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Full text of "Lucifer, Bischof von Calaris, und das Schisma der Luciferianer"

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LUCIFER 

BISCHOF VON OALARIS 



UND 



DAS SCfflSMA DER LUCIFERIANEß. 



TON 



LIC. DR. GUSTAV KRÜGER, 

M 

PRIVATDOCENT DEE THEOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT GIESSEN. 



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LEIPZIG 

DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & HÄRTEL. 
1886. 






Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. 



VQ^ 



Meinem lieben Freunde 

DR RUD. A. MEINCKE, 

Pastor an der Hauptkirche zu St. Nicolai 
in Hamburg. 



457153 



Inhaltsverzeichnis. 



Einleitnng. Seite 

Das Thema und die Aufgabe. Die Politik des Kaisers Constantius. 

Der Gegensatz 1 

Capitel I. Lucifer, Bischof von Calaris 9 

I. Bis zum Exil: Anfänge der christlichen Kirche in Sardi- 
nien. Erstes Auftreten des Lucifer. Gesandtschaft an den 
Kaiser nach Gallien. Lucifer in Mailand. Das Concil von 

Mailand. Die Verbannung. Lucifer im Exil 9 

IL Die Schriften: Der Standpunkt des Beurteilers. Form 
und Inhalt. Charakteristik Lucifers und seiner Theologie . 24 

III. Nach dem Exil: Allgemeine Verhältnisse seit 357. Die 
Homöusianer. Der Umschwung der Parteien. Julian. Atha- 
nasius und die Synode von Alexandrien. Quellen über die 
letztere. Ihre Bedeutung. Die antiochenischen Streitig- 
keiten. Lucifer und Eusebius in Antiochien. Der Bruch 
mit den Freunden und der Kirche. Rückkehr nach Sardi- 
nien. Der Tod. Athanasius und Lucifer 41 

Capitel IL Das Schisma der Luciferianer 58 

I. Quellen: Hieronymus, Dialogus contra Luciferianos. Der 
libellus precum des Faustinus und Marcellinus. Die Ketzer- 
kataloge. Pseudo-HieronymuB 58 

IL Charakter des Schismas: Die prinzipiellen Sätze. Be- 
urteilung derselben. Die praktische Tendenz. Die Lucife- 
rianer und die asketischen Bestrebungen der Zeit 66 

III. Skizze der luciferianischen Bewegung: Sardinien. 
Gregorius von Eliberis und die Luciferianer in Spanien. Lu- 
ciferianer und ürsinianer. Die Vorrede zum libellus precum. 
Die Luciferianer in Rom. Der Diakon Hilarius und die Am- 
brosiasterfrage. Die Gemeinde in Oxyrinchus. Ihre Verbin- 
dung mit den dortigen Münchskolonieen. Der Bischof Hera- 



VI InhaltsverzeichniB. 

Seite 

clidas. Die Reise des Bischofs Ephesius. Hermione und die 
Gemeinde in Eleutheropolis. Der Presbyter Faustinus. Das 
Edikt des Kaisers. Schlnss 75 

Anhang. 

I. Zu den Schriften Lucifers 97 

a. Handschriftliche Überlieferung 97 

b. Ausgaben 99 

c. Verlorene Schriften 101 

d. Literatur 101 

e. Abfassungszeit 102 

IL Zum Kanon Lucifers 110 

III. Lucifer in der Tradition der römischen Kirche . . 116 

IV. Über den Verfasser der Taufrede bei Gaspari, 
Quellen etc. I£, p. 128 — 182. Abfassungszeit der Rede. 
Casparis Argumente für Lucifer. Widerlegung derselben. 
Die Einwürfe gegen den Eusebius von Vercellae. Die Gründe 
für seine Autorschaft. Das Resultat HS 



Das Interesse, welches wir an der Person des Bischofs 
Lucifer von Calaris und dem Schisma nehmen, welches durch 
ihn mittelbar oder unmittelbar hervorgerufen wurde, ist ein 
doppeltes: einmal zeigt sich an keiner Persönlichkeit des 
vierten Jahrhunderts so sehr die Einseitigkeit einer auf ihr 
Dogma pochenden und auf jedes Eäsonnement verzichtenden 
Orthodoxie und die trotzige, eifernde und ungemessene Oppo- 
sition gegen die eigene Ziele verfolgende und eigene Wege 
einschlagende kaiserliche Politik; andrerseits fesselt uns die 
Eigenart des Schisma, welches sich als eine Modifikation des 
novatianischen, beziehungsweise des donatistischen darstellt, 
sofern in ihm die nichtkatholische Auffassung des Prädikates 
der Heiligkeit der Kirche auf das Verhalten gegenüber ab- 
weichenden Lehrformen tibertragen wird. 

Diese Gesichtspunkte werden für die Behandlung des 
Thema die maßgebenden sein mtissen. 

Insofern nun die Schicksale des Lucifer nur zum Teil 
mit dem Schisma in Verbindung stehen, zerfällt unsere Ar- 
beit naturgemäß in zwei Abschnitte, deren erster die 
Erzählung bis zu dem Punkte führen soll, wo der Grund 
zum Schisma gelegt wurde, während der andere dieses selbst 
und seine Geschichte zum Gegenstande haben wird. Die 
Verknüpfung aber, in welcher unser Thema mit den großen 
Ereignissen der Zeitgeschichte steht, macht es nötig, einige 
Bemerkungen allgemeiner Natur voraufzuschicken. 

Wenn die Empörung und Niederwerfung des Magnentius 
im Jahre 351 einen für die Gesamtverhältnisse des Beiches 



sehr wichtigen Charakter hat^), so ist sie sicherlich für die 
kirchlichen Verhältnisse nicht weniger wichtig geworden. Der 
Sieg des Constantins bedeutete die Wiedervereinigung 
beider Reichshälften in einer Hand und somit die Wieder- 
herstellung eines einigen römischen Reiches, dessen Schwer- 
punkt nun aber noch mehr als unter Gonstantin im Orient 
lag. Es liegt auf der Hand, dass der Kaiser des Ostens die 
Stellung^ welche er bisher seiner Kirche gegenüber einge- 
nommen hatte^ auch der occidentalischen gegenüber aufrecht 
erhalten musste. Die größere Basis, welche er nunmehr für 
seine Unternehmungen gewonnen hatte, ließ erwarten, dass 
er die bisher befolgte Politik noch energischer aufnehmen und 
in einer für das ganze Reich maßgebenden Weise durch- 
führen würde. 

Die Religions- und Kirchenpolitik des Kaisers 
Gonstantius^) ist die konsequente Fortsetzung derjenigen^ 
welche Gonstantin der Große in den letzten Jahren seiner 
Regierung einzuschlagen begonnen hatte : sie trägt einen an- 
deren Gharakter deshalb, weil die innerkirchlichen Streitig- 
keiten den Kaiser noch mehr als seinen Vater zwangen, den 
Verhältnissen Rechnung zu tragen und selbst Partei zu er- 
greifen. Die Stellung, die er innerhalb der Parteien genom- 
men hat, ist bedingt durch die Veränderung, welche in den 
Machtverhältnissen der Parteien stattgefunden hatte, durch 
seine eigene Erziehung und die Eindrücke, unter denen er 
Zeit seines Lebens gestanden hat ; sie ist durchweg und kon- 



1) V. Eanke, Weltgeschichte IV, 1. p. 15. 

2) Mehr oder weniger ausführliche Charakteristiken desselben, 
die aber meist den Fehler begehen, den Politiker Constantins die 
Mängel des Menschen entgelten zu lassen, findet man bei Beinkens, 
HUarius von Poitiers p. 86 — 99. Wietersheim-Dahn, (beschichte der 
Völkerwanderung I, 430. 461. Broglie, l'^lise etc. m, 7.8. Bichter, 
Geschichte etc. Cap. 2. Lasaulx, Der Untergang des Hellenismus 
p. 52 ff. Kölling, Geschichte der arianischen HSresie II, p. 49—56, 
vgl. bes. p. 55—56 (schlecht). Gwatkin, studies of Arianism p. 109 
bis 111. Eine gerechte Würdigung der Politik des Kaisers geben nur 
Bankers ausgezeichnete Bemerkungen, Weltgeschichte IV, 1. p. 35—63, 
vgl. p. 60, und vor Allem p. 102. 



Einleitung. 3 

seqnent beherrscht Yon dem Gedanken, an einer einheitlichen 
Kirche dem römischen Staatswesen eine feste Stütze zu 
schaffen. 

Die Politik des Kaisers ist die Fortsetzung der constan- 
tinischen : einmal, sofern sie Beligionspolitik ist, in der Rich- 
tung, welche jene genommen hatte, nachdem Gonstantin er- 
kannt hatte, dass ein Verharren auf dem neutralen Boden 
des Mailänder Ediktes eine politische Unmöglichkeit war^j; 
andrerseits — und nur damit haben wir es im Folgenden 
zu thun — sofern sie Kirchenpolitik ist, spinnt sie die Fäden 
fort, welche Gonstantin in seiner letzten Zeit allerdings nur 
in der allervorsichtigsten Weise und gleichsam suchend ange- 
knüpft hatte. Wie auch immer Gonstantin's Haltung zu Nicaea 
zu erklären ist, so ist doch nicht zu verkennen, dass ihm 
im Lauf der Zeit, und je mehr der Einfluss des Orients auf 
ihn wirkte ^) , zum Bewusstsein kam, dass die Entscheidung, 
die er getroffen, der faktischen Lage der Dinge nicht ent- 
sprach. Der überzeugten Vertreter des nicänischen Glaubens, 
welche klar zu erkennen yermochten, dass sie eine neue, grofie 
Idee yertraten, gab es im Grunde nur sehr wenige; und es 
ist eine richtige Beobachtung, wenn man gesagt hat^), dass 
die Theologen im Osten wie im Westen wesentlich auf kon- 
servativem Standpunkt verharrten. Wenn man aber im Westen, 
indem man die Beschlüsse eines allgemeinen Goncils annahm, 
mochte ihre eigentliche Tragweite zunächst auch noch so 
wenig erkannt werden*), sich durch die Unterordnung unter 
diese Autorität als konservativ erwies, so ward man sich im 



1) Vgl. Brieger, Gonstantin der Große als Beligionspolitiker 
p. 23 ff. 

2) Siehe hierzu die vortrefflichen Bemerkungen von Gwatkin 
a. a. 0. p. 89—92. 

3) Gwatkin a. a. 0. p. 52: if the East was not Nicene, neither 
was it Arian, but conservative ; and, if the West was not Arian, 
neither was it Nicene, but conservative also. Vgl. auch das Folgende. 

4) Dies war durchweg der Fall, mit alleiniger Ausnahme von 
Hosius von Corduba (vgl. Sokr. III, 7) und Julius von Eom. Erst 
der Angriff des Gonstantius nötigte die Occidentalen zum theologi- 
schen Nachdenken und zur dialektischen Arbeit. 

1* 



4 Einleitung. 

Osten sehr bald ttber die Gefahr des Angriffs, welcher durch 
die nicänische Theologie auf die bisherige Lehrtradition ge- 
macht wurde, klar, und eine energische Verteidigung erschien 
somit als ein Akt der Notwehr. Die mächtige Beaktion, 
die sich hier geltend machte, ist von großem, bestimmendem 
Einfluss auf die Politik des Kaisers in seinen letzten Regie- 
rungsjahren gewesen i). Dass er trotzdem ihr nur langsam 
nachgab, wird nicht zum wenigsten mit dem Interesse zu- 
sammenhängen, welches er an dem nicänischen Concil, als 
seinem eigensten Werke, nahm und das zu verleugnen er 
nicht über sich gewinnen konnte. 

Ganz anders stand Constantius der ihm von seinem Vater 
überkommenen Aufgabe gegenüber. Jene Reaktion hatte sich 
immer mächtiger geltend gemacht; am Hofe von Byzanz 
war Eusebius von Nicomedien die einflussreichste Persön- 
lichkeit geworden. Die grossen Tage von Nicaea hatte Con- 
stantius nicht mit Bewusstsein erlebt^) und konnte so kein 
inneres Interesse an den Beschlüssen des Concils nehmen. 
Erzogen an einem Hofe, wo das Wort des Kaisers Alles galt 
und die Bischöfe sich vor der irdischen Majestät in den 
Staub warfen, ist ihm das Christentum in Männern wie Eu- 
sebius entgegengetreten. 3) Vielleicht würde eine edlere Natur 
sich durch das Treiben am Hofe abgestoßen gefühlt haben, 
wie es tatsächlich später bei Julian der Fall gewesen ist.^) 
Constantius kannte edle Regungen kaum und hat sein Leben 



1) Dass dies richtig, beweisen nicht nur einzelne Äußerungen 
von Schriftstellern über ihn (vgl. z. B. Luc. Cal. pro Äthan. I, p. 49, 
7 Ha. (39,28 Col.), sondern die Thatsache, dass die arianisierende Partei 
den größten Einflnss bei Hofe erhielt. Vgl. auch Anm. 3. 

2) Er war 317 geboren (Till. emp. IV, p. 171) und brachte einen 
grossen Teil seiner Jugend im Osten, später auch in Gallien zu. 

3) Die bekannte Erzählung bei Sokr. ü, 2, dass Constantius erst 
nach dem Tode seines Vaters durch die Intriguen jenes mysteriösen 
Presbyters, der auch bei der Testamentsübergabe seine Bolle spielt, 
für antinicänische Bestrebungen gewonnen sei, muss auf sich beruhen 
bleiben. 

4) Auch Julian ist eine Zeitlang von Eusebius von Nicomedien 
erzogen worden; vgl. Amm. Marc. XXII, 9, 4. 



Einleitung. 5 

lang die Dinge mit dem kalten Auge des Staatsmannes, dem 
eine despotische Macht zn Gebote stand, betrachtet. Die 
ersten Jahre seiner Regierung boten ihm wenig Gelegenheit, 
selbstthätig in die kirchlichen Verhältnisse einzugreifen : fast 
alle Bisch()fe im Orient bekannten sich zu den am Hofe 
herrschenden Ansichten. i) Es schien, als sollte sich die 
Politik der üniformierung geistlicher und weltlicher Interessen 
ohne großen Kampf vollenden. Eine schwere Niederlage 
freilich erfahr der Kaiser: sie kam aus dem Westen. Er 
musste es, gedrängt von seinem Bruder Constans,^) zulassen, 
dass der vertriebene Athanasius auf seinen Bischofssitz zu- 
rückkehrte. Wie schwer er diese Niederlage empfand und 
wie deutlich er in Athanasius den gefährlichsten Gegner er- 
kannte, beweist die Geschichte der folgenden Jahre, mit der 
wir uns eingehender zu beschäftigen haben werden. 

In eine Krise traten die Dinge, sobald Constantius Allein- 
herrscher geworden war. Den theologischen Mantel, den 
seine orientalischen Bischöfe trugen, gedachte der Kaiser 
auch den occidentalischen umzuhängen und dadurch «einen 
Plan einer einheitlichen Beichskirche zu verwirklichen. Bei 
diesen Bestrebungen stieß er auf den heftigsten Widerstand : 
im Westen wollte man weder den Athanasius fallen lassen 
noch den nicänischen Glauben abschwören. Es bleibt un- 



1) Das bübiBche Verfahren des Bischofs Stephanus von An- 
tiochien gegen die beiden Abgesandten der Synode von Sardica 
(Äthan, hist. arian. 20. Theodor. II, 8—10) gehörte vor das weltliche 
Gericht. Die Annahme von Hefele I, p. 536. 2. Aufl., dass der Kaiser 
in Folge dieser Schandthat der eusebianischen Partei eine Zeitlang sein 
Vertrauen entzogen habe, wird durch die sofortige £rnennnng des 
Leontius zum Bischof von Antiochien in ein eigentümliches Licht ge- 
stellt. 

2) Die Vermutung Weingarten's, Ursprung des M(5nchtams p. 23, 
dass Constantius aus eigener Initiative den Athanasius zurückgerufen 
habe, stützt sich nur auf des Äthan, apol. ad Const., steht aber mit 
den Thatsachen im Widerspruch, wie u. A. Lucif. pro Äthan. I, 
116, 17 Ha. 91,6 Gol. (hier werden sogar dem Constantius die Worte 
in den Mund gelegt : sed fratris mei Constantis factum est interventu) 
Socr. II, 23. Sozom. m, 20. Phil. III, 12 beweisen. 



6 Einleitung. 

klar, wie weit der Kaiser über die Stimmung im Westen 
unterrichtet war; jedenfalls hat er die nächsten Jahre hin- 
durch mit rücksichtslosem Despotismus diesen Widerstand, 
an dem sein Plan zu scheitern drohte, zu brechen gesucht. 
Dennoch zwang derselbe ihn, resp. seine theologischen Be- 
rater, >) nach einer Formel zu suchen, die als Unionssymbol 
dienen konnte ; und diese Formel hat er schließlich in dem 
ofioioi; xata iravta, a? xal at aYtai Ypa^al Xifoüaiv gefunden, 
wie es in der charakteristischer Weise datierten sirmischen 
Formel vom 27. Mai 359 und mit geringen Veränderungen 
in ihren Becensionen von Nice und Gonstantinopel ausge- 
sprochen wurde. Es gelang, auf Grund dieser Formeln zu- 
nächst wenigstens äußerlich die Einheit herzustellen, und 
der Kaiser mochte von der Zeit auch die innere Festigung 
und Kräftigung erwarten : da ist er in der Blüte seiner Jahre 
361 gestorben. 

Die Geschichte hat gezeigt, dass der Weg, den Con- 
stantius zur Erreichung seines Zieles eingeschlagen hat, 
nicht der richtige gewesen ist. Nicht solche rein äußerliche 
Ereignisse, wie sein Tod und die Episode Julians haben 
den Umschwung herbeigeftthrt^): die innere Kraft der nicä- 
nischen Sache hat ihr zum Siege verholfen. Aber ein An- 
deres ist es, die historische Erkenntnis aussprechen, dass 
das Bekenntnis , unter welchem Constantius seine Kirche einen 



1) Constantius selbst war ohne Zweifel theologisch interessiert 
(Amm. Marc. XXI, 16, 18, der darin ein Unglück für das Beich sieht). 
Wenn Gwatkin a. a. 0. p. 111 meint, dass seine Dogmatik etwa die 
des Acacius von Caesarea gewesen sei, so mag das richtig sein. Aca- 
cius, übrigens selbst kein überzeugter Theologe, war im Grund von 
je Homöer, und nicht anders wird die Theologie des Ursacius und 
Valens, die übrigens bei diesen immer im Dienste der Politik ihres 
Herrn stand, geartet gewesen sein. Wie weit dem Kaiser das Christen- 
tum oder auch nur der Monotheismus Herzenssache war, ist eine Frage, 
die man selbst auf Grund konventioneller Äußerungen der Frömmig- 
keit (vgl. Amm. Marc. XIV, 10. XV, 8) nicht unbedingt bejahen sollte 
(s. Beinkens a. a. 0. p. 88). Den nutus dei coelestis oder die secunda 
numinis voluntas hätte ein heidnischer Kaiser gerade so gut in An- 
spruch nehmen können. 



Einleitang. 7 

wollte, nicht die Zukunft für sieh hatte; ein Anderes, ihm 
einen Vorwurf daraus machen, dass er diese Thatsache nicht 
zu erkennen vermochte. Seine Politik war nicht genial, wie 
die seines Vaters. Sie ist darum noch nicht kleinlich zu 
nennen ; Gonstantius ist t>bei allen Gewaltsamkeiten, die er 
ausgeübt hat, doch eine große Gestalt in der Verflechtung 
der Ereignisse.«^) Mit der seinigen verglichen ist die un- 
klare und verschwommene Politik des edlen Julian, indem 
sie die Gedanken des Mailänder Ediktes in eine ganz ver- 
änderte Zeit zu übertragen suchte, ein Sttckschritt zu nennen; 
sie wäre auf die Länge dem römischen Reich verderblich 
geworden und hätte der christlichen Kirche keinen Nutzen 
gebracht.^] Als aber Gratian und Theodosius die Politik Gon- 
stantius und seines Sohnes wiederaufnahmen, da war in den 
Verhältnissen ein großer Umschwung vor sich gegangen. 
Die Vereinigung der Nicäner mit dem rechten Flügel der 
arianisierenden Parteien^), vorbereitet durch literarische Ar- 
beiten, zum erstmaligen Ausdruck gelangt auf dem Goncil 
zu Alexandria 362, ist dogmenhistorisch und kirchenpolitisch 
betrachtet eines der wichtigsten Ereignisse in der zweiten 
Hälfte des vierten Jahrhunderts.^] Sie hat einer Periode der 
Unklarheit ein Ende gemacht, welche weder der christlichen 
Kirche noch besonders dem christlichen Leben zum Vorteil 
gereichen konnte. Diese Unklarheit und Zersplitterung wollte 
Gonstantius — er freilich zumeist im Interesse seines Reiches 
— durch sein despotisches Machtwort bannen; dass es ihm 
nicht gelungen ist, ist ein Beweis dafür, dass die Kraft der 
christlichen Lehre nicht in den von ihm zur Macht erho- 
benen Formen wurzelte. Ihm aber darum das Urteil sprechen, 



1) Bänke a. a. 0. p. 102. 

2) Dass sie ihr momentane Erleichterung verschaffte and die im 
Folgenden zu erwähnende Combination ermöglichte, soll damit nicht 
geleugnet werden. 

3) Den eigentlich so zu nennenden HomOusianem, welche von 
den Eusebianem der ersten Periode im Prinzip scharf zu trennen sind. 

4) Vgl. darüber weiter unten Abschnitt IIL 



dM8 er dies aklit tAmaw^ kicBe ftOe hirtoiiidieii BediB- 
gungtm seiBeB Ldieas in Frage steDen. 

Die BetmtkiMag der GeadUdite LaciferB toh Calaris 
wild das, was wir in dieeea ZeQen Bvr aBdratea durften, 
ilhistnereii od ib Maiidies den Beweis fiefem. Doch da 
es aasere Aa^abe ist, na Folgead^ haaptsichlidi die Oppo- 
siticHi ins Aage la fräsen, aaf wdelie der Kaiser in seinen 
Beslrelnatgai slieB, so war es nOtig, w en igslcas die Crnind- 
lüge seiner Fi>litik im Toraas kaix danastenen. 



Capitel I. 
Lueifer, Bischof von Calaris. 

I. 

Die Geschichte der Anfänge der christlichen Kirche 
auf der Insel Sardinien ist f)lr uns in ein nicht mehr zn 
erhellendes Dunkel gehüllt ; und der Historiker sieht sich zu 
dem Bekenntnis genötigt, dass man von Sardiniens kirch- 
lichen Verhältnissen bis zum Beginn des vierten Jahrhunderts 
so gut wie nichts weiß.^) Es versteht sich, dass frommer 
Eifer und nationale Eitelkeit hier wie überall ganze Märtyrer- 
reihen erfunden haben, deren Glanz die ersten Jahrhunderte 
erleuchten soU.^) Spukt doch selbst bis in die neuesten 
Werke die Erzählung, dass der berühmte Bischof Ignatius 
von Antiochien auf Sardinien geboren sei^): man will be- 
greiflicherweise nur ungern den einzigen bekannten Namen 
missen ; den dadurch die sardinische Eirchengeschichte vor 
dem Auftreten Lucifers aufzuweisen hätte. Wir vermögen 
aus all diesen Notizen und Legenden fttr die Geschichte 
nicht mehr zu gewinnen als die Namen einiger Bistümer, 
die möglicherweise in der vordiocletianischen Zeit existiert 



1) Die Inschriften (vgl. Corp. inscr. latin. X) lassen uns im Stich. 
Über sardinische Kirchengeschichte vgl. man das ältere Werk von 
Matthaei, Sardinia Sacra. Bom 1758. Die letzte, elegant geschrie- 
bene, aber völlig unkritische Darstellung findet man bei Martini, 
Storia ecclesiastica di Sardegna. 3 Bde. Cagliari 1839 ff. 

2) Vgl. Martini a. a. 0. Buch I. 

3) So noch Martini p. 23 und Note 1 ebenda. 



10^ Capitel I. 

haben. Mit Sicherheit kann man hier freilich auch nnr für 
Galans^) und Phansania^) eintreten^ von denen das letztere 
bald wieder verschwindet, um nur für kurze Zeit noch ein- 
mal aufzutauchen. Erst auf einem carthaginiensischen Goncil 
vom Jahre 484 werden einige andere Bistümer, darunter 
Turres, genannt.') 

Gewiss wird schon in ältester Zeit auch in Sardinien 
das Christentum gepredigt und verbreitet worden sein. Bei 
den Schriftstellern des kirchlichen Altertums hat sich jedoch 
jede Spur davon verloren. Nur Hippolytus thut einmal der 
Insel Erwähnung^), doch nur bei Gelegenheit der Deportation 
des Eallistus, und ohne sich über die kirchlichen Zustände 
auszulassen. Sollte die Erwähnung der in den »Bergwerken 
befindlichen Brüder« bei Eusebius^j, sich wirklich auf Sar- 
dinien beziehen, wozu indessen ein zwingender Grund nicht 
vorzuliegen scheint, so würde dadurch so wenig wie durch 
die Bemerkung des Hippolytus unsere Kenntnis der kirch- 
lichen Verhältnisse auf der Insel bereichert werden. 



1) Die Schreibweise Calaris ist der anderen: Caralis, welche 
auch handschriftliche Bestätigung hat (so in Ptolemäus-Handschriften, 
vgl. die Coleti in der vita Lueiferi proU. p. XXXV, Note 1) vorzu- 
ziehen. Quintasius, Bischof, und Ammonius, Presbyter von Calaris, 
waren auf dem Concil von Arles 314 anwesend (s. Bouth, Beliq. Sacr. 
2. edit. Vol. IV, p. 313). Der zu Nicaea anwesende Protogenes, an- 
geblich Bischof von Calaris, war kein sardinischer Bischof, sondern 
Bischof von Sardica. Vgl Le Quien II, 301. 

2) Als Bischof von Phausania wird Simplicius, Märtyrer unter 
Diocletian, genannt (Matth. p. 51. Martini p. 21. 33. 47. 78). Dass das 
Bistiun alt war, bald aber wieder einging, beweist folgende Stelle 
aus einem Briefe Gregors I. an den Erzbischof Januarius von Calaris 
(bei Mansi IX, 1073; vgl. Matth. p. 117): pervenit ad nos, in loco qui 
intra provinciam Sardiniam Phausania dicitur, consuetudinem fuisse 
episcopi ordinandi, sed hunc pro rerum necessitate longis obsolevisse 
temporibus. Gregor wünscht die Einsetzung eines neuen Bischofs, 
der denn auch in der Person des Victor gefunden wird. Doch ging 
das Bistum sofort wieder ein. Wiltsch, Kirchliche Statistik I, hat 
Phausania sowohl p. 85 als an anderen Stellen übergangen. 

3) Vgl. Baron, ad ann. 484. 

4) Hipp, philos. IX, 12. 

5) Eus. hist. eccl. IV, 23, 10. 



Lucifer. 1 1 

Im Beginn des vierten Jahrhunderts war Sardinien eine 
der Provinzen, welche direkt dem römischen Bischof unter- 
standen^); dementsprechend wird ein Metropolit erst unter 
Gregor I. erwähnt 2). Als episcopus Sardiniae wird Lucifer 
einmal von Athanasius^) bezeichnet. Man könnte auf Grund 
dieses Ausdruckes ihm die Metropolitenstellung zuerkennen 
wollen ; indessen kann die Bezeichnung von Athanasius, der 
zudem über Sardiniens kirchliche Verhältnisse gewiss nicht 
orientiert war, auch ganz allgemein gewählt sein^). 

Mit Lucifer von Galans tritt nun die Kirche von Sardi- 
nien zum ersten Male in das Licht der Geschichte^ freilich 
nur um nach seinem Tode wieder in das alte Dunkel zu- 
rückzusinken. Und Lucifer's Schicksale, soweit sie der Ge- 
schichte angehören, spielen sich doch auch durchweg auf 
einem anderen Boden ab. Über die erste Zeit seines Lebens 
wissen wir lediglich nichts. Was man darüber erzählt, ist 
spätere Legende*), zu nicht geringem Teil hervorgewachsen 
aus der engen Verbindung, in welche ihn seine Schicksale 
mit dem Bischof Eusebius von Vercellae brachten. Und das 
ist unschwer zu verstehen: ist doch Lucifer von Galaris der 
einzige Name, dessen sich die sardinische Eirchengeschichte 
mit einigem Grund rühmen darf. 

Das erstmalige Auftreten Lucifer's ist durch die 



1) Löning, Geschichte des deutschen Eirchenrechts I, 436 ff. Man 
vergleiche den Brief der Synode von Sardica an Julius von Rom , in 
welchem der Bischof gebeten wird, die Beschlüsse der Synode den 
Bischöfen in Italien, Sicilien und Sardinien mitzuteilen. 

2) Vgl. den oben angeführten Brief Gregors ad Januarinm ar- 
chiespiscopum Calar. Mansi IX, 1073. 

3) Im Tomus ad Antiochenos. 

4) So heißen auch die Luciferianer Gregorius von Eliberis (El- 
yira) und Philo einfach episcopus Hispaniae und Libyae bei Hier, 
chron. ad ann. 370. 

5) »Es ist Alles fabelhaft, was von seiner vornehmen Abkunft 
aus einer alten römischen Familie, Erziehung zu Born, Taufe u. dgl. 
erzählet wird und man bei dem Papebroch finden kann.« Walch, 
Ketzergeschichte III, 342. 343. Vgl. Papebroch in den acta sanctor. 
Mai. 10. Tom. V. 



12 Cupitel I. 

Vorgänge bedingt, welche jene von uns bereits angedeutete 
Vereinigung der beiden Seichshälften in der Herrscherhand 
des Gonstantius für die Kirche des Occidents zur Folge hatte. 
Das gallische ProyincialconciU) , welches im Jahre 353 zu 
Arles getagt hatte, war in Allem und Jedem dem Kaiser zu 
Willen gewesen. Selbst die Legaten des römischen Stuhles 
hatten der Verdammung des Athanasius zugestimmt. Zwar 
hatte ILiberius ihr Verfahren sofort desavouiert 2); aber bei 
der engen Verbindung, in der man zu Bom seit des Julius 
Zeiten mit Athanasius stand, war es notwendig, die einmal 
gegebene Zustimmung zu der Verdammung des Letzteren 
durch ein Concil widerrufen zu sehen. Gonstantius seinerseits 
wünschte nichts mehr als dem Beschluss eines Provincial- 
concils durch die Bestätigung einer größeren, womöglich 
allgemeinen Synode ein stärkeres Gewicht zu verleihen. So 
lagen die Interessen beider Parteien diesmal in derselben 
Bichtung. Für den Kaiser stand dabei die Athanasiusfrage 
in erster Linie; er mochte glauben, dass, nachdem sie er- 
ledigt sei, seinen Einigungsbestrebungen kein Hemmnis von 
Bedeutung mehr im Wege stehen würde. ^) Liberius wünschte 
mindestens ebenso sehr eine erneute Bestätigung der nicäni- 
schen Beschlüsse, die freilich dem Verfahren gegen ,'den Atha- 
nasius sofort ein Ende gemacht haben würde. ^) Er betrieb 
die Berufung eines Goncils so viel als möglich und sandte 
zum Zweck der größeren Beschleunigung eine Gesandtschaft 
an den Kaiser, welche noch vor dem Frühjahr 354 in Arles 



1) Sulp. Sev. II, 39, 2: cetenun a nostris tum apud Arelatem 
concilia fuere. 

2) Vgl. seine Briefe an Hosius von Corduba und Caecilian von 
Spoleto bei Hilar. fragm. VI, 2. Mi^e X, 688. . 

3) Zu Arles waren dogmatische Fragen gar nicht zur Sprache 
gekommen, wie die Gegner meinten , weil man es nicht wagte. Vgl. 
Sulp. Sev. II, 39, 3: Valens sociiqne eins prius Athanasii damnatio- 
nem extorquere cupiebant, de fide certare non ausi. 

4) Vgl. seinen Brief an den Kaiser Cap. 6 bei Hilar. fragm. 
V, 4. Migne X. 686. 



Lucifer. 13 

eingetroffen sein muss, da sie den Constantius noch antraf. ^) 
Eriegsnnruhen machten es jedoch unmöglich, eine Synode 
für 354 zu bemfen, und so ist die Synode von Mailand erst 
im Jahre 355 zusammengetreten.^) 

Lucifer von Galaris hatte jene Gesandtschaft nach 
Arles, der sich auch Eusebius von Vercellae und Fortunatian 
von Aquileja auf Bitten des römischen Bischofs angeschlossen 
hatten, geftlhrt. Er war es, denLiberius mit dem Presbyter Pan- 
cratius und dem Diaconen Hilarius dazu ersah, den aposto- 
lischen Stuhl auch auf der neu berufenen Synode zu vertre- 
ten. Er hätte nicht leicht einen energischeren, aber auch 
eigensinnigeren Legaten wählen können; und wie die Dinge 
einmal lagen, war es wohl zu erwarten, dass gerade diese 
Eigenschaften auf dem Goncil ihre Dienste leisten würden. 

Die Geschichte des Concils von Mailand ist in den 
Einzelheiten verworren und verdunkelt. Aus den Berichten 
geht aber so viel klar hervor, dass die Synode in beinahe 
einzigartiger Weise unter kaiserlichem Druck gestanden hat 
und in gewissem Sinne die Bezeichnung »Räubersynode« eben- 
so verdienen würde wie die spätere berüchtigte Synode zu 
Ephesus vom Jahre 449; mit der sie außerdem die öcume- 
nische Berufung gemeinsam hat. Allerdings sind die An- 
gaben über die Zahl der Bischöfe, welche ihr thatsächlich 
beigewohnt haben, sehr schwankend und jedenfalls zu hoch 
gegriffen. Socrates und mit ihm Sozomenos ^) , denen Hefele 



1) Im Frühjahr ging Constantius an den Rhein. Vgl. Amm. Marc. 
XIV, 10, 2. 

2) Gwatkin a. a. 0. setzt in seiner chronologischen Tabelle auf 
p. XXIV die Synode in den November 355. Seine Bemerkungen auf 
p. 292 würden doch auch Juli und August freilassen, während welcher 
Monate sich der Kaiser meist in Mailand aufhielt. 

3) Socr. n, 36. Soz. IV, 9 geben einen kurz resümierenden Be- 
richt über das Concil, den sie dem Eufin I, 20 entnehmen, wobei 
aber Sozomenos den Rufin selbständig eingesehen hat (vgl. über die 
Art der Benutzung des Rufin durch Sozomenos Jeep, Quellenunter- 
suchungen zu den griechischen Kirch enhistorikem p. 145, der indessen 
unsere Stelle nicht anführt). Rufin hat die Zahl 300 nicht, und Sozo- 
menos hat sie aus Socrates abgeschrieben. Welche Quelle der Letz- 



14 Capitel I. 

folgt ^j, behaupten, dass aus dem Orient zwar nur wenige, 
aus dem Occident dagegen etwa 300 Bischöfe anwesend ge- 
wesen seien. Das aber ist ohne historische Begründung; es 
ergiebt sich vielmehr aus dem Briefe des Constantius an 
den Eusebius von Vercellae, in welchem dieser dringend auf- 
gefordert wird, noch auf der Synode zu erscheinen, dass 
überhaupt nur wenige Bischöfe anwesend gewesen sind. 2) 
Zu einem ziemlich sicheren Resultate würden wir kommen, 
wenn wir die alte uns von Baronius^) mitgeteilte Liste der 
Bischöfe, welche das Verdammungsurteil des Athanasius un- 
terschrieben, als ein unbezweifeltes Dokument verwenden 
könnten. Sie hat das Präjudiz der Echtheit.*) Freilich will 
sie nur die in den ersten Tagen des Concils anwesenden 



tere für seine Notiz hatte, ist mit Sicherheit nicht mehr zu ermitteln. 
Man könnte versucht sein, in der ouvaYtDY^) x&v ounö&oin des Sabinus, 
welche gleichfalls diese Periode behandelte, die Quelle zn finden. 
Socrates hat sie auch sonst benutzt (vgl. Jeep. a. a. 0. p. 114 ff. 
Hamack bei Herzog XIV, p. 407). Indessen ist nicht sicher, ob diese 
Schrift überhaupt über abendländische Synoden referierte; und Spuren 
davon müssten sich häufiger finden. Vielleicht ist die Angabe als 
runde Zahl zu fassen, wobei zu beachten wäre, dass bei Gelegenheit 
des Concils von Sar4ica Socrates gleichfalls behauptet, dass 300 Bi- 
schöfe anwesend gewesen seien, während doch Äthan, bist, arian. 
cap. 15 die Zahl nur auf 170 angiebt Valesius sucht sich in seiner 
Anmerkung izu der Stelle des Socrates damit zu behelfen, dass er 
statt Tpiaxöoioi Tpidtxovca liest. Das käme dem wahren Sachverhalte 
allerdings nahe, ist aber willkürlich, zumal die Zahl bei Sozomenos 
wiederkehrt, dieser also nicht xpidixovTa gelesen haben kann. 

1) Hefele I, 654, 2. Aufl. 

2) Bei Mansi III, 238: pauci de singulis provinciis venientes. 

3) Baron, ad ann. 355 nr. XXII. 

4) Bei den Namen der Bischöfe sind die Sitze nicht angegeben, 
und nur etwas mehr als die Hälfte können wir mit Sicherheit identi- 
ficieren. Von diesen können wir aber ohne Ausnahme annehmen, dass 
sie wirklich in Mailand gewesen sind. Dazu sind einzelne Namen 
offenbar nicht ganz korrekt wiedergegeben. Eudoxius von Germanicia 
ist wahrscheinlich unter dem als Überbringer des Briefes der Bischöfe 
genannten Eustomius zu verstehen (vgl. Baron, a. a. 0. nr. VI). Auf- 
fallend ist, dass sich Fortunatian von Aquileja nicht in der Liste 
findet, wenn auch seine Anwesenheit uns anderweitig nicht verbürgt ist. 



Luoifer.' 15 

Bischöfe nennen; wir wissen aber auch nicht, dass auBer 
Ensebins von Vercellae noch andere sich später eingefimden 
hätten. Die Liste führt nur 30 Bischöfe auf: Lncifer fehlt; 
er hatte die Verdammnng des Athanasias nicht unterschrie- 
ben. Nicht unwichtig ist endlich die Angabe des ttber Ein- 
zelheiten allerdings nicht genau orientierten Athanasius ^), dass 
der Kaiser viele Bischöfe in den einzelnen Städten durch 
die Magistrate habe zur Unterschriff; zwingen lassen. Darin 
liegt, dass eben eine Seihe von ihnen dem Goncil fem ge- 
blieben waren. Die Zahl der Occidentalen wird die der Orien- 
talen nur um ein geringes überwogen haben. 

Wie zu Arles haben auch zu Mailand die Bischöfe gleich 
bei Beginn der Synode dem Ansinnen des Kaisers, das Ur- 
teil ttber den Athanasius zu sprechen, beziehungsweise zu 
bestätigen, gewillfahrtet. Wir erfahren nicht, dass sie dabei 
besonderen Widerstand geleistet hätten. Nur Lucifer und 
seine beiden Begleiter beharrten standhaft bei ihrer Weige- 
rung. Dem Kaiser aber schien das Votum der Synode nicht 
gewichtig genug, so lange nicht Eusebius jvon Vercellae, trotz 
des Bischofs von Mailand der angesehenste Prälat in Ober- 
italien, ihm beigestimmt hatte. An ihn erging nun ein Schrei- 
ben derjenigen Bischöfe, welche den Athanasius verurteilt 
hatten 2), und ein Brief des Kaisers selbst, der mehr oder 
weniger eine Drohung war fftr den Fall der Weigerung zu 
erscheinen^). Auch Lucifer verfasste einen Brief, der voll 
heiligen Zornes ist ttber die Umtriebe der Arianer und des 
Teufels: wie durch die Ankunft der Apostel Simon gestttrzt 
worden sei zum Buhme Gottes, so werde des Eusebius An- 



1) Hist. arian. 31. Ich benutze die Historia Arianorum unbedenk- 
lich als ein Werk des Athanasias, so lange Weingarten, der ihre Echt- 
heit bezweifelt (bei Herzog X, 771) für seine Ansicht nichts weiter 
vorzubringen vermag, als dass sie von Athanasias in der dritten Per- 
son spricht. 

2) Bei Baron, ad ann. 355 nr. VI. ; abgedruckt bei Mansi in, 236. 

3) Mansi m, 238. 



16 Capitel I. 

kauft den Sturz des Valens bewirken und alle Künste der 
Arianer vereiteln. ^) 

Eusebins kam und jetzt erst gelangte der Streit der 
Interessen zum yoUen Ausbruch. Der Bischof, den man 
übrigens erst nach zehn Tagen^) an den Verhandlungen teil- 
nehmen ließ, weigerte sich entschieden, sich über irgend 
eine andere Forderung zu erklären, so lange das nicänische 
Glaubensbekenntnis nicht sicher gestellt sei. Dem Kaiser 
lag daran, zunächst seine Zustimmung zu der Verurteilung 
des Athanasius zu erhalten; schließlich kam Alles darauf 
an, wie man zu diesem Stellung nahm. Hilarius^) hat es 
uns anschaulich geschildert: wie Dionysius von Mailand das 
von Eusebius der Synode vorgelegte Bekenntnis zu unter- 
schreiben im Begriff steht, entreißt ihm Valens von Mursa 
das Papier mit drohenden Worten: nichts Derartiges dürfe 
jetzt geschehen. 

Der Widerstand, den bisher nur Lucifer und die beiden 
Römer geleistet hatten^ hatte nun in der Person des Eusebius 
größere Bedeutung erhalten. Gonstantius erkannte, dass 
dadurch die kaum errungenen Erfolge wieder sehr in Frage 
gestellt wurden: er beschloss, rücksichtslos einzugreifen. Es 
geschah das Unerhörte, dass gegen die widerspänstigen Bi- 
schöfe im Palaste des Kaisers einfach auf gerichtlichem Wege 



1) Luc. opera 319 (1). Im Folgenden eitlere ich die Werke des 
Lucifer nach der neuen Ausgabe von Hartel. Die in Klammem ge- 
setzten Zahlen beziehen sich auf die Ausgabe der Coleti. Mansi III, 237. 

2) Hilar. ad Const. I, 8. Warum, vermögen wir nicht mehr zu 
sagen. Hefele I, 655 meint, es. sei noch über die Absetzung des 
Athanasius verhandelt worden ; das aber war bereits vor der Ankunft 
des Eusebius geschehen. 

3) Hilar. ad Const. Aug. I, 8. Migne X, 562. Leider bricht der Be- 
richt an der. interessantesten Stelle ab. Auch andere Gründe lassen 
vermuten, dass das Buch nicht vollständig erhalten ist. Über die Zeit 
der Abfassung schwanken die Ansichten. Hilarius war nicht Augen- 
zeuge der erzählten Vorgänge: darum ist sein Bericht nicht lücken- 
los. So erwähnt er nichts von der durch Luc. pro Äthan. II, p. 161,29 
(128,14) und Sulp. Sev. II, 39 bezeugton Verdammung des Athanasius 
durch Dionysius von Mailand. 



Lncifer. 17 

verfahren wurde. Lncifer selbst verdanken wir einige ab- 
gerissene Notizen über die nun folgende Scene ^) : Der Kaiser 
saß hinter herabgelassenem Vorhang, 2) eine Form der Ver- 
handlung, welche nur bei schweren Verbrechen angewendet 
wurde. 3) Er saß dort als weltlicher Richter*): als Auf- 
ruhrer betrachtete er die beiden Bischöfe. Noch waren 
Fragen des Glaubens direkt nicht zur Verhandlung ge- 
kommen: die Verurteilung des Athanasius galt dem Kaiser 
als eine Sache, die er von seinen Unterthanen verlangen 
konnte. Er selbst, soll er geäußert haben, sei der Ankläger 
des Athanasius.*) Sein Wille allein habe zu gelten ;ö) nur 
ihm habe man zu gehorchen. Dem gegenüber blieben die 
Bischöfe standhaft und fest. Lucifer besonders ist ihm kühn. 



1) Luc. moriend p. 285, 28 ff. (239, 18 ff.); 291, 19 ff. (244, 20 ff.). 

2) Vgl. Lueifer a. a. 0. p. 285, 28 ff. (239, 18 ff.) sed perspicis, 
in tue palatio intra velum licet stans tnlisti responsum a me — '— . 
p. 291, 19 (244, 20) non retiues, CouBtanti, dixisse me iudicibus, te 
velo misso audiente . 

3) Vgl. constit. apost. II, 52 (und die Anm. von Cotelerius) : sed 
pluribas diebns cum multa consultatione et inte rjecto velo inqui- 
runt de crimine. Vgl. auch Basil. epist. 79 gegen Schluss: ol zoH %6o- 
JJ.OU to6toü Äp*/ovrec, Utav tivä twv xaxo6pYaiN ftavcitip xataSixdlCew \t£k- 

Xoiaw, icpiXxovxai xä. «apawexdlojAaTa . Siehe auch die acta 

des PatriciuB bei Mazochins, in vet. marm. calend. commentarius 
p. 384 (Neapel 1744—1755): ad vela quod attinet ea non nisi gra- 
yioribus in causis obducebantur ; nam ieviores levato velo cogno- 
scebantur. 

4) Dass er die ganze Angelegenheit als eine vor das weltliche 
Forum gehörige behandle, ist auch der Hauptvorwurf, den Athanasius 
dem £[aiser macht. Vgl. bist, arian. 76: 06 yotp ^(ofjiatx'/) iortv '^ xp(qtc, 
ivAc ßaotXeijc «lateud^;, dXXd «epl ircioxönou lorl tö xpCfjka. 

5) Hist. arian. cp. 76. 

6) ibid. cp. 33: dXX' onep ifob ßo6Xo(Aai, xouto xavdbv. Gwatkin 
a. a. 0. p. 148. Note 1 meint, man dürfe diesen und ähnliche Aus- 
sprüche, wie sie dem Kaiser besonders von Athanasius und Lueifer 
in den Mund gelegt werden, nicht wörtlich nehmen. Aber sie sind 
doch alle im höchsten Maße charakteristisch und auf den Wortlaut 
kommt es am Ende nicht an. Bass dem Lueifer die Einzelheiten 
jener Scene zu Mailand, die ihm, wie wir sehen werden, einen beson- 
ders tiefen Eindruck gemacht hat, nach wenigen Jahren noch gegen- 
wärtig waren, ist zudem nicht auffallend. 

2 



18 Capitel I. 

aber auch mit der ganzen Schroffheit, die ihn bezeichnet, 
entgegengetreten: »und wenn du befohlen hättest, dass alle 
deine Soldaten uns mit deinen Machtgeschossen ttberschttt- 
teten, uns, die wir deine Blasphemieen verabscheuen, die wir 
deine gotteslästerlichen Beschlüsse verachten, wir würden 
keinen Schrittbreit gewichen sein«.^) War doch selbst die 
Bechtsfrage keine ganz zweifellose: wie konnte der Kaiser 
einen Angeklagten ungehört verdammen ?2) 

Dem Kaiser blieb nichts Anderes übrig als zu dem radi- 
kalsten Mittel zu greifen: er sprach über Eusebius und Lu- 
cifer das Verbannungsurteil. Nun erst ließ er durch 
seine Hof bischöfe vom Palast aus ein Edikt ergehen, ^) von 
dem wir leider nichts wissen, als dass es »aller Schändlich- 
keiten voll« 4) gewesen ist und vom Volk, als es in der Kirche 
verlesen wurde, mit Missfallen aufgenommen wurde. Der 
Bischof von Mailand, der doch die Verdammung des Atha- 
nasius unterschrieben hatte, weigerte diesem Edikte seine 
Zustimmung und wurde gleichfalls mit der Verbannung be- 
straft. Ein gleiches Schicksal erfuhr Ehodanius von Tolosa.^) 



1) Luc. moriend. p. 291, 19 ff. (244, 20 ff.): non retines, Con- 
stauti, dixisse me ludicibus te velo misse audiente, quod licet totum 
militem in nos decrevisses iacere regni tui tela, in nos exsecratores 
blasphemiae toae ut in sacrilegi tui decreti contemptores omnia sua 
conliderent arma, nee sie tarnen quod possemus a proposito recedere. 

2) Äthan, bist, arian. 76: el ydlp cu xar/jYOpoc el, dkV Ixet-voc {i-^ 
irapobv o6 E6vaTai xpCNso^ai. Dieser Zweifel ist es vor Allem, welchem 
Lucifer in den Büchern de Athanasio Ranm giebt. 

3) Sulp. Sey. ü, 39 giebt über diese Vorgänge die besten Nach- 
richten, wenn auch selbst hier Manches dunkel bleibt. Dass die epi- 
Stola vom Palast ausging, deutet auch Hilar. ad Const. I, 8 an : verentes 
igitur illi (sc. Valens etc.) popnli indicium e dominico ad palatium 
transeunt 

4) Sulp. Sev. a. a. 0. : epistola omni pravitate infecta. Vielleicht 
war es schon ein homöisch klingendes Glaubensbekenntnis, was den 
Bischöfen aufgedrungen werden sollte. Auf dieses Edikt ist bei Luc. 
non cony. 19, 4 (17, 2) angespielt in den Worten: edictum, in quo 
omnia yenena tuae haeresis continentnr. 

5) Vgl. libellus precnm des Faustinus und Marcellinus cp. 7. 



Lucifer. 19 

Die übrigen Bischöfe scheinen auch dies Edikt gebilligt zu 
haben. 

Das Concil von Mailand, dem man, da es für die Ent- 
wicklung der christlichen Lehre resnltatlos blieb, gewöhnlich 
nur geringe Aufmerksamkeit schenkt, ist doch darum nicht 
unwichtig, weil es gewissermaßen da« Prototyp fttr die Syn- 
oden der folgenden Zeit ist. Wenn es auf den anderen 
nicht in der gleichen gewaltsamen Weise zugegangen ist, so 
lag das daran, dass der Kaiser nicht überall einen so ener- 
gischen Widerstand zu brechen hatte. Im Übrigen aber 
kann man doch da nicht von einer eigentlichen Synode reden, 
wo einfach kaiserliche Befehle in Glaubenssachen vorgelegt 
und diejenigen, die die Annahme weigern, kurzer Hand ab- 
gesetzt und in die Verbannung geschickt werden. Ihren 
Höhepunkt erreichte freilich diese Art des Formelmachens 
im kaiserlichen Gabinet in der sirmischen Formel vom 27. Mai 
359, ^) und die Art, wie der Kaiser seine Befehle vorlegte, 
in dem Anschreiben zur Synode von Ariminum.*) 

Am charakteristischsten ftlr diese Periode ist aber das 
Verfahren, sich der Gegner einfach durch das Mittel der 
Verbannung zu entledigen, welches zu keiner Zeit so 
häufig wie in den wenigen Jahren der Alleinherrschaft 
des Constantius zur Anwendung gekommen ist. Das Loos 
der so Verbannten war keineswegs immer ein leichtes. Es 
ist als ein Ausnahmefall anzusehen, wenn dem Hilarius 
von Poitiers, der bald nach dem Concil von Mailand ver- 
bannt ward, gestattet wurde, frei herumzureisen.') Eusebius 



1) Schon die Datierung kennzeichnet sie als eine kaiserliche 
Cabinetsordre. Athanasins hat aus diesem Umstände in der Schrift 
de synodis Vorteil zu ziehen gewusst. 

2) Bei Hilar. fragm. VII. Migne X, 696 : quae cum ita sint, ad- 
yersuB orientales nihil statuere vos oportet: aut si aliquid volueritis 
contra eosdem praedictis absentibus definire, id quod fuerit usurpa- 
tum, irrito evanescet eflfectu. Non enim illa vires habere poterit de- 
finitio, cui nostra statuta testantur iam nunc robur et co- 
piam denegari. 

3) Das Verfahren gegenüber dem Hilarius > der als Verbannter 
mit kaiserlicher Erlaubnis sogar der Synode von Seleucia beiwohnte 

2* 



20 Capitel I. 

von Vercellae und Lucifer von Galans traf ein härteres Loos. 
Nicht nnr, dass sie nach kaiserlichem Gutdünken von einem 
Ort zum anderen geschleppt wurden : sie hatten auch unter 
der Feindschaft der Bischöfe und kaiserlichen Beamten an 
den einzelnen Plätzen zu leiden. Von Beiden ist es wahr- 
scheinlich, dass sie im Kerker gefangen gehalten wurden. 
Wenigstens muss man das dem Brief des Eusebius an seine 
Gemeinde^) und einigen Äußerungen des Lucifer 2) ent- 
nehmen. Zwar werden wir sehen, dass deren Härte durch 
das Benehmen der Verbannten in etwas entschuldigt wird; 
aber schon die strenge Absperrung von der Außenwelt und 
dem Verkehr mit den Freunden und Gesinnungsgenossen 
war eine harte Maßregel.^) Manch trefflichen Mannes Mut 
mag so gebrochen sein; Eusebius und Lucifer haben allen 
Feindseligkeiten und Widerwärtigkeiten Trotz geboten. 

Die spärlichen Notizen, die wir ttber die Ver bannung s- 
jahre des Lucifer besitzen, machen es unmöglich, eine 
Geschichte seiner Schicksale im Exil zu schreiben. Es wird 
von seinen späteren Anhängern, den Presbytern Faustinus 
und Marcellinus, an zwei Stellen ^j bestimmt behauptet, dass 
Lucifer während seiner Verbannung an vier verschiedenen 
Orten gelebt habe: aber es ist unmöglich, hierfür den Nach- 



und später in Constantinopel (vgl. Sulp. Sev. II, 45) mit Auszeichnung 
behandelt wurde, steht allein da. 

1) Bei Gallandi V, 79. Migne XII, 947 flf. Eusebius musste den 
Ort seines Exils dreimal wechseln. Er ward zunächst nach Cappa- 
docien geschickt (Hieron. cat. 96). dann nach Skythopolis (vgl. den 
oben citierten Brief), endlich nach Oberägjrpten (Socr. III, 5. Soz. 
V, 12). Der Brief an den Gregorius von Eliberis bei Hilar. fragm. 
XII (Migne X, 713) ist e tertio exilio geschrieben. 

2) Vgl. non. conv. p. 12, 18 (11, 22): propterea in exilio sumus, 
propterea in carcere necamur, propterea nobis solis prohibetur con- 
spectus; idcirco reclusi in tenebras custodimur ingenti custodia. 

3) Eusebius, Hilarius, Liberius klagen darüber, dass sie keine 
Briefe erhalten und dass man ihnen Besuche anzunehmen verbiete. 
Vgl. auch Lucif. a. a. 0. 

4) Faust, et Marc, libellus precum cp. 16: Lucifer de quarto 
exilio Bomam pergens. cp. 25: in ipsis quoque quatuor exiliis. 



Lncifer. 21 

weis zu liefern. Papebroch*) und Matthäi^) haben freilich 
auf Grund dieser Stellen die Annahme gemacht, es möchte 
Lucifer, bevor er nach Oermanicia kam, sich eine kurze Zeit 
in Gappadocien aufgehalten haben. Sie vermögen diese Ver- 
mutung so wenig zu beweisen, wie Walch^) fVLr seine Mei- 
nung, dass der Bericht der Presbyter vielleicht Antiochien 
als den vierten Yerbannungsort bezeichne, etwag Scheinbares 
vorzubringen vermag. Wir müssen daher bei der Annahme 
«tehen bleiben, dass Lucifer zuerst nach Germanicia in 
Commagene verbannt wurde. Dies giebt er uns selbst an 
die Hand, wenn er bei der Erwähnung des Eudoxius, Bischofs 
von Germanicia, hinzufügt: ad quem me destinasü.^) Eudoxius 
aber ward spätestens um die Jahreswende 357/58 Bischof 
von Antiochien.*) Die Worte Lucifer's scheinen besagen zu 
können, dass Eudoxius sich zu der Zeit, als Lucifer nach 
Germanicia gesandt wurde, in seinem Bistum aufhielt: dann 
würde also der Verbannte mit dem ihm besonders verhassten 
Manne in persönliche Berührung gekommen sein, und die 
Art und Weise, wie er des von ihm nur Adoxius genannten 
Bischofs <^) in seinen Schriften gedenkt, unterstützen diese 
Vermutung. Aber Eudoxius war wahrscheinlich in Mailand ; 
wir hören femer, dass er direkt von Rom, wo er sich (doch 
mit dem Kaiser zusammen April und Mai 357) ^j aufhielt. 



1) Acta sanctoram Mai 20 Lucifer cp. I, nr. 8. 

2) Matthaei a. a. 0. p. 73. 

3) Walch a. a. 0. III, 346. 

4) Vgl. de Äthan. I, p. 65. 

5) Den Tod des Leontius, Bischofs von Antiochien, datiert Gwat- 
kin a. a. 0. p. 153, Note 2 auf den Sommer 357 (Salmon im D. Chr. 
Biogr. zu spät auf Anfang 358). Die Combination mit der p. 22 Note 1 
erwähnten Stelle bei Socrates II, 37 bestätigt die Datierung Gwatkins. 
Danach wäre Leontius im Mai 357 gestorben. Denn schon im Mai 
kehrte Eudoxius von Rom nach Syrien zurück. Andererseits wissen 
wir, dass Eudoxius bereits im Sommer 358 wieder verbannt ward; 
vgl. darüber die Bemerkungen zur Schrift de Athanasio im Anhang I. 

6) Vgl. die Stellen Äthan. I, p. 81,4 (65, 1); 117., 20 (92, 6). 
moriend. p. 306, 12. 14 (258, 2. 3). Er nennt ihn nie Eudoxius. 

7) Gwatkin a. a. 0. p. 292. 



22 Capitel I. 

nach Antiochien geeilt sei, um sich in Besitz des erledigten 
Bischofsstuhles zu setzen. Er ist damals gar nicht nach Ger- 
manida zurückgekommen, i) Eudoxius gehörte zum äußer- 
sten Flttgel der homöischen Partei; er war nach Allem, was 
wir von ihm wissen, ein Mann von unedlem Charakter, ohne 
wirkliche theologische Überzeugung, aber auch ohne religiö- 
ses Gefbhl, ausgezeichnet durch Taktlosigkeit;^) und begreif- 
lich ist es daher, dass Lucifer, auch ohne ihn näher kennen 
gelernt zu haben, die tiefste Verachtung gegen ihn empfin- 
den musste. 

Als zweiter Verbannungsort wird uns Eleutheropolis 
in Palästina genannt, ^) und hier macht uns wiederum der 
Bericht des Faustinus und Marcellinus möglich, wenigstens 
einen oberflächlichen Einblick in die Verhältnisse zu gewin- 
nen.*) Zu Eleutheropolis war Eutychius Bischof , ein Mann, von 
dem man sagte, dass er im Herzen Nicäner gewesen sei und 
nur durch persönliche Animosität gegen Cyrillus, den jüngst 
erwählten Bischof von Jerusalem, sich auf die Seite des 
Acacius Yon Caesarea, d. h. auf die der homöischen Partei, 
habe drängen lassen. ^) Wir erfahren nun, dass es zwischen 
ihm uM Lucifer zu Collisionen gekommen ist. Der Letztere 
hatte augenscheinlich versucht, priesterlidie Funktionen und 
zwar in seinem Hause auszuüben, und der Bischof, der sol- 

1) Socr. II, 37 init irept fäp T(5v8e t6v /p(5vov Aeovrlou TeXeüT/jaavto« 

E65(55i05 FepfAttNixeta« ^nCoxoicoc &v xatd t^v *P«6p.T)v xöte itaptuv, 

iiteifSQ^OLi oxlTTuerai %aX Tcji ßaoiXet 5oXlo>c SiaXi^eTai, (&« XPIQ^**^^''!^ '^^ 
Fepfiravixioiv itöXe»« icapap.uO(ac xai opuXax^c, ouYXo*P^^''l^<*t a^Ttj) Ta^etav 
indsohos. o^hh 8e 6 ßaotXe6« irpoeiWfxevoc d<p(7]0tv aötöv. 6 hi tou« toü xoi- 
TÖBVOC xpatoüvtac Ix*"^ ouv^p^oo« t?)v 'Avrtoxeta« litioxoTr^ öitopt5?ac ti?)v 
iouTOU itöXtv diciXiirev. 

2) Vgl. über Eudoxius vornehmlich Hilar. c. Const. 13 ; die dort 
erzählte Geschichte liefert den Beleg für das oben Gesagte. Ähnlich 
Socr. n, 43. Soz. IV, 26. Phüost. IV, 4 ff. Im hohen Maße charak- 
teristisch für ihn ist das Glaubensbekenntnis, welches Caspari, Alte 
und neue Quellen etc. (1879) auf p. 179/181 abgedruckt und p. 176/185 
erläutert hat. 

3) Hier, catal. 95. libelL prec. 30. 

4) libell. prec. cp. 30. 31. 

5) Epiph. LXXIII, 23 ff. 



Lucifer. 23 

ches Conventikelwesen im Interesse seiner Gemeinde, aber 
auch im Namen des Kaisers nicht dulden durfte, ist scharf 
dagegen vorgegangen. Die rohe Gewalt, mit der er dabei 
verfuhr, war in jenen Zeiten nichts Außergewöhnliches, aber 
sie ist bezeichnend für die Situation: man schlug die Thttr 
des Hauses mit Beilen ein und misshandelte die bei der 
heiligen Handlung Anwesenden auf das Schimpflichste. Ja, 
die Altargefäße und die heiligen Schriften nahm der Bischof 
fort und suchte auf diese Weise seinen Gegnern die Möglich- 
keit, Gottesdienst zu halten, völlig zu nehmen. ^) Dennoch 
scheinen die Separationen for^edauert zu haben, und wir 
werden an anderer Stelle noch einmal darauf zurückkommen 
müssen. ^) Es ist uns nicht bekannt, welche Verhältnisse die 
Entfernung Lucifer's aus Eleutheropolis und seine Transpor- 
tation nach der Thebais^) angemessen erscheinen ließen. 
Vielleicht war es eine Folge der erwähnten Reibereien mit 
dem Eutychius. Hier nun hat er sich aufgehalten, bis die 
Nachricht von dem Tode des Constantius und bald darauf 
von dem Edikt des Julian eintraf, welches allen verbannten 
Bischöfen die Bückkehr zu ihren Gemeinden freistellte. 

Während der Jahre aber, die Lucifer in der Verbannung 
verbrachte, hat er eine Reihe von Schriften verfasst, die wir, 
bevor wir in der Erzählung fortfahren können, einer näheren 
Prüfung unterwerfen müssen. 

1) Die Presbyter behaupten ihren Bericht von Leuten emp&ngen 
zu haben, welche sich der wilden Scene noch wohl erinnerten. IHe- 
selbe wird lebhaft geschildert : negent, si non inter cetera sua atrocia 
ianuam clausam securibus effregerunt: si non irmentes in Luciferum 
fidelissimum sacerdotem divina quoque sacramenta verterunt, unum- 
quemque illic de his fratribus qui [convenerant impia caede multantes. 
Negent, si non hodie sanctalmystica vasa, quae tnnc impie Lucifero 
diripuerunt, cum sacris codicibus possident. 

2) Die Notiz, dass Lucifer in £leutheropolis mit dem fiusebius 
zusammengetroffen sei und dass beide von Eutychius schlecht behan- 
delt worden seien (E. V[enables] im D. Chr. Biogr.), muss auf einem 
Irrtum beruhen. Eusebius war nach Skythopolis verbannt, hatte dort 
freilich vom Bischof Patrophilus Ähnliches, ja Schlimmeres zu leiden 
als Lucifer. Vgl. den Brief an seine Gemeinde bei Migne XII, 948 ff. 

3) Socr. m, 5. Soz. V, 12. Theod. in, 2. 



24 Capitel I. 



n. 



Es besteht kein Streit darüber, dass die uns erhaltenen, 
an den Kaiser Constantius gerichteten Schriften Lucifer's 
sämmtlich während der Zeit seiner Verbannung, d. h. in 
den Jahren 356—361 abgefasst wurden. Nur über die nähere 
Datierung der Abfassungszeit gehen die Meinungen weit aus- 
einander, und ein gesichertes Resultat ist hierüber so wenig 
zu erzielen wie in Betreff der Eeihenfolge, in welcher die 
einzelnen Bücher geschrieben wurden. ^) Ihre Titel sind de 
non conveniendo cum haereticis, de regibus apostaticis, de 
Athanasio I. 11., de, non parcendo in Deum delinquentibus, 
moriendum esse pro Dei filio. 2) Veranlasst sind sie durch 
die schlimmen Erinnerungen, die sich für den Verfasser an 
das Concil von Mailand knüpfen, durch die ungerechte Be- 
handlung, die er und andere Bekenner des rechten Glaubens 
zu erdulden gehabt, durch die ungerechte Verdammung des 
Athanasius. Sie sind demnach im eigentlichen Sinne Gele- 
genheitsschriften . 

Danach bestimmt sich der Standpunkt, den wir 
ihnen gegenüber einzunehmen haben. Lucifer schrieb nicht 
für ein größeres Publikum, nicht in der Absicht, seine Ideen 
auf schriftstellerischem Wege in weitere Kreise zu bringen. 
Wie er durchweg den Kaiser direkt anredet, so zeigt auch 
der Inhalt der Bücher, dass sie ihren Zweck erfüllt haben, 
wenn der Kaiser, dem Lucifer sie übersandte, sie gelesen 
oder doch von ihnen Notiz genommen hatte. Somit war das 
Interesse, welches den Verfasser leitete, kein theologisches; 
er war auch kein agitatorisches, insofern er durch seine 
Schriften nicht direkt zum Widerstand gegen den Feind auf- 
rufen wollte. Es war lediglich ein provokatorisches, und 
zugleich, im Sinne des Verfassers, ein paränetisches : dem 



1) über die Schriften Lucifers: Ausgaben, Literatur, Abfassungs- 
zeit, sowie über vielleicht verloren gegangene Schriften vgl. Anhang I. 

2) Der Kürze wegen werden sie im Folgenden citiert werden 
als: non conv., reg. apost., Äthan. I. II., non parc, moriend. 



Lucifer. 25 

Kaiser wollte Lucifer eine Liste seiner Sehandthaten vor- 
halten, ihm zeigen, dass er anf abschüssigem Wege sich be- 
finde und dass er nur durch schleunige Umkehr seine Seele 
retten könne. ^) 

Es sind diese Schriften also nicht als Literaturerzeug- 
nisse im strengen Sinne des Worts zu betrachten, und man 
thut dem Verfasser Unrecht, wenn man sie unter diesem 
Gesichtspunkt behandelt. Sie sind Pamphlete, wenn an- 
ders leidenschaftliche Gereiztheit des Tones, polternde Sprache, 
eine Fülle von über den Gegner ausgegossenen Schmähun- 
gen ohne systematische Darlegung des eigenen Standpunktes 
und ohne planmäßig verfahrende Widerlegung der geg- 
nerischen Ansichten Kennzeichen eines solchen sind. Wir 
verstehen es, dass der Kaiser, als er die ersten erhalten hatte, 
durch seinen Kammerherm Florentius ausdrücklich bei Luci- 
fer anfragen ließ, ob er wirklich der Verfasser dieser Schmäh- 
schriften sei, welche Frage der Verbannte mit Stolz bejahte. 2) 
Dennoch hielt der Kaiser nicht für angemessen, der direkt 
ausgesprochenen Bitte um das Todesurteil nachzugeben. Ihm 
mochten diese Schriften gerade wegen ihres übertriebenen 
Tones als ohnmächtig erscheinen. 

Als solche Pamphlete würden sie kaum eine längere 
Besprechung verdienen, wenn sie uns nicht einen Einblick 
verschafften in den Geist ihres Urhebers und seine Stellung 
zu den schwebenden Fragen; sie sind aber auch insofern 
von zeitgeschichtlichem Interesse, als sie zeigen, wie gerade 
in der Periode der rücksichtslosesten Übergriffe der kaiser- 
lichen Macht in die Sphäre der kirchlichen Entwicklung 
Schriften gezeitigt wurden, welche den denkbar schroffsten 
Ausdruck der Opposition gegen diese Bestrebungen bilden. 
Kach diesen Seiten sollen sie in den folgenden Zeilen charak- 



1) Hartel, Lucifer von Cagliari und sein Latein (Archiv fQr latei- 
nische Lexikographie von Wölfflin III, p. 1 ff.) meint p. 2 : »seine Rede 
ist Predigt, welche die Masse haranguiert«. Aber die Predigt ist nur 
fär den Kaiser bestimmt. 

2) Der betreffende Briefwechsel ist uns erhalten und in den Wer- 
ken des Lucifer p. 321/22 (168) abgedruckt. 



26 Capitel I. 

terisiert werden, nachdem wir sie nach Form nnd Inhalt 
kennen gelernt haben werden. 

Was die Form betrifft, so hat Lucifer selbst an mehre- 
ren Stellen bemerkt, dass seine Bücher nicht den Anspruch 
erheben wollen, in guter und gewandter Sprache geschrieben 
zu sein. Er selbst bekennt sich dazu, in der Sprache des 
Volkes zu schreiben, ja, er setzt seine Ausdrucksweise in 
direkten Gegensatz zu der der Oebildeten, als habe er be-* 
fürchtet, dass mit dem feineren Gewand die innere Wahrheit 
und Reinheit verloren gehen werde. ^) Der Wortschatz ist 
dementsprechend großenteils der Yulgärsprache entnommen 
und außerdem vielfach an der vorhieronymianischen Bibel- 
übersetzung gebildet.^) Der Satzbau ist durchweg ein un- 
beholfener : es ist, als hätte der Verfasser absichtlich keinen 
Wert darauf gelegt, als habe er geschrieben, wie ihm die 
Gedanken in die Feder kamen, unbekümmert um ihren logi- 
schen Zusammenhang, um ihre stilistische Färbung.^] 

Seine eigenen Worte verraten uns, dass er stolz darauf 
war, nur in den heiligen Schriften bewandert zu sein, und 
dass er überall sonst verstecktes Heidentum witterte.^] Das 
mag in gewissem Sinne wörtlich zu nehmen sein : heidnische 



1) Vgl. non parc. p. 256, 7 (212, 20) : probant epistolae meae me- 

diocritatis et libri rustico licet sermone descripti . moriend. 

p. 294, 24 (247, 11): si quae dignus es a rusticis licet tarnen Ghri- 
stianis audis. ibid. p. 306, 24 (258, 12): noster sermo est communis, 
contra vester politns, oraatns, qui etiam diel mereatur disertus. 

2) Hierüber vgl. jetzt besonders den oben citierten Aufsatz von 
Hartel, der alle lexikalischen und stilistischen Eigentümlichkeiten 
Lucifers genau untersucht hat 

3) Athanasius, der sich die Schriften von Lucifer erbat und sie 
sogar in das Griechische übertragen haben soll (Faust, et Marc a. a. 0. 
cp. 24), spricht in seinem zweiten Brief an den Verfasser Luc. opp. 
p. 326, 5 (271, 13) freilich eine ganz andere Ansicht aus: unde talis 
ordo sermonis compositus? Aber Athanasius war durch den Inhalt der 
Bücher voreingenommen : der Brief ergeht sich auch sonst in den über- 
Bchwänglichsten Lobeserhebungen. 

4) Vgl. Note 1 nnd moriend. p. 306, 22 (258, 10) : tu ac tui adiu- 
tores litterarum ethnicalium (Korrektur von Hartel für et hinc aliam) 
plenam auxistis artem, noa. sumus tantum sacras scientes litteras. 



Lucifer. 27 

Schriftsteller wird er nicht gelesen haben. Denn wenn er 
an einer Stelle ansnift: qnoTisqne tandem abnteris Dei pa- 
tientia, Constanti?^), so wird man daraus schwerlich auf 
eine Bekanntschaft mit ciceronianischen Schriften schließen 
wollen. Dagegen begegnen uns Reminiscenzen an Kirchen^ 
Väter. So frappiert ein durch mehrere Zeilen ausgeftthrtea 
Gitat aus dem Scorpiace des Tertullian cp. 5. ^j Noch 
auffallender ist, dass die letzte Schrift moriendum, welche 
übrigens auch das oben angeführte Citat und den ciceronia- 
nischen Ausruf enthält, an einer langen Reihe von Stellen 
sich abhängig zeigt von Briefen des Cyprian, sowie von 
der den Kritikern als pseudocyprianisch geltenden Schrift 
de laude mar tyrii, welche Lucifer jedenfalls für ein Werk 
des Cyprian gehalten hat. ^) Die durchweg ohne Angabe 
des Fundorts eingestreuten Citate aus Cyprian sind so zahl- 
reich und zugleich so umfangreich, dass dadurch die Origi- 
nalität der Schrift moriendum, welche, wie wir noch sehen 
werden, vor den anderen sich auszeichnet, einigermaßen, 
beeinträchtigt ist. Dass nun gerade aus den Schriften dieser 
beiden Männer Satzgruppen herübergenommen sind, kann 
deshalb nicht befremden, weil eine gewisse geistige Ver- 
wandtechaft zwischen Lucifer und Tertullian unverkennbar ist, 
und weil andererseits die Schrift de laude martyrii dasselbe 
Thema behandelt wie die Lucifer's.^) Dass aber die Citate 



1) moriend. p. 310, 11 (260, 35). 

2) ibid. p. 313, 3 (263, 8). Die Echtheit dieses Tractates Ter- 
tuUians ist , soviel mir bekannt ist, nur von Volkmar im Appendix zu 
Credners Geschichte des neutestam. Kanons p. 372 in Zweifel gezogen 
worden. 

3) Die Stellen findet man im Index I bei Hartel p. 340 b. Hin- 
zuzufügen ist Cypr. ep. 55, p. 630, 16 sq. « p. 302, 21—25. Die Ab- 
hängigkeit von de laude martyrii hat zuerst Hartel bemerkt; in den 
Anmerkungen der Goleti finden sich bereits Hinweise auf die Briefe 
Cyprians. Dass Lucifer jene Schrift für cyprianisch hielt, ist zur 
Evidenz gebracht von Harnack in Theol. Lit.-Ztg. 18S6 Gol. 174. 

4) Doch genügt es vielleicht schon , darauf hinzuweisen , dass 
aus der verhältnismäßig kleinen Zahl abendländischer christlicher 
Schriftsteller Tertullian und Cyprian um Hauptes Länge hervorragten 



28 Capitel I. 

nur in der Schrift moriendnm nachweisbar sind, während 
keine der anderen eine Kenntnis der Literatur verrät, miiss 
damit zusammen hängen, dass Lucifer sich zur Zeit der Ab- 
fassung der genannten Schrift an einem Orte und in einer 
Lage befunden hat, die ihm die Benutzung auch anderer 
Bücher als der Bibel möglich machte. 

Die ausgedehnte Verflechtung von Bibelstellenin den 
Zusammenhang ist ein besonders charakteristisches Kenn- 
zeichen der Schriftstellerei Lucifers. Es ist bereits von An,- 
deren bemerkt worden^), dass alle Bücher gleichsam von 
einer fortlaufenden Kette von Schriftcitaten durchzogen wer- 
den. Wollte man sie sämtlich entfernen, so würde dadurch 
der Umfang der Schriften beinahe um die Hälfte verringert 
werden. 2) Dem Verfasser sind diese Citate, wie sich uns 
noch ergeben wird, als Stützen seiner Beweisführung not- 
wendig ; uns machen sie die Lektüre der Schriften besonders 
unerfreulich und lassen dieselben als einft^rmig und lang- 
weilig erscheinen, während sie freilich andrerseits auch 
manche Wiederholungen in Ausdruck und Gedanken ver- 
decken. Doch ist Lucifer um ihretwillen einer der wich- 
tigsten Zeugen für unsere Kenntnis der sogenannten Itala 
geworden. ^) 

Wenn nun einerseits der Mangel jeder, auch der all- 
gemeinsten Gedankendisposition und die dadurch bedingte, 



und sich eigentlich allein allgemeiner Verbreitung erfreuten ; s. Hieron. 
de vir. ill. s. Tert. et Cypr. 

1) So Gallandi in den prolegomena zu seiner Ausgabe : locis utrius- 
que foederis ferme solis contexta sunt scripta Lueiferiana. Dazu vgl. 
Faust, et Marc. a. a. 0. cp. 24: Lucifer libros scripsit ad Constantium 
non ut plerique gloriam captans ingenii, sed divina testimonia aptis- 
sime congerens contra haereticos. 

2) Die Citate betragen in non parc. ca. 44 o/^; Äthan. I. ca. 42V2%; 
non conv. ca. 40%; reg. apost. ca. 38 o/o; Äthan. II. ca. 36 o/o; moriend. 
ca. 120/q des Textes. 

3) Es würde dieser Untersuchung einen ganz anderen Charakter 
verleihen und dieselbe unverhältnismäßig erweitem, wollten wir aus- 
ftthrlich hierauf eingehen. Bekanntes zu wiederholen aber ist zwecklos. 



Lucifer. 29 

sich in unendlichen und langatmigen Wiederholungen äußernde 
ermüdende Weitschweifigkeit uns einen Mann verraten, 
der es an der rechten Selbstzucht fehlen ließ, so ver- 
mag man andrerseits an manchen Stellen wohl den Ein- 
druck zu gewinnen, dass wir es mit einem originellen Oeiste 
zu thun haben. Häufig wird der Leser frappiert durch 
kühne Wendungen, durch antithetische Satzbildungen von 
großer Kraft, die bisweilen an Tertullian erinnern, durch 
Bilder und Gleichnisse, die, obwohl nicht selten roh, doch 
wieder durch ihre Ursprttnglichkeit fesseln. Überall aber 
begegnet uns die gleiche Unordnung in der Verbindung, die 
gleiche Geschmacklosigkeit in der Anwendung der Gedanken 
und Bilder. Man kann vielleicht von keinem Schriftsteller 
mit gleichem Bechte wie von Lucifer sagen, dass man seine 
Art und Weise genau kenne, wenn man auch nur eine Seite 
seiner Schriften gelesen hat.^) Zuchtlosigkeit in den Ge- 
danken und Zuchtlosigkeit in der Form wird darum der 
zutreffendste Ausdruck für diese ganze Art der Schriftstel- 
lerei sein. 

Das bisher Ausgeführte wird deutlich gemacht haben, 
weshalb eine geordnete Wiedergabe des Inhalts dieser 
Schriften eine Unmöglichkeit ist. Eine solche läuft, wo 
sie versucht wird, auf eine bloße Wiedererzählung hinaus. 2) 
Dagegen haben wir an den Titeln der Bücher einen vor- 
trefflichen Anhaltepunkt für die Bestimmung des Inhalts. Die- 
selben sind mehr als Titel, sie bilden geradezu die Themata, 



1) Hartel a. a. 0. p. 3 meint den einzelnen Schriften entnehmen 
zu können, dass sich die unverkennbare rednerische Anlage des Lu- 
cifer im Laufe seiner schriftstellerischen Thätigkeit fortschreitend ent- 
wickelt habe: die Periodisierung in den letzten Schriften sei durch- 
sichtiger, der Ausdruck gewählter, Vulgarismen seltener. Sein Urteil 
stützt sich hauptsächlich auf die letzte Schrift moriendum. Es ist aber 
eben fraglich, ob hier nicht der Einfluss Gyprians und anderer Lek- 
türe in Rechnung zu ziehen ist. Schön wird man übrigens die Form 
auch hier nicht finden. 

2) Vgl. besonders den betreffenden Abschnitt bei Ceillier, his- 
toire etc. V, p. 399—420. Gut ist die Inhaltsangabe von Papebroch 
in den acta sanctorum Mai V. 



30 Gapitel I. 

zu denen sich die Ansflihmngen des betreffenden Buches wie 
Variationen, freilich mit geringen Abwechslungen, verhalten, 
and können in ihrer präcisen Formulierung vielleicht dazu 
dienen, unser oben gefälltes Urteil, dass dem Verfasser Ori- 
^nalität nicht fehle, zu bestätigen. Dabei bildet das Thema 
•der ersten Schrift, dass man mit Ketzern keinerlei Gemein- 
schaft halten dürfe, gleichsam die Basis, zu der sich die 
späteren Bücher wie Exponenten verhalten. 

Gerade weil nun diese Schriften Erzeugnisse des Augen- 
l)lickes und Stimmungsbilder siiKl, und weil sich die Indi- 
vidualität des Verfassers nirgends verkennen lässt, sind sie 
vortrefflich geeignet, das Bild des Mannes zu ergänzen, den 
wir zu Mailand als einen starren und unbeugsamen Vertreter 
der ßechtgläubigkeit kennen gelernt haben. Was wir aus 
seinem äußeren Lebensgang wissen, findet hier seine Bestä- 
tigung. Derselbe offene Freimut, das Fehlen jeder Menschen- 
furcht, die unerschrockene Tapferkeit, die Überzeugungstreue 
des ehrliehen Christen, die er zu Mailand gezeigt hat, be- 
gegnet uns auf jeder Seite. Wir gewinnen durchweg den 
Eindruck, dass wir es nicht etwa mit einem Manne zu thun 
haben, der es groß in Worten hat und, wenn es zur That 
k:ommt, zurückweichen würde. So sehr man sich hüten 
muss, aus seiner sich stets in Hyperbeln ergehenden Bede 
weitgehende Schlüsse besonders auf konkrete Situationen zu 
ziehen, so ist doch gewiss, dass diese Bhetorik eine natür- 
liche ist und uns in ungeschminkter Weise die wirklichen 
Ansichten des Verfassers enthüllt. Dass man die Arianer 
anders behandeln könne als völlig Ungläubige, ist ein Ge- 
danke, der für ihn gar nicht existiert, und demgemäß ist es 
ihm ganz unverständlich, dass Oonstantius überhaupt nur 
eine dahin gehende Forderung hat aufstellen können. Das 
tritt besonders in der Schrift, welche wir als die älteste be- 
zeichnen möchten,^) hervor, in de non conveniendo cum 
h ae r e ti c i s. Sie ist voll von verwunderten Fragen und Aus- 



1) Vgl. über die Reihenfolge der Schriften Anhang I, e. Die im 
Text befolgte hat sich mir als die wahrscheinlichste erwiesen. 



Lucifer. 31 

rufen, wie es überhaupt nur möglich sei, an Christen die 
Zumutung zu stellen, mit Arianem, den Söhnen des Teufels, 
auf gleichem Fuße zu verkehren. Dazu bieten die direkte 
Veranlassung die Vorgänge in Mailand. Auf diese bezieht 
sich Lucifer an einer Reihe von Stellen ganz deutlich. Er 
weist die Zumutung ab, die Beschlüsse eines Concils anzu- 
erkennen, dem doch nur ein giftstrotzendes Edikt des Kai- 
sers die Befehle vorgeschrieben habe.^) Hat doch der SLaiser 
deutlich genug gezeigt, was er selbst bezweckte. Zwar mit 
seinem Ausruf: pacem volo firmari in meo imperio hat er 
sich den Anschein geben wollen, als sei es ihm wirklich 
darum zu thun, der Kirche Frieden zu geben. Aber wozu 
diese eitlen Bemühungen? Hat nicht die Kirche von jeher 
Frieden gehabt und sind nicht gerade die Arianer die eigent- 
lichen Störenfriede? Will etwa der Kaiser mit seinem 
Edikte etwas Anderes als die Ketzerei in die Kirche ein- 
fuhren, der doch die Gläubigen stets die Thür gewiesen 
haben? 2) Diese und ähnliche Gedanken werden breit aus* 
geführt. Man merkt es dieser Schrift besonders an, dass 
sie in der höchsten Aufregung verfasst ist. Hat dazu einer- 
seits der noch frische Eindruck der gewaltthätigen Scenen 
zu Mailand viel beigetragen, so darf man weiter aus einer 
gelegentlichen Äußerung wohl mit Recht schließen, dass Lu- 
cifer zur Zeit der Abfassung sich im Gefängnis befand. ^) 
Das, was Lucifer dem Kaiser einwirft, wird er auch schon 
zu Mailand vorgebracht haben. Denn der Ausspruch des 
Kaisers, der die Grundlage und den Hauptangriffspunkt der 
zweiten Schrift de regibus apostaticis bildet, ist sicher 



1] p. 19, 4 (17, 2): edictum, in quo omnia yenena tuae haeresis 
continentur. 

2) p. 9, 5 ff.- (9, 9 ff.): deinde cum pacem semper habuerit do- 
mini ecclesia et vos atque omnium sectamm haereticos foras abiecerit, 
dixisti : pacem volo firmari in meo imperio , cupiens yiolare in nobis 
pacem dominicam »eindere desiderans dei popnlum, procurans haeresi 
tuae, ad quam nos omnes facere sis optans transitum. 

3) p. 12, 18 (11, 22); 13, 13 (12, 8). Die Stelle ist oben p. 20 
Note 1 angeführt. 



32 Capitel I. 

damals gethan worden, mag auch die Fonn von Lndfer nm- 
geschafifen sein. Gonstantins hat sich darauf berufen , dass 
er trotz seiner angeblichen Ungläubigkeit von Gott im Be- 
sitze seiner Macht gelassen werde, dass er nach wie vor 
glücklich herrsche.^) Diesen Einwurf zu widerlegen lässt sich 
Lucifer angelegen sein. Ist er doch YoUstilndig thöricht, wo 
sich aus der Schrift an so yielen Beispielen nachweisen lässt, 
dass Gott in seiner Langmut mit frevlerischen Königen langeZeit 
Geduld gehabt hat, bis sie endlich ein Ende mit Schrecken 
genommen haben. So ist es Saul ergangen, so Salomo, 
Ahab und Manasse. Es ist also durchaus falsch, wenn Gon- 
stantius darauf pocht, dass seine Eaisermacht ihm nicht ge- 
nommen werde : darin vermag der Gläubige nur das sichere 
Zeichen zu erblicken, dass das Endgericht um so schreck- 
licher ausfallen wird. 

Den größten AnstoB hatte zu Mailand, wie wir gesehen 
haben, der Umstand erregt, dass der Kaiser von den Bi- 
schöfen verlangte, den Athanasius, ohne dass er verhört 
wurde, zu verdammen. Das ist auch in Lucifers Augen die 
Krone aller Verbrechen des Kaisers: die beiden Bücher de 
saneto Athanasio oder wie die ursprüngliche Überschrift 
gelautet haben wird: quia absentem nemo debet iudi- 
care nee damnare^) hat er dem Unternehmen gewidmet, 
diese Ungerechtigkeit zu tadeln und zu strafen. Die Fehler 
der anderen Schriften, Weitschweifigkeit und breite Wieder- 
holung, treten in diesen Büchern am klarsten zu Tage. Frei- 
lich finden diese Mängel gerade hier ihre Erklärung darin, 
dass Lucifer im ersten Buch und wenigstens im Anfang 
des zweiten es unternommen hat, fast alle Bücher des alten 
Testaments der Beihe nach genau durchzugehen und jede 



1) Der Aussprach des Gonstantins p. 34, 5 (29, 5) : nisi catholica 
esset fides Arrii, hoc est mea, nisi placitnm esset deo quod illam per- 
seqnar fidem quam contra nos scripserint apad Niciam, nnmquam pro- 
fecto adhuc in imperio florerem, kehrt mehrmals in verschiedener 
Fassung wieder. Wir haben keinen Gmnd zu bezweifeln, dass der 
Kaiser etwas ähnliches gesagt hat Vgl. oben p. 17 Note 6. 

2) Vgl. darüber Anhang I, a. 



Lucifer. 33 

für seinen Zweck nur irgend verwendbare Stelle anzuführen^) . 
Damm bieten die Bücher anch inhaltlich das geringste In- 
teresse. Immerhin liefern sie einen deutlichen Beweis dafür, 
dass man auf orthodoxer Seite in der Person des Athanasius 
sozusagen die Bechtgläubigkeit verkörpert sah, mochte man 
sich im Einzelnen darüber noch so wenig Bechenschaft geben 
können. 

Die bisher besprochenen Schriften zeigen uns Lucifer 
trotz ihres aggressiven Tones noch in der Defensive. Er 
verteidigt den eigenen Standpunkt nach der negativen Seite, 
dass es nämlich ihm und seinen Gesinnungsgenossen un- 
möglich sei, in den Arianem Christen zu sehen. In der 
vierten Schrift de non parcendo in deum delinquen- 
tibus geht er in die Offensive über. Bisher hat es sich 
darum gehandelt zu zeigen, weshalb er selbst kein Unrecht 
zu leiden verpflichtet ist; jetzt gilt es dem Kaiser zu be- 
weisen, dass der Bechtgläubige das Becht hat, ihn mit allen 
ihm zu Gebote stehenden Mitteln rücksichtslos anzugreifen. 
Wahrscheinlich ist der Abfassung dieser Schrift jener oben er- 
wähnte Briefwechsel mit dem Eammerherm Florentius vor- 
aufgegangen. Auch hier ist es ein Ausspruch des Kaisers, 
der die Veranlassung zu einer breit angelegten Axisführung 
giebt. Gonstantius soll — ob bei Empfang der ihm früher 
übersandten Schriften bleibt ungewiss — sich darüber be- 
klagt haben, dass Lucifer ihm, dem Kaiser, in dieser rück- 
sichtslosen und unverschämten Weise entgegentrete. 2) Von 
diesem Worte nimmt Lucifer den Anlass, in stolzem Selbst* 
gefühl darzulegen, dass ein Priester des Herrn dem Kaiser 
keine Ehrfurcht schuldig sei, wenn er sich als Ketzer er^ 
weise. Soll etwa der Priester schweigen, wo er doch Gottes 
Gebot erfüllt, wenn er dem Ketzer die Wahrheit sagt?») 

1) Das Faktum, dass Lucifer hier die Bücher des alten Testa- 
ments durchweg in der Beihenfolge citiert, in welcher sie ihm vor- 
gelegen haben, ist für die Bestimmung seines Kanons nicht unwichtig. 
YgL darüber Anhang II. 

2) p. 212, 2 (171, 23) : ego te arguo cur insolens sis, cur contu- 
meliosuB imperatori extiteris; et tu fidei causam retexis. 

3) p. 229, 31 (186, 28). 

3 



34 Gapitel I. 

liegt etwa darin eine Nichtachtung der kaiserlichen Majestät, 
dass man ihr Gottes Wort und seine Drohungen über die 
Ketzer vorhält?^) Die Wahrheit sagen und verlorene Seelen 
auf den rechten Weg zurückfahren, das ist das rechte Amt 
des Priesters, dem der Kaiser dankbar zu sein hat. Und 
wenn der Kaiser sich rächen will, er kann es ja versuchen, 
aber er wird sehen, dass ihm Gott dazu die Macht versagt, 
der Gott, auf den der Rechtgläubige vertraut. 2) 

Tragen diese vier Bücher einen mehr oder weniger gleichen 
Charakter^ so fühlt man sich bei der Lektüre des letzten: 
moriendum esse pro dei filio gleichsam in eine andere 
Sphäre versetzt. Die eigenen Gedanken werden nicht in 
dem Maße, wie in den übrigen Büchern, durch die gehäuften 
Schriftcitate in den Hintergrund gedrängt und werden in 
einem Ton vorgetragen, der dies Schriftchen vor den an- 
deren zu seinem Vorteil auszeichnet. Erhebt sich der Ver- 
fasser sonst nicht oft über das Niveau der Gewöhnlichkeit, 
so begegnen uns hier längere Ausführungen, die einen 
wohlthuenden Zug wirklicher Hoheit haben. Freilich ist 
nicht ganz sicher, wie viel davon auf Rechnung der Ent- 
lehnung aus einem anderen Autor, d. h. aus Cyprian resp. 
auch Pseudocyprian zu setzen ist. Zwar ist auch hier die 
Stimmung vorwiegend die des schroflfen Puritaners, der am 
liebsten mit dem Gottesschwerte dreinschlüge, um seine 
Gegner zu vertilgen: sie findet aber ihre Ergänzung in 
geradezu rührenden Ermahnungen an den Kaiser, doch nun 
endlich vom falschen Wege abzulassen und zum Wege des 
Lichtes, der allein ihn zum Heil führen könne, zurückzu- 
kehren. Das Büchlein ist wahrscheinlich einige Jahre später 
geschrieben als die ersten Schriften; die Anfangsworte be- 
weisen, dass Lucifer halb und halb den Glauben aufgegeben 
hat, den Kaiser zu bekehren. Nur weil er ihn immer noch 
trotzen sieht auf seine weltliche Macht, greift er aufs 
Neue zur Feder. 



1) p. 232, 9 (189, 5). 

2) p. 236, 17 (194, 1); 236, 30 (194, 13). 



Lucifer. 35 

Dass die Lektüre dieser letzten Schrift sich zu einer 
weit mehr ergreifenden gestaltet als die der früheren, hängt 
nicht zum wenigsten damit zusammen, dass hier die Me- 
thode Lucifers, den Beweis ftir seine Sache aus der 
Schrift und zwar mit haarsträubender Exegese zu führen^ 
nicht so crass hervortritt.^) Auch ist der Ton ein nicht ganz 
so aufgeregter, und die Schimpfwörter, die er gegen den Kai- 
ser ausstößt, erscheinen gemildert. Dieser seiner Methode 
müssen wir noch einige Worte widmen. Es ist besonders 
seit Cyprian in der orthodoxen Kirche zur Regel geworden, 
Alles, wafi in der heiligen Schrift von sittlichen Vergehungen 
erwähnt wird, auf das Verbrechen der Ketzerei umzudeuten. 
Diese hässliche Methode, einem nicht für orthodox geltenden 
Gegner alle sittlichen Schäden anzuheften, ist bei Lucifer 
in einer sonst kaum erreichten Ausdehnung angewendet. 
Er geht die ganze Bibel durch : auf jeder Seite fast findet 
er einen Flucji qder eine Drohung, die sich auf den Con- 
stantius und die Arianer anwenden lässt. Diesen Nachweis 
aus der Bibel zu liefern ist der Hauptzweck seiner Schrif- 
ten; die ihm persönlich ganz feststehende Erkenntnis, dass 
die Arianer keine Christen seien, wird dadurch begründet. 
Indessen, er steht in dieser Art der Schriflibenutzung eben 
doch nicht allein. Ganz einzigartig aber sind seine Bücher 
durch den geradezu unerhörten Ton, den er dem Kaiser 
gegenüber anschlägt. Man hat das Gewicht dieser Schimpf- 
wörter, von denen eines schlimmer ist als das andere, da- 
durch abzuschwächen gesucht, dass man gemeint hat, auch 
bei anderen Schriftstellern sei in ähnlicher Weise davon Ge- 
brauch gemacht worden. Aber was Hilarius und Athanasius 
selbst in ihren schärfsten Schriften gegen den Gonstantius ^j 
vorbringen, reicht doch nicht heran an die Art, wie Lucifer 
den Kaiser behandelt^). Freilich kann man sie zum Ver- 



1) Auch sind die Citate meist dem N. T. entnommen, während 
Lucifer seiner Eigenart entsprechend sonst das A. T. bevorzugt. 

2} Vgl. Hilar. contra Constantium II. Äthan, apol. ad Const. 

3) Vgl. eine Zusammenstellung seiner Ausdrücke in der praefatio 
der Ausgabe des Tilius (woraus sie Walch a. a. 0. III, 363/64 abge- 

3* 



36 Capitel I. 

gleich heranzieheB, um einen Eindruck davon zn gewinnen^ 
wie sich im Laufe weniger Jahre die Zeiten geändert haben. 
Noch sind kaum 20 Jahre verflossen, seit ein christlicher 
Bischof dem Kaiser, der der Kirche zu Macht und Ansehen 
verhelfen, ein Denkmal setzte, das uns wie eine Apotheose 
anmutet, und schon wird der Sohn dieses Kaisers wiederum 
von christlichen Bischöfen mit den heftigsten Vorwürfen über- 
schüttet, mit allen Übelthätern von Rehabeam bis Judas 
Ischariot verglichen, weil er, obwohl er sich Christ nenne^ 
in Wahrheit der Antichrist sei. Und Constantius' Andenken 
selbst wird geschmäht, wenn sein Verfahren mit dem seines 
Sohnes zusammengestellt und dem Gift verglichen wird, vor 
dem bereits der Apostel Paulus die Golosser warnte, dem 
Gifte heidnischer Philosophie und Menschensatzung, die 
sich nicht auf Christus aufbaut. ^) 

Athanasius und Hilarius sind große Theologen gewesen; 
wir werden ihnen bald in Situationen begegnen, in welchen 
sie ihre theologische Einsicht auch praktisch richtig und zum 
Wohl der Kirche zu verwenden wussten. Lucifer, der Rigorist, 
hat das Letztere nicht vermocht; wir werden schon daraus 
schließen dürfen, dass seine Theologie eine starre und 
einseitige gewesen ist. Indessen bleibt es uns übrig, aus 
seinen Schriften uns zu vergewissem, wie weit er überhaupt 
theologisch orientiert war. Es ist nicht nötig, dass wir hier 
den Standpunkt verlassen, von welchem aus wir bereits im 
Anfange unserer Untersuchung konstatiert haben, dass das 
Interesse, welches den Lucifer in seinen Schriften leitete, 
kein theologisches gewesen ist; vielmehr, wie uns dieselben 
die ganze Persönlichkeit des Mannes erschließen, so zeigen 
sie auch, was wir von ihm als Theologen zu halten haben. 
Dass er zu den genuinen Vertretern des nicänischen Glaubens 
gehört, ist nach allem, was bisher gesagt wurde, selbstver- 



druckt hat), die sich übrigens noch beliebig vermehren ließe. Am ge- 
häuftesten finden sie sich Äthan. I, p. 100, 23 (79, 24). 

1) Vgl. non conv. p. 19, 5 (17, 3) cum nos contra tua atque 
patris tai venena armaverit beatas Paullas : col. 2, 4. Siehe oben p. 4 
Note 1. 



Lucifer. 37 

ständlich. Der Glaube, den die Väter zu Nieäa in ihrem 
Bekenntnisse niedergelegt haben, für den Athanasios ver- 
bannt wurde, ist auch der des Lucifer. Er selbst führt das 
Nicaenum teils ganz, teils in einzelnen Partieen mehrfach an, ^) 
und immer wiederholt er die Formel von der una deitas 
patris ac filii. Er vertritt dieselbe in dem strikten Sinn, in 
welchem sie von den alten Nicänem verstanden wurde, be- 
vor die Unionsbestrebungen der Jahre nach 357 und die 
theologische Arbeit der Cappadocier ihr einen anderen Inhalt 
gaben. Aber eine andere Frage ist es, ob er sich über die 
Bedeutung dieser Formel klar war. Für ihn ist sie zwar 
überhaupt kein Gegenstand der Discussion ; sie ist der Schein, 
auf dem er besteht, die christliche Legitimation, die er seinen 
Gegnern entgegenhält. In dem Glauben, dass sie die apostolica 
et evangelica fides gewährleiste, dass sie nichts Anderes be- 
sage als was bereits die Patriarchen, Propheten, Apostel 
und Märtyrer für wahr gehalten haben, die trinitas perfecta 
et una deitas, lebt er und ist bereit, jeder Zeit dafür zu 
sterben. 2) Die volle Gottheit des Sohnes zu wahren, ist ihm 
ohne Zweifel ein tief empfundenes religiöses Bedürfnis ge- 



1) Eine genaue Übersetzung des griechischen Textes findet sich 
non parc. p. 247, 13 (204, 4). Sie weicht nur unbedeutend ab von der 
Übersetzung bei Hilar. de syn. 84, abgedruckt bei Hahn, Bibl. der 
Symb. § 74 (vgl. auch Hilar. fragm. bist. 11, 27). Die wichtigsten 
Sätze finden sich Äthan. II, p. 157, 17 (132, 18) und moriend. 292, 6 
(245, 5). Varianten sind vom Verfasser natürlich nicht beabsichtigt. — 
Es mag hier bemerkt werden, dass die im Anhang der Ausgabe der 
Ooleti p. 278/279 mitgeteilte fides Luciferi nicht von diesem herrührt, 
wie die genannten Herausgeber sehr umständlich nachgewiesen haben 
(p. 273/278), sondern ein Ausschnitt ist aus der fides, welche dem 
Presbyter Faustinus zugeschrieben wird (Migne XIII, p. 79/80). — 
Über ein altitaUsches Tanfbekenntnis und eine Auslegungsrede dazu, 
deren Verfasser Caspari in Lucifer sehen möchte, vgl. Anhang IV. 

2) Diese Formeln kehren alle unzählige Male wieder. Besonders 
häufig findet sich die Zusammenstellung der patriarchae, prophetae, 
apostoli ac martjrres, wobei dann gewöhnlich die Patriarchen mit 
Namen angeführt werden; vgl. z. B. p. 18, 22 (16, 19); 25, 6 (22, 14) ; 
72, 28 (59, 2) , und öfter in sämtlichen Schriften und mit geringen 
Abweichungen. 



3S Capitel I. 

weseB: in diesem Bestreben weiß er sich mit dem nicäni- 
sehen Symbol einig und darum sind ihm alle, welche dem 
Wortlant des Symbols opponieren, negatores unici dei filii. 
Sie alle wollen ja den Sohn in die Reihe der Geschöpfe 
hinabziehen : das ist es, was er verstanden und begriffen hat. 
Dagegen wendet er sich immer von neuem mit stürmischer 
Offenheit und ehrlichem Hass. Von den subtilen theologischen 
Distinktionen hat er nichts verstanden ; er wird es fttr tiber- 
flüssig gehalten haben, in solche Tiefen überhaupt einzudringen. 
So darf man denn auch darauf kein Gewicht legen, dass er an 
einer Stelle den Unterschied zwischen Photin und Arius hübsch 
zum Ausdruck bringt, wenn er doch nicht lange darauf beide 
wieder zusammenwirft. ^) Das tertium comparationis, welches 
fUr ihn gentigt, ist ihre Charakterisierung als Feinde des 
nicänischen Glaubens. 

Es ist der Standpunkt starrster Orthodoxie, den Lucifer 
einnimmt, und wir sind bereits hier zu dem Urteil berechtigt, 
ihm die Fähigkeit abzusprechen, an der Entwicklung der 
Dinge, wie sie sich in den nächsten Jahren vollzog, frucht- 
bringenden Anteil zu nehmen. Wir sind aber in der Lage^ 
dieses Urteil noch weiter zu begründen, und im Besonderen 
in Zweifel zu ziehen, dass Lucifer die Bedeutung des Strei- 
tes, der sich daran knüpfte, ob der Sohn unius oder similis 
substantiae mit dem Vater sei, nicht aufgegangen ist. Es 
sind uns nämlich Fragmente einer Schrift des Hilarius 
erhalten, in welcher er durch Erläuterungen zu seinem großen 
Werke de synodis, jener Unionsschrift, die uns an einer an- 
deren Stelle noch weiter beschäftigen wird, einige Stellen 
desselben vor Missdeutungen zu schützen suchte. ^) In einem 

1) Vgl. nonparc. p. 247, 8 (203, 17): quid interesse arbitraris inter 
te et Paullnm Samosatennm, vel istum. eins discipulum tuum consco- 
tinum (seil. Photinnm), bIbI qaia tu ante omnia dicas, ille vero post 
omnia (seil, dei filium creatum esse)? — dagegen non parc. p. 271, 
10 (226, 19). In diesem Zusammenhange ist es interessant, den klas- 
sischen Satz von Kölling, Gesch. der arian. Häresie II, 319 zu ver- 
gleichen: Antiphoteinianer und Arianer zugleich sein zu wollen ist 
unvereinbar. Siehe dazu Möller in Stud. Erit. 1884, p. 806. 

2) Hilarius, apologetica ad reprehensores als Anhang zu de sy- 



Ladfer. 39 

dieser Fragmente nun sagt Hilarins, er habe das Recht des 
Gebrauches des Wortes ofioiooaio^ deshalb näher auseinan- 
dergesetzt, weil Lncifer dasselbe ohne Einschränkung ver- 
wendet habe; in einem anderen, es sei nötig gewesen, die 
pia intelligentia (das richtige Verständnis) von ofioioooio^ 
näher zu definieren, weil es auch eine impia gäbe: damit 
habe er aber natürlich den Gebrauch des Wortes bei Lucifer 
durchaus nicht verdächtigen wollen. ^) Da in beiden Frag- 
menten Lucifer direkt angeredet wird, so folgt daraus, dass 
derselbe dem Hilarius wegen seiner Ausführungen in de 
synodis Vorwürfe gemacht haben muss. Nicht aber in dem 
Sinne, dass er ihm seine Liebe und Milde gegen die Häretiker 
vorwarft); sondern der Context zeigt deutlich, dass Lucifer 
sich darüber gewundert haben muss, dass Hilarius überhaupt 
die Möglichkeit eines Missrerstehens des Ausdrucks similis 
substantiae voraussetzte. Eine pia und eine impia intelli- 
gentia hat er überhaupt nicht scheiden wollen ; es giebt nur 
eine pia. Dem entspricht, dass er an der einzigen Stelle, 
wo er die Ausdrücke similis und aequalis für die substantia 
des Sohnes gebraucht, dieselben allerdings ohne Erklärung 



nodis abgedruckt (bei Migne X, 545—548). Die Fonn der Schrift ist 
nicht mehr zu erkennen. Reinkens, Hilarius p. 184 bezeichnet sie als 
eine Apologie in Form von Deklarationen zu den angegriffenen Stellen 
des größeren Werkes. 

1) Hilar. a. a. 0. Migne X, 547: satis absolute, domine frater 
Lucifer, cognosci potait, invitam me homoeusii mentionem habere. 
Sed quia tu similitudinem Filii ad Patrem praedicabas, demonstratio 
eius a me fuit exponenda sine yitio. — ibid. p. 545 : non puto quem- 
quam admonendum, in hoc loco ut expendat, quare dixerim similis 
substantiae piam intelligentiam (vgl. de syn. 76. 77) nisi quia 
intelligerem et impiam: et idcirco similem, non solum aequa- 
lem, sed etiam eandem dixisse, ut neque similitudinem, quam tu, 
frater Lucifer, praedicari volueras, improbarem, et tamen solam 
piam esse similitudinis intelligentiam admonerem, quae 
unitatem substantiae praedicaret. 

2) Wie Beinkens a. a. 0. will. Das ist ein bloßer Rttckschluss 
aus Lncifers späterer Stellungnahme, der allerdings sehr erklär- 
lich ist. 



40 Gapitel I. 

einfuhrt^). Diese Stelle hatte Hilarins im Auge gehabt ^j. 
Lueifer, in seinem Vorwurf, vindicierte den Ausdruck ofxot- 
oooio; demnach einfach für die eigene Partei und bewies 
dadurch, dass er die Beweisführung des Hilarius und dessen 
Zweck gar nicht verstanden hatte. 

Daraus folgt einerseits, dass er ttber Parteischattierungen 
im gegnerischen Lager gar nicht unterrichtet war, andrerseits 
dass er gegebenen Falls auch den Ausdruck unius substantiae 
mit dem gefahrlichen similis substantiae vertauschen konnte, 
ohne sich der Tragweite beider Formeln bewusst zu sein. 

Von hier aus findet nun auch das Bätsei seine Lösung, 
dass der Mann, welcher mit den anderen Bekennem des rechten 
Glaubens gemeinschaftliche Verbannung ertrug, welcher in 
Wort und That eingetreten war für Athanasius, den Vor- 
kämpfer der Nicäner, sich gerade in dem Augenblicke von 
den bisherigen Genossen trennte, als die Herrschaft der Geg- 
ner wankend zu werden drohte. Die vollständige Unfähig- 
keit, sich in die Ansichten Anderer hineinzuversetzen, die 
sich hauptsächlich auf theologischem Gebiet äußert, das starre 
Festhalten an der einmal angenommenen Position haben nicht 
einmal das Bedürfiiis in ihm aufkommen lassen, Concessionen 
zu machen, und sein Gewissen hat ihm nicht erlaubt, ihre 
Berechtigung bei Anderen anzuerkennen. Kann man ihm 
bei all seiner ungebildeten Derbheit und seinem wilden 
Feindeshass nicht absprechen, dass er ein ehrlicher, guter 
Christ war, so ist es doch andrerseits als ein Unglück zu 
beklagen, dass er an einen Punkt gestellt wurde, wo mehr 
von ihm gefordert ward : umsichtiges Handeln mit Verständ- 
nis der Situation. 3) 



1) Die Stelle findet sich de Äthan. I, p. 125, 13 (98, 18) : cum 
similis atque aeqnalis sit Dei filius patri. 

2) Näheres darüber und inwiefern sich daraus auf die Abfas- 
sungszeit der beiden Bücher de Äthan, schließen lässt, vgl. im An- 
hang I e. 

3) Einzelne Theologumena des Lueifer vorführen zu wollen, ist 
nach allem, was angeführt wurde, zwecklos. Man hat wohl gemeint, 
in ihm einen besonders energischen Vertreter der Homousie des Geistes 



Lucifer. 41 



m. 



Während Lucifer im Exil sich in ohnmächtigem Zorn 
verzehrte und mit fanatischem Eifer sich in die Erinnerungen 
der Vergangenheit vergrub, ohne auf die Gegenwart zu ach- 
ten und fUr die Zukunft; Sorge zu tragen, hatte sich in der 
Lage der Dinge draußen in der Welt ein großer Umschwung 
vorbereitet. Das Jahr 361 sah ganz veränderte Zeiten. Zwar 
schien der Homöismus, untersttltzt und gehoben durch Gon- 
stantius, mächtiger als je, aber schon waren die Geister thätig, 
die ihn zu Falle bringen sollten. 

Seit es im Jahre 357 zu der sogenannten dritten sir- 
mischen Formel gekommen war, welche das Bestreben des 
Kaisers, vermittelst einer ganz neutral gehaltenen und farblosen 
Glaubenslehre alle Parteien zu einigen, klar und unverhüllt 
zu Tage treten ließ, waren die Theologen des Orients, welche 
bisher mit der kaiserlichen Partei mehr oder weniger ge- 
meinsame Sache zu machen gewillt gewesen waren, weil 
sie in den Nicänem die Feinde ihres Glaubens zu sehen 
vermeinten, darauf aufmerksam geworden, wie viel größer 
die Kluft sei, welche sie von den bisherigen Freunden trennte, 
deren Tendenz, die christliche Erkenntnis, dass Christus wahrer 
Sohn Gottes und kein Geschöpf sei, zu untergraben, ihnen 
jetzt deutlich vor Augen lag. Sprach doch jene sirmische 
Formel es nackt aus, dass der Sohn dem Vater mit allen 
Kreaturen unterworfen sei. Und jene Phrase, man könne 
nicht wissen, wie der Vater den Sohn erschaffen: darum 
solle man lieber alle Untersuchungen und Formulierun- 
gen vermeiden, öffnete allen Deutungen Thür und Thor. 
Aber wenn man auch zu fühlen begann, dass man in der 
Schätzung des Sohnes mit den Nicänem auf gleichem Boden 
stand, immer wieder trat das ofiooooio; dazwischen, und 



sehen zu mtisaen (vgl. bes. die Coleti proleg. p. XXII). Doch seine 
dahin gehenden Behauptungen sind ganz naiv und ohne theologische 
Reflexion. Man darf auch nicht vergessen, dass die Homousie des 
Geistes erst seit ca. 360 Gegenstand der Controverse wurde. 



42 Capitel I. 

nach wie vor yermeinte man sich dagegen sträuben zu müs- 
sen, weil es nicht schriftgemäß sei. 

Das war die Stimmung, welche ihren Ausdruck seit dem 
Concil von Ancyra 3 58 in der Partei der Homöusi- 
aneri) fand. Mannhaft stand ihr Führer, der Bischof Ba- 
silius von Ancyra, gegen die am Hofe beliebte Deutung des 
ofjLoioc xara Tcavra der vierten sirmischen Formel vom 27. Mai 
359, die er selbst freilich unterschrieb, ein, indem er zu- 
sammen mit Georgius von Laodicea in einem längeren Auf- 
satz seine Meinung dahin präcisierte, dass das ofxoioc oo fiovov 
xaxa TT^v ßouXTjotv aAAa xaxa r^v üTrootaoiv xal xata ttjV oTcapEiv 
xal xata to elvat ax; ulov zu verstehen sei. 2) Das war die 
denkbar schärfste Verurteilung der homöischen Auffassung 
von Seiten derjenigen, die noch vor Kurzem Hand in Hand 
mit den Homöem gegangen waren. Schon zu Ancyra war 
die bfiotoTT]? xal xat ooatav zum Stichwort erhoben worden; 
nun suchte der Aufsatz des Basilius und Georgius dasselbe 
näher zu begründen. Aber indem man sich gegen das 
ofxoouaioc als nicht schriftgemäß wandte, beging man die 
Inkonsequenz, einen ebenso unschriftgemäßen Ausdruck zum 
Ersatz zu wählen.^) 



1) Die Formel Sfioioc xat' o6o(av findet sich zuerst in den Ana- 
thematismen dieser Synode bei Epiph. LXXIII, nr. 11 (vgl. Hahn, 
Bibl. Symb. § 92). Wenn schon die sirmische Formel von |357 den 
Gebrauch des homoeusion verbietet, so beweist das freilich, dass der 
Ausdruck schon früher geläuQg war. Aber er war nirgends in den 
Symbolen der bisherigen Eusebianer fixiert. Auch enthält er bewusste 
Opposition gegen das op.oioc der kaiserlichen Partei und konnte daher 
zum Stichwort erst werden, nachdem jene ihr Programm unverhüllt 
vorgelegt hatte. 

2) Vgl. Epiph. LXXni, nr. 12—22. Die Worte finden sich nr. 22. 
Über die Bedeutung des Aufsatzes siehe auch Gwatkin a. a. 0. 
p. 168 f. 

3) Der Sinn, in welchem Basilius und seine Genossen das 6fAotou- 
oio( verwendet wissen wollten, ist kaum unterschieden von demjenigen, 
in welchem das 6tiioo6oioc späterhin sich allgemein durchgesetzt hat 
(vgl. auch die Erörterung über die unoordoetc bei Epiph. LXXIII, 16). 
Aber Basilius hegt gegen das Wort auch die Bedenken, welchen das- 
selbe in seinem ursprünglichen Verständnis ausgesetzt war. Sehr cha- 



Lucifer. 4$. 

Den Führern der Nicäner war der Umschwung, der 
sich in der Stimmung der Gegner zu vollziehen begann^ 
nicht verborgen geblieben. Hilarius begrüßte ihn mit Freu- 
den in seiner Schrift de synodis, welche dazu bestimmt war^ 
seinen Qalliem Nachricht zu geben, wie sich in dem richtig 
verstandenen bfioioocjio; die Tatsache wiederspiegele, das» 
auch im Orient das Verständnis für den nicänischen Glau- 
ben aufgehe. Athanasius griff zur Feder, um in einer seiner 
schönsten Schriften, gleichfalls de synodis betitelt, einmal 
die Freude über das Entgegenkommen der bisherigen Gegner 
auszudrücken, zugleich aber auch nachdrücklich auf die In- 
konsequenzy die in dem Worte ofioioosio^ lag, aufmerksam 
zu machen: er wies auf die Gefährlichkeit des Ausdruck» 
hin; er lud dazu ein, das ofiooucjioc, welches das auch bei 



rakteristisch spiegelt sich diese Auffassung in dem ersten Briefe de» 
jungen Basilius von Caesarea an ApoUinaris von Laodicea (der Brief- 
wechsel ist ediert und über allen Zweifel als echt nachgewiesen von 
Dräseke in der Zeitschr. für Kirchengeschichte VIII, p. 85 ff.) wieder. 
Basilius tritt dort für das Sfxoioc xax' o6o(av ein und zwar in demselben 
Sinne, in welchem er später das 6(xoot5oioc vertreten hat. Es heißt 
(p. 97) : el cpfi»; voTjriv dtSiov, dY^v^Tjxov t?)V tou izaxphi oöoiav ti« \i>(Oi, ^fi)« 
voTfjTÖv dthios •^e'TiriThs xoX t^jv toü (lovo^evou; o6aCa'y IpeT. irpö« hk r^jv 
Toia6T7)v Ivvoiav 5oxet p.oi ii tou dTcapaXXaxTo»; 6(xoCoi) ^cdv*^ (hier noch 
ein Nachklang des Bekenntnisses Lucians des Märtyrers) fjiaXXov '^irep 
i\ TOU 6fjLOOUoiou dpixöxreiv. ^pm« ^dp «otI (XT)^e(x(av is Tip piaXXov xoX ^ttov 
TT?]v Btacpopdv f^ov, Ta^TÖv piev o6x elvai, (der alte Vorwurf gegen 
die ursprtlngliche nicänische Auffassung] ^iöti is ihicf. Tcepi^pacp^ 
TfjC o6a(ac doTlv ixdzepos , SfjLoiov hk xaT^ o6alav dxpißwc xal 
d^opaXXdxToi«, 6pft(b« dv olopiai X^y^'^^**- Wenige Jahre später 
würde er in diesem Sinne gar nichts gegen das 6(xoo6oioc eingewandt 
haben. Auch er ringt noch mit Skrupeln, dass dasselbe nicht schrift- 
gemäß sei, und erbittet sich von ApoUinaris Belehrung darttber. Kurz, 
es ist dieselbe Stellung, welche Basilius und seine Genossen ein- 
nehmen; — der Brief ist nachweislich spätestens im Jahre 361 ge- 
schrieben (vgl. Dräseke p. 111) — dasselbe Ringen nach einem prä- 
cisen Ausdruck für den schon vorhandenen Gedanken, wie es sich 
auch in der Unbeholfenheit der beiden Schreiben der Homöusianer 
(Epiph. LXXIII, 2—11; 12—22) kund giebt. Diese Partei war nur 
eine Übergangspartei. Sie bezeichnet das letzte Stadium des Wider- 
standes der alten Konservativen gegen das 6^1006910;. 



44 Capitel I. 

den Gegnern vorhandene ^) richtige Verständnis viel sicherer 
gewährleiste, anzunehmen : der (rrnnd, dass es nicht schrift- 
gemäB sei, könne nicht geltend gemacht werden, wo doch 
das bjioiooatoc von demselben Vorwnrf getroffen werde. 

So war man sich auf beiden Seiten in der Theorie be- 
deutend entgegengekommen, als der Tod des Gonstantius die 
Möglichkeit bot, solche theoretische Annäherungen auch in 
die Praxis umzusetzen. Julian hatte sein Edikt erlassen; 
die verbannten Bischöfe sollten zu ihren Gemeinden zurück- 
kehren. 2) Der Kaiser gab seiner Absicht, den Hellenismus 
zu restaurieren, indem er ihn zu einer Art heidnischer Kirche 
umschuf unter dem Einfluss dessen, was ihn das Christen- 
tum gelehrt hatte, dadurch die erste Basis, dass er die 
Gleichberechtigung der Beligionen — ein Edikt betreffend 
die heidnische Religion war voraufgegangen ^j — und inner- 
halb derselben natürlich der Confessionen proklamierte. So 
wenig zeitgemäß diese Politik war, ^j so ist doch nicht zu 
leugnen, dass der Umschwung der Stimmung, den wir oben 
charakterisiert haben, durch die Ermöglichung einer freieren 



1) Athanasius will in dieser Schrift den modus vivendi mit den 
Gegnern vorbereiten. Im Übrigen geht aus der überlegenen Beweis- 
führung zur Genüge hervor, dass er sich wohl bewusst ist, wie dies 
richtige Verständnis doch ein sehr bedingtes ist. 

2) Athanasii vita acephala (früher als historia acephala bezeichnet, 
zuletzt herausgegeben von Sievers, Ztschr. für die histor. Theol. 1868, 
p. 89 ff.) p. 155: Mechir XIY (8. Februar) datum est praeceptum 

Gerontio praefecto eiusdem Juliani imperatoris , praecipiens epi- 

scopos omnes factionibus antehac circumventos et exiliatos reverti ad 
suas civitates et provincias. 

3) Vit. aceph. a. a. 0. : Mechir X (4. Februar) Juliani imp. 

praeceptum propositum est, quo iubebatur reddi idolis et neochoris 
et publicae rationi, quae praeteritis temporibus Ulis sublata sunt. 

4) Es ist hier nicht der Ort, dieses Urteil (vgl. auch p. 7 dieser 
Arbeit) näher zu begründen. Trotz des reformatorischen Elementes 
in Julians Restaurationspolitik (vgl. darüber Hamack in der B. E. 
s. V. YII, 291 f.) ist dieselbe doch wesentlich eine Politik der Beak- 
tion, welche nicht in erster Linie von staatsmännischen Gesichts- 
punkten geleitet wird. 



Lucifer. 45 

Entwicklnng der Dinge in Folge jenes Ediktes eine wesent- 
liche Förderung erfahren hat. 

Den Ausdruck dieser Tatsache erkennen wir in der 
Synode von Alexandrien, welche Athanasius bald, 
nachdem er in seine Diöcese zurückgekehrt war, berufen 
hat, um die Kirche aus den Stürmen der Ketzerei und den 
Wirbelwinden des Unglaubens wieder zur Ruhe zurückzu- 
führen. ^) Diese Synode, deren ganze Tendenz dahin ging, 
dem Bedürfais der Zeit nach einer die Gemüter befrie- 
digenden Schlichtung der bestehenden Streitigkeiten praktisch 
abzuhelfen, ist ein Ereignis von großer Tragweite, dessen 
Bedeutung nicht immer genügend gewürdigt wird 2). Ein 
Friedensconcil im besten Sinne des Wortes, gab sie das 
Programm auS; dem die Zukunft gehörte, und bildet somit 
den Anfangspunkt derjenigen Bewegung, welche zum end- 
lichen Siege der nicänischen Lehre geftthrt hat. 

Erscheint uns so diese Synode im Zusammenhang der 
bisher entwickelten Qedankenreihe als ein höchst bedeu- 
tendes Ereignis, so ist sie uns auch nach einer anderen 
Seite hin von größter Wichtigkeit: sie bildet den Höhe- 
punkt im Leben desjenigen Mannes, den man mit Fug als 
den größten seines Jahrhunderts bezeichnen kann, des Atha- 
nasius. Der große Bischof von Alexandrien gehört zu den 
wenigen, welthistorischen Männern, welche ihr ganzes Leben 
hindurch Herren der Situation gewesen sind. Obwohl Hie- 
rarch im großen Stil, hat er doch stets in erster Linie für 
den großen reinen Gedanken seiner Jugend, dass zu unserer 
Erlösung die ganze Gottheit auf Erden erscheinen musste. 



1) Bnfin I, 28: quo pacto post haereticorum procellas et 

perfidiae turbines tranquillitas revocaretur ecclesiae , ornsL cura et 
libratione discntiunt. 

2) Auch nicht von Hefele I, 727, ein Beispiel fQr die auch sonst 
zu machende Beobachtung, dass derselbe die Bedeutung eines Con- 
cils oft nur nach dem Umfang der uns erhaltenen Akten oder Canones 
abschätzt. — Am ausführlichsten unter den neueren Darstellungen ist 
die von Newman, the Arians of the fourth Century. Doch stehen die 
historischen Abschnitte dieses Buches im Dienste einer dogmatischen 
Theorie. 



46 Capitel I. 

gelebt und gestritten. Diese Wahrheit sah er allerdings 
in dem Bekenntnis znr Homousität des Sohnes mit dem 
Vater gewährleistet: darin liegt es begründet, dass er trotz 
der Erkenntnis, dass seine Auffassang desselben von der- 
jenigen verschieden sei, welche sich in den letzten Jahren 
seines Lebens durchsetzte, i) die relative Berechtigung der 
letzteren anzuerkennen vermochte. Dass er es gethan hat 
im Interesse der Einheit der Kirche und der Lehre, ist eine 
Großthat, die dadurch nicht verkleinert wird, dass geringere 
Geister, wie Lucifer, ihr die Anerkennung versagten. 2) Sein 
rechtzeitiges Einlenken hat der orientalischen Kirche Kämpfe 
erspart, die bei dem Wiedererstarken der arianischen Oppo- 
sition unter Valens doppelt schädlich gewesen wären; es 
hat aber zugleich bewirkt, dass Athanasius bis zu seinem 
Tode das anerkannte Haupt der nicänischen Partei auch bei 
denen blieb, welche übrigens seine Ansicht nicht teilen 
mochten. 

Die Verhandlungen des Concils sind uns erhalten 
in der Epistel, welche Athanasius selbst im Namen der 
Synodalen an die Antiochener abgesandt hat, damit er den- 
selben als Richtschnur zur Beilegung der dort herrschenden 
Streitigkeiten diene. Dieser sogenannte Tomus ad An- 
tioc he nos^) ist völlig klar, übersichtlich und mit besonnener 
Mäßigung geschrieben. In wie weit der Bericht vollständig 



1) Dass er diese Erkenntnis besessen, beweist einmal seine 
Schrift de synodis (vgl. oben p. 44 und Note 1) ; dann aber sein Ver- 
halten gegenüber den antiochenischen Streitigkeiten (vgl. weiter unten) 
und seine immerhin zurückhaltende Stellung gegenüber Basilius von 
Caesarea (vgl. Bade, Damasus p. 81 ff.). 

2) Vgl. auch Montaut, questions historiques etc. p. 131: sauve- 
-garder la doctrine et c6der aux hommes a donc 6t6 la maxime 6qui- 
voque, aprös laquelle TOrient orthodoxe a y6cu tant bien que mal, 
pendant que les Occidentaux, plus disciplin^s et plus ri- 
gides, repoussaient les concessions 6quiyoques. Aber der Occident 
stand eben unter ganz anderen Bedingungen der Entwicklung als 
-der Orient. 

3) Im ersten Bande der .Werke des Athanasius abgedruckt. 



Lucifer. 47 

ist, zeigen die Sekandärquellen. Von diesen folgt Bufin^] 
im Gange seiner Darstellung genau derjenigen des Tomus; 
doch zeigt eine, auch sonst. beglaubigte Notiz, 2) sowie Ein- 
zelheiten unbedeutender Art, ^) welche der Tomus nicht ent- 
hält oder in abweichender Fassung wiedergiebt, dass ihm 
noch eine andere Quelle vorgelegen haben kann. Ähnlich 
scheint die Sache bei Socrates*) zu liegen. Bei ihm ist eine 
der Hauptaufgaben des Concils, die Aufaahme der Homö- 
usianer, vollständig in den Hintergrund getreten, und die 
übrigen Punkte der Verhandlung werden nur kurz erwähnt. 
Dagegen hat Socrates an zwei derselben längere Auseinander- 
setzungen angeknüpff;, die teils seine eigene Meinung dar- 
legen, teils die Berechtigung der vom Concil gefassten 
Beschlüsse aus der Geschichte nachweisen sollen. Dem 
letzteren Zweck ist er nur in unbeholfener Weise gerecht 
geworden. Positiv falsch ist die Notiz, dass zu Alexandrien 
der Gebrauch der Ausdrücke oüa(a und uTcooraoK; verboten 
worden sei;*^) wertvoll, aber mit Eeservation aufzunehmen 
die andere, dass bereits auf dem Concil zu Nicaea Hosius die 
Frage nach dem Unterschiede beider angeregt habe. Nach 
Socrates soll Athanasius auf der Synode seine apologia de 
fuga sua verlesen haben. ^) Sozomenos endlich, der sonst 
dem Berichte der beiden genannten Autoren genau folgt, 



1) Eist. eccl. I, 28. 

2) Dass nämlich auch zu Alexandrien eine rigoristische Partei 
gegen die conciliatorischen Absichten des Athanasius aufgetreten sei. 
Vgl. dazu Hieron. adv. Lucif. cp. 20; über das Nähere siehe unten. 

3) So ist die Motivierung der Aufnahme der Homöusianer um das 
Gleichnis vom verlorenen Sohn bereichert, eine Änderung, die Bufin 
füglich selbst vorgenommen haben kann. 

4) Hist. eccl. IH, 7. 

5) Dies hat schon Yalesius in der Note zu der Stelle gesehen. 

6) A. a. 0. III, 8. Jeep, Quellenuntersuchungen etc. p. 114, be- 
hauptet, Soor. III, 7 sei nicht aus dem Tomus entnommen. Aber 
auch jene falsche Notiz kann aus flüchtiger Lektüre von cp. 3 des 
Tomus hervorgegangen sein. Die anderen Angaben brauchen, abge- 
sehen von jenen längeren selbstverfertigten Zusätzen, nicht aus an- 
derer Quelle zu stammen. 



48 Capitel I. 

bez. denselben excerpiert, schweigt von der Synode zu Ale- 
xandrien überhaupt. ^) 

Für unseren Zweck, der durch die Stellungnahme des 
Lucifer zu den Beschlüssen des Goncils bestimmt ist, kom- 
men nur die ersten 4 Capitel des Tomus in Betracht. 2) 
Athanasius setzt hier zunächst im allgemeinen auseinander, 
dass man mit denen, welche die arianische Häresie aufzu- 
geben bereit seien, fürderhin Gemeinschaft halten solle, da- 
mit es überall heiße: stc xopioc [x(a ir(9Ti< (cp. Ij. Er selbst 
habe dringend gewünscht, die in Antioc hien wegen dog- 
matischer Differenzen entstandenen Streitigkeiten zu schlichten, 
doch sei er durch die Angelegenheiten der eigenen Diöcese 
verhindert, diese Absicht auszuführen, und die Synode sende 
daher den Eusebius (von Yercellae) und den Asterius (von 
Petra) als Vermittler nach Antiochien (cp. 2). Unter An- 
erkennung der Gemeinde des (Presbyter) Paulinus als der 
eigentlich glaubenstreuen — an sie ist der Brief überhaupt 
gerichtet — ermahnt er dazu, besonders die (um den ver- 
bannten Bischof Meletius gescharte) Gemeinde in der an- 
tiochenischen Altstadt und Alle, welche die arianische Häresie 
abschwören wollten, als christliche Gemeinde anzuerkennen. 
Wie Väter die Söhne, als Lehrer und Leiter, soll man sie 
aufnehmen und als Mafistab der Christlichkeit nichts ver- 
langen als Bekenntnis zum nicänischen Glauben und Ab- 



1) Hist. eocl. V, 12 berichtet über die gleichzeitigen Ereignisse. 
Aach die vita aceph. a. a. 0. p. 155 erwähnt die Synode nicht Da 
Sozomenos auch sonst von dieser Quelle und zwar gerade für diese 
Zeit abhängig ist (vgl. Anhang I e), so ist jene Auslassung vielleicht 
in dieser Beziehung zu suchen. 

2} Nur sie beschäftigen sich direkt mit Antiochien. In den fol- 
genden Capiteln wird der dortigen Gemeinde Auskunft über die an- 
deren Verhandlungen der Synode erteilt Die in cp. 5 und 6 incri- 
minierten und gerechtfertigten Parteien, deren eine allerdings bereits 
die sogenannte jüngere nicänische Auffassung zu vertreten scheint, 
müssen auf der Synode selbst vertreten gewesen sein. Jedenfalls darf 
man daraus keinen Schluss auf die dogmatische Stellung der meletiani- 
schen Gemeinde in Antiochien ziehen. Ihrer wird im Eontext des To- 
mus als einer nicht nicänischen gedacht; vgl. weiter unten. 



Lucifer. 49 

schwören der arianischen und pneamatomachisclien Häresie.^) 
Ancli die Qemeinde der Altstadt dtlrfe das Gleiche, aber 
nicht mehr, von den Paulinem verlangen (cpp. 3. 4.). 

Die Qemeinde des Meletius^) wird also hier deut- 
lich von Anderen, die etwa sonst noch zum Nicänum sich 
bekehren möchten, unterschieden: doch nicht so, als sei sie 
selbst schon nicänisch gewesen. Vielmehr zwingt weder 
der Gontext zu dieser Auffassung, noch erlaubt uns das, 
was wir sonst von Meletius wissen, anzunehmen, dass er 
anders als Basilius und Georgius, also homöusianisch, ge- 
dacht habe. Die Predigt, wegen welcher er verbannt wurde, 
ist nicht nicänisch , vermeidet vielmehr jede dahin lautende 
Formulierung 3), und auch die Interpretation, welche die unter 
ihm im Jahre 363 gehaltene Synode zum Bekenntnis des 
nicänischen Glaubens hinzufügte, dass nämlich ofioouaioc mit 
o(jLoio< xax oooiav zu deuten sei"^), geht noch nicht viel über 



1) Das wird besonders betont: TcapaxaXoufAev 6p,ac in\ toOtoic 
Ytveadai toötwv nfjv 6ti6voiav, xol [urfiks nkios toütcdv [kiixe toü« is tq Tca- 
Xaiql OüNa70|xlvoü5 dTcaiTeio^ai Trop' 6jxäjv, fxtJTe T065 it€pl üauXtvov fxep^v 
Tt [krfih nkios täv is Nixalqi 7rpoß<iXXec(^at. 

2) Die Genesis der antiochenischen Streitigkeiten und ihre Ge- 
schichte bis auf das Jahr 362 nrnss ich als bekannt voraussetzen. Man 
vgl. den Artikel von Möller bei Herzog IX, 530 ff. und die Darstellung 
von Bade a. a. 0. p. 74 ff. 

3) Gwatkin a. a. 0. p. 183 : the sermon proved decidedly Nicene. 
Dem widerspricht der Text der Predigt bei Epiph. LXXIII, 29 — 33 
(vgl. Möller a. a. 0. p. 531 und Hort, two dissertations p. 96 Note 1). 
In cp. 31 wird die Homöusität im Sinne des Basilius deutlich ausge- 
sprochen. Meletius hatte außerdem Beziehungen zu Acacius von Cae- 
sarea (Epiph. a. a. 0. 23) und hatte die Formel von Nice (Philos. V 1, 
vgl. mit IV, 12 gegen Ende) unterschrieben. 

4) Vgl. die Synodalepistel bei Socr. III, 25. Auch diese Formu- 
lierung ist ein Zeichen dafür, wie langsam die Umbildung der Ho- 
möusianer in die jüngeren Nicäner vor sich gegangen ist Man kann 
Ähnliches an Cyrill von Jerusalem beobachten (vgl. Hort a. a. 0.). 
Aber die Jahre nach 362 sind freilich die entscheidenden gewesen. — 
Wenn übrigens Epiph. LXXIII, 34 in seiner Beurteilung des Meletius 
und seiner Gemeinde dieselbe als nicänisch prädiciert, so fügt er 
hinzu vuv(, und das heißt zwischen 374/377 : denn in diesen Jahren 

4 



50 Capitel I. 

den Umfang des von Basilins zu Ancyra und in seinem Auf- 
satz von 359 Angestrebten hinaus. 

Diese homönsianisehe Gemeinde durch das Bekenntnis 
zum Nieänum mit dem »rechtgläubigen Stamm« zu vereinigen, 
war die Absicht des Athanasius und der alexandrinischen 
Synode. Es erscheint wie eine Ironie, dass der erste Ver- 
such, eine praktische Annäherung der Parteien zu bewirken, 
von einer Seite aus vereitelt werden sollte, von der es Atha- 
nasius nicht erwarten konnte. 

Lucifer von Calaris war auf die Nachricht von dem 
Edikte des Julian aus der oberen Thebais, wohin er zu- 
letzt exiliert worden war, zurtlckgekehrt und mit Eusebius 
von Vercellae zusammengetroflfen. Dieser machte ihm den 
Vorschlag, mit ihm nach Alexandrien zu gehen, um dort 
gemeinsam mit Athanasius die kirchlichen Kotstände zu be- 
rathen ^) . Lucifer schlug das aus einem uns nicht bekannten 
Grunde ab und sandte an seiner Stelle zwei Diaconen^] nach 
Alexandrien. Er selbst zog es vor, sofort nach Antiochien 
zu eilen, wo er seine Anwesenheit nötig glaubte. Doch gab 
er seinen Gesandten Vollmacht, in seinem Namen die even- 
tuellen Beschlüsse der Synode gut zu heißen. ^Er fand eine 
rechtgläubige Gemeinde unter dem Presbyter Paulinus, die 
Gemeinde in der Altstadt, deren Bischof wahrscheinlich noch 
nicht aus der Verbannung zurückgekehrt war, ') und die 

hat er sein Werk abgefasst. Dass er den Meletius als verbannt vor- 
aussetzt, bezieht sich auf dessen zweite Verbannung unter Valens. 

1) Quellen für diese und die folgenden Notizen sind Bufin I, 
27. 30. Soor. III, 5. 6. 9. Sozom. V, 12. 13. Theod. in, 4. 5. Im 
Ganzen und Großen reducieren sich die Angaben der letzteren auf 
die des Bufin (Sozom. ist von Socr. ganz abhängig) ; doch mögen ein- 
zelne Zusätze des Socrates aus anderer, Jedenfalls nicht mehr zu be- 
stimmender Quelle stammen (so Jeep a. a. 0. p. 108). Ebenso nahe liegt 
freilich die Annahme einer ungenauen Lektüre. 

2) Dies berichtet der Tomus ad Antiochenos, der auch die 
Namen Herennius und Agapetus nennt, und wir können daran nicht 
zweifeln. Bufin spricht allerdings sowohl I, 27 als I, 30 von einem 
Diakonen. Ihm sind Socr. und Sozom. gefolgt 

3) Wenigstens ist das nirgends berichtet, und es wäre doch auf- 
fallend, wenn er bei der Wahl des Paulinus gar nicht opponiert hätte. 



Lucifer. 51 

homöische unter Enzoius. Er zögerte keinen Augenblick, 
der Gemeinde des Faulinus in der Person ihres bisherigen 
Leiters einen Bischof zu geben, indem er dabei wahrschein- 
lich Yon Gymatius von Faltus und Anatolius von Euboea^) 
unterstützt wurde. 

In diesem raschen Verfahren liegt doch zunächst nichts 
Auffallendes. Lucifer war nach Antiochien gekommen, in 
der Absicht, dem Streit ein Ende zu machen. Die Gemeinde 
des Euzoins kümmerte ihn selbstverständlich überhaupt nicht. 
Dass man mit den Meletianem anders yerfahren sollte als 
mit jenen, wusste vor dem Concil von Alexandrien Niemand. 
Auf dieser Synode selbst war eine Partei aufgetreten, welche 
der milden Politik des Athanasius auf das Lebhafteste oppo- 
nierte und es nach dem Bericht des ßufinus^) sogar durch- 
setzte, dass man von den anerkannten Führern der Gegner 
für den Fall ihres Übertrittes verlangte, dass sie sich zu 
Laien degradieren ließen. Überhaupt war die versöhnliche 
Stimmung, wie sie durch Hilarius und Athanasius angebahnt 
wurde, damals keineswegs Gemeingut: vielmehr war man 
vielfach der Ansicht, dass, wer die vierte sirmische Formel 
unterschrieben habe, durchaus als Ketzer zu behandeln sei ^) . 
Lucifer handelte daher sicherlich in dem guten Glauben, den 
richtigen Weg ergriffen zu haben. 

Da langte Eusebius von Alexandrien mit dem Brief 
der Synode, den er sowohl wie die Diakonen des Lucifer 
unterschrieben hatte, in Antiochien an. Er überbrachte die 



1) Beide waren in Antiochien anwesend und werden im Tomus 
ausdrücklich unter den Empfängern des Briefes genannt. 

2) Rufin I, 27: aliis videbatur fidei calore ferventibus, nullam 
debere ultra in sacerdotium recipi, qui se utcnmque haereticae com- 
munionis contagione maculasset; und gleich darauf: die Synode be- 
schloss : ut tantum perfidiae auctoribus amputatis reliquis sacerdotibus 

daretur optio . Vgl. dazu Hieron. dial. Lucif. cp. 20: in Alex. 

synodo constitutum est, ut exceptis auctoribus haereseos quos error 
excusare non poterat, reliquis — — . Der Tomus weiß nichts davon; 
trotzdem kann die Notiz des Rufin richtig sein. 

3) Vgl. Sulp. Sev. II, 45 : — cum plerisqne yideretur non ineun- 
dam cum his communionem, qui ariminensem synodum recepissent. 

4* 



52 Gspitel I. 

Anffordamiig, mit den bisher für Ketzer Gehaltenen Gemein- 
schaft zu pflegen nnd dementsprechend die Verhältnisse zu 
ordnen. Er £uid sie geordnet, freilich in einer Weise, welche 
den Anordnungen des Concils widersprach. Noch jetzt er- 
sehen wir ans den Andentangen der Historiker, wie peinlich 
die Lage gewesen sein muss. Ensebins, mag er nun auf 
Ludfers Schritt yorbereitet gewesen sem oder nicht, ^) befimd 
sich Yor einem fait accompli: PanUnns war ordnnngsmäBig 
geweiht, noch dazu Yon einem Bischof, den man in erster 
Linie als Verteidiger der Bechtglaubigkeit schätzte. Eben 
die Achtung vor Ludfer wird den Eusebius bewogen haben, 
die Dinge durch sein Eingreifen nidit noch yerwickelter zu 
machen. Es ist nicht ganz klar zu stellen, ob er Ludfer 
noch in Antiochien antraf, da uns Socrates yersichert, 
derselbe habe sofort nach der Ordination des PauUnus die 
Stadt yerlassen. ^) Darum wissen wir nicht, ob und wie weit 
es zu persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Beiden 
gekommen ist. Eusebius, auch hierin der bisher befolgten 
Anordnung des Concils getreu, blieb mitPaulinem und Me- 
letianem in Eirchengemeinschaft^) und yersprach bei seiner 
Abreise, darauf hinzuwirken, dass ein Goncil die Verhältnisse 
im Sinne Aller ordne. ^} 



1) Bnfin I, 30 sagt, dass Lucifer den Paulinus contra pollidta- 
tionem (nämlich gegen ein dem Ensebias gegebenes Versprechen) ge- 
weiht habe. Dann müssten Verhandlungen über diesen Punkt zwischen 
beiden yoraufgegangen sein. 

2) Socr. III, 6 am Schluss. Die Erzählung in III, 9 setzt die 
Anwesenheit des Lucifer in Antiochien nicht voraus. 

3} Neutri parti communionem suam relaxans. Bufin I, 30. 

4) Es liegen in dem Bericht des Bufinus über diese Sache einige 
Schwierigkeiten, die ich nicht zu lösen vermag. Es heißt im Anfang 
von cp. 30 ausdrücklich : sed Eusebius cum (nach der Synode von 

Alexandrien) rediisset Antiochiam et invenisset . Das setzt 

voraus, dass er vorher in Antiochien war, wovon wir doch nichts 
wissen. Bei dieser Annahme könnte man auch die folgenden Worte: 
abscessit, neutri parti communionem suam relaxans, quia digrediens 
inde promiserat se acturum in concilio, ut is iis ordinäre tur epi- 
scopus, a quo pars neutra descisceret, auf diese frühere Anwesenheit 



Lucifer. 53 

Wie aber stellte sich Lncifer? Die Charakteristik nach 
seinen Schriften hat uns gezeigt, dass der Bischof in Folge 
seiner theologischen Unwissenheit dem Gange der Entwicke- 
lang der Dinge zu folgen nicht yermocht hätte, wenn er es 
auch wollte. Aber seine ganze Gemtttsart, sein brennender 
Eifer gegen Andersgläubige, seine fanatische Orthodoxie ließ 
auch nicht einmal das Bedürfnis in ihm aufkommen, einer 
Politik der Vermittlung, wie sie Athanasius eingeleitet hatte, 
zuzustimmen. Was waren denn diese Meletianer anders als 
Ketzer, als negatores unid Dei filii? Und vertrat nicht die 
kleine paulinische Gemeinde mit Eifer die Bechtgläubigkeit 
in der Form, welche Lucifer für die allein seligmachende 
hielt? Wäre es nicht dem Abfall vom rechten Glauben gleich- 
gekommen, wenn er einen pseudepiscopus Arianus — als 
solcher galt ihm auch Meletius — als katholischen Bischof 
anerkannt hätte. Und nun hatte gar Athanasius, der Hort 
der Bechtgläubigkeit, der soviel ftlr die gute Sache erduldet 
und den er selbst dafür hochgepriesen hatte, nachgegeben 
Er war bereit mit den Ketzern Gemeinschaft zu halten!. 

Bufin möchte den Anlass zur Separation in der Missstim- 
mung gegen Eusebius suchen. Man braucht nicht nach sol- 
chen auf der Oberfläche liegenden Motiven zu greifen i) : es 
ist der Bruch des Bigoristen, wenn man will, des Ultracon- 
servativen, mit den Bealpolitikem. 

Denn zum Bruche ist es nun gekommen: seine Dia- 
konen, welche in seinem Namen die Synodalepistel unter- 
schrieben hatten, mochte Lucifer zwar nicht desavouieren. 



beziehen ; das erwähnte Concil wäre das von Alexandrien. Man kOnnte 
noch weiter gehen und sagen, Lncifer und Eosebius seien beide zu- 
nächst nach Antiochien gegangen; Eusebius von dort nach Alexandrien, 
indem er dem Lucifer das Versprechen abnahm, während seiner Ab- 
wesenheit nichts zu unternehmen (vgl. p. 52 Note 1). Nur ist diese 
erste Reise durch nichts zu belegen. 

1) Vgl. auch Hieron. Lncif. cp. 20: praetereo iUa quae quidam 
ex maledicis quasi satis firma defendimt: hoc illum amore gloriae et 
nominis in posteros transmittendi fecisse: necnon et pro simultate, 
quam adversus Eusebium propter Antiochenam dissensionem susce- 
perat. Nihil istorum de tali viro credo. . 



54 Capitel I. 

Er selbst hob die Kirchengemeinscbaft mit den bisherigen 
Freunden auf. 

Dieser letzte Satz ist fireilich ein umstrittener, und von 
jeher haben sich hier die Meinungen gegenüber gestanden. 
Da Lueifer wenigstens auf seiner Insel als Heiliger verehrt 
wird, ^) so haben begreiflicherweise katholische Auetoren ein 
Interesse daran, anzunehmen, dass Lueifer entweder selbst 
überhaupt nicht zum Schismatiker geworden oder doch vor 
seinem Tode in den Schoß der Kirche zurückgekehrt sei. 

Was die erste Frage anbetrifft;, so ist freilich nicht zu 
verkennen, dass schon unsere erste Quelle, Bufin, sich mit 
einiger Reservation äußert. Trotzdem kann man auch seine 
Worte nicht anders deuten, als dass Lueifer thatsächlich, 
unzufrieden mit den bisherigen Freunden, sich von der Ge- 
meinschaft mit ihnen zurückzog. 2) Diese Ansicht ist deut- 
lich ausgesprochen von Hieronymus, ^) der im Übrigen mit 
der größten Achtung von dem Bischof spricht; und ebenso 
äußern sich Augustin.^) Ambrosius^) und Sulpicius Seve- 



1) Vgl. hierüber den Anhang III. 

2) Rufin I, 30: diu ergo de hoc multumque deliberans cum ex 
utraque parte concluderetur, elegit, ut legato suo recepto erga cae- 
teros sententiam disparem, sed sibi placitam cnstodiret. 
Igitur reversus ad Sardiniae partes sive quia cita morte praeventus 
tempus sententiae mutandae (!) non habuit sive hoc animo immobiliter 
sederat, parum firmaverim. 

3) Hieron. a. a. 0. in tali articulo Ecclesiae, in tanta rabie lu- 

porum, segregatis pancis ovibus, reliquum gregem deseruit. nihil 

istorum de tali yiro' credo (vgl. p. 53 Note 1) unum est quod con- 
stanter loquar, yerbis eum a nobis dissentire, non rebus . 

4) August, ep. 135 bei Migne XXXIII, 813: sie multitudinibus 
per Schismata et haereses pereuntibus subvenire consnevit. Hoc dis- 
plicuit Lucifero quia factum est in iis suscipiendis atque sanandis qui 
veneno perierant ariano; et cui displicuit in tenebras cecidit schis- 
matis amisso lumine veritatis. 

5) Ambros. de excessu Satyri cp. 47 (Migne XVI, 1362/63) : Lu- 
eifer se a nostra tunc temporis communione diviserat, et quamquam 
pro fide exulasset et fidei suae reliquisset haeredes, non (?) putavit 
tarnen fidem esse in schismate. 



Lucifer. 55 

ms. 1] Seine Anhänger , Fanstinus und Marcellinns lehnen 
zwar ab, dass er ihnen neue Lehren hinterlassen habe, ^) sind 
aber sonst der Ansicht, dass er sich von allem Verkehr mit 
denen, welche die Ketzer aufnahmen, freigehalten habe. So- 
crates^) und Sozomenos^) äußern sich so unbestimmt, dass 
man ihre Worte drehen und deuten kann. Dazu beweist 
schließlich das Vorhandensein einer Sekte, die man nach 
ihm nannte, wenn ihre Vertreter auch unter Umständen die 
Bezeichnung ablehnen mochten,^) die Thatsache, dass Lu- 
cifer mit der Großkirche gebrochen hat. 

Dass man aber über diesen Punkt nicht zur völligen 
Klarheit kommen kann, ist freilich die Folge davon, dass 
man über die letzten Lebensjahre des Mannes überhaupt fast 
gar nichts weiß. Nach jener Katastrophe hatte er seinen 
Weg über Italien nach Sardinien zurückgenommen. In dem 
libellus precum wird erzählt, dass er auch in Neapel eine 
ähnliche Scene wie in Antiochien provociert habe, indem er 
dem Bischof Zosimus^ der an Stelle des rechtgläubigen, ver- 
bannten Maximus gesetzt war, die Kirchengemeinschaft ver- 
weigerte. Die ihm von Lucifer geweissagte göttliche Strafe 
für seine Anmaßung soUZosimus pünktlich erlitten haben. <^) 

Noch einige Jahre mag Lucifer in seiner Diöcese ge- 



1) II, 45: in tantum eos qni Arimini fuerant, (Lucifer) condem- 
navtt, ut se etiam ab eorum communione secreverit, qni eos vel sub 
satisfactione vel poenitentia receperint. Dadurch will er freilich kein 
abschließendes Urteil über Lucifer fällen: id recte an perperam con- 
Btituerit dicere non ausim. 

2) lib. prec. cp. 24. 

3) Socr. III, 9: Ao6xi(pep, aitöc [uts td T?jc dxxXT)a(ac ^povöv, cU 
T?)v 2ap5ovlav in\ töv olxelov ^pövov dizeyjihpeu ol hk «pöxepov ouXXuinj^lv- 
xe« airtp Iti xal vuv t?|c lxxX7]o(ac y(op(CovTai. 

4) Sozom. V, 13: oi f^p ^ici to6toic a^Tip ouva^döfuvoi , ocpac x^c 

^*xX7)o(ac dTtioytaayi, o6xöc 5^, xalirep bnb x^c X6Trtjc xpaxo6|ievoc , 

6[i.o(ppovä)V xiQ xadöXou £xxXt)o(^) elc SapSovla"^ d^(xexo. Dürfte man auf 
Sozomenos überhaupt etwas geben, so würde dies Zeugnis gegen 
unsere Ansicht aufzuführen sein. 

5) lib. prec. a. a. 0. 

6] a. a. 0. cp. 7. — Die acta des Maximus finden sich bei Ma- 
zochius a. a. 0. p. 577 ff. 



56 Capitel I. 

wirkt haben und hat vielleicht einen nicht geringen Einflnss 
auf die Stimmung der Sardinier ausgeübt, i) Man möchte 
ihm dadurch eine Art von Ehrenrettung zu Teil werden 
lassen ; dass man annimmt, ein schneller Tod habe ihn an 
der Versöhnung mit der Kirche verhindert. 2) Dem steht das 
Zeugnis des Hieronymus entgegen, dass er im Jahre 370 
gestorben ist.^) 

»371 : Athanasius und Lucifer werden endlich im Tode 
ruhig; zwei Männer, die mit ganz verschiedenen Mitteln und 
Fähigkeiten auf einen Zweck hinarbeiteten«. Diese Worte 
Spittlers*) — die freilich einen chronologischen Irrtum ent- 
halten *) — tiberraschen durch ihre prägnante Schärfe. Viel- 
leicht aber hat unsere Darstellung gezeigt, dass so ver- 
schiedene Mittel bei s Verschiedenen Fähigkeiten es zweifel- 
haft erscheinen lassen, ob wirklich auch der Zweck der gleiche 
war. Freilich, Athanasius und Lucifer haben beide für die 
Bechtgläubigkeit gekämpft und gelitten, aber Athanasius 
stellte seine Kräfte in den Dienst der Kirche und ihrer Eini- 
gung; Lucifer wertete die Partei höher als das Ganze. Atha- 
nasius: hochgebildet, gleich groß als Staatsmann und als 
Theologe, beide Eigenschaften vereinend in einer weitherzigen 
Persönlichkeit, konsequent und beharrend, doch nicht fana- 
tisch, stets den Blick auf das Ganze richtend und den Fort- 
schritt der Dinge stets beachtend, beherrscht sein Jahrhun- 
dert, gleich reich an Gedanken wie gewaltig in ihrer Durch- 
führung. Lucifer: ohne höhere Bildung, ein ehrlicher Christ 



1) Vgl. darüber wie über den Besuch des Gregorius von Elvira 
auf Sardinien unten Cap. U. 

2) So schon Bufin a. a. 0. Vgl. p. 54 Note 2. 

3) Hieron. Ghron. ad ann. 370: Lucifer Calaritanus episcopos 
moritur, qui cum Gregorio episcopo Hispaniae et Philone Libyae num- 
quam se arianae miscuit pravitati. 

4) In der Tabelle zur zweiten Periode der Kirchengeschichte. 

5) Athanasius ist am 3. Mai 373 (vgl. vita aceph. Sievers a. a. 0. 
p. 161) gestorben; betreffs Lucifer könnte man schwanken zwischen 
370 und 371, da neben der Angabe des Hieronymus (vgl. Note 3) auch 
Gratiano II et Anicio coss. (vgl. Coleti proleg. p. L), also 371 , sich 
findet. 



Lucifer. 57 

von polternder Aufriehtigkeit , mit der Beschränktheit und 
dem Fanatismus eines Puritaners, weder Theolog noch Staats- 
mann, hat die Zeichen seiner Zeit nicht yerstanden und nicht 
verstehen wollen, sondern hat gegrollt mit dem Fortschritt, 
den er nicht zu hindern vermochte. 

Die Geschichte ist über ihn hinweggegangen, wie sie 
über den Versuch des Constantius, der christlichen Kirche 
eine Formel aufzuzwingen, der die innere Kraft fehlte, 
hinweggegangen ist. Eines ist geblieben und hat die Jahr- 
hunderte hindurch geherrscht: der Gedanke desAtha- 
nasius. 



Capitel II. 

Das Sebisma der Lnciferianer. 

Man befindet sich in der eigentümlichen Lage, bei der 
Betrachtung des sogenannten luciferianischen Schisma ganz 
absehen zu dürfen von der Person des Mannes, von dem 
dasselbe seinen Namen trägt. .Zwar fanden wir in seinen 
Schriften Ansätze genug, welche es uns psychologisch er- 
klärten, dass dieser Mann zum Schismatiker werden konnte; 
wir glaubten auch auf Grund der Quellen annehmen zu 
können, dass er es wirklich geworden ist ; aber wie es sich 
auch damit verhalten möge und bis zu welchem Grade er 
selbst auch das Schisma organisiert haben mag, als eine 
greifbare historische Größe tritt uns dasselbe erst in seinen 
Anhängern entgegen. 

Wir werden, bevor wir den Charakter des Schisma er- 
wägen und seiner Träger gedenken, zuerst einen kurzen 
Überblick über die hauptsächlichsten unserer Quellen vorauf- 
schicken müssen. 



I. 

Die Art des Schisma betreflfend ist als Hauptquelle zu 
nennen des Hieronymus altercatio Luciferiani et 
Orthodoxi, gewöhnlich als Dialogus contra Luciferianos, 
doch ohne handschriftlichen Grund, citiert. ^) Dieser Dialog, 

1) edid. Martianay IV, 2 p. 289—306. Vallarsi 11 (edit. I u. 11) 
169—202, abgedruckt bei Migne XXTTT. 



Das Schisma der Lnciferianer. 59 

Yon dem man mit Becht urteilt, dass er mit einer Milde ge- 
schrieben sei, welcbe die späteren Streit- und Schmähschriften 
des Hieronymns vermissen lassen, i) giebt eine deutliche Dar- 
legung der Ansichten der Lnciferianer: dieselben werden ohne 
Parteilichkeit entwickelt, und wenn auch begreiflicherweise der 
Dialog von vorne herein auf die Niederlage des Luciferianers 
angelegt ist, so wird demselben doch Baum genug für eine freie 
und ausführliche Entwicklung seines Standpunktes gelassen. 
Wie weit der Dialog, der geschickt eingeleitet ist, sich an 
ein wirkliches Ereignis anlehnt, ist eine müßige und gleich- 
gültige Frage. Er setzt jedenfalls voraus, dass Hieronymus 
Lnciferianer gekannt und mit ihnen disputiert haben muss. 

Das führt uns zu der Frage, wann dieses Buch und wo 
es geschrieben ist. Man hat seit Martianay angenommen, 
es sei vor Ostern 379 während des Aufenthaltes des Hiero- 
nymus in Antiochien geschrieben. Dorthin hatte sich Hiero- 
nymus nach seinem Aufenthalte in der syrischen Wüste be- 
geben; er war nach längerem Schwanken, welche Partei er 
in der noch immer nicht beigelegten sogenannten meletiani- 
schen Streitigkeit nehmen solle, 2) dem Paulinus beigetreten 
und von diesem wider seinen Willen zum Presbyter geweiht 
worden. Der Hauptgrund für diese Datierung ist, dass Hiero^ 
nymus in der Aufzählung seiner Werke, welche er in de 
vir. illustr. 135 giebt, und welche sich im übrigen genau 
nach der Zeitfolge richtet, dem Dialoge seine Stelle vor dem 
Ghronicon anweist, welches er 380 in Constantinopel ver- 
fasst hat. Vor dem Dialog steht der Brief an den Helio- 
dorus, welcher noch in der Wüste von Chalcis verfasst ist. 
Unter diesen Umständen erscheint die Abfassung in Antio- 
chien sehr wohl möglich, zumal während des Hieronymus 
Anwesenheit oft genug die Bede auf des Paulinus Ordination 



1) So zuerst von Colin bei Ersch und Gräber. Dann Zöckler, Hie- 
ronymus, der unseren Dialog p. 77—80 bespricht, und Freemantle im 
D. C. Biogr. 

2) Vgl. ep. 15. 16 an Damasus; im übrigen siehe Bade, Damasas 
p. 94 ff. ; Zöckler a. a. 0. p. 69 ff. 



60 Capitel II. 

durch Lncifer und das Yon dem Letzteren yeranlasste Schisma 
gekommen sein mag. 

Dem gegenttber meint Möller^} die Abfassung des Dia- 
loges anf 382 zn Rom ansetzen zu mttssen, in eine Zeit, als 
Hieronymns bereits die rechte Hand des Damasas war. Diese 
Ansicht stützt sich zunächst darauf, dass keine Stelle der 
Schrift darauf hinweist, dass sie in Antiochien geschrieben 
sei. Im Gegenteil, die Antiochena dissensio wird cp. 20 in 
so kühl referierender Weise erwähnt, dass man schließen 
möchte, so habe der Schriftsteller an Ort und Stelle nicht 
schreiben können.^) Dass Hieronymus sich an einer Stelle 
auf die Akten der Synode von Ariminum beruft und fttr eine 
genauere Kenntnis dieser ganzen Zeit auf die publica scrinia 
yerweist, denen auch er seine Notizen entnommen haben will, 
lässt vermuten, dass er sich in Bom befand und aus römi- 
schen Archiven die betreflfenden Aktenstücke einsah, ^j Vor 
allem aber, in Bom kam es bis zum Jahre 382 mehrfach zu 
lebhaften und stellenweise gewaltthätigen Auseinandersetzun- 
gen mit den Luciferianem, gegen die sich der Bischof Dama- 
sus zu wenden hatte: Hieronymus war damals in Bom. und zu 
des Damasus Unterstützung wird er die Schrift geschrieben 
haben. 

Zunächst ist zu sagen, dass man innere Gründe für die 
Abfassung in Antiochien überhaupt nicht hat, denn es ist 
nur eine Folgerung, welche Zöckler aus dem ihm bereits 
feststehenden Besultate abstrahiert hat, wenn er behauptet, 
dass zu Antiochien die Partei der Luciferianer eine besonders 
regsame gewesen sei und dass deshalb Hieronymus seine 
Schrift gegen sie gerichtet habe.^) Von Luciferianem in An- 



1) R.E. IX, p. 110 Note. Herr Professor Möller war so freund- 
lich, mir seine Gründe für diese Ansicht schriftlich mitzuteilen. 

2) Aus der verderbten Stelle im Anfang des cp. 20, die ver- 
Bchiedene Gonjecturen ermöglicht, Ifisst sich nichts schließen. 

3) cp. 18: quod si quis a nobis fictum putat, scrinia publica 

scmtetur. qnae si quis plenius discere cupit, in Ariminensia 

synodi actis reperiet, nnde et nos ista libayimus. 

4) Z»ckler a. a. 0. p. 78. 



Das Schisma der Lnciferianer. 61 

tiocbien wissen wir lediglich nichts, haben sogar keinen 
Grund zu der Annahme, dass die Partei dort überhaupt An- 
hänger gehabt hat. Ebenso voreilig aber ist die Behauptung 

in der praefatio zum Dialoge: ^) nam et Antiochiae 

Luciferianus atque Orthodoxus altercati sunt et proxime ab 
illa altercatione scribere se Hieronymus profitetur. Das Letz- 
tere ist freilich richtig: aber nirgends steht, dass man zu 
Antiochien gestritten habe. Darum ist auch der Satz Zöck- 
lers : ^) »auf einem öffentlichen Platz in Antiochien beginnt 
jener Lnciferianer etc.« einfach aus der Luft gegriffen. Alle 
diese zuversichtlichen Behauptungen sind gemacht, und die 
Datierung des Dialoges auf das Jahr 379 und nach Antio- 
chien findet ihre Begründung einzig und allein in der oben 
angeführten Stelle bei Hieron. cat. 135. 

Andererseits kann nicht geleugnet werden, dass dieses 
Argument schwer ins Gewicht fällt gegen die Ansetzung der 
Schrift auf 382. Hat man keine Daten, welche die Abfas- 
sung zu Antiochien auch nur erklärlich erscheinen ließen, 
so steht jener anderen Annahme keinerlei äußere Bezeugung 
zur Seite. Aber das steht außer Zweifel, dass dieselbe es 
uns ermöglichen würde, dem Gemälde, welches der Dialog 
vor uns aufrollt, einen historischen Hintergrund zu geben, 
von dem es sich hell abheben würde. Auch die Erwähnung 
des Diakonen Hilarius und die Kenntnis seiner Ansichten 
betreffs der Ketzertaufe ist in Born weit eher verständlich 
als in Antiochien , wo man schwerlich von demselben auch 
nur gewusst haben wird. Denn nach allem, was wir wissen, 
stand jener Hilarius mit seinen Ansichten allein. 

Auf eine bestimmte Entscheidung s) wird man somit ver- 



1) Bei Vallarsi II. p. 169. 

2) Zöckler a. a. 0. 

3) Dieselbe ISsst sich auch nicht durch eine Vergleichnng der 
Bibeloitate des Büchleins herbeiführen. Dieselben repräsentieren einen 
Text, der immerhin der Yulgata noch fern steht. 382 begann Hiero- 
nymns seine Übersetzung mit dem nenen Testament. Die neutesta- 
mentlichen Citate des Dialogs geben einen Mischtest zwischen der 
von Sabatier aufgenommenen Latina und der Yolgata. 



62 Gapitel H. 

ziehten müssen, wenn man sich innerhalb des Bahmens 
dessen halten will; was die Quellen und die historische Com- 
bination an die Hand geben. Übrigens würde dieselbe an 
dem Werte der Quelle für unsere Zwecke wenig ändern, 
und erseheint daher unter diesem Gesichtspunkte als eine 
Frage von geringem Belang. 

Unsere zweite Hauptquelle giebt über den Charakter des 
Schisma nur gelegentliche Aufschlüsse, da sie sich haupt- 
sächlich mit den Schicksalen der Träger desselben beschäf- 
tigt. Sie ist für uns von um so größerer Wichtigkeit, je 
weniger wir sonst von einzelnen Luciferianern und von der 
Verbreitung derselben in den verschiedenen Landesteilen 
wissen. Diese Quelle ist des Faustinus und Marcellinus li- 
bellus precum ad imperatores. i) Betreflfs dieser Schrift 
kann man nicht zweifeln, dass dieselbe 383 oder 384 zu 
Constantinopel dem Kaiser Theodosius übergeben worden ist. 
Derselbe hat jedenfalls den in der Bittschrift ausgesprochenen 
Wünschen in einem Beskript an den praefectus praetorio 
Cynegius im Jahre 384 entsprochen, ^j 

Die Bittschrift ist direkt hervorgerufen durch Belästi- 
gungen und Gewaltthätigkeiten, denen die beiden Presbyter 
speziell während eines Aufenthaltes in Palästina ausgesetzt 
waren, von denen aber die Luciferianer überhaupt an einer 
Reihe von Orten betroffen worden zu sein scheinen. Solche 



1) Faustini et Marcellini presbyterorum partis Ursini libellus pre- 
cum ad imperatores Valentinianum, Theodosium et Arcadinm; abge- 
druckt in Bibl. Max. Lugd. V, 652 ff., bei Gallandi VII, 441 ff. (vgl. 
auch prolegomena XIII— XV) und bei Migne XIII, 81 ff. (vgl. coL 
29 ff.). Eine genaue Übersicht über die bis zum Jahre 1770 erschie- 
nenen Ausgaben bei Schönemann, Bibl. T. I, 547/554 (vgl. Migne XIII, 
col. 34 ff.). 

2) Vgl. die proleg. bei Gallandi und Rade a. a. 0. p. 8 Note. 
ArcadiuB ist Mitregent (nicht vor 383), Damasus ist noch am Leben 
(nicht nach 384). Überreicht ist die Schrift nach cp. 3 in hac urbe 
0. Politana. — Das Beskript des Theodosius bei Migne XIII, col. 
107/108. Cynegius war praefectus praetorio seit Mitte Januar 384. — 
Nicht unmöglich ist es, dass die Überreichung des libellus mit dem 
im Juni 383 zu C. P. gehaltenen Concil von Bischöfen »aller« Parteien 
(Socr. V, 10) in Verbindung steht. 



Das Schisma der Laciferianer. 63 

Yerfolgimgen darzustellen, ihnen gegenüber das gute Becht 
der Lnciferianer, als der eigentlich Katholischen, zu betonen 
und daran die Bitte zu knüpfen, die Kaiser möchten solches 
Unwesen und solche Unbilligkeiten nicht mehr dulden, bildet 
den Inhalt der Schrift, deren vielfach übertriebene und par- 
teiische Ausftlhrungen mit der größten Vorsicht aufzunehmen 
sind. 

Dem libellus ist eine Vorrede voranfgeschickt , über- 
schrieben de eodem schismate Ursini, welche gar keine 
Verwandtschaft mit dem Hauptteil der Schrift zu haben 
scheint: nur dass dieselben Presbyter sich am Schlüsse als 
^Verfasser nennen. Ob das Schisma des Ursinus in irgend 
welcher Beziehung zu dem luciferianischen steht, ist eine 
Frage, welche hier noch nicht untersucht werden kann, da 
sie in die Geschichte des Schisma übergreift. Dagegen ist 
schon hier zu sagen, dass man Grund genug hat, an der 
Identität der Verfasserschaft bei Vorrede und libellus zu 
zweifeln, i) 

Außer den Schriftstellern, welchen wir die Notizen über 
die Vorgänge zu Antiochien im Jahre 362 verdanken, haben 
sich mit den Luciferianem die sogenannten Ketzer kata- 
loge beschäftigt, welche unter dem Namen des Augustinus, 
Praedestinatus , Pseudo-Hieronymus, Isidorus von Sevilla, 
Paulus, Honoriusvon Augustodunum undGennadius^) bekannt 
sind. Ihre Notizen, die sich mehr oder weniger reducieren 
lassen, geben uns im übrigen keinerlei nähere Aufschlüsse, als 
dass man die Luciferianer als Schismatiker, nicht aber als Hä- 
retiker betrachtete. Darum haben Epiphanius und Philastrius 
sie in ihre Listen überhaupt nicht aufgenommen. ^) Ein Problem 



1) Vgl. weiter unten Abschnitt III. 

2) Dehler, corpus haereseol. I. Die Stellen sind die folgenden: 
Aug. de haeres. 81. Praedest. 81. Ps.-Hieron. 25. Isidor. 56. Paulos 45. 
Honor. 71. Genn. 14. 

3) Aug. a. a. 0.: Luciferianos a Lncifero Calaritano episcopo 
exortoB et celebriter nominatos nee Epiphanius nee Philastrius inter 
haereticos posuit: credo tantummodo schisma non haeresim eos con- 
didisse credentes. 



64 Capitel II. 

enthält aber die Notiz des Augnstin, in welcher den Lnci- 
ferianem ein materialistischer Irrtum betreffs der Entstehung 
der Seele zum Vorwurf gemacht wird. Es heißt bei Augustin 
im Anschluss an die Bemerkung, dass weder Epiphanius 
noch Philastritts in den Luciferianem Häretiker haben sehen 
wollen: apud quendam tamen, cuius nomen in eodem 
eins opusculo non inveni, in haereticis Luciferianos po- 
sitos legi per haec verba: Luciferiani, inquit, cum teneant 
in Omnibus catholicam veritatem in hunc errorem stultissimum 
prolabuntur, ut animam dicant ex transfusione generari; 
eademque dicunt et de came et de camis esse substantia. 
Auf Grund dieser Stelle zweifelt Augustin, ob nicht doch 
am Ende die Luciferianer unter die Ketzer zu setzen seien. 
Interessant ist nun, dass Pseudo-Hieronymus^] wörtlich 
dieselbe Notiz und nur diese über die Luciferianer in sein 
Werkchen, aufgenommen hat und zwar in einer Form, die 
erkennen lässt, dass er selbst sie gemacht hat. Beruft sich 
nun Augustin auf einen Anonymus, dem er seine Nach- 
richt verdanke, so liegt der Schluss sehr nahe, dass er 
aus eben diesem Werke seine Kunde genommen haben 
möchte. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass er im 
folgenden Capitel bei Erwähnung der Jovinianer sich wie- 
derum auf den Anonymus beruft, welcher die ihm freilich 
auch sonst bekannte Sekte gleichfalls nenne. ^) Nun ist 
man zwar der Ansicht, dass Pseudo-Hieronymus ein Excerpt 
aus Isidor und anderen Schriftstellern sei und darum ganz 
spät angesetzt werden müsse. Allein diese Ansicht Ut eine 
bloße, durch nichts gestützte Behauptung. 3) Im Gegenteil 



1) A. a. 0. Oehler p. 294. Ps.-Hieron. hat perlabuntur und in 
der letzten Zeile eandemque. Das Letzte ist ohne Zweifel das Richtige. 

2) Vgl. Aug. 13 mit Ps.-Hieron. 22. 

3) Oehler, dessen Ausgabe übrigens eine vollständig unzuläng- 
liche und oberflächliche ist, behauptet p. XIII: quaedam eins particulae 
sunt ex Hieronymi de Ecdesiasticis Scriptoribus libro repetitae> alia 
ex Isidoro, alia ex Geunadio, alia ex aliis, partim antiquioribus, scrip- 
toribus desumpta. £r hat aber kein Argument für die letzteren Be- 
hauptungen beigebracht, und was die Benutzung des Catalogus be- 



Das Schisma der Luciferianer. 65 

lassen sich anßer dem angeftthrten, an sich schon durch- 
schlagenden Argumente noch andere Gründe anführen, welche 
die Abfassung des Werkchens bereits um 400 sicher stellen, i) 
Hieronymus selbst kann es nicht geschrieben haben; auch 
kannte es bereits Augustin als anonym. 2) Jedenfalls aber 
rückt es bei unserem Ansatz in eine wichtigere Stelle als 
bisher ein und verdient vielleicht auch in anderer Beziehung 
größere Beachtung, als ihm bisher zu Teil geworden ist. Was 
die Notiz ihrem Inhalt nach betrifft, so muss sie, da wir 
gar keine Mittel sie zu controUieren besitzen und des Irr- 
tums der Luciferianer bei keinem anderen Schriftsteller Er- 



trifft, so zeigt unsere folgende Note, warum dieselbe durchaus nicht 
für Dehlers Ansicht spricht 

1) Dieselben hier in extenso vorzuführen, würde aus dem Rahmen 
des Themas herausfallen. Zu beachten ist Folgendes: der Verfasser 
hat einige Quellen selbständig benutzt. So hat er cp. 24 eine An- 
sicht über die Hierakiten, welche direkt aus Äthan, de syn. 16, resp. 
dem dort angeführten Brief des Arius entnommen sein muss. Augustin 
und Praedestinatus haben andere Nachrichten. Der Verfasser kannte 
das bei Euseb. V, 20, 2, vgl. Hieron. cat. 35 erwähnte Werk des 
Irenäus nepi 6^lodlo^ und entnahm aus ihm einige Notizen für sein 
cp. 6. Er benutzt an einer Reihe von Stellen — einige derselben sind 
von Oehler übersehen — den Catalogus des Hieronymus (vgl. Ps.- 
Hieron. 2 mit cat. 17; 17 mit 37; 19, 30, 31, 33, 36 mit cat. 40, 69, 
93, 70 und 107). Dazu hatte er keine Veranlassung, wenn er ein bloßer 
Abschreiber war. Endlich ist die Aufmerksamkeit auf die bei Ps.- 
Hieron. erwähnten 10 vorchristlichen Häresieen zu lenken, welche 
genau dieselben sind, zu denen sich die Kataloge bei Just. Dial. 80 
und Heges. bei Euseb. IV, 22, 7 ergänzen, wenn man nach einer mir 
notwendig erscheinenden, schon von Drusius ad loc. ausgesprochenen 
Conjectur bei Justin Herodianer statt Hellenianer liest. Hier liegt 
jedenfalls ein Rätsel vor. 

2) Dass das Buch dem Hieronymus überhaupt zugeschrieben wird, 
ist lediglich Willkür des ersten Herausgebers; vgl. Oehler p. XII. 
Augustin a. a. 0. 88 (Oehler p. 223) klagt darüber, dass er ein an- 
gebliches Werk des Hieronymus über die Häresieen nicht habe auf- 
treiben können, als er seine Schrift ausarbeiten wollte. Das uns vor- 
liegende, von ihm benutzte Werk kann also nicht von Hieronymus 
herrühren. Außer anderen spricht auch der Umstand dagegen, dass 
Hieronymus im Dialoge von der in Ps.-Hieron. ausgesprochenen An- 
sicht betreffend die Luciferianer gar nichts weiß. 

5 



66 CapHel n. 

wähniing geschieht,^) vorläufig auf sich beruhen bleiben. 
Dagg katholische Schriftstell^ Schismatiker in möglichst 
schlimmen Gerach zu bringen snehten, dadurch dass sie ihnen 
dogmatische Irrtümer nnd sittliche Schäden aller Art nach- 
sagten^ ist ja seit den Tagen Noyatians zur Begel geworden. 

n. 

Das Concil von Alexandrien hatte, wie wir gesehen 
haben, die Wiederaufnahme der Arianer in die Kirchen- 
gemeinschaff; schon unter der Bedingung zugestanden, dass 
dieselben sich zur Anerkennung des nicänischen Symbols 
und damit verbundener Abschwörung und Verdammung der 
arianischen Häresie bereit erklärten. Wir haben gesehen, 
wie trefflich diese Bestimmung den Bedttrfiiissen der Zeit 
entgegenkam und der Entwicklung der Dinge Bechnung trug. 
Dennoch wäre es falsch zu glauben, dass man ihren Wert 
überall anerkannt hätte. Auf der Synode selbst gab es eine 
Partei, welche den entgegengesetzten Standpunkt einnahm, 
und wir wissen auch sonst, dass besonders im Westen die 
Stimmung den Bischöfen gegenüber, welche schließlich dem 
Drucke des Kaisers und der Homöer nachgegeben hatten^ 
keine freundliche war. 2) Überall regten sich die Bigorosen, 
und wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die Nachricht der 
Kirchenhistoriker, ^) dass Hilarius und Eusebius bei ihrer 
Heimreise aus der Verbannung überall dahin gewirkt hätten, 
Zwistigkeiten beizulegen und Missverständnisse zu verhüten, 
auch darauf beziehen , dass sie ihren versöhnenden Einfluss 
verwandten, um die Gemeinden mit ihren Bischöfen einig 
zu halten. Im großen und ganzen brach sich denn auch die 



1) Genn. 14 kommt nicht in Betracht; vielleicht liegt hier Ab- 
hängigkeit von Ps. -Hieron. vor. 

2) Vgl. Sulp. Sev. II, 45, 5: Hilarius versuchte versöhnend zu 
wirken cum plerisque videretur non ineundam cum his unionem, qui 
Ariminensem synodum recepissent. 

3) Socr. III, 9. 10. Sozom. V, 13.- Vgl. auch die citierte Stelle 
bei Sulp. Sev. 



Das Schisma der Luciferianer. 67 

Ansicht mehr und mehr Bahn, dass jene Bischöfe, als sie 
die datierte Formel von Sirminm unterschrieben, in der gnten 
Meinung, dass sie nichts den Glauben Schädigendes gethan, 
dem Drucke kaiserlicher Befehle nachgegeben hatten. 

Nur an einzelnen Orten blieb die Opposition nicht nur 
lebhafter, sondern sie führte sogar zu schismatischen Bil- 
dungen : obwohl die Nachrichten sehr spärlich sind und wir 
nicht überall die Zusammenhänge klar zu erkennen ver- 
mögen, scheint doch sicher zu sein, dass eine, numerisch 
nicht sehr starke, aber einige angesehene Männer unter ihren 
Mitgliedern zählende Partei unter dem bestimmenden Einfluss 
des Lucifer von Calaris an der Opposition gegen jene Bi- 
schöfe bis zu dem Glrade festhielt, dass sie die Gemeinschaft 
mit der gesamten katholischen Kirche aufhob. Diese Partei, 
welche, da sie sich für die allein katholische hielt, gegen 
jeden Sektennamen lebhaft protestierte, ward von den Geg- 
nern als die luciferjianische bezeichnet.^) 

Was wollten diese Männer? Ihre prinzipiellen Sätze 
finden wir im Dialoge des Hieronymus und bei Faustinus 
und Marcellinus; man hat überhaupt, und insbesondere wo 
es sich um die Aufnahme von Häretikern in die katholische 
Gemeinschaft handelt, zu unterscheiden zwischen Bi- 
schof und Laien.*) Es ist freilich notwendig, um des Be- 
standes der Kirche willen, einen Laien, der zur arianischen 
Gemeinschaft gehörte, aufzunehmen, nachdem er Buße ge- 
than ; ^) auch haben ja die Laien als unmündige Glieder der 
Kirche darin ihre Entschuldigung, dass sie ihren Bischöfen 
blindlings gefolgt sind.*) Auch einen Bischof mag man 
immerhin aufnehmen, doch kann er nicht mehr im Amte 



1) Hb. prec. cp. 24. Vgl. auch cp. 25. 

2) Dial. cp. 4: numquam persuadebis id esse episcopum quod 
laicum poenitentem. 

3) ibid. recipimus laicos, quoniam nemo conyertetnr, si se scierit 
rebaptizandum , et ita fiet, ut nos simus caossa perditionis eorum si 
repudientur. 

4] cp. 12: sed laico ideo ignoscendum est, quia eeclesiam dei 
putans simpliciter accessit, et iuxta fidem suam credens baptizatus est. 

5* 



68 Capitel 11. 

bleiben. Denn anch von ihm mnss man doch, da er Sünde 
gethan hat, Bnße verlangen; nnn aber gesteht der Bischof, 
wenn er Buße thnt, selbst zu, dass er sündig gehandelt; 
damit geht er aber selbstverständlich seines Amtes verlustig, 
denn von dem Bischof mnss man Reinheit des Charakters 
verlangen. *) Er, der die Herde zu leiten hat und die Ver- 
antwortung für dieselbe trägt , darf sein Amt nicht dadurch 
beflecken, dass er den Glauben verleugnet, dass er zu den 
Ketzern abfällt, welche in jedem Falle den Heiden gleich 
zu achten sind. 2) Das aber geschah, als die Bischöfe die 
homöische Formel unterschrieben ^j : dieser Schritt war ein 
ebenso verderblicher, als wenn sie heidnischen Götzen ihre 
Opfer dargebracht hätten. 4) Darum mnss sich der wahrhaft 
Reine und Katholische von ihnen abwenden , denn die ganze 
Kirche ist nun verpestet, sie ist zu einem Hurenhaus ge- 
worden. 5) Die Verderbnis der Welt hat sich der Kirche be- 
mächtigt; im sorglosen und prunkvollen Leben der Bischöfe 
tritt das am meisten hervor; darum haben sie auch so leicht 
den Glauben vertauscht, weil sie auf diese Weisie ihrem be- 
quemen Leben nicht zu entsagen brauchen; darum sind sie 
nun, nachdem das Blatt sich wieder gewendet hat, geneigt, 
ihren Fehltritt rückgängig zu machen. Und solche, wahrlich 
»vortreffliche« Bischöfe wagen es, die Rechtgläubigen, welche 



1) cp. 5: sacerdotem de gradu suo motnm in eundem locum non 
posse restitai, quia aut poenitens sacerdotio carebit aut in honore 
perBistens reduci in ecclesiam non poterit per ordinem poenitentis. 
cp. 12 : episcopuB aut poenitentiam non agit et sacerdoB est, aut Bi poe- 
nitentiam egerit, esse episcopus desinit. Als Belege werden bekannte 
Stellen der Bergpredigt und der Pastoralbriefe beigebracht. 

2) Bei Lucifer passim; ebenso im Dialogus (vgl. vomehmlich 
cp. 2) und im lib. prec. 

3) Üb. prec. cp. 5. 

4) lib. prec. cp. 8: non hoc minus sacrilegium est, non haee 
minor impietas quam si sub persecutore gentili idolo sacrificatum 
esset: quoniam et haeresi perterritum Bubscribere daemoniis Bacrifi- 
care est. 

5) dial. cp. 1 : asserebat quippe Luciferianus Universum mundum 
esse diaboli, et ut iam familiäre est iis dicere, factum de ecclesia lupanar. 



BiäMta 



Das Schisma der Lnciferianer. 69 

keinen Drohnngen, keiner weltlichen Gewalt, anch dem 
Kaiser nicht, gewichen sind, zu verfolgen ?^) 

In diesen Sätzen scheinen noyatianische und beson- 
ders donatistische Gedanken in der modificierten Form 
verwendet zu sein, dass, was in jenen von dem Verhalten 
gegenüber den Heiden ausgesagt ist, hier auch auf die Ketzer, 
speziell die Arianer, übertragen ist. Das würde keine prin- 
zipielle Differenz, sondern nur eine den geänderten Zeitver- 
hältnissen entsprechende Fortbildung bezeichnen. 2) Die Kirche 
war jetzt in eine andere Stellung gerückt als zur Zeit der 
Verfolgungen unter den heidnischen Kaisem. Damals galt 
als Abfall von der Kirche, wenn man den Götzen opferte 
oder den Heiden die heiligen Schriften auslieferte. Solche 
lapsi waren jetzt nicht mehr zu bekämpfen. Seit Jahrzehnten 
gab es einen christlichen Kaiser; die Kirche begann in die 
Machtstellung einzurücken, welche einst das Heidentum be- 
hauptet hatte, und die Zeiten schienen nicht mehr fem, wo 
das letztere gänzlich unterdrückt sein würde. Aber nun war 
ein anderer Feind aufgetaucht: der Glaube der Kirche, von 
den Vätern überliefert und auf Synoden festgestellt, war in 
Gefahr. Hatte doch sogar ein christlicher Kaiser die Sache 
der Gegner des wahren Glaubens zu der seinigen gemacht; 
ja, er hatte, ganz wie die heidnischen Kaiser die Christen 
überhaupt, angefangen, die Rechtgläubigen (d. h. eben die 
einzig wahren Christen) zu verfolgen. Die Häresie hatte ihr 
Haupt hoch erhoben ; schien da nicht wiederum eine Reaktion 



1) Hb. prea passim; vgl. besonders die letzten Oapitel. Das iro- 
nische Beiwort egregius für die katholischen Bischöfe ist stehend. 

2) Eine prinzipielle Differenz findet man im meletianischen Schisma. 
Dasselbe entstand aus ähnlichen Motiven zur Zeit, als es sich noch 
um den Abfall zu den Heiden handelte. Aber die späteren Meletianer 
haben ungeschent mit Arianem Gemeinschaft gehalten, und es bestand, 
wie wir sehen werden, zwischen ihnen und den Luciferianem kein 
Verhältnis. Vielleicht ist aber gerade ihr Verhalten den Arianem 
gegenüber ein Beweis dafür, dass trotz ihrer rigoristischen Sätze 
die Eifersucht gegen den Bischof von Alezandrien eine Hauptrolle 
zunächst in dem Unternehmen des Urhebers des Schismas, dann aber 
auch bei seinen Nachfolgern gespielt hat. 



70 Capitel II. 

notwendig, welche das Urteil, dass wer za den Feinden des 
Christentums abgefallen sei, dem Satan verfalle, dahin er- 
weiterte, dass auch diejenigen, welche mit Häretikern Ge- 
meinschaft halten, unrettbar verloren seien? 

Aber bei näherer Betrachtung erhalten die luciferiani- 
sehen Sätze doch nicht nur ihr eigentümliches Golorit durch 
die Zeitgeschichte, sondern sie sind auch prinzipiell von den 
novatianisch- donatistischen verschieden. 

Der Eirchenbegriff, den Novatian im dritten Jahrhundert 
aufgestellt hatte und der in einer zahlreichen Gemeinde noch 
immer fortlebte, forderte diese Consequenz : ' die Kirche ist 
die Gemeinschaft der Heiligen. Also muss, wer zu ihr ge- 
hören will, rein und heilig sein. Darum darf Niemand in die 
Kirche aufgenommen werden, dem diese Eigenschaften ab- 
zusprechen sind, es sei denn, dass er vorher durch das Bad 
der heiligen Taufe sich seine Sünden habe wieder abwaschen 
lassen. Daher war die Ketzertaufe eine unweigerliche 
Consequenz dieses Kirchenbegriffes. Diese Consequenz haben 
im Laufe ihrer Entwicklung auch die Donatisten gezogen, 
allerdings unter besonderen Verhältnissen, und haben sich 
dadurch prinzipiell auf das gleiche Niveau mit den Nova- 
tianem gestellt.^) 

Es ist bezeichnend für die Ludferianer, dass sie die 
Ketzertaufe abgelehnt, jene Consequenz also nicht 
gezogen haben. Sucht man eine Erklärung dieser Er-* 
geheinung, so darf zunächst betont werden, dass auch hier 
ein Erträgnis der Entwicklung der Kirche im letzten Jahr- 
hundert constatiert werden muss. Männer, welche in der 
zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts den katholischen 
Kirchenbegriff in Frage stellten, vermögen sich nicht voll- 
ständig von der voraufgegangenen Entwicklung zu emanci- 
pieren. Die Stellung der Earche zur Wiedertaufe, wie sie 
kanonisch fixiert wurde auf der Synode von Arles, war nun 
bereits ein sicherer Besitz: es ist gewiss im Sinne derLuci- 
ferianer, wenn sie sich bei Hieronymus fllr ihre Taufpraxis 



1) Vgl. Harnack in der Theol. Lit. Ztg. 1884 col. 87. 



Das Schisma der Luciferianer. 71 

auf die conaaetudo ecdesiae, auf den totias orbis consensus 
berufen. In diesem Punkte wollten sie Katholiken sein^ ohne 
freilich zu bedenken, dass damit ihr Standpunkt prinzipiell 
ein haltloser wurde. Dass sie femer an der katholischen 
Scheidung von Klerikern und Laien festhalten und von 
hier aus folgern, dass ein Laie, der von einem arianischen 
Bischof die Taufe empfangen, weil er im guten Glauben ge- 
handelt habe, dass ihm die Weihe des rechten Christentums 
erteilt worden sei, nicht wiedergetauft werden mttsse, ^) setzt 
sie ohne Zweifel in Konflikt mit ihrer eigenen Prämisse, 
dass die Arianer den Heiden gleichzuachten seien, und es 
fällt dem Orthodoxen bei Hieronymus begreiflicherweise nicht 
schwer, die Inkonsequenz dieses Standpunktes aufzuweisen. ^) 
Dass aber die Luciferianer die Ketzertaufe mit Bewusstsein 
ablehnten, dafür haben wir einen sicheren Beweis in der 
völlig isolierten Stellung, welche innerhalb seiner Partei der- 
jenige Luciferianer einnahm, welcher zur Ketzertaufe fort- 
schritt, Hilarius, der römische Diakon. Er war damit freilich 
zum Novatianer geworden. 

Bei diesem Hinweis auf den Prozess der Entwicklung 
darf indessen unsere Erklärung nicht stehen bleiben. Den 
tieferen Grund jener Inkonsequenz der Luciferianer haben 



1) Dial. cp. 12. 

2) Übrigens liegt darin, dass die streitenden Parteien gleich zu 
Anfang sich darüber einig geworden sind, dass man die Arianer als 
Heiden zu betrachten habe, das dem Orthodoxen sehr gefährliche 
icp<&cov (j/eu^oc des Dialoges, ohne welches derselbe freilich überhaupt 
nicht möglich sein würde: denn aus diesem Zugeständnis erwachsen 
dem Orthodoxen im Laufe des Gespräches die größten Schwierig- 
keiten, welche besonders in cp. 9—11 zu Tage treten, und über die 
Hieronymus nur dadurch hinwegtäuscht, dass er seinen Luciferianer 
nicht sagen lässt, was er wohl sagen könnte. Statt dessen hilft sich 
der Orthodoxe mit der Ausflucht : er wolle ja jetzt die Arianer weder 
verteidigen noch angreifen (cp. 11), während er doch bereits vorher 
ihre Verwerfung zugestanden hat. Und wenn er andrerseits den Vor- 
wurf, den man gegen die Bischöfe von Ariminum erhebt, dadurch zu 
entkräften sucht, dass er betont, sie hätten nur im einfältig guten 
Glauben gehandelt, so urteilt er in ähnlicher Weise inkonsequent wie 
der Luciferianer. 



72 Capitel II. 

wir vielmehr darin zn sehen, dass sie in ihren Sätzen über- 
haupt nicht von einem systematischen Interesse geleitet wur- 
den. Soweit dieselben prinzipieller Natur sind, sind sie her- 
zuleiten aus einem stark ausgeprägten Rechts- und Sittlich- 
keitsgeftthl, welches aber dadurch, dass es von den konkreten 
Verhältnissen absieht und mit abstrakten Forderungen auf- 
tritt, missleitet ist. Eben an jene strenge Scheidung von Bi- 
schof und Laien, welche übrigens den Katholiken und Luci- 
ferianem gemeinsam ist, knüpft sich die prinzipielle Differenz. 
Da die Laien als unmündige Glieder der Kirche ganz in den 
Hintergrund treten und demnach der Bischof für seine Herde 
die Verantwortlichkeit übernimmt, so scheint es dem sittlichen 
Gefühle wie dem gesunden Menschenverstand entsprechend, 
wenn von dem Bischöfe ein um so höheres Maß von Rein- 
heit und Sittlichkeit gefordert wird. Wenn dem gegenüber 
die katholische Kirche immer mehr den Grundsatz betonte, 
dass das Sakrament des Amtes die Schwächen und Sünden 
des Verwaltenden decke und dass die Heiligkeit des Sakra- 
mentes durch die Beschaffenheit des Verwaltenden durchaus 
nicht influenciert werde, so hat sie doch seit der Zeit, wo 
sie ihren hierarchischen Kirchenbegriff auszubilden begann, 
fortwährend mit jener gegnerischen Auffassung ringen müssen. 
Klassisch verkörpert tritt uns dieser Widerstreit bereits bei 
Cyprian, dem eigentlich systematischen Begründer des katho- 
lischen Kirchen- und Amtsbegriffs entgegen ; i) aber gerade 
an seinem Beispiel vermögen wir zu erkennen, wie wenig 
systematisch sich jener Widerspruch begründen lässt und wie 
er als eine spontane, freilich hoch zu schätzende Äußerung 
des Rechts- und Sittlichkeitsgeflihls erscheint. Darum haben 
auch zu allen Zeiten, wenn unter dem schützenden Amts- 
begriffe die sittlichen Schwächen und Fehler der Individuen 
in zu grellem Lichte erschienen, Minoritäten in der Kirche 
dagegen opponiert. 

. Auch die luciferianische Bewegung ist nur als eine solche 



1) Cypr. ep. 65. 67. 68. Vgl. Harnack, Dogmengeschichte I, 
p. 315. 316 f. 



Das Schisma der Luciferianer. 73 

Keaktion aufzufassen, die ihre Veranlassung nahm an der 
Leichtigkeit, mit der eine große Anzahl von Bischöfen ge- 
neigt war, ihren Glauben zu vertauschen wie ein Gewand. 
In der Reaktion gegen diese bedenkliche Erscheinung, wie 
sie in dem Widerspruch gegen die Aufnahme der Bischöfe 
von Ariminum fixiert erscheint, hat sie sich nicht erschöpft; 
vielmehr ist im Laufe der Jahre dieser Anlass immer mehr 
zu einem blos historischen geworden, und die Opposition hat 
sich gegen das sittliche Gesamtverhalten des Klerus, im Be- 
sonderen der Bischöfe gerichtet. In demselben Maße aber 
ist ihre Eigentümlichkeit, die wir als für das luciferianische 
Schisma charakteristisch zu bezeichnen gewohnt sind, zu- 
rückgetreten, und das Maß von Ähnlichkeit, welches unserer 
Bewegung mit anderen rigorosen Bestrebungen gemein ist, 
in den Vordergrund getreten. Das wird am deutlichsten; 
wenn wir die Beziehungen verfolgen, in welche die Luci- 
ferianer zu dem allgemeinen Zuge der Zeit, zur Askese 
und Welt flucht, getreten sind. Die folgende Darstellung 
wird zeigen, dass an manchen Orten die Luciferianer von 
gewissen schismatischen Bewegungen, die ihre Entstehung 
anderen Veranlassungen verdanken, kaum zu unterscheiden 
sind. 

Die Reaktion gegen das weltliche Wesen in der Kirche, 
welches , obwohl bereits früher eingedrungen , , im] Laufe 
des vierten Jahrhunderts rapide zunahm, hat nicht zum 
wenigsten die Erscheinung hervorgerufen, welche seit der 
zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts dem christlich-reli- 
giösen Leben seine deutliche Signatur auf drückt, das Mönch- 
tum. Das Ideal auch unserer Luciferianer war das mönchi- 
sche, wenn es auch nicht überall zur konsequenten Ausfüh- 
rung gekommen ist. Zunächst bleibt man nicht dabei stehen, 
den Bischöfen einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie 
den weltlichen Herrn mehr gefürchtet haben als den himm- 
lischen, dass sie bequem zu erlangende Ehren dem Marty- 
rium &Lv ihren Glauben vorziehen, sondern man sucht in 
pessimistischer Stimmung die Veranlassung dazu in dem 
ganzen weltlichen Leben; nicht nur die Kirche, die ganze 



74 Capitel II. 

Welt ist dem Satan verfallen. Darum gilt es der Welt zn 
entsagen, ihre Güter von sich zu weisen und auf alle irdi- 
schen Ehren zu verzichten. Nur so kann man sich unbefleckt 
erhalten, kann man auch den in der Welt stets gefährdeten 
Glauben rein bekennen. Neben die Forderung der illibata 
und intaminata fides tritt so die Forderung der conversatio 
caelestis im streng asketischen Sinne ; und wir werden sehen, 
däss in Ägypten eine luciferianische Gemeinde mit den dort 
sich ausbildenden Mönchskolonieen nicht nur Fühlung unter- 
hält, sondern dass sogar ein Mönch Bischof der Gemeinde 
wird. 

Das aber ist nun das Charakteristische: trotzdem ihr 
Ideal das gleiche war, glaubten die Luciferianer es in an- 
deren Formen verwirklichen zu können als die Mönche. Sie 
dachten nicht daran, die Organisation der katholischen Kirche 
fallen zn lassen. In Gonventikeln und indem sie sich um 
ihren eigenen Bischof scharten, als die wahre Kirche neben 
der Satanskirche, ohne Gemeinschaft mit ihr und doch in 
den gleichen Formen bestehend, glaubten sie ihr Ideal ver- 
wirklichen zu können. »Mögen jene doch ihre goldstrahlen- 
den Basiliken haben, die prächtigen, mit eitlem Marmor ge- 
schmückten, von hochanstrebenden Säulen getragen, mögen 
sie doch ihren ausgedehnten Besitz behalten: das alles ge- 
fährdet nur den wahren Glauben. Wir, die wir die Wahr- 
heit wollen y sind zufrieden^ wenn wir Christum, unseren 
Gott, anbeten und verehren dürfen in niedriger und ver- 
worfener Ejippe; hat er selbst doch nach seiner Mensch- 
werdung in einer solchen gelegen.« i) 

Jenen tiefen Gemütern, welche der Trieb, den inneren 
Frieden wieder zu finden, den sie im Gewirre der Welt ver- 
loren hatten, hinausführte aus der Kirche und aus der Welt, 
hat die Kirche nichts in den Weg gelegt; so lange sie im 
Gedanken des Höchsten und Ewigen lebten, so lange sie um 
Politik und Dogmatik sich nicht kümmerten, ließ man sie 
ungestört. Anders jene Oppositionsparteien, die wie die Lu- 



ll Hb. prec. cp. 34. 



Das Schisma der Luciferianer. 75 

ciferiiaiier die politische Mission der Kirche praktisch in Frage 
stellten: hier sehen die Leiter der Kirche wirklich gefähr- 
liche Feinde. Mochten doch jene weltflttchtigen Sonderlinge 
ihr pessimistisches Ideal zn verwirklichen snchen, wie und 
wo sie wollten, nur nicht im Gegensatz zur Kirche mit den 
Formen der Kirche. Solche konventikelhaften Verirrungen, 
welche nur auf Lockerung und Zersplitterung aller lokalen 
Verbände ausgingen, mussten im Interesse der Mission der 
Kirche unterdrückt werden. Wir stehen in der Zeit, wo Gra- 
tian und Theodosius die letzte Hand anlegen, um in einer 
einheitlichen Staatskirche dem Beich das wirknngskräftigste 
Fundament zu schaffen. Zugleich ist der mächtige, erschüt- 
ternde Gegensatz erstarkt, der in dem Protest des Mönch- 
tums seinen Ausdruck findet. Parteien aber, welche die Mis- 
sion der Weltkirche nicht anerkannten und in steter Oppo- 
sition gegen sie verharrten, ohne doch im Prinzip mit irgend 
einer ihrer Formen zu brechen, haben kein historisches Recht: 
und so sind auch die Luciferianer nach kurzem Leben unter- 
gegangen. 

m. 

Eine Geschichte der luciferianischen Bewegung zu schrei- 
ben, ist uns ans zwei Gründen unmöglich gemacht: einmal 
sind die auf uns gekommenen, mehrfach nur in der Form 
von vereinzelten Notizen auftretenden Berichte so spärlich, 
abgerissen und unvollkommen, dass man sich vielfach darauf 
beschränken muss, den inneren Zusammenhang an der Hand 
der Quellen zu erraten; dann aber sind manche Erscheinun- 
gen, die uns als luciferianische entgegentreten, nicht als 
solche direkt nachweisbar und mit jener nur allgemein ver- 
wandt. 

Von Lucifer von Calaris weiß uns die beglaubigte Ge- 
schichte, nachdem er sich nach Sardinien zurückgezogen 
hatte, nichts mehr zu melden. Aber eine gelegentiiche Kotiz 
bei Ambrosius lässt uns doch wenigstens einen gewissen Ein- 
blick in die Verhältnisse der Insel zu jener Zeit thun. In 



76 Capitel U. 

der Gedächtnisrede nämlich, die der Bischof dem Andenken 
seines ihm sehr nahe stehenden Bruders Satyras gehalten 
hat, ^) erzählt er, wie derselbe auf einer Geschäftereise, die 
ihn nach Afrika führen sollte, durch einen Sturm in die 
größte Gefahr gebracht wurde. In der Bedrängnis gelobte er 
Christ zu werden. Man landete in Sardinien. Satyrus aber, 
so erzählt Ambrosius, so begierig er war, das Christentum 
zu erfassen, so vorsichtig war er doch, und es lag ihm daran, 
zum Unterricht im Christentum einen wirklich katholischen 
Lehrer zu erhalten. Darum befragte er den herbeigerufenen 
Bischof; ob er auch wirklich katholisch sei, d« h. ob er mit 
katholischen Bischöfen und insbesondere dem von Rom kirch- 
liche Gemeinschaft halte. Und zur Erklärung fügt Ambrosius 
hinzu: Sardinien sei damals unter dem Einflüsse Lucifers 
von Calaris schismatisch gewesen, welcher aus der allge- 
meinen Kirche ausgeschieden war. Leider wird die Erzählung 
nicht weiter ausgeführt, und wir erfahren nicht, ob Satyrus 
ohne Mühe einen katholischen Bischof gefunden hat. Da 
nun sein Todesjahr in das Jahr 378 zu setzen ist, ^) so be- 
finden wir uns in der Zeit kurz nach dem Tode des Lucifer, 
den wir auf 370 ansetzen zu müssen glaubten. Die Aus- 
drucksweise des Ambrosius, welcher als bekannt vorauszu- 
setzen scheint, dass Sardinien sich um SSO der Großkirche 
gegenüber schismatisch verhielt, lässt wohl den Schluss zu, 
dass Lucifer nach seiner Bückkehr eine größere Wirksamkeit 
entfaltet habe. 

Vielleicht war der Buf davon auch in weitere Gegenden 
gedrungen. Wenigstens berichten uns Faustinus und Marcel- 
linus, dass der Ruhm Lucifers den ehrwürdigen Gregorius 
von Spanien, in welchem wir Gregorius von Elvira er- 
kennen müssen, nach Sardinien geführt habe, um Lucifer 
seinen Besuch abzustatten. Er selbst, ein Mann von streng- 
stem Glauben und höchster Heiligkeit im Lebenswandel, 
weigerte den Katholiken die Gemeinschaft und ward neben 
Lucifer das angesehenste Haupt der Bewegung. 

1) Ambrosius de excessu Satyri fratris bei Migne XVI, 1362. 1363. 

2) So die Benediktiner gegen Baronios, welcher für 383 ist. 



Das Schisma der Luciferianer. 77 

Über dem Leben dieses Gregorius schwebt das größte 
Dunkel, und seine Person ist mehrfach der Gegenstand leb- 
hafter Erörterungen geworden, die freilich zumeist durch 
Fragen dogmatischer Natur hervorgerufen sind. ^) Seine nicht 
wegzuleugnende Beziehung zu den Luciferianem, die That- 
sache also, dass er außerhalb der Großkirche gestanden hat, 
macht nämlich denjenigen große Schwierigkeiten, welche in 
ihm einen Heiligen verehren möchten. Als solcher steht er 
bereits in Usuards Martyrologia und im Martyrologium Ro- 
manum. ^) Am ausführlichsten hat sich mit der Frage, ob er 
nicht etwa doch vor seinem Tode in die Gemeinschaft der 
Kirche zurückgekehrt sein möchte, Florez beschäftigt und 
dieselbe trotz sichtbaren Schwankens nach umständlicher, 
aber willkürlicher Beweisführung bejahend entschieden. 3) 
Diese Frage hat nun freilich für den Historiker kein Inter- 
esse; und im vorliegenden Fall muss man wie bei Lucifer 
erklären, dass kein Grund zu der Annahme vorliegt, Gre- 
gorius möchte vor seinem Tode zur katht)lischen Kirche zu- 
rückgekehrt sein. Faustinus und Marcellinus äußern sich 
unzweideutig dahin, dass er ein hervorragendes, nach Lu- 
cifer vielleicht das angesehenste Mitglied ihrer Partei ge- 
wesen sei; ^j und in demselben Sinne ist die Notiz über ihn 
bei Hieronymus auch in der Erweiterung bei Prosper Aqui- 
tanus zu verstehen. *) 



1) Über Gregorius vgl. den vortrefflichen Artikel von Daniel im 
Dict. Chr. Biogr., der alles Material beibringt. Freilich: »the material» 
for a life of Gregorius are scanty.« Das Capitel, welches Garns, Eir- 
chengeschichte Spaniens I, 310/314, vgl. auch 256 ff. und 279, dem 
Gregor gewidmet hat, ist so parteiisch geschrieben, dass es fttr die 
Beurteilung Gregors nicht in Betracht gezogen werden kann. 

2) Dagegen nicht in dem sogenannten »Bomannm parvam», wie 
ich Gams p. 313 entnehme. Sein Consecrationstag ist der 24. April; 
vgl. Acta Sanctorum April Tom. III. 

3) Florez, Espana Sagr XII, 113—139; vgl. besonders 121— 128. 
129—132. 

4) a. a. 0. cp. 9 ff. 25. 27. 

5) Hieron. chron. ad ann. 370 : Lucifer Calaritanus episcopus mo- 
ritur, qui cum Gregorio episc. Hispaniae et Philone Libyae numquam 



78 Csintol n. 

Was nun Bein Leben betrifft, so yennOgen wir dasselbe 
kirchenhistoriseh nicht mit Sicherheit eincoreihen. Die Pres- 
byter behaupten, dass er dem Hosins von Corduba, als der- 
selbe, nachdem er die sirmische Formel von 357 nnter- 
schrieben hatte, nach Spanien znrttckgekehrt war, energisch 
entgegengetreten sei nnd ihn sozusagen totgebetet habe. ^) 
Ihre Erzählung, deren fabelhafte Details natOrlicb auf sieh 
beruhen, wird in willkommener Weise eigänzt durch den 
Brief des Eusebius von Yercellae, welchen derselbe aus dem 
Exil an Gregorius gerichtet hat. ^) In diesem Briefe wird 
Gregorius ftlr die thatkräftige Haltung, die er dem abgefiil- 
lenen Hosius sowohl als auch den Bischöfen von Ariminum 
gegenflber eingenommen habe und von der er dem Eusebius 
in einem Schreiben Mitteilung gemacht hatte, belobt und ge- 
beten, auch fernerhin so zu handeln. ^) Der Brief setzte wie 
gesagt, die Vorzüge von 359 voraus. Nun aber ist diese 
Sache freilich von Schwierigkeiten gedrückt. Wir haben 
nämlich die Angabe des Faustinus und Marcellinus, dass 
Gregorius allein von allen Rechtgläubigen niemals verbannt 
gewesen sei. ^) Dagegen scheint unser Brief vorauszusetzen, 

86 srianae miscuit pravitati. Prosper ad ann. 455 fügt die Notiz hinzu : 
sed dum vigorem iustitiae erga correctionem eorum qui cesserant non 
relaxat; ipse a suorum communicatione descivit (bei Migne I, 562). 
Dieser Satz bezieht sich freilich nur auf Lucifer ; aber es ist willkür- 
lich, wenn Florez a. a. 0. p. 121 ihn in der Weise presst, dass Pros- 
per dadurch habe andeuten wollen, die beiden anderen Genannten 
seien eben nicht Schismatiker geworden. Auch das Reskript des Kai- 
sers auf den libellus precum nennt Gregorius neben Heraclidas von 
Oxyrinchus als Haupt der Luciferianer. 

1) Hb. prec. cp. 9 flf. 

2] Bei Migne X, 713 unter den Werken des Hilarius fragm. 
bist. XI. 

3) a. a. 0. : literas sinceritatis tuae accepi, quibus ut decet epi- 
scopum et dei sacerdotem, transgressori te Oslo didiei restitisse et 
plurimis cadentibus Arimino in communicatione Valentis et Ursacii et 
ceterorum quos ipsi, agnito blasphemiae crimine ante damnayerunt, 
tuum assensum denegasse, fidem scilicet servans, quam patres Nieaeni 
scripserunt. 

4) a. a. 0. op. 10 am Ende: solus Gregorius ex numero vindi- 
cantium integram fidem nee in fugam versus nee passus exilium. 



Das Schisma der Luciferianer. 79 

dass Gregor in Ariminum war. Das wird dadurch verstärkt, 
dass unter den Gesandten der Synode an den Kaiser auch 
ein gewisser Gregorius genannt wird, hinter dem wir bei 
der Seltenheit des Namens ^) in jener Zeit unseren Gregorius 
suchen könnten. Nun aber ist zu Ariminum kein Bischof stand- 
haft geblieben; auch müsste doch Gregor auf seine Weige- 
rung verbannt worden sein. Indessen dass er in Ariminum 
war, ist nicht zu erweisen auf Grund der obigen Kombina- 
tion; dagegen sein Widerstand gegen die Arianer und Hosius 
steht aus den beigebrachten Zeugnissen fest. Ist er also 
nicht verbannt worden, so ist das nur dadurch zu erklären, 
dass er nicht in Ariminum war, sondern von Spanien aus 
gegen die abgefallenen Bischöfe protestierte; auf etwas an- 
deres weist auch der Brief des Eusebius nicht notwendig hin. 2) 
Nach dem libellus precum ist Gregor, nachdem er den 
Lucifer in Sardinien aufgesucht hatte, auch noch nach Kom 



1) Ein Gregorius von Calaris wird zwischen 253/303 erwähnt. 
Gregorius von Portus Augusti war auf der Synode von Arles 314 an- 
wesend. Außerdem kennt man Gregorius, den ersten Gegenbischof des 
Athanasius und einen Gregorius von Caesena, der 361 starb. Vgl. das 
Dict. Chr. Biogr. — In der Liste der zu Mailand 355 anwesenden Bi- 
schöfe bei BaroniuB (vgl. oben p. 14) wird gleichfalls ein Gregorius 
genannt. 

2) Wenn man auch dieses Resultat nicht anerkennen wollte, so 
hat man doch kein Recht, auf einem so unsicheren historischen Be- 
funde solche Märchen aufzubauen, wie Garns es gethau hat. Im Inter- 
esse der Heiligkeit des Hosius, zu der er sich mit einem »fröhlichen 
Widerruf« seiner früheren Ansichten bekennt, bürdet dieser »Histo- 
riker« dem armen Gregorius eine wahre Last von Vorwürfen auf, da 
er in ihm, dem »groben Lügenschmiede«, den intellektuellen Urheber 
der über Hosius kursierenden Legende sieht. Seine Resultate mögen 
hier Platz finden, obwohl man, um sie würdigen zu können, die Be- 
weisführung lesen muss: 1) Gregorius war in Ariminum, fiel 2) zu 
Nice oder doch in Ariminum. Er wurde 3) nicht verbannt, weil er ge- 
fallen war. Er schrieb 4) an Eusebius, weil er gefallen war, um sich 
weiß zu brennen. Er posaunte 5) in der Welt aus, dass er allein auf- 
recht gestanden sei. Er trennte sich 6) von der katholischen Kirche, 
um glauben zu machen, dass er nicht gefallen sei. Er ersann 7) ein 
ganzes Netz von Lügen, um darin seine Gegner einzufangen. (a. a. 0. 
p. 279, vgl. p. 25«.) 



80 Capitel II. 

gekommen und hat mit Aurelins, dem dortigen Bischof der 
Lneiferianer, in Eirchengemeinschaft gestanden. Als Hiero- 
nymus sein Buch de viris illnstribus schrieb, also um das 
Jahr 390, hat er noch in Spanien gelebt und scheint nach 
wie vor im luciferianischen Interesse gewirkt zu haben. Auch 
schriftstellerisch ist er thätig gewesen, und Hieronymus weiß 
außer einigen von ihm als mäßig bezeichneten Tractatus noch 
von einem Werke de fide. ^) Dieses Buch nun besitzen wir, 
soweit ich zu sehen vermag, nicht mehr; man hat in Ore- 
gorius ohne jeden Grund den Verfasser des vollständig ge- 
nügend bezeugten Tractates des Faustinus gleichen Titels 
sehen wollen; man will ihm das wahrscheinlich von Phoe- 
badius von Aginnum verfasste Buch de fide zuschreiben, mit 
ebenso wenig Gründen. Wir werden daher bis auf weiteres 
bei dem Urteil des BoUandisten stehen bleiben müssen, wel- 
cher von der fraglichen Schrift meint : »etiamnum latet«. ^) 

Die luciferianische Bewegung ist in Baetica auch an 
anderen Orten zum Ausbruch gekommen. So erzählt uns der 
libellus precum von einem Presbyter Vincent ins, der für 
seine Gemeinschaft mit Gregorius heftige Anfeindungen zu 
erdulden hatte. Man vertrieb ihn schließlich aus seiner 
Kirche; er jedoch setzte auf freiem Felde und unter großer 
Beteiligung des Volkes seinen Gottesdienst fort. Aber auch 



1) Hier. cat. 105: Gregorius Baeticus Eliberi episcopus usque ad 
extremam senectutem diversos mediocri sermone tractatus composuit 
et »de fide« elegantem librum ; hodieque superesse dicitur. Man streitet, 
ob Subjekt des Zusatzes Gregorius oder sein Buch sei. Wäre die Les- 
art qui hodie ganz sicher, so könnte kein Zweifel sein, dass die 
erstere Auffassung die richtige ist. Sie erscheint aber auch so als die 
natürliche. 

2) Acta Sanctorum April III. Über die Schrift des Phöbadius 
vgl. Histoire litt, de la France II, 1 p. 273 ff., besonders p. 274. 275. 
Garns meint freilich, Gregorius habe das Buch des Faustinus vielleicht 
einfach für sich in Anspruch genommen : »denn das Ideal der Urkirche, 
die er wieder herstellen wollte, muss auch die Gemeinschaft der Güter 
als ihre Eigenschaft aufweisen. Dies muss auch auf geistige Güter, 
wie z. B. Schriften, seine Anwendung finden. Gregorius als Haupt 
dieser Kirche konnte somit auch die Schrift eines seiner Unterthanen 
die seinige nennen« (p. 314). 



Das Schisma der Luciferianer. Sl 

hier unterbrachen die katholischen Bischöfe Luciosns nnd 
Hyginus die heiligen Handlungen in der stürmischsten 
Weise. 1) Gewiss liegtauch dieser Erzählung ein historisches 
Faktum zu Grunde : liegt es doch im Wesen der Sache, dass 
die Bischöfe aller Orten gegen das sektiererische Treiben so 
energisch wie möglich vorgegangen sind. 

War Sardinien um das Jahr 380 mehr oder weniger 
schismatisch, so ist es von vorne herein wahrscheinlich, dass 
diese Tendenzen auch in Bom Eingang gefunden haben. Und 
das wird durch die Thatsachen beglaubigt: wir hören um 
dieselbe Zeit von einer luciferianischen Gemeinde in Bom, 
welche ihren eigenen Bischof hatte und in Opposition zum 
römisch-katholischen Bischof Damasus, von diesem heftig 
verfolgt, in kleinen Versammlungen ihren Gottesdienst ab- 
hielt. Sicher war auch hier das Hauptmotiv die versöhnliche 
Haltung, welche Damasus den Vorschlägen von Alexandria 
und seinem Einverständnis mit Athanasius gemäß zu den 
wieder zum katholischen Glauben zurückkehrenden Bischöfen 
einnahm. Dann aber richtete sich hier die Opposition vor- 
nehmlich gegen das weltliche Treiben des Klerus, und dem- 
gemäß treten die asketischen Tendenzen besonders lebhaft 
hervor. 

Ein eigentümliches Missgeschick hat die römischen Lu- 
ciferianer mit den Ursinianern, jener Partei in der römi- 
schen Kirche, welche nach dem Tode des Liberius den Ur- 
sinus zum Bischof wählte und die Anerkennung des Damasus 
hartnäckig verweigerte, in Zusammenhang gebracht. Ohne 
der Frage auf den Grund zu gehen, hat noch zuletzt Lan- 
gen ^j diesen Zusammenhang phantasievoll ausgesponnen, 
und es ist nötig, obwohl schon Bade 3) den Sachverhalt ziem- 
lich klar gestellt hat, auf die Frage nochmals einzugehen, 
da wir von Bade in einem wichtigen Punkte diflferieren. 



1) a. a. 0. cp. 20. 

2) Langen, Geschichte der römischen Kirche I, p. 495 ff.; beson- 
ders 500. 502. 503. 

3) Bade> Damasus, Bischof von Rom. 

6 



82 Capitel II. 

Dabei muss Entstehnng, Ursache und Verlauf des ursinischen 
Schisma als bekannt vorausgesetzt werden. ^) 

Es ist ein dünner Faden, aus dem man ein ganzes Netz 
von unhaltbaren Behauptungen heransgesponnen hat. Jene 
beiden Presbyter Fanstinus und Marcellinus, welche den oft 
erwähnten libellus precum den Kaisern überreichten, sollen 
sich in einer dem Werke voraufgeschickten Vorrede als Ur- 
sinianer bekannt haben. Da sie nun Luciferianer waren, so 
wird flugs geschlossen, dass die Ursinianer, »von halbnovatia- 
nischen Grundsätzen über die Sünde des Abfalls ausgehend 
oder vielmehr diese auf die Häresie ausdehnend, eigentlich 
Gesinnungsgenossen des übereifrigen Bischofs Lucifer von 
Cagliaria waren. Dagegen spricht nun aber der Wortlaut der 
Vorrede, ihre Abfassung durch Faustinus und Marcellinns 
vorläufig noch zugegeben. Dass die Ursinianer »halbnova- 
tianischem Grundsätzen huldigten,^) kann man doch wahr- 
lich der Thatsache gegenüber nicht aufrecht erhalten, dass 
sie ursprünglich des Liberius Anhänger waren, da Ursinus 
ausdrücklich als derjenige genannt wird, welcher von dem 
kleinen Teil des Klerus, der dem Liberius auch während 
seiner Verbannung treugeblieben war, zum Nachfolger ge- 
wählt wurde. Es wird aber in der Vorrede ohne Anstoß be- 
richtet, dass Liberius manus perfidiae dedit, indem er die 
sirmische Formel unterschrieb. Rigoristische , »halbnovatia- 
nische« Grundsätze kann also doch der Verfasser der Vor- 
rede nicht gut vertreten haben. Vielmehr, der Gegensatz der 
Ursiäfaner gegen Damasus war ein persönlicher. Nichts deutet 
darauf hin, dass dogmatische Fragen ihn heraufbeschworen 
hätten. Der Vorwurf des Treubruchs gegen den Liberius, 
welcher von dem Verfasser unverhüllt gegen Damasus er- 
hoben wird, ist wohl das Hauptmotiv der Opposition gewesen. 
Jedenfalls sind die Ursinianer eine Partei innerhalb der römi- 
schen Kirche; sie sind keine Schismatiker in dem Sinne, 
dass sie mit der katholischen Kirche überhaupt gebrochen 



1) Vgl. Rade a. a. 0. p. 8 ff. 

2) Langen a. a. 0. p. 502. Vgl. Rade p. 11 Anm. 2. 



Das Schisma der Luciferianer. S3 

hätten. Das aber setzt Langen kurzer Hand vorans, wenn 
er den Ineiferianischen Bischof Ephesius einen »ursinischencc 
nennt. ^) Man kann aber zu Lebzeiten des ürsin — und er 
war um 380 noch am Leben 2) — unmöglich von einem ursi- 
nischen Bischof reden, da doch die Partei sieh an die Person 
des Ursinus hielt. Langen vergisst vollkommen, dass die 
Luciferianer wirklich Schismatiker waren ; daher wundert er 
sich, dass im libellus precum die ursinische Bewegung gar 
nicht erwähnt wird, und meint, sie sei von den Presbytern 
»kluger, aber nicht ganz ehrlicher« Weise übergangen worden. 
Wie steht es nun aber mit der allgemein vorausgesetzten 
Abfassung der Vorrede durch die Presbyter? Rade meint zu- 
versichtlich : »die Identität der Verfasserschaft (von Vorrede 
und libellus) ist außer Zweifel.«^) So hat man trotz Tille- 
mont^) meist geurteilt; uns will indessen scheinen, als sei 
man an dieser Frage gar zu flüchtig vorübergegangen. Was 
der alte Mazochius^) beigebracht hat, kann doch kaum als 
genügend gelten, um sie zu entscheiden. Bade^j dagegen 
hat selbst schon auf den Punkt aufmerksam gemacht, der 
sofort Anstoß erregen muss. Wir meinen die Ignorierung der 
perfidia des Liberius durch den Verfasser der Vorrede, deren 
wir oben schon gedachten. Es ist offenbar undenkbar, dass 
ein Luciferianer so schreiben konnte; und das wenigstens 
scheint sicher, dass Faustinus und Marcellinus Vorrede und 
libellus nicht gleichzeitig verfassen konnten. Vielmehr ist 



1) Den luciferianiflchen Bischof Aurelius soll Gregorins von Eli- 
beris nach Langen p. 503 gar zum Nachfolger des vertriebenen Ur- 
sinas geweiht haben. Bei dessen Lebzeiten! 

2) Vgl. Bade p. 41. 48. Er lebte noch, als Siricius zum Bischof 
gewählt wurde. 

3) a. a. 0. p. 8 Note. 

4) M^moires etc. VII, 769, Note V. Tillemont kommt zu dem 
Besültat : 11 dolt demeurer constant que la preface et la requeste n'ont 
rien de commun l'une ayec Tautre. Er hat indessen den Schiasspassus 
der Vorrede nicht in Betracht gezogen. 

5) Mazochius comment. ad ,cal. neap. (II) p. 583 ff. Vgl. Gal- 
landi VII prolegomena p. XV. 

6) a. a. 0. p. 11. 

6* 



84 Capitel IL 

man unter der allgemein geltenden Voraussetzung gezwungen 
anzunehmen, dass eine Bekehrung in ihnen vorgegangen ist. 
Das leuchtet noch mehr ein, wenn man beachtet, dass an 
der Stelle, wo sie im libellus die Bekenner des rechten 
Glaubens aufzählen, welche verbannt wurden, neben den be- 
kannten Namen des Lucifer, Eusebius, Paulinus von Trier, 
Maximus von Neapel, Bhodanius von Tolosa und Dionysius 
von Malland, Hilarius nur mit Einschränkung, Liberius aber 
gar nicht erwähnt wird, während der Verfasser der Vorrede 
Liberius, Lucifer, Eusebius und Hilarius neben einander stellt 
Eine solche Bekehrung zum Luciferianismus müsste zwi- 
schen den Jahren 367 — soweit führt uns die Vorrede — 
und ca. 382 — damals begleiteten die Presbyter den luci- 
ferianischen Bischof Ephesius auf seiner Orientreise — vor- 
gegangen sein. Wie steht es damit? Die Ansicht, dass die 
Vorrede von Faustinus und Marcellinus abgefasst sei, stützt 
sich auf den Schlusspassus , in welchem es heißt : es seien 
von Damasus Presbyter (der Partei des Ursinus) aus Rom 
vertrieben worden und herumgeirrt, ex quibus Marcellinus 
et Faustinus presbyteri de confessione verae fidei, ostenta- 
tione sacrae communionis et persecutione adversantium veri- 
tatem preces Valentiniano , Theodosio et Arcadio principibus 
obtulerunt ita. Der Inhalt der folgenden Bittschrift ist in 
diesen Worten richtig angegeben und der Übergang gut vor- 
bereitet. Es ist aber folgendes zu bedenken : jene Presbyter 
waren, als sie vertrieben wurden, sicherlich Anhänger des 
Ursinus, und wir haben keinen Grund anzunehmen, dass sie 
von ihm abgefallen seien. Ursinus aber lebte um 378 noch 
in Köln, und bis zum Jahre 384 haben wir Spuren von ihm. ^) 
Um 378 war in Rom Ephesius Bischof der Luciferianei- und 
382 spätestens unternahm derselbe eine Reise in Begleitung 
der Presbyter Faustinus und Marcellinus. Waren die letzte- 
ren Ursinianer, so können sie unmöglich neben ihrem recht- 
mäßigen Bischof einen anderen anerkannt haben. Von Ur- 
sinus aber kommt in der ganzen Bittschrift kein Wort vor. 



1) Vgl. den Index p. 163 bei Rade. 



Das Schisma der Luciferianer. 85 

Dagegen lässt die Erwähnnng des (laeiferianischen] Bischofs 
Aurelius, doch wohl des Vorgängers des Ephesius, darauf 
schließen, dass die Verfasser auch diesen bereits anerkannt 
haben. Dann aber bleibt für ihre Sinnesänderung, für welche 
wir ohnedies keinen Anhalt haben, keine Zeit übrig. 

Und bildet denn diese Vorrede wirklich die Einleitung 
zu der Bittschrift? steht sie in irgend einem erkennbaren Zu- 
sammenhang mit ihr? Man kann das verneinen. Die Vorrede 
erzählt in der detailliertesten Weise die Vorgänge in Rom 
bis zu dem Moment, wo Ursinus endgültig vertrieben wird. 
Dann bricht sie ab; sie hat kein Interesse daran weiter zu 
erzählen. Man muss daher auch, um den Zusammenhang 
aufrecht zu erhalten, zu folgender künstlicher Hypothese 
greifen: Faustinus und Marcellinus wollten, nachdem sie ihr 
Werk den Kaisem übergeben hatten, dasselbe nun auch in 
weiteren Kreisen veröffentlichen und fügten in Form einer 
Vorrede die Erklärung hinzu, warum sie, die früheren Ur- 
sinianer, jetzt Luciferianer seien. Nach unseren obigen Be- 
merkungen ist diese Hypothese, der natürlich kein Beweis 
zur Seite stehen kann, aussichtslos. Femer, obwohl ich nicht 
im Stande bin, die Überschrift der Vorrede zu kontrollieren, 
spricht doch dieselbe, wie sie vorliegt, gegen eine Verbin- 
dung von Vorrede und libellus. Hat es wirklich geheißen 
de eodem schismate Ursini, so setzt das voraus, dass die 
Vorrede einem größeren Ganzen entnommen ist, in welchem 
neben anderen Schismen auch das des Ursinus behandelt 
wurde. Stilähnlichkeiten zwischen Vorrede und Bittschrift 
finden zu wollen ist schon deshalb ein vergebliches Bemühen, 
weil beide Stücke einen ganz verschiedenen Charakter tragen, 
indem die Vorrede einen kurz und knapp gehaltenen, ge- 
drängt referierenden historischen Bericht geben will, der li- 
bellus dagegen unter Verzicht auf historische Genauigkeit 
und Reihenfolge eine Apologie der luciferianischen Bewegung 
zu geben sucht. 

Der Schlusspassus der Vorrede muss also von einem 



1] Mazochius a. a. 0. 



86 Capitel II. 

Anderen herrühren, der die heftige Polemik des Damasus in 
der Bittschrift und in der Vorrede mit einander in Verbin- 
dung zu bringen suchte. Der Zusatz ex quibus etc. könnte 
an sich recht gut fehlen, zumal der Übergang ein sehr ab- 
rupter ist; und die betreffende Inhaltsangabe, wie die Nen- 
nung der Namen der Verfasser, welche am Schluss des li- 
bellus wiederkehren, deutet gewiss auf Absicht hin. 

Wenn nun aber Vorrede und Bittschrift gar nichts mit 
einander zu thun haben, so ist damit auch der dünne Faden 
gerissen, an welchem die Zusammenstellung von Luciferia- 
nem und Ursinianem hing, und wir sind berechtigt, von 
derselben künftig gan;& abzusehen. 

Ob die Luciferianer in Bom eine grofie Gemeinde bil- 
deten, darüber fehlen uns die Angaben. Sicher ist, dass sie 
ihren eigenen Bischof hatten* Als solchen haben wir zunftchst 
den im libellus erwähnten Aurelius zu betrachten. i) Ihn 
besuchte Gregorius von Eliberis, als er aus Sardinien zurück- 
kehrte. Auch er hatte bereits unter den Verfolgungen seitens 
der Katholiken zu leiden; doch sagen die Presbyter aus- 
drücklich, dass er eines natürlichen Todes gestorben sei. 
Nicht so ein Presbyter, Namens Macarius,^) ein heiliger 
Mann, welcher als Asket lebte und alle Güter der Welt ver- 
achtete. Er genoss keinen Wein, kein Fleisch, mit Öl nur 
würzte er die rohen Speisen, lebte aber in ständigem Gebet 
und fastete fleißig. Er war so heilig, dass man ihm die 
Gabe zuschrieb, Dämonen auszutreiben. Sicherlich war der 
grofie Anhang, den er gefunden hatte, und das große An- 
sehen, in dem er stand, dem römischen Bischof ein Dom 
im Auge. Als er nun einmal nächtlicher Weile — denn Tags 
über wusste es Damasus zu yerhindem — Gottesdienst ab^ 
hielt, brachen Kleriker des Damasus in das Haus ein, zer- 
streuten die andächtige Gemeinde, bemächtigten sich des 
Presbyters, schleppten ihn über das Pflaster hinweg und be- 
handelten ihn dabei so rücksichtslos, dass er an der Hüfte 



1) lib. prec. cp. 21. 

2) ibid. cp. 22. 



Das Schisma der Luciferianer. g7 

eine schwere Wunde davontrug. Unter Hinweis auf kaiser- 
lichen Befehl ward er anderen Tages vor den Richter ge- 
bracht, der ihn zur Anerkennung des Damasus zwingen 
wollte. Aber Macarius zog das Exil dieser Schmach vor. 
Doch nur bis Ostia schleppte sich der Kranke; hier schon 
erlag er der gefährlichen Wunde. Man wollte ihn in einem 
alten Grabdenkmal beerdigen: aber der Bischof Florentius 
befahl ihn in der Basilica des Märtyrers Asterius beizusetzen. 

Solche Misshandlungen scheinen nicht vereinzelt gewesen 
zu sein. Damasus hatte es vielmehr auf gewaltsame Unter- 
drückung einer Opposition abgesehen, welche ihm, je mehr 
sie sich ausdehnte, um so gefährlicher werden musste. Wie 
leicht konnten sich hier alle Unzufriedenen und alle solche, 
welche das weltliche Regiment eines christlichen Bischofs, 
wie es Damasus auszuttben begann, verabscheuten, zusam- 
menfinden. Nicht nur Kleriker, sondern auch Laien verfolgte 
und verbannte er, sei es mit Gewalt, sei es auf dem Wege 
des Prozesses; und die ausgedehnte Machtvollkommenheit, 
welche ihm kaiserliche Edikte gegeben hatten, erleichterte 
ihm dies Verfahren. 

Endlich suchte er den Hauptschlag zu führen. Bischof der 
Luciferianer war jetzt £phesius, den ein gewisser, uns nicht 
näher bekannter Taorgius nach dem Tode des Aurelius geweiht 
hatte. Er zog ihn als Schismatiker — die Presbyter sagen aus- 
drttckiich als Luciferianer i) — vor Gericht. Der Bichter Bas- 
sus nahm zwar die Süiage zunächst an, aber er führte sie 
nicht durch: denn, nach dem Bericht der Presbyter, es fand 
sich nichts, was die Klage gerechtfertigt hätte, und mit dem 
Hinweis darauf, dass die Dekrete der Kaiser gegen Häre- 



1) Hierauf beziehen sieh die Worte: Bub invidia falsi impositi 
cognomenti, nicht aber, wie Garns a. a. 0. p. 310 herausgefunden hat, 
anf den Taorgius. Taorgius soll nämlich nach G. mit dem Gregorius 
identisch sein. Der Letztere habe sich in Bom einen falschen Namen 
zugelegt, uin nicht erkannt za werden. »Sein verstecktes Vorgehen 
nennen die Anhänger die »Gehässigkeit eines falschen ihm zugelegten 
Beinamens«« (sie!) 



88 Capitel 11. 

tiker und nicht gegen katholische Gläubige gerichtet seien, 
ward Damasus abgewiesen. 

Die Thatsache der Freisprechung mag richtig sein, sicher- 
lich aber war sie anders motiviert. Schismatiker wurden all- 
gemein als Laien behandelt, selbst wenn sie höhere Kleriker 
waren, und wären vom Richter nicht freigesprochen worden, 
wenn derselbe sich nicht in einem persönlichen Gegensatz 
zum Damasus befunden hätte. ^) Die Erzählung der Pres- 
byter , da sie ein der Orientreise des Ephesius kurz vorauf- 
gehendes Ereignis behandelt, beruht übrigens vielleicht auf 
Augenzeugenschaft;. 

In Rom wirkte auch der Luciferianer, welcher dadurch, 
dass er die Wiedertaufe forderte, innerhalb seiner Partei voll- 
kommen allein stand, der Diakon Hilarius. Wir wissen 
von ihm auf Grund einer sehr wahrscheinlichen Kombination, 
dass er derselbe ist, der den Lucifer 355 nach Mailand be- 
gleitete und dort neben dem Bischof standhaft ausharrte. 
Dass er ein geborener Sardinier sei, berichtet keine Quelle 
und beruht wohl auf einer Verwechslung mit dem späteren 
Papst gleichen Namens, der aus Sardinien gebürtig war, 
wenn nicht schon die Verbindung mit Lucifer von Calaris 
auf diese Annahme eingewirkt hat. ^) Nur Hieronymus be- 
richtet uns im Dialoge von ihm ; ^j er nennt ihn wegen seiner 
wiedertäuferischen Bestrebungen den Deucalion orbis und 
meldet, dass er zur Zeit der Abfassung des Dialoges nicht 
mehr unter den Lebenden war. Schule hat er nicht gemacht; 
denn Hieronymus fügt hinzu: cum homine pariter interiit et 
secta. Dagegen hat er seine Ansicht schriftstellerisch ver- 
teidigt in einem Buche de rebaptizandis haereticis, ^) das wir 
nicht mehr besitzen. Auch von ihm geht die auf nichts ge- 



ll Vgl. Rade a. a. 0. p. 46 f. Bassus war früher Christ gewesen 
nach Langen a. a. 0. p. 511. 

2) Vgl. Cave hist. liter. I, 217. Auch Martini storia etc. p. 47. 49 
nennt unseren Hilarius einen Sardinier, doch ebenso den späteren 
Papst (p. 86). 

3) dial. Lucif. cp. 21 ff. 

4) ibid. cp. 26. 



Das Schisma der Luciferianer. 89 

gründete Sage, dass er vor seinem Tode zur katholischen 
Kirche zurttckgetreten sei. *) 

Dieser Hilarius ist auf eine unverdiente Weise mehrfach 
in die wissenschaftlich-literarische Debatte gezogen worden. 
Man hat in ihm nämlich den Verfasser des dem Ambrosius 
zugeschriebenen Kommentars über die paulinischen Briefe, 
den sogenannten Ambrosiaster, sehen wollen. Diese Ver- 
mutung ist völlig grundlos. Sie stützt sich bekanntlich darauf, 
dass Augustin eine Stelle des Kommentares mit den Worten 
einführt: et sie sanctus Hilarius intellexit, quod scriptum 
est nn quo omnes peccaverunt«. ^j Da man nun in Hilarius 
von Poitiers den Verfasser nicht erkennen will, so ist man 
auf den einzigen Hilarius verfallen, von dem man außerdem 
noch wusste. ^) Aber Augustin würde einen Luciferianer und 
Wiedertäufer niemals sanctus genannt haben. Auch müsste 
doch an irgend einer Stelle des Kommentars, besonders aber 
in den Pastoralbriefen, sich die Parteistellung des Verfassers 
verraten, was nirgends der Fall ist. Wer der Verfasser ist, 
lässt sich, wie es scheint, heute noch nicht ermitteln.^] 



1) Vgl. die Prolegomena der Coleti p. XXXVI Note 3. Tillemont 
Vn, 528. 529 hat die Vermutung ignoriert. 

2) August, adv. Pelag. IV, 4, 7. Vgl. J. Plitt in der R. E. I, 330. 
C. Marold in der Zeitschrift für wiss. Theol. 1884 p. 415 ff. Reinkens, 
Hilarius von Poitiers p. 273 ff. 

3) Übrigens gab es gleichzeitig noch einen Bischof Hilarius von 
Pavia. Vgl. Plitt a. a. 0. 

4) Da die Frage nach dem Ambrosiaster unser Thema nur in 
der oben angedeuteten Form streift, so kann ihre Erledigung hier 
nicht versucht werden. Sicher ist Folgendes: 1) Hilarius der Diakon 
hat den Kommentar nicht verfasst. 2) Ebensowenig der Presbyter 
Faustinus trotz Langen (vgl. Geschichte der rOm. Kirche I, p. 6ü0 ff. 
und die dort citierte Abhandlung, Bonn 1880). Faustinus war Luci- 
ferianer, der Ambrosiaster nicht. Vgl. übrigens auch Marold a. a. 0. 
p. 462 ff. 3) Man hat keinen Grund an der Einheitlichkeit des Kom- 
mentars zu zweifeln; keinenfalls müssen die Stellen über die adoptio 
Christi, wie Plitt a. a. 0. es will, auf den adoptianischen Streit be- 
zogen werden. Die von Marold p. 431 ff. angeführten Beispiele ließen 
sich vermehren. Auch handelt es sich bei dem adoptianischen Streit 
im 8. Jahrhundert um ein ganz anders gefasstes Problem als im Am- 



90 Gapitel II. 

Die kleine Inciferianische Gemeinde in Rom tritt nach 
den erzählten Vorgängen wieder völlig ins Dunkel zurttck. 
Dagegen sehen wir den Bischof Ephesius nach seiner Frei- 
sprechung im Jahre 382 oder 383 eine Eeise in den Orient 
unternehmen, welche augenscheinlich den Zweck hatte, mit 
Gemeinden gleicher Richtung Fühlung zu suchen oder sie 
zu visitieren, i) Die Reise führte den Bischof zunächst in die 
Heptanomis. Dort in Oxyrinchus^) gab es bereits seit den 
Zeiten, als Georgius der Gappadocier den Bischofsstuhl von 
Alexandrien inne hatte, eine schismatische Gemeinde. Der 
Bischof Theodorus von Oxyrinchus nämlich war schwach ge- 
nug gewesen, den Georgius nicht nur anzuerkennen, sondern 
auch sich von ihm zum Laien degradieren und aufs Neue 
zum Bischof weihen zu lassen. Diese Nachgiebigkeit hatte 
einen Teil der Gemeinde, darunter auch Presbyter und Dia- 
konen, so erbittert, dass sie aus der Gemeinschaft mit dem 
Bischof ausschieden. Nach einiger Zeit ließen sie sich von 
einigen Bischöfen, welche die Berechtigung ihrer Opposition 
anerkannt haben müssen, einen heiligen Mann zum Bisehof 
weihen, den Heraclidas. Dieser Heraclidas war nach der 
Beschreibung, die die Presbyter von ihm geben, ^) ein Mönch 
und gehörte zu der in Oxyrinchus bestehenden Mönchs- 
kolonie. Die Worte der Presbyter deuten darauf hin , dass 
wir wirklich eine solche bereits für das Jahr 360 und firtther 
in Oxyrinchus vorauszusetzen haben. Die Mönche bestärken 
die Schismatiker in ihrem Widerstände; und einer der be- 



brosiaster und in den anderen bei Marold angeführten Stellen, da die 
letzteren den nestorianiechen Streit noch nicht zur VorauBsetzung 
haben. 4) Augustin hat bei seinem Gitat Hilarius von Poitiers im Auge 
gehabt; es ist aber fraglich, ob das ihm vorliegende Buch wirklieh 
unser Kommentar gewesen ist. Vgl. Marold 460. 461. 

1) Langen meint a. a. 0. p. 511, dass fiphesias als »arsiniseher 
Bischof eine umfassende Missionsthätigkeit entfaltet habe«! Die Pres- 
byter sagen cp. 29, er sei gereist ob ecclesiasticas utilitates. Biesen 
Ausdruck weiß ich nicht anders als in der im Text angegebenen 
Weise zu deuten. 

2) Vgl. lib. prec cp. 26 ff. 

3) ibid. cp. 27. 28. 



Das SchiBma der Lnciferianer. 91 

kanntesten von ihnen, Namens Paulus, ist noch ein Zeit- 
genosse des »hochbertthmten Antonius« gewesen, nicht weni- 
ger hervorragend in heiligem Eifer und von göttlicher Gnade 
nicht weniger erfüllt als jener, ^j Heraclidas aber führte 
einen »himmlischen Lebenswandel«; 2) er gehörte zu jenen 
Heiligen, welche in Schaf- und Ziegenfellen einherwandem, 
geschmäht, gedrängt und misshandelt J) Er verachtete die 
Güter dieser Welt und ihre Ergötzlichkeiten:*) darum galt 
er den wahrhaft Sechtgläubigen als heiliger Mann, allen Hä- 
retikern aber und Abtrünnigen war er verhasst. Ein solcher 
Mann als Bischof^) wusste sich bald bekannt zu machen; 
von nah und fem strömten diejenigen zu ihm zusammen, die 
mit den Abtrünnigen keine Gemeinschaft halten wollten, und 



1) Dieses Zeugnis für den Antonius ist übrigens in dem Streit 
über dessen Person und die vita Antonii bisher nicht beachtet wor- 
den. Und doch scheint es sehr wichtig I Wie es vorliegt, stammt es 
freilich erst ans dem Jahre 384; aber die Leute, welche den Presby- 
tern von Paulus und Antonius erzählten, beziehen sich auf die Zeit 
um 360. Damals hat Paulus die angedeutete Wirksamkeit ausgeübt. 
Damals schon galt Antonius als famosissimus und hat in der Mönchs- 
kolonie von Oxyrinchus, obwohl selbst nicht dort ansSssig» einen 
großen Buf gehabt. Wollte man aber in dem Beiwort famosissimus 
eine Einwirkung der berühmten vita Antonii sehen, so wäre deren 
Existenz für das Jahr 380 doch gesichert, und ihre Herkunft aus 
sigyp tischen Mönchskreisen, an der man überhaupt nicht hätte 
zweifeln sollen, würde aufs neue bezeugt. Die wenigen Angaben der 
vita, welche nicht romanhaft gehalten sind, enthalten zudem nichts, 
was den Angaben unserer Stelle widersprechen würde, wie wir noch 
sehen werden. 

2) conversatio caelestis, d. h. ein mönchisches Leben. 

3) Vgl. lib. prec. cp. 27 nach hebr. 11, 37. 

4) Heraclidas qui omnia saecularia respuens oblectamenta , per 
ipsas amaritudines confragosae vitae istius, aemulans dominica vesti- 
gia, nudus expeditusque virtutum iter salutare sectatur. 

5) Dieser Mönch sah also keine Schande darin, Bischof zu wer- 
den, und vertritt somit die Grundsätze von vita Antonii 67. Wein- 
garten, Ursprung des Mönchtums p. 19 (vgl. B. E. X, 770. 771), hat 
aus dem Beispiel des Dracontius zu weitgehende Folgerungen ge- 
zogen. 



92 Capitel II. 

es scheint, dass neben der eigentlichen Gemeinde besonders 
auch die Mönche s^ine Partei genommen haben J) 

Aber freilich, der Bischof Theodoras suchte alles auf- 
zubieten, um diese Opposition zu vernichten. Auch er bot 
die Behörden gegen sie auf, und es gelang ihm mehrfach 
den Heraclidas zu vertreiben. Aber die Unterstützung der 
Behörden mochte ihm nicht kräftig genug sein: er schickte 
seine Kleriker in die Kirche des Heraclidas und ließ die- 
selbe zerstören ; selbst den Altar zerschlug er zum Entsetzen 
des Volkes. Aber nicht nur gegen den Bischof direkt rich- 
tete sich sein Zorn, auch die Gemeinde verfolgte er und die 
Mönche; ja selbst der Nonnen und ihrer Klöster schonte er 
nicht. 2) 

Seine Verbrechen verschlimmerte in den Augen der Gläu- 
bigen der Umstand, dass er mit ApoUonius, dem Bischof 
der Meletianer in Oxyrinchns, kirchliche Gemeinschaft hielt, ^) 
dessen Kirche ihm, als dem »Katholischem, durch kaiserliches 
Edikt später zugesprochen wurde.*) 

Diese Gemeinde war es, welche Ephesius aufsuchte. Wir 
sehen, dass man kein Becht hat, dieselbe als eine luciferia- 
nische zu bezeichnen. Wohl hat sie dieselbe Tendenz — 
denn auch sie steht in schärfster Opposition zu den praeva- 
ricatores fidei, mögen dieselben auch als Katholiken sich 
brüsten — aber sie ist bei ganz anderem Anlass entstanden 
und älter als die luciferianische Bewegung. Aber das aske- 
tische Ideal, welches sie zu verwirklichen suchte, ist auch 
das der Luciferianer. Die Presbyter können nicht müde 



1) Die Bancta plebs, die servi dei, die sacrae virgines werden 
übrigens überall scharf geschieden. 

2) lib. prec. cp. 27 Ende : et lon^am est referri ^uae contra pu- 
dorem propositumve sacrarum virginum molitus est, quarum mona- 
8teria4»ro merito sanctimoniae eamm civitas ipsa veneratur. 

3) Auch hier trifft der Bericht mit vita Antonii 68 tiberein. Wir 
finden denselben Hass gegen die dirootaoia und noNY^pCa der Meletianer, 
der dort gepredigt wird. Wenn aus dem Brief des Pinnes ^as Gegen- 
teil hervorgeht, so darf man diesen einen Fall wieder nicht so ohne 
weiteres verallgemeinem, wie Weingarten R E. X, 775 thut. 

4) lib. prec. cp. 28. 



Das Schisma der Luciferianer. 9$ 

werden^ sich in den flberschwänglichsten Lobeserhebungen 
der »heiligen« Mönche zu ergehen; und sie setzen ausdrück- 
lich den Gregorius yon Eliberis und die ttbrigen »heiligen 
Bischöfe« mit Heraclidas in Parallele, i) Ephesius aber scheint 
sich bei seinem Besuche die Sympathieen der Gemeinde in 
Oxyrinchus erworben zu haben^, denn es heiSt, dass man 
ihn, als er nach Palaestina weiter reiste, unter Thränen ge- 
leitet habe »wie einst die Asiaten den Paulus«. ^) 

Eine heilige Nonne in Eleutheropolis, Hermione 
mit Namen , hatte den Heraclidas in einem Brief gebeten, ^j 
ihr den Segen, seines Besuches zuwenden zu wollen. Statt 
des Bischofes von Oxyrinchus machte sich Ephesius auf, um 
ihrem Wunsche zu willfahrten. Sie stammte aus edler Fa- 
milie, aber ihr Glaube und ihr heiliges Leben überstrahlte 
den Adel der Geburt, und viele, welche gleich ihr die Welt 
mit ihren Gütern und ihren Lasten fliehen wollten, kamen 
zu ihr, um an der Reinheit ihres Wandels und der Stärke 
ihres Glaubens sich zu erquicken. Der Besuch des Ephesius 
hatte nun nicht nur den Erfolg, die Hermione und die In- 
sassen ihres Klosters neu zu stärken, sondern es gelang auch, 
einen vornehmen römischen Tribunen, den Severus, samt 
seinem Hause ^) zur Gemeinschaft mit dem Ephesius zu be- 
wegen. Diese Erfolge mussten natürlich die Eifersucht des 
Ortsbischofs Turbo auf das Äußerste erregen; dennoch aber 
wagte er, wie uns die Presbyter erzählen, gegen seine Per- 



1) lib. prec. cp. 27: merito ergo et beatns Gregorins ceterique 
sancti episcopi, sanctimoniae istius (nämlich der von Heraclidas ge- 
übten) yenerabili consortio, in maus afflictae ecclesiae velut divini& 
solatiis relevantur. 

2) ibid. cp. 29 Ende, plebs — illum ob meritum diyinae gratiae 
pia eins dilectione constricta, ut quondam Asiani Apostolum Paullum^ 
cum magno fletu deduxit proficiscentem. 

3) lib. prec. cp. 30. 

4) nobilis domns religiosi ad fidem catholicam Severi ex tribunis 

(cp. 29) . SeveriiB, qui tanto magiB fidem dei vindicat, quanto 

et romano imperio fideliter militat (cp. 30). 



94 Capitel II. 

son nur behutsam vorzugehen ^) und wartete den Augenblick 
ab, wo Epheflius nach Afrika zurückkehrte. Das geschah, 
doch ließ der Bischof seine Presbyter, Faustinus und 
Marcellinus zurttck, damit sie an seiner Statt das Wort 
Gottes predigen und das heilige Mahl halten sollten. Man 
hielt in den Häusern der Gläubigen gottesdienstliche Zu- 
sammenkünfte ab, gerade wie zu der Zeit des Lucifer , denn 
wir erinnern uns, dass damals Eutychius, der Bischof von 
Eleutheropolis , in gewaltthätiger Weise gegen die Privat- 
gottesdienste, welche Lucifer leitete, einzuschreiten für gut 
fand. 2) Turbo, sein Nachfolger, sah in dem Wachsen einer 
Bewegung, welche sich zu seiner bischöflichen Gewalt in 
direkte Opposition stellte, eine Gefahr, die er sich nicht 
scheute mit den rohesten Geweltmaßregeln zu beseitigen. 
Er drohte sogar das Haus des Severus in Brand stecken zu 
wollen, und die Nonne Hermione setzte er in harte Bedrängnis. 
Die ihnen in Eleutheropolis zugefügte Unbill veranlasste 
den Faustinus und Marcellinus zu ihrer Bittschrift an 
die Kaiser. Von Marcellinus wissen wir nichts Näheres, und 
sein schriftstellerischer Anteil an der Abfassung der Bitt- 
schrift wird nur ein geringer gewesen sein. Dagegen ist 
Faustinus ein Mann gewesen, der sich auch sonst literarisch 
bethätigt hat und als Theologe ein gewisses Ansehpn genoss. 
Einem unter seinem Namen gehenden Glaubensbekenntnis 
zufolge wäre er einmal in den Verdacht des Sabellianisie- 
rens gekommen. 3) Wir vermögen seine theologischen An- 
sichten noch heute zu kontrollieren, denn es kann kein 
Zweifel sein, dass das Buch de trinitate sive de fide ad- 
versus Arianos, welches als von ihm herrührend abgedruckt 
zu werden pflegt,^) wirklich seiner Feder entstammt. Gen- 



1) cp. 30 : ad versus sanctum Ephesium modicum quid conati — 
hi, quibus sacra veritas onerosa est, postea destiterunt, metuentes in 
illo et fidei libertatem et constantiam animi. 

2) Vgl. oben p. 22. 23. 

3) Vgl. Faustini Presbyter! fides Theodosio Imperatori oblata 
bei Gallandi VII, p. 460. Siehe auch oben p. 37 Note 1. 

4) Gallandi VlI, 441 ff. Migne XU, col. 37 ff. 



Das Schisma der Luciferianer. 95 

nadius^j nennt als Werk des Faustinas die Schrift adversns 
Arianos et Macedonianos in 7 Büchern an die Kaiserin Flac- 
cilla gerichtet. Damit ist die oben genannte Schrift gemeint; 
denn dass dieselbe als an die Kaiserin Galla Placidia ge- 
richtet bezeichnet wird, beruht auf einer Verwechslung, 
welche bereits Gallandi berichtigt hat. ^) Auch an dem ver- 
schiedenen Titel darf man keinen Anstoß nehmen , denn das 
vorliegende Werk beschäftigt sich in seinem 7. Capitel (oder 
Buche) eingehend mit der Lehre vom heiligen Geiste und 
bekämpft die Gegner, wenn auch der Name Macedonianer 
nirgend begegnet. Die Kaiserin hatte den Faustinus um eine 
Darlegung der katholischen Ansicht von der Trinität den 
Arianem gegenüber gebeten und scheint die arianische An- 
sieht in einem Briefe selbst zu verteidigen gesucht zu haben. ^) 
Es ist wohl wahrscheinlich, dass das geschah, als Faustinus 
sich im Jahre 384 zum Zweck der Überreichung der Bitt- 
schrift in Constantinopel aufhielt; vielleicht wandte sich Flac- 
cilla an ihn, nachdem das Reskript des Theodosius auf die 
Bittschrift den Presbyter als rechtgläubigen Katholiken be- 
glaubigt hatte. 

Die Schrift selbst beschäftigt sich zunächst mit den be- 
kannten Vorwürfen der Arianer gegen die katholische Lehre 
und setzt diesen gegenüber die letztere auseinander. Die 
Darlegung bietet kaum etwas Eigenartiges; sie ist in der 
bekannten Weise an eine Anzahl von Bibelsprüchen, beson- 
ders solcher aus dem Johannes-Evangelium i«ingelehnt und 
mehrfach werden einzelne Stellen ausführlich exegesiert. Das 
letzte Capitel ist der Lehre vom heiligen Geist gewidmet. 
Die Schärfe und Bücksichtslosigkeit des Ausdrucks passen 
nicht übel zu dem Bilde, welches man nach dem libellus 
precum von Faustinus sich zu machen geneigt sein möchte; 
und dieser Eindruck wird verstärkt, wenn der Verfasser am 



1) Gennadios catal. 16. 

2) Gallandi VII proleg. XIII. Inkonsequent genug druckt er selbst 
das Werk als ad Gallam Placidiam ab. 

3) Vgl. die Vorrede der Schrift: sed quia in his quae scribere 
dignata es ex persona haereticorum, vidi plurima esse confusa . 



96 Capitel II. Bas Schisma der Luciferianer. 

Schluss sich deutlich als Luciferianer bekennt und sich gegen 
den Vorwurf verteidigt, als wolle er aus bloßem Aberglauben 
nicht mit Abtrünnigen und Häretikern Gemeinschaft halten.^} 
Fast wie eine Ironie des Schicksals mutet uns die That- 
sache an, dass dasselbe kaiserliche Edikt, welches die Lu- 
ciferianer in gnädigsten Worten als rechtgläubige Katholiken 
anerkennt, welches die Verfolgungen und Bedrückungen der 
Anhänger Gregorius des Spaniers und Heraclidas des Orien- 
talen zu sistieren befiehlt, da das, was unsterblich zu sein 
verdiene , auch unverletzt erhalten werden müsse , die letzte 
historische Nachricht ist, die wir von den Ludferianem be- 
sitzen. Die Bewegung ist, wie so manche andere rigoristische, 
nach kurzer Zeit im Sande verlaufen. Die Weltkirche, der 
sie Opposition machte, das Mönchtum, dessen Ideal sie teilte, 
ohne seine Formen anzunehmen, haben die Stürme der Zeit 
überdauert. 



1) de fide cp. VII, 4 gegen Ende: sed ego haec ipsa, licet bre- 
viter, intimavi, ne nos de vana superstitione credat aliquis noUe com- 
municare cum talibusi quos perspicit per divinam sententiam repro- 
bari; vgl. das Voraufgegangene. 



Anhang. 

I. 
Zu den Schriften Lncifers. 

a. Handschriftliche Überlieferung. 

Die Schriften Lucifers von Calaris sind uns nur in einer einzigen ^) 
Handschrift erhalten geblieben, die wechselnde Schicksale gehabt zu 
haben scheint. 2; Tilius benutzte in der editio princeps (vgl. darüber 
unter b) nur einen Codex, und die ihm zunächst folgenden Heraus- 
geber haben sich damit begnügt, den ihnen von Tilius gebotenen Text 
ihren Ausgaben zu Grunde zu legen. Als die Gebrüder Coleti zu 
einer neuen Ausgabe schritten, meinten sie, zur Vergleichung eine 
ganz neue Handschrift heranziehen zu können, die sie als cod. vatic. 75 
bezeichnen. Sie selbst bemerken aber, dass die Abweichungen, die 
ihre Handschrift von dem Text des Tilius biete, nur höchst unbedeu- 
tende seien,^} wobei noch zu erwägen ist, dass die Ausgabe des Tilius 
nach seinem eigenen Geständnis nicht allzu sorgfaltig gearbeitet war.^) 
Wir sind daher zu der Annahme berechtigt, dass der cod. vatic. 75 
mit dem von Tilius benutzten identisch war. Aber auch er ist uns 
nicht mehr unter derselben [Nummer erhalten. Nach Reifferscheid 5) 
trägt er vielmehr jetzt die Nummer 133. Da er zu der bibliotheca 



1) Die Straßburger Handschrift, welche nach Hänel, catalogu» 
librorum scriptorum (1830) col. 455 oben, Schriften des Lucifer ent- 
hielt, ist mit der Bibliothek verbrannt. 

2) Vgl. darüber auch Hartel a. a. 0. p. I jff. 

3) proll. VIII: sed non eiusmodi sunt (diversae dictiones) quae 
sententiam immutent, et varias plerumque voces, varia ab editis ex 
Tiliano codice nomina solummodo exhibent. 

4) Er selbst nennt sich in seiner praefatio ad pontificem : nimia 
occupatus . 

5) bibliotheca I, p. 383. 



98 Anhang. 

reginensis gehört, in welcher die Nummern der Handschriften häufig 
gewechselt haben, so ist auch hier an der Identität nicht zu zweifeln. 
Tilius wird den Codex in irgend einem französischen Kloster gefunden 
haben, von wo aus er später in den Besitz der Königin Christine von 
Schweden gekommen sein mag. ^j 

Die Handschrift, die bei Reifferscheid näher beschrieben ist, ge- 
hört dem neunten oder zehnten Jahrhundert an^) und enthält die 
Schriften in dieser Reihenfolge: de Athanasio L II, 3) de regibus 
apostaticis, de non conveniendo cum haereticis, de non parcendo in 
deum delinquentibus , moriendum esse pro filio dei. Es folgt sodann 
die epistola Florenti ad Luciferum und diejenige Luciferi ad Floren- 
tium. Sodann Athanasii epistola ad Luciferum I. Die Zwischenbemer- 
kung : his acceptis literis beatus Lucifer misit libros quos ad Constan- 
tium conscripserat, quos cum legisset Athanasius, hanc infra epistolam 
misit, haben die Coleti nicht mit abgedruckt, daher wohl Reififerscheid 
sie für unediert hält. Doch finden wir sie bei Tilius, in der Biblio- 
theca maxima und bei Gallandi. Es folgt im Codex epistola n Atha- 
nasii ad Luciferum und zwei Schriftstücke, welche mit Lucifer nicht 
direkt in Beziehung stehen: epistola Liberii ad imperatorem und exem- 
plum epistolae Athanasii solitariae vitae studentibus. 

Von dem zweiten Briefe des Athanasius an den Lucifer fanden 
die Coleti eine Abschrift in einem cod. venet. saec. X. der Biblio- 
thek des Matthaeus Aloysius.^) Nach Montfaucon^) sollen Briefe des 
Lucifer in einer Handschrift überliefert sein. An der Stelle seines 
Werkes, auf die er im Index verweist, ß) habe ich die Handschrift 
nicht gefunden. 

Femer ist im Index bei Montfaucon eine vatikanische Handschrift 
erwähnt, welche einen Brief des Lucifer — epistola ad superbos — 



1) Bei Montfaucon, bibliotheca bibliothecarum p. 15 a, vgl. auch 
67 b, findet sich derselbe Codex als nr. 62 der bibl. regin. aufgeführt. 
Die oben gegebenen Notizen verdanke ich meist Herrn Dr. von Geb- 
hardt in Berlin. 

2) Schon die Coleti datierten ihre Handschrift auf das 9. Jahr- 
hundert. 

3) Das erste Buch dieser Schrift ist im Codex als quia absentem 
nemo debet iudicare nee damnare bezeichnet. Am Schlüsse heißt es: 
de Athanasio üb. I. explicit, und entsprechend am Schlüsse des zwei- 
ten. Hartel hat danach die Überschrift de Athanasio angenommen: 
die bisherigen Herausgeber bezeichneten die Schrift als pro Atha- 
nasio, was den Inhalt am besten wiedergiebt. 

4) Vgl. praef. Vm. 

5) Index. 

6) p. 35 c. Druckfehler scheint nicht vorzuliegen. 



Anhang. 99 

enthalten haben soll, von dem wir sonst nichts näheres wissen, nnd 
eine mailändische Handschrift der angeblichen confessio fidei Luciferi. i) 
Biese letztere haben auch die Coleti eingesehen.^) 

b. Ausgaben. 

Die editio princeps veranstaltete im Jahre 1568 Tilius, der ge- 
lehrte Bischof von Meanx. Er versah sie mit einer Vorrede an Papst 
Pius V, in welcher er darlegt, wie gerade der Eifer des Lucifer für 
die Orthodoxie in dieser Zeit trauriger Verwirrung der Kirche zu einer 
Herausgabe seiner Schriften ihn veranlasst habe, ^) obwohl auch er die 
maßlose Heftigkeit der Polemik gegen den Kaiser Gonstantius miss- 
billigt Bei der Herausgabe befolgte er die ihm durch seine Hand- 
schrift an die Hand gegebene Beihenfolge der Schriften. Er betrach- 
tete die einzelnen Bücher als Teile eines einzigen Werkes ; *) dem Text 
fUgte er nur wenige und unbedeutende Noten bei. Prolegomena finden 
sich nicht. 

Auf Grund dieser Angabe entstand zunächst die der Biblio- 
theca maxima Lugdunensis. ^) Sie war indessen kein Fort- 
schritt, da sie kein neues Material hinzubrachte, nur willktirlich än- 
derte, und — ein Zeichen für die damalige Kritiklosigkeit — die 
Bibelcitate nach der Vulgata veränderte. 

Cotelerius trug sich mit dem Gedanken einer neuen Ausgabe, 
zu der er bereits viel, besonders die Itala des Lucifer betreffendes, 
Material gesammelt hatte. ^) Der Tod hat den ausgezeichneten Mann, 
der ,wie wenig Andere zu dieser Arbeit befähigt war, an der Aus- 
führung gehindert. "^J 

Gallandi gab in seiner Bibliotheca die Schriften aufs Neue 
heraus. Sein Text war der Ausgabe von Tilius und zwar dem Pariser 
Neudruck von 1644 entnommen. Gallandi versah die Bücher mit einer 
Gapiteleinteilung und fügte Prolegomena sowie eine Keihe von Noten 

1) Vgl. auch Montfaucon, Diarium Italicum p. 19. 

2) Vgl. hierzu p. 37 Note 1 dieser Arbeit. 

3) inter quos (seil, patres) clarissimum mihi sidus Lucifer hie, 
solis lumen referiens, affulsit qui pessimam istam ac omnium post ho- 
mines natos maximam Arii haeresim, antichristi matrem, in apertum 
proferat et elucidat. 

5) nam etsi totum volumen mihi opus videatur tractu uno imp. 
Constantio continuatum, ipsum tamen in libellos partitus est auctor etc. 

5) IV, p. 181—253. 

6) Cotel. patr. apost. (edit. II) I, p. 264, in einer Anmerkung zu 
const. apost. II, 57. Auch Latinus Latinius hatte manche kritische 
Notizen gesammelt. Vgl. auch Hartel a. a. 0. p. IIL 

7) Vgl. Cave, hist. liter. I, 216. Fabricius — Harless bibl. graec. 
IX, 303. 



100 Anhang. 

hinzu, die auch auf Bemerkungen des Cotelerius, LatiniuB u. A. Bezug 
nahmen. 

Bass die vom Abt Frommann projektierte Ausgabe nicht zu 
Stande gekommen ist, braucht man, da er sich in seiner noch anzu- 
führenden Schrift über Lucifer nicht als sonderlich qualificiert er- 
weist, ^) nicht zu bedauern. 

Eine neue*, auf selbständigen Arbeiten beruhende Ausgabe war 
zu einem Bedürfnis geworden, und diesem wurde durch die Be- 
mühungen der beiden Brüder Johann Dominicus und Jacob Coleti 
vollständig entsprochen. 2) Dieselben revidierten den Text vollständig, 
stellten durchgängige Vergleiche • der Bibelcitate mit dem damals be- 
sonders durch Sabatiers Bemühungen ermittelten Text der Versio an- 
tiqua an und gaben unter dem Text eine Beihe , auch auf Vorgänge 
aus der Zeitgeschichte sich beziehender Anmerkungen. In einer aus- 
führlichen praefatio verbreiteten sie sich über Lucifers Schriftinter- 
pretation, über einige seiner theologischen Ansichten, über einzelne 
schwierige oder verderbte Stellen seiner Schriften und über deren Ab- 
fassungszeit. Die Schriften selbst druckten sie in der Eeihenfolge ab, 
die ihrer Untersuchung sich als die wahrscheinliche herausgestellt 
hatte. Das Leben Lucifers stellten sie ausführlich und an einzelnen 
Stellen nicht ohne gute Bemerkungen dar. Der ganzen Ausgabe, die 
durch den Brief des Lucifer an den Eusebius von Vercellae und durch 
den des Liberius an den Lucifer bereichert ist, fügten sie ein Register 
der in den Schriften vorkommenden Namen u. s. w. bei. 

Leider haben sie die Capiteleinteilung des Gallandi wieder fallen 
lassen und kein Register beigefügt, welches über die von Lucifer 
citierten Schriftstellen im Zusammenbang Auskunft gäbe. 3) 

Auch diese beiden Desiderien hat die neue Ausgabe von Har- 
teH) erfüllt. Dieselbe giebt den Inhalt des oben beschriebenen Codex 
ganz wieder, S) doch so dass sie die von den Coleti angenommene 
Reihenfolge der Schriften beibehält. Sie liefert zum ersten Mal einen 
kritisch gesichteten und nach Möglichkeit gesicherten Text der Werke 
des Lucifer. Obwohl auch Hartel nur eine Handschrift zu Gebote 



1) Vgl. hierüber unter c. 

2) Luciferi episcopi Calaritani opera omnia quae extant. Venetiis 
1778, abgedruckt bei Migne patr. lat. XIII, 698—1050. 

3) Die Ausgabe der Coleti hat eine lange und wohlwollende Re- 
cension erfahren in Döderlein, theologische Bibliothek I (1780) 599—615. 
Die Recension selbst ist wegen einiger Erwägungen, Ergänzungen und 
Berichtigungen von Wichtigkeit 

4) corp. Script, eccles. latin. vol. XIV Luciferi Calaritani opus- 
cula ex recensione Guilelmi Hartelii. Vindobonae 1886. 

5) Also auch den Brief des Liberius an den Kaiser und den des 
Athanasius an die solitariae vitae studentes. Vgl. oben p. 98. 



Anhang. ' 101 

stand, ist es ihm doch gelangen, auf Grund einer erneuten Yergleichung 
derselben und einer scharfen Unterscheidung von Grundschrift und 
mehrfachen Korrekturen, sowie einer eindringenden Untersuchung über 
das genus dicendi des Lucifer, ^) eine große Reihe von evidenten Text- 
verbesserungen vorzunehmen. Die ausfuhrlichen Register bestehen 

1) in einem Verzeichnis der bei Lucifer citierten Schriftstellen und 
der aus anderen Autoren entnommenen Sätze (index scriptorum) ; 

2) einem Namen- und Sachverzeichnis, welches im Vergleich mit dem 
der Ausgabe der Coleti beigegebenen bedeutend bereichert ist; 3] einem 
index verborum et locutionum, welcher gerade bei einem Schriftsteller 
wie Lucifer eine besonders willkommene Zugabe ist. Die Prolegomena 
behandeln nur textkritische Fragen. 2) 

c. Verlorene Schriften. 

Außer den bereits oben erwähnten Briefen muss eine Korrespon- 
denz mit Hilarius oder doch wenigstens ein Brief an denselben ver- 
loren gegangen sein.^j Lucifer selbst spricht einmal von Briefen, die 
er an den Kaiser gesandt,^) wenn darunter nicht der Brief an den 
Florentius gemeint sein sollte. Endlich spricht Athanasius in seinem 
zweiten Briefe an Lucifer davon, dass er von demselben bei Über- 
sendung seiner Werke ein Schreiben erhalten habe.^) Schriften von 
irgend welcher Bedeutung sind indessen nicht verloren gegangen. 

d. Literatur über Lucifer. 

Über Leben und Schriften Lucifers finden sich in allen literari- 
schen, patristischen und kirchengeschichtlichen Sammelwerken mehr 
oder weniger eingehende Notizen. Tillemont^) hat ihm und 'dem 
Schisma einen längeren Artikel gewidmet. Die Abhandlung von Ceil- 
lier'^) zeichnet sich vornehmlich durch eine genaue und eingehende Ana- 



1 ) Lucifer von Cagliari und sein Latein in Wölflflins Archiv III, p. 1 ff . 
2j Vgl. meine Anzeige dieser Ausgabe in Theol. Lit.-Ztg. 1886 
Col. 297. 

3) Vgl. über seinen Streit mit Hilarius oben p. 38 ff. 

4) non parc. p. 256, 6 (212, 20). 

5) Hartel, Lucifer von Cagliari u. s. w. ist der Ansicht, dass an 
beiden Stellen unter den epistolae et libri nur die uns vorliegenden 
Bücher gemeint seien. Dass man die libri auch epistolae nennen 
könnte, muss zugegeben werden. Aber warum heißt es beide Male 
libri et epistolae? 

6) M6moires etc. VII, 514—528 und notes 763—769. Vgl. auch 
den Aufsatz über Eusebius von Vercellae VII, 529—563. 

7) Histoire g^n^rale etc. Tom. V, 384—439. 



102 Anhang. 

lyse der Schriften Lucifers aus und hat im Übrigen vor der Tillemonts 
den Vorzug einer gewandteren Behandlung des Stoffes. Frommanns ^) 
Aufsatz, der als Einleitung zu seiner Ausgabe dienen sollte, ist ledig- 
lich unter dem Gesichtspunkt der lateinischen Stilübung zu betrachten. 
Auf das Sorgfältigste hat Walch^j unter Benutzung aller Nachrichten 
Leben und Schriften des Lucifer sowohl wie das Schisma der Luci- 
ferianer behandelt. Seine gedrängt referierende, trockene, aber nicht 
selten humorvolle Barstellung ist sehr zuverlässig und durchweg von 
vorzüglicher Brauchbarkeit. Endlich sind noch Papebroch^) in den 
acta sanctorum und die prolegomena der Brüder Coleti zu ver- 
gleichen.*) 

e. Abfassnngszeit der Schriften lucifers. 

Es ist immer eine schwierige Aufgabe, die Abfassungszeit von 
Schriften zu ermitteln, welche, wie die des Lucifer, nur in ganz all- 
gemeinen Bemerkungen auf Vorgänge der Zeitgeschichte Bücksicht 
nehmen und sonst keinen Anhaltepunkt für die Bestimmung bieten. 
Dennoch muss der Versuch gemacht werden, zumal uns wenigstens 
einige Argumente zu Gebote stehen, welche von den bisherigen Be- 
arbeitern !^) nicht beachtet sind oder nicht beachtet werden konnten. 
Zur Evidenz bringen lässt sich die Zeit der Abfassung der einzelnen 
Schriften überhaupt nicht Bis zu welchem Grade von Wahrschein- 
lichkeit man gelangen kann, sollen die folgenden Zeilen untersuchen. 

Da Lucifer um die Jahreswende 355/56 bereits verbannt war und 
seine Schriften sich alle gegen den Kaiser Constantius richten, der 
am 3. Nov. 361 starb, so ist die Zeit von 356—361 für die Abfassung 
sämtlicher Schriften sicher gestellt. Da ferner die Ansicht des Tilius, 
dass alle Bücher ein großes Werk repräsentieren, lediglich eine Will- 
kürlichkeit ist und durch Lucifers eigene Äußerungen widerlegt wer- 



1) Frommann, E., de Lucifero Calaritano olim praesule epistula. 
Coburg 1767. 

2) Ketzergeschichte III, 338—377. 

3) Acta sanct. BoU. Mai V, 28 ff. (neue Ausgabe). 

4) Vgl. auch folgende Artikel: bei Herzog, Bealencyklopädie 
IX, 109 ff. (Möller); Weite, Kirchenlexikon VI, 610 ff. (Keusch); 
Dictionary of Christian biography II, 749—751 (Davies); Moroni, 
Dizionario dl eruditione storico-ecclesiastica vol. XL. 

5) Mit der Untersuchung unserer Frage haben sich beschäftigt : 
Baronius ad ann. 356; Tillemont VII, 763; Gallandi in den prolego- 
mena seiner Ausgabe; Papebroch cp. II, vgl. cp. IV; Montfaucon in 
der vita Athanasii; Matthaei, Sardinia Sacra p. 73; die Coleti in den 
proleg. § 4. Außerdem vgl. die Note 4 citierten Artikel. 



Anhang. 103 

den kann, so ist die Ansicht nicht von vom herein abzuweisen, dass 
die Bücher zu ganz verschiedenen Zeiten abgefasst sein möchten. ^) 

Wären uns irgend welche sichere Hinweise gegeben, an welchem 
Ort das eine oder andere der Bücher verfasst sei, so würden wir da- 
durch einen wenigstens einigermaßen festen Ausgangspunkt gewinnen. 
Es ist aber zu sagen, dass wir darüber lediglich nichts wissen und 
dass z. B. die Kombinationen der Coleti aus bereits feststehenden 
Resultaten ihrer Untersuchung abstrahiert sind. 

Da zunächst kein Grund vorliegt, von der handschriftlichen An- 
ordnung der Bücher abzuweichen, so werden wir die Untersuchung 
mit der Frage nach der Abfassungszeit der beiden Bücher de Atha- 
nasio beginnen müssen. Zudem weist das erste dieser Bücher relativ 
die meisten chronologischen Notizen auf, an deren Beurteilung wir 
anknüpfen können. Tillemont, Montfaucon, Gallandi, die Coleti und 
Möller stimmen darin überein, dass sie annehmen, die beiden Bücher, 
welche dem Constantius überreicht wurden, ^ könnten nicht vor Ende 
des Jahres 359, aber auch nicht lange nach Anfang 360 geschrieben 
sein. 

Biese Behauptung stützt sich auf folgende Stelle in de Atha- 
nasio I^) : ergo quia Saporinus Persarum rex nunc contra te gerit 

praelium, si tibi dixerit . Es steht fest, dass mit den Persem 

um die Jahreswende 357/358 Friede geschlossen war,*) femer dass 
Sapor im Herbst 359 Amida belagerte und eroberte, endlich dass der 
Krieg, obwohl erneut, im ganzen Jahre doch nur lax geführt wurde 
und der Kaiser Constantius erst im Frühjahr 360 aus seiner Residenz 
aufbrach, um persönlich die Führung zu übemehmen. Aber zu einer 
vollständigen Waffenruhe ist es doch auch im Jahre 358 nicht ge- 
kommen,^) und man kann darum, wenn andere Zeugnisse entgegen- 
stehen sollten, 6) aus diesen Worten Lucifers nichts beweisen. 

Andererseits scheint es unmöglich, mit dem Recensenten der 
Ausgabe der Coleti in Döderleins theologischer Bibliothek*^) anzu- 
nehmen, die Bücher möchten bereits in der allerersten Zeit des Exils, 
auf der Reise nach Germanicia, abgefasst sein. ^] Der Recensent will 



1) Tillemont und Montfaucon setzen alle Bücher in das Jahr 360. 

2) Dass sie dem Constantius allein überreicht wurden, ist zwar 
die althergebrachte Meinung, aber nicht zu beweisen. 

3) Äthan. I, p. 116, 21 (91, 10). 

4) Amm. Marc. XVII, 5. 

5) ibid. XVII, 14. 

6) Siehe weiter unten. 

7) a. a. 0. p. 609. 

8) Papebroch a. a. 0. cp. III. IV und Matthaei a. a. 0. p. 73 
setzen die Abfassung in das germaniciensische Exil. 



104 Anhang. 

das aus dem Satz des Lucifer: ad quem me destinasti Germanicien- 
sium, Adoxium, 1) schließen: Lucifer sei eben noch gar nicht nach 
Germanicia gekommen. Aber der Umstand, dass Lucifer in demselben 
Buche den Eudoxius bereits als Bischof von Antiochien^) erwähnt, 
worauf wir noch zurückkommen werden, beweist zur Genüge, dass 
diese Datierung eine falsche ist. Dass für Lucifer auch in späteren 
Jahren Eudoxius nur als Bischof von Germanicia zählte, kann bei 
ihm durchaus nicht auffallen. 

Es ist, seitdem der Wert der historia acephala^) (oder vita ace- 
phala) und des Vorberichtes zu den Festbriefen des Athanasius*) all- 
seitig anerkannt worden ist und dieselben sich als eine Quelle ersten 
Banges für die Chronologie der in ihnen behandelten Zeit erwiesen 
haben, keinem Zweifel unterworfen, dass Georgius von Alexandrien 
am 2. Oct. 358 von seinem Stuhle vertrieben wurde. An den Stellen 
nun, wo Lucifer auf den Georgius und seine angeblichen Schandthaten 
zu sprechen kommt,^) setzt er deutlich voraus, dass derselbe sich noch 
in Alexandrien befindet, aber auch, dass er sich bereits in hohem 
Grade unbeliebt [gemacht hat. Es wird auf den Brief der Alexan- 
driner hingewiesen, in welchem sie sich bei dem Kaiser beschweren ;«) 
aber Lucifer weiß noch nichts von der Vertreibung des Georgius: 
sonst hätte er nicht so schreiben können, wie er geschrieben hat. 
Die Bücher de Athanasio können, nach diesen Stellen zu urteilen, 
nicht wohl nach dem Jahre 358 abgefasst sein. 

Die Stelle : item etiam — conparandus (es) cani (Constantius wird 
angeredet) qui redierit ad vomitum suum, quod enim acceperis veri- 
tatem non esse catholicum Adoxium Germaniciensium et dederis contra 
eundem literas ad Antiochenos, et postea hunc eundem Adoxium de- 
fendere coeperis veritatis esse doctorem,^) ist von den Coleti dahin 
gedeutet worden, dass der im Sommer 358 nach dem Concil von An- 
cyra abgesetzte Eudoxius erst nach der Synode von Seleucia (also 



1) Äthan. I, p. 81, 3 (65, 1). 

2) ibid. p. 117, 20 (92, 6). 

3) Vgl. oben p. 44 Note 2. 

4) Vgl. Larsow', Festbriefe etc. Über das Verhältnis der chro- 
nologischen Notizen des Vorberichts zu denen der bist, aceph. hat zu- 
letzt Gwatkin a. a. 0. 103/105 gehandelt und gezeigt, dass viele der 
angeblichen Differenzen auf Missverständnissen seitens der Forscher 
(besonders Hefeies) beruhen. 

5) Äthan. I, p. 80, 3 (64, 3); 81, 2 (64, 28). II, p. 181, 21 (144, 4) j 
193, 23 (154, 4); 194, 18 (155, 2). 

6) Äthan. I, p. 81, 6 (65, 3) : haec ita se habere ex actibus ip- 
sius Georgii legens contestationes Alexandrinorum poteris coUigere. 
Vgl. Baron, ad ann. 356 nr. 3 ff. 

7) Äthan. I, p. 117, 18 (92, 4). 



Anhang. 1 05 

gegen Ende 359) sich wieder in die Gunst des Kaisers eingeschlichen 
habe. Hierauf nun sollen sich die Worte : et postea hunc — beziehen. 
Dann würde diese Stelle in das Jahr 360 weisen. Dieser Auffassung 
aber widerspricht der historische Sachverhalt. Es ergiebt sich nämlich 
aus Philostorgios : *) Eudoxius wurde nach dem Concil von Ancyra auf 
Veranlassung des Basilius von Ancyra und seiner Genossen abgesetzt. 
Er musste Antiochien verlassen und sollte als Privatmann leben; so 
zog er sich nach Armenien zuriick. ^) Aber bereits kurze Zeit darauf, 
als Constantius den Bescbluss fasste, ein öcumenisches Concil nach 
Nicomedien zu berufen, rief der Kaiser die exilierten Bischöfe der 
homöischen Partei, also auch den Eudoxius zurück. ^) Das muss einige 
Zeit vor dem Erdbeben am 24. August 359, welches die Zusammen- 
kunft der Bischöfe in Nicomedien unmöglich machte, geschehen sein. 
Eudoxius nahm an den weiteren Verhandlungen aktiv Teil, bis ihn 
die Synode von Seleucia wieder absetzte. *) In Folge der gleich darauf 
ins Werk gesetzten homöischen Reaktion kam aber dieser Beschluss 
gar nicht zur Ausführung; vielmehr ward Eudoxius mit dem Pa- 
triarchenstuhl von Constantinopel belohnt. 

Der Zusammenhang der oben citierten Worte Lucifers lässt nun 
deutlich erkennen , dass an jener Stelle an den plötzlichen Meinungs- 
umschwung des Kaisers gedacht ist, dessen wir soeben Erwähnung 
thaten. Wir 'sind also auch von dieser Seite nicht genötigt, die 
Schrift des Lucifer nach dem Herbst 358 anzusetzen. 

Endlich vermögen wir den apologetica des Hilarius, deren wir 
an einem anderen Orte bereits gedacht haben, 5) einen weiteren Be- 
weis für die Abfassung im Jahre 358 zu entnehmen, wenn auch die 
Worte dunkel genug gehalten sind. Es heißt dort«) : et idcirco (me) 
similem, non solum aequalem sed etiam eandem dixisse, ut neque 
similitudinem, quam tu frater Lucifer praedicare volueras, 
improbarem. Hilarius hat also bereits in seiner Schrift de synodis 
auf Äußerungen Lucifers Bücksicht genommen : dieses Werk aber ist 
Ende 358, spätestens Anfang 359, geschrieben. ^} Nun liegt die einzige 



1) Philost. bist. eccl. IV, 8. 11. 

2) ibid. IV, 8. 

3) ibid. IV, 10: IlaTpöcptXov, t6v Sxu^onöXea); xal irapxioaov töv 
Eipr|V07t6Xe(o; %ai it^pou; ö6v auTOU — ^— tov KaivatavTiöv cpTjat (seil. 
OiXooTÖpYto;) dva5[8a5at xd napd toü BaoiXeiou SeSpafiaxoupY'rip.^va xa\ xöv 
itaTttTrXaY^NTa xai öitepaXYVjöavTa xwv fjtev fiedopiwv toü; xaTe^pTj^ptOfA^vou; 
aveivai . 

4) ibid. IV, 11. 

5) Vgl. oben p. 38 Note 2. 

6) Hilar. apol. ad repreh. nr. 3. Migne X 546. 

7] Ich halte an dieser Datierung der Schrift mit den Benedic- 
tinem und Gwatkin a. a. 0. p. 164 gegen Reinkens, Hilarius p. 174, 



106 Anhang. 

Stelle bei Lucifer, welche Hilarias berücksichtigt haben kann, im 
ersten Buche de Athanasio vor, wo es vom fiiius dei heißt, er sei 
similis atque aequalis patri.^) Hat Hilarius diese Stelle gekannt — 
und das ist man gezwungen anzunehmen — so werden wir mit der 
Datierung der beiden Bücher wiederum auf die Zeit Ende 358 , etwa 
in den Herbst verwiesen. 

Die Vermutung der Coleti, dass die beiden Bücher teils in Ger- 
manicia, teils in Eleutheropolis abgefasst sein möchten, also auch zu 
verschiedenen Zeiten, ist durch nichts an die Hand gegeben, ^j 

Fassen wir die obigen Argumente zusammen, so müssen wir 
sagen: der Abfassung im Jahre 358 steht nichts entgegen; die ange- 
führten positiven Gründe machen sie mehr als wahrscheinlich. 

Die beiden in der Handschrift zunächst folgenden Bücher*, de 
regibus apostaticis und de non conveniendo cum haere- 
ticis sicher zu datieren, ist unmöglich. Was zunächst die erstere 
Schrift anbetrifft, so bietet sie für nähere Bestimmungen keinerlei 
Handhaben. Nur aus dem Satze : si fuissem haereticus, ut dicunt Lu- 

cifer, Pancratius, Hilarius iam in me fuisset vindicatum,^) der 

dem Constantius in den Mund gelegt wird, könnte man schließen 
wollen, dass hier eine Beminiscenz an das Concil zu Mailand zu Grunde 
liege; denn dieser Ausspruch wird an einer Reihe von Stellen mit 
geringen Variationen citiert und scheint dem Lucifer lebhaft in der 
Erinnerung. 

Ähnlich steht es mit der anderen Schrift, nur dass hier Erinne- 
rungen an das Concil von Mailand die ganze Schrift durchziehen, die 
es uns sehr nahe legen, das Buch in nicht zu ferne Zeit von 356 zu 
setzen. Jedenfalls finden sich nirgend Indicien, die eine besonders 
späte Abfassung gerade dieses Buches als wahrscheinlich erscheinen 
lassen.^) Auch hier bezieht sich der wiederholt angeführte Ausspruch 
des Constantius: pacem volo fieri^) auf Mailänder Vorgänge und ist 
dem Lucifer von jener Gerichtsverhandlung®) her in Erinnerung ge- 



der für das Frühjahr 359 ist, fest. Übrigens würde auch die letztere 
Datierung unserem Resultate nicht hinderlich sein. 

1) Äthan. I, p. 125, 13 (98, 8). 

2) Die Coleti in der vita Luciferi XLII. Dort wird auf die Aus- 
führungen in § 4 der Prolegomena über diesen Punkt zurückgewiesen ; 
ich habe aber auch dort den Beweis vergebens gesucht. 

3) reg. apost. p. 47, 5 (38, 10). 

4) Möller a. a. 0. p. 109 ist für die Abfassung im Jahre 360. 
19 ach ihm ist non parc. die erste Schrift. Über die Unmöglichkeit 
dieser Annahme siehe p. 107 und Note 2. 

5) p. 13, 18 (12, 13) und öfter. 

6) Vgl. oben p. 17. 



Anhang. 107 

blieben. Auch auf das Edikt, welches der Kaiser von seinem Palast 
aus erließ, ist angespielt*) 

Betreffs dieser beiden Schriften wird es demnach jedenfalls bei 
einem non liquet bleiben müssen. Wir sind geneigt, sie für die frühe- 
sten zu halten, und es würde dann nicht unmöglich sein, dass sie zu- 
sammen mit den beiden Büchern de Athanasio dem Constantius über- 
reicht wurden. 

Von dem Buche de non parcendo in deum delinquen- 
tibus lässt sich zunächst mit Sicherheit behaupten, dass es mehrere 
Schriften des Lucifer bereits zur Voraussetzung hat. ^) Lucifer selbst 
sagt 3): probant epistolae meae mediocritatis et libri rustico scilicet 

sermone conscripti, me saepe dixisse . Hier können nur die 

Bücher gemeint sein, welche er bereits an den Kaiser abgesandt hatte. 
Die Abfassung des in Kede stehenden Buches setzt somit jene Corre- 
spondenz mit dem Florentius voraus.^) 

Ist dies sicher, so steht nichts im Wege, den Satz : quando 

quidem tu ad eins (seil. Dei Filii) diyinitatem negandam omnem con- 
YOcaTeris orbem^) auf die Vorgänge des Jahres 359 zu beziehen und 
darin eine Anspielung auf die großen Synoden in Occident und Orient, 
die auf Befehl des Kaisers zusammentraten, zu sehen. In den Worten: 
apostolicam atque evangelicam contra vos haereticos apud Nicaeam 
descriptam fidem fecisti iudicare haereticam et blasphemiam tuam fe- 
cisti dici catholicam^) werden vielleicht gleichfalls die genannten 
Synoden oder doch die Formel vom Mai 359 vorausgesetzt, wenn schon 
unter blasphemia auch die sirmische Formel von 357, welche gewöhn- 
lich blasphemia xax' i^oy-fyi genannt wird, gemeint sein kann. Basselbe 
ist der Fall bei den Worten: convincent te oppositiones sectae tuae 
episcoporum, comblasphemorum videlicet tuorum ; convincent te libelli 
recitati a te ac dati BonlKe episcopis etiam catholicis.'') Vor dem 



1) p. 19, 4 (17, 2) und öfter, p. 15, 21 (13, 32) werden Epictetus 
von Centumcellae , Saturninus von Arles, Valens und Ursacius zu- 
sammen genannt. Sie hatten nach der Liste des Baronius das Ver- 
dammungsurteil des Athanasius zu Mailand unterschrieben. Der Aus- 
druck: si tecum in concilio maledicto vestro mansissemus p. 26, 29 
(23, 24) kann nur auf ein Concil bezogen werden, wo Lucifer mit dem 
Kaiser zusammentraf. Die Worte p. 19, 4 (17, 2): edictum in quo 
omnia venena tuae haeresis continentur entsprechen der Beschreibung, 
welche Sulp. Sev. II, 39 von dem Mailänder Edikt macht: epistola 
omni pravitate infecta. 

2) Möllers Ansicht wird hierdurch widerlegt. 

3) non parc. p. 256, 7 (212, 21). 

4) Vgl. oben p. 25. 

5) p. 266, 28 (222, 5). 

6) p. 265, 19 (220, 28). 

7) p. 212, 23 (172, 10). 



108 Anhang. 

Sommer 359 wird also diese Schrift nicht abge&sst sein. Bas stimmt 
mit unserer Datierung der Bücher de Athanasio, sofern deren Über- 
sendung an den Kaiser und die dadurch hervorgerufene Correspondenz 
uns allein schon weit in das Jahr 359 hineinweist. 

Die Schrift moriendum esse pro dei filio ist die letzte 
der Schriften Lucifers. £s lassen sich einige positive Argumente gel- 
tend machen, welche eine nähere Datierung uns ermöglichen. 1) weist 
Lucifer auf frühere Schriften zurück, indem er einmal das Buch de 
regibus apostaticis citiert. i) 2) setzt die Schrift voraus, dass Eudoxius 
bereits Bischof von Constantinopel ist.^) Das aber ward er nicht vor 
Ende Januar 360. 3) Nur eine Notiz könnte uns zweifelhaft machen, 
wenn nicht auch hier die vita acephala uns zur Hülfe käme. Es heißt 
nämlich an einer Stelle^): recordare, Constanti, de sceierum tuorum 
memoria recenti quam tibi in civitate Alexandrinorum inussisti, quan- 
tos per abrupta una tincta subscriptionis tuae deiecerit, quantos gladio 
demeti fecerit, quantos fame sitique exedi vel carceribus necari, quan- 
tos intercepto effecerit spiritu strangulari. Dies scheint sich auf ähn- 
liche Vorgänge, wie sie in den Büchern de Athanasio und an anderen 
Stellen erwähnt werden, zu beziehen, und das memoria recens würde 
dann wieder in das Jahr 358 führen. Nun aber heißt es in der vita 
acephala^): post menses autem IX integros profectionis Georgii de 
Alexandria Paulus notarius :advenit Pachymi XXIX (23. Juni) consu- 
lante Eusebio et Hypatio (359) et proposuit imperiale praeceptum pro 
Georgio et domuit multos ob eins vindictam.^j Auf diese Maßregeln 
scheint auch unsere Stelle hinzudeuten. 

Wir werden also mit dieser Schrift bis in das Jahr 360, viel- 
leicht 361, hinabzugehen haben. 

Unsere Untersuchung hat uns zu folgenden, allerdings keines- 
wegs überall gesicherten Resultaten geführt: 



1) p. 310, 26 (261, 11). 

2) p. 306, 11 (258, 1) : item post pauUulum quam nunc adstruxeras 
apud Antiochenos contra Adoxium faciens fuisse blasphemiam, ipsam 
iterum nunc firmas catholicam ; unde et Adoxium Gonstantinopoli esse 
censueris, quod enim ipsum probaveris catholicum. 

3) Soz. IV, 26. Chron. Pasch, ad ann. 360. Vgl. Papebroch hist. 
Patriarch, cpolit. in den acta sanctorum August. I. 

4) p. 300, 6 (252, 3). 

5) Sievers a. a. 0. 153. 

6) Vgl. auch Soz. IV, 10, der die Vorgänge etwas ausführlicher 
schildert Sozomenos hat die vita acephala mehrfach benutzt, was 
Jeep a. a. 0. p. 144 in seiner Untersuchung über die Quellen des 
Sozomenos übersehen hat. Die vita ist an folgenden Stellen benutzt: 
IV, 9. 10. V, 7. VI, 5. 12. 15. Vgl. Sievers p. 151/152. 152/153. 154. 
158. 158/159. 160. 



Anhang. 109 

1) de non conyeniendo cum haereticisj) de regibuB apoBtaticis, 
de Athanasio I. II sind vor Herbst 358 abgefasst; die letztgenannten 
Bücher in den Monaten nach August 358. 2} 

2) de non parcendo in deum delinquentibus^) ist nach dem Juni 
359 geschrieben. 

3) moriendum esse pro dei filio ist frühestens 360, vielleicht erst 
361 abgefasst«) 



1} Mit den Coleti gegen Möller. 

2) Gegen alle bisherigen Untersuchungen. 

3) Möller als erste Schrift; die Coleti 360; Gallandi 361. Baro- 
nius nach dem Concil von Constantinopel 360. 

4) Einstimmig. Die Coleti entscheiden sich für den Anfang 361. 



II. 

Zum Kanon Lncifers. 

In jüngster Zeit hat die Entdeckung eines Verzeichnisses der 
Schriften des alten und neuen Testaments in einer Handschrift der 
Phillips'schen Bibliothek zu Cheltenham, welche den über generationis 
des HippolytUB enthält, viel Aufsehen gemacht. Da Mommsen, der 
den Fund veröffentlichte, i) das Verzeichnis, einer Notiz der Hand- 
schrift folgend, auf das Jahr 359 datierte, so war es interessant, eine 
Vergleichung des Inhaltes des Verzeichnisses mit dem Kanon zu ver- 
suchen, wie er uns in den Schriften Lucifers, die wir etwa in die 
gleiche Zeit versetzen dürfen, entgegentritt. Diesen Versuch hat Har- 
nack unternommen. 2) Allein einmal ist die Verwandtschaft zwischen 
dem Verzeichnis und dem Kanon Lucifers, die er nachzuweisen ver- 
sucht hat , doch nicht durchschlagend ; dann aber erscheint es nicht 
angezeigt, diese Untersuchung fortzusetzen, so lange die Akten über 
Abfassungszeit und Provenienz des neu entdeckten Verzeichnisses 
nicht geschlossen sind. Das aber ist bisher keineswegs der Fall: viel- 
mehr unterliegt die Datierung des Verzeichnisses auf das Jahr 359 
einer Reihe von gewichtigen Bedenken, und es ist keineswegs sicher, 
ob dasselbe von Interpolationen frei und nicht mehrfach redigiert ist ^) 



1) Mommsen, Th., Zur lateinischen Stichometrie (Hermes, XXI, 
Bd. I. p. 142—156. 

2) Theol. Lit. Ztg. 1886, col. 172 ff. 

3) Der Bestand des neutestamentlichen Kanons, der im Ver- 
zeichnis vorliegt, ist zudem nicht sicher zu ermitteln. Ob Judas- und 
Jacobusbrief darin aufgeführt waren, unterliegt Zweifeln, wenn schon 
Hamack mit gewichtigen Gründen dafür eingetreten ist, dass an Stelle 
des una sola, welches man je hinter den Briefen des Johannes und 
Petrus eingeführt findet und in welchem Zahn und Andere einen Pro- 
test gegen die im Vorhergehenden bezeugte Mehrzahl von Briefen 
dieser Apostel sehen, Judas und Jacobus zu suchen seien. 



Anhang. 111 

Es erscheint indessen nicht überflüssig, den Bestand des Kanons 
bei Lucifer festzustellen, da derselbe infolge der vielen Gitate ans 
den heiligen Schriften, die sich in seinen Traktaten verstreut finden, 
mit einiger Sicherheit zu ermitteln ist, wenn es auch gewagt erschei- 
nen muss, aus dem Fehlen dieser oder jener Schrift weitgehende 
Schlüsse ziehen zu wollen. 

Lucifer citiert aus dem alten Testament die folgenden Bücher > 
Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium, Josua, Judices, 
Kegum I— IV, Paralip. (I) u. II») (Esra) und Nehemia,^) Tobias, Ju- 
dith, Hiob, Psalmi, Proverbia, Ecclesiastes, Sapientia Salomonis, Pro- 
phetae minores, Jesaias, Jeremias, Ezechiel, Daniel, Machab. I. II. 

Diese Zusammenstellung bietet zu Bemerkungen kanm einen An- 
lass. Dass das Hohelied und Buth nicht citiert sind, fällt nicht auf; 
auch das Fehlen von Sirach und Esther kann auf Zufall beruhen ; der 
Umfang des alten Testamentes Lucifers hat sich von den gleichr 
zeitigen Sammlungen, so weit sie uns aus den Schriften der Väter 
oder den Aufstellungen der Concilien bekannt sind, nicht wesentlich 
unterschieden. ^} 

In welcher Reihenfolge die Schriften des alten Testamentes in 
Lucifers Bibel standen, ist von ihm selbst, wenn auch nicht für alle, 
angedeutet worden, wie Hamack bereits nachgewiesen hat. Man findet 
nämlich, dass er das ganze erste Buch de Athanasio hindurch in der 
ihm durch sein Exemplar an die Hand gegebenen Beihenfolge seine 
Schriftcitate vorführt. Leider aber hat er in diesem Buche nicht aus 
allen Schriften citiert, die ihm, wie aus anderen Stellen hervorgeht, 
bekannt waren, so dass man zu einem vollständig befriedigenden Be- 
sultat nicht zu kommen vermag. 

Die Schriften sind citiert in dieser Reihenfolge: Genesis, Exo- 
dus, Leviticus, Deuteronomium, Beges, Paralipomena , Psalmi 9 — 61, 
Proverbia, (Psalmi 77 — 118, Sapientia Salomonis, Psalmi 131 — 145, 
Ecclesiastes, Prophetae XII min. (Tobit. eingesprengt), Jesaias, (Hiob 
eingesprengt), Jeremias. Von hier ab beginnt das zweite Buch, in 
welchem Lucifer seine Citiermethode geändert hat. 



1) Die Chronik wird einmal (non conv. p. 10. 30) als subre- 
licta angeführt. 

j < 2) Da es non parc. p. 239, 17 heißt, in secundo libro Esdrae, 
so ist damit indirekt auch das erste Buch, also unser kanonisches 
Esrabuch, citiert. 

3) Das Mommsen'sche Verzeichnis hat Esra und Nehemia nicht, 
steht aber damit völlig allein, so dass der Ausfall vielleicht auf einer 
Flüchtigkeit des Abschreibers beruht. Das Verzeichnis kennt sowohl 
Sapientia Salomonis als Sirach, wie die bei den salomonischen Schrif- 
ten angegebene Stichenzahl erweist. 



112 Anhang. 

In dieser Reihenfolge fällt anf, dass die Psalmen an zwei Stellen 
durch salomonische Schriften gesprengt sind und dass ihnen eine dritte 
salomonische Schrift nachfolgt. Die Anzahl der Citate aus diesen 
Schriften schließt die Annahme aus, dieselben machten, wie das Citat 
aus Tobit oder Hiob, etwa eingestreut sein. Es Hillt nun auf, dass 
die Durchbrechung der Psalmenreihe durch Proverbia und Sapientia 
wahrscheinlich an den beiden einzigen Stellen erfolgt ist, wo sich in 
unserem Kanon salomonische Psalmen finden: denn nur die Psalmen 
72 und 127 werden als salomonisch bezeichnet. Die Citate aus den 
Psalmen reichen aber zunächst bis 61, um mit 77, dann bis 118, um mit 
131 wieder einzusetzen. Der Schluss liegt daher außerordentlich nahe, 
dass gerade bei den Psalmen 72 und 127 die Insertion der salomoni- 
schen Schriften stattgefunden hat. Für diese auffallende Thatsache 
giebt es, so weit mir bekannt ist, kein Analogen, also auch keine 
Erklärung. Man hat die Wahl zwischen zwei Vermutungen : entweder 
Lucifer ist auf eigene Hand, als er an die salomonischen Psalmen 
kam, auf jene salomonischen Schriften übergesprungen; oder aber — 
und dies ist weitaus wahrscheinlicher — seine Handschrift hat that- 
sächlich die betreffenden Schriften in die Psalmen eingefügt enthalten. 

Einen Unterschied zwischen kanonischen und apokryphen Büchern 
kennt Lucifer noch nicht. 

Aus dem neuen Testament finden sich bei Lucifer citiert die 
folgenden Bücher: Matthaeus, Lucas, Johannes, Acta, Bömer, Corin- 
ther I. IL, Galater, Epheser, Colosser, Philipper, Thessalonicher I. IL, 
Timotheus I. IL, Titus, Hebräer, 1. Petras, Johannes I. IL, Judas. Es 
fehlen somit Marcus, Philemon, 3. Johannes, 2. Petrus, Jacobus, Apo- 
kalypse. Da wir es hier mit dem Kanon eines Abendländers zu thun 
haben, so giebt uns diese Zusammenstellung in mehr als einer Be- 
ziehung ein Bätsei auf. Dass Marcus und Philemon fehlen, darf nicht 
befremden. Lucifer hat beide selbstverständlich in seiner Bibel ge- 
habt; aus Philemon zu eitleren, hatte er wohl kaum Gelegenheit; seine 
Evangeliencitate hat er den anderen Evangelien entnommen. Dagegen 
sind wir wohl zu der Annahme gezwungen, dass ihm 3. Johannes, 
2. Petrus, i) Jacobus und die Apokalypse nicht als kanonisch galten. 

Was zunächst das Verhalten zu den katholischen Briefen 
betrifft, so zeigt sich, wie die Dinge liegen, dass Lucifer aus dem 
Jacobus-, 3. Johannes- und 2. Petrusbrief thatsächlich geflissentlich 
keine Citate aufgenommen hat. Denn Citate aus dem 1. und 2. Jo- 
hannesbrief, sowie aus dem Judasbrief sind so häufig, dass eine zu- 



1) In Äthan. IL p. 117, 11. 19 ist das Citat nicht auf 2. Petr. 
2, 22 zu beziehen. Es sind im Zusammenhang immer Citate aus den 
Proverbien herangezogen, und auch an dieser Stelle ist prov. 26, 11 
(die Vorlage von 2. Petr. 2, 22) gemeint. 



Anhang. 113 

fäUige Auslassnng der genannten undenkbar erscheint, i) Hier zeigt 
uns also Lucifer einen älteren Stand der Eanonbildung, der im Abend- 
lande ähnlich durch die Schriften älterer Väter repräsentiert ist. Auch 
Tert ilian erkennt den Judasbrief ausdrücklich als apostolische Schrift 
an, 2) während er vom 3. Johannes- und Jacobusbriefen sicherlich 
nichts gewusst hat: er kannte sie nicht einmal im Anhang seines 
neuen Testamentes. Den 1. Petrusbrief citiert er in Schriften, deren 
Echtheit freilich der Kritik unterliegt ; 3) den 2. Johannesbrief hat er 
nur gelegentlich benutzt. Ähnlich weiß auch Cyprian nichts vom 
3. Johannes- und Jacobusbrief. Bei ihm freilich finden wir auch keine 
Anklänge an den von Lucifer zur größeren Hälfte citierten Judas- 
brief, ^) und wäre nicht aus der Zeit und Umgebung Cyprians ein 
anderes Zeugnis für den 2. Johannesbrief bekannt,^) so würden wir 
auch nach ihm vergeblich suchen. Irenäus scheint weder den Judas- 
noch den Jacobus-, 2. Petrus- oder 3. Johannesbrief gekannt zu haben, 
was dem Verhalten Lucifers genau entsprechen würde. Wir besitzen 
leider keine Zeugnisse aus der abendländischen Kirche, welche es uns 
ermöglichen, zu kontrollieren, ob der Fortschritt in dem Verhalten zu 
den katholischen Briefen überall ein so geringer gewesen ist wie bei 
Lucifer, da uns die Schriften des Amobius, Lactantius und Com- 
modus nicht genügendes Material zur Vergleichung bieten. Jedenfalls 
zeigt uns Lucifer, dass über die Briefe noch keineswegs eine Einig- 
keit erzielt war.^) 



1) Aus dem 1. Petrusbrief findet sich nur ein Citat; er war ihm 
also auch wohl nicht sehr geläufig. 

2) de hab. mulier. 3; übrigens die einzige Stelle, wo er des 
Briefes gedenkt. 

3) Adv. Judaeos und adv. Gnosticos (Scorpiace). Die letztere 
Schrift betreffend vgl. oben p. 27, Note 2; über beide Credner, Ge- 
schichte etc. (herausgegeben von Volkmar) p. 372. 

4) Derselbe ist für die abendländische Kirche außer durch Ter- 
tullian nur noch durch eine Stelle des Tractatus adv. Novat. Haeret. 
p. XVII ed. Baluz. bezeugt. Vgl. Westcott, history of the canon 
p. 374, n. 3. 

5) Auf dem Concil zu Karthago 256 citiert der Bischof Aurelius 
den Brief. Vgl. Routh, Rell. Sacr. III, p. 130; Westcott, a. a. 0. 
p. 366, n. 3 und p. 374. 

6} Das Mommsen'sche Verzeichnis zeigt in Bezug auf die katho- 
lischen Briefe mit Lucifers Kanon geringe Ähnlichkeit Bei Harnacks 
Lesung (vgl. Note 3) würde es einen Kanon mit allen 7 katholischen 
Briefen repräsentieren ; andernfalls ganz den Standpunkt der Zeit des 
Cyprian wiedergeben. Im ersteren Falle erscheint übrigens die An- 
setzung auf 359 fast noch zu früh , während im zweiten die Möglich- 
keit nicht ausgeschlossen bleibt, dass wenigstens das neutestamentliche 
Verzeichnis auf bedeutend frühere Zeit zurückweist. 



114 Anhang. 

Viel größere Schwierigkeit macht die Erklärung einer anderen 
Eigentümlichkeit in Lucifers Kanon, dass nämlich der Hebräerbrief 
darin Aufnahme gefunden hat, während die Apokalypse fehlt. Dieses 
Faktum widerspricht allem, was wir sonst aus der Geschichte des 
Kanons im Abendlande über diese Bücher wissen. Es ist, was den 
Hebräerbrief betrifft, bekannt, dass derselbe von Hilarius von 
Poitiers (dQ trin. IV, 11) von keinem Schriftsteller des Abendlandes 
als paulinisch citiert wird ; und, mit Ausnahme einiger indessen ganz 
unsicherer Andeutungen bei Lactantius, i) scheint dieser Brief über- 
haupt von keinem Abendländer citiert worden zu sein. Lucifer in- 
dessen citiert ihn nicht nur, sondern führt ihn mit den Worten : bea- 
tus Paulus dicit ad Hebraeos ausdrücklich als paulinisch ein. Dass 
er ihn nur einmal citiert, kann daran nichts ändern, zumal das be- 
treffende Citat sehr umfangreich ist (Hebr. 3, 5—4, 10). 

Genau das umgekehrte Verhältnis findet bezüglich der Apo- 
kalypse statt Dieselbe hat in der abendländischen Kirche immer 
als ein apostolisches Buch gegolten. ^) Tertullian äußert niemals Zweifel 
an ihrer Authenticität ; Cyprian benutzt sie mehrfach als kanonisches 
Buch, ohne sie direkt dem Apostel zuzuschreiben. Commodian und 
Lactantins eitleren aus ihr. Dennoch finden wir bei Lucifer keine 
Spur von ihr. Das ist um so auffallender, als Lucifer, dem das Bild 
des Antichrist für den Kaiser so geläufig ist, die Gelegenheit mit 
Freuden hätte ergreifen müssen, aus der Apokalypse Beweise dafür 
heranzuziehen. Bei der souveränen Art seiner Schriftbenutzuug wäre 
ihm das sicher nicht schwer gefallen. Dass er dazu nirgend Miene 
macht, beweist zur Genüge, dass er das Buch absichtlich ignoriert 
haben muss. Dazu hatte er als Abendländer indessen keinerlei Ver- 
anlassung, so wenig wie umgekehrt die Tradition es nahe legte, ein 
Citat aus dem Hebräerbriefe aufzunehmen. 

Um diesen eigentümlichen Thatbestand zu erklären, liegt es nahe, 
darauf hinzuweisen , dass der Abendländer Lucifer mehrere Jahre im 
Orient als Verbannter zugebracht hat. Er würde dann unter orien- 
talischem Einflüsse die ihm von den Vorfahren überkommene Ansiebt 
betreffs der in Rede stehenden Bücher geändert haben. 3) Freilich 
kann man sich keine rechte Vorstellung davon machen. Nahm Lucifer 
seine Bibel mit ins Exil, und das muss er gethan haben, so gehörte 
doch schon ein sehr starker Druck dazu, ihn zu bewegen, an dem Be- 
stand dieser Bibel zu rütteln, zumal sie ein Buch enthielt, welches 
80 ganz für seine Zwecke passte. Die oben angedeutete Erklärung 



1) Lact, inst IV 14 init Vgl. mit Hebr. 3, 3—6; 5, 5. 6 ; 7, 21. 
Siehe dazu Westcott a. a. 0. p. 373, n. 2. 

2) Credner a. a. 0. p. 267. 

3) Vgl. Harnack a. a. 0. col. 175, 170. 



Anhang. 115 

ist nichts desto weniger die einzig mögliche, denn im Abendlande 
lässt sich zu jener singulären Thatsache keinerlei Parallele finden, i) 
Über die Reihenfolge der neutestamentlichen Schriften vermag 
ich aus den Ci taten nichts Sicheres zu entnehmen, da Lucifer die im 
ersten Buche de Athanasio angewandte Methode zu citieren an keiner 
Stelle fQr die neutestamentlichen Bücher befolgt. 



1) Der Unterschied, der zwischen dem Mommsen'schen Verzeich- 
nis und dem Kanon Lucifers auch in dieser Frage besteht, indem 
jenes der gemeinen abendländischen Tradition folgt, wird Übrigens 
hierdurch schwerlich abgeschwächt. 



m. 
Lueifer in der Tradition der römisehen Kirehet 

Auf der Insel Sardinien hat man dem Lncifer von jeher als Hei- 
ligen große Verehrung erwiesen, i) Es schien aber immerhin zweifel- 
haft, ob ihm mit Recht dieses Prädikat zukomme, da doch der Ver- 
dacht auf ihm lastete, dass er außerhalb der Kirche gestanden hätte. 
Um so größere Sensation erregte es, als man im Jahre 1623 auf einen 
Grabstein mit einer sich auf Lueifer beziehenden Inschrift stieß und kurz 
darauf der Leichnam Lucifers selbst zu Tage geft)rdert wurde. Man 
muss bei Papebroch nachlesen, um einen Eindruck davon zu haben,, 
zu welcher Staatsaktion dieser Vorgang aufgebauscht wurde. In An- 
wesenheit des Statthalters , der Konsuln , des Vikars des Erzbischofs 
und der Geistlichkeit wurde der Leichnam ausdrücklich als der des 
Lueifer recognosciert und schließlich in der Kathedralkirche bei- 
gesetzt. 2) 

Der Grabstein trug folgende Inschrift: 

HIC LiCET B. M. LÜCIFERÜS 
ARCEPIS CALARITANÜS 
PRIMARIUS SARDINIE ET CORSICE 
CA. FI, S. RME ECCLESIAE 
QUI UIXIT ANNIS LXXXI. K. DIE XX MAI. 3) 



1) Papebroch acta sanctornm 20. Mai V, p. 38 : cultum antiquum 
probant plures in Sardinia ecclesiae sub eius nomine. Das sonder- 
bare Versehen von Tschackert, Evangelische Polemik, p. 147, welcher 
glaubt, S. Lueifer sei eigentlich der heilige Satan, wohl eine Art 
christlicher Pluto (vgl. auch ebenda p. 414 Anm. 85a), ist bereits von 
anderer Seite beleuchtet worden. 

2) Vgl. Papebroch 39—50. Die anwesenden Personen werden, 
eine lange Liste, namentlich aufgeführt. 

3) Man fand noch einen anderen Stein mit einer kürzeren In- 
schrift : 



Anhang. 117 

Zur rechten Seite ein etwas kompliciertes Symbo], Palmenzweige, 
ein Patriarchenkreuz und anderes vereinigt; darunter ein zweiköpfiger 
Adler: uti nunc aquilae imperiales exprimuntur, (Papebroch) und zur 
Linken das Monogramm Christi. 

Obwohl nun schon das Patriarchenkreuz, der zweiköpfige Adler, 
das archiepiscopus und Primarius der Inschrift diesen ganzen Stein 
als spätes Machwerk erweisen, so knüpfte sich daran doch ein leb- 
hafter Streit. Der Erzbischof Ambrosius Machinus von Calaris ^) hat 
an den Papst Urban YIII. eine umfangreiche Schrift geschrieben, in 
welcher er die Heiligkeit Lucifers zu erweisen suchte. Ihm ward von 
Vielen beigepflichtet. Andere opponierten um so lebhafter, so in spä- 
teren Jahren besonders Natalis Alexander.^) 

Weder die Verteidigungsschriften noch die am Sarge geschehenen 
Wunder — so fiel nach langer Trockenheit auf das Gebet am Sarge 
bin viel erquickender Regen — vermochten ürban VIII. zu einem 
endgültigen Urteil zu bestimmen. Am 19. Juni 1641 erließ er das von 
Innocenz X. am 16. Oktober 1647 bestätigte Dekret: ne in posterum, 
donec a Sanciitate sua vel sancta Sede fuerit aliter ordinatum, au- 
4eant super Luciferi sanctitate, cultu ac veneratione publice tractare 
disputare ant altercari, illamque neque scripto neque typis impugnare 
«ut defendere.^) 

Das endgültige Urteil des römischen Stuhles aber ist, wie in so 
vielen , so auch in dieser Sache , bis zum heutigen Tage noch nicht 
-erfolgt. 




von dem Papebroch meint, er habe dreieckige Grestalt, um dadurch 
Lucifers Eifer für die Trinität anzudeuten (vgl. Matthaei a. a. 0. 77). 

1) defensio sanctitatis B. Luciferi ad Urbanum VIII. papam, edit. 
€al. 1639. Vgl. Fabricius-Hariess IX, p. 302. Eine genaue Aufzählung 
aller Verteidiger und Angreifer der Heiligkeit Lucifers findet man bei 
den Coleti proleg. 

2) Hist. Eccl. saec. IV, cp. 3, art. 13. 

3) Dazu bemerkt Matthaei a. a. 0. : ego singula haec neque probo 
neque respuo, sed historica tantum narratione velnti ab aliis recitata 
respuo. Fateor enim me summa prosequi veneratione decretum, quo 
Urbanus VIII. an. 1641 die 20. Junii praecepit etc. Und die gleiche 
Haltung beobachten die Coleti. 



IV. 

über den Verfasser der Taufrede bei Caspari^ 
«aellen ete. D, p. 128—182. 

In dem zweiten Bande seiner »Quellen zur Geschichte des Tauf- 
symbols« hat Caspar! nach zwei Wiener Handschriften i) ein altkirch- 
liches Taufbekenntnis und eine sich daran anschließende Bede 
zum Abdruck gebracht und mit Erläuterungen versehen. Diese letz- 
teren haben den Zweck, Zeit und Ort der Abfassung dieser Bede^ 
welche in einer Handschrift^) als exhortatio sancti Ambrosii episcopi 
ad neophytos de symbolo bezeichnet ist, und ihren Verfasser zu er- 
mitteln. In einer äußerst gründlichen und detaillirten Untersuchung 
hat Caspari zunächst erwiesen, dass die Bede in den Jahren 
zwischen 340—360 (370) gehalten sein muss. Die wichtigsten 
von den für dieses Besultat angeführten Gründen sind die folgenden 3) r 

1. Die Bede kann nicht vor 340 gehalten sein: denn ihre hef- 
tige Polemik gegen den Arianismus setzt voraus, dass derselbe in 
der Kirche bereits eine Macht war. 

2. Sie kann nicht nach 600 abgehalten sein: denn a) weisen die 
in der Bede vorkommenden Bibelcitate auf einen älteren Text hin als 
ihn die vulgata bietet; diese aber war nach 600 im Occident im all- 
gemeinen Gebrauch; b) setzt die Polemik gegen den Arianismus vor- 
aus, dass derselbe noch eine Macht in der Kirche gewesen sein muss^ 
was nach 600 nicht mehr der Fall war. 

3. Sie gehört dem 4. oder 5. Jahrhundert an: denn der Wortlaut 
des in ihr tradierten Symbols ist mit dem altrömischen und den occi- 



1) cod. vindob. 664 und 305, bei Caspari als A und B bezeichnet. 

2) cod. vindob. 664 fol. 223, p. 2. 

3) Vgl. Caspari a. a. 0. p. 151 — 169. Die Beweisfühmng ist eine 
besonders durch ihre Vorsichtigkeit völlig überzeugende. Außer den 
im Text gegebenen Argumenten sind noch eine Beihe von weniger 
wichtigen, aber als Mittelglieder der Beweisführung zu verwendenden 
aufgeführt. 



Anhang. 1 \ 9 

dentalischen Symbolen, die wir kennen, wesentlich identisch, von dem 
späteren römischen aber ganz verschieden. 

4. Sie gehört dem 4. Jahrhundert an : denn a) zeigt die Art und 
Weise der Polemik gegen den Arianismus, dass derselbe geistig noch 
nicht besiegt war; b) geschieht keinerlei Erwähnung des ariauischen 
und macedonianischen Irrtums betreffs des heiligen Geistes, ein Um- 
stand, der auf die Zeit vor 360 {oder doch 370) hinweist. 

Auf den folgenden Seiten wird die Ansicht entwickelt und be- 
wiesen, dass das in der Rede ausgelegte Symbol einer alt- 
italischen oder doch einer Italien benachbarten Kirche 
angehört haben muss; und zuletzt die Behauptung aufgestellt 
und durch einige Argumente gestützt, dass der Verfasser der Rede 
vielleicht der Bischof LucifervonCalaris, das Symbol demzufolge 
das der sardinischen Kirche gewesen sein möchte. ^) 

Können wir uns nun in der Voraussetzung, dass das in der Rede 
tradierte Symbol einer altitalischen oder doch einer Italien benach- 
barten Kirche angehört haben muss, 2) mit Überzeugung anschließen, 
so scheint uns die Autorschaft des Lucifer in keiner Weise evident 
gemacht zu sein. 

Die beiden Argumente, welche Caspari für dieselbe vorbringt, 
lauten : 1) Lucifer war ein sehr heftiger Mann und besonders eifriger 
Polemiker gegen den Arianismus. Unsere Rede zeichnet sich gleich- 
falls durch große Heftigkeit aus, und zwar so, dass sie an einer Stelle 
sogar eine Verwünschung der Arianer ausspricht. 2) Die Rede ent- 
hält zweimal die ungewöhnlichen Composita coomnipotens und coopi- 
fex. Der häufige Gebrauch der Composita mit cum (con com co) ist 
aber für Lucifer charakteristisch. 

Diese Argumente scheinen zunächst in keiner Weise schwer- 
wiegend, was Caspari selbst bereitwillig zugiebt;») aber ihr Gewicht 
wird verstärkt durch die Art und Weise, wie Caspari zu ihnen ge- 
kommen ist. Die Vermutung, dass Lucifer der Verfasser der Rede sei, 
hat sich ihm nämlich auf dem Wege des apagogi sehen Beweises 
ergeben, und jene Gründe sind erst a posteriori zur Verstärkung 
der bereits eingenommenen Position hinzugefügt worden. Caspari hat 
nämlich erwogen, welche Männer für die Verfasserschaft überhaupt in 
Betracht kommen können, und der Reihe nach dargethan, dass weder 
Ambrosius von Mailand, noch Zeno von Verona, Phöbadius von Agin- 
num, Hilarius von Poitiers, Gregorius von Elvira, der Presbyter Fau- 



1) Vgl. p. 169—174. 175-182. 

2} Vgl. den Abdruck bei Hahn, Bibliothek der Symbole § 43 mit 
dem altrömischen Symbol § 14—19 und den Symbolen von Mailand 
(§ 20. 21), Turin (§ 22) und Ravenna {§ 23). 

3) p. 182. 



120 Anhang. 

Btinus und der Diakon Hilarias — beide Luciferianer — noch endlich 
Eusebios von Vercellae die Rede verfasst haben können. Da andere 
Namen nach seiner Ansicht nicht in Betracht kommen können, so 
bleibt nur Lucifer von Galaris auf der Liste stehen. Unter Voraus- 
setzung der Richtigkeit der von Caspari ermittelten Abfassungszeit 
der Bede (340 bis spätestens 370) scheint seine Liste allerdings voll- 
ständig zu sein. ^} Auch dürften die gegen die Autorschaft der meisten 
angefahrten Schriftsteller gerichteten Einwürfe stichhaltig sein : warum 
wir uns ihnen bezüglich Eusebius von Vercellae nicht anschließen 
können, wird die folgende Untersuchung zeigen. 

Das erste seiner Argumente für Lucifer hat Caspari selbst schon 
durch seine Schlussbemerkungen einigermaßen illusorisch gemacht. Er 
selbst sagt, dass »Heftigkeit in der Polemik gegen die Ketzer und be- 
sonders gegen die Arianer im vierten Jahrhundert sehr allgemein« war, 
und weiterhin, dass die Bede mit der schriftstellerischen Art des Lu- 
cifer außer den unter 2) angeführten auffallenden Gompositis keinerlei 
Verwandtschaft zeige. Im Gegenteil, die Polemik Lucifers ist in allen 
seinen Schriften eine durchaus anders geartete. Selbst in seinen 
schärfsten Ausdrücken hält sich der Autor unserer Bede doch auf der 
Höhe, wie sie einem praeclarus homileta^j zukommt. Inhalt und Form 
der Bede, besonders die stilistische Gewandtheit, die durch einige 
dunkle Perioden, welche wohl auch unter der Verderbtheit des Textes 
haben leiden müssen, nicht beeinträchtigt wird, weisen auf einen ge- 
bildeten Mann hin, während Lucifers Polemik nicht nur, sondern auch 
seine gelegentlichen positiven Ausführungen beweisen, dass er fast 
ohne jede sei es theologische, sei es formale Bildung war. 

Man könnte in seinen Schriften keine Stelle aufweisen, welche 
das Urteil, dass er der Verfasser der uns vorliegenden Bede sein 
möchte, als gerechtfertigt erscheinen ließe. ^; Sein theologisches Unter- 



1) Übrigens spricht diese Abfassungszeit auch bereits gegen einige 
der im Text genannten Männer, so gegen Faustinus und Hilarius, aber 
auch gegen Ambrosius, der den macedonischen Irrtum nicht ignoriert 
haben würde (vgl. Caspari p. 178). Es versteht sich, dass die ab- 
strakte Möglichkeit vorhanden ist, die Bede möchte von einem 
uns gänzlich unbekannten Manne gehalten sein, welche Möglich- 
keit man indessen erst erwägen darf, wenn alle anderen abgewiesen 
sind. Ich erwähne noch, dass auch Maximus von Turin nicht in Be- 
tracht kommen kann, weil die Abfassungszeit und die Beschafifenheit 
des Symbols gegen ihn sprechen. Wegen der folgenden Untersuchung 
war er dennoch hier zu nennen. 

2) Als solchen hat ihn schon Denis (vgl. Caspari p. laO) bezeichnet. 

3) Vgl. die Ausführungen in dieser Schrift p. 24 flf. Auch die 
einigermaßen verschiedene Haltung des Buches moriendum kann an 
diesem Urteil nichts ändern. 



Anhang. ] 2 1 

seheiduDgBvermögen aber war ein so geringes, dass er schwerlich eine 
richtige und von historischer Einsicht zeugende prägnante Gegenüber- 
«tellung der Lehren des Sabellius und Arius hätte geben können. Der 
Verfasser unserer Bede aber hat das in einer rhetorisch vortrefflichen 
Form gethan, wenn seine Gedanken auch an sich den Kreis der land- 
läufigen Vorwürfe nicht überschreiten. ^) Strikte Vergleiche lassen sich 
natürlich nicht anstellen, da Lucifers Schriften sämtlich gegen den 
Kaiser gerichtete Pamphlete sind, uns eine authentische Bede oder 
Homilie von ihm aber nicht aufbewahrt ist. Aber schon der Umstand, 
dass er die wenigen Gedanken, welche er in seinen ziemlich umfang- 
reichen Schriften überhaupt entwickelt, mit langweilender Unermüd- 
lichkeit wiederholt, zwingt uns zu der Annahme, dass auch in unserer 
Bede irgend welche Hindeutungen auf diese seine immer gleichen 
Ausführungen sich finden müssten. Dass dies nirgends der Fall ist, 
beweist die Lektüre der Schriften und unserer Bede. 

Wenn nun Caspari aus dem Vorkommen coomnipotens und co- 
opifex auf eine Stil Verwandtschaft der Bede mit den Schriften Luci- 
fers schließen zu können meint, so ist auch dieser Versuch als hin- 
fällig zu betrachten. Zunächst ist zu bemerken, dass sich gerade die 
erwähnten Composita, die mir übrigens auch bei anderen Autoren 
dieser Zeit nicht begegnet sind, bei Lucifer nicht finden. Sie müssen 
also bis auf Weiteres als spezifische Bildungen unseres Autors be- 
trachtet werden, welche allerdings durch den Zusammenhang nahe 
gelegt sind. Dann aber möchte ich gerade daraus, dass nur diese 
Composita in der Bede vorkommen, keines aber von den dem Lucifer 



t) Man vergleiche mit der Stelle bei Caspari p. 135 folgende 
Stelle bei Lucifer non. conv. p. 17, 30 (15, 25), zumal sie zugleich 
ein Beispiel für die niedrige Polemik Lucifers — die sich bei ihm 
allerdings direkt gegen den Kaiser richtet. — im Gegensatz zu der des 
Autors unserer Bede giebt: sie est de corpore ecclesiae excisus Sa- 
bellius, ut est et condetestabilis tuus excisus Arrius iste, cuius sermo 
ut Cancer in te fortissime adeo serpserit ut totns iam Cancer esse cer- 
naris (dieses hässliche Bild verwendet Lucifer sehr häufig; an die Hand 
gegeben ist es ihm durch 2. Tim. 2, 16, vgl. p. 28, 29 (25, 1)): nee 
poteris dicere te non Arrii cancerasse sermonem, cum fetor cancera- 
tionis tuae ad omnem pervenerit regni tui locum et |cuncti te vitare 
statuerimus, ne et ipsi peste tua Arriana canceraremur. Sic, inquam, 
sectus est atque projectus tuus magister Arrius, ut est sectus et re- 
jectus Sabellius, qui fuerit ausus unam esse personam patrem et fi- 
lium et spiritum sanctum defendere, quia fuerit ausus dicere ipsum 
sibi et patrem esse et filium et spiritum sanctum; excisus est, quia 
dicere non dubitarit, quod enim ips3 pater in utero virginis incarnatus 
Sit et fuerit passus. — Selbst in Gelegenheitsschreiben (vgl. den Brief 
an den Eusebius von Vercellae p. 319, 1) übt Lucifer eine unange- 
nehme, in schwülstigen Bildungen sich ergehende Polemik. 



122 Anhang. 

eigentümlichen und mit einer einzigartigen i) Freiheit gebildeten, ein 
Argument gegen die Verfasserschaft des Bischofs von Calaris ent- 
nehmen. Die unten gegebene Zusammenstellung solcher Composita, 
welche übrigens auf Vollständigkeit begreiflicher Weise keinen An- 
spruch macht, wird die Behauptung begründen können, dass ein 
Schriftsteller, der sich so oft der eigenartigsten Wortzusammen- 
setzungen bediente, dieselben in einer längeren Bede schwerlich ganz 
vermieden haben würde, ^j 

Außer den angeführten hat weder Caspari Argumente für Lu- 
cifer angeführt, noch lassen sieh solche meiner Ansicht nach bei- 
bringen.^ Dagegen hat Caspari nicht beachtet, was doch sehr ins 
Grewicht fällt, dass Lucifer in der letzten Zeit seines Lebens — und 
erst da könnte er die Bede gehalten haben — nicht zur großen Kirche 
gehörte, wenn wir auch seine Stellung nicht ganz klar zu erkennen 
vermögen. Etwas von der verbitterten Stimmung, in der sich dieser 
pedantische Bigorist nach dem Bruch mit seinen Freunden befand, 
müsste doch auch in dieser Bede bemerklich sein. Wir werden da- 
her berechtigt sein, ihm dieselbe abzusprechen, zumal wir im Folgen- 
den den Versuch machen möchten, dieselbe für einen anderen Schrift- 
steller in Anspruch zu nehmen. 

Unter den von Caspari als für die Verfasserschaft in Betracht 
kommend bezeichneten Männern befindet sich, wie wir oben gesehen 
haben, auch Eusebius von Vcrcellae. Caspari hat sich mit der 
Möglichkeit, dass er die Bede gehalten haben möchte, kaum ausein- 
andergesetzt, vielleicht weil er bereits für Lucifer eingenommen war, 
und es wird daher gestattet sein, der Frage etwas näher zu treten. 
Es lassen sich für den Eusebius doch einige Argumente anführen, 
und vielleicht könnte es gelingen, seine Autorschaft so wahrscheinlich 
zu machen, als es bei derartigen Untersuchungen überhaupt möglich 

1) Daher auch Bönsch, Itala und Vulgata, in dem Abschnitt über 
die Composita mit cum (p. 220/221. 223/224. 228) ihrer kaum gedenkt. 

2) Eine vollständige Zusammenstellung aller bei Lucifer vorkom- 
menden ungewöhnlichen Composita mit der Vorsilbe con findet man 
jetzt |im Index bei Hartel a. a. 0. p. 355. 356. £ki finden sich Bil- 
dungen wie coerraticus, cohomicida, coimmundus, coidolatres, conde- 
testabilis, conperfidus, conserpens, conspurcatus, conviperinus und viele 
ähnliche. Eine Auswahl ähnlicher Composita aus dem Sprachschatze 
des Tertullian siehe bei Hartel, Lucifer von Cagliari und sein Latein 
a. a. 0. p. 16. 

3) An einer Stelle reproduciert Lucifer sein Taufsymbol in freier 
Weise p. 19, 23 (17, 18): e contra videamus apostolos credidisse in 
unum deum patrem omnipotentem verum patrem, propterea verum 
patrem, quod vere, non putative habeat filium, et in unicum filium 
eins Jesum Christum, hoc est in verum dei filium, et in sanctnm para- 
clitum spiritum, in verum dei spiritum. 



Anhang. 12S 

ist. Yoransgeschickt werden muss dabei, dass aach uns der von Cas- 
pari geführte apagogische Beweis in der oben bereits angedeuteten 
Beschränkung gültig erscheint, und dass daher in gewissem Sinne 
auch unsere Argumente als a posteriori beigebracht erscheinen müssen» 

Das einzige Argument, welches Caspari gegen den Eusebiu» 
beizubringen vermag, ist, dass die Beschaffenheit des in der Bede tra- 
dierten Symbols seiner Verfasserschaft widersprechen soll. Eusebius 
hat als Bischof von Yercellae, einer zur malländischen Kirchenprovinz 
gehörigen Stadt das mailändische oder doch das altrömische Symbol 
auslegen müssen, besonders da er in der römischen Kirche Lector ge- 
wesen war. Nun aber unterscheidet sich das vorliegende Symbol an 
einigen Stellen nicht unwesentlich von den genannten und auch von 
dem turinischen; es müsse deshalb das Symbol einer anderen Kirche 
als der von Vercellae sein. 

Wir werden also zunächst unser Symbol im Vergleich mit den 
genannten einer näheren Untersuchung unterziehen müssen, möchten 
indessen vorher an Casparis Behauptung einige Bemerkungen an- 
knüpfen. 

Der Einwurf, dass der Bischof von Vercellae das Symbol seiner 
Metropolitankirche habe tradieren müssen, trifft den Lucifer eben- 
so, wie Caspari selbst gezeigt hat: Sardinien unterstand dem römi- 
schen Bischof. 1) Nun aber ist Caspari trotzdem für Lucifer einge- 
treten, und in seinem eigenen Sinne dürfte sich daher das Argument 
nicht ohne weiteres gegen Eusebius verwenden lassen. Wir finden 
aber in der Untersuchung, welche Caspari über zwei dem Faustus von 
ßeji zuzuschreibende Homilien^) angestellt hat, die Bemerkung, das» 
das Symbol der Kirche von Reji nicht notwendig mit dem der 
Kirche von Arles identisch gewesen zu sein brauche.^] Beji aber lag 
in der Kirchenprovinz von Arles. ^j Ist aber dieser Fall dem unsrigen 
nicht völlig analog und zeigt sich nicht auch hier wieder ein Wider- 
spruch mit Casparis eigenen Ausführungen betreffs des Eusebius? Es 
lässt sich vielleicht die auch sonst zu begründende Frage aufwerfen , 
ob man bei ganz geringfügigen Abweichungen einzelner, sonst nach 
Form und Inhalt identischer Symbole, welche aus Taufreden entnom- 
men sind, nicht etwas mit der Möglichkeit freier Beproduktionen 
rechnen darf. 5) 



1) Vgl. oben p. 11, Note 1. 

2) Caspari a. a. 0. p. 183—213. 

3) p. 212. 

4) p. 207. 

5) Vgl. übrigens auch Caspari p. 174, Note 150, wo er selbst die 
Möglichkeit anerkennt, dass auch in unserer Bede das Symbol nicht 
wörtlich citiert sein möchte. Siehe auch p. 124, Note 2. 



1 24 Anhang. 

Dass auch in unserem Fall die Abwejtehangen nur unbedeutend 
sind, zeigt ein Vergleich des fraglichen Symbols mit dem mailän- 
dischen und turinischen. Das Symbol der Taufrede lautet : credimus ^) 
in deum patrem omnipotentem, saeculorum omnium et creatu- 
rarum regem et conditorem.^j Et in Jesum Christum, filium 
oius unicnm, dominum nostrum, qui natus est de spiritu sancto et ex 
Maria virgine ; qui sub Pontio Pilato crucifixus et sepultus ; tertia die 
resurrexit a mortuis; ascendit in coelos;^) sedet ad dexteram dei 
patris; inde venturus est iudicare vivos et mortuos. Et in spiritum 
sanctum; et sanctam ecdesiam catholicam, remissionem peccato- 
rum, camis resurrectionem. Die gesperrt gedruckten Worte finden 
sich in keinem anderen abendländischen Symbol.^] Außerdem unter- 
scheidet es sich 1. von dem mailändischen Symbol, und zwar a) in der 
bei Ambrosius aufbehaltenen Form<^) in Folgendem: symb. mediol. 
hat sub Pontio Pilato passus et sepultus, tertia die resurrexit a 
mortuis; ascendit in coelum; sedet ad dexteram patris; inde ven- 
turus iudicare etc., b) in der bei Augustinus aufbehaltenen Form<^) 
in Folgendem: symb. mediol. hat passus est sub Pontio Pilato, cru- 
cifixus et sepultus adscendit in coelum; sedet ad dexteram patris. 
2) Von dem turinischen Symbol ') in Folgendem : symb. taur. hat : cru- 
cifius est et sepultus; ascendit in coelum; sedet ad dexteram 
patris. d) 

Hieraus ergiebt sich: 1. auch die drei aufgeführten Symbolrecen- 
sionen zeigen geringe Abweichungen von einander, während doch be- 
sonders die beiden mailändischen, aber auch das von Turin, als einer 
Stadt der Kirchenprovinz Mailand, nach Casparis Ansatz ganz mit ein- 
ander stimmen sollten. Speziell die an letzter Stelle aufgeführten Ab- 
weichungen des turinischen Symbols von dem unsrigen sind so unbe- 
deutender Natur, dass wir fUglich von ihnen absehen können. 2. Was 
die oben als unserem Symbol eigentümlich bezeichneten Wendungen 



1) Das Symbol muss natürlich mit credo begonnen haben (Cas- 
pari p. 174, Note 150); doch finden wir z. B. credis an der gleichen 
Stelle bei Maximus von Turin tom. LXXXIII (Migne LVII, 453) ; cre- 
dite bei Faustus von Reji tom. I de symbolo (Caspari p. 207, Note loO). 

2) Vgl. übrigens das carthaginiensisch-afrikanische Symbol (Hahn 
a. a. 0. § 30)^: universorum creatorem, regem saeculorum, immortalem 
et invisibilem. 

3) cod. vindob. 305: ad coelos. 

4) Vgl. Caspari p. 170 ff. 

5) Caspari a. a. 0. II, 30—58. Hahn § 20. 

6) Hahn § 31. 

7) Hahn § 22. 

8) venturus est haben nach Caspari, Quellen III, p. 173 ver- 
schiedene Handschriften; andere nur venturus. 



Anhang. 125 

betrifft, so sind die beiden et, wie Caspari selbst schon bemerkt hat, 
im hohen Grade verdächtig. Die Wendung dei patris ist ungewöhn- 
lich, aber durch das Symbol der mozarabischen Liturgie und das von 
Caspari II p. 122 mitgeteilte Symbol flir diese Zeit wenigstens mög- 
lich gemacht. Es bleiben der Ausdruck catholicam und der Satz sae- 
culorum omnium et creaturarum regem et conditorem. Der erstere 
taucht wenigstens bald nachher in Symbolen auf,i) und betreffs dea 
zweiten darf man daran erinnern, dass nach einer allerdings stark 
legendenhaften Überlieferung £usebius auf Sardinien. geboren wurde» 
dann nach Rom und später nach Vercellae kam.^ Dass der Zusatz 
gerade im sardinischen Taufbekenntnis sehr wohl denkbar ist, kann 
bei den nahen Berührungen, die zwischen Afrika und Sardinien statt 
hatten, nicht geleugnet werden. £r würde dann an unserer Stelle als 
eine Reminiscenz aufzufassen sein. Andererseits war Eusebius, so 
lange er in Sardinien weilte, noch nicht Christ, und man müsste an- 
nehmen, dass er später in Beziehungen zu seinem Yaterlande gestan- 
den hat. Jedenfalls kann dieser Zusatz nicht durchschlagend gegen 
den Eusebius angeführt werden, zumal er gegen jeden der in Vor- 
schlag zu bringenden Autoren gelten würde. 

Zwei andere Einwürfe nun, die sich gegen den Eusebius erheben 
ließen, hat Caspari selbst 3] bereits zurückgewiesen: 1. Hieron. catal. 96 
nennt von Eusebius kein anderes Werk als die Übersetzung des Psal- 
mencommentars des Eusebius von Caesarea^); aber eine kurze, bei 
der traditio symboli gehaltene Rede ist keine eigentliche litterarische 
Leistung und brauchte nicht erwähnt zu werden. 2. Wir besitzen von 
Eusebius nur drei Briefe, <^) darunter nur einen von einigermaßen 
größerem Umfang: aber, wenn wir von hier aus schwerlich Beweise 



1) Vgl. auch unten p. 129, Note 1. 

2) Vgl. Ughelli, Italia Sacra IV 750: hie itique beatissimus vir 
(seil. Eusebius) post obitum beatissimi patris cum gloriosa matre iter 
quod coeperant deo comite peregerunt, nobili quidem ortus ex pro- 
genie Sardorum, Romam petiit ibique nobilior secunda regeneratione 
fide factus a beato papa Eusebio et piissimo suo nomine vocatus est 
Eusebius. Vgl. auch den Artikel Eusebius in Herzog R. E. IV. Übri- 
gens siehe p. 126 Note 1 Ende. 

3) a. a. 0. p. 180. 

4) edidit in Psalmos commentarios Eusebii CaesariensiSi quos de 
graeco in latinum verterat. 

5} a) Brief an Kaiser Constantius, abgedruckt bei Mansi III 237; 
Migne XII 947. 

b) Brief ad presbyteros et plebem Italiae aus der Gefangenschaft. 
Gallandi V 79. Migne XII 947 ff. 

c) Brief an Gregorius von Elvira. Gallandi V 80. Migne XI 713 f. 
(Hilar. Pict. opera IL fragm. histor. XI). 



126 Anhang. 

für schriftstellerische Verwandtschaft zwischen Briefen und Rede ge- 
winnen können, so doch auch nicht das Gegenteil. 

Da somit nichts gegen die Autorschaft des Eusebius zu sprechen 
scheint, so liegt es uns ob, unsere positiven Argumente für dieselbe 
2U entwickeln. 

Wir wissen, dass die ganze oberitalische Kirche den Eusebius 
als confessor in hohem Ansehen hielt, und es kann daher nicht Wunder 
nehmen, dass wir in den Werken des Bischofs Maximus von Turin 
auf zwei Homilien *) stoßen, die derselbe zum Gedächtnis des Eusebius 
gehalten hat. Auffallen aber muss es, dass eine derselben, die 77ste, 
nach Inhalt und Form auf das Lebhafteste an unsere Taufrede er- 
innert. Während die andere, die TSste, gleichfalls zu Ehren des Euse- 
bius gehalten, die Verdienste des Mannes preist, dabei aber zugleich 
«ich eingehend mit seinen Schicksalen beschäftigt, ^j überhaupt inhalt- 
lich gerade das bietet, was man von einer Gedächtnisrede 3) erwarten 
sollte, geht die erste Homilie nach einer Einleitung, in welcher das 
Verdienst des Eusebius um den rechten Glauben in hochgegriflfenen 
und tiberschwänglichen Worten gefeiert wird, zu einer Widerlegung 
des Arius und Sabellius über, was zwar an dieser Stelle nicht un- 
passend, aber auch nicht das Nächstliegende war. Bei dem ganzen 
Oange dieser Widerlegung und der sich daran schließenden Bemerkun- 
gen wird man fortwährend an unsere Taufrede erinnert. Die Homilie 
ereifert sich in ganz gleicher Weise gegen die Häretiker, benutzt 
fltellenweise dieselben Wendungen. Selbst einige Ausdrücke erinnern 
an unsere Rede, wobei man natürlich den Vergleich nicht pressen 
darf, da ja auf jeden Fall zwei individuell verschiedene Männer zu 



1) Gennad. catal. 41 erwähnt zwei Homilien zu Ehren des Euse- 
bius; bei Migne LVII col. 415 ff. und 417 ff. abgedruckt als hom. 77. 78. 
Außerdem werden dem Maximus noch mehrere sermones über den 
Eusebius zugeschrieben (vgl. sermo 81 und die vier bereits in der 
Ausgabe des Brunus in den Anhang verwiesenen und als sermo 20— 
23 [bei Migne LVII 885 ff.] bezeichneten). Diese Sermone sind sämt- 
lich — auch sermo 81 vermag ich nicht für echt zu halten — unecht 
und Glieder in der Eusebiuslegende, die sich auf Grund einerseits des 
auf p. 125, Note 5 erwähnten Briefes des Eusebius über seine Schick- 
sale im Exil, andererseits des hohen Ansehens, welches er in Ober- 
italien genoss, entwickelt hat und deren letzter (?) Niederschlag in 
-der vita Eusebii bei üghelli, Italia sacra IV 749 ff. zu sehen ist. Die 
Details dieser Entwickelung sind noch nicht ganz aufgeklärt 

2) Maximus hat den Eusebius schwerlich noch persönlich gekannt. 
Der Letztere starb 371 ; den Namen des Ersteren finden wir noch 465 
als Teilnehmer an einer römischen Synode. Die Angabe des Genna- 
dius, catal. 41, beruht auf einem Irrtum. Statt moritur wird floruit zu 
lesen sein. 

3) Überschrieben sind die Homilien de natali S. Eusebii episcopi. 



Anhang. 127 

uns reden. Es heißt bei Maximus von Arius : negat verbum dei esse 
deum et apud deum esse infidelitatis sua caecatus obscu- 
ritate^) und etwas später praesumptionis suae furore confusus salu- 
tare utriusque in ! Christo naturae perdidit sacramentum.^} Der 
Prediger redet an einer Stelle die Häretiker direkt an, genau in der- 
selben Weise wie unsere Taufrede es thut.^) Beide Redner, und das 
ist besonders auffallend, gehen aus von dem johanneischen Worte: 
«go et pater unum sumus , um dann ihren Beweis gegen Arius und 
Sabellius in ganz gleicher Weise zu führen.^) Dazu kommt, dass der 
Übergang des Maximus aus seiner Einleitung zu gerade diesem Thema 
und diesem Worte als ein abrupter und durch den Gang der Rede 
nicht gebotener erscheint 5) und sich am besten erklärt, wenn der 
Redner für den Hauptteil seiner Rede eine Vorlage hatte, deren Thema 
ihm im Gedächtnis lag.^j In genau einander entsprechenden Wen- 
dungen wird die Gottmenschheit Christi behandelt'') Die letztere 



1) Einzelne solche Ausdrücke anzuführen ist natürlich besonders 
schwer, weil nicht wenige auch in anderen, einem ähnlichen Zwecke 
dienenden Reden sich finden. Es kommt auch hier auf den Zusam- 
menhang und den Gesamteindruck an. Auffallend ist doch die 
beiden Reden gemeinsame Verbindung: salutare sacramentum (die 
Taufrede hat sacramentum et salutare mysterium) ; solitarius; astruere. 
Vgl. aber besonders die folgenden Noten. 

2) Siehe Caspar! p. 135: stultitiae tenebris ex impia yoluntate 
caecatus. Maximus: ut impius blasphemat Arius vgl. mit ganz ähn- 
lichen Wendungen bei Caspari p. 135. 

3) Caspari 139 3; ineffabile sacramentum et salutare mysterium. 

4) Caspari p. 138«: quid tu, homo haeretice, audes praesumere 
tibi scientiam Dei . Maximus: quid mihi nunc, haeretice 

5) Besonders Maximus p. 415: qui et unum dicit et sumus nee 
separatione se dividit nee unione confundit; qui unum cum patre est, 
nee perpetuitate a patre differt nee virtute discordat ; cumque sit cum 
patre unum de patre tamen natus asseritur, ne, ut impius blasphemat 
Arius, aut creatura quaecunque filius aut patri impar esse credatnr. 

Audis ergo, o homo Vgl. Caspari a. a. 0. besonders p. 135 gegen 

Ende. 

6) Maximus a. a. 0. p. 415: sed necessarium nunc esse reor, 
ut occasione beati huius patris nostri quem in tantam gloriam catho- 
licarum ecclesiarum fides indeclinabiliter ab eo servata proyexit, nos 
quoque — salutaribus doctrinae dominicae testimoniis imbuamur. Ait 
ergo dominus: ego et pater unum sumus. 

7) Caspari p. 139 iß : itaque hunc filium dei et hominis {Kor- 
rektur von Caspari) credite et confitemini, sed filium dei lex deo et 
filium hominis ex matre, ita ut sine matre filius dei et sine patre sit 
filius hominis, quia nee corporis sexus deo nee viri coitus in virgine. 
Hunc dominum maiestatis et perfectum deum secundum naturam 
et formam dei patris credimus, ita ut perfectum hominem ex 



128 Anhang. 

betreffend, so hat schon Caspari zu bemerken Anlass genommen, das» 
die Fassung derselben in der Tanfrede und der betonte Gebrauch . 
des perfectns homo den Anschein geben könnte, als setzte die Bede 
das Auftreten des Apollinaris voraus. Doch er selbst hat dagegen 
angeführt, dass bereits Hilarius und — Eusebius von Vercellae 
dieselbe Formel mit derselben Betonung verwenden, i) Also gerade 
die Christologie der Bede spricht für den Eusebius I 

- Und was ergiebt sich aus dem oben Dargelegten? Maximus, der 
den Eusebius persönlich nicht kannte und eine Gedächtnisrede auf 
denselben halten sollte, kann dabei recht wohl von Beminiscenzen ge- 
leitet worden sein an eine Bede des confessor, die er vielleicht wieder- 
holt gelesen; an sich hatte er keine Veranlassung, plötzlich in Stil 
und Gedankengang einer Bede in traditione symboli zu verfallen. Es 
ist doch jedenfalls höchst beachtenswert, dass die angeführten auf- 
fallenden Berührungen gerade bei einer Bede eintreten, welche zu 
Ehren des Mannes gehalten wurde, den wir vermittelst eines apagogi- 
sehen Beweises für den Verfasser zu halten von vom herein geneigt ^ 

sein mussten. ' ' 

Alles aber, was wir von Eusebius von Vercellae wissen, spricht ^ 

für seine Autorschaft. Er hat in der vordersten Beihe derer gestan- 
den, die für den rechten Glauben gestritten und in der Verbannung 
gelitten haben. Obwohl keine schroffe und extreme Natur wie Lucifer 
von Calaris, hat er doch auch in heftiger Polemik gegen die Arianer j 

sich ergangen, wie die wenigen uns erhaltenen Briefe uns bezeugen.^) j 

Dieselben zeigen ihn uns ferner als einen gebildeten Mann, der die | 

Feder zu führen verstand. In hohem Ansehen hat er sein Lebenlang | 

gestanden, und Maximus rühmt von ihm, wie er stets das Gotteswort j 

viel und rein gelehrt habe. Er wird also auch ein guter Eanzelredner 
gewesen sein. Seine Christologie setzt ihn, wie wir oben bereits ge- : 

sehen, mit unserer Bede in nahe Beziehung. 3) Endlich stehen auch 



matre virgine. Maximus p. 417: Christus igitur natura deus, natura 
et homo, in utroque verus, in utroque perfectus est: quia et hu- 
manitatem veraciter sumpsit a matre et de patre habet naturaliter 
deitatem. — Bei Maximus muss man natürlich Kenntnis des Apolli- 
naris voraussetzen. Vgl. unten Note 3. 

1) a. a. 0. p. 167, Note 142. Siehe auch unten Note 3. 

2) Vgl. Stellen wie : quantum ergo Satanas ecclesias vulneraverit 

per Ariomanitarum crudelitatem ! (bei Migne XII 952). Videns 

hoc diabolus, innocentiae hostis, iustitiae inimicus, contrarius fidei, 
quia in hoc opere benedicebatur deus, inflammavit adversum nos Ario- 

manitas suos (a. a. 0. 949 s. f.). iterum dico, quod nisi 

professi et verbo et conscriptione fueritis, homicidae eritis prohibendo 
(a. a. 0. 950 s. f.). 

3) novit hoc omnipotens deus: novit et eius unigenitus innar- 



Anhang. 129 

die Anföhrangen aus dem Symbole, die wir an einer Stelle seines 
zweiten Briefes finden, mit der Tanfrede nicht nnr nicht in Wider- 
sprach, sondern könnten deren Symbol allenfalls bestätigen, i) 

Caspari hat seine Untersuchung über den Verfasser unserer Rede 
mit den Worten begonnen^) : »Diese Frage ist sehr schwer zu beant- 
worten, und weiter als bis zu einer nicht ganz unwahrscheinlichen 
Vermutung wird man es in Bezug auf sie kaum bringen kOnnen.« Wir 
glauben mit dem Nachweis, dass Lucifer von Calaris der Verfasser 
nicht, Eusebius von Vercellae es dagegen sehr wohl gewesen sein 
kann, eine solche nicht ganz unwahrscheinliche Vermutung aufgestellt 
zu haben. Unsere Gründe freilich hängen, wie wir bereits betonten, 
an der Stringenz des apagogischen Beweises, den wir als von Caspari 
erbracht anerkennen. 

Der besseren Übersicht wegen mag der Grang unserer Unter- 
suchung zum Schlüsse nochmals kurz zusammengefasst werden: 

1. Unser Symbol gehört einer altitalischen oder doch einer 
Italien benachbarten Kirche an (Caspari). 

2. Die Auslegungsrede kann, soweit unsere Kenntnis der Autoren, 
welche um 360 lateinisch schrieben, reicht, nur von Lucifer von Ca- 
laris oder von Eusebius von Vercellae gehalten sein. 

3. Sie ist nicht von Lucifer von Calaris gehalten. 

4. Die Beschaffenheit des in ihr tradierten Symbols spricht nicht 
gegen Eusebius von Vercellae. 

5. Die augenscheinliche Verwandtschaft, welche nach Form 
und Inhalt zwischen unserer Bede und der 77sten Homilie 
des Maximus von Turin besteht, legt die Annahme nahe, dass 
Maximus dieselbe gekannt haben möchte. Da er seine Homilie zu 
Ehren des Eusebius hielt, so findet die Verwandtschaft ihre beste Er- 
klärung darin, dass ihm die Rede als von Eusebius herrüh- 
rend vorgelegen haben möchte. 

6. Was wir von Eusebius, seinem Leben, seiner Bildung, seiner 
Theologie und im speziellen seiner Christologie wissen, spricht für 
seine Autorschaft. 



rabiliter de ipso natus filius, qui salutis nostrae causa deus sempi- 
temae virtutis hominem perfectum Indult (vgl. p. 127, Note 7). 

1) qui (dei filius) pati voluit, morte triumphata tertia 

die resurrexit, ad dexteram patris sedet, venturus iudi- 
care vivos et mortuos: novit et Spiritus sanctus: testis 
est ecclesia catholica quae sie confitetur. Auch das catholica 
(vgl. oben p. 125) ist nicht unwichtig, wenn auch an dieser Stelle 
natürlich nicht an wörtliches Citieren des Symbols gedacht werden 
darf. 

2) a. a. 0. p. 175. 

9 



130 'Anhang. 

Das in der Rede ausgelegte Symbol würde somit thatsächlich 
einer altitalischen Kirche und zwar der von Vercellae angehören. 
Da es aber nicht über allen Zweifel erhaben ist, dass das Symbol 
überall wörtlich citiert ist, *) so darf man auf Verschiedenheiten der 
Symbole in den oberitalischen Kirchen, etwa von Turin und Vercellae, 
daraus keine Schlüsse ziehen. 



1) Vgl. darüber auch die Vermutung, den Zusatz im ersten Ar- 
tikel betreffend, auf p. 125 und Note 1. 



Berichtigung. 
Seite 36 Zeile 10 lies Constantins statt Constantius. 



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