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Full text of "Leitfaden für das zoologische Praktikum"

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Preis:  7  Mark,  geb.  8  Mark. 


LEITFADEN 


FÜR  DAS 


ZOOLOGISCHE 
PRAKTIKUM 


VON 


DR  WILLY  KÜKENTHAL 

O.  Ö.  PROFESSOR  DER  ZOOLOGIE  UND  VERGL.  ANATOMIE 
AN  DER  UNIVERSITÄT  BRESLAU 


MIT  174  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


FÜNFTE   UMGEARBEITETE   AUFLAGE 


VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER  IN  JENA 

1910. 


VERLAG  von  GUSTAV  FISCHER  in  JENA. 


Cebrbud)  der  Zooloflie  für  Studierende.  J-  ^^.^j^  Vd  ""Sdw??^ 

schaftlichen  Hochschule  Kopenhagen.  Fünfte  vermehrte  und  verbesserte 
Auflage.     Mit  603  Abbildungen.     1908.     Preis:  12  Mark,  geb.  14  Mark. 

Kurze  JTnleitung  zum  ü)i$sen$d)aftlid)en  Sammeln  und  Konser- 

mor^n  nr\n  Tioron  Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Dahl.  Mit  268  Abbildungen  im 
V\k:\k:\1    UUll    V/H^n^ii-  j^^^     Zweite  gänzlich  umgearbeitete  Auflage. 

1908.  Preis:  3  Mark  50  Pf.,  geb.  4  Mark. 

flUnotnoino   Rif\lrtni(>     ^^'^  ^^^f.  Dr.   Oscar  Hertwig,  Geh.  Rat,  Direktor  des 

■nil^l^lin^lin;   ummtin;.   anatom.-biologischen  Instituts  für  Entwicklungsgeschichte 

in    Berlin.     Dritte  Auflage.     Mit  435  teils   farbigen   Abbildungen    im  Text. 

1909.  Preis:  16  Mark,  geb.  18  Mark  50  Pf. 
Biophysikalisches  Zeiitralblatt,  Bd.  I,  Januarheft,  Nr.  9: 

Mehrere  Umstände  vereinen  sich ,  um  diesem  Werke  seine  umfassende  Bedeutung 
zu  verleihen.  Wenn  ein  Forscher,  der  durch  Beobachtung  imd  Experiment  einen  so  be- 
deutenden Fortschritt  in  die  Biologie  gebracht  hat,  der  außerdem  die  Biologie  so  groß- 
zügig auffaßt  und  umfassend  beherrscht,  der  noch  dazu  von  der  Klarheit  seiner  Dar- 
stellungsweise schon  vorher  das  glänzendste  Zeugnis  abgelegt  hat,  wenn  ein  solcher  P'orscher 
.«rieh  entschließt,  eine  „Allgemeine  Biologie"  zu  schreiben  ,  so  gibt  das  die  beste  Prognose 
für  sein  Unternehmen.     Diese  hat  sich  hier  in  vollem  Umfange  bestätigt. 

rohrhllfh    dpr    7cso\c\(l\^    "^^^n  Dr.  Richard  Hertwig,  o.  ö.  Prof.  der  Zoologie 
LgUrUUU;    ü^\    Z>OUIOl^l<;.  ^^^  vergleichenden  Anatomie  an  der  Univ.  München. 

Neunte  vielfach  umgearbeitete  Auflage.  Mit  588  Abbildungen  im 
Text.     1910.     Preis:  11  Blark  50  Pf.,  in  Halbfranz  geb.  13  Mark  50  Pf. 

Der  Kampf  um  Kernfragen  der  6ntu)icklun9S-  und  Oererbungs- 

[phr^  Von  Dr.  Oscar  Hertwig,  o.  ö.  Prof.,  Geh.  Rat,  Direktor  des  ana- 
iliiii:  tomisch-biologischen  Instituts  in  Berlin.     1908.     Preis:  3  Mark. 

Die  6ntu)id^lun9  der  Biologie  im  neunzehnten  labrbundert  J^^^^^l^^ 

Versannnlnng  deutscher  Naturforscher  zu  Aachen  am  17.  September  1900  ge- 
halten von  Dr.  Oscar  Hertwig,  o.  ö.  Prof.,  Geh.  Rat,  Direktor  des  anatomisch- 
biologischen Instituts  in  Berlin.  Zweite  vermehrte  Au  flage.  Mit  einem  Zusatz 
über  den  gegenwärtigen  Stand  des  Darwinismus.    1908.   Preis:  1  Mark. 

Die  demente  der  Gntwidiiungslebre  des  lllenscben  und  der  (Dirbel- 

tiere  Anleitung  und  Repctitorium  für  Studierende  und  Ärzte.  Von  Dr. 
^^'  Oscar  Hertwig,  o.  ö.  Prof.,  Geh.  Rat,  Direktor  des  anatomisch-biolo- 
gischen Intituts  in  Berlin.  Dritte  Auflage.  Mit  385  Abbildungen  im  Text. 
1907.     Preis:  9  Mark,  geb.  10  Mark. 

Cebrbud)  der  €ntu)id^lung$ge$d)id)te  des  rßensd)en  und  der  lUirbel- 

tiere    ^^'*    ^^'-    ^'^*^'""   ll«"''tAvig,   o.  Ö.  Prof.,  Geh.  Rat,  Direktor   des  anato- 
misch-biologischen    Instituts   in  Berlin.     Achte   umgearbeitete    und 
erweiterte  Auflage.    Mit  623  Abbildungen  im  Text.     1906.     Preis:  13  Mark, 
geb.  15  Mark. 

Natur  lind  Kultur.  Heft  5,  Dez.  1906: 

.  .  .  Die  Brauchbarkeit  und  den  Wert  des  großartig  angelegten  Werkes  beweist 
schuu  die  für  ein  solches  Buch  ungewöhnlich  hohe  Auflagenzahl.  Die  vorliegende  achte 
Auflage  trägt  natürlich  allen  Fortschritten  auf  dem  Gebiete  der  Entwicklungsgeschichte 
Rechnung.  .  .  .  Das  Buch  ist  in  erster  Linie  für  Ärzte  und  Studierende  der  Medizin  und 
Nalurwissrnschüften  bestimmt.  Weiter  dürfte  es  besanders  dem  Lehrer  für  Naturkunde 
an  den  höheren  Schulen  als  Nachschlagebuch  willkommen  sein.  Das  Werk  ist  eine  ganz 
liervorragende  Leistung  deutscher  Gelehrsamkeit  und  deutschen  Fleißes  und  ein  Meister- 
stück verständlicher  Darstellung  schwieriger  Materie. 

Uersud)  einer  Begründung  der  Deszendenztheorie»  ^'schnekiei%T"'.** 

Prof.  der  Zoologie  in  Wien.     1908.     Preis:  3  Mark. 


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LEITFADEN 


FÜR  DAS 


ZOOLOGISCHE 
PRAKTIKUM 


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VON 


DR  WILLY  KÜKENTHAL 

O.  Ö.  PROFESSOR   DER  ZOOLOGIE  UND  VERGL.  ANATOMIE 
AN  DER  UNIVERSITÄT  BRESLAU 


MIT  174  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


FÜNFTE   UMGEARBEITETE   AUFLAGE 


VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER  IN  JENA 

1910. 


ALLE   RECHTE  VORBEHALTEN. 


Vorrede  zur  ersten  Auflage. 


Das  zoologische  Praktikum,  wie  es  gegenwärtig  an  den  meisten 
Hochschulen  gehandhabt  wird,  beschränkt  sich  nicht  auf  zootomische 
Übungen  an  einigen  wenigen  einheimischen  Typen,  sondern  stellt  ein 
praktisches  Rejjetitorium  der  Grundtatsachen  der  Zoologie 
dai-,  indem  das  zu  untersuchende  Material  allen  Tierstämmen  entnommen 
und  auch  das  Mikroskop  als  Hilfsmittel  herangezogen  wird.  Die  An- 
fertigung leichter  mikroskopischer  Präparate  wird  dem  Praktikanten  über- 
lassen, während  schwierigere,  wie  z.  B.  Schnitte,  als  fertige  Präparate 
gegeben  werden.  Was  die  Beschaffung  des  Materials  betrifft,  so  sind 
marine  Formen  von  den  zoologischen  Stationen  in  Neapel,  Rovigno. 
Helgoland  usw.  jederzeit  zu  billigen  Preisen  erhältlich. 

Wohl  überall  dürfte  es  sich  als  zweckmäßig  herausgestellt  haben, 
diesen  für  Anfänger  bestimmten  praktischen  Übungen  in  einem  kurzen 
Vortrage  eine  zusammenfassende  tibersicht  über  das  zu  behandelnde 
Thema  vorauszuschicken,  denn  in  den  meisten  Fällen  wird  der  Anfänger, 
bei  der  Kürze  der  zu  Gebote  stehenden  Zeit  und  der  mangelnden  Übung, 
nur  einzelne,  leichter  präparierbare  Organsysteme  in  oft  sehr  verschiedener 
Reihenfolge  sich  zur  Anschauung  bringen  können. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  ist  vorliegender  „Leitfaden"' 
geschrieben  worden.  In  zwanzig  Kapiteln  habe  ich  den  Stoff  derart  an- 
geordnet, daß  jedem  speziellen  Kurse  eine  allgemeine  Übersicht 
vorausgeht.  Zahlreiche  eingestreute  Notizen  technischen  Inhaltes 
sollen  das  Buch  auch  für  das  Selbststudium  geeignet  machen,  natür- 
lich nui-  in  Verbindung  mit  einem  der  modernen  Lehrbücher  der  Zoo- 
logie. Als  Hilfsmittel  zur  sofortigen  Orientierung  sollen  die  kurzen, 
kleingedruckten  „Systematischen  Überblicke"  der  Stämme  des  Tier- 
reiches dienen. 

Besonderen  Wert  habe  ich  auf  die  Abbildungen  gelegt,  welche, 
soweit  sie  neu  sind,  sämtlich  nach  eigenen  Präparaten  gezeichnet  worden 
sind,  einige  von  mir  selbst,  der  größere  Teil  aber  von  meinem  Schüler» 
Herrn  Th.  Krumbach,    und    Herrn  A.  Giltsch.     Beiden  Herren   bin 


ly  VoiTt'de  zur  zweiten   Aufl;igp. 

ich  für  (las  Interesse  iiiid  die  Soigfalt,  welche  sie  auf  ihre  Aufgabe  ver- 
wandten, zu  großem  Danke  verpflichtet. 

Manchen  wertvollen  Wink  gab  mir  die  langjährige  praktische  Er- 
fahrung meines  verehrten  Lehrers  Prof.  Haeckel,  und  auch  meine 
anderen  Jenenser  Kollegen  haben  mich  verschiedentlich  unterstützt. 
Ganz  besonderen  Dank  schulde  ich  meinem  Freunde  Prof.  A.  Lang  in 
Zürich  für  die  kritische  Durchsicht  der  Korrekturbogen,  und  schließlich 
möchte  ich  auch  nicht  verfehlen,  das  liebenswürdige  Entgegenkommen 
des  Verlegers,  Herrn  Dr.  Fischer,  dankend  hervorzuheben. 

Vielleicht  darf  ich  mich  der  Hoffnung  hingeben,  daß  auch  die 
Herren  Fachgenossen  mir  ihre  Ausstellungen  und  Vorschläge  zu  Ver- 
besserungen werden  zukommen  lassen. 

Jena,  den  20.  Juni   1898. 


Vorrede  zur  zweiten  Auflage. 


In  den  drei  Jahren,  welche  seit  Erscheinen  der  ersten  Auflage 
dieses  Leitfadens  verflossen  sind,  habe  ich  reichlich  Gelegenheit  gehabt, 
die  Brauchbarkeit  des  Buches  für  das  zoologische  Praktikum  nachzu- 
piiifen.  und  da  mir  auch  von  Seiten  mehrerer  Fachgenossen  in  dankens- 
wei'ter  Weise  Vorschläge  zu  Verbesserungen  zugekommen  sind,  hat  die 
zweite  Auflage  ziemlich  veränderte  Gestalt  erhalten.  Durch  Einfügung 
zweier  neuer  Kapitel  über  Cestoden  und  Nematoden  wurde  eine 
Lücke  ausgefüllt,  welche  sich  in  der  Praxis  sehr  fühlbar  gemacht  hatte, 
und  andere  Kajjitel  wurden  umgearbeitet  und  ergänzt. 

Um  trotz  der  Zuführung  neuen  Stoffes  den  bisherigen  LTmfang 
des  Leitfadens  nicht  wesentlich  zu  überschreiten,  habe  ich  mich  zu 
mancherlei  Kürzungen,  besonders  in  den  „Allgemeinen  Übersichten", 
entschlossen,  und  der  Wunsch,  dem  Buche  seinen  Charakter  eines  kurz- 
gefaßten Leitfadens  für  Anfänger  zu  wahren,  ist  auch  der  Grund, 
weshalb  nicht  alle  mir  so  freundlich  erteilten  Ratschläge  Berücksichtigung 
erfahren  konnten. 

Eine  Anzahl  anderen  Werken  entlehnter  Abbildungen  ist  in  der 
neuen  Auflage  durch  Originalzeiclinungen  nach  eigenen  Präparaten  er- 
setzt worden.  Die  Anfertigung  dieser  Zeichnungen  hat  mein  Assistent 
Herr  Th.  Krumbach  übernommen,  der  mich  schon  bei  der  Vorbereitung 
der  ersten  Auflage  unterstützt  hat.  Für  seine  Mühewaltung  schulde  ich 
ihm  meinen  wärmsten  Dank,  ebenso  wie  meinen  beiden  anderen  Assi- 
stenten, den  Herren  Dr.  C.  Zimmer  und  Dr.  S.  Süssbach,  die  sich  am 


Vorrede  zur  dritten  und  fünften  Auflage.  V 

Lesen  der  Korrekturen  beteiligt  haben.    Herr  Dr.  Zimmer  hatte  außer- 
dem die  Freundlichkeit,  ein  ausführliches  Register  anzufertigen. 

Auch  bei  der  Herstellung  dieser  Auflage  hatte  ich  mich  des  weit- 
gehendsten Entgegenkommens  des  Verlegei-s,  meines  verehrten  Freundes, 
Herrn  Dr.  G.  Fischer,  zu  erfreuen. 

Breslau,  den  20.  Oktober  1901. 


Vorrede  zur  dritten  Auflage. 


Von  größeren  Veränderungen,  welche  diese  Auflage  erfahren  hat, 
sind  zu  nennen  der  Wegfall  des  ersten  Kursus  „Elemente  der  Histo- 
logie", sowie  die  Einfügung  zweier  neuer  Kapitel:  „Ctenophoren"  und 
„Selachier".  Einige  Abbildungen  sind  durch  neue  ersetzt  worden,  und 
eine  ganze  Anzahl  neuer  Bilder,  die  ich  der  geschickten  Hand  meines 
Assistenten,  Herrn  Th.  Krumbach,  verdanke,  ist  hinzugekommen.  Herr 
Privatdozent  Dr.  Zimmer  war  so  freundlich,  auch  für  diese  Auflage 
die  Anfertigung  des  Registers  zu  übernehmen,  und  beide  Herren  haben 
mich  in  dankenswerter  Weise  beim  Lesen  der  Korrekturen  unterstützt. 

Breslau,  den  30.  JuH  1905. 


Vorrede  zur  fünften  Auflage. 


Das  in  der  vierten  Auflage  eingefügte  Kapitel  „Spinnen''  ist  von 
Herrn  Kollegen  Fr.  Dahl  in  dankenswerter  Weise  einer  gründlichen 
Durchsicht  unterzogen  und  mit  drei  neuen,  unter  seiner  Aufsicht  ge- 
zeichneten Abbildungen  versehen  worden.  Herzlichen  Dank  schulde  ich 
auch  meinen  Breslauer  Kollegen,  den  Herren  Zimmer,  Gerhardt  und 
Fax  für  Hinweise  auf  Textverbesserungen  und  freundliche  Hilfe  beim 
Lesen  der  Korrekturen. 

Breslau,  den  10.  Februar  1910. 


W.  Kükenthal. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung;  A.  Hilfsmittel 1 

B.  Allgemeine  Übersicht  über  Zelle  und  Gewebe 5 

I.  Stamm:  Protozoa.     Systematischer  Überblick     .         11 

1.  Kursus;  Protozoa 14 

Teclinisclie  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:  Euglt-na,  Amoeba,  Aredia,  Difflugio,  Foraiiiiniferen,  Actina- 
sphacrnim,  Acanthomctra,  Collozoum,  Gregarbia,  Parainacciuin,  Vorti- 
cclla,   Stentor.  Kerona. 

iWetazoa.    II.  Stamm:  Coelenterata.    Systematischer  Überblick   ...    29 

2.  Kursus:  Porifera 33 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:  Sycandra,  Oscarella,  Spoitgilla,  verschiedene  Nadelformen, 
Etispongia. 

3.  Kursus:  Hydroidpolypen 41 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:   Hydra,    Tubularia,   Cordylophora,    Clava,   Campamilaria. 

4.  Kursus:  Medusen 53 

Technische  Vorbereitungen. 


"ö^ 


I.  Hydromedusen 54 

Allgemeine   Übersicht.  —  S])ezieller  Kursus:     Sarsia,    Tiara,   Obelia, 
Liriope. 

II.  Scyphomedusen 59 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus;  Aunlia,  Nausilhoc. 

5.  Kursus:  Anthozoa Ö3 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:   Alcyonnitn   digitatum,   Ancinonia  sulcata. 

Anhang:  Ctenophorae,  Pkurobrachia 70 

III.  Stamm:  Piatodes.    Systematischer  Überblick 73 

6.  Kursus:  Piatodes 74 

Technische  Vorbereitungen. 

I.  Trematoden ^     .......    75 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  D/stoimun  laiueolahtm. 


Inhaltsverzeiolinis.  YII 

Seite 

II.  Cestoden 78 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:   Taenia  solinm,  Taenia 
saginata,  Bothriocephalus  latus. 

IV.  Stamm:  Vermes.    Systematischer  Überblick 85 

7.  Kursus:  Bryozoen,  Cliaeto^natheii.  Nematoden 89 

I.  Bryozoen 89 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:    Cristatella  mitcedo. 

II.  Chaetognathen 93 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus  :   Sagitta  biptinctata. 

MI.  Nematoden ■ 96 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus :   Ascaris  viegalocepJiala. 

8.  Kursus:  Anneliden 102 

I.  HIrudineen 102 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:  Hirudo  -medidnaUs. 

II.  Chaetopoden 109 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 

Kursus:   Lutnbiitus  herculeus,  Nereis  pelagica. 

V.  Stamm:  Echinodermata.    Systematischer  Überblick      ....     119 

9.  Kursus:  Echinodermata 122 

Technische  Vorbereitungen. 

I.  Asteroldea 122 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Asterias  rvhcvs. 

II.  Echlnoldea 130 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Echinus  esculentus. 

IM.  Holothurioldea 137 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus :  Holothurta  tubulosa. 

VI.  Stamm:  Mollusca.    Systematischer  Überblick 142 

10.  Kursus:  Chitonen  und  Sclineoken 146 

Technische  Vorbereitungen . 

1.  Chitonen 146 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Cln'tou  nun-o-iHntiis. 

II.  Schnecken 151 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Hflix  pomatia. 

11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische >     .     .     160 

Technische  Vorbereitungen . 

1.  Muscheln 160 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:    Unio,  Anodonta. 

II.  Tintenfische 168 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Sepia  officinalis. 

VII.  Stamm:  Arthropoda.     Systematischer  Überblick 182 

12.  Kursus:  Krebse 188 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:   Daphnide,   Potamobiiis  astaciis. 


628^^ 


VIIl  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

n.  Kursus:  Insekten 200 

Technische  Yorhereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 

Kursus:     Periplaneta    orientab's,     ßombiis,    Schmetterling,     Mücke. 

Ephemeridenlarve. 

Anhang:  Spinnen:  Epeira  diadema 211 

VIIl.  Stamm:  Tunicata.    Systematischer  Überblick  216 

14.  Kursus:  Tnnicata 217 

Technische  Vorbereitungen. 

I.  Ascidien 217 

AU.uenieine  Übersicht.   —  Spezieller  Kursus:  Styehi  plicala,  Ci'ona 
intesthialis. 

II.  Salpen 225 

Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller  Kursus:  Salpa  africana^  Salpn 
de7>iocnitita-imicronotn. 

IX.  Stamm:  Vertebrata.    Systematischer  Überblick 230 

15.  Kursus:  Anipliioxus 21;) 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Si)ezieller 
Kursus:   Amphiox7is  hittceolatus. 

in.  Kursus:   Selacliier  und  Teleostier 251 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  S])(»zioller 
KlU'SUS:   I    Scyllium  canicnla.  IL  Lencisciis  r2i1ihis. 

17.  Kursus:  Amphibien 269 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus;   Rona  vnita. 

18.  Kursus:  Reptilien 282 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  S])ezieller 
Kursus:   Lacerta  ngi'lis. 

19.  Kursus:  Vögel 291 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:   Columba  domestica. 

20.  Kursus:  Säugetiere       301 

Technische  Vorbereitungen.  —  Allgemeine  Übersicht.  —  Spezieller 
Kursus:   Leßus  cuninilns. 


Einleitunö. 


A.  Hilfsmittel. 

Der  Arbeitsplatz  des  Praktikanten  kann  natürlich  sehr  verschieden 
ausgestattet  werden,  doch  empfiehlt  es  sich.  Anfänge]-  zunächst  nui'  mit 
dem  Allernotwendigsten   an   Instrumenten  und  Utensilien    zu    veisehen. 

Eigene  Erfahrung  hat  mir  gezeigt,  daß  zunächst  folgende  Aus- 
stattung ausreicht: 

1.  Ein  kleines  3Iikroskop. 

Es  hat  sich  als  praktisch  herausgestellt,  die  Mikroskope,  welche 
im  Kurse  gebraucht  werden,  von  möglichst  einheitlichem  Typ  zu  wählen. 
Ein  kleineres  Stativ  genügt,  doch  ist  es  zu  empfehlen,  Stative  mit  Zahn- 
und  Triebwerk  zu  benutzen,  denn  wenn  dieses  fehlt  und  wenn  die  grobe 
Einstellung  des  Tubus  mit  der  Haml  erfolgen  muß,  so  können  erfah- 
rungsgemäß mikroskopische  Prä})arate,  wie  auch  gelegentlich  die  Front- 
linse des  Objektivs  schweren  Schaden  erleiden.  Ferner  muß  das  Mikro- 
skop zur  feineren  Einstellung  des  Tubus  mit  Mikrometerschraube  ver- 
sehen sein.  Zwei  Objektive  von  20— 40facher  und  200 — 400faclier  Ver- 
größerung genügen,  ebenso  ein  schwaches  Okulai'.  Die  Anbringung 
eines  Ptevolvers  für  beide  01)jektive  trägt  erhel)licli  zur  Schonung  der 
Linsen  und  der  Gewinde  bei. 

2.  Ein  flacher  offener  Iiistruinenteiika.steii,  der  durch  niedrige 
Querleisten  in  einige  Fächer  geteilt  ist.  Die  auf  der  beifolgenden  Ab- 
bildung wiedergegebene  Einteilung  hat  sich  uns  schließlich  als  die 
zweckmäßigste  erwiesen.  Jeder  Kasten  trägt  die  Nummer  des  ent- 
sprechenden Arbeitsplatzes  und  enthält  ein  auf  einem  schmalen  Karton 
gedrucktes  Verzeichnis  seines  Inhalts.  Dieser  ist:  eine  größere  und  eine 
kleinere  Pinzette,  eine  größere  und  eine  kleinere  Schere,  zwei  Präparier- 
nadeln, ein  Skalpell,  ein  Küchen messer,  ein  Spatel,  eine  Pipette,  eine 
Glasröhre,  eine  Uhrglasschale  samt  Holzuntersatz,  eine  Anzahl  von 
Objektträgern.  Deckgläsern  und  kräftigen  Stecknadeln.  Dazu  kommt 
noch  ein  feiner  Leinwandlappen. 

?).  Em  Wachsbeckeii,  in  welchem  die  Sektionen  vorgenommen 
werden.  Für  unsere  Zwecke  ist  eine  ovale  Form  aus  Zinkblech  von 
28  cm  Länge,  18  cm  größter  Breite  und  5  cm  Höhe  ausreichend. 
Eine  etwas  oberhalb  des  Bodens  rings  um  die  Seitenwand  verlaufende 
Nute  dient  zur  besseren  Befestigung  des  Wachses,  welches  in  das 
Becken  hineingegossen  wird.  Ein  solches  Blechgefäß  kostet  etwa 
1.25  Mark.  In  dieses  Becken  wird  nun  reines  Wachs  gegossen;  von 
der  des  öfteren  empfohlenen  Mischung  desselben  mit  anderen  Stoffen. 
z.  B.  gebrauchtem  Paraffin,  ist  nur  al)zuraten,  da  es  alsdann  zu  Inüchig  wiid. 

K  i'i  k  CM  I  li;il  .   Ziinl.   l'niklikiiin.     ö.  Aufl.  ] 


Einleitung:    Hilfsmittel. 


Damit  die  Präparate  sich  besser  vom  Untergi'iinde  abheben,  wird  das 
Wachs  gefärbt.  Dies  geschieht,  indem  man  es  durch  Erhitzen  flüssig 
macht  und  alsdann  eine  Portion  von  käuflichem  Frankfurter  Schwarz 
hineinschüttet,  umrührt  und  kurze  Zeit  aufkochen  läßt,  damit  dei-  Farb- 
stoff sich  gleichmäßig  verteilt  und  beim  Erkalten  des  Wachses  nicht 
nach  unten  sinkt.  In  die  horizontal  gestellten  Becken  wird  alsdann 
die  flüssige  Masse  etwa  2  cm  hoch  eingegossen  und  langsam  erkalten 
gelassen,  um  das  lästige  Rissigwerden  zu  vermeiden. 


Fig. 


1 .     Instrumentenkiisten. 


Von  Utensilien,  welche  mehr  gelegentlich  Verwendung  finden,  und 
die  daher  nicht  dauernd  den  Arbeitsplatz  zu  beengen  brauchen,  ej-- 
wähne  ich  folgende. 

4.  Eine  Anzahl  chemischer  Reagentien,  die  in  einem  mit  Fächern 
versehenen  Holzkästchen  vereint  sein  können.  In  Betracht  kommen 
vor  allem:  Glyzeiin,  Essigsäure,  Salzsäure,  Alkohol,  physiologische  Koch- 
salzlösung, von  Farbstoffen  besonders  Alaunkarmin,  und  ferner  eine 
Spritzflasche  mit  destilliertem  Wasser.  Alle  anderen  gelegentlich  im 
Kurse  benutzten  Reagentien  werden  bei  jedem  Gebrauch  ausgeteilt 
und  dann  wieder  zurückgenommen. 

5.  Eine  einfache  Stativliipe. 

6.  Eine  zur  Hälfte  weiß,  zur  andern  schwarz  gefärbte  Porzellan  platte, 
die  als  Unterlage  für  die  mit  der  Lupe  zu  betrachtenden  Objekte  dient. 

7.  Ein  Glas  mit  frischem  Wasser  und  für  einige  Praktikanten  ge- 
meinsam einen  irdenen  Topf  oder  einen  Eimer  zum  Sammeln  der  Abfälle. 


Vor  Beginn  des  ersten  Kursus  werden  die  Praktikanten,  von  denen 
die  meisten  in  der  Regel  noch  nicht  mikroskopieit  haben,  über  das 
Mikroskop  uiiil  seinen  Gebrauch  instruiert. 


Einleitung:  Hilfsmittel.  3 

Zunächst  werden  die  Haui)tbestan{lteile  eines  Mikroskopes  er- 
läutert: das  Stativ,  der  Objekttisch  und  der  Tubus,  von  optischen  Teilen: 
Spiegel,  Objektiv  und  Okulai-.  Nun  hat  der  Praktikant  das  Mikroskop 
auf  irgend  ein  Objekt  einzustellen.  Die  grobe  Einstellung  muß 
von  Anfängern  stets  von  der  Seite  her  kontrolliert  werden, 
besonders  bei  Anwendung  der  stärkeren  Vei'größerung;  dann  erst  wird 
die  feinere  Einstellung  mittels  Mikrometerschraube  vorgenommen.  Die 
Zuführung  von  Licht  erfolgt  durch  den  untei-  dem  Objekttisch  ange- 
l)rachten  Spiegel.  Um  seitliche  Strahlen  auszuschalten,  benutzt  man 
die  unterhalb  des  Objekttisches  angebrachte  diehbare  Blende,  bei 
schwacher  Vergrößerung  eine  weitere,  bei  starker  eine  engere  Öffnung. 

Direktes  Sonnenlicht  ist  unter  allen  Umständen  zu  ver- 
meiden; zweckmäßig  ist  es,  das  Mikroskop  ungefähr  1  m  vom  Fenster 
entfernt  aufzustellen  und  das  diffuse  Tageslicht  (am  besten  das  von 
weißen  Wolken  reflektierte)  aufzufangen. 

Stets  ist  das  Objekt  zunächst  mit  schwacher  Vergröße- 
rung zu  betrachten,  eine  Regel,  auf  welche  der  Anfänger  meist  zu 
wenig  Wert  legt.  Erst  dann,  wenn  man  sich  mittels  schwacher  Ver- 
größerung über  die  Hauptsachen  orientiert  hat,  ist  stärkere  anzuwenden. 
Man  beachte  hierbei,  daß  die  Schärfe  des  Bildes  vom  Objektiv  abhängt 
und  das  Okular  nur  dazu  dient,  das  Bild  zu  vergrößern,  daß  also  die 
schärfsten  Bilder  von  starken  01»jektiven  und  schwachen  Okularen  ge- 
liefert werden. 

Jeder  Praktikant  gewöhne  sich  daran,  so  viel  als  mög- 
lich zu  zeichnen.  Man  lege  das  Zeichenheft  rechts  vom  Mikroskope 
und  versuche,  mit  dem  linken  Auge  mikroskopierend,  mit  dem  rechten 
auf  das  Pai)ier  schauend,  das  Gesehene  wiederzugeben.  Der  Anfänger 
zeichnet  in  der  Regel  alles  in  viel  zu  kleinem  Maßstal)e,  man  gewöhne 
sich  daher  von  Anfang  an  daran,  große  Zeichnungen  zu  entwerfen  und 
das  Papier  nicht  zu  sparen.  Für  jede  Zeichnung  nehme  man  eine  neue 
Seite  und  zeichne  das  Bild  möglichst  in  die  Mitte,  um  Notizen  (Namen 
usw.)  anliringen  zu  können. 

Sehr  vorteilhaft  zur  Einprägung  anatomischer  Tatsachen  ist  die 
Anwendung  von  P'arbstifteii  in  der  Zeichnung.  Man  wähle  für  be- 
stimmte Gewebe  resp.  Oigane  stets  die  gleichen  Fai-ben,  also  z.  B. 
für  den  Darm:  grün,  die  Haut:  gelb,  die  Blutgefäße:  rot.  die  Nerven: 
schwarz  usw. 

In  gleicher  Weise  können  auch  die  in  diesem  Buche  ge- 
gebenen Abbildungen  koloriert  werden. 

Die  Reinhaltung  seines  Mikroskopes  ist  von  jedem  Prakti- 
kanten unbedingt  zu  veilangen;  der  Objekttisch  darf  niemals  mit  den 
vom  Präparat  herrührenden  Flüssigkeiten,  wie  Wassei-,  (ilyzerin  oder 
Alkohol  l)eschmutzt  werden.  Das  Mikroskop  wird  am  besten  unter 
einer  Glasglocke  aufbewahrt,  die  auf  einer  runden  Filzscheibe  steht. 
Billiger  als  Glasglocken  sind  in  Holzrahmen  gefaßte  (Jlasscheiben.  Bei 
stark  besuchten  Kursen  empfiehlt  es  sich,  die  mit  den  Nummern  der 
Arbeitsplätze  versehenen  Mikroskope  nach  dem  Gebrauche  in  einen 
Schrank  zu  stellen,  um  sie  vor  Verstaubung  zu  bewahren. 

Der  Tubus  wird,  wenn  Zahn  und  Trieb  fehlt,  mit  der  Hand  nicht 
direkt  heruntergestoßen,  sondern  in  drehender  Bewegung  verschoben. 
Wenn  er  sich  schwer  bewegen  läßt,  so  hat  sich  Schmutz  an  seiner 
Wandung  angesammelt,  der  durch  Abreiben  leichtHch  entfernt  wird.  Es 
wird    dann    etwas    Knochenöl    auf    einen    Lappen    getröpfelt    und    auf 


Einleitung:  Hilfsmittel. 


'& 


dem  Tubus  verrieben.  Zu  viel  Öl  zu  nehmen  ist  indessen  nicht  gut. 
da  der  Tubus  dann  leicht  aufs  Objekt  hinuntergleitet  und  dieses,  sowie 
auch  die  Frontlinse  des  01>jektivs  beschädigt.  Ist  das  Unglück  dennoch 
geschehen,  so  wird  der  Tubus  heiausgezogen  und  die  Objektivlinse 
sorgfältig  mit  einem  weichen,  reinen  Leinwandlappen  oder  einem  Stück- 
chen Rehleder  al)poliert.  Ist  die  Linse  mit  Kanadabalsam  in  Berührung 
gekommen,  so  benetze  man  einen  Zipfel  des  Tuches  mit  etwas  Chloro- 
form, Terpentinöl  oder  Xylol  und  reinige  die  Linse  damit.  Doch  muß 
das  vorsichtig  und  schnell  geschelien,  denn  die  Linsen  sind  mit  Kanada- 
balsam eingekittet  und  könnten  sich  lösen. 

Die  Linsen  der  Objektive  und  Okulare  und  den  Spiegel  berühre 
man  niemals  mit  dem  Finger.  Niemals  schraube  man  Objektive  und 
Okulare  auseinander. 

Zur  Aufnahme  der  Präparate  dienen  die  Objektträger,  recht- 
eckige Glasplatten,  die  der  Anfänger  nicht  zu  klein  wählen  soll  (eng- 
lisches Format,  70  zu  26  mm,  oder  größer).  Die  gekauften  Objekt- 
träger sind  nicht  ohne  weiteres  zu  benutzen,  sondern  müssen  erst  ge- 
reinigt werden.  Das  geschieht  am  besten  durch  Einlegen  in  eine  mit 
Wasser  gefüllte  Glasschale,  in  welche  etwas  pulverisiertes  doppeltchrom- 
saures  Kali,  sowie  ein  paar  Kubikzentimeter  konzentrierte  Schwefelsäure 
gebracht  werden.  Nach  1 — 2  Tagen  werden  sie  mit  reinem  Wasser 
abgespült  und  abgetrocknet  oder  in  einem  Glase  unter  Alkohol  auf- 
bewahrt. Ganz  ebenso  hat  man  mit  den  im  Handel  bezogenen  Deck- 
gläschen zu  verfahren. 

Letztere,  kleine,  viereckige  oder  runde,  sehr  dünne  Glasplatten, 
werden  auf  das  Objekt  gelegt,  das  stets  mit  einer  Zusatzfiüssigkeit: 
Wasser,  Glyzerin,  Alkohol  usw.  versehen  sein  muß.  Nur  wenige  Ob- 
jekte werden  ohne  Deckgläschen  oder  trocken  untersucht. 

Die  Herstellung  der  Präparate  muß  in  erster  Linie  in  Rück- 
sicht darauf  erfolgen,  daß  sie  das  Licht  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
durchlassen.  Bei  kleinen  Objekten,  wie  z.  B.  Infusorien  oder  dünnen 
Geweben,  ist  das  ohne  weiteres  der  Fall,  von  anderen,  welche  infolge 
ihrer  Dicke  undurchsichtig  sein  würden,  müssen  Teile  auf  den  Objekt- 
träger gebracht  werden.  Entweder  geschieht  das  durch  Zei'zupfen  oder 
durch  Herstellung  dünner  Scheiben. 

Das  Zerzupfen  wird  mittels  zweier  in  Griffen  befestigter  Nadeln 
besorgt;  am  besten  eignen  sich  dafür  Muskeln  und  Sehnen.  Andere 
Teile  lassen  sich  dagegen  nur  durch  Zerschneiden  in  dünne  Scheiben 
der  Untersuchung  mit  dem  Mikroskope  zugänglich  machen.  Am  leich- 
testen gelingen  Schnitte  mit  einem  guten  Rasiermesser. 

Dabei  ist  folgendes  zu  beobachten:  Man  benetze  die  Klinge  stets 
mit  Wasser,  oder  wenn  in  Alkohol  konservierte  Stücke  zerschnitten 
werden  sollen,  mit  70 böigem  Alkohol.  Dann  drücke  man  nicht  das 
Messer  gegen  das  mit  Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand  erfaßte 
Objekt,  sondern  ziehe  es  langsam  gegen  sich  hindurch.  Bald  wird 
man  so  viel  Übung  haben,  einen  hinreichend  dünnen,  also  l)rauchbaren 
Schnitt  herstellen  zu  können. 

Nach  beendigtem  Schneiden  ist  das  Messer  stets  wieder  trocken 
zu  wischen. 

Will  man  kleine  Wassertiere  unter  dem  Mikroskope  lebend  be- 
trachten, wie  z.  B.  Hydra,  so  bringe  man  sie  unter  das  Mikroskop  zunächst 
ohne  Deckglas  mit  verhältnismäßig  viel  Wasser,  Will  man  ein  Deck- 
glas anwenden,  so  muß  man  bedenken,  daß  die  Schwere  eines  solchen 


Einleitung:  Zelle  und  Gewebe,  5 

hinreichend  ist,  die  meisten  Tiere  zu  zerquetschen;  man  stütze  (his 
Deckglas  daher  entweder  durch  ein  paar  seitlich  an  den  Rand  gebrachte 
Haare.  Pai)ier-  oder  Holzstückchen  oder  durch  Anbringung  von  vier 
Wachsfüßchen  auf  der  Unterseite  in  den  Ecken.  Gewöhnliches  Wachs 
haftet  nicht  fest  am  Glas,  am  besten  hat  sich  eine  Mischung  von  drei 
Teilen  gelben  Baumwachses,  einem  Teil  Vaseline  und  einem  Teil  Kanada- 
balsam bewährt. 

Teile  lebender  Gewebe  untersucht  man  nicht  in  Wasser,  sondern 
in  physiologischer  Kochsalzlösung  (0,75 Vo  ige  wässerige  Lösung). 

Als  Aufhellungsmittel  für  manche  tote  Objekte  wird  Glyzerin, 
meist  mit  etwas  Wasser  vermischt,  angewandt,  in  einzelnen  Fällen,  l)ei 
manchen  Alkoholpräparaten,  läßt  sich  auch  in  unserem  Eiementarkurse 
als  Aufhellungsmittel  Nelkenöl  verwenden,  alsdann  ist  aber  das  Objekt 
erst  durch  absoluten  Alkohol  hindurchzuführen. 

Wie  in  einzelnen  Fällen  Reagentien  und  einfache  Färbemittel  an- 
gewandt werden,  ist  in  den  betreffenden  Kapiteln  ausgeführt.  Vorge- 
schrittenere sind  auf  die  reiche  darüber  existierende  Literatur  (Behrens, 
KossEL  und  Schieferdecker,  „Das  Mikroskop  und  die  Methoden  der 
mikroskopischen  Untersuchung",  Böhm  und  Oppel,  „Taschenbuch  der 
mikroskopischen  Technik",  Rawitz,  ,.Leitfaden  für  histologische  Unter- 
suchungen". Apathy,  „Die  Mikrotechnik  der  tierischen  Morphologie", 
Lee  und  Mayer,  „Grundzüge  der  mikroskopischen  Technik  für  Zoologen 
und  Anatomen",  Stöhr.  „Lehrbuch  der  Histologie",  K.  C.  Schneider, 
„Histologisches  Praktikum  der  Tiere"  u.  a.  m.)  zu  verweisen. 

ß.  Allgeineiiie  Übersicht  über  Zelle  und  Gewebe. 

Wie  die  Pflanzen,  so  bestehen  auch  die  Tiere  aus  organischen 
Einheiten:   den  Zellen. 

Entweder  wird  der  Körper  eines  Tieres  nnr  von  einer  Zelle  gebildet: 
Protozoen,  oder  zahlreiche  Zellen  treten  zu  bestimmten  Verbänden,  den 
Geweben,  zusammen,  und  diese  vielzelligen  tierischen  Organismen 
werden  den  einzelligen   Protozoen   als  Metazoen   gegenübergestellt. 

Die  Zelle. 

Die  Zelle  ist  sowohl  in  morphologischer  wie  in  physiologischer 
Hinsicht  die  letzte  Lebenseinheit.  Ihre  einzelnen  Teile  können  nicht 
für  sich  existieren,  sondern  sind  nur  Zellorgane,  und  in  der  Zelle  spielt 
sich   der  Prozeß   des   Lebens   ab. 

Wesentlich  für  jede  Zelle  sind  zunächst  zwei  Bestandteile:  das 
Protoplasma  und  der  Kern.  Keiner  von  beiden  kann  in  der  Zelle 
fehlen. 

Die  Zelle  ist  also  zu  definieren  als  ein  Klümpchen  Proto- 
plasma mit   einem   Kern. 

Das  Protoplasma  besteht  aus  einem  sehr  komplizierten  Gemenge 
verschiedener  flüssiger  Substanzen,  besonders  Eiweißkörper  und  wird 
aufgebaut  aus  einer  sehr  fein  schaumartig  oder  wabenartig  strukturierten 
Grundmasse,  in  welcher  in  größerer  oder  geringerer  Zahl  kleine  Körn- 
chen (,,Mikrosomen")  verschiedenartigster  Natur  eingebettet  sind,  und 
aus    dem   von   den  Schaumwaben  eingeschlossenen  flüssigen  Inhalt. 

In  allen  Metazoenzellen  und  bei  einigen  Protozoen  kommt  noch  als 
dritter   wesentlicher  Bestandteil    der  Zelle    das   Centrosoma  hinzu,    ein 


6  Einleitung:  Zelle  und  Gewebe. 

äußerst  kleines  kugeliges  Gebilde,  welclies  bei  der  Zellteilung  eine  wichtige 
Kolle  spielt. 

Ein  nicht  wesentlicher  Bestandteil  der  Zelle  ist  die  Zellmembran, 
welche  ein  Absonderungs-  oder  Umwandlungsprodukt  der  äußeren  Proto- 
plasmaschicht  ist  nnd   der  Zelle  fehlen  kann. 

Der  Kern  (Nucleus)  baut  sich  ebenfalls  aus  verschiedenen  Bestand- 
teilen auf,  von  denen  die  vier  wesentlichsten  sind:  1.  der  .Kernsaft, 
eine  homogene  Flüssigkeit,  2.  das  Chromatin  oder  Nuclein,  welches 
sich  durch  eine  starke  Färbbarkeit  mit  gewissen  Farbstofflösungen  aus- 
zeichnet und  in  Form  von  Gerüsten,  Fäden  oder  Körnchen  auftritt, 
3.  das  Achromatin  oder  Linin,  eine  wenig  färbbare,  zarte  Geriwt- 
substanz,  und  4.  das  Paranuclein,  meist  als  K  ernkörperch  en,  Nu- 
cleolus  gesondert.  Hierzu  kommt  noch  in  den  meisten  Fällen  eine 
Kernmembran. 

Die  Zellen  sind  Tiäger  der  Lebenseigenschaften,  die  sich  in 
vier  Gruppen  zerlegen  lassen:  1.  die  Bewegungserscheinungen,  2. 
die  Reizerscheinungen,  3.  den  Stoffwechsel  und  4.  die  Fort- 
pflanzung. 

Die  Bewegung  äußert  sich  als  amöboide  Bewegung  in  Gestalt- 
veränderungen des  Protoplasmas,  als  Geißel-  und  Flimmerbewegung 
durch  Ausbildung  feiner,  stark  beweglicher  Protoplasmafortsätze,  als 
Körnchensti-ömung  im  Innern  des  Protoplasmas,  und  als  Muskel- 
bewegung. 

Die  Reizerscheinungen  äußern  sich  in  einer  Veränderung  der 
spontanen  Lebenserscheinungen  der  lebendigen  Substanz,  die  entwedei" 
in  einer  Steigerung  derselben:  Erregung  oder  in  einer  Herabsetzung: 
Lähmung  zum   Ausdruck  kommt. 

Die  hauptsächlichsten  von  außen  kommenden  Reize,  auf  welche  die 
lebendige  Substanz  zu  reagieren  vermag,  sind  chemische,  mechanische, 
Wärme-,  Licht-   und    elektrische  Reize. 

Zu  den  wichtigsten  gehören  die  Wärmereize.  Das  Überschreiten 
bestimmter  oberer  oder  unterer  Temperaturgrenzen  führt  den  Tod  herbei. 

Der  Stoffwechsel  der  Zelle  beruht  auf  der  Aufnahmefähigkeit 
bestimmter  Substanzen  (Ernährung),  der  Fähigkeit  sie  in  gelösten 
Zustand  überzuführen  (Verdauung)  und  sie  zum  Aufbau  lebendiger 
Substanz  zu  verwenden  (Assimilation).  Dieser  progressiven  Stoff- 
metamorphose steht  die  i'egressive  gegenüber,  indem  sich  die  Lebens- 
substanz in  einer  beständigen  Selbstzersetzung  zu  einfacheren  chemischen 
Verbindungen  befindet  und  potentielle  Energie  (intramolekulare  Wärme) 
in  kinetische  umwandelt.  Die  von  der  Zelle  abgegebenen  Produkte  sind 
Exkrete  oder,  wenn  sie  noch  weiter  im  Leben  des  Organismus  verwandt 
werden,   Sekrete. 

Die  der  Zelle  zukommende  Fähigkeit  der  Aufnahme  von  Sauerstoff, 
um  bestimmte  Plasmaprodukte  zu  oxydieren,  ist  die  Atmung.  Aus- 
geatmet wird  die  durch  diesen  Prozeß  gebildete  Kohlensäure  und  Wasser. 

Die  Fortpflanzung  kann  als  ein  Wachstum  über  das  Maß  des 
Individuums  aufgefaßt  werden.  Der  Stoffwechsel  bildet  mehr  lebendige 
Substanz  als  in  der  Zelle  zerfällt,  und  da  die  Zelle  eine  gewisse 
Größe  nicht  zu  überschreiten  vermag,  so  teilt  sie  sich.  Die  Fortpflanzung 
beruht  also  auf  Teilung  der  lebendigen  Substanz  der  Zelle  (,,omnis 
cellula  e  cellula").  Bei  der  Zellteilung  spielen  Centrosoma  und  Kern 
eine  wichtige   Rolle   (,,omnis  nucleus   e  nucleo"). 


Einleitung:  Zelle  und  Gewebe. 


"o 


Entweder  ist  die  Kernteilung  eine  direkte,  indem  sich  der 
Kern  einfach  zerschnürt,  oder  eine  indirekte  (Mitose),  indem  sich 
zuerst  das  Centrosoma  in  zwei  Teile  teilt,  die  durch  eine  Strahlenfigiir 
verbunden  sind,  dann  das  in  kurze  Stücke,  Chromosomen,  zerfallene 
Chromatin  in  ganz  gleichmäßiger  Verteilung  an  beide  Pole  rückt,  und 
endlich  die  Bildung  zweier  neuer  Kerne  und  die  Zerschnürung  des 
Protoplasmas  erfolgt. 

Die  Gewebe. 

Gewebe  sind  Verbände  gleichartig  differenzierter  Zellen. 
Durch  das  Auftreten  des  Prinzips  der  Arbeitsteilung  werden  die 
Lebensfunktionen,  welche  in  der  einzelnen  freilebenden  Zelle  noch  ver- 
einigt sind,  auf  die  verschiedenen  Gewebe  übertragen,  und  wir  unter- 
scheiden von  diesem  Gesichtspunkte  aus  vier  verschiedene  Arten  der- 
selben: Epithelgewebe,  Stützgewebe,  Muskelgewebe,  Nerven- 
gewebe. 

1.  Epithelgewebe  nennen  wir  die  flächenhaft  ausgebreiteten  Zell- 
verbände, welche  die  äußere  Oberfläche  wie  die  Wandungen  der  inneren 
Hohlräume  überziehen.  Die  Epithelien  haben  entweder  die  Eunktion 
des  Schutzes,  oder  der  Abscheidung  für  den  Organismus  brauchbarer 
(Sekrete),  oder  unbrauchbarer  Stoffe  (Exkrete),  oder  der  Aufnahme  von 
außen  kommender  Reize,  und  demgemäß  unterscheiden  wir  Deckepithel. 
Drüsenepithel  und  Sinnesepithel. 

a)  Das  Deckepithel  heißt,  wenn  es  nur  eine  Zellschicht  hoch 
ist  (wie  in  der  Obei-haut  fast  aller  Wirbellosen),  einschichtig,  wenn 
mehrere  Zellagen  übereinanderliegen,  mehrschichtig  (wie  in  der  Ober- 
haut der  M^irbeltiere).  Je  nach  der  verschiedenen  Höhe  der  einzelnen 
Zellen  unterscheidet  man  Zylinderepithel,  kubisches  oder  Pflaster- 
epithel und  Plattenepithel. 

Besitzen  die  einzelnen  Zellen  eines  Epithels  an  ihrer  freien  Fläche 
je  einen  kräftigen,  schwingenden  Protoplasmafortsatz,  so  reden  wir  von 
Geißelepithel,  sind  statt  dessen  viele  kleinere  Wimpern  auf  der 
Obei'f lache  einer  jeden  Zelle  vorhanden,  von  Wimper-  oder  Flimmer- 
epithel. 

Durch  gemeinsame  Ausscheidung  einer  Membran  an  der  freien 
Oberfläche  entsteht  als  schützende  Hülle  die  Cuticula,  welche  bei 
manchen  Wirbellosen  (in  den  Chitinpanzern  der  Insekten,  den  Muschel- 
schalen usw.)  eine  bedeutende  Dicke  erreichen  kann.  Eine  weitere  ge- 
meinsame Ausscheidung,  die  an  der  Basalseite  der  Epithelien  entsteht, 
ist  die  Stützmembran. 

Bei  mehrschichtigen  Epithelien  fehlt  meist  die  Cuticula,  die  durch 
die  obersten  flachen,  chemisch  umgewandelten  (,, verhornten"')  Zell- 
schichten ersetzt  wird. 

b)  Das  Drüsenepithel  besorgt  die  Abscheidung  von  Sekreten 
oder  Exkreten.  Entweder  sind  es  einzelne  Zellen,  welche  in  einer  Reihe 
mit  den  anderen  Epithelzellen  liegen,  häufig  auch  eine  enorme  Größe 
erreichen  und  einzellige  Drüsen  genannt  werden,  oder  es  sind  viel- 
zellige Drüsen,  indem  mehrere  nebeneinander  gelagerte  Epithelzellen 
sezernierend  wirken  und  sich  ins  Innere  des  Körpers  einstülpen.  Der 
obere  Teil  fungiert  dann  in  der  Regel  nur  als  Ausführgang,  während 
der  Endabschnitt  sekretorisch  tätig  ist.  Stellen  die  Drüsen  einfache 
oder    verästelte    Schläuche    dar,    so    nennt    mau   sie    tubulöse   Drüsen, 


^  Einleitung':  Zolle  und  Gewebe. 

sind  sie  traul^ig  verästelt,  mit  Bescliränkung  der  .sezernierenden  Zellen 
auf  die  bläschenförmigen  Endabschnitte,  so  heißen  sie  alveoläre  Drüsen. 

Die  Geschlechtsdrüsen  sind  Epithelien,  meist  ebenfalls  von 
drüsenartiger  Form,   welche   die  Geschlechtszellen   erzeugen. 

c)  Das   Sinnesepithel. 

Die  zur  Aufnahme  von  Sinneseindrücken  bestimmten  Epithelzelleu 
tragen  an  ihrem  freien  Ende  Sinneshärchen  oder  kürzere  und  dickere 
Bildungen:  Sinnesstifte,  oder  noch  ansehnlichere  Gebilde:  Stäbchen, 
und  sind  am  unteren  Ende  durch  feine  Nervenendäste  mit  dem  Zentral- 
nervensystem verbunden. 

2.  Stützgewebe. 

Während  bei  den  Epithelien  die  Zellen  die  Hauptrolle  spielen  und 
den  von  ihnen  abgeschiedenen  Produkten  nur  eine  untergeordnete  Be- 
deutung zukommt,  ist  bei  dem  Stützgewebe  das  Umgekehrte  der  Fall. 
Die  von  den  Zellen  des  Stützgewebes  abgeschiedenen  Produkte  sind  die 
Intercellularsu  bstanzen.  Die  Hauptfnnktion  des  Stützgewebes  ist 
schon  in  seiner  Bezeichnung  ausgesprochen,  indem  es  vornehmlich  zur 
Festigung  des  Körpers  beiträgt.  Wir  unterscheiden  drei  verschiedene 
Formen  des  Stützgewebes :  a)  Bindegewebe,  b)  Knorpel  und 
c)  Knochen. 

Das  Bindegewebe  ist  ein  zelliges,  wenn  die  Intercellularsubstanz 
gegenüber  den  Zellen  zurücktritt.  Häufig  treten  in  den  Zellen  mit 
Flüssigkeit  gefüllte  Vakuolen  auf,  welche  den  Zellen  ein  bläschenförmiges 
Aussehen  verleihen:  blasiges  Bindegewebe.  Durch  Abscheidung  von 
Fettröpfchen  in  den  Zellen  entsteht  das  Fettgewebe.  Treten  Farb- 
stoffkörnchen in  den  Bindegewebszellen  auf,  so  haben  wir  Pigment- 
zellen vor  uns. 

Durch  das  Auftreten  reichlicher  Intercellularsubstanz  vom  zelligen 
Bindegewebe  unterschieden  sind  das  faserige  Bindegewebe  und  das 
Gallertgewebe. 

Beim  faserigen  Bindegewebe  ist  die  Intercellularsul)stanz  in 
Fasern  differenziert,  die  beim  Kochen  Leim  erzeugen.  Entweder  liegen 
die  Fasern  wirr  durcheinander  oder  sind  in  Bündel  vereint,  die,  wenn 
sie  parallel  zueinander  verlaufen,   das  Sehnengewebe  liefei'n. 

Das  Gallertgewebe  zeichnet  sich  durch  den  Besitz  einer  homo- 
genen, gallertigen  Intercellularsubstanz  aus,  innerhalb  deren  die  Binde- 
gewebszellen liegen. 

Im  faserigen  Bindegewebe  wie  im  Gallertgewebe  können  außerdem 
noch  besondere  Fasern  auftreten,  die  elastischen  Fasern;  wenn  sie 
in  ersterem  überwiegen,   so  reden  wir  von  elastischem  Bindegewebe. 

Das  Knorpelgewebe  entsteht  aus  faserigem  Bindegewebe  —  welches 
sich  in  einer  die  Knorpeloberfläche  überziehenden  Haut,  dem  Perichon- 
drium,  erhält  —  durch  Ausscheidimg  einer  Intercellularsubstanz,  der 
Knorpelsubstanz.  Bleiben  die  Bindegewebsfasern  ei'halten ,  so  haben 
wir  Faserknorpel,  wird  die  Intercellularsubstanz  homogen:  Hyalin- 
knorpel,  und  treten  elastische  Fasern  in  größerer  Zahl  auf:  elastischen 
Knorpel. 

Durch  Auftreten  von  Kalksalzen  kann  der  Knorpel  verkalken  (nicht 
zu  verwechseln  mit  Knochengewebe!). 

Das  Knochengewebe  entsteht  aus  Bindegewebszellen,  Osteo- 
blasten, durch  Ausscheidung  einer  Intercellularsubstanz,  Ossein,  in 
welche  sich  anorganische  Stoffe,  in  erster  Linie  phosphorsaurer  Kalk, 


Einleitung:  Zelle  und  Gewebe.  9 

einlagern.  Indem  immer  neue  Lagen  von  Knochensubstanz  gebildet 
werden,  entstellt  eine  geschichtete  Struktur  derselben,  die  Grund- 
lamellen.  Außerdem  bilden  sich  in  der  Knochensiibstanz  dem  Verlauf 
von  Blutgefäßen  dienende  Kanäle,  die  Haversischen  Kanäle,  um 
welche  sich  in  konzentrischer  Schichtung  neue  Laraellen,  die  Haversi- 
schen  Lamellen,   lagern. 

Ein  Teil  der  Osteoblasten  wird  ringsum  von  Knochensubstanz  um- 
schlossen und  wird  zu  den  Knochenzellen,  die  mittels  zahlreicher 
Portsätze  untereinander  zusammenhängen. 

Das  Zahngewebe  oder  Dentin  unterscheidet  sich  dadurch  vom 
Knochengewebe,  daß  die  Bildungszellen,  Odon toblasten,  nicht  von 
der  ausgeschiedenen  Intercellularsubstanz  umgeben  werden,  sondern  an 
deren  Basis  verharren   und   feine   parallele  Ausläufer  in  sie  hineinsenden. 

3.  i\luskelgewebe. 

In  den  Muskelzellen  ist  die  Eigenschaft  der  Kontraktilität,  welche 
allem  Protoplasma  zukommt,  wesentlich  gesteigert  und  an  eine  besondere 
Substanz,  die  Muskelsubstanz,  gebunden.  Diese  Muskelsubstanz  tritt 
in  Porm  von  langgestreckten,  stark  lichtbrechenden  Fäden,  den  Muskel- 
fibrillen  auf,  in  deren  Längsrichtung  die  Kontraktion  erfolgt.  Die 
Muskelfibrillen  sind  entweder  glatte  oder  quergestreifte,  erstere  aus 
gleichmäßiger  Muskelsubstanz,  letztere  aus  zwei  alternierenden  Substanzen, 
einer  doppelt  lichtbrechenden  und  einer  einfach  lichtbrechenden  (Zwischen- 
scheiben), gebildet.  Wir  unterscheiden  danach  glatte  und  quer- 
gestreifte Muskelzellen.  Indem  die  einzelnen  Fibrillen  letztei'er  in 
der  Weise  angeordnet  sind,  daß  die  Zwischenscheiben  in  gleiche  Ebenen 
zu   liegen  kommen,   erscheint   die   ganze  Zelle   quergestreift. 

Nach  ihrer  Herkunft  unterscheidet  man  zwei  Arten  von  Muskel- 
zellen: a)  Epithelmuskelzellen  und  b)  kontraktile  Faserzellen 
des  Bindegewebes. 

Der  Teil  des  Zellprotoplasmas,  welcher  den  Kern  umgibt,  wandelt 
sich  nicht  in  Muskelsubstanz  um,  und  heißt  das  Muskelkörperchen. 
Finden  sich  viele  Muskelkörperchen,  so  spricht  man  nicht  mehr  von  einer 
Muskelzelle,  sondern  von  einer  Muskelfaser.  Die  Muskelfaser  wird  um- 
hüllt von  einer  dünnen  Membran,  dem  Sarcolemma,  der  Zellmembran 
entsprechend. 

4.  Nervengewebe. 

Das  Nervengewebe  hat  die  Funktion  der  Übertragung  von  Er- 
regungszuständen, indem  es  äußere  Reize  und  Willensimpulse  fortpflanzt. 
Das  Gewebselement  des  Nervengewebes  ist  das  Neuron.  Neuronen  sind 
Zellen,  welche  oft  sehr  lange  Fortsätze,  die  Nervenfortsätze,  aussenden. 
Den  Zellkörper  selbst  nennt  man  Nerven-  oder  Ganglienzelle,  die 
Nervenfortsätze   Nervenfasern. 

Die  hauptsächlich  im  Zentralnervensystem  liegenden  Ganglienzellen 
nennt  man  multipolare,  wenn  sie  mehrere  Fortsätze  haben,  bipolare 
mit  zwei  solchen,   unipolare  mit  einem  Nervenfortsatz. 

An  multipolaren  Ganglienzellen  heißt  ein  oft  stark  ausgeprägter 
Fortsatz  Nervenfortsatz,  die  anderen,  stark  verzweigten,  in  ein  Gewirr 
feinster  Fasern  sich  teilenden  protoplasmatischen  Fortsätze  heißen: 
Dendriten. 

Die  Nervenfasern  leiten  entweder  äußere  Reize  zum  Zentralorgan 
und  heißen  dann  sensible  oder  innervieren  vom  Zentralorgan  aus  die 
Muskeln:   motorische. 


IQ  Einleitung:  Zelle  und  Gewebe. 

Entweder  siud  die  Nervenfasern  von  einer  Scbichl ,  dem  Mark 
(Myelin),  umgeben  und  heißen  dann  markhalti'ge  oder  dieses  Mark 
fehlt   und   dann  sind   es  marklose. 

Beide  Arten  können  noch  von  einer  zarten  Hülle,  dem  Neurilemm 
(ScHWANNsche  Scheide)  umgeben  sein,  so  daß  wir  vier  Arten  von  Nerven- 
fasern haben:  1.  marklose  ohne  Neurilemm,  2.  marklose  mit 
Neurilemm,  3.  markhaltige  ohne  Neurilemm  (nur  im  Zentral- 
nervensystem),  4.   markhaltige  mit  Neurilemm. 

Der  Nervenfortsatz  in  den  markhaltigen  Fasern  wird  auch  Achsen- 
zylinder genannt. 


Die  Stämme  des  Tierreiches. 


A.  Protozoa.     Einzellige  Tiere. 

I.  Protozoa. 

B.  Metazoa.     Vielzellige  Tiei-e. 

IL  Coelenterata. 

III.  Piatodes 

IV.  Vermes. 

V.  Echinodermata. 
VI.  Mollusca. 
VII.  Aithropoda. 
VIII.  Tiinicata. 
IX.  Vertebrata. 


Systematischer  Überblick 

für  den  ersten  Kursus. 


J.    Stamm. 


Protozoa,  Urtiere. 


Einzellige  Organisiuen.  Bewegung  und  oft  auch  Nahrungsaufnahme  erfolgt  durch 
verschiedenartige  Protn])hisniafortsätze.  Als  Exkretiuiisorgane  fungieren  kontraktile 
Vakuolen.  Fortpflanzung  ungeschlechtlich  durch  Teilung,  Knospung  oder  Sporen- 
bildung. Sehr  verbreitet,  wahrscheinlich  ganz  allgemein,  ist  die  dem  Befruchtungs- 
prozeß der  Metazoen  entsprechende  Konjugation  oder  Kopulation. 

I.  Unterstamni :  Plasmodroma. 

Bewegung  durch  Scheinfüßchen  oder  Geißeln,  mit  einem  oder  mehreren  meist 
bläschenförmigen  Kernen. 

I.  Klasse:  Flagellata.  Geißeltierchen. 

Bewegung  durch  einen  oder  zwei,  selten  mehrere  konstante,  lange  schwin- 
gende Protoplasniafortsätze:  Geißeln.     Oft  mit  Zellenmund  und  Zellenafter. 

1.  Ordnung:  Autoflagellata. 

Nackt  oder  mit  Cuticula  versehen.  Meist  1 — 2  Geißeln,  mitunter  mit  undu- 
lierender  Membran.  Einige  Formen  Chlorophyll  enthaltend  uiul  zu  pflanzlichen 
Organismen  überfühi-end,  z.  T.  Parasiten.     E2io-lena,  Trypanosonm. 

2.  Ordnung:  Dinoflagellata. 

Körper  mit  derber  Membran  aus  Celluloseplatten  zusammengefügt.  Mit  zwei 
Geißeln,  von  denen  die  eine  in  einer  ventralen  Längsfurche  eingelagert  ist,  die 
andere  in  einer  (jueren  Ringfurche  schwingt.  Dui"ch  die  Art  der  Ernährung  als 
])flanzliche  Organismen  aufzufassen.    Cemtium. 

;5.  Ordnung:  Cystoflagellata. 

Gallertiger,  von  Membran  umschlossener  Körper.     Noctihtca. 

IL  Klasse:  Rhizopoda.   Wurzelfüßer. 

rrotozoen  mit  veränderlichen  und  einziehbaren  Fortsätzen  des  Protoplasmas, 
den  Scheinfüßchen   oder  Pseudopodien.     Ohne   konstante  Mund-   und  Afteröffnung. 

1.  Ordnung:  Amoebiiia. 

Körper  ohne  Schale,  aus  weicherem,  körnchenreichem  Entoplasma  und  festerem, 
hellerem  Ektoplasma  bestehend,  mit  fingerförmigen  Pseudopodien.     Amoeha. 

2.  Ordnung:  Foraminifera. 

Körper  mit  Schale  aus  chitiniger  Substanz,  die  meist  verkalkt  ist  oder  Sand- 
teilchen aufnimmt,  seltener  mit  kieseliger  Schale.  Pseudopodien  meist  fadenförmig. 
Arcella,  Diffhigia,   Gromia,    Miiiola,  OrOiilina,  Polystomella ,   Globigen'na,    Nicininulites. 


12  Systematischer  Überblick. 

3.  Ordnung:  Heliozoa,  Sonnentierchen. 

Von  kugeliger  Gestalt,  mit  feinen  strahlenförmigen,  nur  selten  verschmelzenden 
Foi-tsätzen,  die  innen  häufig  einen  festeren  Achsenfaden  besitzen,  der  bei  vielen 
bis  zum  Zentrum  des  Körpers  geht.  Der  Körper  bestellt  aus  dem  äußeren  vakuoli- 
sierten  Ektoplasma  und  dem  inneren  körnigen  Entoplasma,  die  nicht  durch  eine 
Membran  getrennt  sind.  Meist  mit  regelmäßig  angeordnetem  Kieselskelett.  Fast 
durchweg  Süßwasserbewohner.     Actinosphaeriitm. 

4.  Ordnung:  Radiolaria,  Strahltierclien. 

Die  Pseudopodien  strahlenförmig  und  vielfach  netzig  verbunden.  Das  Körper- 
])rotoi)lasma  durch  eine  feste  Membran  in  ein  äußeres  (Extracapsulum)  und  ein 
inneres  kernhaltiges  (Zentralkapsel)  geschieden.  Skelett  aus  Kieselsäure  oder 
(bei  den  Acantharien)  aus  Strontiumsulfat  bestehend.  Tlmlassicolla ,  Collozoitm, 
Acaiithometra. 

5.  Ordnung:  Mycetozoa,  Sclileimtiere. 

Vielfach  zu  den  Pflanzen  gerechnet.  Sehr  große  amöboid  bewegliche  Proto- 
plasmakörper (Plasmodien)  mit  zahlreichen  Kernen,  die  sich  bei  Trockenheit 
encystieren.  Fort])fIanzungskörper  sind  die  S])orenl)lasen  und  die  Caryome,  an 
Pilze  erinnernd.     Aethaltiim. 

III.  Klasse:  Sporozoa, 

Entoparasitische  Protozoen,  in  erwachsenem  Zustande  oline  Fortbeweguiigs- 
organe.  Ernährung  durch  Endosmose.  Fortiiflanzung  durch  Sporenbildung,  auch 
Teilung.     Häufig  Generationswechsel. 


'&• 


A.  Telosporidia. 

Erst  am  Ende  ihres  vegetativen  Lebens  Sporen  bildend.     Einkernig. 

1.  Ordnung:  Greg'arinicla. 

Körper  meist  länglich,  mit  äußerer  Cuticula,  unt<n-  welcher  eine  Schicht  kon- 
traktiler Fäden  liegt.  Sporenbildung  in  encystiertem  Zustand.  In  der  Jugend  Zell- 
parasiten, später  frei  in  Darm  oder  Leibeshöhle  wirbelloser  Tiere.  Monocystis  tena.x, 
Gregarina   hlattaruni. 

2.  Ordnung:  Coccidiaria. 

Zellparasiten.  Körpei-  kugelig  oder  eiförmig.  Fortpflanzung  in  encystiertem 
und  cystenlosem  Zustande.  Beide  Fortpflanzungsarten  (Sporogonie  und  Schizo- 
gonie)  alternieren.     Coccidium  schubergi. 

3.  Ordnung:  Haemosporidia. 

Blutschnuirotzer.  Im  erwachsenen  Zustand  wurmförmig,  im  Blutserum  odei' 
amöboid  in  den  Blutzellen.     Plasmodium  malariae. 

B.  Neosporidia. 

Während  des  ganzen  vegetativen  Lebens  Sporen  bildend.     Vielkernig. 

4.  (Ordnung:  Cnidosporidia. 

Amöboid  oder  unbewegliche  Cysten.  Sporen  mit  Nesselkapseln.  Meist  in 
Fischen  und  Arthropoden.     Myxobolus.     Nosema. 

5.  Ordnung:  Sarcosporidia. 

Körper  meist  gestr<:'ckt,  schlauchförmig.  In  der  Jugend  Muskelzellenschma- 
rotzer.     Cystenbildend.     Sarcocystis. 

IL  Unterstamm:  Ciliophora. 

Bewegung  durch  zahlreiche  Wimpern,  mit  einem  oder  mehreren  dicht  ge- 
bauten Hauptkernen  und  einem  bis  vielen  bläschenförmigen  jN'ebenkernen. 


Systematischer  Überblick.  13 

IV.  Klasse:  Ciliata,  Infusorien. 

Winiperii  Wcährend  des  ganzen  Lebens  vorhanden.  Nahrungsaufnahme  diiroh 
Osmose  oder  durch  den  Zellenninnd. 

1.  Ordnung:  Holotricha. 

Mit  gleichartiger  Bewimperung  des  Kürj)ers.     l^iramaccium,  Ofxil/na  rauanim. 

2.  Ordnung:  Heterotricha. 

Außer  gleichartiger  Bewimperung  noch  eine  adorale  Wimpersjjirale  vorhanden, 
die  zur  Mundöffnung  führt.     Stentor. 

3.  Ordnung:  Peritricha. 

Nur  mit  adoraler  Wimperspirale,  die  sich  auf  einen  von  ihr  umgebenen 
Deckel,  die  Wimperscheibe,  fortsetzt.     Meist  mit  Stiel    zum  P'esthcften.      Vort/crl/a. 

4.  Oidnung:  Hypotricha. 

Abgeplatteter,  in  Bauch-  und  Rückensei-te  gesonderter  Körper.  Auf  der 
Bauchseite  eine  adorale  Wim]iers]iirale,  mehrere  Längsreihen  von  Wimpern  und 
einzelne  größere  Borsten  und  Haken.  Der  Ilücken  entweder  nackt  oder  mit  ein- 
zelnen Borsten  versehen.      Oxytrirha,  Kerona. 

V,  Klasse:   Suctoria. 

Wimpern  nur  an  den  freischwiuuuenden  .lugendstadien  vorhanden.  Nahrungs- 
aufnahme durch  feine  Saugfüßchen.     Festsitzend.     Adnrta. 


14  1-  Kursus:  Protozon. 

I.  Kursus. 

Protozoa. 


Technisclie  Vorbeipituiiften. 

Etwa  2 — 8  Wochen  vor  Beginn  dieses  Kursus  werden  ein  paar 
größere  Grlasgefäße  mit  frischem  Wiesenheu  gefüllt  und  dieses  mit  Wasser 
Übergossen.  Nach  einigen  Tagen  Stehens  in  einem  warmen  Räume 
untersuche  man  mittels  des  Mikroskopes,  ob  sich  Infusorien  in  der 
Flüssigkeit  vorfinden.  Ist  das  nicht  der  Fall,  so  hole  man  sich  aus 
einem  Tümpel  oder  Teich  etwas  Wasser,  in  dem  man  sicher  sein  kann 
Infusorien  anzutreffen,  und  impfe  mit  derartigem  Wasser  den  Heuaufguß. 
Nach  weiteren  8 — 14  Tagen  wird  man  die  Flüssigkeit  von  Infusorien, 
besonders  Paramaecien,  wimmeln  sehen.  Etwa  14  Tage  nach  der  Im- 
pfung sind  die  Kulturen  am  reichhaltigsten.  In  länger  stehenden  Auf- 
güssen nehmen  die  Paramaecien  wieder  schnell  an  Zahl  ab,  sie  ,, dege- 
nerieren". Paramaecien  kann  man  auch  züchten,  wenn  man  Kiemen- 
oder   Fußstücke    der    Teichmuschel    einige   Tage    im   Wasser    liegen   läßt. 

Der  günstigste  Zeitpunkt  für  die  Impfung  ist  dann  eingetreten, 
wenn  sich  an  der  Oberfläche  des  Aufgusses  eine  dicke  Bakterienschicht 
gebildet  hat.  Man  vermeide  es,  kleine  Krebse,  Copepoden  oder  Daph- 
niden,   in   die   Gläser  zu    bringen. 

Am  zahlreichsten  finden  sich  nun  die  Infusorien  auf  der  Oberfläche 
des  Heuaufgusses  in  einem  filzigen  Häutchen.  Derartige,  oft  metallisch 
schillernde  Häutchen  kann  man  auch  im  Freien,  an  der  Oberfläche  von 
Tümpeln  und  Teichen  entdecken  und  ist  dann  sicher,  eine  reiche  Aus- 
beute  an  Infusorien   wie   Amöben   zu  machen. 

Eine  sehr  einfache  und  praktische  Methode,  eine  große  Menge  von 
Infusorien,  speziell  Paramaecien,  auf  einen  möglichst  kleinen  Raum  zu 
konzentrieren,  ist  folgende.  Ein  paar  Stunden  vor  dem  Kurse  werden 
etwa  Y2  "1  hohe,  an  einem  Ende  zugeschmolzene  oder  verkorkte  Glas- 
röhren mit  dem  Heuaufguß  gefüllt  und  aufrecht  gestellt.  Nach  Verlauf 
einiger  Zeit  sieht  man  schon  mit  bloßem  Auge,  wie  die  oberste  Wasser- 
schicht in  der  Glasröhre  von  den  aufsteigenden  Paramaecien  weißlich 
gefärbt  wird,  und  man  kann  nun  mit  der  Pipette  kleine  Mengen  dieses 
dichtbevölkerten  Wassers  abheben  und  auf  die  Objektträger  geben.  Wir 
haben  uns  damit  eine  Art  ,,Paramaecienf alle"  konstruiert,  an  der 
sich  gleichzeitig  sehr  schön  der  negative  Geotropismus  dieser  Tiere  de- 
monstrieren läßt. 

Bevor  sich  die  Paramaecienkulturen  voll  entwickelt  haben,  wird  man 
fast  stets  im  Aufguß  eine  kleinere  Infusorienform,  Colpidüini  colpoda^  an- 
treffen,  die   aber  in  der  Regel  nach  ein  paar  Tagen  wieder  verschwindet. 

Um  andere  Infusorien  zu  erhalten,  stellt  man  zweckmäßig  eine  An- 
zahl großei",  mit  Glasplatten  zu  bedeckender  Gläser  auf,  welche  mit  Algen, 
Wasserlinsen  usw.  erfülltes  W^asser  von  ver.-^chiedenen  Fundorten  ent- 
halten. Es  empfehlen  sich  da  besonders  die  Teiche  der  botanischen  Gärten, 
.sowie  im  Winter  das  Wasser  in  den  Kübeln  der  Gewächshäuser.  Sten- 
toren  lassen  sich  leicht  in  Menge  züchten,  wenn  man  angefaulte  Salat- 
blätter in  ein  mit  Wasser  gefülltes  Glas  wirft  und  einige  Stentoren  hinzusetzt. 

Manche  größere  Protozoenarten,  \\\%  Actinosphacrhuu,  Lacryinaria^ 
Spirosfoiiniiii  und  Strntor^   vermag   man   nach   einiger  Übung  schon  mit 


1.  Kursus:  Protozoa.  ]^5 

dem  bloßen  Auge  zu  sehen;  auch  Vorticellen  kann  man  bereits  im 
Freien  erkennen,  als  weiße  Überzüge  an  Holzstückchen,  Zweigen  und 
Wurzeln;  doch  bedarf  es  dazu  einiger  Übung.  Um  solche  Protozoen  aus 
dem  gegen  das  Licht  gehaltenen  Glase  herauszuheben,  benutzt  man  eine 
dünne  Glasröhre,  die  man  oben  mit.  dem  Finger  verschließt,  in  das  Wasser 
über  das  zu  fangende  Tier  einführt  und  nun  den  Finger  abhebt.  Mit 
dem  in  das  Glasrohr  eindringenden  Wasserstrom  wird  auch  die  Beute 
heraufgerissen;  jetzt  schließt  man  das  Glasrohr  wieder  oben  durch  Auf- 
drücken des  Fingers  und  kann  nun  die  darin  enthaltene  Wassersäule 
herausheben  und  mit  der  Beute  in  ein  Uhrschälchen  oder  auf  den  Objekt- 
träger fließen  lassen.  ActiiiosphacriiDn  kann  in  breiten,  im  Schatten 
stehenden  Schalen  mit  Wasserlinsen  und  abgefallenem  Laub  gezüchtet 
werden.      Zur  Fütterung  nimmt   man   Stentoren   und   Paramaecien. 

Einige  Anweisungen  dürften  auch  bei  der  Jagd  auf  Amöben  von 
Nutzen  sein.  Kleine  Amöben  findet  man  häufig  in  dem  Häutchen,  welches 
sich  auf  Paramaecienkulturen  bildet,  die  großen  Ai-ten  sind  dagegen  in 
vegetabilischem  Schlamm  zu  suchen,  der  aus  stehenden  Tümpeln  stammt. 
Amöben  sind  ferner  fast  stets  an  der  Unterseite  der  Blätter  von  Wasser- 
rosen zu  finden.  Auch  aus  dem  Darme  von  Küchenschaben  kann  man 
sich  Amöben  verschaffen.  Sie  leben  in  deren  Enddarm,  und  können  leicht 
gewonnen  werden,  wenn  man  einer  mit  Äther  betäubten  Küchenschabe 
den  hintersten  Körperteil  und  den  Kopf  abschneidet,  dann  den  Dann 
von  hinten  her  mit  einer  Pinzette  vorsichtig  herauszieht,  öffnet  und 
den  Lihalt  in  '''j ^  prozentiger  Kochsalzlösung  auf  einen  Objektträger 
streicht. 

Schöne  Amöbenpräparate  erhält  man,  wenn  man  auf  die  Wasser- 
oberfläche ein  Deckgläschen  legt,  und  es  nach  Verlauf  einiger  Zeit  mit 
der  dünnen,  gerieften  Pinzette  versichtig  abhebt.  Meist  wird  man  dann 
auf  der   Unterseite  Amöben   in   großer  Zahl   antreffen. 

Soll  von  einem  solchen  Präparat  aller  Schmutz  entfernt  werden, 
so  streife  man  das  Deckgläschen  auf  einem  Objektträger  ab  und  lasse  die 
Flüssigkeit  5 — 10  Minuten  auf  ihm  stehen.  Während  dieser  Zeit  haben 
sich  die  Amöben  an  ihrer  Unterlage  festgeheftet,  und  durch  vorsichtiges 
Abspülen   mit  Wasser  kann   man   alle   fremden  Beimengungen    entfernen. 

Schließlich  beachte  man,  daß  in  faulig  gewordenem  Wasser  sich 
andere  Protozoenfaunen  entwickeln,  und  gieße  deshalb  den  Inhalt  eines 
solchen   Glases  nicht   wea-. 


A.     Allgemeine  Übersicht. 

Die  Protozoen  sind  einzeilige  Tiere,  im  Gegensatz  zn  allen 
anderen,  den  Metazoen.  welche  vielzellig  sind.  Fast  alle  Protozoen 
sind  von  sehr  geringer  Körpergröße.  Echte  Gewebe,  wie  echte  Organe 
fehlen  ihnen,  nnd  die  verschiedenen  Funktionen,  welche  bei  den  mehr- 
zelligen Tieren  auf  verschiedene  Organe  verteilt  sind,  werden  noch 
sämtlich  vom  Protoplasma  dei-  Zelle  versehen. 

Die  niedersten  Protozoen  weisen  nur  eine  aus  Protoplasma  und 
Zellkern  bestehende  Leibesmasse  auf.  Das  Protoplasma  ist  außen 
hyaliner  und  fester  (Ektoplasma),  innen  weicher  und  körniger  (Ento- 
plasma).  Bei  den  höheren  Protozoen  kommt  es  zu  einer  weiteren 
Differenzierung  des  Protoplasmas,  indem  sich  Einrichtungen  bilden, 
welche  als  Zellorgane  (Organellen)  bezeichnet  werden.     So  erfolgt  die 


16  .  1.  Kursus:  Protozoa. 

Bewegung  bei  vielen  durch  breite,  lappige  oder  dünne,  fadenförmige 
Fortsätze,  die  wieder  in  den  Körper  eingezogen  werden  können;  bei 
anderen  dagegen  bilden  sich  dauernde  Anhänge,  die  Geißeln  und 
Wimpern  aus,  die  durch  ihr  Schlagen  das  ganze  Tier  vorwärts  zu  be- 
wegen vermögen.  Ferner  kann  auch  bei  höher  organisierten  Protozoen 
eine  bestimmte  Körperstelle  als  Mund,  eine  andeie  als  After  funktio- 
nieren, indem  die  Nahrung  durch  ersteren  aufgenommen,  die  unbrauch- 
baren Bestandteile  durch  letzteren  entleert  werden.  Bei  anderen  Proto- 
zoen kann  dagegen  jede  beliebige  Stelle  der  Körperoberfläche  zur 
Nahrungsaufnahme  benutzt  werden,  indem  die  aufzunehmende  Nahrung 
vom  Protoplasma  umflossen  wird;  und  ebenso  kann  bei  diesen  Formen 
die  Ausstoßung  der  unl)rauchbaren  Stoffe  an  jeder  beliebigen  Körper- 
stelle erfolgen. 

Die  ins  Innere  des  Tieres  aufgenommenen  Nahrungsbestandteile 
sind  von  einem  Tröpfchen  mitgespülten  Wassers  umgeben,  in  welches 
Fermente  zur  Auflösung  der  Nahrung  abgeschieden  werden.  Dies  sind 
die  Nahrungsvakuolen.  Ganz  andere  Funktionen  haben  die  kon- 
traktilen Vakuolen,  welche  immer  aufs  neue  im  Protoplasma  ent- 
stehen und  sich  nach  außen  entleeren.  Es  sind  Exkretionsorgane, 
die  auch  die  Ausatmung  besorgen. 

Bei  vielen  Protozoen  differenzieit  sich  das  Protoplasma  in  Fibrillen, 
denen  die  Eigenschaft  der  Kontraktilität  in  besonders  hohem  Maße 
eigen  ist:  Muskelfibrillen  (Myoneme). 

Im  Innern  des  Protozoons  liegt  der  sehr  verschieden  gestaltete 
Kern.  Sind  in  einem  Individuum  mehrere  Kerne  enthalten  (wie  z.  B. 
bei  Opalina  ranariDii),  so  ist  dieses  trotzdem  als  einzelliges  Wesen 
aufzufassen,  da  die  Mehrkernigkeit  sich  erklären  läßt  als  erstes  Stadium 
eines  frühzeitig  auftretenden  Fortpflanzungsprozesses. 

Viele  Protozoen  kapseln  sich  vor  dem  Teilungsprozeß  ein.  indem 
sie  Kugelgestalt  annehmen  und  eine  Hülle  (Cyste)  ausscheiden.  Eine 
derartige  Hülle  kann  auch  ausgeschieden  werden  benn  Eintritt  un- 
günstiger Lebensbedingungen,  wie  Trockenheit,  Nahrungsmangel,*  zu  Be- 
ginn des  Winters  usw. 

Außer  diesen  nur  zeitweise  auftretenden  Schutzhüllen  sind  bei 
sehr  vielen  Protozoen  auch  dauernde  Schutzgebilde  vorhanden,  die 
als  Hüllen,  Gehäuse,  Skelette,  Schalen  usw.  auftreten  und  aus  gallertiger 
oder  häutiger,  oft  mit  Fremdköri)ern  inkrustierter  Masse  oder  aus 
kohlensaurem  Kalk  oder  Kieselsäure  bestehen. 

Die  Fortpflanzung  erfolgt  durch  Teilung,  wenn  das  Tier  in 
zwei  gleich  große  Stücke  zerfällt,  oder  Knospung.  wenn  ein  kleineres 
Teilstück  sich  von  einem  größeren  abschnürt,  oder  Sporenbildung, 
durch  Zerfall  in  eine  größere  Anzahl  gleich  großer  Teile. 

Wenn  sich  zwei  Individuen  vereinigen  und  dabei  Kernstoffe  aus- 
tauschen, so  nennt  man  den  Vorgang  bei  vorübergehender  Verbindung 
Konjugation,  bei  dauernder  Kopulation.  Dieser  Vorgang  entspricht 
dem  Befruchtungsprozeß  bei  vielzelligen  Tiei-en,  welcher  in  enge  Be- 
ziehungen zur  Fortpflanzung  tritt  (geschlechtliche  Fortpflanzung), 
während  bei  den  Protozoen  als  wichtigste  Aufgabe  der  Befruchtung 
eine  Neuregelung  der  Lebensvorgänge  anzusehen  ist,  und  die  Be- 
ziehungen zur  geschlechtlichen  Fortpflanzung  sich  erst  anbahnen.  Ge- 
legentlich können  bei  manchen  Protozoen  auch  Verschmelzungen  von 
Individuen  eintreten,  ohne  Beteiligung  der  Kerne  (Plastogamie). 
rnvollständige  Teilung  führt  zur  Bildung  von  Kolonien. 


I.   Kursus:  IVotozoa. 


17 


B.  Spezieller  Kursus. 

Ihrer  Kleinheit  wegen  sind  die  Protozoen  nur  unter  dem  Mikro- 
skope zu  untersuchen.  Es  wird  aus  einer  der  angelegten  Kulturen  ein 
Wassertropfen,  am  besten  mit  einigen  Algenfäden,  auf  den  Objektträger 
gebracht  und  mit  einem  Deckglase  bedeckt.  Von  vornherein  schließe 
man  alle  größeren  Tiere,  wie  Rotatorien,  Copepoden,  Nematoden,  von 
der  Betrachtung  aus  und  widme  sich  ausschließlich  der  Untersuchung 
der    Protozoen.      Stets     ist    zuerst    schwache    Vergrößerung    anzuwenden. 


Flagellaten. 

Zu  den  häufigsten  Geißeltieren  zählen  die  Euglenen,  welche  zu 
den  Autofiagellaten  gehören  (Fig.  2).  Der  spindelförmige  Körper  ist 
durch  Chlorophyllkörner  grün  gefärbt,  mit  deren  Hilfe  sich  die  Euglenen 
nach  Art  der  Pflanzen  durch  Zersetzung  von  Kohlensäure  und  Ver- 
wendung des  Kohlenstoffs  zum  Aufbau  von  Paramylum  ernähren.  Trotz- 
dem findet  sich  an  der  Basis  der  Geißel  als  durchaus  tierischer  Cha- 
rakter ein  „Zellenmund'".  In  der  Nähe  des  Geißelansatzes  ist  ein 
roter  Pigmentfleck  zu  beachten,  der  als  licht-, 
empfindliches  Zellorgan  aufgefaßt  wird,  nach 
neuerer  Annahme  zum  Beschatten  des  Kernes 
dienen  soll.  Die  lange,  schwingende  Geißel  ist 
nicht  leicht  zu  sehen.  Man  kann  ihre  Bewe- 
gung durch  folgende  einfache  Methode  verlang- 
samen und  sie  dadurch  leichter  sichtbar  machen. 

Eine  S^/^ige  Gelatinelösung  wird  in  einem 
Becherglase  erwärmt  und  diese  schwach  er- 
wärmte Lösung  dem  Wasser  des  Präparates  etwa 
in  gleicher  Menge  zugefügt;  doch  richtet  sich 
die  Menge  der  zuzufügenden  Gelatine  etwas 
nach  der  Höhe  der  Zimmertemperatur,  und  muß 
für  jeden  einzelnen  Fall  erst  ausprobiert  werden. 
In  dem  dichteren  Medium  verlangsamen  sich 
nun  die  Bewegungen,  ohne  doch  gänzlich  aufzu- 
hören, und  es  bieten  sich  so  dem  Studium  ruhi- 
gere Objekte  dar.  Diese  Methode  empfiehlt  sich 
auch  für  andere  kleine  Tiere,  wie  Ciliaten,  Ro- 
tatorien usw.,  welche  man  lebend  untersuchen 
will. 


vielleicht  auch  wärme- 


Mund 

Pigmentfleek 

Kontraktile 

Vakuolen 


Paiainvliiiiikoiii 


Cliloro|iliyllk<ji!icr- 


Korn 


Parainvliiinkoiii 


l'^ig.  2.    Euglena  actis. 
(Ehrbg.)    Orig. 


Amöben. 

Über  das  Auffinden  und  Auffangen  von 
Amöben  s.  S;  15.  Die  Präparate  müssen  erst 
einige  Zeit,  etwa  eine  Viertelstunde,  in  Ruhe  ge- 
lassen werden,  da  die  Tiere  infolge  der  Er- 
schütterung Kugelform  angenommen  haben.  Nach 
dieser  Zeit  beginnen  sie,  bei  genügend  hoher  Zimmertemperatur,  bessei- 
noch  dem  Sonnenlichte  ausgesetzt,  ihre  Bewegungen  wieder  aufzunehmen. 
Am  besten  lassen  sich  die  Bewegungserscheinungen  bei  der  kleinen, 
häufigen  Avioeba  liritax  verfolgen.  Die  verschiedenen  Pliason  sind  zu 
zeichnen  (s.  Fig.  3). 

Kükoiitliiil.   Znol.  Praktikum.     5.   Anfl.  2 


18 


1.  Kursus:  I'rotozoa. 


Bei  größeren  Formen  ist  der  Unterschied  zwischen  dem  körnigen 
Entoplasma  und  dem  hyalinen  Ektoplasma  besonders  deutlich;  auch 
läßt  sich  unter  günstigen  Umständen  die  Art  der  Nahrungsaufnahme 
durch  Umfließen  oder  Einbeziehung  beobachten  (s.  Fig.  3),  ebenso  das 
Ausstoßen    unbrauchbarer   Nahrun gsstotfe.     Unschwer   zu  sehen  ist  die 


Fig.  3.     Amöbe,    eine  Algen zelle  fressend.    Vier  aufeinanderfolgende  Stadien 

der  Nahrungsaufnahme  (aus  Verworn). 

periodisch  sich  entleerende  kontraktile  Vakuole.  Bei  der  im  Darme  der 
Küchenschabe  voi'kommenden  Ainoeba  blattae  sind  die  Plasmaströmungen 
im  Innern  sehr  gut  wahrzunehmen. 

Der  Kern  ist  bei  den  Amöben  meist  nicht  sichtbar,  da  er  an- 
nähernd das  gleiche  Lichtbrechungsvermögen  besitzt  wie  das  Proto- 
plasma. Am  deutlichsten  ist  er  noch  bei  der  kleinen  Amoeba  liinax. 
Die  Fortpflanzung  der  Amöben  durch  Teilung,  wobei  sich  erst  der  Kern 


A 


1) 


V'yl?^ 


X 


.m 


Qv 


K 


X 


\ 


Vt 


cy 


Fig.  4.  A  AtTioeba  proleus,  einen  Nahrungskörper  {Nd).  einen  Haufen  kleiner  Algen 
umschließend.  Cv  kontraktile  Vakuole.  N  Kern.  B  kürzlich  encystiertes  Tier  mit 
einigen  Kernfragmenten,  cv  CystenhüUo.  n  Kern.  R  Reservesubstanz.  C  Cyste  mit 
zahlreichen  jungen  Amöben,  welche  sich  zum  Ausschlüpfen  anschicken,  cy  Cysten- 
hülle.     A' junge  Amöben  (aus  Doflein). 

zerschnürt,  dem  das  Protoplasma  folgt,  ist  sein-  schwer  zu  beobachten, 
da  der  Vorgang  meist  mehrere  Stunden  dauert.  Außerdem  findet  sich  bei 
ein  paar  Arten  die  Bildung  von  Sporen,  die  bei  einer  Form  (Para- 
inoeba  eilhardi  Schaud.)  zu  Geißelzellen  werden  und  sicli  nach  Flagel- 
latenart   durch   Längsteilung   fortpflanzen.    Aus   ihnen    entstehen    dui-cli 


1.   Kursus:  Protozon. 


19 


Rückbildung 
(Generationswechsel) 


g  der  Geißeln  und  Ausbildung  von  Lobopodien  wieder  Amöben 


Foraminiferen. 


Sehr    häufig    wird    mau 


]U 

bi'aune. 


Süßwasserpräparaten ,    besonders    in 
scheibenförmige   Körperchen   finden, 
Schale  aus  chitiniger  Sub- 


uhrglasförmigen 


ausge- 


Fiff.    5.     Ar  cell a 


vulgaris,   von    oben 
Verworn). 


gesehen    (nach 


schlammigem    Bodensatze, 
mit   einer  fein   gegitterten, 

stanz.  Diese  Schale  wird  von  dem  Tiere,  der  Arcella,  selbst 
schieden.  Bei  anhaltender 
Betrachtung  unter  staiker 
Vergrößerung  gelingt  es, 
die  fingerförmigen  Proto- 
plasmafortsätze zu  erken- 
nen, die  auf  der  Unterseite 
der  Schale  aus  einer  kreis- 
förmigen Öffnung  heraus- 
treten. Wir  haben  also  in 
ÜQV  Arcella  einen  Vertreter 
der  Foraminiferen  des 
Süßwassers  vor  uns  (siehe 
Fig.  5).  Eine  andere  hier- 
hin gehörige  Form  ist  die 
ebenfalls  häufige  Difflugia 
(siehe  Fig.  6). 

Die  Schale  der  Dif- 
flugia ist  glockenförmig 
und    besteht    aus     lauter 

kleinen  Fremdkörpern, 
meist  Kieselstückchen.  Aus 
der  Öffnung  am  unteren 
Ende  sieht  man  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  (Ruhe, 
Wärme  usw.)  die  finger- 
förmigen Protoplasmafoit- 
sätze  heraustreten. 

Das  Studium  der 
marinen  Thalamophoren 
beschränkt  sich  in  diesem 
Kursus  auf  die  Betrach- 
tung von  verschiedenen, 
zum  Teil  geschliffenen 
Schalen,  die  in  fertigen 
Präparaten  verteilt  weixlen. 

Der  Bau  des  Weich- 
körpers ist  der  eines  Rlii- 
zopoden ;  meist  finden  sich 
im    Protoplasma    mehrere 

Kerne.    Die  verästelten  Pseudoi)odien  stiahlen  durch  die  Hauptöffnung, 
bei  den  Perforaten  auch  durch  die  Poren  der  Schalen  nach  außen. 

Die  Fortpflanzung  erfolgt  durch  Teilung  oder  Sporenbildung.  Aus 
den  Sporen  werden  entweder  Geißelsporen,  die  auch  kopulieren  können, 
oder  direkt  junge  Foraminiferen:  auch  können  lioide  Generationen  ab- 
wechseln (Generationswechsel). 

9* 


^^-. 


Fig. 


C).    Difjhigia   iirceolatii   (nacll  VeKWORX). 


20 


1.   Kursus;   Pi'iitozdii. 


Heliozoen. 

Actinosj}haeriu7n  eichhomi  (Ehrenb.). 
Mit  dem  Beginn  der  wärmeren  Jahreszeit  treten  gelegentlich  in 
stehenden  Gewässern  kleine,  milchigweiße  Kügelchen  von  der  Große 
eines  Stecknadelkopfes  auf:  das  zu  den  Heliozoen  gehörige  Actino- 
sphaerimn  eichhomi.  Betrachtet  man  das  Tier  in  einem  mit  Wasser  ge- 
füllten Uhrschälchen  unter  dem  Mikroskop  mit  schwacher  Vergrößerung, 
so  sieht  man,  daß  von  der  Kugel  zahlreiche  feine  Pseudopodien  strahlen- 
artig auslaufen.  Die  Kugel  selbst  bestellt  aus  zwei  Schichten,  einei- 
helleren,  mit  Hohlräumen  durchsetzten  Rindenschicht  und  einer  dnnk- 
leien,  dichteren  Markschicht.  In  der  Mai'kschicht  erkennt  man  eine 
größere  Anzahl  stärker  lichtbrechender  Gebilde:  dies  sind  die  Kerne. 
Die    beiden  Körperschichten    sind   nicht   etwa    wie   bei  den  Radiolaiien 


^'// 


Fig.  7.     Actinosphaermm  eichhomi.    Ri  Rindensnbstanz  =  Ektoplasma.    Ma  Marksub- 
stanz  =  Entoplasma.   /"j  Pseudopodien.   yV  Kerne.    ^V«?  Nahrungsvakuole.    6V  kontrak- 
tile Vakuole.    A  Achsenfaden  im  Pseudopodium.    Vergr.  500  (aus  Doflein). 

durch  eine  feste  Membran  voneinander  getrennt,  sondern  liegen  dii-ekt 
einander  an. 

Wir  stellen  jetzt  das  Mikroskop  auf  die  Peripherie  der  Pünden- 
schicht  ein  und  bemerken,  daß  an  einer  oder  zwei  Stellen  sich  eine  Vakuole 
langsam  hervorwölbt  um  dann  plötzlich  wieder  einzusinken.  Das  sind 
die  kontraktilen  Vakuolen  (s.  Fig.  7). 

Gehen  wir  jetzt  zur  Betrachtung  der  Pseudopodien  über,  so 
scheinen  sie  auf  den  ersten  Anblick  starr  und  unbeweglich  zu  sein. 
Erschüttert  man  indessen  das  Uhrglas  oder  den  Objektträger,  auf 
welchem   sich   das  Tier   befindet,    so   sieht  man,    wie   die   anscheinend 


1.  Kursus:   Protnzoa. 


21 


\ 


u 


■Y 


Starren  Strahlen  nmknicken  und  erst  allmählich  ihre  frühere  Steifheit 
wiedererlangen.  Auch  vermögen  sich  die  Pseudopodien  zu  verlängern 
und  zu  verkürzen. 

Mit  starker  \'ei'größei-ung  läßt  sich  nun  erkennen,  daß  in  jedem 
Pseudopodium  ein  hyaliner  festerer  Achsenstrahl  verläuft,  der  bis  an 
die  Markschicht  des  Körpers  zu  verfolgen  ist.  Diesen  Achsenstrahl 
umgibt  die  weichere,  körnige  Rindensubstanz,  die  auf  ihm  entlang  zu 
gleiten  vermag  und  sich  häufig  zu  Höckern  oder  si)indelförmigen  Ge- 
bilden ansammelt. 

Man  kann  den  Achsenstrahl  deutlich  sichtbai'  machen,  wenn  man 
das  Tier  chemisch  reizt,  z.  B.  durch  Zusatz  von  etwas  Kochsalzlösung. 
Alsdann  erfolgt  das  Einziehen  der  Pseudopodien,  indem  sich  das  Rinden- 
})rotoplasma  derselben 
klumpig  zusammenballt 
und  den  x\chsenstrahl 
hier  und  da  freilegt  (s. 
Fig.  8). 

Die    Pseudopodien 
dienen     zum    Erfassen 

und  Festhalten  der 
Beute,  doch  sondern  sie 
nur  auf  Reize  hin  kleb- 
rige Stoffe   ab.   welche 

die  Beute  festhalten. 
Man  ersieht  das  daraus, 
daß  z.  B.  liypotriclie  In- 
fusorien   ungestört   auf 

den  ausgestreckten 
Pseudopodien  promenie- 
ren können,  ohne  fest- 
zukleben ;  prallt  indessen 
ein  schwimmendes  Infu- 
sor  oder  eine  Alge  hef- 
tig an  ein  Pseudopodium 
an,  so  kleben  sie  fest, 
und  man  kann  nun  beob- 
achten, wie  durch  Ein- 
ziehen der  dabei  beteiligten  Pseudopodien  die  Beute  immer  näher  an 
die  Rindenschicht  gebracht  und  endlich  von  ihr  umschlossen  wird.  Dann 
wandert  die  Beute  ins  Innere  hinein,  wird  von  einer  Vakuole  umgeben 
und  verdaut.  Unverdauliche  Reste,  z.  B.  Schalen  usw..  werden  allmäh- 
lich wieder  ausgestoßen. 

Das  im  Uhrschälchen  befindliche  Actinosphaermiu  wird  mit  der 
feinen  Schere  in  eine  Anzahl  Stücke  zerschnitten,  was  bei  der  relativen 
Grröße    des  Tieres  auch  dem  Anfänger  unschwer  gelingen   wird. 

Nach  ^^erlauf  etwa  einer  Stunde  kann  man  bereits  sehen,  wie 
diese  Teilstücke  sich  zu  vollständigen  Tieren  ergänzen,  indem  ihre 
Masse  sich  in  Rinden-  und  Markschicht  sondert  und  rings  herum  Pseudo- 
])odien  ausstrahlen  läßt. 

Wie  diese  künstliche  Teilung,  so  verläuft  auch  die  natürliche  Tei- 
lung, die  eintritt,  wenn  das  Actinospacnuiii  das  Maß  seiner  indivi- 
duellen Größe  erreicht  hat,  die  sich  nach  der  Beschatfenheit  des 
Wassers,  in  dem  es  lebt,  richtet. 


Fig.  8.  Drei  Pseildo])odien  von  Actiiiosphan-ium  eichJiomi. 
a  uugereizt  und  h  gereizt.      (Nach  Verworx.) 


22 


1.  Kursus:  Protozoa. 


A  cfinosphacriniii  vei'mag 


sich,  wie  viele  andere  Protozoen  auch, 
bei  ungünstigen  Lebensverhältnissen  zu  encystieren,  indem  es  seine 
Pseudopodien  einzieht  und  eine  gallertige  Hülle  ausscheidet. 


Radiolarien. 


dienen  fertige 


mikroskopische 


Zur  Demonstration   der  Radiolarien 
Präparate. 

Der  Bau  des  Weichkörpers  ist  besonders  charakterisiert  durch 
den  Besitz  einer  Kai)selmembran,  welclie  das  innere,  mit  einem  oder 
vielen  Kernen  versehene  Protoplasma,  die  Zentralkapsel,  von  einem 

äußeren,  mit  Gal- 
lerte und  Vakuo- 
len durchsetzten 
E  X  t  r  a  c  a  p  s  11 1  u  m 
trennt. 

Die  Fortpflan- 
zung erfolgt  durch 
Teilung,    die  bei 

unvollständiger 
Trennung  (indem 
das  Extracapsulum 
sich  nicht  ebenfalls 
teilt)  zur  Kolonie- 
bildung führt,  so- 
wie durch  Bildung 
von  Seh  w  ä  r  m  - 
Sporen,  indem  der 
Inhalt  der  Zentral- 
kapsel in  so  viel 
zerfällt,  als 
vorhanden 
Jedes  Teil- 
entwickelt 
zwei  Geißeln,  mit 
denen  es  sich,  nach 
Zerplatzen  der  Zen- 
tralkapsel, im  Was- 
ser fortzubewe- 
gen vermag  und  so 
zu  einer  Schwärmspore  wird.  Bei  vielen  Arten  finden  sich  große  und 
kleine  Schwärmsporen,  die  sich  wahrscheinlich  koitulieren;  aus  dem  \'er- 
schmelzungsprodukt  geht  ein  junges  Radiolar  hervor.  Vielfach  finden 
sich  einzellige  Algen  (Zooxanthellen)  in  den  lebenden  Radiolarien 
vor,  die  mit  ihnen  in  Freundschaftsverhältnis  (Symbiose)  leben,  indem 
sie  vom  Tier  ausgeatmete  Kohlensäure  zur  Bildung  von  Stärke  ver- 
wenden, die  wieder  dem  Radiolar  als  Nahrung  zu  dienen  vermag. 

Zuerst  wird  ein  Präparat  von  Acanthonietra  gegeben  (siehe  Fig.  9). 
Das  aus  Strontium sulfat  bestehende  Skelett  durchbohrt  die  Zentral- 
kapsel. Vom  Zentrum  derselben  strahlen  20  Stacheln  streng  gesetz- 
mäßig aus.  Zwischen  den  beiden  stachellosen  Polen  der  vertikalen 
Hauptachse   liegen   fünf   Gürtel   von  je   vier   Stacheln,   die   gleich   weit 


Stücke 
Kerne 
sind, 
stück 


Y\%.   9.    Acattthometra  clastica   (nach  R.  HeRTWIG). 

Ck  Zentralkapsel;   IVk  extrakapsulärer  Weiclikörper;  n  Kerne; 

St  Stacheln;  P  Pseudopodien. 


].  Kursus:  Protozoa. 


23 


voneinander  entfernt  sind.  Alle  20  Stacheln  liegen  in  Meridianebenen, 
die  sich  unter  Winkeln  von  45"  schneiden  (Müller sches  Gesetz). 
Andere  Piäparate  von  Kieselskeletten  sollen  nur  dazu  dienen,  die 
große  Mannigfaltigkeit  des  Skelettbaues  zu  demonstrieren.  Die  kolonie- 
bildenden Radiolaren  werden  am  besten  dui'cli  Präparate  von  Collozmim 
uicriiic  veranschaulicht  (s.  Fig.  lOj.     Die  Zenti'aikapseln  sind  von  einem 


^.  «5ft_;-^-'«"  ■■^=««a86»«-''«e^.^?%5aK^afe,VP 


\ 


v> 


Y\%.  10.    Collozoiim  inerme.    Kleine  Kolonie;  die  dunkeln  Kugeln  sind  die  Zentral- 
kapsein  mit  ihrem  zentralen  Öltropfen  (aus  Dofleix). 

gemeinsamen  Extracapsulum  umgeben.  In  jeder  Zentralkapsel  findet 
sich  beim  lebenden  Tier  eine  ansehnliche  Ölkugel.  Deutlich  sind  an 
den  Präparaten  die  die  Zentralkapseln  umgebenden  gelben  Algenzellen 
zu  bemerken. 

Sporozoen. 

Gvetjavina  hlattavum  (Siebold). 
Von  Sporozoen  untersuchen  wir  eine  Gregarinaart  und  wählen  dazu 
die  im  Darm  der  Küchenschabe  hausende  Gregarina  blattanun 
(Siebold).  Der  Darm  einer  getöteten  Küchenschabe  wird  aufgeschnitten, 
ausgestrichen  und  der  Inhalt  mit  etwas  physiologischer  Kochsalzlösung 
auf  einen  Objektträger  gebracht  und  unter  dem  Mikroskop  untersucht. 
Die  Gregarina  blattanun  ist  leicht  zwischen  dem  übrigen  Darm- 
inhalt zu  finden.  Sie  stellt  sich  dar  als  ein  ziemlich  großer,  lang- 
gestreckter, nicht  ganz  regelmäßiger  Körper,  der  sehr  langsame  Be- 
wegungen ausführt.  Außen  befindet  sich  eine  Cuticula,  die  von  dem 
darunter  liegenden  Ektoplasma  ausgeschieden  wird.  Das  Innere  wird 
erfüllt  von  einem  dicht  granulierten  Entoplasma.  Eine  aus  dem  helleren 
Ektoplasma  bestehende  transversale  Zwischenwand  teilt  den  Körper  in 
eine  vordere  kürzere  und  eine  hintere  längere  Kammer.  Der  vordere 
Teil  wird  Protomerit,  der  hintere  Deutomerit  genannt;  letzterer 
enthält  den  deutlich  sichtbaren,  großen,  bläschenförmigen  Kern.  Ein 
l)ei  vielen  Gregarinen  vorkommender  vorderer  cuticularer  Anhang,  der 
Ei)imerit.  der  mit  Zähnen,  AViderhaken  usw.  besetzt  sein  kann  und 
als  Anheftungsorgan  fungiert,  ist  meist  verloren  gegangen. 


24 


].  Kursus:  Protozoa. 


Die 


Bewegung 


der  Gregarinen  wird  bewirkt  duicli  Ausscheidung 


eines  schleimigen  Sekrets  aus  dem  Ektoplasma.  Diese  alhuählich  er- 
starrende Gallerte  fließt  nach  hinten  ab,  verklel)t  mit  der  Unterlage 
und  schiebt  die  Gregarine  langsam  vorwärts.  Außer  dieser  gleitenden 
Bewegung  gibt  es  noch  Kontraktionen  des  Körpers  die  durch  im 
Ektoplasma  verlaufende  Muskelfibrillen  hervoi'gerufen  werden.  Häufig 
findet  man  zwei  Individuen  miteinander  verklel)t.  derart,  daß  das 
des  einen  Tieres  sich  an  das  Hinterende  des  anderen  an- 
Vielleicht    sind    diese   Zustände   Vorläufer    der 


n 


Vorderende 
schließt  (s. 
Konjugation. 

Die    Vermehrun 


Fig. 


erfolgt. 


indem 


vm 


Fig.  11.  Gregarintr  blattanim  (nach  R.  HeRT- 
wig).  I  zwei  Individuen  in  Konjugation. 
ek  Ektoplasma,  en  Entoplasma,  cii  Cuticula, 
p7n  Protomerit,  dui  Deutomerit,  ;?  Kern. 
II  Cysten  in  Umbildung  zu  Pseudonavicellen, 
pn  Pseudonavicellen,  rk  Restkörper.  III  eine 
Pseudonavicelle  stark  vergrößert.  B  dieselbe, 
in  die  siclielförmiöen  Keime  sk 


gemeinsame 


geteilt. 


zwei  Tiere  eine 
Cyste  bilden,  vielkernig  werden, 
und  dann  in  kleine,  einkernige 
Kugeln,  die  „Spor  ob  lasten", 
zerfallen,  die  um  große  Rest- 
körper angeordnet  sind,  und  von 
denen  je  zwei  miteinander  ver- 
schmelzen. Durch  Ausscheidung 
einer  festen,  spindelförmigen 
Hülle  wird  jedes  Verschmel- 
zungsprodukt  zur  Spore  oder 
.,Pseudonavicelle".  Diese 
werden  aus  der  Cyste  durch 
lange  Röhren  (Sporodukte)  ent- 
leert und  gelangen  aus  dem 
Darme  des  Wirtes  nach  außen. 

In  jeder  Pseudonavicelle 
bilden  sich  außer  einem  Rest- 
körper acht  sichelförmige 
Keime  oder  Sporozoite,  die, 
wenn  die  Spore  in  den  Darm 
eines  neuen  Wirtes  gelangt  ist. 
durch  Platzen  der  Sporenhülle 
frei  werden  und  in  die  Darm- 
epithelien  einwandern.  Die  Er- 
nährung der  Gregarinen  erfolgt 
durch  Osmose. 

Über  eine  andere  in  den 
Samenblasen  des  Regenwurmes 
vorkommende  Gregarine  (Mo- 
nocystis  tenax  Duj.)  siehe  den 
8.  Kursus:  Anneliden, 


Ciliaten. 

Von  Infusorien  betrachten  wir  zunächst  Pct  rainaechi/in  aitreUa. 

Es  wird  ein  Tropfen  des  Heuaufgusses  auf  den  Objektträger  gebracht 
und  unter  dem  Deckglas  erst  bei  schwacher,  dann  bei  starker  Ver- 
größerung untersucht.  Die  sehr  lebhaften,  die  Untersuchung  erschweren- 
den Bewegungen  der  Tiere  lassen  zwar  nach  einiger  Zeit  etwas  nach, 
doch  ist  es  besser,  etwas  Gelatinelösung  in  der  Seite  17  angegebenen 
Weise  hinzuzusetzen.  Alsdann  lassen  sich  die  einzelnen  Teile  auch  mit 
starker  Vergrößerung  bequem  untersuchen. 


1.   Kursus:  Protozoa. 


r^o 


Wir  l>eachten  zunächst  das  sich  aUniähUch  verlaii^sanieiule  Schhij^en 
der  Wimpern,  die  in  abwechsehidem  Rhythmus  erfolgende  Tätigkeit 
der  beiden  kontraktilen  Vakuolen,  sowie  das  Entstehen  und  Ver- 
schwinden der  strahlenförmigen,  zuleitenden  Kanäle  derselben.  Die 
Entleerung  der  ^'akuolen  erfolgt  durch  einen  sehr  feinen,  nach  außen 
mündenden  Porus. 

In  der  äußeren  Körperschiclit  sieht  man  bei  starker  Vei'größerung 
eine     Schicht     dicht    nebeneinander    gelagerter    feiner    Stäbchen,    die 


TiicliiH-vsten 


Kontraktile  Vakuole 


Muskelfibrillen 


Zuführender  Kanal 


Koutraklile  Vakuulc    — 


Nahrun;;svakuülo 


Cilien 


Poristoiii 


Mmui 
Schlundrohr 

Nahrunfisvakuole 

After 


Fiff.   12.     Parainacciuiu-  aiirelia,  MtJLL.      Original. 


Trichoeysten.  welche  auf  stärkere  äußere  Reize  hin  als  starre  Fäden, 
die  wahrscheinlich  Waffen  darstellen,  vorschnellen  können.  Auch  bei 
einigen  anderen  Infusorien  kommen  diese  Trichoeysten  \'or.  Leicht 
zu  sehen  sind  ferner  feine  Streifen  (Muskelfibrillen)  der  Pellicula,  wie 
die  oberflächliche  Schicht  genannt  wird,  welche  in  regelmäßiger  Anord- 
nung in  zwei  sich  kreuzenden  Systemen  den  Körper  umziehen. 


26 


1.  Kursus:  Protozoa. 


Ein  seitliches,  sich  tief  einsenkendes  Rohr  ist  das  Schhindrohr 
(Cytopharynx).  Um  die  Art  der  Nahrungsaufnahme  zu  sehen,  wird 
etwas  pulverisiertes  Karmin  oder  Indigo  im  Uhrschälchen  mit  dem 
Finger  fein  in  Wasser  verrieben  und  von  (heser  Flüssigkeit  etwas  dem 
—  nicht  mit  Gelatinelösung  versetzten  —  Piäparate  zugeführt.  Nach 
einiger  Zeit  wiid  man  bemerken,  wie  die  feinen  Karminkörnchen  durch 
das  Schlundrohr  aufgenommen  und  in  den  Nahrungsvakuolen  aufge- 
speichert werden.  Auch  wird  man  gelegentlich  an  einer  unter  der 
Mundöffnung  gelegenen  Stelle,  dem  After,  den  Austritt  unbrauchbarer 
Stoffe  beobachten  können. 

Um  den  Kern  sichtbar  zu  machen,  setze  man  einen  Tropfen  Jod- 
lösung hinzu;  besser  ist  noch  der  Zusatz  von  stark  verdünnter  Schwefel- 
säure, welche  den  scharf  abgegrenzten  Kern  braun  erscheinen  läl^t.  Bei 
absterbenden  Paramaecien  wird  übrigens  der  Kern  ohne  jeden  Zusatz 
sichtbar. 


Undulierende  Membran 


Miiud 


Kontraktile  Fibrillen   — |4l  1  ^' 


Adoiale  Winiporzoni: 


Peristoniraiid 
Reservoir 
Kontraktile  Vakuole 


hrunnsvakuolen 


—      Rindeuschicbt 


Kontraktile  Marksrliicbt 


Fig.   13.     Vortkella  nebulifera,  0.   F.  MtJLL.    (nach  BÜTSCHhl). 


Ebenfalls  sehr  lohnend  ist  die  Untersuchung  einer  Vorticella. 
Von  dem  weißen  Überzug  an  alten,  ins  Wasser  hängenden  Zweigen, 
Wurzeln  usw.,  den  man  als  aus  Vorticellen  bestehend  erkannt  hat,  wird 
etwas  abgeschabt  und  mit  einem  Tiopfen  Wasser  auf  den  Objektträger 


gebracht.     Zunächst   erblickt   man    die   Tiere    mit 


zusammengezogenen 


Stielen  und  eingezogener  Wimperspirale,  Erst  allmählich  dehnt  sich 
der  Stiel  wieder  aus,  und  die  Wimperspirale  tritt  in  Tätigkeit.  Es 
muß  nun  versucht  werden,  die  etwas  schwierigen  Verhältnisse  zu 
skizzieren.  Man  beachte  dabei  an  der  Hand  von  Fig.  13  folgendes. 
Innerhalb  der  adoralen  Wimperzone  ei'hebt  sich  eine  etwas  hervor- 
ragende Scheibe,   die  Peristomscheibe.     Das  untere  Ende   der  adoralen 


1.   Kursus:  Protozoa. 


'Si 


Wimiierzone  zieht  sich  in  eine  Vestibiiliim  genannte  trichtei-fcinnige  Ein- 
senkung  Aus  der  äußeren  Cilienreihe  bihlet  sich  eine  undulierende  Mem- 
bran, von  der  nur  der  obere  Rand  leicht  wahrnehmbar  ist  und  wie  ein 
starkes  Haar  aussieht.  Das  nach  außen  in  den  Mund  sich  öffnende 
Vestibulum  mündet  nach  innen  in  den  Schlund. 

Neben  der  kontraktilen  Vakuole,  nach  dem  Vestibulum  zu,  liegt 
ein  Hohlraum,  das  Reservoir  genannt,  in  welchen  die  kontraktile  Vakuole 
ihren  Inhalt  entleei't,  der  dann  langsam  in  das  Vestibulum  wandert,  w'o 
an  einer  besonderen,  als  After  bezeichneten  Stelle  gelegentlich  die  Ent- 
leerung unbrauchbarer  Stoffe  erfolgt. 


Cytostoni 


Cy  topliaryiix ' 


MiciDiiuc'k'us  — 


Älacronuclcus 


Vdorale  Mcni- 
branellon/.one 


Vciidore 

zuführciulc 

Vakuole 


—  Kotvakuolo 

-  -  Kontraktile  Vakuole 


Hintere  zuführende 
Vakuole 


Zoochlorellen 


Micronuelcu« '■ 


Macroniiclcus ' 


Fig.    14.     Stcntor  polyinorphiis,  Ehrbg.   (nach  Lang). 


Ferner  ist  auf  die  Gestalt  und  Tätigkeit  des  Stieles  zu  achten. 
Im  Stiel  erblickt  man  einen  geschlängelt  verlaufenden,  stärker  licht- 
brechenden Faden.  Dieser  stellt  eine  besondere  Differenzierung  des 
Protoplasmas,  eine  Muskelfibrille  dar,  durch  deren  starke  Kontraktion 
das  ganze  Tier  plötzlich  zurückgeschnellt  werden  kann. 

Auch  bei  Vorficella  ist  etwas  von  dem  fein  zerriebenen  Karmin 
zuzusetzen,  um  die  Nahrungsaufnahme  zu  beobachten,  und  schließlich 
kann  man  durch  Zusatz  von  etwas  Jodlösung  den  eigentümlichen  wurst- 


förmigen 


Kern 


zur  Anschauung  bringen. 


28 


1.  Kursus:  l'rotozoa. 


Außer  den  beschriebenen  werden  sich  in 


noch  eine  ganze  Anzahl  anderer  Infusorien  vorfinden. 


>7 


Fig.    15.     Ki'rona  pcdicuhis  \ 

unten    und    von    der  Seite  \ 

sehen  (nach  Verworn). 


den  meisten  Pi'ä})aiat<Mi 
Eines  der  größten 
und  schönsten  ist  Htentov.  Man  beob- 
achte bei  Stentor  die  Art  der  Festiief- 
tung  des  Tieres,  seine  adorale  Winii)ei'zone 
nebst  der  feinen  in  Längsreihen  angeord- 
neten Bewimperung,  die  feinen  hingsver- 
hiufendenMuskelfibriilen,  weicheeine  schnelle 
Kontraktion  ermöglichen,  die  lange  kon- 
traktile Vakuole  und  den  ])ei  vielen  Indi- 
viduen schon  im  Leihen  sichtbaren  langen 
Kern,  der  bei  der  abgebildeten  Art  wie 
ein  Rosenkranz  aussieht  (s.  Fig.  14).  Dann 
sind  ferner  hyi)otriche  Infusorien  nicht  sel- 
ten, wie  z.  B.  Kerona  pediculns.  Hier 
ist  vor  allem  die  schnelle  sprunghafte  Be- 
wegung auffallend,  bewirkt  durch  fünf  am 
Hinterende  stehende  dicke  Si)rungwim])ern 
(Fig.  15).  Über  Opalhia  rananiin  siehe 
den  Kursus  „Frosch". 


Systematischer  Überblick 

für  den  zweiten   bis  fünften   Kursus. 


Metazoa. 

Den  Protozoen  gegenüber  stehen  alle  anderen  Tiere  als  iNIetazoen,  charak- 
terisiert (Inroll  den  Anflian  ihres  Körpers  aus  zahlreichen  Zellen,  die  in  mindestens 
zwei  Schichten  angeordnet  sind,  von  denen  die  äußere,  das  Ektoderm,  den  Körper 
nach  außen  umkleidet,  während  die  innere,  das  Entoderm,  die  Darmhöhle  be- 
grenzt. Zwischen  beiden  kann  noch  eine  dritte  Schicht  vorkommen:  das  Meso- 
derni.  Durch  das  Prinzip  der  Arbeitsteilung  entstehen  die  Organe,  abgesonderte 
Zell-  oder  Gewebskomplexe  mit  gemeinsamer  Funktion. 

Allen  Metazoen  kommt  die  geschlechtliche  Fortpflanzung  zu,  bei  vielen  nie- 
deren findet  sich  außerdem  die  ungeschlechtliche. 

Die  Entwicklung  erfolgt  durch  sukzessive  Teilung  des  befruchteten  Eies,  und 
durch  diesen  Furchungsprozeß  entsteht  eine  Hohlkugel  (Blastula),  die  sich, 
meist  durch  Einsenkung  an  einer  Stelle,  zu  einem  Becher  (Gastrula)  einstülpt, 
dessen  äußere  Wand  zum  Ektoderm,  dessen  innere  zum  Entoderm  wird.  Das  Ento- 
derm umschließt  den  Urdarm,  der  sich    durch    den  Urmund    nach    außen    öffnet. 

Es  lassen  sich  folgende  Stämme  aufstellen:  Coelenterata,  Piatodes, 
Vermes,    Echinodermata,  Mollusca,  Arthropoda,  Tunicata,  Yertebrata. 


IT.  Stamm. 

Coelenterata. 

Die  Coelenteraten  sind  die  niedrigsten  Metazoen,  von  meist  radialsymmetri- 
schem Bau,  mit  einer  verdauenden,  schlauchförmigen,  afterlosen  Kavität,  von  der  bei 
einem  Teile  gefäßartige  Kanäle  ausgehen  (Gastrovask  ularsystem). 

Wii'  unterscheiden  fünf  Klassen,  die  auf  drei  Kreise  verteilt  werden. 

I.  Kreis:  Spongiae. 

1.  Kla.sse:  Porifera,  Schwämme. 

Durch  Stockbildung  sehr  verschieden  gestaltete,  mit  dem  Urmundpole  fest- 
gewachsene Tiere  ohne  Nesselzellen.  Grundform  ein  einfacher  Becher,  dessen  aus 
einem  gastralen  (Entoderm)  und  einen  dermalen  Zellenlager  (Mesoektoderm)  be- 
stehende Wandungen  von  feinen  Poren  durchbrochen  sind.  Durch  diese  strömt  das 
Wasser  in  den  Darm  und  wird  durch  eine  Auswurfsöffnung,  das  Osculum,  wieder 
ausgestoßen.  In  dem  fast  stets  stark  entwickelten  dermalen  Zellenlager  ist  meist 
ein  Skelett  aus  kohlensaurem  Kalk  oder  Kieselsäure  in  P'orm  von  Nadeln  vorhanden. 

1.  Onlnung:  Calcispong'iae.  Kalkscliwämme. 

Skelett  aus  Kalknadeln  bestehend. 


30  System.  Üherltlick:   Coolentorata. 

a)  Ascones. 

Von  Schlaucliform,  mit  einfachen  Poren  und  gleichmäßig  mit  entodermalen 
Geißelzellen  ausgekleidetem  zentralem  Hohlraum.     Ascandra. 

b)  Sycones. 

Von  dem  zentralen  Hohlraum  gehen  radiär  zahlreiche,  allein  mit  Geißel- 
zellen  ausgekleidete  Ausstülpungen  aus  (Radialtuben).     Sycandra. 

c)  Leucones. 

Die  entodermalen  Geißelzellen  haben  sich  in  Geißelkammern  zurückge- 
zogen, die  im  verdickten  dermalen  Lager  liegen  und  von  außen  zufühi-ende  nach 
dem  zentralen  Hohlraum  abführende  Kanäle  besitzen.     Lencandra. 

2.  Ordnung:  Silicispong'iae,  Kieselscliwämme. 

Skelett  aus  Kieselnadeln  bestehend. 

a)  Triaxonia. 

Mit  großen  sackförmigen  Geißelkammern.  Skelett  aus  Sechsstrahlern  be- 
stehend, deren  Schenkel  in  drei  gekreuzten,  senkrecht  aufeinander  stehenden  Achsen 
angeordnet  sind.     Hvalonema. 


e^ 


b)  Tetraxonia. 

Mit  kleinen  runden  Geißelkammern.  Skelett  ursprünglich  vierachsige  Nadeln 
(Tetractinelliden:  Geodia,  Tetliya).  Hierher  gehören  die  Lithistiden,  mit  zu 
einem  Gerüstwerk  verklebten  Nadeln,  ferner  die  Monactinelliden  {SpongiUa)\ 
durch  Schwinden  der  Kieselnadeln  entstehen,  wenn  die  verkittende  Hornsubstanz 
ülirig  bleibt,  Hornschwämme  {Eiispongia),    sonst  Fleischschwämme  [Oscorella). 


IL  Kreis:  Cnidaria,  Nesseltiei-e. 

Mit  Nesselkapseln  (Cnidae)  versehen,  von  denen  der  Kreis  seinen  Namen 
hat.  Es  sind  das  kleine  in  Zellen  entstehende,  eine  saure  Flüssigkeit  enthalteinle 
Bläschen,  aus  denen  ein  oft  mit  Widerhaken  versehener  Faden  herausgeschleudert 
werdeii  kann,  der  die  Tiere  wehrhaft  macht.  Im  Umkreise  des  auf  den  Frmund 
zurückzuführenden  Mundes  stehen  fingerförmige  Fortsätze  des  Körpers:  die  Tentakel. 
Körper  zweischichtig,  aus  Ektoderm  und  Entoderm  bestehend:  zwischen  beiden  eine 
strukturlose  Stützlamelle  oder  bindegewebiges  Mesoderm,  meist  von  untergeordneter 
Bedeutung. 

2.  Klasse:  Hydrozoa. 

In  zwei  Formen  auftretend,  als  festsitzender  Polyp  und  als  freischwimmende 
Meduse,  letztere  aus  dem  Polypen  durch  laterale  Knospung  entstanden.  Aus  ihren 
meist  im  Ektoderm  entstehenden  Geschlechtsprodukten  entwickeln  sich  wieder  Polypen 
(Generationsw^echsel).  Doch  gibt  es  auch  Polypen,  die  nur  Polypen  erzeugen, 
und  ebenso  Medusen,  aus  denen  nur  Medusen  entstehen. 

Ein  ektodermaler  Schlund  fehlt,  ebenso  innere  Magenleisten  (Taeniolen). 

1.  Ordnung:  Hvdrariae. 

Einzeli)ersonen,  die  vorübergehend  durch  Knospung  aus  wenigen  Personen 
bestehende  Kolonien  bilden.  Eine  äußere  Hülle  fehlt.  Ohne  Medusenformen,  l'ort- 
pflanzung  ungeschlechtlich  durch  Knospung  oder  geschlechtlich.  Aus  den  Eiern 
gehen  wieder  Polypen  hervor.     Die  meisten  Arten  im  Süßwasser.     Hydra. 

2.  Ordnung:  Hydrocoralliae. 

Koloniebildend,  scheiden  massives  Kalkskelett  aus,  äußerlich  dem  Skelett  der 
Steinkorallen  ähnelnd.  Fortpflanzung  durch  freie  oder  am  Stock  vorbleil)eiule,  als- 
dann rudimentäre  Medusen.     AJiUepora,  StyUister. 


System.  Ül)ei'l)lirk:  Coelenterata.  31 

3.  Oidnung:  TubiiLariae. 

]Moist  koloniebildend.  Mit  äußerer  chitiniger  Hülle  (Periderni),  ohne  Kelche, 
in  welche  sich  die  Polypen  zurückziehen  könnten  (Hydrotheken).  Medusenhildend 
oder  mit  medusoiden  Gonophoren,  welche  am  Stock  verbleiben.  Die  Medusen  sind 
Anthomedusen.      Tiibn/ana,   Cordylophora,   Sarsia,    Tiara. 

4.  Oidnung:  Campaiiiilariae. 

Koloniebildend.  MitPeriderm,  mit  Hydrotheken.  Medusen  oder  medusoide 
Gonophoren  in  besondei'en  Kapseln  (Gonotheken)  erzeugt.  Die  Medusen  sind  Lepto- 
medusen.      Campaindaria,    Obelia. 

5.  Ordnung:  Trachymedusae. 

Generationswechsel  fehlt.  Aus  den  Eiern  entstehen  direkt  wieder  Medusen. 
Geschlechtsdrüsen  im  Verlauf  der  Radialkanäle  oder  an  radiären  Magentaschen 
liegend.  Als  Sinnesorgane  fungieren  Gleichgewichtsorgane,  die  aus  modifizierten 
Tentakeln  entstehen:  ,,HörküIbchen''  mit  entodermalen  Statolithen.  Tentakel 
starr  und  solid.     Liriope,   Cantiarina,  Aegineta. 

6.  Ordnung:  SiphoiioiUiorae. 

Schwimmende  Hydrozoenstöcke  mit  sehr  verschiedener,  durch  Arbeitsteilung 
bedingter  Körjterform  der  einzelnen  Personen.  Die  Einzeli)ersonen  sitzen  entweder 
an  einem  langen  Stamme  oder  an  der  Unterseite  einer  Scheibe.  Phvsophora, 
Velella. 

3.  Klasse:  Scyphozoa,  Acalephae. 

Ebenfalls  wie  die  Hydrozoen  in  zwei  Formen  auftretend,  von  denen  der  Polyp 
(Scyphopolyp  genannt),  nur  in  der  Entwicklungsgeschichte  erscheint  und  sogar 
wegfallen  kann.  Er  unterscheidet  sich  besonders  durch  den  Besitz  von  vier  ento- 
dermalen Magenleisten  (Taeniolen)  vom  Hydropolypen  und  liefert  durch  terminale 
Knospung  Medusen,  die  sich  von  den  Hydromedusen  in  vielen  wichtigen  Punkten 
unterscheiden.  Ihre  Geschlechtsprodukte  entstehen  entodermal.  Als  Sinnesorgane 
fungieren  modifizierte  Tentakel  (Khopalien). 

1,  Ordnung:  Stauromedusae.  Becherquallen. 

K()rper  becherförmig,  ohne  Randlappen  und  ohne  Sinneskolben.  Zum  Teil 
festsitzend.     Liicernaria. 

2.  Ordnung:  Loboiuediisae,  Lappenquallen. 

Mit  Randlappen  und  mit  Sinneskolben  Freischwimmend.  Nausiihoe,  Anrrlia, 
Rhizostoina. 

4.  Klasse:  Anthozoa,  Korallentiere. 

Von  Polypenform,  mit  entodermalen  Magenleisten,  hier  Septen  genannt,  mit 
ektodermalem,  eingestülptem  Schlund.  Mesoderm  stark  entwickelt,  meist  sk(4ett- 
bildend. 

1.  Ordnung;  Octocorallia,  oder  Alcyoiiaria. 

Mit  acht  Septen  und  acht  gefiederten  Tentakeln. 

a)  Alcyonacea. 

Das  Skelett  besteht  aus  mesodermal  liegenden  einzelnen  Spicula.    Akyoniitm. 

b)  Gorgonacea. 

Horniges  oder  kalkiges,  meist  stark  verästeltes  Achsenskelett.  Gorqo77ia, 
CoraUhini. 


32  System.  Überblick:  Coelenterata. 

c)  Pennatulacea,  Seefeclerii. 

Mit  unverästeltem  Achsenskelett,  dessen  oberer  Abschnitt  allein  die  in  I'ieder- 
stellnng  angeordneten  Polypen  trägt.     PeimaUila. 

2.  Ordnung:  Hexacorallia. 

Sejjten  meist  in  sechszähliger  Anordnung,  Tentakel  hohl,  fast  niemals  gefiedert, 

a)  Actiniaria,  Seerosen. 
Ohne  Skelett,  mit  zahlreichen  Zyklen  von  Septen  und  Tentakeln.    Anetnonja. 

b)  Antipatharia. 
Mit  hornigem  Achsenskelett.    Polypen  mit  6.  12  oder  10  Septen.    Antipathes. 

c)  Madreporaria,  Steinkorallen. 
Mit  starkem,  kalkigem  Iiindenskelett.     ^f(l(h■rpora. 


III.  Kreis:  Ctenophorae. 

5.  Klasse:  Ctenophorae. 

Zarte,  gallertige,  rundliche  oder  eiförmige  Körper,  mit  acht  in  Meridianen 
verlaufenden  Reihen  von  Schwnnmjilättchen.  die  aus  verschmolzenen  Flimmercilien 
entstanden  sind.  Am  aboralen  Pol  ein  Sinneskörper.  Gastrovaskularapparat:  auf 
den  ektodermalen  Schlund  folgt  der  entodermale  Magen  (Trichter),  von  dem  ein 
sich  gabelndes  Trichtergefäli  zum  aboralen  Pol  läuft,  zwei  andere,  sich  zweimal 
dichotomisch  teilend,  unter  die  Meridianstreifen  (Rippengefäi'io)  gehen.  Ent- 
wicklung diiekt.  ohne  Generationswechsel. 

1.  Ordnung:  Teiitaculata. 

^lit  zwei  lateralen,  retraktilen  Tentakeln.     Pleiirobrachin. 

2.  Ordnung:  Nuda. 

Ohne  Tentakel,  mit  weitem  Schlund.     Bn-oi". 


2.  Kursus:  Porifera,  Schwämme. 


33 


2.  Kursus. 


Porifera,  Schwämme. 


©AC*i£ii*«/x 


Technische  Vorbereituagen, 

Zu   diesem  Kurse   benötigt   man   einige  frische  Exemplare   von  Stil?)- 
wasserschwämmen ,     gleichgültig  . 

welcher    Art ,     oder ,     falls    man  ^ 

diese  nicht  haben  kann,  in  Al- 
kohol konserviertes  Material, 
ferner  eine  Anzahl  von  Kiesel- 
schwämmen in  Alkohol,  l)eson- 
ders  von  Rindenschwämmen  (z. 
B.  Geodia)  und  Stücke  von 
Hexactinelliden  (z.  B.  Euplec- 
tella),  sodann  eine  größere  Zahl 
fertiger  Schnittpräparate  von 
Sycandra  rapJianus  (Längs-  und 
Querschnitte)  und  Oscarella  lo- 
Inilaris. 


A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  zu  den  Coelenteraten 
zu  rechnenden  Schwämme  oder 
Spongien  sind  die  niedrigsten 
vielzelligen  Tiere  (Metazoen). 
Fi-eie  Bewegung  fehlt  ihnen,  sie 
sitzen  meist  als  unförmige  Klum- 
pen am  Boden  des  Meeres  (einige 
auch  des  Süßwassers)  fest. 

Die  Grundform  ihres  Kör- 
pers ist  ein  einfacher,  festsitzen- 
der Becher,  am  fieien  Ende  mit 
einer  größeren  Öfthung  (Oscu- 
lum)  versehen,  dessen  Wand  von 
zahlreichen  feinen  Poren  durch- 
setzt ist. 

Die  Wand  besteht  aus  zwei 
Schichten,  innen  dem  gastralen 
Lager  oder  Entoderm.  einem 
Epithel  geißeltragender  Zellen, 
die  wie  die  Choanoflagellaten 
einen  Kragen  haben,  und  außen 
dem  dermalen,  als  Me soek to- 
der m  zu  bezeichnenden  Lager 
ndegewebiger  Natur,  welches 
nach  außen  ein  früher  als  Ekto- 
Iderm  aufgefaßtes,  sehr  zartes 
[Plattenepithel  liefert. 

Kiikcntliiil ,    Zool.  Pniklikmi).     ö.  Aufl. 


Pdl-PIl 

Plattonoi)itlicl 
-  Dcrmalos   Lagor 
■    Entodpi'iu 


Dornialos  Laijor 

Entodciiiialo 
Geißelzolloii 

Rarlialtubon 

Zufiilircnflc 
Kanäle 

Jlüiicliiiii;   der 
Üadialliilu' 


Abführeiidci-  Kanal 
•  icißi'lkamiucr 
Ziifiihri'iidi'  Kanäle 

(iastralc's  Lairer 


Poniialos  Lau 


Fio-.   16.     Schematische  Längsschnitte   du icli 

Schwiimnie  vom  A  Ascontypus.  R  Sy<-oii/vp?ts, 

C  Leitcontypiis. 


34  2.  Kursus:  Porifera,  Schwämme. 

Die  feinen  Poren,  welche  die  Köri)erwan(l  durchbrechen,  dienen 
zum  Einströmen  des  Wassers,  welches  durch  das  Osculum,  das  also  als 
After  fungiert,  wieder  ausgestoßen  wird  (s.  Fig.  KJA). 

Nach  diesem  einfachen  Typus  (dem  Ascontypus)  sind  nur  sehr 
wenige  Schwämme  gebaut,  die  überwiegende  Mehrzahl  erhält  einen  kom- 
plizierteren Bau  infolge  des  Vermögens,  durch  Aussprossung  und  un- 
vollständige Teilung  Stöcke  zu  bilden,  sowie  durch  eine  weitere  Aus- 
bildung des  Kanalsystems.  Es  zieht  sich  das  aus  Geißelzellen  bestehende 
Entoderm  auf  radial  angeordnete  Kammern  (Sycontypus)  (s.  Plg.  1GB) 
oder  auf  kleine  kugelige  Hohlräume,  die  Geißelkammern,  zurück, 
welche  in  der  dermalen  Schicht  liegen  (Leueontypus);  diese  Geißel- 
kammern sind  mit  feinen,  von  außen  Wasser  zuführenden  Kanälen  ver- 
bunden, während  abführende  Kanäle  in  das  große  zentrale  Kloakenrohr 
münden,  das  aber  nun  nicht  mehr  von  entodermalen  Geißelzellen,  sondern 
von  entodermalem  Plattenepithel  ausgekleidet  ist  (Fig.   IGC). 

Im  dermalen  Lager  finden  sich  Zellausscheidungen,  die  ein  Skelett 
liefern;  entweder  sind  das  Kalknadeln  oder  Kieselgebilde  mannigfacher 
Form  oder  netzförmig  verlnmdene  Hornfasein,  aus  Keratin  oder 
Spongin  gebildet.  Bei  einigen  ist  das  Skelett  wieder  geschwunden 
und  der  ganze  Schwamm  eine  weiche,  fleischige  Masse  geworden  (Myxo- 
spongien),  oder  mit  Sand  und  anderen  Fremdkörpern  inkrustiert 
(Psammospongien).  Auch  bilden  sich  aus  dermalen  Zellen  die  Ge- 
schlechtsprodukte, Eier  wie  Spermatozoen. 

Die  Entwicklung  des  befiuchteten  Eies  erfolgt  bei  manchen  Spon- 
gien  in  der  Weise,  daß  zunächst  eine  bewimperte  einschichtige  Larve 
(Blastulastadium)  entsteht,  mit  bereits  gesondertem  gastralem  und 
dermalem  Lager,  welche  sich  dui'ch  Einstülpung  der  einen  Hälfte  zur 
Gastrula  ausbildet  und  gleichzeitig  sich  mit  dem  ürmund  festsetzt. 
Das  Osculum,  w^elches  an  den  entgegengesetzten  Pol  zu  liegen  kommt, 
bricht  erst  später  als  neue  Öffnung  durch,  hat  also  mit  dem  Ür- 
mund nichts  zu  tun. 

Die  meisten  Schwämme  sind  marin,  nur  einige  wenige  kommen 
im  Süßwasser  vor  (Spoiigilla). 

B.  Spezieller  Kursus. 

Sycandj'ci  raphanus  (0.  Schm.). 

Es  werden  sowohl  konservierte  Exemplare  dieses  Kalkschwammes 
zur  äußeren  Betrachtung  herumgegeben,  wie  auch  fertige  mikroskopische 
Präparate,  Längs-  und  Querschnitte  von  teils  entkalkten,  teils  nicht  ent- 
kalkten Stücken  verteilt. 

Die  äußere  Betrachtung  ergibt,  daß  dieser  Schwamm  eine  lang- 
gezogene Becherform  besitzt,  die  nahezu  schlauchförmig  werden  kann. 
Die  meist  ziemlich  weite  Öffnung  am  freien  Ende  ist  das  Osculum, 
aus  welchem  beim  lebenden  Schwamm  das  AVasser  ausströmt.  Umgeben 
ist  es  von  einem  Kranze  sehr  langer,  dünner,  einstrahliger  Kalknadeln. 
Die  Oberfläche  ist  mit  zahlreichen  Papillen  besetzt,  die  aber  bei  äußer- 
licher Betrachtung  nicht  hervortreten,  da  sich  zwischen  den  aus  jeder 
Papille  heraustretenden  Büscheln  von  Kalknadeln  zahlreiche  Fremd- 
körper befinden,  welche  die  Schwammoberfläche  einhüllen. 

Auf  einem  Querschnitte  durch  einen  entkalkten  Schwamm,  den 
wir  mit  schwacher  Vergrößerung  l)etrachten,  sieht  man  in  der  Mitte 
eine  kreisrunde  Höhle,  den  Zentralraum,  von  welchem  eine  große  An- 


2.  Kursus:  Prorifera,  Schwämme. 


35 


zahl  kleiner  langgestreckter  Hohlräume  ausstrahlt.  Diese  letzteren  sind  die 
Radialtuhen,  welche  äußerlich  als  Papillen  erscheinen.  Die  Mündungen 


■JS 


■^i^^F\ 


Zentralruiiin 


i-^_ L.    EiPr 

--»ä^S.y— -   Radialtnbc 


••T*"-»'if 


Fig.  17.    Quprsflinitt  durch  eine  entkalkte  Sycandm  raphamis.     Orig. 

der  Radialtuben   in    den  Zentralraum    sind   nicht   immer  zu   sehen,    da 
diese  Mündungen  ziemlich  eng  sind  und  die  Schnitte  meist  etwas  schräg 


'At-vf-t-tfetcvi^tfl   Canat 


Fig.  18.    Querschnitt  durch  drei  üadialtuhen  von  Svcamlni  mp/i.  (0.  SCH.M.).     Orit;-. 


,,(j  2.  Kursus:  Porifera,  Schwämme. 

(luicli  die  Radialtuben  gehen.  Dadurch  erklärt  es  sich  auch,  daß  auf 
der  Abl)ildung  (Fig.  17)  nicht  alle  Radialtuben  in  ihrer  vollen  Längs- 
ausdehnung getroffen  sind.  Zwischen  den  Radialtuben  findet  sich  ein 
System  zuführender  Kanäle,  welche  das  Wasser  von  außen  durch 
Dermalporen  aufnehmen  und  den  Radialtuben  durch  enge  Kammer- 
poren zuführen. 

Längsschnitte  durch  den  Schwamm  lassen,  besonders  wenn  sie 
durch  die  Mitte  geführt  sind,  seine  kelchförmige  Gestalt  deutlich  er- 
kennen. Die  quergetroffenen  Radialtuben  erscheinen  meist  infolge 
gegenseitiger  Abplattung  als  sechseckige  Felder. 

Auf  nicht  entkalkten  Schnitten  ist  die  Anordnung  der  Nadeln  zu 
studieren.  Einstrahier  finden  sich  als  Kranz  sehr  feiner,  dicht  ge- 
drängter und  langer  Nadeln  um  das  Osculum  herum.  Dieser  Nadel- 
kranz wird  auch  als  „Schornstein"  bezeichnet.  Etwas  kürzer  aber 
kräftiger  sind  die  zum  Teil  aus  der  Umwandung  der  Radialtuben  her- 
vortretenden Einstrahle)-.  Li  der  Umgebung  der  Radialtuben  liegen 
vorwiegend  Dreistrahler,  mehr  zentralwärts  überwiegen  Vierstrahler. 

Stärkere  N'ergrößerung  der  Präparate  läßt  erkennen,  daß  die 
Radialtuben  ausgekleidet  sind  von  Geißelzellen  entodermalen  Ursprungs, 
deren  Geißel  zwar  meist  verloren  gegangen  ist,  die  aber  einen  deutlich 
sichtbaren  i-andständigen  Ivragen  von  etwa  der  halben  Höhe  der  Zelle  be- 
sitzen. Zwischen  den  Radialtuben  finden  sich  in  einer  von  verästelten  Binde- 
zellen gelieferten  Gallerte,  welche  außerdem  die  Skelettnadeln  abscheiden, 
noch  ursprünglich  amöboid  bewegliche  Geschlechtszellen,  die  bei 
den  vorwiegend  weiblichen  Tieren  meist  als  Furchungsstadien  erscheinen 
und  als  zur  Hälfte  wimpernde  Blastulae  die  Wandung  der  Radialtuben 
durchbrechen  und  durch  das  Osculum  nach  außen  gelangen  (s.  Fig.  18). 

Oscarella  lohularis  (0.  Schm.). 

Querschnitte  durch  diesen  krustenförmig  dem  Untergrund  auf- 
sitzenden Schwamm,  der  kein  Kieselskelett  mehr  besitzt,  zeigen  schon 
bei  schwacher  Vergrößerung  eine  nach  außen  in  großen  Falten  vor- 
springende Leibesmasse,  die  sich  in  zwei  Teile  sondert.  Der  äußere, 
in  den  Falten  gelegene  enthält  sehr  zahlreiche  Geißelkammern,  der 
innere,  basale  dagegen  ist  durch  zahlreiche  Kanäle  netzförmig  gestaltet. 
In  jede  Falte  fühit  einer  dieser  größeren  Kanäle  hinein.  Die  freie 
Oberfläche  ist  sehr  unregelmäßig  gestaltet,  indem  viele  Einbuchtungen, 
die  oft  kanalartig  werden,  in  das  Innei-e  eindringen.  Bekleidet  ist  die 
Oberfläche  von  Plattenepithel.  Zahlreiche  feine  Kanäle,  die  zuführen- 
den Kanäle,  gehen  von  der  O.berfläche  durch  das  Mesoektodei'm  in 
die  Geißelkammern  hinein.  Aus  den  Geißelkammein  heraus  führen 
ein  oder  zwei  Kanäle,  entweder  in  andei'e  Geißelkammern  oder  direkt 
in  das  Hohlraumsystem  des  Linern:  abführende  Kanäle.  Die  Form 
der  Geißelkammern  ist  meist  rundlich.  In  dem  Maschenwerk,  welches 
die  Kanäle  des  Innern  umkleidet,  liegen  zahlreiche  Geschlechtszellen. 
In  manchen  Präparaten  finden  sich  auch  befruchtete  Eizellen  in  ver- 
schiedenen Stadien  der  Entwicklung  (Fig.  19j, 


Der  Süsswasserschwamm  (S2)oiif/iii€(). 

Ein   weitverbreiteter  Bewohner  unserer  Seen,   Teiche  und  Flüsse 
ist  der  in  mehreren  Arten  vorkommende  Süßwasserschwamm. 


Kursus:  l'orifera,  Scliwänime. 


37 


Man  findet  ihn  als  verschieden  dicken,  grauen,  granbraunen  oder 
grünen  Überzug  an  untergesunkenen  Holzstücken,  ins  Wasser  ragenden 
Baumwurzehi  oder  an  Steinen,  besonders  häufig  abei'  an  abgestorbenen, 
unter  Wasser  stehenden  Schilfstengeln.  Andere  Arten  wachsen  baum- 
förniig  oft  zu  ansehnlicher  Größe  aus. 

Zunächst  beachte  man  an  einem  frischen  Süßwasserschwamm  den 
ganz  eigentündichen  Geruch,  der  von  ihm  ausströmt,  dann  die  Färl)ung. 
die  bei  den  im  Lichte  wachsenden  Spongillen  grün,  bei  den  im  Dunkeln 
lebenden  grau  oder  gelblich  ist.  Die  grüne  Farbe  rührt  von  kleinen 
einzelligen  Algen  her  {Zoochlorella  parasitica  Brandt). 

Die  Schwammoberfläche  zeigt  einige  größere  Öffnungen.  Führen 
wir  in  das  einen  frischen  Schwamm  enthaltende  Glas  mit  Wassei' 
ein  kleines  Quantum  feinzerriebener  Karminkörnchen  ein,  so  sehen  wii'. 
wie  diese,  sobald  sie  in  die  Nähe  eines  solchen  Loches  kommen,  weit 
fortgeschleudert  werden.  Es  kommt  also  aus  dieser  Öffnung  ein  Was- 
serstrom heraus,  und  wir  erkennen  jetzt  daß  wir  es  mit  einem  „0 Sen- 
ium" zu  tun  haben. 


Dcrnuiles   Fm-chmigs- 
LajjPi'  Starlitim 


Ei 


(icißol- 
kaimiur 


l'fl:istcro|iillicl 
—  Ziitüliiviidc  Kaiullf 


—   J)eiin;ik's  Lager 


^        Ziiliihioiidc  Kanäle 


Furchuiigsstadiuiii 


(icißclkamnior 


Fig.  19.  Stück  eines  Scliuittes  durch  Oscarella  lohularis  (nach  F.  E.  Schulze,  aus  Lang). 


Ferner  enthält  die  Schvvammoberfläche  viele  sehr  feine  Löcher,  in 
welche  das  Wasser  einströmt.  Diese  Poren  setzen  sich  aber  nicht  direkt 
in  die  zu  den  Geißelkammern  führenden  Kanäle  fort,  sondern  münden 
in  weite  Hohlräume  ein,  die  unter  der  Oberfläche  liegen  und  mit- 
einander in  Verbindung  stehen:  Subdermalräume.  (Diese  dürfen  nicht 
verwechselt  werden  mit  gelegentlich  vorkommenden  Hohlräumen,  die 
von  Insektenlarven  ausgefressen  sind.)  Getragen  wird  die  obere  Haut 
durch  von  unten  kommende  Bündel  von  Kieselnadeln,  welche  als  stützende 
Stangen  fungieren  und  auf  der  Oberfläche  in  feinen  Spitzen  durchbrechen. 

Man  öffnet  an  einem  frischen  Süßwasserschwamm  die  Haut  vor- 
sichtig mit  einer  feinen  Schere. 

Alsdann  erhält  man  einen  Einblick  in  den  Subdermalraum. 

Am  Boden  des  Raumes  liegen  etwas  größere  Löcher.  Diese 
führen  durch  Kanäle,  die  sich  vielfach  verästeln,  zu  den  kleinen  Geißel- 
kammern hin,   aus   denen  andere  Kanäle  das  Wasser  wieder  zu  einem 


;)s 


2.  Kursus:  Porifera,  Schwämme. 


großen  gemeiiisaiueii  Hohlraum  ableiten:  dem  Kloakenrolir,  welches 
sich  mittels  des  Osculums  nach  außen  öffnet.  Daß  wir  an  einem 
Schwämme  mehrere,  ja  viele  solcher  Oscula  finden,  erklärt  sich  aus  der 
Koloniebildung  des  Schwammes  durch  Knospung. 

Der  Weg  des  Wassers  ist  also  folgender:  durch  die  feinen  Poren 
der  Oberhaut  gelangt  das  Wasser  in  den  Subdermalraum,  von  hier 
weiter  in  die  zuführenden  Kanäle,  dann  in  die  mit  bewimperten  Ento- 
dermzellen  ausgekleideten  Geißelkammern,  wo  die  mit  dem  Wasser  ein- 
strömenden feinen  Nahrungspartikel  aufgenommen  werden,  dann  durch 
die  abführenden  Kanäle  in  das  Kloakenrohr  und  von  da  durch  das 
Osculum  nach  außen  (s.  Fig.  20). 


Osculuiii 


(ieißel- 
kammer 


Poren 


Subderinalnunn 


Zuführender    Geißel-  Abführender  Geschleehts- 

Kaual        kammer        Kanal  Produkte 

Fig.  20.    Schematischer    Durchsclinitt    eines    Süßwasserschwammes;    das    Skelett 
ist  weggelassen  (nach  Leuckart  und  Nitzsche). 


Der  feinere  Bau  des  Weichkörpers  ist  schwieriger  zu  erkennen. 
Die  Oberfläche  ist  mit  dermalem  Plattenepithel  bedeckt,  welches  auch 
Kanäle  und  Subdermalräume  auskleidet.  Die  tiefer  liegenden  Zellen 
der  dermalen  Körperschicht  sind  zum  Teil  amöboid.  Es  läßt  sich  das 
durch  vorsichtiges  Zerzupfen  und  Ausbreiten  eines  kleinen  Stückchens 
lebendigen  Schwammes  konstatieren.  In  dieser  Schicht  bilden  sich  auch 
die  Geschlechtszellen  aus,  und  ferner  findet  sich  auch  in  ihr  das  Skelett, 
zu  dessen  Betrachtung  wir  jetzt  übergehen. 

Das  Skelett  bildet  ein  unregelmäßiges  Gerüstwerk,  dessen  ein- 
zelne Bestandteile  einfache,  beiderseits  spitz  zulaufende  Nadeln  sind 
(deshalb  gehört  der  Süßwasserschwamm  zu  den  Monactinellideni. 
Als  Mörtel  zur  Verkittung  der  aus  Kieselsäure  bestehenden  Nadeln  dient 
eine  faserige  Substanz,  wie  sie  im  Badeschwamme  so  reichlich  vorhan- 
den ist.  das  Spongin.  Bei  manchen  Arten  finden  sich  daneben  noch 
lose  im  Fleisch  liegende  kleinere  Nadeln. 

Man  fertige  mit  dem  Rasiermesser  möglichst  dünne  Schnitte  von 
einem  in  Alkohol  konservierten  Schwamm  an  und  bringe  diese  auf  den 
Objektträger.  Nachdem  man  ein  paarmal  das  Präparat  mit  absolutem 
Alkohol  Übergossen  und  ein  paar  Minuten  stehen  gelassen  hat,  bringe 
man  einen  Tropfen  Nelkenöl  auf  den  Schnitt  und  bedecke  ihn  mit  dem 
Deckglas.      Es  läßt  sich   dann  das  Skelettgerüst  gut  verfolgen. 

Um  die  Nadeln  im  Präparat  zu  isolieren,  lege  man  ein  Stückchen 
des  frischen  oder  konservierten  Schwammes  in  ein  Uhrschälchen,  über- 
gieße es  mit  Liquor  natr.  hypochlorosi,  (diese  Flüssigkeit  darf  nicht  zu  lange 
aufbewahrt    werden,    da    sich    sonst    ihre   Wirkung    vermindert)    und    be- 


2.  Kursus:  Porifera,  Schlämme. 


3<) 


decke  es  mit  einem  zweiten  Ulirschälchen.  Nach  einigen  Minuten  sind 
die  Weichteile  aufgelöst,  und  mittels  eines  Pinsels  wird  nun  etwas  von 
dem  weißlichen  Rückstand  auf  den  Objektträger  gebracht  und  in  Wasser 
untersucht.  Gl3'zerin  hellt  zu  sehr  auf  und  ist  daher  nicht  zu  empfehlen. 
An  den  meisten  Exemplaren  findet  man  zahlreiche  bis  senfkorn- 
große, kugelige  Gebilde,  welche  Gemmnlae  genannt  werden.  Diese 
Gemniulae  sind  Fortpffanzungskörper,  die  in  ihrem  Innern  einen  kleinen 
Teil  des  Weichkörpers  enthalten  und  zu  ihrem  Schutze  von  einer  derben 
chitinigen   Membran   umhüllt    werden,   auf  welchei-  bei  manchen  Arten 


^^g-'/" 


lKit,fiX^M^uitt*P-^Z 


Fig.  21. 


Skelettgeriist  von  Spongjlla  fragilis  (Lkidy).     Orig. 


noch  eine  zweite,  von  kleinen  Kieselgebilden  (Amphidisken)  gestützte 
Hülle  liegt.  Die  Gemmnlae  sind  mit  den  Cysten  der  Protozoen  zu 
vergleichen,  und  wie  diese  bestimmt,  die  Fortdauer  der  Art  während 
ungünstiger  Existenzbedingungen,  so  im  Winter,  zu  sichern.  Die 
Kolonien  der  meisten  deutschen  Arten  gehen  im  Winter  zugrunde, 
während  sich  aus  den  Gemmulae  im  Frühling  wiedei'  neue  Schwämme 
entwickeln,  indem  der  Inhalt  aus  einer  oder  mehreren  Öffnungen  der 
Schale  auskriecht.  Ihre  Formen  sind  bei  den  verschiedenen  Arten 
verschieden,  so  daß  sie  zur  Artbestimmung  benutzt  werden  können. 

Auf  umstehender  Figur  sind  die  fünf  in  Deutschland  vorkommen- 
den Süßwasserschwämme  —  es  fehlt  nur  die  bisher  nur  an  einer  Stelle 
gefundene  Art  Carterius  stepanoivi  (Dyb.)  —  in  ihren  Gemmulae  und 
Gerüstnadeln  abgebildet.  Sie  lassen  sich  kurz  folgendermaßen  charak- 
terisieren : 

1.  Spongüla  fragilis  (Leidy).  Gerüstnadeln  glatt,  lang  und  dünn, 
allmählich  scharf  zugespitzt.  Gemmulae  mit  feinen,  stets  rauhen  Nadeln. 
Amphidisken  fehlen. 

2.  Spotigilla  lacustris  (L.).  Zwei  Arten  (ierüstnadeln,  große 
und  glatte,  sowie  kleine,  meist  fein  bedornte.  Gemmulaenadeln  gebogen 
oder  gerade,  bedornt,  zuweilen  auch  glatt.     Amphidisken  fehlen. 

3.  Trochospongilla  horrida  Weltn.  Gerüstnadeln  stark  bedornt. 
Gemmulaenadeln  fehlen,  dafür  Amphidisken;    diese  ganzrandig,  niedrig. 

4.  EpJiydatia  fluviatilis  (L.).  Gerüstnadeln  schlank,  glatt,  all- 
mählich scharf  zugespitzt.     Gemmulaenadeln  fehlen;  Amphidisken  hoch, 


40 


2.  Kui"8us:   Porifera.  Srliwäinino. 


mit    vielen    feinen    Einschnitten.      Der    Schaft    der    Anipliidisken     fein 
bedornt. 

5.  EpJiydatia  luülleri  (Lbkn.).  Gerüstnadehi  kompakter,  fein  be- 
dornt. Geninuüaenadeln  fehlen;  Amphidisken  niedriger  als  bei  der  vor- 
hergehenden Art  mit  weniger,  aber  tieferen  Einschnitten.  Amphidisken- 
schaft  nicht  bedornt. 


Gemmuliu 


SpongilLt  fragüis  Leidi/. 


Geriiatnadeln 
Amphidis  kett,    60  x 


SpOtU/ilUt  I 

lacusf'ri.s  (mit  j  \ 


TrochospongilLa  horiida    Wdtn . 


ISO, 

Gerüst  FM/i^l/i 
u.  Ämpfudiske/v 


T 


Ephydatia 
fliii'i<itHi.-i  laut.) 


■  \ 

üerüMnadeln  vO 
LiAmphidt^ken  ij 


Eplujdatia 

MiaierLßbbi ) 


Fig.  22.     Die  in  Deutschland  vorko'mmendenjjSüßwasserschwänime. 


Gemmulae  und  Skeletteile.     Orig. 


Andere  Kieselschwämme. 

Zur  Demonstration  der  großen  Verschiedenheit  der  Skelett- 
gebilde werden  verschiedene  Kieselschwämme  entweder  als  Alkohol- 
material oder  in  fertigen  Präparaten  gegeben. 

Die  Untersuchung  des  Alkoholmaterials  geschieht  am  einfachsten, 
indem  mit  einem  Rasiermesser  möglichst  dünne  Schnitte  vom  Schwamm 
hergestellt  und  in  einem  Uhrschälchen  mit  Liquor  natr.  hypochlorosi  über- 
gössen   werden.      Nach    kurzer   Zeit   haben    sich    die    Weichteile    gelöst, 


2.   Kursus:   I'orifora,   Scliwäiii 


nie 


41 


xiiid  der  Bodensatz  wird  mittels  eines  Pinsels  auf  den  Objektträger  ge- 
bracht und  in  Wasser  oder  Glj^zerin  untersucht.  Will  der  Praktikant 
sich  ein  Dauerpräparat  machen,  so  ist  bereits  im  Uhrschälchen  der 
Liquor  durch  destilliertes  Wasser,  das  einmal  gewechselt  werden  muß, 
zu  ersetzen,  dann  wird  das  Wasser  vorsichtig  abgegossen  und  der  weiß- 
liche Rückstand  mittels  Pinsels  auf  den  Objektträger  gebracht  und  nach 
Behandlung  mit  Ale.  absol.  mit  einem  Tropfen  Nelkenöl  bedeckt,  welcher 
dann  mit  Fließpapier  abgesaugt  und  durch  Kanadabalsam  ersetzt  wird. 
Alsdann   ist  das  mit  einem  Deckgläschen   zu  versehende  Präparat  fertig. 

Die  Wahl  des  zu  gebenden  Materials  richtet  sich  natürlich  nach 
den  Vorräten  jedes  Institutes.  Am  empfehlenswertesten  ist  zunächst 
ein  Rindenschwamm  {Gcodia  oder  eine  verwandte  (lattung).  Der  Schnitt 
mit  dem  Messer  muß 


auch  die  Rinde  mit- 
nehmen, an  der  dann 
die  in  mehreren 

Lagen    auftretenden 

Kieselkugeln  zu  de- 
monstrieren sind. 

Außer  diesen  Tetrac- 

tinelliden    läßt    sich 

auch    ein    Vertreter 

der  Lithistiden,  z.  B. 

eine   Theonella,  gut 

verwenden,     ebenso 

von   den   Hexactinel-    Fi,<>-.  23.  Skelettstücke  von  Schwämmen  (nach  P\  E.  Schulze 

Xl'i^LQjW.EllplectellaViWiS.    mul  0.  Maas).    1  Fasern  eines  Badeschwammes  mit  Spongo- 

Hvaloiieiiia  blasten,  2 — 7  Kieselnadeln,    2  Esperia  Loremi,  3 — 4  Corti- 

Reicht  die  Zeit 
nicht  aus,  so  sind  fer- 
tige mikroskopische  Präparate  der  Skeletteile  dieser  und  anderer  Kiesel- 
schwämme zu  geben. 

Um  den  Bau  eines  Hornschwammes  kennen  zu  lernen,  ist  mit 
Vorteil  der  Badeschwamm  zu  verwenden,  entweder  in  Schnitten  fertiger 
Präparate  oder  indem  von  Spiritusmaterial  Schnitte  angefertigt  w^erden. 
Das  Hornskelett  wird  von  besonderen,  den  Fasern  aufsitzenden  Zellen, 
den  Spon gobiasten,  ausgeschieden  (s.  Fig.  23).  Die  Hornfäden  be- 
sitzen eine  konzentrisch  geschichtete  Struktur.  Die  unregelmäßige  netz- 
artige Verästelung  läßt  sich  ohne  weiteres  an  einem  zerzupften  Stück- 
chen des  in  den  Handel  kommenden  Badeschwammes  unter  ganz 
schwacher  Vei-größerung  erkennen. 


dum  candelabruin,    5  ÄlyxiLla  rosacea,    6    Tethya   lyncurium, 
7   Farria  vosiiiari   (aus   HeRTWIG). 


3.  Kursus. 

Hydroidpolypen. 


Technische  Vorbereitungen. 

Zur  Untersuchung  kommen  von  lebenden  Tieren  der  grüne  und 
der  graue  Süßwasserpolyp.  Die  Süßvvasserpolvpen  sind  zwar  weit  ver- 
breitet, aber  nicht  leicht  zu  finden.  Am  besten  ist  es,  wenn  .man 
Wasserproben    mit    Schilfstengeln,    Myriophyllum,    Elodea  usw.    von   ver- 


J'As*; 


42 


3.  Kursus:    Hydroidixilj'poii. 


scliiedeneii  Fundorten,  sowohl  TünipeJn  und  Teichen  wie  Flüssen,  ein 
paar  Tage  ruhig  stehen  läßt  und  dann  unter  Vermeidung  von  Erscliür- 
terungen  auf  Poh'pen  hin  untersucht.  Sie  sitzen  alsdann  dem  Auge 
sichtbai-,  den  Wänden  wie  dem  Boden  des  Gefäßes,  besonders  an  der 
dem  Lichte  zugekehrten  Seite  an.  Hat  man  einmal  einen  Fundort  ent- 
deckt, so  kann  man  ziemlich  sicher  sein,  alljährlich  dort  Hydren  wieder 
zu  finden.  Im  Herbst  kommen  Exemplare  mit  Geschlechtsprodukten 
etwas  häufiger   vor. 

Die  etwa  acht  Tage  vor  Beginn  dieses  Kursus  einzufangeiiden 
Hydren  werden  auf  zwei  Gläser  verteilt.  In  eines  derselben  bringt  man 
möglichst  viele  kleine  Süßwasserkrebschen,  Cy  clopiden  und  Daphniden, 
hinein,  welche  den  Hydren  als  Futter  dienen.  Diese  so  reichlich  ge- 
nährten Tiere  treiben  innerhalb  dieser  Zeit  zahlreiche  Knospen.  Die 
in  dem  anderen  Glase  befindlichen  erhalten  keinerlei  Nahrung,  und  es 
sollen  sich  bei  ihnen  nach  einiger  Zeit  Geschlechtsprodukte  ausbilden. 
Hydren  mit  männlichen  Geschlechtsprodukten  lassen  sich  durch  reich- 
liche Fütterung  und  dann  Kaltstellen  züchten.  Man  kann  Hydren  den 
ganzen  Winter  über  im  Aquarium  züchten,  wenn  man  sie  zusammen  mit 
Wasserlinsen  und  anderen  Wasserpflanzen  hält,  und  gelegentlich  mit 
den  obenerwähnten   Süßwasserkrebschen   füttert. 


A.  Allgenieine  Übersicht. 

Der  Körper  der  Hydroidi)oIypen  ist  in  seiner  einfachsten  Form  ein 
cyJindrischer   Sclilauch,    der   mit    dem   aboralen    Pole   festsitzt    nnd   am 

oralen  Pole  die  häufig  auf  einem 
vorspringenden  vorderen  Körperteil 
(Rüssel)  befindliche  Mundöff- 
n  un  g  besitzt.  Die  Mundöffnung  liegt 
in  dem  Mundfeld  und  ist  umgeben 
von  Tentakeln,  fingerförmigen 
hohlen  oder  solidenKörperfortsätzen, 
die  zum  Erfassen  der  Beute  dienen. 
Die  Anordnung  der  Tentakel  wird 
bei  den  höheren  Formen  regel- 
mäßiger strahlig  und  gibt  den  ersten 
Anlaß  zur  Ausbildung  des  radiären 
Körperbaues.  Die  Seitenwand  des 
Körpers  ist  das  Mauerblatt  oder 
der  Kelch,  während  der  Polyp  mit 
dem  Fußblatt  festsitzt  (Fig.  24). 
Der  Körper  des  Polypen  ist 
zweischichtig,  und  diese  beiden 
Epithelschichten,  Ektoderm  und 
Entoderm  genannt,  entsprechen 
den  zwei  Körperschichten  der  bei 
den  Metazoen  auftretenden  Keimform  der  Gastrula. 

Zwischen  Ektoderm  und  Entoderm  liegt  eine  dünne,  struktuilose 
Lamelle,  die  Stützlamelle. 

Die  Ektodermzellen  vermögen  häufig  Sekrete  oder  starrwerdende 
Stoffe  auszuscheiden.  Ein  Teil  derselben  enthält  im  Innern  die  Nessel- 
kapseln, eigentümliche,  mikroskopisch  kleine,  als  Waffen  fungierende 
Gebilde,  ein  Teil  wandelt  sich  zu  Sinneszellen  oder  Ganglienzellen  um, 


Fig.  24.  Schematischer  Längsschnitt  durcli 
einen  Hydroidpolypen. 


3.  Kursus:  Ilytlroidpolypeii. 


43 


II 


III 


uiul  ein  t-roßer  Teil  besitzt  an  seiner  Basis  kontraktile  Fortsätze, 
die,  der  Stiitzlamelle  anliegend,  in  der  Längsrichtnng  verlaufen. 

Die  meist  mit  Geißeln  versehenen  Entodernizellen  besorgen  die 
Verdauung  der  aufgenommenen  Nahrung  und  besitzen  an  ihrer  Basis 
ebenfalls  kontraktile  P'ortsätze.  die  aber  in  der  Querrichtung  verlaufen. 

Die  Fortpflanzung  ist  eine  geschlechtliche  und  eine  ungeschlecht- 
liche durch  Knospung.  Wenn  sich  die  Knospen  nicht  loslösen,  sondern 
zusammen  im  Verband  bleiben,  entstehen  Tierstöcke.  Die  geschlecht- 
liche Fortpflanzung  erfolgt  durch  Ausbildung  von  Geschlechtsprodukten, 
die  im  Ektoderm  entstehen.  Bei  den  meisten  Hydroidpolypen  wird  die 
Erzeugung  von  Geschlechtsprodukten  m  besonders  gestaltete  Personen 
verlegt,  die  sich  vom  Stock  loslösen  und  als  Medusen  frei  umher- 
schwimmen, oder  an  der  Kolonie  festsitzend  verbleiben  und  medusoide 
Gonop hören  heißen  (s.  Fig.  25). 

Fig.  25.     Medusoide 

Gonopboren  von: 
I  Pennaria  cavohni, 
Schwiinmglocke  und 
Radialkanäle  noch 
erhalten ;  II  Cotyne 
pusilla,  nur  noch  die 
Schwimniglocke;  III 
unten  Clava  squa- 
iiiata,  noch  ein  Rest 
der  Schwinimglocken- 
anlage;  oben  Endeji- 

drium    racemostmi, 
Schwimniglocke  nicht 
mehr     angelegt.       5 
Spadix    (Magen    der 

Meduse)    (aus    R. 
HeetwiCt,  schemati- 
siert    nach      Weis- 
mann). 

Polyp  und  Meduse  stehen  also  miteinander  in  dem  Verhältnis, 
daß  auf  dem  Wege  der  Knospung  am  Polypenstock  die  Meduse  ent- 
steht, welche  Geschlechtsprodukte  erzeugt,  aus  denen  sich  wieder  der 
Polyp  entwickelt.  Dieses  Alternieren  einer  geschlechtlich  erzeugten  mit 
einer  ungeschlechtlich  erzeugten ,  abweichend  gestalteten  Generation 
nennt  man  Generationswechsel. 

Es  kann  nun  die  eine  oder  die  andere  (Jenei-ation  fehlen,  und  wir 
haben  dann  entweder  Polypen,  die  auch  auf  geschlechtlichem  Wege 
wieder  Polypen  erzeugen,  oder  Medusen,  aus  denen  wieder  Medusen 
hervorgehen. 

ß.  Spezieller  Kursus. 

Hydra. 

Eine  Hydra  viridissitiia  Pall.  oder  eine  der  anderen  Arten  wird 
mit  ziemlich  viel  Wasser  auf  den  Objektträger  gebracht  und,  ohne  sie 
mit  einem  Deckglas  zu  bedecken,  mit  schwacher  Vergrößerung  betrachtet, 
um  die  Bewegungen  des  Tieres  zu  sehen.  (Auch  kann  man  im  sog. 
hängenden   Tropfen  untersuchen.) 

"Wenn  dann  später  ein  Deckglas  auf  das  Präparat  gelegt  wird,  so 
ist  darauf  zu  achten,  daß  dieses  nicht  gedrückt  wird.  Man  vermeidet 
das  am  besten,  indem  man  ein  paar  i^chmale  Papierstürkehen  zu  beiden 
Seiten  des   Tieres  bringt   und   das  Deckglas   darauf  legt.     Auch  mit   vier 


44 


3.  Kursus :  Hydroidpolj'ptMi. 


au  die  Ecken  der  Unterseite  des  Deckglases  geklebten  Stückchen  Wachses 
(s.   8.  5)   kann   man   das   gleiche   erreichen. 

Zunächst   betrachten   wir  die  Köi'pergestalt   der  Hydra,   die   eine 
langgestreckte  Becherforin  aufweist  (Fig.  26). 


Mmul 


r.:.  Nessel - 
kajisclii 


Knospe 


Fig.  26.     Längsschnitt  durch    Hydra  viridissima  l'Ai.L.     Orig. 


Schon  am  lebenden  Tier  lassen  sich  die  beiden  Körperschichten 
dadurch  unterscheiden,  daß  die  Zellen  des  Entoderms  mit  einzelligen 
grünen  Algen  aneefüllt  sind. 


3.  Kursus:   Hydroidpolypen. 


45 


glas 


Die  Tentakel  von  Hydra  sind  hohl,  indem  die  Dannhöhle  in  sie 
hineinführt.  Auch  an  den  Tentakeln  lassen  sich  Ektodenn  und  Ento- 
derni,  sowie  die  zwischen  beiden  liegende  Stützlanielle  leicht  unter- 
scheiden. In  vielen  Ektodermzellen  liegen  stärker  lichtbrechende 
Körperchen,  je  eines  in  einer  Zelle.  An  den  Tentakeln  sieht  man  der- 
artige Zellen  zu  Wülsten  zusammentreten,  welche  spangenförmig  einen 
Teil  des  Tentakelumfanges  umgreifen.  Besonders  stark  ausgebildet  sind 
sie  bei  Hydra  vulgaris.  Diese  lichtbrechenden  Körperchen  sind  die 
Nessel  kapseln.  Bei  starker  Vergrößerung  stellen  sie  sich  als  mit 
einer  Flüssigkeit  gefüllte  Bläschen  dar,  in  welchen  ein  sehr  feiner 
Faden  spiralig  aufgerollt  ist.  Die  Ektodermzellen,  welche  die  Nessel- 
kapseln enthalten,  heißen  Nesselzellen;  sie  liegen  in  Lücken,  zwischen 
den  viel  Größeren  anderen  Ektodermzellen.  Ein  Druck  auf  das  Deck- 
genügt,  um  wenigstens  einige  Nesselfäden  herausschnellen  zu  lassen. 
Bei  gleichzeitiger  Beobachtung  unter  dem  Mikroskop  sieht  man, 
die  Nesselkapseln  gleichsam  explodieren,  indem  sie  ihren  Faden 
herausschnellen.  Jetzt  läßt  sich  auch  der  Nesselfaden  besser  be- 
obachten (stärkere  Vergrößerung,  Abbienden  des  Lichtes).  Er 
erweist  sich  als  äußerst  dünn,  und  nur  an  seinem  hinteren  Ende,  wo 
er  gleichsam  wie  aus  der  Nesselkapsel  ausgestülpt  erscheint,  ist  er 
dicker.  Hier  sieht  man  auch  drei  Widerhaken  abgehen,  und  über 
diesen  kann  man  noch  bei  sorgfältiger 
feiner  Häkchen  erblicken  (Fig.  27). 


wie 
weit 


Beobachtung 


eine  Anzahl  sehr 


Deckel 


Fitr.  27. 


i)T2f»nfcaÄn 


Explodierte  Nesselkapsel 
von  Hvdra. 


Ciiidocil 

-  Radiäre  Streil'ung 

-  Halsteil 

■~   Ziisanimen- 
gelegte  Stilptto 

—  Membran 

-  Nesselfäden 
Zellmembran 


28.      Nesselzelle    von    Hydra 
(uach  Grenachp:r). 


Der  Vorgang  der  Explosion  spielt  sich  etwa  folgendermaßen  ab: 
Jede  Nesselzelle  besitzt  einen  feinen  protoplasmatischen,  nach  außen 
vorragenden  Fortsatz:  das  Cnidocil  (Fig.  28).  Kommt  dieses  mit 
einem  vorüberschwimmenden  Tiere  in  Berührung,  so  reißt  die  von  der 
Flüssigkeit  aufs  äußerste  gespannte  Kapselmembran  an  einer  beson- 
ders dafür  eingerichteten,  streifigen  Stelle  und  der  Inhalt,  d.  h.  der 
Faden  wird  mit  großer  Gewalt  nach  außen  getriel)en. 
dreierlei  Nesselorgane  unterscheiden.  Die 
birnförmigen  sind  besonders  zahlreich  auf  den  Tentakeln,  und  an  der 
Basis  ihres  Fadens  durch  spitze  Fortsätze,  „Stilette"  ausgezeichnet.  Da- 
neben gibt  es  sehr  kleine  Nesseloi-gane,  deren  Faden  sich  nach  dem 
Ausstülpen  korkzieherförmig  umlegt,  und  drittens  walzenförmige,  sekret- 
Diese  drei  Formen  funktionieren  folgendermaßen. 


Es  lassen  sich 
)ereits    erwähnten   großen 


Die  großen 


reiche 

birnförmigen  Nesselkapseln  schlagen  bei  der  Explosion  ihren  Faden  in 
die  Haut  des  Beutetieres  ein.  wobei  das  Nesselsekret,  welches  aus 
Poren   des  Schlauches  ausströmt,   einen   aufweichenden  Einfluß  auf  die 


46  3.  Kursus:   Hydroidpolypen. 

Hülle  des  Beutetieres  ausübt,  während  die  drei  Stilette  l)oiirend  wirken. 
Es  ist  also  die  Wirkung  dieser  großen  Nesselkapseln  eine  vorwiegend 
mechanische.  Indem  gleichzeitig  iliier  viele  in  Aktion  versetzt  werden, 
wird  das  Beutetier  —  meist  kleine  Krebschen  —  fest  mit  dem  Ten- 
takel der  Hydra  verbunden,  und  durch  Kontraktion  des  Tentakels 
dem  Munde  zugeführt.  Die  kleinen  Nesselkapseln  umschlingen  mit 
ihren  korkzieherartig  ausgestülpten  Fäden  etwaige  Borsten  des  Beute- 
tieres und  fesseln  es  dadurch,  während  die  walzenförmigen  bei  der  Fort- 
bewegung eine  Rolle  zu  spielen  scheinen. 

Trotz  ihres  ungemein  feinen  und  komplizierten  Baues  sind  die 
Nesselkapseln  doch  nichts  anderes  als  Produkte  einzelner  Zellen. 

Die  großen  Ektodermzellen  laufen  auf  ihrei'  der  Stützlamelle  zu- 
gewandten Seite  in  längsverlaufende  kontraktile  Fortsätze  aus,  die  als 
Muskelfasern  fungieren.  Diese  Zellen  werden  als  Epithelmuskel- 
zellen bezeichnet. 

Eine  dritte  Art  von  Ektodermzellen  mit  auslaufenden  feinen  Fäden 
deutet  man  als  Ganglienzellen. 

An  der  als  „Fuß"  bezeichneten  Köi'perl)asis,  mit  der  sich  der 
Polyp  an  der  Unterlage  festheftet,  fehlen  die  Nesselzellen.  Dafür  wird 
aber  von  Ektodermzellen  Schleim  abgeschieden,  mittels  dessen  die  An- 
heftung  erfolgt.     Andei'e  Ektodermzellen   können  Pseudopodien   bilden. 

Die  Zellen  des  Entoderms  sind  am  lebenden  Tiere  kaum  deut- 
lich zu  sehen.  Nur  durch  vorsichtiges  Zerzui)fen  mittels  Nadeln  wird 
es  gelegentlich  gelingen,  leidlich  unverletzte  Zellen  zu  Gesicht  zu  be- 
kommen. Bessere  Bilder  liefert  die  Isolation  mit  chemischen  Mitteln,  doch 
würde  die  Anwendung  dieser  Methode  den  Ptahmen  unseres  Kurses 
überschreiten. 

Die  Fortpflanzung  der  Hydra  erfolgt,  wie  schon  erwähnt,  auf 
geschlechtlichem  und  ungeschlechtlichem  Wege.  Letzterer  zeigt  sich  in 
der  Ausbildung  einer  oder  mehrerer  (gewöhnlich  bis  fünf)  aus  dem  Mauer- 
blatt hervorsprossender  Knospen.  Im  Sommer  und  bei  guter  Fütterung 
der  gefangen  gehaltenen  Hydren  ist  es  leicht,  viele  Individuen  in  ver- 
schiedenen Stadien  der  Knospung  zu  beobachten.  Außerdem  kommt 
noch  Teilung,  und  zwar  sowohl  Längsteilung  wie  auch,  seltener,  Quer- 
teilung vor.  Nicht  häufig  finden  sich  Hydren  mit  Geschlechtsprodukten, 
am  häufigsten  bei  ungünstigen  Existenzbedingungen,  also  bei  Nahrungs- 
mangel oder  kälterer  Witterung  im  Frühjahr  (H.  viridissima)  oder 
Herbst  und  Winter  ( H.  vulgaris  und  //.  oligactis). 

Gewöhnlich  entwickeln  sich  die  aus  kleinen  (interstitiellen)  Zellen 
des  Ektoderms  entstehenden  Geschlechtsprodukte  in  der  Weise,  daß  die 
männliche  Zeugungszellen  enthaltenden  Hoden  zuerst,  und  später  am 
gleichen  Tiere  die  in  dem  Ovarium  liegenden  Eier  entstehen. 

Die  Lage  beider  ist  verschieden,  indem  sich  die  Hoden,  häufig  in 
größeier  Zahl,  ziemlich  dicht  unter  dem  Tentakelkranz  bilden,  das 
Ovarium  hingegen  mehr  in  der  Mitte  des  Körpers  entsteht. 

Schon  mit  schwacher  Vergrößerung  lassen  sich  leicht  die  Hoden 
als  beulenförmige  Erhebungen  von  weißlicher  Farbe  erkennen  und 
ebenso  der  Eierstock,  der  bei  Hydra  viridissima  als  eine  w'eiße,  (|uei' 
zur  Körperachse  gestellte  niedrige  Erhebung  erscheint  (s.  Fig.  2()). 

Die  männlichen  wie  die  weiblichen  Geschlechtsprodukte  ent- 
stehen also  im  Ektoderm. 


3.  Kursus:    Hydroidpolypen. 


47 


auch 


ge- 
eine H.  oligactis 


Neben  diesen  hermapliroditischen  Formen  kommen  aber 
trennt  geschlechtliche  vor,  und  zwar  ist  es  wohl  immer 
gleichende    Form,    die    aber   vielleicht    eine  Varietät   darstellt,    da   ihi-e 
kugeligen   ringsum   mit  kurzen  Höckern  besetzten  Eier  sich  von  denen 
von  h.  oligactis  unterscheiden. 

Hat  man  eine  Hydra  mit  reifen  Hoden  voj-  sich,  so  kann  man 
durch  vorsichtiges  Zerzupfen  die  Spermatozoen  freilegen,  die  aus  einem 
stark  lichtbi'eclienden  Köpfchen  und  einem  sehr  zarten,  langen  Faden 
bestehen. 

Im  Ovarium  wird  eine  Zelle  zur  Eizelle,  während  die  übrigen  zer- 
fallen und  der  amöboiden  Eizelle  als  Nahrung  dienen.  Die  Befruchtung 
und  Furchung  des  Eies  erfolgt  am  Körper  des  Muttertieres.  Es  fällt 
erst  ab,  nachdem  sich  vom  Ektoderm  aus  eine  dicke,  chitinöse  Schale 
gebildet  hat.     Diese  Schale  schützt  den  Eiubryo  während  trockener  oder 


der  Schale  wird  der  Eml)ryo  frei  und 
und  Tentakelbildung   seine  endgültige 


kalter  Zeiten.  Mit  dem  Platzen 
gewinnt  durch  Munddurchbruch 
Form. 

Fast  bei  jeder  Hydra  wird  man  an  ihrei'  Oberfläche  Infusorien 
sich  bewegen  sehen,  welche  ektoparasitisch  auf  ihr  leben;  so  die  Po- 
lypenlaus, Tric/iodina  pcdiculus.  Dieses  Infusoi'  gehöi't  zu  der  Oidnung 
der  Peritricha,  und  zeichnet  sich  durch  den  Besitz  zweier  Wimper- 
zonen aus;  mit  der  unteren  (hinteren)  vermag  es  sich  kriechend  schnell 
vorwärts  zu  bewegen,  doch  schwimmt  es  auch  frei  umher;  die  Gestalt 
ist  die  eines  kurzen  Zylinders.  Die  von 
dem  unteren  Wimperkranz  umschlossene 
Fläche  ist  zu  einer  Haftscheibe  entwik- 
kelt  (s.  Fig.  29).  Außerdem  sieht  man 
sehr  häufig  auch  die  in  Fig.  15  abgebil- 
dete oxytricha'dS\vX\Q\\Q  Keroiia  pcdicu- 
lus 0.  F.  M.  auf  den  Polypen  herum- 
kriechen. 

Außer  Hydra  viridissiiiia  finden 
sich  von  dieser  ziemlich  kosmopolitischen 
Gattung  in  Deutschland  noch  drei  andere 
Arten  Süßwasserpolypen,  welche  sich  von 
obiger  Art  dadurch  unterscheiden,  daß 
grünen  Algen  beherbergen, 
grau    oder    braun    gefärbt 

eine  dieser  Arten  H.  vulgaris  Pall.  (//.  grisca  L.)  hat  als 
Merkmal  aufzuweisen,  daß  ihr  unteres  Körperende  nicht 
vom  oberen  abgesetzt  ist,  was  bei  den  beiden  anderen  Arten 
H.  oligactis  Pall.  (//.  fusca  L.)  und  der  in  Deutschland  sehr  seltenen 
H.  polypus  L.  der  Fall  ist.  Auch  die  Form  der  Eier  ist  verschieden. 
H.  mridissima  hat  ein  kugeliges,  fast  glattes  Ei.  H.  vulgaris  ein 
kugeliges  Ei,  dessen  Schale  große,  an  der  Spitze  meist  verzweigte  Zacken 
tiägt,  und  H.  oligactis  ein  unten  Haches,  oben  konvexes  Ei.  dessen 
Schale  nur  auf  der  Oberseite  kurze  Stacheln  trägt. 

Erwähnenswert  ist  die  große  Regenerationsfähigkeit  von  Hydra. 
Man  kann  ein  Individuum  in  mehrere  Stücke  zerschneiden,  von  denen 
ein  jedes  wieder  zu  einem  vollständigen  Tier  auswächst. 

Berühmt  ist  der  TREMBLEYsche  Umkehrungsversuch,  der  in 
neuerer  Zeit  mehrfach  nachgemacht  worden  ist.  Die  Hvdra  wird  derait 
umgestülpt,   daß  ihr  Entoderm   nach  außen,  das  Ektoderm   nach  innen 


Fiü-. 


sie    keine 
und    meist 
sind.     Die 
besonderes 
stielförmig 


29.      Trichodiua  pediiiihis 
(nach  BÜTSCHi.i). 


48  3.  Kursus:   Ilydroidpolj-pen. 

kommt.  Es  liat  sich  nun  gezeigt,  daß  nicht  etwa  eine  Körperschicht 
die  Funktionen  der  anderen  übernehmen  kann,  sondern  daß  eine  Zurück- 
stülpung  eintritt. 

Tubulär ia  larynjc  (Ell). 

Es  werden  von  in  Alkohol  konserviertem  Materiale  von  Tubiilaria 
larynx  einzelne  Polypen  verteilt,  die  in  Uhrschälchen  unter  Alkohol 
gebracht  und  mit  der  Lupe  betrachtet  werden.  Außerdem  werden 
fertige  mikroskopische  Präparate,  Längsschnitte  dui'ch  Polypenköpfchen 
von    Tubiilaria  gegeben. 

Diese  in  der  Nordsee  häufige  Form  gehört  zur  Ordnung  der 
Tubulariae.  Der  hier  und  da  einen  Ast  abgebende  Stamm  trägt  an 
seinem  Ende  das  stattliche  Polypenköpfchen  (Hydrant).  Betrachten 
wir  zunächst  den  im  Uhrschälchen  liegenden  Polypen  mit  der  Lupe, 
so  sehen  wir,  wie  der  Stamm  mit  einer  aus  dem  Ektodei'm  abgeschie- 
denen festen  Hülle  (Periderm)  umgeben  ist,  welche  unterhalb  des 
Köpfchens  endigt,  so  daß  letzteres  nicht  geschützt  ist.  Das  rundliche 
Köpfchen  sitzt  breit  dem  Stamme  auf  und  zieht  sich  nach  oben  in 
eine  Art  Rüssel  aus,  in  welchen  die  Mundölfhung  führt.  Zwei  Ten- 
takelkränze sind  zu  bemerken,  der  eine,  tiefer  gelegene,  mit  etwa 
20  größeren  Tentakeln ,  der  andere  mit  ebenso  vielen  oder  etwas 
weniger,  kleineren  Tentakeln  um  die  Mundöfi'nung  herum.  Bei  größeren 
Formen  finden  sich,  etwas  oberhalb  vom  unteren  Tentakelkranz  ent- 
springend, rundliche,  an  kurzen  verzweigten  Stielen  sitzende  Ballen, 
die  Gonophoren,  welche  die  (leschlechtsprodukte  erzeugen.  Jüngeren 
(kleineren)  Exemplaren  fehlen  diese  Gonophoren  noch  (Fig.  30). 

Die  (jonophoren  dieser  Form  lösen  sich  nicht  los,  um  als 
Medusen  eine  freischwimmende  Lel)ensweise  zu  führen,  sondern  sie 
bleiben  am  Polypen  sitzen  und  stellen  medusoide  (ionophoren  dai'. 
An  verschiedenen  Präparaten  lassen  sich  diese  medusoiden  Gonophoren 
in  allen  Stadien  der  Ausbildung  verfolgen.  Sie  entstehen  folgender- 
maßen : 

Es  bilden  sich  zuerst  Ausstülpungen  der  Darmhöhle  des  Polypen- 
köpfchens, dei'en  Wandung,  wie  die  des  Polypen,  aus  Ektoderm,  Stütz- 
lamelle und  Entoderm  besteht.  Der  in  jedem  Gonophor  enthaltene 
Teil  der  Gastrovaskularhöhle  heißt  Spadix.  Am  freien  Ende  wuchert 
das  Ektoderm  nach  innen,  und  es  l)il(let  sich  eine  abgeschnürte  Portion 
desselben,  die  sich  kappenförmig  in  das  Entoderm  eindrängt.  Aus  diesen 
abgeschnürten  Ektodermzellen  entstehen  die  Geschlechtsstoffe,  und  zwar 
in  demselben  Polypen  entw^eder  nur  männliche  oder  nur  weibliche.  Die 
weiblichen  Gonophoren  enthalten  einige  wenige  Eier,  die  in  der  Weise 
entstehen,  daß  eine  Anzahl  von  Keimzellen  verschmelzen  aber  nur  ein 
Kern  bestehen  bleibt,  der  zum  Eikern  wird.  Es  bildet  sich  nun 
während  der  Eireifung  eine  von  vier  Höckern  umstellte  Öffnung  am 
freien  Ende  des  Gonophors  (schon  bei  schwächerer  Vergrößerung  deut- 
lich sichtbar),  aus  welcher  das  im  Innern  des  Gonophors  befruchtete 
Ei.  welches  zu  einem  kleinen,  als  Actinula  bezeichneten  Embryo  heran- 
gewachsen ist,  ausschlüpft.  Aus  dieser  Actinula  entsteht  aufs  neue 
ein  Polyp. 

Bei  einer  nahe  verwandten  Form,  der  Tubiilaria  i?idivisa,  welche 
sich  durch  den  Besitz  unverzweigter  Stämme  auszeichnet,  ist  übrigens 
der  Gonophor  medusenähnlicher,  indem  sich  auch  die  vier  Radialkanäle 
vorfinden,  welche  den  Medusen  eigentümlich  sind. 


'^.  Kursus:    Hydro! dpolypen. 


49 


Bei  anderen  Tubulariiden  findet  die  Loslösung  der  Gonophoren  in 
dei"  Tat  statt,  und  letztere  werden  zu  freischwimmenden  Medusen. 

Der  feinere  Bau  von  Tnbnlaria  larynx  läßt  sich  am  mikrosko- 
pischen Präparate  eines  Längsschnittes  mittels  starker  Vergrößerung 
wahrnehmen. 

Von  Besonderheiten  ist  zu  erwähnen  der  stark  entwickelte  aborale 
Mesodermwulst,  ein  am  Grunde  des  Polypenköpfchens  befindlicher 
Ring,  der  zur  Stütze  des  unteren  Tentakelkranzes  dient.  Bei  andeien 
Tulnilariiden    findet    sich    auch   ein  kleinerer  oralei-  Mesodermwulst  am 


6vSi.(Xi.\\Xi\}tdj 


H<\X'^U^.-^t\<ij. 


Fig.   30.      Läiigssrlinitt   dnroli    Tulnilaria  larvnx.      Oriii'. 


(irunde  des  olleren  Tentakelkianzes.  Der  aborale  Mesodermwulst  engt 
das  Lumen  der  Gasti'ovaskularhöhle  stark  ein,  so  daß  hier  ein  enger 
Kanal  entsteht,  der  sich  erst  in  einei-  unterhalb  des  Wulstes  gelegenen 
Anschwellung,  dem  „Knopf",  wieder  erweitert.  Am  „Knopf"  sieht  man 
auch  eine  ringförmige  Wucherung  des  Ektoderms  (s.  Fig.  30). 

Ferner  weist  das  Entoderm  in  dem  obersten  Teile  des  (Jastro- 
vaskularsystems  eigentümliche  wulstartige  \'orwucherungen  auf.  die  abei- 
niclit  etwa  als  eine  Schlundrohrbildung  aufzufassen  sind. 

K  II  koii  I  h  ul  ,   Zoo!.   Pralstikiim.    5.   Aufl.  /( 


50 


3.  Kursus  ■■  Hydroidpolypen. 


Auch  ist  auf  <lie  Struktur  der  Tentakel  zu  achten.  Während 
wir  die  Tentakel  bei  Hydra  hohl  fanden,  sind  sie  hier  solid,  und  wir 
sehen  das  Ektoderm  mit  zalilreichen  Nesselzellen,  dann  die  Stützlamelle 
und  innen  die  in  mehreren  unregelmäßigen  Reihen  angeordneten  großen 
Entodermzellen.  In  den  unteren  Tentakeln  sind  die  Maschen  dei-  Ento- 
dermzellen  etwas  enger  als  in  den  oberen,  wo  sie  besonders  an  der 
Spitze  sehr  groß  werden. 


Cordylophora  lacustris  (Allm). 

Außer  Hydra  findet  sich  noch  eine  weitere  Gattung  von  Hydroid- 
polypen nicht  im  Meere  vor,  die  zu  der  Ordnung  der  Tubulariiden 
gehörige   CordylopJwra  lacustris,    welche   im   Bi'ackwassei-.    seltener   im 


Fig.   31.      Cordylophora  lacustris  (iincli   F.   E.    SchT'LZE). 


iwasser  lebt.  Sie  kann  dichte  Rasen  aus  horizontal  gelagerten 
Röhren  (Stolonen)  und  sich  senkrecht  daraus  erhebenden  Stämmen 
bilden,  die  ihrerseits  in  ziemlich  gleichen  Abständen  Zweige  abgeben. 
An  den  Enden  der  Zweige  sitzen  die  Polypenköpfchen.  Die  Gonophoren 
dagegen  w^erden  ebenfalls  vom  Periderm  umhüllt,  welches  zu  einer 
großen  Kapsel  (Gonothek)  ausgebaucht  wird. 

Die  Polypenköpfchen  sind  im  allgemeinen  walzenförmig,  die 
endständigen  am  größten  und  mehr  aufgetrieben.  Wie  bei  Tiibularia, 
so  bildet  auch  hier  der  vorderste,  die  Mundöffnung  tragende  Teil  eine 
Art  Rüssel  (Proboscis).    Die  Tentakel,  an  Zahl  sehr  wechselnd,  sitzen 


Kursus:    Ilj'droidpolypeu. 


51 


aber  iiiclit,  wie  bei  Tnbularia,  in  zwei  Kränzen,  sondern  nnregehiiäßig 
zerstreut  und  in  sehr  wechselnder  Zalil  an  der  vorderen  Hydrantenhälfte 
(Fig.  31). 

Die  Gonophoren,  welche  entweder  nur  männliche  oder  nur 
weibliche  (ieschlechtszellen  in  einer  Kolonie  erzeugen,  sind  ansehnliche 
Gebilde  von  etwa  eirunder  Gestalt,  an  deren  Bildung  sich  alle  Schichten 
des  Weichkörpers,  sowie  das  umhüllende  Periderm  beteiligen. 

Wenden  wir  stärkere  Vergrößerung  an,  um  den  Bau  der  Tentakel 
zu  studieren,  so  sehen  wir  einen  wesentlichen  Unterschied  gegenüber 
dem  der   Tubularia-'X.QwVdkQS.. 

Das  Entoderm  besteht  nämlich  liiei-,  wie  bei  den  anderen  Hj'droid- 
polypen  auch,  aus  einer  einzigen  Reihe  hintereinander  liegender  scheiben- 
förmiger Entodermzellen,  in  deren  Mitte  jedesmal  der  Kern  liegt.  Nach 
der  Spitze  des  Tentakels  zu  werden  diese  Zellen  immer  höher. 

Nicht  selten  wird  man  übrigens  im  Piäparat  an  den  Stämmen 
und  Stolonen  kugelförmige  Körperchen  finden,  die  mittels  eines  stai'k 
zusammengeringelten  Stieles  festsitzen,  und  in  deren  Mitte  ein  stark 
gefärbter  wurstförmigei-  Körper  sichtl)ar  wird.  Es  sind  das  Vorti- 
c  eilen,  welche  mit  konserviert  und  gefäi'bt  worden  sind,  und  der  w^urst- 
f()i'mige  Kcuper  ist  der  Kern. 

Chiva  squaniffta  (Hcks.). 

Die  kleine,  besonders  häutig  auf  Blasentang  sitzende  Clai'n  squa- 
iiiafa  besteht  aus  einem  zarten  Geflecht  dicht  miteinander  verwachsene!' 
horizontale!'  Stolonen 
(Hydrorhiza),  aus 
dem  sich  die  langen 
Polypen  diiekt  erhe- 
ben. Der  untere  Teil 
derselben    ist    mehr 


Muniiriiriiiiiii'- 


röhrenförmig  und 
kann  als  Andeutung 
eines    Stammes    an- 
gesehen weiden,  der 
obere  trägt  eine  An- 


Mt:il<cl 


zahl 


(gegen 


20)  un- 


regelmäßig zerstieu- 


Kntoflonti 


^pMilix 


EkliKloriii 


ter  Tentakel  und  ist 
keulenförmig  gestal- 
tet. Der  Mund  sitzt, 
wie  bei  den  vorher 
beschriebenen  Arten, 
an  der  Spitze  eines 
Piüssels. 

Unterhalb  der 
untersten  Tentakel 
sitzen  bei  den  größe- 
len  Formen,  dicht  an- 
einander gech'ängt, 
die  Gonophoren,  welche  einen  sehr  einfachen  Bau  haben  (Fig.  32). 

Schon  bei  schwacher  Vergrößerung  sieht  man,  daß  die  sehi'  zahl- 
reichen rundlichen  oder  ])irnförmigen  Gonophoren   in    dichten  Klumi)en 


iii' 


O') 


C/avd  .sijitiiniatii,  rechts  Längsschnitt  durch  ciiuMi 
weiblichen  Gonojjhor.     Orig. 


zusammensitzen,    deren  jeder  von   eine!n 


ganz 


kurzen  Stiel   ent})!'iiigt. 

4* 


52 


3.  Kursus:    Hydvoidpolypen. 


In  jeden  Gonoplior  tritt  die  Gastrovaskulaiiifilile  als  kurzer,  sich  oben 
etwas  verbreiternder  Spadix  ein,  und  um  ihn  herum  legt  sich  am  freien 
Ende  kappenförmig  die  Masse  dei-  aus  dem  Ektoderm  durch  Einstül- 
pung und  Abschnürung  entstandenen  Keimzellen.  Entweder  entwickeln 
sich  in  den  Gonophoren  einer  Kolonie  nur  weibliche  Geschlechtsprodukte, 
die  sich  ohne  weiteres  als  ein  oder  zwei  ziemlich  große  Eier  erkennen 
lassen,  odei*  nur  männliche.  Die  reifen  männlichen  (ionophoren  zeigen 
den  Hoden  als  dicken,  quer  über  dem  niedrigen  Spadix  gelagerten 
Wulst,  aus  zahllosen,  strahlig  angeordneten,  sehr  kleinen  Zellen  be- 
stehend, den  Samenbildnern,  deren  jede  zu  einem  Spermatozoon  aus- 
wächst. 

Campamilavia  Jfexuosa  (Hcks.). 

Die  in  Nord-  und  Ostsee  sehr  häufige  große  Form  zeigt  den 
typischen  Bau  der  Campanularien.  Wenden  wir  zunächst  schwache 
Vergrößerung  an.  so  sehen  wir  die  verzweigten  Röhren  an  ihren  Enden 


"";.■."-"-■-    Tentakel 


Ektoderm 
Entotlerm 

iliind 
livdruthek 


Ektoderm 
Entodoriu 

Periderm 


T.lasidstv 


Fig.   33.      Cainpamilaria  flexnosu,    Polyp  und   (tonangiuiii.      Oi'ig. 


in  Polypenköpfchen  auslaufen,  welche  von  kelchartigen  Bechern  umhüllt 
sind.  Diese  Becher  setzen  sich  in  das  die  Röhren  umkleidende  Peri- 
deim  fort  und  heißen  Hydrotheken.  Sie  gewähren  den  zurückzieh- 
baren Polypenköpfchen  Schutz,  was  man  meist  schon  am  Präparat  sehen 
kann,    indem    einige    Polypen    mit    ausgestreckten    Tentakeln    aus    der 


Hydrothek  hervorragen, 


andere  gänzlich 


m  SIC 


emgezogen 


sind. 


3.  Kursus:    Hydroidpolyiien.  53 

Das  Pciideim  ist,  besonders  unterhalb  der  Köpfchen,  legehnäßig 
geringelt. 

Außer  den  Polypen  sieht  man  noch  an  einzelnen  Präparaten 
erößere  Becher,  in  denen  runde  Ballen  sichtbar  sind.  Das  sind  zu  Be- 
hältern  umgebildete  Polypen,  in  welchen  sich  die  (lonophoren  ent- 
wickeln. 

Diese  Behälter  gehen  immer  von  dem  unteren  Ende  eines  Köpfchen- 
stieles ab  (Fig.  3o). 

Bei  Anwendung  stärkerer  Vergrößerung  läßt  sich  nun  der  Vev- 
lauf  der  einzelnen  Körperschichten  feststellen.  Betrachten  wir  zunächst 
eine  Polypenröhre,  so  sehen  wir  zu  innerst  einen  zum  Gastrovasku- 
larsystem  gehörenden  Kanal,  dessen  Lumen  von  einer  Zellschicht,  dem 
Entoderm,  ausgekleidet  wii'd.  Nach  außen  davon,  durch  die  zarte  Stütz- 
membran getrennt,  liegt  das  aus  l)lasigen  Zellen  bestehende  Ektoderm, 
welches  hier  und  da  seitliche  Ausläufer  zum  Periderm  sendet. 

Ganz  ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  im  Polypenköpfchen.  Am 
Boden  der  Hydrothek  erweitert  sich  die  Köri)erwand  und  reicht  bis  zur 
äußeren  Hülle  des  Kelches.  Unterhalb  dieser  ^'erbreiterung  bildet  das 
Ektodei-m  einen  ringförmigen  Wulst. 

Eine  tiefe,  ringförmige  Einschnürung  trennt  den  oberen,  die  Mund- 
ötfnung  tragenden  Teil  des  Körpers  von  dem  unteren,  auf  dessen  oberem 
Rande  in  einfacher  Reihe  die  Tentakel  sitzen.  Der  Bau  der  Tentakel 
zeigt  eine  solide  Achse  aus  ziemlich  hohen  Entodermzellen.  sowie  das 
durch  die  Stützlamelle  getrennte,  mit  Nesselzellen  versehene  Ektoderm. 

Die  Gonophorcn  entstehen  als  seitliche  Ausbuchtungen  eines 
mund-  und  tentakellosen  Polyi)en.  des  Blastostyls,  welcher  von  einer 
stark  erweiterten  Peiidei'uikapsel.  der  Gonothek,  umhüllt  ist.  Das 
gesamte  Gebilde  wird  (Jonangium  genannt.  Oben  erweitert  sich  der 
Blastostyl  trichterförmig  und  schließt  mit  einer  breiten  Scheibe  ab,  über 
welcher  der  Deckel  liegt. 


4.  Kursus. 

Medusen. 

Technische  Vorbereitungen. 

Für  diesen  Kursus  ist  man  auf  die  Demonstration  konservierten 
Materiales,  sowie  einiger  mikroskopischer  Präparate  von  kleinen  Medusen- 
formen angewiesen. 

Zu  den  Medusen  oder  Quallen  werden  zwei  ganz  verschiedene 
Gruppen  von  im  Meere  schwimmenden  Coelenteraten  gerechnet,  von 
denen  wir  die  eine,  die  Hydromedusen,  bereits  kennen  gelernt  haben 
als  sich  vom  Stock  ablösende  Geschlechtstiere  der  Hydroidi)olypen.  Die 
zweite  Gruppe,  die  der  Scyphomedusen,  zeigt  wohl  mancherlei  äußer- 
liche Ähnlichkeiten  mit  der  ersteren,  aber  auch  tiefgreifende  Unter- 
schiede, und  ihre  Herkunft  ist  auch  eine  andere,  indem  sie  nicht  von 
Hydropolypen,  sondern  von  den  anders  gebauten  Scyphopolypen  ab- 
stammen. 

,Wir  beginnen  mit  der  Besprechung  der  Hydromedusen. 


54  J-   Kursus;   ]\Ifilusi'n. 

I.  Hydromedusen. 
A.  Allgeineiiie  Übersicht. 

In  dem  Kursus  ülier  Hydroidpolypen  hatten  wir  diejenigen  Formen 
von  (ieschlechtstieien  näher  kennen  gelei'nt,  welche  sich  nicht  ablösen, 
um  als  Hydi'omedusen  ein  freies  Leben  zu  führen,  sondern  am  Stocke 
verbleiben:  die  medusoiden  Gonophoren. 

Die  frei  werdenden  Hydiomednsen  bilden  sich  in  Übereinstimmung 
mit  den  neuen  P^xistenzbedingungen,  welche  die  schwimmende  Lebens- 
weise mit  sich  bringt,  in  vieler  Hinsicht  weiter  aus.  Ihre  Form  ist 
die  einer  Schale  oder  einer  Glocke,  aus  der,  in  der  Mitte  der  Unter- 
seite entspringend,  ein  verschieden  langes  Rohr  herabhängt.  Die  Glocke 
ist  der  Schirm  oder  die  Umbrella.  die  gewölbte  Oberseite  die  Ex- 
umbrella,  die  Unterseite  die  Subumbrella  und  das  herabhängende, 
mit  der  Mundöffnung  beginnende  Rohr  das  Mundrohr,  welches  in  die 
Darmhöhle  führt.  Diese  Darmhöhle  besteht  aus  einem  zentralen  Teile, 
dem  Hauptdarm,  und  davon  ausgehenden,  zur  Peripherie  ziehenden 
Kanälen,  ursprünglich  vier  an  der  Zahl,  den  Radial kanälen.  welche 
durch  einen  in  der  Peripherie  des  Schirmes  liegenden  Ringkanal  mit- 
einander verbunden  sind  (s.  Fig.  34  u.  35). 

Daß  trotz  dieser  Umformungen  die  Meduse  nur  ein  inoditiziei'ter 
Hydroidpolyp  ist.  erkennt  man  aus  einem  Vergleich  der  beiden  Sche- 
mata Fig.  24  und  34.  Die  wichtigste  Veränderung  ist  die  Ausbildung 
einer  ansehnlichen,  zellenlosen  Gallertschicht  an  Stelle  der  Stütz- 
lamelle des  Polypenköi-pers.  Die  Exumbrella  der  Meduse  entspricht 
dem  Mauerblatt  und  Fußblatt  des  Polypen .  die  Subumlirella  dem 
Peristom,  das  Mundrohr  dem  Rüssel,  wie  er  sich  bei  vielen  Polypen 
vorfindet. 

Der  veränderte  Bau  der  (jastrovaskularliöhle  läßt  sich  folgendei-- 
maßen  verstehen:  An  Stelle  des  einheitlichen  Hohlraumes  des  Polypen 
sehen  wir  bei  der  Meduse  einen  zenti'alen  Hauptdarm  und  die  mittels 
des  Ringkanales  verbundenen  Radialkanäle,  die  zusammen  dem  einheit- 
lichen Hohlraum  des  Polypen  entsprechen.  Die  Radialkanäle  sind  (ki- 
durch  zustande  gekommen,  daß  infolge  der  starken  Gallertentwicklung 
in  der  Meduse  sich  obere  und  untere  Darmwand  in  der  Schirmperi- 
pherie stark  genähert  haben  und  an  den  zwischen  den  Radialkanälen 
gelegenen  Stellen  verschmolzen  sind  (Cathammalplatten  oder  Ento- 
dermlamellen). 

Der  ganze  Schirm  sowie  die  Außenseite  des  Mundrohres  sind 
von  Ektodei-mepithel  bedeckt,  während  Mundrohr,  Zentralmagen  und 
Radialkanäle  samt  Ringkanal  von  entodermalem  Geißelei)ithel  ausge- 
kleidet sind. 

Wie  bei  den  Hydroidpolypen,  so  linden  sich  auch  bei  den  Hydro- 
medusen Tentakel  an  der  Grenze  von  Mauerblatt  und  Peristom,  also 
bei  den  Medusen  am  Schirmrande,  voi'. 

Neue,  in  Übereinstimmung  mit  dem  frei  beweglichen  Leben  auf- 
tretende Organe  sind  die  am  Peripherierande  sitzenden  Sinnesorgane, 
entweder  einfach  gebaute  Ocellen  oder  Statocysten.  ferner  das 
Velum,  ein  von  der  Peripherie  herabhängender  dünner  ektodermaler 
Saum,  in  welchen  die  der  Schirmgallerte  entsprechende  mesodeimalc 
Stützlaniclle  eintritt.  Dieses  Velum  dient  zusammen  mit  der  Sulmni- 
brella   als   Bewegungsorgan,    indem  es   wie  diese  eine  wohlausgebildete 


4.  Kursus:    Medusen. 


55 


Muskulatur  liesitzt,  vermittels  welcher  es  sich  kontrahieren  und  das  Wassei- 
aus  der  Höhluni>-  zwischen  dem  Veluni  und  dei'  konkaven  Subumbrella 
ausstoßen  kann.  Dadurch  erfolgt  eine  rückläufige  Bewegung  der  Meduse, 

HaTiptflarni 


Ekt 
(iallcrtscliicht 
Eiitodenii 


Kadialkanal  ■ 


Kingkaiial 


Tentakel    T 


-  Kntodenn- 
lamellc 


Ringkanal 


Vclum    Nervensystem 


Fig.  34.     Sclieiiiatisclier  Läii}>sscliiiitt  duirli  eine 
Hydronieduse  (Orig.). 


die  also  mit  ihrer  Exumbrella  voranschwimmt.  Zwischen  den  Ring- 
muskelschichten des  \'elum  und  der  Subumbrella  liegt  in  der  Peripherie 
das    zentrale    Nervensystem,    welches    einen    doi)i)elten    Ring    von 


Kaiiil- 
l)l;isclii'ii 


I*'ig.  'S').  Schciiiatisclie  Darstellung  einer  H ydroiiieduse.  welcher  etwas  iiielir 
als    ein    (j),uadraiit    ausgeschnitten    ist.      (Verändert    nacli    Parker    und    Haswell.) 

Mit  Fig.  34  zu  vergleichen  I 

Ganghenzellen  und  Nervenfasern  darstellt.  Der  obere  Ring  versorgt 
vorzugsweise  die  Sinnesorgane,  ist  also  sensibel,  der  untere  die 
Muskulatur,  ist  also  motorisch  (Fig.  34  u.  35). 


Of) 


4.  Kursus:  Medusen. 


Die  Gesclileclit.s})rodiikte  bilden  sich,  wie  wir  das  schon  bei 
den  medusoiden  Gonophoren  gesehen  haben,  aus  dem  Ektoderni,  und 
zwar  entweder  an  den  Radialkanälen  oder  am  zentralen  Darm  oder  am 
Mundrohr. 

B.  Spezieller  Kursus. 

Sarsia  ejcimia  (Allm.). 

Von  dieser  kleinen,  in  der  Nordsee  sehr  häufigen  Form  wird  jedem 
Praktikanten  ein  Exemplar  in  Alkohol  gegeben,  das  zunächst  unter  der 
Lupe   zu   betrachten   ist. 

Die  Sarsia  gehört  zu  den  von  Tubulariiden  abstammenden  Antho- 
medusen,  und  zwar  zur  Familie  der  Codoniidae. 

Zunächst  ist  ihre  äußere  Körperform  zu 
betrachten  und  zu  zeichnen.  Die  etwa  4  mm 
hohen,  3  mm  breiten  Medusen  haben  eine 
hochgewölbte  Gestalt  (Fig.  oO).  Die  Gallert- 
masse der  ümbrella  ist  stark  entwickelt  und 
daher  die  Meduse  ziemlich  resistent.  Die  Sub- 
umbrella  geht  sehr  tief  ins  Innere  hinein. 
Man  sieht  das  besonders  deutlich,  wenn  man 
die  Meduse  mit  der  Nadel  so  orientiert,  daß 
man  mit  der  Lupe  in  die  Glocke  hineinschauen 
kann.  Am  Rande  zwischen  Exumbrella  und 
Subumbrella  sieht  man  ein  schmales,  aber 
deutliches  Velum,  an  dem  man  mit  schwacher 
Mikroskopvergrößerung  die  Ringmuskula- 
tur wahrnehmen  kann. 

Das  Mund  röhr  ist  im  Leben  des  Tieres 
außerordentlich  kcntraktionsfähig.  und  man 
sieht  es  daher  an  konservierten  Exemplaren 
verschieden  lang,  meist  aber  in  die  Glocke 
zurückgezogen. 

Der  Magenhohlraum  setzt  sich  nach 
oben  durch  die  Gallerte  bis  zur  Exumbrella 
als  feiner  Kanal  fort.  Die  vier  vom  Magen 
ausgehenden  Radialkanäle  sind  deutlich  zu 
sehen.  Da,  wo  die  Radialkanäle  in  den 
Ringkanal  einmünden,  sieht  man  eine  Verdickung,  in  deren  ekto- 
dermaler  Umgebung  ein  runder  Ocellus  liegt,  und  von  der  aus  die 
hohlen,  meist  stark  kontrahierten  Tentakel  abgehen.  An  einzelnen 
Exemplaren  sieht  man  auch  die  Geschlechtsprodukte,  welche  als 
einheitliche  Masse  den  Mundstiel  umgeben. 

Fernere  Einzelheiten  lassen  sich  noch  erkennen,  wenn  man  ein 
kleines  Exemplar  dieser  Meduse  unter  Glyzerin  auf  den  Objektträger 
l)ringt,  mit  einem  Deckglas  bedeckt  und  mikroskopisch  untersucht,  doch 
sind  in  dieser  Hinsicht  die  anderen  hier  behandelten  Hydromedusen 
günstiger. 

Der  Polyp,  von  welchem  die  Meduse  abstammt,  heißt  Syncorync 
eximia  Allm. 


I'ig.   36.      Sarsia  eximia 

(nach   Böhm). 


4.  Kursus:  Medusen. 


57 


Tiara  pUeata  (Ag.) 

Diese  schöne  Form  gehört  einer  anderen  Anthomedusenfaniilie, 
den  Tiaridae  an.  die  sich  von  den  Codoniiden  dadnrch  nnterscheiden. 
daß  sie  breite,  gekiäiiselte  Miind- 
lappen,  getrennte  Gonaden  in  der 
Magenwand  und  breite,  bandför- 
mige Radialkanäle  besitzen. 

Die  Tiara  plicata  ist  eine  sehr 
häufige,  im  Mittehneer  wie  an  den 
westUchen  und  nördlichen  europäi- 
schen Küsten  vorkommende  Form. 

Wir  untersuchen  sie  im  Glas- 
schälchen  über  dem  schwarzen 
Teile  der  Porzellan  platte  mit  der 
Lupe. 

Die  Gestalt  des  Schirmes  ist 
glockenförmig  mit  einem  konischen 
Scheitelaufsatz.  1 — 2  cm  hoch 
und  'Yi — 1^'2  cm  breit,  der  indes- 
sen (wie  auf  der  Abbildung)  auch 
fast  völlig  fehlen  kann. 

Der  rundliche  bis  kubische 
Magen  ist  durch  die  vier  in  seiner 
Wandung  sitzenden  Gonaden  ver- 
deckt. Die  Gonaden  sehen  un- 
regelmäßig gefiedert  aus,  indem  sie 
in  Querwülsten  angeordnet  sind. 
Unter  ihnen  treten  die  vier  großen, 
blumenkohlartig  geteilten  Mund- 
lappen hervor  (Fig.  37). 

Die  vier  Radialkanäle   sind 
deutlich  sichtbar  als  milchweiße,  ziemlich  breite  Bänder,  auch  der  Ring- 
kanal, in  den  sie  einmünden,  ist  deutlich  zu  erkennen. 

Die  Tentakel  stehen  in  größerer  Zahl,  meist  12 — 16,  am  Schirm- 
rande, sind  länger  als  die  Schiiinbreite  und  an  der  Basis  stark  verdickt. 

Ohelia  (feniculata  (L.). 

Diese  kleine,  nur  wenige  Milli- 
meter im  Durchmesser  haltende 
Meduse  ist  an  den  atlantischen 
Küsten  Europas  sehr  verbreitet  und 
gehört  zu  den  von  den  Campanu- 
lariiden  abstammenden  Lepto- 
medusen,  die  besonders  dadurch 
charakterisiert  sind,  daß  sie  ihre 
Geschlechtsprodukte  an  der  Wan- 
dung der  Radialkanäle  bilden  (siehe 
Fig.  38). 

Vorliegende    Form     ist     unter 
dem  Mikroskop  zunächst  mit  schwä- 
cherer Vergrößerung,    dann    mit    stärkerer    zu  betrachten.      Es   empfiehlt 
sich,   gleich  fertige,   gefärbte  Präparate   zu  geben. 


37.      Tiara  pileata 
(nach  IIaeckel.  aus  Hatschkk). 


Fig.  38. 


Ohelia  gcnictilata    (nach  BÖHM). 


58 


4.  Kursus:  Medusen. 


Der  Schirm  ist  kreisrund  und  Üacli  scheibenförmig.  Der  l<urze, 
vierkantige  Magen  ist  in  vier  kurze  stumpfe  Mundzipfel  ausgezogen. 
Von  ihm  sieht  man  die  vier  Radialkanäle  zum  Ringkanal  ziehen, 
der  ebenfalls  sehr  deutlich  ist.  An  den  Wandungen  der  Radialkanäle 
sind  die  Gonaden  als  seitliche,  kugelige  Anschwellungen  wahrzunehmen, 
die  auf  ein  kurzes,  peripheres  Stück  derselben  beschränkt  sind. 

Die  ziemlich  langen  Tentakel  stehen  sehr  zahlreich  am  Schiiin- 
i'ande;  sie  sind  solid,  aus  einer  Achse  von  regelmäßigen  Entodermzellen 
und  dem  mit  sehr  großen  Nesselzellen  versehenen  Ektoderm  bestehend. 
Zwischen  je  zwei  Radialkanälen  liegen  zwei  Randbläschen  (Stato- 
cysten)  von  halbkugeliger  Form,  also  zusammen  acht.  (Ihre  Lage  ist 
daher  adradial,  s.  S.  59.)    Sie  springen  nach  außen  vor  und  sind  nicht 

zu    verw'echseln     mit 

Volum 


Maiitelspangc 


Tontakcl 


-  J!;ulialk;iMal 


Gouade  Volum  nach    iuneu    voi'spriu- 

genden  Bläschen  an 
der  Basis  jedes  Ten- 
takels, die  nur  die 
untersten  Entoderm- 
zellen des  Tentakels 
sind. 

Die  Obelia  genicti- 
lata  stammt  von  dem 
gleichnamigen,  zu  den 
Canipanulariiden  gehö- 
rigen Polypen  ab,  in 
dessen  Gonangien  sie 
sich  in  ungeheueren 
Massen  entwickelt. 

Lh'iope    eiwybia 

(H.). 

Liriope  ist  eine  be- 
sonders im  Mittelmeere 
sehr  häutige  und  in 
großen  Schwärmen  auf- 
tretende Hydrome- 
duse,  welche  den  Tra- 
chymedusen  ange- 
hört, denen  ein  Gene- 
rationswechsel fehlt,  so 
daß  aus  den  Eiein  der  Meduse  direkt  wiedei-  Medusen  entstehen. 

Sie  eignet  sich  wegen  ihrer  flachen  Form  und  geringen,  meist 
unter  1  cm  haltenden  Größe  sehr  gut  zur  Anfertigung  mikroskopischer 
Präparate.  Ein  solches  soll  der  Beschreibung  zugrunde  gelegt  werden 
(s.  Fig.  39). 

Der  Schirm  ist  kreisförmig  und  flach,  an  seiner  Peripherie  sieht 
man  ein  l)reites,  zartes  Velum.  Aus  der  Mitte  der  Oberfläche  ent- 
springt mit  konischer  Basis  ein  solider  gallertartiger  Mtigenstiel,  an 
dessen  unterem  Ende  der  Magen  mit  der  Mundöifnung  liegt.  Eine  aus 
dem  Munde  hervorragende  gallertige  Spitze  ist  der  Zungenkegel. 

Der  Mund  ist  nicht  gelappt,  ganziandig  und  quadratisch.  An  den 
vier  bis  in  den  Magenstiel  verlaufenden  Radialkanälen  sitzen  die  stark 
entwickelten    Geschlechtsprodukte,   entwedei'  männliche   oder  weibliche; 


Zuii"onUciiOl 


iMg. 


;jii. 


Liriope  ciirybiu,   von    oben   gesellen 
(nach  Haeckel). 


4.  Kursus:  Medusen.  59 

letztei-e  sind  sofort  an  einzelnen  großen  Eiern  zn  erkennen;  ancli  sind 
die  männlichen  Gonaden  kompakter  nnd  mehr  rechteckig.  Die  Gonaden 
lassen  nni-  das  innere  Drittel  des  Radialkanals  frei  und  gehen  bis  zum 
Ringkanal,  in  ihrer  äußeren  Gestalt  als  flache,  eiförmige  Blätter  er- 
scheinend. Die  viel-  perradial  stehenden  Tentakel  sind  hohl  und  länger 
als  der  Schirmdurchmesser,  Es  sind  8  Randbläschen  vorhanden,  4  an 
der  Tentakelbasis  und  4  dazwischen  stehend  (interradial). 

Wendet  man  stärkere  ^'ergrößerung  an.  so  sieht  man,  daß  die 
Randbläschen  ein  Kölbchen  umhüllen,  entstanden  aus  einem  modifizierten 
Tentakel,  in  dessen  Entoderm  ein  konzentrisch  geschichteter  Statolith 
liegt.  Das  ist  für  alle  Trachymedusen  charakteristisch.  Bei  starker 
^'ergrößerung  sieht  man  auch,  daß  die  Muskulatur  der  Subumbrella 
und  des  Velums  deutlich  <]uergestreift  ist. 


II.  Scyphomedusen. 
A.  Allgemeine  Übersielit. 

AVie  die  Hydromedusen  aus  den  Hydropolypen  hervorgehen,  so 
die  Scyphomedusen  aus  Scyphopolypen,  die  ein  Jugendstadium 
der  Scyphomedusen  darstellen.  Die  Hydromedusen  entstehen  an  den 
Hydropolypen  durch  laterale  Knospung,  die  Scyphomedusen  aus  den 
Scyphopolypen  durch  terminale  Knospung.  indem  sich  am  Polypen 
durch  ringförmige  Einschnürungen  eine  Anzahl  aufeinanderfolgender 
Scheiben  bildet  (Strobila),  deren  Jeweilig  oberste  sich  loslöst  und  zur 
freischwimmenden  Meduse  wird.  Doch  kann  sich  auch  die  Entwicklung 
zur  Meduse  unter  Umgehung  der  Polypenfoi-m  direkt  aus  dem  Ei  voll- 
ziehen. 

Der  Scyphopolyp,  Scyphistoma  genannt,  ist  chai'akterisiert  durch 
den  Besitz  von  vier  entodermalen  Längsfalten:  G astral wülste  oder 
Täniolen  (s.  Fig.  4(3  IIj.  Das  Scyphistoma  kann  sich  auch  durch  seit- 
liche Knospung  vermehren. 

Die  Scyphomeduse  ist  von  glocken-  oder  scheibenförmiger  Ge- 
stalt mit  starker  Entwicklung  zellenhaltiger  (i aller tmasse.  Auf  der 
Unterseite  hängt  meist  ein  verschieden  langer  Mundstiel  herab.  Am 
Rande  fehlt  das  V'eluni  der  Hydromedusen,  dagegen  hnden  sich  lappen- 
förmige  Ausbuchtungen  der  Scheibe,  die  Rand  läppen.  Die  Mund- 
öftnung  ist  kreuzförmig  gestaltet.  Durch  die  Ecken  des  Mundkreuzes 
gelegt  gedachte  Achsen  sind  die  Perradien,  mit  ihnen  alternieren  die 
4  Interradien,  und  zwischen  diesen  8  Hauptradien  (Perradien  -\- 
Interradien)  kann  man  noch  8  Adradien  annehmen  (Fig.  45).  Der 
vom  Ektoderm  ausgekleidete  Schlund  mündet  in  den  zentralen  Magen, 
von  dem  4  interradiale  sackförmige  Taschen,  die  Gastral-  oder  Magen- 
taschen, ausgehen.  Diese  4  Gastraltaschen  stehen  an  der  Peripherie 
mittels  Öffnungen  in  Vei-bindung,  durch  deren  Erweiterung  es  zu  einem 
weiten  Ringsinus  (dem  Kranzdarm)  kommen  kann.  Vom  Kranzdarm 
aus  gehen  weitere  periphere  Ausbuchtungen,  die  Marginaltaschen, 
ursprünglich  8  radiale  Taschen  zu  den  8  Randkörjiern,  8  weitere  zu  den 
Tentakeln.  Meist  ist  aber  ein  komplizierteres,  peripheies  Gefäßsystem 
mit  sekundären  Radialkanälen  und  sekundärem  Ringkanal  vorhanden. 


60 


4.  Kursus:  Medusen. 


An  der  Seiteiiwand  des  Zeutraldarmes  finden  sich  kleineie  innere 
Magententakel  oder  Gastralf  ilamente,  radiär  nach  der  Vier-  oder  Acht- 
zahl verteilt,  häufig  in  Gruppen  zusammenstehend. 

Im  Epithel  der  Magentaschen  entstehen  die  Geschlechts- 
produkte, welche  also  bei  den  Scyphomedusen  aus  dem  Entoderm 
stammen  (bei  den  Hydromedusen  sind  sie  ektodermaler  Herkunftj. 

Unter  den  4  Magentaschen  liegen  4  ektodermale  Einbuchtungen, 
die  Subgenitalhöhlen,  die  bei  manchen  zusaramentiießen  und  einen 
Zentralraum   (Subgenitalsaal)   bilden   können.      Stets   sind   indessen 

Zuntraliiia.ncii 

Ekto(k'iiii 

(iallcitschiclit . 

Entoderm  ■,    //>/>■/ 
Sek.  Kadialkaiia 


Sek.  Riiigkanal 


Tentakel 


Fig.  40.     Schematisclier  Längsschnitt    durch   eine  Scy i)humeduse.     Orig. 


diese  Subgenitalhöhlen  vom  Zentraldarm  durch  die  zarte  Gastrogeni- 
talmembran  getrennt. 

Als  Sinnesorgane  fungieren  modifizierte  Tentakel,  die  Rhopalien, 
kurze  Kölbchen.  zwischen  zwei  Randlappen  liegend,  mit  Ocellus,  Stato- 
cyste  und  Riechgrube.  An  der  Basis  eines  jeden  liegt  je  ein  Ganglion, 
und  die  Gesamtheit  der   Ganglien   stellt   das   Zentralnervensystem   dar. 


B.   Spezieller  Kursus. 


Aurelia  aurita  (Lam.). 

Attrelia  aurita  ist  wohl  die  häufigste  Scyi)homeduse  der  eui'opä- 
ischen  Küsten.  Sie  gehört  zu  den  Discomedusen,  und  zwar  zu  der 
Unterordnung  der  Semostomen,  deren  Mundrohi-  in  vier  faltige  Mund- 
arme ausgezogen  ist.  Die  Familie  der  Ulmariidae,  zu  welcher 
Aurclia  gerechnet  wird,  zeichnet  sich  aus  durch  eine  größere  Zahl 
enger  Radialkanäle  an  Stelle  der  Marginaltaschen,  die  sich  verästeln, 
und  stets  am  Rande  durch  einen  Ringkanal  verbunden  sind.  Die 
Gonaden  liegen  in  Ausbuchtungen  der  oralen  Magenwand  als  vier  huf- 
eisenförmige Bogen. 

Aurelia  aurita  hat,  wie  andere  Discomedusen  auch,  ein  Jugend- 
stadium, welches  als  Ejjhyra  bezeichnet  wird.  Die  sich  von  den  Scypho- 
polypen  durch  Strobilation  ablösende  kleine  Meduse  ist  anders  ge- 
staltet als  das  erwachsene  Tier,  und  weist  noch  einfachere  Organi- 
sationsverhältnisse auf. 


4.  Kursus:  Medusen. 


ßl 


mirita. 


Wir  beginnen  daher  mit  der  Betrachtung  der  Ephyra  von  Aurelia 


mid 


Die  Ephyra  wird  in  fertigen  mikroskopischen   Präparaten   gegeben 
zunächst  bei   schwacher  Vero;rößerung  betrachtet. 


Je  nacli  ihrer  Größe  ist  die  Ephyra  verschieden  differenziert.  Die 
Gestalt  ist  tiach  scheibenförmig  mit  acht  ansehnlichen  Randla])pen. 
deren  jeder  an  seinem  distalen  Ende  eingekerbt  ist.  Der  Mund,  in 
der  Mitte  der  Scheibe  gelegen,  ist  leicht  erkenn- 
bar als  die  kreuzförmige  Öffnung  eines  kurzen, 
vierkantig-prismatischen  Mund  röhre  s.  Die  durch 
die  Ecken  des  Mundkreuzes  gedachten,  sich  recht- 
winklig kreuzenden  Linien  sind  die  Perradien.  Das 
Mundrohr  führt  in  den  flachen,  scheibenförmigen 
Zentralmagen,  an  dessen  unterer  Wand  inter- 
ladial  vier  Gastralfilamente  sitzen.  Von  der 
Peripherie  des  Magens  gehen  acht  größere  taschen- 
artige Ausstülpungen  ab,  in  die  Randlappen  hinein, 
und  ferner  acht  kleinere  an  die  Basis  der  Velar- 
lappen, deren  Stelle  bei  anderen  von  Tentakeln 
eingenommen  wird  [Chrysaora,  z.  B.). 

Gehen  wir  zur  Beobachtung  des  Randes  über, 
so  erblicken  wir  in  dem  Einschnitt,  welcher  jeden 
Randlappen  in  zwei  kleinere  „Okularlappen"  teilt, 
einen  kolbenförmigen  Körper,  den  Sinneskörper 
oder  das  Rhopalium.  Entstanden  sind  diese 
Sinneskörper  aus  den  acht  Haupttentakeln  des 
Scyphistomapolypen.  Zwischen  je  zwei  Randlappen 
liegt  am  Grunde  je  ein  kleinerer  Lappen,  der 
Velarlappen,  der  bei  anderen  durch  einen  Ten- 
takel ersetzt  wird  (Fig.  42  und  4o). 

Wenden   wir   stärkere  Vergrößerung  an,   so 
lassen    sich   noch   einige  Einzelheiten  wahrnehmen,    so  z.  B.   die  Ring- 
muskirlatur  auf  der  Subumbrella. 


Fig.  41. 
Polydiske    Strobila    von 

Aurelia  auritd   (iiarli 
HaECKEL,     ;\US     TjANG). 


SJnncs- 
kr>i|)or 


Muiul- 
kieiiz 


(iasinil- 
filnmciito 


Raiul- 
lapiioii 


■N'elar- 
lM)vpon 


I  "l 

Fig-.  42  u.  4.3.     Ephyra  von  A^trclia  aiirita  (nach  Claus). 
I  nacli  Loslösung    von  der  Strobila;    II    etwas   ältere  Form. 

In  etwas  größeren  Stadien,   die   sich  ebenfalls  noch  zu  mikrosko- 
pischen  Präparaten    verwerten    lassen,    sieht    man    die    Umbildung   dei' 


62 


4.   Kursus:   Medusen. 


Epliyra  zur  Meduse.  Die  Körperform  ist  gleichmäßiger  und  weniger 
gelappt,  indem  die  tiefen  Einschnitte  zwischen  je  zwei  Randlappen  von 
den  sehr  stark  verbreiterten  Velarlappen  ausgefüllt  sind.  An  der  Peripherie 
finden  sich  zahlreiche  kurze  Tentakel  auf  den  Velarlappen.  Das  Mund- 
i'ohr  hat  sich  in  vier  einfache,  fahnenai-tige  Mundarme  mit  geki'äuselten 
Rändern  ausgezogen  (Fig.  44). 

.■•  Mundai'iii 

,/' 

»..11    /ü\  _  J'\  .  Riliskilii;!! 

Siniicskru'pPi' 

-  -Tm 


'I'chImI. 


Fig.  44.     Anrel/a  (dir/ta,    juiloes   Tiei'.      Orit 


Nausithoe  punctata  (Kölliker). 

Diese  im  Mittelmeer  häufige  kleine  Form  von  S — 10  mm  Schiiin- 
durchmesser  läßt  sich  wegen  ihrer  flachen  (iestalt  gut  zu  mikrosko- 
pischen Demonstrationspräparaten  verwenden. 

Sie  gehört  zu  den  Lobomedusen  und  zwar  den  Cannostomen, 
den  einfachsten  Discomedusen,  die  sich  durch  den  Besitz  eines  ein- 
fachen Mundrohres  ohne  Mundarme  auszeichnen  (Fig.  45). 

Man   wendet  am  besten  ganz  schwache  Vergrößerung  an. 

Die  Gestalt  ist  ähnlich  der  vorhin  beschriebenen  Ephyra,  doch 
ist  vorliegende  Form  schon  dadurch  von  einer  Ephyra  unterschieden, 
daß  sie  geschlechtsreif  ist.  Der  Mund  ist  kreuzföi-mig  eingefaltet,  das 
kurze,  vierseitig  prismatische  Mundrohr  führt  in  den  flachen,  scheiben- 
förmigen Zentralmagen,  von  dem  16  Radialtaschen  ausgehen,  die 
man  an  der  dunkleren  Färbung  erkennt.  Die  ziemlich  komplizieiten 
Verhältnisse  des  nur  scheinbar  einfachen  Gastrovaskularsystems 
sind  an  diesen  Demonstrationspräparaten  nicht  genau  zu  verfolgen. 

Die  Gastralfilamente  sind  interradial  in  reihenförmig  angeord- 
neten Gruppen  (Phacellen)  an  der  Magenwand  befestigt. 


4.  Kursus:  Mpdusftii. 


()0 


Sehr  charakteristiscli  sind  die  Gonaden,  die  in  der  Achtzahl 
a(hadia]  angeordnet  sind.  Es  sind  rundliche  Säckchen  von  gleicher 
Form  und  gleichem  Abstände,  die  ziemlich  dicht  unter  der  Basis  der 
Tentakel  liegen.  Die  einfachei-en  Formen  der  Cannostomen  halben  nur 
vier  interradiale  Gonaden,  aus  denen  duich  Spaltung  die  acht  adradialen 


hervorgegangen  sind. 


Gonaden  der  Nausifhor 
Gehen  wir  zur  Be- 
trachtung des  Schirmran- 
des über,  so  sehen  wir 
acht  Paar  Randlappen  von 

ansehnlicher  Größe. 
Zwischen  jedem  Paare 
stehen  die  adradial  lie- 
genden Tentakel,  von 
einfacher  zylindrischer, 
vorn  zugespitzter  Form, 
innen  erfüllt  mit  breiten, 
scheibenföi'inigen  Ento- 
dermzellen ,  also  ohne 
Jeden  Hohlraum,  Inner- 
halb eines  jeden  Rand- 
lappenpaares liegt  der 
S  i  n  n  e  s  k  o  1  b  e  n  auf  einem 
niedrigen  und  breiten 
Sinneshügel.  Der  Bau 
der  Sinneskolben  ist  auf 
diesen  Präparaten  schön 
zu   sehen.     Am   distalen 

Ende  des  Sinneskolbens  p,.  Pen-adien;  //-  Intemidien;  «;-  Adradien;  sr  Suh- 
liegt  die  StatOCyste  mit  rndien;  //llandlappen;  /Tentakel;  ^o/Gastralfilamente; 
einem  großen,  kristallähn-  ■"'  Rinmimskel  der  Sulinmlirella;  sk  Siiineskolben 
liehen  Statolithen.  daran-    dfl'"!'''''«!!);   ,«    Geschlechtsdrüsen   (Gonaden);    in   .l.^r 

TT      r       T-.-  .  Mute  das  Mundkreuz.      Aus  Lang). 

ter  ein  Hauten  Pigment- 
körnchen:    der    Ocellus. 

Sehr  wohl  ausgebildet  ist  der  Ringmuskel  der  Subumbrella,  der 
achteckig  ist  und  mit  den  Ecken  die  Basis  der  Tentakel  bei'ührt. 

Das  Bild  unserer  Meduse  läßt  sich  am  leichtesten  zeichnen,  wenn 
man  sich  zuvor  das  System  der  Radien  konstruiert  und  darauf  die  ein- 
zelnen Organe  verteilt,  also  auf  die  Perradien  das  Mundkreuz  und  vier 
der   Sinneskörper,    usw. 


F 


Fig.   45.      Nansithoc. 
ir  Interradien;    ar    Adradien; 


5.   Kursus. 

Anthozoa,  Koralientiere. 

Teclinische  Vorbereitunfteii. 

An  Material  zu  diesem  Kurse  werden  gebrauclit  in  Alkohol  kon- 
servierte Stücke  von  Alcyo)iniin  digifatiDU  (L.),  sowie  konservierte 
Actinien,  z.  B.  Ancuionia  siilcata  (Penn.).  Von  fertigen  mikroskopischen 
Präparaten  sind  gefärbte  Längs-  und  Querschnitte  durch  ein  Stück  des 
Coenenehyms  von   Alcyoniuni   digitahun  erforderlich. 


G4 


Kursus:    Anthozoa.  Korallentiere. 


A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die    Anthozoen     sind     festsitzende    Polypen 


die 


gliedern. 


mit    eingestülptem 

Gastrovaskularhöhle  in  einen 

Letztere  setzen  sich  in  die 


Schlundrohre  und  Septen.   welche 
Zentraliaum  und  Radialkammern 
hohlen  Tentakel  fort. 

Die  Unterschiede  im  Bau  des  Hydropolypen,  Scyphopolypen  und 
Korallenpolypen  werden  besonders  deutlich  bei  einem  \'ei-gleich  der 
Querschnitte  durch  diese  drei  Formen  (s.  Fig.  4.6). 


(Tastralhöhle 


Spliliindrolir 


(iastralwulst 


lUidial- 
kaniiiicr 


kolfalnir 


Fig. 
Der 


4G 


I  II  III 

Scliematische    Querschnitte   durch   Hydropolyp  (I),   Scyphopolyp   (II) 
lind  Koral  leupoly  p  (III).     Orig. 
Koralleii))olyi)    ist    oberhalh    der   Linie   a — b    im    Bereich    des    Schlundi'ohres, 
unterhall)  dieser  Linie  unter  dem  Schlundrohr  durchschnitten. 


und  eine  in  ihrer 
den  Körper  in  zwei 
sind    also    bilateral 


Am  Körper  eines  Korallenpolypen   unterscheidet  man  Fußblatt 
Mauerblatt  und  Mundscheibe  (s.  Fig.  47). 

Die    Mundöffnung   ist    meist   spaltförmig, 
Längsrichtung  gelegte  Ebene  (Sagittalebene)    teilt 
spiegelbildlich    gleiche    Hälften.      Die    Anthozoen 
symmetrisch,  wenn  sie  auch  äußerlich  meist  streng  radiär  gebaut  er- 
scheinen. 

Das  eingestülpte,  ovale  oder  spaltförmige  Schlundrohr  ist  vom 
Ektoderm  ausgekleidet,  und  ist  an  beiden  oder  nur  einem  Ende  mit 
einer  wimpernden  Rinne  (Siphonoglyphe)  versehen.  Die  Septen 
reichen  entweder  bis  zum  Schlundrohr  (.,vollständige")  oder  ihr 
freier  Rand  erreicht  dieses  nicht  („unvollständige").  Die  Ränder 
der  Septen  werden  eingefaßt  von  den  krausenförmigen,  drüsen-  und 
nesselzellenreichen    Mesenterialfilamenten.     Die   Radialkammern 


stehen  oft  nicht  nur  von  unten  her 
auch   dadurch,   daß   die  Septen   in 


miteinander  in  Verbindung,  sondern 
der  Höhe  der  Mundöffnung  von   ie 


einer  kreisförmigen  Öffnung  durchbohrt  sind  („Ringkanal").  Unter- 
halb der  Mesenterialfilamente  finden  sich  mitunter  besondere  Nessel- 
organe, die  Akontien,  welche  durch  den  Mund  oder  durch  seitliche, 
das  Mauerblatt  durchsetzende  Poren  (Cinclides)  herausgeschleudert 
werden  können. 

Bei  manchen  Anthozoen  (Actinien)  haben  die  Spitzen  der  Tentakel 
feine  Öflfnungen,   welche  als  Exkretionsporen   angesprochen    werden. 

Von  ektodermaler  Muskulatnr  findet  sich  eine  Längsmusku- 
latui-  am  Mauerblatt  und  den  Tentakeln,  sowie  radiär  nach  innen  ver- 
laufende Muskulatur  auf  der  Mundscheibe. 


5.  Kursus:   Anthozoa,  Koralleutiere. 


6;") 


Ringmiiskeln 
Sinnesorgane 


Die  Muskulatur  der  Septen  ist  entodermalen  Ursprungs: 
sie  erscheint  auf  der  einen  Seite  schwach  ausgebiklet  als  transversale 
Muskulatur,  auf  der  anderen  Seite  in  starker  Ausbildung  als  Längs- 
uiuskulatur.  Die  Anordnung  dieser  als  „Muskelfahnen"  bezeichneten 
Muskellamellen  an  den  Septen  ist  derart,  daß  auch  hier  die  bilaterale 
Symmetrie  in  Erscheinung  tritt  (s.  Fig.  46 III). 

Weitere  entodermale  Muskulatur  findet  sich  am  oberen  Ende  des 
Mauerl)lattes  als  oft  starkei'  Ringmuskel  und  weiter  als 
in  dem  Fußblatte  und  im  Schlundrohr.  Spezifische 
fehlen.  In  der  Mundscheibe  wie  im  Ektoderm  der  Tentakel  finden  sich 
(Janglienzellen  und  Nervenfasern.  In  den  Septen  sitzen  auch  die 
stets  aus  dem  Entoderm  gebildeten  Geschlechtspi'odukte. 

Die  Mehrzahl  der  Antho- 
zoen  bildet  durch  Knospung 
ohne  nachfolgende  Trennung 
„Stöcke".  Die  Einzeltiere 
sind  durch  eine  fleischige 
Körpermasse ,  C  o  e  n  e  n  - 
chym,  miteinander  verbun- 
den. Das  Coenenchym  ent- 
hält alle  drei  Körperschich- 
ten, außen  das  Ektoderm. 
dann  das  stark  entwickelte 
Mesoderm  und  innen  zahl- 
reiche Entodermkanäle,  die 
mit  den  Gastrovaskularhöh- 
len  der  einzelnen  Personen 
in  Verbindung  stehen. 

Die  meisten   Anthozoen 


weisen  Skelettbildungen 


Kntodorin 


Ciiiflidc: 


Riiiijkaiial 


Se)iliinf1rolir 


-Zonlnilnium 


(ioiiado 


Akoiitip 


l-'iiX.  47. 
Seei'ose. 


Scliematischer 
links  durch  eine  Kammer, 
ein    Septuui 


Längsschnitt  durch   eine 
rechts  durcli 


geführt. 


Orig. 


auf,  die  im  Ektoderm  und 
Mesoderm  liegen.  Diese 
stellen  entweder  einzelne 
aus  kohlensaurem  Kalk  be- 
stehende, regelmäßig  geformte  Körperchen,  Spicula,  dar  (Stückel- 
skelett),  die  von  ins  Mesoderm  einwandernden  Ektodermzellen  geliefert 
werden  und  miteinander  verschmelzen  können  (Achsenskelett  der  Edel- 
koralle, Röhren  Skelett  der  Orgel  kor  alle),  auch  durch  dicke 
Hornscheiden  vereinigt  werden,  oder  aber  es  bildet  sich  ein  horniges 
oder  kalkiges  Cuticularskelett,  welches  nach  außen  von  dem  Ekto- 
derm abgeschieden  wird. 

Diese  Ausscheidungen  können  bei  stockbildenden  Korallen,  wenn 
sie  von  dem  Fußblatt  abgeschieden  werden,  nach  innen  zu  liegen  kommen 
und  bilden  dann  ebenfalls  Achsenskelette,  die  entwedei-  hornig  {^Inti- 
patharien  und   Gorgoniden)  oder  verkalkt  ( Madreporarieii)  sind. 

Die  Skelettbildung  innerhalb  der  Korallenperson  erfolgt  bei  den 
riif bildenden  Madreporarien  nur  im  unteren  Teile  derselben,  und  zwar 
bildet  sich  die  Fuß  platte  als  äußere  Kaikabscheidung  des  Fußblattes 
zuerst,  dann  treten,  strahlenförmig  angeordnet,  12  Leisten  auf,  die 
Strahlenplatten,  welche  zwischen  den  Septen  des  Tieres  als  Sklero- 
septen  hineinragen,  und  eine  ringförmig  die  Strahlenplatten  verbindende 
Mauerplatte,  die  ebenfalls  von  der  Fußplatte  aus  in  die  Höhe  wächst. 


K  ü  kon  t  lial ,  Zool.   Piaktikimi. 


Aufl. 


(JG  5.  Kursus:  Anthozoa.  Korallentiere. 

Da  (las  Skelett  eine  äußere  Ausscheidung  des  Ektoderms  ist,  so  tritt 
es  nirgends  in  den  Körper  selbst  hinein,  sondern  ist  von  dem  Ekto- 
derm  des  Fußblattes  eingehüllt.  Die  Sklerosepten  entstehen  nicht  in 
den  weichen  Septen  des  Körpers,  sondern  schieben  sich  von  unten 
her  zwischen  diese  ein,  das  Ektoderm  des  Fußblattes  vor  sich  her- 
(h'ängend. 

Die  Korallen  sind  durchweg  marine  Tiere.  Aus  den  befruchteten 
Eiern  entwickeln  sich  bewimperte,  freischwimmende,  anfangs  tentakellose 
Larven,  welche  sich  später  festsetzen. 

B.  Spezieller  Kursus. 

Alcyoniuin  digitatuni  (L.). 

Alcyoniuiii  digitatiim,  eine  in  den  nördlichen  Meeren  sehr  häufige 
Form,  stellt  rötliche,  gelbe  oder  weißliche,  klumpige,  in  einige  stumpfe, 
fingerförmige  Fortsätze  ausstrahlende  Massen  dar,  auf  denen  die  kleinen 
weißen  Polypen  teils  ausgestreckt,  teils  ins  Innere  des  Coenenchyms 
eingezogen  sitzen. 

Es  werden  einige  der  frei  vorragenden  Polypen  mit  der  Schere 
an  ihrer  Basis  abgeschnitten  und  im  Uhrschälchen  bei  schwache]'  Ver- 
größerung in  Glyzerin  untersucht. 

Man  sieht  einen  schlauchförmigen,  zarten  Körper,  der  an  seinem 
freien  Ende  mit  acht  gefiederten  Tentakeln  besetzt  ist.  Vom  Munde 
zieht  sich  das  etwa  1  mm  lange,  längsgefaltete  Schlundrohr  herab, 
an  welches  sich  die  acht  an  diesem  Präparate  schwer  sichtbaren  Septen 
ansetzen.  Dagegen  lassen  sich  sehr  deutlich  die  acht  Mesenterial- 
filamente wahrnehmen,  von  denen  sechs  stark  gewunden  und  kurz 
sind,  zwei  dagegen  langgestreckt  und  tief  ins  Innere  hinabziehend.  Das 
sind  die  beiden  dorsalen  Mesenterialfilamente.  An  einzelnen  geschlechts- 
reif en  Polypen  sieht  man  auch  die  Geschlechtsprodukte,  ansehn- 
liche gelbrote  Eier  oder  milchweiße  Hoden,  die  seitlich  an  den  ventralen 
und  lateralen  Mesenterialfilamenten  sitzen. 

Bei  etwas  stärkerer  Vergrößei'ung  werden  an  der  Basis  wie  unter- 
halb der  Tentakeln  des  Polypen  kleine,  aus  kohlensaurem  Kalk  be- 
stehende Skeletteile,  die  Spicula  sichtbar. 

Zur  Untersuchung  des  Coenenchyms  werden  mittels  des  mit  Alkohol 
befeuchteten  Rasiermessers  möglichst  feine,  nahe  der  Oberfläche  geführte 
Quer-  sowie  Längsschnitte  hergestellt  und  auf  dem  Objektträger  unter 
Glyzerin   und  Deckglas  untersucht. 

Auf  einem  solchen  Querschnitte  sehen  wir  zunächst  einige  größere, 
kreisrunde  Hohlräume,  die  Gastrovaskulaihöhlen  der  Polypen,  welche 
in  verschiedener  Höhe  durchschnitten  sind. 

Wir  l)eginnen  mit  der  Betrachtung  eines  sehr  tief  unterhalb  des 
Schlundes  liegenden  Querschnittes.  Hier  zeigt  sich  folgendes.  Der 
kreisrunde  Hohlraum  wird  ausgekleidet  vom  Entoderm  (Fig.  48).  Ins 
Lumen  springen  acht  kurze  Leisten  vor:  die  Querschnitte  der  Septen. 
Man  sieht  die  vom  Mesoderm  des  Coenenchyms  ausgehende  strukturlose 
Lamelle  als  Achse  des  Septums  und  zu  den  beiden  Seiten  derselben 
Muskulatur.  Die  Muskulatur  der  einen  Seite  ist  stets  sehr  stark  ent- 
wickelt und  bildet  die  sog.  „Muskelfahne".  Da  sie  auf  dem  Bilde 
quer  durchschnitten  erscheint,  erhellt  ohne  w^eiteres,  daß  diese  Muskulatur 
eine  Längsmuskulatur  ist;  die  der  anderen  Seite  ist  dagegen  eine  sehr 


5.  Kursus:   Authozoa.  Korallputiere. 


()7 


schwach  entwickelte  transversale  Muskulatur.  Die  Anordnung  dieser 
Muskulatur  ist  sehr  regelmäßig,  indem  zwei  gegenüber  (in  der  Sagittal- 
achse)  liegende  Fächei-  die  gleiche  Muskulatur  zugekehrt  haben,  und 
zwar  das  eine  die  Muskelfahnen,  das  andere  die  schwache  Transversal- 
uiuskulatur.  Auf  jeder  Seite  der  Sagittalachse  bleiben  nunmehr  noch 
zwei  Septen  übrig,  die  ihre  Muskeln  gleichsinnig  mit  den  beiden  andei'en 
So]»ten    dersellien    Körperhälfte    angeordnet    zeigen.     Am   fi-eien    Ende 


Enliiilenn 
Kktodcriii 

Schlun(lro)u- 

!Mes()(lerni 

Siplifiiionlyplio 

R:ii1i:ilk;ininior 


KiiiKcfaltPto 
^[aui'i-blatl 

Kingofaltotc 
Toiit;ikcl 

Spiciila 


Fig.   48.      Querschnitt    (hucli    das    Coenencliym    und    drei    Polypen    von   A/rn 


digitatu7n. 


Orig. 


jedes  Septums  sitzt  eine  oft  krausenartig  eingefaltete,   stärker  gefärbte 
Zellmasse,  der  Querschnitt  durch  ein  Mesenterialfilament. 

"Wir  suchen  nunmehr  einen  Polypen<iuerschnitt  auf.  der  in  einer 
höheren  Lage  geführt  worden  ist  und  das  Schlundrohr  getroffen  hat. 
Wie  sehen  hier  wie  die  Septen  das  Schlund  röhr  erreichen  und  den 
Gastrovaskularraum  in  acht  Radialkammern  teilen.  Das  Schlundrohi- 
zeigt  im  Querschnitt  innen  das  Ektoderm,   dann   folgt  eine  Mesoderm- 


68 


ö.  Kiii-sus:  Anthozoa,  Korallentiere. 


Schicht  mit  einzelnen  eingestreuten  Kalkspicula,  und  zn  äußerst  das 
Entodenn. 

Bei  diesen  und  noch  höher  geführten  Schnitten  ist  nun  folgendes 
zu  beobachten.  Das  Bild  wird  leicht  kompliziert  durch  die  starke 
Kontraktion  der  Polypen,  welche  sich  in  das  Innere  des  Coenencliyms 
zurückgezogen  haben.  Die  Tentakel  sind  auf  die  Mnndscheibe  ein- 
geschlagen und  dann  mit  ihr  in  die  Tiefe  gesunken.  Ferner  weist 
auch  das  Schlundrohr  starke  Faltungen  auf. 

Sehr  viel  schwieriger  wird  dem  Praktikanten  die  Deutung  fol- 
^  gender,  sehr  häufig  anzutreffender  Bilder. 


^  Tontakfl 


Sclilnniircilir 


Mund 


Seitliche    und    ventndo 
McsenlPiiulfiliiMK'nli' 


)orsaU'    Mfsenterial- 
filanionle 


f'iicnonclivni 


-     Tcnlakol 

ScIdlUKllnlir 


Alter 
Polyp 

Fig.   49. 


•Tüngerer    Eingezogonor 
Polyp  Polyp 

Längsschnitt  durch  Alcyoniuin  digitatuvi. 


Orig. 


Man  sieht  die  Gastrovaskularhöhle  in  zwei  konzentrischen  Ringen 
das  Schlundrohr  umgeben,  so  daß  also  eine  innere  und  eine  äußere 
Reihe  von  Septen  sichtbar  werden  (s.  Fig.  48  rechts  unten).  Die  P^r- 
klärung  ist  die,  daß  das  Mauerblatt  eine  Falte  bildet,  indem  der  vordere 
Teil  des  Polypen  in  den  hinteren  eingezogen  ist,  und  daß  diese  Falte 
des  Mauerblattes  auf  dem  Querschnitt  zweimal  durchschnitten  erscheint. 

Über  die  genauere  Lagerung  orientieren  die  miteinander  zu  ver- 
gleichenden P'iguren  48  und  49. 

Endlich  läßt  sich  an  einem  solchen  Schnitte  die  unregelmäßige 
vielzackige,  aber  doch  nach  einem  bestimmten  Typus  gebaute  Form  dei- 


5.  Kursus:  Anthozoa,  Korallentierc.  ß9 

im    Mesodeini    liegenden    Spicula   studieren,   die   man   folgendermaßen 
isolieren  kann. 

Man  bringe  auf  eines  der  Präparate  einige  Tropfen  des  Liquor 
natr.  hypochl.  Nach  einigen  Minuten  sind  die  Weichteile  größtenteils 
gelöst  und  die  Spicula  übrig  geblieben,  deren  Form  nun  genauer  studiert 
und   gezeichnet  werden   soll. 

Ein  zweiter  Schnitt  erhält  einen  Zusatz  von  einigen  Tropfen  ver- 
dünnter Salzsäure.  Man  sieht  schon  mit  bloßem  Auge  das  heftige  Auf- 
brausen durch  Kohlensäureentwicklixng  und  kann  leicht  das  Auflösen 
der  Spicula  beobachten,  die  sich  also  als  aus  kohlensaurem  Kalk  be- 
stehend  erweisen. 

Dünne  Längsschnitte  (s.  Fig.  49)  vermögen  das  von  der  Struktur 
der  Kolonie  gewonnene  Bild  wesentlich  zu  ergänzen.  So  sieht  man 
die  Gastro  vaskulär  höhlen  des  Polypen  sich  als  weite  vom  Entoderm 
ausgekleidete  Hohlräume  senkrecht  zur  Oberfläche  der  Kolonie  fort- 
setzen. Die  ältesten  Polypen  erstrecken  sich  bis  zur  Basis  der  Kolonie, 
die  jüngeren  reichen  weniger  tief  in  das  Coenenchym  hinein  und  ent- 
springen von  transversal  gerichteten  Kanälen,  welche  die  benachbarten 
Darmhöhlen  verbinden.  Alle  diese  Polypenröhren  weisen  die  beiden, 
bis  zu  ihrer  Basis  reichenden  dorsalen  Mesenterialfilamente  auf.  Außer 
diesem  Kanalsystem  ist  noch  ein  bindegewebiges  Netzwerk  solider 
Stränge  vorhanden.  An  Polypen,  deren  freier  Teil  eingezogen  ist, 
läßt  sich  eine  eigentümliche  Einfaltung  des  Mauerblattes  nachweisen, 
indem  der  obere  Teil  des  Polypen  in  den  unteren  einsinkt,  wie  der 
Polyp  rechts  auf  Fig.  40  zeigt.  Dadurcli  werden  uns  die  Bilder  ver- 
ständlich, welche  sich  gelegentlich  auf  Querschnitten  finden  (s.  Fig.  4S 
rechts),  und  welche  zwei  konzentrische  mit  Septen  versehene  Ringe 
darstellen,  die  das  Schlundrohr  umgeben.  Der  innere  Ring  ist  nichts 
anderes  als  der  in  den  weiteren  äußeren  Ring  eingesunkene  obere  Teil 
des  Polypen. 

Die  Betrachtung  der  fertigen,  gefärbten,  mikroskopischen  Präparate, 
Längs-  und  Querschnitte  durch  das  Coenenchym,  vermag  das  an  den  selbst- 
gefertigten  Präparaten  Gesehene  in  manchen   Punkten   xu  ergänzen. 


Anenionia  sulcaUi  (Penn.). 

Diese  Mittelmeerform  ist  für  Kurszwecke  am  besten  zu  fixieren 
in  3  —  5  Yo  igß™  Formol,  unter  stets  schwenkender  Bewegung.  Dann  er- 
folgt Härtung  in  '/., 'Voig^'"  Chromsäure,  und  hierauf  Aufbewahrung  in 
Alkohol. 

Betrachten  wir  die  äußere  Form  unter  Zuhilfenahme  der  Stativ- 
lupe, so  sehen  wir  die  breite,  stark  gefaltete  Fußsclieibe,  an  der  sich 
deutlich  Ring-  und  Radiärmuskulatur  wahrnehmen  lassen.  Das  Mauer- 
blatt zeigt  starke,  ringförmige  Einschnürungen  und  deutlich  von  außen 
wahrnehmbare  Längsmuskulatui-,  in  parallelen  Streifen  sichtbar  (Fig.  50). 

Die  Mundscheibe  ist  rings  umgeben  von  4  —  5  Kränzen  dicht  ge- 
stellter Tentakel.  Man  kann  die  Anordnung  der  Tentakel  ohne  weiteres 
sehen,  wenn  man  sie  an  einer  Stelle  an  der  Basis  abschneidet.  Das 
Peristom  ist  ganz  flach  und  fast  eben;  die  Mundöft'nung,  etwas  vor- 
gewulstet,  stellt  eine  ovale  Öffnung  dar.  Der  oberste  Teil  des  Mauer- 
blattes wird  von  einer  Randt'alte  gebildet,  auf  der  kleine,  warzenförmige 


70 


5.  Kursus:  Aiitliozoii,  Korallenticre. 


Erhebungen   in   dichter  Anordnung  sitzen,    die  sogenannten  .,Randsäck- 
chen",  denen  eine  Funktion  als  Nesselbatterien  zugeschrieben  wird. 

Mit  einem  scharfen  Skalpell  wird  die  Aktinie  in  der  Sagittalebene 
durchschnitten. 

Man  sieht  das  häutige  Schlundrohr  nach  unten  ragen.  Feinei' 
finden  sich  Septen  in  großer  Zahl.  Ein  Teil  derselben  geht  zum 
Schlundrohr  heran  (Sejjten  erster  Ordnung),  der  größere  Teil  erreicht 
indessen  das  Schlundrohr  nicht.    Über  die  Septenanordnung  orientieren 


Fig.  50.     Anemonia  siiJcata  var.   rttst/caj^K^'S.  (nach  A.   Andkks). 


noch    besser   Flächenschnitte,    deren   erster   dicht   über  der  Fußscheibe 
Hier  lassen  sich  die  dicht  gedrängten  Septen  mit  ihren 
ausgebildeten    Gastralfilamenten    leicht    betrachten.     Ein    zweiter 

zeigt   die  Anheftung   der   Septen 


geführt   wird 

wohl 

Flächenschnitt,    weiter   oben   geführt. 

erster  Ordnung  an  das  Schlundrohr. 

Schneidet  man  einen  Tentakel  an  seiner  Basis  ab,  so  kann  man 
sich  davon  überzeugen,  daß  ei'  einen  hohlen  Schlauch  darstellt,  und  daß 
sein  Hohlraum  mit  dem  Gastrovaskularraum  in  Verbindung  steht.  Die 
Tentakel  dieser  Form  sind  nicht  zurückziehbar,  während  das  bei  den 
meisten  anderen  Aktinien  der  Fall  ist.  An  der  Spitze  der  Tentakel  sind 
die  Exkretionsporen  deutlich  sichtbar. 


Anhang. 


Ctenophorae,  Rippenquallen. 


Um  einen  Überblick  des  Baiies  einer  Rippenqualle  zu  erhalten, 
werden  gut  konservierte  Exemplare  der  in  der  Nordsee  h'AwixgQwPletWO- 
brachia  l>il€^t'^  (Fabr.)  in  einem  flaclien  Glasschälchen  unter  der 
Lupe  betrachtet. 


').  Kursus: 


Anthozoa,  Korallentiere. 


71 


Der  zweistrahlig  symmetrische  Körper  hat  etwa  tlie  Form  einer 
Stachelbeere  (Fig.  51),  und  besteht  aus  einer  sehr  dicken  und  weichen 
Gallerte.  Auf  der  Oberfläche  ziehen  sich  in  gleich  weitem  Abstände 
voneinander  acht  meridional  verlaufende  Bändei-  hin,  die  aus  zahlreichen, 
quer  zur  Richtung  dieser  Bänder  gestellten  Plättchen  bestehen.  Diese 
Plättchen  lassen  durch  ihre  streifige  Struktur  erkennen,  daß  sie  aus 
vereinigten  wimperartigen  Zellfortsätzen  bestehen.  Wir  haben  hier  den 
Bewegungsapparat  der  Rippenquallen  vor  uns.  der  beim  lebenden  Tiei- 
in  rhythmischei-  Bewegung  schlägt  und  dabei  ein  prachtvoll  irisierendes 
Farbensi)iel  erzeugt.  Nach  dem  einen  Pol  zu  setzen  sich  die  Reihen 
der  Ruderplättchen  in  schmale  Züge  von  Flimmerzellen  fort,  die  Flim- 
merrinnen, welche  sich  schließlich  zu  je  zwei  vereinigen  und  in  eine 


'l'ciitnkol 

Tiiclilci'gcfal.'i 

Tciitaki'lsclioiilu 

l!i|.l.r 
l!i|i|ieilnrfill.i 

MaX(.'iif;rf;il.'i 

Magill 

Tentakelschciilo 

Tcntakehvurzel 


Mund 


V\g.  51.     Pleurobracliia  pileiis    (1^'abr.).      Orig 


Die  Pfeile  geben  die  Schlagrichtung  der  Rudeii)lättcheii  au. 


Grube  eintreten,  die  mit  hohen  bewimperten  Ektodermzellen  ausge- 
kleidet ist  und  das  Zentralorgan  des  Nervensystems  darstellt. 
Über  diesem  liegt  der  „Sinneskörper",  bestehend  aus  einem  ..Stato- 
lith"  genannten  kugeligen  Haufen  kleiner  Konkremente,  welcher  auf 
vier  federnden  Wimperbüscheln  ruht;  dieser  Sinneskörper  ist  ein  stati- 
sches Organ,  welches  die  Tätigkeit  der  einzelnen  Ruderplättchenreihen 
reguliert.  Zwei  seitlich  davon  liegende  bewimperte  P' eider,  ebenfalls 
ektodermalen  Ursprungs,  die  sogenannten  „Polplatten",  dienen  wahr- 
scheinlich als  Organe  eines  chemischen  Sinnes. 


Am   entgegengesetzten  Pole  liegt  der  Mund,   der 

bei 


in  einen  langen 


ektodermalen   Schlund   führt   (also   ähnlich    wie    bei   den   Anthozoen!). 
darauf  folgt  der  „Trichter"   genannte  entodermale  Magen,   von  dem 


12 


5.  Kursus:  Anthozoii,  Korallentiero. 


Sagittalebenc 


Bipi)eii 

Ektoderni 


aus  mehrere  Kanäle  entspringen.  Die  wichtigsten  sind  die  Rippen- 
gefäße, die  in  transversaler  Richtung  (der  Transversalebene)  zunächst 
als  zwei  Kanäle  vom  Trichter  abgehen,  sich  jederseits  zweimal  gabeln 
und  sich  dann  unter   den  Meridianstreifen  hinziehen  (s.  Fig.  52).     Ihre 

äußere  (bei  man- 
chen Arten  mit 
blin  d  sackförmigen 

Ausstülpungen 
versehene)  Wan- 
dung enthält  in 
zwei  Längsstreifen 
die  Geschlechts- 
zellen, und  zwar 
auf  der  einen  Seite 
die  weiblichen,  auf 
der  anderen  die 
männlichen  Ge- 
schlechtsprodukte, 


.jMcsodcrm 
Entodorm 

Rippengpfäl.! 


Trans  vorsalcbonu 


Tentakel 
Tentakclschoide 


die  SO  angeordnet 


Fig.  52.    Pleiirohraclüa  pileits.    Kombinierter  (,)uei'sclinitt  in  der 
Höhe  der  Mündungen  der  Tentakelscheiden.     Orig. 


Tentakulgcfiiße 
•  Trk-htt'r 
;:.J  Gonaden 

sind,  daß  auf  den 
einander  zuge- 
wandten Seiten 
zweier  Rii)penge- 
fäße  stets  gleich- 
artige Gesclilechtsi)rodukte  liegen.  Durch  den  Gastrovaskularraum  und 
den  Mund  gelangen  die  leifen  Geschlechtsprodukte  nach  außen. 

Ferner  sind  noch  folgende  entodermale  Kanäle  vorhanden,  die 
auch  vom  Trichter  ausgehen.  Ein  Paar  läuft  l)eiderseits  dem  Schlund 
parallel,   ein  zweites  Paar  geht  an  die  Basis  der  beiden  seitlichen  ein- 


Sagittalebeno 


Mageiigofäß 


Trans  versak'bene 
Tentakel 

Tenlakclsclieide 


gesenkten  Tentakel,  und 
ein  unpaares  bildet  als 
Ti'ichtergefäß  die  Fort- 
setzung des  Trichters. 
Kurz  vor  dem  Ende 
gabelt  es  sich  in  zwei 
kurze  Schenkel,  die  seit- 
lich von  den  Polplatten 
ausmünden.  Endlich  sind 
noch  die  Tentakel  zu 
l)etrachten,  zwei  lange, 
einreihig  mit  seitlichen 
Fäden  besetzte  Fang- 
fäden, die  am  Grunde 
einer  Tasche  entspringen, 
und  außer  Tastzellen  zahl- 
reiche sogenannte  Kleb- 
zellen enthalten.  Letztere 
bestehen  aus  einem  langen  kontraktilen  Spiralfaden  und  einem  daran 
sitzenden  kugeligen  Körperchen,  welches  ein  klebriges  Sekret  ausson- 
dert und  die  Beutetiere  an  den  Tentakel  festheftet. 

Die  Lagerung  der  Organe  zueinander  eigibt  sich  aus  einem  ^^er- 
gleicli  der  Abbildung  Fig.  51  mit  den  Schemata  Fig.  52  und  53. 


Fig 


Pleurobrachia 
Höhe  der 


Schlundgegend. 


Magen 


Querschnitt 


in 


der 


Orig. 


^^.\CAi 


Systematischer  Überblick 

für  den  seelisteu  Kursus. 


III.  Staiiuii. 

Piatodes  (Plathelminthes),  Plattwürmer. 

Die  riiitodeii  oder  Pliitlieliniiitheii  sind  flache,  oft  ItlatttVinnigo  Tiere, 
voll  Idlateraler  Symmetrie.  Es  fehlt  ihnen  eine  I^eiheshöhle,  der  Darm  endiyt  l)lind. 
ohne  mit  einem  After  dnrrhznhrechen,  nnd  ein  Blntgefäßsj-stem  fehlt  auch.  Der 
Mangel  dieser  drei  Organe  nähert  sie  den  Coelenteraten,  von  denen  sie  sich  durch 
die  Symmetrie,  die  Aushildung  besonderer  Ausführgänge  der  Geschlechtsorgane,  durch 
Kopulationsorgane,  sowie  die  Anwesenheit  besonderer  Exkretionsorgane  unterscheiden. 
Entweder  werden  sie  als  besondere  Klasse  des  Tierstammes  der  Würmer  aufgeführt 
oder  als  eigener  Tierstamm  betrachtet.  Der  Körper  der  Platoden  wird  vom  Haut- 
muskelschlauch  umhüllt,  einer  Verbindung  der  Haut  mit  der  darunter  liegenden 
^Muskulatur.  Die  Haut  ist  ein  einschichtiges  Flimmerepithel,  oder  statt  der  Wimpern 
mit  einer  Cuticula  bedeckt;  an  der  sie  basal  begrenzenden  Stützlamelle  heftet  sich 
die  Muskulatur  an,  außen  eine  kontinuierliche  Ringmuskelschicht,  darunter  eine 
Längsmuskelschicht;  dazu  kommt  häufig  ein  gekreuztes  Flechtwerk  von  Diagonal- 
muskelfasern. Außerdem  finden  sich  den  Körjier  durchkreuzende  dorsoventrale 
Muskeln.  Die  Zwischenräume  werden  ausgefüllt  von  blasigem  Bindegewebe,  dem 
„Körperparenchym",  in  welches  die  übrigen  Organe  eingebettet  sind. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  dorsal  über  dem  Schlünde  gelegenen 
paarigen  Cerebralganglion  von  dem  zwei  ventral  gelegene  Hauptstränge,  mitunter 
auch  weitere  Längsstränge  (zwei  seitliche,  zwei  dorsale)  nach  hinten  ziehen.  Häufig 
sind  die  Längsstränge  durch  (t)uerkommissuren  verbunden,  die  sich  stark  verästeln 
und  ein  unterm  Hautmuskelschlauch  liegendes  Netzwerk  bilden  können. 

Der  Darm  entspricht  dem  Urdarm  der  Gastrula,  seine  Öffnung  ist  aber  nicht 
der  Urmund,  sondern  eine  ektodermale  Neubildung.  Entweder  ist  der  Darm  ein 
einfacher  Blindsack,  oder  er  ist  verästelt;  bei  vielen  Platoden  fehlt  er  infolge  para- 
sitischer Lebensweise.     Das  Darmepithel  ist  nicht  bewimjiert. 

Die  Darmöffnung  (als  Mund  und  After  gleichzeitig  fungierend)  bildet  ineist 
einen  muskulösen  Schlundkoi)f  (Pharynx),  der  rüsselartig  vorgestreckt  und  wiedei' 
in  die  vorn  gelegene  Schlundtasche  zurückgezogen  werden  kann. 

Als  Exkretionsorgan  dient  das  Wassergefäßsystem,  zwei  längsverlaufende 
verästelte  Schläuche,  welche  (tie  auszuscheidende  Flüssigkeit  mittels  ,,Wimperläp])- 
chen"  aufnehmen  und  nach  außen  führen.  Die  beiden  Hauptstämme  können  hinten 
verschmelzen  und  gemeinsam  ausmünden.  Mitunter  l)ilden  sie  vor  der  Mündung 
eine  kontraktile  Blase. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  meist  kompliziert  gebaut.  Das  von  der 
Keimdrüse  abgeschiedene  Ei  erhält  von  einer  zweiten  meist  jjaarigen  Drüse,  dem 
Dotterstock,  eine  Anzahl  von  Dotterzellen  als  Nahrung.  Außerdem  wird  eine 
schützende  Hülle,  die  Eischale,  gebildet,  welche  das  zusammengesetzte  Ei  umgibt. 

Es  lassen  sich  drei  Ordnungen  der  Platoden  unterscheiden. 

1.  Ordnung:  Tiirbellaria,  Strudelwürmer. 

Freilebend.  'Slh  P'limmerkleid,  ohne  feste  Cuticula,  meist  ohne  Saugnäpfe, 
mit  Mund  und  Darm. 


74  ''■   I\ursus:    l'lntudos. 

a)  Rlialxlocoela. 

Mit  eiiit'acluiin,  btabt'örmigem  Dann,  der  bei  oiiiigiMi  aiicli  liicivgcliildot  i^riii 
kann.      J/nroslonniDi,   Coiivobita. 

b)  Dendrocoela. 

^Mit  stark  verästeltein  Darm.     Planai-ia. 

2.  Ordnung:  Ti'omatodes  Sangwürnier. 

l'arasitiscli.  Ohne  Fliinnierkleid,  mit  fester  Ciiticula,  mit  Saiignäpien,  mit 
Mund  und  Darm.  Teils  Ekto-,  teils  Entoparasiten,  letztere  mit  Heterogo  n  ie. 
Bewimperte  Larve  in  niedere  Tiere  (meist  Schnecken)  einwandernd,  hier  aus  unbe- 
fruchteten Eiern  Junge  erzeugend  (Parthenogenese),  die  in  einen  anderen  Wirt 
(Wirbeltier)  übergefühi't,  zur  hermaphroditischen  (leneration  werden ;  mitunter  schieltt 
sich  auch  eine  zweite  parthenogenetische  Generation  ein, 

a)  Polystomea. 

Meist  Ektoparasiten,  mit  starken  Klammerorganen,  Haftscheibe,  mit  mehreren 
Saugnäi)fen  und   Haken  versehen.     Entwicklung  direkt.     Polystonmvi. 

b)  Distomea. 

Entoparasiten  mit  einem  Mundsaugnapf  und  meist  auch  mit  einem  Üauch- 
saugnapf.     Entwicklung  mit  Wirtswechsel  und  Heterogonie.     Dlstonnnu. 

3.  Ordnung:  Cestodes,  Bandwürniei-. 

Parasitisch.  Ohne  Flimmerkleid,  mit  fester  Cuticula.  mit  Saugnäpfen;  Miiml 
und  Darm  fehlen.  Durch  Sprossung  Ketten  bildend.  Entwicklung  meist  mit  Meta- 
morphose, auch  mit  Generationswechsel.  Aus  dem  p]i  entsteht  der  sechs-  oder 
vierhakige  Embryo,  der  sich  im  Innern  von  Wirtstieren  zur  Finne  verwandelt,  aus 
der  im  Darm  eines  Raubtieres,  Insektenfressers  oder  Omnivoren  der  Bandwuniikopf 
entsteht,  der  durch  Siirossung  die  Bandwurmglieder  bildet.     Taen/'a,  Bothriocepluüns. 


6.  Kursus. 

Piatodes. 


Technische  Vorbei-eitungeii. 

Da  die  Untersuchung  lebender  Süßwasserturbellarien  für  den  An- 
fänger zu  wenig  lohnend  erscheint,  und  andererseits  die  parasitischen 
Platoden  ein  ganz  besonders  praktisches  Interesse  besitzen,  so  sind  füi' 
diesen   Kursus  Vertreter  der  Trematoden   und   Cestoden   gewählt   worden. 

Von  Trematoden  empfiehlt  es  sich,  mikroskopische  Präparate  des 
ganzen  Tieres  von  Distoinuin  lanceolatum  zu  geben,  das  sich  wegen 
seiner  geringen  Größe  und  relativen  Durchsichtigkeit  sehr  gut  zvu-  An- 
fertigung derartiger   Präparate   eignet. 

Von  Cestodenmaterial  besorgt  man  sich  finniges  Schweinefleisch, 
welches  durch  Vermittlung  jeder  Schlachthofdirektion  leicht  zu  erlangen  ist, 
und  welches  entweder  frisch  oder  in  Formol  fixiert  und  mit  70*^/oigem 
Alkohol  konserviert,  untersucht  wird.  Ferner  Averden  konservierte  Pro- 
glottiden  von  Taenia  solhini,  Taoiia  saginala  und  BothriocepJialus 
latus  verteilt. 


6.  Kursus:  Platodes.  75 

An  fertigen  niiki-oskopischen  Präparaten  sind  erforderlich:  Quer- 
uiid  Flächenschnitte  von  jüngeren,  aus  der  vorderen  Hälfte  des  Band- 
wurms stammenden  Proglottiden,  sowie  in  toto  präparierte  Proglottiden 
aus  der  gleichen  Körperregion.  Die  Herstellung  der  letzteren  Präparate 
erfolgt,  indem  man  die  frischen  Proglottiden  mit  Pikrinschwefelsänre, 
der  etwas  Essigsäure  zugefügt  ist,  fixiert,  dann  lange  mit  Alkohol, 
hierauf  etwa  Yg  Stande  lang  in  destilliertem  Wasser  auswäscht,  und  das 
Präparat  durch  die  verschiedenen  Alkoholgrade  in  Nelkenöl,  dann  in 
Kanadabalsam   überführt. 

Sehr  instruktiv  sind  ferner  fertige  mikroskopische  Ganzpräparatc 
des  kleinen  Hundebandwurms  (Taenia  echinococms). 

Als  Demonstrationsmaterial  sind  konservierte  Exemplare  der 
häufigeren   Bandwürmer  aufzustellen. 

I.  Trematoden,  Saugwürmer. 
A.  Allgemeine  Übersieht. 

Die  als  Parasiten  in  oder  anf  dem  Körper  anderer  Tiere  lebenden 
Trematoden  haben  infolge  dieser  Lol)ens\veise  manclierlei  Veränderungen 
ihres  Körperbanes  erfahren.  So  fehlt  der  tlant  der  Flimmerbesatz,  der 
die  Tnrbellarien  auszeichnet,  dafür  besitzen  die  blatt-  oder  zungen- 
förniigen  Tiere  besondere  Haftapi)arate  auf  der  Bauchfläche,  und  zwar 
ist  das  ein  vorderer,  vom  Munde  durchbolirter  Saugnapf,  zu  dem  oft 
ein  in  der  Mittellinie  der  Bauchfläche  stehender  Bauchsaugnapf  oder 
eine  Haftscheibe  am  hinteren  Körperende  kommen  kann,  diese  be- 
setzt mit  mehreren  Saugnäpfen,  deren  Wirkung  durch  chitinige  Haken 
oder  Krallen  noch  unterstützt  wir<l.  Besonders  stark  ausgebildet  sind 
sie  bei  den  ektoparasitisch  lebenden  Saugwürmern. 

Der  Hautmuskelschlauch  ist  stark  entwickelt  und  besteht  aus 
Ring-,  Längs-  und  Diagonalmuskeln.  Ferner  finden  sich  dorso-ventrale 
Muskeln,  sowie  die  Saugnapfmuskeln:  meridionale,  welche  den  Saugnapf 
abflachen,  äquatoriale,  welche  ihn  erheben,  und  radiäre,  die  ihn  ver- 
engern und  dadurch  das  Ansaugen  des  Saugnapfes  bewirken. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  zwei  miteinander  verbundenen, 
hinter  dem  Mundsaugnapf  liegenden  Ganglien  (Cerebralganglien),  von 
denen  meist  drei  Paar  Stränge  nach  hinten,  andere  kürzere  nach  vorn  gehen. 

Die  Sinnesorgane  sind  infolge  der  parasitischen  Lebensweise  ver- 
kümmert, nur  bei  einigen  Ektoparasiten  finden  sich  einfach  gebaute 
Augen  vor,  ebenso  bei  manchen  freilebenden  Larvenformen  von  Ento- 
parasiten. 

Der  Darmkanal  beginnt  mit  dem  vorn  und  etwas  bauchwärts 
gelegenen  Mund,  der  in  den  Vorderdarm  mit  muskulösem  Pharynx  führt, 
dann  gabelt  sich  der  Vorderdarm  in  zwei  seitliche  Blindsäcke.  Der 
Mund  fungiert  auch  als  After. 

In  den  Vorderdarm  münden  einzellige  Speicheldrüsen. 

Der  Raum  zwischen  Darmkanal  und  Haut  wird  ausgefüllt  von 
einer  Zellmasse,  dem  Parenchym. 

Das  Exkretionssystem  ist  ein  typisches  Wassergefäßsystem  und 
besteht  aus  zwei  großen  Hauptstämmen,  die,  getrennt  oder  in  eine  kon- 
traktile Blase  vereinigt,  hinten  dorsal  ausmünrlen.  ^'on  den  Haupt- 
stämmen gehen  kleinere  Seitenäste  ins  Parenchym,  die  mit  Wim[)er- 
läppchen  endigen. 


7()  0.   Kiifsiis:    riatodt's. 

Die  Saugwürmer  siiul  fast  alle  Zwitter.  Der  männliche  (Tesclileclits- 
ai)parat  besteht  aus  zwei  meist  flachen,  lappigen  Hoden,  deren  Aus- 
führgänge sich  zu  dem  Samenleiter  vereinigen,  der,  zur  Samenblase 
erweitert,  in  den  ausstülpbaren,  häufig  in  einen  Beutel  eingeschlossenen 
Penis  mündet.  Der  weibliche  Geschlechtsapparat  l)esteht  aus  dem  un- 
l)aaren,  median  gelegenen  Ovarium,  dessen  Ausführgang  sich  mit  dem 
vereinigten  Ausführgang  zweier  seitlich  gelegener  Drüsen,  der  Dotter- 
stöcke, verbindet  und  zum  Uterus  wird,  einen  vielfach  geschlängelten, 
die  fertigen  Eier  bergenden  Rohr,  das  neben  der  männlichen  Geschlechts- 
öffnung ausmündet.  Die  Dotterstöcke  liefern  vor  allem  das  Material 
zur  Bildung  der  Eischale,  einer  festen,  becherförmigen  Hülle  mit  dar- 
übei-  geklapptem  Deckel.  An  dem  Anfangsteil  des  Uterus,  dem 
Ootyp,  münden  zahlreiche  einzellige  Drüsen,  die  in  ihrer  Gesamtheit 
als  Schal endrüse  bezeichnet  werden,  mit  der  Bildung  der  Eischale 
aber  nichts  zu  tun  haben,  sondern  wahrscheinlich  nur  eine  wässerige, 
den  Uterus  erfüllende  Flüssigkeit  abscheiden. 

Die  Befruchtung  der  Eier  erfolgt  durch  den  Uterus,  und  nicht 
wie  man  früher  annahm,  durch  den  LAURERschen  Kanal,  einen  l)esonderen 
Gang,  der  in  die  Schalendrüse  einmündet  und  in  dessen  Nähe  eine  mit 
Sperma  gefüllte  Blase,  das  Receptaculum  seminis,  liegen  kann. 

Die  ektoparasitischen  Trematoden  entwickeln  sich  direkt,  die  ento- 
parasitischen  machen  eine  mit  Wii-twechsel  verknüpfte  komplizierte  Ent- 
wicklung durch.  Aus  dem  befruchteten  Ei  des  erwachsenen  Tieres  ent- 
steht eine  bewimperte  Larve,  Miracidium,  die  in  ein  Mollusk 
eindringt,  hier  zu  einem  fast  organlosen  Keimschlauch  auswächst,  der 
Redie  genannt  wird,  wenn  er  Schlundkopf  und  Darm  besitzt,  Sporo- 
cyste,  wenn  diese  Organe  fehlen.  Unbefruchtete  Eier,  die  sich  in  diesen 
Keimschläuchen  parthenogenetisch  entwickeln,  wachsen  entweder  zu 
neuen  Redien  aus,  oder  liefern  weiter  entwickelte,  dem  erwachsenen 
Tier  bereits  ähnliche,  aber  noch  mit  einem  Ruderschwanz  versehene 
Formen,  die  Cercarien.  Letztere  gelangen  ins  Wasser,  kapseln  sich 
unter  Verlust  des  Ruderschwanzes  an  Pflanzen  ein  und  werden,  wenn 
sie  von  einem  neuen  Wirt  gefressen  werden,  zum  entwickelten  Distomum, 
oder  aber  die  Cercarien  gelangen  in  einen  neuen  Wirt,  in  dem  sie  sich 
einkapseln,  um  erst  dann,  wenn  sie  samt  diesem  von  einem  dritten 
Wirt  gefressen  werden,   zu  entwickelten  Saugwürmei-n   heranzuwaclisen. 


B.  Spezieller  Kursus. 

JJistoiiiiitn  lanceoldtiuH  (Mehl.) 

Dislüiiinm  laiiceolatum  findet  sich  in  den  Gallengängen  von  Schaf, 
Rind,  Ziege,  Esel,  Hirsch,  Hase,  Kaninchen  und  Schwein,  oft  mit  Disto- 
nntiii  hepaticum^  dem  Leberegel  vergesellschaftet. 

Es  werden  fertige  mikroskopische  Präparate  gegeben,  die  zunächst 
mit   schwacher  Vergrößerung   zu   betrachten   sind. 

Der  8 — 10  mm  lange  Körper  des  Tieres  erscheint  lanzettförmig. 
Deutlich  lassen  sich  die  beiden  Saugnäpfe  erkennen,  von  denen  der 
Bauchsaugnapf  der  größere  ist.  An  den  Mundsaugnapf  schließt  sich 
der  kurze,  muskulöse  Schlund,  dei'  sich  zur  dünnen  Speiseröhre  ver- 
längert. Über  dem  Beginn  der  Speiseiöhre  liegen  dorsal  die  beiden 
verbundenen  Hirnganglien.     Der  Daim   gabelt  sich   nunmehr,    und    die 


6.  Kursus:    Piatodes. 


77 


beiden  einfachen  unverästelten  Schenkel   endigen    blind   in   dei-  Gegend 
des  dritten  Viertels  der  Körperlänge  (Plg.  04). 

\'oni  Exkretionssystem,  welches  in  Fig.  dö  abgebildet  ist,  ist  an 
diesen  Präparaten  fast  nichts  wahrznnehnien,  und  alles,  was  man  noch 
im  Präparate  sieht,  gehört  zu  den  beiden  Geschlechtsapparaten.    So 


Miimlsaiitjnaiif 


Ganglion 

Darmgabelimg 
?Öffi 

Peni> 


Bauehsaugnapf 


Vas  dofereiis 


Hoden 


Ijaiircrscliei-  (Jang 


Hotte  ritang 


Dotterstook 


TVT'.Kr 


Eierstock 


PottovstocU 


—   Schalendriise 


Uterus 


V"\(f.   n4.     nisionniin    Innrenlalii in .     OritJ'. 


liegen  hinter  dem  Bauchsaugna])f  hinteieinander  zwei  große,  etwas  ge- 
lapi)te  Hoden,  und  vorn  vor  dem  Bauchsaugnapf  sieht  man  den  in 
einen  Beutel  eingeschlossenen  Penis  sich  bis  zur  (labelung  des  Darmes 
erstrecken.  Der  Eintritt  der  zu  einem  Samenleiter  vereinigten  Aus- 
führgänge der  Hoden  in  den  Penis  läßt  sich  mit  stärkerei'  Vergrößerung 
wahrnehmen. 


78 


6.  Kursus:   Piatodes. 


Von  dem  weiblichen  Geschlechtsapparat  imponiert  am  meisten 
der  in  zahlreiche  Schlingen  gelegte  Uterus,  der  zuerst  nach  hinten 
zieht,  dann  sich  wiederum  nacli  vorn  wendet  und  zwischen  beiden  Hoden 

neben  der  männlichen  Öffnung  ausmündet.  Meist  ist 
der  Uterus  prall  mit  Eiern  gefüllt,  und  es  hat  auf 
den  Präparaten  oft  den  Anschein,  als  ob  der  Uterus 
reichlich  verästelt  wäre.  Die  vorderen  Uteruswin- 
dungen, welche  die  reifen  Eier  enthalten,  erscheinen 
schwarz,  die  hinteren  rostrot.  Betrachten  wir  ein 
solches  Ei  mit  starker  Vergrößerung,  so  sehen  wir 
es  von  einer  dicken.  dunkell)raunen  Schale  umgeben, 
die  gedeckelt  ist. 

Das  Ovarium,  früher  fälschlich  als  dritter 
Hode  betrachtet,  liegt  hinter  dem  zweiten  Hoden 
und  erscheint  als  rundlicher  Körper  von  geringer 
Größe,  in  welchem  wir  bei  starker  Vergrößerung 
kleine  Eier  sehen.  Vom  Ovarium  gelangen  die  Eiei' 
in  den  von  der  Schalendrüse  umgebenen  Ootyp, 
den  Anfangsteil  des  Uterus,  der  bei  vielen  Formen 
noch  einen  feinen  Kanal  in  der  Richtung  nach  dem 
zweiten  Hoden  zu  aussendet,  der  sich  nach  außen 
auf  der  Rückseite  öffnet:  den  LAURERschen  Kanal.  Bei 
den  Distomeen  ist  dieser  Kanal  vielfach  rudimentär. 
Endlich  haben  wir  noch  die  beiden  Dotter- 
stöcke zu  betrachten,  die  sich  in  der  Gegend  der 
Köipei'mitte  auf  der  i'echten  und  linken  Seite  vor- 
finden und  wegen  ihrer  distinkten  Färbung  sogleich 
ins  Auge  fallen.  Die  Gestalt  eines  Dotterstockes  ist  länglich  gestreckt; 
auf  einem  oft  nur  undeutlich  sichtbaren  Längsgefäße  sitzen  Gruppen 
von  meist  kurzen,  keulenförmigen,  oft  verzweigten  Säckchen.  Von  der 
Mitte  des  Längsgefäßes  führt  ein  querverlaufender  Dottergang  zum  An- 
fangsteil des  Uterus. 


]""ig.  5.").  Wassergefäß- 

systPm  von  Distonutni 

lanceolatuni. 


II.  Cestoden. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Bandwürmer  oder  Cestoden  sind  entoparasitische  Plattwürmer, 
welche    in    der    durch    diese   Lebensweise   bedingten  Umgestaltung   des 


Körpers  noch  weiter  gegangen  sind  als  die  Trematoden.  So  fehlt 
ihnen  ein  Darm,  und  die  Ernährung  erfolgt  mittels  Aufnahme  flüssiger 
Nahrung  durch  die  Haut.  Sie  halben  zwei  Entwicklungszustände,  die 
Finue  /oder  Blasenwurm)  und  die  Randwurmkette,  von  denen 
erstere  im  Bindegewebe  der  Muskeln,  Leber  usw.  lebt,  die  letztere, 
geschlechtsreif e  Form,  im  Darm. 

Aus  den  befruchteten  Eiern  des  Bandwurmes  entwickelt  sich 
„sechshakige   Embryo"'    Oncosphaera,    der    in    den    Körper   eines 


die 
die 

der 
be- 


stimmten Tieres  (bei  Taoiia  soliuin  z.  B.  des  Schweines)  eindringen 
muß.  um  zur  Finne  zu  werden.  \'om  Schwein  werden  die  Embryonen 
mit  der  Nahrung  aufgenommen,  durchbohren  alsdann  die  Darm  wand 
und  wandern  in  das  Bindegewebe   der  Muskeln  usw.  ein.     Durch  A>r- 


ß.  Kursus:  Platndes.  79 

fütterung  des  „finnigen"  Fleisches  des  „Zwischenwirtes'"  können  die 
Finnen  in  ihren  „Endwiif  gelangen  (bei  Tae7iia  solhiiii  z.  B.  den 
Menschen).  Im  Darme  des  letzteren  wandelt  sich  die  Finne  zum  Kopfe, 
Scolex,  des  Bandwurmes  um.  an  dessen  hinterem  Ende,  unter  oft  sehr 
bedeutendem  Längenwachstum  des  ganzen  Tieres,  sich  mehr  oder  mindei- 
scharf  getrennte  Glieder  (Proglottiden)  differenzieren,  in  denen  die 
Geschlechtsprodukte  ausgebildet  werden.  Durch  sukzessive  Ablösung 
der  letzten  geschlechtsreifen  Proglottiden  gelangen  diese  ins  Freie. 

Die  Finne  stellt  sich  als  ein  Bläschen  dar,  welches  mitunter  sehr 
groß  werden  kann.  An  seiner  Innenwand  bildet  sich  durch  Einstül- 
pung die  Anlage  des  Scolex.  Bei  manchen  Formen  werden  viele  Sco- 
lices  gleichzeitig  erzeugt.  Bei  den  Bothriocei)halen  umgibt  sich  die 
Oncosphaera  mit  einer  dünnen  Hülle  und  wandelt  sich  direkt  zum 
Kopf  des  Bandwurms  um. 

Im  Darmkanal  des  Endwirtes  wird  die  Hülle  der  Finne  vernichtet 
und  der  Scolex  ausgestülpt.  Besondere  Organe  besorgen  die  Fest- 
heftung an  der  Darmwand.  Solche  Festheftungsorgane  sind  chitinige 
Haken  in  verschiedener  Anordnung,  meist  an  der  Außenfläche  eines 
durch  Muskeln  beweglichen,  Rostellum  genannten  vorderen  Teiles 
sowie  Saugnäpfe. 

Den  Körper  bedeckt  eine  starke  Cuticula;  die  Epithelzellen  sind 
durch  die  Basalmembran  hindurch  in  die  Tiefe  versenkt  und  bilden 
die  sog.  Subcuticularschicht.  Das  Innere  ist  mit  einer  Zellmasse, 
dem  Parenchym,  ei'füllt,  welches  in  eine  äußere,  die  Muskulatur  ent- 
haltende Rindenschicht  und  eine  innere  Markschicht  zerfällt. 

Das  einheitliche  Nervensystem  durchzieht  den  Bandwurm  der 
ganzen  Länge  nach  und  besteht  aus  zwei  Seitensträngen,  die  von  den 
im  Kopf  gelegenen  paarigen  Hii-nganglien  ausgehen. 

Das  Wassergefäßsystem  besteht  meist  aus  vier  Längskanälen 
(darunter  zwei  sehr  schwach  entwickelten),  von  denen  kleinere  Seiten- 
gefäße in  den  Körper  gehen,  die  in  Flimmerläppchen  münden.  Die 
Längskanäle  münden  am  Hinterrande  der  jeweilig  letzten  Proglottis  aus. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  sehr  stark  entwickelt,  und  es 
finden  sich  in  jeder  Proglottis  ein  männliches  und  ein  weibliches  vor. 
Nur  die  jüngsten,  dem  Kopfe  am  nächsten  stehenden  Glieder  haben 
noch  keine  Geschlechtsoi'gane,  die  bei  den  mittleren  am  stäi'ksten  ent- 
wickelt sind,  während  bei  den  letzten  fast  nur  der  mit  Eiern  gefüllte 
Uterus  übrig  bleibt.  Wie  bei  den  Trematoden,  so  finden  sich  auch 
bei  den  meisten  Cestoden  drei  Geschlechtsöffnungen,  eine  männ- 
liche und  zwei  weibliche,  von  denen  die  eine  die  Mündung  der  Vagina, 
die  andere  die  des  Uterus  dai'stellt,  doch  kann  letztere  auch  fehlen  (bei 
den  Tänien).    Die  Genitalöffnungen  sind  randständig  oder  fiächenständig. 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  weisen  zahlreiche  Hoden- 
bläschen im  Parenchym  auf,  deren  kleine  Ausführgänge  sich  zu  einem 
Vas  deferens  vereinigen.  Das  Ende  dieses  Samenleiters  liegt  in  einer 
Tasche,  der  Penistasche,  ist  ausstülpbar  und  fungiert  als  Penis. 

Die  weiblichen  Organe  beginnen  mit  dem  am  Hinterrande  jeder 
Pjoglottis  liegenden  paarigen  Keimstock  (Ovarium).  Der  davon  aus- 
gehende Eileiter  zieht  zur  Schalendrüse,  welche  die  paarigen  Aus- 
führgänge zweier  Dotterstöcke  aufnimmt.  Hier  wird  jede  Eizelle 
von  Dotterzellen,  die  ihr  als  Nahrung  dienen,  umhüllt,  und  das  nun- 
mehr zusammengesetzte  Ei  mit  einer  gedeckelten  Schale  umgeben. 
Bei    manchen  Formen    (Tänienj    fehlen    die    paarigen  Dotterstöcke   und 


80 


6.  Kursus:  Piatodes. 


werden  durch  die  iinpaare  Eiweißdrüse  ersetzt.  Von  der  Schalen- 
drüse gehen  zwei  Gänge  nach  außen,  dei-  eine,  die  Vagina,  mündet 
dicht  neben  dem  Penis  nach  außen,  der  andere,  der  Uterus,  enthält 
die  fertigen  Eier  und  mündet  entweder  (Bothriocephaliden)  ebenfalls 
nach  außen,  oder  endigt  blind  (Tänien),  zahlreiche  Seitenäste  aussendend. 
Von  den  fünf  Familien,  welche  man  unterscheidet,  leben  die  noch 
sehr  trematodenähnlichen  Caryophyllaeiden  in  Fischen,  ebenso  die 
Tetrar hynchiden.  die  Liguliden  im  Darm  von  Wasservögeln  (ihre 
Jugendform  in  der  Leibeshöhle  von  Fischen),  während  die  Bothrio- 
cephaliden und  Täniiden  im  Darm  von  Säugetieren  vorkommen. 
Die  Bothriocephaliden  haben  einen  si)atelartigen  Kopf  mit  zwei  Saug- 
gruben auf  den  schmalen  Seiten,  bei  den  Tänien  finden  sich  vier  Saug- 
näpfe, meist  auch  noch  ein  Rostellum  mit  einem  Hakenkianz. 

B.  Spezieller  Kursus. 

Taenin  soUuni,    T.  safjinatcf   und  Bothriocephahis   latus. 

Jeder  Praktikant  erhält  zunächst  etwas  finniges  Schweinefleisch, 
aus  welchem  er  die  einzelnen  Finnen  —  ohne  sie  anzustechen  —  her- 
auszulösen und  in  ein  mit  Wasser  gefülltes  Uhrschälchen  zu  bringen 
hat.  Schon  mit  bloßem  Auge  läßt  sich  der  meist  ins  Innere  der  Blase 
eingestülpte  Scolex   als  weißlicher  Fleck   erkennen. 

Um  den  Scolex  besser  zur  Anschauung  zu  bringen,  kann  man  ihn 
entweder  durch  vorsichtiges  Quetschen  der  Blase  zwischen  zwei  Fingern 
zur  Ausstülpung  bringen,  oder  man  hebt  ihn  mittels  einer  Nadel  aus 
der  Blase  heraus,  oder  man  schneidet  ihn,  samt  einem  Stück  der  Um- 
gebung, aus  der  Blaseuwand  aus,  bringt  ihn  dann  mit  reichlichem 
Wasserzusatz  auf  einen  Objektträger,  und  legt  unter  leichtem  Druck 
einen   zweiten   Objektträger  auf   das   alsdann   fertige   Präparat. 


Fig.  5G.     Scolices  der  l'iiuie  von   Taenia  soliutn  (nach  Leuckart).     Schema. 


Untei-  schw'acher  Vergrößerung  zeigt  das  Mikroskop  den  Scolex 
in  fast  rechteckigem  Umriß  (Fig.  56).  Deutlich  treten  in  den  vier 
Ecken  die  Saugnäpfe  hervor.  Charakteristisch  für  vorliegende  Form 
(  7aenia  salin lu)  ist  der  Besitz  eines  Hakenkranzes  von  etwa  2S  Haken 
an  der  \'orderfläche  des  Kopfes.  Man  erkennt  zweierlei  Haken,  größere 
und  kleinere,  die  in  zwei  konzentrischen  Kreisen  stehen.  Im  inneien 
Kreise  befinden  sich  die  größeren  Haken,  im  äußeren  Kreise,  damit 
alternierend,  die  kleineren.  Die  Spitzen  der  Haken  beider  Kreise 
liegen  vom  Zentrum  gleich  weit  entfernt.  Die  genauere  Betrachtung 
der  aus  einer  hornigen  Substanz   bestehenden  Haken    zeigt   deren    ein- 


ü.  Kursus:  Piatodes. 


81 


zelne  Teile:  eine  etwas  nach  außen  gekrümmte  Spitze,  einen  in  das 
Integument  eingesenkten  Stiel  und  eine  seitliche  Zacke,  die  Handhabe. 
Der  Hakenki'anz  sitzt  auf  dem  beweglichen  Rostellum.  seine  Wirkungs- 
weise läßt  sich  durch  verminderten  oder  verstärkten  Druck  auf  den 
dem  Objekt  aufliegenden  01»jektti-äger  demonstrieren. 

Um  den  Bau  der  Proglotticlen  za  studieren  und  dem  Praktikanten 
die  wesentlichen  Untei'scliiede  der  einzelnen  Bandwürmer  zu  demonstrieren, 
werden  möglichst  reife  Glieder  von  Taenia  soliuvi,  Taenia  saginata 
und  Bothriocephahis  latus  verteilt.  Die  Präparation  geschieht  in  der 
Weise,    daß    jedes    Objekt,    mit    etwas  Glj'zerin    bedeckt,    zwischen    zwei 


Taenia  soliuni  Taenia  saginata  Bothriocepkalus  latus 

Fig.  57.     Köpfe    und    reife    Proglottiden    von    Taenia   soliiwi ,    Taenia   sa^^ittata    und 

Bothriocephalus  latus.    Orig. 


Objektträgern  leicht  gepreßt  wird.     Das  Präparat   wird  dann   gegen   das 
Licht  gehalten   und   mit  einer  schwachen   Lupe   betrachtet. 

Die  Unterscheidung  der  drei  Formen  ist  sehr  leicht.  Zunächst 
unterscheiden  sich  die  Proglottiden  beider  Tänienarten  schon  dadurch 
von  denen  des  Bothriocephalus,  daß  ihre  auf  einer  leichten  Erhebung 
ausmündenden  Ausführungsgänge  der  Geschlechtsorgane  randständig  sind 
und  daher  leicht  wahrgenommen  werden  können,  während  sie  bei 
Bothriocephalus  Hächenständig  sind.  Die  Proglottiden  beider  Tänien 
lassen  sich  sehr  leicht  dadurch  unterscheiden,  daß  der  in  durchfallen- 
dem Lichte  deutlich  sichtbare  Uterus  bei  Taenia  soliitvi  nur  7  —  9 
kurze,  verästelte  Seitenäste  aussendet,  während  bei  Taenia  saginata 
die  Zahl  der  wenig  verästelten  Seitenäste  20—30  beträgt.    Bei  Bothrto- 

Kükenthal.  Zool.  Piaktikmii.     5.  Aufl.  fc> 


S2 


6.  Kursus:   Piatodes. 


cephalus  latus  bildet  der  in   der  Mitte  der  Proglottis  liegende  Uterus 
eine  dunkel  erscheinende  rosettenförniige  Figur. 

Der  feinere  Bau  der  Proglottiden  wird  zunächst  an  Schnitten  studiert, 
welche  sich  der  Praktikant  selbst  anfertigt.  Eine  der  mittleren  Körper- 
region entnommene  Proglottis  wird  zwischen  ein  Stückchen  der  Länge 
nach  gespaltenes  Hollundermark  gespannt  und  mit  dem  mit  Alkohol  be- 
netzten Rasiermesser  in  möglichst  dünne  Schnitte  zerlegt.  Diese  Schnitte 
werden  mittels  Pinsels  in  eine  verdünnte  Lösung  von  Alaunkarmin  ein- 
gelegt, nach  einigen  Minuten  wieder  herausgenommen,  mit  Alkohol  ab- 
irewaschen  iind  auf  einem  Objektträger  unter  Glyzerin  untersucht.  Zur 
Kontrolle  werden  noch  fertige  mikroskopische  Präparate  gefärbter  Quer- 
schnitte gegeben. 

An  einem  solchen  Schnitte  läßt  sich  folgendes  sehen.  Den  Körper 
umgibt  eine  starke  Cuticula.  aus  mehreren  Schichten  bestehend.  Dar- 
unter liegt  eine  Schicht  spindelförmiger  Zellen,  welche  mit  ihrer  Längs- 
achse senkrecht  zur  Cuticula  stehen.  Diese  Schicht,  welche  als  Sub- 
cuticularschicht  bezeichnet  wird,  ist  das  in  die  Tiefe  unter  die 
Basalmembran    versenkte   Körperepithel.     Das  Innere   des   Körpers   ist 


Seitengefäß 

Nfiveii-   ] 
System 


Hode 


Uterus         Ringniuskulatiir 

;  ;  Längsmiiskiilatur 

'    Dorsoventrale  Miisliii)atur 


Snbcuticiilarschioht   ;         >?^^^-''' ¥■  f '-^  tl'''%!i<^<?lWi^'^  j'f  i 


'^^im0 


\^\il' 


'"^illl^SSE 


''>.",. Vi.iSti,-;:o<iV".'t"'.  i'''<iiiti;i""if<tliHPr 


Fig.  58.     Querschnitt  durch  eine  .junge  Proglottis  von   Taeuia  saginata.     Orig, 


erfüllt  mit  bindegewebigem  Parenchym,  dessen  Scheidung  in  eine 
Rindenschicht  und  eine  Markschicht  sich  deutlich  wahrnehmen  läßt. 
Zahlreiche  sehr  dünne  Muskeln  durchziehen  das  Parenchym.  Nach 
innen  von  der  Subcuticularschicht  lassen  sich  in  Gruppen  stehende, 
sehr  feine  Querschnitte  von  Längsmuskelzügen  bemerken.  Die  Mark- 
schicht des  Parenchyms  wird  umgeben  von  querverlaufenden  Bündeln, 
und  außerdem  durchziehen  den  Körper  noch  dorsoventral  verlaufende 
Muskelbündel.  In  der  Markschicht  liegen  zahlreiche  stärker  gefärbte 
Zellgrup})en,  die  Hoden,  während  in  der  Mitte  des  Schnittes  dei' 
Uterus  getroffen  ist.  An  beiden  Seiten  der  Proglottis  erscheinen  zwei 
größere  Hohlräume,  die  Querschnitte  der  beiden  seitlichen  Längs- 
kanäle des  Exkretionssystemes  und  seitlich  nach  außen  von  diesen 
sind  die  ovalen  Querschnitte  der  beiden  Seiten-stränge  des  Nerven- 
systems zu  bemerken.  Zahlreiche  stark  lichtbiechende,  rundliche  oder 
ovale  Körperchen,  die  im  Parenchym  zeistreut  liegen,  sind  die  „Kalk- 
körperchen".  Der  Zusatz  von  etwas  verdünnter  Essigsäure  auf 
einen  selbstgefertigten  Schnitt  läßt  sie  unter  Kohlensäureentwicklung 
aufbrausen. 

Es  werden  nunmehr  zum  genaueren  Studium   der  CTeschlechtsor^ane 


fertige    mikroskopische    Präparate    ganzer    Proglottiden ,    eventuell 
Flächenschnitte  durch   diese  gegeben. 


auch 


6.  Kursus:  Piatodes. 


83 


Bei  den  Piäparaten  einer  Proglottis  mittleren  Reifegrades  von  Taenia 
(s.  Fig. 59)  ist  zu  beachten  die  Seiten-  oder  randständige  Öffnung  der 
Geschlechtsausführgänge.  Die  samenerzeugenden  Hodenbläschen 
der  zwitterigen  Proglottis  liegen  zerstreut  im  Parencl\ym  und  ihre 
Produkte  werden  durch  Sammelgänge  dem  großen  \'as  deferens  zu- 
geführt, dessen  vordei'ster  Abschnitt,  in  einer  besonderen  Hülle,  dem 
Cirrusbeutel,  gelegen,  hervorgestülpt  werden  kann  und  als  Penis 
fungiert.  Vom  zweiteiligen  Eierstock  führt  ein  Gang  in  die  Schalen- 
drüse, in  welche  auch  der  Ausführgang  einer  unpaaren  Eiweißdrüse 
einmündet.  Der  in  dei-  Mittellinie  der  Proglottis  verlaufende  Uterus 
ist  ein  einfacher  oder  seitlich  verästelter  Blindsack;  er  enthält  die  kleinen 
Eier.  Der  Ausführgang  des  weiblichen  Geschlechtsapparates,  die 
Vagina,  mündet  gemeinsam  mit  dem  Penis  nach  außen. 

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Flg.  59.     (ieschlechtsapparat  einer  reifenden  Proglottis  von  Taenia  saginata. 

Sommer  aus  R.  Hertwig.) 


(Nach 


.V  Nervenstrang;    Neph  Wassergefäß;    t  Hoden;  vd  Vas   deferens;    cb   Cirrusbeutel: 
K  Porus   genitalis;    vag  Vagina:    ov  Ovar;    rs    Receptaculnm   seiiiinis;    sdr   Sclialen- 

drüse;  dt  Eiweißdrüse;  it  Uterus. 


Flächenschnitte  durch  die  Proglottis  von  Bothrioccphalus  (Fig.  60) 
zeigen  einen  etwas  anderen  Bau  der  Geschlechtsorgane.  Der  männ- 
liche Geschlechtsapparat,  der  sonst  ähnlich  wie  bei  Taniia  gebaut  ist, 
mündet  Hächenständig  in  der  Mittellinie  der  Proglottis  nach  außen.  Im 
weiblichen  Geschlechtsapparat  treten  statt  der  fehlenden  Eiweißdrüse 
zwei  groBe,  im  Parenchym  zerstreute  Dotterstöcke  auf.  Der  von  der 
Schalendrüse  abgehende  Uterus  legt  sich  in  vielen  Windungen  zu  einer 
rosettenförmigen  Figur  zusammen,  enthält  bei  der  Pteife  sehr  große, 
derbschalige  Eier  und  mündet  Hächenständig  nach  außen;  auch  der 
zweite  weibliche  Ausführgang,  die  Vagina,  mündet  gemeinsam  mit  dem 
Penis,  flächenständig. 

An  dem  aufgestellten  Demonstrationsmaterial  ganzer  Tänien 
ist  die  verschiedene  Form  der  Proglottiden  zu  beobachten.    Die  reifen 

während  sie  nach  dem  Kopfe  zu  immer 

6* 


Endglieder  sind  langgestreckt, 


84 


ü.   Kiirsub :  Piatodes. 


kürzer    werden.     Der   auf   den  Kopf   folgende,   als   „Hals"    bezeichnete 
Körperteil  zeigt  noch  keine  Segmentieiung. 

Von  kleineren  Bandwürmern  lassen  sich  besonders  schöne  mikio- 
skopische  Präparate  des  ganzen  Tieres  von  der  Tacnia  ccliinococcjis 
des  Hundes  anfertigen.  Die  Demonstration  der  im  Menschen,  im  Rind, 
Schaf    und   Schwein    vorkommenden    Finnen    dieses    Bandwurmes,    der 


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Fig.  60.  Geschlechtsapparat  einer  reifenden  Proglottis  von  Bothriocephahis  laUis,  rechts 
ist  nur  der  Dotterstock,  links  nur  der  Hode  dargestellt.  (Nach  Sommer,  aus  HERTWao.) 

^^  Dotterstock ;  (/^ Dottergang;  oz^  Eierstock ;  o^^  Ovidukt;  .ji/ Schalendrüse;  z'a  Vagina; 

u  Uterus;  h  Hodenbläschen;  cb  Cirrusbeutel ,  gemeinsam   mit  der  Vagina  mündend; 

w' Wassergefäßkanäle ,  der  dunkelschraffiei'te  Kanal  ist  das  Vas  deferens. 


Echinokokken,  erweist,  daß  die  aus  dem  befruchteten  Bandwurmei 
hervorgegangene  Finne  durch  Knospung  nach  innen  oder  außen  zahl- 
reiche Tochterblasen  erzeugt,  in  denen  erst  die  Bildung  der  Brut- 
blasen vor  sich  geht,  an  deren  Wandung  die  Scolices  sich  ausbilden. 
Letzterer  Vorgang  kann  übrigens  ausbleiben  und  es  entstehen  dann 
die  Acephalocysten. 


Systematischer  Überblick 

für  den   siebenten  und  achten   Kursus. 


IV.   StHmni. 

Vermes. 

Die  Wünuer  sind  liilateral-syniiiietrische  Tiere,  welche  mit  einem  After  und 
meist,  im  Gegensatz  zu  den  Plathelmintlien,  mit  einem  Blutgefäßsystem  versehen 
sind.     Eine  Leibeshöhle  fehlt  nur  den  niedersten. 

Es  lassen  sich  sechs  Klassen  unterscheiden : 

1.  Rotatorien,  Kädertierchen. 

2.  Xemertinen,  Schnurwürmer. 

3.  Chaetognathen,  Pfeihvürmer. 

4.  Nemathelniinthen,  Rundwürmer. 

5.  Prosopygier,  Buschwürmer. 

6.  A  n  n  e  I  i  d  e  n ,  Ringel  würnier. 

I.  Klasse:  Rotatoria,  Rädertieichen. 

Sehr  kleine,  walzenförmige  oder  dorsoventral  abgeflachte,  meist  im  Süßwasser 
lebende  Tierchen,  die  ihren  Namen  daher  haben,  daß  sie  vorn  am  Kopf  einen  zur 
Bewegung  wie  zum  Herl)eistrudeln  der  Nahrung  dienenden,  meist  einziehbaren  wim- 
perndeu  Apparat  besitzen,  das  Räderorgan.  Die  übrige  Körperoberfläche  wird 
von  einer  chitinigen  Hülle  geschützt,  die  panzerartig  fest  werden  kann.  Das  Hinter- 
ende, der  Euß,  ist  vom  Rum])f  besonders  abgesetzt  und  gegliedert,  am  Ende  oft  in 
zwei  zangenartige  Spitzen  auslaufend,  die  im  Verein  mit  Klebdrüsen  die  Eestheftung 
des  Tieres  ermöglichen. 

Dm  Nervensystem  wird  von  einem  oberhalb  des  Schlundes  gelegenen 
Ganglion  gebildet,  welches  nach  hinten  ein  dorsales  und  ein  laterales  Längsnerven- 
])aar  entsendet.  Darüber  liegen  als  Sinnesorgane  einfach  gebaute  Ocellen  oder  zarte 
Tastborsten. 

Die  Muskulatur  ist  nur  schwach  entwickelt  und  bildet  keine  zusammen- 
hängende  Schicht. 

Der  Darmkanal  beginnt  mit  dem  ektodermalen  Schlund,  der  in  den  mit 
chitinigen  Kiefern  versehenen  Kaumagen,  ebenfalls  ektodermalen  Ursprungs,  fülirt. 
In  den  entodermalen  Mitteldariii  münden  ein  Paar  Drüsen,  und  der  Enddarm  nimmt 
die  Mündungen  der  beiden  Kanäle  des  Exkretionsorgans  auf  und  wird  dadurch  zu 
einer  Kloake.     Der  After  mündet  dorsal  an  der  Ansatzstelle  des  Fußes. 

Ein  Blutgefäßsystem  fehlt. 

Das  Exkretionsorgan  ist  das  gleiche  wie  bei  den  Plathelminthen,  also  ein 
Wassergefäßsystem,  ein  jiaar  lange,  verästelte,  mit  flimmernden,  blinden  Ästen 
versehene  Schläuche,  die  sicii  meist  in  einer  unpaaren  kontraktilen  Blase  vereinigen, 
welche  in  die  Kloake  einmündet. 

Die  Geschlechtsorgane  des  Weibchens  sind  ein  oder  zwei  Ovarien  an  der 
ventralen  Seite  des  Darmes,  die  in  die  Kloake  ausmünden. 

Die  Männchen  sind  stark  rückgebildet  und  viel  kleiner:  Zwergmännchen; 
sie  treten  nur  zu  gewissen  Zeiten  (im  Herbst)  auf.  Den  Sommer  über  pflanzen 
sich  die  Weibchen  fort,  ohne  vom  Männchen  befruchtet  zu  werden:  ,,Partheno- 
genesis'-.  Die  Sommereier  sind  dünnschalig,  im  (Gegensatz  zu  den  hartschaligen 
Wintereiern,  welche  l)t'fruchtet  werden.     Brachiomis. 


86  Systematischer  Überblick:   Yermes. 

II.  Klasse:    Nemertini,  Sclinurwürmer, 

Vorwiegend  im  Meere  lebende,  meist  sehr  lange,  schmale  Würmer,  welche 
wie  die  Turbellarien  bewimpert  sind,  sich  von  den  Plathelminthen  aber  unterscheiden 
durch  den  Besitz  eines  Afters  und  eines  Blutgefäßsystems.  Ferner  besitzen  sie 
einen  in  einer  muskulösen  Scheide  liegenden  vorstülpbaren  Rüssel. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  doppelten  dorsalen  Schlundganglion, 
von  dem  zwei  Längsnerven  seitlich  nach  hinten  laufen. 

Seitlich  am  Kopfe  finden  sich  zwei  winipernde  Gruben,  die  als  ..Spürorgane" 
dienen  sollen,  sowie  Oceilen  in  verschiedener  Zahl,  bei  einer  Form  auch  paarige 
,,Statocysten". 

Die  Muskulatur  ist  sehr  stark  entwickelt.  Außer  dem  aus  mehreren  Schichten 
bestehenden  Hautmuskel  schlauch  findet  sich  eine  innere,  dem  Darm  zugehörige 
Muskelschicht  und  dazM'ischen  bindegewebiges  Parenchym. 

Über  dem  gestreckten  Darm  liegt  der  Rüssel  in  einer  Scheide,  meist  mit 
eigener,  über  dem  Mund  gelegener  Öffnung,  an  seinem  Grunde  steht  häufig  ein 
Stilett  mit  Giftdrüse.  Ein  starker  Muskel  kann  den  ausgestoßenen  Rüssel  wieder 
zurückziehen. 

Das  Blutgefäßsystem  besteht  aus  einem  dorsalen  und  zwei  seitlichen  Ge- 
fäßen, die  miteinander  verbunden  sind. 

Das  Exkretionssystem    ähnelt   dem   Wassergefäßsystem    der   Turbellarien. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  einfache,  paarig  angeordnete  Säckchen  mit 
besonderen  Ausführgängen. 

In  der  Entwicklung  tritt  meist  eine  eigentümliche  Larvenform,  das  Pili di um. 
auf.      Cereby-aUihis. 


III.  Klasse:   Chaetognatha,  Pfeilwürmer. 

Kleine,  im  Meere  lebende,  glashelle  Würmer  von  Pfeilform,  mit  lateralen 
Hautfalten:  einer  Schwanzflosse  mit  einem  oder  zwei  Paar  seitlichen  P'lossen.  Der 
Körper  sondert  sich  in  drei  Regionen,  Kopf,  Rumpf  und  Schwanz.  Zwei  seit- 
lich vom  Munde  gelegene  Muskelpartien  sind  mit  starken,  zum  Ergreifen  der  Beute 
dienenden  Haken  versehen. 

Das  ektodermale  Nervensystem  besteht  aus  einem  dorsalen  Oberschlund - 
ganglion,  welches  durch  zwei  den  Schlund  umfassende  Schlundkommissuren 
mit  einem  im  Rumpfabsohnitt  gelegenen  ventralen  Unterschlund-  oder  Bauch- 
ganglion verbunden  ist. 

Über  dem  Oberschlundganglion  liegt  ein  Paar  Oceilen. 

Der  Hautmuskelschlauch  besteht  aus  Längsmuskelfasern,  die  von  den 
Epithelzellen  der  äußeren  Leibeshöhlenwand  ausgeschieden  sind. 

Die  Chaetognathen  besitzen  eine  echte  Leibeshöhle,  Cölom,  entstehend  aus 
paarigen  Ausstülpungen  des  Darmes,  die  sich  dann  abschnüren.  Der  ursprüngliche 
Urdarm  teilt  sich  also  in  den  bleibenden  Darm  und  die  seitlichen  Cölomtaschen, 
deren  Wandungen,  das  Mesoderm,  sich  einerseits  an  die  Innenwand  des  Ekto- 
derms  anschmiegen  (parietales  Blatt),  andererseits  die  Außenwand  des  ento- 
dermalen  Darmes  übei'ziehen  (viscerales  Blatt). 

Dorsal  wie  ventral  stolzen  die  Wandungen  der  Cölomsäcke  aneinander  und 
bilden  eine  Scheidewand:  dorsales  und  ventrales  Mesenterium. 

Der  gestreckte  Darm  tritt  nicht  ins  Schwanzsegment  ein,  sondern  öffnet  sich 
am  Ende  des  Rumpfsegmentes. 

Der  äußeren  Teilung  des  Körpers  in  Kopf,  Rumi)f  und  Schwanz  entsi)richt 
eine  innere  des  Cöloms  durch  zwei  transversale  Septen.  Ans  dem  mesodenuab'ii 
E])ithel,  welches  die  Leibeshöhle  auskleidet,  entstehen  im  Rumj)f  die  Eier,  welche 
durch  besondere  Ovidukte  nach  außen  entleert  werden,  im  Schwanzsegment  die 
Sperma  Zellen,  die  ebenfalls  besondei'o  Ausführgänge  besitzen.     Sagitta. 

IV.  Klasse:  Nemathelminthes,  Rundwürmer. 

Meist  parasitisch  lebende  Würmer  von  zylindrischer,  oft  fadenförmiger  (iesta  1 1. 
Der  Körper  ist  von  einer  starken  Cuticula  umhüllt.  Eine  Leibeshöble  ist  vor- 
handen. Der  Darm,  der  bei  einigen  fehlen  kann,  ist  gestreckt;  der  After  liegt  am 
Hinterende.     Ein  Blutgefäßsystem  fehlt. 


System.  Überblick:   Yermes.  87 

1.  Nematoda,  Fadenwürmer. 

Der  Hau  tili  uskel  seh  laucli  dieser  mit  glatter  Cuticula  bedeckten  Rund- 
würmer wird  durch  vier  längsverlaufende,  mit  verdickter  Hypodermis  ausgefüllte 
Rinnen,  zwei  seitliche,  eine  dorsale  und  eine  ventrale,  in  vier  Portionen  geteilt.  In 
der  dorsalen  und  ventralen  Rinne  liegen  zwei  Nerven  stamme,  die  vorn  durch 
einen  Schlundring  verbunden  sind,  in  den  beiden  seitlichen  Rinnen  liegen  die  Ex- 
kretionsorgane,  zwei  in  den  beiden  Seitenlinien  längsverlaufende  Gefäße,  die 
sich  vorn  vereinigen  und  auf  der  Bauchseite  nach  außen  münden. 

Der  Darmkanal  besitzt  vorn  einen  muskulösen,  zum  Saugen  dienenden 
Schlund.  Der  Mund  liegt  vorn  endständig,  der  After  ventral.  Die  Geschlechts- 
organe der  Männchen  münden  in  den  Enddarm;  die  Weibchen  haben  eine  be- 
sondere, ventral  gelegene  Geschlechtsöffnung.  Als  Begattungsorgane  fungieren  in 
der  Kloake  angebrachte,  retraktile  Stacheln:  Spicula.  Teils  freilebend,  teils  para- 
sitisch.    Ascar/s,    Trichinn,  Rhabdoncma. 

2.  Acaiitliocephala,  Kratzwürmer.  . 

Parasitisch  lebende  Rundwürmer,  welche  vorn  einen  mit  Widerhaken  be- 
setzten einstülpbaren  Rüssel  besitzen,  der  sich  in  die  Darmwand  des  Wirtes  ein- 
bohren kann.  Der  Mund  ist  geschlossen,  der  Darm  rückgebildet  und  wahrschein- 
lich hinten  in  den  Ausführgang  der  Geschlechtsprodukte,  in  seinem  mittleren  Ab- 
schnitt in  ein  solides  Achsenband  und  vorn  zur  Rüsselscheide  verwandelt.  Von  der 
Rüsselbasis  hängen  ein  jiaar  hohle  Schläuche,  Leninisken,  in  die  Leibeshöhle 
hinein,  in  denen  sich  das  Wassergefäßsystem  besonders  reich  verästelt.  Echino- 
rh  vnchus. 

\ .  Klasse:    Prosopygia,   Busch würmer. 

Würmer  mit  einein  den  Mund  unigebenden,  hufeisenförmigen  oder  geschlos- 
senen Tentakelkranz,  der  mit  Elimmerepithel  bedeckt  ist  und  als  Atmungsorgan 
fungiert,  und  einem  stark  gebogenen  Darm,  dessen  lieide  Öffnungen  nahe  bei  einander 
liegen.  Das  Nervensystem  ist  ein  Schkindring  mit  stärkerer  dorsaler  oder  ventraler 
Ganglienzellenanhäufung.     Blutgefäßsystem  meist  vorhanden. 

Man  unterscheidet  vier  Ordnungen,  Bryozoen,  Brachiopoden,  Phoroni- 
deen  und  Sipunculideen. 

1.  Brvozoa,  Moostierclien. 

Meist  stockbildend,  durch  Ausscheidung  einer  festen  Cuticula,  die  hornig  oder 
verkalkt  sein  kann.  Die  Tentakel  sitzen  entweder  auf  ein  paar  seitlichen  Mund- 
armen oder  bilden  einen  luifeisenförmig  gekrümmten  Bogen  oder  einen  geschlossenen 
Kranz.  Der  vordere  Körperteil  samt  Tentakeln  kann  in  den  hinteren  zurückgezogen 
werden. 

Das  Nervensystem  ist  ein  Nervenknoten,  zwischen  Mund  und  After  ge- 
legen, von  dem  ein  Schlundring,  den  Ösophagus  umfassend,  ausgeht.  Der  Darm  ist 
hufeisenförmig  gekrümmt,  und  der  After  liegt  dicht  außerhalb  des  Tentakelkranzes 
(Ectoprocten),  bei  einigen  auch  innerhalb  desselben   (Eii  toiivocten). 

Ein  Blutgefäßsystem  fehlt. 

In  der  Leibesliöhle,  welche  den  Entoprocten  fehlt,  zieht  sich  vom  Mittel- 
darm zur  Leibeswand  ein  Strang,  Funiculus.  an  dem  sich  meist  die  Geschlechts- 
produkte bilden. 

Vielfach  findet  sich  eine  durch  Arbeitsteilung  entstandene  Verschiedenheit 
der  Personen  eines  Stockes,  so  die  vogelschnabelähnlichen  Avicnlarien  oder  die 
mit  langem  Fortsatz  versehenen  Vibracularien. 

Manche  Süßwasserbryozoen  bilden  im  Herbst  eigentümliche,  durch  Knospung 
entstehende,  kleine  Fortpflanzungskörjier,  Statoblasten.     Cnstatella. 

2.  Braehiopoda,  Armfüßer. 

Mit  zweiklappiger  Kalkschale,  daher  muschelähnlicli,  doch  liegen  bei  den 
Muscheln  die  Schalen  zu  beiden  Seiten  des  Körpers,  bei  den  Brachiopoden  dorsal 
und  ventral.  Die  Schalen  werden  von  zwei  Falten,  den  Mantellappen,  abgeschieden. 
Die  Tentakel  stehen  auf  zwei  spiralig  eingerollten  Mundarmen. 

Der  Darm  endigt  bei  einem  Teile  der  Brachiopoden  blind;  ein  dorsales  und 
ein  ventrales  Mesenterium  halten  ihn  in  seiner  Lage  und  teilen  die  Leibeshöhle 


gg  System.  Überblick:    Vermes. 

in  eine  rechte  und  linke  Hälfte.  Außerdem  finden  sich  zwei  transversale  Septen, 
welche  die  Leibeshöhle  in  drei  Kammern  teilen. 

Das  Xervensj^stem  ist  ein  Schlund  ring  mit  starkem  ventralen  und  schwachem 
dorsalen  Ganglion.     Ein  Blutgefälisystem  ist  vorhanden. 

Als  Exkretionsorgane  fungieren  ein  oder  zwei  Paar  kurzer  Röhren,  die 
nach  außen  münden  und  auch  als  Ausführwege  der  in  der  Leibeshöhlenwand  sich 
bildenden  Geschlechtspi'odukte  dienen.      TcrebraUiIa. 

3.  Phoi'oiiidea. 

Festsitzend,  in  Chitinröhren  eingeschlossen,  nicht  stockbildend,  von  ^\•urm- 
förmigem  Bau.  Tentakel  auf  einem  hufeisenförmig  gekrümmten,  dorsal  offenen 
Bogen.  Darm  stark  gekrümmt,  After  in  der  Nähe  des  Mundes  ausmündend.  Aus 
der  Leibeshöhle  gehen  ein  oder  zwei  Paar  flimmernde  Kanäle  (Nephridien)  als 
Exkretionsorgane  "nach  außen.  Blutgefäßsystem  vorhanden.  Nervensystem 
ein  Schlundring  mit   dorsalem  Ganglion.     Hernuxphroditisch.     Phoron/s. 

4.  Sipiiueulidea. 

Langgestreckte,  schlauchförmige  Würmer,  freilebend,  nicht  gegliedert.  Haut- 
muskelschlauch  kräftig  entwickelt  mit  Ring-  und  Längsmuskelschicht.  Der  vor- 
dere Körperteil  trägt  bei  einem  Teile  einen  Tentakelkranz  und  kann  in  den  hinteren 
eingestülpt  werden.  Der  Darm  macht  eine  starke  Biegung,  und  der  After  liegt 
auf  dem  Rücken.  Aus  der  Leibeshöhle  führt  bei  einigen  ein  Paar  Nephridien. 
Blutgefäßsystem  vorhanden.  Nervensystem  ein  Schlundring  mit  dorsalem 
und  ventralem  Ganglion  und  ungegliedertem  Längsstamm.     Sipuncuhis. 

VI.  Klasse:  Annelida,  R.ingehviirmer. 

Die  Ringelwürmer  sind  die  höchst  entwickelten  Würmer.  Sie  besitzen  eine 
innei'liche  Gliederung  des  Körpers  (Metamerie),  häufig  auch  eine  äußerliche 
(Ringelung).  Die  Metamerie  kommt  dadurch  zustande,  daß  jedes  Segment  in 
gleicher  Weise  angeordnete  Organe  oder  Teile  solcher  enthält.  Jedes  Segment  wird 
ursprünglich  vom  anderen  durch  ein  transversales  Septum  (Disse])iment)  geschieden. 
Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  Schlundring  mit  großem  dorsalen  (Zereliral- 
ganglion)  und  kleinerem  ventralen  Ganglion,  von  dem  aus  die  Bauchganglienkette 
(Bauchmark)  nach  hinten  zieht.  Das  Blutgefäßsystem  besteht  meist  aus 
einem  Rückengefäß  und  einem  Bauchgefäß,  die  durch  den  Darm  umgi-eifende 
Bogen  verbunden  sind.  Als  Exkretionsorgane  fungieren  die  segmental  angeordneten 
Nephridien. 

Wir  unterscheiden  zwei  Unterklassen:  Hirudineen  und  Chaetopoden. 

1.  Unterklasse:  Hirudinea,  Egel. 

Die  Hirudineen  sind  etwas  abgeplattete  Würmer  mit  enger  äußerer  Ringelung, 
die  aber  nicht  der  inneren  Metamerie  entspricht,  indem  gewöhnlich  3 — .5  Ringel 
auf  ein  Segment  kommen.  Am  hinteren  Körperende  findet  sich  ventral  ein  Saug- 
napf, ein  zweiter,  meist  kleinerer,  wird  vom  Munde  durchbohrt. 

Der  Darmkanal  beginnt  mit  einem  Schlund;  der  darauf  folgende  Abschnitt 
ist  mit  paarig  angeordneten  Blindsäcken  versehen;  der  Enddarm  öffnet  sich  dorsal 
oberhalb  des  hinteren  Saugnapfes.  Das  Nervensystem  besteht  aus  Zerebral- 
ganglion, Schlundkommissuren,  dem  Unterschlundganglion  und  dem  davon  ausgehenden 
Bauchmark,  welches  in  jedem  Segmente  zu  einem  Ganglion  anschwillt.  Von  Sinnes- 
organen finden  sich  Ocellen,  sowie  die  ..becherförmigen  Organe". 

Die  Leib  es  höhle  ist  reduziert  und  in  Beziehung  zum  Blutgefäßsystem  ge- 
treten; so  wird  der  ventrale,  das  Bauchmark  umschließende  Sinus  als  Rest  der 
Leibeshöhle  betrachtet.     Auch  die  Seitengefäße  sind  Reste  derselben. 

Die  segmental  angeordneten  Exkretionsorgane,  Nephridien,  sind  stark  ge- 
knäuelt  und  bilden  vor  ihrem  Austritt  aus  dem  Körjjer  eine  blasenartige  Erweiterung. 

Die  Hirudineen  sind  Zwitter.  Die  Hoden  sind  segmental  angeordnet,  und 
ihre  Produkte  werden  durch  zwei  seitliche  Ausführwege  (Vasa  deferentia)  nach 
vorn  zu  dem  ausstüljjbaren  Penis  geführt.  Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  Ite- 
stehen  aus  einem  Paar  Ovarien  und  zwei  Eileitern,  die  sich  vereinigen  und  in 
der  Vagina  ausmünden. 

Man  unterscheidet  zwei  Ordnungen : 


7.  Kursus:  Bryozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden.  H9 

1.  Giluthobdellidae,  Kiefeiegel. 

Der  Schlund   ist    muskulös,    vorn  sitzen    an   ihm  drei  Kieferplatten.     Hirudo. 

2.  Rhynchobdellidae,  Rüsselegel. 

Schlund  dünnwandig,  mit  RüsspI.     Keine  Kiefeqilatten.     Clepsinc. 

2.  Unterklasse:  Chaetopoda,  P)Orstenwürnier. 

Die  Körpersegmente  sind  mit  Bündeln  von  C'hitinborsten  versehen,  die 
als  Hebe,  zur  Fortbewegung  dienen.  Das  Blutgefäßsystem  kommuniziert  nicht  mit 
der  Leibeshöhle. 

1.  Polychaeta. 

Marine  Borstenwürmer.  Die  Borsten  sitzen  auf  kurzen,  eingliedrigen  Ex- 
tremitäten, Fußstummeln  oder  Parapodien,  zwei  ventralen  und  zwei  dorsalen 
in  jedem  Segment.  Der  Körper  besitzt  mannigfache  Anhänge,  sowohl  an  den  Para- 
podien wie  am  Kopfe,  die  Tastorgane  (Girren),  oder  zur  Atmung  dienende  Kiemen 
oder  schützende  Lamellen  (Elytren)  sind.  Die  Geschlechtsprodukte  bilden  sich 
in  der  C()lomwand  uiul  werden  meist  durch  die  Xephridien  nach  außen  geführt. 
Die  Polychaeten  sind  getrennt-geschlechtlich.  In  der  Entwicklung  tritt  eine  pelagisch 
lebende  Larvenform,  Trochophora  auf.  Teils  freischwimmend,  teils  festsitzend 
und  röhrenbildend.     Nereis. 

2.  Olig'ochaeta. 

Im  Süßwasser  oder  in  der  Erde  lebend.  Parapodien  fehlen,  die  Borsten  sind 
in  jedem  Segment  dem  Hautmuskelschlauch  als  je  zwei  ventrale  und  zwei  dorsale 
schwache  Bündel  inseriert.  Anhänge,  wie  Girren,  Kiemen  usw.,  fehlen,  ebenso  sind 
die  Sehorgane  schwach  entwickelt,  die  Geschlechtsorgane  sind  komplizierter  gebaut 
als  bei  den  Polychaeten.  Hermajihrodit.  Die  Entwicklung  ist  eine  direkte,  ohne 
Trochophoralarve.     Lmnbrkus. 

Anhang:    Enteropneusta. 


Marine  ungegliederte  Tiere  von  Wurmform,  vorn  mit  einem  Piüssel  versehen, 
der  an  seiner  Basis  von  einem  Kragen  umfaßt  wird.  Beide  Organe  sind  schwellbar 
und  dienen  zur  Fortbewegung  (Kriechen  im  Sande).  Der  Darm  ist  in  seinem  vor- 
deren Teile  auf  der  dorsalen  Seite  von  einer  doppelten  Reihe  von  Kiemenspalten 
durchbrochen.  Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  ventralen  und  einem  dorsalen 
Längsstrang,  beide  in  der  Gegend  des  Kragens  miteinander  verbunden.  Die  pela- 
gische  Larve,  Tornaria  genannt,  zeigt  Ähnlichkeit  mit  Echinodermenlarven.  Bakmo- 
glossus. 


7.  Kursus. 

Bryozoen,  Chaetognathen  und  iVematoden. 

I.   Bryozoen. 

Technische  Vorbereitungen. 

Wenn  möglich,  suche  man  sicli  lebendiges  Material  von  Süßwasser- 
bryozoen  zu  verschaffen.  Cristatella  vntcedo^  welche  als  Paradigma 
herangezogen  worden  ist,  .findet  sich  besonders  in  stillem  Wasser,  m 
wurmähnlich    gestalteten,    gallertigen  Klumpen    in  den   Monaten  Mai   bis 


90  ''•  Kursus:  Bryozoen,  Cliaetognathen  und  Nematoden. 

September.  Von  diesem  Tiere  werden  auch  fertige  Schnitte  durch  die 
Kolonie,  sowie  herauspräparierte  Einzeltiere  in  gefärbten  mikroskopischen 
Präparaten  gegeben.  Wenn  Cristatella  nicht  zu  erhalten  ist,  so  wähle 
man   eine   andere  möglichst   durchscheinende   Süßwasserbryozoe. 

Als  Demonstrationsmaterial  dienen  ferner  Präparate  verschiedener 
mariner  Formen. 

A.   Allgenieiiie  Übersiclit. 

Die  im  Meere  wie  im  Süßwasser  vorkommenden  Moostierclien 
bilden  durch  Knospung  Kolonien  verschiedener  Ait,  bald  baumförmige, 
bald  dicke  Klumpen  oder  membranartige  Überzüge.  Ihre  Einzeltiere 
sind  äußerlich  etwas  polypenälinlich,  da  sie  wie  diese  um  den  Mund 
herum  einen  Tentakelkranz  besitzen. 

Infolge  der  festsitzenden  Lebensweise  liegt  der  After  nicht  terminal, 
sondern  der  Darm  ist  umgebogen  und  der  After  kommt  dadurch  in 
die  Nähe  des  Mundes  zu  liegen,  weshalb  diese  Tiere  zu  der  Würmer- 
klasse der  Prosopygier  gerechnet  werden.  Bei  einigen  wenigen 
Formen,  die  sehr  einfach  gebaut  sind,  keine  Leibeshöhle  besitzen  und 
vielleicht  gar  nicht  näher  mit  den  anderen  Bryozoen  verwandt  sind, 
liegt  er  innerhalb  des  Tentakelkranzes  (Entoprocten).  Wir  wollen  uns 
hier  nur  mit  der  zweiten  Ordnung,  den  Ectoprocten,  beschäftigen. 
Man  glaubte  früher,  daß  jedes  Einzeltier,  Zooecium,  gewissermaßen 
ein  Doppeltier  sei,  bestehend  aus  einem  als  Leibeswand  entwickelten 
Cystid  und  einem  aus  demselben  vorstülpbaren  Nährtier,  Polypid.  Beim 
lebenden  Tier  ragt  das  Polypid  mit  seinem  Tentakelkranz  weit  aus  dem 
Cystid  heraus  und  zieht  sich  bei  äußeren  Insulten  blitzschnell  zurück. 
Das  Poly})id  ist  nichts  anderes  als  Tentakelkranz  und  Darm,  das  Cystid 
die  Leibeswand  der  einheitlichen  Tierperson. 

Die  mit  feinen  Flimmern  besetzten  Tentakel  stehen  auf  einem 
Tentakelträger,  Lophophor,  der  den  Mund  entweder  kreisförmig  um- 
gibt oder  eingebuchtet  ist  und  die  Form  eines  Hufeisens  gewinnt. 

Am  Darm  unterscheiden  wir  drei  scharf  geschiedene  Abschnitte. 
Ösophagus.  Magen  und  Enddarm,  welch  letzterer  nach  oben  geht. 

Zwischen  Mund  und  After  liegt  das  Ganglion,  in  dessen  Nähe 
sich  bei  einzelnen  Formen  zwei  kurze,  gemeinsam  nach  außen  mün- 
dende Kanäle  befinden,  welche  die  Leibeshöhle  mit  der  Außenwelt  ver- 
binden und  als  Exkretionsorgane  betrachtet  werden.  Die  Leibeswand 
sondertmeist  ein  hartes,  oft  verkalkendes  Cuticularskelettab.  Zwischen 
Leibeswand  und  Darm  liegt  die  Leibeshöhle,  vorn  in  den  Tentakel- 
tiäger  hineingehend.  In  ihr  befindet  sich  die  Leibesflüssigkeit  mit 
amöboiden  Zellen,  die  sich  zum  Teil  mit  Exkreten  beladen  und  deren 
Zerfallsprodukte  wahrscheinlich  durch  die  Niere  nach  außen  gelangen. 
Am  Lophophor  wie  am  hinteren  Darm  inseriei'en  Muskeln,  die  als 
Retraktoren  wirken. 

Drei  verschiedene  Arten  von  Fortpflanzung  kommen  bei  diesen 
Tieren  vor: 

L  Die  geschlechtliche,  durch  Erzeugung  von  Eiern  und  Sperma 
an  der  Innenwand  der  Leibeshöhle.  Die  aus  den  befruchteten  Eiern  ent- 
stehenden Embryonen  sind  mit  Wimpern  versehen;  nach  dem  Verlassen 
des  Muttertieres  setzen  sie  sich  fest  und  werden  zu  fertigen  Tieren. 

2.  Eine  ungeschlechtliche,  durch  Knospung.  wodurch  die 
Kolonien  gebildet  werden. 


7.  Kursus:  Bryozoen.  Cliaetognathen  und  Nematoden. 


91 


3.  Eine  weitere  uiigeschlechtliclie,  durch  Ausbildung  von  Dauer- 
knospen, Statobl asten,  die  an  einem  besonderen,  vom  hinteren  Darm- 
ende zur  Leibeswand  ziehenden  Strange,  Funiculiis,  gebiklet  werden. 
Diese  Statoblasten  werden  von  einer  festen,  lufthaltigen  Hülle  umgeben 
und  dauern  den  Wintei'  übei'  aus.  um  im  Frühjahr  zu  einem  kleinen 
Individuum  auszuwachsen,  das  durch  Knospung  wiederum  eine  Kolonie 
bildet.     Die  alten  Kolonien  gehen  zugrunde. 


B.   Spezieller  Kursus. 

Cristatella  niticedo  (Cuv.). 

Die  Cristatella  miicedo  findet  sich  besonders  in  stillem  oder  lang- 
sam fließendem  Wasser  und  erscheint  in  gallertigen,  wurmähnlich  ge- 
stalteten Kolonien,  die  langsame  Kriechbewegungen  ausführen  können, 
während  die  anderen  IJryozoen  sessil   sind.     Die  Kolonie  ist  bis  5  cm 


Epistom 

Mund 

Flimmertpithe 

Muskulatur 
Ösophagus 

Ringfake 


Enddarni 
Leibeswand 


Tentakel 
Tentakel  träger 


Scheidewand  .'4- n 

Funiculus  —  * 


Stattiblast 
Retraktoren ä 


ISIittcldaim 

Leibeshöhle 
Scheidewand 


Fisj.  ()1.      Längsschnitt    dnroli    ein    Einzeltier    von    Cristatrlln    nmcedo    (nach    CORi). 


lang,  schmal  und  unverzweigt  und  weist  eine  sohlenartige,  flache  Unter- 
seite, welche  eine  gelatinöse  Schleimschicht  ausscheidet  und  eine  ge- 
wölbte Oberseite  auf.  auf  der  die  Einzelpersonen  gewöhnlich  in  drei 
Doppelreihen  angeordnet  sind. 

Man  findet  sie  am  häufigsten  an  Schilfstengeln  oder  ins  Wasser 
herabhängenden  Zweigen,  die  von  ihnen  oft  ganz  umzogen  sein  können. 

Die  Kolonien  treten  frühestens  im  Mai  auf  und  erreichen  ihre 
größte  Entwicklung  in  den  Monaten  Juli  und  August.  Schon  in  der 
lebentlen  Kolonie  läßt  sich  die  Organisation  der  Einzeltiere  beobachten, 
l)esser  noch  an  fertigen  mikroskopischen  Präparaten,  sowohl  von  Einzel- 


92 


Kursus:  Bryozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden. 


tieren.    welche  aus  der  Kolonie  heiauspräpaiiert  \)oi'deii  sind,    wie  von 
Längsschnitten  durch  ein  Stück  der  Kolonie. 

Wir  betrachten  bei  schwacher  Vergröl;ierung  das  Einzeltier.  Es 
lassen  sich  ohne  weiteres  drei  Teile  unterscheiden:  einmal  die  äußere 
Hülle  oder  Leibeswand,  welche  sich  am  Grunde  mit  der  Hülle  des 
nächsten  Tieres  verbindet,  zweitens  der  darin  liegende,  durch  eine 
weite  Höhle  von  der  Leibeswand  getrennte  Darm  und  drittens  der  oben 
aufsitzende  Tentakelkranz. 

Der  Teutakelkranz  sitzt  auf  einem  hufeisenförmigen  Tentakel- 
träger, Lophophor,  welcher  beim  erwachsenen  Tier  auf  dem  äußeieu 
und  inneren  Rande  80  — 90  Tentakel  trägt.  Die  Außenwand  der  Tentakel 
setzt  sich  direkt  in  die  Leibeswand  fort,  die  Innenwand  dagegen  geht 
kontinuierhch  in  das  Epithel  des  vordersten  Darmrohrabschnittes  über. 
Der  Dai'm  stellt  eine  einfache  Schlinge  dar.  die  deutlich  drei 
von  einander  abgesetzte  Abschnitte  erkennen  läßt:  \'ordei-darm  (Öso- 
phagus), Mitteldarm  (Magen)  und  Enddarm. 

Am  Übergang  des  Ösophagus  in  den  Magen  liegt  eine  ins  Darm- 
lumen vorsi)ringende  Ringfalte.  Der  Enddarm  setzt  sich  nicht  gerad- 
linig weiter  nach  hinten  fort,  sondern  oben  an  der  Dorsalseite  an  den 
Magen  an.  um  nach  oben  zu  ziehen,  sich  zuletzt  stark  verengernd  und 
im  After  ausmündend. 

Mit  starker  Vergrößerung  läßt  sich  das  Ganglion  wahrnehmen, 
welches  zwischen  After  und  Muntlöffnung  als  hufeisenförmig  gebogener 
Körper  liegt.  Die  Leibeswand  scheidet  im  Gegensatz  zu  den  anderen 
Formen  bei  Cristatella  keine  chitinige  Hülle  ab. 

Weitere  Organisationsverhältnisse  sind  luii-  an  Schnitten  durch  ein 
Stück  der  Kolonie  zu  studieren  (s.  Fig.  (31). 

Hier  sehen  wir  an  das  untere 
Ende  des  Magens  ein  Band  ange- 
heftet, welches  zur  seitlichen  Leil)es- 
wand  zieht:  den  Funiculus.  In 
ihm  entstehen  die  merkwüidigen  Dauer- 
knospen, S  tat  ob  lasten,  welche  im 
Frühjahr  neue  Individuen  aus  sich 
hervorgehen  lassen. 

P'erner  inserieren  sich  an  der 
hinteren  Magen  wand  Muskeln,  die  von 
der  darunter  liegenden  Leibeswand 
ausgehen  und  als  Retraktoren  des  ge- 
samten inneren  Teiles  des  Tieres  fun- 
gieren. An  der  Mundöffnung  sehen  wir 
einen  beweglichen  Deckel,  Epistom. 
Der  Ösophagus  wird  in  seiner 
Lage  erhalten  durch  ein  bandartiges 
transversales  „Diaphragma",  ver- 
gleichbar einem  Annelidendissepiment. 
Es  scheidet  die  Leibeshöhle  in  einen 
geräumigen  unteien  und  einen  kleine- 
setzt  sich   in    den  Lophojjhor    fort   und  in 


Fig.    62.       Statoblast    von    Cristatella 
mticedo  (nach  Kraepelin). 


reu  oberen  Teil.  Letzterer 
ihm  liegt,  etwas  oberhalb  vom  Ganglion,  das  Exkretionsorgan,  zwei 
tiimmernde  Kanäle,  die  das  Diaphragma  durchsetzen  und  mit  Flimmer- 
trichtern  in  den  unteren  Leibeshöhlenabschnitt  münden,  um  sich  nach 
oben  in  eine  Blase  zu  vereinigen,  die  sich  nach  außen  ött'net. 


7.  Kursus:  Brj-ozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden.  9;^ 

In  der  Leibeshölile  findet  sich  eine  Flüssigkeit,  in  der  amöboide 
Zellen,  teilweise  mit  Exkreten  gefüllt,  liei'umschwimmen.  auch  bilden 
sich  an  ihrer  Innenwand  die  Geschlechtsprodukte,  die  Eier  an  der 
vorderen  Körperwand,  die  Spermatozoen  am  Funiculus.  Das  befruchtete 
Ei  entwickelt  sich  in  einer  sackföi'migen  Wucherung  der  Leibeswand 
zum  bewimperten  Embryo,  der  dann  das  Muttertier  verläßt,  um  sich 
festzusetzen  und  zum  fertigen  Tier  zu  werden. 

Außer  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  finden  wir  eine  unge- 
schlechtliche durch  Knosi)ung,  wodurch  die  Kolonien  entstehen,  und 
ferner  eine  dritte  Fortpfianzungsart  durch  die  Statoblasten.  Die  Stato- 
b lasten  treten  im  Spätsommer  auf,  entwickeln  sich  am  Funiculus  und 
sind  schon  mit  bloßem  Auge  zu  sehen  als  linsenförmige,  dunkle  Körper, 
oft  in  bereits  abgestorbenen  Teilen  der  Kolonie.  Bei  Cristatclla  er- 
langen die  Statoblasten  ihie  Keimfähigkeit  erst  nach  längerer  Ruhezeit. 
Betrachten  wir  einen  solchen  Statoblasten  mit  schwacher  Vergrößerung 
unter  dem  Mikroskop,  so  sehen  wir  einen  scheibenförmigen  Körper,  von 
einem  breiten  Ring  lufthaltiger  Kammern  umgeben,  dem  sog.  Schwimm- 
ring, und  von  der  Peripherie  ausgehende,  zur  Anheftung  dienende, 
ankerförmige  Dornen.  Diese  Statoblasten  vermögen  zu  schwimmen  und 
dadurch  die  Art  zu  verbreiten  (Fig.  62j. 


II.  Chaetognathen. 


&■ 


Technische  Vorbereitungen. 

Das  Studium  der  Chaetognathen  erfolgt  an  mikroskoj^ischen  Präpa- 
raten ganzer  Tiere.  Die  besten  Präparate  geben  in  Formel  konservierte 
Exemplare,  welche  mit  Boraxkarmin  und  Bleu  de  Lyon  gefärbt  worden 
sind.  An  allen  Arten  lassen  sich  die  Organisationseigentümlichkeiten 
der  Chaetognathen  gleich  gut  wahrnehmen,  für  unsei'en  Kurs  ist  die  im 
Mittelmeer  häufige  kleine  Sagitta  biptmctata  gewählt   worden. 

A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Chaetognathen  sind  räuberische  Würmer  von  glasheller  Durch- 
sichtigkeit, welche  schwimmend  im  Meere  leben  und  einen  oft  großen 
Teil  des  „Planktons"  ausmachen.  Sie  sehen  mit  ihrem  zylindrischen, 
zugespitzten  Körper  und  den  in  horizontaler  Richtung  ausgebreiteten 
symmetrischen  Flossen  fast  wie  kleine  Fischchen  aus. 

Der  Körper  ist  langgestreckt,  rundlich,  und  vei'jüngt  sich  nach 
dem  Hinterende  hin.  Es  lassen  sich  in  ihm  drei  durch  mehr  oder 
weniger  deutlich  ausgebildete  Querwände  abgeteilte  Regionen  unter- 
scheiden: Kopf-,  Rumpf-  und  Schwanzsegment. 

Der  Kopf  trägt  vorn  zwei  Paar  Gruppen  kleiner  Zähnchen,  und 
zu  beiden  Seiten  eine  wechselnde  Zahl  von  Greif  haken,  die  zum  Er- 
fassen der  Beute  dienen.  Dazwischen  liegt  die  Mundöffnung,  welche  in 
den  kurzen  Ösophagus  führt,  dem  sich  in  geradem  \'erlaufe  der  Darm 
anschließt.  Am  Ende  des  Rumpfteiles  biegt  der  Enddarm  ventral  um 
und  öffnet  sich  in  dem  median  liegenden  After. 

Der  Darm  ist  in  der  geräumigen  Leibeshöhle  suspendiert  durch 
ein  dorsales  und   ein  ventrales,   in  der  Sagittalebene   verlaufendes  Auf- 


94 


Kursus:  Bryozoen,  Chaetoguathen  und  Nematoden. 


Epidermiswiilst 


Geruchsorgan 


Tastorgan 


Baucbganglion 


Darm 


Seitenflossen 


Ovariuni    ■■-1-'^ 


Eileiter 


<^: 


» 


Hode 


Samenzellen  in 

verschiedenen 

Reifestadien 


Samenblase 
Pfropfen,  von 
Sperniatozoeii 
gebildet 


Schwanzflosse  . . 


y 


Fig.    63.      Sagitta    bipunctata.     Vergr. 
Orig. 


häiigebaiid,  Mesenterium.  Der  durch 
Querwände  abgetrennte,  im  Rumpfe 
liegende  Teil  der  Leibeshöhle  ist  bei 
geschlechtsreifen  Tieren  in  seinem 
hinteren  Teile  durch  die  paarigen 
Ovarien  ausgefüllt,  deren  Ausführ- 
gang jederseits  auf  einer  kleinen  Pa- 
pille nach  außen  mündet. 

Die  männlichen  Geschlechtspro- 
dukte bilden  sich  im  Schwanzsegment 
in  zwei  langen  Hoden,  deren  reife, 
in  der  Leibeshöhle  flottierende  Pro- 
dukte durch  zwei  kurze  Kanäle  in 
eine  (nach  außen  meist  vorgewölbte) 
Samen  blase  und  von  da  nach  außen 
geleitet  werden. 

Das  Nervensystem  besteht  aus 
einem  dorsal  über  dem  Schlünde  liegen- 
den Kopfganglion  und  einem  ventralen 
Bauchganglion,  die  durch  zwei  Schlund- 
kommissuren  miteinander  verbunden 
sind. 

Von  Sinnesorganen  sind  zwei 
deutliche  Ocellen  auf  der  Dorsalseite 
des  Kopfes  vorhanden,  ferner  eine  als 
..Geruchsorgan*'  gedeutete  unpaare 
Epithelgrube  und  endlich  die  Tast- 
organe, an  der  Körperobertläche  auf 
flachen  Hügeln  stehend  und  durch 
starre  äußere  Fortsätze  ausgezeichnet. 

Die  Muskulatur  des  Koi)fes  ist 
äußerst  kompliziert,  sie  dient  beson- 
ders ^\q.\\  Bewegungen  der  Greif  haken, 
die  des  Rumpfes  dagegen  ist  sehr  ein- 
fach, aus  vier  Längsmuskelbändern 
bestehend,  zwei  dorsalen  und  zwei 
ventralen. 

Endlich  sind  noch  die  Flossen 
zu  erwähnen,  eine  Schwanzflosse  und 
ein  oder  zwei  Paar  Seitenflossen,  aus 
zwei  Ektodermplatten  und  einer  hellen, 
gallertigen  Masse  bestehend,  welche 
von  chitinigen  Strahlen  gestützt  wird. 
Diese  Flossen  sind  indessen  nicht  be- 
weglich, sondern  der  gesamte  Körper 
vermag  sich  durch  die  starke  Musku- 
latur blitzschnell  vorwärts  zu  bewegen. 

Sehr  wichtig  ist  die  Entwicklungs- 
geschichte der  Chaetognathen  gewor- 
den, besonders  wegen  der  in  typischer 
Weise  erfolgenden  Bildung  der  Leibes- 
höhle aus  seitlichen  Al)schnitten  des 
Urdarmes. 


7.  Kursus-:  Bryozoeii.  Cliaetognathen  und  Xematoilen. 


95 


B.  Spezieller  Kursus. 

Saf/itfa  bipunctatn  (Quoy  et  Gaim.). 

Diese  kleine  Form  gehört  wohl  zu  den  häutigsten  und  verbreitetsten 

Betrachtung   des   mikroskopischen   Präparates 


aller   Pfeil würm er.      Die 

erfolgt  zunächst  bei  schwacher  Vergi'ößerung  (s.  Fig.  6S 


Länge 


von  etwa  2  cm  und  besitzt  außer 
schmale,  aber  lange  Seitenflossen, 
diese  Art  charakteristischer  breiter 


Das  Tier   erreicht   eine 
der   Schwanzflosse   noch    zwei   Paar 
Hintei'  dem  Kopf  setzt  sich  ein  für 
mehrschichtiger  p]pidermiswulst  an. 

Zur  Betrachtung  des  dicken  Kopfes  übergehend,  sehen  wir  auf 
jeder  Seite  acht  bis  zehn  Greif  haken  mit  eingepflanzten  Spitzen  und 
können  auch  deutlich  die  starke  Muskulatur  wahrnehmen,  welche 
diese  Greifhaken  zu  bewegen  bestimmt  ist.  Die  Basis  dieser  Greif- 
haken umgibt  eine  Hautfalte,  die  Kopfkappe,  welche  in  der  Ruhe  den 
Kopf  wie  die  zusammengelegten  Greifhaken  umhüllt,  beim  Angriff'  aber 
zurückgestreift  wird. 


Stacheln 


Schlund- 
kommisüiir 


Kopf  kappe 


Scheidewand 


Tastorgan 

Epidi'iiiiiswulst 
Rumpf 

Fig.  64.     Kopf  von  Sagitta  bipimctata  von  unten,  stärker  vergrößert.     Orig. 


Andere  Waffen  sind  vier  Gruppen  von  Zähnchen  oder  Stacheln, 
welche  die  Mundöffnung  begrenzen  und  auch  in  unseren  Prä])araten,  in 
PbCihen  angeordnet,  sichtbar  sind. 

Leicht  aufzuflnden  sind  auch  die  beiden  Ocellen  von  kompli- 
ziei-tem  Bau.  Man  sieht  im  Pi-äparate  einen  schwarzen  Pigmentkörper, 
dem  drei  Linsen  aufgelagert  sind.  Zwei  von  diesen  sind  nach  innen, 
eine  nach  außen  gerichtet. 

Der  Darmtraktus  ist  von  der  längsovalen  Mundöff'nung  an  bis  zu 
dem  ventral  am  Hintei-ende  des  Rumpfsegments  austretenden  After  leicht 


96  7.  Kursus:  Bryozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden. 

ZU  sehen  als  geradlinig  veilaufender  Schlauch.  An  der  Grenze  von 
Kopf-  und  Rumpfsegment  ist  der  Darm  stark  eingeschnürt,  davor  liegt 
ein  aufgetriebener   muskulöser  Bulbus,   der  wohl  als  Saugpumpe  wirkt. 

Bleiben  wir  noch  beim  Koi)fe.  so  sehen  wir  das  übei'  die  dorsale 
Epidermis  sich  erhebende  sechseckige,  dicke  Gehirn ganglion,  während 
das  große  massige  Bauchganglion  etwa  in  dei-  Mitte  des  Rumi)fes 
liegt.  Besonders  deutlich  sind  hier  die  stai'k  gefärbten  Ganglienzellen 
an  den  Seiten. 

Dorsalwärts  zieht,  zwischen  den  Augen  l>eginnend,  das  sehr  lange 
Geruchsorgan  nach  hinten,  seine  epithelialen  Ränder  in  tler  Mitte  wieder- 
holt etwas  ausbuchtend. 

Endlich  sind  noch  die  im  Präparat  meist  stark  gefärbten  Hügelchen 
auf  der  Haut  zu  erwähnen,  die  auf  ihrer  Höhe  je  eine  Reihe  steifer, 
feiner  Borsten  tragen  und  als  Tastorgane  fungieren.  Diese  Tast- 
organe sind  über  den  ganzen  Körper  zerstreut  und  in  Ringen  an- 
geordnet. 

Die  Längsmuskulatur  des  Rumpfes  zeigt  die  typische  Anord- 
nung in  vier  Längsbändern.  Bei  starker  Vergrößerung  erkennt  man 
deutlich  die  Querstreifung  der  Muskelfasern. 

Die  meisten  Präparate  werden  in  der  hinteren  Rumpfhälfte  die 
Ovarien  ausgebildet  zeigen,  die  bei  geschlechtsreifen  Tieren  stark  aus- 
gedehnt und  mit  reifen  und  unreifen  Eiern  prall  erfüllt  sind. 

Ferner  sieht  man  zu  beiden  Seiten  am  Ende  des  Rumpfsegments 
je  einen  paj)illenartigen  Vorsprung:  hier  münden  die  beiden  sog.  Ei- 
leiter aus.  die  sich  weit  nach  vorn  ziehen  und  sehr  enge  Kanäle  dar- 
stellen. Da  ihr  blind  geschlossenes  Hinterende  häufig  mit  Spermatozoen 
erfüllt  ist,  scheinen  sie  hier  als  Samentaschen  und  nur  in  ihrem  vor- 
deren Teile  als  Eileiter  zu  fungieren. 

Das  Schwanzsegment  ist  durch  ein  deutliches  Diaphragma  vom 
Rumpfsegment  getrennt  und  mit  Klumpen  von  Zellen  erfüllt,  aus  denen 
die  fadenförmigen  Spermatozoen  hervorgehen;  die  Zellen  haben  sich  von 
den  paarigen,  vorn  und  seitlich  im  Schwanzsegment  liegenden  Hoden 
abgelöst.  Die  kurzen  Ausfühi'ungsgänge  treten  in  zwei  stark  vor- 
springende seitliche  Anschwellungen,  die  Samen  blasen  ein,  die  mit 
einer  feinen  Öffnung  nach  außen  münden,  und  in  denen  sich  die  i-eifen 
Spermatozoen  oft  zu  einem  „Pfropfen"  (s.  Fig.  63  links  unten)  ver- 
knäueln. 


III.  Nematoden. 

Techuische  Vorbereitungen. 

Zur  Untersuchung  ist  As carts  megalocepJiala  herangezogen  worden, 
der  Spulwurm  des  Pferdes,  der  dem  menschlichen  Spulwurm  sehr  ähn- 
lich ist,  aber  leichter  beschafft  werden  kann.  Die  in  Sublimat  oder 
rormol  fixierten  und  in  Alkohol  aufbewahrten  Tiei'e  werden  im  Wachs- 
beckeu  seziert.  Kurz  vor  der  Sektion  werden  sie  durch  Kochen  in 
Wasser  erweicht. 

Von  mikroskopischen  Präparaten  sind  nötig:  gefärbte  Querschnitte 
durch    verschiedene    Körperregionen    dieses  Wurmes.     Es    empfiehlt  sich 


i.  Kursus:  liryozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden.  97 

den    zu    schneidenden   Wurm    mit  4  'Yq   Formol   zu  konservieren    und  mit 
Boraxkarmin  durchzufärben. 

Ferner  werden  mikroskopische  Präparate  von  der  Trichine  ge- 
geben. Von  frischem  trichinösen  Fleisch  (von  einer  infizierten  Ratte 
nimmt  man  am  besten  die  Kaumuskeln  oder  das  Zwerchfell)  werden 
mit  dem  Rasiermesser  feine  Schnitte  angefertigt,  diese  unter  ein  Kom- 
pressorium  gebracht,  darin  mit  Formol  fixiert,  hierauf  mit  Boraxkarmin 
sehr  lange  durchgefärbt  und  ebensolange  mit  salzsaurem  Alkohol  diffe- 
renziert. Nach  mehrstündigem  Verweilen  in  absolutem  Alkohol  erfolgt 
die  Aufhellung  in  Nelkenöl,   dann   Einschluß  in   Kanadabalsam. 

A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  teils  freilebenden,  teils  parasitischen  Nematoden  sind  Würmer 
von  sehr  verschiedener  Größe,  meist  fadendünn  und  von  rundem  Quer- 
schnitt. Den  Körper  umgibt  eine  feste,  meist  glatte,  elastische  Cuticula, 
welche  von  der  darunter  gelegenen  Epidermis  ausgeschieden  wird.  Die 
darunter  liegende  meist  mächtige  Schicht  von  Längsmuskeln  wird  durch 
vier  längsverlaufende,  ins  Innere  vorspringende  Leisten  der  Hypodermis 
in  vier  Portionen  getrennt.  Diese  Hypodermisleisten  heißen  nach  ihrer 
Lage  Seitenlinien,  Rücken-  und  Bauchlinie. 

Zwischen  Leibeswand  und  Darmtraktus  liegt  die  primäre  Leibes- 
höhle, welche  aber  meist  durch  die  starke  Entwicklung  der  an  ihrem 
freien  Ende  kolbigen  Muskelzellen  sehr  eingeengt  ist.  Der  Darm  zer- 
fällt in  drei  Abschnitte,  den  muskulösen  als  Pumpe  fungierenden  Oeso- 
phagus, den  gradlinig  nach  hinten  verlaufenden  Mitteldarm  und 
einen  kurzen,  wieder  mit  Muskeln  versehenen  Enddarm.  Der  Mund, 
mitunter  von  Lippen  umstellt,  liegt  genau  terminal,  dei'  Aftei-  ventral, 
unweit  vom  hinteren  Körpeiende. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  den  Schlund  umgebenden 
Nervenring,  von  welchem  mehrei-e  Nervenstämme  al)gehen:  die  beiden 
stärksten  verlaufen  in  Rücken-  und  Bauchlinie  nach  hinten.  Von  Sinnes- 
organen finden  sich  Tastpapillen  und  bei  einigen  freilebenden  Formen 
kleine  Sehorgane.  Ein  Ijlutgefäßsystem  fehlt.  Das  Exkretions- 
system  besteht  aus  zwei  Röhren,  welche  in  den  Seitenlinien  nach  vorn 
verlaufen  und  sich  vorn  in  einem  transversalen  Kanal  vereinigen,  der 
durch  einen  unpaaren  Porus  nach  außen  mündet.  Vier  oder  mehr  sehr 
große,  sternförmig  ausstrahlende  Zellen,  welche,  meist  den  Seitenkanälen 
anliegend,  in  die  Leibeshöhle  hineinragen,  scheinen  zu  der  Exkretion 
in  Beziehung  zu  stehen  und  werden  als  ,,phagocytäre  Organe"  be- 
zeichnet. 

Die  Nematoden  sind  meist  getrenntgeschlechtlich.  Der  Ge- 
schlechtsapparat des  Weibchens  besteht  aus  zwei  sehr  langen,  dünnen, 
in  zahlreichen  Windungen  auf-  und  abziehenden  Schläuchen,  welche  vor 
ihrer  auf  der  ventralen  Seite  erfolgenden  Ausmündung  sich  vereinigen, 
während  beim  Männchen  nur  eine  unpaaie  Röhre  vorhanden  ist,  welche 
in  den  dadurch  zur  Kloake  werdenden  Enddaim  einmündet.  Beim 
Weibchen  liefert  das  dünne  Ende  der  Geschlechtsröhren  die  Eier,  stellt 
also  das  Ovarium  dar;  von  hier  aus  gelangen  die  Eier  in  einen 
weiteren  Abschnitt,  den  Eileiter,  dessen  Fortsetzung  sich  zu  einem 
Uterus  erweitern  kann,  und  das  unpaare,  nach  außen  mündende  Rohr 
stellt  die  Vagina  (Vay.  Beim  Männchen  stellt  der  Geschlechtsapparat 
fast  durchweg  einen  unpaaren  Schlauch  dar,  und  es  bilden  sich  die  ent- 

Kükenthal,  Zool.  Praktiknin.     .'>.  Aufl.  7 


98 


Kursus:  Ervozoen,  Chaetoguathen  und  Nematoden. 


-Darm 


(Tescblcehts- 
poriis 


sprechenden  Abschnitte  als  Hoden  und 
Samenleiter  aus.  Meist  besitzen  die  Männ- 
chen besondere  Begattungsorgane,  die  Spi- 
cula,  gekrümmte,  vorstieckbare  Nadeln, 
welche  bestimmt  sind,  die  Scheide  bei  der 
Begattung  otTen  zu  halten.  Die  Befruchtung 
erfolgt  stets  im  Uterus;  bei  manchen  For- 
men (z.  B.  bei  den  Trichinen)  entwickeln 
sich  die  Jungen  im  Uterus  der  Mutter,  bei 
andei-en  erfolgt  Eiablage. 

Bei  den  freilebenden  Nematoden  hndet 
sich  direkte  Entwicklung,  bei  den  parasi- 
tischen kann  eine  mehr  oder  minder  aus- 
geprägte Heterogonie   eintreten. 


•  Uterus 


Darm 


Eileiter 


/: 


"•»  Eierstock 


-  Darm 


Muskulatur 


.Eindruck  der  Seiten- 
linie in  den  Darm 


«-—    After 


Fig.  65.    Anatomie  einer  weib- 
lichen Ascaris  megalocephala,  von 
der  Seite  aus  gesehen.     Orig. 


ß.  Spezieller  Kursus. 

Ascaris  nieffaloeepliala  (Cloq.). 

Wir  betrachten  zunächst  die  äußere 
Kör  per  form  eines  weiblichen  Wurmes. 
Der  über  20  cm  lange  walzenförmige 
Körper  läuft  nach  beiden  Enden  zugespitzt 
aus,  doch  ist  das  Vorderende  leicht  vom 
Hinterende  zu  unterscheiden  durch  drei 
vorgewulstete  Lippen,  welche  den  terminal 
liegenden  Mund  umgeben,  während  das 
Hinterende  spitz  zuläuft.  Ventral  von  dem 
Hinterende  liegt  der  quergestellte  After. 
Durch  die  Lage  des  Afters  läßt  sich  leicht 
die  Bauchseite  von  der  Rückenseite  unter- 
scheiden. Li  der  vordeien  Körperiegion 
findet  sich  außerdem  an  der  ventralen  Seite 
ein  Porus,  durch  welchen  die  Geschlechts- 
organe ausmünden.  Die  Bauch-  und  Rücken- 
linie schimmern  an  konservierten  Exem- 
plaren nur  undeutlich  duich,  dagegen  sind 
die  beiden  Seitenlinien  besonders  im  vor- 
deren Körperteil  sehr  deutlich  markiert. 

Der  Wurm  wird  nunmehr  mit  der  feinen 
Schere  etwas  .seitlich  von  der  Rückenlinie  auf- 
geschnitten, in  das  Wachsbecken  unter  Wasser 
gebracht,  auseinandergebreitet  und  mit 
Nadeln  festgesteckt.  Da  beim  Zerschneiden 
frischer  Ascariden  flüchtige  Stoffe  ent- 
weichen, welche  heftiges  Hautjucken,  Augen- 
stechen, auch  Erbrechen  hervorzurufen  ver- 
mögen, empfiehlt  es  sich  nur  konservierte 
Exemplare  zu  verwenden,  oder  die  frischen 
Tiere  vor  dem  Kurse  auf  mehrere  Stunden 
0,9 ''/o  ige  Kochsalzlösung 


m 


zu 


legen. 


7.  Kursus:  Bryozoen,  Chaetognathen  und  Nematoden.  99 

Wir  beginnen  mit  der  Betrachtung  des  Darmtraktus. 

Der  Darm  verläuft  geradlinig  von  vorn  nach  hinten  und  bildet 
vorn  einen  muskulösen  Oesophagus.  Der  dai'auf  folgende  Darmteil  ist 
im  größten  Teile  seines  Verlaufes  von  zwei  langgestreckten  weißen 
Schläuchen  umsponnen,  welche  die  Geschlechtsorgane  darstellen. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  am  besten  von  dem  Geschlechts- 
porus  aus  zu  veifolgen.  Sie  beginnen  mit  einer  kurzen  unpaaren  Va- 
gina, in  welche  die  beiden  Uteri  einmünden.  Letztere  stellen  ziem- 
lich kompakte,  nach  hinten  laufende  Röhren  dar,  welche  in  immer 
dihiner  werdende  Schläuche,  die  Eileiter,  übergehen,  in  deren  blind 
geschlossenen  Endstücken  sich  die  Eier  bilden. 

Sonst  lassen  sich  an  vorliegendem  Präparat  noch  deutlich  die 
Seitenlinien  wahrnehmen  und  in  ihnen  die  längsverlaufenden  Kanäle 
des  Wasser gefäß Systems.  Verfolgen  wir  nach  vorsichtigem  Abheben 
des  Darmes  die  Wassergefäße  weiter  nach  vorn,  so  sehen  wir,  daß  sie 
sich  im  vordersten  Körperteil  durch  eine  Brücke  vereinigen,  die  in  dem 
ventral  gelegenen  Exkretionsporus  ausmündet.  Als  phagocytäre 
Organe  werden  die  vier  büscheligen  Zellen  bezeichnet,  die  ein  Stück 
hinter  dem  Ösophagus,  je  zwei  alternierend,  auf  einer  Seitenlinie  stehen. 
Ebenso  wird  die  Bauchlinie  nach  Entfernung  des  Darmes  sichtbar  und 
läßt  den  Verlauf  eines  weißen  Stranges,  des  venti'alen  Nervenstranges, 
•erkennen. 

Wir  schneiden  nunmehr  mit  einem  Scherenschnitt  die  drei  den  Mund 
umgebenden  Lippen  ab,  bringen  sie  unter  Glyzerin  auf  den  Objektträger, 
bedecken  das  Präparat  mit  einem  Deckgläschen  und  betrachten  es  zu- 
nächst bei  schwacher  Vergrößerung  unter   dem  Mikroskop. 

Die  Gestalt  der  Lippen  ist  für  die 
Kennzeichnung  der  Art  sehr  charakteristisch. 
Bei  unserer  Form  erscheinen  die  Lippen 
nahezu  herzförmig  mit  nach  vorn  gewandter 
Spitze,  (s.  Fig.  (36).  Deutlich  hebt  sich  im 
Präparat  die  dicke,  chitinartige  Hülle  von 
einer  dunklen  in  ihr  liegenden  Masse,  der 
..Pulpa"  ab.  Nach  der  Spitze  zu  entsendet 
diese  Masse  zwei  dui-ch  eine  tiefe  Einsatte- 
lung getrennte  Lapi)en.  die  ,,Lobi'",  welche 
jederseits  eine  flache  Einbuchtung  aufweisen. 
An  den  Seitenrändern  jeder  Lippe  finden  "^^g.^^-  Ascaris  megaiocephaia. 
.  ,  ■  ^-  c    ■       1       -  1       1    T->-    I       1  .  Obere  Lippe  von  nmen  gesehen. 

Sich  zwei  tief  emschneidendeEmbuchtungen.  ^*^    Oris. 

Dfe    Lippenländer    sind    vorn    und    seitlich 

von  einer  Hautleiste  umsäumt,  welche  bei  stärkerer  Vergrößerung  einen 
dichten  Besatz  kleiner,  zahnartiger  Gebilde  erkennen  läßt:  diese  Leiste 
wird  daher  auch  als  Zahnleiste  bezeichnet. 

Es  werden  alsdann  fertige  mikroskopische  Präparate,  Querschnitte 
durch  den  Wurm,  gegeben.  An  einem  solchen  Querschnitt,  der  etwa 
durch  die  Mitte  eines  weiblichen  Wurmes  geführt  ist,  sieht  man  folgendes 
(siehe  Fig.  67). 

Zu  äußerst  liegt  die  transparente,  chitinige  Cuticula,  welche  bei 
stärkerer  Vergrößerung  drei  Schichten  erkennen  läßt.  Darunter  findet 
sich  das  Ektoderm,  welches  die  Cuticula  abgeschieden  hat,  doch  lassen 
sich  Zellgrenzen  in  dieser  Subcuticula  oder  Hypo dermis  genannten 


100 


7.  Kursus:  Bryozoen,  Chaetognatheii  und  Nematoden. 


Schicht  nicht  nachweisen,  da  die  einzehien  Zelleiber  zu  einer  gemeinsamen 
protoplasmatischen  Masse,  einem  Syncytium  verschmolzen  sind.  An  vier 
Stellen  verdickt  sich  die  Hypodermis  und  springt  ins  Innere  vor,  nnd 
zwar  bildet  sie  zu  beiden  Seiten  je  eine  Längsleiste:  die  Seitenlinien, 
nnd  dorsal  und  ventral:  die  Rücken-  und  Bauchlinie.  Am  stärksten 
entwickelt  sind  die  Seitenlinien;  sie  lassen  sich  leicht  wahrnehmen,  in- 
dem in  ihnen  jederseits  der  Querschnitt  eines  Rohres,  des  Exkretions- 
gefäßes,  sichtbar  wird.  Die  Rücken-  und  Bauchlinie  sind  schwächere 
Verdickungen,  in  denen  Nervenstränge  verlauten. 

Unter  dem  Ektoderm  liegt  die  eigentümlich  geformte  Muskulatur. 
Es  sind  mächtige,  keulenförmig  in  die  Leibeshöhle  vorspringende  Zellen, 

Dorsaler  Nerv 


Eierstock 


.-Eileiter 


Eileiter 


Darm 


Seitengefäli 


Utems 


Cuticula 
-Hypodermis 

-  Muskulatur 


Ventraler  Nerv 


Fig.  67.     Querschnitt  durch  die  Körperinitte  von  Ascan's  »legalocepliala.     Oi'ig. 


welche  im  oberen  blasigen  Teil  rein  protoplasmatischer  Natur  sind,  in 
üirem  basalen  Teile  aber  in  unserem  Querschnitt  quergetroffene,  also 
längsverlaufende  Muskelfibrillen  aufweisen,  welche  an  der  Peripherie 
der  Zellen  liegen.  Im  Leben  treten  die  Muskelzellen  bis  an  die  inneren 
Organe  heran  und  lassen  von  der  Leibeshöhle  nur  schmale  Lücken  frei, 
erst  durch  die  Konservierung  erfolgt  ihre  Zurückziehung  nach  der 
Leibeswand  hin.  Im  Innern  finden  wir  den  quergeschnittenen  Darm, 
der  von  einer  Schicht  sehr  langer  schmaler  Zylinderzellen  gebildet  wird, 
deren  Kerne  in  regelmäßiger  Anordnung  nahe  dem  pei'ipheren  Ende 
der  Zellen  liegen.  Innen  wird  das  Darmlumen  ausgekleidet  von  einer 
feinen  porösen  Cuticula,  und  eine  zweite  dünne  Cuticula  bildet  die 
Außenwand  des  Darmes. 


7.  Kursus :  Bryozoen,  Chaetoguatlien  und  Nematoden.  101 

Um  die  Struktur  des  Pharynx  kennen  zu  lernen,  müssen  wir 
einen  zweiten,  durch  die  vorderste  Körperregion  gelegten  Querschnitt 
betrachten.  Wir  sehen  hier  das  Pharynxlumen  eingeengt  zu  einer  nach 
drei  Seiten  ausstrahlenden  schmalen  Spalte.  Das  wird  verursacht  durch 
die  mächtige  Entwicklung  strahlig  verlaufender  Pharynxmuskulatur.  Das 
enge  Pharynxlumen  ist  durch  eine  starke,  gelbliche,  chitinige  Cuticula 
begrenzt. 

Kehren  wir  wieder  zur  Betrachtung  des  durch  die  Körpermitte 
gelegten  Querschnittes  zurück,  so  fallen  uns  noch  zahlreiche  in  der 
Leibeshöhle  liegende  Querschnitte  von  weiteren  und  engeren  Röhren 
auf,  welche  die  Geschlechtsorgane  bilden.  Die  beiden  großen 
Hohlräume  mit  weitem,  mit  Eiern  erfülltem  Lumen  sind  die  beiden 
Uteri,  in  denen  auch  die  Befruchtung  der  Eier  durch  die  durch  innere 
Begattung  hineingelangten  zahlreichen  Spermatozoen  stattfindet.  Auiaen 
von  einer  Cuticula  umhüllt,  weist  der  Uterus  nach  innen  vorspringende, 
große,  kolbige  Zellen  auf,  zwischen  denen  mit  Spermatozoen  erfüllte 
Furchen  liegen.  Ferner  finden  sich  in  vorliegendem  Schnitte  Röhren 
von  geringerem  Durchmesser,  die  dicht  mit  freien  Eiein  erfüllt  sind, 
das  sind  die  Eileiter,  in  welche  sich  die  Uteri  fortsetzen,  und  außerdem 
sehen  wir  noch  kleinere,  kreisrunde  Gebüde.  in  dei-  Mitte  mit  einem 
protoplasmatischen  Strange,  Rhachis  genannt,  um  den  herum  in  regel- 
mäßiger Anordnung  die  Eier  entstehen.  Dieser  Teil  wird  als  Eier- 
stock bezeichnet. 

\'ergleichen  wir  das  mikroskopische  Bild  mit  dem  makroskopischen 
Präparat,  so  sehen  wir  die  weiblichen  Geschlechtsorgane  aus  vier  Teilen 
bestehen;  sie  beginnen  mit  der  unpaaren  Vagina,  die  sich  in  die  beiden 
nach  hinten  ziehenden  weiten  Uteri  spaltet.  Diese  verengern  sich  zu 
den  vielfach  auf-  und  al)steigenden  Eileitern,  deren  letztes  fadendünnes 
Ende  die  Eierstöcke  darstellen. 

Es  bleibt  noch  die  Betrachtung  eines  männlichen  Wurmes  übrig. 
Dieser  ist  bedeutend  kleiner  als  das  Weibchen  und  an  der  starken 
Einkrümmung  seines  Hinterendes  ohne  weiteres  kenntlich.  Während 
beim  Weibchen  die  Geschlechtsorgane  in  einer  weit  vorn  gelegenen 
ventralen  Öffnung  nach  außen  münden,  tritt  beim  Männchen  das  iin- 
paare  Genitalrohr,  welches  aus  einem  fadendünnen  Hoden,  einem  sich 
daran  anschließenden  Ausführgang,  dem  Samenleiter,  und  einem  weiteren, 
als  Samenblase  bezeichneten  Endstück  besteht,  in  das  Rektum  ein. 
Hinter  demselben  liegen  in  muskulösen  Säcken  die  beiden  Begattungs- 
organe, zwei  chitinige  Nadeln:  die  Spicula,  welche  bei  der  Begattung 
vorgestoßen  werden,  um  die  Geschlechtsöffnung  des  Weibchens  auf- 
zusperren. 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  eignen  sich  kleine  in  feuchter 
Erde  lebende  Nematoden,  die  man  sich  leicht  züchten  kann,  indem  mau 
mit  Chloroform  getötete,  mit  W^asser  abgespülte  Regenwürmer  auf  einen 
mit  feuchter  Gartenerde  bedecktem  Teller  legt,  diesen  mit  einer  Glas- 
Scheibe  bedeckt  und  im  Dunkeln  aufbewahrt.  Nach  einigen  Tagen  ent- 
wickeln sich  durchsichtige  Nematoden,  besonders  den  beiden  Arten  Z^/}^/c''- 
gaster  longicaiida  Claus  und  Rhabditis  teres  Schn.  angehörig,  die  zu 
mikroskopischer  Betrachtung  sich  ganz   besonders  eignen. 


\()2  ^-  Km'sus:   Anneliden,  Ilingelwiuiner. 

8.    Kursus. 

Anneliden,  Ringelwürmer. 

I.   Hirudineen. 

Technische  Vorbereitungen. 

Zur  Untersuchung  gelangt  Hinido  7/iedicinalis,  der  Blutegel,  welcher 
in  jeder  Apotheke  erhältlich  ist.  Da  die  Tiere  meist  lange  gehungert 
haben,  so  empfiehlt  es  sich,  sie  einige  Zeit  vor  dem  Kurse  in  einen 
Behälter  zu  Fi'öschen  zu  setzen,  an  die  sie  sich  ansaugen  und  so  ihren 
Darm  mit  Blut  füllen.  Bevor  die  Blutegel  verteilt  werden,  sind  sie  in 
einem  verschließbaren  Glasgefäß  mir  etwas  Chloroform  zu  töten,  oder, 
was  für  die  Untersuchung  des  Nervensystems  vorteilhafter  ist.  kurze  Zeit 
in  schwachem.  10*^'  ^igem  Alkohol  zu  belassen.  Zur  weiteren  Orien- 
tierung sind  nach  erfolgter  Untersuchung  noch  fertige  Querschnittspräparate 
zu  geben,   die  unter   dem   Mikroskop   zu   betrachten   sind. 

A.   Allgemeine  Übersicht. 

Die  Hirudineen  bilden  eine  Ordnung  der  Klasse  der  Anneliden 
oder  Ringehvürmer  und  sind  dadurch  von  der  anderen  Ordnung,  den 
Chaetopoden,  unterschieden,  daß  ihnen  die  Borsten  zu  beiden  Seiten 
der  Körpersegmente  fehlen,  durch  welche  die  letzteren  sich  auszeichnen. 
Eine  weitere  ihnen  zukommende  Eigenschaft  ist  die  Rückbildung  der  Leibes- 
höhle und  damit  in  Zusammenhang  die  Ausbildung  eines  das  Innere 
erfüllenden  sogenannten  Körperparenchyms,  eines  aus  dem  ursprüng- 
lichen Cölomepithel  stammenden  blasig-zelligen  Bindegewebes,  welches 
die  inneren  Organe  umgibt.  Der  Mangel  der  Leibeshöhle  ist  es  auch, 
welcher  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  Plathelminthen  erzeugt  und  wohl 
auch  eine  Abplattung  des  Körpers  in  dorsoventraler  Richtung  be- 
dingt hat. 

Drittens  sind  die  Hirudineen  im  Besitz  zweier  Saugnäpfe,  eines 
vorderen,  in  der  Umgebung  des  Mundes,  und  eines  hinteren,  ventral- 
wärts  vom  After  gelegenen,  die  zum  Ansaugen,  sowie  zur  Fortbewegung 
benutzt  werden. 

Die  Muskulatur  ist  stark  entwickelt:  unter  dem  drüsenreichen 
Hautepithel  liegt  eine  in  reichliches  Bindegewebe  eingebettete  Musku- 
latur, zu  äußerst  eine  Ringmuskel  schiebt,  dann  eine  Diagonal - 
Schicht  und  nach  innen  eine  starke  Längsmuskulatur.  Außer  diesen 
den  Hautmuskelschlauch  der  Anneliden  bildenden  Schichten  kommt  bei 
Hirudineen  noch  eine  weitere  Schicht  von  Muskeln  vor.  die  dorso- 
ventrale  Muskulatur,  deren  Bahnen,  sich  kreuzend,  das  Körperparen- 
chym  schräg  vom  Rücken  zum  Bauche  durchsetzen  und  im  Bereich  der 
Darmdivertikel  zwischen  diesen  liegende,  metamer  angeordnete  Muskel- 
dissepimente  bilden. 

Das  Blutgefäß  System  der  Hirudineen  ist  mit  den  Resten  der 
Leibeshöhle  in  Verbindung  getreten.  Als  solche  Cölomreste  betrachten 
wir  das  Baucligefäß,  in  welchem  das  Bauchmark  eingebettet  ist.  und 
die  beiden  Seitengefäße. 


8.  Kursus:  Anneliden.  Ringelwürmer.  lOH 

Besondere  Atmungsorgane  fehlen  mit  einer  Ausnahme  {Bran- 
cJidUon);  die  Respiration  geschieht  durch  die  Haut,  in  welche  das 
Bhitgefäßsystem  in  feinen  Kapillaren  eintritt. 

Das  Nervensystem  ist  das  typische  der  Anneliden.  In  allen 
Segmenten  finden  sich  Anschwellungen  des  Bauchmarkes,  die  Bauch- 
ganglien, von  denen  jederseits  zwei  Nerven  ausgehen.  Von  Sinnes- 
organen kommen  außer  Ocellen,  die  in  wechselnder  Zahl  dorsal  vorn 
am  Kopfe  liegen,  segmental  angeordnete  Sinnespapillen  vor.  deren 
Funktion  indessen  nicht  feststeht. 

Der  Darm  beginnt  mit  einem  sehr  verschieden  gestalteten  Pharynx, 
nach  dessen  Bau  wir  die  zwei  Ordnungen  der  Gnathobdelliden  und 
Rhynchobdelliden.  der  Kiefer-  und  der  Rüsselegel,  unterscheiden. 
Bei  den  Kieferegeln  entspringen  an  der  Innenseite  der  Muskelwand 
des  Pharynx  drei  fein  bezahnte  Kiefer:  bei  den  Rüsselegeln  fehlen 
die  Kiefer,  dafür  kann  der  ganze,  vorn  oft  zugespitzte  Schhind.  der 
mit  einer  ringförmigen  Falte  in  einer  Erweiterung  der  Schlundtasche 
sitzt,  aus  dieser  vorgestreckt  werden. 

Am  Mitteldarm  finden  sich  meist  paarige  Blindsäcke.  Der  Enddarm 
zeigt  häutig  vor  seiner  Ausmündung  in  den  After  noch  eine  Erweiterung. 

Die  Exkretionsorgane  sind,  wie  die  der  anderen  Anneliden, 
Nephridien.  die  in  jedem  Segmente,  mit  Ausnahme  der  vordersten 
und  hintersten,  in  einem  Paare  vorhanden  sind.  Jedes  Nephridium 
besteht  aus  zwei  oder  drei  Teilen,  dem  Trichter,  der  in  der  zu  Blut- 
räumen reduzierten  Leibeshöhle  liegt  (vielfach  im  ventralen  Blutgefäß 
odei-  in  den  Blutsinus,  welche  auch  teilweise  die  Hoden  umgeben, 
wie  bei  Hirudo).  ferner  einem  vielfach  geschlängelten  Kanal,  zu 
dem  noch  eine  kurz  vor  der  Ausmündung  liegende  Blase  kommen  kann. 

Die  Hii'udineen  sind  Zwitter.  Der  männliche  Geschlechtsapparat 
besteht  aus  einer  Anzahl  Hoden,  die  in  den  mittleren  Körpersegmenten 
paarig  und  metamer  angeordnet  sind  und  deren  kurze  Ausführungs- 
gänge jederseits  in  ein  nach  vorn  ziehendes  Vas  deferens  münden. 
Beide  Samenleiter  wenden  sich  vorn  zui-  ventralen  Mittellinie,  in  eine 
gemeinsame  Öffnung  ausmündend,  die  bei  manchen  Hirudineen  auf 
einem  vorstülpbaren  Begattungsapparat,  dem  Penis,  liegt. 

Der  weibliche  Geschlechtsapparat  liegt  ein  Segment  hinter  der 
Ausmündung  des  männlichen  Geschlechtsapparates  und  besteht  aus 
zwei  Ovarien,  deren  kurze  Ausführungsgänge,  die  Eileiter  oder  Ovi- 
dukte, in  einen  Kanal  sich  vereinigen,  der  entweder  direkt  nach  außen 
mündet    oder  sich  vorher  sackartig   zur  muskulösen  Vagina  erweitert. 

Die  Eiablage  erfolgt  im  Frühjahr  in  feuchter  Erde.  Die  Eier 
liegen  meist  zu  mehreren  in  den  „Kokons"',  eigentümlichen  Kapseln 
mit  chitiniger,  schwammiger  Hülle  und  Eiweißinhalt,  beide  von  der  Haut 
des  Tieres  abgeschieden.  Die  Embryonen  wachsen  durch  \'erschlucken 
des  als  Nahrung  dienenden  Eiweißes  heran,  sprengen  dann  die  Eihülle 
und  werden  allmählich  dem  erwachsenen  Tiere  immer  ähnlicher. 

B.  Spezieller  Kursus. 

Hirndo  medicinalis  (L.). 

Bevor  wir  zur  Sektion  des  Blutegels  übergehen,  sehen  wir  uns 
die  Art  der  Fortbewegung  an  einem  nicht  l>etäubten  Tiei-e  genauer  an. 
Wir  können   beobachten,  daß   die  kriechende  Fortbewegung  derart  er- 


1()4  8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer. 

folgt,  daß  die  beiden  Saugnäpfe  sich  abwechselnd  festsetzen.  Werfen 
wir  das  Tier  ins  Wasser,  so  sehen  wir,  wie  es  mit  eleganten  schlängehi- 
den  Bewegungen  zu  schwimmen  vermag. 

Das  getötete  Tier  wird  in  das  kleine  Wachsbecken  gelegt  und 
zunächst  seine  äußere  Körperform  mit  Zuhilfenahme  der  Lupe  be- 
trachtet. Der  Körper  ist  dicht  geringelt;  wie  wir  bei  der  Anatomie 
des  Innern  sehen  werden,  entsprechen  aber  erst  fünf  dieser  Ringel 
einem  inneren  Segmente,  am  ^^order-  und  Hinterende  nur  vier  und 
drei.  An  jedem  Blutegel  läßt  sich  leichtlich  eine  Rücken-  und  Bauch- 
seite unterscheiden.  Erstere  ist  mehr  gewölbt,  von  grünschwarzer 
Farbe  und  mit  gelb-,  öfters  rotbraunen  Streifen  versehen,  zwei  an  der 
Seite,  zw^ei  etwas  dunkleren  auf  dem  Rücken.  Die  Zeichnung  des 
Blutegels  ist  übrigens  sehr  variabel.  Die  flachere  Bauchseite  ist  heller 
gefärbt,  grünlich  oder  l)räunlich.  An  den  beiden  Körperenden  findet 
sich  je  ein  Saugnapf,  der  größere  am  Hinterende,  der  kleinere,  mehr 
löffeiförmige,  am  Kopfe.  Schaut  man  mit  der  Lupe  in  den  Grund  des 
Kopfsaugnapfes,  so  sieht  man  den  dreizipfeligen  Mund,  und  breitet 
man  diesen  mit  der  Pinzette  etwas  auseinander  und  trocknet  mit  einem 
Stückchen  F]ießpai)ier  den  in  dieser  Region  reichlich  angehäuften  Schleim 
ab,  so  sieht  man  auch  die  strahlenförmig  von  einem  Punkte  ausgehen- 
den drei  Kiefer,  an  denen  man  schon  mit  der  Lupe  die  dem  Rande 
in  einer  Reihe  aufsitzenden  Zähnchen  sehen  kann.  Demgemäß  ist  auch 
die  Wunde,  welche  ein  angesetzter  Blutegel  schlägt,  eine  von  einem 
Punkte  aus  divergierende  dreistrahlige. 

Betrachten  wir  die  Bauchseite  aufmerksam  mit  der  Lupe,  so  fallen 
uns  in  der  Medianlinie  zwei  deutliche,  auf  kleinen  Papillen  stehende 
Öffnungen  auf,  von  denen  die  vordere  zum  Heraustreten  des  Penis 
dient,  die  hintere  die  weibliche  Geschlechtsöffnung  darstellt.  Hin 
und  wieder  werden  auch  zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  die  feinen 
Poren  sichtbar,  mit  welchen  sich  in  gewissen,  der  inneren  Metamerie 
entsprechenden  Abständen  die  Segmentalorgane  nach  außen  öffnen. 
Solcher  Exkretionsporen  gibt  es  17  Paar,  welche  in  den  letzten 
(fünften)  Ringen  des  0.  bis  22.  Segmentes  liegen.  Li  dem  vordersten 
Ringe  jedes  Segmentes  erhellt  sich  eine  Anzahl  als  Sinnesorgane  fungie- 
render sehr  feiner  Papillen.  In  den  vordersten  Ringen  der  ersten  fünf 
Segmente  (auf  dem  1.,  2.,  3.,  5.  und  8.  Ringel)  treten  fünf  Paar  kleiner 
schwarzer  Punkte,  die  Ocellen,  auf. 

Wir  schreiten  nunmehr  znr  Sektion  des  Tieres.  Es  wird  unter 
Wasser  in  dem  kleinen  Wachsbecken  auf  den  Bauch  gelegt,  der  hintere 
Saugnapf  mit  einer  starken  Nadel  angesteckt,  mit  einer  zweiten  Nadel 
der  vordere  Saugnapf  durchbohrt  und  der  Blutegel  ganz  langsam,  soweit 
es  geht,  in  die  Länge  gezogen  und  diese  Nadel  dann  ebenfalls  fest- 
gesteckt. Diese  Streckung  wird  noch  ein  paarmal  wiederholt,  bis  der 
Blutegel  sehr  lang  gezogen  ist.  Nun  wird  der  Rücken  aufgeschnitten. 
Diese  Manipulation  muß  sehr  vorsichtig  geschehen ,  damit  der  an  die 
dorsale  Körperwand  anhaftende  Darm  nicht  angeschnitten  wird.  Man  kann 
entweder  den  neben  der  dorsalen  Mittellinie  zu  führenden  Schnitt  mit  einein 
sehr  scharfen,  vorn  abgerundeten  Skalpell  machen  oder  mit  der  feinen 
Schere,  nur  muß  man  sich  stets  ganz  oberflächlich  halten,  um  das  Ein- 
schneiden in  den  Darm,  was  sich  sofort  durch  Bluterguß  kundgibt,  zu 
vermeiden.  Ist  der  Längsschnitt  geführt,  so  wird  zunächst  ganz  vorsichtig 
mit  der  Schere,  unter  Zuhilfenahme  der  Pinzette,  die  Körperhaut  der 
einen,    dann   die   der  anderen   Seite  freipräpariert    und   dann  mit   Nadeln 


8.  Kur&us:  Anneliden.  Rinffelwünaer. 


105 


Kopfeiule   mit    den 
Augen 

Oberkiefer 


Schlundkopf 


Schlundkopfmus-     - 
kulatur 

Erstes    Darmblind-  f 
sackpaar  ^ 


Epidermis 


Hingmuskulatur 


Läni;smuskulatur 


Parenchyiu 

und     dorsoventrale 

Muskulatur 


Nephridium 


Zehutes  Darm- 
l>!i 


.ehutes  Darm-      f- 
>!inds:ickpaar       \ 


Enddarm 


Afterdarm 


Hinterer    Saugnapf 


Vorderer  Saut;- 

napf 
Unterkieferpaar 

Gehirn 


Ncphridium 


.  Prostata 
Ductus  ejaculato- 

rius 
Samenblase 

Penistasche 
Ovarium 

Vagina 
}  Erstes  Hoden  paar 


Bauch  mark 


>  Nephridiuni 


--  Hamblase 


Samenleiter 


Neuntes    Hoden- 
paar 

Seitengefäß 


'--    Kauchgefäß 


Fiy,.  tj8.     Anatomie  von   Himdo  viedicinalis.     A  der  Dann   in  seinen  liinteren  Teilen 
teilweise  aufoeschnitten.     V>  nach  Wegnahme  des  Darmes.     Orig. 


lOG 


8.  Kursus:  Anneliden,  Rinuelwürnier. 


festgesteckt.     Die  Nadeln  müssen  schräg  von   außen   nach   innen  gesteckt 
werden,   um  Raum   znm   weiteren   Präparieren    zu   gewinnen. 

Ist  die  Operation  gut  gelungen,  so  sieht  man  den  Daiin  in  voller 
Ausdehnung  vor  sich  liegen.  Vorn  am  Koi)t'e  befinden  sich  die  drei 
Kiefer,  zu  deren  Bewegung  sich  Muskelmassen  anheften,  die,  schräg 
nach  hinten  ziehend,  an  die  Leibeswand  ausstrahlen.  Unmittelbar 
hinter  dem  oberen  Kiefer  liegt  das  Cerebralganglion,  welches  den 
obersten  Teil  des  Anfangsstückes  vom  Darme,  den  Pharynx,  verdeckt. 
Der  Pharynx  erweist  sich  als  kurzes,  zylindrisches,  vom  vierten  bis 
zum  siebenten  Segment  reichendes  Rohr,  an  dessen  Wandung  sich  zahl- 
reiche, an  die  Leibeswand  ausstrahlende  Muskeln  ansetzen.  Diese 
Muskeln  bewirken  durch  ihre  Kontraktion  den  Saugakt,  während  in  der 
Wand  des  Pharynx  liegende  Ringmuskeln  als  iVntagonisten  wirken  und 
den  Pharynx  durch  ihre  Kontraktion   wieder  verengern  (Fig.  (i8). 

Der  auf  den  Pharynx  folgende  dünnwandige  Mitteldarni  ist 
charakterisiert  durch  den  Besitz  von  zehn  Paar  lUind sacken,  von 
denen  die  beiden  letzten  sehr  lang  sind  und  den  Enddarm  zu 
beiden  Seiten  einfassen.  Der  sonst  sehr  dünne  Enddarm  schwillt  an 
seinem  hinteren  Ende  nochmals  zu  einem  dickeren  Afterdarm  an  und 
mündet  im  After  doi'sal  von  dem  hinteren  Saugnapf  aus.  Der  Mittel- 
darm hat  längsgestellte,  der  Enddarm  (]uergestellte  Schleimhautfalten; 
der  Afterdarm  ist  glatt  (s.  Fig.  68). 

Schneidet  man  einen  Kiefer  al)  und  legt  ihn  auf  einem  01)jekt- 
träger  unter  das  Mikrosko]),  so  lassen  sich  bei  schwacher  Vergr()l;!erung 
sehr  schön  die  verkalkten  Zähnchen  sehen,  die  in  der  Weise  angeordnet 

sind,  daß  sie  senkrecht  auf 
dem  gekrümmten  Kieferrande 
stehen  und  ihre  Schneiden  auf 
jedei"  Zahnreihenhälfte  nach 
außen  gekehrt  halten  (siehe 
Fig.  69).  Diese  Einrichtung 
bewirkt,  daß  l)ei  jeder  Be- 
wegung des  Kiefers  eine 
Hälfte  des  Kieferrandes  die 
Tätigkeit  eines  Sägeblattes 
ausüben  kann. 

An  der  Kante  jeder  Kiefer- 
platte   münden    die  Ausführ- 
gänge von   einzelligen  Spei- 
cheldrüsen,   deren     Sekret 
die  Eigenschaft  hat,  das  Ge- 
rinnen   des   aufgenommenen    Blutes   zu    verhindern.      Diese   einzelligen 
Drüsen  liegen  nach  innen  von  der  Längsmuskulatur  in  der  Köri)erwan(l 
zwischen  den  Muskelbündeln  des  Pharynx. 

Bevor  man  den  Darm  entfernt,  beachte  man  das  auf  dessen  doi'- 
saler  Mittellinie  liegende  dorsale  Blutgefäß,  das,  wie  alle  Blutgefäße 
imseres  Wurmes,   rotes  Blut  enthält. 

Es  ist  nun  der  Dann  vorsichtig  von  seiner  Unterlage  abzulösen 
und  herauszunehmen.  Diese  Präparation  muß  sorgfältig  gemacht 
werden,  da  der  Darm  auch  an  der  Bauchseite  stax'k  festhaftet.  Am 
besten  verwendet  man  zum  Lostrennen  eine  krumme  Schere  und  beginnt 
vom  Enddarme  aus. 


Fig.  69. 
Kiefer  von   Himdo  mnh'cinalis. 


Orii 


8.  Kursus:   Anneliden,  Ringelwürmer.  lOT 

Zunächst  sehen  wir  diei  weitere  Blutgefäße  von  vorn  nach 
hinten  ziehen,  von  denen  das  mittlere,  ventral  gelegene,  das  Bauch- 
mark umschließt.  Dieses  Blutgefäß  wird  als  ein  Rest  der  Leibeshöhle 
aufgefaßt,  welche  bei  den  Hirudineen  gleichzeitig  mit  Ausl)ildung  des 
Körperparenchyms  rückgebildet  w^oiden  ist.  Ebenso  sind  die  beiden 
seitlichen  Blutgefäße  als  Cölomreste  zu  betrachten,  so  daß  also  die 
rückgebildete  Leibeshöhle  mit  zu  dem  Blutgfäßsystem  herangezogen 
worden  ist. 

Weiter  fallen  ins  Auge  die  Geschlechtsoigane.  Wir  sehen  im 
mittleren  Körperteil,  segmental  angeordnet,  neun  Paar  Hoden.  Von 
jedem  derselben  geht  ein  kurzer  Strang  zu  dem  seitlich  nach  außen 
liegenden  Ausführgang,  den  beiden  Vasa  deferentia,  die  den  Samen 
nach  vorn  führen,  vorn  dui'cli  Verknäuelung  die  Iteiden  Samenblasen 
(„Nebenhoden")  bilden  und  von  beiden  Seiten  her  in  den  unpaaren 
Penis  münden.  An  der  Basis  des  Penis  liegt  eine  drüsige  Anschwellung, 
die  sogenannte  Prostata.  Der  Penis  selbst  ist  ein  langer,  vorstülpbarer 
Faden,  der  in  einer  Tasche,  der  Penistasche,  verborgen  liegt. 

Ein  Segment  weiter  hinter  dem  Penis  liegen  zwei  seitliche  Drüsen,, 
die  Ovarien,  deren  Ausführgänge,  Ovidukte,  sich  zur  sackförmigen 
Vagina  vereinigen  und  in  einer  schon  bei  der  äußeren  Betrachtung  des 
Tieres  beobachteten  Öffnung,  die  hinter  der  männlichen  Geschlechts- 
öffnung liegt,  ausmünden. 

Die  Segmentalorgane  oder  Nephridien,  17  Paar  an  der  Zahl, 
liegen  streng  metamer  und  fehlen  nur  den  vordei-sten  und  hintersten 
Segmenten.  Sie  beginnen  in  der  Regel  mit  einem  nicht  immer  leicht 
sichtbaren,  geschlossenen  Trichter,  der  in  einem  sackartigen  Blut- 
sinus liegt,  welcher  auch  den  Hoden  umgreift.  Da  die  Nephiidien  stets 
die  Verbindung  der  Leibeshöhle  mit  der  Außenwelt  vermitteln,  sind 
auch  diese  Blutsinus  der  Leibeshöhle  zuzurechnen.  Ein  jedes  Nephri- 
dium  besteht  aus  einem  stark  geknäuelten  dünnen  Schlauch,  der 
sich  zu  einer  ansehnlichen  Blase,  der  „Harnblase",  erweitert,  von  der 
ein  kurzer  Ausführungsgang  nach  außen  geht.  Die  äußeren  Mündungen 
der  Nephridien  haben  wir  ebenfalls  bereits  bei  der  Betrachtung  der 
äußeren  Körperfoi'm  gesehen. 

Vom  Nervensystem  haben  wir  bereits  das  dorsal  vom  oberen 
Teile  des  Oesophagus  liegende  Oberschlundganglion  oder  Hirnganglion 
kennen  gelernt,  nunmehr  sehen  wir  auch  das  im  ventralen  Blutgefäß 
eingebettete  Bauchmark,  welches  vorn,  nach  oben  auseinanderweichend, 
in  zwei  Schlundkommissuren  den  Schlund  umfaßt.  Deutlich  sieht  man,, 
trotz  der  dunklen  Umhüllung  durch  das  Blutgefäß,  in  jedem  Segmente 
eine  starke  kugelige  Anschwellung,  die  Bauchganglien.  Das  erste 
derselben  besteht  aus  mehreren  verschmolzenen  Ganglien  und  wird  als 
Unterschlundganglion  bezeichnet. 

Es  werden  dann  fertige  mikroskopische  Präparate,  Querschnitte 
durch   die  mittlere  Körperregion   vom  Blutegel   gegeben. 

An  einem  solchen  Querschnitte  sehen  wir  folgendes.  Außen  liegt 
eine  sehr  dünne,  strukturlose  Cuticula,  welche  von  der  darunter 
liegenden  Epidermisschicht  abgeschieden  worden  ist.  Die  Epidermis 
ist  ein  einschichtiges  Epithel  ziemlich  hoher  Zellen,  zwischen  denen 
einzellige,  mit  körnigem  Inhalt  gefüllte,  schlauchförmige  Drüsen  durch- 
treten. Darunter  liegt  eine  von  feinen  Blutgefäßen  durchzogene  und 
mit  Pigmentzellen  von  verschiedener  Farbe  erfüllte  Schicht.   Nach  innen 


108 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer. 


ZU  folgen  zwei  Muskel  schichten,  außen  die  Ringmuskelschicht,  innen 
die  mächtige  Längsmuskelschicht,  die  durch  dorso  ventrale  Muskel- 
züge in  Portionen  geteilt  wird,  und  endlich  finden  sich  nach  innen 
von  der  Ringmuskelschicht  auch  schräge  Muskelfasern  vor,  so  daß 
der  Körper  nach  verschiedenen  Richtungen  gestreckt,  zusammengezogen 
und  abgeplattet  werden  kann.  Nach  innen  von  der  Muskulatur  werden 
die  Lücken  zwischen  dieser  und  den  inneren  Organen  durch  ein  binde- 
gewebiges Parenchym  ausgefüllt. 

Der  Darmkanal   ei'scheint  auf   dem  Querschnitt  als  ein   in 
Mitte   liegender  Kanal,  zu   dessen    beiden   Seiten   die   Querschnitte 
Darmdivertikel   liegen.     Das   auskleidende  Entoderm  ist  ein   stark 
faltetes    Epithel.      Von    Blutgefäßen    sehen    wir    die    Querschnitte 
mächtigen,  starkwandigen  Seitengefäße,  ferner  ein   dorsales 


ein  ventrales,  welches  das  Bauchmark  umgibt.     Den   Darm 


der 
der 
ge- 
der 
Gefäß  und 
umzieht  in 


Entfernung    ein    Netzwerk    verknäuelter    Gefäße,    deren 
düngen    große    pigmentierte    Zellen    aufliegen.      Früher    wurde 


emiger 


Wan- 
dieses 


Rückeiigefäß 


Mittcldarm 


Darmdivertikel 


Bothryoide  Gefäße  , 


Epidermis 

Ringmuskelschiclit 

/,_,    Längsmuskelschicht 

äI;!        Dorsoventrale 
■  .  .-^^^N     Muskulatur 

V  V" 

\\     Pigment 


t)I^Kt. 


Eiidblase  des  Nophr.      Vas 

defer.    Kode     Bauch- 
gefäß 


Bauch-       tpr  d.       ;?f 
mark         Ncphr.   °^'*"^- 


Stück  Nephridiuiii 


Fig.  70.     Querschnitt  durch  die  Körpermitte  von  Himdo  medicinahs.     Orig. 


variköse  Netzwerk  fälschlich  als  Leber  gedeutet.  Es  sind  ,.bothryoide 
Gefäße"  genannte  Kanäle,  welche  in  das  Blutgefäßsystem  eingeschaltet 
sind,  und  auch  mit  Resten  der  sekundären  Leibeshöhle  in  Verbindung 
stehen. 

Das  ventral  im  Blutgefäß  eingebettete  Bauchmark  zeigt  auf  dem 
Querschnitt  zwei  Längsstränge,  zwischen  welche  sich  noch  ein  dritter, 
zarterer,  der  intermediäre  Nerv,  einschiebt. 

Rechts  und  links  vom  Bauchmark  findet  man  auf  einzelnen 
Schnitten  Querschnitte  der  Hoden,  an  der  Gestalt  und  Färbung  der 
Samenzellen  leicht  kenntlich.  Auch  die  geknäuelten  Ausführgänge  der 
Hoden,  sowie  die  Querschnitte  der  Samenleiter  sind  deutlich  sichtbar. 
Die  mannigfachen  Hohlräume,  teilweise  von  Blutgefäßen  umsponnen, 
welche  sich  auf  beiden   Seiten   des   Querschnittes   befinden,   sind  Teile 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer.  109* 

(1er  Nephridien,   deren  Aufbau  nur  durch  eingehenderes  Studium  einer 
Sclmittserie  erkannt  werden  kann. 

Gelegenthch  lassen  sich  Teile  des  Trichterapparates  wahrnehmen,, 
die  in  einem  Blutgefäß  obei'halb  des  Hodens  liegen. 


II.  Chaetopoden. 

Technische  Vorbereitungen. 

Zar  Untersuchung  kommt  von  frischem  Material  der  Regenwurm,, 
und  zwar  wählen  wir  dazu  eine  der  größten  vind  häufigsten  unserer 
einheimischen  Arten,  den  Lui>ibricus  herciileiis  (Sav.).  Den  Winter 
über  kann  man  Regenwürmer  in  größeren  Bhimentöpfen  halten,  welche 
mit  stark  mit  verwesenden  Pflanzenteilen  durchsetzter  Erde  gefüllt  und 
mit  Glasplatten  überdeckt  werden. 

Vor  der  Sektion  werden  die  Würmer  in  10*^/oigen  Alkohol  gebracht, 
um  sie  unverletzt  und  ausgestreckt  zu  töten.  Eerner  werden  gefärbte 
Querschnitte  durch  den  Regenwurm  zu  mikroskopischer  Untersuchung, 
gegeben.  Bei  der  Anfertigung  derartiger  mikroskopischer  Präparate 
ist  folgendes  zu  beachten.  Da  der  Darm  des  Regenwurms  mit  Erde 
gefüllt  ist,  so  sind  Querschnitte  durch  das  Tier  fast  unmöglich.  Man 
bringe  daher  den  betreffenden  Wurm  auf  einige  Tage  in  ein  hohes  Zylinder- 
glas, welches  mit  feuchtem  Fließpapier  gefüllt  ist  und  erneuere  das 
Papier  jeden  Tag.  Indem  der  Wurm  den  erdigen  Kot  abgibt  und  dafür 
das  weiche  Papier  seinem  Darme  einverleibt,  erlangt  er  bald  die  zur 
Anfertigung  von   Querschnitten   wünschenswerten   Eigenschaften. 

Von  Polychaeten  werden  Exemplare  einer  Nereis  verteilt;  im 
übrigen  beschränkt  man  sich  auf  Demonstrationen  von  Alkoholpräparaten 
verschiedener  Formen. 


A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Chaetopoden  sind  vor  den  Hirudineen  dadurch  ausgezeich- 
net, dati  sie  besondere  Fortbewegungsorgane,  die  Borsten,  besitzen,  nach 
welchen  sie  auch  den  Namen  der  Borstenwürmer  bekommen  haben. 
Diese  Borsten  liegen  gewöhnlich  in  vier  Büscheln  in  jedem  Segmente,, 
zwei  dorsalen  und  zwei  ventralen.  Ferner  entspricht  die  äußere  Ringe- 
lung  der  inneren  Segmentierung. 

Die  einzelnen  Segmente  sind  fast  bei  allen  Formen  durchaus 
gleichartig  gebaut,  bis  auf  den  Kopf  und  das  borstenlose  letzte  Körper- 
segment. 

Die  Borsten  sitzen  in  besonderen  Säckchen  und  können  durch 
Muskeln,  die  sich  an  ihrem  unteren  Ende  anheften,  bewegt  werden, 
fungieren  also  als  Hebel.  Bei  den  Polychäten  sitzen  sie  auf  besonderen 
Fußstummeln,  Parapodien,  bei  den  Oligochäten  sind  sie  direkt  in  die 
Haut  eingepflanzt.  Ihre  Ausbildung  ist  sehr  verschiedenartig.  Es  können 
die  dorsalen  und  ventralen  Parai)odien  jeder  Seite  bis  zur  Verschmelzung 
aneinanderrücken  oder  erstere  werden  i'udimentär.  Häufig  entspringen 
an  den  Parapodien  fühlerartige  Anhänge,  Rücken-  und  Baucheirren, 


110  S.  Kursus:  Anneliden,  RingelMürmer. 

Erstere    können    sich    zu    großen,    den    Rücken    bedeckenden    Blättern 
(Elytren)  umwandeln. 

Die  Leibeswand  bestellt  aus  einer  dünnen  Cuticula,  die  von  der 
darunter  liegenden  Epidermis  abgeschieden  wiitl,  und  dem  aus  einer 
Ringmuskel  Schicht  und  einer  in  Längsfelder  geteilten  Längs- 
m  u  s  k  e  1  s  c h  i  c  h  t  gebildeten  Haut  m  u  s  k  e  1  s  c  h  1  a  u  c  h. 

Die  geräumige,  von  dem  geschlossenen  Blutgefäßsystem  getrennte 
Leibeshöhle,  welche  von  einem  Peritonealepithel  ausgekleidet  ist, 
ist  durch  mehr  oder  minder  wohl  ausgebildete  quere  Scheidewände, 
D  i s  s e p  i  m  e n  t e ,  gekammert. 

Der  Darmkanal  beginnt  meist  mit  einem  vorstülpbaren  Schlund, 
der  häufig  Chitinzähne  in  seiner  Wandung  besitzt,  und  wird  ursprüng- 
lich durch  ein  dorsales  und  ventrales  Mesenterium  in  seiner  Lage 
gehalten.  Meist  verläuft  der  Darm  geradlinig  nach  hinten,  im  letzten 
Segmente  ausmündend. 

Das  Nervensystem  ist  das  typische  Strickleiternervensystem. 
Von  Sinnesorganen  finden  sich  Sehorgane  (besonders  hoch  entwickelt 
bei  pelagischen  Polychäten),  seltener  Statocysten,  ferner  Tastorgane  und 
Organe  eines  chemischen  Sinnes  (becherförmige  Organe). 

Das  Blutgefäßsystem  bestellt  der  Hauptsache  nach  aus  zwei 
Hauptstämmen,  dem  Rückenge  faß  und  dem  Bauchgefäß,  beide 
durch  segmental  angeordnete  Schlingen  in  Verbindung.  Der  pulsie- 
rende dorsale  Gefäßstamm  treibt  das  Blut  von  hinten  nach  vorn. 

Die  Atmung  erfolgt  entweder  ganz  allgemein  durch  die  Haut 
oder  durch  besondere  Ausstülpungen  derselben,  die  Kiemen,  welche 
-an  der  Basis  der  dorsalen  Parapodien,  oder,  bei  Röhren würmern,  am 
Kopflappen  sitzen. 

Die  Exkretionsorgane  treten  als  „Segmentalorgane"  (Ne- 
phridien)  paarweise  in  jedem  Segment  auf  und  fungieren  meist  auch 
als  Ausführgänge  der  Geschlechtsprodukte,  die  vom  Peritonealepithel 
gebildet  werden. 

Die  Entwicklung  ist  bei  den  marinen  Formen  eine  Metamor- 
phose, durch  Ausbildung  einer  Larvenform,  der  Trochophora.  Auch 
eine  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  findet  sich  durch  Querteilung 
oder  Sprossung.  Indem  bei  manchen  Formen  die  Sprosse  erzeugen- 
den Individuen  keine  Geschlechtsprodukte  entwickeln,  sondern  nur  die 
auf  ungeschlechtlichem  Wege  entstandenen,  abweichend  gebauten  Ge- 
schlechtstiere, kommt  es  zum  Generationswechsel. 

Die  im  Meere  lebenden  Polychäten  sind  mit  Parapodien  versehen, 
die  Oligochäten  dagegen  haben  keine  Parapodien.  sind  überhaupt 
niedriger  organisiert  als  die  Polychäten  und  leben  teils  im  Süßwasser, 
teils  im  Schlamm  und   in  feuchter  Erde. 


B.  Spezieller  Kursus. 

1.  Lunihricus  herculeiis  (Sav.). 

Der  zylindrische,  dorsoventral,  besonders  in  seinem  hinteren  Teile 
€twas  abgeplattete  Körper  des  Regenwurmes  ist  äußerlich  in  dicht 
stehende  Ringel  abgeteilt,   welche  den  inneren  Metameren  entsprechen. 

Die  Haut  irisiert  schwach  und  ist  auf  der  Oberseite  dunkler  ge- 
färbt als  auf  der  Unterseite.     An  jedem  Segment  sitzen  vier  Paar  nach 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmei'.  111 

hinten  gerichtete  Borsten,  zwei  ventrale  und  zwei  mehr  dorsale 
Borstenpaai'e.  die  am  lebenden  Tiere  schwerer  als  am  konservierten 
zu  sehen  sind,  dafür  aber  leicht  gefühlt  werden  können,  wenn  man  mit 
dem  Finger  den  Körper  von  hinten   nach  vorn  entlang  streift. 

Vorn  am  Ko))fe  liegt  ventral  der  Mund,  von  einer  Art  Oberlippe, 
dem  Kopflappen,  überdeckt.  Im  letzten  Segment  findet  sich  als  ovale 
Öffnung  der  After.  Auch  die  paarigen  ventral  gelegenen  Geschlcchts- 
öffnungen  sind  leicht  zu  sehen:  die  männlichen  liegen  im  15.  Seg- 
mente, die  weiblichen  im   14.  Segmente. 

Bei  geschlechtsreifen  Tieren  findet  sich  vom  Februar  bis  August 
eine  drüsige,  lederbimine  Hautverdickung  zwischen  dem  32.  und  37.  Seg- 
ment, der  Sattel,  Clitellum.  Diese  Bildung  dient  einmal  bei  der 
gegenseitigen  Begattung,  indem  beide  mit  den  Bauchfiächen  aneinander 
liegenden  Tiere  durch  ausgeschiedene  Sekrete  des  Clitellums  miteinander 
verbunden  werden,  und  dann  tritt  der  Sattel  auch  noch  bei  der  Ei- 
ablage in  Tätigkeit,  indem  er  Hüllen  um  die  Eier  abscheidet. 

Bevor  wir  zum  Studium  der  inneren  Organe  übergehen,  be- 
trachten wir  den  lebenden  Wurm.  Läßt  man  ihn  über  Fließpapier 
kriechen,  so  kann  man  das  Rascheln  seiner  Borsten  hören,  welche  als 
einfache  Hebel  wirken.  Ferner  sieht  man  nach  dem  Kopfe  zu  laufende 
Kontraktionswellen,  welche  die  Leibesttüssigkeit  nach  vorn  drücken  und 
den  zugespitzten  vorderen  Körperteil  vortreiben  und  rigid  machen.  Das 
ist  von  Bedeutung  beim  Bohren  des  Regenwurmes  in  der  Erde.  Seh- 
organe sind  äußerlich  nicht  sichtbar,  dennoch  ist  der  Regenwurm 
durch  Licht  reizbar,  indem  sich  in  seiner  Epidermis  spezifische,  licht- 
empfindliche Zellen  finden,  die  kein  Pigment  haben. 

Bei  genügender  Zeit  lassen  sich  folgende  Untersuchungen  anstellen. 
Der  Wurm  wird  abgewaschen,  schnell  auf  Fließpapier  getrocknet 
und  auf  einen  Objektträger  gelegt.  Durch  äußere  Reize,  Zwicken  mit 
der  Pinzette  oder  gelinde  Erwärmung  (bis  35°  C)  kann  man  eine  starke 
Sekretion  auslösen.  Wir  untersuchen  dieses  Sekret  unter  dem  Mikroskop 
mit  starker  Vergrößerung  und  finden  eine  helle  Flüssigkeit  mit  zwei 
Arten  von  Zellen,  braungelben  größeren  und  hellen  kleineren,  zu  denen 
bei  geschlechtsreifen  Tieren  auch  noch  Geschlechtsprodukte  treten.  Die 
Flüssigkeit  ist  Leibesflüssigkeit,  die  braungelben  Zellen  sind  die 
sog.  Chloragogen Zellen,  die  hellen  dagegen  Lymphzellen,  die  stark 
amöboid  sind  und  nach  kuizer  Zeit  zu  Plasmodien  verschmelzen.  Diese 
Abscheidung  von  Leibesfiüssigkeit  erfolgt  durch  sehr  feine  Poren,  welche 
in  der  dorsalen  Medianlinie  in  den  Segmentgrenzen  liegen  (Rücken- 
poren). Die  biologische  Bedeutung  dieser  Abscheidung  ist  wohl  darin 
zu  suchen,  das  Tier  gegen  Eintrocknung  zu  schützen;  fei'uer  sind  die 
Lymphzellen  auch  befähigt,  auf  dem  Tiere  befindliche  Bakterien  auf- 
zufressen uml  auch  bei  der  bohrenden  Vorwärtsbewegung  mag  dieser 
Überzug  von  Nutzen  sein. 

Reizt  man  das  Tier  anhaltend,  so  kann  man  mitunter  eine  sehr 
starke  Sekretion  von  oft  sehr  langen  Fäden  am  ganzen  Körper  beob- 
achten. Untersucht  man  diese,  so  findet  man  große  plasmatische  Körper 
mit  wabigem  Protoplasmabau  und  einem  Kern  in  der  Mitte.  Es  sind 
das  einzellige  Drüsen  der  Epidermis,  die  ganz  heraustreten. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Untersuchung  der  mneren  Organe  über. 

Der  Wurm  wird  zunächst  getötet  durch  Einlegen  in  eine  Mischung 

von   9   Teilen  Wasser  und   1    Teil    Alkohol    und    dann    im    Becken    unter 

Wasser    aufgesteckt,    so     daß    die    dunklere    ßückenseite    nach    oben    zu 


112 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer. 


liegen  kommt.  Um  das  Gehirn  zu  schonen  werden  vorn,  aber  erst  im 
dritten  oder  vierten  Segmente,  zwei  Nadeln  seitlich  eingeführt.  Von 
hinten  her  wird  nun  ein  Hautschnitt  mittels  feiner  Schere  nach  vorn 
zu  geführt,    nicht  genau  in   der   Mittellinie,    sondern    etwas    seitlich    von 


Cerebral  gan  glioii 


Schlund 


Erste  kontraktile 
Schlinge  (Herz)j 


Oesophagus 


Laterale  und 

ventrale 
Borstenreihe 


Xorven 

Scitengefiißo 
des    Bauclnnarks 


Bauch  gefäß 
Bauch  mark 

Subncuralgcfäß 


Receptacula  scminis 


'  Samenblasen 
-•  Kropf 

•-•  Muskelmagen 
.  ■'  Rücbengefäß 

,.--*Darm 


...Blutgefäß- 
sehlingen 


_..--  'Dissepiment 


..-■■  Bauchgefäß 
---'  iviercntrichter 

..--'  Nephridium 
..-''Nephridiuni 


Fig.  TL     Anatomie  von  Ljinibn'cus  herciilrns.     Orig. 

dem  meist  durchschimmernden  Rückengefäß,  um  dieses  nicht  zu  ver- 
letzen. Dann  werden  die  Seitenwände  vorsichtig  mit  dem  feinen  Skalpell 
von  den  sie  festhaltenden  Dissepimenten  abgetrennt,  rechts  und  links 
zurückgescUagen  und   mit  Nadeln  festgesteckt   (Fig.    71). 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer.  113 

Wir  betrachten  zuerst  den  Darmtraktus.  Auf  den  Mund  folgt 
ein  muskulöser  Pharynx,  dann  vom  6.  bis  zum  18.  Segmente  der  Oeso- 
phagus, dessen  hinterstem  Teile  zu  beiden  Seiten  di-ei  Paar  weiße 
Kalksäckchen  angelagert  sind.  Hierauf  folgt  der  lundliche  Kropf, 
dann  der  starke  Muskelmagen,  an  den  sich  der  Darm  anschließt,  um 
gestreckt  nach  hinten  zu  verlaufen.  Dieser  Teil  ist  durch  die  sich  an- 
setzenden Dissepiniente  ebenfalls  segmental  eingeschnürt  und  mit  einer 
dicken  braunen  Masse  bedeckt,  die  früher  als  Leber  bezeichnet  wurde. 
Es  sind  die  Leibeshöhle  auskleidende  Zellen  mit  besonderem  körnigen 
Lihalt,  Chloragogen Zellen.  Sie  sitzen  nicht  direkt  dem  Darm  auf, 
sondern  dem  feinen  ihn  umspinnenden  Gefäßnetz.  Auch  finden  sie  sich 
freischw'immend  in  der  Flüssigkeit,  welche  die  Leibeshölile  erfüllt. 

Schneiden  wir  den  Darm  ein  Stückchen  weit  auf,  so  sehen  wir 
eine  Falte  in  sein  Lumen  von  der  dorsalen  Seite  her  hineinragen,  die 
„Typhlosolis''. 

Vom  Blutgefäßsystem  läßt  sich  das  starke  Rückengefäß  bemerken, 
von  dem  aus  in  jedem  Segmente  zwei  Paar  seitliche,  den  Darm  um- 
fassende Schlingen  abgehen,  welche  in  ein  großes  ventrales  Längsgefäß 
münden.  \'om  7.  bis  11.  Segment  gehen  fünf  derartige  stärkere 
Schlingen  ab,   welche   durch  ihre  Kontraktilität  als  Herzen  fungieren. 

Die  Dissepimente  sind  zarte,  die  einzelnen  Körpersegmente 
trennende  Membranen,  die  sich  am  Darm  wie  an  der  Leibeswand  an- 
heften. Jedes  Dissepiment  wird  durchbohrt  von  dem  obersten,  zu  einem 
Wimpertrichter  (Nephrostom)  gestalteten  Teil  des  Nephridiums, 
welches  in  dem  darunter  liegenden  Segment  sich  knäuelt,  in  seinem 
unteren  Abschnitte  zu  einem  dickeren,  drüsigen  Kanal  wird,  und  kurz 
vor  der  Ausmündung  zu  einer  Harnblase  anschwillt.  Die  Öffnungen 
liegen  ventral  in  der  Nähe  der  ventralen  Borsten.  Nur  den  ersten 
drei  und  dem  letzten  Segment  fehlen  Nephridien. 

Die  nun  folgende  Präparatioii  der  Geschlechtsorgane  wird  am 
besten  unter  der  Lupe  vorgenommen.  Zunächst  wird  der  Darm  entfernt, 
indem  man  ihn  im  6.  oder  7.  Segment  abschneidet,  mit  der  Pinzette 
hochhebt,  und  ihn  sehr  vorsichtig  von  seiner  Unterlage  trennt,  bis  etwa  zum 
17.  Segment.  Mit  einer  Pipette  wäscht  man  dann  das  Präparat  vor- 
sichtig ab. 

Von  den  Geschlechtsorganen,  welche  im  Frühjahr  mächtig 
ausgebildet  sind,  später  unansehnlich  werden,  fallen  uns  zunächst  drei 
Paar  ziemlich  großer  weißlich-gelblicher  oder  hellbräunlicher  Blasen  auf, 
die  im  10.,  11.  und  12.  Segment  liegen.  Meist  ist  das  hinterste  Paar 
das  größte  und  dehnt  sich  bei  der  Präparation  in  das  darauf  folgende 
Segment  aus  (siehe  Fig.  72).  Diese  Gebilde  enthalten  reichlich  S])er- 
matozoen,  sind  aber  nicht  die  Hoden,  wie  man  früher  fälschlich  an- 
nahm, sondern  stellen  als  Samenblasen  bezeichnete  Ausstülpungen 
der  betreffenden  Dissepimente  dar.  Zwei  große  unpaare.  median  ge- 
legene Säcke,  die  Samenkapseln,  von  denen  der  eine  im  10..  der 
andere  im  11.  Segment  liegt,  verbinden  diese  Samenblasen  miteinander, 
und  zwar  gehören  das  vorderste  und  das  mittlere  Samenblasenpaar  zur 
vorderen  Samenkapsel,  das  hintere  zur  hinteren  Samenkapsel. 

In  diesen  Samenkapseln  liegen  die  Hoden,  in  jedei-  ein  Paar. 

Man  kann  sie  durch  sehr  vorsichtige  Präparation  zur  Anschauung 
bringen,  indem  man  an  beiden  Samenkapseln  Fenster  aus  deren  Wand 
ausschneidet  und  den   Inhalt  mit  der  Pipette  auswäscht. 

Kükonthal.  Zool.  Praktikum.     5    Aufl.  8 


114 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer. 


Die  Hoden  sind  zwei  Paar  sehr  kleiner  im  10.  und  11.  Segment 
gelegene  Körpei'chen,  deren  Produkte  in  die  Samenkapseln  gelangen, 
um  hier  eine  Reife  zu  erreichen.  Hinter  den  Hoden  liegen  die  stark 
gefalteten  Flimmertrichter,  deren  sich  daran  schließende  Kanäle  die 
dahinter  liegende  Dissepimente  durchbohren  und  sich  jederzeit  zu  einem 
Vas  deferens  vereinigen,  welche  im  15.  Segment  ausmünden.  Die 
weiblichen    Geschlechtsorgane   bestehen    aus    einem   Paar    sehr    kleiner 


Samenblase  1 
Samenkapsel  1 

Samenblase  2 

Samenkapsel  2 


Samenblase  3 


.,,  Receptacula 
seminis 

l'i'.lll--   Hoden  tl 

■  Sameiitrichter  1 

Hoden  2 

""   Samentrichter  2 


Ovarium 


Eileiter 


Mündung  des 
Samenleiters 


Bauchmai'k 
Fig.  72.     Geschlechtsorgane  von  Lumbricus  herculeus.     Orig. 


birnförmiger,  weißlicher  Ovarien,  die  im  13.  Segment  liegen,  und  da- 
hinter zwei  kurzen  Eileitern,  die,  mit  weiter  Öffnung  versehen,  die 
zwischen  dem  13.  und  14.  Segment  liegende  Scheidewand  durchbohren 
und  im  14.  Segmente  nach  außen  münden. 

Da  die  zwitterigen  Regenwürmer 
sich  gegenseitig  begatten,  sind  zur  Auf- 
nahme der  Spermatozoen  des  anderen 
Tieres  zwei  Paar  Samentaschen  vor- 
handen, Einstülpungen  des  Integumentes, 
die  nach  der  Leibeshöhle  zu  geschlossen 
sind  und  in  unserem  Präparat  leicht  als 
runde,  weiße  Körper  erkannt  werden 
können,  die  lateral  von  dei"  vorderen 
Samenkapsel  im  9  und  10.  Segment 
liegen.  Die  in  diesen  Samentaschen  auf- 
gespeicherten Spermatozoen  werden  bei 
der  Ablage  der  Eier  mit  in  die  diese 
umhüllende,  vom  Clitellum  ausgeschie- 
dene Kapsel,  den  Kokon,  gebracht. 

Durch  die  Abhebung  des  Darmes 
haben  wir  auch  das  Bauchmark  freigelegt.  Die  Ganglienanschwellungen 
desselben  sind  nicht  scharf  abgesetzt,  und  von  jeder  derselben  ent- 
springen  in  jedem  Segmente  drei  Paar  Nerven,   von   denen  die  beiden 


Sc 


Cerebralganglion 


Schlund- 
kommissur 

Unterschlund- 
ganglion 


X.» 


Fig.  73. 


Bauchmark 

Cerebralganglion 


von 


Lunibricus  herculeus.      Orig. 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringelwürmer. 


115 


hinteren  eng  aneinander  liegen.  Vorn  weichen  die  beiden  Längsstränge 
des  Bauchmarkes  zur  Bihlung  der  Schhindkommissuren  auseinander, 
um  in  das  dorsale  Cerebralganglion  einzutreten  (Fig.  73). 

Schauen  wir  uns  den  Darminhalt  etwas  näher  an.  so  finden 
wir  ihn  bestehend  aus  Erdteilchen,  untermischt  mit  pflanzlichen  Resten; 
im  vorderen  Darmteil  sind  die  Massen  gröber,  im  hinteren  feiner.  Der 
Regenwurm  nährt  sich  von  den  vegetabilischen  Resten  und  gibt  die 
Erde  in  stark  zerrielienem  Zustande  durch  den  After  wieder  ab.  Indem 
er  sich  des  Nachts  nach  oben  begibt,  werden  die  Exkremente  größten- 
teils auf  der  Erdoberfläche  abgelegt.  Dadurch,  wie  durch  das  Bohren 
in  der  Erde  überhaupt,  trägt  der  Regenwurm  zur  Zerkleinerung  und 
Auflockerung  der  Erdkrume  bei. 

Die  mikroskopische  Betrachtung  eines  sorgfältig  herausgehobenen 
Nephridiums  zeigt  im  Innern  der  schleifenförmig  gewundenen  Kanäle 
bei  frisch  getöteten  Tieren  eine  lebhafte  Flimmerbewegung. 


Darmepithel 


..  Leibeshöhle 


Darm 


Blutgefäße 


Nephridium 


Mündung des 
Nephridiums 


Borsten 


Muskelstrang 


Borstentaschen 


TJCX*- 


Cuticula"' 
Epidermis' 


—  ^2  3 


■^■^,  ö  " 


ic  CO 

■SS 


C3 

\  s 


=3 

xe 

o 
tu 

ja 

3 
CS 

m 


Fig.  74.     Querschnitt  durch    die  Körpermitte  von  Liimbriats  herculeus.     Orig. 

Ein  Stückchen  der  Samenblase  wird  auf  dem  Objektträger  zerzupft 
und   unter  dem  Mikroskop  mit  schwacher  Vergrößerung  betrachtet. 

In  den  meisten  Fällen  sieht  man  darin  Kugeln  verschiedener  Größe. 
Unter  stärkerer  Vergrößerung  erweisen  sie  sich  bestehend  aus  einer 
Hülle    und    einem    Inhalt    kleiner,    kahnförmig    gestalteter    Körperchen. 

8* 


IKi 


8.  Kursus:   Anneliden,  Rinüelwürnier. 


Wir  haben  eine  encystierte  Gregarine  vor  uns,  deren  Inhalt  in  Fort- 
ptianzungskörper  (Sporen)  zerfallen  ist  (siehe  S.  24).  Ihrer  an  gewisse 
Diatomeen  {Navicida)  erinnernden  Form  wegen  nennt  man  diese  Körper- 
chen Pseudonavicellen  und  die  Cyste  Pseudonavicellencyste. 
Der  Inhalt  jeder  Spore  zerfällt  in  eine  Anzahl  sichelförmiger  Keime, 
die  nach  dem  Platzen  der  Cyste  frei  werden  und  sich  wieder  zu  Gre- 
gariuen  ausbilden.  GelegentHch  wird  man  diese  Gregarinen  {Monocystis 
tenax  Duj.)  in  den  Samenblasen  finden. 

Es  werden  nunmehr  fertige  mikroskopische  Präparate,  Querschnitte 
durch  die  mittlere  Körperregion  eines  Regenwurms,  gegeben  und  zunächst 
bei   schwacher  Vergrößerung   betrachtet  (Fig.   74). 

V'on  außen  beginnend  sehen  wir  zunächst  die  dünne,  strukturlose 
Cuticula,  darunter  die  Ei)iderinis  mit  einzehien  größeren  Drüsenzellen 
und  alsdann  die  beiden  Schichten  des  Hautmuskelschlauches,  nach  außen 
die  Ringmuskulatur,  nach  innen  die  Längsmuskulatur.  In  der 
Ringmuskelschicht  liegen  Pigmentanhäufungen  als  unregelmäßige  Körn- 
chenhaufen zwisciien  den  Faserbündeln.  Die  Längsmuskulatur  ist  sehr 
eigentümlich  gebaut,  indem  eine  zentrale  protoplasmatische  Schicht  von 
peripher  gelagerten  Muskelbändern  umgeben  wird  (siehe  Fig.  75).  Die 
innere  Körperwand  wird  ausgekleidet  von  einer  Bindegewebsschicht, 
dem  Peritoneum,  welches  auch  die  im  Körper  liegenden  Organe  um- 
kleidet. An  geeigneten  Schnitten  läßt  sich  auch  der  Bau  und  die  An- 
Muskeiband  orduuug     der    Borsten     stu- 

dieren, die  regelmäßig  paar- 
weise gruppiert  sind,  so  daß 
also  auf  jedes  Segment  acht 
kommen.  Diese  Borsten  sitzen 
in  Hauteinstülpungen,  den 
Borstentaschen,  an  deren 
Grunde  sich  Muskel  bündel 
anheften,  welche  in  die  Ring- 
muskulatur übertreten  und 
die  Borsten  zu  bewegen  ver- 

Darmepitliel 

Ringmuskulatur  lllOgeil. 

In  der  Mitte  des  Schnittes 
liegt  der  Darm.  Wir  sehen 
auf  dem  Querschnitt  eine  tiefe, 
den  rinnenförmige  Einstülpung 
seiner  Wand:  die  Typhlo- 
solis,  durch  welche  die  ver- 
dauende Darmoberfläche  be- 
trächtlich vergrößert  wird.  An  der  Darmwand  lassen  sich  folgende 
Schichten  unterscheiden:  zu  innerst  eine  dünne  Cuticula,  dann  eine 
Schiclit  hoher  Zylinderzellen,  dann  eine  Ringmuskelschicht,  durchbrochen 
von  zahlreichen  parallel  laufenden  Ringgefäßen,  hierauf  eine  sehr  zarte 
Längsmuskelschicht  und  zu  äußerst  eine  dicke  Schicht  gelbgrüner  Zellen, 
die  Chloragogenzellen,  denen  eine  exkretorische  Funktion  zuge- 
sprochen wird. 

vom  Darm    liegt   das   quer  durchschnittene  Bauch- 

beiden    Längsstänimen.     Vom    Blutgefäßsystem    lie- 

vom  Darm   den   Querschnitt  des  großen   Rücken - 

das   Blut  von  hinten  nach   vorn  treibt.     Es  gibt  in 


Somatisches 

^  Peritoneum 

Längsmuskelschich  t 

Ringmuskelschicht 

Epidermis 

Cuticula 


Cuticula 


rx.Xi-. 


Splanchnisches 
Peritoneum 


Fig. 


75. 
I   Querschnitt    durch    die    Haut,    W    durch 
Darm  von  Liimbriciis  herculeus. 
Vergr.:  420.     Orig. 


Ventralwärts 
mark   mit    seinen 
merken  wir   dorsal 
gefäßes,  welches 


8.  Kursus:  Anneliden,  Ringel würnitM-. 


117 


jedem  Segmente  drei  Paar  Gefäße  ab.  von  denen  das  erste  Paar  in 
das  nnter  dem  Bauchmark  gelegene  Subneui-algefäß  einmündet,  nach- 
dem es  Äste  an  die  Leibeswand  abgegeben  hat.  Die  beiden  hinteren 
Paare  verlaufen  an  den  Darm,  hier  in  ein  dichtes  Netzwerk  sich  auf- 
lösend. Ein  zweites  Hauptgefäß  ist  das  vential  zwischen  Daiin  und 
Hauchmark  gelegene  Bauchgefäß,  in  jedem  Segmente  ein  Paar  Seiten- 
äste aussendend:  drei  weitere  Längsgefäße  sehen  wir  in  der  Wandung 
des  Bauchmarkes:  ein  Subneuralgefäß  und  zwei  Seitengefäße  des  Bauch- 
markes. Auf  vielen  Schnitten  wird  man  auch  Querschnitte  durch  die 
Segmentaloi-gane  finden,  deren  histologisches  Stuflium  indessen  zu  weit 
führen  wüide. 


1.  Nei'cis  peJatfica  (L.). 

Schon  mit  bloßem  Auge  erkennen  wir  die  wichtigsten  morpho- 
logischen Merkmale  dieses  Polychäten.  Die  äußere  Segmentierung, 
welcher  die  innere  entspricht,  ist  recht  gleichmäßig,  nur  vorn  finden 
wir  einen  besonderen  Abschnitt,  den  Kopf,  und  das  Hinterende  des 
Körpers    ist    von    den    vorhergehenden    Segmenten    durch    den    Besitz 


zweier  Anhänge,  der  Analcirren,  ausgezeichnet. 


Cerobralcirreii 
Palpen 

Kopflappeii 

FühlerciiToii 

Ocollon 

MiiiidsesruieiH 


Parapodiuin  • —  ^S 


>, 


Fig.  7ti.     Ko])f  von  Nereis  pelagica  von   der  Dorsalseite.     Orig. 


Wir  betrachten  nunmehr  den  Kopf  unter  der  Lupe,  von  der  Dorsal- 
seite her  (siehe  Fig.  7H).  In  der  Mitte  liegt  der  Kopflai)pen  mit 
stark  zugespitztem  vorderen  Ende,  auf  dem  zwei  Fühler,  die  Cerebral- 
cirren.  inseriert  sind.  An  seinei-  Basis  werden  vier  in  ein  Ti-apez 
ge.stellte  blauschwarze  Punkte  sichtbar,  die  Ocellen.  Seitlich  setzen 
sich  an  den  Kopflappen  die  etwa  doppelt  so  langen  Palpen  an.  mit 
einem  birnförmigen  Basalglied  und  einem  kleinen,  kugeligen  Endglied. 
Das  sich  anschließende  Köi'persegment  ist  doppelt  so  breit  wie  die 
folgenden  und  aus  zweien  verschmolzen:  man  nennt  es  das  Mund- 
segment oder  Peristomium.  Bor.stenbündel  besitzt  es  nicht,  wohl 
aber  sind  die  Parapodialcirren  stark  entwickelt,  und  wir  sehen  an  vor- 


118 


8.  Kursus :  Anneliden,  Ringelwürmer. 


hegender  Form  vier  derartige  Peristomialcirren  oder  Fülilercirren 
zu   beiden   Seiten   des  Kopflappens   aus  dem  Peristomium   entspringen. 

Bei  manchen  Exemplaren  ist  der  Rüssel  hervorgestülpt  und  im- 
poniert als  ansehnliches  zylindrisches  Gebilde,  mit  Gruppen  braun- 
schwarzer Papillen  besetzt.  Aus  dem  Grunde  des  Rüssels  ragt  ein 
Paar  starker,  innen  gezähnter  Kiefer  hervor. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Betrachtung  der  Parapodien  über, 
durch  deren  Besitz  sich  die  Polychäten  vor  allen  anderen  Ringelwürmern 
auszeichnen,  und  wählen  zum  Studium  das  14.  (siehe  Fig.  77). 

Mit  der  feinen  Schere  wird  das  Parapodium  von  dem  Körper  ab- 
gesclinitten,  auf  einen  Objektträger  gelegt  und  unter  der  Lupe  betrachtet. 


RückenciiTus 


Dorsaler  Ast 


Ventraler  Ast 


Schnittfläche  der 
Körperwaud 


Bauclicirrus 
Fig.  77.     Parapodium  von  Nereii  pelagica.     Orig. 


Nereis  besitzt  jederseits  nur  eine  Reihe  von  Parapodien,  während 
andere  Polychäten  in  jedem  Segmente  ein  dorsales  und  ein  ventrales 
Parapodienpaar  aufweisen.  Eine  solche  biseriale  Anordnung  wird  zur 
uniserialen  wie  bei  Nereis.  indem  dorsales  und  ventrales  Parapodium 
zu  einem  einheitlichen  Gebilde  zusammentreten,  und  wir  sehen  dem- 
gemäß an  unserem  Präparate  die  Doppelnatur  des  Parapodium s  dadurch 
ausgeprägt,  daß  das  Parapodium  aus  einem  dorsalen  und  einem  ven- 
tralen Aste  besteht,  deren  jeder  wieder  an  der  Spitze  gespalten  ist. 
Aus  dem  dorsalen  Aste  tritt  ein  Borstenbündel  heraus,  aus  dem  ven- 
tralen entspringen  die  Borsten  in  zwei  Bündel  gesondert.  Beiden  Ästen 
sitzen  nach  außen  zu  Girren  auf.  die  nach  ihrer  Lage  als  Rücken- 
cirrus  und  Bauchcirrus  unterschieden  werden.  Die  Parapodien  sind 
bei  Nereis  insofern  nicht  vollständig,  als  ihnen  die  Kiemen  fehlen. 
Es  sind  das  bei  anderen  Polychäten  vorkommende  dorsale  Anhänge  der 
Pai'apodien,  die  bald  fadenförmig,  bald  komplizierter  verästelt  sind,  in 
welche  Blutgefäße  hineingehen. 

Schließlich  ist  noch  das  Aftersegment  mit  seinen  beiden  langen 
Analcirren  zu  betrachten. 


Systematischer  Überblick 

für  den  neunten  Kursus. 


V.   Stamm. 

Echinodermata,  Stachelhäuter. 

Die  Echinodermen  sind  marine  Tiere,  charakterisiert  durch  ihre  radial- 
symmetrische,  meist  fünfstrahlige  Gestalt,  durch  ihre  mit  Kalkplatten,  auch 
Stacheln  und  Spitzen  versehene  Körperwand  („Stachelhäuter"),  durch  den  Besitz 
einer  Leibeshöhle  und  eines  „Ambulacralsystems".  Ihre  Entwicklung  erfolgt  durch 
Metamori^hose  aus  einer  bilateral-symmetrischen  Larve. 

Das  Ambulacral System  ist  ein  aus  einer  Cölomtasche  sich  entwickelndes, 
mit  Seewasser  gefülltes  Röhrensystem,  aus  einem  den  Mund  umgebenden  Ring 
bestehend,  von  dem  fünf  radiäre  Kanäle  ausstrahlen  (Ambulacralgefäße).  Von 
jedem  derselben  gehen  zu  beiden  Seiten  Äste  ab,  die  in  kleine  muskulöse  Schläuche 
(Ambulacralfüßchen)  endigen.  Die  Füßchen  können  mit  Wasser  gefüllt  werden 
und  sich  meist  auch  durch  Saugscheiben  festsaugen,  wodurch  eine  Lokomotion  des 
ganzen  Tieres  bewerkstelligt  werden  kann.  Füßchen  ohne  Saugscheiben  und  Am- 
pullen fungieren  als  Taster.  Die  Zufuhr  von  Seewasser  in  das  Ambulacralsystem 
wird  meist  von  einer  siebartigen  Platte  (Madreporenplatte)  und  einem  von  dieser 
zum  Ringkanal  führenden  Kanal,  dem  Steinkanal,  bewerkstelligt. 

Das  Nervensystem  besteht  ebenfalls  aus  einem  den  Mund  umziehenden 
Nervenring  und  den  radiär  davon  ausstrahlenden  Ambulacralnerven  (außerdem  kann 
noch  ein  apicales  Nervensystem  vorhanden  sein)  und  ähnlich  ist  das  Blutgefäß- 
system angeordnet,  welches  sich  in  Darm-  wie  Leibeswand  in  Spalträumen  aus- 
breitet. 

Der  Darmkanal  liegt  frei  in  der  Leibeshöhle,  durch  ein  dorsales  Mesen- 
terium in  seiner  Lage  gehalten,  und  besitzt  Mund  wie  After;  letzterer  ist  mitunter 
rückgebildet. 

Zwischen  den  Ambulacralradien,  also  interambulacral,  liegen  die  traubigen 
Geschlechtsorgane. 

Wir  unterscheiden  fünf  Klassen:  Asteroideen,  Seesterne,  Ophiuroideen, 
Schlangensterne,  Crinoideen,  Haarsterne,  Echinoideen,  Seeigel  und  Holo- 
thurioideen,  Seewalzen. 

I.  Klasse:  Asteroidea,   Seesterne. 

Von  einer  zentralen  Körperscheibe  gehen,  meist  in  der  Fünfzahl,  längere 
oder  kürzere  breit  angesetzte  Arme  aus,  die  auf  der  Ventralseite  in  medianen 
Längsrinnen  (Ambulacralf urchen)  Füßchen  tragen.  Die  Mundöffnung  liegt 
im  Zentrum  der  ventralen  Seite  der  Körperscheibe,  der  After,  welcher  fehlen 
kann,  auf  deren  dorsaler  Seite.  Daneben  befindet  sich,  exzentrisch  gelagert,  die 
Madreporenplatte,  von  welcher  der  Stein kanal  abwärts  zum  Ringkanal  zieht. 
Vom  sackförmigen  Magen  gehen  paarige,  mit  Drüsen  besetzte  Blindschläuche  in  die 
Arme  ab. 

Interambulacral,  also  im  Winkel  zwischen  je  zwei  Armen,  liegen  die  Ge- 
schlechtsdrüsen. 

Das  mesodermale  Hautskelett  besteht  in  der  Ambulacralf urche  aus  zwei 
Reihen  dachförmig  zusammengefügter  Kalkplatten  (Ambulacralia),  an  die  sich 
seitlich  und  nach  oben  weitere  Plattenreihen  anschließen.  In  der  Ambulacralrinne, 
also  außerhalb  .  der  Leibeshöhle,  liegen  die  Ambulacralgefäße.  Ambulacralnerven 
und  Blutgefäße. 


120  System.  Überblick:  Echinodermata,  Stachelbänter. 

Die  Ambulacralgefälie  senden  zwisclien  je  zwei  Anilinbieralien  Seitenäste 
in  die  Leibeshöhle  hinein,  wo  sie  Bläschen  (Ampullen)  l)ilden,  von  denen  wieder 
die  zwischen  den  Ambnlacralia  hindurchgehenden  Füßchen  ausgehen.  Am  Ende 
der  Arme  liegen  häufig  kleine  Sehorgane. 

Man  teilt  die  jetzt  lebenden  Asteroidea  (von  denen  sich  eine  paläozoische 
Unterklasse  der  Palaeasteroidea  mit  alternierenden  Ambulacralplatten  der  Arme 
al)zweigt)  in  zwei  Ordnungen : 

1.  Oidiuing:  Phanerozoiiia. 

Mit  stark  entwickelten  Marginalplatten,  Kiemenbläschen  nui'  auf  der  Ober- 
seite.    Zwei  Füßchenreihen.     Sitzende  Pedicellarien.     Ästropcctoi. 

2.  Ordnung  Cryptozonia. 

Marginalplatten  mehr  oder  weniger  rudimentär.  Kiemenbläschen  auch  an  den 
Seiten  uiul  dei'  Unterseite.  Oft  vier  FüKch(>nreihen.  Pedicellarien  sitzend  oder 
gestielt.      Asterias. 

II.  Klasse:  Ophiuroidea,  Schlangensterne. 

Die  Arme,  welche  mitunter  an  ihren  Enden  dichotonaisch  geteilt  sind,  sind 
schlank  und  scharf  von  der  zentralen  Körperscheibe  abgesetzt.  Die  mächtig 
entwickelten  Ambulacralplatten  sind  zu  einheitlichen  Wirbeln  verwachsen.  Die 
Ambulacralfurchen  sind  durch  ventrale  Platten  geschlossen.  Der  Darm  sendet  keine 
Fortsätze  in  die  Arme  hinein.  Ein  After  fehlt.  Ambulacralfüßchen  ohne  Saug- 
scheiben. Die  Madreporenplatte  liegt  ventral.  Zu  beiden  Seiten  der  ventralen 
Armansätze  liegen  fünf  Paar  Spalten  von  Hohlräumen  (Bursae),  die  zur  Atmung 
und  als  Ausführwege  der  Geschlechtsprodukte  dienen. 

1.  Ordnimg:  Ophiurae. 

Mit  unverzweigten,  nur  horizontal  beweglichen  Armen.  Deutlich  entwickelte 
Mundschilder.    Ophiura. 

2.  Ordnung:  Euryaiae. 

Mit  einfachen  oder  verzweigten,  oralwärts  einrollbaren  Armen.  Keine  deut- 
lichen Mundschilder.     Astrophyton. 

III.  Klasse:  Crinoidea,  Haarsterne. 

Von  kelchförmiger  Gestalt,  die  Seitenwandungen  mit  polygonalen  Kalkplatten 
gepanzert.  Der  Körper  sitzt  mittels  eines  vom  aboralen  Pole  ausgehenden,  ge- 
gliederten, mit  rankenartigen  Seitenästen  versehenen  Stieles,  der  bei  einigen  rück- 
gebildet ist,  fest.  Am  oberen  Körperrande  stehen  fünf  oder  zehn  meist  verästelte 
Arme,  von  denen  zweireihig  kleine  Blättchen  (Pinnulae)  entspringen,  welche  die 
Geschlechtsprodukte  enthalten.  Der  After  liegt  exzentrisch  neben  dem  zentral 
gelegenen  Mund,  von  dem  die  Ambulacralfurchen  auf  die  Arme  gehen.  An  Stelle 
der  Saugfüßchen  finden  sich  Tentakel  ohne  Am])ullen.     Antrdoti. 

IV.  Klasse:  Echinoidea,  Seeigel. 

Ohne  gesonderte  Arme,  die  in  der  Bildung  des  rundlichen  Körpers  mit  auf- 
gegangen sind.  Feste,  aus  zehn  Doppelreihen  bestehende  Schale,  fünf  Ambu- 
lacren  mit  Löchern  zum  Durchtritt  der  Füßchen  und  fünf  Interambulacren 
ohne  Löcher.  Auf  Ambulacren  wie  Interambulacren  sitzen  auf  halbkugeligen  Tuber- 
keln bewegliche  Stacheln,  die  den  Tieren  den  Namen  verschafft  haben.  Ventral 
liegt  im  Mundfeld  (Peristom)  meist  zentral  der  oft  von  einem  komplizierten 
Kauapparat  umstellte  Mund,  in  dem  dorsal  gelegenen  Afterfeld  (Periproct) 
der  After.  Der  Darm  macht  eine  einfache  oder  doppelte  Spiralwindung  in  dem  das 
Innere  der  Schale  einnehmenden  Hohlraum. 

Die  Madreporenplatte  ist  meist  eine  der  fünf  unpaaren  Platten,  welche 
dorsal  die  Interambulacralplatten  begrenzen  (Genitalplatten),  auf.  denen  die  fünf 
Geschlechtsdrüsen  ausmünden.     Die  Ambulacra  enden  mit  fünf  unpaaren  Ocellar- 


System.  Überblick:  Ecbinuilorniata.  Stacbelhäiiter.  121 

platten.  Der  Steinkanal  führt  durch  die  Leibeshölile  zuiii  Ringkanal;  die  fünf 
radiär  davon  abgehenden  Anibnlacralgefäße  verlaufen  innen  von  den  Anibulacren. 
Nach  ihrer  Form  nntersclieidot  nian  reguläre  und  ii'reguläre  Seeigel. 

1.  Ordnung:  Reguläres. 

Meist  kreisrunder  Köri)er.  Zähne  vorhanden,  Mund  und  xVfteröffuung  polar 
gelegen.     Echinus  esailentics   (L.). 

2.  Ordnung:  Irreguläres. 

Körper  abgeplattet,  meist  oval.  After  in  einen  Interradius  gerückt.  Die  dor- 
salen Hälften  der  Ambulacren  häufig  abgesondert  (petaloide  Form). 

1.  Unterordnung:  Clypeastroidea. 

Mund  in  der  Mitte,  Zähne  vorhanden.     Clypcaster. 

2.  Unterordnung:   Spatangoidea. 
Mund  nach  vorn  gerückt,  Zähne  fehlen.     Spatangtis. 

V.  Klasse:  Holothurioidea,   Seewalzen. 

Walzenförmig,  ohne  festes  Skelett,  nur  mit  einzelnen  kleinen  Kalkkörperchen 
in  der  Haut.  Bewegen  sich  kriechend  auf  dem  Boden;  nur  die  drei  Ambulacren, 
auf  denen  sie  kriechen,  sind  mit  Saugfüik'hen  ausgestattet  (Tri  vi  um),  die  zwei 
oberen  nur  mit  tentakelartigen  Fortsätzen  (Bivium).  Der  Mund  ist  von  einem 
zurückziehbaren,  verästelten  oder  krausenartig  gefalteten  Tentakelkranz  umstellt. 
Um  den  Anfangsdarm  liegt  ein  aus  zehn  Platten  bestehender  Kalkring  zur  An- 
heftung der  starken  Längsmuskelstränge,  die  längs  des  ganzen  Körpers  hinziehen, 
und  zusammen  mit  Ringmuskeln  und  der  Haut  einen  kräftigen  Hantmuskel - 
schlauch  bilden.  In  den  Enddarm  münden  zwei  stark  verästelte,  mit  Flüssigkeit 
gefüllte  Schläuche,  die  als  Atmungsorgane  aufgefaßt  werden  und  daher  Wasser - 
hingen  heißen. 

Am  Kalkring  liegen  Ambulacralring  und  Xervenring,  von  denen  fünf  radiale 
Stämme  nach  hinten  gehen. 

Der  häufig  verästelte  Steinkanal  mündet  in  die  Leibeshöhle. 

Nur  eine  Geschlechtsdrüse  ist  vorhanden,  die  meist  in  der  Nähe  des 
Mundes  ausmündet. 

Es  lassen  sich  folgende  Ordnungen  unterscheiden: 

1.  Pedata,  Füßige  Holotliurien. 

Füßchen  (wenigstens  an  der  Bauchseite)  vorhanden.  Wasserlungen  vorhanden, 
ebenso  entweder  Fühlerampullen  oder  Rückziehmuskeln  des  Schlundkopfes.  Ge- 
trenntgeschlechtlich.    Holothuria. 

2.  Elasipoda,  Tiefsee-Holothurien. 

Füßchen  vorhanden,  Wasserlungen  fehlen,  ebenso  P'ühlerampuUen  und  Rück- 
ziehmuskeln des  Schlundkopfes.     Getrenntgeschlechtlich.     Elpidia. 

3.  Apoda,  Fußlose  Holotliurien. 

Füßchen  fehlen.  Wasserlungen  vorhanden  oder  fehlend.  Zum  Teil  Zwitter. 
Synapta. 


122  9-  Kursus:  Echinodermata. 

9.   Kursus. 

Echinodermata. 


Technische  Vorbereitungen. 

An  Material  ist  erforderlich  ein  Seestern,  ein  Seeigel  und  eine 
Holothurie,  sämtlich  in  Alkohol  konserviert.  Meist  wird  von  Seesternen 
die  Mittelmeerform  Astropecten  aiiraiitiaciis  benutzt,  aus  mancherlei 
praktischen  Gründen  ist  aber  der  in  Nord-  und  Ostsee  überaus  gemeine 
rote  Seestern,  .Asterias  rubens,  vorzuziehen.  Von  Seeigeln  wird  der 
ebenfalls  sehr  häufige  Echinus  esciclentus  bespi'ochen,  während  von 
Holothurien  diejenige  gemeine  Form  gegeben  wird,  deren  anatomische 
Untersuchung   sich  am  leichtesten   ausführen  läßt:  Holothuria  tiibiilosa. 

Von  fertigen  mikroskopischen  Präparaten  werden  Querschnitte 
durch  einen  entkalkten  Seesternarm  verteilt,  und  außerdem  wird  ein 
reiches  Demonstrationsmaterial  von  Spirituspräparaten  aufgestellt.  Die 
verschiedenen  Larvenformen  lassen  sich  ebenfalls  an  mikroskopischen 
Präparaten  demonstrieren,  doch  genügt  es  wohl  für  den  Rahmen  unseres 
Elementarkursus,  wenn  die  bekannten  Wachsmodelle  dieser  Larven  auf- 
gestellt  und  erklärt   werden. 

I.  Asteroidea,  Seesteine. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Seesterne  haben  ihren  Namen  von  der  sternförmigen  Gestalt 
ihres  Körpers,  der  aus  einer  zentralen  Scheibe  und  —  meist  fünf  — 
strahlenförmig  davon  ausgehenden  Armen  besteht.  Das  Größenverhältnis 
von  Scheibe  und  Armen  ist  sehr  verschieden,  so  daß  letztere  fast  völlig 
in  ersterer  aufgehen  können.  Wir  unterscheiden  eine  dorsale  und  eine 
ventrale  Seite,  letztere  leicht  kenntlich  durch  die  Füßchenreihen  in  den 
Armfurchen. 

Die  Körperwand  der  Seesterne  besitzt  in  ihrem  bindegewebigen 
mesodermalen  Teile  eine  Panzerung  aus  Kalkplatten,  die  gegeneinander 
sehr  beweglich  sind.  Die  wichtigsten  Stücke  des  Hautskeletts  sind 
paarige,  segmental  angeordnete  Platten  an  der  Ventralseite  der  Arme, 
die  oben  dachförmig  zusammenstoßen,  Ambulacralplatten  genannt 
werden  und  das  Dach  der  Ambulacralfurche  bilden.  Seitlich  schließen 
sich  an  diese  die  Adambulacralplatten  an.  Weniger  konstant  sind 
die  lateralen  Randplatten,  Marginalia;  das  Skelett  des  dorsalen  Inte- 
guments  ist  sehr  verschieden  entwickelt  und  oft  rudimentär. 

Von  anderen  Skeletteilen  finden  sich  Stacheln  und  verkalkte 
Papillen,  teils  unbeweglich,  teils  beweglich.  Besonders  umgebildete 
Stacheln  sind  die  Paxillen,  mit  einem  Kranz  von  Papillen  auf  dem 
freien  Ende,  sowie  die  mannigfach  gestalteten  Greiforgane,  Pedi- 
cellarien. 

Der  Mund  liegt  zentral  auf  der  Ventralfläche  der  Scheibe,  ist 
unbewaffnet  und  führt  in  den  geräumigen  Zentraldarm,  den  Magen. 
Von  diesem  entspringen  fünf  Paar  oder  mehr,  der  Zahl  der  Arme  ent- 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


123 


sprechen  de  Blinddärme  („Leb  er  seh  lau  che"),  die  weit  in  die  Arme 
hineingehen  und  durch  dorsale  Mesenterien  an  die  Rückenwand  der 
weiten  Armhöhlen  befestigt  sind.  Der  kurze  Enddarm  öffnet  sich  in 
den  etwas  exzentrisch  in  einem  Interradius  gelegenen  After,  der  einigen 
Formen  auch  fehlen  kann,  und  gibt  eine  wechselnde  Zahl  kürzerer 
Blindschläuche  ab. 

Dünnwandige  Ausstülpungen  der  Haut  auf  der  Dorsalseite  werden 
als  Kiemen  betrachtet. 

Das  Ambulacralsystem  beginnt  mit  der  dorsal  und  exzentrisch 
in   einem  (dem  rechten  vorderen)  Interradius  liegenden  Madreporen- 
platte,  welche  siebartig  durchlöchert  ist.     Von  dieser  führt  der  Stein- 
kanal, welcher  zusammen  mit  einem 
eigentümlichen  Organ,  der  Paraxon- 
drüse.  früher  als  „Herz"  bezeichnet, 
in  einen  Sinus  eingeschlossen  ist,  herab 
zu  dem  Ringkanal,  welcher  denMund 
umgibt.     Am  Ringkanal    sitzen  inter- 
radiale Ausstülpungen,  die  PoLischen 
Blasen,  die  auch  fehlen  können,  und 
zu   beiden    Seiten    derselben  je   zwei 
kleine  Lymphdrüsen :  die  „Tiedemann- 
schen  Körperchen".    In  jeden  Arm 
geht  vom  Ringkanal  aus  ein  Haupt- 
kanal,  unter  den   Ambulacralplatten     ,^::^Sll 
in    der   Ambulacralfurche   verlaufend.  "^' 

In  jedem  Armsegment  gehen  von  ihm 
ein  paar  laterale  Ästchen  zu  den  Füß- 
chen ab,  und  zwar  zunächst  zu  den 
in  der  Leibeshöhle  liegenden  bläschen- 
förmigen Ampullen,  von  denen  die 
Füßchen  wieder  in  die  Ambulacral- 
furche abgehen  (s.  Fig.  78). 

Das  Nervensystem  besteht  aus 
einem  den  Mund  umgebenden  Ring, 
von  dem  in  jeden  Arm  ein  Ambulacral- 
nerv  abgeht.  Von  Sinnesorganen 
sind  die  Ocellen  zu  erwähnen,  kleine 

rote   Punkte    am    äußeisten   Ende  jeder   Ambulacralrinne,    am    Clrunde 
eines  fadenförmigen  Gebildes  (Terminalfühler). 

Die  Geschlechtsorgane  bestehen  aus  einem,  mit  dem  Achsen- 
organ in  Verbindung  stehenden,  den  Enddarm  ringförmig  umgebenden 
(xenitalstrang,  von  dessen  fünf  interradialen  Ecken  fünf  Paar  Gonaden- 
büschel  entspringen,  die  in  den  Buchten  zwischen  den  Armen  in  kleinen 
Genitalporen  ausmünden. 

Sehr  groß  ist  die  Regenerationsfähigkeit  der  Seesterne:  aus  ab- 
gelösten Armen  kann  ein  vollkommenes  Tier  regenerieren  (Kometenform). 


Fig.  78.  Schema  des  Ambulacralgefäß- 
systems  eines  Seesterns  (aus  Boas). 
ma  Madrepoi-enplatte ;  st  Steinkanal; 
k  Ringkanal;  p  PoLische  Blasen;  r 
Ambulacralgefäße ;  s  Füßchen ;  ap 
AmbulacralampuUen. 


B.  Spezieller  Kursus. 

Astevias  rubens  (L.). 

Die    Untersuchung    der    in    Alkohol    konservierten    Exemplare    ge- 
schieht im  Wachsbecken   unter  Wasser. 


^24  ^-  Kursus:  Echinoderniata. 

Zunächst  betrachten  wir  die  äußere  Kör})erl:orm.  Wir  sehen 
einen  fünfstrahhgen  Stern,  dessen  fünf  Arme  der  zentralen  Scheibe 
breit  aufsitzen,  etwa  drei-  bis  viermal  so  lang  wie  breit  sind  und  all- 
mählich spitz  zulaufen.  Scheibe  wie  Arme  sind  etwas  abgeplattet.  Die 
Bauchseite  erkennen  wir  ohne  weiteres  an  den  vier  Reihen  von  Füßchen 
in  der  Mittellinie  jedes  Armes,  welche  in  einer  bis  zu  dessen  Ende 
verlaufenden  Rinne,  der  Ambulacralfurche.  liegen. 

Auf  der  ventralen  Seite  der  Scheibe  liegt  da.  wo  die  fünf  Ambu- 
lacralfurchen  sich  vereinigen,  der  Mund,  in  den  Ecken  zwischen  den 
Furchen  umstellt  von  fünf  Gruppen  beweglicher  verkalkter  Dornen, 
den  Mundpapillen.  Auf  der  dorsalen  Seite  der  Scheibe  liegt,  nur  wenig 
von  deren  Zentrum  entfernt,  eine  feine  Öffnung:  der  After.  Weiter 
nach  außen  von  ihm  und  zwischen  den  Ansatzstellen  zweier  Arme  ge- 
legen, also  interradial,  findet  sich  eine  flache  Kalki)latte:  die  Madre- 
porenplatte. 

Die  gesamte  Körperoberfläche  ist  bedeckt  mi^  dicht  stehenden 
kleinen  Kalkgebilden,  die  im  allgemeinen  unregelmäßig  angeordnet  sind. 
Regelmäßigere  Reihen  von  Dornen  findet  man  in  der  dorsalen  Mittel- 
linie der  Arme,  ferner  in  zwei  bis  drei  Reihen  zu  beiden  Seiten  der 
Ambulacralfurchen :  letztere  Dornen  sind  beweglich.  Dazwischen  liegen 
kleine  Gebilde  mit  zwei  gegeneinander  lieweglichen  Spitzen,  die  als 
Greif apparate  dienen:  Pedicellarien. 

Am  Ende  jeder  Ambulacralfurche  liegt  ein  roter,  mit  lichtperci- 
pierenden  Zellen  versehener,  als  Sehorgan  fungierender  Fleck  und 
darüber  ein  tentakelartiges  Füßchen,  der  Terminalfühler,  welches  als 
Geruchsorgan  gedeutet  wird. 

Bei  manchen  Exemplaren  sieht  man  aus  der  Mundöffnung  eine 
häutige  Blase  hervortreten,  den  ausgestüli)ten  Magen. 

Wir  legen  den  Seestern  mit  der  Ventralseite  nach  unten  unter  Wasser  in 
das  Wachsbecken  und  trennen  ihn  an  der  Seite  auf.  Mit  der  starken  Schere 
werden  zunächst  die  Arme  seitlich  von  der  Spitze  bis  zu  der  Basis  auf- 
geschnitten. Dann  hebt  man  vorsichtig  die  dorsale  Körperdecke  des  Armes 
von  der  Spitze  her  auf  und  präpariert  mit  dem  Stiel  des  Skalpells  die 
beiden  braunen  Schläuche  von  der  Dorsaldecke  ab,  welche  mittels  zarter, 
längsverlaufender  Mesenterien  an  sie  befestigt  sind.  So  verfährt  man 
mit  allen  fünf  Armen.  Dann  erst  kann  man  dazu  übergehen,  auch  die 
Dorsaldecke  der  Scheibe  abzuheben.  Man  beginnt  zunächst  mit  der 
Durchschneidung  der  zwischen  je  zwei  Armen  liegenden  Pfeiler  und  präpa- 
riert dann  die  Decke  vorsichtig  ab.  Die  Madreporenplatte  wird  kreis- 
förmig ausgeschnitten  und  an  der  unteren  Hälfte  belassen.  End- 
lich wird   die   gesamte   Decke   vorsichtig  abgehoben   (Fig.    79). 

Durch  diese  Präparation  haben  wir  zunächst  den  Darm  freigelegt. 
In  der  Körpermitte  liegt  der  durch  einen  kurzen  Oesoidiagns  zum  Munde 
führende  blasenförmige  Magen,  von  dem  aus  in  jeden  Armstrahl  ein 
Darmast  geht,  der  sich  beim  Eintritt  in  den  Arm  gabelt.  Der  Magen 
ist  durch  eine  Anzahl  dorsaler  Bänder  an  der  Köriterwand  aufgehängt. 
Auch  finden  sich  derartige  noch  kräftigere  Bänder  auf  der  ventralen 
Seite,  wo  sie  paarig  angeordnet  sind,  und  sich  in  jeden  Arm  ein  Stück 
weit  erstrecken.  Beide  Äste  (Darmdivertikel  genannt)  durchziehen 
den  Arm  bis  kurz  vor  die  Spitze  und  geben  nach  rechts  und  links  Seiten- 
ästchen  ab,  die  mit  braunen  Drüsenmassen  besetzt  sind,  welche  verdauende 
Sekrete  absondern.   Auf  der  Oberseite  des  Magens  liegen  kürzere,  weniger 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


125 


Ampullen 


-'"-'  Danndi  vertikel 


Ambu- 
lacral- 

lilatten 


Geschlechtsorgane 

■■■■  Bectaldivertikel 
■■ .  Ampullen 


JJV  - -     Füßchen 


Geschlechtsorgane 
Fig.  79.     Asterias   rubens,   vom   Rücken   aus   präpariert.     Rechts   ist   ein    Stück   des 

Magens  weggeschnitten.     Orig. 
I  ganzer  Arm  mit  normaler  Lagerung  der  Organe;  II  das  Kalkskelett  eines  Armes; 
III  Arm    mit  Ampullen;    IV    ein  Stück    der  Rückendecke  ist   belassen;    V  mit  aus- 
einandergezogenen Armdivertikeln. 


126 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


verästelte  Blindschläuclie,  die  Rektaldivertikel,  welche  an  der  Über- 
gangsstelle des  Magens  in  den  Enddarm  abgehen. 

Im  Magen  finden  sich  mitunter  unverdaute  Teile,  Schalen  usw. 
der  Beutetiere.  Größere  Beute,  welche  der  Seestern  nicht  in  seinem 
Magen  aufnehmen  kann,  überwältigt  er,  indem  er  den  Magen  aus- 
stülpt und  durch  die  Wirkung  der  Verdauungssäfte  das  Beutetier  (meist 
Muscheln)  tötet  und  aufsaugt. 

Der  After,  welcher  in  unserem  Präparat  natürlich  nicht  zu  sehen 
ist.  liegt  etwas  exzentrisch  in  einem  Interradius. 

In  der  Körperscheibe  befindet  sich  zwischen  je  zwei  Armen,  also 
interradial,  ein  doppeltes  Büschel,  welches  frei  in  die  Leibeshöhle  vor- 
ragt. Das  sind  die  Geschlechtsorgane,  deren  Ausführgänge  sich  auf 
der  dorsalen  Seite  interradial  öffnen.  Auf  unserer  Zeichnung  (Fig.  79) 
ist  ein  junges  Tier  mit  noch  wenig  entwickelten  Geschlechtsorganen 
abgebildet  worden.  Werden  die  Geschlechtsorgane  mit  zunehmender 
Reife  größer,  so  drängen  sie  sich  als  gegabelte,  lappige  Äste  in  die 
Leibeshöhle  der  Arme  hinein. 

Wir  präparieren  nunmehr  Magen  und  Darmäste  vorsichtig  ab  und 
kommen   dadurch   zur  Betrachtung  des  WassergefäJ3systems. 

Wir  beginnen  mit  der  Madreporenplatte.  Eine  Betrachtung 
unter  der  Lupe  zeigt,  daß  diese  auf  ihrer  Oberfläche  sehr  zierlich  mit 

radiär  verlaufenden  Furchen  ver- 
sehen ist.  in  deren  Grunde  die 
Porenöftiiungen  liegen  (s.  Fig.  80). 
Von  dieser  Madreporenplatte  steigt 
der  Stein kanal  nach  abwärts,  in 
einem  häutigen  Sack,  dem  Axen- 
sinus,  verlaufend.  In  diesem 
Axensinus  ist  noch  ein  zweites 
Organ  zu  sehen,  neben  dem  Stein- 
kanal verlaufend,  das  früher  als 
Herz,  jetzt  als  Lym]thdrüse  ge- 
deutete Axialorgan  (Paraxon- 
drüse).  Fühlt  man  den  Stein- 
kanal mit  der  Pinzette  an,  so 
erkennt  man,  daß  er  verkalkt  ist. 
Sein  Inneres  ist  durch  vorragende 
Falten  und  Leisten  in  viele  Fächer 
geteilt. 
Der  Steinkanal  führt  zu  dem  Ringkanal,  welcher  den  inneren 
Konturen  des  Mundskelettes  folgt. 

Bei  unseren  Spiritusexemplai'en  ist  er  stark  kollabiert  und  daher 
schwer  zu  sehen.  Unter  der  Lupe  erkennt  man  je  zwei  kleine  inter- 
radial liegende  Körperchen.  dieTiEDEMANNschen  Körperchen,  zwischen 
denen  bei  anderen  Seesternen,  aber  nicht  bei  unserer  Art.  größere 
Blasen,  die  Poli sehen  Blasen  liegen,  die  mit  dem  Ptingkanal  in  \er- 
bindung  stehen. 

Von  dem  Ringkanal  gehen  fünf  Radialkanäle  in  die  Arme;  sie  sind 

aber  auf  diesem  Präparat  nicht  zu  sehen,  da  sie  auf  der  ventralen  Seite 

im   Grunde   der   tiefen    Armfurchen    (Ambulacralfurchen)    verlaufen. 

Dagegen    sind    deutlich   sichtbar   die  Ampullen,   helle    Bläschen, 

welche  in  zwei  Paar  dicht  stehenden  Reihen  den  Arm  entlang  ziehen. 


Fig.  80.     ^ladreporenplatte    von  Astcrias 

rubeyis.    In  den  Furchea  liegen  die  Poren - 

Öffnungen.  '  Orig. 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


127 


Da  die  Ampullen  sehr  dicht  gedrängt  stehen,  so  ist  die  Reihenanord- 
nung oft  verwischt.  Jede  Ampulle  steht  durch  einen  Kanal,  den 
Am  pul  lenkanal,  in  Verbindung  mit  einem  auf  der  ventralen  Seite 
hervortretenden  Füßchen,  das  außerdem  durch  einen  zweiten  Kanal, 
den  Füßchenkanal,  direkt  mit  dem  Radialkanal  in  Verbindung  steht. 

Betrachten  wir  von  der  ventralen  Seite  her  die  Füßchen,  so 
sehen  wir  sie  in  der  Gestalt  von  mehr  oder  minder  kontrahierten 
Schläuchen,  von  denen  die  dem  Zentrum  näher  liegenden  am  freien 
Ende  eine  wohl  entwickelte  Saugscheibe  besitzen.  Schneiden  wir  ein 
solches  Füßchen  ab  und  betrachten  wir  es  bei  schwacher  Vergrößerung 
unter  dem  Mikroskop,  so  finden  wir  eine  starke  Längs-  wie  Ring- 
muskulatur in  ihnen  vei-laufend,  während  von  der  Mitte  der  Saugscheibe 
aus  radiäre  Muskelfasern  ausstrahlen. 

W^ir  reißen  nunmehr  einige  Ampullen  mittels  Pinzette  von  ihrer 
Unterlage   ab. 

Es  werden  dadurch  zwei  alternierende  Längsreihen  von  Spalten 
sichtbar,  welche  das  Skelett  durchbohren,  und  die  zum  Durchtritt  der 
Ampullenkanäle  dienen  (siehe 
Fig.  79  Arm  stück  II). 

Wir  sehen  uns  bei  dieser 
Gelegenheit  das  Armskelett  etwas 
näher  an.  In  der  Mittellinie 
stoßen  schmale  Kalkplatten,  die 
Ambulacralplatten,  dach- 
förmig zusammen,  die  wirbelähn- 
lich miteinander  verbunden  sind. 
Wir  sehen  gleichzeitig,  daß  die 
Löcher  für  die  Ampullenkanäle 
alternierend  zwischen  diesen 
Platten  hindurchgehen. 

Wir  kommen  nunmehr  zur 
Präparation  des  Nerven- 
systems. 

Von  der  Ventralseite  aus 
werden  die  Füßchen  vorsichtig 
mit  der  Pinzette  entfernt  (Fig.  81). 

Wir  sehen  alsdann   im  Grunde 


Fig.  81. 
rubens. 


Orales  Nervensj'stem  von  Asterias 
Der  Ringnerv  und  die  fünf  Radiär- 
nerven.    Orig. 


der  Ambulacralfurche  einen  deut- 


lichen   Längsstrang,    den   Radiärnerven, 


liegen. 


tritt   mit   den   in   den   anderen  Armen  liegenden 


Ringnerven 


ein,    dessen 


Dieser   Radiärnerv 

in  einen  den  Schlund 

l^räparation    sich    schwerer    aus- 


umgebenden 
führen  läßt. 

Außer  diesem  oberflächlichen,  oralen  Nervensystem,  welches  früher 
allein  bekannt  war.  ist  noch  ein  darunter  liegendes  Nervensystem,  sowie 
ein  apicales  Nervensystem  vorhanden,  auf  dessen  Präparation  indessen 
verzichtet  werden  muß. 

Es  werden  nunmehr  fertige  mikroskopische  Präparate,  Querschnitte 
durch  den   entkalkten   Arm  eines  jungen   Seesternes,   gegeben. 

Zunächst  müssen  wir  uns  daran  erinnern,  daß  die  den  Arm  um- 
gebenden Skelettstücke  durch  den  Prozeß  der  Entkalkung  nicht  mehr 
scharf  abgegrenzt  sind.  Wie  die  etwas  schematisierte  Al)l)ildung  (Fig.  82) 
zeigt,  liegen  seitlich  von  den  beiden  die  Ambulacralfurche  bildenden 
Ambulacralplatten  die  Adambulacrali)latten,  an  die  sich  als 


12S 


9.   Kursus:  Erhiuodermatn. 


iinai-orinalplatte 


Inh'amarginalplatte 


Afi;inil)ul;icrali(laUc 


Anibulat'i'allpatte 


Fig.   82.     Querschnitt    durch    einen    Arm    von    Asffn'as   nibens   mit    eingezeichneten 

Skelettstücken,  schematisiert.     Orig. 


A]iicaler  Apicales  Kiemen- 

T.iinssmuskel  Norvensvsteni        bläscheii 


Quermuskeln  — 

Radialkanal 

des  Ambu- 

lacialsystenis 

Pseudo-     

hänialkanal 


Füßchenkana 
Wand  des  Füßchenkanal- 


Schizocöl 

Anndivertikel  des  Magens 

Schizocöl 


Stachel 


Ampullen 


Pedi- 
cellarie 


;  Pedicellarien 

Stacheln 


Maiaiiialkanal  dos  Pseudohämalsvsteiiis 


Flißchen  Radiäre  Nervenleiste  des  oberflächlichen  oralen  Nervensy.stems 

Tiefliegendes  orales  Nervensystem 

Fig.  83.     Querschnitt  durch  einen  entkalkten  Arm  von  Asterias  nibens.     Orig. 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


129 


seitliche  Begrenzungen  des  Armes  die  Infra-  und  Supramarginal- 
platten  anschließen,  während  sich  dorsal  die  mit  vielen  Kalktäfelchen 
besetzte  Rückenhaut  befindet.  An  unserem  vorliegenden  Querschnitt 
ist  die  Ambulacralfurche  leicht  aufzufinden,  so  daß  man  sich  ohne 
Schwierigkeit  orientieren  kann. 

An  den  Seiten  wie  auf  dem  Rücken  des  Querschnittes  sehen  wir 
zwischen  den  Skelettplatten  Lücken,  aus  denen  bläschenförmige  Aus- 
stülpungen dei'  Leibeswand  hervortreten.  Dies  sind  die,  der 
dienenden  Kiemenbläschen,  deren  Hohlraum  also  nur  ein  sich 
wölbender  Teil  der  Leibeshöhle  ist. 

Auch  die  dazwischen  sitzenden  Pedicellarien  sind  deutlich 
zu  sehen.  Ein  gutes  Präparat  der  Pedicellarien  erhält  man,  wenn  man 
in  dei-  Nähe  des  Mundfeldes  die  Stacheln  abschneidet,  auf  denen  Pedi- 
cellarien in  Gruppen  sitzen,  und  sie.  ohne  sie  zu  färben,  in  Glyzerin 
auf  den  Objektträger  bringt.    Die  Pedicellarien  sind  sämtlich  nur  zwei- 


Atmung 
vor- 


Pedicellarienknospe  .. 


Gerade  Zange 


(iekreuzte  Zange  - 


Stiel 


Fig.  84.     Astcrias  rubeus.     Gruppe  von  Pedicellarien  auf   einem  Stachel.     Orig. 

klappig,  aber  verschieden  ausgebildet.  So  gibt  es  außer  „geraden"  noch 
„gekreuzte"  Formen,  bei  denen  die  Blätter  im  Gelenk  kreuzweise  mit- 
einander verschränkt  sind  (siehe  Fig.  84). 

Im  Innern  des  Armes  liegen,  der  dorsalen  Seite  genähert,  die 
ansehnlichen  Querschnitte  der  gegabelten  Darmdivertikel  des  Magens. 
Auf  der  ventralen  Seite  befinden  sich  die  Ampullen,  meist  nur  eine 
auf  jeder  Seite,  da  sie  ja  alternierend  angeordnet  sind.  Auch  der  zu 
den  Füßen  führende  Ampullenkanal  ist  deutlich  sichtbar  (Fig.  83). 


Küken  tlial ,   Zool.  Praktikum. 


Aufl. 


9 


130  9.  Kursus:  Echinodermata. 

Von  dem  Radialkanal  des  Wassergefäßsystems,  welches  in  der 
Tiefe  der  Ambiilacralfurche  liegt,  gehen  die  Füßchenkanäle  seitlich  zu 
den  Füßchen  ab. 

Sehr  deutlich  zu  sehen  ist  das  oberflächliche  orale  Nervensystem, 
(s.  Fig.  81  u.  83),  welches  als  vorgewölbte  Platte  die  Ambulacralfurche  be- 
deckt. Zwischen  diesem  Radialnerv  und  dem  Radialkanal  des  Wassergefäß- 
systems liegt  ein  Hohlraum,  durchzogen  von  einem  senkrechten  Bande, 
in  dessen  Mitte  ein  zarter  Strang  quergeschnitten  ist,  der  früher  als 
radiales  Blutgefäß  beschrieben  wurde.  Es  führt  zu  einem  den  Mund 
umgebenden  Ring,  welcher  mit  dem  schon  erwähnten  Axialorgan  in 
Zusammenhang  steht,  und  als  Pseudohämalkanal  bezeichnet  wird. 


II.  Echinoidea,  Seeigel. 
A.     Allgemeine  Übersieht. 

Die  Seeigel  haben  einen  kapseiförmigen  Körper,  ohne  ge- 
gliederte Arme.  Ihre  Körperwand  ist  mit  einem  starken  Plattenpanzer 
versehen,  der  fast  ausnahmslos  so  fest  durch  Nähte  zusammengefügt 
ist,  daß  nur  an  beiden  Polen  der  vertikalen  Hauptachse  ein  beweg- 
licher Teil  des  Integumentes  übrig  bleibt.  Das  untere,  den  Mund  um- 
gebende Feld  ist  das  Peristom,  das  obere,  in  welchem  der  After  liegt, 
heißt  Periproct.  Zwischen  beiden  liegt,  bei  den  regulären  Seeigeln  in 
zehn  Doppelreihen  angeordnet,  das  Plattenskelett.  Es  alternieren  mit- 
einander fünf  Ambulacra  und  fünf  Interambulacra,  erstere  von  den 
Ambulacralfüßchen  durchbohrt. 

Die  fünf  Ambulacra  endigen  am  Periproct  in  fünf  Platten,  den 
Ocellarplatten,  die  fünf  Interambulacra  ebenfalls  in  fünf  Platten, 
den  Genitalplatten,  von  denen  eine  meist  als  Madreporenplatte 
fungiert. 

Im  Periproct  findet  sich,  meist  exzentrisch,  der  After;  ein  zu- 
sammenhängendes Skelett  fehlt  hier,  ebenso  wie  im  Peristom,  in  dessen 
Mitte  die  Mundöffnung  liegt. 

Bei  den  irregulären  Seeigeln  ist  das  Afterfeld  aus  dem  Kreis  der 
Ocellar-  und  Genitalplatten  heraus  in  einen  Interiadius  gerückt,  mit- 
unter bis  in  die  Nähe  des  Mundfeldes.  Die  Ambulacra  sondern  sich 
l)ei  diesen  Formen  in  einen  ventralen,  füßchentragenden  und  einen 
dorsalen,  tentakeltragenden  Abschnitt.  Letzterer  zeigt  gewöhnlich  die 
Gestalt  einer  fünfstrahligen,  blumenkronenartigen  Rosette  (petaloide 
Form). 

Bei  manchen  irregulären  Seeigeln  ist  auch  das  Mundfeld  nach 
vorn  verschoben,  und  dadurch  ergeben  sich  große  Änderungen  in  der 
Gestaltung  des  Skelettes. 

Ambulacra  wie  Interambulacra  sind  bedeckt  mit  kleinen,  halb- 
kugeligen Höckern,  auf  denen  durch  Muskeln  bewegliche  Stacheln 
inseriert  sind.  Auch  Pedicellarien  finden  sich,  besonders  häufig  in 
der  Umgebung  des  Mundes,  vor.  Der  Mund  ist  bei  den  regulären 
und  einigen  irregulären  Seeigeln  mit  fünf  Zähnen  bewaffnet,  die  in 
einem  komplizierten  Gerüst  von  25  Kalkstücken,  der  Laterne  des 
Aristoteles,  liegen  (s.  Fig.  90). 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


131 


Der  lange  Darmkanal  ist  ein  ansehnlicher  zylindrischer  Schlauch, 
der  durch  ein  dorsales  Mesenterium  an  der  Schalenwand  befestigt  wird.  Er 
ist  spiralig  aufgewunden,  meist  in  einer  doppelten  Spiiale,  indem  er 
erst  eine  ganze  Windung  von  links  nach  rechts,  dann  eine  rückläufige 
Windung  von  rechts  nach  links  beschreibt.  Der  After  liegt  meist 
exzentrisch,  bei  einigen  auch  zentral,  doch  ist  diese  zentrale  Lage  erst 
sekundär  erworben  (Fig.  85). 

Die  erste  Spiralwindung  des  Darmes  wird  begleitet  von  einem  engen 
Nebendarm,  der  vom  Ende  des  Ösophagus  entspringt  und  am  Ende 
der  ersten  Windung  wieder   in  den  Hauptdarm  einmündet  (s.  Fig.  S9). 

Das  Ambulacral System  ist  folgendermaßen  gebaut.  Von  der 
Madreporenplatte  geht  der  Steinkanal  fast  senkrecht  nach  abwärts,  in 
enger  Verbindung  mit  dem  schon  bei  den  Seesternen  erwähnten  Achsen- 
sinus, und  mündet  in  den  Ringkanal  ein,  der  meist  auf  der  inneren, 
pentagonalen  Basis  der  „Laterne'"  liegt.  Die  fünf  davon  abgehenden 
Hauptkanäle  ziehen  an  der  Auiaenfläche  der  Laterne  herab  und  treten 
dann  an  die  Innenfläche  der  Panzerkapsel,  in  der  Mittellinie  der 
Ambulacra  verlaufend  und  in  den  Ocellarplatten  endigend. 

Jede  Ambulacral- 
platte  erhält  von  ihnen 
einen  Querast,  der  zu 
einer  Ampulle  führt. 
Von  jeder  Ampulle 
treten  zwei  Kanäle  zu 
den  meist  mit  Saug- 
scheibe versehenen  F  ü  ß- 
chen.  Die  Ambulacral- 
platten  weisen  also  stets 
Doppelporen  auf.  Die 
Ambulacralfüßchen  sind 
differenziert  in  Saug- 
f  ü  ß  c  h  e  n ,  pinselförmige 
Fühler  in  der  Nähe 
des  Mundes  und  blatt- 
förmige Kiemenfüß- 
chen.  Sie  dienen  teils 
der  Fortbewegung,  teils 
dem   Tasten    und    che- 


Fig.  85.     Scliematiscbei'  Längsschnitt  eines  Seeigels 
(aus  Boas).     Der  Schnitt  geht  rechts    durch  ein  Am- 

bulacruni,  links  durch  ein  Interambulacrum. 
(7  After;  /Darm;  <(•  Leibeswand;  w;  Mund;  >fia  Madre- 
porenplatte; n  Radiärnerv;  o  empfindliche  Hautstelle; 
/  Ampulle;  /-  Radiärkanal;  .?  Steinkanal. 


mischer  Perzeption,  teils  der  Atmung. 

Im  Umkreis  des  Mundes  liegt  der  Nervenring,  von  dem  aus 
fünf  Nerven  abgehen,   die  gemeinsam  mit  den  Hauptkanälen  verlaufen. 

Die  Geschlechtsorgane  liegen  im  Dorsalteile  der  Panzerkapsel, 
gewöhnlich  als  fünf  traubige  Drüsen,  die  durch  fünf  int  er  radiale 
Mesenterien  an  der  Innenfläche  der  Rückenwand  befestigt  sind.  Ihre 
Ausführgänge  münden  durch  die  Löciier  der  Genitalplatten  aus. 


B.  Spezieller  Kursus. 

JEchimis  esctilenttis  (L.). 

uns  vorliegende  Seeigel    stellt   ein   Sphäroid   dar 


Der 

abgeplatteten    Unterseite,   in    deren  Mitte   der  von 
stellte  Mund  liegt,  und  einer  gewölbten  Oberseite. 


mit   einer 
fünf  Zähnchen   um- 

9* 


132 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


Die  gesamte  Oberfläche,  mit  Ausnahme  der  Umgebung  des 
Mundes  und  des  entgegengesetzt  liegenden  Afters,  ist  mit  kurzen 
Stacheln  bedeckt,  die,  im  Leben  beweglich,  auf  runden  Tuberkeln  sitzen. 

Wir  betrachten  zunächst  ein  getrocknetes  Exemplar,  an  welchem 
die  Stacheln  entfernt  sind,  und  beginnen  mit  der  Umgebung  des  Afters. 
In  der  Mitte  der  dorsalen  Wölbung  liegt  das  After  fehl,  bedeckt  mit 
uniegelmäßigen  Kalkplättchen.  Die  etwas  exzentrisch  darin  liegende 
Öffnung  ist  der  After.  Um  das  Afterfeld  herum  sehen  wir  zwei  Kreise 
von  Kalkplatten  liegen.  Der  innere  bestellt  aus  fünf  größeren  fünf- 
eckigen Platten,  Basalia  oder  Genitalplatten  genannt,  weil  durch  je 
ein  großes  Loch  in  ihnen  die  fünf  (jenitaldrttsen  nach  außen  münden. 
Eine  dieser  Platten  ist  besonders  groß  und  an  ihrer  Oberfläche  von 
unzähhgen  feinen  Poren  durchsetzt.      Das  ist  die  Madreporenplatte. 


After 
Periproct 

Madreporenplatte 


Interanibulacnim 


Geni  talplatte 
Ocellarplatte 


AmbulacruiM 


Fig.  86.     Dorsalfläclie  von  Echimis  esculejitus.     Orig. 


Der  äußere  Plattenkreis  schiebt  sich  zwischen  die  Genitalplatten  etwas 
ein  und  besteht  ebenfalls  aus  fünf  fünfeckigen  Stücken,  den  Radial- 
platten,  auch  Ocellarplatten  genannt  (Fig.  >^Q). 

Auch  in  jeder  von  diesen  findet  sich  ein  allerdings  viel  engerer 
Kanal,  der  deutlich  sichtbar  wird,  wenn  man  das  Schalenstück  gegen 
das  Licht  hält. 

Von  diesen  beiden  Plattenkreisen  aus  ziehen  in  Meridiane  gestellte 
Plattenreihen  nach  abwärts,  die  Schale  bildend.  Wir  zählen  20  solcher 
Pteihen,  die  paarweise  vereinigt  sind,  also  zehn  Doppelreihen.  Fünf 
derselben  gehen  von  den  Radialplatten  aus  und  heißen  Ambulacra; 
mit  ihnen  alternieren  die  fünf  anderen  an  die  Genitalplatten  anstoßenden 
Doppelreihen,  die  Interambulacra.  Die  Naht  zwischen  je  zwei  gleich- 
artigen Plattenreihen  bildet  eine  Zickzacklinie. 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


133 


Die  Ambulacra  sind  leicht  daran  zn  erkennen,  daß  sie  allein 
von  Poren  durchsetzt  sind,  die  stets  paarig  auftreten.  Auf  jeder  Platte 
finden  sich  drei  solcher  Porenpaare,  die  stets  nach  den  äußeren  Rän- 
dern jeder  Doppelreihe  zu  liegen,  während  der  mittlere  Teil  mit  runden, 
stacheltragenden  Tuberkeln  besetzt  ist. 

Die   gleichen  Stachel warzen   finden    wir   in   ziemlich 


regelmäßiger 


Grcifzangeu- 
bUitter 


Anordnung  auf  den  Interambulacra  wieder. 

Ambulacra  wie  Inteiambulacra  endigen  an   dem   fünfeckig  gestal- 
teten Mundfeld. 

Wir  nehmen   nun   das  in  Alkohol   konservierte  Exemplar  und  legen 
es   unter  Wasser  ins  Wachsbecken,   das  Mundl'eld   nach   oben. 

Zunächst  betrachten  wir  das  Mundfeld  etwas 
genauer.  Es  erweist  sich  als  eine  dünne  weiche 
Membran,  in  deren  Mitte  sich  der  von  fünf  weißen 
Zähnclien  umstellte  Mund  befindet.  Um  den  Mund 
herum  stehen  zehn  größere  Miindfüßchen.  welche 
eine  zweilappige  Endscheibe  tragen,  und  die  als 
Sinnesorgane  (eines  chemischen  Sinnes?)  auf- 
gefaßt werden  (Fig.  88)  und  wahrscheinlich  die 
Nahrungssuche  vermitteln.  An  der  äußeren  Peri- 
pherie des  Mundfeldes  stehen  fünf  Paar  ver- 
ästelter  Anhänge,  in  jedem  Interradius  ein  Paar, 
das  sind  die  Kiemen,  hohle  Ausstülpungen  der 
Mundhaut,  deren  Hohlraum  mit  Leibesflüssigkeit 
ausgefüllt  ist.  Zwischen  den  Stacheln  liegen  zahl- 
reiche, verschieden  geformte  und  verschiedenen 
Zwecken  dienende  Pedicellarien. 

Mit  der  feinen  Pinzette  w-erden  einige  Pedi- 
cellarien vorsichtig  von  ihrer  Unterlage  abgehoben, 
auf  einen  Objektträger  in  Glyzerin  gebracht  und 
unter  dem  Mikroskop  bei  schwacher  Vergrößerung 
betrachtet. 


..-Stiel 


.Kalkstab 
des  Stieles 


Elastische 
Fasern 

Fig.  87.  Echinns  esculenttis, 
Pedicellarie.     Orig. 


Man  sieht  alsdann,  daß  diese  kleinen  Greif- 
api>arate  aus  einem  Stiel  und  drei  diesem  auf- 
sitzenden, beweglichen  Klapi)en  bestehen.  Der 
Stiel  enthält  in  seinem  untersten  Teil  einen  starren 
Kalkstab,  der  von  einer  Scheide  elastischer  P'asern 

umgeben  ist.    Der  obere,  elastische  Stielteil  kann  sich  gelegentlich  unten 
spiralig  drehen,  oben  fernrohi'ailig  ineinander  schieben  (s.  Fig.  87). 

An  dem  in  Alkohohl  konservierten  Exemplar  lassen  sich  ferner  die 
dem  Skelett  aufsitzenden  Stacheln  genauer  untersuchen.  Sie  sind 
mit  einem  der  Schale  fest  aufsitzenden  Tuberkel  gelenkig  verbunden, 
und  zwar  duich  eine  Tnberkel  und  Stachelbasis  verbindende  Kapsel, 
der  die  Muskulatur  angelagert  ist.  Zwischen  den  zahlreichen  Stacheln 
sieht  man,  in  den  Ambulacra,  die  fünf  Doi)i)elreihen  von  Füßchen  liegen, 
welche  beim  lebenden  Tier  sehr  ausdehnnngsfähig  sind,  und  ähnlich 
funktionieren  wie  beim  Seestern. 

Es  wird  nunmehr  der  Körper  des  Seeigels  geöffnet.  Am  besten 
geschieht  das  mit  Hilfe  einer  Laubsäge.  Etwas  unterhalb  der  Mitte 
wird  die  Schalenwand  ringsherum  horizontal  aufgesagt,  dann  werden  die 
beiden  Sclialenhälften  vorsichtig  etwas  voneinander  entfernt,   aber  nicht 


134 


9.  Kursus:  Erhinodermata. 


gleich  auseinander  geklappt.  Etwas  laugwieiiger,  aber  lohnender,  ist 
das  Heraussägen  der  Ambiilacra,  so  daß  breite  Fenster  entstehen,  durch 
welche  man   die  innere   Organisation   überschauen  kann. 

Wir  blicken  jetzt  in  die  von  der  Schale  gebildete  Höhle  hinein 
und  betrachten  zunächst  den  Steinkanal.  Er  durchzieht  dorsoventral 
den  Innenraum  von  der  Madreporenplatte  zum  Ringkanal.  Am  besten 
sieht  man  ihn.  wenn  man  die  beiden  Schalenhälften  nach  dem  Aufsägen 
nicht  gleich  auseinanderklappt,  sondern  vorsichtig  ein  wenig  voneinander 
entfernt,  so  daß  man  durch  den  Spalt  ins  Innere  blicken  kann. 

Der  Darm  (Fig.  89)  ist  an  der  Schalen  wand  durch  Mesenterien 
befestigt.    Gehen  wir  von  der  Mundöffnung  aus,  so  sehen  wir  den  Darm 


AmVjulacrum 


Kiemen 


Zähne 


Mundfüßchen 


Mundfetd 


Fig.  88.     Mundfeld    von  Echimcs  esculentus.     Orig. 


aus  dem  oberen  Ende  eines  komplizierten  Apparates,  des  Kauapparates, 
austreten.  Er  steigt  schräg  dorsalwärts  in  die  Höhe,  biegt  dann  um,  tritt 
an  die  Innenseite  der  Schale  und  macht  in  der  Richtung  des  Uhr- 
zeigers unten  einen  Umgang,  dann  biegt  er  nach  oben  gewendet  auf 
sich  selbst  zurück,  um  in  entgegengesetztem  Sinne  oben  einen  zweiten 
Umgang  bis  zum  Afterdarm  zu  machen. 

Wir  entfernen   nunmehr   den  Darm  vorsichtig. 

Vom  Wassergefäßsy Stern  sehen  wir  nur  die  Ampullen, 
welche  an  der  Innenwand  der  Ambulacra  als  abgeplattete,  zarte  Gebilde 
erscheinen. 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


135 


Der  Ringkanal,  welcher  den  Schlund  auf  der  Oberseite  des  Kau- 
apparates umgibt,  ist  schwer  zu  präparieren  und  ebenso  die  fünf  von 
ihm  abgehenden  Radiärgefäße,  welche  zunächst  innerhalb  des  Kau- 
apparates verlaufen  und  dann  erst  hervortreten,  um  dorsalwärts  empor- 
zusteigen und  blind  zu  endigen.  Seitlich  von  ihnen  alternierend  aus- 
tretende Zweige  gehen  in  die  Ampullen.  Man  bringt  sie  durch  vor- 
sichtige Wegnahme  der  Ampullen  zur  Ansicht.  Jefle  Ampulle  steht 
mit  dem  entsi)rechenden  Füßchen  durch  zwei  die  Schale  durchbohrende 
Kanäle  in  Verbindung  (s.  Fig.  90). 

Die  (ieschlechtsorgane  sind  bei  großen  Exemplaren  sehr  stark 
entwickelt  und  bilden  fünf  traubige,  miteinander  verschmelzende  Organe. 

Madreporenplatte  Vfter 

Axialorgan 


iMiddarm 


Steiiikanal 


Oosophagu: 


Dann 


Wendepunkt 
der 
Darmspirale 


Mesenterien 


Obere 
/  Spiralwindung 


des  Daimes 


Untere   Spiral- 
windung des  Darmes 


Nebondarm 


Speiseröhre        Kebcndarni 
Fig.  89.     Echmus  escukntus.     Der  Verlauf  des  Darmes  (Schale  und  Ambulacralsysteni 

sind  weggelassen).    Orig. 


die   an    der   dorsalen  Schalenwand  angeheftet  sind  und  interambulacral 


hegen. 


Schließlich  wenden  wir  uns  zur  Betrachtung  des  komplizierten 
Kauapparates,  des  von  Plinius  als  „Laterne  des  Aristoteles"  bezeich- 
neten Organes,  welches  von  einer  Membran,  der  Wandung  der  Leibes- 
höhle, überzogen  ist  (Fig.  90).  Schon  bei  der  Betrachtung  der  äußeren 
Körperform  hatten  wir  fünf  vorstehende,  elfenbein weiße  Zähnchen 
gesehen.  Lösen  wir  die  Laternenmembran  vorsichtig  ab,  so  sehen 
wir  die  fünf  Zähnchen  im  Innern  von  fünf  stützenden  Pyramiden,  den 
Kiefern,  liegen.  Auf  der  inneren  Oberfläche  befinden  sich,  wie 
Speichen  eines  Rades,  fünf  nach  dem  Zentrum  zustrebende  Z wische n- 
kieferstücke  (Rotulae)  und  über  diesen  fünf  Gabelstücke. 

Dieses  komplizierte  Skelett  wird  durch  eine  große  Anzahl  Muskeln 
in  Bewegung  gesetzt.    Zum  Teil  inserieren  sich  dieselben  an  einem  die 


136 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


Peripherie  der  Mundscheibe  umgebenden,  nach  innen  vorspringenden 
Skelett  ring,  welcher  fünf  ambulacral  liegende,  bogenförmige  Er- 
hebungen aufweist:  die  Aurikeln.  Die  Zähne  werden  aneinander- 
gepreßt  durch  sehr  kräftige  Muskeln  zwischen  den  einzelnen  Kiefern, 
die  Interpyramidahnuskeln,  und  auseinandergezogen  durch  die  Muskeln, 
die  an  den  äußeren  und  inneren  Enden  der  Rotulae  sitzen  und  die 
Rotulae  wie  Keile  von  oben  her  zwischen  die  einzelnen  Kiefer  treiben, 
wobei  die  fünf  Muskelpaare,  welche  von  der  Spitze  der  Aurikeln  nach 
unten  an  die  Kieferstücke  gehen,  mitwirken.  Das  Herabziehen  einzelner 
Kiefer  und  das  Senken  der  ganzen  Laterne  wird  durch  die  fünf  Muskel- 


Steinkanal 


Oesophagus 


P  o 1 i  sehe 
Blase 


Zahn  wurzelblase 


Gabelstück 


Gabelstück  inuskeln 
(Kompaßmuskeln ) 


Gabel  stüekbänder 


Aui'ikul  11- 
miisk(  In 


Aurikel 


Ampiille 


Radial  kaiial  Kiefer  Füßchen 

Fig.  90.     Kauapparat   von   Echhms  rsculentus.     Die   feine  Membran,    die    über 
ganzen  Apparat  gespannt  ist,  ist  an  den  Seiten  weggelassen.     Orig. 


den 


paare  besorgt,  die  am  oberen  und  seitlichen  Rande  jeder  Pyramide 
ansetzen  und  in  die  interambulakralen  Vertiefungen  zwischen  je  zwei 
Aurikeln  ziehen.  Als  Antagonisten  wirken  beim  Neigen  die  Mund- 
membran und  die  Interpyramidahnuskeln  und  beim  Senken  die  Auri- 
kularmuskeln.  \'on  andei-en  Muskeln  sind  u.  a.  vorhanden  ein  auf  der 
oberen  Fläche  liegender  fünfeckiger  Ring,  welcher  die  fünf  Stiele  der 
Gabelstücke  miteinander  verbindet,  sowie  zehn  dünne,  von  den  ge- 
gabelten Enden  der  Gabelstücke  nach  unten  ziehende  Muskeln,  die  den 
Druck  innerhalb  der  Laterne  im  Dienste  der  Atmung  und  der  Freß- 
bewegungen  regnlieren. 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


137 


III.  Holothurioidea,  Seewalzen. 
A.   Allgemeiiie  Übersicht. 

Die  Kör  per  form  der  Holotliurien  ist  eine  langgestreckte,  zylin- 
drische, indem  die  Hauptachse  bedeutend  länger  ist  als  die  Nebenachsen. 
Die  Tiere  nehmen  dadurch  eine  wurst-  oder  gurkenförmige,  häufig  auch 
wurmförmige  Gestalt  an. 

Die  radiale  Symmetrie  wird  dadurch  stark  verwischt,  daß  die 
Tiere  konstant  mit  einem  bestimmten  Teile  der  seitlichen  Körperwand 
dem  Boden  aufliegen.  Diese  Seite  wird  die  Bauchseite  genannt,  die 
andere  die  Rücken  sei te. 


W/M^- - Tentakel 

'/ 

Abgeschnittenes  radiäres  Wassergefäß 

/y  \  Kalkring 

_. jJJ  \.  .I.'.V. J  Eingkanal  des  Wassergefäßsystems 

'n|l.u J\ Steinkanal 

AV^Öj — ttV — —  Polische  Blase  .,   , 

^\   Tt-  --]||f\ Madi-eporenplatte 

■"\     \\  . .  M.\^  Ausführgang  der  Geschlechtsprodukte 


-  Geschlechtsorgane 


Darm 


—  Kiemenbaiuu 


Gemeinsamer  Ausfühi'gang  der 

Kienienbaume 

Cu  vi  er  sehe  Organe 

Kloake 

After 

Fig.  91.     Schema  einer  Hoiothurie. 


Das  Hautskelett  ist  reduziert  auf  kleine  Kalkkörperchen  und 
nur  den  vordersten  Darmteil  umgibt  ein  Ring  von  10  größeren  Skelett- 
stücken.    Die  Körperwand  ist  daher  sehr  weich. 

Um  den  Mund  herum  steht  ein  Kranz  von  Fühlern  oder  Ten- 
takeln, bahl  krausenartig  gefaltet,  bald  zierlich  verästelt  (s.  Fig.  92). 
Ihr  Hohlraum  steht  mit  dem  Wassergefäßsystem  in  \'erbindung. 

Der  Darmkanal  ist  ein  einfacher  zylindrischer  Schlauch  von 
der  drei-  bis  vierfachen  Körperlänge  und  in  eine  longitudinale  Spii'al- 
windung  zusammengelegt.     Mesenterien   befestigen  ihn  an  der  Körper- 


13^  9.  Kursus:  Echinodennata. 

wand.  Um  den  muskulösen  Schlund  herum  liegt  der  Kalkring, 
meist  aus  fünf  größeren  perradialen  und  fünf  kleineren  interradialen 
Platten  bestehend. 

Der  Enddarm  erweitert  sich  zur  Kloake  und  nimmt  ein  Paar 
mächtige,  baumförmig  verästelte  Drüsen,  die  Kiemen  bäume,  auf, 
die  man  als  „Wasserlungen"  bezeichnet  hat,  da  sie  durch  Aufnahme 
und  Ausstoßen  von  Wasser  als  Atmungsorgane  dienen. 

Bei  vielen  finden  sich  noch  besondere  Organe,  die  als  Differen- 
zierungen der  Kiemenbäume  zu  betrachten  sind:  die  CuviERschen 
Organe,  lange,  klebrige  Schläuche  von  unbekannter  Funktion. 

Das  Amb  ulacral  sy  Stern  ist  nach  dem  allgemeinen  Echino- 
dermentyi)us  entwickelt,  zeigt  aber  mancherlei  Rückbildungen.  Der 
Ringkanal  liegt  hinter  dem  Kalkring;  von  ihm  aus  geht  meist  nur 
ein  Steinkanal,  dem  gegenüber  eine  einzige  PoLische  Blase 
liegt.  Bei  einigen  kann  sich  die  Zahl  der  Steinkanäle  und  PoLischen 
Blasen  vermehren.  Der  Steinkanal  führt  nicht  in  die  Leibeswand, 
sondern  hängt  frei  in  dem  Leibeshohlraum,  an  seinem  Ende  mit  einer 
durchlöcherten  Madreporenplatte  versehen. 

Vom  Ringkanal  gehen  fünf  Hauptkanäle  (Radialkanäle)  ab,  nach 
dem  Afterpol  hinziehend,  um  dort  blind  zu  endigen.  Bei  manchen 
können  sie  gleichzeitig  mit  den  Füßchen  rückgebildet  werden.  Die 
Füßchen  sind  meist  nicht  gleichmäßig  entwickelt,  sondern  nur  die  drei 
ventralen  Ambulacra  (Trivium)  haben  lokomotorische  Füßchen  mit 
Saugscheiben,  die  beiden  dorsalen  (Bivium)  tentakelartige,  welche  in- 
dessen auch  fehlen  können. 

Die  den  Mund  umgebenden  Fühler  sind  aufzufassen  als  stark 
ausgebildete  Saugfüßchen.  Sie  stehen  mit  den  Radialkanälen,  seltener 
mit  dem  Ringkanal  selbst  in  Verbindung  und  besitzen  meist  große 
Ampullen. 

Stark  entwickelt  bei  den  meisten  Holothurien  ist  die  Muskulatur 
der  Leibeswand,  aus  Längs-  und  Ringmuskeln  gebildet,  die  mit  der 
Haut  fest  verwachsen  sind,  so  daß  man  von  einem  Hautmuskel- 
schlauch reden  kann.  Vorn  inserieren  sich  die  Längsmuskelstränge 
an  dem  Kalk  ring. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  einem  am  Kalkring  gelegenen 
Nervenringe,  von  dem  fünf  radiale  Stämme  der  Innenseite  des 
Hautmuskelschlauches  entlang  verlaufen. 

Von  Sinnesorganen  finden  sich  außer  den  Tentakeln  bei 
einigen  Holothurien  Statocysten  mit  Statolithen,  einige  tragen  auch  an 
der  Basis  jedes  Fühlers  ein  Paar  schwarze  Pigmentflecke  mit  beson- 
derem Sinnesepithel. 

Das  Genitalsystem  besteht  aus  einem  Paar  zusammenhängender 
Gonaden,  die  durch  eine  unpaare  Öffnung  in  der  interradialen  Median- 
linie des  Rückens  ausmünden. 

Viele  Holothurien  weisen  eine  große  Regenerationsfälligkeit  auf. 
Auf  starke,  äußere  Reize  hin  stoßen  sie  einen  großen  Teil  der  Ein- 
geweide, besonders  den  Darm,  aus  und  vermögen  dann  das  Verloren- 
gegangene wieder  zu  regenerieren. 


9.  Kursus:  Echinoderniata.  139 


B.  Spezieller  Kursus. 

HolothuHa  tuhtilosa  (Gm.). 

Wir  betrachten  zunächst  die  äußere  Körperform  dieser  Holo- 
thurie.  Der  Körper  ist  langgestreckt  und  zyhndrisch.  Am  Vorderende 
liegt  der  Mund,  umgeben  von  einem  Kranze  von  20  kurzen  Tentakeln, 
die  bei  den  meisten  Exemplaren  eingezogen  sind.  Diese  Tentakel  sind 
an  der  Oberfläche  durch  Seitenäste  verbreitert  und  bilden  eine  an- 
nähernd schildförmige  Abflachung  („ Aspidochiroten").  Am  entgegen- 
gesetzten Pole  liegt  die  Afteröflfnung.  Die  Körperwand  weist  eine  hellere 
Bauchfläche  und  eine  dunklere  Rückenfläche  auf.  letztere  besetzt  mit 
einer  Anzahl  größerer  Warzen,  während  auf  der  Bauchseite  unregel- 
mäßig angeordnete  Saugfüßchen  auftreten,  die  jedoch  an  unseren  kon- 
servierten Exemplaren  eingezogen  sind. 

Wir  legen  die  Holothurie  unter  Wasser  in  das  Wachsbecken  und 
schneiden  mit  einem  Längsschnitt  die  Körperdecke  auf.  Man  nimmt  dazu 
besser  nicht  die  Schere,  sondern  das  Skalpell,  führt  den  Längsschnitt 
auf  der  helleren  Bauchseite  und  hört  etwa  1  cm  vor  der  Afteröffnung  auf. 
Dann  wird   die   aufgeklappte  Körperwand   mittels  Nadeln  festgesteckt. 

Wir  beginnen  mit  der  Betrachtung  des  Darmes.  Er  liegt  in 
zwei  Windungen  und  ist  durch  ein  dorsales  Mesenterium  an  der  Körper- 
wand befestigt.  Der  vorderste  Teil  ist  der  Schlundkopf,  hinten  geht 
der  Darm  in  einen  erweiterten  Abschnitt  über,  die  Kloake,  welche 
durch  radiär  angeordnete  Stränge  an  rlie  benachbarte  Leibeswand  be- 
festigt ist  (Fig.  92). 

Nächst  dem  Darm  fallen  am  meisten  in  die  Augen  zwei  seit- 
liche, den  Körper  der  Länge  nach  durchziehende,  stark  verästelte 
Organe,  welche  in  die  Kloake  einmünden,  nachdem  sie  sich  zu  einem 
kurzen,  unpaaren  Stamme  vereinigt  haben.  Es  sind  das  die  Wasser- 
iungen  oder  inneren  Kiemen  bäume.  Der  linke  Kiemenbaum  wird 
von  einem  Blutgefäßnetz  umsponnen.  In  beide  strömt  frisches  Wasser 
von  der  Kloake  aus  ein.  und  sie  dienen  also  wohl  zweifellos  der 
Atmung. 

Sehr  deutlich  ist  an  unserem  Präparat  das  Blutgefäßsystem 
zu  sehen,  dem  indessen  eine  regelmäßige  Zirkulation  vollkommen  fehlt. 
Es  stellt  sich  als  ein  System  von  Lakunen  dar,  die  an  dem  Darm  zu 
zwei  Gefäßstämmen  zusammentreten.  Das  Dorsalgefäß  wird  auf  die 
größte  Strecke  des  Darmes  hin  zu  dem  Randgefäß  eines  ..Wunder- 
netzes", welches  als  eine  vielfach  durchbrochene  Membran  sich  an  den 
Darm  anheftet. 

Vom  Was sergefäß System  sehen  wir  zunächst  eine  große  Blase 
in  der  Nähe  des  Schlundes:  die  PoLische  Blase  (seltener  sind  es  zwei), 
und  wenn  wir  diese  nach  ihrer  Basis  hin  verfolgen,  so  treffen  wir  auf 
den  Ringkanal,  welcher  den  Schlund  eng  umfaßt. 

Nun  müssen  wir,  vom  Ringkanal  ausgehend,  die  Steinkanäle 
aufsuchen.  Bei  den  meisten  Holothurien  erreichen  die  Steinkanäle  die 
äußere  Körperoberfläche  nicht  mehr,  sondern  hängen  frei  in  dem  Leibes- 
hohlraum, und  so  sehen  wir  auch  an  unserem  Präparate  auf  der  dor- 
salen Seite  des  Schlundes  kleine,  keulenförmige  Gebilde  von  dem  Ring- 
kanal abgehen,  welche  die  Steinkanäle  repräsentieren. 


140 


9.  Kursus:  Echinodermata. 


Fühlerampullen 


Mundtentakcl 


Linker    Kieiuenbaum 


[iadialkaiial 

gefäßsy: 


Stciiikanälo 


Kechter 
Kiemenbaum 


Gefäß- 
auastomose 

Hinterer  Darm- 
schenkel 


,    yo\        -     Ringkaiial 

—  Polische  Blase 


Mittlerer  Darm 
Schenkel 


Ventrales  Dai'm 
gcfäß 


Gonade 


I^iingsmuskeln 

^"orderer 
Darmschenkel 


^-  i-J     Ventrales 

Darmsrefäß 


-  Radialkanal 

Gefäß- 
anastomose 


I^ängsmuskehi 


Dorsales 
1  )urmgofäß 


Ventrales 
Darmgefäß 


Befestigungsstränge 
der  Kloake 


Kloake 


Anus 


Fig.  92.     Organisation  von  Holothuria  tnbulosa  (nach  Carus,   aus  Lang). 

Das  Blutgefäßsysteni  schwarz. 


9.  Kursus:   Echinoderniata.  141 

Vom  Ringkanal  gehen  fünf  Radialk  anale  aus,  zunächst  den 
Schlund  entlang  nach  vorn  verlaufend,  dann  an  die  Körperwand  ab- 
biegend.    Sie  laufen  dann,  blind  endigend,  nach  dem  After  zu. 

Von  ihnen  gehen  alternierend  seitliche  Äste  ab,  die  sich  zu  den 
Ampullen  der  Füßchen  begeben.  Die  Ampullen  liegen  nicht  frei  in 
der  Leibeshöhle,  sondern  unter  der  Ringmuskelschicht,  hier  und  da 
vorschimmernd. 

Um  sieb  diese  Verhältnisse  zu  veranschaulichen,  trägt  man  vor- 
sichtig ein  Stückchen  der  Muskulatur  von  der  Leibeswand  ab  und  klappt 
es  um. 

Auch  in  die  Tentakel  gehen  Äste  des  Wassergefäßsystems  hinein, 
aber  nicht  etwa  vom  Ringkanal,  sondern  von  den  Radialkanälen  aus. 
Nach  hinten  zu  geben  diese  Fühlerkanäle  langgestreckten  Hohl- 
schläuchen, den  Fühlerampullen,  den  Ursprung,  die  wir  leichtlich 
als  zarthäutige,  nach  hinten  gerichtete  Schläuche  auffinden.  An  ihrer 
Basis  sehen  wir  den  weiß  schimmernden  Kalk  ring,  welcher  den 
Schlund  umgibt,  aus  zehn  Stücken  bestehend.  An  seiner  Innenseite 
verläuft  dei-  Nervenring  und  die  fünf  starken  Längsmuskeln  des  Körpers 
heften  sich  an  ihn  an. 

Dicht  unter  dem  Steinkanal  liegt  eine  aus  mehreren  verästelten 
Schläuchen  zusammengesetzte  Drüse:  die  Geschlechtsdrüse,  von  der 
ein  gemeinsamer  Ausfühi'ungsgang  nach  vorn  geht,  um  auf  der  Dorsal- 
seite nach  außen  zu  münden. 

Wir  entfernen  nunmehr  Darm  und  Wasserlungen  und  betrachten 
die  Körpermuskulatur. 

Der  Haut  muskelschlauch  stellt  sich  dar  als  bestehend  aus 
fünf  in  den  Radien  verlaufenden  Längsmuskelpaaren  und  einer  äußeren 
Ringmuskelschicht. 

Um  die  Kalkkörpercben  zur  Anschauung  zu  bringen,  welche  als 
Reste  des  reduzierten  Skeletts  in  der  Haut  liegen,  bringt  man  ein 
Stückchen  Haut  auf  den  Objektträger  mit  etwas  Liquor  natr.  hypochlor. 
und  wäscht  nach  einiger  Zeit  mit  Wasser  nach.  Außerdem  werden 
noch  fertige  mikroskopische  Präparate  von   Synaptahaut  gegeben. 

Die  Kalkkörperchen  erscheinen  als  ovale,  mehrfach  durchlöcherte 
Plättchen  von  ziemlicher  Regelmäßigkeit.  Bei  den  verschiedenen  Holo- 
thurienarten  sind  diese  Kalkkörperchen  verschieden  gestaltet;  besonders 
hübsch  sind  die  von  Synapta  digitata,  wo  zu  dem  flachen  Plättchen 
stets  ein  ankerförmig  gebautes  zierliches  Gebilde  tritt. 

An  die  Untersuchung  von  Holothuria  tubulosa  schließen  sich 
Demonstrationen  anderer  Holothurien,  besonders  von  Synaptiden,  an; 
ferner  sind  Abbildungen  der  merkwürdigen  schlauchförmigen  parasi- 
tischen Schnecke  Entoconclia  luirabilis  zu  erläutern;  auch  kann  der  in 
Kloake  und  Wasserlungen  einer  Holothurie  (Stichopus  regalis)  lebende 
kleine  Fisch,  Fierasfer  acus,  demonstriert  werden. 


Systematischer  Überblick 

für  den  zehnten  und  elften  Kursus. 


VI.  Stamm. 

Mollusca,  Weichtiere. 

Die  Mollusken  sind  unsegmentierte,  ursprünglich  bilateral-symmetrische  Tiere, 
deren  Körper  aus  dem  Eingeweidesack,  dem  Augen  und  Tentakel  tragenden 
Kopf  (der  bei  den  Muscheln  fehlt),  dem  ventralen,  aus  Muskelmasse  bestehenden 
Fuß  und  dem  dorsalen  Mantel  besteht.  Letzterer  ist  eine  Hautfalte,  welche  ge- 
meinsam mit  dem  Rückenepithel  eine  schützende  Schale  ausscheidet  und  eine  den 
Rumpf  ringförmig  umziehende  Körperhöhle,  die  Mantelhöhle,  begi-enzt,  in  welcher 
die  paarigen,  kammartigen  Kiemen  liegen.  Bei  den  Muscheln  ist  die  Mantelfalte 
paarig,  indem  sie  von  der  dorsalen  Mittellinie  aus  nach  rechts  und  links  abgeht, 
und  daher  haben  die  Muscheln  paarige  Schalen,  sowie  paarige  Mantel-  oder 
Atemhöhlen.  Bei  den  Schnecken  und  Tintenfischen  dagegen  ist  die  Mantelfalte 
und  damit  auch  Schale  nnd  Mantelhöhle  unpaar. 

Das  Cölom  der  Mollusken  ist  reduziert  auf  den  Herzbeutel,  Perikard, 
einen  das  Herz  umschließenden  Sack,  aus  dem  zwei  Exkretionsorgane,  Ne- 
phridien,  in  die  Mantelhöhle  führen,  und  auf  die  Lumina  der  Geschlechts- 
drüsen. 

DasNervensystem  besteht  immer  aus  drei  Paar  Ganglien:  den  Hirnganglien 
(Cerebralganglien),  den  Fußganglien  (Pedalganglien)  und  den  Eingeweide- 
ganglien (Yisceralgangl ien).  Die  Hirnganglien  stehen  sowohl  mit  den  Fuß-  wie 
mit  den  Eingeweideganglien  durch  Nervenstränge  in  Verbindung.  Den  drei  Ganglienpaaren 
entsprechen  drei  Paar  Sinnesorgane.  Die  Cerebralganglien  versorgen  die  Augen,  sowie 
auch  die  Tentakel,  den  Pedalganglien  liegen  die  Statocysten  auf,  die  aber  von 
den  Cerebralganglien  aus  innerviert  werden,  und  in  der  Nähe  der  Visceralganglien 
befinden  sich  am  Mantelrande  die  als  Geruchsorgane  gedeuteten  Osphradien. 

Das  Blutgefäßsystem  ist  nie  geschlossen,  meist  finden  sich  Lakunen 
(fälschlich  als  Leibeshöhle  bezeichnet).  Das  dorsal  gelegene  arterielle  Herz  ist  ur- 
sprünglich mit  zwei  symmetrischen  Vorhöfen  versehen. 

P'ortpflanzung  ausschließlich  geschlechtlich;  vielfach  tritt  in  der  Entwick- 
lung eine  Metamorphose  auf,  durch  Ausbildung  einer  modifizierten  Trochophora- 
larve,  der  Veligerlarve. 

Wir  unterscheiden  vier  Klassen:  Amphineuren  (UrmoUusken),  Schnecken 
Muscheln  und  Tintenfische. 

I.  Klasse:   Amphineura,    UrmoUusken. 

Bilateral-symmetrisch.  Das  Nervensystem  ist  nicht  in  Ganglien  und  Kommis- 
suren gesondert,  sondern  besteht  aus  zwei  Paar  nach  hinten  ziehenden  Längssträngen, 
einem  Paar  seitlichen  und  einem  Paar  ventralen,  die  sich  in  einem  bügelartig  über 
den  Anfangsdarm  liegenden  Cerebralstrang  vereinigen. 

1.  Ordnung:  Placophora  (Cliitonidae),  Käferschnecken. 

Acht  dorsale,  dachziegelartige  Schalenstücke.  Fuß  stark  entwickelt;  in  der 
Rinne  zwischen  Fuß  und  Mantel  jederseits  eine  Reihe  Kiemen,  paarige  Nephridien, 
paarige  Geschlechtsausführgänge,  die  zu  beiden  Seiten  des  Afters  ausmünden.    Mai-in. 

Chiton. 


Sj'stem.  Überblick:  Mollusca,  Weichtiere.  143 

2.  Ordnung:  Soleiiogastres. 

Körper  zylindrisch,  wurmförmig,  keine  Schale.  Mantelhöhle  eine  jederseits 
vom  rudimentären,  leistenartigen  Fuß  gelegene  Furche,  hinten  in  eine  Höhle  (Kloake) 
erweitert,  in  welche  Darm  und  Xephridien  münden.  Die  Geschlechtsprodukte  ge- 
langen ins  Perikard  und  durch  die  Nephridien  nach  außen.  Marin.  Neomema, 
Chaetodertna. 

II.  Klasse:  Gastropoda,  Schnecken. 

Körper  meist  asymmetrisch.  Die  vier  Körperabschnitte,  Eingeweidesack,  Kopf, 
Fuß  und  Mantel,  meist  wohl  entwickelt.  Der  P'uß  ist  zum  Kriechen  bestimmt  und 
daher  zu  einer  Sohle  abgeplattet.  Kopf  mit  Tentakeln  (Fühlern)  und  Augen  Ein- 
geweidesack meist  stark  entwickelt,  bruchsackartig  vorgestülpt  und  spiralig  ein- 
gerollt. Die  unpaare  Mantelfalte  überdeckt  die  Atemhöhle,  die  sich  durch  einen 
Spalt  nach  außen  öffnet.  Der  Spalt  kann  durch  Verwachsung  enger  und  zu  dem 
verschließbaren  Atemloch,  Spiraculum,  werden.  Ein  röhrenartiger  Fortsatz  des 
Mantelrandes  ist  der  Sipho.  Die  unpaare  Schale  entspricht  der  P'orm  des  darunter 
liegenden  Mantels  wie  des  Eingeweideknäuels  und  ist  meist  ebenfalls  spiralig  aufgerollt. 

Die  spiralige  Drehung  des  Eingeweidesackes  bedingt  auch  eine  Verlagerung 
der  Mantelorgane  (Kiemen,  After,  Nierenmündungen,  Osphradien).  Auch  das  Herz 
kann  sich  verlagern,  so  daß  die  Kiemen  nicht  mehr  hinter  ihm  liegen  (Opistho- 
branchier),  sondern  vor  ihm  (Prosobranchier).  Durch  die  Teilnahme  des 
Nervensystems  an  der  Drehung  entsteht  aus  der  ursprünglichen  Orthoneurie  die 
Chiastoneurie,  indem  es  zu  einer  Kreuzung  der  Cerebro-Visceralkommissuren 
kommt. 

Durch  Schwinden  von  Kieme,  Niere  und  Herz  Vorkammer  einer  Seite  kann 
sich  die  Asymmetrie  auch  innei'lich  ausprägen. 

Am  Grunde  des  Schlundkopfes  liegt  stets  eine  mit  Zähnchen  besetzte  Reibe- 
jilatte,  die  Radula. 

1.  Ordnung:  Prosobraiichia,  \'orderkiemer. 

Nervensystem  chiastoneur.  Die  meist  unpaare  Kieme  liegt  vor  dem  Herzen, 
dessen  Vorhof  durch  die  Drehung  nach  vorn  verlagert  ist  und  das  Kiemenblut  von 
vorn  aufnimmt.  Schale  kräftig  entwickelt.  P'uß  meist  mit  Deckel  zum  Verschluß 
der  Schale.     Getrenntgeschlechtlich.     Überwiegend  marin. 

1.   Unterordnung:   Diotocardia. 

Herz  mit  zwei  Vorkammern: 

a)  mit  zwei  Kiemen  (Z  eugo  brauch  ia).     Haliotis,  Fissurella. 

b)  mit  einer  Kieme  (Az  ygobran  chia).      Turbo,   Troc/ms,  Neritina. 

c)  Kammkiemen  rückgebildet,  durch  sekundäre  ringförmige  Mantelkiemen 
ersetzt  (C  y  c  1  o  b  r  a  n  c  h  i  a) .     Patella. 

2.  Unterordnung:  Monotocardia. 
Herz  mit  einer  Vorkammer  und  einer  Kieme.     Murex,  Cypraea,  Paludina. 

2.  Ordnung:  Heteropoda,  Kielschnecken. 

Pelagisch  lebende  Prosobranchier,  mit  gallertigem,  durchsichtigem  Körper. 
Ein  Teil  des  Fußes  (Propodium)  wird  zur  Schwimmflosse;  die  Schale  bildet  sich 
zurück.      Carinan'a,  Pterotrachea. 

3.  Ordnung:  Pulmoiiata,  Lungenschnecken. 

Orthoneur.  Wie  bei  den  Prosobranchiern  ist  die  Vorkammer  des  Herzens 
nach  vorn  gewandt.  Die  Kieme  ist  vei'schwunden  und  durch  eine  Lunge,  ein 
Gefäßnetz  an  der  inneren  Mantelfläche,  ersetzt.     Hermaphroditen. 

1.  Unterordnung:   Styloiiiiuatophora. 

Mit  vier  zurückziehbaren  Fühlern,  die  Augen  auf  den  Spitzen  der  beiden 
hinteren.     Helix,  Limax,  Arion. 

2.  Unterordnung:   Basonimatophora. 

Zwei  nicht  einstülpbare  PHihler,  die  Augen  liegen  an  deren  Basis.  Limnaeus, 
Planorbis. 


J^44  System.  Überblick:  Mollusca,  Weichtiere. 

4.  Ordnung:  Opisthobranchia,  Hinterkiemer. 

Orthoiieur.  Die  Vorkammer  hinter  der  Herzkammer  empfängt  das  Blut  von 
der  Kieme  von  hinten  her.  Kiemen  entweder  echte  Kammkiemen  (entsprechend 
denen  der  anderen  Mollusken)  oder  accessorische  Kiemen,  die  entweder  in  zwei 
Längslinien  auf  dem  Rücken  oder  in  einer  Rosette  um  den  After  liegen.  Zwitter. 
Schale  fehlt  meist,  ebenso  der  Mantel.     Marin. 

1.   Unterordnung:  Abranchia. 
Mantel,  Schale  und  Kammkiemen  fehlen.     Elysia. 

2.  Unterordnung:  Nudibranchia. 

Mantel  und  Schale  fehlen,  mit  accessorischen  Kiemen.  Doris.  Aeolis,  Tethys, 
Phyllirhoe. 

3.  Unterordnung:  Tectibranchia. 

Mit  Mantel  Schale  und  Kammkieme.     Aplysia,  Pleurobranchus. 

5.  Ordnung:  Pteropocla.   Flossenschnecken. 

Pelagische  Opisthobranchier  (Tectibranchier),  Fuß  zu  zwei  als  Flossen  fungie- 
renden Lappen  ausgezogen.     Kopf  nicht  oder  wenig  gesondert.     Marin. 

\.  Unterordnung:  Tliecosomata. 

Beschalt.     Kopf  nicht  gesondert.     Limacina,   Cymbtilia. 

2.   Unterordnung:  Gyinnosomata. 
Nackt.     Kopf  gesondert.     Clio. 

ß.  Ordnung:  Scaphopoda. 

Zwischen  Schnecken  und  Muscheln  stehend.  Körper  symmetrisch,  ebenso 
Darm  und  Nervensystem.  Nieren  ])aarig.  Kiemen  fehlen,  statt  dessen  fadenförmige 
Tentakel  an  der  Schnauzenbasis.  Schale  röhrenförmig,  wie  ein  Elefantenstoßzahn 
gekrümmt,  beiderseits  offen.     Radula  vorhanden.     Marin.     Dentalhun. 

III.  Klasse:   Lamellibranchiata,   Muscheln. 

Körper  symmetrisch.  Ohne  gesonderten  Kopf,  ohne  Radula,  ohne  Tentakel. 
Die  paarigen  Mantellappen  umgeben  von  der  dorsalen  Mittellinie  her  den  Körper, 
daher  ist  auch  die  meist  starke  Schale  paarig,  d.  h.  zwei  klapp  ig;  rechte  und 
linke  Schale  werden  durch  ein  dorsales  ,, Schloß"'  verbunden;  zum  Verschluß  dienen 
ein  oder  mehrere  Muskeln.  Oft  verwächst  der  Mantel  l)is  auf  diei  Öffnungen: 
einen  Schlitz  zum  Durchtritt  des  meist  beilförmigen  Fußes,  einen  Branchialsipho 
zum  Einströmen  des  frischen  Wassers  und  einen  Kloakalsipho  zur  Entleerung.  Die 
beiden  letzteren  können  auf  lang  ausgezogenen  Röhren  stehen.  Zwischen  Mantel 
und  Körper  liegen  jederseits  die  lamellösen  Kiemen  als  je  zwei  Blätter,  jedes  wieder 
aus  zw'ei  Lamellen  liestehend.  Die  Symmetrie  zeigt  sich  auch  innerlich,  indem 
das  Herz  rechte  und  linke  Vorkannner  hat,  paarige  Geschlechtsorgane  und  paarige 
Nieren  (BojANUSsche  Organe)  vorhanden  sind.  Der  stark  gewundene  Darm 
durchbohrt  in  seinem  Endabschnitt  Perikard  und  Herzkammer.  Marin  und  im 
Süßwasser. 

1.  Ordnung:  ProtoI>raiicliia. 

Alteste  Gruppe  mit  einem  Paar  Kammkiemen  im  hinteren  Teile  der  Mantel- 
höhle, mit  der  Spitze  frei  nach  hinten  vorragend.  Mantellajjpen  frei,  ohne  Siphonen, 
Fuß  mit  Kriechsohle.     Nucula. 

2.  Ordnung:  Filibranchia. 

Die  einzelnen  Kiemenblättchen  der  Kammkiemen  zu  langen  Fäden  ausgewachsen. 
Area,  Mytihts. 


Sj'Stem.  Überblick:   Mollusca,  Weichtiere.  145 

3.  Ordnung:  Ptychobranchia. 

Die  aufeinander  folgenden  Kiemenfäden  sind  durch  Brücken  verbunden,  ebenso 
auf-  und  absteigender  Schenkel  jedes  Fadens.     Pecten,  Meleagrma,   Ostrea. 

4.  Ordnung:  Elatobranchia. 

Zwei  Paar  gegitterte  Kiemenblätter,  jedes  aus  zwei  verwachsenen  Lamellen 
bestehend.    Cardmm,  Dreissena,  Unio,  Anodonta,    Tridacna,  Afva,  Solefi,  Pholas,  Tcredo. 

5.  Ordnung:  Septibrancliia. 

Kieme  jederseits  in  ein  muskulöses,  von  Spalten  durchbrochenes  Septum  ver- 
wandelt, welches  die  Mantelhöhle  in  zwei  übereinander  liegende  Etagen  teilt.  Poro- 
mya,  Cttspidaria. 

IV.  Klasse:  Cephalopoda,    Tintenfische. 

Körper  symmetrisch,  mit  hohem  Eingeweidesack.  Äußerlich  zerfällt  der 
Körper  in  Kopf  und  Rumpf.  Kopf  groß,  Schlund  mit  Radula.  Fuß  vorn  einen 
Armkranz  bildend,  der  nach  vorn  den  Mund  umwachsen  hat,  hinten  zum  Trichter 
umgeformt  ist,  aus  dem  das  "Wasser  der  Mantelhöhle  ausgestoßen  wird.  In  der  Mantel- 
höhle zwei  oder  vier  Kammkiemen.  Schale  äußerlich  oder  innerlich  oder  fehlend. 
Mundöffnung  mit  zwei  starken  Hornkiefern  (wie  ein  Papageischnabel).  Der  End- 
darm mündet  in  der  Medianlinie  in  die  Mantelhöhle,  seitlich  davon  münden  die 
paarigen  Nieren  (vier  bei  Nautilus)  und  kurz  vor  dem  After  der  Tintenbeutel.  Das 
unpaare  Geschlechtsorgan  hat  einen  unpaaren  oder  paarigen  Ausführgang.  Herz 
mit  zwei  (bei  Nautilus  vier)  Vorkammern. 

Nervensystem  eine  den  Schlund  umfassende  Masse,  von  Knorpel  umhüllt. 
Sinnesorgane,  besonders  Augen,  hoch  entwickelt.     Marin. 

1.  Ordnung:  Tetrabranchiata. 

Mit  wohl  entwickelter,  äußerer,  gekammerter  Schale,  mit  vier  Kiemen,  vier 
Herzvorkammern,  vier  Nieren  und  zahlreichen  Tentakeln  um  den  Mund.  Nautilus, 
fossil  Amtnonifen. 

2.  Ordnung:  Dibraiichiata. 

Mit  rudimentärer  Schale  oder  schalenlos,  mit  zwei  Kiemen,  zwei  Vor- 
kammern, zwei  Nieren,  acht  oder  zehn  kräftigen,  mit  Saugnäpfen  bewaffneten 
Tentakeln. 

1.  Unterorduug:   Decapoda. 

Schale  rudimentär,  meist  nur  .,Rückenschulp''.  Zehn  Arme,  Spirula,  Loligo,  Sepia. 

2.  Unterordnung:   Octopoda. 
Schalenrudiment  sehr  klein  oder  fehlend,  acht  Arme.     Octopus,  Argonauta. 


Küken  tbal,    Zool.  Praktikum.     5    Aufl.  10 


146  10-  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 

10.  Kursus. 

Chitonen  und  Schnecken. 


Technische  VorbereituDgeii. 

Die  Untersuchung  von  Chiton  soll  nur  als  Einleitung  in  das 
Studium  der  Mollusken  dienen  und  es  wird  daher  von  einer  Präparation 
abgesehen.  Zur  Demonstration  der  äußeren  Körperverhältnisse  werden 
große,  in  Alkohol  konservierte  Exemplare  verteilt,  während  der  innere 
Bau  an  fertigen  mikroskopischen  Präparaten,  Querschnitten  durch  eine 
kleinere  Form,   gezeigt  wird. 

Von  Schnecken  verwenden  wir  die  große  Weinbergschnecke,  Helix 
poiJiaiia  (L.).  Es  ist  sehr  wichtig,  die  Tiere  in  ausgestrecktem  Zustande 
zu  untersuchen;  um  dies  zu  erreichen,  werden  sie  zwei  Tage  vor  Ab- 
haltung des  Kursus  in  ein  hohes,  bis  zum  Rande  mit  abgekochtem  Wasser 
gefülltes  Gefäß  gebracht,  das  alsdann  mit  einem  Glasdeckel  verschlossen 
wird.  Nach  48  Stunden  sind  sie  erstickt  und  schön  ausgestreckt.  Der 
Zusatz  von  etwas  Obloralhydratlösung  beschleunigt  den  Prozeß.  Die 
Schale  bricht  man  vorsichtig  mit  einer  starken  Insektensteckzange  von 
der  Mündung  her  entzwei.      Schwacher  Alkohol   entfernt   den   Schleim. 

Will  man  die  Schnecken  in  kürzesten  Zeit  zur  Sektion  gebrauchs- 
fähig machen,  so  tötet  man  die  ausgestreckten  Tiere  durch  Einlegen  in 
heißes  Wasser,  worauf  sie  sich  ganz  leicht  aus  der  Schale  herausdrehen 
lassen,  dann  reinigt  man  die  Tiere  von  dem  anhaftenden  Schleim,  indem 
man  sie  auf  kurze  Zeit  in  schwachen  Alkohol  bringt.  Doch  sind  der- 
artig behandelte  Schnecken  nicht  ganz  so  schön  ausgestreckt  wie  die 
erstickten. 

I.  Chitonen. 
A.  Allgemeine  Übersieht 

Ein  Verständnis  der  Organisation  der  Mollusken  läßt  sich  am 
leichtesten  gewinnen,  wenn  wir  von  ihrer  hypothetischen  Stammform 
ausgehen  oder  vielmehr  von  einer  von  dieser  abstammenden,  als  Prac- 
rhipidoglossiim  bezeichneten  hypothetischen  Urschnecke,  aus  der  sich 
die  Schnecken  und  Muscheln  entwickelt  haben,  nachdem  sich  aus  dem 
Urmollusk  Amphineuren  und  Cephalopoden  abgezweigt  hatten. 

Nach  der  Annahme  neuerer  Autoren  kann  man  sich  den  Bau 
dieser  hypothetischen  Urschnecke  folgendermaßen  vorstellen.  Der  Körper 
ist  von  vollkommener  bilateraler  Symmetrie  und  mit  einer  einfachen 
napfförmigen  Schale  bedeckt.  Auf  der  Unterseite  befindet  sich  ein 
muskulöser,  als  Kriechsohle  ausgebildeter  Fuß.  Vorn  ist  ein  Kopf 
mit  Augen  und  Tentakeln  abgesetzt.  Am  hinteren  Körper  hat  sich 
eine  Hautfalte  ausgebildet,  welche  einen  Hohlraum  überdeckt,  die 
Mantelhöhle,  in  der  die  paarigen,  federförmigen  Kiemen  verborgen 
sind,  neben  ihnen  liegt  ein  einfaches  Sinnesorgan  (Osphradium). 
Diese  ursprünglichen  Kiemen  bezeichnet  man  als  Ctenidien. 

Der  Darmkanal  beginnt  mit  dem  ventral  am  Kopfe  liegenden 
Mund,  der  in  einen  muskulösen,  mit  hornigen  Kiefern  versehenen  Schlund 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


147 


(Pharynx)  führt,  an  dessen  Boden  eine  mit  vielen  spitzen  Hornzähnchen 
verseliene  Reibeplatte  (Radula)  liegt.  Es  folgt  dann  der  Oesophagus, 
der  Magen  mit  symmetrischer  rechter  und  linker  Leber  und  der  End- 
darm, der  durch  den  medianen  After  in  die  Mantelhöhle  an  deren 
hmtersten,  höchsten  Stelle  ausmündet  (Fig.  93  und  94). 

Das  Nervensystem  ist  vollkommen  symmetrisch  und  besteht 
aus  zwei  Cerebralganglien  im  Kopfe,  die  durch  eine  Querkommissur 
verbunden  sind,  und  auf  jeder  Seite  zwei  von  jedem  Cerebralganglion 
ausgehenden  Längsstämmen,  die  den  Körper  von  vorn  nach  hinten 
durchziehen,  zwei  unteren  im  Fuße  verlaufenden,  den  Pedalsträngen, 
und  zwei  mehr  dorsalen,  in  der  Leibeshöhle  liegenden,  den  Pleurovis- 
ceralsträngen,  die  sich  später  verbinden.  In  diesen  Nervensträngen 
sind  bereits  Ganglien  differenziert,  so  in  den  Pedalsträngen  die  Pedal- 
ganglien, in  den  Pleurovisceralsträngen  zwei  seitlich  vom  Pharynx  liegende 
Pleuralganglien  und  zwei  weiter  hinten  liegende  Visceralganglien, 

Ferner  besitzt  die  LTrschnecke  eine  echte  Leibeshöhle,  in  deren 
vorderem  Abschnitt,  der  Geschlechtskammer,  aus  der  inneren  Wand 
die  Geschlechtsprodukte  entstehen,  deren  hinterer  als  Herzbeutel 
(Pericard)  das  Herz  umgibt. 


Schale 

Einfühi'gaiig  der 

-  ( teschleclitsdrüse 
in  die  Niere 

'"  Magen 

-  Cerebralganglion 

-  Leber 
~  Pleuralganglion 

-  Mund 

Pedalganghon 


Fig.  93.     Schema  dei-  hj-pothetischen  Urschnecke  (nach  Plate).     Seitenansicht. 


Die  Nieren  sind  sackförmig;  in  sie  münden  ursprünglich  die 
])aarigen  Ausführwege  der  Geschlechtsprodukte  ein.  und  ferner  stehen 
sie  durch  den  Renoperikardialkanal  in  Verbindung  mit  dem  hinteren 
Leibeshöhlenabsclinitt,  dem  Herzbeutel,  nach  innen  von  den  Kiemen  in 
der  Mantelhöhle  ausmündend. 

Das  arterielle  Herz  besteht  aus  der  Herzkammer  und  zwei  seit- 
lichen Vorkammern. 

Dieser  mutmaßlichen  Stammform  stehen  die  Amphineuren  und 
unter  ihnen  die  Chitonen  oder  Käferschnecken  am  nächsten.  Sie 
weisen  aber  in  ihrer  Organisation  neben  primitiven  Mei'kmalen  auch 
Abweichungen  auf,  die  als  spezielle  Anpassungserscheinungen  zu  be- 
trachten sind. 

Primitive  Merkmale  der  Chitonen  sind: 

Die  ausgesprochene  bilaterale  Symmetrie,  die  sich  nicht  nur 
in  der  äußeren  Gestalt,  sondern  auch  im  inneren  Bau  kundgibt.  Der 
Körper  ist  länglich-oval,  vorn  mit  abgesetztem  Kopfe,  an  der  Bauchseite 
mit  muskulösem  Fuße. 

Des  Nervensystem  ist  noch  nicht  in  Ganglien  und  Kommissuien 
gesondert,   sondern   es   sind   sog.  Mark  stränge,   im   wesentlichen  von 

10* 


148 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


Cerebral- 
~  ganglion 
-  Pleural- 

ganglioii 

-.  Magen 


Geschlechts- 
drüse 

Leber 


Niere 


1--    After 


der  gleichen  Anordnung  wie  bei  der  oben  gescliilderten  hypothetischen 
ürsclinecke.  Ein  Cerebralstrang,  dei-  durcli  eine  ventiale  Kommissur 
verbunden  ist,  entsendet  nach  hinten  zwei  Markstränge,  die  Pedalstränge 

und  die  Pleurovisceralstränge, 
Mund  die    durch    Queranastomosen 

in  Vei'bindung  stehen. 

Die  bilaterale  Symmetrie 
prägt  sich  auch  aus  in  der 
medianen  Lage  des  Afters, 
der  paarigen  Leber,  Niere 
und  Herzvorkammer. 

Die  Geschlechtskam- 
mern  haben  eigene  paarige 
Ausführgänge,  die  sich  dicht 
vor  den  Nierenmündungen 
öffnen,  während  die  Gonaden 
selbst  äußerlich  unpaar  sind. 
Primitiv  ist  auch  der 
Bau  der  Niere  manchei'  Chi- 
tonen, die,  aus  vier  Haupt- 
kanälen mit  Seitenzweigen 
bestellend,  sich  diffus  im 
Körper  ausbreitet  und  an  das 
Wassergefäßsystem  mancher 
Plathelrainthen  (Polycladen) 
erinnert. 

Diesen  primitiven  Eigenschaften  stehen  andere  gegenüber,  die  als 
sekundäre  Anpassungen  zu  bezeichnen  sind.  Die  Brandung,  in 
der  die  Chitonen  leben,  hat  die  Ausbildung  eines  breiten  Saugfußes 
veranlaßt.  Auch  die  niedergedrückte,  flache  Körpergestalt  ist  darauf 
zurückzuführen. 

Die  Mantelhöhle  ist  zu  einer  Rinne  reduziert.  In  der  Mantel- 
höhle liegen  zahlreiche  gefiederte  Kiemenblättchen.  Durch  die 
Entwicklung  der  Randkiemen  bedingt,  entstand  eine  dorsale,  über  dem 
After  liegende  Vereinigung  der  Pleurovisceralstränge. 

Ferner  brachte  die  sessile  Lebensweise  den  Verlust  von  Ten- 
takeln und  Augen  mit  sich.  Dafür  entwickelten  sich  (besonders  bei 
tropischen  Formen)  „Schalenaugen"  und  auf  der  Schale  liegende 
Tastorgane. 

Als  sekundäre  Anpassung  ist  auch  die  Gliederung  der  Schale 
in  aufeinander  folgende,  gegeneinander  verschiebbare  Stücke  zu  be- 
trachten, die  dem  Tier  ein  Einrollen  (etwa  wie  einem  Gürteltiere) 
gestatten. 


Kieme 


Fig.  94.     Schema  der  hypothetischen  Ur- 
schnecke  (nacli  Plate).     Flächenansicht. 


B.  Spezieller  Kursus. 

Chiton  spcc. 

Zur  Verwendung  kommen  möglichst  große  Exemplare  eines  Chiton, 
sowie  mikroskopische  Querschnitte  durch  die  mittlere  Kürperregion  einer 
kleineren  entkalkten  Torrn,  z.   B.  von    Chiton  marginahis. 

Das  große  Exemplar  dient  nur  zur  Betrachtung  der  äußeren 
Körperform. 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


149 


Muiifl 


Fuß 


Äjfr-V-  Kieme 


(iesflilcchts 

öffnmifj 
Nieron- 
(iffiiiiiif; 


Auf  dem  Rücken  des  länglicli-ovalen,  tiaclieii  Tieres  sehen  wir  in 
dem  Mittelteil  die  acht  hintereinander  liegenden  verkalkten  Schalen- 
stücke dachziegelförmig  sich  deckend.  Jedes  derselben  besteht  aus 
einer  äußeren  und  einer  inneren 
Schicht.  An  den  Seiten  sitzen 
der  KörperoberÜäche  zaldreiche 
feine  Kalkgebilde,  besonders 
kurze  Stacheln,  auf. 

Die  Bauchseite  (Fig.  95) 
zeigt  in  der  Mitte  den  breiten, 
äußerst  muskulösen  Fuß  und 
vorn  den  deutlich  davon  abge- 
setzten, etwas  tiefer  liegenden 
Ko))f,  mit  der  queren  Mund- 
spalte in  der  Mitte. 

Von  der  häutig  als  Mantel- 
falte betrachteten  Randzone 
des  Köi'pers,  die  ziemlich  breit 
und  muskulös  ist  und  ebenso 
wie  der  breite,  als  Saugsclieibe 
wirkende  Fuß  zur  Festheftung 
des   Tieres   dient,    werden   Fuß 

und  Kopf  durch  eine  tiefe  Rinne  getrennt,  die  sich  ringsherum  zieht. 
In  dieser  Rinne  liegen  zu  beiden  Seiten  die  dicht  aneinander  gelagerten 
Kiemenblättchen,  die  bei  manchen  Arten  nur  am  hinteren  Teil  des 
Körpers  vorkommen. 

Wir  schneiden  ein  solches  Kiemenblättchen  mit  der  feinen  Schere 
heraus,  legen  es  auf  einen  Objektträger  n'nd  betrachten  es  unter 
Wasser   bei   schwacher  Vergrößerung. 

Es  zeigt  sich,  daß  die  breite,  oben  spitz  zulaufende  Kieme  aus 
einer  Achse  besteht  mit  zahlreichen  zarten  Fiederchen  auf  jeder  Breit- 
seite, die  lamellenartig  dicht  nebeneinander  liegen. 

Es  werden  nunmehr  die  Querschnitte  durch  Chiton  zunächst  unter 
schwacher  Vere-rößeruns;   betrachtet. 


After 


95.     Chiton,   von  imten  gesehen, 
schematisiert  (ans  BoAS). 


leicht 


Ein  solcher  Schnitt  zeigt  etwa  folgendes  (s.  Fig.  96). 
Wir  orientieren  uns  zunächst  über  Rücken-  und  Bauchseite,  letztere 
leicht  kenntlich  durch  den  breiten  muskulösen  Querschnitt  des  Fußes. 
Zu  beiden  Seiten  des  Fußes  sehen  wir  die  Mantelfalte  oder  Randzone, 
mit  einer  nach  innen  vorspringenden  Lateralleiste  und  von  einem  innei'en 
und  einem  äußeien  Mantelmuskel  durchzogen.  Zwischen  Mantelfalte  und 
Fuß  liegt  jederseits  eine  tiefe  Rinne,  in  die  von  oben  eine  Kieme  hinein- 
ragt, deren  einzelne,  transversal  gelagerte  Blättchen  deutlich  sichtbar  sind. 
Gehen  wir  zur  Betrachtung  des  Integumentes  über,  so  sehen 
wir  eine  Besonderheit  desselben  auf  der  Dorsalseite  der  Randzone;  hier 
finden  sich  nämlich  tief  eingesenkte  Becher,  in  denen  die  Kalkstacheln 
saßen,  die  bei  der  Entkalkung  des  Objektes  aufgelöst  worden  sind. 

andere  Besonderheit  finden  wir  auf  dem  Rücken.  Ein  großer 
unter  dem  dorsalen  Teile  der  Haut  zeigt  die  Stelle  an,  wo 
kalkreiche  Schicht  des  Schalenstückes  (das  Articulamentum) 

allgemeinen 
in    unserem 


Eine 
Hohlraum 
die  untere. 


gelegen  hat.     Die  darüber  liegende   obere,   einen  Teil    der 
Körpercuticula    bildende    Schicht    (das    Tegmentum)    ist 


150 


]0.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


Präparate  erhalten  und  von  Poren  durchsetzt,  in  denen  lange  Zellen 
schräg  nach  oben  gehen,  oben  auseinanderweichend  und  in  Anschwellungen 
endigend,  eine  größere  mit  tief  becherförmiger  Chitinkappe  in  der  Mitte. 


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t'ig.  i)6.     (^)uerschnitt  durch   Chiton.     Orig. 


Fig.   97.      Sciieniatisclier    Querschnitt    durch    die    liintere    Körperregion    \(in    Chiion 

(verändert  nach   Sedgwick). 


kleiiicre  seitlich  davon.  Diese  Organe  werden  als  Sinnesorgane  (Ästheten) 
aufgefaßt.  Bei  einigen  Formen  tragen  sie  die  Augen.  Rings  um  die 
Schalenstücke  herum  liegt  die  „Zone",  eine  Cuticula,  welche  mit  zahl- 
reichen Stacheln,  Borsten.  Schuppen  usw.  besetzt  sein  kann. 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


151 


Sehen  wir  uns  nun  die  inneren  Organe  an,  so  fällt  uns  der  mehr- 
l'acli  durchschnittene  Darm  auf;  derselbe  hat  also  im  Tiere  einen  ge- 
schlängelten \'erlauf.  Das  stark  entwickelte,  lappig  gebaute  Organ  in 
der  Mitte  ist  die  Leber.  Dorsal  davon  liegt  in  der  Medianlinie  die 
Gonade,  entweder  ein  Hode  oder  ein  Eierstock.  Dorsal  von  dieser 
hndet  sich  die  Aorta.  An  den  Seiten  liegen  die  stark  verästelten 
Nieren.  Von  anderen  Blutgefäßen  sehen  wir  über  den  Kiemen  je 
zwei  liegen,  das  innere,  die  Kiemenarterie,  das  äußere,  die  Kiemen- 
vene.  Zwischen  beiden  hegt  der  Querschnitt  des  äußeren  „Mark- 
stranges", der  Pleurovisceralstrang;  auch  die  beiden  inneren,  unteren 
Nervenstränge  (Pedalstränge)  sind  sichtbar,  zu  beiden  Seiten  der  Mittel- 
linie im  Fuße.  Nach  außen  findet  davon  sich  jederseits  ein  Blutsinus 
{Sinus  lateralis). 

Ein  weiter  hinten  geführter  Schnitt  zeigt  uns  das  Herz  mit  seinen 
beiden  Vorkammern,  umliüllt  vom  Pericard,  darunter  in  der  Median- 
linie den  Enddarm  und  seitlich  von  diesem  die  Nieren. 

Zum  besseren  Verständnis  dieser  Verhältnisse  mag  der  beifolgende 
schematische  Querschnitt  dienen  (Fig.  97),  der  in  einer  etwas  weiter 
nach  hinten  liegenden  .Körperregion  geführt  gedacht  ist  als  der  in 
Fig.  96  abgebildete  Schnitt. 


Mund 


Magen 


II.  Schnecken. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Schnecken  haben  meist  einen  asymmetrischen  Körper;  der 
gesamte  Mantelkomplex  ist  auf  die  rechte  (selten  auf  die  linke)  Seite, 
oder  dieser  entlang  nach  vorn  ver- 
schoben. Wie  kann  man  sich  nun 
diese  tiefgreifende  Asymmetrie  ent- 
standen denken?  Wir  gehen  wieder 
von  der  hypothetischen  Urschnecke 
aus  und  nehmen  an,  daß  deren  Ein- 
geweidemasse alhnählich  immer  vo- 
luminöser wurde  (s.  Fig.  98  und  99). 
•  Dadurch  wurde  dorsalwärts 
<lie  zarte  Rückenhaut  ausgedehnt, 
und  es  kam  zu  einer  Einrollung 
des  Eingeweidesackes.  Über  die 
erste  Entstehungsursache  dieser 
Einrollung  ist  noch  keine  vollkom- 
mene Einigung  erzielt.  Gleichzeitig 
mit  dieser  von  links  nach  rechts 
erfolgenden  Einrollung  kam  es  zu 
einer  einseitigen  Vergrößerung  der 
linken  Leber,   und   die  voluminöse 

sich    vor- 


Linke  ■ 
Gonade 


Linke 
Leber 


Linke 

Niere 


Rechte 
Leber 


Schale 
^fter 


Kieme 


Eingeweidemasse 


legte 


Fig.  98.    Hypothetische  Ui'schnecke 
mit  beginnender  Bildung  des  Eingeweide- 
bruchsackes  (nach   Plate). 


wiegend  auf  die  linke  Gonade  und 

gegen 


drückte  sich  ventralwärts  gegen  den  Fuß  hinab.  Die  Abbildungen 
Fig.  100  und  Fig.  101  veranschaulichen  diesen  hypothetisch  angenommeneu 
ProzeI3. 


152 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


Mit  der  wachsenden  Krümmung  des  Bruchsackes  wird  auch  die 
Schale  sich  nach  rechts  einkrümmen,  und  durch  den  größeren  Zug, 
welcher  auf  den  Mantelrand  der  linken  Seite  ausgeübt  wird,  wird  auch 
dessen  Längenwachstum  ein  größeres  sein  als  das  auf  der  rechten 
Seite.  Der  Mantelkomplex  verschiebt  sich  damit  vom  hinteren  Körper- 
pol nach  rechts  und  vorn.- 

Gleichzeitig  ging  die  Einrollung  des  Brucksackes  weiter  und  hat 
zu  eingerollten  Gehäusen  geführt  (s.  Fig.  100). 


Linke   Leber   -/y 
Schale  A/ 

Herz--- 
Linke  Niere  -  - 

Kieme  -  -  -, 

/Im       /                                     y         /~~^ 

Magen 

^/ —  Linke  Gonade 

'¥ "^ ( 

^^/////////'//i/l/llf  IIWXWW 

Fig.  99.    Hypothetische  Ursch necke  mit  beginnender  Bildung  des  Eingeweide- 
bruchsackes (nach  Plate).     Seitenansicht. 

A  .B 


Fig.    100.      Hypothetische    Urschnecke.      Drei    Stadien    der   Verschiebung   des- 
Mantelkomi)lexes  nach  rechts  und  vorn  (nach  Plate). 


In  der  inneren  Organisation  ergaben  sich  nun  folgende  Ver- 
änderungen. Zuerst  schwand  in  vielen  Fällen  die  kleine  rechte  Leber 
vollständig.  Dann  bildete  sich  der  Schalenmuskel,  welcher  ursprünglich 
die  napfförmige  Schale  am  Tiere  festheftete,  zum  Spindelmuskel  aus, 
dazu  bestimmt,  das  Tier  in  seine  Schale  zurückzuziehen,  und  zwar  war 
es  von  diesem  paarigen  Muskel  der  rechte  Teil,  da  der  linke  durch 
die  starke  Entwicklung  von  linker  Leber  und  linker  Gonade  sich  nicht 
weiter  entfalten  konnte.    Der  rechte  Spindelmuskel  wirkte  aber  hemmend 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


15S 


auf  die  rechte  Gonade 
durch    atrophierten    (s. 


und    wohl   auch    die   rechte  Leber   ein,   die 
Fig.    101).     Auch    die    rechte   Kieme   ging 


vielen  Schnecken   infolge   ihrer   ungünstigen  Stellung   verloren, 
der  Verschiebung  des  Mantelkomplexes  verschiebt  sich   auch   das 
und  seine  Vorhöfe,  da  diese  an  die  Kiemen  gebunden  sind. 

Bei  den  Oi)isthobranchiern 
und  auch  bei  den  Puhuonaten  hat 
der  sich  rechts  nach  vorn  verschie- 
bende Mantelkomplex  die  Median- 
linie vorn  zwar  überschritten,  ist 
aber  wieder  zurückgedreht  worden. 
Bei  den  Prosobranchiern  hat  dieses 
letztere  nicht  stattgefunden,  und 
dadurch  ist  es  zu  einer  dauernden 
Umlagerung  der  Pleurovisceral- 
kommissuren  gekommen,  indem 
sich  diese  in  der  Weise  kreuzen,  daß 
der  vom  rechten  Pleuralganglion 
entspringende  Strang  über  den 
Darm  hinweg  auf  die  linke  Seite 
zieht,  während  die  ursprünglich 
linke  Kieme  ihr  Parietalganglion 
unter  dem  Darm  auf  die  rechte 
lieh   ihr  Parietalganglion    mit   sich. 


da- 
bei 
Mit 
Herz. 


Linke 
T..eber 


Mund 


-Rechte  Leber 


Rechte  Niere- 
-After 
Linke  Niere 


Fig.lOl.  Hypothetische  Urschnecke, 
Beginnende  Einrollung  des  Eingeweide- 
sackes (nacli  1'late). 


Seite  zieht.  Jede  Kieme  zieht  näm- 
Beifolgende  Schemata  veranschau- 
lichen diese  Verlagerung,  welche  als  Chiastoneurie  bezeichnet  wird, 
im  Gegensatz  zu  der  normalen  Lagerung,  der  Orthoneurie  (s. Fig.  102). 
An  diesen  Abbildungen  sieht  man  auch  gleichzeitig  die  Verlagerung 
des  Herzens  und  seiner  an  die  Kiemen  gebundenen  Vorhöfe.  Die  Aus- 
bildung der  Chiastoneurie  unterbleibt,  auch  wenn  der  Mantelkomplex, 
der  rechten  Seite  entlang  nach  vorn  wandernd,  die  vordere  Mediane 
überschreitet,  in  dem  Falle,  wenn  die  Kommissuren  kurz  sind  und  die 
weit  nach  vorn  zu  liegen.    Denn  alsdann  sind  sie  dem 


Parietalganglien 


Mund 


1.  Cerebralgan  glion 

I.  Pleuralganglion 

1.  Pedalganglion 

Plem'ovisceral- 

komniissur 

Mautelbasis 

1.  Parietalganglion 
Herz 

1.  Visceralganglion 
After 

Linke  Kieme 


Cerebral  gan  glion 
Pleuralganglion 

Urspr.  linke  Kieme 

After 

Urspr.  linkes 
Parietalganglion 

Mantelbasis 


Fig.  102.    Scheraatische  Darstellung  der  Entstehung  der  Chiastoneurie  (nach  Lang). 


Einflüsse  der  spiraligen  Drehung  entrückt,  und  es  bleibt  der  alte  Zustand 
der  symmetrischen  Verteilung  der  Ganglien,  die  Orthoneurie,  bestehen. 


Nachdem 
Schnecken    zu 
Übersicht   der 
sich  meist  drei 
weisen:  Kopf, 
schale  umgeben. 


wir  so  den  eigentümhchen  asymmetrischen  Bau  der 
erklären  versucht  haben,  gehen  wir  zu  einer  kurzen 
wichtigsten  Organisationsverhältnisse  über.  Es  lassen 
deutlich  voneinander  abgegrenzte  Körperregionen  nach- 
Fuß  und  Eingeweidesack,  letzterer  von  einer  Kalk- 
Arn  Kopfe  sitzen   ein  Paar  F'ühler,  an   deren  Basis 


die  Augen  liegen;  oder  es  stehen  die  Augen  an  der  Spitze  eines  zweiten 


']54  ,  It)-  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 

hinteren  Fühlerpaaies,  wie  bei  den  Landschnecken.  Der  Fuß  ist  sehr 
muskulös  und  auf  der  Unterseite  sohlenartig  abgeplattet;  er  dient  der 
Schnecke  zum  Kriechen.  Eine  Hautfalte  des  Rückens,  die  sich  nach 
yorn  schlägt,  ist  die  Mantelfalte;  sie  schließt  einen  Raum,  die  Mantel- 
oder Atemhöhle,  ein,  in  der  die  Atnningsorgane  liegen.  Eine  mehr 
•oder  minder  breite  Öffnung  vermittelt  die  Verbindung  dieser  Atemhöhle 
mit  der  Außenwelt.  Der  Eingeweidesack  tritt  dorsalwärts  bruchsack- 
artig hervor  und  rollt  sich  meist  spiralig  von  links  nach  rechts  ein. 
Dementsprechend  ist  auch  die  Schale  gebildet,  welche  von  dem  über- 
deckenden Mantel  abgeschieden  wird  und  die  Form  des  Eingeweide- 
bruchsackes genau  widergibt.  An  einer  spiralig  aufgerollten,  meist 
Jiegelförmigen  Schale  unterscheidet  man  eine  Spitze,  Apex,  und  eine 
Basis,  an  der  sich  oft  eine  Vertiefung,  der  Nabel,  Umbo,  findet. 
Meist  verschmelzen  die  inneren  Wandungen  zu  einer  festen  Kalkspindel. 
Columella.  Das  Wachstum  der  Schale  erfolgt  am  Mantelrand;  ist 
dieser  zu  einer  Rinne  (Sipho)  ausgezogen,  so  ist  auch  die  Schale  mit 
einem  derartigen  Fortsatz  versehen. 

Ein  von  der  vorderen  Fußmuskulatur  aufsteigender,  meist  doppelter 
Muskel,  der  Spindelmuskel,  inseriert  sich  in  der  Schale  und  vermag 
den  vorderen  Körperteil  zurückzuziehen.  Viele  Schnecken  scheiden 
am  hinteren  Teile  des  Fußes  eine  meist  dünne  Kalkplatte,  das  Oper- 
€uluni,  aus,  welches  die  Schalenöffnung  völlig  zu  schließen  vermag. 
An  Stelle  dessen  kann  auch  zur  Winterszeit  eine  Kalkschicht  an  der 
Schalenmündung,  das  Epiphragma,  erzeugt  werden,  das  im  Frühling 
wieder  abfällt. 

Die  Haut  ist  weich  und  mit  Schleim  bedeckt,  der  von  einzelligen 
Drüsen  abgesondert  wird. 

Der  Mund  führt  in  einen  vorstülpbaren  Schlundkopf,  an  dessen 
•Grunde  auf  einem  dicken  Wulst,  der  Zunge,  eine  mit  vielen  Chitin- 
zähnchen  besetzte  Platte,  die  Radula,  liegt;  vor  dieser  liegt  bei  manchen 
Schnecken  ein  Ring  von  Kiefern,  dessen  Teile  auch  dorsalwärts  rücken 
und  verschmelzen  können.  Ein  Paar  Speicheldrüsen  münden  hier 
■ein.  Der  stark  gewundene  Darm  ist  von  der  ,, Leber"  umhüllt  und 
öffnet  sich  meist  rechts  vorn  nach  außen.  Die  „Leber"  ist  eine  Aus- 
stülpung des  Darmes  und  stark  tubulös.  Der  gesamte  Mageninhalt 
tritt  in  sie  ein,  und  es  findet  in  ihr  die  Resorption  statt. 

Das  Nervensystem  ist  das  typische,  schon  bei  der  LTrschnecke 
geschilderte.  Außer  den  paarigen  Cerebral-,  Visceral-  und  Pedalganglien, 
von  denen  die  beiden  letzteren  Paare  mit  dem  ersten  durch  Kom- 
missuren verbunden  sind,  finden  sich  noch  auf  den  Pleurovisceral- 
kominissuren  liegende  gesonderte  Pleural-  und  Parietalganglienpaare. 
Über  Orthoneurie  und  Chiastoneurie  siehe  S.  153 

Sind  zwei  Kiemen  vorhanden,  so  besitzt  auch  das  Herz  zwei 
Vorkammern,  welche  das  Blut  von  ihnen  aufnehmen;  mit  dem 
Schwunde  einer  Kieme  schwindet  meist  auch  eine  Vorkammei'.  Liegt 
das  Atmungsorgan  hinten,  so  liegt  auch  die  \'orkammer  hinter  der 
Herzkammer  (Opisthobranchier),  mit  der  Verlagerung  des  Atmungs- 
organes  nach  vorn  hat  auch  das  Herz  eine  Drehung  ei'fahren.  und  die 
\'orkammer  liegt  vor  der  Herzkammer  (Prosobranchier).  LTmgeben 
wird  das  Herz  vom  Herzbeutel,  Pericard,  einem  Rest  der  ursprüng- 
lichen Leib  es  höhle.  In  ihn  mündet  die  meist  unpaare  Niere  (von 
den  ursprünglich  paarigen  Nieren  ist  die  eine  meist  geschwunden),  die 
sich  neben  dem  After  nach  außen  öffnet. 


lU.  Kursus;   Chitonen  und  Schnecken. 


155 


Die  Vorderkiemer  sind  meist  getrennten  Geschlechtes,  die  Hinter- 
kiemer  und  Lungenschnecken  dagegen  Zwitter.  Bei  letzteren  werden 
Eier  und  Samen  in  derselben  Drüse,  der  Zwitterdrüse,  gebildet,  und 
auch  der  Ausführgang  ist  mehr  oder  minder  gemeinsam:  meist  spaltet 
er  sich  nach  Bildung  eines  erweiterten  Abschnittes,  des  Uterus,  in 
zwei  Kanäle,  Eileiter  und  Samenleiter,  von  denen  der  erstere  einige 
Anhänge  besitzt,  so  die  Eiweißdrüse,  das  Receptaculum  seminis 
und  den  Liebespfeilsack.  In  dessen  Linerem  wird  ein  aus  Aragonit 
bestehender  spitzer  Stab,  der  Liebespfeil,  ausgeschieden,  der  bei  der 
Begattung  als  Reizmittel  hervorgeschossen  wird.  Der  Samenleiter  geht 
an  seinem  Ende  in  den  ausstülpbaren  mit  Rückziehmuskel  versehenen 
Penis  über,  der  einen  eigentümlichen,  peitschenförmigen  Anhang,  das 
Flagellum,  besitzt. 

Bei  Vorder-  und  Hinterkiemern  entwickelt  sich  aus  dem  Ei  eine 
Larve  mit  Schwimmsegel,  die  Veligerlarve. 

Die  meisten  Schnecken  leben  im  Meere  (Hinterkiemer  und  die 
meisten  Vorderkiemer),  manche  auf  dem  Lande  (die  meisten  Lungen- 
schnecken und  einige  Vorderkiemer),  andere  im  Süßwasser  (einige 
Lungenschnecken  und  Vorderkiemer). 


B.  Spezieller  Kursus. 


Helioc  pomatia  (L.). 

erstickten    Weinbergschnecken    (s.    S.    146)    wird    im 

gelegt    und    zunächst    auf   ihre    äußere 

Die  drei  Körperregionen  sind  leicht  be- 


Atemloch 


Fußsohle 


Eine    der 
Wachsbecken    unter    Wasser 
Körperform  hin  untersucht 
stimmbar.   Der  große  Fuß 
ist  auf  der  Unterseite  soh- 
lenartig  abgeplattet,    vorn 
sehen    wir   über   ihm  den 
rundlichen    Kopf    liegen, 
sogleich    kenntlich    durch 
zwei     Paar     Tentakeln. 
Das  vordere  Paar  ist  kleiner 
als    das    hintere,    welches 
an     seinen     Spitzen     die 

Augen    trägt.      Der  Ein-    Fig.  103.  Helix  pomatia,  von  der  Seite  gesehen.  Ori 
ge  weide  sack  ist  größten- 
teils in  der  Schale  verboigen.    Über  den  aus  der 
tretenden  Körper  wölbt  sich  der  wulstige  Mantel  ran d  (Fig.  103). 

Von  Körperöffnungen  sehen  wir  den  Mund  an  der  Ventralseite 
des  Kopfes,  ferner  das  Atemloch  auf  der  rechten  Seite  unter  dem 
Mantelrand  zutage  treten  und  in  ihm  den  After.  Eine  weitere  Öffnung 
ist  die  Geschlechtsöffnung,  dicht  hinter  dem  Kopfe  an  der  rechten 
Körperseite  gelegen. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Abtragung  der  Schale  über  (siehe  auch 
S.  146).  Die  Schnecke  wird  auf  den  Tisch  gelegt  und  die  unterste 
Schalenwindung  mittels  eines  Hammers  mit  vorsichtig  geführten  Schlägen 
zertrümmert.  Mit  der  starken  Pinzette,  besser  noch  mit  einer  gebogenen 
Insektensteckzange  wird  dann  die  Schale  Stück  für  Stück  abgetragen. 
Avis  den  obersten  Windungen  läßt  sich  der  Körper  durch  vorsichtiges 
Drehen  leicht  herausbringen. 


Geschlechtsöffnung 


Schalenöffnung  heraus- 


156 


10.  Kursus:    Cliitonen  und  Schnecken. 


Nunmehr  sehen  wir  folgendes  (Fig.  104):  Durch  den  dünnen 
Mantel  schimmern  verschiedene  Organe  hindurch.  Orientieren  wir  die 
Schnecke  so,  daß  sie  mit  der  Fußsohle  aufliegt  und  der  Kopf  vom  Be- 
schauer abgewendet  ist,  so  erblicken  wir  auf  der  größten  Windung  des 
Eingeweidesackes  ein  gefäßreiches  Organ:  die  Lunge.  Am  hinteren 
Rande  derselben  schimmert  links  von  der  Medianlinie  das  blasse  Herz 
hindurch,  von  welchem  ein  Blutgefäß,  die  Lungenvene,  schräg  durch 
die  Lunge  zieht.  Seitlich  vom  Herzen,  der  Medianen  genähert,  schiebt 
sich  ein  hellbräunlich  gefärbtes  Organ  keilförmig  zwischen  die  Lunge 
hinein,  das  ist  die  Niere,  die  mit  dem  Hohlräume  des  Herzbeutels 
durch  einen  Kanal  in  Verbindung  steht,  dessen  Mündung  in  den  Herz- 
beutel das  Nephrostom  (Nierenspritze)  ist  (s.  Fig.  106).     Die  drei 

Vorderer  . 
Tentakel 

Augen - 
tontakpl 


Mantel 


Lungen 
vene 


Eiweiß- 
drüse       \ 


Leber 


Fig.   104.     Die  W einher, <;srhnecke  naoli        Fig.  105.     Schema   der  drei  Schnitt- 
Enfernuiig  der  Schale.     Orig.  richtungen  zur  Anatomie  der  Wein- 

bergschnecke.    Orig. 


kleiner  werdenden  oberen  Windungen  werden  von  der  Leber  ein- 
genommen. Am  oberen  Rande  der  zweitgrößten  Windung  schimmert 
die  Eiweiß drüse  hindurch. 

Wir  beginnen  die  Sektion,  indem  wir  über  der  Atemöffnung,  dicht 
über  dem  Mantel wulst,  mit  einer  kleinen  Schere  in  die  Lungenhöhle 
einschneiden  und  den  Schnitt  in  einer  Entfernung  von  etwa  4  mm  dem 
Mantelwulste  entlang  auf  der  linken  Seite  des  Tieres  führen,  bis  zu  der 
Stelle,  wo  das  Herz  durchschimmert.  Wir  klappen  jetzt  den  Mantel 
noch  nicht  auf,  sondern  führen  erst  noch  einen  Hilfsschnitt  von  einer 
anderen  Stelle  aus.  Wir  heben  (2.  Schnitt)  mit  der  Pinzette  die  dünne 
Körperhaut  am  hinteren  (rechten)  Ende  der  Niere  auf  und  führen  vor- 
sichtig den  Schnitt  nach  vorn  an  dem  hinteren  Nierenrande  entlang  bis 
zum  Ende   des  ersten  Schnittes   (s.  Fig.   105). 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 


157 


Nunmehr  können  wir  die  Lungenhöhle  aufklappen,  indem  wir  die 
obere  Lungenwand  nach  i-echts  legen. 

Wir  sehen  an  der  Innenseite  der  oberen  Lungenwand  eine  große 
Anzahl  von  Blutgefäßen  verlaufen,  welche  in  die  große  Lungenvene 
(s.  Fig.  106)  münden  und  besonders  im  vorderen  Abschnitt  reich  ent- 
wickelt sind. 


Schluiul 
Gehirn 

Vas  deferens 
riagellum 

Penis 
Samenleiter 

Mantelrand 


Rückziehmuskel 
des  Penis 


Magen 

Lungendecke 
Lmigenboden 

Speicheldrüsen 


Itückziehniuskeln  . 

des  Kopfes  und 

der  Tentakeln 

Spindelniuskel  - 


Darm 


Leber  «'■^;:::.V,: 


Fingerförmige 
Drüsen 


Liobespfeilsack 


Receptaeulum 
seminis 


Eileiter 


Mantelrand 

After 

Nierenmündung 
Lungenvene 

Liuigendecke 
Uterus 


Receptaeulum 
seminis 


Nierengang 


Glatter  Nierenteil 


Drüsiger  Nieren- 
teil 


--  Vorkammer 


Herzkammer 


Herzbeutel 


Zwitterdrüse 


\     Nierenspritze 
Eiweißdrüse 


Zwittergang 
Fig.  106.     Anatomie  der  Weinbergschnecke.     Orig. 


Den  Boden  der  Lungenhöhle  bildet  die  glatte  Wand  des  Ein- 
geweidesackes. 

Rechts  auf  der  Grenze  zwischen  der  respiratorischen  Decke  und 
dem  glatten  Boden  der  Lungenhöhle  verläuft  der  in  die  Atemötfnung 
ausmün dende  E  n  d  d  a r  m. 


]58  ^^-  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken. 

Dicht  der  Niere  angelagert  liegt  am  hinteren  Teile  der  respira- 
torischen Lungendecke  der  Herzbeutel,  den  wir  mit  einem  Längs- 
schnitt aufschneiden. 

Es  wird  das  Herz  mit  seiner  Kammer  und  nach  vorn  ge- 
legenen Vorkammer  sichtbar,  in  welche  letztere  die  Lungenvene 
einmündet.     Nach    hinten    gibt  die  Herzkammer   die   große  Aorta  ab. 

Seitlich  führt  aus  der  Herzkammer  ein  in  die  Niere  mündemlei' 
kurzer  Gang,  die  N  ieren spritze  (Nephrostom).  Die  Niere  selbst 
beginnt  mit  einem  sackartigen  drüsigen  Teile  und  endigt  mit  einem 
röhrenförmigen  glattwandigen  Abschnitt,  der  sich  in  den  parallel  mit 
dem  Enddarm  verlaufenden  Ausführgang  (Harnleiter)  fortsetzt. 

Mit  den  ersten  zwei  Schnitten  haben  wir  nur  den  Mantel  auf- 
getrennt und  die  Lungenhöhle  eröffnet,  nunmehr  ist  auch  die  Körperwand 
zu  durchschneiden,  um  die  Eingeweide  bloßzulegen.  Es  wird  vom  Kopfe 
aus  dem  Rücken  entlang  ein  Medianschnitt  mit  der  Schere  durch  die 
Körperwand  geführt  bis  zum  Mantelwulst.  Dann  durchschneiden  wir 
diesen  und  führen  den  Schnitt,  immer  noch  in  der  Medianlinie,  weiter, 
die  Decke  des  Eingeweidesackes  —  den  Boden  der  Lnngenhöhle  —  spaltend. 
Immer  weiter  gehend,  kommen  wir  auf  die  zweite  Windung  und  folgen 
alsdann  mit  unserem  Schnitte  der  Höhe  der  Windungen  so  weit  als 
möglich   (s.   Fig.    105). 

Das  Tier  wird  nunmehr  mit  Nadeln  im  Wachsbecken  festgesteckt. 
Man  entfernt  vorsichtig  durch  Abschneiden  möglichst  nahe  dem  Fuße 
die  beiden  aufgeschnittenen  Hälften  der  Eingeweidehülle,  schneidet  die 
zarten  Bindegewebsbrücken,  welche  die  einzelnen  Organe  miteinander 
verbinden,  durch  und  legt  die  Organe  in  der  Weise  auseinander,  wie 
es  auf  Fig.   106   abgebildet  ist. 

Wir  gehen  jetzt  zui-  Betrachtung  der  freigelegten  Organsysteme 
über  und  beginnen  mit  dem  Darmkanal.  Dicht  hinter  der  Mund- 
öffnung sehen  wir  einen  ansehnlichen  weißlichen  Körper  liegen,  den 
Schlundkopf,  von  dem  aus  der  Oesophagus  ein  Stück  weit  nach 
hinten  zieht,  um  in  den  geräumigen,  braungefäibten  Magen  übei- 
zugehen.  Auf  dem  Magen  liegen  zwei  langgestreckte,  weiße  Drüsen- 
massen, die  Speicheldrüsen,  die  auf. der  uns  zugekehrten,  also  dor- 
salen Seite  ein  Stück  weit  verschmolzen  sind. 

Jede  dieser  beiden  Drüsen  gibt  nach  vorn  zu  einen  bandartig  ge- 
wundenen Kanal  ab,  der  zu  beiden  Seiten  der  Speiseröhre  nach  vorn 
zieht,  um  in  den  Schlundkopf  einzumünden.  Auf  den  Magen  folgt  der 
Dünndarm,  der  sich  in  geschläiigeltem  Verlaufe  in  die  oberen  Windungen 
liiiieinbegibt,  um  dann  auf  die  andere  Seite  überzubiegen  und  am  inneren 
Rande  der  Lungenhöhle  als  Enddarm  im  After  auszumünden.  Der 
Dünndarm  ist  von  einer  dicken,  braunen  .,Leber"  umgeben. 

Vom  Nervensystem  sehen  wir  die  beiden  großen  Cerebral- 
ganglien  am  Beginn  des  Oesophagus  liegen,  ihn  dorsal  überbrückend. 

Von  den  seitlich  und  unterhalb  vom  Oesophagus  verlaufenden  Mus- 
keln fallen  uns  besonders  zw^ei  seitliche  auf.  welche  zu  den  hinteren  Ten- 
takeln ziehen  und  als  dei'en  Rückziehmuskeln  fungieren.  Meist  sind  im 
Präparate  die  Tentakel  eingestülpt  und  liegen  im  Innern;  das  Auge 
schimmert  durch  die  Wandung  hindurch.  Die  großen  nach  hinten  gehen- 
den Muskelbündel  sind  die  Retraktoren  des  Kopfes  und  des  Schlundes. 

Mächtig  entwickelt  ist  der  Genitalapparat,  und  zwar  finden 
sich  männliche  und  w'eibliche  Geschlechtsorgane  in  jedem  Individuum 
vereinigt,  da  die  Pulmonaten  Zwitter  sind. 


10.  Kursus:  Chitonen  und  Schnecken.  159' 

Wir  gehen  aus  von  der  die  Geschlechtsprodukte  produzierenden 
Gonade,  hier  Zwitterdrüse  genannt,  da  sie  sowohl  männhche  wie 
weibliche  KeimstofTe,  allerdings  zu  verschiedenen  Zeiten,  erzeugt.  Die 
Zwitterdrüse  liegt  ganz  oben  in  die  Leber  eingebettet. 

Ihr  Ausführgang  ist  ein  feines  Fädchen.  welches  transversal  zui' 
anderen  Seite  hinüberzieht  und  bald  einen  mäandrisch  gewundenen 
Verlauf  nimmt.  Es  mündet  fast  senkrecht  in  einen  ansehnlichen 
gelblichen  Körper,  dessen  oberer  freier  Teil  die  Eiweißdrüse  dar- 
stellt. Da.  wo  sich  beide  vereinigen,  setzt  sich  ein  mit  wulstigen  Auf- 
treibungen versehener  Schlauch  an,  der  im  Präparat  ungefähr  in  der 
Medianen  nach  voi'u  zieht. 

In  diesem  Schlauche  spaltet  sich  nun  der  vorher  einheitliche  Aus- 
fiihrgang  der  Geschlechtsprodukte  in  zwei  Kanäle,  von  denen  der  eine, 
die  sog.  „Prostata",  als  Samenleiter  dient,  der  andere,  der  Uterus, 
die  weiblichen  Geschlechtsprodukte  aufnimmt. 

Weiter  nach  vorn  zu  wird  die  Trennung  beider  Kanäle  vollständig. 
Betrachten  wir  zunächst  den  Ausführgang  der  männlichen  Geschlechts- 
produkte, so  sehen  wir  ihn  nach  seiner  Trennung  vom  Uterus  als  Vas 
deferens  unter  dem  Pückziehmuskel  des  rechten  Augententakels  nach 
der  Medianen  ziehen,  wo  er  in  einen  muskulösen  Penis  einmündet. 
Der  Penis  verlängert  sich  nach  hinten  in  einen  peitschenförmigen  An- 
hang, das  Fla  gell  um.  Im  Hohlraum  des  Penis  wiid  eine  Spermato- 
phore  gebildet,  deren  hinteres  Ende  vom  Flagellum  geliefert  wird.  An 
das  hintere  Penisende  setzt  sich  ein  langer,  dünner  Muskel  an,  der 
Retractor  penis. 

Der  weibliche  Ausführgang  hat  nach  der  Abspaltung  des  männ- 
lichen einen  kürzeren  Verlauf.  Er  mündet  als  Ovidukt  in  die  Vagina, 
welche  mit  dem  Penis  zusammen  hinter  dem  rechten  Augententakel 
ausmündet. 

Wie  das  Flagellum  eine  hintere  Fortsetzung  des  Penis  darstellt, 
so  besitzt  auch  die  Vagina  eine  nach  hinten  gerichtete  geräumige 
Fortsetzung,  den  Liebespfeil  sack.  Da,  wo  der  Ovidukt  in  die  Vagina 
tritt,  finden  sich  zwei  fingerförmige  Drüsen.  Ein  weiterer  Anhang 
vereinigt  sich  mit  dem  unteren  Teile  des  Ovidukts.  Es  ist  das  ein 
langer,  dem  Uterus  anliegender  Kanal,  der  in  seinem  hinteren  Teile 
rötlich  gefärbt  ist,  Anschwellungen  zeigt  und  in  einer  ansehnlichen 
birnförmigen  Blase  endigt.  Die  Blase  ist  das  Receptaculum  seminis 
und  dient  zur  Aufbewahrung  der  Spermatozoen  des  anderen  bei  der 
Begattung  tätigen  Tieres. 

Spalten  wir  den  abgeschnittenen  und  auf  einen  Objektträger  gelegten 
Pfeilsack  mit  einen  Scherenschnitt  der  Länge  nach  auf,  so  finden  wir 
in  seinem  Innern  den  Liebespfeil,  einen  stilettartigen  Körper,  aus 
Aragonit  bestehend,  mit  einer  breiten  Basis  und  aufsitzender  dünner, 
nach  der  GeschlechtsöflFnung  zu  gerichteter  Spitze.  Nach  der  Begattung 
ist  der  Pfeil  verschwunden,  da  er  bei  den  vorhergehenden  Liebesspielen 
in  die  Haut  des  anderen  Individuums  eingepflanzt  worden  ist. 

Scliließlich  wird  der  Schlundkopf  herausgelöst  und  in  einem  Rea- 
genzgläschen 2  —  3  Minuten  in  starker  Kalilauge  gekocht.  Man  spült 
sodann  im  Uhrschälchen  mit  reinem  Wasser  die  zersetzten  Fleischteile 
fort.  Auf  diese  Weise  werden  Radula  und  Kiefer  freigelegt.  Die  Radula 
läßt  sicli  übrigens  auch  leicht  präparieren,  indem  man  den  Schlundkopf 
von  oben  aufschneidet;  sie  wird  alsdann  schon  durch  ihre  gelbliche 
Farbe  sichtbar  und  läßt  sich   leicht  ablösen. 


^(50  11-  Kursus:  Musclieln  und  Tintenfische. 

Dicht  hinter  der  Mundöffnung  liegt  oben  der  quergelagerte  bräun- 
liche Kiefer,  Den  Boden  des  Schlundkopfes  überzieht  eine  dünne, 
gelbliche  Lamelle,  die  Radula.  Legen  wir  diese  unter  das  Mikroskop 
und  betrachten  sie  mit  schwacher  Vergrößerung,  so  finden  wir  in 
Querreihen  geordnet  eine  große  Zahl  kleiner,  stumpfer  Chitinzähnchen. 


II.  Kursus. 

Muscheln  und  Tintenfische. 


Technische  Vorbereitungen. 

Frische  Flußmascheln  (oder  Teichmuscheln)  werden  vor  dem  Kurse 
•etwa  24  Stunden  lang  in  l%ige  Chloralhydratlösung  eingelegt,  um 
sie  zu  betäuben.  Durch  Einlegen  in  Wasser,  M'elches  auf  60 '^  erwärmt 
worden  ist,  kann  man  sie  zweckentsprechend  abtöten.  Ein  paar  Exemplare 
bleiben  zu  Demonstrationszwecken  am  Leben  und  werden  in  einem  Cylinder- 
glas  mit  Wasser  so  aufgestellt,  daß  ihre  Atemöffnungen,  die  am  spitzen 
Schalenpol  liegen,   nach   oben  kommen. 

Von  Cephalopoden  werden  in  Alkohol  oder  Formol  konservierte 
Exemplare  von  Sepia  officinalis  zur  Zergliederung  gegeben. 


I.  Muscheln. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Muscheln  sind  bilateral -symmetrische  Tiere,  im  Gegensatz 
zu  den  asymmetrischen  Schnecken.  Ihre  Schale  besteht  aus  zwei 
gleichen  Stücken,  einem  rechten  und  einem  linken,  die  in  der  Rücken- 
linie verbunden  sind,  während  die  Schnecken  nur  eine  unpaare,  fast 
stets  asymmetrische  Schale  haben.  Ein  gesonderter  Kopf  fehlt,  es 
findet  sich  nur  ein  dorsaler  Rumpf  und  ein  davon  entspringender 
ventraler  Fuß.  Unter  der  Schale  liegt  der  Mantel,  aus  einem  rechten 
und  einem  linken  Mantelblatt  bestehend,  die  als  dünne  Falten  vom 
dorsalen  Teile  des  Rumpfes  ausgehen.  Lmerhalb  der  beiden  dadurch 
geschaffenen  Mantel  höhlen  befinden  sich  jederseits  zwei  blattförmige 
Kiemen,  die  dicht  unter  der  Ursprungsstelle  des  Mantels  abgehen. 

An  der  Mundöffnung  sitzen  vier  große  Mundlappen.  Der  Fuß 
hat  meist  die  Form  eines  Längskieles  und  ist  bei  manchen  Formen 
sehr  groß,  bei  anderen  dagegen  klein.  Jedes  Mantelblatt  besitzt  einen 
häufig  mit  Tastfäden  (auch  anderen  Sinnesorganen)  besetzten  Rand, 
den  Mantelsaum,  der  seltener  frei  bleibt  und  meist  mit  dem  des 
anderen  Mantelblattes  teilweise  verwächst.  Meist  bleiben  drei  Schlitze 
übrig,  einer  zum  Durchtritt  des  Fußes,  ein  zweiter,  welcher  frisches 
Aterawasser  einfließen  läßt,  die  Atemöffnung,  und  am  weitesten 
hinten    die    Kloakenöffnung,    aus    welcher    verbrauchtes  Atemwasser 


]1.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische.  161 

und  Kot  ausgestoßen  werden.  In  der  Umgebung  der  beiden  letzteren 
Öffnungen  kann  der  Mantel  zu  mehr  oder  minder  langen  Röhren  aus- 
wachsen,  dem  Branchialsipho  und  dem  Kloakalsipho. 

Vom  Mantel  und  Rücken  des  Rumpfes  werden  die  beiden  Schalen - 
hälften  ausgeschieden,  die  dorsal  wärts  durch  ein  Schloß  band  und 
ein  Schloß  verbunden  sind. 

Das  Schloßband  ist  ein  äußeres  oder  ein  inneres  elastisches 
Band,  welches  das  Bestreben  hat,  die  beiden  Schalenhälften  zu  öffnen. 
Dem  wirken  ein  oder  zwei  starke,  quer  durch  die  Muschel  ziehende 
Muskeln,  die  Schließmuskeln  entgegen.  Bei  abgestorbenen  Muscheln, 
bei  denen  letztere  nicht  mehr  wirken,  müssen  also  die  von  dem  Schloß- 
band auseinander  gezogenen  Schalen  klaffen.  Als  Schloß  bezeichnet 
man  zahnartige  Vorsprünge  in  der  dorsalen  Mitte,  die  in  Vertiefungen 
der  anderen  Schale  eingreifen. 

An  der  Innenseite  der  Schalen  lassen  sich  ein  oder  zwei  Ein- 
drücke finden,  welche  von  der  Insertion  der  Schließmuskeln  herrühren. 
Ferner  zieht  dem  Sclialenrande  parallel  eine  Linie,  die  Mantellinie, 
auf  der  sich  der  Mantelrand  mittels  Muskelfasern  festheftet.  Bei  den 
mit  Siphonen  versehenen  Muscheln  buchtet  sich  die  Mantellinie  hinten 
ein  („SinupaHiaten"),  während  bei  den  anderen  diese  Einbuchtung  fehlt 
(„Integripalliaten").  Die  Muschelschale  besteht  aus  drei  Schichten;  zu 
innerst  liegt  die  Perlmutterschicht,  die  aus  sehr  dünnen  Lamellen 
gebildet  wird,  in  der  Mitte  findet  sich  mit  senkrecht  zur  Oberfläche  gestellten 
Prismen  die  Prismen  schiebt  und  außen  die  verschieden  gefärbte 
Cuticula,  aus  organischer  Masse  bestehend,  während  die  beiden  anderen 
Schichten  im  wesentlichen  kohlensaurer  Kalk  sind.  Perlen  sind  krank- 
hafte Bildungen  der  Perlmutterschicht,  die  bei  der  echten  Perlmuschel  durch 
Finnen    eines    in  Haien   lebenden   Bandwurmes   hervorgerufen   werden. 

Die  Kiemen  entspringen  als  zwei  Blätter  jederseits  vom  Rumpfe. 
Bei  den  meisten  Muscheln  ist  jedes  Kiemenblatt  doppelt,  indem  der 
untere  Rand  wieder  umgebogen  ist  und  nach  der  Basis  zurückläuft, 
mitunter  auch  mit  dem  Rumpfe  verwächst.  Es  entsteht  also  in  jedem 
Kiemenblatt  ein  von  zwei  Lamellen  umschlossener  Binnenraum,  der  mit- 
unter zur  Aufnahme  der  jungen  Brut  dient.  In  ihrem  Bau  stellen  die 
Kiemen  ein  durchlöchertes  Netzwerk  dar,  dessen  Balken  mit  Flimmer- 
epithel besetzt  sind.  Meist  verwachsen  die  Kiemen  rechts  und  links 
hinter  dem  Rumpfe  und  bilden  eine  horizontale  Scheidewand,  welche 
die  Mantelhöhle  in  einen  kleineren  oberen  Kloakalraum  und  eine 
geräumige  untere  Atemhöhle  trennt. 

Wir  kommen  nunmehr  zur  inneren  Organisation. 

Der  von  zwei  Paar  Mundlappen  umstellte  quere  Mun dspalt  führt 
durch  eine  kurze  Speiseröhre  in  den  Magen.  Radula  und  Kiefer 
fehlen.  Bei  manchen  Formen  findet  sich  am  Magen  ein  Blindsack 
mit  dem  „Kristallstiel",  der  ein  wahrscheinlich  von  der  Leber  ab- 
geschiedenes Ferment  darstellt,  welches  die  in  der  Nahrung  enthaltene 
Stärke  in  einen  reduzierbaren  Zucker  verwandelt.  In  den  Magen 
mündet  die  große  ihn  umgebende  Leber.  Der  Darm  zieht  in  vielen 
Windungen  nach  hinten,  sein  Ende  durchbohrt  die  Herzkammer 
und  mündet  in  den  Kloakalraum. 

Das  Nervensystem  der  Muscheln  ist  dadurch  ausgezeichnet, 
daß  das  Pleuralganglion  zum  Cerebralganglion  tritt  und  das  Parietal- 
ganglion  zum  Visceralganglion,  welche  letzteren  beiden  zu  einem  ein- 
heitlichen Körper  vereinigt  sind.     Auch  die  beiden  Pedalganglien  liegen 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.    5.  Aufl.  11 


](;9  11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 

dicht  aneinander.  Alle  drei  Ganglienkomi)lexe  sind  weit  voneinander 
gerückt;  Pedal-  und  Visceralganglien  sind  durch  lange  Kommissuren 
mit  dem  Cerebralganglion  verbunden.  Auf  den  Pedalganglien  liegen 
die  vom  Cerebialganglion  aus  innervierten  Statocysten.  Sind  Seh- 
organe vorhanden,  so  sitzen  sie  in  großer  Zahl  am  Mantelrand. 

Das  Herz  wird  vom  Herzbeutel  umhüllt;  seine  beiden  Vor- 
kammern nehmen  das  frische  Blut  von  den  Kiemen  auf  und  leiten  es 
in  die  Herzkammer.  Aus  dieser  strömt  das  Blut  bei  den  meisten 
Muscheln  in  zwei  Arterien,  die  vordere  und  die  hintere  Aorta,  die 
es  zu  den  einzelnen  Organen  leiten.  Es  sammelt  sich  dann  in  einem 
Lakunensystem  des  Köipers  wieder  an  und  tritt  in  einen  unter  dem 
Herzbeutel  liegenden  venösen  Längssinus,  von  dem  aus  das  venöse 
Blut  größtenteils  auf  die  Nieren  strömt,  um  sich  dann  in  je  einem  zu- 
leitenden Kiemengefäß  (Kiemenarterie)  zu  sammeln  und  in  die 
Kiemen  einzutreten.  Nachdem  es  in  den  Kiemen  frischen  Sauerstoff 
erhalten,  also  arteriell  geworden  ist,  gelit  es  in  je  einem  ableitenden 
Kiemengefäß  (Kiemen vene)  wieder  zu  den  beiden  V'orhöfen  des 
Herzens. 

Die  Nieren  (BojANUSSche  Organe)  sind  paarig  und  symmetrisch 
unter  dem  Herzbeutel  gelegen  und  münden  durch  einen  Nierentrichter 
jederseits  in  diesen  ein,  während  die  äußere  Öffnung  in  der  Mantel- 
höhle liegt.  Jede  Niere  besteht  aus  einem  oberen  glattwandigen  Raum, 
der  Vor  höhle,  und  einem  unteren  von  Lamellen  durchsetzten,  dem 
exkretorischen  Nieren  sack;  letzterer  steht  durch  den  Nierentrichter 
mit  dem  Herzbeutel  in  Verbindung,  wählend  sich  die  obere  Vorhöhle 
durch  den  Ureter  nach  außen  öffnet.  Da  mitunter  die  Geschlechts- 
organe in  die  Nieren  münden,  so  fungieren  letztere  in  diesem  Falle 
auch  als  Ausführwege  der  Geschlechtsprodukte.  In  den  meisten  Fällen 
münden  abei  die  Ausführgänge  der  stark  verästelten  Geschlechtsdrüsen 
in  besonderen  Öffnungen  neben  den  Nierenöft'nungen  in  die  Mantel- 
höhle aus.     Meist  sind  die  Muscheln  getrennten  Geschlechtes. 

Li  der  Entwicklung,  die  bei  manchen  Süßwassermuscheln  in  dem 
Hohlraum  der  äußeren  Kieme  des  Muttertieres  erfolgt,  tritt  bei  den 
marinen  Muscheln  wieder  die  charakteristische  Veligerlarve  auf. 

Einzelne  Muscheln  (z.  B.  die  Auster)  sind  mit  einer  Schalenhälfte 
festgewachsen  und  werden  dadurch  asymmetrisch;  andere  vermögen 
sich  zeitweise  durch  hornartige  Fasern,  die  Byssusfäden.  festzuheften. 
Diese  Fäden  werden  von  einer  oft  ansehnlichen,  im  hinteren  Teile  des 
Fußes  gelegenen  Drüse  ausgeschieden.  Andere  kriechen  mittels  des 
Fußes  langsam  fort;  andere  vermögen  sich  durch  dasselbe  Organ  fort- 
zuschnellen  oder  durch  Auf-  und  Zuklappen  der  Schale  Schwinim- 
bewegungen  auszufühi-en  {Pecten)\  andere  bohren  sich  in  Holz  [Teredo) 
oder  Stein  {Litlwdonnts)  ein. 

B.   Spezieller   Kursus. 

Flußmuschel  und  Teichmuschel. 

Wir  wählen  zuerst  eine  Flußmuschel  [Unio  spec.)  und  betrachten 
deren  äußere  Körperform.  Als  Rücken seite  wird  diejenige  bezeichnet, 
an  welcher  die  beiden  Schalenhälften  durch  das  Schloß  verbunden  sind. 
als  Bauchseite  die  entgegengesetzte.  Das  kurze,  abgerundete  Ende  ist 
das  Vor  der  ende,  das  längere,  mehr  zugespitzte  das  Hinter  ende.    An 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


163 


der  braunen  Außenfläche  der  Schalen  gewahren  wir  eine  groiae  Anzahl 
dem  Rande  parallel  laufender,  konzentrischer  Linien,  die  Anwachs- 
streifen. Zu  innerst  von  ihnen  liegen  auf  der  Rückenseite  zwei  vor- 
springende Höcker,  die  Wirbel  (s.  Fig.  107).  Betrachten  wir  eine 
leere  Muschelschale,  so  sehen  wir  deren  beide  Hälften  auseinander 
klaffen.  Es  wird  das  bewirkt  durch  das  elastische  Schloßband,  welches, 
an  der  Außenseite  gelegen,  beide  Schalenhälften  miteinander  verbindet. 
Das  Innere  der  Schale  wird  gebildet  von  einer  glänzenden  Schicht,  der 
Perlniutterschicht.  In  ihr  sind  die  Eindrücke  der  Schließmuskeln, 
sowie    die    dem    Schalenrande    parallel    laufenden    Anwachsstellen    des 


-  -  •  Wirbel 


•Schloß 


Kloaken- 
Öffnung 

Atemöffnung 


Vorderer 
Schlioßnuiskel 

--Fuß 


.V  Velum 
-  -  Schale 

""  Mantelrand 

-  Mantel 
lietractor 


Innere  Kieme 

Äußere   Kieme,    Em- 
bryonen enthaltend 


Horizontale  Venvachsung 

der   inneren  Lamelle   der 

inneren  Kiemen 
Kloakenöffnung 

-  -     Atemöffinnig 


^r 


Fio-,  107.    Rückenansicht  einer  Fluß ■ 


muschel.     Orig. 


Fig.    108.      Geöffnete  Flußmuschel    ($).     Orig. 


Mantels  deutlich  sichtbar.  Die  äußere  Schicht,  die  grünlich-braune 
Cuticula,  tritt  etwas  über  den  Schalenrand  hinweg.  Ein  ^'ergleich 
mit  der  leeren  Schale  einer  Teichmuschel  zeigt,  daß  letztere  viel  dünner 
ist  und  kein  eigentliches  Schloß  besitzt. 

Bei  der  lebenden  Muschel,  welche  wir  in  ein  Wasserglas  mit  dem 
Hinterende  nach  oben  gestellt  hatten  (s.  S.  160),  sehen  wir  die  beiden 
Schalenhälften  von  der  Spitze  nach  dem  Rücken  zu  etwas  geöffnet  und 
blicken  in  zwei  Öffnungen  des  Mantels  hinein,  die  durch  eine  schmale, 
häutige  Brücke  voneinander  getrennt  sind.  Die  am  meisten  dorsal  ge- 
legene, also  dem  Schloß  genäherte  Öffnung  ist   die  Kloakenöffnung, 

n* 


Iß4  11-  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 

aus  welcher  das  verbrauchte  Atemwasser  zugleich  mit  Darmexkrementen 
herausbefördert  wird;  die  mehr  ventral  gelegene  große  Öffnung  ist  mit 
Reihen  von  kleinen,  spitzen  Papillen  umstellt  und  dient  als  Atem- 
öffnung zur  Einfuhr  des  frischen  Wassers  (s.  Fig.  107). 

Mit  dem  starken  Messer  wird  nunmehr  am  Vorder-  wie  am  Hinter- 
ende vom  Rücken  aus  ein  nicht  zu  tiefer  Schnitt  zwischen  beiden 
Schalenhälften  geführt,  um  die  beiden  Schließmuskeln  zu  zerschneiden. 
Dann   werden  beide   Schalenhälften  langsam   auseinander  gebogen. 

Nunmehr  sieht  man  das  Tier  in  seiner  Schale  liegen  (s.  Fig.  108). 
Wir  können  den  Vergleich  mit  einem  Buche  ziehen,  dessen  Rücken 
dem  Schloß,  dessen  Einband  den  beiden  Schalenhälften  und  dessen 
erste  und  letzte  Seite  den  beiden  der  Schale  anliegenden  Mantelfalten 
entsprechen  würde.  Zwei  darauffolgende  Blätter  jederseits  sind  die 
Kiemen,  während  zu  innerst  der  Fuß  mit  dem  darunter  befindlichen 
Rumpf  liegt. 

Am  vorderen  Ende  befinden  sich  jederseits  zwei  dreieckige  Haut- 
lappen: die  Mundsegel  oder  Vela.  Weiter  sind  vorn  und  hinten  am 
Körper  die  beiden  quer  durchschnittenen  Schließmuskeln  sichtbar. 

Eine  genauere  Betrachtung  zeigt  uns,  daß  der  Mantel  nicht  ganz 
bis  an  den  Schalenrand  herangeht.  Nahe  seinem  verdickten  Rande- 
verläuft eine  zarte  schwärzliche  Furche.  Am  Hinterende  sehen  wir  die 
schon  beschriebenen  braunschwarzen  Papillen  der  Atemöffnung.  Voll- 
ständig von  derselben  getrennt  ist  die  mehr  dorsal  liegende  Kloakal- 
öffnung  und  zwar  sind  es  die  hinter  dem  Fuße  zu  einer  transversalen 
Platte  verschmelzenden  inneren  Kiemenblätter  beider  Seiten,  welche 
diesen  Hohlraum  in  einen  kleineren  oberen  und  geräumigen  unteren 
Abschnitt  trennen.  Letzterer  ist  die  Atemhöhle,  der  darüber  gelegene 
kleinere  Raum  die  Kloakalhöhle.  Die  dorsale  Wand  der  Kloakalhöhle. 
wird  durch  die  sich  vereinigenden  Mantellappen  gebildet. 

Es  wird  die  eine  Mantelhälfte  von  der  Schale  losgelöst,  indem' 
das  Hinterende  des  Skalpells  zwischen  beide  geführt  wird.  Sobald  man 
an  die  Insertionen  der  beiden  Schließmuskeln  kommt,  sind  diese  dicht, 
an  der  Schale  von  ihrer  Unterlage  abzutrennen.  Es  lassen  sich  nun- 
mehr beide   Schalenhälften   vollkommen   zui'ückbiegen. 

Die  Kiemen  stellten  jederseits  zwei  dünne  Blätter  dar,  mit  sanft 
gerundetem  Rande,  die  schon  dem  bloßen  Auge  eine  deutliche  dorso- 
ventrale  Faltung  erkennen  lassen.  Unter  der  Lupe  tritt  sowohl  in  senk- 
rechter wie  wagerechter  Richtung  eine  feine  Streifiing  auf.  Diese  Streifung 
wird  durch  feine  Chitinstäbchen  erzeugt.  Das  dadurch  gebildete  Gitter- 
werk ist  umkleidet  von  einem  Flimmerepithel,  welches  in  den  Maschen 
des  Gitterwerkes  in  Poren  auseinander  weicht. 

Um  diese  Verhältnisse  genauer  zu  studieren,  schneiden  wir  ein 
kleines  Stückchen  der  Kieme  ab,  breiten  es  unter  Wasser  auf  einem 
Objektträger  aus  und  betrachten  es  unter  dem  Mikroskop  mit  schwacher 
Vergrößerung. 

Jedes  Kiemenblatt  besteht  aus  zwei  dicht  aneinander  gelageiten 
Lamellen,  die  am  unteren  Rande  ineinander  übergehen.  Wir  über- 
zeugen uns  davon,  indem  wir  an  dem  dorsalen  Rande  des  inneren 
Kiemenblattes  mit  der  Pinzette  die  innere  Lamelle  desselben  hoch- 
heben.   Zwischen  beiden  Lamellen  finden  sich  zahlreiche  Verwachsungs- 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


165 


brücken.  Der  dazwischen  liegende  innere  Kiemenraum  ist  an  der 
Basis  der  Kiemen  geräumiger  und  heißt  hier  Kiemen  gang.  Während 
die  innere  Lamelle  des  inneren  Kiemenblattes  teilweise  nicht  festge- 
wachsen ist,  haftet  die  äußere  Lamelle  des  äußeren  Kiemenblattes  fest 
an  dem  Mantel  an.  Der  Kiemenraum  der  äußeren  Kiemen  dient  bei 
der  weiblichen  Muschel  als  Brutraum  für  die  sich  entwickelnden  Em- 
bryonen. 

Jetzt  lassen  sich  auch  die  Verhältnisse  der  hinteren  Region  ge- 
nauer studieren.  Wir  sehen,  daß  die  transversale  Scheidewand  zwischen 
Atemraum  und  Kloakalrauin  von  den  miteinander  verwachsenen  inneren 
Lamellen  der  inneren  Kiemenblätter  gebildet  wird. 

Der  Fuß  ist  ein  muskulöses,  beilförmiges  Organ,  von  etwas 
dunklerer  Farbe,  welches  sich  wenig  scharf  von  dem  darunter  liegenden 
kompakten  Rumpfe  absetzt. 

Zur  Untersuchung  der 
inneren  Organe  wählen  wir 
besser  eine  Teielimuschel 
{Anodonta  spec),  weil  diese, 
bei  sonst  ziemlich  gleichartiger 

Organisation    wie    die    Fluß-       ,\\\.J-     .*i»    WfiM^ -— ™---Niere 

muschel,    bedeutend    größer 
und  leichter  präparierbar  ist. 

Die  Schale  einer  Teioh- 
muschel  wird  vom  Rücken 
her  auf  beiden  Seiten  mit 
einer  gebogenen  Drahtzange 
aufgebrochen ,  nachdem  man 
sie  vorsichtig  angeschlagen 
bat.  Darauf  wix'd  die  Muschel 
im  Wasser  weiter  beobachtet. 


.Pericardial- 
raum 

.  Kebersches 
Organ 


-  Vorkammer 


Herzkammer 
Enddarm 


Mantel- 
schlitz 
Hinterer  Rtiek- 
ziehmuskel 


Fiff.  109.     Anodonta.     Schale  vom  Rücken  auf- 
gebrochen.     Herzbeutel  geöffnet.     Orig. 


Es  wird  nunmehr  das 
Herz  sichtbar,  welches  in 
einem  geräumigen,  durchschei- 
nenden Sack,  dem  Herz- 
beutel, einem  Reste  des 
Cöloms,  eingeschlossen  ist. 
Nach  Eröffnung  des  Herz- 
beutels durch  einen  vorsich- 
tigen Längsschnitt  und  Abtragen  von  dessen  dorsaler  Wandung  tritt 
das  Herz  deutlicher  hervor  (s,  Fig.  109), 

Man  erkennt  die  in  zwei  hintere  Zipfel  auslaufende,  langgestreckte 
Herzkammer,  in  welche  seitlich  die  beiden  flachen,  dreieckig  gestalteten 
Yorhöfe  einmünden.  Das  Blut  strömt  in  oxydiertem  Zustande  aus 
den  Kiemen  in  die  Vorhöfe  und  von  da  ins  Herz,  welches  es  in  den 
Körper  pumpt.  Deutlich  sichtbar  ist  auch  der  Enddarm,  welcher  die 
Herzkammer  geradlinig  in  der  Medianen  durchzieht.  Zwei  langgestreckte, 
rotbraun  gefärbte  Organe,  welche  in  den  vorderen  Winkeln  des  Peri- 
cards  liegen,  und  sich  in  den  Mantel  vorstülpen  (s,  Fig,  109),  sind  die 
KEBERschen  Organe,  Es  sind  das  Pericardialdrüsen  von  wahrscheinlich 
exkretorischer  Funktion;  außer  ihnen  finden  sich  noch  zwei  kleinere  Peri- 
cardialdrüsen vor,  die  an  der  hinteren  Wandung  der  \'orhöfe  liegen  und 
sich  in  den  Herzbeutel  vorwölben. 


166 


]].  Km-sus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


Von  den  unter  dem  Herzen  liegenden  schwärzlichen  Nieren  sieht 
man  nur  den  vorderen  Teil  durchschimmern. 

Um  die  Nieren  und  ihre  Ausführgänge  zur  Darstellung  zu  bringen, 
wird  nach  Entfernung  der  übrigen  Schale  der  rechte  Mantellappen  ab- 
geschnitten, dann  werden  die  beiden  rechten  Kiemen  zurückgeschlagen 
vmd  mit  dem  Finger  allmählich  vom  Körper  abgepreßt.  Mit  der  Pinzette 
wird   hierauf  die  Anwachsstelle  zwischen  Kieme  und  Körper  durchtrennt. 

Mund 


Vordere!'  Schließmus 


Leber 


Magi 


Vordere  Aorta 

Geschlechts- 
öffniing 

Nierenöffnung  - 
Nierenspritze- 


Herzkanimer  -fc 


Herzvorkamnier-  ■  s- 


Vorhöhle  - 

Nierensack 
Hinterer   Rück- 
zieliniuskel 
Mantelsclil 


Hinterer 
Schließmuskel 


-Fuß 

-  Cerebralganglion 

-  Pedalganglion 


Darm 


-  -  Geschlechtsdrüse 


Kieme 


Kiemengang 


Visceralganglion 


Mantelrand 


Schale 


Fig.   110.     Anatomie  von  Anodoita.     Orig. 


Dadurch  ist  der  innere  Kiemengang  freigelegt  worden,  in(lem 
nunmehr  zwei  Öffnungen  sichtbar  werden.  Die  untere  ist  die  Öffnung 
des  Geschlechtsorganes,  die  obere  die  der  Niere. 

Zwei  eingeführte  Borsten  orientieren  über  die  Richtung  der  beiden 
Gänge.  Es  werden  die  beiden  rechten  Kiemen  nunmehr  mit  der  Schere 
entfernt,  wobei  die  beiden  Kiemengänge  deutlich  zur  Anschauung  kommen; 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische.  167 

dann  verfolgt  man  mit  einer  feinen  Schere  die   in  die  Nierenöffnnng-  ein- 
geführte  Borste. 

Die  Niere  (s.  Fig.  110)  besteht  aus  einem  weiten,  auf  sich  seihst 
zurückgebogenen  Schlauche,  der  in  der  Längsachse  des  Körpers  liegt 
und  sich  bis  zum  hinteren  Schließmuskel  hinzieht.  Die  beiden  Schenkel 
des  Schlauches  sind  übereinander  gelagert.  Der  untere  Schenkel 
(Nierensack),  der  mit  einem  Nierentrichter  in  dem  Herzbeutel 
beginnt,  ist  pigmentiert  und  durch  zahlreiche,  von  (hüsigem  Epithel 
überzogene  Falten  von  schwammigem  Gefüge  ausgezeichnet.  Der 
obere  Schenkel  (die  Vorhöhle)  ist  glatter  und  oiine  exkretorisches 
Epithel;  seine  kurze  Mündung  wird  als  Ureter  bezeichnet.  Jeder 
Ureter  mündet  in  dem  inneren  Kiemengange  nach  außen  und  steht 
nahe  seinem  vorderen  Ende  mit  dem  anderen  durch  einen  Schlitz  in 
Verbindung. 

Vom  Nervensystem  sind  die  Cerebralganglien  leicht  zu  finden, 
wenn  man  unterhalb  und  nach  innen  vom  vorderen  Schließmuskel  die 
oberste,  seitlich  vom  Munde  liegende  Hautschicht  vorsichtig  abhel)t. 
Alsdann  erscheint  das  Ganglion  als  ein  kleiner  lotgelber  Körper,  von 
dem  aus  ein  Verbindungsstrang  zum  Cerebralganglion  der  anderen 
Seite  geht.  Außerdem  sind  noch,  außer  schwächeren  Nerven,  die  zu 
den  Pedal-  und  Visceralganglien  verlaufenden  Konnektive  ein  Stück 
weit  zu  verfolgen. 

Die  Präparation  der  Eingeweide  ist  recht  schwierig.  Um  wenigstens 
einen  Überblick  der  übrigen  Organisation  zu  erhalten,  empfiehlt  es  sich, 
mit  einem  breiten  Skalpell  vom  Fuße  aus  einen  Medianschnitt  durch 
den   gesamten   Körper   zu  fähren. 

Man  suche  zunächst  den  Mund  auf  (s.  Fig.  110).  Von  diesem 
aus  führt  ein  kurzer  Oesophagus  in  den  geräumigen,  längsdurchschnittenen 
Magen,  in  dessen  Wandung  mitunter  ein  opalisierender,  gallertiger 
Körper,  der  Kristallstiel,  sichtbar  wird.  Von  dem  darauf  folgenden 
Darm  sind  wenigstens  einige  Schlingen  sichtbar;  sein  letztes  Ende 
durchbohrt  das  Pericard  wie  das  Herz  und  mündet  hinter  dem  hinteren 
Schließmuskel.  An  den  längsdurchschnittenen  Stellen  des  Darmes  wird 
eine  längsverlaufende  Falte  sichtbar,  die  zur  Vergrößerung  der  Schleim- 
haut dient  und  Typhlosolis  genannt  wird.  Die  braun-grünliche, 
drüsige,  den  Magen  umgebende  Masse  ist  die  sog.  ..Leber",  die  ihre 
Ausführgänge  in  den  Magen  sendet.  In  das  den  Darm  umgebende 
Parenchym  sind  mächtige  drüsige  Komplexe  eingebettet,  welche  in 
ihrer  Gesamtheit  die  entweder  männliche  oder  weibliche  Gonade  dar- 
stellen. 

Schließlich  kann  man  noch  die  beiden  anderen  Ganglien  des 
Nervensystems  aufsuclven.  Das  Pedalganglion  Hegt  im  vorderen 
unteren  Winkel  des  Körpers  unweit  der  Grenze  des  muskulösen  Fußes; 
das  Yisceralganglion  findet  man  leicht,  wenn  man  unter  dem  hinteren 
Schließmuskel  sucht. 

Bei  weiblichen  Muscheln  finden  sich  zuzeiten  in  dem  äußeren 
Kiemengang  die  als  Glochidien  bezeichneten  Embryonen.  Ein  solches 
Glochidiuni  besteht  aus  einer  zweiklappigen  Schale,  an  deren  ventralen 
Rändern  sich  jederseits  eine  nach  innen  vorspringende,  mit  Stacheln 
liesetzte  dreieckige  Spitze  befindet.  Aus  dem  Innern  ragt  ein  langer 
Klebfaden  heraus,  der  im  ^'ercin  mit  den  Schalenspitzen  ein  Anklammern 


168  11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 

des  frei  gewordenen  Embryos  an  die  Kiemen  (Unw)  oder  die  Flossen- 
haut {Anodonta)  vorbeischwimmender  Fische  ermöglicht.  Hier  machen 
sie,  von  dem  befallenen  Gewebe  vollkommen  umwuchert,  ihre  weitere 
Entwicklung  durch,  und  fallen  endlich  durch  Bersten  der  umhüllenden 
Wandung  als  fertige  kleine  Muscheln  zu  Boden. 

Gelegentlich  sieht  man  am  Mantel  schleimumhüllte,  langbeinige 
Wassermilben  {Atax)  von  schwärzlicher  Farbe  herumkriechen,  deren 
verschiedene  Entwicklungsstadien  in  den  Mantellappen,  als  größere  und 
kleinere  Fleckchen  auftretend,  sitzen. 

Ein  weiterer  Parasit,  der  in  Leber  und  Eierstock  der  großen 
Teichmuschel  haust,  ist  der  Bucephahis,  eine  Cercarie,  die  nach  Ver- 
lassen der  Muschel  eine  Zeitlang  frei  umherschwimmt,  und  dann  von 
Fischen  aufgenommen  wird.  Zum  geschlechtsreifen  Tier  [Gastcro- 
stomtim  fimbriatmu  Sieb.)  wird  sie  erst  in  größeren  Raubfischen. 

Endlich  finden  sich  in  den  Kiemen,  besonders  bei  Flußmuscheln, 
zu  gewissen  Zeiten  Entwicklungsstadien  eines  kleinen  Fisches,  des  Bitter- 
lings [Rhodeus  amarus).  Die  Eier  werden  vom  Weibchen  mittels  einer 
langen  Legeröhre  durch  den  Kloakalsipho  in  die  Muschel  eingeführt 
und  dann  vom  Männchen  befruchtet. 


II.  Tintenfische. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Tintenfische  oder  Cephalopoden  haben  einen  bilateral-symme- 
trischen Körper,  an  dem  sich  zwei  Abschnitte  unterscheiden  lassen: 
Kopf  und  Rumpf.  Eine  eigentümliche  Umbildung  hat  der  ursprüng- 
liche Molluskenfuß  erfahren.  Sein  Vorderteil  ist  als  breite  Arm- 
scheibe vorn  um  den  Kopf  herumgewachsen  und  trägt  entweder  8 — 10 
mit  Saugnäpfen  besetzte  Fangarme  oder  viele  Tentakel  {Nautilus), 
der  Hinterteil  des  Fußes  dagegen  ist  in  ein  Paar  ventralwärts  ge- 
krümmte Seitenlappen  ausgezogen,  die  durch  Übereinanderlagerung 
[Nautilus)  odei"  Verwachsung  {Dibranchiata)  zu  einem  Rohre,  dem 
Trichter,  werden. 

Um  den  Cephalopodenkörper  mit  dem  der  anderen  Mollusken  zu 
vergleichen,  muß  man  ihn  so  orientieren,  daß  der  Kopf  mit  den  Fang- 
armen zu  Unterst  liegt,  die  freie  Spitze  des  Rumpfes  also  nach  oben 
(s.  Fig.  111).  Wir  finden  alsdann  die  drei  Teile  des  Molluskenkörpers 
Kopf.  Fuß  und  Rumpf,  wieder.  Das  dem  Kopfe  entgegengesetzte 
Körperende  stellt  also  den  höchsten  Punkt  des  Rückens  dar.  Die 
Körperwand,  an  der  sich  der  Trichter  befindet,  ist  die  hintere,  die  ent- 
gegengesetzte die  vordere. 

Wie  bei  den  anderen  Mollusken,  so  findet  sich  auch  bei  den 
Cephalopoden  ein  Mantel,  der  hinten  am  Rumpf  herunterhängt  und 
eine  Mantelhöhle  einschließt,  die  sich  hinten  über  dem  Kopffuß  in  einer 
Spalte  öffnet.  In  der  Mantelhöhle  liegen  die  Kiemen  in  der  Zwei-  odei- 
Vierzahl. 

Die  Schale  ist  bei  den  meisten  Cephalopoden  rudimentär  geworden. 
Ihre  allmähliche  Umbildung  ist  stammesgeschichtlich  wohl  folgender- 
maßen erfolgt.     Ursprünglich  war  sie  flach-napfförniig,   dann  schlanker- 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


169 


kegelförmig  und  bedeckte  den  Rücken.  An  ihrem  dorsalen  Scheitel 
bildete  sich  zwischen  Schale  und  Körperwand  ein  Luftraum  als  hydro- 
statischer Apparat   aus,   der   dann   durch   ein  Septum   von   einem,   sich 


Trichter  des;Eileiters.. 


Tintenbeutel— 


Geni talhöhle - 


Pericardialhöhle 


Ventraler^Nierensack . 

Kieme  • 

Neplu'ostoma . 

Nierenmündung  - 


Mündimg  des.- 
Eileiters 


After- 


Mantel-- 


Tncliter- 


-  Ovarium 


--  Schulp 


•  Blindsack 


•  Magen 


Dorsaler 
Nierensack 


Fangtentakel 

Fig.  111.     Schema  einer  Sepia  im  Medianschnitt.     Orig. 

•darunter  bildenden  neuen  Räume  getrennt  wurde.  Dui'ch  Wiederholung 
dieses  Prozesses  kam  es  zur  Bildung  hintereinander  liegender  Luft- 
kammern der  Schale,  die  miteinander  in  Verbindung  standen  und  mit 
dem  zunehmenden  Wachstum  des  Tieres  immer  größer  wurden.    Diese 


J70  ''■   l^wi'^^ii«:  Muscheln  und  Tintenfische. 

einzelnen  Sclialenkamniern  rollen  sich  in  verschiedener  Weise  auf.    Das- 
Tier  bewohnt  also  nur  die  letzte,  jüngste  Kammer  (z.  B.  Nautilus). 

Ein  Rudimentär  werden  der  Schale  trat  dadurch  ein,  daß  sie  von 
den  Mantellappen  umwachsen  wurde,  daß  die  Luftkammern  schwanden 
und  nur  der  in  der  Vorderseite  des  Rumpfes  eingebettete  ,.Schulp" 
übrig  blieb,  der  bei  einigen  sogar  den  Kalk  verloren  hat  und  zu  einer 
dünnen  Chitinlamelle  geworden  ist  oder  gänzlich  fehlt. 

So  finden  wir  alle  wesentlichen  Teile  des  Molluskenkörpers  bei 
den  Cephalopoden  wieder. 

Die  Haut  der  Cephalopoden  ist  dadurch  interessant,  daß  sie  die 
Eigenschaft  des  Farbenwechsels  besitzt.  Unter  der  aus  Zylinder- 
epithel bestehenden  Oberhaut  liegt  eine  bindegewebige  Lederhaut,  in 
welcher  sich  große  Farbzellen  (Chroraatophoren)  finden.  In  diesen 
Farbzellen  kann  das  Pigment  wandern,  wodurch  in  Verbindung  mit 
dem  Irisieren  emer  tiefer  gelegenen  Schicht  von  Bindegewebsplatten 
das  Farbenspiel  zustande  kommt. 

Bei  vielen  Dibranchiaten  finden  sich  am  seitlichen  Körperrand 
Flossen  in  wechselnder  Ausdehnung. 

Die  von  einer  ringförmigen  Lippe  umgebene  Mundölfnung  l)irgt 
zwei  kräftige  und  wirksame  Hornkiefer,  von  Gestalt  der  Hornscheiden 
eines  Papageischnabels.  In  dem  muskulösen  Schlundkopf  ist  stets  eine 
Radula  vorhanden.  Zwei  (selten  ein)  Paar  Speicheldrüsen  münden  hier 
ein.  Auf  den  langen  Oesophagus  folgt  der  Magen  mit  einem  Blind- 
sack, in  welchen  die  paarigen  Ausführgänge  der  „Leber'-  eintreten. 
Neben  der  Leber  liegt  die  Bauchspeicheldrüse,  das  „Pankreas".  Der 
kurze  Dünndarm  öffnet  sich  in  die  Mantelhöhle. 

Als  eine  stark  entwickelte  Analdrüse  ist  der  Tinten beutel  zu 
betrachten,  dessen  Sekret,  der  Sepiafarbstoff,  schnell  entleert  und 
dui-ch  den  Trichter  nach  außen  geführt  werden  kann.  In  dem  dadui-ch 
stark  getrübten  Wasser  kann  sich  der  Tintenfisch  seinen  Verfolgei'u 
entziehen. 

Das  Nervensystem  zeichnet  sich  durch  starke  Konzentration 
aller  Molluskenganglien  aus,  die  ringförmig  den  Schlund  umfassen.  Die 
Kommissuren  sind  demnach  sehr  stark  verkürzt.  Sehr  auffällig  sind 
die  riesigen  Ganglia  optica  im  Verlauf  der  beiden  Sehnerven.  Auch 
die  Mantelganglien,  nach  ihrer  Gestalt  Ganglia  stellata  genannt,  sind 
sehr  groß.  Ein  sympatisches  Nervensystem  innerviert  den  Darm- 
traktus,  auf  dem  Magen  zu  einem  Ganglion  gastricum  anschwellend. 

Der  (xanglienkomplex  am  Schlund  wird  durch  einen  Knorpelring,, 
den  Kopfknorpel,  geschützt. 

Die  hohe  Organisation  des  Cephalopodenkörpers  kommt  auch  in 
den  Sinnesorganen,  besondei-s  den  Augen,  zum  Ausdruck.  Am  ein- 
fachsten gebaut  sind  sie  noch  bei  Nautilus,  wo  sie  einfache  Augen- 
gruben,  Einstülpungen  des  Körperepithels  darstellen,  an  deren  Boden 
sich  die  Netzhaut  (Retina)  ausbreitet,  zu  welcher  der  Augennerv 
herantritt.  Durch  die  Öffnung  der  Grube  vermag  das  Wasser  in  den 
Augenraum  einzudringen. 

Aus  diesen  Augengruben  sind  die  Augen  der  Dibranchiaten  iu 
der  Weise  abzuleiten,  daß  die  Ränder  der  Augengrube  einander  ent- 
gegenwachsen und  verschmelzen,  und  somit  eine  Augenblase  (hir- 
stellen,  deren  obere  helle  Wand  zusammen  mit  dem  äußeren  Epithel 
die  primäre  Hornschicht  (Cornea)  bildet.  Es  wächst  nun  eine  Ring- 
falte vorn  um  das  Auge  herum,  in  der  Mitte  eine  Öffnung,  die  Pupille,. 


1].  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische.  17? 

freilassend;  diese  Ringfalte  wird  als  Iris  bezeichnet.  Endlich  bildet 
sich  noch  eine  äußere,  zweite  Ringfalte  der  Haut,  die  bei  vielen  Formen 
offen  bleibt,  bei  anderen  aber  sich  vollständig  schließt  und  eine  sekun- 
däre Cornea  darstellt.  Als  optischer  Apparat  erscheint  vorn  in  der 
primären  Cornea  eine  Linse,  deren  äußere  Hälfte  von  der  Oberhaut,  die 
innere  von  dem  Epithel  der  Augenblase  geliefert  wird. 

Andere  Sinnesorgane  sind  die  sogenannten  „Riechgruben"  der 
Dibranchiaten.  zwei  über  den  Augen  gelegene  Vertiefungen,  die  be- 
sonders innerviert  werden. 

In  zwei  Vertiefungen  des  Kopfknorpels  liegen  die  beiden  „Hör- 
bläschen", in  erster  Linie  wohl  dazu  bestimmt,  über  die  Körperlage 
zu  orientieren. 

Das  Blutgefäßsystem  ist  wenigstens  teilweise  geschlossen.  Das 
Hei'z  hat  zwei  (liei  Nautilus  vier)  Vorkammern,  welche  das  frische 
Blut  aus  den  zwei  (resp.  vier)  Kiemen  aufnehmen. 

Aus  der  Herzkammer  treiben  zwei  nach  vorn  und  hinten  ab- 
gehende Aorten,  die  Aorta  cephalica  und  die  Aorta  abdominalis,, 
das  Blut  in  die  verschiedenen  Organe.  Das  venös  gewordene  Blut 
wird  durch  ein  Venensystem  gesammelt  und  gelangt  durch  die  sich 
gabelnde  Hohlvene  zu  den  beiden  an  der  Basis  der  Kiemen  liegenden 
kontraktilen  Venen-  oder  Kiemenherzen  (die  bei  Nmitihts  fehlen). 
Durch  besondere  Venenanhänge,  die  sich  in  die  Wand  der  Nierensäcke 
einstülpen,  werden  gewisse  Exkretstoffe  des  Blutes  den  Nieren  über- 
mittelt. Die  beiden  venösen  Kiemenherzen  pressen  nun  das  Blut  in 
das  zuführende  Kiemengefäß  (Kiemenarterie).  Aus  den  Kiemen 
strömt  das  arteriell  gewordene  Blut  in  das  ausführende  Kiemengefäß, 
und  durch  dieses  in  die  Vorkammer  des  arteriellen  Herzens. 

Von  der  Leibeshöhle  hat  sich  bei  den  Cephalopoden  außer  dem 
Herzbeutel  und  der  Höhlung  der  Gonaden  auch  noch  ein  ansehnlicher 
Raum  im  dorsalen  Rumpfteile  erhalten,  der  durch  zwei  Öffnungen  mit 
den  beiden  Nierensäcken  in  Verbindung  steht.  Die  Nieren  münden 
init  je  einer  Öffnung  in  die  Mantelhöhle  aus. 

Die  Cephalopoden  sind  stets  getrennten  Geschlechts.  Die  Gonade 
ist  immer  unpaar,  die  Leitungswege  sind  dagegen  bei  vielen  paarig,. 
bei  anderen  ist  der  rechtsseitige  geschwunden,  ihre  Ausmündung  liegt 
in  der  Mantelhöhle  zu  seiten  des  Afters.  Der  Samenleiter  ist  meist 
kompliziert  und  zerfällt  in  drei  bis  vier  Abschnitte:  das  von  der 
Gonadenhöhle  (Hodenkapsel)  kommende  Vas  deferens,  das  sich  zu 
einer  großen  Samenblase  erweitert,  in  das  Vas  efferens  (welches 
fehlen  kann)  sich  fortsetzt  und  in  die  flaschenartige  Spermatophoren- 
tasche  mündet,  die  in  die  Mantelhöhle  hinausführt.  In  der  Spermato- 
phorentasche  (NEEDHAMschen  Tasche)  liegen  die  kompliziert  gebauten 
Spermatophoren,  welche  die  Spermatozoen  enthalten. 

Als  Begattungsorgan  soll  bei  einigen  ein  in  die  Mantelhöhle  vor- 
ragender Penis  fungieren  (V),  bei  anderen  dagegen  wandelt  sich  ein. 
Mundarm,  Hectocotylus  genannt,  zum  Begattungsorgan  um.  Sein 
Endstück  ist  bei  einigen  Formen  zu  einem  fadenförmigen  Penis  um- 
gestaltet, der  von  dem  Ausführungsgang  einer  im  Innern  des  Armes 
liegenden,  die  Spermatophoren  aufnehmenden  Blase  durchbohrt  wird. 
Dieser  Hectocotylus  löst  sich  bei  der  Begattung  los,  tritt  in 
die  Mantelhöhle  des  Weibchens  ein  und  befruchtet  dasselbe  auf  eine  noch 
nicht  beobachtete  Weise.  Da  er  sich  einige  Zeit  in  der  Mantelhöhle 
des  Weibchens  beweglich  erhält,  hielt  man  ihn  früher  für  einen  Parasiten. 


172  11-  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 

Der  .weibliche  Ausfälirgang  besteht  aus  dem  eigentUchen  Ovidukt 
und  einem  Paar  großer  Drüsen,  den  Nidamentaldrüsen,  deren  Sekret 
zusammen  mit  dem  einer  unpaaren  Eileiterdrüse  die  äußeren  Eihüllen 
der  Eier  liefert. 

Aus  den  großen,  häufig  in  feste  Kapseln  eingeschlossenen  Eiern 
entwickeln  sich  die  Jungen  ohne  Metamorphose, 

Die  Bewegung  der  Cephalopoden  ist  eine  kriechende  oder 
schwimmende.  Schnelle  Bewegung  wird  erzeugt  durch  das  Aus- 
stoßen des  in  der  Mantelhöhle  befindlichen  Wassers  durch  den  Trichter. 
Das  geschieht  durch  heftige  Kontraktion  der  muskulösen  Mantelwand, 
wodurch  ein  Rückstoß  erzeugt  wird.  Das  Tier  schwimmt  also  mit  dem 
Rücken  voran. 

Von  der  alten  Ordnung  der  Vierkiemer  ist  nur  noch  die  Gattung 
Naiitiliis  vorhanden,  während  sie  früher  sehr  reich  entwickelt  war 
(Ammoniten).  Innerhalb  der  Ordnung  der  Zweikiemer  unterscheiden 
wir  zehnarmige  und  achtarmige  Tintenfische. 


B.  Spezieller  Kursus. 

Sepia  offlcinalis  (L.). 

Die  in  Alkohol  konservierte  Sepia  officinalis  wird  in  das  Wachs- 
becken unter  Wasser  gelegt  und  zunächst  auf  ihre  äußere  Körperform 
hin  untersucht.  Das  Tier  wird  so  orientiert,  daß  es  auf  der  dunkleren 
Seite  liegt,  mit  dem  Kopfe  dem  Beschauer  abgewandt. 

Wir  sehen  einen  großen,  ovalen,  abgeplatteten  Rumpf  mit  einer 
helleren  und  einer  dunkleren  Seite.  Eine  den  Körper  umgebende 
Hautfalte,  welche  nur  am  Ende  unterbrochen  ist,  stellt  die  Flosse 
•dar.  Aus  dem  vorderen  Teile  des  Rumpfes  ragt,  durch  eine  tiefe, 
ringsherum  gehende  Einsenkung  getrennt,  der  ansehnliche  Kopf  heraus 
(Fig.  112). 

Am  Kopfe  sehen  wir  rechts  und  links  zwei  große  Augen, 
sowie  vier  Paar  ziemlich  kurze,  aber  kräftige  Arme,  welche  den  Mund 
umgeben.  Die  stärksten  sind  die  beiden  uns  zugekehrten,  die  durch 
einen  breiten  Zwischenraum  voneinander  getrennt  sind.  Jeder  Arm 
trägt  an  der  Innenseite  Saugnäpfe,  die  nach  der  Spitze  zu  an  Größe 
abnehmen.  Die  Saugnäpfe  sitzen  wie  Beeren  an  kurzen  Stielchen,  an 
der  Basis  in  vier  Reihen  angeordnet.  Außer  diesen  acht  Armen  finden 
wir  noch  rechts  und  links  zwei  um  das  Dreifache  längere  Fangarme, 
welche  unter  dem  obersten  Armpaar  aus  tiefen  Gruben  entspringen, 
in  die  sie  eingezogen  werden  können.  Die  beiden  Fangarme  sind  viel 
•dünner,  mehr  zylindrisch  und  nur  oben  mit  einer  blattartigen  Erweite- 
rung versehen,  welche  auf  der  Innenseite  Saugnäpfe  verschiedener 
Größe  trägt.  An  der  Basis  des  vierten  Armes  der  linken  Seite  sind 
beim  Männchen  der  Sepia  die  Saugnäpfe  durch  Hautfalten  ersetzt:  der 
Arm  ist  hectocotylisiert.  In  der  Mitte  des  Armkranzes  liegt  auf 
einem  kurzen  Kegel  der  Mund.  Mit  dem  Fmger  lassen  sich  die  darin 
verborgenen  Hornkiefer  fühlen.  Schließlich  können  wir  noch  den 
Trichter  betrachten,  der  auf  der  uns  zugekehrten  Seite  schornstein- 
artig zwischen  Rumpf  und  Kopf  hervortritt.  Auf  der  dunkler  gefärbten 
Seite  läßt  sich  ein  ansehnliches  hartes  Gebilde  fühlen:  der  als  „Schulp" 
•bezeichnete  Rest  der  Schale. 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


173 


Es  wird  nunmehr  durch  einen  Medianschnitt  mit  dem  Skalpell  die 
hellere  Rumpfseite  aufgetrennt.  Der  Schnitt  beginnt  unterhalb  des  Trichters 
und  muß  weiter  hinten  sehr  vorsichtig  geführt  werden,  um  nicht  den 
Tintenbeutel  anzuschneiden,  dessen  Inhalt  das  Präparat  stark  beschmutzen 
würde.  Mit  den  Fingern  hält  man  die  beiden  Schnitthälften  oberhalb, 
der  Messerführung  auseinander. 

Mimd 


Fangarm 


Arm  - 


Trichter  •• 


Maiitelrand 


Flosse- 


Fig.  112. 


Aboraler  Körperpol 
Äußere  Körjjerform    von  Sepia  officinalis. 


Ori£ 


Zur  Orientierung  sei  bemerkt,  daß  wir  in  der  folgenden  Be- 
schreibung die  uns  zugekehrte  Seite  als  die  untere  (physiologische- 
Bauchseite),  die  aufliegende  als  die  obere  (physiologische  Rücke^seite) 
bezeichnen,  die  nach  dem  Kopfe  zu  liegende  Region  als  die  vordere, 
die  entgegengesetzte  als  die  hintere. 

Wir  sehen  nunmehr,  daß  wir  eine  starke  Integumentfalte,  den 
Mantel,  durchschnitten  und  damit  eine  Höhle  eröffnet  haben,  die  als 
Mantel-  oder  Atemhöhle  zu  bezeichnen  ist  (Fig.  113).  Der  Mantel 
heftet  sich  links,  rechts  und  unten  an  die  Körperwand  an.  an  der 
unteren  Seite  geht  er  nur  am  Kopfe  frei  herum.  Hinter  dem  Trichter 
stehen  rechts  und  links  von  der  Medianen  zwei  längsovale,  von  Knorpel- 
masse umgebene  Gruben,  in  welche  ein  jederseits  von  der  Innenfläche 
des  Mantels  entspringender  Knopf  paßt.  Es  wird  dadurch  eine  Art 
Verschluß  hergestellt.  Hinter  dem  Trichter  ziehen  zwei  mächtige 
Muskelpfeiler  nach  hinten,  die  sich  an  den  Schulp  inserieren  und  als^ 
Depressores  infundibuli  bezeichnet  werden. 


174 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


In  der  Mantelhölile  fallen  besonders  ins  Auge  die  beiden  Kiemen. 
Diese  sind  ansehnliche  gefiederte  Gebilde,  die  zu  beiden  Seiten  eines 
großen  Sackes  entspringen  und  sich  nach  der  Öffnung  der  Mantelhöhle 
zu  erstrecken.  Auf  der  frei  in  die  Mantelhöhle  ragenden  Kante  zieht 
sich  jedei'seits  die  starke  Kiemenvene  entlang,  die  andere  Kante  da- 
gegen ist  an  den  Mantel  festgeheftet.  Der  Sack,  von  welchem  die 
Kiemen  entspringen,  ist  der  Eingeweidesack.  Man  sieht  ein  dunkles 
(lebilde  durchschimmern:  den  Tintenbeutel,  hinten  fast  herzförmig 
erweitert,  nach  vorn  zu  einem  Ausfühi-gang  sich  verengernd,  der  in  den 
Enddarm  mündet.     Die  Mündung  des  Enddarms  liegt  nach  hinten  vom 

Muiul 


Trichter 


Mantel 


„Knopf" 
„Grube" 

Di-pressor 
infundibuli 

Durchschnitt 
des  Mantels 

Kieme 


Nidamentaldrüse 


Flosse 


Kieme 
Anheftung  der 

Kieme 
Mantelganglion 

■  After 

Nierenöffnung 

Geschlechts- 
öffuung 


Mündung  der 
Nidamentaldrüse 


Tintenbeutel 


Fig.   113.     Weibliche  Sepia  officinalis,  nach  Eröffnung  der  Mantelhöhle 


Orig. 


Trichter  in  der  Medianlinie.  Der  After  ist  umstellt  von  vier  Lappen, 
durch  die  er  verschlossen  werden  kann.  Seitlich  und  hinter  dem  After 
liegen  auf  zwei  Papillen  die  Mündungen  der  Ausführgänge  der 
Nieren.  Zwischen  der  im  Bilde  rechten  Kieme  und  der  rechten 
Nierenöffnung  sehen  wir  einen  weiteren  Kanal  ausmünden,  den  Aus- 
führungsgang  der  Geschlechtsprodukte. 

Es  erfolgt  nunmehr  die  Weiterpräparation,  indem  mit  der  stumpfen 
Pinzette  die  den  Eingeweidesack  bildende  zai'te  Hülle  vorsichtig  ent- 
fernt wird;  man  hüte  sich  besonders  davor,  den  Tintenbeutel  zu  ver- 
letzen, da  sein  hervorquellender  Inhalt  das  Präparat  beschmutzen  würde. 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


175 


Ist  das  Unglück  dennoch  geschehen,  so  ist  der  Tintenbeutel  samt  Aus- 
führungsgang unverzüglich  herauszunehmen  und  das  Präparat  unter 
fließendem  Wasser  abzuwaschen.  Um  Eaum  zum  Präparieren  zu  gewinnen, 
schneidet  man  den  Mantel  jedei'seits  nach  der  Basis  der  Kiemen  zu  ein 
und   steckt   ihn  mit   Nadeln  fest. 

Nach  vollendeter  Prcäparation  sehen  wir  an  einem  weiblichen 
Exemplare  folgendes  (Fig.  114).  Der  große,  schwarze  Tintenbeutel 
nimmt  die  Hauptmasse  des  Raumes  ein  und  überdeckt  die  meisten 
andeien  Organe.  Ganz  hinten  tritt  seitlich  rechts  ein  größtenteils  unter 
dem   Tintenbeutel   verborgenes   Organ   hervor,   das   Ovarium.     Weiter 


Accessorische  Nida- 
mentaldrüsen 


Nidameiitaldrüseu 


Niereusack 


After 


"  NierenniündiiriK 


.  --   Geschlechts- 
öffniuig 

Mündung  der  Nida- 
nientaldi-iisen 

Eileiterdrüso 
Kienienherz 
Pericardialdrüse 
Eileiter 


■"Eierstock 


Tinteiibeutel 


Fig.  114.    Eingeweidesack  einer  weiblichen  Sepia,  nach  Entfernung  der  Hülle.    Orig. 

nach  vorn  setzt  sich  an  das  Ovarium  der  unpaare  Eileiter  an,  leicht 
kenntlich  durch  die  großen,  gegeneinander  abgeplatteten  Eier.  Der 
Eileiter  verläuft  an  der  rechten  Seite  weiter  nach  oben  und  wird  vor 
seiner  Ausmündung  von  einer  herzförmigen  Drüse,  der  Eileiterdrüse, 
überdeckt.  Die  Ausmündung  des  Eileiters  erfolgt  in  die  Mantelhöhle. 
Vor  dem  Tintenbeutel  liegen  rechts  und  links  zwei  groi^e,  ovale 
Körper,  in  der  Mitte  mit  einer  Furche  versehen  und  von  blätteriger 
Struktur,  die  Nidamentaldrüsen.  Schon  vor  der  Entfernung  der 
Hülle  des  Eingeweidesackes  sahen  wir  sie  durch  denselben  hindurch- 
schimmern (s.  Fig.  113),  ebenso  wie  drei  davor  gelegene  kleinere  Drüsen: 
die  accessorischen  Nidamentaldrüsen.  Jetzt  nach  erfolgter  Prä- 
paration sehen  wir  auch  die  gemeinsamen  Ausmündungen  sämtlicher 
Nidamentaldrüsen  in  den  Mantelraum  (s.  Fig.  114).  Alle  diese  Drüsen 
sondern  Sekrete  ab,  die  zur  Herstellung  der  äußeren  Hüllen  der  heraus- 
tretenden Eier  dienen. 

Wir  fahren  nunmehr  mit   der  Präparation  in  folgender  Weise  fort: 
Die   beiden    großen   Nidamentaldrüsen  werden  von    hinten   her  vorsichtig 


176 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


entfernt,  indem  der  Holzgriff  des  Skalpells  darunter  geschoben  wird. 
Dann  nimmt  man  die  Finger  zu  Hilfe  und  kann  nun  den  ganzen  Drüsen- 
komplex nach  vorn  zu  abheben.  Ganz  ebenso  verfährt  man  mit  dem 
Tintenbeutel,  auch  unter  diesen  schiebt  man  von  hinten  her  den  Holz- 
griff des  Skalpells,  bis  man  den  Beutel  mit  den  Fingern  erfassen  kann; 
hierauf  hebt  man  ihn  langsam  ab  unter  gleichzeitiger  Zuhilfenahme  einer 
Pinzette,  mit  der  man  die  an  ihm  haftenden  Membranen  abtrennt.  Er 
läßt  sich  so  mit  Leichtigkeit  unverletzt  herausnehmen   (Fig.   115). 


^■■M 


Enddarm 


Nierensack 


Magen 


Ovariiim 


*■.•■■..- 
.•>'■.-•■■.-•■ 


-..V'    ■• 

■rs^'?' Herzvorkamnier 


•• Kiemenherz 

Nierensack 


Unpaarer  Nierensack 


Fig.  115.     Eingeweidesack   von  Sepm,   nach  Entfernung  von  Nidamentaldrüsen  und 

Tintenbeutel.     Orig. 


Eine  große  dreieckige  Drüse  im  hinteren  Ende  des  Eingeweide- 
sackes ist  das  Ovarium.  Zu  beiden  Seiten  des  Enddarmes  liegen  bis 
zum  Magen  hin  zwei  ansehnliche  Säcke,  die  wir,  wenn  wir  sie  nach 
vorn  hin  verfolgen,  in  den  zu  beiden  Seiten  des  Afters  gelegenen 
Nierenöffnungen  ausmünden  sehen.  Wir  haben  die  Nieren  vor  uns. 
Diese  beiden  paarigen  Nierensäcke  werden  verbunden  durch  einen 
dritten  unpaaren,  der  bedeutend  größer  ist,  in  seinem  Hauptteil  aber 
von  den  paarigen  Nierensäcken  und  dem  Magen  bedeckt  wird.  Einen 
kleineren  Teil  von  ihm  sehen  wir  in  unserem  Präparate  rechts  etwas 
tiefer  liegen. 

Schneiden  wir  die  außerordentlich  dünne  Haut  der  Nierensäcke 
auf,  so  finden  wir  unter  ihrem  Boden  traubige,  drüsige  Gebilde,  die 
wir  schon  vorher  hindurchschimmern  sahen:  die  Venenanhänge,  welche 
sie  scheinbar  erfüllen,  in  Wirklichkeit  aber  nur  die  untere  Wandung 
dieser  Nierensäcke  einstülpen.  Durch  diese  Venenanhänge  strömt  das 
venöse  Blut  und  gibt  Exkretstoffe  an  die  Nieren  ab. 

Im  Präparate  (und  Bilde  Fig.  115)  links,  seitlich  vom  unpaaren 
Nierensack,  liegt  der  Magen,  und  unter  dem  Nierensack,  diesen  ein- 
stülpend, ein  Blind  sack  von  rundlicher  Form.    Ein  größerer  Teil  des 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


177 


unpaaren  Nierensackes  liegt  unter  dem  Magen  und  seinem  Blindsack. 
Schneiden  wir  diesen  Blindsack  auf,  so  sehen  wir  seine  Wandung  mit 
zahlreichen  vorspringenden  Lamellen  erfüllt  und  im  oberen  Teile  spiralig 
eingedreht.  Speisereste  wird  man  in  diesem  Blindsack  nie  finden,  er 
dient  nur  dazu,  die  Sekrete  der  „Leber'",  welche  ihm  durch  die  beiden 
sich  im  Endabschnitt  vereinigenden  Ausführungsgänge  zugeführt  werden, 
aufzunehmen,  von  wo  sie  sich  in  den  Magen  ergießen. 

Mit    Pinzette    und    Pinsel    entfernen    wir    nunmehr    die    sämtlichen 
Venenanhänge,  um  die  übrigen  Organsysteme  freizulegen. 


Leber  - 


Kopfaorta 

Kiemen  vene   — V \ 

Herz 

Kiemenarterie  • 
Kiemenherz 


Magen 


Leibeswand 
imter  dem  ab- 
geschnittenen 
Trichter 


Kopfvene 

(1 

"^    y    ^?     y 

Abgeschnittener 

Depressor 

infundibuli 

Oesophagus 

Enddarm 

Herzvorkammer 

Kiemenai'terie 

Pancreas 

Pylonis 

Bauchaorta 

Blindsack 


Fig.  116.     Anatomie  von  Sepia,   nach  weiterer  Entfernung  der  Nieren    und  Venen- 
anhänge.    Orig. 


Vom  Magen  aus  können  wir  den  Darm  weiter  verfolgen,  der  mit 
einem  etwas  weiteren  Fylorusabschnitt  beginnt,  sich  um  sich  selbst 
windet,  und  geradlinig  nach  vorn  ziehend  mit  dem  After  endigt. 

Gerade  hinter  dieser  Windung  des  Enddarmes  befindet  sich  das 
Herz,  ein  spindelförmiger  Schlauch,  der  etwas  links  unterhalb  des 
Darmes  liegt  und  schräg  nach  vorn  aufsteigt;  das  von  ihm  nach  vorn 
ziehende  Blutgefäß  ist  die  Kopfaorta,  das  nach  hinten  ziehende  die 
Bauchaorta.  Zu  beiden  Seiten  des  Herzens  liegen  in  dieses  einmün- 
dende große  Blasen,  die  Vorkammern,  welche  von  den  auf  der  Unter- 
seite der  Kiemen  liegenden  Kiemenvenen   das  gereinigte  Blut  erhalten 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.    5.  Aufl.  12 


178  11-  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 

und  dem  Herzen  zuführen,  von  dem  es  dann  durch  die  beiden  großen 
Körperarterien  in  die  verschiedenen  Körperregionen  getrieben  wird. 
Vom  Venensystem  sehen  wir  folgendes:  Durch  die  Entfernung  der 
Venenanhänge  haben  wir  auch  größtenteils  die  Venen  selbst  entfernt, 
nur  über  der  Kiemenbasis  sehen  wir  hinter  den  Vorkammern  zwei 
blasige  Gebilde,  die  dazu  gehören,  die  Kiemenherzen.  Diese  sind 
kontraktil  und  treiben  das  von  den  Körpervenen  erhaltene  venöse  Blut 
in  die  Kiemenarterie.  An  der  Basis  jedes  Kiemenherzens  sitzt  ein 
konisches,  exkretorisch  tätiges  Gebilde,  die  Pericardialdrüse. 

Wir  haben  der  Beschreibung  der  Eingeweide  bis  jetzt  ein  weil>- 
liches  Exemplar  zugrunde  gelegt.  Liegt  ein  mäimliclies  Indivi- 
duum vor,  so  ist  die  Präparation  insofern  einfacher,  als  die  Nida- 
mentaldrüsen  fehlen,  und  man  nach  Wegnahme  der  Eingeweidehülle 
gleich  die  Nierensäcke  vor  sich  liegen  sieht.  Die  übrige  Anordnung 
ist  ungefähr  die  gleiche.  An  der  Stelle,  wo  beim  Weibchen  der  Eier- 
stock liegt,  findet  sich  beim  Männchen  der  Hode,  und  statt  des  rechts 
gelegenen  Eileiters  finden  wir  den  Samenleiter,  der  zu  einer  mäch- 
tigen Blase,  der  Spermatophorentasche,  anschwillt.  Diese  mündet 
ebenso  wie  der  Eileiter  auf  einer  rechts  gelegenen  Papille  in  die 
Mantelhöhle. 

Nachdem  wir  nun  den  Eingeweidesack  und  seinen  Inhalt  genauer 
kennen  gelernt  haben,  gehen  wir  zu  einer  Präparation  der  vor  ihm 
gelegenen  Organe  über. 

Durch  einen  medianen  Längsschnitt  trennen  wir  den  Trichter  auf, 
so   daß   wir  in  seine   Höhlung  hineinblicken  können. 

Wir  bemerken  an  der  Innenseite  seiner  oberen  Wand  einen  blatt- 
förmigen Anhang,  der  als  Klappe  fungiert  und  Triebt  er  klappe  ge- 
nannt wird. 

Über  die  Funktion  des  Trichters  gewinnen  wir  jetzt  Klarheit, 
indem  wir  sehen,  daß  er  mit  einer  weiten  Öft'nung  in  die  Mantelhöhle 
mündet.  Das  die  Kiemen  umspülende  Wasser  der  Mantelhöhle  dringt 
von  der  Mantelspalte  aus  ein  und  kann  dann  unter  gleichzeitigem 
Verschluß  des  Mantels  in  den  Trichter  gepreßt  werden.  Die  Klappe 
im  Tiichter  wird  angedrückt,  und  das  Wasser  strömt  durch  die  jetzt 
offene  vordere  Tiichteröffnung  nach  aui^en,  gleichzeitig  durch  Rückstoß 
das  Tier  in  entgegengesetzter  Richtung  fortbewegend. 

Wir  tragen  nunmehr  den  Trichter  völlig  ab.  Zunächst  werden 
die  beiden  großen  Muskelpfeiler  liinter  dem  Trichter  durchschnitten,  und 
dann  wird  durch  einen  Flächenschnitt  die  obei-e  Trichterwand  abgetragen, 
so   daß  sich   der  gesamte  Trichterapparat  abheben   läßt. 

In  der  Medianlinie  der  freigelegten  Fläche  verläuft  ein  ansehn- 
liches, vorn  stark  angeschwollenes  Blutgefäß  zum  Eingeweidesacke  hin. 
Es  ist  das  die  große  Kopfvene,  welche  aus  einem  den  Mund  um- 
gebenden Ringsinus  das  venöse  Blut  aufnimmt  und  sich  in  die  beiden 
Hohlvenen  teilt,  deren  Inhalt  durch  die  Kiemenherzen  in  die  Kiemen 
gepreßt  wird. 

Nehmen  wir  die  Decke  der  über  dem  Trichter  freigelegten  PTäche 
ab,  so  erscheint  die  von  einer  zarten  Hülle  umgebene  Leber,  aus 
zwei  langen,  symmetrischen,  in  der  Medianlinie  nahe  zusammentretenden 
Lappen  bestehend  (s.  Fig.  117). 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


179 


Nunmehr  wird  die  Kopfvene  abgeschnitten  und  entfernt;  zwischen 
beide  Leberlappen  führen  wir  den  Holzgriff  eines  Skalpells  ein  und 
drängen  sie  so   etwas   auseinander. 

Es  erscheint  nunmehr  in  der  Tiefe  zwischen  beiden  Leberlappen 
der  geradlinig  verlaufende,  dünne  Oesophagus. 


Oesophagus ..  . . 
Speicheldrüsen  , 


Depressor 
infundibuli 


Leber 


Mündung  des 
Oesophagus 


Magen 


Lippe 

Mund 
Muskelbäuder 

Schlundkopf 
Kopfknorpel 


'- —  Eiuldarni 


'  Lebergänge 


•   Blindsack 


Fig.  117.     Anatomie  von  Sepia.     Orig. 


Mit  einem  Skalpellschnitt  trennen  wir  nun  in  der  Medianlinie  den 
Kopfknorpel  auf  und  führen  den  Schnitt  Vorsichtig  weiter  nach  vorn, 
bis  wir  auf  ein  großes,   rundliches  Gebilde  stoßen. 

Dieser  Bulbus  ist  der  muskulöse  Schlundkopf,  welcher  mit  der 
Körperwand  durch  Muskelbänder  verbunden  ist;  der  Schnitt  durch  den 
Kopfknorpel  hat  auch  den  im  Kopfknorpel  liegenden,  den  Oesophagus 
umgebenden  Nerven  ring  durchschnitten,  der,  im  Knorpel  eingelagert, 
im  Querschnitt  sichtbar  wird.  Unmittelbar  vor  den  Leberlappen 
liegen  zu  beiden  Seiten  des  Oesophagus  zwei  kleine  Drüsen,  die 
Speicheldrüsen,  von  denen  feine  Ausführkanäle  nach  vorn  ziehen, 
um  sich  in  der  Medianlinie  zu  vereinigen  und  in  den  Schkindkopf  ein- 
zumünden. 

12* 


180 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische. 


An  der  Innenfläche  jedes  Leberlappens  entspringt  ein  Aus- 
führgang,  der,  mit  pankreatischen  Anhängen  besetzt,  der  Speise- 
röhre parallel  nach  dem  Magen  zu  zieht.  Kurz  vor  der  Einmündung 
in  das  Verdauungsrohr,  da,  wo  vom  Magen  der  Blindsack  abgeht,  ver- 
einigen sich  beide  Lebergänge,  um  in  den  Blindsack  einzumünden. 


Teile  des 
Ejaknlations- 
apiiarates 


Schließlich  schneiden  wir  noch  den 
Schlundkopf  auf;  das  Messer  wird  bei  einem 
Medianschnitt  bald  auf  Widerstand  stoßen, 
verursacht  durch  einen  der  beiden  Horn- 
kiefer.  Wir  gehen  daher  seitlich  rechts  und 
links  von  diesem  Kiefer  mit  der  Präparation 
weiter  und  können  ihn  bald,  wie  auch  den 
darunter  liegenden  Kiefer,  mit  den  Fingern 
herausziehen   und   betrachten. 


-  — Spermatozoensack 


-Innere  Hülle 


Nunmehr  wird  die  Radula  frei,  eine 
zahnbesetzte  Platte,  welche  einer  vorspringen- 
den Erhöhung  aufliegt. 

Damit  ist  die  Betrachtung  der  inneren 
Organsysteme  erschöpft;  es  würde  nur  noch 
das  Nervensystem^  in  Betracht  kommen. 
Dessen  Präparation  ist  indessen  für  den  An- 
fänger zu  schwierig,  und  es  sei  deshalb  auf 
die  kurze  Beschreibung  in  der  allgemeinen 
Übersicht  S.  170  verwiesen.  Nur  die  beiden 
Mantelganglien  sind  ohne  weiteres  sichtbar 
(s.  Fig.  113);  sie  liegen  an  der  Innenwand 
des  Mantels  als  große  Körper,  von  denen 
strahlenförmig  Nerven  an  die  Mantelfläche 
gehen. 

Um  das  als  „Schulp"  bezeichnete 
Schalenrudiment  kennen  zu  lernen,  führt  man 
auf  der  Medianlinie  der  dunkel  gefärbten 
Oberseite  einen  Schnitt  durch  das  dünne  Inte- 
gument  und  kann  dann  leicht  das  in  einer 
Tasche  liegende  Gebilde  frei  präparieren  und 
herausnehmen.     (Siehe  Fig.  111). 

Wir  haben  einen  ansehnlichen,  ellipsoiden 
er    wie   das   in   ein   spitzes  Häkchen  aus- 
laufende Hinterende  von  hornigen  Blättchen   gebildet  werden,   während 
die  Hauptmasse  aus  kohlensaurem  Kalk  besteht. 

Die  lamellare  Struktur  des  Schulpes  zeigt  seine  Herkunft  als 
Rudiment  einer  ursprünglich  gekammei'ten  Schale  an.  Bei  erwachsenen 
Tiei-en  finden  sich  im  Schulp  Gasansammlungen,  vielleicht  zur  Aufrecht- 
erhaltung der  normalen  Körperstellung. 


-.Innere 
■  Äußer« 


Hülle 


!re  1 
ere/ 

Fig.  1 18.    Spermatophor  von 
Sepia    (nach    MiLNE    Ed- 
wards aus  Lang). 


Körper  vor  uns,   dessen  Ränd( 


Mit  Zuhilfenahme  des  Mikroskopes  läßt  sich  noch  folgende  Unter- 
suchung  ausführen : 

Man  schneidet  bei  einem  erw^achsenen  männlichen  Tier  den  Spermato- 
phorensack  auf  und  wird  als  Inhalt  zahlreiche  weiße  Fädchen  bis  zu 
2  cm  Länge  finden.     Wir  legen  einige  derselben  unter  Wasser  auf  den 


11.  Kursus:  Muscheln  und  Tintenfische.  181 

Objektträger,    bedecken    das  Präparat   mit  einem  Deckgläschen  und   be- 
trachten  es  unter  schwacher  Vergrößerung  (Fig.   118). 

Es  ist  ein  ganz  überraschendes  Bild,  welches  wir  jetzt  sehen. 
Jedes  dieser  Fädchen  stellt  einen  Spermatophor  dar,  einen  kom- 
plizierten Apparat,  welcher  die  Spermatozoen  enthält.  AVir  sehen  zu- 
nächst eine  aus  zwei  Hüllen  bestehende  chitinige  Röhre.  An  einem 
Ende  derselben  liegt  ein  langgestreckter,  mit  Spermatozoen  gefüllter 
Samensack,  von  dem  nach  vorn  zu  ein  Fädchen  zu  einem  eigentüm- 
lichen Ejakulationsapparate  hinführt.  Das  Vorderende  des  Sperma- 
tophors  krümmt  sich  spiralig  ein.  Gelangen  die  reifen  Spermatophoren 
des  lebenden  Tieres  ins  Wasser,  so  platzen  sie  und  spritzen  ihren 
Inhalt  heraus. 


Systematischer  Überblick 

für  den  zwölften  und  dreizehnten   Kursus. 


VII.  Stainin. 


Arthropoda,  Gliederfüßer. 


Die  Gliederfüßer  sind  bilateral -symmetrisch,  innerlich  wie  äußerlich 
segmentiert  und  besitzen  gegliederte  Extremitäten,  im  Gegensatz  zu  den 
mit  ungegliederten  Extremitäten  versehenen  Anneliden.  Die  Haut  sondert  ein 
chitiniges  Skelett  ab.  dessen  einzelne  Teile  gelenkig  verbunden  sind.  Nur  bei 
den  niedersten  Formen  sind  die  Segmente  gleichartig,  bei  den  höheren  werden  sie 
zu  ungleichwertigen  Körperabschnitten  (Heteronomie).  Das  Nervensystem  besteht 
wie  bei  den  Anneliden  aus  einem  dorsalen  Hirn  und  dem  durch  zwei  Schlund- 
kommissuren  damit  verbundenen  Bauchmark  („Strickleiternervensystem"). 
Die  Augen  sind  einfach  (Stemmata)  oder  zusammengesetzt  (Facettenaugen). 
Das  Herz  liegt  über  dem  Darme,  auf  dem  Rücken;  ein  geschlossener  Blutkreislauf 
fehlt.  Die  Atmung  erfolgt  entweder  durch  Kiemen  oder  durch  Tracheen.  Man 
unterscheidet  danach  zwei  Unterstämme:  Branchiata  und  Tracheata. 

1.  Unterstamm:  Branchiata. 
Klasse:  Crustacea,  Krebse. 

Mit  zwei  Paar  Antennen  am  Kopfe.  Durch  Kiemen  atmenae  Wasser- 
bewohner. Die  Kiemen  sitzen  an  der  Basis  der  Beine.  Das  Chitin  skelett 
erlangt  durch  Einlagerung  von  kohlensaurem  Kalk  größere  Festigkeit.  Kopf  aus 
fünf  Segmenten  verschmolzen.  Die  Gliedmaßen  sind  Spaltfüße,  mit  einem  Stamm 
(Protopodit),  einem  äußeren  Schwimmfußast  (Exopodit)  und  einem  inneren 
Gehfußast  (Endopodit),  von  denen  der  Exopodit  verloren  gehen  kann.  Hierzu 
kann  noch  ein  vom  Protopodit  entspringender  Nebenast  (Epipodit)  kommen,  der 
häufig  als  Kieme  im  Dienste  der  Respiration  steht.  Die  Extremitäten  können  zu 
verschiedenen  Funktionen  herangezogen  werden,  z.  B.  treten  häufig  die  vorderen 
in  den  Dienst  der  Ernährung.  Am  Kopfe  befinden  sich  außer  den  beiden  Antennen- 
paaren  drei  Paar  Kiefer  und  zwar  ein  Paar  Oberkiefer  (Mandibeln),  sowie  ein 
erstes  und  ein  zweites  Unterkieferpaar  (Maxillen).  Die  Entwicklung  erfolgt  meist 
durch  Metamorphose.  Larvenstadien  sind  der  Nauplius  und  die  Zoea,  beide  von 
verschiedener  Organisationshöhe. 

1.  Unterklasse:  Entomostraca,  Niedere  Krebse. 

Anzahl  der  Körpersegmente  wechselnd.  Als  Exkretionsorgan  fungiert  die 
Schalendrüse.     Larvenform:  der  niedriger  organisierte  Nauplius. 

1.  Ordnung:  Phyllopoda,  Blattfüßer. 

Rückenschild  (Carapax)  vorhanden  oder  fehlend.  Der  Spaltfuß  wird  meist 
zum  Schwimmfuß  durch  Verbreiterung  beider  Äste.  Die  Kiemen  sitzen  als  Säckchen 
an  den  Schwimmfüßen.     Im  Süßwasser,  einzelne  marin. 


System.  Überblick:  Arthropoda,  Gliederfüßer. 


183 


1.   Unterordnung:  Branchiopoda,  Kiemenfüßer. 

Deutlich  segmentierter  Körper  mit  vielen  Segmenten.  Langgestrecktes  dor- 
sales Herz.  Ohne  Carapax:  Branchipus\  mit  flachem  Carapax:  Apus\  mit  zwei- 
klappiger  Schale:  Estheria. 

2.  Unterordnung:  Cladocera,   Wasserflöhe. 

Aus  wenigen,  undeutlich  abgegi'enzten  Segmenten  bestehender  Körper. 
Zweites  Antennenpaar  grolie  Ruderorgane.  Zweiklappige  Schale,  die  den  Kopf  frei- 
läßt. Herz  kurz,  säckchenförmig.  Unpaares  Facettenauge.  Oberer  Schaleni-aum 
dient  als  Brutraum.     Daphnia,  Leptodora. 

2.  Ordnung:  Ostracoda,  Miischelkrebse. 

Aus  wenigen,  undeutlich  abgegrenzten  Segmenten  bestehender  Körper. 
Zweiklappige,  muschelähiiliche  Schale,  die  auch  den  Kopf  einschließt.  Marin  und 
im   Süßwasser.      Cypris. 

3.  Ordnung:  Copepoda. 

Deutlich  segmentierter  Körper,  der  Kopf  mit  dem  ersten  Rumpfsegment  ver- 
schmolzen. Gewöhnlich  zehn  freie  Segmente,  von  denen  die  ersten  fünf  (Thorax) 
typische  Spaltfüße  tragen,  die  nächsten  vier  (Abdomen)  extremitätenlos  sind  und 
das  letzte  (Telson)  eine  Schwanzgabel  trägt.  Eier  am  Abdomen  des  Weibchens  in 
unpaaren  oder  paarigen  „Eiersäckchen'".     Marin  und  im  Süßwassei-. 

1.  Unterordnung:  Encopepoda. 

Keine  Facettenaugen.  Genitalöffnung  am  siebenten  Rum])fsegment.  Teils 
freilebend  {Cyclops),  teils  parasitisch  {Lemaed). 

2.  Unterordnung:   Branchiura. 

Schildförmiges,  flaches  Kopfbruststück  und  kleines,  gespaltenes  Abdomen. 
Drei  freie  Brustsegmeute.  P'acettenaugen.  Genitalöffnung  am  fünften  Rumpf- 
segment.   Die  zweiten  Maxillen  zu  Saugnäpfen  und  Krallen  umgewandelt.    Argulus. 

4.  Ordnung:  Cirripedia,  Rankenfüßer. 

Festsitzende  Krebse,  mit  dem  Nacken  festgeheftet.  Der  Carapax  bildet  meist 
einen  Mantel  mit  stark  verkalkten  Platten.  Füße  mit  geringelten,  dichtbehaarten 
Innen-  und  Außenästen  (Rankenfüße),  die  zum  Herbeistrudeln  der  Nahrung  dienen. 
Herz  fehlt.     Zwitter,  bisweilen  treten  ,, Zwergmännchen'-  auf.     Marin. 

1.  Unterordnung:    Lepadidaea. 

Kopfende  zu  einem  Stiel  ausgezogen.     Lepas. 

2.  Unterordnung:  Balanidaea. 

Ohne  Stiel.    Skeletteile  zum  Teil  zu  einem  festen  Kranz  verbunden.    Baianus. 

3.  Unterordnung:  Rhizocepliala. 

Durch  Parasitismus  stark  rückgebildet.  Darmkanal  wie  Gliedmaßen  fehlen. 
Körper  ein  weichhäutiger  Sack  voller  Geschlechtsprodukte.  Nahrungsaufnahme  durch 
wurzeiförmige  Verästelungen,  die  vom  festsitzenden  Stiel  ins  Innere  des  Wirtes 
Sacculina,  Peltogaster. 


hineingehen 


2.  Unterklasse:  Malacostraca,  Höhere  Krebse. 


Anzahl  der  Segmente  konstant  19,  selten  20.  Außer  5  fast  stets  verschmol- 
zenen Kopfsegmenten  8  Brustsegmente  und  6  (selten  7)  Hinterleibssegmente.  Dazu 
kommt  noch  meistens  ein  letztes  Anhangssegment,  das  Telson.  Als  Exkretionsorgan 
fungiert  die  Antennendrüse.  Larvenform:  die  höher  organisierte  Zoea.  selten 
vorher  der  Nauplius. 

1.  Legion:  Leptostraca. 

Zwischen  Entomostraken  imd  Malacostraken  stehend.  Zweiklappige  Schale. 
Abdomen  siebengliedrig,   dazu  ein  Telson  mit  beweglichen  Asten.     Marin.     Xebalia. 


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Ig4  System.  Überblick:  Arthropoda,  Gliederfüßer. 

2.  Legion:  Eumalacostraca. 

Abdomen  sechsgliedrig,  dazu  ein  Telson  ohne  bewegliche  Äste. 

A.  Syncarida. 

Kein  Rückenschild  (Carapax).  Alle  Brustsegmente  getrennt  bis  auf  das  erste, 
welches  mit  dem  Kopfe  verwachsen  ist.     Keine  Bruttasche. 

Ordnung:  Aiiaspidacea. 

Im  Süßwasser.     Annspides. 

B.  Peracarida. 

Carapax,  wenn  vorhanden,  wenigstens  vier  Brustsegmente  freilassend.  Erstes 
Brustsegment  stets  mit  dem  Kopfe  verschmolzen.  Weibchen  mit  Bruttasche,  die  aus 
blattförmigen  Anhcängen  der  Beine  gebildet  ist. 

1.  Ordnung:  Mysidacea. 

Carapax  über  den  größten  Teil  der  Brust  sich  erstreckend,  aber  höchstens 
mit  drei  Brustringen  verwachsen.  Augen  gestielt.  Brustfüße  mit  Schwimmfußästen. 
Das  erste  P'ußpaar  oder  die  beiden  ersten  zu  Kaufüßen  umgewandelt.  In  den 
Endopoditen  der  Uropoden  finden  sich  meistens  zwei  Statocysten.  Marin,  vereinzelt 
im  Süßwasser.     Mysü. 

2.  Ordnung:  Ciimacea. 

Carapax  mit  den  ersten  drei  oder  vier  Brustsegmenten  verwachsen.  Keine 
Stielaugen.  Einige  Brustfüße  mit  Schwimmfußästen,  die  ersten  drei  Fußpaare  zu 
Kieferfüßen  umgewandelt.     Marin.     Diastylis. 

3.  Ordnung:  Tanaidacea. 

Carapax  mit  den  ersten  beiden  Brustsegmenten  verwachsen.  Augen  fehlend 
oder  auf  kurzen  unbeweglichen  Stielen  stehend.  Keine  Schwimmfußäste.  Das  erste 
Fußpaar  zu  Kieferfüßen  umgewandelt.     Mai'in.     Tanais. 

4.  Ordnung:  Isopoda,  Asseln. 

Körper  dorsoventral  zusammengedrückt.  Carapax  fehlt.  Das  erste  Brust- 
segment mit  dem  Kopf  verwachsen.  Telson  fast  stets  fehlend.  Augen  sitzend  oder 
auf  kurzen  unbeweglichen  Stielen  stehend.  Brustfüße  ohne  Schwimmfußäste,  das 
erste  Paar  zu  Kieferfüßen  umgewandelt.  Herz  kurz,  ganz  oder  teilweise  im  Hinter- 
leib liegend.  Teilweise  Parasiten  und  alsdann  stark  umgebildet.  Meist  marin,  doch 
auch  auf  dem  Lande,    vereinzelt  im  Süßwasser.     Asellus  (Wasserassel),  Cryptoniscns. 

5.  Ordnung:  Amphipoda,  Flohkrebse. 

Körper  seitlich  zusammengedrückt.  Carapax  fehlt.  Das  erste  Brustsegment 
oder  die  beiden  ersten  mit  dem  Kopfe  verwachsen.  Telson  meist  vorhanden.  Augen 
sitzend,  Brustfüße  ohne  Schwimmfußäste,  das  erste  Paar  zu  Kieferästen  umgewandelt. 
Herz  meist  lang,  im  Brustabschnitt  gelegen.  Meist  marin,  einzelne  Formen  im  Süß- 
wasser.     Ganifnarns,  Phronima. 

C.  Eucavida. 

Carapax  dorsal  mit  allen  Brustsegmenten  verwachsen.  Augen  auf  beweglichen 
Stielen.     Ohne  Bruttasche. 

L  Ordnung:  Euphausiacea. 

Kein  Fußpaar  zu  Kieferfüßen  umgewandelt.  Kiemen  in  einer  einzelnen  lieihe 
am  Grundgliede  der  Füße.    Fast  stets  mit  Leuchtorganen  versehen.   INIarin.   Euphausia. 

2.  Ordnung:  Decapoda. 

Die  drei  ersten  Fußpaare  sind  zu  Kieferfüßen  umgewandelt.  Kiemen  meist 
in  mehreren  Reihen,  sowohl  am  Grundgliede  dei-  Fülle  wie  am  Körper  selbst.  Meist 
marin,  einige  Süßwasser-  und  Landformen. 


System.  Überblick:  Arthropoda.  Gliederfüßer.  185 

1.  Unterordnung:  Natantia. 

Kör])er  meist  seitlich  zusammengedrückt,  ebenso  Rostrum.  Abdominalfüße 
wohlentwickelt,  zum  Schwimmen  gebraucht.     Crangou. 

2.  Unterordnung:  Reptantia. 

Körper  nicht  seitlich,  aber  oft  dorsoventral  zusammengedrückt,  ebenso  das 
Rostrum,  wenn  es  vorhanden  ist.  Abdominalfüße  oft  reduziert  oder  fehlend,  nicht 
zum   Schwimmen  gebraucht.      Potamobjits,  Pagurus,  ßi'rgus,   Cancer. 

D.  Hoplocavida. 

Der  Carapax  läßt  vier  oder  mehr  Brustsegmente  frei.  Vom  vorderen  Teile 
des  Kopfes  gliedern  sich  zwei  freie  Segmente  ab,  die  die  auf  beweglichen  Stielen 
sitzenden  Augen  und  die  ersten  Antennen  tragen.     Keine  Bruttasche. 


Ordnung:  Stomatopoda. 


Marin.     Squilla. 


2.  Unterstamm:  Tracheata. 

Durch  hohle  Hauteinstülpungen,  Tracheen,  atmende  Landbewohner.  Mit 
einem  Paar  Antennen.  Die  Gliedmaßen  sind  niemals  Spaltfüße,  sondern  ein- 
reihig. Die  Tracheen  öffnen  sich  durch  Spalten,  Stigmata,  auf  der  Haut.  Im 
vorderen  Darmteil  münden  Speicheldrüsen  aus,  in  den  Enddarm  die  als  Niere 
fungierenden  Vasa  Malpighii.  Ferner  finden  sich  vielfach  Schleim-,  Gift-  und 
Spiiindrüsen,  auf  einer  der  Mundextreniitäten  ausmündend. 

I.  Klasse:    Protracheata. 


Übergang  von  den  Anneliden  zu  den  Tracheaten.  Annelidenähnlicher, 
segmentierter  Körper,  mit  Segmentalorganen,  Nephridien,  anderseits  im  Besitze 
von  Tracheen.  Beine  parapodienähnlich,  kurz,  mit  Krallen  versehen  („Onycho- 
phoren").  Nervenstränge  wie  bei  Plattwürmern,  ein  Paar  ventrale,  vom  Hirnganglion 
ausgehende  Stränge;  noch  nicht  zum  typischen  Strickleiternervensystem  zusammen- 
getreten.    PeripaUis. 

IL  Klasse:   Myriopoda,  Tausendfüßer. 

Annelidenähnlich,  aber  wohlgegliederte  Beine.  Kopf  aus  drei  Segmenten  ver- 
schmolzen. Strickleiternei-vensystem.  Das  dorsale  Herz  sehr  lang,  in  jedem  Segment 
eine  besondere,  mit  seitlich  angehefteten  Muskeln  versehene  Kammer  bildend.  Augen 
enifach. 

1.  Ordnung:  Diplopoda  (Cliilognatha). 

Körper  rund,  jedes  Segment  trägt  ein  Paar  Extremitäten.  Pflanzenfresser,  ßilus. 

2.  Ordnung:  Chilopoda. 

Körper  abgeplattet,  jedes  Segment  trägt  ein  Paar  Extremitäten.  Giftiger  Biß. 
Räuber.      Scohpeitdra. 

III.   Kasse:    Insecta. 


Der  Körper  besteht  aus  drei  Regionen:  Kopf,  Brust  und  Hinterleib.  Die 
Brust  besteht  aus  drei  Segmenten,  der  Hinterleib  aus  fünf  bis  elf.  Jeder  Brustring 
trägt  ein  Beinpaar  („Hexapoda").  Am  Kopf  ein  Paar  Antennen,  ein  Paar  Man- 
dibeln  und  zwei  Paar  Maxillen.  Die  ursprünglichsten  Mundgliedmaßen  sind  die 
kauenden,  davon  abzuleiten  sind  die  leckenden,  saugenden  und  stechenden. 
Können  fliegen,  da  je  ein  Paar  Flügel  am  zweiten  und  dritten  Brustring  dorsal 
angeheftet  ist,  die  als  Hautausstülpungen  zu  betrachten  sind.  An  der  Grenze  vom 
entodermalen  Mittel-  und  ektodermalen  Enddarm  münden  die  Exkretionsorgane: 
M.A  LP  IG  HI  sehe   Gefäße.      Hirn    meist    sehr   entwickelt.      Ein    Paar    Facetten- 


X>-t(3  System.  Überblick:  Arthropoda,  Gliederfüßer. 

äugen.  Tracheensystem  sehr  entwickelt,  daher  Blutgefäßsystem  rudimentär. 
Getrenntgeschlechtlich.  Bei  einigen  entwickelt  sich  das  Ei  unbefruchtet  (Partheno- 
genesis).  Die  meisten  Insekten  machen  eine  Metamorphose  in  der  Entwick- 
lung durch. 


'& 


1.  Ordnung:  Apterygota,  Urinsekten. 

Direkte  Entwicklung-,  beißende  Mundgliedmaßen;  ursprünglicher  Mangel  der 
Flügel.  Tracheen  fehlend  oder  unzusammenhängend.  Manchmal  Fußstummeln  am 
Hinterleib.      1.    Thysamira  (Lep/smaJ.  2.    Colletnbota   (Podiira). 

2.  Ordnung:  Archiptera.  Urf lügler. 

Direkte  Entwicklung  oder  unvollkommene  Metamorphose;  beißende  (bei  den 
Physopoden  saugende)  Mundgliedmaßen;  glasartige,  fein,  oft  netzförmig  geäderte 
Flügel.  1.  Corrodentia  (Ternies^  Psoctcs,  Trtchodectfs) ,  2.  Amphibiotica  (Ephemera 
Libellnla,  Perla),  3.   Physopoda  (Thrips). 

3.  Ordnung:  Ortlioj^tera,  Geradflügler. 

Unvollkommene 'Metamorphose;  beißende  Mundgliedmaßen.  Die  beiden  Flügel- 
paare ungleich.  Meist  pergamentartige  Voi-derflügel  und  etwas  weichere,  faltbare 
Hinterflügel.  1.  Dennatoptera  ( Forficiihi)  2.  Ciirsoria  (Perip/aneta) ,  3.  Gressorta 
(Mantis)^  4.   Saltatoria   (Acridiiim,   Locusta^    Gryllus). 

4.  Ordnung:  Rhynchota,  Sclinabelkerfe. 

Direkte  Entwicklung  oder  unvollkommene  Metamorphose;  stechende  Mund- 
gliedmaßen; die  Vorderflügel  halbhornig,  an  der  Spitze  häutig,  und  Hinterflügel 
häutig,  oder  alle  Flügel  häutig,  oder  Flügel  fehlend.  1.  Hemiptera  (Acauthia),  2. 
Homoptera  (Cicada),  .3.   Phytophthires  (Aphis),  4.  Aptera  (Pediculus). 

5.  Ordnung:  Neuroptera,  Netzflügler. 

Vollkommene  Metamorphose;  beißende  Mundgliedmaßen;  häutige,  netzförmig 
geäderte  Flügel.     Erstes  Brustsegment  frei.     (Myrmeleon,  Panorpa,   ChrysopaJ. 

H.  Ordnung:  Coleoptera,  Käfer. 

Vollkommene  Metamorphose;  beißende  Mundgliedmaßen;  Vorderflügel  hart, 
Hinterflügel  häutig,  einfaltbar.  1.  Pentamera  (Me/olonthaJ,  2.  Heteromera  (Meloe), 
3.    Tetratnera  ( ChrysoinelaJ ,  4.    Trimcra  (Coccinella). 

7.  Ordnung:  Strepsiptera,  Fächerflügler. 

Vollkommene  Metamorphose;  verkümmerte  Mundgliedmaßen;  Männcheii  mit 
verkümmerten  Vorder-  und  häutigen  Hinterflügeln,  Weibchen  madenförmig,  ohne 
Flügel  und  Beine  (Xenos). 

8.  Ordnung:   Hymeiioptera.  Hautflügler. 

Vollkommene  Metamorphose;  beißende  und  leckende  Mundgliedmaßen;  häutige 
Flügel.  Erstes  Brustsegment  meist  mit  dem  zweiten  verwachsen.  1.  Terebrantia 
(SirexJ,  2.    GaUicola   (CynipsJ^  3.  Entomophaga  (Ichneu?no7iJ,   4.   Acnleata  (Apis). 

9.  Ordnung:  Piptera,  Z^Yeiflügler. 

Vollkommene  Metamorphose;  saugende  oder  stechende  Mundgliedmaßen; 
häutige  Vorderflügel,  Hinterflügel  zu  Schwingkölbchen  (Halteren")  umgewandelt. 
1.  Nemocera  (Culex),  2.  Tanystoniata  (Tabanus),  3.  Aluscaria  (Musca),  4.  Ptipipara 
(Hippobosca). 

10.  Ordnung:   Aphaiiiptera,  Flöhe. 

Vollkommene  Metamorphose;  stechende  Mundgliedmaßen;  Flügel  fehlen  (Pidex). 

11.  Ordnung:  Trichoptera,  Köcherjungfern. 

Vollkommene  Metamorphose;  saugende  Mundgliedmaßen;  Vorderflügel  mit 
Haaren  oder  Schuppen  besetzt,  Hinterflügel  faltbar.  Erstes  Brustsegment  frei. 
(Phryganea). 


System.  Überblick:  Arthropoda,  (iliederfüßev.  187 

12.  Ordnung:  Lepidoptera,  Schmetterlinge. 

Vollkommene  Metamorphose,  saugende  Mundgliedmaßen;  mit  vier  gleichmäßig 
gebildeten,  häutigen,  beschuppten  Flügeln.  Erstes  Brustsegment  mit  dem  zweiten  ver- 
wachsen. \.  Microlepidoptera  (Tmea),  2.  Gcometrina  {GeometraJ ,  3.  Noctuina  (Agrotis), 
4.    Bombycina  (BombyxJ,  5.   Spliinghia  (Sphinx),  ö.   Rhopalocera  (PierisJ. 

IV.  Klasse:    Arachnida,   Spinnentiere. 

Der  Körper  zerfällt  in  Kopf  brüstst  ück  und  Hinterleib,  letzterer  ohne 
Gliedmalien,  ersterer  mit  acht  Beinen  zur  Fortbewegung.  Zu  Mundteilen  um- 
gewandelte Extremitätenpaare  sind  ein  Paar  kurze  Kieferfühler  (Cheliceren) 
und  ein  Paar  lange,  beinähnliche  Kiefertaster  (Maxillipalpen),  mit  einem  zu 
einer  Kaulade  umgewandelten  Basalglied  und  freiem,  mit  Klaue  oder  Schere  ver- 
sehenem Ende.  Oesophagus  zum  Saugen  eingerichtet.  Magen  mit  di'ei  bis  fünf  Paar 
Blindsäcken.  Ganglien  des  Bauchmarks  meist  mehr  oder  minder  verschmolzen. 
Zwei  bis  zwölf  hoch  entwickelte  Einzelaugen.  Tracheen  zu  vier  Paar  oder  weniger, 
ventral  am  vorderen  Teile  des  Hinterleibes  sich  öffnend.  Außer  den  typischen 
T räch eenbüsch ein  finden  sich  auch  Tracheenlungen,  zahlreiche  Blätter  ent- 
haltende Säckchen,  die  aus  ersteren  entstanden  sind.  Das  Blutgefäßsystem  kann 
bei  kleinen  F'ormen  felilen. 

1.  Unterklasse:  Arthogastres,  Gliederspinnen. 

Hinterleib  deutlich  gegliedert. 

1.  Ordnung:  Scorpioiies. 

Gestreckter  Körper.  Oberflächliche  Ähnlichkeit  mit  Flußkrebs.  Kiefertaster 
mit  kräftiger  Schere,  auch  die  Kieferfühler  tragen  kurze  Scheren.  Die  letzten 
sechs  Segmente  des  Hinterleibes  sind  schmäler  als  die  vorderen  sieben  und  bilden 
das  Postabdomen,  an  dessen  letztem  Gliede  ein  Giftstachel  mit  den  Mündungen 
zweier  Giftdrüsen  sitzt.     Tracheenlungen.     Gebären  lebendige  Junge.     Scorpio. 

2.  Ordnung:  Solpuges. 

Körper  insektenähnlich.  Kein  einheitliches  Kopfbruststück,  die  drei  Brust- 
segmente getrennt.  Die  Kieferfühler  tragen  kräftige  Scheren;  die  Kiefertaster  und 
das  erste  Paar  Beine  groß,  zum  Tasten  verwandt.  Nur  die  drei  an  den  drei  Brust- 
segmenten sitzenden  Extremitäten  werden  zum  Laufen  verwandt.  Nächtliche  Tiere. 
Galeodes. 

3.  Ordnung:  Pedipalpi. 

Die  sechs  vorderen  Segmente  zum  Kopfbruststück  verschmolzen,  nur  die  drei 
hinteren  Beinpaare  werden  zum  Laufen  verwandt;  das  erste  in  fadenförmige  Geißel 
ausgezogen.     Kieferfühler  und  Kiefertaster  mit  Klauen.     Phrymts,   Telyphonus. 

4.  Ordnung:  Pseudoscorpioiies. 

Ähnlich  den  Skoi-pionen,  aber  es  fehlt  das  Postabdomen  mit  Giftstachel,  und 
der  segmentierte  Hinterleib  ist  dem  Kopfbruststück  breit  angewachsen.  Tracheen. 
Chelifer. 

5.  Ordnung:  Phalangia. 

Hinterleib  undeutlich  gegliedert  und  vom  Kopfbruststück  nicht  scharf  ab- 
gesetzt.    Sehr  lange  Beine.     Tracheen.     Keine  Spinnwarzen.     Phalangium. 

2.  Unterklasse:  Sphaerogastres,  Rundspinnen. 

Hinterleib  wie  Kopfbrust  nicht  gegliedert,  weichhäutig. 

6.  Ordnung:  Araiiea,  Weberspinnen. 

Die  vier  Paar  Beine  dienen  zur  Bewegung.  Die  Kieferfühler  mit  spitzer 
Klaue,  auf  der  oft  eine  Giftdrüse  ausmündet.  Am  Hinterleib  liegen  die  Spinn- 
warzen mit  vielen  Öffnungen,  aus  denen  rasch  erhärtende  Sekretfäden  fließen,  welche 


188  12.  Kursus:  Crustacea.  Krebstiere. 

von    den    Hinterextremitäten    zu    einem   Faden  versponnen    werden.     Atmung  durcli 
Lungen  und  Tracheen.     Epeira. 

7.  Ordnung:  Acariiia,  Milben. 

Rückgebildete  Spinnen,  mit  verschmolzenem  Vorder-  und  Hinterleib.  Vier 
Paar  Beine  und  zwei  Paar  Mundgliedmaßen,  die  einen  Stechrüssel  bilden.  Ixodes, 
Demodex . 

8.  Ordnung:  Liiiguatulina,  Zungenwürmer. 

Durch  Parasitismus  stark  veränderte,  wurniähnliche  Tiere  in  der  Stirnhöhle 
von  Carnivoren,  als  .Tugendformen  in  der  Leber  und  Lunge  von  Nagetieren.  Ihre 
Zugehörigkeit  zu  den  Spinnentieren  erweist  die  Entwicklungsgeschichte.  Pentastomum. 

Anhang. 

Folgende  drei  Grupi)en  haben  noch  keine  sichere  systematische  Stellung  ge- 
funden. 1.  Die  XJphosuren,  zu  welchen  der  Molukkenkrebs  Limuhis  moluccamis 
gehört,  die  früher  den  Krebsen  zugezählt,  jetzt  von  vielen  Zoologen  den  Spinnen- 
tieren angegliedert  werden.  2.  Die  Pycnogoniden.  die  ebenfalls  entweder  den 
Krebsen  oder  den  Spinnentieren  zugerechnet  oder  als  besondere  Tiergruppe  be- 
trachtet werden,  und  'i.  die  Tardigraden  oder  Bärentierchen,  die  von  manchen  zu 
den  Spinnentieren  gestellt,  neuerdings  aber  als  Abkömmlinge  der  Anneliden  be- 
trachtet werden. 


12.  Kursus. 

Crustacea,  Krebstiere. 


Technische  Vorbereitungen. 

Zum  Studium  der  Krebstiere  verwenden  wir  zwei  Süßwasser- 
formen, die  beide  leicht  zu  beschaffen  sind.  Die  eine,  eine  Daphnide, 
tis  ein  Vertreter  der  niederen  Krebsfe  und  ist  unter  dem  Mikroskope  zu 
untersuclien.  Daphniden  sind  überall  in  unseren  Teichen  häufig  und 
erfüllen  gemeinsam  mit  Cyclops  das  Wasser  oft  in  großen  Mengen.  Man 
schöpft  derartiges  Wasser  mit  einem  großen  Glase  hei'aus  oder  benutzt 
besser  zum  Fischen  ein  feines  Gazenetz,  welches  alsdann  in  ein  mit  klarem 
Wasser  gefülltes  Glas  umgestülpt  und  ausgewaschen   wird. 

Schon  mit  bloßem  Auge  lassen  sich  die  Daphnien  von  den  kleineren, 
oft  rötlich  gefärbten  Copepoden  unterscheiden,  welche  mit  schnellen, 
ruckweisen  Stößen  schwimmen,  während  sich  die  flacheren  Daphnien,  mit 
ihren  großen  Antennen  rudernd,  langsamer  durchs  Wasser  bewegen. 

Die  andere  zu  untersuchende  Form  ist  der  Flußkrebs.  Potamobiiis 
astacus  L.  Die  Tiere  werden  beim  Händler  gekauft  und  kurz  vor  Beginn 
des  Kursus  in  einem  bedeckten  Glasgefäß  (ohne  Wasser!)  durch  einige 
Tropfen  Chloroform  getötet. 

A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Krebse  sind  durch  Kiemem  atmende  Gliedertiere,  im  Gegen- 
satz zu  den  durch  Tracheen  atmenden  Tracheaten.  Die  Gliederung 
des  Körpers  ist  nur  bei  einigen  der  ältesten  Formen  mehr  gleichartig 
und  daher  annelidenähnlich,  bei  den  meisten  dagegen  ungleichartig, 
heteronom.  Von  den  Anneliden  unterscheiden  sie  sich  besonders 
durch   die    gegliederten   Extremitäten.     Zur   Bildung    des   Kopfes 


12.  Kursus:  Criistacöa,  Krebstiere.  [89 

treten  fünf  Metameren  zusammen  mit  ebensoviel  Gliedmaßenpaaren,  die 
als  zwei  Paar  Antennen,  ein  Paar  Mandibeln  und  zwei  Paar 
Maxillen  erscheinen. 

Sämtliche  Gliedmaßen,  mit  Ausnahme  der  ersten  Antennen,  sind 
ursprünglich  nach  einem  einheitlichen  Typus,  dem  des  „Spaltfußes", 
gebaut.  Wir  unterscheiden  an  einem  typischen  Spaltfuß  ein  Stammglied 
(Protopodit)  und  auf  ihm  sitzend  einen  Innenast,  Gehfußast  (Endo- 
podit),  einen  vom  zweiten  Glied  desselben  entspringenden  Außenast, 
Schwimmfußast  (Exopodit)  und  einen  meist  im  Dienste  der  Respiration 
stehenden  Nebenast  (Epipodit).    Außenast  wie  Nebenast  können  fehlen. 

Die  Zahl  der  Metameren  schwankt  in  der  Regel  zwischen  10  und  20. 
Meist  scheidet  sich  der  Rumpf  in  zwei  Hauptabschnitte,  Brust  und 
Hinterleib.  Indem  Brustringe  mit  dem  Kopfe  verschmelzen,  entsteht 
der  Cephalothorax. 

Ihren  Namen  verdanken  die  Crustaceen  der  Eigentümlichkeit,  daß 
in  die  chitinige  Cuticula  eine  meist  ansehnliche  Quantität  von  kohlen- 
saurem Kalk  abgelagert  und  dadurch  ein  dicker,  harter  und  spröder 
Panzer  gebildet  wird. 

Der  Darmkanal  beginnt  mit  einem  auf  der  Unterseite  des  Kopfes 
liegenden  Munde,  der  vorn  und  hinten  von  je  einer  unpaaren  Haut- 
falte, der  Oberlippe  und  der  Unterlippe,  begrenzt  ist.  Speichel- 
drüsen fehlen  stets.  Häufig  ist  der  \'orderdarm  zu  einem  Kaumagen 
umgebildet,  und  der  Mitteldarm  besitzt  meist  eine  Mitteldarmdrüse 
(„Leber"), 

Die  Atmungswerkzeuge  fehlen  bei  manchen,  besonders  kleinen 
Formen,  und  die  ganze  Köi-peroberfläche  tritt  alsdann  in  den  Dienst 
der  Respiration;  meist  sind  aber  Kiemen  entwickelt,  entweder  als 
besondere  verästelte  Anhänge  an  den  Gliedmaßen  oder  Körperseiten, 
oder  die  Nebenäste  (Epipoditen)  der  Gliedmaßen  sind  völlig  zu  Kiemen 
geworden.  Manche  Krebse  haljen  sich  dem  Leben  auf  dem  festen  Lande 
angepaßt  und  nehmen  den  Sauerstoff  aus  der  atmosphärischen  Luft  auf 
(z.  B.  Birgus  latro  und  die  Landasseln). 

Das  Gefäßsystem  ist  verschieden  ausgebildet,  doch  niemals 
geschlossen.  Das  Herz  liegt  dorsal  über  dem  Darme.  Das  Blut 
wird  vom  Herzen  aus  durch  Arterien  (die  bei  kleinen  Formen,  wie  die 
Gefäße  überhaupt,  fehlen  können)  in  den  Körper  getrieben.  Das  un- 
brauchbar gewordene  Blut  sammelt  sich  in  größeren  Behältern  an  und 
tritt  alsdann  in  die  Kiemen  hinein,  von  denen  es.  wieder  mit  Sauerstoff 
versehen,  durch  besondere  Gefäße  zum  Herzbeutel  geleitet  wird.  Durch 
die  Spalten  des  Herzens  strömt  es  dann  in  dasselbe  hinein. 

Das  Nervensystem  ist  ein  typisches  Strickleiternervensystem, 
mit  Gehii'n,  Schlundkommissuren  und  ßauchganglienkette. 

Von  Sinnesorganen  finden  sich  Geruchsorgane,  an  den  ersten 
Antennen  sitzende,  fadenförmige  Haare;  sogenannte  Gehörorgane  sind 
nur  bei  höheren  Krebsen  vorhanden,  meist  ein  Grübchen  an  der  Basis 
der  ersten  Antennen,  mit  feinen  innervierten  Haaren,  die  an  ihrer  Spitze 
einen  Haufen  „Hörsteinchen"  tragen,  welche  von  außen  hineingebracht 
werden;  Augen  finden  sich  in  zweierlei  Formen:  das  einfacher  gebaute 
ist  das  sogenannte  Stirnauge  oder  Naupliusauge  in  der  Mittellinie 
des  Kopfes,  während  die  beiden  großen,  zusammengesetzten  Augen,  die 
Seitenaugen,  zu  beiden  Seiten  des  Kopfes  liegen,  unbeweglich  oder 
auf  beweglichen  Stielen.  Ein  zusammengesetztes  Auge  oder  Facetten - 
äuge   besteht  aus   einem  Komplex  keilförmiger,    einfacher  Augen,    von 


190  12-  Kl»"«»*:':  Crustacea,  Krebstiere. 

denen  jedes  nur  einen  einzelnen  Bildpunkt  liefert,  deren  Gesamtheit 
ein  aufrechtes  Bild  zustande  kommen  läßt  (Jon.  Müllers  Theorie  des 
musivischen  Sehens). 

Als  Exkretionsorgane  fungieren  zwei  Drüsen,  die  Schalen- 
und  die  Antennendrüse,  die  in  ihrem  Bau  an  die  Nephridien  der. 
Anneliden  erinnern.  Die  Antennendrüsen  münden  im  Basalglied  der 
zweiten  Antennen,  die  Schalendrüsen  an  der  Basis  der  zweiten  Maxillen. 

Die  meisten  Krebse  sind  getrennten  Geschlechts.  Die  Geschlechts- 
organe münden  auf  der  Bauchseite.  Bei  manchen  findet  sich  Partheno- 
genesis. 

Die  Entwicklung  ist  meist  mit  Metamorphose  verbunden, 
indem  das  aus  dem  Ei  schlüpfende  Junge  wesentlich  anders  gebaut 
ist  als  das  erwachsene  Tier.  Die  niederen  Krebse  durchlaufen  das 
Nauplius-Stadium,  die  höheren  das  der  Zoea,  Der  Nauplius  ist  von 
gedrungenem  Bau  mit  drei  Paar  zum  Schwimmen  dienenden  Extremi- 
täten, von  denen  das  erste,  einreihige,  zu  den  ersten  Antennen  wird, 
das  zweireihige  zweite  und  dritte  zu  den  zweiten  Antennen  und  zu 
den  Mandibeln.  Das  Auge  („Naupliusauge")  ist  einfach,  die  zusammen- 
gesetzten Seitenaugen  fehlen. 

Die  Zoea  ist  viel  komplizierter  gebaut,  sie  besteht  aus  Cephalo- 
thorax  und  Hinterleib,  ersterer  mit  mehreren  Schwimmfußpaaren.  Ferner 
finden  sich  zwei  zusammengesetzte  Seitenaugen  und  ein  Herz. 

Die  Krebse,  von  denen  manche  parasitisch  sind,  leben  meist  im 
Meere,  teils  schwimmend,  teds  auf  dem  Boden  kriechend,  andere  im 
Süßwasser,  und  eine  Anzahl  sind  terrestrische  Tiere  geworden. 

B.  Spezieller  Kursus. 

1.   Eine   Daphnide  (Shnocephalns  vetulus  0.  F.  Müll.). 

Bezüglich  der  Beschaffung  des  Materials  sei  auf  S.  188  vervv'iesen. 
Die  Tiere  werden  mittels  einer  Glasröhre  aus  dem  Gefäße  geholt  und  mit 
etwas  Wasser  auf  den  Objektträger  gebracht.  Das  darauf  zu  bringende  Deck- 
gläschen wird  an  der  Unterseite  mit  Wacbsfüßchen  versehen.  Die  Unter- 
suchung des  lebenden  Tieres  erfolgt  zunächst  bei  schwacher  Vergrößerung. 

Wir  beginnen  mit  der  Betrachtung  der  äußeren  Körperform. 

Die  Daphniden  gehören  zur  Unterordnung  der  Cladoceren, 
die  mit  den  Branchiopoden  zusammen  die  erste  Ordnung  der  Ento- 
mostraken:  die  Phyllopoden  ausmachen.  Der  Körper  erscheint  ein- 
geschlossen in  eine  zw  ei  klapp  ige  Schale,  die  nur  den  Kopf  mit  den 
starken  Ruderantennen  freiläßt.  Beide  Schalen  sind  auf  dem  Rücken 
verbunden.  Stellt  man  auf  die  Obeifiäche  der  Schale  ein,  so  sieht  man, 
daß  diese  in  regelmäßiger  Weise  skulpturiert  ist;  besonders  wird  das 
deutlich  am  hinteren  Rande,  wo  die  Schale  über  den  Körper  hinaus- 
ragt. In  dieser  Schale  ist  der  gedrungene  Körper  des  Tieres  bis  auf 
den  Kopf  geborgen. 

Die  Extremitäten  sind  folgende:  Zuerst  ein  Paar  kleiner  An- 
tennen, oberhalb  des  Mundeinganges,  mit  einem  Besatz  feiner  ,.Riech- 
röhrchen"  endigend,  zweitens  ein  Paar  großer  Spaltfüße:  die  zweiten 
oder  Ruderantennen,  welche  zur  Fortbewegung  des  Tieres  dienen. 
Sie  bestehen  aus  einem  starken  Stammglied,  in  welches  mehrere  kräftige 
Muskeln  hineintreten,  und  zwei  mit  Schwimmborsten  versehenen  Ästen. 


12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 


191 


Schwer  zu  sehen  sind  die  Mundgliedmaßen,  zuerst  ein  Paar 
Mandibeln,  ungegliedert,  kräftig,  und  mit  gezälmeltem,  nach  einwärts 
gekrümmtem,  freiem  Ende.  Viel  schwächer  sind  die  Maxillen  ent- 
wickelt, die  ganz  rudimentär  sein  können.  Es  folgen  dann  4 — 6  Paar 
Beine,  die  von  den  Schalen  umhüllt  sind  und  deren  Gestalt  daher 
nicht  leicht  festzustellen  ist.  Außenast  und  Innenast  sind  stark  ver- 
breitert, häufig  plattenförmig,  und  an  der  Basis  erhebt  sich  ein  blasen- 
förmiger  Anhang:  das  Kiemensäckchen.  Die  Beine  nehmen  von 
vorn  nach  hinten  zu  an  Größe  ab,  das  letzte  Paar  ist  häufig  rudimentär. 

Der  Hinterleib  ist  stark  ventralvvärts  gekrümmt,  sehr  beweglich 
und  endigt  in  einer  wechselnden  Zahl  von  Endkrallen  und  Borsten. 


Mandibel 


Muskulatui- 


Eierstock 


Spaltöffnung 
Herz 


Eier 


ßrutrauin 


Scliale 


Erstes  Bein 


Kiemensäckchen 
des  zweiten  Beines 


Leibes  wand' 
Darm 


Fig. 


119.     Eine  Daphnide  {Simocephalus  vehilns,  0.  F.  Mlill.).     Orig. 


Unter  den  inneren  Organen  erregt  unsere  Aufmerksamkeit  zunächst 
das  lebhaft  pulsierende  Herz,  ein  dorsal  liegendes,  rundliches  Säckchen 
mit  einer  Spaltöffnung  jederseits,  die  bei  manchen  Arten  zu  einer 
einzigen  queren  Öffnung  zusammentreten. 

Die  Kontraktionen  des  Herzens  erfolgen  sehr  schnell,  man  kann 
in  der  Sekunde  etwa  2 — 4  zählen;  sie  werden  bewirkt  durch  ring- 
förmige Muskulatur.  Außen  sieht  man  am  Herzen  noch  einzelne  Zellen 
mit  deutlichen  Kernen  sitzen.  Umgeben  wird  das  Herz  von  einem 
schwer  sichtbaren,  zarten  Herzbeutel.  Vom  Herzen  ausgehende  Blut- 
gefäße fehlen  völlig,  vielmehr  umspült  das  farblose  oder  ganz  schwach 
gefärbte  Blut  die  inneren   Organe.     Mit   stärkerer   \'ergrößerung  sieht 


192  12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 

man  auch  farblose  Zellen  im  Blute  schwimmen  und  kann  deren  Weg 
verfolgen.  Betrachtet  man  aufmerksam  den  vorderen  Rand  des  Herzens, 
so  wird  man  aus  der  dort  liegenden  arteriellen  Öffnung  die  Blutzellen 
ausströmen  und  in  den  Kopf,  sowie  dessen  Gliedmaßen  eintreten  sehen; 
vom  Kopfe  kehrt  das  Blut  zurück  in  den  Rumpf  und  von  da  aus  in 
die  Beinpaare.  Ein  anderer  Strom  zweigt  sich  ab,  um  in  den  Raum 
einzutreten,  welcher  von  der  Duplikatur  der  Schale  gebildet  wird. 
Dieser  Raum  ist  von  zahlreichen  Stützbalken  durchzogen,  und  der 
Blutsti-om  verästelt  sich  daher  netzförmig.  Das  aus  dem  Leil»e  und 
dem  Schalenraume  zurückkehrende  Blut  geht  dann  zum  Herzbeutel 
zurück,  aus  dem  es  vom  Herzen  wieder  aufgenommen  wird. 

Vom  Nervensystem  ist  das  Gehirn  zu  sehen,  unmittelbar  über 
dem  Schlund  gelegen  und  aus  rechtem  und  linkem  Ganglion  ver- 
schmolzen. Rückwärts  gehen  die  beiden  den  Schlund  umfassenden 
Kommissuren  ab.  Nach  vorn  zu,  und  mit  dem  Gehirn  verbunden,  liegt 
das  Ganglion  opticum,  von  dem  aus  das  große  unpaare  Auge  inner- 
viert wird.  Dieses  Auge  ist  bei  Embryonen  paarig  angelegt  und  beim 
erwachsenen  Tiere  verschmolzen.  Es  ist  in  fortwährender  zitternder 
Bewegung.  Wir  sehen  in  der  Peripherie  eine  zarte  Hülle,  darunter 
eine  Anzahl  heller,  stark  lichtbrechender  Körper,  die  Kristallkegel, 
denen  sich  nach  innen  zu  radiär  gestellte  Nervenstäbe  anschließen,  (loch 
wird  das  Innere  durch  das  dichte,  dunkle  Pigment  verdeckt. 

Die  zitternde  Bewegung  wird  hervorgerufen  durch  das  Spiel  der 
Augenmuskeln,  die,  meist  sechs  an  der  Zahl,  sich  am  Auge  inserieren 
und  in  der  Nähe  der  Basis  der  Ruderantenne  entspringen. 

Es  findet  sich  nun  noch  eine  Pigmentstelle  am  Kopfe,  oft  mit 
Kristallkegel  und  meist  lang  ausgezogen,  das  sogenannte  „Nebenauge", 
welches  einem  unpaaren  Gehirnfortsatz  aufliegt;  es  entspricht  dem  Seh- 
organ des  Nauplius. 

Als  weiteres  Sinnesorgan  haben  wir  die  feinen  röhrenförmigen 
Aufsätze  am  freien  Ende  der  ersten  Antenne  aufzufassen:  sie  sind 
als  Organ  eines  chemischen  Sinnes  zu  betrachten.  Zahlreiche  feine 
Haare  fungieren  als  Tastorgane. 

Bei  manchen  Daphniden  findet  man  auf  dem  Rücken  hinter 
dem  Auge  eine  Vertiefung,  unterhalb  deren  größere  drüsige  Zellen 
liegen;  es  ist  dies  ein  Haftapparat.  Die  Schalendrüse  ist  sehr  groß 
und  liegt  in  transversaler  Ausdehnung  unter  der  Mandibel.  Der  Darm- 
kanal steigt,  vom  Munde  beginnend,  als  Schlund  bogenförmig  in  die 
Höhe  und  ist  von  Ringmuskeln  umgeben.  Vom  langgestreckten  Magen 
gehen  nach  vorn  zwei  Blindsäcke,  die  „Leberhörnchen"  ab.  Der 
Enddarm  ist  kurz,  und  an  sein  Ende  setzen  sich  ringsherum  strahlen- 
förmig Muskeln  an. 

Von  den  Geschlechtsorganen  sieht  man  sehr  gut  die  beiden 
Eierstöcke,  welche  zu  beiden  Seiten  des  Darmes  liegen.  Die  Eier  sind 
in  Gruppen  zu  vier  in  den  sogenannten  Eifächern  angeordnet,  und 
mit  sehr  deutlichem  Keimbläschen  und  einer  oder  mehreren  Ölkugeln 
versehen.  Nur  ein  Ei  aus  jedem  Fach  entwickelt  sich,  die  anderen 
drei  werden  als  Nahrung  verbraucht;  so  entstehen  die  Sommereier. 
Die  größeren,  dickschaligen  Wintereier  entstehen,  wenn  die  Eier 
mehrerer  Eifächer  zur  Nahrung  eines  einzigen  verwandt  werden. 

Die  Sommereier  entwickeln  sich  unbefruchtet,  die  Wintereier  nur 
nach  vorausgegangener  Befruchtung.  Im  Herbst  treten  die  männ- 
lichen Daphniden    auf,    kleiner    und    etwas   anders  gestaltet  als   die 


12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere.  193 

Weibchen.  An  Stelle  der  Ovarien  haben  sie  zur  Seite  des  Darmes 
die  Hoden  liegen. 

Bei  vielen  Exemplaren  wird  man  in  dem  dorsalen  Räume,  welcher 
zwischen  Schale  nnd  Körper  liegt,  einige  große  Eier  liegen  sehen. 
Dieser  Raum  dient  als  Brut  räum,  in  welchem  die  Eier  heranwachsen. 
Die  größeren  Wintereier,  von  denen  sich  nur  eins  oder  zwei  im  Brut- 
raum finden,  werden  hier  mit  einer  chitinigen  Schale,  zwei  uhrglasartig 
gewölbten  Platten,  dem  Ephippium.  umhüllt,  das  einen  lufterfüllten, 
als  hydrostatischer  Apparat  wirkenden  Raum  darstellt. 

Schließlich  betrachten  wir  noch  die  zahlreichen  Infusorien  (Vorti- 
celliden),  welche  sich  auf  der  Schale  der  meisten  Tiere  angesiedelt  haben. 


2.  Der  Flußkrebs,   Botamobius  astacus  (L.). 

Der  Flußkrebs   wird   in    dem  Wachsbecken    unter  Wasser   studiert. 

Zunächst  erfolgt  die  Betrachtung  der  äußeren  Körperform. 
Wir  sehen  den  Körper  umgeben  von  einem  festen  Panzer,  der  aus 
chitiniger  Substanz  besteht,  in  welche  sich  Kalksalze  abgelagert  haben. 
Dieses  von  der  darunter  liegenden  Epidermis  ausgeschiedene  Skelett 
wird  alljährlich  durch  Häutung  gewechselt. 

Der  Panzer  besteht  aus  zwei  Hautabschnitten,  dem  Kopfbrust- 
stück (Cephalothorax,  der  sogenannten  „Krebsnase")  und  dem 
Hinterleib  (Abdomen,  dem  „Krebsschwanz").  Betrachten  wir  das 
Tier  vom  Rücken,  so  sehen  wir  in  der  Mitte  des  Kopfbruststückes  eine 
seichte,  aber  deutliche  Querfurche,  die  Nackenfurche,  welche  die 
hintere  Begrenzung  des  Kopfes  angibt;  zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie 
des  Bruststückes  verlaufen  zwei  weitere  sehr  seichte  Furchen  nach 
hinten,  innerhalb  deren  der  Panzer  mit  dem  Rücken  des  Krebses  fest 
verwachsen  ist,  während  zu  beiden  Seiten  des  Körpers  die  Kiemen- 
höhlen liegen. 

Der  Kopf  ab  schnitt  spitzt  sich  nach  vorn  zu  einem  stachel- 
artigen Fortsatz,  dem  Rostrum,  zu,  an  dessen  Seiten  die  gestielten 
Augen  liegen. 

Der  Hinterleib  ist  geringelt,  und  zwar  sind  es  sechs  Segmente, 
welche  wir  zählen,  ein  siebentes,  letztes  ist  die  mittlere  Schuppe  des 
Schwanzfächers.  Die  sechs  Ringel,  von  denen  der  erste  noch  zum  Teil 
vom  Kopfbruststück  bedeckt  wird,  sind  beweglich  miteinander  verbunden. 

Betrachten  wir  den  Krebs  von  der  Bauchseite,  so  fallen  vor  allem 
die  segmental  angeordneten  Gliedmaßen  in  die  Augen,  im  ganzen 
neunzehn  Paare. 

Es  werden  mit  einer  Pinzette  die  sämtlichen  Gliedmaßen  einer 
Seite  abgelöst  und  der  Reihe  nach  auf  einen  Bogen  Papier  gelegt.  Die 
Pinzette  muß  möglichst  tief  angesetzt  werden.  Ratsam  ist  es,  die  Ex- 
tremitäten von  hinten  nach  vorn  loszutrennen,  weil  man  alsdann  die 
Mundextremitäten   besser  sehen   und   anfassen  kann. 

Die  Betrachtung  beginnt  mit  der  vordersten  Extremität,  der  ersten 
Antenne.  Wir  sehen  an  ihr  drei  aufeinander  folgende  Glieder,  denen 
zwei  zarte,  geringelte  Fäden  aufsitzen,  der  äußere  etwas  dicker  und 
länger  als  der  innere.  In  dem  Basalteil  liegt  das  sogenannte  „Hör- 
grübchen", ein  nach  außen  sich  öffnendes  Säckchen,  innen  mit  einer 
Leiste   versehen,   auf   der   zu   beiden   Seiten   zarte   Borsten    sitzen,  auf 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.    5.  Aufl.  13 


194 


12.  Kursus:  Crustacea.  Krebstiere. 


Äußere  Geißel 
Innere  Gteißel 

Basalteil 

Zweite   Antenne  'M/    y^^ap  ,<iVi^ 

von  der  Ventralseite #3? 

Schuppe ^<^fe0'^'^^ 

Mündung  der  Antennen- ^y^'!^--''''^^«^^  '^•^V 

drüse 

Kaulade 
Palpus -j^- -  --^. "  ft>i-5m( " 

W 


Erste  Antenne 
Zweite  Antenne 


Erste  Maxille 
Zweite  Maxille 


Kaulade 
Exopodit 

Erster  Kieferfuß 

Endopodit 

Zweiter  Kieferfuß 

Exopodit 

Endopodit 

Dritter  Kieferfuß 
Exopodit 


Schreit  • 
fuß 


■   Afterfuß 


S^jij,  Seitenteile 

'/        des  Schwanzfächers 


Fig.  120.     Die  Gliedmaßen  des  männlichen  Flußkrebses.     Orig. 


12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere.  195 

deren  Spitze,  in  gallertige  Masse  eingebettet,  kleine  Fremdkörper,  wie 
z.  B.  Sandkörnchen,  ruhen.  Ein  Nerv  tritt  in  die  Borsten  hinein; 
das  Organ  dient  aber  nicht  zum  Hören,  sondern  ist  ein  Gleichgewichts- 
organ, also  als  „Statocyste"  zu  bezeichnen. 

Die  erste  Antenne  trägt  noch  ein  weiteres  Sinnesorgan:  an  dem 
äußeren  Fühlerfaden  finden  sich  nämlich  vom  siebenten  bis  zum  vorletzten 
Ringe  eigentümliche  Anhänge  von  zirka  Y^o  ^^^^  Länge,  die  als  Riech- 
haare bezeichnet  werden. 

Sehr  viel  größer  als  die  erste  ist  die  zweite  Antenne.  Sehen 
wir  uns  diese  Antenne  von  der  Ventralseite  an,  so  bemerken  wir  auf 
ihrem  kurzen  Basalglied  einen  Höcker,  auf  dem  das  Exkretionsorgan, 
die  Antennendrüse,  ausmündet.  Außer  dem  langen  Fühler,  welchen 
der  Krebs  im  Leben  stets  tastend  bewegt,  findet  sich  noch  ein  äußerer 
Ast,  in  Form  einer  breiten  dreieckigen  Schuppe. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  Mundgliedmaßen,  welche  die  Zer- 
kleinerung der  Nahrung  besorgen.  Die  erste  derselben  ist  die  Man- 
dibel,  bestehend  aus  einer  massiven,  nach  innen  gezähnten  Kaulade 
und  einem,  den  äußeren  Fußast  darstellenden,  dreigliedrigen  Taster 
oder  Pal p US. 

Es  folgen  nunmehr  die  beiden  Maxillen,  die  sich  als  kurze, 
dünne  Platten  mit  rudimentären  Tastern  darstellen. 

Die  Kieferfüße  zeigen  den  Spaltfußcharakter  schon  viel  deut- 
licher, am  wenigsten  noch  dei-  erste.  Es  sind  drei  Paar  solcher  Kiefer- 
füße vorhanden,  die  bei  der  Nahrungsaufnahme  mit  tätig  sind.  (Siehe 
Fig.  120.) 

Der  zweite  und  mehr  noch  der  dritte  Kieferfuß  besitzen  einen 
nach  innen  gehenden  Anhang,  auf  dem  sich  fadenförmige  Kiemen  be- 
finden. Die  Taster  dieser  Mundghedmaßen,  welche  am  Eingange  zum 
vorderen  Spalt  der  Kiemenhöhlen  liegen,  sieht  man  am  lebenden  Tiere 
fast  ununterbrochen  in  lebhafter  schlagender  Bewegung  zur  Erneuerung 
des  Atemwassers  in  den  Kiemenhöhlen. 

Auf  die  drei  Kieferfüße  folgen  die  fünf  Brustgliedmaßen, 
welche  der  Ordnung  den  Namen  Decapoden  verschafft  haben.  Es 
fehlt  ihnen  der  äußere  Ast  (Schwimmfußast)  des  typischen  Spaltfußes. 
Die  erste  Gliedmaße  ist  wie  die  anderen  Schreitfüße  siebengliedrig 
und  am  Ende  mit  einer  großen  Schere  versehen,  die  einen  inneren 
beweglichen  Ast  besitzt. 

Es  folgen  nunmehr  die  Beine  des  Hinterleibes,  die  Afterfüße 
(Pedes  spurii),  fünf  an  der  Zahl. 

Bei  ihnen  tritt,  mit  Ausnahme  des  ersten,  der  ursprüngliche  Spalt- 
fuß wieder  zutage.  Sie  helfen  beim  Schwimmen  und  dienen  beim 
Weibchen  auch  zur  Befestigung  der  Eier.  Beim  Männchen  sind  die 
beiden  vordersten  Paare  zu  Hilfsorganen  füi-  die  Begattung  umgewan- 
delt, indem  das  erste  in  einer  Rinne  den  Samen  aus  der  männlichen 
Geschlechtsöifnung  fan  der  Basis  des  letzten  Brustfußes  gelegen)  auf- 
nimmt und  dem  Weibchen  an  die  weibliche  Geschlechtsöffnung  (an  der 
Basis  des  dritten  Brustfußes  gelegen)  anklebt.  Das  zweite  Paar 
Afterfüße  deckt  beim  Männchen  die  Rinne  des  ersten  Paares  zu.  Beim 
Weibchen  ist  das  erste  Paar  Afterfüße  rückgebildet.  Die  anderen  vier 
Afterfüße  sind  Spaltfüße,  beim  Weibchen  zum  Tragen  der  befruch- 
teten Eier  bestimmt.  Am  vorletzten  Körpersegment  sitzen  als  sechste 
Hinterleibsextreraitäten  zwei  breite  Platten  (Uropoden).  aus  Innen- 
und    Außenast    eines    Spaltfußes    entstanden,    welche    die    Seiten    des 

13* 


196  12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 

Schwanzfächers  biklen.  Die  mittlere  Platte  des  Schwanzfächers,  das 
Tel  so  n,  ist  als  umgewandeltes  siebentes  und  letztes  Hinterleibssegment 
anzusehen.  Auf  der  Unterseite  des  Telsons  liegt  der  After  als  deut- 
licher Längsschlitz. 

Zur  Untersucliun<^  seiner  inneren  Organisation  wird  nunmehr 
der  Krebs  mit  der  Ventralseite  ins  Wachsbecken  geleot  und  mit  dem 
Skalpell  die  weiche  Haut  auf  dem  Rücken,  welche  Kopfbruststück  und 
Hinterleib  verbindet,  ein  Stück  weit  aufgetrennt.  Dann  werden  mit  der 
Schere  zwei  parallele  Schnitte  nach  vorn  geführt,  etwa  in  der  Gegend 
der  zarten  Längsfurchen  und  weiter  nach  vorn  bis  kurz  vor  die  Augen, 
wo  sie  durch  einen  kurzen,  transversalen  Schnitt  miteinander  verbunden 
werden.  Das  Mittelstück  wird  darauf  am  hinteren  Ende  mit  der  Pinzette 
gefaßt   und   vorsichtig  von   seiner   weichen  Unterlage   abgelöst. 

In  gleicher  Weise  führt  man  zwei  Schnitte  parallel  der  dorsalen 
Mittellinie  nach  hinten  und  trägt  dann  vorsichtig  das  obere  Panzerstück 
jedes  Schwanzsegmentes   ab. 

Schließlich  werden  noch  die  beiden  Seitenwände  des  Kopfbrust- 
schildes entfernt,  was  leicht  gelingt,  da  diese  nicht  wie  das  Mittelstück 
angewachsen   sind   (Fig.   121). 

Der  größte  Teil  der  inneren  Organe  ist  nunmehr  sichtbar.  Wir 
beginnen  mit  der  Betrachtung  des  Herzens.  Dicht  vor  dem  hinteren 
Rande  des  Kopfbruststückes  liegt  in  der  dorsalen  Mittellinie  das  an- 
sehnliche Herz,  von  fünfeckiger  Gestalt,  mit  drei  Paar  Spalten,  von 
denen  nur  das  dorsal  gelegene  Paar  zu  sehen  ist.  Nach  vorn  ziehen 
drei  ihrer  Zartheit  wegen  schwer  zu  sehende  Gefäße,  von  denen  die 
beiden  seitlichen  sich  wieder  gabeln,  das  mittlere,  die  Augen  versorgende, 
direkt  median  nach  vorn  zieht. 

Nach  hinten  geht  nur  ein  Gefäß  ab.  die  Hinterleibsarterie,  die 
dorsal  auf  dem  Darm  liegt  und  rechts  und  links  Verzweigungen  abgibt. 
Andere  Gefäße  lassen  sich  auf  unserem  Präparat  nicht  sehen,  doch 
wollen  wir  uns  merken,  daß  ein  weiteres  Gefäß  ventralwärts  zieht, 
um  in  ein  ventrales  Längsgelaß  einzumünden. 

Ein  besonderer,  das  Herz  umgebender  Herzbeutel  empfängt 
das  in  den  Kiemen  arteriell  gewordene  Blut  durch  zahlreiche  Kiemen- 
venen, von  wo  es  durch  die  Spaltöffnungen  zum  Herzen  gelangt,  welches 
es  durch  die  Arterien  in  den  Körper  pumpt.  Hier  sammelt  sich  das 
venös  gewordene  Blut  in  Hohlräumen  und  gelangt  in  einen  großen, 
ventral  gelegenen  Blutsinus,  von  wo  es  in  die  Kiemen  strömt. 

Der  Blutkreislauf  ist  also,  wenn  auch  nahezu,  doch  nicht  ganz 
geschlossen. 

Durch  Wegnahme  der  Seitenteile  des  Cephalothorax  haben  wir 
die  Kiemen  freigelegt.  Wie  wir  gesehen  haben,  ist  der  Panzer  am 
Rücken  in  einem  medianen  Streifen  festgewachsen,  wölbt  sich  aber 
jederseits  frei  über  die  Kiemen  hinweg,  zwei  Kiemenhöhlen  bildend,  die 
nach  vorn  zu  in  Spalten  sich  öffnen.  Um  eine  Zirkulation  in  den 
Kiemenhöhlen  zu  bewiiken  und  frisches,  sauerstoffhaltiges  Wasser  zu- 
zuführen, sind  die  Taster  der  Kieferfüße  fast  ununterbrochen  in  vibrie- 
render Tätigkeit.  Die  Kiemen  selbst  sind  blattartige,  z.  T.  auch  faden- 
förmige Gebilde,  die  an  den  Brust-  und  Kieferfüßen,  in  ihrem  dorsalen 
Teile  auch  an  der  Körperwand  sitzen. 

Vom  Darm  System  sehen  wir  ganz  vorn  im  Kopfl)ruststück  ge- 
legen   den    Magen,    von    dem    eine    kurze,    ventralwärts    absteigende 


12.  Kursus:   rnistacea.   iCrebstiere. 


197 


ilanflibclmuskel 


Erste  Antenne 

Zweite  Antenne 

Schiijute 
liostrum 
Auge 


—  Magen 


Aiiüenaricrie 
Mandibelmuskel 

I>el)or 


Herzspalten 
H.M-z 


A  bdoniinalarterie 


Miisliiilatur   des 
Schwanzes 


Fig.    12 ! .       .Viiatüinie    eines    m  ä  n  n  1  i  c  h  e  n    F  1  ii  ß  k  r  e  h  s  e  s    von     der    Dorsal- 


seite.    Orig. 


198 


12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 


Speiseröhre  zum  Mund  führt.    Zwei  vordere  und  zwei  hintere  Muskeln 
sind  an  ihm  inseriert. 

Die  dorsale  Decke  des  Magens  wird  mittels  eines  Scherenschnittes 
abgetragen  und  der  bräunliche,  schleimige  Inhalt  mit  Pinzette  und  Spritz- 
flasche entfernt. 

Man  sieht  nunmehr  zwei  starke  Chitinleisten  von  beiden  Söiten 
ins  Innere  vorspringen,  zu  denen  noch  eine  unpaare  obere  kommt. 
Diese  drei  „Magenzähne"  dienen  zur  Zerkleinerung  der  Nahrung, 
und  der  Magen  wird  daher  als  „Kau ma gen"  bezeichnet.  Zuzeiten 
liegen  in  zwei  seitlichen  Ausbuchtungen  des  Magens  die  sogenannten 
„Krebsaugen",    halbrunde,    weiße    Ablagerungen    von    kohlensaurem 


Antennendrüse 

Harnblase 

Mandibelmuskel 


Gehirn 

Schlundkommissnr 

Oesophagus 


Unlerschhmdgan.ij 
lion 


/      Paariger    Teil    des 
Ovanums 


Eileiter 

l'npaarer   Teil    des 
Ovariums 


Fig.  122.    Anatomie  eines  weiblichen  Flußkrebses  von  der  Dorsalseite;  Magen, 

Leber  und  Herz  sind  entfernt.     Oria. 


Kalk,  die  wahrscheinlich  bei  der  Neubildung  des  Panzers  nach  der 
Häutung  verbraucht  werden.  Hinter  dem  Kaumagen  münden  die  beiden 
ansehnlichen,  braunen  Leberlappen  in  den  Darm,  welche  die  dorsale 
Körperregion  zwischen  Magen  und  Herz  völlig  ausfüllen.  Zerzupft 
man  sie  ein  wenig,  so  erkennt  man.  daß  sie  aus  sehr  vielen  kleinen 
Schläuchen  bestehen. 

Kurz    hinter  der  Einmündung   der  Leber   Iteginnt   der   geradlinig 
nach  hinten  zum  After  ziehende  Enddarm. 


12.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 


199 


Gleich  bei  Beginn  der  Untersuchung  der  inneren  Organe  werden 
dem  Praktikanten,  falls  er  ein  männliches  Tier  zur  Untersuchung  er- 
halten hat,  stark  geknäuelte,  schneeweiße  Schläuche  aufgefallen  sein, 
die  etwas  hinter  dem  Herzen  liegen  und  sich  in  die  Tiefe  verlieren. 
Das  sind  die  Ausführgänge  der  Hoden,  die  beiden  Vasa  deferentia, 
welche  auf  der  Bauchseite  an  der  Basis  des  fünften  Brustbeinpaares  aus- 
münden. Die  Hoden  selbst  liegen  dicht  vor  dem  Herzen  in  der  Median- 
linie  und   sind  in  ihrem  hinteren  Abschnitt   miteinander  verschmolzen. 

Hat  der  Praktikant  ein  weibliches  Tier  vor  sich,  so  wird  er  die 
ähnlich  angeordneten  Ovarien  sehen,   die   ebenfalls  im  hinteren  Teile 
verschmolzen  sind  und  von  denen  kurze  Ovi- 
dukte  zur  Basis   des   dritten  Brustbeinpaares  \_y    Gehim 
führen  (s.  Fig.  122). 

Zum  Studium  der  Exkretionsorgane  wird 
der  Magen  herausgehoben  und  der  vordere  Teil 
des  Kopfbruststückes  vorsichtig  entfei'nt. 


Schlundkommissui' 


Unteres  Schlund- 
ganglion 


Erstes  Hinterleibs- 
ganglion 


/  s. 


Man  sieht  alsdann  die  sehr  auffallenden 
großen,  grünen  Drüsen  oder  Antennen- 
drüsen, auf  denen  ein  feines,  koUabiertes  Säck- 
chen („Harnblase")  liegt.  Wie  schon  er- 
wähnt, münden  diese  Drüsen  an  der  Basis  der 
zweiten  Antenne  ventral  aus  (Fig.  122). 

Die  Präparation  des  Nervensystems 
erfolgt  von  hinten  nach  vorn.  Es  werden  die 
Muskeln  des  Hinterleibes  entfernt,  und  am 
Grunde  sieht  man  dann  den  Nervenstrang 
liegen.  Jedes  Segment  besitzt  ein  eigenes 
Ganglion,  so  daß  im  Hinterleibe  sechs  solcher 
Ganglien  vorhanden  sind,  von  denen  jederseits 
drei  Nerven  entspringen. 

Verfolgt  man  das  Bauchmark  vom  Schwänze 
aus  nach  vorn,  so  sieht  man  es  im  Cephalo- 
thorax  plötzlich  unter  einer  aus  mehreren  Stük- 
ken  bestehenden  Skelettplatte  verschwinden. 
In  den  zwischen  dieser  Skelettplatte  und  dem 
ventralen  äußeren  Körperskelett  liegenden  Raum 
befinden  sich  seitlich  die  Muskeln  der  Brust- 
extremitäten, in  der  Mitte  dagegen  ein  sog. 
„Stern alkanal",  in  dem  das  Bauchmark  liegt. 

Präparieren  wir  diese  innere  Skelettplatte 
mit  ein   paai-   längsgeführten  Scherenschnitten 

ab,  so  können  wir  das  Bauchmark  liegen  sehen.  Man  findet  indessen 
nur  sechs  Ganglien,  während  acht  Segmente  vorhanden  sind,  so  daß 
Verschmelzungen  stattgefunden  haben  müssen.  Aus  verschmolzenen, 
ursprünglich  segmentalen  Ganglien  besteht  auch  das  untere  Schlund- 
ganglion, von  dem  die  beiden  Schlundkommissuren,  den  Oesophagus 
umfassend,  nach  oben  zum  Hirnganglion  gehen  (s.  Fig.  123). 

Es  schließt  sich  nunmehr  die  mikroskopische  Untersuchung 
einzelner  Teile  an:  so  kann  man  die  Mandibeln  und  Maxillen  unter 
schwächster  Vergrößerung  betrachten,  ebenso  die  erste  Antenne,  um  die 
Geruchsborsten,  sowie  den  von  Borsten  umstellten  Eingang  zu  dem 
Hörbläschen  zu  sehen.     Ein  weiteres  Präparat  gewinnt  man  durch  Zer- 


^^ 


Fig.     123.       Nervensystem 
des  Flußkrebses.     Orig. 


200  i2.  Kursus:  Crustacea,  Krebstiere. 

zupfen  eines  Stückchens  des  Samenleiters.  Man  sieht  alsdann  bei  starker 
Vergrößerung  eine  Menge  rundlicher  Zellen,  die  Spermatozoen,  die,  wenn 
sie  reif  sind,  eine  sonderbare  Gestalt  annehmen,  indem  von  ihrem 
scheibenförmigen  Körper  aus  eine  Anzahl  langer,  gebogener  Strahlen 
abgehen. 

Auch  vom  Bauchmark  ist  ein  Stück  abzuschneiden  und  auf  dem 
Objektträger  auszubreiten.  Bei  Anwendung  schwächster  Vergrößerung 
sieht  man  die  Doppehiatur  der  einzelnen  GangUen,  sowie  der  sie  ver- 
bindenden Längskommissuren. 

Ferner  sind  die  Kiemen  aufmerksam  zu  durchsuchen  auf  einen 
wenige  Millimeter  großen  hellweißen  Parasiten  hin,  die  Branchiobdella 
astaci  Odier.  die  allerdings  nicht  gerade  häufig  ist. 

Hat  man  einen  solchen  Parasiten  gefunden,  so  fertige  man  von 
ihm  ein  mikroskopisches  Präparat  an,  indem  man  ihn  unter  Wasser  auf 
den  Objektträger  bringt  und  ein  Deckglas  mit  Wachsfüßchen  darauf 
legt.  Die  große  Durchsichtigkeit  des  Tieres  gestattet  eine  eingehende 
Untersuchung  seines  Baues.  Branchiohdella  wird  meist  zu  den  Hiru- 
dineen  gerechnet  und  bildet  in  vieler  Hinsicht  einen  Übergang  zwischen 
diesen  und  den  Chaetopoden.  Es  fehlen  die  Borsten,  und  der  Körper 
ist  nicht  geringelt,  dagegen  zeigen  die  vier  wundervoll  deutlichen 
Nephridien  große  Flimmertrichter,  die  in  fler  wohl  entwickelten  Leibes- 
höhle liegen.  Auch  ist  ein  dorsales  und  ein  ventrales  Blutgefäß  vor- 
handen. Beide  sind  durch  transversale  Bögen  verbunden,  so  daß  ein 
vollständiger  Kreislauf  vorhanden  ist.  Um  den  Flimmertrichter  läßt 
sich  deutlich  die  lebhafte  Flimmerbewegung  wahrnehmen.  Der  muskulöse, 
gelbbi'aune  Darm  zeigt  kräftige  Kontraktionsbewegungen;  vorn  liegen 
zwei  chitinige  Kiefer  mit  nach  hinten  gerichteten  Spitzen.  Die  weib- 
lichen Geschlechtsorgane  sind  zwei  Eierstöcke  im  hinteren  Körperteil, 
die  männlichen  liegen  weiter  nach  vorn  und  bestehen  aus  zwei  Hoden, 
in  welche  die  Samenleiter  mit  Trichtern  münden,  und  einem  langen, 
nur  zum  Teil  ausstülpbaren  Penis. 

Findet  man  nach  Wegnahme  der  dorsalen  Decke  am  Darm  oder 
in  dessen  Umgebung  kleine,  länglich-eiförmige  Gebilde  von  hellroter 
Farbe,  die  in  einer  glashellen,  an  beiden  Polen  zugespitzten  Hülle 
liegen,  so  hat  man  Jugendzustände  eines  Kratzwurmes  (s.  S.  87),  des 
Echinorhynchus  polymorphns  Bremser,  vor  sich. 


13.  Kursus. 

Insekten. 


Technische  VorbereituDgen. 

Zu  diesem  Kurse  sind  erforderlich  eine  Anzahl  in  Bäckereien  leicht 
erhältlicher  Küchenschaben  {Periplaneta  orientalis  L.j,  die  bis  auf  einige 
junge  Männchen  kurz  vor  Beginn  des  Kurses  mit  etwas  Äther  getötet 
werden,  ferner  etwas  konserviertes  Alkoholmaterial  der  gleichen  Form, 
sowie  Alkoholmaterial  von  Hummeln,  Schmelterlingen  und  großen  Mücken. 

Gegen  Ende  des  Kurses  können  noch  im  Wasser  lebende  Larven 
von  Ephemeriden  untersucht  werden.  Man  erhält  sie  fast  immer,  wenn 
man  Wasserpflanzen  im  Glase  daraufhin  absucht. 


13.  Kiivsus:  Insekten.  201 

A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Insekten  sind  trotz  der  Einförmigkeit  ihrer  Organisation  die 
bei  weitem  artenreichste  Tierklasse.  Die  wesentlichsten  Eigentümlich- 
keiten ihres  Körperbaues  sind  die  folgenden.  Der  Körper  besteht  aus 
einer  größeren  Anzahl  von  Segmenten,  die  zu  drei  Körperabschnitten, 
Kopf,  Brust  und  Hinterleib,  zusammentreten.  Am  Kopfe  stehen 
vier  Paar  Gliedmaßen.  Das  erste  Paar  sind  die  Antennen,  darauf 
folgen  Oberkiefer  (Mandibeln)  und  erstes  und  zweites  Paar  Maxillen. 
Ein  fünftes  Paar,  der  Hypopharynx,  der  sich  zwischen  ersten  und 
zweiten  Maxillen  einschiebt,  ist  fast  stets  stark  rudimentär.  Die  Brust 
besteht  aus  drei  Segmenten,  dem  Pro-,  Meso-  und  Metathorax,  von 
denen  die  beiden  letzteren  aus  dorsalen  Hautfalten  entstandene  Flügel 
tragen  können.  Im  Hinter  leibe  schwankt  die  Zahl  der  Segmente 
zwischen  11  und  5.  Bei  manchen  primitiven  Insektenformeu  zeigen 
sich  noch  Spuren  von  Extremitätenanlagen  an  den  Hinteileibssegmenten. 

Der  Chitinpanzer,  welcher  den  Körper  umgibt,  bildet  um  den 
Kopf  herum  eine  einheitliche  Kapsel.  Die  drei  Brustringe  bestehen 
aus  je  vier  Teilen;  einem  ventralen  Stern  um,  einem  dorsalen  No- 
tum  und  den  seitlichen  Pleurae,  die  unbeweglich  miteinander  ver- 
bunden sind.  Dagegen  sind  die  Segmente  des  Hinterleibes  beweglicher, 
indem  nur  ein  festes  Bauchschild  (Scutumj  und  Rückenschild 
(Tergum)  vorhanden  sind,  die  durch  eine  weiche  Haut  jederseits  ver- 
bunden werden. 

Von  den  Extremitäten  sind  die  vordersten  die  Antennen  (von 
denen  bei  den  Tracheateu  nur  ein  Paar  existiert  im  Gegensatz  zu  den 
zwei  Paar  Antennen  bei  den  Branchiaten).  Sie  stehen  vorn  auf  der 
Stirn  und  werden  vom  Gehirn  aus  innerviert.  Zu  den  Mundgliedmaßen 
ist  nicht  zu  rechnen  die  Oberlippe,  die  nur  eine  abgegliederte  un- 
paare  Platte  der  Kopfkapsel  ist.  Die  drei  Mundgliedmaßenpaare  sind 
sehr  verschieden  gestaltet,  die  zweiten  Maxillen  sind  stets  mehr  oder 
weniger  zu  einem  unpaaren  Stücke,  der  Unterlippe,  verschmolzen. 
Es  lassen  sich  vier  Hauptformen  der  Mundbildung  unterscheiden: 
1.  beißende,  2.  leckende,  3.  stechende  und  4.  schlürfende  Mund- 
teile. Die  beißenden  Mundteile  sind  die  ursprünglichsten.  Die 
Oberkiefer  sind  einfache,  starke,  ungegliederte  Kauplatten  mit  ge- 
zähntem Innenrande,  stets  ohne  Taster.  Der  Unterkiefer  (erste 
Maxille)  besteht  aus  einem  basalen  Angelglied  (Cardo)  und  einem  darauf 
eingelenkten  Stielglied  (Stipes),  welches  eine  innere  und  eine  äußere 
Kaulade  und  nach  außen  davon  je  einen  mehrgliedrigen  Kiefertaster 
(Palpus  maxillaris)  trägt.  Die  Hinterkiefer  (zweiten  Maxillen)  sind 
zu  einem  unpaaren  Stücke  verschmolzen:  der  Unterlippe.  Diese  be- 
steht aus  einem  basalen  Teil,  dem  Unterkinn  (Submentum),  dann 
dem  Kinn  (Mentum),  mit  den  paarigen  Innen-  und  Außenladen, 
auch  Glossae  und  Paraglossae  genannt,  sowie  den  Lippentastern 
(Palpi  labiales). 

Derartige  beißende  Mundteile  finden  sich  bei  Archipteren  und 
Orthopteren,  modifiziert  bei  Neuropteren  und  Coleopteren^  verkümmert 
bei  Apterygoten  und  Strepsipteren. 

An  diese  beißenden  Mundteile  schließen  sich  die  leckenden 
Mundteile  mancher  Hymenopteren  an.  Die  beiden  Maxillenpaare 
verlängern  sich  bei  diesen  zu  einer  „Leckzunge",  die  inneren  Laden 
der   Unterlippe,    die   Glossae,    verschmelzen    zu    einer    langen    Rinne, 


202  1^-  Kursus:  Insekten. 

und  auch  die  Teile  der  Unterkiefer  sind  lang  ausgestreckt.  Die 
Mandibeln  dagegen  bleiben  unverändert  und  sind  zum  Beißen  und 
Kauen  geeignet. 

Bei  Dipteren  und  Rhync]wten  finden  sich  stechende  Mund- 
werkzeuge, bestehend  aus  zwei  Paar  dünnen  Stechborsten:  den 
Mandibeln  und  Maxillen.  Dazu  kommt  noch  die  zu  einem  Rüssel  um- 
gewandelte Unterlippe,  deren  dorsaler  Verschluß  durch  die  Oberlippe 
bewirkt  wird.  In  diesem  Rüssel  sind  die  Stechborsten  enthalten.  Bei 
manchen  Dipteren  finden  sich  erhebliche  Modifikationen. 

Am  abweichendsten  gestaltet  sind  die  schlürfenden  Mund  teile 
der  Schmetterlinge.  Die  Maxillen  sind  zu  einem  langen,  meist  spiralig 
aufgerollten  Rüssel  entwickelt.  Dagegen  sind  alle  anderen  Mundteile 
mehr  oder  weniger  verkümmert,  mit  Ausnahme  der  Palpi  labiales. 

Ziemlich  gleichmäßig  gebaut  sind  die  drei  Paar  Gliedmaßen  der 
Brust.  Man  unterscheidet  an  ihnen  1.  das  Hüftglied  (Coxa), 
2.  den  ganz  kurzen  Schenkelring  (Trochanter),  3.  den  starken 
Oberschenkel  (Femur),  4.  das  Schienbein  (Tibia)  und  5.  den 
mehrgliederigen  Fuß  (Tarsus),  dessen  letztes  Glied  gewöhnlich  ein 
Paar  Krallen  trägt. 

Die  zwei  Paar  Flügel  am  Meso-  und  Metathorax  sind  mit  chiti- 
nigem Geäder  versehen,  in  dessen  Innerem  Tracheen,  Nerven-  und  Blut- 
räume verlaufen.  Sie  sind  ursprünglich  dünne  Hautduplikaturen.  Die 
Vorderilügel  können  sich  teilweise  oder  ganz  in  harte  Flügeldecken 
umwandeln.  Bei"  den  Dipteren  verwandeln  sich  die  Hinterflügel  in 
Sinnesorgane  (Halteren).  Die  Flügel  können  sich  auch  ganz  rückbilden. 

Zur  inneren  Organisation  übergehend  betrachten  wir  zunächst  den 
Darmkanal;  dieser  ist  bei  pflanzenfressenden  Insekten  ein  langes, 
dünnes,  bei  fleischfressenden  ein  kurzes,  weites  Rohr.  Vorn  in  der 
Mundhöhle  münden  ein  oder  zwei  Paar  Speicheldrüsen.  Der  Oeso- 
phagus erweitert  sich  hinten  zu  einem  Kropf,  auf  den  häufig  ein 
Muskelmagen  zur  weiteren  Zerkleinerung  der  Nahrung  folgt.  Der 
verdauende  Dai-mabschnitt  ist  sehr  kurz,  hier  und  da  mit  Blindschläuchen 
versehen,  aber  stets  ohne  Leber,  die  allen  Tracheaten  fehlt.  Im 
Beginn  des  Enddarmes  münden  die  büschelförmigen  Exkretionsorgane, 
die  Vasa  Malpighii.  Nur  der  verdauende  Darmteil  gehört  dem 
Entoderm  an,  so  daß  dieses  also  bei  der  Darmbildung  gegenüber  dem 
Ektoderm  sehr  zurücktritt. 

Das  Nervensystem  ist  das  typische  Strickleiternervensystem. 
Bei  höher  entwickelten  Insekten  ist  das  Gehirn  sehr  kompliziert  gebaut. 
Die  Ganglien,  besonders  die  der  letzten  Abdominalsegmente,  können 
verschmelzen. 

Von  Sinnesorganen  finden  sich  die  beiden  großen  Facettenaugen 
zu  beiden  Seiten  des  Kopfes,  dazwischen  können  —  meist  drei  — 
kleine,  einfache  Augen  vorkommen. 

Die  Chitinhaare  der  Haut  dienen  als  Tasthaare;  an  den  Fühlern 
der  Mundgliedmaßen  sitzen  einfache  Geruchsorgane  und  im  Munde 
Geschmacksorgane;  Gehörorgane  sind  nur  vereinzelt  (z.  B.  bei 
Heuschrecken)  nachgewiesen  und  sitzen  oft  als  mit  dünner  Membran 
überzogene  Tracheenblasen  an  den  Beinen. 

Die  Tracheen  öffnen  sich  in  den  seitlichen,  segmental  gelegenen 
Stigmen  und  umspinnen,  sich  immer  mehr  verästelnd,  alle  Organe,  die 
dadurch  direkt  und  ohne  Vermittlung  des  Blutgefäßsystems  mit  Sauer- 


13.  Kursus:  Insekten.  203 

Stoff  versehen  werden.  Das  Bkitgefäßsysteni  ist  daher  rudimentär. 
Liiftreservoirs  sind  die  bei  guten  Fliegern  vorkommenden  Tracheen- 
blasen,  Erweiterungen  der  Tracheen.  Bei  manchen  im  Wasser  lebenden 
Larven  erfolgt  die  Aufnahme  des  Sauerstoffs  in  das  Tracheensystem 
nicht  durch  die  Stigmen,  sondern  diese  sind  geschlossen,  und  der  Sauer- 
stoff tritt  durch  die  Haut.  Die  Haut  kann  nun  zu  diesem  Zwecke 
blatt-  oder  l)üschelartige  Anhänge  am  Körper  Ijilden,  in  welche  die  Tracheen 
eintreten:  die  Tracheenkiemen.  Die  Tracheen  dienen  sowohl  zur  Aus- 
leitung kohlensäurehaltiger  Luft,  als  zur  Zuleitung  der  sauerstoffreichen. 

Das  Blutgefäßsystem  beschränkt  sich  auf  das  dorsale  Herz, 
welches  in  der  Mittellinie  des  Hinterleibes  in  einem  besonderen  Teil  der 
Leibeshöhle,  dem  Pericardialsinus,  liegt.  Es  besitzt  höchstens  acht 
Kammern,  acht  Paai-  Spaltöffnungen,  Ostien.  und  acht  Paar  Plügel- 
muskeln.  welche  es  in  seiner  Lage  halten.  Nur  bei  einigen  sehr  primi- 
tiven Formen  (z.  B.  Periplancta)  finden  sich  noch  weitere  Kammern, 
die  in  den  Biustabschnitt  reichen. 

Die  Insekten  sind  so  gut  wie  immer  getrenntgeschlechtlich.  Die  Ge- 
schlechtsorgane liegen  ventral  am  Hinterleibe.  Beim  Männchen  finden  sich 
zwei  Hoden  und  zwei  Ausführgänge  (Vasa  deferentia),  die  sich 
zu  einem  Ductus  ejaculatorius  vereinigen.  Beim  Weibchen  be- 
stehen die  Ovarien  aus  zwei  büschelförmig  angeordneten  Schlauch- 
gruppen;  die  beiden  Eileiter  vereinigen  sich  zu  einer  Scheide,  neben 
der  eine  Begattungstasche  liegen  kann.  Außerdem  ist  ein  Re- 
ceptaculum  seminis  zur  Aufnahme  der  Spermatozoen  verbanden. 
Sowohl  männliche  wie  weibliche  Geschlechtsorgane  besitzen  stark  ent- 
wickelte Anhangsdrüsen, 

Bei  manchen  Insekten  entwickeln  sich  auch  die  unbefruchteten 
Eier  (Parthenogenesis). 

Es  werden  unterschieden  Insekten  mit  direkter  Entwicklung, 
solche  mit  unvollkommener  und  solche  mit  vollkommener  Meta- 
morphose. Bei  der  direkten  Entwicklung  gleichen  die  Jungen  im 
wesentlichen  den  Alten,  bei  der  unvollkommenen  Metamorphose  be- 
steht der  Unterschied  hauptsächlich  darin,  daß  die  Larven  noch  keine 
ausgebildeten  Flügel  haben,  bei  der  vollkommenen  Metamorphose  ist 
die  Larve  sehr  verschieden  vom  erwachsenen  Tier,  und  es  schiebt 
sich  eine  besondere  Entwicklungsstufe,  das  Puppenstadium,  ein, 
während  dessen  das  meist  in  Ruhe  verharrende  Tier  keine  Nahrung  zu 
sich  nimmt. 

Haben  die  Larven  nur  diei  Paar  (gegliederte;  Brustextremitäten, 
und  sind  auch  am  Hinterleibe  (ungegliederte)  Extremitäten  vorhanden, 
so  nennt  man  sie  Raupen:  fehlen  die  Beine  und  der  Kopf  gänzlich, 
so  sind  es  Maden, 


B.  Spezieller  Kursus. 

Periplaneta  orienUiUs  (L.). 

Die  äußere  Körperform.  Wie  bei  allen  Insekten,  so  lassen 
sich  auch  bei  Periplancta  drei  Körperregionen  unterscheiden:  Kopf. 
Brust  und  Hinterleib.  Betrachten  wir  das  Tier  von  der  Oberseite 
(s.  Fig.  124  und  126),  so  erscheint  der  die  beiden  Antennen  tragende 
Kopf  durch  eine  tiefe  Einschnürung  abgesetzt.  Der  darauf  folgende 
schildförmige  Abschnitt   ist    nicht   etwa    die   ganze  Brust,   sondern   nur 


s 


204 


13.  Kursus:  Insekten. 


Antenne 


Palpus  niiixillans 


Prothorax 


Fig.   124.     Periplaneta   or/eiital/s  ^,    Dorsalansicht.     Orig. 


Fig.   125.     Periplaneta  orientalis  ^,  von  der  Seite.     Orig. 


lo.  Kursus:  Insekten. 


205 


Ajiteiine 


Piilpus  iiuixillaris 


-  Flüfiel 


Mota- 
thoiax 


Fig.   126.     Periplaneta  orientatis  ^.  Dorsalansiclit.     Orig. 


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Fig.    I2v.      Periplaneta  on'entah's   $,    von   der  Seite.     Orig. 


206  13.  Kursus:  Insekten. 

das  erste  Segment  derselben,  der  Prothorax,  die  beiden  folgenden 
Brustsegmente,  Meso-  und  Metathorax;  sind  beim  Männchen  von 
den  darauf  inserierten  Flügeln  bedeckt  und  somit  ist  in  der  Dorsal- 
ansicht die  Grenze  zwischen  Brust  und  Hinterleib  nicht  sichtbar.  Beim 
nahezu  flügellosen  Weibchen  ist  die  Trennung  zwischen  Brust  und 
Hinterleib  deutlicher,  da  die  Hinterleibssegniente  viel  kürzer  sind  als 
die  Brustsegmente.  Die  Zahl  der  Hinterleibssegmente  beträgt  10. 
Das  vorderste  ist.  vom  Rücken  gesehen,  kleiner  als  die  übrigen,  ebenso 
sind  achtes  und  neuntes  Segment  etwas  versteckt  gelagert,  beim  Weib- 
chen mehr  noch  als  beim  Männchen.  Am  letzten  Segment  befinden 
sich  dorsal  zu  beiden  Seiten  kurze,  feingliederige  Anhänge,  die  Cerci. 
während  ventral  beim  Männchen  noch  die  kürzeren  und  zarteren 
Griffel  inserieren,  die  dem  Weibchen  fehlen. 

Wir  legen  nun  die  Tiere  auf  den  Rücken  und  Ijetrachten  sie  von 
der  Bauchseite.  Der  keilförmig  ventralwärts  vorspringende  Kopf  ist 
leicht  beweglich  und  auf  seiner  Vorderseite,  der  Stirnfläche,  schild- 
förmig abgeplattet.  Kurz  vor  dem  Übergang  in  die  dorsale  Hinter- 
hauptsfläche sind  die  beiden  sehr  langen,  geringelten  Antennen  in  je 
einer  Grube  inseriert.  Dicht  hinter  ihnen  liegen  die  beiden  Facetten- 
augen. Zwei  helle  Flecke  über  der  Insertion  der  Antennen,  etwas  nach 
innen  zu  gelegen,  sind  die  „Fenster",  Stellen  mit  verdünnter  Chitindecke. 

Die  drei  Brustringe  sind  dadurch  charakterisiert,  daß  sie  auf 
der  Ventralseite  die  drei  Beinpaare  tragen.  Brust-  wie  Bauchringe 
sind  auch  auf  dem  Bauche  mit  je  einer  Platte,  dem  Scutum,  bedeckt, 
die  mit  der  Rückenplatte,  dem  Tergum,  durch  seitliche  Hautbrücken 
verbunden  smd  (Fig.  125). 

Wir  gehen  nun  zu  einer  Betrachtung  der  Gliedmaßen  über  und 
beginnen  mit  den  Mundteilen. 

Der  Kopf  wird  abgeschnitten  und  mit  der  Stirnfläche  nach  oben 
auf  den  Objektträger  gelegt.  Dann  wird  die  an  der  vorderen  Spitze 
der  Stirnfläche  gelegene  Oberlippe  durch  einen  flachen  Schnitt  mit  dem 
Skalpell  abgetrennt,  mit  der  Pinzette  abgehoben  und  auf  einen  zweiten 
Objektträger  gelegt.  Die  nachfolgende  Präparation  ist  leichter.  Mit 
der  tief  angesetzten  Pinzette  werden  die  beiden  Mandibeln  herausgehoben, 
ebenfalls  auf  den  zweiten  Objektträger  gelegt  und  möglichst  in  die  Lage- 
beziehung zur  Oberlippe  gebracht.  Ganz  ebenso  verfahren  wir  mit  den 
Maxillen   und   der  Unterlippe. 

Die  Oberlippe  stellt  sich  dar  als  eine  einfache,  abgerundete 
Platte,  die  auf  dem  freien  Rande  mit  kurzen  Borsten  besetzt  ist.  Sie 
gehört  nicht  zu  den  Mundgliedmaßen,  sondern  ist  nur  ein  von  der 
Kopf  kapsei  abgegliedertes  Stück  derselben.  Kräftig  gebaut  sind  die 
kurzen,  zangenartigen  Mandibeln,  die  auf  den  einander  zugewandten 
Innenflächen  gezähnelt  sind.  Die  Maxillen  (eigentlich:  ersten  Maxillen) 
bestehen  aus  einem  basalen  Angelglied,  Cardo,  auf  dem  das  Haft- 
glied oder  Stielglied,  Stipes,  sitzt.  Auf  dem  Stipes  lenken  sich 
die  beiden  Kauladen  ein,  deren  innere  auf  der  Innenseite  steife  Borsten 
trägt.  Außerdem  ist  dem  Stipes  nach  außen  zu  ein  mehrgliedriger, 
ansehnlicher  Kiefertaster,  Palpus  maxillaris,  eingefügt. 

Die  Unterlippe  ist  ein  Produkt  der  beiden  verwachsenen  zweiten 
Maxillen.  Die  beiden  verschmolzenen  basalen  Angelglieder  bilden  das 
Unterkinn,  Submentum.  während  die  verschmolzenen  Haftglieder 
zum  Kinn,  Mentum,  zusammentreten.     Letzteres  trägt  jederseits  die 


13.  Kursus:  Insekten. 


207 


un verschmolzen  gebliebenen  kleinen  Innenladen  (Gl ossae)  und  Außen- 
laden (Paraglossae)  und  nach  außen  die  dreigliedrigen  Taster  (Palpi). 
Bei  sorgfältiger  Präparation  findet  man  innen  zwischen  Unter- 
kiefer und  Unterlippe  noch  eine  feine  Platte,  die  Innenlippe  (Hypo- 
pharynx),  die  bei  den  übrigen  Insektenordnungen  meist  verkümmert  ist. 

Um  den  Bau  der  drei  Paar  Brustextremitäten  kennen  zu  lernen, 
schneiden  wir  eine  derselben  an  ihrer  Insertion  vorsichtig  ab  und  bringen 
sie   auf  einen   Objektträger. 

Die  Beine  inserieren  an  der  Stelle,  wo  die  Pleura  in  das  Sternum 
übergeht   (s.  Fig.  125).      Das    unterste    Glied,    das    kurze,    aber    ange- 
schwollene Hüftglied,  Coxa,  ist  in  eine  schräg  gestellte  ovale  Pfanne 
am    Körper    eingelenkt.      Es    folgt 
dann    ein   sehr  kurzer  Schenkel - 
ring,    Troc hanter,    hierauf    der 
Oberschenkel.  Femur,  der  Un- 
terschenkel, Tibia,  und  der  fünf- 
gliedrige  Fuß,  Tarsus.    Das  End- 
glied des  Tarsus  trägt  zwei  Klauen. 

Endlich  sind  noch  die  Flügel 
zu  betrachten,  die  nur  beim  Männ- 
chen gut  entwickelt  sind.  Sie  sitzen 
auf  der  Dorsalseite  des  zweiten  und 
dritten  Brustringes  und  stellen  dünne 
Hautfalten  dar,  die  durch  ein  ver- 
ästeltes  System  von  stärkeren  Chi- 
tinleisten, in  denen  Tracheen,  Blut- 
räume und  Nerven  verlaufen, 
stützt  werden. 


ge- 


Wir  gehen  nunmehr  zu  der 
inneren  Anatomie  über.  Es  wird 
die  gesamte  Rückend  ecke  abgehoben, 
indem  mit  der  feinen  Schere  ein 
Schnitt  rings  um  die  Seiten  des 
Tieres  bis  vorn  zixm  Kopfe  geführt 
wird.  Dieser  Schnitt  muß  oberhalb 
der  Pleurae  geführt  werden,  um  die 
Tracheen  nicht  zu  zerschneiden. 
Dann  wird  das  Tier  mit  Nadeln  im 
Becken  festgesteckt,  die  Rücken- 
decke von  hinten  her  mit  der  Pin- 
zette abgehoben  und  zm'  Seite  gele 


Fig.  128.  Kauende  Mundgliedmaßen  der 
Schabe,  Periplaueta  orientalis  (aus  R.  HeRT- 
wig).  Ir  Oberlippe;  ;«t/MandibeIn;  rCardo; 
st  Stipes;  le  und  li  Lobus  externus  und 
internus;  pm  Palpus  maxillaris;  sm  Sub- 
nientum ;  m  Mentum ;  gl  Glossae ;  pg  Para- 
glossae ;  pl  Palpus  labialis. 


gt  (Fig.   129). 


aufgehobenen 


Decke  wird  das  langgestreckte  Herz  sicht- 


Auf  der 

bar,  welches  daran  mittels  Muskulatur  befestigt  ist.  Die  Präparation 
desselben  ist  indessen  schwierig,  und  man  kann  es  sich  leichter  sicht- 
bar machen,  wenn  man  ein  lebendes  junges  Männchen  unter  Auflieben 


liegt 


median 
Schlauch. 


der  Flügeldecken  vom  Rücken  her  betrachtet.     Das  Herz 

als  langer,  vom  ersten  Brustsegmente  nach  hinten   ziehender 

Auch  die  flügeiförmigen  Muskeln  werden  —  ein  Paar  in  jedem  Segment 

—    alsbald    deutlich    sichtbar.     Auch    die    Kontraktionen    des    Herzens 

lassen    sich    beim    lebenden   jungen  Tier   durch   die   dünne  Decke   des 

Rückens  hindurch  leicht  beobachten. 


208 


13.  Kursus:  Insekten. 


Wir  nehmen  unser  aufgeschnittenes  Exemplar  wieder  vor.  legen 
den  Darm  etwas  zur  Seite  und  fixieren  ihn  im  Wachsbecken  durch 
eine  seitlich  davon  eingeführte  Stecknadel.  Der  ansehnliche  Oeso- 
phagus erweitert  sich  allmählich  in  den 
diesen  folgt  ein  kurzer  Muskelmagen, 
kräftige  Blind  schlauche  befinden.  Der 
gelieferte  verdauende  Chylusdarm  geht 
darm   über,   an    dessen  Vorderende  zahlreiche  feine  Fäden 


keulenförmigen  Kropf,  auf 
an  dessen  Hinterende  sich 
kurze,  allein  vom  Entoderm 
in    den   kompakteren  Dick- 

inserieren, 


die  MALPiGHischen  Gefäße,  welche  als  Exkretionsorgane  fungieren. 
Der  kurze  Enddarm  endigt  mit  dem  After.  Vorn  am  Darm  liegen 
zwei  Speicheldrüsen  samt  dahinter  gelegenen  blasenartigen  Reser- 

Oesophagus 


Speicheldrüse 
Reservoir 


Kn|ifaorta 


Flügel- 
muskelii 


Hera- 
kammern 


Muskel- 
/    magen 

Blind- 
/  Schläuche 


Chylusdarm 


Vasa 
Malpiglüi 


Bauchmark   Dickdarm 
Hoden 

Anhaiigsdrüsen 

Ductus  ejaculatorius 

Enddarm 

Cerci 


Fig.  129.  Anatomie  von  Periplaneta  orienialis  (5,  links  die  Rückendecke  mit  Herz.  Orig. 


voirs.  In  der  Brusthöhle  findet  sich  eine  stark  entwickelte  Muskulatur. 
Mit  der  Lupe  läßt  sich  das  in  der  ventralen  Mittellinie  gelegene  Strick- 
leiternervensystem verfolgen,  welches  in  den  drei  Brustsegmenten  und 
fünf  ersten  Hinterleibssegmenten  zu  Ganglien  anschwillt,  während  im 
sechsten  Hinterleibssegmente  ein  aus  mehreren  Ganglien  verschmolzener 
größerer  Komplex  liegt.  Vom  Tracheensystem  sind  besonders  deut- 
lich zwei  seitliche  Längsstämme  im  Hinterleibe,  welche  zu  beiden  Seiten 
des  Nervensystems  verlaufen. 

Legen  wir  ein  Stückchen  Trachee  unter  das  Mikroskop,  so  sehen 
wir,  daß  ihre  innere  Oberfläche  eine  spiralig  verlaufende  Verdickung, 
den  Spiralfaden,  aufweist. 


13.  Kursus   Insekten. 


209 


Drüsige  Massen,  die  unter  dem  Enddarm  liegen,  sind  Teile  der 
Geschlechtsorgane,  doch  ist  die  Präparation  ihrer  einzelnen  Teile 
bei  der  Kleinheit  des  Objektes  für  den  Anfänger  zu  schwierig. 


Hummel. 


der 


Mundgliedmaßen 


der  Insekten 
Als  solches 


Um  auch  die  anderen  Formen 
kennen   zu   lernen,    wählen    wir   ein   großes  Hymenopter. 
empfiehlt  sich  am  meisten  die  Hummel  {Bombiis). 

Den  getöteten  Hiinimebi  wird  der  Kopf  abgeschnitten,  der  auf  einen 
Objektträger    gelegt   wird.      Hat    man    in   Alkohol    konserviertes  Material 


ir 


genommen,  so  bringt  man  die  Köpfe 
zweckmäßigerweise  auf  kurze  Zeit  in 
kochendes  Wasser,  um  sie  aufzuweichen. 
Mit  einem  feinen  Skalpell  lassen  sich  dann 
die  einzelnen  Mundgliedmaßen  abtrennen, 
die  nunmehr  bei  schwacher  Vergrößerung 
unter  dem  Mikroskope  untersucht  werden. 
Am  leichtesten  gelingt  die  Präparation, 
wenn    man    von    der  Unterlippe    ausgeht. 

Oberlippe  und  Mandibeln  sind 
unverändert  geblieben  und  letztere  dienen, 
wie  bei  den  Orthopteren,  zum  Kauen. 
Dagegen  sind  ]\I  a x i  1 1  e n  wie  Unterlippe 
stark  umgeformt.  An  den  Maxillen  fallen 
auf  die  langgestreckten  Stielglieder,  auf 
denen  ebenfalls  langgestreckte  Kauladen 
inserieren.  Ein  kleines,  seitlich  davon 
eingelenktes  Gebilde  ist  der  rudimentäre 
Palpus  maxillaris.  In  der  Unterlippe 
ist  das  Kinn  besonders  stark  entwickelt, 
welches  an  seinem  freien  Ende  median 
eine  dicht  mit  kurzen  Borsten  besetzte 
Zunge  trägt,  die  aus  den  zu  einer  Rinne 
verschmolzenen  Innenladen  der  Hinter- 
kiefer entstanden  ist.  Rechts  und  links 
davon    liegen    die  beiden  ebenso  langen 

Palpi  labiales,  während  die  Außenladen  ganz  rudimentär  sind  und 
nur  als  kleine  Höcker  zwischen  Lippentastern  und  Zunge  hervortreten. 
Dieser  ganze  Apparat  kann  eingeschlagen  und  vorgestreckt  werden  und 
dient  zum  Aufsaugen  von  Honig  aus  den  Blüten. 

An  der  Hummel  sind  ferner  noch  die  Hinterbeine  genauer  zu 
betrachten,  die  zum  Zwecke  des  Einsammelns  von  Blütenstaub  eigen- 
tümlich umgeformt  sind. 

Wir  schneiden  ein  solches  Hinterbein  ab,  legen  es  auf  einen  Objekt- 
träger und   betrachten   es  mit   der  Lupe. 

Schienbein  und  erstes  Fußglied  (Ferse)  sind  kolbig  angeschwollen 
und  dicht  mit  langen  Borsten  besetzt.  An  der  Außenseite  des  mit 
zwei  Endborsten  versehenen  Schienbeines  findet  sich  eine  lange,  grubige 
Vertiefung  ohne  Borsten,  das  Körbchen,  in  dieses  kommt  der  ab- 
Blütenstaub hinein,   der   durch   ein  Sekret  von  Hautdrüsen 

14 


c      sm^ 

Fig.   130.      Leckende  Mundglied- 
niaßen  der  Hummel,  Bombtis  ter- 
restris   (aus  Hertwig).     Bezeich- 
nungen wie  in  Fig.  128. 


gestricliene 


Kükenthal,  Zool.  Praktikum.     5.  Aufl. 


210 


13.  Kursus:  Insekten. 


zusammengeballt  und  von  den  neben  den  Gruben  stehenden  Borsten 
gehalten  wird.  Das  Körbchen  findet  sich  nur  bei  Weibchen  und 
Arbeitern  und  fehlt  den  schlankeren  kleineren  Männchen. 


Schmetterling. 

Wir  gehen  nun  zur  Untersuchung  der  schlürfenden  Mundwerk- 
zeuge eines  Schmetterlings  über  und  wählen  dazu  möglichst  große 
Formen  von  Tagschmetterlingen  oder  Schwärmern,  gleichgültig  welcher  Art. 

Fig.   ]81.  Fig.  132. 


wc'  mx^ 


mv 


fim 


Fig.  131.  Schlürfende  Mundgliedmaßen  eines  Schmetter- 
lings (nach  Savigny,  aus  R.  Hertwig). 
Anstatt  der  rechten  Maxille  ist  ein  Stück  des  Rüssels  dar- 
gestellt, um  zu  zeigen,  wie  die  linke  {mx'^')  und  rechte  Maxille 
(wjfii)  sich  zu  einem  Rohr  vereinen,  la  Unterlippe.  Sons- 
tige Bezeichnungen  wie  auf  Fig.  128. 

Fig.  132.     Stechende  Mundgliedmaßen    einer  weiblichen  Mücke  (Culex  pipiens)-^ 

die  Rinne    der   Unterlippe    durch    Zurückklappen    der    Oberlippe   geöffnet   und   die 

Stechborsten   herausgenommen    (nach    Muhr,    aus    R.   Hertwig).      mx  Maxille;    la 

Unterlippe;  hy  Hypopharynx.     Sonstige  Bezeichnungen  wie  auf  Fig.  128. 


Der  Kopf  wird  abgeschnitten,  auf  den  Objektträger  gelegt  und 
unter  der  Lupe  betrachtet  (s.  Fig.   131). 

Von  den  Mundwerkzeugen  fallen  ins  Auge  die  beiden  großen 
Lippentaster  der  reduzierten  Unterlippe,  sowie  nach  innen  von  diesen 
eine  spiralig  aufgerollte  Röhre,  der  Rüssel.  Der  Rüssel  wird  gebildet 
durch  die  beiden  fest  aneinander  gefügten  Maxillen,  speziell  deren  Kau- 
laden, während  die  Palpi  maxillares  rudimentär  sind.  Die  Man- 
dibeln  fehlen  entweder  gänzlich  oder  sind  nur  kleine  Gebilde  neben 
dem  Rüssel;  zwischen  ihnen  liegt  die  kleine  Oberlippe. 

Am  Schmetterling  lassen  sich  auch  noch  die  Schuppen  der 
Flügel  untersuchen,  welche  ihnen  die  Farbe  geben. 

Am  einfachsten  ist  es,  ein  Flügelstückchen  abzuschneiden  und  auf 
dem  Objektträger  unter  das  Mikroskop  zu   bringen. 


13.  Kursus:  Insekten.  211 

Wir  sehen  alsdann  die  Schüppchen  dachziegelförnjig  in  regel- 
mäßiger Anordnung  liegen.  Jedes  Schüppchen  heftet  sich  an  die  Unter- 
lage durch  einen  Stiel  an.  Der  freie  Rand  der  Schuppen  ist  meist 
gezackt.  Am  Rande  des  Flügels  verändern  die  Schüppchen  ihre  Form 
und  werden  mehr  und  mehr  zu  haarförmigen  Gebilden. 

Mücke. 

Endlich  können  wir  auch  noch  die  stechenden  Mundteile  der 
Mücken  untersuchen. 

Dazu  wählen  wir  Weibchen  möglichst  großer  Formen.  Wir  schneiden 
den  Kopf  ab  und  bringen  ihn  auf  dem  Objektträger  unter  schwache 
Vergrößerung. 

Bei  diesen  bildet  die  Unterlippe  eine  lang  ausgezogene  Rinne^ 
deren  dorsalen  Verschluß  die  ebenfalls  lang  ausgezogene  Oberlippe 
bewirkt  (s.  Fig.  132).  Im  Innern  dieser  Röhre  liegen  vier  Stechborsten^ 
die  umgewandelten  Mandibeln  und  Maxillen.  Eine  fünfte  Borste,  die 
sich  bei  manchen  P'ormen  findet,  besteht  aus  dem  Hypopharynx,  dem 
Rudimente  eines  sich  zwischen  erste  und  zweite  Maxille  einfügenden 
Kieferpaares. 

Ephemeridenlarve. 

Schließlich  sind   noch   lebende  Ephemeridenlarven   zu    betrachten. 

Mit  viel  Wasser  und  einigen  Wasserpflanzen  werden  die  Tierchen 
auf  den  Objektträger  gebracht  und  mit  einem  Deckgläschen  bedeckt. 

Die  halb  durchsichtigen  Larven  gestatten  einen  vorzüglichen  Ein- 
blick in  die  innere  Organisation,  von  der  wir  hier  nur  das  Tracheen- 
system hervorheben  wollen.  Dasselbe  ist  sofort  kenntlich  durch  seine 
dunkle  Farbe.  Zwei  große  Längsstämme  ziehen  von  vorn  nach  hinten, 
regelmäßige  Seitenzweige,  die  sich  noch  weiter  verästeln,  abgebend. 
Auf  die  drei  Beinpaare  folgen  sieben  Paare  oder  Doppelpaare  ebenfalls 
segmental  angeordneter  blattartiger  Anhänge,  die  in  steter  zitternder 
Bewegung  sind,  das  sind  die  Tracheenkiemen.  In  jedes  dieser 
Blätter  tritt  von  dem  Längsstamme  der  betreffenden  Seite  aus  ein 
Seitenzweig  des  Tracheensystems  hinein,  der  sich  darin  verästelt.  Aus 
derartigen  Tracheenkiemen  sollen  durch  Funktionswechsel  die  Flügel 
der  Insekten  entstanden  sein. 


Anhang. 

Arachnida,  Spinnentiere. 


Um  die  äußere  Organisation  der  Spinnen  kennen  zu  lernen,  emp- 
fiehlt sich  die  Betrachtung  unserer  gemeinen  Kreuzspinne,  Aranea 
(Epeira)  diadenia  L.  Dieses  zur  Ordnung  der  Weberspinnen, 
Arancae,  gehörende  Tier  ist  im  Sommer  und  Herbst  leicht  zu  erbeuten. 

14* 


212  l'^-  Kursus,  Anhang:  Spinnen. 

Ihr  radförmiges,  senkrecht  zwischen  zwei  Baumstämmen  oder  Zweigen 
ausgespanntes  Netz,  welches  aus  einem  klebrigen,  in  einer  Spirale  ge- 
wundenen Faden  und  radienförmig  vom  Mittelpunkt  ausstrahlenden 
Speichen  besteht,  findet  sich  in  Gebüschen,  an  Waldrändern  und 
zwischen  altem  Gemäuer.  Die  Weibchen  halten  sich  meist  im  Mittel- 
punkte des  Netzes,  den  Kopf  nach  unten  gerichtet  auf,  während  die 
selteneren,  beträchtlich  kleineren  Männchen  meist  in  der  Nähe  des 
Netzes  im  Gesträuch  sitzen. 

Das  zum  Kurse  nötige  Material  wird,  wenn  es  nicht  möglich  ist 
die  genügende  Anzahl  frisciher  Tiere  zu  erhalten,  im  Herbste  eingesam- 
melt und   in   stai'kem   Alkohol   oder  Formol  konserviert. 

x^^^        — Palpus 


Chelicere-  - 


Unterlippe- 


— Brustschild 


Öffnung      ^-T-^-^^.>^  ...:y>^~jfl^        -^— ^-^-r- 

zum  rechten T  ^'^  p^  i 

Lungensack  i  J — I Geschleclitsöffnung 


.^pnniwaize 


Fig.  133.     Kreuzspinne,  Unterseite.     Orig. 

Die  Färbung  der  Tiere  ist  sehr  verschieden,  beim  Weibchen 
schwankt  sie  von  Hellgelb  durch  Rot  und  Braun  bis  fast  zum  Schwarz, 
während  die  Männchen  von  Hellbraun  bis  Dunkelbraun  variieren.  Ihren 
Namen  hat  diese  Spinne  von  weißen  Flecken  auf  dem  Rücken  des 
Hinterleibes,  die  zu  einem  mehr  oder  minder  deutlichen  Kreuz  zu- 
sammentreten. Die  Beine  weisen  eine  hellere  und  dunklere  Ringe- 
lung  auf. 

Der  verschieden  stark  behaarte  Körper  zerfällt  in  zwei  Abschnitte, 
ein  Kopfbruststück  (Cephalothorax)  und  einen  Hinterleib  (Ab- 
domen), die  durch  einen  dünnen  Stiel  miteinander  zusammenhängen. 
Das  aus  Kopf  und  Brust  verschmolzene  Kopfbruststück  ist  von  einer 
starken  Chitinhülle  umschlossen,  im  Gegensatz  zu  dem  viel  weicheren 


13.  Kursus,  Anhang:  Spinnen.  213 

Hinterleibe.  Das  Kopfbruststück  ist  von  ungefähr  eiförmigem  Umriß, 
nach  vorn  zu  sich  etwas  verjüngend  und  abgestumpft  endigend,  während 
der  Hinterleib  beim  Weibchen  haselnußförmig  angeschwollen,  beim  Männ- 
chen mehr  länglich  ist.  Den  dorsalen  Teil  des  Kopfbruststückes  bildet 
das  Rückenschild,  das  sich  seitlich  ventralwärts  herabkrümmt.  Vorn  am 
Rückenschilde  stehen  die  Augen  zu  4  Paaren.  Von  diesen  8  Augen 
stehen  2  Paar  nahe  der  Mittellinie  in  fast  quadratischer  Anordnung  und 
je  ein  Paar  am  vorderen  Seitenrande  des  Rückenschildes.  Es  sind  also 
die  Augen  in  zwei  Querreihen  angeordnet,  indem  4  in  der  vorderen, 
4  in  der  hintei-en  Querreihe  liegen.  Je  ein  vorderes  und  ein  hinteres 
Auge  bilden  ein  Paar.  Die  Augenstellung  ist  bei  den  einzelnen  Spinnen- 
arten verschieden  und  gilt  als  ein  systematisch  wichtiges  Merkmal.  Auf 
der  ventralen  Seite  liegt  das  sehr  viel  kleinere,  etwa  wie  ein  Wappen- 
schild aussehende  Brust schild.  Zwischen  Rücken-  und  Brustschild 
sind  die  Extremitäten  eingelenkt,  4  Paar  zur  Ortsbewegung  bestimmte 
und  2  Paar  davor  gelegene  Mundextremitäten. 

Wir  beginnen  mit  der  Untersuchung  der  Mundextremitäten,  indem 
wir  das  Tier  auf  die  Rückenseite  legen  und  unter  der  Lupe  betrachten. 
Das  erste  Paar  Mundgliedmaßen  sind  die  Kieferfühler  (Cheliceren). 
Sie  bestehen  aus  zwei  Teilen,  einem  basalen,  sehr  kräftig  entwickelten 
Oberkiefer,  und  einem  daran  sitzenden,  nach  innen  einschlagbaren 
klauenförmigen  Endgliede.  Zur  Aufnahme  dei-  nadelspitzen,  ge- 
krümmten Klaue  dient  eine  Furche  des  Oberkiefers,  deren  Ränder  mit 
einigen  spitzen  Chitinzähnchen,  außen  vier,  innen  drei  besetzt  sind.  In 
der  Spitze  der  Klaue  mündet  der  Ausführgang  einer  Giftdrüse  aus.  In 
der  Ruhe  sind  die  Klauen,  wie  die  Klinge  eines  Taschenmessers  in  die 
Scheide,  eingeschlagen. 

Das  zweite  Paar  Mundgliedmaßen  sind  die  Kiefertaster  (Maxilli- 
'palpen).  Ihre  Basalglieder  sind  zu  Unterkiefer  genannten  Kauladen 
umgewandelt,  die  mit  ihrem  freien  Ende  den  Mund  überdecken.  Ihre 
breit  dreieckige  Spitze  ist  frei  von  Haaren  und  von  hellgelblicher  Farbe, 
am  voi'deren  Rande  dagegen  findet  sich  ein  dichter,  bürstenartiger  Haar- 
besatz, der  sich  unmittelbar  dem  Munde  auflegt.  Die  übrigen  fünf 
Glieder  bilden  den  beinartigen  Palpus.  der  bei  beiden  Geschlechtern 
sehr  verschieden  ist.  Beim  Weibchen  trägt  das  Endglied  an  der  Spitze 
eine  kleine  Kralle,  die  mit  Nebenzinken  besetzt  ist,  beim  Männchen  ist 
das  stark  behaarte  und  meist  dunkler  gefärbte  Endglied  kolbenföimig 
verdickt  und  enthält  einen  birnförmigen  Behälter  mit  Ausführgang.  Zur 
Zeit  der  Geschlechtsreife  wird  dieser  Behälter  mit  Spermatozoen  ge- 
füllt, die  aus  der  am  Hinterleib  befindlichen  Geschlechtsöffnung  ent- 
stammen, und  das  Tasterende  wird  zum  Begattungsapparat.  Nach  der. 
Einbringung  der  Si)ermatozoen  in  die  Geschlechtsöiit'nung  des  Weibchens 
muß  sich  das  sehr  viel  schwächere  Männchen  eiligst  zurückziehen,  um 
nicht  vom  stärkeren  W^eibchen  überfallen  und  gefressen  zu  werden. 

Zwischen  die  beiden  Unterkiefer  schiebt  sich  von  hinten  her  eine 
an  dem  Brustschilde  eingelenkte  unpaare  Chitinplatte  ein:  die  Unter- 
lippe. 

Die  vier  zur  Fortbewegung  dienenden  Beinpaare  (Fig.  135)  haben 
ungefähr  den  gleichen  Bau.  Es  lassen  sich  an  ihnen  7  Glieder  unter- 
scheiden, nämlich  Hüftglied,  Schenkelring,  Schenkel.  Knie,  Schiene,  Fersen- 
glied und  Fußglied.  Das  Fußglied  trägt  an  seinem  Ende  zwei  bewegliche, 
kammförmig  gezähnte  Klauen  (Fig.  1.34).  Da  diese  Kammzähnchen  sehr 
glatt  sind  und  eng  zusammentreten,  vermag  die  Spinne  mit  Leichtigkeit 


214 


13.  Kursus,  Anhang:  Spinnen. 


in  die  Fäden  ihres  Netzes  einzugreifen  und  darauf  zu  laufen,  ohne  sie 
zu  zerreißen.  Zwischen  der  Basis  der  beiden  Fußklauen  entspringt 
eine  dritte,  hakenförmige,  etwas  kleinere  Klaue.  Rechts  und  links  von 
dieser  kleineren  „Vorklaue"  stehen  zwei  oder  drei  bis  vier  gebogene 
und  gesägte  Borsten,  und  bilden,  besonders  an  den  Hinterbeinen,  zu- 
sammen mit  der  Vorkralle  ein  Greiforgan,  welches  bei  Herstellung  des 
Netzes  Verwendung  findet.  Die  Hinterbeine  sind  fast  ganz  in  den 
Dienst  der  Spinntätigkeit  getreten. 

Betrachten  wir  den  Hinterleib  von  der  Bauchseite,  so  sehen  wir 
nahe  dem  Verbindungsstiele  mit  dem  Kopfbruststück  in  der  Mittellinie 
beim  Weibchen  die  äußeren  Geschlechtsteile  (Epigyne),  welche  bei 
nahe  verwandten  Arten  meist  ganz  verschieden  geformt  sind.  Seitlich 
davon  finden  sich  zwei  etwas  schräg  verlaufende  Schlitze,  welche  in  die 


Tarsus 


Metatarsus 


Tibia 


■^^-  -Patella 


Femur 


Fig.  134.    Kreuzspinne.    Fußglied 

mit    Klauen    des    dritten    linken 

Beines.     Orig. 


Fig.  135.     Kreuzspinne.      Drittes   linkes   Bein. 
Orig. 


beiden  „Lungensäcke"  führen.  Es  sind  das  zwei  Hohhäume,  in  welche 
jederseits  eine  aus  etwa  50  Blättern  gebildete  „Lunge"  hineinragt. 
Diese  Atnumgsorgane  werden  als  abgeplattete  und  modifizierte  Tracheen- 
büschel betrachtet;  nach  anderer  Auffassung  sollen  sie  den  in  das 
Körperinnere  zurückgezogenen  Kiemen  eines  marinen  krebsähnlichen 
Tieres,  des  Limulus  (s.  S.  188),  entsprechen. 

Außer  diesen  eigentümlichen  Atmungsorganen  finden  sich  noch 
vier  gerade,  zarte  Tracheenröhren,  welche  von  einem  vor  den  vor- 
deren Spinn  Warzen  gelegenen  und  hier  ausmündenden  zentralen  Hohl- 
räume entspringen. 

Der  Spinnapparat  (Fig.  133)  ist  am  Hinterende  des  Hinter- 
leibes auf  dessen  Ventralseite  gelegen  und  besteht  aus  G  warzenartigen 
Erhebungen,  den  Spinnwarzen,  welche  zu  3  Paaren  symmetrisch  zur 
Mittellinie   liegen   und   als   rudimentäre   Extremitäten   des   Hinterleibes 


13.  Kursus,  Anhang:  Spinnen.  215 

aufgefaßt  werden.  \'on  diesen  Spinnwarzen  ist  das  mittlere  Paar  kaum 
zu  sehen,  da  es  sehr  klein  ist.  tiefer  und  der  Mittellinie  genäherter 
liegt  und  durch  die  vorderen  verdeckt  wird.  Das  freie  abgestutzte 
Ende  jeder  Spinnwarze  ist  das  Spinnfeld,  auf  dem  sich  zahlreiche, 
wie  Haare  aussehende,  sehr  feine  Röhrchen  erheben,  die  Spinn  röhren. 
Aus  jedem  dieser  Röhrchen  ragt  das  Ende  des  Ausführungsganges  einer 
Spinndrüse  heraus.  Diese  Spinndrüsen  erfüllen  den  Hinterleib  und  be- 
dingen mit  den  Eiern  zusammen  seine  bedeutende  Anschwellung.  Das 
aus  den  Spinnröhren  heraustretende  Sekret  erstarrt  sehr  schnell  und 
oft  wird  der  so  entstehende  Faden  mit  anderen  Fäden  zusammen  zu 
einem  einzigen  Faden  verarbeitet,  der  trotz  seiner  außerordentlichen 
Dünne  sehr  fest  ist. 


Systematischer  Überblick 

für  den  vierzehnten  Kursus. 


VIII.  Stamm. 

Tunicata,  Manteltiere. 

Die  Manteltiere  haben  ihren  Namen  von  einer  Hautausscheidnng,  welche  sie 
wie  ein  Mantel  umhüllt.  In  ihrem  Bau  und  besonders  in  ihrer  Entwicklung  zeigen 
sie  sich  am  nächsten  mit  den  Wirbeltieren  verwandt,  und  zwar  in  folgenden 
Punkten : 

1.  durch  den  Besitz  einer  Chorda  dorsalis.  des  Vorläufers  der  Wirbelsäule, 
die  indessen  bei  den  meisten  nur  in  der  Entwicklung  auftritt  und  später 
verschwindet; 

2.  die  dorsale  Lagerung  des  mindestens  als  (ianglion  erhalten  bleibenden 
Zentralnervensystems; 

3.  die  Übernahme  der  Atmungsfunktioii  durch  den  Vorderdarm: 

4.  die  ventrale  Lage  des  Herzens. 

Die  Wandung  des  Vorderdarmes  ist  durchbrochen,  und  das  vom  Mund  auf- 
genommene Wasser  fließt  durch  die  Spalten  ab,  meist  erst  in  einen  umhüllenden 
Raum,  den  Peribranchialraum,  und  von  diesem  nach  außen.  Die  mitaufgenom- 
menen Nahrungsbestandteile  werden  von  einer  ventralen  flimmernden  Piinne.  dem 
Endostyl  oder  der  Hypobranchialrinne,  mit  Schleim  umhüllt  und  zum  Oeso- 
phagus befördert. 

Die  Tunicaten  sind  Zwitter  und  sämtlich  marin. 

1.  Ordnung:  Copelatae. 

Kleine  pelagische  Tiere  mit  Ruderschwanz,  der  von  der  Chorda  dorsalis 
durchzogen  ist.  Im  Rumpf  der  hufeisenförmige  Darm  mit  einem  Paar  direkt  nach 
außen  mündender  Kiemenspalten.  Auch  der  After  mündet  direkt  nach  außen. 
Appendicu  laria. 

2.  Ordnung:  Ascidiacea. 

Festgewachsen  (nur  die  Pyrosomae  freilebend  pelagisch).  Mantel  stark 
entwickelt,  mit  Ingestion s-  und  Egestionsöffnung  zur  Ein-  und  Ausfuhr  des 
Wassers.  Nach  innen  vom  Mantel  je  eine  Schicht  Längs-  und  Ringmuskelfasern. 
Den  Kiemendarm  umgibt  der  Peribranchialraum.  Im  hinteren  Teil  des  Körpers 
finden  sich  in  der  mitunter  abgegrenzten  Leibeshöhle  der  Darm  mit  Magen,  die 
Geschlechtsorgane  und  das  Herz.  Zwischen  Ingestions-  und  Egestionsöffnung  liegt 
das  Ganglion.     Larven  mit  Chorda  dorsalis. 

1.  Unterordnung:   Jlonascidiae. 

Einzeltiere.     Styela,  Ciona. 

2.  Unterordnung:   Synaseidiae. 

Viele  Einzeltiere  von  gemeinsamem  Cellulosemantel  umhüllt.  Synoecum, 
Botry  litis, 

3.  Unterordnung:  Pyrosomae. 

Freischwimmende  Kolonien  von  Walzenform,  die  Einzeltiere  auf  einem 
gemeinsamen  Hohlraum,  der  Zentralkloake,  senkrecht  stehend.     Pyrosoma. 


14.  Kursus:   Tnnicata.  Manteltiere.  217 

3.  Ordnung:  Thaliacea. 

Pelagisch.  Gestalt  tonuenförmig,  die  beiden  Kürperöffnungen  an  den  beiden 
Körperenden.  6 — 8  reifenartige  Muskelringe.  Kieniendarni  zu  einem  schmalen, 
schräg  nach  hinten  laufenden  Balken  reduziert.  Ventral  liegt  der  Endostyl;  die 
Eingeweide  sind  im  hinteren  Körperteile  zu  einem  Knäuel  zusamiiiengehallt.  Gene- 
rationswechsel: das  Einzeltier  läßt  auf  ungeschlechtlichem  Wege  eine  Kette 
hintereinander  liegendei%  etwas  abweichend  gebauter  Salpen  hervorsprossen,  aus  deren 
befruchteten  Eiern  wieder  Einzeltiere  entstehen.     Sa/pa,  Doliolum. 


14.  Kursus. 

Tunicata,  Manteltiere. 


Technische  Vorbereitungen. 

Von  Ascidien  werden  Alkoholpräparate  von  Styela  plicata  und 
Ciona  intestinalis  gegeben,  von  letzterer  Form  außerdem  noch  mikro- 
skopische Präparate  sehr  kleiner  Exemplare.  Um  die  Styela  in  mög- 
lichst ausgestrecktem  Zustande  zu  erhalten,  empfiehlt  es  sich,  sie  nach 
vorausgegangener  Kokainbetäubung  in  Formol  zu  fixieren  und  später  in 
Alkohol  überzuführen.  Von  Salpen  benutzt  man  Alkoholpräparate  von 
Salpa  africana  zur  Demonstration,  sowie  Salpa  dcmocratica-mucro- 
nafa,  letztere  auch  in  mikroskopischen  Präparaten ,  als  Einzeltier  wie 
als  Kette. 


I.  Ascidien. 

A.  Allgemeine  Übersieht. 

Die  Ascidien  sind  auf  dem  Boden  des  Meeres  festsitzende 
Tiere,  welche  infolge  dieser  Lebensweise  mancherlei  Umbildungen 
ihres  Körpers  zeigen.  Die  Larven  sind  freischwimmend,  mit  Ruder- 
schwanz versehen,  in  dessen  Achse  sich  aus  dem  Entoderm  durch 
Abschnürung  eine  Chorda  entwickelt,  ähnlich  wie  bei  den  Appendicularien. 
Die  Chorda  erstreckt  sich  bei  diesen  Larven  ein  Stück  weit  in  den 
Rumpf,  zwischen  Darm  und  Nervenrohr,  hinein.  Darin  dokumentiei't 
siclr  eine  große  Ähnlichkeit  mit  frühen  Entwicklungszuständen  der 
Wirbeltiere,  besonders  des  Aniphioxtis.  Auch  die  Anlage  des  Nerven- 
systems ist  die  gleiche  wie  bei  den  Wirbeltieren.  Bei  der  Ascidien- 
larve  finden  wir  ein  in  der  dorsalen  Mittellinie  gelegenes  Rohr,  vorn 
zu  einem  Bläschen,  dem  Gehirn,  angeschwollen.  Dieses  Nervenrohr 
entsteht,  wie  bei  den  Wirbeltieren,  aus  der  Einfaltung  einer  dorsalen 
Rinne  (Medullarrinne),  deren  Ränder  verschmelzen,  so  daß  ein  Rohr 
(Medullär röhr)  entsteht,  das  vorn  eine  Zeit  lang  offen  ist  (Neuro- 
porus),  hinten  mit  dem  Urdarm  kommuniziert  (Canalis  neuren- 
tericus). 

Ferner  öffnet  sich  bei  jungen  Ascidienlarven  der  vordere  Teil  des 
Darmes,  der  Kiemendarm,  in  ein  paar  seitlichen  Kiemenspalten  direkt 


218  14.  Kursus:  Tunicata,  Manteltiere. 

nach  außen,  und  die  Leibeshöhle  bildet  sich  wie  bei  Amphioxus  aus 
seitlichen  Ausstülpungen  des  Urdarmes. 

Vergleichen  wir  damit  die  Organisation  der  erwachsenen,  fest- 
sitzenden Ascidie,  so  sehen  wir,  daß  große  Veränderungen  einge- 
treten sind. 

Der  ganze  Ruderschwanz  samt  Chorda  ist  geschwunden.  Der 
vordere  Darmteil,  der  Kiemendarm,  hat  sich  mächtig  ausgedehnt  und 
ist  zum  Kiemenkorb  mit  zahlreichen  Spalten  geworden.  Um  ihn 
herum  ist  ein  aus  zwei  ektodermalen  Hauteinstülpungen  hervorgegangener 
Hohlraum  entstanden,  der  Peribranchialraum,  so  daß  sich  die  Kiemen- 
spalten in  diesen  und  nicht  mehr  direkt  nach  außen  öffnen.  In  den 
hinteren  und  dorsalen  Teil  dieses  Peribranchialraumes  münden  auch  der 
Darm  und  die  Geschlechtsorgane  ein.  und  dieser  Teil  wird  somit  zur 
Kloake,  die  sich  in  der  Egestionsöffnung  nach  außen  öffnet. 

Zum  Schutze  des  Körpers  hat  sich  ein  meist  mächtig  entwickelter 
Mantel,  Tunica  externa,  gebildet,  der  Cellulose  in  reichlichen 
Mengen  enthält  und  dem  Tiere  oft  ein  unförmliches  Aussehen  verleiht. 
Auf  ihn  folgt  nach  innen  die  weiche,  muskulöse  Körperwand,  Tunica 
interna.  Durch  die  mächtige  Entwicklung  des  Kiemendarmes  ist  der 
hintere,  nutritorische  Darmteil  weit  nach  hinten  gedrängt  worden.  Die 
mit  dem  Atemwasser  in  die  Ingestionsöffnung  geratenen  Nahrungs- 
partikel werden  durch  einen  den  Eingang  zur  Atemhöhle  umfassenden 
Flimmerbogen  zu  einer  ventralen  Längsrinne,  dem  Endostyl,  geführt, 
hier  mit  Schleim  umhüllt  und  durch  Flimmern  zu  dem  weiter  hinten 
liegenden  Oesophagus  des  nutritorischen  Darmes  befördert,  der  sich 
zu  einem  Magen  erweitert  und  dann  als  Enddarm  in  die  Kloake  öffnet. 

Hier  am  Magen,  zwischen  ihm  und  dem  Endostyl,  liegen  auch 
Herz  und  Geschlechtsorgane. 

Das  bei  den  Ascidienlarven  noch  in  Rückenmark  und  Gehirn 
differenzierte  Nervensystem  hat  sich  zu  einem  Ganglion  reduziert, 
welches  zwischen  den  einander  genäherten  Körperöffnungen  liegt. 

Viele  Ascidien  vermögen  sich  geschlechtlich  und  ungeschlecht- 
lich fortzupflanzen  und  durch  Knospung  Kolonien  zu  bilden  (Syn- 
ascidien). 

B.  Spezieller  Kursus. 

L  Styela  2)licata  (Les.). 

Diese  weit  verbreitete  Ascidie  ist  besonders  im  Mittelmeer  sehr 
häufig  und  leicht  zu  beziehen.  Sie  eignet  sich  ganz  vorzüglich  zur 
makroskopischen  Präparation,  besonders  weil  auch  sonst  schwer  zu 
demonstrierende  Organe,  wie  die  Geschlechtsdrüsen,  sehr  stark  ent- 
wickelt sind. 

Zunächst  betrachten  wir  die  äußere  Körperform  der  unter  Wasser 
ins  Wachsbecken  gelegten  Ascidie.  Das  Tier  stellt  äußerlich  einen 
länglich-rundlichen,  einer  Kartoffel  nicht  unähnlichen  Knollen  dar  mit 
tief  eingeschnittenen  Längs-  und  Querfurchen.  Die  Farbe  ist  weißlich- 
bräunlich, die  Unterseite  weist  einen  dunkleren  Farbenton  auf,  und 
zeigt  schon  durch  die  an  einer  bestimmten  Stelle  sich  findende  In- 
krustierung mit  Muschelschalenstückchen  usw.,  daß  das  Tier  festsitzt. 
Bei  älteren  Exemplaren,  welche  bis  8  cm  Größe  erreichen  können, 
findet   sich   an    der   Anheftestelle   ein   deutlich   abgesetzter,   rundlicher 


14.  Kursus:    Tunicata,  Manteltiere. 


219 


Stiel,  sowie  eine  Anzahl  ebenfalls  zur  Befestigung  dienender  brauner 
Borsten.  Ingestions-  und  Egestionsöffnung  sind  bei  den  aus- 
gestreckt konservierten  Exemplaren  leicht  zu  bestimmen,  bei  kontrahierten 
Stücken  orientiert  man  sich  über  die  Lage  der  beiden  Öffnungen,  indem 
man  das  im  Wasser  liegende  Tier  herausnimmt  und  leicht  drückt. 
In  den  meisten  Fällen  werden  feine  Strahlen  aus  den  Öffnungen  heraus- 
spritzen. 

Die  Orientierung  ist  deshalb  wichtig,  weil  der  durch  das  Tier  zu 
führende  Schnitt  in  einer  Ebene  zu  gehen  hat,  welche  die  Ingestions- 
öffnung der  Länge  nach  spaltet. 


Tentakelkranz 
Mantel 


Hautmuskel- 
schlaiich 

Peribranchial- 
rauni 


Kiemendarm 


Endostyl 

Falte  des 
Kiemendarms 

Durch- 
schimmernde 
Gonade 


After 
Oesoi>hagus 

Kiemendarm 
Hautmuskel- 
schlauch 


Anhef  tungs  s  tel  le 

Fig.  13ü.     Anatomie  von  Styela  plicata.     Der  Kiemendarm  ist  aufgeschnitten.     Orig. 


■^ssm 


Der  Schnitt  wird  mit  dem  starken  Skalpell  ausgeführt.  Man  be- 
ginnt" von  der  Ingestionsöffnung  aus,  führt  das  tief  in  das  Tier  eindringende 
Messer  an  der  ventralen  (der  Egestionsöffnung  abgewandten)  Seite  ent- 
lang und  klappt  dann  die  beiden  auf  der  Dorsalseite  noch  zusammen- 
hängenden Hälften  auseinander.  Mit  einigen  Nadeln,  die  durch  den  Mantel 
gesteckt  werden,  befestigt  man  das  Präparat  im  Wachsbecken  (Fig.  136). 

Mit  diesem  Schnitte  ist  nicht  nur  der  Mantel  gespalten,  sondern 
auch  der  Hautmuskelschlauch  und  der  Kiemendarm,  und  im  Präparat 
sieht  man  direkt  in  das  Innere  des  Kiemendarmes  hinein.  Zunächst 
betrachten   wir   den   festen  Mantel,   dessen   unteres  Ende   etwas   dicker 


220  1^-  Kursus:    Tunicata,  Manteltiere. 

ist  als  das  obere.  Auf  dem  Durchschnitt  ist  es  weiß  und  knorpelaitig. 
Der  Kiemendarm  füllt  den  Körper  des  Tieres  in  der  ganzen  Länge 
aus.  Er  ist  jederseits  in  vier  sehr  prägnante,  gekrümmte  Falten  gelegt^ 
die  vorn  unter  der  Ingestionsöffnung  beginnen  und  bis  zu  seinem 
Übergang  in  den  eigentlichen  Darm  verlaufen.  Es  sind  also  im  ganzen 
acht  Falten  vorhanden.  Außer  diesen  Falten  läuft  eine  wulstartige 
Verdickung  von  der  Ingestionsöffnung  in  der  Mittellinie  ebenfalls  zum 
Beginn  des  eigentlichen  Darmes:  der  Endostyl  (die  Hypobran- 
chialrinne).  Unter  Benutzung  der  Lupe  sieht  man,  wie  die  Ingestions- 
öffnung vom  Ende  des  Endostyls  aus  von  einer  Flimmerschlinge  um- 
faßt wird. 

Schon  mit  bloßem  Auge  sieht  man  das  feine  Gitteiwerk  des 
Kiemendarmes.  Zwischen  Kiemendarm  und  Hautmuskelschlauch  liegt 
ein  schmaler  Raum,  der  Peribranchialraum,  unterhalb  der  Egestions- 
öffnung  Kloake  genannt. 

Unter  der  Ingestionsöffnung,  nur  einige  Millimeter  davon  entfernt, 
liegt  ein  Kranz  von  25  —  30  verschieden  langen,  einfachen,  kleinen 
Tentakeln. 

Der  Darmtraktus  befindet  sich  auf  der  linken  Körperseite,  dem 
Kiemendarme  aufliegeml.  und  man  sieht  ihn  bereits  an  vorliegendem 
Präparate  durchschimmern.  Unweit  der  Egestionsöffnung,  etwa  in  der 
Kör])ermitte,  verengert  sich  der  Kiemendarm  sehr  stark  und  geht  in 
den  eigentlichen  Darm  über. 

Mit  der  Pinzette  löst  man  vorsichtig  den  den  verdauenden  Darm 
bedeckenden  Teil  des  Kiemendarmes  los  und  erhält  nun  einen  Einblick 
in   die  übrigen   Eingeweide. 

Der  eigentliche  Darm  beginnt  mit  einer  Speiseröhre  von  an- 
sehnlicher Länge  und  erweitert  sich  dann  zum  Magen.  Dieser  ist 
deutlich  abgesetzt  und  erscheint  äußerlich  längsgestreift,  was  aljer  von 
durchschimmernden  inneren  Längsleisten  herrührt. 

Wir  machen  uns  diese  sichtbar,  indem  wir  den  Magen  der  Länge 
nach   aufschneiden. 

Von  den  ca.  30  Lamellen  erscheint  eine  besonders  groß.  Der  auf 
den  Magen  folgende  Darmteil  zieht  etwa  bis  zur  Mitte  des  Körpers  an 
der  Bauchseite  entlang. 

Wir  gehen  nun  zur  mikroskopischen  Untersuchung  über. 

Ein  Stück  des  Kiemendarmes  wird  ausgeschnitten,  in  Gl^^zerin  auf 
den   Objektträger  gelegt  und  mit  einem  Deckglas   bedeckt. 

Mit  schwacher  Vergrößerung  sieht  man  ein  quadratisch  angeord- 
netes Maschenwerk,  dessen  Leisten  stark  voispringen.  Innerhalb  jedes 
Rechteckes  dieses  Maschenwerkes  findet  sich  ein  feineres  Maschenwerk, 
aus  meist  sechs  in  doppelter  Reihe  liegenden  Spalten  bestehend.  Durch 
diese  Spalten  fließt  das  von  der  Ingestionsöffnung  aufgenommene  Atem- 
wasser in  den  Peribranchialraum  und  dann  durch  die  Egestionsöffnung 
nach  außen. 

Ein  weiteres  Präparat  machen  wir  vom  Mantel,  indem  wir  mit 
einem  scharfen  Messer  einen  feinen  Querschnitt  anfertigen  und  unter 
Glyzerin   auf  dem   Objektträger  betrachten. 


14.  Kursus:  Tunicata.  Manteltiere. 


221 


Man  erkennt  alsdann  schon  mit  schwacher  \'ergrößerung,  daß  der 
Mantel  nicht  etwa  eine  sti'ukturlose  Kutikularabscheidung  ist,  sondern 
reichlich  bindegewebige,  vom  Ektoderm  eingewanderte  Zellen  sowie 
Blutgefäße  enthält,  die  in  kolbenförmigen  Anschwellungen  endigen. 

Der  After  liegt  etwas  höher  als  der  Oesophagus,  dicht  unter 
der  Egestionsöffnung.  Der  Rand  des  Afters  ist  w^ulstig  verdickt  und 
eingekerbt. 


-  Mantel 


Hautmuskelschlauch 
Muskelzüge 

After 

Übergang  des 
Kiemendarmes  in  den 

verdauenden  Darm 
Cronade 


Enddarni 
Oesophagus 


Magen 


Fig.  137.     Styela  plicata.     Der  Kiemendarm   ist  entfernt.     Orig. 


Das  Herz  ist  sehr  schwer  zu  sehen:  es  liegt  als  durchsichtiger, 
muskulöser  Schlauch  auf  der  rechten  Seite,  mit  seinem  hinteren  Ende 
dem  Magen  angeheftet. 

Es  wird  alsdanu  auch  der  Kiemendarm  der  anderen  Hälfte  mit 
der  Pinzette  abgehoben   (Fig.   137). 

Nunmehr  erscheinen  die  Geschlechtsorgane.  Die  Geschlechts- 
organe sind  schlauchförmige  Wülste  von  gelblicher  Farbe;  auf  der 
linken  Seite  liegen  2,  auf  der  rechten  5—6,  die  in  der  Nähe  der 
Egestionsöffnung  beginnen  und  strahlenförmig  divergieren.  Zwischen 
Ingestions-  und  Egestionsöffnung  befindet  sich  das  Gehirn,  ein  ovaler 
Knoten,  von  dem  Nerven  ausstrahlen. 


222 


14.  Kursus:  Tunicata,  Manteltiere. 


Man  fertigt  einen  zweiten  Schnitt  durch  den  Mantel  an,  bringt  ihn 
aber  nicht  in  Glyzerin,  sondern  in  ein  Uhrschälchen  mit  Jodjodkalium. 
Nach  15  Minuten  nimmt  man  ihn  heraus  und  bringt  ihn  auf  den  Objekt- 
träger in   einen   Tropfen   konzentrierter  Schwefelsäure. 

Es  tritt  alsdann  Blaufärbung  ein,  und  diese  Reaktion  beweist,  daß 
sich  im  Mantel  reichlich  Cell ul ose  vorfindet. 

Die  innere  Manteioberfläche  glänzt  perlmutterartig  und  läßt  sich 
leicht  mit  der  Pinzette  abziehen.  Unter  dem  Mikroskop  erkennt  man 
bei  starker  Vergrößerung  eine  annähernd  homogene  Grundmasse,  welche 
von  vielen  langen  Fibrillen  durchsetzt  ist. 

Ein  weiteres  Präparat  wird  vom  Hautmuskelschlauch  ange- 
fertigt.   Es  läßt  sich  ohne  weiteres  ein  Stück  desselben  loslösen,  welches, 


Endostyl 

"k       Falte  des 
/  Kiemendarmes 


Tentakel 

Ingestionsöffnung 
Flimmerschlinge 


Flinimerorgan 

Ganglion 
Gonade 

Papille 

Egestionsöffnung 

After 

Mantel 


Fig.  138.     Die   beiden   Köri)eröffnungen   von   Styela  mit  Umgebung,   von  innen  ge- 
sehen.    Orig. 


unter  das  Mikroskop  gebracht,  bei  schwacher  Vergrößerung  zwei  regel- 
mäßig angeordnete  Muskelschichten  zeigt,  eine  schwächere,  äußere  Ring- 
muskulatur und  eine  stärkere,  innere  Längsmuskulatur. 

Nunmehr  wenden  wir  uns  zur  Betrachtung  des  Gehirnganglions. 

Wir  schneiden  an  einem  zweiten  Exemplare  dieses  Organ,  welches 
zwischen  Ingestions-  und  Egestionsöffnung  liegt,  mit  dem  am  Darm  fest- 
haftenden Hautmuskelschlauch  ab,  legen  es  auf  einen  Objektträger  und 
betrachten  es  unter  der  Lupe  oder  schwächsten  Vergrößerung  des 
Mikroskopes  (Fig.   138). 

Es  zeigt  sich  das  Ganglion  als  längliches  Gebilde,  welches  nach 
hinten  zwei  starke  Nerven  abgehen  läßt.  Weitere  Nerven  ziehen  nach 
vorn.  Unter  dem  Ganglion  und  mit  ihm  zusammenhängend  liegt  ein 
rundliches,  drüsiges  Gebilde,  auf  beiden  Seiten  vorragend,  welches  als 
„Hypophyse"  bezeichnet  wird.  Endlich  kann  man  noch  vor  dem 
Gehirn  zwischen  den  nach  vorn  abgehenden  Nerven  ein  zu  einer  Doppel- 
spirale eingerolltes  Gebilde  sehen  (Flimmerorgan),  welches  als  Geruchs- 


14.  Kursus:  Tunicata,  Manteltiere. 


223 


Organ  (?)  gedeutet  wird  und  wahrscheinlich  als  Organ  eines  chemischen 
Sinnes  wirkt. 

2.  Ciona  intestinalis  (L.). 

Diese  äußerst  häufige  Form  eignet  sich  wegen  ihrer  großen  Durch- 
sichtigkeit ebenfalls  recht  gut  zu  Demonstrationen.  Von  möglichst  kleinen 
(1,5  cm  langen)  Exemplaren  werden  mikroskopische  Präparate  gegeben, 
mit  deren  Untersuchung  wir  beginnen  wollen. 


Ingestions- 
öffnung 

Augenfleck 


Tentakelring 


Flimmerschlinge 


Endostyl 


Mantel 


KJemendarni 


Hautmuskel - 
schlauch 


Leibeshöhle 


Haftfäden 


Flimmerorgan 
Granglion 


Augenfleck 

Egestions- 

öffnung 


Geschlechts- 
öffnungen 

Dorsale  Papillen 
After 

Peribranchial- 
raum  (Kloake) 


-  Enddarm 


Oesophagus 
Magen 


Fig.  139.     Ciofta  intestinalis,  junges  Tier.     Orig. 

Wir  wenden  zunächst  die  schwächste  Vergrößerung  an  (s.  Fig.  139). 
Man  sieht  die  langgestreckte,   zylindrische  Körperform;   an   dem   einen 


224  1-^-  Kursus:  Tunicata.  Manteltiere. 

Körperende  finden  sich  wurzelföimige,  von  Bindegewebe  erfüllte  Aus- 
läufer der  äußeren  Hülle,  die  zum  Anheften  an  der  Unterlage  dienen. 
Das  freie  Körperende  ist  in  zwei  röhrenartige  Fortsätze,  Siphonen,  aus- 
gezogen. Am  Ende  des  mittleren,  höheren  (Buccalsipho)  liegt  die 
Ingestionsöffnung,  am  Ende  des  kleineren,  seitlich  davon  gelegenen 
(Kloakalsipho)  liegt  die  Öffnung  des  Peribranchialraumes,  die 
Egestionsöffnung. 

Rings  um  das  ganze  Tier  sieht  man  einen  feinen  Saum,  den  Rand 
des  Mantels.  Die  Ingestionsöffnung  ist  kreisrund  und  in  acht 
Lappen  ausgezogen.  In  den  dadurch  gebildeten  Einkerbungen  liegt  am 
Grunde  je  ein  als  Augenfleck  bezeichneter  Pigmentfleck,  und  das  gleiche 
Verhalten  zeigt  auch  die  Egestionsöffnung,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
daß  hier  sechs  Lappen  und  sechs  Augenflecke  auftreten. 

Die  Siphonen  stellen  sich  als  häutige  Gebilde  dar,  in  deren  Wan- 
dung außen  Ringmuskulatur  eingebettet  ist,  während  nach  innen  zu 
liegende  Längsmuskeln  weit  nach  abwärts  ziehen.  Kurz  vor  Beginn 
des  Kiemendarmes  sieht  man  im  Buccalsipho  eine  ringförmige  \'er- 
dickung,  den  Tentakel  ring,  auf  dem  sich  in  regelmäßiger  Anordnung 
eine  Reihe  von  kurzen  Tentakeln  erhebt.  Sie  ragen  im  Leben  weit  in 
den  Hohlraum  des  Sipho  vor  und  bilden  so  eine  Art  Reuse,  die  größeren 
Körpern  den  Eintritt  in  die  Kieme  versperit. 

Wir  kommen  nunmehi-  zum  Beginn  des  Kiemendarmes,  dessen 
weite  Öffnung  von  einer  Flimmerschlinge  umzogen  wird.  Der  Kiemen- 
darm stellt  einen  weiten  Sack  dar,  welcher  nur  den  hinteisten  Teil  des 
Körperinnern  frei  läßt.  Seine  Wand  ist  aufgebaut  aus  einem  Maschen- 
werk sich  rechtwinklig  kreuzender  Leisten,  an  deren  Kreuzungsstellen 
kurze  Papillen  ins  Innere  vorspringen.  Die  feinen,  flimmernden,  ovalen 
Kiemenspalten  stehen  in  jedem  Rechteck  in  zwei  tiansversalen  Doppel- 
reihen. Durch  diese  fließt  das  von  der  Ingestionsöffnung  aufgenommene 
Atemwasser  in  den  Peribranchialraum,  der  nur  unter  der  Egestions- 
öffnung als  Kloake  größere  Ausdehnung  gewinnt. 

Auf  der  ventralen  (der  Egestionsötfnung  gegenübei'liegenden)  Seite 
liegt  der  ansehnliche  Endostyl,  dessen  Tätigkeit  darin  besteht,  Schleim 
abzuscheiden  und  die  darin  eingehüllten  Nahrungspartikel  dem  ver- 
dauenden Darme  zuzuführen. 

Zur  Untersuchung  der  übrigen  Organe  werden  größere  Spiritusexem- 
plare gegeben,  welche  im  Wachsbecken  aus  dem  Mantel  herausgelöst  und 
dann  unter  Wasser  an  einer  Seite  aufgeschnitten  und  ausgebreitet  werden. 

Der  Nahrungsdarm,  w^elcher  sich  an  den  Kiemendarm  an- 
schließt, beginnt  mit  einem  kurzen,  engen  Oesophagus,  erweitert 
sich  zum  ansehnlichen  Magen  und  zieht  als  Enddarm  auf  derselben 
Seite  nach  oben,  um  etwa  in  der  Körpermitte  im  After  zu  enden. 
Die  Nahrungsreste  werden  aus  der  Kloake  durch  die  Egestionsöffnung 
entfernt. 

Nach  innen  vom  Afterdarm  ziehen  die  Geschlechtsgänge,  Ovidukt 
und  Vas  deferens,  nach  oben,  ein  gutes  Stück  höher  als  der  After  in 
der  Kloake  ausmündend.  Diese  Stelle  ist  auch  am  konservierten  Tier 
noch  an  der  roten  Farbe  kenntlich. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  an  den  Präparaten  der  jungen 
Tiere  noch  nicht  zu  sehen,  an  den  großen  Präparaten  findet  sich  das 
Ovar  in  der  Schlinge  zwischen  Magen  und  Enddarm,  während  die 
Hoden  schlau  che  dem  Magen  aufliegen. 


14.  Kursus:    Tunicata,  Manteltiere.  225 

Das  Herz  ist  zwischen  Magen  und  Endostyl  als  gekrümmter 
Schlauch  ausgespannt.  Beim  lebenden  Tier  erfolgen  seine  Kontrak- 
tionen, wie  bei  den   anderen  Tunicaten  auch,  in  wechselnder  Richtung. 

Deutlicher  sichtbar  ist  das  Ganglion  zwischen  Ingestions-  und 
Egestionsöffnung;  es  liegt  der  voluminösen  Drüsenmasse,  der  „Hypo- 
physis",  dicht  auf. 


11.  Salpen. 
A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  pelagisch  im  Meeie  lebenden  Salpen  haben  eine  Körper- 
gestalt, die  am  besten  mit  einem  dickwandigen  Fasse  verglichen  wird, 
dessen  Böden  von  weiten  Öffnungen  durchbrochen  sind.  Die  vordere 
Öffnung  ist  die  Ingestionsöffnung,  die  hintere,  in  deren  Nähe  die  Ein- 
geweide zu  einem  Knäuel,  dem  Nu  eleu  s,  vereinigt  liegen,  die  Egestions- 
öffnung. Der  Wasserstrom  geht  von  vorn  nach  hinten,  so  daß  die 
Tiere  durch  Rückstoß  mit  der  Ingestionsöffnung  voranschwimmen. 

Die  Kör  per  wand  der  Salpen  besteht  aus  dem  cellulosereichen 
Mantel  und  dem  darunter  liegenden  Hautmuskelschlauch.  Die 
Muskeln  sind  quergestreifte  Ringmuskeln  und  umgeben  den  Körper 
reifenartig  als  geschlossene  oder  als  nicht  geschlossene  Ringe. 

Der  Körperhohlraum  entspricht  Kiemendarm -[-Peribranchialraum 
der  Ascidien,  Die  Wandung  des  Kiemen  dar  ines  ist  rückgebildet 
und  zu  einem  schmalen  Balken  geworden,  der  von  oben-vorn  nach 
unten-hinten  zieht.  An  diesem  Kiemenbalken  sitzen,  in  queren  Leisten 
angeordnet,  sehr  starke  Flimmerhaare. 

Von  dem  dorsalen  Ende  der  Kiemen  gehen  zw'ei  seitliche  Flimmer- 
bögen aus,  die  das  vordere  Ende  der  Körperhöhle  ringförmig  umfassen. 

Das  Nervensystem  ist  ein  unpaarer  Ganglienknoten  in  der 
Mittellinie  der  Rtickenfläche,  von  der  Ingestionsöffnung  etwa  ein  Drittel 
der  Körperlänge  entfernt.  Von  diesem  Ganglion  (Gehirn)  strahlen 
Nerven   nach  allen  Richtungen   aus.  innen   am  Mantel  entlang  ziehend. 

Mit  dem  Gehirn  in  Zusammenhang  stehend  und  aus  ihm  hervor- 
gegangen ist  der  Ocellus.  welcher  besonderer  lichtbrechender  Teile 
entbehrt.  Weiter  nach  vorn  liegt  eine  tiefe,  als  Geruchsorgan  gedeutete 
Grube,  innen  mit  Flimmerhaaren  ausgekleidet  und  mit  dem  Gehirn 
durch  einen  Nerven  in  Verbindung  stehend. 

Auf  der  Ventralseite  liegt  unter  einer  Furche,  der  Bauchfurche, 
der  Endostyl,  vorn  mit  den  seitlichen  Flimmerbögen  in  Zusammen- 
hang, hinten  blind  endigend. 

Der  Darmkanal  verläuft  bei  einigen  gestreckt  in  der  ventralen 
Mittellinie,  bei  den  meisten  ist  er  mit  den  übrigen  Eingeweiden  zu 
einem  Knäuel.  deniNucleus,  zusammengeballt.  Der  Darmkanal  beginnt 
mit  einer  trichterförmigen  Öffnung,  die  in  einen  kurzen  Oesophagus 
führt.     Dann  folgt  der  weite  Magen  und  ein  einfacher  Enddarm. 

Das  Herz  ist  ein  kurzer,  weiter  Zylinder,  am  oberen  Rande  des 
Eingeweideknäuels  gelegen  und  nach  dem  Endostji  zu  ziehend.  Es 
wird  umgeben  vom  Herzbeutel.  Weitere  Gefäße  fehlen  oder  es  bildet 
sich  ein  netzförmig  verzweigtes  Lakunensystem  aus.  Der  Kreislauf 
des  Blutes  wechselt,  indem  sich  das  Herz  bald  nach  der  einen, 
bald  nach  der  anderen  Richtung  hin  zusammenzieht. 

KiikonthaK  Zool.  Praktikum.     5.  Aufl.  15 


226 


14.  Kursus: 


Tunicata,  Manteltiere. 


Die  Geschlechtsorgane  finden  sich  nur  bei  einer  besonderen 
Generation,  den  Kettensalpen,  welche  in  vielen  Individuen  hinter- 
einander zu  einer  Kette  vereinigt  leben.  Die  andere  Generation,  die 
aus  Einzeltieren  besteht,  hat  keine  Geschlechtsorgane  und  erzeugt 
auf  ungeschlechtlichem  Wege  am  hinteren  Ende  einen  Knospen  zapfen 
(Stolo  prolifer),  aus  dem  nacheinander  mehrere  Ketten  entstehen. 
Jede  Person  der  Kette  produziert  nur  ein  Ei;  in  der  Nähe  des  Darm- 
kanales  bildet  sich  später  der  keulenförmige  Hode.  Das  befruchtete 
Ei  wächst  zum  geschleciitslosen  Einzeltier  heran.  Entdeckt  wurde  dieser 
merkwürdige  Generationswechsel  vom  Dichter  A.  von  Chamisso  (1819). 


B.  Spezieller  Kursus. 

1.   Halpa  ctfricana  (Forsk.). 

In  Alkohol  konsei'vierte  Exemplare  der  Einzelpersonen  werden  in 
kleinen  Standgläsern  zur  Demonstration  verteilt.  Die  vorzüglich  kon- 
servierten Präparate,  wie  sie  z.  B.  die  Neapler  Station  liefert,  gestatten 
einen  guten  Einblick  in  die  gesamte  Organisation.     Am  besten  werden 


"  "  ■Ingestioiisöffnuno- 

Flimmorstiiliiige 

—  Muskulatur 
Flimmcr^ube 

-  GangÜDii 


Endostyl  ._  _ 
Kiomenbalken 


Placenta 


Elaeoblast 
Herz  ( 


Eiiigeweide- 
knäuol 


Riuginuskclii 


■  -  Egestioiisöffiiung 
Fig.  140.     Salpa  africa7ta,   von  der  Seite  gesehen.     Orig. 


die  Präparate  gegen  das  Licht  gehalten.  Zunächst  betrachte  man  das 
Präparat  von  einer  Seite.  Man  orientiere  sich  über  Ingestions-  und 
Egestionsöffnung:  erstere  ist  mit  einer  ventralen  Klappe  versehen. 
Die  Ringmuskeln,  neun  an  der  Zahl,  umfassen  nur  die  dorsale  Körper- 
hälfte.    Im  Innern    sieht  man    deutlich   den   schräg   durch  den  Körper 


14.  Kursus:   Tunicata,  Mantel tiere. 


227 


ziehenden  Kiemenbalken  und  auf  der  Bauchseite  nicht  minder  deut- 
lich die  Bauchfurche  mit  dem  Endostyl.  Der  Eingeweideknäuel 
ist  ein  kompaktes,  rundliches  Gebilde  am  hinteren  Körperende,  von 
dem  aus  ein  hornförmig  gebogener  Blindsack  nach  oben  abgeht,  der 
sog.  Elaeoblast  (wahrscheinhch  ein  Depot  von  Nahrungsstoffen). 
Nach  innen  davon  liegt  das  zarte  Herz. 

Oberhalb  des  Xucleus  auf  der  Ventralseite  liegt  ein  rundhches, 
kompaktes  Gebilde,  auf  einem  dünnen  Stiel  sitzend;  dieses  ist  die  sog. 
„Placenta",  der  Rest  eines  ernährenden  Organes,  welches  die  Mutter 
(Kettensalpe)  mit  dem  aus  dem  Ei  entstehenden  Embryo  verbunden  hat. 

Schwieriger  läßt  sich  an  diesen  Präparaten  das  Ganglion  mit  dem 
kleinen  Ocellus  sowie  die  Flimmergrube  sehen,  die  besser  an  mikro- 
skopischen Präparaten  demonstriert  werden.  Die  geschlechtliche  Ketten- 
form dieser  Salpe  ist  als  Salpa  maxinia  beschrieben. 

2.  Salpd  deniocvatica-mtieronata  (Forsk.). 
Eine  im  Mittelmeer  ungemein  häufige  Salpe  ist  die  Salpa  dcmo- 


Ingestions- 
öffnuni!: 


[Ringniuskel- 

l'"'linimerbogeu. 

l-"limmergriibc 
Ocellus 
Gehirn 

Ringmiiskel 

Endostvl 


KiciiiL'nbalken  - 


Kette 
Eingeweide- 
kiiäuel 

Ringniuskel 

Egestionsöffnung 

Fortsetzung- der 
Leibeshöhle 


Körperfortsatz  •-- 


Ingestions- 
öffnung 

Ringmuskel 

Flimmerbogeii 

Flinimergnibe 

Ocellus 
Gehirn 

[-  Endostvl 


Ringniuskel 

Kienienbalken 

Mantel 


Kette 
Eingeweide-- 

knäue! 
Muskel 

Ringmuskel 
Egestionsöffnung 
Körperfortsatz 
Fortsetzung  der 
Leibeshöhle 


Körperfortsatz 


Fig.  141.     Salpa  democratica,  von  der  Fläche  und  von  der  Seite  gesehen.     Orig. 

cratica,    deren   geschlechtliches    Kettentier    als   Salpa   mucronata    be- 
zeichnet worden  ist.     (Daher  der  Doppelname  der  Form.) 

15* 


228 


14.  Kursus:   Tunicata,  Manteltiere. 


Die  geschlechtslosen  Einzeltiere   werden  entweder  im  Uhrschälchen 

zur  Untersuchung    unter    der    Lupe    gegeben  oder    besser    als    gefärbte 

mikroskopische    Präparate,    die    zunächst    bei  schwächster  Vergrößerung 
betrachtet  werden. 

An  der  äußeren  Körperform  fällt  auf,  daß  das  Hinterende  in  drei 
Zipfel  ausgezogen  erscheint,  einen  mittleren,  in  welchen  der  Eingeweide- 
knäuel  hineinragt  und  zwei  lange  seitliche,  in  welche  sich  die  Leibes- 
höhle schornsteinartig  fortsetzt. 

Die  Orientierung  ist  sehr  leicht.  Der  vom  Eingeweideknäuel 
schräg  aufwärts  steigende  Strang  ist  der  Kiemenbalken,  von  dessen 
oberem  Ende  die  zwei  Flimmerbögen  abgehen,  welche  den  Eingang 
zur  Körperhöhle  umfassen.  Der  Endostyl  entspringt  von  dem  ventral 
gelegenen  Punkte,  wo  sich  die  beiden  Flimmerbögen  wieder  vereinigen, 


Egestionsüffiiung 
Ingestionsöffnung 


Fig.    142.     Kette    von    Salpa  dejnocratica    (Salpa  mncro7iata). 


Vergrößert. 


Orig. 


ist  vorn  ziemlich  breit  und  zieht  in  der  ventralen  Medianlinie  etwa  bis 
zur  Mitte  der  Körperlänge.  Zwischen  der  Gabel,  welche  die  Flimmer- 
bögen bei  ihrem  Abgang  von  der  Kieme  bilden,  liegt  das  Gehirn  und 
dicht  darüber  der  Ocellus  mit  seinem  hufeisenförmigen  Pigmentbecher, 
in  dessen  Innerem  sich  bei  starker  Vergrößerung  die  Sehzellen  wahr- 
nehmen lassen.  Außerdem  kommen  im  Ganglion  pigmentlose,  durch 
Licht  reizbare  Zellen  vor 
Flimmergrube  und  dicht  neben  dieser  ein  Tentakel 

Die  Ringmuskulatur  zeigt  bei  starker  Vergrößerung  sehr  schön 
die  Querstreifimg  und  regelmäßig  angeordnete  Zellkerne. 

Fast  alle  größeren  Individuen  besitzen  nun  um  den  Nucleus  herum 
eine  eigentümliche  Spirale,  die  wir  erkennen  als  zusammengesetzt  aus 
einer   Doppelreihe   miteinander  verbundener    kleiner    Salpen,   die    nach 


Ein  gutes  Stück  weiter  nach  vorn  liegt  die 


14.  Kursus:   Tunicata,  Manteltiere. 


229 


innen  zu  immer  kleiner  werden.  Wir  haben  hier  eine  „Salpenkette" 
vor  uns  und  lernen  dabei,  daß  diese  Kette  in  dem  Einzeltier,  wie  wir 
gleich  sehen  werden,  auf  dem 

^Ygcrg    rloi-    T^nnciinno-      alcn  '^.  ^ Haftfortsatz 


der  Knospung,  also 
ungeschlechtlich,  entsteht.  Die 
Kette  (Fig.  142)  entsteht  am 
Stolo  prolifer,  einer  bei 
Embryonen  bereits  auf- 
tretenden, hakenförmigen  Er- 
hebung dicht  hinter  dem 
Endostylende  an  der  linken 
Seite,  die  in  spiraliger  Krüm- 
mung in  den  Cellulosemantel 
des  Einzeltieres  hineinwächst, 
eine  Ausbuchtung  vor  sich 
hertreibend.  An  seinem  Ende 
entstehen  wulstförmige  Ver- 
dickungen, aus  denen  die 
Tiere  der  Kette  hervorgehen, 
derart,  daß  die  entwickeltsten 
sich  am  freien  Ende  befinden 
und  immer  weiter  geschoben 
werden  (ähnlich  der  Glieder- 
bildung l)eim  Bandwurm). 
Durch  eine  Öffnung  des  Man- 
tels wird    dann   ein  Teil   der 

worauf  die 
wieder    beginnt. 

Es  werden  mikroskopische  Präparate  von  einzelnen  Tieren  der 
Kettenform  gegeben  (Fig.   143). 

Neben  vielen  Ähnlichkeiten  mit  den  Einzeltieren  weisen  die  Tiere 
der  Kettenform  doch  auch  Verschiedenheiten  im  Bau  auf,  von  denen 
wir  hier  nur  die  Existenz  dreier  Ocellen  über  dem  Gehirn  und  das 
Vorhandensein  eines  ziemlichen  ansehnhchen  Eies  neben  dem  Nucleus 
erwähnen  wollen.  Ferner  sind  auch  die  ektodermalen  Haftforsätze 
aufzusuchen,  mittels  deren  die  Tiere  zusammenhängen. 


—  Ingestionsöffiiung 

--  Ringmuskel 

■  -  Flimmerschlinge 

-  Eudostyl 

-  Flimmergrube 

-  Gehirn 


Haftfortsatz 

Kiemenbalken 

Ringmuskel 


Haftfortsatz 
Embrvo 


Eingeweideknäuel 
Haftfortsatz 


Egestionsöffnung 


Kette  abgestoßen 
Neubildung 


Fig.   143.      Salpa  miicronata.      Orij 


Systematischer  Überblick 

für  den  fünfzehnten  bis  zwanzigsten  Kursus. 
IX.  Stamm. 

Yertebrata,  Wirbetiere. 

Im  Gegensatz  zu  den  Wirbellosen  haben  die  Wirbeltiere  ein  inner^es 
oder  Achsenskelett,  das  nur  bei  den  niedersten  Formen  ungegliedert  (Chorda 
dorsalis),  bei  allen  anderen  gegliedert  ist.  Es  sind  bilateral-symmetrische 
Tiere  mit  innerer,  vom  Mesoderm  ausgehender  Metamerie,  die  äullerlich  fehlt. 
Der  Körper  zerfällt  in  drei  Abschnitte,  Kopf,  Rumpf  und  Schwanz,  zu  denen 
bei  den  höheren  noch  ein  vorderer  Abschnitt  des  Rumpfes,  der  Hals,  kommt. 

Das  Nervensystem  liegt  dorsal  über  dem  Achsenskelett  xxnd  wird  als  .,Rücken- 
mark"'  (im  Gegensatz  zum  „Bauchmark"'  der  Würmer  und  Arthropoden),  sein 
vorderster  Teil  als  „Gehirn''  bezeichnet.  Das  Darmrohr  mit  ventralem  Mund 
und  After  liegt  ventral  vom  Achsenskelett,  also  auf  der  Bauchseite.  Der  vordere 
Teil  des  Darmes  gibt  den  Atmungsorganen  den  Ursprung  (bei  den  im  Wasser 
lebenden  Vertebraten:  Kiemen,  bei  den  landlebenden:  Lungen). 

An  Gliedmaßen  finden  sich  ein  Paar  vordere  und  ein  Paar  hintere.  Bei  den 
niedersten  fehlen  sie  noch,  bei  einzelnen  höheren  Formen  können  sie  wieder  ver- 
loren gehen  (z.  B.  Schlangen). 

Das  Blutgefäßsystem  ist  im  Gegensatz  zu  dem  vieler  Wirbellosen  stets 
geschlossen.  Das  Herz  liegt  vorn,  ventral  vom  Darmkanal.  Eine  geräumige  Leib  es - 
höhle  umgibt  die  Eingeweide.  Bei  allen  höheren  Formen  sind  ein  Paar  Nieren  und 
ein  Paar  Keimdrüsen  vorhanden,  die  neben  oder  im  Enddarm  ausmünden.  Fort- 
pflanzung nur  geschlechtlich. 

Die  Haut  der  Wirbeltiere  besteht  aus  zwei  Schichten,  der  ektodermalen 
Oberhaut  (Epidermis)  und  der  mesodermalen  Leder  haut  (Corium).  Die  Epi- 
dermis ist  ein  mehrschichtiges,  nur  bei  Amphioxus  einschichtiges  Epithel,  dessen 
oberste  Schicht  verhornen  kann  (Stratum  corneum).  Die  untere,  weiche  Schicht, 
das  Rete  Malpighii,  liefert  durch  fortgesetzte  Teilung  sämtliche  Epidermiszellen. 
Die  Lederhaut  besteht  aus  bindegewebigen  Strängen  und  kann  verknöchern  (Haut- 
skelett). 

Die  innere  Metamerie  des  Wirbeltierkörpers  kommt  dadurch  zustande,  daß 
von  beiden  Seiten  des  Urdarms  sich  seitliche  Divertikel  abschnüren,  die  Coelom- 
taschen.  Ihr  Hohlraum  ist  die  Leibeshöhle  (Goelom),  ihre  Wandung  ist  das 
Mesoderm.  Diese  mesodermalen,  aufeinander  folgenden,  gleichwertigen  Abschnitte 
heißen  Somiten.  Jeder  Somit  sondert  sich  wieder  in  einen  dorsalen  Teil,  aus  dem 
die  Muskulatur  hervorgeht,  das  Myotom,  und  einen  ventralen  Teil,  an  dessen 
Wandung  die  Geschlechtszellen  entstehen.  Nach  innen  von  den  Myotonien  bilden 
sich  die  mesodermalen  Skierotome  aus,  in  metamer  angeordneten  Paaren,  welche 
sich  vereinigen  und  ringförmig  die  Chorda  dorsalis  und  das  darüber  liegende  Rücken- 
mark umhüllen. 

In  ihnen  entstehen  paarige  Wirbelspangen,  und  zwar  dorsale  und  ventrale 
Bogen,  die  Neurapophysen  und  die  Hämapophysen.  Ursprünglich  sind  in 
jedem  Metamer  2  Paar  Neurapophysen  angelegt,  von  denen  das  hintere  Paar  klein 
bleibt  und  zu  den  Intercalaria  wird.  Dorsale  und  ventrale  Bogen  werden  ver- 
einigt durch  die  Bildung  der  Wirbelkörper,  welche  die  Chorda  allmählich  ver- 
drängen. Die  Wirbelkörper  sind  entweder  amphicoel,  wenn  ihre  Vorder-  und 
Hinterfläche  ausgehöhlt  ist,  oder  procoel,  wenn  nur  die  Voi'derf lache  zu  einer  Ge- 
lenkgrube  ausgehöhlt   ist,    in   welcher   die   hintere   abgerundete  Fläche   des  voraus- 


System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere.  231 

gehenden  Wirbels  eingelenkt  ist,  oder  opisthocoel,  wenn  umgekehrt  die  Hinter- 
fläche zur  Gelenkgrube  wird.  Auch  können  die  Wirbel  durch  Sattelgelenke 
(Vögel)  oder  Ligamenta  intervertebralia  (Säugetiere)  miteinander  gelenkig  ver- 
bunden sein. 

Die  Xeurapophysen  umschließen,  sich  oben  vereinigend,  das  Rückenmark; 
auf  ihnen  sitzen  die  oberen  Dornfortsätze  (Processus  spinosi);  die  Hämapophysen 
sind  dagegen  weiter  auseinander  gespreizt,  können  sich  aber  im  hinteren  Körper- 
abschnitt  zur  Bildung  eines  Caudalkanals  vereinigen,  dem  untere  Domfortsätze  auf- 
sitzen. In  der  Rumpfregion  kommt  es  zur  Bildung  von  Rippen,  entweder  durch 
Abgliederung  von  den  Hämapophysen  (Hä mal  rippen  der  Teleostier,  Ganoiden)  oder 
durch  Verknöcherung  ti'ansversaler  Bindegewebssepten  (Lateralrii)pen  der  Selachier, 
Amphibien  und  Amnioten).  Die  Wirbelsäule  ist  ursprünglich  knorpelig,  und  ver- 
knöchert bei  den  höheren  Formen. 

Die  Bildung  der  Somiten  findet  auch  in  dem  Teile  des  Körpers  statt,  welcher 
sjjäter  zum  Kopfe  wird.  Auch  diese  Kopfsomiten  zerfallen  in  einen  dorsalen  und 
einen  ventralen  Teil.  Aus  der  inneren  Platte  des  ersteren  entsteht  u.  a.  der  Schädel, 
während  der  ventrale  Teil  gi-ößtenteils  zur  Bildung  der  Schlundbogen  ver- 
wendet wird.  Auch  der  Schädel  durchläuft  wie  die  Wirbelsäule  drei  Stadien,  ein 
häutiges,  dann  knorpeliges  (Primordialcranium),  zuletzt  knöchernes  (Cranium).  Das 
Primordialcranium  ist  eine  Knorpelkapsel,  die  zu  den  drei  höheren  Sinnes- 
organen. Geruchsorgan,  Auge  und  Gehörorgan,  in  Beziehung  tritt.  Der  knöcherne 
Schädel  bildet  sich  dadurch  aus,  daß  in  dem  Knorpel  des  Primordialschädels 
Knochenteile  entstehen:  die  primären  Schädelknochen.  und  daß  zweitens 
sekundäre  Schädel  knochen  oder  Deckknochen  hinzutreten,  welche  in  der  Haut 
entstehen  und  erst  sekundär  zu  den  primären  Schädelknochen  in  Beziehung  treten. 

Primäre  Knochen  der  Schädelkapsel  sind: 

1.  die  Hinterhauptbeine  (Occipitalia),  und  zwar  ein  unpaares 
oberes  (Supraoccipitale).  welches  sich  später  vielfach  mit  einem  Deckknochen, 
dem  Interparietale  zur  sog.  Hinterhauptschuppe  verbindet,  zwei  paarige  seitliche 
(Exoccipitalia)  und  ein  unteres  (Basioccipitale); 

2.  die  Keilbeine  (Sphenoidea),  an  der  Schädelbasis  ein  Basi- 
sphenoid,  ein  davor  liegendes  Praesphenoid  und  zu  deren  Seiten  die  paarigen 
Alisijhenoide  und  Orbitosphenoide; 

B.  die  fünf  Ohrknochen  (Otica); 
4.  die  Siebbeine  (Ethmoidea). 

Sekundäre  Knochen  der  Schädelkapsel  sind: 

1.  die  Schädeldachknochen:  ein  Paar  Scheitelbeine  (Parietalia), 
ein  Paar  Stirnbeine  (Frontalia)  und  ein  Paar  Nasenbeine  (Xasalia); 

2.  die  Schläfenbeinknochen,  und  zwar  Schuppenbein,  Augen- 
ringknochen  und  Tränenbein; 

3.  das    Parasphenoid.    an   der  Schädelbasis  der  Fische  und  Amphibien. 

Zu  dem  aus  dem  dorsalen  Teile  der  Kopfsomiten  gebildeten  Schädel  tritt 
ferner  das  aus  deren  ventralem  Teile  gebildete  Visceralskelett  der  Schlund- 
bogen, ursprünglich  mindestens  neun  an  der  Zahl,  welche  den  vordersten  Teil 
des  Darmes  umfassen.  Lassen  wir  die  beiden  vordersten  unbedeutenden  Paare  der 
Lippenbogen  beiseite,  so  ist  das  erste  Paar  der  Kieferbogen.  Dieser  besteht 
jederseits  aus  einem  oberen  Stück,  dem  Palatoquadratiim,  und  einem  unteren, 
diesem  eingelenkten,  dem  Mandibulare.  Das  zweite  Paar  ist  der  Zungenbein- 
bogen. Er  zerfällt  jederseits  in  zwei  Stücke,  das  Hyomandibulare  dorsal  und 
das  Hyoid  ventral,  und  beide  Bogenhälften  werden  durch  ein  unpaares  Verbindungs- 
stück, Basihyale,  miteinander  verbunden.  Die  übrigen  Visceralbogen  tragen  die 
Kiemen;  meist  gehen  die  beiden  letzten  zugrunde,  so  daß  nur  fünf  Bogen  übrig 
bleiben. 

Mit  der  Verknöcherung  des  Visceralskeletts  treten  jederseits  folgende  Deck- 
knochen auf.  Vor  dem  Kieferbogen  die  zahntragenden  Zwischenkiefer  (Prä- 
maxillare)  und  Oberkiefer  (Maxillare).  Auf  dem  Kieferbogen,  und  zwar  auf 
dem  vorderen  Teile  des  Palatoquadratums,  der  Palatinspange:  Vomer,  Pala- 
tinum  und  Pterygoid,  zu  denen  noch  das  Jugale,  das  Squamosum  und  das 
Tympanicum  kommen.  Der  hintere  Teil  des  PalatO(|uadratums  verknöchert  als 
<i)uadratum.  Das  Mandibulare  lenkt  sich,  im  oberen  Teile  als  Articulare  ver- 
knöchernd, ein,  und  es  treten  noch  eine  Anzahl  von  Deckknochen  zur  Bildung  des 
Unterkiefers  hinzu. 

Die  Extremitäten  sind  mit  dem  Körper  durch  besondere  Bogen  verbunden. 
Die  Vorderextremitäten  (Brustflossen  der  Fische,  Vorderbeine  der  Amphibien, 
Reptilien    und    Säugetiere,    Plügel    der  Vögel)    sind    in    den  Schultergürtel  ein- 


232  System.  Überblick:  Vertebrata.  Wirbeltiere. 

gelenkt.  Der  dorsal  von  der  Einlenkungsstelle  gelegene  Teil  des  Schultergürtels 
ist  das  Schulterblatt  (Scapula),  der  ventrale  Teil  spaltet  sich  in  einem  vor- 
deren und  einen  hinteren  Ast:  Praecoracoid  (mit  einem  späteren  Deckknochen, 
Clavicula)  und  Coracoid.  Die  Coracoide  beider  Seiten  treten  an  das  unpaare 
ventrale  Brustbein,  Sternuni,  heran,  ein  Derivat  der  Rippen,  während  die  Clavicula 
mit  einem  kranial  vom  Sternum  liegenden  Deckknochen,  dem  Episternum,  in  Ver- 
bindung tritt.  Die  Hinterextremitäten  (Bauchflossen  der  Fische,  Hinterbeine 
der  Amphibien,  Reptilien  und  Säugetiere,  Beine  der  Vögel)  sind  durch  den  Becken - 
gürtel  mit  dem  Körper  verbunden.  Bei  den  landlebenden  Wirbeltieren  tritt  der 
Beckengürtel  mit  einem  oder  mehreren  Wirbeln,  Sacralwirbeln,  in  Verbindung. 
Wie  der  Schultergürtel,  so  differenziert  sich  auch  der  Bogen  des  Beckengürtels  in 
drei  Stücke,  das  dorsale  Darmbein  (Ileum)  und  die  ventralen:  Schambein  (Os 
pubis)  und  Sitzbein  (Os  ischii).  Es  entspricht  also  die  Scapula  dem  Ileum. 
das  Praecoracoid  dem  Os  pubis  und  das  Coracoid  dem  Os  ischii. 

Die  Extremitäten  bestehen  bei  den  Fischen  aus  vielen  strahlenförmig  aus- 
laufenden Reihen  einzelner  Skeletteile;  bei  allen  anderen  Wirbeltieren  ist  nur  ein 
Hauptstrahl    vorhanden,    der  an  dem  Ende  mit  wenigen  Nebenstrahlen  versehen  ist. 

Die  Vorderextremität  ist  zusammengesetzt  aus  Oberarm  (Humerus),  den 
beiden  Unterarmknochen,  Radius  und  Ulna,  hierauf  einer  Anzahl  kleiner  Knochen, 
der  Handwurzel  (Carpus)  und  den  darauf  aufsitzenden  fünf  Finger  strahlen, 
die  aus  dem  Metacarpus  und  den  Phalangen  bestehen. 

Dementsprechend  sehen  wir  an  der  Hinterextremität  Oberschenkel  (Feniur), 
die  beiden  Unterschenkelknochen,  Tibia  und  Fibula,  die  Fußwurzelknochen 
(Tarsus)  und  die  mit  den  Metatarsalia  beginnenden  Zehenstrahlen. 

Außer  diesen  paarigen  Extremitäten  existiert  bei  den  niedersten  Formen  ein 
den  Kollier  in  der  Sagittalebene  umgebender  Hautsaum,  der  meist  in  drei  Stücke 
zerfällt:  Rückenflosse,  Schwanzflosse  und  Afterflosse,  die  als  unpaare 
Extremitäten  bezeichnet  werden, 

Die  Muskulatur  entsteht  größtenteils  aus  den  Myotonien,  jenen  dorsalen 
Abschnitten  der  Somiten,  und  erfährt  durch  Verlagerungen  und  Differenzierungen, 
besonders  indem  sie  zu  den  Gliedmaßen  in  Beziehung  tritt,  tiefgreifende  Um- 
bildungen. Im  Gegensatz  zu  dem  Hautmuskelschlausch  bei  Wirbellosen  setzt  sich 
die  Wirbeltiermuskulatur  an  das  innere  Skelett  an. 

Das  Zentralnervensystem  liegt  dorsal  vom  Achsenskelett,  bei  allen  eine 
gegliederte  Wirbelsäule  besitzenden  Formen  eingeschlossen  in  dem  von  den  oberen 
Wirbelknochen  gebildeten  Neuralkanal.  Es  enthält  im  Innern  einen  Kanal,  den 
Zentralkanal,  der  dadurch  entstanden  ist,  daß  das  Nervensystem  sich  aus  dem 
dorsalen  Ektoderm  als  eine  längsverlaufende  Rinne  (Medullarrinne)  bildet,  die  sich 
zum  Rohre  schließt.  Die  Höhlung  der  Rinne  wird  zum  Zentralkanal.  Um  den 
Zentralkanal  lagert  sich  die  ganglienzellenreiche  graue  Substanz  in  Form  eines 
liegenden  Kreuzes  (im  Querschnitt);  dazwischen  liegt  die  aus  Nervenfasern  be- 
stehende weiße  Substanz.  Aus  dem  Rückenmark  treten  zu  jedem  Muskelsegment 
ein  Paar  Nerven  (Spinalnerven)  mit  dorsaler  (sensibler)  und  ventraler  (motorischer) 
Wurzel.  .Jede  dorsale  Wurzel  kommt  von  einem  S  p  i  n  a  1  g  a  n  g  1  i  o  n  her. 
Der  vordere  Abschnitt  des  Zentralnervensystems,  das  Gehirn,  ist,  wie  die  Ent- 
wicklung zeigt,  aus  erst  drei,  dann  fünf  Hirnblasen  entstanden,  Ausbuchtungen 
des  vorderen  Abschnittes  des  MeduUarrohres.  Diese  fünf  Hirnblasen  liefern  1.  das 
Vorderhirn  (Großhirnhemisphären),  2.  das  Zwischenhirn  (Sehhügelregion), 
3.  das  Mittelhirn  (Vierhügelregion),  4.  das  Hinterhirn  (Kleinhirn),  5.  das 
Nachhirn  (verlängertes  Mark).  Der  Zentralkanal  des  Rückenmarkes  setzt  sich  im 
Gehirn  fort  in  die  Ventrikel ,  von  denen  zwei  paarige  in  den  beiden  Großhirnhemisphä- 
ren, der  dritte  zwischen  den  Sehhügeln  und  der  vierte,  die  ,, Rautengrube",  im  Hinter- 
hirn und  Nachhirn  liegen.  Das  Lumen  des  dritten  Hirnbläschens  ist  zu  einem 
engen  Verbindungskanal,  dem  Aquaeductus  Sylvii,  geworden.  An  den  Großhirn- 
hemisphären sondert  sich  je  ein  vorderer  Teil  als  Riech  läppen  (Lobus  olfactorius) 
ab,  in  den  der  Riechnerv  vom  Geruchsorgan  eintritt.  Am  Zwischenhirn  findet  sich 
dorsal  die  Epiphyse,  in  deren  Nähe  sich  bei  manchen  Wirbeltieren  das  unpaare 
dorsale  Parietalorgan,  von  augenähnlicher  Struktur,  entwickelt.  Ventral  liegt 
die  Hypophyse.  Ferner  gehen  vom  Zwischenhirn  auf  der  ventralen  Seite  die 
sich  kreuzenden,  wie  die  Riechnerven  als  Hirnteile  aufzufassenden  Augen  nerven 
(N.  optici)  ab. 

Die  vom  Gehirn  entspringenden  zwölf  Kopf  nerven  sind,  von  vorn  gerechnet, 
folgende:  1.  N.  olfactorius,  2.  opticus,  3.  oculomotorius,  4.  trochlearis, 
5.  trigeminus,  6.  abducens,  7.  facialis,  8.  acusticus,  9.  glossopharyngeus, 
10.  vagus.  11.  accessorius,  12.  hypoglossus.  Die  drei  bindegewebigen  Hüllen, 
welche  Gehirn  wie  Rückenmark  umgeben,  sind  von  aullen  nach  innen:  Dura  mater, 


ti 


System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere.  233 

Araclinoidea  und  Pia  mater.  Unter  der  Wirbelsäule  liegen  zwei  mit  Gehirn 
und  Rückenmark  in  Verl)indung  stehende  Nervenstränge,  die  mit  ihren  Ästen  und 
Ganglien  als  sympathisches  Nervensystem  bezeichnet  werden,  welches  die  Ein- 
geweide innerviert. 

Die  Sinnesorgane  der  Wirbeltiere  sind  niedere  und  höhere.  Zu  den 
niederen  gehören  die  Organe  des  Hautsinnes,  welche  Druck-,  Tast-  und  Tem- 
peraturreize übermitteln,  sowie  die  Organe  eines  chemischen  Sinnes.  Solche 
zur  chemischen  Prüfung  der  Zusammensetzung  des  umgebenden  Mediums  dienenden 
Sinnesorgane  finden  sich  in  der  Haut  als  Sinnesknospen,  zweitens  als  die  ähn- 
lich gebauten,  auf  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle,  insbesondere  der  Zunge  be- 
schränkten Geschmacksorgane,  und  drittens  als  Geruchsorgane.  Ob  das 
Geruchsorgan  durch  Zusammentreten  von  Nervenendknospen  entsteht,  ist  noch 
nicht  ausgemacht.  Mit  Ausnahme  der  niedersten  haben  alle  Wirbeltiere  eine  paarige 
Nase,  die  bei  den  landlebenden  in  den  Dienst  der  Atmung  tritt,  indem  sich 
jederseits  eine  Verbindung  mit  der  Mundhöhle  bildet;  der  Nasen  räche  n- 
g  a  n  g.  Höhere  Sinnesorgane  sind  die  des  Gehörs  und  Gesichts.  Die 
Augen  der  Wirbeltiere  entstehen  als  seitliche  Ausstülpungen  des  späteren  Zwischen- 
hirns, deren  Vorderwand  sich  wiederum  becherförmig  einstül])t.  Die  Innenwand  des 
Bechers  ist  die  Netzhaut,  Retina,  die  Außenwand  das  pigmentreiche  Tapetum 
nigrum.  In  der  Höhlung  des  Bechers  liegt  der  dioptrische  Apparat:  die  aus  dem 
Körperepithel  abgeschnürte  Linse  und  dahinter  der  Glaskörper,  der  bei  den 
höheren  Wirbeltieren  aus  einwanderndem,  mesodermalem  Bindegewebe  entsteht,  ur- 
s])rünglich  aber  als  eine  Ausscheidung  der  Retinazellen  sich  ausbildet.  Zwei  weitei'e 
Schichten  umhüllen  das  Auge,  die  Aderhaut  (Chorioidea),  außen  zur  Iris  werdend, 
und  als  äußerer  Schutz  die  derbe  Sclera,  außen  zur  durchsichtigen  Hornhaut 
(Cornea)  umgebildet.  Das  Gehörorgan  der  Wirbeltiere,  von  dessen  ursprüng- 
licher Anlage  ein  Teil  als  statisches  Organ  abgesondert  wird,  bildet  sich  als  Ein- 
stülpung der  Haut,  die  zu  einem  geschlossenen  Bläschen  wird.  Aus  diesem  Bläschen 
entsteht  zuerst  bei  den  Fischen  das  häutige  Labyrinth,  indem  es  sich  in  zwei  Ab- 
schnitte einschnürt:  Utriculus  und  Sacculus,  ersterer  mit  drei  halbkreisförmi- 
gen Kanälen,  in  den  drei  Richtungen  des  Raumes  stehend,  letzterer  bei  den  höheren 
Formen  mit  einem  spiraligen,  sich  einrollenden  Blindsack,  der  Schnecke.  Die  um- 
gebenden Kopfknochen  bilden  das  knöcherne  Labyrinth.  Bei  den  höheren  Wirbel- 
tieren, von  den  Amphibien  an,  kommen  schalleitende  Apparate  hinzu :  das  mit  dem  Rachen 
in  Verbindung  stehende  Mittelohr,  das  umgewandelte  Rudiment  der  ersten  Kiemen- 
spalte (Spritzloch  der  Haie),  nach  außen  durch  das  Trommelfell  geschlossen.  Das 
Trommelfell  überträgt  die  Schwingungen  der  Luft  auf  einen  Knochen  (Columella), 
der  aus  dem  oberen  Teil  des  zweiten  Visceralbogens,  dem  Hyomandibulare,  entsteht 
und  durch  eine  Öffnung  des  knöchernen  Labyrinths  an  das  häutige  Labyrinth  führt. 
Bei  den  Säugetieren  schieben  sich  noch  zwei  weitere  Skeletteile,  Amboß  und  Hammer, 
als  Gehörknöchelchen  ein.  ersterer  aus  dem  Quadratum,  letzterer  aus  dem  Articulare 
gebildet. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  Eingeweiden,  die  ventral  von  der  Wirbelsäule 
in  der  Leibeshöhle  am  Gekröse  (Mesenterium)  befestigt  sind.  Der  Darm- 
tractus  beginnt  mit  der  ektodernialen  Mundhöhle,  auf  diese  folgt  die  bereits  ento- 
dermale  Rachenhöhle  (Pliar3nix),  dann  der  engere  Oesophagus,  der  zum  Magen  führt, 
hierauf  das  Darmrohr,  welches  im  ventral  liegenden  After  ausmündet.  Drüsige  Organe 
am  Darme  sind  die  Leber,  meist  mit  Gallenblase,  kurz  hinter  dem  Magen  in 
den  Darm  mündend,  und  das  nicht  immer  vorhandene  Pankreas.  Außerdem  finden 
sich  in  die  Mundhöhle  mündende  Speicheldrüsen,  sowie  gelegentlich  Drüsen  am 
Enddarm. 

In  der  Mundhöhle  finden  sich  die  Zähne.  Die  Zähne  sind  Integumentgebilde. 
Von  den  Zellen  einer  Cutispapille  aus  erfolgt  die  Bildung  der  festen  Zahnsubstanz, 
des  Dentins,  während  die  darüber  gelagerte  Epidermis  den  Schmelz  absondert. 
Der  blutgefäß-  und  nervenreiche  Rest  der  Cutispapille  im  Zahn  dient  zu  dessen 
Ernährung  und  heißt  Pulpa.  Ursprünglich  über  die  ganze  Körperoberfläche  ver- 
breitet (Selachier),  lokalisieren  sich  später  die  Zähne  in  der  Mundhöhle  und  bilden 
sich  an  einer  eingesenkten  Epithelleiste,  der  Zahnleiste,  nacheinander  aus.  Da- 
durch entstehen  als  Dentitionen  bezeichnete  zeitlich  nach  einander  auftretende 
Zahnserien.  Mit  der  höheren  Ausbildung  der  einzelnen  Zähne  nimmt  die  Zahl  der 
im  Laufe  des  individuellen  Lebens  aufeinander  folgenden  Dentitionen  ab. 

Die  Atmungsorgane  sind  bei  den  im  Wasser  lebenden  Wirbeltieren 
Kiemen,  bei  den  auf  dem  Lande  lebenden  Lungen.  Beide  stehen  mit  dem  Darm 
in  Beziehung.  Der  vordere  Teil  des  Darmes  (Pharynx)  wird  zum  Kiemendarm, 
indem  ihn  Spalten  durchbrechen,  die  in  kurzen  Kanälen  nach  außen  führen.  Zwischen 
je  zwei  Kiemenspalten  liegen  die  stützenden  Kiemenbogen,  die  Kiemen  selbst  sind 
blutgefäßreiche    Blättchen    in    der  Wand   der    Kiemenspalten.     Bei    einigen    P'ormen 


234  System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere. 

treten  auch  aus  Hautausstülpungen  entstandene  äußere  Kiemen  auf.  Die  Lungen 
entstehen  aus  einer  sackartigen  Ausstülpung  am  unteren  Ende  des  Pharynx,  die  sich 
meist  in  zwei  Säcke,  die  Lungen  sacke,  teilt,  deren  beide  Äste  Bronchien  heißen,. 
während  das  unpaare,  in  den  Pharynx  mündende  Rohr  die  Luftröhre  (Trachea) 
ist.  Bei  den  Fischen  entspricht  der  Lunge  morphologisch  die  Schwimmblase,  die 
als  hydrostatischer  Apparat  fungiert. 

Das  Blutgefäßsystem  ist  vollkommen  geschlossen.  Vom  ventralen  Herzen 
aus  geht  bei  den  niedersten  Wirbeltieren  das  venöse  (d.  h.  sauerstoffarme)  Blut  in 
die  nach  vorn  führende  Kiemenarterie,  die  sich  in  eine  Anzahl  (ursjirünglich 
sechs)  nach  rechts  und  links  zu  den  Kiemen  führender  Äste  (zuführende  Arterien- 
bogen)  abspaltet.  In  den  Kiemen  lösen  sich  die  Bogen  in  Kapillaren  auf,  das  Blut 
wird  durch  Abgabe  von  Kohlensäure  und  Aufnahme  frischen  Sauerstoffs  gereinigt 
und  sammelt  sich  in  den  abführenden  Kiemenvenen  an.  die  sich  von  den  beiden 
Seiten  her  zur  Aorta  descendens  vereinigen.  Von  dem  vordei-sten  abführenden 
Arterienbogen  gehen  die  den  Kopf  versorgenden  Carotiden  ab.  Die  Aorta  führt 
das  nunmehr  arterielle  (d.  h.  sauerstoffreiche)  Blut  nach  hinten  und  verteilt  es  an 
die  verschiedenen  Organe,  von  wo  es  durch  die  wieder  zum  Herzen  führenden  Venen 
aufgenommen  wird.  Das  Auftreten  der  Lungenatmung  hat  große  Veränderungen  des 
Blutkreislaufes  im  Gefolge.  Dui-ch  Schwund  der  Kiemen  fällt  auch  der  Kiemen- 
kreislauf weg.  indem  direkte  Verbindungen  zwischen  den  ursprünglich  zuführenden 
und  ableitenden  Gefäßbogen  in  Funktion  treten.  Auch  die  Zahl  der  Bogen  ver- 
mindert sich.  Der  erste  wird  zur  Carotis,  der  zweite  zum  Aortenbogen,  der  dritte 
obliteriert,  und  der  vierte  und  letzte  wird  zur  Lungenarterie.  Entweder  l)leiben 
beide  Aortenbogen  erhalten  (Am])hibien.  Reptilien)  oder  nur  der  rechte  (Vögel)  oder 
linke  (Säuger). 

Der  letzte  Arterienbogen  geht  als  Lungenarterio  zur  Lunge,  von  der  die 
Lungenvene  wieder  das  gereinigte  Blut  zurückführt.  Es  kommt  dadurch  zu  einer 
Scheidung  des  ursprünglich  aus  einer  Vorkammer  und  einer  Kammer  bestehenden 
Herzens,  indem  ei'st  die  Vorkammer,  dann  auch  die  Herzkammer  durch  Septen  in 
eine  rechte  und  eine  linke  Hälfte  geteilt  werden.  Die  rechte  Hälfte  bleibt  venös, 
indem  in  die  rechte  Vorkammer  die  Körpervenen  eintreten,  während  die  rechte  Herz- 
kammer das  venöse  Blut  durch  die  Lungenarterie  der  Lunge  zuführt.  Die  linke 
Hälfte  des  Herzens  ist  arteriell,  denn  in  die  linke  Vorkammer  treten  die  mit  arteriellem 
Blut  gefüllten  Lungenvenen;  aus  der  linken  Herzkammer  geht  die  große  Aorta 
hervor.  Diese  Trennung  des  Herzens  in  eine  rechte  venöse  und  linke  arterielle 
Hälfte  erfolgt  bei  den  Wirbeltierklassen  graduell. 

Die  Lymphgefäße  sammeln  die  Gewebsflüssigkeit  aus  dem  Körper,  leiten 
sie  den  Venen  zu  und  führen  andererseits  die  vom  Darme  gelösten  Stoffe  (Chylus> 
in  den  Blutstrom  über.  Auch  ergänzen  sie  den  Vorrat  an  Leukocyten  in  der  Blutbahn. 

Die  Exkretionsorgane  sind  die  Nieren.  Entwickluugsgeschichtlich  sind  drei 
Generationen  von  Nieren  zu  unterscheiden:  1.  Vorniere,  2.  Urniere,  3.  bleibende 
Niere. 

Die  Vorniere  bildet  segmentale,  mit  Flimmertrichtern  beginnende  Kanälchen, 
die  in  den  Vor  nierengang  einmünden.  Sie  schwinden  in  der  Entwicklung  bald 
und  machen  der  zweiten  Nierengeneration,  der  Urniere,  Platz;  nur  der  Vornieren- 
gang  bleibt  als  Urnierengang  bestehen.  Er  teilt  sich  (mit  Ausnahme  bei  den 
Knochenfischen)  in  zwei  Gänge:  den  WoLFFschen  Gang  und  den  MÜLLERschen 
Gang.  Beim  männlichen  Geschlecht  tritt  der  vordere  Teil  der  Urniere  in  Beziehung 
zum  Hoden,  indem  von  ihr  auch  die  (ieschlechtsprodukte  ausgeführt  werden,  so  daß 
also  derWoLFFsche  Gang  als  Harnsamenleiter  fungiert.  Der  MÜLLERsche  Gang 
ist  beim  männlichen  Geschlecht  rudimentär. 

Beim  weiblichen  Geschlecht  dagegen  tritt  die  Urniere  in  keine  Beziehung  zur 
Geschlechtsdrüse.  Der  WOLFFsche  Gang  fungiert  ausschließlich  als  Harnleiter. 
der  MÜLLERsche  Gang  dagegen  wird  zum  Eileiter.  Die  dritte  Generation,  die 
bleibende  Niere,  entwickelt  sich  bei  den  höheren  Wirbeltieren  (Reptilien,  Vögel. 
Säugetiere)  aus  dem  hinteren  Abschnitt  der  Urniere  und  erhält  einen  aus  dem 
hintersten  Abschnitte  des  Umierenganges  hervorgehenden  Ausführgang,  den  Harn- 
leiter, Ureter,  während  der  WoLFFsche  Gang  beim  Männchen  ausschließlich  zum 
Samenleiter  (Vas  deferens),  beim  Weibchen  rudimentär  wird.  Der  vordere  Teil 
der  Urniere  verwandelt  sich  in  den  sog.  Nebenhoden,  beim  weiblichen  Geschlecht 
in  das  Epovarium,  ein  rudimentäres  Organ  am  Eierstock.  Der  WoLFFsche  Gang 
wird  also  beim  Weibchen,  der  MÜLLERsche  Gang  beim  Männchen  i-udimentär. 

Die  beiden  Eierstöcke  liegen  in  der  Leibeshöhle,  die  reifen  Eier  fallen  in  diese 
hinein  und  werden  entweder  durch  einen  Porus  abdominalis  direkt  oder  von  den 
trichterförmigen,  bewimperten  Öffnungen  in  die  MÜLLERschen  Gänge  und  durch  diese 
nach  außen  geführt.  Die  beiden  Hoden  liegen  ebenfalls  Inder  Leibeshöhle,  ihre  Produkte 


System.  Überblick:  Yeitel)iata.  Wirbeltiere.  235 

gelangen  dnrch  die  WoLFFschen  Gänge  nach  anßen.  Die  meisten  Wirbeltiere  bis 
herauf  zu  den  niedersten  Säugetieren  sind  ei  er  legend,  andere  gebären  lebendige 
Junge,  indem  das  Ei  in  den  Leitungsorganen  verbleibt  und  hier  den  Embryo  ent- 
wickelt, oder  es  wird  der  Embryo  von  der  Mutter  ernährt  durch  eine  abgesonderte 
Flüssigkeit,  oder  indem  eine  osmotische  Blutverbindung  (Placenta)  zwischen 
Mutter  und  Embryo  durch  Eihülle  und  Eileiterwand  gebildet  wird. 

Die  Wirbeltiere  werden  eingeteilt  in 

1.  Acrania 

1.  Lej)tocardii. 

2.  Craniota 

A.  Ana  Hill  ia 

2.  C  y  clos  tom  a. 

3.  Pisces. 

4.  Amphibia. 

B.  Amiiiota 

5.  Reptil  ia. 

6.  Aves. 

7.  Mammalia. 

I.  Klasse:  Leptocardii. 

Schädel  und  Wirbelsäule  fehlen,  ebenso  die  paarigen  Extremitäten.  Die 
Chorda  dorsalis  ist  dauernd  vorhanden.  Der  vordere  Teil  des  Darmes  ist 
Atmungsorgan:  Kiem endarm;  an  seiner  ventralen  Mittellinie  liegt  die  Hypo- 
branchialrinne.  Die  zahlreichen  Kiemenspalten  öffnen  sich  nicht  direkt  nach  außen, 
sondern  in  einen  geräumigen,  durch  ektodermale  Einstülpung  von  der  ventralen 
Seite  her  entstandenen  Raum,  den  Peribranchialraum,  der  die  vom  Urdarm 
stammende  Leibeshöhle  zum  größten  Teile  verdrängt  hat.  In  diesen  Peribranchial- 
raum münden  von  der  Leibeshöhle  her  die  Nephridien.  Die  Leber  ist  als  ein  rechts 
liegender  seitlicher  Blindsack  ausgebildet.  Die  Geschlechtsprodukte  entstehen  in  der 
Leibeshöhle  in  metamerer  Anordnung. 

Infolge  teilweiser  Rückbildung  sind  folgende  Veränderungen  eingetreten: 
Asymmetrie  durch  Verschiebung  der  rechten  und  linken  Somitenhälften,  Verlagenmg 
des  Afters,  einseitige  Ausbildung  der  Leber,  Rückbildung  der  Sinnesorgane,  Mangel 
eines  Zentralherzens  u.  a.     Amphioxus. 

II.  Klasse:   Cyclostoma. 

Eine  Wirbelsäule  fehlt,  ebenso  die  paarigen  Extremitäten.  Die  Chorda 
dorsalis  ist  dauernd  vorhanden,  es  können  zu  ihr  kleine,  dorsale  Knorpelspangen 
(Neuralbogen)  hinzuti-eten.  Der  knorpelige  Schädel  ist  ganz  abweichend  von  dem 
der  anderen  Wirbeltiere  gebaut.  Kiefer  fehlen,  und  die  Mundöffnung  ist  zum 
Ansaugen  kreisförmig  eingerichtet.  Die  Nase  ist  unpaar  und  endigt  entweder  blind 
oder  ist  durch  einen  Gang  mit  dem  Rachenraum  verbunden.  Die  Kiemengänge  sind 
zu  eigentümlichen  Taschen  umgewandelt  und  meist  6 — 8  (bei  einigen  Ai-ten  be- 
deutend mehr)  an  der  Zahl.  Entweder  öffnet  sich  jede  Kiementasche  in  deii  Kiemen- 
darm und  nach  außen,  oder  es  münden  die  inneren  oder  die  äußeren  Öffnungen 
in  einen  Sammelgang.  Ein  Gehirn  mit  fünf  Hirnblasen  ist  vorhanden;  von  den 
Sinnesorganen  sind  die  Gehörorgane  noch  sehr  niedrig  organisiert  und  bestehen  aus 
einem  Hörbläschen  mit  einem  oder  zwei  halbkreisförmigen  Kanälen. 

1.  Ordnung:  Myxiiioides  (Hyperotreta). 

Nase  mit  einem  den  Gaumen  durchbohrenden  Gang.  Entweder  mit  getrennten 
Kiemengängen  {Bdellostomd),  oder  die  ableitenden  Kanäle  in  je  einen  •gemeinsamen 
Gang  mündend.     Urniere  mit  getrennten   segmentalen  Urnierenkanälchen.     Myxine. 


236  System.  Überblick:  Yertebrata,  Wirbeltiere. 

2.  Ordnung  Petromyzoiites  (H.yperoartia). 

Ohne  innere  Nasenöffnung.  Chorda  dorsalis  mit  Knorpelbogen.  Gehirn  und 
Sinnesorgane  höher  entwickelt.  Die  sieben  Paar  Kienienbeutel  münden  außen  ge- 
trennt (,, Neunaugen"),  ihre  zuleitenden  Kanäle  sind  aber  innen  durch  je  einen 
Kanal  verbunden,  der  sich  ventral  in  den  Darm  öffnet.  Larvenform:  Ammocoetes, 
die  noch  keinen  Saugmund  und  noch  unter  der  Haut  verborgene  Augen  hat;  aus 
ihr  entwickelt  sich  im  vierten  Jahre  das  geschlechtsreife  Tier:  Petroviyzon. 

III.  Klasse:  Pisces,  Fische. 

Besitzen  Wirbelsäule  und  Schädel  mit  Visceralskelett,  ebenso  paarige  Glied- 
maßen (Brust-  und  Bauchflossen).  Atmung  durch  Kiemen,  die  entweder  als 
bedeckte  durch  breite  Hautbrücken  voneinander  getrennt  sind  oder  als  Kamm- 
kiemen  ins  Wasser  i'agen,  durch  eine  verknöcherte  Hautfalte,  den  Kiemendeckel, 
geschützt.  Als  hydrostatischer  Apparat  dient  die  Schwimmblase,  die  bei  einigen 
in  den  Dienst  der  Atmung  tritt.  Das  venöse  Herz  besteht  stets  aus  Kammer  und 
Vorkammer.  Durch  Verknöcherungen  der  Haut  entstehen  die  Schuppen,  und 
zwar,Placoidschuppen:  Knochenplatten  mit  aufgesetzten,  aus  Dentin  gebildeten 
Zähnchen;  Ganoidschuppen:  rhombisch  oder  rund,  mit  einer  dicken,  perl- 
mutterglänzenden Schicht  (Ganoin)  überzogen;  Cycloidschuppen:  kreisförmig, 
mit  konzentrischen  und  radiären  Streifen,  wie  die  Ctenoidschuppen  auch,  deren 
Hinterende  aber  zackig  abgestutzt  ist.  Die  Nase  ist  paarig,  die  beiden  Gruben 
enden  blind,  ohne  in  Beziehung  zur  Mundhöhle  zu  treten.  Augen  mit  fast 
kugeliger  Linse  und  eigentümlichem  Einstellapparat  am  Glaskörper,  der  mit  einem 
Muskel  versehenen  Campanula  Halleri  am  Processus  falciformis.  Gehörorgan  in 
Utriculus  und  Sacculus  getrennt;  ersterer  mit  drei  Bogengängen,  letzterer  mit  einer 
Aussackung:  der  Lagena.  Besondere  Hautsinnesorgane  sind  die  Seitenorgane 
zur  Wahrnehmung  von  Wasserströmungen. 

1.  Ordnung:  Selachii. 

Inneres  Skelett  nicht  verknöchert;  knorpeliges  Priraordialcranium  ohne  Deck- 
knochen. Lateralrippen.  Haut  mit  Placoidschuppen  besetzt.  Meist  fünf  Paar  ge- 
trennte Kiemengänge,  deren  Schleimhautfalten  die  Kiemenblättchen  bilden.  Vor 
den  Öffnungen  derselben  liegt  bei  vielen  das  Spritzloch,  die  rudimentäre  erste 
Kiemenspalte,  zwischen  Kiefer-  und  Zungenbogen.  Der  Mund  ist  eine  quere  Spalte 
auf  der  Ventralseite,  von  einem  Vorsprung  des  knorpeligen  Schädels  überdacht. 
Herzkammer  mit  einem  vorderen  muskulösen  Herzabschnitt,  dem  Conus  arteriosus; 
dagegen  fehlt  das  angeschwollene  untere  Ende  der  vom  Herzen  ausgehenden  Arterie, 
der  Bulbus  arteriosus.  Eine  Schwimmblase  fehlt.  Der  Darm  hat  eine  Spiralklappe 
zur  Vergrößerung  seiner  Oberfläche.  Die  Geschlechtsprodukte  werden  durch  das 
Nierensystem  nach  außen  geführt.  Als  Begattungsorgane  fungieren  Teile  der  Bauch- 
flossen.    Befruchtung  und  oft  auch  Entwicklung  der  Eier  innerlich. 

1.  Unterordnung:    Squalidea,  Haie. 

Langgestreckter  Körper  mit  seitlichen  Kiemenspalten.  Kiefer  mit  zahlreichen 
Reihen  von  meist  spitzen  Zähnen.     Scylhum,    Spinax. 

2.  Unterordnung:   Rajidea,  Rochen. 

Körper  dorso-ventral  abgeplattet.  Kiemen  und  Nasenlöcher  auf  der  ventralen 
Seite  des  Körpers.     Zähne  meist  breite  Mahlzähne.     Raja.  Torpedo. 

3.   Unterordnung:  Holocephala. 

Oberkiefer-Gaumenapparat  mit  dem  Schädel  unbeweglich  verwachsen.  Kiemen- 
spalten unter  seitlichem  Deckel.     Die  Kiemen   sind  Kammkiemen.     Chimaera. 

2.  Ordnimg:  Ganoides. 

Inneres  Skelett  knorpelig  oder  verknöchert.  Primordialschädel  mit  Deck- 
knochen. Haut  mit  Ganoidschuppen  oder  mit  Knochenplatten  besetzt.  Kamnikiemen 
unter  einem  Kiemendeckel.  Schwimmblase  vorhanden.  Herz  mit  Conus  ai-teriosus. 
Darm  mit  Spiralklappe  und  Appendices  pyloricae. 


System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere.  237 

1.   Unterordnung:   Chondrostei,  Knorpelganoiden. 

Haifischähnlich  durch  heterocerke  Schwanzflosse  und  ventrale  Lage  des 
Mundes  unter  vorragendem  Rostrum.  Im  Knorpelschädel  fehlen  die  Deckknochen 
der  Oberkieferreihe. 

a)  Acipenseridae,  Störe.     Mit  starker  Hautpanzerung.     Acipenser. 

b)  Spatulariidae,  Löffelstöre.  Mit  nackter  Haut  und  bezahntem  Oberkiefer; 
langes  Rostrum.     Spatitlan'a. 

2.   Unterordnung:  Eiiganoides. 

Ober-  und  Unterkiefer  vorhanden.     Rostrum  fehlt.     C4anoidschuppen. 

a)  Crossopterygii.  Meist  rhombische  Ganoidschuppen.  Kiemendeckel  ohne 
Kiemenhautstrahlen.  Brustflosse  aus  Hauptstrahl  und  fiederig  ansitzenden 
Nebenstrahlen  gebildet  (Archipterygium).     Polypterus. 

b)  Lepidostei.     Kiemendeckel  mit  Kiemenstrahlen.     Lepidosteus. 

c)  Amiacei.  Echte  Cycloidschuppen.  Schädel  wie  bei  den  Teleostiern. 
Statt  des  rudimentär  werdenden  Conus  arteriosus  tritt  der  Bulbus  arteriosus 
auf.     Amia. 

3.  Ordnung:  Teleostei,  Knochenfische. 

Stark  verknöchertes  Skelett.  Primordialschädel  fast  ganz  durch  Deckknochen 
verdrängt.  Amphicöle  Wirbel.  Hämalrippen.  Haut  mit  dünnen  Schuppen,  seltener 
Knochentafeln  besetzt.  Echte  Kammkiemen  unter  einem  Kiemendeckel.  Statt  des 
Conus  arteriosus  tritt  der  Bulbus  arteriosus  auf.  Darm  ohne  Spiralklappe,  dafür 
häufig  Appendices  pyloricae.     Schwimmblase  ursprünglich  stets  vorhanden. 


1 .   Unterordnung:  Physostonii 

lit    Luftj 
dominal.     Edelfische.     Leticisais. 


Schwimmblase    mit    Luftgang.     Weiche    Flossenstrahlen.     Bauchflossen    ab- 


2.  Unterordnung:   Physoclisti. 

Schwimmblase  ohne  Luftgang. 

a)  Acanthop  teri.     Brustständige  Bauchflossen.     Flossenstrahlen  zum  Teil 
stachelig.     Perca. 

b)  Anacanthini.    Bauchflossen  an  der  Kehle.    Flossenstrahlen  weich.   Gadns. 

c)  Pharyngognathi.      Die    letzten    rudimentären    Kiemenbogen    zu   einem 
unpaaren  Stück  verwachsen.     Labrtts. 


3.   Unterordnung:   Plectognathi 

hwimmblase    o 
Ostracion 


Schwimmblase    ohne    Luftgang.      Oberkiefer    mit    dem    Schädel    verwachsen. 


4.   Unterordnung:  Lophobranehii. 

Schwimmblase  ohne  Luftgang.  Kieferapparat  röhrenförmig.  Knochenpanzer, 
büschelförmige  Kiemen.     Hippocampus. 

4.  Ordnung:  Dipneiista. 

Zeitweilig  lungenatmend ,  aber  von  fischartiger  Gestalt.  Brustflossen  ein- 
oder  zweireihig  gefiedert.  Herz  mit  einer  Kammer  und  zwei  Vorkammern.  Nasen- 
gruben durch  Nasengänge  mit  der  Mundhöhle  verbunden.  Schwimmblasen  lungen- 
artig umgebildet. 

1.  Unterordnung:  3Ionopneiiiiiones. 

Mit  einem  Lungensack.     Ceratodus. 

2.  Unterordnung:   Dipneiinioiies. 

Mit  zwei  Lmigensäcken.     Lepidosiren^  Protoptems. 

IV.  Klasse:   Amphibia,  Lurche. 

Kopf  vom  Rumpfe  deutlich  abgesetzt.  Statt  der  paarigen  Flossen  treten 
fünfstrahlige  Extremitäten  auf,  die  bisweilen  rückgebildet  sein  können.    Im  Schädel 


238  System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere. 

fehlen  stets  Basioccipitale  und  Supraoccipitale,  die  Gelenlvverbindung  mit  der  Wirbel- 
säule erfolgt  durch  die  zwei  Cond}li  occipitales  der  Exoccijjitalia.  Das  Qua- 
dratum  verschmilzt  meist  mit  der  Gehörkapsel  und  trägt  den  Unterkiefer.  Dadurch 
verliert  das  Hyomandibulare  seine  ursprüngliche  Aufgabe  und  soll  zu  dem  Gehör- 
knöchelchen, Columella.  werden.  Das  Gehörorgan  erhält  einen  schalleitenden  Apparat, 
indem  die  zwischen  Kiefer-  und  Zungenbogen  gelegene  ursprüngliche  Kiemen- 
öffnung (das  Spritzloch  der  Selachier)  sich  zum  Gehörgang  ausbildet,  dessen  inneres 
Ende,  die  Tuba  Eustachii ,  in  den  Rachen  mündet,  während  das  äußere  durch  eine 
Membran,  das  Trommelfell,  verschlossen  wird.  Die  Nasengruben  sind  durch  Nasen- 
gänge (Choanen)  mit  der  Mundhöhle  verbunden.  Atmung  durch  Kiemen  oder 
Lungen,  erstere  entweder  nur  bei  den  .Tugendstadien  und  dann  durch  Lungen 
ersetzt,  oder  beide  dauernd  nebeneinander.  Die  Atmung  erfolgt  durch  Schlucken 
der  Luft.  Herz  mit  einer  Herzkammer  und  zwei  Vorkammern,  die  rechte  venöses 
Blut  aufnehmend,  die  linke,  bei  Lungenatmung,  arterielles.  Das  Exkretionsorgan 
steht  auf  dem  Stadium  der  Urniere;  der  vordere  Abschnitt  hat  sich  beim  Männchen 
mit  dem  Hoden  verbunden.  Der  Urnierengang  spaltet  sich  jederseits  in  zwei 
Kanäle:  der  laterale  MÜLLP:Rsche  Gang  wird  zum  Eileiter,  der  mediale  WoLFFsche 
Gang  zum  Harnleiter,  beim  Männchen  zum  Harnsamenleiter,  während  bei  diesem 
der  MÜLLERsche  Gang  rudimentär  wird.  Vor  dem  Darm  liegt  eine  Harnblase, 
entstanden  als  vordere  Aussackung  der  Kloakenwand.  Mehr  oder  minder  ausgeprägte 
Metamorphose. 

1.  Ordnung:  Urodela,  Schwanzlurche. 

Mit  nackter  Haut,  langgestrecktem  Körper,  wohl  entwickeltem  Schwänze  und 
niedrigen  Gliedmaßen.  Trommelfell  und  Mittelohr  fehlen.  Die  Larven  besitzen 
drei  äußere  Kiemen  jederseits. 

1.  Unterordnung:  Perennibrancliia. 

Dauernd  mit  drei  Paar  äußeren  Kiemenbüscheln,  mit  Ruderschwanz.     Proteus. 

2.  Unterordnung:   Cryptobranchia. 

Die  Kiemen  werden  rückgebildet,  doch  bleibt  eine  unter  einem  Kiemendeckel 
liegende  Kiemenspalte  offen.     Amphmma,   Cryptobranchus. 

3.  Unterordnung:   Caducibranchia,  Salamandrineu. 

Die  Kiemen  gehen  gänzlich  verloren ,  und  die  Kiemenhöhle  schließt  sich. 
Die  Larven  haben  äußere  Kiemen;  dann  treten  beim  envachsenen  Tiere  die  Lungen 
auf.      Triton,    Salainandra. 

2.  Ordnung:  Aiiura,  Frösche. 

Mit  nackter  Haut,  ohne  Schwanz,  Rumpf  verkürzt.  Die  zwei  Paar  Glied- 
maßen sind  stark  entwickelt,  die  größeren  Hintergliedmaßen  sind  Spring-  und 
Schwimmbeine.  Trommelfell  und  Mittelohr  vorhanden.  Larven  mit  äußeren,  später 
mit  inneren  Kiemen. 

1.   Unterordnung:  Aglossa. 
Mit  rückgebildeter  Zunge.     Pipa. 

2.   Unterordnung:  Phaneroglossa. 

Mit  freier,  meist  vorn  angewachsener  Zunge.  Frösche,  Laubfrösche, 
Kröten.     Rana,  Hyla,  Bufo. 

3.  Ordnung:  Gymnophiona,  Blindvvühlen. 

Mit  Schuppendecke  der  Haut.  Ohne  Gliedmaßen;  schlangenähnlich.  In  der 
Jugend  ein  später  schwindendes  Kiemenloch,  im  Ei  meist  mit  drei  Paar  großen 
Kiemenbüscheln.     Coecilia. 

V.  Klasse:  Reptilia,    Kriechtiere. 

Die  Reptilien  gehören  wie  die  Vögel  und  Säugetiere  zu  den  Amnioten, 
d.  h.  es  bilden  sich  als  embryonale  Hüllen  Amnion  und  Allantois  aus,  und  die 


Sj^stem.  Überblick:  ^'ertebrata,  Wirbeltiere.  239 

ilritte  Nierengeneratiuii  tritt  auf.  Kiemenatmung  fehlt  durchaus.  Die  Haut  ist  meist 
mit  Hornschuppen.  auch  Knochenplatten  versehen.  Im  Schädel  tritt  das  Os  trans- 
versum  auf.  eine  Verbindung  zwischen  der  Reihe  der  Maxillarknochen  und  der  der 
Palatinknochen.  Wie  bei  den  Amphibien,  so  artikuliert  auch  hier  der  Unterkiefer 
am  Quadratum,  das  am  Schädel  festgewachsen  oder  beweglich  ist.  Der  Schädel  ist 
nur  durch  einen  unpaaren  Condylus  occipitalis  mit  der  Wirbelsäule  verbunden. 
Das  Herz  teilt  sich  in  eine  arterielle  und  eine  venöse  Hälfte,  indem  auch  die  Herz- 
kammer eine,  allerdings  meist  noch  unvollständige  Scheidewand  erhält,  so  daß  das 
Herz  zwei  Vorkammern  und  zwei  Kammern  besitzt. 

1.  Ordnung:  Sauria,  Echsen. 

Haut  mit  Hornschuppen.  Quadratum  beweglich  am  Schädel  befestigt.  Meist 
vier  wohl  entwickelte  Extremitäten.  Brustbein  stets  vorhanden.  Meist  bewegliche 
Augenlider.  Trommelfell  vorhanden.  (t)uere  Kloakenspalte.  1.  Geccones,  2.  Crassf- 
linguia,  3.   Fissilhigicia,  4.   Brevilinguia.   5.   Amphisbaenia,  6.    Charnaeleontes. 

2.  Ordnung:  Opliidia.  Schlangen. 

Haut  mit  Hornschuppen.  Quadratum  beweglich.  Ohne  Extremitäten.  Brust- 
bein fehlt.  Kieferapparat  sehr  dehnbar,  da  alle  in  Betracht  kommenden  Knochen 
am  Schädel  beweglich  sind.  Bildung  von  Giftzähnen  durch  rinnenförmige  Ein- 
faltung  eines  Hakenzahnes  oder  auch  Verwachsung  der  Ränder  desselben  zu  einem 
Kanäle.  Augenlider  zu  dui-chsichtiger  Membran  verschmolzen.  Trommelfell  fehlt. 
Quere   Kloakenspalte.     1.  Angiostoma,  2.  Pei-opoda,    3.  Colubrifomüa,  4.  Solenoglyphes. 

3.  Ordnung:  Rhyiichocephalia. 

Eidechsenähnlich,  aber  das  Quadratum  fest  mit  dem  Schädel  verwachsen. 
Doppelter  .Jochbogen.  In  das  große  Sternum  sind  Bauchrippen  eingelenkt.  Becken- 
knochen schmal  und  schlank;  Wirbel  amphicoel.     Sfhenodon  (Hatteria). 

4.  Ordnung:  Chelonia,  Schiklkröten. 

Körper  in  fester  Skelettkapsel  eingeschlossen,  die  von  Hornplatten,  Schild- 
l)att.  überzogen  wird.  Quadratum  fest  mit  Schädel  verwachsen.  Zähne  fehlen,  statt 
ihi-er  Hornscheiden  auf  den  Kiefern.  Kloake  eine  Längsspalte.  1 .  Dermochelya, 
2.    Diacostalia^   3.    Cryptodira.   4.   Pleiirodira. 

5.  Ordnung:  Crocodilia,  Krokodile. 

Langgestreckter  Körper,  mit  Knochentafeln  gepanzert.  Quadratum  fest  mit 
Schädel  verwachsen.  Sternum  vorhanden.  Ausbildung  eines  vollständigen  knöchernen 
Gaumendaches.  Kegelförmige  Zähne  in  Alveolen.  Herzkammern  vollkommen  ge- 
trennt, aber  beidei'  Blut  mischt  sich  durch  eine  Kommunikation  beider  aufsteigenden 
Aortenbogen:  Foramen  Panizzae.  Kloake  eine  Längsspalte.  Crocodihts,  Alligator^ 
Gavialis. 

IV.  Klasse:  Aves,  Vögel. 

Mit  den  Reptilien  verwandt,  beide  Klassen  häufig  als  Sauropsiden  ver- 
einigt. Haut  mit  Federn  bedeckt,  manche  Teile  auch  mit  Hornschildern.  Die 
Paeder  ist  homolog  der  Reptilienschuppe.  In  Anpassung  an  die  fliegende 
Lebensweise  sind  die  Vorderextremitäten  in  Flügel  umgewandelt.  Dem  Brustbein 
sitzt  ein  medianer  Kiel,  die  Carina,  auf,  zur  Insertion  der  Flugmuskeln.  Die  Ver- 
bindung des  Beckens  mit  der  Wirbelsäule  ist  eine  sehr  kräftige,  da  mehrere  Wirbel 
zu  den  zwei  ursprünglichen  Sacralwirbeln  treten  und  ein  festes  Knochendach  für 
das  Kreuz  bilden.  Ausbildung  eines  Gelenkes  im  Tarsus,  Intertarsalgelenk,  indem 
des  proximale  Tarsalstück  mit  der  Tibia,  das  distale  mit  dem  Metatarsus  (Lauf- 
knochen) verschmilzt.  Der  Schädel  besitzt  wie  der  Reptilienschädel  nur  einen 
Condylus  occipitalis.  Die  Knochen  sind  mit  Lufträumen  ausgefüllt,  von  denen 
die  meisten  mit  den  von  der  Lunge  ausgehenden  Lungensäcken  in  Zusammenhang 
stehen.  Das  Herz  weist  eine  vollkommene  Sonderung  in  zwei  Vorkammern  und 
zwei  Kammern  auf.  Die  linke  Seite  führt  sauerstoffhaltiges,  die  rechte  kohlensäure- 
haltiges Blut.     Körpertemperatur  sehr  hoch,  ., Warmblüter'-. 


240  System.  Überblick:  Vertebrata,  Wirbeltiere. 


I.  Unterklasse  und  1.  Ordnung:  Ratitae,  Straußenvögel. 

Mangel  des  Flugvermögens ;  gering  pneumatische  Knochen,  keine  Carina,  starke 
Laufbeine.      Striähio,   Casuarius,  Apteryx. 

IL  Unterklasse:  Carinatae. 

Mit  Carina  auf  dem  Brustbein. 

2.  Ordnung:  Rasores,  Hühnervögel. 

Schnabel  kurz,  schwach  gebogen.     Flügel  kurz,  abgerundet,  Sitz-  und  Gang- 
füße.    Nestflüchter.     Hühner. 

3.  Ordnung:  Cohimbinae,  Taubenvögel. 

Spaltfüße,  Nesthocker.     Tauben. 

4.  Ordnung:  Natatores,  Schwimmvögel. 

Schwimmfüße.     Meist   Nestflüchter      Gänse,    Enten,    Schwäne,    Möven, 
Alken,  Pinguine.  Eistaucher,  Scharben. 

5.  Ordnung:  Grallatores,  Watvögel. 

Watbeine.     Teils    Nesthocker,    teils    Nestflüchter.      Störche,    Kraniche, 
Wasserhühner,  Trappen,  Schnepfen. 

6.  Ordnung:  Rajjtatores,  Raubvögel. 

Kräftiger  Schnabel.   Raubfüße.  Nesthocker.    Falken,  Geier,  Adler,  Eulen. 

7.  Ordnung:  Passeres,  Sperlingsvögel. 

Wandelfüße  oder  Spaltfüße.     Nesthocker.     Singvögel,  Schreivögel. 

8.  Ordnung:  Scaiisores,  Klettervögel. 

Kletterfüße.     Nesthocker,     Papageien,  Kuckucke,  Spechte. 


VII.  Klasse:    Mammalia,    Säugetiere. 


Haut  mit  Haaren  bedeckt.  Die  Haare  werden  entweder  als  homolog  der 
Vogelfeder  oder  Reptilienschuppe  oder  als  durch  P'unktions Wechsel  aus  Haut- 
sinnesorganen der  Amphibien  entstanden  aufgefaßt.  Auch  Reste  eines  Schuppenkleides 
kommen  hier  und  da  vor.  Ausbildung  von  Milchdrüsen,  die  bei  den  niedersten 
F'ormen  auf  einem  Drüsenfeld  ausmünden.  Schädel  mit  zwei  Gelenkhöckern; 
die  drei  Hörknöchel  eben  (Hammer,  Amboß,  Steigl)ügel)  entstehen  aus  umgebildeten 
Teilen  des  Visceralskelettes.  Sieben  Halswirbel.  Das  Coracoid  erreicht  nur  bei 
Monotremen  noch  das  Sternuni  und  wird  bei  den  anderen  zum  Processus  coracoideus 
des  Schulterblattes.  Bezahnung  ursprünglich  diphj'odont,  d.  h.  aus  Milch-  und 
Dauergebiß  bestehend,  sekundär  oft  monophyodont,  indem  die  zweite  Dentition 
nicht  zur  Entfaltung  kommt.  Zähne  meist  sehr  s])ezialisiert  (Heterodontie).  Die 
gleichartige  Zahnbildung  (Homodontie)  mancher  Säugetiere  (z.  B.  der  Zahnwale)  ist 
eine  sekundäre  Anpassung.  Starke  Entwicklung  des  Großhirns,  welches  sich  bei 
den  höheren  Formen  furcht.  Vollständiges  Diaphragma,  welches  Bauch-  und  Brust- 
höhle trennt.  Herz  mit  vier  Kammern,  linke  Hälfte  arteriell.  Der  rechte  Aorten- 
bogen ist  verloren  gegangen.  Beim  weiblichen  Geschlechtsapparat  ist  entweder,  wie 
bei  den  Vögeln,  die  Scheide  noch  nicht  differenziert  (Monotremen)  oder  doppelt 
(Marsupialier)  oder  unpaar  (Placentalier).  Die  Monotremen  sind  eierlegend,  die 
Placentalier  haben  ein  besonderes  Ernährungsorgan  für  den  Embryo,  die  Placenta, 
ausgebildet. 


System.  Überblick:   Vertebrata,  Wirbeltiere.  241 

I.  Unterklasse:  Monotremata,  Kloakentiere. 
1.  Ordnung:  Monotremata. 

Eierlegende  Säugetiere,  mit  persistierender  Kloake.  Beutelknochen  vorhanden. 
Schultergürtel  mit  entwickeltem  Coracoid.  Bezahnung  rudimentär,  ursprünglich 
wahrscheinlich  multituberkular.     Echidna,   Ornithorhynchus. 

II.  Unterklasse:  Marsupialia,  Beuteltiere. 

Lebendig  gebärende  Säugetiere,  meist  ohne  Placenta,  aber  mit  Beutel,  in 
dem  die  früh  geborenen  Jungen  sich  weiter  entwickeln.  Beutelknochen  vorhanden. 
Coracoid  wird  rudimentär.  In  der  Bezahnung  bleibt  die  erste  Dentition  bestehen, 
nur  der  dritte  Prämolar  kann  gewechselt  werden.  Unterkiefer  mit  hakenartigem, 
nach  innen  vorspringendem  Winkel. 

1,  Ordnung:  Polyprotodoiitia. 

Beuteltiere  mit  komplettem,  karnivorem  Gebiß.  Zahlreiche  Schneidezähne 
(oben  je  fünf  oder  vier,  unten  je  vier,  oder  drei  jederseits);  Eckzähne  groß,  konisch; 
Backzähne  spitzhöckerig.     Dasyurus,  Didelphys. 

2.  Ordnung:  Diprotodontia. 

Beuteltiere  mit  inkomplettem,  meist  herbivorem  Gebiß.  Von  Schneidezälinen 
findet  sich  nur  ein  sehr  großer  in  jeder  Kieferhälfte;  Eckzähne  unten  fehlend,  oben 
klein;  Backzähne  mit  Kaufläche,  auf  der  zwei  Paar  Höcker  oder  zwei  Querjoche 
stehen.     Phascolomys,  Macropus,  Phalanger. 

III.  Unterklasse:  Placentalia. 

Lebendig  gebärend;  mit  Placenta.  Scheide  unpaar.  Beutelknochen  fehlen. 
Schultergürtel  ohne  ausgebildetes  Coracoid,  auch  die  Clavicula  kann  fehlen.  Die 
Placenta  ist  diffus  oder  besitzt  besondere  zottenreiche  Stellen  (Placenta  cotyle- 
donaria)  oder  ist  gürtelförmig  (Placenta  zonaria)  oder  scheibenförmig  (Discoplacenta) 
oder  befindet  sich  an  einem  Pole  (Domoplacenta).  Ein  Teil  der  Uterusschleimhaut 
(die  Decidua)  kann  sich  bei  der  Geburt  mit  ablösen. 

L  Ordnung:  Manitheria. 


Gebiß  in  Rückbildung.  Rückenwirbel  mit  zwei  Paar  Gelenkflächen.  Uterus 
zweiteilig.  Vagina  einfach.  Placenta  diffus  oder  zonar,  ohne  Decidua.  Manis 
Orycteroptis. 

2.  Ordnung:  Bradytheria. 

Gebiß  in  Rückbildung.  Rückenwirbel  mit  drei  Paar  Gelenkflächen.  Uterus 
einfach.  Vagina  zweiteilig.  Placenta  scheibenförmig  oder  domförmig  mit  Decidua. 
Bradypus,  Myrmecophaga^  Dasypus. 

3.  Ordnung:  Denticeta,  Zahnwale. 

Schnabelförmig  verlängerte  Kiefer,  mit  vielen  gleichartigen  Zähnen,  der  ersten 
Dentition  angehörig,  während  die  zweite  nicht  zum  Durchbruch  kommt.  Vorder- 
extremitäten zu  Flossen  umgebildet,  Hinterextremitäten  fehlend.  Schwanz  hori- 
zontal zur  Schwanzflosse  verbreitert.  Nasenlöcher  oben  verschmolzen,  Nasengänge 
mit  weiten  accessorischen  Säcken.  Haut  ursprünglich  mit  Schuppenpanzer.  Marin 
und  in  Flüssen.     Delplümis,  Phy seter. 

4,  Ordnung:  Rodentia,  Nagetiere. 

Ein  immer  wachsender,  wurzelloser  Schneidezalin  in  jeder  Kieferhälfte;  Eck- 
zähne fehlen,  Backzähne  meist  prismatisch,  mit  ebener  Kaufläche.  Lepus,  Scmrus, 
Castor,  Mus,   Hystrix. 

Küken  thal,  Zool.   Praktikum.     5.  Aufl.  Jß 


242  Sj'Stem.  Überblick :  Vertebrata,  Wirbeltiere. 

5.  Ordnung:  Proboscidea. 

Mit  plumpen  fünfzehigen  Füßen,  Carpus  serial  angeordnet.  Gebiß  mit  großen. 
incisiven  Stoßzähnen,  ohne  Eckzähne;  Backzähne  aus  vielen  durch  Zement  ver- 
bundenen Platten  zusammengesetzt.     Nase  in  einen  Rüssel  verlängert.     Elephas. 

6.  Ordnung:  Hyracea,  Platthuf  er. 

Vier-  resp.  dreizehige  Sohlengänger  mit  serialem  Carpus.  Gebiß  nagerähnlich, 
ohne  Eckzähne.     Hyrax. 

7.  Ordnung:  Perissodactyla,  Unpaarhufer. 

Die  Mittelzehe  dominiert,  die  anderen  bilden  sich  mehr  oder  weniger  zurück. 
Vorwiegend  Pflanzenfresser.  Prämolaren  von  gleicher  Größe  wie  die  Molaren. 
Tapirta,  Rhmoceros,  Equus. 

8.  Ordnung:  Sireiiia,  Sirenen. 

Im  Meere  oder  in  Flüssen  lebend.  Rudimentäres  Haarkleid.  Vorderextremi- 
täten zu  flössen  umgewandelt;  Hinterextremitäten  fehlen.  Schwanz  zu  einer  hori- 
zontalen Flosse    verbreitert.     Vordere  Zähne  meist  rudimentär.     Manatus,  Halicore. 

9.  Ordnung:  Artiodactyla,  Paarhufer. 

Dritte  und  vierte  Zehe  dominieren  die  anderen  rudimentär.  Metacarpalia 
(resp.  Metatarsalia)  der  dritten  und  vierten  Zehe  verschmolzen  (Canon).  Prämo- 
laren kleiner  als  Molaren. 

a)  Bunodontia  (Schweineartige),  mit  Höckerzähnen,  nicht  wiederkauend. 

b)  Selen odontia  (Wiederkäuer),  mit  halbmondförmigen  Leisten  der  Back- 
zähne.    Magen  in  vier  Abteilungen  zerfallend. 

10.  Ordnung:  Mysticeta,  Barten wale. 

Zahnlose,  stark  verlängerte  Kiefer.  Nasengänge  nicht  verschmolzen,  ohne 
accessorische  Säcke.  Haarkleid  rudimentär.  Am  Gaumen  zahlreiche,  in  zwei  rand- 
ständige Querreihen  gestellte,  hornige  Barten.  Durch  Konvergenz  den  Denticeten 
sehr  ähnlich.     Marin.     Balaena,  Balaenoptera. 

11.  Ordnung:  Insectivora,  Insektenfresser. 

Nagerähnlich ;  aber  spitzhöckeriges  komplettes  Gebiß ;  fünfzehig.  Talpa,  Sorex, 
Erinaceus. 

12.  Ordnung:  Cliiroptera,  Fledermäuse. 

Dünne,  fast  haarlose  Flughaut.  2 — 5te  Finger  sehr  stark  verlängert.  Crista 
sterni  (ähnlich  den  Vögeln).     Gebiß  insektivor.     Vespertilw,  Pteropus. 

13.  Ordnung:  Carnivora,  Raubtiere. 

Schlüsselbein  fehlt  wie  bei  der  Ungulatengruppe.  Scharfe  Krallen.  Gebiß 
mit  großen  Eckzähnen  und  ungleichen  Backzähnen,  von  denen  einer  jederseits 
oben  und  unten  zum  Reißzahn  entwickelt  ist.  Urs-its,  Mustela,  Viverra,  Fehs, 
Hyaena.   Canis. 

14.  Ordnung:  Piiinipedia,  Robben. 

Extremitäten  zu  breiten  Ruderflossen  umgewandelt.  Prämolaren  und  Molaren 
gleichartiger.     Marin.     Phoca,  Otan'a,   Tn'chechiis. 


15,  Ordnung:  Prosimiae,  Halbaffen. 

Extremitäten  zum  Klettern  und  Greifen,  mit  Krallen,  teilweise  auch  mit  Platt- 
nägeln. Augenhöhle  von  Schläfengrube  nur  unvollständig  abgeschlossen.  Uterus 
bicornis.     Lemur. 


15.  Kursus:  Amphioxus.  243 

16.  Ordnung:  Primates,  Herrentiere. 

Extremitäten   mit  Plattnägeln   (ausgenommen   die  lü'allenaffen).     Augenhöhle 
von  Schläfengrube  vollständig  abgeschlossen.     Uterus  einfach,  birnförmig. 

a)  Platyrrhinae,   Affen    der   neuen    Welt;    mit   breiter   Nasenscheidewand 
und  drei  Prämolaren.     Cebtis. 

b)  Catarrhinae,    Affen    der   alten   Welt;    mit   schmaler   Nasenscheidewand 
und  zwei  Prämolaren.     Gorilla,  Homo. 


15.    Kursus. 

Amphioxus. 


I.  A^nphioxiis  lanceolatus  (Pall.). 

Technische  Vorbereitungen. 

Zur  Untersuchung  werden  konservierte  Exemplare  des  Amphioxus 
gegeben  und  zwar  sehe  man  darauf,  nur  große,  geschlechtsreife  Tiere 
zu  verwenden,  die  sich  schon  äußerlich  an  den  beiden  dicken  Gonaden- 
reihen  erkennen  lassen.  Es  sei  hier  bemerkt,  daß  für  unsere  Zwecke  das 
Material  am  günstigsten  mitFormol  zu  konservieren  ist.  Die  Tiere  werden 
lebend  in  eine  3 — 5°/oige  Formollösung  geworfen,  in  der  sie  bis  zum 
gelegentlichen  Gebrauch  verbleiben  können.  Es  werden  dadurch  die  in 
Alkohol  auftretenden  Schrumpfungen  vermieden,  die  äußere  Körperform 
samt  Flossensaum  bleibt  tadellos  erhalten ,  die  Mundeirren  sind  aus- 
gestreckt und   der  Körper  bleibt  durchscheinend. 

Ferner  werden  fertige  mikroskopische  Präparate  verwandt.  Von 
kleinen  Exemplaren  mqw  Amphioxus  lassen  sich  ganz  vorzügliche  mikro- 
skopische Präparate  herstellen  durch  folgende  Methode.  Die  höchstens 
2  cm  langen  Tiere  werden  in  5*^/oigem  Formol  konserviert,  dann  wird 
das  Formol  durch  Alkohol  von  70 ^/o  verdrängt,  welcher  mehrmals  ge- 
wechselt wird  und  nunmehr  wird  eine  Doppelfärbung  angewandt,  indem 
die  Präparate  auf  zwei  Tage  in  eine  Mischung  von  1  Teil  Bleu  de 
Lyon  (l'^/gige  wässerige  Lösung)  und  8 — 10  Teilen  Boraxkarmin  (nach 
Grenacher)  gelegt  werden.  Dann  wäscht  man  anhaltend  (mindestens 
zwei  Tage)  mit  70*^/0  Alkohol,  dem  ein  Paar  Tropfen  Salzsäure  zu- 
gefügt sind,  aus,  führt  in  Alcohol  absolutus  und  Nelkenöl  über  und 
macht  die  Präparate  in  Kanadabalsam   fertig. 

Endlich  werden  auch  noch  Querschnittpräparate  von  Amphioxus 
gegeben. 


A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Gattung  Afjiphioxus  repräsentiert  nebst  ein  paar  nahe  ver- 
wandten Gattungen  die  Klasse  der  Leptocardier.  sowie  den  Kreis 
der  A  er  an  i  er.  Die  in  unserem  Kurse  zu  untei'suchende  Art  ist  der 
A.  lanceolatus,  eine  besonders  im  Mittelmeer  sehr  häufige  Form. 

16* 


244  15.  Kursus:  Amphioxus. 

Das  kleine,  fischähnlich  gebaute  Tier  weist  in  seiner  Organisation 
die  primitivsten  Wirbeltiercliaraktere  auf,  neben  einigen  anderen,  die 
als  Rückbildungen  infolge  der  Lebensweise  im  Sande  anzusehen  sind. 
Schädel,  Wirbelsäule  und  Gliedmaßen  fehlen,  und  nur  ein  kontinuier- 
licher Flossensaum  umgibt  das  Tier  in  der  Medianebene.  Der  Aufbau 
des  Körpers  ist  ein  epithehaler,  indem  Stützsubstanzen  fehlen. 
Die  Haut  ist  noch  ein  einschichtiges  Epithel  wie  bei  den  Wirbel- 
losen, und  der  Embryo  trägt  sogar  noch  ein  Wimperkleid.  Das  Skelett 
Avird  nur  durch  die  zeitlebens  persistierende  Chorda  dorsalis  reprä- 
sentiert, einen  festen,  elastischen,  vorn  und  hinten  zugespitzten  Stab  in 
der  Hauptachse,  der  aus  einer  dorsalen  Falte  des  Urdarms  entstanden 
ist.  Umkleidet  wird  die  Chorda  durch  eine  aus  den  Membranen  der 
Chordazellen  entstandene  hyahne  Hülle,  die  innere  Chordascheide, 
und  die  mesodermale  äußere  Chordascheide. 

Über  der  Chorda  liegt  das  Zentralnervensystem,  das  Rücken- 
mark, welchem  vorn  das  Gehirn  fehlt.  Das  Rückenmark  entsteht 
durch  Einfaltung  und  dorsalen  V^erschluß  der  Medullarrinne,  welche 
ursprünglich  mit  dem  Urdarm  durch  den  Canalis  neurentericus 
verbunden  ist  und  vorn  sich  im  Neuroporus  öffnet.  Das  Lumen  des 
so  entstandenen  Medullarrohres  bleibt  als  Zentral kanal  erhalten  und 
zeigt  vorn  eine  bläschenförmige  Erweiterung  als  letzten  Rest  eines 
Hirnes;  bei  Embryonen  ist  diese  Anlage  deutlicher. 

In  jedem  Segmente  gehen  ein  Paar  dorsale  und  ein  Paar  ventrale 
Nerven  ab,  die  ersteren  teilen  sich  und  innervieren  als  sensible  Äste 
die  Haut,  wie  als  motorische  die  transversalen  Muskeln,  die  ventralen 
Spinalnerven  sind  dagegen  ausschließlich  motorisch. 

Von  Sinnesorganen  finden  wir  vorn  am  Nervenrohr  einen  bei 
jungen  Tieren  größeren  Pigmentfleck,  der  ohne  Grund  als  Rest  eines 
Auges  gedeutet  wurde.  Dagegen  liegen  primitiv  gebaute  Sehorgane 
im  Rückenmark,  ventral  vom  Zentralkanal,  in  dessen  gesamter  Längs- 
ausdehnung. Ferner  findet  sich  eine  mit  cilientragenden  Epithelzellen 
ausgekleidete  Riechgrube,  welche  den  sich  schließenden  Neuroporus 
umgibt,  auch  einzelne  Hau tsinnesz eilen  sind  vorhanden. 

Die  Muskulatur  besteht  aus  Parietalmuskeln  und  Visceralmuskeln. 
Die  Parietal-  oder  Seitenrumpfmuskeln  bestehen  aus  zahlreichen  (bei 
A.  lanceolatus  %2)  metameren  Portionen,  Myomeren  genannt,  die 
durch  aus  der  äußeren  Chordascheide  entspringende  bindegewebige 
Platten.  Myocommata,  getrennt  sind.  Die  Myomeren  entstehen  aus 
der  dorsalen  Portion  des  Mesoderms  der  Ursegmente,  den  Myotonien. 
Die  ventralen  Visceralmuskeln  sind  durch  eine  bindegewebige  Raphe 
in  eine  rechte  und  eine  linke  Hälfte  getrennt. 

Der  Darm  kanal  beginnt  mit  einer  spaltförmigen,  äußeren  Öff- 
nung, umgeben  von  zwölf  Knorpelstückchen,  auf  denen  je  ein  Cirrus 
(Buccalcirrus)  steht,  dann  folgt  der  eigentliche  Mund  mit  dem  Velum, 
ebenfalls  kleinere,  nach  hinten  gerichtete  Cirren  abgebend,  und  dann 
der  große  Pharynx,  der  zum  Kiemendarm  umgebildet  ist.  Zwischen 
den  schrägen  Kiemenspalten  liegen  elastische  chitinige  Stäbe  als  Stützen. 
In  der  ventralen  Mittellinie  liegt  die  Hypobranchialrinne  (Endo- 
styl),  während  eine  dorsal  verlaufende  Rinne  des  Kiemendarmes  Hyper- 
branchialrinne  heißt.  Erstere  scheidet  Schleim  ab,  in  den  die  Nah- 
rung eingehüllt  wird,  in  letzterer  wird  sie  nach  hinten  befördert. 

Der  eigentliche  Darm  verläuft  ohne  Bildung  eines  gesonderten 
Magens  gestreckt  nach  hinten,  nach  vorn  gibt  er  einen  gegen  die  rechte 


lö.  Kursus:  Amphioxus.  245 

Seite    gedrückten   Blindsack,   die   Leber,   ab.     Der   After   liegt   nicht 
genau  median,  sondern  etwas  links  von  der  Mittellinie. 

Das  Blutgefäßsysteni  besitzt  kein  Zentralherz.  wohl  aber  kon- 
traktile Gefäße,  durch  deren  Tätigkeit  das  roter  Blutkörperchen  ent 
behrende  Blut  in  Umlauf  versetzt  wird.  Auf  der  ventralen  Seite  unter 
dem  Kiemendarm  liegt  die  Kieme narterie,  von  der  laterale  Zweige 
an  den  Kiemenstäben  aufwärts  nach  oben  gehen,  die  mit  kontraktilen 
Auftreibungen,  den  Bulbilli,  beginnen.  Es  erfolgt  nunmehr  eine  Teilung 
in  drei  Äste,  die  längs  der  Kiemen stäbe  ziehen,  hier  durch  das  vorbei- 
streichende Atemwasser  mit  frischem  Sauerstoft'  versehen  werden  und 
sich  dorsal  in  eine  i'echte  und  linke  Aorta  ergießen.  Hinter  dem 
Pharynx  erfolgt  die  \'ereinigung  beider  Aorten  zu  einer  nach  hinten 
ziehenden  unpaaren  Aorta  descendens,  die  Darm  wie  übrige 
Organe  mit  frischem  Blut  versorgt.  Dnrch  Venen  wird  es  dann 
wieder  gesammelt  und  in  die  unter  dem  Darm  liegende  Vena  sub- 
intestinalis  geführt,  die  es  nach  vorn  zur  Leber  bringt:  hier  erfolgt 
eine  kapillare  Auflösung,  dann  Wiedervereinigung  in  eine  dorsale  Leber- 
vene, die  in  die  Kiemenarterie  einmündet. 

Die  Leibeshöhle  bildet  sich  bei  der  Larve  in  typischer  Weise 
vom  Urdarm  aus,  indem  sich  i'echts  und  links  vom  Entoderm  metamere 
Taschen  (14  an  der  Zahl)  abschnüren,  während  die  weiter  hinten  ent- 
stehenden durch  direkte  Sprossung  aus  den  vorhergehenden  abstammen. 
Der  Hohlraum  dieser  Taschen  ist  das  Cölom,  ihre  Wandung  das 
Mesoderm.  Rechte  wie  linke  Taschen  umwachsen  den  Darm  ventral 
und  sind  im  oberen  Teil  solid,  im  unteren  hohl.  Ein  zwischen  den 
dorsalen  Teil  (Myotom )  des  Mesoderms  und  Chorda  -J-  Xervenrohr  sich 
einschiebender  taschenartiger  Divertikel  (der  bei  allen  höheren  Wirbel- 
tieren eine  solide  Wucherung  darstellt)  ist  das  Sclerotom,  aus  dem 
die  äußere  Chordascheide  entsteht,  welche  bei  den  Cranioten  durch  Ver- 
knorpelung  und  Verknöcherung  die  Wirbelsäule  liefert. 

Die  bei  der  Larve  noch  direkt  nach  außen  gehenden  Kiemen- 
spalten wei'den  beim  erwachsenen  Tiei'  durch  eine  von  der  ventralen 
Seite  ausgehende  Einfaltung  des  Ektoderms  überdeckt.  Diese  Ein- 
faltung  schafft  einen  großen  Hohlraum,  den  Peribranchialraum, 
der  an  einer  Stelle,  dem  Porus  abdominalis  oder  dem  Atrium, 
mit  der  Außenwelt  in  Verbindung  bleibt;  die  beiden  seitlichen,  in  der 
Mitte  verwachsenden  Hautfalten  sind  die  Metapleuralfalten.  Durch 
die  Ausbildung  des  Peribranchialraumes  wird  die  Leibeshöhle  stark 
verdrängt  und  reduziert  sich  auf  einen  schmalen,  dorsal  und  seitlich 
gelegenen  Raum,  sowie  auf  Reste  in  den  Kiemen  und  unter  der  Hypo- 
branchialrinne. 

Zwischen  dem  dorsalen  Raum  der  Leibeshöhle  und  dem  vom 
Ektoderm  ausgekleideten  Peribranchialraum  existieren  nun  Verbindungen 
durch  die  Nieren.  Diese  entsprechen  der  ersten  Nierengeneration,  der 
Pronephros  oder  Vorniere  der  Cranioten,  und  stellen  Kanälchen  dar, 
an  deren  Wandung  sich  die  Kiemengefäße  zu  einem  Knäuel  (Glomus) 
zusammenballen. 

Die  Geschlechtsorgane  werden  durch  zw-ei  Reihen  von  seg- 
mental angeordneten  ventralen  Säckchen  repräsentiert,  die  aber  nicht 
im  Peribranchialraum,  sondern  im  Cölom  liegen.  Bei  der  Reife  platzt 
die  Cölomwand,  und  die  Produkte  ergießen  sich  in  den  Peribranchial- 
raum. um  durch  den  Porus  abdominalis  nach  außen  geführt  zu  werden. 


246  l^-  Kursus:  Amphioxus. 


B.  Spezieller  Kursus. 

Wir  legen  ein  konserviertes  Exemplar  des  Amphioxus  unter 
Wasser  ins  Wachsbecken  und  betrachten  zunächst  seine  äußere  Körper- 
form. Das  etwa  5  cm  lange,  etwas  durchscheinende,  gelblich-weiße 
Tierchen  hat  seinen  Speziesnamen  ,,lanceolatus" ;\q>w.  der  lanzettförmigen, 
an  beiden  Enden  zugespitzten  Gestalt.  Der  Körper  ist  beiderseits  flach 
gedrückt,  und  wir  können  einen  schmalen  Rücken  und  eine  breitere 
Bauchfläche  unterscheiden.  Schon  mit  bloßem  Auge  sieht  man  die 
Anordnung  der  auf  der  dorsalen  Körperhälfte  liegenden  Muskulatur  in 
regelmäßigen,  dicht  aufeinander  folgenden  Portionen,  Muskelsegmente 
oder  Myom  er  en  genannt.  Die  sie  trennenden  Scheidewände,  die 
Myocommata,  schimmern  durch  die  Haut  als  in  einem  nach  vorn  ge- 
richteten Winkel  zusammenstoßende  Linien. 

Sehr  deutlich  sind  auch  die  Gonaden  zu  sehen,  kleine  viereckige 
Pakete,  meist  26  Paare  an  der  Zahl,  die  in  regelmäßiger  Anordnung 
jederseits  am  Bauche  liegen;  sie  sind  auf  beiden  Seiten  derart  gegen- 
einander verschoben,  daß  sie  alternieren. 

Über  den  ganzen  Rücken  verläuft  ein  zailer,  bläulich  schimmernder 
Flossen  säum,  der  auch  das  Schwanzende  umgibt  und  sich  ein  Stück 
auf  der  Ventralseite  fortsetzt.  Auf  der  Ventralseite  ziehen  vom  Munde 
aus  nach  hinten  zwei  starke  Hautfalten,  die  Metapleuralfalten  (s. 
Fig.  144). 

Das  Tier  wird  nunmehr  in  der  Rückenlage  durch  zwei  Paar  kreuz- 
weise über  ihm  festgesteckte  Nadeln  fixiert. 

Wir  sehen  jetzt  drei  Körperöflfnungen.  Vorn  liegt  der  Mund, 
eine  längsovale  Öffnung,  umstellt  von  einem  Kranze  ansehnlicher  Girren. 
Da,  wo  die  Gonaden  aufhören,  findet  sich  die  ziemlich  weite,  runde 
Öffnung  des  Peribranchialraumes,  der  Porus  abdominalis,  der  nicht 
zu  verwechseln  ist  mit  der  Öffnung  des  Darmes,  dem  After,  welcher 
noch  weiter  hinten  liegt.  Die  kleine  Afteröffnung  befindet  sich  nicht 
in  der  ventralen  Medianlinie,  sondern  liegt  asymmetrisch,  meist  links 
von  ihr. 

Die  für  die  Systematik  der  Gattung  wichtige  Lagerung  der  beiden 
hinteren  Körperöftnungen  ist  bei  den  einzelnen  Arten  verschieden, 
innerhalb  derselben  aber  konstant.  Sie  wird  je  nach  dem  Segment, 
in  welchem  die  Öffnungen  liegen,  durch  eine  einfache  Formel  aus- 
gedrückt, der  noch  die  Zahl  der  Schwanzsegmente  hinzugefügt  wird. 
So  ist  diese  Formel  bei  unserem  Tiere  33:48:60.  Der  Porus  abdo- 
minalis liegt  also  im  33.  Segment,  der  After  im  48.  und  das  Schwanz- 
ende im  60.  Segment. 

Die  nun  vorzunehmende  Präparation  besteht  in  folgendem:  Der 
A.mphtoxus  wird  herausgenommen  und  mit  den  Fingern  der  linken 
Hand  am  Rücken  gefaßt.  Vom  Munde  ausgehend,  wird  mittels  der 
feinen  Schere  ein  Schnitt  auf  der  ventralen  Mittellinie  zwischen  beiden 
Gonadenreihen  hindurch  und  bis  zum  After  geführt.  Dann  stecken  wir 
mit  feinen  Nadeln  die  beiden  auseinanderzulegenden  Hälften  der  Körper- 
wand fest.    Die  Betrachtung  wird  unter  der  Lupe   ausgeführt  (Fig.  145). 

Vom  Munde  ausgehend,  kommen  wir  zu  dem  geräumigen  vorderen 
Teil   des   Darmes,   dem    Kiemendarm,   der  nach   hinten   zu   sich   all- 


15.  Kursus:  Amphioxus. 


247 


:\Iund 


Mundeirren 


Aufgeschnittener 
Kiemenkorb 


Metapleuralfaltc 


i'  ! 


Gonaden 


tJ3 


% 


A 


Kiemenkorb 


Leber 


Hypobranchial- 
rinne 


fi  Gnaden 


^ 


Muskulatui" 


FA 


.1, 


Perus  abdominalis 


Rumpf  muskulatiu- 


Ventraler  Flossen- 
saum 


After  . 


Fig.   144.      Amphioxus  lanceolatiis, 
von  der  Bauchseite.     Orig. 


L\ 


K^ 


Darm 


After 


Fig.    14.5.      Amphioxus    lanceolatus, 
von  der  Bauchseite  aus  eröffnet.    Orig. 


248 


15.  Kursus:  Amphioxus. 


Chorda  dorsalis 

Pigmentfleck 
Eiechgrube 

Mundeirren 

Drüsiges  Organ 

Fingerförmige  Fortsätze 

Ilingmuskel 

Öffnung  in   den   Kiemenkorb 

Hintere  Ciri'en 


"  Kiemenkorb 
-  Einfaclier 


,       i^ji  r,      •       w        >  Kiemenstab 

r;t--tt";-g| Zweispaltiger  / 

"  T, '"^i~ra^ Hypobranchialrinne 


■  Hyperbranchialrinne 

■  Chorda  dorsalis 
Chordascheide 


— u 


Sehorgane 

j-M —  Leber 
i.iÄ—    Kückenmark 


\^b 


Dorsale  Muskulatur 


Flossensaum 


Porus  abdominalis 


Ventraler  Flossensaum 


After 


Schwanzflosse 


Fig.   146.     Amphioxus  lanceolatus^ 
(junges  Tier  nach  einem  mikroskopischen  Präpa- 
rat gezeichnet).    Orig. 


mählich  verjüngt.  Sein  Auf- 
bau aus  feinen,  schräg  ver- 
laufenden, parallelen  Spangen 
wird  ohne  weiteres  sichtbar. 
In  der  uns  zugekehrten,  ven- 
tralen Mittellinie  des  Darmes 
verläuft  durchschimmernd  ein 
deutlicher  Strang,  die  Hypo- 
b  r  a  n  c  h  i  a  1  r  i  n  n  e.  Die 
Spangen  des  Kiemendarmes, 
die  K  i  e  m  e  n  s  t  ä  b  e ,  gehen 
beiderseits  von  dieser  ven- 
tralen Mittellinie  aus,  schräg 
nach  vorn  verlaufend  und  sich 
dorsal  umbiegend. 

Auf  der  linken  Seite  des 
Präparates  (also  auf  der 
rechten  Seite  des  Tieres)  liegt 
dem  Darme  ein  langgestreck- 
tes, grünlichgelbes  Gebilde 
auf,  welches  vorn  blind  endigt, 
und  hinten  —  da,  wo  der 
Kiemendarm  aufholt,  etwa  in 
der  Mitte  des  Tieres  —  in 
den  Darm  übergeht.  Dieser 
hohle  Schlauch  ist  die  Lelier. 

Da,   wo   die   Leber'  ein- 
mündet,    ist    der    auf 
Kiemendarm     folgende 
dauende   Darm  teil    ein 
erweitert,   dann 
sich  als  gradliniges 


wenig 


er 


den 
ver- 
klein 
setzt 
Rohr 

nach  hinten  zum  After  fort. 
Schließlich  sind  noch  die 
Geschlechtspakete  zu  betrach- 
ten. Sie  liegen  scheinbar  mit 
Darm  und  Leber  in  der  glei- 
chen Körperhöhle,  in  Wirk- 
lichkeit sind  sie  aber  von 
einer  dünnen  Haut,  der  Wand 
der  eigentlichen  Leibeshöhle, 
umkleidet. 


Der  Darm    nebst 
wird   von 
gelöst  und   entfernt 


der  Unterlage 


Leber 
ab- 


Damit  ist  die  Chorda 
dorsalis  freigelegt  worden, 
ein  den  Körper  der  Länge 
nach  durchziehender  Strang, 
der  vorn  und 
spitzt  ist. 


hinten    zuge- 


15.  Kursus:  Amphioxus.  249 

Wir  schneiden  nunmehr  mit  der  Schere  eine  Hälfte  des  den  Mund 
umgebenden  Tentakelkranzes  ab  und  bringen  das  Präpai'at  in  Glyzerin 
auf  den   Objektträger. 

Unter  dem  Mikroskop  sieht  man,  daß  jeder  Cirrus  eine  festere 
Achse  besitzt,  deren  stark  verbreiterte  Basis  mit  der  des  folgenden 
Cirrus  zusammenstößt,  so  daß  ein  vorn  sich  hufeisenförmig  öffnender 
Ring  gebildet  wird.  Ein  starker,  breitei-  Ringmuskel  umzieht  ihn.  Die 
feste  Achse  eines  jeden  Cii'rus  ist  umkleidet  von  Körperepithel.  In  ge- 
wissen Abständen  treten  (iruppen  längerer  Zylinderzellen  büschelförmig 
heraus,  sie  werden  als  „Geschmackskegel"  bezeichnet. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Betrachtung  des  mikroskopischen  Präpa- 
rates von  einem  jungen  Tier  über  und  wenden  zur  ersten  Orientierung 
die   schvi^ächste  Vergrößerung  an   (s.   Fig.    146). 

Am  meisten  fällt  der  dunkler  getönte  Kiemen  dar  m  in  die  Augen, 
mit  seiner  nach  hinten  gerichteten,  sich  allmählich  verjüngenden  Fort- 
setzung, dem  verdauenden  Darm;  darüber  liegt  die  langgestreckte 
Chorda  dorsalis  und  dorsal  von  dieser  das  Rückenmark,  leicht 
kenntlich  an  der  schwärzlichen,  auf  seiner  ventralen  Seite  verlaufenden 
Pigmentierung.  Über  das  Rückenmark  hinweg  ragt  die  dorsale  Mus- 
kulatur. Zu  äußerst  liegt  der  Flossensaum,  Mit  stärkerer  Ver- 
größerung betrachten  wir  die  einzelnen  Organsysteme  und  beginnen  mit 
dem  Darme.  Der  Mund  mit  dem  ihn  umstellenden  Cirrenkranze  ist 
leicht  sichtbar.  Den  Bau  der  Girren  haben  wir  bereits  kennen  gelernt. 
Die  geräumige  Mundhöhle  wird  hinten  begrenzt  durch  einen  kräftigen 
Ringmuskel.  Die  von  ihm  umgebene  Öffnung  ist  nach  hinten  von  kleinen 
Tentakeln  umstellt.  Weit  nach  vorn  in  die  Mundhöhle  hinein  ragen  einige 
zarte,  fingerförmige  Fortsätze.  Das  Gerüst  des  Kiemen  kor bes  besteht 
aus  zahlreichen  parallelen,  schräg  nach  vorn  verlaufenden  Stäben,  durch 
deren  Zwischenräume  das  vom  Munde  aus  eingedrungene  Wasser  in 
den  Peribranchialraum  abläuft,  um  dann  durch  den  Porus  abdominalis 
nach  außen  zu  gelangen.  Eine  am  ventralen  Rande  verlaufende  \'er- 
dickung  ist  die  Hypobranchialrinne,  eine  zweite  dorsal  verlaufende 
die  Hyper-  oder  Epibranchialrinne.  Ein  Teil  des  Kiemendarmes 
wird  bedeckt  von  dem  asymmetrisch  liegenden  Leb  er  seh  lau  che.  der 
aus  dem  vordersten  Teile  des  verdauenden  Darmes  entspringt.  Der 
Enddarm  verläuft  gradlinig  zum  After. 

Die  über  dem  Darme  liegende  Chorda  dorsalis  ist  ein  zylin- 
drischer, an  beiden  Enden  zugespitzter  Strang,  vorn  weit  über  den 
Mund  vorragend,  hinten  bis  in  die  Schwanzflosse  gehend.  Man  unter- 
scheidet zwei  Schichten,  eine  innere,  aus  dünnen  Scheibchen  gebildete, 
die  senkrecht  zur  Achse  der  Chorda  stehen,  und  eine  äußere  Hülle, 
die  Chordascheide,  Ihre  dorsale  Wand  bildet  den  Boden  für  das 
Nerven  röhr.  Vorn  reicht  das  Rückenmark  nicht  so  weit  wie  die  Chorda, 
sondern  endigt  ein  Stück  vorher  mit  einer  kleinen  Anschwellung,  dem 
Gehirn,  dem  vorn  ein  früher  fälschlich  als  Auge  gedeuteter  Pigment- 
fleck aufliegt.  Dorsal  über  dem  Gehirn  liegt  eine  kleine  Hautgrube, 
die  früher  als  Geruchsorgan  gedeutet  wurde.  Zahlreiche  Pigmentflecke, 
welche  im  ventralen  Teile  des  Rückenmarks  liegen,  sind  die  ,.  Pigment - 
becher"  der  primitiven  Sehorgane  des  Amphioxus, 

Seiten  und  Rücken  des  Körpers  werden  von  den  Ringmuskeln 
bedeckt,  die  in  einzelne  Myomeren  zerfallen.  Die  trennenden  Zwischen- 


250 


15.  Kursus:  Amphioxus. 


wände,  die  Myocommata,  stehen  mit  der  Chordascheide  in  Verbindung. 
Viel  schwächer  entwickelt  ist  der  Bauch muskel,  der  sich  vom  Anfang 
des  Kiemenkorbes  bis  zum  Abdominalporus  erstreckt,  und  hinten  die 
Bauchwarze  bildet,  die  als  Atemmuskel  fungiert,  indem  sie  das  Wasser 
im  Peribranchialraum  bewegt. 


Unpaare  Flossenhöhlo 


Axiales  Blatt   - 
Fasciales  Blatt  — 

Muskelblatt  — 

Cutisblatt"- 

INiereiikanal"" 
Peribranchiabauin'— 

Glonierulus  — 


Gonade    --«- 


Seitenflossenhölile 


Querer  Flossenmuskel 


Ventrale  Cölomkanäle 


Subbranehialgef  ä  ß 

Fig.  147.     Querschnitt    durch   die  Kiemenregion   des  Amphioxus  (nach  Boveri,    aus 

K.  C.  Schneider). 


Der  Flossensaum  zerfällt  in  seinem  Innern  in  eine-  Reihe 
kleiner  Kästchen,  die  auf  den  Rumpfmuskeln  zu  ruhen  scheinen,  aber 
in  viel  größerer  Zahl  als  die  Körpersegmente  vorhanden  sind.  Ihre 
Wandungen  stehen  mit  der  Chordascheide  im  Zusammenhang,  ihr  Inneres 
ist  ausgefüllt  von  einem  gallertartigen,  homogenen  Gewebe,  welches  bei 
ganz  jungen  Tieren  noch  fehlt.  Stellen  wir  das  Mikroskop  auf  den 
Rand  des  Flossensaumes  ein,  so  sehen  wir  das  einschichtige  Körper- 
epithel. 

Schließlich  werden  noch  Querschnitte  durch  einen  geschlechtsreifen 
Amphioxus  gegeben. 

Das  Studium  derselben  bestätigt  und  erweitert  die  durch  die  Be- 
trachtung der  Präparate  des  ganzen  Tieres  erhaltenen  Resultate. 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier.  251 

i6.  Kursus. 

Selachier  und  Teleostier. 


Technische  Vorbereitungen. 

Von  Haifischen  werden  in  Alkohol  oder  Formol  konservierte  Exem- 
plare der  kleinen  Form  Scylliuni  cmiicula  (Cüv.)  gegeben,  die  von  der 
zoologischen  Station  in  Triest  zu  sehr  billigem  Preise  bezogen  werden 
können.  Von  Knochenfischen  wählen  wir  die  Plötze  {Leuciscus  nitilus 
L.)  oder  verwandte  Weißfische.  Diese  werden  mit  Chloroform  getötet 
lind,  frisch  oder  in  einer  3%  igen  Formollösung  konserviert,  im  Wachs- 
becken unter  Wasser  untersucht. 


A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  typische  Fi  selige  st  alt  ist  spindelförmig,  seitlich  etwas  zu- 
sammengedrückt, mit  allmählichem  Übergange  der  drei  Körperregionen: 
Kopf,  Rumpf  und  Schwanz. 

Die  Hautbedeckung  besteht  aus  einer  dünnen,  schleimigen,  un- 
verliornten  Epidermis  und  einer  Lederhaut,  welche  \'erknöcherungen 
enthält:  z.  B.  die  Hautzähnchen  der  Haie.  Bei  den  Knochenfischen 
sind  diese  Verknöcherungen  meist  dünn  und  dachziegelförmig  über- 
einander gelagert:  Schuppen.  Die  paarigen  Extremitäten  treten  auf 
als  Brust-  und  Bauchflossen.  Die  anderen  Flossen,  wie  Rücken- 
flosse, Schwanzflosse  und  Afterflosse,  sind  nur  abgegliederte 
Teile  einer  unpaaren,  median  verlaufenden  Hautfalte.  In  allen  Flossen 
finden  sich  als  Stützen  Strahlen,  die,  wenn  sie  gegliedert  sind  und 
sich  an  der  Spitze  spalten,  Weichstrahlen  heißen,  im  Gegensatz  zu 
den  spitzen,  steifen,  ungeghederten  Hart  strahlen  oder  Stachel- 
strahlen.  Die  Strahlen  können  bei  vielen  Formen  niedergelegt  und 
aufgerichtet  werden. 

Das  Skelett  ist  nur  bei  Selachiern  und  einem  Teil  der  Ganoiden 
knorpelig,  bei  den  Teleostiern  dagegen  mehr  oder  weniger  verknöchert. 
Die  Wirbel  sind  amphicöl,  also  bikonkav.  An  jedem  Wirbel  findet 
sich  ein  oberes  und  ein  unteres  Bogenpaar,  ersteres  (Neurapophysen) 
durch  einen  unpaaren  Dornfortsatz  geschlossen  und  das  Rückenmark 
umfassend,  letzteres  (Hämapophysen)  nur  in  der  Schwanzregion  ge- 
schlossen, am  Rumpfe  dagegen  auseinanderweichend  und  jederseits  aus 
zwei  Teilen  zusammengesetzt:  Querfortsatz  und  Rippe  (Hämalrippe). 
Die  Rippen  der  Teleostier  entsprechen  nicht  den  Rippen  der  Selachier, 
Amphibien  und  Amnioten;  diese  sind  durch  Verknöcherung  transversaler 
Muskelsepten  entstanden  (Lateralrippen).  Bei  manchen  Ganoiden 
kommen  beide  Rippenarten  gleichzeitig  vor.  Ein  Brustbein  fehlt 
allen  Fischen. 

Selten  tritt  die  Wirbelsäule  in  die  Schwanzflosse  derartig  ein,  daß 
der  obere  und  der  untere  Teil  derselben  gleich  sind  (Diphycerkie). 
Bei  manchen  Fischen  biegt  die  Wirbelsäule  schräg  nacli  oben  und  tritt 
in  den  dorsalen  Flügel  der  auch  äußerlich  asymmetrischen  Schwanzflosse 
ein  (Heterocerkie).     Das   umgebogene  Ende   der  Wirbelsäule    kann 


252  16-  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 

ZU  einem  kurzen  Stück  verschmelzen,  so  bei  den  Knochenfischen,  und 
dadurch  eine  scheinbare  Diphycerkie  erzeugen  (Homocerkie). 

Der  knorpelige  Urschädel,  der  bei  den  Selachiern  noch  dauernd 
existiert,  ist  bei  den  Teleostiern  fast  völlig  von  den  zahlreichen  Deck- 
knochen verdrängt  worden.  Von  primären  Knochen  finden  sich  die 
vier  Occipitalia,  das  Alisphenoid,  das  Orbitosphenoid,  die  Otica  und  die 
drei  Ethmoidea.  Die  Knochen  der  Schädelbasis  sind  hauptsächlich 
durch  einen  mächtigen  Deckknoclien.  das  Parasphenoid,  vertreten,  vor 
dem  der  ebenfalls  unpaare  Vomer  liegt.  Visceralbogen  sind  bis  zu 
sieben  vorhanden,  von  denen  der  vorderste,  der  Kieferbogen,  in  einen 
oberen  und  einen  unteren  Abschnitt  zerfällt:  Palatoquadratum  und 
Mandibulare,  die  bei  den  Haien  als  Kauapparat  gegeneinander  wirken. 
Bei  den  Knochenfischen  treten  als  Deckknoclien  der  Oberkiefer  und 
der  Zwischenkiefer  auf,  welche  das  Palatoquadratum  verdrängen  und 
zu  den  Antagonisten  des  Mandibulare  werden.  Das  Palatocpiadratum 
wird  zur  Grundlage  des  knöchernen  Gaumens.  Wie  schon  bei  manchen 
Haien,  so  schiebt  sich  bei  den  Knochenfischen  der  obere  Teil  des  zweiten 
Yisceralbogens.  das  Hyomandibulare,  zwischen  Quadratum  und  Schädel  ein, 
und  wird  selbst  zum  Aufhängeapparat  für  den  Kieferbogen.  Die  übrigen 
Kiemenbogen  tragen  die  Kiemen,  die  bei  den  Knochenfischen  (nebst 
einigen  anderen)  durch  einen  äußeren  Opercularajipai'at  verdeckt  werden. 

Die  Extremitäten  werden  von  den  bogenförmigen  Skelettstücken 
getragen,  die  mit  der  Wirbelsäule  nicht  im  Zusammenhang  stehen;  bei 
Teleostiern  und  vielen  Ganoiden  ist  der  Schultergürtel  durch  eine 
Reihe  von  Knochen  mit  dem  Schädel  verbunden.  Schulter-  und  Becken- 
gürtel werden  entweder  als  ursprüngliche  Kiemenbogen  betrachtet,  oder 
es  wird  die  Entstehung  der  paarigen  Extremitäten  aus  paarigen  late- 
ralen Hautfalten  erklärt.  Skelettelemente  der  freien  Extremität  sind 
die  Flossenstrahlen,  deren  basale  Teile  allein,  die  Flossenstützen, 
knorpelig  präformiert  werden,  während  die  oberen  eigentlichen  Flossen- 
strahlen bei  den  Selachiern  aus  Hornfäden  bestehen.  Bei  den  Teleostiern 
verknöchern  beide  Teile.  Als  Urform  der  Fischextremität  nimmt  man 
ein  doppelt  gefiedertes  Blatt  an,  mit  einer  Stammreihe  von  Skelett- 
stücken und  Seiten  reihen:  das  biseriale  Archipterygium  {Ccratodus). 
Durch  Verschwinden  der  Seitenreihen  einer  Seite  entsteht  das  uniseriale 
Archipterygium  (Selachier).  Der  Bau  der  Extremität  aller  höheren 
Wirbeltiere  wird  aus  der  Grundfoi-m  des  Archipterygiums  abgeleitet. 

Die  Muskulatur  der  Fische  besteht  im  wesentlichen  aus  vier 
Längsmuskeln,  die  durch  konisch  zugespitzte,  bindegewebige  Scheide- 
wände in  tütenartig  ineinander  steckende  schmale  Partien  (Myomeren) 
gesondert  werden. 

Das  Gehirn  ist  charakterisiert  durch  seine  langgestreckte  Gestalt, 
die  großen  Lobi  olfactorii  und  das  wohl  entwickelte  Hinterhirn.  Das 
Vorderhirn  besteht  aus  den  beiden  am  Boden  der  ersten  beiden  Ven- 
trikel liegenden,  Corpora  striata  genannten  Ganglien:  eine  Hirnrinde 
fehlt  noch,  statt  ihrer  findet  sich  nur  eine  epitheliale  Schicht. 

Von  den  Sinnesorganen  besteht  die  Nase  aus  zwei  Gruben, 
deren  Öffnung  durch  eine  Hautbrücke  in  eine  vordere  und  hintere  zer- 
legt wird.  In  die  vordere  strömt  das  Wasser  ein.  durch  die  hintere  wird  es 
abgeleitet.  Das  Auge  weist  einen  eigentümlichen  Akkommodationsapparat 
auf.  indem  an  die  kugelige  Linse  ein  den  Glaskörper  durchsetzender  Fort- 
satz der  Aderhaut,  der  Processus  falciformis  (bei  Teleostiern),  heran- 
tritt und  zu    der   muskulösen    Campanula   Hall  er  i   anschwillt,   deren 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier.  253 

Tätigkeit  die  Einstellung  der  Linse  regelt.  Eigentümliche,  nur  den  im 
Wasser  lebenden  niederen  Wirbeltieren  zukommende  Sinnesorgane  sind 
die  Seitenorgane,  die  am  Kopfe  in  mehreren  gewundenen  Linien,  am 
Körper  in  je  einer  Längslinie,  der  Seitenlinie,  liegen  und  die 
feineren  Strömungen  des  Wassers  wahrzunehmen  vermögen.  Nach 
neuerer  Ansicht  sollen  aus  diesen  Seitenorganen,  die  auch  bei  Am- 
phibien vorkommen,  durch  Funktionswechsel  die  Haare  der  Säugetiere 
entstanden  sein. 

Das  Gehörorgan  der  Fische  zeichnet  sich  aus  durch  die  drei 
sehr  ansehnlichen  Bogengänge.  Eine  Schnecke  ist  noch  nicht  entwickelt, 
und  es  ist  sehr  fraglich,  ob  die  Fische  überhaupt  hören  können  und 
das  Organ  nicht  nur  dem  Gleichgewichtssinn  dient. 

Die  Bezahnung  kann  sich  fast  auf  alle  Knochen  der  Mund- 
höhle und  des  Visceralskelettes  erstrecken.  Der  Ersatz  der  Zähne  ist 
unbegrenzt. 

Der  Darm  besitzt  entweder  eine  vorspringende,  spiralförmig  ver- 
laufende Falte,  die  Spiralfalte  (Selachier,  Ganoiden),  oder  am  vor- 
deren Teile  eine  oft  sehr  große  Anzahl  von  Blindsäcken.  Appendices 
pyloricae  (die  meisten  Knochenfische).  Leber  und  Milz,  oft  auch 
Gallenblase  und  Pancreas  sind  vorhanden. 

Die  Atmungsorgane  sind  die  Kiemen,  entweder  bedeckte  oder 
Kammkiemen;  bei  ersteren  sind  die  Kiemenspalten  durch  breite 
Hautbrücken  getrennt,  welche  die  einzelnen  Kiemenblättchen  verdecken, 
bei  letzteren  finden  sich  diese  Hautbrücken  nicht  vor,  dafür  aber  der 
sämtliche  Kiemen  überdeckende,  eine  verknöcherte  Hautfalte  dar- 
stellende Operkularap parat.  Als  hydrostatiseher  Apparat  fungiert 
die  (den  Haien  und  einigen  Knochenfischen  fehlende)  Schwimmblase, 
eine  Ausstülpung  des  Darmes,  die  mit  diesem  durch  einen  (bei  manchen 
Teleostiern  rückgebildeten)  Gang  in  Verbindung  steht  und  der  Lunge 
der  höheren  Wirbeltiere  homolog  ist.  In  der  Schwimmblase  findet 
sich  nicht  Luft,  sondern  es  werden  von  umspinnenden  Blutgefäßen  Gase, 
hauptsächlich  Sauerstoff,  abgeschieden. 

Das  Herz  liegt  weit  vorn,  dicht  unter  den  Kiemen;  es  ist  in 
einen  Herzbeutel  eingehüllt  und  besteht  aus  Herzkammer  und  Vor- 
kammer. Das  venöse  Körperblut  sammelt  sich  in  einen  Sinus  venosus 
und  tritt  durch  die  Vorkammer  in  die  Herzkammer  ein,  welche  es  nach 
vorn  in  die  Kiemen  treibt,  wo  es  wieder  arteriell  wird.  Als  Fortsetzung 
des  Herzens  findet  sich  der  Conus  arteriosus  {Selachier),  der  rudi- 
mentär werden  und  dem  untersten  Abschnitt  des  Arterienstammes,  dem 
angeschwollenen  Bulbus  arteriosus  [Teleostier)  Platz  machen  kann. 
Von  dem  unpaaren  Arterienstamme  aus  gehen  die  zuführenden 
Kiemen gef äße  an  die  Kiemen  ab  und  lösen  sich  in  ihnen  in  ein 
Gefäßnetz  auf.  Abführende  Kiemen  gef  äße  nehmen  dann  das 
arteriell  gewordene  Blut  auf  und  vereinigen  sich,  nachdem  sie  die  großen 
Kopfarterien  (Carotiden)  abgegeben  haben,  zu  der  nach  hinten  ziehenden 
Aorta  descendens,  welche  die  Organe  mit  frischem  Blute  versorgt. 
Die  das  venöse  Blut  zum  Sinus  venosus  führenden  Venen  sind  zwei 
vom  Kopfe  kommende  Jugularvenen  und  zwei  vom  Körper  kommende 
Cardinalvenen,  die  sich  jederseits  zu  einem  Gange,  dem  Ductus 
Cuvieri.    vereinigen.     Das  Herz    der  Fische  ist  also  rein  venös. 

Die  Nieren  (Urnieren)  liegen  als  langgestreckte  Organe  dicht 
unter  der  Wirbelsäule,  und  ihre  Ausführgänge,  die  Harnleiter,  münden 
entweder  in  die  Kloake  {Selachier^  Dipneitstefi)  oder  vereinigen  sich 


254 


16.  Kursus :  Selachier  und  Teleostier. 


hinter  dem  After  zu  einer  häufig  auf  einer  Papille  stehenden  Öffnung, 
Der  hintere  Teil  der  Harnleiter  ist  vielfach  zu  sogenannten  ,,Harnblasen" 
erweitert,  die  aber  der  Harnblase  der  höheren  Wirbeltiere,  einer  ven- 
tralen Kloakenausstülpung,  nicht  homolog  sind. 

Die  meist  paarigen  Geschlechtsdrüsen  entleeren  ihre  Produkte 
auf  sehr  verschiedene  Weise.  Bei  den  Teleostiern  sind  die  Eierstöcke 
meist  zwei  hohle  Schläuche,  die  in  einer  unpaaren  Öffnung  hinter  dem 
After  ausmünden,  so  daß  die  reifen  Eier  direkt  nach  außen  gelangen, 
oder  die  Eierstöcke  sind  solid  (Selachier),  und  die  reifen  Eier  fallen  in 
die  Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  unpaare  Öffnung,  den  Porus 
genitalis,  nach  außen.  Die  männlichen  Geschlechtsprodukte  der 
Teleostier  gelangen  von  den  Hoden  in  die  beiden  Samenleiter,  die  sich 
vereinigen  und  entweder  gesondert  hinter  dem  After  und  vor  der  Harn- 
öffnung ausmünden  oder  sich  mit  der  Harnöffnung  vereinigen.  Bei 
Selachiern  und  Ganoiden  spaltet  sich  der  aus  dem  embryonalen  Vor- 
nierengang hervorgegangene  Urnierengang  der  Länge  nach  in  den 
medialen  WoLFFSchen  und  in  den  lateralen  MÜLLERschen  Gang. 
Der  WoLFFsche  Gang  wird  beim  männlichen  Geschlecht  zum  Harn- 
samenleiter, indem  der  vordere  Abschnitt  der  Urniere,  Nebenhoden 
genannt,  sich  mit  dem  Hoden  in  Verbindung  setzt,  während  der 
MÜLLERsche  Gang  beim  Männchen  obliteriert.  Beim  Weibchen  wird 
der  MÜLLERsche  Gang  zum  Ausführgang  der  Geschlechtsprodukte.  In 
einem  Abschnitte,  der  Uterus  genannt  wird,  kann  bei  manchen  Selachiern 
die  Entwicklung  des  befruchteten  Eies  erfolgen.  Der  WoLFFSche  Gang 
wird  beim  Weibchen  zum  Harnleiter. 


B.   Si)ezieller  Kursus. 


I.  Scylliuni  canicula  Cuv. 

Wir  betrachten  zunächst  die  äußere  Gestalt  (s.  Fig.  148).  Der 
langgestreckte  Körper  ist  in  seinem  vordersten  Teile  dorsoventral  ab- 
geplattet, nach  hinten  zu  seitlich  zusammengedrückt.     Vorn  bildet  der 


Spritzloch 


1.  Rückenflosse 


2.  Rückenflosse 


Schwanzflosse 


Kieinenlöcher 


Schwanzflosse 


Biiistflossen 


Bauchflossen  Afterflosse 

Fig.   148.      Scyllium  canicula.      ^    Orig. 


Kopf  ein  breites,  abgerundetes  Rostrum.  Hinten  geht  der  Körper  all- 
mählich in  den  Schwanz  über-,  der  in  stumpfem  Winkel  etwas  nach 
oben  gebogen  ist.  Von  den  paarigen  Flossen,  welche  den  Gliedmaßen 
der  höheren  Wirbeltiere  entsprechen,  liegen  die  großen,  dreieckigen 
Brustflossen  in  horizontaler  Lage  dicht  hinter  dem  Kopfe  und  sind 
weit  voneinander  getrennt,  während  die  kleineren,  etwa  in  der  Mitte 
des  Körpers  gelegenen  Bauchflossen  in  der  ventralen  Mittellinie  zu- 
sammenrücken. Beide  Geschlechter  lassen  sich  dadurch  schon  äußer- 
lich leicht  voneinander  unterscheiden,  daß  sich  beim  Männchen  an  den 


16.  Kursus:  Selacliier  und  Teleostier. 


255 


miteinander  verwachsenen  inneren  Rändern  der  Bauchflossen  zwei 
Abschnitte  derselben  abgesondert  haben,  die  von  länglich  konischer 
Gestalt  sind  und  als  Begattungsorgane  (Pterygopodien)  fungieren 
(s.  Fig.  149).  Betrachten  wir  die  dem  Körper  zugewandte  Seite  dieser 
Organe,  so  sehen  wir  dorsalwärts  eine  tiefe  Rinne  bis  zur  Spitze  ver- 
laufen, in  welcher  bei  der  Begattung  der  Samen  entlang  geleitet  wird. 
Außer  den  paarigen  Flossen  finden  sich  in  der  Mittellinie  des 
Körpers  auch  unpaare  vor,  und  zwar  sind  es  zwei  weit  nach  hinten 
liegende  Rückenflossen,  von  denen  die  vordere  die  größte  ist,  dann 
die  Schwanzflosse,  welche  den  etwas  aufwärts  gebogenen  Schwanzteil 
umgibt,  und  dorsal  sehr  niedrig,  ventral  bedeutend  höher  ist.  Der 
ventrale  Teil  der  Schwanzflosse  ist  durch  eine  Einkerbung  in  einen 
großen  vorderen  und  einen  kleineren  hinteren,  terminal  gelegenen  Lappen 
getrennt.  Außerdem  ist  noch  eine  weitere  unpaare  Flosse,  die  After- 
flosse vorhanden,  die  der  Medianlinie  der  Bauchseite,  in  der  Mitte 
zwischen  Bauch-  und  Schwanzflosse,  aufsitzt. 

Aftergegend 


..;  Pterygopodien 


Flossenscheide 


Fig.  149.   Scyllnim  caniczila.   Bauchflossenregion  bei  Weibchen  und  Männchen.   Orig. 


Von  Körperöffnungen  betrachten  wir  zunächst  den  Mund 
(s.  Fig.  150),  der  auf  der  Bauchseite,  ein  Stück  von  dem  Ende  des 
Rostrums  entfernt  liegt.  Er  stellt  sich  dar  als  ein  querer,  stark  ge- 
bogener Spalt,  dessen  Eingang  mit  spitzen,  zarten,  aber  doch  deutlich 
sichtbaren  Zähnen  dicht  besetzt  ist.  Der  After  ist  ebenso  wie  die 
Öffnung  des  Urogenitalsystems  zwischen  den  Bauchflossen  gelegen. 
Vor  dem  Munde  liegen  als  zwei  tiefe,  zu  beiden  Seiten  herabziehende 
Spalten,  die  Nasenöffnungen,  die  in  ihrer  Mitte  durch  Hautklappen 
überdeckt  sind.  Hinter  den  langen  schmalen  Augenschlitzen  befindet 
sich  jederseits  ein  kleines  rundliches  Loch,  das  Spritzloch,  welches 
als  die  vorderste,  zwischen  Kiefer-  und  Zungenbeinbogen  verlaufende, 
rudimentär  gewordene  Kiemenspalte  aufzufassen  ist.  Die  funktionie- 
renden Kiemenspalten  liegen  jederseits  ein  Stück  dahinter  als  fünf 
vertikale  Schlitze,  welche  den  Vorderdarm  mit  der  Außenwelt  verbinden. 
Das  durch  den  Mund  einströmende  Wasser  wird  durch  diese  Spalten 
wieder  nach  außen  befördert,  nachdem  es  seinen  Sauerstoff  an  die  im 
Inneren  der  Spalten  gelagerten,  von  außen  nicht  sichtbaren  Kiemen 
(„verdeckte  Kiemen")  abgegeben  hat. 


256 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


-Nasenloch 


Xascnklappe 


Seitenorgane 


.--Gallenblase 


Leber 


"  T-vPanereas 


Magen 


Spiralklappe 


Milz 


Analdrüse 


Urogeni  talpapi  1  le 


Fori  abdominales 


Fig.  150.     Scyllium  canicula.     Darmtraktus.     Orig. 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier.  257 

Die  Haut  ist  oben  von  rötlichgrauer  Farbe  und  mit  zahlreichen 
rundlichen,  schwarzbraunen  Flecken  bedeckt,  unten  weiß.  Sie  faßt  sich, 
besonders  auf  der  Rückenseite,  sehr  rauh  an.  Das  rührt  von  zahl- 
reichen winzigen  Hautverkiiöcherungen,  den  Plakoidschuppen  her, 
die  aus  einer  knöchernen  Platte  und  darauf  sitzenden  feinen,  drei- 
spitzigen, nach  hinten  gerichteten  Hautzähnchen  bestehen. 

Die  Plakoidschuppen  lassen  sich  gut  zur  Anschauung  bringen,  wenn 
man  ein  Stückchen  ßückenhant  herausschneidet  und  in  einem  Reagenz- 
glase mit  Kalilauge  kocht.  Der  Rückstand  wird  mit  Wasser  ausgewaschen 
und  auf  einem  Objektträger  unter  Glyzerin  untersucht.  Doch  genügt  es 
auch  schon,  wenn  man  mit  dem  starken  Messer  der  Haut  entlang  fährt 
und  die  so  herausgerissenen  Plakoidschuppen  auf  einen  Objektträger 
bringt  und  mit  schwacher  Vergrößerung   betrachtet. 

Wir  gehen  nunmehi-  zum  Studium  der  inneren  Anatomie  über. 

Mit  der  großen  Schere  oder  dem  starken  Messer  wird  in  der  ven- 
tralen Mittellinie  ein  Schnitt  geführt  von  der  Höhe  des  Bauchflossen- 
bis  zu  der  des  Brustflossenansatzes.  Dann  macht  man  von  den  beiden 
Endpunkten  dieses  Längsschnittes  vier  transversale  Schnitte,  zwei  vor 
dem  Bauchflossenansatz,  zwei  vor  dem  Brustflossenansatz.  Die  dadurch 
entstehenden  beiden  Klappen  der  Körperwand  werden  dann  durch  zwei 
weitere   seitliche  Längsschnitte   abgetragen. 

Es  liegen  nunmehr  die  Baucheingeweide  frei.  Das  ganz  vorn 
befindliche  umfangreiche  Organ,  welches  auf  gelbbraunem  Grunde 
schwarz  marmoriert  ist,  und  nach  hinten  zu  zwei  seitliche  Lappen  ent- 
sendet, ist  die  Leber.  Heben  wir  die  in  der  Mittellinie  gelegene 
Portion  des  hnken  Leberlappens  etwas  in  die  Höhe,  so  wird  die 
Gallenblase  sichtbar  und  mit  ihr  die  im  einzelnen  schwierig  zu  ver- 
folgenden Gallengänge,  die  in  den  Anfangsteil  des  Darmes  ein- 
münden. Das  große,  die  Bauchhöhle  fast  in  ihrer  ganzen  Länge  durch- 
ziehende Gebilde  ist  der  Magen.  Er  besteht  aus  zwei  ,,U"förmig 
miteinander  verbundenen  Schenkeln,  von  denen  der  linke  (im  Präparat 
und  der  Abbildung  also  der  rechte)  die  P^ortsetzung  des  Oesophagus 
ist  und  als  weiter  Sack  erscheint,  während  der  aufsteigende  rechte 
Schenkel  ein  enges  Lumen  hat.  An  seinem  vorderen  Ende  geht  er 
in  den  Darm  ül)er,  der  als  ziemlich  weites  Rohr  auf  der  rechten  Seite 
geradlinig  nach  hinten  verläuft.  Dem  hinteren  Ende  der  sackförmigen 
linken  Magenabteilung  sitzt  die  Milz  breit  auf,  ein  braunroter,  nach 
hinten  spitz  zulaufender  Körper,  der  mit  einem  schmalen  Fortsatz  dem 
aufsteigenden  Schenkel  des  Magens  folgt.  Zwischen  letzterem  und  dem 
Darm  liegt  als  schmales  Band  das  Pancreas. 

Schneidet  man  aus  der  Darmwand  ein  größeres  Fenster  aus  und 
wäscht  das  Darmlumen  gut  aus,  so  wird  eine  in  engen  spirahgen 
Windungen  verlaufende  Schleimhautfalte,  die  Spiralklappe,  sichtbar, 
die  eine  Vergrößerung  der  resorbierenden  Darmobei'fläche  bewii'kt. 

Ein  kleiner  dickwandiger  Anhang  an  der  dorsalen  Seite  des  End- 
darmes ist  die  Analdrüse. 

Es  wird  nunmehr  der  Darmtractus  samt  Leber  oben  und  unten 
abgeschnitten  und  vorsichtig  von  seiner  Anheftung  abgetrennt.  Man 
achte  darauf,  daß  die  Leber  dicht  an  ihrem  Ligament  abgeschnitten  wird. 

Dadurch  wird  das  Urogenitalsystem  sichtbar  (s.  Fig.  151). 
Haben  wir  ein  Weibchen  vor  uns,  so  fällt  zunächst  ein  auf  der  rechten 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.     5.  Aufl.  1' 


258 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostiei-. 


Seite,  aber  nahe  der  Mittellinie  liegender  gelb  weißer  Körper  auf,  der 
durch  ein  dorsales  Mesenterium  fixiert  ist.  Größere  und  kleinere  rund- 
liche Eier,  die  in  ihm  liegen,  lassen  ihn  als  das  Ovarium   erkennen. 


Mündung  der  Müll  er  sehen  Gänge 


Eileiter. 
Oesophagus 


Nidamen  tal- 
Organ 


Eierstock— 


Aufhänge- 
band des 

Eierstockes 


Eileiter 


Enddanu 

After 

Ureterpapille 

Eileitor- 
mündung 

Kloake 


Oesophagus 
Urniere 
,'  („Mesonephros" 


.  Wimpertrichter 


üniierengaug 

(Wolffscher 

Gang) 


_ ,  Nierenläppchen 


— .„Metanephros" 


Harnleiter 
(Wolffscher 
Gang) 


--Ureter 


Harnblase 
Eileiter 


~  .Uretermündung 


Porus 
•abdominalis 


Fig.'löl.  Geschlechtsorgane  (A),  reifes  Ei  im  Eileiter  (AJ  und  Exkretionssystem  (B) 
eines  Weibchens  von  ScyWitm  canicula.    Orig. 

Bei  vorliegender  Art,  wie  bei  der  Gattung  Scyllium  überhaupt,  ist  es 
unpaar,  fast  bei  allen  anderen  Selachiern  dagegen  paarig. 

Das  Ovarium  wird  von  seinem  Aufhängeband  abgeschnitten  und 
herausgehoben. 

Dadurch  werden  die  beiden  sehr  stark  entwickelten  Eileiter 
(MÜLLERSchen  Gänge)  gut  sichtbar  als  zwei  in  Abschnitte  geteilte 
Röhren,  die  sich  oben  und  unten  vereinigen.  Oben  vereinigen  sie  sich 
in  einem  Bogen,  in  dessen  Mitte  sich  eine  unpaare  Öffnung  entdecken 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier.  259 

läßt,  durch  welche  die  reifen  Eier  aus  der  Leibeshöhle,  in  die  sie  aus 
dem  Ovariuni  hineingeraten  sind,  in  die  Eileiter  eintreten.  Etwas  weiter 
nach  hinten  erweitert  sich  jeder  der  beiden  Gänge  zu  einem  rundlichen 
Körper,  dem  Nidamentalorgan,  das  im  wesentlichen  aus  zwei 
Gruppen  von  Drüsen  besteht.  Die  vordere  weiße  Partie  ist  die  Ei- 
weißdrüse, die  hintere  rötliche  die  Schalendrüse,  deren  drüsige 
Wandungen  eine  hornige  Eischale  absondern.  Es  folgt  darauf  ein 
langer,  sehr  erweiterungsfähiger  Abschnitt,  in  dem  gelegentlich  ein  reifes 
Ei  liegt.  Heben  wir  ein  solches  Ei  heraus,  so  sehen  wir  an  jeder  der 
vier  Ecken,  in  welche  die  Schale  ausgezogen  ist,  einen  hornigen,  spiralig 
zusammengedrehten  Faden,  der  nach  der  Eiablage  zur  Befestigung  des 
Eies  an  irgend  eine  Unterlage  zu  dienen  hat.  Schneidet  man  eine  Ei- 
schale vorsichtig  auf,  so  sieht  man  den  Embryo  darin  liegen.  Nach 
hinten  zu  vereinigen  sich  die  beiden  MÜLLERschen  Gänge  zu  einem 
gemeinsamen  Ausführungsgang,  der  in  der  dorsalen  Wand  der  Kloake 
mit  weiter  Öffnung  mündet. 

Unter  den  Eileitern  liegen  fast  in  der  ganzen  Länge  der  Bauch- 
höhle, dorsal  vom  Peritoneum,  die  Nieren  als  lange,  schmale,  bräun- 
liche Körper.  Ihr  vorderer  Abschnitt  zeigt  noch  embryonalen  Bau,  und 
besteht  aus  segmental  angeordneten,  durch  Wimpertrichter  mit  der 
Bauchhöhle  verbundenen  Nierenläppchen,  ihr  hinterer  Teil  dagegen  ist 
breit  und  kompakter.  Oben  auf  den  Nieren  hegen  zwei  dünne  Kanäle, 
die  WoLFFschen  Gänge,  die  beim  weiblichen  Geschlecht  als  Harn- 
leiter fungieren.  Hinten  erweitern  sie  sich  zu  zwei  sogenannten  „Harn- 
blasen" und  vereinigen  sich  zu  einer  gemeinsamen  Ausmündung  in 
der  Kloake.  Der  hintere  Abschnitt  der  Niere  wird  als  „Metanephros", 
der  vordere  als  „Mesonephros"'  bezeichnet,  wobei  zu  beachten  ist,  daß 
es  sich  nur  um  einen  Ausdruck  der  Lagebeziehungen  und  nicht  um 
eine  Homologisierung  mit  den  Nieren  der  Amnioten  handelt. 

Der  Metanephros  hat  jederseits  einen  eigenen  Ausführgang,  den 
„Ureter"  (nicht  zu  homologisieren  mit  dem  Ureter  der  Amnioten),  der 
mit  mehreren  Öffnungen  in  die  Hai'nblase  einmündet. 

Beim  3Iäniiclieii  finden  sich  folgende  Verhältnisse  des  LTrogenital- 
systems.  Die  Hoden  sind  zwei  weißliche,  lange  Körper,  die  vorn  ver- 
schmolzen sind  und  durch  ein  zartes  dorsales  Aufhängeband  in  ihrer 
Lage  gehalten  werden.  Ihre  sehr  zarten  Ausführgänge  (Vasa  effe- 
rentia)  treten  in  den  vorderen  Abschnitt  der  Niere,  den  „Meso- 
nephros",  auch  ,,WoLFFscher  Körper"  genannt,  ein,  der  die  Ge- 
schlechtsprodukte in  die  beim  Männchen  ausschließlich  als  Samenleiter 
dienenden  WoLFFschen  Gänge  weiter  leitet.  Jeder  WoLFFsche  Gang 
erweitert  sich  hinten  zu  der  Vesicula  semin alis.  neben  der  nach 
außen  und  venti'alwärts  ein  Bhndsack  liegt.  Der  hintere  Teil  der  Niere 
(„Metanephros")  entsendet  Ausführgänge,  die  sich  im  Ureter  vereinigen. 
Der  Harn  gelangt  in  einen  vom  hintersten  Teil  des  neben  der  Vesicula 
seminalis  gelegenen  Blindsackes  gebildeten  Abschnitt,  den  Urogenital- 
sinus, deren  jeder  hinten  mit  dem  der  Gegenseite  verschmilzt.  Die 
Ausmündung  erfolgt  in  der  Kloake  auf  einer  Urogenitalpapille. 

Wir  gehen  nunmehi-  zur  Anatomie  der  Brusteingeweide  über. 

Es  wird  auf  der  ventralen  Seite  eine  Schicht  der  Körperwand  nach 
der  anderen  durch  vorsichtig  geführte  Flächenschnitte  abgetragen.  Das 
Herz  wird  durch  Aufschneiden  und  Abtragen  des  mittleren  Teiles  des 
Brustgürtels,  sodann  durch  vorsiclitiges  Offnen  des  das  Herz  umgebenden 
verknorpelten  Herzbeutels  freigelegt. 

17* 


260 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


An  dem  nunmehr  vor  uns  liegenden  Herzen  fällt  zunächst  ein 
median  liegender  dickwandiger  Abschnitt  auf,  der  sich  nach  vorn  in 
ein  großes  Blutgefäß  fortsetzt;  es  ist  die  Herzkammer.  Sie  verlängert 
sich  in  einen  innen  mit  Reihen  von  Klappen  versehenen  Conus 
arteriosus,  der  einen  Teil  des   Herzens  selbst  darstellt.     Unter   der 

Mündung  der  M  ü  1 1  e r  sehen  Gänge 

A  .      ~      .^  B 


Urnjere 


Vasa 
efferentia  ' ' 


Hode 


Urogenital- 
papille 


Perus 
abdominalis 


Urniere 

,   (.,Meso- 

nephros") 


Samenleiter 

( Wo  1  f  f  scher 

Gang) 


,.Meta- 
nephros" 


Fig.  152. 


Urogenital- 
sinus 

Aufgeschnit- 
tenes  Ptery- 
gopodium 


Geschlechtsorgane  (A)    und  Exkretionssystem  (B)    eines  Männchens   von 
Scyllhim  canicula.      Orig. 


Herzkammer  liegt  die  große,  dreieckig  geformte  Vorkammer,  die 
jederseits  unter  der  Herzkammer  vorragt.  Heben  wir  diese  Teile  vor- 
sichtig in  die  Höhe,  so  sehen  wir  darunter  einen  dünnwandigen  großen 
Sack  liegen,  den  Sinus  venosus,  welcher  das  venöse  Körperblut  sowie 
das  Blut  aus  einer  Lebervene  empfängt  und  durch  eine  mediane  Öffnung 
an   die   Vorkammer   abgibt.     Wenn   man   das   große,   vom  Herzen  ab- 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


261 


gehende  Blutgefäß,  die  Aorta  ascendens,  weiter  nach  vorn  verfolgt 
und  die  seitlich  abgehenden  Äste  herauspräpariert,  sieht  man,  daß  diese 
Äste  zu  den  Kiemen  verlaufen.  Das  aus  dem  Körper  stammende  venöse 
Blut  gelangt  ins  Herz  und  von  diesem  durch  die  aufsteigende  Aorta 
und  deren  Äste,  die  Kiemenarterien,  in  die  Kiemen,  wo  es  durch 
Abgabe  von  Kohlensäure  und  Zufuhr  frischen  Sauerstoffs  gereinigt  wird. 
Das  frische,  sauerstoffreiche  Blut  wird  aus  den  Kiemen  durch  abführende 
Gefäße,  die  Kiemenvenen,  dem  dorsal  liegenden  Hauptgefäßstamm, 
der  Aorta  descendens  zugeführt,  die  den  Körper  versorgt. 


Kiemon- 
artericn 


Aorta 
ascend. 

Herzvor- 
kammer 

Herz- 
kammer 


Eingang 
zm'  Kiemen- 
tasche 
5) 

Vordere 
Halbkieme 

Hintere 
Halbkieme 


Wand 
des  Kiemen- 
sackes 


Fig.  153. 


Scy/liiiiii  canicula.     Herz  und  Kiemen.     Orig. 


Durch  die  schichten  weise  Abtragung  der  ventralen  Körperwand 
sind  auch  die  Kiemen  freigelegt.  Man  sieht  die  vom  Vorderdarm 
nach  außen  ziehenden  fünf  Kiemenspalten,  deren  äußere  Öffnungen 
wir  schon  bei  der  Betrachtung  der  äußeren  Körperform  konstatiert 
haben.  In  diesen  Spalten  liegen  an  den  Wandungen  weiche,  stark  mit 
Blutgefäßen  erfüllte  Schleimhautfalten:  die  Kiemen.  Das  durch  den 
Mund  einströmende  Wasser  streicht  an  den  Kiemen  vorbei,  durch  die 
Kiemenlöchei'   nach   außen,   und  gibt  auf  diesem  Wege   den  Sauerstoff 


262 


1(3.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


Rückenflosse 


Flossenstütze 


der  im  Wasser  enthaltenen  Luft  an  das  die  Kiemen  füllende  Blut  ab. 
Die  vorderste  Kiemenspalte,  das  Spritz  loch,  enthält  keine  Kieme,  wie 
man  sich  leicht  durch  Aufschneiden  der  Spalte  überzeugen  kann,  sondern 
nur  einige  als  Kiemenrudimente  zu  deutende  schmale  Falten.  An  ihrer 
Basis  sitzen  die  Kiemen  knorpeligen  Spangen,  den  Kiemenbögen  auf. 
Ein  Quei-schnitt  durch  die  hintere  Körperregion,  etwa  in  der  Höhe 
der  vorderen  Rückenflosse,  zeigt  uns  zunächst  die  Anordnung  der  Rumpf- 
muskulatur. 

Die  Muskulatur  erscheint  angeordnet  in  konzentrischen  Ringen, 
die  dadurch  entstehen,  daß  die  Myotome  tütenartig  ineinander  gesteckt 
sind.    Ferner  wird  die  knorpelige  Wirbelsäule  sichtbar,  welche  einen 

gallertigen  Rest  der  Chorda 
dorsalis  einschließt.  Die  dorsal 
vom  Wirbelkörper  ausgehenden 
Neural  bogen  umfassen  das 
Rückenmark.  Ein  senkrecht  den 
Neuralbogen  aufsitzender  Knor- 
pelstrahl dient  zur  Stütze  der 
Rückenflosse.  Die  beiden  ven- 
tralen H  am a  1  b  0  g e  n  umfassen 
zwei  quer  durchschnittene  Blut- 
gefäße. Das  obere,  als  quer- 
gerichteter Spalt  erscheinende, 
ist  die  Schwanzarterie,  die 
hintere  Fortsetzung  der  Aorta 
descendens.  Das  darunter  lie- 
gende, von  mehr  dreieckigem 
Querschnitt  ist  die  Schwanz- 
vene.  Einen  genaueren  Ein- 
blick in  den  Aufbau  der  Wirbel- 
säule erhält  man,  wenn  man  sie 
mit  dem  starken  Messer  ein 
Stück'  weit  in  der  Längsrichtung 
spaltet. 

Schließlich   sind   noch  das 
Gehirn  und  die  Sinnesorgane  zu  untersuchen. 

Die  Haut  der  Dorsalseite  des  Kopfes  wird  vorsichtig  abgezogen  und 
dann  durch  flache  Schnitte  mit  dem  Skalpell  die  Schädelhöhle  eröffnet. 
Es  wird  das  Gehirn  sichtbar,  das  durch  behutsame  Präparation  gänzlich 
freigelegt  wird. 


Muskulatur 


Neuiall)Ogen 


Neivenrobr 

Rest  der 
t'horda  dorsalis 

Schwanzarterie 
Schwauzvene 


-Muskulatiu' 


Fig.  154.    Querschnitt  durch  Scyllium  cam'aila, 
in  der  Gegend  der  vorderen  Rückenflosse.  Orig. 


An  der  Hand  der  nebenstehenden  Abbildung  (s.  Fig.  155)  lassen 
sich  die  einzelnen  Abteilungen  des  Gehirns  feststellen.  Beginnen  wir 
von  vorn,  so  sehen  wir  seitlich  die  mächtig  entwickelten  Lobi  olfac- 
torii,  von  denen  die  Riechnerven  an  die  beiden  Geruchsorgane  heran- 
treten. Zwischen  ihnen  liegt  das  Vorderhirn,  dessen  beide  Hemi- 
sphären unvollkommen  voneinander  getrennt  und  ziemlich  klein  sind. 
Der  sich  daran  schließende  Hirnabschnitt  ist  das  verdeckte  Zwischen- 
hirn, von  dem  die  Lobi  optici  ausgehen,  dann  folgt  das  Mittelhirn, 
hierauf  das  große,  ovale  Kleinhirn  und  schließlich  das  ins  Rücken- 
mark übergehende  Nachhirn,  zwischen  dem  als  tiefe  Grube  ein  Ven- 
trikel sichtbar  wird. 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


263 


Von  den  Sinnesorganen  betrachten  wir  zunächst  das  Geruchs- 
organ.  Es  stellt  sich  dar  als  ein  jederseits  vorn  am  Kopfe  liegender 
großer  Sack,  der  im  Innern  zahlreiche  Schleimhautfalten  aufweist. 

Um  das  Auge  zu  studieren,  nehmen  wir  es  aus  der  Augenhöhle 
heraus. 

Es  wird  zunächst  rings  um  das  Auge  ein  Hantschnitt  geführt,  der 
zwischen   Spritzloch    und   Auge    hindurch    und   im  übrigen  in   etwa   1   cm 


—  Trigemiuusast 


Geruchsorgan 


bus  olfactorius 


Vorderhirn 


Mittelhii'n 


Hinterhirn 


Bogengänge  (iehörkapsel   Nachhirn         Labyrinth         Bogengänge,  dui'chschuitten 

Fig.  ]55.     Gehirn  und  Sinnesorgane  eines  jungen  Scyllhtm  canicula.    Orig. 


Abstand  vom  Lidrande  zu  erfolgen  hat.  Von  diesem  Schnitt  aus  wird 
die  Haut  nach  dem  Auge  zu  abpräpariert,  bis  wir  hinter  die  Lider  und 
in  die  Augenhöhle  kommen.  Mit  der  kleinen  Schere  gelangen  wir  hinter 
den  Bulbus  und  durschneiden  die  Augenmuskeln  und  den  Sehnerven. 
Nunmehr  läßt  sich  das  Auge  aus  seiner  Höhle  herausnehmen.  Mit 
Scherenschnitten   werden   die   Lider  vom  Augenbulbus  abgetrennt. 

Es  lassen  sich  zunächst  die  sechs  Augenmuskeln  wahrnehmen, 
vier  gerade  und  zwei  schiefe,  dann  die  Sclera.  die  sich  nach  vorn 
in  die  Cornea  fortsetzt.  Auf  der  Cornea  liegt  die  dünne,  sich  leicht 
ablösende  Conjunctiva,  und   durch  sie  hindurch   sieht  man   die   Iris 


264 


16.  Kursus:  Selachiev  und  Teleostier. 


mit   spaltförmiger,  horizontal   gerichteter   Pupille.     Auch   den  heran- 
tretenden Sehnerven  können  wir  feststellen. 

Um  das  Innere  des  Anges  zu  studieren,  teilen  wir  es  durch  einen 
Schnitt  (entweder  mit  dem  Skalpell  oder  der  Schere),  der  vertikal  dicht 
neben    der  Augenachse    geführt   werden   muß,   in   zwei  ungleiche  Hälften. 

Wir  sehen  jetzt  die  kugelige,  sehr  große  Linse,  dahinter  den 
Glaskörper,  die  weißliche  Retina,  die  beim  lebenden  Tier  mit  einem 
glänzenden  Tapetum  bedeckte  schwarze  Chorioidea,  welche  nach 
vorn  zu  in  das  Corpus  ciliare  und  darauf  in  die  Iris  übergeht,  sowie 
die  knorpelige  Sclera,  und  die  quer  durchschnittene  Cornea.  Die 
Linse  ist  durch  die  vom  Corpus  ciliare  zum  Linsenäquator  ziehende 
Zonula  Zinnii  befestigt.  Ventral  befindet  sich  am  inneren  Rande  des 
Corpus  ciliare  eine  Papille  desselben,  welche  den  stark  von  Pigment 
verdeckten  Linsenmuskel  trägt,  die  sogenannte  „Campanula  Halleri". 
Ein  Processus  falciformis,  wie  er  bei  den  Teleostiern  vorkommt, 
ist  nicht  vorhanden. 

Am  schwierigsten  zu  präparieren  sind  die  Gehörorgane.  Man 
kami  sich  damit  begnügen,  durch  vorsichtig  geführte  Flächenschnitte 
die  verhältnismäßig  großen  Bogengänge  des  Utriculus,  insbesondere 
den  horizontalen,  zur  Anschauung  zu  bringen. 


Corpus  ciliare 


Linse 
Linsenmuskel 


Musculus 
rectus  inferior 


Fig.  156.     Querschnitt  durch  ein  Auge  von  Scyllmm  canicula.     Orig. 


IL  Leuciscus  riitilus  (L.). 

Äußere  Körperform.  Der  meist  gegen  20  cm  lange  Fisch  be- 
sitzt einen  seitlich  zusammengedrückten  Körper,  dessen  Farbe  auf  dem 
Rücken  blaugrünlich,  auf  den  Seiten  und  dem  Bauche  silberig  ist.  Von 
den  paarigen  Extremitäten  liegen  die  Brustflossen  weit  vorn,  dicht  hinter 
dem  Kopf,  die  Bauchflossen  etwa  in  der  Mitte  der  Köri)erlänge,  näher 
zusammenstehend  als  die  Brustflossen. 

Von  unpaaren  Flossen  steht  auf  dem  Rücken  die  Rückenflosse, 
mit  ihrem  Vorderende  etwa  in  der  Mitte  der  Rückenlinie  beginnend, 
hinten  findet  sich  die  Schwanzflosse  und  ventral  die  dicht  hinter  dem 
After  beginnende  Afterflosse. 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier.  265 

Sämtliche  Flossen  sind  mehr  oder  weniger  rot  gefärbt;  in  Rücken- 
und  Schwanzflosse  wird  die  rote  Färbung  meist  durch  eine  schwarze 
Pignientierung  verdeckt. 

Der  ganze  Körper  ist  mit  Schuppen  bedeckt,  nur  der  Kopf  ist 
frei  davon.  Die  dachziegelförmig  übereinanderliegenden  Schuppen  stehen 
in  Reihen,  und  sind  nach  hinten  sanft  abgerundet.  Auf  der  Mitte  jedei- 
Seite  verläuft  von  vorn  nach  hinten  eine  deutliche  Linie,  die  Seiten- 
linie, in  welcher  sich  gewisse  Sinnesorgane,  die  Seitenorgane,  be- 
finden. Oberhalb  diesei' Seitenlinie  liegen  7— 8  Längsreihen  von  Schuppen, 
entlang  der  Seitenlinie  40—44  Querreihen  und  unter  der  Seitenlinie 
3—4  Längsreihen.     Man  drückt  das  in  folgender  Formel  aus: 

7_H  I  40—44  I  3—4. 

Diese  Schuppen  bilden  übrigens  nicht  die  äul^ere  Hautbedeckung, 
sondern  liegen  unter  einer  sehr  zarten  schleimigen  Schicht:  der  Epi- 
dermis. Hebt  man  eine  Schuppe  vorsichtig  mit  der  Pinzette  hoch. 
so  kann  man  sich  leicht  davon  überzeugen. 

Am  spitz  zulaufenden  Kopfe  sehen  wir  eine  kleine,  fast  wage- 
reclite  Mundspalte,  darüber  zwei  ansehnliche  tiefe  Gruben,  die  Nasen- 
gruben,  deren  jede  durch  eine  annähernd  senkrechte  Scheidewand  in 
zwei  Nasenlöcher  geschieden  ist.  Seitlich  liegen  die  großen,  runden, 
flachen  Augen.  Hinten  befinden  sich  zu  beiden  Seiten  des  Kopfes 
zwei  halbmondförmige  Platten,  die  Kiemendeckel.  Sie  verdecken  eine 
Spalte,  und  wenn  wir  einen  Kiemendeckel  etwas  hochheben,  so  sehen 
wir  darunter  die  Kiemen  liegen.  Schon  äußerlich  bemerken  wir,  daß 
die  Kiemendeckel  zusammengesetzt  sind  aus  mehreren  Platten,  welche 
für  die  Systematik  der  Fische  von  Wichtigkeit  sind. 

Auf  der  Bauchseite  sehen  wir  jederseits  drei  Spangen  liegen,  die 
Kiemenstrahlen,  welche  die  sich  an  die  Kiemendeckel  anschließende 
Kiemenhaut  stützen. 

Ein  Charakter  von  systematischer  Wichtigkeit  ist  schließlich  noch 
die  Zahl  der  Flossen  strahlen  in  jeder  Flosse.  Diese  Flossen- 
strahlen sind  einfach  gegliederte  oder  verzweigte,  von  denen  die  ersteren 
stets  vor  den  letzteren  stehen.  Man  schreibt  das  in  Formeln  so,  daß 
die  Zahl  der  einfach  gegliederten  Flossenstrahlen  von  <ler  der  ver- 
zweigten durch  einen  senkrechten  Strich  getrennt  wird.  So  gelten  für 
unsere  Art  folgende  Formeln: 

R  3  I  9—11;  Br  1  |  15;  B  1—2  |  8;  A  3  |  9—11;  S  19. 

Unmittelbar  vor  der  Afterflosse  Hegen  drei  Öffnungen,  der  After 
und,  auf  einer  Papille,  Geschlechtsöfthung  und  Harnleitermündung. 

Der  Fisch  wird  nunmehr  in  das  Wachsbecken  unter  Wasser 
gelegt.  Mit  der  Schere  schneiden  wir,  vom  After  beginnend,  den  Leib 
bis  zu  den  Kiemenstrahlen  auf,  führen  dann  einen  zweiten  Scherenschnitt 
vom  After  auf  der  linken  Seite  schräg  nach  vorn  bis  zur  dorsalen  Begren- 
zung der  Leibeshöhle,  die  etwa  in  der  Höhe  der  Seitenlinie  liegt,  und 
einen  gleichen  Scherenschnitt  hinter  dem  Kiemendeckel  schräg  nach 
hinten.  Die  dadurch  entstandene  Klappe  wird  alsdann  durch  einen 
Scherenschnitt,  der  der  Seitenlinie  entlang  geführt  wird,  abgetrennt.  Es 
ist  empfehlenswert  gleich  ein  vollständiges  Präparat  vom  Fische  anzu- 
fertigen. Zu  diesem  Zwecke  legen  wir  die  Wirbelsäule  und  die  Dorn- 
fortsätze durch  Abtragung  der  dorsalen  Muskulatur  frei.  Dann  gehen 
wir  zur  Präparation  des  Kopfes  über.  Der  Schnitt  auf  der  Medianen 
der  Ventralseite  wird   nach  vorn   bis  zur  Unterkieferspitze  weitergeführt, 


266  16-  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 

und  ebenso  ein  nicht  zu  tiefer  Schnitt,  der  nur  eben  den  Knochen  durch- 
trennt, auf  der  Medianen  der  Dorsalseite  bis  zur  Oberkieferspitze.  Vor- 
sichtig wird   alsdann   die  ganze   Seitenwand   des  Kopfes  abgehoben. 

Das  Resultat  dieser  Präparation  ist  auf  Fig.  157  dargestellt.  Wir 
orientieren  uns  zunächst  über  die  Lagerung  der  einzelnen  Organe.  Das 
große  gaserfüllte  Organ,  welches  den  dorsalen  Teil  der  Leibeshöhle 
einnimmt,  ist  die  Schwimmblase.  Wir  sehen,  daß  sie  in  einen  vorderen 
kleineren  und  einen  hinteren  größeren  Abschnitt  zerfällt,  die  beide  zu- 
sammenhängen. Dorsalwärts  von  der  Schwimmblase  liegen  dicht  unter 
dem  Rücken  die  langgestreckten  Nieren,  deren  vorderstes  Stück  als 
„Kopfniere"  bezeichnet  wird;  ventralwärts  von  ihr  zieht  ein  breites, 
Haches  Band  von  vorn  nach  hinten:  die  Gonade.  Die  im  Ovaiium 
liegenden  Eier  zeichnen  sich  durch  sehr  deutliche  Keimbläschen  aus. 
Ventralwärts  davon  liegt  vorn,  in  eine  Schlinge  eingekrümmt,  der 
Darm,  in  seinem  vorderen  Teile  umgeben  von  drei  Leberlappen,  von 
denen  der  größte  sich  auf  der  Ventralseite  des  Darmes  entlang  zieht. 
Zwischen  dei-  Darm  schlinge  und  dem  vorderen  Teil  der  Schwimmblase, 
in  der  Nähe  des  ersten  Leberlappens  liegt  die  Milz.  Diese  Bauch- 
eingeweide werden  nach  vorn  zu  eingeschlossen  von  der  senkrecht  auf- 
steigenden Wand  des  Peritoneums.  Davor  liegt  ventral  das  Herz, 
hinten  oder  mehr  seitlich  überdeckt  von  dem  großen  Sinus  venosus; 
es  besteht  aus  einer  Vorkammer  und  einer  Kammer,  welche  nach 
vorn  den  großen  Bulbus  arteriosus  entsendet,  aus  dem  die  vier  Paar 
Kiemenarterien  an  die  Kiemen  herantreten. 

Die  deutlich  sichtbaren  Kiemen  liegen  in  ihrem  oberen  hinteren 
Teile  einer  Muskelmasse  auf,  welche  die  Schlundknochen  überdeckt. 
In  der  Mundspalte  sehen  wir  eine  Erhebung  des  Mundhöhlenbodens, 
die  sogenannte  „Zunge".  Dorsal  von  den  Kiemen  und  vom  großen 
runden  Auge  haben  wir  die  geräumige  langgestreckte  Schädelhöhle 
geöflnet,  in  welcher  das  Gehirn  sichtbar  wird.  Ein  langer,  nach  vorn 
ziehender  Nervenstrang  ist  der  Riechnerv.  Die  einzelnen  Abschnitte 
des  Gehirns  lassen  sich  leicht  feststellen. 

Durch  einen  Flächenschnitt  öffnen  wir  ein  Auge  und  linden  darin 
eine  ansehnliche  Linse,  die  in  Anpassung  an  das  Sehen  im  Wasser 
Kugelform  besitzt. 

Wir  legen  nunmehr  die  Eingeweide  vorsichtig  auseinander.  Der 
Darm  wird  mit  der  Pinzette  bei  der  vorderen  Schlinge  erfaßt  und  unter 
Abpräparieren  des  zarten  Aufhängebandes  herausgelegt,  ohne  ihn  ab- 
zuschneiden. Dann  werden  die  Gonaden  abpräpariert,  und  hierauf  wird 
die  Schwimmblase  vom   hinteren  freien  Ende   aus  herausgehoben. 

Das  Vorderende  der  Schwimmblase  ist  von  einer  starken  häutigen 
Kapsel  umgeben.  W'ir  sehen  nunmehr  auch  den  Gang,  welcher  die 
Schwimmblase  mit  dem  Oesophagus  verbindet.  Dieser  Gang  tritt  in  die 
hintere  Hälfte  der  Schwimmblase,  dicht  hinter  der  Einschnürung  ein. 
Vom  Darm  sehen  wir  den  aus  dem  Muskelkegel  hinter  den 
Kiemen  hervortretenden  Oesophagus  in  den  geräumigeren,  gestreckten 
Magen  übergehen.  Dann  bleibt  der  Darm  bis  zum  After  ungefähr  gleich 
weit.  Auch  die  drei  Leberlappen  sind  jetzt  deutlicher  sichtbar;  unter 
dem  oberen  liegt  die  etwas  dunkler  gefärbte  Milz,  unter  dem  rechten 
die  ihre  Umgebung  gelb  färbende  Gallenblase. 

Auf  und  zwischen  den  Eingeweiden  befindet  sich  eine  gelblich- 
weiße blasse  mit  vielen  sehr  kleinen,  stark  glänzenden  Fettröpfchen, 
die  auch  in  der  Umgebung  des  Gehirns  vorkommt. 


16.  Kursus:  Selachier  und  Teleostier. 


267 


IMuiidöffuung 
Zuuge 

Kiemen 

Arterienbulbus 

Herzkammer 
Vorkammer,  daniuter  •• 
Venensinus 
Vordere  Bauchfellwand  ■"         \/\ 

Darm 

1.  Leberlappen 

2.  Leberlappen 

Hode 

3.  Leberlappen 


Ijobus  olfactorius 
Auge 

Gehim 


Schlundkopf 
Kopfniere 


Schwimmblase 
-Niere 

_Kippen 


Bauchflosse 


After 
Oesch  lechtsöffnung 

Harnleiteröffnung 
Harnblase 


Afterflosse 


Schwanzflosse 


Schwimmblase 


Rückenflosse 


Fig.  157.     Anatomie  von  Leuciscus  rutilns  (J.     Orig. 


268  16-  Kursus:  Selachier  und  Teleostiev. 

Die  Gonaden,  auf  unserer  Abbildung  Fig.  157  die  Hoden,  ver- 
engern sich  nach  hinten  zu  etwas  und  münden  gemeinsam  dicht  hinter 
dem  After. 

Durch  die  Wegnahme  der  Schwimmblase  haben  wir  die  Nieren 
freigelegt,  die  als  zwei  langgestreckte  Organe  dicht  unter  der  Wirbel- 
säule verlaufen.  Die  von  ihnen  ausgehenden  Harnleiter  weisen  seit- 
liche Ausstülpungen,  die  sog.  Harnblasen,  auf  und  münden  dicht 
hinter  den  Mündungen  der  Geschlechtsgänge  auf  der  gemeinsamen 
Papilla  urogenitalis. 

Mit  den  Fingern  nehmen  wir  einen  der  unteren  Scblundknoclien 
lieraus   und   reinigen   iim   von   der   ansitzenden   Muskulatur. 

Diese  unteren  Schlundknochen  sind  nichts  anderes  als  das 
fünfte  Paar  der  Kiemenbogen.  welche  aber  keine  Kieme  tragen,  sondern 
mit  Zähnen  besetzt  sind,  deren  Anordnung  für  die  Systematik  von 
Wichtigkeit  ist. 

Die  vier  vorderen  Kiemenbogen  tragen  an  ihrem  äußeren  kon- 
vexen Ptande  die  Kiemen.  Dorsalwäits  treten  sie  an  die  paarigen 
oberen  Schlundknochen,  die  zum  vierten  Kiemenbogenpaar  gehören, 
heran. 

Mit  dem  starken  Messer  schneiden  wir  den  Fisch  hinter  der  Leibes- 
höhle   quer    durch,    und   betrachten   den   erhaltenen   Querschnitt  genauer. 

Zunächst  fällt  ins  Auge  die  mächtige  Muskulatur,  aus  einzelnen 
Portionen  l)estehend,  deren  jede  konzentrische  Schichtung  zeigt.  Dorsale 
und  ventrale  Rumpfmuskulatur  sind  deutlich  geschieden.  Die  konzen- 
trische Streifung  kommt  dadurch  zustande,  daß  der  t^Hierschnitt  mehrere 
ineinander  steckende  Muskelkegel  getroffen  hat.  Diese  Muskelkegel  sind 
die  tütenartig  ineinander  steckenden  Myomeren,  die  durch  die  Myocommata 
voneinander  getrennt  sind. 

In  der  Mitte  des  Schnittes  liegt  die  Wirbelsäule,  die  man  mit 
Messer  und  Nadeln  herauspräparieren  kann.  Der  weiße  Strang,  welcher 
von  den  oberen  Bogen  umfaßt  wird,  ist  das  Rückenmark.  Von  der 
Vereinigung  der  Neuralbogen  gehen  die  oberen  Dornfortsätze  aus.  Die 
unteren  oder  Hämalbogen  umschließen  einen  Kanal,  den  Caudalkanal, 
in  welchem  wir  zwei  Gefäße,  eine  Arterie  und  eine  Vene,  verlaufen 
sehen.  Auch  der  Vereinigung  der  Hämalbogen  sitzen  untere  Dorn- 
fortsätze auf. 

Es  wird  nunmehr  eine  Schuppe  von  ihrer  Unterlage  entfernt  und 
unter  dem  Mikroskop   bei   schwacher   Vergrößerung  betrachtet. 

Eine  solche  Schui)i)e  erweist  sich  als  eine  rundliche  Platte,  die 
am  hinteren  freien  Rande  etwas  gezähnelt  ist.  Vom  Zentj-um  strahlen 
eine  Anzahl  Furchen  radial  aus,  besonders  nach  vorn  und  nach  hinten. 
Außerdem  findet  sich  eine  konzentrische  Streifung  zahlreicher,  dem 
Schuppenrande  parallel  laufender  Leisten.  Auf  dem  nicht  von  der 
vorhergehenden  Schuppe  bedeckten  Teil  finden  sich  sternförmig  ver- 
ästelte Pigmentzellen,  sowie  zahlreiche,  in  den  Regenbogenlärben 
schillernde,  aus  Guanin  bestehende  Kristalle. 


17.  Kursus:  Amphibien.  269 

17.  Kursus. 

Amphibien. 


Technische  Vorbereitungen. 

Eine  Anzahl  Exemplare  des  überall  häufigen  braunen  Grasfrosches 
werden  gesammelt  und  kurz  vor  Beginn  des  Kursus  in  einem  verschlos- 
senen Glasgefäß  mit  etwas   Chloroform   getötet. 


A.  Allgemeine  Lbersielit. 

Ihre  Organisation  weist  die  Amphibien  hauptsächlich  auf  das  Leben 
am  Lande  hin.  An  Stelle  der  vielstrahligen  Fischflossen  ist  das  fünf- 
strahlige  Gangbein  getreten,  und  die  Kiemenatmung  macht  der 
Lungenatmung  Platz.  Eine  besonders  scharf  ausgeprägte  Organisation 
besitzt  die  Ordnung  der  Anuren  oder  Batrachier,  zu  denen  der  in 
diesem  Kurse  zu  behandelnde  Gi-asfrosch  gehört.  Während  die  Uro- 
delen,  zu  denen  die  Molche  gehören,  noch  einen  langgestreckten 
Körper  mit  langem  Schwänze  besitzen,  ist  bei  den  Batrachiern  der 
Körperbau  gedrungen,  und  ein  Schwanz  fehlt  vollkommen. 

Wir  beschränken  uns  in  dieser  „allgemeinen  Übersicht"  auf  den 
Bau  der  Anuren,  speziell  der  Frösche. 

Die  Haut  der  Frösche  ist  nackt  und  mit  schleimabsondernden 
Drüsen  versehen,  welche  sie  schlüpfrig  machen.  Ein  Hautskelett,  welches 
den  ausgestorbenen  Panzerluichen  noch  zukam,  und  welches  sich  bei 
der  noch  jetzt  lebenden  Ordnung  der  Coecilien  in  Form  von  Schuppen 
erhalten  hat,  fehlt  den  Fröschen. 

Von  dem  inneren  Skelett  des  Frosches  betrachten  wir  zunächst 
den  Schädel.  Es  bleibt  an  ihm  ein  beträchtlicher  Teil  des  ursprüng- 
lichen Primordialcraniums  erhalten. 

Wir  sehen  demgemäß  von  knorpeligen  Seh  adelt  eilen  die 
Nasenkapsel,  den  Alisphenoidknorpel,  die  Gehörkapsel,  mit  der  das 
Quadratum,  der  hintere  Abschnitt  des  Palatoquadratum,  verschmolzen 
ist,  während  der  vordere  Abschnitt  desselben,  die  Palatinspange,  weit 
nach  vorn  bis  zur  Nasenkapsel  reicht,  und  ferner  findet  sich  auch  an 
den  Stellen  noch  Knorpel,  wo  sonst  das  Basioccipitale  und  Supraoccipi- 
tale  liegen,  so  daß  diese  beiden  Knochen  hier  fehlen. 

Von  primären  Knochen  findet  sich  voi-n  ein  unpaarer  Knochenring, 
das  Sphenethmoid,  während  bei  Urodelen  Orbito-  und  Alisphenoide 
vorkommen  können,  ferner  in  der  Ohrgegend  ein  Knochen,  das  Pro- 
oticum,  und  im  Hinterhaupt  die  beiden  Exoccipitalia,  mit  je  einem 
Condylus  occipitalis. 

Deckknochen  sind,  von  vorn  angefangen,  die  Nasalia,  die  mit 
den  Scheitelbeinen  verw^achsenen  Stirnbeine,  Frontoparietalia,  sowie 
auf  der  Basalseite  das  große  Parasphenoid. 

Hierzu  kommt  nun  noch  das  Visceralskelett.  Auf  dem  Quadrat- 
knorpel, welchem  der  Unterkiefer  eingelenkt  ist.  liegt  das  Squamosum; 
die  Palatinspange  trägt  drei  Belegknochen  jederseits:  Vom  er,  Pala- 
tinum  und  Pterygoid,  und  davor  die  Kieferreihe  mit  Prämaxillare 


270  1^-  Kursus:  Amphibien. 

und  Maxillare.  Vom  Maxillare  zieht  zum  Quadratum  als  Verbindung 
das  Jochbein,  Jugale. 

Die  Wirbel  sind  bei  den  Batrachiern  vorn  ausgehöhlt:  procöl, 
während  sie  bei  den  Urodelen  opisthocöl  und  bei  den  niedersten 
Formen  derselben,  den  Perennibrancliiaten,  wie  bei  den  Coecilien  vorn 
und  hinten  ausgehöhlt,  amphicöl,  sind.  In  den  Beckengürtel  ist  ein 
Wirbel,  der  Sacralwirbel,  mit  einbezogen.  Bei  den  Batrachiern  folgt 
auf  diesen  ein  langer,  säbelförmiger  Knochen,  das  Os  coccygis.  welches 
die  Schwanzwirbelsäule  repräsentiert. 

Den  Batrachiern  fehlen  die  Rippen,  die  bei  den  Urodelen  vor- 
handen sind.  Der  Schultergürtel  besteht  aus  einer  gebogenen  Platte 
jederseits,  dem  Schulterblatt,  das  mit  dem  Brustbein  durch  das 
Präcoracoid  (auf  dem  als  Deckknochen  sich  die  Clavicula  bildet) 
und  das  Coracoid  verbunden  ist.  Das  Brustbein  besteht  aus  dem 
vorderen  Episternum  und  dem  hinteren  Sternum,  beide  an  ihren 
freien  Enden  mit  verbreiterten  Knorpelplatten  und  auch  durch  Knorpel- 
masse von  einander  getrennt.  Die  Vorderextremität  ist  gegliedert  in 
Oberarm  (Humerus),  Unterarm  (Ptadius  und  Ulna).  Handwurzel 
(Carpus)  und  die  Fingerstrahlen,  stets  nur  vier  an  der  Zahl. 

Der  Beckengürtel  wird  zusammengesetzt  aus  dem  dorsalen 
langen  Darmbein  (Ileuni)  und  dem  ventralen,  noch  einheitlichen  Scham- 
Sitzbein  (Ischiopubis).  An  den  langen  Hintergliedmaßen  finden  sich 
fünf  Zehen. 

Das  Gehirn  ist  langgestreckt,  die  fünf  Hirnteile  sind  deutlich 
unterscheidbar,  das  Vorderhirn  ist  ziemlich  groß,  das  Hinterhirn  da- 
gegen nur  eine  quer  vor  der  Rautengrube  gelagerte  Lamelle  Von  den 
Sinnesorganen  hat  besonders  das  Gehörorgan  eine  Umwandlung 
durch  Ausbildung  eines  schalleitenden  Apparates  eilitten.  Das  Spritz- 
loch der  Selachier  wird  zu  einem  Gange,  der  als  Tuba  Eustachii  in 
den  Rachen  ausmündet,  während  sein  anderes  Ende  sich  zur  Pauken- 
höhle erweitert,  die  nach  außen  durch  das  Trommelfell  abgeschlossen 
wird.  Ein  Knochen,  die  Columella,  die  aus  dem  Hyomandibulare  ent- 
standen sein  soll,  setzt  sich  einerseits  an  das  Trommelfell,  andererseits 
an  eine  Öffnung  des  häutigen  Labyrinthes,  das  Foramen  ovale,  an 
und  übermittelt  die  das  Trommelfell  treffenden  Schwingungen  der  Luft. 

Die  Amphibien  haben  sowohl  Kiemen  wie  Lungen,  sind  also 
„Doppelatmer",  entweder  das  ganze  Leben  hindurch  (Perennibran- 
chiaten),  oder  es  funktionieren  in  der  Entwicklung  zuerst  die  Kiemen, 
später  die  Lungen.  Auch  diese  können  verschwinden,  und  die  Atmung 
wird  dann  ausschließlich  von  der  Haut  oder  dem  Pharynx  übernommen. 
Die  Kiemen  sind  äußere  Anhänge,  die  bei  den  Batrachierlarven  bald 
durch  ,.innere  Kiemen"  ersetzt  werden,  die  aber  nicht  denen  der  Fische 
homolog,  sondern  aus  dem  ventralen  Teil  der  äußeren  Kiemen  ent- 
standen sind  und  von  einer  Hautfalte,  dem  Operculum,  überdeckt 
werden.  Die  Lungen  sind  zwei  sackförmige  Organe,  deren  Ausführ- 
gang, die  kurze  Luftröhie,  bei  den  Batrachiern  Stimmbänder  erhält. 
Die  Laute  können  noch  verstärkt  werden  durch  Ausstülpungen  des 
Mundhöhlenbodens,  die  Sc  hall  blasen,  welche  als  Resonatoren  wirken. 
Die  Atmung  erfolgt  durch  Einschlucken  der  Luft. 

Entsprechend  der  Doppelatmung  ist  auch  der  Blutkreislauf 
komplizierter.  Während  bei  den  Fischen  das  Herz  aus  einer  Kammer 
und  einer  Vorkammer  besteht,  ist  bei  den  Amphibien  eine  Trennung  der 
Vorkammer  in  zwei  eingetreten,  eine  linke  und  eine  rechte.     Die  linke 


17.  Kursus:  Amphibien.  271 

Vorkammer  empfängt  das  Blut  von  den  Lungen  (sobald  diese  funk- 
tionieren), führt  also  arterielles  Blut,  die  rechte  nimmt  das  venöse  Blut 
der  Körpervenen  auf.  Aus  dem  aus  der  Herzkammer  entspringenden 
Arterienstamm  zweigen  sich  ursprünglich  jederseits  vier  Arterien- 
bogen  ab,  von  denen  die  drei  vorderen  bei  den  Larven  zu  den  Kiemen 
gehen.  Hier  wird  das  Blut  gereinigt  und  sammelt  sich  in  den  ab- 
führenden Kiemenvcnen  an.  welche  in  die  beiden  Aortenbogen  über- 
gehen, die  sich  zur  Aorta  descendens  vereinigen.  Der  letzte,  vierte 
Arterienbogen  gibt  jederseits  einen  Ast  an  die  Lunge  ab,  die  Lungen- 
arterien. Sobald  bei  der  Metamorphose  die  Kiemen  schwinden,  geht 
natürlich  auch  der  Kapillarkreislauf  in  ihnen  verloren,  und  das  Blut 
strömt  nunmehr  durch  eine  bereits  bei  den  Larven  vorhandene  zweite, 
direkte  Schließung  in  die  abführenden  Gefäße.  Der  erste  Arterienbogen 
wird  jederseits  zur  Carotis,  welche  den  Kopf  versorgt,  die  zweiten 
Bogen  vereinigen  sich  zur  Aorta  descendens  und  heißen  Aortenbogen, 
die  dritten  werden  mehr  oder  minder  rudimentär,  und  die  vierten  sind 
die  Lungenarterien,  von  denen  bei  den  Anuren  ein  starker  Ast  als 
Arteria  cutanea  zur  Haut  geht,  in  welcher  eine  intensive  Blutzirkulation 
und  Atmung  stattfindet. 

Die  Sonderung  der  beiden  Blutarten  ist  zwar  sehr  unvollkommen, 
doch  ist  durch  Klappen  im  Truncus  arteriosus  dafür  gesorgt,  daß  das 
arterielle,  von  der  linken  Vorkammei-  in  die  Herzkammer  eintretende 
Lungenblut  in  die  beiden  ei-sten  Arterienbogen  geht,  während  das  von 
den  Körpervenen  durch  die  rechte  Vorkammer  dem  Herzen  zugeführte 
Blut  in  den  vierten  Bogen  (Arteria  pulmonalis)  eintritt. 

Der  Darmtractus.  Die  Zähne  der  Batrachier  sind  sehr  klein 
und  können  sich  außer  auf  den  Kiemen  auch  noch  an  Knochen  der 
Mundhöhlendecke,  so  dem  Vomer,  finden.  Die  Zunge  ist  meist  vorn 
festgeheftet  und  kann  dann  vorgeschnellt  werden.  Die  kurze,  weite 
Speiseröhre  führt  in  einen  schräg  gestellten  Magen,  von  dem  aus  das 
Duodenum  allmählich  in  den  Dünndarm  übergeht.  Der  Enddarm 
ist  weiter  und  mündet  in  die  Kloake  ein.  Leber,  Gallenblase  und 
Pancreas  sind  bei  den  Fi-öschen  vorhanden. 

Das  ürogenitalsystem  zeigt  noch  einfache  Veihältnisse.  Die  Nieren 
sind  Urnieren.  Beim  Männchen  tritt  der  vordere  Teil  der  Urniere 
mit  dem  Hoden  in  Verbindung,  während  der  hintere  Teil  Harn  ab- 
sondert. Es  existiert  demnach  für  männliche  Geschlechtszellen  und 
den  Harn  ein  gemeinsamer  Gang,  der  Harnsamenleiter.  Der  Harn- 
samenleiter entsteht  durch  Spaltung  des  ursprünglichen  Urinierenganges 
in  zwei  Längskanäle,  den  MÜLLERSchen  Gang  und  den  WoLFFSchen 
Gang.  Ersterer  wird  beim  Männchen  rudimentär,  uiul  der  WoLFFsche 
Gang  wird  zum  Harnsamenleiter.  Beim  Weibchen  fehlt  die  Beziehung 
der  Niere  zur  Gonade.  Aus  dem  traubigen  Eierstock  gelangen  die 
Eier  in  den  mit  weiter  Öffnung  versehenen  Eileiter,  welcher  von  dem 
MÜLLERSchen  Gang  gebildet  wiid,  während  der  WoLFFsche  Gang  beim 
Weibchen  nur  zum  Hai-nleiter  wird. 

Die  Harnblase  ist  eine  ventrale  Ausstülpung  der  Kloaken  wand 
und  unterscheidet  sich  also  dadurch  sehr  wesentlich  von  der  Harnblase 
der  P'ische,  die  nui'  eine  Erweiterung  des  Harnleiters  darstellt. 

Die  Eier  werden  meist  als  „Laich"  ins  Wasser  abgelegt,  vereint 
zu  Schnüi-en  oder  Klumpen.  Die  kugelige  Gallerthülle,  welche  jedes 
Ei    umgibt,    wirkt    wesentlich    als    Schutz   gegen    Gefressenwerden    wie 


272  1^-  Km'Siis  :  Amphibien. 

Eintrocknen  und  das  in  jedem  Ei  enthaltene  schwarze  Pigment  zur 
besseren  Aufnahme  der  Sonnenwärme. 

Die  Metamorphose  erfolgt  bei  den  Fröschen  in  der  Weise,  daß 
die  aus  dem  Ei  entstandenen  Kaulquappen,  welche  ursprünglich  drei 
Kiemenbüschel  und  einen  langen  Ruderschwanz  besitzen,  erstere  durch 
innere  Kiemen  ersetzen.  Dann  sprossen  die  paarigen  Extremitäten 
hervor  und  die  Lungen  legen  sich  an.  Mit  dem  Übergang  zum  Land- 
leben gehen  dann  auch  Ruderschwanz  und  innere  Kiemen  verloren, 
und  die  Kaul(iuapi)e  bildet  sich  zum  fertigen  Frosch  aus. 

In  Deutschland  kommen  vier  Arten  Frösche  vor,  ein  grüner:  der 
Wasserfrosch  [Rana  csculenta  L.)  und  drei  braune.  Einer  davon 
hat  einen  gefleckten  Bauch,  der  Grasfrosch  {Rana  nntta  Laur.),  von 
den  beiden  anderen  mit  ungeflecktem  Bauch,  dem  Moorfrosch  {Rana 
arvalis  Nilss.),  und  dem  seltenen  Si)ringfrosch  {Rana  agilis  Thom.) 
zeichnet  sich  der  letztere  durch  sehr  lange  Hinterbeine  aus. 


B.  Spezieller  Kursus. 

Mana  ui^ita  Laur.  (J?.  tefuporai'ia  auct.)  der  braune  Grasfrosch. 

Wir  legen  den  Trosch  ins  Wachsbecken  unter  Wasser  und  be- 
trachten  seine  äußere  Körperform. 

Die  Färbung  ist  bei  den  einzelnen  Individuen  recht  verschieden- 
artig; besonders  die  Oberseite  wechselt  von  hellen  Farben  bis  zu 
dunklem  Braun,  während  die  Bauchseite  gelblich  und  leicht  gefleckt 
ist.  Ein  großer  dunkler  Fleck  findet  sich  jederseits  hinter  dem  mit 
goldglänzender  Iris  versehenen  Auge.  Weniger  distinkte  Flecke  be- 
decken den  ganzen  Rücken  wie  die  Extremitäten,  auf  den  Hinterbeinen 
sich  zu  queren  Bändern  ordnend.  An  der  Seite  finden  sich  Wärzchen 
und  Hautdrüsen. 

Die  Haut  ist  schlüpfrig  und  läßt  sich  überall  in  Falten  hoch- 
heben. Dieses  lose  Aufliegen  rührt  davon  her,  daß  sich  unter  ihr 
große,  mit  Lymphe  gefüllte  Hohlräume,  die  sogenannten  Lymph sacke, 
ausdehnen. 

Ein  solcher  Lymphsack  läßt  sich  leicht  demonstrieren,  wenn  man 
einem  Frosche  die  Rückenhaut  mit  einem  Scherenschnitte  öffnet. 

Diesen  Rückenlymphsack  durchziehen  Hautnerven,  und  an  der 
Innenseite  der  Haut  breiten  sich  eine  Hautarterie  und  eine  Hautvene 
aus.  Am  Hinterende  des  Rückenlymphsackes  liegen  zu  beiden  Seiten 
des  Steißbeines  zwei  kontraktile  Lymphherzen;  zwei  andere  finden 
sich  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule. 

Der  verhältnismäßig  kurze,  gedrungene  Rumpf  ist  weich,  da  er 
nicht  von  Rijjpen  gestützt  wird,  und  geht  nach  vorn  in  den  dreieckig 
zugespitzten  Kopf  über.  Ein  Schwanz  fehlt  vollkommen  und  tritt  nur 
in  der  Entwicklung  des  Frosches  auf.  Die  beiden  Vorderextremitäten 
sind  kurz,  und  die  Hand  ist  stark  nach  vorn  gewendet,  ähnlich  wie  bei 
den  Säugetieren.  Sehr  viel  größer  sind  die  Hinterextremitäten,  die 
zum  Springen  und  Schwimmen  verwandt  werden.  Dementsprechend 
ist  auch  ihre  Muskulatur  stark  entwickelt,  und  die  Zehen  sind  durch 
eine  Schwimmhaut  verbunden. 


17.  Kursus:  Amphibien.  273 

Der  Mund  ist  eine  große  Spalte;  öffnen  wir  dieselbe,  so  erblicken  wir 
die  auf  dem  Unterkiefer  liegende  und  in  ihm  ganz  weit  vorn  angewach- 
sene fleischige,  zweizipfelige  Zunge,  welche  zum  Erfassen  der  Beute 
herausgeschleudert  wird.  Der  Schleim  in  der  Mundhöhle  wird  von 
Drüsen  am  Gaumen  abgesondert,  l)eini  Vorschnellen  der  Zunge  von 
diesem  abgestreift  und  dient  zum  Festkleben  der  aus  Insekten  be- 
stehenden Beute.  Fassen  wir  mit  dem  Finger  in  den  Mund  hinein,  so 
fühlen  wir  an  den  Oberkieferrändern  zahlreiche  Zähnchen,  während 
der  Unterkiefer  zahnlos  ist.  Außerdem  finden  sich  in  der  Mundhöhle 
noch  Zähnchen  an  den  Pf kigscharbeinen ;  zu  beiden  Seiten  liegen  zwei 
Öffnungen:  die  Choanen.  Vorn  an  der  Schnauzenspitze  liegen  die 
beiden  kleinen,  durch  Klappen  verschließbaren  Nasenöffnungen.  Die 
großen,  rundlichen  Augen  können  von  einem  unteren  durchscheinenden 
Augenlid,  der  Nickhaut,  überzogen  werden,  während  das  kleine  obere 
Augenlid  festgewachsen  ist.  Hinter  dem  Auge  liegt  eine  kreisrunde  Membran, 
das  Trommelfell,  welches  den  Eingang  in  das  Gehörorgan  verschließt. 

Die  Kloakenöffnung  liegt  am  Hinterende  des  Rumpfes,  etwas  auf 
die  dorsale  Seite  gerückt. 

•  Schon  aus  der  Betrachtung  der  äußeren  Körperform  läßt  sich 
eikennen.  ob  wir  ein  Männchen  oder  ein  Weibchen  vor  uns  haben. 
Finden  sich  nämlich  am  Daumen  der  Vorderextremität  schwielige  Ver- 
dickungen, so  haben  wir  ein  Männchen  vor  uns.  Diese  Daumen- 
schwielen,  welche  besonders  zur  Zeit  der  Brunst  deutlich  hervortreten, 
werden  bei  der  Umklammerung  des  Weibchens  zum  Festhalten  benutzt. 

Wir  schreiten  nunmehr  zur  Sektion.  Man  schneidet  die  Bauch- 
decke  von  der  Symphyse  bis  zum  Kinn  auf,  führt  seitliche  Schnitte 
durch  die  Haut  des  oberen  Teiles  der  Extremitäten  und  steckt  die 
Hautlappen  mit  Nadeln  im  Wachsbecken  fest.  Eine  andere  sehr  leichte 
und  schnelle  Methode  der  Abhäutung  ist  folgende.  Zunächst  wird  mit 
der  Schere  ein  Schnitt  rings  um  den  Hals,  einige  Millimeter  hinter  dem 
Trommelfell,  gemacht,  was  sehr  leicht  geht,  wenn  man  mit  der  Pinzette 
in  der  anderen  Hand  die  Haut  hochhebt,  und  dann  wird  der  ganze 
Körper  abgehäutet.  Man  kann  das  durch  eine  einfache  Prozedur  zu- 
stande bringen,  indem  man  den  Kopf  mit  einer  Hand  faßt,  die  Kücken- 
haut mit  der  anderen  mit  einem  Tuche  ergreift  und  nunmehr  mit  einem 
kurzen  Ruck  die  gesamte  Haut  abzieht.  Man  hüte  sich  davor,  daß  die 
in   den   Lymphsäcken   enthaltene  Flüssigkeit  in   die  Augen   spritzt. 

Wir  haben  damit  ein  Präparat  hergestellt,  an  dem  sich  die  Mus- 
kulatur sehr  schön  überschauen  läßt.  Wir  wollen  uns  folgende  größere 
Muskeln  merken.  Betrachten  wir  die  Ventralseite  des  Rumpfes,  so 
sehen  wir  die  Brustregion  bedeckt  mit  starken  Muskeln;  es  sind  das, 
von  vorn  angefangen,  der  M.  sternoradialis,  dann  der  M.  pectoralis 
in  zwei  Portionen,  während  Qine  dritte  Portion  desselben  von  der  In- 
sertionsstelle  am  Oberarm  schräg  nach  unten  zum  Bauche  zieht.  Der 
Bauch  wird  überzogen  von  dem  großen  M.  rectus  abdominis,  leicht 
kenntlich  durch  fünf  zackige  Inscriptiones  feudi neae.  Der  Rücken 
ist  von  einer  Fascie,  der  Fascia  dorsalis,  bedeckt,  unter  welcher  die 
Rückenmuskeln  durchschimmern.  Zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  des 
Rückens  liegen  der  M.  longissimus  dorsi,  sich  ans  Hinterhaupt  an- 
setzend, und  seitlich  von  diesem,  um  die  Seiten  herumgehend,  der  M. 
obliquus  externus.  Die  wohl  ausgebildete  Muskulatur  der  Extremi- 
täten ist  hier  nicht  zu  behandeln. 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.    5.  Aufl.  18 


274 


17.  Kursus:  Amphibien. 


(Näheres  findet  man  in  Ecker-Wiedersheim-Gaupp,  Anatomie  des 
Frosches.     Braunschweig   1896 — 1904). 

Wir  stecken  nunmehr  den  Frosch  mit  durch  die  Extremitäten  ge- 
führten Nadeln  im  Wachsbecken  fest,  präparieren  die  Muskehi  der  Brust 
ab   und   legen   damit   den  Schultergürtel  frei. 

In  der  Medianlinie  liegt  vorn  das  Episternum,  das  durch  ein 
knorpeliges  Zwischenstück  mit  dem  eigentlichen,  knöchernen  Sternum 
verbunden  ist;  an  dieses  schließt  sich  eine  breite,  knorpelige  Endplatte, 
der  Schwertfortsatz  (Processus  xiphoideus)  an.  Zu  beiden  Seiten  setzen 
sich  an  das  Brustbein  je  zwei  kleine  Knochen  an,  von  denen  der  vordere 
das  Präcoracoid,    der   hintere   das  Coracoid  darstellt,  und  die  jederseits 


an  das  Schulterblatt  herangehen  (s. 


Fig. 


158). 


Episternum 
Praecoracoid 


Scapula 


Gelenkpfanne 
für  den  Humerus 


Coracoid 


Sternum 


Processus 
xiphoideus 


Die  Weiterpräpa- 
ration erfolgt  in  der 
Weise,  daß  der  Schul- 
tergürtel beiderseits 
nahe  demOberarm  durch- 
schnitten und  vorsichtig, 
um  das  Herz  nicht  zu 
verletzen,  entfernt  wird. 
Dann  schneidet  man  mit 
einem  Medianschnitt  die 
Haut  der  Kehlgegend 
in  der  Mittellinie  bis 
vorn  hin  auf  und  entfernt 
sie  samt  darunterliegen- 
der Muskulatur.  Hierauf 
wird  die  das  Herz  über- 
ziehende feine  Haut: 
der  Herzbeutel,  auf- 
geschnitten und  ent- 
fernt, und  endlich  wird 
ein  Schnitt  in  der  Me- 
dianlinie des  Bauches  bis  zum  Schambein  hin  geführt  und  die  auf  die 
Seite  gelegte  Körperwand   mit  Nadeln  festgesteckt  (s.   Fig.    159). 

In  der  Kehlregion  haben  wir  durch  unsere  Präparation  eine  zarte, 
aber  große  Knorpelplatte  freigelegt:  den  Zungenbeinkörper  oder  die 
Copula.  Vorn  setzen  sich  zu  beiden  Seiten  an  die  Copula  zwei  dünne, 
gekrümmte  Knorpelspangen  an,  die  oberen  Zungenbeinbogen  oder 
Hyoidbogen,  während  zwei  andere,  von  hinten  abgehende  Knorpel- 
spangen, die  unteren  Zungenbeinbogen  oder  Branchialbogen  sind. 
Nach  hinten  von  der  Copula  liegt  in  der  Medianlinie  der  Kehlkopf; 
zu  beiden  Seiten  des  Hinterendes  der  Copula  liegen  kleine  traubige 
Drüsen,  als  Schilddrüse,  Thyreoidea  bezeichnet.  Vorn  schimmert 
die  Zunge  durch;  schneiden  wir  die  darüber  liegende  Haut  ab,  so  sehen 
wir  sie  als  stumpf-zweizipfeliges  Organ  vorn  angewachsen.  Beim  Männ- 
chen liegen  seitlich  von  der  Zunge  zwei  als  Aussackungen  der  Mund- 
schleimhaut entstandene  Schallblasen,  die  als  Resonatoren  fungieren 
und  beim  Männchen  des  Wasserfrosches  nach  außen  hin  vorschwellen 
können. 

Das  Herz  ist  ein  konischer  Körper,  dessen  im  Präparat  schräg 
nach  links  caudalwärts  gerichteter,  spitz  zulaufender  Teil  die  Herzkammer 


Brustbein    und  Schultergürtel  des  Gras- 
frosches.   Orig. 


17.  Kursus:  Amphibien. 


275 


darstellt,  die  schon  durch  ihre  hellere  Farbe  von  den  beiden  davor 
liegenden  dunkelblauroten  Vorkammern  unterschieden  wird.  Von  der 
Herzkammer  geht  der  Truncus  arteriosus  aus,  der  sich  in  zwei  starke 
Arme  verzweigt,  deren  jeder  sich  wieder  in  zwei  Äste  gabelt.  Wenn 
wir  das  Herz  etwas  in  die  Höhe  heben,  so  sehen  wir  auf  der  dorsalen 
Seite  den  Sinus  venosus  liegen,  in  welchen  zwei  Blutgefäße  von  vorn, 


Durchschimmernde  Zunge 


Thyreoidea 


1        Oberer  Zungenbeinbogen 
^"^  ,.  Zungenbein 

Unt.  Zungenbeinbogen 


Kehlkopf 


1.— 3.  Arterienbogcii  V.--^-^-.-- "yj)///! 


Truncus  arteriosus 
Herzkammer 

Rechter  Leberlappeu 
Eierstock 

Gallenblase 

Eileiter 

Uterus 
Harnblase 


Linke 
Vorkammer 
Lunge 


Enddarm 

Harnblase 


Fig.  159.     Anatomie  eines  weiblichen  Grasfrosches.     Orig. 

ein  drittes  großes  von  hinten  einmünden.  Zu  beiden  Seiten  des  Herzens 
liegen  die  ansehnlichen  Leberlappen,  unter  deren  medianer  Verbindung 
die  dunkelgrüne  Gallenblase  liegt.  Oberhalb  der  Leberlappen,  mehr 
im  Innern  verborgen,  finden  sich  die  beiden  dünnwandigen  Lungen- 
säcke,  die  in   den   dicht  hinter  der  Zunge  gelegenen  Kehlkopf  ein- 

18* 


276 


17.  Kursus:   Amphibien. 


münden.  Die  Lungen  fungieren  außer  als  Atmungsorgane  auch  noch 
als  hydrostatische  Apparate  beim  Schwimmen.  Der  im  Piäparate  rechte 
(also  eigentlich  der  linke)  Leb  er  läppen  ist  größer  als  der  andere  und 
besteht  aus  zwei  Teilen,  einem  mehr  seitlich  gelegenen  und  einem  zum 
Teil  von  ersterem  überdeckten  medianen.  Schlagen  wir  diesen  großen 
Leberlappen  etwas  nach  innen,  so  erblicken  wir  darunter  den  ansehn- 
lichen links  gelegenen  Magen  (s.  Fig.  160).  der  von  dem  sehr  aus- 
dehnungsfähigen Oesophagus  durch  eine  seichte  Einschnürung  abgesetzt 
ist.  Die  Fortsetzung  des  Darmtractus,  das  Duodenum,  biegt  wieder 
nach  der  Medianlinie  zu  ein.  In  ihm  liegen  quergerichtete  halbmond- 
förmige Falten,  die  den  Nahrungsbrei  stauen  können.  Legen  wir  die 
Leberlappen  nach  vorn  um,  so  erblicken  wir  zwischen  ihnen  eine  rund- 
lich-ovale, dunkelgrüne  Blase,  die  Gallenblase.    Aus  den  beiden  großen 


Leber  •^■ 

Ductus  hepatici  <- i§^ 

Ductus  cystici  —'------:.--_--— .^»&» 

Ductus  choledochus 

Gallenblase  -^^^- — '    i'lij 

Leber  ^M 

Ligamentum   hepato- 
duodenale 

Abgeschnittener  

Darm 


Duodenum 


lieber 
Leber 

Ductus  hepatici 

Pancreas 

Ductus  pancreatici 

Maxell 


-'Äf Ductus  choledochus 


Fig.  160.     Pancreas  und  Gallenblase  des  Frosches  (nach  Ecker). 


Leberlappen  entspringen  je  drei  bis  vier  kurze  Lebergänge,  Ductus 
hepatici,  welche  mit  den  aus  der  Gallenblase  austretenden  Ausführungs- 
gängen, den  Ductus  cystici,  zur  Bildung  eines  gemeinsamen  Ganges, 
des  Ductus  choledochus,  zusammentreten.  Der  Ductus  choledochus 
tritt  in  das  Duodenum  ein,  im  oberen  Teil  seines  Verlaufes  umgeben 
von  einem  dünnen,  gelbbraunen,  unregelmäßig  gelai)pten  Drüsengebilde, 
dem  Pancreas.  Der  Ausführgang  des  Pancreas,  der  Ductus  wirsun- 
gianus,  mündet  in  den  Ductus  choledochus  ein.  der  also  bei  seiner  Ein- 
mündung in  das  Duodenum  die  Sekrete  der  Leber,  der  Gallenblase  und 
des  Pancreas  aufgenommen  hat. 

Ein  rosa  bis  rotbraun  gefärl)ter  rundlicher  Körper  unter  dem 
Duodenum,  den  man  sich  leiclit  sichtbar  machen  kann,  wenn  man  den 
Darm  etwas  umlegt,  ist  die  Milz.  Der  Dünndarm  macht  mehrere 
Windungen  und  geht  dann  in  den  stärkeren  Enddarm  (Dickdarm) 
über,  der,  sich  allmälich  verjüngend,  in  die  Kloake  eintritt.  Über 
dieser   liegt   die  große  Harnblase,  die  aus  zwei  großen,  zarthäutigen, 


17.  Kursus:   Amphihien.  277 

an    der  Basis   ziisammenliängeiulen  Lappen    besteht   nnd   als  eine  Aus- 
stülpung der  ventralen  Kloaken  wand  zu  betrachten  ist. 

Wir  führen  eine  mit  Wasser  gefüllte  Pipette  in  die  Kloake  und 
spritzen  deren  Inhalt  ein;  die  Harnblase  schwillt  alsdann  auf  und  wird 
dadurch   iin   ganzen   Umfange   deutlicher  sichtbar  (Fig.    159). 

Fig.  159  zeigt  uns  den  Situs  viscernm  eines  weiblichen  Tieres. 
Wir  können  an  eniem  solchen  die  Geschlechtsorgane  zum  Teil  ohne 
weitere  Präparation  betrachten.  Die  von  der  Leber  größtenteils  be- 
deckten Ovarien  liegen  zu  beiden  Seiten  der  Medianlinie  als  dunkel 
pigmentierte  Organe.  Mächtig  entwickelt  sind  die  in  viele  Windungen 
gelegten  darmähnlichen  Eileiter,  deien  unterer  sackartig  erweiterter  Ab- 
schnitt, der  sog.  „Uterus",  die  dunklen  Eier  deutlich  durchschimmern  läßt. 

Um  diese  Organe  besser  sehen  zu  können,  heben  wir  den  Darm 
mit  seinen  Anhängen,  Leber  usw.,  ab.  Wir  schneiden  den  Darm  oben 
und  unten  ab,  und  sehen  bei  vorsichtigem  Abheben,  daß  er  durch  ein 
dorsales  Mesenterium  aufgehangen  ist.  welches  mit  der  Schere  durch- 
schnitten  werden   muß. 

Nunmehr  liegen  die  weiblichen  Geschlechtsoigane  vor  unseren 
Augen  (Fig.  161).  Zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  liegen  die  beiden 
Ovarien,  zur  Brunstzeit  (im  Frühjahr)  mächtig  entwickelt.  Durch 
innere  Kammerung  erscheinen  sie  gelappt,  und  die  pigmentierten 
reifenden  Eier  schimmern  durch  die  Wandung  hindurch.  Zwischen 
beiden  Ovarien  treten  dunkelgelbe,  fingerförmige  Läppchen  hervor,  die 
in  ihrer  Gesamtheit  den  „Fettkörper''  darstellen.  Sie  sind  dem 
Vorderrande  der  Ovarien  angewachsen  und  stellen  Reservestoffe  dar, 
die  kurz  vor  der  Brunstperiode  verbraucht  werden. 

Die  Eileiter  öffnen  sich  dicht  an  der  lateralen  Wand  dei-  Lungen 
in  trichterförmigen  Ostien  Im  Frühjahr  sind  die  Eileiter  sehr  an- 
sehnlich und  quellen  beim  Aufschneiden  der  Bauchhöhle  sogleich  heraus. 
Der  als  „Uterus"  bezeichnete  untere  Abschnitt  der  Eileiter  ist  bei 
geschlechtsreifen  Exemplaren  sehr  stark  angeschwollen  und  läßt  durch 
seine  dünne,  häutige  Wand  die  dunkel  pigmentierten  Eier  hindurch- 
schimmern. In  den  Wandungen  der  Ovidukte  wird  von  Drüsen  die 
Gallerthülle  abgeschieden,  welche  jedes  Ei  umgibt. 

Gelegentlich  findet  man  auch  in  der  Leibeshöhle  einzelne  Eier, 
aber  noch  ohne  Gallerthülle;  sie  gelangen  dorthin  durch  Platzen  der 
Wand  einer  Kammer  des  Ovariums  und  werden  von  den  Mündungen 
der  Eileiter  aufgenommen.  Die  Eileiter  münden  auf  je  einer  Papille 
in  der  Kloake. 

W^ir  entfernen  nunmehr  auch  die  Geschlechtsorgane.  Die  Ovarien 
sind  mittels  dorsaler  Mesenterien  aufgehangen,  welche  durchschnitten 
werd en   müssen . 

Es  werden  die  Nieren  sichtbar,  längliche,  zu  beiden  Seiten  der 
Wirbelsäule  gelagerte,  flache  Organe  von  i'otbiauner  P'arbe.  Seichte 
Einschnitte  bewirken  eine  oberflächliche  Lappung.  Ein  auf  der  Ventral- 
seite jeder  Niere  liegender  schmaler  goldgelber  Körper  ist  die  Neben- 
niere. An  der  Außenseite  der  Nieren  verläuft  jederseits  der  Harn- 
leiter als  weißlicher  Strang.   Beide  Harnleiter  münden  in  die  Kloake  ein. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  auch  bei  einem  männlichen  Exemplare 
die  Geschlechtsorgane  zu  präparieren,  indem  wir  in  gleicher  Weise  die 
darüber    lagernden   Organe,    den   Darm  mit  seinen   Anhängen,    entfernen. 


278 


17.   Kursus:   Aniphiliien. 


Die  männlichen  Geschlechtsorgane  (Fig.  162)  bestehen  aus 
einem  Paar  gelblicher  Hoden,  welche  symmetrisch  zu  beiden  Seiten 
der  Wirbelsäule  liegen  und  dorsalwärts  mit  Bändern  (Mesorchien)  be- 
festigt sind.  Ihre  Form  ist  rundlich-oval.  Vorn  ist  ihnen  jederseits 
der  Fettkörper  angewachsen,  der  aus  größeren  oder  kleineren  dunkel- 
gelben Drüsenbüscheln  besteht.  Schneiden  wir  ein  Mesorchium  in  der 
Mittellinie  auf,  so  sehen  wir  in  ihm  feine  weißliche  Kanäle  verlaufen, 
welche   vom  Hoden    aus   in  den  oberen  Teil  der  Niere  eintreten.     Das 


Kehlkopf 
Oesophagus 


Ostium  tubae 
Band 


Fettkörper 


Kierstock 

Aufhäugeband 
der   Eierstöcke 


Eileiter 


Niere 


Uterus 

Harnblase 
Harnleiter 

Gelenkkopf  des 
Foniur 


rj^Xv. 


Mündung  der  Harnblase  ;  Mttndunu;  der  Eileiter 
Öffnung  der  Harnleiter 

Plg.  161.    Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  eines  Grasfrosches.     Die  Kloake  ist  auf- 
geschnitten.    Orig. 


sind  die  Ausführgänge  der  Hoden,  die  Vasa  efferentia. 
medialen  Nierenrande   verlaufender 


Ein  an  dem 


Längskanal  nimmt  die  Vasa  effe- 
rentia auf  und  gibt  seinerseits  zahlreiche  Kanälchen  in  die  Niere  ab. 
Die  Ausführung  des  Samens  wie  des  Harns  besoi-gt  der  jederseits  am 
lateralen  Nierenrande  zur  Kloake  verlaufende  Urnierengang,  der  also 
hier  zum  Harn  Samenleiter  wiid. 


17.  Kursus:   Amphibien. 


279 


Am  unteren  Ende  jedes  Urnierenganges  findet  sich  eine  sackartige 
Erweiterung:  die  Vesicula  seminalis.  Die  Ausmündung  erfolgt  in 
die  Kloake. 

Mit  der  starken  Schere  wird  jetzt  das  Becken  durchschnitten  und 
dadurch  die  Kloake  sichtbar  gemacht,  die  seitlich  von  der  Mittellinie 
aufgespalten   wird. 

Beim  Männchen  liegt  dorsal  die  gemeinsame  Mündung  der  beiden 
Harnsamenleiter,  in  der  ventralen  Kloakenwand  die  Öffnung  der  Harn- 
blase, während  wir  beim  Weibchen  außer  dieser  dorsal  die  unpaare 
Mündung  der  Ovidukte  und  dahinter  die  paarigen  Harnleitei'öflFnungen 
erblicken.  ■• 

Wir  entfernen  die  Nieren  und  erblicken  jetzt  die  Wirbelsäule,  auf 
der  ein  großes  Blutgefäß  nach  hinten  zieht;  vorn  teilt  es  sich  in  zwei 
Äste.  Diese  beiden  Äste  entspringen  als  Aortenbogen  jederseits  vom 
Truncus  arteriosus,  biegen  nach  hinten  um  und  bilden  die  Radix  aortae. 


Kadix  aortae 


Wirbelsäule 


Mesorchium,  darunter 
Vasa  efferentia 
Arteria  urogenitalis 

Harnsamenleiter 
Vena  aiva  inferior 


Abgeschnittener  Enddarm    ■/- 


Fettkörper 


Hode 


Harn  Samenleiter 


Vesicula  seminalis 
V Harnblase 


Fig.  162.     Die   männlichen  Geschlechtsorgane   eines  Grasfrosches. 


Orig. 


Der  linke  Aortenbogen  kommuniziert  mit  dem  rechten  nur  durch  eine 
kleine  Öffnung  und  geht  dann  zum  Darm  ab.  Der  rechtsseitige  Aorten- 
bogen bildet  die  median  verlaufende  Körper aorta,  die  sich  weiter 
unten  in  zwei  in  die  Hinterbeine  ziehende  Äste  gabelt  (Arteriae  iliacae 
communes). 

Die  weitere  Untersuchung  des  Blutgefäßsystems  beginnen  wir 
mit  dem  Herzen.  Den  aus  der  Herzkammer  tretenden  Truncus  arteri- 
osus sehen  wir  jederseits  sich  in  zwei  Stämme  teilen,  deren  jeder  drei 
Äste  abgibt.     Der  oberste  Ast.   der   erste   Arterienbogen ,  ist  die  zum 


280 


17.  Kursus:  Amphibien. 


Kopfe  ziehende  Arteria  carotis,  der  zweite  Arterienbogen  ist  der  Aorten- 
bogen, der  letzte  Arterienbogen  geht  als  Arteria  puhnonahs  znr  Lunge 
und  gibt  vorher  noch  einen  starken  Ast,  die  Arteria  cutanea,  zur  Haut  ab. 

Vom  Venen  System  können  wir  uns  den  großen  Venensinus  sicht- 
bar machen,  wenn  wir  das  Herz  nach  vorn  umschlagen.  Drei  Venen 
treten  in  diesen  Sinus  ein,  die  Vena  cava  inferior  von  hinten  und 
die  beiden  Venae  cavae  superiores,  welche  das  venöse  Körperblut  dem 
Herzen  zuführen.  Aus  dem  Sinus  venosus  tritt  es  in  die  rechte 
Vorkammer.  Die  linke  Vorkammer  empfängt  die  zu  einem  Stamm 
vereinigten  Lungenvenen,  welche  das  in  den  Lungen  arteriell  gewor- 
dene Blut  zum  Herzen  bringen.  In  der  Herzkammer  vereinigt  sich 
also  das  venöse  Blut  dei'  Körpervenen  mit  dem  arteriellen  Blut  der 
Lungenvenen,  so  daß  der  Körper  durch  die  Arterienbogen  gemischtes 
Blut  empfängt. 

Nach  Entf einung  dei-  Nieren  sieht  man  zu  beiden  Seiten  der 
Wirbelsäule  symmetrisch  gelagerte  weiße  Konkretionen,  die  Kalksäcke, 


Riechnerv 
Lobus  olfactorius 
Trenmiiigsfurcho 

Vorderhirn 


Epiphyse 
Zwischenhirn 

Mittelhirn 
Hinterhirn 

Nachhirn 
Rautengi'ube 


Fig.  1 64.  Opah'na  ranarum,  EhrBG. 
Fig.  163.    Hirn  vom  Frosch  (aus  R.  Hertwig).  (nach  Zeller). 

welche  zum  Ductus  endolymphaticus  des  Gehörlabyrinthes  Beziehungen 
haben. 

Ferner  sind  nunmehr  auch  die  Spinalnerven,  zehn  jederseits, 
deutlich  zu  verfolgen;  die  ersten  drei  treten  zum  Plexus  brachialis 
zusammen,  die  letzten  sind  besonders  starke  Stränge,  die  jederseits 
nach  hinten  ziehen  und  hier  den  Plexus  ischio-coccygeus  bilden, 
dessen  stärkster  Ast  als  Nervus  ischiadicus  in  die  Hinterextremität 
hineinzieht.  Jeder  Spinalnerv  wird  durch  die  \'ereinigung  zweier  aus 
dem  Rückenmark  entspringender  Wurzeln  gebildet,  einer  ventralen  mit 
motorischen  Nervenfasern  und  einer  dorsalen  mit  sensiblen.  Letztere 
weist  kurz  vor  der  Vereinigung  eine  Anschw^ellung:  das  Spinal- 
ganglion auf. 

Um  auch  das  Gehirn  zur  Anschauung  zu  bringen,  muß  man  die 
Schädeldecke  abheben.  Das  geschieht  am  besten  durch  einen  flachen 
Schnitt  mit  der  starken  Schere  und  vorsichtiges  Abheben  des  Schädeldaches. 


17.  Kursus:  Amphibien.  281 

Am  Gehirn  sehen  wir  folgende  Abschnitte  (Fig.  1(53).  Vorn  liegt 
das  paarige  Vorderhirn,  nach  vorn  zn  durch  eine  flache  Depression 
von  den  grollen  Lobi  olfactorii  getrennt.  Die  hinteren  Ränder  der 
Großhirnhemisphären  begrenzen  den  darauf  folgenden  kleineren  Hirn- 
abschnitt,  das  Z wisch enh im,  dem  ein  rundlicher  Körper,  die  Epi- 
physe,  aufsitzt.  Es  folgt  darauf  der  dritte  Hirnabschnitt,  das  paarige 
Mittelhirn,  der  breiteste  Abschnitt  des  Gehirns  überhaupt,  den  Vier- 
hügeln des  menschlichen  Gehirns  entsprechend.  Der  vierte  Abschnitt, 
das  Hinterhirn  (Kleinhirn),  ist  nur  eine  quer  liegende  Platte, 
welche  die  Rauten  grübe  des  fünften  Abschnittes,  des  Nachhirns, 
begrenzt. 

Wir  schneiden  nun  vorsichtig  von  hinten  nach  vorn  zu  die  vom 
Gehirn  ausgehenden  Nerven  ab,  nehmen  es  heraus  und  legen  es  in  ein 
Uhrschälchen,   um   auch  seine  Ventralseite  zu  betrachten. 

Vom  Lobus  olfactorius  gehen  jederseits  die  Nervi  olfactorii  mit 
zwei  Wurzeln  nach  vorn.  Auf  der  Ventralseite  des  Zwischenhirns  sehen 
wir  vorn  die  Kreuzung  der  Augennerven  (Chiasma  nerv,  optic). 
Darunter  findet  sich  ein  nach  hinten  gerichteter  Lappen,  das  Tuber 
cinereum,  mit  der  mittels  des  Inf undibulums  daran  hängenden 
Hypophysis.  Die  letztere  bedeckt  die  Ventralfläche  des  Mittelhirns. 
Auf  die  sichtbar  werdenden  Hirnnerven  soll  hier  nicht  weiter  ein- 
gegangen werden. 

Der  Enddarm  wird  abgeschnitten  und  sein  Inhalt  in  ein  Uhrschälchen 
ausgequetscht. 

Schon  mit  bloßem  Auge  sieht  man  ein  Gewimmel  von  kleinen 
weißlichen  Körperchen  zwischen  den  grünen  Nahrungsresten.  Bringen 
wir  einen  Tropfen  der  Flüssigkeit  auf  den  Objektträger,  so  sehen  wir 
schon  bei  schwacher  Mikroskopvergrößerung  zahlreiche  Infusorien 
herumschwimmen:  die  Opalina  ranariun  (Fig.  164),  Ihr  bis  0,8  mm 
langer  Körper  ist  stark  abgeplattet,  von  annähernd  ovalem  Umriß,  mit 
einer  stärker  ausgebauchten  Seite  und  hinten  etwas  abgerundeter  als 
vorn.  Mit  stärkerer  Vergrößerung  sehen  wir  eine  deutliche  Längs- 
streifung,  die  von  Muskelfibrillen  herrührt.  Zahlreiche  scheibenförmige 
Körperchen  sind  die  Kerne  dieser  vielkernigen  Form.  Durch  Zusatz 
von  etwas  verdünnter  Essigsäure  werden  sie  noch  viel  deutlicher,  als 
sie  schon  im  Leben  ist.  Mund,  After  und  kontraktile  Vakuole  fehlen, 
ebenso  die  Nahrungsvakuolen,  da  Opalina  nur  flüssige  Nahrung  auf- 
nimmt. Man  rechnet  die  Opalinen  zu  den  Holotricha,  und  zwar  stellen  sie 
primitive  Formen  dieser  Ordnung  dar,  vv eiche  durch  eine  Art  von 
Generationswechsel  möglicherweise  einen  Übergang  von  den  Ciliophoren 
zu  den  Piasmodroma  vermitteln.  Sie  gelangen  in  den  Mastdarm  des 
Frosches,  indem  sie  als  eingekapselte  junge  Tiere  bereits  von  den  Kaul- 
quappen aufgenommen  werden.  LTrsprünglich  haben  die  jungen  Tiere 
nur  einen  Kern,  der  durch  fortgesetzte  Teilung  in  eine  größere  Anzahl 
zerfällt. 

Will  sich  der  Praktikant  ohne  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe  ein 
Dauerpräparat  von  Opalina  machen,  so  verfahre  er  folgendermaßen:  Ein 
Tröpfchen  der  die  Infusorien  enthaltenden  Flüssigkeit  wird  auf  einem 
Objektträger  ausgebreitet  und  dieser  ein  paarmal  über  die  Flamme  ge- 
zogen, so  daß  die  Flüssigkeit  eintrocknet.  Die  leidlich  gut  fixierten 
Opalinen    kleben    nunmehr    am   Objektträger  fest  und  werden  mit   einem 


282  18.  Kursus:  Reptilien. 

Tropfen  Hämatoxylinlösung  übergössen.  Nach  einiger  Zeit  spült  man 
das  Häniatox3'lin  mit  destilliertem  Wasser  ab  und  kann  nun  entweder 
Glyzerin  zufügen  und  das  Deckglas  auf  das  Präparat  decken  oder  dieses 
nach  einander  mit  40-,  70-,  94*^/Qigem  und  absolutem  Alkohol  behandeln, 
mit  Nelkenöl   aufhellen  und   in  Ivanadabalsam   einschließen. 

Außerdem  sind  aus  dem  Darme  des  Frosches  noch  zwei  weitei-e 
Ciliaten  zu  erwähnen,  das  häufigere  Balaniidiuin  cntozoon  und  der 
seltene  Nyctotherus  cordiformis,  beide  zu  den  Heterotrichen  gehörig. 

Einen  anderen  Parasiten  trifft  man  gelegentlich  in  der  Harnblase 
an,  einen  Trematoden:  Polystonmui  integerriiiniiii  Rud.  Auf  den  Ob- 
jektträger unter  schwache  Vergrößerung  gebracht,  zeigt  das  ziemlich 
lebhafte  Tierchen  folgenden  Bau.  Der  etwas  quergerunzelte,  ovale 
Körper  ist  platt  und  trägt  hinten  einen  rundlichen,  ebenfalls  platten 
Anhang,  die  Schwanzscheibe,  auf  deren  Bauchfläche  sich  jederseits  drei 
große  Saugnäpfe  befinden.  Außer  diesen  finden  sich  noch  andere  An- 
lieftungsorgane  in  Gestalt  von  Häkchen,  von  denen  die  vier  hintersten 
besonders  deutlich  sind. 

Ein  weiterer  Parasit  findet  sich  in  der  Lunge.  Zerzupft  man  ein 
Stück  der  Lunge  auf  dem  Objektträger,  so  werden  gelegentlich  kleine, 
schlanke  Würmchen  von  o  — 4  mm  Länge  zum  Vorschein  kommen,  die 
lebhafte  schlängelnde  Bewegungen  ausführen.  Diese  Form  ist  das  zu 
den  Nematoden  gehörige  Rhabdonema  nigrovenostdu  Bud.  (s.  S.  87). 
Das  Tier  ist  ein  Zwitter,  und  die  Jungen  verlassen  den  Frosch  durch 
den  Darmkanal,  um  freilebend  zu  einer  zweiten,  viel  kleineren  Gene- 
ration {Rhabditis)  zu  werden,  die  getrenntgeschlechtlich  ist  und  einen 
anderen  Bau  hat.  Wir  haben  hier  also  eine  Form  der  Heterogonie 
vor  uns. 


i8.   Kursus. 

Reptilien. 


Technische  Vorbereitungen. 

Diesem  Kurse  legen  wir  als  Objekt  die  gemeinste  unserer  Eidechsen, 
die  Lacerta  agilis  L.,  zugrunde.  Die  Tiere  werden  kurz  vor  dem  Kurse 
in  einem  Glase  mit  etwas  Chloroform  getötet.  Die  Untersuchung  ge- 
schieht im   Wachsbecken. 

A.  AUgeineiiie  Übersicht. 

Die  Reptilien  sind  Amnioten  und  unterscheiden  sich  schon  da- 
durch scharf  von  den  zu  den  Anamnia  gehörigen  Amphibien,  mit 
denen  sie  im  älteren  System  vereinigt  wurden. 

Zur  Charakteristik  der  Amnioten,  zu  denen  außer  den  Reptilien 
auch  noch  die  Vögel  und  Säugetiere  zählen,  gehört  der  Besitz  eines 
„Amnion".  Das  Amnion  stellt  eine  schützende,  mit  Flüssigkeit  gefüllte, 
embryonale  Hülle  dar.  Dazu  kommt  noch  die  Allan tois,  eine  Ver- 
längerung der  Harnblase  des  Embryos,  welche  zahlreiche  Blutgefäße 
enthält  und  der  Respiration  dient.  Ferner  tritt  bei  den  Amnioten  die 
Urniere  samt  Ausführgängen  nur  noch  embryonal  auf  und  wird  durch 
die  dritte  Nierengeneration,  die  bleibende  Niere,  ersetzt. 


18.  Kursus:  Reptilien.  283 

Kiemen  finden  sich  weder  bei  Erwachsenen  noch  bei  Embryo- 
nen vor. 

Der  Körper  der  Reptilien  ist  im  allgemeinen  langgestreckt, 
der  Kopf  ziemlich  dentlich  vom  Rumpfe  durch  einen  Hals  abgesetzt, 
der  Schwanz  vielfach  drehrund,  und  die  Gliedmaßen  sind  verhältnis- 
mäßig klein. 

Auch  bei  den  Reptilien  kommen  wie  bei  den  Anamnia  Ver- 
knöcherungen der  Leder  haut  vor.  die  bei  den  Krokodilen  und 
Schildkröten  zu  einem  festen  Knochenpanzer  werden  können.  Als 
€ine  Neuerwerbung  durch  Anpassung  an  das  Leben  in  der  atmo- 
sphärischen Luft  ist  die  Verhorn ung  der  Epidermis  anzusehen, 
welche  sich  in  der  Bildung  der  Hornschuppen  äußert.  Vielfach  finden 
sich  Hörn-  und  Knochenschuppen  gleichzeitig  vor,  bei  anderen  Reptilien 
sind  aber  die  letzteren  verloren  gegangen,  und  es  bleiben  nur  die 
Hornschuppen  übrig.  Durch  Häutung  können  diese  im  Zusammen- 
hang abgestreift  und  durch  neue  ersetzt  werden.  Hautdrüsen  fehlen 
den  Reptilien. 

Das  Skelett  ist  meist  stark  verknöchert.  Nur  die  ältesten 
Formen  (RhyncJioccpJialeu)  haben  noch  die  ursprünglichen,  amphicölen 
Wirbel,  die  meisten  dagegen  procöle.  Die  Wirbelkörper  sind  meist 
durch  Gelenke  miteinander  veibunden.  Vielfach  tritt  eine  Sonderung 
der  Wirbelsäule  ein,  und  wir  unterscheiden:  Hals-,  Brust-,  Lenden-, 
Kreuz-  und  Schwanzwirbel;  doch  geht  diese  Sonderung  bei  Schlangen 
und  vielen  Eidechsen  wieder  verloren.  An  sämtlichen  Wirbeln,  mit 
Ausnahme  der  Schwanzwirbel,  können  Rippen  vorkommen. 

Der  erste  Halswirbel,  der  Atlas,  stellt  nur  einen  Knochenring 
dar,  sein  Wirbelkörper  ist  mit  dem  des  zweiten  Wirbels,  des  Epi- 
stropheus,  verwachsen  und  bildet  den  Zahnfortsatz,  um  den  sich 
der  Schädel  samt  Atlas  zu  drehen  vermag. 

Der  Schädel  besitzt  nur  einen  Condylus  occipitalis,  der 
sich  in  einer  Gelenkfläche  des  Atlas  bewegt  und  die  Nickbewegungen 
ermöglicht.  Auch  der  Schädel  ist  meist  stark  verknöchert,  und  das 
noch  bei  den  Amphibien  ziemlich  ausgedehnt  persistierende  Knorpel- 
cranium  wird  fast  völlig  verdrängt.  Das  Parasphenoid  der  Amphibien 
und  Fische,  jener  großen  Deckknochen  an  der  Basalseite  des  Schädels, 
ist  verschwunden.  Das  Quadratbein  ist  bei  Crocodiliern,  Rhyncho- 
cephalen  und  Cheloniern  fest  mit  dem  Schädel  verbunden  wie  bei  den 
Amphibien,  bei  den  übrigen  Rei)tilien  beweglich,  ^'or  dem  Quadrat- 
hein liegt  die  Palatinreihe:  Pterygoid,  Palatinum  und  Vomer  (der  un- 
paar  sein  kann),  nach  außen  und  parallel  zu  ihr  die  aus  Maxillare  und 
Präniaxillare  bestehende  Kiefeireihe.  Beide  Reihen  sind  hinten,  zwischen 
Maxillare  und  Pterygoid,  durch  einen  den  Reptilien  ausschließlich 
eigentümlichen,  nur  den  Schildkröten  fehlenden  Knochen,  das  Os  trans- 
versum,  verbunden. 

Der  Schultergürtel  ist  dem  der  Amphibien  ähnlich;  er  fehlt 
den  Schlangen  vollkommen.  Ein  Brustbein  fehlt  den  Schildkröten 
und  Schlangen.  Das  Becken  wird  von  drei  Knochen,  dem  Ileum, 
Pubis  und  Ischium,  gebildet;  die  beiden  letzteren  verbinden  sich  durch 
eine  doppelte  Symphyse.  Das  Ileum  verbindet  sich  mit  den  Querfort- 
sätzen der  Sacralwirbel  (meist  zwei  an  der  Zahl).  Auch  das  Becken 
fehlt  den  Schlangen  meist  völlig. 

Die  freien  Extremitäten  sind  kurze  Gehfüße;  sie  können  bei 
den  Schlangen  und  schlangenähnlichen  Eidechsen  völlig  verloren  gehen. 


284  '^-  Ki"'f^u^:  Kei)tilien. 

An  dei-  hinteren  Extremität  ist  das  Sprunggelenk  in  den  Tarsus  liinein 
verlegt  (Intertarsalgelenk),  so  daß  die  proximale  Reihe  der  Tarsalia 
mit  dem  unteren  Ende  des  Unterschenkels,  die  distale  Reihe  mit  den 
Metatarsalia  fest  verbunden  ist. 

Das  Gehirn  ist  meist  klein,  doch  erreichen,  bei  den  Crocodiliern 
besonders,  Voiderhirn  wie  Kleinhirn  eine  höhere  Stufe  der  Ausbildung. 

Die  Naseidiöhlen  weisen  jederseits  eine  vorspringende  Falte,  die 
Xasenmuschel,  auf,  und  die  Choanen  münden  meist  vorn  in  der 
Mundhöhle:  nur  bei  den  Krokodilen  münden  sie  weit  hinten,  von  dem 
aus  Pterygoid,  Palatinum  und  Maxillare  gebildeten  harten  Gaumen  ver- 
deckt. Am  Auge  linden  sich  bei  Eidechsen  und  Schildkröten  vorn  in 
der  Sclera  ein  aus  Knochenplatten  gebihleter  Scleroticalring.  der 
den  Schlangen  und  Krokodilen  fehlt.  Die  beiden  ^iugeniider  sind  bei 
den  Schlangen  und  einigen  Eidechsen  zu  einer  durchsichtigen  Platte 
verwachsen.     Eine  Nickhaut  findet  sich  ebenfalls  meist  vor. 

Sehr  merkwürdig  ist  bei  manchen  Eidechsen  das  Vorkommen 
eines  dritten,  unpaaren  Auges,  des  S  ch  eitel  au  ges.  das  mit  der 
Epiphyse  in  Verbindung  steht.  Es  findet  sich  auch  dementsprechend 
eine  Öffnung  der  verschmolzenen  Parietalia,  das  Foramen  parie- 
tale, vor. 

Die  Bezahnung  fehlt  nur  den  Schildkröten  und  wird  hier  durch 
Hornscheiden  auf  den  Kiefern  ersetzt.  Die  Rei)tilienzähne  sind  meist 
konisch  und  entweder  den  Knochen  aufgewachsen  oder  in  Alveolen 
eingesenkt  (Krokodile).  Bei  Schlangen  und  Eidechsen  finden  sie  sich 
außer  auf  den  Kiefern  oft  auch  noch  am  Palatinum  und  Pterygoid. 
Bei  den  Giftschlangen  sind  gewisse  große  Oberkieferzähne  eingefaltet, 
oder  die  Rinne  hat  sich  völlig  zu  einem  Kanal  geschlossen;  in  sie  er- 
gießt sich  das  Sekret  von  Giftdrüsen.  Die  Zunge  ist  kurz  und  plump 
bei  Schildkröten  und  Ki'okodilen,  lang  und  zweispaltig  bei  den  Eidechsen 
und  Schlangen.  Die  Speiseröhre  ist  besonders  bei  den  Schlangen 
sehr  erweiterungsfähig. 

Bei  den  Krokodilen  ist  der  etwas  schräg  gestellte  Magen  be- 
sonders stark  entwickelt. 

Die  Atmung  geschieht  ausschließlich  durch  Lungen.  Der  vordere 
Teil  der  oft  langen  Luftröhre  ist  zu  einem  Kehlkopf  umgewandelt, 
der  bei  den  Krokodilen  wie  einigen  Eidechsen  Stimmljänder  l^esitzt. 
Meist  gabelt  sich  die  Luftröhre  in  zwei  kurze  Bronchien,  die  in  die 
beiden  Lungen  sacke  eintreten.  Diese  sind  in  verschieden  hohem 
Maße  in  Fächer  abgeteilt.  Bei  den  Schlangen  ist  nur  eine  Lunge,  die 
rechte,  entwickelt,  während  die  linke  rudimentär  ist.  Die  Atmung  ge- 
schieht durch  Bewegungen  der  Rippen,  bei  den  Schildkröten  durch 
Kontraktionen  eines  muskulösen  Diaphragmas  in  der  Leibeshöhle. 

Mit  der  ausschließlichen  Lungenatmung  ist  auch  die  Trennung  der 
beiden  Herzhälften  in  eine  linke,  arterielle  und  rechte,  venöse  voll- 
ständiger geworden,  indem  auch  die  Herzkammer  eine,  allerdings 
noch  unvollständige  Scheidewand  erhält.  Nur  bei  den  Krokodilen 
sind  auch  die  Herzkammern  völlig  geschieden,  doch  kommt  es  auch 
bei  ihnen  noch  zu  einer  teilweisen  Mischung  des  arteriellen  und 
venösen  Blutes,  indem  die  beiden  von  den  Herzkammern  abgehenden 
Aortenbogen  miteinander  durch  das  Foramen  Panizzae  kommunizieren. 

Ein  anderer  wesenthcher  Unterschied  gegenüber  den  Fischen  und 
Amphibien  findet  sich  darin,  daß  der  vom  Herzen  abgehende  Arterien- 
stamm nicht  einheitlich  ist,  sondern  infolge  des  Fehlens  des  rudimentär 


18.  Kursus:  Reptilien.  285 

gewordenen  Conus  arteriosus  und  des  Auftretens  innerer  Scheidewände 
in  drei  direkt  vom  Herzen  entspringende  Gefäße  zerfällt.  Eines  dieser 
Gefäße  tritt  von  der  linken  Herzkammer  aus,  die  beiden  anderen  von 
der  rechten.  Das  von  dei-  linken  Herzkammer  entspringende  Gefäß 
gibt  vorn  einen  sich  gabelnden  Stamm,  die  Carotiden.  an  den  Kopf  ab 
und  vereinigt  sich  dann  mit  dem  entsprechenden  Gefäß,  welches  von 
der  rechten  Herzkammer  kommt,  zur  Aorta.  Das  diitte  Gefäß,  welches 
ebenfalls  von  der  rechten  Herzkammer  entspringt,  teilt  sich  in  die 
beiden  Lungenarterien. 

Vergleichen  wir  die  vorliegenden  Verhältnisse  mit  den  bei  Fischen 
und  Amphibien  gefundenen,  so  stellen  die  Carotiden  das  erste  Paar 
Arterienbogen  dar,  die  beiden  Aortenbogen  das  zweite  Paar  und  die 
Lungenaiterien  das  vierte  Paar,  da  bereits  bei  den  Amphibien  das  dritte 
Paar  verschwindet. 

Wir  verfolgen  nunmehr  den  Kreislauf  des  Blutes  etwas  näher. 
Der  rechte,  etwas  größere  Vorhof  empfängt  das  Blut  aus  den  Körper- 
venen und  gibt  es  an  die  rechte  Herzkammer  ab,  von  wo  es  durch  die 
Lungenarterien  den  Lungen  zugeführt  wird. 

Außerdem  aber  entspringt  aus  der  rechten  Kammer  der  linke 
Aortenbogen,  welcher  also  venöses  Blut  führt.  Aus  den  Lungen  wird 
das  arterielle  Blut  durch  die  in  den  linken  Vorhof  mündenden  Lungen- 
venen dem  Herzen  zugeführt  und  tritt  in  das  große  Gefäß,  welches 
den  Carotiden  und  dem  rechten  Aortenbogen  den  Ursprung  gibt.  Die 
Carotiden  führen  demnach  rein  arterielles  Blut,  der  Kopf  wird  also  mit 
rein  arteriellem  Blute  veisorgt.  Von  den  beiden  zur  Aorta  zusammen- 
tretenden Aortenbogen  führt  nur  der  eine  (rechte)  arterielles  Blut,  der 
andere  dagegen  venöses,  so  daß  also,  auch  abgesehen  vom  Foramen 
Panizzae,  das  Blut  der  Aorta  gemischt  sein  muß.  So  ist  es  also  bei 
den  Reptilien  noch  nicht  zu  einer  völligen  Scheidung  des  arteriellen  und 
venösen  Blutkreislaufes  gekommen.  Die  Bluttemperatur  der  Reptilien 
ist  noch  abhängig  von  der  Temperatur  der  Umgebung;  sie  gehören  zu- 
sammen mit  Fischen  und  Amphibien  zu  den  .,Kaltblütern",  im  Gegen- 
satze zu  den  „warmblütigen"*  Vögeln  und  Säugetieren. 

Nur  bei  Embryonen  findet  sich  die  Urniere  mit  dem  Urnieren- 
gang;  sie  wird  ersetzt  durch  die  dritte  Nierengeneration,  die  bleibende 
Niere  mit  dem  Ureter.  Die  Urniere  wandelt  sich  beim  Männchen 
zum  Nebenhoden  um,  der  mit  dem  Hoden  in  Verbindung  tritt, 
während  der  Urnierengang  (WoLFFsche  Gang)  zum  Samenleiter  wird 
und  in  die  Kloake  einmündet.  Beim  Weibchen  fehlt  der  Zusammen- 
hang der  Gonaden  mit  der  Urniere.  die  als  rudimentärer  „Nebeneier- 
stock" erscheint. 

Als  Eileiter  fungieren  die  mit  einem  weiten  Ostium  beginnenden 
MÜLLERschen  Gänge,  die  getrennt  in  die  Kloake  einmünden.  Eine 
Ausstülpung  der  ventralen  Kloaken  wand  stellt  die  Harnblase  dar, 
welche  Schlangen  und  Krokodilen  fehlt. 

Die  Begattungsorgane  sind  bei  Eidechsen  und  Schlangen 
paarige  vorstülpbare  Hohlschläuche,  bei  Krokodilen  und  Schildkröten 
dagegen  unpaare  solide  Körper;  auf  ihnen  entlang  läuft  in  einer 
spiraligen  oder  längsverlaufenden  Rinne  der  Samen. 

Meist  legen  die  Reptilien  Eier;  nur  einige  Schlangen  und  Ei- 
dechsen gebären  lebendige  Junge,  indem  die  befruchteten  Eier  in 
den  Eileitern  zurück  behalten  werden.  Ursprünglich  sind  die  Reptilien 
Landtiere;  die  aquatile  Lebensweise,  welche  viele  von  ihnen  führen,  ist 
später  angenommen  worden. 


286 


18.  Kursus:  Reptilien. 


B.  Spezieller  Kursus. 


Lacet'ta  agilis  L.,  die  Zauneidechse. 

Die  äußere  Körperform  unserer  Eidechse  weicht  nicht  wesent- 
lich von  der  eines  Salamanders  ab.  Der  spitz  zulaufende  dreieckige 
Kopf  ist  mit  dem  Rumpfe  durch  einen  wenig  distinkten  Halsabschnitt 
verbunden.  Der  Schwanz  ist  fast  drehrund  und  länger  als  der  ganze 
übrige  Körper.  Von  den  kurzen  Extremitäten  sind  die  hinteren  ein 
wenig  größer  und  wie  die  Vorderextremitäten  mit  fünf  Zehen  versehen; 
die  Enden  der  Zehen  tragen  feine  Hakenkrallen. 

Die  Haut  ist  mit  Hornschuppen  bedeckt,  die  am  Kopfe  zu 
größeren  Schildern  werden  und  eine  streng  gesetzmäßige,  für  die  Syste- 
matik wichtige  Lage  einnehmen  (s.  Fig.  165).  Die  Grundfarbe  des 
Rückens  ist  graubraun  oder  grün,  der  Schwanz  ist  stets  braun,  und 
ebenso  findet  sich  auf  der  Medianlinie  des  Rückens  ein  brauner  Streifen. 
An  den   Seiten   des   Rumpfes  ziehen   Längsreihen    weißer,   dunkel   um- 


Fig.  löö.    Kopf  von  Lacerta  agilis,  von  der  Seite  und  von  oben.    Orig. 


ränderter  Flecken  (Augenflecken).  Die  Bauchseite  ist  gelblich  oder 
grünlich  mit  vielen  kleinen  schwarzen  Flecken,  die  nach  den  Seiten  zu 
größer  werden. 

Der  Mund  ist  eine  lange,  fest  verschließbare  Spalte.  Vorn  am 
Oberkiefer  finden  sich  zwei  rundhche  Öffnungen:  die  Nasenlöcher. 

Hinter  den  Augen  findet  sich  jederseits  in  einer  Vertiefung  das 
schwarze  Trommelfell.  Die  Kloakenöffnung  stellt  eine  Querspalte 
dar,  weshalb  auch  die  Eidechsen  zusammen  mit  den  Schlangen  und 
Rhynchocephalen  als  Plagiotremen  den  anderen,  mit  einer  Längsspalte 
versehenen  Reptilienordnungen  gegenübergestellt  werden. 

Zwischen    Männchen   und   Weibchen   finden   sich  folgende  äußere 
Unterschiede.     Die  Farbe  der  Männchen  ist  an  Seite  und  Bauch 
der    Weibchen    dagegen    an    den    Seiten    bräunlich,    am    Bauche 
lieh.     Auch   sind    die   Weibchen    schlanker,  jedoch   im   Frühling 
bauchiger. 

Über    die    Anordnung    der    Schilder 


grün, 
weiß- 
dick- 


beiden    beigefügten   Abbildungen    (s 


ventral  nach  hinten 


abgeschlossen 


des    Koj)fes    orientieren    die 

165),     Die   Halsgegend    wird 

durch   eine  Reihe  krausenartig  vor- 


Fig. 


tretender  größerer  Hornschuppen,  die  als  Halsband  bezeichnet  werden. 


18.  Kursus:  Reptilien.  287 

Ein  größeres  Schild  liegt  auch  vor  der  Kloakenöffiiung:  das  After- 
schild. Auf  dem  Schwänze  sind  die  Schilder  gekielt  und  wirteiförmig 
angeordnet. 

Bei  vielen  Exemplaren  ist  der  Schwanz  in  seinem  hintei'en  Teile 
stummeiförmig  und  scharf  von  dem  vorderen  Teile  abgesetzt.  In  diesen 
Fällen  handelt  es  sich  um  eine  Regeneration  des  leicht  zerbrech- 
lichen Schwanzes. 

An  den  Hinterextremitäten  linden  sich  auf  der  Unterseite  des 
Oberschenkels  eine  Anzahl  größerer  Schilder,  aus  denen  gelbe  Pfropfe 
ragen:  die  Schenkelporen,  die  beim  Männchen  viel  stärker  entwickelt 
sind  als  heim  Weibchen. 

Wir  öifnen  den  Mund  und  erblicken  auf  dem  Boden  der  Mund- 
höhle die  schwärzliche,  vorn  in  zwei  Spitzen  auslaufende  Zunge.  An 
ihrem  hinteren,  eingebuchteten  Rande  liegt  der  Kehlkopf. 

Auf  dem  Mundhöhlendache  springt  ein  von  der  Nasenscheidewand 
gebildeter  Knopf  vor,  zu  dessen  beiden  Seiten  die  Schlitze  der  Nasen- 
gaumen gänge  liegen.  Ober-  wie  Unterkiefer  sind  mit  Zähnen  be- 
setzt, die  auf  niedrigen  Knochensockeln  seitlich  an  den  Kieferrändern 
in  einer  Reihe  stehen  (pleurodontes  Gebiß).  Weitere,  den  Flügelbeinen 
aufsitzende  Zähnchen  sind  an  unserem  Präparate  nicht  zu  sehen,  da  sie 
zu  tief  in  der  Schleimhaut  verborgen  sind. 

Die  Eröffnung  der  Leibeshöhle  geschieht  in  folgender  Weise.  Dicht 
neben  der  Medianlinie  des  Bauches  wird  ein  Scherenschnitt  von  dem 
Analschild  an  nach  vorn  geführt.  Dieser  Schnitt  muß  ganz  oberflächlich 
geschehen,  damit  das  darunter  liegende  schwarze  Bauchfell  nicht  ver- 
letzt wird.  Über  den  Brustkorb  hinweg  wird  der  Schnitt  bis  zum  Unter- 
kieferwinkel geführt.  Die  zur  Seite  geklappte  Haut  wird  mit  Nadeln  fest- 
gesteckt. Dann  schneidet  man  mit  einem  zweiten  Medianschnitt  das 
Bauchfell  von  hinten  her  auf,  durchtrennt  den  Brustkorb,  indem  man 
die  Rippen  an  ihren  Ansätzen  an  das  Brustbein  abschneidet,  durch- 
schneidet das  Brustbein  selbst  und  präpariert  rechts  und  links  den 
Schultergürtel  vollkommen  ab,  um  Herz  und  Lungen  freizulegen.  Ebenso 
wird   auch   das  Becken   durchschnitten   und   abgetragen  (Fig.   166). 

Wir  betrachten  zunächst  die  Eingeweide  der  Brusthöhle.  Das 
Herz  liegt  in  der  ventralen  Mittellinie  unterhalb  des  Brustbeines  und 
ist  von  einem  dünnwandigen  Herzbeutel  umgeben.  Es  lassen  sich  drei 
Abteilungen  des  Herzens  unterscheiden,  von  denen  die  beiden  vorderen 
die  Vorkammern  sind.     Die  Herzkammer  läuft  spitzkonisch  zu. 

Zwischen  beiden  Vorkammern,  teilweise  durch  sie  verdeckt,  zieht 
der  von  der  Herzkammer  entspringende  Truncus  arteriosus  nach  vorn. 

W^ir  machen  ihn  deutlicher  sichtbar,  indem  wir  den  Herzbeutel 
vorsichtig  abtragen. 

Zunächst  ist  zu  bemerken,  daß  die  scheinbar  einheitliche  Herz- 
kammer durch  eine  unvollkommene  Scheidewand  in  zwei  Ventrikel 
zerlegt  wird.  Der  bei  Fischen  und  Amphibien  einheitliche  Arterien- 
stamm ist  hier  durch  Scheidewände  in  drei  einzelne  Gefäße  zerlegt. 
Der  aus  dem  linken  Ventrikel  stammende  i-echte  Arterienstamm  ent- 
sendet nach  vorn  die  beiden  gemeinschaftlichen  Carotiden  zur  Ver- 
sorgung des  Kopfes  und  der  Vordergliedniaßen  und  biegt  dann  als 
rechter  Aortenbogen  nach  hinten  um,  sich  mit  dem  aus  dem  rechten 
Ventrikel  kommenden  linken  Arterienstamm,  dem  linken  Aorten- 
bogen, zur  Aorta   descendens  vereinigend.     Die  vom  rechten  Ven- 


288 


18.  Kursus:  Rejitilien. 


.-  Zimui^nbi'in 


rntPi'Uicfi'f 


..  Thvreoiclea 


Rechte  Carotis 

Thymu 
R.  AorlL'iibos'oii 


,..  Linke  Carotis 

...  L.  Aortenbogen 
, .-  L.  Vorkammer 

.,-.  Herzkammer 


Rechte  Lunge 
Lebervene' 


Gallenblase- 


Dünndarm  - 


Mündung  des 

Enddarmes    in   die 

Kloake 


Miiiidung  Mündungen     Klnake        Mündungen 

der  Harnblase  der  Harnleiter  der  Eileiter 


Eileiter 


Fig.  166.     Anatomie  einer  weiblichen,  geschlechtsreifen  Lacerta  agilis.     Orig. 


18.  Kursus:  Reptilien.  289 

trikel  entspringende  Lungenarterie  liegt  auf  der  Dorsalseite  des  Herzens 
und  ist  in  unserem  Präparate  nicht  sichtbar.  Von  Venen  imponiert 
die  große,  aus  dem  vorderen  Leberlappen  austretende  Lebervene,  die 
zusammen  mit  anderen  Venen  einen  großen,  auf  der  dorsalen  Fläche 
der  Vorkammern  liegenden  Sinus  bildet.  Dieser  venöse  Sinus  öffnet 
sich  mit  einer  Spalte  in  die  rechte  Vorkammer. 

Hinter  dem  Herzen  liegen  die  beiden  Lungen  sacke  von  lang- 
gestreckter Gestalt.  Von  dem  großen  Hohlraum  des  Inneren  gehen 
zahlreiche  kurze  Ausstülpungen  aus,  die  wiederum  mit  noch  kleineren 
besetzt  sind.  Man  sieht  diesen  Bau  durch  die  Wandung  der  Lunge 
hindurchschimmern.  Zwei  kurze  Bronchien  führen  in  die  Trachea, 
welche  aus  einer  großen  Anzahl  unvollständiger  Knorpelringe  besteht 
und  geradlinig  nach  vorn  zieht,  um  sich  hinter  der  Mundhöhle  durch 
den  Kehlkopf  zu  öffnen. 

Zu  beiden  Seiten  der  Trachea,  etwas  oberhalb  des  Herzens,  finden 
sich  zwei  kleine  Drüsen,  die  Thymus,  während  die  Thyreoidea  ein 
Stück  weiter  Icopfwärts  dei'  Trachea  aufliegt.  Weiter  vorn  liegt  das 
Zungenbein,  aus  einem  unpaaren  Mittelstück  und  drei  jederseits  davon 
ausgehenden  Bogen  bestehend. 

Vom  Darmtractus  sehen  wir  den  von  der  Trachea  überlagerten 
Pharynx,  von  trichterföi-miger  Gestalt.  Er  geht  in  den  langen,  geraden 
Oesophagus  über,  der  in  den  spindelförmigen  Magen  einmündet.  Der 
Magen  tritt  zwischen  den  beiden  Lungen  hervor,  zieht  auf  der  linken 
Seite  nach  hinten  und  krümmt  sich  nach  der  Medianen  zu  ein.  Hier 
liegt  eine  breite,  flache  Drüse  von  heller  Farbe:  das  Pancreas.  Die 
ansehnliche  Leber  ist  schon  an  ihrer  rotbraunen  Farbe  leicht  kenntlich; 
vorn  schiebt  sie  sich  zwischen  die  Lungen  ein,  hinten  ist  sie  zwei- 
zipfehg  und  umfaßt  die  birnenförmige  Gallenblase,  welche  das  von 
den  Gallengängen  aus  der  Leber  zu  ihr  hingeleitete  Sekret  aufnimmt 
und  durch  den  innerhalb  des  Pancreas  verlaufenden  Ductus  chole- 
dochus  ausführt. 

Der  Dünndarm  macht  mehrere  Windungen  und  geht  dann  in 
den  wurstförmigen  Dickdarm  über,  der  in  die  Kloake  ausmündet. 

Vom  Urogenital  System  fallen  bei  dem  uns  vorliegenden  träch- 
tigen Weibchen  zunächst  die  großen  Eier  auf,  welche  zu  beiden  Seiten 
des  Bauches  in  zwei  Reihen  angeordnet  sind.  Schauen  wir  genauer 
zu,  so  finden  wir  sie  in  zwei  langgestreckten,  dünnwandigen  Schläuchen 
liegen,  den  beiden  Eileitern.  Aus  der  Tiefe  leuchten  zwei  zitronen- 
gelbe Drüsen  von  ovaler  Gestalt  hervor,  in  denen  kleinere  Eier  ver- 
schiedener Größe  durchschimmern,  die  beiden  Eierstöcke. 

Wir  machen  uns  diese  Verhältnisse  deutlicher  sichtbar,  indem  wir 
die  Eileiter  aufschneiden,  die  großen  Eier  daraus  entfernen,  die  Kloake 
der  Länge  nach  aufspalten  und  den  Enddarm  etwa  ^2  cm  vor  seiner 
Ausmündimg  abschneiden   und   zur  Seite  legen. 

Es  zeigt  sich,  daß  die  Eierstöcke  in  keiner  direkten  Beziehung 
zu  den  Eileitern  stehen.  An  der  Lmenseite  der  Eierstöcke  zieht  sich 
jederseits  ein  länglicher  Körper  von  goldgelber  Farbe  entlang,  welcher 
Nebenniere  genannt  wird.  Die  reifen  Eier  gelangen  in  die  Leibes- 
höhle, werden  von  den  langen,  schlitzförmigen  Trichtern  der  Eileiter 
aufgenommen  und  hier  mit  festen  Schalen  versehen.  Die  Ausmündung 
der  Eileiter  in  die  Kloake  erfolgt  auf  deren  dorsaler  Seite  in  zwei 
Öffnungen  (s.  Fig.  166). 

Kükenthal,  Zool.  Praktikum.     5.  Aufl.  ^"^ 


290 


18.  Kursuh:  Reptilien. 


An  unserem  Präparate  sind  auch  die  Nieren  sichtbar,  welche 
als  zwei  langgestreckte  hellrote  Körper  zu  beiden  Seiten  der  Mittel- 
linie in  der  Kreuzbeingegend  liegen.  Die  von  den  Nieren  ausgehenden 
kurzen  Harnleiter  öffnen  sich  direkt  in  zwei  feinen  Öffnungen  in  die 
Kloake.  Noch  ist  die  Harnblase  zu  erwähnen,  welche  als  zarthäutiger 
Sack  in  die  ventrale  Kloakenwand  einmündet  und  einen  Rest  der  em- 
bryonalen Allan tois  darstellt. 

Beim  Männchen  liegen  die  ^Verhältnisse  des  Urogenitalsystems 
folgendermaßen  (s.  Fig.  167). 

Die  Hoden   liegen   an 
zwei  kleine,  eiförmige,   weiße 
befestigt 


der   gleichen    Stelle  wie   die   Ovarien    als 
Gebilde,   die  durch  eine  Mesenterialfalte 
sind.      Daneben    findet   sich   am    äußeren   Rande   der   gleiche 


Nebenniere  - 


Hode. 


Niere  ^ 


Harnblase  — 


Penis  ■ 


Rudimentärer 
Müller  scher  Gang 


Xebenhode 


Hode 


Niere 


Enddarm 


Müiidmig  der 
Harnsamenleiter 


Kloakenöffnung 


Fig.    167.       Harn-    und    Geschleclitsorgane    eines   Männchens    von    Lacerta    agilts 

(nach  Leydig). 

goldgelbe  Körper  wie  bei  dem  "Weibchen  wieder,  den  wir  als  Neben- 
niere bezeichnet  haben,  und  dicht  daneben  liegen  jederseits  die  großen 
durchscheinenden,  aus  verschlungenen  Kanälchen  bestehenden  Neben- 
hoden („Urnieren"),  deren  Ausführgänge,  die  Samenleiter  (die  ur- 
sprünglichen „WoLFF sehen  Gänge"),  in  die  dorsale  Wand  der  Kloake 
ausmünden,  nachdem  sie  sich  kurz  vor  der  Ausmündung  mit  den 
beiden  Harnleitern  vereinigt  haben. 

Beim  Männchen  finden  sich  zwei  Begattungsorgane,  welche  in 
der  Ruhelage  als  hohle  Schläuche  in  der  Schwanzwurzel  liegen,  und 
nach  außen  vorgestülpt  werden  können. 

Um  das  Gehirn  freizulegen ,  durchschneiden  wir  im  Nacken  die 
Muskulatur    und    tragen    von    diesem   Schnitte    aus  die  Schädeldecke   ab. 

Das  in  der  Schädelhöhle  freiliegende  Gehirn  zeigt  gegenüber 
dem    der     Amphibien    eine   Weiterentwicklung,   indem   die    Großhirn- 


19.    Kursus:  Vögel.  291 

heniispliären  das  Mittelhini  teilweise  überdecken.  Die  beiden  Groß- 
hirnhemisphären verlängern  sich  vorn  in  die  Lobi  olfactorii.  Das 
Zwischenhirn  ist  vom  Großhirn  überdeckt  und  trägt  auf  seiner 
Dorsalseite  die  Epiphyse,  die  von  dem  rudimentären  Seh  eitel  äuge 
getrennt  ist,  während  sie  bei  Hattcria  mit  ihm  in  \'erl)indung  steht. 
Das  Mittelhirn  ist  durch  eine  Längsfurche  in  die  beiden  Cor- 
pora bigemina  gespalten.  Das  Kleinhirn  begrenzt  mit  seinem  Hinter- 
rande die  Rautengrube.  Das  Nachhirn  geht  allmählich  in  das 
Rückenmark  über. 


19.  Kursus. 

Vögel. 


Techuische  Vorbereitungen. 

Am  bequemsten  lassen  sich  von  größeren  Vögeln  Tauben  beschaffen. 
Diese  werden  vor  Beginn  des  Kursus  in  einem  zugedeckten  Gefäße  mit 
Chloroform   getötet  und   im  Wachsbecken   untersucht. 

A.  Allgemeine  Übersieht. 

In  ihrer  inneren  Organisation  den  Reptilien  in  vielen  Punkten 
ähnlich  und  daher  mit  ihnen  auch  zur  Gruppe  der  Sauropsiden  ver- 
einigt, zeigen  die  Vögel  doch  besonders  durch  die  Anpassung  an  das 
Fliegen  so  große  und  einheitliche  Umformungen,  daß  sie  als  eigene 
Klasse  der  Wirbeltiere  aufzufassen  sind.  Fast  alle  Organsysteme  sind 
von  der  Flugbewegung  beeinflußt  worden,  am  intensivsten  Skelett  und 
Integument.  Nur  wenige  Stellen  der  Hautdecke  der  Vögel  weisen 
noch  einen  an  die  Reptilien  erinnernden  Bau  auf,  so  die  Füße,  welche 
meist  mit  Hornschildern  oder  Hointafeln  bedeckt  sind,  die  den  Horn- 
schuppen  dei-  Reptilien  gleichen.  Ferner  ist  auch  der  Schnabel  von 
einer  harten  Hornscheide  umzogen,  der  gesamte  übrige  Körper  aber 
von  Federn  bedeckt.  Die  Federn  sind  kompliziert  gebaute  Horn- 
gebilde,  welche  in  sackförmigen  Veitiefungen  der  Haut  sitzen.  Man 
kann  zwei  Hauptformen  der  Feder  unterscheiden,  die  Deck-  oder 
Konturfeder  und  die  Flaumfeder  oder  Dune.  An  der  Deckfeder 
sehen  wir  folgende  Teile:  die  Achse  der  Feder  bildet  der  Kiel,  eine 
Hornröhre.  die  aus  zwei  Teilen,  der  proximalen,  in  die  Haut  eingesenkten 
Spule  und  dem  die  Seitenäste  tragenden  Schafte,  besteht.  Schaft 
und  Äste  zusammen  bilden  die  Fahne.  Die  Äste  sind  biserial  an- 
geordnet, selbst  wieder  gefiedert,  und  die  sekundären  Strahlen  greifen 
mit  Randhäkchen  fest  ineinander,  so  daß  bei  aller  Leichtigkeit  eine  große 
Festigkeit  der  Fahne  ei'zielt  wird.  Häufig  findet  sich  an  dem  Übergang 
des  Schaftes  in  die  Spule  ein  zweiter  kleiner  Schaft,  der  Afterschaft, 
mit  der  weniger  ausgebildeten  Nebenfahne.  Die  Dunen  sind  weicher, 
ihr  Schaft  ist  oft  rudimentär,  und  die  langen  Äste  mit  ihren,  der  Rand- 
häkchen entbehrenden,  sekundären  Strahlen  entspringen  dann  neben- 
einander von  der  Spule.  Die  Nebenfahne  der  Dunen  ist  oft  stärker 
als  die  Hauptfahne.  Durch  \'erkümmerung  der  Fahne  können  die  haai-- 
odei-  borstenförmigen  Fadenfedern  entstehen. 

19* 


292  19-   Kursus:  Vögel. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  als  was  diese  komplizierten  Horn- 
gebilde  aufzufassen  sind.  Die  Entwicklungsgeschichte  zeigt,  daß  die 
Federn  den  Reptilienschuppen  homolog  sind.  Die  erste  Anlage 
der  Feder  ist  wie  die  der  Reptilienschuppe  eine  Cutispapille,  nur  wächst 
bei  der  Feder  der  hornige,  von  der  Epidermis  gebildete  Überzug  zu 
einem  langt!ft  Foi'tsatz  aus.  Erst  später  senkt  sich  die  Federanlage  in 
die  Haut  ein.  Nach  vollendeter  Entwicklung  schrumpft  die  gefäßreiche 
Cutispupille  ein  und  bildet  die  in  der  Spule  liegende  ..Federseele". 

Die  Dunen  treten  als  Jugendkleid  auf  und  werden  später  von  den 
Deckfedern  überdeckt.  Die  Deckfedern  stehen  in  bestimmten  Bezirken, 
den  Federfluren,  welche  durch  die  federlosen  oder  nur  Dunen 
tragenden  Raine  abgegrenzt  sind.  Ihre  vollkommenste  Ausbildung 
weisen  die  Deckfedern  in  den  Schwungfedern  der  Flügel  und  Steuer- 
federn des  Schwanzes  auf.  Die  Schwungfedern  sitzen  dem  vorderen 
Teil  der  Vorderextremität  in  einer  Reihe  auf;  die  des  Unterarmes  heißen 
Armschwingen,  die  der  Hand  sind  die  Handschwingen.  Gesondert 
von  letzteren  findet  sich  am  ersten  Finger  ein  kleiner  Federkomples^ 
der  Eckflügel  (Alula). 

Am  Oberarm  sitzende  Deckfedern  bilden  den  Schulterfittich, 
welcher  zusammen  mit  anderen,  kürzeren,  dachziegelförmig  übereinander- 
liegenden Deckfedern  die  Schwungfedein  an  der  Basis  überdeckt. 

Alljährlich  im  Herbst  werden  die  Federn  gewechselt:  Herbst- 
mauser; manchmal  tritt  auch  eine  „Frühlingsmauser"  ein.  Bei  einer 
Anzahl  Arten  tragen  die  Männchen  zur  Fortpflanzungszeit  ein  farben- 
prächtigeres „Hochzeitskleid". 

Von  Hautdrüsen  findet  sich  nur  die  große  zweilappige  Bürzel- 
drüse oberhalb  des  Schwanzes,  deren  Sekret  zum  Einölen  des  Ge- 
fieders dient. 

Die  Wirbelsäule  zeigt  die  bereits  bei  den  Reptilien  unter- 
schiedenen Regionen.  Besonders  lang  ist  der  sehr  bewegliche  Hals 
mit  einer  oft  großen  Zahl  von  Wirbeln.  Die  Brustwirbel  sind  fester 
miteinander  verbunden,  und  diese  Region  ist  starrer  und  kürzej-.  Außer 
den  zwei  ursprünglichen  Sacralwirbeln  treten  auch  noch  davor  und  da- 
hinter gelegene  Wirbel  durch  Verschmelzung  in  die  Bildung  des  großen 
festen  Kreuzbeines  ein,  und  nur  einige  Schwanzwirbel  bleiben  frei  be- 
weglich, während  die  hintersten  zur  Bildung  eines  senkrecht  nach  oben 
stehenden  Knochens:  Pygostyl,  verwachsen,  der  die  Steuerfedern  trägt. 
Die  Wirbel  der  Vögel  sind  in  der  Regel  durch  „Sattelgelenke"  mit 
einander  verbunden. 

Der  Vogelschädel  zeigt  im  wesentlichen  den  Aufbau  des  Reptilien- 
schädels; er  weicht  von  ihm  besonders  ab  durch  die  starke  Vergrößerung 
der  Gehirnhöhle,  wie  durch  das  Fehlen  des  Os  transversum.  Auch 
die  Vögel  besitzen  nur  einen  Condylus  occipitalis;  das  Quadratbein 
ist  sehr  beweglich.  Stark  entwickelt  sind  die  Zwischenkiefer  auf  Kosten 
der  klein  bleibenden  Oberkiefer.  Der  Oberschnabel  wiid  von  oben  nach 
unten  zu  beweglich.  Die  meisten  Knochen  des  Schädels  sind  pneu- 
matisch und  ihre  Lufträume  stehen  mit  Nasenhöhle  und  Gehörgang 
in  Zusammenhang.  Auch  die  übrigen  Teile  des  Vogelkseletts  sind 
mehr  oder  minder  pneumatisch,  indem  mit  den  Lungen  zusammen- 
hängende Luftsäcke  in  sie  hineintreten. 

Die  Halswirbel  tragen  kurze  Rippen,  die  bei  den  erwachsenen 
Vögeln  mit  den  Wirbeln  verschmelzen;  von  den  Brustwirbeln  zum 
Brustbein  gehen  größere  Rippen,  die  aus  zwei  in  Intercostalgelenken 


19.    Kursus:  Vögel.  293 

gegeneinander  beweglichen  Stücken  bestehen.  Eine  besondere  Festig- 
keit erlangt  der  Brustkorb,  indem  vom  Hinterrande  jedes  oberen  Rippen- 
stückes sich  ein  Fortsatz,  Processus  uncinatus,  über  die  folgende 
Rippe  legt. 

Das  Brustbein  der  Vögel  ist  sehr  groß  und  breit  und  bei  allen 
fliegenden  Formen  in  der  Medianlinie  mit  einem  vorspringenden  Kamm, 
der  Carina,  versehen,  an  die  sich  die  Flugmuskeln  anheften. 

Der  Schultergürtel  ist  sehr  fest  gebaut.  Vom  säbelförmigen 
Schulterblatt  geht  vorn  das  lange  Coracoid  zum  Vorderrand  des 
Brustbeines,  während  die  beiden  (nur  den  Straußenvögeln  und  einigen 
anderen  Formen  fehlenden)  Schlüsselbeine  zum  Gabelknochen,  der 
Furcula,  verschmolzen  und  mit  dem  Brustbeinkamm  durch  ein  Band 
verbunden  sind. 

Die  Vorderextremität  der  Vögel  ist  zum  Flügel  umgewandelt 
und  am  langen  Vorderarm  die  Ulna  stärker  als  der  Radius  aus- 
gebildet. Das  Handskelett  ist  sehr  rückgebildet,  im  Carpus  finden 
sich  nur  zwei  kleine  Carpalknochen:  vierter  und  fünfter  Metacarpus 
sind  geschwunden,  und  von  den  anderen  ist  der  zweite  am  längsten. 
Auch  die  Phalangenzahl  reduziert  sich.  Der  Daumen  trägt  mitunter 
eine  Kralle. 

Der  Beckengürtel  ist  ebenfalls  stark  ausgebildet,  da  beim  Gehen 
die  ganze  Last  des  Körpers  auf  den  hinteren  Extremitäten  ruht.  An 
das  große  dachförmige  Kreuzbein  setzen  sich  die  langen,  damit  ver- 
wachsenen Darml)eine  an,  und  die  ventralen  Beckenknochen,  Scham- 
und  Sitzbein,  treten  nicht  ventral  zusammen  (Ausnahme:  Strauß),  so 
daß  das  Becken  median  offen  ist. 

Der  Oberschenkel  ist  kurz,  am  langen  Unterschenkel  ist  die 
Tibia  viel  stärker  entwickelt  als  die  Fibula.  Das  untere  Ende  der 
Tibia  ist  mit  den  proximalen  Tarsalia  verwachsen,  während  die  distalen 
Tarsalia  mit  den  Metatarsalien  zu  einem  langen  Knochen,  dem  Lauf- 
knochen, zusammentreten.  Es  bildet  sich  also  mitten  im  Tarsus  das 
Laufgelenk  (Intertarsalgelenk)  aus.  An  das  Vorderende  des  Laufes 
setzen  sich  die  Zehen  an,  von  denen  die  fünfte  stets  fehlt. 

Am  Nervensystem  ist  zu  beachten,  daß  —  entsprechend  der 
höheien  Litelligenz  der  Vögel  —  das  Gehirn  hoch  ausgebildet  ist. 
Das  Vorderhirn  weist  große  Hemisphären  auf,  und  am  Hinterhirn  ist 
der  mittlere  Teil,  der  sog.  „Wurm",  stark  ausgebildet. 

Wie  bei  den  Reptilien,  so  findet  sich  auch  bei  den  Vögeln  nur 
eine  echte  Nasenmuschel  vor,  zu  der  noch  zwei  weitere  Falten 
treten  können.  Das  hoch  entwickelte  Auge  ist  dem  der  Reptilien  ähn- 
lich, trägt  vorn  einen  Scleroticalring,  und  in  den  Glaskörper  ragt  von 
hinten  her  ein  starker  Fortsatz,  Pecten,  ein.  Zu  den  beiden  Augen- 
lidern tritt  noch  vom  inneren  Augenwinkel  her  die  Nickhaut.  Das 
Trommelfell  des  Hörorganes  liegt  am  Grunde  eines  kurzen  äußeren 
Gehörganges;  wie  bei  den  Reptilien,  so  findet  sich  auch  bei  den 
Vögeln  ein  Gehörknochen  —  die  Columella. 

Sämtlichen  lebenden  \'ögeln  fehlen  die  Zähne,  während  aus- 
gestorbene Formen  („Zahnvögel")  sie  noch  besaßen.  Die  Hornzälme 
am  Schnabelrande  einiger  Vögel  (z.  B.  Säger)  sind  Epidermisgebilde. 
Die  Zunge  ist  meist  schmal  und  hart.  Bei  den  meisten  Vögeln  er- 
weitert sich  der  Oesophagus  zu  einem  Kropf,  der  als  Reservoir  für 
die  aufgenommene  Nahrung  dient.  Am  Magen  unterscheiden  wir 
Vormagen    oder    Drüsenmagen    und    Muskelmagen,    der    bei 


294  10.    Kursus:  Vögel. 

Körnerfressern  zu  einem  Kaumagen  wird,  indem  sich  in  ihm  ein 
horniger  Überzug  ausbildet.  Leber  und  Pancreas  sind  vorhanden  und 
münden  in  das  Duodenum  ein.  Am  Übergange  des  Dünndarmes  in 
den  Enddarm  finden  sich  zwei  Blinddärme.  An  der  Hinterwand 
der  Kloake  mündet  eine  Drüse  unbekannter  Funktion:  die  Bursa 
Fabricii. 

Die  Luftröhre  ist  gewöhnlich  lang  und  mit  zwei  Kehlköpfen 
versehen,  von  denen  der  obere,  der  Larynx,  keine  Stimmbänder  besitzt: 
die  Töne  werden  von  dem  unteren,  dem  Syrinx.  erzeugt,  der  an  der 
Übergangsstelle  der  Trachea  in  die  beiden  Bronchien  gelegen  ist.  Die 
schwammigen  Lungen  liegen  der  dorsalen  Wand  der  Leibeshöhle  an, 
und  von  ihnen  gehen  fünf  Paar  umfangreiche  Ausstülpungen,  die  Luft- 
säcke, aus,  welche  sich  in  der  Leibeshöhle,  im  Skelett  und  unter  der 
Haut  hinziehen.  Der  Bau  der  Vogellunge  ist  noch  komplizierter,  als 
der  der  Säugetierlunge.  Jeder  der  beiden  Bronchien  tritt  in  eine  Er- 
weiterung das  „Vestibül um"  ein,  von  dem  aus  ein  geradliniger 
Kanal,  der  .,Mesobronchus",  durch  die  Lunge  zieht,  um  in  den  ab- 
dominalen Luftsack  einzumünden.  An  Vestibulum  und  Mesobronchus 
sitzen  fiedrig  angeordnete  vorwiegend  an  der  Oberfläche  der  Lunge 
verlaufende  Seitenäste,  die  in  rechtem  Winkel  zahlreiche  feine  Kanäle, 
die  häufig  anastomosierenden  .,Lun  gen  pfeifen'"  abgeben.  Die  von 
diesen  wiederum  in  rechtem  Winkel  abgegebenen  Queräste,  die 
Bronchioli.  lösen  sich  in  zahlreiche  sehr  enge,  vielfach  verzweigte 
und  anastomosierende  Röhrchen  auf,  die  zusammen  mit  den  dazwischen 
liegenden  feinsten  Blutkapillaren,  als  schwammige  Wandung  der  Lungen- 
pfeifen das  respirierende  Lungenparenchym  bilden. 

Das  Blutgefäßsystem  der  Vögel  ist  dem  der  Reptilien  durch- 
aus ähnlich,  weist  aber  einen  bedeutungsvollen  Fortschritt  dadurch  auf, 
daß  die  beiden  Herzkammern  vollkommen  voneinander  geschieden  sind. 
Der  venöse  Blutkreislauf  ist  also  von  dem  arteriellen  vollkommen  ge- 
trennt. Die  Vögel  besitzen  im  Gegensatz  zu  den  wechselwarmen  Rep- 
tilien eine  hohe  Eigenwärme  des  Blutes.  Ein  weiterer  Unterschied 
gegenüber  den  Reptilien  findet  sich  darin,  daß  der  linke  Aortenbogen 
verloren  gegangen  ist  und  nur  der  rechte  die  Aorta  bildet.  (Bei  den 
Säugetieren  ist  umgekehrt  der  rechte  verloren  gegangen  und  der  linke 
allein  vorhanden.) 

Auch  der  Ürogenitalap parat  der  Vögel  schließt  sich  eng  an 
den  der  Reptilien  an. 

Die  Nieren  sind  meist  dreilappige  Gebilde  dicht  neben  der 
Wirbelsäule;  ihre  Ausführgänge  münden  getrennt  in  die  Kloake:  eine 
Harnblase  fehlt  den  Vögeln. 

Der  rechte  Eierstock  ist  meist  völlig  geschwunden,  und  nur 
der  linke  funktioniert,  und  ebenso  ist  von  den  als  Eileiter  fungieren- 
den MÜLLERschen  Gängen  nur  der  linken  entwickelt.  Der  Eileiter 
nimmt  mit  seinem  weiten  Ostium  die  großen  dottei'reichen  Eier  auf, 
und  hier  im  Eileiter  werden  sie  auch  befruchtet.  Langsam  herab- 
rückend wird  das  Ei  mit  einem  von  Drüsen  der  Eileiterwand  sezer- 
nierten  Stoffe,  dem  „Eiweiß",  dann  mit  einer  dünnen  Schalenhaut  ver- 
sehen und  gelangt  alsdann  in  den  unteren  erweiterten  Abschnitt  des 
Eileiters,  der  als  „Uterus"  bezeichnet  wird.  Hier  erhält  das  Ei  die 
äußere  Kalkschale. 

Die  Hoden  sind  beide  entwickelt  und  liegen  vor  den  Nieren. 
Die    Samenleiter    münden    getrennt    in    die    Kloake.      Bei    manchen 


15).   Kursus:  Vögel.  295 

Formen   ist  ein  spongiöser  Penis  an  der  Vorderwand  der  Kloake  vor- 
handen, der  in  einer  Rinne  den  Samen  überleitet. 

Alle  Vögel  legen  Eier,  zu  deren  Entwicklung  Wärme  nötig  ist, 
die  meist  durch  Bebrüten  erzeugt  wird. 

B.   Spezieller   Kursus. 

Die   Haustaube,   Columba  doniesticfi  (L,). 

Wir  betrachten  zuerst  die  äußere  Körperform.  Der  eiförmige 
Körper  ist  mit  Federn  bedeckt.  Die  zu  Flügeln  umgewandelten 
Vorderextremitäten  tragen  gleichfalls  Federn,  während  die  Hinter- 
extremitäten nur  in  ihrem  oberen  Teile  befiedert  sind,  in  ihrem  unteren 
dagegen  einige  <iuer  gestellte  Hornschilder  besitzen  und  hinten  netz- 
förmig gefekiert  sind.  Am  Kopfe,  der  durch  einen  schlanken  Hals 
mit  dem  Rumi)fe  verbunden  ist.  sehen  wir  vorn  den  von  zwei  hornigen 
Kiefern  gebildeten  Schnabel,  mit  Ober-  und  U n ter sehn a bei.  Ersterer 
überragt  mit  der  Spitze  den  letzteren  ein  wenig.  Zu  beiden  Seiten 
des  Oberschnabels  finden  sich  zwei  Spalten,  die  Nasenlöcher.  Die 
Basis  des  Oberschnabels  ist  bedeckt  von  einer  weichen,  gekörnelten, 
wulstig  vorgewöll)ten  Haut,  der  Wachshaut.  Die  runden  Augen 
sind  von  einem  nackten  Hautringe  umgeben.  Um  die  große  Pupille 
zieht  sich  eine  zinnoberrote  Iris.  Im  inneren  (vorderen)  Augenwinkel 
findet  sich  die  Nickhaut,  welche  über  die  Oberfläche  des  Auges  hin- 
weg gezogen  werden  kann.  Hinter  dem  Auge  liegt  eine  unbefiederte 
Membran,  das  Trommelfell. 

An  den  Beinen  sehen  wir  drei  nach  vorn  gerichtete  \'orderzehen 
und  eine  in  gleicher  Höhe  wie  die  \'orderzehen  eingelenkte  nach  hinten 
gerichtete  Hüiteizehe.  Die  Zehen  sind  niemals  durch  dazwischen  aus- 
gespannte Hautlappen  verbunden,  und  der  Fuß  wird  daher  als  ., Spalt- 
fuß" bezeichnet.  Am  Ende  jeder  Zehe  findet  sich  auf  ihrer  Dorsal- 
seite ein  kurzer,  hakenförmig  gebogener  Nagel. 

Die  Federn  sind  von  zweierlei  Art.  Die  Oberfläche  bedecken 
die  größeren  steiferen  Konturfedern,  während  die  gekräuselten, 
kleinen,  weichen  Flaumfedern  darunter  liegen.  Die  Konturfedern 
der  Flügel  und  des  Schwanzes  sind  besonders  groß.  Erstere  heißen 
Schwungfedern,  letztere  Steuerfedern.  Breiten  wir  einen  Flügel 
aus,  so  lassen  sich  schon  äußerlich  folgende  Abschnitte  unterscheiden: 
Zehn  lange  Federn,  die  H  an  dsch  win  gen,  sind  an  der  Hand 
befestigt.  Es  folgen  dann  etwa  11  —  15  A  rm  seh  win  gen,  die 
am  Unterarm  sitzen,  und  nach  innen  von  diesen  der  kleinere  Schulter- 
fittich. Dachziegelartig  liegen  den  Schwungfedern  kleinere  Kontur- 
federn auf,  die  als  D^ckfedern  bezeichnet  werden.  Eine  kleine,  ab- 
gesonderte Portien,  die  dem  rudimentären  Daumen  aufsitzt,  ist  der 
Eckflügel. 

Am  Schwänze  sind   12—16  Steueifedern  vorhanden. 

Wir  rupfen  eine  Feder  aus  und  betrachten  sie  genauer. 

Es  lassen  sich  an  ihr  zwei  Teile  unterscheiden,  ein  Achsenteil 
und  die  seitlich  daran  ansitzenden  Äste.  Der  Achsenteil  zerfällt  in 
einen  unteren  Abschnitt,  die  Spule  (Calamus),  welche  in  eine  Haut- 
einstülpung eingesenkt  ist,  und  den  Schaft  (Pihachis).  Die  seitlichen 
Äste  tragen  wieder  Nebenäste,  die  mittels  feiner  Häkchen  zusammen- 
haften. 


296  19.   Kursus:  Vögel. 

Es  wird  eine  spitz  ausgezogene  Glasröhre  in  den  Kehlkopf  ein- 
geführt und  Luft  hineingeblasen,  wodurch  die  Luftsäcke  gefüllt  werden, 
dann  wird  die  Taube  gerupft,  indem  ihr  die  Federn  in  der  Längsrichtung 
der  Federstellung  mit  kurzem  Ruck  ausgerissen   werden. 

Wir  sehen  nunmehr,  daß  die  Deckfedern  in  regelmäßiger  An- 
ordnung der  Haut  inseiieren,  in  sog.  „Fluren"  (Pterylae),  zwischen 
denen  sich  federlose  Stellen,  die  „Raine"  (Apteria)  hinziehen. 

Es  wird  nun  die  Taube  in  das  Wachsbecken  mit  der  Bauch- 
seite nach  oben,  unter  Wasser  gelegt  und  mittels  starker  Nadeln,  die 
durch  Flügel,   Beine   und  Schnabel   gesteckt   werden,   befestigt. 

Mit  dem  Skalpell  schneiden  wir  die  Haut  in  der  Medianlinie  dicht 
neben  dem  Kamme  des  Brustbeins  auf  und  führen  den  medianen  Schnitt, 
sowohl  nach  hinten  bis  zur  Kloake,  als  auch  nach  vorn,  den  Hals  ent- 
lang bis  zum  Schnabel.  Dann  wird  die  Haut  seitlich  abpräpariert  und 
mit  Nadeln  festgesteckt. 

Von  den  Muskeln  dominiert  der  fast  die  ganze  Brust  bedeckende 
Musculus  pectoralis  major,  von  dreieckiger  Gestalt.  Vorn  zweigt 
sich  ein  kleines  schmales  Muskellnindel  in  die  Haut  ab.  der  Haut- 
brustrauskel. 

Wir  schneiden  den  großen  Brustmuskel  jederseits  von  der  Carina 
durch  und  heben  ihn  ab.  Ebenso  wird  das  gesamte  Brustbein  in  fol- 
gender Weise  abgehoben:  es  wird  eine  Schere  am  hinteren  Rande  ein- 
geführt und  vorsichtig  ein  Schnitt  bis  zu  den  Rippen  geführt.  Die 
Ripjjen  selber  werden  in  den  Sternocostalgelenken.  die  man  leicht  fühlen 
kann,  durchschnitten;  dann  schneidet  man  jederseits  bis  zum  Schulter- 
gürtel und  löst  hier  das  Brustbein  aus  den  Grelenken  heraus.  Alsdann 
läßt  es  sich  unter  stetem  Abpräparieren  von  der  Unterseite  abheben. 
Das  Abdomen  öffnen  wir  durch  einen  einfachen  bis  zur  Kloake  geführten 
Medianschnitt. 

Von  den  Brusteingeweiden  imponiert  besonders  das  große  Herz, 
welches  in  der  Mittellinie  liegt  und  eine  konische  Form  besitzt. 

Mit  der  Schere  entfernen    wir  das  Perikard. 

Ein  dünner,  gelber  Fettbelag  trennt  die  beiden  dickwandigen  Herz- 
kammern von  den  beiden  dünnwandigen  Vorkammern.  Aus  der  linken 
Herzkammer  treten  di-ei  an  der  Wurzel  zusammenstoßende  Gefäße 
heraus,  die  rechte  und  die  linke  Kopfarmarterie  und  die  nach 
hinten  umbiegende  Aorta.  Die  beiden  Kopfarmarterien  teilen  sich 
wieder,  indem  sie  nach  oben  die  den  Kopf  versorgende  A.  carotis 
abgeben;  der  andere  Ast,  die  A.  subclavia,  setzt  sich,  nachdem  sie 
einen  Zweig  in  die  Brustmuskeln  abgegeben  hat,  in  die  A.  axillaris 
und  A.  brachialis  fort.  Drei  große  Venenstämme  bringen  das 
venöse  Körperblut  in  die  rechte  Vorkammer  zurück. 

Vom  Lungenkreislauf  sehen  wir  die  Ijeiden  am  voi'deren  Ende  der 
rechten  Herzkammer  entspringenden,  direkt  zu  den  Lungen  tretenden 
Lungenarterien,  während  die  beiden  Lungenvenen  sich  im  Herz- 
beutel zu  einem  in  die  linke  Vorkammer  mündenden  Stamm  ver- 
einigen fs.  Fig.  16!^). 

Unter  dem  Herzen,  dicht  hinter  dem  dünnen,  rudimentären  Zwerch- 
fell, liegt  die  braune  Leber,  die  in  einem  größeren  rechten  und  einen 
kleineren  linken  Lappen  zerfällt.  In  ihrem  oberen  Teile  bildet  sie  die 
Unterlage  für  das  Herz.  Der  rechte  Leberlappen  zeigt  auf  der  Dorsal- 
seite   tiefe    Rinnen,    die   von    Eindrücken    des   Dünndarmes   herrühren; 


19.    Kursus:  Vöael. 


29- 


unter  dem  linken  Lappen  liegt  z.  T.  der  Muskelmagen.  Eine  Gallen- 
blase fehlt.  Klappen  wir  den  rechten  Leberlappen  nach  oben  um. 
so  sehen  wir  die  beiden  von  ihm  ausgehenden  Gallengänge,  von  denen 


Trachea 


31.  pectoralis  -V 

A.  axillaris. 

Thyreoidea 
Carotis 

A.  subclavia 


Aorta 
Rechte 
Vorkammer 

Herz 
Rechter  Leber- 

la]>pen 
liechter    abdo- 
minaler    Luft- 
sack 


Diiodonum 
Pancreas 


Kliiakoii 
Offniini; 


Linker 
L  eberlappen 


Kaumagen 


Linker 
--'  abdominaler 
lAiftsack 


Fig.  16S.     Anatomie  der  Haustaube.     Orig. 

der  eine  in  den  aufsteigenden,  der  andere  in  den  absteigenden  Ast  des 
Duodenums  mündet.     Zwischen  diesen  beiden  Ästen  liegt  das  weißrote 


298 


19.  Kursus:  Vöffel. 


dem  zwei  Ausfülirgänge  sich  in  den  aufsteigenden  Ast 


Pancreas,   von 

des  Duodenums,  unweit  der  Einmündung  des  einen  Gallengangs  be- 
geben, ein  dritter  weiter  oben  ins  Duodenum  einmündet  (Fig.  169). 
Wir  schneiden  nunmehr  die  Leber  ab  und  nehmen  sie 
Dadurch  wird  der  Darmtractus  deutlicher  sichtbar, 
bei  dessen  Untersuchung  vom  Schnabel  aus  an,  indem  wir  die  Mund- 
winkel ein  Stück  weit  aufschneiden.  In  der  langen  und  weiten  Mund- 
höhle liegt  die  schmale  hornige  Zunge,  die  nach  hinten  zu  zwei  seit- 
liche, eine  Drüse  (die  Hinterzungendrüse)  umfassende  Ausläufer 
bildet.     Ein   langer   schmaler,   von    kurzen   Papillen   begrenzter   Schlitz 


Heraus. 
Wir  fangen 


am  Gaumen    stellt   die   hintere 


Nasenöffnung 


(Choane)    dar.     Da- 


Lebe 


Milz 
Gallengängc 


Diinnclann 


]  )rusenmagen 


-  Kauniawii 


Ob.  Ausführgaug 
des  Pancreas 


Untere 
.-.-i  Ausf  lihrgänge  des 
Pancreas 


Pancreas 


Blindsäcke 
des   Dünndarmes 

Duodenum 


Enddarm 


Fig.  169.     Darmtractus  der  Taube.     Orig. 


häutigen 
magen 


großen 


hinter  finden  sich  die  Öifnungen  der  Eustachischen  Röhren.     Ganz 
hinten  liegt  die  von  dicken  Lippen  umstellte  Stimmritze. 

Der    trichterförmige    Schlund   erweitert   sich    zu    einem 

Sack,  dem  Kropf,  von  dem  aus  der  Schlund  zum  Drttsen- 
zieht.  Vom  Kropf  ist  zu  merken,  daß  bei  den  Tauben  während 
der  Brutzeit  bei  Männchen  wie  Weibchen  krümelige,  käsige  Massen  in 
ihm  entstehen,  mit  welchen  die  Jungen  geatzt  werden.  Der  Drüsen- 
magen oder  Vormagen  ist  sehr  dickwandig  und  sondert  aus  zahl- 
reichen Drüsen  ein  Sekret  ab:  seinem  Hinterrande  ist  die  kleine,  ab- 
geplattete Milz  angeheftet.  Auf  ihn  folgt  der  Muskel  magen,  der 
außerordentlich  fest  ist  und  einen  Sehnenüberzug  aufweist.  Von  der 
dorsalen  Fläche  des  Muskelmagens  entspringt  das  Duodenum,  welches 
eine  das  Pancreas  umfassende  Schlinge  bildet;  dann  folgt  der  Dünn- 
darm in  zahlreichen  Falten,  an  dessen  Ende  sich  zwei  kurze  seitliche 
Blindsäcke    finden.     Das   Rectum    mündet   in   die   weite   Kloake   ein. 


19.   Kursus:  Vöüel. 


299 


(He   sich   in   einer   quer   .i^elagerten ,    von    einem   Ringmuskel   umfaßten 
Spalte  öffnet  (s.  Fig.  170). 

Die  Untersuchung  des  Respirationssystems  beginnt  mit  dem  oberen 
Kehlkopf,  der  sich  durch  eine  Längsspalte  in  die  Nasenhöhle  öffnet. 
Er  bildet,  durch  Knori)elringe  gestützt,  eine  feste  Kai)sel.  Die  von 
ihm  abgehende  Luftröhre  ist  ebenfalls  von  zahlreichen  Knorpeliingen 
umgeben  und  erweitert  sich  am  hinteren  Ende  zu  dem  unteren  Kehl- 
kopf oder  Syrinx,  in  welchem  allein  die  Töne  erzeugt  werden.  Zwei 
kleine   Muskeln,   welche   sicii   an    die   Trachea   inserieren   (s.  Fig.  168), 


Abgeschnittener 
Oesophagus 


Syrinx 

Bronchus 


Nebenniere 
Ovariiini 

Nerv,  ischia- 
dicus 

Aorta  de- 
scendens 


Ostiuni  tubae 


Niere 


-..Harnleiter 
Ovidukt 


~  Bur.sa  Fabricii 


Kloake 


Harnleiter 


CO  o 

(D    O 

3   S   O 

o    .S 


0  05 


■o     o 


Fig.  170.    Weiblicher  Urogenitalapparat  einer  jungen  Taube.     Orig. 

sind  die  M.  sterno-tracheales.  Die  beiden  kurzen  Bronchien,  in  welche 
sich  die  Luftröhre  gabelt,  treten  in  die  Lungen  ein.  Die  Lungen  sind 
unansehnliche  Gebilde,  etwa  von  Gestalt  dreiseitiger  Pyramiden.  Von 
ihnen  gehen   die  Luftsäcke  aus,  welche  wir  schon  vor   Beginn   unserer 


Untersuchung  durch  Aufblasen   sichtbar 


gemacht  haben. 


Diese   Luft- 


säcke wirken  wie  Blasebälge,  indem  sie  gleichzeitig  mit  den  Lungen 
durch  Heben  und  Senken  des  Brustkorbes  ausgedehnt  und  verkleinert 
werden.  Beim  Fliegen  sind  diese  Respirationsbewegungen  nicht  nötig, 
da  durch  die  Tätigkeit  der  Flügel  allein  eine  derartig  wechsende  Kom- 
pression und  Ausdehnung  von  Luftsäcken  bewirkt  wird.  Durch  diese 
Blasebalgbewegungen  wird  durch  die  Lungen  ein  ganz  erhebliches  Quan- 
tum  von   Luft   getrieben,   dessen    Sauerstoff   beim    Durchstreichen   aus- 

sehr 


genutzt  werden   kann.     Die   Bauverhältnisse  der 


Vogellunge  sind 


viel  komplizierter  als  die  der  Säugetierlunge  (s.  pag.  294). 


300 


19.   Kursus:  Vögel. 


Von    Drüsen   am   Halse  bemerkt  man    die  Thymus   als   langes, 
schmales,  gewundenes  Band  und  dahinter,   dicht  an  der  Luftröhre,   die 


Thyreoidea,  jederseits  zwischen  der  Carotis  und  Subclavia 


rotbraune 
gelegen. 

Die  Nieren  sind  ansehnliche  Körper,  die  hinter  den  Lungen  be- 
ginnen und  jederseits  in  drei  Portionen  zerfallen.  Sie  werden  von  dem 
Bauchfell  überzogen  und  liegen  also  außerhalb  der  Bauchhöhle.  Die 
Harnleiter  entspringen  auf  der  ventralen  Fläche  und  münden  in  die 
Kloake  ein.  Vor  den  Nieren  liegen  die  rundlichen,  gelblichen  Neben- 
nieren. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Geschlechtsorgane  eines  Männchens, 
so  fallen  die  großen,  wurstförmigen  Hoden   besonders  ins  Auge,  von 

A  B 


Lobus  olfactorius 


Vorcleihiin 


Thalam.  opt. 


§117  '      -mm 

Hypophyse 
Mittelhini 

MJttelhirn 
Hinterhii'u 

Nachhiin  — 


Nachhim 


Lobus  olfactorius 


Vorder- 
hirn 


Infundi- 
~^  buluiu 


Medulla  oblong 


^SpiualneiT 
f  Spinalnerv 


Fig.    171.     Gehirn    der    Haustaube    (nach  Wiedersheim).     A    dorsale,    B  ven- 
trale Ansicht. 


denen  der  rechte  etwas  kleiner  ist.  Ihre  Ausführungsgänge,  die  Vasa 
deferentia,  verlaufen  neben  den  Harnleitern  und  münden  ebenfalls 
in  die  Kloake  ein. 

Beim  Weibchen  ist  nur  der  linke  Eierstock  vorhanden,  da  der 
rechte  fast  völlig  verkümmert;  er  stellt  ein  traubiges  Gebilde  dar.  Der 
Eileiter  haftet  der  Körperwand  an  und  beginnt  mit  einem  weiten, 
trichterförmigen  Ostium;  er  hat  einen  geschlängelten  Verlauf,  erweitert 
sich  im  unteren  Abschnitt  zum  Uterus  und  mündet  seitwärts  vom  linken 
L^reter  in  die  Kloake.  Bei  jungen  Tieren  (s.  Fig.  170)  ist  diese  Differen- 
zierung noch  nicht  ausgeprägt. 

Es  bleibt  uns  nun  noch  die  Untersuchung  der  Kloake  übrig. 

Die  ventrale  Kloakenwand  wird  durch  einen  Scherenschnitt  ge- 
öffnet. 

Man  erblickt  alsdann  die  seitlichen  Mündungen  der  Harnleiter, 
beim  Männchen  die  auf  Papillen  sitzenden  Mündungen  der  Samenleiter, 
beim  Weibchen  links  die  Mündung  des  Eileiters  (s.  Fig.  170). 


20.  Kursus:   Säugetiere.  301 

In  die  Kloake  mündet  auch  eine  eigentümliche  Drüse,  die  Bursa 
Fabricii,  ein. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Präparation  des  Gehirnes  über.  Der 
Schädel  wird  am  Hinterhaupt  mit  einer  starken  Schere  geöffnet  und 
Stück  für  Stück  abgetragen.  Dann  löst  man  das  Gehirn- auf  der  Dorsal- 
seite los,  von  hinten  nach  vorn  präparierend  und  die  abgehenden  Nerven 
möglichst  weit  von  ihrem  Ursprünge  abschneidend. 

Es  lassen  sich  zunächst  die  fünf  Hauptteile  des  Gehirns  fest- 
stellen (Fig.  171).  Die  beiden  Hemisphären  des  Vordei'hirnes  bilden 
zusammen  eine  herzförmige  Figur,  vorn  ist  ihnen  jederseits  ein  kleiner 
Lobus  olfactorius  vorgelagert.  Vom  Zwischenhirn  sehen  wir  nur  am 
hinteren  Eande  des  Vorderhirnes  median  die  kleine  Epiphyse  liegen, 
seitlich  treten  die  Selihügel  des  Mittelhirnes  zutage.  Das  Hinterhirn 
(Kleinhirn)  weist  eine  mächtige  Entwicklung  des  quergefalteten  Mittel- 
stückes auf,  welches  dorsal  die  Rautengrube  des  Nachhirnes  völlig 
bedeckt;  ventral  erscheint  dieses  als  eine  durch  eine  mediane  Längs- 
furche geteilte  Masse,  die  vom  Rückenmark  durch  eine  Querfurche  ab- 
gegrenzt ist. 

Über  die  Hirnnerven   orientieren   die  vorstehenden   Abbildungen. 


20.  Kursus. 

Säugetiere. 


Technische  Vorbereitungen. 

Wir  benutzen  zum  Studium  der  Säugetiere  als  Beispiel  das  Kanin- 
chen, und  zwar  nehmen  wir  dazu  ein  erwachsenes  Exemplar,  welches 
in  einem  großen  Gefäß  durch  Chloroform  getötet  wird.  Dann  wird  es 
auf  einem  Sezierbrett  auf  den  Rücken  gelegt,  und  seine  ausgebreiteten 
Glieder  werden  mit  Bindfaden  an  seitlich  am  Brett  angebrachten  Schrauben 
befestigt. 

A.  Allgemeine  Übersicht. 

Die  Säugetiere  sind  die  am  höchsten  entwickelten  Wirbeltiere. 
Ihr  Name  besagt,  daß  sie  ihre  Jungen  vermittels  Milchdrüsen  säugen. 
Da  aber  die  niedersten  Foimen  (Monotremen)  keine  Zitzen  besitzen 
und  daher  das  Säugen  unterbleibt,  wäre  es  richtiger,  sie  nach  einem 
allgemeineren,  nur  ihnen  zukommenden  Charakter  als  „Haartiere'"  zu 
bezeichnen. 

Die  Haut  der  Säugetiere  ist  nämlich  durch  den  Besitz  eines 
Haarkleides  ausgezeichnet;  wo  dieses  fehlt,  ist  es  nur  rudimentär 
geworden. 

Die  Haare  werden  aufgefaßt  als  entweder  den  Schuppen  der  Reptilien 
und  den  Federn  der  Vögel  homolog,  oder  als  durch  Funktionswechsel  aus 
den  Hautsinnesorganen  niederer  Wirbeltiere  entstanden.  Der  Bau  eines 
Haares  ist  folgender.  Es  besteht  aus  einem  elastischen,  zylindrischen 
Haarfaden,  dem  Schaft,  und  einem  in  die  Haut  eingesenkten  Teile,  der 


302  20.  Kursus:  Säugetiere. 

Haarwurzel.  Das  Haar  wird  umkleidet  von  einer  Schicht  lang- 
gestreckter, verhornter  Epithelzellen,  dem  Oberhäutchen,  unter  dem  die 
Rindensubstanz  und  zu  innerst  die  Marksubstanz  liegt.  In  den 
unteren,  zwiebelförniig  angeschwollenen  Teil  der  Haarwurzel  tritt  von 
unten  her  eine  blutgefäßführende  Cutispapille,  die  ringsherum  um- 
hüllt wird  von  einer  Hauteinsenkung,  dem  Haarbalg.  Der  epitheliale 
Teil  desselben  bildet  die  innere  und  die  äußere  Wurzelscheide,  die 
von  dem  bindegewebigen  Teile  umhüllt  werden.  An  den  Haarbalg 
herantretende,  glatte  Muskeln  (Arrectores  pili),  welche  von  der  Cutis- 
oberfläche  kommen,  veimögen  das  Haar  aufzurichten.  Ferner  münden 
in  den  Haarbalg  Talgdrüsen  von  traubigem  Bau  ein. 

Die  Haare  stehen  in  Haarfluren  und  treten  auf  als  feinere 
Wollhaare  und  stärkere  Grannenhaare.  Letztere  können  sich  zu 
Borsten  und  Stacheln  umwandeln.  Durch  starke  Innervation  zeichnen 
sich  die  vorn  am  Kopfe,  besonders  an  der  Oberlippe  stehenden  Tast- 
haare (Vibrissae)  aus.  Als  weitere  Hautbedeckung  finden  sich  bei 
manchen  Säugetieren  Hornschuppen,  denen  der  Reptilien  entsprechend, 
und  auch  Hautknochen  kommen,  besonders  stark  entwickelt  bei  fos- 
silen Formen,  hier  und  da  vor.  Horngebilde  sind  die  Krallen,  Hufe 
und  Nägel.  In  der  Haut  finden  sich  tubulöse  Schweißdrüsen  und 
alveoläre  Talgdrüsen,  letztere  fast  stets  in  Verbindung  mit  den  Haar- 
bälgen. Besonders  spezialisierte  Hautdrüsen  sind  die  Milchdrüsen, 
welche  die  Milch  zur  Ernährung  der  Jungen  absondern.  Sie  leiten 
sich  von  denselben  inditlerenten  Drüsengebilden  der  Haut  her  wie  die 
Schweißdrüsen  und  haben  frühzeitig  eine  divergente  Entwicklung  ein- 
geschlagen. Die  Mammarorgane  können  wir  uns  folgendermaßen 
entstanden  denken.  Die  Säugetiervorfahren  hatten  zur  Bebrütung  der 
Eier  Brütorgane,  ähnlich  wie  die  Vögel.  Diese  paarigen  Brütorgane 
wandelten  sich  in  Drüsenfelder  um,  auf  welchen  die  Milchdrüsen  aus- 
mündeten. Indem  die  Brütorgane  die  Ausbreitung  der  Hautmuskulatur 
verhinderten,  entstand  ein  muskelfreies  medianes  Bauchhautfeld,  das 
unter  dem  Einfluß  des  Brütens  als  nachgiebigere  Stelle  sich  einsenkte 
und  zu  einem  Lagerplatz  für  das  Ei:  den  Beutel,  wurde.  Die  Zitzen 
entstanden  als  Hauterhebungen,  welche  die  Ausführgänge  der  Milch- 
drüsen aufnahmen. 

Der  Schädel  ist  wie  der  der  Amphibien  durch  einen  doppelten 
CondyUis  occipitalis  mit  der  Wirbelsäule  verbunden.  Die  Weiter- 
bildung des  Schädels  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  erfolgt.  So  sind  Hirn- 
und  Gesichtsschädel  fester  verbunden,  und  ersterer  erlangt  uiehr  und 
mehr  das  Übergewicht  über  den  letzteren.  Durch  Verschmelzung  ver- 
schiedener Knochen  —  des  Petrosum  (entstanden  aus  drei  Otica),  des 
Squamosum  und  des  Tympanicum  —  ist  das  Schläfenbein  (Tem- 
porale) entstanden,  welches  nunmehr  die  Paukenhöhle  umschließt.  In 
dieser  liegen  die  zu  den  Gehörknöchelchen  umgebildeten  oberen  Teile 
der  beiden  Visceralbögen.  Das  Quadratum  ist  zum  Amboß  (Incus) 
geworden,  der  Steigbügel  (Stapes)  soll  der  Columella  entsprechen 
und  aus  dem  Hyomandibulare  entstanden  sein,  und  als  drittes  Gehör- 
knöchelchen fungiert  das  Gelenkstück  des  Unterkiefers  der  niederen 
Wirbeltiere,  das  Articulare,  welches  sich  in  den  Hammer  (Malleus) 
verwandelt  hat.  Das  ehemalige  Unterkiefergelenk  zwischen  Quadratum 
und  Articulare  ist  also  zum  Amboß-Hammergelenk  geworden,  und  der 
Säugetierunterkiefer,  der  aus  einem  den  MECKELschen  Knorpel  er- 
setzenden Deckknochen,  dem  Dentale,  besteht,  bildet  ein  neues  Gelenk 


20.  Kursus:  Säugetiere.  303 

mit  (lern  Squamosum  des  Schläfenbeines.  Ein  weiterer  Charakter  des 
Säugetierschädels  ist  das  Zurücktreten  der  Knochen  der  Palatinreihe: 
^'omer,  Palatinum.  Pterygoid,  gegenüber  den  davor  liegenden  Maxillar- 
knochen:  Maxillare  und  Intermaxillare. 

Die  Wirbel  der  Wirbelsäule  sind  in  fünf  Regionen:  Hals-, 
Brust-,  Lenden-,  Kreuzbein-  und  Schwanzvvirbel  unterschieden.  Die 
Zahl  der  Halswirbel  beträgt  sieben  (mit  einigen  Ausnahmen). 
Die  Brustwirbel  haben  starke  Dornfortsätze  und  tragen  die  Rippen,  die 
sich  meist  mit  zwei  Köpfen,  Tuberculum  und  Capitulum.  inserieren. 
Ins  Kreuzbein  treten  ursprünglich  zwei  Wirbel  ein,  ihre  Zahl  erhöht 
sich  aber  durch  weitere  Verschmelzungen  mit  Lenden-  oder  Schwanz- 
wirbeln. Am  Schultergürtel  ist  das  Coracoid  nur  bei  den  Mono- 
tremen  ein  selbständiger,  zum  Brustbein  reichender  Knochen;  es  wird  bei 
den  anderen  Säugern  rudimentär  und  erscheint  als  Processus  cora- 
coideus  des  Schulterblattes. 

Die  Clavicula  kann  sekundär  schwinden  (Ungulaten,  Denticeten, 
Sirenen,  Mysticeten,  Carnivoren  usw.). 

Die  drei  Knochen  des  Becken  gürteis  verwachsen  frühzeitig 
jederseits  zu  einem  einheitlichen  Hüftknochen,  und  die  Schambeine 
jeder  Seite  treten  zu  einei-  Symphyse  zusammen. 

Zur  Stütze  des  Beutels  finden  sich  bei  Monotremen  und  Marsu- 
pialiern  die  beiden  stabförmigen  Beutelknochen,  die  man  auf  die 
Epipubes  der  Reptilien  zurückführt;  den  Placentaliern  fehlen  sie. 

Das  Gehirn  der  niederen  Formen  schließt  sich  an  das  der 
Reptilien  an,  bei  den  höheren  Formen  kommt  es  zu  einer  starken  Aus- 
bildung der  Großhirnhemisphären,  welche  alle  übrigen  Gehirnteile  mehr 
oder  minder  verdecken.  Es  bildet  sich  ferner  eine  Verbindung  beider 
Hemisphären  durch  den  Balken  (Corpus  callosum),  und  der  graue 
Hirnmantel  legt  sich  bei  den  höheren  Formen  in  Falten,  die  gesetz- 
mäßig gelagert  sind.  Im  Kleinhirn  entwickeln  sich  die  Seitenteile  zu 
den  ansehnlichen  Kleinhirnhemisphären;  unter  dem  Kleinhirn  liegt  der 
Pons  Varoli  als  starkes  Kommissurensystem.  Durch  die  starke  Ent- 
Avicklung  einzelner  Hirnteile  ist  eine  dreifache  Knickung  der  Hirnachse: 
Nackenbeuge,  Brückenbeuge  und  Scheite  beuge  eingetreten. 

Von  Sinnesorganen  finden  sich  in  der  Haut  die  Tastkörperchen, 
auf  der  Zunge  dienen  verschiedene  Papillen  von  blatt-  oder  becher- 
förmiger Gestalt  als  Geschmacksorgane.  Am  Auge  sind  oberes  und 
unteres  Augenlid  ausgebildet.  Die  Nickhaut  ist  rudimentär  geworden. 
Dreierlei  Drüsen  stehen  mit  dem  Auge  in  Verbindung:  die  Meibom- 
schen,  die  HARDERsche  und  die  Tränendrüse. 

Am  Gehörorgan  ist  die  Schnecke  hoch  ausgebildet;  ein  äußeres 
Ohr  ist  meist  vorhanden.  Das  Geruchsorgan  erhält  eine  äußere  Nase. 
Die  untere  Muschel,  das  Maxilloturbinale,  ist  meist  stark  verästelt 
(Raubtiere)  oder  eingerollt  (Ungulaten).  Die  Riechschleimhaut  breitet 
sich  auf  den  Riech wülsten  (Ethmoturbinale)  aus.  Vielfach  steht  die 
Nase  mit  Hohlräumen  im  Stirnbein,  Oberkiefer  und  Keilbein  in  Ver- 
bindung. 

Das  Gebiß  der  Säugetiere  ist  meist  heterodont,  d.  h.  die  Form 
der  Zähne  ist  verschieden  (Schneidezähne,  Eckzähne,  Backzähne);  wo 
ein  homodontes  Gebiß  auftritt  (z.  B.  Denticeten),  ist  es  als  sekundäre 
Rückbildung  aus  einem  heterodonten  aufzufassen.  B'erner  sind  die 
Säugetiere  diphyodont,  d.  h.  es  treten  zwei  Reihen  von  Zähnen  auf, 
von  denen  die  spätere  (Dauergebiß)  die  erste  (Milchgebiß)  ersetzt.    Die 


304  20.  Kursus:  Säugetiere. 

im  Milchgebiß  vorhaiuleiien,  als  Prämolaren  bezeichneten  Backzähne 
werden  ebenfalls  gewechselt,  nnd  dahinter  treten  außerdem  neue  Back- 
zähne, die  Molaren  auf.  die  trotz  ihres  späteren  Erscheinen  im  wesent- 
lichen der  Milchzahnserie  oder  ersten  Dentition  angehören  nnd  keine 
Nachfolger  haben,  da  das  embryonale  Material  für  diese  mit  zur  Bildung 
der  Backzähne  verwandt  worden  ist.  An  die  zahlreicheren  Zahnreihen 
der  niederen  Wirbeltiere  erinnern  die  Spuren  zweier  weiterer  Dentitionen, 
von  denen  die  eine,  die  prälacteale,  vor  dem  Milchgebiß  auftritt,  die 
andere  hinter  dem  Dauergebiß.  Die  Bezahnung  der  einzelnen  Säuge- 
tiere ist  ihrer  Lebensweise  aufs  genaueste  angepaßt;  die  Zahl  der  Zähne 
ist  bei  den  älteren  Säugetieren  größer  als  bei  den  jüngeren  Gruppen; 
die  Mehrzahl   der  Placentalier  hat  ursprünglich  44  Zähne  aufzuweisen. 

Die  Mundöffnung  wird  von  Hautfalten,  den  Lippen,  begrenzt; 
auf  dem  Boden  der  Mundhöhle  liegt  die  muskulöse  Zunge;  nach  hinten 
wird  die  Mundhöhle  abgegrenzt  durch  das  Gaumensegel,  von  dessen 
Mitte  bei  den  Primaten  das  Zäpfchen  (Uvula)  herabhängt.  Von  Speichel- 
drüsen, die  ihr  Sekret  in  die  Mundhöhle  ergießen,  sind  zu  nennen:  Ohr- 
speicheldrüse (Glandula  parotis),  Unterkieferdrüse  (Glandula 
submaxillaris)  und  Unterzungendrüse  (Glandula  subungualis). 
Am  Übergang  der  Schlundhöhle  liegen  die  beiden  Mandeln  (Ton- 
sillen). Die  Schlundhöhle  (Pharynx)  geht  in  die  Speiseröhre 
(Oesophagus)  über,  welche  das  Zwerchfell  durchsetzt  und  in  den  Magen 
eintritt.  Am  Magen  unterscheidet  man  einen  Cardia-  und  einen 
Pylorusteil.  Komplizierter  ist  der  Magen  der  Wiederkäuer,  der  aus 
vier  Abteilungen  besteht,  von  denen  die  zwei  ersten  Pansen  und 
Netzmagen  heißen.  Aus  letzterem  steigt  die  Nahrung  wieder  zur 
Mundhöhle  und  gelangt,  nachdem  sie  wiedergekaut  worden  ist,  zum 
zweiten  Male  in  den  Magen,  nunmehr  in  dessen  dritte  und  vierte  Ab- 
teilung: Blättermagen  und  Labmagen,  von  denen  der  erstere 
fehlen  kann. 

Am  Darm  unterscheiden  wir  Dünndarm  und  Dickdarm,  an 
der  Übergangsstelle  beider  den  Blinddarm,  welcher  bei  den  Pflanzen- 
fressern besonders  groß  ist.  Li  den  oberen  Abschnitt  des  Dünndarmes 
münden  die  Ausführgänge  von  Leber  und  Pancreas. 

Die  Leibeshöhle  der  Säugetiere  wird  durch  eine  transversale  mus- 
kulöse Scheidewand,  das  Zwerchfell  (Diaphragma),  vollkommen  in 
Brusthöhle  und  Bauchhöhle  geschieden.  Li  der  Brusthöhle  liegen 
außer  Herz  und  Oesophagus  auch  die  Atmungsorgane,  oral  mit  dein 
Kehlkopf  beginnend ;  seine  Öffnung,  die  Stimmritze,  ist 
durch  den  vorspringenden  Kehldeckel  (Epiglottis)  verschließbar 
(beim  Herabgleiten  von  Nahrung  in  den  Oesoi)hagus).  Die  Trachea 
gabelt  sich  in  die  beiden  Bronchien,  die  sich  innerhalb  der  Lunge 
strauchartig  verzweigen  und  dann  Queräste  abgeben,  die  sich  wiederum 
dichotomisch  in  die  letzten  Enden  des  luftleitenden  Bronchialbaumes, 
die  Bronchioli,  teilen.  An  die  glattwandigen  Bronchioli  setzen  sich 
die  respirierenden  Hohlräume  der  Lunge  an,  in  Gestalt  baumartig 
verzweigter  Kanalsysteme,  der  Alveolarbäumchen,  deren  Wand  aus 
zahlreichen  kleinen,  kugelig-polyedrischen  Nischen,  den  Lungenalveolen, 
besteht.  Die  Atmung  erfolgt  im  wesentlichen  durch  Kontraktion  des 
in  die  Brusthöhle  vorgewölbten  Zwerchfelles;  dadurch  wird  die  Brust- 
höhle ein  größerer  Raum,  die  Lungen  dehnen  sich  nunmehr  aus,  und 
es  strömt  frische  Luft  in  sie  hinein  (Insi)iration),  beim  Erschlaffen 
des  Zwerchfelles  wird  der  Brusthöhlenraum  wieder  verkleinert,  es  ziehen 


20.  Kursus:  Säugetiere.  305 

sich   die   elastischen    Lungen   zusammen,   und   die  Luft  entweicht  (Ex- 
spiration). 

Das  Herz  besteht  aus  zwei  Kammern  und  zwei  Vorkammern. 
Das  aus  dem  Körper  zurückströmende  Bhit  tritt  durch  eine  vordere 
und  eine  hintere  Hohlvene  in  die  rechte  \'orkammer  und  durch  diese 
in  die  rechte  Herzkammer  ein,  von  wo  es  durch  die  Lungenai'tei-ie  in 
die  Lungen  gelangt.  Von  hier  kehrt  es  gereinigt  durch  die  Lungen- 
venen zur  Unken  Vorkammer,  aus  dieser  zur  hnken  Hei'zkammer  zurück 
und  durchläuft  den  großen  Körperkreislauf,  indem  es  durch  den  von 
der  linken  Herzkammer  entspringenden  linken  Aortenbogen  in  die 
Körperaorta  eintritt.  In  diesen  Körperkreislauf  schiebt  sich  der  Pfort- 
aderkreislauf ein.  Die  roten  Blutzelien  der  Säugetiere  zeichnen 
sich  durch  den  Verlust  ihrer  Kerne  aus.  Die  Säugetiere  sind  wie  die 
Vögel  Warmblüter  mit  konstanter  Körpertemperatur. 

Das  Urogenitalsystem  schließt  sich  bei  den  niedersten  Formen 
an  das  der  Reptilien  an,  entwickelt  sich  aber  innerhalb  der  Säugetier- 
klasse bedeutend  weiter.  Die  älteste  Gruppe,  die  der  eierlegenden  Mono- 
tremen,  besitzt  noch  eine  Kloake,  die  bei  den  meisten  Marsupialiern 
und  allen  Placentaliern  verloi-en  geht,  indem  der  sich  ausbildende 
„Damm"  (Perineum)  den  Urogenitalsinus  vom  Enddarm  trennt. 
Ein  der  vorderen  Wand  des  Urogenitalsinus  eingelagerter  schwellbarer 
Körper,  der  Geschlechtshöcker,  wird  beim  männlichen  Geschlecht 
zum  Penis,  der  außer  bei  den  Monotremen  vom  Sinus  urogenitalis 
durchsetzt  wird.  Die  Hoden  verlagern  sich  meist  aus  der  Bauchhöhle, 
indem  sie  in  peritoneale  Bruchsäcke  eintreten  (Descensus  testiculorum); 
sie  können  bei  manchen  nach  der  Geschlechtstätigkeit  zurücktreten,  bei 
anderen  nicht.  Die  Samenleiter  (WoLFFschen  Gänge)  münden  in  den 
Sinus  urogenitahs,  dessen  Aussackung  die  Harnblase  darstellt,  in  welche 
die  beiden  Ausführgänge  der  bleibenden  Niere,  die  Ureteren,  eintreten. 

Beim  weiblichen  Geschlecht  bleiben  die  beiden  in  Eileiter  und 
Uterus  zerfallenden  MÜLLERschen  Gänge  entweder  getrennt  (Mono- 
tremen), oder  es  tritt  jederseits  ein  dritter  Abschnitt  der  MÜLLERschen 
Gänge,  die  V^agina.  auf,  und  es  beginnt  eine  teilweise  Verschmelzung 
der  beiden  Gänge  (Marsupialier),  oder  die  Verschmelzung  schreitet  vor- 
wärts, so  daß  Vagina  wie  Sinus  urogenitalis  ein  einheitlicher  Kanal 
werden  (Placentalier),  während  die  beiden  Uteri  noch  getrennt  sein 
können  (Uterus  duplex),  oder  teilweise  verschmolzen  (Uterus  bi- 
cornis),  oder  vollständig  verschmolzen  sind  (Uterus  simplex). 

Nur  die  Monotremen  sind  eierlegend,  bei  den  Beutlern  ver- 
weilen die  Embryonen  nur  kurze  Zeit  im  LTterus  und  werden  sehr 
klein  geboren,  um  ihre  Weiterentwicklung  im  Beutel  durchzumachen; 
bei  den  Placentaliern  aber  kommt  es  durch  Bildung  von  Zotten  von 
Seiten  des  Chorion  und  der  Allantois,  welche  sich  in  die  Schleimhaut 
des  Uterus  einlagern,  zur  Placenta,  dem  Ernährungsorgan  für  den 
Embryo,  und  die  Jungen  bleiben  länger  im  Körper  der  Mutter  und 
kommen  verhältnismäßig  vollkommen  zur  Welt. 

Die  Mehrzahl  der  Säugetiere  ist  terrestrisch,  einige  führen  eine 
grabende  Lebensweise  unter  der  Erde,  eine  größere  Zahl  aus  ver- 
schiedenen Gruppen  hat  sich  dem  Wasserleben  in  verschieden  hohem 
Grade  angepaßt,  andere  sind  Flattertiere. 

Kiikentlial,    Zool.  Praktikum.     5.  Aufl.  20 


]\Iusc.  niandibulae 


Epiglottis  . 
Kehlkopr .. 


Vorderbcin^^ 
Thyreoidea-" 

Trachea 

R.  Subclavia,.. 

Rechte  Carotis  .--'"' 

Aorta  •  ■ 
R.  Vorkammer-' 

R.  Herzkammer 

L.  Herzkammer 

Leber  ----■■ 


'  Harnleiter. 
Muse,  psoas 


Harnleiter 
Bauchaorta 
Untere  Hohlvene 
Uterus 


Mündmig  des 
rechten  Uterus 
in  die  Scheide 


Harn- 
blase 


Mündung  des 
linken  Uterus   in 
die     aufgeschnit- 

tene'lScheide 

Scheide 


Weibl.  Geschlecht  ;  ■ 
Öffnung 

After 


Fig.  172.    Anatomie  einest 

weiblichen  Kaninchens. 

(Der    Darm    ist'    entfernt 

worden.)     Orig. 


20.  Kursus :  Säugetiere.  307 

B.  Spezieller  Kursus. 

Das  Kaninchen,  Lepus  cunicuhis  (L.). 

Es  wird  zunächst  die  äußere  Körperform  betrachtet.  Der  ge- 
samte Körper  ist  mit  Haaren  bedeckt,  die  von  zweierlei  Art  sind:  feine, 
wollige  Unterhaare  und  steifere,  längere  Grannenhaare.  An  der 
Oberlippe  finden  sich  zu  beiden  Seiten  kräftige,  lange  Schnurrhaare. 

Wir  sehen,  daß  das  Kaninchen,  welches  ein  Halbsohlengänger  ist, 
an  der  Vorderextremität  fünf  Finger  besitzt,  die  sämtlich  mit  Nägeln 
versehen  sind,   die  Hinterextremitäten   dagegen   haben   nur  vier  Zehen. 

Am  Kopfe  sehen  wir  die  gespaltene  Oberlippe,  sowie  die  oberen, 
gerieften  und  unteren,  glatten,  meißeiförmigen  Nagezähne.  Hinter 
den  oberen  steht  ein  zweites  Paar  Schneidezähne,  die  Stiftzähne  heißen. 
Zwischen  den  Nagezähnen  und  den  Mundwinkeln  schlagen  sich  die  Ober- 
lippenränder nach  innen  um,  ein  für  die  Nagetiere  charakteristisches 
Merkmal.  Hinten  liegt  der  After  und  kurz  davor  die  Urogenitalöffnung. 
Beim  Weibchen  finden  sich  rechts  und  links  von  der  Bauchlinie  die 
Zitzen. 

Wir  beginnen  mit  der  Sektion,  nachdem  wir  mit  einem  nassen 
Schwämme  die  Haare  auf  der  ventralen  Mitteüinie  angefeuchtet  und 
rechts  und  links  zur  Seite  gelegt  haben.  Zunächst  wird  ein  medianer 
Hautschnitt  gemacht,  der  vom  Becken  bis  zum  Kinn  führt  und  den 
Nabel  auf  der  linken  Seite  umgeht.  Dann  wird  die  Haut  rechts  und 
links  von   der  Unterlage  mittels  eines  Skalpellstieles   abgedrängt. 

Haben  wir  ein  Weibchen  vor  uns,  so  sehen  wir  unter  der  Haut 
die  drei  bis  fünf  Paar  mächtigen,  flach  ausgebreiteten  Milchdrüsen 
liegen. 

Es  wird  nunmehr  in  der  Mitte  des  Bauches  die  Bauchdecke  mittels 
Pinzette  etwas  hochgehoben  und  mit  der  Schere  angeschnitten.  Dann 
führt  man  einen  Medianschnitt  längs  der  weißen,  sehnigen  Linea  alba 
nach  aufwärts  und  abwärts,  um  die  Bauchhöhle  zu  öffnen.  Um  ein  An- 
schneiden der  darunter  liegenden  Organe  zu  vermeiden,  erscheint  es 
zweckmäßig,  mit  den  Fingern  der  anderen  Hand  die  Bauchdecke  vor 
der  Schnittführung  hochzuheben.  Hinten  schneiden  wir  bis  zur  Scham- 
beinsymphyse  auf,  vorn  bis  zum  unteren  Rande  des  Sternums.  Die  nun- 
mehr frei  daliegenden  Baucheinü,eweide  machen  wir  uns  deutlicher  sieht- 
bar,  indem  wir  vom  unteren  Rande  des  Sternums  aus  zwei  weitere  seit- 
liche Schnitte  längs  der  Rippenenden  führen   (Eig.    172). 

Die  Baucheingeweide  liegen  nunmehr  in  ihrer  natürlichen  Lage- 
rung vor  uns. 

Die  obere  Begrenzung  der  Bauchhöhle  bildet  eine  sich  konisch 
einwölbende,  starke,  muskulöse  Membran,  das  Zwerchfell,  welches  die 
Bauchhöhle  von  der  Brusthöhle  vollkommen  scheidet.  Den  Hohlraum, 
welcher  dorsal  vom  Zwerchfell  und  kaudal  vom  Brustbein  liegt,  füllt  ein 
ansehnliches,  braunrotes,  in  mehiere  Lappen  zerfallendes  Organ  aus, 
die  Leber.  Heben  wir  den  i-ecliten  obei-en  Leberlappen  vorsichtig 
hoch,  so  sehen  wir  darunter  die  Gallenblase  liegen.  Mit  ihrem 
unteren  Rande  bedeckt  die  Leber  zum  Teil  den  Magen.  Der  Magen 
ist  ein  weiter,  quergelegter  Sack,  mit  kleinerer  vorderer  und  größerer 
hinterer  Krümmung.  An  seinem  hinteren  Rande  heftet  sich  eine  Bauch- 
fellduplikatur  an,  die  meist  sehr  fettreich  ist  und  sich  verschieden  weit 
über  die  Darmschlingen  erstreckt,  das  Netz  (Omentum). 

20* 


308  20.  Kursus:  Säugetiere. 

Im  Piäparate  meist  etwas  rechts  vom  Magen  (also  eigentlich  links), 
liegt  die  Milz  als  langgestrecktes  braunrotes  Organ.  Unterhalb  des 
Magens  befindet  sich  der  sehr  lange,  in  vielen  Windungen  sich  kreuzende 
Dünndarm,  teilweise  überlagert  von  dem  mächtigen,  graugrünen 
Blinddarm,  während  der  Dickdarm  in  seinem  oberen  Teile  leicht 
kenntlich  ist  durch  seine  zahlreichen  Einkerbungen,  zwischen  denen  Aus- 
sackungen, die  Haustra,  liegen. 

Schließlich  ist  noch  die  Harnblase  sichtbar,  die,  wenn  sie  prall 
gefüllt  ist,  eine  bedeutende  Größe  erreicht. 

Um  einen  genaueren  Einblick  in  den  Bau  der  Baucbeingeweide  zu 
erhalten,  heben  wir  den  Darm  vorsichtig-  heraus,  indem  wir  vom  Mast- 
darm ans  beginnen  und  die  ihn  befestigenden  Mesenterien  durchschneiden. 
Dann  wird  der  Darmkanal  am  Mastdarm  wie  am  Duodenum  mit  einem 
Paden  unterbunden,  um  ein  Ausfließen  des  Darminhaltes  zu  verhindern, 
abgeschnitten   und   auf  einen   Teller  gelegt. 

Folgen  wir  nochmals,  am  Duodenum  beginnend,  dem  Darm  ver- 
lauf, so  sehen  wir  das  Duodenum  eine  bogenförmige  Schlinge  bilden, 
in  deren  Mesenterium  eine  glatte  traubige  Drüse,  das  Pancreas,  liegt. 
Die  Ausführgänge  der  einzelnen  Läppchen  sammeln  sich  in  einem 
Gange,  dem  Ductus  pancreaticus  (auch  D.  wirsungianus  genannt). 
der  in  den  aufsteigenden  Schenkel  der  Duodenalschlinge  einmündet. 
Seine  Mündung  liegt  weit  ab  von  der  Mündung  des  gemeinsamen 
Gallenganges,  welcher  unweit  des  Austrittes  des  Duodenums  aus 
dem  Magen  in  das  Duodenum  eintritt. 

Der  Blinddarm,  der  sich  nach  vorn  bis  zum  Magen  hinzieht, 
ist  von  ganz  enormer  Größe  und  endigt  hinten  in  einem  fleischigen 
dünneren,  rötlich  gefärbten  Anhange,  dem  Wurmfortsatz. 

Der  durch  muskulöse  Querfasern  stark  eingeschnürte  Dickdarm 
geht  allmählich  in  den  Enddarm  über. 

Durch  Wegnahme  des  Darmes  haben  wir  das  Urogenitalsystem 
freigelegt,  zu  dessen  kurzer  Betrachtung  wir  nunmehr  übergehen  wollen. 
Die  Nieren  sind  zwei  bohnenförmige  Körper  von  dunkelblauroter 
Farbe.  Ihre  Oberfläche  ist  glatt  und  von  einer  Hülle,  der  Nieren- 
kapsel,  umgeben.  Beide  Nieren  sind  etwas  asymmetrisch  gelagert, 
indem  die  linke  mehr  schwanzwärts  und  seitwärts  links  liegt  als  die  rechte, 
welche  in  ihrem  oberen  Teile  von   einem  Leberlappen   überdeckt  wird. 

Der  Harnleiter  entspringt  jederseits  vom  inneren  Rande  der 
Niere,  da,  wo  sie  eine  seichte  Einbuchtung  (Hilus)  bildet,  und  beginnt 
mit  einer  trichterförmigen  Erweiteiiing,  dem  Nierenbecken. 

Wir  machen  uns  diese  Verbältnisse  klar,  indem  wir  eine  Niere 
von  ihrer   Unterlage   abpräparieren   und  die  Nierenkapsel  abziehen. 

Der  Harnleiter  verläuft  jederseits  auf  dem  Psoasmuskel  zur  Harn- 
blase, in  welche  er  einmündet. 

Die  Harnblase  gibt  beim  Weibchen  eine  kurze  Harnröhre 
ab.  die  in  den  Scheidenvorhof  eintritt,  während  beim  Männchen  der 
Blasenhals  in  den  Urogenitalkanal  einmündet. 

Noch  sind  die  Nebennieren  zu  erwähnen,  die  als  gelbe,  rund- 
liche Körper  nach  innen  zu  vom  oberen  Nierenraude  liegen.  Die  rechte 
unmittelbar  am  oberen  Nierenrande,  die  linke  weitei-  davon  entfernt,  der 
Mittellinie  nahe. 

An    unserem    weiblichen    Exemplare   finden    wir   die   Ovarien   als 
zwei   abgeplattete,   eiförmige  Körper   dem   Psoasmuskel  aufliegend  und 


20.  Kursus:  Säugetiere.  309 

durch  ein  breites  Band  festgeheftet.  An  der  Oberfläche  des  reifen 
Ovariums  sieht  man  die  GRAAFschen  Follikel  als  Bläschen  vorspringen. 
Der  Eileiter  beginnt  mit  einem  \Yeiten,  mit  dem  festheftenden  Band  (Liga- 
mentum latum)  verbundenen  Trichter  und  tritt  jederseits  in  etwas 
geschlängeltem  Verlaufe  in  den  Uterus,  welcher  zweiteilig  ist.  Diebeiden 
ansehnlichen   Hörner   des   Uterus  münden   getrennt  in   die  Vagina  ein. 

Es  läßt  sich  das  leicht  sichtbar  machen,  wenn  wir  mit  der  Schere 
die  vordere   Wand   des  oberen  Teiles  der  Vagina   aufschneiden. 

Es  zeigen  sich  alsdann  zwei  vorragende,  krausenförmig  gefaltete 
Papillen,  auf  denen  die  beiden  Uteri  ausmünden  (s.  Fig.  172). 

Die  Vagina  verläuft  als  weites  Rohr  caudalwärts.  in  ihrem  hinteren 
Teile  in  den  Scheidenvorhof  (Sinus  urogenitalis)  eintretend.  An  der 
Gi'enze  der  eigentlichen  Scheide  und  des  Vorhofes  mündet  die  Harn- 
röhre ein.  In  den  Endabschnitt  der  Scheide  münden  zwei  Paar  Drüsen, 
die  den  CowPERschen  und  den  Präputialdrüsen  des  Männchens  entsprechen. 

Es  wird  nunmehr  die   Scheide  der  Länge  nach   aufgespalten. 

Während  die  Schleimhaut  der  Scheide  in  Längsfalten  gelegt  ist, 
ist  der  durch  etwas  vorspiingende  Querfalten  getrennte  Vorhof  glatt. 
Die  weibliche  Geschlechtsöffnung  ist  eine  weite  Spalte  mit  einer  festen, 
ziemlich  großen  Clitoris,  die  fast  ebenso  lang  ist  wie  der  Penis  des 
Männchens,  weshalb  bei  lebenden  Tieren  die  Unterscheidung  der  Ge- 
schlechter nicht  immer  ganz  leicht  ist. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Untersuchung  eines  männlichen 
Tieres  über. 

Die  Hoden  liegen  bei  jungen  männlichen  Tieren  an  der  dorsalen 
Wand  der  Bauchhöhle  und  wandern  vor  der  Geschlechtsreife  durch 
den  Leistenkanal  in  den  Hoden  sack,  der  durch  ein  Paar  muskulöse 
Ausstülpungen  der  Bauchwand  gebildet  wird.  Schneiden  wir  den 
Hodensack  auf,  so  sehen  wir  in  ihm  die  Hoden  als  langgestreckte,  ab- 
gerundete Körper  liegen.  Da  der  Leistenkanal  offen  bleibt,  so  ist  die 
Möglichkeit  vorhanden,  dat!  die  Hoden  einem  Strang  —  dem  Guberna- 
culum  Hunteri  —  entlang  in  die  Bauchhöhle  zurücktreten,  was  aber 
unter  normalen  Verhältnissen  beim  Kaninchen  nicht  eintritt. 

Am  dorsalen  Rande  jedes  Hodens  liegt  der  Nebenhode  (Epidi- 
dymis), aus  dem  WoLFFschen  Körper  (Urniere)  entstanden,  dessen 
Kanälchen  zu  den  Vasa  efferentia  werden.  Vorn  schwillt  der  Körper 
des  Nebenhodens  zum  Caput  epididyuiidis  an.  nach  hinten  bildet  sich 
die  stark  verschlungene  Cauda  epididymidis,  von  welcher  der  Samen- 
leiter (Vas  deferens)  abgeht.  Die  beiden  Samenleiter  verlaufen  nach 
vorn,  durch  den  Leistenring  in  die  Bauchhöhle  eintretend.  überl)rücken 
die  lieiden  Ureteren  und  treten  von  der  doi'salen  Seite  her  am  Blasen- 
grund in  den  Urogenitalkanal  ein. 

Wir  lösen  nunmehr  mit  der  Schere  die  Hoden  von  ihrer  Unterlage 
los  und  klappen  sie  nach  vorn.  Darauf  entfernen  wir  die  der  ventralen 
Seite  des  Beckens  aufliegende  Muskulatur,  legen  die  Schambeinsymphyse 
frei  und  kneifen  mit  einer  Knochenzange  die  Scham-  und  Sitzbeine  jeder- 
seits von  der  Schambeinsymphyse  durch.  Dann  heben  wir  den  abgetrennten 
medianen  Beckenteil  heraus,  indem  wir  soi'gfältig  die  beiden  Corpora 
cavernosa  penis  von  der  Hinterfläche  des  Sitzbeins  lostrennen.  Um  alle 
dorsal  vom  Urogenitalkanal  gelegenen  Teile  sehen  zu  können,  durch- 
schneiden wir  die  Bänder,  welche  den  Canalis  urogenitalis,  sowie  das  Rectum 
gemeinsam   umliüllen,   und   ziehen   Urogenitalkanal  samt  Blase  zur  Seite. 


310 


20.  Kursus:  Säugetiere. 


Es  liegt  nunmehr  der  Urogenitalkanal  frei  vor  uns,  und  wir  sehen 
ihn  dorsal  von  der  Symphyse  in  den  Penis  eintreten.  Nach  vorn  setzt  er 
sich  in  den  Hals  der  Harnblase  fort.  Die  beiden  Samenleiter  verlaufen 
auf  der  dorsalen  Seite  der  Blase,  zwischen  dieser  und  einem  medianen 
Sack,  der  früher  als  Uterus  masculinus  (Vesicula  prostatica)  be- 
zeichnet wurde,  jetzt  aber  als  zweizipfelige  Samenleiterblase  auf- 
gefaßt wird,  und  münden  getrennt,  ventral  von  der  vorderen  Wand 
dieser  Blase. 


Vena  Cava  inferior 
Aorta 

R.  Harnleiter 

Vas  deferens 

Kopf  des  Neben 
hodensl 

Ampulle  des  Vas 
deferens 

Hode 

Leisteni-ing 


Hode    im   Leistenkanal 


Vas  deferens 


Schwanz     des  gNeben- 
hodens 

Geöffneter  Hodensack 


M.  ischio-cavernosi 


Schwellkörper 


L.  Harnleiter 


Gubern.    Hunten 


_/    Enddarm 

Vas  deferens 

Kopf  des 
Nebenhodens 

Ampulle  des 
Vas  dfferens 

Hode 
Harnblase 


Hode  im  Leistenkanal 


Schwellkörper 
Vorhautdrüse 


Fig.  173.     Geschlechtsorgane  eines  jüngeren  männlichen  Kaninchens.     Orig. 

Die  klein  bleibende  Prostata  mündet  an  der  CoUiculus  se- 
min alis  genannten  Stelle,  an  welcher  auch  die  beiden  Samenleiter 
und  die  Samenleiterblase  eintreten.  In  ihrer  Nähe  liegen  seitlich  am 
Urogenitalkanal    noch   als   dünnwandige   Schläuche   auftretende   Drüsen. 

Will  man  die  Ausmündungsstellen  der  Vasa  deferentia  und  der 
Samenleiterblase  zur  Anschauung  bringen  so  schneide  man  den  Uro- 
genitalkanal  von  der  ventralen  Seite   her  auf. 

An  der  Stelle,  an  welcher  der  Urogenitalkanal  in  den  Penis  ein- 
tritt, liegen  die  beiden  Cow^per sehen  Drüsen. 


20.  Kursus:  Säugetiere.  311 

Der  Penis  ist  ein  langgestrecktes,  vorn  zugespitztes  Gebilde. 
Er  wird  seiner  ganzen  Länge  nach  vom  Urogenitalkanal  durchbohrt. 
Seine  dorsale  Wand  ist  sehr  gefäßreich  und  wird  gebildet  vom  Corpus 
spongiosum.  welches  sich  nach  vorn  zuspitzt  ohne  eine  eigentliche  Eichel 
zu  bilden,  während  sich  an  seiner  ventralen  Wand  zwei  Schwellkörper 
(Corpora  cavernosa)  vorfinden.  Eine  lose,  den  freien  Teil  des  Penis 
umgebende  Hautfalte  ist  das  Praeputium.  Auch  Präputialdrüsen 
sind  vorhanden.  Zwischen  Vorhaut  und  Mastdarm  finden  sich  außer- 
dem noch  andere  Drüsen,  die  Anal-  und  Inguinaldrüsen. 

Nachdem  wir  so  die  Anatomie  der  Baucheingeweide  beendet  haben, 
gehen  wir  zu  der  der  Brusteingeweide  über. 

Wir  öffnen  die  Brusthöhle,  indem  wir  das  Zwerchfell  unter  dem 
hinteren  Rande  des  Brustbeins  aufschneiden  und  mit  der  stai'ken  Schere 
rechts  und  links  vom  Brustbein  einen  Schnitt  nach  vorn  führen,  dabei 
die  Rippen  zerschneidend.  Am  vorderen  Ende  wird  dann  das  Brust- 
bein abgeschnitten  und  abgehoben.  Hierauf  gehen  vi^ir  weiter  kopfwärts 
und  spalten   die  Halsmuskeln   auf,   um   die   Trachea  freizulegen. 

Es  zeigt  sich  nunmehr  folgende  Lagerung  der  Organe.  Die 
Lunge  liegt  frei  in  der  Brusthöhle,  der  linke  Lungenflügel  ist  zwei- 
lappig, der  rechte  ist  in  drei  Lappen  zerfallen,  von  denen  der  untere 
nochmals  geteilt  ist.  Das  Zwerchfell,  welches  Brust-  und  Bauchhöhle 
trennt,  ist  dünn  und  besitzt  eine  ausgedehnte,  sehnige  Mittelscheibe 
(Centrum  tendineum).  Etwas  ventral  von  der  Mitte  des  Centrum 
tendineum  liegt  die  Durch  trittssteile  der  Vena  cava  inferior,  dorsal 
von  dieser  tritt  der  Oesophagus  hindurch  und  dicht  vor  der  Wirbelsäule 
die  große  Körperaorta.  Links  und  dorsal  von  der  Aorta  findet  sich 
der  Ductus  thoracicus,  ein  dünnwandiges,  die  Brusthöhle  durch- 
ziehendes Rohr,  welches  in  das  Gebiet  der  linken  vorderen  Vena  cava 
einmündet,  und  durch  Aufnahme  von  Lymphgefäßen  das  Lymphgefäß- 
system mit  dem  Venensystem  in  Verbindung  setzt. 

Die  beiden  hellroten  Lungenflügel  umschließen  das  mediane,  mit 
der  Spitze  nach  rechts  weisende  Herz,  über  dem  sich  Reste  der  bei 
jungen  Tieren  größeren  Thymus  nebst  Fettablagerungen  befinden. 
Umgeben  wird  das  Herz  selbst  vom  Herzbeutel,  einem  dünn- 
wandigen Sacke. 

Der  Herzbeutel  wird  vorsichtig  abpräpariert  und  dadurch  das  Herz 
samt  den  abgehenden  Gefäßen  freigelegt. 

Die  Gestalt  des  Herzens  ist  kegelförmig.  Aus  der  linken  Herz- 
kammer entspringt  die  Körperaorta,  die  sich  nach  links  wendet  und 
an  der  Wirbelsäule  als  Aorta  descendens  nach  hinten  verläuft.  An 
der  vorderen  Krümmung  entspringen  von  der  Aorta  zwei  große  Arterien, 
der  T 1-  u  n  c  u  s  a  n  o  n  y  m  u  s  und  die  Subclavia  s  i  n  i  s  t  r  a.  Der  Truncus 
anonymus  teilt  sich  weiter  in  die  beiden  gemeinsamen,  längs  der  Trachea 
zum  Kopfe  ziehenden  Carotiden  und  in  die  Subclavia  d extra. 
Beide  Subclavien  treten  in  die  Vorderextremitäten  ein.  Von  der  rechten 
Herzkammer  geht  die  Lungenarterie  ab,  die  sich  an  der  Stelle, 
wo  die  Bronchien  von  der  Trachea  abzweigen,  in  zwei  Äste  für  die 
beiden  Lungenflügel  spaltet.  Aus  der  Lunge  zurück  wird  das  arterielle 
Blut  durch  zwei  Lungenvenen  der  linken  Vorkammer  des  Herzens 
zugeführt.  Die  Körpervenen  verlaufen  im  allgemeinen  neben  den 
Arterien  und  vereinigen  sich  zu  drei  großen  Hohlvenen,  die  in  die 
rechte  Vorkammer  einmünden. 


312  2Ü.  Kursus:  Säugetiere. 

Die  Trachea  ist  ein  langes,  durch  dorsal  nicht  geschlossene 
Knorpelringe  gestütztes  Rohr,  welches  sich  in  der  Brusthöhle  in  die 
beiden  zu  den  Lungen  gehenden  Bronchien  teilt.  Vorn  geht  die 
Trachea  in  den  Kehlkopf  hinein,  der  ventral  und  seitlich  die  Car- 
tilago  thyreoidea  erkennen  läßt,  während  caudal  davon  die  ring- 
förmige Cartilago  cricoidea  liegt. 

Wir  spalten  nunmehr  Trachea  samt  Kehlkopf  durch  einen  ventralen 
Längsschnitt. 

Vorn  am  Kehlkopf  sehen  wir  alsdann  ventral  und  an  Iteiden  Seiten 
eine  große  Knorpelplatte  liegen,  die  Epiglottis,  welche  wie  ein  Deckel 
über  die  Mündung  des  Kehlkopfes  gezogen  werden  kann. 

Ferner  bemerken  wir.  daß  die  Cartilago  cricoidea  auf  der  dor- 
salen Seite  stark  erweitert  ist,  und  daß  ihr  die  beiden  Arytaenoid- 
Knorpel  aufsitzen.  Zwischen  Fortsätzen  dieser  beiden  und  der  Car- 
tilago thyreoidea  spannen  sich  die  beiden  Stimmbänder  aus. 

In  die  dorsale  Rinne  der  Trachea  eingebettet  liegt  der  Oesophagus, 
welcher  sich  wie  der  Kehlkopf  im  hinteren  Racheniaume  öÜ'net. 

Vor  dem  Kehlkopf  finden  sich  zwei  Speicheldrüsen,  die  ünter- 
kieferdrüsen  (Gl.  submaxillares),  und  gleich  davor  die  beiden  Unter- 
zungendrüsen (Gl.  sublinguales),  während  unterhalb  des  Kehlkopfes  der 
Trachea  die  rotbraune ,  zweilappige  Schilddrüse  (Gl.  thyreoidea)  aufliegt. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Untersuchung  des  Kopfes  über  und  be- 
trachten zunächst  Mundhöhle  und  Rachenhöhle,  die  wir  uns  sichtbar 
machen,  indem  wir  vom  Mundwinkel  aus  die  Backe  jederseits  durch- 
schneiden. 

Von  außen  wird  die  Mundhöhle  begrenzt  durch  die  Lippen,  die 
nichts  anderes  als  Hautfalten  sind.  Zur  Seite  liegen  die  Wangen, 
die  auf  der  Innenseite  einen  Streifen  behaarter  Haut  tragen.  Die  Mund- 
höhle stellt  ein  hinten  sich  erweiterndes  Gewölbe  dar,  dessen  Dach  von 
einer  dicken,  in  Querfalten  gelegten  Schleimhaut  überzogen  wird.  \'oi-n 
stehen  im  Ober-  wie  Unterkiefer  je  zwei  meißeiförmige  Schneide- 
zähne, von  denen  die  oberen  eine  mittlere  Längsfurche  aufweisen.  Die 
Vorderseite  der  Nagezähne  ist  mit  Schmelz  überzogen,  der,  wie  bei  der 
Hasenfamilie  überhaupt,  auch  auf  der  Rückseite  in  einer  dünnen  Schicht 
vorhanden  ist.  Bei  den  übrigen  Nagern  fehlt  er  hier,  und  das  ist  der 
Grund,  weshalb  diese  immerwachsenden  Zähne  (welche  also  bleibend 
eine  offene  Pulpahöhle  haben)  sich  fortwährend  abschleifen,  dadurch  die 
gleiche  Größe  behalten  und  stets  scharf  bleiben.  Hinter  den  oberen 
Schneidezähnen  liegen  zwei  kleinere  rundliche  Schneidezähne,  die  nur 
der  Hasenfarailie  eigentümlich  sind.  Sie  entsprechen  den  dritten  Incisiven, 
die  großen  Nagezähne  den  zweiten,  während  die  ersten  verloren  ge- 
gangen sind. 

Ein  weiter  Zwischenraum  trennt  die  Schneidezähne  von  den  Back- 
zähnen, von  denen  sich  oben  sechs,  unten  fünf  befinden.  Ihre  Kronen 
sind  durch  eindringende  Schmelzlamellen  quergefaltet.  Dicht  hinter 
den  kleinen  Schneidezähnen  des  Oberkiefers  liegen  zwei  feine  Längs- 
spalten, die  Nasengaumengänge,  welche  die  Mundhöhle  mit  der 
Nasenhöhle  verbinden. 

Mit  der  Lupe  können  wir  auf  der  Oberfläche  und  den  Seiten  der 
fleischigen  Zunge  verschieden  geforaite  Papillen  unterscheiden.  Im 
vorderen  Teile  und  besonders  an  der  Spitze  der  Zunge  dichter  stehend 
finden  sich  kleine  weiße  Tastpapillen  auf  ihr;  seitlich  von  den  letzten 


20.  Kursus:  Säugetiere.  31)3 

Molaren  liegen  zwei  ovale  Papulae  foliatae,  während  weiter  hinten 
zwei  kleinere  Papillae  circumvallatae  vorkommen.  Diese  Geschmacks- 
papillen  werden  vom  N.  glossopharyngeus  innerviert. 

Auf  die  Mundhöhle  folgt  die  oljen  vom  weichen  Gaumen  begienzte 
Ptachenhöhle.  Der  weiche  Gaumen  endet  hinten  im  Gaumensegel, 
welches  zwei  seitliche  Gaumenpfeiler  entsendet.  Hier  liegen  die  beiden 
deutlich   sichtbaren  Tonsillen,   die   lymphatische   Apparate   darstellen. 

Von  Speicheldrüsen  haben  wir  bereits  die  Gl.  sublinguales  und 
submaxillares  kennen  gelernt.  Exartikulieren  wir  auf  einer  Seite  den 
Unterkiefer  und  präparieren  die  Muskulatur  ab,  so  finden  wir  zwei 
weitere  Speicheldrüsen.  Vorn  und  unter  dem  Augapfel  liegt  jederseits 
die  Gl.  infraorbitalis  und  hinter  der  Gelenkfläche  des  Unterkiefers  die 
Gl.  parotis,  deren  Ausführungsgang,  der  Ductus  stenonianus,  sich  vorn 
in  die  Backenschleimhaut  öffnet. 

Schliei^lich  gehen  wir  zur  Untersuchung  des  Gehirnes  über,  und 
präparieren  es  folgendermaßen  aus  der  Schädelhöhle  heraus. 

Der  Kopf  wird  mit  dem  starken  Messer  vom  Rumpfe  abgeschnitten 
und  Haut  und  Muskulatur  vom  Schädel  abpräpariert.  Am  schnellsten 
kommt  man  zum  Ziele,  wenn  man  einen  Medianschnitt  von  der  Nase 
zum  Hinterhanptsloch  und  einen  zweiten,  senkrecht  darauf  stehenden 
Schnitt  führt  und  die  vier  Zipfel  abpräpariert.  Ist  die  Schädelkapsel 
freigelegt,  so  wird  sie  mit  der  Laubsäge  rings  herum  aufgesägt.  Man 
geht  dabei  vom  Hinterhauptsloche  aus  und  führt  jederseits  den  Säge- 
schnitt nach  vorn,  dicht  über  dem  Auge  hinweg.  Beide  Schnitte  werden 
vorn  durch  einen  transversalen  Sägeschnitt  verbunden,  und  dann  ver- 
sucht man,  unter  Einführung  des  starken  Messers  in  die  Schnittrinne 
das  abgesägte  Schädeldach  abzuheben.  Beim  Sägen  wie  beim  Abheben 
ist  große  Vorsicht  nötig,  um  nicht  ins  Innere  der  Schädelkapsel  einzu- 
stechen  und   das  Gehirn   zu  verletzen. 

Ist  die  Schädelkapsel  aufgehoben,  so  liegt  das  Gehirn,  in  seine 
Häute  eingehüllt,  frei  da.  Wir  schneiden  nun  vorsichtig  die  Dura  mater 
auf  und  ziehen  sie  soweit  als  möglich  mit  der  Pinzette  zur  Seite.  Die 
Weiterpräparation  erfolgt  vom  Hinterhauptsloche  aus.  Mit  einer  Knochen- 
zange erweitern  wir  die  Öffnung  zu  beiden  Seiten  des  hinteren  Hirn- 
abschnittes und  führen  vorsichtig  den  Stiel  des  Skalpells  unter  die  Basis 
der  Medulla  oblongata.  Die  austretenden  Nervenäste  werden  mit  einer 
feinen  Schere  oder  einem  dünnen  Skalpell  möglichst  entfernt  von  ihrem 
Ursprung  durchtrennt.  Größere  Schwierigkeiten  bildet  die  Gegend  der 
Schädelbasis,  welche  als  Sella  turcica  die  Hypophyse  aufnimmt.  Vor 
allem  hat  man  hier  Zerrungen  zu  vermeiden.  Sind  erst  die  Augen- 
nerven durchschnitten,  so  kann  man  vorsichtig  das  Gehirn  herausklappen 
und  nach  dem  Abschneiden  der  Geruchsnerven  in  ein  Gefäß  mit  schwachem 
Alkohol  gleiten  lassen.  Eine  wohl  zu  beachtende  Regel  ist  die,  niemals 
das  Gehirn   selbst  mit  Fingernägeln  oder  Instrumenten   zu  berühren. 

Sogleich  nach  beendeter  Herausnahme  sind  die  Hirnhäute,  auch  die 
Pia  mater,  völlig  zu  entfernen. 

Wir  beginnen  mit  der  Betrachtung  der  Oberseite  des  Gehirnes. 
Das  Vorderhirn  ist  stark  entwickelt,  die  beiden  Großhirnhemisphären 
sind  aber  noch  glatt  und  zeigen  noch  nicht  die  für  alle  höheren  Säuge- 
tiere charakteristischen  Furchen  und  Windungen.  V^orn  geben  sie  die 
beiden  ansehnlichen  Riechlappen  ab,  aus  denen  die  beiden  Riech- 
nerven  austreten,  hinten  überdecken  sie  das  Zwischenhirn  fast  völlig. 


314 


20.  Kursus:  Säugetiere. 


Vom  teilweise  ebenfalls  überdeckten  Mittelhiin  sieht  man  die  Vier- 
liügeb-egion  und  die  dem  vorderen  Paare  der  Vierliügel  aufliegende 
Zirbeldrüse,  welche  zum  Zwischenhirn  gehört.  Das  Hinterhirn  (Klein- 
hirn) ist  deutlich  in  drei  Abschnitte  geteilt,  einen  mittleren,  unpaaren, 
den  Wurm,  mit  acht  Querfalten  und  die  beiden  Kleinhirnhemisphären. 
Es  schließt  sich  weiter  nach  hinten  das  schmale  Nachhirn  (Medulla 
oblongata)  mit  der  Rautengrube  an.  Von  der  Basalseite  aus  sieht 
man  folgendes.  Die  beiden  Großhirnhemisphären  zeigen  hier  An- 
deutungen einer  Furchung,  von  denen  eine  als  SYLVische  Spalte  be- 
zeichnet werden  kann.  Zwischen  beiden  Großhirnhemisphären  liegt  als 
rundlicher  Körper  die  Hypophyse,  aus  einem  vorderen  und  hinteren 
Lappen  bestehend.  Vermittels  des  Hirntrichters  (Inf  undibulum)  sitzt 
sie  der  eiförmigen  Anschwellung  des  grauen  Höckers  (Tuber  cinereum) 
auf.     Vor  der  Hypophyse  sieht  man  die  Kreuzung  der  Sehnerven. 


Mantelspalte 


Riechlappen 


Ricchlappen 


Vorderliirn 


Vorderhirn 


Zirbel- 
drüse 


j .  Mittelhini 


(l'rura  cerebri 


Hinterhirn 
Hinterhirn 


Kleinhniilitiiusiili 


Wurm 
Kachhirn' 

Fig.  174.     Gehirn   des  Kaninchens   (aus  Wiedersheim).     A  von  der  Oberseite, 

B  von  der  Unterseite. 


Hypo- 
physe 


,^  rf — ~~xn 

J_  Medulla 


Vom  Mittelhirn  erblicken  wir  die  beiden  Hirn  Schenkel  (Crura 
cerebri),  welche  den  Vierhügeln  aufliegen.  Das  Kleinhirn  weist  auf 
der  Basalseite  eine  mächtige,  quere  Kommissur  zwischen  beiden  Klein- 
hirnhemisphären auf,  die  Brücke  (Pons),  welche  das  Nachhirn  um- 
schlingt. In  der  Medianlinie  wird  sie  von  einer  Längsfurche  durch- 
zogen. Das  Nachhirn  verschmälert  sich  nach  hinten  zu,  um  in  das 
Rückenmark  überzugehen.  Es  zeigt  auf  der  Basalseite  eine  Längsrinne, 
an  deren  beiden  Seiten  Anschwellungen  liegen. 

Schließlich  sind  noch  die  zwölf  Hirnnerven  unter  Zuhilfenahme 
der  Abbildung  Fig.  174  B  aufzusuchen.  Die  zwölf  Hirnnerven,  von 
denen  die  beiden  ersten  Teile  des  Gehirnes  selbst  sind,   sind  folgende: 

I.  N.  olfactorius,  2.  opticus,  3.  oculomotorius,  4.  trochlearis,  5.  trigemi- 
nus,  6.  abducens,  7.  facialis,  8.  acusticus,  9.  glossopharyngeus,  10.  vagus, 

II.  accessorius  Willisii.  12.  hypoglossus. 


Register. 


Abdomen   193. 
Acanthometra  22. 
Acepbalocyste  84. 
Achromatin  6. 
Achsenstrahl  21. 
Achsenzylinder  10. 
Acranier  243. 
Actinos])haerium  20. 
Act  in  lila  48. 

Adambulacralplatten  127. 
Adradien  ,ö9. 
Aestheten  150. 
Afterfeder  291. 
Afterfeld  120. 
Alcyoniuni  digitatum  66. 
Allautois  282. 
Aliila  292. 

Alveolarbäiimchen  304. 
Amboß  302. 
Ambulacralfurche  119. 
Ambulacralplatte   122. 
Anibulacralsystem  119. 
Ammoniten  172. 
Amnion  282. 
Amöben  17. 
Amöboide  Bewesfung  6. 
Amphibien  269." 
Amphidisken  39. 
Amphineuren  147. 
Amphioxiis  243. 
Ampullen  120. 
Ampullenkanal  127. 
Analcirren   117. 
Analdrüse  257. 
Anemonia  sulcata  69. 
Angelglied  206. 
Anneliden   102. 
Anodonta  165. 
Antennendrüse  190,  199. 
Anthomeduse  56. 
Anthozoa  63. 
Aorta  abdominalis  171. 
Aorta  cephalica  171. 
Aorta  descendens  234. 
Apex  154. 

Appendices  pyloricae  253. 
Ajiteria  296. 
Aquaeductus  Sylvii  232. 


Arachnida  211. 
Arachnoidea  233. 
Aranea  diadema  211. 
Arcella  19. 

Archipterygium  2.^7.  252. 
Armschwinge  292. 
Arrectores  pili  302. 
Arthropoda,  Systemat.  Über- 
blick 182. 
Articulamentum  149. 
Articulare  231. 
Arytaenoid-Knorpel  312. 
Ascaris  megalocephala  98. 
Ascidien  217. 
Ascontypus  34. 
Aspidochiroten  139. 
Asterias  rubens  I.   123. 
Asteroidea  122. 
Atax  168. 
Atlas  283. 
Atrium  245. 
Aurelia  aurita  60. 
Aurikeln  136. 
Avicularien  87. 
Axialorgan  126- 


Uadeschwamm  41. 
Balantidium   entozoon  282. 
Basalia  132. 
Basihyale  231. 
Basis  154. 
Baucheirren  109. 
Bauchsaugnapf  75. 
Bauchwarze  250. 
Beutelknochen  303. 
Bindegewebe  8. 
Birgus  latro  189. 
Bivium   121. 
Blättermagen  304. 
Blasenwurm  78. 
Blastula  29. 

Bojanussche  Organe  144, 162. 
Bombus  209. 
Borstenwürmei-  109. 
Bothriocephaliden  80. 
Bothryoide  Gefäße  108. 
Branchialsipho  144,  161. 


Branchiobdella    astaci    200. 
Branchiopoden  190. 
ßronchioli  294. 
Brückenbeuge  303. 
Bryozoen  89. 
Buccalcirrus  244. 
Buccalsipho  224. 
Bucephalus  168. 
Bürzeldrüse  292. 
Bulbilli  245. 
Bursae  120. 
Bursa  P'abricii  294. 

Calamus  295. 
Campanula  Halleri  252,  264. 
Campanularia   flexuosa   52. 
Campanulariiden  57. 
Canalis    neurentericus   217, 

244. 
Cannostomen  62. 
Capitulum  303. 
Cardia  304. 
Cardo  201 
Carina  293. 
Carotiden  234,  287. 
Carpus  232. 

Carterius  stepanowi  39. 
Cartilago  cricoidea  312. 
Cartilago  thyreoidea  312. 
Caryophyllaeiden  80. 
Cathammalplatten  54. 
Centrosoma  5. 
Centrum  tendineum  311. 
Cephalothorax   189,  212. 
Cercarien  76. 
Cerci  20t). 
Cerebralcirren  IL. 
Cerebralganglien  75. 
Cestoden  78. 
Chaetoguathen  93. 
Chaetopoden   109. 
Cheliceren  187,  213. 
Chiasma  nerv,  optic.  281. 
Chiastoneurie  143,  153. 
Chiton  148. 
Chitonen  146. 
Cliloragogenzelien   111. 
Choane  298. 


316 


Register. 


Chorda    dorsalis    216,    244, 

248. 
Chorioidea  233,  204. 
Cliromatin  6. 
Chromosomen  7. 
Chylus  234. 
Ciliaten  24, 
Cmclides  64. 
Ciona  intestinalis  223. 
Cirren  89. 
Cladoceren  190. 
Clava  squamata  51. 
Chivicula  232. 
Clitellum   111. 
Clitoris  309. 
Cnidocil  45. 
Codoniidae  56. 
Coelentei-ata,  Systematischei- 

Üherblick  29. 
Cölom  86. 
Coenenchym  65. 
Colliculus  seminalis  310. 
CoHozoum  inerme  23. 
Columl)a  domestica  295. 
Columella  154,  270. 
Condylus  occipitalis  283. 
Conjunctiva  263. 
Conus  arteriosus  253,    260. 
Coracoid  232. 

Cordylophora    lacustris    50. 
Coi-ium  230. 
Cornea  233,  263. 
Corpora  cavernosa  311. 
Corpus  callosum  303. 
Corpus  ciliare  264. 
Corpus  spongiosum  311. 
Coxa  202. 

CowPERsche  Drüse  310. 
Cri Stateila  mucedo  91. 
Crura  cerebri  314. 
Crustacea  188. 
Ctenoidschup2)e  236. 
Ctenophorae  70. 
Cuticula  7. 
Cuticularskelett  65. 
Cycloidschuppe  236. 
Cyste  16. 
Cystid  90. 
Cytopharynx  26. 


Damm  305. 
Daphnide  190. 
Darmdivertikel  124. 
Daumenschwielen  273. 
Deckepithel  7. 
Deckfeder  291. 
Deckgläschen,  Reinigen  4. 
Dendriten  9. 
Dentin  9,  233. 
Dentition  233,  303. 
Depressores  infundibuli  173. 
Dermalporen  36. 
Descensus  testiculorum  305. 
Deutomei'it  23. 
Diaphragma  92,  304. 


Dibranchiata  168. 
Diffhigia  19. 
Diphycerkie  251. 
Diplogaster  longicauda  101. 
Discomedusen  60. 
Discoplacenta  241. 
Dissepiment  88,  113. 
Distomum  hepaticum  76. 
Distomum  lanceolatum  76. 
Domoplacenta  241. 
Dotterstock  73. 
Drüse  7. 

Drüse,  grüne   199. 
Drüse,  HARDERsche  303. 
Drüsenepithel  7. 
Ductus  choledochus  276. 
Ductus  Cuvieri  253. 
Ductus  cystici  276. 
Ductus  hepatici  276. 
Ductus  stenonianus  313. 
Ductus  thoracicus  311. 
Ductus  wirsungianus  276. 
Dune  291. 
Duodenum  276. 
Dura  mater  232. 


Echinodermata  122. 
Echinodermata,      Systemat. 

Überblick   119. 
Echinoidea  130. 
Echinokokken  84. 
Echinorhynchus  poly- 

morphus  200. 
Echinus  esculentus  131. 
Eckflügel  292. 
Ectoprocten  9(J. 
Eingeweidesack  142. 
Einleitung  1. 
Eiweißdrüse  80. 
Ektoderm  29. 
Ektoplasma  15. 
Elaeoblast  227. 
Elytren  80,  110. 
Embryo,  sechshakiger  78. 
Endopodit  182,  189. 
Endostyl  216,  218,  224. 
Entoconcha  mirabilis  141. 
Entoderm  29. 
Entodermlamellen  54. 
Entomostraken  190. 
Entoplasma  15. 
Entoprocten  90. 
Ephemeridenlarve  211. 
Ephippium  193. 
Ephydatia  39. 
Ephjn-a  60. 

Epibranchialrinne  249. 
Epididymis  309. 
Epiglottis  304. 
Epimerit  23. 
Epigyne  214. 
Epiphragma  154. 
Epiphyse  232,  281. 
Epipodit  182,  189. 
Episternum  232. 


Ei)istom  92. 
Ej)istroi)heus  283. 
Epithelgewebe  7. 
Epithelmuskelzelle  46. 
Ethmoidea  231. 
Ethmoturbinale   .303. 
Euglena  17. 
Euplectella  41. 
Eustachische  Röhre  298. 
Exkretionsporus  99. 
Exopodit  182,   189. 
Extracapsulum  22. 
Exumbrella  54. 

Facettenauge  182,  189. 
Fahne  291. 
Fascia  dorsalis  273. 
Faserknorpel  8. 
Feder  291. 
Federfluren  292. 
Federraine  292. 
Ferse  209. 
Fibula  232. 
Fierasfer  acus  141. 
Finne  78. 
Flagellaten  17. 
Flaumfeder  291. 
Flimmei'bewegung  6. 
Flimmerbögen  225. 
Flimmerepithel  7. 
Flimmerorgan  222. 
Flußkrebs  193. 
P'lußmuschel   162. 
Foramen  ovale  270. 
Foramen  Panizzae  284. 
Foramen  parietale  284. 
Foraminiferen  19. 
Frontalia  231. 
Frosch  272. 
Fühlercirren  118. 
Füßchenkanal  127. 
Funiculus  87,  91. 
Furcula  293. 
Furchungsprozeß  29. 
Fußblatt  42,  64. 

Grabelstücke  135. 

Gallertgewebe  8. 

Ganglienzelle  9. 

Ganoidschuppe  236. 

Gasterostomum  fimbriatum 
168. 

Gastralfilament  60. 

Gastral  laschen  59. 

Gastralwülste  59. 

Gastrogenitalmembran  60. 

Gastrovaskularhöhle  69. 

Gastrovaskularsystem  29. 

Gastrula  29. 

Gefäße,  bothryoide  108. 

Geißelbewegung  6. 

Geißelepithel  7. 

Geißelkammer  34. 

Gelatinelösung  zur  Verlang- 
samung der  Bewegung 
mikroskopischer  Tiere  17. 


Register. 


317 


Gemmulae  39. 
Genitalplatten  130. 
Geodia  -iL 

Geschmackskegel  249. 
Gewebe  5,  7. 

Glandula  infraorbitalis  313. 
Glandula  parotis  804,  313. 
Glandula   subungualis   304, 

312. 
Glandula  submaxillaris  304, 

312. 
Glocliidium  167. 
Glomus  245. 
Glossae  201,  207. 
Gnathobdelliden  103. 
Gonophoren  43. 
Gonothek  50. 
GRAAFsche  Follikel  309. 
Grannenhaar  302. 
Grasfrosch  272. 
Gregarine  116. 
Gregarina  blattarum  23. 
Greifhaken  93. 
Griffel  206. 

Grollhirnhemisphären  232. 
Grüne  Drüse  199. 
Grundlaniellen  9. 
Gubernaculum  Hunteri  309. 


Haare  301. 
Haarbalg  302. 
Haarflur  302. 
Hämalbogen  260. 
Hämalri])pen  231,  251. 
Hämapoi)hysen     230,     251. 
Haftglied  206. 
Haftscheibe  75. 
Halteren  202. 
Hammer   302. 
Handschwinge  292. 
HARDERsche  Drüse  303. 
Hartstrahlen  251. 
Hauptdarm  54. 
Haustaube  295. 
Hautmuskelschlauch  73. 
HAVP:RSischen  Kanäle  9. 
HAVERSischen  Lamellen  9. 
Hectocotylus  171. 
Heliozoen  20. 
Helix  pomatia  155. 
Heterocerkie  251. 
Heterodontie  240. 
Hilfsmittel   1. 
Hinterhirn  232,  281. 
Hinterzungendrüse  298. 
Hirnnerven  314. 
Hirudineen  102. 
Hirudo  medicinalis  103. 
Hörbläschen  171. 
Hörgrübchen  193. 
Holothuria  tubulosa  139. 
Holothurioidea  137. 
Homocerkie  252. 
Homodontie  240. 
Hornschwamm  41. 


Hüftglied  202. 
Humerus  232. 
Hummel  209. 
Hyalinknorpel  8. 
Hyalonema  41. 
Hydra  43. 
Hydrant  48. 
Hydroidpolypen  41. 
Hydromeduse  53.  54. 
Hydro rhiza  51. 
Hydrotheken  52. 
Hyoid  231. 
Hyomandibulare  231. 
Hyperbranchialrinne      244. 
Hypobranchialrinne        216, 

220,  244. 
Hypodermis  99. 
Hypopharynx  201 ,  207,  21 1 . 
Hy])oi)hyse  222,  232,   281. 


Ileum  232. 
Licus  302. 

Li  f  ramargi  n  al  platten  1 29 . 
Lifundibulum  281. 
Inguinaldrüse  311. 
Liscriptiones  tendineae  273. 
Insekten  200. 
Instrumentenkasten  1. 
Litegripalliaten  161. 
Interambulacra  120,  132. 
Litercalaria  230. 
Intercellularsubstanz  8. 
Intercostalgelenk  292. 
Internodien  59. 
Litertarsalgelenk  284,   293. 
Investibulum  294. 
Iris  264. 


Kalkdrüsen  302. 
Kalkkörperchen  82. 
Kalkring  121,  141. 
Kaninchen  307. 
Kauladen  206. 


KEBERsche  Organe  165. 
Kehldeckel  304. 
Kelch  42. 
Keratin  34. 
Kern  6. 

Kernkörjjerchen  6. 
Kernmembran  6. 
Kernsaft  6. 
Kernteilung  7. 
Kerona  pediculus  28,  47. 
Kieferfühler  213. 
Kiefertaster  206,  213. 
Kiel  291. 

Kiemenbalken  228. 
Kiemenbäume  138,  139. 
Kiemenbläschen  129. 
Kiemendarm  220,  233. 
Kiemendeckel  236. 
Kiemensäckchen  191. 
Kiemenstäbe  248. 
I  Kinn  206. 


Kleinhirn  232,  281. 
Kloakalhöhle  164. 
Kloakalsipho  144,  161.  224. 
Kloakenrohr  38. 
Knochengewebe  8. 
Knochenzelle  9. 
Knopf  49. 
Knorpeigewebe  8. 
Knospung   16. 
Körbchen  209. 
Kometenform  123. 
Konjugation  16. 
Kontraktile  Vakuolen  1 6. 
Konturfeder  291. 
Ko])fnerven  232. 
Kopulation  16. 
Korallentiere  63. 
Kranzdarm  59. 
Krebsaugen  198. 
Krebstiere  188. 
Kreuzspinne  211. 
Kristal  Ikegel  192. 
Kristallstiel  161. 
Kubisches  Epithel  7. 


Labmagen  304. 
Labyrinth  233. 
Lacerta  agilis  286. 
Lateralrippen  231,  251. 
Laterne  des  Aristoteles  130, 

135. 
Laufknochen  293. 
LACRERscher  Kanal  76. 
Leberhörnchen  192. 
Leberschläuche  123. 
Leckzunge  201. 
Lemnisken  87. 
Lepus  cuniculus  307. 
Leptocardier  243. 
Leptomeduse  57. 
Leuciscus  rutilus  264. 
Leueontypus  34. 
Liebespfeilsack   155,  159. 
Ligamenta    intt^rvertebralia 

231. 
Ligamentum  latum  309. 
Liguliden  80. 
Linin  6. 
Linse  264. 
Liriope  eurybia  58. 
Literatur    über    mikroskop. 

Technik  5. 
Lobi  olfactorii  223,  281. 
Lophophor  90. 
Lumbricus  herculeus  110. 
Lungenalveolen  304. 
Lungensäcke  214. 
Lymphgefäße  234. 
Lymphlierzen  272. 
Lymphzelle  111. 


3Jadreporenplatte  119. 
Malleus  302. 
Mamniarorgan  302. 


318 


Register. 


Mandel  304. 

Mandibulare  231. 

Magenzähne  198. 

Mantel   142. 

Mantelfalte  154. 

Mantelhöhle  142. 

Mantelsaum  160. 

Manteltiere  217. 

Marginalia  122. 

Marginaltaschen  ö9. 

Markschicht  20,  82. 

Markstränge  147. 

Mauerblatt  42,  64. 

Maxillare  231. 

Maxillipalpen  187,  213. 

Maxilloturbinale  303. 

MedullaiTinne  217,  232. 

Medullarrohr  217. 

Meduse  43,  53. 

Medusoide  Gonophoren  43. 

Mentum  201. 

MEiBOMsche  Drüse  303. 

Mesenterialfilament  64. 

Mesenterium  94,  233. 

Mesobronchu's  294. 

Mesoderm  29. 

Mesodermwulst  49. 

Mesoektoderm  33. 

Mesothorax  201. 

Metacarpus  232. 

Metapleuralfalten  245,  246. 

Metatarsalia  232. 

Metathorax  201. 

Metazoa  29. 

Milchdrüsen  302. 

Mikroskop  1. 

Mikrosonien  5. 

Miracidium  76. 

Mitose  7. 

Mittelhirn  232. 

Molaren  304. 

Mollusca,  Systemat.  Über- 
blick 142. 

Monactinelliden  38. 

Monocystis  tenax   24,    116. 

Mücke  211. 

MÜLLERscher  Gang  234, 254. 

MÜLLERsches  Gesetz  23. 

Mundrohr  54. 

Mundscheibe  64. 

Mundsegel   164. 

Muscheln  160. 

Musculus  longissimus  dorsi 
273. 

Musculus  obliquus  extemus 
273. 

Musculus  pectoralis  273. 

Musculus  pectoralis  major 
206. 

Musculus  rectus  abdominis 
273. 

Musculus  sternoradialis  273. 

Muskelfahne  66. 

Muskelgewebe  9. 

Myelin  10. 

Myocommata  244,  250. 


Myomeren  244. 
Myoneme  16. 
Myotom  230,  244. 
Myxospongien  34. 

IVachhirn  232,  281. 
Nackenbeuge  303. 
Nackenfurche  193. 
Nahrungsvakuolen  16. 
Nasalia  231. 
Nauplius  182,  190. 
Naupliusauge  189. 
Nausithoe  punctata  62. 
Navicula  116. 

NEEDHAMsche   Tasche  171. 
Nebenauge  192. 
Nebenfahne  291. 
Nebenhode  .309. 
Nematoden  96. 
Nephridium  88,  103. 
Nephrostom   113,  156. 
Nereis  pelagica  117. 
Netz  307. 
Netzmagen  304. 
Nervengewebe  9. 
Nervus  ischiadicus  280. 
Neuralbogen  260. 
Neurapophysen  230,  251. 
Neurilemm  10. 
Neuron  9. 

Neuroporus  217,  244. 
Nesselkapsel  45. 
Nesselzelle  45. 
Nieren  sack  167. 
Nierenspritze  156. 
Nidamentaldrüse    172,    175. 
Nidamental  Organ  259. 
Notum  201. 
Nuclein  6. 
Nucleus  6. 
Nucleolus  6. 
Nyctotherus  cordiformis282. 

Obelia  geniculataT  57. 
Objektträger,  Reinigen  4. 
Occipitalia  231. 
Ocellarplatten  1.30. 
Ocellus  225. 
Odontoblasten  9. 
Ohrspeicheldrüse  304. 
Oligochäten  HO. 
Omentum  307. 
Oncosphaera  78. 
Ootyp  78. 

Opalina   ranarum    28,    281. 
Operculiim   154. 
Opisthobranchier  154. 
Organellen  15. 
Orthoneurie  143,  153. 
Oscarella  lobularis  36. 
Os  coccygis  270. 
Osculum  33. 
Os  ischii  232. 
Osphradien  142. 
Os  pubis  232. 


Ossein  8. 
Osteoblasten  8. 
Os  transversum 
Otica  231. 


283. 


Palatinum  231. 
Palatoquadratum  231. 
Palpus  labialis  201. 
Palpus  maxillaris  201. 
Pancreas  170. 
Pansen  304. 

Papulae  circumvallatae  313. 
Papulae  foliatae  313. 
Papilla  urogenitalis  268. 
Paraglossae  201. 
Paramaecienfalle  14. 
Paramaecienzucht  14. 
Paramaecium   aurelia  24. 
Paramoeba  eilhardi  18. 
Paranuclein  6. 
Parapodien  109,  118. 
Parasphenoid  231. 
Paraxondrüse  123,  126. 
Parietalia  231. 
Parietalorgan  232. 
Paxillen  122. 
Pecten  293. 

Pedalganglien  142,  147. 
Pedalstränge  147. 
Pedes  spurii  195. 
Pedicellarien  122. 
Pellicula  25. 

Peribranchialraum  216,  245. 
Pericard  142,  147. 
Pericardialdrüse  178. 
Pericardialsinus  203. 
Perichondrium  8. 
Periderm  48. 
Perineum  305. 
Periplaneta   orientalis    203. 
Periproct  120,  1.30. 
Peristom  130. 
Peristomialcirren  118. 
Peritoneum   1 1 6. 
Perlen   161. 
Perlmutterschicht  161. 
Perradien  59. 
Pflasterepithel  7. 
Pfortaderkreislauf  305. 
Phacellen  62. 
Phagocytäre  Organe  97. 
Phyllopoden  190. 
Pia  mater  233. 
Pigmentbecher  249. 
Pigmentzellen  8. 
Pilidium  86. 
Pinnulae  120. 
Placenta  241,  227,  305. 
Plakoidschuppen  236,   257. 
Plastogamie  16. 
Plathelminthes  73. 
Piatodes  73. 
Plattenepithel  7. 
Plattwürmer  73. 
Pleurae  201. 


Register. 


;i9 


Pleuralganglien  147. 

PleuroLrachia  pileus  70. 

Pleurovisceralstränge     147. 

Plexus  brachialis  280. 

Plexus  ischio-coccygeus  280. 

PoLische  Blase  128. 

Polplatten  71. 

Polvchäten  HO. 

Polypid  90. 

Polystomum  integerrimum 
282. 

Pons  Yaroli  303. 

Porifera  33. 

Porus  abdominalis  245. 

Porus  genitalis  2.54. 

Postabdomen  187. 

Potamobius  astacus  193. 

Praecoracoid  232. 

Praemaxillare  231. 

Praemolar  304. 

Praeputium  311. 

Praerhipidoglossum  146. 

Primordialcranium  231. 

Prismenschicht  161. 

Processus  coracoideus   303. 

Processus    falciformis    2.52. 

Processus  spinosi  231. 

Processus  uncinatus  293. 

Processus    xiphoideus    274. 

Proglottiden  79. 

Propodium  143. 

Prosobranchier  154. 

Prosopygier  90. 

Prostata  159.  310. 

Prothorax  2Ö1. 

Protomerit  23. 

Protoplasma  5. 

Protopodit   182. 

Protozoa  14. 

Protozoa,  Systemat.  Über- 
blick 11. 

Psammospongien  34. 

Pseudonavicelle  24,  116. 

Pseudonavicellencyste    116. 

Pseudohämalkanal  130. 

Pterygoid  231. 

Pterygopodien  255. 

Pterylae  296. 

Pulpa  233. 

Pupille  264. 

Pylorus  304. 

<c^uadratum  231, 

Räderorgan  85. 
Radialkanäle  54. 
Radialplatte   1 32. 
Radialtuben  35. 
Radiolarien  22. 
Radius  232. 
Radula  147,  154. 
Randbläschen  58. 
Randlappen  59. 
Rana  muta  272. 
Rana  temporaria  272. 
Raphe  244. 


Rautengrube  232,  281. 
Receptaculum  seminis  76. 
Redie  76. 

Rektaldivertikel  126. 
Renoperikardialkanal  147. 
Reptilien  282. 
Rete  Malpighii  230. 
Retina  233. 
Retractor  penis  159. 
Rhabdonema   nigi-ovenosum 

282 
Rhabditis  282. 
Rhabditis  teres  101. 
Rhachis  101,  295. 
Rhodeus  amarus  168. 
Rhynchobdelliden  103. 
Rhynchocephalen  283. 
Riechgruben  171. 
Riechlappen  232,  313. 
Rindenschicht  20,  82. 
Ringelwürmer  102. 
Ringkanal  54,  64,  123. 
Rippengefäße  72. 
Rippenquallen  70. 
Rostellum  79. 
Rostrum  193. 
Rotulae  135. 
Rückencirren   109. 
Rückenporen   111. 

Sacculus  233. 
Sacralwirbel  232. 
Säugetiere  301. 
Sagitta  bipunctata  95. 
Salpa  africana  225,  226. 
Sarcolemma  9. 
Sarsia  eximia  56. 
Sattel  111. 
Saugwiirmer   lö. 
Sauropsiden  291. 
Scapula  232. 
Schaft  291,  295. 
Schalenauge  148. 
Schalendrüse  190. 
Scheitelaufsatz  57. 
Scheitelauge  284. 
Scheitelbeuge  303. 
Schenkelring  202. 
Schilddrüse  274. 
Schloiiband  163. 
Schmetterling  210. 
Schnecke  146,  151,  233. 
Schornstein  36. 
Schulp  180. 
Schulterfittich  292. 
Schuppe  195. 
Schwämme  33. 
ScHWAXXsche  Scheide    10. 
Schweißdrüsen  302. 
Schwimmblase  236. 
Schwungfeder  292. 
Sclera  263. 
Scleroticalring  284. 
Sclerotom  230. 
Scolex  79. 
Scutum  201. 


Scyllium  canicula  254. 
Scyphistoma  59. 
Scyphomedusen  53,  59. 
Scyphopolypen  59. 
sechshakiger  Embryo  78. 
Seeigel  130. 
Seesterne  122. 
Seewalzen  137. 
Sehhügelregion  232. 
Segmentalorgane  104. 
Selachier  251. 
Sella  turcica  313. 
Semostomen  60. 
Sepia  officinalis  172. 
Septen  64. 

Simocephalus  vetulus  190. 
Sinnesepithel  8. 
Sinupalliaten  161. 
Sinus  venosus  260. 
Sipho  143. 
Siphonoglyphe  64. 
Sklerosepten  65. 
Spadix  48. 
Spermatophorentasche    171, 

178. 
Sphenethmoid  269. 
Sphenoidea  231. 
Spicula  66,  87,  98. 
Spinalganglion  232,  280. 
Spinalnerv  232,  280. 
Spindelmuskel  152. 
Spinnapparat  214. 
Spinnentiere  211. 
Spinnfeld  215. 
Spinnrühre  215. 
Spinnwarze  214. 
Spiraculum   143. 
Spiralfaden  208. 
Spongilla  36,  39. 
Spongin  34. 
Spongoblasten  41. 
Sporenbildung  16. 
Sporoblasten  24. 
Sporocyste  76. 
Sporozoen  23. 
Sporozoit  24. 
Spritzloch  233. 
Spürorgane  86. 
Spule  291,  295. 
Squamosum  231. 
Stämme  des  Tierreiches  10. 
Sta])es  302. 
Stativlupe  2. 
Statoblasten  87,  91. 
Steigbügel  302. 
Steinkanal   119. 
Stemmata  182. 
Stentor  28. 
Sternalkanal  199. 
Sternum  201,  232. 
Steuerfeder  292. 
Sticho])us  regalis  141. 
Stielglied  206. 
Stigmata  185. 
Stilette  45. 
Stipes  201. 


320 


Register. 


Stirnauge   189. 
Stolonen  50. 
Stolo  prolifer  22G. 
Stratum  corneuni  230. 
Strobila  59. 
Stützgewebe  8. 
Stützlamelle  42. 
Stützmembran  7. 
Styela  plicata  218. 
Subcuticula  99. 
Subcuticularschiclit  79. 
Subdermalräume  37. 
Subgenitalhöhle  öO. 
Subgenitalsaal  60. 
Submentum  201. 
Subneuralgefäß  ]17. 
Subumbrella  54. 
Süßwasserscliwamm  36. 
Sujjramarginalplatten  129. 
Sycandra  raplianus  34. 
Sycontj'pus  34. 
SYLVische  Spalte  314. 
Synapta  digitata  141. 
Syncoryne  eximia  56. 
Syrinx  294. 

Taenia  80. 

Taenia  echinococcus  84. 
Taeniiden  80. 
Täniolen  59. 
Tapetum  264. 
Tapetum  nigrum  233. 
Tarsus  232/ 
Tasthaar  302. 
Taube  295. 

Teichmuschel  162,  165. 
Teilung  16. 
Tegmentum  149. 
Teleostier  251. 
Telson  196. 
Tergum  201. 
Terminalfühler  123. 
Tetrarhynchiden  80. 
Thalamophoren  19. 
Theonella  4] . 
Thymus  289. 
Thyreoidea  274,  289. 
Tiara  pileata  57. 
Tiaridae  57. 
TiEDEMANNsche      Körper- 

chen  123. 
Tibia  232. 
Tintenbeutel  170. 


Tintenfische  160,  168. 

Tonsillen  304. 

Tornaria  89. 

Tränendrüse  303. 

Tracheenkiemen  211. 

Tracheenlungen  187. 

Trachymeduse  58. 

Trematoden  75. 

TßEMBLEYscher  Umkeh- 
rungsversuch 47. 

Trichocysten  2."). 

Trichodina  pediculus  47. 

Trichter  71.   103. 

Trichterkla])pe  178. 

Trivium   121,   138. 

Trochanter  202. 

Trochophora  89,  110. 

Trochospongilla  .39. 

Truncus  anonymus  311. 

Tuba  Eustachii  270. 

Tulier  cinereum  281. 

Tuberculum   303. 

Tubularia  larynx  48. 

Tunica  externa  218. 

Tunica  interna  218. 

Tunicata  217. 

Tunicata,  Systemat.  Über- 
blick 216.' 

Tympanicum  231. 

Typhlosolis   113.    167. 

TUlmariidae  60. 
Ulna  232. 
Umbo  154. 
Umbrella  54. 
Unio  102. 

Unterkieferdrüse  304. 
Unterkinn  206. 
Unterzungendrüse  304.  j 
Urdarm  29. 
Urmund  29. 
Urniere  234. 
Uropoden  195. 
Uterus  bicornis  305. 
Uterus  duplex  30.5'. 
Uterus  masculinus  310. 
Uterus  Simplex  305. 
Utriculus  233. 
Uvula  304. 

"Vasa   Malpighii    185,   202. 
Velarlappen  61. 
Veligerlarve  142.  155. 
Yelum  54,  164. 


Vena  subintestinalis  245. 
Verlängertes  Mark  232. 
Vermes  85. 

Vertebrata,  Systemat.  Über- 
blick 230. 
Vesicula  prostatica  310. 
Vesicula  seminalis  259. 
Vibracularien  87. 
Vibrissae  302. 
Vierhügelregion  232. 
Visceralganglien    142,    147. 
Visceralskelett  231. 
Vögel  291. 
Vomer  231. 
Vorderhirn  232,  281. 
Vorhöhle  167. 
Vorniere  234. 
Vorticella  26. 

"Wachsbecken  1. 
Wachshaut  295. 
Wasserlunge  121,  138. 
Weichstrahlen  251. 
Wimperepithel  7. 
Wirl)el  163. 

WoLFFscher  Gang  234,  254. 
Wollhaar  302. 
Wurm  85.  293. 
Wurmfortsatz  308. 

Zäpfchen  304. 
Zahnfortsatz  283. 
Zahngewebe  9. 
Zahnieiste  233. 
Zauneidechse  286. 
Zelle  5. 

Zellenmund  17. 
Zellmembran  6. 
Zellorgane  15. 
Zentralkapseln  22. 
Zoea  183.  190. 
Zone  150. 
Zonula  Zinna  264. 
Zoochlorella    parasitica    37. 
Zooecium  90. 
Zooxanthellen  22. 
Zungenkegel  58. 
Zwerchfell  304. 
Zwergmännchen  85,  183. 
Zwischenhirn  232,  281. 
Zwischenkieferstück  135. 
Zwitterdrüse  155. 
Zylinderepithel  7. 


Druck  von  Am.  Kämpfe,  Jena. 


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—  Die  Pärbungen  der  Tiere  imd  ihre  Beziehung  auf  Seiektionsvorgänge.  —  Eigentliche Mimicry. 

—  Schutzvorrichtungen  bei  Pflanzen.  —  Fleischfressende  Pflanzen.  —  Die  Instinkte  der 
Tiere.  —  Lebensgemeinschaften  der  Symbiosen.  —  Die  Entstehung  der  Blumen.  —  Sexuelle 
Selektion.  —  Intraselektion    oder  Historaisclektion.  —  Die  Fortpflanzung  der   Einzelligen. 

—  Die  Fortpflanzung  durch  Keimzellen.  —  Der  Befruchtungsvorgang  bei  Pflanzen  und 
Einzeiligen.  —  Die  Keimplasmatheorie.  —  Regeneration.  —  Anteil  der  Eltern  am  Aufbau 
des  Kindes.  —  Prüfung  der  Hypothese  einer  Vererbung  funktioneller  Abänderungen.  — 
Einwürfe  gegen  die  Xichtvererbung  funktioneller  Abänderungen.  —  Germinalselektion.  — 
Biogenetisches  Gesetz.  —  Allgemeine  Bedeutung  der  Amphimixis.  —  Inzucht,  Zwittertum, 
Parthenogenese  und  asexuelien  Fortpflazung  und  ihr  Einfluß  auf  das  Keimplasma.  — 
Mediumeinflüsse.  —  AVirkungen  der  Isolierung.  —  Entstehung  des  Artbildes.  —  Arten - 
entstehung   und  Artentod.   —  Erzeugung  und  Entwicklung.  —  Schluß. 

üergleicbende  .Hnatomie  der  lüirbeltiere.  ]'"'■  |t"fiieie»de  bearbeitet  von 

2 '. Dr.  Robert  Wieaersheiin,  o.  o. 

Prof.  der  Anatomie  und  vergleichenden  Anatomie,  Direktor  des  anatomischen 
Instituts  der  Universität  Freiburg  i.  Er.  Siebente,  vielfach  uugearbeitete 
und  stark  vermehrte  Auflage  des  „Grundriß  der  vergleichenden  Anatomie 
der  Wirbeltiere''.  Mit  1  lithographischen  Tafel  und  476  Abbildungen  in  87.'> 
Einzeldarstellungen.     1909.     Preis:  21  Mark,  geb.  23  Mark  50  Pf. 

200i0aisd)eS   lüÖrterbUCb.  EikUimng  <ler  z.mlogischen  Fachausdrucke.  Zum 

2 . L.  Gebrauch  beim  btiidium  zoologischer,  entwicklungs- 

geschichtlicher  und  naturphilosophischer  Werke.  Verfaßt  von  Dr.  E.  Bresslau, 
Prlvatdozeiit  in  Straßburg  i.  E.,  Prof.  Dr.  J.  Eichler  in  Stuttgart,  Prot. 
Dr.  E.  Fraas  in  Stuttgart,  Prof.  Dr.  K.  Lampert  in  Stuttgart,  I)r.  Hein- 
rich Schmidt  in  Jena  und  Prof.  Dr.  H.  E.  Ziegler  in  Jena,  heraus- 
gegeben von  Prof.  Dr.  H.  E.  Ziegler  in  Jena.  XVI,  645  Seiten  Text  und 
529  Abbildungen.     1909.     Preis:  9  Mark.  geb.   10  Mark. 

Die  Uererbungslebre  in  der  Biologie.  J^^\  an  der^^uiViärsuS' jen^a'^^Mk 

9  Figuren  im  Text  und   2  Tafeln.     ]9<)5.     Preis:  2  Mark. 


VERLAG  von  GUSTAV  FISCHER  in  JENA. 


lebrbud)  der  uergleicbenden   €ntü)ichlun9$9esd)id)te  der  niederen 

IDirbeltiere    '"  systematischer    Reihenfolge  und    mit    Berücksich- 

tigung  der  e  X  p  e  r  i  ni  e  n  t  e  1 1  e  n  Embryologie.     Von  Dr. 

Heinrich  Ernst  Ziegler,  Prof.  au  der  Univ.  Jena.  Mit  327  Textabbildungen 
und  einer  farbigen  Tafel.     1902.    Preis:   10  Mark,  geb.  11  Mark. 

lüeltSpraCbe    und    U)iSSensd)aft.    Gedanken  über  die   Einführung  der  inter- 

. nationalen  Hilrssprachc  m  die  Wissenschaft. 

Von  Ij.  Coutnrat,  Prof.  an  der  Sarbonne  Paris,  O.  Jespersen,  Prof.  an  der 
Universität  Kopenhagen,  R.  Lorenz,  Prof.  am  eidg.  Poltyechnikum  Zürich, 
W.  Ostwald,  em.  Prof.  an  der  Universität  Leipzig  (Groß-Bothen),  L.  Pfanndler, 
Prof.  an  der  Universität  Graz.     1909.     Preis:  1  Mark. 


Die  Süßiuasserfauna  Dcutsd)lands.  ^Slratgegr,f:r 

Prof.  Dr.  Braner  (Berlin). 
*Heft     1 :  Mamnialia,  Aves,    Reptilia,  Amphibia,    Plsces.     Von    P.    Matschie, 

A.  Reichenow ,   G.   Tomier,    P.    Fappenheim.     Mit    173  Figuren    im 
Text.     Preis:  ü  Mark,  geb.  5  Mark  50  Pf. 
Heft     2 :  Diptera. 
*  Heft  3/4:  Coleoptera.     Von  Edmund  Reitter.     Mit  101  Figuren  im  Text.    Preis: 

5  Mark,  geb.  5  Mark  50  Pf. 

*Heft5/6:  Trichoi>tera.     Von    Georg-   Ulmer.     Mit  467  Figuren  im  Text.     Preis: 

6  Mark  50  Pf.,  geb.  7  Mark  20  Pf. 

*Heft  7 :  Collenihola,  Nenroptera,  Hymenoptera,  Rhynchota.  Von  R.  u.  H.  Hey- 
monsu.Th.Kuhlgatz.  Mit  111  P^ig.  im  Text.  Preis:  2;M.  40  Pf.,  geb.  3  M. 

*Heft  8 :  Ephemeridae,  Plecoptera  u.  Lepidoptera.  Von  Fr.  Kläpalek,  K.  Grün- 
berg-.     Mit  260  Figuren  im  Text.     Preis H:  Mark,  geb.  4  Mark  50  Pf. 

*Heft  9 :  Odonata.  Von  P.  Ries.  Mit  29  Fi^.  i.  Text.  Preis :  2  Mark,  geb.  2  Mark  50  Pf. 
Heft  10:  Phyllopoda.  Von  L.  Keilhack.  Mit  265  Figuren  im  Text.  Preis: 
3  Mark,  geb.  3  Mark  50  Pf. 

*Heft  11:  Copepoda,    Ostracoda,   Malacostraca.     Von   C.    van   Douwe,    Eugen 

Neresheimer,  V.  Vävra,  Ludwig*  Keilhack.     Mit  505  Figuren  im  Text. 

Preis:  3  Mark  50  Pf.,  geb.  4  Mark. 
*Heft  12:  Araneae,  Acarina  und  Tardigrada.     Von  Priedrich  Dahl,  P.  Koenike 

und  A.  Brauer.    Mit  280  Fig.  im  Text.    Preis :  4  Mark,  geb.  4  Mark  50  Pf. 
*Heft  13:  Oligochaeta   und   Hirndinea.     Von   W.  Michaelsen,   L.   Johansson. 

Mit  144  Plguren  im  Text.     Preis:  1  Mark  00  Pf.,  geb.  2  Mark. 
Helt  14:  Rotatoria  nnd  Gastrotricha. 
*Heft  15:  Nematodes,   Gordiidae  und   Mermithidae.     Von   L.    A.   Jägerskiöld, 

von    Linstow,    R.    Hartmeyer,      Mit    155    Figuren    im   Text.      Preis: 

1  Mark  80  Pf.,  geb.  2  Mark  20  Pf. 

Heft  16:  Acanthocephali. 
*Heft  17 :  Parasitisclie   Plattwürmer.     I:   Trematodes.     Von   Max  Luhe.     Mit 

188  Figuren  im  Text.     Preis:  5  Mark,  geb.  5  Älark  50  Pf. 
*Heft  18:  Parasitische  Plattwürmer.  II:  Cestodes.  VonMaxLühe.   Mit  174  Fig. 

im  Text.     Preis:  4  Mark,  geb.  4  Mark  50  Pf. 
*Heft  19:  Mollnsca,  Nemertini,  Br>ozoa,  Tnrbellaria,  Tricladida,  Spongillidae, 

Hydrozoa.     Von  Joh.  Thiele,  R.  Hartmeyer,  Ir.  v.  Graff,  L.  Böhmig, 

W.  Weltner,  A.  Brauer.  Mit  436  Fig.  im  Text.  Preis :  4  M.,  geb.  4  M.  50  Pf. 
Die  „Süßwasserfauna  Deutschlands"   soll   eine   vollständige   Exkursionsfanna    der 
deutschen    Binnengewässer   darstellen.     Um   die  Benutzung    zu  erleichtern,  wird  das  Werk 
in  handlichen  Heften  ausgegeben,  von  denen  jedes  einzeln  käuflich  ist. 

Die  mit  *  bezeichneten  Hefte  sind  1909  erschienen;  die  übrigen  werden  rasch 
nacheinander  folgen.  

ANT.  KÄMPFE.  BUCHORUCKEREI,  JENA]