  Muskelstrang,  welcher  vom  Pharynx  nach  dem  Rücken  des 
Cephalothorax  zieht,  ein  anderer,  welcher  vom  Saugmagen  aus  die  gleiche 
Richtung  nimmt,  und  zwei  laterale  Muskeln,  die  vom  Saugmagen  aus 
nach  den  Rändern  der  Sternalplatten  verlaufen. 

Wie  der  Vorderarm,  bildet  auch  der  Enddarm  verschiedene  Ab- 
schnitte. Er  entsteht  erst  in  späterer  Zeit,  wenn  die  Umrollung  schon 
weit  gediehen  ist,  aus  einer  Einstülpung  des  letzten  Segmentes  (Fig.  383 
A,  ä)  und  wächst  nach  vorn  aus,  doch  so,  dass  sich  das  Vorderende  des 
blindgeschlossenen  Schlauches  stark   ausweitet  und  zu  einer  Blase  wird 


Arachnoiden. 


609 


(Rectalblase,  Fig.  383  B,  rb),  während  ein  kurzer  hinterer  Abschnitt,  das 
eigentliche  Rectum,  schlauchförmig  bleibt. 

Der  3Iittel(larm  geht  bei  den  Spinnen  aus  den  im  Dotter  vertheilten 
Entodermzellen  hervor,  wie  man  aus  den  in  dieser  Beziehung  ziemlich 
übereinstimmenden  Angaben  der  Autoren  entnehmen  muss.  Seine  Bil- 
dung beginnt  am  Hinterende  des  Körpers,  und  insofern  möchte  man  eine 


mu.' 


Fig.  383.  A  und  B  Längsschnitte  durch  Embryonen  von  Theridium  macu- 
latum  in  verschieden  alten  Stadien  (nach  Mobin). 

a  After,  bl  Blutzellen,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  g  Gehirn,  h  Herz,  l  Leberlappen, 
m  Mund ,  md  Anlage  des  Mitteldarms ,  mu  Muskeln,  n  Bauchganglien,  rb  Kectalblase, 
*  Andeutung  der  äusseren  Segmentmmg ,  sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms, 
vd  Vorderdarm. 


Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  der  Scorpione  finden;  doch  tritt 
ein  ähnlicher  Theil  der  Darmanlage,  wie  der  am  Hinterende,  auch  bald 
(vielleicht  sogar  gleichzeitig)  im  vorderen  Theil  des  Körpers  auf  (Fig.  383 
A  und  B,  md). 


610 


XVII.  Capitel. 


In  später  Zeit  der  Entwicklung,  erst  wenige  Tage  vor  dem  Aus- 
schlüpfen der  Spinne,  erscheint  am  Vorderende  des  Proktodäums  eine 
Ansammlung  von  Entodermzellen  (Fig.  383  A,  md),  die  sich  bald  in  regel- 
mässiger Weise  an  der  Peripherie  des  Dotters  zu  einem  Epithel  an- 
ordnen. So  entsteht  ein  hinten  geschlossenes,  nach  vorn  offenes  trom- 
petenförmiges  Gebilde,  der  hintere  Theil  der  Anlage  des  Mitt eidarmes 
(Fig.  383  B,  md).  Eine  ganz  ähnliche  Bildung  tritt  vorn  am  blinden 
Ende  des  Stomodäums  auf  (md).  Sie  entstammt  ebenfalls  den  Dotterzellen, 
deren  Zahl  sich  stark  vermehrt  hat.  Indem  beide  Theile  mit  ihren  weiten, 
offenen  Enden  gegen  einander  hin  wachsen  und  sich  schliesslich  ver- 
einigen, erhält  der  Mitteldarm  seinen  Abschluss.  Mit  ihm  verlöthen  so- 
dann Vorder-  und  Enddarm.  Ehe  dies  aber  geschieht,  macht  sich  noch 
eine  Bildung  von  complicirterer  Art  bemerkbar,  das  ist  die  Leber. 
Schon  bevor  die  Ausbildung  des  Mitteldarmes  begann,  entstanden  an 
dein    splanchnischen  Blatt   des    Mesoderms,    welches   (beim   Fehlen   des 

Mitteldarmepithels)  dem  Dot- 
u  ter  direct   anlag,   Falten  in 

ziemlicherAnzahl  (Fig.  384/'), 
welche  in  die  Dottermasse 
hinein  wucherten  und  ein- 
zelne Complexe  derselben  fast 
ganz  von  der  Hauptmasse 
isolirten  (Fig.  383  l).  In 
diesen  abgespaltenen  Dotter- 
complexen  soll  später  die  Bil- 
dung des  Epithels  auf  dieselbe 

Weise  wie  in  der  Haupt- 
masse vor  sich  gehen,  näm- 
lich dadurch,  dass  die  Dot- 
terzellen an  die  Oberfläche 
treten  und  sich  zu  einer  regel- 
mässigen Lage  anordnen.  (?) 
Das  so  gebildete  Epithel  liegt 

nunmehr  dicht  unter  dem 
splanchnischen  Blatt  des  Me- 
soderms. —  An  den  Stellen, 
wo  die  abgespaltenen  Com- 
plexe mit  der  Hauptmasse 
des  Dotters  in  Verbindung 
blieben,  entstehen  die  Ausführungsgänge  der  Leber.  Der  gelappte  Bau 
der  letzteren  entsteht  in  Folge  weiterer  Ausbuchtungen  der  Wandung. 
Als  Ausstülpungen  der  Wand  des  Mitteldarmes  werden  wohl  auch  die 
Blindsäcke  in  seinem  vorderen  thoracalen  Theil  gebildet  (V  vgl.  pag.  618). 
Nach  Locy  sollen  sich  (bei  Agalena)  diese  Blindsäcke  des  Magens  in 
die  Basis  der  Extremitäten  erstrecken,  ein  Verhalten,  welches  in  auf- 
fallender Weise  an  den  Bau  der  P  an  top  öden  erinnern  würde. 

Die  völlige  Ausgestaltung  des  Darmes  erfolgt  erst  spät.  Wenn  die 
Spinne  ausschlüpft,  ist  die  Vereinigung  der  beiden  Hauptanlagen  des 
Mitteldarmes  noch  nicht  erfolgt;  es  ist  also  noch  die  grösste  Masse  des 
Dotters  vorhanden,  und  die  junge  Spinne  vermag  sich  infolgedessen 
während  der  ersten  Zeit  ihres  freien  Lebens  noch  nicht  selbstständig  zu 
ernähren. 


Fig.  384.  Querschnitt  durch  das  Abdomen 
eines  Embryos  von  Pholcus  phalango'ides 
(nach  Morin). 

dz  Dotterzellen,  /  Falten  des  splanchnischen 
Blattes,  h  Herz,  m  Muskeln,  so  somatisches, 
sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms. 


Arachnoiden.  Q\\ 

Die  Bildung  des  Darmes  wird  von  Locy  und  Morin  in  ziemlich  über- 
einstimmender Weise  behandelt  und  diese  Darstellung  lässt  sich  im  Ganzen 
auch  mit  den  Angaben  von  Balfour  und  Schimkewitsch  vereinigen.  Ein- 
zelne Differenzpunkte  sind  nicht  wichtig  genug,  um  hier  darauf  einzugehen. 
Anders  verhält  es  sich  jedoch  mit  der  Entstehungsweise  eines  wichtigen  An- 
hangstheiles  des  Darmes,  nämlich  der  sog.  Malpighi' sehen  Gefässe,  deren 
Ursprung  von  den  Autoren  in  abweichender  Weise  dargestellt  wird. 

Als  Malphighf  sehe  Gefässe  spricht  man  zwei  lange,  schlauchförmige 
Anhänge  des  Darmes  an,  welche  sich  ungefähr  an  der  Stelle  in  den  Darm 
öffnen,  wo  der  Mitteldarm  in  den  Enddarm  übergeht.  Bei  der  Bildung 
des  Enddarmes  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  derselbe  eine  weite  Auf- 
treibung bildet,  die  Rectalblase,  auch  Cloake  genannt.  Bei  Agalena. 
der  in  dieser  Beziehung  am  genauesten  untersuchten  Form,  liegt  die 
Rectalblase  dorsal,  insofern  sich  das  blinde  Ende  der  hinteren  Mittel- 
darmanlage mit  der  ventralen  Wand  des  Enddarms  verbindet,  und  zwar 
ziemlich  weit  hinten,  so  dass  also  der  grösste  Theil  der  Blase  vor  der 
Einmündungssteile  in  den  Enddarm  gelegen  ist.  Bei  Theridium  und 
P hole us  allerdings  mündet  der  Mitteldarm  in  das  vordere  Ende  der 
Blase  ein,  wenn  man  nach  den  von  Morin  gegebenen  Bildern  urtheilen 
darf  (Fig.  383  B).  An  dem  bereits  vereinigten  Mittel-  und  Hinterdarm 
scheint  es  sehr  schwer  zu  sein,  die  Zugehörigkeit  der  Parthien  zum 
einen  oder  zum  anderen  festzustellen.  So  kommt  es,  dass  die  Ursprungs- 
stelle der  MALPiGHi'schen  Gefässe  von  den  Autoren  verschieden  gedeutet 
wird.  Während  nach  Balfour,  Schimkewitsch  und  Morin  die  Malpighi- 
schen  Gefässe  vom  Proktodäum  aus  entstehen,  treten  Locy  und  Loman 
für  einen  entodermalen  Ursprung  derselben  ein.  Die  Angaben  der  bei- 
den letzten  Autoren  lauten  bestimmter,  als  die  der  vorhergenannten,  weil 
diese  Forscher  besonders  auf  den  betreffenden  Punkt  achteten,  was 'bei  den 
anderen  weniger  der  Fall  war. 

Locy  spricht  es  ziemlich  sicher  aus,  dass  die  Malpighi' sehen  Gefässe 
vom  schlauchförmigen  Abschnitt  der  hinteren  Mitteldarmanlage  entspringen, 
und  Loman  tritt  auf  Grund  der  histologischen  Beschaffenheit  des  Darmes 
und  der  Lage  der  sog.  Malpighi7 sehen  Gefässe  beim  ausgebildeten  Thiere 
entschieden  für  die  entodermale  Natur  derselben  ein.  Trotzdem  können  wir 
diesen  Punkt  noch  nicht  für  völlig  entschieden  halten,  obwohl  wir  selbst 
Gelegenheit  hatten,  ihn  zu  prüfen  und  uns  dabei  die  entodermale  Natur  der 
Schläuche  als  recht  wahrscheinlich  entgegentrat1).  Es  kommt  hinzu,  dass 
auch  von  den  Malpighi' sehen  Gelassen  der  Scorpione  bestimmt  angegeben 
wird,  sie  würden  vom  Entoderm  geliefert  (pag.  553),  und  dass  diejenigen 
Angaben,  welche  von  einer  ectodermalen  Entstehung  der  Schläuche  sprechen, 
noch  weit  weniger  beweisend  sind. 


1)  An  Schnitten  von  jungen  Spinnen  (Tegenaria  domestica),  welche  uns  von 
Herrn  Dr.  A.  Brauer  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  ergab  sich  die  Bildung 
des  Darmes  so,  wie  es  oben  für  Agalena  geschildert  wurde:  die  trompetenförmige, 
hintere  Mitteldarmanlage  mit  ihrer  ventralen  Einmündung  in  den  Enddarm.  Die  Ver- 
bindung von  Mitteldarm  und  Enddarm  war  schon  hergestellt.  Es  schien  ganz  so,  als 
ob  die  Schläuche  vom  entodermalen  Theil  ausgingen,  aber  völlige  Gewissheit  war  über 
diesen  Punkt  nicht  zu  erlangen.  Derselbe  kann  mit  Sicherheit  nur  an  etwas  früheren 
Stadien  entschieden  werden,  wenn  die  Verbindung  von  Mittel-  und  Enddarm  noch  nicht 
eingetreten  ist;  denn  aus  der  Länge  der  Schläuche  in  den  betreffenden  Stadien  darf 
geschlossen  werden,  dass  sie  bereits  früher  zur  Anlage  kommen. 


612 


XVII.  Capitel. 


Die  Herleitung  der  sog.  Malpighi' sehen  Gefässe  von  Mesodermsträngen 
und  diejenige  der  Rectalblase  von  einem  dem  Schwanzabschnitt  zugehörigen 
unpaaren  Cölomsack  (Kishinouye  ,  No.  62)  ist  nach  Allem ,  was  wir  von 
der  Entstehungsweise  dieser  Gebilde  wissen,  zu  unwahrscheinlich,  als  dass 
wir  näher  darauf  eingehen  könnten. 

Würde  sich  die  Zugehörigkeit  der  Schläuche  zum  Mitteldarm  als 
sicher  ergeben,  so  wäre  damit  ein  weiterer  Charakter  gewonnen,  welcher 
gegen  die  engere  Verwandtschaft  der  Arachniden  mit  den  Myriopoden 
und  Insecten  spräche.  Jene  Schläuche  müssten  dann  für  ähnliche  Bil- 
dungen, wie  die  Anhänge  des  Mitteldarms  bei  einigen  Crustaceen  gehalten 
und  dürften  nicht  mehr  mit  den  Malpighi 'sehen  Gefässen  der  Insecten 
verglichen  werden. 

Die  mesodermalen  Bildungen. 

Der  noch  ungegliederte  Keimstreifen  (Fig.  365  0,  pag.  577)  wird  zum 
Theil  durch  Erhöhung  der  Ectodermzellen,  welche  cylindrische  Form  an- 
nehmen, hauptsächlich  aber  durch  die  darunter  liegende  Mesodermschicht 


a. 


ma> 


mw. 


Fig.  385.  A — C.  A  Längsschnitt,  B  und  C  Querschnitt  durch  junge  Embryonen 
von  Theridium  maculatum  (nach  Morin). 

b  Blastoderm,  bl  Blutzellen,  cl  Dotter,  dz  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  kl  Kopflappen, 
mes  Mesoderm,   sl  Schwanzlappen,  I — VI  erstes  bis  sechstes  Segment. 


von  dem  übrigen  Blastoderm  unterschieden.  Das  Mesoderm  stellt  zuerst 
ein  continuirlicb.es  Band  dar,  welches  anfangs  in  einschichtiger  Lage  den 
ganzen  Umfang  des  Keimstreifens  einnimmt  (Fig.  385  B),  bald  aber  durch 
rege  Zellvermehrung  mehrschichtig  wird  und  nunmehr  eine  Differenzirung 


Arachnoiden. 


613 


in  der  Art  erfährt,  dass  es  sich  durch  einen  längs  der  Mittellinie  auf- 
tretenden Spalt  in  zwei  Meso  denn  streifen  trennt  (Balfour,  Locy).  Dies 
tritt  zu  einer  Zeit  ein,  wenn  der  Keimstreifen  äusserlich  bereits  sechs 
Segmente  aufweist  (Fig.  367  A,  pag.  579  und  Fig.  385  A  und  C).  Die 
äussere  Segmentirung  scheint  der  inneren  voranzugehen,  doch  tritt  auch 
die  letztere  sehr  bald  ein,  indem  die  Mesodermstreifen  in  die  Ursegmente 
zerfallen  und  in  diesen  die  Segmenthöhlen  erscheinen  (Fig.  385  A  und  C). 
Zwischen  den  aufeinander  folgenden  Ursegmenten  bilden  sich  Zwischen- 
räume, die  von  Mesoderm  ganz  frei  sind  (Schimkewitsch  ,  Moein, 
Fig.  385  A).  Im  Kopf-  und  besonders  im  Schwanztheil,  wo  die  Diffe- 
renzirung  des  Mesoderms  in  Ursegmente  zuletzt  eintritt,  bleiben  die  bei- 
den Mesodermstreifen  im  Zusammenhang.  Die  Differenzirung  erfolgt  von 
vorn  nach  hinten,  mit  Ausnahme  der  vordersten  Segmente,  welche,  wie 
schon  früher  gezeigt  wurde,  bei  den  Spinnen  wie  auch  bei  den  Scorpionen, 
etwas  später  als  die  folgenden  Segmente  des  Cephalothorax  zur  Sonderung 


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fflßr. 


Fig.  380.  Längsschnitt  durch  einen  Embryo  ran  Agalena  labyrinthica  un- 
gefähr im  Stadium  der  Fig.  369  (nach  Balfour). 

Der  Schnitt  ist  seitlich  von  der  Mittellinie  geführt,  so  dass  die  Erstreckung  der 
Ursegmente  in  die  Extremitäten  zur  Anschauung  kommt.  Im  Innern  der  Dotter  mit 
den  Dotterzellen. 

do  die  kurze  Parthie,  welche  nicht  vom  Keimstreifen  bedeckt  ist,  pr.l  Scheitel- 
lappen, 1 — 16  die  Körpersegmente,  1  Cheliceren,  2  Pedipalpen,  3  erstes  Beinpaar  u.  s.  f. 


gelangen.  Die  Zahl  der  Ursegmente  entspricht  derjenigen  der  Körper- 
segmente in  der  Weise,  dass  auf  jedes  der  letzteren  ein  Paar  kommt. 
Auch  die  Kopflappen  besitzen  ein  solches,  wie  aus  den  Darstellungen 
von  Balfour,  Morin  und  Kishinouye  zweifellos  hervorgeht.  Diese  Ver- 
hältnisse gleichen  also  den  früher  für  die  Scorpione  beschriebenen 
(Fig.  355  A,  pag.  555).  Im  Cephalothorax  und  auch  im  Abdomen,  soweit 
dasselbe  Gliedmaassen  besitzt,  erstrecken  sich  die  Ursegmente  in  diese 
hinein,  ja  ziehen  sich  sogar  fast  ganz  in  dieselben  zurück  (Fig.  386  und 
387  A).  Naturgemäss  betheiligen  sich  auch  die  Mesodermstreifen  an  der 
Verlagerung,  welche  die  beiden  Hälften  des  Keimstreifens  infolge  des 
Hervordrängens  der  Dottermasse  an  der  Ventralseite  erfahren.  Während 
sie  vorher  neben  der  ventralen  Mittellinie  gelegen  waren  (Fig.  385  C), 
erscheinen    sie  nunmehr  weiter  von  derselben  entfernt  und  durch  den 


Korschelt-Heider,   Lehrbuch. 


40 


614 


XVII.  Capitel. 


sog.  Dottersack  getrennt  (Fig.  371  A,  pag.  584).  Der  Umfang  der  Seg- 
menthöhlen nimmt  beträchtlich  zu,  indem  sich  die  Ursegmente  gegen 
die  Dorsalseite  ausdehnen  (Fig.  387  B).  Dieser  Vorgang  entspricht  ganz 
demjenigen,  welchen  wir  bereits  bei  der  Cölombildung  der  Anneliden 
kennen  lernten  (vgl.  pag.  192). 

Als  Derivate  der  Ursegmente  entstehen: 

1)  aus  dem  somatischen  Blatt  die  Körpermuskeln,  von  denen  (als 
Verdickungen  neben  der  ventralen  Mittellinie  des  Abdomens)  besonders 
die  beiden  starken  Längsmuskeln  zu  erwähnen  sind,  sodann  das  sub- 
cutane Bindegewebe.  Auch  das  Innenskelet  soll  nach  Schimkewitsch  vom 
somatischen  Blatt  geliefert  werden,  doch  vermögen  wir  diese  Angabe  nur 
ganz  mit  Reserve  wiederzugeben  Weiter  rührt  die  Bekleidung  der  durch 
Einstülpung  des  Ectoderms  entstehenden  Gebilde  (Vorder-  und  Enddarm, 


a. 


clB. 


Fig.  387.  A  und  B  Querschnitte  durch  Embryonen  von  Theridium  rnacu- 
latum  (nach  Morin). 

In  A  ist  der  um  den  Dotter  gekrümmte  Embryo  zweimal  getroffen  und  man 
erkennt  unten  die  thoracalen  Extremitäten  und  Ursegmente,  während  oben  der  Schnitt 
die  abdominalen  Ursegmente  trifft.  B  Querschnitt  durch  das  Abdomen  eines  älteren 
Embryos,  in  welchem  die  Ursegmente  bereits  grössere  Ausdehnung  erlangt  haben. 

bl  Blutzellen,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  ex  Extremitäten,  l  Lungeneinstülpung, 
n  Anlage  der  Ganglienkette,  us  Ursegmente. 

Lungen,  Drüsen)  sammt  ihrer  Muskulatur,  also  auch  die  schon  früher  er- 
wähnte starke  Muskulatur  des  Vorderdarmes,  vom  somatischen  Blatt  her. 

2)  aus  dem  splanchnischen  Blatt  die  Bekleidung  des  Mitteldarmes, 
das  Blutgefässsystem  und  die  Geschlechtsorgane. 

Bezüglich  der  Bildung  der  Coxaldrüsen  muss  auf  das  Verhalten 
der  Scorpione  verwiesen  werden  (pag.  557;  vgl.  auch  pag.  619). 


G.    Das  Blutgefässsystem  und  die  Leibeshöhle. 

Das  Blutgefässsystem.  Zur  Zeit,  wenn  die  Gliedmaassen  schon 
ausgebildet  sind,  erscheinen  über  den  Ursegmenten  zwischen  Ectoderm 
und  Dotter  grosse  runde  Zellen  (Fig.  387  A  und  B,  bl),  bezüglich  deren 
Entstehung  die  Forscher  nicht  übereinstimmen. 


Arachnoiden. 


615 


Balfouk,  welcher  diese  Zellen  bereits  bemerkte,  leitete  ihren  Ursprung 
von  den  Dotterzellen  her.  Er  führte  auch  die  Entstehung  des  dorsalen 
Mesoderms  auf  diese  Zellen  zurück  (Fig.  371 ,  pag.  584).  Diese  letztere 
Annahme  ist  durch  die  übereinstimmenden  Beobachtungen  von  Schimkewitsch, 
Locy  und  Morin  ,  wonach  sich  die  Ursegmente  bis  an  die  dorsale  Mittel- 
linie ausdehnen,  zurückgewiesen.  Die  in  späteren  Stadien  (Fig.  371) 
dorsal  sich  findenden  Zellen  gehören  demnach  den  Ursegmenten  an,  wie  in 
Fig.  387,  B  und  Fig.  388.  Doch  sind  ausser  diesen  Zellen  noch  die  er- 
wähnten grossen  runden  Zellen  vorhanden  (Fig.  387  A  und  B  bl)  und  in 
Bezug  auf  deren  Ursprung  schliessen  sich  auch  Schimkewitsch  und  Locy 
der  Auffassung  Baleour's  an ,  dass  dieselben  von  Dotterzellen  herstammen. 
Neuerdings  vertritt  Kishinouye  dieselbe  Ansicht.  Die  Beschaffenheit  dieser 
Zellen  scheint  eine  solche  Auffassung  zu  unterstützen.  Sie  sind  weit  umfang- 
reicher, als  die  Zellen  der  Ursegmente  (Fig.  387  A  und  B) ,  trotzdem 
möchten  wir  sie  im  Anschluss  an  Moein  von  diesen  ableiten  und  annehmen, 
dass  ihre  Ablösung  von  den  Ursegmenten  bereits  in  frühen  Stadien  erfolgte, 
wenn  deren  Zellen  selbst  noch  grösser  waren.  Eine  bessere  Ernährung  in 
der  Nähe  des  Dotters  wird  auch 
bei  eintretender  Yermebrung  eine 
Yolumvergrösserung  der  Zellen 
bedingen.  Für  einen  solchen 
Ursprung  der  Zellen  spricht 
übrigens,  dass  sie  nach  Schimke- 
witsch auch  in  den  Ursegment- 
höhlen  gefunden  werden.  Aller- 
dings lässt  sie  dieser  Forscher 
mittelst  Durchbrechens  der  Seg- 
mentwand vom  Dotter  aus  da- 
hin   gelangen ,    doch    hat    diese 

Auffassung    nicht    viel   wahr- 
scheinliches für  sich. 

So  lange  der  Ursprung 
der  einzelnen,  zwischen  Ecto- 
derm  und  Dotter  gelegenen 
Zellen  nicht  sicher  erwiesen 
ist,  nehmen  wir  sie  als  Meso- 

dermzelleil    in   Anspruch  ,    ZU-       dz  Dotterzellen,  AHerz,  so  somatisches,  sp  splanch- 
mal    wir  glauben    möchten,  nisches  Blatt,  sp.w  Spinnwarzen. 

dass  bei  ihrer  Zurückführung 

auf  Dotterzellen  die  Vergleichung  mit  ähnlichen  Vorgängen  bei  den 
Wirbelthieren  eine  Rolle  gespielt  hat.  Diese  vereinzelten  Zellen 
werden  nämlich  zu  Blutzellen.  Dieselben  sammeln  sich  während  des 
Vorwachsens  der  Ursegmente  am  Rücken  an  (Fig.  387  B)  und,  da  sie 
sich  ziemlich  eng  an  einander  drängen,  so  bilden  sie  (hauptsächlich  im 
Abdomen)  eine  Art  zelligen  Stranges,  welcher  das  Zusammenschliessen 
der  Ursegmente  in  der  dorsalen  Mittellinie  verhindert  (Fig.  388  bl)  und 
so  die  Bildung  eines  dorsalen  Mesenteriums,  wie  es  bei  den  Anneliden 
zu  Stande  kommt,  nur  theilweise  gestattet.  Dieselben  stossen  deshalb 
erst  über  diesem  Strang  zusammen,  um  sich  sodann  auch  unterhalb  des- 
selben zu  vereinigen  (Fig.  388  und  Fig.  389  A).  So  wird  das  Herz  ge- 
bildet, und  zwar  direct  aus  der  Wand  der  Ursegmente,  so  viel  man  aus 
den  Angaben  der  Autoren  (Schimkewitsch,  Locy,  Morin)  ersehen  kann 

40* 


sp.w. 


Fig.  388.  Querschnitt  durch  das  Abdomen 
eines  Embryos  von  Pholcus  phalangoides 
(nach  Mokin). 

by  Bauchganglienkette,  bl  Blutzellen,  d  Dotter, 


616 


XVII.  Capitel. 


(Fig.  389  A  und  B).  Mit  der  Ausbildung  des  Herzens  würde  infolge- 
dessen an  dieser  Stelle  der  Zusammenhang  der  zelligen  Elemente  der 
Ursegmente  gelöst  werden  (Fig.  389  B).  Bei  der  Herzbildung  der  Anne- 
liden spalten  sich  die  betr.  Zellen  von  den  Ursegmenten  ab  und  ebenso 
verläuft  dieser  Vorgang  bei  den  Mollusken,  wie  später  gezeigt  werden  wird. 

Die  isolirten  Zellen,  welche  sich  zu  dem  Strang  vereinigt  hatten,  werden 
zu  Blutzellen.  Ihre  dichte  Anlagerung  hatte  zusammen  mit  der  an  sie  an- 
gedrängten Ursegmentwand  die  Veranlassung  gegeben ,  das  Herz  von  einer 
soliden  Mesodermmasse   abzuleiten,    die    sich   längs   der    dorsalen  Mittellinie 


*     c. 


Fig.  389.  A  und  B  Theile  von  Querschnitten  durch  das  Abdomen  von  Embryonen 
des  Theridium  maculatum.     Bildung1  des  Herzens  (nach  Morin). 

bl  Blutzellen,  c  Cölomhöhle,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  h  Herz, 
so  somatisches,  sp  splanchnisches  Blatt. 


erstreckt  (Balfour),  doch  bewahrheitet  sich  diese  Auffassung  nicht,  vielmehr 
lässt  sich  die  Bildung  des  Herzens  direct  auf  den  gleichen  Vorgang  bei  den 
Anneliden  zurückführen.  Die  Höhlung  des  Herzens  entspricht 
einem  Theil  der  primären  Leibeshöhle,  welcher  von  den  Ur- 
segmenten beiderseits  umschlossen  wird. 

Das  Herzrohr  liegt  in  einer  Einsenkung  des  Dotters  (Fig.  389  B). 
Letzterer  ist  nur  vom  splanchnischen  Blatt  des  Mesoderms  bedeckt,  da 
das  Mitteldarmepithel  noch  fehlt.  Von  jenem  Theil  der  Splanchnopleura 
soll  sich  eine  Mesodermlamelle  abspalten,  welche  das  Herz  umwächst 
und  das  Pericardium  bildet  (Schimkewitsch).  Vom  somatischen  Blatt 
aus  sollen   dann   die  Flügelmuskeln   des  Herzens   gebildet  werden.    Als 


Arachnoiden.  (317 

Ausstülpungen  des  Pericardiums  entstehen  die  Pulmonalvenen,  während 
die  vordere  und  hintere  Aorta,  sowie  die  seitlichen  Arterien  als  Ver- 
längerungen des  Herzens  bezw.  als  Ausstülpungen  desselben  ihren  Ur- 
sprung nehmen  (Schimkewitsch). 

Während  der  Hohlraum  des  Herzens  als  Theil  der  primären  Leibeshöhle 
erscheint,  würde  der  Pericardialraum  nach  Schimkewitsch  einem  Theil  der 
secundären  Leibeshöhle  entsprechen.  Das  Pericardium  der  Arachniden  bildet 
einen  Schlauch  und  lässt  sich  mit  dem  gleichnamigen  Gebilde  der  Insecten 
nicht  vergleichen.  Ehe  man  aber  Sicheres  über  die  Natur  des  Pericardiums 
aussagen  kann,  müssen  noch  genauere  Angaben  über  seine  Entstehungsweise 
abgewartet  werden. 

Die  Leibeshöhle.  Wie  bei  den  übrigen  Arthropoden,  ist  auch 
bei  den  Arachniden  das  Blutgefässsystem  gegen  die  Leibeshöhle  nicht 
abgeschlossen,  sondern  die  letztere  wird  direct  in  die  Circulation  des 
Blutes  mit  einbezogen.  Trotzdem  macht  sich  ein  auffallender  Unter- 
schied in  der  Bildungsweise  der  Leibeshöhle  gegenüber  den  Crusta- 
ceen,  sowie  den  Myriopoden  und  Insecten  geltend.  Während 
bei  diesen  die  Ursegmente  wenig  umfangreich  werden  und  schon  früh- 
zeitig eine  Rückbildung  erleiden,  erreichen  sie  bei  den  Arachniden  eine 
beinahe  so  bedeutende  Ausdehnung,  wie  bei  den  Anneliden  (Fig.  387 
und  388).  Stark  entwickelt  sind  die  Ursegmente  im  Anfang  auch  bei 
Peripatus  (Fig.  442,  pag.  709),  aber  diese  Form  verhält  sich  doch  im 
Ganzen  so,  wie  die  Insecten,  da  auch  bei  ihr  sehr  bald  die  Ursegmente 
im  Wachsthum  zurückbleiben  und  durch  Abgabe  reichen  Zellenmaterials 
zum  grossen  Theil  einem  baldigen  Zerfall  unterliegen.  Die  definitive 
Leibeshöhle  bildet  sich  (als  Pseudocoel)  ausserhalb  der  Ursegmente. 
Etwas  anders  dürften  sich  in  dieser  Beziehung  die  Arachnoiden  verhalten. 
Allerdings  ist  es  schwer,  aus  den  vorliegenden  Angaben  bereits  ein 
sicheres  Urtheil  zu  gewinnen,  da  man  bisher  auf  die  Bildung  der  defini- 
tiven Leibeshöhle  noch  wenig  Gewicht  gelegt  hat.  So  viel  ist  aber  sicher, 
dass  die  Ursegmente  noch  in  ziemlich  vorgeschrittenen 
Stadien  der  Entwicklung  eine  bedeutende  Ausdehnung 
besitzen  (Fig.  388  und  389).  Zwischen  ihrem  somatischen  und  splanch- 
nischen  Blatt  ist  ein  ziemlich  umfangreicher  Hohlraum  vorhanden,  von 
welchem  wir  annehmen  müssen,  dass  er  bei  eintretender  Vereinigung  der 
Segmenthöhlen  direct  in  die  definitive  Leibeshöhle  übergeht.  Freilich 
dürfte  wohl  auch  hier  nicht  die  Leibeshöhle  bis  zuletzt  das  Cölom- 
epithel  bewahren,  sondern  schliesslich  zerfällt  die  Wand  der  Urseumente 
ebenfalls  (Fig.  389  A  u.  B  und  Fig.  383  u.  384,  pag.  609  u.  610),"  indem 
sie  Muskulatur  und  Bindegewebselemente  liefert,  so  dass  zuletzt  auch 
bei  den  Arachniden  ein  ähnlicher  Zustand  eintritt,  wie  er  bereits  auf 
weit  früheren  Entwicklungsstadien  von  den  Crustaceen,  Myrio- 
poden und  Insecten  erreicht  wird. 

Die  Segmentirung  des  Mesoderms  beginnt  zu  schwinden,  wenn  die 
Ursegmente  schon  einen  ziemlichen  Umfang  erreicht  haben  und  der 
Embryo  selbst  sich  ungefähr  auf  dem  Stadium  der  Fig.  369  befindet. 
Im  Cephalothorax  fliessen  die  Segmenthöhlen  in  einander,  indem  die 
trennenden  Wände  (Dissepimente)  durch  Abgabe  einzelner  Zellen  zer- 
fallen (Schimkewitsch).  Aus  diesen  einzelnen  Zellen  werden  wahrschein- 
lich Blutkörperchen.  Die  Ursegmente  der  Scheitellappen  scheinen  schon 
früher   mit    denjenigen    des  Chelicerensegmentes   zusammengeflossen   zu 


618  XVII.  Capitel. 

sein,  wenigstens  spricht  Schimkewitsch  von  einem  Zusammenhang  beider, 
den  er  allerdings  anders  deutet. 

Wenn  wir  Schimkewitsch  recht  verstehen,  so  nimmt  er  an,  das  Urseg- 
mentpaar  des  Chelicerensegmentes  spalte  sich  von  demjenigen  des  Kopfes  ab; 
wir  würden  eher  geneigt  sein,  an  das  umgekehrte  Verhalten  zu  denken,  d.  h. 
eine  Ausdehnung  des  ersten  Rumpfsegmentes  in  den  Kopfabschnitt  anzu- 
nehmen. Doch  scheint  aus  den  vorliegenden  Angaben  und  Abbildungen 
zweifellos  hervorzugehen ,  dass  dem  Kopf-  und  Chelicerensegment  getrennte 
Ursegmente  zukommen.  Dann  würde  eine  ähnliche  Vereinigung  dieser  beiden 
Segmentpaare  stattfinden ,  wie  sie  Kleinenberg  für  L  u  m  b  r  i  c  u  s  beschrie- 
ben hat. 

Die  beiden  Segmenthöhlen  des  Kopfes  vereinigen  sich  auch  unter 
sich ;  dass  im  Rumpf  ebenfalls  eine  Vereinigung  der  beiderseitigen 
Segmenthöhlen  stattfinden  muss,  geht  schon  aus  den  bei  der  Bil- 
dung des  Herzens  besprochenen  Vorgängen  hervor  (Fig.  389).  Dies  gilt 
wenigstens  für  die  Dorsalseite;  an  der  Ventralseite  sind  die  Ursegmente 
zunächst  noch  weit  von  einander  entfernt  (Fig.  388) ,  doch  rücken 
sie  allmählich  auch  gegen  die  ventrale  Mittellinie  vor,  so  dass  sie 
sich  dann  um  die  ganze  Masse  des  Dotters  herum  erstrecken.  Im 
Abdomen  bleiben  die  Ursegmente  länger  getrennt,  entsprechend  ihrer 
späteren  Differenzirung.  Wenn  auch  sie  niit  einander  verschmolzen 
sind,  stellt  das  Mesoderm  zwei  umfangreiche  Blätter  dar,  welche  in 
einander  übergehen:  ein  äusseres,  das  somatische,  und  ein  inneres,  das 
splanchnische  Blatt,  dazwischen  die  secundäre  Leibeshöhle  (Schimke- 
witsch). 

Vom  splanchnischen  Blatt  aus  wachsen  die  schon  bei  der  Bildung 
des  Darmes  erwähnten  Falten  in  den  Dotter  hinein  (Fig.  384,  pag.  610), 
um  auf  diese  Weise  einzelne  Complexe  von  ihm  abzutrennen,  welche 
den  späteren  Leberlappen  entsprechen.  Wir  möchten  hier  noch  ganz  be- 
sonders auf  das  bemerkenswerthe  Verhalten  aufmerksam  machen,  dass 
der  Dotter  so  lange  Zeit  allein  vom  Mesoderm  begrenzt  wird  (Fig.  388 
u.  389)  und  das  Mitteldarmepithel  erst  sehr  spät  zur  Ausbildung  kommt 
(Fig.  383,  pag.  609),  ja  die  Bildung  eines  umfangreichen  Theiles  des 
Mitteldarmes,  diejenige  der  Leber,  scheint  sogar  durch  das  Mesoderm 
eingeleitet  zu  werden. 

Ob  die  Vertheilung  der  Falten  der  echten  Segmentirung  entspricht, 
scheint  zweifelhaft,  obwohl  das  Auftreten  von  vier  Paar  seitlicher  Falten  im 
Cephalothorax  darauf  hinweisen  könnte.  Es  scheint ,  dass  diese  den  thora- 
calen  Blindsäcken  des  Mitteldarmes  entsprechen  (?),  denn  auch  im  Abdomen 
tritt  eine  Anzahl  von  Falten  auf,  und  sie  sind  es  hauptsächlich,  welche  zur 
Bildung  der  Leber  Veranlassung  gehen  (Morin).  Die  in  den  Dotter  ein- 
dringenden Falten  kommen  nicht  nur  von  der  Seite  her,  sondern  auch  von 
oben  oder  unten  und  stellen  infolgedessen  sowohl  quergerichtete ,  wie  auch 
längsverlaufende  Blätter  dar  (Schimkewitsch),  so  dass  ihre  Rückführung  auf 
die  Scheidewände  der  Somiten,  wie  sie  wohl  Balfour  im  Auge  hatte,  nicht 
durchgängig  möglich  ist. 

Ein  dem  Fettkörper  der  Insecten  ähnliches  Gewebe,  welches  in  der 
Leibeshöhle  vorhanden  ist  (Ray  Lankester's  lacunäres  Blutgewebe),  lässt 
Schimkewitsch  wie  einen  Theil  der  Blutkörperchen  aus  den  in  die  Leibeshöhle 
eingewanderten  Dotterzellen  gebildet  werden ,  und  diese  Zellen  sollen  sich 
auch  zu  einer  „peritonealen  Lage"  anordnen,  welche  die  inneren  Organe 
umhüllt.     In  beiden  Fällen   werden  wir   nach   dem   früher  Gesagten    geneigt 


Arachnoiden. 


619 


sein,  diese  Bildungen  vom  Mesoderm,  d.  h.  von  den  Ursegmenten  herzuleiten, 
obwohl  solches  erst  durch  genauere  Untersuchungen  festzustellen  wäre. 
Beim  Vorhandensein  eines  Peritoneums  müsste  es  von  Interesse  sein ,  zu 
erfahren,  wie  sich  dasselbe  zu  dem  ursprünglichen  Cölomepithel  verhält. 

H.   Die  Coxaidrüsen. 

Die  Coxaidrüsen,  welche  von  den  bereits  ausgeschlüpften  jungen 
Spinnen  beschrieben  werden,  zeigen  grosse  Uebereinstimmung  mit  denen 
der  Scorpione,  so  dass  wohl  auch  ihre  Entstehungsweise  eine  ähnliche 
sein  dürfte  (pag.  557).  Nur  bei  jungen  Spinnen  Hess  sich  für  gewöhn- 
lich ein  Ausführungsgang  dieser  Drüsen  nachweisen,  welcher  an  der  Basis 
der  dritten  Gangbeine  ausmündet  (Beetkau,  ]STo.  51).  Bei  den  Jungen 
von  Atypus  fand  Beetkau  auch  an  den  vorderen  Beinpaaren  ähnliche 
und  entsprechend  gelagerte  Spalten,  wie  die  Mündungen  der  Coxaidrüsen 
des  dritten  Beinpaares,  woraus  man  auf  das  ursprüngliche  Vorhandensein 
mehrerer  Paare  von  Coxaidrüsen  geschlossen  hat. 

Wenn  Kishinouye  die  Coxaidrüsen  aus  einer  sich  schlauchförmig  ver- 
längernden Einstülpung  des  Ectoderms  hervorgehen  lässt,  so  widerspricht 
dies  nicht  nur  ihrer  Bildungsweise  beim  Scorpion,  wo  sie  aus  dem  Mesoderm 


1TV. 


Fig.  390.  A — C  Theile  von  Querschnitten  von  Pholcus  phalangoides  (A) 
und  Lycos  a  saccata  (B  u.  C),  welche  durch  verschiedene  Gegenden  des  Abdomens 
der  Embryonen  geführt  wurden  (nach  Schimkewitsch). 

bl  Blutzellen,  bezw.  abgelöste  Mesodermzellen,  e  ectodermale  Körperbedeckung, 
g  (und  wohl  auch  gl)  die  nach  der  Ventralseite  hinabsteigende  Parthie  der  Genital- 
anlage, m  mittlere  Parthie  der  Anlage  des  Bauchstranges,  mu  Muskeln,  n  Anlage  des 
Bauchstranges,  so  somatisches,  sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms. 


entstehen  (pag.  557),  sondern  auch  ihrer  Beziehung  zur  Leibeshöhle.  Nach 
Kishinouye's  eigener  Angabe  öffnet  sich  nämlich  die  schlauch- 
förmige Anlage  der  Coxaldrüse  an  ihrem  inneren  Ende 
trichterförmig  in  das  Cölom,  so  dass  dadurch  die  auch  bisher 
schon  angenommene  Auffassung  der  Drüse  als  Nephridium  eine  Bestätigung 
findet,  vorausgesetzt ,  dass  sich  die  betr.  Angaben  als  richtig  erweisen.  Bei 
einer  Entstehung  aus  dem  Ectoderm  würde  man  die  betr.  Organe  nicht  für 
Coxal-,  sondern  für  Cruraldrüsen  halten  und  erwarten  müssen,  dass  sie  blind 
endigende  Schläuche  darstellen.  Für  Nephridien  hält  aber  auch  der  neueste 
Bearbeiter    der    Coxaidrüsen    der    Arachnoiden,    Sturany    (No.    14),    diese 


620  XVII.  Capitel. 

Organe.  Wenn  seine  Vermuthung,  dass  ein  Endsäckchen  vorhanden  ist,  wie 
bei  den  Crustaceen,  sich  als  richtig  erweist,  so  müsste  dieses  wohl  einem 
Theil  der  Leibeshöhle  entsprechen.  Wir  verweisen  in  dieser  Beziehung  auf 
das    bei  Betrachtung   der  Coxaldrüsen  der  Scorpione   Gesagte  (pag.  557). 


I.    Die  Genitalorgane. 

Die  Genitalorgane  entstehen  nach  Schimkewitsch  im  vorderen  Theil 
des  Abdomens  innerhalb  der  beiden  Längsfalten  des  splanchnischen  Blattes, 
welche  von  der  Ventralseite  aus  in  den  Dotter  aufsteigen.  An  dem  medianen 
Blatt  dieser  Falten  tritt  je  eine  eiförmige  Verdickung  auf  (Fig.  390  Ä). 
Dieselbe  besteht  aus  grösseren  centralen  und  flachen  peripheren  Zellen, 
welche  letztere  eine  umhüllende  Membran  darstellen  (Fig.  390  B).  Das 
Vorderende  dieser  Gebilde  krümmt  sich  nach  der  Ventralseite  und  soll  den 
Ausführungsgängen  entsprechen ,  während  das  übrige  die  Keimdrüsen  dar- 
stellen soll.  Beim  Ausschlüpfen  der  jungen  Spinne  fehlt  die  Communication 
der  Leitungsorgane  mit  der  Aussenwelt  noch  und  wird  erst  später  durch  eine 
unpaare  Ectodermeinstülpung  hergestellt  (Schimkewitsch). 

Die  bisherigen  Kenntnisse  über  die  Entstehung  der  Geschlechtsorgane 
sind  noch  zu  unvollkommen,  um  eingehende  Vergleichungen  zu  gestatten, 
immerhin  geht  aus  den  kurzen  Mittheilungen  von  Schimkewitsch  so  viel 
mit  ziemlicher  Sicherheit  hervor,  dass  der  grösste  Theil  des  Genitalapparates 
vom  Mesoderm  geliefert  wird. 


VII.   Acarinen. 

Die  Eiablage.  Die  meisten  Milben  legen  Eier  ab,  einige  (z.  ß. 
Halarachne)  sollen  vivipar  sein.  Andere  bezeichnet  man  als  ovovivipar, 
indem  der  Embryo  bei  der  Ablage  des  Eies  schon  weit  entwickelt  ist 
und  bald  nachher  ausschlüpft.  So  verhalten  sich  z.  B.  einige  Gama- 
siclen  und  Oribatiden.  Die  Eier  der  Milben  sind  von  einer  mehr 
oder  weniger  starken  Schale  umgeben,  welche  zuweilen  mit  Höckern 
oder  erhabenen  Leisten  bedeckt  ist.  Bei  Tyroglyphus  setiferus 
ist  die  Schale  dick  und  von  feinen  Porenkanälen  durchsetzt,  wahrschein- 
lich um  das  Ei  vor  dem  Zerdrücktwerden  zu  schützen.  Diese  Eier  fin- 
den sich  an  faulen  Strünken  u.  dergl.  Ueberhaupt  sind  die  Orte,  an 
welchen  die  Eier  der  Milben  abgelegt  werden,  entsprechend  deren  Lebens- 
weise, sehr  verschiedene.  Man  findet  sie  auf  feuchter  Erde,  an  Abfällen, 
auf  Blättern,  Früchten  u.  s.  f.  Parasitische  Milben  legen  ihre  Eier  an 
oder  in  den  Körper  ihres  Wirthes  ab.  Die  Eier  von  Trombidiuin 
wrerden  in  grösseren  Häufchen,  durch  eine  Klebmasse  vereinigt,  abgesetzt. 
Zuweilen  sind  die  Eier  gestielt;  bei  Myobia  musculi  zeigen  sie  am 
hinteren  Pol  einen  Fortsatz,  mit  dem  sie  an  den  Mäusehaaren  befestigt 
werden.  Manche  Oribatiden  tragen  die  Eier  auf  dem  Paicken  be- 
festigt (Haller),  andere  legen  sie  in  der  abgeworfenen  Chitinhaut  oder 
in  einem  Theil  derselben  ab  (so  z.B.  Hoplophora).  Gewöhnlich  sind 
die  Eier  kugelrund  (Fig.  391),  seltener  oval  oder  länglich  wie  bei  Myobia 
(Fig.  392).    Im  Verhältniss  zu  ihrer  Grösse  sind  sie  sehr  dotterreich. 


Arachnoiden.  621 


1.    Die  Embryonalentwicklung 


©• 


Die  Embryonalentwicklung  ist  wegen  der  geringen  Grösse  der  Eier 
schwer  zu  verfolgen  und  daher  nicht  genau  bekannt.  Die  eingehendsten 
Angaben  rühren  noch  von  Claparüde  her  (No.  77).  Danach  tritt  bei 
Tetranychus  telarius  an  der  Oberfläche  des  Eies  ein  von  Proto- 
plasma umgebener  Kern  auf  (Fig.  391  A),  welcher  sich  bald  theilt.  Durch 
wiederholte  Theilungen  (Fig.  391  B)  geht  aus  ihm  eine  grössere  An- 
zahl von  Kernen  hervor.  Jeder  dieser  Kerne  ist  von  einem  riasmahofe 
umgeben.  Die  Kerne  bleiben  an  der  Peripherie  des  Eies  liegen,  und  in- 
dem sich  ihre  Zahl  noch  weiter  vergrössert  (Fig.  391  C),  entsteht  aus 
ihnen  und  dem  umgebenden  Plasma  das  Blastoderm. 


Fig.  391.  Furchimg  und  Blastodermbildung  des  Eies  von  Tetranychus 
telarius  (nach  Claparede,  aus  Balfouk's  Handbuch). 

Die  Dotterkörner  sind  durch  helle  Kreise  dargestellt  (A  und  B).  Die  Kerne  mit 
dem  umgebenden  hellen  Protoplasmahof  sind  weit  grösser  als  sie.  C  ein  Ei  im  Stadium 
der  Blastodermbildung. 

Nach  Robin  und  Megnin  (No.  104)  soll  sich  bei  den  Sarcoptiden 
das  Ei  total  furchen.  Sie  beobachteten  bei  dem  noch  im  Oviduct  befind- 
lichen Ei  den  Zerfall  in  vier  Furchungskugeln.  Wenn  sich  dies  wirklich  so 
verhält,  so  möchte  man  an  ein  weiteres  Fortschreiten  desselben  Processes  denken, 
der  sich  schon  bei  der  Furchung'  der  Spinneneier  findet,  aber  dort  noch 
nicht  zu  einem  völligen  Zerfall  des  Eies  in  Furchungskugeln  führt.  Einer 
totalen  Furchung  soll  auch  das  Ei  von  Chelifer  unterliegen  (pag.  560) 
und  ähnliches  wird,  wenigstens  für  die  späteren  Stadien,  auch  für  die  Eier 
der  Phalangiden  angegeben  (pag.  564). 

Das  Blastoderm  wurde  bei  einer  Anzahl  von  Milben  beobachtet  und 
stellt  immer  eine  dünne,  den  Dotter  umschliessende  einschichtige  Zellen- 
lage dar.  Bei  der  weiteren  Entwicklung  erfährt  dieselbe  eine  Verdickung 
derjenigen  Parthien,  welche  der  späteren  Bauchfläche  und  zumal  der  Kopf-, 
sowie  Schwanzgegend  entsprechen.  So  kommt  auch  hier  ein  Keimstreifen 
zu  Stande  (Fig.  392  B),  welcher  wohl  die  gleiche  Entstehungsweise  wie 
derjenige   anderer  Arachniden   besitzt.     Anfangs  stellt  er  einen  gleich- 


622 


XVII.  Capitel. 


massig  verdickten  Streifen  dar,  später  zerfällt  er  in  zwei  symmetrische 
Hälften,  indem  sich  in  der  Medianlinie  eine  Dotterfirste  vordrängt.  Auch 
dies  verhält  sich  also  wie  bei  den  Ar  aneinen.  Der  Keimstreifen  gliedert 
sich  (Fig.  392  Ä) ;  der  Kopf  läppen,  welcher  sich  bei  M  y  o  b  i  a  wie  bei 
den  Spinnen  nach  der  Dorsalseite  herum  schlägt  (Fig.  392  B),  setzt  sich 
gegen  den  Rumpf  ab  und  ebenso  tritt  der  Schwanzlappen  hervor.  Die  da- 
zwischen gelegene  Parthie,  welche  dem  Cephalothorax  entspricht,  ist  in 
eine  Anzahl  von  Segmenten  gegliedert,  an  welchen  bald  die  Anlagen  der 
Mundwerkzeuge  und  Beinpaare  als  Stummel  hervortreten  (Fig.  392  B). 
Diese  Segmentirung  ist  bei  anderen  Milben  weniger  deutlich,  später  tritt 
sie  bekanntlich  ganz  zurück.  Das  Abdomen  ist,  wie  man  sieht,  bei  einem 
solchen  Embryo  noch  verhältnissmässig  umfangreich ;  bekanntlich  wird  es 
bei  den  meisten  Milben  stark  reducirt  oder  vereinigt  sich  doch  mit  dem 
Cephalothorax. 


Fig.  392.    A — B  Embryonalentwicklung  und  Bildung  der  ersten  Larvenhaut  bei 
Myobia  musculi  (nach  Cl.vparede,  aus  Balfour's  Handbuch). 

In  _D    ist    die  Eihaut   gesprengt   und    der   von    der   ersten  Larvenhaut    umgebene 
Embryo  ist  im  Begriff,  das  Ei  zu  verlassen. 

ch  Cheliceren,  pd  Pedipalpen,  pt — p3  die  ersten  drei  Beinpaare,  pr  Rüssel  (durch 


Verschmelzung   von  Cheliceren  und  Pedipalpen  entstanden),   s1- 
mente.     Der  Dotter  ist  dunkel  gehalten. 


-s4  vier  postorale  Seg- 


Ehe  noch  die  Entwicklung  so  weit  vorgeschritten  ist,  hebt  sich  bei 
Atax  vom  Embryo  eine  zarte  structurlose  Haut  ab,  welche  denselben 
in  Form  einer  geschlossenen  Hülle,  ähnlich  einer  zweiten  Eihaut,  um- 
giebt  (Fig.  393  dm).  Bei  anderen  Milben  erfolgt  dieser  Vorgang  erst 
später,  wenn  die  Extremitäten  bereits  vorhanden  sind,  so  dass  diese  an 
der  Hülle  in  Form  von  Scheiden  um  die  eigentlichen  Gliedmaassen  er- 
scheinen (Fig.  394  dm).  Dadurch  giebt  sich  die  abgehobene  Haut  deutlich 
als  eine  Larvenhaut  zu  erkennen.    Von  ihr  soll  später  noch  die  Rede  sein. 

Die  Entwicklung  des  nunmehr  von  einer  doppelten  Hülle  um- 
schlossenen Embryos  geht  in  der  Weise  weiter,  dass  die  bisher  nur  von 
der  dünnen  Zellenschicht  des  Blastoderms  bedeckte  Rückenfläche  mit  in 
die  weitere  Ausbildung  des  Körpers  einbezogen  wird.  Dies  geschieht 
wohl  durch  Vorwachsen  der  mesodermalen  Elemente  nach  der  Rücken- 
fläche.    Der   Dotter   behält   noch   längere   Zeit   sein   früheres   Aussehen 


Arachnoiden. 


623 


(Fig.  392-395), 
die  Bildung  des 
Keimblätter  und 
nicht  festgestellt 


P.-P.T 


doch  muss  man  wohl  annehmen,  dass  auch  hier  schon 

Entoderms  begonnen   hat.     Ueber  die   Ausbildung  der 

die   Anlage  der  Organe  ist  bei   den  Milben  Genaueres 

worden. 

Die  Extremitäten  des  Embryos  wachsen  in  die  Länge  (Fig.  393  und 

395  A)   und   erhalten  ihre  Gliederung  (Fig.  394).     In   dem  Stadium  der 

Fig.  393  und  zumal  den  folgenden  Sta- 
dien zeigen   die  Embryonen   mancher 

Milben   eine  grosse   Aehnlichkeit   mit 

denen  der  Spinnen  (Fig.  393  u.  399  A). 

Die   Cheliceren    und   Pedipalpen   ver- 
einigen  sich   zur  Bildung  des  Rüssels 

(Fig.  395).     Das  Abdomen   überwiegt 

jetzt     (bei     Atax)    noch    bedeutend 

gegenüber  dem   vorderen   Körpertheil 

(Fig.  395).    Beinpaare   sind   nur  drei 

vorhanden,     wenn    der   Embryo    die 

Hüllen    durchbricht    und    zu    freiem 

Leben  gelangt  (Fig.  393—395  ih—lhl 

Wir  treffen   also  bei  den  Milben  ein 

Larvenstadium     an,      welches 

nur     drei    Bein  paare     besitzt 

und  sich  dadurch  von  dem  mit 

vier    Bein paaren    versehenen 

ausgebildeten     Thier     unter- 
scheidet; im  Uebrigen  zeist  es  aber 

mit    dem   letzteren   grosse   Ueberein- 

stimmung   der   äusseren  und  inneren 

Organisation. 


Am.- 


Fig.  393.  Embryo  von  Atax 
bonzi,  umgeben  von  der  Deutovurn- 
membran  und  der  Eihülle  (nach  Cla- 
parede). 

ch  Cheliceren,  d  Dotter,  dm  Deuto- 
vummembran,  eh  Eihaut,  kl  Kopflappen, 
P\ — Pz  die  drei  Beiupaare,  ped  Pedi- 
palpen, sl  Schwanzlappen. 


3.   Die  Bildung  der  Larvenhäute  und  der  weitere 
Entwicklungsgang. 

Wie  erwähnt,  wird  bei  manchen  Milben,  z.  B.  Atax,  schon  in  einem 
früheren  Stadium ,  wenn  die  Gliedmaassen  noch  nicht  vorhanden  oder 
erst  angedeutet  sind,  eine  cuticulare  Haut  vom  Embryo  abgestossen.  So 
kommt  das  „Deutovum"  Claparede's  zu  Stande,  d.  h.  der  innerhalb 
der  Eischale  von  einer  zweiten  Hülle  umschlossene  Embryo  (Fig.  393). 
Die  Aehnlichkeit  mit  dem  Zustand  des  Eies  wird  dadurch  verstärkt,  dass 
der  Embryo  nach  der  Abstossung  der  Hülle  eine  Rückbildung  seiner 
äusseren  Gestalt  erfahren  kann.  Bei  T  r  o  m  b  i  d  i  u  m  und  M  y  o  b  i  a  wird 
die  cuticulare  Haut  erst  nach  der  Anlage  der  Gliedmaassen  abgestossen 
(Fig.  394).  Bei  der  ersteren  Form  besitzt  sie  infolgedessen  Anhänge, 
welche  die  Extremitäten  wie  eine  Scheide  umschliessen  (Henking). 
Myobia  zeigt  jedoch  andere  Verhältnisse  (Claparede).  Die  Extremi- 
täten sind  hier  in  der  gewöhnlichen  Weise  gebildet  worden  (Fig.  392  B). 
Wenn  sie  bereits  etwas  in  die  Länge  gewachsen  sind,  legen  sie  sich 
dicht  an  die  Bauchfläche  an  und  flachen  sich  allmählich  so  stark  ab, 
dass  sie  kaum  noch  über  die  Oberfläche  des  Körpers  vorragen.  Der 
ganze  Embryo  stellt  nunmehr  wieder  einen  ovalen  anhangslosen  Körper 
dar  (Fig.  392  C).  In  diesem  Zustande  löst  sich  von  ihm  eine  cuticulare 
Hülle   ab,   welche  in   der   Gegend   des  Vorderendes   dorsal   (im  Nacken, 


624 


XVII.  Capitel. 


wie  Claparede  sagt)  ein  zahnartiges  Gebilde  trägt.  Dasselbe  setzt  sich 
aus  zwei  dicht  an  einander  gedrängten  dünnen  Chitinspangen  zusammen. 
In  den  Figuren  392  C  und  D  ist  dieses  Gebilde  nicht  gut  dargestellt 
und  erscheint  eher  wie  ein  Spalt  (an  der  linken  Seite  der  inneren  Hülle). 
Claparede  glaubt,  dass  der  Zahn  zur  Sprengung  der  Eihüllen  dient. 
Also  hat  derselbe  die  gleiche  Function  wie  der  Eizahn  der  Spinnen 
(pag.  588),  doch  braucht  kaum  besonders  bemerkt  zu  werden,  dass  in 
Folge  der  verschiedenen  Lagerung  eine  Homologie  beider  Gebilde  nicht 
vorliegt.  Eher  Hesse  sich  dasselbe  noch  mit  dem  Eizahn  der  Pha- 
langiden  vergleichen  (pag.  565). 

Der  Embryo  tritt,  umgeben  von  der  cuticularen  Hülle,  aus  der  Ei- 
schale heraus  (Fig.  392  D),  bleibt  aber  noch  zum  grössten  Theil  von  ihr 
umhüllt,    Dies  erinnert  an  die  Bildung  der  Cuticularhaut  bei  den  Spinnen, 

welche  schon  im  Ei  angelegt 
wird  und  den  ausgeschlüpften, 
noch  bewegungslosen  Embryo 
umhüllt.  Jetzt  sprossen  die 
Gliedmaassen  abermals  hervor, 
werden  aber  in  ähnlicher  Weise 
wie  vorher  zurückgebildet  und 
eine  zweite  cuticulare  Haut  wird 
abgestossen,  so  dass  der  grössere 
Theil  des  Embryos  ausser  von 
der  Eischale  von  zwei  weiteren 
Häuten  umschlossen  wird.  Da- 
mit ist  das  „Tritovum" 
Claparede's  gebildet.  In  ihm 
erreicht  der  Embryo  die  Gestal- 
tung, in  welcher  er  als  sechs- 
füssige  Larve  das  Ei  verlässt. 
Myobia  zeigt  durch  die 
Abscheidung  zweier  Häute  inner- 
halb des  Eies  besonders  compli- 
cirte  Verhältnisse.  So  weit  be- 
kannt, wird  gewöhnlich  nur 
eine  solche  Hülle  im  Ei  ge- 
bildet (Fig.  393).  Aufzufassen 
ist  die  Bildung  dieser  Hüllen 
im  Ei  wahrscheinlich  als  eine 
die   wohl   ursprünglich   während 


z. 


cedc/. 


Fig. 


seclisbeinige    Larve   von 


394.     Die 

T  r  o  m  b  i  d  i  u  m     f  u  1  i  g  i  n  o  s  u  m ,     umschlossen 
von  der  Deutovummembran  (nach  Henking). 

abd  Abdomen,  ch  Cheliceren,  d  Dotter 
(Mitteldarm),  dm  Deutovummembran,  px — p3 
erstes  bis  drittes  Beinpaar,  ped  Pedipalpen, 
st  „Stigma",  ut  „Urtrachee",  -  isolirte  Zellen 
unter  der  Deutovummembran. 


schon   sehr  früh   eintretende   Häutung, 

des  Larvenlebens  stattfand.     Diese  Auffassung 


dass  im  späteren  Entwicklungsgang   mehrere 


wird  dadurch 
ganz   ähnlich 


unterstützt, 
verlaufende 
Häutungen  auftreten.  Der  Embryo  kann  auch  thatsächlich ,  von  dieser 
ersten  Larvenhaut  umgeben,  das  Ei  verlassen.  Bei  Myobia  wird  die 
Eischale  allerdings  nur  gesprengt,  um  einen  Theil  des  „Deutovums" 
heraustreten  zu  lassen  (Fig.  392  D),  bei  anderen  Milben  jedoch,  z.  B. 
bei  Atax  und  Trombidium,  wird  die  Eischale  ganz  abgeworfen  und 
der  Embryo  (oder  eigentlich  die  Larve)  macht,  nur  von  der  Deutovum- 
membran umgeben,  die  weitere  Entwicklung  durch  (Fig.  394  u.  Fig.  395  A 
und  B).  Die  Extremitäten  erhalten  erst  jetzt  ihre  Gliederung,  die  Augen 
treten  auf  und  die  innere  Organisation  vervollständigt  sich  (Fig.  395  B). 
Die  Eier  von  Atax  bonzi  werden  in  das  Gewebe  der  Muschel 
(Unio)  abgelegt,  in  welcher  die  Milbe  lebt.     Hier  findet  sich  also  auch 


Arachnoiden. 


625 


das  „Deutovum".  Wenn  der  Embryo  die  gehörige  Reife  erreicht  hat, 
durchbricht  er  die  Hülle  und  gelangt  als  sechsbeinige  Larve  in  die 
Mantelhöhle  der  Muschel.  Bei  anderen  Milben  führt  die  Larve  ein  freies 
Leben. 

Die  Bildung  von  Larvenhäuten  innerhalb  des  Eies  erinnert  an  die  bei 
den  Crustaceen  unter  ähnlichen  Umständen  sich  abspielenden  Vorgänge. 
Die  frühe  Abscheidung  der  cuticularen  Hülle,  wie  sie  z.  B.  von  Atax  be- 
schrieben wurde,  findet  ihr  Analogon  in  der  Bildung  der  Cuticula  blasto- 
dermica  vieler  Krebse.  Sackförmig  ist  auch  die  Hülle,  in  welcher  der  Em- 
bryo von  A  p  u  s  das  Ei  verlässt,  um  wahrscheinlich  in  ihr  noch  einen  Theil 
seiner  Entwicklung  bis  zum  Nauplius  durchzumachen.  Andere  Larvenhäute 
von  Crustaceen  werden,  wie  bei  einigen  Milben,  erst  später  gebildet  und  sind 
in  Folge  dessen  schon  mit  Anhängen  versehen  (vgl.  pag.  322). 


R. 


B. 


Fig.  395.  A  und  B  die  sechsbeinige  Larve  von  Atax  bonzi  in  der  Deutovum- 
membran.     Zwei  verschiedene  Entwicklungsstadien  (nach  Claparede). 

au  Auge,  ch  Cheliceren,  d  Dotter,  dm  Deutovummembran,  kl  Kopf  läppen,  px — p3 
die  drei  Beinpaare,  ped  Pedipalpen,  r  Küssel  (grösstentheils  aus  den  Cheliceren  hervor- 
gegangen), sl  Schwanzlappen,  z  Zellen  zwischen  der  Körperhaut  und  der  äusseren 
Membran  („Hämamöben"). 


Die  Larve.  Die  sechsbeinige  Larve  der  Milben  zeigt  im 
Ganzen  eine  grosse  Uebereinstimmung  des  Baues  mit  den 
ausgebildeten  Thieren.  Es  ist  dies  zumal  dann  der  Fall,  wenn 
die  Larve  die  gleiche  Lebensweise  wie  die  Imago  besitzt,  was  beispiels- 
weise bei  den  Halacariden  (Halacarus  spinifer  nach  Lohmann, 
No.  92)  der  Fall  ist.  Aehnlich  verhalten  sich  manche  Trombidinen, 
während  andere  Angehörige  dieser  Familie  Abweichungen  im  Bau  der 
Larve  vom  ausgebildeten  Thier  zeigen.  Diese  Verschiedenheiten  bestehen 
hauptsächlich  in  einem  etwas  primitiveren  Verhalten  der  Larvenorgani- 
sation. Hervorzuheben  ist  hiervon  besonders  die  Segmentirung  des 
Körpers.    Beim  Embryo  von  Tyrogiyphus  siro  tritt  an  der  hinteren 


626  XVII.  Capitel. 

Parthie  des  Cephalothorax  eine  deutliche  Gliederimg  in  drei  Segmente 
hervor,  welche  auch  noch  bei  der  Larve  nachzuweisen  ist  (Claparede). 
Diese  Segmente  entsprechen  den  Beinpaaren.  Bei  der  Larve  von  Troin- 
b  i  d  i  u  m  lässt  sich  eine  Gliederung  des  Cephalothorax  in  sechs  Abschnitte 
erkennen,  welche  den  Gliedmaassenpaaren  entsprechen  (Henking).  So- 
gar das  Abdomen  zeigt  noch  eine  Gliederung,  so  bei  Trombidium 
(Fig.  394),  und  den  Oribatiden  (Henking,  Michael,  No.  97).  Es 
ist  dann  umfangreicher ,  als  dies  bei  der  in  Fig.  396  abgebildeten 
G am asus- Larve  der  Fall  ist.  Uebrigens  kann  die  Segmentirung  des 
Abdomens  in  einzelnen  Fällen  erhalten  bleiben,  wie  der  von  Kramer 
(No.  89)  beschriebene  Alycus  roseus  beweist.  Bei  dieser  Milbe  zer- 
fällt das  Abdomen  des  ausgebildeten  Weibchens  in  sieben  deutliche  Seg- 
mente, und  auch  am  Thorax  ist  noch  eine  Gliederung  zu  erkennen.  Eine 
Segmentirung  des  Cephalothorax  und  Abdomens  scheint  auch  bei  Ange- 
hörigen der  Gattung  Dendroptus  nachweisbar  zu  sein  (Kramer,  No.  87 
und  88). 

Die  besonders  von  G.  Haller  (No.  83)  vertretene  und  durch  A.  C. 
Oüdemans  (No.  11)  vertheidigte  Auffassung,  wonach  bei  den  Milben  eine 
grössere  Anzahl  von  Mundgliedmaassen  als  bisher  angenommen  wurde,  vor- 
handen sei  (drei  bis  vier  Paare)  und  wonach  aus  dem  häufigen  Auftreten 
einer  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Beinpaar  gelegenen  Furche  ge- 
schlossen wird,  dass  die  hinter  dieser  Furche  gelegene  Parthie  des  Körpers 
dem  Abdomen  zugehöre,  die  beiden  hinteren  Beinpaare  also  Abdominal- 
extremitäten seien,  wird  durch  die  Ergebnisse  der  Entwicklungsgeschichte 
nicht  bestätigt.  Diese  lässt  vielmehr  nur  die  Anlage  der  beiden  längst  be- 
kannten Paare  von  Mundwerkzeugen  (Cheliceren  und  Pedipalpen)  erkennen 
(Fig.  393—395).  Bezüglich  der  Auffassung  der  beiden  hinteren  Beinpaare 
als  Abdominalextremitäten  weist  Henking  ausdrücklich  darauf  hin,  dass  die- 
selbe für  Trombidium  nicht  zutreffe.  Dasselbe  gilt  auch  für  die  Ent- 
wicklung anderer  Milben. 

Die  Mundwerkzeuge  der  Larve  zeigen  bereits  den  Charakter  der- 
jenigen des  ausgebildeten  Thieres,  d.  h.  die  Cheliceren  sind  zur  Bildung 
eines  Rüssels  vereinigt,  an  welcher  sich  auch  die  basalen  Parthien  der 
Pedipalpen  betheiligen  (Fig.  395  B).  Der  grösste  Theil  der  letzteren  stellt 
die  Taster  dar.  Der  Hohlraum  des  Rüssels  führt  in  einen  muskulösen 
Pharynx,  an  den  sich  der  cylindrische  Oesophagus  anschliesst.  Dieser 
durchsetzt  das  Central nervensy stein ,  welches  (bei  Trombidium  nach 
Henking)  aus  einer  voluminösen  Bauchganglienmasse  und  dem  weniger 
umfangreichen  Gehirn  besteht.  Der  Oesophagus  geht  in  den  geräumigen 
Mitteldarm  über,  welcher  Leberblindsäcke  nach  vorn  und  hinten  aussendet 
(Fig.  396  Is).  Der  Mitteldarm  verschmälert  sich  nach  hinten  wieder  und 
mündet  in  die  Rectalblase  ein.  Hier  entspringen  die  beiden  umfang- 
reichen „MALPiGHfschen  Gefässe"  (wn),  welche  man  bisher  als  Aus- 
stülpungen des  Enddarmes  angesprochen  hat. 

Wenn  sich  die  sog.  Malpighi' sehen  Gefässe  der  Scorpione  und 
Araneinen  als  Divertikel  des  Mitteldarmes  erweisen  sollten,  wie  zu  ver- 
muthen  ist  (vgl.  pag.  553  u.  611),  so  müssten  auch  die  MALPiGHi'schen  Gefässe 
der  Milben  daraufhin  genauer  geprüft  werden.  Da  der  Enddarm  der  Milben 
gegenüber  dem  Mitteldarm  eine  gewisse  Selbstständigkeit  erlangt  (Henking, 
Mac  Leod),  so  würde  dadurch  die  Entscheidung  der  Frage  nach  der  Natur 
jener  Anhänge  bei  den  Milben  möglicher  Weise  erleichtert  werden. 


Arachnoiden. 


627 


Der  After  liegt  am  Ende  des  Abdomens  oder  ist,  wie  bei  Trom- 
bidium,  mehr  nach  vorn  gerückt.  Bei  Trombidium  zeigt  der  Mittel- 
darm an  der  Grenze  zwischen  Thorax  und  Abdomen  eine  Einschnürung, 
und  hier  liegen  (im  ersten  Abdominalsegment)  zwei  bohnenförmige  Körper, 
welche  Henking  für  die  Anlagen  der  Keimdrüsen  hält.     Dieselben  wür- 


Fig-.    396.      Larve    von    Gamasus    fucorum    (nach    Winkleb,    ans    Lang's 

Lehrbuch). 

1  Cheliceren,  2  Pedipalpen  (Taster),  .3 — 5  Gangbeine,  ac  Aorta  cephalia,  g  Gehirn, 
h  Herz ,  Is  Leberblindsäcke ,  m  Muskeln  (Retractoren  der  Cheliceren) ,  md  Mitteldarm, 
r  Rectalblase,  vm  Malpighi'sche  Gefässe. 


den  also  anfangs  paarig  sein  und  erst  im  Lauf  der  weiteren  Entwicklung 
zu  der  unpaaren  Keimdrüse  verschmelzen,  welche  man  vom  ausgebildeten 
Thier  kennt. 


628  XVII.  Capitel. 

Von  inneren  Organen  ist  noch  das  Herz  zu  erwähnen,  welches  zwar 
nicht  bei  den  Larven  aller,  aber  doch  einiger  Milben  vorhanden  ist.  Bei 
Gamasus  liegt  es  als  rundliches  Gebilde  am  Ende  des  Abdomens 
(Fig.  396  h).  Es  besitzt  ein  Paar  Spalten  und  geht  nach  vorn  in  eine 
Aorta  über.  Durch  Bindegewebs-(oder  Muskel-)fasern  ist  es  an  der 
Rückendecke  suspendirt. 

Die  gedrungene  Form  des  Herzens  steht  im  Zusammenhang  mit  der 
Reduction,  welche  der  Körper  der  Milben  überhaupt  erlitten  hat.  Winkleb, 
welcher  diese  Verhältnisse  genauer  studirte  (No.  105),  macht  darauf  auf- 
merksam, dass  bei  den  Pseudoscorpionen  (Jugendform  von  Obisium 
silvaticum)  das  Herz  zwar  noch  ziemlich  lang  gestreckt  ist,  aber  doch 
nur  ein  Spaltenpaar  (am  hinteren  Ende)  besitzt.  Ebenfalls  reducirt,  aber 
in  geringerem  Maasse,  erweist  sich  das  Herz  junger  Phalangiden,  bei 
denen  noch  zwei  Spaltenpaare  vorhanden  sind. 

Bei  den  Larven  von  Trombidium  liegt  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Beinpaar  jederseits  ein  halbmondförmiges  Gebilde  (Fig.  394  uf), 
welches  durch  eine  Verdickung  der  Chitinhaut  hervorgebracht  wird.  Im 
Stadium  des  Deutovum  setzt  sich  daran  aussen  ein  trichterförmiges  Ge- 
bilde an,  welches  sich  mit  seinem  verjüngten  Ende  an  die  Deutovum- 
Membran  befestigt.  Hier  befindet  sich  eine  Oeffhung  (Fig.  394  sf), 
wrelche  Henking  ebenso  wie  das  halbmondförmige  Gebilde  an  der  Körper- 
oberfläche der  Larve  für  ein  Stigma  anzusehen  geneigt  ist.  Diese  Oeff- 
nung  führt  durch  Vermittelung  jenes  Trichters  dem  Embryo  Luft  zu. 
Bei  der  Häutung  löst  sich  natürlich  der  Trichter  vom  Stigma  ab  (Fig.  394). 
Solche  „Urtracheen"  finden  sich  auch  bei  den  Larven  anderer  Milben  in 
entsprechender  Lagerung. 

Die  frei  lebenden  Larven  besitzen  gewöhnlich  ein  Paar  Augen  oder 
Doppelaugen,  welche  am  vorderen  Rande  des  Gehirnes  liegen.  Da  dieses 
selbst  weit  nach  hinten  gerückt  erscheint,  so  sieht  man  auch  die  Augen 
weit  hinten  über  der  Basis  des  zweiten  Beinpaares  liegen  (so  bei  T  r  o m  - 
bidium,  Atax,  Tetranychus).  Die  mittlere  Parthie  des  Cephalo- 
thorax  ist  also  ventral  unter  die  vorderen  Parthien  desselben  gerückt. 

Die  Nymphe.  Nachdem  die  Larve  je  nach  ihrer  Lebensweise  längere 
oder  kürzere  Zeit  in  der  beschriebenen  Gestaltung  verharrte,  schickt,  sie 
sich  zu  ihrer  weiteren  Verwandlung  an.  Bei  Atax  bonzi  geschieht 
dies,  indem  sich  die  Larve  in  das  Kiemengewebe  der  Muschel  einbohrt 
und  hier  ihre  Beweglichkeit  verliert.  Jetzt  lösen  sich  die  Weichtheile 
von  der  Chitinhülle  ab ;  die  der  Extremitäten  ziehen  sich  wie  aus  einem 
Futteral  aus  der  Chitinbekleidung  heraus.  Die  Chitinhülle  selbst  schwillt 
durch  Aufnahme  von  Wasser  ins  Innere  stark  an  und  der  Körper,  welcher 
sich  mit  einer  neuen  Chitinhülle  bekleidet,  .schwimmt  innerhalb  der  weit 
abstehenden  Hülle.  Der  Körper  selbst  ist  beinahe  kugelförmig  gewor- 
den, indem  die  Extremitäten  fast  ganz  zurückgebildet  wurden,  ähnlich 
wie  dies  schon  früher  für  Myobia  bei  der  Bildung  des  Larvenkörpers 
beschrieben  wurde.  Die  Extremitäten  sprossen  dann  wieder  hervor,  und 
zwar  ist  ein  viertes  Beinpaar  hinzugekommen.  Die  so  zu  Stande  ge- 
kommene Form  stimmt  noch  mehr,  auch  in  der  Zahl  der  Extremitäten, 
mit  dem  ausgebildeten  Thier  überein,  doch  erreicht  sie  noch  nicht  völlig 
dessen  Ausbildungsstufe  und  Geschlechtsreife.  Sie  wird  als  N  y  m  p  h  e 
bezeichnet  und  gelangt  zu  freiem  Leben,  indem  sie  die  Larvenhaut 
durchbricht. 


Arachnoiden. 


629 


Das  neu  hinzukommende  Beinpaar  ist  jedenfalls  das  vierte.  So  verhält 
es  sich  wenigstens  in  einigen  sicher  beobachteten  Fällen,  z.  B.  bei  Trom- 
bidium  (nach  Henking),  sowie  bei  Ixodes  und  einer  anderen  von  Kramer 
beobachteten  zur  Gattung  Dendroptus  gehörigen  Milbe,  obgleich  andrer- 
seits von  Kramer  (No.  87)  bestimmt  angegeben  wird,  dass  bei  den  Wasser- 
milben, speciell  bei  der  Gattung  Nesaea  eines  der  beiden  ersten  Beinpaare 
neu  hinzukäme.  Lohmann  beobachtete,  dass  das  zweite  Beinpaar  bei  den 
Halacariden  sich  besonders  langsam  ausbildet,  obwohl  auch  er  das  vierte 
Beinpaar  als  das  neu  hinzukommende  ansieht.  Oudemans  (No.  11)  dagegen 
legt  besonderes  Gewicht  darauf,  dass  bei  den  Larven  der  Oribatiden  das 
neu  hinzukommende  Beinpaar  zwischen  das  erste  und  zweite  der  schon  vor- 
handenen eingeschoben  würde. 


R. 


B. 


luti^LJU 


R  J2l     B  i 


ft-f*  w     p, 

ih 


Fig.  397.  A—  C  Larve  von  Trombidium  fuligi  u  osum  im  Stadium  der 
Bildung  von  Puppe  und  Nymphe  (nach  Henking). 

au  Auge,  ed  Enddarm,  px — p3  Beinpaare  der  Larve,  r  Rüssel  (Cheliceren  und 
Pedipalpen)  der  Larve,  Ch  Cheliceren,  Ped  Pedipalpen,  P1 — P4  Beinpaare  der  Nymphe, 
ut  Urtrachee,  zh  Zwischenhaut. 


Der  Uebergang  der  Larve  zur  Nymphe  vollzieht  sich  bei  anderen 
Formen  in  minder  einfacher  Weise,  als  dies  oben  geschildert  wurde.  Die 
sechsbeinige  Larve  von  Rhyncholophus  oedipodarum,  welche  sich 
am  Körper  einer  Oedipoda  festsetzt,  häutet  sich  hier,  und  unter  der 
Haut  kommt  eine  sackartige  Hülle  ohne  Anhänge  zur  Ausbildung,  ähn- 
lich dem  Deutovum.  Von  diesem  Gebilde  wird  die  Larvenhaut  abge- 
streift, bleibt  aber  daran  hängen  und  bedeckt  das  hintere  Drittel  des 
Körpers   als    durchsichtiges   Häutchen,    an  dem   noch    die    drei   Larven- 


Korschelt-Heider,   Lehrbuch. 


41 


630  XVII.  Capitel. 

beine  zu  erkennen  sind.  Es  wird  also  hier  eine  Puppe  gebildet,  welche 
auf  die  sechsbeinige  Larve  folgt.  Aus  ihr  geht  die  Nymphe  hervor 
(v.  Frauenfeld  No.  79). 

Die  Vorgänge  bei  Rhyncholophus  machen  die  complicirten  Bil- 
dungsprozesse verständlich,  wie  sie  nach  Henking  bei  Trombidium 
stattfinden.  Dort  geht  die  Larve  wie  in  den  vorher  besprochenen  Fällen 
ebenfalls  in  ein  Ruhestadium  über.  Die  Larven,  welche  ihren  Darm 
durch  das  Aussaugen  von  Blattläusen  prall  gefüllt  haben,  verkriechen 
sich  in  die  Erde.  Ihr  Körper  bläht  sich  auf,  die  Weichtheile  ziehen  sich 
von  der  Chitinhülle  zurück.  Dabei  finden  jedenfalls  wie  bei  der  Ver- 
puppung der  Insecten  histolytische  Prozesse  statt,  denn  die  Gewebe 
nehmen  ein  mehr  oder  weniger  degenerirtes  Aussehen  an  (Henking, 
No.  85,  Michael,  No.  97).  Nach  Gudden  (No.  81)  und  Megnin  (No.  96) 
findet  sogar  eine  völlige  Auflösung  der  Gewebe  statt,  wodurch  die  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Verpuppung  der  Insecten  noch  erhöht  wird.  Aehnliche 
Vorgänge  wiederholen  sich  beim  Uebergang  der  Nymphe  in  die  Imago 
und  vollzogen  sich'  wohl  auch  schon  bei  der  Bildung  der  Larve  im  Ei 
(Deutovum  und  Tritovum). 

Durch  das  Zurückziehen  der  Weichtheile  von  der  Larvenhaut  er- 
scheint diese  nur  noch  als  blosse  Hülle  um  den  inneren  Körper  (Fig.  397 
A),  welcher  Eindruck  noch  dadurch  erhöht  wird,  dass  die  leer  gewor- 
denen Extremitäten  gewöhnlich  abbrechen  (Fig.  397  A—C).  Innerhalb 
der  alten  Larvenhaut  findet  nun  nach  Henking  abermals  die  Bildung 
einer  cuticularen  Haut  statt,  welche  nicht  zur  definitiven  Chitinhaut  der 
Nymphe  wird,  sondern  der  Puppenhülle  von  Rhyncholophus  ent- 
spricht. Diese  Haut  (die  sog.  Zwischenhaut  [Claparede]  oder  das  Apo- 
derma  [Henking])  ist  bei  Trombidium  nicht  wie  bei  der  letztgenannten 
Form  sackförmig,  sondern  uinscheidet  die  jetzt  schon  vorhandenen  Extre- 
mitäten der  Nymphe  (Fig.  397  G).  Unter  dieser  Haut  kommt  erst  die 
Chitindecke  der  Nymphe  zur  Ausbildung.  Es  scheint,  dass  die  Puppe 
die  Larvenhaut  abwerfen  kann,  doch  tritt  dies  für  gewöhnlich  nicht  ein, 
sondern  die  zum  Ausschlüpfen  reife  Nymphe  durchbricht  beide  Häute. 

Die  über  die  Bildungsweise  der  Zwischenhaut  gemachten  Angaben  (Hen- 
king) erscheinen  uns  als  etwas  dunkler  Natur.  Danach  soll  diese  Zwischen- 
haut ebensowohl  wie  die  später  beim  Uebergang  der  Nymphe  in  die  Imago 
gebildete  und  die  jedenfalls  entsprechende  „Deutovum" -Membran  von  den 
unter  der  alten  Larvenhaut,  bezw.  Eischale  auftretenden  einzelnen  Zellen 
(Fig.  395  A  und  B,  z,  Claparede's  Hämamöben)  ausgeschieden  werden. 
In  diesem  Falle  würde  die  Auffassung  des  Vorganges  als  Häutungsprocess 
erschwert  sein.  Henking' s  Angaben  lauten  in  dieser  Hinsicht  nicht  völlig 
bestimmt,  und  wir  sind  geneigt,  an  ein  Abheben  der  Zwischenhaut  von  der 
unterliegenden  Hypodermis  zu  denken,  wie  sie  bei  der  Bildung  der  darüber 
gelegenen  Larvenhaut  stattfindet. 

Der  Ueber£aii£  der  Nymphe  iu  das  ausgebildete  Thier  erfolgt 
unter  ganz  ähnlichen  Erscheinungen  wie  derjenige  von  der  Larve  zur 
Nymphe.  Die  letztere  verbirgt  sich  und  wird  zu  einer  ruhenden  Puppe. 
Unter  der  alten  Nymphenhaut  kommt  wieder  eine  Zwischenhaut  und 
die  neue  Chitindecke  zur  Ausbildung  (Fig.  398  zh).  Die  Extremitäten  der 
Nymphe,  die  wie  früher  leer  geworden  sind,  werden  theil weise  abge- 
stossen  (Fig.  398) ;  die  Nymphenhaut  selbst  beginnt  stellenweise  abzu- 
bröckeln, und  das  fertige  Thier  durchbricht  schliesslich  die  umgebenden 


Arachnoiden. 


631 


Häute,  um  als  Imago  zu  neuem  Leben  zu  gelangen.  Es  ist  grösser  als 
die  Nymphe,  aber  kleiner  als  die  Imago  zur  Zeit  der  Geschlechtsreife, 
doch  besitzt  es  deren  Organisation.  Durch  weiteres  Wachsthum  und 
völlige  Ausbildung  der  Genitalorgane  erreicht  die  junge  Milbe  die  Ge- 
schlechtsreife. 


Wie  schon  erwähnt,  finden  auch  beim  Uebergang  der  Nymphe  zur  Imago 
histolytische  Processe  statt.  Dieselben  erstrecken  sich  übrigens  nicht  auf 
alle  Organe;  so  bleiben  die  Genitalorgane  davon  völlig  verschont.  —  Das 
Tracheensystem  der  Nymphe,  dessen  Stigma  an  der  Basis  der  Cheliceren  liegt, 
geht  nicht  in  das  ausgebildete  Thier 
über,  sondern  der  Tracheenstamm  bleibt 
in  der  abgeworfenen  Larvenhaut  zurück 
(Henking).  Die  früher  (pag. 6 2 8)  erwähn- 
ten „Urtracheen"  haben  mit  dem  de- 
finitiven Tracheensystem  nichts  zu  thun. 

Zusammenfassung.  Abweich- 
ungen von  dem  gewöhnlichen  Ent- 
wicklungsgang. Die  Entwick- 
lung   der   Milben    vom   Ei  bis 

zum  ausgebildeten  Thier 
stellt  sich  dar  als  eine  Auf- 
einanderfolge mehrerer  Lar- 
ven und  Puppenstadien. 
Schon  innerhalb  des  Eies  tritt  ein 
Zustand  ein,  welcher  mit  den  späte- 
ren Puppenstadien  grösste  Aehnlich- 
keit  hat  (das  Deutovum).  Auf  ihn 
folgt  nach  Abwerfung  der  Haut  die 
freie,  mit  sechs  Beinen  versehene 
Larve.  Diese  begiebt  sich  zur 
Ruhe  und  in  ihr  entwickelt  sich 
direct  oder  unter  Bildung  einer  Pup- 
penhaut die  achtbeinige  Nymphe. 
Auch  sie  macht  einen  Ruhezustand 
durch  und  aus  ihr  geht  dann  nach 
Abwerfung  der  Nymphenhaut  oder 
unter  abermaliger  Bildung  einer 
Puppenhülle  die  junge  Milbe  in  der 

Gestaltung    des 
Thieres  hervor. 


geschlechtsreifen 


Fig.  398.  Nymphe  von  Trom- 
bidium  fuliginosum  im  Stadium  der 
Ausbildung  von  Puppe  und  Imago  (nach 
Henking). 

a  After,  Ch  Cheliceren  der  Imago, 
Pt — Pt  Beinpaare,  Ted  Pedipalpen  der 
Imago ,  Px — Pi  Beinpaare  der  Nymphe 
(zum  Theil  abgebrochen),  r  Rüssel  (Che- 
liceren und  Pedipalpen)  der  Nymphe, 
zh  Zwischenhaut. 


Die  vorstehende  Schilderung  soll 
nur  im  Allgemeinen  ein  Bild  vom  Ent- 
wicklungsgang der  Milben  geben,  kann  aber  durchaus  nicht  für  eine  er- 
schöpfende Darstellung  dieser  Verhältnisse  gelten,  schon  deshalb  nicht,  weil 
die  Entwicklung  bei  den  einzelnen  Familien,  Gattungen  und  Arten  in  diesem 
und  jenem  Punkt  differirt.  Bei  der  Fülle  der  vorliegenden  (freilich  nicht 
immer  sehr  verlässlichen)  Angaben  über  die  postembryonale  Entwicklung  und 
bei  den  vielfachen  Verschiedenheiten,  die  sich  hierbei  in  grösserem  oder 
geringerem  Umfang  ergeben,  würde  eine  solche  erschöpfende  Darstellung 
weit   über   den  Rahmen   unseres  Lehrbuches   hinausgehen.     Es  wird    deshalb 

41* 


632  XVII.  Capitel. 

für  eine  noch  eingehendere  Orientirung  auf  die  angezogene  Litteratur  ver- 
wiesen ,  doch  müssen  einige  Besonderheiten  in  der  Entwicklung  noch  zur 
Sprache  gebracht  werden. 

Die  Bildung  der  Deutovum  -  Membran  im  Ei  ist  allem  Anschein  nach 
eine  bei  den  Milben  weit  verbreitete  Erscheinung,  und  doch  scheint  es  un- 
zweifelhaft, dass  sie  einigen  Milben  fehlt;  so  schlüpfen  nach  Clapakede's 
Angabe,  welcher  auf  diesen  Punkt  besonders  achtete,  die  sechsbeinigen 
Larven  von  Tetranychus  direct  aus  der  Eischale  hervor,  ohne  dass  sie 
vorher  von  einer  besonderen  Chitinhülle  umgeben  waren.  Aehnlich  verhält 
es  sich  mit  dem  Auftreten  der  sechsbeinigen  Larve.  Obwohl  diese  den  meisten 
Familien  zukommt x),  weichen  einige  Milben  von  dieser  Regel  ab.  So  finden 
sich  bei  den  Phytopten  vierfüssige,  d.  h.  mit  nur  zwei  Beinpaaren  ver- 
sehene Larven ,  und  man  ist  geneigt  gewesen ,  darin  ein  ursprüngliches 
Verhalten  zu  sehen.  Da  aber  nach  Nalepa  (No.  100  und  101)  auch 
die  ausgebildeten  Phytopten  nur  im  Besitz  von  vier  Beinen  sind ,  so 
wird  man  dieses  Verhalten  der  Larven  ebenso  wie  dasjenige  der  Imagines 
als  ein  secundäres  anzusehen  haben.  Das  starke  Ueberwiegen  des  Abdomens 
und  die  dadurch  bedingte  Längsstreckung  des  Körpers  der  Phytopten 
dürfte  ebenfalls  nicht  als  ein  ursprüngliches  Verhalten  zu  betrachten  sein. 
Von  Interesse  ist  in  dieser  Beziehung  der  Vergleich  mit  den  Haarbalgmilben, 
deren  Abdomen  ebenfalls  stark  in  die  Länge  gestreckt  ist.  Bei  ihnen  tritt 
die  sechsbeinige  Larve  auf  und  macht,  soweit  die  Angaben  von  Czokor 
(No.  78)  dies  erkennen  lassen,  einen  Entwicklungsgang  durch,  welcher  mit 
den  oben  geschilderten  Verhältnissen  im  "Wesentlichen  übereinstimmt. 

Aus  dem  Auftreten  vierfüssiger  Larven  glaubte  man  im  Hinblick  auf 
die  Umwandlung  der  sechsbeinigen  Larve  in  die  achtbeinige  Nymphe  schliessen 
zu  können,  dass  möglicherweise  die  vierfüssige  Form  ursprünglicher  und  die 
sechsfüssige  Larve  auf  sie  zurückzuführen  sei.  Es  wurde  schon  darauf  hin- 
gewiesen, dass  ein  solcher  Schluss  nicht  berechtigt  ist.  Die  Auffassung  der 
sechsbeinigen  Larve  erscheint  nun  durch  eine  Beobachtung  Winkler's  an 
Gamasus  in  eigener  Beleuchtung.  Die  betr.  Milbe,  Gamasus  crassipes, 
besitzt  sechsbeinige  Larven.  An  den  jüngeren  Embryonen  fand  Winkler 
jedoch  deutlich  vier  Beinpaare  entwickelt  (Fig.  399,  A  und  B).  Seine 
Darstellung  ist  so  klar,  dass  ein  Zweifel  hier  beinahe  ausgeschlossen  erscheint. 
Man  muss  annehmen,  dass  bei  einer  innerhalb  des  Eies  verlaufenden  Häutung 
(Bildung  des  Deutovums)  ein  Beinpaar  zur  Rückbildung  gelangt.  Kurz  vor 
dem  Ausschlüpfen  des  Embryos,  wenn  die  Beine  schon  mit  den  charakte- 
ristischen Borsten  bewaffnet  sind,  finden  sich  deren  nur  noch  drei  (Fig.  399,  C). 
Dieses  Verhalten,  welches  anzuzweifeln  wir  kaum  berechtigt  sind,  wirft  ein 
klares  Licht  auf  die  secundäre  Entstehung  der  sechsbeinigen  Larve. 

Die  von  Winklee  beobachteten  Embryonen  des  Gamasus  crassipes 
erscheinen  in  dem  achtbeinigen  Stadium  auf  weit  niederer  Stufe  als  auf  dem 
sechsbeinigen  Stadium  (Fig.  A  — -C).  Wir  nehmen  daher  an,  dass  bei  dieser 
Form  ein  Verhalten  ausgeschlossen  ist,  wie  es  z.  B.  Pteroptus  vesper- 
ti Monis  zeigt.  Diese  Milbe  hat  einen  abgekürzten  Entwicklungs- 
gang. Der  Embryo  gelangt  mit  acht  Beinen  versehen ,  also  auf  dem 
Stadium  der  Nymphe ,  zu  freiem  Leben.  Es  konnte  aber  gezeigt  werden, 
dass  der  Embryo  innerhalb  des  Eies  und  noch  im  Mutterthier  das  sechs- 
beinige Stadium  durchläuft  (Nitzsch). 


1)  Die  sechsfüssige  Larve  wurde  beobachtet  bei  den  Tetranychiden, 
Hydrachniden,  Halacariden,  Oribatiden,  Trombididen,  Gamasiden, 
Ixodiden,  Tyroglyphcn,   Dermaleichen,  Sarcoptiden,  Demodiciden  u.  a. 


Arachnoiden. 


633 


Als  Nymphe  verlässt  auch  Limnesia  pardina  das  Ei  (Neuman). 
Die  Jungen  der  Phytopten  sind  beim  Ausschlüpfen  den  Geschlechtsthieren 
schon  sehr  ähnlich.  Wie  diese  besitzen  sie  nur  zwei  Paar  Beine.  Die 
Mundwerkzeuge  sind  völlig  ausgebildet.  Der  Unterschied  von  den  ausge- 
bildeten Thieren  besteht  hauptsächlich  in  dem  Mangel  der  äusseren  Genitalien. 
Bei  einer  zweimaligen  Häutung  werden  auch  diese  erworben.  Die  Milben  können 
nun  zur  Fortpflanzung  schreiten  (Nalepa,  No.  100).  Noch  mehr  abgekürzt 
erscheint  die  Entwicklung  bei  Sphaerogyna  ventricosa.  Diese  Milbe, 
deren  Weibchen  sich  durch  eine  mächtige  Anschwellung  des  Hinterleibes  aus- 
zeichnen, ist  ovo-vivipar.  Aus  den  Eiern  gehen  nach  der  Ablage  die  geschlechts- 
reifen  Männchen  und  Weibchen  hervor,  welche  sich  schon  bald  nach  der 
Geburt  begatten.  (Laboulbene  und  Megnin.) 


^ 


■/ie*£ 


Fig.  399.  A-  C  Embryonen  von  Gamasus  crassipes  nach  Entfernung  der 
äusseren  Eihülle.     Verschiedene  Altersstadien  (nach  Winkler). 

abd  Abdomen,  ch  Chelieeren,  d  Dotter,  eh  die  cuticulare  Embryonalhaut, 
kl  Kopflappen,  ped  Pedipalpen,  pl — p±  Beinpaare,  sl  Schwanzlappen. 


Eine  Verlängerung  des  Entwicklungsganges  kann  dadurch  eintreten, 
dass  auf  die  aus  der  Larve  hervorgegangene  Nymphe  noch  ein  zweites 
Nymphenstadium  von  ungefähr  gleicher  Gestaltung  folgt,  wie  dies  bei  Hal- 
acarus  spinifer  der  Fall  ist  (Lohmaxn,  No.  92).  Aehnliche  Verhält- 
nisse finden  sich  auch  bei  verschiedenen  Gamasiden  (Krämer,  No.  90, 
Winkxer,  No.  106),  und  es  müsste  wohl  in  den  einzelnen  Fällen  noch  ge- 
nauer festgestellt  werden,  ob  eine  dieser  Nymphen  nicht  dem  Puppenstadium 
anderer  Milben  entspricht.  Es  scheint  übrigens,  dass  die  Nymphen  zur 
Fortpflanzung  gelangen  können,  ehe  sie  noch  die  völlige  Gestaltung  des  ge- 
schlechtsreifen  Thieres  erreicht  haben  (Canestrini).  Dies  wurde  von  den 
Gamasiden  festgestellt.    Berlese  unterscheidet  bei  ihnen  verschiedene  Ent- 


634  XVII.  Capitel. 

wicklungsreihen,  solche,  welche  er  als  normale  bezeichnet  und  bei  welchen 
in  der  gewöhnlichen  Weise  die  Larve,  Nymphe  und  Imago  auf  einander 
folgen,  und  andere,  anormale,  bei  welchen  bereits  niedere  Stadien,  d.h. 
Nymphen,  sich  auf  parthenogenetischem  Wege  fortpflanzen. 
Solche  Formen  scheinen  sich  dann  nicht  mehr  zu  der  vollkommenen  Ge- 
staltung des  Geschlechtsthieres  zu  erheben.  Bei  ein  und  derselben  Art  sollen 
auf  diese  Weise  mehrere  zur  Fortpflanzung  befähigte  Formen  resultiren;  so 
besitzt  Gamasus  tardus  nicht  weniger  als  fünf  solcher  verschieden  ge- 
stalteten Formen,  deren  jede  für  eine  besondere  Art  gehalten  werden  könnte 
(Beelese).  Es  liegen  hier  offenbar  höchst  complicirte  Verhältnisse  vor,  die 
noch  lange  nicht  genügend  bekannt  sind.  Zweifellos  wurden  vielfach  niedere 
Entwicklungszustände  als  besondere  Arten  aufgefasst,  so  ist  das  jetzt  sicher 
von  der  bekannten  Milbengattung  Hypopus  nachgewiesen  (Megnin  No.  94 
und  95,  Michael  No.  98  und  99).  Die  Angehörigen  dieser  vermeintlichen 
Gattung  sind  kleine  Milben  mit  glattem,  an  der  Rückseite  convexem,  an  der 
Bauchseite  abgeplattetem  Chitinpanzer,  welcher  das  ganze  Thier  überdeckt. 
Diese  Milben  von  charakteristischem  Aussehen  finden  sich  häufig  an  Insecten- 
larven ,  Myriopoden  etc.  und  wurden  lange  Zeit  für  ausgebildete  Thiere  ge- 
halten. Durch  das  genauere  Studium  ihres  Entwicklungsganges  konnte  aber 
festgestellt  werden,  dass  sie  nur  niedere  Entwicklungszustände  von  Tyro- 
glyphus  und  verwandten  Gattungen  darstellen,  welche  infolge  von  bisher 
unbekannten  Umständen  eine  von  der  gewöhnlichen  Form  der  Nymphen  ab- 
weichende Gestaltung  angenommen  haben.  Diese  Veränderungen  sollen  nur 
einzelne  Individuen  betreffen,  und  man  hat  sie  auf  ungünstige  äussere  Lebens- 
bedingungen zurückführen  wollen ,  welche  die  betr.  Individuen  zu  einer  der- 
artigen Modifikation  ihrer  Organisation  veranlassten  (Megnin).  Von  anderer 
Seite  ist  aber  diese  Erklärung  von  dem  Zustandekommen  der  heteromorphen 
(Hypopus-)  Formen  zurückgewiesen  worden  (Michael). 

Allgemeines. 

Es  hat  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  die  Milben  von  den  Arachnoiden 
abzutrennen  und  sie  zu  einer  den  grösseren  Abtheilungen  der  Arthro- 
poden (Arachnoiden,  Myriopoden,  Hexapoden)  gleichwerthigen 
Gruppe  zu  erheben  (Haller  No.  83,  A.  C.  Ovdemans  No.  11).  Die 
Gründe,  welche  man  als  Stütze  dieser  Auffassung  angeführt  hat,  scheinen 
uns  für  die  Abtrennung  der  Milben  zu  ungenügend,  als  dass  wir  auf  eine 
nähere  Erörterung  derselben  eingehen  möchten  (vgl.  oben  pag.  626). 
Vielmehr  scheint  uns  in  der  Organisation  und  Entwicklung  der  Milben 
eine  genügende  Uebereinstimmung  mit  den  Arachnoiden  vorhanden  zu  sein, 
um  die  Vereinigung  mit  diesen,  wie  sie  bisher  ziemlich  allgemein  ange- 
nommen wurde,  zu  rechtfertigen.  Die  Milben  repräsentiren  eine  Gruppe 
der  Arachnoiden,  welche  sich  in  sehr  einseitiger  Weise  entwickelt  hat  und 
infolgedessen  von  den  übrigen  Arachnoiden  in  einzelnen  Punkten  der 
Organisation  ziemlich  stark  differirt.  Auch  die  Entwicklung  ist  davon 
beeinflusst  worden  und  hat  Eigenthümlichkeiten  angenommen,  welche  den 
anderen  Arachnoiden  nicht  zukommen,  vor  Allem  die  verschiedenen  auf 
einander  folgenden  Larven-  und  Puppenstadien,  sowie  die  mit  nur  sechs 
Beinpaaren  versehene  freie  Larvenform.  Diese  letztere  ist  als  eine  secun- 
däre  zu  betrachten.  Der  beste  Beweis  dafür  würde  in  dem  Auftreten 
eines  vierten  Beinpaares  bei  Embryonalstadien,  welche  der  sechsfüssigen 
Larve  vorausgehen,  gegeben' sein,  falls  sich  die  hierauf  bezüglichen  An- 
gaben Winkler's  (No.  106,  vgl.  pag.  632)  bestätigen  sollten. 


Arachnoiden.  635 


VIII.   Allgemeines  über  die  Arachnoiden. 

Für  die  Auffassung  der  Arachniden  bildet  den  wichtigsten  Punkt 
ihre  Beziehung  zu  denjenigen  Abtheilungen  der  Arthropoden,  welche 
man  mit  ihnen  zusammen  als  Tracheaten  bezeichnet  hat,  d.  h.  den 
Myriopoden  und  Insecten.  Die  Myriopoden  kommen  dabei  in- 
folge ihrer  zumeist  langgestreckten  Körpergestalt  und  der  geringen 
Differenzirung  der  einzelnen  Körperparthien  weniger  in  Betracht,  um  so 
mehr  aber  die  Hexapoden,  welche  durch  die  stark  hervortretende 
Dreitheilung  des  Körpers  zu  einem  Vergleich  mit  der  Gliederung  des 
Arachnidenkörpers  herausfordern.  Bei  einer  solchen  Vergleichung  tritt 
aber  sofort  eine  ansehnliche  Schwierigkeit  in  der  differenten  Zahl  der 
Segmente  und  besonders  der  Gliedmaassenpaare  hervor.  Von  geringerer 
Bedeutung  ist  die  bei  den  Arachniden  vielfach  eintretende  Verschmelzung 
der  Segmente,  da  sie  auch  bei  den  Insecten  in  grösserem  oder  geringerem 
Maassstabe  auftreten  kann,  nur  ist  die  Verschmelzung  von  Kopf 
und  Brust  zum  Cephalothorax  als  ein  wichtiger  Charakter  der 
Arachniden  hervorzuheben. 

Die  Insecten  tragen  bekanntlich  am  Kopf  ein  Paar  Antennen,  Man- 
dibeln  und  zwei  Paar  Maxillen,  welche  man  ihrer  gleichartigen  Bildungs- 
weise wegen  als  Gliedmaassen  ansprechen  darf.  Am  Thorax  besitzen  sie 
drei  Extremitätenpaare.  Den  Arachniden  kommen  nur  zwei  Gliedmaassen- 
paare am  Kopf  zu  (die  Cheliceren  und  Pedipalpen),  dagegen  weisen  sie 
vier  Beinpaare  am  Thorax  auf.  Der  Versuche,  dieses  Missverhältniss  in 
Einklang  zu  bringen,  sind  zu  viele,  als  dass  wir  sie  des  näheren  hier 
betrachten  könnten.  Als  herrschende  Ansicht  ist  die  zu  bezeichnen, 
welche  ein  Homologon  der  Insectenfühler  bei  den  Arachniden  vermisst, 
die  Cheliceren  den  Mandibeln,  die  Pedipalpen  den  ersten  Maxillen  der 
Insecten  vergleicht  und  die  vier  Gangbeinpaare  mit  den  zweiten  Maxillen 
und  den  darauf  folgenden  Beinpaaren  homologisirt;  doch  hat  es  auch 
nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  die  Cheliceren  für  entsprechend  den 
Antennen  hielten  und  sie  als  solche  bezeichneten.  Wir  möchten  keinen 
dieser  beiden  Wege  betreten,  sondern  vergleichen  aus  noch  zu  erörtern- 
den Gründen  die  Cheliceren  der  IL  Antenne  der  Crustaceen,  deren  Homo- 
logon bei  den  Insecten  fehlt.  Die  I.  Antenne  der  Crustaceen,  welche 
der  Antenne  der  Insecten  entspricht,  ist  bei  den  Arachniden  nicht  vor- 
handen. Die  Pedipalpen  sind  somit  den  Mandibeln  der  Insecten  (und 
Crustaceen)  homolog,  die  vier  Gangbeinpaare  eventuell  den  zwei  Maxillen- 
paaren  und  den  Beinen  der  Insecten,  doch  ergiebt  sich  hierbei  ein  Minus 
von  einem  Paar  Thoracalextremitäten  bei  den  Arachniden.  Dies  erscheint 
uns  aber  deshalb  nicht  wichtig,  wreil  wir  überhaupt  auf  diese  Vergleichung 
der  Arachniden  mit  den  Insecten  keinen  grossen  Werth  legen  und  die 
Beziehungen  derselben  nicht  im  Bereich  der  „Tracheaten",  sondern  viel- 
mehr bei  den  durch  Kiemen  athmenden  Formen,  nämlich  bei  den  Xipho- 
suren  suchen,  wie  dies  auch  Ray  Lankester  und  andere  Forscher  ge- 
than  haben.  Wir  sind  also  geneigt,  uns  denjenigen  Forschern  anzu- 
schliessen,  welche  die  Arachniden  und  die  übrigen  luftathmen- 
den  Arthropoden  als  zwei  gesonderte  Reihen  betrachten 
und  somit  auch  eine  getrennte  Entstehung  der  Tracheen 
bei  diesen  beiden  Abtheilunge n  annehmen.  Der  zwingende 
Grund  für  diese  Auffassung  scheint  uns  in  der  Uebereinstimmung  der 
Organisation  der  Arachniden  und  Xiphosuren  zu  liegen. 


636  XVII.  Capitel. 

Auf  die  Uebereinstimmung  im  äusseren  Bau  der  Scorpione  und  des 
Limulus  haben  wir  bereits  früher  (pag.  531)  hingewiesen.  Dies  betraf 
besonders  die  Zahl  der  Segmente  und  Gliedmaassen.  Wir  finden  bei 
Limulus  wie  bei  den  Ar  ach  ni  den  sechs  Paare  von  Extremitäten  am 
Cephalothorax,  so  dass  eine  Homologisirung  derselben  sehr  nahe  liegt. 
Wir  verglichen  das  erste  Paar,  die  Cheliceren,  der  IL  Antenne  der 
Crustaceen  und  zwar  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil  die  postoral 
entstehenden  Ganglien  derselben  dem  oberen  Schlundganglion  angefügt 
werden,  wie  dies  mit  den  Ganglien  der  IL  Antenne  bei  den  Crustaceen 
ebenfalls  geschieht  (vgl.  pag.  364),  ein  Vorgang,  der  übrigens  dadurch 
grössere  Bedeutung  gewinnt,  dass  er  sich  mit  den  Kieferganglien  des 
Peripatus  wiederholt  (pag.  703).  Bei  den  Insecten  findet  ein  ähn- 
licher Vorgang  nicht  statt,  und  wir  schliessen  daraus,  dass  bei  ihnen  die 
betr.  Extremität  nicht  vorhanden  ist. 

Hierbei  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass  für  die  Phalangide n 
und  die  Milben  eine  Innervirung  der  Cheliceren  von  der  Thoracalganglien- 
masse  aus  angegeben  worden  ist  (Leydig  No.  40,  fe  und  Winklee  No.  106). 
Eine  endgiltige  Aufklärung  dieses  Punktes  muss  als  sehr  erwünscht  bezeichnet 
werden. 

Für  die  Spinnen  ist  verschiedentlich  das  Vorhandensein  eines  weiteren 
Extremitätenpaares  als  der  beiden  erwähnten  am  Kopf  beschrieben  wor- 
den. Es  sollen  nämlich  vor  den  Anlagen  der  Cheliceren  zwei  Höcker 
auftreten,  welche  später  wieder  schwinden  (Croneberg,  Jaworowski). 
Man  nahm  an,  dass  dieses  vermeintliche  Extremitätenpaar  sich  mit  dem 
Rostrum  vereinige  (Croneberg,  Lendl1),  dessen  paarige  Anlage  auch 
von  anderen  Forschern  gesehen  wurde  (Schimkewitsch).  Ueberhaupt 
war  man  geneigt,  in  dem  Rostrum  das  Rudiment  eines,  vielleicht  sogar 
mehrerer  Extremitätenpaare  zu  suchen,  und  glaubte  dies  auch  noch  bei 
den  ausgebildeten  Thieren  (S  c  o  r  p  i  o  n  e  n ,  Solpugiden,  Milben)  nach- 
weisen zu  können  (Croneberg).  Dazu  muss  bemerkt  werden,  dass  nach 
Schimkewitsch  auch  die  sog.  Unterlippe  aus  einer  ähnlichen  paarigen 
Anlage  hervorgehen  soll  und  bei  ihr  an  ein  Extremitätenpaar  wohl  kaum 
gedacht  werden  kann. 

Wenn  jenes  rudimentäre  Extremitätenpaar  des  Kopfes  wirklich  vor- 
handen ist,  so  hat  man  dasselbe,  wie  dies  auch  zumeist  geschah  (Crone- 
berg, Jaworowski)1,  als  die  fehlenden  Antennen  anzusehen,  und  zwar 
würde  es  den  ersten  Antennen  der  Crustaceen  homolog  sein.  Für  unsere 
Ausführungen  würde  dies  keine  wesentliche  Aenderung  bedeuten.  Die 
ersten  Antennen,  welche  den  Vorfahren  zukamen,  werden  bei  den  Spinnen 
noch  als  Rudiment  angelegt,  die  Cheliceren  aber  entsprechen  den  zweiten 
Antennen. 

Die  Pedipalpen  verglichen  wir  mit  den  Mandibeln  der  Insecten. 
Sie  setzen  sich  aus  einer  Kaulade  und  einem  mehrgliedrigen  Taster  zu- 
sammen. In  der  embryonalen  Anlage  sollen  aber  beide  Theile  aus  einer 
Anzahl  von  Gliedern  bestehen,  was  dieser  Extremität  einen  sehr  ursprüng- 
lichen Charakter  und  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  den  zweiästigen 


])  Nach  Lendl's  Auffassung  sollen  die  rudimentären  Extremitäten  zwischen 
Cheliceren  und  Pedipalpen  liegen  und  den  Mandibeln  der  Insecten  entsprechen, 
während  die  Cheliceren  durch  ihre  Stellung  und  Art  der  Bewegung  sich  als  echte 
Antennen  documentiren.  Durch  die  vorrückenden  Pedipalpen  würden  die  vermeint- 
lichen Mandibeln  gegen  die  Anlage  der  Oberlippe  gedrängt,  um  mit  ihr  zu  verwachsen. 


Aracbnoiden.  (337 

Extremitäten  der  Crustaceen  verleihen  würde  (Jaworowski).  An- 
deutungen  einer  solchen  Zweiästigkeit  sollen  nach  Jaworowski  übrigens 
auch  bei  den  anderen  Gliedmaassenanlagen  vorhanden  sein. 

Gleichviel  übrigens,  welches  Extremitätenpaar  der  Arachniden  man 
mit  den  Insectenmandibeln  vergleicht  (die  Cheliceren  oder  Pedipalpen), 
so  wird  doch  die  Mehrgliedrigkeit  dieser  Arachnidenextremitäten  einen 
bedeutungsvollen  Gegensatz  zu  den  stets  eingliedrigen  Mandibeln  der 
Insecten  bilden.  Ein  ursprüngliches  Verhalten  ist  auch  damit  gegeben, 
dass  die  dritten  und  vierten  Extremitäten  (bei  den  Scorpionen  und 
Phalangiden)  ebenfalls  Kauladen  tragen  and  also  zum  Theil  noch 
als  Mundwerkzeuge  verwendet  werden,  wie  dies  bei  den  um  den  Mund 
gestellten  Thoracalextremitäten  von  Limulus  der  Fall  ist.  Als  ursprüng- 
liches Verhalten  könnte  wohl  auch  der  Besitz  von  Scheeren  an  den  vor- 
deren Gliedmaassen  angesehen  werden,  da  auch  Limulus  solche  besitzt. 
Doch  möchten  wir  darauf  kein  allzugrosses  Gewicht  legen,  da  ähnliche 
Bildungen  unabhängig  von  einander  entstehen  können. 

Im  Bezug  auf  den  C  e  p  h  a  1  o  t h  o  r  a  x  und  seine  Anhänge  zeigen 
die  einzelnen  Abtheilungen  der  Arachniden  weit  grössere  Uebereinstim- 
mung,  als  cü/s  mit  dem  folgenden  Körperabschnitt,  dem  Abdomen,  der 
Fall  ist,  abgesehen  von  den  reducirten  Verhältnissen,  welche  auch  hierin 
die  Milben  aufweisen  können.  Doch  muss  dabei  noch  eines  höchst  auf- 
fallenden Verhaltens,  nämlich  desjenigen  der  Solpugiden  gedacht  wer- 
den, bei  denen  das  Segment  der  ersten  Gangbeine  zum  Cephalothorax 
hinzutritt,  wodurch  der  Körper  (infolge  der  drei  am  Thorax  zurück- 
bleibenden Beinpaare)  ein  gewissermaassen  insectenähnliches  Aussehen 
gewinnt.  Dazu  kommt,  dass  das  wohlgegliederte  Abdomen  die  gleiche 
Segmentzahl  wie  dasjenige  der  Insecten  besitzt  und  dass  bei  diesen 
Formen  ein  Stigmenpaar  am  Thorax  (2.  Segment)  auftritt.  Alles  dies 
hat  dazu  geführt,  die  durch  Tracheen  athmenden  Solpugiden  in  Be- 
ziehung zu  den  Insecten  zu  bringen,  doch  haben  wir  bereits  früher 
(pag.  567)  ausgeführt,  dass  wir  die  genannten  Charaktere  der  Solpugen 
nicht  für  ursprüngliche  und  diese  Thiere  selbst  nicht  etwa  als  Mittel- 
formen zwischen  Arachniden  und  Insecten  ansehen  können.  Für  die  Auf- 
fassung der  Solpugen  wichtig  ist  hierbei,  dass  auch  bei  ihnen  die  Cheli- 
ceren vom  Gehirn  aus  innervirt  werden  (Weissenborn  Xo.  IG),  wodurch 
sie  sich  als  Homologa  der  Cheliceren  der  übrigen  Arachniden  zu  erkennen 
geben.  Mit  den  Antennen  der  Insecten  wird  man  sie  kaum  vergleichen 
wollen,  um  die  Art  der  Innervirung  erklärlich  zu  machen;  dagegen 
spricht  ihre  ganze  Ausbildung.  Als  das  bei  einem  Vergleich  mit  den 
Insecten  noch  fehlende  Paar  der  Kopfgliedmaassen  wird  man  vielmehr 
auch  hier  die  Antennen  ansehen. 

Das  Abdomen  der  Arachniden  ist  zumeist  dadurch  charakterisirt, 
dass  es  eine  starke  Rückbildung  seiner  Segmentirung  erfährt;  bei  einigen 
Abtheilungen  jedoch  bleibt  die  Gliederung  deutlich  erhalten.  Bei  den 
Scorpionen  sondert  sich  der  Hinterleib  in  ein  Prä-  und  Postabdomen, 
wobei  er  stark  in  die  Länge  gestreckt  erscheint.  Man  könnte  sogar 
zweifelhaft  sein,  ob  man  es  hier  nicht  mit  einer  secundären  Verlängerung 
zu  thun  hat,  wenn  nicht  auch  andere  Arachniden  während  des  Embrvonal- 
lebens  ungefähr  die  gleiche  Zahl  von  Segmenten,  sowie  eine  Unterschei- 
dung in  eine  Art  von  Prä-  und  Postabdomen  erkennen  Hessen  (Ara- 
n einen,  pag.  581  und  587).  Zudem  finden  wir  bei  fossilen  Xiphosuren 
( H e m i a s p i s ,  B  e  1  i  n u r u s),  sowie  den  Gigantostr a k  e n  eine  grössere 
Anzahl  von  Abdominalsegmenten,  und  durch  ihr  Verhalten  wird  es  höchst 


638  XVII.  Capitel. 

wahrscheinlich  gemacht,  dass  das  hintere  Körperende  des  Limulns 
durch  die  Verschmelzung  einer  Anzahl  postabdominaler  Segmente  ent- 
stand und  dem  Postabdomen  der  Scorpione  homolog  ist  (pag.  532).  So 
zeigen  also  die  Scorpione  in  der  Erhaltung  ihres  wohlgegliederten  Ab- 
domens, und  der  Segmentirung  überhaupt,  einen  sehr  ursprünglichen 
Charakter.  Es  ist  die  Vermuthung  geäussert  worden,  dass  die  Bewahrung 
des  langgestreckten  und  leichtbeweglichen  Abdomens  mit  der  an  seinem 
Ende  angebrachten  Waffe,  dem  Giftstachel,  in  Verbindung  stehe,  weil  auf 
diese  Weise  eine  leichte  Verwendung  desselben  gestattet  sei  (Weissenborn). 

Im  Uebrigen  macht  sich  eine  starke  Concentration  der  Organe  bei 
den  Arachniden  bemerkbar,  und  es  ist  auffallend,  je  weiter  sich  dieselben 
von  denjenigen  Formen  entfernen,  die  wir  wohl  mit  Recht  als  die  ur- 
sprünglichen ansehen,  desto  stärker  wird  die  Reduction,  die  bei  den 
Milben  ihren  höchsten  Grad  erreicht.  So  erscheinen  die  abgeleiteten 
Formen  der  Arachniden  verhältnissmässig  einfacher  organisirt  als  die  ur- 
sprünglichen, zumal  bei  ihnen  einzelne  Organsysteme  (Circulations-,  Respira- 
tionssystem) ganz  oder  theilweise  zur  Rückbildung  gelangen  können. 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Auffassung  der  Arachniden 
sind  die  abdominalen  Extremitäten  an  lagen.  Ihre  Zahl  ist 
beim  Scorpion  sechs,  ebensoviel  wie  die  Anzahl  der  Abdominalextremi- 
täten bei  Limulus.  Wir  konnten  es  ziemlich  wahrscheinlich  machen, 
dass  auch  bei  den  Spinnen  ursprünglich  die  gleiche  Anzahl  abdominaler 
Gliedmaassen  vorhanden  war  (pag.  581).  Wie  die  Insecten  leiten 
sich  also  die  Arachniden  von  Formen  her,  die  mit  einer  grösseren 
Anzahl  von  Gliedmaassen  versehen  waren.  Das  erste  Paar  tritt  wie  bei 
Limulus  in  Beziehung  zur  Ausmündung  des  Genitalapparates,  die  folgen- 
den Paare  aber  lassen  an  ihrer  Rückseite  als  Einstülpung  die  Lungen 
entstehen.  Die  Lungen  der  Arachniden  konnten  demnach  mit  ziem- 
licher Wahrscheinlichkeit  auf  die  Kiemen  der  Xiphosuren  bezogen 
werden  (vgl.  pag.  532  und  605).  Das  bedeutet  eine  verschiedenartige 
Entstehung  der  Tracheen  bei  den  Arachniden  und  den  übrigen 
„Tracheaten"  (Peripatus,  Myriopoden,  Insecten),  denn  dass 
die  Tracheen  der  Arachniden  mit  deren  Lungen  im  engsten  Zusammen- 
hang stehen,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Obwohl  die  Tracheen 
der  Insecten  und  einiger  Arachniden,  z.  B.  der  Solpugiden, 
Phalangiden  und  einiger  Pseudoscorpione  und  Milben  sehr 
übereinstimmend  gebaut  erscheinen,  so  müssen  sie  doch  im  einen  Falle 
von  Lungen  bezw.  Kiemen,  im  andern  Falle  von  einfachen  Hautein- 
senkungen hergeleitet  werden.  Die  spätere  Uebereinstimmung  im  Bau 
ist  nur  als  eine  Convergenzerscheinung  aufzufassen. 

Entsprechend  der  hier  vertretenen  Entstehung  der  Respirationsorgane 
werden  die  Stigmen  der  Arachniden  nur  am  Abdomen  gefunden,  doch 
macht  das  erste  Stigmenpaar  der  Solpugiden  hiervon  eine  Ausnahme, 
indem  es  am  zweiten  Thoraxsegment  liegt.  Man  kann  diese  Erscheinung 
vorläufig  nicht  anders  als  eine  secundäre  Erwerbung  betrachten  und  damit 
zu  erklären  suchen,  dass  auch  bei  den  Milben  Stigmen  am  Cephalothorax 
auftreten  und  zwar  an  verschiedenen  Stellen  desselben,  oft  sehr  weit 
nach  vorn  in  der  Gegend  der  Cheliceren.  Aehnliche  Verlagerungen  der 
Stigmen  werden  bekanntlich  auch  bei  Scolopendrella  gefunden,  bei 
welcher  Form  sie  in  ganz  ungewöhnlicherWeise  ebenfalls  am  Kopf  auftreten. 

In  der  übrigen  Organisation  der  Arachniden  giebt  es  noch  ver- 
schiedene Punkte,  worin  sie  sich  von  den  Insecten  entfernen  und  sich 
vielmehr  den  Xiphosuren,  vielleicht  sogar  den  Crustaceen  nähern. 


Arachnoiden.  639 

Von  den  Augen  versuchten  wir  zu  zeigen,  dass  sie  nicht  mit  den- 
jenigen der  Insecten  und  Myriopoden  zusammenzuwerfen  sind,  sondern  einen 
von  diesen  gesonderten  Entwicklungsgang  genommen  haben  (pag.  597). 
Wohl  aber  Hessen  sie  sich  mit  den  Mittel-  und  Seitenaugen  des  Limulus 
homologisiren.  Bei  den  Arachnidenaugen  spielt  die  Entstehung  durch 
Inversion  eine  wichtige  Rolle.  Neuerdings  wird  eine  solche  Entwicklung 
durch  Inversion  von  Claus  auch  für  die  Medianaugen  der  Crustaceen 
beschrieben  (No.  57),  und  es  scheint  nicht  ausgeschlossen,  dass  zwischen 
diesen  Vorgängen  später  noch  engere  Beziehungen  aufgefunden,  werden 
können. 

Eine  weitere  Uebereinstimmung  zwischen  den  Arachniden  und 
Xiphosuren  ergiebt  sich  durch  das  Vorhandensein  des  besonders  bei 
den  Scorpionen  und  bei  Limulus  sehr  ähnlich  gestalteten  Innen- 
skelets.  Ein  Punkt,  der  uns  aber  besonders  charakteristisch  scheint 
und  der  auch  für  die  scheinbar  abweichenden  Solpugiden  volle  Giltig- 
keit  hat,  ist  das  Vorhandensein  einer  umfangreichen  Leber,  wie  sie 
bei  den  Insecten  nicht,  wohl  aber  bei  Limulus  und  den  Crusta- 
ceen gefunden  wird.  Der  Mitteldarm  bietet  in  seinen  Anhängen  noch 
wichtigeres,  vorausgesetzt,  dass  die  Entwicklungsgeschichte  hierin  wahr- 
heitsgetreu berichtet,  nämlich  die  Entstehung  der  sog.  MALPiGHi'schen 
Gefässe  aus  dem  Entoderm.  Wenn  dieser  Punkt  sich  so  verhält, 
würde  er  einen  wichtigen  Scheidungsgrund  zwischen  Arachniden  und 
Insecten  bilden.  Schlauchförmige  Anhänge  am  Hinterende  des  Mittel- 
darmes  kommen  bei  den  Crustaceen  vor;  die  Malpighi1  sehen  Ge- 
fässe der  Myriopoden  und  Insecten  sind  jedoch  ectodermalen  Ursprungs. 

Ein  weiteres  Vergleichsmoment  zwischen  Limulus  und  den  Arach- 
niden bietet  das  Vorhandensein  eines  bei  den  Scorpionen  oberhalb 
der  Ganglienkette  verlaufenden  Gefässes,  welches  eine  Fortsetzung  des 
Schlundgefässringes  nach  hinten  ist  (Supraneuralgefäss,  Supraspinalarterie) 
und  in  ganz  ähnlicher  Ausbildung  bei  Limulus  gefunden  wird.  Aehn- 
liches  scheint  allerdings  auch  bei  den  Crustaceen  vorzukommen,  und 
(was  dieses  Vergleichsmoment  als  von  geringerer  Wichtigkeit  erscheinen 
lässt)  ein  Supraneuralgefäss  wird  auch  bei  den  Myriopoden  gefunden, 
so  dass  dieses  Merkmal  vielleicht  von  einer  gemeinsamen  Ahnenform 
ererbt  sein  könnte.  Eine,  wenn  auch  ebenfalls  weniger  bedeutungsvolle 
Uebereinstimmung  mit  den  Geschlechtsdrüsen  des  L i m u  1  u s  bieten 
die  entsprechend  netzförmig  gestalteten  Schläuche  der  Genitaldrüsen  bei 
den  Scorpionen. 

Die  aus  dem  Mesoderm  hervorgehenden  Coxaldrüsen  der  Arach- 
niden können  nach  unserer  jetzigen  Kenntniss  mit  ziemlicher  Sicherheit 
als  Nephridien  in  Anspruch  genommen  werden  und  sind  den  ganz  ent- 
sprechend gelagerten  Organen  des  Limulus  gleich  zu  setzen.  Mit  den 
Antennen-  und  Schalendrüsen  der  Crustaceen  lassen  sich  die  Coxaldrüsen 
nicht  völlig  homologisiren,  weil  diese  eine  etwas  andere  Lage  einnehmen, 
d.  h.  anderen  Segmenten  zugehören.  Die  bei  den  Ahnenformen  in  jedem 
Segment  vorhandenen  Nephriden  werden  sich  eben  bei  ihren  Nachkommen 
in  verschiedenen  Segmenten  erhalten  haben,  was  wesentlich  von  der  Art 
und  Weise  der  weiteren  Ausbildung  der  betr.  Formen  abhing.  Es  braucht 
kaum  darauf  hingewiesen  zu  werden,  dass  der  Besitz  dieser  (zumal  in 
der  Jugendzeit  stark  ausgebildeten)  Coxaldrüsen  ein  weiteres  Unter- 
scheidungsmerkmal der  Arachniden  von  den  Insecten  bildet,  denn 
bei  den  letzteren  sind  Drüsen  von  so  charakteristischer  Ausbildung  und 


640  XVII.  Capitel. 

Lagerung,  welche  den  Nephridien  der  Ahnenfornien  zu  vergleichen  wären, 
nicht  vorhanden. 

Die  zuletzt  besprochenen  Gebilde  entstammen  dem  Mesoderm. 
Auf  das  Verhalten  des  letzteren  während  der  Embryonalentwicklung 
möchten  wir  ganz  besonders  Gewicht  legen.  Während  bei  den  Insecten 
die  Ursegmente  schon  frühzeitig  einer  Umwandlung  anheimfallen,  sehen 
wir  dieselben  bei  den  Arachniden  gegen  den  Rücken  vorwachsen  und 
erst  zu  einer  Zeit  der  Auflösung  entgegengehen,  wenn  am  Rücken  von 
ihnen  das  Herz  gebildet  wurde.  Das  Cölom,  welches  bei  den  Insecten 
schon  sehr  früh  schwindet,  erhält  sich  also  bei  den  Arachniden  längere 
Zeit.  Dieses  an  und  für  sich  ursprüngliche  Verhalten  bedingt  auch  eine 
grössere  Einfachheit  in  der  Anlage  des  Herzens;  wahrscheinlich  auch  in 
derjenigen  der  Coxaldrüsen  (Nephridien)  und  vielleicht  auch  der  Genital- 
organe. Die  auf  diese  Weise  zu  Stande  kommenden  Verhältnisse  er- 
innern noch  mehr  an  diejenigen  der  Anneliden  als  au  die  der  übrigen 
Arthropoden. 

Ob  auf  die  Uebereinstimmungen,  welche  sich  in  der  Furchung,  Keimblätter- 
bildung und  der  ersten  Anlage  der  Organe  mit  den  bei  den  Crustaceen  be- 
schriebenen Vorgängen  geltend  machen,  grösseres  Gewicht  zu  legen  ist,  oder 
ob  sie  durch  eine  gewisse  Gleichartigkeit  dieser  Vorgänge  bei  den  Arthro- 
poden überhaupt  zu  erklären  sind ,  scheint  zweifelhaft.  Es  wurde  darauf 
bereits  in  den  einzelnen  Fällen  hingewiesen.  Ebenso  zweifelhaft  muss  es 
bleiben,  ob  den  jüngsten  Stadien  des  Keimstreifens  der  Scorpione,  welche 
man  mit  gewissen  Entwicklungsstadien  der  Trilobiten  verglichen  hat 
(pag.  541),  in  dieser  Beziehung  ein  bestimmter  Werth  zugeschrieben  werden 
darf.  Dass  zwischen  den  Arachniden  und  Limulus  sehr  enge  Beziehungen 
herrschen,  ergiebt  sich  aus  all1  dem  Vorstehenden  beinahe  unzweifelhaft,  und 
somit  könnten  auch  Anklänge  an  jene  Formen  noch  vorhanden  sein.  Auf- 
fällig ist  dabei,  dass  die  Scorpione  schon  so  alt  und  von  ihrer  jetzigen  Ge- 
staltung nicht  sehr  verschieden  bereits  im  Silur  vorhanden  sind  (Palaeo- 
phonus  nuntius,  No.  15). 

Um  es  zum  Schluss  nochmals  hervorzuheben,  wir  vermögen  in  der 
scheinbaren  Uebereinstimmung  der  Arachniden  mit  den  übrigen  Tracheaten 
nichts  Anderes  zu  sehen,  als  eine  durch  die  Arthropodennatur  bedingte 
und  durch  die  ähnliche  Lebensweise  hervorgerufene  gleichartige  Aus- 
bildung. Eine  nähere  Verwandtschaft  zwischen  diesen  Abtheilungen  des 
Arthropodenstammes  vermögen  wir  nicht  anzunehmen.  Wir  glauben  viel- 
mehr, dass  die  Arachniden  zusammen  mit  den  Paläostraken  aus  den 
niederen  Ahnenformen  hervorgingen  und  sich  sodann  von  ihnen  ab- 
zweigten, während  die  übrigen  Tracheaten  einem  anderen  Stamme  ange- 
hören, der  allerdings  mit  jenem  an  der  Wurzel  zusammenhängt. 

Die  Arachniden  unter  sich  stellen  nach  unserer  Auffassung  eine  sehr 
einheitliche  Gruppe  dar.  Die  ursprünglichsten  Formen  sind  die  mit 
deutlicher  Segmentirung  des  Körpers,  also  die  Scorpione  und  Pedi- 
palpen.  Bei  den  Phalangiden  und  Pseudoscorpionen  macht 
sich  bereits  eine  Reduction  geltend,  welche  bei  den  Ar  an  einen  noch 
weiter  geht  und  ihren  Höhepunkt  bei  den  Acarinen  erreicht,  welche 
entsprechend  dieser  weitgehenden  Anpassung  auch  wesentliche  Ver- 
änderungen ihrer  Entwicklung  zeigen.  Solche  Modifikationen  der  Ent- 
wicklung treten  wahrscheinlich  infolge  ähnlicher  Ursachen  auch  bei  den 
Pseudoscorpionen  ein. 


Arachnoiden.  (341 

Litteratur. 
Arachnoiden   im  Allgemeinen. 

1.  Croneberg,   A.      Ueber  die  Mundtheile  der  Arachniden.    Arch.  f.  Naturgesch.     46.  J. 

1880. 

2.  Eisig,   H.      Die  Capitelliden  des  Golfs  von  Neapel.    Monographie  der  Fauna  und  Flora 

von  Neapel.  Berlin  1887.  (Ausführungen  üb.  die  Coxal-  u.  Spinndrüsen  d.  Arachnoiden) 

3.  Fernald,   H.   T.     The  Eelationships  of  Arthropods.     Studies  from  the  Biol.  Laboratory 

of  the  Johns  Hopkins    University.     Baltimore.      Vol.  IV.     1890. 
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4b.  Haase,  E.     Beiträge  zur  Kenntniss   der  fossilen  Arachniden.     Zeitschr.    der  Deutsch. 

Geologisch.  Gcsellsch.     Jahrg.  1890. 

5.  Jaworowski,    A.      Ueber   die  Extremitäten  bei  den  Embryonen  der  Arachnoiden  und 

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6.  Lankester,  E.  Ray.     Limulus  an  Arachnid.    Quart.  Journ.  Microscop.  Sc.     Vol.  21. 

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7.  Lankester,  E.  Ray.     ün  the  sceleto-trophic  tissues  and  the  coxal-glands  of  Limuhts, 

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10.  Mae  Leod,  J.     liecherches  sur  la  strueture  et  la  signijication  de  tappareil  respiratoire 

des  Araehnides.     Archives  de  Biologie.     T.  5.     1S84. 

11.  Oudemans,  A.   C.     Die  gegenseitige   Verioandtschaft,    Abstammung  und  Classification 

der  sog.  Arthropoden.    Tijdschrift  der  Nederlandsche  Dierkundige  Vereenigung.    2-  Ser. 

Deel  I.     1885—87. 
12a.  Saint-Remy,    G.     Contribution   a    l'etude  du  cerveau  chez  les  Arthropodes  trache'ates. 

Arch.  Zool.  cxp.  et  gen.     2e  ser.     T.  5.     Suppl.     1887 — 90. 
12b.  Schimkewitseh,  W.     Les  Arachnoides  et  leurs  affinites.     Arch.  Slaves  Biologie  T.  I, 

Paris  1886. 

13.  Scudder,  S.  H.     Bearbeitung   der  Arachniden   in  ZitteV s  Handbuch  der  Palaeonto- 

logie.     München  u.  Leipzig.     1885. 

14.  Sturany,    R.     Die  Coxaldrüsen    der  Arachnoiden.     Arb.  Zoolog.  Institut   Univ.    Wien. 

T.  IX.     2.  Heft.     1891. 

15.  Thorell,  T.  u.  Lindström,  G.     On  a  Silurian  Scorpion  from  Gotland.    E.  Svenska 

Vetenskaps  Akad.  Handlingar.      21.  Bd.     1885.     Ann.  Mag.  Not.  History.     Ser.  5. 
Vol.   XV.     1885. 

16.  Weissenborn,  B.     Beiträge  zur  Phylogcnie  der  Arachniden.    Jen.  Zeitschr.    20.  Bd. 

1885. 

I.    Scorpione. 

17.  Blochmann,    F.      Ueber    directe   Kerntheilung   in    der  Embryonalhülle   der  Scorpione. 

Morphol.  Jahrb.     10.  Bd.     1885. 

18.  Ganin,   M.  S.      Entwicklungsgeschichte  des  Scorpions.     Beilage  zu  den  Protokollen  der 

Universität  Charkow.     1867.     (Diese   russische  geschriebene  Arbeit   ohne  Abbildungen 
war  uns  nicht  zugänglich.) 

19.  Kowalevsky,    A.    u.    Sehulgin,    M.      Zur    Enttvicklungsgeschiehte    des   Scorpions 

( Androctonus  ornatusj.     Biol.  Ccntralbl.     6.  Bd.     1886 — 87. 

20.  Lankester,  E.  Ray  and  Bourne,  A.  G.    The  minute  strueture  of  the  lateral  and 

central  eyes  of  Scorpio  and  Limulus.     Quart.  Journ.  Micr.  Sc.      Vol.  23.     1883. 

21.  Lankester,    E.  Ray.     On   the    coxal  glands  of  Scorpio  etc.  and  the  brick-red  glands 

of  Limulus.     Proc.  Boy.  Soc.    London.      Vol.  34.     1882 — 83.    pag.  95. 

22.  Lankester,    E.  Ray.     New   Hypothesis   as   to   the  relationship   of  the   lung-book   of 

Scorpio  to  the  gill-book  of  Limulus.     Quart.  Journ.  Micr.   Sc.     Vol.  25.     1885. 

23.  Laurie ,   M.     The  Embryology   of  a    Scorpion    (Euscorpius  italicus).     Quart.  Journal 

Micr.  Sc.      Vol.  31.     London  1890. 

24.  Metschnikoff ,    E.     Embryologie  des  Scorpions.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie.     21.  Bd. 

1871. 

25.  Müller,  Jon.    Beiträge  zur  Anatomie  des  Scorpions.     Meckels  Arch.  f.  Anat.  u.  Phys. 

1828. 


642  XVII.  Capitel. 

26.  Parker,   G.  H.     The  eyes  in  Scorpions.     Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  at  Harvard  College. 

Vol.  13.     Cambridge  1887. 

27.  Patten,   W.     On  Ihe  Origin  of  Vertebrates  from  Arachnids.    Quart.  Journ.  Microscop. 

Sc.      Vol.  31.     London  1890. 

28.  Rathke,  H.     Zur  Morphologie.    Reisebemerkungen  aus  Taurien.    Riga  u.  Leipzig  1837. 

IL    Pedipalpen. 

29.  Bruce,  A.  T.      Observations  on   the  Nervous  System  of  Insects  and  Spiders  and  some 

Preliminary  observations  on  Phrynus.  Johns  Hopkins  Vniversity  Circulars.  Balti- 
more.     Vol.    VI.     1886—87.     No.  54.    pag.  47. 

30.  Grassi,  B.     Intorno  ad  un  nuovo  Aracnide  Artrogastro  etc.    I  Progenitori  dei  Miria- 

podi  e  degli  Insetti.  Memoria  V.  Bull.  Societa  Entomol.  Ital.  Anno  XVIII. 
Firenze  1886. 

31.  Tarnani,  J.     Die  Genitalorgane  der  Tclyphonus.    Biol.  Centralbl.    9.  Bd.   1889 — 90. 

III.    Pseudoscorpione. 

32.  Barrois,    J.     Sur   le  developpement  des  Chelifers.     Compl.  rend.  hebd.  Acad.  frangais. 

T.  99.     1884.    pag.   1082. 

33.  Croneberg,    A.     Beitrag   zur  Kenntniss   des  Baues    der  Pseudoscorpione.     Bull.  Soc. 

imp.  Nat.  de  Moscou.     T.  2.     1888. 

34.  Metschnikoff,    E.     Entwicklungsgeschichte  des  Chelifer.     Zeit  sehr.   f.    wiss.  Zoologie. 

Bd.  21.     1871. 

35.  Stecker,  A.     The  developmcnt  of  the  ova  of  Chthonius  in  the  body  of  the  mother,  and 

the  formation  of  the  blastoderm.  Ann.  Mag.  Nat.  Hist.  4.  ser.  Vol.  18.  1876. 
pag.  197.     (Ucbersetzung  aus  den  Sitz.  Ber.  böhm.  Gesellsch.    Wiss.     Prag  1876.) 

IV.    Phalangiden. 

36.  Balbiani,  M.     Memoire  sur  le  developpement  des  Phalangides.    Ann.  Sc.  nat.     5e  ser. 

Zool.     T.  16.     1872. 

37.  Paussek,  V.      TJeber  die  embryonale  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane  bei  der  After- 

spinne (Phalangium).     Biol.  Centralband.     8.  Bd.     1888 — 89. 

38.  Paussek,  V.     Zur  Embryologie  von  Phalangium.     Zool.  Anz.     14.  Jahrg.    1891. 

39.  Paussek,  V.      TJeber    einige  Entwicklungsstadien   der  Phalangiden.     Arb.  d.  Russisch. 

Naturf.  Gesellsch.  St.  Petersburg.  Sect.  Zool.  T.  20.  pag.  46 — 53.  (Diese  wahr- 
scheinlich russisch  geschriebene  Arbeit  konnten  wir  nicht  erhalten.) 

40a.  Henking,  A.  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  Phalangiden.  Zcitschr. 
f.  wiss.  Zool.     45.  Bd.     1887. 

40b.  Leydig,  P.  Ucber  das  Nervensystem  der  Afterspinnen  (Phalangium).  Arch. 
f.  Anat.  u.  Phys.     1862. 

41.  Mac  Leod,    J.     Sur   Vexistence    d'une  glande    coxale   chez   les  Phalangides.     Bull. 

Acad.  Roy.  Sc.     Belgique.     3?  ser.     T.  8.     1884. 

V.     Solpugiden. 

42.  Birula,  A.     Einiges  über   den  Mitteldarm   der  Galeodiden.     Biol.  Centralbl.     11.  Bd. 

1891—92. 

43.  Croneberg,  A.     Veber  ein  Entwicklungsstadium  von  Galeodes.    Zool.  Anz.   10.  Jahrg. 

18S7. 

44.  Mac  Leod,    J.     Sur   la  presence   d'une  glande  coxale  chez  les  Galeodes.     Bull,  de 

VAcademie  Roy.  des  Sc.     Belgique.     3e  ser.     T.  8.     1884. 

45.  Lankester,    E.  Ray.      Limulus   an  Arachnid.     Quart.   Journ.   Micr.   Sc.     Vol.  21. 

1881.    pag.  644. 

VI.    Araneinen. 

46.  Balbiani,   M.     Memoire  sur  le  developpement  des  Araneides.     Ann.    Sc.   Nat.   Zool. 

5.  Ser.     Vol.  18.     1873. 

47.  Balfour,  P.  M.     Notes  on  the  developmcnt  of  the  Araneina.     Quart.  Journ.  micr.  sc. 

Vol.  20.     1880. 


Arachnoiden.  (343 

48.  Barrois,    J.     Recherehes    sur   le  developpement  des  Araignees.     Journ.   Anat.  Physiol. 

norm,  et  path.  de  V komme  etc.     Paris  1877. 

49.  Bertkau,  Ph.    lieber  die  Respirationsorgane  der  Araneen.  Arch.f.Naturg.  38.  Jahrgang. 

1872. 

50.  Bertkau.  Ph.     lieber  den  Bau  der  Augen  etc.  bei  den  Spinnen.     Verlmndl.  Naturhist. 

Ver.     Rheinlande  und  Westfalen.     42.  Jahrgang.     1885.    pag.  218. 

51.  Bertkau,    Ph.      Heber   den   Verdauungsapparat   der   Spinnen.     Arch.  f.  mikr.  Anat. 

24.  Bd.     18S5. 

52.  Bertkau,  Ph.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  Sinnesorgane  der  Spinnen.    I.  Die  Augen. 

Arch.  f.  mikr.  Anat.     27.  Bd.     1880. 

53.  Bruce,    A,   T.      Observations   on   the    Embryology   of  Spiders.      American   Naturalist. 

Vol.  20.     1886. 

54.  Bruce,   A.  T.      Observations  on  the  Embryologg  of  Insects  and  Arachnids.     Baltimore 

1887. 

55.  Carriere ,   J.  von.     Kritische  Besprechung  der  neueren  Arbeiten  über  Bau  und  Ent- 

wicklung des  Auges  der  zehnfüssigen  Crustaceen  und  Arachnoiden.  Biol.  Centralblatt. 
9.  Bd.     1889—90. 

56.  Claparede ,    E.     Recherches   sur   Vevolution    des  Araignees.     Naturkundige     Verhandl. 

Provinciaal  Utrechtsch   Genoolshap  Kunst.    Wiss.     Beel  I.     Stuk  1.      Utrecht  18G2. 

57.  Claus,   C.      Ueber   den  feineren   Bau  des  Medianauges  der  Crustaceen.     Anz.  d.  Akad. 

Wiss.  zu   Wien  No.  XII.     Mai  1891. 

58.  Emerton,  H.     Observations  on  the  development  of  Pholcus.    Proc.   Boston.    Soc.  Nat. 

Bist.     Vol.  14.     1870—71. 

59.  Herold,    M.      Untersuchungen   über   die    Bildungsgeschichte   der  wirbellosen   Thiere   im 

Eie.     I.   Theil.      Von  der  Erzeugung  der  Spinnen.     Marburg  1824. 

60.  Kennel,  J.  von.     Die  Ableitung  der  sog.  einfachen  Augen  der  Arthropoden,  nämlich 

der  Stemmata  der  Insectenlarven ,  Spinnen,  Scorpioniden  etc.  von  den  Augen  der 
Anneliden.     Sitz.  Ber.  Naturf.   Gesellsch.     Dorpat.     8.  Bd.     3.  Heft.     1888. 

61.  Kingsley,  J.  S.     The  Embryology  of  Spiders.    Kritisches  Referat  über  die  Arbeit  von 

Schimkewitsch  (No.  72).     American  Naturalist.      Vol.  21.     1887. 

62.  Kishinouye,  K.      On  the  development  of  Araneina.     Journ.  of  the  College  of  Science. 

Imp.  University.  Japan,  Tokio.  Vol.  IV.  Part.  I.  1891.  (Diese  Arbeit  wurde 
uns  erst  nach  Fertigstellung  des  Textes  und  der  Figuren  während  des  Druckes  zugäng- 
lich, doch  konnten  die  Hauptresultate  noch  berücksichtigt  werden.) 

63.  Lendl ,   A.      Ueber    die  morphologische  Bedeutung   der   Gliedinaassen  bei   den  Spinnen. 

Mathem.  naturw.  Berichte  aus    Ungarn.     Budapest  u.  Berlin.     4.  Bd.     1886. 

64.  Locy,  W.  A.     Observations  on  the  development  of  Agelena  naevia.    Bull.  Mus.  Comp. 

Zool.  at  Harvard  College.      Vol.  12.     1886. 

65.  Loman,    J.  C.      Ueber  die  morpholog.  Bedeutung  der  sog.  Malpighi  sehen  Gefässe  der 

echten  Spinnen.  T/jdschrift  der  Nederlandsche  Dierkundige  Vereenigung.  2.  Ser. 
Deel  1.    1885—87. 

66.  Ludwig,   H.      Ueber  die  Bildung  des  Blastoderms  bei  den  Spinnen.     Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.    26.  Bd.     1876. 

67.  Mark,    E.  L.     Simple  eyes  in  Arthropods.     Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  at  Harvard  Coli. 

Vol.  13.     1887. 

68.  Morin,  J.     Zur  Entwicklung sgesch.  der  Spinnen.    Biol.  Centralbl.    6.  Bd.    1886 — 87. 

69.  Morin,  J.     Studien   über   die  Entwicklung  der  Spinnen.     Abhandl.  (Sapiski)  der  Neu- 

russ.  Gesellsch.  Naturf.     Odessa.     Bd.  13.     18S8.     (Russisch.) 

70.  Sabatier,  A.     Formation   du  blastoderme  chez  les  Arane'ides.     Comptes  rendus.    T.  92. 

1881   fauch  in  Ann.  Mag.  Nat.  Hist.     5e  ser.      Vol.   7,  1881). 

71.  Salensky,  W.    Entwicklungsgeschichte  der  Araneen.     Abhandl.  (Sapiski)  d.  Gesellsch. 

Naturf.  Kiew.  Bd.  2.  Heftl.  1871.  (Russisch.  Ref.inHofmann-Schwalbe's 
Jahresber.  Anat.  Phys.     2.  Bd.     1875.     pag.  323.) 

72.  Schimkewitsch,  W.     Etüde  sur  le  developpement  des  Araignees.    Archives  Biologie. 

T.  6.     1887. 

73.  Watase,   S.     On  the  Morphology  of  Compound  Eyes  of  Arthropods.    Studies  from  the 

Biological  Laborat.    of  the  Johns  Hopkins   University.     Baltimore.     Vol.  IV.     1890. 


(344  XVIL  Capitel. 

VII.    Acarinen. 

Die  Litteratur  der  Milbenentwicklung  ist  eine  so  umfangreiche,  dass  wir  hier  nur 

eine  beschränkte  Auswahl  treffen  können.    Ausführlichere  Litteraturangaben  finden  sich  in  den 

Arbeiten  von  Fürstenberg  (No.  80),  Henkin«  (Xo.  85)  und  Lohmann  (No.  92). 

74.    Beneden,  P.  J.  van.    Recherches  sur  thistoire  naturelle  et  lc  deceloppement  de  l'Atax 

ypsilophora.     Mim.  Acad.  Boy.     Belgique.     T.  24.     1850. 
Ib.    Berlese,  M.  A.     Polymorphisme  et  Parthenogenese  de  quelques  Acariens  (Gamasides). 

Archives  Ltaliennes  de  Biologie.     T.  2.      Turin  1882. 

76.  Canestrini,  G.     Osscrvazioni  intorno   al  genere  Gamasus.     Atti  del  Beul.     Instituto 

Veneto  d.  Sc,  Lett.  etc.     5  ser.     vol.  7.     1880 — 81. 

77.  Claparede,  E.     Studien  an  Acariden.     Zeit  sehr.  f.  ivüs.  Zool.    18.  Bd.     186S. 

78.  Czokor,    J.      Ueber  Haarsackmilben  und  eine  neue   Varietät  derselben  bei  Schweinen. 

Verh.  k.  k.  zool.  bot.  Gesellsch.      Wien.     29.  Bd.     1880. 

79.  Frauenfeld,    G.  von.     Zool.  Miscellen.     Bhyncholophus  oedipodarum.      Verh.  k.  k. 

zool.  bot.  Gesellsch.      Wien.     18.   Bd.     1868. 

80.  Fürstenberg,  M.  H.  F.    Die  Krätzmilben  des  Menschen  u.  d.  Thierc.    Leipzig  1861. 

81.  Gudden,  R.     Beiträge  zu  den  durch  Parasiten  bedingten  Hautkrankheiten.    Arch.  f. 

physiol.  Heilkunde.     Stuttgart  1855. 

82.  Haller,    G.     Zur   Kenntniss   der  Tyroglyphen    und   Verwandten.     Zcitschr.  f.    wiss- 

Zool.     34.  Bd.     1880. 
*o.    Haller,  G.     Die  Mundtheile  und  systematische  Stellung  der  Milben.     Zoolog.  Anzeig. 
4.  Jahrg.     1881. 

84.  Haller,    G.       Ueber    den   Bau    der    vögelbewohnenden   Sareoptiden   ( Her  malt  ichiden ) . 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     36.  Bd.     1882. 

85.  Henking,    H.      Beiträge    zur   Anatomie,    Entwicklungsgeschichte    und   Biologie   von 

Trombidium  fuliginosum.     Zeitschr.  f.   wiss.  Zool.     37.  Bd.     1882. 

86.  Koenike,  F.     Zur  Entwicklung  der  Hydrachwden.     Zool.  Anz.     12.  Jahrg.     1889. 

87.  Kramer,  P.  Zur  Naturgesclächte  der  Milben.    Arch.  f.  Xaturgesch.    42.  J.     1S76. 

88.  Kramer,  P.  Ueber  Hendroptus.     Arch.  f.  Naturg.     42.  Jahrg.     1876. 

89.  Kramer,  P.  Ueber  die  Segmentirung  b.  d.  Milben.    Arch.  f.  Naturg.    48.  J.    1882. 

90.  Kramer,  P.  Ueber  Gamasiden.     Arch.  f.  Xaturgesch.     48.  Jahrg.     18S2. 

91.  Laboulbene,  A.  et  Megnin,  P.     Memoire  sur  la  Sphacrogyna  ventricosa.    Journ. 

de  t  Anat.  et  Pltys.     21-  Annee.     Paris  1885. 

92.  Lohmann,    H.     Hie   Unterfamilie    der  Halacaridae  Murr.    u.    die  Meeresmilben  der 

Ostsee.     Zool.  Jahrb.     Abth.  f.  Syst.    4.  Bd.     1889. 

93.  Mac   Leod,  J.     Communication  preliminaire  relative  a  Vanatomie  des  Acariens.    Bull. 

Acad.  Roy.  Sc.     Belgique.     3  ser.     T.  7.     1884. 

94.  Megnin,    P.      Memoire   sur  un    nouvel   Acarien    de    la  famille   des   Sarcoptides,   le 

Tyroglyphus  rostro-serratus  et  sur  son  Hypopus.     Journ.  Anat.  et  Phys.     1873. 

95.  Megnin,  P.     Memoire  sur  le  Hypopus.     Journ.  Anat.  Phys.     1874. 

96.  Megnin,    P.     Sur  les  Metamorphoses   des  Acariens   de   la  famille  des  Sarcoptides  et 

de  Celles  de  Gamasides.     Comptes  rendus  Acad.  Sc.     T.  78.     1874. 

97.  Michael,  A.  D.     British  Oribatidae.     Vol.  1   u.  2.    London.    Boy.  Society  for  1883. 

98.  Michael,    A.    D.     The  Hypopus  Question   or   the  Life  History   of   certain  Acarina. 

Journ.  Linn.  Soc.  Zool.     Vol.  17.     1884. 

99.  Michael ,    A.  D.     Besearchcs   into    the   life   histories   of  Glyciphagus  domesticus  and 

G.  spinipes.     Journ.  Linn.  Soc.  Zool.      Vol.  20.     1890. 

100.  Nalepa,   A.    Anatomie  der  Phytopten.     Sitz.  Ber.  Math.  Nat.  Cl.  k.  k.  Akad.   Wiss. 

Wien.     95.  Bd.     1887. 

101.  Nalepa,    A.     Beiträge   zur   Systematik   der   Phytopten.     Sitz.   Ber.  Math.  Cl.  Akad. 

Wiss.      Wien.     9S.  Bd.     1889. 

102.  Neuman,     C.    J.      Sur    le   developpement    des    Hydrachnides.      Entom.    Tijdsskrift. 

Stockholm.     T.  1.     1880. 

103.  Nitzsch ,    C.    J.       Ueber    die   Fortpflanzung    des   Pteroptus   vespertilionis.     Arch.  f. 

Xaturgesch.     3.  Jahrg.     1837. 

104.  Robin  et  Megnin.     Memoire   sur   les  Sarcoptides  plumicoles.     Journ.  Anat.  Phys. 

Paris  1877. 

105.  "Winkler,  W.     Has  Herz   der  Acarinen    nebst   vergleichenden  Bemerkungen  über  das 

Herz  der  Phalangiden  und  Chemetiden.     Arb.  Zool.  Lnst.      Wien.     T.  7.     1888. 

106.  "Winkler,  W.     Anatomie  der  Gamasiden.     Arb.  Zool.  Lnst.     Wien.     T.  7.     1S88. 


XVIII.  Capitel. 

PENTASTOMIDEN. 


Unsere  Kenntniss  von  der  Entwicklung  des  Fentastomum  beruht  im 
Wesentlichen  noch  auf  den  eingehenden  Untersuchungen  Leuckart's, 
welche  durch  verschiedene  kleinere  Mittheilungen  ergänzt  und  neuer- 
dings durch  die  ausführliche  Arbeit  von  Stiles  bestätigt  und  in  einigen 
Tunkten  erweitert  wurden. 

1.   Die  Einbryonalentwiekliing. 

Die  Eier  des  Fentastomum  sind  von  zwei  Hüllen  umgeben 
(Fig.  400  A  und  B,  h).  Sie  machen  ihre  Entwicklung  im  Uterus  des 
Mutterthieres  durch,  während  sie  sich  allmählich  dem  Ausgang  des 
Leitungsapparates  nähern.  Die  Furchung  ist  eine  totale  (Leuckart, 
Macalister).  Das  Ei  zerfällt  in  eine  Anzahl  Zellen  von  ungefähr  gleicher 
Grösse,  deren  weiteres  Schicksal  sich  nicht  feststellen  Hess.  Macalister 
spricht  von  der  Bildung  eines  Blastoderms  und  Frimitivstreifens,  doch 
lauten  diese  Angaben  höchst  unbestimmt.  Nach  Leuckart  wird  ein 
Keimstreifen  nicht  gebildet.  Schon  früh  scheidet  der  Embryo  eine  Cuti- 
cula  an  der  Oberfläche  ab,  und  diese  erfährt  an  einer  Stelle,  welche  der 
Rückenfläche  des  Embryos  entspricht,  eine  kreisförmige  Verdickung.  Wenn 
sich  die  Cuticula  vom  Embryo  ablöst  und  eine  dritte  Hülle  um  diesen 
bildet  (Fig.  400  A  und  B,  eh),  bleibt  sie  an  jener  Stelle  mit  der  Ober- 
fläche des  Embryos  in  Verbindung  (Rückenzapfen,  rz).  Auch  die  Chitin- 
haut, welche  nunmehr  wieder  als  Bedeckung  des  Embryos  abgeschieden 
worden  ist,  zeigt  an  der  gleichen  Stelle  eine  Verdickung,  welche  sich 
grubenartig  einsenkt.  Die  hier  zunächst  noch  bestehende  Verbindung 
beider  Chitinverdickungen  (der  Rückenzapfen)  wird  eingeschnürt  und  löst 
sich,  doch  bleibt  ihre  Spur  am  Embryo  in  Form  eines  grubenartigen  Ge- 
bildes zurück,  welches  am  Embryo  von  F.  taenioides  eine  kreuz- 
förmige Zeichnung  besitzt  (Fig.  400  B  und  C,  rk).  Auch  an  der  abge- 
lösten Haut  ist  der  Rest  als  kreisförmige  Verdickung  (die  sog.  Facette) 
noch  erhalten  (Fig.  400  B,  f).  Das  Gebilde  erinnert  an  die  sog.  Mikropyle 
oder  das  Rückenorgan  der  Crustaceen  (pag.  350),  mit  dem  es  auch 
bereits  von  Leuckart  verglichen  wurde. 

Eine  gewisse  äussere  Aelmlichkeit  zeigen  die  sog.  Urtracheen  der  Milben 
in  der  Bildung  mit  dem  Rückenzapfen   des  Pentastomum ;  freilich  sind  diese 

Korschelt-Heider,   Lebruuch.  42 


646  XVIII.  Capitel. 

Gebilde  paarig  und  liegen  ventral,   so  dass  eine  wirkliche  Uebereinstimmung 
nicht  vorhanden  ist  (pag.  628). 

Die  frühe  Abstossung  einer  cuticularen  Hülle  innerhalb  des  Eies,  welche 
jedenfalls  als  Häutung  anzusehen  ist,  erinnert  an  die  Bildung  der  Deutovum- 
Merabran  bei  den  Milben  (pag.  622);  freilich  finden  ganz  ähnliche  Vor- 
gänge auch  bei  den  Crustaceen  statt  (vgl.  pag.  322). 

Ehe  sich  noch  der  Rückenzapfen  durchschnürt,  d.  h.  die  Cuticular- 
haut  völlig  von  dem  Embryo  gelöst  wird,  sind  an  dessen  Ventralseite 
zwei  Paar  stummeiförmiger  Anhänge  zur  Ausbildung  gekommen,  die 
Extremitäten,  an  denen  auch  bald  der  Krallenapparat  auftritt.  Schon 
vorher  hatte  sich  ein  schmaler  hinterer  Theil,  der  sog.  Schwanz,  von  dem 
gedrungenen  Rumpf  abgesetzt  (Fig.  400  A  und  B,  s).  Der  Schwanz  ist 
beim   Embryo   nach   vorn   umgeschlagen  und   liegt   der  Bauchfläche  an. 


R. 


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P.  P, 


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Fig.  400.  A — C  Embryonen  in  den  Eihüllen  und  freigewordener  Embryo  (Larve) 
von  Pentastomum  taenioides  (nach  Leuckärt). 

äst  Drüsenstigma,  eh  Embryonalhaut,  /  „Facette",  h  Eihüllen,  m  Mundspange, 
jox  undjOo  Fassstummel,  rk  Rückenkreuz  (Rückenorgan),  rz  Rückenzapfen,  s  Schwanzanhang. 

Der  Bohrapparat  des  Embryos  ist  nicht  eingezeichnet. 

Dieser  Schwanzanhang  ist  für  die  Embryonen  einiger  Arten  von  Penta- 
stomum charakteristisch.  Bei  P.  taenioides  ist  er  ziemlich  ansehnlich 
(Fig.  400  BundC1'),  während  er  bei  P.  pro  bo  sei  de  um  nur  einen  kleinen 
zweispitzigen  Anhang  darstellt  (Fig.  401  5).  Die  Embryonen  von  P.  oxy- 
cephalum  entbehren  des  Schwanzanhanges  überhaupt  und  sind  hinten 
abgerundet.  In  dieser  Gestalt  verlässt  der  Embryo  später  das  Ei  (van 
Beneden,  Schubärt);  er  ist  also  weit  von  der  Gestaltung  des  Mutter- 
thieres  entfernt  und  hat  sehr  eingreifende  Umwandlungen  durchzumachen, 
ehe  er  diese  erreicht  (Leuckärt). 

2.   Der  weitere  Entwicklungsgang. 

•  Die  Uebertragung  der  Eier  in  den  Zwischenwirtli  und  die  vier- 
füssige  Larve.  Die  von  Leuckärt  höchst  eingehend  auf  ihre  Entwick- 
lung untersuchte   Form,  P.  taenioides,   lebt  im  geschleehtsreifen  Zu- 


Pentastomiclen. 


647 


ma 


stände  in  der  Nasenhöhle  des  Hundes.  Die  Eier  werden  in  den  Nasen- 
schleim abgelegt  und  gelangen  mit  diesem  nach  Aussen.  Damit  der  Em- 
bryo frei  werden  kann,  müssen  die  Eier  von  einem  Zwischenwirth  auf- 
genommen werden,  z.  B.  von  einem  Kaninchen.  In  dessen  Magen 
werden  die  Eihüllen  gelöst  und  der  Embryo  wird  als  Larve  frei.  Auch 
bei  dem  neuerdings  von  Stiles  untersuchten  P.  proboscideum  ist 
der  erste  Theil  des  Entwicklungsganges  ein  ähnlicher.  Die  Eier  dieser 
Form,  welche  in  den  Lungen  von  Schlangen  lebt  (Boa  constrictor), 
gelangen  erst  in  den  Darmkanal,  wo  sie  sich  massenhaft  im  Koth  vor- 
finden und  werden  mit  diesem  nach  Aussen  gebracht,  Auch  sie  müssen 
von  einem  Zwischenwirth  aufgenommen  werden,  um  ihre  weitere  Ent- 
wicklung durchmachen  zu  können.  Stiles  verfütterte  sie  mit  Erfolg  an 
Mäuse. 

Die  nach  vorn  stumpfe,  ^  Ä. 

hinten  zugespitzte,  resp.  mit 
einem  Schwanzanhang  ver- 
sehene Larve  besitzt  zwei 
Paar  Fussstummel ,  welche 
mit  Chitinkrallen  und  einem 
dazu  gehörigen  Stützapparat 
ausgerüstet  sind  (Fig.  400  0 
und  Fig.  401).    Die  beiden 

Krallen  sitzen  an  einem 
Chitinring  fest  und  erscheinen 
von  dem  Stützapparat  ganz 
unabhängig.  Dies  hat  Ver- 
anlassung gegeben,  ein  End- 
glied von  einem  Basalglied 
zu  unterscheiden  und  die  Ex- 
tremitäten als  zweigliedrige 
anzusehen.     Stiles,  welcher 

diese  Auffassung  vertritt, 
findet  die  Extremitäten  besser 
gegen  den  Körper  abgesetzt, 
als  dies  nach  Leuckart's 
Darstellung  mit  den  von 
letzterem  Forscher  als  ein- 
gliedrig betrachteten  Fuss- 
stummeln   der  Fall  ist. 

Am    vorderen    Körper- 
ende der  Larve  liegt  ein  aus 

mehreren  Chitinstücken  zusammengesetzter  Bohrapparat  (Fig.  401  ba), 
den  man  mit  den  Mundwerkzeugen  der  Arthropoden,  besonders  der 
Milben,  verglichen  hat,  welcher  aber  in  Folge  seiner  Lage  und  Entstehung 
vor  dem  Munde  eine  solche  Yergleichung  wohl  kaum  gestattet,  sondern 
wahrscheinlich  als  Larvenorgan  anzusehen  ist  (Stiles).  Neben  dem 
Bohrapparat  finden  sich  zwei  kleine  Papillen,  die  als  Tastorgane  gedeutet 
werden  (/p). 

Der  Mund  liegt  bei  P.  nroboscideum  ziemlich  weit  nach  hinten, 
ungefähr  auf  der  Höhe  der  vorderen  Fussstummel  (Fig.  400  m).  Er  ist 
von  einer,  wohl  als  Stütze  dienenden,  hufeisenförmigen  Chitinspange  um- 
geben und  führt  in  einen  engen  Oesophagus,  welcher  in  den  weiteren 
Magendarm  übergeht.     Ein  After  ist   nach  Stiles   nicht  vorhanden,   ob- 

42* 


Fig.  401.  Vierbeinige  Larve  von  Pentasto- 
m n m  proboscideu m  von  der  Ventralseite  ge- 
sehen (nach  Stiles). 

ba  Bohrapparat,  äst  Drüsenstigma,  dz  Drüsen- 
zellen, kr  Krallen,  m  Mund,  ma  Magen,  n  Anlage 
des  Nervensystems,  oes  Oesophagus,  p-i — p2  Fuss- 
stummel, ro  Rückenorgan,  welches  vom  Rücken 
her  durchschimmert,  s  Schwanzanhang,  st  Stütz- 
apparat der  Krallen,  tp  Tastpapille. 


648  XVIII.  Capitel. 

wohl  ein  solcher  auf  den  übrigens  nicht  sehr  genauen  Abbildungen  von 
Jaquart  zu  erkennen  ist.  Eine  den  Oesophagus  unigebende  Anhäufung 
von  Zellen  stellt  die  Anlage  des  Nervensystems  dar  (w).  Ausserdem 
findet  Stiles  im  Innern  der  Larve  eine  grosse  Anzahl  körnchenreicher 
Zellen  in  bestimmter  Vertheilung,  welche  wohl  zum  Theil  Drüsenzellen 
sind.  Als  äussere  Oeffnungen  von  Drüsen  (sog.  Drüsenstigmen)  werden 
zwei  an  der  Basis  der  vorderen  Extremitäten  gelegene  kreisförmige  Ge- 
bilde angesehen  (Fig.  400  und  401  dsf). 

Die  encystirten  Larven.  Die  im  Darm  des  Zwischenwirtb.es  frei 
gewordenen  Larven  durchsetzen  mit  Hilfe  der  Bewaffnung  des  vorderen 
Körperpoles  und  der  Fussstummel  die  Darmwand  und  begeben  sich  in 
andere  Organe,  z.  B.  die  Leber,  wo  sie  sich  festsetzen  und  durch  eine 
von  dem  betreffenden  Organ  des  Wirthes  gelieferte  bindegewebige  Kapsel 
umschlossen  werden.  Hier  macht  die  Larve  eine  Anzahl  von  Häutungen 
durch,  bei  deren  erster  bereits  die  Fussstummel  sowie  der 'Bohrapparat 
abgeworfen  werden.  Auch  der  Schwanzanhang  ist  nicht  mehr  zu  er- 
kennen, und  die   Larve  hat  eine  gedrungene,  walzenförmige   Gestalt  an- 


Fig1.  402.  Encystirte  Larve  von  Pentastomum  taenioides  aus  den  Ein- 
geweiden eines  Kaninchens.     9  Wochen  nach  Verfütterung  der  Eier  (nach  Leuckart). 

a  After,  ag  Ausführungsgang  der  Genitaldrüse,  dst  Drüsenstigmen,  ed  Enddarm, 
gd  Geschlechtsdrüse,  m  Mund,  ma  Magen,  n  Anlage  des  Nervensystems,  oe  Geschlechts- 
öffnung, oes  Oesophagus. 

genommen.  Leuckart  fand  in  den  Cysten  von  P.  taenioides  sieben 
Wochen  nach  der  Infection  ausser  der  wurm-  oder  besser  madenförmigen 
Larve  zwei  abgeworfene  Häute,  welche  Reste  der  Chitingebilde  des  Em- 
bryos, nämlich  das  Rückenkreuz  und  die  hufeisenförmige  Spange  des 
Mundes,  wahrscheinlich  auch  die  Ueberreste  der  Fussstummel  erkennen 
Hessen.  —  Es  folgen  dann  noch  mehrere  Häutungen,  und  diese  Entwick- 
lung nimmt  eine  lange  Zeit  in  Anspruch,  denn  nach  Leuckart  vergehen 
fünf  bis  sechs  Monate,  ehe  die  Larve  von  P.  taenioides  im  Zwischen- 
wirth  ihre  völlige  Ausbildung  erreicht  hat.  Bei  P.  proboseideum 
scheint  die  Entwicklung  etwas  rascher  zu  verlaufen,  nimmt  aber  doch 
auch  mehrere  Monate  in  Anspruch  (Stiles). 

Während  des  Verharrens  in  der  Cyste  und  des  Verlaufs  der  ver- 
schiedenen Häutungen  ist  das  wichtigste  die  Ausbildung  der  inneren 
Organe;  doch  macht  auch  die  äussere  Gestalt  einige  weiter  unten  noch 
zu  besprechende  Veränderungen  durch.     Die  inneren  Organe,    soweit  sie 


Pentastomiden. 


649 


bei  der  freien  Larve  überhaupt  schon  nachgewiesen  werden  konnten, 
scheinen  direct  in  diejenigen  der  encystirten  Larve  und  des  geschiechts- 
reifen  Thieres  überzugehen.  Der  Darmkanal,  welcher  bei  der  freien 
Larve  nur  einen  geringen  Umfang  besass,  erweitert  sich  und  differenzirt 
sich  in  seine  einzelnenAbschnitte,  Pharynx,  Oesophagus  und  Magendarm. 
Der  letztere  wird  bald  sehr  umfangreich  (Fig.  402  ma).  Er  endet  nach 
hinten  blind  und  tritt  erst  etwas  später  mit  dem  (wohl  als  Ectoderm- 
einstülpung  entstandenen)  Enddarm  in  Verbindung  (ed). 

Die  bei  der  freien  Larve  am  Oesophagus  vorhandene  Anhäufung  von 
Ganglienzellen  (Fig.  401  n)  bildet  sich  während  des  späteren  Larvenlebens 
zu  der  Unterschlundganglienmasse  und  dem  Schlundring  aus,  welche  das 
Centralnervensystem  des  ausgebildeten  Thieres  darstellen.  Die  Unter- 
schlundganglienmasse ist  zur  Zeit  des  frühen  Larvenlebens  bedeutend 
umfangreicher  als  beim  ausgebildeten  Thier  und  nimmt  einen  ansehn- 
lichen Theil  der  Bauchfläche  ein  (Leuckart,  Fig.  402  und  Fig.  403  n). 


mifl-z 


ma- 


ed- 

Fig.  403.  Encystirte  weibliche  Larve  von  Pentastomum  taenioides  aus 
den  Eingeweiden  eines  Kaninchens.  Ungefähr  vier  Monate  nach  der  Verfütterung  der 
Eier  (nach  Leuckart). 

a  After,  ed  Enddarm,  Ih  Larvenhaut  (abgehobene  Cuticula),  m  Mund,  ma  Magen, 
mu  Muskeln,  die  vom  Pharynx  zur  Körperwand  ziehen  und  zur  Bewegung  des  ersteren 
dienen,  n  Nervensystem,  od  Oviduct,  oe  Geschlechtsöffnung,  oes  Oesophagus,  ov  Ovarium, 
tn  Tastnerv,  der  vom  Schlundganglion  zu  den  Papillen  zieht,  vag  Vagina. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  in  der  Anlage  schon  frühzeitig  zu  er- 
kennen-, doch  lassen  sich  nach  Leuckart  die  beiden  Geschlechter  Anfangs 
nicht  unterscheiden.  Es  ist  dorsal  vom  Magen  ein  unpaarer  langer  Zellen- 
strang vorhanden,  die  Keimdrüse  (Fig.  402  gd).  Diese  gabelt  sich  vorn 
in  zwei  Stränge  (die  Anlage  des  Leitungsapparates,  ag),  welche  den 
vorderen  Theil  des  Magens  umfassen  und  nach  ihrer  Wiedervereinigung- 
ventral  noch  im  Bereich  der  Ganglienmasse  nach  Aussen  münden  (a). 
Beim  Männchen  erfahren  diese  Lagerungsverhältnisse  keine  sehr  beträcht- 
liche Veränderung,  da  die  männliche  Geschlechtsöffnung  beim  ausge- 
bildeten Thier  im  vorderen  Körpertheil  nicht  weit  hinter  dem  Munde  ge- 
legen ist,  die  Verlagerung  nach  vorn  also  keine  bedeutende  ist.  Die 
weibliche  Geschlechtsöffnung  findet  sich  jedoch  im  ausgebildeten  Zustand 
am  hinteren  Körperende,  ganz  in  der  Nähe  des  Afters  (Fig.  404  oe),  und 


650 


XVIII.  Capitel. 


Lel'Ckart  nimmt  an,  dass  sie  durch  stärkeres  Wachsthum  der  zwischen 
ihr  und  dem  Munde  gelegenen  Parthien  bei  gleichzeitigem  Zurückbleiben 
der  hinteren  Region  an  das  Körperende  verlagert  wurde.  Die  Fig.  403 
stellt  ein  Uebergangsstadium  dar.  In  ihr  erscheint  die  Geschlechtsöffnung 
schon  weiter  als  in  Fig.  402  nach  hinten  verlagert.  Es  ist  hier  bereits 
die  Differenzirung  der  Vagina  vom  übrigen  Leitungsapparat  eingetreten. 
In  Fig.  404  sieht  man  die  Geschlechtsöffnung  bereits  neben  dem  After 
gelegen;  hier  sind  somit  im  Ganzen  schon  die  definitiven  Lagerungs- 
verhältnisse erreicht. 

Stiles  findet  schon  früh  eine  Differenzirung  der  Geschlechter,  doch 
scheinen  die  von  ihm  bei  P.  proboscideum  aufgefundenen  Stadien  auf 
einer  weniger  tiefen  Entwicklungsstufe  zu  stehen  als  die  von  Leuckakt  bei 
P.  taenioides  beobachteten. 


mct^- 


ma 


Fig.  404.  Encystirte  weibliche  Larve  von  Pentastoinum  proboscideum 
(das  sog.  P.  sub  cy  lindr  icum)  aus  den  Eingeweiden  einer  Maus.  61  2  Woche  nach 
Verfütterung  der  Eier  (nach  Stiles). 

a  After,  ed  Enddarm,  ht  Hakentaschen,  Ih  Larvenhaut  (abgelöste  Cuticula), 
/«  Mund,  ma  Magen,  n  Anlage  des  Nervensystems,  od  Oviduct,  oe  Geschlechtsöfmung, 
ol  Oberlippe,  ov  Ovarium.  rs  Keceptaculum  seminis,  vag  Vagina. 


Nach  den  Angaben  von  Hoyl-e  scheint  es,  als  könnten  die  Geschlechts- 
drüsen vielleicht  ursprünglich  paarig  gewesen  sein.  Wenn  sich  dies  so  ver- 
hielte, so  würde  mit  der  späteren  Vereinigung  der  Keimdrüsen  zu  einem  un- 
paaren  Organ  ein  ähnlicher  Vorgang  gegeben  sein,  wie  er  bei  den  Milben 
stattfindet  (pag.  627).  Die  Lagerung  der  (weiblichen)  Geschlechtsöffnung 
am  hinteren  Körperende,  welche  dem  gewöhnlichen  Verhalten  der  Arach- 
noiden  widerspricht,  würde  nach  der  von  Leuckart  gegebenen  Erklärung 
als  eine  secundäre  Erscheinung  anzusehen  sein. 

Während  der  Körper  der  encystirten  Larve  nach  den  ersten  Häutungen 
ganz  glatt  erschien,  tritt  später  eine  Ringelung  an  demselben  auf 
(Fig.  404),  welche  bei  P.  proboscideum  von  der  Mitte  des  Körpers 
aus  nach  vorn  und  hinten  fortschreitet  und  jedenfalls  nicht  als  eine  wirk- 
liche Segmentirung  anzusehen  ist,  wie  schon  aus  ihrem  späten  Auftreten 


Pentastomiden. 


651 


und  der  Art  ihres  Fortschreitens 


hervorgehen 


dürfte. 


Ringe 


der 


Diese 
Oberfläche  erreichen  bei  einigen  Pentastomen,  z.  ß.  bei  P.  protelis 
nach  Hoyle  eine  ziemliche  Breite,  und  zwischen  ihnen  treten  Ein- 
schnürungen auf,  so  dass  dadurch  ganz  der  Eindruck  einer  Gliederung 
hervorgebracht  wird.  Auch  bei  P.  proboscideum  fällt  dieses  Ver- 
halten schon  auf,  und  tritt  mehr  hervor  als  bei  P.  taenioides.  Bei 
anderen  Pentastomen  finden  sich  erhabene  Ringe  wie  breite  Fassreifen 
um  den  Körper,  die  durch  Zwischenräume  getrennt  sind  (van  Beneden, 
Jaquart).  Auch  dadurch  wird  der  Eindruck  einer  Segmentirung  hervor- 
gerufen. 

Ueber 
breitet  und 
in  Reihen 
Oeffnungen 


i  I  -'"  .      i,.;v.,.;i'| 

fc,,,;" ""iiliXti ii        ; 

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die  ganze  Oberfläche  des  Körpers  ver- 
später in  Folge  der  Ringelung  derselben 
angeordnet,  erscheinen  kleine  kreisrunde 
in  der  Chitinhaut,  ähnlich  den  beiden 
Drüsenstigmen  der  vierbeinigen  Larve  (Fig.  404).  Die- 
selben wurden  schon  von  Leückart  als  die  Mündungen 
von  Hautdrüsen  erkannt.  Eine  in  später  Larvenzeit 
auftretende  Differenzirung  der  Chitinbedeckung  sind 
die  sog.  Stachelkränze,  welche  am  Hinterrande  jedes 
Ringes  auftreten  und  für  die  vollständig  ausgebildeten 
Larven  charakteristisch  sind  (Fig.  405  st).  Die  früher 
für  eine  geschlechtsreife  Form  gehaltene  und  als  P. 
denticulatum  bezeichnete  Larve  von  P.  tae- 
nioides zeigt  eine  besonders  starke  Ausbildung  der 
Stachelkränze.  Dieselben  sind  dem  Thier  wahrschein- 
lich bei  seinen  Bewegungen  von  Vortheil.  Wichtigere 
Organe  für  die  Bewegung  und  Befestigung  des  Thieres 
sind  die  Haken,  zwei  Paare  krallenartiger  Chitinge- 
bilde (Fig.  405  h),  welche  in  je  zwei  taschenförmigen, 
vor  dem  Munde  gelegenen  Einsenkungen  der  Körper- 
haut zur  Ausbildung  kommen  (Fig.  404  ht).  Mit  den 
Fussstummeln  der  Larve  haben  die  Haken  nichts  zu 
thun  und  ebensowenig  sind  sie  als  Extremitäten  an- 
zusehen, wie  aus  ihrer  Entstehung  vor  dem  Munde 
und  in  Einsenkungen  hervorgeht.  Später  werden  die 
Haken  weiter  nach  hinten  in  die  Gegend  des  Mundes 
oder  sogar  hinter  denselben  verlagert  (Fig.  405).  Von 
Differenzirungen  der  Oberfläche  ist  noch  eine  grössere 
Anzahl  paarweise  angeordneter  Papillen  am  Vorder- 
ende zu  erwähnen  (Fig.  405  tp\  welche  als  Tastorgane 
gedeutet  werden  (Leückart,  Stiles). 

Die  letzte  Larvenform  und  ihre  Uebertra^un^  in  den  definitiven 
Wirth.  Mit  den  besprochenen  äusseren  und  inneren  Entwicklungsvor- 
gängen hat  sich  der  Körper  der  Larve  in  die  Länge  gestreckt,  so  dass 
er  gezwungen  wurde,  sich  in  der  Cyste  einzurollen.  Im  Grossen  und 
Ganzen  wird  innerhalb  der  Cyste  schon  die  Gestaltung  des  Geschlecht-- 
thieres  erreicht.  Die  Larve  (Fig.  405)  durchbricht  nun  die  Cyste  und 
entfernt  sich  durch  active  Wanderung  von  ihrem  bisherigen  Wohnort, 
wobei  ihr  die  Stachelkränze  von  Vortheil  sind.  Wird  der  Zwischenwirtli. 
welcher  sie  beherbergt,  zu  dieser  Zeit  von  einem  Raubthier  zerrissen,  so 
gelangt  die  Larve  aus  dessem  Munde  wahrscheinlich  direct  in  die  Nasen- 
höhle, um  hier  durch  nochmalige  Häutung  das  Stachelkleid  abzuwerfen 
und  endlich  die   völlige  Organisation   des  geschlechtsreifen  Pentastomirm 


Fig.  405.  Freie 
Larve  von  Penta- 
s t o m u m  taenioi- 
d es  (das  sogen.  P. 
denticulatum) 
aus  der  Leber  des 
Kaninchens  oder  der 
Nasenhöhle  des  Hun- 
des (nach  Leückart). 

a  After,  d  Darm. 
h  Haken ,  m  Mund, 
sf  Stachelkränze,  tp 
Tastpapille. 


652  XVIII.  Capitel. 

zu  erhalten.  Findet  die  Larve  jedoch  nicht  eine  so  günstige  Gelegen- 
heit, ihren  definitiven  Träger  zu  erreichen,  so  kapselt  sie  sich  im  Körper 
des  Zwischenwirthes  von  Neuem  ein.  Eingekapselte  Larven  von  ge- 
nügender Reife,  welche  mit  dem  Fleisch  des  Zwischenwirthes  von  einem 
Raubthier  aufgenommen  werden  und  in  dessen  Darm  gelangen,  durch- 
brechen die  Darmwand  und  gelangen  durch  active  Wanderung  in  die 
Luftwege  und  die  Nasenhöhle  (Gerlach,  Stiles). 

3.   Allgemeines. 

In  der  Entwicklung  von  Pentastomura  bildet  den  wichtigsten  Punkt 
das  Auftreten  der  mit  zwei  Paar  Extremitäten  versehenen  Larve.  Diese 
Larvenform  deutet  entschieden  darauf  hin  ,  dass  wir  es  in  Pentastomum  mit 
einem  Arthropoden  zu  thun  haben ,  was  aus  der  Organisation  des  ausgebil- 
deten Thieres  nicht  so  sicher  hervorgeht.  Diese  Larvenform  war  es  auch 
vor  allen  Dingen ,  welche  die  Zusammenstellung  des  Pentastomum  mit 
den  Milben  veranlasste.  Die  Aehnlichkeit  würde  noch  grösser  sein ,  wenn 
bei  Pentastomum  auch  eine  sechsfüssige  Larve  aufträte ,  wie  dies  be- 
hauptet wurde  (De  Filippi).  Leider  ist  die  betreffende  Angabe  De  Filippi's 
welche  von  Wichtigkeit  wäre,  sehr  unsicherer  Natur,  wie  ein  Blick  auf  seine 
Abbildungen  zeigt,  Eine  directe  Vergleichung  der  Pentastomumlarve  mit 
derjenigen  der  Milben  ist  in  Folge  des  Fehlens  der  Mundwerkzeuge  bei  der 
ersteren  ausgeschlossen.  Freilich  kann  hier  eine  Rückbildung  stattgefunden 
haben,  welche  noch  weiter  geht  als  die  auch  bei  den  Milben  schon  auftreten- 
den Rückbildungserscheinungen,  und  es  ist  immerhin  möglich,  dass  sich 
Pentastomum  von  milbenähnlichen  Formen  ableitet.  Gewisse  Milben ,  wie 
z.B.  die  Phytopten,  bei  denen  zwei  Beinpaare  schwinden,  und  welche  eine 
langgestreckte  Form  annehmen  (vgl.  pag.  632  u  633),  könnten  einen  Hinweis 
für  das  Zustandekommen  einer  Form  wie  Pentastomum  liefern  (Leuckart). 
Aber  es  muss  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass  dafür  ein  bestimmter 
Anhalt  nicht  vorliegt,  und  man  könnte  Pentastomum  mit  beinahe  ebenso 
viel  Recht  von  anderen  Gruppen  der  Arthropoden  herleiten.  Leider  bietet 
auch  die  Organisation  des  ausgebildeten  Thieres  keinen  rechten  Anhaltspunkt, 
sondern  lässt  nur  erkennen,  dass  Pentastomum  eine  in  Folge  des  Parasitismus 
stark  rückgebildete  Form  ist.  Wichtige  Organsysteme,  wie  die  Pespirations- 
und  Excretionsorgane ,  welche  sonst  durch  ihre  charakteristische  Ausbildung 
die  Bestimmung  der  systematischen  Stellung  erleichtern,  sind  nicht  vorhanden. 
Auch  ein  Blutgefässsystem  gelangt  nicht  zur  Sonderung.  Dagegen  finden  wir 
in  der  quergestreiften  Musculatur  einen  Arthropodencharakter.  Dass  auch  die 
Genitalorgane  möglicher  Weise  in  diesem  Sinne  zu  verwenden  sind,  wurde 
schon  oben  (pag.  650)  angedeutet.  Das  Ovarium  zeigt  ähnliche  Structurver- 
hältnisse  wie  bei  den  Arachniden ,  indem  sich  die  Eier  an  seiner  Oberfläche 
follikelartig  vorbuchten  und  das  Ovarium  dadurch  eine  traubige  Beschaffen- 
heit erhält. 


Litteratur. 

1.  Beneden,  P.  J.  van.     Reeherches  sur  V Organisation  et  le  developpement  des  Lingua- 

tulcs  (Pottastoma).     Ann.  Sc.  Nat.     3e  sc')-.     Zool.     T.   II.     1849. 

2.  Filippi,  F.   de.      Xuova    linguatula    con   embrioni  di  paiticolar  forma.      Archivio  per 

la  Zool.,  Anut.  e  Fisiol.     Fase.  J.      Vol.  1.     Genova   1861. 

3.  Gerlach,  A.  C.    Pentastomum  dentieulatum  bei  zwei  Ziegen.    Jahresber.  d.  k.  Thierarz- 

neisc/mle  zu  Hannover.     II.     1869. 


Pentastomiden.  (353 

4.  Hoyle,  W.  E.      On   a  new  Species  of  Pentastomum  (P.  protelisj,  from  the  Mesentery 

of  Proteles  cristatus  etc.     Tr ansäet ions  Roy.  Soc.     Edinburgh.      Vol.  32.     1SS7. 

5.  Jaquart,    H.      Meeanisme   de   la   retraction    des   ongles   des  Felis   et   des   crochets    des 

Linguatulcs  trouve'es  dans  les  poumons  des  serpents.     Journ.  Anat.  et  P/iys.  vorm.  et 
path.  etc.     Paris.    3  annee.     J8l>(>. 

6.  Leuckart,  R.     Bau  und  Entwicklungsgeschichte  der  Pentastomen.     Leipzig  u.  Heidelberg 

1860. 
1.    LiOhrmann,  E.      Untersuchungen  über  den  anatomischen  Bau  der  Pentastomen.   Ar  eh. 
f.  Xaturg.     55.  Jahrg.      lSS'J. 

8.  Maealister,    A.      On  two  new  species  of  Pentastoma.    Proc.  Roy.  Irish.  Acad.    2.  ser. 

Fol.  2.     Bubiin  1875—77. 

9.  Schubärt,   T.  D.      Veber   die   Entwicklung    des  Pentastomum   taenioides.     Zeitschr.  f. 

wiss.  Zool.     4.  Bd.     1853. 
10.    Stiles,    Ch.  W.     Bau    und  Entwicklungsgeschichte   von  Pentastomum  proboseideum  u. 
P.   subeylindricum.     Zeitschr.  f.  wiss.   Zool.     52.  Bd.     1891.     (Biese  Arbeit   enthält 
ein  sehr  ausführliches   Verzeichniss  der  Litteratur  über  die  Pentastomiden) 


XIX.  Capitel. 

PANTOPODEN. 


Eiablage  und  Brutpflege.  Die  Weibchen  der  Pantopoden  legen 
ihre  Eier  nicht  frei  ab,  sondern  übergeben  sie  den  Männchen,  welche  sie 
an  ihrem  dritten  Extremitätenpaar,  den  sog.  Eierträgern  (Fig.  416,  3, 
pag.  671),  befestigen  und  mit  sich  herumtragen,  bis  der  Embryo  zur 
Reife  gelangt  ist.  Die  Eier  sind  gewöhnlich  in  grössere  Päckchen  zu- 
sammengehäuft, welche  an  100  Eier  enthalten  können.  Solcher  Päckchen 
finden  sich  mehrere  am  Männchen  vor,  so  dass  ein  tüchtig  beladenes 
Männchen  an  1000  Eier  tragen  kann  (Dohrn).  In  diesen  Fällen  pflegen  die 
Eier  klein  zu  sein.  So  verhält  es  sich  bei  den  meisten  Pantopoden;  bei  der 
Gattung  Pallene  jedoch  sind  die  Eier  verhältnissmässig  gross  (0,25  mm 
im  Durchmesser)  und  besitzen  beispielsweise  das  125fache  Volumen  der 
Eier  von  Phoxi  chi  lidium  und  Tanystylum  (Morgan).  Pallene 
trägt  nur  wenige,  gewöhnlich  nur  zwei  Eier  in  jeder  Kittmasse. 
Solcher  Kittmassen  sind  bei  Pallene  ebenfalls  nur  wenige  vorhanden 
(Dohrn).  Nymphon  besitzt  nach  Hoek  besonders  grosse  Eier  (bei  N. 
brevicaudatum  0,5  bis  0,7  mm  im  Durchmesser),  doch  trägt  diese 
Gattung  dabei  eine  grössere  Anzahl  von  Eiern.  Diese  grossen  Eier  sind 
besonders  dotterreich,  was  bei  den  kleineren  offenbar  weniger  der  Fall 
ist.  Die  Form  der  Eier  ist  kugelrund ;  innerhall)  der  Kittmasse 
wird  jedes  Ei  noch  von  einer  besonderen  dünnen  Membran  umgeben 
(Fig.  406  B). 

1.    Die  Furchung  und  Keimblätterbildung. 

Die  Furchung  der  Eier  ist  eine  totale  (Dohrn,  Hoek-,  Morgan), 
doch  verhalten  sich  in  dieser  Beziehung  die  einzelnen  Gattungen  ver- 
schieden, indem  die  mit  kleineren  Eiern  versehenen,  z.  B.  Phoxichi- 
lidium  und  Tanystylum  eine  äquale,  die  mit  grösseren  Eiern  (Pal- 
lene, Nymphon)  eine  inäquale  Furchung  zeigen  (Morgan). 

Die  ersten  Entwicklungsvorgänge  am  Pantopodenei  waren  bisher  nur 
höchst  unvollkommen  bekannt.  Nachdem  schon  vor  langen  Jahren  (1843) 
von  Kölliker  eine  Angabe  über  die  totale  Furchung  gemacht  worden  war, 
beschrieb  Dohkn  (No.  3)  später  einige  Furcbungsstadien  von  Pygnogonum, 
welche    die    totale   Furchung    bestätigten.      Bei    seinen    Untersuchungen    des 


Pantopoden.  655 

Challengermaterials  fand  Hoek  einzelne  Entwicklungsstadien,  welche  aber 
der  Natur  der  Sache  nach  nur  ein  lückenhaftes  Bild  von  der  Embryonal- 
entwicklung zu  geben  vermochten.  Hoek:  suchte  dasselbe  später  durch  einige 
Beobachtungen  am  lebenden  Object  zu  ergänzen  (Pallexe,  No.  7).  Sodann 
hat  Morgan  die  Furchung  und  Keimblätterbildung  untersucht  (No.  10  und  11), 
und  in  einer  ganz  neuerdings  erschienenen  Arbeit  (No.  12)  schildert  er  diese 
Vorgänge  bei  einigen  Formen  in  eingehender  Weise.  An  seine  Darstellung 
werden  wir  uns  daher  besonders  zu  halten  haben. 

Palleue.  Bei  Pallene  wird  das  Ei  durch  die  erste  Furchungs- 
ebene  in  ein  grösseres  und  ein  kleineres  Blastomer  zerlegt,  wovon  das 
letztere  ungefähr  den  vierten  Theil  des  ersteren  im  Umfang  beträgt 
(Morgan).  Nach  Hoek's  Beobachtung  geht  die  Theilung  der  Kerne  in 
den  ersten  Stadien  derjenigen  der  Blastomeren  voraus.  Durch  eine  zur 
ersten  Theilungsebene  senkrechte  Ebene  werden  beide  Kugeln  in  zwei 
neue  zerfällt,  so  dass  jetzt  zwei  Mikro-  und  zwei  Makromeren  gebildet 
sind.  Die  dritte  Theilungsebene  steht  senkrecht  auf  den  beiden  vorher- 
gehenden und  lässt  je  vier  Mikro-  und  Makromeren  entstehen.  Darauf 
folgt  ein  Stadium  von  8  kleinen  und  8  grossen  Furehungskugeln.  Von 
da  ab  halten  Mikro-  und  Makromeren  nicht  mehr  gleichen  Schritt  in  der 
Theilung.  In  einem  späteren  Stadium  erkennt  man  auf  Schnitten  ähn- 
liche Bilder,  wie  das  von  Fig.  407  A,  nur  dass  der  Pol  der  Mikromeren 
aus  schmäleren  Zellen  gebildet  wird,  als  dort.  Die  Zellen  haben,  wie 
man  sieht,  Pyramidenform,  doch  reichen  die  Zellgrenzen  nicht  bei  allen 
bis  in  das  Centrum  hinein.  Damit  ist  schon  der  Uebergang  zu  dem 
folgenden  wichtigen  Stadium  angedeutet. 

Eine  inäquale  Furchung  scheint  auch  den  dotterreichen  Eiern  von 
Nymphon  brevicaudatum  zuzukommen,  denn  nach  Hoek's  Abbildung 
(Fig.  2  Tat".  XIX,  No.  6)  setzt  sich  in  einem  späteren  Stadium  die  eine 
Hälfte  des  Eies  aus  kleineren,  die  andere  Hälfte  aus  grösseren  Zellen  zu- 
sammen. 

Die  Kerne  der  pyramidenförmigen  Zellen  rücken  mit  dem  umgeben- 
den Plasma  an  die  Peripherie  (Fig.  406  A  u.  B).  Die  Grenzen  der  Blasto- 
meren bleiben  dabei  zum  Theil  noch  erhalten  (dp),  zum  Theil  aber 
schwindet  diese  Abgrenzung,  besonders  gegen  die  Mitte  des  FJes  hin 
(A  und  B).  Die  Kerne  sind  von  Protoplasmahöfen  umgeben,  welche  Fort- 
sätze in  den  Dotter  erstrecken.  Da  diese  Protoplasmacomplexe,  indem 
sie  sich  durch  Theilung  vermehren  und  enger  an  einander  rücken,  das 
Blastoderm  liefern  (Fig.  406  0),  so  ergiebt  sich  hier  ein  ähnliches  Ver- 
halten wie  bei  den  Spinnen,  d.  h.  die  Dottermasse  erscheint  in  Dotter- 
pyramiden gesondert,  welche  später  zerfallen.  Nach  Hoek's  Darstellung 
scheint  übrigens  diese  Zertheilung  des  Dotters  auch  in  späteren  Stadien 
noch  nachweisbar  zu  sein,  wenn  das  Blastoderm  bereits  zur  Ausbildung 
uelanyt  ist  (man  vgl.  eine  Abbildung  von  Nymphon  brevicaudat u in , 
No.  6,  Taf.  XIX,  Fig.  5).  Im  Centrum  des  Eies  tritt  eine  Höhle  auf 
(Fig.  406  A,  fh),  welche  als  Furchungshöhle  anzusehen  ist.  Aller- 
dings scheint  ihr  Vorkommen  nicht  constant  zu  sein  (Morgan),  jeden- 
falls schwindet  sie  bald  wieder.  Im  Ganzen  würde  auch  dieses  Ver- 
halten, wrenn  es  sich  als  richtig  herausstellt,  eine  gewisse  Uebereinstim- 
mung  mit  den  Verhältnissen  bekunden,  wie  sie  für  die  Spinnen  dar- 
gestellt wurden  (pag.  570).    Die  Furchung  geht  auch  hier  aus  der  totalen 


656 


XIX.  Capitel. 


in  eine  superficiale  über.  Desgleichen  scheint  eine  Concentration  des 
Blastoderms  nach  demjenigen  Pole  hin  stattzufinden,  an  welchem  später 
die  ersten  Andeutungen  des  Embryos  auftreten  (Fig.  406  C).  Am  gegen- 
überliegenden Pole  des  Eies,  weicher  früher  ebenfalls  periphere  Zellen 
zeigte  [A  und  B),  sind  dieselben  geschwunden. 


<£&. 


Fig.  406.     A—D  Schnitte    durch  Eier   von  Pallene  in  verschiedenen  Stadien 
der  Blastodermbildung  (nach  Morgan). 

In    B   tritt    eine    Einstülpung   (e)   am   Blastoderm    auf,    in   deren   Umgebung   sich 
Zellen  ablösen,  wahrscheinlich  die  ersten  Mesodermzellen. 

bl  Blastoderm,   d  Dotter,   dp  Dotterpyramiden,    e  Einstülpungsöffnung,    eh  äussere 
und  innere  Einfälle,  fh  Furch ungshöhle  (?). 


Zur  Zeit,  wenn  das  Blastoderm  nur  einen  Theil  des  Eies  umgiebt, 
sieht  man  unter  ihm  einzelne  Zellen  von  amöboider  Form  gelegen 
(Fig.  406  C).  Nach  Morgan  findet  eine  Abspaltung  von  Zellen  statt, 
welche  von  dem  an  Zellen  reicheren   Pol  der  Mikromeren  ausseht  und 


Pantopoden.  657 

sich  auf  dem  übrigen  Umfang  des  Eies  fortsetzt.  In  Folge  dieser  Theilung 
der  Blastodermzellen  in  radialer  Richtung,  welchen  Vorgang  Morgan  im 
Vergleich  mit  dem  von  ihm  bei  anderen  Pantopoden  beobachteten  Ver- 
halten als  einen  Delaminationsprozess  auffasst,  soll  eine  untere  Schicht 
von  Zellen  gebildet  werden,  welche  wohl  als  Entoderm  anzusehen  wäre. 
Eine  solche  Auffassung  erscheint  durch  die  bisher  bekannt  gewordenen 
Thatsachen  nicht  genügend  gestützt,  und  bezüglich  der  Bildung  der  Keim- 
blätter wird  durch  Morgan's  Beobachtungen  noch  eine  andere  Annahme 
ermöglicht.  An  dem  zellenreicheren  Pole  des  Eies  tritt  nämlich  eine 
Verdickung  des  Blastoderms  auf,  welche  Morgan  mit  dem  Cumulus 
primitivus  der  S p i n n e n e i e r  vergleicht  (pag.  573).  An  dieser  Stelle 
entsteht  sodann  eine  Einsenkung  (Fig.  406  D,  e),  von  welcher  aus  eine 
rege  Vermehrung  der  Zellen  vor  sich  geht.  Mobgan  selbst  fasst  diesen 
Vorgang  als  die  Bildung  des  Mesoderms  auf  und  meint,  dass  ein  Theil  der 
gegen  den  Dotter  vordringenden  amöboiden  Zellen  auch  entodermaler 
Natur  ist.  Beide  Keimblätter  sind  noch  nicht  von  einander  geschieden. 
Jedenfalls  hat  der  ganze  Vorgang  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Bildung 
der  Keimblätter  bei  den  Araneinen.  Es  werden  amöboide  Zellen  ge- 
bildet, welche  gegen  den  Dotter  vordringen  und  aus  denen  wohl  später 
der  Mitteldarm  hervorgeht.  Dass  ein  Theil  der  Zellen,  welche  in  der 
Nähe  der  Einstülpung  ihren  Ursprung  nehmen,  die  Anlage  des  Meso- 
derms darstellt,  ist  zweifellos.  Diese  Zellen  vermehren  sich  bald  reich- 
lich und  ordnen  sich  zu  zwei  Bändern  an,  den  Mesodermstreifen.  Die 
Einstülpung,  welche  man  nach  ihrer  Beziehung  zur  Bildung  der  Keim- 
blätter als  Blastoporus  ansehen  möchte,  soll  nach  Morgan  das  Stomo- 
daeum  sein. 

Tanystylum  und  Phoxicliilidiuni.  Die  kleineren  und  weniger  dotter- 
reichen Eier  der  Pantopoden  wie  die  von  Tanystylum  und  Phoxi- 
chilidium  verhalten  sich  insofern  abweichend  von  den  vorher  betrach- 
teten dotterreichen  Eiern,  als  sie  einer  äqualen  Furchung  unterliegen, 
vermöge  deren  das  Ei  in  zwei,  vier,  acht  und  sechzehn  gleich  grosse 
Blastomeren  zerfällt.  Infolgedessen  sind  auch  die  pyramidenförmigen 
Zellen  des  späteren  Stadiums  von  ungefähr  gleichem  Umfang  (Fig.  407  A). 
Dadurch,  dass  der  Dottergehalt  dieser  Eier  ein  geringerer  ist,  geht  auch 
die  Weiterentwicklung  in  abweichender  Weise  vor  sich.  Es  wird  zu- 
nächst kein  eigentliches  Blastoderm  gebildet,  wie  bei  Pallene,  sondern 
der  Delaminationsprozess  soll  in  Form  einer  multipolaren  Einwanderung 
vor  sich  gehen  (Fig.  407  B).  Es  scheint  dabei  eine  Furchungshöhle  aufzu- 
treten, wie  aus  der  Fig.  407  B  zuerkennen  ist.  Die  pyramidenförmigen 
Zellen  theilen  sich  direct  in  eine  äussere  und  eine  innere  Zelle.  So- 
wohl die  inneren  wie  die  äusseren  Zellen  fahren  darauf  fort,  sich  weiter 
zu  theilen.  Die  letzteren  bilden  eine  regelmässige  Lage  von  Zellen  an 
der  Peripherie,  das  Blastoderm  (Fig.  407  C,  bl),  während  die  inneren 
Zellen  ihre  regelmässige  Abgrenzung  verlieren.  So  kommt  eine  Dotter- 
masse zu  Stande,  in  welche  vereinzelte  Zellen  eingelagert  sind  {C,  d 
und  s).  Offenbar  waren  die  inneren  Zellen  reicher  an  Dotter,  welcher 
nun  zu  der  gemeinsamen  Masse  zusammengeflossen  ist.  Damit  bietet 
der  Embryo  dann  ähnliche  Verhältnisse  dar,  wie  sie  bei  anderen  Arthro- 
poden, z.  B.  bei  den  Spinnen,  gegeben  sind,  nämlich  eine  periphere  Zellen- 
lage (das  Blastoderm)  und  die  innere  Dottermasse  mit  einzelnen  darin 
verteilten  Zellen.  Allerdings  soll  die  Entstehung  der  letzteren  bei  den 
Pantopoden  eine  abweichende  sein,  wie  gezeigt  wurde  (Fig.  407  B).    Die 


658 


XIX.  Capitel. 


Bilduno-  der  Keimblätter  konnte  bei  den  Formen  mit  äqualer  Furchring 
nicht  genauer  festgestellt  werden,  doch  nimmt  Morgan  an,  dass  von  den 
inneren  Zellen  (dem  Entoderm)  der  Mitteldarm  gebildet  wird.  Auch  bei 
diesen  Formen  beobachtete  Morgan  schon  früh  eine  Einsenkung  der 
peripheren  Zellschicht,  welche  er  in  Uebereinstimmung  mit  dem  schon 
für  Pallene  besprochenen  Verhalten  als  die  Anlage  des  Stomodaeums 
ansieht,  Diese  Einsenkung  zeigt  eine  dreikantige  Gestalt,  und  dies  hat 
Veranlassung  gegeben,  sie  mit  dem  ebenfalls  zuweilen  dreikantig  ge- 
formten Stomodaeum  der  Spinnen  zu  vergleichen. 

Bei  der  immerhin  noch  verhältnissmässig  geringen  Kenntniss,  welche  wir 
von  den  ersten  Entwicklungsvorgängen  der  Pantopoden  besitzen ,  dürfte  es 
allzu  gewagt  scheinen,  schon  jetzt  weitere  Schlüsse  daran  anknüpfen  zu  wollen. 
Dass  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  der  Spinnen  her- 
vortritt, wurde  schon  erwähnt.  Die  von  Morgan  vertretene  Spaltung  des 
Blastoderms  in  zwei  Zellschichten  erinnert  an  die  Vorgänge  bei  den  Pseudo- 
scorpionen  (vgl.  pag.  561) ;  doch  sind  auch  diese  zu  wenig  bekannt,  als  dass  man 


a. 


08. 


Fig-.  407.  A — C  Schnitte  durch  Eier  von  Tanystylum  (A  u.  B)  und  Phoxi- 
chilidium  (C)  im  Endstadium  der  Furchung  (A)  und  im  Stadium  der  Delamination 
und  Blastodermbildung  (B  u.  C)  (nach  Morgan). 

bl  Blastoderm,  d  Dottermasse,  z  die  Zellen,  welche  sich  von  den  peripheren  Zellen 
(Blastoderm)  ablösen  und  ins  Innere  rücken. 


den  Vergleich  weiter  führen  könnte.  Die  beginnende  Ausbildung  und  weitere 
Differenzirung  an  dem  einen  Pole  möchte  man  mit  der  Keimblätterbildung 
der  Aracbniden  an  einem  beschränkten  Theil  des  Blastoderms  vergleichen. 
Morgans  Angaben  über  die  Abspaltung  bezw.  multipolare  Einwanderung 
der  Zellen  lauten  zu  bestimmt,  als  dass  man  sie  auf  eine  von  jenem  Punkt 
ausgehende  Einwanderung  und  darauf  folgende  Umwachsung  des  Dotters  be- 
ziehen und  sie  mit  dem  entsprechenden  Vorgang  bei  den  Scorpionen  ver- 
gleichen könnte.  Immerhin  dürfte  das  Augenmerk  künftiger  Beobachter 
auf  diesen  Punkt  zu  richten  sein.  Wenn  die  oben  besprochene  Einsenkung 
des  Blastoderms  auftritt,  ist  nach  Morgan  das  Entoderm  schon  gebildet, 
sie  dürfte  also  nicht  dem  Blastoporus  verglichen  werden,  obwohl  ein  solcher 
Vergleich  im  Uebrigen  sehr  nahe  liegt,  um  so  mehr,  da  auch  Morgan  im 
Umkreise  jener  Einsenkung  das  Mesoderm  entstehen  lässt.  Dass  übrigens 
bei  den  Pantopoden  ähnliche  Vorgänge  wie  bei  den  Aracbniden  sich  voll- 
ziehen, beweist  die  Bildung  eines  Keimstreifens,  welcher  allerdings  sehr  stark 
zurücktritt ,  aber  dabei  gewisse  Merkmale  zeigt ,  welche  ihn  demjenigen  der 
Aracbniden  ähnlich  erscheinen  lassen. 


Pantopoclen. 


659 


Dütterreiche  Eier  dürften  auch  für  die  Pantopoden  den  ursprünglicheren 
Zustand  repräsentiren  und  mit  ihnen  die  Bildung  eines  Blastoderras  (von 
der  bei  den  Arthropoden  gewöhnlichen  Beschaffenheit)  sowie  diejenige  eines 
Keimstreifens.  Durch  das  Zurücktreten  des  Dotters  wurden  wahrscheinlich 
die  Entwicklungsvorgänge  stark  beeinflusst  und  erreichten  dadurch  den  Zu- 
stand, auf  welchem  sie  uns  jetzt  entgegentreten  (vgl.  hierzu  pag.  668). 


2.    Die  weitere  Ausbildung  des  Embryos. 

Die  bisherigen  Kenntnisse  von  der  Ausbildung  des  Embryos  und  der 
Anlage  der  Organe  sind  noch  sehr  unvollkommen.  Die  folgenden  An- 
gaben beziehen  sich  grösstentheils  auf  Fallen e,  welche  Form  von 
Morgan  genauer  untersucht  wurde.  Dabei  muss  aber  noch  besonders 
hervorgehoben  werden,  dass  sich  Pallene  im  Gegensatz  zu  anderen 
Pantopoden  beinahe  bis  zur  Erlangung  der  Gestalt  des  ausgebildeten 
Thieres  im  Ei  entwickelt  (vgl.  pag.  663  u.  668). 

Wenn  die  schon  mehrmals  erwähnte  Einstülpung  an  der  verdickten 
Seite  des  Blastoderms  aufgetreten  ist,  erscheinen  an  der  Oberfläche  des 
Eies  von  Pallene  weitere  Verdickungen.  Zwei  derselben  sind  von 
ovaler  Form  und  finden  sich  vor 
der  dreikantigen  Einsenkung  gelagert 
(Fig.  408  g).  Sie  stellen  die  Anlage 
des  oberen  Schlundganglions  dar.  Auf 
der  entgegengesetzten  Seite  der  Ein- 
stülpung, also  nach  hinten,  erstrecken 
sich  zwei  Reihen  von  Verdickungen, 
die  Anlage  der  Ganglienkette  (Fig. 
408),  und  seitlich  davon  treten  als 
stärkere  Wulstungen  die  ersten  An- 
deutungen der  Extremitäten  hervor 
(Fig.  409  A).  Alle  diese  Organan- 
lagen bilden  einen  vorn  schmalen, 
nach  hinten  breiteren  Streifen  an  der 
Oberfläche  des  Eies,  welcher  jeden- 
falls dem  Keimstreifen  anderer  Arthro- 
poden zu  vergleichen  ist.  Da  die 
Dottermasse  nicht  sehr  umfangreich 
ist,  so  legt  sich  der  Keimstreifen  um 
einen  grossen  Theil  des  Eies  herum. 
Mit  der  weiteren  Ausbildung  des  Em- 
bryos erstreckt  sich  derselbe  auch 
seitlich  mehr  über  das  gesammte  Ei, 
so  dass  dann  von  einem  gesonderten 

Keimstreifen  nicht  mehr  gesprochen  werden  kann,  sondern  die  Embryonal- 
anlage nunmehr  das  ganze  Ei  umfasst.  Dabei  hat  sich  der  Embryo  auch 
etwas  in  die  Länge  gestreckt  (Fig.  409  A). 

Die  Anlage  der  Extremitäten  erfolgt  bei  den  verschiedenen  Formen 
in  differenter  Weise.  Bei  Pallene  wird  zuerst  das  vorderste  Glied- 
maassenpaar  angelegt,  welches  mit  Scheeren  versehen  ist.  Nach  Morgans 
Angaben  liegt  es  neben  dem  Munde,  doch  scheint  das  erste  Auftreten 
noch  nicht  sicher  genug  beobachtet  zu  sein.  Auf  das  erste  Extremitäten- 
paar folgt  bei  Pallene  das  vierte,  und  dementsprechend  bemerkt  man 
zwischen   beiden   eine    Lücke,   in  welcher   zwei  Ganglienpaare,   die   der 


—  ffin 


¥ 


5tf 

Fig.  408.  Oberflächenansicht  eines 
Eies  von  Pallene,  welche  den  vorderen 
Theil  der  Embryonalanlage  zeigt  (nach 
Morgan). 

g  Anlage  des  oberen  Schlnndgan- 
glions,  gu — ^rv  Bauchganglien,  den  Seg- 
menten der  Extremitäten  II — IV  zuge- 
hörig, m  Mund,  /  Extremität  I,  IV  An- 
lage der  Extremität  IV. 


660 


XIX.  Capitel. 


a, 


zweiten  und  dritten  Extremitäten,  liegen  (Fig.  408  u.  409  A).  An  das  vierte 
Paar  schliesst  sich  das  fünfte  und  sechste  an.  Das  dritte  Paar  kommt 
erst  später  zur  Ausbildung;  das  zweite  Paar  fehlt  bei  Pallene  über- 
haupt, und  das  siebente  tritt  wie  das  dritte  erst  kurze  Zeit  vorher  auf, 
ehe  der  Embryo  die  Eihülle  verlässt.  Pallene  erhält,  wie  man  sieht, 
als  Embryo  bereits  sämmtliche  Extremitäten  des  ausgebildeten  Thieres. 
Bei  den  meisten  anderen  Pantopoden  ist  dies  jedoch  nicht  der  Fall,  son- 
dern sie  bringen  innerhalb  der  Eihülle  gewöhnlich  nur  drei  Gliedmaassen- 
paare  zur  Ausbildung.  Auch  bei  Nymphon  brevicaudatum  sind 
die  Embryonen  zur  Zeit  des  Aussehlüpfens  wahrscheinlich  in  Besitz  sämmt- 
licher  Extremitäten  (Hoek). 

Während  des  Auftretens  und  allmählichen  Wachsthums  der  Extremi- 
täten hat  auch  die  Anlage  des  Nervensystems  eine  weitere  Differenzirung 

erfahren.  Fünf  Paar  grosser  Ganglien 
lassen  sich  deutlich  unterscheiden  (Fig. 
409  A).  Sie  gehören  den  Segmenten 
der  zweiten  bis  sechsten  Extremität  an; 
es  wäre  von  Wichtigkeit,  zu  erfahren,  wie 
sich  die  ersten  Extremitäten  bezüglich 
der  zugehörigen  Ganglien  verhalten,  d.  h. 
ob  etwa  ein  postorales  Ganglienpaar  mit 
dem  oberen  Schlundganglion  verschmilzt. 
—  Die  beiden  vordersten  der  fünf  Gan- 
glienpaare treten  später  sehr  nahe  zu- 
sammen (Fig.  414  B).  Beim  ausgebilde- 
ten Thier  sind  diese  Ganglien  der  Ex- 
tremitäten II.  und  III.  vereinigt.  Zu  den 
schon  frühe  vorhandenen  Ganglien  der 
drei  ersten  Gangbeinpaare  (Fig.  409  Ä) 
kommen  erst  weit  später  diejenigen  des 
vierten  Beinpaares  (der  Extremität  VII) 
und  die  Ganglien  für  das  Abdomen  hin- 
zu (Morgan). 

In  den  Ectodermverdickungen,  wel- 
che die  Anlage  der  Ganglien  darstellen, 
tritt  eine  grubenförmige  Vertiefung  auf 
(Fig.  409  A  und  J5,  e) ,  in  deren  Um- 
gebung die  Zellen  der  Verdickung  eine 
regelmässige  epitheliale  Anordnung  zei- 
gen (Morgan).  Es  nimmt  also  eine  Ein- 
senkung  des  Ectoderms  an  der  Bildung 


Fig.  409.  A  u.  B.  A  Embryo 
von  Pallene  empusa,  von  der 
Bauchseite  gesehen  und  B  Theil  eines 
Querschnittes  durch  denselben,  um 
die  paarigen  Einsenkungen  (e)  an  der 
Bauchfläche  zu  zeigen  (nach  Morgan). 

I — VI  Extremitäten,  bg  Bauch- 
ganglienkette,  in  den  Ganglien  die 
Einsenkung  (e)  sichtbar,  ect  Ectoderm, 
ent  Entoderm,  mcs  Mesoderm. 


des   Ganglions   theil.    Die  Einstülpung 


schliesst  sich  später,  ihre  Höhlung  ist 
aber  noch  zu  erkennen,  wenn  die  Ganglienkette  bereits  in's  Innere  ge- 
rückt und  aus  dem  Zusammenhang  mit  der  Körperbedeckung  gelöst  ist 
(Fig.  410  e). 

Wenn  die  beiden  vorderen  Ganglienpaare  sich  vereinigen,  erscheinen 
sie  nur  noch  als  ein  einziges  Paar,  an  welchem  aber  vier  Gruben  vor- 
handen sind,  so  dass  dadurch  die  Zusammensetzung  aus  zwei  Ganglien- 
paaren deutlich  zu  erkennen  ist. 

Moegan's  Angaben  über  die  Betheiligung  von  Ectodermeinstülpungen 
an  der  Bildung  der  Bauchganglien  lauten  so  bestimmt,  dass  ein  Zweifel  daran 
nicht    berechtigt    erscheint    (vgl.   Figg.  409  und  410).     Er    selbst   vergleicht 


Pantopoden. 


661 


diese  Gebilde  mit  den  Ventralorganen  desPeripatus  (pag.  700)  und  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  damit  ist  vorhanden,  obwohl  hervorgehoben  werden  muss,  dass 
die  Ventralorgane  durchaus  nicht  in  so  directer  Verbindung  mit  den  Ganglien 
stehen,  wie  dies  bei  den  Einsenkungen  der  Pantopoden  der  Fall  ist.  —  Bei 
der  Bildung  des  Gehirns  liess  sich  die  Theilnahme  einer  Ectodermeinstülpung, 
wie  sie  den  Bauchganglien  zukommt,  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  obwohl 
man  vielleicht  gerade  hier  im  Hinblick  auf  die  Gehirneinsenkung  der  Arach- 
niden  eine  solche  Bildung  erwartet  hätte. 

Die  Ausbildung  der  äusseren  Körpergestalt  vervollständigt  sich  durch 
das  Hinzukommen  der  noch  fehlenden  Extremitäten,  sowie  durch  ihre 
Verlängerung  und  das  Eintreten  ihrer  Gliederung.  Das  erste  Paar  rückt 
mehr  nach  vom  und  an  die  Dorsalseite.    An  seiner  Basis  ist  der  Rüssel 


Fig.  410.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  von  Pallene  empusa  auf  einem 
etwas  älteren  Stadium  als  Fig.  409^4.  Die  ventralen  Einsenkungen  (e)  sind  bereits 
geschlossen  (nach  Morgan). 

bg  Bauchnervenstrang  mit  der  Fasersubstanz  an  der  Dorsalseite,  cce  Mesoderm- 
höhle  der  Extremität,  d  Dotter,  di  Entoderm(Darm)divertikel  der  Extremität,  e  die  zum 
Schluss  gelangte  Ectodermeinstülpung,  ect  Ectoderm,  ent  Entoderm,  mes  Mesoderm, 
p  Gangbeinpaar. 

oder  Schnabel,  wie  es  scheint,  als  eine  unpaare  Vorwulstung  des  Körpers 
entstanden.  Er  trägt  an  seiner  Spitze  den  Mund.  Am  Hinterende  des 
Körpers  tritt  in  Form  eines  kleinen  Zipfels  das  rudimentäre  Abdomen 
auf,  an  dessen  Ende  die  Afteröffnung  gebildet  wird. 

Von  der  Ausbildung  der  inneren  Organe  ist  zunächst  diejenige  des 
Mitteldarmes  zu  erwähnen.  Das  Entoderm  hat  sich  zu  einem  die  Dotter- 
masse umgebenden  Epithel  angeordnet  (Fig.  410  ent)  und  von  hier  aus 
erstrecken  sich  schon  frühzeitig  Divertikel,  welche  ebenfalls  mit  Dotter 
erfüllt  sind,  in  die  Extremitäten  (di).  Das  sind  die  Blindsäcke  des 
Darmes,  welche  auch  bei  der  Larve  (Fig.  414  Ä)  und  beim  ausgebildeten 
Thier  bis  tief  in  die  Extremitäten  hineinreichen.  Diese  Verhältnisse  er- 
innern an  diejenigen  von  Chelifer,  bei  welcher  Form  sich  ebenfalls 
der  Dotter  weit  in  die  Extremitäten  hinein  erstreckt  (pag.  561  und 
Fig.  358).     Aehnliches  ist  auch  bei  den  Milben  der  Fall  und  nach  Locy 


Korscheit-Heider,  Lehrbuch. 


43 


662  XIX.  Capitel. 

sollen  bei  den  Embryonen  der  Spinnen  (so  bei  Agalena)  Entoderm- 
divertikel  bis  in  die  Extremitäten  vordringen.  Bekanntlich  bewahren  bei 
den  Pa  n  top  öden,  deren  Rumpf  gegenüber  dem  Umfang  der  Beine  sehr 
stark  zurücktritt,  die  Darmäste  zeitlebens  ihre  Lagerung  in  den  Beinen. 
Die  letzteren  enthalten  beim  ausgebildeten  Thier  ausserdem  die  Genital- 
organe und  so  ist  es  erklärlich,  dass  schon  früh  zwischen  Ectoderm  und 
Entoderm  ein  Fortsatz  des  Mesoderms  in  die  Extremitätenanlage  ein- 
dringt. An  der  Basis  jeder  derselben  liegt  nach  Morgan  eine  vom 
mesodermalen  Epithel  umgrenzte  Höhle  und  von  hier  aus  erstreckt  sich 
der  Mesodermfortsatz  in  die  Extremität  (Fig.  410  mes).  Morgan  spricht 
direct  von  einer  Leibeshöhle  der  Extremitäten.  Wir  haben  also  hier 
jedenfalls  die  Ursegmente  vor  uns  und  die  Gesammtheit  derselben  stellt 
die  beiden  bereits  segmentirten  Mesodermstreifen  vor.  Diese  letzteren, 
die  Anlage  der  Ganglienkette  und  die  Extremitäten  zu  beiden  Seiten 
formiren  auch  hier  den  Keimstreifen  (Fig.  408),  obwohl  derselbe  gegen- 
über dem  geringen  Umfang  des  ganzen  Eies  bedeutend  zurücktritt.  Da 
diese  Gebilde  an  dem  verstärkten  Theil  des  Blastoderms  zur  Ausbildung 
kommen,  so  ist  die  Gegend,  unter  welcher  sich  das  Mesoderm  ausbreitete, 
als  die  Anlage  des  Kemistreifens  zu  betrachten,  so  dass  in  dieser  Be- 
ziehung die  Pantopoden  mit  den  übrigen  Arthropoden  übereinstimmen, 
worauf  schon  früher  hingewiesen  wurde. 

Bestätigt  sich  das  Auftreten  von  Ursegmenten  und  ihr  Eindringen  in  die 
Extremitäten,  so  wäre  damit  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten 
der  Arachniden  gegeben.  Freilich  zeigt  auch  Per ipa tus  sowie  manche 
Insecten  ein  entsprechendes  Verhalten,  doch  vermögen  wir  hierauf  sowie  auf 
die  von  Moegan  besonders  betonte  Aehnlichkeit  in  der  Bildung  der  „Ventral- 
organe" nicht  so  viel  Gewicht  zu  legen.  Die  Querschnitte  der  Embryonen, 
welche  Moegan  von  Pallene  und  Hoek  von  Nymphon  abbilden,  lassen  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  mit  denjenigen  von  Spinnenembryonen  nicht  verkennen. 

Die  weitere  Umbildung  des  Mesoderms,  die  Beziehungen  desselben 
zur  definitiven  Leibeshöhle  und  die  Bildung  des  Herzens  sind  noch  nicht 
mit  genügender  Sicherheit  festgestellt  Das  Herz  tritt  in  der  dorsalen 
Mittellinie  auf,  wenn  das  Mesoderm  bereits  durch  Abgabe  von  Zellen 
Veranlassung  zur  Bildung  einer  Menge  Schizocoel-artiger  Hohlräume  ge- 
geben hat.  Es  wäre  von  Interesse,  noch  Genaueres  über  die  Betheiligung 
der  Ursegmente  an  diesen  Vorgängen  (der  weiteren  Differenzirung  des 
Mesoderms  und  der  Bildung  des  Herzens)  zu  erfahren. 

Das  Mesodermgewebe  mit  seinen  Hohlräumen  nimmt  an  Umfang  zu, 
wenn  sich  die  Masse  des  Dotters  verringert.  Letzterer  wird  von  dem 
umgebenden  entodermalen  Epithel  resorbirt.  Dotterzellen  scheinen  da- 
bei keine  besondere  Rolle  zu  spielen  oder  sogar  ganz  zu  fehlen.  Mit 
dem  Mitteldarm  setzt  sich  das  Stomodäum  in  Verbindung,  welches  Morgan 
von  jener  schon  sehr  früh  auftretenden,  mehrfach  erwähnten  Einstülpung 
herleitet.  Das  Proctodäum  bildet  sich  erst  sehr  spät,  wenn  das  siebente 
Extremitätenpaar  und  wohl  auch  das  Abdomen  auftritt,  da  ja  der  After 
am  Ende  des  letzteren  liegt. 

3.    Die  Larven  form  und  ihre  Umwandlung  in  das 
ausgebildete  Thier. 

Die  Larven.  Die  meisten  Pantopoden  entwickeln  sich  mittelst  Meta- 
morphose. Ihre  Larven  weisen  gewöhnlich  drei  Extreinitätenpaare  auf, 
doch  verlassen    einige   in   höherer  Ausbildung   das  Ei;  so  besitzen   die 


Pantopoden. 


663 


jungen  Pallenen  beim  Ausschlüpfen  bereits  sämmtliche  Extremitäten 
und  auch  einige  Arten  der  Gattung  Nymphon  erreichen  schon  im  Ei 
diese  höhere  Entwicklungsstufe.  Die  verschiedenen  Arten  der  letztge- 
nannten Gattung  differiren  übrigens  in  dieser  Beziehung,  da  die  Larven 
einiger  beim  Ausschlüpfen  nur  vier  oder  fünf  Extremitätenpaare  auf- 
weisen (Hoek). 

Die  vielen  Pantopodenlarven,  welche  beschrieben  worden  sind,  weichen 
nur  wenig  von  einander  ab  und  lassen  sich  leicht  auf  die  erste  mit  drei 


Fig.  411.  Larve  von  Achelia  laevis,  unmittelbar  nach  dem  Ausschlüpfen 
(nach   Dohrn). 

I — III  Extremitäten,  bg  Bindegewebsstränge,  d  Dorn  an  Extremität  I  mit  Drüse 
(dr),  da  Darm,  /  Faden  des  Drüsensekretes,  g  Gehirn  (darüber  die  Augen),  m  Muskeln, 
s  Schnabel,  v  Vacuole  in  der  Drüse. 


Extremitätenpaaren  versehene  Larvenform  zurückführen.  Diese  zuerst 
von  Dohen  genauer  studirte  Larve  zeigt  einen  gedrungenen  Körperbau 
(Fig.  411).  Ihre  Gestalt  ist  gewöhnlich  beinahe  quadratisch  oder  auch 
rundlich,  selten  länglich  oder  oval.  Der  Körper  ist  äusserlich  nicht 
segraentirt,  obwohl  er  drei  Paare  von  Extremitäten  trägt;  in  dieser  Be- 
ziehung zeigt  die  Larve   also   eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit   dem 

43* 


664  XIX.  Capitel. 

Nauplius  der  Crustaceen.  Mit  diesem  wurde  sie  auch  verglichen,  doch 
ist  die  Uebereinstinimuug  nur  sehr  äusserlicher  Natur. 

Wie  erwähnt,  ist  die  Larve  mit  drei  Paar  Gliedmaassen  ausgerüstet. 
Das  vorderste  derselben  ist  dreigliedrig  und  mit  einer  Scheere  versehen. 
An  ihrem  Basalglied  besitzt  die  vordere  Extremität  einen  beweglich 
eingelenkten  Dorn  (Fig.  411  d),  welcher  bei  anderen  Gattungen  eine  be- 
deutend grössere  Länge  erreicht,  als  dies  bei  der  in  der  Figur  darge- 
stellten Larve  von  Achelia  der  Fall  ist.  Diese  Einrichtung  verleiht 
der  Extremität  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  zweiästigen  Glied- 
maassen der  Crustaceen,  obwohl  wir  darauf  nicht  zu  grosses  Gewicht 
legen  wollen.  Ein  ziemlich  umfangreicher  Dorn,  welcher  sich  mit  dem- 
jenigen der  ersten  Extremität  vergleichen  Hesse,  kommt  auch  an  den  bei- 
den folgenden  Gliedmaassen  vor  (Fig.  411).  Am  ersten  Gliedmaassen- 
paar  zeigt  derselbe  aber  eine  ganz  besondere  Einrichtung,  indem  eine 
Drüse  an  seiner  Spitze  ausmündet  (dr).  Die  feinen  Fäden,  welche  durch 
diese  Vorrichtung  produzirt  werden  können,  dienen  zur  Fixirung  der 
Larve,  wie  Hoek  an  solchen  Larven  beobachtete,  welche  sich  nach  dem 
Verlassen  der  Eihülle  und  vollzogener  erster  Häutung  an  den  Eierträgern 
des  Männchens  befestigten.  Das  zweite  und  dritte  Gliedmaassenpaar  be- 
sitzt nur  Krallen  (Fig.  411  II  und  III).  Sämmtliche  Extremitäten,  be- 
sonders aber  die  ersten,  sind  sehr  muskulös.  Während  die  ersten  zum 
Fixiren  und  besonders  zum  Zufassen  benützt  werden,  dienen  die  beiden 
hinteren  Paare  zum  Kriechen  und  Klettern.  Die  Larven  leben  zwischen 
Algen,  Hydroiden  u.  dergl. 

Von  der  äusseren  Organisation  der  Larve  ist  noch  der  Schnabel  zu 
erwähnen,  welcher  als  kegelförmiges  Gebilde  ventral  zwischen  der  Basis 
der  beiden  vorderen  Extremitäten  entspringt  (Fig.  411  s).  An  seiner 
Spitze  liegt  die  MundöfTnung. 

Es  scheint,  als  ob  der  Schnabel  durch  eine  Vorwulstung  des  Ectoderms 
in  der  Umgebung  des  Stomodaeums  entstanden  sei,  obwohl  man  auch  ge- 
neigt war,  ihn  durch  Verschmelzung  der  Oberlippe  mit  einem  Extremitäten- 
paar entstehen  zu  lassen  (Adlekz).  Ob  eine  Vergleichung  des  Schnabels 
mit  dem  provisorischen  Rüssel  des  Chelifer  berechtigt  ist,  lässt  sich  bei 
der  geringen  Kenntniss,  welche  man  von  dem  letzteren  Organ  hat,  nicht 
entscheiden.  Unwillkürlich  wird  man  jedenfalls  durch  den  Pantopodenschnabel 
an  dieses  Organ  erinnert. 

Der  Darm  zeigt  bereits  Aussackungen,  von  denen  das  vordere  Paar 
sich  in  die  Basis  der  ersten  Extremitäten  hinein  zu  erstrecken  beginnt 
(Fig.  411).  Vom  Darm  ziehen  Bindegewebsstränge  zur  Körperwand.  Der 
After  scheint  noch  nicht  vorhanden  zu  sein  (Dohen)  und  tritt  wohl  erst 
später  mit  der  Anlage  des  Abdomens  auf  (Fig.  413  B). 

Das  Nervensystem  der  Larve  besteht  aus  dem  oberen  Schlundganglion 
und  nur  zwei  Ganglienpaaren  an  der  Bauchseite.  Dicht  über  dem  oberen 
Schlundganglion  liegen  die  beiden  sich  eng  berührenden  Augen  (Fig  411). 
Die  Entstehungsweise  der  letzteren  ist  von  besonderein  Interesse,  weil 
sie  Anknüpfungspunkte  an  die  Verhältnisse  der  Arachniden  darzu- 
bieten scheint. 

AVie  das  Nervensystem,  so  erreichen  auch  die  Augen  erst  während 
der  Metamorphose  ihre  völlige  Ausbildung.  Zu  den  beiden  Augen  der 
früheren  Stadien  kommt  später  noch  ein  weiteres  Paar  hinzu.  Um  ihre 
Entwicklungsweise  verständlich   zu   machen,   niuss  der  bisher  nur  sehr 


Pantopoden. 


665 


unvollkommen  bekannte  Bau  der  Pantopodenaugen  mit  einigen  Worten 
berührt  werden.  Dieselben  bestehen  ähnlich  den  Spinnenaugen  aus  einer 
Cornealinse,  der  darunter  gelegenen  Hypodermis-(Glaskörper-)schicht, 
einer  dicken  Lage  von  Retinazellen  und  dahinter  gelegener  Pigmentzellen- 
schicht. In  der  Retina  liegen  die  Zellkerne  vor  den  Stäbchen; 
diese  gehören  also  dem  hinteren  Theil  der  Zelle  an,  und 
stossen  demnach  direct  an  die  Pigmentschicht  (Fig.  412  st).  Die 
Nervenfasern  verbinden  sich  aber  mit  den  äusseren  Enden 
der  Seh zellen,  so  dass  also  hier  ganz  ähnliche  Verhältnisse  vorliegen, 
wie  sie  bei  den  hinteren  Mittelaugen  und  Seitenaugen  der  Spinnen 
obwalten  (vgl.  pag.  593,  Fig.  376).  Dieses  letztere  Verhalten  schien 
bereits  aus  den  von  Hoek  gegebenen  Darstellungen  hervorzugehen,  wurde 
aber  erst  neuerdings  durch  Morgan  fester  begründet  (No.  12). 

Wie  der  Bau  des  ausgebildeten  Auges, 
so  lassen  auch  die  Entwicklungsstadien 
eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  den 

Augen  der  Arachniden  erkennen. 
Eine  Vergleichung  der  Fig.  412  mit  den 

Entwicklungsstadien  der  Augen  von 
Scorpionen  und  Spinnen  Fig.  352, 
pag.  548  und  Fig.  377,  pag.  594  thut 
dies  ohne  Weiteres  dar.  Diese  Figur 
ist  wahrscheinlich  so  zu  deuten,  dass 
eine  Einstülpung  stattfand  und  diese 
nach  einer  Seite  hin  sich  unter  der 
Hypodermis  ausbreitete.  So  entsteht  die 
Retina  und  die  Pigmentschicht,  sowie 
aus   der  darüber  liegenden  Hypodermis 

die  Glaskörperschicht,   welche  nach 
aussen  die  Linse  abscheidet.    Es  findet 
also  bei   der  Bildung   der  Augen   eine 
Inversion  statt  und  die  Innervirung  der 

Augen  von  vornher  würde  auf  dieselbe  Weise  zu  erklären  sein,  wie  bei 
den  Augen  der  Spinnen. 

Frühere  Entwicklungsstadien  der  Augen  lassen  übrigens  eine  Ein- 
stülpung nicht  so  deutlich  erkennen,  wie  dies  bei  den  Augen  der  Spinnen 
der  Fall  ist.  Es  liegen  die  verschiedenen  Lagen  von  Zellen  ziemlich 
dicht  aneinander  und  Morgan  nimmt  an,  dass  nicht  eine  eigentliche 
(totale)  Invagination  stattfindet,  sondern  von  der  Einwucherungsstelle  her 
immer  neue  Zellen  dem  Auge  hinzugefügt  werden  und  so  schliesslich 
die  Bildung  der  gleichen  Schichten  zu  Stande  kommt  (Fig.  412),  wie  sie 
das  Arachnidenauge  besitzt.  Einer  Verdickung  der  Hypodermis,  welche 
seitlich  von  den  Augen  auftritt,  liegt  vielleicht  die  Lieferung  neuen 
Zellenmaterials  ob.  Sie  erinnert  an  die  Hypodermisverdickungen,  welche 
neben  den  Augen  der  Crustaceen  und  des  Limulus  gefunden  werden 
(pag.  367  und  526). 

Die  Entwicklung  und  der  Bau  der  Pantopodenaugen  weist  durchaus  auf 
eine  Vergleichung  mit  den  Arachnidenaugen  hin.  Morgan's  Angabe,  dass 
die  Stäbchen  durch  Verschmelzung  der  Stäbchen  zweier  benachbarten  Zellen 
entstehen,  lässt  die  Uebereinstimmung  noch  auffälliger  erscheinen  und  führt 
uns  bezüglich  der  Pantopodenaugen  zu  derselben  Auffassung,  welche  wir  für 
die  Augen  der  Arachniden  aufstellten,    nämlich   zu    einer  Herleitung   dieser 


Fig.  412.  Längsschnitt  durch 
eines  der  hinteren  Augen  der  Larve 
von  T  a  n  y  s  t  y  1  n  m  (nach  Morgan). 

e  Cuticula,  ect  Ectoderm  (Hypo- 
dermis), gk  Glaskörper,  hy  Hypoder- 
mis, pi  Pigmentschicht,  r  Retina, 
st  Stäbchen. 


m 


XIX.  Capitel. 


scheinbar  einfachen  von  zusammengesetzten  Augen.  Freilich  ist  unsere  Kenntniss 
von  den  Pantopodenaugen  noch  eine  zu  geringe,  um  weiter  gehende  Schlüsse 
zu  gestatten,  ja  Mokgan  vertritt  sogar  eine  ganz  entgegengesetzte  Auffassung, 
indem  er  die  jedenfalls  vorhandene  Inversion  dieser  Augen  durch  Verkümme- 
rung des  hinteren  Theiles  einer  Augeneinstülpung  und  bessere  Entwicklung 
der  vorderen  Parthien  erklärt.  Er  leitet  auf  diese  Weise  die  invertirten 
Pantopodenaugen  von  solchen  einfachen  Augen  (Ocellen)  ab,  wie  sie 
die  Insecten  besitzen,  wofür  ihm  besonders  eine  gewisse  bilaterale  Gestaltung 
der  Pantopodenaugen  maassgebend  ist.  Derjenige  Entwicklungsmodus  aber, 
wie  er  in  der  Ontogenie  auftritt,  d.  h.  das  Vorwachsen  der  Einstülpung  nach 
einer  Seite  hin,  stellt  nur  einen  caenogenetischen  Vorgang  dar  und  dient 
zu  rascherer  Erreichung  des  Baues ,  welchen  das  fertige  Auge  jetzt  besitzt. 
Er  hat  die  Bedeutung  einer  abgekürzten  Entwicklung.  In  Consequenz  dieser 
Auffassung  müsste  man  eine  entsprechende  Annahme  auch  für  die  Augen  der 
Arachniden  machen.  Wir  können  hier  nicht  noch  näher  auf  Mokgan's  Aus- 
führungen eingehen,  sondern  verweisen  in  dieser  Beziehung  auf  die  Original- 


Fig.  413.  A  und  B  jLarven  von  Tanysty  lum  in  zwei  verschiedenen  Stadien ; 
von  der  Ventralseite  gesehen  (nach  Morgan). 

a  After,  abd  Abdomen,  bg  Bauchganglienkette,  m  Mund,  »Schnabel,  I—IV  Extre- 
mitäten I — IV. 


abhandlung,  sowohl  wie  auf  unsere  pag.  597  ff.  dargelegte  Auffassung  der 
Arachnidenaugen.  Dagegen  muss  noch  bemerkt  werden,  dass  die  neuerdings 
von  Claus  (No.  2)  für  die  Entstehung  des  Medianauges  der  Crustaceen  ge- 
gebene Darstellung  unwillkürlich  an  die  Verhältnisse  der  Pantopodenaugen 
erinnert.  Nach  Claus  sollen  die  Medianaugen  der  Crustaceen  durch  Inversion 
entstehen  und  scheinen  eine  ganz  ähnliche  Anordnung  der  Elemente  zu  be- 
sitzen, wie  sie  für  die  Pantopodenaugen  beschrieben  wird.  Die  Stäbchen 
liegen  nach  innen  zu,  gegen  den  Pigmentbecher  des  Auges  gerichtet,  während 
die  Nervenfasern  von  der  entgegengesetzten  Seite ,  wo  auch  der  Kern  der 
Retinazellen  liegt,  an  diese  herantreten. 

Die  Umwandlung  der  Larve  in  das  ausgebildete  Thier  besteht 
vor  Allem  in  der  Bildung  neuer  Körperabschnitte  am  hinteren  Theil  des 
Körpers.  Die  vorhandenen  Extremitäten  gehen  entweder  direct  in  das 
fertige  Thier  über  und  unterliegen  dann  nur  einem  stärkeren  Waehsthum, 
sowie  einer  weiteren  Ausbildung,   oder  einzelne  von  ihnen,   gewöhnlich 


Pantopoden. 


667 


die  zweite  oder  dritte,  in  manchen  Fällen  auch  beide,  ja  sogar  alle  drei 
Extremitäten  gelangen  zur  Rückbildung,  und  an  derselben  Stelle  sprossen 
dann  die  definitiven  Gliedmaassen  hervor  (Dohrn,  Hoek),  soweit  sie 
dem  ausgebildeten  Thier  überhaupt  zukommen.  Bei  Pallene  fehlt  das 
zweite  Paar  und  scheint  überhaupt  nicht  angelegt  zu  werden,  während 
bei  Tanystylum  das  erste  Paar  nicht  vorhanden  ist,  in  derOntogenie 
aber  als  wohlentwickelte  scheerentragende  Extremität  auftritt  (Fig.  413 
A  und  B)  und  erst  in  den  späteren  Larvenstadien  allmählich  zur  Rück- 
bildung gelangt  (Morgan).  Die  Lage  der  rückgebildeten  Extremitäten- 
paare 11  und"  111  wird  durch  das  Auftreten  der  als  Excretionsorgane 
gedeuteten  Drüsen  (Coxaldrüsen  ?)  mit  ihren  Aasmündungen  an  dieser 
Stelle  bezeichnet.  Der  röhrenförmige  Stachel  der  ersten  Extremität, 
durch  welchen  die  oben  beschriebene  Drüse  ausmündet,  wird  bei  einer 
der  Häutungen  abgeworfen  und  macht  einem  gewöhnlichen  Dorn  Platz. 
Diese  Vorrichtung  hat  also  die  Bedeutung  eines  Larvenorganes. 


Fig.  414.  A  und  B  Larve  von  Nymphen  brevi Collum  bald  nach  dem 
Ausschlüpfen.     Dorsal-  und  Ventralansicht  (nach  Hoek). 

I—  V  die  fünf  vorderen  Extremitäten,  bg  Bauchganglienkette ,  d  Dottermasse, 
di  Divertikel  des  stark  mit  Dotter  angefüllten  Mitteldarmes  in  den  Gliedmaassen,  g  Ge- 
hirn,  s  Schnabel. 

Die  erste  Andeutung  der  Bildung  neuer  Segmente  am  Körper  be- 
steht nach  Dohrn  in  einer  paarigen  Aussackung  des  Darmes  hinter  der 
letzten  Larvenextremität ,  woran  sich  eine  Ausbuchtung  der  Körperwand 
anschliesst.  Gleichzeitig  erfolgt  in  der  hinteren  Parthie  der  Ventralfläche 
eine  Verdickung  des  Ectoderms,  die  Anlage  eines  neuen  Ganglienpaares. 
Die  Hypodermis  beginnt  am  hinteren  Körpertheil  runzlig  zu  werden  und 
hebt  sich  von  der  schon  neugebildeten  unteren  Hypodermisschicht  ab. 
Nunmehr  häutet  sich  die  Larve,  und  nach  vollzogener  Häutung  erkennt 
man,  dass  an  jener  Aussackung  der  Körperwand,  in  welche  sich  ein 
Darmdivertikel  fortsetzt,  eine  Kralle  aufgetreten  ist.  Damit  giebt  sich 
das  Gebilde  als  eine  neue  Extremität  zu  erkennen,  die  sich  bald  weiter 
ausbildet  und  gliedert  (Fig.  413  A  und  B).  In  entsprechender  Weise 
erfolgt  die  Bildung  der  übrigen  Extremitäten.  Erst  bei  dieser  weiteren 
Zunahme  des  Körpers  an  Länge  betheiligen  sich  auch  die  drei  vorderen 
Extremitätenpaare  an  der  Umwandlung  (Dohrn).  Als  eine  sackförmige, 
nach  hinten  gerichtete  Ausbuchtung  entsteht  das  kurze  Abdomen,  an 
welchem  der  After  auftritt  (Fig.  413  B). 

Die  besprochenen  Umwandlungen  der  sechsbeinigen  Larve  erfolgen 
bei  einigen  Formen,   wie  schon  erwähnt,   bereits  innerhalb  der  Eihülle, 


668  XIX.  Capitel. 

so  dass  z.  B.  die  Larven  von  Nymphon  brevicollum  mit  fünf 
Gliedmaassenpaaren  versehen  die  Eihülle  verlassen  (Fig.  414  A  und  B). 
Ein  weiteres  Extremitätenpaar  ist  schon  in  der  Anlage  vorhanden.  Die 
übrige  Organisation  dieser  Larven,  besonders  die  Gestaltung  der  Ex- 
tremitäten mit  den  tief  in  sie  hineinragenden  Mitteldarmdivertikeln  und 
diejenige  des  Nervensystems  ergiebt  sich  ohne  Weiteres  aus  der  Be- 
trachtung der  beiden  Figuren  414  A  und  B.  Die  Jungen  von  Nym- 
phon brevicaudatum  verlassen  wahrscheinlich  im  Besitz  sämmtlicher 
Extremitäten  das  Ei  (Hoek)  und  ebenso  verhalten  sich  die  Angehörigen 
der  Gattung  Pallene  (Dohrn,  Morgan). 

Während  der  Metamorphose  wird  die  Anlage  der  Genitalorgane  er- 
kennbar, welche  sich  bei  der  sechsbeinigen  Larve  noch  nicht  nachweisen 
lässt.  Bei  der  mit  vier  Beinpaaren  versehenen  Larve  (Fig.  413  B)  liegt 
dorsal  vom  Darm  in  der  Mittellinie,  ungefähr  in  der  Gegend  der  Extremi- 
tät IV  (des  ersten  Gangbeinpaares),  eine  compakte  Zellenanhäufung,  die 
erste  Anlage  der  Geschlechtsdrüsen.  Sie  spaltet  sich  später  an  ihrem 
Vorderende  in'  zwei  Schenkel ,  welche  gegen  die  Basis  der  ersten  Gang- 
beine hinwachsen.  Dieser  Vorgang  wiederholt  sich  sodann  am  hinteren 
Theil  der  Keimdrüse  und  so  kommen  die  in  die  Extremitäten  hinein- 
wachsenden Genitalschläuche  zu  Stande.  Dorsal  von  der  Genitalanlage 
und  demnach  direct  unter  der  Körperdecke  gelegen,  hat  sich  im  vorderen 
Theil  des  Körpers  ebenfalls  aus  Mesodermzellen  die  weite  schlauchförmige 
Anlage  des  Herzens  gebildet. 

Das  Verhalten  von  Pallene  und  N  y  m  p  h  o  n  legt  die  Frage  nahe, 
welcher  Entwicklungsmodus  bei  den  Pantopoden  als  der  ursprünglichere  auf- 
zufassen ist.  Das  Auftreten  von  Larvenorganen  und  das  Abwerfen  einer 
Larvenhaut,  welches  Dohrn  bei  Pallene  beobachtete,  zeigt,  dass  die  directe 
Entwicklung  dieser  Form  nur  als  eine  Abkürzung  des  indirecten  Entwicklungs- 
ganges aufzufassen  ist  und  dass  die  letztere  als  das  ursprünglichere  Verhalten 
erscheint.  Infolge  der  vollkommeneren  Ausbildung  der  Embryonen  im  Ei, 
muss  dem  letzteren  ein  reicheres  Nährmaterial  zugetheilt  werden.  Der 
grössere  Dottergehalt  der  Eier  von  Pallene  und  Nymphon  würde  unter 
diesen  Umständen  als  eine  später  erworbene  Einrichtung  erscheinen  und  es 
scheint  sodann  zweifelhaft,  ob  man  den  ersten  Entwicklungsvorgängen  dieser 
Eier  den  Charakter  wirklicher  Ursprünglichkeit  zuschreiben  darf,  obwohl  man 
dazu  wegen  der  grösseren  Uebereinstimmung  mit  der  Entwicklung  anderer 
Arthropoden  an  und  für  sich  geneigt  wäre. 

Der  Entwicklungsgang  von  Plioxichilidium  weicht  von  demjenigen 
der  übrigen  Pantopoden  insofern  ab,  als  die  Form  der  Larve  eine  ziem- 
lich starke  Rückbildung  erfährt,  ehe  sie  in  das  ausgebildete  Thier  über- 
geht.    Dies  hängt  mit  ihrer  parasitischen  Lebensweise  zusammen. 

Beim  Verlassen  des  Eies  besitzt  die  Larve  des  Plioxichilidium 
im  Ganzen  die  Organisation  der  gewöhnlichen  sechsfüssigen  Pantopoden- 
larve,  zeichnet  sich  aber  vor  dieser  dadurch  aus,  dass  die  Krallen  der 
beiden  hinteren  Gliedmaassenpaare  sehr  stark  verlängert  sind  und  lange 
Geissein  bilden  (Fig.  415  A),  die  sich  rankenartig  aufwinden  können. 
Diese  Ranken,  welche  noch  weit  länger  werden  können,  als  dies  die 
Figur  erkennen  lässt  (so  z.  B.  nach  Hoek  bei  Plioxichilidium 
femoratum),  werden  möglicher  Weise  um  die  Köpfchen  von  Hydroid- 
polypen  herumgewunden,  wenn  sich  die  Larve  an  diesen  befestigen  will. 
Hydroiden  dienen  nämlich  der  Larve  als  Wirthe  (z.  B.  Hydrac- 
tinia,    Podocoryne,    Tubularia,    Plumularia  u.   a.).     Dohrn 


Pantopoden. 


669 


nimmt  an,  dass  die  Larven,  nachdem  sie  sich  mit  Hilfe  der  Ranken  am 
Hydroidpolypen  fixirt  und  dann  bei  der  Häutung  die  beiden  hinteren 
rankentragenden  Gliedmaassenpaare  abgeworfen  haben,  durch  die  Mund- 
öffnung  in  den  Gastralraum  der  Polypen  gelangen.  In  diesem  finden 
sie  sich  jedenfalls  später  vor  und  durchlaufen  hier  die  folgenden  Ent- 
wicklungsstadien. 

Die  Rankenbildung  scheint  nicht  allen  Phoxichilidi  en  zuzukommen, 
denn  R.  von  Lendenfeld  beschreibt  die  Larve  von  Phoxichilidium 
plumulariae,    welche  keine  nennenswerthe  Unterschiede  von  der  gewöhn- 


Fig.  415.  A — B  verschiedene  Larvenstadien  von  Phoxichilidium  (nach 
DoiiRN,  Sempek  und  Adleez). 

A  freie  Lar-ve  mit  den  Eanken  an  den  beiden  hinteren  Extremitäten  (II  u.  III), 
£ — D  Larvenstadien  aus  Hydroidpolypen.  (A  ist  stärker  vergrössert  als  die  übrigen 
Figuren.) 

I—III  Extremitäten,  d  Darm,  bezw.  Divertikel  desselben,  dr  Drüsen  der  Ex- 
tremität I,  h  Larvenhaut,  in  der  Ablösung  begriffen,  n  Bauchganglienkette,  s  Schnabel. 


liehen  Pantopodenlarve  besitzt.  Diese  Larve  unterscheidet  sich  auch  durch  die 
Lebensweise  von  anderen  Phoxichilidien ,  indem  sie  nicht  in  das  Innere  der 
Polypen  eindringt,  sondern  sich  nur  mit  Hilfe  ihrer  Scheeren  am  Polypen 
festheftet  und  ihren  Schnabel  am  Grunde  eines  Köpfchens  in  den  Körper 
des  Polypen  einsenkt.     In  dieser  Stellung   verbleibt    die  Larve   bis   sie  bei- 


670  XIX.  Capitel. 

nahe  die  Gestaltung  des  fertigen  Thieres  erreicht  hat.  Aus  v.  Lendenfeld's 
Darstellung  dürfen  wir  wohl  entnehmen,  dass  die  weitere  Entwicklung  der 
von  ihm  aufgefundenen  Formen  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  übrigen 
Phoxichilidien  verläuft,  denn  auch  er  spricht  von  einem  zweibeinigen 
Stadium. 

Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  die  Larven  bei  der  Häutung  die 
Ranken  mit  den  Extremitäten  abwerfen  (Semper,  Dohen).  Die  Larven 
machen  mehrere  Häutungen  durch  (Fig.  415  B),  wobei  die  Extremitäten 

II  und  111  völlig  zurücktreten  (Semper),  doch  bleiben  nach  Adlerz 
noch  Reste  der  beiden  hinteren  Gliedmaassenpaare  erhalten  (Fig.  415 
C  und  D)  und  an  deren  Stelle  entstehen  später  die  Extremitäten  11  und 

III  des  ausgebildeten  Thieres.  Die  oft  zu  mehreren  Exemplaren  in 
einem  Polypen  vorkommenden  Larven  bieten  in  diesem  ersten  Stadium 
mit  ihren  stark  überwiegenden  vorderen  Extremitäten  einen  eigenthüm- 
lichen  Anblick  dar  (Fig.  415).  Auf  den  folgenden  Stadien  sieht  man  die 
Extremitäten  (auch  nach  den  Abbildungen  von  Adlerz)  noch  mehr  zu- 
rücktreten, doch  beginnen  sich  mit  den  Aussackungen  des  Darmes  die 
hinteren  Segmente  anzulegen  (Fig.  415  D).  Die  betreffenden  Ganglien- 
paare kommen  zur  Ausbildung,  und  bald  treten  dann  auch  die  Aus- 
buchtungen der  Körperwand  auf,  welche  die  Extremitäten  liefern  (Semper, 
Adlerz).  Die  hierbei  sich  vollziehenden  Vorgänge  scheinen  im  Ganzen 
ähnlicher  Natur  zu  sein,  wie  die  schon  früher  geschilderten.  Wenn  drei 
Gangbeinpaare  gebildet  sind  und  das  vierte  in  der  Anlage  vorhanden 
ist,  verlässt  das  junge  Thier  die  Hydroidpolypen  und  führt  fortan  ein 
freies  Leben. 

4.    Allgemeines. 

Wie  viel  auch  bereits  über  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der 
Pantopoden  geschrieben  worden  ist,  so  unklar  sind  dieselben  doch  bisher 
geblieben.  Leider  zeigt  sich  auch  die  Entwicklungsgeschichte,  insoweit 
sie  bisher  bekannt  wurde,  wenig  geeignet,  diese  Verhältnisse  zu  klären. 
Wenn  man  die  Pantopoden  zu  anderen  Abtheilungen  des  Thierreiches 
in  Beziehung  setzte,  so  dachte  man  hauptsächlich  an  die  Crustaceen 
und  Arachniden.  Für  den  Vergleich  mit  den  ersteren  war  vor 
allem  die  Form  der  Larve  maassgebend ;  bei  der  Zusammenstellung 
mit  den  letzteren  kam  mehr  die  Gestaltung  des  ausgebildeten  Thieres 
in  Betracht.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  im  ganzen  Habitus  der 
Pantopoden  noch  am  ehesten  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  Spinnen 
vorhanden  ist.  Bei  einer  näheren  Vergleiehung  tritt  aber  sofort  die 
Schwierigkeit  hervor,  dass  die  Pantopoden  ein  Gliedmaassenpaar  mehr 
als  die  Arachniden  besitzen.  Diese  Schwierigkeit  hat  man  so  zu  um- 
gehen gesucht,  dass  man  die  beiden  ersten  Extremitätenpaare  der  Panto- 
poden (Fig.  416  1  und  2)  den  Cheliceren  und  Pedipalpen  der  Arachniden 
gleichsetzt,  und  die  Gliedmaassen  111 — VI  den  Gangbeinen  derselben 
verglich  (Fig.  416  3—6).  So  würden  also  die  „Eierträger"  (Fig.  416  5) 
dem  ersten  Fusspaare  der  Arachniden  entsprechen  und  die  noch  übrig 
bleibende  Extremität  Vll  würde  dem  ersten  Abdominalbeinpaar  derselben 
homolog  sein.  Wenn  man  sieht,  dass  z.  B.  bei  den  Insecten  ein  Ab- 
dominalsegment vom  Hinterleib  abgegliedert  werden  und  in  engste  Be- 
ziehung zum  Thorax  treten  kann ,  so  Hesse  sich  eine  solche  Auffassung 
schon  vertheidigen.  Die  Vertreter  dieser  Auffassung  meinen,  dass  die  Hinzu- 
ziehung eines  neuen  Beinpaares  zur  Vermittelung  der  Ortsbewegung  durch 


Pantopoden. 


671 


die  Verwendung  der  dritten  Extremität  für  das  Geschäft  der  Brutpflege 
bedingt  sei.  Nach  dieser  Auffassung  würden  die  vier  Gangbeinpaare  der 
Pantopoden  nicht  denjenigen  der  Arachniden  homolog  sein.  Man  hat 
aber  auch  die  Möglichkeit  erwogen,  dass  dies  dennoch  der  Fall  sei  und 
musste  dann  den  Ausfall  einer  vorderen  Extremität  bei  den  Spinnen 
annehmen.  Es  wurde  schon  früher  (pag.  636)  darauf  hingewiesen,  dass 
man  im  Rostrum  der  Arachniden  ein  Extremitätenpaar  vermuthete. 

Bei  der  weiteren  Homologisirung  führt  auch  die  letztere  Annahme  zu 
gewissen  Schwierigkeiten  bezüglich  der  Lagerung  der  betr.  Extremitäten. 
Ein  genaueres  Eingehen  auf  die  verschiedenen,  noch  kaum  genügend  begrün- 
deten Ansichten  würde  hier  viel  zu  weit  führen,  doch  muss  noch  erwähnt 
werden,  dass  von  anderer  Seite  die  Eierträger  nicht  als  selbstständige  Ex- 
tremität, sondern  als  zu  Extremität  II  gehörig  angesehen  wurden.  Schim- 
kewitsch,  welcher  diese  Auffassung  vertritt  (No.  14  und  15)  stützte  sich  bei 
Vertheidigung  derselben  auf  die  Thatsache  der  Zweiästigkeit  der  Anlagen  der 


Fig.  416.     Männchen   von  Nymphon   hispidum  von  der  Bauchseite  gesehen. 
Die  Borsten  sind  weggelassen  (nach  Hoek,  aus  Lang's  Lehrbuch). 
1  —  7  Extremitäten,  ab  Abdomen,  s  Schnabel. 


Pedipalpen  bei  den  Embryonen  der  Spinnen  (pag.  582  und  636).  Jeder  der 
beiden  Aeste  soll  eine  Extremität  entstehen  lassen.  Diese  Annahme  wird  durch 
die  Entwicklungsgeschichte  nicht  gestützt,  da  bei  den  Pantopodenlarven  die 
Extremitäten  II  und  III  völlig  gesondert  bestehen.  Ebensowenig  scheint  die 
Auffassung  in  der  Entwicklungsgeschichte  begründet  zu  sein,  Avonach  der 
dreitheilige  Schnabel  der  Pantopoden  durch  Verschmelzung  eines  Extremitäten- 
paares und  einer  (unpaaren)  Oberlippe  entsteht.  Dann  würde  noch  ein 
weiteres  Extremitätenpaar  hinzukommen,  denn  dass  jene  paarigen  Stücke  nur 
Theile  einer  Extremität  sein  sollten ,  kann  man  nicht  annehmen.  Uebrigens 
hat  man  ja  auch  bei  den  Spinnen  an  das  Ausfallen  zweier  Extremitätenpaare 
gedacht  (Cronebekg,  pag.  636).  Aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  Pantopoden 
scheint  hervorzugehen,  dass  der  Schnabel,  wie  es  Dohrn  annimmt,  nur  einen 
vorgestülpten  Theil  des  Stomodaeums  darstellt.  Die  Zahl  der  Ganglien  ent- 
spricht derjenigen  der  Extremitäten,  allerdings  findet  Adleez  (beim  ausge- 
bildeten Thier)  ausser  den  Ganglien  der  Extremitäten  II  und  III  noch  ein 
weiteres  Paar,  welches  die  paarigen  Theile  des  Schnabels  innervirt.  Ein 
endgiltiges  Urtheil  über  diese  Verhältnisse  wird  sich  erst  gewinnen  lassen, 
wenn  sie  entwicklungsgeschichtlich  genügend  festgestellt  sein  werden. 


672  XIX.  Capitel. 

Die  Extremität  I  wird  vom  Gehirn  aus  innervirt,  während  die  Extremi- 
täten II  und  III  ihre  Nerven  vom  ersten  und  zweiten  Bauchganglion  empfangen. 
Hier  würde  es  nöthig  sein,  mit  Sicherheit  festzustellen,  ob  sich  ein  ursprüng- 
lich postorales  Ganglion  mit  dem  Gehirn  vereinigt,  wie  dies  bei  den  Crusta- 
ceen  und  Arachniden  der  Fall  ist.  Findet  ein  solcher  Vorgang  nicht  statt, 
so  müsste  man  die  bei  den  Arachniden  verloren  gegangene  Extremität  für 
die  Extremität  I  der  Pantopoden  halten  und  ihr  Homologon  in  den  vermeint- 
lichen Rostralextremitäten  der  Arachniden  suchen.  Freilich  will  es  nicht 
recht  einleuchten,  dass  die  scheerentragenden  ersten  Gliedmaassen  echte  An- 
tennen sein  sollen  und  nicht  vielmehr  den  Cheliceren  der  Arachniden  zu 
vergleichen  sind. 

Auf  verschiedene  Aehnlichkeiten  in  der  Entwicklung  der  Pantopoden 
mit  den  Entwicklungsvorgängen  bei  den  Arachniden  wurde  bereits  mehr- 
mals hingewiesen,  doch  scheinen  uns  dieselben  nicht  genügend,  um  daraus 
weitere  Folgerungen  für  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  beider 
Gruppen  ziehen  zu  können.  Neuerdings  hat  sich  Morgan,  hauptsächlich 
auf  seinen  entwicklungsgeschichtlichen  Untersuchungen  fussend,  wieder 
mehr  für  die  Verwandtschaft  der  Pantopoden  mit  den  Arachniden  aus- 
gesprochen. Es  scheint  uns,  dass  auf  diese  Stellungnahme  der  Bau  der 
Pantopodenaugen  von  ziemlichem  Einfluss  war;  nun  hat  aber  neuerdings 
Claus  gezeigt  (pag.  367  u.  639),  dass  auch  die  Medianaugen  der  Crustaceen 
durch  Inversion  entstehen  und  allem  Anschein  nach  eine  ähnliche  Lage- 
rung ihrer  Bestandtheile  aufweisen,  wie  sie  die  Augen  der  Pantopoden 
besitzen  (No.  2),  so  dass  durch  diesen  Charakter  der  Pantopoden  möglicher 
Weise  ebensowohl  eine  Annäherung  an  die  Crustaceen  als  an  die  Arach- 
niden gegeben  sein  könnte. 

Bei  der  Annahme  des  Ausfalls  einer  vorderen  Extremität  ist  man 
genöthigt,  den  Zusammenhang  der  Pantopoden  mit  den  Arachniden  in 
frühere  Zeit  zu  verlegen,  ehe  diese  aus  Formen  hervorgingen,  wrelche 
den  Xiphosuren  nahe  standen ,  denn  mit  diesen  stimmen  die  Arach- 
niden in  weit  mehr  Punkten  zusammen,  als  mit  den  Pantopoden.  Wenn 
die  Vereinigung  in  so  weit  zurückliegende  Zeit  verlegt  werden  muss, 
verlieren  die  wenigen  Vergleichspunkte  mit  den  Arachniden  aber  wieder 
an  Bedeutung,  da  sie  sich  hauptsächlich  auf  die  schon  höher  entwickelten 
Arachniden,  nicht  auf  deren  niedere  Formen  beziehen.  Die  Pantopoden 
aber  von  den  Arachniden  direct  abzuleiten,  scheint  unthunlich.  Dazu 
haben   diese   letzteren  schon  eine  allzu  hohe  Organisationsstufe  erreicht. 

Wenn  die  Pantopoden  mit  den  Arachniden  oder  anderen  gegliederten 
Formen  in  Verbindung  standen,  so  haben  sie  sich  doch  in  ihrer  ganzen 
Organisation  sehr  weit  von  diesen  entfernt  und  eine  bedeutende  Speciali- 
sirung  ihres  Baues  angenommen.  Das  bedeutende  Uebergewicht,  welches 
die  Extremitäten  gegenüber  dem  Rumpf  erhielten  und  das  fast  gänzliche 
Zurücktreten  des  letzteren  (Fig.  416)  bedingt  die  Verlagerung  der 
inneren  Organe  in  die  Gliedmaassen.  So  treten  zumal  die  Darmdivertikel 
und  die  Geschlechtsorgane  in  diese  hinein.  Die  Ausmündung  der  Genital- 
organe an  dem  zweiten  Gliede  der  Extremitäten  ist  wahrscheinlich  eine 
Folge  dieses  Verhaltens  und  daher  als  ein  secundärer  Charakter  anzu- 
sehen. In  dem  Falle,  wenn  sich  die  Geschlechtsöffnungen  nicht  an 
mehreren,  sondern  nur  an  den  Extremitäten  VII  finden  wie  bei  Pycno- 
gonum,  könnte  man  geneigt  sein,  dieses  Verhalten  auf  dasjenige  des 
Limulus  und  der  Arachniden  zu  beziehen,  bei  denen  die  Geschlechts- 
öffnungen am  ersten  Abdominalsegment  liegen,    und  es  für  ursprünglich 


Pantopoden.  673 

zu    halten;    doch    liegen   für   eine    solche    Annahme   keine   zwingenden 
Gründe  vor. 

Das  Zurücktreten  des  Rumpfes  gegen  die  Extremitäten  wird  noch 
auffälliger  durch  die  starke  Reduction,  welche  das  Abdomen  erfahren 
hat.  Dasselbe  stellt  nur  einen  kurzen,  stummeiförmigen  Anhang  des 
Körpers  dar  (Fig.  416),  doch  beweist  das  Vorhandensein  zweier  Ganglien- 
paare  im  Hinterleib  (Dohrn),  dass  derselbe  ursprünglich  aus  mehr  Seg- 
menten bestand.  Bei  Ammothea  und  Zetes  lässt  denn  auch  das 
Abdomen  äusserlich  eine  Zweitheilung  erkennen,  und  bei  einigen  anderen 
Pantopoden  sollen  sogar  noch  mehrere  (drei  bis  sieben)  Segmente  nach- 
weisbar sein  (Hoek,  No..  7,  pag.  453  und  454). 

Sollten  die  Pantopoden  mit  der  Wurzel  des  Arachnidenstammes  zu- 
sammenhängen, so  würden  sich  hierdurch  gewisse  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen zu  den  Crustaceen  ergeben.  Letztere  erscheinen  uns  jedoch 
ihrer  Natur  nach  zu  ferne,  als  dass  wir  Beziehungen  zwischen  der 
Pantopodenlarve  und  dem  Nauplius  annehmen  könnten.  Diejenigen 
neueren  Beobachter,  welche  sich  am  eingehendsten  mit  der  Pantopoden- 
entwicklung  beschäftigt  haben,  vermögen  keine  engeren  Beziehungen 
zwischen  der  Pantopodenlarve  und  dem  Nauplius  aufzufinden.  Hoek 
fasst  die  Larve  als  das  Abbild  einer  ursprünglichen  Stammform  auf,  in 
ähnlicher  Weise,  wie  man  dies  mit  dem  Nauplius  gethan  hat.  Dohrn 
sieht  die  Pantopodenlarve  wie  den  Nauplius  als  eine  modificirte  Anne- 
lidenlarve an,  indem  er  die  Pantopoden  von  Anneliden-ähnlichen  Formen 
herleitet.  Morgan  endlich  vermag  sich  dieser  Auffassung  nicht  anzu- 
schließen, sondern  betrachtet  die  Larve  als  eine  secundäre  Larvenform, 
welche  sich  nicht  mehr  auf  die  Annelidenlarve  beziehen  lässt.  Uns 
scheint,  als  ob  diese  letztere  Auffassung  sich  mit  der  von  Dohrn  leicht 
vereinigen  Hesse. 

Die  Auffassung  der  Larvenform  steht  im  Zusammenhang  mit  der- 
jenigen von  der  ganzen  Organisation  des  ausgebildeten  Thieres.  Dohrn 
leitet  die  Pantopoden  von  den  Anneliden  her,  ohne  sie  mit  den  Crustaceen 
und  Arachniden  in  Beziehung  zu  setzen.  Er  fasst  sie  also  als  gesonderte, 
unabhängige  Gruppe  auf.  Letzteres  ist  auch  der  Standpunkt  von  Hoek 
(No.  7).  Morgan  hingegen  kehrt  mehr  die  Beziehungen  zu  den  Arach- 
niden hervor.  Dazu  ist  auch  Schimkewitsch  geneigt  (No.  15).  Er 
schreibt  den  Pantopoden  die  gleiche  Stammform  zu,  welche  auch  den 
Arachniden  zukommt,  meint  aber,  dass  sie  sich  bereits  zu  einer  frühen 
Zeit  nach  einer  anderen  Richtung  abgezweigt  und  in  differenter  Weise 
entwickelt  haben.  Der  neueste  Bearbeiter  der  Pantopoden,  G.  0.  Sars 
(No.  13),  stellt  sie  weder  zu  den  Crustaceen  noch  Arachniden,  sondern 
will  eine  eigene  Classe  für  sie  gegründet  wissen.  Das  Resultat  von  alle- 
dem ist,  dass  man  auch  heute'noch  nicht  die  Stellung  der  Pantopoden 
einigermaassen  sicher  zu  präcisiren  vermag.  Im  Ganzen  kann  man  sich 
bei  dem  jetzigen  Stand  der  Kenntnisse  noch  am  ehesten  den  Ausfüh- 
rungen von  Dohrn  anschliessen  (No.  4).  Wenn  wir  trotzdem  die  Panto- 
poden hinter  die  Arachniden  einreihten  und  ihre  möglichen  Beziehungen 
zu  diesen  erörterten,  so  geschah  ersteres  mehr  aus  praktischen  Gründen, 
weil  man  sie  anderswo  noch  weniger  passend  unterbringen  kann  und 
letzteres,  weil  sich  einige,  wenn  auch  vorläufig  noch  recht  schwache  An- 
klänge an  die  Arachnidenentwicklung  zu  ergeben  scheinen. 


674  XIX.  Capitel. 


Litteratur. 

Von  den  vielen  Abhandlungen,  in  welchen  Entwicklungsstadien  (Larven)  der 

Pantopoden  beschrieben  sind,  können  wir  hier  bei  weitem  nicht  alle  anführen,  sondern 

müssen  in  dieser  Beziehung  auf  die  folgende  Litteratur  verweisen. 

1.  Adlerz,    G.     Bidrag   tili   Pantopodernas   Morfologi  och   Utvecklings    historia.     Bihang 

tili  k.  Svenska  Vetenskap.    Akad.  Handlingur.    13.  Bd.    IV.  Afd.    No.  11.    Stockholm 
1888. 

2.  Claus,  C.      Ucber  den  feineren  Bau  des  Medianauges  der  Crustaccen.    Anz.  k.  k.  Akad. 

Wiss.      JVien   M™  1891.     No.  XII. 

3.  Dohrn,  A.     Untersuchungen  über  Bau  und  Entwicklung  der  Arthropoden.     2.  Pycno- 

goniden.     Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw.     5.  Bd.     1870. 

4.  Dohrn,    A.      Die   Pantopoden   des    Golfes  von  Neapel.     Fauna   und  Flora   des   Golfes 

von  Neapel.      3.  Monographie.     Leipzig  1881. 

5.  Faxon,  W.      Bibliograph?/  to  accompany   „Selections  from  Embryological  Monographs1'. 

Pycnogonida.     Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  Harvard  College.     Vol.  IX.     1882.    pag.  247 
(enthält  die  älteren  Litteraturangaben) . 

6.  Hoek ,    P.    P.    C.      Report   on    the  Pycnogonida.      Voyage   of  H.    M.   S.   Challenger. 

Zoology   Vol.  III.     1881. 

7.  Hoek,    P.  P.  C.     Nouvelles   Etudes   sur   les  Pycnogonides.     Arch.  Zool.    exp.    et  gin. 

T.  IX.     Paris   1881. 

8.  Hodge,   G.      Observations    on    a   species    of  Pycnogon  (Phoxichilidium    coccineum)    with 

an   attempt   to    explain   the   order   of  its   development.     Annais   and  Mag.  Nat.  Mist. 
3.  Ser.     Vol.  IX.     1802. 

9.  Iiendenfeld,  R.  von.     Die  Zarvenentwicklung  von  Phoxichilidium  plumulariae. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     38.   Bd.     1883. 

10.  Morgan,    T.  H.     Preliminary   Note  on   the  Fmbryology   of  the  Pycnogonids.     Johns 

Hopkins   Univ.  Circulars.     Baltimore.      Vol.  IX.     No.  80.    1890. 

11.  Morgan,    T.  H.     The   relationships  of  the  Seaspiders.     Biologwal  lectures  delivered  at 

the  Marine  Biological  Laboratory  of   Woods  Holl.     Boston  1891. 

12.  Morgan,    T.  H.     A  Contribution   to    the    Embryology   and  Phylogeny   of  the   Pycno- 

gonids.     Studies  from   the  Biological   Laboratory   of  the  Johns    Hopkins    University . 
Baltimore.      Vol.  5.     1891. 

13.  Sars,    G.   O.     Pycnogonidea.     Den  Norske   Nordhavs-Expedition  1876 — 78.     Bd.  20. 

Christiania  1891. 

14.  Schimkewitsch,  W.    Etüde  sur  Vanatomie  de  l'Epeire.    Ann.  sc.  nat.    6.  ser.    T,  17. 

1884. 

15.  Schimkewitsch ,    W.     Les  Arachnides  et  leurs  affinites.    Archives  Slaves  de  Biologie 

T.  I.     Paris  1886. 

16.  Semper,    C.       Ueber   Pycnogoniden   und   ihre    in    Hydroiden   schmarotzenden    Larven- 

formen.   Arb.  Zool.  Inst.   Univ.      Würzburg.     1.  Bd.     1874. 


Capitel. 

TARDIGRADEN. 


Die  Eier  werden  entweder  einzeln  abgelegt  (Macrobiotns  Hufe- 
landi)  oder  zu  mehreren  in  der  abgeworfenen  Haut  zurückgelassen. 
Im  ersteren  Falle  ist  die  Eihaut  von  kleinen  Höckern  dicht  bedeckt 
und  dadurch  die  Beobachtung  sehr  erschwert,  im  letzteren  Falle  ist  die 
Eihülle  glatt  und  durchsichtig.  Verhältnissmässig  günstig  für  das  Studium 
scheint  die  von  Kaufmann  beobachtete  Art  zu  sein.  Daran  Hess  sich 
feststellen,  dass  die  Furchung  eine  totale  und  äquale  ist,  wie  auch 
v.  Siebold  bereits  nachgewiesen  hatte.  Kaufmann  verfogte  die  Furchung 
bis  zur  Bildung  eines  aus  ungefähr  gleich  grossen  Zellen  zusammenge- 
setzten „  Maulbeerstadiums u.  Er  beobachtete  sodann  die  Abtrennung 
einer  peripheren  Zellschicht  von  der  centralen  Masse  und  die  nunmehr 
erfolgende  Einkrümmung  des  Embryos.  Die  concave  Seite  scheint  der 
Bauchfläche  zu  entsprechen,  denn  hier  kommen  beiderseits  die  Glied- 
maassen  zur  Anlage.  Zuerst  treten  zwei  Paar  von  Höckern  auf,  allem 
Anschein  nach  die  beiden  vorderen  Gliedmaassenpaare,  sodann  folgt  das 
dritte  und  vierte  Paar.  Beim  Verlassen  des  Eies  besitzen  die  jungen 
Thiere  die  volle  Zahl  der  Extremitäten  und  überhaupt  im  Ganzen  bereits 
die  Gestaltung  des  Mutterthieres. 

Die  Angabe  von  Siebold's  (No.  4,  pag.  553),  dass  die  Em y dien,  mit 
nur  drei  Beinpaaren  versehen ,  das  Ei  verlassen ,  dürfte  wohl  auf  ein  Miss- 
verstehen der  Angaben  Doyere's  (No.  1)  zurückzuführen  sein,  welcher 
Forscher  angiebt,  dass  die  Extremitäten  dieser  Formen  nicht  völlig  ausge- 
bildet sind .  nicht  aber ,  dass  die  letzteren  eines  Beinpaares  ganz  entbehren. 
Ob  v.  Siebold  selbst  Beobachtungen  in  dieser  Hinsicht  gemacht  hat,  geht 
aus  seiner  Darstellung  nicht  hervor.  Wegen  des  verschiedentlich  angestellten 
Vergleiches  der  Tardigraden  mit  den  Acarinen  würde  dieses  Verhalten 
von  Interesse  sein. 

Leider  sind  die  Angaben  über  die  Entwicklung  der  Tardigraden  so 
dürftige,  dass  aus  ihnen  für  die  Auffassung  der  ganzen  Gruppe  kaum 
ein  Gewinn  zu  ziehen  ist.  Es  lässt  sich  aus  diesen  Angaben  nicht  ein- 
mal mit  Sicherheit  erkennen,  ob  es  zur  Bildung  eines  Blasto- 
derms  und  Keimstreifens  kommt,  obwohl  eine  solche  als  wahrschein- 
lich   anzunehmen   ist.     Die   Mundbewaffnung   entsteht   offenbar   als   ein 


676  XX.  Gapitel. 

Product  des  Vorderdarmes,  wie  auch  schon  aus  dem  anatomischen  Ver- 
halten zu  entnehmen  ist;  Mundwerkzeuge  (im  Sinne  der  Arthropoden) 
kommen  allem  Anschein  nach  nicht  zur  Anlage.  Schon  aus  diesem 
Grunde  lässt  sich  eine  Anreihung  der  Tardigraden  an  die  Arachniden 
und  besonders  an  die  Acarinen,  wie  sie  verschiedentlich,  wohl  hauptsäch- 
lich im  Hinblick  auf  Zahl  der  Beinpaare,  vorgenommen  wurde,  nicht  auf- 
recht erhalten.  In  Bezug  auf  die  Zahl  der  Extremitäten  lassen  sich  die 
Tardigraden  überhaupt  nicht  mit  einer  der  anderen  Abtheilungen  der 
Arthropoden  in  Vergleich  bringen  und  die  Gestaltung  der  Gliedmaassen 
ist  eine  so  einfache,  dass  die  Tardigraden  auch  in  dieser  Beziehung 
von  allen  Arthropoden  abweichen.  Die  Gliederung  des  Körpers  ist 
bei  den  Tardigraden  dadurch  eine  eigentümliche,  dass  das  Abdomen 
fehlt  und  der  After  vor  dem  letzten  Beinpaar  gelegen  ist.  Auch  die 
übrige  Organisation  der  Tardigraden  bietet  noch  verschiedene  Eigen- 
thümlichkeiten  dar,  welche  sie  von  den  übrigen  Arthropoden  scheidet; 
wir  erwähnen  z.  B.  die  glatte  Musculatur  und  das  Fehlen  besonderer 
Athmungsorgane,  sowie  eines  Gefässsystems.  Alle  diese  und  noch  mehrere 
andere  Gründe  (vgl.  Plate,  No.  3)  haben  dazu  geführt,  die  Tardigraden 
für  einen  Seitenzweig  des  Arthropodenstammes  anzusprechen,  welcher 
sich  bereits  nahe  der  Wurzel  von  diesem  abgespalten  und  in  einseitiger 
Weise  fortentwickelt  hat. 


Litteratur. 

1.  Doyere,   M.     Memoire   sur   les    Tardigrades.     Ann.    Sc.    Xat.     2e  ser.     T.  14.     Zool. 

1840. 

2.  Kaufmann,    J.      lieber   die   Entwicklung    und  systematische  Stellung    der   Tardigraden. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     3.  Bd.     1S51. 

3.  Plate,  L.     Beiträge  zur  Naturgeschichte  der   Tardigraden.     Zool.  Jahrbücher.     Abth.  f. 

Anat.,  Ont.     3.  Bd.     1888. 

4.  Siebold,   C.   Th.  von.     Zehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie  der  wirbellosen  Thiere. 

Berlin  1848.    pag.  552  u.  553. 


XXL  Capitel. 

ONYCHOPHOREN. 
(Peripatus.) 


Beschaffenheit  der  Eier  und  Ernährung  des  Embryos  durch  das 

Mutterthier.  Die  Eier  von  Peripatus  machen  ihre  Entwicklung  im 
Uterus  durch,  doch  verhalten  sich  die  den  drei  verschiedenen  Welttheilen 
angehörenden  Alten  in  dieser  Beziehung  ziemlich  abweichend  von  einander. 
Genauer  untersucht  wurden  daraufhin  bis  jetzt  P.  novaezealandiae 
(Australien),  P.  capensis  und  balfouri  (Afrika),  P.  edwardsii, 
torquatus  und  imthurni  (Südamerika).  Die  Differenzen  in  der 
Entwicklungsweise  der  betreffenden  Arten  finden  ihren  Ausdruck  bereits 
in  dem  Grössenverhältniss  der  Eier  und  der  reifen  Embryonen.  Die 
ovalen  Eier  des  P.  novaezealandiae  sind  1,5  mm  lang  und  1  mm 
dick,  die  zur  Welt  kommenden  Jungen  sind  aber  nicht  viel  umfangreicher 
als  das  Ei  selbst;1)  bei  P.  capensis  und  balfouri  besitzt  das  Ei 
eine  Länge  von  0,4 — 0,6  mm,  die  Embryonen  dagegen  messen  10 — 15  mm 
(bei  P.  balfouri  etwa  die  Hälfte)  in  der  Länge  und  bei  P.  edwardsii 
erreichen  sie  sogar  eine  Länge  von  22  mm,  d.  h.  ein  Drittel  der  Länge 
des  Mutterthieres,  während  die  Eier  dieser  Form  nur  0,04  mm  im  Durch- 
messer halten.  Die  Arten,  deren  Embryonen  den  grössten  Umfang  er- 
reichen, besitzen  also  die  kleinsten  Eier,  während  umgekehrt  die  Arten 
mit  grossen  Eiern  nur  kleine  Embryonen  hervorbringen.  Die  Erklärung 
dieser  auffallenden  Thatsache  ist  darin  zu  finden,  dass  bei  den  süd- 
amerikanischen Arten  das  Ei  bezw.  der  Embryo  in  enge  Beziehungen 
zum  Mutterthier  tritt  und  durch  „Placenta  und  Nabelstrang"  (Fig.  430, 
pag.  690)  eine  Ernährung  desselben  bewirkt  wird.  Daher  sind  die  Eier 
in  diesem  Falle  so  ausserordentlich  klein  und  entbehren  des  Nährmaterials. 


J)  Wir  halten  uns  hierbei  an  die  bestimmten  Angaben  v.  Kennel's  (No.  4), 
welche  auf  eigener  Untersuchung  des  Objectes  beruhen,  obwohl  wir  die  Angaben 
Hutton's  (No.  3)  über  die  Grösse  der  neugeborenen  Jungen  von  P.  novae- 
zealandiae kennen.  Danach  messen  dieselben  8  —  12  mm.  Da  den  Angaben 
v.  Kennel's  von  seiten  der  spateren  Untersucher  des  neuseeländischen  Peripatus  nicht 
entgegengetreten  wurde,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  die  Differenz  nur  eine  schein- 
bare ist  und  die  Grösse  des  Embryos  gegenüber  dem  Ei  nicht  sowohl  auf  seine  grössere 
Masse,  sondern  vielmehr  auf  sein  Längenwachsthum  und  seine  Ausdehnung  nach  Ver- 
lassen der  Eihülle  zurückgeführt  werden  muss. 

Korse helt-Heider,  Lehrbuch.  44 


678  XXI.  Capitel. 

Bei  den  afrikanischen  Arten  sind  die  Eier  grösser,  stehen  aber  in  keinem 
Yerhältniss  zum  Umfang  des  Embryos.  Hier  gehen  die  Embryonen  zwar 
keine  Verbindung  mit  der  Uteruswand  ein,  aber  sie  ernähren  sich  jeden- 
falls durch  ein  von  dem  Uterus  geliefertes  flüssiges  Material.  Bei  dem 
neuseeländischen  Peripatus  ist  eine  derartige  Ernährung  von  seiten  der 
Mutter  nicht  nöthig,  da  der  Umfang  des  Embryos  denjenigen  des  Eies 
nicht  wesentlich  übertrifft.  In  diesem  letzteren  Falle  muss  also  das 
Material  zur  Ausbildung  des  Embryos  im  Ei  selbst  enthalten  sein.  Und 
wirklich  findet  man  bei  P.  no  vaezealand  iae  ein  sehr  dotterreiches  Ei, 
wie  es  in  ganz  ähnlicher  Weise  den  meisten  Arthropoden  zukommt.  Auch 
die  Furchung  stimmt  im  Ganzen  mit  den  Erscheinungen  überein,  wie 
sie  beispielsweise  bei  den  Insecten  statthaben.  Bei  den  kaum  in  Abrede 
zu  stellenden  nahen  Beziehungen  des  Peripatus  zu  den  Arthropoden  liegt 
es  nahe,  die  Verhältnisse,  wie  sie  sich  bei  dem  neuseeländischen  Peri- 
patus finden,  für  die  ursprünglichen  anzusehen. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Peripatus,  wie  die  landlebenden  Arthropoden  im 
Allgemeinen,  dotterreiche  Eier  hervorbrachte  und  dieselben  ablegte.  Daran 
erinnert  das  Vorhandensein  einer  festeren  Eihülle  bei  der  neuseeländischen  Art, 
worauf  schon  Sedgwtick  (No.  11)  aufmerksam  machte,  und  auch  das  Ablegen 
noch  nicht  völlig  entwickelter  Eier,  wie  es  bei  dieser  Art  vorkommt,  dürfte 
darauf  hinweisen,  selbst  in  Anbetracht  dessen,  dass  so  früh  abgelegte  Eier 
nicht  zu  völliger  Ausbildung  kommen  (Huttox,  No.  3).  Die  Fähigkeit,  die 
Eier  im  Innern  des  Körpers  zur  Entwicklung  zu  bringen,  dürfte  erst  secundär 
erworben  sein.  Das  dotterreiche  Ei  der  neuseeländischen  Form,  welches  im 
Uterus  zur  Entwicklung  kommt,  stellt  die  erste  Stufe  dieses  neuerworbenen 
Entwicklungsganges  dar.  Eine  Anhäufung  von  Nährmaterial  in  einem  Ei, 
welches  sich  im  Uterus  entwickelt,  ist  unnöthig,  was  gegen  die  Annahme 
spricht ,  dass  bei  der  neuseelandischen  Art  eine  abgeleitete  Form  der  Ver- 
sorgung des  Eies  mit  Nährmaterial  vorliegt.  Eine  weitere  Stufe  in  der  An- 
passung dürfte  P.  capensis  darstellen.  Seine  Eier  zeigen  eine  schwammige 
Structur,  als  ob  sie  von  flüssiger  Dottermasse  durchsetzt  wären  und  dies  so- 
wohl ,  wie  ihr  Entwicklungsmodus ,  scheint  darauf  hinzudeuten ,  dass  sie 
gewissermassen  einen  Rückbildungszustand  dotterreicher  Eier  repräsentiren. 
Uebrigens  treten  auch  vereinzelte  Dotterkörner  in  diesen  Eiern  auf  und  bei 
P.  balfouri  ist  das  Ei  sogar  noch  ziemlich  reich  an  geformter  Dotter- 
substanz. Bei  den  westindischen  Arten  ist  die  Ernährung  des  Embryos  eine 
so  vollständige  geworden,  dass  von  dem  früheren  Dotterreichthum  der  Eier 
keine  Spur  mehr  übrig  geblieben  ist,  und  die  Eier  selbst  ausserordentlich 
klein  geworden  sind.  Naturgemäss  finden  diese  biologischen  Verhältnisse 
auch  im  Entwicklungsmodus  der  einzelnen  Arten  ihren  Ausdruck. 


1.   Furcliung  und  Keiull)lätte^l)ildlmg,. 

Obwohl  die  erste  Entwicklung,  Furchung  und  Keimblätterbildung  des 
Peripatus  zu  wiederholten  Malen  und  bei  den  verschiedenen  Arten  Gegenstand 
eingebender  Untersuchungen  gewesen  ist,  so  blieb  unsere  Kenntniss  dieser 
Vorgänge  dennoch  eine  sehr  lückenhafte.  Es  scheint  dies  besonders  an  der 
Schwierigkeit  der  Beschaffung  des  Materials  zu  liegen,  denn  die  Eier,  welche 
den  nach  Europa  gebrachten  lebenden  Thieren  entnommen  wurden,  zeigten 
theilweise  einen  so  schlechten  Erhaltungszustand  (z.  B.  Sedgwick,  No.  10, 
Theil  I,   Fig.  7 — 13),    dass  die   daran  ausgeführten  Untersuchungen    keinen 


Onychophoren. 


679 


grossen  Werth  zu  beanspruchen  vermögen.  Zum  Theil  sind  die  Beobach- 
tungen auch  unvollständig ,  oder  es  machen  sich ,  wie  bei  den  von  Kennel 
genau  untersuchten  südamerikanischen  Arten,  schwerwiegende  Meinungs- 
differenzen zwischen  den  Autoren  (y.  Kennel  und  Sclater)  geltend,  welche 
nur  auf  Grund  erneuter  Untersuchungen  ihre  endgiltige  Lösung  erfahren 
können.  Aus  diesen  Gründen  ist  eine  zusammenhängende  Darstellung  der 
ersten  Enxwicklungsvorgänge  und  die  besonders  wünschenswerte  Beziehung 
derselben  (bei  den  verschiedenen  Arten)  auf  einander  vorläufig  noch  nicht 
zu  geben.  "Wir  betrachten  zuerst  die  Entwicklung  von  P.  novaezealandiae, 
da  sie  aus  den  oben  besprochenen  Gründen  die  ursprünglichsten  Verhältnisse 
darbieten  dürfte  und  schliessen  daran  diejenige  der  afrikanischen  Arten  an. 
Die  südamerikanischen  Arten  beanspruchen  nach  dem  uns  bisher  bekannt 
Gewordenen  eine  gesonderte  Stellung. 

A.  Peripatus  novaezealandiae. 

Die  Furchung  ist  eine  superfizielle.  In  dem  dotterreichen  Ei  scheint 
der  Furchungskern  eine  periphere  Lage  zu  haben.  Aus  seiner  Theilung 
resultiren  die  von  Protoplasmainseln  umgebenen  Kerne,  welche  zum  grossen 
Theil  ebenfalls  eine  periphere  Lagerung  beibehalten,  doch  rücken  ein- 
zelne Kerne  in  das  Centrum  des  Eies  hinein,  wie  aus  den  von  Frl. 
Lilian  Sheldon  gegebenen  Bildern  zu   ersehen  ist   (Fig.  417,  No.  12). 


Auf  die  Vertheilung  von 
Kernen  im  Dotter  ist  es  wohl 
zurückzuführen,  dass  dieser  zum 
Theil  in  einzelne  abgerundete 
Complexe  zerfällt  (Fig.  418  Ä), 
obwohl  von  L.  Sheldon  nicht 
immer  Kerne  in  diesen  weder 
bezüglich  ihres  Auftretens  noch 
ihrer  Gestaltung  regelmässigen 
Dottersegmenten  nachgewiesen 
werden  konnten.  Dieser  Zerfall 
des  Dotters  hatte  frühere  Forscher 

(Hutton,  No.  3 ,  v.  Kennel, 
No.  4,  Theil  I),  welche  ihre  Be- 
obachtungen nur  an  ungenügen- 
dem Material  anstellen  konnten, 
zu  der  Auffassung  geführt,  als 
ob  das  Ei  des  neuseeländischen 
Peripatus  eine  totale  Furchung 
durchmache. 


Tig.  417.  Schnitt  durch  das  Ei  von 
P.  novaezealandiae  (nach  L.  Sheldon). 

Im  Dotter  rinden  sich  von  Protoplasma- 
höfen umo-ehene  Kerne. 


Nach  der  von  L.  Sheldon  gegebenen  Darstellung  scheinen  der 
Furchungskern  und  die  zuerst  auftretenden  Kerne  an  der  späteren  Dor- 
salseite und  gegenüber  der  Stelle  zu  liegen,  wo  der  Blastoporus  gebildet 
wird.  Diese  Kerne  vermehren  sich  und  bilden  eine  periphere  Anhäufung 
(p  r  o  t  o  p  1  a  s  m  i  c  oder  p  o  1  a  r  a  r  e  a ,  Fig.  41 8  A,  a),  von  welcher  aus  so- 
dann eine  Umwachsung  des  Dotters  vor  sich  geht  (Bildung  des  Blastoderms). 
Durch  rege  Vermehrung  der  Kerne  und  stetes  Vorrücken  an  der  Peripherie 
wird  diese  vollzogen  (Fig.  418  B)  und  rückt  bis  zu  einer,  der  ursprüng- 

vor ,    welche 
44* 


liehen  Kernanhäufung  ungefähr  gegenüber 


liegenden  Stelle 


680 


XXI.  Capitel. 


unbedeckt  bleibt.  Hier  erfolgt  dann  eine  Wucherung  der  Zellen,  wo- 
durch das  Bild  einer  Einstülpung  erhalten  wird  (Fig.  419  A  und  B). 
Die  Einstülpungsstelle  ist  der  Blastoporus  (bl).  Der  Boden  der  Ein- 
stülpung wird  vom  Dotter  gebildet,  in  welchem  Kerne  zu  erkennen  sind 
(Fig.  419  B).  Die  Keimblätter  erscheinen  in  der  den  Blastoporus  um- 
gebenden Zellenmasse,  welche  die  Anlage  des  Keimstreifens  darstellt, 
noch  nicht  gesondert.  Frl.  Sheldon  scheint  anzunehmen,  dass  der  unter 
der  oberflächlichen  Zellschicht  (dem  Ectoderm)  gelegene  Theil  der  Zell- 
masse grösstentheils  das  Mesoderm  liefert,  während  das  Entoderm  aus 
den  am  weitesten  nach  innen  gelegenen  Zellen  und  grösstentheils  unter 
Theilnahme  der  noch  im  Dotter  enthaltenen  Kerne  entsteht.  Der  Blasto- 
porus streckt  sich  später  in  die  Länge  und  stellt  dann  eine  schmale 
Rinne  dar,  deren  Boden  von  dem  kernhaltigen  Dotter  gebildet  wird. 
Damit  sind  dann  ähnliche  Verhältnisse  wie  die  von  P.  capensis  noch 
zu  schildernden  (Fig.  426  A)  gegeben. 


Fig1.  418.  A  und  B  Theile  von  Schnitten  durch  das  Ei  von  P.  novaezea- 
landiae,  im  Stadium  der  Blastodermbildung  (nach  L.  Sheldok).  A  zeigt  die  „polar 
area"  und  die  Dotterzerklüftung,    B  die  beginnende  Umwachsung  des  Eies. 

a  „polar  area",  ds  „Dottersegmente". 


Die  von  L.  Sheldon  gegebene  Darstellung  und  ihre  Abbildungen  fordern 
eine  weitere  Erklärung  dieser  Vorgänge  heraus.  Soweit  wir  aus  diesen  Dar- 
stellungen zu  erkennen  vermögen ,  wird  der  Umwachsungsprocess  als  eine 
Gastrulation  durch  Epibolie  aufgefasst.  Dann  würde  die  Dotterraaase  mit 
den  eingelagerten  Kernen  dem  Entoderm  entsprechen.  Bei  Betrachtung  der 
Bilder  drängt  sich  uns  eine  andere  Auffassung  auf,  welche  im  Hinblick 
darauf  einige  Wahrscheinlichkeit  haben  dürfte ,  dass  wir  es  hier  ähnlich 
wie  bei  vielen  Arthropoden  mit  einem  sehr  dotterreichen  Ei  zu  thun 
haben.  Sei  es ,  dass  das  Blastoderm  wirklich  durch  Umwachsung  des  Eies 
von  dem  einen  Pol  her  gebildet  wird ,  oder  dass  die  im  Dotter  enthaltenen 
Kerne,  indem  sie  an  die  Oberfläche  rücken,  mit  zu  seiner  Entstehung  bei- 
tragen, jedenfalls  fordert  die  in  den  verschiedenen  Stadien  in  gleicher  Weise 
wiederkehrende  periphere  Zellenanhäufung  dazu  heraus,  sie  mit  der  Zellen- 
anhäufung in  der  Umgebung  des  Blastoporus  zu  identificiren  (vgl.  Fig.  418 
und  419).  Man  würde  dann  nicht  an  die  bei  so  dotterreichen  Eiern  un- 
gewöhnliche Gastrulation  durch  Epibolie  zu  denken  haben ,  sondern  vielmehr 
annehmen  müssen,  dass  an  dem  Punkt,  wo  jene  Zellenanhäulüng  sich  findet, 


Onychophoren. 


681 


eine  Einsenkung  (InvaginatioD)  erfolgt  (Fig.  419  B).  Ob  der  Boden  dieser 
Einsenkung  vom  Dotter  (mit  eingelagerten  Kernen)  gebildet  wird ,  oder  ob 
ein  geschlossener  Urdarm  vorhanden  ist,  müsste  in  diesem  Falle  noch  fest- 
gestellt werden.  "Wenn  sich  der  Blastoporus  später  in  die  Länge  streckt, 
(vgl.  auch  P.  capensis),  so  würden  damit  ähnliche  Verhältnisse  vorliegen 
wie  bei  der  Gastrulation  der  In- 
secten  (pag.  806).  Bei  den  letz- 
teren weisen  übrigens  ebenfalls  wie 
bei  Peripatus  Mund  und  After  Be- 
ziehungen zu  den  beiden  Endpunkten 
des  langgestreckten  Blastoporus  auf. 
Bei  einer  derartigen  Auffas- 
sung der  Furchung  und  Keimblät- 
terbildung könnte  auffallen ,  dass 
die  Invagination  allem  Anschein 
nach  am  animalen  Pole  des  Eies 
erfolgt.  Wenn  man  aber  bedenkt, 
dass  bei  P.  capensis  das  Gehirn 
in  unmittelbarer  Nähe  des  Blasto- 
porus angelegt  wird,  so  geht 
daraus  hervor,  dass  der  vegetative 
Pol ,  bezw.  die  Gegend  der  Ento- 
dermbildung    sehr    nahe    an    den 

animalen  Pol    herangerückt  ist, 
ohne   dass  man  deshalb   von  einer 

Gastrulation    am   animalen    Pol 
sprechen    könnte.      Ganz    ähnlich 

liegen  die  Verhältnisse  bei  den 
Insecten  und  bei  vielen  Crusta- 

ceen  (pag.  343).  Ueberhaupt 
wird  die  hier  vertretene  Auffas- 
sung durch  das  Verhalten  jener 
Crustaceen  unterstützt ,  bei 
denen  die  Umwachsung  des  Dotters 
(oder  die  Blastodermbildung  über- 
haupt) von  einem  Punkte  aus  er- 
folgt und  in  der  Gegend  jenes 
Punktes  dann  die  Gastrulation  vor 
sich  geht  (pag.  319). 

Ueber  die  hier  in  Rede  stehen- 
den Vorgänge  aus  der  Entwick- 
lung des  P.  capensis  Aufschluss 
zu  erhalten,  ist  bei  der  bisherigen 
Kenntniss  derselben  unmöglich. 


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J '    nJ'-iT 1(7  „Ol-)v^.QuCWo  >,uVc* 
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Fig.  419.  A  und  B  Schnitte  durch  das 
Ei  von  P.  novaezealandiae  auf  dem 
Stadium  nach  der  Blastodermbildung'  und 
Invagination  (nach  L.  Sheldon). 

bl  Blastoporus. 


B.    Peripatus  capensis. 

Peripatus  capensis  besitzt  infolge  der  dotterärmeren  Eier  eine 
anscheinend  totale  Furchung-.  Nach  den  Angaben  von  Sedgwick  soll  am 
Ei  ein  animaler  (der  späteren  Dorsalseite  entsprechender)  und  ein  vege- 
tativer Pol  zu  unterscheiden  sein.  Zwei  meridionale  Furchen  zerlegen  das 
Ei  in  vier  gleich  grosse  Blastomeren,  von  denen  jede  einen  Theil  des 
animalen   und   vegetativen  Plasmas  erhält.     Die  Theilungsebenen   sollen 


682  XXI.  Capitel. 

übrigens  das  Ei  nicht  völlig  durchschneiden,  so  dass  die  Blastomeren 
central  vereinigt  sind.  Durch  eine  Aequatorialfurche  werden  später  die 
aninialen  Theile  als  Ectodermzellen  von  den  grösseren  Entodermblasto- 
nieren  abgeschnürt.  Beide  bilden  dann  eine  ziemlich  weite  Keimblase, 
indem  der  obere  Theil  derselben  von  den  kleineren  Ectoderm-,  der  untere 
Theil  von  den  umfangreicheren  Entodermzellen  geliefert  wird.  Diese 
Blase  mit  weitem  Hohlraum  contrahirt  sich  sodann  und  nunmehr  sollen 
die  Ectodermzellen  die  Entodermelemente  umwachsen,  wodurch  bei  immer 
weiter  fortschreitender  Contraction  eine  solide  (also  epibolische)  Gastrula 
gebildet  wird.  Die  Urdarmhöhle  soll  im  Entoderm  durch  „Vacuolen- 
bildung"  entstehen!  Sie  mündet  an  der  Stelle  nach  aussen,  welche  von 
der  Umwachsung  frei  geblieben  ist  und  also  dem  Blastoporus  entspricht. 
Hinter  diesem  tritt  eine  Vermehrung  der  oberflächlichen  Zellenlage  auf, 
welche  zu  einer  Verdickung  derselben  und  sodann  zu  einer  Sonderung 
der  auf  diese  Weise  entstandenen  unteren  Schichten  führt.  So  entsteht 
das  Mesoderm.  Mit  der  bald  eintretenden  Längsstreckung  des  Blasto- 
porus ,  welche  gleichzeitig  mit  einer  Verlängerung  des  ganzen  Embryos 
vor  sich  geht  (Fig.  426  A),  wächst  das  Mesoderm  zu  beiden  Seiten  des 
Blastoporus  nach  vorn  und  liefert  so  die  Mesodermstreifen.  Damit  ist 
die  Anlage  des  Keimstreifens  gegeben  (Sedgwick). 

Die  von  Sedgwick  abgebildeten  besser  erhaltenen  Eier  lassen  weite 
Hohlräume  in  ihrem  Plasma  erkennen ,  so  dass  die  Vermuthung  sehr  nahe 
liegt,  die  Eier  möchten  in  normalem  Zustande  von  einer  mehr  oder  weniger 
flüssigen  Dottermasse  erfüllt  sein.  Die  betreffenden  Räume  im  Eikörper  sind 
sehr  umfangreich  und  machen  einen  grossen  Theil  des  ganzen  Eikörpers  aus, 
so  dass  man  (im  Hinblick  auf  den  höchst  mangelhaften  Erhaltungszustand 
des  untersuchten  Materials)  daran  denken  muss,  man  habe  es  vielleicht  auch 
hier  in  Wirklichkeit  mit  einer  superficiellen  Furchung  zu  thun.  Dann  würde 
die  Höhlung  des  beschriebenen  Blastulastadiums  von  Dottermasse  erfüllt  sein 
und  die  Gastrula  vielleicht  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  bei  P.  novaezea- 
landiae  vermuthet  wurde,  durch  Invagination  gebildet  werden.  Wir  halten 
uns  bei  dem  Mangel  eigener  Anschauung  des  betreffenden  Objectes  nicht  für 
berechtigt,  diese  Meinung  bestimmt  auszusprechen,  können  uns  aber  doch  nicht 
versagen,  auf  die  wie  uns  scheint  sehr  naheliegende  Vermuthung  hinzuweisen. 
Damit  würde  sich  eine  gewisse  Uebereinstimmung  zwischen  den  afrikanischen 
und  der  neuseeländischen  Art  ergeben ,  zumal  es  wohl  als  wahrscheinlich 
anzunehmen  ist,  dass  die  dotterärmeren  auf  dotterreiche  Eier  zurückzuführen 
sind.  Letzterer  Ansicht  huldigt  übrigens  auch  Skdowick  selbst  und  in  einer 
späteren  Arbeit  (No.  10,  3.  Theil)  nennt  er  das  Ei  des  Peripatus  ca- 
pensis  ein  meroblastisches,  weil  die  Blastomeren  central  in  Verbindung 
stehen,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde. 

C.    Die  amerikanischen  Arten. 

Die  amerikanischen  Arten  zeigen  infolge  des  geringen  Umfanges 
ihrer  Eier  und  deren  Beziehungen  zur  Uteruswand  im  Anfang  völlig 
andere  Entwicklungserscheinungen   als   die  vorher  betrachteten  Formen. 

Die  kleinen  dotterarmen  Eier  machen  eine  totale  und  allem  Anschein 
nach  ziemlich  regelmässig  verlaufende  (äquale)  Furchung  durch.  Es 
scheint,  dass  der  Embryo  schon  in  diesen  frühen  Stadien  Uterusflüssig- 
keit in  sich  aufnimmmt,  denn  er  vergrössert  sich  in  auffälliger  Weise 
(v.  Kennel).  Wenn  der  Embryo  das  Stadium  von  32  Zellen  erreicht 
hat,  bildet  er  nach  Kennel   eine  solide  Zellenmasse,   welche  das  enge 


Onychophoren. 


683 


-B. 


Uro. 


t- 


Ue. 


Fig.  420.  Schnitt  durch  einen  [  im 
Uterus  gelegenen  sechzehnzelligen  Embryo 
von  P.  edwardsii  (nach  J.  v.  Kenne l). 

E  Embryo,  i.  Uw  innere  Uteruswand, 
Uterusepithel. 


R 


Ue 


Lumen  des  Uterus  ganz  ausfüllt,  also  der  Innenfläche  des  Uterusepithels 
dicht  anliegt  (Fig.  420).  Dieses  letztere  besteht  anfangs  aus  sehr  hohen 
Zellen,  welche  sich  aber  (unter  dem  Einfluss  des  wachsenden  Embryos) 
abzuplatten  scheinen.  Zu  diesem 
Epithel  tritt  nunmehr  nach  Kennel 
der  Embryo  in  ganz  directe  Be- 
ziehungen, welcher  Vorgang  von 
eigenthiimlichen  Veränderungen 
seiner  Gestalt  begleitet  ist.  Unter 
Abgabe  von  Flüssigkeit  soll  er 
seinen  Umfang  vermindern  und 
sich  plattenartig  dem  Uterusepithel 
anfügen  (Fig.  421  A).  Die  Ab- 
bildungen lassen  erkennen,  dass 
die  Verbindung  des  Embryos  mit 
dem  Epithel  eine  sehr  innige  ist,  ja 
das  letztere  kann  sich  sogar  (wenn 
auch  vielleicht  nur  ausnahms- 
weise?) von  der  Uteruswand  ab- 
lösen und  als  besondere  Schicht  den 
Embryo  umgeben  (Fig.  421  B,  Ue). 
Letzterer  hat  seine  abgeplattete 
Gestalt  wieder  aufgegeben.  Indem 
sich    seine    mittlere    Parthie    von 

der  Uterusfläche  abhebt,  die 
Randparthie  dagegen  an  ihr  liegen 
bleibt  und  sich  nur  etwas  mehr 
zusammenschiebt,  entstellt  eine 
gegen  die  Uterusfläche  hin  offene 
Blase  (Fig.  421  B).  Von  deren 
Oberfläche  lösen  sich  einzelne  Zel- 
len ab,  welche  amöboid  von  ihr 
wegwandern,  sich  zum  Theil  an 
das  Uterusepithel  anlegen  und  sich 
schliesslich  zu  einer  den  ganzen 
Embryo  umgebenden  Hülle  zusam- 
menfügen, welche  man  als  Am- 
nion bezw.  Serosa  angesprochen 
hat  (v.  Kennel,  Fig.  422  am). 
Die  gegen  die  Uteruswand  hin 
offene  Blase,  welche  der  Embryo 
jetzt  darstellt  (Fig.  421  B), 
schliesst  sich  bald  durch  Verwach- 
sen des  Randes.  Dort  hebt  sich 
dann  der  Embryo  weiter  von  der 
Uteruswand  ab,  indem  er  sich  an 
dieser  Stelle  verschmälert  und  so 
eine  Art  von  Stiel  bildet  (Fig. 
422  n).  An  der  Basis  des  Stieles 
findet  dann  eine  Zell  Wucherung 
statt,  welche  v.  Kennel  als  em- 
bryonale Placenta  bezeichnet.  Die- 
ser entspricht  eine   ringförmige 


i.Vrc. 


■ 


SfiK! 


Gm- 


B. 


..  G 


■ 


E._ 


I  's 


ue. 


t.UltJ 


Fig.  421. 

Embryonen  von 
der  Uteruswand 
E  Embryo, 


A   und    B   Schnitte   durch 
P.  edwardsii    mitsammt 

(nach  J.  v.  Kennel). 

am  Amnion,  a.TJw.  äussere, 


i.JJw  innere  Uteruswand,     Ue  Uterusepithel. 


684 


XXI.  Capitel. 


Verdickung  des  Uterusepithels,  welche  mit  ihr  als  „uterine  Placenta"  in 
enge  Verbindung  tritt  (Fig.  422  p.e  und  p.u).  Den  immer  schmäler 
werdenden  Stiel,  welcher  den  Embryo  mit  der  Placenta  verbindet,  spricht 
v.  Kennel  als  Nabelstrang  an.  Der  Embryo  geht  also  nach  dieser  Dar- 
stellung eine  innige  Verbindung  mit  der  Uteruswand  ein,  und  indem  diese 
letztere  vor  und  hinter  der  Stelle,  wo  der  Embryo  liegt,  durch  Wucherung 
der  Bindegewebschicht  stark  verdickt  und  ihr  Lumen  dort  verdrängt  wird, 
entsteht  ein  abgeschlossener  Brutraum  für  den  Embryo  (Fig.  430,  pag.  690). 
Amnion  und  Uterusepithel  stehen  jetzt  weit  von  letzterem  ab  (Fig.  422). 

Die  Bildung  der  Keim- 
blätter nimmt  dadurch  ihren 
Anfang,  dass  gegenüber  der 
Anheftungsstelle  des  Embryos 
eine  starke  Vermehrung  der 
Zellen  und  in  Folge  dessen 
eine  Einwucherung  derselben 
beginnt  (Fig.  422  iv).  Wenn 
man  diesen  Vorgang  zur  Ent- 
wicklung der  anderen  Peri- 
patusarten  in  Beziehung  setzt, 
so  wird  man  die  Stelle,  wo 
die  Einwucherung  stattfindet, 
mit  der  Zellenanhäufung  am 
Blastoderm  des  neuseeländi- 
schen Peripatus  vergleichen, 
an  welcher  (eventuell)  der  In- 
vaginationsact  erfolgt,  und 
welche  gleichzeitig  die  erste 
Andeutung  des  Keimstreifens 
darstellt.  Bei  den  südameri- 
kanischen Arten  ist  diese  Ein- 
wucherungsstelle ,  welche 
ihrer  Lage  nach  der  Ventral - 
seite  des  Embryos  entspricht 
festgeheftet),  als  Blastoporus 
Einwucherung  immer  weiter 
des  Embryos  bis  hinab  zum 
sind  die   Zellen  aus  einander 


0411.- 


birnförmig-en 
Amnion    und 


Fig.  422.     Medianschnitt  eines 
Embryos    von    P.   edwardsii    mit 
Uteruswand  (nach  J.  v.  Kennel). 

am  Amnion,  n  Nabelstrang,  p.e  embryonale, 
p.u  uterine  Placenta,  JJe  Uterusepithel,  TJw  Uterus- 
wand, w  Einwucherungsstelle. 


ganzen 


Rückenfläche 
setzt  sich   die 
Innenraum 
An   letzterem 


(der  Embryo  ist  mit  der 
anzusehen.  Von  ihm  aus 
fort  und  erfüllt  den 
„Nabelstrang"  (Fig.  422) 
gewichen  und  haben  sich,  ein  Lumen  zwischen  sich  lassend,  zu  einem 
Epithel  angeordnet,  wie  es  auch  am  ganzen  übrigen  Umfang  des  Embryos 
zu  finden  ist,  die  Einwucherungsstelle  ausgenommen  (Fig.  423).  Dieses 
äussere  Epithel  entspricht  dem  Ectoderm.  Die  weitere  Differenzirung 
der  Keimblätter  soll  nach  Kennel  dadurch  erfolgen,  dass  in  dem  mehr 
dorsal  gelegenen  Theil  der  centralen  Zellenmasse  ein  Hohlraum  entsteht 
und  die  Zellen  in  dessen  Umgebung  sich  regelmässiger  anordnen  (Fig. 
423  ent).  Die  so  ausgezeichnete  Zellenschicht,  das  Entoderm,  unterscheidet 
sich  dadurch  von  der  ventralen,  am  Blastoporus  gelegenen  Zellenmasse, 
dem  Mesoderm.  Dieses  bewahrt  noch  lange  Zeit,  auch  bei  der  später 
erfolgenden  Gestaltsveränderung  des  Embryos,  die  Verbindung  mit  dem 
Ectoderm  und  an  dieser  Stelle  (w)  wird  fortdauernd  neues  Zellenmaterial 
erzeugt  (v.  Kennel,  Sclater). 

Wir  hielten  uns    in  vorstehender  Schilderung    der    ersten  Entwicklungs- 
vorgänge des  P.  edwardsii  an  die  von  Kennel  gegebene  Darstellung,  weil 


Onychophoren. 


685 


sie  in  Bezug  auf  Reichhaltigkeit  und  Erhaltungszustand  des  untersuchten 
Materials  die  besseren  Garantien  zu  bieten  scheint,  doch  dürfen  wir  nicht 
verschweigen ,  dass  diese  Vorgänge  noch  eine  andere  Beurtheilung  erfahren 
haben.  Obwohl  v.  Kennel  dieser  letzteren  mit  recht  gewichtigen  Gründen 
entgegen  getreten  ist  (No.  5) ,  so  scheint  dieser  von  Sclater  vertretenen 
Auffassung  doch  ein  gewisser  Werth  insofern  beizulegen,  als  man  nach  einer 
Erklärung  der  eigenthümlichen  ersten  Entwicklungsvorgänge  suchen  muss. 

Nach  Sclater  (No.  9)  entsteht  als  Resultat  der  Furchung  eine  von 
grossen  Zellen  gebildete  Keimblase  mit  wenig  umfangreicher  Höhlung  (Fig. 
424  A).  An  dieser  erfolgt  sodann  eine  Einstülpung  (Pseudogastrula,  Fig. 
424  B).     Der   eingestülpte  Theil   liefert   nach    Sclater   allein  den  Embryo, 


Fig.  423.  Medianschnitt  eines  birn- 
förmigen  Embryos  von  P.  edwardsii 
(nach  v.  Kennel). 

ent  Entoderm ,  n  Nabelstrang, 
w  Wucherunosstelle. 


a-  B. 


Fig.  424.  A—C  Schnitte  durch  Embryo- 
nen verschiedener  Stadien  von  P.  imthurni 
(nach  Sclater). 

E  Embryo,  a  äussere,  i  innere  Zelllage 
des  Embryos,  m  (cuticulare)  Membran,  welche 
den  Uterus  nach  innen  begrenzt,  p  Placenta- 
ähnliche  Zellwucherung. 


während  die  eigentliche  Blase,  indem  sie  sich  erweitert  und  dadurch  dünn- 
wandig wird,  nur  als  Hülle  des  Embryos  dient  (Fig.  424  G).  Am  eigent- 
lichen Embryo  entsteht  übrigens  auch  noch,  wie  es  scheint  durch  Abspaltung 
einzelner  Zellen,  eine  Hülle,  welche  dem  von  Kennel  beschriebenen  Amnion 
entspricht. 

Die  von  Sclater  gegebenen  Abbildungen  stimmen  im  ganzen  mit  denen 
v.  Kennel's  überein ,  nur  ist  die  Deutung ,  welche  ihnen  beide  Autoren 
geben ,  eine  total  verschiedene.  Was  v.  Kennel  als  Uterusepithel  ansieht, 
betrachtet  Sclater  als  Embryonalhülle,  denn  so  muss  seine  Pseudogastrula 
wohl  aufgefasst  werden.  Demnach  würde  die  Fig.  421  B  (v.  Kennel's) 
als  Einstülpungsstadium,  entsprechend  der  Fig.  424  B  (Sclater's  Pseudo- 
gastrula) anzusehen  sein  und  Fig.  420  müsste  eine  ähnliche  Deutung  finden. 


686  XXI.  Capitel. 

Fig.  421  A  müsste  man  bei  dieser  Auffassung  wohl  als  ein  älteres  Stadium 
betrachten ,  ähnlich  der  Fig.  424  C.  Uebrigens  dürfen  die  Stadien  mit 
dünner  und  mit  dicker  Wand  der  vermeintlichen  Blase  nicht  so  ohne  Weiteres 
auf  einander  bezogen  werden,  wie  dies  von  Sclater  geschehen  ist.  Es  müssten 
überhaupt  noch  weit  bessere  Belege  für  die  von  Sclater  vertretene  Auf- 
fassung beigebracht  werden,  ehe  dieselbe  Anspruch  auf  Giltigkeit  machen 
kann ;  trotzdem  schien  sie  uns  hier  erwähnenswerth ,  weil  sie  noch  am 
ehesten  einen  Ausblick  auf  die  Entstehungsweise  der  für  Peripatus  angege- 
benen Embryonalhüllen  zu  gewähren  scheint.  Es  liegt  jedenfalls  nahe,  bei 
den  beiden  Hüllen,  welche  den  Embryo  umgeben  sollen,  an  die  doppelte 
Embryonalhülle  (Amnion  und  Serosa)  der  Insecten  zu  denken  und  weiter 
daran,  dass  diese  doppelte  Embryonalhaut  wohl  wie  dort  ursprünglich  durch 
einen  Faltungsprocess  ihre  Entstehung  genommen  haben  könnte.  Die  Orien- 
tirung  des  Embryos  zu  den  Falten  könnte  schon  derjenigen  des  Insectenkeim- 
Streifs  gegen  die  Embryonalhäute  entsprechen ,  doch  wissen  wir  in  dieser 
Beziehung  zu  wenig  über  Peripatus,  als  dass  dieser  Vergleich  hier  weiter- 
geführt werden  dürfte.  Erwähnt  muss  nur  noch  das  von  L.  Sheldon  (No.  12) 
beschriebene  Verhalten  früher  Stadien  des  P.  novaezealandiae  werden, 
wonach  der  eigentliche  Embryo  innerhalb  der  Eischale  noch  von  einer  Dotter- 
schicht (dem  ectodermalen  Dotter  Frl.  Sheldon's)  umgeben  ist.  Leider  ist 
Genaueres  über  Bedeutung  und  Entstehungsweise  dieses  „äusseren  Dotters" 
nicht  bekannt,  doch  möchte  man  auch  hierbei  an  eine  Embryonalhülle  denken, 
zumal  sich  auch  kernähnliche  Gebilde  in  dieser  Aussenschicht  finden.  Man 
wird  zu  einer  solchen  Annahme  noch  mehr  verführt  durch  das  Verhalten 
derjenigen  Insecten  (bezw.  Myriopoden) ,  bei  denen  sich  der  Keimstreifen  in 
den  Dotter  einsenkt ,  ein  Verhalten ,  welches  schliesslich  zur  Bildung  der 
Embryonalhüllen  führt.  Infolge  dieser  Entstehungsweise  der  Embryonalhüllen 
(vgl.  weiter  unten,  pag.  772  ff.)  kann  auch  bei  den  Insecten  noch  der  Embryo 
scheinbar  von  einer  äusseren  Dotterschicht  umlagert  sein ,  welche  sich  in 
Wirklichkeit   zwischen  den  Embryonalhüllen  findet. 

Das  Vorhandensein  solcher  auf  Faltung  zurückführbarer  Embryonalhüllen 
wird  durch  das  Verhalten  des  P.  capensis  nicht  bestätigt.  Bei  ihm  ist 
gar  nichts  von  einer  derartigen  Erscheinung  bemerkt  worden ;  auch  ist  nicht 
anzunehmen,  dass  sie  übersehen  worden  sei.  Das  Ectoderm  von  P.  capensis 
soll  nur  insofern  ein  eigentümliches  Verhalten  zeigen ,  als  es  in  jüngeren 
Stadien  ausserordentlich  vacuolenreich ,  von  schwammigem  Gefüge  ist,  und 
infolge  der  Structur  auf  endosmotischem  Wege  Nahrung  in  sich  aufnehmen 
könnte  (Sedgwick,  No.  10).  L.  Sheldon  bringt  diese  Structur  in  Be- 
ziehung zu  dem  sog.  ectodermalen  Dotter  der  neuseeländischen  Art,  ohne 
dass  wir  diese  Vergleichung  als  eine  besonders  glückliche  zu  bezeichnen 
vermöchten.  Dagegen  lässt  dieses  Verhalten  des  Ectoderms  die  Bildung 
der  Ernährungsoi  gane  beim  Embryo  der  amerikanischen  Arten  erklärlich 
erscheinen,  sei  es  nun,  dass  dieselben  direct  vom  Ectoderm  des  Embryos 
selbst  gebildet  werden  oder  einen  besonders  differenzirten  Theil  der  Embryonal- 
hülle desselben  darstellen. 

Wenn  wir  uns  bei  der  Schilderung  der  ersten  Entwicklungsvorgänge 
der  verschiedenen  Peripatusarten  zumeist  im  Bereich  grösserer  oder  ge- 
ringerer Wahrscheinlichkeiten  bewegten  ,  so  soll  zum  Schluss  dieser  Darstel- 
lung nochmals  darauf  hingewiesen  werden ,  wie  wenig  Sicheres  über  die 
ersten  Entwicklungserscheinungen  des  Peripatus  bisher  noch  bekannt  ist. 
Liessen  wir  uns  bei  diesen  Betrachtungen  weit  mehr  auf  das  nicht  ge- 
nügend Feststehende  ein,    als    es    sonst   in    diesem    Buche    der  Fall   zu    sein 


Onychophoren.  687 

pflegt ,  so  geschah  dies  deshalb ,  weil  die  Wichtigkeit  der  hier  behandelten 
Form  solches  zu  erfordern  schien.  Aus  diesem  Grunde  wurde  versucht,  die 
bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Thatsachen  in  Verbindung  zu  bringen,  ohne 
dass  damit  der  Anspruch  auf  volle  Giltigkeit  dieser  Ausführungen  erhoben 
werden  könnte. 

2.    Die  Ausbildung  der  äusseren  Körperform. 

Bezüglich  der  Ausbildung  der  äusseren  Körperform  differiren  die 
verschiedenen  Peripatusarten  trotz  ihrer  abweichenden  ersten  Entwicklungs- 
stadien nur  sehr  wenig  von  einander.  Bei  unserer  Darstellung  dieser 
Verhältnisse  halten  wir  uns  zunächst  hauptsächlich  an  den  zuerst  von 
Moseley  (No.  6),  dann  von  Balfour  (No.  1)  und  später  von  Sedgwick 
(No.  10,  Theil  I)  besonders  eingehend  untersuchten  P.  capensis. 

P.  capensis.     Schon  bei  Betrachtung   der  Keimblätterbildung  wurde 
gezeigt,  dass  hinter  dem  sich  in  die  Länge  streckenden  Blastoporus  durch 
Wucherung  der  Zellen  eine  verdickte  Stelle  entsteht,  welche  sich  äusser- 
lich  am  Keim  als  ovaler  Hof  zu  erkennen  giebt  (Fig.  425).     Wir  sahen, 
dass  an  dieser  Stelle  das  Mesoderm  seinen 
Ursprung   nimmt  und   sich   von   hier   aus 
in  Form   zweier  Streifen  rechts  und  links 
vom  Blastoporus  nach  vorn  erstreckt.    In 
diesem   Mesodermstreifen  tritt    eine   Glie- 
derung ein,  welche  wir  durchaus  auf  die 
bei   den  Anneliden   obwaltenden  Verhält- 
nisse  zurückführen  können.     Am  Vorder- 
ende beginnt  nämlich  durch  Abgliederung  - 
und  Aushöhlung  einzelner  Zellcomplexe  die  p — f — ~m- 
Bildung  der  Ursegmente  (Fig.  42QA  u.  B), 
welche  sich  allmählich  nach  hinten  fortsetzt. 
Hier,  d.  h.  am  Hinterende  des  Blastoporus, 

gehen   die  Mesodermstreifen   über  in   das  Fig.  425.    Embryo  von  p. 

noch  nicht  differencirte  Zellenmaterial.  capensis  (nach  balfour). 

Während  der  Differencirung  der  Meso-  w  Blastoporus,  »Wucherung»- 

dermstreifen    vollzieht    sich    eine    andere 
wichtige  Veränderung  am   Embryo.     Die 

Ränder  des  Blastoporus  nähern  sich  einander  und  verschmelzen  der 
Länge  nach,  so  dass  vom  Blastoporus  nur  noch  eine  vordere  und  eine 
hintere  Oeffnung  übrig  bleibt  (Fig.  426  Ä  und  B).  Beide  Oeffnungen 
sollen  fernerhin  erhalten  bleiben  (C  u.  D),  indem  sie  (in  Verbindung  mit 
Ectodermeinstülpungen)  dem  Mund  und  After  den  Ursprung  geben. 

Die  nächsten  Veränderungen  des  Embryos  bestehen  darin,  dass  mit 
der  fortschreitenden  Differencirung  von  Ursegmenten  die  ersten  derselben 
weiter  nach  vorn  rücken  und  neben  der  inneren  Segmentirung  des  Em- 
bryos auch  eine  äussere  auftritt  (Fig.  426).  Am  Vorderende  beginnen 
die  Kopflappen  hervorzutreten,  von  denen  übrigens  besonders  anzugeben 
ist,  dass  sie  in  der  Anlage  grosse  Uebereinstinmmng  mit  den  Körper- 
segmenten zeigen.  Das  Hinterende  des  bisher  gerade  gestreckten  Em- 
bryos biegt  sich  um  und  überdeckt  dadurch  die  von  dem  hinteren  Ur- 
mundrest  gebildete  Oeffnung  (Fig.  426  und  427). 

Ehe  wir  die  weitere  Entwicklung  des  Embryos  ins  Auge  fassen, 
müssen  wir  einen  Blick  auf  die  entsprechenden  Vorgänge  bei  den  anderen 
Peripatusarten  werfen.    Die  bisher  beobachtete  Entwicklung  der  äusseren 


688 


XXI.  Capitel. 


JB. 


Fig.  426.  A — D  Embryonen  von  P.  c  a  - 
pensis,  den  Schluss  des  Blastoporus,  die  Seg- 
mentirung  des  Mesoderms  und  die  Krümmung 
des  Embryos  zeigend  (nach  Balfocr  und  Sedg- 
wick). 

a  After,  bl  Blastoporus,  m  Mund,  us  Ur- 
segmente,  w  Wucherungszone. 


Form  bezog  sich  hauptsächlich 
auf  die  Gestaltung  der  Ventral- 
fläche. Diese  wird  also  zuerst 
und  in  Form  zweier  symmetri- 
scher Hälften  angelegt.  Wir 
finden  damit  Verhältnisse ,  wie 
sie  uns  an  den  dotterreichen 
Eiern  der  Oligochaeten  und 
Hirudineen  entgegentreten 
und  wie  wir  sie  in  noch  weit 
übereinstimmenderer  Weise  bei 
den  M  y  r  i  o  p  o  d  e  n ,  I  n  s  e  c  t  e  n 
und  Ära  c  h  n  i  d  e  n  antreffen . 
Wie  bei  diesen  Formen  kann  man 
auch  bei  Peripatus  von  einem 
Keimstreifen  sprechen.  Die  Zu- 
sammensetzung desselben  aus 
zwei  Hälften  tritt  noch  deut- 
licher bei 

P.  uovaezealandiae 
hervor.  InfolgedesgrösserenUm- 
fanges  der  Eier,  bedingt  durch 
den  Reichthum  an  Dotter,  sieht 
man  die  beiden  Hälften  des 
Keimstreifens  ziemlich  weit  aus 
einander  liegen,  getrennt  durch 
eine  Vorwulstung  der  vom  Ecto- 
derm  und  Entoderm  bekleide- 
ten Dottermasse  (Fig.  428  A 
und  JB),  so  dass  eine  Art  ven- 
tralen Dottersackes  zu  Stande 
kommt,  wie  wir  ihn  in  ähn- 
licher W~eise  bei  den  Spinnen 
kennen  lernten  (pag.  583).  Die 
an  ihrem  Vorderende  bereits  weit 


Fig.  427.  Embryo 

von  P.  capensis 
(nach  Balfouk  und 
Sedgwick). 

a  After,  m  Mund. 


differencirten  Keimstreifen  wer- 
den nach  hinten  immer  schwächer,  und  enden  in  der 
Nähe  des  Blastoporus  in  der  noch  nicht  differencirten 
Zellenmasse  (Primitivstreif  der  englischen  Autoren). 

Die  indifferente  Zellenmasse  liegt  hinter  dem  Blasto- 
porus, wie  aus  der  Darstellung  dieser  Vorgänge  bei 
P.  capensis  zu  ersehen  ist  (Fig.  426  A  u.  B).  Da 
das  Hinterende  des  Blastoporus  aber  in  den  After 
übergeht,  so  muss  die  Wucherungszone  auch  hinter  dem 
After  liegen.  Vergleicht  man  diese  Verhältnisse  mit 
denjenigen  der  Anneliden,  mit  denen  sie  bezüglich  der 
Configuration  der  Mesodermstreifen  grosse  Ueberein- 
stimmung  bieten,  so  wird  man  bei  Betrachtung  der  Bilder 
von  P.  uovaezealandiae  unwillkürlich  an  das  Verhalten 
der  Hirudineen  erinnert  (Fig.  152,  pag.  215).  Abgesehen 
davon,  dass  dort  der  Keimstreif  sich  nach  der  Dorsalseite 
umschlägt,  fällt  bei  einem  solchen  Vergleich  aber  sofort 


Onychophoren. 


689 


Ä. 


B. 


<n 


of. 


' 

.•  ■*»*-  ■ 

-v' 

•' 

u 

ex.,- 


V        :■ 


Ü_ 


"--- -  er. 


Fig.  428.  A  und  B  Embryonen  von  P.  no- 
vaezealandiae  in  ventraler  (Ä)  und  seitlicher 
Ansicht  (-5)  (nach  L.  Sheldon). 

a  After,  at  Antennen,  ex  Extremitäten,  m  Mund. 


auf,  dass  bei  Peripatus  die  Wucherungszone  hinter  dem  After  liegen  soll,  während 
sie  bei  den  Hirudineen,  wie  wohl  im  Allgemeinen,  vor  demselben  gelegen  ist. 
Freilich  scheinen  dort  Beziehungen  zwischen  Blastopörus  und  After  nicht  vor- 
handen zu  sein  und  es  wird  dadurch  eine  Vergleichung  dieser  Verhältnisse  über- 
haupt erschwert.  Am  Hinterrande  des  Blastopörus  werden  auch  bei  anderen  An- 
neliden die  Urmesodermzellen  angetroffen,  aber  dort  liegen  die  Verhältnisse  inso- 
fern anders,  als  der  Blastopörus 
nicht  wie  bei  Peripatus  direct 
in  den  After  übergeht  (vgl.  pag. 
173  u.  187).  Zieht  man  auch  die 
dritte  der  sich  verschiedenartig 
verhaltenden  Peripatusspecies 
(P.  e  d  w  a  r  d  s  i  i)  zum  Vergleich 
heran,  so  ergiebt  sich,  dass  auch 
bei  ihr  die  Wucherungszone 
hinter  dem  After  liegt,  und 
dass  infolge  dieser  Ueberein- 
stimmung  die  Deutung  nicht 
berechtigt  sein  würde,  welche 
man  sonst  leicht  geneigt  wäre, 
dem  Verhalten  des  P.  novae- 
zealandiae  zu  geben.  Aus 
der  Fig.  428  A  könnte  man 
andernfalls  entnehmen ,  dass 
die  sich  nach  hinten  stark  ver- 
jüngenden Keimstreifen  nach  er- 
folgter Umbiegung  sich  vor  dem 

After  vereinigten  und  dort  etwa  die  Wucherungszone  liegen  möchte.  L.  Sheldon, 
welche  den  Embryo  aufschnitten  untersuchte,  nimmt  vielmehr  an,  dass  die  Wuche- 
rungszone (der  sog.  Primitivstreif)  hinter  der  Afterpapille  liegt,  doch  würden 
gerade  von  dem  als  ursprünglicher  zu  betrachtenden  neuseeländischen  Peripatus 
noch  genauere  Angaben  auch  bezüglich  dieser  Verhältnisse  erwünscht  sein. 

Die  südamerikanischen  Arten  zeigen  in 
Folge  des  geringen  Umfanges  ihrer  Eier  und 
in  Folge  ihrer  Verbindung  mit  der  Uteruswand 
in  den  ersten  Stadien  eine  abweichende  Gestal- 
tung. Wir  verliessen  den  Embryo  auf  einem 
Stadium,  in  welchem  er  eine  ungefähr  bira- 
förmige  Gestalt  besass  (Fig.  422  u.  423).  Aus 
dieser  geht  er  in  das  pilzhutförmige  Stadium 
über  (Fig.  429),  indem  der  eigentliche  Embryo 
gegenüber  dem  Nabelstrang  an  Umfang  ge- 
winnt und  zwar  dadurch,  dass  er  sich  in  zwei 
Richtungen  vertical  zur  Axe  des  Nabelstrangs 
ausdehnt  (Fig.  429).  Diese  beiden  Richtungen 
entsprechen  der  Länge  und  Breite  des  Embryos. 
Die  erstere  überwiegt  übrigens  die  andere  sehr 
bald  und  nunmehr  nimmt  der  Embryo  eine 
gestreckte  Form  an  (Fig.  430).  Am  Rücken 
ist  er  durch  den  Nabelstrang  fixirt,  die  Bauch- 
fläche ist  frei.  Das  stumpfe  Ende  wird  zum 
Kopf,  das  spitze  Ende  liegt  hinten.  Ganz  in 
die  Nähe    des   letzteren    ist   der  Blastopörus 


"-u. 


Fig.   429.      Pilzhutfor- 

miger  Embryo    von    P.    ed- 
wardsii  im  Brutraum  (nach 

v.  Kennel). 

b  Brutraum ,  e  Embryo, 
n  Nabelstrang,  p  Placenta, 
u  Uteruslumen. 


690 


XXI.  Capitel. 


gerückt  (Fig.  431  A,  bl).  Die  Strecke  zwischen  ihm  und  dem  Nabelstrang 
ist  viel  länger  als  die  zwischen  letzterem  und  dem  Vorderende,  da  im 
hinteren  Theil,  vom  Blastoporus  aus,  immer  neues  Zellenmaterial  erzeugt 

wird.  Die  beiden  Mesodermstreifen  und  ihre 
Gliederung  in  die  Ursegmente  sind  in  gleicher 
Weise  vorhanden,  wie  dies  von  P.  capensis 
geschildert  wurde,  doch  tritt  in  Folge  des  geringen 
Umfanges  der  Eier  der  zweitheilige  Keimstreif 
nicht  so  deutlich  hervor,  immerhin  ist  er  auch 
hier  zu  erkennen  (Fig.  431). 

Der  Mund  entsteht  in  entsprechender  Lage 
wie  bei  F.  capensis;  Beziehungen  zwischen 
ihm  und  dem  Blastoporus  sind  hier  nicht  zu  er- 
kennen, da  letzterer  schon  früher  in  Form  einer 
leichten  und  wenig  umfangreichen  Einsenkung  an 
das  Hinterende  zu  liegen  kam  (Fig.  431  A).  Auch 
der  After  soll  nach  Kennel  unabhängig  vom 
Blastoporus  entstehen.  Er  kommt  vor  dem- 
selben als  eine  spaltförmige  Einsenkung  des 
Ectoderms  zu  Stande  (Fig.  431  A). 


WICK 


Fig.  430.  Embryo 
von  P.  edwardsii  im 
Brutraum  (nach  J.  v.  Ken- 
nel, aus  Lang's  Lehrb.  d. 
vergl.  Anat.) 

e  Embryo,  ep  Placenta. 


H. 


B. 


Immerhin  wird  man,  wenn  sich  die  von  Sedg- 
für  P.  capensis  gemachten  Angaben  als 
richtig  erweisen,  daran  denken  müssen,  dass  auch 
hier  ursprünglich  Beziehungen  der  Mund-  und  After- 
öffnung  zu  dem  Blastoporus  vorhanden  waren.  Da 
die  Lage  beider  Oeffnungen  eine  ganz  gleiche  ist 
wie  bei  P.  c  a  p  e  n  s  i  s ,  so  würde  eine  solche  Deutung 
keine  Schwierigkeiten  machen. 

Im    Bezug    auf    die    Lage    der    Wucherungs- 
zone   stimmen    v.    Kennel's   Beobachtungen  an  P. 
edwardsii  ganz  mit  denjenigen  an  P.  capensis 
und  novaezealandiae  überein,   denn  da  dieselbe  vom  Blastoporus  ausgeht, 
dieser  aber  hinter  dem  After  liegt  (Fig.  431  Ä).  so  wird  auch  die  indifferente 
Zellenmasse  hinter  ihm  gefunden. 

Es  muss  hier  noch  die  Ver- 
bindung des  Embryos  mit  dem 
Mutterthier  erwähnt  werden.  Nach 
v.  Kennel's  Beobachtung  wird  die- 
selbe durch  den  Nabelstrang,  sowie 
durch  die  embryonale  und  uterine 
Placenta  vermittelt  (Fig.  422  pag.  684, 
Fig.  429—431).  Die  massige  Ent- 
wicklung dieser  Organe  spricht  da- 
für, dass  sie  in  den  jüngeren  Stadien 
zur  Ernährung  des  Embryos  beitragen, 
später  treten  sie  mehr  zurück  und  der 
Embryo  wird  dann  wie  bei  P.  ca- 
pensis durch  das  Uterussecret  er- 
nährt. In  Folge  der  festen  organi- 
schen Verbindung  des  Embryos  mit 
dem  Uterus  scheint  ein  Weiterrücken 
in  dem  letzeren  ausgeschlossen.    Die 


-m. 


-n. 


\ 


bl- 


Fig.  431.  A  und  B  Embryo  von 
P.  edwardsii  in  der  ventralen  (A)  und 
seitlichen  Ansicht  (B)  (nach  v.  Kennel). 

a  After,  bl  Blastoporus,  m  Mund, 
n  Nabelstrangr. 


Onychopkoren.  691 

von  ihrem  Brutsack  fest  umschlossenen  Embryonen  (Fig.  430)  können 
nur  durch  ein  ausgiebiges  Wachsthum  der  zwischen  dem  Ovarium  und 
dem  Brutraum  selbst  gelegenen  Theile  des  Uterus  und  durch  allmähliche 
Resorption  der  hinteren  Abschnitte  bis  an  die  Vagina  gebracht  werden. 
Wenn  derjenige  Embryo,  welcher  der  Vagina  zunächst  lag,  in  diese 
übergetreten  ist,  muss  sein  Brutsack  völlig  resorbirt  werden,  ehe  der 
nächstfolgende  Embryo  in  die  Vagina  gelangen  kann. 

Die  Verhältnisse  des  Austretens  der  Embryonen  bei  den  südamerika- 
nischen Peripatusarten  ähneln  ganz  denjenigen  bei  dem  Uebertritt  der  In- 
secteneier  aus  den  Eiröhren  in  den  Leitungsapparat.  Dort  wird  ebenfalls 
der  nach  dem  Ausstossen  des  Eies  zurückbleibende  leere  Follikel  völlig  re- 
sorbirt, ehe  das  nächstfolgende  Ei  auszutreten  vermag. 

Die  weitere  Ausbildung  der  äusseren  Körpergestalt  besteht  im 
Wesentlichen  in  der  Längstreckung  des  Körpers,  in  der  Sonderung  von 
Kopf  und  Rumpf,  sowie  in  der  Entstehung  der  Gliedmassen  und  Sinnes- 
organe. Sie  verläuft  bei  den  verschiedenen  Arten  der  Hauptsache  nach 
in  ziemlich  übereinstimmender  Weise,  so  dass  wir  hier  keinen  Unterschied 
für  sie  zu  machen  brauchen. 

Eine  wichtige  Veränderung  in  der  Gestalt  des  jungen  Embryos  wird 
durch  die  starke  Ausbildung  und  Abgrenzung  des  Kopfsegmentes  gegen- 
über dem  Rumpfe  hervorgebracht  (Fig.  428  u.  431).  Dieselbe  tritt  schon 
früh  hervor  und  wird  dadurch  eingeleitet,  dass  das  erste  Paar  der  Ur- 
segmente  bis  völlig  an  das  vordere  Körperende  rückt  und  sich  hier  er- 
heblich ausdehnt.  So  entsteht  am  Vorderende  ein  Paar  umfangreicher 
Anschwellungen  (die  Kopflappen),  welche  sich  bald  durch  eine  Quer- 
furche gegen  den  übrigen  Körper  absetzen  und  sich  somit  als  Kopf- 
abschnitt documentiren.  An  der  Ventralseite  desselben  findet  sich  die 
Mundöffnung;  an  der  Dorsalseite  aber  tritt  ein  Paar  von  Höckern 
auf  (Fig.  428  A  u.  B),  die  sich  bald  vergrössern  und  als  Anlage  der 
Antennen  zu  erkennen  sind.  Bei  P.  capensis  sollen  dieselben  etwas 
früher  entstehen  als  die  Extremitäten  (Sedgwick),  doch  scheint  der 
Unterschied  kein  bedeutender  zu  sein-,  bei  P.  edwardsii  scheinen  sie 
ungefähr  gleichzeitig  mit  den  Anlagen  der  Fussstummel  aufzutreten. 
Mit  den  letzteren  zeigen  sie  grosse  Aehnlichkeit,  unterscheiden  sich  aber 
durch  ihre  mehr  dorsale  und  praeorale  Lagerung  von  ihnen  (Fig.  428, 
432  u.  433). 

Vor  der  Anlage  der  Antennen  und  mehr  median  gelegen  treten 
bereits  in  einem  früheren  Stadium  zwei  kleine  Höcker  auf  (Fig.  432  x), 
welche  später  mehr  an  den  vorderen  Rand  des  Kopfes  verschoben  werden 
(Fig.  436.4  u.  B).  Diese  von  Kennel  an  P.  edwardsii  beobachteten 
Gebilde,  deren  Natur  bisher  unbekannt  geblieben  ist,  sind  noch  in  einem 
späteren  Stadium,  als  Fig.  436  B  es  darstellt,  zu  erkennen  und  ent- 
schwinden dem  Auge  erst  bei  der  beginnenden  Faltenbildung  der  Kopf- 
haut. Wir  werden  von  ihnen  noch  am  Ende  dieses  Abschnittes  zu 
sprechen  haben  (vgl.  pag.  697). 

Die  Extremitäten  entstehen  als  lateroventrale  Auswüchse  der  Seg- 
mente in  der  Reihenfolge  von  vorn  nach  hinten  (Fig.  428,  432  u.  433). 
Die  Segmentirung  selbst  kommt  am  Körper  hauptsächlich  dadurch  zum 
Ausdruck,  dass  sich  die  Ursegmente  in  Folge  ihrer  Erweiterung  seitlich 
vorwölben.  So  erscheint  der  Embryo  also  besonders  an  den  Seitentheilen 
wie  eingekerbt  (Fig.  428  A  u.  432).     In   der  Ventrallinie  verläuft  eine 


692 


XXI.  Capitel. 


Furche,  welche  die  Zusammensetzung  des  Embryos  aus  den  beiden 
Hälften  des  Keimstreifens  erkennen  lässt  (Fig.  431).  Dies  gilt  zumal  für 
P.  edwardsii,  bei  dem  übrigens  die  Extremitäten  erst  später  zur  An- 
lage kommen  als  bei  den  afrikanischen  und  australischen  Arten.  Diese  Ver- 
zögerung dürfte  ebenfalls  auf  Rechnung  der  modificirten  Entwicklungsweise 
im  Uterus  zu  setzen  sein,  indem  bei  der  innigen  Verbindung,  welche  der- 
selbe mit  der  Uteruswand  eingeht,  die  Ausgestaltung  seiner  äusseren  Form 
erst  später  eintritt.  Bei  P.  novaezealandiae  findet  man  die  Extremitäten 
bereits,  wenn  die  beiden  Hälften  des  Keimstreifens  noch  weit  von  einander 
getrennt  sind  (Fig.  428)  und  auch  bei  P.  capensis  treten  sie  bereits  früh  auf. 
Schon  in  frühem  Stadium  giebt  der  Embryo  die  anfängliche  gestreckte 
Gestalt  auf,  indem  sich  sein  Hinterende  gegen  die  Ventralfläche  einrollt 
(Fig.  427,  pag.  688),   ein  Verhalten ,   welches   entweder   durch   die  Lage 


«rf_  mL~i 


op.r 

Fig.  432.  Vordertheil  eines 
Embryos  von  P.  edwardsii. 
Rückenansicht  nach  J.  v.  Kennel). 

at  Antenne,  k  Kiefersegment, 
op  Segment  der  Oral papillen,  p,  erstes 
(definitives)  Rumpfsegment,  x Höcker 
vor  der  Antennenanlage  (vgl.  pag. 
691  und  697). 


R. 


,•■■ 


/ 


f. gj—k. 

^cp. 

Pm 


■ 


Fig.  433.  A  und  B  Embryonen  von  P. 
capensis  in  zwei  verschiedenen  Altersstadien 
(nach  Sedgwick). 

at  Antenne,  au  Auge,  /  Falte,  welche  die 
Mundhöhle  bilden  hilft,  k  Kiefer,  op  Oralpapille, 
p, — p,n  erstes  bis  drittes  Fusspaar. 


in  der  Eihaut  oder  (secundär  wie  bei  P.  edwardsii)  innerhalb  des 
Brutraums  bedingt  ist.  Die  Einrollung  wird  bei  P.  edwardsii  so  stark, 
dass  das  Hinterende  mehrere  Windungen  macht.  Der  Embryo  von 
P.  capensis  zeigt  zuerst  ebenfalls  die  Einrollung  des  Hinterendes 
(Fig.  427),  dieses  streckt  sich  dann  jedoch  wieder;  indem  aber  die 
Knickung  in  der  Mitte  des  Körpers  erhalten  bleibt,  liegt  der  Embryo  so 
in  der  Eihülle,  dass  seine  vordere  und  hintere  Körperhälfte  ungefähr 
parallel  zu  einander  gerichtet  sind  und  der  Kopf  das  Hinterende  berührt. 

Bei  P.  novaezealandiae  findet  bereits  auf  einem  früheren  als  dem 
in  Fig.  428,  A  und  B  abgebildeten  Stadium  eine  allem  Anschein  nach  ven- 
trale Einknickung  des  Embryos  statt,  infolge  welcher  derselbe  eine  gekrümmte 
Stellung  annimmt,  um  sich  dann  bald  wieder  etwas  zu  strecken  und  die  Form 
von  Fig.  428  A  und  B  zu  erhalten.  So  müssen  wir  wenigstens  die  von 
L.  Sheldon  (No.  12,  Theil  I)  gegebene  Darstellung  deuten  bis  noch  Ge- 
naueres über  diese  Vorgänge  bekannt  wird.  Nach  dieser  Darstellung  liegen 
bei  P.  novaezealandiae  die  beiden  Hälften  des  Keimstreifens  anfangs 
recht  weit  aus  einander,  wie  auch  die  Figur  428  A  und  B  dies  erkennen  lässt. 


Onychophoren.  693 

Da  die  äussere  Gestaltung  des  ausgebildeten  Peripatus  eine  recht 
einfache  ist,  so  vollzieht  sich  auch  die  weitere  Ausbildung  der  äusseren 
Körperform  auf  sehr  einfache  Weise  und  bietet,  mit  Ausnahme  des  vor- 
deren Körperabschnittes,  nichts  besonders  Bemerkenswertes  dar.  Die 
Bildung  der  Extremitäten  setzt  sich  in  der  geschilderten  Weise  weiter 
nach  hinten  fort  (Fig.  433),  bis  die  definitive  Anzahl  erreicht  ist.  Wo 
die  beiden  Hälften  des  Keimstreifens  weiter  auseinander  liegen  wie  bei 
P.  novaezealandiae,  rücken  sie  zur  Bildung  der  Ventralfläche  an- 
einander, ein  Vorgang,  welcher  durch  die  allmähliche  Resorption  des 
Dotters  mit  befördert  wird.  Gleichzeitig  erhält  auch  die  Rückenfläche 
ihre  definitive  Gestaltung.  Die  Ringelung  des  Körpers  und  die  Papillen, 
welche  er  im  ausgebildeten  Zustande  an  seiner  Oberfläche  zeigt,  machen 
sich  in  Form  von  Falten  und  leichten  Erhebungen  der  Epidermis  geltend. 

Der  Endabschnitt  des  Körpers  ist  bis  zur  Ausbildung  der  definitiven 
Form  ungefähr  knopfförmig.  An  seiner  Unterseite  liegt  entweder  in 
einem  Ausschnitt  (so  bei  P.  edwardsii)  oder  auf  einer  Papille,  wie 
bei  P.  capensis,  der  After.  Zwei  leichte  Ausbuchtungen,  (die  Anal- 
papillen),  welche  scheinbar  dem  Endabschnitt  angehören,  sind  als  Ex- 
tremitätenanlagen aufzufassen  und  gehören  demnach  einem  echten  Seg- 
ment an.  Die  Extremitäten  selbst  haben  ihre  bleibende  Gestaltung  an- 
genommen, indem  sie  sich  schärfer  vom  Körper  absetzten  und  die  einer 
Gliederung  nicht  unähnliche  Ringelung  an  ihnen  auftrat.  An  ihrem  freien 
Ende  entstehen  als  Cuticularbildungen  die  beiden  Chitinkrallen.  Aus 
ihrer  früheren,  mehr  ventralen  Lagerung  sind  die  Füsschen  in  ihre  de- 
finitive Stellung  zwischen  Rücken-  und  Bauchfläche  gerückt. 

Bezüglich  der  Lage  des  Afters  rauss  noch  erwähnt  werden,  dass  man  ihn 
infolge  seiner  Lagerung  vor  der  Wucherungszone  einem  wirklichen  Segment 
zugerechnet  hat.  Auf  verschiedenen  Zeichnungen  v.  Kennel's  und  Sedgwick's 
nach  Querschnitten,  welche  die  Afteröft'nung  treffen,  sieht  man  wohlausgebildete 
Ursegmente  den  Endabschnitt  des  Darms  umlagern.  Man  müsste  also  jeden- 
falls eine  Verschiebung  des  ursprünglich  dem  Endabschnitt  zugehörigen  Afters 
nach  vorn  annehmen.  Wie  sich  der  After  des  ausgebildeten  Thieres  zur 
Segmentirung  des  Körpers  verhält,  und  oh  er  aus  dem  Bereich  derselben  wieder 
völlig  nach  hinten  gerückt  ist,  scheint  noch  nicht  genügend  festgestellt  zu  sein. 

Weniger  einfach  als  die  Ausbildung  des  Rumpfes  verläuft  diejenige 
des  vorderen  Körperabschnittes.  Hier  treten  dadurch  Complicationen 
ein,  dass  in  die  Bildung  des  definitiven  Kopfes  ausser  dem  eigentlichen 
Kopfsegment  noch  zwei  weitere  Segmente  einbezogen  werden,  und  dass 
die  Anhänge  derselben  eine  dementsprechende  Umgestaltung  erfahren. 
Damit  ergeben  sich  für  Peripatus  Verhältnisse,  wie  wir  sie  bereits  für 
die  Crustaceen  kennen  lernten,  und  wie  wir  sie  in  noch  mehr  überein- 
stimmender Weise  bei  den  Arachniden,  Myriopoden  und  Insecten  wieder 
antreffen. 

Am  Kopfsegment  haben  die  Anlagen  der  Antennen  eine  Veränderung 
insofern  durchgemacht,  als  sie  sich  bedeutend  in  die  Länge  streckten 
und  eine  Ringelung,  ähnlich  wie  diejenige  der  Füsschen,  an  ihnen  auf- 
trat (Fig.  433  at).  Die  Augen  (av)  sind  schon  etwas  früher  (bei  P.  ca- 
pensis) neben  den  Antennen  in  etwas  ventraler  Lagerung  als  flache 
Ectodermeinsenkungen  zur  Anlage  gekommen.  Bei  P.  edwardsii  ent- 
stehen sie  dicht  hinter  der  Basis  der  Antennen.  Von  besonderer  Wichtig- 
keit ist  das  weitere  Verhalten  des  Mundes  sowie  der  beiden  zu  ihm  in 
Beziehung  tretenden  Gliedmaassenpaare. 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  45 


694 


XXI.  Capitel. 


Abgesehen  davon,  dass  die  bei  dem  theil weisen  Schluss  des  Blasto- 
porus  übrig  bleibende  vordere  Oeffnung  nicht  direct  zur  Mundöffnung 
wird,  sondern  in  Folge  einer  Einsenkung  des  Ectoderms  eine  Verlagerung 
ins  Innere   erfährt  und   dadurch   die  Uebergangsstelle    des  Vorderdarms 

in  den  Mitteidann  bildet1),  stellt  auch  die  nun- 
mehrige Mundöffnung  nicht  die  definitive  Mündung 
des  Darmes  nach  aussen  dar,  sondern  sie  wird 
von  verschiedenen  Erhebungen  des  Ectoderms  über- 
lagert, welche  eine  secundäre  Mundhöhle  über  ihr 
bilden.  Dieser  Vorgang  beginnt  damit,  dass  auf 
der  Aussenseite  der  ersten  auf  die  Antennen  fol- 
genden Extremität  (Fig.  433  u.  434  h)  eine  Falte 
auftritt,  welche  dicht  an  der  Extremität  anliegt 
und  sich  noch  nach  hinten  auf  die  Ventralfläche 
des  Embryos  fortsetzt  (Fig.  433  u.  435  f  434  p). 
Diese  Falte  erscheint  gekerbt,  und  bei  P.  ed- 
wardsii  wird  sie  durch  eine  Reihe  eng  aneinander 
liegender  Papillen  repräsentirt  (Fig.  434  u.  436). 
In  späteren  Stadien  verändern  die  beiderseitigen 
Falten  ihre  Lage  in  der  Weise,  dass  sie  median 
gegen  die  Mundöffnung  vorücken  und  somit  die  an 
ihrer  Innenseite  gelegenen  Extremitätenanlagen 
gegen  den  Mund  hindrängen.  Indem  sie  sich  noch 
mehr  erheben,  kommen  die  Extremitäten  zusam- 
men mit  der  Mundöffnung  in  eine  Höhle,  die 
definitive  Mundhöhle,  zu  liegen  (Fig.  436).  Die 
Extremitäten  selbst  aber  werden  zu  den  Kiefern 
des  Peripatus.  Ihr  distaler  Abschnitt  erscheint  zur 
Zeit,  wenn  die  geschilderte  Umwallung  der  Mund- 
öffnung beginnt,  durch  eine  Furche  tief  eingekerbt.  Hier  entstehen 
die  beiden  festen  Chitinzähne  jedes  Kiefers  (Fig.  436  A  u.  B).  Durch 
diese  Gebilde,  welche  den  doppelten  Krallen  der  Füsse  zu  ver- 
gleichen sind,  bethätigen  die  Kiefer  noch  beim  ausgebildeten  Thiere 
ihren  Charakter  als  Extremitäten. 

Zur  völligen  Ausbildung  der  Mundhöhle 
kommen  noch  einige  weitere  Gebilde  hinzu. 
Zwischen  den  Scheitellappen  und  ventral  von 
ihnen  tritt  eine  längliche  Erhebung  auf  (Fig. 
436  o?),  welche  später  direct  vor  dem  leicht 
geschwungenen  scharfen  Rand  der  Mund- 
öffnung steht  und  sodann  bei  der  Umwallung 
der  Mundöffnung  durch  die  seitlichen  Falten 
mit  dieser  in  die  Mundhöhle  hinein  rückt  (Fig. 
436  B).  Nach  vorn  schliessen  letztere  sich 
dann  über  der  von  Kennel  als  Oberlippe 
bezeichneten  unpaaren  Papille  zusammen  (Fig. 
437).  Die  hinteren,  nicht  gekerbten  Fort- 
setzungen der  seitlichen  Falten  bewirken  den 
hinteren  Abschluss  der  Mundhöhle,  auf  deren 
Boden  nunmehr  die  Mundöffnung  liegt,  um- 
geben von  den  Kiefern  und  der  Oberlippe. 


Fig.  434.    Vorder- 

theil  eines  Embryos  von 
P.  edwardsii,  von  der 

Ventralseite  gesehen 
(nach    v.    Kennel,    ans 
Lang's  Lehrb.  d.  vergl. 
Anatomie). 

k  Kiefer,  no  Oeff- 
nung der  Nephridien 
des  Segmentes  der  Oral- 
papillen  (op),  p  Papillen 
der  Falten,  welche  seit- 
lich die  Kiefer  umfassen. 


m---' 


Fig.  435. 

Embryos    von 


~op. 


Kopftheil  eines 
P.    capensis 


(nach  Sedgwick). 

at  Antenne,  /  Mundfalte, 
k  Kiefer,  m  Mundöffnung,  op 
Oralpapille,  sp  Mündung  der 
Speicheldrüsen ,  vo  Oeffnung 
des  Ventralorganes. 


J)  Vgl.  weiter  unten  pag.  705. 


Onychophoren. 


695 


Bei  dem  Vorrücken  der  seitlichen  Falten  gegen  die  Mundöffnung  wurden 
auch  die  Ventralorgane  der  beiden  ersten  Segmente  zum  Theil  mit  in  die  Mund- 
höhle verlagert  (Fig.  436,  A  vox  und  vo2).  Von  ihnen  wird  weiter  unten  noch 
die  Rede  sein.  —  Eine  ganz  ähnliche  Falte  wie  diejenige,  welche  die  Umwallung 
der  Mundöffnung  bewirkt,  tritt  nach  v.  Kennel's  Beobachtung  zuweilen  noch 
an  der  Aussenseite  der  seitlichen  Falten  auf  (Fig.  436  B,  f„),  doch  scheint 
dieses  Verhalten  nicht  constant  zu  sein.  Immerhin  dürfte  dadurch  noch  mehr 
bestätigt  werden,  was  an  und  für  sich  schon  wahrscheinlich  ist,  dass  man  es 
in  diesen  Faltenbildungen  nicht  etwa  mit  Extremitätenanlagen  zu  thun  hat, 
wie  dies  vermuthet  worden  ist  (Moseley). 


R. 


B. 


af. 


ol. 


vo. 


U-- 


vo 


3-  — 


<*$ 


■j , 


Fig.  436.  A  und  B  Vordertheile  von  Embryonen  des  P.  edwardsii,  ventrale 
Ansicht  (nach  J.  v.  Kennel). 

at  Antennen,  /,  die  in  Papillen  zerlegte  Falte,  welche  die  Mundhöhle  umschliesst, 
f„  die  ausserhalb  von  /,  gelegene  Falte.  In  der  Mundhöhle  liegen  die  zweitheiligen 
Kiefer  und  vor  ihnen  die  Oberlippe,  g  -f-  vo  Ganglion  und  Ventralorgan  des  Kopf- 
abschnittes, in  B  mit  der  spaltförmigen  Einsenkung  des  Yentralorganes,  k  Kiefer,  ol  Ober- 
lippe, op  Oralpapillen,  p„p„  erstes  und  zweites  Fusspaar,  vo^ — vo4  Ventralorgane  der  Kiefer- 
und  Oralpapillen,  sowie  der  beiden  ersten  (definitiven)  Rumpfsegraente,  vo2  ist  in  einen 
vorderen  und  hinteren  Theil  getrennt,  x  Höcker  vor  der  Antennenanlage  (pag.  691  und  697). 


In  nicht  so  enge  Beziehungen,  wie  das  erste  auf  die  Antennen  fol- 
gende Gliedmaassenpaar  tritt  das  nächstfolgende  zum  Munde.  Abgesehen 
davon,  dass  es  keine  Chitinhaken  zur  Entwickelung  bringt,  behält  es  in 
seiner  Gestaltung  mehr  den  Extremitätencharakter.  Es  rückt  zwar  eben- 
falls gegen  die  Mundöffnung  hin,  bleibt  aber  ausserhalb  des  Ringwalles 
der  Mundhöhle  gelegen  (Fig.  437).  Schon  früh  zeichnet  sich  dieses 
Gliedmassenpaar  vor  den  andern  durch  seine  starke  Entwickelung  aus 
(Fig.  433  B,  op).  Es  repräsentirt  die  sog.  Oralpapillen,  an  deren  Spitze 
die  Schleimdrüsen  ausmünden.  Beim  ausgebildeten  Thier  liegen  die 
Oralpapillen  ebensoweit  vorn  wie  die  Kiefer  (pag.  437).  Man  muss  daher 
das  Segment  der  Oralpapillen  zum  Kopf  rechnen.  Ausser  dem  primären 
Kopfabschnitt  gehen  also  drei  Segmente  in  dessen  Bildung  ein,  das  Seg- 
ment der  Antennen,  der  Kiefer  und  der  Oralpapillen. 

45* 


696 


XXI.  Capitel. 


Anfangs  tritt  der  Kopf  des  Embryos  in  Folge  der  mächtigen  Aus- 
bildung der  Scheitellappen  stark  gegen  den  übrigen  Körper  hervor  (Fig. 
428  u.  431) ;  im  Laufe  der  Entwickelung  aber  nimmt  er  an  Umfang  ab, 
der  Mund  rückt  mehr  gegen  das  Vorderende,  womit  dann  der  Haupt- 
sache nach  die  Gestaltung  des  ausgebildeten  Thieres  erreicht  ist. 

Die  Jungen  werden  mit  der  vollen  Anzahl  der  Extremitäten  geboren. 
Die  Dauer  der  Entwickelung  soll  nach  den  Angaben  der  Autoren  eine 
ausserordentlich  lange  sein  (Sedgwick, Nr.  11).  Bei  P. novaezealandiae 
soll  sie  8 — 9,  bei  P.  capensis  gar  13  Monate  betragen  (?),  und  bei  den 
südamerikanischen  Arten  dürfte  sie  dann  wohl  nicht  minder  lange  Zeit 
in  Anspruch  nehmen.  Der  Nabelstrang,  welcher  bei  den  letzten  Arten 
den  Embryo  mit  der  Placenta  verbindet,  wird  zur  Zeit  der  stärkeren 
Längsstreckung  und  Einrollung  des  Embryos  derart  verändert,  dass 
sein  Lumen  sich  gegen  das  Ectoderm  desselben  abschliesst.  Daraufhin 
degenerirt  dann  allmählich  der  Nabelstrang  und  nur  in   seltenen  Fällen 

bleibt  er  länger  erhalten.  Die 
Ernährung  des  Embryos  wird 
nunmehr  durch  Einschlucken 
der  umgebenden  Eiweissmasse 
bewerkstelligt,  welche  letztere 
Ernährungsweise  auch  den 
Embryonen  des  P.  capensis 
zukommt,  abgesehen  von  einer 
etwaigen  endosmotischen  Auf- 
nahme von  Nährflüssigkeit. 

Zur  Auffassung  der 
Kopfanhänge  des  Peripatus. 


a 


i 


/' 


J^il 


V 


K 


I 


% 
■'S 


1 


Fig.  437.  Kopf  des  P.  edwardsii  in  ven- 
tralen Ansicht  (nach  Sedgwick,  aus  Lang's  Lehr- 
buch der  Vergl.  Anat.) 

a  Antenne  (zum  grössten  Theil  abgeschnitten), 
op  Oralpapille.  In  der  Mundhöhle  die  zwei- 
geteilten Kiefer.  Die  Mundhöhle  selbst  von  den 
in  Papillen  getheilten  Falten  umgeben. 


Die  Natur  der  beiden  hin- 
teren Paare  von  Kopfanhängen 
des  Peripatus  ist  nicht  zweifel- 
haft. Sie  entsprechen  den  Ex- 
tremitäten des  Rumpfes  und 
konnten  bereits  in  Vorstehen- 
dem ohne  Weiteres  als  solche  in 
Anspruch  genommen  werden, 
welche  bei  der  Einbeziehung 
zweier  (primärer)  Rumpfsegmente  in  den  Kopf  zu  Mund  Werkzeugen  um- 
gewandelt werden.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Antennen.  Sie  unter- 
scheiden sich  von  den  Rumpfgliedmaassen  durch  ihre  dorsale  und  praeorale 
Lagerung.  In  dieser  Beziehung  stimmen  sie  durchaus  mit  den  Antennen 
der  Myriopoden  und  Insecten  überein,  und  wir  halten  sie  für  homolog  mit 
diesen.  Nach  oben  hin  im  Thierreich  scheint  uns  somit  die  Homologie 
gesichert,  anders  nach  unten  hin.  Es  müssten  die  Antennen  sowohl  des 
Peripatus  wie  der  Myriopoden  und  Insecten  ihrer  Lagerung  nach  den 
Kopffühlern  der  Anneliden  verglichen  werden,  welche  sich  (praeoral)  am 
Kopfabschnitt  finden  und  dieselbe  Stellung  zur  Scheitelplatte  einnehmen, 
wie  die  Antennen  der  genannten  Formen  zum  Gehirn.  Gegen  eine  der- 
artige Vergleichung  scheint  uns  aber  die  Entstehungsweise  der  Antennen 
des  Peripatus  zu  sprechen.  Sowohl  in  ihrer  ersten  Anlage  wie  in  ihrer 
nachfolgenden  Ausbildung  zeigen  die  Antennen  eine  grosse  Ueberein- 
stimmung  mit   den  Rumpfgliedmaassen  (Fig.  433—436),   was   bei   einer 


Onychophoren.  (397 

Betrachtung  der  von  Sedgwick  und  v.  Kennel  gegebenen  Bilder  stark 
hervortritt.  Wie  die  Extremitäten  erhalten  sie  die  gleiche  äussere  Ringe- 
lung,  und  in  sie  hinein  erstreckt  sich  ein  Fortsatz  des  Ursegmentes,  so 
dass  sie  ebenfalls  als  hohle  Zapfen  erscheinen  wie  die  Extremitäten. 
Ja,  es  soll  von  dem  Ursegment  der  Antennen  ein  Canal  nach  aussen 
führen,  welcher  dem  Nephridialkanal  der  Rumpfsegmente  entsprechen 
würde.  Kurz,  es  ist  eine  so  grosse  Uebereinstimmung  in  der  Anlage 
der  Antennen  und  Extremitäten  vorhanden,  dass  man  sich  schwer  ent- 
schliessen  kann,  sie  für  principiell  von  diesen  verschiedene  Gebilde  zu 
halten.  Man  möchte  viel  eher  geneigt  sein,  ihnen  den  gleichen  Ursprung 
zuzuschreiben  und  annehmen,  dass  sie  nur  weiter  nach  vorn  gerückt 
sind.  Diese  Vermuthung  wird  unterstützt  durch  das  Verhalten  der  An- 
tennen bei  den  Insecten.  Auch  sie  zeigen  in  der  Anlage,  nicht  nur  in 
der  Form,  was  dort  weniger  auffallend  wäre,  sondern  auch  in  der  Lage 
die  grösste  Uebereinstimmung  mit  den  (primären)  Rumpfgliedmaassen, 
ja  sie  liegen  sogar  anfangs  postoral  (Fig.  489,  pag.  795).  Wir  möchten 
aus  diesem  Verhalten  der  Antennen  des  Peripatus  und  der  Insecten 
schliessen,  dass  dieselben  zwar  unter  sich  homologe  Gebilde  sind,  aber 
nicht  mit  den  Kopffühlern  der  Anneliden  verglichen  werden  dürfen,  mit 
andern  Worten,  dass  sie  ursprünglich  Anhänge  des  (primären)  Rumpfes 
und  nicht  des  primären  Kopfabschnittes  waren. 

Bei  einer  derartigen  Auffassung  müsste  man  annehmen,  dass  der  primäre 
Kopfabschnitt  sehr  stark  zurückgetreten  ist,  und  ein  primäres  Rumpfsegment 
(das  erste)  zum  Theil  seine  Stelle  eingenommen  hat.  Ein  Fingerzeig,  wie 
und  weshalb  dies  geschah,  ist  in  der  Einbeziehung  weiterer  (primärer)  Rumpf- 
segmente in  den  (definitiven)  Kopf  gegeben.  Die  Verwendung  der  vorderen 
Gliedmaassenpaare  zu  Mundwerkzeugen  brachte  eine  tkeilweise  Umwandlung 
in  Sinneswerkzeuge  (Taster  der  Insecten)  und  ein  sckliessliches  Ueberwiegen 
eines  derselben  als  Fühler  mit  sich.  — ■  Auch  das  Gehirn  müsste  bei  einer 
solchen  Auffassung  zum  Theil  dem  ersten  (primären)  Rumpfsegment  zugerechnet 
und  könnte  nicht  allein  von  der  Scheitelplatte  abgeleitet  werden.  Doch  bereitet 
dies  kaum  Schwierigkeiten,  wenn  man  sieht,  wie  bei  Peripatus  die  Ganglien 
des  Kiefersegmentes  aus  einer  postoralen  in  eine  praeorale  Lagerung  über- 
geführt und  in  das  Gehirn  einbezogen  werden  (pag.  702).  Ganz  entsprechend 
verhalten  sich  die  Ganglien  der  zweiten  Antennen  bei  den  Crustaceen  (pag.  364). 

Die  Ausfüllung  des  sog.  Kopfabschnittes  bei  Peripatus  durch  ein  völlig 
reguläres  Ursegmentpaar  mit  ununterbrochener  epithelialer  Wandung  entspricht 
wohl  dem  Verhalten  eines  Rumpfsegmentes,  nicht  aber  des  Kopfabschnittes 
der  Anneliden. 

Wenn  der  primäre  cephaliscbe  Abschnitt,  welcher  bei  der  Anneliden- 
trocbopbora  die  Kopffühler  trägt,  wirklich  eine  Rückbildung  erfahren  hat, 
so  könnte  man  erwarten,  noch  Spuren  davon  zu  finden.  Als  solche 
möchten  wir  die  beiden  kleinen  Höcker  ansprechen,  welche 
vor  den  Antennenanlagen  auftreten,  und  deren  Bedeutung 
bisher  völlig  dunkel  geblieben  ist  (Fig.  432  und  436,  x).  Wir 
möchten  die  Vermuthung  aussprechen,  dass  sie  möglicherweise  Reste 
der  primären  An  neu  den  fühl  er  darstellen.  Durch  diese,  wie  uns 
scheint,  recht  naheliegende  Auffassung  wird  zugleich  eine  auffallende  Ueber- 
einstimmung mit  dem  Verhalten  der  Crustaceen  gewonnen.  Für  die  Homo- 
logie ihrer  Kopfanhänge  wurde  weiter  oben  (pag.  366)  eine  ähnliche  Auf- 
fassung geltend  gemacht,  und  dementsprechend  ihrem  frontalen  Sinnesorgane 
dieselbe  Bedeutung  zugeschrieben,  wie  jenen  kleinen  Höckern  (sc)  vor  den 
Antennenanlagen  des  Peripatus. 


698  XXI.  Capitel. 

Wir  können  es  übrigens  nicht  für  ganz  unwahrscheinlich  halten,  dass  auch 
dem  ausgebildeten  Peripatus  noch  Reste  jenes  Organs  zukommen,  wodurch 
die  Uebereinstimmung  mit  dem  bei  vielen  Crustaceenlarven  noch  functio- 
nirenden  frontalen  Sinnesorgan  eine  noch  auffallendere  sein  würde.  Jene 
Höcker  bleiben,  wie  aus  v.  Kennel's  Darstellung  zu  ersehen  ist,  sehr  lange 
erhalten,  und  vielleicht  haben  sie  sich  der  Beobachtung  nur  dadurch  ent- 
zogen, dass  später  die  papillenartigen  Erhebungen  der  Haut  auftreten,  welche 
diese  beim  ausgebildeten  Thiere  in  Menge  besitzt.  St.  Remy  (No.  8)  be- 
schreibt und  zeichnet  am  Gehirn  des  ausgebildeten  Peripatus  eine  (paarige) 
gangliöse  Erhebung  („formation  de  nature  inconnue"),  welche  der  Lage  nach 
jenen  beiden  Höckern  am  Köpfe  des  Embryos  entspricht,  und  welche  wohl 
als  Lobus  eines  primären  Tentakelnerven  aufgefasst  werden  könnte.  Freilich 
finden  sich  auch  in  der  nachgelassenen  Arbeit  Balfour's  ähnliche  Gebilde 
als  (von  verschiedenen  Stellen  der  Dorsalfläche)  abgehende  Nervenpaare  be- 
schrieben ,  aber  auch  von  diesen  könnte  eines   jenem  Sinnesorgan   zugehören. 

Wir  können  es  uns  nicht  versagen ,  bei  dieser  Gelegenheit  auf  die 
Sinnesorgane  hinzuweisen ,  welche  bei  verschiedenen  Myriopoden  (z.  B. 
Lithobius,  Polyxenus  und  Glomeris)  am  Scheitel  gefunden  werden 
und  deren  Innervirung  vom  „Thalamus  opticus''  aus  geschehen  soll  (Tömös- 
vary,  Litt.  Verz.  der  Myriopoden  No.  22,  pag.  760).  Ausdrücklich  müssen 
wir  aber  dazu  bemerken,  dass  diesem  Hinweis  thatsächliches  Material  bisher 
nicht  zu  Grunde  liegt,  welches  einen  erfolgreichen  Vergleich  dieser  eigen- 
thümlich  gestalteten  Sinnesorgane,  die  übrigens  noch  nicht  genau  genug  be- 
kannt sind ,  mit  dem  Frontalorgan  der  Crustaceen ,  bezw.  jenen  selbst  noch 
nicht  genügend  erforschten  Höckern  des  Peripatus  gestattet. 

Bei  einer  Betrachtung  jüngerer  Embryonen  von  Peripatus  (z.  B.  des- 
jenigen der  Fig.  433  Ä)  erscheint  die  Lageveränderung  der  Antenne,  wenn 
man  sie  aus  einer  Extremität  hervorgegangen  denkt ,  keine  sehr  bedeutende, 
zumal  wenn  man  die  bei  den  Insecten  obwaltenden  Verhältnisse  zum  Ver- 
gleich heranzieht.  Weniger  leicht  lässt  sich  die  Lage  der  Augen  des  Peri- 
patus mit  der  hier  vertretenen  Auffassung  vereinigen.  Sie  liegen  weiter 
zurück  als  die  Antennen  und  dicht  an  dem  Gehirntheil ,  welchen  man  vom 
ersten  (primären)  Rumpfsegment  herleiten  muss.  Die  Augen  können  wohl 
aber  (wenigstens  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen)  nur  dem  primären 
Kopfabschnitt  zugeschrieben  werden ,  zumal  sie  bei  Peripatus  im  Bau  weit 
eher  mit  den  Augen  der  Anneliden  als  mit  denen  der  Arthropoden  überein- 
stimmen. Man  kann  dieses  Verhalten  nur  so  erklären,  dass  es  durch  die 
Verschiebung  der  verschiedenen  Theile  bedingt  ist,  welche  in  die  Bildung 
des  Kopfes  eingehen. 

3.   Die  Bildung  der  Organe. 
A.   Körperdecke,  Nervensystem  und  Sinnesorgane. 

a.     Die    Kö  r  perbedec  k  u  n  g. 

Das  Ectoderm  bildet  im  grössten  Theil  des  Körperumfangs  beim 
Embryo  eine  einschichtige  Lage  kubischer  Zellen.  Nach  Sedgwjck's  Be- 
obachtung sollen  bei  P.  capensis  die  Ectodermzellen,  besonders  der 
Dorsalfläche,  eine  schwammige  Structur  zeigen  und  nach  aussen  nicht 
scharf  begrenzt  sein.  SedctWick  schreibt  ihnen  desshalb  die  Fähigkeit 
der  Aufnahme  flüssiger  Nahrung  zu  und  meint,  dass  die  von  Kennel 
beschriebene  Placenta  infolge  dieser  Fähigkeit  des  Ectoderms  als  ein 
mehr  specialisirtes   Organ   der  Nahrungsaufnahme    zu  Stande    kommen 


Onychophoren.  699 

konnte.  —  Die  Veränderungen,  welche  das  Ectoderm  bei  dem  Uebergang 
in  die  definitive  Körperdecke  erfährt,  sind  nicht  sehr  wesentlich. 
Nach  aussen  wird  die  zarte  Cuticula  abgeschieden,  welche  dem  aus- 
gebildeten Thier  zukommt.  An  einigen  Stellen,  z.  B.  an  der  Ventral- 
seite der  Füsschen  wird  das  Ectoderm  mehrschichtig  und  scheidet  hier 
eine  dickere  Chitinlace  aus,  desgleichen  am  freien  Ende  der  Füsschen, 
wo  auf  gleiche  Weise  die  Krallen  gebildet  werden. 

b.    Das   Nervensystem   und   die   Ventralorgane. 

Das  Nervensystem  und  die  Ventralorgane  entstehen  aus  zwei 
mächtigen  Ectodermverdickungen,  welche  an  der  Ventralseite  des  Kopf- 
abschnittes und  derjenigen  des  (primären)  Rumpfes  durch  rege  Ver- 
mehrung der  Zellen  gebildet  werden.  Die  so  entstehenden  beiden  Längs- 
wülste machen  sich  zu  der  Zeit  bemerkbar,  wenn  die  Füsschen  sich 
schärfer  vom  Körper  absetzen.  Ihre  Ausbildung  schreitet  von  vorn  nach 
hinten  fort. 

Nach  SEDßwiCK's  Darstellung  geht  jeder  dieser  beiden  Längswülste 
direct  in  eine  entsprechende  Verdickung  des  Kopf-  (Antennen-)  Segmentes 
über,  nach  Kennel's  Beobachtung  ist  dies  nicht  der  Fall,  sondern  die  Wülste 
enden  stumpf  abgerundet  vor  dem  Kopfabschnitt  (Fig.  434),  so  dass  der 
aus  dem  Kopfabschnitt  hervorgehende  Theil  des  centralen  Nervensystems 
getrennt  von  dessen  übrigen  Theilen  entstehen  würde1).  Uebrigens  findet 
nach  v.  Kennel's  Angabe  auch  zwischen  Kopf-  und  Rumpftheil  der  Längs- 
wülste zur  Zeit,  wenn  diese  sich  anlegen,  eine  Verdickung  des  Ectoderms  statt. 
Allerdings  ist  dieselbe  bei  Weitem  nicht  so  voluminös.  Da  es  sich  hier  aber 
nur  um  die  Bildung  einer  Commissur,  d.  h.  eines  weniger  umfangreichen J 
Theiles  handelt,  könnte  dieses  Verhalten  doch  auf  eine  Continuität  zwischen 
Kopf-  und  Rumpftheil  hinweisen.  Die  Frage  nach  der  continuirlichen  Ent- 
stehung des  Kopf-  und  Rumpftheiles  des  centralen  Nervensystems  ist  bereits 
bei  Behandlung  der  Anneliden  besprochen  worden  (pag.  190).  Freilich  ist 
sie  auch  bei  ihnen  noch  nicht  als  erledigt  zu  betrachten ,  doch  sind  sie  die- 
jenigen Formen,  bei  denen  eine  'Entscheidung  dieser  Frage  noch  am  ehesten 
erwartet  werden  kann. 

Die  geschilderte  paarige  Verdickung  der  Ventralfläche  giebt  nicht 
nur  dem  Nervensystem,  sondern  auch  den  Ventralorganen  den  Ursprung 
(v.  Kennel,  No.  4).  Auf  Querschnitten  durch  den  Embryo  zeigt  sich, 
dass  die  Verdickung  wie  nach  aussen  auch  nach  der  Innenseite  des  Körpers 
vorspringt  (Fig.  442  und  443,  pag.  709  u.  711).  In  der  Mitte  der  die 
Verdickung  bildenden  Zellmasse  entsteht  dann  ein  ungefähr  parallel  zur 
Wand  gerichteter  Spalt,  welcher  eine  äussere  von  einer  inneren  Zellen- 
masse  trennt  (Fig.  442  B).  Diese  Spaltung  verläuft  ebenso  wie  die  An- 
lage der  Längswülste  selbst  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten.  Die 
innere  Zellenmasse  repräsentirt  die  Anlage  des  Nervensystems  (w),  die 
äussere,  mit  der  Epidermis  in  Verbindung  bleibende,  diejenige  der  sog. 
Ventralorgane  (vo),  deren  Ausbildung  und  Bedeutung  zunächst  ins  Auge 
gefasst  werden  soll. 


x)  Von  einer  völlig  getrennten  Entstehung  des  Gehirns  und  der  Bauchganglienkette 
kann  hier  insoforn  nicht  wohl  gesprochen  werden,  weil  zum  Gehirn  auch  das  Ganglion 
des  Kiefersegmentes  hinzugezogen  wird,  wie  sogleich  gezeigt  werden  soll.  Ueber  den 
Werth  des  jetzigen  Gehirns  als  eines  wirklichen  cephalischen  Abschnittes  dürften  infolge 
dieses  Verhaltens,  sowie  infolge  der  Betrachtungen,  welche  wir  über  die  Beziehung  der 
Antennen  zu  den  Extremitäten  anstellten,  Zweifel  nicht  ausgeschlossen  sein. 


700 


XXI.  Capitel. 


Die  Ventralorgaiie.  Indem  der  Spalt,  welcher  die  Anlage  des 
Nervensystems  von  derjenigen  der  Ventralorgane  trennt,  in  jedem  Seg- 
ment durch  eine  zellige  Verbindungsbrücke  zwischen  beiden  Organen 
unterbrochen  wird  (Fig.  443  B,  pag.  711),  kommt  eine  Segmentirung  der 
Ventralorgane  zu  Stande,  die  sich  auch  äusserlich  an  denselben  bemerk- 
bar macht.  Diese  in  der  Mitte  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Füss- 
chen  gelegene  Verbindungsstelle  von  Ventralorgan  und  Nervenstrang  bleibt 
bis  zur  Reife  des  Embryos  erhalten  und  wird  auch  noch  beim  ausge- 
bildeten Thier  gefunden  (v.  Kennel).  In  ihrer  weiteren  Entwicklung 
verflachen  sich  die  Ventralorgane  und  lassen  an  ihrer  Aussenfläche  eine 
leichte  Einsenkung  erkennen.  Gleichzeitig  rücken  sie  auf  einander  zu 
und  stossen  schliesslich  in  der  Mittellinie  an  einander.  Während  sie  an- 
fangs ausserordentlich  massig  waren  (Fig.  442  und  443  B),  treten  sie 
jetzt  gegenüber  dem  Umfang  des  Embryos  weit  mehr  zurück  (Fig.  444, 


Fig.  438.  A  und  B  Querschnitte  durch  den  Kopf  von  Emhryonen  des  P.  ed- 
wardsii  (nach  v.  Kennel).     In  A  ist  die  Hälfte  des  Schnittes  fortgelassen. 

an  Antennennerv,  n  Gehirn  (aus  Zellen-  und  Fasersubstanz  bestehend),  us  Urseg- 
inent  des   Kopfes,  vo  Ventralorgan. 


pag.  714).  Mit  der  fortschreitenden  Entwicklung  des  Embryos  werden 
sie  immer  unansehnlicher  und  stellen  beim  ausgebildeten  Thier  nur  noch 
eine  wenig  umfangreiche  follikuläre  Einsenkung  der  Epidermis  dar,  welche 
als  unpaares  Gebilde  auf  der  Verbindungslinie  je  zweier  gegenüberliegen- 
der Füsschen  gelegen  ist  (v.  Kennel)  und  bisher  übersehen  wurde. 

Ein  besonderes  Verhalten  zeigen  die  Ventralorgane  der  vorderen 
Segmente.  Diejenigen  des  Segmentes  der  Oralpapillen  sowohl,  wie  die 
des  Kiefersegmentes  werden  in  die  Mundhöhle  einbezogen  und  lassen 
sich  am  Grunde  derselben  noch  einige  Zeit  erkennen  (Fig.  436  A,  vox 
u.  vo2).  Die  beiden  hinteren  vereinigen  sich  und  bilden  die  Hinterwand 
des  Schlundes,  die  vorderen  aber  bleiben  durch  den  Schlund  getrennt. 
Infolgedessen  entwickelt  sich  jedes  für  sich  weiter,  und  beide  lassen  die 
äussere  Einsenkung  (nach  v.  Kennel's  Auffassung  den  ursprünglicheren 
Charakter)  deutlicher  erkennen,  als  die  übrigen  Ventralorgane  des  Rumpfes. 
Noch  weit  mehr  ist  dies  der  Fall  bei  jenen  Gebilden,  welche  wohl  als 
Ventralorgane  des  Kopfsegmentes   aufzufassen  sind.     Es  sind   dies  zwei 


Onyckophoren.  701 

nebeneinander  gelegene  tiefe  Einsenkungen  der  Epidermis  an  der  Ventral- 
seite des  Kopfsegmentes  (Fig.  438  B,  vo),  welche  in  gleicher  Weise  wie 
die  Ventralorgane  des  Rumpfes  durch  Abspaltung  einer  äusseren  von 
einer  inneren  Ectodermschicht  und  Einstülpung  der  ersteren  entstanden 
sind.  Diese  Einstülpungen,  welche  anfangs  weit  offen  sind  und  sich 
später  fast  ganz  schliessen,  sind  schon  bei  einer  äusseren  Betrachtung 
des  Embryos  anfänglich  als  Gruben,  später  in  Form  unregelmässig  ge- 
stalteter Spalten  an  der  Ventralfläche  der  Scheitellappen  zu  erkennen 
(Fig.  435  und  436  B,  pag.  694  u.  695).  Später  erfolgt  der  völlige  Schluss 
der  Ventralorgane  und  die  Ablösung  derselben  aus  dein  Zusammenhang  mit 
der  Epidermis.  Da  beide  Blasen  sich  tief  in  die  Masse  des  Gehirns  ein- 
senkten (Fig.  438  B)  und  so  in  einem  engen  Zusammenhang  mit  diesem 
gelangten,  ist  es  erklärlich,  dass  sie,  wenn  das  Gehirn  im  Vergleich  zum 
Kopf  weniger  umfangreich  wird  und  an  dessen  Dorsalseite  rückt,  dem- 
selben folgen  und  in  Form  einer  dickwandigen  Blase,  dem  sog.  Hirn- 
anhang des  Peripatus,  mit  ihm  verbunden  bleiben.  Das  Ventralorgan  des 
Kopfsegmentes  würde  sich,  wenn  wir  es  hier  wirklich  mit  einem  solchen 
zu  thun  haben,  von  denen  des  Rumpfes  dadurch  unterscheiden,  dass  es 
seine  Verbindung  mit  der  Epidermis  allem  Anschein  nach  völlig  aufgiebt. 

Die  Bedeutung  der  Ventralorgane  ist  bisher  dunkel  geblieben.  Ihre 
mächtige  Entwicklung  in  früher  Zeit  des  Embryonallebens  und  das  Zurück- 
treten beim  ausgebildeten  Thier  spricht  dafür ,  dass  man  es  in  ihnen  mit 
Organen  zu  thun  hat,  welche  bei  den  Vorfahren  stärker  entwickelt  waren. 
Aus  ihrer  Lage  könnte  man  schliessen,  dass  vielleicht  der  grösste  Theil  der 
Ventralfläche  durch  starke  Bewimperung  als  Bewegungsapparat  iünctionirt 
habe,  ähnlich  dem  ventralen  Flimmerfeld  der  Anneliden.  Die  Verbindung 
mit  dem  Nervensystem  bietet  infolge  der  Entstehung  des  letzteren  aus  diesen 
Ectodermmassen  nichts  Besonderes.  Vielleicht  wird  bei  der  Ontogenese  noch 
fortgesetzt  Zellenmaterial  der  Ventralorgane  zur  Ausbildung  der  Bauchkette 
verwendet,  v.  Kennel's  Angabe,  dass  die  allmählich  sich  verringernde 
Zellenmasse  der  Ventralorgane  bei  der  weiteren  Ausbildung  der  Epidermis 
Verwendung  finde,  scheint  für  die  ursprüngliche  Zugehörigkeit  dieser  Organe 
zur  Epidermis  zu  sprechen ,  zumal  sie  auch  in  ihrer  grössten  Masse  den 
Zusammenhang  mit  dieser  nie  aufgeben,  ausgenommen  die  Ventralorgane  des 
Kopfabschnittes.  Was  diese  letzteren  anbetrifft,  so  ist  die  Aehnlichkeit  mit 
denjenigen  Bildungen  eine  höchst  auffallende,  welche  wir  bei  den  Arach- 
niden  als  Scheitelgruben  kennen  lernten,  und  welche  dort  mit  der  Bildung 
des  Nervensystems  in  engster  Beziehung  stehen  (pag.  546  und  583).  Die 
Figur  438  B  zeigt,  wie  die  „Ventralorgane"  des  Kopfes  bei  Peripatus 
sich  eng  an  die  Anlage  des  Gehirns  anlagern.  Ein  Vergleich  der  Figuren 
435  und  436  B  mit  den  Fig.  346  C,  349  und  370  B,  pag.  541  ff.  und  582  lässt 
dagegen  erkennen,  wie  auch  äusserlich  die  Lage  jener  Einstülpungen  grosse 
Uebereinstimmung  zeigt.  Freilich  ist  man  nach  unserer  jetzigen  Kenntniss  von 
der  Natur  der  Ventralorgane  nicht  berechtigt,  diesen  Vergleich  weiter  auszuführen. 

Das  Nervensystem.  Wenn  sich  die  Anlage  der  beiden  Längsnerven- 
stämme  von  derjenigen  der  Ventralorgane  abspaltet,  tritt  an  der  dorsalen 
Seite  der  ersteren  ein  Belag  von  Fasersubstanz  auf,  der  anfangs  nur  dünn 
ist,  allmählich  aber  stärker  wird  (Fig.  443  u.  444,  pag.  711  u.  714).  Diese 
Lagerung  der  Fasersubstanz  zur  Masse  der  Ganglienzellen  bleibt  im  Wesent- 
lichen erhalten,  denn  auch  beim  ausgebildeten  Thier  findet  sich  die  Faser- 
masse dorsal  von  den  Ganglienzellen  (Balfouk,  No.  1),   und  nur  einige 


702  XXI.  Capitel. 

wenige  der  letzteren  schieben  sieh  dorsal  über  die  Fasermasse  hinweg. 
Dieses  Verhalten  des  Peripatus  muss  als  ein  ursprüngliches  angesehen 
werden.  Bei  höher  differencirten  Formen,  z.  B.  den  Crustaceen  und 
Arachniden  wird  die  Fasermasse  zwar  auch  noch  peripher  angelegt, 
jedoch  bald  von  Ganglienzellen  überdeckt  und  ins  Innere  der  Ganglien 
verlagert.  Es  wurde  bereits  bei  Betrachtung  der  Crustaceen  (pag.  361) 
darauf  hingewiesen,  dass  das  Auftreten  der  Fasersubstanz  an  den  inneren 
peripheren  Theilen  der  Bauchstränge  einen  ursprünglichen  Zustand  dar- 
stellen mag. 

Von  den  Commissuren ,  welche  bei  Peripatus  in  reicher  Anzahl  die 
Nervenstämme  verbinden,  wird  nur  angegeben,  dass  sie  aus  diesen  wie  die 
peripheren  Nerven  hervorwachsen,  und  zwar  sollen  die  letzteren  durch  ein 
Aussenden  von  Nervenfasern  gebildet  werden  (v.  Kennel). 

Das  Gehirn  entsteht  in  übereinstimmender  Weise  mit  dem  übrigen 
Centralnervensystem,  doch  ergeben  sich  hier  nachträglich  gewisse  Compli- 
cationen,  indem  die  Antheile  zweier  Segmente  zu  seiner  Bildung  zu- 
sammentreten. Die  Abspaltung  der  Ganglienanlage  von  der  Epidermis- 
verdickung  (Ventralorgan)  erfolgt  im  Kopf  ungefähr  so  wie  in  den  an- 
deren Segmenten,  doch  erstreckt  sich  die  Fasersubstanz  hier  schon  bald 
tiefer  in  die  Ganglienzellenmasse  hinein  und  wird  von  dieser  zum  Theil 
dorsal  überlagert  (Fig.  438  B).  Von  dieser  dorsalen  Zellenmasse  setzt 
sich  ein  Zellenstrang  in  die  Antennenanlage  fort,  es  ist  dies  die  Anlage 
des  Antennennerven  (v.  Kennel,  No.  4;  Sedgwick,  No.  10,  Theil  III 
und  IV).  Letzterer  erscheint  demnach  als  directe  Fortsetzung  des  Ge- 
hirnganglions und  soll  sich  dadurch  von  allen  übrigen  peripheren  Nerven 
unterscheiden,  welche  nur  als  Aussendungen  von  Nervenfasern  (ohne  An- 
theilnahme  von  Ganglienzellen)  gebildet  werden. 

Die  vom  Kopfabschnitt  gelieferte  Nervenmasse  nimmt  bald  an  Um- 
fang so  stark  zu,  dass  sie  den  grössten  Theil  der  Kopfhöhle  erfüllt.  Die 
Ganglienzellenmasse,  von  welcher  der  Tentakelnerv  ausgeht,  schiebt  sich 
mehr  gegen  die  Mittellinie  hin  und  bildet  an  der  DorsalÜäche  des  Ge- 
hirns jederseits  einen  umfangreichen  eiförmigen  Wulst  (Fig.  439  g{).  Die 
beiden  Ganglienhälften  sind  anfangs  durch  einen  tiefen  Spalt  getrennt. 
Dieser  wird  später  dadurch  überbrückt,  dass  sich  die  Fasermassen  beider 
Gehirnhälften  zu  einer  Commissur  (der  sog.  oberen  Schlundcommissur, 
v.  Kennel)  vereinigen.  Diese  Commissur  ist  also  eine  secundäre  Bil- 
dung. Es  scheint,  dass  in  sie  auch  weiter  hinten  gelegene  Theile  des 
Gehirns  eingehen.  Letztere  gehören  aber  nicht  mehr  dem  Kopfsegment 
an,  sondern  werden  von  dem  darauf  folgenden  (Kiefer-)Segment  gebildet. 

Bei  der  Umwallung  der  Kiefer  werden  auch  die  Ganglien  dieses 
Segmentes  in  die  Tiefe  und  gegen  die  Dorsalseite  zu  gedrängt,  so  dass 
die  betreffenden  Ganglien  bald  bei  einer  Betrachtung  des  Embryos  von 
der  Rückenseite  zu  erkennen  sind  (v.  Kennel,  Fig.  439  #m).  Man  muss 
wohl  annehmen,  dass  dieses  Hinaufrücken  entlang  der  schon  vorhandenen 
Schlundcommissur  stattfand.  Die  Verschmelzung  wird  in  Kurzem  eine 
sehr  innige,  und  man  erkennt  die  Kieferganglien  als  zwei  ziemlich  um- 
fangreiche Erhebungen  hinter  den  Antennenganglien  (Fig.  439  gm).  Die 
Fasermasse  der  Kieferganglien  tritt  von  beiden  Seiten  her  zur  Bildung 
einer  Commissur,  der  unteren  Schlundcommissur,  zusammen,  was  da- 
durch geschehen  kann,  dass  sich  das  Hinterende  dieser  Ganglien  abwärts 
neigt.    Bei  einer  derartigen  Bildimgsweise  der  unteren  Schlundcommissur 


Onychophoren. 


703 


ist  es  nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  man  es  in  ihr  mit  einem  ursprüng- 
lichen Gebilde  zu  thun  hat.  Letzteres  würde  vielleicht  eher  für  eine 
weiter  nach  hinten  gelegene  Commissur  gelten  können,  welche  aus  Zellen 
besteht  (Fig.  439  c).  Freilich  verbindet  diese  Commissur  zwei  gangliöse 
Anschwellungen,  welche  man  eher  dem  Segment  der  Oralpapillen  zu- 
rechnen möchte.  Alle  folgenden  Commissuren  sollen,  wie  schon  erwähnt, 
durch  Aussendungen  der  Fasersubstanz  gebildet  werden. 


Bei  der  Bildung  des  Gehirnes  von  Peripatus  ist  als  wichtigster  Punkt 
die  Verschmelzung  der  Kieferganglien  mit  den  Ganglien  des  Kopfabschnittes 
anzusehen,  denn  damit  ist  ein  Verbalten  gegeben,  welches  Peripatus  von  den 
Myriopoden  und  Insecten  unterscheidet ,  soweit  wir  bis  jetzt  wissen,  und  ihn 
eher  zu  den  Crustaceen  hinleitet,  bei  denen  die  Ganglien  des  Segmentes  der 
II.  Antenne  mit  dem  Gehirn  vereinigt 
werden  (vgl.  pag.  364).  Es  liegt  daher 
nahe,  die  Kiefer  des  Peripatus  nicht  den 
Mandibeln  der  Insecten,  sondern  vielmehr 
der  II.  Antenne  der  Crustaceen  gleichzu- 
stellen. Die  daraus  von  selbst  sich  er- 
gebende Frage,  ob  das  entsprechende  Seg- 
ment der  Insecten  zum  Wegfall  gekommen 
ist,  bezw.  wie  sich  das  Mandibelsegment 
dazu  verhält,  dürfte  bei  dem  jetzigen  Stand 
unserer  Kenntnisse  eine  erfolgreiche  Dis- 
cussion  kaum  zulassen  (vgl.  auch  weiter 
unten,  pag.  906). 

Die  enge  Verbindung,  welche  das 
Kiefersegment  mit  dem  Kopfabschnitt  des 
Peripatus  eingeht,  erhebt  die  früher  ausge- 
sprochene Auffassung  zu  grösserer  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  auch  das  (jetzt  als 
Kopfabschnitt  bezeichnete)  Antennenseg- 
ment auf  gleiche  Weise  mit  einem  früher 
vorhandenen  und  jetzt  grösstentheils  rück- 
gebildeten Kopfabschnitt  vereinigt  worden 
sein  könnte.  Wir  wurden  zu  dieser  An- 
nahme geführt  durch  das  Vorhandensein 
jener  beiden  vor  den  Antennenanlagen 
auftretenden   Höcker    (Fig.    436    x)   und 

durch  die  grosse  Uebereinstimmung  in  der  Bildungsweise  der  Antennen  und 
Füsschen.  Damit  lässt  sich  freilich  die  Angabe  schlecht  vereinigen,  dass  der 
Antennennerv  in  seiner  Bildungsweise  von  den  peripheren  Nerven  principiell 
verschieden  sein  soll,  doch  scheint  uns  dieser  Punkt  noch  zu  wenig  beachtet 


Fig.  439.  Vordertheil  des  cen- 
tralen Nervensystems  eines  Embryos 
von  P.  edwardsii,  auf  etwas 
früherem  Stadium  als  das  der  Fig. 
436  B.  Dorsalansicht  (nach  v.  Kenxel). 

at  Antenne,  au  Auge,  c  erste  Com- 
missur nach  der  Schlundcommissur, 
gi  und  gn  Kopfantheil  des  Gehirns, 
gm  Antheil  des  Kiefersegmentes,  gn 
darauf  folgende  Ganglien,  op  Oral- 
papille,  p\  erstes  Fusspaar,  s  Durch- 
trittsstelle des  Schlundes,  sd  Schleim- 
drüse. 


worden 
könnte. 


zu   sein ,    als    dass    er  als   völlig   ausschlaggebend   angesehen  werden 


c. 


Die   Augen. 


Die  Augen  werden  bereits  angelegt,  wenn  die  Trennung  des  Nerven- 
systems von  den  Ventralorganen  noch  nicht  erfolgt  ist.  An  der  dorsalen 
Grenze  der  Ectodermverdickung  des  Kopfabschnittes  senkt  sich  jederseits 
hinter  der  Antennenanlage  und  ein  wenig  ventral  von  dieser  eine  kleine 
Grube  ein,  deren  Boden  anfangs  mit  der  Ectodermverdickung  in  Ver- 
bindung steht,  sich  aber   bald  von   ihr  ablöst.     Die  Grube   schliesst  sich 


704  XXI.  Capitel. 

zu  einer  Blase,  welche  sich  vom  Ectoderm  losschnürt.  Diese  Blase  ist 
nach  aussen  gegen  die  Epidermis  zu  einschichtig,  nach  innen  mehrschichtig. 
In  ihren  Zellen  tritt  an  der  inneren  Begrenzung  Pigment  auf.  In  der 
Höhlung  der  Blase  wird  die  Linse  ausgeschieden.  Die  Zellen  der  hinteren 
und  seitlichen  Wand  liefern  die  Stäbchen  der  Retina.  In  der  verdickten 
Rückwand  der  Augenblase  trat  schon  vorher  eine  Differencirung  in  Zellen- 
und  Fasersubstanz  auf,  und  es  erfolgt  an  dieser  Stelle  die  Vereinigung 
mit  einem  vom  Gehirn  ausgesendeten  Fortsatz,  dem  Nervus  opticus. 
Letzterer  stellt  also  eine  nachträgliche  Bildung  dar  (v.  Kennel). 

Eine  etwas  andere  Auffassung  von  der  Entstehung  der  Augen  hat 
Sedgwick.  Nach  ihm  gehört  die  Gegend,  wo  sie  entstehen,  noch  dem  Gehirn 
zu,  auch  sollen  sie  die  Verbindung  mit  diesem  nicht  aufgeben,  indem  die 
Rückwand  der  Augenblase  mit  der  Zellenmasse  des  Gehirns  vereinigt  bleibt. 
An  dieser  Stelle  entsteht  später  durch  blosse  Einschnürung  der  Sehnerv. 
Die  Augen  entstehen  so  grösstentheils  vom  Gehirn  aus  und  werden  nur  vom 
Ectoderm  der  Oberfläche  überdeckt;  sie  sind  „cerebral  eyes",  wie  sie  Sedgwick 
bezeichnet,  im  Gegensatz  zu  v.  Kennel,  welcher  sie  unabhängig  vom  Gehirn 
entstehen  lässt,   wie  oben  gezeigt  wurde. 

Vielleicht  lassen  sich  die  Beobachtungen,  welche  man  über  die  Ent- 
stehung der  Augen  des  Peripatus  gemacht  hat,  mit  denen  über  die  Augen- 
entwicklung bei  d&n  Anneliden  vereinigen.  Die  Augen  von  Peripatus  zeigen 
eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  den  höher  organisirten  Augen  der  Anne- 
liden, wie  sie  den  Alciopiden  zukommen.  Nach  Kleinenberg' s  Beobachtung 
(Anneliden,  Litt.  No.  26)  entstehen  die  Augen  der  Alciopiden  zwar  getrennt 
vom  Kopfganglion,  als  zwei  Einstülpungen  des  Ectoderms,  aber  die  hintere 
Wand  der  Augenblase  soll  in  enge  Beziehung  zum  Gehirn  treten,  indem  sie 
direct  Zellenmaterial  an  dieses  abgiebt.  Jedenfalls  scheinen  eine  Zeitlang 
die  Elemente  beider  Organe  in  inniger  Vereinigung  zu  stehen  und  zwar  in 
der  Gegend,  wo  später  der  Sehnerv  gebildet  wird  (vgl.  pag.  191).  Wenn 
sich  Kleinenberg's  Beobacbtung  bestätigt,  könnte  man  daran  denken,  dass 
auch  bei  Peripatus  noch  ähnliche  Verhältnisse  obwalten ,  und  dass  die  von 
einander  abweichenden  Auffassungen  v.  Kennel's  und  Sedgwtick's  dadurch 
ihre  Erklärung  finden. 


'S 


B.    Die  Schleimdrüsen  und  Cruraldrüsen. 

Als  ectodermale  Bildungen  und  zwar  als  Einsenkungen  an  der  Spitze 
der  Oralpapillen  nehmen  die  Schleimdrüsen  ihren  Ursprung  (Fig. 
435).  Anfangs  stellen  sie  eine  flache  Grube  dar,  die  sich  aber  all- 
mählich tiefer  einsenkt  und  mit  ihrem  blinden  Ende  nach  hinten  aus- 
wächst. So  sind  sie  auf  dem  Stadium  der  Fig.  43b"  B  zu  einen  keulen- 
förmigen Schlauch  geworden  (Fig.  439  sd),  welcher  bis  an  den  Darm  vor- 
gedrungen ist.  Dieses  Wachstimm  geht  in  den  folgenden  Stadien  immer 
weiter,  so  dass  die  Drüsen  eine  bedeutende  Länge  erreichen.  Dabei  be- 
halten sie  ihre  einfache  schlauchförmige  Gestalt;  die  Verzweigungen, 
welche  sie  beim  ausgebildeten  Thier  zeigen,  treten  erst  kurz  vor  der  Ge- 
burtsreife des  Embryos  als  Ausstülpungen  des  Schlauches  auf  (v.  Kennel). 

Die  Schleimdrüsen  sind  wohl  als  Modifikationen  der  Cruraldrüsen 
anzusehen,  welche  (bei  den  einzelnen  Peripatusarten  in  verschiedener  Zahl 
und  Vertheilung)  als  sackförmige  Gebilde  in  den  seitlichen  Abtheilungen 
der  Leibeshöhle  liegen  und  an  der  Ventralseite  der  Füsschen  ausmünden. 


Onyckophoren.  705 

Die  Cruraldrüsen  treten  erst  in  späten  Stadien  der  Embryonalentwick- 
lung als  Ectodermeinstülpungen  auf,  welche  an  der  Basis  der  Füsschen 
distal  von  der  Oeflhung  der  Nephridien  gelegen  sind  (Fig.  444  c,  Sedgwick). 
Beim  Männchen  (von  P.  capensis)  sind  auch  die  Cruraldrüsen  des  letzten 
Beinpaares  zu  langen  Drüsenschläuchen  umgewandelt  (Balfour). 

C.    Der  Darmcanal. 

Zur  Bildung  des  Darmes  vereinigen  sich  eine  ectodermale  Vorder- 
und  Enddarmeinstülpung  mit  dem  Entoderm. 

Wir  lehnen  uns  hier  hauptsächlich  an  die  von  Sedgwick  für  P.  ca- 
pensis gegebene  Darstellung  an,  weil  wir  die  Verhältnisse  bei  dieser  Form 
für  ursprünglichere  halten  müssen  als  bei  den  von  Kennel  sehr  genau 
studirten  amerikanischen  Arten.  Uebrigens  beziehen  sich  die  Verschieden- 
heiten beider  Formen  hauptsächlich  auf  die  ersten  Stadien  der  Anlage  des 
Darmes,  während  in  den  späteren  Stadien  wieder  eine  grössere  Ueberein- 
stimmung  hervortritt. 

Um  die  Bildung  des  Darmes  zu  verstehen,  müssen  wir  auf  das  von 
Sedgwick  beschriebene  Gastrulastadium  des  P.  capensis  zurückgehen. 
Dort  führt  der  Blastoporus  in  eine  Höhle,  welche  von  einer  vacuolenreichen 
Plasmainasse  mit  eingelagerten  Kernen  ausgekleidet  wird.  Diese  volumi- 
nöse kernhaltige  Masse  muss  wohl  als  entsprechend  dem  Dotter  mit  ein- 
gelagerten Kernen  bei  P.  novaezealandiae  aufgefasst  wrerden.  Bei 
letzterer  Form  bildet  der  kernhaltige  Dotter  zum  Theil  die  Begrenzung 
der  Urdarmhöhle.  Bei  beiden  Formen  streckt  sich  der  Blastoporus  in 
die  Länge  (Fig.  441  J.),  und  seine  Ränder  nähern  sich  einander,  um  in 
der  Mittellinie  zu  verwachsen  (Fig.  441  A—C).  Während  dieses  Vor- 
gangs ordnet  sich  die  vacuolenreiche  Zellenmasse  zu  einem  regelmässigen 
Epithel  an,  welches  dort,  wo  der  Blastoporus  noch  vorhanden  ist,  in  das 
Ectoderm  übergeht,  im  Bereich  des  zum  Schluss  gekommenen  Blasto- 
porus aber  sich  zu  einem  Rohr  zusammenschliesst.  welches  anfangs  noch 
mit  den  dort  gelegenen  Mesodermstreifen  in  Verbindung  stehen  soll,  sich 
aber  später  auch  von  diesen  isolirt  und  nunmehr  ein  gesondertes  Entoderm- 
rohr  darstellt. 

Bei  P.  novaezealandiae  gestaltet  sich  dieser  Vorgang  infolge  des 
Dotterreichthums  anders.  Die  Entodermzellen  sollen  sich  dort  an  der  Peri- 
pherie des  Dotters  zu  einem  Epithel  anordnen,  welches  demnach  die  Dotter- 
masse umschliesst.  Letztere  würde  dann  bei  der  weiteren  Ausbildung  des 
Darmes  allmählich  resorbirt.  Die  Bildung  des  Mundes  und  des  Afters  er- 
folgt in  ähnlicher  Weise  wie  bei  P.  capensis  (Sheldon). 

Die  beiden  beim  Schluss  des  Blastoporus  übrig  bleibenden  Öffnungen 
(Fig.  441  D)  werden  zum  Mund  und  After,  aber  nicht  so,  dass  sie  direct 
in  diese  übergingen,  sondern  es  findet  an  beiden  Öffnungen  noch  eine 
Einsenkung  des  Ectoderms  statt,  so  dass  die  Verbindungsstelle  zwischen 
Ectoderm  und  Entoderm  ins  Innere  verlagert  wird  und  so  ein  ectoder- 
maler  Vorder-  und  Enddarm  zu  Stande  kommt. 

Durch  die  Gestalts  Veränderungen,  welche  der  Embryo  erleidet,  wird 
auch  die  Anlage  des  Darmkanales  beeinflusst.  In  Folge  der  Krümmung 
des  Embryos  reicht  das  Entoderm  vorn  und  hinten  über  Mund  und 
After  hinaus  (Fig.  440  Ä).  Die  Vorderwand  des  Stomodaeums  verläuft 
daher  nach  vorn.     Dies  ändert  sich   aber  mit  dem   weiteren  Wachsthum 


706 


XXI.  Capitel. 


des  Embryos,  wenn  der  Mund  mehr  an  das  Vorderende  verlagert  wird, 
wodurch  der  vordere  Entodermsack  zurücktritt  und  das  Stomodaeum 
nunmehr  nach  hinten  gerichtet  erscheint  (Fig.  440  B).  Am  hinteren  Theil 
des  Darmes  hat  das  Wachsthum  des  Embryos  ähnliche  Veränderungen 
hervorgebracht.  Bisher  lag  die  dorsale  Wand  des  vorderen  Darm- 
abschnittes der  Körperwand  eng  an  (Fig.  440  A  und  B) ;  jetzt  hebt  sich 
diese  von  ihr  ab  und  erweitert  sich  nach  vorn  (Fig.  440  C).  Dabei  folgt 
ihr  ein  Divertikel  des  Entoderms,  während  das  Stomodaeum  seine  frühere 
Lage  beibehält.    Auch   diese  Divertikelbildung  verstreicht  im  Laufe   der 


A 


B. 


C. 


Fig.  440.  A — C  mediane  Längsschnitte  durch  Embryonen  von  P.  capensis 
in  verschiedenen  Altersstadien  (nach  Sedgavick). 

a  After,  dt  vorderer  Entodermdivertikel,  ent  Entoderm,  m  Mund,  st  Stomadaeum 
(Vorderdarm  j. 

weiteren  Entwicklung  wieder,  und  der  Darm  verläuft  dann  gerade  ge- 
streckt nach  hinten.  Aus  dem  ectodermalen  Vorderdarm  geht  der  mus- 
kulöse Schlundkopf  des  Peripatus  (unter  Betheiligung  mesodermalen  Ge- 
webes) hervor.  Die  Umbildungen,  welche  der  Mund  von  aussen  her  er- 
fährt, wurden  bereits  bei  Betrachtung  der  äusseren  Körperform  geschildert 
(Fig.  436,  pag.  695). 

Bei  den  amerikanischen  Peripatusarten  verhält  sich  der  Darmcanal  schon 
in  Bezug  auf  seine  erste  Anlage  verschieden ,  insofern  der  langgestreckte 
Blastoporus  dort  nicht  vorkommt  (v.  Kennel).  Die  nach  aussen  völlig  ab- 
geschlossene Anlage  des  Mitteldarmes,  welche  aus  den  einwuchernden  Zellen 
hervorging  (Fig.  422  und  423,  pag.  684  und  685)  ist  dort  sackförmig.  Mit  der 
Verlängerung  des  Embryos  wird  auch  sie  schlauchartig  in  die  Länge  gestreckt. 
Ihre  Verbindung  mit  dem  Ectoderm  erhält  sie  durch  Verlöthung  des  Ento- 
derms  mit   dem  Ectoderm,    die  bei   der  Mundöffnung   mit  einer  Einsenkung 


Onychophoren.  707 

des  letzteren  verbunden  ist.  So  entsteht  ventral  an  der  Grenze  zwischen 
Kopf  und  Rumpf  der  Mund  und  vor  dem  Blastoporus  der  After  (Fig.  431  A). 
Es  wurde  bereits  früher  (pag.  690)  darauf  hingewiesen,  dass  beide  Oeffnungen 
eine  entsprechende  Lagerung  zeigen  wie  bei  P.  capensis,  und  dass  sie 
vielleicht  ursprünglich  Beziehungen  zu  dem  Blastoporus  hatten,  v.  Kexnel 
nimmt  solche  freilich  nicht  an  und  scheint  auch  wenig  geneigt,  den  dies- 
bezüglichen Beobachtungen  an  den  anderen  Peripatusarten  grossen  Werth  bei- 
zulegen. So  giebt  er  auch  der  von  ihm  beobachteten  und  von  uns  in  An- 
lehnung an  die  englischen  Autoren  als  Blastoporus  bezeichneten  Rinne  am 
Blastoderm  des  neuseeländischen  Peripatus  eine  andei*e  Deutung.  Es  wurde 
schon  mehrfach  hervorgehoben,  dass  die  Entwicklung  der  amerikanischen 
Arten  in  ihren  ersten  Stadien  vielfachen  Veränderungen  unterworfen  war 
und  solche  sich  wohl  auch  in  Bezug  auf  die  erste  Anlage  des  Darmcanals 
geltend  machten. 

Die  weitere  Ausbildung  des  Vorderdarmes  verläuft  ganz  ähnlich,  wie 
schon  geschildert,  durch  Verlagerung  der  primären  Mundöffnung  nach  innen, 
wobei  ebenfalls  ein  vorderes  Entodermdivertikel  auftritt.  Dagegen  soll  die 
vor  dem  Blastoporus  durch  Bildung  eines  Spaltes  entstandene  Afteröffnung 
(Fig.  431  Ä)  nicht  zum  definitiven  After  werden.  Sie  schliesst  sich  viel- 
mehr durch  Aneinanderlegen  ihrer  Ränder,  und  eine  kurze  Strecke  vor  ihr 
tritt  dann  eine  Ectodermeinstülpung  auf,  welche  bis  zum  Entoderm  vordringt, 
und  mit  ihm  verlöthet.  So  ist  der  definitive  Enddarm  und  After  gebildet, 
welcher  letzterer  dann  infolge  ungleichen  Wachsthums  des  Embryos  mehr  an 
dessen  hinteres  Ende  verlagert  wird  (v.  Kennel). 


Die  mesodernialen  Bildungen. 

Die  Bildung  der  Hauptmasse  des  Mesoderms  erfolgt  von  einer  am 
Hinterende  des  Blastoporus  gelegenen  Wuclierungszone  aus  und  erstreckt 
sich  von  hier  in  Form  zweier  symmetrisch  zur  ventralen  Mittellinie  ge- 
lagerten Bänder  (Mesodermstreifen)  nach  vorn.  Wo  ein  spaltförmiger 
Blastoporus  vorhanden  ist,  wie  bei  den  afrikanischen  und  australischen 
Arten,  liegen  die  Mesodermstreifen  demselben  dicht  an,  finden  sich  also 
an  der  Uebergangsstelle  des  Ectoderms  in  das  Entoderm.  Nach  er- 
folgtem Schluss  des  Blastoporus  liegt  die  dabei  restirende  hintere  Oeff- 
nung  (Afteröffnung)  vor  der  Wucherungsstelle,  und  ebenso  verhält  sich 
die  Lagerung  des  Afters  bei  den  eines  spaltförmigen  Blastoporus  ent- 
behrenden amerikanischen  Arten. 

Die  englischen  Autoren  bezeichnen  die  Wucherungszone  in  Analogie  mit 
den  Verhältnissen  der  Wirbelthiere  als  Primitivstreif  und  eine  rinnenförmige 
Einsenkung  desselben  als  Primitivrinne.  Wenn  eine  solche  vorhanden  ist, 
müsste  man  sie  wohl  als  Fortsetzung  des  Blastoporus  auffassen  und  anneh- 
men, dass  es  nicht  der  hinterste  Theil  desselben  ist,  der  als  After  erhalten 
bleibt.  Die  Wucherungsstelle  selbst  ist  als  an  dem  hinteren  Blastoporusrand 
gelegen  aufzufassen.  An  dieser  Stelle  erfolgt  eine  massige  Anhäufung  von 
Zellen,  und  hier  stehen  die  Keimblätter  noch  mit  einander  in  Verbindung. 
Insofern  sich  von  dieser  indifferenten  Zellenmasse  aus  die  Mesodermstreifen 
nach  vorn  erstrecken,  zeigen  diese  Verhältnisse  eine  gewisse  Uebereinstim- 
mung  mit  denjenigen  der  Anneliden.  Sedgwick  spricht  sogar  von  Polzellen 
des  Mesoderms,  über  die  aber  Sicheres  nicht  bekannt  ist.     Es  ist  zweifellos, 


708 


XXI.  Capitel. 


dass  die  Hauptproduction  des  Mesoderms  von  hinten,  von  der  Wucherungs- 
zone her  erfolgt,  doch  ist  bei  der  dichten  Anlagerung  der  Mesodermstreifen 
an  die  Ränder  des  Blastoporus  eine  Antheilnahme  derselben  an  der  Ver- 
grösserung  der  Mesodermstreifen  nicht  ausgeschlossen  (Sedgwick).  Bei  den 
amerikanischen  Arten  scheint  eine  solche  Betheiligung  übrigens  bestimmt  nicht 
stattzufinden.  Hier  erfolgt  von  der  als  Blastoporus  anzusehenden  Einwuche- 
rungsstelle  die  Vergrößerung  der  Mesodermstreifen  nach  vorn,  und  ihr  Wachs- 
thum  ist  es  auch,  welches  die  Verlängerung  des  ganzen  Embryos  bedingt. 
Hier  scheidet  sich  die  Mesodermmasse  von  der  sackförmig  gestalteten  Mittel- 
darmanlage (Fig.  422  und  423),    doch    nicht  so  scharf,    dass  nicht  noch  in 

späteren  Stadien ,  wenn  bereits 
eine  viel  weitere  Differencirung 
_B.  des    Mesoderms    eingetreten    ist, 

ein  Zusammenhang  des  letzteren 
mit  dem  Entoderm  auf  der  einen 
\  und  dem  Ectoderm  auf  der  anderen 
Seite  nachzuweisen  wäre.  Dem- 
nach darf  auch  hier  das  Meso- 
derm  als  auf  der  Grenze  zwischen 
Ectoderm  undEntoderm  entstehend 
aufgefasst  werden. 


K. 


M. 


US.' 


-  m-' 


c. 


D. 


-Pfe- 


\ 


a. 


3*& 


■ 


Die  weitere  Ausbildung  der 
Mesodermstreifen  zeigt  die 
grösste  Uebereinstimmung  mit 
den  Verhältnissen,  wie  wir  sie 
bei  den  Anneliden  kennen  lern- 
ten. Ehe  sie  noch  das  Vorder- 
ende des  Blastoporus  erreicht 
haben,  gliedern  sie  sich  in  ein- 
zelne hinter  einander  gelegene 
Abschnitte  (Fig.  441  A — C,  us). 
In  diesen  treten  sodann  Höhl- 
ungen auf,  und  indem  diese  sich 
allmählich  erweitern,  ordnet  sich 
das  Zellenmaterial  der  einzelnen 
Segmente  zu  einem  regelmässi- 
gen Epithel  an.  So  entstehen 
die  paarigen  Ursegraente.  Bei 
ihrer  weiteren  Ausdehnung  legt 
sich,  wie  das  somatische  und 
splanchnische  Blatt  der  Anneli- 
den, die  äussere  Wand  dem 
Ectoderm,  die  innere  dem  En- 
toderm an  (Fig.  442).  Je  ein 
Paar  von  Ursegmenten  gehört 
zu  einem  Körpersegment.  Die 
Differencirung  der  Ursegmente  beginnt  im  vordersten  Theil  der  Mesoderm- 
streifen und  schreitet  nach  hinten  fort.  Demnach  ist  das  erste  zur  Anlage 
kommende  Ursegmentpaar  dasjenige  des  Kopfabschnittes.  Dasselbe  wird 
weit  umfangreicher  als  alle  übrigen  Ursegmente.  Es  breitet  sich  bis 
beinahe  zur  ventralen  und  dorsalen  Mittellinie  aus,  ohne  dass  sich  aber 
seine   beiden   Hälften   berührten  und  damit  die    Bildung   eines  Mesen- 


, 


/ 


c  a  - 


Fig.  441.  A  —  D  Embryonen  von  P 
pensis  in  ventraler  Ansicht,  um  die  Segmen- 
tirung  des  Mesoderms  zu  zeigen  (nach  Balfour 
und  Sedgwick). 

a  After,    bl  Blastoporus,    m  Mund,    us  Ur- 
segmente, w  Wucherungszone. 


Onychophoren. 


709 


teriums  veranlasst  würde.  Dem  vordersten  Ursegmentpaar  folgen  die 
anderen  in  der  Ausbildung  nach,  und  ihre  Zahl  vermehrt  sich  mit  dem 
Wachsthum  des  Körpers.  Querschnitte,  welche  durch  den  Körper  eines 
Embryos  geführt  werden,  welcher  sich  auf  dem  Stadium  der  Differenzirung 
der  Ursegmente  befindet,  zeigen  besonders  im  vorderen  und  hinteren 
Körperabschnitt  dasselbe  Bild  wie  Querschnitte  eines  Annelidenembryos: 
das  Ectoderm  mit  seiner  ventralen  Verdickung,  im  Innern  die  beiden 
Segmenthöhlen,  begrenzt  von  der  epithelialen,  an  das  Ectoderm  und 
Entoderm  sich  anlegenden  Wandung  (Fig.  442). 

Das  zuletzt  geschilderte  Stadium  der  anatomischen  und  histologischen 
Differenzirung  ist  bereits  .  bei  den  jungen  Embryonen  vorhanden ,  wie  sie 
durch  die  Fig.  430  repräsentirt  werden,  und  erleidet  keine  wesentliche 
Aenderung  bis  zu  einem  Stadium  mit  12 — 15  äusserlich  ausgeprägten  Seg- 
menten und  der  vollen  Zahl  innerer  Segmente,  welche  dem  ausgebildeten 
Thier  zukommt  (v.  Kennel). 


A. 


B. 


v-tr. 


w.      d.  \ 


•US. 


Var.-t-ti 


Fig.  442.  A  und  B  Querschnitte  durch  Embryonen  von  P.  capensis  (A)  und 
edwardsii  (B)  nach  Sedgwick  und  v.  Kennel). 

A  Querschnitt  eines  Embryos  ungefähr  vom  Stadium  der  Fig.  433  A,  durch  die 
Gegend  der  Oralpapillen.    B  Querschnitt  durch  ein  Rumpfsegment  eines  jungen  Embryos. 

d  Darm  (Entoderm),  Ih  dorsaler  und  ventraler  Kaum  zwischen  Ecto-  und  Ento- 
derm (Theil  der  primären  und  späteren  definitiven  Leibeshöhle),  l  lateraler,  m  medianer 
Theil  der  Segmenthöhle,  mes  vom  Ursegment  abgelöste  Mesodermtheile,  n  Anlage  des 
Bauchstranges ,  us  Ursegment,  vo  Ventralorgan,  vo -\- n  gemeinsame  Verdickung  des 
Ventralorganes  und  Bauchstranges. 

Wenn  die  Mesodermstreifen  des  Peripatus  in  die  Eeihe  der  hinter 
einander  liegenden  Ursegmente  zerfallen  sind,  ist  die  Uebereinstimmung 
mit  den  Anneliden  eine  sehr  auffallende,  die  fernere  Ausbildung  des 
Mesoderms  aber  verläuft  insofern  in  abweichender  Weise,  als  nicht  die 
Segmenthöhlen  zur  definitiven  Leibeshöhle  werden,  sondern  diese  als 
Pseudocöl  ausserhalb  der  Ursegmente  entsteht.  Was  von  den  letzteren 
erhalten  bleibt,  geht  in  die  Bildung  der  Nephridien  und  Genitalorgane 
ein  (v.  Kennel,  Sedgwick). 

Die  Bildung  der  definitiven  Leibeshöhle  und  der  Nephridien  wird 
dadurch  eingeleitet,  dass  die  Ursegmente  an  ihrer  ventralen  Wand  eine 
Verdickung  erfahren  und  infolge  dieser  Zellwucherung  die  Segmenthöhle 
in  zwei  Räume,  einen  dorso-medialen  und  einen  lateralen,  geschieden 
wird  (Fig.  442  B,  m  und  l),  die  anfangs  noch  in  Verbindung  mit  einander 
bleiben,  später  aber  gänzlich  von  einander  abgetrennt  werden  (Fig.  446  A, 
pag.  718).  Dabei  rückt  der  dorsale  Theil  immer  mehr  gegen  die  Mittel- 
linie des  Rückens  zu,  der  laterale  aber  zieht  sich  zum  grossen  Theil  in 
die  Anlage  der  Extremität  hinein  (Fig.  446,  v.  Kennel,  Sedgwick). 


Korschelt-Heider,  Lehrbuch. 


46 


710  XXI.  Capitel. 

Schon  ehe  diese  Trennung  eingetreten  ist,  und  so  lange  die  Ursegmente  noch 
ihre  sackförmige  Gestalt  bewahren ,  ragt  an  denselben  ein  vorderer  dorsaler 
Zipfel  über  einen  Theil  des  vorhergehenden  Ursegraentes  hinweg,  erstreckt 
sich  also  in  das  vorhergehende  Körpersegment  hinein.  So  erklärt  es  sich, 
dass  auf  Querschnitten  des  einen  Segmentes  ein  Theil  der  Segmenthöhle  des 
folgenden  mit  getroffen  wird,  und  dass  später  der  abgeschnürte  dorsale  Ab- 
schnitt über  den  ventralen  Theil  des  vorhergehenden  Segmentes  zu  liegen 
kommt. 

Der  laterale  Theil  der  Ursegmente  liefert  die  Nephridien,  der  dorso- 
mediale  die  Geschlechtsdrüsen  in  den  Segmenten,  welche  dieselben  ent- 
halten; in  den  übrigen  Segmenten  schwindet  er,  indem  seine  Zellen- 
elemente  zur  Bildung  des  Blutgefässsystems,  der  Museulatur  und  zur 
weiteren  Ausbildung  des  Pseudocöls  verwrendet  werden.  Wir  betrachten 
zunächst  die  letztere. 


D.   Leibeshöhle  und  Blutgefässsystem. 

Noch  ehe  die  Trennung  der  Ursegmente  in  zwei  Abschnitte  erfolgte, 
hob  sich  das  früher  dicht  am  Entoderm  anliegende  Ectoderm  von  diesem 
ab,  wodurch  dorsal  und  ventral  vom  Dann  ein  freier  Raum  entstand, 
welcher  bereits  die  erste  Andeutung  der  definitiven  Leibeshöhle  darstellt 
(Fig.  442  A  und  2?,  Ih).  In  diese  beiden  Räume  wandern  Mesodermzellen 
ein,  welche  sich  von  den  Ursegmenten  ablösen.  Indem  diese  Zellen  sich 
an  das  Entoderm  und  Ectoderm  anlegen,  wird  der  anfangs  nur  von 
diesen  beiden  Keimblättern  begrenzte  und  demnach  als  primäre  Leibes- 
höhle aufzufassende  Raum  zu  einer  von  Mesodermelementen  begrenzten 
Höhle  (Fig.  443  A,  Ih).  Während  diese  beiden  Räume  in  Folge  der  Art 
ihrer  Entstehung  eine  Segmentirung  nicht  aufweisen,  ist  dies  dagegen 
der  Fall  bei  einem  anderen  Abschnitt  der  definitiven  Leibeshöhle,  welcher 
durch  Auseinanderweichen  der  Zellenelemente  in  der  verdickten  soma- 
tischen Wand  des  lateralen  Ursegmenttheiles  entsteht  (Fig.  443  A,  l.lh). 
Die  erst  segmental  angeordneten  Höhlungen  fliessen  später  zusammen, 
und  daraus  resultiren  die  beiden  continuirlich  durch  den  Körper  ver- 
laufenden seitlichen  Räume,  in  denen  beim  ausgebildeten  Thier  die 
Nervenstämme  liegen.  Mit  diesen  Räumen  ist  ein  anderer  Raum  in  der 
Entstehung  übereinstimmend,  welcher  noch  mehr  peripher  in  den  Extremi- 
tätenanlagen zur  Ausbildung  kommt  und  welcher  die  Nephriden  umgiebt 
(Fig.  443  und  444p.?A).  Dieser,  am  besten  als  pedale  Leibeshöhle  zu 
bezeichnende  Raum  fliesst  später  mit  jenen  seitlichen  Räumen  theilweise 
zusammen,  so  dass,  wo  dies  der  Fall  ist,  Nephriden  und  Längsnerven  in 
einem  gemeinsamen  Raum  zu  liegen  kommen. 

Zur  Bildung  des  mittleren  Raumes,  welcher  beim  ausgebildeten  Thier 
den  Darm  und  die  Genitalorgane  in  sich  fasst,  vereinigen  sich  mehrere 
Höhlen.  Nach  Sedgwick's  Angaben  treten  nach  aussen  zu  von  dem 
dorsalen  Theil  des  Ursegmentes  und  zum  Theil  durch  dessen  Wand  be- 
grenzt, zwei  neue  Räume  auf  (Fig.  443  B,  pe  und  m.  Ih).  Der  untere 
derselben  vereinigt  sich  später  mit  dem  schon  früh  aufgetretenen  Raum 
unterhalb  des  Darmes  (Ih)  zur  Bildung  des  grössten  Theiles  des  bleiben- 
den medianen  Raumes,  während  der  obere  die  Anlage  des  Pericardial- 
raumes  darstellt. 

Die  beiderseitigen  Pericardialräume  dehnen  sich  mehr  gegen  die 
dorsale  Mittellinie  hin  aus,  wobei  der  Rest  des  Ursegmentes  mehr  nach 


Onychophoren. 


711 


unten  verschoben  wird.  Der  schon  früh  oberhalb  des  Darmes  entstandene 
Abschnitt  der  definitiven  Leibeshöhle  (Ih)  scheint  dabei  von  den  Peri- 
cardialräumen  grösstentheils  verdrängt  zu  werden.  Diese  fliessen  schliess- 
lich in  der  Mittellinie  zusammen  und  bilden  den  gemeinsamen  Pericardial- 
raum  (Fig.  444  pe).  Indem  sich  von  seiner  Begrenzung  (nach  Sedgwick 
sowohl  von  der  dorsalen  wie  von  der  ventralen)  Zellen  loslösen  und  ein 
im  Pericardialraum  gelegenes  Rohr  bilden,  entsteht  das  Herz  (Fig.  444  h). 


B 


US 


Fig.  443.  A  und  B  Querschnitte  durch  Embryonen  von  P.  capensis  in  ver- 
schiedenen Altersstadien  (A  durch  das  Segment  der  Oralpapillen)  (in  etwas  schemati- 
sirter  Darstellung  nach  Sedgwick). 

d  Darm,  Ih  dorsaler  und  ventraler  Mediantheil  der  (definitiven)  Leibeshöhle, 
l.lh  lateraler  Theil  der  Leibeshöhle,  m.lh  seitlicher  Theil  des  mittleren  Raumes  der 
Leibeshöhle,  n  Anlage  des  Bauchnervenstranges,  ne  Nephridien  (in  A  Anlage  der 
Speicheldrüsen),  oe  äussere  Oeffnung  derselben,  p  Fuss,  pe  Pericardialraum,  p.lh  pedale 
Leibeshöhle,  sh  Segmenthöhle,  us  dorsomedialer  Theil  der  Ursegmente,  vo  Ventralorgan. 


Die  Ostien  des  Herzens,  deren  Bildung  nicht  näher  verfolgt  wurde,  ent- 
stehen erst  spät,  bei  dem  geburtsreifen  Embryo.  Wie  man  aus  den  Ab- 
bildungen Fig.  443  und  444  erkennt,  sind  bei  der  Bildung  des  Herzens 
jedenfalls  auch  die  Ursegmente  [us)  betheiligt. 


46 : 


712  XXI.  Capitel. 

Aus  losgelösten  Mesoclermzellen,  welche  sich  an  die  Herzwand  von  aussen 
anlegen,  entsteht  die  mit  dem  Fettkörper  der  Insecten  verglichene  Zellmasse 
innerhalb  des  Pericardialraumes.  Dieselbe  erinnert  unwillkürlich  an  die 
wahrscheinlich  den  Pericardialdrüsen  der  Molluscen  homologen  Zellwuche- 
rungen am  Rückengefäss  der  Anneliden,  doch  ist  eine  Homologisirung  dieser 
beiden  Gebilde  schon  deshalb  ausgeschlossen,  weil  die  Pericardialdrüse  als 
Wucherungen  des  Peritonealepithels  innerhalb  der  secundären  Leibeshöhle, 
jene  Zellenmasse  des  Peripatus  aber  ausserhalb  derselben  liegt.  Der  Peri- 
cardialraum  des  Peripatus  entspricht  ebenso  wenig  wie  derjenige  der  Arthro- 
poden dem  Pericardium  der  Molluscen  bezw.  dem  Cölom  der  Anneliden. 
Nur  seine  ventrale  Wand  (das  Pericardialseptum  Fig.  443  B  und  Fig. 
444  ps)  wird  von  der  somatischen  Wand  des  Ursegmentes  gebildet,  ebenso 
wie  dies  auch  bei  den  Insecten  der  Fall  ist.  Diese  Wand  lässt  durch  Ab- 
spaltung von  Zellen  das  Herz  entstehen  (Peripatus)  und  das  ist  die  einzige 
Uebereinstimmung,  welche  in  dieser  Beziehung  mit  den  Anneliden  und  Mollus- 
cen gefunden  werden  kann,  indem  auch  in  dieser  Abtheilung  das  Herz  direct 
von  der  Wand  der  Ursegmente  abgespalten  wird.  Bekanntlich  steht  bei 
Peripatus  wie  bei  den  Arthropoden  das  Rückengefäss  in  directer  Communi- 
cation  mit  der  (definitiven)  Leibeshöhle  und  ist  daraus  auch  die  Ueberein- 
stimmung in  der  Entwicklung  dieser  Organsysteme  in  beiden  Abtheilungen 
zu  erklären. 

In  den  beiden  vordersten  Segmenten  (dem  Kopf-  und  Kiefersegment) 
ist  die  Umbildung  der  Ursegmente  gewissen  Modificationen  unterworfen, 
wie  sie  durch   die  besondere  Gestaltung   dieser  Abschnitte   bedingt  sind. 

Im  Kiefersegment  ist  die  mediale  Parthie  des  Ursegmentes  nur 
wenig  ausgedehnt  und  verschmilzt  mit  der  in  dieses  Segment  hinein- 
ragenden medialen  Parthie  des  nachfolgenden  Segmentes.  Die  verschie- 
denen Räume  der  definitiven  Leibeshöhle  kommen  liier  weniger  deutlich 
zur  Ausbildung.  Die  laterale  Parthie,  welche  die  Kieferanlagen  ausfüllt, 
erfährt  eine  bedeutende  Verdickung  ihrer  Wand  und  giebt  damit  zur 
Bildung  der  starken  Kiefermuskulatur  Veranlassung. 

Das  Ursegmentpaar  des  Kopfabschnittes  ist  anfangs  sehr  umfangreich 
und  erfüllt  den  grössten  Theil  desselben.  Mit  der  Vergrösserung  des 
Ventralorganes  und  des  Gehirnes  wird  es  jedoch  mehr  und  mehr  gegen 
die  Dorsalseite  zu  gedrängt  und  verliert  dabei  an  Umfang.  Aehnlich 
wie  dies  bei  den  Füsschen  ebenfalls  geschieht,  lagert  sich  auch  hier  ein 
Theil  in  die  Antennen  (Fig.  438  A,  us),  so  dass  diese  anfangs  hohl  er- 
scheinen, bis  später  die  Höhlung  wieder  rückgebildet  wird.  Von  der 
Wand  des  ersten  Ursegmentes  werden  Zellen  zur  Bildung  der  Schlund- 
muskulatur abgegeben.  Nach  Sedgwick  erfährt  auch  das  erste  Urseg- 
ment  wie  die  übrigen  eine  Theilung  in  einen  medialen  und  lateralen 
Abschnitt,  über  deren  Bedeutung  weiter  unten  (pag.  713)  noch  ge- 
sprochen werden  muss. 

E.   Die  Muskulatur. 

Schon  in  frühen  Stadien ,  wenn  noch  keinerlei  Differenzirung  der  Ur- 
segmente erfolgt  war,  lösten  sich  von  ihnen  Zellen  los  und  legten  sich  dem 
Ectoderm  an.  Aus  diesen  Zellen  und  anderen,  welche  ihnen  während  der 
weiteren  Ausbildung  des  Mesoderms  nachfolgen ,  entstehen  dicht  unter  dem 
Ectoderm  die  Ringmuskelfasern,  welche  anfangs  nur  spärlich  vorhanden  sind, 
in    späteren    Stadien    aber    sich    immer    dichter    anlagern   (Sedgwick).      Die 


Onychophoren.  713 

Längsmuskeln  treten  später  auf  als  die  Ringsmuskeln,  und  ihre  Fasern  er- 
scheinen in  der  Zellenschicht,  welche  jene  nach  innen  zu  Dedeckt.  Sie  sind 
nach  Sedgwick  in  verschiedenen  Complexen,  einem  ventralen,  zwei  ventro- 
lateralen,  zwei  lateralen  und  zwei  dorsalen  vertheilt,  welche  den  Längs- 
muskelbündeln  des  ausgebildeten  Thieres  entsprechen. 

Die  Muskulatur  des  Darmes  und  der  inneren  Organe  überhaupt  stammt 
von  den  Wanderzellen  her,  welche  sich  von  den  Ursegmenten  ablösten  und 
jenen  Organen  anlegten. 

F.    Die  Nephridien. 

Aus  dem  lateralen  Theil  der  Ursegmente,  welcher  sich  grösstenteils 
in  die  Basis  der  Extremitäten  einlagert,  geht  das  Nephridium  in  der 
Weise  hervor,  dass  die  Ursegmente  einen  gegen  die  Ventralseite  gerich- 
teten zipfelförmigen  Ausläufer  treiben,  der  sich  verlängert  und  an  der 
Basis  des  Füsschens  mit  dem  Ectoderm  verschmilzt  (Fig.  443  A),  wo- 
durch das  Nephridium  seine  äussere  Oeffnung  gewinnt  (Sedgwick).  Da- 
mit ist  das  Nephridium  im  Wesentlichen  bereits  fertig  (Fig.  443),  denn 
sein  Trichter  öffnet  sich  nicht,  wie  man  bisher  mit  Balfour  und  Gaffron 
annahm,  in  die  (definitive)  Leibeshöhle,  sondern  er  bleibt  nach  Sedgwick's 
wichtiger  Beobachtung  zeitlebens  gegen  diese  geschlossen,  indem  der  Kanal 
des  Nephridiums  in  eine  blinde  Erweiterung,  das  Endsäckchen,  ausgeht 
(Fig.  444  es)! 

Man  muss  also  annehmen,  dass  der  Trichter  sich  in  das  Endsäckchen 
öffnet,  wie  der  Trichter  der  Nephridien  bei  den  Anneliden  in  die  (secundäre) 
Leibeshöhle.  Das  Endsäckchen  entspricht  also  dem  Cölom,  eine  Auffassung, 
welche  durch  die  Entstehungsweise  der  Nephridien  bestätigt  wird.  Somit  ist 
hier  ein  Theil  des  Cöloms  in  directe  Beziehung  zur  Niere  getreten.  Es  er- 
geben sich  hierdurch  Verhältnisse,  wie  wir  sie  in  sehr  übereinstimmender 
Weise  bei  den  Nephridien  der  Crustaceen  (pag.  378)  angetroffen  haben 
und  auch  weiterhin  bei  den  Molluscen  mit  gewissen  Modificationen  wieder- 
finden werden. 

Die  oben  geschilderte  einfache  Bildung  der  Nephridien  gilt  im  Be- 
sonderen für  diejenigen  der  Segmente  des  1.  bis  3.  Beinpaares  (von  P. 
capensis).  Die  der  folgenden  Beinpaare  unterscheiden  sich  von  ihnen 
dadurch,  dass  der  Kanal  sich  in  den  späteren  Stadien  stärker  windet 
und  sich  gegen  das  äussere  Ende  hin  zu  einer  Blase  ausweitet  (Sedgwick, 
Fig.  444,  sb),  ähnlich  der  Harnblase  bei  den  Nephridien  (Antennen- 
driisen)  der  Malacostraken. 

Abgesehen  von  den  noch  zu  besprechenden  Umwandlungen,  welche  die 
Nephridien  bei  der  Bildung  der  Speicheldrüsen  und  Genitalorgane  erfahren, 
sind  noch  die  des  Kopf-  und  Kiefersegmentes  zu  erwähnen.  In  letzterem 
sind  die  Nephridien  zurückgebildet;  nur  Spuren  hat  man  davon  zu  finden 
geglaubt  (v.  Kexxel)  ,  im  Kopfsegment  hingegen  sollen  die  beiden  Segment- 
höhlen (in  frühen  Stadien)  noch  durch  Canäle  nach  aussen  münden  (Shel- 
don  No.  12,  Theil  II).  v.  Kennel  und  Sedgwick  beschreiben  ziemlich 
übereinstimmend  einen  (canalartigen)  Ausläufer  der  Kopfhöhlen ,  welcher  an 
der  Aussenseite  der  Ectodermverdickung  (Anlage  des  Nervensystems)  herab- 
steigt und  unmittelbar  vor  den  Kiefern  mit  dem  Ectoderm  verschmilzt 
(Sedgwick),  ja  nach  L.  Sheldon's  Beobachtung  sich  sogar  dort  nach  aussen 
öffnen    soll.     Man  hat  diesen  Canal   für  homolog  dem  Canal   der  Nephridien 


714 


XXI.  Capitel. 


erklärt.  Nach  Sedgwick  gehört  er  demgemäss  der  lateralen  Abtheilung  des 
ersten  Ursegmentes  an.  Wir  vermögen  aus  den  gegebenen  Darstellungen 
nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  wie  sich  diese  laterale  Abtheilung  zu  der 
cölomatischen  Höhlung  der  Antennen  verhält.  Daher  vermeiden  wir  es,  auf 
eine  Besprechung  der  Lagebeziehungen  des  ausmündenden  Canals  zu  den- 
jenigen der  übrigen  Nephridien  einzugehen  und  heben  nur  hervor,  dass  eine 
auffällige  Lageveränderung  des  Nephridiums  gegen  die  Extremität  stattge- 
funden haben  müsste,  wenn  wir  es  in  jenem  Canal  wirklich  mit  dem  Nephri- 
dialcanal  des  sog.  Kopfsegmentes  zu  thun  haben,  und  wenn  unsere  frühere 
Vermuthung,  dass  die  Antennen  des  Peripatus  umgewandelte  Extremitäten 
sind,  die  richtige  wäre  (vgl.  pag.  696).  Es  braucht  kaum  bemerkt  zu  wer- 
den, dass  eine  noch  genauere  Kenntniss  dieser  Verhältnisse  von  grosser 
Wichtigkeit  wäre. 


mes 


Fig.  444.  Querschnitt  durch  die  hintere  Körperregion  eines  älteren  Embryos 
von  P.  capensis  (in  etwas  sehematischer  Darstellung  nach  Sedgwick). 

c  Anlage  der  Cruraldrüsen,  d  Darm,  es  Endsäckchen  der  Nephridien,  g  Genital- 
drüsen (dorsomedialer  Theil  der  Ursegmente),  h  Herz,  l.lh  lateraler,  m.lh  medialer, 
p.lh  pedaler  Theil  der  definitiven  Leibeshöhle,  mes  Mesodermgewebe,  n  Bauchnerven- 
strang, ne  Nephridialcanal,  oe  Oeffnung  der  Nephridien  nach  aussen,  p  Füsse,  pe  Peri- 
cardiairaum,  ps  Pericardialseptum ,  sb  Sammelblase  (Harnblase)  der  Nephridien, 
sd  Schleimdrüse,  so  Sohle  des  Fusses  (Verdickung  des  Ectoderms),  st  verbindender 
Strang  zwischen  Nervenstrang  (n)  und  Ventralorgan  (vo). 


G.   Die  Speicheldrüsen. 

Nach  den  in  dieser  Beziehung  übereinstimmenden  Angaben  von 
Kennel  und  Sedgwick  kann  man  nicht  zweifeln,  dass  die  durch  einen 
kurzen  gemeinsamen  Gang  in  die  Mundhöhle  mündende  paarige  Drüse 
aus  den  Nephridien  des  Segmentes  der  Oralpapillen  hervorgeht.  Die- 
selben werden  in  derselben  Weise  wie  die  übrigen  Nephridien  angelegt. 
Sie   entstehen   nach   Abschnürung  der  dorso- medialen   Parthie   aus   der 


Onychophoren. 


715 


dasselbe   einmündet 


lateralen  Abtheilung  der  Ursegmente,  welche  eine  Oeffnung  nach  aussen  ge- 
winnen (Fig.  434  no  und  435  sp,  pag.  694).  Die  weitere  Ausbildung  ist  nur 
insofern  eine  andere,  als  sich  der  Canal  an  der  Stelle,  wo  er  in  das  End- 
säckchen  übergeht ,  in  die  Länge  zu  strecken  beginnt  (Fig.  445  A) ,  so 
dass  jenseits  des  Endsäckchens  ein  langer  blindendigender  Schlauch  zu 
Stande  kommt  (Fig.  445  B,  Je).  Daraus  entsteht  dann  der  Haupttheil  der 
Speicheldrüse,  an  welcher  aber  zeitlebens  der  dem  Endsäckchen  ent- 
sprechende blasenförmige  Theil  der  Anlage  (s)  erhalten  bleibt  (v.  Kennel, 
Sedgwick).  Seine  Verbindung  mit  dem  Drüsenrohr  zieht  sich  zu  einem 
kurzen  Canal  aus  (Fig.  445  B),  welcher  dorsal  in 
(Sedgwick). 

Die  beiden  äusseren  Oeff- 
nungen    der  Nephridien   (Fig. 

435  sp)   werden   durch   die 
gegen  den  Mund  vorrückende 
Falte   mit  in  die   Mundhöhle 
hineingedrängt.   Hier  kommen 

sie  in  eine  querverlaufende 
Rinne  zu  liegen,  welche  bei 
der  weiteren  Ausbildung  der 
Mundhöhle  immer  tiefer,  dabei 
aber  auch  von  den  Seiten  her 
eingeengt  und  in  Folge  dessen 
kürzer  wird.  So  entsteht  aus 
der  Rinne  ein  kurzer  Canal 
mit  spaltförmigen  Lumen ,  in 
welches   sich   die  beiden  Nephridialcanäle  (Speicheldrüsen)  öffnen. 


ist  der   gemeinsame,   in  die 
Speicheldrüsen  (v.  Kennel). 


Fig.  445.  A  und  B  Bildung  der  Speichel- 
drüsen von  P.  capensis  (nach  Sedgwick). 

k  Canal  der  Drüse,  n  Nephridialcanal,  *  End- 
säckchen, welches  in  A  dünnwandiger  als  in  B 
erscheint. 

Dies 
Mundhöhle  mündende  Ausführungsgang  der 


H.    Die  Analdrüsen. 

Die  sog.  Analdrüsen,  ein  Paar  von  Drüsenschläuchen,  welche  bei 
dem  Männchen  von  P.  edwardsii  ventral  zu  beiden  Seiten  des  Afters, 
bei  P.  capensis  mit  einem  kurzen  gemeinsamen  Ausfuhrungsgang  an 
der  Geschlechtsöffnung  ausmünden  und  offenbar  in  Beziehung  zu  den 
Geschlechtsverrichtungen  treten,  geben  sich  durch  ihre  Entwicklung  als 
modificirte  Nephridien  zu  erkennen  (v.  Kennel).  Sie  entstehen  bei  P. 
edwardsii  aus  den  Ursegmenten  des  letzten  (fusslosen)  Abschnittes, 
welches  ventral  den  After  trägt.  Die  Analdrüsen  kommen  bei  beiden 
Geschlechtern  in  gleicher  Weise  zur  Anlage,  wachsen  aber  nur  beim 
Männchen  zu  ihrer  späteren  Schlauchform  aus,  während  sie  beim  Weibchen 
rückgebildet  werden. 

Bei  P.  capensis  mündet  an  der  männlichen  Geschlechtsöffnung  ein 
Drüsenpaar  aus,  welches  wahrscheinlich  den  Analdrüsen  der  amerikanischen 
Arten  homolog  ist.  Da  aber  aus  den  Nephridien  des  Segmentes,  welches 
die  Genitalöffnung  trägt,  die  Ausführungsgänge  des  Geschlechtsapparates  her- 
vorgehen (vgl.  weiter  unten,  pag.  717),  so  müssen  diese  Drüsen  einen 
anderen  Ursprung  haben.  Wir  möchten  es  für  wahrscheinlich  halten ,  dass 
sie  aus  einem  der  beiden  Paare  von  Ursegmenten  hervorgehen,  welche  Sedg- 
wick bei  P.  capensis  hinter  den  Ursegmenten  der  Analpapillen  noch  findet. 
Bei    dieser   Form   ist   die   Geschlechtsöffnung   ganz    in    die  Nähe    des  Afters 


716  XXI.  Capitel. 

gerückt  und  liegt  vor  diesem  an  dem  die  Analpapillen  tragenden  Abschnitt. 
Bei  P.  edwardsii  hingegen  findet  sich  die  Genitalöffnung  um  zwei  Segmente 
weiter  nach  vorn,  sie  liegt  am  vorletzten  beintragenden  Segment.  Da  nun 
nach  Sedgwick  bei  P.  capensis  hinter  dem  letzten  ausgebildeten  Ursegment 
(dem  der  Geschlechtsausführungsgänge)  noch  zwei  rudimentär  bleibende  Seg- 
mente auftreten,  so  könnte  man  annehmen,  dass  diese  dem  letzten  beintragenden 
und  dem  sog.  Analsegment  der  amerikanischen  Arten  entsprächen.  Letztere 
würden  also  zwei  wohl  ausgebildete  Segmente  (das  Genitalsegment  und  das 
folgende)  aufweisen,  wo  bei  den  afrikanischen  und  neuseeländischen  Arten 
eine  Rückbildung  eingetreten  wäre,  welche  veranlasste,  dass  die  Genital-  und 
Afteröffnung  scheinbar  an  ein  und  dasselbe  Segment  zu  liegen  kamen.  So 
würde  dann  auch  die  Annäherung  eines  der  letzten  Nephridienpaare  (der 
Analdrüsen)  an  das  drittletzte  Paar  (Geschlechtsausführungsgänge)  zu  erklären 
sein.  Diese  Yermuthung  scheint  durch  die  neuerdings  durch  L.  Sheldox 
(Nr.  13)  bekannt  gewordene  Thatsache  bestätigt  zu  werden,  dass  bei  dem 
neuseeländischen  Peripatus  am  sog.  Analsegment  zwei  schleifenförmig  gebogene 
Drüsenschläuche  vorhanden  sind,  von  denen  jeder  für  sich  seitlich  am  Körper 
und  lateral  von  den  Nervenstämmen  ausmündet,  also  da,  wo  sonst  die  Mün- 
dungen der  Nephridien  liegen.  Diese  beiden  Drüsen  sind  den  Analdrüsen 
gleichzusetzen  (Sedgwick,  Sheldon)  ,  und  richtiger  als  accessorische 
Drüsen  des  männlichen  Geschlechtsapparates  zu  bezeichnen, 
und  sind  ihrer  Lage  nach  wohl  sicher  als  modificirte  Nephridien  anzusehen. 
Erwähnt  soll  hier  noch  werden,  dass  die  amerikanischen  Arten,  wrelche  dem- 
nach in  Bezug  auf  die  Segmentirung  des  Hinterendes  ein  ursprünglicheres 
Verhalten  zeigen,  in  ihrer  Fortpflanzungsweise  gerade  abgeleitete  Verhältnisse 
erkennen  lassen.  Die  vom  Endabschnitt  nach  vorn  verschobene  Lage  des 
Afters  dürfte  allerdings  in  allen  Fällen  als  secundär  zu  betrachten  sein. 

I.    Die  Genitalorgane. 

Während  in  den  vorderen  15  Segmenten  des  Embryos  von  P.  ca- 
pensis die  durch  Trennung  der  Ursegmente  entstandene  dorso-mediale 
Parthie  derselben  bei  Bildung  der  definitiven  Leibeshöhle  aufgebraucht 
wird,  bleibt  dieselbe  in  den  folgenden  Segmenten  erhalten.  Nach  ihrer 
Ablösung  von  den  lateralen  Theilen  rücken  die  medialen  Parthien  gegen 
die  dorsale  Mittellinie  hin.  Die  lateralen  Theile  der  Ursegmente  werden 
nun  auch  in  diesen  Segmenten  (IG — 20)  in  der  gewöhnlichen  Weise  zu 
den  Nephridien  umgewandelt,  dagegen  sieht  man  die  medialen  Parthien 
bei  gleichzeitiger  Abnahme  ihres  Umfanges  sich  in  Form  kleiner  drei- 
kantiger Säcke  zwischen  Darmwand  und  Pericardium  anlagern  (Fig.  444  #). 
Sie  sind  es,  welche  nach  Sedgwick's  Beobachtung  die  Geschlechtsdrüsen 
liefern.  In  ihnen  treten  schon  sehr  früh  Zellen  auf,  welche  sich  durch 
ihren  Umfang  und  ihre  grösseren  Kerne  vor  den  übrigen  auszeichnen, 
die  Genitalzellen.  Wir  möchten  (in  Uebereinstimmung  mit  Kennel)  an- 
nehmen, dass  dieselben  in  der  Wand  der  Ursegmente  selbst  oder  in  der 
noch  nicht  in  Ursegmente  zerfällten  Mesodernnnasse  entstehen,  ähnlich  wie 
wir  dies  für  die  Insecten  zu  schildern  haben  werden  (pag.  837),  obwohl 
Sedgwick   von  einem  eiitodermalen  Ursprung   der  Genitalzellen  spricht. 

Durch  Verschmelzung  der  medialen  Parthien  der  Ursegmente  in  den 
aufeinander  folgenden  Körpersegmenten  und  Durchbrechung  ihrer  Wände 
werden  zwei  Schläuche  gebildet,  welche  in  die  mediane  Abtheilung  der 
Leibeshöhle  zu  liegen  kommen.  Bisher  war  die  Anlage  in  beiden  Ge- 
schlechtern die  gleiche,  nun  aber  macht  sich  eine  histologische  Differenz  in- 
sofern geltend,  als  beim  Männchen  eine  raschere  Vermehrung  der  Genital- 


Onychophoren.  717 

zellen  eintritt,  wodurch  diese  kleiner  werden,  während  die  weiblichen 
Keimzellen  einen  grösseren  Umfang  bewahren.  Hierzu  tritt  aber  auch  eine 
anatomische  Verschiedenheit,  indem  die  Genitalanlagen  des  Weibchens  an 
ihrem  Vorderende  verschmelzen,  die  des  Männchens  jedoch  getrennt  bleiben, 
entsprechend  der  Gestaltung  des  Genitalapparates  beim  ausgebildeten  Thier. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  die  medialen  Parthien  jener  hinteren  Ur- 
segmente  die  Geschlechtsdrüsen  liefern,  die  Ausführungsgänge  dagegen 
von  den  lateralen  Parthien  desjenigen  Segmentes  herstammen,  welches 
die  Geschlechtsöffnung  trägt  (bei  P.  capensis  das  Segment  der  Anal- 
papillen,  bei  den  amerikanischen  Arten  das  drittletzte  Segment1).  Eine 
wirkliche  Trennung  in  eine  laterale  und  eine  dorsomediale  Abtheilung 
wie  bei  den  anderen  Ursegmenten  erfolgt  übrigens  im  Genitalsegment 
nicht ;  dasselbe  dehnt  sich  zwar  ebenfalls  dorsal  aus,  aber  dieser  erweiterte 
dorsale  Theil  bleibt  mit  dem  ventralen  (lateralen)  verbunden.  Nachdem 
dieses  Ursegment  so  wie  die  Anlage  der  Nephridien  eine  Oeffnung  nach 
aussen  gewonnen  hat,  verschmilzt  sein  dorsaler  Theil  mit  dem  Hinter- 
ende je  einer  der  beiden  schlauchförmigen  Genitaldrüsen,  womit  die  An- 
lage der  Genitalorgane  im  Wesentlichen  vollendet  ist.  Die  beiden  äusseren 
Oeffnungen  rücken  gegen  die  Mittellinie  hin,  so  dass  sie  neben  einander 
zu  liegen  kommen.  Eine  hier  stattfindende- Einsenkung  des  Ectoderms 
liefert  sodann  den  unpaaren  Endabschnitt  (Ductus  ejaculatorius,  Vagina) 
des  Genitalapparates. 

Aus  der  Entwicklung  der  Genitalorgane  geht  hervor,  dass  die  Höhlung 
der  Geschlechtsdrüsen  der  secundären  Leibeshöhle  (dem  Cölom)  homolog  ist. 
Ihre  zellige  Auskleidung  entspricht  somit  dem  Peritonealepithel  der  Anne- 
liden; wie  von  diesem  lösen  sich  auch  von  ihm  die  Genitalproducte  los,  um 
in  die  secundäre  Leibeshöhle,  d.  h.  die  Höhlung  der  Geschlechtsdrüsen,  zu 
fallen  und  von  hier  durch  die  Nephridien  nach  aussen  geführt  zu  werden. 
Dass  die  Geschlechtsausführungsgänge  von  Peripatus  den  Nephridien  homolog 
sind,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Dies  geht  nicht  nur  aus  ihrer  Ent- 
wicklungsweise hervor,  sondern  wird  auch  dadurch  bestätigt,  dass  (nach 
Gaffkon)  bei  den  amerikanischen  Arten  im  drittletzten  (dem  vorletzten  bein- 
tragenden) Segment,  welches  die  Genitalöffnung  trägt,  die  Nephridien  fehlen, 
während  sie  an  den  vorhergehenden  und  dem  folgenden  Segment  in  regel- 
mässiger Ausbildung  gefunden  werden. 

Die  Umbildung  der  Nephridien  zu  Geschlechtsausführungsgängen ,  wie 
sie  bei  Peripatus  gefunden  wird,  ist  dadurch  von  besonderem  Interesse,  dass 
die  umgewandelten  Nephridien  mit  den  Geschlechtsdrüsen  eine  continuirliche 
Verbindung  eingehen,  und  dass  dadurch  eine  ähnliche  morphologische  Be- 
schaffenheit des  ganzen  Genitalapparates  hervorgebracht  wird,  wie  wir  sie  von 
anderen  Arthropoden  kennen,  dass  also  der  wahre  Charakter  der  Aus- 
führungsgänge (als  Nephridien)  nicht  mehr  ohne  Weiteres  hervortritt,  sondern 
mit  Sicherheit    erst    aus    ihrem  Entwicklungsmodus  zu  entnehmen  ist. 

K.   Abweichende  Darstellung  über  die  Entstehung  der 
mesodermalen  Gebilde. 

v.  Kenxel's  Darstellung  von  der  Umbildung  der  Ursegmente  weicht  in 
einigen  wesentlichen  Punkten  von  der  Auffassung  der  englischen  Autoren  ab. 
Da  diese  Punkte  aber  von  principieller  Wichtigkeit  sind,  so  müssen  wir  ihnen 
eine  gesonderte  Betrachtung  widmen. 

x)  Bezüglich  der  Auffassung  dieser  Segmente  vergleiche  man  das  bei  Betrachtung 
der  Analdrüsen  Gesagte  (pag.  715). 


718 


XXL  Capitel. 


Nach  Kenkel's  Darstellung  kommt  zu  der  einen  Zellwucherung,  welche 
in  Form  einer  Falte  von  unten  her  vordringend  die  Segmenthöhle  in  zwei 
Räume  theilt  (Fig.  442  5,  pag.  709),  noch  eine  zweite  mehr  peripher  gelegene 
Falte  hinzu  (Fig.  446  A),  wodurch  die  Höhle  in  drei  vorläufig  noch  mit  einander 
communicirende  Räume  getrennt  wird  (Fig.  446  A,  J,  II  und  III).  Davon 
schnürt  sich,  so  wie  es  auch  schon  früher  dargestellt  wurde,  die  dorso- me- 
diale Parthie  (III)  ab  und  sie  sowohl,  wie  auch  der  grösste  Theil  der  haupt- 
sächlich in  den  Füsschen  gelegenen  lateralen  Parthie  (I)  wird  durch  Abgabe  von 

Elementen  zur  Bildung  der  Muskeln  und  des  Binde- 
gewebes aufgebraucht.    So  entsteht  die  Begrenzung 
der   Räume   des  Pseudocöls,    welches   letztere   im 
Ganzen    auf  die    schon   früher   geschilderte  Weise 
durch  Abheben  der  primären  Keimblätter  von  ein- 
ander und  Bildung  von  Spalträumen  in  dem  massig 
wuchernden  Mesodermgewebe  entsteht,  wozu  natur- 
gemäss    auch    die    bei   Auflösung    der    Ursegmente 
übrig    bleibenden  Höhlungen    derselben    hinzukom- 
men.   Erhalten  bleibt  in  der  Continuität  der  epithe- 
lialen Elemente  nur  der  mittlere  ventrale  Theil  (II) 
des  Ursegmentes.    Er  liefert  allein  den  Trichter  der 
Nephridien    (Fig.  446  A — 0,   II),    welcher  nach 
dieser  Darstellung    wie    auch   nach   der  bisher  gil- 
tigen Auffassung  (Balfour,    Gaffeon)    gegen    die 
(definitive)  Leibeshöhle  geöffnet  wäre.    Mit  diesem 
Trichter    von    mesodermalem   Ursprung   verbindet 
sich   eine    ventrale ,    von   der   Basis   der  Füsschen 
ausgehende  und  schlauchförmig  ausvvachsende  Ein- 
stülpung   des    Ectoderms    (Fig.    446  A — C,    nc). 
Während  Sedgwick  also  das  ganze  Nephridium 
vom    Mesoderm    herleitet,    führt   v.    Kennel    den 
Ursprung    desselben    und    zwar    des    bei    Weitem 
grössten  Theiles  auf  das  Ectoderm  zurück.    Wenn 
wir    vorher    der    Darstellung    des    erstgenannten 
Autors  folgten ,   so  geschah  dies  aus  dem  Grunde, 
weil  es  nach  den  früheren,  sowie  neuen  Untersuchungen 
von  Bekgh   für  die  Anneliden    im  höchsten  Grade 
wahrscheinlich  geworden   ist,    dass  die  Nephridien 
derselben  nur  vom  Mesoderm  gebildet  werden.1) 

Durch  die  Herleitung  des  Nephridiencanales 
vom  Ectoderm  muss  auch  v.  Kennel's  Auffassung 
von  der  Bildungsweise  der  Genitalorgane  beeinflusst 
werden,  da  auch  er  deren  Ausführungsgänge  als  umge- 
wandelte Nephridien  erkannte.  Dieselben  sind  dem- 
nach nicht  nur  in  ihrem  unpaaren  Endtheil,  son- 
dern in  der  Totalität  ihrer  Ausführungsgänge  ecto- 
dermaler  Natur;  nur  ein  kurzes  Stück,  welches 
die  ectodermalen  Uteri  und  Vasa  deferentia  mit  den 
Geschlechtsdrüsen  verbindet,  wird  von  dem  meso- 
dermalen  Nephridialtrichter  geliefert  (Fig.  447  A—  C,  ml).  Daraus  gehen 
beim  Weibchen    die   Anhangsgebilde   des  Uterus   hervor.     Ein  Blick  auf  die 


Fig.  446.  A— CTheile 
von  Querschnitten  durch 
Embryonen  verschiedener 
Stadien  von  P.  edwardsii 
(schematisch  nach  v.Kennel, 
aus  Lang's  Lehrbuch  der 
Vergleich.  Anatomie). 

d  Darm,  l  Fuss,  Ih  Lei- 
beshöhle ,  m  Mesodermge- 
webe, n  Bauchnervenstrang, 
nc  Nephridialcanal,  I,  II  u. 
III  die  drei  Käume  der  Ur- 
segmenthöhle,  wovon  II  die 
Anlage  des  Trichters  dar- 
stellt. 


!)  R.  S.  Bergh  :  Neue  Beiträge  zur  Embryologie  der  Anneliden,  Theil  I.  Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.    50.  Bd.     1890.  —  Vgl.   auch  pag.  197  dieses  Lehrbuches. 


Onychophoren. 


719 


Fig.  447  A — C  macht  diese  Auffassung  deutlich.  Das  Weibchen  des  neusee- 
ländischen Peripatus  besitzt  ein  paariges  Receptaculum  seminis  und  das  der 
amerikanischen  Arten  ausserdem  ein  paariges  Receptaculum  ovorum,  welches 
zwischen  jenem  und  dem  Ovarium,  dicht  an  letzterem  in  den  Uterus  einmündet. 
Dem  Weibchen  des  P.  capensis  fehlen  diese  Anhangsgebüde. 

Das  paarige  Receptaculum  seminis  entsteht  dadurch,  dass 
jeder  der  beiden  Uteri  hinter  dem  Ovarium  eine  scharfe  Biegung  macht, 
so  dass  sich  an  einer  Stelle  der  aufsteigende  und  der  absteigende  Schenkel 
einander  nahem.  Bei  gleichzeitiger  starker  Ausweitung  der  gebogenen 
Parthie  tritt  an  jener  Stelle  eine  Verschmelzung  und  Durchbrechung  der 
Uteruswand  ein,  so  dass  der  vor  und  hinter 
der  Biegung  gelegene  Uterusabschnitt  in 
directe  Communication  gesetzt  werden,  von 
dieser  Stelle  aus  aber  zwei  Canäle  in  den 
ausgeweiteten  und  dadurch  blasenförmig 
gewordenen  Theil  des  Uterus,  das  Recepta- 
culum seminis,  führen  (Gaffron,  v.  Kennel). 

Das  Receptaculum  ovorum  ent- 
steht zwischen  Receptaculum  seminis  und 
Ovarium  als  bruchsackartige  Ausstülpung 
des  Uterus-  (resp.  Eileiters).  Wenn  diese 
eine  gewisse  Grösse  erreicht  hat,  soll  an 
ihrem  Gipfel  das  Epithel  platzen  (v.  Kenxel), 
wodurch  der  sog.  Ovarialtrichter  Gaffrons 
entsteht,  der  aber  nicht,  wie  dieser  Autor 
vermuthet,  gegen  die  Leibeshöhle  offen  ist, 
sondern  vielmehr  von  der  bindegewebigen 
Ueberkleidung  des  Uterus  überdeckt  bleibt 
(v.  Kennel). 


Diese  Verhältnisse  scheinen  uns  einer  er- 
neuten Prüfung  bedürftig.  Vorläufig  erscheint 
die  von  Sedgwick  geäusserte  Vermuthung 
beachtenswerth ,  wonach  das  Receptaculum 
ovorum  dem  Endsäckchen  der  Nephridien  des 
Genitalsegmentes  entspricht.  — 

In  Bezug  auf  die  Bildung  der  Geschlechts- 
drüsen stimmt  v.  Kenxel  mit  Sedgwick  inso- 
fern überein,  als  auch  er  dieselben  von  der 
dorsomedialen  Parthie  der  Ursegmente  herleitet, 
doch  lässt  er,  wenn  wir  ihn  recht  verstehen, 
dabei  nur  die  dorsale  Parthie  der  beiden  Ur- 
segmente des  Genitalsegmentes  betheiligt  sein, 
die  in  ähnlicher  Weise,  wie  dies  auch  Sedg- 
wick schildert,  mit  den  lateralen  Parthien  ver- 
einigt bleiben  (Fig.  447  A— C),  nur  dass  sie 
drüsen  entstehen  Hessen. 


Fig".  447.  A— C  Schemata 
von  Querschnitten  durch  das 
Genitalsegement  weiblicher  Em- 
bryonen von  P.  edwardsii  in 

verschiedenen  Altersstadien  (nach 
v.  Kennel,  aus  Lang's  Lehrb. 
der  Vergl.  Anat.). 

d  Darm,  ee  Xephridialcanal 
(durch  Einstülpung  des  Ecto- 
derms  entstehend),  ml  mesoder- 
maler  Theil  (Trichter)  der 
Nephridien,  n  Bauchnerven- 
strang, ov  Ovarien  (dorsomedia- 
ler  Theil  des  Ursegmentes),  va 
Vagina  (unpaare  Ectodermein- 
stülpung). 

eben   allein  die  Geschlechts- 


720  XXI.  Capitel. 

4.    Allgemeines» 

Der  Besitz  von  Tracheen  und  segmental  angeordneten  Nephridien 
bringt  den  Peripatus  in  Beziehung  zu  den  Arthropoden  auf  der  einen 
und  den  Anneliden  auf  der  anderen  Seite.  Zu  diesen  beiden  Haupt- 
charakteren kommt  noch  eine  ganze  Anzahl  anderer  Merkmale  hinzu, 
welche  er  mit  jenen  beiden  Abtheilungen  gemein  hat.  Auch  die  Ent- 
wicklungsgeschichte lässt  solche  gemeinsame  Züge  erkennen. 

Obwohl  die  Eier  einiger  Peripatusarten  wenig  Dotter  besitzen  oder 
dessen  sogar  fast  ganz  entbehren,  ist  es  doch  höchst  wahrscheinlich,  dass 
dieselben  auf  dotterreiche  Eier  zurückzuführen  sind,  wie  sie  der  neusee- 
ländische Peripatus  aufweist.  Diese  machen  eine  superficielle  Furchung 
durch  und  bedecken  sich  mit  einem  Blastoderm,  verhalten  sich  also  wie 
A  r  t  h  r  o  p  o  d  e  n  e  i  e  r.  Der  lange  spaltförmige  Blastoporus,  der  bei  seinem 
Schluss  Mund  und  Afteröffnung  übrig  lässt,  findet  sein  Homologon  bei 
den  Insecten.  Mit  letzteren,  bezw.  mit  den  bei  den  Crustaceen 
obwaltenden  Verhältnissen,  lässt  sich  auch  die  Bildungsweise  der  Keim- 
blätter vergleichen,  obwohl  hier  durch  die  vom  Rand  des  Blastoporus 
ausgehenden  und  von  hinten  nach  vorn  vorrückenden  Mesodermstreifen, 
sowie  durch  deren  Gliederung  zugleich  eine  grosse  Uebereinstimmung 
mit  den  Anneliden  gegeben  ist.  Ganz  dasselbe  gilt  für  die  (übrigens 
hierdurch  bedingte)  Gestaltung  des  Keimstreifens.  Schon  Balfour  wies 
auf  die  grosse  Aehnlichkeit  des  Keimstreifens  mit  demjenigen  von  Myrio- 
poden  und  Ar  ach ni  den  (z.  B.  Geophilus,  Scorpio,  Agalena) 
hin,  die  sich  in  der  Gestaltung  der  Extremitätenanlagen,  besonders  aber 
der  Scheitellappen  ausspricht.  Andrerseits  wird  die  Bildung  eines  der- 
artigen Keimstreifens  auch  schon  bei  den  Anneliden  eingeleitet  (Oli- 
gochaeten,  Hirudineen). 

Die  starke  Ausbildung  des  Gehirns  und  der  Besitz  der  Extremitäten 
bedingt  wiederum  ein  bedeutend  stärkeres  Hinneigen  auf  die  Seite  der 
Arthropoden.  Dies  drückt  sich  weiterhin  in  der  Vereinigung  mehrerer 
Segmente  zum  Kopf  und  in  der  Umbildung  ihrer  Segmentanhänge  (Ex- 
tremitäten) zu  Mundwerkzeugen  aus.  Wohl  spricht  man  auch  bei  den 
Anneliden  von  einer  Hinzuziehung  eines  oder  mehrerer  Rumpfsegmente 
zum  Kopf,  aber  niemals  erfahren  diese  Segmente  eine  so  tiefgreifende 
Umwandlung,  wie  dies  bei  den  Arthropoden  und  auch  bei  Peri- 
patus der  Fall  ist.  Bei  einer  derartigen  Uebereinstimmung  liegt  die 
Frage  nach  der  Homologie  der  Kopfsegmente  des  Peripatus  und  der 
Arthropoden  nahe,  doch  erheben  sich  hier  insofern  Schwierigkeiten,  als 
die  Zahl  der  in  die  Bildung  des  Kopfes  einbezogenen  Segmente  bei  den 
einzelnen  Abtheilungen  differirt,  und  auch  das  Verhältniss  der  Segmente 
zu  einander  ein  verschiedenes  ist.  Letzteres  spricht  sich  in  der  Zu- 
sammensetzung des  Gehirns  aus.  Bei  Peripatus  werden  die  Ganglien 
des  Kiefersegmentes  in  die  Bildung  des  Gehirns  einbezogen,  was  bei 
den  Myriopoden  und  Insecten  nicht  der  Fall  ist.  Die  Kiefer 
des  Peripatus  können  somit  nicht  den  Mandibeln  der  Insecten  homo- 
logisirt  werden,  wohl  aber  erinnern  die  Verhältnisse  des  Peripatus  an 
diejenigen  der  Crustaceen,  bei  denen  die  Ganglien  der  II.  Antenne 
zum  Gehirn  hinzugezogen  werden.  Die  IL  Antennen  der  Crustaceen 
sind  demnach  eher  den  Kiefern  des  Peripatus  zu  vergleichen.  Dann 
erhebt  sich  aber  die  Frage,  ob  bei  den  Insecten  ein  Segment  zum  Aus- 
fall gekommen  ist.  Auf  diese  Frage'  kann  erst  weiter  unten  genauer 
eingegangen  werden   (vgl.  pag.  906).     Unsere  Auffassung  des  antennen- 


Onychophoren.  721 

tragenden  Segmentes  und  dessen  Beziehung  zu  dem  der  Crustaceen, 
bezw.  den  luftathm enden  Arthropoden  einerseits  und  dem  Kopf- 
abschnitt der  Anneliden  andererseits  wurde  bereits  früher  dargelegt 
(pag.  696)  und  es  muss  hier  auf  diese  Ausführungen  verwiesen  werden. 
Hervorzuheben  ist  aber,  dass  Peripatus  auch  durch  die  Umwandlung- 
vorderer  Gliedmaassen  zu  Mund  Werkzeugen  sich  den  Arthropoden 
nähert  und  sich  von  den  Anneliden  entfernt,  deren  Kiefer  blosse  Cuti- 
cularbildungen  des  Vorderdarmes  sind. 

Es  ist  zweifellos,  dass  Peripatus  durch  die  Ausbildung  der  mit  Krallen 
bewaffneten  Extremitäten  sich  weit  über  die  Anneliden  erhebt,  dagegen 
fehlt  den  Extremitäten  die  für  die  Arthropoden  charakterische  Gliederung; 
auch  erscheint  die  seitliche  Stellung  der  Füsse  als  ein  ursprünglicher, 
mehr  zu  den  Anneliden  hinneigender  Charakter,  welcher  dem  Thier 
in  Verbindung  mit  der  homonomen  Segmentirung  des  Körpers  ein  mehr 
wurmähnliches  Aussehen  verleiht.  Ferner  finden  sich  gerade  in  dieser 
Beziehung  weitere  Anknüpfungspunkte,  indem  man  die  Cruraldrüsen  wohl 
mit  Recht  auf  die  Drüsensäcke  (Borstendrüsen)  der  Annelidenparapodien 
zurückgeführt  hat  (Balfour).  Die  Cruraldrüsen  werden  auch  noch  bei 
den  höheren  Tracheaten  wiedergefunden,  obwohl  bei  ihnen  wohl  auch 
verschiedentlich  umgewandelte  Nephridien  (Coxaldrüsen)  als  Homologa 
der  Cruraldrüsen  des  Peripatus  aufgefasst  worden  sind.  —  Das  für  Peri- 
patus so  charakteristische  Eintreten  der  Ursegmente  in  die  Anlagen  der 
Extremitäten  finden  wir,  wenn  auch  nicht  in  so  starkem  Maasse,  bei  den 
Myriopoden,  den  niederen  Insecten  und  Arachniden  wieder. 

Beim  ersten  Auftreten  der  Mesodermstreifen  und  ihrem  Zerfall  in 
die  Ursegmente  gewinnt  der  Embryo  durch  die  weite  Ausdehnung  der 
letzteren  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  den  bei  den  Anneliden  ob- 
waltenden Verhältnissen,  obwohl  dabei  nicht  zu  vergessen  ist,  dass  gerade 
bei  denjenigen  Arten  diese  Aehnlichkeit  am  grössten  ist,  bei  welchen  der 
Dotter  am  meisten  zurücktritt,  und  bei  denen  wir  in  Folge  dessen  abge- 
leitete Verhältnisse  annehmen  müssten  (afrikanische  und  amerikanische 
Arten).  In  Bezug  auf  die  weitere  Ausbildung  der  mesodermalen  Theile 
bekundet  sicli  Peripatus  im  Ganzen  mehr  als  Arthropode,  wenn  wir  da- 
bei die  Musculatur  und  die  segmentale  Wiederholung  der  Nephridien 
ausnehmen.  Was  die  erstere  betrifft,  so  entbehrt  sie  der  Querstreifung 
(nur  die  Kiefermuskeln  sollen  quergestreift  sein)  und  bildet  einen  Haut- 
muskelschlauch. Eine  Ringsmuskelschicht,  mehrere  Lagen  von  Diagonal- 
muskeln und  Längsmuskeln,  die  sich  allerdings  zu  symmetrisch  vertheilten 
Bändern  anordnen,  setzen  den  letzteren  zusammen.  Dies  sind  Verhält- 
nisse, wie  sie  viel  eher  den  Anneliden  zukommen,  als  den  Arthro- 
poden, bei  denen  sich  der  Hautmuskelschlauch  in  einzelne  Muskelgruppen 
von  bestimmter  Vertheilung  auflöst.  Die  Leibeshöhle  hingegen  zeigt  so- 
wohl in  Bezug  auf  ihre  Entstehung  (als  Pseudocöl),  wie  auf  ihre  definitive 
Ausbildung  ganz  den  Arthropodencharakter.  Dasselbe  gilt  für  das  Rücken- 
gefäss,  welches  durch  Ostien  mit  dem  Pericardialraum  und  dadurch  mit  dem 
Pseudocöl  in  Verbindung  steht,  denn  der  Pericardialraum  ist  wie  bei  den 
Arthropoden  ein  Theil  des  Pseudocöls  und  zeigt  eine  ganz  ähnliche  Bildungs- 
weise  wie  derjenige  der  Arthropoden  im  Allgemeinen.  —  Die  Ausbildung 
der  Leibeshöhle  und  ihre  Scheidung  in  verschiedene  Räume,  welche  beim 
Embryo  des  Peripatus  auftritt,  ist  in  Vergleich  zu  setzen  mit  den  Ver- 
hältnissen, welche  wir  in  der  Entwicklung  der  Myriopoden  und  In- 
secten finden,  und  kann  somit  als  ein  wichtiges  Moment  der  Ueberein- 
stimmung zwischen  Peripatus  und  diesen  Formen,  bezw.  den  Arthro- 
poden überhaupt  angesehen  werden. 


722  XXI-  Capitel. 

Die  Nephridien  schienen  den  Peripatüs  in  ganz  besonders  starkem 
Masse  mit  den  Anneliden  zu  verbinden,  so  lange  man  annehmen 
niusste,  dass  sie  sich  wie  bei  diesen  durch  einen  weiten  Trichter  in  die 
Leibeshöhle  öffneten  (Balfour,  Gaffron).  Seit  man  weiss,  dass  sie 
gegen  die  definitive  Leibeshöhle  durch  eine  Blase  abgeschlossen  sind 
(Sedgwick),  bietet  zwar  ihre  segmentweise  Wiederholung  noch  immer 
einen  wichtigen  Vergleichspunkt  mit  den  Anneliden,  aber  es  ist  da- 
mit doch  eine  grössere  Hinneigung  zu  den  Arthropoden  gegeben,  in- 
dem die  Nephridien  (Antennen-  und  Schalendrüsen)  der  Crustaceen  die 
gleichen  Gestaltungsverhältnisse  zeigen.  Bei  dieser  Gleichartigkeit  im 
Bau  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Nephridien  des  Peripatüs  eine 
Wimperung  nicht  mehr  besitzen1);  wenn  sich  jedoch  die  Angaben  über 
das  Vorhandensein  eines  Wimperepithels  in  den  zu  Geschlechtsausführungs- 
gängen2) umgewandelten  Nephridien  bewahrheiten  sollte,  so  würde  diese 
Thatsache  einen  weiteren  Annelidencharakter  des  Peripatüs  darstellen. 

Wie  bei  den  Anneliden  werden  bei  Peripatüs  Nephridien  zu  Aus- 
führungsgängen der  Genitalorgane  verwendet.  Wie  dort  entstehen  die 
Geschlechtsprodukte  an  der  Wand  der  (hier  allerdings  stark  einge- 
schränkten) secundären  Leibeshöhle  und  werden  aus  dieser  durch  die 
Trichter  der  Nephridien  aufgenommen.  Doch  kommt  hier  ein  wichtiger 
Umstand  hinzu,  welcher  den  Peripatüs  wiederum  mehr  den  Arthro- 
poden zu  nähern  scheint.  Die  Leitungsorgane  verbinden  sich  mit  den 
Geschlechtsdrüsen  zu  einem  Ganzen,  ein  Verhalten,  welches  allerdings 
auch  schon  bei  verschiedenen  Abtheilungen  der  Anneliden  auftritt. 

Als  ein  Charakter,  welcher  sich  nicht  mit  der  Organisation  der 
Arthropoden  vereinigen  lässt,  dagegen  sehr  wohl  mit  derjenigen  der 
Anneliden  zusammenstimmt,  ist  der  Bau  der  Augen  des  Peripatüs,  sowie 
auch  deren  Bildungsweise,  zu  erwähnen.  Sie  zeigen  eine  grosse  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Augen,  wie  sie  unter  den  Anneliden  die  Alciopiden 
besitzen.  Bei  einer  Vergleichung  des  Peripatüs  mit  den  Myriopoden 
fällt  fernerhin  der  Mangel  von  MALPiGHi'schen  Gefässen  oder  irgend  einer 
Andeutung  derselben  auf. 

Ein  zusammenfassendes  Urtheil  über  die  anatomischen  und  entwick- 
lungsgeschichtlichen Beziehungen  des  Peripatüs  muss  dahin  lauten,  dass 
er  sowohl  Anneliden-  wie  Arthropoden-Charaktere  in  sich  vereinigt,  dass 
aber  die  letzteren  überwiegen,  wie  er  auch  in  seinem  Habitus  (nicht 
nur  in  Bezug  auf  seine  äussere  Gestaltung,  sondern  auch  betreffs  seiner 
inneren  Beschaffenheit)  weit  mehr  als  Arthropode  erscheint.  Phylogenetisch 
würde  Peripatüs  sehr  wohl  als  Zwischenglied  einer  Reihe  zu  denken 
sein,  welche  bei  den  Anneliden  beginnt  und  mit  den  Insecten  endet, 
obwohl  damit  natürlich  nicht  gesagt  werden  soll,  dass  Peripatüs  wirklich 
als  Stammvater  der  Myriopoden  und  Insecten  anzusehen  sei. 

Ontogenetisch  bemerkenswerth  ist  noch  das  späte  Auftreten  der  Tracheen, 
über  deren  Entstehungsweise  auch  an  den  ältesten  Embryonen  bisher  keine 
Beobachtungen  gemacht  werden  konnten  und  deren  Deutung  durch  die  Un- 
kenntniss  ihres  Bildungsmodus  wesentlich  erschwert  wird.  Man  geht  wohl 
nicht  fehl,  wenn  man  sie  auf  Ectodermeinstülpungen  zurückführt,  und  es  lag 


*)  Sichere  Angaben  über  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  von  Wimpern  in  den 
Nephridien  des  Peripatüs  vermögen  wir  in  der  Litteratur  nicht  aufzufinden. 

2)  Gaffron  beschreibt  und  bildet  ein  dicht  mit  Wimpern  bedecktes  Epithel  ab, 
welches  die  Vasa  deferentia  auskleidet. 


Onychophoren.  723 

daher  nahe,  sie  (phylogenetisch)  von  modificirten  Hautdrüsen  oder  besser  von 
respirirenden  Theilen  der  Körperbedeckung  herzuleiten.  Ob  man  aus  dieser 
Lücke  in  den  Beobachtungen  wirklich  auf  ein  sehr  spätes  Auftreten  der 
Tracheen  schliessen  darf,  oder  ob  es  sich  nur  um  ein  Uebersehen  derselben 
handelt,  scheint  nicht  recht  sicher,  jedoch  ist  man  geneigt,  an  ersteres  zu 
glauben ,  und  das  späte  Auftreten  in  der  Ontogenie  mit  der  späten  phylo- 
genetischen Erwerbung  der  Tracheen  zu  erklären  (vgl.  hierzu  pag.  757  u.  899). 
Die  unregelmässige  Vertheilung  der  Tracheen  erscheint  gegenüber  der  regel- 
mässigen Anordnung  derselben  bei  den  höheren  Tracheaten  als  ein  niederer 
Zustand  des  Tracheensystems  und  bestätigt  somit  die  Auffassung,  dass  dieses 
eine  Neuerwerbung  darstellt ,  welche  sich  bei  Peripatus  gewissermassen  noch 
in  ihrem  Anfangsstadium  befindet. 


Litteratur. 

1.  Balfour,  F.  M.    The  anatomy  and  development  of  P.  capensis.    Quart.  Journ.  Microscop. 

Science.     Vol.  23.     1SS3. 

2.  Gaffron,  E.     Beiträge  zur  Anatomie  und  Histologie  des  Peripatus.    I.  und  IL  Theil. 

A.  Schneider 's  Zool.   Beiträge.     1.  Bd.     Breslau  1885. 

3.  Hutton,    F.  W.      On  P.  novaezealandiae.     Ann.  Mag.  Xat.  Hist.     4.  ser.      Vol.  18. 

1876. 

4.  Kennel,  J.  von.     Entwicklungsgeschichte  von  P.  edwardsii  tend  P.  torquatus.    I.  und 

IL   Theil.     Arb.  des  zool.  Inst.      Univ.    Würzbtirg.     7.  und  8.  Bd.     1885   u.  1886. 

5.  Kennel,    J.    von.       Ueber    die  frühesten   Enhvicklungsstadien    der   südamerikanischen 

Peripatusartcn.     Sitz.  Bei:  Naturf.  Gesellsch.     Borpat.    8.  Bd.     1888. 

6.  Moseley,  H.  N.     On  the  strueture  and  development  of  P.  capensis.    Phil.  Trans.  Roy. 

Soc.     London.      Vol.  164.     1874. 

7.  Moseley,  H.  N.    Bemarks  on  observations  by  C'apt.  Hutton  on  P.  novaezealandiae  etc. 

Ann.  Mag.  Nat.  Hist.     4.  ser.      Vol.  19.    1S77. 

8.  Saint  Eemy,  G.     Contribution   a   Vc'tude  du  cerveau  chez  les  Arthropodes  Tracheates. 

Arch.  Zool.  exp.  gen.     2-   ser.     T.  5.     Suppl.     1887 — 90. 

9.  Sclater,  W.  L.     On  the  early  stages  of  the  development  of  a  South   American  Species 

of  Peripatus.     Quart    Journ.  Microscopical  Science.      Vol.  28.     188S. 

10.  Sedgwiek,  A.    The  development  of  the  Cape  Species  of  Peripatus.    Parti — IV.    Quart. 

Journ.  Micr.  Sc.      Vol.  25—28.     18S5—88. 

11.  Sedgwiek,  A.     A  Monograph  of  the  Species  and  Bistribution  of  the  Genus  Peripatus. 

Ebenda.      Vol.  28.     1888. 

12.  Sheldon,    L.     On   the   development   of  P.   novaezealandiae.     Part  I  and  IL     Ebenda. 

Vol.  28  and  29.    188S—S9. 

13.  Sheldon,   L.     Kotes  on  the  anatomy  of  P.  capensis  and  P.  novaezealandiae.     Ebenda. 

Vol.  28.     18S8. 

14.  Sheldon,  L.     The  maturation   of  the  ovutn  in  the  Cape  and  New  Zealand  Species  of 

Peripatus.     Ebenda.      Vol.  30.     1890. 


XXII.  Capitel. 

MYRIOPODEN. 

Systematik :    I.    Chilopoden,  mit  abgeplattetem  Körper,  zwei  Paar  Maxillen 

und  einem  Kieferfusspaar,  mit  einem  Paar  Extremitäten 
an  jedem  Körperringe;  Geschlechtsöffnung  am  vorletzten 
Segment. 

Geophilus,   Lithobius,    Scolopendra,    Scu- 
tigera. 

IL  Symphylen,  kleine  zarte  Formen  mit  nur  12  Segmenten, 
zu  denen  je  ein  Zwischensegment  hinzukommt;  mit 
12  Beinpaaren,  die  den  Hauptsegmenten  ansitzen;  mit 
einem  Paar  Unterkiefer;  ohne  Kieferfüsse.  Am  Hinter- 
ende zwei  griffeiförmige  Fortsätze  (Cerci). 

Scolopendrella. 

III.  Pauropoden,    kleine  zarte  Formen   mit   wenig  Körperseg- 

menten, deren  jedes  ein  Beinpaar  trägt,  mit  einem  Paar 
Unterkiefer,  ohne  Kieferfüsse;  durch  den  Besitz  dreier 
langen  Geissein  an  den  Antennen  charakterisirt. 

Pauropus. 

IV.  Diplopoden  (Chilognathen)    mit   gewölbtem   Körper;    mit 

einem  Paar  Maxillen  (Gnathochilarium)  und  ohne  Kiefer- 
füsse ;  vom  fünften  Segment  an  Doppelsegmente  mit  zwei 
Beinpaaren.  Geschlechtsöffnung  zwischen  dem  zweiten 
und  dritten  Beinpaar. 

Polyxenus,  Glomeris,  Polydesmus,  Stron- 
gylosoma,  Julus. 


Ablage  und  Beschaffenheit  der  Eier.  Die  Eier  der  Myriopoden 
werden  zumeist  in  grösserer  Anzahl  vereinigt  in  Nester  abgelegt,  welche 
gewöhnlich  aus  Erde  vom  Weibchen  gebaut  und  längere  Zeit,  oft  bis 
zum  Ausschlüpfen  der  Jungen,  von  diesem  bewracht  werden.  Die  Nester 
rinden  sich  an  der  Erde,  unter  Steinen,  Baumrinden  u.  s.  f.  Die  Eier 
können  im  Nest  durch  eine  zähe  Masse  zu  grösseren  Klumpen  vereinigt 
sein   (Julus).     Die   Polyxeniden  umgeben   die  Eierhaufen  mit  einer 


Myriopoden.  725 

dichten  Hülle,  welche  sie  aus  ihren  eigenen  ausgefallenen  Haaren  bilden. 
Glomeris  legt  die  Eier  einzeln  und  in  grösseren  Zwischenräumen  ab; 
jedes  Ei  wird  vom  Weibchen  mit  einer  besonderen,  durch  Drüsensekret 
befeuchteten  Erdkapsel  umgeben.1) 

Von  Scolopendriden  ist  angegeben  worden,  dass  unter  ihnen 
vivipare  Formen  vorkommen,  doch  wurde  andererseits  bei  Scolopen- 
driden auch  die  Ablage  der  Eier  beobachtet.  Man  fand,  dass  das  Weib- 
chen dann  die  Eier  behütet,  indem  es  sich  schraubenförmig  um  dieselben 
aufrollt.1) 

Die  gewöhnlich  kugelrunden,  seltener  ovalen  Eier  sind  sehr  dotter- 
reich. Umgeben  werden  sie  von  einer  Dotterhaut  und  einer  ebenfalls 
structurlosen,  aber  festeren  äusseren  Hülle,  dem  Chorion,  welche  allem 
Anschein  nach  vom  Follikel  geliefert  worden  ist. 


1.   Furcliung-  und  KeiuiMätterMldiing. 

Die  Furchung  des  Myriopodeneies  wird  vielfach  als  eine  totale  an- 
gesehen, doch  verdient  sie  diese  Bezeichnung  in  noch  geringerem  Maasse, 
als  z.  B.  die  Eier  der  Spinnen.  Das  Ei  lässt  allerdings  äusserlich  eine 
anfangs  geringere,  später  zunehmende  Anzahl  von  Segmenten  erkennen, 
welche  ihm  das  Ansehen  eines  Zerfalles  in  mehr  oder  weniger  scharf 
abgegrenzte  Blastodermen  verleihen,  aber  diese  Erscheinung  ist  nicht  der 
Ausdruck  einer  totalen  Furchung  im  eigentlichen  Sinne,  sondern  tritt 
erst  einige  Zeit  nach  der  im  Innern  des  Eies  verlaufenden  Theilung  des 
Furchunuskernes  und  seiner  Descendenten  auf. 

Es  scheint,  als  ob  nicht  bei  allen  Myriopoden  eine  Zerklüftung  der 
äusseren  Oberfläche  des  Eies  aufträte ;  so  hebt  Heathcote  für  den  von  ihm 
studirten  Julus(terrestris  Leach)  ausdrücklich  hervor,  dass  eine  äussere 
Dottersegmentirung  bei  dieser  Form  nicht  wahrgenommen  werden  konnte, 
obwohl  Metschnikoff  bei  einer  anderen  Julus-Art  (J.  moreletti  Lucas) 
die  Segmentirung  der  Eioberfläche  genau  beschreibt  und  abbildet.  Vielleicht 
verhindert  ein  grösserer  Dotterreichthum  der  Eier  bei  anderen  Arten  die 
äussere  Zerklüftung. 

Der  Furchungskern  liegt  umgeben  von  einer  Protoplasmamasse  im 
Centrum  des  Eies.  Er  theilt  sich  hier  zunächst  in  zwei  Kerne,  die  sich 
bald  auf  eine  grössere  Anzahl  vermehren,  so  dass  dann  im  Innern  des 
Eis  viele  Kerne  liegen,  von  denen  jeder  mit  einem  Plasmahof  umgeben 
ist  (Fig.  448  A).  Erst  nachdem  sich  dieser  Vorgang  vollzogen  hat,  treten 
die  Abgrenzungen  einzelner  Territorien  auf  (Fig.  448  B),  wodurch  die 
oben  erwähnte  Furchungserscheinung  hervorgebracht  wird.  Man  darf 
wohl  annehmen,  dass  einzelne  der  centralen  Kerne  schon  vorher  etwas 
gegen  die  Peripherie  hin  gerückt  waren  und  dass  die  Zerklüftung  des 
Eis  eine  Folge  hiervon  ist.  Jedenfalls  sind  die  Dotterpyramiden,  welche 
durch  die  Furchen  begrenzt  werden,  mit  Kernen  versehen,  obwohl  diese 
sich  bisher  nicht  sicher  nachweisen  Hessen.  Sogkaff  nimmt  an,  dass  die 
zu  den  Pyramiden  gehörigen  Kerne  am  Gipfel  derselben  liegen,  also  von 


1)  Eingehendere  Angaben  über  Zeit  und  Modus  der  Eiablage  bei  den  Diplo- 
poden finden  sich  ausser  in  den  älteren  Arbeiten  von  Newport  und  Fahre  besonders 
in  den  Mittheilungen  von  0.  vom  Eath  (No.  16  und  17).  Desgleichen  macht  auch 
Latzel  (No.  10)  bei  Besprechung  der  einzelnen  Arten  Angaben  über  die  Eiablage  und 
Brutpflege  verschiedener  Myriopoden. 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  47 


726 


XXII.  Capitel. 


den  centralen  Kernen  nicht  wesentlich  entfernt  sind.  Eine  völlige  Ab- 
grenzung der  Dotterpyramiden  gegen  einander  findet  nicht  statt,  sondern 
in  der  Mitte  des  Eies,  wo  die  centralen  Kerne  liegen,  stehen  sie  im  Zu- 
sammenhang (Fig.  448  B). 


Fig.  448.     A  und  B  Schnitte  durch  zwei  frühe  Entwicklungsstadien  verschiedenen 
Alters  vonGeophilus  f errugineus  im  Stadium  der  Blastodermbildiuig  (nach  Sograff). 
d  Dotter,  dp  Dotterpyramiden,  k  Kerne  mit  umgehenden  Plasmahof. 


In  den  Eiern,  an  welchen  die  Dotterzerklüftung  eingetreten  ist,  findet 
sodann  eine  Wanderung  der  centralen  Kerne   wirklich  statt.    Dieselben 


Fig.  449.  A  und  B  Schnitte  durch  Eier  von  Geophilus  ferrugineus  im 
Stadium  der  Blastodermhildung  (nach  Sograff). 

bl  Blastoderm ,  dp  Dotterpyramiden,  gr  Gruppen  von  Blastodermzellen  an  der 
späteren  Dorsalseite,  k  Kerne  mit  umgebendem  Plasmahof. 


Myriopoden. 


727 


dringen  in  die  Dotterpyramiden,  deren  Zahl  sich  vermehrt  hat,  ein  und 
begeben  sich  an  die  Peripherie  des  Eies  (Fig.  449).  Nach  Sograff's 
Abbildungen  zu  urtheilen,  scheint  die  Wanderung  hauptsächlich  an  den 
Grenzen  der  Dotterpyramiden  stattzufinden  (Fig.  449  A).  An  der  Ober- 
fläche des  Eies  erscheinen  die  Kerne  zunächst  nicht  regelmässig  vertheilt, 
sondern  in  Gruppen  angeordnet  (Metschnikoff,  Sogkaff,  Heathcote), 
bis  sie  schliesslich  eine  continuirliche  Lage  von  Zellen,  das  Blastoderm, 
bilden.  Dasselbe  erreicht  seine  Ausbildung  zuerst  an  der  Ventralseite 
(Fig.  449  B),  wo  sich  die  Zellen  rascher  theilen  und  in  Folge  dessen  kleiner 
erscheinen,  und  setzt  sich  von  hier  gegen  die  Dorsalseite  fort,  woselbst 
die  Zellen  bis  dahin  nur  gruppenweise  vertheilt  angetroffen  wurden 
(Fig.  449  JB,  gr).  Die  Dotterpyramiden  scheinen  während  der  Blasto- 
dermbildung  und  noch  länger  erhalten  zu  bleiben. 

Nach  den  in  dieser  Beziehung 
ziemlich  übereinstimmenden  Angaben 
der  Autoren  muss  man  annehmen, 
dass  bei  der  Bildung  des  Blastoderms 
ein  grosser  Theil  der  Kerne  im  Innern 
des  Eies,  bezw.  in  den  Dotterpyra- 
miden zurückbleibt.  Dieses  Zell- 
material repräsentirt  grösstentheils 
das  Entoderm,  jedoch  soll  es  auch 
an  der  Bildung  des  Mesoderms 
theilnehmen  (Sograff,  Heathcote). 
Das  letztere  entsteht  zum  Theil  durch 

eine  Zellenwucherung,  welche  am 
Blastoderm    entsprechend    der   ven- 
tralen Mittellinie  des  Embryos  statt- 
findet.    So  kommt  in  der  ventralen 


vi. 


d*._ 


d.— 


—  *. 


-ck. 


U. 


Mittellinie  eine  nach  innen  kielförmig 


Fig.  450.  Schnitt  durch  einen  Em- 
bryo von  Julus  terrestris  vom  sechs- 
ten Tagre  der  Entwicklung  in  etwas 
schematisirter  Darstellung  (nach  Heath- 
cote). 

bl  Blastoderm,  d  Dotter,  do  Dorsal- 
seite, dz  Dotterzellen,  k  die  kielförmige 
Zellenanhäufung  an  der  Ventralseite  (ve). 


vorragende  Verdickung  des    Blasto 
derms  zu  Stande  (Fig.  450),  an  deren 
Bildung  sich   aber  auch   Zellen  be- 
theiligen  sollen,   welche  aus   dem 
Innern  des  Eies  in  die  Höhe  stiegen 
und  sich   der  Zeilverdickung  anleg- 
ten (Heathcote,  Sograff).    Die  anfangs  unpaare  Blastodermverdickung 
trennt  sich  später  in  zwei  seitliche  Bänder,  welche  sodann  in  Segmente 
zerfallen  und  Höhlungen  erhalten,  also  durchaus  den  Charakter  der  Meso- 
dermstreifen  zeigen. 

Da  in  der  ventralen  Mittellinie  schon  bald  eine  Längsfurche  auf- 
tritt, so  möchten  wir  die  Verhältnisse  der  Keimblätterbildung  bei  den 
Myriopoden  in  entsprechender  Weise  auffassen,  wie  bei  Peripatus, 
d.  h.  wir  sind  geneigt,  jene  Furche  für  den  Ausdruck  der  Gastrulation 
zu  halten,  zumal  an  ihrem  Vorder-  und  Hinterende  Mund  und  After 
auftreten.  Freilich  widerspricht  dieser  Auffassung  die  Angabe  der  Au- 
toren von  der  Entstehung  des  Entoderms  aus  den  im  Dotter  zurück- 
gebliebenen Zellen,  doch  sind  ähnliche  Angaben  auch  früher  für  die  In- 
secten  gemacht  worden,  ohne  dass  sie  sich  bewahrheiteten,  und  die  Ent- 
wicklungsgeschichte der  Myriopoden  ist  noch  nicht  in  erschöpfender  Weise 
durchgearbeitet,  so  dass  man  über  die  Beziehung  jener  Längsfurche  zur 


Bildung  der  Keimblätter  bisher  nichts  Bestimmtes  weiss. 


47 : 


728  XXII.  Capitel. 

Die  Furchung  und  Keimblätterbildung  der  Myriopoden  ist  von  Metschni- 
kofp  bei  verschiedenen  Diplopoden  (Strongy losoma,  Polydesmus, 
Polyxenus  und  Julus  No.  11),  sowie  an  einem  Chilopoden  (Geo- 
philus  No.  12),  von  Sogbaff  ebenfalls  bei  der  letzteren  Form  (No.  19 
und  20)  und  von  Heathcote  bei  Julus  untersucht  worden  (No.  7). 
Metschntkoff's  Arbeiten  sind  schon  älteren  Datums  und  ohne  Zuhilfe- 
nahme der  Schnittmethode  vorgenommen.  Sogkaff' s  Abhandlung  ist  uns  in- 
folge ihres  russischen  Textes  zum  Theil  unverständlich  geblieben,  und  die 
Darstellung  von  Heathcote  ist  wenig  befriedigend.  Ausserdem  existirt  eine 
Abhandlung  von  Stecker  über  die  ersten  Entwicklungsvorgänge  der  Myrio- 
poden (No.  21).  Ihre  Ergebnisse  stimmen  absolut  nicht  mit  dem  überein, 
was  man  sonst  von  der  Myriopodenentwicklung  kennt,  worauf  schon  von 
Balfoue  hingewiesen  wurde.  So  soll  bei  dem  Mangel  des  Dotters  eine  Art 
Blastula    und    eine   Invaginationsgastrula    mit    weitem   Archenteron    gebildet 

R. 

JA 


ki- 




kl 

d 

-  -  -  .  - 

— md 

-HXi 

Fig.  451.    A — C  Drei  frühe  Entwicklungsstadien  von  Geophilus  ferrugineus 
in  oberflächlicher  Ansicht,  um  die  Anlage  des  Keimstreifens  zu  zeigen  (nach  Sograff). 

A  und  B  zeigen  die  Anlage  des  Keimstreifens  in  der  Seitenansicht,  0  den  vorderen 
Theil  desselben  in  der  ventralen  Ansicht. 

a  After,  at  Antenne,  d  Dotter,  kl  Kopflappen,  md  Mandibelsegment,  mxx  Segment 
des  ersten  Unterkieferpaares,  r  mediane  Längsrinne. 

werden!  Es  ist  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden  (von  Sogkaff, 
No.  19),  dass  Stecker  Schneckeneier  mit  Myriopodeneiern  verwechselte,  was 
aber  im  Hinblick  auf  die  bestimmten  Angaben  Steckek's  über  die  unter- 
suchten Arten  und  die  späteren  Stadien  kaum  möglich  erscheint.  Jedenfalls 
berechtigt  uns  aber  die  auch  von  anderen  Autoren  (Metschxikoff  ,  Heath- 
cote) unternommene  Untersuchung  von  Angehörigen  derselben  Gattungen, 
welche  zu  ganz  anderen  Resultaten  führten,'  Steckek's  Ergebnisse  als  nicht 
der  wirklichen  Sachlage  entsprechend  anzusehen.  Sie  finden  daher  hier  weiter 
keine  Berücksichtigung. 


Myriopodeu. 


729 


2.   Die  Ausbildung  der  äusseren  Körpergestalt. 

A.   Chilopoden. 

Wie  schon  früher  erwähnt,  findet  die  völlige  Ausbildung  des  Blasto- 
derms  zuerst  an  der  ventralen  Seite  des  Eies  statt,  um  sich  erst  etwas 
später  nach  der  dorsalen  Seite  auszubreiten  (Fig.  449  B).  An  der  aus 
kleineren  Zellen   bestehenden   ventralen   Hälfte   macht  sich   die    Anlage 


O/: 


at- 


X 


ct. 


V 


J 


Fig.  452  U.  453.  Zwei  Keimstreifen  verschiedenen  Alters  von  Geophilus 
ferrugineus  in  der  Ebene  ausgebreitet  (nach  Sogkaff). 

a  After,  at  Antenne,  kl  Kopf  läppen,  m  Mund,  md  Mandibel,  m.g  Malpighi'sche 
Gefässe,  mp  Kieferfüsse  (bezw.  Segment  der  Kieferfüsse),  mxx,  mx2  erstes  und  zweites 
Unterkieferpaar  (bezw.  Unterkiefersegmente),  nr  Neuralrinne,  ol  Oberlippe,  p  Beinpaare, 
P\i  P2  Segmente  der  beiden  ersten  Beinpaare,  r  ventrale  Längsrinne,  *  die  seitlichen 
Parthien  des  Keimstreifens,  welche  schon  eine  Segmentirung  zeigen,  sl  Schwanzlappen 
von  grösserem  und  geringerem  Umfange,  entsprechend  dem  verschiedenen  Alter  der 
beiden  Keimstreifen,  ul  paarige  Anlage  der  Unterlippe. 

des  Keimstreifens  bemerkbar,  indem  zunächst  der  Kopflappen  des  Em- 
bryos hervortritt  (Fig.  451  A,  M).  Nach  hinten  zu  erkennt  man  noch 
keine  weitere  Differenzirung,  da  die  Anlage  des  Keimstreifens  dort  ohne 
Abgrenzung  in  das  Blastoderm  übergeht,  welches  sich  noch  nicht  völlig 
über  das  Ei  ausgebreitet  hat.  Am  hinteren  Theil  dieses  ersten  erkenn- 
baren  Abschnittes   des   Keimstreifens   erscheint   bereits  früh   die  Anlage 


730 


XXII.  Capitel. 


der  Antennen  (Fig.  451  B  und  C,  at).  Das  darauf  folgende  Segment  gehört 
jedenfalls  den  Mandibeln  an,  und  sodann  folgen  die  Segmente  der  beiden 
Maxillenpaare  und  die  Kieferfüsse  (Fig.  452  md — mp).  Die  Anlage  der 
Beinpaare  wie  der  Gliedmaassen  und  Segmente  überhaupt  erfolgt  in  der 
Reihenfolge  von  vorn  nach  hinten,  wie  man  aus  den  Figuren  451  C\ 
452  und  453  deutlich  erkennen  kann. 


R. 


d. 


•>:W 


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—  cd 


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mz, 


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Tnp 


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Fig.  454.  A  und  B  zwei  Geophilusembryonen  in  der  Seitenansicht.  Der 
Keimstreif  umgiebt  einen  grossen  Theil  des  Dotters  und  zeigt  noch  die  dorsale  Krüm- 
mung. Die  beiden  seitlichen  Aussackungen,  welche  der  Embryo  im  Stadium  der 
Fig.  B  zeigen  soll,  sind  der  grösseren  Deutlichkeit  wegen  fortgelassen  (nach  Mktsch- 
jukoff). 

a  After,  at  Antenne,  d  Dotter,  kl  Kopflappen,  md  Mandibel,  mzlt  mz2  erstes  und 
zweites  Unterkieferpaar,  mp  Kieferfusspaar,  mw  Mundwerkzeuge,  p  (pu  p2)  Beinpaare, 
sl  Schwanzlappen. 


Sehr  früh  wird  nach  Sograff  bei  G  e  o  p  h  i  1  u  s  der  After  gebildet 
(Fig.  451  B,  a).  Der  Mund  dagegen  soll  erst  später  auftreten.  Er 
macht  sich  als  Einstülpung  zwischen  den  Kopflappen  bemerkbar,  wenn 
fünf  Segmente  deutlich  zur  Sonderung  gelangt  sind. 


Myriopoden. 


731 


• 


ejc. 


eft. 


d: 


< 


GX 


Fig.  455.    Embryo  von  Geophi- 
1  u  s  f  e  r  r  u  g i  n  e  u  s  im  Stadium  der  be- 
ginnenden   Einknickvmg    des    Keim- 
streifens.     Ansicht     schräg     von     der 
Ventralseite  (nach  Sograff). 

at  Antenne,  d  Dotter,  ek  die  Ein- 
knickungsstelle,  ex  Extremitäten,  kst 
Keimstreifen. 


Man  vermag  aus  den  gegebenen  Darstellungen  nicht  recht  zu  erkennen, 
ob  die  Mundeinstülpung  vor  den  Antennen  gelegen  ist,  doch  scheint  dies 
aus  der  Abbildung  eines  Geophilusembryos  (Fig.  453)  ganz  sicher  hervor- 
zugehen, während  es  aus  anderen  (z.  B.  der  in  unserer  Fig.  452  wieder- 
gegebenen Abbildung)  nicht  zu  erkennen 
ist.  In  dieser  Figur,  welche  ein  jüngeres 
Stadium  als  die  andere  darstellt,  liegen 
die  Antennen  vielmehr  vor  dem  Munde, 
doch  weist  ein  anderer  bei  der  Organ - 
bildung  noch  zu  besprechender  Umstand 
darauf  hin,  dass  hier  ähnliche  Verhält- 
nisse vorliegen  wie  beiPeripatus  und 
die  Antennen  vielleicht  wie  dort  den 
Charakter  eines  postoralen  Extremitäten- 
paares besitzen.  Die  Verschiedenheit 
in  der  Lage  der  Antennen,  wie  sie  bei 
jenen  beiden  Embryonen  zu  erkennen  ist, 
lässt  sich  durch  eine  zeitliche  und  räum- 
liche Verschiebung  im  Auftreten  erklären, 
wie  sie  auch  sonst  gelegentlich  bei  der 
Anlage  der  Embryonaltheile  beobachtet 
wird. 

Auf  jener  Abbildung  eines  Geophi- 
lusembryos (Fig.  453)  erkennt  man  hin- 
ter der  Mundöffnung  zwei  ziemlich  an- 
sehnliche   Höcker    (ul) ,   welche    wie    ein 

Paar  Extremitätenanlagen   erscheinen,    aber  noch  vor  den  Mandibeln  gelegen 
sind.     Sogkaff    bezeichnet    diese  Gebilde  als  Unterlippe,    doch  ist  nicht  er- 
sichtlich,   ob    er    die    Höcker  wirklich   als    Gliedmaassen   auffasst,    und    auf 
welche  Theile   des   ausgebil- 
deten Thieres  er  sie  bezieht. 
Die  uns  von  den  Chilopoden 

bekannten   Mundwerkzeuge 
folgen  erst  weiter  hinten,  wie 

schon  oben  gezeigt  wurde 
(Fig.  451—453).  Aehn- 
liche  Bildungen,  welche  auch 
bei  den  Insecten  auftreten, 
fasst  man  nicht  als  Extre- 
mitäten, sondern  als  eine  Art 
Unterlippe  auf  (pag.  792). 

In  der  Mitte  des  Keim- 
streifens tritt  eine  seichte 
Furche  auf  (Fig.  451  C), 
welche  sich  vom  After  bis 

zum  Mund   erstreckt,  so 

dass  diese  beiden  Oeff- 
nungen  das  Ende  der  Rinne 
bezeichnen  (Sograff).  Die- 
selbe bleibt  nicht  lange  er- 
halten, sondern  schwindet 
Ein  Vergleich 


hl. 


V     \ 


d" 


ek_ 


=  P 


bald  wieder. 


Fig.  456.  Geophi lusembryo  nach  der  ven- 
tralen Einkniekung.  Die  Ventralseite  des  vorderen 
Körpertheils  ist  gegen  die  des  hinteren  Körpertheiles 
gekehrt  und  liegt  ungefähr  parallel  mit  ihr  (nach 
Metsciinikoff). 

at  Antenne,  d  Dotter,  ek  Einknickungsstelle  des 
Keimstreifens ,  ez  Eizahn  (am  zweiten  Unterkiefer), 
kl  Kopflappen,  p  Beinpaare,  sl  Schwanzlappen. 


732  XXII.  Capitel. 

dieser  Rinne  mit  dem  langgestreckten  schlitzförmigen  Blastoporus  des 
Peripatus  bietet  sich  in  Folge  der  entsprechenden  Lage  und  der  Be- 
ziehung zu  Mund  und  After  ganz  von  selbst  dar  (vgl.  pag.  727). 

Beiderseits  von  der  Mittellinie  erscheinen  etwas  später,  als  Ver- 
dickungen des  Ectoderms,  die  Anlagen  der  Ganglienkette,  welche  eben- 
falls eine  mediane  Furche  zwischen  sich  fassen  (Fig.  453  nr).  Diese  ist 
jedoch  nicht  mit  der  vorerwähnten  Rinne  zu  verwechseln,  welche  vor  der 
Bildung  jener  zweiten  Furche  bereits  wieder  verstrichen  ist. 

Wenn  sich  am  Keimstreifen  von  Geophilus  in  einer  von  vorn 
nach  hinten  fortschreitenden  Reihenfolge  bereits  eine  grössere  Anzahl 
von  Segmenten  ausgebildet  hat,  so  erstreckt  sich  derselbe  in  dorsaler 
Krümmung  um  einen  grossen  Theil  der  Dottermasse  (Fig.  454  Ä).  Das 
Hinterende  rückt  in  einem  etwas  späteren  Stadium  sogar  noch  weiter 
nach  der  Dorsalseite  hinauf,  so  dass  es  sich  dem  Kopflappen  noch  mehr 
nähert,  wie  dies  aus  der  Fig.  454  JB  zu  erkennen  ist.  Dann  aber  tritt 
eine  Aenderung  dieses  Lagerungsverhältnisses  dadurch  ein,  dass  in  der 
Gegend  des  20.  Segmentes  eine  quere  Furche  erscheint,  welche  sich  bald 
zu  einer  ansehnlichen  Einkerbung  vertieft  (Fig.  455)  und  schliesslich 
dazu  führt,  dass  der  Embryo  aus  der  dorsalen  in  eine  ventrale  Krüm- 
mung übergeht  (Fig.  456).  Während  das  ganze  Ei  dabei  zunächst  noch 
seine  Form  bewahrt,  muss  sich  natürlich  das  hintere  Körperende  aus  der 
Nähe  der  Kopflappen  zurückziehen  und  dementsprechend  die  vorher 
stark  verkürzte  Dorsalfläche  wieder  eine  grössere  Ausbreitung  erfahren 
(Fig.  454  B,  Fig.  455  und  456).  Die  Ventralfläche  der  hinteren  Körper- 
hälfte liegt  jetzt  derjenigen  der  vorderen  Körperhälfte  gerade  gegenüber 
(Fig.  456),  so  dass  sich  die  Spitzen  der  Extremitäten  gegenseitig  be- 
rühren und  auch  durch  diese  Aenderung  in  der  Krümmung  des  Embryos 
das  Schwanzende  wieder  in  die  Nähe  des  Kopfes  zu  liegen  kommt 
(Fig.  456  kl  und  sl). 

Bisher  unterschied  sich  der  eigentliche  Embryo  als  Keimstreifen  von 
der  Dottermasse,  auf  welcher  dieser  auflag,  wie  ein  Blick  auf  die  Figuren 
451 — 455  zeigt.  Nunmehr  umwächst  derselbe  auch  von  den  Seiten  her 
die  Dottermasse,  so  dass  dadurch  auch  die  Dorsalseite  des  Embryos  zur 
Ausbildung  kommt  und  die  Segmentirung  daselbst  ihren  Anfang  nimmt 
(Fig.  457).  Gleichzeitig  findet  eine  Längsstreckung  der  beiden  gegen- 
einander geneigten  Körperhälften  des  Embryos  statt,  wodurch  sich  der- 
selbe immer  mehr  der  definitiven  Gestaltung  nähert,  wenn  er  auch  vor- 
läufig noch  die  ventrale  Krümmung,  bezw.  die  Einknickung  in  der  Mitte 
des  Körpers  zeigt  (Fig.  457). 

An  der  Oberfläche  des  Embryos  war  bereits  früh  eine  Cuticula  ab- 
geschieden worden.  Wenn  sich  der  Embryo  ventral  einkrümmt,  folgt 
die  Cuticula  der  Einkrümmung  nicht,  sondern  überbrückt  dieselbe,  steht 
also  vom  Körper  etwas  ab.  In  späteren  Stadien  erscheint  der  Körper, 
wie  auch  die  vorderen  Extremitäten  umscheidet  von  dieser  Cuticula. 
Der  reife  Embryo  ist  noch  von  ihr  umhüllt  und  sie  wird  erst  nach  der 
Sprengung  der  Eischale  (Fig.  457)  als  erste  Larvenhaut  abgeworfen.  Bei 
dem  von  Metschnikoff  untersuchten  Geophilus  findet  sich  auf  der  provi- 
sorischen Cuticula  da,  wo  sie  den  zweiten  Unterkiefer  bedeckt,  ein  Zahn 
(Fig.  456  und  457  e#),  welcher  nach  Metschikoff  als  Bohrapparat  zum 
Sprengen  der  Eihülle  verwendet  und  mit  der  Cuticula  völlig  abgeworfen 
wird.  Das  ist  also  eine  ganz  ähnliche  Vorrichtung,  wie  wir  sie  in  dem 
Eizahn  der  Spinnen  (pag.  588)  kennen  lernten.  Die  provisorische  Cuticula 
entspricht  jedenfalls  der  Hülle,  welche  bei  anderen  Myriopoden  in  noch 


Myriopoden.  733 

früheren  Stadien  gebildet  wird  und  den  Embryo  ähnlich  der  Cutieula 
blastodermica  oder  der  Deutovum  -  Membran  der  Milben  umgiebt  (vgl. 
weiter  unten  pag.  739). 

Wenn  der  Embryo  die  Eihülle  sprengt  (Fig.  457),  befindet  er  sich 
auf  einem  verhältnissmässig  niederen  Zustande  der  Ausbildung.  Er  zeigt 
noch  immer  die  ventrale  Einkrümmung  und  ist  von  der  provisorischen 
Cutieula  umgeben.  Auf  Kosten  des  nunmehr  im  Mitteldarm  angehäuften 
Dotters  wächst  er  noch  immer  in  die  Länge,  und  zwar  geht  dies  Längen- 
wachsthum  in  derselben  Weise  wie  früher  durch  Bildung  neuer  Segmente 
von  dem  noch  undifferenzirten  Schwanzlappen  aus  (vgl.  die  Figuren 
454  —  457).  Von  den  Körperanhängen  zeigen  die  Antennen  jetzt  eine 
deutliche  Gliederung  (Fig.  457  cd)  und  die  Mundgliedmaassen  nähern 
sich  ihrer  definitiven  Form,  die  übrigen  Extremitäten  aber  besitzen  noch 
eine  blosse  stummelförmige  Gestalt.    In   einem  etwas  späteren   als  dem 


L «1 


Fig.  457.  Geophilusembryo  nach  dem  Zersprengen  der  Eihülle  (eh).  Die 
ventrale  Krümmung  ist  noch  beibehalten  (nach  Metschnikoff). 

a  After,  at  Antenne,  d  Dotter,  eh  Eihaut,  ez  Eizahn  am  zweiten  Unterkiefer, 
g  Gehirn,  mw  Mundwerkzeuge,  p  Beine,  sl  Schwanzlappen,  vd  Vorderdarm. 

in  Fig.  457  dargestellten  Stadium,  wenn  der  Embryo  die  provisorische 
Cutieula  abgeworfen  hat,  bemerkte  Metschnikoff  die  ersten  langsamen 
Bewegungen,  die  in  Ausstreckungen  und  Zusammenkrümmungen  des 
Körpers  bestanden.  Metschnikoff  hebt  hervor,  dass  dabei  die  Ex- 
tremitäten eher  den  Bauehcirrhen  vieler  Anneliden  als  den  schnell- 
beweglichen  Füssen  eines  Myriopoden  glichen. 

Soweit  wir  den  Embryo  verfolgt  haben,  besass  der  Körper  eine 
drehrunde  Gestalt,  welche  er  auch  noch  eine  Zeitlang  nach  dem  Aus- 
schlüpfen bewahrt.  Er  zeigt  also  insofern  jetzt  mehr  die  Gestaltung 
eines  Diplopoden,  bis  die  für  die  Chilopoden  charakteristische 
dorso-ventrale  Abplattung  des  Körpers  erfolgt.  Im  Stadium  des  Aus- 
schlüpfens,  bezw.  des  Abwerfens  der  „Larvenhaut"  soll  der  Geophilus- 
Embryo  bereits  sämmtliche  Beinpaare  besitzen,  freilich  sind  dieselben 
noch  stummelförmig  (Fig.  457)  und  befähigen  ihn  nicht  zu  vollkommener 
Bewegung.  Wahrscheinlich  macht  das  junge  Thier  noch  mehrfache 
Häutungen  durch,  ehe  es  die  völlige  Gestaltung  und  Grösse  des  Mutter- 


734  XXII.  Capitel. 

thieres  erreicht.  Immerhin  ist  es  dem  letzteren  beim  Ausschlüpfen  im 
Ganzen  schon  sehr  ähnlich.  Dasselbe  ist  auch  bei  den  Scolopendriden 
der  Fall ,  während  die  Scutigeriden  und  L i  t h o b i i d e n  mit  nur 
sieben  Beinpaaren  (ausser  den  Kieferfüssen)  das  Ei  verlassen.  Die  noch 
fehlenden  Beinpaare  ergänzen  sie  während  der  postembryonalen  Ent- 
wicklung. Da  die  jungen  Thiere  aber  auch  bei  diesen  Formen  mit 
wenigen  Beinpaaren  schon  im  Wesentlichen  die  Gestaltung  des  Mutter- 
thieres  besitzen,  so  ist  die  postembryonale  Entwicklung,  die  sich  jeden- 
falls durch  Vermittelung  mehrerer  Häutungen  vollzieht,  eine  ziemlich 
einfache.  Man  hat  auf  diese  Unterschiede  in  der  Entwicklungsweise  die 
Trennung  der  Chilopoden  in  Ch.  epimorpha  (Scolopendriden, 
Geophiliden)  und  Ch.  anamorpha  (Scutigeriden,  Litho- 
biiden)  begründet  (E.  Haase,  No.  5). 

B.    Diplopoden. 

Für  diejenigen  Diplopoden,  deren  Entwicklung  bisher  bekannt  gewor- 
den ist  (Polyxenus,  Glomeris,  Polydesmus,  Strongylosoma, 
Julus),  gilt  gleichermaassen,  dass  die  Embryonen  mit  verhältnissmässig 
wenig  Segmenten  und  nur  drei  wohlausgebildeten  Beinpaaren  die  Eihülle 
verlassen  (Fig.  463  B  und  464,  pag.  739  und  742).  Im  Gegensatz  zu  den 
mit  einer  grösseren  Zahl  von  Segmenten  ausschlüpfenden  Chilopoden, 
sind  die  jungen  Diplopoden  also  noch  verhältnissmässig  weit  von  der 
Gestaltung  der  Eltern  entfernt.  Man  hat  diese  jungen  Thiere  als  Larven 
bezeichnet,  doch  ist  hervorzuheben,  dass  sie  in  den  bereits  vorhandenen 
Theilen  des  Körpers  im  Ganzen  ebenfalls  schon  die  Organisation  der 
Eltern  besitzen. 

a.    Die   erste   Anlage   des   Embryos.     Einknickung   des 

Keimstreifens. 

Julus.  Die  Bildung  des  Keimstreifens  und  die  erste  Anlage  des 
Embryos  scheint  im  Ganzen  auf  ähnliche  Weise  wie  bei  Geophilus 
zu  erfolgen,  doch  erstreckt  sich  der  Keimstreifen  nicht  um  einen  so  be- 
trächtlichen Theil  des  Eies,  wie  dort.  Wenn  bereits  die  Kopflappen 
angelegt  sind,  zwischen  ihnen  das  Stomodaeum  und  ziemlich  am  Ende 
des  Keimstreifens  das  Proctodaeum  aufgetreten  ist,  wenn  sich  die  post- 
cephalischen  Segmente  gesondert  haben  und  an  ihnen  bereits  die  Glied- 
maassen  angelegt  sind,  so  tritt  zwischen  dem  sechsten  und  siebenten 
Segment  eine  Querfurche  auf,  welche  sich  bald  stark  vertieft.  Es  ist 
dies  derselbe  Process,  welcher  bei  Geophilus  den  Uebergang  der  dor- 
salen Krümmung  in  die  ventrale  zur  Folge  hat  (vgl.  Fig.  455).  Da  bei 
Julus  aber  der  Keimstreifen  gegenüber  der  Masse  des  ganzen  Eies 
wenig  umfangreich  ist,  so  wird  er  durch  diesen  Vorgang  in  den  Dotter 
versenkt  (Fig.  458  A).  Ventralfläche  gegen  Ventralfläche  gekehrt,  liegt 
der  hintere  noch  nicht  differenzirte  Theil  des  Keimstreifens  gegen  den 
vorderen  eingeknickt,  wie  die  Klinge  eines  Taschenmessers  gegen  das 
Heft  (Fig.  458  A  und  B). 

Bei  den  Chilopoden  möchte  man  die  Einknickung  des  Keim- 
streifens darauf  zurückführen,  dass  bei  der  anfänglichen  dorsalen  Krüm- 
mung des  langen,  beinahe  um  das  ganze  Ei  herumreichenden  Keim- 
streifens eine  Ausbildung  der  Dorsalfläche  nicht  möglich  ist  und  in  Folge 
dessen  der  Embryo   in   eine  ventrale  Krümmung  übergeht.    Infolge   der 


Myriopoden.  735 

Länge  des  Embryos  ist  derselbe  zu  einer  gekrümmten  Lage  im  Ei  ge- 
zwungen. Der  Keimstreif  der  Diplopoden  ist  jedoch  nur  kurz,  und 
eine  Ausbildung  der  Rückenfläche  könnte  sehr  wohl  auch  ohne  Eintreten 
der  ventralen  Krümmung  erfolgen.  Trotzdem  sehen  wir  die  bei  den 
Chi lop öden  kennen  gelernten  Bildungsvorgänge  auch  bei  den  Diplo- 
poden auftreten,  und  wenn  dieselben  früher  die  Bedeutung  eines  zur 
Bildung  des  langgestreckten  Embryos  erforderlichen  mechanischen  Vor- 
gangs hatten,  so  dienen  sie  jetzt  vielleicht  eher  zum  Schutz  des  Em- 
bryos. Möglicherweise  ist  auch  in  Folge  der  grösseren  Berührungs- 
fläche des  Embryos  mit  dem  Dotter  die  Ernährung  desselben  verbessert. 
So  wurde  die  Einknickung  also  beibehalten,  obwohl  ihre  ursprüngliche 
Bedeutung  eine  Aenderung  erfuhr.  Diese  Vorgänge  sind  von  besonderem 
Interesse  wegen  des  Vergleichs  mit  der  später  (pag.  772  ff.)  zu  besprechen- 
den Versenkung  des  Keimstreifens  der  Insecten  in  den  Dotter. 

Da  die  weitere  Ausbildung  des  Embryos  bei  den  verschiedenen 
Diplopoden,  so  weit  sie  bis  jetzt  bekannt  geworden  ist,  in  ziemlich 
übereinstimmender  Weise  verläuft,  so  betrachten  wir  zunächst  die  etwas 
abweichende  Anlage  des  Keimstreifens  bei  einigen  anderen  Formen. 


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Fig.  458.  A  und  B  zwei  Embryonen  verschiedenen  Alters  von  Julus  More- 
letti,  um  den  ventral  eingeknickten  und  in  den  Dotter  versenkten  Keimstreifen  zu 
zeigen  (nach  Metschxikoff). 

at  Antenne,  d  Dotter,  kl  Kopf  läppen,  md  Mandibel,  px — p3  erstes  bis  drittes  Bein- 
paar, sl  Schwanzlappen,  uk  Unterkiefer. 

Strongylosoma,  Polydesmns,  Polyxenus.  Während  bei  Julus  die 
Einknickung  des  Keimstreifens  erst  erfolgt,  wenn  bereits  die  Antennen, 
Mund  Werkzeuge  und  drei  Beinpaare  angelegt  sind  (Fig.  458  Ä),  so  zeichnen 
sich  die  genannten  drei  Diplopoden  dadurch  aus,  dass  bei  ihnen  bereits 
auf  einer  sehr  frühen  Stufe  die  ventrale  Einkrümmung  vor  sich  geht, 
die  Veränderung  des  von  uns  als  ursprünglich  betrachteten  Zustandes 
(Chilopoden)  also  noch  weiter  vorgeschritten  ist,  als  bei  Julus. 

Bei  den  genannten  drei  Formen,  von  denen  Strongylosoma  am 
genauesten  untersucht  wurde,  zeigte  Metschnikoff,  dass  die  erste  An- 
deutung des  Keimstreifens  ungefähr  in  der  schon  früher  besprochenen 
Weise  vor  sich  geht.  Dann  aber  erscheint  sehr  bald  und  noch  ehe  eine 
Spur  von  den  Anlagen  der  Gliedmaassen  zu  sehen  ist,  eine  quere  Furche 
ungefähr  in  der  Mitte  des  Keimstreifens.  Dieselbe  vertieft  sich  in  ent- 
sprechender Weise,   wie  dies  schon  früher  für  Geophilus  und  Julus 


736  XXIL  Capitel. 

angegeben  wurde  (Fig.  459  A),  und  führt  auch  hier  zu  der  ventralen 
Einknickung  des  Keimstreifens  (Fig.  459  B).  Bei  Strongylosoma 
ist  die  Versenkung  des  Keimstreifens  weniger  tief,  bei  Polyxenus  ragt 
er  etwas  tiefer  in  den  Dotter  hinein.  Uebrigens  erkennt  man  aus  der 
Figur  459  B,  dass  nicht  der  gesammte  Keimstreif  in  den  Dotter  ver- 
senkt wird,  sondern  der  vorderste  und  hinterste  Theil  desselben  .(Kopf- 
und  Schwanzende)  an  der  Oberfläche  liegen  bleiben.  Auch  bei  Julus 
scheint  Aehnliches  schon  angedeutet  zu  sein  (Fig.  458). 

Ausser  der  queren  Furche  beobachtete  Metschnikoff  auch  eine 
mediane  Längsrinne,  welche  sich  weit  nach  vorn  (und  wohl  auch  ebenso 
nach  hinten)  über  den  Keimstreifen  erstreckt.  Diese  Kinne,  welche  hier 
eine  ziemliche  Tiefe  erreicht,  entspricht  jedenfalls  der  von  Sogbaff  bei 
Geophilus  beschriebenen,  in  frühen  Stadien  auftretenden  Rinne,  nur 
scheint  sie  bei  Strongylosoma  weit  deutlicher  ausgeprägt  zu  sein, 
als  bei  jener  Form  (vgl.  pag.  727). 

An  dem  vorderen  eingesenkten  Theil  des  Keimstreifens  kommen 
sehr  bald  die  Antennen  und  Mundwerkzeuge  zur  Anlage,  woran  sich  nach 

R.  B 


. 

\    eh 

'      Xck 

^kst 



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Fig.  459.  A  und  B  Embryonen  Aron  Strongylosoma  Gruerinii  (A)  und 
Polyxenus  lagurus  (B),  um  die  frühe  Einknickung  des  Keimstreifens  zu  zeigen,  an 
dem  noch  keine  Extremitäten  angelegt  sind.  Die  dorsale  Parthie  des  Dotters  ist  weg- 
gelassen. In  B  erkennt  man  bereits  eine  auf  die  Bildung  der  Keimblätter  zurück- 
zuführende Schichtung  des  Keimstreifens  (nach  Metschnikoff). 

d  Dotter,  eh  Eihaut,  ek  Einknickungsstelle  des  Keimstreifens  (kst). 

hinten  die  ersten  Beinpaare  anschliessen.  Dadurch  kommt  ein  ganz  ähn- 
lich gestaltetes  Stadium  zu  Stande,  wie  es  bei  Julus  durch  die  Ein- 
knickung des  schon  mit  Extremitätenanlagen  versehenen  Keimstreifens  er- 
reicht wird  (Fig.  458). 

b.    Die   weitere   Ausbildung  des  Embryos. 

Der  Uebergang  der  ventral  eingekrümmten  und  grösstentheils  in  den 
Dotter  versenkten  Embryonalanlage  zu  der  definitiven  Gestalt  wird  durch 
das  Zusammenwirken  verschiedener  Momente  bedingt.  In  Folge  eines 
Vorwachsens  des  Keimstreifens  nach  der  Rückenfläche,  verbunden  mit 
einer  gleichzeitigen  Ausbreitung  nach  vorn  und  hinten,  wird  der  Dotter 
in  den  Embryo  aufgenommen.  Die  beiden  bisher  nahe  an  einander  ge- 
lagerten Ventralflächen  des  vorderen  und  hinteren  Körpertheiles  (Fig.  458) 
entfernen  sich  jetzt  von  einander,  und  der  ganze,  nunmehr  auch  an  seiner 


Myriopoden.  737 

Rückenfläche  zur  Ausbildung  gelangte  Embryo  streckt  sich  etwas  in  die 
Länge,  so  dass  dann  ein  Stadium  wie  das  in  der  Figur  460  abgebildete 
zu  Stande  kommt. 

Von  Wichtigkeit  ist  zunächst  die  Ausbildung  der  Gliedmaassen. 
Ueber  die  Lagebeziehung  der  Antennen  zum  Mund  ist  bisher  ebenso- 
wenig wie  bei  den  Chilopoden  eine  sichere  Anschauung  zu  gewinnen. 
Die  Antennen  zeichnen  sich  in  ähnlichem  Maasse  wie  bei  Geophilus 
(Fig.  456  und  457)  durch  eine  besonders  starke  Entwicklung  aus  (Fig. 
460  af).  Auch  die  Mandibeln  (md)  sind  recht  umfangreich.  Von  be- 
sonderer Wichtigkeit  ist  die  Anlage  der  Maxillen.  Nach  Metschnikoff's 
Beobachtung,  die  durch  0.  vom  Rath  bestätigt  wird,  entstehen  sie  aus 
einem  einzigen  Paar  von  Extremitätenanlagen,  welches  auf  die  Mandibeln 
folgt  (Fig.  458  uti).  An  sie  schliessen  sich  direct  die  Anlagen  der  Bein- 
paare an  (£>i — 2h)- 


Zur  Auffassung  der  Mund- 


•? 


Werkzeuge  der  Myriopoden. 

Während    die    Chilopoden         ^ 

zwei  Unterkieferpaare  und  ein  1  __.at 

Paar  von  Kieferfüssen  besitzen,  md 

kommt  den  Diplopoden  nur  -       _v\ 

ein  Paar  von  Unterkiefern  zu,  ____--cJt 

welche  sich  zu  einer  Art  von 

Unterlippe,  dem Gnat hoch i- 

larium  vereinigt  haben  (Fig.  d  y  Hr       s 

464  geh,  pag.  742).    Der  Bau 

des    Gnathochilariums    scheint  SS^^^n\ 

darauf   hinzuweisen,    dass    es  \  PrPs 

aus  zwei  Paaren  von  Maxillen  ^ 

hervorgegangen    ist    (Fig.   462  Fig.  460.    Embryo  von  Polydesmus  eom- 

mx1m\ämx2),   und  diese  Auf-       p  1  an atus  in  späterem  Entwicklungsstadium.    Die 

fassung    findet   sich   auch   viel-       Eihülle  wurde  entfernt  (nach  Mktschnikoff). 

fach    vertreten       Sie   liegt   um  at    -Antenne,     ch     cuticulare    Embryonalhaut, 

sn   näher      <ils   die   C  h  i  1  o  n  0  -       d  Dotter'  9  Gehirn>  md  Mandibel,  px— pz  erstes  bis 
SO   nanei  ,    ais   die   l»  n  1 1  0  p  0         drittes  Beinpaar,  sl  Schwanzlappen,  uh  Unterkiefer, 
den  zwei  Unterkieferpaare  be- 
sitzen (Fig.  461).  Diese  beiden 

Unterkieferpaare  würden  den  ersten  Maxillen  und  der  Unterlippe  der  Insecten 
homolog  zu  setzen  sein.  Obwohl  eine  solche  Annahme  ebenso  verlockend  wie 
naheliegend  ist,  wird  sie  durch  die  Befunde  der  Entwicklungsgeschichte  bisher 
nicht  gestützt.  Danach  geht,  wie  erwähnt,  das  Gnathochilarium  nur  aus  einem 
Gliedmaassenpaar  hervor  (Metschnikopf,  No.  11,  vom  Rath  No.  15).  Aller- 
dings wäre  eine  noch  bessere  Begründung  dieser  Verhältnisse  erwünscht. 
Doch  scheint  uns  auch  aus  dem  Bau  der  ausgebildeten  Mundwerkzeuge  ein 
Schluss  gezogen  werden  zu  können ,  welcher  der  oben  angedeuteten  Auf- 
fassung von  der  Zusammensetzung  des  Gnathochilariums  aus  zwei  Kiefer- 
paaren direct  entgegensteht.  Wie  das  Gnathochilarium  der  Diplopoden,  so 
setzt  sich  auch  das  erste  Maxillenpaar  der  Chilopoden  aus  mehreren  paarigen 
Stücken  zusammen  (Fig.  461,  stm  -f-  me  und  stm  -f-  mi)  und  gewinnt  da- 
durch eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  dem  ersteren.  Man  darf  also 
vielleicht  schliessen,  dass  das  ganze  Gnathochilarium  dem  ersten  Unterkiefer- 
paar der  Chilopoden  homolog  ist.  Bei  den  letzteren  Formen  wird  dann  noch 
ein  Extremitätenpaar  zur  Bildung  der  Mundwerkzeuge  herangezogen  und 
liefert   die   zweiten  Maxillen.     Dass    eine  solche  Annahme   der  Einbeziehung 


738 


XXII.  Capitel. 


von  Beinpaaren  zu  Mundtheilen  bei  den  Myriopoden  nichts  Unstatthaftes  an 
sich  hat,  zeigt  die  Umbildung  des  ersten  Beinpaares  der  Chilopoden  zu  Kiefer- 
füssen.  Die  zweiten  Maxillen  der  Chilopoden  erscheinen  selbst  von  einem 
Beinpaar  noch  nicht  wesentlich  verschieden  (Fig.  461  pt),  und  bei  den 
Diplopoden  scheint  es  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  das  erste  Beinpaar  dem 
Kopf  sehr  nahe  gerückt  werden  kann  (Fig.  464  hl  pag.   742). 

Nach  der  letzteren  Auffassung  würde  sich  die  Vergleichung  der  Mund- 
theile  der  Myriopoden  mit  denjenigen  der  Insecten  so  gestalten,  dass  das 
Gnathochilarium  der  Diplopoden  und  die  ersten  Unterkiefer  der  Chilo- 
poden nur  den  ersten  Maxillen  der  Insecten  zu  homologisiren  wären.  Die 
zweiten  Maxillen  der  Chilopoden  und  das  erste  Beinpaar  der  Diplopoden  ent- 
spräche dagegen  der  Unterlippe  der  Insecten  (vgl.  pag.  906).  Die  äussere  Aehn- 
lichkeit  des  plattenförmig  ausgebildeten  Gnatkochilariums  mit  der  Unterlippe 
vieler  Insecten  würde  somit  nicht  durch  eine  directe  Homologie  beider  Gebilde, 
sondern  nur  durch  die  Gleichartigkeit  ihrer  Function  zu  erklären  sein. 


me 


m.i 


Fig.  461.  Der  Kopf  des  Litho- 
b i u s  validus,  von  unten  gesehen  (nach 
Latzel,  aus  Lang's  Lehrbuch  der  vergl. 
Anatomie). 

a  Antenne,  me  äussere,  tni  innere 
Lade  des  ersten  Unterkieferpaares,  pl  der 
sog.  Taster  des  zweiten  Unterkieferpaares, 
oc  Ocellen,  sk  Stirntbeil  des  Kopfschildes, 
stl  Stammglieder  des  zweiten  Unterkiefers, 
dahinter  die  sog.  Angel  desselben,  stm 
Stammglieder  des  ersten  Unterkiefers. 


Fig.  462.    Das  Gnathochilarium  von 
Lysiopetalum     carinatum     (nach 
O.  vom  Rath,    aus  Lang's  Lehrbuch   der 
vergl.  Anatomie). 

mxx  Stammglied,  welchem  die  äussere 
und  innere  Lade  (me  und  mi)  aufsitzen; 
mx^  die  sog.  Zungenplatte,  welche  vorn 
einen  bezahnten,  ladenähnlichen  Aufsatz 
(m)  trägt. 

mxx  und  mx2  hat  man  auch  als  ent- 
sprechend einem  ersten  und  zweiten 
Maxillenpaar  aufgefasst. 


Die  Mundwerkzeuge  werden  schon  während  des  Embryonallebens 
völlig  ausgebildet  und  besitzen  demnach  bei  dem  ausschlüpfenden  Jungen 
bereits  die  definitive  Gestaltung  (vom  Rath,  Fig.  464).  Von  Beinpaaren 
sind  beim  Jungen  zunächst  drei  ausgebildet  (Fig.  463  B).  Es  scheint, 
dass  dieselben  nicht  immer  drei  hinter  einander  liegenden  Segmenten 
angehören.  So  muss  man  aus  den  Abbildungen  der  Jungen  von  Strongy- 
losoma  und  Polydesmus  (Fig.  463  Bund  464)  entnehmen,  dass  bei 
diesen  Larven  das  zweite  hinter  dem  Kopf  gelegene  Segment  keine  Ex- 
tremitäten trägt;  bei  den  Larven  von  Julus  ist  dasselbe  mit  dem  dritten 


Myriopoden. 


739 


Segment  der  Fall  (Newport),  was  auch  dem  Verhalten  der  ausgebildeten 
Juliden  entspricht,  denen  am  dritten  Segment  die  Beine  fehlen.  Auf 
das  dritte  Beinpaar  folgen  noch  die  Anlagen  mehrerer  anderer  Extremi- 
tätenpaare, deren  Zahl  aber  bei  den  verschiedenen  Formen  differirt. 
Diese  Extremitäten  erscheinen  vor  der  Hand  nur  als  stummeiförmige, 
unter  der  Haut  verborgene  Gebilde  und  treten  erst  während  der  post- 
embryonalen Entwicklung  als  freie  Beinpaare  hervor.  —  Die  Zahl  der 
Segmente  hat  sich  nach  hinten  zu  vermehrt,  so  dass  bei  der  ausschlüpfen- 
den Larve  gewöhnlich  sieben  bis  neun  Rumpfsegmente  vorhanden  sind, 
doch  scheint  ihre  Zahl  bei  den  verschiedenen  Formen  ebenfalls  etwas  zu 
differiren.  Die  Segmentirung  ist  nicht  nur,  wie  in  früheren  Stadien,  an 
der  Bauchfläche  zu  erkennen,  sondern  hat  sich  auch  gegen  den  Rücken 
des  Embryos  fortgesetzt  (Fig.  460).  Beim  Ausschlüpfen  erscheint  der 
ganze  Körper  der  Larve  deutlich  segmentirt  (Fig.  463  B).  Allerdings 
kommen  in  dieser  Beziehung  auch  Abweichungen  vor,  welche  mit  der 
Bildung  der  Embryonalhaut  in  Verbindung  stehen. 


a$^ 


Tig,  463.  A  und  B  zwei  Larvenstadien  verschiedenen  Alters  von  Strongy- 
losoma  Guerinii  (nach  Metschnikoff,  aus  Balfour's  Handbuch). 

In  A  ist  die  Larve  noch  von  der  mit  dem  Bohrzapfen  (Eizahn)  versehenen 
cuticularen  Hülle  umgeben ,  in  B  ist  sie  von  derselben  befreit  und  zu  freiem  Leben 
gelangt  (vgl.  pag.  740). 

at  Antenne,  darüber,  nach  hinten  gelegen,  ist  (in  Fig.  A)  der  Bohrzapfen  zu  er- 
kennen; 3,  4,  5  die  drei  Beinpaare  des  Embryos. 

Die  Embryonalhaut  der  Diplopoden  (und  der  Myriopoden  über- 
haupt1) ist  eine  structurlose  Membran,  welche  als  Cuticula  vom  ober- 
flächlichen Epithel  des  Embryos  abgeschieden  wird.  Bei  Julus  ist  dies 
bereits  der  Fall,  wenn  der  Keimstreif  noch  keinerlei  Gliederung  zeigt. 
In  Folge  dessen  umgiebt  diese  Membran,  welche  durch  ihre  Entstehung 
der  Cuticula  blastodermica  der  Crustaceen  sehr  ähnlich  ist,  den  Embryo 
sackförmig;  sie  hebt  sich  bald  etwas  von  seiner  Oberfläche  ab.  Bei  der 
Einknickung  des  Keimstreifens  bildet  sich  auch  an  der  Hüll  haut  die  ent- 
sprechende Einfaltung,  so  dass  die  Haut  also  der  Ventralfläche  ziemlich 


J)   Die   Embryonalhaut 
Geophilus    ganz    den 
pag.  732). 


tut    der   Chilopoden    zeigt   nach   den    Beobachtungen    an 
gleichen    Charakter   wie    diejenige   der   Diplopoden   (vgl. 


740  xxn-  Capitel. 

dicht  anliegen  bleibt.  Die  Cuticüla  bleibt  auch  während  der  weiteren 
Entwicklung  erhalten  und  umgiebt  den  Embryo  noch  als  sackförmige 
Hülle,  wenn  er  die  Eischale  sprengt.  So  kommt  es,  dass  der  aus- 
schlüpfende Embryo  von  Julus  als  ein  madenähnliches  Thierchen  er- 
scheint, wie  dies  schon  Newport  beschrieb  und  abbildete.  Der  von  der 
Embryonalhülle  umgebene  Embryo  zeigt  eine  tiefere  Entwicklungsstufe, 
als  dieselbe  sonst  den  ausschlüpfenden  Embryonen  der  Diplopoden  zu- 
kommt. Der  Kopf  ist  nicht  deutlich  vom  Rumpf  abgesetzt,  und  die  Seg- 
mente erscheinen  noch  nicht  von  einander  gesondert,  was  daher  kommt, 
dass  der  Keimstreif  sich  noch  nicht  völlig  gegen  den  Rücken  hin  ausge- 
breitet hat.  In  diesem  Stadium  ist  die  Larve  noch  unbeweglich.  Sie 
kann  als  Puppe  bezeichnet  werden.  Unter  der  Puppenhaut  soll 
sich  bereits  eine  zweite  cuticulare  Hülle  vom  Körper  abheben.  Diese 
zweite  Hülle  wurde  vom  Embryo  abgeschieden,  nachdem  die  ventrale 
Einknickung  desselben  bereits  vollzogen  war  (Heathcote).  Da  die  Ex- 
tremitäten schon  vorher  angelegt  wurden,  muss  sie  wohl  Ausstülpungen 
aufweisen,  welche  diesen  entsprechen. 

Dass  am  Embryo  von  Julus  zwei  cuticulare  Hüllen  (ausser  der  spä- 
teren Chitinbekleidung  des  Körpers)  gebildet  werden,  scheint  bereits  aus 
Metschnikoff's  Darstellung  hervorzugehen,  ohne  dass  man  daraus  über  ihre 
Natur  recht  klar  werden  könnte.  Die  Angaben  von  Heathcote  dürften  die 
von  Metschnifoff  bestätigen. 

Innerhalb  der  Puppenhaut  macht  die  Larve  von  Julus  noch  eine 
Ruhezeit  durch,  um  schliesslich  das  Stadium  zu  erreichen,  welches  andere 
Diplopoden  schon  beim  Verlassen  des  Eies  besitzen.  Sie  sprengt  dann 
die  schon  früher  weit  vom  Körper  abstehende  Hülle  und  erlangt  erst  da- 
mit freie  Beweglichkeit. 

Während  bei  Julus  die  Abscheidung  der  cuticularen  Embryonal- 
hülle besonders  früh  vor  sich  geht,  erfolgt  sie  bei  anderen  Formen  erst 
später,  wenn  die  Gliedmaassen  bereits  angelegt  sind,  so  dass  diese  von 
ihr  besonders  umscheidet  werden  (Fig.  4G0  ch).  Sie  lässt  dadurch  ihren 
Charakter  als  Larvenhaut  noch  besser  erkennen.  Bei  S  t  r  o  n  g  y  1  o  s  o  m  a 
tritt  an  ihr  sogar  ein  besonderes  Larvenorgan  auf,  nämlich  ein  Chitin- 
zapfen, welcher  am  Scheitel  gelegen  ist  (Fig.  463  A).  Nach  Metschni- 
koff's  Auffassung  dient  derselbe  zum  Sprengen  der  Eischale  und  ist 
also  als  Eizahn  zu  bezeichnen,  wie  das  betreffende  Gebilde  bei  G  e  o  p  h  i  1  u  s. 
Dieses  letztere  gehört  allerdings  einem  Extremitätenpaar  an  (Fig.  456 
und  457  ez),  ist  also  dem  unpaaren  Eizahn  der  Diplopoden  nicht  homolog. 
Dieser  ähnelt  vielmehr  dem  unpaaren  Eizahn,  welchen  wir  bei  den 
Phalangiden  kennen  lernten  (pag.  565),  in  Form  und  Lage,  während 
der  Eizahn  der  Geophilus  bezüglich  seiner  Stellung  eine  grössere  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  von  den  Spinnen  beschriebenen  paarigen  Gebilde  auf- 
weist (pag.  588).  Derartige  functionell  gleichartige  Bildungen  scheinen 
bei  den  Arthropoden  demnach  in  recht  verschiedener  Lagerung  vorzu- 
kommen. 

Der  Eizahn  wird  jedenfalls  mit  der  Larvencuticula  später  abge- 
worfen. Bei  dem  im  Uebrigen  sehr  ähnlich  gestalteten  Embryo  von 
Polydesmus  fehlt  der  Bohrzapfen  (Fig.  460),  jedenfalls  weil  die  Ei- 
haut bei  dieser  Form  weit  dünner  ist  und  ein  besonderes  Organ  zum 
Sprengen  derselben  unnöthig  macht  (Metschnikoff).  Auch  Julus  be- 
sitzt den  Bohrzapfen  nicht. 


Myriopoden.  74 1 

Wie  es  scheint,  verharren  auch  die  Larven  von  Polydesmus  und 
Strongylosoma  noch  einige,  wenn  auch  recht  kurze  Zeit  in  der 
cuticularen  Hülle  (Fig.  460  und  463  A)  und  entbehren  somit  ebenfalls 
zunächst  noch  einer  freien  Beweglichkeit.  Dagegen  konnte  das  Puppen- 
stadium bei  Polyxenus  nicht  aufgefunden  werden,  und  auch  Glomeris 
scheint  ein  solches  nicht  durchzumachen  (vom  Rath). 

Es  braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden,  wie  sehr  die  Cuticularhülle 
der  Myriopodenembryonen  an  die  Cuticula  blastodermica  der  Crustaceen 
und  noch  mehr  an  die  Deutovum- Membran  der  Acarinen  erinnert.  Die 
Aehnlichkeit  mit  der  letzteren  wird  dadurch  noch  verstärkt,  dass  Metschni- 
koff  bei  Polyxenus  ausserhalb  des  Embryos,  also  zwischen  diesem  und 
der  Eihaut  (bezw.  der  Cuticula,  falls  diese  hier  vorhanden  ist)  freie  amöboide 
Zellen,  ähnlich  den  „Hämamöben"  der  Milben  (vgl.  Fig.  395,  pag.  625) 
beobachtete.     Freilich  dürfen  wir  hierbei  gewiss  nur  an  Analogien  denken. 

c.    Die  postembryonale  Entwicklung. 

Stadien  der  postembryonalen  Entwicklung  mussten  schon  bei  Be- 
trachtung der  Bildung  der  cuticularen  Hülle  des  Embryos  ins  Auge  ge- 
fasst  werden,  denn  der  Embryo  verlässt  in  vielen  Fällen,  von  dieser  um- 
geben, das  Ei  und  ist  somit  schon  jetzt  als  Larve  anzusehen  (Fig.  463  A, 
pag.  739).  Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  die  sog.  Larven  der  Diplo- 
poden in  ihrer  Gestaltung,  abgesehen  von  der  geringeren  Segmentzahl, 
nicht  sehr  verschieden  vom  ausgebildeten  Thier  sind.  Der  Besitz  von 
drei  Beinpaaren  verleiht  ihnen  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit 
Insectenlarven;  so  hebt  vom  Eath  besonders  ihre  Aehnlichkeit  mit 
jungen  Poduriden  hervor.  Freilich  ist  diese  Uebereinstimmung  keine 
tiefer  begründete,  sondern  mehr  äusserlicher  Natur,  denn  einmal  ist  die 
Homologie  der  Kopfsegmente  von  Insecten  und  Myriopoden  (im  Hinblick 
auf  die  Anzahl  der  für  die  Kopfbildung  zur  Verwendung  kommenden 
Segmente)  noch  sehr  zweifelhaft  (vgl.  pag.  737),  und  sodann  pflegt  eines 
der  vorderen  Rumpfsegmente,  gewöhnlich  das  dritte,  der  Extremitäten 
ganz  zu  entbehren  (Fig.  463  B  und  464),  so  dass  sich  die  drei  ersten 
Beinpaare  auf  vier  Segmente  vertheilen,  während  der  Thorax  der  Insecten 
bekanntlich  aus  drei  Segmenten  mit  je  einem  Extremitätenpaar  besteht. 

Die  Verwandlung  der  Larve  in  das  ausgebildete  Thier,  die  sog. 
A  n  a  m  0  r  p  h  0  s  e  der  Diplopoden,  ist  sehr  oft  und  von  verschiedenen 
Forschern  (Newport,  Fabre,  Bode,  Latzel,  vom  Rath  und  anderen) 
studirt  worden.  Sie  weist  bei  den  einzelnen  Formen  gewisse  Differenzen 
auf,  die  aber  nicht  so  wesentlich  sind,  als  dass  sie  hier  alle  eine  be- 
sondere Berücksichtigung  finden  könnten.  Die  wichtigsten  Punkte  der 
postembryonalen  Entwicklung  sind  die  Neubildung  der  Segmente  und  die 
Entstehungsweise  der  für  die  Diplopoden  charakteristischen  Doppelseg- 
mente. Die  Bildung  neuer  Segmente  geht  stets  zwischen  dem  Anal- 
segment und  dem  letzten  zur  Ausbildung  gelangten  Segment  vor  sich 
(Latzel).  Die  Doppelsegmente  sind  aber,  wie  jetzt  sicher  erwiesen  ist, 
auf  die  Verschmelzung  zweier  ursprünglichen  Segmente  zurückzuführen 
(Heathcote). 

Wie  schon  erwähnt,  sind  bei  der  sechsfüssigen  Larve  unter  der  Haut 
bereits  einige  weitere  Beinpaare  angelegt,  Die  Zahl  derselben  ditferirt  bei 
den   einzelnen   Formen.     Die   ausschlüpfende  Larve  von   Glomeris   besitzt 

Korscheit- Heider,  Lehrbuch.  48 


742 


XXII.  Capitel. 


hinter   den    drei    ersten ,    wohl    ausgebildeten    Beinpaaren    sogar    schon    fünf 
stummeiförmige    frei    hervorragende   Extremitäten   (vom    Rath).     Auch 


in  dieser 


Beziehung 


steht   also  die 


Fig.  464.    Larve  von  Polydes- 

mus  complanatus  direct  nach  dem 
Ausschlüpfen  (nach  O.  vom  Rath,  aus 
Lang's  Lehrbuch  der  vergl.  Anatomie). 
a  Antenne,  an  After,  bx — b3  erstes 
bis  drittes  Beinpaar,  bt  Backentheile, 
geh  Gnathochilarium,  Ibr  Oberlippe, 
sd  die  soff.   Saftdrüse. 


Glomerislarve,  weiche  ein  Puppen- 
stadium nicht  durchmachen  soll,  auf  einer 
Entwicklungsstufe,  die  von  anderen  Di- 
plopoden erst  nach  einer  oder  mehreren 
Häutungen  erreicht  wird. 

Um  ein  Beispiel  für  das  Auftreten 
der  Segmente  und  Beinpaare  zu  geben, 
wählen  wir  die  Larve  von  Pol  yd  es - 
mus  (Latzel,  vom  Rath).  Die  drei 
ersten  Beinpaare  sitzen  bei  ihr  am  ersten, 
dritten  und  vierten  Rumpfsegment  (Fig. 
464).  Zwei  stummeiförmige,  unter  der 
Haut  gelegene  Beinpaare  gehören  dem 
fünften  und  ein  weiteres  ebensolches 
dem  sechsten  Segment  an.  Nach  der 
Häutung  treten  dieselben  hervor,  und 
auf  das  Stadium  mit  sieben  Segmenten 
und  drei  Beinpaaren  folgt  somit  ein 
solches  von  neun  Segmenten  und  sechs 
Beinpaaren.  Das  nächste  (dritte)  Sta- 
dium besitzt  12  Segmente  und  zehn  (S) 
bezw.  11  Beinpaare  (9).  Das  sechste 
Segment  zeigt  anstatt  des  früheren  einen 
jetzt  zwei  Beinpaare,  ebenso  besitzt  das 
siebente  Segment  des  Weibchens  deren 
zwei,  während  dasjenige  des  Männchens 
nur  eines  trägt.  Die  Copulationsfüsse 
des  Männchens,  welche  am  siebenten 
Segment  liegen,  kommen  erst  beim  ge- 
schlechtsreifen  Thier  hinzu.  Die  weitere 
Zunahme  an  Segmenten  und  Extremi- 
der  folgenden  Tabelle  zu 


aus 


7 
9 
12 
15 
17 
18 
19 
20 


täten   ist 
ersehen : 

3  Beinpaare 

6 


10 
16 
22 
26 

28 
30 


ii 

17 
23 

27 
29 
31 


B. 
B. 
B. 
B. 
B. 
B. 


I.  Stadium     7  Segmente 

n.  „ 

in.  „ 

iv.  „ 

v.  „ 

VI.         „ 

vn.       „ 

VIII.        „ 

Im  achten  Stadium  wird  die  Geschlechtsreife 
Bildung  der  Copulationsfüsse,  die  gewöhnlich  dem 
Diplopoden  angehören.  Zwischen  jedem  Stadium 
Thieres  statt. 

Bei  den  von  Newpokt  nach  dieser  Richtung  besonders  eingehend  unter- 
suchten Juliden  liegen  die  Verhältnisse  im  Ganzen  ähnlich.  Die  Larve  be- 
sitzt am  fünften  und  sechsten  Segment  je  zwei  stummeiförmige  Beinpaare  unter 
der  Haut,  welche  nach  der  ersten  Häutung  als  wohlgegliederte  Extremitäten 
erscheinen.  Bei  den  späteren  Häutungen  erhalten  auch  die  folgenden  Seg- 
mente je  zwei  Beinpaare  und  die  Segmentzahl  nimmt  nach  hinten  weiter  zu. 


(?) 
(2) 
(?) 
(?) 
(?) 
(?) 
erreicht   und    erfolgt    die 

siebenten  Rumpfringe  der 
findet   eine    Häutung    des 


Myriopoden.  743 

Während  bei  Strongyl  osoma ,  Polydesmus  und  Julus  eines  der 
vier  vorderen  Segmente  der  Extremitäten  entbehrt  (Fig.  463  B  und  464), 
scheint  dies  bei  Polyxenus  nicht  der  Fall  zu  sein.  Die  Larve  dieses 
Diplopoden  besitzt  zuerst  nur  fünf  Rumpfsegmente  (das  Analsegment 
immer  mitgerechnet)  und  drei  Beinpaare,  welche  an  den  drei  ersten  Seg- 
menten sitzen.  Im  nächsten  Stadium  bleibt  die  Segmentzahl  die  gleiche, 
dagegen  erscheint  am  vierten  Segment  ein  weiteres  Beinpaar  (Bode).  Das- 
selbe erhält  sich  fernerhin  als  einzelnes  Paar,  wenn  im  dritten  Stadium  an 
dem  neugebildeten  fünften  Segment  ein  Beinpaar  entsteht  und  bei  der  darauf 
folgenden  Häutung  ein  weiteres  Beinpaar  an  diesem  letztern  Segment  hinzu- 
kommt. "Während  der  acht  Stadien ,  welche  von  dem  Thier  durchlaufen 
werden ,  kommen  noch  drei  weitere  mit  zwei  Extremitätenpaaren  versehene 
Segmente  (das  sechste,  siebente  und  achte)  hinzu,  das  neunte  aber  trägt  nur 
ein  Beinpaar,  während  dem  vor  dem  Analsegment  gelegenen  Abschnitt  die 
Gliedmaassen  ganz  fehlen  (Bode,  Latzel,  vom  Rath).  Für  die  Endsegmente 
der  Diplopoden  ist  überhaupt  charakteristisch,  dass  an  ihnen  eine  Ver- 
schmelzung nicht  einzutreten  pflegt ,  wie  dieselbe  auch  an  den  vier  vorderen 
(als  Thorax  bezeichneten)  Segmenten  fehlt  und  allem  Anschein  nach  wohl 
auch  am  Genitalsegment  ausbleiben  kann. 

C.    Symphylen  und  Pauropoden. 

Ueber  die  Embryonalentwicklung  dieser  infolge  ihrer  geringen  Körper- 
grösse  schwierig  zu  behandelnden  Myriopoden  ist  unseres  Wissens  bisher 
nichts  bekannt  geworden.  Die  Larven  von  Pauropus  sind  wie  die  der 
Diplopoden  zuerst  sechsfüssig  (Lubbock,  Rydeb,  Latzel)  1).  Das  zweite  und 
dritte  Beinpaar  sollen  einem  Segment,  oder  wohl  besser  Doppelsegment  an- 
gehören. Die  Larve  besitzt  nur  wenige  Segmente,  denn  ausser  dem  Anal- 
segment ist  nur  noch  ein  fussloses  Segment  vorhanden.  Bei  der  ersten  Häutung 
treten  zwei  weitere  Beinpaare  auf.  Dann  zeigt  das  Thier  sechs,  sieben,  acht 
und  schliesslich  neun  Beinpaare.  Eine  genauere  Untersuchung  dieser  Ver- 
hältnisse ist  zu  wünschen. 

Die  Entwicklung  von  Scolopendrella  ist  noch  weniger  bekannt,  ob- 
wohl ihre  Kenntniss  sehr  wichtig  wäre,  da  dieser  Form  an  und  für  sich  eine 
grössere  Bedeutung  zukommt.  Das  jüngste  bisher  beobachtete  Stadium  besass 
sechs  Beinpaare,  doch  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  ihm  Stadien  mit  weniger 
Beinpaaren  vorausgehen  (Latzel).  Durch  eine  Anzahl  von  Häutungen  erfolgt 
die  Erwerbung  je  eines  neuen  Beinpaares,  bis  die  Segmentzahl  des  geschlechts- 
reifen  Thieres  erreicht  ist.  Nach  Latzel  erinnert  der  Entwicklungsgang  von 
Scolopendrella  lebhaft  an  den  der  Polyxeniden. 


3.    Die  Bildung  der  Organe. 

Unsere  Kenntniss  von  der  Organbildung  der  Myriopoden  ist  noch 
sehr  unvollkommen.  Soviel  wir  davon  wissen,  scheint  sie  bei  den  Chilo- 
poden  und  Diplopoden  in  ziemlich  übereinstimmender  Weise  vor 
sich  zu  gehen.  Nachdem  schon  Metschnikoff  in  seinen  früheren  Arbeiten 
Angaben  über  diesen  Gegenstand  gemacht  hat,  ist  er  später  von  Sograff 
und  Heathcote  eingehender,   aber  nicht  erschöpfend   behandelt  worden. 


*)  Genauere  Angaben  über  diese  Verhältnisse   finden    sich   bei  Latzel  (No.  10, 
Bd.  II,  pag.  21),  wo  auch  die  betr.  Litteratur  citirt  ist. 

48* 


744  XXII.  Capitel. 


A.    Das  Nervensystem. 

Vom  oberen  Schlundganglion  wissen  wir  nur,  dass  es  in  Form  der 
ansehnlichen  Verdickungen  der  Kopflappen  entsteht  und  sich  schliess- 
lich vom  Ectoderm  abspaltet.  Zur  Zeit,  wenn  der  Embryo  von  Julus 
bereits  die  Eischale  sprengt,  wenn  also  das  Gehirn  schon  längst  ange- 
legt ist,  bemerkt  man  an  den  Kopflappen  zwei  grubenförmige  Ein- 
senkungen,  ähnlich  denen,  welche  bei  P er ipatus,  den  Insecten  und  auch 
bei  den  Arachniden  angetroffen  werden  (vgl.  die  Figuren  435,  436  B, 
346  0,  370  5  und  451  C).  Anfangs  nur  flach,  vertiefen  sich  diese 
Gruben  später  und  senken  sich  in  die  Anlage  des  oberen  Schlund- 
ganglions ein,  mit  dessen  Zellenmaterial  der  Boden  der  Gruben  ver- 
schmolzen erscheint.  Das  Einsenken  in  die  Gehirnanlage  erinnert  ganz 
besonders  an  das  Verhalten  der  sog.  Ventralorgane  bei  Peripatus 
(Fig.  438  B,  pag.  700).  Ihre  äussere  Oeffnung  verengert  sich,  und  zu- 
letzt erscheinen  sie  als  geschlossene  Blasen  (Heathcote).  Sie  schwinden 
schliesslich,  und  ihre  Bedeutung  ist  nicht  festgestellt  worden,  doch  möchte 
man  glauben,  dass  sie  mit  der  Bildung  des  Ganglion  opticum  im  Zu- 
sammenhang stehen,  wenn  man  die  bei  den  Insecten  und  Arach- 
niden obwaltenden  Verhältnisse  in  Betracht  zieht  (pag.  821  und  592). 
Bei  Peripatus  sollen  die  am  Kopf  des  Embryos  auftretenden  Gruben 
allerdings  eine  andere  Bedeutung  haben  (pag.  700),  und  vielleicht  ist  es 
im  Hinblick  darauf,  dass  Sograff  die  auch  bei  Geophilus  vorhandenen 
Kopfgruben  (Fig.  451  C)  als  eine  atavistische  Erscheinung  ansieht,  die 
mit  der  Bildung  des  oberen  Schlundganglions  nichts  zu  thun  hat. 

Die  Bauchganglienkette  entsteht  wie  bei  anderen  Arthropoden  in 
Form  zweier  strangförmiger  Verdickungen  neben  der  Mittellinie,  welche, 
entsprechend  den  einzelnen  Körpersegmenten,  Anschwellungen,  die  Ganglien, 
zeigen.  Die  mediane  Furche,  welche  beide  Stränge  zwischen  sich  schliessen 
(Fig.  453,  pag.  729),  ist  nicht  mit  der  früher  vorhandenen  seichten,  als 
Blastoporus  gedeuteten  Längsfurche  zu  verwechseln,  sondern  diese  schwindet 
schon  bald  wieder.  In  Folge  des  Auftretens  der  beiden  seitlichen  Ecto- 
dermverdickungen  kommt  dann  in  gleicher  Lage  die  zweite  Rinne  zur 
Erscheinung  (Fig.  453,  nr).  Bei  Geophilus  erreicht  diese  Rinne  eine 
ansehnliche  Tiefe,  da  die  beiderseitigen  Verdickungen  von  bedeutendem 
Umfang  und  einander  stark  genähert  sind.  So  scheint  es,  als  ob  auch 
die  mittlere  Parthie  an  der  Bildung  der  Ganglienkette  theilnehme  und 
somit  als  Neuralrinne  zu  bezeichnen  wäre.  Bei  den  Diplopoden, 
speziell  Julus  tritt  die  Neuralrinne  weniger  deutlich  hervor,  hat  aber 
wohl  auch  hier  dieselbe  Bedeutung,  da  die  Ganglien,  welche  sich  vom 
Ectoderm  ablösen,  durch  eine  Querbrücke  in  Verbindung  stehen.  So 
würde  der  Mittelstrang  die  Quercommissuren  liefern. 

Bei  Julus  soll,  nachdem  sich  die  Ganglien  vom  Ectoderm  abgelöst 
haben  (Fig.  468  A  und  J5),  an  ihnen  eine  nach  aussen  hin  gerichtete  Ein- 
senkung  auftreten,  so  dass  jedes  Ganglion  mit  einer  Grube  versehen  erscheint. 
Dieser  von  Heathcote  beschriebene  Vorgang  ist  deshalb  nicht  recht  zu  ver- 
stehen, weil  er  sich  erst  nach  der  Ablösung  vom  Ectoderm  einstellt,  andern- 
falls würde  man  an  die  Ventralorgane  des  Peripatus  denken  (vgl.  pag.  699). 
Die  Gruben,  welche  wie  die  im  oberen  Schlundganglion  zugeschlossenen  Blasen 
werden,  schwinden  bald  wieder. 


Myriopoden.  745 

Bei  den  Diplopoden  liegen  die  beiderseitigen  Ganglien  erst  etwas 
weiter  auseinander,  was  wohl  mit  der  Umwachsung  des  Dotters  durch  den 
Keimstreifen  zusammenhängt,  dann  nähern  sie  sich  bis  zu  enger  Be- 
rührung und  an  ihrer  dorsalen  Parthie  erscheint  die  Fasersubstanz, 
welches  Verhalten  schon  für  Peripatus  in  ähnlicher  Weise  geschildert 
wurde  (pag.  701). 

Die  Differenzirung  der  Ganglien  geht  in  der  Reihenfolge  von  vorn 
nach  hinten  vor  sich,  so  dass  bei  dem  wachsenden  Embryo,  bezw.  bei 
der  Larve  in  dem  hinteren,  noch  nicht  ausgebildeten  Theil  des  Körpers 
die  undifferenzirten  Anlagen  der  Bauchganglienkette  gefunden  werden, 
von  denen  sich  dann  nach  vorn  hin  neue  Ganglien  abgliedern  (Fig.  466 
und  467).  Bei  den  Diplopoden  kommen  auf  die  grössere  Anzahl  der 
Körperringe  zwei  Ganglienpaare,  wodurch  sich  diese  Hinge  als  Doppel- 
segmente zu  erkennen  geben. 

Im  vorderen  Theil  der  Ganglienkette  tritt  eine  Fusion  mehrerer 
Ganglienpaare  ein,  welche  zur  Bildung  des  unteren  Schlundganglions  führt 
(Fig.  466  usg),  mit  dem  sich  noch  einige  Ganglienpaare  vereinigen  können. 

Ueber  eine  Hinzuziehung  echter  Rumpfganglien  zum  Gehirn  ist  unseres 
Wissens  bisher  entwicklungsgeschichtlich  nichts  bekannt  geworden ,  obwohl 
die  Thatsache,  dass  der  hinterste  Abschnitt  des  Gehirns  (das  sog.  Tritocere- 
brum)  einen  Theil  der  Schlundcommissur  ausmacht  und  zudem  eine  besondere 
Quercommissur  besitzen  kann  (so  bei  den  Diplopoden  und  bei  S cuti- 
ge ra  nach  St.  Remy)  vielleicht  auf  eine  ähnliche  Entstehung  des  Tritocere- 
brums  hinweist,  wie  sie  die  mit  dem  Gehirn  vereinigten  Kieferganglien  des 
Peripatus  und  die  Ganglien  der  zweiten  Antenne  bei  den  Crustaceen 
zeigen  (pag.  702  und  364).  Das  Bild  eines  Myriopodengehirnes  stellt  sich 
schematisch  in  ganz  ähnlicher  Weise  dar  wie  das  in  Fig.  439  (pag.  703) 
wiedergegebene  Gehirn  eines  Embryos  von  Peripatus. 

B.    Die  Augen. 

Die  Bildung  der  Augen  ist  bei  Julus  terrestris  verfolgt  worden, 
welche  Form  jederseits  eine  grössere  Anzahl  (gegen  40)  sogenannter 
Ocellen  besitzt.  Diese  treten  nach  einander  auf.  Am  vierten  Tage  des 
freien  Larvenlebens,  d.  h.  nach  dem  Verlassen  der  cuticularen  Hülle, 
erscheint  der  erste  Ocellus,  welchem  die  übrigen  allmählich  folgen,  bis 
die  volle  Zahl  erreicht  ist.  Nach  Heathcote  vollzieht  sich  die  Bildung 
der  Augen  auf  die  Weise,  dass  hinter  der  Basis  der  Antenne  eine  Ver- 
dickung des  Ectoderms  entsteht  und  in  dieser  sich  Pigment  ablagert. 
Sodann  tritt  in  der  verdickten  Parthie  eine  Höhle  auf,  so  dass  das  ganze 
wie  eine  Augenblase  erscheint.  Während  sich  die  Höhle  vergrössert, 
wird  die  nach  aussen  gekehrte  Wand  dünner,  die  innere  aber  dicker. 
Letztere  stellt  die  Retina  dar,  und  der  ersteren  liegt  die  Abscheidung 
der  Linse  ob.  Nach  Heathcote,s  Auffassung  ist  dies  ihre  einzige 
Function,  und  sie  hat  nicht  die  Bedeutung  einer  Glaskörperschicht.  In 
einem  späteren  Stadium  tritt  sie  noch  mehr  zurück  (Fig.  465  h).  Die 
ganze  innere  Wand  (r)  liefert  die  Retina.  Zwischen  ihren  nunmehr 
regelmässig  angeordneten  Zellen  findet  Heathcote  kleinere  Zellen  von 
unregelmässiger  Form,  welche  amöboiden  Mesodermzellen  gleichen,  und 
er  nimmt  an,  dass  solche  zwischen  die  ectoderinalen  Retinaelemente  als 
Pigmentzellen  einwandern.  Eine  Kapsel  in  der  Umgebung  des  Auges 
wird  ebenfalls  von  Mesodermzellen  geliefert,  welche  sich  der  Retina  dicht 
anlegten  (Fig.  465  Je). 


746  XXII.  Capitel. 

Durch  die  von  Heathcote  gegebene  Darstellung  der  Entstehung  des 
Myriopodenauges  ist  dessen  Entwicklungsmodus  noch  nicht  genügend  festge- 
stellt und  die  Beziehung  der  Entwicklungsstadien  zum  ausgebildeten  Auge 
nicht  hinreichend  geklärt.  Vor  allem  wäre  zu  zeigen,  welche  Bedeutung  die 
äussere,  unter  der  Linse  gelegene  Zellenschicht  (Fig.  465  Ji)  beim  ausgebil- 
deten Auge  besitzt,  bezw.  ob  sie  überhaupt  vorhanden  ist.  Eine  von  Gre- 
nacher  untersuchte  Julusart  weist  ein  einschichtiges  napf förmiges  Auge  auf, 
welchem  die  Glaskörperschicht  fehlt.  Andere  Myriopoden,  wie  es  scheint  be- 
sonders Chilopoden,  besitzen  einen  Glaskörper,  haben  also  zweischichtige 
Augen.  Damit  entfernen  sie  sich  einigermaassen  von  dem  einfachsten  Bau 
des  Ocellus,  wie  er  verschiedenen  anderen  Myriopoden  zukommt.  Es  wäre 
daher  von  Wichtigkeit  nachzuweisen,  ob  die  Anlage  der  Augen  wirklich  eine 
geschlossene  Blase  oder  nicht  vielmehr  eine  Ectodermeinsenkung  ist,  als  welche 


Fig.  465.  Schnitt  durch  ein  in  der  Bildung  begriffenes  Auge  von  Julus 
terrestris  (nach  Heathcote). 

ch  Chitinbedeckung  des  Kopfes  ,  h  Hypodermissehicht  unter  der  Linse  (lentigene 
Schicht),  hyp  Hypodermis,  k  zellige  Augenkapsel,  l  Linse,  r  Retina. 

sie  bei  den  Augen  ohne  Glaskörper  auch  im  ausgebildeten  Zustand  noch  er- 
scheint. Den  Glaskörper  müsste  man  dann  ähnlich  wie  bei  den  Stemmata 
der  Iusectenlarven  (Fig.  378,  pag.  598)  durch  Vordrängen  der  Hypodermis 
von  den  Seiten  her  erklären. 

Wie  bereits  weiter  oben  (pag.  703)  gezeigt  wurde,  legen  sich  auch  die 
Augen  des  Peripatus  in  Form  von  Ectodermeinsenkungen  an,  und  nichts 
liegt  näher,  als  die  napfförmigen  Augen  der  Myriopoden  sowie  die  Stemmata 
der  Insecten  auf  eine  ähnlich  gestaltete  niedere  Entwicklungsstufe,  etwa 
auf  Annelidenaugen  zurückzuführen  (pag.  597).  Gerade  die  Myriopoden 
bieten  in  dieser  Beziehung  besonderes  Interesse  dar,  insofern  einige  von  ihnen 
nur  wenige  Ocellen  besitzen,  Scolopendra  z.  B.  nur  vier  jederseits,  bei 
anderen  aber  die  Zahl  sich  steigert  und  zur  Bildung  der  sog.  gehäuften  Ocellen 
(30 — 40  und  mehr,  bei  Lithobius,  Julus,  Fig.  461  oc)  führt,  bis 
schliesslich  ein  aus  zahlreichen  (etwa  200)  Einzelaugen  zusammengesetztes  Auge 
resultirt  (Scutigera),  welches  einem  Facettenauge  z.  B.  dem  von  Limulus 
gleicht  und  sogar  eine  Art  von  Rhabdombildung  erkennen  lässt,  trotzdem 
aber  seine  Beziehungen  zu  den  gehäuften  Ocellen  anderer  Myriopoden  nicht 
verläugnet.  Es  scheinen  sich  also  für  die  Myriopodenaugen  die  verschiedenen 
Stadien  darzubieten,  welche  wir  bei  Betrachtung  der  Arachni  den  äugen 
für  die  phylogenetische  Entstehung  des  Facettenauges  als  wahrscheinliche 
bezeichneten  (pag.  598).  Eine  eingehende  entwicklungsgeschichtliche  und 
morphologische  Untersuchung  dieser  Verhältnisse  würde  höchst  erwünscht 
sein  und  dürfte  lohnenden  Erfolg  versprechen. 


Myriopoden.  747 

C.    Die  Tracheen. 

Die  Tracheen  gelangen  erst  spät  zur  Anlage.  Bei  Geophilus 
kommt  der  Embryo  ohne  Tracheen  aus  dem  Ei  und  die  Respiration  findet 
vorerst  nur  durch  die  noch  sehr  dünne  Körperbedeckung  statt  (Sograff). 
Auch  bei  den  Diplopoden  treten  die  Tracheen  spät  auf,  allem  An- 
schein nach  erst  dann,  wenn  der  Embryo  das  Chorion  bereits  gesprengt 
hat  und  in  der  Puppenhaut  liegt.  Julus  zeigt  dann  hinter  der  Basis 
jedes  Beines  eine  grubenförmige  Einsenkung,  welche  sich  vertieft  und 
zwei  Divertikel  bildet,  von  denen  sich  das  eine  in  den  Baum  unterhalb 
der  Bauchganglienkette  erstreckt,  während  das  andere  gegen  die  Rücken- 
seite vorwächst.  Damit  sind  die  beiden  von  der  Tracheentasche  aus- 
gehenden Hauptstämme  gebildet,  und  von  ihnen  wachsen  nunmehr  aber- 
mals Divertikel,  die  Tracheenröhren  aus,  welche  sich  mit  der  Intima 
auskleiden. 

Bei  den  Diplopoden  kommt  jedem  Rumpfsegment  ein  Stigmen- 
paar mit  der  zugehörigen  Stigmentasche  und  den  davon  ausgehenden 
Tracheenstämmen  zu.  Die  Tracheenröhren  verzweigen  sich  nicht  und 
bilden  keine  Anastomosen,  zeigen  also  ein  sehr  ursprüngliches  Verhalten. 
In  den  Körperringen  der  Diplopoden  rinden  sich  zwei  Paar  Tracheen- 
einstülpungen, wodurch  sich  dieselben  wiederum  als  Doppelsegmente  zu 
erkennen  geben. 

Die  Tracheen  der  Chilopoden  zeigen  complicirtere  Verhältnisse,  in- 
dem sie  sich  weiter  verzweigen  und  Anastomosen  bilden.  Die  Vertheilung 
der  Stigmen  auf  die  Segmente  ist  nicht  mehr  eine  so  regelmässige,  indem 
sie  einzelnen  Segmenten  fehlen.  In  dieser  Beziehung  erscheinen  die  Chilo- 
poden demnach  als  weniger  ursprüngliche  Formen. 

D.    Die  Wehrdrüsen. 

Am  fünften  Rumpfsegment  der  dreibeinigen  Diplopodenlarve  tritt 
seitlich  ein  Paar  Einsenkungen  auf,  die  Forami  na  repugnatoria, 
welche  in  flaschenförmige  Ectodermeinstülpungen  führen,  das  erste  Paar 
der  Stink-  oder  Wehrdrüsen  (Fig.  464  sd).  Mit  der  Zunahme  an  Seg- 
menten kommen  noch  mehr  solcher  Drüsen  hinzu,  doch  erhält  jedes 
Doppelsegment  nur  ein  Paar  und  die  vorderen  Einzelsegmente  ent- 
behren ihrer  völlig  (Heathcote,  Metschnikoff1). 

E.    Der  Darmcanal. 

Bei  der  Bildung  des  Darmcanales  muss  man  zwischen  Chilopoden 
und  Diplopoden  streng  unterscheiden;  freilich  sind  die  Nachrichten, 
welche  wir  bisher  zumal  über  die  Entstehung  des  Diplopodendarmes  er- 
halten haben,  keine  sehr  eingehenden  und  klären  die  auffallenden  Ver- 
hältnisse, welche  dabei  vorzuliegen  scheinen,  nicht  genügend  auf. 

a.    Der  Mitteldarm. 

Chilopoden.  Der  Nahrungsdotter,  welchem  der  Keimstreif  aufliegt, 
ist  bei  Geophilus  sehr  umfangreich  und  lässt  noch  längere  Zeit  den 
Zerfall   in  Dotterpyramiden  erkennen   (Fig.  454  A,  d).     In  ihm   liegen 


l)  Bezüglich  der  Auffassung  dieser  Drüsen  vgl.  man  das  pag.  755  Gesagte. 


748 


XXII.  Capitel. 


Kerne,  von  denen  man  annimmt,  class  sie  von  vornherein  im  Dotter 
zurückgeblieben  seien.  Diese  Kerne  ordnen  sich  zu  einer  regelmässigen 
peripheren  Lage  an.  In  ihrer  Umgebung  differenzirt  sich  der  Dotter  in 
regelmässigen  Bezirken  (Fig.  466);  so  entstehen  die  Abgrenzungen  von 
Zellen  und  das  Mitteldarmepithel  wird  auf  diese  Weise  gebildet  (Sograff). 
Ob  diese  Differenzirung  in  einer  bestimmten  Richtung,  d.  h.  z.  B.  von 
vorn  nach  hinten  oder  umgekehrt  vor  sich  geht,  vermögen  wir  aus 
Sograff's  Darstellung  nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  doch  weist  die 
Abbildung  Fig.  466  auf  eine  von  hinten  nach  vorn  fortschreitende  Aus- 
bildung des  Mitteldarmes  hin.  Der  Nahrungsdotter  bleibt  noch  längere 
Zeit  im  Mitteldarm  liegen  und  wird  erst  allmählich  resorbirt.  Er  dient 
auch  der  Larve  noch  als  Nahrung  und  reicht  bei  der  Lithobiuslarve 
nach  dem  Ausschlüpfen  noch  15  Tage  lang  aus. 


tUi.- 


—CS 


'$■ 


Fig.  466.  Sagittaler  Längsschnitt  eines  älteren  Embryos  von  Geophilus 
ferrugineus  (nach  Sograff). 

a  After,  bg  Bauchganglienkette,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  ect  Ectoderm,  ed  End- 
darm ,  h  Herz ,  m  Mund,  md  Mitteldarm,  dessen  Ausbildung  noch  nicht  vollendet  ist, 
indem  vorn  das  Epithel  noch  fehlt,  mes  Mesodermgewebe ,  zum  Theil  den  Darm  be- 
kleidend, zum  Theil  in  der  Leibeshöhle  vertheilt,  o.sg  oberes,  u.sg  unteres  Schlund- 
ganglion, vd  Vorderdarm. 


Diplopoden.  Schon  von  Metschnikoff  wurde  als  wichtiger  Unter- 
schied in  der  Bildung  des  Mitteldarms  der  Myriopoden  hervorgehoben, 
dass  derselbe  bei  den  Chilopoden  an  der  Peripherie  des  Dotters  ent- 
steht (Fig.  466),  diesen  also  in  sich  fasst,  bei  den  Diplopoden  hin- 
gegen als  ein  Rohr  innerhalb  des  Dotters  gebildet  wird,  so  dass  dieser 
also  ausserhalb  des  Darmes  liegt  (Fig.  467).  Der  Mitteldarm  entsteht 
auch  hier  aus  den  im  Dotter  enthaltenen  Zellen,  deren  Ursprung  ebenso- 
wenig wie  bei  den  Chilopoden  sicher  festgestellt  ist.  Sie  sammeln 
sich  in  einer  bestimmten  Gegend  und  ordnen  sich  zur  Bildung  eines 
wenig  umfangreichen  Rohres  an,  welches  sich  in  der  Längsaxe  des  Em- 
bryos erstreckt  (Fig.  467  md).  Dieses  Rohr,  welches  in  der  nach  Heath- 
cote's  Abbildung  copirten   Figur  allerdings  als  solider   Strang  erscheint, 


Myriopoden. 


749 


liegt  nach  den  übereinstimmen- 
den Angaben  von  Metschni- 
koff  und  Heathcote  innerhalb 
der  Dottermasse  und  konnte  von 
dem  erstgenannten  Forscher  im 
Zusammenhang  aus  diesem 
herauspräparirt  werden.  Der 
Dotter  selbst  kommt  somit  in 

die  primäre  Leibeshöhle  zu 
liegen.     Diese   erfüllt  er  voll- 
ständig.   Er  dringt  z.  B.  in  die 
durch  Äuseinanderweichen  der 
Ganglienanlage  und  des  Ecto- 
derms  entstehende  Lücke  ein 
(Fig.  468  A  u.  B)  und  drängt 
sich,   soviel   aus  der   Darstel- 
lung von  Heathcote  zu  ent- 
nehmen ist,  sogar  zwischen  die 
Mesodermschicht  und   das 
Ectoderm  ein  (Fig.  468).   Die 
Ganglienkette  liegt  dann  in- 
nerhalb der  Dottermasse,  und 
das  Gleiche  ist  mit  dem  Vor- 
derdarm und   Enddarm   der 
Fall,   wie  eine   Betrachtung 
der  Figuren  467  und  468  B 
ergiebt.    In  späteren  Stadien 
wird  der  Dotter  in  die  Lücken 
des  Pseudocöls  aufgenommen 
und  dort  allmählich  resorbirt 
(vgl.  pag.  753). 

Die  Ablagerung  des  Dot- 
ters in  der  primären  Leibes- 
höhle ist  bereits  früher  (pag. 
328)  von  Moina,  sowie  von 
Mysis  (pag.  375)  erwähnt 
worden,  allerdings  kommt  die- 
selbe dort  auf  etwas  andere 
Weise  zu  Stande.  Ein  ähn- 
liches Verhalten ,  wenn  auch 
in  weit  beschränkterem  Maasse, 
kann  auch  bei  den  Insecten 
eintreten  und  soll  weiter  unten 
noch  besprochen  werden  (vgl. 
pag.  832). 

Der  Unterschied  in  der 
Bildung  des  Mitteldarmes  der 
Chilopoden  und  Diplo- 
poden liegt  auf  der  Hand 
und  ist  am  besten  aus  einer 
Vergleichung  der  Abbildungen 
Fig.  466  und  467  ersichtlich. 


--me». 


Fig.  467.  Längsschnitt  durch  einen  Embryo 
von  Julus  t e r r e s t r i s  vom  zehnten  Tage  der 
Entwicklung  (nach  Heathcote). 

a  After,  bg  Bauchganglienkette,  c  Cuticular- 
hülle  des  Embryos,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen, 
kl  Kopflappen,  m  Mund,  md  Mitteldarm,  mes  Meso- 
derm,  sl  Schwanzlappen. 


Fig.  468.  A  und  B  Querschnitte  durch  Em- 
bryonen von  Julus  terrestris  (in  etwas  schema- 
tisirter  Darstellung  nach  Heathcote). 

A  die  ventrale  Parthie  eines  Querschnittes 
durch  einen  Embryo  vom  elften  Tage.  B  voll- 
standiger  Querschnitt  eines  Embryos  vom  zwölften 
Tage.  Beide  sind  durch  die  hintere  Körperregion 
geführt. 

bg  Bauchganglien,  d  Dotter,  dz  Dotterzellen, 
ed  Enddarm,  ect  Ectoderm,  ex  Extremitätenanlage, 
m.g  Malpighi'sche  Gefässe,  p.lh  primäre  Leibes- 
höhle, so  somatisches,  sp  splanchnisches  Blatt  des 
Mesoderms. 


750  XXII.  Capitel. 

Während  die  Mitteldarmbildung  der  Chilopoden  mehr  an  die  bei  den  Arachnoiden 
obwaltenden  Verhältnisse  erinnert,  lässt  sich  diejenige  der  Diplopoden  nur  mit 
gewissen  Erscheinungen  bei  den  Crustaceen  vergleichen ,  bei  denen  ebenfalls 
das  Epithel  erst  inmitten  des  Dotters  liegt,  bis  dieser  ins  Innere  der  Darm- 
anlage diffundirt.  Ehe  man  diese  Verhältnisse  übrigens  mit  einiger  Sicher- 
heit beurtheilen  kann,  wird  man  noch  Genaueres  über  die  späteren  Bezie- 
hungen des  Mitteldarmes  zum  Nährdotter  erfahren  müssen.  Einstweilen  er- 
scheint uns  dieser  Punkt  noch  zu  dunkel  und  einer  besseren  Klarlegung  recht 
bedürftig. 

b.    Vorder-   und   Enddarm. 

Bezüglich  der  Bildung  des  Vorder-  und  Enddarmes  verhalten  sieh 
Chilopoden  und  Diplopoden  ziemlich  übereinstimmend.  Beide  Ge- 
bilde sind  Ectodermeinstülpungen.  Das  Stomodaeum  entsteht  ventral 
zwischen  den  Kopf  läppen,  das  Proctodaeum  ebenfalls  in  ventraler 
Lagerung  in  der  Nähe  des  Hinterendes  (Fig.  467  m  und  «).  Beide  ver- 
längern sich,  das  eine  nach  hinten,  das  andere  nach  vorn  und  stossen 
schliesslich  an  den  Mitteldarm,  mit  dessen  Epithel  ihre  Wandung  ver- 
schmilzt (Fig.  457,  466,  467).  Der  After  rückt  aus  der  ventralen  Lagerung, 
welche  er  früher  zeigte,  mit  dem  Wachsthum  des  Embryos  mehr  nach 
hinten  (Fig.  452-454,  pag.  729  und  730  und  Fig.  466  a). 

Als  zwei  blindsackförmige  Ausstülpungen  des  Enddarmes  entstehen 
die  Malpighi' sehen  Gefässe,  welche  bei  G e o p h i  1  u s  allem  Anschein 
nach  schon  recht  früh  gebildet  werden  (Fig.  453  mg),  während  sie  bei 
Julus  erst  zur  Zeit  des  Ausschlüpfens  (d.  h.  der  Sprengung  der  Ei- 
schale, am  12.  Tage  der  Entwicklung)  zur  Anlage  kommen. 


Die  mesodermalen  Bildungen. 

Das  Mesoderm  erscheint  zuerst  als  eine  kielförmig  nach  innen  vor- 
ragende Verdickung  am  Blastoderm  (Fig.  450,  pag.  727,  bei  Julus  nach 
Heathcote)  oder  als  eine  einschichtige  Platte  von  Zellen,  welche  sich 
wie  jene  längs  der  Ventralseite  erstreckt  (so  bei  Geophilus  nach 
Sograff).  Diese  Mesodermanlage  soll  nicht  allein  durch  Vermehrung 
der  Blastodermzellen  ihre  Entstehung  nehmen,  sondern  grossentheils 
auch  von  den  im  Dotter  verbliebenen  und  nunmehr  nach  der  ventralen 
Oberfläche  wandernden  Zellen  gebildet  werden.  Anfangs  eine  continuir- 
liche  Zellschicht,  erfährt  das  Mesoderm  entlang  der  Mittellinie  eine  Tren- 
nung in  zwei  bandförmige  Parthien,  die  Mesodermstreifen.  Die  Seg- 
mentirung  derselben  tritt  in  der  Weise  hervor,  dass  entsprechend  den 
späteren  Segmenten  die  Mesodermstreifen  hintereinander  liegende  Ver- 
dickungen erhalten,  zwischen  denen  die  Mesodermschicht  sehr  dünn  wird. 
Die  Bildung  der  Höhle  erfolgt  sodann  in  den  verdickten  Parthien  durch 
Auseinandergehen  der  Zellen  (Heathcote),  womit  das  Ursegment  fertig 
und  das  somatische  und  splanchnische  Blatt  angelegt  ist. 

Sograff  schildert  die  Entstehung  der  beiden  Mesodermblätter  abweichend 
und  in  einer  Weise,  wie  sie  auch  für  Insecten  verschiedentlich  angegeben 
worden  ist.  Er  nimmt  nämlich  an,  dass  die  einschichtige  Zellplatte,  welche 
bei  Geophilus  unter  dem  ventralen  Ectoderm  liegt,  an  ihrem  lateralen 
Rand  sich  in  dorsaler  Richtung  umbiegt  und  nach  der  Mittellinie  hinwächst. 


Myriopoden. 


751 


So  würden  zwei  aneinander  liegende  Blätter  gebildet  und  durch  ihr  Aus- 
einanderweichen entsteht  die  secundäre  Leibeshöhle.  Aehnliches  hat  Kowa- 
lewsky  für  Hydrophilus  angegeben,  ohne  damit  allerdings  die  Bestätigung 
späterer  Beobachter  zu  finden.  Ein  etwas  ähnliches  Verhalten  nimmt  Heymons 
für  Phyllodromia  an  (pag.  814).  Nach  Sograff  sollen  ausserdem  noch 
die  im  Dotter  vertheilten  Zellen  an  der  Bildung  des  splanchnischen  Blattes 
theilnehmen,  indem  sie  an  die  Peripherie  rücken. 

Die  Zahl  der  angelegten  Ursegmentpaare  entspricht  derjenigen  der 
zu  bildenden  Körpersegmente,  und  es  ist  von  Wichtigkeit,  dass  für 
jeden  der  mit  zwei  Bein  paaren  versehenen  Kör  per  ringe 
der  Diplopoden  zwei  Paare  von  Ur Segmenten  gebildet 
werden,  dass  diese  Körperringe  sich  also  auch  hierdurch  als  Doppel- 
segmente erweisen  (Heathcote).  Von  allgemeinerer  Bedeutung  erscheint 
sodann  die  Thatsache,  dass  die  Ursegmente  der  Myriopoden 
sich  in  die  Extremitäten-Anlagen  hinein  erstrecken  und 
diese  hohl  erscheinen  lassen  (Fig.  469  h.us).  Dieses  Verhalten 
gleicht  dem  des  Peripatus  und 
stimmt  auch  insofern  mit  ihm  über- 
ein, als  sogar  die  Antenne  mit  dem 
umfangreichen  Divertikel  einer  Seg- 
menthöhle erfüllt  ist  (Fig.  469  h.us 
und  at).     Es    würden   somit    die   für 

Verhalten 
auch   für 


ge- 


uvet>: 


die 


Peripatus  an  dieses 
knüpften  Erörterungen 
Myriopoden  Giltigkeit  haben  (vgl. 
pag.  697).  Jedenfalls  erscheinen  die 
Extremitätendivertikel  der .  Segment- 
höhlen als  ein  ursprüngliches  Verhal- 
ten, welches  später  verloren  geht  und 
unter  den  Insecten  nur  bei  den  nie- 
deren Formen  (nämlich  den  Ortho- 
pteren nach  Graber,  Cholodkowsky, 
Heymons  u.  A.)  erhalten  bleibt. 

F.    Leibeshöhle,  Blutgefässsystem, 
Fettkörper  und  Muskulatur. 

Der  Zustand,  in  welchem  das 
Mesoderm  durch  zwei  Reihen  hinter- 
einander gelegener  Ursegmente  re- 
präsentirt  wird,  bleibt  nicht  lange  er- 
halten.   Nach   Heathcote  theilt  sich 

jedes  Ursegment  in  zwei  Blasen,  von  denen  die  eine  im  Körper  verbleibt 
(somatischer  Theil  des  Cöloms),  die  andere  der  betreffenden  Extremität 
zukommt  (pedaler  oder  cruraler  Theil  des  Cöloms),  eine  Erscheinung, 
welche  mit  der  ähnlichen,  bei  Peripatus  stattfindende  Zertheilung 
der  Ursegmente  zu  vergleichen  ist. 


Fig.  469.  Querschnitt  durch  einen 
Geophilusembryo ,  welcher  als  Keim- 
streifen um  den  Dotter  gerollt  ist.  Oben 
ist  der  vordere,  unten  der  hintere  Theil 
des  Keimstreifens  getroffen  (nach  So- 
graff). 

at  Antenne,  bg  Bauchganglienkette, 
d  Dotter,  dz  Dotterzellen,  h.us  Höhlung- 
der  Ursegmente,  welche  sich  in  die 
Extremitäten  erstrecken,  mes  Mesoderm 
(Wand  der  Ursegmente),  o.sg  oberes 
Schlundganglion,  vd  Vorderdarm. 


Im  Einzelnen  scheinen  sich  bezüglich  der  weiteren  Ausbildungen  der 
beiden  Ursegmenttheile  für  Peripatus  und  die  Myriopoden  gewisse 
Differenzen  zu  ergeben.  Durch  die  Untersuchungen  von  Heathcote  sind  diese 
Verhältnisse  noch  nicht  genügend  klar  gestellt  und  ein  genaueres  Studium 
derselben  muss  als  sehr  erwünscht  bezeichnet  werden. 


752  XXII.  Capitel. 

Verfolgen  wir  die  Ausbildung  der  Ursegmente  von  vorn  nach  hinten, 
so  finden  wir,  dass  das  erste,  dessen  pedaler  Abschnitt  in  der  Antenne 
liegt,  zur  Bildung  der  zur  letzteren  gehörigen  Muskulatur,  sowie  der 
Muskulatur  des  Kopfabschnittes  überhaupt,  verwendet  wird.  Die  Urseg- 
mente der  Mandibeln  werden  in  ähnlicher  Weise  zur  Bildung  von  Muskeln 
verbraucht,  diejenigen  des  Maxillenseginentes  sollen  dagegen  nach  Heath- 
cote's  Darstellung  eine  andere,  weiter  unten  noch  zu  besprechende  Be- 
deutung besitzen  (Bildung  der  Speicheldrüsen). 

Vom  ersten  Rumpfsegment  an  zeigen  die  beiden  Abtheilungen  des 
Cöloms  durchgängig  eine  Verschiedenheit  ihrer  Ausbildung.  Während 
die  pedalen  Cölomsäcke  zur  Ausbildung  der  Beinmuskulatur  verbraucht 
und  aufgelöst  werden,  rücken  die  somatischen  Parthien  bei  den  Diplo- 
poden gegen  die  Mittellinie  hin,  um  sich  über  die  Bauchganglienkette 
zu  lagern  und  hier  später  mit  einander  zu  verschmelzen.  Sie  verhalten 
sich  also  anders  als  bei  Peripatus,  bei  dem  sie  an  die  Dorsalseite 
des  Körpers  rücken  und  sich  oberhalb  des  Darmes  aneinander  legen  (vgl. 
pag.  716  und  Fig.  444,  pag.  714).  Wie  dort  bilden  sie  aber  auch  hier 
die  Geschlechtsdrüsen  und  da  diese  bei  den  Chilopoden  dorsal  vom 
Darm  gelagert  sind,  könnte  man  bei  diesen  Formen  eine  noch  grössere 
Uebereinstimmung  mit  dem  Verhalten  des  Peripatus  erwarten,  als 
sie  bei  den  Diplopoden  stattfindet. 

Bei  der  angedeuteten  Diflferenzirung  der  beiden  Abtheilungen  der 
Ursegmente  scheinen  auch  zusammenhängende  Zellschichten  gebildet  zu 
werden,  welche  sich  über  der  Ganglienkette  und  in  der  Umgebung  des 
Darmes  anordnen  (Fig.  468  so  und  sp),  wenigstens  spricht  Heathcote  von 
einer  mesodermalen  Bekleidung  dieser  Theile,  welche  er  (wohl  nicht  ganz 
correct)  als  somatisches  und  splanchnisches  Blatt  bezeichnet.  Die  eigent- 
liche Leibeshöhle  ist  ein  Pseudocöl  und  sie  bietet  insofern  ganz  besondere 
Verhältnisse  dar,  als  sich,  wie  schon  früher  (pag.  749)  erwähnt,  die 
grösste  Masse  des  Dotters  ausserhalb  des  Mitteldarines  lagert  und  in 
Folge  dessen  in  die  Leibeshöhle  zu  liegen  kommt  (Fig.  467  und  468  B, 
pag.  749).  In  dem  Dotter  sind  noch  immer  Zellen  enthalten  und  ihnen 
hat  man  eine  grosse  Bedeutung  für  die  Ausbildung  des  Blutgefäss- 
systems,  sowie  des  Fettkörper-  und  Bindegewebes  zugeschrieben  (Sograff, 
Heathcote). 

Wie  schon  erwähnt,  trägt  das  von  den  Ursegmenten  herstammende 
Zellmaterial  zur  Bildung  der  die  Leibeshöhle  begrenzenden  Gewebs- 
parthien  und  besonders  der  Muskulatur  bei.  Aus  den  Figuren  468  A 
und  B  ist  zu  ersehen,  dass  eine  Mesodermzellenschicht  (so)  anfangs  dem 
ventralen  Ectoderm  und  der  Ganglienkette  dicht  anliegt,  mit  deren  Los- 
lösung vom  äusseren  Blatt  aber  ebenso  wie  diese  selbst  in  den  Dotter 
verlagert  wird.  Es  scheinen  bei  diesen,  allerdings  noch  nicht  genügend 
festgestellten  Vorgängen,  kleinere  Parthien  des  Dotters  zwischen  jene 
Theile  und  das  Ectoderm  einzudringen  (Fig.  468  A  und  B,  d).  Anderer- 
seits geht  wohl  daraus  hervor,  dass  auch  die  von  den  Ursegmenten  her- 
stammenden mesodermalen  Elemente  sich  im  Dotter  verbreiten  und  die 
hier  zur  Ausbildung  gelangenden  Organe  nicht  nur  auf  Piechnung  der 
im  Dotter  enthaltenen  Zellenelemente  zu  setzen  sind. 

Bei  den  Chilopoden  bildet  sich  das  Mitteldarmepithel  an  der 
Peripherie  des  Dotters  und  dieser  kommt  also  ins  Innere  des  Darmes 
zu  liegen.  Man  sollte  glauben,  dass  in  diesem  Falle  das  mesodermale 
Gewebe  von  den  Ursegmenten  herzuleiten  wäre  und  doch  nimmt  Sograff 
an,  dass  an  den  Seitentheilerf  sowie  am  Rücken  des  Embryos,  bis  wohin 


Myriopoden.  753 

sich  die  Ursegmente  nicht  ausgebreitet  haben,  ein  aus  sternförmigen 
Zellen  bestehendes  Parenchymgewebe  auftritt,  welches  von  den  im  Dotter 
verbliebenen  Zellen  herstammt1).  Diese  sollten  schon  früher  an  der  Bil- 
dung des  (hauptsächlich  durch  Umschlagen  der  zuerst  vorhandenen  Zellen- 
platte entstandenen)  splanchnischen  Blattes  theilgenommen  haben,  indem 
sie  aus  dem  Dotter  an  die  Peripherie  rückten.  In  ähnlicher  Weise,  muss 
man  nach  Sograff's  Auffassung  annehmen,  treten  auch  später,  jedoch 
bevor  die  Bildung  des  Mitteldarmepithels  erfolgt  ist,  Wanderzellen  aus 
dem  Dotter  zur  Bildung  jenes  Parenchymgewebes  heraus.  Daraus  sollen 
dann  das  Bindegewebe  der  Leibeshöhle,  der  Fettkörper  und  die  Blut- 
zellen hervorgehen,  in  ähnlicher  Weise  wie  diese  Gebilde  bei  den  Diplo- 
poden aus  dem  schon  an  und  für  sich  in  der  Leibeshöhle  gelegenen, 
mit  Zellen  erfüllten  Dotter  ihren  Ursprung  nehmen.  Die  Dottermasse 
wird  in  diesem  letzteren  Falle  offenbar  immer  stärker  von  Zellen  durch- 
setzt; der  Dotter  selbst  erscheint  in  den  Lücken  des  Pseudocöls  gelegen 
und  wird  hier  allmählich  aufgesaugt,  wie  es  scheint.  Seine  Spuren  sind 
noch  als  ziemlich  umfangreiche,  Oeltropfen  ähnliche  Gebilde  in  dem 
zelligen  Netzwerk  zu  erkennen,  welches  den  Fettkörper  der  Larven 
repräsentirt.  Mit  der  allmählichen  Resorption  des  Dotters  und  der  gleich- 
zeitigen weiteren  Ausbildung  der  mesodermalen  Elemente,  geht  die  vor- 
her mit  compakter  Dottermasse  erfüllte  primäre  Leibeshöhle  der  Diplo- 
poden (Fig.  467  und  Fig.  468  B)  zuerst  in  ein  von  zelligem  Maschen- 
werk gebildetes  Pseudocöl  und  schliesslich  in  die  definitive  Gestaltung  der 
Leibeshöhle  über. 

Die  Bildung  der  Leibeshöhle  bei  den  Diplopoden  scheint  Aehnlich- 
keit  mit  derjenigen  von  Moina  zu  haben.  Auch  bei  dieser  Form  liegt,  wie 
schon  erwähnt,  der  Nahrungsdotter  in  der  primären  Leibeshöhle  (vgl.  pag. 
328).  Er  wird  von  Zellen  durchwachsen,  welche  sich  von  den  Mesoderm- 
streifen  ablösten ,  deren  Natur  als  echte  Mesodermzellen  also  nicht  zweifel- 
haft sein  dürfte.  Diese  Zellen  tragen  später  ebenfalls  zur  Bildung  des  Blut- 
gewebes bei.  Ein  ähnliches  Schicksal  haben  wahrscheinlich  auch  die  im  Pseudocöl 
der  Embryonen  von  Musca  zurückbleibenden  Dotterparthien  (pag.   832). 

Die  Bildung  des  Herzens  soll  bei  den  Diplopoden  eben- 
falls auf  die  im  Dotter  enthaltenen  Zellen  zurückzuführen  sein  (?)  Die- 
selben ordnen  sich  im  Pseudocöl  zu  einem  dorsal  gelegenen  Rohr  an. 
Dieses  erscheint  anfangs  noch  unvollkommen  geschlossen  und  gewinnt 
erst  später  einen  festeren  Zusammenhalt.  Regelmässig  gelagerte  Oeff- 
nungen  (Spaltenpaare),  welche  in  ihm  verbleiben,  stellen  die  Ostien  dar. 
In  jedem  Doppelsegment  der  Diplopoden  kommen  zwei  Paare  Ostien 
zur  Ausbildung.  Desgleichen  besitzt  jedes  Doppelsegment  zwei  Paar  von 
Arterien,  welche  in  etwas  mehr  ventraler  Stellung  vom  Herzen  abgehen 
und  direct  in  die  Räume  des  Pseudocöls  führen.  Ventral  vom  Herzen 
wird  ein  Pericardialseptum  gebildet,  welches  den  gleichen  Ursprung  hat 
wie  das  Herz  selbst  (Heathcote). 

Nach  Sograff's  Darstellung  entsteht  das  Herz  von  Geophilus 
aus  einer  Reihe  paariger,  dem  jetzt  schon  zur  Ausbildung  gekommenen 
Darm  aufliegender  Zellenanhäufungen  (Fig.  470  A).    Wenn  gesagt  wird, 


1)  Wir  glauben  die  betreffende  Auffassung  Sograff's  in  richtiger  Weise  wiederzu- 
geben, obwohl  es  schwer  ist,  aus  der  russisch  geschriebenen  Abhandlung  ein  volles 
Verständniss  dieser  einigennassen  verwickelten  Eildungsvorgäuge  zu  gewinnen. 


754 


XXII.  Capitel. 


dass  dieselben  dem  splanchnischen  Blatt  zugehören,  so  ist  damit  wohl 
kaum  vom  splanchnischen  Blatt  im  eigentlichen  Sinne  die  Rede,  sondern 
gewiss  eine  dem  Parenchymgewebe  entstammende  Bekleidung  des  Darmes 
gemeint.  In  diesem  Sinne  spricht  jedenfalls  auch  Heathcote  von  einem 
splanchnischen  und  somatischen  Blatt  (Fig.  468  sp  und  so).  In  jenen  Zell- 
anhäufungen, von  denen  jedes  Paar  einer  späteren  Herzkammer  entspricht 
und  einem  Körpersegment  zugehört,  treten  Höhlungen  auf  (Fig.  470  B). 
Von  den  so  gebildeten  Säcken  verschmelzen  die  beiden  zu  einein  Paar 
gehörigen  mit  einander,  indem  sie  sich  in  der  Mittellinie  zu  einem  einzigen 
Sack  vereinigen.     So  ist  eine  Herzkammer  gebildet,  und   die  Continuität 

der  hintereinander  liegenden 
Kammern  repräsentirt  das 
ganze  Rückengefass  (Fig.466). 
Diese  Bildung  des  Herzens 
zeigt  eine  grosse  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  aus  paari- 
ger Anlage  hervorgehenden 
Rückengefass  der  Anneliden 
(vgl.  pag.  193),  und  wenn 
sie  sich  als  richtig  erweist, 
so  würden  allem  Anschein 
nach  die  Chilopoden  in 
dieser  Beziehung  ursprüng- 
lichere Verhältnisse  aufwei- 
sen, als  sie  selbst  Peripa- 


ftv.  _ 


sie 
tus  besitzt. 


Freilich  ist  dies 


vorläufig    nur 


ganz 


mit  Re- 


Fig.  470.    A  und  B  Theile  von  Qaer: 


chnitten 
f  e  r  r  u  - 
durch 


durch  ältere  Embryonen  von  Geophilus 
gineus  (nach  Sograff).    Die  Schnitte  sind 
die  hintere  Parthie  des  Körpers  geführt. 

d  Dottermasse  mit  Dotterzellen,  dm  Dorsal- 
muskeln, fk  Fettkörpergewebe,  fl  Flügelmuskeln 
des  Herzens,  g  Anlage  der  Genitaldrüsen,  h  die 
paarige  Anlage  des  Herzens,  m  Muskulatur,  md 
Mitteldarm,  we*  mesodermale  Bekleidung  des  Darmes, 
mp  Malpighi'sche   Gelasse. 


serve  auszusprechen,  eine  er- 
neute Untersuchung  der 
Myriopodenentwicklung  aber 
auch  in  dieser  Hinsicht  wie 
in  vielen  anderen  als  sehr 
erwünscht  zu  bezeichnen. 

Die  Körpermuskula- 
tur  nimmt  ihre  Entstehung 

aus  den  der  ectodermalen 
Körperwand  sich  anlagernden 

mesodermalen  Elementen, 
über  deren  Abstammung  nichts 
Sicheres  bekannt  ist,  wie  be- 
reits früher  erwähnt  wurde. 


G.    Die  Speicheldrüsen. 

Obwohl  man  von  vornherein  geneigt  ist,  die  Speicheldrüsen  der 
Myriopoden  für  homolog  mit  denen  der  Insecten  zu  halten  und  sie  dem- 
entsprechend wie  diese  als  ectodermale  Bildungen  anzusehen,  so  muss 
man  sie  auf  Grund  der  bisher  vorliegenden  Angaben  (von  Heathcote) 
doch  zu  den  mesodermalen  Gebilden  zählen.  Danach  sollen  die  Speichel- 
drüsen durch  schlauchförmiges  Auswachsen  des  somatischen  Abschnittes 
vom  Ursegment  des  Unterkiefersegmentes  gebildet  werden.  Wenn  der 
Schlauch  schon  ziemlich  lang  geworden  ist,  öffnet  er  sich  erst  durch  Ver- 


Myriopoden.  755 

Schmelzung  mit  dem  Ectoderm  jederseits  an  der  Basis  der  Unterkiefer- 
platte nach  aussen. 

Wenn  sich  die  Entstehung  der  Speicheldrüsen  aus  dem  Mesoderm  wirk- 
lich bestätigen  sollte,  so  hätte  man  sie  für  umgewandelte  Nephridien  zu 
halten,  während  man  die  Speicheldrüsen  der  Insecten  infolge  ihres  ecto- 
dermalen  Ursprungs  wohl  als  Cruraldrüsen  ansehen  muss.  Die  Speicheldrüsen 
der  Myriopoden  würden  dann  in  gleicher  Weise  wie  diejenigen  des  Peri- 
patus  gebildet  werden  (vgl.  pag.  714),  allerdings  soll  es  dort  die  äussere, 
nicht  die  innere  Abtheilung  des  Ursegmentes  sein,  welche  sie  entstehen  lässt. 
Was  übrigens  die  Frage  der  directen  Homologie  der  Speicheldrüsen  bei  den 
Myriopoden  und  bei  Peripatus  betrifft,  so  ist  dieselbe  identisch  mit 
derjenigen  nach  der  Homologie  der  Mundgliedmaassen  beider  Gruppen.  Die 
Speicheldrüsen  von  Peripatus  gehören  dem  Segment  der  Oralpapillen  zu 
und  die  Frage,  wie  diese  Anhänge  sich  zu  den  Mundwerkzeugen  der  Myrio- 
poden verhalten,  soll  an  anderer  Stelle  erledigt  werden  (pag.  906). 

An  und  für  sich  müssen  wir  sagen,  dass  uns  die  Entstehung  der  Speichel- 
drüsen aus  dem  Mesoderm  nicht  sehr  wahrscheinlich  ist.  Uebrigens  besitzen 
die  Myriopoden  mehrere  Paare  von  Speicheldrüsen  (Herbst,  No.  9) ,  welche 
den  einzelnen  Kopfsegmenten  zukommen,  so  wie  sich  die  Speichel drüsenpaare 
auf  die  Segmente  der  Mandibeln,  Maxillen  und  Unterlippe  bei  den  Insecten 
vertheilen.  Nichts  liegt  näher,  als  an  eine  Homologie  dieser  Gebilde  bei 
Insecten  und  Myriopoden  zu  denken.  Immerhin  würde  es  möglich  sein,  dass 
wie  bei  Peripatus  Drüsen  mesodermalen  und  ectodermalen  Ursprunges  neben 
einander  vorhanden  sein  könnten.  Es  würde  also  nöthig  sein,  vor  allen 
Dingen  den  Entwicklungsmodus  dieser  Drüsen  genau  festzustellen. 

Sind  die  Speicheldrüsen  oder  Kopfdrüsen ,  wie  sie  Herbst  mit  einem 
indifferenten  Namen  nennt,  denn  es  sind  auch  Spinndrüsen  darunter,  sind 
diese  Drüsen  ectodermaler  Natur,  so  Avürde  man  sie  als  Cruraldrüsen  anzu- 
sehen haben.  Solche  (wahrscheinlich  ectodermale)  Drüsen  finden  sich  auch 
am  Rumpf  der  Myriopoden  vielfach  vor  und  werden  den  Cruraldrüsen  des 
Peripatus,  sowie  weiterhin  den  Parapodialdrüsen  der  Anneliden  ver- 
glichen. Die  betreffenden  Drüsen  der  Myriopoden  sind  sehr  mannigfacher 
Natur.  Eine  ausführliche  Darstellung  dieser  Verhältnisse  findet  sich  bei 
Eisig  (No.  2).  Dieser  Forscher  war  übrigens  geneigt,  die  Wehrdrüsen, 
welche  wir  oben  nach  den  Untersuchungen  von  Metschxteoff  und  Heath- 
cote  als  ectodermal  schilderten,  als  umgewandelte  Nephridien  anzusehen. 

H.   Die  Genitalorgane. 

Das  Wenige,  was  man  bis  jetzt  über  die  Bildung  der  Genitalorgane 
weiss,  bezieht  sich  auf  die  Geschlechtsdrüsen  der  Diplopoden.  Die- 
selben gehen  wie  bei  Peripatus  aus  dem  somatischen  Theil  der  Ur- 
segmente  hervor,  der  aber  nicht  wie  dort  gegen  die  Dorsalseite  vorrückt, 
sondern  in  ventraler  Lagerung  verbleibt.  Zur  Bildung  der  Geschlechts- 
drüsen wird  eine  grössere  Anzahl  von  Ursegmenten  verwendet.  Die 
somatische  Farthie  derselben  rückt  gegen  die  Medianlinie  hin  und  lagert 
sich  über  die  Bauchganglienkette.  Die  Cölomsäcke  der  rechten  und 
linken  Seite  jedes  Segmentes  berühren  sich  in  der  Mittellinie.  Ungefähr 
zur  Zeit,  wenn  der  Embryo  ausschlüpft,  verschmelzen  sie  beide  mit  ein- 
ander, so  dass  ihre  Höhlungen  zusammenfliessen,  und  indem  sich  auch 
die  hinter  einander  liegenden  Cölomsäcke  vereinigen,  wird  ein  längeres 
Rohr  gebildet,  welches  zwischen  Bauchganglienkette  und  Darm  gelegen 
ist.     Damit  ist  die  Genitalröhre  gebildet. 


756  XXII.  Capitel. 

Ueber  das  Verhältniss  der  Genitalröhre  zu  den  Ausführungsgängen,  so- 
wie über  deren  Entstehung  und  Bedeutung  fehlen  sichere  Angaben.  Bei 
Peripatus  entsprechen  die  Ausführungsgänge  bekanntlich  einem  Paar  Ne- 
phridien.  Sie  münden  hinten  am  Körper  aus.  Bei  den  Myriopoden  besitzt 
diese  Frage  deshalb  ein  besonderes  Interesse,  weil  die  Genitalorgane  bei  den 
Chilopoden  hinten  (am  vorletzten  Körpersegment),  bei  den  Diplopoden 
dagegen  ziemlich  weit  vorn  (hinter  dem  zweiten  Beinpaar)  ausmünden.  Wir 
sind  geneigt,  das  Verhalten  der  Chilopoden  für  das  ursprünglichere  zu  halten 
und  bei  den  Diplopoden  eine  secundäre  Verlagerung  der  Ausführungs- 
gänge nach  vorn  anzunehmen,  welcher  Vorgang  noch  am  ehesten  durch  die 
Verwendung  eines  anderen  Nephridienpaares  zu  erklären  ist.  An  eine  Ver- 
schiebung der  Geschlechtsöffnung  durch  Eintreten  der  Knospung  hinter  diesem 
Segment  und  Ausfallen  vorderer  Segmente  zu  denken,  scheint  ganz  unstatthaft. 

Die  Lagerung  der  Geschlechtsdrüsen  erscheint  uns  bei  den  Chilo- 
poden ebenfalls  ursprünglicher  und  wie  die  Lage  der  Ausführungsgänge  mehr 
dem  Verhalten  von  Peripatus  entsprechend.  Sie  liegen  nämlich  dorsal 
vom  Darm  und  erscheinen  beim  Embryo  als  zwei  Zellenanhäufungen  neben 
dem  Rückengefäss  (Fig.  470  B,  g).  Leider  fehlt  bisher  eine  genauere 
Kenntniss  ihrer  Entstehung. 

Allgemeines. 

Bei  der  Betrachtung  der  Myriopodenentwieklung  drängen  sich  zwei 
wichtige  Fragen  auf,  nämlich  die,  ob  sich  durch  die  Entwicklungs- 
geschichte der  Myriopoden  nähere  Beziehungen  derselben  zu  dem  Peri- 
patus ergeben,  und  wie  sie  sich  zu  der  Insectenentwicklung  ver- 
hält. Da  uns  die  Myriopoden  in  gewissem  Sinne  als  Mittelformen 
zwischen  den  Insecten  und  Onychop hören  erscheinen,  liegen  diese 
Fragen  sehr  nahe.  Freilich  muss  dazu  sofort  bemerkt  werden,  dass  die 
Entwicklung  der  Myriopoden  bisher  noch  zu  wenig  bekannt  ist,  um  auf 
jene  Fragen  eine  so  befriedigende  Antwort  zu  geben,  wie  man  sie  viel» 
leicht  von  ihr  erwarten  dürfte. 

Schon  bezüglich  der  ersten  Entwicklungsvorgänge  der  Myriopoden- 
eier  schweben  wir  im  Hinblick  auf  einen  Vergleich  mit  Peripatus 
ziemlich  im  Ungewissen.  Den  Myriopodeneiern  kommt  eine  superficielle 
Furchung  mit  Zerklüftung  des  Dotters  zu,  und  Aehnliches  ist  auch  für  die 
dotterreichen  Eier  des  neuseeländischen  Peripatus  angegeben  worden 
(Fig.  418.4,  pag.  680).  Die  Eier  der  anderen  Peripatus  arten  furchen 
sich  total,  wie  wir  sahen,  doch  Hess  sich  dieses  Verhalten  mit  ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit  als  ein  secundäres  darstellen.  Es  ist  übrigens  hierbei 
von  Interesse,  dass  man  auch  den  niederststehenden  Insecten  (Po duren) 
eine  totale  Furchung  zugeschrieben  hat,  obwohl  sichere  Nachrichten 
hierüber  noch  abzuwarten  sind. 

Die  Keimblätterbildung  der  Myriopoden  ist  noch  zu  wenig  bekannt, 
als  dass  sich  darauf  sichere  Schlüsse  bauen  Hessen,  dagegen  bietet  die 
äussere  Körpergestaltung  einige,  wenn  auch  nicht  sehr  sichere  Vergleichs- 
punkte. Es  wurde  gezeigt,  dass  der  Myriopodenembryo  bereits  in  früher 
Zeit  der  Entwicklung  eine  starke  ventrale  Krümmung  erleidet,  die  zu 
einer  Versenkung  des  ganzen  Keimstreifens  in  den  Dotter  führen  kann 
(Fig.  455 — 458,  pag.  731  und  ff.).  Aehnliches  könnte  aus  den  Angaben 
und  Zeichnungen  von  L.  Sheldon  für  Peripatus  entnommen  werden, 
und  es  scheint  nicht  unmöglich,  dass  diese  Entwicklungsvorgänge  der 
Myriopoden  und  Insecten  auch  bei  Peripatus  schon  vorbereitet  sind. 


Myriopoden.  757 

Als  Merkmal  einer  ziemlich  niederen  Stufe  der  Entwicklung  und 
gleichzeitig  als  Vergleichungspunkte  mit  der  Peripatusentwicklung  dürften 
die  vermeintlichen  Ventralorgane  (von  Kopf  und  Rumpf),  die  Fortsetzung 
der  Ursegmente  in  die  Extremitäten,  besonders  in  die  Antennen,  das  Ver- 
halten der  ectodermalen  (dural-)  Drüsen  und  der  (vielleicht  dem  Meso- 
derm  entstammenden)  Speicheldrüsen,  die  zweitheilige  Anlage  des  Herzens 
und  die  ähnlich  wie  bei  Peripatus  erfolgende  Bildung  der  Genitalorgane 
anzusehen  sein ;  aber  leider  sind  unsere  Kenntnisse  der  betreffenden  Ent- 
wicklungs-Vorgänge nicht  ausreichend,  um  diese  Vermuthungen  zu  einiger 
Sicherheit  zu  erheben.  Besser  steht  es  um  die  Kenntniss  der  ausgebil- 
deten Thiere,  und  in  dieser  Beziehung  macht  es  die  Beschaffenheit  der 
Mund  Werkzeuge,  die  Gliederung  des  Nervensystems,  der  Bau  der  Augen, 
das  Vorhandensein  der  MALPiomVlien  Gefässe,  sowie  das  Verhalten  des 
Blutgefässsystems  und  der  Leibeshöhle  zweifellos,  dass  die  Myriopoden 
in  naher  Verwandtschaft  zu  den  Insecten  stehen.  Den  bei  weitem  auf- 
fälligsten Uebereinstimmungspunkt  bilden  die  Tracheen.  Sie  sind  von 
ganz  gleicher  Beschaffenheit  wie  bei  den  Insecten.  Wenn  wir  diesem 
Punkt  hier  so  grosse  Wichtigkeit  zuschreiben,  während  wir  ihn  bei  der 
Vergleichung  der  Arachniden  mit  den  Insecten  nicht  (pag.  638)  gelten 
Hessen,  so  liegt  dies  daran,  dass  sich  eine  Ableitung  der  langgestreckten 
und  ziemlich  homonom  gegliederten  Myriopoden  von  peripatusähnlichen, 
bereits  mit  Tracheen  versehenen  Formen  von  selbst  darbietet,  während 
einer  derartigen  Ableitung  der  Arachniden  grosse  Schwierigkeiten  entgegen- 
stehen, welche  bereits  früher  eingehender  besprochen  wurden  (pag.  635). 

Trotz  der  grossen  Uebereinstimmung  des  Tracheensystems  der  Myrio- 
poden und  Insecten  im  ausgebildeten  Zustand,  scheint  bei  den  ersteren 
doch  eine  Thatsache  auf  das  Verhalten  des  Peripatus  hinzuweisen. 
Wie  bei  diesem  treten  auch  bei  den  Myriopoden  die  Tracheen  sehr  spät 
auf;  sie  sollen  erst  zur  Zeit  der  postembryonalen  Entwicklung  gebildet 
werden,  während  sie  bei  den  Insecten  bereits  in  frühen  Stadien  der 
Embryonalentwicklung  zur  Anlage  kommen. 

Als  eine  Thatsache  von  grösserer  Bedeutung  könnte  auf  den  ersten 
Blick  das  Auftreten  von  Jugendformen  erscheinen,  welche  nur  mit  ver- 
hältnissmässig  wenigen  Segmenten  und  noch  weniger  Gliedmaassenpaaren 
ausgestattet  sind,  um  so  mehr,  da  dieselben  eine  grosse  Aehnlichkeit  im 
Habitus  mit  den  Jugendformen  der  niedrigststehenden  Insecten,  nämlich 
der  Thysanuren,  besitzen.  Wir  kommen  damit  zu  der  Frage,  ob  die 
reiche  Segmentzahl  des  Myriopodenkörpers  überhaupt  einen  primitiven 
Zustand  darstellt  oder  als  ein  erworbener  Charakter  anzusehen  ist.  Wir 
möchten  diese  Frage  dahin  beantworten,  dass  die  Stammform  der  Myrio- 
poden allerdings  eine  aus  einer  ziemlich  grossen  Anzahl  von  Segmenten  be- 
stehende, ähnlich  wie  Peripatus  homonom  gegliederte  Form  war,  aber 
wir  möchten  mit  E.  Haase  (No.  5)  annehmen,  dass  die  grosse  Zahl  von 
Segmenten,  wie  wir  sie  jetzt  bei  den  Myriopoden  finden,  eine  spätere 
Erwerbung  dieser  Formen  darstellt.  Man  hat  diese  immer  weiter  fort- 
schreitende Verlängerung  des  Körpers  durch  die  Lebensweise  der  Myrio- 
poden erklärt,  welche  eine  derartige  Ausbildung  des  Körpers  mit  sich 
bringt,  ähnlich  wie  bei  den  Schlangen  unter  den  Wirbel thieren.  Es  ist 
von  Interesse,  wie  diese  Verlängerung  des  Körpers  auch  eine  Modification 
der  morphologischen  Charaktere  desselben  zur  Folge  hat.  Bei  den  aus 
zahlreichen  Segmenten  bestehenden  Chi lop öden  schieben  sich  nämlich 
in  die  weiche  intersegmentale  Bauchhaut  unpaare  Chitinplatten  ein,  welche 
bei  den  kürzeren  Chilopoden  nur  wenig  entwickelt  sind,  mit  zunehmender 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  49 


758  XXII.  Capitel. 

Länge  und  Segmentzahl  jedoch  zu  breiteren  Bauchplatten,  den  unpaaren 
Scuta,  werden  (Haase,  No.  6). 

Die  für  Insecten  und  Myriopoden  gemeinsame  Urform  hat  man  vielfach 
in  der  Nähe  der  S y m p h y  1  e n  gesucht ;  aber  Scolopendrella,  welcher 
man  wegen  ihrer  auffallenden  Uebereinstimmung  mit  den  Thysanuren 
(Fig.  534  und  535,  pag.  880)  diese  hohe  Bedeutung  beilegte,  zeigt  eben- 
sowohl wie  die  letzteren  selbst  gewisse  Organisationsverhältnisse,  welche 
sie  so  wenig  wie  diese  als  eine  vollständig  ursprüngliche  Form  erscheinen 
lassen.  Wir  zweifeln  zwar  nicht  daran,  dass  die  Symphylen  sowohl  wie 
die  Thysanuren  sehr  alte  Formen  sind,  möchten  aber  für  die  Myriopoden 
eine  noch  ursprünglicher  organisirte  Stammform  in  Anspruch  nehmen, 
von  welcher  sich  die  Symphylen  bereits  etwas,  die  Thysanuren  aber 
noch  mehr  entfernt  haben.  Die  Differenz! rung  eines  Thorax,  welche  die 
letzteren  als  wichtigen  Charakter  bereits  besitzen,  während  sie  bei  den 
Myriopoden  erst  angedeutet  erscheint,  wird  bei  Behandlung  der  Insecten 
(pag.  880)  besprochen  werden. 

Die  Myriopoden,  welche  mit  wenig  Segmenten  und  mit  nur  drei 
wohlausgebildeten  Beinpaaren  wie  die  meisten  Insectenlarven  das  Ei  ver- 
lassen, sind  die  Diplopoden;  die  Chilopoden  schlüpfen  stets  mit 
einer  grösseren  oder  der  vollen  Anzahl  von  Segmenten  und  Beinpaaren 
aus  dem  Ei.  Man  würde  geneigt  sein,  dieses  Verhalten  als  das  ursprüng- 
lichere anzusehen,  zumal  auch  Peripatus  beim  Ausschlüpfen  die  volle 
Segmentzahl  besitzt,  wenn  nicht  die  gesammte  Organisation  es  zweifel- 
haft erscheinen  Hesse,  welche  von  den  beiden  Abtheilungen  die  ursprüng- 
lichere ist,  die  Chilopoden  oder  die  Diplopoden. 

Wie  die  spätere  Entwicklung  scheint  auch  die  Einkrümmung  des 
Embryos  bei  den  Chilopoden  auf  eine  ursprünglichere  Weise  zu  verlaufen, 
da  sie  nur  als  eine  Folge  des  Längenwachsthums  erscheint,  während  die 
frühe  Einknickung  des  Keimstreifens  der  Diplopoden  eine  solche 
natürliche  Erklärung  nicht  zulässt,  sondern  viel  eher  als  ein  abgeleitetes 
Verhalten  angesehen  werden  muss.  Dagegen  scheint  die  drehrunde  Ge- 
stalt des  Diplopodenkörpers  einen  ursprünglicheren  Zustand  darzustellen, 
da  auch  der  Chilopodenembryo  drehrund  ist  und  erst  nach  dem  Aus- 
schlüpfen die  dorsoventrale  Abplattung  erfährt. 

Während  bei  den  Chilopoden  jeder  Körperring  ein  Beinpaar  trägt, 
sehen  wir  bei  den  Diplopoden  je  zwei  Segmente  zu  einem  Körperring 
verschmelzen,  der  nunmehr  mit  zwei  Beinpaaren  versehen  ist.  Die  Ent- 
wicklungsgeschichte hat  gezeigt,  dass  für  jeden  Körperring  der  Diplopoden 
zwei  Ursegmentpaare  und  zwei  Ganglien  angelegt  werden;  somit  ist  die 
Natur  dieser  Körperringe  als  Doppelsegmente  nicht  mehr  zweifelhaft. 
Hierin  liegt  sicher  ein  secundärer  Charakter  der  Diplopoden;  dafür  ver- 
halten sich  aber  ihre  Mundtheile  insofern  einfacher,  als  die  Diplopoden  wahr- 
scheinlicher Weise  nur  ein  Paar  Unterkiefer  besitzen,  bei  den  Chilopoden 
aber  zu  diesem  Paar  noch  zwei  weitere  Extremitätenpaare  als  Hilfswerk  - 
zeuge  bei  dem  Kaugeschäft  hinzugezogen  werden.  —  Das  Tracheensystem 
ist  bei  den  Diplopoden  einfacher,  bei  den  Chilopoden  hingegen  compli- 
cirter  gestaltet,  dafür  tritt  aber  wieder  bei  den  letzteren  ein  ursprüng- 
licheres Verhalten  der  Genitalorgane  hervor,  indem  die  Geschlechtsdrüsen 
dorsal  vom  Darm  angelegt  werden  (wie  bei  Peripatus)  und  diese  Lagerung 
beibehalten,  während  sie  bei  den  Diplopoden  ventral  vom  Darm  gefunden 
werden.  Im  ersteren  Falle  gehört  die  Geschlechtsöffnung  dem  vorletzten 
Körpersegment  an,  im  letzteren  liegt  sie  dem  vorderen  Körperende  ge- 
nähert zwischen   dem  zweiten  und  dritten  Rumpfsegment.     Wir  werden 


Myriopoden.  759 

kaum  daran  zweifeln,  dass  die  Lagerung  der  Geschlechtsöffnung  am 
hinteren  Körperende  den  urprünglichen  Zustand  darstellt  und  im  anderen 
Falle  eine  Modification   dieses  ursprünglichen  Zustandes  eingetreten  ist. 

Wenn  zu  alledem  hinzukommt,  dass  die  Diplopoden  für  die  paläonto- 
logisch älteren,  die  Chilopoden  für  die  jüngeren  Formen  gelten,  so  wird 
man  nur  sagen  können,  dass  auch  sie  sich  schon  früh  von  der  gemein- 
samen Stammform  getrennt  Infben  und  jeder  Zweig,  sich  für  sich  weiter 
entwickelnd,  neue  Charaktere  erwarb,  aber  auch  alte  Merkmale  beibe- 
hielt, welche  jedoch  in  beiden  Gruppen  in  Folge  der  getrennten  Fort- 
entwicklung nicht  die  gleichen  waren. 

Das  wichtigste  Merkmal  in  der  Organisation  der  Myriopoden  ist  die 
gleichartige  Ausbildung  der  Rumpfsegmente  und  der  damit  im  Zusammen- 
hang stehende  Besitz  von  Gliedmaassen  an  allen  oder  doch  beinahe  allen 
Rumpfsegmenten.  Dieses  Merkmal  verleiht  den  Myriopoden  einen  be- 
sonders primitiven  Charakter  und  nähert  sie  denjenigen  segmentirten 
Formen,  welche  ebenfalls  eine  homonome  Gliederung  des  Körpers  auf- 
weisen, nämlich  dem  Peripatus  und  den  Anneliden. 


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49* 


760  XXII.  Capitel. 

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21.  Stecker,  A.     Die  Anlage  der  Keimblätter  bei  den  Diplopoden.    Arch.  f.  mikroskop. 

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XXIII.  Capitel. 

I  N  S  E  C  T  B  N. 


Systematik  (nach  Brauer  No.  146): 

A.  Apterygogenea. 

a.  Thysanura  (Campodea,  Japyx,  Machilis,  Lepisma) 

b.  Collembola  (Podura,  Sminthurus). 

B.  Pterygogenea. 
a.  Dermaptera  (Forficula). 

E  p  h  e  m  e  r  i  d  a  e. 

Odonata  (Libellulidae). 

Plecoptera  (Perlariae). 

Orthoptera  genuin a  (Blattidae,  Phasmidae, 

Mantidae,  Saltatoria). 

Corrodentia    (Termitidae,    Psocidae,    Mallo- 

phaga). 

Thysanoptera  (Physapoda,  Thrips). 
h.  Khynchota. 

i.  Neuroptera  (Sialidae,  Megaloptera). 
k.  Panorpatae. 
1.  Trichoptera  (Phryganea). 
m.  Lepidoptera. 
n.  Diptera. 
o.  Siphonaptera. 
p.  Coleoptera. 
q.  Hy menoptera. 


b. 
c. 
d. 
e. 

f. 


g- 


Homomorpha. 


Heteromorpha. 


I.   Embryonalentwicklung. 

1.   Eiablage  und  Bau  des  reifen  Eies. 

Die  Eier  der  meisten  Insecten  werden  abgelegt.  Nur  verhältniss- 
mässig  wenige  Formen  sind  vivipar,  z.  B.  die  parthenogenetischen  Gene- 
rationen der  Apilid en,  manche  Dipteren  (Sarcophaga,  T ach inen, 
Oestriden,  Pupiparen,  Cecidomyialarven),  die  Stylopiden 
und  einige  Käfer  (manche  Staphylinen).  Die  abgelegten  Eier  zeigen  sich 
durch  die  mannigfaltigsten  Einrichtungen  gegen  äussere  Schädlichkeiten 
geschützt,  sei  es,  dass  sie  an  einer  Unterlage  festgeklebt  werden,  oder  in 


762  XXIII.  Capitel. 

das  Wasser,  unter  die  Erde  oder  in  das  Innere  von  Pflanzentheilen  ab- 
gelegt werden.  Im  letzteren  Falle  wird  durch  die  Eiablage  vielfach  zur 
Entstehung  von  Pflanzenauswüchsen  (Gallen)  Veranlassung  gegeben.  Jene 
Insecten,  deren  Larven  als  Parasiten  in  der  Leibeshöhle  anderer  Insecten 
leben  (Pteromalinen),  pflegen  ihre  Eier  in  den  Körper  der  künftigen 
Wirthe  abzulegen,  wo  dann  die  embryonale  und  postembryonale  Ent- 
wicklung durchlaufen  wird.  Manche  Insecten  setzen  ihre  Eier  von  einem 
Gespinnst  umschlossen  ab.  Andere  umhüllen  dieselben  mit  einem  Secret, 
welches  bei  den  in  das  Wasser  abgelegten  Eiern  gallertartig  aufquillt 
(Laichmassender  Culiciden  und  Phryganiden),  bei  anderen  an  der 
Luft  zu  einer  festeren  Kapsel  erhärtet  (sog.  Eicocon  von  Periplaneta 
und  von  Mantis)  etc. 

Die  Eier  der  Insecten  zeichnen  sich  meist  durch  ihre  ansehnliche 
Grösse  aus.  Hinsichtlich  ihrer  Form  zeigen  sie  grosse  Mannigfaltigkeit; 
im  Allgemeinen  herrscht  die  ovale,  nach  der  Richtung  der  Längsaxe  ge- 
streckte Grundform  vor.  Bei  diesen  ist  häufig  durch  beträchtlichere 
Krümmung  der  einen  Längsseite  ein  Unterschied  der  späteren  Dorsal- 
und  Ventralseite  angedeutet  (vgl.  Fig.  471  d  und  v). 

Das  reife  Ei  ist  von  zwei  Hüllen  eingeschlossen,  einer  inneren,  vom 
Ei  durch  Erhärtung  der  Aussenschicht  selbst  producirten,  der  Mem- 
brana vi  teil  i  na  (Dotterhäutchen,  Fig.  471  dh)  und  einer  äusseren, 
von  den  Follikelzellen  abgeschiedenen,  dem  Chorion  (ch);  das  letztere 
zerfällt  zuweilen  wieder  in  zwei  Schichten,  eine  innere,  das  Endochorion, 
und  eine  äussere,  das  Exochorion.  Während  sich  das  Dotterhäutchen  ge- 
wöhnlich als  völlig  homogene,  zarte,  structurlose  Membran  darstellt,  be- 
hält das  Chorion  nur  selten  eine  ähnliche  Beschaffenheit  bei.  In  den 
meisten  Fällen  entsteht  durch  netzartig  verlaufende  Verdickungsleisten 
(den  Ausdruck  des  zelligen  Baues  des  Follikelepithels)  ein  für  die  ver- 
schiedenen Gattungen  und  Arten  äusserst  mannigfaltiges  Relief  der 
Oberfläche. 

Das  Chorion  zeigt  eine  oder  mehrere  Durchbrechungen  zum  Durch- 
tritt der  Spermatozoen  (Micropylen,  Fig.  471  m)  und  da  in  der  Um- 
gebung dieser  Micropylen  das  Chorion  meist  eine  andersartige  Beschaffen- 
heit annimmt,  so  entsteht  auf  diese  Weise  ein  häufig  ungemein  compli- 
cirter  Micropylapparat,  in  dessen  Umkreise  das  Dotterhäutchen  an  das 
Chorion  festgeheftet  erscheint  (vgl.  Fig.  471),  so  dass  die  Durchbohrung 
sowohl  das  Chorion,  als  auch  das  Dotterhäutchen  durchsetzt. 

Wir  unterscheiden  an  den  Insecteneiern  stets  einen  vorderen  und 
hinteren  Eipol.  Als  vorderer  Pol  wird  jener  bezeichnet,  der  im  Mutter- 
leibe gegen  das  Kopfende  der  Mutter  zu  gelagert  ist,  also  dem  oberen 
Ende  der  Ovarialröhre  entspricht.  An  diesem  vorderen  Pole  liegt  in 
den  späteren  Stadien  der  embryonalen  Entwicklung  stets  das  Kopfende 
des  Embryos,  während  dessen  Hinterende  dem  hinteren  Pole  des  Eies 
zugewendet  ist.  Der  Micropylapparat  ist  in  den  meisten  Fällen  am  vor- 
deren Pole  des  Eies  gelagert. 

Häufig  ist  dem  Micropylfelde  aussen  eine  Kappe  von  Gallertmasse  (Fig. 
471  g)  aufgelagert,  welche  sich  als  Hülle  über  einen  grossen  Theil  des  Eies 
oder  die  gesammte  Oberfläche  desselben  ausdehnen  kann. 

An  dem  Eie  selbst  trennt  sich  in  den  meisten  Fällen  eine  ober- 
flächliche, aus  Protoplasma  oder  Bildungsdotter  bestehende  Schicht 
(Fig.  471  fy  von  den  inneren  Parthien  des  Eies ,  die  zum  grossen 
Theil  aus  Nahrungsdotterelementen  (do)  zusammengesetzt  sind.  Die 
oberflächliche  Protoplasmaschicht,   welche  Weismann  (No.  87)  als  Keim- 


Insecten. 


763 


hautblastem  bezeichnete,  wurde  bisher  nur  in  wenigen  Fällen  voll- 
ständig vermisst,  doch  stellt  sie  meist  nur  eine  ganz  dünne  Schicht  von 
geringer  Mächtigkeit  dar,  deren  Masse  gegenüber  der  Menge  des  central 
gelagerten  Nahrungsdotters  eine  fast  verschwindende  zu  nennen  ist.  Nur 
gewisse  Eier  kleinerer  Insectenformen  müssen  als  verhältnissmässig  dotter- 
arm bezeichnet  werden.  Es  sind  dies  zum  Theil  Formen,  bei  denen  die 
aus  dem  Ei  entschlüpfenden  Jugendstadien  durch  geringe  Grösse  sich 
kennzeichnen  (ovipare  Aphiden),  oder  bei  denen  auf  anderweitige  Weise 
für  die  Ernährung  des  sich  entwickelnden  Eies  gesorgt  ist,  sei  es, 
dass  dasselbe  im  Mutterleibe  zur  Entwicklung 
kommt  (vivipare  Aphiden) ,  sei  es ,  dass  es 
endoparasitisch  in  der  Leibeshöhlenflüssigkeit 
anderer  Insecten  seine  Entwicklung  durchläuft 
(Pteromalinen).  Bei  allen  diesen  Formen  ist 
die  Dotterarmuth  von  maassgebendem  Einflüsse 
auf  den  Ablauf  der  Embryonalentwicklung,  wie 
wir  später  sehen  werden.  Wahrscheinlich  sind 
aber  diese  Abänderungen  secundäre,  und  das  r_ 
mit  reichen  Nahrungsdotterm  engen  versehene 
Ei  ist  wohl  als  der  ursprüngliche  Typus  des 
Insecteneies  zu  betrachten. 

Die  centrale,  dotterreiche  Masse  (äo)  des 
Insecteneies  besteht  zum  grössten  Theile  aus 
Nahrungsdotterkugeln,  ferner  aus  kugeligen 
Fetttropfen,  zwischen  denen  ein  feines  Netz- 
werk von  Protoplasma  (Bildungsdotter)  sich  aus- 
dehnt. Die  Elemente  des  Nahrungdotters  er- 
scheinen als  stark  lichtbrechende,  kugelige  oder 
durch  gegenseitigen  Druck  polygonal  abgeplat- 
tete, anscheinend  structurlose,  homogene  Körper. 

Das  Keimbläschen  des  reifenden  Insecten- 
eies ist  in  den  centralen  Parthien  desselben 
gelagert  und  zeigt  sich  als  grosser  bläschen- 
förmiger, mit  spärlichem  Chromatingerüst  ver- 
sehener Zellkern.  Gegen  das  Ende  der  Ei- 
reifung  rückt  er  an  die  Oberfläche  des  Eies 
und  wandelt  sich  daselbst  in  eine  Bichtungs- 
spindel  um  (Blochmank,  No.  5). 


d 


Die  Lage  der  Richtungsspindel  ist  für  die 
einzelnen  Insectengruppen  eine  verschiedene.  Bei 
einigen  (Pieris)  liegt  sie  direct  am  vorderen  Ei- 
pole,  bei  den  meisten  dagegen  an  einer  Längs- 
seite des  Eies.  So  fand  sie  Blochmank  (No.  5) 
bei  Blatt a  in  der  Mitte  der  Rückenseite  und 
auch  bei  Mus  ca  an  der  concaven  (Rücken-)Seite 
des  Eies,  1/s — 1U  der  Gesammtlänge  (vgl.  Fig. 
471  r)  hinter  dem  vorderen  Eipole.  Bei  den 
Ameisen  findet  sie  sich  auch  seitlich,  doch  dem 
vorderen  Eipole  genähert,  während  sie  bei  den 
Aphiden  die  Mitte  einer  Längsseite  des  Eies  ein- 
nimmt. Bei  Hydrophilus  (Heidek)  liegt  sie  etwas 
hinter  der  Mitte  einer  Längsseite. 


Fig.  471.  Schematischer 
Medianschnitt  durch  das  Ei 
von  Mnsca  im  Stadium  der 
Befruchtung  (im  Anschlüsse 
an  Zeichnungen  von  Henking 
und  Blochmann). 

ch  Chorion,  d  Dorsalseite 
des  Eies,  dh  Dotterhäutehen, 
do  Nahrungsdotter,  g  Gallert- 
aufsatz über  der  Micropyie, 
k  oberflächliche  Plasmarinde 
(sog.  Keimhautblastem) ,  m 
Micropyie,  p  männlicher  und 
weiblicher  Pronucleus  vor  der 
Copulation,rKichtungskörper, 
v  Ventralseite  des  Eies. 


764  XXIII.  Capitel. 

2.    Furchung  und  Blastodermbildung. 

Die  Furchung  verläuft  bei  den  Insecten1)  ganz  allgemein  nach  dem 
bei  den  Arthropoden  so  sehr  verbreiteten  reinen  superfiziellen  Typus 
(vgl.  oben  pag.  316).  Der  (bei  den  befruchteten  Eiern  aus  der  Ver- 
einigung des  Spermakerns  mit  dem  2  Pronucleus  hervorgegangene)  erste 
Furchungskern  rückt  nach  dem  Inneren  des  Eies,  um  sich  daselbst  auf  dem 
Wege  der  indirecten  Kerntheilung  zu  vermehren  (vgl.  Fig.  473  A,  pag.  766 
und  Fig.  516  A,  B,  C,  f,  pag.  845).  Die  Entstehung  zahlreicher  Furchungs- 
kerne  als  Abkömmlinge  des  ersten  ist  nur  bei  kleinen  dotterarmen  In- 
secteneiern  (Aphiden,  Cecidomya,  Gallwespen)  direct  verfolgt  worden. 
Doch  kann  es  auch  für  die  grösseren,  nahrungsdotterreichen  Eier  der 
übrigen  Insecten  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  jene  zahlreichen  Furchungs- 
kerne,  welche  sich  bald  nach  der  Eiablage  im  Inneren  des  Eies,  zwischen 
Nahrungsdotterkugeln  zerstreut  und  von  einem  sternförmigen  Protoplasma- 
hofe umhüllt  vorfinden  und  welche  die  Bildungselemente  des  Blastoderms 
darstellen,  thatsächlich  durch  indirecte  Kerntheilung  aus  dem  ersten 
Furchungskern  hervorgegangen  sind.  Es  ist  zwar  vermuthungsweise  von 
Tichomiroff  für  das  Ei  des  Seidenspinners  und  bestimmter  von  Henking 
(No.  39)  für  Musca  die  Entstehung  dieser  Kerne  in  den  zwischen 
Dottermassen  zerstreuten  Plasmainseln  durch  freie  Kernbildung  behauptet 
worden.  Doch  scheint  uns  diese  Ansicht  durchaus  unhaltbar.  Gegen 
dieselbe  spricht  die  Beobachtung  Blochmann's  (No.  5),  wonach  bei  Musca 
sämmtliche  Furchungskerne  gleichzeitig  sich  dem  Theilungsacte  unter- 
ziehen (Fig.  472  C),  was  darauf  hindeutet,  dass  wir  in  denselben  eine 
Generation  gleichaltriger  Abkömmlinge  des  ersten  Furchungskernes  vor- 
liegen haben;  vor  Allem  aber  sprechen  dagegen  die  oben  angeführten, 
an  kleinen,  der  directen  Beobachtung  zugänglichen  Insecteneiern  gefun- 
denen Thatsachen. 

Nach  Weismann  (No.  89)  theilt  sich  der  erste  Furchungskern  bei 
Rhodites  rosae  und  Biorhiza  aptera  (Gallwespen)  zunächst  in  zwei 
Kerne,  welche  nach  der  Richtung  der  Längsaxe  des  Eies  auseinanderrücken 
und  nach  ihrer  Lagerung  als  vorderer  und  hinterer  Pol  kern  be- 
zeichnet werden.  Während  der  vordere  Polkern  nun  längere  Zeit  inactiv  bleibt, 
entstehen  durch  eine  Art  von  Knospung  (?)  vom  hinteren  Polkern  aus  zahlreiche 
Kerne,  welche  an  der  Bildung  des  Blastoderms  sich  betlieiligen.  Von  dem 
vorderen  Polkcrne  dagegen  sollen  nach  vollendeter  Blastodermbildung  durch 
Theilung  die  Kerne  der  sog.  inneren  Keimzellen  oder  Dotterzellen  hervor- 
gehen. 

Die. Vorgänge  der  Blastodermbildung  an  grösseren  und  dotterreichen 
Insecteneiern  wurden  zuerst  von  Bobretzky  (No.  6)  und  Graber  (No.  149) 
mit  Hülfe  der  Schnittmethode  eingehender  verfolgt.  In  neuerer  Zeit  sind 
besonders  die  Beobachtungen  Blochmann's  (No.  5)  für  Musca  von 
Wichtigkeit  geworden,  mit  denen  die  Befunde  von  Heider  (No.  38)  an 
Hydrophilus  übereinstimmen.  Die  Furchungskerne  liegen  zunächst 
im  Centrum  des  Eies  ungefähr  in  der  Längsaxe  desselben  (Fig.  473  A). 
Jeder   dieser  Kerne  (f)   ist   von    einer   sternförmigen  Protoplasmamasse 


')  Uljanin  (No.  83)  glaubt,  dass  bei  den  Poduriden  eine  totale  und  äquale 
Fiirchung  vorkomme.  Dagegen  scheint  aus  den  Untersuchungen  Lemoine's  hervor- 
zugehen, dass  auch  hier  die  Furchung  eine  superficielle  sei.  Den  gleichen  Schluss 
glaubt  Gkassi  (No.  33)  aus  den  Verhältnissen  des  Nahrungsdotters  späterer  Stadien 
für  Japyx  ziehen  zu  können. 


Insecten. 


765 


^^mm^d 


umgeben  und  daher  ist  das  Ganze  einer  amöboiden  Wanderzelle  nicht  un- 
ähnlich. Da  jedoch  alle  diese  Plasmainseln  durch  ein  feines  Netzwerk 
von  Ausläufern  verbunden  sind,  so  stellen  alle  diese  im  Inneren  des 
Dotters  befindlichen  Zellen  ein  Syncytium  dar.  Wenngleich  daher  eine 
Abgrenzung  zwischen  diesen  Bildungscentren  noch  nicht  vorhanden  ist, 
so   werden  sie  doch  schon  —  wenn 

auch     incorrecter    Weise    —    als 
Furchung szellen  bezeichnet. 

In  späteren  Stadien  rücken  diese 
„Furchungszellen"  etwas  mehr  gegen 
die  Oberfläche  des  Eies  und  ordnen 
sich  in  einer  Sphäre  an  (Fig.  472  A, 
473  B) ,  welche  der  letzteren  unge- 
fähr parallel  ist.  Man  findet  sie  da- 
her an  Querschnitten  durch  das  Ei 
kreisförmig  (Fig.  472  A)  angeordnet. 
Allmählich  erreichen  sie  unter  fort- 
schreitenden Theilungsprocessen  die 
Oberfläche  des  Eies  und  verschmel- 
zen mit  dem  daselbst  befindlichen 
Keimhautblastem  (Fig.  4725,  473  C). 
Nun  erfolgt  die  Theilung  in  einzelne, 
den  Furchungskernen  entsprechende 
Zellterritorien  (Fig.  472  (7,  473  D) 
durch  das  Auftreten  von  Furchen, 
welche  von  der  Oberfläche  des  Eies 
aus  nach  der  Tiefe  dringen  und  all- 
mählich  das  ganze  Keimhautblastem 

durchsetzen.  Nachdem  auf  diese 
Weise  die  Oberfläche  des  Eies  mit 
einem  Epithel  (Blastoderm)  bedeckt 
wurde,  erfolgt  bei  manchen  Insecten 
(Chironomus ,  Musca,  Hydrophilus) 
die  Ausscheidung  eines  sogenannten 

inneren  Keimhautblastem s 
(*  in  Fig.  472  D),  d.  h.  einer  Schicht 
von  Plasma,  welches  gröbere  Körn- 
chen enthält  und  sich  zwischen  dem 
Blastoderm  und  der  Oberfläche  der 
centralen  Nahrungsdottermasse  an- 
sammelt, Durch  Aufnahme  dieser 
Plasmaschicht  gewinnen  die  Blasto- 
dermzellen  an  Höhe  und  stellen  nun 
ein  cubisches  oder  Cylinderepithel 
dar,  welches  die  Oberfläche  des  Eies 
continuirlich  überdeckt. 


Die  Stelle,  an  welcher  die  Fur- 
chungszellen zuerst  die  Oberfläche  des 
Eies  erreichen,  ist  für  die  einzelnen 
Gruppen  der  Insecten  verschieden.  Bei 
Musca  macht  sich  die  Blastodermbil- 
dung  nach  Gkaber  zunächst  am  hinteren 


Vier  aufeinanderfolgende 
Stadien  der  Blastodermbildung  von 
Musca  vomitoria  (nach  Blochmann). 
Die  Zeichnungen  stellen  Segmente  von 
Querschnitten  durch  das  Fliegenei  dar. 

A  die  Kerne  der  Furchungszellen 
haben  sich  parallel  zur  Oberfläche  des 
Eies  geordnet.  B  die  Furchungszellen 
verschmelzen  mit  dem  Keimhautblastem. 
Cdie  Oberfläche  wird  durch  Einkerbungen 
gefurcht;  sämmtliche  Kerne  der  Blasto- 
dermzellen  in  Theilung-  begriffen.  D  die 
die  Blastodermzellen  stellen  ein  hohes 
Cylinderepithel  dar. 

b  Keimhautblastem,  bz  Blastoderm- 
zellen, d  Nahrungsdotter,  dz  Dotterzellen, 
fz  sog.  Furchungszellen,  i  inneres  Keim- 
hautblastem. 


766 


XXIII.  Capitel. 


Eipole  bemerkbar,  während  bei  Apis  (Dach  Kowaleysky),  Pieris  (nach 
Bobretzky  No.  6)  and  Chiron omus  (nach  Weismann  No.  89)  die  ersten 
Blastodermzellen  am  vorderen  Eipole  bemerkt  werden.  Bei  Hydrophilus 
(Heider  No.  38)  beginnt  die  Blastodermbildung  im  Bereiche  eines  queren, 
mittleren  Gürtels  (Fig.  473  D),  welcher  dem  hinteren  Eipole  etwas  genähert 
erscheint,  und  findet  an  den  Polen  des  Eies  zuletzt  statt.  Bei  Blatt a  (nach 
Wheeler)  und  G-ryllotalpa  (nach  Korotneff)  werden  die  ersten  blasto- 
dermbild enden  Zellen  an  der  Oberfläche  der  späteren  Ventralseite  bemerkbar. 
Da  an  dieser  Seite  der  KeimStreif  zur  Anlage  kommt,  so  erinnert  das  früh- 
zeitige Erscheinen  der  Blastodermzellen  an  derselben  an  die  bei  den  Crusta- 
ceen  manchmal  vorkommende  vorzeitige  Ausbildung  des  Blastoderms  ent- 
sprechend der  embryonalen  Keimzone  (vgl.  oben  pag.  319).  Aehnliche 
Verbältnisse  zeigt  auch  Oecanthus  nach  Ayers  (No.   1). 


Fig.  473.     Blastodermbildung  bei  Hydrophilus  (nach  Heider). 
b  ausgebildetes  Blastoderm,  d  Nahrungsdotter,  /  sog.  Furchungszellen,    k  Keim- 
hautblastem,  z  Dotterzellen. 


Eine  von  der  als  Regel  geschilderten  etwas  abweichende  Bildungs- 
weise des  Blastoderms  wurde  bei  einigen  Orthopteren  beobachtet  (Blatta 
und  Gryllotalpa).  Während  im  Allgemeinen  die  „Furchungszellen" 
sich  im  Inneren  des  Nahrungsdotters  so  rasch  vermehren,  dass  sie  in 
dichtgedrängter  Lagerung  die  Oberfläche  des  Eies  erreichen  und  hier 
sogleich  ein  geschlossenes  Epithel  constituiren,  ist  dies  bei  Gryllotalpa 
(nach  Weismann  No.  89  und  Korotneff  No.  47),  sowie  bei  Blatta 
(nach  Wheeler  No.  95)  nicht  der  Fall.  Hier  treten  schon  die  ersten, 
in  geringer  Zahl  vorhandenen  „Furchungszellen"  an  die  Oberfläche  der 
ventralen  Seite  des  Eies  und  vermehren  sich  daselbst,  so  dass  es  zur 
vorübergehenden  Ausbildung  einzelner,  von  einander  getrennter  Zellinseln 
kommt.  Erst  in  späteren  Stadien  verbreiten  sich  die  durch  Theilung 
vielfach  vermehrten  Furchungszellen  gleichmässig  über  die  ganze  Ober- 
fläche des  Eies.  Es  wurde  für  die  hierbei  vor  sich  gehenden  Theilungs- 
vorgänge  der  Zellen  von  Wheeler  für  Blatta  behauptet,  dass  (ebenso 
wie  später  in  der  Serosa)  die  Kerntheilung  nicht  eine  mitotische,  sondern 
eine  directe,   auf  Durchschnürung  beruhende  sei.     Die  Vertheilung  der 


Insecten.  767 

Blastodermzellen  an  der  Oberfläche  erfolgt  hier  nach  Art  der  amöboiden 
Wanderzellen. 

Von  Wichtigkeit  ist  die  Frage  der  ersten  Entstehimg  der  sogenann- 
ten Dotterzellen  oder  Vitellophagen.  Es  wurde  im  Allgemeinen 
beobachtet,  dass  nicht  sämmtliche  „Furchungszellen"  sich  nach  der  Ober- 
fläche begeben,  um  sich  an  der  Blastodermbildung  zu  betheiligen,  sondern 
dass  einige  „Furchimgszellen"  im  Inneren  des  Dotters  zurückbleiben 
(Fig.  472  D,  dz  und  473  C,  I),  s),  sich  daselbst  vermehren  und,  indem  sie 
sich  gleichmässig  im  Dotter  zerstreuen,  zu  den  sogenannten  Dotterzellen 
werden,  deren  Aufgabe  es  ist,  die  Nahrungsdottermasse  zu  verflüssigen 
und  der  Assimilation  entgegenzuführen.  Die  Entstehung  der  Dotterzellen 
aus  den  im  Inneren  zurückbleibenden  Furchungszellen  wurde  unter  an- 
deren neuerdings  von  Kowalevsky,  Blochmann,  F.  Schmidt  und  Graber 
(No.  28)  für  M u s c i d e n ,  von  Wheeler  für  Doryphora,  von  Heider 
für  Hydrophil us  bestimmt  beobachtet.  Dagegen  haben  Patten  für 
das  Ei  einer  Phryganide  (Neophylax)  und  Wheeler  für  Blatta 
nachgewiesen,  dass  bei  diesen  Formen  sämmtliche  „Furchungszellen"  an 
der  Blastodermbildung  Theil  nehmen,  so  dass  ein  Stadium  existirt,  in 
welchem  die  Oberfläche  des  Eies  vom  Blastoderm  bedeckt  ist,  während 
im  Inneren  keine  Zellen  (resp.  Kerne)  mehr  vorhanden  sind.  Hier  treten 
die  sogenannten  Dotterzellen  erst  später  auf,  indem  einzelne  Blastoderm- 
zellen wieder  in  das  Innere  wandern.  Da  wir  später  sehen  werden  (vgl. 
unten  pag.  813),  dass  auch  bei  den  ersterwähnten  Formen  eine  secun- 
däre  Vermehrung  der  Dotterzellen  durch  Einwanderung  aus  dem  Blasto- 
derm (resp.  vom  Keimstreif  aus)  stattfindet,  so  repräsentiren  jene  Formen, 
bei  denen  sämmtliche  Furchungskerne  die  Oberfläche  erreichen,  und  die 
Einwanderung  der  Dotterzellen  erst  später  stattfindet,  vielleicht  das  ur- 
sprünglichere Verhalten,  während  bei  den  meisten  Insecten  eine  Art  Ab- 
kürzung des  Entwicklungsganges  sich  in  der  Weise  geltend  macht,  dass 
ein  Theil  der  Dotterzellen  von  Anfang  an  im  Inneren  verbleibt.  Vgl. 
hierzu  die  Bildung  von  Dotterzellen  bei  den  Crustaceen  (pag.  345), 
Arachnoiden  (pag.  572 — 574)  und  Myriopoden  (pag.  727). 

Auch  für  die  Aphiden  wurde  von  Will  (No.  97)  die  Entstehung 
der  Dotterzellen  durch  ausschliessliche  Einwanderung  von  dem  sich  bildenden 
Blastoderm  aus  behauptet. 

Im  Allgemeinen  haben  die  Blastodermzellen  anfangs  sämmtlich  die  gleiche 
Gestalt  und  Grösse.  Eine  Ausnahme  hiervon  machen  die  Eier  der  Dipteren, 
insofern  bei  ihnen  die  später  zu  besprechenden  sog.  Pol z eilen  (pag.  845), 
welche  die  frühzeitig  sich  differenzirende  Genitalanlage  repräsentiren,  Elemente 
darstellen,  die  in  einem  gewissen  Momente  zwar  dem  Blastoderm  eingefügt 
sind,  aber  sich  von  den  Blastodermzellen  durch  ihre  Grösse  und  ihren  In- 
halt unterscheiden.  (Vgl.  unten  pag.  845,  Fig.  516  Gr,  ps  und  pag.  846, 
Fig.  517  B,  p.) 

3.   Bildung  der  Emlnyonalanlage  und  der  Enibryonalhäute. 

A.    Ueber  den  Keimstreif  und  die  Keimhüllen  im  Allgemeinen. 

Die  Embryonalanlage  der  Insecten  hat  im  Allgemeinen  —  wie  dies 
bei  den  Arthropoden  überhaupt  vielfach  vorkommt  —  die  Gestalt  einer 
meist  längs  der  Ventralseite  des  Eies  sich  hinziehenden,  gestreckten, 
streifenförmigen  Verdickung,  welche  als  K e im str e if  oder  Embryonal- 
streif bezeichnet  zu  werden  pflegt  (Fig.  476  E).  In  den  meisten  Fällen 
sind    an  demselben  durch   quere,    aufeinanderfolgende   Furchen   bereits 


768 


XXIII.  Capitel. 


die  Grenzen  der  späteren  Körpersegmente  angedeutet.  An  einem  Quer- 
schnitte durch  den  Keimstreifen  der  Insecten  (Fig.  475  B  und  C)  kann 
man  erkennen,  dass  derselbe  mehrschichtig  ist.  Er  besteht1)  aus  einer 
äusseren  Zellenlage ,  dem  Ectoderm  (ec) ,  und  einer  inneren  Schichte, 
welche  das  Entoderm  und  Mesoderm  enthält,  und,  so  lange  diese 
beiden  Keimblätter  noch  nicht  scharf  von  einander  zu  unterscheiden  sind, 
mit  einem  von  Kowalevsky  eingeführten  Namen  als  „unteres  Blatt" 
bezeichnet  wird  (w). 


am 


Fig.  474.  Zwei  schematische  Medianschnitte  durch  einen  Insectenembryo, 
zur  Darstellung  der  Entwicklung  der  Embryonalhüllen. 

In  A  ist  der  Keimstreif  (k  k')  noch  nicht  vollständig  von  der  Amnionfalte  über- 
wachsen. In  B  haben  sich  die  Amnionfalten  mit  einander  vereinigt  und  den  Keim- 
streif vollständig  überwachsen. 

a  vorderer,  b  hinterer  Eipol,  v  Ventralseite,  d  Dorsalseite,  af  Amnionfalte, 
ah  Amnionhöhle,  am  Amnion,  do  Nahrungsdotter,  ec  Ectoderm,  k  Kopfende  des  Keim- 
streifs ,  k'  Hinterende  des  Keimstreifs,  s  aus  der  Amnionfalte  hervorgegangener  Theil 
der  Serosa,  s'  aus  dem  unveränderten  Blastoderm  hervorgegangener  Theil  der  Serosa, 
u  unteres  Blatt. 


Es  ist  ein  für  die  Insecten 2)   charakteristisches ,    dagegen  bei  den 
übrigen  Arthropoden  nur  selten   (beispielsweise  bei   den   Scorpionen 


r)  Es  wird  demnach  hier  bei  den  Insecten  mit  dem  Namen  „Keimstreif"  die 
gesammte  Embryonalanlage  zum  Unterschiede  von  den  provisorischen  Theilen  des  Eies, 
als  welche  der  Nahrungsdotter  mit  seinen  Vitellophagen ,  sowie  die  Embryonalhüllen 
betrachtet  werden  müssen,  bezeichnet.  Eine  derartige  Verwendung  des  Terminus 
„  Keim  st  reif"  ist  die  bei  den  Arthropoden  im  Allgemeinen  gebräuchliche.  Es  muss 
aber  hier  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  man  bei  den  Hirudineen  (vgl.  oben 
pag.  215)  diesen  Terminus  in  einem  anderen  Sinne  verwendet,  indem  dort  nur  ein 
Theil  der  Embryonalanlage  darunter  verstanden  wird.  Ja,  gelegentlich  wird  der  Aus- 
druck „Keimstreif"   wohl  auch  für  gleichbedeutend  mit  „Mesodermstreifen"  gebraucht. 

2)  Nach  den  Angaben  der  Autoren  muss  man  annehmen,  dass  bei  den  Aptery- 
gogenea  zellige  Embryonalhüllen  nicht  vorhanden  sind.  Nach  Uljanin  (No.  83)  sollen  sie 


Insecten. 


769 


vgl.  oben  pag.  539,  Fig.  345)  vorkommen- 
des Verhalten ,  dass  der  Keimstreif  nicht 
an  der  Oberfläche  des  Eies  gelagert  ist, 
sondern  durch  eine  von  seinen  Rändern 
sich  erhebende  Faltenbildung  (Fig.  i74Aaf 
u.  475  5  a/"),  die  Amnionfalte,  über- 
wachsen wird,  so  dass  er  dann  etwas  unter 
die  Oberfläche  des  Eies  versenkt  erscheint. 
Indem    die  Amnionfalten   sich    von    allen 

Seiten  über  den  Keimstreif  ausdehnen, 
wird  eine  unter  denselben  gelegene,  durch 
Einstülpung  der  äusseren  Oberfläche  des 
Eies  entstandene  Höhle  gebildet,  die  Am- 
n ionhöhle  (ah),  welche,  wenn  die  Amnion- 
falten den  Keimstreif  vollständig  überwach- 
sen und  sich  mit  einander  vereinigt  haben, 
nach  Aussen 
erscheint. 

Die  Amnionfalten  überwachsen  dem- 
nach den  Keimstreif  vollständig  (Fig.  474  B 
und  475  C);  sie  stellen  die  Embryonal - 

hüllen   dar.     Der  Keimstreif  erscheint 
nach  ihrer  Ausbildung  von  einer  doppelten, 
zelligen   (aus  einem  Epithel   bestehenden) 
Hülle  überwachsen.   Wir  unterscheiden  die 
äussere  dieser  beiden  Hüllen,   welche  aus 


zu  vollständig  abgeschlossen 


den  P  o  d  u  r  i  d  e  n  fehlen.  Dagegen  soll  hier  eine  cuti- 
culare  Larvenhaut  zur  Entwicklung  kommen,  wie 
sie  hei  anderen  Arthropodengruppen  (Arachnoiden, 
Myriopoden,  vgl.  z.  B.  pag.  543,  587,  623,  732 
und  740),  sich  vielfach  findet.  Die  Entwicklung 
einer  cuticularen  Larvenhaut,  welche  mit  Höckern 
zur  Sprengung  der  Eihäute  besetzt  sein  kann,  ist 
durch  die  Beobachtungen  von  Sommer  (No.  76) 
und  Lemoinb  (No.  51)  bestimmt  nachgewiesen.  Ja, 
es  scheint,  dass  der  Embryo  der  Poduriden  vor 
dem  Ausschlüpfen  mehrere  Häutungen  durchmacht. 
Man  möchte  hieraus  auf  den  Mangel  der  Amnion- 
falten schliessen.  Grassi  (No.  33),  welcher  bei 
Japyx  ein  in  ähnlicher  Weise  auch  den  Poduri- 
den zukommendes  Dorsalorgan  beobachtete,  glaubt 
hierin  einen  Beweis  für  das  Vorhandensein  von 
Amnionfalten  zu  erblicken.  Da  jedoch  bei  den 
Poduriden  dies  Dorsalorgan  schon  in  den 
frühesten  Stadien  der  Keim  streif  bildung  zur  Ent- 
wicklung kommt,  so  wird  es  zweifelhaft,  ob  wir 
dasselbe  mit  dem  bei  der  Involution  der  Serosa 
sich  entwickelnden  Dorsalorgan  der  höheren  In- 
secten (vgl.  unten  pag.  801  ff.)  vergleichen  dürfen. 
Es  müssen  demnach  über  diese  Verhältnisse  noch 
weitere  Untersuchungen  abgewartet  werden. 


Fig-. 


475.        Schematische 
Querschnitte    durch    drei    aufein- 
ander folgende  Stadien  der  Keim- 
streif- und  Embryonalhüllenbildung  des  Insectenembryos. 

A  Bildung  der  Bauchplatte  (bp)  und  der  Gastrulaeinstülpung  (g).  B  Erhebung  der 
Amnionfalten  («/).  C  vollständige  Ueberwachung  des  Keimstreifs  durch  die  Amnion- 
falten. v  Ventralseite,  d  Dorsalseite,  af  Amnionfalten,  ah  Amnionhöhle,  am  Amnion, 
bl  Blastoderm,  bp  Bauchplatte,  do  Nahrungsdotter,  ec  Ectoderm,  g  Gastrulaeinstülpung, 
*  Serosa,  u  unteres  Blatt. 


770  XXIII.  Capitel. 

dem  äusseren  Blatte  der  Amnionfalte  hervorgegangen  ist,  als  S  e  r  o  s  a  (s). 
Dieselbe  geht  continuirlich  in  jenen  unveränderten  Theil  des  Blastoderms 
über,  weicher  an  der  Keimstreif bildung  und  Keimhüllenbildung  keinen 
Antheil  hatte  (Fig.  474  s)  und  welcher  die  Oberfläche  des  Nahrungs- 
dotters bedeckt.  Gewöhnlich  wird  nach  vollendeter  Keimhüllenbildung 
auch  dieser  Theil  des  Blastoderms  mit  zur  Serosa  gerechnet,  so  dass  wir 
in  diesem  Sinne  sagen  können:  die  Serosa  bildet  einen  allseitig  ge- 
schlossenen, aus  Plattenepithel  bestehenden  Sack,  welcher  die  ganze 
Oberfläche  des  Eies  bedeckt  (Fig.  475  C,  s)  und  mit  einem  Theile  über 
die  Oberfläche  des  Nahrungsdotters,  mit  einem  anderen  Theile  über  den 
Keimstreif  hinwegzieht * ). 

Die  innere  der  beiden  den  Keimstreif  überdeckenden  Hüllen,  welche 
aus  dem  inneren  Blatte  der  Amnionfalte  hervorgegangen  ist,  wird  als 
Amnion  (Fig.  474,  475  am)  bezeichnet.  Dieselbe  geht  an  den  Rändern 
des  Keimstreifs  continuirlich  in  das  Ectoderm  des  letzteren  über.  Dieser 
Uebergang  ist  in  den  meisten  Fällen  ein  ganz  allmählicher.    Das  Amnion 

B    '  C  -  D  A 


- i 

\ 

r-  - 

■ 

i 

''  -  j  \ 

6\ 

X 

f,      -s—* 


9^ 


JC",         w 


ej- 


Fig.  476.  Ventralansicht  von  fünf  Entwicklungsstadien  von  Hydrophilus 
(nach  Heider,  aus  Langes  Lehrbuch).     Das  Vorderende  ist  nach  oben  gerichtet. 

a  und  b  Stellen,  an  denen  der  Blastoporus  sich  schliesst,  af  Band  der  Amnion- 
falte, af  Schwanzfalte,  af"  paarige  Kopffalte  des  Amnions,  an  Antenne,  es  Endsegment, 
g  grübchenförmige  Einstülpung  (Anlage  der  Amnionhöhle),  k  Kopf  läppen,  r  rinnen- 
förmige  Einstülpung,  s  vom  Amnion  überdeckter  Theil  des  Keimstreifs. 

und  das  Ectoderm  (ec)  des  Keimstreifs  bilden  demnach  zusammen  einen 
allseitig  geschlossenen  Epithelsack,  dessen  Lumen  die  Amnionhöhle  darstellt. 
Seiner  ersten  Entstehung  nach  ist  der  Keimstreif  auf  eine  Ver- 
dickung des  Blastoderms  im  Bereiche  der  Ventralseite  des  Eies  zurück- 
zuführen (Fig.  475  A,  bp).  Während  —  wie  wir  oben  (pag.  767)  er- 
wähnt haben  —  die  Blastodermzellen  ursprünglich  auf  der  ganzen  Ober- 
fläche des  Eies  gleiche  Gestalt  und  Grösse  aufwiesen,  macht  sich  bald 
eine  Differenz  derart  geltend,  dass  die  Zellen  der  Rückenseite  sich  zur 
Bildung  eines  dünnen  Plattenepithels  abflachen,  während  die  der  Ventral- 
seite  angehörigen  Zellen   sich    dicht   aneinander   drängen,    prismatische 


J)  Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  Graber  (No.  27)  bei  Melolontha  nach 
vollendeter  Ausbildung  der  Embryonalhüllen  die  Abscheidung  einer  Cuticula  von  der 
äusseren  Fläche  der  Serosa  beobachtet  hat.  Wir  dürften  vielleicht  diesen  Vorgang 
mit  der  Ausbildung  der  Blastodermcuticula  bei  den  Crustaceen  und  anderen  Arthro- 
poden in  eine  gewisse  Parallele  stellen. 


Insecten.  771 

Gestalt  annehmen  und  so  ein  hohes  Cylinderepithel  eonstituiren.  Die 
auf  diese  Weise  entstandene  Verdickung  des  Blastoderms  im  Bereich  der 
Ventralseite,  welche  ihrer  Ausdehnung  nach  die  erste  Anlage  des  Keim- 
streifs repräsentirt,  wurde  von  Balfour  als  Bauchplatte  (Ventral 
plate)  bezeichnet  (Fig.  475  A,  bp).  Indem  sich  die  in  der  Medianlinie 
gelegenen  Theile  der  Bauchplatte  nach  Innen  einstülpen  (g),  geben  sie 
zur  Bildung  des  unteren  Blattes  Anlass.  Diese  Einstülpung,  welche  in 
einem  gewissen  Stadium  eine  nach  der  ganzen  Länge  der  Keimstreif- 
anlage etablirte ,  in  der  Medianlinie  gelegene  Kinne  darstellt  (Fig.  476 
A  und  B),  muss  als  die  Gastrula-Einstülpung  der  Insecten  (vgl. 
Genaueres  hierüber  weiter  unten  pag.  806  ff.)  betrachtet  werden.  Das 
durch  diese  Einstülpung  gelieferte  untere  Blatt  (Fig.  475  B  und  C,  u) 
breitet  sich  sodarm  unter  der  gesammten  Bauchplatte  aus.  Die  Ränder 
der  Bauchplatte  werden  durch  die  sich  erhebende  Amnionfalte  begrenzt 
(Fig.  475  B,  Fig.  476  C). 

Es  muss  erwähnt  werden,  dass  die  Bauchplatte  nicht  in  allen  Fällen 
eine  vom  ersten  Anfange  an  einheitliche  Bildung  ist,  sondern  dass  sie  in 
einzelnen  Fällen  aus  mehreren  gesonderten  Anlagen  hervorgeht.  So  wurde 
von  F.  Schmidt  für  Musca  und  von  Heider  für  Hydrophilus  darauf 
hingewiesen ,  dass  bei  diesen  Formen  das  vordere  und  hintere  Ende  des 
Keimstreifs  zuerst  angelegt  werden,  während  die  mittleren  Parthien  erst  spä- 
ter zur  Ausbildung  gelangen.  Ein  weiteres ,  ursprünglich  selbstständiges 
Element  des  Keimstreifs  bilden  bei  Hydrophilus  die  Anlagen  der  Kopf- 
lappen (Fig.  476  A,.1c),  für  welche  auch  bei  den  Aphiden  von  Will 
(No.  97)  eine  selbstständige  Entstehung  beobachtet  wurde.  Erst  secundär 
vereinigen  sich  diese  ursprünglich  gesonderten  Bildungsheerde  zur  gemeinsamen 
Anlage  des  Keimstreifs. 

Die  seitliche  Abgrenzung  des  Keimstreifs  erscheint  durch  die  Erhebung 
der  Amnionfalten  gegeben.  Da  bei  dem  Eintritt  derselben  das  Amnion  aus 
ziemlich  hohen  Zellen  besteht  und  diese  Hülle  auch  später  ihrem  histologischen 
Charakter  nach  dem  Ectoderm  des  Keimstreifs  näher  steht,  als  der  Serosa, 
so  haben  einige  Forscher  eine  nähere  Zusammengehörigkeit  des  Amnions  und 
Keimstreifs  angenommen.  Will  betrachtet  das  Amnion  direct  als  einen  Theil 
des  Keimstreifs,  und  auch  Gräber  (No.  30)  leitet  das  Amnion  von  dem  ver- 
dickten Epithel  der  Bauchplatte  ab. 

Wir  haben  uns  hinsichtlich  der  Verwendung  des  Terminus  „Keimstreif" 
dem  gewöhnlichen  Gebrauche  angeschlossen,  wonach  darunter  die  segmentirte 
und  bereits  mehrschichtige  (aus  Ectoderm  und  unterem  Blatt  bestehende) 
Embryonalanlage  verstanden  wird.  Es  ist  aber  gewiss,  dass  man  in  weiterem 
Sinne  diesen  Ausdruck  —  wie  dieses  neuerdings  Graber  (No.  30)  urgirt 
hat  —  auch  auf  die  Embryonalanlage  früherer  Stadien,  an  welchen  die  Seg- 
mentirung  und  Keimblätterbildung  noch  nicht  eingetreten  ist,  anwenden  kann, 
vorausgesetzt,  dass  sich  die  Embryonalanlage  als  solche  von  den  übrigen 
Theilen  des  Eies  bereits  deutlich  abgrenzt. 

Der  Keimstreif  zeigt  zunächst  von  dem  Momente  seiner  Entstellung  an 
ein  stetig  fortschreitendes  Längenwachsthum  (vgl.  Fig.  476  A — E).  Er  streckt 
sich  dabei  in  vielen  Fällen  derart,  dass  er  nicht  bloss  die  Ventralseite  des 
Eies  bedeckt,  sondern  dass  sein  vorderes  und  hinteres  Ende  auf  die  Dor- 
salseite des  Eies  hinübergeschlagen  erscheinen.  Dieses  Uebergreifen  der 
Keimstreifenden  auf  die  Rückenseite  kann  in  einzelnen  Fällen  (Phryga- 
n  e  e  n ,  Ch  i  r  o  n  o  m  u  s)  so  weit  gehen,  dass  das  vordere  und  hintere  Ende  des 


772  XXIII.  Capitel. 

Keimstreifs  einander  fast  bis  zur  Berührung  genähert  erscheinen  (vgl. 
pag.  782,  Fig.  483).  Der  Keimstreif  erscheint  demnach  in  diesen  frühe- 
ren, ungefähr  der  ersten  Hälfte  der  Embryonalentwicklung  angehörigen 
Stadien  in  der  Regel  dorsalwärts  eingekrümmt.  In  den  späteren  Stadien 
macht  sich  meist  im  Anschlüsse  an  die  in  Folge  der  Organentwicklung 
complicirtere  Gestaltung  des  Keimstreifs  eine  auf  Zusammenziehung  be- 
ruhende Verkürzung  desselben  geltend,  so  dass  zum  Schlüsse  die  Mund- 
öffnung  am  vorderen  Eipole,  die  Afteröffnung  dagegen  in  der  Nähe  des 
hinteren  Eipoles  gelagert  erscheint  (pag.  785,  Fig.  485  m  und  an). 
Diese  Lagebeziehung  ist  für  die  Insectenembryonen  späterer  Stadien  eine 
ungemein  typische.  Die  Embryonalanlage  erscheint  nun  nicht  mehr  dorsal- 
wärts eingekrümmt,  sondern  gestreckt.  Vielfach  macht  sich  sogar  eine 
Krümmung  im  entgegengesetzten  Sinne  geltend,  insofern  der  hinterste 
Abschnitt  des  Embryo's  nun  ventral wärts  eingeschlagen  erscheint  (Phry- 
ganiden,  Lepidopteren,  Hydrophilus,  Blatta  u.  A.  pag.  784, 
Fig.  484  C  und  pag.  785,  Fig.  485  B). 

Geabee  (No.  30)  hat  neuerdings  darauf  hingewiesen ,  dass  man  die  In- 
secten nach  der  Ausdehnung  und  dem  Längenwachsthume  des  Keimstreifs 
in  zwei  Gruppen  trennen  kann,  insofern  bei  den  einen  die  oben  angedeuteten 
Verhältnisse  des  Anwachsens  der  Embryonalanlage  vorherrschen,  während  bei 
anderen  Formen  (z.  B.  Blatta,  Stenobothrus)  die  Embryonalanlage  vom  ersten 
Anfange  an  sich  nur  über  eine  ganz  kurze  Strecke  der  Eiperipherie  ausdehnt 
und  auch  während  der  ganzen  späteren  Entwicklung  niemals  in  der  Weise 
anwächst,  wie  dieses  bei  den  ersterwähnten  Formen  der  Fall  ist.  Bei  den 
Formen  mit  kurzem  Keimstreif  macht  sich  natürlich  die  dorsale  Einkrüm- 
mung  in  den  früheren  Stadien  nicht  bemerkbar.  Der  Keimstreif  erscheint 
gerade  gestreckt.  Ebenso  ist  das  Längenwachsthum  der  Embryonalanlage 
während  der  ganzen  Eientwicklung  ein  mehr  gleichmässig  fortschreitendes. 
Eine  Verkürzung  macht  sich  in  den  späteren  Stadien  nicht  bemerkbar.  Man 
könnte  sonach  die  Insecten  in  solche  mit  anfangs  langgestrecktem,  später  sich 
verkürzenden  Keimstreif  und  in  solche  mit  anfangs  kurzem  und  verhältniss- 
mässig  kurz  bleibendem  Keimstreif  unterscheiden.  Indess  will  es  uns  schei- 
nen, dass  dieser  Unterscheidung  keine  Differenzen  von  principieller  Bedeutung 
zu  Grunde  liegen. 


'&v 


B.    Unterscheidung  des  superficiellen  und  des  immersen 

Keimstreifs. 

Die  oben  (pag.  768  u.  ff.)  gegebene  allgemeine  Schilderung  der  Lage- 
beziehungen und  Entstehungsweise  des  Keimstreifs  und  der  Embryonal- 
hüllen kann  nur  für  einen  Theil  der  Insecten  nähere  Gültigkeit  bean- 
spruchen. Die  geschilderten  Verhältnisse  treffen  annähernd  bei  manchen 
Orthopteren  (Blatta),  den  Phryganiden,  Lepidopteren, 
Hymenopteren,  manchen  Dipteren  (C h i r o n o m u s)  und  zum  Theil 
bei  den  Coleopteren  zu.  Im  Einzelnen  ergiebt  sich  allerdings  eine 
Fülle  von  später  genauer  zu  erwähnenden  Variationen,  welche  sich  auf 
die  Gestalt  des  Eies,  Menge  und  Vertheilung  des  Nahrungsdotters,  sowie 
zum  Theil  auf  die  rudimentäre  Beschaffenheit  der  Embryonalhüllen  zurück- 
führen lassen.  In  anderen  Insectengruppen  (Pseudoneur opferen, 
Hemipteren)  dagegen  finden  wir  Verhältnisse  der  Entstehung  des 
Keimstreifs  und  der  Embryonalhüllen,  sowie  der  anfänglichen  Lagerung 
des  Keimstreifs,  welche  sich  von  den  oben  der  Klarheit  der  Darstellung 


Insecten. 


773 


halber  zum  Ausgangspunkt  gewählten  weiter  zu  entfernen  scheinen.    Wir 
müssen  auf  alle  diese  Verhältnisse  jetzt  im  Detail  zurückkommen. 

Wie  aus  der  oben  geschilderten  Entstehung  der  Amnionfalte  (pag.  768 ff., 
Fig.  474,  475  af)  hervorgeht,  enthält  dieselbe  in  ihrem  Inneren  einen 
Spaltraum,  welcher  gegen  die  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  geöffnet 
erscheint.  Es  können  demnach  Nahrungsdotterkügelchen  in  diesen  Spalt- 
raum eindringen  und  denselben  vollkommen  erfüllen  (Fig.  477).  Dann 
werden  Amnion  und  Serosa  durch  einen  ziemlich  breiten,  mit  Nahrungs- 
dotter  erfüllten  Zwischenraum  von  einander  getrennt,  während  in  anderen 
Fällen,  in  denen  dieses  Eindringen  des  Nahrungsdotters  in  den  Spalt 
nicht  stattfindet,  Amnion  und  Serosa  einander  direct  berühren.  Wir 
können  demnach,  wenn  wir  den  Abstand  der  beiden  Embryonalhüllen  von 
einander  in's  Auge  fassen,  die  Insecteneier  in  zwei  Gruppen  trennen: 

1)  in  solche  mit  oberflächlichem  oder  superficialem 
Keim  streif,  bei  denen  ein  Eindringen  von  Nahrungsdotterelementen 
in  den  Raum  zwischen  Amnion  und  Serosa  nicht  stattgefunden  hat.  Der 
Keimstreif  hat  hier  eine  verhältnissmässig  oberflächliche  Lae;eruim-  (pag.  768, 
Fig.  474,  475;  pag.  780,  Fig.  482  A;  pag.  785,  Fig.  485). 


.-Tri 


Fig.  477.  Lepidopterenkeimstreif  im  Querschnitt  (combinirtes  Bild  nach 
Bobretzky  und  Hatschek). 

ah  Amnionhöhle,  am  Amnion,  c  Cölomhöhle,  do  Nahrungsdotter  (in  einzelne, 
kernhaltige  Dotterschollen  zerfurcht),  ec  Ectoderm,  m  Mesoderm,  pr  Primitivwülste  der 
Bauchganglienkette,  s  Serosa. 


2)  in  solche  mit  versenktem  oder  immersein  Keimstreif, 
bei  denen  zwischen  Amnion  und  Serosa  ein  von  Nahrungsdotterpartikel- 
chen  erfüllter  Zwischenraum  sich  findet.  Bei  diesen  Eiern  erscheint  der 
Keimstreif  im  Verhältniss  zu  denen  des  ersten  Typus  tiefer  in  das  Innere 
des  Eies  versenkt  (Fig.  477;   Fig.  478  C— E;   pag.  784,  Fig.  484). 

Superficiell  ist  der  Keimstreif  bei  vielen  Orthopteren  (Oecanthus, 
Gryllotalpa,  Blatta,  Mantis),  bei  manchen  Hemipteren  (Corixa),  bei  den 
Phryganiden,  Dipteren  und  Hymenopteren.  Auch  bei  den  Coleopteren  er- 
scheint der  Keimstreif  im  grössten  Theil  seiner  Ausdehnung  als  ein  super- 
fizieller; nur  das  hintere  Ende  desselben  ist  in  den  Anfangsstadien  immers. 
Ein  immerser  Keimstreif  kommt  den  Libelluliden,  manchen  Hemipteren 
(Pyrrhocoris).  manchen  Orthopteren  (Stenobothrus)  und  den  Lepidopteren  zu. 


Korschelt-Heider,  Lehrbuch. 


50 


774 


XXIII.  Capitel. 


C.    Unterscheidung  des  invaginirten  und  des  überwachsenen 

Keim  streifs x). 

In  Hinsicht  auf  die  Art  der  Entstehung  des  Keimstreifs  und  auf  die 
Lagerungsverhältnisse  desselben  machen  sich  bei  den  Insecten  zwei  ein- 
ander gegenüberstehende,  aber  durch  Uebergänge  mit  einander  verbundene 
Typen  geltend.  In  dem  einen  Falle  wird  die  Bauchplatte  in  das  Innere 
des  Eies  eingestülpt,  in  dem  anderen  wird  sie  von  den  an  ihren  Rändern 
sich  erhebenden  Amnionfalten  überwachsen. 

Bei  der  Bildung"  des  Keimstreifs  durch  Invaginatiou,  für  welche 
uns  die  Libelluliden  (nach  Brandt  No.  7)  ein  Beispiel  abgeben,  ent- 
steht die  erste  Anlage  des  Keimstreifs  in  der  Form  einer  wenig  umfang- 
reichen, ventralwärts  in  der  hinteren  Hälfte  des  Eies  gelegenen  Blastoderm- 


Fig".  478.  Fünf  schematische  Medianschnitte,  zur  Darstellung  der  Entwicklung 
des   Libellulideneies  (nach  Brandt). 

A — C  Entwicklung'  des  Keimstreifs  (k  k')  durch  Einstülpung.  D  Entwicklung  der 
das  Kopfende  des  Keimstreifs  überwachsenden  Amnionfalten  (af).  E  Verschluss  der 
Mündung  der  Amnionhöhle. 

v  Ventralseite,  d  Dorsalseite,  a  vorderer,  b  hinterer  Eipol,  af  Amnionfalte, 
ah  Amnionhöhle,  am  Amnion,  bl  Blastoderm,  bp  Bauchplatte,  do  Nahrungsdotter, 
k  Kopfende  des  Keimstreifs,  k'  Analende  des  Keimstreifs,  kh  Keimhügel  oder  beginnende 
Einstülpung,  s  Serosa. 


verdickung  (Bauch platte)  (Fig.  478  A bp,  Fig.  419  A),  in  deren  hin- 
terem Abschnitte  sich  bald  ein  Einstülpungsprocess  (Fig.  478  AJch)  geltend 
macht.  Das  Lumen  dieser  Einstülpung  ist  die  erste  Anlage  der  Amnion- 
höhle (Fig.  478  Bah),  während  die  Wand  derselben  in  ihrem  verdickten 


J)  Auf  dieser  Unterscheidung  beruht  die  Trennung  der  Insecten  in  solche  mit 
innerem  und  äusserem  Keimstreif  (Innenkeimer  und  Aussenkeimer  oder  entoblastische 
und  ectoblastische  Formen  Graber).  Neuerdings  hat  Graber  für  diese  Categorien  die 
Bezeichnungen:  Entoptychische  und  ectopty chische  Keimbildung  vor- 
geschlagen. Wir  sehen  von  dem  Gebrauche  dieser  Termini  ab,  weil  durch  dieselben 
eine  Verwechslung  mit  den  oben  (pag.  772)  unterschiedenen  Categorien  des  super- 
ficiellen  und  immerseu  Keimstreifs  nicht  ausgeschlossen  ist. 


Insecten.  775 

ventralen  Theil  (k')  zur  Bilduno;  des  Keimstreifs,  in  ihrem  dorsalen  ver- 
dünnten Theil  zur  Bildung  des  Amnions  (Fig.  478  B,  C,  am)  aufgebraucht 
wird.  Das  blinde  Ende  der  Einstülpung  bezeichnet  das  spätere  Analende 
des  Keimstreifs  (Je').  Da  diese  Einstülpung  aber  im  Ei  von  hinten  nach 
vorne  wächst,  so  ergiebt  sich,  dass  der  Keimstreif  im  Verhältniss  zu 
seiner  späteren  Lagerung  ursprünglich  entgegengesetzt  orientirt  erscheint. 
Sein  Hinterende  ist  nach  vorne  gerichtet,  während  sein  Kopfende  nahe 
dem  hinteren  Eipole  gelegen  erscheint.  Ebenso  ist  auch  jene  Fläche  des 
Keimstreife,  welche  später  zur  ventralen  wird,  anfangs  gegen  die  Dorsal- 
seite des  Eies  gewendet.  Um  den  Keimstreif  in  die  definitiven  Lagerungs- 
verhältnisse  zu  bringen,  bedarf  es  des  Processes  der  Um  rollung,  welcher 
unten  genauer  geschildert  werden  soll. 

Es  muss  erwähnt  werden ,  dass  bei  den  Eiern  dieses  Bildungstypus  das 
durch  die  Ausbreitung  der  Kopflappen  gekennzeichnete  Vorderende  des  Keim- 
streifs (Fig.  478  C,  D,  h)  sich  an  dem  erwähnten  Einstülpungsprocesse  nicht 
betheiligt.  Es  bleibt  an  der  Überfläche  der  Ventralseite  liegen  und  hier 
werden  die  Embryonalhüllen  durch  die  Erhebung  einer  Amnionfalte  (af)  zum 
Abschlüsse  gebracht  —  kurz  dieser  Theil  des  Keimstreifs  verhält  sich  durch- 
aus so,  wie  wir  dies  nun  für  den  zweiten  Typus  schildern  werden. 

Bei  der  Bildimg  des  durch  eine  Amnionfalte  überwachsenen  Keim- 
streit's  behält  die  Bauehplatte  und  der  aus  ihr  sich  entwickelnde  Keim- 
streif während  der  ganzen  Dauer  der  Entwicklung  jene  Orientirung  bei, 
welche  für  die  späteren  Stadien  aller  Insecten  typisch  ist.  Auf  diesen 
Entwicklungstypus,  für  welchen  die  Dipteren  (Chironomus,  Simulia,  Ceci- 
domya)  als  Beispiel  dienen  können,  bezieht  sich  unsere  frühere  Schilde- 
rung (pag.  768  und  ff.).  Der  Keimstreif  ist  hier  im  Wesentlichen  der  Ven- 
tralseite des  Eies  angehörig.  Sein  Vorderende  entspricht  dem  vorderen  Ei- 
pole, sein  Hinterende  dem  hinteren  Eipole  (wenn  wir  jenes  obenerwähnte 
[pag.  771]  dorsale  Uebergreifen  nicht  in  Rechnung  bringen).  Hier  findet 
demnach  auch  keine  Umrollung  statt.  Die  Embryonalhüllen  werden  durch 
einfache  Faltenbildung  von  den  Rändern  des  Keimstreifs  aus  gebildet 
(vgl.  pag.  768,  Fig.  474  und  475). 

Wenn  man  auf  die  Lagerungsverhältnisse  des  Keimstreifs  im  Moment 
seiner  Bildung  Rücksicht  nimmt,  so  könnte  man  die  beiden  hier  unterschie- 
denen Typen  auch  unterscheiden  als  Typus  mit  invers  gelagertem  und 
mit  regulär  gelagertem  Keimstreif.  Noch  einfacher  wäre  die  Bezeich- 
nung der  beiden  Typen  als  Entwicklung  mit  und  ohne  Umrollung. 
Es  wäre  allerdings  gegen  eine  solche  Bezeichnung  einzuwenden,  dass  auch 
bei  dem  überwachsenen  Keimstreif  gelegentlich  Lageveränderungen  zur  Beo- 
bachtung kommen,  welche  von  dem  Process  der  echten  Umrollung  oft  schwer 
zu  unterscheiden  sind. 

Wir  werden  in  der  Ordnung  der  Coleopteren  Insecten  finden ,  deren 
Keimstreifentwicklung  einen  directen  Uebergang  zwischen  den  beiden  hier 
unterschiedenen  Typen  darstellt. 

D.    Insecten  mit  invaginirtem  Keimstreif. 

Lihellnliden.  Als  vorzüglichsten  Repräsentanten  dieses  Entwicklungs- 
typus, welcher  —  wie  wir  unten  sehen  werden  (pag.  787)  -  den  directen 
Anschluss  an  die  Verhältnisse  der  Myriopoden  darstellt  und  daher  als 
der  ursprünglichere  betrachtet  werden  muss,  haben  wir  zunächst  das  Ei 

50* 


776 


XXIII.  Capitel. 


geltend. 


der  Libelluli  den  zu  erwähnen,  dessen  Entwicklung  durch  A.Brandt 
(No.  7)  bekannt  geworden  ist. 

Hier  (bei  C  a  1  o  p  t  e  r  y  x)  erkennen  wir  als  erste  Anlage  des  Keimstreifs 
eine  in  der  hinteren  Hälfte  der  Ventralseite  des  Eies  gelegene  Verdickung 
des  Blastoderms  (Bauchplatte),  welche  sich  bald  mit  ihrem  hintersten 
Abschnitt  in  das  Innere  des  Eies  einstülpt  (Fig.  479  A,  g).  Während 
diese  Einstülpung  (welche  von  manchen  Autoren  als  Keimhügel  be- 
zeichnet wird)  immer  tiefer  wird,  wendet  sie  sich  nach  vorn  und  wächst 
gegen  den  vorderen  Eipol  zu  (Fig.  479  B  und  C).  Das  Lumen  dieser 
Einstülpung  ist  die  erste  Anlage  der  Amnionhöhle.  Sehr  bald  macht  sich 
nun  eine  Differenz  in  der  Dicke  der  beiden  Wände  der  Einstülpung 
Die  nach  der  Dorsalseite  des  Eies  zugewendete  wird  zu  einer 

immer  flacheren  Zellschicht 
und  repräsent irt  das  Amnion 

(am),  während  die  andere 
sich  verdickt  und  den  eigent- 
lichen Keimstreif  (ps)  darstellt. 
Es  wird  also  hier  fast  der 
ganze  Keimstreif  mit  seinem 
hinteren  Ende  voran  in  das 
Innere  des  Eies  eingestülpt. 
Nur  ein  kleiner  Theil  des 
Keimstreifs,  der  dem  vorderen 
Ende  desselben  entspricht  und 
sich  bald  zur  Bildung  der 
Kopflappen  verbreitert,  behält 
zunächst  noch  die  oberfläch- 
liche Lage  der  ursprünglichen 
Blastoderm verdickung  bei  (Fig. 
479  C).  Dieser  Theil  wird  nun 
durch  eine  Ringfalte  des  um- 
gebenden Blastoderms  voll- 
ständig überwachsen.  Wenn 
diese  Ringfalte  zum  Verschlusse 
kommt,  so  ist  dadurch  die  Am- 
nionhöhle nach  Aussen  abge- 
schlossen (Fig.  480  A).  Der  in 
seiner  oberflächlichen  Lage 
verbliebene  Rest  des  Blasto- 
derms stellt  nun  die  Serosa  dar. 
An  dem  nächstfolgenden  Stadium,  welches  durch  den  Besitz  der 
Extremitätenanlagen  charakterisirt  ist,  kann  man  die  merkwürdige  Lage 
des  Keimstreifs  deutlich  erkennen  (Fig.  480  Ä).  Man  bemerkt,  dass  das 
Kopfende  desselben  (v)  nach  dem  hinteren  Eipole,  das  hakenförmig  um- 
geschlagene Hinterende  (ab)  dagegen  nach  dem  vorderen  Eipole  gerichtet 
ist.  Ebenso  erkennt  man  aus  dem  Vergleich  mit  den  übrigen  Stadien 
(vgl.  Fig.  480  0),  dass  die  Ventralseite  des  Keimstreifs,  von  welcher  die 
Extremitätenanlagen  sprossen,  nach  der  Dorsalseite  des  Eies  gewendet 
ist.  Die  definitive  Lagerung  des  Embryos  wird  durch  den  Process  der 
sogenannten  Uinrollung  herbeigeführt,  bei  welchem  der  Embryo  eine 
rotirende  Bewegung  um  seine  Queraxe  erleidet  und  gleichzeitig  aus  der 
Ainnionhöhle  herausgestülpt  wird  (Fig.  480  B).  Dieser  Process  wird  ein- 
geleitet dadurch,  dass  in  der  Nähe  des  Kopfabschnittes  Amnion  und  Serosa, 


Fig".  479.  Drei  Entwicklungsstadien  des 
Embryos  von  Calopteryx  (nach  Brandt,  aus 
Balfour's  Handbuch). 

Der  Embryo  ist  innerhalb  der  Eischale  dar- 
gestellt. 

am  Amnion,  g  Rand  der  Bauchplatte,  ps  Keim- 
streifanlage, se  Serosa. 


Insecten. 


777 


die  sich  daselbst  dicht  berühren,  mit  einander  verschmelzen  und  an  dieser 
Stelle  einreissen.  Durch  diesen  Riss  wird  an  derselben  Stelle,  an  welcher 
die  ursprüngliche  Einstülpungsöffnung  gelegen  war,  die  Amnionhöhle 
wieder  eröffnet,  und  durch  die  so  entstandene  Oeffnung  treten  zunächst 
der  Kopf,  dann  die  darauffolgenden  Segmente  des  Keimstreifs  hervor 
(Fig.  480  B)  und  legen  sich,  während  der  Kopf  nach  dem  vorderen  Ei- 
pole  zu  wandert,  der  Ventralseite  des  Eies  an  (Fig.  480  C).  In  dem 
Maasse,  als  der  Embryo  aus  der  Amnionhöhle  heraustritt,  wird  dieselbe 
immer  kleiner  und  schwindet  schliesslich  vollständig. 

Da  der  Keimstreif  nunmehr  an  der  Oberfläche  des  Eies  lagert,  so  ist 
der  von  der  Serosa  eingenommene  Raum  beträchtlich  kleiner  geworden 
(480  C).  Dieselbe  zieht  sich  nun  nach  dem  vorderen  Eipol  hin  zusammen, 
indem  sie  sich  gleichzeitig  bedeutend  verdickt  (Fig.  480  C,  se).  In  Folge 
dieser  Contraction  wird  auch  der  Rissrand,  an  welchem  die  Serosa 
mit  dem  Amnion  verwachsen 
ist  und  schliesslich  das  Amnion 
selbst  über  die  Nahrungsdot- 
termasse nach  vorn  hingezogen 
(Fig.  480  C,  se  und  am)  ,  so 
dass  schliesslich  Amnion  und 
Serosa  zusammen  einen  dem 
Rücken  des  Embryos  aufliegen- 
den Sack  darstellen,  der  mit  Nah- 
rungsdotter erfüllt  ist  und  als 
eine  Art  von  (dorsalem)  Dotter- 
sack bezeichnet  werden  kann. 
Bei  der  nunmehr  erfolgenden 
Ausbildung  der  Seitentheile  und 
des  Rückens  des  Embryos  wird 
der  Inhalt  des  Dottersackes  im- 
mer mehr  in  die  Darmhöhle,  die 
mit  demselben  communicirt,  auf- 
genommen und  aufgebraucht,  bis 
schliesslich  durch  einen  später 
genauer  zu  beschreibenden  Pro- 
cess  auch  die  Serosa  selbst  (ver- 
muthlich)  in  das  Innere  des  Em- 
bryos eingestülpt  und  aufgezehrt 
wird  (vgl.  unten  pag.  801  ff.). 

Da  der  Keimstreif  der  Libel- 
luliden  durch  eine  Einstülpung 
entsteht,  welche  in  das  Innere  des 
Eies  vorwächst,  so  erklärt  es  sich, 

dass  liier  Amnion    und  Serosa 
durch  einen  breiten  Zwischenraum  getrennt  sind,  welcher  mit  Nahrungsdotter 
erfüllt  ist.    Der  Keimstreif  der  Libelluli  den  ist  demnach  ein  immerser. 
Davon  macht  jedoch  das  Kopfende  eine  Ausnahme,  welches  dem  superfiziellen 
Typus  zugehört. 

Rhynchoten.  Der  gleiche  Entwicklungstypus  des  Keimstreifs,  den  wir 
für  die  Libelluliden  geschildert  haben,  kommt  auch,  soweit  bis  jetzt  bekannt, 
sämmtlichen  Rhynchoten  zu.  So  fanden  Metschnikoff  (No.  55)  und 
Brandt  (No.  7)  für  Hydro metra  und  Graber  (No.  27)  fürPyrrho- 


Fig.  480.  Drei  Entwicklungsstadien  von 
Calopteryx  (nach  Brandt  aus  Balfoür's 
Handbuch). 

Der  Embryo  ist  innerhalb  der  Eischale 
dargestellt. 

a  Oeffnung  der  Amnionhöhle,  aus  welcher 
der  Embryo  heraustritt,  ab  Abdomen,  am  Amnion, 
at  Antenne,  md  Mandibel,  mx1,  mx2  erste  und 
zweite  Maxille,  oe  Oesophagus,  p\  p2,  pz  erstes, 
zweites,  drittes  Thoraxbeinpaar,  se  Serosa, 
v  Vorderende  des  Keimstreifs. 


778  XXIII.  Capitel. 

coris  Verhältnisse  der  Eientwieklung,  welche  sich  denen  der  Libelluliden 
in  allen  wichtigen  Punkten  vollkommen  anschliessen. 

Eine  Modification  des  geschilderten  Entwicklungstypus  findet  sich  bei 
Corixa  (Metschnikoff  No.  55,  Bkandt  No.  7).  Hier  ist  der  von  dem 
hinteren  Pole  sich  einstülpende  Keimhügel  zwar  auch  anfangs  ringsum  von 
Nahrungsdotter  umgeben,  er  legt  sich  jedoch  sehr  bald  der  Rückenseite  des 
Eies  dicht  an ,  so  dass  hier  Serosa  und  Amnion  sich  dicht  berühren.  Der 
Keimstreif  ist  in  Folge  dessen  hier  nicht  immers ,  sondern  ein  superfizieller. 
Im  Uebrigen  ist  der  Process  der  Umrollung  und  die  dadurch  erfolgte  Zu- 
rückführung  des  Embryos  in  seine  definitive  Lage  in  ganz  gleicher  Weise 
vorhanden,  wie  bei  den  Libelluliden. 

Aehnlich  wie  bei  den  Libelluliden  verhält  sich  die  Lagerung  des  Keimstreifs 
nach  Melnikow  (No.  53)  auch  bei  den  Pediculiden  und  Mallophagen. 
Doch  sollen  hier  insofern  einfachere  Verhältnisse  bestehen  bleiben ,  als  die 
durch  die  Einstülpung  entstandene  Oeffnung  der  Amnionhöhle  dauernd  offen 
bleibt.  Ein  invaginirter  Keimstreif  findet  sich  ferner  auch  bei  den  Physa- 
poden  (Dohkn  No.  21,  Jokdan  No.  44). 

In  directem  Anschlüsse  an  die  für  die  Libelluliden  beschriebenen  Ver- 
hältnisse stehen  auch  die  Entwicklungsvorgänge  in  den  Eiern  der  Phytoph - 
thires.  Die  Beschreibungen,  welche  Metschjukoff  (No.  55)  und  Bkandt 
(No.  7)  von  der  Entwicklung  der  Oviparen  Cocciden  (Aspidiotus, 
Lecanium)  liefern,  zeigen  eine  fast  vollständige  Uebereinstimmung  mit  den 
Libelluliden.  Ebenso  scheinen  sich  nach  Metschnikoff  auch  die  Psy lüden 
hier  anzuschliessen.  Gewisse  Besonderheiten  weisen  dagegen  die  Sommereier 
der  viviparen  Aphiden  auf,  welche  ihre  Entwicklung  innerhalb  des  Eifollikels 
durchlaufen.  Die  parthenogenetisch  sich  entwickelnden  Eier  dieser  Formen 
erfahren  —  wie  Will  (No.  97)  hervorgehoben  hat  —  nicht  den  vollkom- 
menen Reifungsprocess,  wie  die  Eier  der  übrigen  Insecten.  Sie  werden  gewisser- 
massen  „von  dem  Eintritt  der  Embryonalentwicklung  überrascht,  wenn  sich  eben 
die  ersten  Reifungserscheinungen  in  dem  Auftreten  kleiner  Deutoplasmatröpfchen 
bemerkbar  gemacht  haben."  Nach  der  Entwicklung  des  Blastoderms  enthält 
das  Ei  in  seinem  Innern  nur  eine  geringfügige  Menge  eines  bald  verschwin- 
denden Nahrungsdotters  (primärer  Nahrungsdotter,  Fig.  481-4,  do), 
in  welchem  einzelne  Dotterzellen  sich  finden.  Dagegen  wird  der  Embryo  in 
den  nun  folgenden  Stadien  unter  Entwicklung  einer  Art  Placentarbildung 
von  dem  Follikelepithel  aus  mit  einer  neuen  Dottermasse  (secundärer 
Dotter,  Pseudovitellus,  sd)  versorgt.  Es  entwickelt  sich  nämlich  am 
hinteren  Pole  des  Embryos,  an  welchem  die  Blastodermbildung  nicht  völlig 
zum  Abschluss  gelangt  ist  und  daher  eine  Lücke  des  Blastoderms *)  sich 
vorfindet,  eine  Verwachsung  mit  der  entsprechenden  Stelle  (oc)  des  Follikel- 
epithels  (f).  Hier  kommt  es  durch  Theilung  einer  sich  vergrössernden  Follikel- 
epithelzelle  zur  Ausbildung  eines  Zellhaufens ,  welcher  sich  bald  unter  De- 
generation und  vollständigem  Untergang  der  ihn  zusammensetzenden  Zellen 
in  eine  Ansammlung  von  Nahrungsdotterkügelchen  (secundärem  Dotter) 
umwandelt,  worauf  das  so  entstandene  Dottermaterial  durch  die  vorhandene 
Blastodermlücke  in  das  Innere  des  Embryos  aufgenommen  wird  (Fig.  481 
A,  sd).  Die  sonach  in  der  primären  Leibeshöhle  gelegene  secundäre  Dotter- 
masse ,  in  welche  bald  vom  Embryo  aus  Dotterzellen  (dz)  einwandern ,  steht 
noch  einige  Zeit  hindurch    vermittelst   eines  Dotterstranges   mit  jener   Stelle 


*)  Diese  Lücke  hat  Will  als  Blastoporus  hezeichnet  und  die  von  hier  ausgehende 
Einwanderung  von  Dotterzellen  als  Gastrulation  in  Anspruch  genommen,  eine  Auf- 
fassung, welche  wir  nicht  theilen. 


Insecten. 


779 


des  Follikelepithels ,    von  welcher  sie  ihren  Ursprung  genommen  hat ,  in  Zu- 
sammenhang. 

Die  Entwicklung  des  Keimstreifs  erfolgt  bei  den  Aphiden  unter  Aus- 
bildung einer  ganz  ähnlichen  Einstülpung  vom  hinteren  Eipole  aus,  wie  wir 
sie  bei  den  Libelluliden  auftreten  sahen.  Diese  Einstülpung  entwickelt  sich 
im  Umkreise  der  oben  erwähnten  Blastodermlücke  (Fig.  481  A).  Sie  er- 
scheint in  Folge  dessen  an  ihrem  vorderen  Ende  nicht  geschlossen ,  da  sich 
hier  jene  Durchtrittspforte  befindet,  durch  welche  der  Strang  des  secundären 


Fig.  481.  Schematische  Meclianschnitte  durch  fünf  Entwicklungsstadien  des 
Eies  der  viviparen  Aphiden  (im  Anschlüsse  an  Will).  Die  Orientirung  ist  die 
gleiche,  wie  in  Fig.  478.     Die  Genitalanlage  ist  nicht  eingezeichnet. 

A  Einstülpung  des  Keimstreifs  (k')  und  Einwuchern  des  secundären  Dotters  (sä). 
B  Verschluss  des  Aufnahmeporus  für  den  secundären  Dotter.  C  hakenförmige  Ein- 
krümmung  des  hinteren  Keimstreifendes  (k").  D  Erhebung  der  Amnionfalten  (af). 
E  Ausbildung  der  Kopfserosa  (s'). 

af  Amnionfalten,  ah  Amnionhöhle,  am  Amnion,  do  Beste  des  primären  Xahrungs- 
dotters  mit  Dotterzellen,  dz  Dotterzellen,  /  Follikelepithel,  k  Kopfende  des  Keimstreifs 
(Kopflappen),  k'  hinterer  Abschnitt  des  Keimstreifs,  k"  hinterstes,  hakenförmig  ein- 
gekrümmtes Ende  des  Keimstreifs,  l  primäre  Leibeshöhle,  s  Serosa,  s'  Kopfserosa, 
sd  secundärer  Dotter,  x  Bildungsstelle  des   secundären  Dotters. 


Dotters  in  das  Eiinnere  eintritt.  Erst  nachdem  der  secundäre  Dotter  sich 
in  der  primären  Leibeshöhle  zusammengezogen  hat,  und  jener  Verbindungs- 
strang resorbirt  wurde,  verschliesst  sich  'auch  die  erwähnte  Lücke  (Fig. 
481  B),   und  nun  nimmt  die  Einstülpung  eine  Gestalt  an,    welche  durchaus 


780 


XXIII.  Capitel. 


an  das  entsprechende  Stadium  der  Libelluliden  erinnert.  Wenn  die  Anlage 
des  Keimstreifs  anwächst ,  so  erfährt  sie  eine  hakenförmige  Knickung  (Fig. 
481  C),  welche  später  zu  einer  doppelten  Einknickung  des  Keimstreifs 
("Witlaczil  No.  98)  werden  kann.  Es  machen  sich  auch  gewisse  Lagever- 
änderungen geltend.  Die  eingekrümmte  Keimstreifanlage  kann  bald  nicht 
mehr  ihre  symmetrische  Lagerung  zur  Medianebene  beibehalten.  Sie  erfährt 
gewisse  Abweichungen  nach  der  seitlichen  Richtung.  Die  äussere  Mündung 
der  Amnionhöhle ,  welche  ursprünglich  dem  hinteren  Eipole  angehörte ,  wan- 
dert im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung  mehr  nach  der  Dorsalseite.  Gleich- 
zeitig rücken  die  als  Blastodermverdickung  entstandenen  Kopflappenanlagen 
(fc),  welche  anfangs  am  vorderen  Eipole  gelegen  waren,  über  die  Ventralseite 
nach  hinten,  so  dass  sie  zum  Schlüsse  über  den  hinteren  Eipol  sich  aus- 
breiten (Fig.  481  D).  Ganz ,  wie  bei  den  Libelluliden ,  wird  diese  Blasto- 
dermverdickung nicht  in  die  Einstülpung  des  Keimstreifs  mit  aufgenommen. 
Sie  ist  daher  anfangs  nicht  von  den  Embryonalhüllen  bedeckt.  Um  auch 
sie  zu  überdecken,  muss  eine  Ringfalte  emporwachsen,  deren  erste  Anlage  in 
Fig.  481  D,  af  angedeutet  erscheint.  Diese  Ringfalte  besteht  im  Momente 
ihrer  Entstehung,  wie  jede  Amnionfalte,  aus  zwei  Blättern  (Amnion  und  Serosa). 
Im  Verlaufe  des  weiteren  Wachsthums  bleibt  jedoch  das  Amnion  etwas 
zurück ,  so  dass  die  Kopf  läppen  blos  von  einer  einzigen  epithelialen  Zell- 
schicht, der  sog.  Kopfserosa  überdeckt  erscheinen1)  (Fig.  481  E,  s'). 

Die   übrigen,    späteren   Entwicklungsprocesse ,    das   Zerreissen    der  Em- 
bryonalhülle   des  Kopfabschnittes,    die  Ausstülpung    des  Embryos    durch  die 


v 


Fig.  482.    Umrollung-  des  Embryos  von  Oecanthus.     (Schemata  nach  Avers.) 
«  vorderer  Eipol,  am  Amnion,    b  hinterer  Eipol,  d  Dorsalseite  des  Eies,  k  Keim- 
streif,   r    llückenplatte   (durch    Zusammenziehung'    der    Serosa    entstanden),    s   Serosa, 
v  Ventralseite  des  Eies. 


J)  Wir  haben  hier  den  Fall  einer  rudimentären  Entwicklung  des  Amnions,  wie  die- 
selbe auch  für  gewisse  Hymenopteren  behauptet  wurde.  Es  muss  hier  erwähnt  werden, 
dass  die  Schilderungen  von  Brandt  die  Möglichkeit  offen  lassen,  dass  die  Embryonal- 
hüllen im  Bereiche  des  Kopfabschnittes  sich  auch  bei  den  Co cci  den  (vielleicht  sogar 
auch  bei  den  Libelluliden)  in  der  Weise  verhalten,  wie  wir  dies  hier  nach  Will 
für  die  Aphiden  dargestellt  haben.  Es  würde  dann  auch  bei  diesen  Formen  über 
diesem  Abschnitt  nur  eine  einzige  zellige  Hülle  vorhanden  sein. 


Insecten.  781 

so  entstandene  Oeffnung,  sowie  die  gleichzeitig  erfolgende  Umrollung  vollziehen 
sich  ganz  in  der  für  die  Libelluliden  geschilderten  Weise. 

Die  Entwicklung  der  Aphiden  ist  vorzugsweise  von  Brandt  (No.  7), 
Metschnikoff  (No.  55),  Witlaczil  (No.  98)  und  Will  (No.  97)  beschrieben 
worden.  Wir  haben  uns  bei  der  hier  gegebenen  Darstellung  hauptsächlich 
an  Will  angeschlossen. 

Oecaiithus.  Wir  müssen  diesem  Entwicklungstypus  auch  eine  Gryllide, 
Oecanthus,  zurechnen,  obgleich  diese  Form  hierdurch  in  einen  Gegen- 
satz zu  den  übrigen  Orthopteren  gestellt  wird.  Die  erste  Anlage  des 
Keimstreifs  entsteht  hier  allerdings  —  wie  wir  durch  die  Beobachtungen 
von  Ayers  (No.  1)  wissen  —  nicht  durch  Einstülpung,  sondern  es  bildet 
sich  eine  kurze  Bauchplatte,  welche  von  einer  Amnionfalte  überwachsen 
wird.  Bei  dieser  Uebenvachsung  bleibt  anfangs  das  innere  Blatt  der 
Falte  (das  Amnion)  im  Wachsthum  etwas  zurück,  in  ganz  gleicher  Weise, 
wie  wir  dies  für  die  Kopffalte  der  Aphiden  soeben  geschildert  haben. 
Es  schliesst  sich  hier  anfangs  bloss  die  Serosa  über  dem  Keimstreifen. 
Später  rückt  auch  das  Amnion  nach  und  schliesst  sich,  so  dass  der  Embryo 
zum  Schlüsse  doch  von  einer  doppelten  zelligen  Hülle  bedeckt  ist.  Der 
Keimstreif  ist  demnach  hier  ein  durch  Faltenbildung  überwachsener,  er 
ist  auch  superficiell.  Aber  er  liegt  —  und  das  ist  für  unsere  Auffassung 
das  entscheidende  —  ursprünglich  an  der  Rückenseite  des  Eies,  mit  seinem 
Kopfende  nach  hinten  gerichtet  (Fig.  482  Ä),  stimmt  demnach  bezüglich 
seiner  Lagebeziehungen  vollständig  mit  Corixa  (vgl.  oben  pag.  778)  überein. 
Er  muss  somit  nach  erfolgtem  Riss  der  Embryonalhüllen  einen  echten 
Umrollungsprocess  (Fig.  482  B,  C,  D)  durchmachen,  um  in  seine  defini- 
tive Lage  zu  gelangen.  Dieser  Umrollungsprocess  und  die  später  er- 
folgende Rückbildung  der  Serosa  unter  Bildung  einer  Einstülpung  (Rücken- 
rohr) zeigen  eine  so  vollständige  Uebereinstimmung  mit  den  übrigen 
Insecten  dieses  Typus,  dass  wir  die  Zureihung  von  Oecanthus  zu  den- 
selben für  gerechtfertigt  halten. 

E.   Insecten  mit  überwachsenem  Keimstreif. 

Orthoptera  genuina.  Bei  allen  bis  jetzt  untersuchten  Formen  dieser 
Gruppe,  mit  Ausnahme  von  Oecanthus,  ist  der  Keimstreif  von  Anfang 
an  an  der  Ventralseite  des  Eies,  mit  dem  Kopfende  nach  vorne  gelagert. 
Hier  findet  sich  sonach  keine  Umrollung.  Die  Embryonalhüllen  entstehen 
durch  Faltenbildung.  Der  Keimstreif  ist  in  den  meisten  Fällen  ein  ver- 
hältnissmässig  kurzer  (Blatt a  nach  Cholodkowsky  No.  19  und  Wheeler 
No.  95,  Steno bothrus  und  Mantis  nach  Graber  No.  26  und  30). 
Nur  bei  Gryllotalpa  (nach  Korotneff  No.  47)  gewinnt  der  Keimstreif 
eine  ansehnliche  Länge  und  erscheint  sonach  mit  seinem  vorderen  und 
hinteren  Ende  nach  der  Dorsalseite  hinübergeschlagen.  Bei  sämmtlichen 
hierher  gehörigen  Formen  erscheint  in  späteren  Entwicklungsstadien,  wie 
dies  auch  bei  den  Libelluliden,  Rhynchoten,  Oecanthus, 
Phryganiden,  bei  manchen  Coleopteren  und  in  noch  stärkerem 
Maasse  bei  den  Lepidopteren  und  gewissen  H y m e n o p t e r e n  zu 
beobachten  ist,  das  hintere  Abdominalende  ventralwärts  eingeschlagen. 
Diese  Einkrümmimg  wird  meist  noch  vor  dem  Ausschlüpfen  rückgängig 
gemacht. 

Es  ist  zu  erwähnen,  dass  beiStenobothrus  die  Bildung  der  Amnion- 
falte in    eine  sehr    frühe  Periode   der  Keimstreifentwicklung    fällt.     Zu  einer 


782 


XXIII.  Capitel. 


Zeit,  in  welcher  die  Gastrulation  erst  eingeleitet  wird  und  die  Bauchplatte 
noch  eine  rundliche,  schildförmige  Gestalt  hat,  wird  dieselbe  bereits  von  der 
Amnionfalte  überwachsen  (Gkabke  No.  26).  Bei  Gryllotalpa  entstehen 
die  Embryonalhüllen  in  Form  zweier  seitlich  sich  erhebenden  Falten.  Bei 
Blatta  findet  zunächst  die  Erbebung  einer  Schwanzfalte  und  paariger,  den 
beiden  Kopf  läppen  entsprechender  Kopffalten  statt  (ähnlich,  wie  bei  den 
Coleopteren).  Der  Keimstreif  der  Orthopteren  ist  im  Allgemeinen  ein  super- 
fizieller. Nur  bei  Stenobothrus  wird  er  -  wie  wir  dies  bei  den  Lepido- 
pteren  wiederfinden  werden  —  durch  Eintritt  von  Nahrungsdotterpartikel- 
chen  zwischen  die  beiden  Hüllblätter  immers. 

Dipteren.  Bei  allen,  bisher  untersuchten  Dipteren  erreicht  der 
Keimstreif  eine  ansehnliche  Länge,  so  dass  er  nicht  blos  die  ganze  Ventral- 
seite bedeckt,  sondern  mit  seinem  Vorderende,  noch  mehr  aber  mit  seinem 
Hinterende    so    weit    dorsalwärts    übergeschlagen    ist    (Fig.   483),    dass 


Fig.  483.  Schematische  Seitenansichten  des  Chironomuseies  im  Stadium 
der  Embryonalhüllenbildung  (im  Anschlüsse  an  Weismakn  und  Kupffer). 

A  beginnende  Erhebung  der  Kopf-  und  Schwanzfalte  {kf  und  */).  B  Vereinigung 
der  beiden  Falten  und  fortschreitende  Ueberwachsung  des  Keimstreifs. 

v  Ventralseite,  d  Dorsalseite,  a  unbedeckter  Theil  des  Keimstreifs,  am  Amnion, 
do  Nahrungsdotter,  k  Kopfende  des  Keimstreifs,  k'  ventraler  Theil  des  Keimstreifs, 
k"  dorsalwärts  übergeschlagener  Theil  des  Keimstreifs,  k'"  hakenförmig  eingekrümmtes 
Hinterende,  kf  Kopffalte  des  Amnions,  kl  Kopf  läppen,  r  Kückennabel,  s  Serosa, 
sf  Schwanzfalte  des  Amnions ,  x ,  x'  innere  Umschlagstellen  des  Amnions  (U ebergang 
in  das  Ectoderm  des  Keimstreifs). 


die  beiden  Enden  des  Keimstreifs  einander  an  der  Rückenseite  des  Eies 
beträchtlich  genähert  erscheinen  (x — af).  Die  spätere  Entwicklung,  wenn 
das  Hinterende  des  Keimstreifs  sich  an  den  hinteren  Eipol  zurückzieht, 
ist  demnach  mit  einer  starken  Verkürzung  der  Embryonalanlage  ver- 
bunden. 

Die  Amnionfalte   entsteht  hier  nicht  längs   des  ganzen  Randes  des 
Keimstreifs   gleichzeitig;    sondern   es   zeigt   sich    zunächst   eine  Falten- 


Insecten.  783 

erhebung  im  Umkreis  des  Kopfendes  (kf)  und  eine  zweite  am  Hinter- 
ende (sf)  des  Keimstreifs  (K  o  p  f  f  a  1 1  e  und  S  c  h  w  a  n  z  f  a  1 1  e  des  Amnions). 
Erst  später  tritt  die  Faltenbildung  in  den  mittleren  Parthien  an  den  Seiten- 
rändern  des  Keimstreifs  ein  und  dadurch  werden  die  Kopf-  und  Schwanz- 
falte mit  einander  vereinigt  (Chironomus  nach  Weismann  No.  87  und 
Kupffek  No.  50,  Simulia  nach  Metschnikoff  No.  55). 

Da  die  dorsalwärts  übergeschlagenen  Keimstreifenden  einander  sehr  ge- 
nähert sind ,  so  rücken  hier  auch  die  inneren  Umschlagsränder  des  Amnions 
(bei  x  und  x  in  Fig.  483  A),  wo  dasselbe  in  das  Ectoderm  des  Keimstreifs 
übergeht,  nahe  aneinander.  Es  folgt  hieraus,  dass  jener  Bezirk,  im  Bereich 
dessen  die  Serosa  direct  der  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  aufliegt  (r), 
bei  diesen  Formen  sehr  eingeengt  erscheint.  Wir  werden  ganz  ähnlichen 
Verhältnissen  bei  den  Lepidopteren  und  Phryganiden  begegnen. 

Der  Keimstreif  der  Dipteren  ist  durchgehends  ein  superficieller;  nur  das 
hinterste  Ende  desselben  erseheint  bei  Chironomus  und  Simulia  haken- 
förmig abgebogen  (Fig.  483  -B,  k'")  und  in  das  Innere  des  Dotters  ver- 
senkt. Wir  haben  hier  eine  Annäherung  an  die  für  die  Coleopteren  zu 
schildernden  Verhältnisse.  Ein  Gleiches  ist  vielleicht  auch  bei  den  Museiden 
der  Fall. 

Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  bei  einigen  Dipteren  die  Amnion- 
f alten  rudimentär  bleiben  und  niemals  den  Keimstreif  vollständig  überwachsen. 
Dies  ist  nach  Metschnikoff  (No.  55)  bei  dem  Embryo  der  viviparen  Ceci- 
domyalarven  der  Fall,  bei  welchem  die  Kopf-  und  Schwanzfalte  an- 
gelegt werden ,  aber  sich  nicht  weiter  entwickeln.  Das  Gleiche  ist  nach 
Kowalevsky  und  Graber  (No.  27  und  28)  bei  den  Museiden  der  Fall,  bei 
denen  die  Kopffalte  äusserst  rudimentär  bleibt  und  nur  die  Schwanzfalte  zu 
etwas  deutlicherer  Entwicklung  gelangt.  Bei  der  späteren  Ausbildung  des 
Embryos  werden  diese  Falten  einfach  wieder  ausgeglättet  und  nehmen  dann, 
wie  es  scheint ,  an  der  Ausbildung    der  Rückenhaut    einen  gewissen  Antheil. 

Trichopteren.  Die  an  dem  rundlichen  Ei  der  Phryganiden  zu  be- 
obachtenden Verhältnisse  schliessen  sich  —  nach  den  Beobachtungen  von 
Patten  für  Neophylax  (No.  65)  —  ungemein  nahe  an  den  normalen 
Typus  der  Dipteren  (Chironomus)  an.  Der  äusserst  langgestreckte, 
superncielle  Keimstreif  bedeckt  auch  hier  den  grössten  Theil  der  Ei- 
peripherie,  so  dass  sein  Vorder-  und  Hinterende  sich  beinahe  berühren. 
Wir  werden  sehen,  dass  nach  den  Mittheilungen  von  Graber  (No.  27) 
auch  die  Rüekbildungserscheinungen  der  Keimhüllen  in  beiden  Gruppen 
im  Wesentlichen  nach  dem  gleichen  Typus  ablaufen. 

Lepidopteren.  Auch  die  Lepidopteren  schliessen  sich  nach  den 
allgemeinen  Verhältnissen  der  Keimstreif-  und  Keimhüllenentwicklung 
den  beiden  vorhergehenden  Gruppen  nahe  an.  Auffällig  ist  hier,  dass 
die  Entwicklung  der  Amnionfalte  schon  in  einer  sehr  frühen  Periode  der 
Keimstreifentwicklung  stattfindet  (also  ähnlich  wie  bei  Stenobothrus, 
vgl.  oben  pag.  781),  zu  einer  Zeit,  wo  die  Keimstreifanlage  oder  Bauch- 
platte noch  eine  rundliche,  schildförmige  Blastodermverdickung  (Fig. 
484  Ä)  darstellt,  von  deren  Rande  die  Amnionfalte  sich  erhebt.  Erst 
später  tritt  das  Längenwachsthmn  des  Keimstreifs  ein,  welcher  sehr  bald, 
da  Nahrungsdottermassen  in  den  Raum  zwischen  Amnion  und  Serosa  ein- 
treten .  zu  einem  immersen  Keimstreif  (Fig.  484  B)  wird.  Da  —  wie 
bei  den  Dipteren  —  mit  dem  fortschreitenden  Längenwachsthmn  eine 
starke  dorsale  Einkrümmung  des  Keimstreifs  sich  entwickelt  und  die 
Amnionhöhle  dieser  Einkrümmung  folgt,  so  wird  jene  Stelle  des  Rückens, 


784 


XXIII.  Capitel. 


am 


welche  die  Verbindung  zwischen  dem  Embryo  und  den  Keimhüllen  dar- 
stellt ,  allmählich  immer  mehr  und  mehr  eingeengt  (Fig.  484  C,  bei  x). 
Es  kommt  auf  diese  Weise  zur  Entwicklung  eines  dorsalen  Nabel- 
gangs, welcher  hier  insofern  von 
Bedeutung  ist,  als  er  die  Passage  dar- 
stellt, vermittelst  welcher  die  in  das 
Innere  des  Embryos  aufgenommenen 
Nahrungsdottermassen  mit  den  zwischen 
Amnion  und  Serosa  befindlichen  com- 
municiren.  Wir  könnten  mit  Rücksicht 
auf  diese  Verhältnisse  von  den  Lepi- 
dopteren  sagen,  ihr  Embryo  sei  rings- 
um von  einem  Dottersacke  umwachsen, 
welcher  durch  den  dorsalen  Nabelgang 
mit  dem  Embryo  zusammenhängt. 

Hymeiioptereii.  Die  Hymeno- 
pteren  zeigen  Verhältnisse,  welche 
sich  in  den  wesentlichen  Punkten  mit 
den  für  die  Dipteren  geschilderten  in 
Uebereinstimmung  bringen  lassen.   Der 

Keimstreif  ist   auch  hier  stets   ein 
superfizieller  und  wird  durch  das  Vor- 
rücken einer  Kopf-  und  Schwanzfalte 

des  Amnions  von   einer   doppelten, 
zelligen   Hülle    (Amnion   und    Serosa) 
überwachsen  (Fig.  485  Ä).    So  wurden 
die  Verhältnisse  von  Kowalevsky  für 
die  Biene  (Apis)  und  noch  klarer  von 

Graber  für  Polistes  gallica, 
Formica,  besonders  aber  neuerdings 
für  Hylotoma  berberidis  darge- 
stellt (No.  27  und  30).  Es  scheint  bei 
dieser  Ueberwachsung  (wenigstens  bei 
Apis)  die  Kopffalte  beträchtlich  stärker, 
als  die  Schwanzfalte  betheiligt  zu  sein. 


Im  Allgemeinen  bleibt  der  Keim- 
streif der  Hymenopteren  verhält- 
nissmässig  kurz.  Er  gewinnt  keine  grössere 
Ausdehnung  in  die  Länge,  als  die  Länge 
des  Eies  beträgt  (Fig.  485  A),  und  bleibt 
daher  auf  die  Ventralseite  desselben  be- 
schränkt. Dagegen  scheint  hier  der 
inneren  Umschlagsstelle  des  Amnions 
(Uebergangsstelle  in  das  Ectoderm  des 
Keimstreifs  x  und  x)  ein  selbstständiges 
Wachsthum  nach  der  Richtung  der  Dor- 
salseite zuzukommen  ,  ein  Fall ,  der  bei 
den  Insecten  im  Allgemeinen  selten  ist, 
aber  in  ähnlicher  Weise  auch  den  Lepi- 
dopteren  zuzukommen  scheint.  Es  wird 
hierdurch  der  dorsale  Kabelgang  immer 
mehr    eingeengt,     bis    er     durch    Ver- 


ü/7i 


Fig.  484.  Schema  der  Embryonal- 
hüllenbildung  bei  Lepidopteren  (A 
nach  Kowalevsky,  B  und  Cnach  Ticho- 
miropf). 

1<  Keimstreif,  am  Amnion,  se  Serosa, 
do  Nahrungsdotter,  vd  Einstülpung  des 
Vorderdarms,  ed  Einstülpung  des  End- 
darms, m  Mund,  an  Afteröfthung,  x  dor- 
saler Nabelgang. 


Insecten. 


785 


schmelzen  dieser  inneren  Falten  vollständig  abgeschnürt  wird  (Fig.  485  B). 
Der  Embryo,  dessen  Rücken  nun  unter  Zuhülfenahme  eines  Theiles  des  Am- 
nions bereits  verschlossen  erscheint,  liegt  dann  völlig  frei  in  zwei  zelligen 
Säcken,  von  denen  der  äussere  der  Serosa,  der  innere  dem  Amnion  ent- 
spricht (s,  am  in  Fig.  485  B). 

Wenngleich  das  Vorhandensein  einer  doppelten  zelligen  Hülle  (Amnion 
und  Serosa)  nach  den  neueren  Beobachtungen  von  Graber  für  die  Hymeno- 
pteren  kaum  zweifelhaft  sein  kann ,  müssen  wir  hier  doch  erwähnen ,  dass 
andere  Autoren  ausdrücklich  blos  das  Vorhandensein  einer  einzigen  Embryonal- 
hülle, die  dann  als  Serosa  in  Anspruch  genommen  werden  muss,  anerkennen. 


V      d 


oo        -ol   m, 


an 


Fig.  485.  Zwei  Entwicklungsstadien  von  Hylotoma  berberidis  im  schema- 
tischen Medianschnitte  (nach  Graber). 

a1— a10  erstes  bis  zehntes  Abdominalsegment,  am  Amnion,  an  After,  at  Antenne, 
bg  Bauchganglienkette,  do  Nahrungsdotter,  cd  Enddarm,  m  Mund,  md  Mandibel, 
mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite  Maxille,  og  oberes  Schlundganglion,  ol  Vorderkopf  (Ober- 
lippenanlage), p',  p",  p'"  erstes  bis  drittes  Thoraxbeinpaar,  s  Serosa,  sp  Speicheldrüsen, 
vd  Vorderdarm,  x,  x'  innere  Umschlagsstellen  des  Amnions. 


Obschon  eine  Täuschung  nach  dieser  Richtung  sehr  leicht  durch  den 
Umstand  ermöglicht  sein  kann,  dass  die  innere  Hülle  (Amnion)  sich,  wie 
aus  den  Beobachtungen  Graber's  hervorgeht,  dicht  an  den  Keimstreif  an- 
lagert und  dann  von  dem  letzteren  nicht  unterschieden  wird ,  so  ist  doch 
a   priori    die    Möglichkeit    nicht    abzuleugnen ,    dass    das   Amnion    bei    der 


786  XXIII.  Capitel. 

Entwicklung  der  Amnionfalte  thatsächlich  anfangs  rudimentär  bleibt,  wie  wir 
dieses  oben  (pag.  780)  für  die  Kopffalte  der  Apbiden  und  für  Oecan- 
thus  (pag.  781)  geschildert  haben.  Es  würde  dann  an  dem  Rand  der 
Amnionfalte  eine  Trennung  von  Amnion  und  Serosa  stattfinden  und  die  Serosa 
in  einer  Weise  selbstständig  auswachsen,  welche  wir  als  U  eberschieb ung 
bezeichnen  könnten.  (Vgl.  auch  oben  die  Darstellung  der  Amnionbildung  bei 
dem  Scorpion  pag.  539,  Fig.  345).  So  wurden  die  Verhältnisse  für  die 
Biene  von  Bütschli  (No.  1.1)  und  Geassi  (No.  32),  ferner  für  Polistes 
gallica  und  für  Chalicodoma  muraria  von  Carriere  (No.  13)  ge- 
schildert. 

Völlig  im  Zweifel  sind  wir  noch  hinsichtlich  des  Vorhandenseins  und 
der  Beschaffenheit  der  Embryonalhüllen  bei  den  Pteromalinen  (vgl. 
nach  dieser  Hinsicht  das  unten  pag.  856  über  PI aty gaster  Mitgetheilte), 
bei  denen  der  Endoparasitismus  des  Embryos  und  der  Larven  wesentlich  auf 
die  Entwicklung  verändernd  eingewirkt  hat. 

F.    Uebergangsformen  zwischen  den  beiden  Typen  der 
Keimstreifentwicklung. 

Coleopteren.  Der  Keimstreif  der  Coleopteren,  welcher  gleich 
dem  der  Hymenopteren  nur  eine  massige  Ausdehnung  in  die  Länge  ge- 
winnt, zeigt  in  seinem  vorderen  und  Haupt- Antheile  (Fig.  486  k)  die 
Charaktere  des  überwachsenen  Keimstreifs.  Er  ist  superficiell  und  wird 
durch  die  Ausdehnung  einer  Schwanzfalte  (af)  und  paariger,  bald 
verschmelzender  Kopf  falten  (af)  (vgl.  pag.  770,  Fig.  476  C,  af"),  zu 
denen  bei  Lina  nach  Graber  (No.  30)  noch  selbstständig  entstehende 
Seitenfalten  hinzukommen,  überwachsen.  Dagegen  entwickelt  sich 
das  hintere  Ende  des  Keimstreifs  vollständig  nach  dem  für  die  Libel- 
luli den  beschriebenen  Typus  der  Invagination.  Es  findet  sich  bei 
Hydro philus  (nach  Kowalevsky  No.  48  und  Heider  No.  38)  am 
hinteren  Ende  der  Keimstreifanlage  ein  Grübchen  (pag.  770,  Fig.  476  A,g), 
welches  vollständig  der  von  den  Autoren  als  Keim  hü  gel  (vgl.  oben 
pag.  776)  bezeichneten  Einstülpung  entspricht.  Indem  diese  Einstülpung 
tiefer  wird,  entwickelt  sich  das  hinterste  Ende  des  Keimstreifs  (Fig. 
486  k'),  welches  dorsalwärts  umgeschlagen  und  in  den  Dotter  versenkt 
erscheint.  Die  hinterste  Parthie  des  Keimstreifs  ist  hier  demnach  immers, 
sie  ist  mit  dem  Analende  nach  vorne  gerichtet  und  an  der  Rückenseite 
des  Eies  gelagert  —  kurz  sie  weist  in  Allem  die  Charaktere  des  in- 
vaginirten  Keimstreifs  auf  (Fig.  486  k'). 

Der  Keimstreif  ist  demnach  bei  den  Coleopteren  ursprünglich  über  den 
hinteren  Eipol  dorsalwärts  herumgebogen.  Dementsprechend  ist  das  Kopf- 
ende des  Keimstreifs  von  dem  vorderen  Eipole  anfangs  ziemlich  weit  ent- 
fernt (pag.  770,  Fig.  476  D).  Erst  allmäblich  bewegt  sich  das  Kopfende 
nach  dem  vorderen  Eipole  (Fig.  476  E),  während  das  Hinterende  des  Keim- 
streifs den  binteren  Eipol  erreicht.  Bei  dieser  Bewegung  wird  der  hintere 
invaginirte  Theil  des  Keimstreifs  gleichsam  aus  dem  Dotter  herausgezogen, 
so  dass  zum  Schlüsse  der  Keimstreif  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach  ein 
superfizieller  ist.  Die  erwähnte  Bewegung  des  Keimstreifs  entspricht  durch- 
aus dem  Processe  der  Umrollung.  Allerdings  tritt  bei  Hydrophilus  der 
Riss  der  Embryonalhüllen  erst  in  einem  späteren  Zeitpunkte  ein. 

Aehnliche  Verbältnisse,  wie  die  für  Hydrophilus  geschilderten,  liegen 
auch    bei   den    übrigen   Coleopteren    vor,    wie    dies    vor    Allem   aus  den 


Insecten. 


787 


Beobachtungen  von  Grabek  (No.  30)  für  Lina  und  von  Wheeler  (No.  95) 
für  D  o  r  y  p  h  o  r  a  hervorgeht.  Auch  hier  ist  das  Hinterende  des  Keimstreifs 
dorsalwärts  eingekrümmt  und  in  den  Dotter  versenkt.  Der  Hauptunterschied 
von  Hydrophilus  findet  sich  darin,  dass  das  Kopfende  des  Keimstreifs  von 
Anfang  an  nahe  dem  vorderen  Eipole  angelegt  wird,  was  zur  Folge  hat, 
dass  hier  die  Bewegung  der  Umrollung  nicht  zur  Beobachtung  kommt. 

Wir  haben  oben  (pag.  783)  darauf  hingewiesen,  dass  auch  das  hinterste 
Ende  des  Dipterenkeimstreifs  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Coleopteren,  wenn- 
gleich nicht  in  derselben  Ausdehnung  in  den  Dotter  versenkt  ist.  Wir  haben  hier 
gleichsam  die  letzten  Andeutungen  einer  Keimstreifbildung  durch  Invagination. 
Das  Vorhandensein  dieser  Spuren,  vor  Allem  aber  das  Verhalten  von  Hydro- 
philus (und  Cecanthus)  scheint  darauf  hinzu- 
deuten ,  dass  die  Keimstreifbildung  durch  In- 
vagination für  die  Gruppe  der  Insecten  das 
primäre  Verhalten  ist,  während  die  Ueber- 
wachsung  durch  eine  Amnionfalte  ein  secundäres 
Verhalten  darstellt  (Will  No.  97).  Die  bei 
Hydrophilus  undOecanthus  zu  beobach- 
tende Bewegung    der  Umrollung  wird  nämlich 


nur  unter 


dieser 


Annahme  verständlich. 


G.    Allgemeines. 

Wir  haben  oben  (pag.  732,  Fig.  455  u.  456) 
gesehen,  dass  bei  den  Myriopoden  bei  fort- 
schreitendem Längenwachsthum  des  Keini- 
streifs  derselbe  in  seiner  Mitte  eingeknickt 
und  in  das  Innere  des  Eies  versenkt  wird.  In 
dieser  Einsenkung,  welche  wir  uns  zunächst 
durch  das  räumliche  Missverhältniss  zwischen 
dem  langgestreckten  Keimstreif  und  der  rund- 
lichen Eiform  entstanden  zu  denken  haben, 
werden  wir  [wie  dies  schon  Graber  (No.  149) 
andeutete  und  Will  (No.  97)  neuerdings 
ausführlicher  begründet  hat]  den  Ausgangs- 
punkt für  die  Entwicklung  des  invaginirten 
Keimstreifs  der  Libelluliden  zu  suchen  haben. 
WTir  werden  demnach  für  die  Entwicklung 
des  Insectenkeimstreifs  die  Form  der  In- 
vagination als  die  ursprüngliche  betrachten. 
Bei  einem  genaueren  Vergleich  zwischen  den 
Verhältnissen  der  Myriopoden  und  der  Libel- 
luliden ergeben  sich  allerdings  gewisse  Unter- 
schiede. Bei  den  Myriopoden  wird  nur  der 
Keimstreif  in   die   Einsenkung   einbezogen. 


t- 


Fig.  486.  Schema  eines 
medianen  Längsschnittes  durch 
einen  Hydrophilus  embryo  im 
Stadium  der  Fig.  476  D,  pag.  770 
(nach  Heider). 

af  vordere  Amnionfalte,  af 
hintere  Amnionfalte,  ah  Amnion- 
höhle,  am  Amnion,  do  Nahrungs- 
dotter, Je  der  segmentirte  Keim- 
streif, welcher  in  Wirklichkeit 
hier  bereits  zweischichtig  ist, 
k'  hinteres,  dorsalwärts  umge- 
schlagenes und  in  den  Dotter 
versenktes  Ende  des  Keimstreifs, 
v  Ventralseite,  d  Dorsalseite  des 
Eies. 


Bei    den  Libelluliden  dagegen,    bei   denen 

der  Keimstreif  verhältnissmässig  kurz  ist,  nimmt  derselbe  nur  die  eine 
Seite  der  Einsenkung  ein,  während  die  gegenüberliegende  Seite  derselben 
von  einem  in  die  Tiefe  der  Einsenkung  mit  hineingezogenen  Theile  des 
Blastoderms  eingenommen  erscheint,  welches  dann  als  Amnion  bezeichnet 
wird.  Hier  gewinnt  demnach  der  an  der  Keimstreifbildung  unbetheiligte 
Blastodermabschnitt  eine  grössere  Ausdehnung  und  hiermit  ist  der  erste 
Anfang  der  Keimhüllenbildung  gekennzeichnet. 


788  XXIII.  Capitel. 

Bei  den  Myriopoden  bleiben  die  in  die  Einsenkung  nicht  einbezoge- 
nen Theile  des  Keimstreifs  einfach  unbedeckt.  Bei  den  Libelluliden  da- 
gegen werden  sie  von  einer  secundär  sich  erhebenden  Falte  (Amnionfalte) 
überwachsen.  Diese  Faltenbildung  stellt  eine  Neuerwerbung  der  Insecten 
dar,  durch  welche  das  System  der  Embryonalhüllen  vervollständigt  wird. 
Sie  wird  demnach  von  Will  (No.  97)  als  secundär  er  Theil  der 
Embryonalhüllen  dem  durch  die  Einstülpung  entstandenen  primären 
Theil  gegenübergestellt.  Wir  möchten  jedoch  in  dieser  Gegenüberstellung 
keinen  allzuscharfen  Gegensatz  ausgesprochen  wissen. 

Bei  den  höher  entwickelten  und  abgeleiteteren  Insectentypen  ge- 
winnt die  secundäre  Faltenbildung  an  Umfang,  während  die  Ausbildung 
des  Keimstreifs  durch  Invagination  in  den  Hintergrund  tritt.  Es  leitet 
sich  auf  diese  Weise  der  überwachsene  Keimstreif  von  dem  invaginirten 
ab.  Die  Entwicklung  des  überwachsenen  Keimstreifs  bedeutete  insofern 
einen  Fortschritt  der  Entwicklungsweise,  als  nun  der  immerhin  compli- 
cirte  Process  der  Umrollung  in  Wegfall  kam. 

Die  Fälle  von  rudimentärer  Ausbildung  der  Embryonalhüllen,  wie 
sie  bei  endoparasitischen  Eiern  (Pteromalinen,  Tachiniden),  bei  den  Eiern 
der  viviparen  Cecidomyiden  und  bei  den  Museiden  beobachtet  wurden, 
werden  wir  mit  Rücksicht  auf  das  Verhalten  anderer  nahe  verwandter 
Formen  als  abgeleitete  betrachten  müssen. 

Für  die  Behandlung  der  Frage  nach  der  physiologischen  Bedeutung 
der  Keimhüllen  fehlen  uns  bisher  noch  sichere  Anhaltspunkte.  Wenn 
für  die  Entwicklung  des  invaginirten  Keimstreifs  vielleicht  die  Vergrösse- 
rung  der  dotterabsorbirenden  Oberfläche  von  Wichtigkeit  war,  so  kann 
doch  dieser  Gesichtspunkt  für  die  Erklärung  der  Ausbildung  der  über- 
wachsenden Amnionfalte  nicht  in  Frage  kommen.  Für  letztere  scheint 
eine  Entwicklungstendenz  massgebend  gewesen  zu  sein,  welche  dahin 
führte,  den  Keimstreif  bei  seinen  mannigfachen  Entwicklungsprocessen 
von  dem  directen  Contact  mit  der  Innenfläche  des  Chorions  (resp.  Dotter- 
häutchens)  unabhängig  zu  stellen.  Es  mag  hiermit  ein  grösserer  Schutz 
gegen  gewisse  mechanische  Insulte,  vielleicht  auch  gegen  die  Gefahr  des 
Ein-  und  Antrocknens  gegeben  gewesen  sein.  Für  das  letztere  scheint 
besonders  der  Umstand  zu  sprechen,  dass  bei  den  Eiern  mit  rückgebil- 
deten Embryonalhüllen  (Cecidomyia,  Tachinen,  Museiden)  jene  Gefahr  in- 
folge ihrer  äusseren  Entwicklungsbedingungen  in  vermindertem  Maasse 
vorliegt.  Immerhin  haben  alle  diese  Vermuthungen  nur  wenig  Befrie- 
digendes an  sich. 


i&>. 


4.    Ausbildung  der  äusseren  Körperform. 

A.   Segmentirung. 

Sehr  frühzeitig  machen  sich  am  Keimstreifen  der  Insecten  die  ersten 
Spuren  der  Segmentirung  bemerkbar,  indem  derselbe  durch  oberflächliche 
querverlaufende  Furchen  in  eine  Anzahl  von  Theilstücken  (Segmenten) 
getheilt  wird.  Es  kann  diese  Gliederung  in  aufeinanderfolgende  Meta- 
meren  —  wie  dies  bei  Hydrophilus  (nach  Kowalevsky  und  Heider 
pag.  770,  Fig.  476  A  und  B)  und  bei  Chalicodoma  muraria  (pag. 
812,  Fig.  498  nach  Carriere  No.  13)  der  Fall  ist  —  schon  zu  einer 
Zeit  bemerkbar  werden,  in  welcher  der  Process  der  Gastrulation  erst  im 
Beginne  ist.  Er  erstrecken  sich  dann  die  queren  Segmentgrenzen  nicht 
blos  über  die  Mittelplatte  (vgl.  unten  pag.  807),  durch  deren  Einstülpung 


Insecten. 


789 


das  untere  Blatt  hervorgeht,  sondern  sie  greifen  lateralwärts  auf  die 
Seitenplatten  (Fig.  498  s)  über,  welche  zum  Ectoderm  des  Keimstreifs 
werden.  Diese  Querfurchen  entsprechen  dünneren  Stellen  des  Epithels, 
welches  in  diesem  Stadium  die  Embryonalanlage  bildet  Es  ergiebt  sich 
hieraus,  dass  bei  den  genannten  Formen  nach  Ablauf  der  Gastrulation 
nicht  blos  das  Ectoderm,  sondern  auch  das  untere  Blatt  bereits  segmen- 
tirt  ist. 

Es  wurde  von  Heider  (No.  38)  für  Hydrophilus  behauptet,  dass 
die  erste  Andeutung  der  Segmentirung  der  Gastrulation  sogar  vorauseilt. 
Die  gleichen  Querzonen  des  Blastoderms  haben  auch  Wheeler  (No.  95)  bei 
Doryphora  und  Graber  (No.  30)  bei  Lina  beobachtet,  aber  in  anderer 
Weise  gedeutet  und  nicht  auf  die  spätere  Segmentirung  bezogen. 


Fig-.  487.     Drei  Ehtwieklungsstadien  des  Keimstreifs  von  Lina  (nach  Graber). 

A  unsegmentirter  Keimstreif;  in  B  und  C  wird  die  Segmentirung  an  dem  unteren 
Blatte  erkennbar.  2?  mit  der  Anlage  der  drei  Kiefersegmente,  wozu  in  C  noch  die 
drei  Thoraxsegmente  und  die  zwei  vordersten  Abdominalsegmente  hinzukommen. 

a',  a"  erstes  und  zweites  Abdominalsegment,  af  Amnionfalte,  bl  ßlastoporus,  k', 
k",  k'"  erstes,  zweites  und  drittes  Kiefersegment,  kl  Kopflappen,  m  Mund,  t',  t",  t'"  erstes, 
zweites  und  drittes  Thoraxsegment,  th  Verbreiterung  des  Keimstreifs  in  der  Thorax- 
region, u  unteres  Blatt. 


Ein  so  frühzeitiges  Auftreten  der  Segmentirung,  wie  es  bei  Hydro- 
philus und  Chalicodoma  beobachtet  wurde,  müssen  wir  als  eine 
auf  Heterochronie  beruhende  Fälschung  des  Entwicklungsprocesses  auf- 
fassen. Wir  werden  das  bei  anderen  Formen  beobachtete  Verhalten  als 
das  ursprüngliche  betrachten  müssen,  bei  welchen  (wie  zum  Beispiel  bei 
Lina  und  Stenobothrus  nach  Geaber  No.  30)  die  Gastrulation  und 
Sonderung  des  unteren  Blattes  sich  an  dem  noch  unsegmentirten  Keim- 
streifen vollzieht  und  erst  in  späteren  Stadien  der  Zerfall  in  Segmente 
kenntlich  wird  (Fig.  487).  Bei  diesen  Formen  macht  sich  dann  die  Seg- 
mentirung vorzugsweise  an  dem  eingestülpten  unteren  Blatte  bemerkbar, 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  51 


790  XXIII.  Capitel. 

wenngleich  wahrscheinlich  in  allen  Fällen  auch  das  Ectoderm  schon  früh- 
zeitig an  derselben  partieipirt. 

Wir  unterscheiden  an  dem  vollständig  segmentirten  Insectenkeim- 
streif  (pag.  770,  Fig.  476  E  und  pag.  793,  Fig.  488  Ä)  einen  dem  Vorder- 
ende und  einen  dem  Hinterende  entsprechenden  Abschnitt  von  eigen- 
artiger Gestaltung.  Die  vordere,  als  primärer  Kopf  abschnitt  zu 
bezeichnende  Parthie  trägt  die  Mundöffnung  und  ist  durch  seitliche  Aus- 
breitungen, die  sogenannten  Kopflappen  (Fig.  470  £,  487  M),  charak- 
terisirt,  während  der  hintere  Endabschnitt,  das  sogenannte  Analseg- 
ment oder  Telson,  die  Afteröffnung  (Fig.  488  Äa)  trägt.  Zwischen 
beiden  Abschnitten  erstreckt  sich  der  segmentirte,  primäre  Rumpf- 
abschnitt.  welcher  bei  den  Insecten  ganz  allgemein  aus  sechzehn  Seg- 
menten zu  bestehen  scheint.  Von  diesen  stellen  die  drei  vordersten  die 
später  in  die  Bildung  des  Kopfes  mit  einbezogenen  Kiefersegmente 
(Fig.  488  md,  mzu  mx2)  dar,  während  die  drei  folgenden  zu  Thorax- 
segmenten  (plf  p2,  p3)  sich  entwickeln,  so  dass  für  den  hintersten 
Körperabschnitt  (das  Abdomen)  zehn  Abdominalsegmente  (ausser 
dem  Telson)  gerechnet  werden  müssen. 

Die  Zahl  von  zehn  Abdominalsegmenten,  nebst  dem  Telson,  scheint  für 
die  Insecten  durchaus  die  typische  zu  sein.  Sie  wurde  u.  A.  neuerdings  von 
Heider  an  dem  Keimstreif  von  Hydrophilus  und  von  Graber  (No.  30) 
bei  verschiedenen  Formen  (Lina,  Stenobothrus,  verschiedene  Lepi- 
dopteren  und  Hylotoma)  beobachtet.  Hiermit  stimmen  auch  die  Be- 
obachtungen von  Wheeler  (No.  95),  Cholodkowsky  (No.  19)  und  Carriere 
(No.  13)  überein.  In  späteren  Stadien  der  Embryonalentwicklung  wird  die 
Zahl  der  Abdominalsegmente  bei  einigen  Formen  anscheinend  um  eines  ver- 
mindert, insoferne  das  zehnte  Abdominalsegment  mit  dem  Endsegmente  ver- 
schmilzt. Dies  scheint  bei  Hydrophilus  und  Lina  der  Fall  zu  sein, 
während  nach  Graber  (No.  30)  bei  den  Lepidopteren  eine  Verschmelzung 
des  neunten  und  zehnten  Abdominalsegmentes  Platz  greift,  das  Telson  da- 
gegen selbstständig  bleibt. 

In  Bezug  auf  den  primären  Kopf  ab  schnitt  ist  zu  bemerken,  dass 
man  mit  Rücksicht  auf  die  von  Patten  (No.  67)  neuerdings  beobachtete 
und  von  mehreren  Forschern  bestätigte  Gehirnsegmentirung  eine  Zusammen- 
setzung dieses  Abschnitts  aus  mehreren  (drei)  mit  einander  verschmolzenen 
Segmenten  wird  annehmen  müssen.  (Vgl.  nach  dieser  Hinsicht  das  unten 
pag.  821  ff.  über  die  Entwicklung  des  Gehirns  Gesagte). 

Es  verdient  erwähnt  zu  werden ,  dass  nach  den  Angaben  verschiedener 
Autoren,  unter  denen  vor  allem  Wheeler  (für  Doryphora  No.  95)  und 
Carriere  (für  Chalicodoma  No.  13)  zu  nennen  sind,  sich  zwischen  dem 
primären  Kopfabschnitt  und  dem  ersten  eigentlichen  Rumpfsegmente  (welches 
das  Mandibelsegment  darstellt)  ein  rudimentäres  und  transitorisches  Körper- 
segment, das  sog.  Vorkiefersegment,  einschieben  soll.  Nach  Carriere 
entspricht  diesem  Segmente  ein  rudimentäres  Gliedmaassenpaar,  sowie  ein 
Ganglion  der  Bauchganglienkette.  Letzteres  soll  zur  Bildung  der  Schlund- 
commissur  aufgebraucht  werden. 

Die  Kopf  läppen  treten  gewöhnlich  schon  sehr  frühzeitig  (Fig.  487  Tel) 
auf.  Schon  an  dem  noch  völlig  unsegmentirten  Keimstreife  ist  gewöhnlich 
der  spätere  primäre  Kopfabschnitt  durch  die  Ausbreitung  der  Kopflappen 
charakterisirt.  Häufig  kann  man  auch  beobachten,  dass  der  Rumpfabschnitt 
des  noch  unsegmentirten  Keimstreifs  entsprechend  jener  Stelle,  an  welcher 
sich  später  die  Thoraxsegmente  ausbilden,  eine  schwache  Verbreiterung  auf- 


Insecten.  791 

weist  (Fig.  487  A  und  B,  fh),  so  dass  schon  Ayers  (No.  1)  an  dem  noch 
unsegmentirten  Keimstreif  von  Oecanthus  eine  primäre  Kopfregion,  ferner 
eine  Kiefer-,  Thorax-  und  Abdominalregion  unterscheiden  konnte.  Es  sind 
durch  die  verschiedene  Mächtigkeit  und  Breite  des  Keimstreifs  die  späteren 
Körperregionen  angedeutet.  Auf  dieser  Vorbildung  der  Körperregionen,  welche 
aber  gewöhnlich  (wie  dies  auch  in  Fig.  487  A  der  Fall  ist)  nicht  durch 
quere  Furchen  abgegrenzt  sind,  sondern  sich  an  dem  bandförmigen,  noch 
unsegmentirten  Keimstreife  als  wellige  Ausbuchtungen  des  Seitencontours  er- 
kennen lassen,  beruht  die  von  Gräber  (No.  26  und  30)  aufgestellte  An- 
sicht über  die  primäre  Segmentirung  des  Insecten  keimstreif  s. 
Nach  Graber  sollte  das  für  die  Arthropoden  im  Allgemeinen  erkannte  und 
besonders  von  Balfour  betonte  Gesetz  der  Entwicklung  der  Körpersegmente 
in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  für  die  Insecten  keine  Giltigkeit 
haben.  Hier  sollte  der  Keimstreif  zunächst  in  Macrosomiten  zerfallen,  als 
welche  wir  jene ,  schwach  angedeuteten ,  schon  von  Ayers  gekannten ,  den 
späteren  Körperregionen  entsprechenden  Ausbiegungen  des  Keimstreifs  anzu- 
erkennen hätten.  Die  Makrosomiten  sollten  durch  eine  secundäre  Segmenti- 
rung in  Microsomiten  (das  sind  die  späteren  Körpersegmente)  zertheilt  wer- 
den. Dieser  eigenthümliche  und  von  dem  der  übrigen  Arthropoden  abweichende 
Typus  der  Segmentirung  sei  als  von  einer  hypothetischen  Ahnenform  ererbt 
zu  betrachten.  Wir  können  uns  dieser  Auffassung  nicht  anschliessen.  Ab- 
gesehen davon,  dass  bei  Hydrophilus  (nach  Heideb),  bei  Chalicodoma 
(nach  Carriere  No.  13),  bei  Mantis  (nach  Viallanes  No.  84)  und  bei 
Xiphidium,  einem  Locustiden,  (nach  Wheeler  No.  94)  von  einem  der 
definitiven  Segmentirung  vorhergehenden  Zerfall  des  Keimstreifs  in  Macro- 
somiten nichts  beobachtet  werden  konnte,  so  scheint  uns,  dass  jene  Verbreite- 
rung des  Keimstreifs  an  der  Stelle,  aus  welcher  später  die  Thoraxregion 
hervorgeht,  blos  auf  eine  Anhäufung  von  plastischem  Material  zurückzuführen 
sei,  dass  dieselbe  jedoch  nicht  als  Ausdruck  einer  wirklichen  Segmentirung 
betrachtet  werden  darf.  Anders  läge  die  Sache,  wenn  auch  das  untere  Blatt 
an  diesem  scheinbaren  Zerfall  in  Macrosomiten  sich  betheiligte.  Ein  solches 
Verhalten  wurde  von  Graber  (No.  26)  für  Stenobot hrus  thatsächlich 
angegeben.  Aus  seinen  neueren  Mittheilungen  (No.  30)  scheint  jedoch  her- 
vorzugehen, dass  die  Macrosomitenbildung  am  unteren  Blatte  bei  Steno- 
bothrus  nicht  ganz  deutlich  zu  erkennen  ist.  Es  bleiben  also  nach 
dieser  Hinsicht  nur  die  Mittheilungen  Nusbaum's  (No.  59)  für  Meloe  übrig, 
welche  jedoch,  da  bei  Hydrophilus  und  Lina  kein  Macrosomitenzerfall 
des  unteren  Blattes  zu  bemerken  ist,  wohl  noch  einer  Nachuntersuchung  be- 
dürfen. 

Im  Allgemeinen  geht  die  Ausbildimg  der  Körpersegmente  an  dem 
Keimstreife  der  Insecten  in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  vor 
sich.  Dies  wurde  neuerdings  besonders  von  Graber  (No.  30)  für  ver- 
schiedene Formen  (Stenobothrus,  Hylotoma,  Lina)  beobachtet. 
So  erfolgt  z.  B.  bei  Lina  zunächst  die  Ausbildung  der  drei  Kiefer- 
segmente (Fig.  487  B,  h'—~k'"),  zu  denen  im  nächsten  Stadium  die  drei 
Thoraxsegmente  nebst  den  beiden  vordersten  Abdominalsegmenten  hinzu- 
kommen (Fig.  487  0),  während  die  übrigen  Abdominalsegmente  erst 
später  zur  Entwicklung  gelangen.  In  anderen  Fällen  scheint  die  Aus- 
bildung der  Körpersegmente  nach  der  ganzen  Länge  des  Keimstreifs  mehr 
gleichzeitig  vor  sich  zu  gehen.  Doch  sind  unsere  Kenntnisse  nach  dieser 
Hinsicht  bisher  noch  sehr  lückenhaft.  Eine  Ausnahme  von  der  Regel  macht 
Hydrophilus,   indem  bei   dieser  Form   die  Entwicklung   der  Körper - 

51* 


792  XXI1L  Capitel. 

Segmente  einer  mittleren  Region  etwas  verzögert  erscheint,  während  die 
vorderen  und  hinteren  Parthien  des  Keimstreifs  in  der  Entwicklung 
rascher  fortschreiten.  Bei  Pieris  eilen  nach  Graber  (No.  30)  die 
Thoraxsegmente  allen  anderen  in  der  Entwicklung  voran.  Bald  darauf 
kommen  die  Kiefersegmente  und  erst  zum  Schluss  die  Abdominalsegmente 
zur  Ausbildung. 

B.   Vorderdarm  und  Enddarm.    Oberlippe. 

Die  nächsten  an  dem  Keimstreifen  nach  vollendeter  Segmentirung 
auftretenden  Veränderungen  beziehen  sich  auf  die  Entwicklung  des 
Vorderdarms  und  Enddarms  und  der  Gliedmaassenanlagen.  Der 
Vorderdarm  und  der  Enddarm  werden  als  Ectodermeinstülpungen  im 
Bereiche  des  primären  Kopfabschnittes  und  des  Endsegmentes  angelegt 
(Fig.  487  C,  m\  Fig.  488  A,  m  und  «).  Im  Allgemeinen  scheint  bei  den 
Insecten  die  Ausbildung  des  Vorderdarmes  der  des  Enddarmes  ein  wenig 
vorauszueilen  (Fig.  487  0,  m).  Eine  Ausnahme  hiervon  würden  die 
Museiden  darstellen,  wenn  sich  die  Beobachtungen  Voeltzkow's  (No. 
85)  und  Graber's  (No.  28)  über  das  frühzeitige  Auftreten  der  Enddarm- 
einstülpung bei  diesen  Formen  bestätigen  sollten. 

Gewöhnlich  fällt  ungefähr  in  die  Zeit  des  Auftretens  der  Vorderdarm- 
einstülpung auch  das  Erscheinen  einer  vor  derselben  gelegenen  den 
Vorderrand  der  primären  Kopfregion  einnehmenden  Vorwulstung,  des  so- 
genannten Vor  der  köpf  es  (Fig.  488  vk),  welcher  die  gemeinsame  An- 
lage der  Oberlippe  und  des  Clypeus  darstellt.  In  vielen  Fällen 
erscheint  diese  Anlage  zunächst  in  der  Form  paariger  Höckerchen  (pag. 
822,  Fig.  502  l),  welche  erst  später  durch  Verschmelzung  in  der  Median- 
linie zur  Bildung  einer  unpaaren,  aber  in  der  Mitte  noch  etwas  eingebuch- 
teten Vorwölbung  Anlass  geben.  So  ist  es  bei  den  Coleopteren  (Hy- 
drophilus,  nach  Kowalevsky,  Graber  No.  25  und  Heider,  bei  Lina 
nach  Graber  No.  30,  bei  Meloe  nach  Nusbaum  No.  63,  bei  Acilius 
nach  Patten  No.  67),  bei  den  Lepid opferen  (nach  Tichomiroff 
No.  79  und  Graber  No.  30),  bei  Chalicodoma  (nach  Carriere  No.  13) 
und  bei  anderen  Formen.  Dagegen  soll  bei  der  Biene  nach  Grassi 
(No.  32),  ferner  bei  Blatta  (nach  Cholodkovsky  No.  19)  und  bei 
Mantis  (nach  Viallanes  No.  84)  die  Anlage  von  ihrem  Ursprünge  an 
eine  unpaare  sein.  Die  Entstehung  des  Vorderkopfes,  welcher  von  vielen 
Autoren  einfach  als  „Oberlippenanlage"  bezeichnet  wird,  aus  einer  paari- 
gen Anlage,  hat  vielfach  die,  wie  uns  scheint,  nicht  genügend  begründete 
Deutung  veranlasst,  dass  derselbe  einem  präoralen  Extremitätenpaare 
gleichzusetzen  sei.  Nach  dieser  Richtung  sind  neuerdings  vor  Allem 
Patten  (No.  67 ,  welcher  den  Vorderkopf  einfach  als  erstes  Antennen- 
paar bezeichnet)  und  Carriere  (No.  13)  zu  nennen.  Uns  scheint  die 
Oberlippe  der  Insecten  ihr  Homologon  in  den  Oberlippenbildungen  der 
übrigen  Arthropoden  (speciell  der  Crustaceen)  zu  finden,  für  welche 
nirgends  eine  derartige  Deutung  zutrifft. 

Es  muss  erwähnt  werden,  dass  bei  manchen  Insecten  in  früheren  em- 
bryonalen Stadien  dicht  hinter  dem  Munde  eine  aus  paarigen  Anlagen  ent- 
stehende, wie  es  scheint ,  provisorische  Unterlippenbildung  sich  findet  (nicht 
zu  verwechseln  mit  der  definitiven  Unterlippe  der  Insecten ,  welche  durch 
Verschmelzung  des  zweiten  Maxillenpaares  entsteht).  Diese  Unterlippenbildung 
wurde   zuerst   von  Bütschli  (No.  11)   bei   der   Biene    erkannt   (seine  sog. 


Insecten. 


793 


inneren  Antennen)  und  später  von  Tichomieofp  bei  den  Lepidopteren  auf- 
gefunden. Heider  beschreibt  sie  als  „seitliche  Mundlippen"  bei  Hydro- 
philus,  während  sie  neuerdings  auch  Nusbaum  (No.  63)  bei  Meloe  be- 
obachtet hat.  Diese  Unterlippenbildung  Hesse  sich  am  ehesten  den  Para- 
gnathen  der  Crustaceen  vergleichen,  wenngleich  eine  Homologisirung  mit  diesen 
wohl  als  ausgeschlossen  erscheinen  dürfte. 


H. 


,is/i: 


C.   Extremitäten. 

Die  Gliedmaassen  erscheinen  als  taschenförmige,  im  Allgemeinen 
nach  hinten  gerichtete  Ausstülpungen  der  Segmentoberfläche.  Als  vor- 
derstes echtes  Gliedmaassenpaar  ist  die  Antennen  anläge  zu  betrach- 
ten, welche  dem  primären  Kopfabschnitte  angehört  und  nahe  dem  hinte- 
ren Rande  der  Kopflappen,  an  der  Stelle,  wo  dieselben  in  das  Mandibular- 
segment  übergehen,  entspringt  (Fig.  488  an,  Fig.  489  at).  Es  verdient 
besonders  hervorgehoben  zu 
werden,  dass  die  Antennen- 
anlage bei  ihrem  ersten  Er- 
scheinen —  was  schon  Weis- 
mann (No.  87)  betont  hat 
—  postoral  gelagert  ist  (Fig. 
489  at)  und  erst  später  neben 
den  Mund  rückt,  um  schliess- 
lich vor,  respective  über  dem- 
selben eingefügt  zu  erschei- 
nen. Die  Antennenanlage 
stimmt  ihrem  Aussehen,  ihrer 
Entwicklung  und  ihrer  Lager- 
ung nach  durchaus  mit  den 
übrigen  Gliedmaassenanlagen 
überein. 


st 


ff- 


t  ■ 


9- 


Die  wichtige  Entdeckung 
Weismann's  ,  dass  die  Anten- 
nenanlage ursprünglich  eine 
postorale  Lagerung  einnimmt, 
hat  neuerdings  von  Seiten  ver- 
schiedener Forscher  (Graber 
No.  25  und  Heider  No.  38 
für  Hydrophilus,  Patten 
für  Acilius  No.  67,  Graber 
für  Stenobothrus,  Lepi- 
dopteren, Hylotoma  No. 
30,  Nusbaum  No.  63  für  Me- 
loe, Wheeler  No.  95  für 
Doryphora,   Carbi ere  No. 

13  für  Chalicodoma  u.  A.)  eine  Bestätigung  erfahren.  Es  liefert  dieses 
Lagerungsverhältniss ,  sowie  die  Uebereinstimmung  der  Antennenanlage  mit 
den  übrigen  Gliedmaassenanlagen  nach  dem  gesammten  Entwicklungsgange  eine 
wichtige  Stütze  für  unsere  schon  oben  bei  Peripatus  (pag.  696ff.)  ausgesprochene, 
aber  auch  für  die  Insecten  zutreffende  Ansicht,  dass  die  Antenne  eine  erst 
secundär    vor    den   Mund   gerückte,    den    übrigen    Rumpfgliedmaassen    völlig 


Fig.  488.  Hydrophilusembry onen  mit 
Extremitätenanlagen  (nach  Heider,  aus  Lang's 
Lehrbuch). 

a  AfteröÖhung,  an  Antenne,  g  Anlage  der 
Bauchganglienkette,  m  Mundöffnung,  md  Mandibel, 
mxx  erste,  mx%  zweite  Maxille,  plr  p2,  p3  erstes  bis 
drittes  Thoraxbeinpaar,  p4,  p5,  plt  p$  Extremitäten- 
rudiment  des  ersten,  zweiten,  vierten  und  sechsten 
Abdominalsegmentes,  st  Stigmen,  vk  Vorderkopf. 


794  XXIII.  Capitel. 

homonome  Bildung1)  sei,  und  demnach    nicht  auf  die  primären  Kopftentakel 
der  Anneliden  zurückgeführt  werden  könne. 

Caeeieee  (No.  13)  hat  für  Chalicodoma  das  Vorhandensein  eines 
präantennalen  Gliedmaassenrudimentes  angegeben.  Nach  ihm  repräsentirt  die 
Anlage  des  Vorderkopfes  das  erste  Gliedmaassenpaar,  das  präantennale  Rudi- 
ment das  zweite,  die  Antenne  das  dritte,  die  transitorische  Gliedmaasse  des 
hypothetischen  Vorkiefersegmentes  (vgl.  oben  pag.  790)  das  vierte  und  die 
Mandibel  das  fünfte  Paar  der  Gliedmaassenreike.  Wir  möchten  diese  Angaben 
nicht  ohne  weitere  Bestätigung  als  Schema  für  die  Gliedmaassenreihe  der 
Insecten  ansehen. 

Von  den  nach  hinten  folgenden  Extremitäteiianlagen  werden  die  drei 
folgenden  Paare  als  Kiefer  (Mandibeln,  erste  Maxille,  zweite  Maxille, 
Fig.  488,  489  nid,  mxu  mx2)  umgebildet.  Entsprechend  ihrer  späteren 
Gestalt  nehmen  die  Anlagen  im  Embryo  frühzeitig  eine  complicirtere 
Ausbildung  an,  indem  die  Mandibeln  gezähnt,  die  Maxillen  gelappt  er- 
scheinen. Die  zweiten  Maxillen  verschmelzen  in  späteren  Stadien  mit 
einander  zur  Bildung  der  Unterlippe.  Eine  mächtige  Entwicklung,  ge- 
winnen in  den  meisten  Fällen  die  folgenden  drei  Extremitätenpaare 
(Thoraxbeinpaare  Fig.  488,  489 pu  p2,  p8),  an  denen  sich  bald  die 
ersten  Spuren  der  späteren  Gliederung  bemerkbar  machen. 

Bei  den  Libelluliden  erscheint  die  Anlage  der  zweiten  Maxille  im 
Embryo  mächtig  vergrössert  (pag.  777,  Fig.  480  mx2) ,  so  dass  sie  nach 
ihrem  Aussehen  mehr  mit  den  Thoraxextremitäten  als  mit  den  übrigen  Kiefer- 
anlagen übereinstimmt.  Wahrscheinlich  steht  die  mächtige  Entwicklung  dieses 
Extremitätenpaares  im  Zusammenhang  mit  dem  beträchtlichen  Umfang,  welchen 
die  aus  demselben  sich  entwickelnde  Unterlippe  (Fangmaske)  in  der  Larve 
gewinnt  (vgl.  unten  pag.  850). 

Hinsichtlich  der  Reihenfolge  des  Auftretens  der  einzelnen  Extremitäten 
sind  unsere  Kenntnisse  bisher  noch  ziemlich  lückenhaft.  Im  Allgemeinen  ist 
auch  hier  vielfach  das  Gesetz  der  Entwicklung  in  der  Reihenfolge  von  vorne 
nach  hinten  zu  erkennen.  Bei  vielen  Formen  scheint  die  Antenne  zuerst 
angelegt  zu  werden,  während  die  Kiefer-  und  Beinanlagen  sämmtlich  gleich- 
zeitig, aber  etwas  später  zur  Ausbildung  kommen.  So  ist  es  bei  Hydro- 
philus,  bei  Melolontha  und  Stenobothrus  der  Fall.  Bei  Lina 
gehen  nach  Geabee  (No.  30)  die  Mandibeln  in  ihrem  Erscheinen  den  An- 
tennen voraus.  Bei  den  Libelluliden  treten  nach  Brandt  (No.  7)  zu- 
nächst die  Anlagen  der  Thoraxbeine ,  dann  die  der  Kiefer  und  erst  später 
die  der  Antennen  auf.  Dagegen  treten  bei  jenen  Insecten ,  deren  Larven 
fusslos  sind,  die  Anlagen  der  Thoraxbeinpaare  verspätet  und  verkümmert  auf 
(Apis  und  Chalicodoma),  oder  es  unterbleibt  die  Anlage  vollkommen 
(Museiden).  Im  ersteren  Falle  wird  das  Extremitätenrudiment  noch  vor 
dem  Ausschlüpfen  der  Larve  rückgebildet,  Es  würde  von  Interesse  sein,  zu 
untersuchen,  in  welcher  Beziehung  diese  sich  rückbildende  Anlage  zu  den  in 
den  späteren  Embryonalstadien  sich  entwickelnden  Imaginalscheiben  der 
Thoraxbeine  steht,  worüber  —  so  viel  uns  bekannt  —  bisher  keine  Angaben 
vorliegen. 

Bald  nach  dem  Auftreten  der  Thoraxextremitäten  machen  sich  auch 
an  den  Abdominalsegmenten  rudimentäre  Extremitätenanlagen 


!)  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  eine  von  Kriechbaumer  hei  Bombus  be- 
obachtete Misshildung  (Entomol.  Nachr.  15.  Jg.)  nicht  ohne  Interesse,  bei  welcher  eine 
Antenne  heinähnlich  deformirt  war  und  an  ihrem  Ende  zwei  wohl  entwickelte  Klauen  trug. 


Insecten. 


795 


(Fig.  488  pt 

in   den  meisten  Fällen 


■p9,  Fig.  489  Äav 


-a8)  bemerkbar.  Dieselben  entsprechen 
der  Lage  und  der  Art  ihrer  Entwicklung  nach 
durchaus  den  Extremitätenanlagen  der  vorhergehenden  Segmente,  so  dass 
wir  sie  denselben  als  vollkommen  gleichwerthig  erachten  dürfen.  Die 
erste  Angabe  über  die  Extremitätenanlage  des  ersten  Abdominalsegmentes 
rührt  von  Rathke  (für  Gry llotalpa),  die  erste  Mittheilung  über  das 
Vorhandensein  von  Extremitätenrudimenten  an  sämmtlichen  Ahdominal- 
segmenten  von  Bütschli  (No.  11  für  die  Biene)  her.  Neuerdings  sind 
diese  Angaben  vielfach  an  den  verschiedensten  Insectenformen  bestätigt 
worden  (vgl.  über  die  sehr  ausgedehnte  Litteratur  dieses  Punktes  vor 
Allem  Graber  No.  25  und  30,  Wheeler  No.  91  und  Carriere  No.  15). 
Es  ist  zunächst,  wie  schon  Graber  betont  hat,  hervorzuheben,  dass  bei 
den  Orthopteren  und  Coleopteren,  sowie  zum  Theil  bei  den 
Hemipteren  die  Anhänge  des  ersten  Abdominalsegmentes  gegenüber 
denen   der   folgenden  Segmente    eine    mächtigere  und  in   den   späteren 


A 


—  CL 


Fig".  489.  Zwei  Entwicklungsstadien  des  Keimstreifs  von  Melolontha  (nach 
Graber). 

A  jüngeres  Stadium  mit  acht  Paaren. von  Abdominalbeinanlagen  (a1 — as).  B  älteres 
Stadium.     Der  Keimstreif  ist  sehr  verbreitert. 

ax  Extremität  des  ersten  Abdominalsegmentes  (in  B  sackförmig  erweitert),  as  Ex- 
tremität des  achten  Abdominalsegmentes,  an  After,  at  Antenne,  bg  Bauchganglienkette, 
g  Gehirn,  l  Oberlippe,  m  Mund,  md  Mandibel,  >nx'  erste,  mx"  zweite  Maxille,  p1,  p2, 
p3  erstes,  zweites,  drittes  Thoraxbeinpaar,  s  Seitenstränge  der  Bauchmarkanlage, 
st  Stigmen,  z  Anheftungsstelle  der  sackförmigen  Extremität  des  ersten  Abdominal- 
segmentes. 


Stadien  eigenartige  Ausbildung  erlangen,  während  bei  den  Lepidop- 
teren  und  Hymenopteren  die  Extremitätenanlagen  des  ersten  Ab- 
dominalsegmentes zum  Theil  in  geringerer  Entfaltung,  niemals  aber  in 
stärkerer  Ausbildung  auftreten,  als  die  der  folgenden  Segmente. 


Bei    den    ersteren   Formen    weisen    die  Anlagen    des    ersten  Abdominal- 


segmentes   — 
obachten   ist 


wie    dies    bei  rudimentären  Organen    überhaupt    häufig  zu  be- 
—   in  ihren  späteren  Entwicklungszuständen  eine   beträchtliche 


796  XXIII.  Capitel. 

Variabilität  auf.  Am  meisten  beinähnlich  erscheinen  sie  bei  Mantis,  wo 
sich  nach  Graber  sogar  eine  übrigens  auch  bei  anderen  Formen  bemerkbare 
Andeutung  einer  Gliederung  vorfindet,  indem  der  fingerförmige  Fortsatz  durch 
eine  quere  Einschnürung  in  zwei  Abschnitte  getheilt  erscheint.  Eine  ganz 
excessive  Entwicklung  nehmen  die  fraglichen  Gebilde  bei  Melolontha 
(Fig.  489  B,  a1)  nach  Graber,  wo  sie  sich  zu  grossen,  im  Innern  mit  Blut 
gefüllten  Säcken  umbilden,  deren  Wand  aus  mächtig  vergrösserten ,  grob- 
körnigen Elementen  zusammengesetzt  erscheint.  In  vielen  anderen  Fällen 
nehmen  die  Anhänge  des  ersten  Abdominalsegmentes  eine  Ausbildung  an, 
welche  durchaus  für  ihre  Bedeutung  als  Drüse  zu  sprechen  scheint,  indem  die 
Wand  ihrer  distalen  Parthie  aus  sehr  vergrösserten,  häufig  pigmentirten,  grob- 
granulirten,  drüsigen  Zellen  gebildet  erscheint.  Die  Anhänge  erscheinen  dann 
pilzhutförmig  gestaltet  (Gryilotalpa,  Hydrophilus)  oder  sie  nehmen, 
wenn  die  distale  drüsige  Fläche  sich  einsenkt,  die  Gestalt  eines  gestielten  Bechers 
an  (Meloe'  nach  Nusbaum).  Schliesslich  können  sie  überhaupt  durch  ein 
unter  die  Körperoberfläche  eingesenktes  Säckchen  (Ten ebrio  nach  Carriere) 
oder  ein  ähnlich  gestaltetes  solides  Gebilde  [Cicada  und  Zaitha  (eine 
Wasserwanze)  nach  Wheelee]  repräsentirt  sein.  Die  einzelnen  Formen  dieses 
Gebildes  sind  unter  einander  durch  mehrfache  Uebergangsformen  verknüpft. 
Verschiedentlich  wurde  die  Ausscheidung  eines  gallertartigen  (bei  Meloe 
nach  Nusbaum,  bei  Cicada  nach  Wheeler)  oder  eines  fädigen  Secretes 
(Zaitha  nach  Wheeler)  beobachtet.  Die  physiologische  Bedeutung  dieser 
Organe  erscheint  trotz  der  zahlreichen,  über  dieselben  bekannt  gewordenen 
Beobachtungen  noch  durchaus  dunkel;  man  hat  sie  als  embryonale  Respi- 
rationsorgane (Kiemen)  oder  als  Drüsen  in  Anspruch  genommen.  Im  All- 
gemeinen werden  wir  uns  davor  hüten  müssen,  den  Involutionsformen  eines 
zu  einer  gewissen  Mächtigkeit  angewachsenen,  rudimentären  Organes  eine  allzu- 
grosse  physiologische  Bedeutung  beizumessen.  Es  sei  darauf  hingewiesen, 
dass  der  Charakter  der  hier  als  drüsig  betrachteten  Zellen  sehr  mit  dem 
der  Elemente  des  Rückenorganes  (eingestülpte  Serosa)  vor  seinem  beginnenden 
Zerfalle  übereinstimmt.  Die  in  Rede  stehenden  Anhänge  werden  stets  vor 
dem  Ausschlüpfen  der  Larve  vollständig  rückgebildet. 

Das  Gleiche  ist  in  der  Regel  auch  mit  den  in  den  meisten  Fällen  be- 
trächtlich kleineren  Anhängen  der  hinteren  Abdominalsegmente  der  Fall. 
Möglicherweise  nehmen  sie  bei  ihrem  Verschwinden  an  der  Ausbildung  der 
seitlichen  Theile  der  Bauchplatten  einen  gewissen  Antheil,  wie  diess  Haase 
(No.  153)  unter  Hinweis  auf  das  Verhalten  von  Ma Chilis  und  Blatta 
vermuthet  und  Graber  (No.  30)  neuerdings  für  Melolontha  wahrschein- 
lich gemacht  hat. 

Hinsichtlich  der  Entwicklung  der  abdominalen  Extremitäten  (Scheinfüsse, 
pedes  spurii)  bei  den  Lepidopterenraupen  und  den  After  raupen 
der  Blattwespen  scheint  aus  den  Untersuchungen  von  Kowalevsky  (für 
Sphinx),  Tichomiroef  (für  Bombyx)  und  Graber  (No.  30  für  Bombyx 
und  Hylotoma)  hervorzugehen,  dass  zunächst  an  sämmtlichen  oder  den 
meisten  Abdominalsegmenten  Extremitätenrudimente  erscheinen,  dass  sie  jedoch 
an  jenen  Segmenten,  welche  in  der  Larve  der  Extremitäten  entbehren,  sehr 
bald  verschwinden,  während  sie  an  den  übrigen  Segmenten  sich  in  die  blei- 
benden Scheinfüsse  umwandeln.  Dieser  Auffassung  stehen  die  Beobachtungen 
Gossens'  und  Knatz's,  nach  denen  einzelne  Paare  dieser  Scheinfüsse  erst 
während  des  Larvenlebens  zur  Entwicklung  kommen,  anscheinend  ungünstig 
gegenüber.  Wir  müssten  hier ,  wie  dies  auch  Graber  (No.  30)  hervorhebt, 
eine  längere  Zeit  in  latentem  Zustande  verbleibende  embryonale  Anlage  sup- 
poniren.      Im  Allgemeinen  scheinen  uns  doch  die  embryologischen  Daten  für 


Insecten.  797 

die  Ansicht  Balfour's,  der  sich  neuerdings  Cholodkowsky  (No.  19)  ange- 
schlossen hat,  und  Graber  (No.  30)  zuneigt,  zu  sprechen,  dass  die  abdo- 
minalen Anhänge  der  Lepidopteren-  und  Hymenopterenraupen  als  echte  Ex- 
tremitäten in  Anspruch  zu  nehmen  seien.  Wir  haben  für  das  Verschwinden 
und  die  Wiederentwicklung  einer  Extremität  aus  einer  inzwischen  latent  ver- 
bliebenen Anlage  bei  den  Crustaceen  verschiedene  Beispiele  kennen  gelernt 
(Mandibulartaster  der  Decapodenlarven  pag.  495,  Maxillarfüsse  der  Stomato- 
poden  pag.  485).  Ein  ähnliches  Beispiel  liefern  unter  den  Insecten  die 
Thoraxbeine  bei  vielen  Hymenopteren ,  welche  im  Embryo  angelegt  werden, 
später  verschwinden ,  um  in  der  Imago  wieder  aufzutreten.  Den  gleichen 
Process  werden  wir  auch  zur  Erklärung  für  das  phylogenetische  Auftreten 
der  Abdominalbeine  der  Raupen  und  Afterraupen  herbeizuziehen  haben. 
Denn  es  dürfte  wohl  kaum  zweifelhaft  erscheinen,  dass  wir  die  Lepido- 
pteren und  Hymenopteren,  sowie  sämmtliche  Heteromorpha  von 
homomorphen  Ahnenformen  abzuleiten  haben,  welche  im  Larvenzustande 
der  Abdominalbeine  entbehrten.  Die  Larvenform  der  Baupe  muss  uns 
demnach,  trotz  ihrer  scheinbaren  Aehnlichkeit  mit  Peripatus,  als  ein  in 
Anpassung  an  bestimmte  Lebensverhältnisse  secundär  erworbener  Entwicklungs- 
zustand erscheinen  (vgl.  unten  pag.  858). 

Eine  besondere  Erwähnung  verdienen  die  Anhänge  des  letzten  Abdominal- 
segmentes (After-  oder  Endsegment),  welche  bei  vielen  Insectenordnungen, 
besonders  bei  den  tieferstehenden  (Orthopteragenuina,Ephemeriden, 
Odonaten,  Plecoptera),  zeitlebens  als  sog.  Raife  (Cerci)  persistiren. 
Es  muss  noch  —  bei  der  Ausnahmestellung  des  Endsegmentes  —  als  zweifel- 
haft bezeichnet  werden,  ob  wir  diese  Anhänge  den  übrigen  echten  Extremi- 
täten als  gleichwertig  erachten  dürfen.  Nach  den  Untersuchungen  von 
Cholodkowsky  (No.  19)  scheint  die  Entwicklung  derselben  bei  Blatta  für 
diese  Ansicht  zu  sprechen.  Sie  treten  hier  nicht  nur  in, völlig  gleicher  Ge- 
stalt wie  die  übrigen  Abdominalanhänge  auf,  sondern  es  erstreckt  sich  auch 
in  sie,  wie  in  die  übrigen  Extremitätenanlagen  ein  Fortsatz  des  in  dem  End- 
segment zur  Entwicklung  kommenden  Cölomsäckchens.  Den  Cerci  sind 
vielleicht  die  unter  oder  neben  dem  After  gelegenen  hinteren  Extremitäten 
der  Lepidopterenraupen  homolog,  die  sog.  Nach  Schieber,  welche 
sich  nach  Graber  (No.  30)  an  dem  Endsegmente  entwickeln.  Ihnen  ent- 
sprechen die  dreigliedrigen  Analraife  der  Tenthredinidengattung  Lyda  und 
die  für  andere  Formen  als  Afterspitzchen  bezeichneten  Bildungen  (Ne- 
matus  nach  Zaddach,  und  Hylotoma  nach  Graber  No.  30).  Dagegen 
sind  die  sog.  Nachschieber  vieler  Blattwespenlarven  ein  dem  zehnten  oder 
vorletzten  Abdominalsegment  zugehöriges  Anhangspaar. 

In  einer  gewissen  Beziehung  zu  den  abdominalen  Extremitätenanlagen 
stehen  auch  die  bei  vielen  Orthopteren  sich  findenden  und  bei  den  Männchen 
zeitlebens  persistirenden ,  stets  ungegliederten  Anhänge  der  Bauchplatten  des 
neunten  Abdominalsegmentes,  welche  als  Styli  bezeichnet  werden.  Nach 
Cholodkowsky  (No.  19)  gehen  sie  bei  Blatta  aus  der  embryonalen  Ex- 
tremitätenanlage dieses  Segmentes  hervor.  Dagegen  will  Haase  (No.  153) 
dieselben  ebenso  wie  die  an  den  Abdominalsegmenten  der  Thysanuren  sich 
findenden  Anhänge  (Ventralgriffel),  nicht  als  Rudimente  wirklicher  Extremi- 
täten, sondern  nur  als  sog.   „Hüftsporne"   betrachtet  wissen. 

Es  würde  sich  hier  die  Frage  anschliessen ,  inwieweit  die  äusseren  Ge- 
schlechtsanhänge, die  sog.  Gonapophysen,  auf  abdominale  Extremitäten- 
anlagen zurückzuführen  sind.  Wir  wissen  aus  den  Untersuchungen  von  Krae- 
pelin  und  Dewitz  (No.  103),  dass  die  Legeröhren  der  Hymenopteren  und 
Locustiden ,    sowie   die   entsprechenden  Genitalanhänge   der  Männchen   dieser 


798  XXIII.  Capitel. 

Formen  aus  Imaginalscheiben  des  achten  und  neunten  Abdominalsegmentes 
hervorgehen,  welche  bei  ihrem  ersten  Auftreten  in  der  Larve  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  jenen  Imaginalscheiben  der  Corethralarve  aufweisen,  aus 
denen  die  Thoraxbeine  erzeugt  werden  (vgl.  unten  pag.  862).  Es  wurden 
daher  vielfach  (so  z.  B.  von  Bütschli  No.  11)  die  Gonapophysen  dieser 
Formen  auf  echte  abdominale  Extremitätenanlagen  bezogen.  Zur  Begründung 
dieser  Annahme  wäre  der  bisher  noch  nicht  geführte  Nachweis  erforderlich, 
dass  die  erwähnten  Imaginalscheiben  sich  aus  den  im  Embryo  vorhandenen, 
abdominalen  Extremitätenanlagen  entwickeln.  Es  sei  erwähnt ,  dass  neuer- 
dings Haase  (No.  153)  im  Anschlüsse  an  Uejaxin,  aber  wie  uns  scheint, 
mit  nicht  ausreichender  Begründung,  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  für 
die  Gonopophysen  in  Abrede  stellt,  sondern  dieselben  blos  als  secundär 
erworbene,  äussere  Anhangsbildungen  betrachtet  wissen  will. 

Wir  werden  dem  Vorhandensein  von  abdominalen,  später  sieh  rück- 
bildenden Extremitätenanlagen  am  Insectenembryo  eine  gewisse  phylo- 
genetische Bedeutung  nicht  absprechen  können.  Bei  der  nahen  Verwandt- 
schaft der  Insecten  mit  den  Myriopoden  und  Peripatus  werden  wir  in  dem 
Auftreten  dieser  Anlagen  die  ontogenetische  Reeapitulation  der  Verhält- 
nisse einer  Insectenahnenform  erblicken,  bei  welcher  noch  sämmtliche 
Körpersegmente  mit  wohlentwickelten,  der  Gestalt  nach  den  jetzigen 
Thoraxbeinen  ähnlichen  Beinpaaren  versehen  waren.  Ein  gewisses  Ge- 
wicht werden  wir  auf  die  Thatsache  zu  legen  haben,  dass  bei  den  Ortho- 
pteren die  embryonale  Extremitätenanlage  des  ersten  Abdomialsegmentes 
stets  mächtiger  entwickelt  ist,  als  die  der  folgenden  Segmente  und  bei 
Ma ntis  direct  beinähnlich  gestaltet  erscheint.  Da  sich  beiCampodea 
(vgl.  Haase  No.  153)  an  diesem  Segmente  ein  echtes  Beinrudiment  er- 
halten hat,  so  ist  es  gestattet,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  bei  der  Rück- 
bildung der  Abdominalextremitäten  in  der  Ahnenreihe  der  Insecten  dem 
hexapoden  Zustand  nicht  zunächst  ein  octopoder  vorherging.  Es  würde 
hieraus  sich  erklären,  dass  das  in  Rede  stehende  Segment  in  manchen 
Punkten  seiner  Entwicklung  sich  mehr  den  Thoraxsegmenten,  als  den 
Abdominalsegmenten  anschliesst. 

Au  den  Abdominalsegmenten  der  Thysanuren  finden  sich  kleine  be- 
wegliche Fortsätze  (Ventralgriffel),  welche  vielfach  als  Extremitätenrudimente 
in  Anspruch  genommen  worden  sind.  Neuerdings  spricht  ihnen  Haase  (No. 
153)  mit  Rücksicht  auf  das  Vorkommen  ähnlicher  Bildungen  an  den  Coxen 
der  Beine  von  Scolopendrella,  sowie  an  den  beiden  hinteren  Thorax- 
beinpaaren von  Machilis  diese  Bedeutung  ab  und  deutet  sie  lediglich  als 
beweglich  gewordene  Hüftsporne.  Eine  definitive  Entscheidung  dieser  Frage 
ist  erst  durch  die  Entwicklungsgeschichte  zu  erwarten. 

Die  Extremitätenanlagen,  welche  sich  als  sackförmige  Ausstülpungen 
der  Oberfläche  des  Keimstreifs  darstellen,  sind  in  ihrem  Inneren  vom 
Beginn  ihrer  Entwicklung  an  mit  Mesodenn  erfüllt.  Während  bei  den 
meisten  Insecten  anfangs  nur  ungeordnete  Zellmassen  des  Mesoderms 
in  das  Innere  der  Extremitätenanlage  eintreten,  schliessen  sich  die  Or- 
thopteren insofern  mehr  an  die  Myriopoden  und  an  Peripatus  an,  als 
hier  Divertikel  der  Cölomsäckchen  in  die  Extremitätenanlage  aufgenom- 
men werden  (Cholodkowsky  No.  19,  Graber  No.  26  und  30). 


Insecten.  799 


D.   Nervensystem  und  Tracheeneinstülpungen. 

Die  Anlagen  dieser  beiden  Organsysteme  tragen  wesentlich  zur 
Ausbildung  des  Reliefs  des  Insectenkeimstreifs  bei.  Das  Nervensystem 
macht  sich  in  der  Anlage  meist  schon  frühzeitig,  vor  dem  Auftreten  der 
Extremitätenanlagen  bemerkbar.  Wir  erkennen  als  Anlage  der  Bauch- 
ganglienkette zwei  neben  der  Medianlinie  nach  der  Länge  des  Keimstreifs 
verlaufende  Wülste  (Primitiv Wülste  Fig.  489  A,  s)  und  eine  zwischen 
beiden  gelegene  Rinne  (Primi tivrinne,  Neuralrinne).  Schon  früh- 
zeitig macht  sich  an  den  Primitivwülsten  die  Segmentirung  bemerkbar, 
indem  erweiterte  Stellen  (die  Anlagen  der  Bauchganglien)  mit  eingeengten 
Stellen  (Längscommissuren)  segmentweise  abwechseln  (Fig.  488  A,  g). 
Die  Primitivwülste  treten  nach  vorne  direct  in  die  Kopf  läppen  ein ;  dieser 
Theil  muss  als  Anlage  der  Schlundcominissur  betrachtet  werden.  Er  geht 
in  die  als  beträchtliche  Ectodermverdickung  im  Bereich  der  Kopflappen  er- 
kennbare Gehirnanlage  über,  deren  genauere  Gestaltung  unten  (pag.821  ff.) 
dargestellt  werden  soll.  Die  Gehirnanlage  und  die  Anlage  der  Bauch- 
ganglienkette sind  demnach  bei  den  Insecten  von  ihrem  ersten  Auftreten 
an  im  Zusammenhang. 

Die  Tracheen  werden  als  segmentweise  sich  wiederholende  Ecto- 
dermeinstülpungen  angelegt  (Fig.  488,  489  st).  Die  Mündungen  der  Ein- 
stülpungen werden  später  zu  den  Stigmen.  Die  Tracheeneinstülpungen 
kommen  ganz  allgemein  an  dem  ersten  bis  achten  Abdominalsegmente 
vor.  Im  Thorax,  für  welchen  wir  als  ursprüngliches  Verhalten  wohl  auch 
das  Vorhandensein  von  je  einem  Paar  von  Einstülpungen  in  jedem  Seg- 
mente annehmen  dürfen,  erscheinen  die  Verhältnisse  nach  den  einzelnen 
Gruppen  verschieden.  Bei  den  Lepid opferen  wird  am  Prothorax  eine 
Tracheeneinstülpung  angelegt,  während  der  Meso-  und  Metathorax  einer 
solchen  entbehren.  Dagegen  besitzen  die  Embryonen  der  meisten  C  o  1  e  o  p  - 
teren  und  der  Hymenopteren  (Apis  nach  Bütschli,  Hylotoma 
nach  Graber  No.  30)  keine  Tracheenanlage  am  Prothorax,  jedoch  weisen 
sie  dieselbe  am  Meso-  und  Metathorax  auf.  Die  gleichen  Verhältnisse 
zeigt  der  Embryo  von  Mantis  (nach  Graber  No.  30). 

Die  Tracheeneinstülpungen  entwickeln  sich  in  der  Regel  erst  nach  dem 
Auftreten  der  Extremitätenanlagen.  Eine  Ausnahme  hiervon  macht  Apis,  wo 
im  Bereich  des  Thorax  die  Tracheeneinstülpungen  früher  vorhanden  sind  als 
die  verspäteten  Beinanlagen.  Meist  treten  sämmtliche  Tracheeneinsenkungen 
ziemlich  gleichzeitig  auf.  Nur  selten  lässt  sich  ein  Hinweis  auf  die  Reihen- 
folge der  Entwicklung  von  vorne  nach  hinten  erkennen.  So  tritt  bei  Hydro- 
philus  das  mesothoracale  Stigma  etwas  früher  auf  (Graber  No.  25),  als  die 
Stigmen  der  übrigen  Segmente. 

Bei  Coleopteren  haben  Heider  (No.  38)  und  Wheeler  (No.  95)  Rudi- 
mente von  Tracheeneinstülpungen  an  dem  neunten  und  zehnten  Abdominal- 
segmente vermuthet. 

Es  muss  hier  erwähnt  werden ,  dass  man  gewisse  im  Kopfe  auftretende 
Ectodermeinstülpungen  auf  umgewandelte  und  zu  einer  anderen  Function 
herangezogene  Tracheenbildungen  zurückgeführt  hat.  Noch  neuerdings  be- 
trachtet Carriere  (No.  13)  die  Speicheldrüsen  und  die  Tentoriumeinstülpungen 
von  diesem  Gesichtspunkte  aus.  Andererseits  wurden  auch  die  Malpighi' sehen 
Gefässe  mit  Tracheeneinstülpungen  homotyp  betrachtet  (Bütschli,  Grassi). 
Wir  werden  unten  eingehender  begründen,  warum  wir  uns  dieser  Auffassung 
nicht  anschliessen. 


800  XXIII.  Capitel. 

E.    Uebergang  zur  definitiven  Körperform. 

Die  Ausbildung  der  definitiven  Körpergestalt  vollzieht  sich  durch 
eine  Umwachsung  des  gesammten  Nahrungsdotters  durch  den  Keimstreif. 
Wir  haben  oben  (pag.  772)  gesehen,  dass  in  späteren  Entwicklungsstadien 
der  Keimstreif  in  der  Regel  derart  gelagert  erscheint,  dass  sein  Vorder- 
ende dem  vorderen  Eipole,  sein  Hinterende  dem  hinteren  Eipole  ent- 
spricht. Indem  sich  nun  am  Keimstreifen  ein  beträchtliches  Breitenwachs- 
thum geltend  macht,  schieben  sich  die  Seitenränder  desselben  an  der 
Oberfläche  des  Nahrungsdotters  dorsalwärts  empor  (vgl.  pag.  803,  Fig.  492 
A—F  und  pag.  838  ff.,  Fig.  511,  512,  513  und  514).  Auf  diese  Weise 
werden  die  Seitentheile  und  (später)  die  Rückenparthie  des  Larvenkörpers 
gebildet.  Der  Nahrungsdotter  gelangt  bei  dieser  Umwachsung  vollständig 
in  das  Innere  des  Embryos  und  erfüllt  zum  Schlüsse  das  Lumen  der 
Mitteldarmanlage  (Fig.  492  F).  Der  infolge  der  Umwachsung  des  Nahrungs- 
dotters durch  den  Keimstreif  bewerkstelligte  Verschluss  des  Rückens  ist 
so  innig  mit  der  Rückbildung  der  Embryonalhüllen  verknüpft,  dass  wir 
auf  diese  Vorgänge  unten  noch  genauer  zurückkommen  müssen. 

Eine  etwas  andere  nicht  ausschliesslich  auf  dem  Breitenwachsthum 
des  Keimstreifs  beruhende  Art  der  Ausbildung  des  Rückenantheils  findet 
sich  im  Bereiche  des  Kopfabschnittes.  Hier  nehmen  die  Kiefersegmente 
an  der  Ausbildung  des  Rückenantheils  nur  in  geringem  Maasse  Theil. 
Der  Abschluss  des  Rückens  wird  hier  durch  die  dorsalwärts  übergeschlage- 
nen Kopflappen,  sowie  durch  den  Vorderkopf  bewerkstelligt.  Hier  wird 
demnach  das  Vorderende  des  Keimstreifs  dorsalwärts  übergeschlagen.  Es 
entwickelt  sich  eine  förmliche  dorsale  Scheitelbeuge,  auf  welche  zuerst 
Weismann,  später  Hatschek  und  Heider  (No.  38)  hingewiesen  haben. 
Bei  dieser  Abknickung  des  Vorderendes  tritt  der  dem  Mund  zunächst 
gelegene  Theil  des  Vorderkopfes  als  querer  Wulst  (Oberlippe)  hervor. 
Der  früher  vorderste  Antheil  des  Vorderkopfes  wird  nun  zu  dem  weiter 
hinten  gelegenen  Clypeus.  Die  Kopflappen  machen  bei  dieser  Bewegung 
nach  der  Dorsalseite  eine  rotirende  Bewegung,  in  Folge  deren  die  An- 
tennenanlagen vor  resp.  über  den  Mund  rücken. 


5.   ßückenabscüluss  und  Involution  der  Embryonalhäute. 

Bei  den  meisten  der  früher  betrachteten  Arthropoden  (Crustaceen, 
Arachniden,  Myriopoden  etc.)  geht  die  Entwicklung  unter  Aus- 
bildung eines  sogenannten  Keimstreifs,  aber  ohne  Entwicklung  eigent- 
licher Embryonalhüllen  vor  sich.  Die  Oberfläche  des  gesammten  Eies 
wird  dann  zum  Theil  von  der  streifenförmigen  Embryonalanlage,  zum 
anderen  Theil  jedoch  von  einer  unverändert  gebliebenen  Blastodermparthie 
bedeckt.  Die  Rückenbildung  geht  hier  in  der  Weise  vor  sich ,  dass  der 
Keimstreif  bei  fortschreitendem  Breitenwachsthum  sich  über  eine  immer 
grössere  Parthie  der  Eioberfläche  ausbreitet,  während  der  Bereich  des 
unveränderten  Blastodermabsclmittes  immer  mehr  eingeengt  wird.  Im 
Allgemeinen  wird  angenommen,  dass  der  letztere  an  dem  Rückenabschlusse 
Theil  nimmt,  indem  er  unter  histologischen  Umwandlungen  zur  Bildung 
von  Keimstreifectoderm  herangezogen  wird.  Möglicherweise  unterliegt 
aber  auch  bei  diesen  Formen  ein  Theil  dieses  Blastoderms  einer  allmäh- 
lichen Rückbildung.  Wir  haben  wenigstens  (vgl.  oben  pag.  350)  ver- 
mutungsweise  die  Bildung   des  sogenannten  Dorsalorgans  gewisser 


Insecten. 


801 


Crustaceen  auf  derartige  Rückbildungsvorgänge  bezogen.  Eine  ähnliche 
Form  der  Rückenbildung  findet  sich  vielleicht  auch  bei  den  Poduriden, 
bei  denen  ein  in  frühen  Embryonalstadien  sich  entwickelndes  Dorsalorgan 
beobachtet  ist,  welches  mit  einer  den  Embryo  umhüllenden  Larvencuticula 
in  Verbindung  steht  (Lemoine  No.  51),  im  Uebrigen  aber  seiner  Bedeu- 
tung nach  noch  ziemlich  dunkel  ist  (vgl.  oben  pag.  769). 

Bei  den  meisten  Insecten  liegen  die  Verhältnisse  insofern  com- 
plicirter,  als  hier  an  der  Grenze  des  Keimstreifs  und  des  unveränderten 
Blastodermabschnittes  sich  die  Amnionfalte  erhebt,  deren  Rückbildung 
mit  der  Herstellung  des  Rückenabschlusses  in  inniger  Weise  verknüpft  ist. 

Einen  sehr  einfachen  Fall  der  Rückenbildung,  den  wir  aber  gewiss 
nicht  als  einen  ursprünglichen  betrachten  dürfen,  finden  wir  bei  den 
Museiden  und  einigen  anderen  Dipteren,  deren  Amnionfalte  in  rudi- 
mentärer Weise  zur  Entwicklung  kommt  (vgl.  oben  pag.  783).  Hier 
wird  (nach  Kowalevsky  No.  49  und  Graber  No.  28)  die  Amnionfalte 
einfach  wieder  ausgeglättet.  Amnion  und  Serosa  stellen  dann  zusammen 
ein  einfaches  Epithel  dar,  welches  durchaus  dem  unveränderten  Theil 
des  Blastoderms  bei  den  Crustaceen,  Arachniden  und  Myriopoden  ent- 
spricht und  auch  hier  den  gleichen  Antheil  an  der  Rückenbildung  zu 
nehmen  scheint,  Complicirtere  und  sehr  mannigfaltige  Verhältnisse  der 
Rückenbildung  und  der  Involution  der  Embryonalhüllen  finden  wir  bei 
den  übrigen  Insecten,  bei  denen  wir  nach  dieser  Hinsicht  vier  verschiedene 
Typen  unterscheiden  müssen. 


A.    Involution  unter  Ausbildung  eines  continuir- 
liehen,  dorsalen  Amnion-Serosasackes. 

Wir  haben  bei  der  Darstellung  der  Li  bei  Ul- 
li den -Entwicklung  (oben  pag.  777,  Fig.  480  C)  ge- 
sehen, dass  nach  erfolgter  Umrollung,  die  mit  ein- 
ander verwachsenen  Embryonalhüllen  (Amnion  und 
Serosa)  eine  Membran  darstellen,  welche  den  dor- 
salwärts  gelegenen  Dottersack  umhüllt  {am-\-se). 
Die  Verhältnisse  sind  alsdann  ziemlich  ähnlich,  wie 
bei  den  Museiden  nach  Ausglättung  der  Amnion- 
falten.  Man  kann  an  dieser  Membran  den  von  der 
Serosa  und  von  dem  Amnion  gelieferten  Theil  deut- 
lich unterscheiden.  Denn  während  der  Serosa-An- 
theil  sich  durch  fortschreitende  Contraction  zur  Bil- 
dung einer  Rücken  platte1)  ungemein  verdickt, 
hat  das  Amnion  den  Charakter  eines  zarten  Platten- 
epithels beibehalten  (vgl.  auch  pag.  780,  Fig.  482  C 
und  D,  am,  r). 

Die  weiteren  Schicksale  der  Embryonalhüllen  bei 
den  Libelluliden  sind  nicht  beobachtet  worden.  Wir 
können  aber  unsere  Schilderung  durch  Herbeiziehung 
anderer  Formen,  welche  die  gleichen  Entwicklungs- 


])  Das  Dorsalorgan  der  Poduridenembryonen  scheint 
eine  Bildung  eigener  Art  zu  sein,  welche  nicht  auf  die  hier 
in  Rede  stehende  Rückenplatte  zu  beziehen  ist.  Hierfür  spricht 
sein  frühzeitiges  Auftreten  (vgl.  Lemoine  No.  51). 


am — 


Fig.  490.  Sche- 
matische Darstellung 
der     Ausbildung     des 

Rückenrohres    durch 

Einstülpimg  der 
Rückenplatte  (umge- 
wandelte Serosa).  Im 
Anschlüsse  an  Stad. 
Fig.  480  C  und  Fig. 
482  D. 

am  Amnion  (nun  den 
provisorischenRücken- 
verschluss  bildend),    r 

Rückenrohr,    dessen 
Zellen  sind  schon  theil- 
weise   desaggregirend. 


802 


XXIII.  Capitel. 


Verhältnisse  aufweisen,  ergänzen.  Der  Nahrungsdotter  gelangt  bei  fort- 
schreitender Entwicklung  immer  mehr  in  das  Innere  des  Embryos,  genauer 
gesprochen  des  sich  entwickelnden  Mitteldarms.  Es  wird  in  Folge  dessen 
der  Dottersack  verkleinert,  und  da  durch  die  Aufnahme  des  Nahrungsdotters 
in  das  Innere  des  Mitteldarms  —  bildlich  gesprochen  —  auf  die  Rücken- 
platte eine  Art  Saugwirkung  ausgeübt  wird,  stülpt  sich  dieselbe  nach  Innen 
ein  und  bildet  ein  dickwandiges  Säckchen,  das  sogenannte  Rückenrohr 
(Rücken organ,  Dorsalorgan  Fig.  490  r),  dessen  Wände  bald  einem 
Zerfall  unterliegen,  indem  die  degenerirenden  Serosazellen  den  epithelialen 
Zusammenhang  aufgeben  und  als  vereinzelte  Zelltrümmer  mit  dem  übrigen 
Nahrungsdotter  in  das  Innere  des  Darmcanals  aufgenommen  werden. 
Gleichzeitig  mit  diesem  Zerfall,  der  zum  völligen  Untergang  des  Rücken- 
organs führt,  scheint  sich  die  äussere  Einstülpungsöffnung  vollständig  zu 
schliessen.     Auf   diese  Weise   wird    der   Serosa  -  Antheil    der  Wand    des 


Fig.  491.  Drei  Embryonen  von  Hydro philus  in  späteren  Stadien,  von  der 
Dorsalseite  gesehen  (nach  Kowalevsky,  ans  BalfoüR's  Handbuch). 

A  die  Serosa  hat  sich  an  die  Dorsalseite  zurückgezogen  und  zur  Bildung  der 
Rückenplatte  (do)  verdickt.  B  die  Rückenplatte  (do)  wird  von  der  dorsalwärts  über- 
schlagenen  Amnionfalte  theilweise  überwachsen  (vgl.  Fig.  492  D).  C  das  Rückenruhr 
ist -vollkommen  entwickelt  und  mündet  nur  mit  einem  vorderen  Porus  nach  Aussen 
(vgl.  Fig.  492  E). 

at  Antennen,  do  Rückenorgan  in  verschiedenen  Stadien  der  Ausbildung. 


Dottersackes  dem  Untergang  entgegengeführt.  Es  verbleibt  nun  noch 
der  Amnionantheil  dieser  Wand,  welcher  mit  dem  Ectoderin  der  Embryonal- 
anlage in  directer  Communication  stehend,  einen  provisorischen  Rücken- 
abschluss  darstellt.  Es  muss  noch  durchaus  als  zweifelhaft  erscheinen, 
inwieweit  dieser  provisorische  Abschluss  in  den  späteren  definitiven  über- 
geht, d.  h.  ob  und  inwieweit  das  Amnion  in  definitives  Ectoderm  um- 
gewandelt Wird  (eine  Ansicht,  welcher  neuerdings  vor  Allem  Grabee 
No.  27  zuneigt).  Da  es  als  ein  sehr  merkwürdiges  Verhalten  erscheinen 
müsste,  wenn  die  spätere  Rückenhaut  in  früheren  embryonalen  Stadien 
als  ventralwärts  umgeklappte  Embryonalhülle  (Amnion)  verwendet  würde, 
da  andererseits,  wie  wir  unten  pag.  804  ausführen  werden,  bei  Dory- 
phora  von  Wheeler  (No.  95)  der  Untergang  des  Amnions  direct  be- 
obachtet wurde,  so  werden  wir  uns  die  Ansicht  offen  halten  müssen, 
ob  nicht  im  Allgemeinen  bei  den  Insecten  der  Keimstreif  allein  die  ge- 
sammte  Embryonalanlage  darstellt  und  auch  durch   dorsale  Vereinigung 


Insecten. 


803 


den  definitven  Rückenabschluss  bewirkt,  während  das  Amnion  allerdings 
für  den  provisorischen  Verschluss  des  Rückens  in  Verwendung  kommen 
kann ,   aber  später  einer  allmählichen  Resorption  unterliegt. 

Die  geschilderten  Verhältnisse  der  Rückenschliessung  unter  Entwicklung 
eines  Dorsalorgans  und  provisorischem  Verschluss  des  Rückens  durch  das 
Amnion  treffen  wahrscheinlich  für  die  Libelluliden  zu.  Sie  rinden  sich 
ferner  bei  sämmtlichen  Rhynchoten  [vgl.  die  Angaben  Geabee's  (No.  27) 


Fig.  492.  Schema  der  Bildung  des  Bückenorgans  bei  Hydro philus  (nach 
Gräber  und  Kowalevsky,  aus  Lang's  Lehrbuch). 

•  A  Querschnitt  durch  ein  Ei,  dessen  Keimstreif  noch  von  Amnion  (a)  und  Serosa 
(s)  überdeckt  ist.  B  Amnion  und  Serosa  sind  in  der  Mittellinie  verwachsen  und  zer- 
rissen und  haben  sich  nach  Art  einer  Falte  seitlich  zurückgezogen.  C  durch  Con- 
traction  der  Serosa  (s),  welche  zur  Bückenplatte  wird,  rückt  die  Falte  mehr  dorsalwärts 
(vgl.  Fig.  491  A).  D  die  contrahirte  Serosa  wird  von  der  Falte  überwachsen  (vgl. 
Fig.  491  B).  E  durch  Verwachsen  der  Falte  ist  das  Bückenrohr  zum  Abschluss  ge- 
kommen (vgl.  Fig.  491  C).  F  der  Mitteldarm  hat  sich  dorsalwärts  geschlossen  und  das 
Eückenrohr  (s)  in  sich  aufgenommen. 

a  Amnion,  d  Nahrungsdotter,  ec  Ectoderm,  h  Herz,  l  Leibeshöhle,  in  Mitteldarm- 
anlage, n  Nervensystem,  s  Serosa  (in  C  und  D  =  Bückenplatte,  in  E  und  F  =  Bücken- 
rohr), tr  Tracheenhauptstamm. 


für  Pyrrhocoris,  Metschnikoff's  (No.  55)  und  Bbandt's  für  Corixa  und 
Hydrometra  sowie  Metschnikoff's  und  Witlaczil's  für  Aphiden]  und 
bei  den  meisten  Orthoptera  genuina  (Blatta  nach  Wheelee,  Oecan- 
thus  nach  Ayeks  No.   1,  Gryllotalpa  nach  Koeotxeff  No.  47). 

Dem  geschilderten  Umwandlungstypus  gehören  auch  unter  den  Coleo- 
pteren,  bei  denen  das  Hinterende  des  Keimstreifs  durch  Invagination  angelegt 
wird,  einige  Formen  zu  (z.  B.  Hydrophilus  nach  Kowalevsky  No.  48, 
Heidee  No.  37,  Geabee  No.  27  und  Melolontha  nach  Geabee  No.  27). 
Hier  ergiebt  sich  nur  insofern   ein  Unterschied  ,    als   der  Riss   der  Embryo- 


804 


XXIII.  Capitel. 


nalhüllen  erst  nach  abgeschlossener  Umrollungsbewegung  (vgl.  oben  pag.  786) 
zu  einer  Zeit  erfolgt,  in  welcher  der  Keimstreif  bereits  vollständig  ventral- 
wärts  gelagert  und  superficiell  ist.  Die  mit  einander  verwachsenen  Embryo- 
nalhüllen reissen  in  der  Medianlinie  ein  und  ziehen  sich  an  die  Seiten  des 
Keimstreifs  zurück,  wo  sie  eine  ganz  ähnliche  Falte  darstellen,  wie  zu  Beginn 
ihrer  Entwicklung  (Fig.  492  B).  Indem  diese  Falten  sich  über  die  verdickte 
Rückenplatte  (s)  dorsal wärts  umschlagen  (Fig.  492  D)  und  in  der  dorsalen 
Mittellinie  mit  einander  verwachsen ,  wird  aus  der  Serosa  ein  vollständiges 
Rohr  (Rücken röhr  Fig.  492  E)  gebildet,  während  das  Amnion  den  provi- 
sorischen Rückenabschluss  übernimmt.  (Ganz  ähnlich  sind  die  Verhältnisse 
der  Entwicklung  des  Rückenrohrs  bei  den  Orthopteren).  Bei  dem  später 
sich  ausbildenden,  dorsalen  Verschluss  des  Mitteldarms  gelangt  das  Rücken- 
rohr sammt  dem  ganzen  Nahrungsdotter  in  das  Innere  desselben  (Fig.  492  F). 
Bei  Hydrophilus  sind  die  Rückenplatte  und  das  Rückenrohr  durch  ihre 
ansehnliche  Länge  ausgezeichnet  (vgl.  Fig.  491).  Sie  erstrecken  sich  über 
die  gesammte  Dorsalfläche  des  Eies.  Der  durch  das  Verwachsen  der  dorsal  - 
wärts  übergeschlagenen  Amnionfalte  bewerkstelligte  Abschluss  des  Rücken- 
rohres vollzieht  sich  hier  von  hinten  nach  vorne,  so  dass  vorne  längere  Zeit 
ein  Porus  als  Oeffnung  des  Rückenrohres  zu  bemerken  ist  (Fig.  491   C). 

B.    Involution  unter  ausschliesslicher  dorsaler  Zurückziehung 

des  Amnions. 

Dieser  Typus  wurde  bei  einigen  Co leopt er en  (Chrysomelinen) 
beobachtet  (Fig.  493).     Die  Serosa  (s)   bleibt  hier  von  dem  ganzen  In- 


Fig.  493.  Schemel  der  Rückenbildung  bei  Doryphora  (an  Querschnitten,  nach 
Wheeler) 

am  Amnion  (in  B  als  provisorischer  Rückenabschluss  verwendet,  in  Cin  Auflösung 
begriffen),   k  Keimstreif,  *  Serosa. 

volutionsproeess  vollständig  unberührt  und  bis  in  späte  Entwicklungs- 
stadien an  der  Innenseite  des  Chorions  dicht  anliegend  erhalten.  Der  pro- 
visorische Verschluss  des  Rückens  wird  durch  das  nach  erfolgtem  Ein- 
reissen  die  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  dorsalwärts  überwachsende 
(Fig.  493  B)  Amnion  (am)  bewerkstelligt.  Wenn  in  späteren  Entwicklungs- 
stadien der  Keimstreif  sich  immer  mehr  und  mehr  über  die  Rückenseite 
des  Eies  ausbreitet,  so  geht  das  Amnion  einen  Rückbildungsprocess 
(Fig.  493  C)  ein,  indem  seine  Zellen  sich  dorsalwärts  anhäufen  (diese 
Anhäufung  hat  Wheeler  bei  Doryphora  als  amniotisches  Dorsalorgan 
bezeichnet),  sich  desaggregiren  und  im  Nahrungsdotter  zerstreuen,  wo  sie 
schliesslich  zu  Grunde  gehen  (vgl.  Wheeler  No.  95).  Diesem  Typus 
gehören  Doryphora  (nach  Wheeler),  Lina  (nach  Graber)  und  viel- 
leicht auch  Donacia  (vgl.  Melnikoff  No.  53)  an. 


Insecten. 


805 


C.    Involution  unter  ausschliesslicher  dorsaler  Zurückziehung 
der  Serosa  und  Amputation  des  Amnions. 

Dieser  Typus  schliesst  sich  an  den  ersten  ziemlich  nahe  an.  Er 
wurde  von  Graber  für  Chironomus  (Fig.  494)  und  die  Phryganiden 
beobachtet.  Hier  reisst  blos  die  Serosa  (s)  ventralwärts  ein  und  zieht 
sich  in  die  Gegend  des  Rückennabels  (Fig.  494  B)  zurück,  wo  sie  unter 
Bildung  eines  ganz  ähnlichen  Dorsalorgans,  wie  es  bei  den  Orthopteren 
und  Rhynchoten  sich  findet,  rückgebildet  und  in  das  Innere  des  Dotters 
versenkt  wird  (Fig.  494  C).  Das  Amnion  bleibt  zunächst  unverändert. 
Die  Schliessung  des  Rückens  erfolgt  in  der  Weise,  dass  der  dorsale  Nabel- 
gang (vgl.  oben  pag.  784)  sich  immer  mehr  verengt  und  schliesslich 
durchschnürt  (Fig.  494  C).  Das  Amnion  wird  also  "durch  Amputation 
vom  Embryo  abgestossen  und  umhüllt  denselben  als  allseitig  geschlossener 
Sack  bis  zum  Ausschlüpfen. 


B 


C 


s — 


~  am. 


am. 


cum. 


Fig.   494.     Involution    der    Embryonalhäute   bei    Chironomus   (Schema    nach 
Graber). 

am  Amnion,    r   Rückennabel,    s   Serosa,    welche   sich   in  B   nach  der  Gegend  des 
Rückennabels  zurückgezogen  hat  und  in  C  in  das  Innere  des  Embryos  aufgenommen  ist. 


D.  Involution  unter  Amputation  beider  Embryonalhüllen. 

Dieser  Typus  lässt  sich  von  dem  vorhergehenden  ableiten,  wenn  wir 
uns  denken,  dass  die  Serosa  nicht  einreisst  und  sich  überhaupt  nicht 
wesentlich  verändert.  Es  werden  dann  durch  die  Durchschnürung  des 
dorsalen  Nabelgangs,  welche  den  Rückenabschluss  vervollständigt,  beide 
Embryonalhüllen  vollständig  vom  Embryo  abgetrennt  (pag.  785,  Fig. 
485  B).  Sie  umhüllen  —  wie  wir  dies  oben  fürHylotoma  erwähnten 
—  als  zwei  vollständig  geschlossene,  ineinander  liegende  Säcke  den  Embryo 
bis  zu  seinem  Ausschlüpfen.    Dieser  Typus  kommt  den  Hymenopteren 

Korscheit- Heider ,  Lehrbuch.  52 


806  XXIII.  Capitel. 

und  Lepidopteren  zu.  Bei  den  Lepidopteren  (vgl.  pag.  784,  Fig. 
484  C),  deren  Keimstreif  immers  ist,  bleiben  zwischen  Amnion  und  Serosa 
Nahrungsdotterreste  liegen,  und  diese  Reste  dienen  sammt  der  meist  aus 
mächtigen  Zellen  bestehenden  Serosa  dem  jungen  ausschlüpfenden  Räup- 
chen  als  erste  Nahrung  (Ganin  No.  23). 

E.   Aligemeines. 

Wir  werden  den  ersten  der  geschilderten  Entwicklungstypen,  bei 
welchem  nach  erfolgter  Umrollung  und  Ausbildung  eines  continuirlichen 
dorsalen  Amnion-Serosa-Sackes  Zustände  herbeigeführt  werden,  wie  wir 
sie  bei  den  übrigen  Arthropoden  überhaupt  vorfinden,  worauf  eine  all- 
mähliche Rückbildung  der  Serosa  unter  Einstülpung  derselben  erfolgt, 
als  den  ursprünglichsten  betrachten  dürfen.  Damit  steht  in  Ueberein- 
stimmung,  dass  dieser  Typus  bei  jenen  Insectenordnungen  verbreitet  ist, 
welche  wir  im  Allgemeinen  als  die  ursprünglicheren  ansprechen.  Da- 
gegen werden  wir  den  vierten  Entwicklungstypus,  bei  welchem  beide 
Embryonalhüllen  unter  Continuitätstrennung  (Amputation)  von  dem  Embryo 
abgestossen  werden,  als  den  abgeleitetsten  betrachten.  Der  dritte  Typus 
steht  zwischen  beiden  in  der  Mitte.  Hinsichtlich  der  Art  der  Rückbildung 
der  Serosa  nähert  er  sich  dem  ersten,  durch  die  Amputation  des  Amnions 
aber  dem  vierten  Typus.  Der  zweite  Typus  scheint  eine  im  Bereich  der 
Coleopteren  selbstständig  erworbene  Form  der  Rückenschliessung  dar- 
zustellen. 

Bei  dem  ersten  Entwicklungstypus  wird  die  Ausbildung  des  Amnion- 
Serosa-Sackes  durch  ein  Einreissen  beider,  mit  einander  verschmolzenen 
Embryonalhüllen  eingeleitet.  Dieses  Einreissen  in  der  ventralen  Mittel- 
linie findet  bei  den  Libelluliden  blos  im  Bereiche  des  Kopfabschnittes 
statt.  Bei  dem  zweiten  Entwicklungstypus  wird  blos  das  Amnion,  bei 
dem  dritten  blos  die  Serosa  von  diesem  Einreissen  betroffen,  während 
bei  dem  vierten  Entwicklungstypus  beide  Embryonalhüllen  bis  zum  Aus- 
schlüpfen der  Larve  unzerrissen  bleiben. 


6.   KeiinblätterMldung. 

Die  älteren  Angaben  über  den  Schichtenbau  des  Insectenkeimstreifs 
waren  durchaus  ungenügend.  Erst  Bütschli  (No.  11)  fand,  dass  bei  der 
Biene  durch  eine  Art  Faltenbildung  eine  untere  Schichte  des  Keimstreifs 
hervorgehe.  Bald  darauf  legten  Kowalevsky's  (No.  48)  an  der  Hand 
der  Querschnittmethode  durchgeführten  Untersuchungen  die  Grundlage 
zu  genauerer  Erkenntniss.  Kowalevsky  fand,  dass  bei  Hydrophilus 
eine  nach  der  ganzen  Länge  der  Keimstreifanlage  verlaufende  Rinne 
(pag.  770,  Fig.  476  A,  B,  r)  angelegt  werde,  welche,  indem  sie  sich  ein- 
senkt, das  untere  Blatt  des  Keimstreifs,  d.  i.  die  gemeinsame  Anlage 
von  Entoderm  und  Mesoderm  liefert  (pag.  817,  Fig.  500  A — C).  Aehn- 
liche  Verhältnisse  fand  Kowalevsky  bei  Apis,  bei  den  Lepidopteren 
und  bei  einigen  anderen  Formen.  Wir  müssen  die  erwähnte  Rinne  als 
eine  ungemein  langgestreckte,  die  ganze  Ventralseite  der  Embryonalanlage 
von  der  Stelle  der  späteren  Vorderdarmeinsenkung  bis  zur  Stelle,  an 
welcher  sich  später  der  Enddarm  bildet,  einnehmende  Gastrulaeinsenkung 
in  Anspruch  nehmen,  und  die  Ränder  der  Rinne  als  einen  äusserst  in 
die  Länge  gezogenen  Blastoporus   betrachten.     Das   bei  Hydrophilus 


Insecten.  307 

durch  Schliessung   der  Rinne   entstehende  Rohr  werden  wir  als  Urdarm 
in  Anspruch  nehmen  dürfen. 

Die  erste  Anlage  für  die  Gastrularinne  liefern  bei  den  Insecten  zwei 
in  der  verdickten  Bauchplatte  zu  beiden  Seiten  der  Medianlinie  längs- 
verlaufende Falten  (pag.  812,  Fig.  498  f),  durch  deren  Erhebung  ein 
mittlerer  Abschnitt  der  Bauchplatte,  die  sogenannte  Mittel  platte  (m), 
von  den  seitlich  gelegenen  Seitenplatten  (s)  getrennt  wird.  Indem 
die  Mittelplatte  sich  einkrümmt  und  durch  die  Falten,  deren  Erhebung 
die  Ränder  des  Blastoporus  kennzeichnete,  überwachsen  wird,  entsteht 
das  Gastrularohr  (pag.  817,  Fig.  500  A,  r),  durch  dessen  Ausbildung  aus 
der  Mittelplatte  das  untere  Blatt  des  Keimstreifs  gebildet  wird.  Aus  den 
Seitenplatten  geht  dann  das  Ectoderm  des  Keimstreifs  hervor.  Die  Ver- 
wachsung der  Ränder  des  Blastoporus,  durch  welche  der  Verschluss  des 
Urdarmrohres  bewerkstelligt  wird,  erfolgt  am  spätesten  im  Bereiche  des 
vordersten  Abschnittes  der  Rinne  (vgl.  pag.  770,  Fig.  476  B  und  C) ,  ent- 
sprechend jener  Stelle  des  Keimstreifs,  an  welcher  später  die  Vorderdarm- 
einstülpung zur  Entwicklung  kommt. 

Bei  Hydrophil us  sind  die  Verhältnisse  der  Entwicklung  der  Gastrula- 
rinne insofern  einigermassen  von  dem  allgemein  gültigen  Schema  abweichend, 
als  hier  der  mittlere  Theil  der  Rinne  in  seiner  Ausbildung  verzögert  er- 
scheint, während  der  vordere  und  hintere  Abschnitt  früher  zum  Verschlusse 
kommt.  Es  ergiebt  sich  hieraus  für  den  Umriss  des  Blastoporus  in  einem 
gewissen  Stadium  eine  flaschenförmige  Gestalt  (pag.  770,  Fig.  476  Ä):  indem 
die  Ausbauchung  der  Flasche  dem  in  der  Entwicklung  verzögerten  Theile 
des  Keimstreifs  entspricht. 

Während  der  Einstülpung  der  Mittelplatte  und  der  Umwandlung 
derselben  in  das  Urdarmrohr  ergiebt  sich  eine  Veränderung  des  histo- 
logischen Charakters  (pag.  817.  Fig.  500  A  und  B).  Während  sie  ur- 
sprünglich aus  einem  hohen  Cylinderepithel  bestand,  welches  im  weiteren 
Verlaufe  mehrschichtig  wird,  indem  die  einzelnen  Zellen  sich  keilförmig 
übereinander  schieben,  werden  die  Zellen  in  späteren  Stadien  immer  mehr 
und  mehr  kubisch  oder  unregelmässig  polygonal  (Fig.  500  B)  und  zeigen 
auch  weniger  regelmässige  Anordnung.  Gleichzeitig  wird  das  Urdarm- 
rohr nach  der  dorsoventralen  Richtung  coinprimirt.  Während  es  auf 
diese  Weise  sich  nach  der  lateralen  Richtung  unter  die  Seitenplatten 
(Ectoderm)  verbreitert,  geht  sein  ursprünglich  kreisrundes  Lumen  in  die 
Gestalt  einer  horizontalen  Spalte  über,  welche  bei  Hydrophilus  noch 
lange  als  Grenze  zwischen  zwei  Schichten  des  unteren  Blattes  kenntlich 
bleibt  (Heider  Kr.  38). 

Eine  derartige  Gastrularinne  wurde  von  fast  sämmtlichen  neueren  Autoren, 
w:elche  auf  dem  Gebiete  der  Insectenentwicklung  gearbeitet  haben,  für  die 
verschiedensten  Formen  bestätigt.  Sie  muss  daher  als  ein  ganz  allgemeines 
Vorkommen  betrachtet  werden.  Es  verdient  sonach  wenig  Berücksichtigung, 
dass  Korotneff  (No.  47)  diese  Rinne  bei  Gyllotalpa  vermisste.  Ebenso 
war  der  negative  Befund  Witlaczil's  (No.  98)  an  Aphiden  mit  Rücksicht 
auf  den  schon  früher  erfolgten  Nachweis  dieser  Rinne  bei  Pyrrhocoris 
durch  Gräber  (No.  24)  wenig  glaubwürdig.  Neuerdings  wurde  die  Gastrula- 
rinne der  Aphiden  durch  Will  (No.  97)  beobachtet. 

Im  Einzelnen  ergeben  sich  allerdings  für  den  Gastrulationsprocess  der 
Insecten  zahlreiche  Variationen.     Nicht   immer  verläuft    derselbe   unter  Aus- 

52* 


808 


XXIII.  Capitel. 


bildung  eines  so  deutlich  entwickelten  Rohres,  wie  dies  bei  Hydrophilus  der 
Fall  ist.  Der  Einstülpungsprocess  erscheint  in  einzelnen  Fällen  mehr  ver- 
wischt und  verschiedenartig  modificirt,  so  dass  wir  für  denselben  drei  ver- 
schiedene Typen  feststellen  können : 

1)  Durch  eigentliche  Einstülpung  und  Bildung  eines  Rohres  (Fig.  500  Af 
pag.  817).  Eine  in  der  Mediane  der  Bauchplatte  gelegene  Platte  (die  Mittel- 
platte) wird  durch  seitliche  Falten  begrenzt  und  in  die  Tiefe  versenkt,  indem 
sie  sich  zu  einem  Rohre  einkrümmt  (Hydrophilus,  Musca,  Pyrrhocoris 
etc).  Erst  nach  Ausbildung  dieses  Rohres  verlieren  die  Zellen  den  epithe- 
lialen Zusammenhang  und  lockern  sich  etwas,  während  sie  unregelmässig  poly- 
gonale Gestalt  annehmen. 

2)  Durch  seitliche  Ueberschiebung  (Fig.  495).  Die  Mittelplatte  son- 
dert sich  vom  Ectoderm  des  Keimstreifs  nicht  durch  Faltenbildung,  sondern 
an  der  Stelle  dieser  lateralen  Falten  wird  der  Zusammenhang  zwischen  Ecto- 
derm und  Mittelplatte  gelöst  und  die  freien  Ectodermränder  schieben  sich 
über  die  in  die  Tiefe  versenkte  Mittelplatte  nach  der  Medianlinie,  wo  sie 
verschmelzen.  Auch  hier  wird  der  epitheliale  Zusammenbang  der  Mittel- 
platte   erst   später  gelockert.     Dieser 

Typus  scheint  bei  verschiedenen 
Hymen  opferen  und  Lepidop- 
teren  vorzukommen.  Er  wurde  von 
Kowalevsky  und  Gkassi  (No.  32) 
bei  Apis  und  von  Kowalevsky  (No. 
48),  dessen  Angaben  Bobretzky  (No. 
6)  bestätigte,  bei  Lepidopteren 
beobachtet. 

3)  Durch  Zelleimvucherung  von 
einer  medianen  Rinne.  Es  wird  hier 
im  Bereich  der  medianen  Rinne  der 
Zusammenhang  der  Zellen  schon  bei 
der  Ausbildung  dieser  Keimfurche  ge- 
lockert, und  die  einzelnen  Elemente 
des  unteren  Blattes  rücken  mehr  durch 
eine  Art  Wanderung  unter  das  Ecto- 
derm und  unter  die  lateralen  Parthien 
des  Keimstreifs.  Dieser  Typus  scheint 
nach  Will  (No.  97)  bei  den  Aphiden,  nach  Patten  bei  den  Phrygani- 
den  (No.  65)  vorzukommen. 

Bei  dem  zweiten  und  dritten  Bildungstypus  kommt  es  natürlich  nicht 
zur  Ausbildung  eines  Rohres  mit  deutlichem  Lumen.  Die  Zellmasse  des  unteren 
Blattes  ist  hier  von  ihrer  Entstehung  an  eine  solide  und  breitet  sich  all- 
mählich unter  den  Seitenplatten  aus.  Uebrigens  sind  die  genannten  Typen 
der  Entwicklung  durch  Uebergänge  unter  einander  verbunden.  So  scheint 
es  nach  den  neuen  Mittheilungen  von  Graber  (No.  30) ,  wie  wenn  bei  den 
Lepidopteren  gelegentlich  ein  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  ver- 
mittelnder Typus  zur  Beobachtung  käme. 

Es  wurde  von  Wheeler  für  Doryphora  und  von  Graber  für  Lina 
beobachtet,  dass  das  hinterste  Ende  der  Gastrularinne  in  gewissen  Stadien 
eine  Art  gabeliger  Theilung  aufweist  (pag.  789,  Fig.  487),  ein  Verhalten, 
für  welches  wir  allerdings  noch  keine  Erklärung  beizubringen  im  Stande  sind. 
Die  aus  der  Gastrulaeinstülpung  hervorgegangene  Zellschicht  (unteres 
Blatt)  stellt  die  gemeinsame  Anlage  von  Entoderm  und  Mesoderm  dar. 
Es  ist  erst  in  neuerer  Zeit  bekannt  geworden,   in   welcher  Weise  diese 


Fig.  495.  Zwei  aufeinander  folgende 
Stadien  der  Gastrulation  von  Apis.  (Quer- 
schnitte durch  den  Keimstreif  nach  Grassi). 

b  unteres  Blatt,  ec  Ectoderm. 


Insecten.  809 

beiden  Keimblätter  bei  den  Insecten  sich  von  einander  trennen.  Wir 
müssen  uns  nach  dieser  Richtung  vorzugsweise  auf  die  Angaben  Kowa- 
levsky's  für  Musca  (Nr.  49),  Heider's  für  Hydro  philus  (Nr.  38) 
und  Wheeler's  für  Doryphora  (Nr.  95)  stützen.  Kowalevsky  machte 
für  Musca  zuerst  bekannt,  dass  der  grösste  Theil  des  unteren  Blattes 
ausschliesslich  Mesoderm  liefert,  und  dass  nur  entsprechend  dem  vordersten 
und  hintersten  Ende  des  Keimstreifs  je  eine  Zellmasse  zur  Bildung  des 
Entoderms  aufgebraucht  werde.  Wir  müssen  demnach  bei  den  Insecten 
von  einer  vorderen  und  hinteren  Entodermanlage  sprechen.  In  dem 
Maasse,  als  die  als  Ectodermeinstülpungen  sich  entwickelnden  Ein- 
senkungen  des  Vorderdarms  und  Enddarms  zur  Ausbildung  kommen, 
drängen  sie  die  Zellmässen  der  beiden  Entodermanlagen  vor  sich  in  die 
Tiefe  und  vollziehen  hierdurch  die  Loslösung  derselben  von  dem  Meso- 
derm. Die  beiden  Entodermanlagen  stellen  nun  Zellanhäufungen  dar, 
welche  den  blinden  Enden  der  Vorder-  und  Enddarmeinstülpung  dicht 
angelagert  sind.  Sie  breiten  sich  bald  zu  zwei  uhrglasförmigen  Anlagen 
aus,  welche  mit  ihrer  Concavität  gegen  einander  gerichtet  sind,  mit  ihrer 
convexen  Seite  aber  gegen  den  betreffenden  Eipol  sehen.  Bald  jedoch 
ändern  sie  ihre  Form,  indem  aus  ihnen  zwei  laterale  Streifen  hervor- 
wachsen, so  dass  die  beiden  Entodermanlagen  nunmehr  die  Gestalt  eines 
U  annehmen  (vgl.  Fig.  496  eri).  Die  Schenkel  der  vorderen  und  hinteren 
U-  förmigen  Anlage  sind  gegen  einander  gerichtet  und  wachsen  gegen 
einander,  bis  sie  sich  erreichen  und  mit  einander  verschmelzen.  Dann 
besteht  also  die  aus  der  Verwachsung  der  beiden  Eiförmigen  Anlagen 
entstandene  Entodermanlage  aus  zwei  nach  der  Länge  des  Keimstreifs 
sich  hinziehenden,  meist  unter  den  Ursegmenten  gelegenen  Streifen, 
welche  vorne  und  hinten  in  einander  übergehen  und  an  dieser  Stelle  mit 
den  Einstülpungen  des  Vorderdarms  und  Enddarms  innig  verwachsen 
sind.  Indem  nun  diese  lateralen  Entodermstreifen  sich  allmählich  ver- 
breitern, beginnen  sie  den  Nahrungsdotter,  an  dessen  Oberfläche  sie 
liegen,  allmählich  zu  umwachsen.  Diese  Umwachsung  macht  meist  zu- 
nächst an  der  Ventralseite  grössere  Fortschritte,  so  dass  die  beiden  Ento- 
dermstreifen zuerst  in  der  ventralen  Mittellinie  und  erst  später  in  der 
dorsalen  sich  mit  einander  vereinigen.  Der  Nahrungsdotter  kommt  auf 
diese  Weise  vollständig  in  das  Innere  der  Mitteldarmanlage  (vgl.  unten 
pag.  831  ff.). 

Bei  Musca  wird  —  was  übrigens  auch  bei  einigen  anderen  Formen 
beobachtet  worden  ist  —  nicht  der  gesammte  Nahrungsdotter  in  das  Innere  des 
Mitteldarms  aufgenommen,  sondern  es  bleibt  ein  kleiner  vorderster  und  hin- 
terster Antheil  in  der  Leibeshöhle,  um  daselbst  resorbirt  zu  werden. 

Kowalevsky  hat  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  es  die  medianen 
Parthien  des  unteren  Blattes  sind,  welche  am  vordersten  und  hintersten 
Ende  des  Keimstreifs  durch  das  Vordringen  der  Vorder-  und  Enddarmein- 
stülpung als  Entodermanlagen  losgetrennt  werden.  Die  lateralen  Parthien 
gehen  auch  hier  in  Mesoderm  über.  Kowalevsky  hat  deshalb  die  Keim- 
blätterbildung bei  den  Insecten  mit  der  von  Sagitta  in  Vergleich  ge- 
setzt. Diese  Auffassung  hat  durch  die  neueren  Untersuchungen  an 
Cole opferen  (Heider  Nr.  38,  Wheeler  Nr.  95)  durchaus  an  Stütze 
gewonnen.  Hier  kann  man  noch  vor  dem  Auftreten  der  Vorder-  und 
Enddarmeinstülpung  die  Entodermanlage  als  eine  mediane  Wucherung 
vom  Grunde  der  eingestülpten  Gastrularinne  ausgehen  sehen  (Fig.  497), 


810 


XXIII.  Capitel. 


während  die  lateralen  Mesodermparthien  in  Form  seitlicher  Säcke  ange- 
ordnet erscheinen  (Fig.  496  B  und  D).  Es  wird  hierdurch  die  Sonderung 
der  Keimblätter  für  die  Insecten  dem  Typus  der  Abfaltung,  wie  er  bei 
Sagitta  (vgl.  oben  pag.  244)  zu  beobachten  ist,  nahe  geführt.  Die 
Haupteigenthümlichkeit  ergiebt  sich  für  die  Insecten  aus  der  beträcht- 
lichen Längsstreckung  der  Gastrulaeinstülpung.    Wir  können  für  die  sich 


sm 


Fig.  496.     Schematische    Darstellung    der   Keimblätterbildung  bei  Doryphora 

(nach  Wheeler). 

A  Oberflächenansicht,  B  Querschnitt  durch  das  vordere  Ende  des  Keimstreifs  auf 
der  Höhe  der  Linie  aa,  C  Querschnitt  durch  die  Mitte  des  Keimstreifs,  entsprechend 
der  Linie  bb,  D  Querschnitt  durch  das  hintere  Ende  des  Keimstreifs  entsprechend  der 
Linie  cc. 

bl  Blastoporus,  ec  Ectoderm,  en'  vordere  U-förmige  Entodermanlage,  en"  hintere 
U-förmige  Entodermanlage,  ms  Mesoderm. 

einstülpende  Mittelplatte,  wie  dies  schon  Rabl  (Theorie  des  Mesoderms, 
Morph.  Jahrb.  1889)  gethan  hat,  einen  medianen  unpaaren  Entodermstreifen 
und  paarige  Mesodermstreifen  annehmen.  Der  Entodermstreif  ist  aber  durch 


Fig.  497.     Schematische   Darstellung    der   Sonderung    der   Keimblätter    im   vor- 
dersten Abschnitte  des  Keimstreifs  von  Hydrophilus  (Querschnitt  nach  Heider). 
dz  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  en  Entoderm,  ms  Mesoderm. 


die  Längsstreckung  der  Gastrularinne  in  eine  vordere  und  hintere  Parthie 
(Fig.  496  en  en")  zerdehnt,  so  dass  im  Bereich  des  grössten  Theils  des 
Keimstreifs  die  beiden  lateralen  Mesodermstreifen  sich  einfach  in  der 
Medianlinie  berühren  (Fig.  496  C). 


Insecten.  811 

Eine  wichtige  Stütze  für  die  genannten  Anschauungen  würde  sich  aus 
der  Mittheilung  Bütschli's  (No.  12)  ergeben,  wonach  bei  der  Keimblätter- 
bildung am  hinteren  Keimstreifende  von  Musca  der  Urdarm  thatsächlich  in 
einem  gewissen  Stadium  durch  Faltenbildung  in  drei  mit  einander  zusammen- 
hängende Divertikel  zertheilt  werden  soll,  von  denen  ein  unpaares  medianes 
—  ganz  wie  bei  Sagitta  —  als  Entodermanlage,  die  paarigen,  lateralen 
dagegen  als  Mesodermanlage  aufzufassen  seien.  Da  sich  jedoch  aus  den 
neueren  Arbeiten  über  Muscaentwicklung  keine  Bestätigung  dieser  Verhält- 
nisse ergeben  hat,  und  dieselben,  wie  wir  sehen  werden,  vielleicht  eine 
Deutung  in  anderem  Sinne  zulassen,  so  muss  dieser  Punkt  vorläufig  noch  un- 
entschieden bleiben. 

Die  von  Kowalevsky  (No.  49)  für  die  Keimblätterbildung  von  Musca 
gemachten  Angaben  haben  durch  die  späteren  Untersuchungen  von  Voeltzkow 
(No.  85)  und  Gräber  (No.  28)  an  demselben  Objecte  eine  theilweise,  aber 
keine  vollständige  Bestätigung  erfahren.  Nach  Voeltzkow  sollen  die  Vorder- 
darm- und  Enddarmeinstülpung  von  dem  Boden  der  Gastrularinne  aus  nach 
Innen  wachsen ,  daher  dieselben  nicht  dem  Ectoderm ,  sondern  dem  unteren 
Blatte  angehören  würden.  Die  vordere  und  hintere  Entodermanlage  soll 
durch  Zellwucherung  von  dem  blinden  Ende  dieser  beiden  Einstülpungen  aus 
entstehen.  Gbabeb  hat  (No.  28)  allerdings  für  die  vordere  Entodermanlage 
die  Beobachtungen  Kowalevsky's  bestätigt  und  nimmt  auch  für  das  Stomo- 
daeum  den  ectodermalen  Ursprung  an.  Für  das  Proctodaeum  dagegen  und 
die  hintere  Entodermanlage  schliesst  sich  Gbabeb  völlig  den  Ansichten 
Voeltzkow's  an,  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  er  für  die  Wucherung 
der  hinteren  Entodermanlage  nicht  blos  das  blinde  Ende,  sondern  einen 
längeren  Streifen  der  Ventralseite  des  Proctodaeums  in  Anspruch  nimmt. 
Es  ist  hier  zunächst  gegen  Voeltzkow  und  Gbabeb  einzuwenden,  dass,  wenn 
sich  wirklich  bei  den  Museiden  ein  hinterer  Darmabschnitt  durch  Einstülpung 
vom  unteren  Blatte  aus  anlegte,  wir  denselben  nicht  als  Proctodaeum  be- 
zeichnen dürften,  da  er  dann  dem  gleichnamigen  Abschnitte  der  übrigen  In- 
secten, wo  derselbe  vom  Ectoderm  aus  gebildet  wird,  nicht  homolog  betrachtet 
werden  dürfte.  Es  scheint  uns  aber,  dass  die  allerdings  schwierig  zu  ver- 
stehenden Bilder,  welche  das  hintere  Keimstreifende  der  Museiden  an  Schnitten 
darbietet,  unter  Annahme  einer  anderen  Deutung,  welcher  sich  auch  Gbaber 
(No.  27)  früher  zuneigte,  sich  in  befriedigender  Weise  erklären  lassen.  Wir 
dürfen  vielleicht  annehmen,  dass  bei  den  Museiden,  geradeso  wie  bei  Chirono- 
mus,  das  hintere  Keimstreifende  sich  nicht  nur  in  den  Dotter  einsenkt,  sondern 
auch  hakenförmig  einkrümmt,  so  dass  der  Keimstreif  an  den  Querschnitten 
durch  diese  Region  dreimal  getroffen  erscheint.  Dabei  stehen  das  hinterste 
in  den  Dotter  versenkte  Keimstreifende  und  der  vorletzte  am  Rücken  des 
Eies  gelegene  Theil  des  Keimstreifs  durch  die  noch  offene  Gastrularinne  der- 
art in  Communication ,  dass  auf  einer  Reihe  von  Querschnitten  die  Lumina 
des  beiden  Theilen  zukommenden  Gastrularohres  untereinander  zusammen- 
fliessen,  wodurch  sich  die  eigenthümliche  daselbst  entstehende,  hanteiförmige 
Figur  erklärt.  Es  würde  unter  dieser  Annahme  jene  Einstülpung,  welche 
Voeltzkow  und  Gbabeb  (No.  28)  irrthümlich  für  das  Proctodaeum  gehalten 
haben,  richtiger  als  sog.  Keimhügel  (vgl.  oben  pag.  776)  zu  bezeichnen  sein, 
und  das  Lumen  dieser  Einstülpung  müsste  dann  als  Amnionhöhle,  ihre  Oeff- 
nung  an  der  Dorsalseite  nicht  als  After,  sondern  als  Mündung  der  Amnion- 
höhle gedeutet  werden.  Das  Proctodaeum  scheint  sich  erst  später  als  Ein- 
stülpung von  dieser  Höhle  aus  anzulegen.  Diese  Auffassung  wird  durch  die 
Beobachtungen  Ritteb's  (No.  71)  über  die  Entwicklung  des  Proctodaeums 
bei  Chironomus  durchaus  gestützt. 


812 


XXIII.  Capitel. 


v-e 


—  s 


—  m. 


:f 


Hier  sei  noch  die  Ansicht  Gräber' s  von  dem  Vorhandensein  einer 
lateralen  Gastrulation  bei  den  Museiden  erwähnt.  Graber  findet 
an  dem  Keimstreif  der  Museiden  neben  der  medianen  oder  Hauptgastrularinne 
seitliche,  besonders  im  vordersten  und  hintersten  Theile  des  Keimstreifs  mar- 
kirte  Einfaltungen ,  welche  Elemente  an  das  untere  Blatt  abgeben  sollen. 
Diese  paarigen  Einfaltungen,  welche  schon  von  Bütschli  (No.  12)  und 
Voeltzkow  (No.  85)  gekannt  waren,  und  welche  die  Seitenränder  des  Keim- 
streifes kennzeichnen ,  sollen  nach  Grabek 
supplementäre  Gastrularinnen  sein,  welche  die 
Aufgabe  haben,  die  Gastrularinne  in  ihrer 
plastischen  Thätigkeit  bei  der  Bildung  des 
unteren  Blattes  zu  unterstützen.  Graber 
hat  jedoch  den  Beweis ,  dass  von  diesen 
lateralen  Einfaltungen  Elemente  an  das  un- 
tere Blatt  abgegeben  werden,  nicht  erbracht. 
Da  es  schon  Voeltzkow  bekannt  war,  dass 
in  den  in  Frage  kommenden  Stadien  der  an 
der  Keimstreifbildung  unbetheiligte  Abschnitt 
des  Blastoderms  eine  grosse  Neigung  zur  Fal- 
tenbildung aufweist,  so  dürften  wohl  auch  die 
hier  in  Rede  stehenden  Einfaltungen  unter 
diesen  Gesichtspunkt  fallen  und  für  die  wei- 
tere Entwicklung  des  Embryos  belanglos  sein. 

Etwas  von  dem  allgemeinen  Typus  der 
Keimblätterbildung  abweichende  Verhält- 
nisse scheinen  bei  den  Hymenopteren 
vorzukommen.  Kowalevsky  und  Grassi 
(No.  32) x)  stimmen  allerdings  darin  über- 
ein, dass  auch  hier  das  Entoderm  ur- 
sprünglich einen  Theil  des  unteren  Blat- 
tes ausmacht.  Aber  die  Sonderling  des 
Entoderms  von  dem  Mesoderm  geht  bei 
Apis  in  der  Weise  vor  sich,  dass  die 
beiden  Enden  des  uuteren  Blattes  sich  auf 
die  Dorsalseite  des  Eies  hinüberschlagen 
und  dass  die  so  auf  den  Rücken  des  Em- 
bryos gelangten  vorderen  und  hinteren 
Entodermanlagen  auf  der  Dorsalseite  gegen 
einander  wachsen.  Wenn  die  beiden  auch 
hier  hufeisenförmigen  Anlagen  einander 
erreicht  haben,  und  verschmolzen  sind,  so 
beginnt  die  Umwachsung  des  Nahrungsdot- 
ters, welche  demnach  hier  von  der  Rücken- 


— ke 


Gastrulastadium 
von  Chalicodoma (sog. Flaschen- 
form, nach  Carkiere). 

/  Falten,  welche  die  Mittel- 
platte seitlich  begrenzen  (Rand  des 
Blastoporns),  m  die  theil  weise  seg- 
meutirte  Mittelplatte  (hier  =Meso- 
dermanlage),  s  die  segmentirten 
Seitenplatten  (späteres  Ectoderm 
des  Keimstreifs),  ve  vordere  Ento- 
dermanlage,  he  hintere  Entoderm- 
anlage. 


l)  Die  Untersuchungen  Grassi's  bedeuten  einen  "Wendepunkt  in  der  Auffassung 
der  Keimblätterbildung  bei  den  Insecten.  Es  inuss  als  ein  besonderes  Verdienst 
Grassi's  hervorgehoben  werden,  dass  er  der  Erste  war,  welcher  gegen  die  damals 
allgemein  herrschende  Ansicht,  dass  die  Dotterzellen  das  eigentliche  Entoderm  der 
Insecten  repräsentiren,  auftrat,  und  den  Nachweis  erbrachte,  dass  das  Entoderm  ein 
Theil  des  unteren  Blattes  sei.  Ebenso  wurde  von  ihm  das  Vorhandensein  einer 
vorderen  und  hinteren  Entodermanlage  richtig  erkannt.  Später  erst  schlössen  sich 
ihm  Kowalevsky  No.  49  und  Heider  No.  37  an.  Allerdings  muss  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  Kowalevsky  schon  in  seinen  ersten  Mittheilungen  (No.  48)  Ansichten 
aussprach,  welche  den  thatsächlichen  Verhältnissen  sehr  nahe  kommen. 


Insecten.  313 

seite  ausgeht  und  an  der  Ventralseite  zuletzt  zum  Abschlüsse  kommt.  Es 
geht  hieraus  hervor,  dass  die  Entodermzellschicht  bei  Apis  anfangs  nicht 
unter  dem  Keimstreife  liegt,  sondern  an  der  Dorsalseite  des  Eies  unter 
jenem  Plattenepithel,  welches,  von  der  Amnionfalte  aus  entstanden ,  den 
provisorischen  Verschluss   des  Rückens  übernimmt   (vgl.  oben  pag.  785). 

Ziemlich  ähnlich  scheinen  sich  die  Verhältnisse  der  Entoclermanlagen 
bei  Chalicodoma  (nach  Carriere  No.  13)  zu  ergeben.  Auch  hier  liegen 
die  Entodermstreifen  nicht  unter  dem  Keimstreif,  sondern  überschreiten  den- 
selben nach  der  Dorsalseite  des  Eies  zu.  Für  die  erste  Sonderung  der  Keim- 
blätter ist  Carriere  zu  Anschauungen  gekommen ,  welche  den  oben  geschil- 
derten zwar  nahestehen,  aber  doch  für  Chalicodoma  (Fig.  498)  einen  eigen- 
artigen Typus  erkennen  lassen.  Die  Mittelplatte  (m),  welche  sich  zur  Gastrula- 
rinne  einstülpt,  und  welche,  ebenso  wie  die  Seitenplatten  schon  frühzeitig  die 
Segmentirung  erkennen  lässt,  soll  hier  ausschliesslich  das  Mesoderm  liefern, 
während  die  vordere  und  hintere  Entodermanlage  (ve,  he)  in  einer  an  die 
Mittelplatte  sich  allerdings  direct  anschliessenden  Wucherungszone  gegeben 
ist,  im  Bereich  deren  die  Sonderung  der  Entodermzellmasse  durch  eine  Art 
Abspaltung  oder  Delamination  von  der  oberflächlichen  in  der  Continuität 
des  Ectoderms  verbleibenden  Zellschicht  vor  sich  seht. 


cv 


Wir  müssen  hier  noch  die  Dotterzellen  und  die  secundäre 
Dotter  furchung  erwähnen.  Die  Dotterzellen  sind  im  Nahrungsdotter 
zerstreute  Elemente,  welche  zum  Theil  bei  der  Blastodermbildung  im 
Dotter  zurückbleiben  (pag.  766,  Fig.  473  C  und  D.  s) ,  zum  Theil  aber 
durch  eine  nachträgliche  Einwanderung  aus  dem  Blastoderm  und  dessen 
Derivaten  in  den  Dotter  gelangen  Vor  Allem  hat  Graber  auf  eine  Ein- 
wanderung von  Zellen  aus  dem  unteren  Blatte  in  den  Dotter  hingewiesen, 
und  seine  Beobachtungen  sind  von  anderen  Autoren  bestätigt  worden. 
Allerdings  sollen  in  einzelnen  Fällen  (z.  B.  bei  Melolontha)  diese  nach- 
träglich eingewanderten  Zellen  sich  von  den  ursprünglich  im  Dotter  be- 
findlichen ihrem  histologischen  Charakter  nach  deutlich  unterscheiden. 

Die  Dotterzellen  zerstreuen  sich  in  regelmässiger  Weise  im  Nahrungs- 
dotter. Ihre  Hauptbedeutung  für  den  Embryo  liegt  darin,  dass  sie  die 
Nahrungsdotterpartikelchen  an  sich  ziehen  und  auf  dem  Wege  der  Ver- 
dauung verflüssigen.  Es  kommt  hierbei  in  der  Regel  zu  einer  nach  voll- 
endeter Ausbildung  des  Keimstreifs  eintretenden  Abgrenzung  der  den 
einzelnen  Dotterzellen  zukommenden  Territorien,  und  diesen  Vorgang  hat 
man  als  die  secundäre  Dotterfurchung  (pag.  817,  Fig.  500C — F\ 
pag.  773,  Fig.  477)  bezeichnet.  In  einzelnen  Fällen  (Apis,  Musca)  scheint 
dieselbe  jedoch  zu  unterbleiben.  Die  Dotterzellen  sind  noch  nach  voll- 
endeter Ausbildung  des  Mitteldarms  in  dem  das  Innere  desselben  erfüllen- 
den Nahrungsdotterreste  zu  erkennen  und  gehen  dann  einem  allmählichen 
Zerfalle  entgegen. 


"OvC> 


Man  hat  lange  Zeit,  besonders  im  Anschlüsse  an  Dohrn,  Balfour  und 
Hertwig  in  den  Dotterzellen  das  eigentliche  Entoderm  der  Insecten  erblickt, 
indem  man  der  Ansicht  war,  dass  dieselben  sich  schliesslich  an  der  Ober- 
fläche des  Nahrungsdotters  zur  Bildung  des  Mitteldarmepithels  anordnen. 
Gegenüber  den  neueren  Untersuchungen ,  welche  unserer  obigen  Darstellung 
der  Keimblätterbildung  zu  Grunde  liegen ,  musste  diese  Ansicht  aufgegeben 
werden.  Es  scheint,  dass  die  Dotterzellen  überhaupt  an  dem  Aufbau  des 
Embryos  keinen  Antheil  nehmen.  Es  wurde  allerdings  von  verschiedenen 
Seiten  behauptet,  dass  aus  ihnen  schliesslich  Blutkörperchen  oder  Theile  des 


814  XXIII.  Capitel. 

Fettkörpers  hervorgehen.  Nach  dieser  Hinsicht  sind  die  Angaben  Dohrn's 
(No.  21),  Tichomiropf's  (No.  79)  und  besonders  die  von  Will  (No.  97) 
zu  erwähnen.  Ihnen  stehen  jedoch  eine  Anzahl  neuerer  Autoren  gegenüber, 
denen  zufolge  die  Dotterzellen,  nachdem  sie  ihrer  Aufgabe  als  Vitellophagen 
gerecht  geworden  sind ,  einem  einfachen  Zerfalle  unterliegen.  Letzteres  will 
uns,  da  sich  für  den  Fettkörper  und  die  Blutkörperchen  ein  andersartiger 
Ursprung  nachweisen  lässt  (vgl.  unten  pag.  835  ff.),  als  das  Wahrscheinlichste 
erscheinen. 

Wir  werden  die  Dotterzellen  wahrscheinlich  mit  Rücksicht  auf  das  oben 
für  die  Crustaceen  Gesagte  (vgl.  pag.  345)  als  einen  abortiven  Theil  des 
Entoderms  betrachten  dürfen. 

7.    Weitere  Entwicklung  des  Mesoderms.    Ausbildung- 

der  Leibeshöhle. 

Wir  haben  (pag.  771  und  806  ff.)  gesehen,  dass  durch  eine  nach  der  ganzen 
Länge  des  Keimstreifs  verlaufende  Einstülpung  eine  Schicht  von  Zellen 
producirt  worden  ist,  welche  sich  bald  an  der  Innenseite  des  Keimstreifs 
ausbreitet  und  so  eine  zweite,  untere  Lage  desselben  (unteres  Blatt) 
bildet  (Fig.  500  C).  Von  dieser  unteren  Schicht  trennt  sich  im  vordersten 
und  hintersten  Abschnitte  des  Keimstreifs  das  Entoderm  ab,  und  legt 
sich  den  inzwischen  entstandenen  Einstülpungen  des  Vorderdarms  und 
Enddarms  dicht  an.  Den  übrigen,  bei  Weitem  umfangreichsten  Theil 
des  unteren  Blattes  können  wir  von  nun  an  als  Mesoderm  bezeichnen. 

Es  tritt  nun  bald  eine  Anordnung  desselben  in  zwei  laterale  Streifen 
(Mesodermstreifen)  auf,  indem  seine  Zellen  sich  von  der  Medianlinie 
immer  mehr  zurückziehen  (Fig.  500  D).  Diese  Zurückziehung  ist  aller- 
dings nicht  immer  eine  complete.  In  den  im  Bereich  der  Medianlinie 
frei  gewordenen  Raum  schiebt  der  Dotter  häufig  die  sogenannte  mediane 
Dotter firste  vor.  Bald  treten  nun  in  den  lateralen  Parthien  des  Meso- 
derms segmentweise  Höhlungen  (us)  auf  (Ursegmenthöhlen),  und  die 
angrenzenden  Mesodermzellen  ordnen  sich  in  Form  eines  Epithels  um 
diese  Höhlen  und  bilden  die  Wand  der  Ur Segmente  oder  Cölorn- 
sacke. 

Die  Ursegmenthöhlen  entstehen  im  Allgemeinen  durch  eine  Spaltenbil- 
dung im  Bereiche  des  Mesoderms.  Heider  (No.  38)  glaubte  sich  für  Hydro- 
philus  überzeugt  zu  haben,  dass  sie  hier  nur  durch  die  Erweiterung  einer 
Spalte  zu  Stande  kommen,  welche  schon  früher  zwischen  zwei  Schichten  des 
Mesoderms  zu  erkennen  sei,  und  welche  sich  auf  das  in  dorsal  ventraler 
Richtung  comprimirte  Urdarmlumen  zurückführen  lasse.  Gräber  (No.  30) 
konnte  sich  aber  neuerdings  von  der  Persistenz  dieser  Spalte  nicht  überzeugen. 
Dagegen  hat  die  Auffassung  Heider's  durch  Carriere  (No.  13)  für  Chali- 
codoma  eine  Bestätigung  erfahren.  Nach  diesen  Beobachtungen  würde  die 
zuerst  von  0.  und  R.  Hertwig  aufgestellte  Ansicht,  dass  die  Ursegment- 
höhlen bei  den  Insecten  paarige  Urdarmdivertikel  darstellen,  eine  Stütze  ge- 
winnen. 

In  anderer  Weise,  als  bei  Hydrophilus  entstehen  die  sehr  umfang- 
reichen Ursegmente  von  Phy llodromia.  Hier  ist  das  Mesoderm  des 
Keimstreifs  zunächst  nur  in  einer  einfachen  Zellschicht  vorhanden.  Diese  ein- 
fache Zellschicht  hebt  sich  bei  der  Ausbildung  der  Extremitätenanlagen  mit 
dem  Ectoderm  von  der  Oberfläche  des  Nahrungsdotters  ab,  und  hierdurch 
entstehen  in  jedem  Segmente  Höhlungen,  welche,  indem  sie  sich  ringsum  mit 


Insecten. 


815 


Mesodermelementen    umgeben,    zu     den   geschlossenen   Cölomsäcken   werden 
(Heymoxs  No.  43). 

Für  die  Bildung  der  Ursegraente  werden  die  im  Keimstreif  lateral  ge- 
legenen Theile  des  Mesoderms  aufgebraucht  (Fig.  500  D  und  E).  Es  gehen 
jedoch  nicht  sämmtliche  Mesodermelemente   in  ihre  Bildung  ein.     Stets  wird 


Fig.  499.  Querschnitte  durch  den  Abdominaltheil  dreier  aufeinander  folgender 
Entwicklungsstadien  von  Phyllodromia  germanica  (nach  Heymons). 

am  Amnion,  bg  Anlage  der  Bauchganglienkette,  c  Cölomhöhle,  c'  dorsaler  und  c" 
ventraler  Abschnitt  des  Cölomsackes,  cz  Zellen  der  Ursegmentwand,  welche  sich  der 
Genitalanlage  anfügen,  d  Na,hrungsdotter ,  dw  Dorsalwand  des  Cölomsäckchens,  ec  Ec- 
toderm,  ep  Epithelzellen,  ex  abdominale  Extremitätenanlage,  f  Fettkörperanlage,  gz  Ge- 
nitalzellen, hv  Lateralwand  des  Cölomsäckchens,  m  Mesodernm-lli-n,  welche  sich  an 
der  Bildung  der  Cölomsäcke  nicht  betheiligen,  mw  Medialwand  des  Cölomsäckchens, 
so  somatische  Mesodermschicht,  vm  ventraler  Längsmuskel. 


816  XXIII.  Capitel. 

ein  Theil  der  Mesodermzellen ,  welcher  näher  der  Medianlinie  gelegen  ist 
(vgl.  auch  Fig.  499  A,  m),  bei  ihrer  Bildung  erübrigt.  Je  mächtiger  die 
Ursegmente  entwickelt  sind ,  um  so  verschwindender  ist  dieser  Antheil  und 
umgekehrt.  Diese  Elemente  sind  unregelmässig  angeordnet  und  stellen  eine 
Art  Mesenchym  dar.  . 

Es  wurde  von  Heider  (No.  38)  und  neuerdings  von  Gräber  (No.  30) 
darauf  hingewiesen,  dass  die  durch  Dissepimente  gekennzeichneten  Grenzen 
der  aufeinander  folgenden  Ursegmente  nicht  immer  mit  den  Segmentgrenzen 
des  Keimstreifs  sich  völlig  decken ,  sondern  in  gewissen  späteren  Stadien 
gegen  letztere  um  ein  Weniges  verschoben  erscheinen. 

In  der  Regel  kommt  jedem  echten  Segmente  des  primären  Rumpfes  ein 
Paar  von  Ursegmenten  zu.  Ausserdem  kommt  auch  ein  Paar  von  Cölom- 
säckchen  nach  den  Angaben  von  Cholodkovsky  (No.  19)  bei  Blatt a  und 
Graber  (No.  30)  bei  Stenobothrus  und  Mantis  im  primären  Kopfab- 
schnitte zur  Ausbildung.  Dieses  würde  den  Kopfhöhlen  von  Peripatus  ent- 
sprechen (vgl.  pag.  708).  In  gleicherweise  scheint  den  Orthopteren  auch  ein  Paar 
von  Cölomsäcken  im  Endsegmente  zuzukommen  (Cholodkovsky).  Bei  Hy  dro- 
philus  dagegen  fehlen  nach  Heider  die  Cölomsäcke  nicht  nur  im  Kopf- 
und  Analabschnitt,  sondern  ihre  Ausbildung  erscheint  auch  im  Mandibular  - 
segmente  unterdrückt  und  im  ersten  Maxillarsegmente  verzögert. 

Die  Cölomsäcke  kommen  in  den  einzelnen  Insectengruppen  in  sehr 
verschiedener  Mächtigkeit  zur  Entwicklung.  Ihre  bedeutendste  Ausdeh- 
nung erreichen  sie  bei  den  Orthopteren  (Fig.  499),  wo  fast  das  ge- 
sammte  Zellmaterial  des  Mesoderms  in  ihre  Bildung  aufgeht,  und  wo 
sich,  wie  wir  durch  Cholodkovsky  (No.  19),  Graber  (No.  30)  und 
Heymons  (No.  43)  wissen,  Verhältnisse  der  Cölombildung  erhalten  haben, 
welche  sich  direct  an  die  für  Peripatus  geschilderten  (vgl.  oben  pag.  708  ff.) 
anschliessen.  Die  sehr  ausgedehnten  Ursegmenthöhlen ,  welche  bei  den 
Orthopteren  auch  in  die  Extremitätenanlagen  sich  erstrecken  (Fig. 
499  JB,  ex) ,  zerfallen  in  späteren  Stadien  durch  Ausbildung  einer  Ein- 
schnürung in  eine  dorsale  und  eine  ventrale  Hälfte  (Fig.  499  B,  c,  c"). 
Von  diesen  geht  die  ventrale  (c"),  in  die  Extremität  sich  erstreckende 
Hälfte  bald  zu  Grunde  (Fig.  499  C) ,  indem  die  Zellen  ihrer  Wand  den 
epithelialen  Zusammenhang  aufgeben  und  sich  nach  Art  eines  Mesenchyms 
unregelmässig  gruppiren.  Hier  entsteht  dann  zum  Theil  durch  Auseinander- 
weichen dieser  Zellen,  zum  Theil  durch  Abhebung  derselben  von  der 
Oberfläche  des  Nahrungsdotters  die  definitive  Leibeshöhle.  Der 
dorsale  Antheil  der  Ursegmenthöhlen  dagegen  bleibt  längere  Zeit  erhalten, 
um  (wie  wir  unten  pag.  833  ff.  sehen  werden)  bei  der  Ausbildung  des 
Darmfaserblattes,  des  Herzens,  des  Pericardialseptums  und  der  Geschlechts- 
organe eine  wichtige  Rolle  zu  spielen. 

Bei  den  höherstehenden  Insectengruppen  (den  Coleopteren,  Lepi- 
d  o  p  t e  r  e  n  und  H y  m  e  n  o  p  t  e  r  e  n)  kommen  die  Ursegmente  nicht  mehr 
in  solcher  Ausdehnung  zur  Anlage  (Fig.  500  D — F,  us).  Sie  stellen  hier 
nur  verhältnissmässig  kleine,  in  den  lateralen  Theilen  des  Keimstreifs 
gelegene  Säckchen  dar,  welche  nur  dem  Dorsalabschnitt  der  Cölomsäcke 
der  Orthopteren  entsprechen.  Der  Ventral  theil  ist  hier  vom  ersten 
Anfange  an  durch  ein  Mesenchym  ersetzt.  In  Folge  dessen  erstreckt  sich 
bei  diesen  Formen  auch  kein  Cölomdivertikel  in  die  Extremitätenanlagen. 

Bei  den  Museiden  ist  die  Ausbildung  von  Cölomsäcken  anscheinend 
vollständig  unterdrückt  (Graber  No.  28).  Wir  erkennen  hier  ihr  Aequivalent 
blos  in  einer  in  verhältnissmässig  späten  Stadien  auftretenden  und  von  der 
definitiven  Leibeshöhle  ausgehenden  Divertikelbildung. 


817 


est 


Fig".  500.  Querschnitte  durch  den  Keimstreif  von  Hydro philus  in  sechs  auf- 
einander folgenden  Stadien  (nach  Heider,  aus  Lakg's  Lehrbuch). 

A  Gastrulastadium  (vgl.  pag.  770  Fig.  476  A  entsprechend  dem  Punkte  a).  B  Quer- 
schnitt durch  das  Stadium  Fig.  476  D  im  vordersten  Abschnitt  des  Keimstreifs,  wo  derselbe 
von  den  Amnionfalten  noch  nicht  vollständig  überwachsen  ist.  C  Querschnitt  durch 
ein  Rumpfsegment  des  Stadiums  Fig.  476  E.  —  _D,  E,  F  Querschnitte  durch  ältere  Stadien. 

am  Amnion,  b  unteres  ßlatt,  d  Nahrungsdotter,  dz  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  en 
Entoderm,  l  definitive  Leibeshöhle,  pr  Primitivrinne  (=  Neuralrinne),  piv  Primitivwülste 
der  Bauchganglienkette,  r  Blastoporus,  sp  Spalte  im  Mesoderm  (Rest  des  Urdarmlumens), 
se  Serosa,  s  Seitenstränge  der  Anlage  der  Bauchganglienkette,  spm  splanchnisches  Blatt 
des  Mesoderms,  tr  Tracheenanlage  (in  E  als  Einstülpung  des  Ectoderms,  in  F  im  Quer- 
schnitt) us  Ursegment  {=  Cölomsäckchen). 


818  XXIII.  Capitel. 

Die  Trennung  der  beiderseitigen  Mesodermstreifen  von  einander  wird  in 
späteren  Stadien  wieder  aufgegeben ,  indem  die  Mesenchyrazellen  sieb  in  der 
Medianlinie  dicht  aneinander  schliessen.  Es  bildet  sich  hier  vielfach,  nachdem 
die  mediane  Dotterfirste  rückgebildet  wurde,  eine  Zellanhäufung  (Fig.  500  E) 
aus,  welche  unter  der  Anlage  der  Bauchganglienkette  hinzieht  und  ihre  Ent- 
stehung den  Mesenchymzellen  verdankt.  Dieser  Zellstrang  ist  es,  welcher 
von  Nusbaum  (No.  57)  als  Chorda  der  Insecten  bezeichnet  wurde.  Er 
wird  schliesslich  zur  Bildung  von  Bindegewebe  und  anderem  Mesodermgewebe 
aufgebraucht. 

Die  definitive  Leibeshöhle  der  Insecten  entsteht  völlig  unab- 
hängig von  den  Cölomhöhlen  und  zwar,  wie  schon  Bütschli  (No.  11) 
bekannt  war,  durch  eine  Abhebung  des  Keimstreifs  vom  Dotter  (Fig. 
500  F,  l).  Sie  erscheint  einerseits  von  der  Oberfläche  des  Nahrungs- 
dotters, andererseits  von  den  unregelmässig  geordneten  Mesenchymzellen 
begrenzt.  Ursprünglich  können  wir  am  Querschnitt  drei  gesonderte 
Räume  der  definitiven  Leibeshöhle  unterscheiden  (bei  Hydrophil us 
nach  Heider)  einen  medianen  und  zwei  grössere,  paarige,  laterale,  welche 
später  untereinander  und  mit  weiteren,  durch  Anseinanderweichen  der 
Mesenchymzellen  entstandenen  Lacunen  (z.  B.  in  den  Extremitäten)  zu- 
sammenfliessen.  Wir  werden  die  Räume  der  definitiven  Leibeshöhle,  wie 
beiPeripatus  (vgl.  oben  pag.  710  ff.)  auf  die  primäre  Leibeshöhle  oder 
Furchungshöhle  zurückführen  dürfen.  Sie  stellt  durchgehends  nur  Lacunen 
im  Bereiche  des  Mesenchyms  dar  und  trägt  überall  den  Charakter  eines 
Pseudocöls  (vgl.  Einleitung  pag.  XII). 

In  späteren  Stadien  der  Embryonalentwickiung  treten  die  Cölomsäcke 
und  die  definitive  Leibeshöhle  in  Communication  (pag.  834,  Fig.  509  A, 
us,  Vi).  Zunächst  verschmelzen  die  hinter  einander  gelegenen  Cölomsäcke 
durch  Rückbildung  der  sie  trennenden  Querdissepimente,  hierauf  öffnet 
sich  in  der  medianen  Wand  der  Cölomsäcke  eine  Spalte,  durch  welche 
ihr  Lumen  mit  der  definitiven  Leibeshöhle  in  Verbindung  tritt.  Bei  den 
späteren  Umbildungen,  welche  die  Wand  der  Cölomsäcke  erfährt,  sind 
die  letzteren  dann  nicht  mehr  als  gesonderte  Abschnitte  der  gesammten 
Leibeshöhle  zu  erkennen. 

8.    0  r  g  a  n  M  1  d  u  n  g. 

A.   Aeussere  Haut. 

Die  Hypodermis  geht  durch  directe  Umwandlung  aus  den  Zellen 
des  Ectoderms  hervor.  In  späteren  embryonalen  Stadien  kommt  es  an 
der  äusseren  Oberfläche  des  letzteren  zur  Ausbildung  der  Cuticula  des 
jüngsten  Larvenstadiums.  Die  als  Haare,  Borsten  und  anderweitig  be- 
nannten äusseren  Fortsatzbildungen  werden  von  besonderen  grossen 
Hypodermiszellen  (Borstenmutterzellen)  aus  angelegt  (Tichomiroff, 
No.  78).  Von  ganz  ähnlichen  Zellen  (S  c  h  u  p  p  e  n  m  u  1 1  e  r z  e  1 1  e  n)  wer- 
den in  der  Puppe  der  Lepidopteren  die  Schuppen  des  Flügels  gebildet 
Semper,  Nr.  126). 

B.    Endoscelet. 

Das  Endoscelet  des  Kopfes  (Tentorium)  entwickelt  sich  aus  zwei 
Paaren  von  Ectodermeinstülpungen,  von  denen  das  vordere  an  der  Innen- 
seite und  etwas  vor  der  Mandibel,  das  hintere  innen  und  etwas  vor  der 


Insecten.  3^9 

zweiten  Maxille  sich  entwickelt.  Das  vordere  Paar  tritt  mit  dem  hinteren 
in  Verbindung  und  entsendet  einen  Stützpfeiler  nach  der  Dorsalseite  an 
die  Ränder  des  Clypeus.  Durch  mediane  Verschmelzung  des  hinteren 
Paares  wird  eine  Ueberbrückung  des  Unterschlundganglions  erzeugt, 
welche  bei  manchen  Formen  als  querer  Balken  im  Hinterhauptsloche  er- 
kennbar ist  (Tichomiroff,  Grassi,  Patten,  Heider,  Carriere). 

Aehnliche  Ectodermeinstülpungen  geben  zur  Ausbildung  einer  Chitin- 
sehne für  den  Flexor  Mandibulae  und  einer  ähnlichen  kleineren  für  seinen 
Antagonisten  Anlass. 

Hatschek  (No.  36),  welcher  die  Beziehung  der  genannten  Einstülpungen 
zu  den  Hartgebilden  des  Kopfes  nicht  kannte,  glaubte  in  ihnen  Tracheen- 
einstülpungen des  Kopfes  gefunden  zu  haben.  In  gleicher  Weise  werden  sie 
auch  neuerdings  noch  von  Carriere  (No.  13)  aufgefasst.  Da  derartige  Endo- 
sceletbildungen  auch  in  andern  Gruppen  z.  B.  bei  den  Crustaceen  (vgl.  oben 
pag.  359)  sich  finden,  und  die  hypothetische  Umbildung  einer  Trachee  in 
eine  Endosceletbildung  dieser  Art  die  Vorstellung  eines  erheblichen  Functions- 
wecbsels  involvirt,  so  erscheint  uns  die  Homologie  der  in  Rede  stehenden 
Einstülpungen  mit  den  echten  Tracheeneinstülpungen  nicht  genügend  sicher- 
gestellt und  sind  wir  geneigt,  die  ersteren  als  Bildungen  eigener  Art  aufzufassen, 
umsomebr  als  dieselben  der  Lage  nach  durchaus  nicht  überall  eine  so  erheb- 
liche Uebereinstimmung  mit  den  Tracheenstigmen  der  hinten  folgenden  Seg- 
mente erkennen  lassen .  wie  dies  bei  Chalicodoma  thatsächlich  der 
Fall  ist. 

C.   Nervensystem. 

Sämmtliche  Theile  des  Centralnervensystems  sind  Derivate  des  Ecto- 
derms  und  werden  im  Embryo  als  Ectodermverdickuiigen  angelegt.  Wir 
finden  die  Anlage  der  Baucliganglienkette  —  wie  dies  zuerst  durch 
Hatschek  bekannt  geworden  ist  —  bald,  nachdem  die  Gastrulaein- 
stülpung  zum  Verschluss  gekommen  ist,  in  der  Form  zweier,  zu  beiden 
Seiten  der  Medianlinie  längsverlaufender  Ectodermverdickungen,  der  so- 
genannten P r i  111  itivwülste  (pag.  795,  Fig.  489  A),  welche  sich  vom 
Kopfabschnitte  bis  zum  Endsegmente  erstrecken  und  zwischen  sich  eine 
unpaare  Einsenkung,  die  Primitiv  rinne,  erkennen  lassen  (Fig.  500  C, 
pr  und  pw).  Bald  nach  dem  Auftreten  der  rrimitivwülste  kann  man  an 
ihnen  die  ersten  Spuren  der  Segmentirung  erkennen,  indem  sie  auf  der 
Höhe  der  Segmente  mächtiger  sind,  als  an  den  Segmentgrenzen.  Die 
Primitivwülste  gehen  nach  vorne  zu  den  Seiten  der  Oesophaguseinstülpung 
(Anlage  der  Schlundcommissur)  auf  das  Kopfsegment  über  und  stehen 
mit  der  aus  einer  Verdickung  des  Kopflappens  sich  entwickelnden  Ge- 
hirnanlage vom  ersten  Anfange  an  in  directem  Zusammenhange.  Dieses 
Verhalten  wurde  neuerdings  besonders  von  Patten  (Nr.  67)  betont,  und 
auch  von  Heider  (Nr.  38),  und  Graber  (Nr.  30)  gegenüber  Will  (Nr. 97) 
hervorgehoben,  welcher  die  Gehirnanlage  der  Aphiden  (Scheitelplatte) 
selbstständig  entstehen  und  mit  der  Anlage  der  Bauchganglienkette  durch 
die  erst  secundär  zur  Entwicklung  kommenden  Schlundcommissuren  in 
Verbindung  treten  lässt  (vgl.  hinsichtlich  derselben  Verhältnisse  bei  den 
Crustaceen  pag.  360  Anm.). 

Aus  den  segmentalen  Erweiterungen  der  Primitivwülste  gehen  die 
Ganglien  der  Bauchganglienkette,  aus  den  intersegmentalen  Verschmäle- 
rungen  die  paarigen  Längscommissuren  hervor. 


820  XXIII.  Capitel. 

An  Querschnitten  (pag.  817,  Fig.  500  G\  pag.  773,  Fig.  477)  erkennt  man, 
dass  das  Ectoderm  im  Bereich  der  Primitivwülste  (pw)  zunächst  mehrschichtig 
geworden  ist.  Später  lösen  sich  durch  eine  Art  von  Delamination  die 
tieferen  Schichten  von  den  oberflächlichen  los  (Fig.  500  D — F,  s)  und 
bilden  die  sogenannten  Seitenstränge,  d.h.  die  Anlagen  der  Längs- 
stränge der  Bauchganglienkette.  Inzwischen  vertieft  sich  die  Primitiv- 
rinne (pr)  und  bildet  eine  zwischen  die  Seitenstränge  sich  erstreckende 
Einstülpung.  Die  Zellen  im  Grunde  dieser  Einstülpung  stellen  den  so- 
genannten Mittelstrang  dar  und  werden  entsprechend  der  Mitte  der 
Segmente  zur  Entwicklung  von  querverlaufenden  Nervenfibrillen  ver- 
wendet, wodurch  die  Quercommissuren  der  einzelnen  Ganglienpaare  ge- 
bildet werden  (Hatschek). 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  des  Mittelstranges  im  Bereiche  der  inter- 
ganglionären  Strecke  sind  die  Ansichten  bisher  noch  getheilt.  Während  man 
im  Allgemeinen  im  Anschlüsse  an  Hatschek  glaubte,  dass  im  Bereich  dieser 
Strecke  die  Einstülpung  der  Primitivrinne  sich  später  verflacht  und  ihre 
Wand  völlig  zur  Bildung  von  Hypodermis  aufgebraucht  werde,  giebt  Gkaber 
(No.  30)  auch  für  diese  Region  die  Abspaltung  eines  Mittelstranges  an, 
welcher  in  späteren  Stadien  rückgebildet  werden  soll. 

Die  Nervenfibrillen  entstehen  zunächst  an  der  inneren  oder  basalen 
Fläche  der  Seitenstränge  und  des  Mittelstranges.  Sie  werden  erst  durch 
secundäre  Lageverschiebungen  ringsum  von  Ganglienzellen  umhüllt.  (Vgl. 
über  das  gleiche  Verhalten  bei  den  Crustaceen  pag.  360  und  361). 

Entsprechend  den  Angaben  Leydir's  über  das  Vorhandensein  einer 
doppelten  Quercommissur  in  jedem  Bauchmarkganglion  vieler  Insecten  hat 
man  vielfach  auch  eine  solche  doppelte  Anlage  bereits  im  Embryo  nach- 
weisen können.  (Patten  No.  66,  Ayers  No.  1,  Heider  No.  38,  Wheeler 
No.  95,  Graber  No.  30).  Ueber  die  Art  und  Weise  der  Entstehung  der 
peripheren  von  den  Bauchmarkganglien  abtretenden  Nerven  sind  bisher  keine 
genaueren  Mittheilungen  gemacht  worden. 

Bezüglich  des  bei  vielen  Insecten  beobachteten,  die  Bauchganglienkette 
überbrückenden  ventralen  Diaphragma's  (pag.  834,  Fig.  509  A,  dv), 
sei  erwähnt,  dass  Korotneff  (No.  47)  dasselbe  vom  Mesoderm  herleitet, 
während  Heider  (No.  38)  bei  Hydrophilus  seine  erste  Entstehung  auf 
seitlich  von  den  Ganglienanlagen  befindliche  Ectodermzellen  zurückführen  zu 
können  glaubte. 

Eine  ungemein  regelmässige  Anordnung  der  Zellen  zeigen  die  Quer- 
schnitte durch  die  Bauchmarksanlage  mancher  Orthopteren  (Fig.  501). 
Wheeler  (Nr.  94)  hat  neuerdings  bei  Xiphidium  an  der  Oberfläche 
der  Seitenstränge  jederseits  vier  grosse  als  „Neuroblasten"  bezeichnete 
Zellen  (nt— n4)  erkannt,  von  denen  das  Zellmaterial  durch  Knospung 
erzeugt  wird  und  in  Folge  dessen  eine  Anordnung  in  vertical  gestellte 
Lamellen  (g)  aufweist.  Aehnliches  haben  Graber  (Nr.  30)  für  Steno- 
bothrus  und  Vi  all  an  es  (Nr.  84)  für  Mantis  beobachtet.  Der 
Mittelstrang  weist  nach  Wheeler  nur  in  der  interganglionären  Region 
Neuroblasten  (im)  auf,  welche  jedoch  bald  an  die  Hinterseite  der  Quer- 
commissuren rücken.  Jedenfalls  ist  —  wie  dies  auch  Wheele  hervor- 
hebt —  in  dem  Vorhandensein  von  acht  Längsreihen  von  Neuroblasten 
ein  Hinweis  auf  ähnliche  Verhältnisse  der  Anneliden  gegeben,  wo  sich 
nur  zwei  solche  Reihen,  von  den  Neuroteloblasten  aus  erzeugt,  vorfinden 
(vgl.  oben  pag.  195  und  221). 


Insecten. 


821 


Ursprünglich  wird  in  jedem  der  sechzehn  Segmente  des  primären 
Rumpfes  ein  Ganglienpaar  der  Bauchganglienkette  angelegt.  Später 
können  Verschmelzungen  unter  denselben  eintreten,  wodurch  eine  schein- 
bare Reduction  der  Zahl  veranlasst  wird.  So  vereinigen  sich  die  Ganglien- 
paare der  drei  Kiefersegmente  zur  Bildung  des  unteren  Schlundganglions, 
während  die  letzten  Abdominalganglienpaare  in  verschiedener  Zahl  mit 
einander  verschmelzen  und  gleichzeitig  weiter  nach  vorne  rücken.  In 
einzelnen  Fällen  kommt  es  zu  einer  sehr  beträchtlichen  Concentration 
des  Bauchmarks  durch  Vereinigung  der  auf  einander  folgenden  Ganglien- 
paare (z.  B.  bei  vielen  Dipteren). 

Das  Gehirn  (oberes  Schlundganglion)  entwickelt  sich  im  Bereiche 
des  durch  die  Ausbreitung  der  Kopflappen  gekennzeichneten  vorderen 
Kopfabschnittes.  Wir  können  an  der  Gehirnanlage  frühzeitig  folgende 
Abschnitte  unterscheiden : 

1.  Paarige,  zu  den  Seiten  der  Mundöffnung  und  des  Vorderkopfes 
nach  vorne  verlaufende  Verdickungen  des  Ectoderms,  welche  sich  als  die 
directe  Fortsetzung  der  Primitivwülste  darstellen  (Fig.  502  61,  b2,  bs)  und 
aus  denen  jene  Gehirnparthien  hervorgehen,  welche  man  als  die  Stamm- 
ganglien bezeichnen  könnte,  und  welche  von  Viallanes  als  Proto- 
cerebrum,   Deutocerebrum   und  Tritocerebrum  unterschieden 


Fig.  501.  Querschnitt  durch  die  Anlage  des  Bauchmarks  von  Xiphidium 
(nach   Wheeler). 

/  Fasermassen  im  Querschnitt,  m  Neuroblastzelle  des  Mittelstranges,  n1 — n±  Neuro- 
blasten der  Seitenstränge,  z  Ganglienzellpfeiler  von  den  Neuroblasten  ausgehend. 

wurden.  Entsprechend  dieser  Theilung  macht  sich  auch  schon  an  der 
Anlage  frühzeitig  eine  Segmentirung  in  drei  hinter  einander  folgende  Ab- 
schnitte bemerkbar.  Patten  (Nr.  67)  hat  das  Verdienst,  auf  diese  Seg- 
mentirung zuerst  hingewiesen  zu  haben. 

2.  Eine  umfängliche,  lateralwärts  von  den  genannten  Wülsten  ge- 
legene Ectodermverdickung  im  Bereiche  der  Kopflappen  (Fig.  502  A,  og). 
Es  ist  dies  die  Anlage  des  Ganglion  opticum.  Diese  Anlage  wird 
an  ihrem  äusseren  Rande  von  einer  halbkreisförmigen  Ectodermeinstül- 
pung  (*)  umfasst  (Ganglionic  invagination,  Patten),  welche  weitere  Ele- 
mente zur  Vergrösserung  des  optischen  Ganglions  liefert  und  mit  einer 
ähnlichen  bei  den  Decapoden  (vgl.  pag.  370)  und  den  Arachniden  (vgl. 
pag.  546  ff.  und  583)  gefundenen  Einstülpung  der  Lage  nach  übereinstimmt. 

Der  nach  aussen  von  der  genannten  Einstülpung  gelegene  Theil  des 
Ectoderms  der  Kopflappen  (Fig.  502  A,  op) ,  welcher  eine  Verdickung  auf- 
weist, vergrössert  sich  später  beträchtlich  und  liefert  einen  grossen  Theil  der 
Kopfhaut  und  die  Anlagen  der  Augen,  wesshalb  er  als  Augen  platte 
(Optic  plate)  bezeichnet  wird. 


Korschelt-Heider,  Lehrbuch. 


53 


822 


XXIII.  Capitel. 


Die  Loslösimg  der  Gehirnanlage  von  dem  Ectoderm  ist,  ebenso  wie 
die  der  Seitenstränge  der  Bauchganglienkette  auf  einen  Delaminations- 
process  zurückzuführen.  Hiervon  macht  die  erwähnte  Einstülpung  inso- 
fern eine  Ausnahme,  als  dieselbe  als  Ganzes  direct  in  die  Zusammen- 
setzung des  optischen  Ganglions  eingeht.  In  gleicher  Weise,  wie  wir  dies 
für  die  Seitenstränge  des  Bauchmarks  geschildert  haben,  werden  auch 
hier  die  Fasermassen  zunächst  an  der  inneren  Fläche  der  Gehirnanlage 
ausgebildet  und  gelangen  erst  später  in  das  Innere  des  sich  zu  einem 
plastischen  Körper  ballenden  Gehirnes,  so  dass  sie  ringsum  von  einem 
Ganglienbelag  umhüllt  erscheinen. 

Die  beiden  Hälften  des  Gehirns  werden  ursprünglich  getrennt  von 
einander  angelegt.  Später,  wenn  der  Abschluss  des  Rückentheils  des 
Kopfes  sich  vollzieht,  rücken  die  beiden  Gehirnhälften  an  der  Dorsalseite 


Fig.  502.     Schema  der  Gehirnentwicklung  von  Acilius  (nach  Patten). 

A  Vorderende  des  Keimstreifs  eines  Acilius-Embryos.    B  dasselbe  im  3!i  Profil. 

at  Antenne,  bx  erstes  Gehirusegment,  b2  zweites  Gehirnsegment,  b*  drittes  Gehirn- 
segment, i  Einstülpung,  il  vorderer  Abschnitt,  i-  hinterer  Abschnitt  der  Einstülpung. 
I  paarige  Anlage  der  Oberlippe,  m  Mund,  md  Mandibel,  mx'  erste  Maxille,  mx"  zweite 
Maxille,  og  Ganglion  opticum,  og1  erstes  Segment,  og2  zweites  Segment,  og%  drittes 
Segment  des  Ganglion  opticum,  op  Augenplatte,  1 — 6  Anlage  des  ersten  bis  sechsten 
Larvenauges,  I — IV  die  vier  vordersten  Segmente  der  Bauchganglienkette,  I  dem  Vor- 
kiefersegmente (?),  II  dem  Mandibelsegmente,  III  dem  ei'sten  Maxillarsegmente,  IV  Aeva. 
zweiten  Maxillarsegmente  zugehörig. 


einander  immer  näher,  bis  sich  schliesslich  zwischen  ihnen  unter  Theil- 
nahme  einer  medianen  Einstülpung  (also  wie  bei  den  Quercommissuren 
der  Bauchmarksganglien)  eine  commissurenartige  Verbindung  herstellt 
(Grassi  Nr.  32,  Heider  Nr.  38,  Graber  Nr.  28  und  30}. 

Hinsichtlich  des  Details  der  Entwicklung  des  Insectengehirnes  sind  in 
neuerer  Zeit  hauptsächlich  die  Angaben  von  Patten  (No.  67)  für  Acilius 
und  von  Viallanes  (No.  84)  für  Mantis  von  Wichtigkeit  geworden.  Nach 
Patten  soll  an  der  gesammten  Kopfanlage  eine  Zusammensetzung  aus  drei 
Segmenten  (Fig.  502)  erkennbar  sein,  an  welcher  Segmentirung  nicht  blos 
die  Stammtheile  der  Gehirnanlage ,  sondern  auch  die  Anlage  des  Ganglion 
opticum   und    die  Augenplatte  participiren.     Auf   der    demnach    in    drei  auf- 


Insecten. 


823 


einander  folgende  Segmente  zertheilten  Augenplatte  (oj;),  finden  sich  bei 
Acilius  die  Anlagen  der  sechs  Ocellen  der  Larve  in  der  Weise  vertheilt, 
dass  je  ein  Paar  von  Ocellen  einem  Segment  zukommt  (Fig.  502  JS,  1 — 6). 
Bei  der  in  späteren  Stadien  im  Zusammenhang  mit  der  Ausbildung  des 
Rückenabschnittes  des  Kopfes  stattfindenden  Verschiebung  der  einzelnen  Theile 
der  Kopfanlage,  von  welcher  wir  oben  (pag.  800)  gesprochen  haben ,  finden 
auch  Veränderungen  der  gegenseitigen  Lage  der  Ocellen  statt,  auf  welche 
jedoch  im  Einzelnen  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  Auch  die 
obenerwähnte  an  der  Bildung  des  Ganglion  opticum  betheiligte  Einstülpung 
soll  nach  Patten  in  drei  der  Gehirnsegmentirung  entsprechende  Abschnitte 
(Fig.  502  B,  il  i2)  zerfallen,  von  denen  bei  Acilius  nur  die  beiden  vor- 
deren als  deutliche  Einstülpungen  erkennbar  sind,  während  der  dritte  durch 
eine  solide  Einwucherung  ersetzt  ist. 

Die  Angaben  Patten's  sind  von  Whee- 
ler  (No.  95)  für  Doryphora  fast  voll- 
ständig bestätigt  worden.  Ebenso  scheint 
auch  Carriere  (No.  13)  den  Anschauungen 
Patten's  nahe  zu  kommen.  Dagegen  konnten 
sich  Heider  (No.  38)  und  Graber  (No.  30) 
an  Hydrophilus  zwar  von  dem  Vorhanden- 
sein einer  Segmentirung  im  Bereiche  des 
Stammtheils  des  Gehirns  (b1 — b3)  überzeugen, 
dagegen  war  die  Segmentirung  im  Bereiche 
des  optischen  Ganglions  und  der  Augen- 
platte nicht  deutlich  erkennbar.  Es  spricht 
auch  schon  ein  Vergleich  mit  den  Verhält- 
nissen bei  den  übrigen  Arthropoden,  vor 
Allem  bei  den  Crustaceen  (vgl.  pag.  362  ff.)  für 
die  Ansicht,  dass  das  optische  Ganglion  ein 
dem  vordersten  Gehirntheil  ausschliesslich 
zugehöriger,    secundärer  Gehirnabschnitt  sei. 

Mit  dieser  Auffassung  stehen  auch  die 
neueren  Angaben  Viallanes'  (No.  84)  für 
Mantis  in  Uebereinstimmung.  Nach  Vial- 
lanes zerfällt  der  Stammtheil  des  Gehirns 
(Fig.  503)  in  drei  Abschnitte,  welche  dem 
Protocerebrum  (pc),  Deutocerebrum 
(de)  und  Tritocerebrum  (tc)  des  ausge- 
bildeten Thieres  entsprechen.  Von  diesen  steht  das  Protocerebrum  in  Ver- 
bindung mit  den  optischen  Ganglien  (go)  und  liefert  ausserdem  die  Nerven 
zu  den  Ocellen  (no)  sowie  den  dorsalen  Integumentnerven,  das  Deutocerebrum 
liefert  die  Antennennerven  (na'  und  na"),  während  das  Tritocerebrum  den  mit 
dem  Ganglion  frontale  in  Verbindung  stehenden  Labrofrontalnerven  (?/)  abgiebt. 
An  der  Anlage  des  optischen  Ganglions  konnte  Viallanes  nur  eine  Trennung 
in  eine  äussere  und  innere  Parthie  (pr  emier  lobe  protocörebral  und 
deuxieme  lobe  pro to cerebral  erkennen.  Auch  Cholodkoysky  (No.  20) 
konnte  an  Phyllodromia  die  Gehirnsegmentirung  beobachten.  Er  hält 
jedoch  die  optischen  Ganglien  für  zu  dem  dritten  Gehirnabschnitte  gehörig. 
Nach  dem  Gesagten  würden  wir  geneigt  sein,  den  primären  Kopfabschnitt 
als  aus  drei  verschmolzenen  Segmenten  hervorgegangen  zu  betrachten.  Von 
diesen  würde  das  vorderste  als  echtes  primäres  Kopfsegment  zu  be- 
zeichnen sein.  Der  ihm  zukommende  Gehirnabschnitt  (Protocerebrum)  würde 
das  Homologon  des  aus  der  Scheitelplatte  hervorgegangenen  Annelidengehirnes 

53* 


Fig.  503.  Vordere  (Ventral-) 
Ansicht  des  ausgebildeten  Gehirnes 
von  O  e  d  i  p  o  d  a  (nach  Vialläkes). 

c  Schlundcommissur.  c'  Quer- 
commissur  hinter  dem  Schlünde, 
de  Deutocerebrum,  go  Ganglion  op- 
ticum, If  Labrofrontalnerv,  na'  An- 
tennennerv, na"  accessorischer  An- 
tennennerv, no  Nerven  der  drei 
Ocellen,  pc  Protocerebrum,  r  Wur- 
zel des  paarigen,  stomatogastrischen 
Ganglions,  tc  Tritocerebrum. 


824 


XXIII.  Capitel. 


darstellen.  Das  zweite  Kopfsegment ,  als  -welches  wir  das  Antennen- 
segment1) zu  betrachten  hätten,  würde  als  ein  ursprünglich  postoral  gelegenes 
erst  secundär  nach  vorne  gerücktes  Rumpfsegment  zu  betrachten  sein  (vgl. 
oben  pag.  793),  und  die  gleiche  Betrachtungsweise  würde  auch  für  das  dritte 
Kopfsegment  zutreffen,  hinter  welchem  dann  eventuell  das  hypothetische  Vor- 
kiefersegment und  hierauf  das  Mandibelsegment  folgen  würden. 

Es  muss  dem  Gesagten  gegenüber  auffallen,  dass  man  bisher  im  pri- 
mären Kopfabschnitte  blos  ein  Paar  von  Cölomsäcken  hat  auffinden  können 
(vgl.  oben  pag.  816).    Dieses  Paar  gehört  nach  Cholodkowsky  dem  Segmente 


Fig'.  504.  Zwei  Stadien  der  Entwicklung  des  fünften  Ocellus  der  Acilius- 
Larve  (nach  Patten). 

c  Cuticularer  Stäbchensaum,  el  Anlage  der  Chitinlinse,  h  Hypodermis,  l  lentigene 
Schicht  (Glaskörper),  n  Nerv,  r  Anlage  der  Retina,  sp  Verticalspalt  der  Retina,  x  die 
diesen  Spalt  seitlich  begrenzenden  Retinazellen. 

der  Antennen  zu,  in  welche  sich  auch  ein  Fortsatz  desselben  hineinerstreckt. 
Wir  müssten  annehmen,  dass  die  zwischen  dem  genannten  und  den  Cölom- 
säcken des  Mandibelsegmentes  gelegenen  Ursegmentpaare  secundär  unter- 
drückt sind. 


J)  Es  muss   erwähnt  werden,  dass  Patten  (No.  67)  und  Carriere  (No.  13)  die 


Antenne  dem  dritten  Gehirnsegmente  zurechnen. 


Insecten. 


825 


Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  das  Ganglion  frontale 
und  der  damit  zusammenhängende  unpaare  Schlund  nerv  selbst- 
ständige Bildungen  sind,  welche  erst  secundär  mit  dem  Gehirn  in  Ver- 
bindung treten.  Sie  verdanken  ihre  Entstehung  einer  Ectodermeinstül- 
pung,   welche  der  vorderen  Wand   der  Oesophaguseinsenlaing  angehört. 


Fig.  505.  Zwei  spätere  Stadien  der  Entwicklung  des  fünften  Ocellus  der  Acilius- 
larve  (nach  Patten). 

cl  Chitinlinse,  i  pigmentirte  sog.  Iris,  l  lentigene  Schicht  (Glaskörper),  m  mittlere 
inverse  Schicht  des  Auges,  r  Retina,  sp  Verticalspalt  der  Retina,  st  Stäbchen,  x  Zellen, 
welche  den  Verticalspalt  begrenzen. 


Von  dieser  Einstülpung  wird  das  Material  für  die  Bildung  des  Frontal- 
ganglions und  der  Schlundnerven  geliefert  (Heider  Nr.  38,  Carriere 
Nr.  13). 


826  XXIII.  Capitel. 


D.    Sinnesorgane. 

Wir  sind  nur  über  die  Entwicklung  der  Augen  einigermassen  orientirt 
und  müssen  die  Besprechung  der  Oc eilen  und  des  zusammenge- 
setzten Seiten  äuge  s  (Fach  er  äuge)  gesondert  behandeln. 

Ueber  die  Entwicklung  der  Ocellen  der  Aciliuslarve  hat  neuer- 
dings Patten  (Nr.  67)  eingehende  Mittheilungen  gemacht.  Wir  finden 
hier  jederseits  sechs  Ocellen,  welche  nach  Patten  sich  in  drei  Paaren 
auf  die  von  ihm  angenommenen  drei  vordersten  Kopfsegmente  vertheiien 
sollen.  Die  einzelnen  Ocellen  dieser  drei  Paare  wreisen  unter  einander 
nach  ihrem  Bau  und  ihrer  Entwicklung  ziemlich  bedeutende  Verschieden- 
heiten auf,  obgleich  darin  ein  gewisser  einheitlicher  Typus  zu  erkennen 
ist.  Diesem  scheint  der  Ocellus  Nr.  V  (ventraler  Ocellus  des  dritten  Paares, 
in  der  Larve  aber  weit  nach  vorne  verschoben)  am  nächsten  zu  stehen, 
daher  wir  uns  mit  der  Schilderung  der  Entwicklung  dieses  einen  Auges 
begnügen. 

Die  Anlage  dieses  Ocellus  (Fig.  504  A)  erinnert  in  einein  gewissen 
Stadium  der  Entwicklung  sehr  an  die  einfach  gestalteten  Seh  gruben 
oder  Napf  au  gen,  wie  sie  bei  gewissen  Mollusken  (z.  B.  an  der  Aussen- 
seite  der  Tentakel  von  Patella  sich  vorfinden.  Sie  stellt  eine  ein- 
fache grubenförmige  Einsenkung  einer  verdickten  Hypodermisparthie  dar. 
Die  hohen  Zellen,  welche  die  Wand  dieser  Einsenkung  zusammensetzen, 
sind  in  einer  einfachen  Schicht  angeordnet  und  tragen  an  ihrem  freien, 
gegen  die  Sehgrube  gekehrten  Ende  einen  gestrichelten  Cuticularsaum  (c), 
während  von  ihren  unteren  oder  basalen  Enden  die  Nervenfasern  zur 
Bildung  eines  gemeinsamen  Sehnerven  zusammentreten. 


Nach  Patten  soll  diese  anscheinend  einheitliche  Anlage  des  Ocellus 
durch  Verschmelzung  von  mindestens  vier  gesonderten  Grübchen  entstanden 
sein,  welche  embryonale  Primärorgane  darstellen  und  ihrem  Bau  nach  an  die 
Augengruben  im  Mantelrande  von  Area  erinnern.  Entsprechend  dieser  Ver- 
schmelzung weist  auch  der  Sehnerv  eine  Zusammensetzung  aus  vier  ursprüng- 
lich getrennten  Bündeln  auf. 

In  späteren  Stadien  schliesst  sich  die  Augengrube  nach  aussen 
(Fig.  504  B)  ab,  indem  die  Randparthien  sich  bis  zur  gegenseitigen  Be- 
rührung über  die  tieferen  Theile  des  Auges  hinüberschieben.  Auf  diese 
Weise  geht  aus  der  grübchenförmigen  Anlage  ein  durch  Ueberwachsung 
zweischichtig  gewordenes  Napf  äuge  hervor.  Die  äussere,  oder 
oberflächliche  Schichte  (l)  wird  in  ihrem  centralen  Antheil  zur  1  enti- 
ge nen  Schicht  (Glaskörper),  während  die  peripheren  Parthien  zur  pig- 
mentirten  Iris  werden.  Aus  dem  cuticularen  Stäbchensaum  dieser  Zellen 
geht  allmählich  die  cuti  ciliare  Chitinlinse  (d)  des  Ocellus  hervor.  Am 
Bande  geht  die  in  Rede  stehende,  oberflächliche  Schichte  des  Auges  direct 
in  die  unveränderte  Hypodermis  (h)  über. 

Die  tieferliegende  Schicht  des  Auges,  welche  noch  immer  becher- 
förmig eingekrümmt  erscheint,  muss  als  Anlage  der  Retina  (r)  be- 
zeichnet werden.  Aus  ihrem  cuticularen  Stäbchensaunie  gehen  die  Seh- 
stäbchen hervor.  Bald  entwickeln  sich  gewisse  Besonderheiten,  welche 
für  das  Auge  von  Acilius  charakteristisch  sind.  So  vor  Allem  ein  die 
Retina  senkrecht  durchsetzender  Spalt  (sp),  welcher  von  den  horizontal 
gestellten  Stäbchen  der  anliegenden  grossen  Retinazellen  (x)  begrenzt 
wird.     Im  weiteren  Verlaufe   der  Entwicklung  (Fig.  505)   kommt  es  bei 


Insecten. 


827 


diesem  Auge  zu  einer  Abflachung  des  becherförmigen  Innenraumes,  wo- 
durch der  Augengrund  geebnet  und  die  demselben  angehörigen  Stäbchen 
vertical  gestellt  (Fig.  505  B,  st)  erscheinen.  Dagegen  sind  die  dem  Rande 
des  Retinabechers  angehörigen  Zellen  (m)  genöthigt,  sich  nach  Innen 
einzukrümmen  und  bilden  eine  inverse,  mit  ihren  Stäbchen  gegen  die 
Basis  des  Retinabechers  gerichtete  Randschicht,  welche  als  das  Rudiment 
einer  dritten,  zwischen  die  beiden  Hauptschichten  des  Auges  sich  ein- 
schiebenden Schicht  betrachtet  werden  kann. 

Wir  würden  nach  dem  Ge- 
sagten berechtigt  sein,  das  zwei- 
schichtige Insectenstemrrta  von 
einem  dreischichtigen  Auge  durch 
Atrophie  oder  unvollständigeEnt- 
wicklung  der  mittleren  Schicht 
abzuleiten.  Noch  deutlicher  als 
beiAcilius  soll  die  ursprüngliche 
Dreischichtigkeit  des  Ocellus 
nach  Pattex  (No.  6Q)  an  den 
Augen  der  jüngsten  Hydro- 
philuslarven  (Fig.  506)  zu 
erkennen  sein ,  bei  welchen  die 
Augeneinstülpung  nicht  von  der 
Mitte,  sondern  vom  Rande  und 
zwar    von    der   Dorsalseite   her 

in  die  Augenanlage  eindringt 
(Fig.  506  -4).  Noch  in  späteren 
Stadien  erhält  sich  ein  Rest  der 
mittleren  Zellschicht  (m).  Nach 
denUntersuchungenGRENACHERS 
( No.  151)  scheinen  jedoch  gewisse 
Insectenstemmata  zeitlebens  (Fig. 
507)  dem  Typus  des  einfachen 
Napfauges  viel  näher  zu  bleiben, 
als  man  nach  den  erwähnten  An- 
gaben Patten's  erwarten  sollte, 
indem  bei  ihnen  die  Augenblase 
niemals  zum  vollständigen  Ver- 
schlusse kommt  und  die  Schich- 
ten    der    Retinazellen    und    der 

Linsenbildungszellen    stets  in 

direkter  Continuität  mit  der  Hypo- 

dermis  bleiben  (vgl.  z.B.Fig.507). 

Mit  den  Angaben  Patten's 

stehen    die   Mittheilungen   Car- 

riere's  nicht  in  Uebereinstimmung.  Wenn  wir  Carriere  (No.  14)  recht  ver- 
stehen, so  geht  bei  der  Entwicklung  der  Ocellen  in  den  Puppen  von  Ckry- 
sididen  und  Ichneumoniden  die  Trennung  der  Retinaschicht  von  der 
lentigenen  Schicht  durch  Delamination  vor  sich,  während  die  erst  später  sich 
entwickelnde  Augeneinstülpung  den  Typus  des  Napfauges  zur  Ausbildung  bringt 
und  gleichzeitig  zur  Entwicklung  der  Cornealinse  in  gewisser  Beziehung  steht. 

Die  Larven   der  holometabolischen  Insecten  entbehren  in  der  Regel 
der  zusammengesetzten  Seitenaugen  (Fächeraugen).    Solche  kommen  erst 


Fig.  506.  A  Augenanlage  einer  eben  aus- 
geschlüpften Hydrophiluslarve,  B  einer  etwas 
älteren  Larve  (nach  Patten). 

cl  Chitinlinse,  h  Hypodermis,  l  lentigene 
Schicht,  m  Mittelschicht  der  Augenanlage,  n  Nerv, 
o  Mündung  der  Augeneinstülpung,  r  Ketinaschicht, 
rb  Stäbchen  (in  A  in  eine  einzige  Reihe  gestellt). 


828 


XXIII.  Capitel. 


bei  dem  allmählichen  Uebergange  in  den  Imagozustand  zur  Entwicklung. 
Dagegen  besitzen  die  Larven  häufig  eine  Anzahl  (sehr  oft  sechs)  seitlich 
gestellter  Ocellen,  Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  in  welcher  Beziehung 
die  zusammengesetzten  Seitenaugen  der  Image-  zu  den  Ocellen  der  Larve 
stehen.  Es  ist  sicher,  dass  die  Ocellen  der  Larve  rückgebildet  und  nicht 
in  die  Imago  mit  übernommen  werden.  Man  kann  an  Schmetterlings- 
puppen die  der  Rückbildung  entgegengehenden  Larvenocellen  von  der 
Hypodermis  losgelöst  und  an  dem  Sehnerv  wie  an  einem  Stiel  in  das 
Innere  der  Larve  zurückgezogen  finden  (Carriere  Nr.  147).  Da  sich  zu 
dieser  Zeit  die  Anlage  des  zusammengesetzten  Auges  als  seitliche  Hypo- 
dermisverdickung  bemerkbar  macht,  so  könnte  man  meinen,  dass  letzteres 
eine  vollständige  Neuerwerbung  darstellt.  Nach  den  Beobachtungen 
Patten's  für  Acilius  scheint  aber  doch  eine  gewisse  Beziehung  zwischen 

den  Larvenaugen  und  dem  Imago- 
gk  i  auge  zu  bestehen.    Bei  Acilius 

besitzt  das  mächtig  entwickelte 
und  complicirt  gebaute  Larven- 
auge Nr.  I  einen  eigenthümlichen 
dorsalen  Anhang,  welcher  viel- 
leicht das  Rudiment  eines  Ocellus 
darstellt.  Jene  Hypodermisver- 
dickung  nun,  welche  zur  Ausbil- 
dung des  imaginalen  Seitenauges 
führt,  entwickelt  sich  zunächst 
in  directer  Umgebung  dieses  An- 
hangs. In  späteren  Stadien  bil- 
det diese  Anlage  ein  verdicktes 
Band,  welches  die  sechs  Ocellen 
fast  rings  umgiebt.  Es  ist  diese 
Lagebeziehung  vielleicht  einer 


Auffassung    günstig,    welche    in 


Fig.  507.  »Schnitt  durch  das  Auge  einer 
Käferlarve  (Dytiscus)  [nach  Grenacher,  aus 
Hatschek's  Lehrbuch]. 

c  Chitincuticula,  l  Cornealinse,  h  Hypo- 
dermis, pz  Pigmeutzellen,  gk  Glaskörper, 
r  Retina,  b  Basalmembran. 

dem  Complex  der  sechs  Larven- 
ocellen und  in  dem  später  zur  Entwicklung  kommenden  Fächerauge  nur 
different  entwickelte  Parthien  eines  und  desselben  Sehfeldes  erblickt.  Wir 
werden  uns  hierbei  der  Auffassung  Grenacher's  erinnern  dürfen,  nach 
welcher  die  Ommatidien  des  Fächerauges  einerseits  und  die  Ocellen 
andererseits  nur  differente  Entwicklungsformen  und  Ausbildungsstufen 
eines  und  desselben  Augentypus  darstellen  (vgl.  hierzu  auch  pag.  894  ff.). 

Die  frontalen  Ocellen  der  Imagines  vieler  Insecten  haben  mit  den 
Larvenocellen  nichts  zu  thun.  Gegen  die  Ansicht  Patten' s,  dass  sie  viel- 
leicht in  näherer  Beziehung  zu  den  Fächeraugen  stehen,  dürften  die  selbst- 
ständigen Verhältnisse  ihrer  Innervirung  angeführt  werden.  Wir  finden  diese 
Ocellen  häufig  in  der  Dreizahl  vorhanden.  Pattex  (No.  66)  hat  bei  Vespa 
beobachtet,  dass  der  mediane  unpaare  Ocellus  durch  Verwachsung  aus  einer 
paarigen  Anlage  hervorgeht. 

Das  Detail  der  Entwicklung  der  zusammengesetzten  Seitenaugen 
(Fächeraugen  oder  Facettenaugen)  ist  bisher  hauptsächlich  an  den  Puppen 
der  holometabolischen  Insecten  (für  die  Dipteren  durch  Weismann 
Nr.  1 29,  für  die  L  e  p  i  d  o  p  t  e  r  e  n  und  H  y  m  e  n  o  p  t  e  r  e  n  durch  Carriere 
Nr.  147)  bekannt  geworden.  In  vielen  Fällen  macht  sich  die  erste  An- 
lage der  Fächeraugen  —  wie  wir  oben  sahen  —  in  einer  paarigen,  seit- 
lichen  Hypoderinisverdickung   geltend,   während   in   anderen   Fällen  nur 


Insecten. 


829 


eine  Verdichtung  des  Ectoderms  zu  bemerken  ist,  indem  die  einzelnen 
Zellen  enger  aneinander  rücken.  Die  Sonderung  der  einzelnen  Omma- 
tidien  (Einzelaugen)  geht  hier  ausschliesslich  auf  dem  Wege  der  histo- 
logischen Differenzirung  (Fig.  508)  vor  sich.  Frühzeitig  kann  man  — 
ähnlich  wie  dies  oben  (pag.  368)  für  Mysis  erwähnt  wurde  —  die  ein- 
zelnen Ommatealp feiler  und  dazwischen  gelegenes  indifferentes  Ge- 
webe [die  bei  Vespa  sehr  mächtigen  Zwischenpfeiler  (1)]  unter- 
scheiden. Im  Bereiche  der  Ommatealp  fei  ler  rücken  die  Zellen  in 
zwei  Schichten  übereinander,  von  denen  die  äussere  die  Krystallkegel- 
zellen  (2)  und  die  Hauptpigmentzellen  (3),  die  innere  dagegen  die  mit 
den  Nervenfasern  (5)   im  Zusammenhang  stehende   Retinula   (4)  liefert. 


Die  Krystallkegelzellen   sondern   nach   aussen  die   cuticulare 
ab,  während  in  ihrem  Inneren  bei  den   Augen   des   euconen 
Krystallkegel  zur  Entwicklung  kommt.   Aus 

den  Zellen  der  Zwischenpfeiler  (1)  ent- 
wickeln sich  die  sogenannten  Nebenpig- 
mentzellen.  Im  Verlaufe  der  weiteren  Ent- 
wicklung verdickt  sich  die  Augenanlage 
beträchtlich,  wodurch  die  einzelnen  Om- 
matidien  höher  und  schmäler  werden  und 
auch  dichter  aneinander  rücken.  Vor  Allem 
gewinnen  die  Retinulazellen  bedeutend  an 
Höhe.  Es  erfolgt  die  Pigmenteinlagerung 
sowohl  in  den  Retinulazellen,  als  auch  in 
den  verschiedenen,  die  Aussenseite  des  Om- 
matidiums  bedeckenden  Pigmentzellen.  Die 

Entwicklung  der  Ommatidien   erscheint 
hiermit  in  ihren  wesentlichsten  Zügen  voll- 
endet (Carriüre). 


Cornealinse 
Typus  der 


-  2 


E.   Tracheensystem. 


Schnitt  durch  das 
begriffene  zusam- 
von    Vespa 
Hatschek's 


Fi?.  508. 

in  Entwicklung 

mengesetzte    Auge 
(nach   Carriere,   aus 
Lehrbuch). 

1  Cylinderzellen  (spätere  Neben- 
pigmentzellen ,  2  Krystallkegel- 
zellen ,  3  Hauptpigmentzellen, 
4  Retinula,  5  Nerv,  welcher  zu  den 
einzelnen  Ommatidien  Aeste  ab- 
riebt. 


x\usbildung 


Die  Tracheen  entstehen  aus  paarigen 
segmental  angeordneten  Ectodermeinstülp- 
ungen,  welche*  lateralwärts  von  den  Extre- 
mitätenanlagen gelegen  sind  (Fig.  488  A, 
st,  pag.  793;  Fig.  489  A,  st,  pag.  795  und 
Fig.  500  E,  tr,  pag.  817).  Meist  macht 
sich  die  Entwicklung  der  Tracheeneinstülp- 
ungen schon  in  ziemlich  frühen  Stadien,  bald  nach  der 
der  Gliedmaassenanlagen  bemerkbar.  Doch  scheint  es  nach  einer  Be- 
merkung von  Geassi  (Nr.  33),  dass  bei  Japyx  die  Ausbildung  des 
Tracheensystems  erst  in  späten  Embryonalstadien  stattfindet.  Dies  würde 
als  das  ursprünglichere,  an  die  Myriopoden  erinnernde  Verhalten  zu  be- 
trachten sein  (vgl.  pag.  747  und  757).  Denn  da  das  Tracheensystem, 
phylogenetisch  betrachtet,  eine  der  jüngsten  Erwerbungen  der  Insecten- 
ahnen  darstellt,  so  müssen  wir  seine  frühzeitige  Entwicklung  in  der 
Ontogenie  der  meisten  Insecten  als  eine  durch  die  Wichtigkeit  des  Organ- 
systems bedingte  secundäre  Verlagerung  in  frühere  Stadien  betrachten. 

'  Die  ursprünglich  einfachen  Tracheeneinstülpungen  (pag.  817,  Fig. 
500  E,  tr)  erfahren  zunächst  in  ihrem  Grunde  eine  Erweiterung,  von 
welcher  bald  die  einzelnen  Tracheenäste  als  Divertikel  abgehen,  während 
der  verengte  Eingang  der  Einstülpung  als  Stigmenast  und  Stignienöffnung 


830  XXIII.  Capitel. 

erhalten  bleibt.  Indem  die  hinter  einander  gelegenen,  aus  den  einzelnen 
Tracheeneinstülpungen  hervorgegangenen  taschenartigen  Räume  sich  nach 
der  Längsrichtung  des  Körpers  in  die  Länge  ziehen  und  mit  ihren  Enden 
unter  einander  verschmelzen,  entstehen  nach  Durchbruch  der  Ver- 
wachsungsstelle die  beiden  Längsstämme  des  Tracheensystems  (Bütschli 
Nr.  11).  Erst  in  späten  Embryonalstadien  wird  die  cuticulare  Tracheen- 
intima  abgeschieden ;  die  Füllung  mit  Luft  vollzieht  sich  nach  Weismann 
(Nr.  87)  zum  Theil  schon  vor  dem  Ausschlüpfen  des  Embryos,  indem 
wie  es  scheint  —  aus  den  Geweben  und  der  Körperflüssigkeit  Luft  ab- 
geschieden wird. 

Die  weitere  Entwicklung  der  Tracheen  Verästelungen  erfolgt,  soweit  diese 
bisher  am  Embryo  beobachtet  ist,  stets  durch  fortschreitende  Divertikel- 
bildung.  Die  so  entstandenen  Aeste  sind  demnach  intercelluläre  Bildungen. 
Dagegen  muss  erwähnt  werden,  dass  die  feinsten  Tracheenverästelungen  intra- 
celluläre  Canälchen  sind.  Wenngleich  Schäffer  (No.  124  a,  wo  auch  die 
Litteratur  über  diesen  Punkt  zu  finden  ist),  ganz  richtig  hervorbebt,  dass  der 
Unterschied  zwischen  beiden  Bildungsweisen  kein  bedeutender  ist,  indem  es 
sich  in  beiden  Fällen  nur  um  Oberflächenvergrösserung  (einer  Zellplatte  bei 
der  intercellulären  Entstehung,  einer  einzigen  Zelle  bei  der  intracellulären 
Bildung)  handelt,  so  gewinnt  dieser  Unterschied  durch  den  Vergleich  mit  den 
Verhältnissen  bei  Peripatus  ein  gewisses  Interesse.  Die  Tracheen  von 
Peripatus  bestehen  aus  zahlreichen  feinsten  Röhrchen,  welche  zu  einem 
Büschel  vereinigt  aus  einem  kurzen  mit  dem  Stigma  verbundenen  Trichter 
entspringen.  Wir  werden  vielleicht  die  feinen  Röhrchen  von  Peripatus  dem 
intracellulären  Theil,  den  Trichter  dagegen  dem  intercellulären  Theil  des 
Tracheensystems  der  Insecten  gleichsetzen  dürfen. 

In  gewissen  Entwicklungsstadien  ähneln  die  Tracheen  sehr  der  Anlage 
der  Speicheldrüsen x)  und  der  Malpighi'schen  Gefässe.  Dieser  Umstand, 
sowie  eine  Betrachtung  der  Lage-  und  Zahlenverhältnisse  dieser  Einstülpungen 
bei  den  Hymenopteren,  hat  die  Ansicht  (Bütschli  No.  11,  Grassi  No.  32 
und  z.  Th.  auch  Carriere  No.  13)  gestützt,  dass  in  den  Tracheen  und  den 
genannten  Drüsen  gleichwerthige  Organe  vorliegen.  Doch  ergeben  sich  aus 
einer  Betrachtung  der  Anatomie  von  Peripatus  Einwände  gegen  diese  Ansicht. 
Die  anscheinend  regellose  Vertheilung  der  Tracheen  bei  Peripatus  und  der 
Umstand,  dass  hier  z.  Th.  auch  schon  ähnliche  Drüsen  vorhanden  sind,  die  den 
genannten  Drüsen  der  Insecten  vielleicht  homolog  sind,  lässt  die  Ueberein- 
stimmung  der  Lage-  und  Zahlenverhältnisse  als  nicht  ins  Gewicht  fallend 
erscheinen.  Vor  Allem  aber  weisen  die  Tracheen  von  Peripatus  einen  Bau 
auf,  der  dieselben  von  den  erwähnten  Drüsen  sehr  verschieden  erscheinen 
lässt.  Selbst  die  Ansicht  Moseley's,  dass  die  Tracheen  umgewandelte  Haut- 
drüsen seien,  die  auch  Palmen  für  wahrscheinlich  hält,  bietet  manche 
Schwierigkeit.  Abgesehen  von  dem  Umstände,  dass  wir  bei  jenen  Formen, 
die  den  mutbmasslichen  Tracheatenahnen  näher  stehen,  Hautdrüsen  dieser  Art 
nicht  kennen,  setzt  der  Uebergang  von  einem  Secretionsorgan  in  ein  luft- 
gefülltes Respirationsorgan  einen  physiologisch  schwer  vorstellbaren  Functions- 
wechsel  voraus.     Höchst  wahrscheinlich  haben  wir  demnach  in  der  Tracheen- 


*)  Ausserdem  kommt  im  ausführenden  Abschnitt  mancher  Spinndrüsen  ein  ganz 
ähnlicher  Spiralfaden  zur  Entwicklung,  wie  bei  den  Tracheen.  Dass  auf  dieses  Merk- 
mal kein  Gewicht  zu  legen  ist,  geht  schon  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  ein  ganz 
ahnlicher  Spiralfaden  sich  z.  B.  auch  im  Vas  deferens  der  Cytheriden  vorfindet 
(Kaufmann). 


Insecten.  831 

einstülpung  eine  Bildung  sui  generis  zu  erblicken.  Es  sei  hier  auf  die  Ver- 
hältnisse der  landbewohnenden  Isopoden  hingewiesen,  in  deren  Kiemenblättern 
lufthaltige  Räume,  ja  in  einem  Falle  (Tylus)  —  wie  es  scheint  —  den 
Tracheen  durchaus  analoge  Bildungen  zur  Entwicklung  kommen. 

F.    Darmcanal  und  Drüsen  des  Darms. 

Von  den  drei  Abschnitten  des  Darmcanals :  Vorderdarm,  Mitteldarm 
und  Enddarm,  werden  Vorderdarm  und  Enddarm  als  Einstülpungen 
des  Ectoderms  angelegt,  deren  blindes  Ende  gegen  den  Mitteldarm  durch- 
bricht. In  den  meisten  Fällen  tritt  am  Keimstreif  die  Einstülpung  des 
Vorderdarmes  etwas  früher  auf,  als  die  des  Enddarms  (vgl.  oben  pag.  792 
und  Fig.  487  C,  m  auf  pag.  789).  Die  Musculatur  dieser  Abschnitte  wird 
von  dem  umgebenden  Mesoderm  geliefert.  An  der  Vorderdarmeinstül- 
pung tritt  frühzeitig  eine  unpaare,  dorsale  Einstülpung  auf,  aus  der  das 
Ganglion  frontale  und  der  Schlundnerv  hervorgehen  (vgl.  oben  pag.  825). 

Dass  die  Vorderdarm-  und  Enddarmeinstülpung  wirklich  ectodermale 
Bildungen  sind,  erscheint  durch  die  übereinstimmenden  Beobachtungen  zahl- 
reicher Untersucher  und  durch  den  Vergleich  mit  den  Verhältnissen  in 
anderen  Arthropodengruppen  ziemlich  sichergestellt.  Allerdings  hat  Voeltzkow 
(No.  85)  neuerdings  beide  Bildungen  vom  unteren  Blatte  abgeleitet,  und 
Geabek  hat  sich  dieser  Auffassung  für  das  Proctodaeum  von  Musca  ange- 
schlossen. Wir  müssen  diesbezüglich  auf  das  oben  (pag.  811)  über  die  Ver- 
hältnisse bei  Musca  Gesagte  verweisen. 

Der  Durchbruch  des  Vorder-  und  Enddarmes  gegen  die  Mitteldarmanlage 
vollzieht  sich  gewöhnlich  schon  in  ziemlich  frühen  Embryonalstadien.  Nur 
bei  gewissen  Larvenformen  (viele  Hymenopteren  z.  B.  Apis,  ferner  Myr- 
meleon)  unterbleibt  die  Hei  Stellung  einer  Communication  zwischen  dem  Mittel- 
darm und  dem  Enddarm,  welch  letzterer  dann  ausschliesslich  excretorische 
Function  besitzt. 

Die  Entwicklung  des  Mitteldanns  geht  von  zwei  ursprünglich  ge- 
sonderten Anlagen  aus,  der  vorderen  und  hinteren  Entodermanlage  (vgl. 
oben  pag.  809),  welche  vom  ersten  Anfange  an  in  innigen  Beziehungen 
zur  Einstülpung  des  Vorder-  und  Enddarmes  stehen.  Ursprünglich  als 
einfache  Zellansammlung  diesen  Einstülpungen  so  dicht  angelagert,  dass 
Voeltzkow  (Nr.  85,  86),  Patten  (Nr.  68)  und  Graber  (Nr.  28  u.  30) 
sie  direct  durch  Wucherung  von  dem  Epithel  dieser  Einstülpungen  her- 
leiten, gewinnen  sie  bald  durch  fortschreitende  Zellvermehrung  an  Aus- 
dehnung und  nehmen  eine  U-förmige  Gestalt  an  (pag.  810,  Fig.  496  A, 
en  u.  en").  Die  Schenkel  der  U-förmigen  Anlage  sind  an  der  vorderen 
Entodermmasse  nach  hinten,  an  der  hinteren  dagegen  nach  vorne  ge- 
richtet. Indem  diese  Schenkel  gegeneinander  wachsen,  sich  erreichen  und 
mit  einander  verschmelzen,  erscheinen  zwei  paarige  Entodermstreifen  ge- 
bildet, wTelche  unter  dem  Keimstreifen  nach  der  ganzen  Länge  desselben 
hinziehen  und  am  vorderen  und  hinteren  Ende  desselben  ineinander 
übergehen.  An  diesen  Stellen  stehen  sie  mit  der  Vorderdarm-  und  End- 
darmeinstülpung in  inniger  Verbindung. 

Die  paarigen  Entodermstreifen  gehören  den  lateralen  Parthien  des 
Keimstreifs  an.  Sie  liegen  in  der  Ptegel  dicht  unter  der  Reihe  der  hinter 
einander  folgenden  Cölomsäckchen  [vgl.  pag.  817,  Fig.  500  F,  wo  die 
Entodermstreifen  (en)  unter  den  Cölomsäckchen  (us)  im  Querschnitte 
getroffen   erscheinen].     Die   dorsale  Wand    der  Ursegmente   steht  somit 


832  XXIII.  Capitel. 

mit  den  Entodermstreifen  in  inniger  Berührung.  An  dieser  Wand  des 
Urseginentes  macht  sich  nun  eine  lebhafte  Zellwucherung  geltend,  und 
das  auf  diese  Weise  producirte  Zellmaterial,  welches  sich  von  der  dor- 
salen Wand  des  Urseginentes  abspaltet,  bildet  die  äussere  Schicht  der 
Mitteldarmanlage,  das  splanchnische  oder  Darmfaserblatt  (spm 
in  Fig.  500  F,  sp  in  Fig.  512,  pag.  839).  Der  nach  dieser  Abspaltung 
übrig  bleibende  Rest  der  dorsalen  Wand  des  Cölomsäckchens  steht  zur 
Genitalanlage  in  Beziehung  und  liefert  die  sogenannte  Endfadenplatte 
(vgl.  unten  pag.  837  ff.  und  Fig.  512  ef).  Die  Entodermstreifen  mit  dem 
ihnen  dicht  anliegenden  splanchnischen  Blatte  kann  man  nun  als  Mittel- 
darmanlage bezeichnen  (pag.  803,  Fig.  492  m  und  unten  pag.  839  ff.,  Fig. 

512,  513,  514  sp  +  eri).  Dieselbe  zeichnet  sich  in  den  folgenden  Stadien 
durch  ihr  beträchtliches  laterales  Wachsthum  aus ;  sie  verbreitet  sich  da- 
durch an  der  Oberfläche  des  Nahrungsdotters,  welchen  sie  schliesslich 
vollständig  umwächst  (pag.  803,  Fig.  492  C—F  \mi\  pag.  839  und  ff.  512, 

513,  514).  Diese  Umwachsung  geht  in  den  meisten  Fällen  in  der  Weise 
vor  sich,  dass  zunächst  die  beiden  Mitteldarmstreifen  sich  im  Bereich 
der  ventralen  Mittellinie  mit  einander  vereinigen  (Fig.  492  E  u.  Fig.  513). 
Erst  später  findet  ihre  Vereinigung  an  der  Dorsalseite  statt  (Fig.  492  F 
und  Fig.  514).  Der  Nahrungsdotter  gelangt  hierdurch  vollständig  in  das 
Innere  der  Mitteldarmanlage  und  mit  ihm  die  Reste  des  Rückenrohres 
oder  Dorsalorgans  (Fig.  492  F,  s),  wo  ein  solches  vorhanden  ist. 

Die  gegebene  Schilderung  der  Entwicklung  des  Mitteldarms,  welcher 
zunächst  die  Verhältnisse  von  Hydro philus  und  Phyllodromia  zu 
Grunde  gelegt  wurden,  scheint  für  die  meisten  Insecten  directe  Anwendung 
zu  finden.  In  einzelnen  Fällen  ergeben  sich  allerdings  gewisse  Abweichungen, 
so  z.  B.  bei  Musca,  bei  welcher  Form  die  Cölomsäckchen  nicht  zu  deut- 
licher Ausbildung  gelangen  (vgl.  pag.  816)  und  nicht  der  gesammte  Nah- 
rungsdotter in  den  Mitteldarm  aufgenommen  wird,  sondern  (wie  auch  bei 
anderen  Dipteren)  ein  Theil  desselben  in  der  Leibeshöhle  verbleibt,  wo  er 
allmählich  resorbirt  wird  (Kowalevsky,  Voeltzkow,  Graber).  Einigermassen 
abweichende  Verhältnisse  finden  sich  auch  bei  den  Hymenopteren  (Apis, 
Chalicodoma;  Kowalevsky,  Gkassi,  Cakeieke),  wo  das Entoderm  ursprüng- 
lich eine  dorsale  Lagerung  einnimmt  (vgl.  pag.  812  ff.)  und  erst  allmählich  von 
dem  Keimstreifen  überwachsen  wird.  Hier  geht  die  Umwachsung  des 
Nahrungsdotters  durch  das  Entoderm  von  der  Dorsalseite  nach  der  Ventral- 
seite vor  sich. 

Die  in  die  Mundhöhle  einmündenden  Drüsen,  Speicheldrüsen,  welche 
in  mehreren  (1 — 3)  Paaren1)  vorhanden  sein  können,  entstehen  als 
Ectodermeinstülpungen,  welche  ursprünglich  nicht  in  den  Vorderdarm, 
sondern  nach  der  Körperoberfläche  ausmünden.  Wir  dürfen  sie  demnach 
als  Hautdrüsen  betrachten,  deren  Mündung  in  die  Mundhöhle  einbezogen 
wurde (?).  Bei  den  T r i c h o p t e r e n  und  Lepidopteren  entwickelt  sich 
ein  vorderes  Paar  dieser  Drüsen  im  vorderen  und  inneren  Winkel  der 
Mandibel-Anlagen  (Hatschek  Nr.  36,  Patten  Nr.  65).  Ein  zweites  Paar, 
welches  sich  hier  ebenso  wie  bei  den  Hymenopterenlarven ,  zu 
den  Spinndrüsen  umbildet,  gehört  dem  Segment  der  zweiten  Maxillen 
an  (vgl.  pag.  785,  Fig.  485  A,  sp).  (Carriere  rechnet  sie  allerdings 
dem  ersten  Brustsegmente  zu).    Wenn  die  zweiten  Maxillen  zur  Bildung 


x)  Nach  Schiemenz  (No.  125)  vertheilen  sich  die  verschiedenen  Kopfdrüsen  der 
Biene  (Imago)  derart  auf  die  drei  Kiefersegmente,  dass  jedem  derselben  ursprünglich 
ein  Paar  zukommt. 


Insecten.  333 

der  Unterlippe  verwachsen,  so  werden  die  Mündungsstellen  der  paarigen 
Einstülpungen  einander  genähert,  und  es  kommt  zur  Ausbildung  eines 
kurzen  unpaaren,  in  die  Mundhöhle  sich  öffnenden  Ausführungsganges 
(Bütschli  Nr.  11  u.  A.). 

Wir  würden  von  vornherein  geneigt  sein,  die  Speicheldrüsen  der  Insecten 
mit  den  in  die  Mundhöhle  mündenden  Drüsen  der  Myriop öden  zu  homo- 
logisiren.  Dem  steht  entgegen,  dass  letztere  als  umgewandelte  Nephridien 
dem  Mesoderm  entstammen  sollen  (vgl.  oben  pag.  754),  während  die  Speichel- 
drüsen der  Insecten  rein  ectodermale  Bildungen  sind.  Wir  müssen  daher 
die  Frage  nach  der  Homologie  dieser  Organe,  ebenso  wie  ihre  Beziehungen 
zu  den  ähnlichen  Drüsen  von  Peripatus  späteren  Untersuchungen 
anheimstellen. 

Die  Malpighi'schen  Gefässe  entwickeln  sich  als  paarige  Ausstül- 
pungen des  Enddarms,  die  vom  ersten  Anbeginn  an  ein  Lumen  auf- 
weisen. Sie  sind  demnach  Ectodermbildungen.  Sie  werden  meist  in  der 
Zahl  von  zwei  oder  drei  Paaren  (Lepidopteren,  Phryganiden, 
Hydro philus)  angelegt.  Bei  jenen  Formen,  die  später  eine  grössere 
Anzahl  von  Malpighi'schen  Gelassen  aufweisen,  entwickeln  sich  dieselben 
als  secundäre  Divertikel  der  ursprünglich  angelegten  Gefässe  (Gryllo- 
talpa,  Rathke). 

Während  die  Mapighi'schen  Gefässe  meist  erst  nach  der  Ausbildung  der 
Enddarmeinstülpung  als  Divertikel  dieser  letzteren  angelegt  werden,  treten 
sie  bei  den  Hymenopteren  (A  p i s  und  Chalicodoma)  schon  vor  der  Aus- 
bildung der  Enddarmausstülpung  als  Einsenkungen  des  Ectoderms  auf,  welche 
dann  zunächst  an  der  Oberfläche  des  Keimstreifs  nach  aussen  münden.  Sie 
sehen  dann  Tracheenanlagen  einigermaassen  ähnlich,  was  vielleicht  die  Ursache 
war,  dass  man  sie  mit  solchen  homologisirt  hat,  eine  Auffassung,  welche  wir 
nicht  theilen,  und  der  sich  auch  Carrieke  (No.  13)  nicht  angeschlossen  hat. 
Erst  später  rücken  sie  mit  der  sich  entwickelnden  Enddarmeinstülpung  in 
das  Innere  des  Embryo's. 

G.    Rückengefäss. 

Als  erste  Anlage  des  Rückengefässes  oder  Herzens  der  In- 
secten erkennen  wir  einen  rechts  und  links  verlaufenden  Längsstrang 
von  Zellen  (Cardio b lasten),  welcher  die  Mesodermschicht  des  Keim- 
streifs lateralwärts  begrenzt  (pag.  839,  Fig.  512  h\  Fig.  513  h).  Bei 
der  fortschreitenden  Umwachsung  des  Dotters  durch  den  Keimstreif 
rückt  diese  Anlage  immer  mehr  gegen  die  Dorsalseite  vor.  Sie  steht 
mit  der  Wand  der  Ursegmente  in  directer  Verbindung  (vgl.  Fig.  512 
und  513)  und  bezeichnet  jene  Umsehlagsstelle,  an  welcher  die  dorsale 
Wand  des  Cölomsäckchens  in  die  laterale  Wand  übergeht.  Nach  Korot- 
neff  (Nr.  47),  welchem  wir  die  ersten  genaueren  Angaben  über  die 
Entwicklung  des  Herzens  der  Insecten  verdanken,  sollen  die  Cardioblasten 
direct  durch  Auswanderung  aus  der  Wand  der  Ursegmente  hervorgehen. 

Bei  Gryllotalpa,  auf  welche  Form  sich  die  Schilderung  Korot- 
neff's  bezieht,  liegen  nach  mancher  Hinsicht  eigenartige  Verhältnisse 
vor.  Die  Bildung  des  Dorsalorgans  wird  hier,  wie  wir  dies  oben  (pag.  802  ff.) 
geschildert  haben,  durch  das  Einreissen  der  Embryonalhüllen  eingeleitet. 
Die  Serosa  zieht  sich  zur  Bildung  einer  verdickten  Platte  (Fig.  509  A,  rp) 
zusammen  und  ihr  hängen  die  schon  sehr  rückgebildeten  Amnionfalten 
seitlich  an  (am),  welche  sich  von  den  Rändern  des  Keimstreifs  (*  x  —  *  y) 


834 


XXIII.  Capitel. 


Fig.  509.  Schematische  Querschnitte  durch 
drei  aufeinander  folgende  Stadien  von  Gryllotalpa, 
zur  Darstellung  der  Bildung  des  Rückengefässes 
(nach  Korotneff).  (Die  Anlage  des  Darmdrüsen- 
blattes ist  in  diesen  Schemen  vernachlässigt.) 

A  jüngstes  Stadium.  Der  Keimstreif  erstreckt 
sich  von  *x — y*.    Die  Embryonalhüllen  sind  zer- 


weit  nach  der  Dorsalseite  ent- 
fernt haben  (man  vergleiche 
hiermit  die  Figur  492  C  auf 
pag.  803,  welche  einem  ähn- 
lichen Stadium  entspricht). 
Der  Abstand  zwischen  dem 
Rudiment  der  Amnionfalte 
und  dem  Seitenrande  des 
Keimstreifs  (*x,  %ß)  ist  von 
einer  Epithellamelle  (7)  ein- 
genommen, in  welcher  wir 
das  frühere  Amnion  wieder- 
erkennen. Diese  Lamelle 
liegt  dem  Nahrungsdotter 
nicht  dicht  an,  sondern  ist 
von  demselben  durch  eine 
geräumige  Blutlacune  (bs) 
getrennt,  in  welcher  sich 
zahlreiche ,  vom  Mesoderm 
des  Keimstreifs  eingewanderte 

Blutkörperchen  erkennen 
lassen.  Die  Cardioblasten, 
welche  der  Wand  des  Urseg- 
mentes  (us)  entstammen, 
haben  sich  jederseits  zur  Bil- 
dung einer  Rinne  (gr)  an- 
geordnet, welche  den  erwähn- 
ten Blutsinus  von  unten  um- 
fasst. 

Bei  der  fortschreitenden 
Ümwachsung  des  Dotters 
durch  den  Keimstreif  fliessen 
nach  erfolgter  Einstülpung 
und  Rückbildung  der  Rücken- 
platte die  beiden  Blutlacunen 
an  der  Dorsalseite  zu  einer 
einzigen  zusammen  (Fig.  509 
B,  bs).  Diese  stellt  nun  die 
Anlage  des  Herzlumens  dar. 
Indem  die  beiden  Gefässrin- 
nen  (gr)  sich  bis  zur  Berühr- 
ung nähern  und  mit  einander 

verwachsen,    erscheint  die 
Wand   des  Herzens  gebildet 


rissen    und    auf   dem    Rücken    zusammengezogen, 

am  Rissrand,  rp  Rückenplatte  (Serosa),  l  mit  dem  Ectoderm  des  Keimstreifs  in  Verbindung 
stehende  Lamelle  (umgeschlagenes  Amnion).  B  zweites  Stadium.  Der  Keimstreif  hat 
den  Nahrungsdotter  nahezu  vollständig  umwachsen.  Das  Riickenorgan  ist  resorbirt. 
C  drittes  Stadium,  dorsaler  Abschnitt.  Die  Herzbildung  ist  zum  Abschluss  gekommen. 
am  Rudiment  der  Amnionfalte,  bs  Blutsinus,  dd  Anlage  des  Rückendiaphragmas, 
dv  Bauchdiaphragma,  do  Nahrungsdotter,  dz  Dotterzellen,  ec  Ectoderm,  gr  Gefässrinne 
(Herzanlage),  l  Lamelle  des  zurückgeschlagenen  Amnions,  Ih  definitive  Leibeshöhle, 
m  Transversalmuskel,  n  Bauchmark,  r  Herz,  rp  Rückenplatte,  sp  splanchniscb.es,  so  soma- 
tisches Blatt  des  Mesoderms,  us  Ursegmenthöhle,  *x,  y*  laterale  Endpunkte  des  Keimstreifs. 


Insecten.  335 

(Fig.  509  C,  r  und  pag.  840,  Fig.  514  h).  Die  venösen  Ostien  entstehen 
nach  Bütschli  (Nr.  11)  durch  paarige  Einstülpungen  der  Seitenwände, 
in  deren  Grunde  sich  eine  Spalte  ausbildet. 

Die  Anlage  des  Herzens  steht  wie  wir  gesehen  haben  —  mit 
den  Ursegmenten  in  inniger  Verbindung.  Aus  der  lateralen  Wand  der- 
selben geht  nach  Abgabe  der  Elemente  des  somatischen  Mesoderms  eine 
Epithelplatte  hervor,  welche  die  erste  Anlage  des  Pericardialsep- 
tums  oder  dorsalen  Diaphragmas  darstellt  (Fig.  509  A  —  C,  dd, 
ferner  pag.  839  ff.,  Fig.  512,  513,  514  ps).  Sobald  die  beiden  Hälften  der 
Herzanlage  in  der  dorsalen  Mittellinie  sich  mit  einander  vereinigt  haben, 
treten  auch  die  beiden  Hälften  des  Pericardialseptums  mit  einander  in 
Verbindung  und  begrenzen  den  gegen  die  übrige  Leibeshöhle  geschlossenen 
Pericardialraum  (Fig.  514  ps).  Eine  Zeit  lang  bleibt  das  Pericardial- 
septum  in  Verbindung  mit  der  Herzwand.  Später  jedoch  trennt  es  sich 
von  derselben  ab  (Fig.  509  C,  dd).  Von  den  Beziehungen,  in  welchen 
die  Herzanlage  und  das  Pericardialseptum  zur  Endfadenplatte  der  Genital- 
anlage stehen,  werden  wir  unten  (pag.  837  ff.)  zu  sprechen  haben. 

Die  Angaben,  welche  von  anderen  Autoren  über  die  Entwicklung  des 
Herzens  der  Insecten  gemacht  worden  sind  (Grassi,  Patten,  Tichomiroff, 
Ayers,  Heider,  Caeeieee,  Heymons  u.  A.)  lassen  sich  leicht  auf  den  für 
Gryllotalpa  geschilderten  Typus  zurückführen.  Der  Unterschied 
der  Bildungsweise  besteht  meist  nur  darin,  dass  die  erwähnten  beiden 
grossen  Blutlacunen  fehlen  oder  nur  in  geringer  Ausdehnung  vorhanden 
sind.  In  Folge  dessen  ist  die  Anlage  des  Herzlumens  in  den  ersteren  Stadien 
von  geringerer  Ausdehnung  und  oft  kaum  zu  erkennen. 

Bei  Gryllotalpa  und  Oecanthus  (Ayers)  kommt  zunächst  der 
hintere  Abschnitt  des  Herzens  zur  Entwicklung.  Die  Ausbildung  des  Herzens 
rückt  hier  von  hinten  nach  vorne  vor.  Es  ist  dies  ein  ungewöhnliches  Ver- 
halten, welches  darin  seinen  Grund  findet,  dass  der  Verschluss  des  Rückens 
durch  die  in  den  vorderen  Körperparthien  angesammelten  Dottermengen 
verzögert  ist. 


-'ov 


Die  Blutkörperchen  werden  von  Korotneff  auf  Zellen  der  soma- 
tischen Mesodermschicht  zurückgeführt,  welche  den  Zusammenhang  mit 
den  übrigen  Parthien  des  Mesoderms  aufgeben  und  in  die  Leibeshöhle 
gerathen.  Nach  eigenen  Untersuchungen  sind  wir  geneigt,  dieser  Angabe 
zuzustimmen.  Dagegen  haben  andere  Autoren  (Dohrn  und  neuerdings 
noch  Will,  Nr.  97)  die  Blutkörperchen  auf  Dotterzellen  zurückgeführt. 
Ja,  Ayers  (Nr.  1)  nimmt  für  die  Bildung  derselben  sogar  die  durch  Auf- 
lösung der  Rückenplatte  frei  gewordenen  Zellen  in  Anspruch.  Es  sei 
hier  darauf  hingewiesen,  dass  neuerdings  C.  Schäffer  (Nr.  124  et)  ge- 
wisse mit  dem  Fettkörper  zusammenhängende  Zellcomplexe  bei  Raupen 
als  Blutbildungsherde  angesprochen  hat  (vgl.  pag.  863). 

H.   Muskulatur,  Bindegewebe,  Fettkörper. 

Die  Muskelgruppen  des  Körpers,  sowie  das  Bindegewebe  gehen  durch 
histologische  Differenzirung  aus  der  somatischen  Schicht  des  Mesoderms 
(Fig.  509,  so)  hervor.  Den  gleichen  Ursprung  besitzt  auch  der  Fett- 
körper. Nach  eigenen  Untersuchungen  müssen  wir  den  Angaben  Kowa- 
levsky's  und  Grassi's,  denen  sich  neuerdings  auch  Carriere  (Nr.  13) 
anschliesst,  beistimmen,  wonach  der  Fettkörper  dem  Mesoderm  entstammt. 


836  XXIII.  Capitel. 

Bei  Hydrophil  us  geht  ein  dorsales,  über  dem  Darm  verlaufendes  Fett- 
körperhand durch  directe  Umwandlung  der  Wand  der  Cölomsäckehen 
hervor.  Aber  auch  für  die  übrigen  Theile  des  Fettkörpers,  beispiels- 
weise für  die  das  Tracheensystem  begleitenden  Fettkörperlappen  lässt 
sich  der  mesodermale  Ursprung  unzweifelhaft  nachweisen.  Damit  stim- 
men auch  die  Beobachtungen  von  Heymons  (Nr.  43)  an  Phyllodromia 
überein.  Hier  erfahren  schon  frühzeitig  gewisse  Zellen  in  der  Wand  der 
Cölomsäckehen  eine  Umbildung,  wodurch  sie  sich  als  Anlagen  des 
späteren  Fettkörpergewebes  zu  erkennen  geben  (pag.  838,  Fig.  511  B 
und  C,  /). 

Die  Angaben  der  verschiedenen  Autoren  über  den  Ursprung  des  Fett- 
körpers gehen  zur  Zeit  noch  weit  auseinander.  Während  Dohrn,  Tichomiroff 
(No.  79)  und  neuerdings  Will  (No.  97)  den  Fettkörper  von  den  Dotter- 
zellen herleiten,  haben  Andere  für  dieses  Gewebe  ectodermalen  Ursprung  in 
Anspruch  genommen.  Nach  dieser  Richtung  ist  Korotneff  (No.  47)  zu 
erwähnen,  ferner  Schäffer  (No.  124  a),  welcher  in  Bestätigung  älterer  Angaben 
Weismann's  den  Fettkörper  von  Musca  auf  Wucherungen  der  Tracheen- 
matrix und  zum  Theil  der  Hypodermis  zurückführt.  Neuerdings  hat  auch 
Graber  (No.  31)  für  Hydrophilus  und  Stenobothrus  den  ectoder- 
malen Ursprung  des  Fettkörpers  behauptet,  Für  Hydrophilus  können  wir 
dieser  Angabe  nicht  beistimmen. 

I.    Genitalorgane. 

Ueber  die  Entwicklung  der  Genitalorgane  bei  den  Insecten  liegen  be- 
reits zahlreiche,  zerstreute  Mittheilungen  vor.  Man  vergleiche  hinsicht- 
lich der  Litteratur  dieses  Capitels  die  Zusammenstellungen  von  Balbiani 
(Nr.  3),  Witlaczil  (Nr.  98)  und  vor  Allem  von  Heymons  (Nr.  43). 
Wenn  wir  von  den  für  die  Aphiden  und  Dipteren  (bei  denen,  wie 
wir  sehen  werden,  eigenartige  Verhältnisse  für  die  Entwicklung  der  Genital- 
anlage vorliegen)  gemachten  Mittheilungen  absehen,  so  boten  im  Allge- 
meinen die  zahlreichen,  vielfach  fragmentarischen  Angaben  über  die  Ent- 
wicklung der  Geschlechtsorgane  ein  wenig  befriedigendes  Bild.  Nur  so 
viel  schien  [hauptsächlich  aus  den  Angaben  von  Grassi  (Nr.  32),  Heider 
(Nr.  38)  und  Wtheeler  (Nr.  95)]  hervorzugehen,  dass  die  Anlage  der 
Geschlechtsdrüse  dem  Mesoderm  zugehöre  und  von  der  Wand  der  Cölom- 
säckehen aus  entwickelt  werde.  Für  die  Entwicklung  der  Geschlechts- 
ausführungsgänge sind  vor  Allem  die  Beobachtungen  von  Nusbaum  (Nr.  61) 
und  Palmen  (Nr.  162)  von  Wichtigkeit  geworden.  Neuerdings  sind  über 
die  Entwicklung  der  Genitalorgane  von  Phyllodromia  germanica 
von  Heymons  (Nr.  43)  Mittheilungen  gemacht  worden,  welche  wir  als  die 
eingehendsten  unserer  Schilderung  zu  Grunde  legen ] ). 

Bei  Phyllodromia  lassen  sich  bereits  in  frühen  Stadien  der 
embryonalen  Entwicklung  gesonderte  Genitalzellen  durch  ihren  histo- 
logisch differenten  Charakter  von  den  übrigen  Mesodermzellen  unter- 
scheiden. Die  Genitalzellen  sind  grösser  und  zeigen  einen  sich  schwach 
färbenden  Kern  mit  deutlichem  Nucleolus.  Diese  Genitalzellen,  welche 
sich  durch  Umwandlung  aus  gewöhnlichen  embryonalen  Mesodermzellen 
herausgebildet   haben,   liegen  ursprünglich   in  der  Mesodermschicht  oder 

*)  Die  folgende  Darstellung,  sowie  die  Abbildungen  sind  der  ausführlichen,  dem- 
nächst in  der  Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.  zur  Veröffentlichung  kommenden  Abhandlung 
entnommen  (welche  uns  der  Verfasser  freundlichst  zur  Verfügung  stellte). 


Insecten. 


837 


an  der  gegen  den  Nahrungsdotter  gewendeten  Oberfläche  dieser  Schicht 
und  zwar  an  den  Segmentgrenzen.  Nach  vollendeter  Ausbildung  der 
Cölomsäcke  (Fig.  510  gz)  finden  wir  sie  in  den  Dissepimenten,  welche 
die  aufeinander  folgenden  Cölomsäcke  von  einander  trennen.  Hier  wer- 
den auch  beständig  durch  Umwandlung  von  Mesodermzellen  neue  Genital- 


F^i 


zellen  gebildet.    Die  Entwicklung  von  Genitalzellen 
bis  siebenten  Abdominalsegment  statt. 

Später  rücken  die  Genitalzellen  in  das  Innere 
sich  jedoch  bald   an  die   dorsale  Wand   derselben 
A,ge)  und  zwischen  die  Zellen 
dieser  Wand  einzutreten.    Die 
Cölomsäcke   (c)  zeigen   am 
Querschnitte  in  diesen  Stadien 
einen  ungefähr  dreieckigen 
Umriss,  so  dass  wir  eine  dor- 
sale  (div),   eine  laterale  (Jiu) 
und  eine  mediale  (mw)  Wand 
unterscheiden    können.      Die 
dorsale  Wand  liegt  der  Dotter- 
oberfläche an  und  liefert  später 
durch  Abspaltung  das  splanck- 
nische  Mesoderm  (Fig.  512  sp), 
während   aus  ihrem  Rest  die 
Endfadenplatte  (ef)  her- 
vorgeht.   Die  laterale  Wand, 
welche   dem  Ectoderm   des 
Keimstreifs  zugekehrt  ist,  be- 
theiligt  sich  stark  an  der  Bil- 
dung der  somatischen  Schicht 
(Fig.   511    (7,   so)   des   Meso- 
derms.     Aus    einem    zurück- 
bleibenden Reste  geht  das 
Pericardialseptum    (Fig.    512 
ps)  hervor. 

Wenn  die  Genitalzellen 
in  die  dorsale  Wand  der  Ur- 
segmente  eingetreten  sind, 
sind  sie  bereits  so  zahlreich, 
dass  sie  eine  von  vorne  nach 
hinten  verlaufende  continuir- 
liche   Reihe    darstellen.     Die 

Genitalanlage  besteht  dann 
aus  einem  jederseits  in  der 
dorsalen  Wand  der  Urseg- 
in ente  gelegenen  Zellstrang, 
welcher  sich  vom  zweiten  bis 
in  das  siebente  Abdominalseg- 
ment fortsetzt.  An  der  Bil- 
dung dieses  Zellstranges  sind 
jedoch  nicht  die  Genitalzellen 


findet  in  dem  zweiten 


der 
zu 


Cölomsäcke , 
(Fig. 


begeben 


um 
511 


-OM- 


allein   betheiligt,    sondern   es 

kommen  noch  unveränderte 

Mesodermzellen  (Fig.  511  B, 

Korsclielt-Heider,  Lehrbuch. 


Fig.  510.  Sagittaler  Längsschnitt  durch  den 
Abdominaltheil  eines  Keimstreifs  von  Phyllo- 
dromia  germanica  nach  Beendigung  der  Ur- 
segmentbildung  (nach  Heymons). 

1  —  7  erstes  bis  siebentes  Abdominalseg- 
ment, vom  achten  Abdominalsegment  (8)  bis  zum 
Endsegment  (es)  erstreckt  sich  die  ventralwärts 
eingeschlagene  Parthie  des  Keimstreifs,  am  Am- 
nion, c  Cölomsäckehen,  d  Nahrungsdotter,  es  End- 
segment, gz  Genitalzellen,  zum  Theil  in  den 
Dissepimenten,  zum  Theil  in  der  Wand  oder  in 
der  Höhle  der 


Ursegmente 


liegend. 
54 


838 


XXIII.  Capitel. 


G)  hinzu,  welche  der  dorsalen  Wand  des  Cölomsackes  entstammen  und 
sich  an  die  Genitalzellen  dicht  anlegen.  Von  diesen  letzteren  streben  ein- 
zelne die  Genitalzellen  zu  umhüllen.  Wir  bezeichnen  sie  als  Epithel- 
zellen   der    Genitalanlage    (ep) ,    während    andere    einen   medialwärts 


■   .    .^-y 


Fig".   511.     Querschnitt   durch   den  Abdominaltheil   dreier   aufeinander   folgender 
Entwicklungsstadien  von  Phyllodromia  germanica  (nach  Hevmons). 

am  Amnion,  bg  Anlage  der  Bauchganglienkette,  c  Cölomhöhle,  &  dorsaler  und 
c"  ventraler  Abschnitt  des  Cölomsackes,  cz  Zellen  der  Ursegmentwand ,  welche  sich 
der  Ventralseite  der  Genitalanlage  anfügen,  d  Nahrungsdotter,  dw  Dorsalwand  des 
Cölomsäckchens,  ec  Ectoderm,  ep  Epithelzellen,  ex  abdominale  Extremitätenanlage, 
/Fettkörperanlage,  gz  Genitalzellen,  Iw  Lateralwand  des  Cölomsäckchens,  in  Meso- 
dermzellen,  welche  sich  an  der  Bildung  der  Cölomsäcke  nicht  betheiligen,  mw  Medial- 
wand des  Cölomsäckchens,    so   somatische  Mesodermschicht,  vm  ventraler  Längsmuskel. 


Insecten. 


839 


^    p 


on 


%      /f 


Fig.  512.  Querschnitt  durch  den  Abdominaltheil  eines  etwas  «älteren  Keimstreifs 
von  Phyllodromia  germanica  (nach  Heymons). 

lg  Anlage  der  Bauchganglienkette,  c  Rest  der  Cölomhöhle,  cz  Anlage  des  Genital- 
ausführungsganges,  ec  Ectoderm,  ef  Endfadenplatte,  en  Entoderm,  fk  Fettkörpergewehe, 
gz  Genitalzellen,  h  Herzanlage,  p  Anlage  der  Pericardialhöhle,  ps  Anlage  des  Pericar- 
dialseptums,  so   somatische  Mesodermschicht,  sp  splanchnische  Mesodermschicht. 


Fig.  513.  Querschnitt  durch  den  Abdominaltheil  eines  älteren  Keimstreifs  von 
Phyllodromia  germanica,  im  Stadium  der  beginnenden  Umwachsung  des  Dotters 
(nach  Heymons). 

bg  Bauchganglienkette,  c  Rest  der  Cölomhöhle,  cz  Anlage  des  Genitalausführungs- 
ganges,  ef  Endfadenplatte,  en  Entoderm,  fk  Fettkörpergewebe,  gz  Genitalzellen,  h  Herz- 
anlage, ps  Pericardialseptum,  sp  splanchnisches  Blatt  des  Mesoderms,  vm  ventraler 
Längsmuskel. 

54* 


840 


XXIII.  Capitel. 


und    ventral wärts    von   den  Genitalzellen  gelegenen  Zellstrang  (ce)  zu- 
sammensetzen. 

Aus  den  Genitalzellen  gehen  beim  Weibchen  bloss  die  Eizellen  (und 
die  Nährzellen  bei  jenen  Formen,  welchen  solche  zukommen)  hervor.  Das 
Follikelepithel  der  Eiröhren  dagegen,  sowie  eine  entsprechende  Zelllage 
der  Endkammer  wird  von  den  Epithelzellen  geliefert.  P  h  y  1 1  o  d  r  o  m  i  a , 
auf  welche  sich  diese  Darstellung  bezieht,  und  die  Orthopteren  im  All- 
gemeinen, weisen  in  dieser  Beziehung  ziemlich  einfache  Verhältnisse  auf, 
da  das  Keim-  oder  Endfach  des  Ovariums  bei  ihnen  nur  aus  verhältniss- 
mässig  wenigen  Zellen  zusammengesetzt  ist.  Bei  den  meisten  anderen 
Insecten  und  zumal  denen,  welche  grosse  Mengen  von  Nährzellen  im 
Ovarium  besitzen,  ist  das  Keimfach  ausserordentlich  umfangreich.    Es  ist 

besonders  hier  von  einer  Entstehung 
der  verschiedenen  Zellenelemente  des 
Insectenovariums  aus  indifferenten 
Zellen  gesprochen  worden  (Korschelt 
Nr.  155,  Wielowiejski  u.  A.),  und 
es  wäre  von  Interesse,  zu  erfahren, 
wie  diese  abgeleiteten  Verhältnisse 
sich  zu  den  einfacheren  der  Ortho- 
pteren verhalten. 

Der  ventrale  Zellstrang  {es)  bil- 
det sich  in  den  proximalen  Theil  des 
Oviducts  um,  welcher  kelchförmig 
erweitert  die  einzelnen  Eiröhren  in 
sich  aufnimmt.  Ueber  die  Umwand- 
lungen, welche  im  männlichen  Ge- 
schlechte stattlinden,  werden  wir 
später  sprechen. 

Die  Cölomsäckchen  werden  im 
weiteren  Verlaufe  der  Entwicklung 
durch  die  Rückbildung  ihres  in  die 
Extremitäten  reichenden  Antheils 
(vgl.  oben  pag.  816)  durch  die  Ent- 
wicklung des  Fettkörpers  (Fig.  511  f, 
512  f'Je)  und  durch  die  Abspaltung 
der  somatischen  (Fig.  512  so)  sowie 
der  splanchnischen  (sp)  Mesoderm- 
schichte  erheblich  eingeengt.  Es  bleibt 
von  ihnen  schliesslich  nur  mehr  ein 
ziemlich  kleiner  Antheil  (c)  übrig, 
welcher  lateralwärts  von  der  Anlage 
des  Pericardialseptums  (ps) ,  nach 
innen  dagegen  von  der  Endfaden- 
platte (ef)  begrenzt  ist.  Jener  dor- 
sal gelegene  Punkt,  an  welchem  diese 
beiden  Lamellen  in  einander  über- 
gehen, scheint  mit  den  Zellen  der 
Herzanlage  (h)  in  inniger  Verbindung 
zu  stehen.  Die  strangförmige  Geni- 
talanlage erscheint  nun  an  der  End- 
fadenplatte wie  an  einem  Mesen- 
terium aufgehangen  (Fig.  512  gz). 


Fig.  514.  Querschnitt  durch  den 
Abdominaltheil  eines  Embryos  von  Phyl- 

lodromia   germanica,    nach  voll- 
endeter   Umwachsung    des    Dotters    und 
Verschluss  des  Rückens. 

bg  Bauchganglienkette,  ez  Anlage  des 
Genitalausfülirungsganges ,  d  Nahrungs- 
dotter, ef  Endfadenplatte,  en  Entoderm, 
fk  Fettkörpergewebe ,  gz  Genitalzellen, 
h  Herzas  Pericardialseptum,  s  Tracheen- 
stigma, sp  splanchnisches  Blatt  des  Meso- 
derms,  vm  ventraler  Längsmuskel. 


\ 
Insecten. 


841 


Bei  der  durch  Umwachsung  des  Nahrungsdotters  (Fig.  513,  514)  von 
Seiten  des  Keimstreifs  erfolgenden  Rückenbildung  gelangt  die  paarige 
Herzanlage  immer  mehr  in  die  Nähe  der  dorsalen  Medianlinie,  und  ihr 
folgt  hierbei  die  mit  ihr  durch  die  Endfadenplatte  verbundene  Genital- 
anlage. Es  gelangt  hierdurch  die  Genitalanlage  an  die  Dorsalseite  des 
sich  entwickelnden  Mitteldarms  (Fig.  514  gz). 

Die  End fadenplatte  (ef)  stellt  ursprünglich  eine  einfache  Epithel- 
platte dar.  Bald  jedoch  erfolgt  eine  Umordnung  ihrer  Zellen,  wodurch 
dieselben  in  Verticalreihen  geordnet  erscheinen,  von  denen  je  eine  einer 
sich  entwickelnden  Ovarialröhre  entspricht.  Es  wird  auf  diese  Weise  die 
Endfadenplatte  in  die  einzelnen  Endfäden  der  Ovarialröhren  (Fig.  515  ef) 
zertrennt.    An  dieser  Zertheilung  nimmt  jedoch  der  oberste  dorsale  Rand 


Fig'.  515.  Längsschnitte  durch  die  weibliche  Genitalanlage  von  Phyllodromia 
germanica  (nach  Heymons). 

A  mit  beginnender,  B  mit  weiter  fortgeschrittener  Ausbildung  der  Ovarialröhren. 

cz  Anlage  des  Genitalausführungsganges,  ef  Endfäden,  ep  Kerne  der  Epithelzellen, 
gz  Genitalzellen. 

der  Endfadenplatte  keinen  Antheil.  Aus  ihm  geht  ein  später  sich  nach 
vorne  fortsetzender  Strang  hervor,  welcher  den  gemeinsamen  Endfadeu 
sämmtlicher  Ovarialröhren,  den  sog.  Müller 'sehen  Faden,  darstellt. 
Letzterer  ist  ursprünglich  mit  dem  Pericardialseptum  verbunden,  scheint 
jedoch  in  späteren  Stadien  mit  demselben  in  keiner  innigeren  Verbindung 
mehr  zu  stehen. 

Die  Ausbildung  der  einzelnen  Ovarialröhren ,  welche  bei  Phyllo- 
dromia in  der  Zahl  von  ungefähr  20  zur  Entwicklung  kommen,  voll- 
zieht sich  durch  eine  von  der  Dorsalseite  gegen  die  Ventralseite  der 
Ovarialanlage  fortschreitende  Einkerbung  (Fig.  515).  Gleichzeitig  ordnen 
sich  die  Epithelzellen  (ep),  welche  ursprünglich  zum  Theil  zwischen  den 
Genitalzellen  gelegen  waren,  zur  Bildung  eines  an  der  Oberfläche  der 
Ovarialröhren  gelegenen  Epithels  an,  welches  bald  an  seiner  Aussen- 
seite  eine  structurlose ,  cuticulare  Tunica  propria  zur  Ausbildung 
bringt.  Die  äussere,  peritoneale  Hülle  der  Ovarien  wird  von  Zellen  des 
umgebenden  Fettkörpergewebes  gebildet. 


842  XXIII.  Capitel. 

Die  Genitalanlage  reichte  ursprünglich  —  wie  wir  oben  erwähnt 
haben  —  von  dem  zweiten  bis  in  das  siebente  Abdominalsegment.  In 
letzterem  sind  jedoch  die  Genitalzellen  vom  ersten  Anfange  an  nur  spär- 
lich vorhanden  und  verschwinden  später  vollständig,  so  dass  hier  der 
Genitalstrang  nur  aus  Epithelzellen  zusammengesetzt  erscheint.  Dieser 
Theil  ist  die  Anlage  des  eigentlichen  Oviductes  und  stellt  eine  directe 
Fortsetzung  des  obenerwähnten  ventralwärts  von  den  Genitalzellen  ge- 
legenen Zellstranges  (es)  dar,  aus  welchem,  wie  wir  gesehen  haben,  der 
proximale,  kelchförmig  erweiterte  Abschnitt  des  Oviductes  gebildet  wird. 
Der  hintere  Abschnitt  des  Oviductes  biegt  nach  der  Ventralseite  um,  um 
an  der  Grenze  des  siebenten  und  achten  Abdominalsegmentes  eine  Ver- 
bindung mit  der  Hypodermis  einzugehen.  Die  Anlage  des  Oviductes 
stellt  ursprünglich  einen  soliden  Zellstrang  dar.  Erst  später  wird  in  dem- 
selben durch  Auseinanderweichen  der  Zellen  ein  Lumen  gebildet. 

In  späteren  Stadien  macht  sich  eine  beträchtliche  Verkürzung  der  Genital- 
anlage geltend,  so  dass  sie  sich  dann  auf  eine  geringere  Zahl  von  Abdominal- 
segmenten beschränkt,  als  anfangs.  Gleichzeitig  gehen  die  einzelnen  Ovarial- 
röhren  aus  ihrer  ursprünglichen  verticalen  Lage  in  eine  mehr  horizontale  über. 

Der  paarige  Ansatz  der  Oviduct-Anlage  an  die  Hypodermis  der  Inter- 
segmentalfurche  zwischen  dem  siebenten  und  achten  Abdominalsegment 
erinnert  an  die  Verhältnisse,  wie  sie  Palmen  an  gewissen  Ephemeriden 
vorfand,  bei  denen  zeitlebens  die  paarige  Ausmündung  der  Geschlechts- 
ausführungsgänge erhalten  bleibt.  Es  ist  dieses  das  für  die  Insecten  ur- 
sprüngliche Verhältniss.  Bei  dem  Weibchen  von  Phyllodromia  ent- 
wickelt sich  erst  während  des  Larvenlebens  ein  unpaarer,  aus  einer  Ecto- 
dermeinstülpung  hervorgehender  Endabschnitt  der  Geschlechtswege,  in- 
dem es  zur  Ausbildung  jener  Genitaltasche  kommt,  in  welcher  der  Eicocon 
aufgenommen  wird.  Diese  Genitaltasche  bildet  sich,  wie  bereits  Haase 
nachwies,  dadurch,  dass  die  chitinösen  Bauchplatten  des  achten  und 
neunten  Abdominalsegmentes  durch  Einstülpung  in  das  Innere  des  Körpers 
aufgenommen  werden. 

Wir  müssen  hinsichtlich  der  Entwicklung  der  Geschlechtsausführungs- 
gänge bei  den  Insecten  der  Resultate  gedenken,  zu  denen  Nusbaum 
(Nr.  61)  und  Palmen  (Nr.  162)  durch  ihre  Untersuchungen  geführt  wur- 
den, und  welche  mit  den  hier  nach  Heymons  für  Phyllodromia  er- 
wähnten in  voller  Uebereinstimmung  stehen. 

Die  Entwicklung  der  Ausführnn&sgänge  wurde  von  Nusbaum  an 
Pediculinen  und  Periplaneta  untersucht.  Er  fand,  dass  nur  die 
Vasa  deferentia,  respective  die  Oviducte,  aus  den  hinteren  Strängen  des 
Sexualdrüsenkeims,  also  aus  Mesodermgebilden  hervorgehen,  während  die 
übrigen  Theile  des  ausführenden  Apparates  (Uterus,  Vagina,  Recepta- 
culum  seminis,  Ductus  ejaculatorius,  Penis  und  sämmtliche  Anhangs- 
drüsen) sich  aus  dem  Hautepithel  entwickeln  und  demnach  ectodermalen 
Ursprungs  sind.  Und  zwar  entwickeln  sich  die  unpaaren  Theile  (Uterus, 
Penis,  Receptaculum  seminis,  unpaare  Drüsen)  aus  paarigen  Anlagen 
(Wucherungen  der  Hypodermis).  Die  hinteren  Stränge  des  Sexualdrüsen- 
keims legen  sich  an  die  erwähnten  Hypodermiswucherungen  an  und  ver- 
wachsen mit  denselben.  Durch  eine  mediane  Verwachsung  der  paarigen 
Hypodermiswucherungen  entsteht  die  Anlage  der  unpaaren  Organe.  Diese 
Beobachtungen  stehen  mit  den  Resultaten,  zu  denen  Palmen  durch  ver- 
gleichend anatomische  Untersuchungen  geführt  wurde,   in  vollkommener 


Insecten.  843 

Übereinstimmung.  Palmen  fand  den  ursprünglichsten  Typus  der  Aus- 
führungsgänge bei  H  e  p  t  a  g  e  n  i  a  (E  p  h  e  m  e  r  i  d  e  n )  repräsentirt ,  bei 
welcher  Form  ein  unpaarer  Abschnitt  der  Ausführungsgänge  vollkommen 
fehlt.  Die  Oviducte  münden  getrennt  in  der  Falte  zwischen  dem  siebenten 
und  achten  Abdominalsegniente,  während  die  Vasa  deferentia  an  einem 
paarigen  Penis  am  Hinterrande  des  neunten  Sternits  ausmünden.  Aus 
dieser  paarigen  Anlage  entwickelt  sich  in  einzelnen  Fällen  (Forficuliden- 
Männchen,  Meinert)  ein  unpaarer  Endabschnitt  durch  Defectbildung,  in- 
dem nach  Durchbruch  einer  Queranastomose  der  Endabschnitt  der  einen 
Seite  atrophirt.  In  anderen  (den  meisten)  Fällen  jedoch  ist  der  unpaare 
Endabschnitt  als  eine  secundär  hinzugekommene  integumentale  Einstül- 
pung aufzufassen.  Doch  fehlt  bislang  die  Durchführung  dieser  Unter- 
suchungen für  sänimtliche  Insectengruppen. 

Wir  werden  jedoch  vielleicht  aus  der  Uebereinstimmung,  welche 
sich  hinsichtlich  der  Lage  der  Geschlechtsöffnung  bei  Phyllodromia 
(nach  Heymons)  mit  den  Verhältnissen  der  Ephemeriden,  denen  nach 
Palmen  auch  die  Perliden  nahe  stehen,  ergiebt,  zu  dem  Schlüsse  be- 
rechtigt sein,  dass  für  die  gesammte  Insectengruppe  eine  Ausmündung 
an  der  Grenze  des  siebenten  und  achten  Abdoniinalsegmentes  dem  ur- 
sprünglichen Verhalten  entspricht,  und  dass  nur  durch  secundäre  Ver- 
schiebungen eine  Verlagerung  der  Ausmündungsstelle  nach  hinten  (bei 
vielen  Formen)  zustande  gekommen  ist.  Bei  dieser  Annahme  müssten 
wir  allerdings  schon  für  die  Thysanuren,  bei  denen  die  Geschlechts- 
öffnung  unpaar  ist  und  an  der  Grenze  zwischen  dem  achten  und  neunten 
Abdominalsegment,  resp.  im  Bereiche  des  letzteren  sich  findet,  secundär 
abgeänderte  Verhaltnisse  annehmen  (vgl.  dagegen  Haase,  Nr.  153). 

Die  äusseren  (jeschlechtsaiihänge  entstehen  bei  den  meisten  Or- 
thopteren (wie  Dewitz  für  die  Laubheusclirecken  nachgewiesen  hat) 
aus  zwei  Paaren  von  zapfenartigen  Hervorragungen,  welche  dem  achten 
und  neunten  Abdominalsegniente  angehören,  und  von  denen  das  hintere 
Paar  sehr  bald  ein  Doppelpaar  von  Zapfen  darstellt.  Es  entstehen  auf 
diese  Weise  die  sechs  Theile  der  Legeröhre  des  Weibchens,  denen  beim 
Männchen  ähnliche  kürzere  Vorragungen  entsprechen.  Unter  den  gleichen 
Gesichtspunkt  fallen  die  Legebohrer  der  weiblichen  Schlupf-  und  Gall- 
wespen, sowie  der  Giftstachel  der  Biene  (Kraepelin,  Dewitz,  Nr.  103). 
Da  die  ersten  Anlagen  dieser  paarigen  Anhänge  den  Imaginalscheiben 
der  Dipterenlarven  ungemein  ähnlich  sind,  hat  man  sie  vielfach  als  ab- 
dominale Gliedmaassenpaare  in  Anspruch  genommen  (vgl.  oben  pag.  797 ff.). 
Dagegen  ist  die  Legeröhre  vieler  Fliegen  und  mancher  Käfer,  sowie  der 
Penis  der  Käfermännchen  auf  die  fernrohrartig  eingestülpten  hintersten 
Abdominalsegniente  zurückzuführen. 

Die  Entwicklung  der  männlichen  Keimdrüse  geht  bei  Phyllo- 
dromia Anfangs  ganz  in  der  gleichen  Weise  vor  sich ,  wie  wir  dies 
oben  für  die  weibliche  Anlage  geschildert  haben.  Erst  in  späteren 
embryonalen  Stadien  werden  die  sexuellen  Differenzen  erkennbar.  Wir 
bemerken  dann,  dass  bei  dem  Männchen  sich  vier  Anhäufungen  von 
Genitalzellen  mit  Epithelzellen  umgeben,  Diese  Anhäufungen,  welche  die 
Anlage  der  vier  Hodenfollikel  von  Phyllodromia  darstellen,  stehen  in 
inniger  Verbindung  mit  der  Anlage  des  Geschlechtsausführungsganges 
(Vas  deferens)  und  rücken  in  späteren  Stadien  im  Zusammenhang  mit 
letzterer  von  der  ursprünglichen  Genitalanlage  etwas  ab  und  nach  hinten. 
Es  bleibt  dann  an  der  Endfadenplatte  ein  Rest  der  Genitalanlage,  welcher 
nach  Heymons  den  weiblichen  Antheil  der  ursprünglich  hermaphroditischen 


844  XXIII.  Capitel. 

Genitalanlage  darstellt  und  in  einzelnen  Fällen  sogar  rudimentäre  Ei- 
röhren  und  Eier  zur  Entwicklung  bringen  kann.  Das  aus  diesem  Rest 
der  Genitalanlage  hervorgehende  rudimentäre  Organ  ist  noch  im  aus- 
gebildeten Männchen  von  Phyllodromia  nachzuweisen. 

Beim  Weibchen  geht  aus  dem  ursprünglich  angelegten  Ausführungs- 
gange direct  der  Oviduct  hervor.  Beim  Männchen  dagegen  wandelt  er 
sich  nicht  in  seiner  ganzen  Länge  in  das  Vas  deferens  um,  sondern  sein 
distaler  Endabschnitt  wird  rückgebildet  und  durch  einen  neugebildeten 
Endtheil  des  Vas  deferens  ersetzt,  welcher  sich  sodann  mit  dem  ecto- 
dermalen  Ductus  ejaculatorius  verbindet. 

Heymoxs  schliesst  aus  den  angeführten  Thatsachen,  dass  für  die  Vor- 
fahren der  Insecten  der  Hermaphroditismus  das  ursprüngliche  Verhalten 
dargestellt  habe.  Immerhin  wird  durch  das  Vorhandensein  einer  hermaphro- 
ditischen Anlage  im  Embryo  das  häufige  Auftreten  von  Zwitterbildungen  bei 
den  Insecten  erklärlich. 

Ueberblicken  wir  die  Entstehung  der  Geschlechtsorgane,  wie  sie  sich 
nach  der  für  Phyllodromia  gegebenen  Schilderung1)  darstellt,  so  ist  zu- 
nächst darauf  hinzuweisen,  dass  in  der  Herleitung  der  Genitalzellen  von 
Epithelzellen  der  Cölomsäcke  directe  Anklänge  an  die  Anneliden  er- 
halten sind.  In  der  späteren  Entwicklung  der  paarigen  Genitaldrüse 
und  eines  mit  derselben  in  directer  Verbindung  stehenden  Ausführungs- 
ganges ist  eine  gewisse  Uebereinstimmung  mit  den  Verhältnissen  von 
Peripatus  zu  bemerken  (vgl.  oben  pag.  716  ff.).  Vor  Allem  stimmt  die 
dorsale  Lagerung  der  Genitaldrüse  in  beiden  Gruppen  überein.  Dagegen 
verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Genitaldrüse  von  Peripatus 
nach  Sedgwick  durch  directe  Verschmelzung  der  hinter  einander  folgen- 
den Cölomsäckchen  zu  Stande  kommt  (und  ähnliche  Gesichtspunkte  sind 
von  Heathcote  für  die  Myriopoden  geltend  gemacht  worden,  vgl.  pag.  755), 
dass  demnach  bei  Peripatus  die  Genitalhöhle  aus  den  Cölomhöhlen  her- 
vorgeht. Bei  den  Insecten  dagegen  liegt  die  Genitalanlage  zwar  in  der 
Wand  der  Cölomsäcke,  aber  die  Genitalhöhle  (Lumen  des  Oviductes) 
entsteht  hier  gesondert  von  den  Cölomsäcken,  während  die  Cölomhöhlen 
schliesslich  zu  einem  kleinen  Theil  der  definitiven  Leibeshöhle  werden. 
Wir  werden  nach  dieser  Richtung  die  Verhältnisse  von  Peripatus  und 
den  Myriopoden  als  ursprünglichere,  direct  an  die  der  Anneliden  sich 
anschliessende,  die  Verhältnisse  der  Insecten  dagegen  als  abgeleitete  zu 
betrachten  haben. 

Wenn  wir  die  Geschlechtsausführungsgänge  der  Insecten  denen  von 
Peripatus  homolog  setzen  dürfen,  so  müssten  wir  sie  auf  ein  umgewandeltes 
Paar  von  Nephridien  zurückführen.  Hiermit  würde  die  Entstehung  der- 
selben aus  dem  Mesoderm  bei  den  Insecten  in  Uebereinstimmung  stehen ; 
im  Uebrigen  haben  sich  jedoch  an  der  Entwicklung  der  Geschlechtsaus- 
führungsgänge der  Insecten  keine  Merkmale  erhalten,  welche  in  einem 
der  genannten  Auffassung  günstigen  Sinne  gedeutet  werden  könnten. 
Wir  müssen  hier  secundär  eingetretene  Veränderungen  der  Entwicklungs- 
weise annehmen. 

Eine  besondere  Erwähnung  verdient  die  von  Heymons  hervorgehobene 
Thatsache,  dass  in  der  Genitalanlage  von  Phyllodromia  sich  Genitalzellen  und 
Epithelzellen    vom    ersten    Anfange    gesondert    unterscheiden    lassen.      Diese 


])  Dass  diese  Schilderung  nicht  bloss  für  Phyllodromia  zutrifft,  sondern  an- 
näherungsweise auch  eine  weitere,  vielleicht  für  die  Insecten  allgemeine  Giltigkeit 
beansprucht,  scheint  aus  den  übereinstimmenden,  wenn  auch  fragmentarischen  Mit- 
theilungen von  Heider  und  Wheeler  für  Coleopteren  hervorzugehen. 


Insecten. 


845 


Angabe  steht  der  bisher  allgemein  angenommenen  Ansicht,  dass  die  Follikel- 
zellen  und  Eizellen  nur  durch  später  eintretende  Differenzirung  aus  ein  und 
derselben  Zellsorte  hervorgehen,  ungünstig  gegenüber.  Ihrem  ersten  Ursprünge 
nach  sind  allerdings  auch  bei  Phyllodromia  beide  Zellarten  auf  dieselbe  Quelle 
zurückzuführen. 

Eine  besondere  Erwähnung  verdienen  die  Verhältnisse  der  Ent- 
stehung der  Genitalanlagen  bei  den  Dipteren  und  Aphiden,  in 
welchen  Gruppen  die  Sexualanlagen  schon  in  sehr  frühen  Stadien  des 
embryonalen  Lebens  zu  erkennen  sind.  Es  hängt  dies  gewiss  zum  Theil 
mit  der  in  beiden  Gruppen  verbreiteten  parthenogenetischen  und  pädo- 
genetischen  Fortpflanzungsweise  zusammen,  welche  (ähnlich,  wie  bei  Moina, 
pag.  326  u.  378)  zu  einer  frühzeitigen  Sonderung  der  Sexualanlage  führte. 


R 

71 — i 


f--T 


Fig".  516.  Erste  Entwicklungsstadien  des  parthenogenetischen  Eies  der  Cecido- 
myialarve  (nach  Metschnikoff). 

b  Keimhautblastem,  bl  Blastoderm,  d  centraler  Nahrungsdotter,  /  Furchungskerne, 
n  in  Rückbildung  begriffene  Nährzellen  (sog.  Corpus  luteum),  pz  Polzellen. 

• 

Bei  den  Dipteren  ist  die  erste  Anlage  der  Genitaldrüse  durch  die 
sog.  Polzellen  repräsentirt.  Diese  von  Robin  als  „globules  polaires"  be- 
zeichneten, von  Weismann  für  Chironomus  und  Musca  beschriebenen 
Zellen,  welche  sich  noch  vor  der  Bildung  des  Blastoclerms  am  hinteren 
Pole  des  Eies  absondern,  wurden  von  Leuckart  und  Metschnikoff 
(Nr.  55)  an  dem  ungeschlechtlich  sich  entwickelnden  Ei  der  viviparen 
Cecidomyalarven  aufgefunden  (Fig.  516 pz).  Hier  löst  sich  noch  vor 
Ausbildung  des  Blastoderms  vom  hinteren  Eipole  (Fig.  516  B)  eine  ziem- 
lich grosse,  körnchenreiche  Zelle  (pz)  ab,  welche  sich  bald  in  zwei  und 
hierauf  in  vier  Polzellen  (Fig.  516  F)  theilt.  Nach  vollendeter  Blastoderm- 
bildung  rücken  diese  Polzellen  zunächst  zwischen  die  Blastodermzellen 
(Fig.  516  G)  und  hierauf  ins  Innere  des  Embryos,  wo  sie  sich  in  späteren 
Stadien  symmetrisch  in  zwei  Gruppen  anordnen  und  von  Zellen  des  um- 
gebenden Gewebes  umhüllt  zur  Genitalanlage  umwandeln  (Metschnikoff). 

Bei  Chironomus  (Fig.  517  p)  schnüren  sich  nach  Balbiani  vom 
hinteren   Eipole   fast  gleichzeitig  zwei   Polzellen  ab,    welche   sich  durch 


>) 


846 


XXIII.  Capitel. 


Theilung  in  eine  Gruppe  von  vier  und  acht  Zellen  umwandeln.  In  ganz 
ähnlicher  Weise  wie  bei  Cecidomya  werden  diese  Zellen  ins  Innere  des 
Embryos  aufgenommen  (Fig.  517  C),  wo  sie  sich  in  zwei  zu  den  Seiten 
der  Enddarmeinstülpung  gelegene  Gruppen  trennen.  In  ganz  jungen, 
dem  Ei  entschlüpften  Larven  kann  man  diese  beiden  spindelförmigen 
Gruppen,  deren  Zellen  sich  bald  vermehren,  dorsalwärts  zu  den  Seiten 
des  Rückengefässes  von  einer  deutlichen  zelligen  Membran  umhüllt  er- 
kennen, welche  nach  vorn  und  hinten  in  einen  ligament-ähnlichen  End- 
faden übergeht.  Der  vordere  Endfaden  ist  die  Anlage  des  sogenannten 
Müller' sehen  Fadens.  Er  setzt  sich  an  das  Rückengefäss  an  und 
wurde   von   Schneider   (Nr.  74)   für   musculös 


demnach  die  Genitalanlage   der  Dipteren   auf 
der   Flügelmuskel   des   Herzens 


gehalten,    welcher  Autor 


b 

eine 


umgewandelte  Faser 
zurückführt  eine   Annahme,    welche 

von  Balbiani  als  irrthümlich 
zurückgewiesen  wurde.  Der 
nach  hinten  verlaufende  End- 
faden ist  die  Anlage  des  paari- 
gen Ausführungsganges  der 
Genitaldrüse.  Durch  Theilung 
der  im  Inneren  der  Ovarial- 
anlage  gelegenen  Zellen  kommt 
es  zur  Bildung  von  rosetten- 
förmigen  Zellgruppen,  deren  je 
eine  dem  Inhalte  einer  Ovarial- 
röhre   entspricht.      Mit    diesen 

Angaben   Balbiani's  stehen 
auch  die  neueren  Mittheilungen 
Ritter's  (Nr.  71)  in  Ueberein- 
stimmung. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei 
den  Dipteren,  kommt  auch  bei 
den  A  p  h  i  d  e  n  die  erste  Anlage 
der  Genitalorgane  sehr  früh  zur 
Sonderung.  Schon  in  jenen 
frühen  Stadien,  in  welchen 
durch  eine  Einstülpung  vom 
hinteren  Eipole  aus  die  erste 
Anlage  der  Amnionhöhle  sich 
ausbildet  (vgl.  oben  pag.  778  ff.), 
trennt  sich  noch  vor  der  Bil- 
dung des  unteren  Blattes  von  der  Wand  dieser  Einstülpung  eine  Zellgruppe 
(die  Genitalanlage)  ab,  welche  nun  als  eine  unpaare  rundliche  Masse  im 
Inneren  des  Embryos  gelegen  ist.  Diese  Zellgruppe  soll  nach  Balbiani  und 
Witlaczil  durch  Theilung  aus  einer  einzigen  Zelle  hervorgegangen  sein. 
Später  nimmt  sie  Hufeisenform  an  und  zerfällt  in  eine  Anzahl  rundlicher 
Zellhaufen,  welche  sich  jederseits  der  Medianebene  des  Körpers  in  gleicher 
Zahl  anordnen  und  die  Anlage  der  Endfächer  darstellen.  Sie  sind  von 
einem  epithelialen  Ueberzug  umhüllt,  welcher  nach  vorne  in  die  End- 
fäden, nach  hinten  in  die  Ausführungsgänge  übergeht.  Der  Ursprung 
dieses  Epithelüberzugs  ist  zweifelhaft.  Die  Ausführungsgänge  der  ein- 
zelnen Ovarialröhren  verschmelzen  jederseits  zu  einem  gemeinsamen  Ei- 
leiter, und  dieser  setzt  sich  an  eine  unpaare,  unter  dem  Enddarm  ge- 
legene Ectodermeinstülpung  an,  von  welcher  die  accessorischen  Ge- 
schlechtsorgane gebildet  werden  (Metschnikoff,  Witlaczil,  Will). 


Fig.  517.  Drei  Längsschnitte  durch  Chi- 
ronomusembryonen  (nach  Ritter). 

In  A  ist  das  Blastoderm  in  Bildung  be- 
griffen; die  Polzellen  (pz)  liegen  ausserhalb  des- 
selben; in  B  haben  sich  die  Polzellen  zwischen 
die  Blastodermzellen  eingedrängt;  in  C  liegen 
sie  im  Inneren  des  Embryos. 

b  Keimhautblastem,  bl  Blastoderm,  d  Nahr- 
ungsdotter, k  Kerne  des  sich  bildenden  Blasto- 
derms,  p  Polzellen. 


Insecten.  847 


II.   Metamorphose. 

1.    lieber  die  Larvenformeii. *) 

Die  Thysanuren  und  Collembolen  kommen  in  einem  Zustande  aus 
dem  Ei ,  welcher  der  ausgebildeten  Form  schon  völlig  gleicht,  so  dass 
hier  von  einer  Metamorphose  eigentlich  nicht  die  Rede  sein  kann.  Diese 
Formen  dürfen  wir  daher  als  wirkliche  Ametabola  (Insecten  ohne  Ver- 
wandlung) bezeichnen. 

Sämmtliche  übrige  Insecten  dagegen  machen  eine  wirkliche  Meta- 
morphose durch.  Sie  unterscheiden  sich,  wenn  sie  aus  dem  Eie  schlüpfen, 
abgesehen  von  der  geringeren  Grösse,  mindestens  durch  den  Mangel  der 
Flügel  von  dem  ausgebildeten  Insect.  Viele  Insectenlarven  sind  aber  noch 
durch  eine  Anzahl  anderer  Merkmale  von  der  ausgebildeten  Form  (I  m  a  g  o) 
unterschieden. 

Wenn  wir  jene  aus  dem  Eie  kommenden  Jugendformen  (Larven) 
der  Insecten  mit  denen  vieler  Crustaceen,  die  als  Nauplien  aus  dem  Eie 
kommen,  vergleichen,  so  ergiebt  sich  ein  auffallender  Unterschied.  Bei 
den  Insecten  wird  die  typische  Zahl  der  Segmente  bereits  im  Embryo 
angelegt ;  ebenso  sind  die  Gliedmaassen  und  die  wichtigsten  Organanlagen 
bereits  vorhanden.  Nur  die  Flügel  fehlen  noch.  Im  Uebrigen  kennzeichnet 
sich  das  aus  dem  Eie  kommende  Junge  bereits  als  vollendetes  Insect. 
Es  ist  zweifellos,  dass  die  Thysanuren  und  unter  jenen  besonders 
Campodea  (Fig.  535,  pag.  880)  dem  Grundschema  dieser  ungeflügelten 
Larvenformen  sehr  nahe  stehen.  Wir  haben  in  diesen  Formen  unzweifel- 
haft die  ursprünglichsten  Repräsentanten  der  Classe  der  Insecten  vor 
uns.  Doch  werden  wir  bei  einem  speciellen  Vergleich  nicht  ausser  Augen 
lassen  dürfen,  dass  manche  Organsysteme  (z.  B.  das  Tracheensystem) 
möglicherweise  in  Folge  der  geringen  Körpergrösse  eine  Reduction  er- 
fahren haben. 

Die  Ordnungen  der  Insecten  theilen  sich  nach  der  Art  ihrer  Meta- 
morphose in  zwei  Gruppen.  Zu  der  einen  gehören  jene  Ordnungen,  die 
wir  ihrer  Organisation  nach  als  die  ursprünglicheren  zu  betrachten  pflegen 
und  die  zum  Theil  auch  durch  das  Vorhandensein  eines  ins  Innere  des 
Eies  eingestülpten  Keimstreifs  sich  an  die  Myriopoden  anschliessen.  Hier 
wandelt  sich  die  Larve  durch  eine  Reihe  aufeinanderfolgender  Häutungen 
allmählich  in  die  Imagoform  um.  Allmählich  sprossen  die  successive 
sich  vergrössernden  Flügelanlagen  hervor.  Hier  vollzieht  sich  demnach 
die  Metamorphose  als  ein  Auswachsen  in  dem  Rahmen  der  vorhandenen 
Segmentirung  und  Organanlagen.  Wir  bezeichnen  diese  Art  der  Ent- 
wicklung als  unvollkommene  Verwandlung  und  die  hierher  ge- 
hörigen Insecten  als  h o m omor p h e. 

Complicirter  ist  der  Entwicklungsablauf  in  der  zweiten  Gruppe,  zu 
der  die  höherstehenden  Insectenordnungen  gehören.  Hier  kommt  aus 
dem  Ei  ein  Stadium,  welches  häufig  beträchtliche  Unterschiede  von  der 
Imagoform  aufweist,  und  sich  auch  in  der  Lebensweise  von  derselben 
unterscheidet.  Dieses  „ Wa chsthumsst a d i u m "  erreicht  unter  reger 
Nahrungsaufnahme  und  unter  Ablauf  mehrfacher  Häutungen  eine  beträcht- 
liche Grösse,  um  sich  schliesslich  in  ein  Ruhestadium,  die  Puppe,  um- 
zuwandeln.   In  diesem  Stadium  ist  das  Vermögen  der  Locomotion  unter- 


x)  Wir    haben    uns    in   der   folgenden   Darstellung    hauptsächlich    an   Lubbock 
(No.  156)  und  Brauer  (No.  146)  angeschlossen. 


848  XXIII.  Capitel. 

drückt;  es  bewegt  sich  kaum,  nimmt  keine  Nahrung  auf,  sämmtliche 
animale  Processe  sind  in  den  Hintergrund  getreten,  während  die  vegeta- 
tiven Vorgänge  die  weitere  (vor  Allem  innere)  Umwandlung  des  Körpers 
bewirken.  Es  folgt  also  auf  die  Larve  ein  Stadium,  das  in  vieler  Hin- 
sicht den  Embryonalstadien  ähnlich  ist,  und  man  könnte  das  Puppen- 
stadium als  eine  Wiederaufnahme  der  Embryonalentwicklung  bezeichnen. 
Aber  es  ergiebt  sich  bei  genauerer  Betrachtung  ein  gewisser  Unterschied. 
In  den  embryonalen  Stadien  entwickeln  sich  die  Organe  meist  aus  ein- 
heitlichen Anlagen,  während  sie  hier  vielfach  durch  Concrescenz  aus  einer 
Anzahl  discreter  Bildungscentren  (I  m  a  gi  n  a  1  s  c h  e  i  b  e  n)  aufgebaut  wer- 
den (z.  B.  der  Mitteldarm,  die  Hypodermis).  Diese  Imaginalscheiben 
müssen  wir  als  embryonale  Reste  betrachten,  welche  das  Larvenleben  in 
einer  Art  latenten  Zustandes  überdauern  und  in  denen  die  regenerativen 
Fähigkeiten  der  Embryonalanlage  erhalten  bleiben.  Jene  Organparthien 
dagegen,  welche  in  der  Larve  functionirten,  fallen  einem  Auflösungs- 
process  anheim  (vgl.  pag.  859  ff.). 

Aus  der  Puppe  kommt  durch  eine  nochmalige  Häutung  das  Stadium 
der  Geschlechtsreife,  das  geflügelte  Imagostadium,  welches  kein  Körper- 
wachsthum  mehr  aufweist. 

Die  nach  diesem  Typus  sich  entwickelnden  Insecten  hat  man  als 
Heteromorpha  und  ihre  Metamorphose  als  vollkommene  Ver- 
wandlung (Metabolie)  bezeichnet. 

A.   Homomorpha. 

Die  postembryonale  Entwicklung  der  hierher  gehörigen  Insecten  ist 
meist  eine  wirkliche  Metamorphose,  insofern  das  aus  dem  Ei  kommende 
Junge  bei  aller  sonstigen  Aehnlichkeit  mit  der  ausgewachsenen  Form  sich 
von  derselben  durch  den  Mangel  der  Flügel  (und  der  zu  äusseren  Ge- 
schlechtstheilen  sich  umbildenden  abdominalen  Anhänge)  unterscheidet, 
wozu  in  einzelnen  Fällen  mit  der  Aenderung  in  der  Lebensweise  auch 
Umwandlungen  in  der  Form  der  Extremitäten  sich  gesellen  können 
(Cicaden).  —  Die  Umwandlung  in  das  vollendete  Insect  ist  eine  mehr 
allmähliche.  Das  letzte  Larvenstadium  mit  bereits  entwickelten  Flügel- 
anlagen wird  als  Nymphe  bezeichnet.  Nur  bei  den  Pediculiden  und 
Mallophagen  entfällt  in  Folge  der  parasitischen  Lebensweise  mit  dem 
Verlust  der  Flügel  auch  die  Metamorphose  (erworbene  Ametabolie,  Lang). 

Die  hierher  gehörigen  Insecten  lassen  sich  nach  der  Art  ihrer  Meta- 
morphose in  zwei  Untergruppen  trennen: 

I.  PauTOinetabola.  Die  postembryonale  Entwicklung  vollzieht  sich 
unter  allmählichem  Anwachsen  des  Körpers  (mehrfache  Häutungen)  und 
successivem  Hervorsprossen  der  Flügelanlagen  und  der  äusseren  Ge- 
schlechtsteile. Bei  den  Insecten  dieser  Gruppe  stimmen  die  Jugend- 
stadien mit  den  ausgebildeten  Formen  nicht  bloss  hinsichtlich  der  Ge- 
stalt, sondern  auch  nach  ihrer  Lebensweise  überein. 

Hierher  gehören  die  D  e  r  m  a  p  t  e  r  a ,  Orthoptera  g  e  n  u  i  n  a  , 
Corrodentia,  Thysanoptera  und  die  meisten  Rhynchoten. 

Die  Jugendformen  der  meisten  Rhynchoten  sind  im  Bau  der  Mundtheile 
und  der  Körperform  den  Imagines  ähnlich  und  wandeln  sich  allmählich  in  die 
ausgebildete  Form  um.  Eine  Ausnahme  hiervon  macht  das  Genus  Aleurodes, 
dessen  schildförmige  Larve  sich  im  Habitus  von  der  vierflügeligen  Imago 
unterscheidet  und   sich   in  eine   ruhende  Puppe   umwandelt,    welche   von  der 


Insecten. 


849 


Larvenhaut  bedeckt  wird.  Hier  findet  sich  demnach  eine  vollkommene  Ver- 
wandlung. Aehnlich  verhalten  sich  die  Männchen  der  Cocciden,  indem 
sie  sich,  sei  es  unter  der  schützenden  Larvenhaut,  sei  es  in  einem  gesponnenen 
Cocon  in  eine  ruhende  Puppe  umwandeln.  Auch  bei  den  Cicadidae  (Fig.  518) 
kommt  es  zu  einer  höheren  Ausbildung  der  Metamorphose.  Die  Larven  (Ä) 
leben  unter  der  Erde  an  Wurzeln  von  Bäumen  und  haben  hakenförmige, 
zum  Graben  umgewandelte  Vorderfüsse.  Die  Nymphe  (B)  ist  hier  beweglich. 
Nur  kurz  vor  dem  Ausschlüpfen  der  Imago  (C)  verhält  sie  sich  ruhig,  das 
Bersten  der  Haut  abwartend. 

IL  Hemimetabola.  Die  Jugendstadien  unterscheiden  sich  von  den 
Imagines  nicht  bloss  durch  den  Mangel  der  Flügel,  sondern  auch  durch 
das  Vorhandensein  von  provisorischen  (Larven-)  Organen. 


Fig.  518.   A  Larve,  B  Puppe,  C  Imago  von  Cicada  septemdecim  (nach  Packard). 


Die  Larven-Stadien  leben  im  Wasser  und  sind  durch  die  Verhält- 
nisse der  Respirations- Organe  von  den  Imagines  verschieden  (Tracheen- 
kiemen, Darmathmung). 

Hieher  gehören  die  E  p  h  e  in  e  r  i  d  e  n ,  Odonaten  und  P 1  e  c  o  p  t  e  r  a. 

Ephemeridae.  Die  Ephemeriden  stellen  eine  sehr  ursprüngliche  Insecten- 
gruppe  dar.  Bei  ihnen  allein  haben  sich  die  paarigen  Ausführungsgänge  der 
Geschlechtsorgane  in  der  ursprünglichen  Form  erhalten.  Die  Larven  (Fig.  519) 
leben  im  Wasser  und  kommen  in  einer  Form  aus  dem  Ei,  welche  im  Habitus 
sehr  an  Campodea  erinnert.  In  den  späteren  Stadien  sind  sie  durch  den 
Besitz  äusserer  Tracheenkiemen  (1c)  ausgezeichnet,  welche  als  einfache  oder 
doppelte  Blätter,  die  am  Rande  mit  Zweigen  besetzt  sein  können,  als 
Kiemenbüschel  oder  als  mit  einem  Blatt  gedeckte  Kiemenbüschel  an  den 
hinteren  Ecken  der  (in  den  meisten  Fällen)  sieben  vorderen  Abdominalseg- 
mente aufsitzen.  In  das  Innere  dieser  Aussackungen  der  Haut  erstrecken 
sich  reich  verästelte  Tracheenstämme,  welche  den  Gasaustausch  mit  dem  um- 
gebenden Medium  vermitteln.  Dementsprechend  sind  die  Stigmata  geschlossen 
und  die  Stigmenäste,    welche    sich  im  Meso-    und  Metathorax   und   den  acht 


850 


XXIII.  Capitel. 


ersten  Abdominalsegmenten  finden,  nur  als  dünne,  farblose,  nicht  lufthaltige 
Stränge  ausgebildet  (Geschlossenes  Tracheensystem).  Nur  im 
Momente  der  Häutung  öffnen  sich  die  Stigmenäste  und  Stigmata,  um  die 
Tracheenintima,  welche  im  Zusammenhange  mit  der  Cuticula  der  Körperober- 
fläche abgestossen  wird,  nach  aussen  durchtreten  zu  lassen  (Palmen  No.  161). 
Die  Zahl  der  Häutungen,  durch  welche  die  einzelnen  Stadien  der  successive 
der  Imagoform  immer  ähnlicher  werdenden  Larve  sich  abgrenzen,  ist  eine 
sehr  beträchtliche  (bei  Chloe  über  20,  Lubbock).  Bei  der  vorletzten  Häutung 
geht  aus  dem  letzten  Larven-  (Nymphen-)stadium,  das  noch  unvollkommene 
Flügel  aufwies ,  ein  schon  vollkommen  geflügeltes,  der  Imago  sehr  ähnliches 
Stadium  (Subimago)  hervor,  welches  sich  von  den  vorhergehenden  Stadien 

dadurch  unterscheidet,  dass  bei  ihm  die  Nahrungs- 
aufnahme unterdrückt  ist.  Bei  dieser  Häutung  wer- 
den die  Stigmata  und  Stigmenäste  definitiv  eröffnet 
und  die  Kiementracheen  durch  einen  Act  spontaner 
Amputation  an  ihrer  Insertionsstelle  abgeschnürt 
und  abgestossen,  so  dass  sie  in  der  leeren  Haut 
(Exuviae)  des  letzten  Nymphenstadiums  zurück- 
bleiben. Durch  eine  nochmalige  auf  dem  Trockenen 
sich  vollziehende  Häutung  geht  das  Subimago- 
stadium  in  die  Form  der  Imago  über. 

Odonata.  Die  Larven  der  Odonaten  sind  theils 
von  gestreckter  Körperform  und  den  Imagines  ziem- 
lich ähnlich,  theils  unterscheiden  sie  sich  von  den- 
selben durch  den  robusten,  mehr  gedrungenen 
Habitus.  Alle  sind  durch  die  merkwürdige  Modi- 
fication  der  Unterlippe,  welche  eine  vorschnellbare 
sog.  Maske  (Fangzange)  darstellt,  charakterisirt. 
Die  Respirationsorgane  zeigen  in  den  ein- 
zelnen Gattungen  wechselnde  Modificationen.  Die 
verschliessbaren  Stigmen  am  Thorax  und  Hinter- 
leib (Hagen)  der  Larven  scheinen  vorwiegend  zur 

Luftabgabe  benützt  zu  werden,  doch  athmen 
ältere  Libellenlarven  durch  die  Bruststigmen  auch 
Luft  ein  (Dewitz).  Die  Tracheenkiemen  sind  bei 
Aeschna  und  Libellula  an  den  Wänden  des 
Afterdarms  (Darmkiemen)  gelegen,  bei  den 
Agrioniden  finden  sich  drei  Kiemenblätter  am 
letzten  Hinterleibssegmente.  Diese,  wie  auch  die 
Darmkiemen  der  Libelluliden(  Hagen)  werden 

bei    dem    Uebergang   in    die  Imagoform    durch 
spontane  Amputation  abgestossen.  Bei  E  u  p  h  a  e  a , 
welche    durch    das  Vorhandensein    von  Abdominalanhängen  ausgezeichnet   ist, 
finden   sich    lange   kegelförmige  Kiemen    zu    beiden    Seiten   des  Leibes   nach 
Aussen  vom  Stigma  am  zweiten  bis  achten  Segmente  (Hagen).  — 

Plecoptera.  Insoferne  bei  den  Perlaridae  die  Kiemenbüschel  (Fig. 
520  A,  Je)  im  Imagozustande  erhalten  bleiben  und  die  Metamorphose 
eigentlich  nur  in  einem  allmählichen  Auswachsen  der  Flügel  bestellt,  würden 
sich  dieselben  streng  genommen  in  die  Gruppe  der  Paurometabola  einreihen 
lassen.  Die  Larven  erinnern  im  Habitus  an  die  Campodea  (Fig.  520  B) 
und  besitzen  Respirationsorgane  theils  in  der  Form  von  lateralen  Kiemen- 
quasten (Fig.  520  A,  k)  an  den  Seiten  des  Thorax,  theils  auf  dem  ersten 
ventralen  Bauchschild  als  Prosternalkiemen,    theils  zu    den  Seiten  der  After- 


Tig.  519.     Ephemeri- 
denlarve. 

S  ÄTracheenkiemen,  t  Haupt- 
stamm  des  Tracheensystems. 


Insecten. 


851 


Öffnung  oder  am  Seitenrande  des  Abdomens.  Wenn  die  Perlaridae  hier 
unter  den  Hemimetabolen  angeführt  werden,  so  ist  dies  durch  den  Umstand 
gerechtfertigt,  dass  die  Kiementracheen  bei  den  Imagines  nicht  mehr  als 
solche  functioniren .  sondern  sich  nur  geschrumpft  und  in  rudimentärem 
Zustande  erhalten. 

B.    Heteromorpha. 

Die  Larven  der  hierher  gehörigen  Insecten  sind  in  ihrem  Habitus  von 
den  Imagines  bedeutend  verschieden.  Zum  Theil  erinnern  sie  noch 
einigermassen  an  Campodea-  ähnliche  Formen,  vielfach  sind  sie  jedoch 
durch  Anpassung  an  bestimmte  Lebensweisen  modificirt  und  häufig  unter 
Zurücktreten  der  animalen  Functionen  und  Ueberwiegen  der  vegetativen 


Fig.  520.    A  Larve  einer  Perlide  in  der  Seitenansicht  (nach  Gräber),  k  büschel- 
förmige Kiementracheen,  st  Stigmen.     B  Larve  von  Perla  bicaudata  (nach  Westwood). 


(bei  mehr  oder  weniger  parasitischer  Lebensweise)  rückgebildet.  Den  End- 
punkt dieser  rückgebildeten  Formen  stellt  die  fuss-  und  augenlose  „Made" 
mit  rudimentären  Fresswerkzeugen  dar.  In  den  meisten  Fällen  ist  die 
Lebensweise  der  Larve  von  der  der  ausgebildeten  Form  völlig  ver- 
schieden. Wir  müssen  die  vollkommene  Metamorphose  als  eine  Höher- 
gestaltung des  Entwicklungsganges  betrachten,  als  eine  erworbene  Differen- 
zirung  im  Bereich  des  Larvenlebens,  durch  welche  die  hochausgebildeten, 
aber  ihrer  Entstehung  nach  wahrscheinlich  jüngeren  Insecten-Ordnungen 
gegenüber  den  Homoinorpha  sich  auszeichnen. 

Stets  ist  das  letzte  Stadium  des  Larvenlebens  eine  sogenannte  Puppe, 
welche  in  der  Körperform,  der  Entwicklung  der  Gliedmaassen  und  im 
Bau  der  Mundtheile   der  Imago  ähnlich  ist.    In   diesem  Stadium  ist  die 


852 


XXIII.  Capitel. 


Nahrungsaufnahme  sistirt  und  meist  auch  die  Fähigkeit  der  Locomotion 
unterdrückt  (ruhende  Puppe).  Häufig  ist  die  Puppe  in  einem  von  der 
Larve  fabricirten  Gespinnst  (Cocon)  eingeschlossen.  Stehen  die  Glied- 
maassen  der  Puppe  von  der  Körperoberfläche  frei  ab,  so  bezeichnet  man 
dieselbe  als  freigliedrige  (Pupa  libera,  gemeisselte  Puppe).  In 
anderen  Fällen  sind  die  Gliedmaassen,  welche  bei  der  ruhenden  Puppe 
an  die  Bauchseite  angedrückt  gehalten  werden,  gleich  nach  dem  Ab- 
streifen der  Larvenhaut  zwar  auch  frei,  werden  aber  bald  durch  eine 
zähe,  erhärtende  Ausscheidung  mit  der  Körperoberfläche  verklebt,  so  dass 
ihre  Contouren  weniger  deutlich  umschrieben  sind  (Lepidopteren  und  viele 
Dipteren).  Man  bezeichnet  diese  Form  als  Mumien  puppe  (Pupa 
obtecta,  Cbrysalis).  In  der  Ordnung  der  Dipteren  kommt  es  viel- 
fach vor,  dass  die  Puppe  von  der  letzten  Larvenhaut  umschlossen  bleibt 
(Tonnenpuppe,  Pupa  coarctata). 

Die  Zahl  der  Häutungen  ist  bei  der  vollkommenen  Verwandlung 
eine  beschränkte  und  erreicht  niemals  eine  solche  Höhe,  wie  bei  manchen 

Homoinorphen  (Ephemeriden). 

Neuroptera.  Die  Larven  der  Sialiden  haben 
beissende  Mundtheile ,  welche  denen  der  Imagoform 
ähnlich  sind.  Im  Habitus  erinnern  sie  an  manche 
Käferlarven.  Die  Larven  der  Megaloptera  dagegen 
haben  in  ihren  Mundtheilen  eine  eigentümliche  Um- 
bildung zum  Aussaugen  der  Beute  erfahren,  indem  die 
Mandibeln  an  ihrer  Unterseite  eine  Furche  aufweisen, 
so  dass  Mandibeln  und  Maxillen  zusammen  jederseits 
ein  Saugrohr  darstellen.  Im  Habitus  sind  die  Larven 
theils    langgestreckt,    und    erinnern    an    Käferlarven 

(Mantispa,  die  merkwürdige,  an  Spongilla 
schmarotzende  Sisyra),  theils  mehr  gedrungen  und 
von  robustem  Körperbau  (Myrmeleon).  Es  er- 
eignet sich  hier  demnach  der  seltene  Fall ,  dass  die 
saugenden  Mundtheile  der  Larve  in  der  Imagoform 
durch  beissende  ersetzt  werden,  wie  dies  auch  bei  den 
Dytisciden   unter  den  Käfern  der  Fall  ist. 

Die  Puppe  ist  im  Wesentlichen  eine  ruhende,  frei- 
gliederige  Puppe,  welche  bei  den  Megaloptera  in 
einen  grobmaschigen,  rundlichen  Cocon  eingeschlossen 
liegt.  Doch  erlangt  dieselbe  bei  einigen  Formen  dicht  vor  der  Umwandlung 
in  die  Imagoform  die  Fähigkeit  der  Locomotion  und  wandert  umher,  bevor 
sie  durch  Abstreifen  der  Puppenhaut  zur  Imago  wird.  In  diesem  Verhalten 
ist  ein  Uebergang  zur  Metamorphose  der  Paurometabola  mit  beweglichen 
Nymphen  gegeben. 

Panorpatae.  Die  Larven  sind  raupenförmig  und  leben  unter  Moos  oder 
unter  der  Erde.  Sie  besitzen  einen  herzförmigen  Kopf  und  kräftige,  beissende 
Mundwerkzeuge.  An  den  Abdominalsegmenten  können  acht  Paare  von  Bauck- 
füssen  (vom  ersten  bis  achten  Abdominalsegment)  vorkommen.  An  dem  Hinter- 
leibsende findet  sich  die  Anlage  einer  an  die  der  Forficulinen  erinnernden  analen 
Haltgabel.  Durch  das  Vorhandensein  eines  aus  dichtgestellten  Punktaugen 
zusammengesetzten  Auges  unterscheiden  sich  diese  Larven  von  ähnlich  ge- 
stalteten Lepidopteren-  und  Hymenopterenlarven. 

Trichoptera.  Die  Phryganeen- Larven  leben  meist  im  Wasser  und 
verfertigen  sich  ein  aus  Fremdkörpern  (Steinchen,  Pflanzentheilen,  Schnecken- 


Fig-.  521.  Larve 
von  Phryganea  fusca 
(nach  Pjctet). 

h  Klammerhaken, 
k  Kiementracheen. 


Insecteu.  353 

häusern)  zusammengesponnenes  Gehäuse,  das  in  einzelnen  Fällen  an  Steinen 
befestigt  sein  kann.  Im  Habitus  nähern  sie  sich  den  Käferlarven  (Fig.  521). 
Sie  besitzen  drei  Paare  von  langen  Thoraxbeinen  und  am  Hinterleibsende 
ein  Paar  von  Fortsätzen,  welche  mit  Haken  (h)  besetzt  sind.  An  den  Seiten 
des  Hinterleibes  (und  des  Meso-  und  Methathorax)  kommen  Tracheenkiemen 
Qc)  in  Form  von  Schläuchen  oder  Büscheln  vor.  Die  Puppe  ist  freigliedrig. 
Die  Verpuppung  vollzieht  sich  im  Gehäuse  der  Larve,  nachdem  in  demselben 
noch  eine  weitere  Hülle  gesponnen  wurde.  Vor  dem  Auskriechen  der  Imago 
wird  die  Puppe  beweglich,  verlässt  die  Puppenhülle  und  kriecht  ans  Land, 
um  sich  daselbst  zur  Imago  umzuwandeln. 

Lepidoptera.  Die  Larven  sind  von  übereinstimmendem  Habitus  und 
zeigen  die  Form  der  Raupe  (Eruca).  Die  meisten  leben  auf  dem  Lande. 
Nur  ganz  wenige  Pyraliden  durchlaufen  das  Larvenleben  im  Wasser. 
Bei  diesen  kann  es  dann  auch  zur  Entwicklung  von  schlauchförmigen  Tracheen- 
kiemen kommen  (Paraponyx,  während  Acentropus,  Hydrocampa 
und  Cataclysta  echter  Tracheenkiemen  entbehren).  Von  den  13  äusser- 
lich  erkennbaren  Körperringen  stellt  der  vorderste  den  Segmentcomplex  des 
Kopfes  dar.  Er  trägt  die  meist  dreigliedrigen,  kurzen  Fühler  und  die 
beissenden  Mundwerkzeuge.  Eine  in  der  Medianebene  verlaufende  sog.  Gabel- 
linie entspricht  der  Verwachsungs-Xath  der  Kopf  lappen.  Zu  beiden  Seiten  des 
Kopfes  finden  sich  sechs  (seltener  fünf)  im  Halbkreis  angeordnete  Punktaugen. 
Die  auf  den  Kopf  folgenden  drei  Brustringe  sind  den  Abdominalringen  gleich- 
gestaltet. Das  erste  Stigmenpaar  gehört  dem  Prothorax  an,  die  acht  folgenden 
dem  ersten  bis  achten  Abdominalsegment.  Die  Beine  fehlen  höchst  selten  voll- 
ständig; in  anderen  Fällen  sind  sie  rudimentär  (einige  Minirraupen).  Meist  sind 
drei  Paare  kurzer,  gegliederter  Thoracalbeine  und  fünf  Paare  von  Abdominal- 
beinen vorhanden.  Letztere  finden  sich  am  dritten  bis  sechsten  Abdominalsegment 
und  am  Endsegment  als  sog.  Nachschieber.  Sie  sind  stummeiförmig  und  weisen 
eine  zweilappige  oder  kreisförmige  mit  Häkchen  besetzte  Sohle  auf.  Bei 
Xepticula  finden  sich  im  Ganzen  achtzehn  Beine.  In  anderen  Fällen  wird  durch 
Reduction  der  Abdominalbeinpaare  die  Zahl  eine  geringere.  Bedeutend 
reducirt  ist  dieselbe  bei  den  Spannerraupen,  welche  ausser  den  drei  Thorax- 
beinpaaren nur  zwei  oder  drei  Abdominalbeinpaare  aufweisen  (am  sechsten 
und  neunten  Abdominalsegment). 

Die  Puppe  ist  eine  Mumienpuppe  (Pupa  obtecta)  und  häufig  in  einem 
Cocon  eingeschlossen.  Bei  den  Puppen  einiger  Tineiden  (besonders  bei 
Micropteryx)  sollen  die  Beine  theilweise  frei  sein.  Der  Bau  der  Mund- 
theile  ist  dem  der  Imago  im  wesentlichen  gleich. 

Diptera.  Die  Larven  der  Dipteren  müssen  im  Allgemeinen  als  wesent- 
lich rückgebildete  Formen  in  Anspruch  genommen  werden.  Um  so  grösser 
ist  die  Mannigfaltigkeit  in  den  einzelnen  Untergruppen.  Hier  kommt  der 
Typus  der  fusslosen,  weichhäutigen,  aus  einer  Anzahl  gleichartiger  Ringel 
bestellenden  sog.  „Maden"  am  deutlichsten  zur  Ausbildung.  Stets  fehlen  die 
Extremitäten  des  Thorax;  nur  am  ersten  Thoraxsegmente  können  sich  Rudimente 
von  Extremitäten  erhalten.  Ebenso  kommen  zuweilen  an  den  Abdominal- 
segmenten stummeiförmige  Bauchfüsse  zur  Ausbildung.  Auch  die  Mundtheile 
sind  vielfach  nur  rudimentär  entwickelt.  In  den  meisten  Fällen  weist  das 
Integument  eine  weichhäutige  Beschaffenheit  auf;  doch  kann  dasselbe  auch 
resistenteren  Charakter  annehmen  (Stratiomyslarve,  in  deren  Haut  nach 
Letdig  Kalksalze  abgelagert  sind).  Die  weichhäutige  Beschaffenheit  des 
Integuments  kann  sich  auch  auf  die  Kopfsegmente  ausdehnen  (kopflose 
Larven);  hier  kommt  es  jedoch  meist  zur  Ausbildung  eines  chitinösen, 
die  Mundtheile  schützenden  Schlundgerüstes    oder    einer    mehr    oder    weniger 

Korschelt-Heider,  Lehrbuch.  55 


854  XXIII.  Capitel. 

ausgebildeten  Kieferkapsel.  Aber  nur  in  dem  Falle,  dass  diese  chitinöse 
Kapsel  die  Ganglien  des  Kopfes  in  sich  birgt,  wird  dieselbe  als  eigentlicher 
„Kopf"  bezeichnet  (Brauer)   (eucephale  Larven).  — 

Die  Puppe  ist  nicht  immer  eine  ruhende.  In  einzelnen  Fällen  (Culi- 
ciden)  bewegt  sie  sich  durch  Stösse  des  Hinterleibs  im  Wasser  umher. 
Die  ruhende  Puppe  ist  häufig  von  der  Larvenhaut  umschlossen  und  wird 
dann  als  Tonnenpuppe  bezeichnet.  Sie  ist  entweder  freigliederig  (Pupa 
libera)  oder  ähnlich  der  Lepidopterenpuppe  mit  angeklebten  Gliedmaassen 
versehen  (Pupa  obtecta,  Mumienpuppe). 

Die  Formen  der  Dipterenlarven  wurden  von  Brauer  (Nr.  100)  für  die 
Systematik  verwerthet.  Brauer  unterscheidet  nach  der  Art  des  Aufberstens  der 
Larvenhaut  bei  der  Verpuppung  (oder,  im  Falle  eine  Tonnenpuppe  gebildet 
wird,  bei  dem  Ausschlüpfen  der  Imago)  zwei  Haupttypen:  1)  Ortho rhap ha, 
bei  denen  im  Allgemeinen  ein  Längsspalt  am  Rücken  und  ein  darauf  senk- 
rechter Querriss  sich  öffnet.  2)  Cyclorhapha,  bei  denen  die  Berstung 
in  Bogenlinien  erfolgt,  so  dass  am  vorderen  Pole  ein  oder  zwei  Deckelchen  ab- 
springen. Dem  ersteren  Typus  gehören  die  den  ursprünglichsten  Habitus 
aufweisenden  eucephalen  Larven  der  Culiciden  und  Chironomiden,  ferner  die 
Larven  der  Tipuliden,  Cecidomyiden,  Stratiomyiden  etc.  an,  während  die 
Museiden,  Syrpliiden  und  Pupiparen  dem  zweiten  Typus  folgen. 

In  Bezug  auf  die  Verhältnisse  der  Respirationsorgane  zeigt  sich  eine 
grosse  Mannigfaltigkeit.  Viele  Larven  athmen  nur  durch  das  letzte  offen- 
bleibende Stigmenpaar  am  hinteren  Körperende  (metapneustisch),  bei 
anderen  erhält  sich  das  vordere  und  hintere  Stigmenpaar  durchgängig, 
während  die  übrigen  verschlossen  sind  (amphipneustisch) ;  wieder  in 
anderen  Fällen  sind  auch  die  dazwischen  gelegenen  Stigmen  theilweise  geöffnet 
(peripneus tisch ).  Dagegen  athmen  die  Puppen  mancher  Formen  nur 
durch  das  vorderste,  dem  Prothorax  zukommende  Stigmenpaar  (pro- 
pneustisch).  — 

Siphonaptera.  Die  Larve  ist  fusslos,  mit  beissenden  Mundtheilen,  und 
besteht  aus  einem  Kopf  und  zwölf  ziemlich  gleichartig  gestalteten  Segmenten. 
Zehn  Stigmenpaare  an  den  drei  Thorax-  und  sieben  vordersten  Abdominal- 
segmenten. Die  Puppe  ist  gemeisseit ;  Mundtheile  und  Körperform  gleichen  der 
Imago;  sie  ruht  in  einem  Cocon. 

Coleoptera.  Viele  Coleopterenlarven  erinnern  im  Habitus  an  die  Cam- 
podeaform.  Hier  finden  sich  an  den  Thoraxsegmenten  drei  wohlentwickelte 
Beinpaare  und  am  Hinterleibsende  in  manchen  Fällen  ein  Paar  fadenförmiger 
oder  griffelähnlicher  Anhänge.  Oefters  tritt  am  hinteren  Körperende  ein 
Paar  stumm  eiförmiger  sog.  Nachschieber  auf.  Der  stets  wohlentwickelte 
Kopf  zeigt  die  bei  den  Lepidoptera  erwähnte  Gabellinie  und  trägt  meist  kurze 
Fühler  und  jederseits  in  verschiedener  Zahl  sich  findende  (sechs  und  weniger) 
Punktaugen,  die  übrigens  vielfach  fehlen.  Mundtheile  beissend,  die  Mandibeln 
in  einzelnen  Fällen  (Dytiscidae)  zu  Saugzangen  umgebildet.  Meist  sind 
neun  Stigmenpaare  vorhanden,  von  denen  das  erste  dem  ersten  oder  zweiten 
Thoraxsegment  zukommt  oder  an  der  Grenze  zwischen  beiden  gelegen 
ist,  während  die  übrigen  den  acht  vordersten  Abdominalsegmenten  angehören. 
Die  im  Wasser  lebenden  Larven  (Dytiscus,  Hydrophilus)  metapneu- 
stisch, zum  Theil  mit  Tracheenkiemen  (Gyrinus).  Durch  Streckung  kommt 
es  zur  Ausbildung  der  drathförmigen  Larven  der  Elateriden,  in  anderen 
Fällen  entwickeln  sich  verbreiterte  asseiförmige  Gestalten  (Parniden). 
Die  Lamellicornierlarven  sind  augenlos,  weichhäutig,  weisslich  und 
durch  den  sackförmig  aufgetriebenen  letzten  Körperring  ausgezeichnet  (Enger- 
ling).    Bei  den  unter,  der  Rinde  oder    im  Holz  bohrenden  Formen  werden 


Insecten. 


855 


Fig.  522.  Metamorphose  von  Sitaris  (nach 
Fabre,  aus  Lubbock). 

A  erstes  Larvenstadium,  B  zweites  Larven- 
stadium ,  C  drittes  Larvenstadium  (sog.  Pseudo- 
clnysalis),  D  viertes  Larvenstadium,  E  Puppe. 


die  Beine  rudimentär  oder  fehlen  vollständig  (Buprestidae,  Ceramby- 
cidae).  Solche  rückgebildete  Larvenformen  können  schliesslich  maden- 
ähnlich werden  (Curculionidae,  Bostrychidae).  — 

Die  Puppe  ist  freigliedrig,  in  der  Körperform  und  dem  Bau  der  Mund- 
theile  der  Imago  ähnlich. 

Eine  von  Fabre  (No.  105) 
als  Hypermetamorphose 
bezeichnete  Complication  erleidet 
die  Verwandlung  der  Meloi- 
den  in  Anpassung  an  die  eigen- 
thümliche  Lebensweise  der  Lar- 
ven. Die  junge,  Campodea  ähn- 
liche Larve  von  Sitaris  (Fig. 
522  A)  gelangt  zunächst  auf 
das  Männchen  und  während  der 
Copulation  auf  das  Weibchen 
von  Anthophora.  Sobald 
diese  Biene  ihr  Ei  in  die  mit 
Honig  gefüllten,  aus  Erde  ge- 
mauerten Zellen  absetzt,  schlüpft 
die  Sitarislarve  auf  das  an  der 
Oberfläche  des  Honigs  schwim- 
mende Ei,  dessen  Inhalt  ihr  zur  ersten  Nahrung  dient.  Das  folgende  sich  vom 
Honig  nährende  Stadium  ist  wenig  beweglich,  madenähnlich,  mit  rudimentären 
Beinen  (Fig.  522  B).  Es  wandelt  sich  in  eine  Pseudochrysalis 
(Fig.  522  C),  ein  ruhendes  puppenähnliches  Stadium  um.  Aus  der  Pseudo- 
chrysalis geht  zunächst  eine  dem  zweiten  Stadium  ähnliche  Larve  (Fig.  522  Z>), 
hierauf  die  eigentliche  Puppe  (Fig.  522  E)  hervor,  welche  sich  zur  Imago  um- 
wandelt. —  Es  findet  sich  hier  demnach  eine  Vermehrung  sowohl  der  frei  be- 
weglichen, als  auch  der  ruhenden  Stadien. 

Hynienoptera.  Die  Larven  der  Hymenop- 
teren  trennen  sich  in  verschiedene  Typen. 
Die  von  Blättern  lebenden  Larven  der  Ten- 
thredinidae  sind  im  Habitus  und  der  Fär- 
bung den  Lepidopterenlarven  ähnlich  und 
werden  deshalb  als  Afterraupen  (Fig.  523) 
bezeichnet.  Sie  unterscheiden  sich  von  den 
echten  Raupen  durch  den  Besitz  eines  einzigen 

Punktauges  an  jeder  Seite  des  Kopfes  und  durch  die  meist  grössere  Zahl  ab- 
dominaler Extremitäten,  deren  vorderstes  Paar  dem  zweiten  und  nicht  wie  bei 
den  Raupen  dem  dritten  Abdominalsegmente  angehört.  Meist  finden  sich  sechs  bis 
achtPaare  abdominaler  Anhänge.  Eine  Ausnahme  macht  die  Gattung  Ly  da,  bei 
welcher  ausser  den  Thoraxbeinpaaren  nur  am  hinteren  Leibesende  ein  Paar  von 
gegliederten  Anhängen  (Cerci)  sich  findet.  Diesen  Afterraupen  stehen  die  im 
Holz  bohrenden  Larven  der  Holzwespen  (U  r  o  c  e  r  i  d  a  e)  nahe,  unterscheiden  sich 
von  denselben  aber  durch  den  Mangel  der  Augen  und  der  Abdominalbeine. 
Die  meisten  übrigen  Hymenopteren  zeigen  rückgebildete  Larvenformen  im 
Anschluss  an  die  parasitische  oder  halbparasitische  Lebensweise.  Sei  es, 
dass  die  Larven  in  Pflanzenauswüchsen  (Gallen)  sich  entwickeln,  wie  die 
vieler  Cynipiden,  oder  dass  sie  parasitisch  in  anderen  Insectenlarvon  sich 
entwickeln,  wie  die  einiger  Cynipiden,  der  Pteromalinen,  Ichneu- 
moniden  etc.,  oder  dass  sie  das  Nahrungsmaterial  in  ihren  Zellen  vor- 
finden (Fossoria,  Vespidae,  Apidae),  oder  während  des  Heranwachsens 

55  * 


Fi?.   523. 


Afterraupe    einer 
[T  r  i  c  h  i  o  s  o  m  a 


lue  omni]  (nach  "West  wo  od). 


856  XXIH.  Capitel. 

gefüttert  werden  (Ameisen),  stets  bedingt  die  damit  verbundene  Passivität 
eine  Rückbildung  der  Extremitäten  und  der  Mundwerkzeuge  und  eine  An- 
näherung des  Gesammthabitus  an  die  Form  der  Made.  Bei  den  Larven  der 
Bienen  und  Wespen  bleibt  der  Mitteldarm  an  seinem  hinteren  Ende  geschlossen 
und  ohne  Communication  mit  dem  die  Malpighi'schen  Gefässe  aufnehmenden 
Enddarm.  Die  Verpuppung  findet  meist  in  einem  gesponnenen  Cocon  statt. 
Die  Puppe  ist  freigliedrig  und  im  Bau  der  Imago  gleich;  da  bei  dem  Ueber- 
gang  von  der  Larve  in  die  Puppe  die  Beinanlagen  nur  allmählich  aus  den 
Imaginalscheiben  hervorgestülpt  werden  (vgl.  pag.  862  und  865)  so  geht  dem 
Puppenstadium  eine  Form  vorher,  welche  die  Beine  nur  in  halbausgestülpten 
Zustande  zeigt  (Dewitz  No.  102),  und  diese  Form  ist  es,  welche  man  als 
Semipupa,  Subnympha  oder  Pronympha  bezeichnet  hat. 

Die  Eier  der  Ichneumonidae,  Braconidae  und  Pteromalidae 
entwickeln  sich  in  Eiern  oder  Larven  anderer  Insecten.  Die  Larven  der 
ersteren  Familien  weisen  im  Allgemeinen  die  Madenform  auf.  Doch  kommen 
hier  Anhänge  am  hinteren  Körperende  zur  Entwicklung  als  Schwanzanhang 
(Anomalon)  oder  Schwanzblase  (Microgaster),  welche  die  Larven 
bei  der  Verpuppung  verlieren.  Dagegen  weisen  die  Pteromalinen  eine 
sehr  merkwürdige  Metamorphose  auf.  Die  Entwicklung  dieser  Formen,  die 
durch  de  Filippi,  Metschnikoff,  Ganin,  Avers  und  Lemoine  bekannt  ge- 
worden ist,  charakterisirt  sich  durch  das  Fehlen  des  Nahrungsdotters  im  Eie, 
durch  das  Fehlen  oder  die  rudimentäre  Entwicklung  der  Embryonalhüllen, 
durch  das  frühzeitige  Ausschlüpfen  der  Larve  aus  dem  Eie,  und  durch  die 
abenteuerlich  gestalteten  Larvenformen.  Ueber  die  ersten  Entwicklungsstadien 
sind  wir  allerdings  noch  sehr  im  Unklaren.  Bei  Platy gaster  entstehen 
durch  einen  fortgesetzten  Theilungsprocess  zahlreiche  Zellen,  von  denen  ein 
Theil  sich  bald  zu  einer  oberflächlichen  Schicht  anordnet,  welche  als  Hülle 
(der  Serosa  entsprechend?)  den  Embryo  umgiebt.  Die  übrigen  Zellen  bilden 
die  rundliche  Embryonalanlage,  an  der  man  bald  eine  äussere  Ectoderm- 
schicht  und  eine  innere  Schicht  (unteres  Blatt)  unterscheiden  kann.  Nun 
streckt  sich  der  Embryo  und  wird  gleichzeitig  durch  eine  von  der  Ventral- 
seite sich  einsenkende  Querfurche  in  einen  vorderen,  verbreiterten  Kopfab- 
schnitt und  einen  hinteren,  schmäleren  Abschnitt  getrennt.  An  dem  Kopf- 
abschnitt tritt  als  Ectodermeinstülpung  der  Vorderdarm  auf,  welcher  sich 
bald  mit  dem  aus  den  inneren  Zellen  entstandenen  Mitteldarm  verbindet. 
Der  Enddarm  entsteht  bedeutend  später  und  tritt  erst  sehr  spät  in  Communi- 
cation mit  dem  Mitteldarm.  An  dem  Kopfabschnitt  (Fig.  524)  entwickeln 
sich  zu  den  Seiten  des  Mundes  ein  Paar  Klammerhaken  (Jcf)  und  hinter 
demselben  eine  Unterlippe  (id).  Später  tritt  an  der  hinteren  Grenze  dieses 
vorderen  Abschnitts  noch  ein  Gliedmaassenpaar  (Ifg)  auf,  und  kommen  vorne 
ein  Paar  kurzer  Antennen  (a)  zur  Entwicklung.  Der  hintere  Abschnitt  des 
Embryos  theilt  sich  in  mehrere  Segmente  und  läuft  in  einen  gabelförmigen, 
an  die  Furca  der  Copepoden  erinnernden  Anhang  (f)  aus.  Deshalb  hat 
man  dies  erste  Larvenstadium,  das  nach  Erhärtung  der  Chitincuticula  aus 
der  Embryonalhülle  schlüpft,  als  cyclo ps ähnliches  Stadium  (Fig.  524, 
23,  24,  25)  bezeichnet.  Es  scheint,  dass  in  diesem  Stadium  nur  der  Darm- 
canal  und  die  Extremitätenmuskeln  zur  Differenzirung  gekommen  sind,  während 
die  übrigen  Organe  noch  undifferenzirt  in  einem  ventralwärts  verlaufenden 
Keimstreif  angelegt  sind  und  erst  im  nächsten  Stadium  zur  Ausbildung  ge- 
langen. In  dieses  geht  das  Cyclopsstadium  durch  eine  Häutung  über,  und 
nun  erlangt  die  Larve  die  Gestalt  eines  ovalen,  der  Segmentirung  entbehren- 
den, gliedmaassenlosen  Körpers  (Fig.  524,  26).  Jetzt  bildet  sich  das  Nerven- 
system, die  Speicheldrüsen  und  der  Enddarm  als  Ectodermeinstülpungen  und 


Insecten. 


857 


allmählich  auch  die  Muskelgruppen,  durch  deren  Anordnung  die  Segmentirung 
kenntlich  wird.  Das  letzte  (dritte)  Larvenstadium,  das  aus  dem  vorliegenden 
durch  eine  neue  Häutung  hervorgeht,  weist  die  Gestalt  einer  der  Gliedmaassen 
entbehrenden  segmentirten  Made  {27)  auf. 


Fig.  524.     Entwicklungsstadien  von  Platy gaster  (nach  Ganin,  aus  Lubbock). 

23,  24,  25  sog.  Cyclopsähnliche  Larven  dreier  Platygasterarten.  26  zweites  Larven- 
stadium.    27  drittes  Larvenstadium. 

a  Antenne,  ag  Ausführungsgang  der  Speicheldrüsen,  ao  After,  bsm  ventrale  Ecto- 
dermverdickung,  ed  Darm,  ew  Rectum,  /  Furcalanhänge,  fk  Fettkörper,  ga  Geschlechts- 
organe, gh  Enddarm,  gsae  oberes  Schlundganglion,  kf  Hakenfüsse,  Ifg  seitliche  Füsse, 
Im  Speicheldrüsen,  md  Mandibeln,  mo  Mund,  msl  Magen,  slk,  slkf  Oesophagus, 
sp  Speicheldrüsen,  tr  Tracheen,  ul  Unterlippe. 


Die  Larvenformen  scheinen  für  andere  verwandte  Genera  sehr  mannig- 
faltig zu  sein.  Bei  Teleas  findet  sich  zwar  auch  das  Cyclopsstadium,  doch 
geht  demselben  eine  spindelförmige  Larve  voraus ,  die  mehr  gleichraässig 
segmentirt  erscheint  und  kleine  stummeiförmige  Mundtheile  aufweist,  während 
sie  der  Klammerhaken  noch  entbehrt  (Ayers).  Hier  beginnt  die  Entwick- 
lung mit  der  Ausbildung  einer  Coeloblastula  (Metscitnikoff,  Ayeks),  in 
deren  Innenraum  durch  Einwanderung  von  Zellen  ein  unteres  Blatt  sich 
entwickelt.  Durch  Ausbildung  einer  medianen  Rinne  wird  die  bilaterale 
Symmetrie  des  Embryos  und  durch  eine  vordere  Verdickung  das  Kopfende 
des  Embryos  gekennzeichnet. 

Alle  diese  Larvenformen  der  Pteromalinen  müssen  als  abgeleitete 
angesehen  werden,  ohne  dass  wir  in  der  Lage  wären,  für  den  einzelnen  Fall 
anzugeben,  welche  Bedeutung  der  Ausbildung  dieser  merkwürdigen  Formen 
für  die  Entwicklung  zuzuschreiben  ist. 


858  XXIII.  Capitel. 

Die  Larvenformen  der  Insecten  zeigen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit. 
Eine  vergleichende  Betrachtung  zeigt  auf  das  Deutlichste,  dass  haupt- 
sächlich die  Lebensweise  den  Habitus  der  Larven  bestimmt.  So  kommt 
bei  phytophagen,  von  Blättern  sich  nährenden  Larven  der  Typus  der 
polypoden  Raupe,  bei  den  im  Holz  bohrenden  Formen  ein  ähnlicher 
Typus  mit  kräftigen  Mundwerkzeugen  und  starker  Kopfkapsel  aber  rück- 
gebildeten  Extremitäten  zur  Ausbildung,  bei  mehr  oder  weniger  para- 
sitischer Lebensweise  die  Form  der  Made  ect.  In  anderen  Gruppen 
(Orthopt.  genuina),  deren  Larven  nach  ihrer  Lebensweise  mit  den  aus- 
gebildeten Formen  übereinstimmen,  ist  der  Habitus  der  Imagines  schon 
auf  die  Larvenformen  übertragen.  Es  ergiebt  sich  aus  diesen  Betrach- 
tungen, dass  wir  die  Metamorphose  der  Insecten  nur  in  beschränktem 
Maasse  nach  der  phyletischen  Richtung  verwerthen  können. 

Vor  Allem  muss  man  im  Auge  behalten,  dass  die  aus  dem  Eie 
kommenden  Larven  bereits  die  typische  Gliederung  des  Insectenkörpers 
aufweisen,  dass  also  in  keinem  einzigen  Falle  Ahnenformen  in  den  Larven 
zur  Reproduction  kommen,  welche  den  ältesten  Insectenformen  vorher- 
gingen. Alles,  was  uns  die  Insectenlarven  lehren  können,  wird  sich  da- 
her nur  in  dem  Rahmen  dieser  Klasse  bewegen  können. 

Durch  den  allen  Insectenlarven  zukommenden  Mangel  der  Flügel 
werden  wir  auf  die  ursprüngliche  Gruppe  der  Thysanuren  gewiesen, 
und  in  der  That  zeigen  auch  zahlreiche  Insectenlarven  im  Habitus  grosse 
Uebereinstimmung  mit  diesen  Formen.  Die  campodeoiden  Larven,  auf 
deren  Wichtigkeit  vor  Allem  Brauer  (Nr.  145)  hingewiesen  hat,  dürften 
demnach  jenen  Larventypus  repräsentiren,  der  am  meisten  ursprüngliche 
Charaktere  bewahrt  hat.  Als  Hauptmerkmale  dieses  Typus  sind  zu 
nennen:  beissende  Mundwerkzeuge,  gegliederte  Fühler,  Thoraxsegmente, 
welche  mit  den  Abdominalsegmenten  nahezu  übereinstimmen,  wohlent- 
wickelte Thoraxbeinpaare,  ein  schlanker,  gestreckter,  dorsoventral  com- 
presser  Körperbau  und  der  Besitz  von  zwei  gegliederten  Reifen  (Cerci) 
am  Hinterleibsende.  Dieser  Typus  ist  durch  die  Larven  der  Ephemeriden, 
Perlariden,  mancher  Neuropteren  und  vieler  Käfer  ziemlich  getreu  inne- 
gehalten. 

Im  Allgemeinen  nimmt  die  Metamorphose  der  Insecten  in  den  höher 
stehenden  Ordnungen  eine  schärfere  Ausprägung  an,  insofern  hier  die 
einzelnen  Stadien  grössere  Verschiedenheiten  von  einander  aufweisen  und 
der  Uebergang  kein  allmählicher  ist.  Wir  müssen  daher  die  unvoll- 
kommene Verwandlung  als  den  ursprünglicheren  Zustand  betrachten  und 
die  vollkommene  Metamorphose  als  eine  im  Bereich  der  Insecten  er- 
worbene Höhergestaltung  der  individuellen  Entwicklung.  Daher  müssen 
wir  die  Larvenformen  der  Metabolen  sämmtlich  als  erworbene  betrachten. 
Aber  auch  bei  den  Hemimetabolen  werden  wir  gewisse  Charaktere  als 
erworbene  bei  phyletischen  Betrachtungen  in  Ausschluss  bringen  müssen, 
z.  B.  das  Vorhandensein  eines  sogenannten  geschlossenen  Tracheen- 
systems und  von  Tracheenkiemen  bei  vielen  im  Wasser  lebenden 
Larven,  da  diese  Lebensweise  höchst  wahrscheinlich  als  eine  erworbene 
aufzufassen  ist. 

Wenn  wir  so  auf  die  Larvenformen  der  Insecten  wenig  Gewicht 
in  phyletischer  Beziehung  legen  können,  so  kommt  doch  vielleicht 
gewissen  Merkmalen  einiger  Werth  zu,  insofern  auch  erworbene  Larven- 
formen die  Tendenz  zeigen,  morphologische  Charaktere  der  Ahnenformen 
zu  reproduciren.    Als  solche  wiederaufgetauchte  Merkmale  sind  vielleicht 


Insecten.  859 

zu  betrachten:  1)  Die  mehr  weichhäutige  Körperoberfläche.  2)  Die 
weniger  strenge  Scheidung  von  Thorax  und  Abdomen.  3)  Die  mehr 
gleichmäßige  Gliederung  der  Extremitäten.  4)  Der  Mangel  der  Facetten- 
augen.     5)  Das  häufige  Vorkommen  von  abdominalen  Extremitäten. 


2.   Entwicklung  des  Imago-Zustanues. 

Wir  haben  schon  oben  (pag.  847  und  848)  auf  die  charakteristischen  Unter- 
schiede hingewiesen,  welche  zwischen  den  homomorphen  Insectenordnungen 
einerseits  und  den  holometabolischen  Formen  andererseits  hinsichtlich  der 
Art  der  Entwicklung  des  geschlechtsreifen  Zustandes  (Imago)  vorherrschen. 
Bei  den  ersteren  vollzieht  sich  die  Entwicklung  der  ausgebildeten  Form 
unter  ganz  allmählichen  inneren  und  äusseren  Umwandlungen,  welche 
sich  von  den  Entwicklungsvorgängen,  wie  wir  sie  bei  der  Metamorphose 
der  meisten  übrigen  Thiere  ablaufen  sehen,  in  nichts  Wesentlichem  unter- 
scheiden. Wir  werden  hier  die  Entwicklung  der  Flügelanlagen,  der 
äusseren  Geschlechtstheile,  sowie  sämmtliche  übrigen  Formveränderungen 
des  Körpers  auf  ein  einfaches  Auswachsen  des  Larvenkörpers  zurück- 
zuführen haben.  In  gleich  einfacher  Weise  vollziehen  sich  auch  die 
inneren  Umwandlungen,  unter  denen  vor  Allem  die  Entwicklung  der 
Geschlechtsorgane  in  den  Vordergrund  tritt.  Wir  werden  aber  auch  an- 
nehmen dürfen  —  wenngleich  die  Verhältnisse  hier  nicht  genauer  unter- 
sucht sind  —  dass  gleichzeitig  mit  dem  Auswachsen  der  inneren  Organe 
an  denselben  gewisse  allmähliche  Regenerationsvorgänge  sich  geltend 
machen,  welche  wohl  überhaupt  an  functionirenden  Organen  weit  ver- 
breitet sind.  Wir  werden  annehmen  dürfen,  dass  einzelne  gealterte, 
durch  Ausübung  der  Lebensfunctionen  erschöpfte  Zellen  oder  Zellgruppen 
resorbirt  und  durch  lebenskräftigere  Gewebstheile  ersetzt  werden,  so  dass 
eine  beständige,  allmähliche  Regeneration  der  Organe  im  Gange  ist. 

Bei  den  holometabolen  Insectenordnungen  dagegen  vollzieht  sich  der 
Uebergang  der  letzten  Larvenstadien  in  die  ausgebildete  Form  unter 
Einschiebung  eines  Ruhezustandes  (der  Puppe),  an  welchem  die  Nahrungs- 
aufnahme und  meist  auch  die  Locomotion  unterdrückt  ist,  während  die 
gesammte  Lebensthätigkeit  des  Organismus  wichtigen  und  complicirten 
inneren  Entwicklungsvorgängen  zugewendet  erscheint,  welche  als  ein  fast 
vollständiger  Untergang  vieler  Organe  der  Larve  und  eine  Erneuerung 
derselben  von  gewissen,  schon  in  der  Larve  vorhandenen  Anlagen  (Im  a- 
ginalscheiben)  aus  sich  darstellen.  Nur  wenige  Organe  der  Larve 
werden  nämlich  direct  in  die  Puppe  und  den  Imagokörper  übernommen. 
Hierher  sind  die  Anlagen  des  Genitalsystems  zu  rechnen.  Auch  das  Herz 
und  der  centrale  Theil  des  Nervensystems  erleiden  nur  geringfügigere, 
innere  Umwandlungen.  Dagegen  werden  die  meisten  übrigen  Organe 
der  Larve:  die  Hypodermis,  die  meisten  Muskeln,  der  gesammte  Darm- 
canal  und  die  Speicheldrüsen  vollständig  zerstört,  indem  ihre  Zellen  unter 
Einwirkung  der  Blutkörperchen  (Leucocyten) ,  die  hier  als  Phagozyten 
wirken,  in  Theile  zerfallen,  welche  von  den  ersteren  aufgenommen  und 
verdaut  werden,  während  gleichzeitig  mit  diesem  Zerstörungsprocesse  der 
Neuaufbau  der  Organe  von  den  schon  im  Embryo  angelegten  Bildungsherden 
(Imaginalseheiben)  aus  sich  in  der  Weise  vollzieht,  dass  die  Continuität 
des  Organs  in  den  meisten  Fällen  gewahrt  bleibt.  Wir  werden  diese 
Umwandlungsvorgänge  nur   dann   verstehen  können,    wenn   wir   sie   als 


gßO  XXIII.  Capitel. 

einen  extremen  Fall  jener  oben  für  die  Homomorpha  erwähnten  Regene- 
rationsvorgänge der  Organe  betrachten.  Wir  werden  dann  annehmen 
müssen,  dass  von  der  embryonalen  Anlage  eines  Organs  zunächst  nur  ein 
Theil  für  den  Gebrauch  der  Larve  zur  Ausbildung  und  Function  gelangt, 
welcher  sich  während  des  Larvenlebens  erschöpft,  so  dass  er  zu  weiteren 
Umbildungen  nicht  mehr  fähig  ist  und  demnach  zu  Grunde  geht,  während 
ein  zweiter  Theil  der  Embryonalanlage,  zunächst  in  unentwickeltem  Zu- 
stande, als  Imaginalscheibe  persistirt,  um  während  des  Puppenzustandes 
die  Regeneration  des  Organs  zu  übernehmen. 

Es  muss  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass  dieser  merkwürdige  Ent- 
wicklungsmodus der  imaginalen  Organe,  wenn  er  auch  bei  den  Insecten  zur 
schärfsten  Ausprägung  gekommen  ist,  doch  auch  bei  anderen  Thiergruppen 
andeutungsweise  zu  erkennen  ist.  Vielfach  finden  wir,  dass  anstatt  der  all- 
mählichen Umwandlung  eines  Larvenorgans  in  das  entsprechende  imaginale 
Organ  der  Weg  eingeschlagen  wird,  das  Larvenorgan  zu  zerstören  oder  rück- 
zubilden  und  das  entsprechende  imaginale  Organ  neu  anzulegen.  Wir  erinnern 
hier  an  das  oben  pag.  495  und  496  über  das  Verschwinden  und  Wiederauf- 
treten von  Gliedmaassen  während  der  Crustaceen-Metamorphose  Gesagte.  Des» 
gleichen  wurde  für  die  Milben  (pag.  630)  erwähnt,  dass  bei  ihnen  eine  theil- 
weise  Zerstörung  und  ein  Neuaufbau  der  inneren  Organe  stattfindet.  Wenn  der 
Unterschied  in  der  larvalen  und  imaginalen  Gestalt  eines  Organs  ein  sehr 
bedeutender  ist,  so  kann  der  letztere  Entwicklungsmodus  sogar  als  Verein- 
fachung des  Entwicklungsganges  erscheinen.  Für  die  Insecten  bedeutet  der- 
selbe jedenfalls  eine  beträchtliche  Vervollkommnung,  da  die  Uebergangs- 
stadien    zwischen   der    larvalen   und   imaginalen  Form    eines  Organs   offenbar 

als  keiner  der  beiden  Lebensweisen  vollkommen  entsprechend  —  von 
geringerer  Fnnctionsfähigkeit  sein  mussten,  weshalb  die  Verlegung  und 
Zusammendrängung  derselben  in  ein  Ruhestadium  von  Wichtigkeit  für  die 
Erhaltung  der  Individuen  war. 

Obgleich  es  bereits  durch  Swammerdam  bekannt  geworden  war, 
dass  die  Flügelaiilagen  schon  unter  der  Haut  der  Larve  der  holometa- 
bolen  Insecten  zu  erkennen  seien,  so  verdanken  wir  doch  eine  genauere 
Erkenntniss  der  mit  der  Verpuppung  in  Zusammenhang  stehenden  Um- 
wandlungen erst  den  grundlegenden  Untersuchungen  Weismann's  (No.  129), 
welche  sich  mit  der  Entwicklung  der  Dipteren  beschäftigten.  Dem  Um- 
stände, dass  auch  die  späteren  Untersucher  dieser  Verhältnisse,  unter 
denen  vor  Allem  Ganin,  Viallanes,  Kunkel  d'HERKULAis,  Kowalevskj: 
(No.  112)  und  Van  Rees  (No.  121)  genannt  seien,  sich  an  dieselben 
Objecte  gehalten  haben,  ist  es  zuzuschreiben,  dass  wir  in  erster  Linie 
über  die  Umwancllungsvorgänge  in  der  Puppe  der  Museiden  orientirt 
sind.  An  diese  wird  sich  unsere  Schilderung  denn  auch  in  erster  Linie 
zu  halten  haben.  Da  aber,  wie  man  leicht  erkennen  kann,  bei  den 
Museiden  die  complicirtesten  und  abgeleitetsten  Verhältnisse  der  Ent- 
wicklung vorliegen,  so  werden  wir  vielfach  die  einfacheren  Bildungs- 
vorgänge bei  den  übrigen  Holometabolen ,  wie  sie  für  die  Nematoceren 
(Corethra),  Hymenopteren ,  Lepidopteren  durch  Weismann,  Ganin, 
Dewitz  u.  A.  bekannt  geworden  sind,  zum  Ausgangspunkte  zu  nehmen 
haben.  Es  muss  erwähnt  werden,  dass  unsere  Kenntnisse  über  das  in 
Rede  stehende  Gebiet  vielfach  noch  ungemein  lückenhafte  sind  und  nur 
in  den  Hauptzügen  als  gesichert  betrachtet  werden  können.  Vor  Allem 
fehlt  uns  der  genaue  Nachweis,  inwieweit  die  für  die  Museiden  bekannt 


Insecten.  8(31 

gewordenen  Verhältnisse  der  inneren  Umbildung  auch  für  die  übrigen 
Insectengruppen  Geltung  haben,  wenngleich  es  als  wahrscheinlich  betrach- 
tet werden  muss,  dass  in  der  Puppe  der  Lepidopteren ,  Hymenopteren 
und  vielleicht  auch  der  Coleopteren  ganz  ähnliche  Umwandlungsvorgänge 
ablaufen. 

Wir  trennen  die  hierher  gehörigen  Entwicklungsprocesse  in  eine  Be- 
trachtung der  Entwicklung  der  äusseren  Körperform  und  der  Anlage  der 
inneren  Organe  des  Imagostadiums. 


A.    Entwicklung  der  äusseren  Körperform. 

Die  Körpergestaltung  des  Imagostadiums  findet  sich  bereits  in  der 
Puppe  vollständig  angelegt,  so  dass  der  Uebergang  von  der  Puppe  zur 
Imago  nur  mit  einer  Entfaltung  und  Erhärtung  der  bereits  vorhandenen 
Theile  verbunden  ist.  Es  geht  hieraus  hervor,  dass  die  Körperform  der 
Imago  bereits  in  den  letzten  Larvenstadien  vorbereitet  wird  und  bei  der 
Puppenhäutung  (dem  Uebergang  zur  Puppe)  zur  vollkommenen  Ausbildung 
gelangt. 

In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  bei  dem  Uebergang  von  der 
Larvengestalt  zur  Imagoform  vorwiegend  um  eine  Umbildung  bereits 
vorhandener  Theile,  während  Neuanlagen  nur  in  beschränkterer  Weise 
participiren.  So  gehen  beispielsweise  von  der  Schmetterlingsraupe  der 
Kopf  sammt  den  Fühlern  und  Mundwerkzeugen,  ferner  die  Thoraxbein- 
paare direct  (wenn  auch  in  wesentlich  umgeänderter  Gestalt)  aus  der 
Larve  in  die  Puppe  über.  Als  Neuanlagen  treten  die  zusammengesetzten 
Augen  und  die  Flügelpaare  auf.  Letztere  werden  an  dem  Meso-  und 
Metathorax  der  Larve  in  der  Form  von  Im aginal Scheiben  (Flügel- 
scheiben) angelegt.  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  bei  sehr  vielen  ande- 
ren Holometabolen ,  bei  denen  der  Uebergang  der  Larve  in  die  Puppe 
im  Wesentlichen  auf  einer  Umformung  bereits  vorhandener  Theile  be- 
ruht. Einer  Erwähnung  bedürften  hierbei  ausser  den  eben  angeführten 
Umwandlungen  noch  die  Veränderungen,  die  sich  am  Abdomen  geltend 
machen,  welche  zum  Theil  auf  einem  Auswachsen  abdominaler  Anlagen 
(Extremitäten?)  zu  äusseren  Geschlechtstheilen  (Legestachel,  Giftstachel, 
vgl.  oben  pag.  797  ff.),  zum  Theil  auf  einer  scheinbaren  Verringerung  der 
Segmentzahl  beruhen.  Letztere  kann  in  einer  Verschmelzung  einzelner 
Abdominalsegmente  oder  in  der  Vereinigung  des  ersten  Abdominalseg- 
mentes mit  dem  Metathorax  (Hymenopteren)  ihre  Ursache  haben,  oder 
aber  auf  eine  Umwandlung  der  hintersten  Körpersegmente  in  einen 
fernrohrartig  eingezogenen  Genitalanhang  (Legeröhre,  Ruthe)  zurückzu- 
führen sein. 

In  jenen  Fällen,  in  welchen  die  Larven  fusslos  sind,  wie  dies  bei 
den  Dipteren,  vielen  Hymenopteren  und  manchen  Käferlarven  der  Fall 
ist,  werden  auch  die  Beine  des  Imagostadiums  als  Neubildungen  in  der 
Form  von  Imaginalscheiben  (Beinscheiben)  angelegt. 

Als  Beispiel  einer  solchen  verhältnissmässig  einfachen  Metamorphose 
mag  uns  die  durch  Weismann  (No.  130)  genauer  bekannt  gewordene 
Umwandlung  von  Corethra  dienen.  Die  Larve  von  Corethra  gehört 
zu  den  eucephalen  Fliegenlarven.  Der  Kopf  des  ausgebildeten  Insects 
ist  demnach  hier  schon  in  der  Larve  angelegt  und  geht  unter  gewissen 
Umformungen  seiner  Theile  direct  in  die  Puppe  über.     Ja,  sogar" —  und 


862 


XXIII.  Capitel. 


dies  ist  eine  unter  den  Holometabolen  seltene  Ausnahme  —  das  zusammen- 
gesetzte Auge  findet  sich  bereits  in  der  Larve  vor.  Dagegen  müssen  die 
Thoraxbeinpaare,  die  Flügel  und  die  Schwinger  aus  Neuanlagen  entwickelt 
werden.  Demgemäss  finden  wir  an  dem  vor  der  Verpuppung  stehenden, 
letzten  Larvenstadium  entsprechend  angeordnete  Imaginalscheiben 
vor.  Jedes  Thoraxsegment  weist  deren  vier  auf:  zwei  ventrale  und  zwei 
dorsale  (vgl.  ha  und  fa  in  Fig.  525).  Die  ventralen  (ba)  werden  zu  den 
Beinpaaren.  Von  den  dorsalen  (fa)  Paaren  wandelt  sich  das  des  Meso- 
thorax  in  die  Flügel,  das  des  Metathorax  in  die  Halteren  um,  während 
aus  der  entsprechenden  Anlage  des  Prothorax  bei  Corethra  der  stigmen- 
tragende Dorsalfortsatz  der  Puppe,  bei  Simulia  dagegen  ein  Büschel  von 
Tracheenkiemen  hervorgeht.  Betrachten  wir  eine  solche  als  Imaginal- 
scheibe  bezeichnete  Gliedmaassenanlage  näher,  so  sehen  wir,  dass  die 
Gliedmaasse  selbst  ganz,  wie  überall  sonst K  und  wie  es  beispielsweise 
auch  bei  den  Hemimetabolen  der  Fall  ist,  afs  Ausstülpung  der  Körper- 
oberfläche angelegt  wird.  Der  einzige  Unterschied,  der  sich  hier  bemerk- 
bar macht,  ist,  dass  die  Gliedmaassenanlage  als  Ganzes  unter  das  Niveau 

der  Körperoberfläche  versenkt  erscheint.  Sie 
wird  im  Grunde  einer  Einstülpung  angelegt,  wie 
wir  dies  für  die  Kopf-  und  Rumpfscheiben  an  der 
Pilidiumlarve  der  Nemertinen  (pag.  144)  und  für 
die  Anlage  der  Unterfläche  des  Seeigelkörpers 
am  Pluteus  (pag.  229)  kennen  gelernt  haben. 
Solche  Beispiele  der  Anlage  wichtiger  imaginaler 
Körperparthien  im  eingestülpten  Zustande  Hessen 
sich  noch  leicht  beliebig  vermehren.  So  findet 
sich  die  Körperwandung  desPrimärzooeciums  der 
ectoprocten  Bryozoen  in  der  Larve  (als  Saugnapf 
und  Mantelhöhle)  im  eingestülpten  Zustande  etc. 
Das  Lumen  der  Einstülpung,  in  welcher  die 
Gliedmaassen  von  Corethra  (und  der  übrigen 
Holometabolen)  angelegt  werden ,  wurde  von 
Van  Rees  als  peripodale  Höhlung  und  die 
dieselbe  nach  Aussen  begrenzende  Scheide,  welche 
natürlich  mit  der  Hypodermis  des  Körpers  in  con- 
tinuirlichem  Zusammenhange  steht,  als  peripo- 
dale Membran  bezeichnet. 


Fig1. 525.  Schema  eines 
Querschnittes  durch  ein 
Thoraxsegment  der  Core- 
thralarve  (aus  Lang's 
Lehrbuch). 

ba  Beinanlage,/«  Flügel- 
anlage, be  und/«  peripodale 
Einsenkung ,  Ihy  Larven- 
hypodermis ,  Ih  Chitincuti- 
cula  der  Larve. 


Wir  müssen  annehmen,  dass  sicli  an  der  Gliedmaassenanlage  vom  ersten 
Anfange  an  ein  ectodermaler  und  ein  mesodermaler  Antheil  betheiligen, 
welche  sich  von  den  entsprechenden  Keimblättern  der  Larve  ableiten.  Auf 
diese  Verhältnisse  werden  wir  unten  bei  Besprechung  der  Museiden  (pag.  866) 
zurückkommen.  Das  Ectoderm  der  Gliedmaassenanlage  steht  mit  der  peri- 
podalen  Membran  und  durch  dieselbe  mit  der  Hypodermis  in  continuirlicher 
Verbindung.  Weismaxn  war  geneigt,  die  im  Innern  der  Extremitätenanlage 
sich  entwickelnden  Organe  (Tracheen,  Muskeln  etc.)  von  einer  Wucherung 
des  Neurilemms  eines  an  die  Imaginalscheibe  von  Innen  herantretenden 
Nerven  abzuleiten.  Denn  an  die  Innenfläche  der  Imaginalscheiben  treten 
frühzeitig  zum  Theil  Nerven,  zum  Theil  Tracheenverästelungen  heran. 

Wenn  die  Extremitätenanlagen  sich  vergrössern,  so  wird  die  peri- 
podale Membran  entsprechend  gedehnt,  während  die  Extremität  im  Inneren 
derselben  eine  mehr  oder  weniger  eingekrümmte  Lagerung  gewinnt.    Dem- 


Insecten.  863 

zufolge  erscheinen  die  Flügelanlagen  gefältelt,  die  Beinanlagen  bei  Core- 
thra  spiralig  eingedreht  etc.  Die  Entfaltung  der  Extremitätenanlagen 
geht  in  der  Weise  vor  sich,  dass  dieselben  einfach  aus  der  Einstülpung, 
in  welcher  sie  bisher  geborgen  waren,  herausrücken.  Während  auf  diese 
Weise  die  Extremität  allmählich  frei  wird ,  verstreicht  die  peripodale 
Einsenkung  immer  mehr,  so  dass  schliesslich  die  peripodale  Membran 
völlig  in  das  Niveau  der  übrigen  Hypodermis  aufgenommen  erscheint, 
deren  Theil  sie  von  nun  an  bildet,  während  der  Insertionspunkt  der 
Extremität  sich  fürderhin  nicht  mehr  in  einer  Vertiefung  befindet. 

Die  inneren  Organe  der  Corethra  scheinen  während  der  Metamor- 
phose im  Verhältniss  zu  den  übrigen  Holometabolen  nur  ganz  geringfügige 
Verwandlung  zu  erfahren.  Von  jener  weitgreifenden  Zerstörung  mit  nach- 
folgender Eegeneration,  welche  für  die  Museiden  genau  bekannt  geworden 
ist,  ist  bei  Corethra  nichts  zu  beobachten.  Es  verdient  allerdings  erwähnt 
zu  werden,  dass  nach  Kowalevstcy  (No.  112)  an  dem  Mitteldarm  von 
Corethra  eine  Abstossung  des  larvalen  und  Ausbildung  des  imaginalen  Epi- 
thels in  der  gleichen  Weise  stattfindet,  wie  dies  weiter  unten  für  Musca 
beschrieben  werden  soll.  Die  meisten  Larvenorgane  gehen  direct  in  das 
Puppen-  und  Imagostadium  über;  auch  die  Musculatur  bleibt  unverändert, 
während  die  Muskeln  der  Extremitäten  und  die  Flügelmuskeln  neu  angelegt 
werden.  Letztere  entstehen  nach  Weismanx  in  dem  letzten  Larvenstadium 
aus  Zellsträngen,  welche  bereits  im  Embryo  angelegt  worden  sind. 

Wenn  wir  betrachten,  wie  geringfügig  die  inneren  Umwandlungen  während 
der  Metamorphose  der  Tipuliden,  für  welche  uns  Corethra  als  Beispiel 
diente,  sind,  so  werden  wir  kaum  daran  zweifeln,  dass  wir  hier  Verhältnisse 
vorliegen  haben,  welche  den  Uebergang  zwischen  der  unvollkommenen  und 
vollkommenen  Verwandlungsweise  darstellen.  Hierfür  spricht  unter  Anderm 
auch  die  kurze  Dauer  des  Puppenstadiums  und  die  freie  Beweglichkeit  des- 
selben, sowie  auch  die  frühzeitige  Anlage  des  zusammengesetzten  Auges,  ein 
Charakter,  welchen  Corethra  mit  den  Hemimetabolen  gemein  hat. 

Es  ist  hier  der  Ort,  auf  die  Entwicklung  des  Flügels,  welche  beson- 
ders für  die  Lepidopteren  durch  Semper  (No.  126),  Landois  (No.  114), 
Paxkritius  (No.  120)  und  C.  Schäffer  (No.  124  a)  bekannt  geworden  ist, 
genauer  einzugehen.  Die  Flügel  werden,  wie  die  übrigen  Extremitätenanlagen 
als  einfache  Hypodermisausstülpungen  innerhalb  einer  peripodalen  Einsenkung 
angelegt.  Sie  stellen  demnach  zunächst  eine  einfache  Hypodermisfalte  dar, 
an  deren  Insertionsstelle  von  innen  eigenthümliche  Bildungen  des  Fettkörpers 
und  des  Tracheensystems  herantreten.  Als  mit  dem  Fettkörper  zusammen- 
hängend erweisen  sich  Anhäufungen  kleiner  Zellen,  welche  von  Schäfper  als 
Blutbildungsheerde  gedeutet  wurden.  Von  den  an  die  Flügelanlage  heran- 
tretenden Tracheen  dagegen  entwickelt  sich  ein  dichter  Knäuel  feinster 
Tracheen,  welche  als  intracelluläre  Bildungen  im  Innern  einzelner  grosser 
Matrixzellen  sich  entwickeln  (Landois,  Schäfper).  Diese  Tracheenknäuel 
werden  nach  dem  Uebergang  in  das  Puppenstadium  rückgebildet. 
Dagegen  entwickeln  sich  grössere  Tracheenverästelungen,  welche  in  den  Flügel 
eindringen  und  die  Grundlage  für  die  Ausbildung  des  Flügelgeäders  abgeben. 
Bei  dem  Uebergang  der  Raupe  in  die  Puppe  werden  die  Flügelanlagen  aus 
der  peripodalen  Höhlung  herausgestülpt.  Es  ist  dies  eine  Wirkung  vermehr- 
ten Blutdruckes.  Die  Flügelanlagen  stellen  sich  deshalb  als  mit  Blut 
gefüllte,  im  Innern  Tracheenverästelungen  enthaltende  Bläschen  dar.  Später 
jedoch  legen  sich  die  der  oberen  und  unteren  Fläche  des  Flügels  ent- 
sprechenden Blätter  dicht  aneinander  und  verwachsen,  so  dass  nun  nur  jene 


864  XXIII.  Capitel. 

von  den  Tracheenverästelungen  eingenommenen  Stellen  für  die  Blutflüssigkeit 
durchgängig  bleiben  und  sich  zum  Adernetz  des  Flügels  umbilden.  In 
späteren  Stadien  sind  im  Innern  der  Adern  keine  Tracheen  mehr  aufzu- 
finden. Sie  werden  rückgebildet  und  nach  Weismann  bei  Musca  aus  den 
Adern  in  den  Thorax  zurückgezogen.  Dagegen  verbleibt  in  den  Adern  ein 
von  Semper  bei  Lepidopteren  aufgefundener,  in  früheren  Stadien  die  Tracheen 
begleitender  Strang,  welchen  wir  als  Rippenstrang  bezeichnen  wollen 
(Flügelrippen  Semper's).  Dieser  Rippenstrang  stellt  ein  tracheenähn- 
liches Rohr  dar,  welches  aus  einer  äusseren  Matrix  und  einer  inneren  Intima 
besteht,  von  welcher  bäumchenartige  Fortsätze  in  das  Lumen  vorragen.  Das 
Centrum  des  Lumens  ist  von  einem  längsgestreiften  Strang  (Secretmasse?) 
eingenommen.  Schäffer  konnte  den  Zusammenhang  dieser  Rippenstränge, 
welche  am  ausgebildeten  Thiere  nur  mehr  in  der  basalen  Hälfte  des  Flügels 
nachweisbar  sind  und  zur  Stütze  des  Flügels  dienen  sollen,  mit  dem  Tracheen- 
system nachweisen.  Es  dürften  demnach  umgewandelte  Tracheen  sein. 
Ausserdem  finden  sich  in  den  Flügeladern  noch  Nervenstämme. 

Die  Cuticula  des  Flügels,  welche  erst  ziemlich  spät  auftritt,  wird  an 
der  Oberfläche  der  Adern  beträchtlich  verdickt.  Von  Interesse  ist  die  Art, 
wie  die  Verschmelzung  der  beiden  Hypodermislamellen  des  Flügels  sich  voll- 
zieht. Es  entwickelt  sich  an  der  Innenfläche  der  Hypodermis  jederseits  eine 
„Grundmembran",  während  die  Hypodermiszellen  selbst  sich  pfeilerartig  um- 
bilden. Die  beiden  Grundmembranen  legen  sich  dicht  aneinander,  ver- 
schmelzen und  gehen  schliesslich  zu  Grunde,  so  dass  im  ausgebildeten  Flügel 
die  Hypodermispfeiler  sich  durch  die  ganze  Dicke  des  Flügels  continuirlich 
erstrecken. 

Es  ist  hier  der  Platz,  zu  erwähnen,  dass  die  entwicklungsgeschichtlichen 
Thatsachen  der  AcoLPH'schen  Theorie  des  Flügelgeäders  ungünstig  gegen- 
überstehen. Nach  dieser  letzteren  werden  die  Adern  des  fertigen  Flügels 
als  Convex-  und  Concavadern  unterschieden,  welche  ihrem  Ursprünge  nach 
einander  gegenüberstehen  sollten,  indem  nur  die  Concavadern  aus  Tracheen 
hervorgingen,  während  die  Convexadern  sich  aus  Zellsträngen  entwickelten, 
in  welche  erst  secundär  Tracheen  sich  hineinerstrecken  können.  Das  System 
der  Convex-  und  Concavadern  stehe  sich  ursprünglich  gesondert  gegenüber. 
Es  wurde  jedoch  von  Brauer  und  Redtenbacher  (No.  101)  für  Odonaten, 
von  Gkassi  für  den  Termitenflügel  und  neuerdings  von  Haase  (No.  108) 
für  Lepidopteren  der  Nachweis  erbracht,  dass  die  Verästelungen  eines  und 
desselben  Tracheenstammes  sich  zum  Theil  in  Convex-  und  zum  Theil  in 
Concavadern  umbilden  können,  wodurch  die  Voraussetzung  jener  Theorie 
hinfällig  wird.  In  ähnlich  ungünstigem  Sinne  spricht  sich  auch  Van  Bemmelen 
(No.  99)  aus,  welcher  die  schon  von  Fr.  Müller  (No.  118)  an  Nympha- 
liden  gemachte  Beobachtung  bestätigte,  dass  das  Adersystem  an  den  eben 
verpuppten  Schmetterlingspuppen  sich  im  Einzelnen  von  dem  der  ausgebil- 
deten Form  unterscheidet.  Es  kommt  demnach  den  Beobachtungen  über 
die  Entwicklung  des  Adersystems  eine  gewisse  phylogenetische  Bedeutung  zu. 

Die  Haare  und  Schuppen  des  Schmetterlingsflügels  werden  aus  einzelnen 
Hypodermiszellen  (Haar-  und  Schuppenmutterzellen)  als  Ausstülpungen  angelegt 
(Semper).  Die  charakteristische,  definitive  Zeichnung  entwickelt  sich  erst 
nach  Differenzirung  der  Schuppen.  Doch  muss  erwähnt  werden,  dass  nach 
Van  Bemmelen  der  definitiven  Zeichnung  eine  transitorische  vorhergeht, 
welche  sich  von  der  definitiven  wesentlich  unterscheidet,  aber  mit  dieser  doch 
einige  Züge  gernein  hat. 

Viel  complicirteren  Entwicklungsvorgängen  begegnen  wir  in  der 
Gruppe  der  Museiden.     Hier   entstehen  zwar  die  Bein-  und  Flügel- 


Insecten. 


865 


anlagen  in  ganz  ähnlicher  Weise,  wie  wir  dies  bei  Corethra  beobachtet 
haben.  Doch  erscheint  bei  den  Museiden  die  ganze  Imaginalanlage  weit 
in's  Innere  des  Körpers  verlegt,  die  peripodale  Höhle  erscheint  geschlos- 
sen und  die  peripodale  Membran  steht  blos  vermittelst  eines  zarten, 
fadenähnlichen  Stieles  mit  der  Hypodermis  in  Verbindung  (Fig.  526  A,  is, 
Fig.  527  A,  st).  Diese  Verbindungsstränge,  welche  bereits  von  Dewitz1) 
(Nr.  102)  gekannt  und  ihrer  Bedeutung  nach  vollkommen  richtig  aufgefafst 
worden  waren,  zeigen  in  ihrem  Inneren,  wie  Van  Rees  (No.  121),  welcher 
diese  Bildungen  neuerdings  genauer  studirte,  nachwies,  ein  feines  Lumen. 
Wenngleich  die  erste  Entwicklung  der  Imaginalscheiben  im  Embryo  der 
Museiden  noch  immer  unbekannt  ist,  so  werden  wir  doch  nicht  irre  gehen, 
wenn  wir  sie,  ebenso  wie  die  Imaginalscheiben  von  Corethra,  auf  Hypo- 
dermiseinstülpungen  zurückführen.  Wir  müssen  dann  die  erwähnte,  stiel- 
ähnliche Verbindung  als  den  lang- 
ausgezogenen Hals  dieser  Einstül- 
pung betrachten. 

Im  Uebrigen  verläuft  die  Ent- 
wicklung der  Extremitäten(Fig.526) 
ganz  so,  wie  wir  sie  für  Corethra 
geschildert  haben.  Die  Beinanlagen 
vergrössern  sich  und  zeigen  früh- 
zeitig die  ersten  Spuren  der  spä- 
teren Gliederung.  Sie  erscheinen 
in  der  peripodalen  Höhle  derartig 
verpackt,  dass  die  einzelnen  Glie- 
der der  Extremität  „wie  die  Ringe 
eines  einschiebbaren  Reisebechers" 
(nach  dem  treffenden  Ausdruck  von 
Van  Rees)  ineinander  geschoben 
erscheinen.  Die  Ausstülpung  der 
ausgebildeten  Extremitätenanlage, 
welche  am  ersten  Tage  nach  dem 
Beginn  der  Verpuppung  erfolgt, 
geht  in  der  WTeise  vor  sich,  dass 
der  Stiel  der  Imaginalscheibe  (Fig. 
526  B,  527  B)  sich  verkürzt  und 
sein  Lumen  sich  erweitert,  so  dass 
die  Extremität  schliesslich,  wie  bei 
Corethra,  durch  die  weitgeöffnete 
Mündung  der  peripodalen  Ein- 
stülpung nach  aussen  tritt  (Fig. 
526  C,  528  A).  Während  gleich- 
zeitig die  letztere  allmählich  völlig 
verstreicht,    wird    die    peripodale 


Fig".  526.  Schematische  Querschnitte 
durch  die  Larve  und  Puppe  von  Musca, 
zur  Darstellung  der  Entwicklung  der  Flügel, 
Beine  und  der  imaginalen  Hypodermis  (aus 
Lang's  Lehrbuch). 

b  Beinanlagen,7?  Flügelanlagen,  ihy  ima- 
ginale  Hypodermis,  sich  bei  D  von  der 
Basis  der  Imaginalscheiben  her  ausbreitend, 
üd  Imaginalscheiben  der  Flügel,  iiv  Imaginal- 
scheiben der  Beine,  is  Verbindungsstränge 
mit  der  Hypodermis,  Ih  Chitinhaut  der  Larve, 
Ihy  larvale  Hypodermis  (durch  zwei  dünne 
parallele  Contouren  angedeutet,  während  die 
imaginale  Hypodermis  ganz  schwarz  gehal- 
ten ist). 


Membran  zur  Bildung  einer  ver- 
dickten Hypodermisparthie  in  der  nächsten  Umgebung  der  Gliedmaassen- 
Insertionsstelle  verwendet  und  von  diesen  verdickten  Hypodermisparthien 
geht,  wie  wir  unten  (pag.869  ff.)  sehen  werden,  die  Bildung  der  Hypodermis 
des  ganzen  imaginalen  Thorax  aus,  während  die  Hypodermis  der  Larve 
zerstört  wird. 


1    Auch  Kunkel  d'Herkulais  (No.  113)  hat  diese  Stränge  bereits  gekannt. 


866 


XXIII.  Capitel. 


Wir  müssen  hier  die  Frage  nach  der  ersten  Entstehung  der  mesodermalen 
Antheile  der  Extremitätenanlage  berühren.  Man  kann  an  den  Imaginal- 
scheiben  ausgewachsener  Muscidenlarven  stets  eine  deutliche  Trennung  zwischen 
einem  ectodermalen  und  einem  inneren,  mesodermalen  Antheil  unterscheiden. 
Ganin  (No.  107)  leitet  den  mesodermalen  Antheil  durch  eine  Art  Differen- 
zirung  und  Abspaltung  der  innersten  Schichten  des  ectodermalen  Antheils 
ab,  und  Van  Rees  hat  sich  dieser  Auffassung  im  Allgemeinen  angeschlossen. 
Kowalevsky  (No.  112)  dagegen  nähert  sich  der  Auffassung,  dass  der  meso- 
dermale  Antheil  der  Imaginalscheiben  von  embryonalen  Zellen  des  Mesoderms 
herzuleiten  sei.  Er  findet  im  Mesoderm  unter  der  Hypodermis  der  Larve 
zerstreute  sog.  Wanderzellen  (pag.  870,  Fig.  530-4,  w),  welche  von 
den  Leucocyten  im  Aussehen  verschieden  sind  und  die  Elemente  darstellen, 
von  denen  die  Bildung  des  mesodermalen  Theils  der  Imaginalanlagen  ausgeht. 
Kowalevsky  ist  geneigt,  für  jedes  Segment  eigene  imaginale  Anlagen  des 
Mesoderms  zu  supponiren,    welche   aber   so    zart   und   indifferent    seien,    dass 


Fig.  527.  Schematische  Darstellung  der  Lage  der  Imaginalscheiben  in  der 
Larve  (A)  und  Puppe  (B)  von  Musca  (im  Anschlüsse  an  Van  Rees).  Die  Flügelanlagen 
sind  weggelassen. 

as  Augenscheiben,  at  Antennenanlage,  b1,  b2.  b*  Anlage  des  ersten,  zweiten,  dritten 
Thoraxbeinpaares,  bg  Bauchganglienkette,  g  Gehirn,  h  sog.  „Hirnanhang",  m  peripodale 
Membran,  o  Mündung  des  Hirnanhangs  in  den  Pharynx,  oe  Oesophagus,  p.  sog.  „Pha- 
rynx", r  Rüsselanlagen,  ss  Stirnscheiben,  st  stielförmige  Verbindung  der  peripodalen 
Membran  mit  der  Hypodermis,  /,  II,  III,  erstes,  zweites,  drittes  Thoraxsegment. 

wir  dieselben  in  den  ersten  Stadien  ihres  Bestehens  nicht  auffinden.  Von 
diesen  Imaginalanlagen  des  Mesoderms  würden  sich  die  obenerwähnten 
WTanderzellen  des  Mesoderms  herleiten,  um  erst  secundär  mit  den  Imaginal- 
scheiben in  Verbindung  zu  treten. 


Complicirte  und  trotz  der  Darstellungen  von  Weismann  (No.  129), 
Van  Rees  (No.  121)  und  Kowalevsky  (No.  112)  noch  immer  schwer  zu 
verstehende  Verhältnisse  liegen  der  Entwicklung  des  Kopfabschnittes 
der  Museiden  zu  Grunde.  Wir  müssen  hier  daran  erinnern,  dass  an  den  Mus- 
cidenlarven der  Kopfabschnitt  nur  in  äusserst  rudimentärer  Form  vorliegt. 
Von   den   zwölf  Segmenten,    aus   denen   die  kegelförmige  Muscidenlarve 


Insecten. 


867 


sich  zusammensetzt,  entspricht  nur  das  vorderste,  kleinste  dem  Kopfab- 
schnitte. Die  Kleinheit  dieses  Abschnittes  ist  zum  Theil  auch  dem  Um- 
stände zuzuschreiben,  dass  ein  beträchtlicher  Theil  des  Kopfes  hier  nur 
in  eingezogenem  Zustande  vorliegt.  Denn,  wie  aus  den  Untersuchungen 
von  Weismann  hervorgeht,  werden  in  den  letzten  Embryonalstadien  der 
Vorderkopf,  die  Mandibeln  und  die  ganze  den  Mund  umgebende  Kopf- 
region eingestülpt  und  stellen  dann  jene  Einsenkung  (Fig.  527^)  dar, 
in  welcher  sich  sehr  bald  das  für  die  Muscidenlarven  charakteristische 
Hakengerüst  entwickelt.  Man  hat  diese  eingestülpte  Parthie  des  Kopfes, 
in  deren  Grunde  nun  der  Oesophagus  mündet,  mit  dem  nicht  ganz  glück- 
lich gewählten  Namen  Schlundkopf  oder  Pharynx  bezeichnet  und 
muss  sich  gegenwärtig  halten,  dass  der  darunter  verstandene  Hohlraum 
nicht  dem  Darmcanal  zugehört.  Es  ist  ein  eingestülpter  Kopfabschnitt, 
und  die  Bildung  des  Imagokopfes  beruht  zum  grössten  Theile  nur  auf 
der  Wiederausstülpung  dieser  Region. 


Fig.  52S.  Schematische  Darstellung  der  Umwandlungen  in  der  Puppe  von 
Musca  vor  dem  Ausschlüpfen  (im  Anschlüsse  an  Kowalevsky  und  Van  Rees).  Die 
Flügelanlagen  sind  nicht  eingezeichnet. 

as  Augenscheiben,  at  Antennenanlage,  b1,  b2,  b3  Anlage  des  ersten,  zweiten,  dritten 
Thoraxbeinpaares,  bg  Bauchganglienkette,  g  Gehirn,  k  Kopfblase  (aus  der  Vereinigung 
des  Pharynx  mit  den  Hirnanhängen  hervorgegangen),  oe  Oesophagus,  r  Eüsselanlagen, 
ss  Stirnscheiben,  1,  II,  III,  erstes,  zweites,  drittes  Thoraxsegment. 


Die  ersten  Anlagen  der  wichtigsten  Theile  des  Kopfes  (Augen,  An- 
tennen, Stirn)  finden  «ich  in  den  jüngsten  Larven  in  der  Form  paariger, 
im  Thorax  befindlicher,  den  Gehirnhälften  dicht  anliegender  (daher  von 
Weismann  als  Hirnanhänge  bezeichneter)  Zellmassen,  welche  nach 
vorne  wahrscheinlich  von  ihrem  ersten  Ursprünge  an  mit  dem  Schlund- 
kopf zusammenhängen  und  welche  als  förmliche  Imaginalscheiben  des 
Kopfes  bezeichnet  werden  können.  Dieselben  präsentiren  sich  in  späteren 
Stadien  sehr  bald  in  der  Form  langgestreckter,  an  ihrem  hinteren  Ende 
erweiterter  Säcke  (Fig.  527  A  und  B,  h)  und  sind  wohl  auch  ihrem  Ur- 
sprünge nach  als  Ausstülpungen  des  Schlundkopfes  aufzufassen.  Sehr 
bald   treten  in  der  Wand   dieser  sackförmigen    „Hirnanhänge"   Epithel- 


868  XXIII.  Capitel. 

Verdickungen  auf,  in  denen  sich  die  Anlagen  bestimmter  Theile  des  Kopfes 
erkennen  lassen.  So  stellt  eine  scheibenförmige  Verdickung  im  hinteren 
erweiterten  Theile  der  „Hirnanhänge"  die  Anlagen  des  zusammengesetzten 
Auges  dar,  welche  demnach  als  „A  u  g  e  n  s  c  h  e  i  b  e  n"  bezeichnet  werden  (as). 
An  der  basalen  Fläche  der  Augenscheiben  findet  sich  eine  nervöse  Aus- 
breitung, welche  durch  einen  Nerven  mit  dem  oberen  Schlundganglion 
in  Zusammenhang  steht.  Dieser  Nerv  wird  zum  Nervus  opticus  des  aus- 
gebildeten Thieres,  während  das  Ganglion  opticum  sich  von  dem  Gehirne 
deutlicher  absondert.  Im  vorderen,  mehr  cylindrischen  oder  schlauch- 
förmigen Theile  der  „Hirnanhänge"  finden  wir  die  Stirnscheiben  (ss), 
an  denen  bald  die  Antennenanlage  (at)  in  ganz  derselben  Weise  hervor- 
sprosst,  wie  die  Beinanlagen  am  Grunde  der  ihnen  den  Ursprung  geben- 
den Imaginalscheiben. 

Ursprünglich  (Fig.  527  A)  liegen  die  „Hirnanhänge"  ziemlich  weit 
hinten  und  zwar  in  dem  Thorax  der  Larve ,  so  dass  sie  den  hintersten 
Theil  der  Wand  des  Schlundkopfes  mit  dem  vordersten  Abschnitte  des 
Gehirnes,  welchen  sie  pilzhutförmig  umfassen,  in  Verbindung  setzen. 
Später  jedoch ,  nach  der  Verpuppung ,  rücken  sie  sammt  dem  Central- 
nervensystem  weiter  nach  vorne  (Fig.  527  B) ,  wobei  sie  (wenn  wir  die 
Schilderung  von  Weismann  und  Van  Rees  richtig  verstanden  haben)  den 
Schlundkopf  mit  ihren  vorderen,  etwas  ventralwärts  eingekrümmten  Enden 
seitlich  umfassen.  Gleichzeitig  etablirt  sich  jedoch  eine  sich  immer  mehr 
und  mehr  erweiternde  Communication  (Fig.  527  JS,  o)  zwischen  den  Hirn- 
anhängen und  dem  Schlundkopf,  welche  in  der  Form  seitlicher  Schlund- 
spalten sich  bald  in  der  ganzen  Länge  der  „Hirnanhänge"  ausdehnt. 
Dadurch  fliessen  die  Lumina  der  Hirnanhänge  und  des  Schlundkopfes  so 
vollständig  zusammen,  dass  beide  bald  nur  mehr  eine  einheitliche  Blase, 
die  „Kopfblase",  darstellen  (Fig.  528  h).  Die  Wände  der  Kopfblase 
sind  nichts  Anderes,  als  die  spätere  Kopfwand  und  lassen  bereits  die 
wichtigsten  Theile  derselben  (Antennen,  Augen,  Rüsselanlagen)  erkennen. 
Es  fehlt  nur,  dass  die  Kopf  blase  durch  die  Ausmündung  des  Schlund- 
kopfes (H — \- )  nach  Aussen  umgestülpt  wird ,  um  den  Kopf  der  Puppe 
vollständig  fertig  zu  erhalten.  Bei  dieser  Ausstülpung  der  in  eingestülp- 
tem Zustande  angelegten  Theile  wird  die  frühere  Mündung  des  Schlund- 
kopfes zum  Halsabschnitt  (Fig.  528  B  -+-  +) ,  durch  welchen  Kopf  und 
Thorax  jetzt  verbunden  sind  (Van  Rees).  Die  Ursache  für  die  Vorstül- 
pung der  Kopfblase,  welche  Weismann  direct  beobachten  konnte,  scheint 
in  einer  durch  Zusammenziehung  der  hinteren  Körpertheile  bewirkten 
Vermehrung  des  inneren  Druckes  gelegen  zu  sein.  Entsprechend  der 
Conformation  des  auf  diese  Weise  zur  Entwicklung  gekommenen  Imago- 
kopfes  muss  der  Oesophagus  von  nun  an  einen  mit  seinem  vorderen  Ende 
ventralwärts  eingekrümmten  Verlauf  nehmen. 

Wir  haben  oben  (pag.  867)  darauf  hingewiesen,  dass  der  sog.  Schlund- 
kopf nichts  Anderes  ist,  als  ein  eingestülpter  Theil  der  äusseren  Oberfläche 
des  Larvenkopfes.  Die  „Hirnanhänge"  werden  wir  als  Divertikel  dieser 
Einstülpung  aufzufassen  haben,  in  denen  die  einzelnen  Theile  des  Kopfes  in 
eingestülptem  Zustande  angelegt  werden.  Sie  lassen  sich  demnach  den 
Anlagen  der  Thoraxgliedmaassen  durchaus  vergleichen.  Alle  diese  „Imaginal- 
scheiben" werden  wir  ihrem  Ursprünge  nach  auf  eingestülpte  Theile  der 
äusseren  Körperoberfläche  zurückzuführen  haben.  Mit  dieser  Auffassung 
lässt  sich  die  Angabe  Geabee's  (No.  28)  schwer  in  Uebereinstimmung 
bringen,    welcher    an    einem    späteren   Embryonalstadium    von  Calliphora 


Insecten.  359 

die  Anlagen  der  Imaginalscheiben  als  einfache  im  Inneren  des  Körpers 
liegende  Epithelplatten  beobachtete.  Da  Geaber  die  vorhergehenden  und 
nachfolgenden  Entwicklungsstadipn  ununtersucht  liess,  so  können  wir  diese 
Angabe  nur  als  ein  schwer  verständliches  Factum  anführen  und  müssen  die 
Aufklärung  dieser  Verhältnisse  späteren  Untersuchungen  anheimstellen. 

B.    Entwicklung  der  inneren  Organe  des  Imagostadiums. 

Wir  haben  schon  oben  (pag.  859)  erwähnt,  dass  die  meisten  Organe 
der  Mnscidenlarven  (und  das  Gleiche  gilt  wohl  für  die  meisten  Dipteren, 
Lepidopteren,  Coleopteren  und  Hymenopteren)  unter  Einwirkung  der 
Blutkörperchen  (Leucocyten)  einem  Zerfall  anheimfallen,  und  dass  der 
Wiederaufbau  derselben  von  bestimmten,  embryonalen  Zellgruppen,  den 
Imaginalscheiben,  ausgeht.  Zerfall  und  Wiederaufbau  finden  während  des 
Puppenstadiums  in  der  Weise  statt,  dass  vielfach  während  des  Ablaufs 
dieser  Processe  die  Continuität 
des  Organs  nicht  gestört  erscheint.  . 

Dieser  Verwandlung  sind  vor  Allem 

unterlegen:  die  Hypodermis,   der  ^vsss31131?^^  ,fa 

Darmcanal,  die  Muskeln,  der  Fett-  ^  ^  '%/ 

körper    und    die    Speicheldrüsen.        ^y  ^K 


Die  Umwandlung   des   Tracheen-      //  3 

Systems    scheint    nur    zum    Theil  ^ 

hierher  zu   rechnen  zu  sein ,   zum  ^H^xsS!^fI3^it,*nttt 

anderen   Theil  aber  als    einfache  ^8^  1K-  ^'4 

Regeneration  durch  Theilung   der  ^y  %~t 

Zellen  zu  verlaufen.     Geringeren        //  ^ 

Veränderungen  sind  das  Herz,  das 

CentralnervenSVStem    Und   die   Ge-  FJ»«    529.      Schematische   Darstellung 

schlechtsanlage   unterlegen.     Wir     *e/qBildünf  äZ  im^»al7  Hypodermis  am 

,  -11  01  -i  1  Abdomen  der  Musciden  (aus  Lang  s  Lehr- 

genen zur  specielleren  Schilderung     buch). 

der   Veränderungen    der  einzelnen  hi   Imaginalscheiben    der    Hypodermis, 

Organe  Über.  &  larvale  Hypodermis. 

Hypodermis. 

Die  Hypodermis  des  Imagostadiums  entsteht  durch  eine  Ausbreitung 
des  ectodermalen  Antheils  der  Imaginalscheiben.  Wir  haben  dies  fin- 
den Thorax  schon  oben  (pag.  865)  erwähnt.  Während  die  Gliedmaassen 
des  Thorax  in  der  Puppe  allmählich  ihre  Ausbildung  erlangen,  breitet 
sich  von  der  Insertionsstelle  derselben  eine  aus  zahlreichen,  kleinen  Zellen 
bestehende  Hypodermisschicht ,  welche  ihrem  Ursprünge  nach  wohl  auf 
die  peripodale  Membran  zurückgeführt  werden  muss,  an  der  Oberfläche 
des  Puppenthorax  immer  mehr  und  mehr  aus,  während  gleichzeitig  der 
Bereich  der  aus  grossen  Zellen  bestehenden  Larvenhypodennis  dem- 
entsprechend immer  mehr  eingeengt  erscheint.  Dabei  kriechen  die 
flachen  Bänder  der  neugebildeten  Hypodermis  (Fig.  529  hi,  530  i)  in 
den  Spalt  zwischen  der  oberflächlichen  Cuticula  und  der  larvalen  Hypo- 
dermis (Fig.  530  h)  hinein,  so  dass  an  diesen  Stellen  die  dem  Untergang 
entgegengehende  alte  Hypodermis  an  der  Innenseite  der  neugebildeten 
Epithelschicht  zu  liegen  kommt  (vgl.  Fig.  530  B).  Man  ersieht  hieraus, 
dass  während  des  Ersatzes  der  alten  Hypodermis  durch  die  neue  die 
Continuität  des  oberflächlichen  Epithels  nirgends  unterbrochen  erscheint. 

Korschelt-H  e  i  der,   Lehrbuch.  56 


870 


XXIII.  Capitel. 


Da  die  Ränder  der  beiden  Hypodermis  -  Arten  sich  decken,  findet  sich 
nirgends  eine  von  Epithel  entblösste  Stelle  der  Körperoberfläche.  Die 
Auflösung  der  Larvenhypodermis  vollzieht  sich  unter  dem  Einflüsse  der 
Leucocyten  (Fig.  530  Je),  welche  sich  an  die  im  Zerfall  begriffenen  Hypo- 
dermiszellen  herandrängen,  den  Inhalt  derselben  bruchstückweise  in  sich 
aufnehmen  und  sich  mit  solchen  Fragmenten  der  Hypodermiszellen  und 
ihrer  Kerne  derartig  anfüllen,  dass  sie,  da  die  aufgenommenen  Bruch- 
stücke die  Gestalt  randlicher  Körnchen  annehmen ,  mit  dem  von  Weis- 
mann eingeführten  Ausdrucke  Körnchenkugeln  bezeichnet  werden 
können.  Die  Körnchenkugeln,  welche  die  Leibeshöhle  der  späteren 
Puppenstadien  in  reichlichem  Maasse  erfüllen,  sind  demnach  nichts 
Anderes  als  Leucocyten  (Blutkörperchen) ,  welche  Gewebstrümmer  des 
untergehenden  Larvenkörpers  in  ihr  Inneres  aufgenommen  haben.  Hier- 
bei ist  zu  bemerken,  dass  der  Zerfall  der  Larvengewebe  nicht  etwa  einem 


Fig.  530.  Schnitte  durch  abdominale  Iraaginalscheiben  der  Hypodermis  von 
Musca  (nach  Kowalevskt). 

A  aus  der  Larve,  B  und  C  aus  der  Puppe. 

h  Larvenhypodermis,  h'  abgetrennte  Stücke  derselben,  von  Phagocyten  angegriffen, 
i  Imaginalscheibe,  k  Phagocyten  mit  aufgenommenen  Zelltrümmern  (sog.  Körnchen- 
zellen),  k'  Phagocyten  mit  Hypodermiskernen  im  Inneren,  m  Mesodermanlage  der  Ima- 
ginalscheibe, w  Wanderzellen. 


vorhergehenden  Absterben  der  Zellen  zuzuschreiben  ist,  sondern  er  ist 
das  Resultat  der  Einwirkung  der  Leucocyten  auf  jene  in  ihrer  Lebens- 
fähigkeit abgeschwächten ,  aber  noch  lebenden  Gewebe.  Während  voll- 
kommen lebenskräftige  Gewebe,  z.  B.  das  -der  Imaginalscheiben ,  dem 
Angriffe  der  Leucocyten  widerstehen,  werden  die  weniger  lebensfähigen 
Larvengewebe  durch  den  Angriff  der  Leucocyten  in  Fragmente  zertheilt 
und  von  den  letzteren  einfach  aufgefressen  und  verdaut.  Diese  Processe 
lassen  sich  am  besten  an  dem  Untergang  der  Musculatur  der  Larve 
verfolgen.  Der  Untergang  der  meisten  Larvenorgane  beruht  demnach 
auf   der    den    amoeboiden    Blutkörperchen    zukommende   Fähigkeit    der 


Insecten.  871 

Nahrungsaufnahme  und  der  intracellulären  Verdauung,  auf  welche  be- 
sonders durch  Metschnikoff  (No.  116,  117)  hingewiesen  wurde,  welcher 
entsprechend  dieser  Bedeutung  der  Blutkörperchen  dieselben  als  sog. 
P  h  a  g  o  c  y  t  e  n  in  Anspruch  genommen  hat. 

In  gleicher  Weise,  wie  im  Thorax,  vollzieht  sich  die  Neubildung 
der  Hypodermis  im  Kopfe  und  auch  im  Abdomen.  Denn  auch  in  letzterem 
Körperabschnitte  finden  sich,  wie  zuerst  Ganin  (No.  107)  nachgewiesen 
hat,  in  jedem  der  acht  Segmente ,  aus  denen  das  Abdomen  der  Larve 
besteht,  vier  kleinzellige  Inselchen,  Imaginalscheiben  (Fig.  529  hi,  530  i), 
von  denen  die  Neubildung  der  Hypodermis  ausgeht.  Neuerdings  hat 
Van  Rees  an  den  Abdöminalsegmenten  noch  ein  weiteres  Paar  kleiner 
Imaginalscheiben  aufgefunden.  Die  dem  letzten  Körpersegmente  zu- 
kommenden vier  Imaginalscheiben  umstehen  dicht  aneinander  gedrängt 
die  Afteröffnung  (Fig.  531  ims)  und  nehmen  an  der  Bildung  des  Hinter- 
darms  Theil,  indem  sie  die  Anlage  der  Rectaltasche  und  der  Rectal- 
papillen liefern.  Diesem  Segmente  scheinen  auch  weiter  noch  die  zwei 
Paare  imaginaler  Genitalanlagen  (Anlagen  der  äusseren  Geschlechtsorgane) 
zuzukommen,  welche  von  Kunkel  d'Herculais  (No.  113)  für  Volu- 
eella  nachgewiesen  worden  sind. 

Es  muss  erwähnt  werden,  dass  sich  au  der  Innenfläche  der  abdominalen 
Imaginalscheiben  ganz  ebenso  wie  an  denen  des  Thorax  eine  Zellansammlung 
des  definitiven  Mesoderms  (Fig.  530  C,  m)  vorfindet,  von  welcher  die  Ent- 
wicklung der  Mesodermgebilde  des  Abdomens  ihren  Ausgangspunkt  nimmt. 
Diese  Mesodermansammlung  wird  ihrer  Entstehung  nach  von  Kowalevsky  — 
wie  bereits  oben  (pag.  866)    erwähnt    wurde  auf   die    sog.  Wanderzellen 

(Fig.  530  A,  w)  zurückgeführt,  während  die  früheren  Autoren  geneigt  waren, 
sie  durch  Delamination  von  dem  Ectoderm  der  Imaginalscheiben  abstammen 
zu  lassen. 

Die  neugebildete  Hypodermis  breitet  sich  sehr  rasch  über  die  Ober- 
fläche des  Körpers  aus,  sodass  die  den  einzelnen  Imaginalscheiben  ent- 
sprechenden Hypodermisfelder  bald  untereinander  zusammenfliessen. 
Gleichzeitig  mit  dieser  Vervollständigung  der  definitiven  Epithelschicht 
wird  die  larvale  Hypodermis  von  den  riiagocyten  völlig  zerstört. 

Musculatur. 

Einem  ganz  ähnlichen  Zerstörungsprocess  durch  Phagocyten,  wie 
wir  ihn  oben  für  die  Larvenhypodermis  geschildert  haben,  unterliegt 
der  grösste  Theil  (oder  die  gesammte  Menge?)  der  Larvenmusculatur, 
und  zwar  ist  die  Auflösung  der  Muskel  der  erste  Process,  welcher  sich 
in  der  Puppe  geltend  macht.  Es  war  schon  Weismann  bekannt,  dass 
die  Muskel  der  vordersten  Körpersegmente  zuerst  von  der  Zerstörung 
befallen  werden.  Ueberdies  eilen  die  Muskel  der  oberflächlichen  Schichten 
denen  der  tieferen  Lagen  in  dem  Zerfall  voraus. 

Der  Zerfall  der  Larvenmuskel  vollzieht  sich  in  der  Weise,  dass  eine 
grössere  Anzahl  amoeboider  Blutkörperchen,  welche  sich  an  der  Oberfläche 
des  Muskelbündels  angesammelt  hatten,  das  Sarcolemm  durchdringen  und 
in  das  Innere  der  Muskelsubstanz  einwandern,  indem  sie  in  Spalten  ein- 
dringen, welche  sich  in  derselben  entwickeln.  Man  hat  oft  den  Eindruck, 
dass  durch  plattenförmige ,  vordringende  Fortsätze  der  Leucocyten  ent- 
sprechende Parthien  aus  der  Muskelsubstanz  förmlich  herausgeschnitten 
werden.    Auf  diese  Weise   zerfällt  der  Muskel  in  eine  Anzahl  sich  bald 

56* 


872 


XXIII.  Capitel. 


abrundender  Partikel,   welche   sofort  in  das  Innere  der  Leucocyten  auf- 
genommen werden.    Es  ist  dann  aus  dem  Muskel  eine  Ansammlung  von 

Körnchenkugeln  geworden,  welche  sich 
schliesslich  von  einander  entfernen  und 
in  der  Leibeshöhle  der  Puppe  zerstreuen. 
Auf  gleiche  Weise,  wie  die  Muskelsub- 
stanz, werden  auch  die  Muskelkerne 
von  den  Phagocyten  aufgenommen  und 
verdaut. 

Hinsichtlich  des  Details  der  Auf- 
lösung der  Larvenmuskel  durch  Phagocyten, 
welche    schon   durch   Metschnikoff   und 

Ganin    verrauthungsweise    vorausgesagt 
wurde,    stimmen    die   Angaben    von    Van 
Rees   und  Kowalevsky  vollständig  über- 
ein.   Nach  Van  Rees  sollen  nicht  sämmt- 
liche  Muskel  der  Larve  dieser  Zerstörung 

anheimfallen.  Gewisse  dorsal  gelegene 
Gruppen  der  schrägverlaufenden  äusseren 
Muskelschicht  des  zweiten  Thoraxseg- 
mentes bleiben  erhalten,  um,  nach  tief- 
greifenden, inneren  Umwandlungen,  welche 
in  einer  Vermehrung  der  Muskelkerne  und 
einer  Umordnung  der  Muskelsubstanz  be- 
stehen, in  die  Flügelmuskel  der  ausgebil- 
deten Form  überzugehen.  Diese  Art  des 
Uebergangs  von  Larvenmuskeln  in  Imago- 
muskel  muss  als  eine  sehr  merkwürdige 
erscheinen;  doch  lassen  die  Schilderungen 
Van  Rees'  kaum  einen  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  dieser  Beobachtung  aufkommen. 

Im  Allgemeinen  vollzieht  sich  die 
Bildung  der  imaginalen  Muskelgruppen 
von  dem  definitiven  Mesoderm  aus, 
welches  von  dem  Mesoderm  der  Imagi- 
nalscheiben  (Fig.  530  C,  m)  herstammt, 
und  über  dessen  erste  Entstehung  wir 
oben  (pag.  866  und  871)  das  bisher  Be- 
kannte erwähnt  haben. 

Darme  anal. 

Aehnlich  wie  bei  der  Hypodermis 
geht  die  Zerstörung  des  larvalen  Darmes 
und  der  Aufbau  des  definitiven  Organes 
aus  einzelnen  Imaginalscheiben  derart 
Hand  in  Hand,  dass  die  Continuität  nir- 
gends unterbrochen  erscheint.  Die  Kennt- 
niss  der  Imaginalscheiben  des  Darmcanals 
geht  auf  Ganin  (No.  107)  zurück.  Neuer- 
dings   haben    Kowalevsky    (No.    112) 


ms 

Fig.  531.  Verdauungstract  einer 
Museidenlarve  mit  eingezeichne- 
ten Imaginalanlagen  (nach  Kowa- 
levsky). 

bd  Blindschläuche  des  Chylus- 
d  armes,  ch  Chylus-Mitteldarm,  /  Fett- 
zellen an  der  Spitze  der  Speichel- 
drüsen ,  h  Hinterdarmimaginalring, 
ht  Hinterdarm,  ie  Imaginalzellen  des 
Mitteldarmepithels,  im  Imaginalzellen 
der  Mitteldarmmuscularis,  ims  hintere, 
abdominale  Imaginalscheibe,  is  Imagi- 
nalringe  der  Speicheldrüsen,  ma  Mal- 
pighi'sche  Gemsse,  pr  Proventriculus, 
s  Saugmagen,  sp  Speicheldrüsen,  v 
Vorderdarinimaginalring. 


Insecten. 


873 


/ 


—  7^ 


—  o 


m 


und  Van  Rees  (Nr.  121)   die  Entwicklung   des  Darmcanals  ausführlich 
geschildert. 

Die  Imaginalscheiben  des  in  der  Puppe  sehr  verkürzten  Darmes 
finden  sich  am  Mitteldarm  in  der  Form  zahlreicher  zerstreuter,  insel- 
förmiger  Zellgruppen  (Fig.  531  ie),  am  Vorderdarm  und  Hinterdarm  in 
Gestalt  je  eines  Ringes  (v  und  h)  von  vermehrungsfähigem,  imaginalem 
Gewebe.  Der  Imaginalring  des  Vorderdarms  (v)  liegt  im  Bereiche  des 
sog.  Proventriculus  (pr.,  vgl.  Fig.  533  im),  während  der  des  Hinterdarms 
dicht  hinter  der  Einmündungsstelle  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  zu  suchen 
ist.  Die  Regeneration  dieser  beiden  Theile  des  Darmcanals  vollzieht  sich 
nicht  ausschliesslich  von' diesen  zwei  Ringen  aus,  sondern  es  betheiligen 
sich  daran  auch  noch  die  Imaginalanlagen  der  angrenzenden  Parthien 
der  Körperoberfläche.  So  scheint  es,  dass  die  vorderste  Parthie  des 
Oesophagus  von  den  Imaginal- 
scheiben in  der  Umgebung  des 
Mundes  geliefert  wird,  während 
die  den  Anus  umgebenden  Ima- 
ginalscheiben des  achten  Ab- 
dominalsegmentes (Fig.  531  ims) 
durch  Einstülpung  die  Rectal- 
tasche  sammt  den  Rectalpapil- 
len erzeugen. 

Die  Ausbildung  des  defini- 
tiven Mitteldarms  geht  in  der 
Weise  vor  sich,  dass  die  insel- 
förmigen  Imaginalscheiben  sich 
unterbeträchtlicherZellvermehr- 
ung  an  der  äusseren  oder  basa- 
len Fläche  des  larvalen  Mittel- 
darmepithels ausbreiten  (Fig. 
532  o),  bis  sie  sich  erreichen 
und  verschmelzen,  wodurch  die 
Wand  des  imaginalen  Darmes 
gebildet  erscheint.  Es  wird 
gleichzeitig  das  gesammte  lar- 
vale  Mitteldarmepithel  (e)  nach- 
Innen  abgestossen  und  bildet, 
von  einer  Schicht  kleiner,  viel- 
leicht den  Imaginalscheiben  entstammender  Zellen  (f),  sowie  von  einer 
Gallerthülle  umgeben,  den  sog.  gelben  Körper,  welcher  bis  zu  seinem  Zer- 
fall im  Puppendarme  liegen  bleibt.  Die  larvale  Muscularis  (m)  blieb  intact, 
so  lange  der  imaginale  Mitteldarm  noch  nicht  vollständig  entwickelt  war, 
dann  wird  sie  von  Phagocyten  angefallen  und  zerstört.  Die  definitive 
Muskelschicht  entwickelt  sich  aus  einzelnen,  der  Aussenfläche  der  Ima- 
ginalscheiben anliegenden  Zellen  (Fig.  531  im ,  532  m1) ,  welche  als 
besondere  Imaginalzellen  der  Darmmuscularis  bezeichnet  werden  müssen. 

Die  Umwandlung  des  Vorderdarms  wird  durch  eine  Rückbildung 
des  Proventriculus  und  des  Saugmagens  eingeleitet.  Der  Proventriculus 
(Fig.  533  pr) ,  welcher  aus  einer  als  Intussusceptio  zu  bezeichnenden 
Ringfalte  des  Vorderdarms  gebildet  erscheint,  geht  zurück,  indem  diese 
Faltenbildung  sich  ausglättet.  Auch  der  Saugmagen  wird  in  ähnlicher 
Weise,  rückgebildet,  indem  er  immer  mehr  und  mehr  in  den  Oesophagus 
zurückgeht,   so   dass   an  Stelle  des  ursprünglichen  Divertikels  nur  mehr 


Fig.  532.  Querschnitt  durch  den  Mittel- 
darm einer  Museiden  puppe  (nach  Kowa- 
levsky). 

e  abgestossenes  und  degenerirendes  Epithel 
des  Larvendarmes,  /  um  dasselbe  neugebildete 
Zellschicht,  m  Muscularis,  m'  Imaginalzellen 
der  Muscularis,  o  Imaginalscheiben  des  Mittel- 
darmepithels, t  Tracheenstämmchen. 


874 


XXIII.  Capitel. 


eine  Erweiterung  des  Oesophaguslumens  zurückbleibt.  Gleichzeitig  wird 
dieser  Theil  des  Darms  von  Phagozyten  angefallen  und  zerstört,  während 
die  zerstörten  Parthien  durch  die  allmählich  sich  ausdehnenden  imagi- 
nalen  Theile  der  Wand  ersetzt  werden.  Der  Imaginalring  des  Vorder- 
darms (Fig.  533  im),  welcher  —  nach  Kowalevsky  —  die  Bildung  eines 
grossen  Theiles  des  definitiven  Oesophagus  übernimmt,  schliesst  sich  an 
seinem  hinteren  Ende,  so  dass  die  Communication  mit  dem  Mitteldarm 
unterbrochen  erscheint. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  finden  wir  bei  der  Umbildung  des  End- 
darms. Auch  hier  breitet  sich  der  Imaginalring  zur  Bildung  eines 
Rohres  aus,  welches,  indem  es  die  Einmündungsstellen  der  MALPiGHi'schen 
Gefässe  umwächst,  sich  gegen  den  Mitteldarm  zu  schliesst,  während  es 
nach  hinten  mit  dem  in  Zerfall  begriffenen  larvalen  Enddarm  in  Com- 
munication steht,  In  ähnlicher  Weise  wird 
das  Territorium  des  larvalen  Enddarms  durch 
ein  von  den  in  der  Umgebung  der  Afteröff- 
nung befindlichen  Imaginalscheiben  gebildetes, 
von  hinten  einwachsendes  imaginales  Rohr 
eingeengt,  bis  schliesslich,  wenn  der  ge- 
sammte  larvale  Enddarm  in  Körnchenzellen 
umgewandelt  ist,  die  beiden  imaginalen  Ab- 
schnitte des  Rohres  einander  bis  zur  Berühr- 
ung genähert  erscheinen. 

Wir  sind  hier  im  Wesentlichen  den  An- 
gaben Kowalevsky's  gefolgt,  Nach  Van  Rees 
nehmen  an  dem  Aufbau  des  Vorder-  und  End- 
darms nicht  bloss  die  genannten  Imaginalschei- 
ben Theil,  sonderns  es  vollzieht  sich  gleichzeitig 
eine  Regeneration  des  larvalen  Epithels,  welches 
demnach  nur  zum  Theil  zerstört  wird ,  zum 
anderen  Theil  dagegen  eine  mehrfache  Theilung 
seiner  Zellen  und  eine  Einfügung  dieser  ver- 
jüngten Stellen  in  die  Continuität  des  imaginalen 
Vorderdarms  erleidet. 

Die  Speicheldrüsen  der  Larve  (Fig. 
531  sp)  werden  vollständig  durch  Phagocyten 
zerstört,  Es  erfolgt  die  Neubildung  dieser 
Drüsen  von  Imaginalscheiben  (Fig.  531  is)  aus, 
welche  nach  Kowtalevsky  einen  am  vorderen 
Ende  des  Drüsenschlauches  gelegenen  Ring  dar- 
stellen (vgl.  die  Angaben   von  Schiemenz  No.  125). 

Welcher  Art  die  Umwandlungen  sind,  welche  die  Malpighi'schen 
Gefässe  durchzumachen  haben,  ist  aus  den  bisherigen  Angaben  noch  nicht 
genau  zu  ersehen.  Nach  Van  Rees  möchte  hier  mehrfach  eine  Regeneration 
von  Larvenzellen  durch  Theilung,  andererseits  aber  auch  ein  Zerfall  dieser 
Elemente  in  Frage  kommen. 

Die  oben  geschilderte  Art  der  Umbildung  des  Darmcanals  scheint  unter 
den  holometabolen  Insecten  ungemein  verbreitet.  Sie  wurde  nicht  nur  für 
Dipteren,  sondern  auch  für  Lepidopteren  (Kowalevsky,  Feenzel),  Coleopteren 
(Ganin)  und  Hymenopteren  (Ganin)  beobachtet.  Die  Abstreifung  des  Mittel- 
darmepithels wurde  von  Kowalevsky  auch  bei  Corethra,  Culex  und  Chiro- 
nomus  vorgefunden. 


Fig".  53*3.  Längsschnitt 
durch  den  Pr oventriculus 
einer  Muscidenlarve  (nach 
Kowalevsky). 

im  Vorderdarmimaginal- 
ring,  oe  Oesophagus,  pr  Pro- 
ventriculus. 


Insecten.  875 

Tracheensystem. 

Dass  das  Tracheensystem  während  der  Metamorphose  wichtigen  Um- 
wandlungen unterworfen  ist,  geht  schon  aus  der  gänzlich  verschiedenen 
Gestalt  hervor,  welche  dasselbe  in  der  Larve,  Puppe  und  Imago  aufweist. 
Es  sei  hier  nur  daran  erinnert,  dass  die  Larve  der  Museiden  durch  ein 
am  hinteren  Körperende  gelegenes  (durchgängiges)  Stigmenpaar  athmet, 
die  Puppe  durch  ein  dem  Prothorax  zukommendes,  während  der  Imago 
sechs  Stigmenpaare  (am  Meso-  und  Metathorax,  sowie  an  vier  Abdominal- 
segmenten) zukommen.  Unzweifelhaft  sind  in  der  Larve  und  Puppe  die 
übrigen  Stigmen  in  einem  für  Luft  undurchgängigen  Zustande  vorhanden. 
Diese  Stigmenäste,  sowie  einige  andere  bereits  von  Weismann  angegebene 
Stellen  des  Tracheensystems  scheinen  nach  Van  Rees  als  Imaginalscheiben 
für  die  Regeneration  der  Tracheenmatrix  zu  funetioniren ,  während  viel- 
fach auch  eine  Regeneration  dieses  Epithels  durch  einfache,  wiederholte 
Theilung  der  Zellen  zu  erkennen  ist.  Die  Auflösung  der  der  Rück- 
bildung anheimfallenden  Theile  des  Tracheensystems  vollzieht  sich  unter 
dem  Einfluss  der  Phagocyten  in  der  bereits  bekannten  Weise. 

Nervensystem. 

Die  centralen  Theile  des  Nervensystems  gehen  direct  aus  der  Larve 
in  das  Imagostadium  über,  wenngleich  sie  beträchtlichen  Veränderungen 
der  Form  und  Lagerung  unterlegen  sind.  Gleichzeitig  sollten  sich  an 
ihnen  (nach  Weismann)  gewisse  histiologische  Umwandlungen  abspielen, 
welche  als  Histiolyse  bezeichnet  wurden.  Es  sollte  hierbei  ein  Zer- 
fall und  Wiederaufbau  der  Gewebe  im  Inneren  des  in  seiner  Continuität 
erhalten  bleibenden  Organes  sich  abspielen.  Neuerdings  hat  man  jedoch 
vielfach  den  Zerfall  der  Gewebe  in  der  Puppe  überhaupt  als  Histiolyse 
bezeichnet. 

Wenig  aufgeklärt  ist  bisher  die  Frage  nach  den  Umwandlungen  des 
peripheren  Nervensystems.  Wenn  es  bei  dem  Untergang  der  Larven- 
muskeln als  wahrscheinlich  bezeichnet  werden  muss,  dass  auch  die  mo- 
torischen Nerven  zum  Theil  einer  Degeneration  anheimfallen,  so  liegen 
für  die  zu  den  Extremitäten  ziehenden  Nerven  die  Verhältnisse  insofern 
anders,  als  dieselben  sich  schon  in  der  Larve  in  der  Gestalt  von  Nerven- 
strängen, welche  die  Imaginalscheiben  mit  dem  Centralnervensystem  in 
Verbindung  setzen,  erkennen  lassen.  Diese  Stränge  werden  nach  Van 
Rees  aus  der  Larve  in  die  Puppe  und  Imago  übernommen,  so  dass  mit 
der  weiteren  Ausbildung  der  Extremitätenanlage  nur  der  distale  Theil 
des  zugehörigen  Nerven  als  Neubildung  angelegt  wird. 

Fettkörper. 

Auch  der  Fettkörper  der  Larve  wird  durch  die  Thätigkeit  der 
Leucocyten  in  der  für  die  übrigen  Gewebe  geschilderten  Weise  zerstört. 
Die  Neubildung  des  Fettkörpers  scheint  von  dem  Mesoderm  der  Imaginal- 
scheiben auszugehen.  Möglicherweise  kommen  auch  die  von  Schäffer 
als  Blutbildungsherde  in  Anspruch  genommenen  Anhäufungen  embryonaler 
Zellen  für  die  Regeneration  des  Fettkörpers  in  Betracht,  Jedenfalls 
werden  wir  denselben  von  mesodermalem  Gewebe  abzuleiten  haben. 
Wenn  Wielowiejski  den  Fettkörper  von  Corethra  aus  einer  unter  der 
Hypodermis  gelegenen  Zellschicht  der  Larve  entstehen  sah,  so  liegt  noch 


876  XXIII.  Capitel. 

keine  Nöthigung  vor,  diese  Beobachtung  in  einer  für  die  Ansichten 
Schaffens  günstigen  Weise  zu  deuten,  welcher  sich  überzeugt  zu  haben 
glaubt,  dass"  bei  Musca  der  Fettkörper  der  Larve  zum  Theil  von  der 
Hypodermis,  zum  Theil  von  der  Tracheenmatrix,  also  von  ectodermalem 
Gewebe  sich  herleitet. 

Definitives  Schicksal   der  Leucocyten. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Ausbildung  der  Organe  der  Imago 
überall  da  von  den  Imaginalscheiben  ausging,  wo  dieselben  nicht  direct 
aus  der  Larve  in  die  Puppe  übernommen  wurden.  Die  Leucocyten, 
deren  Zahl  in  der  Puppe  ungemein  vermehrt  ist,  nehmen  an  dem  Auf- 
bau der  Gewebe  (wie  man  dies  früher  glaubte)  keinen  directen  Antheil. 
Ihre  Bedeutung  scheint  darin  zu  liegen,  dass  sie  die  dem  Untergang 
geweihten  Larvenorgane  zerstören,  deren  Bestandteile  in  sich  aufnehmen 
und  verdauen  und  vermöge  ihrer  Locomotionsfähigkeit  den  neuwachsen- 
den Organen  Nahrungspartikelchen  zuführen.  Welchem  Schicksale  gehen 
diese  Elemente  entgegen,  nachdem  die  Entwicklungsprocesse  in  der  Puppe 
zum  Abschlüsse  gekommen  sind?  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  ein  Theil  der  sog.  Körnchenzellen  wieder  zu  gewöhnlichen  Blut- 
körperchen umgewandelt  wird.  Ein  anderer  und,  wie  es  scheint,  be- 
trächtlicher Antheil  unterliegt  der  Degeneration.  Es  werden  schliesslich 
die  Leucocyten  selbst  als  Nährmaterial  für  die  neugebildeten  Gewebe 
verwendet.  Von  Interesse  ist  nach  dieser  Richtung  die  Beobachtung 
von  Van  Rees,  dass  zum  Schlüsse  zahlreiche  Leucocyten  in  die  neu- 
gebildete Hypodermis  einwandern  und  daselbst,  in  Spalten  zwischen  den 
Hypodermiszellen  gelegen,  der  Degeneration  anheimfallen. 

Allgemeines  über  die  Entwicklung  der  Imago  in  der  Puppe. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Entwicklung  des  Körpers  der  Imago 
von  einzelnen,  schon  in  der  Larve  vorhandenen  und  im  Embryonalleben 
angelegten  Bildungsherden  (Imaginalscheiben)  ausgeht,  und  haben  solche 
Imaginalscheiben  für  die  einzelnen  Theile  des  Kopfes,  für  die  Extremi- 
täten, für  die  Hypodermis  des  Abdomens  und  für  die  verschiedenen 
Parthien  des  Darmcanals  kennen  gelernt.  Wir  haben  gesehen,  dass  die 
Ausbildung  der  mesodermalen  Organe  der  Imago  (Muskeln,  Bindegewebe, 
Fettkörper)  von  einem  mesodermalen  Antheil  der  Imaginalscheiben  aus- 
geht, dessen  erste  Entstehung  allerdings  noch  ziemlich  dunkel  ist.  Gleich- 
zeitig mit  dem  Aufbau  der  imaginalen  Organe  vollzieht  sich  unter  dem 
Einflüsse  der  Leucocyten  der  Zerfall  der  Larvenorgane.  Beide  Processe 
(Zerfall  und  Regeneration)  gehen  derart  Hand  in  Hand,  dass  der  Zu- 
sammenhang der  betreffenden  Organe  in  den  meisten  Fällen  vollkommen 
gewahrt  bleibt,  indem  der  vollständige  Zerfall  erst  nach  Ausbildung  des 
definitiven  Organs  eintritt.  Hiervon  ist  die  Musculatur  der  Larve  aus- 
genommen, welche  sehr  frühzeitig  dem  Zerfalle  anheimgegeben  wird. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  die  scharfe  Trennung 
von  Larven-,  Puppen-  und  Imagostadien  nur  im  Hinblick  auf  die  Zustände 
der  äusseren  Körperoberfläche,  wie  sie  durch  aufeinander  folgende 
Häutungen  auseinander  hervorgehen,  begründet  erscheint.  Die  Vorgänge 
der  inneren  Entwicklung  dagegen  stellen  sich  als  eine  ganz  continuirliche 
Reihe  von  Umbildungen  dar,  welche  jene  scharfe  Sonderung  nicht  er- 
kennen lassen.  Immerhin  werden  wir  aber  im  grossen  Ganzen  die  Formen 
des  Larven-,  Puppen-  und  Imagozustandes  nach  den  ihnen  zukommenden 
Lebensaufgaben  auseinanderhalten  können. 


Insecten.  877 


III.    Parthenogenese,  Pädogenese,  Heterogonie. 

Es  muss  hier  in  Kurzem  darauf  hingewiesen  werden ,  dass  ver- 
schiedentlich bei  den  Insecten  die  Fähigkeit,  unbefruchtete  Eier  auf 
parthenogenetischem  Wege  zur  Entwicklung  zu  bringen,  beobachtet 
worden  ist.  Die  Parthenogenese  kann  hier  entweder  nur  gelegentlich 
auftreten  (z.  B.  bei  manchen  Lepidoptereiij  Bombyx,  Li  pari  s),  oder 
aber  den  Werth  eines  fixirten  Vorganges  im  Bereiche  des  Entwicklungs- 
cyclus  gewinnen.  So  werden  beispielsweise  bei  den  staatenbildenden 
Wespen  und  Bienen  die  Männchen  aus  parthenogenetisch  sich  entwickeln- 
den Eiern  erzeugt.  Das  Gleiche  wurde  bei  Ameisen,  sowie  bei  Nematus 
ventricosus  und  anderen  Blattwespen  beobachtet ,  während  bei 
anderen  Ten thredini den  aus  den  unbefruchteten  Eiern  nur  Weibchen 
hervorgehen.  Ebenso  scheinen  bei  den  Lepidopteren  in  der  Regel 
Weibchen  aus  den  parthenogenetisch  entwickelten  Eiern  hervorzugehen. 
So  wurde  z.  B.  bei  Psyche  und  Solenobia  die  Aufeinanderfolge 
zahlreicher  parthenogenetischer  Generationen  beobachtet,  während  die 
Männchen  nur  selten  angetroffen  werden.  Aehnlich  verhält  sich  Apatania 
unter  den  Trichopteren  (nach  Klapalek).  Zu  einem  cyclischen  Wechsel 
zwischen  parthenogenetischen  Weibchen  und  andersgestalteten  zwei- 
geschlechtigen  Formen  (demnach  zu  einer  echten  Heterogonie)  kommt  es 
bei  gewissen  Cynipiden.  So  entwickelt  sich  nach  Adler  und  Lichten- 
stein in  den  Gallen  einer  als  Spathegaster  baccarum  bekannten 
Form  eine  andersgestaltete  als  Neuroteres  ventricularis  bezeich- 
nete Wespe,  von  welcher  nur  parthenogenetische  Weibchen  bekannt  sind. 
Aus  den  in  besonders  gestalteten  Gallen  sich  entwickelnden  unbefruchteten 
Eiern  geht  wieder  die  als  Spathegaster  bezeichnete  Geschlechts- 
generation hervor. 

Mit  der  Möglichkeit,  aus  unbefruchteten  Eiern  eine  Kachkommen- 
schaft zu  erzielen,  steht  in  Zusammenhang  die  Verlegung  der  Fort- 
pflanzung in  frühe  Entwicklungsstadien  ( P  a  e  d  o g  e  n  e  s  e).  So  kann  nach 
v.  Grimm  eine  Chironomusart  ihre  Eier  bereits  als  Puppe  ablegen, 
während  andere  Dipteren  (Cecidomyia)  sich  bereits  als  Larven  par- 
thenogenetisch und  vivipar  fortpflanzen.  Als  Paedogenese  muss  auch 
zum  Theil  die  parthenogenetische  Fortpflanzung  der  Aphiden  betrachtet 
werden,  bei  denen  der  Fall  eintreten  kann,  dass  der  parthenogenetisch 
erzeugte  Embryo  bereits  wieder  trächtig  ist. 

In  dem  bestimmt  normirten  Wechsel  parthenogenetisch  sich  fort- 
pflanzender und  zweigeschlechtiger  Generationen,  welche  sich  durch 
gewisse  Merkmale  des  Körperbaues  unterscheiden,  erscheint  die  Hetero- 
gonie der  Pflanzenläuse  (Phytophthires)  begründet.  Bei  den  Aphiden 
entwickelt  sich  aus  dem  überwinternden,  befruchteten  Winterei  im 
Frühjahr  eine  parthenogenetisch  und  vivipar  sich  fortpflanzende  Generation, 
als  deren  Nachkommen  im  Frühjahr  und  Sommer  eine  Reihe  von  par- 
thenogenetisch und  vivipar  sich  vermehrenden  Generationen  folgt,  deren 
Individuen  häufig  geflügelt  sind,  aber  auch  der  Flügel  entbehren  können. 
Den  Schluss  dieser  Reihe  von  Generationen  macht  die  gegen  den  Herbst 
auftretende  Generation  der  Sexuparen,  deren  parthenogenetisch  und 
vivipar  erzeugte  Nachkommenschaft  aus  in  der  Regel  geflügelten  Männchen 
und  ungeflügelten  Weibchen  besteht.  Nach  vollzogener  Copulation  legt 
das  Weibchen    das   befruchtete  Winterei   ab,    aus  welchem  im  nächsten 


878  XXIII.  Capitel. 

Frühjahre  die  erste  parthenogenesirende  Generation  hervorgehen  soll. 
Bei  den  Pemphiginen  besteht  die  geschlechtliche  Generation  aus  sehr 
kleinen  ungeflügelten  Männchen  und  Weibchen,  welche,  wie  die  der 
Chernietiden  des  Rüssels  und  Darmcanals  entbehren.  Unter  gewissen 
Verhältnissen  scheinen  jedoch  auch  einzelne  Individuen  der  parthenogene- 
tischen  Generationen  überwintern  zu  können,  um  im  Frühjahre  einer 
neuen  Entwicklungsreihe  den  Ursprung  zu  geben.  Auf  ähnliche  Weise 
kommt  es  vielfach  bei  den  Pflanzenläusen  zur  Entwicklung  paralleler 
Reihen  des  Generationscyclus  (Dreyfuss  No.  137). 

Eine  weitere  Complication  in  dem  Entwicklungscyclus  der  A  p  h  i  d  e  n 
ergiebt  sich  aus  den  —  wie  es  scheint  —  häufig  vorkommenden 
Wanderungen  von  einer  Pflanze  zur  andern.  Vielfach  unternimmt  eine 
geflügelte  parthenogenetische  Generation  eine  Wanderung  nach  einem 
Zwischenwirth ,  um  sich  daselbst  fortzupflanzen  und  in  einer  späteren 
Generation  nach  der  Stammpflanze  zurückzukehren.  Diese  wandernden 
Generationen,  auf  deren  Vorkommen  Lichtenstein  vielfach  hingewiesen 
hat,  wurden  von  Blochmann  (No.  135)  als  Emigrantes,  Alieni- 
colae  und  Remigrantes  unterschieden.  So  geht  beispielsweise  bei 
Pemphigus  terebinthi  nach  Derbes  aus  dem  befruchteten  Eie  eine 
ungeflügelte  parthenogenetische  Generation  (I)  hervor,  welche  eine  weitere 
mit  Flügeln  versehene  Generation  (II,  Emigrantes)  erzeugt.  Diese  ver- 
lässt  den  bisherigen  Standort  und  producirt  eine  dritte  Generation  (III, 
Remigrantes  =  Sexuparen),  welche,  nachdem  sie  überwintert  hat,  zu  dem 
ursprünglichen  Wirthe  zurückkehrt  und  die  —  wie  bereits  oben 
erwähnt  —  kleinen ,  mund- ,  dann-  und  flügellosen  Geschlechtsthiere 
(IV,  Sexuales)  erzeugt.  Der  Generationscyclus  von  Pemphigus  tere- 
binthi ist  dadurch  interessant,  dass  die  Geschlechtsgeneration  nicht  — 
wie  dies  meist  der  Fall  ist  —  im  Herbste  auftritt,  sondern  im  Frühlinge 
von  überwinternden  parthenogenetischen  Formen  producirt  wird. 

Aehnliche  Verhältnisse,  wie  bei  den  Aphiden,  finden  sich  auch 
bei  den  in  neuerer  Zeit  vielfach  studirten  Chernietiden.  Als  Haupt- 
unterschied ergiebt  sich ,  dass  hier  auch  die  parthenogenetisch  sich  ent- 
wickelnden Eier  stets  abgelegt  werden  und  nicht,  wie  bei  den  Aphiden, 
im  Mutterleibe  ihre  Embryonalentwicklung  durchlaufen.  Bei  Phyl- 
loxera  quercus  kommt  nach  den  Beobachtungen  von  Lichtenstein 
aus  dem  auf  Quercus  coccifera  abgelegten  Winterei  eine  Mutterlaus 
(Fundatrix),  welche  auf  paithenogenetischem  Wege  eine  geflügelte, 
parthenogenesirende  Generation  (Emigrantes)  erzeugt,  die  nach  den 
Blättern  von  Quercus  pedunculata  und  pubescens  überwandert,  Dort 
folgen  nun  mehrere  ungeflügelte  Generationen  (Alienicolae) ,  welche  sich 
parthenogenetisch  fortpflanzen  und  schliesslich  mit  der  Erzeugung  der 
geflügelten  Sexuparen  die  Rückwanderung  auf  Quercus  coccifera  er- 
möglichen. Dort  geht  aus  den  von  den  Sexuparen  gelegten  Eiern  die 
flügellose,  des  Rüssels  und  Darmcanals  entbehrende  Geschlechtsgeneration 
hervor,  welche  das  befruchtete  Winterei  ablegt.  Bei  der  Reblaus 
(Phylloxera  vastatrix)  wandert  das  aus  dem  unter  der  Rinde  des 
Stammes  abgelegten  Winterei  sich  entwickelnde  Junge  an  die  Wurzel, 
um  dort  mehreren  aufeinander  folgenden  Generationen  von  ungeflügelten 
Wurzelläusen,  welche  die  Wurzelnodositäten  erzeugen,  den  Ursprung  zu 
geben.  Die  Reihe  dieser  Generationen  schliesst  mit  der  Production  ge- 
flügelter Sexuparen,  welche  am  Stamm  nach  aufwärts  wandern  und  um- 
hersch wärmen.  Auch  diese  Formen  sind  parthenogenetisch.  Aus  ihren 
nach     dem    Geschlechte    des    zu    entwickelnden    Embryos    verschieden 


Insecten.  879 

grossen  Eiern  geht  die  Generation  der  rüssel-,  darin-  und  flügellosen 
Geschlechtsthiere  hervor,  welche  das  befruchtete  Winterei  erzeugt.  Auch 
in  diesen  Generationscyclus  schieben  sich  Parallelreihen  ein,  so  diejenigen  der 
in  Deutschland  nicht  vorkommenden,  an  den  Blättern  lebenden,  unge- 
flügelten Gallenläuse,  welche  den  Generationen  der  Wurzelläuse  parallel 
laufen.  Aehnliche  zum  Theil  sehr  complicirte  und  nicht  völlig  auf- 
geklärte Verhältnisse  weist  der  Generationscyclus  der  Gattung  C  h  e  r  m  e  s 
auf,  an  dessen  Erforschung  sich  neuerdings  Blochmann  (No.  134,  135), 
Dkeyfüss  (No.  137)  und  Cholodkowsky  betheiligt  haben.  Bei  Chermes 
abietis  geht  aus  dem  befruchteten  Ei  eine  flügellose  parthenogenetische 
Stammmutter  (Fundatrix)  (I)  hervor,  welche  an  der  Knospenbasis  der 
Fichte  überwintert  und  durch  ihr  Anstechen  die  Knospe  zur  Galle 
deformirt.  Die  von  dieser  producirte  Generation  (II)  stellt  geflügelte 
parthenogenetische  Formen  dar,  welche  in  der  Galle  leben,  aber  zum 
Theil  nach  der  Lärche  auswandern,  und  dort  eine  ungeflügelte,  an  den 
Nadeln  lebende  und  unter  der  Rinde  überwinternde  Generation  (III) 
produciren.  Diese  parthenogenetischen  Alienicolae  erzeugen  im  Frühjahr 
des  folgenden  Jahres  (zweites  Jahr  des  Generationscyclus)  die  geflügelten 
Remigrantes  (IV)  oder  Sexuparen,  welche  nach  der  Fichte  zurückwandern 
und  dort  die  ungeflügelten  Weibchen  und  Männchen  erzeugen,  aus  deren 
befruchtetem  Eie  wieder  eine  Stammmutter  (I)  hervorgeht.  Auch  in 
diesen  Entwicklungscyclus  schiebt  sich  eine  Parallelreihe  jener  Formen 
ein ,  welche  die  Ueberwanderung  nach  der  Lärche  nicht  mitgemacht 
haben,  sondern  auf  der  Fichte  verblieben  sind. 

IV.   Allgemeines. 

Es  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Insecten  und  die 
Myriopoden  in  den  innigsten  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  einander 
stehen.  Wenn  die  grosse  Uebereinstimmung  der  anatomischen  Merkmale 
und  der  für  die  Myriopoden  allerdings  nur  fragmentarisch  bekannten 
Thatsachen  der  Entwicklungsgeschichte  für  die  Aufstellung  dieser  ver- 
wandtschaftlichen Beziehungen  als  unzureichend  betrachtet  werden  sollten, 
so  ist  auf  das  Vorhandensein  der  in  den  Symphylen  (Scolopendrella 
Fig.  534)  und  Thysanuren  (vgl.  Campodea  Fig.  535)  uns  vorliegenden 
Uebergangstypen  zwischen  beiden  Gruppen  grosses  Gewicht  zu  legen. 
Es  sei  hier  nur  darauf  hingewiesen,  dass  bei  den  mit  den  Orthopteren 
auf  das  Innigste  verknüpften  Thysanuren  in  dem  Mangel  der  Flügel 
und  in  dem  Vorhandensein  der  bläschenförmigen,  ausstülpbaren  Ventral- 
säcke morphologische  Charaktere  wiederkehren ,  welche  den  höheren 
Insecten  fehlen,  dagegen  in  ähnlicher  Weise  bei  den  Myriopoden  sich 
vorfinden.  Die  Myriopoden  hingegen  stehen  andererseits  wieder  in  nahen 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  Peripatus,  so  dass  wir  berechtigt  sind, 
in  den  Onychophoren,  Myriopoden  und  Insecten  die  An- 
gehörigen einer  einheitlichen  phyletischen  Entwicklungsreihe  zu  sehen, 
welche  durch  Peripatus  ihren  Anschluss  an  die  hypothetische  Stammform 
des  Arthropodentypus  (Protostraken)  und  hierdurch  an  die  Anneliden 
gewinnt  (vgl.  oben  pag.  498  sowie  unten  pag.  904). 

Die  Insecten  stellen  die  höchste  Entwicklungsstufe  der  oben  ange- 
führten phyletischen  Reihe  dar.  Sie  erheben  sich  über  die  Myriopoden 
durch  die  schärfere  Abgrenzung  der  einzelnen  Körperregionen,  durch  die 
Fixirung  der  Zahl  der  Körpersegmente  und  durch  die  Entwicklung  eines 
neuen  Locomotionssystemes :  der  Flügel. 


880 


XXIII.  Capitel. 


Die  Abgrenzung  der  drei  an  dem  Insectenkörper  zu  unterscheidenden 
Regionen  (Kopf,  Brust  und  Abdomen)  erscheint  im  Bereiche  der  Myriopoden 
bereits  angebahnt.  Auch  hier  finden  wir  einen  einheitlichen,  scharf  abgesetzten 
vordersten  Körperabschnitt  (Kopf).  Ferner  lassen  sich  von  den  folgen- 
den Rumpfsegmenten  die  vordersten  als  Thoraxabschnitt  den  übrigen 
gegenüberstellen.  Es  sei  hier  beispielsweise  darauf  hingewiesen,  dass 
bei  den  Diplopoden  die  Thoraxsegmente  nicht  zur  Bildung  von  Doppel- 
segmenten zusammentreten,  wie  dies  bei  den  übrigen  Rumpfsegmenten 
der  Fall  ist.  Wir  haben  aber  oben  (pag.  741)  schon  darauf  hingewiesen, 
dass    die   hier  als  Thorax  unterschiedene  Region    sich  nicht   völlig  dem 


Fig.    534.        Sclopendrella     im-  Fig.    535.       Campodea  staphy- 

maculata  (nach  Latzel,  aus  Lang's  linus  (nach  Lübbock,  aus  Lang's  Lehr- 
Lehrbuch).  buch). 

Thorax  der  lusecten  identificiren  lässt,  da  sich  bei  den  Diplopoden 
zwischen  die  drei  Gliedmaassen  tragenden  Segmente  des  Thorax  ein 
gliedmaassenloses  Segment  einschiebt  (Fig.  463,  B  und  464,  pag.  739 
und  742),  was  bei  den  Insecten  nicht  vorkommt. 

Wenn  nun  auch  die  Regioneneintheilung  des  Körpers  schon  bei  den 
Myriopoden  andeutungsweise  zu  erkennen  ist,  so  tritt  sie  doch  bei  den 
Insecten  viel  schärfer  hervor.  Besonders  ist  die  Grenze  zwischen  Thorax 
und  Abdomen  viel  stärker  markirt.  Es  hängt  dies  mit  einer  zwischen 
beiden  Regionen  zur  Entwicklung  gekommenen  Arbeitsteilung  zusammen. 
Bei  den  Insecten  erscheinen  die  wichtigsten  Locomotionsorgane  in  der 
Thoraxregion  concentrirt.  Damit  steht  die  grössere  Festigkeit  des  Thorax 
und  die  Entwicklung  umfangreicher  Muskelmassen  im  Zusammenhang, 
während  die  weichere,  ausdehnbare  Abdominalregion  zur  Aufnahme  fast 
sämmtlicher   Organe   der  vegetativen   Sphäre  bestimmt  ist.    Wir  finden 


Insecten.  381 

die  wichtigsten  Abschnitte  des  Darmcanals,  des  Respirations-  und  Circu- 
lationssystems,  sowie  die  Geschlechtsorgane  in  diese  Region  verlagert. 

Es  muss  erwähnt  werden,  dass  die  Abgrenzung  der  Thoraxregion  von 
dem  Abdomen  bei  vielen  Insectenlarven  äusserlich  nicht  so  scharf  hervor- 
tritt. Es  hängt  dies  damit  zusammen,  dass  vielfach  bei  den  Larven  dem 
Thorax  keine  so  grosse  Bedeutung  für  die  Locomotion  des  Gesammtkörpers 
zukommt,  wie  bei  den  Imagines,  sei  es,  dass  auch  am  Abdomen  Locomotions- 
organe  zur  Entwicklung  kommen  (z.  B.  bei  den  Raupen),  oder  dass  solche 
auch  dem  Thorax  vollständig  fehlen  (madenförmige  Larven).  Eine  genauere 
Untersuchung  vor  Allem  der  inneren  Organe  wird  aber  auch  hier  stets  wich- 
tige Unterschiede  zwischen  den  Thoraxsegmenten  und  den  Abdominalsegmenten 
erkennen  lassen.  Da  wir  sehen,  dass  die  Scheidung  von  Thorax  und  Abdomen 
bereits  bei  den  Thysanuren  scharf  ausgeprägt  ist,  so  werden  wir  dieselbe  als 
ein  altererbtes  Merkmal  des  Insectenstammes  betrachten  und  jene  scheinbare 
Verwischung  dieser  Grenze  bei  gewissen  Larvenformen  nur  als  eine  secundäre 
Erwerbung  betrachten  können. 

Der  Verlust  der  Extremitäten  im  Bereiche  der  Abdominalregion 
ist  ein  wichtiges  Merkmal,  durch  welches  sich  die  Insecten  von  den 
Myriopoden  unterscheiden.  Mit  Rücksicht  auf  die  Ableitung  der  Insecten 
von  dieser  Gruppe  oder  doch  von  myriopodenähnlichen  Formen  ist  es 
von  Wichtigkeit,  dass  im  Insectenembryo  abdominale  Extremitätenrudi- 
mente auftreten,  welche  später  verschwinden  (vgl.  oben  pag.  794  ff.). 
Vielfach  hat  man  auch  die  bei  Thysanuren  am  Abdomen  sich  findenden 
sog.  Ventralgriffel  als  Extremitätenrudimente  betrachtet,  um  so  mehr  als 
denselben  bei  Machilis  thatsächlich  locomotorische  Fähigkeiten  zukommen. 
Neuerdings  ist  man  jedoch  im  Anschlüsse  an  Haase  (No.  153),  gestützt 
auf  das  Vorkommen  ähnlicher  Griffel  an  den  Hüften  der  Thoraxbeine 
von  Machilis,  sowie  an  den  meisten  Beinpaaren  von  Scolopendrella  geneigt, 
in  denselben  bloss  bewegliche  Hüftsporne  zu  erblicken  (vgl.  oben 
pag.  798).  Dagegen  findet  sich  an  dem  ersten  Abdominalsegment  von 
Campodea  ein  echtes  Extremitätenrudiment. 

Während  bei  den  Myriopoden  die  Zahl  der  Körpersegmente  für  die 
einzelnen  Gattungen  und  Arten  eine  ungemein  schwankende  ist,  erscheint 
sie  für  die  Insecten  in  bestimmter  und  allgemein  gültiger  Weise  fixirt. 
Stets  setzt  sich  der  Thorax  aus  drei  Segmenten  zusammen,  deren  jedes 
ein  Beinpaar  trägt  (daher  die  Bezeichnung  Hexapoda  —  Insecta). 
Ebenso  scheint  aus  den  embryologischen  Thatsachen  auf  das  Bestimmteste 
hervorzugehen,  dass  der  abdominale  Abschnitt  sich  überall  aus  zehn 
Rumpfsegmenten  und  einem  dahinter  folgenden  Aftersegmente  (Telson) 
zusammensetzt.  Grössere  Schwierigkeiten  verursacht  die  Zählung  der 
Segmente,  welche  in  die  Bildung  des  Kopfabschnittes  eingegangen  sind. 
Hier  treten  drei  Kiefersegmente  (Mandibel-,  I.  Maxillar-  und  IL  Maxillar- 
segment)  mit  einem  vorderen  primären  Kopfabschnitte  zusammen.  Für 
letzteren  dürfen  wir  nach  den  Verhältnissen  der  Gehirnsegmentirung 
vielleicht  eine  Zusammensetzung  aus  drei  Segmenten  supponiren  (vgl. 
oben  pag.  821  ff.),  während  sich  zwischen  diesen  Abschnitt  und  das  Man- 
dibelsegment  noch  ein  rudimentäres  sog.  Vorkiefersegment  einzuschieben 
scheint.  Doch  stehen  wir  hier  hinsichtlich  der  Zählung  der  Segmente 
noch  auf  ziemlich  hypothetischem  Boden.  Es  sei  erwähnt,  dass  die  An- 
tenne dem  zweiten  Gehirnsegmente  angehört  und  durch  ihre  ursprünglich 
postorale  Lagerung,  sowie  durch  ihr  Verhalten  gegenüber  dem  zuge- 
hörigen Cölomsäekchen  (bei  Orthopteren)  (vgl.  pag.  793)  sich  durchaus 
wie  eine  echte  Rumpfgliedmaasse  verhält.    Es  steht  dies  in  vollständiger 


882 


XXIII.  Capitel. 


Uebereinstimmung   mit  dem,   was  wir   über  dieses  Gliedmaassenpaar  bei 
Peripatus  und  den  Myriopoden  kennen  gelernt  haben. 

Eine  der  interessantesten  Fräsen  in  der  Phylogenie  der  Inseeten  ist 
die  nach  der  Entstehung  der  Flugwerkzeuge.  Die  Flügelanlagen  ent- 
stehen am  Meso-  und  Metathorax  als  dorsale  Hautausstülpungen,  in 
deren  Innenraum  später  Tracheenverästelungen  aufgenommen  werden. 
Es  ist  von  Interesse,  dass  ähnliche  seitliche  faltenförmige  Verbreiterungen 
der  Rückenplatten,  welche  an  die  ersten  Flügelanlagen  erinnern,  auch 
dem  Prothorax  zukommen  können,  z.  B.  bei  Machilis  und  Blatta.  Am 
deutlichsten  sind  dieselben  an  den  durch  F.  Müller  (No.  158)  bekannt 
gewordenen  Larven  von  Calotermes  (Fig.  536)  zu  erkennen,  an  deren 
jüngsten  Stadien  zunächst  dorsale  Ausstülpungen  des  Prothorax  und 
Mesothorax  zu  erkennen  sind,  welche  Anfangs  der  Tracheen  entbehren. 
Während  das  vordere  Paar  dieser  Ausstülpungen  rückgebildet  wird, 
gewinnt  das  hintere  Paar  die   Tracheeneinlagerung,   wodurch   es  in   die 


Anlage 
thorax 


der 
die 


Vorderllügel 
Anläse  der 


sich  umbildet,  und  gleichzeitig  tritt  am  Meta- 
Hinterflügel  auf.  Man  hat  vielfach  versucht, 
gestützt  auf  die  grosse  Aehnlichkeit  der  Lage  und 
des  Baues,  die  Flügelanlagen  und  die  blattförmigen 
Tracheenkiemen,  wie  sie  sich  an  den  Abdominal- 
segmenten der  Ephemeridenlarven  vorfinden 
(Fig.  519  Je,  pag.  850),  für  homodyname  Bildungen 
zu  betrachten.  Dieser  von  Gegenbaur  und  Lubbock 
(No.  156)  vertretenen  Ansicht  hat  neuerdings  noch 
Redtenbacher  (No.  165)  beigepflichtet.  Auch 
F.  Müller,  der  sich  gegen  die  genannte  Auf- 
fassung aussprach,  ist  geneigt,  die  ursprüngliche 
Function  der  Flügel  für  eine  respiratorische,  zu 
halten.  Diese  Ansicht,  welche  durch  den  Bau  der 
Flügelanlagen,  in  deren  Innerem  Bluträume  und 
Tracheenverästelungen  sich  vorfinden,  wohl  ge- 
stützt erscheint,  hat  zur  Voraussetzung,  dass  die 
geflügelten  Inseeten  von  einer  im  Wasser  lebenden 
Form  abstammen.  Die  oben  angenommene  phyle- 
tische  Reihe,  welche  von  Peripatus  durch  die 
Myriopoden  und  Thysanuren  zu  den  Orthopteren 
führt,  zeigt  uns  durchaus  auf  dem  Lande  lebende 
und  an  das  Landleben  angepasste  Formen.  Wir 
haben  keine  Ursache  anzunehmen,  dass  in  die 
Vorfahrenreihe  der  geflügelten  Inseeten  (Pterygogenea)  sich  eine  im  Wasser 
lebende  Ahnenform  eingeschoben  habe.  Die  Lebensweise  der  im  Wasser 
vorkommenden  Larvenformen  der  Hemimetabola  werden  wir,  ebenso  wie 
ihre  derselben  angepassten  Respirationsorgane  als  seeundär  erworben  be- 
trachten dürfen.  Aus  den  gleichen  Gründen  können  wir  der  Anschauung 
Dohrn's  nicht  beitreten,  welcher,  in  der  phyletischen  Reihe  noch  weiter 
zurückgehend,  die  Tracheenkiemen  der  Ephemeridenlarven,  sowie  die  Flügel- 
anlagen auf  die  Elytren  der  Annelidenahnen  der  Inseeten  zu  beziehen  ge- 
neigt ist.  (Vgl.  Dohrn,  die  Pantopoden.)  Es  ist  darauf  hinzuweisen,  dass 
bei  Peripatus  sowohl,  als  bei  den  Myriopoden  entsprechende  Hautdupli- 
eaturen  vollständig  fehlen.  Wir  halten  es  daher  für  durchaus  gerecht- 
fertigt, wenn  Grassi  (No.  150)  dieselben  als  eine  Neuerwerbung  im 
Bereiche  des  Insectenstammes  betrachtet  und  sie  auf  abgegliederte  selbst- 
ständig gewordene  Faltenbildungen  am  Rande  der  Tergalplatten  zurück- 


Fig.  536.  Larve  von 
Calotermes  rugosus 
(nach  F.  MüllerJ. 

f  flügelförmige  Anhänge 
des  Prothorax,/"  Anlage  der 
Vorderflügel,  /'"  Anlage  der 
Hinterflügel. 


Insecten.  883 

führt,  wobei  die  Flügelmusculatur  von  dem  auch  in  den  anderen  Körper- 
segmenten vertretenen  System  der  Dorsoventralmuskeln  herzuleiten  ist. 
Man  darf  vielleicht  annehmen,  dass  der  Uebergang  von  der  kriechenden 
Bewegungsweise  zum  Flug  durch  eine  kletternde  Bewegungsart  ver- 
mittelt wurde,  bei  welcher  einzelne  Distanzen  durch  den  Sprung  zurück- 
gelegt wurden,  was  zur  Ausbildung  fallschirmartiger  Verbreiterungen  der 
Thoraxsegmente  Anlass  gab.  Der  Uebergang  von  solchen,  noch  unbe- 
weglichen, als  Fallschirm  zur  Verwendung  kommenden  Hautduplicaturen 
zu  abgegliederten,  selbstständig  thätigen  Locomotionswerkzeugen  erscheint 
uns  ziemlich  plausibel.  Es  ist  vielleicht  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  die 
Fähigkeit,  sich  von  der  Unterlage  abzuschnellen,  bei  den  Thysanuren, 
Collembolen  und  Orthopteren  verbreitet  ist,  und  dass  bei  den  Orthopteren 
(z.  B.  bei  der  Schnarrheuschrecke)  die  Flügel  thatsächlich  kaum  anders, 
denn  als  Fallschirme  zur  Verwendung  kommen.  Die  Beschränkung  der 
Flügelbildungen  auf  den  Meso-  und  Metathorax  mag  mit  der  Lage  des 
Schwerpunktes  des  Körpers  in  Zusammenhang  stehen.  Wir  betrachten 
mit  Brauer  (No.  146)  die  Flügellosigkeit  nur  im  Bereiche  der  Aptery- 
gogenea  als  eine  primäre  Eigenschaft,  während,  wo  bei  den  als  Pterygogenea 
zusammengefassten  Insectenordnungen  Flügellosigkeit  beobachtet  wird, 
dieselbe  als  secundär  erworben  zu  betrachten  ist. 

Hinsichtlich  der  Tracheenstigmen  sei  auf  ihre  segmentale  Anordnung 
hingewiesen.  Es  scheint,  dass  ursprünglich  jedem  der  drei  Thoraxseg- 
mente, sowie  den  acht  sich  anschliessenden  Abdominalsegmenten  je  ein 
Stigmenpaar  zukam.  Wenigstens  sind  die  durch  Grassi  und  Haase 
bekannt  gewordenen  Verhältnisse  des  Respirationssystems  der  Thysanuren 
einer  solchen  Annahme  günstig.  Bei  den  meisten  Insecten  dagegen  wird 
die  Zahl  der  thoracalen  Stigmenpaare  reducirt.  Dem  Kopfe  scheint 
kein  echtes  Stigmenpaar  anzugehören.  Wir  haben  oben  (pag.  819  und  830) 
die  Gründe  auseinandergesetzt,  warum  wir  weder  die  Endosceleteinstülpungen 
des  Kopfes,  noch  die  Speicheldrüsen  für  homodyname  Bildungen  mit  den 
Tracheeneinsenkungen  ansehen  können.  Dagegen  sei  hier  darauf  hin- 
gewiesen, dass  für  Scolopen  drella  (von  Haase)  und  für  Smin- 
thurus  (von  Lubbock)  das  Vorhandensein  eines  dem  Kopfe  angehörigen 
Stigmenpaares  behauptet  worden  ist. 

Wir  müssen  noch  auf  das  Vorhandensein  der  zusammengesetzten 
Augen  (Fächer-  oder  Facetten  au  gen)  als  eines  der  Merkmale 
hinweisen,  durch  welches  sich  die  Insecten  über  die  Myriopoden  erheben. 
Die  ursprünglichste  Augenform  der  Insecten  ist  offenbar  in  dem  Stemm a 
(pag.  828,  Fig.  507)  gegeben,  dessen  Bau  nach  Grenacher  (No.  151) 
in  einzelnen  Fällen  sich  noch  direct  auf  den  eines  einfachen  Napfauges 
zurückführen  lässt,  während  es  in  anderen  Fällen  durch  Ausbildung  einer 
Glaskörper-  (lentigenen)  Schicht  zu  einem  zweischichtigen,  complicirter 
gebauten  Auge  geworden  ist  (pag.  827,  Fig.  506  B).  Wir  werden 
kaum  fehlgehen,  wenn  wir  das  Insectenstemma  direct  von  den  Napf- 
augen der  Anneliden  ableiten  (Kennel  No.  154).  Das  zusammen- 
gesetzte Auge  dagegen  scheint  einer  Häufung  von  Ocellen  zu  entsprechen, 
bei  welcher  die  Zahl  der  Ocellen  vermehrt  wurde,  während  die  einzelnen 
Ommatidien  auf  eine  geringere  Stufe  der  Leistungsfähigkeit  herabsanken. 
Wir  haben  oben  (pag.  746)  gesehen,  dass  im  Bereiche  der  Myriopoden 
eine  fast  geschlossene  Reihe  von  Uebergängen  zwischen  dem  gehäuften 
Punktauge  und  dem  echten  Facettenause  zu  erkennen  ist.  Wir  werden 
daher  für  das  Facettenauge  der  Insecten  diese  Ableitung  als  eine  durch- 
aus   wahrscheinliche    annehmen    dürfen.      Ueber   die    Beziehungen    des 


884  XXIII.  Capitel. 

Facettenauges  zu  den  Ocellen  desselben  Thieres  vgl.  oben  pag.  828. 
Mit  Rücksicht  auf  die  Thatsache,  dass  bereits  Machilis  Facettenaugen 
besitzt,  werden  wir  die  letzteren  als  eine  ziemlich  alte  Erwerbung  im 
Bereiche  der  Insectenahnen  betrachten  dürfen  und  werden  geneigt  sein, 
jene  Fälle,  in  denen  uns  im  Bereiche  der  Insecten  (sei  es  bei  Larven 
oder  bei  Imagines)  der  Mangel  der  Facettenaugen  entgegentritt,  als 
Folgen  einer  Rückbildung  aufzufassen. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  einige  wichtige  Momente  in  der 
Embryonalentwicklung  der  Insecten  hingewiesen.  Hier  tritt  uns  zunächst 
als  ein  wichtiges  Merkmal  die  Entwicklung  der  Embryonalhüllen  ent- 
gegen. Durch  diese  Erwerbung  erweisen  sich  die  Insecten  (ebenso  wie 
durch  die  Ausbildung  des  Flugvermögens)  als  die  höchstentwickelten 
aller  Arthropoden.  Demgegenüber  erscheint  es  merkwürdig,  dass  die 
Insecten  in  anderen  Beziehungen,  besonders  hinsichtlich  der  Art  der 
Keimblätterbildung,  offenbar  sehr  ursprüngliche  Charaktere  bewahrt  haben. 
Der  langgestreckte,  die  ganze  Ventralseite  einnehmende  Blastoporus,  das 
Vorhandensein  einer  deutlichen  Invaginationsgastrula,  welche  zur  Aus- 
bildung eines  Urdarmrohres  führt  und  die  Art,  auf  welche  das  Mesoderm 
vom  Entoderm  sich  sondert,  müssen  in  dieser  Beziehung  erwähnt 
werden.  Hinsichtlich  des  letzteren  Punktes  sei  hervorgehoben,  dass  die 
Trennung  des  Mesoderms  vom  Entoderm  durch  einen  Process  sich  voll- 
zieht, welchen  man  auf  den  der  Abfaltung  zurückführen  kann,  so  dass 
schon  Kowalevsky  (No.  49)  mit  vollem  Rechte  die  Keimblätterbildung 
der  Insecten  mit  der  von  Sagitta  in  Vergleich  gezogen  hat,  eine  Auf- 
fassung, in  welcher  ihm  später  Rabl  beigetreten  ist.  Es  lassen  sich 
demnach  die  Cölomsäcke  bei  den  Insecten  ihrer  Entwicklung  nach  als 
Urdarmdivertikel  betrachten.  Von  Interesse  ist  ferner  die  Umbildung, 
welche  die  Urseginente  in  späteren  Stadien  erfahren,  wovon  wir  in  dein 
Capitel  über  die  Entwicklung  des  Herzens  und  der  Genitalorgane  aus- 
führlicher gesprochen  haben. 


Litteratur. 

Embryonalentwicklung. 

Aeltere  Angaben  von  Herold,  Köllicker,  Leuckart,  Eathke,  Kobin,  Suckow  und  Zaddaih. 

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Zeitschr.  f.   Wiss.  Zool.     31.  Bd.     1878. 

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14.  Carriere,    J.     Kurze  Mittheilungen   aus  fortgesetzten    Untersuchungen  über   die  Seh- 

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9.  Jahrg.     188G. 

15.  Carriere,    J.     Die  Drüsen   am   ersten  Hinterleibsringe  der  Insectenembryonen.     Biol. 

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germanica.     Zool.  Anz.     14.  Jahrg.     1891. 
20a.  Cholodkowsky,  N.    Die  Embryonalentwicklung  von  Phyllodromia  (Blatta)  germanica. 
Mem.   Ac  tt.  St.  Pctersbourq.     (7.)   38  Bd.  1891.     (Uns    erst   nach    Beendigung    des 
Druckes  dieses  Heftes  zugegangen.) 

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Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     19.  Bd.     1869. 

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1888. 

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Jahrb.     14.   Bd.     1S88. 

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28.  Graber ,    V.      Vergleichende  Studien   über   die  Embryologie  der  Insecten   und  insbes. 

der  Museiden.     Denkschr.  Acad.   Wiss.      Wien.     56.  Bd.     1889. 

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1889. 
Korschelt-Heider,   Lehrbuch.  57 


886  XXIII.  Capitel. 

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40.  Henking,    H.      lieber  die  Bildung   von  Richtungskörpern  in   den  Eiern  der  Insecten 

und  deren  Schicksal.     Nachr.  Ges.    Wiss.     Göttingen  1888. 

41.  Hertwig,    O.  und  R.      Die   Ceelomtheorie.      Versuch  einer  Erklärung    des   mittleren 

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43.  Heymons,  R.     Die  Entstehung  der  Geschlechtsdrüsen  von  Phyllodromia  (Blatta)  ger-^ 

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45.  Kadyi,  H.     Beitrag  zur  Kenntnis  der   Vorgänge  beim  Eierlegen  der  Blatta  orientalis. 

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4.  Bd  1875  und  5.  Bd.  1876. 

84.  Viallanes,    H.     Sur  quelques  points  de  Vhistoire  du  developpement   embryonnaire    de 

la  Mante  religicuse.     Rec.  Biol.  du  Nord  de  la  France.     Tom.  2.     1889 — 1890. 

85.  Voeltzkow,    A.     Entwicklung   im  Ei  von  Musca  vomitoria.     Arb.  Zool.  Zoot.  Inst. 

Würzburg.     9.  Bd.     1889. 

86.  Voeltzkow,  A.    Melolontha  vulgaris,  ein  Beitrag  zur  Entwicklung  im  Ei  bei  Insecten. 

Arb.  Zool.  Zoot.  Inst.      Würzburg.     9.  Bd.     1889. 

87.  Weismann ,    A.      Die   Entivicklung    der    Dipteren   im   Ei,    nach   Beobachtungen  an 

Chironomus  sp.,  Musca  vomitoria  und  Fulcx  Canis.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     13.  Bd. 
186-,. 

88.  Weismann,   A.     Zur  Embryologie  der  Insecten.     Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.    1864. 

89.  W^eismann,  A.    Beiträge  zur  Kenntnis  der  ersten  Entivicklungsvorgänge  im  Insectenei. 

In:    Beiträge   zur  Anatomie  und  Embryologie  etc.   (Festschrift  für  J.  Henle).    Bonn 
1882. 

90.  Weismann,   A.  und  Ischikawa,  Ch.      Ueber  die  Bildung  der  Richtungskörper  bei 

thierischen  Eiern.     Ber.  Naturf.  Ges.  Freiburg.     3.  Bd.     1887. 

91.  Wheeler,  W.   M.     On  the  Appendages  of  the  first  Abdominal  Segment  of  the  Em- 

bryo Cockroach  (Blatta  germanica).     Proceed.   Wiscons.  Acad.     Science  Arts  and  letters. 
8.   Vol.     1890. 

92.  Wheeler,    W.    M.       Ueber    drüsenartige    Gebilde    im    ersten    Abdominalsegment   der 

Hemipterenembryonen.     Z.  A.     12.  Jahrg.     1889. 

93.  Wheeler,  W.  M.     Ueber  ein  eigentümliches  Organ  im  Locustidenembryo  (Xiphidiunt 

ensiferum).     Zool.  Anz.     13.  Bd.     1890. 

94.  Wheeler,    W.    M.     Neuroblasts   in   the   Arthropod   Embryo.     Journ.    of   Morphol. 

4.  Bd.     1891. 

95.  Wheeler,  W.  M.    The  Embryology  of  Blatta  germanica  and  Doryphora  decemlineata. 

Journ.  of  Morphol.     Boston.      Vol.  3.     1889. 

96.  Will,    L.     Zur  Bildung   des  Eies   und   des  Blastoderms   bei  den    viviparen    Aphiden. 

Arb.  Zool.   Zoot.  Inst.      Würzburg.     6.  Bd.     1883. 

97.  Will,  L.     Entwicklungsgeschichte  der  viviparen  Aphiden.     SpengeVs  Zool.  Jahrbücher. 

Abth.  f.  Anat.  und  Ont.     3.  Bd.     1888. 

98.  Witlaczil,     Em.      Entwicklungsgeschichte    der    Aphiden.     Zeitschr.  f.    Wiss.    Zool. 

40.  Bd.     1884. 

57* 


888  XXIII.  Capitel. 

Postembryonale  Entwicklung. 

Ueber  die  Entwicklung  in  der  Puppe  vgl.  ältere  Angaben  von  Swammeedam, 

Herold  und  L.  Agassiz. 

99.  Bemmelen,  J.  F.  van  Ueber  die  Entwicklung  von  Farben  und  Adern  auf  den 
tichmetterlingsflügeln.  Tijdschrift  der  Nederlandsche  Dierkundige  Vereeniging  (2). 
Deel  IL     Afl.  4.     1S89. 

100.  Brauer,   Fr.    Die  Zweiflügler  des  Kais.  Museums  zu   Wien.    III.  Systemat.    Studien 

auf  Grundlage  der  Dipteren- Larven  cet.    Denkschr.   Acad.    Wiss.     Wien.     47.   Bd. 

101.  Brauer,  F.  und  Redtenbacher,  Jos.     Ein  Beitrag  zur  Entwicklung  des  Flügel- 

geäders  der  Insecten.     Zool.  Anz.     11.  Jahrg.     1888. 

102.  Dewitz,    H.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  postembryonalen  Gliedmaassenbildung  bei  den 

Insecten.     Zeitsehr.  f.    Wiss.  Zool.     30.  Bd.  Suppl.     1878. 

103.  Dewitz ,    H.      Ueber  Bau   und  Entwicklung    des  Stachels  und  der  Legescheide  einiger 

Hymenopteren  und  der  grünen  Heuschrecke.  Zeitsehr.  f.  Wiss.  Zool.  25.  Bd.  1875 
und  28.  Bd.  1877. 

104.  Dewitz,    H.       Ueber    die   Flügelbildung    bei   Phryganiden   und  Lepidopteren.      Berl. 

Ent.  Zeitsehr.     Bd.  25.     1881. 

105.  Fabre,  M.     L' hypermetamorphose  et  les  meeurs  des  Meloides.     Ann.  Scienc.  Nat.  (4). 

Vol.  7.     1857. 

106.  Frenzel,  J.    Einiges  über  den  Mitteldarm  der  Insecten,  sowie  über  Epithelregeneration. 

Arch.  Micr.  Anat.     26.  Bd.     1885. 

107.  Ganin ,   M.     Materialien   zur   Kenntniss   der  postembryonalen  Entwicklungsgeschichte 

der  Insecten  (Russisch).  Warschau  1876.  Abdruck  aus  den  Arbeiten  der  V.  Ver- 
sammlung russischer  Naturf.  und  Aerzte  in  Warschau  1876.  Referat  von  Hoyer 
in:  Jahresber.  der  Anat.  und  Fhys.  von  Hoff  mann  und  Schwalbe  5.  Bd.  1876 
und  in:    Zeitsehr.  f.   Wiss.  Zool.     28.  Bd.     1877. 

108.  Haase,     E.      Zur  Entwicklung    der    Flügelrippen    der    Schmetterlinge.      Zool.    Anz. 

14.  Jahrg.     1891. 

109.  Hurst,    H.     The  post  -  embryonic    development    of   a  gnat  (Culex).     Trans.  Liverpool 

Biol.  Soc.     Vol.  4.     1890. 
HO.    Jakobi,    A.      Ueber    die  Entwicklung   der   Zeichnung    an    den    Schmetterlingsflügeln. 
Frotok.  Gesellsch.  Naturf.     Kasan  1888189  (Russisch). 

111.  Kowalevsky,    A.     Beiträge  zur  nachembryonalen  Entwicklung  der  Museiden.    Zool. 

Anz.     8.  Bd.     1885. 

112.  Kowalevsky,    A.     Beiträge  zur   Kenntniss    der   nachembryonalen   Entivicklung  der 

Museiden.     I.  Theil.     Zeitsehr.  f.   Wiss.  Zool.     45.  Bd.     1887. 

113.  Künckel    d'Herculais ,    J.     Recherches   sur  t  Organisation   et   le  developpement  des 

Volucelles.     Baris  1875. 

114.  Landois,    H.      Beiträge   zur   Entwicklungsgeschichte   der   Schmetterlingsfliigel   in    der 

Raupe  und  Puppe.     Zeitsehr.  f.   Wiss.  Zool.     21.  Bd.     1871 . 

115.  Lowne,  B.  Th.      Anatomy,  Physiology,  Morphology  and  Development  of  the  Blow- 

Fly.     London.     Fart.  I  1890.     Part.  II  1891. 

116.  Metschnikoff,   E.      Untersuchungen   über   intracelluläre    Verdauung    bei   wirbellosen 

Thieren.     Arb.  a.  d.  zoolog.  Inst,  zu   Wien.     5.  Bd.     1883. 

117.  Metschnikoff,  E.     Untersuchungen  über  die  mesodermalen  Fhagocyten  einiger  Wirbel- 

thiere.     Biol.  Centralbl.     3.  Bd.     1883. 

118.  Müller,   F.     Die  Flügeladern  der  Schmetterlingspuppen.     Kosmos.     1.  Jahrg.    1877. 

119.  Pancritius,  P.    Notiz  über  FlügelentwicJclung  bei  den  Insecten.    Zool.  Anz.    7.  Jahrg. 

1884. 

120.  Pancritius,    P.       Beiträge  zur   Kenntnis    der    Flügelentivicklung    bei    den    Insecten. 

Inaug.-Diss.     Königsberg.     1884. 

121.  Rees,    J.  van.     Beiträge  zur  Kenntniss  der  inneren  Metamorphose  von  Musca  vomi- 

toria.     Zool.  Jahrb.     Abth.  f.  Anat.  u.   Ontog.     3.  Bd.     1888. 

122.  Rees,    J.    van.     Over    de   post- embryonale    ontwikkeling   von   Musca   vomitoria    in: 

Maandblad  voor  Natuurwetenschappen .     Juli  1885. 

123.  Rees,    J.  van.     Over   intra-cellulaire   spijsver teering   en  over  de  beteekenis  der  wüte 

bloedlichampjes.     Maandblad  voor  Natuurwetenschappen.     Jaarg.  11.     18S4. 

124.  Rehberg ,    A.      Ueber   die    Entwicklung   des    Insectenßügcls    (an   Blatta    germanica). 

Marienwerder.     1886. 
124a.  Schäffer,    C.     Beiträge   zur  Histologie  der  Insecten.     SpengeVs  Zool.  Jahrb.     3.  Bd. 
Abth.  f.  Anat.     1889. 


Insecten.  889 

125.  Schiemenz,    P.      Ueber   das  Herkommen  des  Futtersaftes  und  die  Speicheldrüsen  der 

Biene  etc      Zeitschr.  f.   Wiss.  Zool.     38.  Bd.     1883. 

126.  Semper,    C.      lieber   die  Bildung   der  Flügel,  Schuppen  und  Ilaare  bei  den  Lepidop- 

teren.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     8.  Bd.     1857. 

127.  Verson,  E.     Der  Schmetterlingsflügel  und  die  sog.  Imaginalscheiben  desselben.     Zool. 

Anz.     1890. 

128.  Viallanes,    H.     Recherches    sur   l'histologie   des  Insectes  et  sur  les  phcnomenes  histo- 

logiques  qui  accompagnent  le  developpement  post-embryonnaire  de  ces  animaux.  Ann. 
Sc.  Nat.  (6).     Tom.  14.     1882. 

129.  Weismann,  A.     Die  nachembryonale  Entwicklung  der  Museiden  nach  Beobachtungen 

an  Musca  vomitoria  und  Sarcophaga  carnaria.  Zeitschr.  f.  Wiss.  Zool.  14.  Bd. 
1864. 

130.  Weismanil ,    A.     Die   Metamorphose   von    Corethra  plumicornis.     Zeitschr.  f.    Wiss. 

Zool.     IG.  Bd.     1866. 

131.  Wielowiejsky ,   H.    v.      lieber    den  Fettkörper   von  Corethra  plumicornis  und  seine 

Entwicklung.     Zool.  Anz.     6.  Jahrg. 

Parthenogenese  und  Heterogonie. 

132.  Adler,  H.      lieber  den  Generationswechsel  der  Eichen-Gallwespen.     Zeitschr.  f.   Wiss. 

Zool.     35.  Bd.     1881. 

133.  Balbiani,  E.  G.     Observations  sur  la  reproduetion  du  Fhylloxera  du  Chene.    Ann.  Sc. 

Nat.  (5).      Vol.  19.     1874. 

134.  Blochmann,    F.       lieber    die   Geschlechtsgeneration    von    C'hermes    abietis   L.      Biol. 

Centralbl.     7.  Bd.     1887188. 

135.  Bioehmann,  F.      lieber  die  regelmässigen   Wanderungen  der  Blattläuse,  speciell  über 

den  Generat  ionscyclus  von  Chermes  abietis  L.     Biol.  Centralbl.     9.  Bd.     1889. 

136.  Carriere,  J.     Die  Reblaus.     Biol.  Centralbl.     7.  Bd.  p.  737—748.     1888. 

137.  Dreyfuss,  L.      lieber  Fhylloxerinen.      Wiesbaden  1889. 

138.  Grimm,    O.  v.      Ungeschlechtliche  Fortpflanzung   einer    Chironomus-Art   und   deren 

Entioicklung  aus  dem  unbefruchteten  Eie.     Mc'm.  Acad.  Feter sbourg.     1870. 

139.  Leuekart,    R.     Die   ungeschlechtliche  Fortpflanzung   der  Cecidomyialarven.     Arch.  f. 

Naturg.     1865. 

140.  Leuekart,   R.     Zur  Kenntniss   des  Generationswechsels   und  der  Farthenogenese   bei 

den  Insecten.     Frankfurt  1858. 

141.  Liechtenstein,    J.     Zur  Biologie  der   Gattung   Fhylloxera.     Stettin.  Entom.  Zeitung. 

36.  Jahrg.     1875. 

142.  Siebold,  C.  Th.  v.     Beiträge  zur  Parthenogenesis  der  Arthropoden.     Leipzig  1871. 

143.  Signoret,  V.    Fhylloxera  de  la   Vigne.     Ann.  Soc.  Entomol.  de  France  (4).    Tome  9. 

1869. 

144.  Wagner,  N.    Beitrag  zur  Lehre  von  der  Fortpflanzung  der  Insectenlarvcn.    Zeitschr. 

f.   Wiss.  Zool.     13.  Bd.     1860. 

Allgemeines. 

145.  Brauer,    Fr.     Verwandlung   der  Insecten  im  Sinne  der  Descendenz- Theorie.     Verh. 

Zool.  Bot.  Ges.     Wien.     I.  1869.     IL  1870. 

146.  Brauer,  Fr.    Systematisch-zoologische  Studien.    Sitz.  Ber.  Akad.  Wiss.     Wien.   91.  Bd. 

1885. 

147.  Carriere,  J.     Die  Sehorgane  der  Thiere.     München  und  Leipzig  1885. 

148.  Fernald,    H.  T.     The   Relationships   of  Arthropods.     Johns  Hopkins   Univers.  Stud. 

Biol.  Laborat.     4.   Vol.     1890. 

149.  Graber,    V.     Die  Insecten.     München    1877.      (In:    Die    Naturkräfte.      II.    Theil. 

Vergl.  Lebens-  und  Entwicklungsgeschichte  der  Insecten.     1879.) 

150.  Grassi,    B.     I  progenitori  dei  Miriapodi  e  degli  Insetti.     Memoria  VIII.     Anatomia 

comparata  dei  Tisanuri  e  considerazioni  generali  suW  organisazione  degli  Insetti.  Atti 
Acad.  Lincei.  (4).  Vol.  4.  1888.  Auch  in:  Arch.  Ital.  Biol.  Tom.  11. 
1889. 

151.  Grenadier ,    H.      Untersuchungen   über  das  Sehorgan  der  Arthropoden,  insbesondere 

der  Spinnen,  Insecten  und  Crustaceen.     Göttingen  1879. 

152.  Haase,  E.     Die  Vorfahren  der  Insecten.    Abh.  Ges.  Isis.    Dresden.    11.  Bd.    1887. 


890  XXIII.  Capitel. 

153.  Haase,  E.    Die  Abdominalanhänge  der  Inseeten  mit  Berücksichtigung  der  Myriopoden. 

Morph.  Jahrb.     15.  Bd.     1890. 

154.  Kennel,    J.  v.     Die  Ableitung  zunächst  der  sog.  einfachen  Augen  der  Arthropoden, 

nämlich   der  „Stemmata"    der  Insectenlarven ,    Spinnen .    Scorpioniden  etc.  von  Augen 
der  Anneliden.     Sitz.-Ber.  Nat.  Ges.  Dorpat.     8.  Bd.     1889. 

155.  Korsehelt,  E.      lieber  die  Entstehung   und  Bedeutung   der  versch.  Zellenelemente  des 

Insectenovariums.     Zeitschr.  f.    Wiss.  Zool.     43.  Bd.     1886. 

156.  Lubboek,  J.     Origin  and  Metamorphoses  of  Insects.     Nature  Series.    London  1883. 

157.  Mayer,  P.     Ontogenie  und  Phylogenie  der  Inseeten.     Jen.  Zeitschr.     Vol.  10.    1876. 

158.  Müller,  F.     Beitroge  zur  Kenntniss  der   Termiten.     Jen.  Zeit  sc] tr.  f.  Naturwissensch. 

7.  Bd.     1873. 

159.  Nassonow,    N.      Welche   Insectenorgane    dürften    homolog   den   Segmentorganen   der 

Würmer  zu  Italtcn  sein?     Biol.  Centralbl.     6.  Bd.     1886. 

160.  Packard,  A.  S.     Guide  to  the  Study  of  Insects  etc.     New   York.     1889. 

161.  Palmen,   A.     Zur  Morphologie  des  Tracheensystems.     Helsingfors  1877. 

162.  Palmen,   J.  A.    Zur  vergleichenden  Anatomie  der  Ausführung sgänge  der  Sexualorgane 

bei  den  Inseeten.     Morph.  Jahrb.     9.  Bd.     1883. 

163.  Palmen,  J.  A.     lieber  paarige  Ausführungsgänge  der  Geschlechtsorgane  bei  Inseeten. 

Eine  monographische   Tinter  suchung.     Helsingfors  1884. 

164.  Ratzeburg,   J.  Th.  C.     Die  Forstinsecten.     Berlin  1837—1844. 

165.  Redtenbacber ,    Jos.      Vergleichende   Studien   über    das    Flügclgeäder   der  Inseeten. 

Ann.  Hofmus.    Wien.     1.  Bd.     1886. 

166.  Westwood,  J.  O.    An  Introduction  to  the  modern  Classification  of  Insects.    London 

1839-1840. 


XXIV.  Capitel. 

ALLGEMEINES  LEBER  DIE 
ARTHROPODEN. 


Bei  einem  nochmaligen  Ueberblicken  der  Entwicklung  der  ver- 
schiedenen Abteilungen  der  Arthropoden  tritt  uns  vor  allen  Dingen  der 
einheitliche  Charakter  derselben  entgegen.  In  der  Beschaffenheit 
der  Eier,  der  Furchung,  der  Art  der  Keimblätterbildung  und  der  Ge- 
staltung des  Embryos,  sowie  in  der  weiteren  Differenzirung  der  Keim- 
blätter und  der  Anlage  der  Organe  ergeben  sich  so  viele  überein- 
stimmende Züge,  dass  wir  auch  auf  Grund  der  Entwicklungsgeschichte 
berechtigt  sind,  die  Abtheilung  der  Arthropoden  als  eine  phyletisch 
einheitliche  aufzufassen,  wenn  sich  auch,  wie  gleich  bemerkt  werden  soll, 
der  gemeinsame  Stamm  bereits  nahe  an  der  Wurzel  theilt  und  die  drei 
starken  Aeste  bildet,  welche  wir  unter  dem  Namen  der  Crustaceen, 
Arachnoiden  und  Myriopoden-Insecten  kennen. 

Die  Arthropodeneier  zeichnen  sich  in  der  Regel  durch  die  beträcht- 
liche Menge  des  vorhandenen  Nahrungsdotters  und  dessen  gleich- 
massige  Vertheilung  aus  (centrolecithale  Eier  der  Arthropoden).  Die 
typische  Furchungsweise  der  Arthropoden  ist  die  superflcielle  Fnrchung, 
welche  sich  aus  der  totalen  und  äqualen  Furchung  herausgebildet  hat, 
wie  man  aus  der  Entwicklung  verschiedener  Crustaceen  erkennt1).  So 
sehen  wir  auch,  dass  die  Arthropodeneier  in  jenen  Fällen,  in  welchen 
der  Nahrungsdotter  secundär  rückgebildet  wurde,  eine  totale  Furchung 
durchlaufen  (Cladoceren,  Peripatus  edwardsii).  In  anderen 
Fällen  stellt  die  totale  Furchung  vielleicht  noch  ein  ursprüngliches  Ver- 
halten dar,  so  z.  B.  bei  Branchipus.  —  Bei  einigen  wenigen  Arthro- 
poden erscheint  das  Ei  telolecithal,  und  die  Furchung  beschränkt  sich 
zunächst  nur  auf  einen  geringen  Theil  des  Eies  (so  beiMysis,  Cuma, 
einigen  Isopoden  und  den  Scorpionen).  Diese  scheinbar  ab- 
weichende Art  der  Furchung  ist  jedoch  auf  die  superflcielle  Furchung 
zurückzuführen. 


*)  Wir  stützen  uns  in  diesem  Capitel  auf  die  früher  bei  Behandlung  der  einzelnen 
Abtheilungen  der  Arthropoden  vorgebrachten  Thatsachen,  ohne  derselben  immer  im 
Besonderen  Erwähnung  thun  zu  können.  In  dieser  Hinsicht  müssen  wir  auf  die 
früheren  Capitel  verweisen. 


892  XXIY.  Capitel. 

Im  Allgemeinen  kommt  die  superficielle  Furchung  nur  den  Arthro- 
poden zu.  Wenn  andere  Formen,  wie  z.  B.  Renilla,  Clavularia 
(pag.  46)  in  den  ersten  Stadien  Aehnliches  zeigen,  so  führt  diese  Art 
der  Furchung  doch  nicht  zu  dem  gleichen  Resultat  wie  die  typische 
superficielle  Furchung,  nämlich  zu  einem  die  ganze  Oberfläche  des  Eies 
in  gleichmässiger  Lage  überdeckenden  einschichtigen  Blastoderin  und 
einer  die  Furchungshöhle  erfüllenden  Nahrungsdotteransammlung. 

Die  Keimblätterbildung  wird  durch  die  Gastrulation  eingeleitet, 
welche  in  vielen  Fällen  den  Typus  der  Invagination  aufweist  (Moina, 
Lucifer,  Astacus,  Peripatus,  Hydrophilus),  in  anderen  dagegen 
durch  eine  blosse  Zellenein  Wucherung  ersetzt  ist  (Ligia,  Lim  u  Ins, 
Scorpione,  Spinnen,  Myriopoden).  Bezüglich  der  Lage  des 
Blastoporus  ergeben  sich  in  den  einzelnen  Gruppen  Verschiedenheiten. 
Im  Allgemeinen  entspricht  der  Blastoporus  der  Ventralseite  des  Körpers. 

Bei  Peripatus  und  den  Insecten  stellt  er  sich  als  ein  äusserst 
langgestreckter  Spalt  dar,  dessen  vorderes  Ende  der  Lage  des  Mundes, 
dessen  hinteres  Ende  der  des  Afters  entspricht  (Fig.  441,  476,  487). 
Bei  den  Crustaceen  soll  dagegen  der  Blastoporus  dem  hinteren  Ende 
des  Keimstreifens  angehören  und  ungefähr  mit  der  späteren  Lage  der 
Afteröffnung  zusammenfallen.  Die  über  die  Arachnoiden  gemachten 
Angaben  lassen  sich  ebenfalls  in  dem  Sinne  deuten,  dass  der  Blastoporus 
in  einer  Lagenbeziehung  zum  After  stehen  könnte. 

Durch  den  Gastrulationsact  kommt  die  gemeinsame  Anlage  des 
Ento-  und  Mesoderms  zur  Sonderung.  Die  Anlage  des  Mesoderms  ist 
bei  den  Arthropoden  stets  eine  vielzellige,  mit  Ausnahme  ganz  ver- 
einzelter Fälle  vielleicht,  z.  B.  Cetochilus.  Bei  den  Insecten  kann 
die  Bildung  des  Mesoderms  auf  eine  Abfaltung  seitlicher  Divertikel  des  Ur- 
darms  zurückgeführt  werden  (Fig.  496  u.  497,  pag.  810).  Vielleicht  ist  auch 
den  Vorgängen  bei  Peripatus  eine  entsprechende  Deutung  zu  geben, 
obwohl  man  bei  dieser  Form  in  Uebereinstimmung  mit  den  Anneliden 
eher  die  durch  Zellvermehrung  von  hinten  nach  vorn  fortschreitende 
Ausbildung  zweier  Mesodermstreifen  anzunehmen  geneigt  ist.  Die  bisher 
für  Peripatus  bekannt  gewordenen  Thatsachen  sprechen  auch  mehr 
für  dieses  letztere  Verhalten.  Ob  die  bei  den  Insecten  auftretenden 
Verhältnisse  (einer  Abfaltung  des  Mesoderms  vom  Urdarm)  ursprüng- 
licher Natur  sind  oder  ein  abgeleitetes  Verhalten  darstellen,  steht  mit 
der  noch  unentschiedenen  Frage  der  (phylogenetisch)  ersten  Entstehungs- 
weise des  Mesoderms  im  Zusammenhang. 

Bei  den  Crustaceen  entsteht  das  Mesoderm  in  Form  einer 
Wucherung  am  Bande  des  Blastoporus.  Das  Gleiche  dürfen  wir  höchst 
wahrscheinlich  von  den  Arachnoiden  annehmen.  Bei  ihnen  erstreckt 
sich  von  der  Wucherungsstelle  aus  das  Mesoderm  in  Form  zweier 
Bänder  (Mesodermstreifen)  neben  der  ventralen  Mittellinie  nach 
vorn.  Diese  beiden  Mesodermstreifen  finden  sich  auch  bei  Peripatus, 
den  Myriopoden  und  Insecten,  sowie  allem  Anschein  nach  auch 
bei  den  Pantopoden,  während  bei  den  Crustaceen  die  Anordnung 
des  Mesoderms  eine  weniger  regelmässige  ist  Uebrigens  weisen  auch 
unter  den  Crustaceen  einige  Formen  (Branchipus,  Cymothoe) 
eine  ähnliche  regelmässige  Gestaltung  der  Mesodermanlage  auf. 

In  einer  bei  allen  Arthropoden  ziemlich  übereinstimmenden  Weise 
zerfällt  die  paarige  Anlage  des  Mesoderms  in  segmentale  Abschnitte,  die 
Ur segmente,  welche  entweder  eine  Aushöhlung  erfahren  und  dann 
als  Cölomsäcke  bezeichnet  werden  oder  aber  einer  solchen  Differenzirung 


Allgemeines  über  die  Arthropoden.  393 

entbehren  und  vielmehr  einem  baldigen  Zerfall  in  mesenchymatische 
Gewebe  entgegengehen.  Das  letztere  Verhalten  kommt  den  meisten 
Crustaceen  zu,  bei  denen  nur  in  wenigen  Fallen  Cölomsäcke  erkannt 
werden  konnten,  das  erstere  dagegen  wird  bei  den  Xiphosuren, 
Arachnoiden,  Pantopoden,  Onychophoren,  Myriopoden 
und  Insecten  gefunden. 

Obwohl  das  Schicksal  und  die  spätere  Umbildung  der  Ursegmente 
bei  den  Arthropoden  im  Allgemeinen  auf  sehr  übereinstimmende  Weise 
verläuft,  so  finden  doch  bezüglich  des  Umfanges,  welchen  sie  erreichen, 
und  des  Zeitpunktes,  in  welchem  ihre  weitere  Differenzirung  beginnt, 
in  den  einzelnen  Abtheilungen  der  Arthropoden  gewisse  Unterschiede 
statt.  Mit  die  ursprünglichsten  Verhältnisse  weist  Peripatus  auf,  bei 
dem  die  Ursegmente  anfangs  durch  ihre  bedeutende  Ausdehnung  denen  der 
Anneliden  gleichkommen  (Fig.  442,  pag.  709).  Ihm  schliessen  sich  die 
Myriopoden  und  Orthopteren  an,  was  die  Ausbildung  der  Urseg- 
mente innerhalb  des  Keimstreifens  anbelangt  (Fig.  510  u.  511  A,  pag.  837), 
während  bei  den  übrigen  Insecten  die  Cölomsäcke  von  Anfang  an  eine 
nur  geringe  Ausdehnung  besitzen  und  ein  beträchtlicher  Theil  des  Meso- 
derms  von  der  Theilnahme  an  der  Bildung  der  Cölomsäcke  überhaupt  aus- 
geschlossen bleibt  (Fig. 500, pag. 817).  Bei  den  Crustaceen  wird  die  Aus- 
bildung der  Cölomsäcke  beinahe  vollständig  unterdrückt.  Die  Arach- 
noiden hingegen,  welche  in  mancher  anderen  Hinsicht  als  eine  abge- 
leitete Gruppe  erscheinen,  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  bei  ihnen  die 
Cölomsäcke  eine  besonders  starke  Ausdehnung  gewinnen  und  noch  in 
späteren  Stadien  der  Embryonalentwicklung  (zur  Zeit  der  Bildung  des 
Herzens)  bis  beinahe  an  die  dorsale  Mittellinie  reichen  (Fig.  387  u.  388, 
pag.  614. 

Die  Anlage  und  weitere  Ausbildung  der  Organe  weist  in  den 
einzelnen  Arthropodengruppen  auffallende  und  wichtige  Überein- 
stimmungen auf. 

Bezüglich  der  Anlage  des  Nervensystems  ist  für  die  Bildung  der 
Bauchganglienkette  ziemlich  allgemein  die  Theilnahme  eines  sich  ein- 
senkenden Mittelstranges  und  zweier  Seitenstränge  nachgewiesen  worden. 
Die  Fasersubstanz  tritt  an  der  nach  innen  gekehrten  Fläche  der  Gang- 
lienanlagen auf  und  wird  erst  später  in  das  Innere  der  letzteren  auf- 
genommen, welcher  Vorgang  als  ein  besonders  ursprüngliches  Verhalten 
anzusehen  sein  dürfte.  Er  findet  sich  in  ziemlich  übereinstimmender 
Weise  bei  den  verschiedenen  Gruppen  wieder. 

Während  die  Bildung  der  Ganglienkette  im  Ganzen  durch  einen 
Delaminationsprocess  erfolgt  (denn  auch  von  dem  eingesenkten  Mittel- 
strang löst  sich  die  Neuralanlage  ab.  und  die  Einsenkung  gleicht  sich 
dann  wieder  aus)  nehmen  an  der  Bildung  des  Gehirns  bleibende  Ein- 
stülpungen theil,  welche  wohl  vorwiegend  zur  Bildung  der  optischen 
Ganglien  führen.  Das  Auftreten  dieser  mehr  oder  weniger  umfangreichen 
Einsenkungen,  welche  wir  als  Scheitelgruben  bezeichneten,  ist  für  die 
verschiedenen  Abtheilungen  der  Arthropoden  (Peripatus,  Myrio- 
poden, Insecten,  Limulus,  Arachniden)  besonders  charakte- 
ristisch. Bei  Peripatus  hat  man  diesen  Einsenkungen  allerdings  eine 
abweichende  Bedeutung  zugeschrieben,  und  es  ist  zweifelhaft,  ob  sie  an 
der  Bildung  des  Gehirns  theilnehmen.  —  Den  Einsenkungen  am  Kopf- 
abschnitt entsprechen  bei  Peripatus  ähnliche  grubenförmige  Einstülpungen 
von  paariger  Anordnung,  welche  an  jedem  Rumpfsegment  wiederkehren. 
Die  Natur  dieser  auffälligen   und    für  Peripatus   sehr   charakteristischen 


894 


XXIV.  Capitel. 


Bildungen  konnte  bisher  nicht  sicher  festgestellt  werden,  doch  ist  von 
ähnlichen  Vorgängen  bei  den  Myriopoclen  und  Pantopoden  ge- 
sprochen worden. 

Mit  den  vorerwähnten  Scheitelgruben,  welche,  wie  es  scheint,  der 
Hauptsache  nach  zur  Bildung  der  optischen  Ganglien  Veranlassung  geben, 
kann  auch  die  Entwicklung  der  Atigen  in  näherem  Zusammenhang  stehen 
(Scorpione,  Spinnen).  —  Wie  verschiedenartig  die  ausgebildeten 
Arthropodenaugen  sich  auch  bezüglich  ihres  Baues  verhalten,  so  dürfen 
wir  sie  doch  in  letzter  Instanz  auf  eine  grubenförmige  Einsenkung  des 
Ectoderms  zurückführen,  und  zwar  müssen  wir  bei  ihrer  Erklärung  von 
so  einfach  gebauten  Augen  ausgehen,  wie  sie  den  Insectenlarven, 
bezw.  vielen  Myriopoclen  zukommen.  Diese  einfachste  Form  der 
Arthropodenaugen,  das  sog.  Stemma  (Fig.  537),  besteht  aus  einer  Ver- 
tiefung der  Hypodermis,  deren  Zellen  sich  in  den  sog.  Glaskörper  (gl) 
und  stäbchentragende  Retinazellen  (rt)  differenzirt  haben.  Die  Ein- 
schichtigkeit ist  aber  in  diesem  einfachen  Auge  erhalten  geblieben,  so 
dass  dasselbe  noch  immer  als  eine  blosse  Fortsetzung  der  Hypodermis- 


Fig.  537.     Schnitt  durch  ein  Stemma  einer  Dysticuslarve  (nach  Grenachee). 
ch  Chitindecke  des  Körpers,  gl  Glaskörper,  hyp  Hypodermis,  l  Linse,  n  Sehnerv, 
rt  Retina,  st  Stäbchen. 


schicht  erscheint  (Fig.  537  hyp,  gl,  rt).  Ueber  dem  Auge  lagert  die  durch 
Verdickung  der  äusseren  Chitinbedeckung  des  Körpers  entstandene  und 
von  der  Hypodermis  (lentigenen  oder  Glaskörperschicht)  abgeschiedene 
Linse.  Von  einem  so  einfach  gebauten  Auge  hat  man  die  complicirteren 
Augenformen  der  Arthropoden  herzuleiten,  aber  man  muss  dabei  streng 
zwischen  den  verschiedenen  phyletischen  Entwicklungsreihen  der  Arthro- 
poden unterscheiden  und  es  ist  nicht  statthaft,  die  allerdings  sehr  über- 
einstimmend gebauten  Formen  der  zusammengesetzten  Augen  verschiedener 
Abtheilungen  wie  der  Crustaceen  und  Insecten  direct  aufeinander 
zu  beziehen. 

An  und  für  sich  scheint  es  widersinnig,  die  allem  Anschein  nach  so 
ausserordentlich  ähnlich  organisirten  Facettenaugen  der  Crustaceen  und 
Insecten  nicht  auf  einander  zurückführen  zu  dürfen,  aber  wenn  man  den 
phylogenetischen  Entwicklungsgang  beider  Abtheilungen  betrachtet,  so  wird 
man  sich  doch  auf  diesen  Standpunkt  stellen  müssen.  Man  kann  nur 
annehmen,  dass  zum  Charakter  des  Arthropodenorganismus  auch  die  Aus- 
bildung von  zusammengesetzten  Augen  gehört,  und  dass  diese  nun  in  den 
einzelnen  Abtheilungen  (Crustaceen,  Arachniden,  sowie  Myriopoden 
und  Insecten)  unabhängig  von  einander  vor  sich  geht  und  dabei  allerdings, 


Allgemeines  über  die  Arthropoden. 


895 


wie  bei  den  Facettenaugen  der  Crustaceen  und  Insecten  zu  einem  bei- 
nahe gleichen  Resultat  führen  kann. 

Durchaus  abweichend  im  Bau  der  Augen  verhält  sich  Peripatus 
von  den  Arthropoden.  Seine  Augen  entstehen  zwar  auch  in  Form  einer 
Einsenkung,  schliessen  sich  aber  zu  einer  Blase  und  schnüren  sich  von 
der  Hypodermis  ab.  Die  Linse  wird  im  Innern  der  Augenblase  abge- 
schieden. Die  Augen  des  Peripatus  durchlaufen  also  in  der  Ontogenie 
das  Stadium  der  einfachsten  Arthropodenaugen,  erheben  sich  aber  ferner- 
hin zu  einer  höheren  Form  als  diese  und  sind  weit  eher  mit  den  höheren 
Augenformen  der  Anneliden  zu  vergleichen.  Den  Typus  der  Arthro- 
podenaugen  haben  sie  keinesfalls. 


7n*^. 


Fig.  53S.     Drei  Ommatidien  des  Seitenauges  von  Limulus  (nach  Watase). 

In  A  ist  die  Retinula  der  Länge  nach  durchschnitten  gedacht,  in  B  und  C  ist  sie 
in  ihrer  Totalität  erhalten. 

c  centrale  Ganglienzelle,  ch  Chitindecke,  hyp  Hypodermis,  l  Linsenkegel,  mes  Meso- 
dermgewebe,  n  Nerv,  rh  Ehabdom,  rt  Retinula. 

Die  Facettenaugen  der  Insecten  denken  wir  uns  entstanden 
aus  einer  Häufung  einfacher  Augen  (Stemmata),  wie  sie  bei  den  Myrio- 
poden  bereits  angedeutet  ist.  Die  Myriopoden  besitzen  im  einfachsten 
Fall  nur  wrenige  Stemmata  jederseits  (Scolopendra  4),  doch  kann  sich 
deren  Zahl  vermehren  (Lithobius,  Julus  30 — 40  jederseits)  und  so- 
gar zu  einer  ansehnlichen  Anhäufung  führen  (Scutigera  gegen  200), 
womit  dann  bereits  eine  Art  von  Facettenauge  gebildet  ist,  welches  zwar 
noch  nicht  völlig  den  Bau  echter  Facettenaugen  besitzt,  aber  doch  bereits 
viele  Anklänge  an  denselben  zeigt.  Jedes  Stemma  wird  auf  diese  Weise 
zu  einem  Ommatidium  des  Facettenauges.  Die  Verminderung  der  Zahl 
seiner  Zellenelemente,  die  es  dabei  erleidet  und  die  gleichzeitig  statt- 
findende Bildung  der  Rhabdome  ist  eine  Folge  des  nunmehrigen  Functio- 
nirens  der  Einzelaugen  in  einem  Sammelauge. 

Man  hat  den  Versuch  gemacht,  das  Facettenauge  auch  in  seiner 
jetzigen  complicirteren  Gestaltung  auf  die  ursprüngliche  Form  seiner  Ent- 
stehung zurückzuführen,  indem  man   die  nach   der  vorher  geschilderten 


896 


XXIV.  Capitel. 


Auffassung  aus  einzelnen  Stemmata  hervorgegangenen  Ommatidien  als 
blosse  Einsenkungen  der  Hypodermis  auffasste,  welche  infolge  der  lang- 
gestreckten Gestalt  der  Ommatidien  dabei  allerdings  eine  sehr  bedeutende 
Tiefe  annehmen  (Fig.  539  D).  Bei  einem  derartigen  Versuch,  den  Bau 
des  Ommatidiums  zu  erklären,  geht  man  am  besten  von  einer  Einsenkung 
der  Hypodermis  aus,  welche  einem  vereinfachten  Stemma  entspricht  (Fig. 
539  A).    Indem  sich  die  Einsenkung  vertieft  und   anstatt   der  Stäbchen 


3. 


— -  K. 


—-rk- 


ii. 

Fig.  539.  A—  D  schematisclie  Darstellung  der  Herausbildung  eines  Ommati- 
diums aus  einer  Einsenkung  der  Hypodermis.  D  stellt  ein  Ommatidium  aus  dem  zu- 
sammengesetzten Auge  eines  Amphipoden  (Talorchestia)  dar  (nach  Watase). 

c  centrale  Zelle,  ch  Chitindecke  des  Kopfes,  h  Hypodermis,  k  Krystallkegel, 
kz  Krystallkegelzellen,  l  Linse,  Lg  lentigene  Zellen,  n  Nerv,  rh  Ehabdom,  rt  Ketinulazellen. 

eine  Rhabdombildung  an  den  Retinazellen  eintritt,  wird  eine  Entwick- 
lungsstufe dieses  Auges  erreicht  (Fig.  539  B),  welche  im  Wesentlichen  auf 
dem  Zustand  eines  Ommatidiums  der  Seitenaugen  von  Limulus  steht 
(Fig.  538).  Das  Seitenauge  von  Limulus  setzt  sich  aus  einer  Anzahl 
von  Einzelaugen  zusammen,  welche  von  nur  wenigen  Zellen  gebildet 
werden  (Fig.   538).     Diese    einschichtigen  Augen    liegen    ganz    in   der 


Allgemeines  über  die  Arthropoden. 


897 


JÖ. 


Continuität  der  Hypodermis,  zeigen  aber  bereits  eine  Rhabdombildung 
(Fig.  538  A,  rli).  Nun  ist  es  wohl  allerdings  nicht  so  sicher,  ob  man 
es  bei  den  Augen  von  L  i  m  u  1  u  s  wirklich  mit  so  ursprünglichen  und  nicht 
vielleicht  mit  Rückbildungsformen  der  zusammengesetzten  Augen  zu  thun 
hat,  jedenfalls  aber  kann  man  sich  vorstellen,  dass  die  höheren  Facetten- 
augen  ein  ähnliches  Stadium  durchlaufen  haben  (Fig.  539  B). 

Wenn  sich  die  Einsenkung  vertieft,  so  kann  eine  weitere  Reihe  von 
Hypodermiszellen  in  die  Bildung  des  Auges  einbezogen  werden  (Fig.  539  C), 
welche  dann  die  Krystallkegelzellen  (kz)  des  Ommatidiums  repräsentiren. 
Fernerhin  wird  wohl  auch  noch  eine  Reihe  lentigener  Zellen  mit  zur 
Bildung  des  Auges  ver- 
wendet (Fig.  539  C,  J.g).  (% 

Durch  weitere  Vertiefung  C . 

der  Augengrube  und 
starke  Längsstreckung 
der  Zellen  wird  endlich 
die  Form  des  Ommati- 
diums erreicht  (Fig.  539 
D).  Hypodermis-,  lenti- 
gene-,  Krystallkegel-  und 
Retina-Zellen  erscheinen 
dabei  als  eine  ein- 
schichtige Lage 
langgestreckter,  weit  in 
die  Tiefe  gehender  Zel- 
len und  besitzen  somit 
die  gleiche  Anordnung, 
welche  ihnen  im  ein- 
fachen Stemma  zukommt 
(Fig.  537).  Das  Lumen 
ist  hier  nur  nicht  offen 
wie  beim  Stemma,  son- 
dern durch  die  Masse  der  Krystallkegel  und  Rhabdome  erfüllt,  was 
jedoch  keinen  wesentlichen  Unterschied  ausmacht.  Die  mehr  oder  weniger 
zahlreiche  Zusammenhäufung  dieser  als  blosse  Einsenkungen  der  Hypo- 
dermis erscheinenden  Einzelaugen  wird  durch  die  Figur  540  erläutert, 
welche  zugleich  die  für  die  meisten  Facettenaugen  gewöhnliche,  und 
durch  die  bessere  Wirksamkeit  des  Auges  bedingte  Anordnung  der 
Ommatidien  auf  einer  convexen  Basis  darstellt. 

Der  hier  dargestellte  Modus  von  dem  Zustandekommen  der  Facetten- 
augen kommt  im  Wesentlichen  mit  der  bereits  vor  längerer  Zeit  von 
Geenachee  vertretenen  Auffassung  zusammen.  Geenachee  geht  von  einem 
einfachen,  nur  aus  wenig  Elementen  bestehenden  Auge  aus,  wie  es  etwa 
durch  das  Ommatidium  eines  aconen  Facettenauges  der  Tipuliden  repräsentirt 
wird,  und  lässt  durch  Vermehrung  der  Zahl  dieses  Auges  das  Facettenauge, 
durch  Vermehrung  seiner  Elemente  aber  bei  Einheitlichbleiben  der  Linse  das 
Stemma  entstehen.  Wir  sehen  in  diesem  einfachen  Auge,  welches  hier  den 
Ausgangspunkt  bildet,  ein  Stemma  von  besonders  einfacher  Gestaltung. 

Von  den  zusammengesetzten  Augen  der  Crustaceen 
wurde  bereits  erwähnt,  dass  sie  als  einer  anderen  Entwicklungsreihe  zu- 
gehörig betrachtet  werden  müssen.  Es  wird  dann  nicht  in  Erstaunen 
setzen,  dass  sie  vielfach  abweichend  entwickelt  sind.  Den  Charakter  zu- 
sammengesetzter Augen   bewahren    sie    aber   stets.     In   einigen   Fällen, 


Fig.  540.  Schematische  Darstellung  einiger  zu- 
sammengesetzter Augen  im  Längsschnitt.  A  von  Limu- 
lus,  B  von  eioer  Agrionlarve,  C  von  Branchipus 
(nach  Watase). 

Die  dicke  schwarze  Linie  repräsentirt  die  Hypo- 
dermis und  die  von  dieser  gebildeten  einzelnen  Ein- 
senkungen stellen  je  ein  Ommatidium  dar. 


898  XXIV.  Capitel. 

z.  B.  bei  den  Isopoden,  könnte  es  scheinen,  als  habe  man  Ueber- 
gänge  von  einfachen  Augen  vor  sich,  aber  es  ist  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  man  es  bei  diesem  abgeleiteten  Zweig  des  Crustaceenstammes  nur 
mit  einer  vereinfachten  Form  des  Facettenauges  zu  thun  hat. 

Diese  Auffassung  des  Isopodenauges  wurde  bereits  von  Gbexacher  ver- 
treten, welcher  den  Zweifel,  wie  das  sehr  einfach  gebaute  Auge  der  Isopoden 
auf  die  übrigen  Arthropodenaugen  zu  beziehen  sei,  dahin  entschied,  dass  es 
infolge  des  Besitzes  eines  zweitheiligen  Krystallkegels  und  einer  siebentheiligen 
rhabdombildenden  Retinula  den  zusammengesetzten  Augen  zuzuzählen  sei. 
Es  ist  also  zweifellos,  dass  man  in  dem,  einem  gehäuften  Punktauge  nicht 
unähnlichen  Auge  der  Isopoden  eine  secundäre  Form  vor  sich  hat,  was 
schon  an  und  für  sich  sehr  wahrscheinlich  ist,  weil  die  Isopoden  einen  sehr 
abgeleiteten  Zweig  der  Crustaceen  darstellen.  Also  ist  es  hier  jedenfalls 
zu  einer  Rückbildung  des  bei  den  Malacostraken  ursprünglich  gestielten 
Facettenauges  gekommen. 

In  der  Reihe  der  Crustaceen  selbst  ist  keine  Andeutung  für  das 
Zustandekommen  der  Facettenaugen  nachzuweisen.  Nichtsdestoweniger 
werden  wir  das  im  Ganzen  den  Augen  der  Insecten  sehr  ähnliche  Facetten- 
auge der  Crustaceen  auf  ähnliche  Weise  wie  dieses  entstehen  lassen. 
"Wenn  sich  gewisse  Abweichungen  finden,  z.  B.  das  Vorhandensein  einer 
weiteren  Zellschicht  im  Ommatidium  (Fig.  539  D,  lg),  so  wird  dies  ein- 
fach durch  Einbeziehung  einer  weiteren  Zellreihe  in  die  Hypodermisein- 
senkung  zu  erklären  sein,  wie  schon  oben  erläutert  wurde. 

Noch  wenig  verstanden  sind  bisher  Bau,  Entwicklung  und  Beziehungen 
der  unpaaren  Medianaugen  bei  den  Crustaceen.  Neuerdings  ist  angegeben 
worden,  dass  sie  durch  Inversion  entstehen  (Claus,  Xo.  3).  und  da  dieser 
Bildungsmodus  für  einen  Theil  der  Augen  des  Limulus  und  der  Arach- 
niden  charakteristisch  ist,  so  könnte  man  hierbei  an  Beziehungen  der 
Medianaugen  der  Crustaceen  zu  den  Mittelaugen  des  Limulus  und  der 
Scorpione,  sowie  den  sog.  Hauptaugen  der  Spinnen  denken. 

Die  Augen  der  Arachnoiden  gehören  einer  dritten  Entwick- 
lungsreihe an.  Sie  besitzen  nur  eine  Linse,  es  fehlt  ihnen  also  ein 
charakteristisches  Merkmal  der  Facettenaugen,  aber  die  Augen  der 
Scorpione  weisen  eine  Gruppirung  in  Retinulae  und  in  diesen  die 
Bildung  von  Rhabdomen  auf.  Dadurch  dokumentären  sie  sich  als  zu- 
sammengesetzte Augen.  Wir  glaubten  die  gemeinsame  Linse  durch  Zu- 
sammenfliessen  getrennter  Cornealinsen  erklären  zu  dürfen  (pag.  599  ff.) 
und  sahen  in  den  Seitenaugen  des  Limulus,  welche  ebenfalls  eine  Rhab- 
dombildung  aufweisen,  einen  Hinweis  auf  eine  solche  Verschmelzung  der 
Linsen  gegeben.  Wir  suchten  es  ferner  wahrscheinlich  zu  machen,  dass 
die  Spinnenaugen,  welche  in  ihrer  jetzigen  Gestaltung  als  einfache  Augen 
erscheinen,  von  zusammengesetzten  Augen  abzuleiten  sind  und  noch  jetzt 
in  der  Entwicklung  und  im  Bau  Andeutungen  dieser  Herkunft  aufweisen. 
Auch  für  die  zusammengesetzten  Augen  der  Arachniden  ist  es  jedoch 
wie  für  diejenigen  der  Insecten  höchst  wahrscheinlich ,  dass  sie  durch 
Häufung  einfacher,  den  Stemmata  ähnlicher  Einsenkungen  der  Hypo- 
dermis  entstanden  sind. 

Was  die  ontogenetische  Bildung  der  Arthropodenaugen  anbelangt, 
so  entstehen  die  einfachen  Formen  als  grubenförmige  Einsenkungen  des 
Eetoderms.  Bei  den  höheren  Formen,  d.  h.  bei  den  zusammengesetzten 
Augen  hat  sich  dieser  primitive  Bildimgsmodus  verwischt.  Die  Einzel- 
augen  entstehen  hier  durch  blosse  Differenzirung  einer  Zellenschicht  ohne 


Allgemeines  über  die  Arthropoden.  899 

besondere  Einsenkung.  Wo  sich  bei  der  Bildung  der  zusammengesetzten 
Augen  efiie  grubenförmige  Einsenkuug  findet,  führt  sie  zur  Entstehung 
des  Gesammtauges.  Sowohl  in  diesem  letzteren  Vorgang,  wie  auch  in  der 
Differenzirung  der  Einzelaugen  aus  einer  mehrschichtigen  Zellenlage  sehen 
wir  secundäre  Erscheinungen,  welche  einen  vereinfachten  Bildungsmodus 
der  zusammengesetzten  Augen  darstellen.  Uebrigens  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Entwicklungsgeschichte  der  Arthropodenaugen  bisher  noch  nicht 
in  genügender  Weise  aufgeklärt  ist. 

Die  Respirationsorgane  der  Arthropoden  müssen  nach  den  verschie- 
denen phylogenetischen  Reihen  derselben  gesondert  betrachtet  werden. 
Da  wir  die  Arthropoden  von  Formen  ableiten,  welche  im  Wasser  lebten, 
so  erscheint  uns  als  die  ursprünglichste  Gestaltung  der  Respirationsorgane 
eine  schlauchförmige  oder  blattförmige  Ausstülpung  der  Körperoberfläche. 
Eine  solche  einfache  Form  der  Respirationsorgane  stellen  die  Kiemen 
dar,  wie  sie  uns  in  den  Kiemenschläuchen  der  Anneliden  und  Crusta- 
ceen  entgegentreten.  Diese  Kiemenbildungen  erscheinen  in  der  Regel 
als  Anhänge  der  Extremitäten.  Blattförmige  Anhänge  der  Abdominal- 
extremitäten sind  auch  die  Kiemen  des  Limulus.  Von  ihnen  haben 
wir  die  Lungensäcke  der  Arachniden  (Scorpione,  Spinnen)  abzu- 
leiten, worauf  die  Entwicklungsweise  dieser  letzteren  Gebilde  hinweist. 
In  der  Umwandlung  der  Kiemen  zu  Lungen  erkennen  wir  eine  An- 
passung an  den  Aufenthalt  auf  dem  Lande.  Wenn  dieselbe  weiter  geht, 
führt  sie  zur  Ausbildung  der  unverzweigten  Tracheenbüschel  (Spinnen), 
die  sich  schliesslich  baumförmig  verästeln  und  einen  Spiralfaden  erhalten 
(Pseudoscorpione,  Phalangiden,  S  o  1  p  u  g  i  d  e  n).  Damit 
erreichen  sie  denselben  Typus  des  Tracheensystems,  welcher  auf  andere 
WTeise  in  der  im  Uebrigen  weit  entfernten  Reihe  Peripatus,  Myrio- 
poden,  Insecten  zu  Stande  gekommen  ist.  Bei  den  Ausgangsformen 
dieser  letzteren  Reihe  traten  die  Tracheen  in  Form  von  Einsenkungen 
der  Körperoberfläche  auf,  welche  zuerst  regellos  über  den  Körper  ver- 
breitet waren  (so  bei  Peripatus),  später  jedoch  eine  bestimmte  seg- 
mentale Anordnung  gewannen  Als  solche  segmental  angeordnete  Ein- 
senkungen sehen  wir  die  Tracheen  bei  den  Myriopoden  und  Insecten 
ontogenetisch  entstehen.  Indem  sie  sich  am  inneren  Ende  spalten  und 
verzweigen,  werden  die  Aeste  des  Tracheensytems  gebildet.  Bei  den 
Insecten  treten  diese  Anlagen  der  Tracheen  bereits  sehr  früh,  bei  den 
Myriopoden  dagegen  erst  sehr  spät  auf,  und  da  letzteres  auch  bei 
Peripatus  der  Fall  ist,  so  hat  man  diese  Erscheinung  als  Hinweis  auf 
die  spätere  Erwerbung  der  Tracheen  betrachtet.  Auffällig  ist  der  sehr 
übereinstimmende  Bau  der  Tracheen  bei  den  A  r  a  c  h  n  o  i  d  e  n  und  M  y  r  i  o  - 
p  o  d  e  n  - 1  n  s  e  c  t  e  n.  Besonders  fällt  das  Vorhandensein  des  Spiralfadens 
bei  den  beiden  auf  verschiedene  Weise  entstanden  zu  denkenden  Tracheen- 
formen  ins  Auge,  doch  verliert  dieses  beiden  Formen  zukommende  gleiche 
Merkmal  an  Bedeutung  für  eine  etwaige  Zurückführung  derselben  auf 
einen  gemeinsamen  Ursprung,  wenn  man  sieht,  wie  ein  derartiger  Spiral- 
faden auch  anderen  mit  einer  chitinigen  Intima  ausgekleideten  Röhren, 
wie  z.  B.  den  Ausfuhrungsgängen  von  Drüsen  (Speicheldrüsen  und  Spinn- 
drüsen der  Insecten),  demVas  deferens  der  Cytheriden  (pag.  830)  zukommt. 

Das  sog.  geschlossene  Tracheensystem  mancher  im  Wasser  lebender 
Larven,  z.  B.  derjenigen  der  Ephemeriden,  sowie  die  damit  in  Verbindung 
stehenden  Tracheenkiemen  sind  als  eine  erst  später  wieder  erworbene 
Anpassungsform  der  Respirationsorgane  an  den  Aufenthalt  im  Wasser  zu 
betrachten. 


900  XXIV.  Capitel. 

Als  ectodermale  Bildungen  entstehen  bei  den  Arthropoden  der  Vorder- 
nnd  Enddarm.  Divertikelbildungen  des  letzteren  stellen  bei  den  Myrio- 
poden  und  Insecten  die  als  Malpighi' s  c  h  e  Gefässe  bezeichneten 
Excretionsschläuche  dar.  Mit  dem  gleichen  Namen  wurden  die  ganz 
ähnlich  gebauten  schlauchförmigen  Darmanhänge  der  Arachniden  be- 
legt, aber  die  Entwicklungsgeschichte  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die 
letzteren  Gebilde  dem  Mitteldarm  angehören,  also  nicht  ectodermaler, 
sondern  entodermaler  Natur  sind.  Demnach  dürften  sie  mit  den  Malpighi'- 
schen  Gefässen  der  Insecten  nicht  homologisirt  werden.  Dagegen  treten 
schlauchförmige  Anhänge  von  gleicher  Structur  und  Function  am  Ende 
des  Mitteldarmes  bei  gewissen  Crustaceen  (Amphipoden)  auf, 
denen  man  aber  höchst  wahrscheinlich  nur  den  Werth  analoger  Gebilde 
zuschreiben  darf. 

Die  phylogenetische  Entstehung  der  Malpighischen  Gefässe  ist  noch 
ganz  in  Dunkel  gehüllt.  Man  hat  daran  gedacht,  dass  die  von  den  Vor- 
fahren ererbten  Excretionsorgane ,  die  Nephridien ,  mit  dem  Enddarm  in 
Verbindung  treten  könnten,  da  man  den  Nephridien  ähnliche  Gebilde  auch 
bei  einigen  Anneliden  im  Zusammenhang  mit  dem  Darme  fand  (No.  2  u.  9). 
In  dem  einen  Falle,  nämlich  bei  dem  von  B.  Spencer  untersuchten  Mega- 
s  c  o  1  i  d  e  s  treten  diese  im  Bau  den  Nephriden  ausserordentlich  ähnlichen 
drüsigen  Schläuche  allerdings  mit  dem  Vorderdarm  in  Verbindung,  während 
Beddaed  bei  einem  Acanthodrilus  ähnliche  Bildungen  am  Enddarm  auf- 
fand. Wie  man  beiPeripatus  Nephridien  als  Speicheldrüsen  in  die  Mund- 
höhle einbezogen  sieht,  so  könnte  man  also  auch  an  eine  Einbeziehung  von 
Nephridien  in  den  Bereich  des  Enddarms  denken,  welcher  Vorgang  vielleicht 
deshalb  a  priori  noch  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  als  der 
andere,  weil  bei  ihm  die  Nephridien  ihre  ursprüngliche  Function  beibe- 
halten würden.  Gegen  eine  solche  Auffassung  spricht  jedoch  die  ectodermale 
bezw.  entodermale  Entstehung  jener  Excretionsschläuche,  um  so  mehr,  als 
nach  den  neueren  Untersuchungen  die  Nephridien  ganz  aus  dem  Mesoderm 
entstehen  sollen  und  man  sonach  nicht  einmal  an  ein  Persistiren  und  eine 
besonders  starke  Entwicklung  des  ectodermalen  Theiles  bei  völliger  Rück- 
bildung des  mesodermalen  (inneren)  Abschnittes  denken  könnte. 

Die  Bildung  von  Excretionsschläuchen  vom  Darm  aus,  wie  sie  bei  den 
Amphipoden  beobachtet  wird,  bildet  einen  beachtenswerthen  Hinweis 
dafür,  dass  Theile  des  Darmes  selbst  die  Function  zu  übernehmen  vermögen, 
welche  früher  den  Nephridien  zukam.  Sieht  man  doch  schon  beim 
Nauplius  eine  Parthie  des  Darmes  zu  excretorischer  Function  verwendet, 
indem  die  mit  Harnconcrementen  erfüllten  Zellen  leichte  Aussackungen  bilden 
(Fig.  266,  pag.  385,  ds).  Wenn  sich  diese  Parthien  zu  Blindsäcken  umge- 
stalten oder  gar  schlauchförmig  verlängern,  so  erhält  man  die  Excretions- 
schläuche der  Amphipoden  (eventuell  auch  der  Arachniden)  oder  die 
Malpighi 'sehen  Gefässe  der  Myriopoden  -Insecten,  je  nachdem 
dieser  Vorgang  am  Mitteldarm  oder  Enddarm  stattfindet.  Wir  sind  also 
vielmehr  geneigt,  die  Malpighi'schen  Gefässe  für  eine  Neubildung  zu  halten, 
welche  sich  beim  Zurücktreten  der  Nephridien  geltend  machte,  als  dass  wir 
sie  auf  die  Nephridien  selbst  zurückführen  möchten. 

Die  Entwickln!)«:  des  Mitteldarms  ist  durch  die  Beziehungen  der 


■a 


Entodermanlage  zur  Masse  des  Nahrungsdotters  wesentlich  beeinflusst. 
Die  letztere,  welche  ursprünglich  die  Furchungshöhle  erfüllte,  wird  später 
in  den   Mitteldarm   aufgenommen.     Dieser  Vorgang  kann   sich   auf  ver- 


Allgemeines  über  die  Arthropoden.  901 

schiedene  Weise  vollziehen:  1)  indem  der  Dotter  durch  die  Wand  des 
Darmsäckchens  durchfiltrirt  wird  (Astacus),  oder  2)  indem  die  Ento- 
dermzellen  den  Nahrungsdotter  durchwandern,  um  sich  als  Mitteldarm- 
epithel an  seiner  Oberfläche  zu  constituiren  (Crustaceen,  Limulus, 
Spinnen,  Chilopoden),  oder  endlich  3)  indem  der  Nahrungsdotter 
von  der  Entodermanlage  umwachsen  wird  (Mysis,  Isopoden,  Scor- 
pione  (?),  Insecten).  Der  Auf  bau  des  Darmepithels  erfolgt  in  einigen 
Fällen  erst  sehr  spät,  so  bei  den  Spinnen,  und  hier  legt  sich  das  unter- 
dessen zur  Ausbildung  gelangte  splanchnische  Blatt  des  Mesoderms  der 
Dottermasse  dicht  an.  Es  wachsen  dann  von  ihm  aus  septenartige  Fort- 
sätze in  die  Dottermasse  hinein  und  isoliren  einzelne  Complexe  derselben 
divertikelartig.  Wie  im  Mitteldarm  selbst  beginnt  auch  in  diesen  Diver- 
tikeln die  Bildung  des  Epithels  erst  später.  Die  Divertikel  stellen  die 
Anlage  der  Leberlappen  dar,  die  auch  bei  den  Crustaceen  auf  ähn- 
liche Weise  gebildet  werden,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  dort  die 
Differenzirung  des  Mitteldarmepithels  bereits  früher  vor  sich  ging. 

Indem  bei  einigen  Arthropoden  nicht  der  gesammte  Nahrungsdotter 
ins  Innere  des  Darmes  aufgenommen  wird,  kann  es  geschehen,  dass 
grössere  oder  geringere  Dottermassen  in  der  Leibeshöhle  zurückbleiben 
und  dort  eine  allmähliche  Resorption  erfahren  (Moina,  Mysis,  Musca 
und  andere  Dipteren).  Bei  den  Diplopoden  erscheint  dieses  sonst 
als  Ausnahme  auftretende  Verhalten  in  hohem  Maasse  entwickelt,  denn 
bei  ihnen  soll  sich  das  Mitteldarmepithel  als  ziemlich  enges  Rohr  in- 
mitten der  Dottermasse  anlegen.  In  Folge  dieses  Verhaltens  würde  also 
die  grösste  Menge  des  Dotters  in  die  Leibeshöhle  zu  liegen  kommen.  Wie 
bei  den  obengenannten  Crustaceen  wird  auch  hier  die  in  der  Leibes- 
höhle abgelagerte  Dottermasse  von  Mesodermzellen  dicht  umlagert  und 
durchwachsen. 

Was  die  Ausbildung  des  Mesoderms  betrifft,  so  wird  die  Cölom- 
höhle  der  Ursegmente,  welche  wir  in  einigen  Fällen,  wie  bei  Peripatus 
und  den  Arachniden,  eine  so  starke  Ausbildung  erreichen  sahen, 
nicht  zur  definitiven  Leibeshöhle  der  Arthropoden,  sondern  die  Ursegmente 
erfahren  entweder  früher  oder  später  eine  Rückbildung.  Noch  bevor  die- 
selbe erfolgt,  geht  von  den  Ursegmenten  die  Bildung  des  Herzens 
aus,  indem  sich  einzelne  Zellen  von  den  Cölomsäcken  beider  Seiten  ab- 
lösen und  zur  Bildung  des  Rückenrohres  zusammenlegen.  Die  Urseg- 
mente erleiden  schon  bald  einen  theilweisen  Zerfall,  indem  einzelne  Zellen 
von  verschiedenen  Theilen  derselben  in  die  primäre  Leibeshöhle  ein- 
wandern und  dort  eine  Art  von  Mesenchym  bilden.  Durch  Auftreten 
von  Lacunen  in  diesem  letzteren  und  durch  Zusammenfliessen  derselben 
zu  grösseren  Räumen  entsteht  die  definitive  Leibeshöhle.  Als 
der  letzte  Rest  der  Ursegmente  ist  das  für  die  Arthropoden  äusserst 
charakteristische  Pericardialseptum  anzusehen,  welches  in  der  Um- 
gebung des  Rückenrohres  einen  dorsalen  Theil  der  Leibeshöhle  (als  Peri- 
cardiairaum)  gegen  die  übrige  Leibeshöhle  abgrenzt. 

Die  Ursegmente  liefern  ausser  den  bereits  genannten  Theilen  das 
Bildungsmaterial  für  die  Nephridien.  Bei  Peripatus,  wo  die 
Nephridien  wie  bei  den  Anneliden  in  allen  Rumpfsegmenten  angelegt 
werden,  wird  sogar  ein  beträchtlicher  Theil  der  Ursegmente  direct  für 
die  Bildung  der  Nephridien  verwendet.  In  den  übrigen  Gruppen  ist  die 
Entstehungsweise  der  als  Nephridien  gedeuteten  Organe  im  Ganzen  noch 
recht  zweifelhaft,  aber  als  sehr  wahrscheinlich  darf  es  doch  bezeichnet 
werden,  dass  die  Speicheldrüsen  und   Analdrüsen  des  Peripatus,   die 

Kors  chel  t-Heider ,  Lehrbuch.  ü8 


902  XXIV.  Gapitel. 

Schalen-  und  Antennendrüsen  der  Crustaeeen,  die  Coxaldrüsen  des 
Li mul us  und  der  Arachnoiden,  sowie  die  Geschlecbtsausführungs- 
gänge  von  Nephridien  geliefert  werden  und  jedenfalls  aus  dem  Mesoderm 
ihren  Ursprung  nehmen.  Von  den  genannten  Organen  des  Peripatus 
und  den  Antennen-  und  Schalendrüsen  der  Crustaeeen  darf  man 
deren  Natur  als  Nephridien  sogar  für  sicher  gestellt  betrachten.  —  Die 
Mündung  der  Geschlechtsausführungsgänge  zeigt  in  den  einzelnen  Ab- 
teilungen der  Arthropoden  eine  sehr  verschiedene  Lage.  Daraus  wird 
man  schliessen  dürfen,  dass  in  den  einzelnen  Fällen  die  Nephridien  ver- 
schiedener Segmente  zur  Ausbildung  der  Genitalproducte  herangezogen 
wurden  (C  h  i  1  o  p  o  d  e  n  und  Diplopoden),  obgleich  in  einzelnen  Fällen 
eine  seeundäre  Verschiebung  der  Ausmündungsstelle  um  einige  Segmente 
nicht  ausgeschlossen  ist.  (Verschiedenartige  Ausmündung  der  Genitalorgane, 
am  siebenten  bis  neunten  Abdominalsegment  bei  den  Insecten.  Bei 
den  Ephemeriden  wird  die  weibliche  Geschlechtsöffnung  am  siebenten 
Segment  gefunden,  während  sie  bei  anderen  Insecten  hinter  dem  achten 
Segment  gelegen  ist.) 

Weiterhin  werden  von  den  Ursegmenten  die  Geschlechtsdrüsen 
geliefert,  welche  als  eine  Wucherung  des  Epithels  der  Cölomsäcke  anzu- 
sehen sind,  demnach  also  ganz  die  gleiche  Entstehungsweise  wie  die  Genital- 
drüsen der  Anneliden  aufweisen  (pag.  197).  Eine  weitere  Uebereinstim- 
mung  mit  den  Anneliden  ist  dadurch  gegeben,  dass  der  Best  der  Cölom- 
höhle  direct  zur  Genitalhöhle  werden  kann,  so  dass  also  die  vom  Peri- 
tonealepithel gelieferten  Geschlechtsproducte  noch  jetzt  in  die  seeundäre 
Leibeshöhle  (Cölom-  oder  Genitalhöhle)  und  von  da  durch  nephridiale 
Ausführungsgänge  nach  aussen  gelangen  (Peripatus,  Myriopoden). 
Die  Gesammtheit  der  zur  Bildung  der  Geschlechtsdrüsen  verwendeten 
Ursegmentparthien  verschmilzt  mit  demjenigen  Ursegmentpaar,  durch 
dessen  Auswachsen  die  Ausführungsgänge  geliefert  werden  (Nephridien 
des  Genitalsegments),  wodurch  die  Continuität  zwischen  Genitaldrüsen 
und  Ausführungsgängen  erreicht  ist.  Sowohl  bei  den  Crustaeeen  und 
Arachniden,  wie  auch  beiden  Insecten  finden  sich  seeundäre  Ver- 
hältnisse der  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane,  welche  aber  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  auf  die  geschilderten  ursprünglicheren  Verhältnisse, 
wie  sie  dem  Peripatus  und  den  Myriopoden  noch  jetzt  zukommen, 
zurückzuführen  .sind. 

In  Folge  des  grossen  Dotterreichthums  der  Eier  wird  bei  den  Arthro- 
poden zuerst  nur  die  ventrale  Seite  des  Embryos  in  Form  des  Keim- 
streifens  angelegt,  wobei  allerdings  verschiedentliche  Ausnahmen  vor- 
kommen. Zuweilen  sind  die  Eier,  wie  schon  erwähnt,  kleiner  und  weniger 
dotterreich,  was  entweder  und  jedenfalls  in  den  selteneren  Fällen  auf 
ein  ursprüngliches  Verhalten  zurückzuführen  ist,  oder  aber,  und  dies  ist 
wohl  das  Gewöhnliche,  als  eine  seeundäre  Erscheinung  angesehen  werden 
muss.  In  diesen  Fällen  kann  ein  directer  Uebergang  aus  der  Kugelform 
des  Eis  in  die  definitive  Körpergestalt  stattfinden. 

Der  Keimstreifen,  welcher  bei  den  verschiedenen  Formen  einen  mehr 
oder  minder  beträchtlichen  Theil  des  Eis  einnimmt,  entsteht  theils  durch 
Erhöhung  der  Ectodornizellen  an  der  Ventralseite  des  Eies,  theils  durch 
die  darunter  zur  Anlage  kommenden  Schichten  der  beiden  anderen  Keim- 
blätter, zumal  der  Mesodermstreifen.  Ausserdem  treten  auch  bald  die 
bandförmigen  Verdickungen  des  Ectodernis  neben  der  ventralen  Mittel- 
linie auf,  welche  die  allerdings  schon  sehr  früh  in  Segmente  zerfallende 


Allgemeines  über  die  Arthropoden.  903 

Anlage  der  Bauchganglienkette  darstellen.  Sehr  bald  sondert  sich  ein 
stark  verbreiterter  vorderer  Abschnitt  des  Keimstreifens  als  Kopflappen 
von  dem  primären  Rumpftheil  des  Embryos.  Am  Rumpf  macht  sich 
schon  früh  der  Zerfall  in  Segmente  bemerkbar,  welcher  hauptsächlich 
vom  Mesoderm  ausgeht  (Bildung  der  Ursegmente),  aber  auch  schon  vor 
dem  Auftreten  der  Ursegmente  an  der  äusseren  Oberfläche  des  Keim- 
streifens  angedeutet  sein  kann  (Hydro philus,  Chalicodoma).  Als 
Vorwulstungen  der  Oberfläche  entsteht  an  beiden  Seiten  des  Keimstreifens 
die  Reihe  der  Extremitätenanlagen,  in  welche  sich  bei  der  Mehrzahl  der 
Arthropoden  ein  Fortsatz  der  Cölomsäcke  hineinerstreckt,  so  dass  die 
Fussstummel  anfangs  hohl  erscheinen  (Peripatus,  Myriopoden, 
Orthopteren,  Arachnoiden,  Pantopoden).  —  Selbst  bei  den- 
jenigen Formen,  welche  am  Hinterleib  keine  Extremitäten  tragen  (Arach- 
noiden, Insecten),  werden  beim  Embryo  solche  am  Abdomen  ange- 
legt, auch  kann  dieses  letztere  wohl  selbst  aus  einer  grösseren  Zahl  von 
Segmenten,  als  beim  ausgebildeten  Thier  bestehen  (Spinnen),  ein 
Hinweis  darauf,  dass  diese  Formen  von  Vorfahren  abstammen,  welche  eine 
reichere  Gliederung  des  Körpers  und  eine  grössere  Anzahl  von  Extremitäten 
besassen. 

Der  Keimstreif  behält  nicht  immer  seine  ursprüngliche  Lage  an  der 
Oberfläche  des  Eis  bei,  sondern  kann  in  das  Innere  verlagert  werden, 
indem  er  eine  ventrale  Einknickung  erfährt  (Myriopoden),  oder  aber 
unter  Ausbildung  besonderer  Embryonalliiillen  (Amnion  und  Serosa 
der  Insecten)  eine  tiefere  Verlagerung  unter  die  Oberfläche  des  Eies 
erleidet.  Eine  ähnliche,  aber  nur  analoge  Ausbildung  von  Embryonal- 
hüllen finden  wir  unter  allen  Arthropoden  nur  noch  bei  einigen  viviparen 
Formen,  wie  bei  den  Scorpionen  und  anscheinend  auch  bei  einer 
Peripatusart  (P.  edwardsii). 

Der  Keimstreif,  welcher  bisher  nur  der  ventralen  Parthie  des  Em- 
bryos entsprach,  breitet  sich  über  den  Nahrungsdotter  aus,  indem  er  die 
bisher  nur  von  dünnen  Zellschichten  bedeckten  seitlichen  und  dorsalen 
Parthien  desselben  in  die  weitere  Ausgestaltung  des  Embryos  einbe- 
zieht und  dadurch  die  Rückenfläche  desselben  zur  Ausbildung  bringt. 
Bei  den  Insecten  compliciren  sich  diese  letzteren  Entwicklungsvorgänge 
durch  den  gleichzeitig  mit  ihnen  ablaufenden  Involutionsprozess  der  Em- 
bryonalliiillen. Mit  dem  vollendeten  Rückenschluss  ist  die  äussere  Aus- 
bildung des  Embryos  vollendet,  und  nach  entsprechender  Weiterentwick- 
lung der  inneren  Organe  ist  der  Embryo  reif  zum  Ausschlüpfen. 

Der  ausschlüpfende  Embryo  gleicht  entweder  der  ausgebildeten  Form, 
oder  aber  er  ist  mehr  oder  weniger  von  derselben  verschieden  und  durch- 
läuft sodann  eine  mehr  oder  minder  complicirte  Metamorphose.  Letztere 
zeigt  bei  den  verschiedenen  Gruppen  der  Arthropoden  recht  verschiedene 
Charaktere,  ist  aber  wohl  stets  auf  eine  Ausbildung  seeundär  erworbener 
Larvenstadien  zurückzuführen  (Crustaceen,  Pantopoden,  In- 
secten). Der  auschlüpfende  Embryo  besteht  entweder  nur  aus  wenigen 
Körpersegmenten  (Crustaceen,  Pantopoden)  und  erwirbt  die  voll- 
ständige Segmentzahl  erst  im  Verlauf  der  Metamorphose  (D  i  p  1  o p  o  d  e  n), 
oder  er  besitzt  bereits  die  vollständige  Segmentzahl  sowie  die  Regionen- 
eintheilung  des  Körpers  der  ausgebildeten  Form  und  unterscheidet  sich 
von  ihr  nur  durch  die  verschiedene  Lebensweise  und  die  dadurch  bedingte 
abweichende  Gestaltung  des  Körpers  (Insecten).  So  sehen  wir  z.  B. 
allen  Larven  und  Jugendformen  der  Insecten  die  Flügel  fehlen,  wodurch 
sich  dieses  Merkmal  der  höchsten  Entwicklung  des  Arthropodenstammes 

58  " 


904  XXIV.  Capitel. 

als  eine  verhältnissmässig  späte  Erwerbung  dokumentirt,  was  übrigens 
auch  dadurch  bestätigt  wird,  dass  den  niedersten  Insecten  die  Flüge] 
noch  vollständig  fehlen  (Apterygogenea  pag.  761). 

Für  die  Metamorphose  der  Arthropoden  ist  besonders  charakteristisch 
die  Aufeinanderfolge  verschiedener  Larvenstadien,  welche  durch  Ver- 
niittelung  von  Hau tungsproc essen  in  einander  übergehen.  Der- 
artige Häutungen  können  übrigens  schon  während  des  Embryonallebens, 
vielfach  sogar  in  ausserordentlich  früher  Zeit  erfolgen,  wenn  der  Keim- 
streif noch  gar  nicht  angelegt  ist  (C u t i c u  1  a  blastodermica  der 
C  r  u  s  t  a  c  e  e  n),  oder  doch  ehe  die  Extremitäten  gebildet  werden  (e  m  b  r  y  o  - 
nale  Cuticularhüllen  des  Limulus,  Deuto vum-Membran 
der  Milben,  Embryonalhüllen  von  Pentastomum).  Alle  diese  Cuti- 
cularhüllen bilden  dann  innerhalb  der  Eihäute  eine  weitere  Umhüllung 
des  Embryos. 

Lange  Zeit  war  man  geneigt,  den  Larven  der  Arthropoden  eine 
höhere  phylogenetische  Bedeutung  zuzuschreiben.  Mit  der  Erkenntniss, 
dass  es  sich  hierbei  vielfach  um  secundär  veränderte  (Anpassungs-) 
Formen  handelt  (Naupli us,  Zoea,  Pantopodenlarve,  Raupen 
der  Insecten),  hat  man  sich  mehr  der  Vergleichung  der  ausgebil- 
deten Formen  zugewandt  und  dieser  einen  weit  höheren  Werth  zu- 
geschrieben. Eine  besondere  Bedeutung  für  die  Auffassung  der  Arthro- 
poden und  ihre  Zurückleitung  auf  niedere  Formen  hat  die  besonders 
in  neuerer  Zeit  vielfach  geförderte  Kenntniss  des  Peripatus  gewonnen. 
Allerdings  machte  sich  in  dieser  Hinsicht  eine  Ueberschätzung  der  auf 
die  Anneliden  hinweisenden  Charaktere  des  Peripatus  geltend,  welche 
zu  Zweifeln  an  der  Einheit  des  Arthropodenstammes  Veranlassung  gab  *). 
Da  man  nunmehr  für  die  Myriopoden  und  Insecten  durch  den  Peripatus 
eine  directe  Verbindung  mit  den  Anneliden  hergestellt  sah,  so  blieb  nur 
der  Ausweg  übrig  für  die  Crustaceen,  welche  sich  anscheinend  weit  von 
Peripatus  entfernten  und  zum  Theil  weniger  ursprüngliche  Verhältnisse 
aufwiesen,  als  diese  Form,  eine  selbstständige  Ableitung  vom  Anneliden- 
stamme anzunehmen.  Durch  die  neueren  Untersuchungen  erscheint  je- 
doch Peripatus  mit  den  Arthropoden  enger  verknüpft  zusein,  als  man 
dies  vermuthet  hatte.  Die  Nephridien  sind  durch  ein  Endsäckchen  (Cölom- 
rest)  abgeschlossen  und  weisen  denselben  Typus  auf,  welchen  wir  bei  der 
Antennen-  und  Schalendrüse   der   Crustaceen  wiederkehren   sehen.     Die 


J)  Solche  Zweifel  sind  verschiedentlich  ausgesprochen  worden.  Einen  lebhaften 
Ausdruck  finden  sie  z.  B.  in  einem  Artikel  des  Kosmos  (Nr.  1),  dessen  ungenannter 
Verfasser  sich  auf  Grund  der  Forschungen  der  vorhergehenden  Zeit  gegen  die  phyle- 
tische  Einheit  des  Arthropodenstammes  ausspricht.  Ebenso  erklärt  sich  Oudemans  für 
die  Auflösung  der  Abtheilung  der  „sogenannten  Arthropoden"  (Nr.  8),  und  Spuren 
einer  ähnlichen  Auffassung  kann  man  auch  in  einer  neuerdings  erschienenen  Abhand- 
lung von  Feknald  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Arthropoden  finden  (Nr.  4). 
Allerdings  leitet  dieser  letztere  Autor  die  drei  grossen  Hauptäste  des  Arthropoden- 
stammes, die  Crustaceen,  Arachnoiden  und  Insecten  auf  eine  gemeinsame 
Wurzel  zurück.  Diese  letztere  findet  sich  aber  nicht  im  Bereich  der  Anneliden, 
sondern  geht  bis  auf  unsegmentirte  Formen  zurück,  von  denen  sich  ebenfalls,  aber 
nach  einer  anderen  Richtung,  die  Anneliden  ableiten.  Von  ihnen  zweigt  sich  dann 
Peripatus  ab,  der  somit  keinen  directen  Zusammenhang  mit  jenen  grossen  Aesten 
des  Arthropodenstammes  besitzt,  und  ebenso  sind  von  diesem  die  Myriopoden  un- 
abhängig. Bezüglich  ihrer  denkt  Fernald  wohl  an  eine  Verbindung  mit  Peripatus. 
Jedenfalls  wird  man  auch  durch  diese  Auffassung  nicht  eine  völlige  Einheitlichkeit  des 
Arthropodenstammes  vertreten.  Gegen  eine  solche  spricht  sich  auch  Kingsley  (No.  7) 
aus,  indem  er  die  Crustaceen  und  Insecten  trotz  vieler  übereinstimmender  Merk- 
male von  verschiedenen  Ausgangspunkten  herleitet. 


Allgemeines  über  die  Arthropoden.  905 

definitive  Leibeshöhle  ist  ein  nach  dem  Untergang  der  Cölomsäcke  durch 
Wiedererweiterung  der  primären  Leibeshöhle  sich  entwickelndes  Pseudo- 
cöl;  das  Herz  zeigt  den  unter  den  Arthropoden  allgemein  verbreiteten 
Typus  des  mit  seitlichen  Ostienpaaren  versehenen  Rückengefässes.  Auch 
die  Entwicklung  von  Peripatus,  für  deren  Verständniss  wir  von  der  leider 
zu  wenig  bekannten  neuseeländischen  Form  ausgehen  müssen,  schliesst  sich 
nahe  an  die  übrigen  Arthropoden  an.  Wir  haben  hier  vor  Allem  ein 
dotterreiches  Ei  mit  superficieller  Furchung.  Diejenigen  Charaktere,  durch 
welche  Peripatus  zu  den  Arthropoden  in  einen  Gegensatz  tritt, 
sind  die  Stellung  und  Beschaffenheit  der  nicht  eigentlich  gegliederten 
Extremitäten  (wir  sehen  hierbei  von  den  bezüglich  ihrer  Verwandtschafts- 
verhältnisse unsicheren  Formen  wie  T  a  r  d  i  g  r  a  d  e  n  und  P  e  n  t  a  s  t  o  m  u  m 
ab),  sowie,  vor  allen  Dingen  der  Bau  der  Augen,  welchen  wir  als  ein 
von  den  Annelidenahnen  überkommenes  Erbtheil  betrachten  müssen,  das 
im  Kreise  der  übrigen  Arthropoden  verloren  gegangen  und  durch  das 
Ommatealauge  (Stemma  und  Facettenauge)  ersetzt  ist. 

Es  erscheint  uns  nach  dem  Gesagten  gerechtfertigt ,  für  sämmtliche 
Arthropoden  (Peripatus  mit  eingeschlossen)  einen  einheitlichen  Ursprung 
aus  dem  Annelidenstamme  anzunehmen.  Wenn  wir  jene  hypothetische 
aus  den  Anneliden  hervorgegangene  Stammform  der  Arthropoden,  für 
welche  wir,  wenn  sie  zum  Ausgangspunkte  sämmtlicher  uns  vorliegender 
Arthropodenclassen  dienen  soll,  sehr  ursprüngliche  Charakter  annehmen 
müssen,  mit  den  Namen  der  Protostraken  belegen,  so  sei  damit 
zum  Ausdrucke  gebracht,  dass  die  Crustaceen  in  gewissen  Organisations- 
verhältnissen,  vor  Allem  in  dem  auf  die  zweiästige  Parapodienform 
zurückführbaren  Gliedmaassenbau ,  im  Anschluss  auf  die  bei  ihnen  bei- 
behaltene pelagische  Lebensweise  ursprüngliche  Charaktere  bewahrt 
haben.  Ihnen  gegenüber  (und  dieselbe  Gliedmaassengestaltung  findet 
sich  zum  Theil  auch  bei  den  Palaeostraken  erhalten)  muss  die  bei 
Peripatus  sich  findende  Extremitätenform  als  eine  im  Anschlüsse  an  das 
Landleben  secundär  abgeänderte  Form  betrachtet  werden. 

Von  den  Protostraken  ausgehend  dürfen  wir  —  nach  dem  jetzigen 
Stande  unserer  Kenntnisse,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  drei  grosse 
Entwicklungsreihen  des  Arthropodenstammes  annehmen,  neben  welchen 
noch  eine  Anzahl  kleinerer  selbstständiger  Stämme  aufrecht  zu  erhalten 
sind.  Die  eine  führt  durch  die  hypothetischen  Urphyllopoden  zu  den 
Crustaceen,  die  zweite  durch  die  Palaeostraken  zu  den  Arachniden, 
die  dritte  durch  Peripatus-ähnliche  Formen  zu  den  Myriopoden  und 
Insecten.  Als  kleinere,  selbständige  Zweige  des  Arthropodenstammes  sind 
wahrscheinlich  die  P  a  n  t  o  p  o  d  e  n  und  die  T  a  r  d  i  g  r  a  d  e  n  zu  betrachten. 

Wenn  wir  in  Kurzem  die  allgemeinen  Charaktere  der  Arthropoden 
gegenüber  den  Anneliden  hervorheben  wollen,  so  sei  zunächst  auf  die 
stärkere  Cuticularisirung  der  Haut  und  auf  die  mehr  der  Ventralseite 
genäherte  Lage  der  Extremitäten,  welche  zum  Theil  als  Kiefer  gegen- 
einander wirken,  hingewiesen.  Der  letztere  Punkt  ist  von  Wichtigkeit, 
weil  die  Kiefer  der  Anneliden  nur  cuticulare  Abscheidungen  des 
Vorderdarmes,  keine  Extremitäten,  sind.  Ferner  sei  die  Rückbildung 
der  Cölomsäcke  und  des  Nephridialsystems  erwähnt.  Erstere  werden 
durch  ein  secundär  zur  Ausbildung  kommendes  Pseudocöl,  letztere  werden 
bei  den  höheren  Formen  durch  verschiedenartige  als  Neuerwerbungen  zu 
betrachtende  Excretionsapparate  abgelöst.  In  directer  Verbindung  mit  den 
Verhältnissen  der  Leibeshöhle  steht  das  Fehlen  eines  geschlossenen  Blut- 
gefässsystems  und  die  Ausbildung  der  für  die  Arthropoden  typischen  Herzform. 


906 


XXIV.  Capitel. 


Als  ein  in  der  ganzen  Arthropodenreihe  wiederkehrender  Charakter 
stellt  sich  uns  ferner  dar,  dass  der  primäre  Kopfabschnitt  durch  Bei- 
ziehung von  ursprünglich  hinter  dem  Munde  gelegenen  Segmenten  er- 
weitert wird.  Es  möchte  ein  lohnender,  aber  nach  dem  heutigen  Stande 
unseres  Wissens  nur  mit  grösster  Vorsicht  zu  unternehmender  Versuch 
sein,  für  die  Homologisirung  der  vordersten  Gliedmaassenpaare  in  den 
verschiedenen  Arthropodenreihen  eine  feste  Basis  zu  gewinnen.  Wir 
werden  vielleicht  aus  den  Verhältnissen  der  Gehirnsegmentirung  er- 
schliessen  dürfen,  dass  die  Antennen  des  Peripatus,  der  Myriopoden 
und  Insecten  den  ersten  Antennen  der  Crustaceen  homolog  sind. 
Dann  würden  wir  die  in  die  Mundhöhle  aufgenommenen  Kiefer  von 
Peripatus,  deren  Ganglien  eine  ähnliche  Annäherung  an  das  Gehirn 
zeigen,  wie  die  Antennenganglion  der  Crustaceen,  vielleicht  der  zweiten 
Antenne  der  Crustaceen,  die  ja  beim  Nauplius  noch  als  Kauorgan 
fungirt,  gleichsetzen  dürfen.  Für  die  Myriopoden  und  Insecten 
würden  wir  vielleicht  den  vollständigen  Verlust  dieses  Extremitätenpaares 
anzunehmen  berechtigt  sein,  so  dass  die  Mandibeln  der  Insecten  (homolog 
den  Oralpapillen  von  Peripatus)  dann  auf  die  Mandibeln  der  Crusta- 
ceen zu  beziehen  wären.  Ferner  möchten  wir  dafür  eintreten,  dass  die 
Cheliceren  der  Arachniden  den  zweiten  Antennen  der  Crustaceen 
entsprechen,  wofür  ebenfalls  das  Verhalten  der  mit  dem  Gehirn  ver- 
schmelzenden Ganglien  anzuführen  ist.  Das  Homologon  der  ersten 
Antennen  würde  in  diesem  Falle  verloren  gegangen  sein,  aber  es  scheint, 
dass  es  als  rudimentäres  Organ  in  der  Ontogenie  noch  auftritt  (pag.  636). 
Die  Pedipalpen  würden  somit  den  Mandibeln  der  Crustaceen  und 
Insecten  gleich  zu  setzen  sein,  während  man  bisher  gewöhnlich  die 
Cheliceren  mit  diesen  Organen  zu  homologisiren  pflegte. 

Wie  sich  weiterhin  die  Extremitäten  der  einzelnen  Abtheilungen  mit 
einander  vergleichen  lassen,  wird  besser  als  durch  Worte  aus  einer  Be- 
trachtung der  Tabelle  ersichtlich  werden,  welche  wir  nach  den  bisher 
bekannt  gewordenen  Thatsachen,  besonders  nach  dem  Bau  und  Ent- 
wicklungsmodus des  Gehirns  zusammenstellen,  wobei  allerdings  zu  be- 
merken ist,  dass  dies  mit  aller  nöthigen  Reserve  geschehen  sollte. 


Tabelle  zur  Vergleichung-  der  Extremitäten  bei  den  Hauptgruppen 

der  Arthropoden. 


<  instaceen 

Xiphosuren 

Arachnoiden 

Onycho- 

phoren 

Myriopoden 
Chilopoden  1  Diplopoden 

Hexapoden 

erste 
A  ntennen 

— 

— 

Antennen 

Antennen 

Antennen 

Antennen 

/.weite 
Antennen 

Cheliceren 

Cheliceren 

Kiefer 

— 

— 

- 

Mandibeln 

erstes 
Beinpaar 

Pedipalpen 

( oralpapillen 

Mandibeln 

Mandibeln 

Mandibeln 

erste 
Maxillen 

/weites 
Beinpaar 

erstes 
Beinpaar 

erstes 
Beinpaar 

erstes  Unter- 
kieferpaar 

Unterkiefer 

erste  Maxillen 

/.weite 

drittes 
Beinpaar 

zweites 
Beinpaar 

zweites 
Beinpaar 

zweites 
Unterkiefer- 
paar 

erstes 
Beinpaar 

zweiteMaxillen 
(Unterlippe) 

erstes 

Thoraxbein- 

paar 

viertes 

lieinpaar 

drittes 
Beinpaar 

drittes 
Beinpaar 

Kieferfnss- 
paar 

zweites 
BeÄipaar 

erstesBainpaar 

/weites 
Thoraxbein- 
paar 

fünftes 
Beinpaar 

viertes 
Beinpaar 

viertes 
Beinpaar 

erstes 
Beinpaar 

drittes 
Beinpaar 

zweites 
Beinpaar 

dritti  - 
Thoraxbein- 
paar 

erstes 
Abdominal- 
beinpaar 

erstes 

A  bdominal- 
belnpaar 

fünftes 
Beinpaar 

/.weites 
Beinpaar 

viertes 

Beinpaar 

drittes 
Beinpaar 

Allgemeines  über  die  Arthropoden.  907 

Eine  Betrachtung  der  vorstehenden  Tabelle  lässt  erkennen,  dass 
die  verschiedenen  Regionen  des  Körpers  (Kopf,  Thorax  und  Abdomen) 
in  den  einzelnen  Abtheilungen  der  Arthropoden  nicht  von  gleichwertigen 
Segmenten  gebildet  werden,  d.  h.  dass  die  Einbeziehung  von  Segmenten 
bezüglich  der  Zahl  der  zur  Verwendung  kommenden  Segmente  eine  ver- 
schiedene war.  Dass  in  dieser  Hinsicht  eine  bestimmte  Regel  nicht  be- 
steht ,  erkennen  wir  schon  aus  dem  Verhalten  der  Crustaceen,  bei 
denen  die  Heranziehung  von  Thoraxgliedmaassen  zum  Munde  in  den 
einzelnen  Unterabtheilungen  eine  sehr  verschiedene  ist.  Wenn  wir  daher 
sehen,  dass  auch  in  den  grossen  Abtheilungen  des  Arthropodenreiches  die 
Extremitäten  auf  einander  folgender  Segmente  eine  heteromorphe  Aus- 
bildung gewinnen,  so  werden  wir  immer  geneigt  sein,  dieselbe  durch 
eine  Verwendung  zu  verschiedenen  Functionen  zu  erklären  und  werden 
nicht  die  Regionen  gleichgestalteter  Extremitäten  mit  einander  homologi- 
siren.  So  wird  es  durchaus  statthaft  sein,  so,  wie  jene  Tabelle  es  aus- 
drückt, Thorax-  und  Abdominalextremitäten  der  einen  mit  Kopf-  und 
Brustgliedmaassen  einer  anderen  Abtheilung  in  Homologie  zu  setzen. 
Dass  dieses  Verfahren  berechtigt  ist,  zeigt  nicht  nur  das  schon  oben  er- 
wähnte Verhalten  der  Crustaceen,  sondern  auch  dasjenige  solcher 
Arthropoden,  denen  wir  höhere  Ausbildung  zuschreiben,  wie  der  In- 
secten.  Bei  den  Hymenopteren  z.  B.  kann  das  erste  Abdominal- 
segment  zum  Thorax  treten  (segment  mediaire) *)  und  sich  so  gegenüber 
dem  Hinterleib  absetzen,  dass  es  vielmehr  als  Thorax-,  denn  als  Ab- 
dominalsegnient  erscheint.  Ein  Ausfall  oder  besser  ein  fast  völliges 
Zurücktreten  einzelner  Segmente,  wie  wir  es  z.  B.  bei  den  Arachniden 
für  die  erste  und  bei  den  Myriopoden-Insecten  für  die  zweite 
Antenne  annehmen  müssen  (vgl.  die  Tabelle)  scheint  nur  ausnahmsweise 
vorzukommen.  Wir  sehen  hierbei  von  den  Reductionen  ab,  welche  der 
Körper  der  Arthropoden  in  vielen  Fällen  erleidet  (z.  B.  bei  gewissen 
Crustaceen,  Arachniden,  Pentastomen,  sowie  bei  vielen  In- 
secten)  und  welche  vielfach  zu  einem  völligen  Zurücktreten  der  Seg- 
mentirung  an  einzelnen  Körperregionen  oder  auch  am  Gesammtkörper 
führen,  ja  im  letzteren  Falle  sogar  ein  Schwinden  der  Regionenein- 
theilung  desselben  zur  Folge  haben  können.  Derartige  Reductionen  können 
den  Verlust  nicht  nur  der  Segmentirung,  sondern  auch  der  Extremitäten 
zur  Folge  haben  (Pentastomum),  womit  ein  Hauptcharakter  der 
Arthropoden  verloren  geht,  doch  spricht  auch  dann  noch  die  Entwicklung 
durch  das  Auftreten  der  mit  Extremitäten  versehenen  Larven  für  die 
Arthropodennatur  dieser  Formen. 


Litteratur. 

Die  weiteren  Litteraturangaben  finden  sich  bei  den  einzelnen 
Abtheilungen  der  Arthropoden. 

1.  Anonymus.     Bilden   die   Arthropoden    eine    natürliche    Gruppe?     Kosmos.     13.   Bd. 

1883. 

2.  Beddard,    F.  E.     On  the  possible  Origin  of  the  Malpighian  Tubules  in  the  Arthro- 

pode.    Annais  and  Magazins  Nat.  Hist.     6.  ser.      Vol.  4.     London  1889. 


l)  Dem  „segment  mediaire"  der  Dipteren  darf  nach  Brauek's  Untersuchungen 
(Sitz.  Ber.  K.  Akad.  Wiss.  Wien,  85.  Bd.,  1.  Abth.  1882)  eine  solche  Bedeutnng  nicht 
mehr  zugeschrieben  werden,  doch  tritt  offenbar  auch  bei  den  Dipteren  eine  enge  Ver- 
bindung des  Thorax  mit  dem  Abdomen  ein. 


908  Allgemeines  über  die  Arthropoden. 

3.  Claus,    C.      Ueber   den  feineren  Bau  des  Medianauges  der  (Jrustaccen.     Anz.  der  K. 

Akad.  d.   Wiss.  zu   Wien.     1891.     Nr.  XII  (Mai). 

4.  Fernald ,    H.    F.     The   Relationships   of  Arthropods.     Studies    Biol.  Labor at.  Johns 

Hopkins   Univ.     Baltimore.      Vol.  IV.     1890. 

5.  Grenacher,    H.      Untersuchungen   über   das   Sehorgan  der  Arthropoden.     Göttingen 

1879. 

6.  Grenacher,  H.     Ueber  die  Augen  einiger  Myriopoden.    Ar  eh.  f.  microsc.  Anatomie. 

18.  Bd.     1880. 

7.  Kingsley,    J.    S.       Is    the    group   Arthropoda    a    valid     one.       Americ.    Naturalist. 

Vol.  XVII.     1883. 
8     Oudemans,  A.  C.     Ueber  die  Verwandtschaft  und  Classification  der  sog.  Arthropoden. 

Tijdschrift  Nederlandsche  Dierkundige   Vereenigung  (2).     Deel  I.     1887. 
9.    Spencer,    B.     On   the  Anatomy  of  Megascolidts  australis,  the  Giant  Earth-tvorm  of 

Gippsland.     Trans.  Roy.  Soc.    Viel.      Vol.  I.     1888. 
10.    Watase ,    S.     On   the   Morphology   of  the   Compound   Eycs   of  Arthropods.     Studies 

from  the  Biol.  Laborat.  Johns  Hopkins   Univ.     Baltimore.      Vol.  IV.     1890. 


Pierer'sche  Hofbuchdruckerei.     Stephan  Geibel  &  Co.  in  Altenburg. 


Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


TTotW" T\rir**     0gcar    und  Richard,     o.   ö.   Professoren    an    den   Universitäten   Berlin   und 

Xlt?IlWlö,  MÜIlciien,  Untersuchungen   zur  Morphologie   und  Phy- 

SiolOg'ic  (lcr  Zelle.  Heft  1.  Die  Kernteilung  bei  Actinosphaerium  Eichhornii. 
Von  K.  H  ertw  ig.  Mit  2  lithographischen  Tafeln.  1884.  Preis:  2  Mark.  —  Heft  2. 
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ÜGriWlg',    mischen    Instituts    an    der    Universität  Berlin,    Lehrbuch    der  Ent- 

wicklungsgeschiehte    des    Menschen    und    der   Wirbelthiere. 

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über  den  Befruchtungs-  und  Furchung sprozess  des  Eies  eine  Erweiterung  erfahren.  Eine 
ganz  neue  Fassung  ist  dem  neunten  Kapitel  über  die  Entwicklung  von  Bindesubstanz  und 
Blut,  ferner  dem  Abschnitt  über  die  Entstehung  der  Harnorgane  und  über  die  Entwick- 
lung des  peripheren  Nervensystems,  der  Lehre  von  der  Entwicklung  des  Herzens  und  des 
Venensystems  gegeben  worden. 

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tti  i  i      Dr.  med.  Hermann,    Professor  an  der  Universität    Tübingen,       AllätO- 

V  ltuOl  (llj  mische,  physiologische  und  physikalische  Daten  und 

laoelleil  zum  Gebrauche  lür  Mediciner.      1888.    Preis:   broschiert  9   Mark,   elegant 
gebunden    10  Mark. 
tt    •  Hugo    de,      ord.     Professor      der     Botanik     an      der      Universität    Amsterdam. 

V  TICS,  Intracellularc  Pangcnesis.     1889.    Preis :  4  m. 

Die   Pflanzen   und   Thierc    in   den   dunkeln    Räumen    der 

Rotterdamer    Wasserleitung.     Bericht  über  die  biologischen  Untersuchungen 
der  Crenothrix  (Jommission  zu  Rotterdam  vom  Jahre   1887.     Preis:   1  M.   80  Pf. 
W^fHQTYl*}  nn     ^r'   ^u&>    Protessor  der  Zoologie    an  der  Universität  Freiburg,    Die 

'  Entstehung    der    Sexualzellcn    hei    den    Hydro- 

meCiUSCn.     Zugleich    ein  Beitrag    zur  Kenntniss    des   Baues  und  der  Lebenserschei- 


nungen dieser  Gruppe.     Mit  einem  Atlas  von  24  Tafeln  und  21  Figuren  in  Holzschnitt. 
Preis  :   66   Mark. 

— •   Uehcr    Lehen    Und    Tod.      Eine    biologische    Untersuchung.      1884.     Mit  2 

Holzschnitten.      Preis:   2   M. 
Ueher   die    Dauer   des    Lehens.      Vortrag    gehalten    in    der    zweiten    all- 

gemeinen  Sitzung  der  54.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Salzburg 

am   21.   Sept.    1881.      1882.     Preis:   1   M.  50  Pf. 

—  Die    Kontinuität    des    Keimplasmas    als    Grundlage    einer 
Theorie  der  Vererbung.    1885.    Preis:  2  Mark  50  Pf. 


Die  Bedeutung  der  sexuellen  Fortpflanzung  für  die  Selek- 
tionstheorie.    1886.     Preis:  2  Mark  50  Pf. 

Leber    die    Vererbung.    Ein   Vortrag.   1883.      Preis:    1   M.   50   Pf. 

lieber  die  Hypothese  einer  Vererbung  yon  Verletzungen. 

Mit   2    Holzschnitten       Preis    1    Mark    20  Pt. 

Ueber   die    Zahl    (Ter   Richtuilgskörper    und    über  ihre  Bedeutung  für 

die  Vererbung.      Iö87.     Preis  1    Mark  50  Pf. 

Soeben  erschien  : 

——   AmpnimiXJS  oder  Die  Vermischung  der  Individuen.     Mit   12   Abbildungen  im 

Text!      Preis  3   Mark  60  Pf. 

WlPflPTCiriPim  **r'  ^0Der''  °-  °-  Professor  der  Anatomie  und  Direktor  des  ana- 

'      -Iv^v-lv^löllCllllj  tomischen  u   vergl.-anatom.  Instituts  der  Universität  Freiburg  i.  B., 

Grundriss    der    vergleichenden  Anatomie    der    Wirbelthiere. 

Für  Studirende  bearbeitet.    Zweite  gänzlich  umgearbeitete  und  stark  vermehrte  Aurlage. 
Mit  302  Holzschnitten.     1888.     Preis:  brosch.  10   M.,  gebunden   11  M. 

kCürpucli  der  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbelthiere. 

Aul  Grundlage  der  Entwicklungsgeschichte  bearbeitet.    Zweite  vermehrte  und  verbesserte 
Auflage.     Mit  614  Holzschnitten.     1887.     Preis:  brosch.   24  M.,  eleg.   geb.   27  M. 

irouunaimsche  Buchdruckeroi  (Hermann  Pohle)  In  Jena.  —  8021 


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