Google
This is a digital copy of a bix>k lhat was preservcd for gcncralions on library sIil-Ivl-s before il was carcfully scanncd by Google as pari ol'a projeel
to makc the world's books discovcrable online.
Il has survived long enough Tor the Copyright lo expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subjeel
to Copyright or whose legal Copyright terni has expired. Whether a book is in the public domain niay vary country tocountry. Public domain books
are our gateways to the past. representing a wealth ol'history. eulture and knowledge that 's ol'ten dillicult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this lile - a reminder of this book's long journey from the
publisher lo a library and linally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries lo digili/e public domain malerials and make ihem widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their cuslodians. Neverlheless. this work is expensive. so in order lo keep providing this resource. we have laken Steps lo
prevent abuse by commercial parlics. iiicIiiJiiig placmg lechnical reslriclions on aulomatecl querying.
We alsoasklhat you:
+ Make non -commercial u.se of the fites We designed Google Book Search for use by individuals. and we reüuesl lhat you usc these files for
personal, non -commercial purposes.
+ Refrain from imtomuted qu erring Do not send aulomated üueries of any sorl to Google's System: If you are conducling research on machine
translation. optical characler recognilion or olher areas where access to a large amounl of lex! is helpful. please contacl us. We encourage the
use of public domain malerials for these purposes and may bc able to help.
+ Maintain attribution The Google "walermark" you see on each lile is essential for informing people about this projeel and hclping them lind
additional malerials ihrough Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use. remember that you are responsable for ensuring lhat what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in ihc United Siatcs. lhat ihc work is also in the public domain for users in other
counlries. Whelher a book is slill in Copyright varies from counlry lo counlry. and we can'l offer guidance on whelher any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be usec! in any manncr
anywhere in the world. Copyright infringemenl liability can bc quite severe.
About Google Book Search
Google 's mission is lo organize the world's information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover ihc world's books wlulc liclpmg aulliors and publishers rcacli new audiences. You can searcli ihrough llic lull lexl of this book on llic web
al |_-.:. :.-.-:: / / bööki . qooqle . com/|
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches. Jas seil Generalionen in Jen Renalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Well online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat Jas Urlieberreclil ühcrdaucrl imJ kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich isi. kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheil und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar. das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren. Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Original band enthalten sind, linden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Niitmngsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichlsdcstoiroiz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sic diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sic keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zcichcncrkcnnung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist. wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google- Markende meinen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sic in jeder Datei linden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuchczu linden. Bitte entfernen Sic das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sic nicht davon aus. dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich isi. auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sic nicht davon aus. dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechlsverlelzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Wel t zu entdecken, und unlcrs lül/1 Aulmvii und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchlexl können Sic im Internet unter |htt : '- : / /-■:,■:,<.-: . .j -;.-;. .j _ ^ . .::-;. -y] durchsuchen.
I
V3S-
lU
F
10
I
?%?<*-
lU
F
lö
Jotdung üC^rand.
^— ^^^^^
^
Ludwig "gifytatxb
* ■-■•-■
W?jL
cSinc #tui>ie ju feinet £äßttfarfeier
von
^exmmn 3ftf<0er.
§iuiigarf.
Verfaß bet §. 0. gotta'ftfen ^u^^nöfunö.
1887.
JUleHedfte,
infonberfcit in ötjU^ung auf Ueberfefeunaen, flnb oon ber
Derlagstyinblung porbefyalten.
Drurf toon föebriiber Ordnet in Stuttgart.
3Frte&ttd( 3Nfdjer
in äteefjrtittg
bargefoad^t.
j xi ft a 1 1
Seite
\. 3»genb 3
2. (Bebtdjte unb Dramen 36
3. polttifer tinb arabemtfdjer leerer \07
<*. (Belehrte (Dtätigfett ^9
5. 2XIter nnb (Eob J80
ZTadjn>etfe ^96
'm 26. Sfyrit 1787 ift ßubnrig ttylanb ju Tü-
bingen geboren roorben. 2Bie fein 2tob t>or bolb
fünfunbjroanjtg Sauren ju einer fieid&enfeier 2lnlaf$ ge*
geben Ijat, bergleid&en bad befdfjetbene Tübingen bis ba-
^in nodf) leine gef etyen fjatte, f o f>at aud& bie f)unbertjäl)rige
geier feiner ©eburt bie fefitHd&ften SBeranftaltungen
hervorgerufen. Sludfj tttterarifdje ©aben für baö fteft
fjaben nidfjt gefehlt. 2ln biefe mag fi<$ im folgenben
eine weitere anreihen, in welker id& t>erfud&t l)abe,
bad duftere Seben bed ©tdfjterd, über bad mir fd&on
feljr ergiebige Duetten befifcen, nur furj ju entwerfen,
baneben aber ein 33üb t)on feiner ©igenart als 3)id&ter,
als Patriot unb alö ©elel)rter ju verfugen. §unbert
Sa^re finb feit ber ©eburt beö ©idfjterö, mel)r als
ftebjig feit bem erften ©rfd&einen feiner ©ebid&te t>er-
ftoffen: bad ift rooljl ein genügenber 3^traum, um
einen fiberfdfjauenben 33li<f über feine Stellung in
unferer Sitteratur^ unb ©eiftedgefdfjid&te ju geftatten.
2>ie politifdjen Äämpfe, in bie ftdfj Urlaub mitten
hinein geftettt l)at, fielen feit ber ©rrid&tung beö
©eutfdfjen 9tetdf)ä in feiner praftifd&en SBerbinbung met)r
3fif4«t, Suburifl Itylanb. 1
mit jefcigen SBerfjältniffen unb SBernridftungen , man
nrirb rooljl t>erfu<f)en fönnen, eine 3)arfteHung ber*
fclbcn oljne SBoreingenommenljett ju geben. 3)ie ge*
lehrte ^Bewegung, an melier ttljlanb Slntetl genom-
men §at, ift in ber igauptfadfje abgefdftfoffen, bie
gorfd&ungen unferer ©ermaniften Ijaben ftdfj jumeift
von ber altbeutfd&en Sßoefie unb Rultux ab unb bem
fpradjlidjen ©ebiete jugeroenbet, fo bafc jtdf) ber Sßtafe,
ben ttljlanb Ijier ju beanfprudjen Ijat, mit einiger
©enauigfeit befümmen laffen bürfte. Stuf ber anbem
Seite ift aber burd) ein paar SBerfe, roetöje 3*ü unb
Sßerfonen in urfunblidjer £reue t>orffif)ren, aufy bafür
geforgt, bafc eö bem jeitlidfj ferne ©teljenben ni<$t an
ben ßofalfarben feljle, meldte ju bem Silbe beö
3Kannes unb feiner Umgebung gehören.
I
ö ift ein oft gehörtes SBort: man fönne Urlaub
mdf)t t>erfte$en, oljne bie Sanbfdjaft, in bcr er unb
feine Sgrif ju §au% ift, ju fennen. 3$ mödjte biefeä
Sßort auf ba$ -äRenfdtfidje übertragen. ttljlanb f)ängt
mit ben ßuftänben feiner ijjeimat aufs aHerengfte ju-
fammen. SRcd^t rooijl ift eö iljm nur in biefen alten
33erl)ältmffen, mag aud) fein reifer ©eift nad) allen
©eiten barüber Ijinauagreifen.
S)ie Familie tttylanbö war fd&on ein paar ®e-
nerationen t>or Ujm in SEübingen angefeffen. ©ein
ttrgrofct>ater ^atte jtdj im Safyx 1720 bafelbft nieber*
gelaffen unb eine noti) in unferem ^aljrljünbert ange=
feljene iganblung begrünbet. Steffen ©oljn fdjlug nadj
altroürttembergifdjer ©itte bie geiftUdje Saufba^n ein;
er würbe Sßrofeffor ber Geologie unb ©uperattenbent
befi ©tiftö unb Ijat in biefer eijrrofirbigen Stellung
nod) biö in bie Süngtingöja^re beö ©nfete hinein ge*
lebt, benn er ftarb erft 1803, mit einunbad&tjig Sebenö-
jaljren auf bem SRficfen. SBon ben Äinbern, bie ii)m feine
grau, bie Stodfjter beö Sanbfdfjaftöeinneijmerö ©täubßn,
geboren §atte, ift neben beö ©idfjterö 33ater, Sodann
griebridfj, nodf) ber fpätere Tübinger Dberamtöarjt
6rnft ttljlanb ju nennen, roeldfjem man in ben SBerfen
über feinen Steffen ba unb bort begegnet. Sofjann
griebrid^ felbft ftubierte bie SRedjte unb nmrbe ber
Slmtönad&folger unb ©d&roiegerfo^n beö UnitJerfitätö-
fefretärö &ofer. @r war 1756 geboren unb ift am
29. Sluguft 1831 geftorben, tm Sttter von fünfunbfiebjtg
Sauren, roie nadf) Ujm fein ©oljn. JtörperUdjje Straft unb
Sanglebigfett ift in ber gamilie erblidf) geroefen; t)on
ben bireften 58orfaf)ren beö ©id^terö biö ju bem S8c-
grünber ber Tübinger ßinie hinauf ift feiner unter
fiebjig Sauren t>erftorben. SSon ber SRutter ttljlanbö
fennen mir einen 33ruber, ben im Sa^r 1813 Der-
ftorbenen Pfarrer &ofer in ©d&miben bei ©annftatt;
er ift eö, ben Urlaub in jroei ganj befonberö auö
feiner eigenften Statur entfprungenen ©ebid&ten, „$uf
ben £ob eineö Sanbgetftlid&en" unb „2luf ber lieber*
faljrt", t)eremigt Ijat. S)ie SWutter felber jeigt fidj alö
eine auögejeid&nete grau in einigen ^Briefen an ben
©of)n, auö benen ungemein t)ict SSerftanb unb meib=
Ud&er, auf baö Sßraftifd&e gerichteter ©inn, oljne 3Ser=
jidfjt auf feinere Siegungen unb §ö!jere ©trebungen
beö ©eifieö, in einer fjerjerquidlid&en SBeife rebet.
®er SSater mufe ein burdf) unb burdf) eljrenroerter,
geraber unb geredeter SBiebermann gemefen fein, ber
bem ©oljne bie feften Seftanbteüe feineö SBefenö
vererbt f)aben mag; bie feineren famen jebenfaßö x>on
ber SUhttter. 2Bir nriffen tum tuet Ätnbern. 25aö
ältefte ftarb naty ber ©eburt. $>a$ jroeite, 1785 ge-
boren, mar ein IjoffnungötJoHer Jtnabe, fjriebrid^ mit
•Kamen, ber aber f<$on neunjährig t>om ©d&arlad&fteber
batyingerafft würbe. 3tt>et 3*$** nadE) iljm war Sub-
toig geboren ; unb ad^t Saljre na$ bief em eine ©d&roefter
fiuife. ©iefe »erheiratete fidf) im %afyc 1818 mit
einem au« SBaleörobe ftammenben Geologen -äWeger,
ber ©iafonuö in &aiterbad>, fpäter in 5ßfuHingen
tourbe; fie ftarb fdfjon im %al)x 1836, iljren ©o^n
tyat ßubroig, ber finberlofe ©ruber, in fein $atö auf-
genommen.
©ie Umgebung, in melier Urlaub aufmudfjö, ift
dfjarafterifttfdfj für 3*ü unb Drt wie aud^ für mand&eö
in feinem eigenen SBefen unb ißanbeln. ttijlanbö ©e-
burtfifyauö ift nur wenige ©dfjritte t)on ber Slmtö-
moljmmg befi ©rofeoaterö unb bem „©ttft" ent*
fernt. SHefe Slnftatt §at ja^unbertelang bie geiftige
Sßfwfiognomie beö roürttembergtfdfjen Sanbeö beftimmt
unb befyerrf d&t ; bübet fie bodjj auü) jefet nod^ roemgftens
einen feljr roefentlid&en gaftor in berfelben. ©ie mar
bie redete £odf)burg lutfjeranifd&er Sted&tgläubigfeit, an
roeldfjer bie mürttembergifd^e Geologie mit einer für
baö gattje roürttembergifdfje SBefen ber »ergangenen
Sa^r^unberte d&arafteriftifdfjen ^ä^igfeit feft^iett; fpäter
als anbersmo im proteftantifd&en Deutfd^Ianb brangen
tljeologifd&e Steuerungen burdf) bie feften 9Jtauern biefer
im Sntiem nodf) ganj ftöftertidE) eingerichteten Slnftatt ;
erft in unferem 3<*^unbert ift gerabe baö ©tift ju
einer ^Pftegftättc freier tyeologifdjer ^orf d^ung , oljne
irgenb eine befiimmte Sßarteiridjtung, geworben unb
es bis je|t geblieben. aber es war fdjon in alten
3eiten eine igeimat reblidjer Slrbeit unb ein SBereini-
gungsort guter ßöpfe. 2lu8 früheren Älöftern waren
ba§ ©tift felbft unb bie nieberen ©eminarien, roeld&e
auf baöfelbe vorbereiteten, hervorgegangen; fie ge-
währten atte freie Verpflegung ber 3 ö 9Knge, tveldje
bei ber bamalö fc^r jlrengen Älofterjudjt nidjt viel
©elegenljeit jur ©elbverfdjroenbung Ratten, ©o tvurbe
bie t^eologifdje Saufbaljn, welche überatt ju ben billige
ften unter ben afabemifdjen ©tubien jäljlt, in SBürttem-
berg nodj ganj befonberö bie 3 u ff u $* f ftr unbemittelte
Jünglinge, namentlich für ©öljne f leiner Beamten,
in erfter Sinie ber Pfarrer, in beren Familien ber
ftrdjlid)e SBeruf nodj biö auf unfere £age öfters feit
^aljr^unberten fortgeerbt Ijat. Slber bafür mürben
feljr tfid&tige Äenntniffe jur Stufnafjme in biefe 21m
ftalten verlangt; bie beräumte tvürttembergifd&e ©pe-
jialität beö „Sanbejamenö" mar ein feljr enges ©ieb,
burd) baö geringere ober felbft mittlere Segabungen
burd&ftelen. talentvolle unb fleißige Sirmut ift ganj
eigentlich bie ©ignatur ber Äreife, bie ftdj auö bem
©tift refrutierten. @ine etyremverte jtttlidje fieben§=
ffiljrung unb ein bebeutenbes, grünbli<$es SBijfen fteljt
auf ber einen, ein oft ganj ibiotifd) gemafjnenber
■Diangel an bem SBeltverfianb , ben ber Unbegabtere
fdjlieftfid) burefy ben SBerfeljr mit weiteren Äreifen ge=
minnt, auf ber anbem ©eite ber SRebaille. 3)er
(Sinflufe bes ©tifts erftredte unb erftredt fi<$ aber
nodf) triel weiter als blofe auf bie t^eologifd&en Kreife.
95er ganje Ijöfjere Se^rftanb ging aus bem ©tift
§en)or, wie roenigftens jum größeren Seile nod)
jefct; unb baräber hinaus war unb ift bie 3 a ^ btx-
jenigen beträd^tlid^ , roeldje bie t^eologifd&e Saufbatyn
eingefd&tagen, aber fpäter gegen eine anbere t>ertaufdjt
Ijaben unb nun au$ in weitere Kreife bes Beamten*
tumS etwas", oft fe^r triel von ber Sttmofpljäre, in
ber fie jut>or lebten, hineintragen.
Sie mfirttembergifdfie Ktrd&e war eine Korporation
mit allen Siebten einer folgen unb mit einem ganj
beträcljtlid&en Bermögen. SReben i^r ftanb bas weit-
lidfje Beamtentum: „Pfaffen unb ©Treiber", nrie
Unjufriebene fie nebeneinanber [teilten. @s ift eine
(gtgenljeit ber altroürttembergifdjen Berfaffung, in roel=
<$er gürft unb Sanb einanber als Kontrahenten eines
Vertrags gegenüberfianben, baf$ es fein in ber $er-
fon bes dürften gtpfelnbes Beamtentum nrie in mo=
bemen ©taaten gegeben Ijat. 3)ie Beamten finb
weit weniger Staats- als Korporationsbeamten, unb
äffe bie einzelnen Korporationen finb mieberum ver-
treten in ber großen ©ejamtforporation ber „£anb=
fdjaft". S« biefer flnben fid) bie Prälaten, b. I). bie
Borftänbe ber einzelnen alten Klöfter, neben bie Ber=
treter ber mehligen Slemter gefiefft, mit melden fie
als eine Körperfdjaft jufammen tagen unb beraten.
35er gürft fteljt neben brausen ; er Ijat bas ^Kammer-
gut" als Duelle feiner (Stnfünfte ein für affemal an*
8
gemiefen, bamtt fann er nadfj freiem belieben f galten;
bie ßanbfdjaft ift gar niift oerpfftdfjtet, üjm etmas bar-
über hinaus ju reiben, menn fie bas au<$ in ben
Dielen Äompromiff en , bie fie mit einer Sfteüje oon
igerjögen fd(jlof$, oft genug getyan §al Seibe £eile,
ber gfürft in ganj abfoluter Stellung als Matrimonial-
§err unb bie Sanbfdfjaft als SBerroalterin ber Staats*
einnahmen unb ausgaben, ftanben einanber auf einer
Sinie gegenüber. 2luS biefem (Styarafter ber alttoürt-
tembergifdjen Sßerfaffung flammen üpe SSorgüge unb
©ebredjjen; aus bemfelben ftamtnt audfj ein gut £etl
ber roürttembergtf<$en SBolteeigenf haften : SReigung gur
SSefdfjränfung auf engere unb engfte Äretfe neben
einem feljr f djarf ausgeprägten 9ftedf)t$gefüi)l unb einem
republifanifd^en ©tolj, momit eine jälje än^änglid^feit
an bas SCIte unb ein ferner beftegbares STOifctrauen
gegen bie ©elbftyerrlidfjfeit bebeutenber Merfönlidfj-
feiten &anb in &anb get)t. gfir bie Slusbtlbung mo-
ralifd&er SSorjüge ein t>ortreffli$er SBoben, minber
für bie über lonoentionette ©d&ranfen ^tnausftre*
benbe @röf$e eines tljatenburfiigen ©enies. SBenn
SBürttemberg eine ganj bebeutenbe Slnjaljl tüd&tiger
unb Ijod&begabter Äöpfe, ein Ijoljes ©urd&fd&nittsmafc
ber gelehrten ©Übung aufguroeifen ijatte, fo l)at es
biefen SBorjug mit einem auffallenben SWangel an
ftaatsmännif<$er unb roeltmämufdfjer SBtlbung, mit
ber „©ntfd&rodbung" feiner bebeutenbften unb freieften
©eifter — iä) nenne nur Slbbt, ©filier, Segel, S&öU
berlin unb ©dfjetting — bejahen muffen. Urlaubs
9
geiftiger 3uf$nitt Pftfcte freiließ fo t)oQftänbig ju ber
gangen geifiigen ©eftalt feine« &eimatlanbe$, bafc er
unbefdfjabet feiner §ert>orragenben ©etfteöfraft md&t
über biefelbe Ijtnauöjuftreben brauchte. @r war in
fie fdfjon bur<$ ©eburt unb SSerroanbtfd&aft mitten
IjineingejieHt.
2Bie er burdfj feinen ©roffrater von t>äterttdfjer
Seite mit . ber t&eologtfd&en ©rofemad&t im ßanbe
3fü§lung Ijatte, fo burdf) ben SBater unb burdf) ben
©rofcüater von mütterlicher ©eite mit ber etnftuf$retdfjen
unb bebeutenben Äörperfd&aft ber Tübinger i&odf)fd&ule.
3)ie ©rofcmutter ttt)lanb aber gehörte nid&t blofc einer
fe^r angefe^enen fjamilie in bem aitmürttembergif<$en
ftamütentyeUigtum an, fonbern mar no<$ baju bie
£o<$ter eine« ^Beamten ber Sanbfdfjaft. 35a fjaben
mir bie mefentUdfjen Seftanbtette beifammen, au% benen
fidf) ber fefie SBoben bübet, in meinem ttljlanb rourjelt,
aus meinem er nie t>erfeftt morben ift, oljne meldfjen
iljm aud(j gemtfc ber iljm jufagenbe Sebendfaft ge-
fegt ptte.
6ö maren burdfjauö gefunbe SBerljältntffe, in benen
ber Stnabt ijeranmudfjö. 3m tmterttdfjen Saufe Drb=
nung unb 3w$t, meldte bem ©o^ne für fein ganjeö
Seben geblieben ift oon ber reinen unb jüd&tigen 33e-
trad&tung beö SRenfd&enlebenö im großen bis jur pein=
lid&en Drbnung in allen Angelegenheiten beö täglidfjen
©efd&aftfi; 33ermanbte in Tübingen felbft unb im
Sanbe ijerum, meldte ein gaftfreied &au$ offen Rieften
— ein fdfjöner 3«g in b«n gegen Sluömärtige nid&t
10
übermäßig gaftltdjen SBürttemberg mar bie ungemeine
©aftfrei^eit gegen alles, roas in einem beliebigen (Stab
t>ermanbt ober a\xä) nur „gut greunb" fein mochte,
t>on melier namentttdj bie $Pfarrf)äufer ju fagen
mußten — ; eine tyerrltdje (Segenb mit ber gefünbeften
Suft, mit ben medjfefoottften (Spaziergängen unb ben
mannigfaltigsten, ftimmungöüo Elften £anbf<$aftsbilbern,
erfüllt von Ijifiorifdjen ©rinnerungen, benen in fpäteren
Sauren ber 9Kann mit unermüblid&er £reue unb
feinem ©pürfinne nadrforfd&en fottte. Uljlanb mar ein
frifdjer, berber Änabe, in förperlt^en Uebungen ge-
rvanht unb außer ben übltdjen Äinberfranl^eiten immer
gefunb ; er Ijat aud) fpäter, roäljrenb ber gmeiunboierjig-
jährigen 3)auer feiner @§e, feinen 3Xrgt gebraust biö
ju feiner lefcten Äranffyett. 2Bie er an Seib unb ©eele
um>erborben blieb, fo l)at er audj in ber ©djule fi<$
mader gehalten. 3n ber gefaxten £ateinfd)ule
Tübingens, ber schola anatolica, mar er faft immer
ber @rfte feiner Älaffe.
SBir fjaben nodj Ueberrefte von feinen ©djuk
leiftungen. $)ie Äunft, latcinifd^e SBerfe ju madjen,
ftanb bamalö an ben mürttembergifdjen ©djulen in
uoHer Slüte. Urlaub muß SWeifter in tyx gemefen
fein; man lieft von ^unbert latetnifd&en SBerfen, bie
er auf einmal für bie ©djule angefertigt fyabt. (Sa
finb uns ein paar groben feiner Äunft erhalten geblie-
ben, au& etroas fpäterer Seit, °bex bie Uebung reicht
jebenfaHö nod) in bie ©d^uljeit jurüd. 6m ©elegenljeitö=
gebiet in SHftidjen von jierlidtfter Urbanität verrät
11
benmnberungswfirbige ©ewanbt^eit, ein glücf lid&es ©tu-
bium ber alten römifd&en ©legtfer. Unö folget He-
bungen Ungewohnten imponieren berartige Seiftungen
aUerbmgö meljr als einer mit iljnen vertrauten $eit;
Urlaubs SBcrfc ftanben aber audfj bamate jebenfaflfe
über bem ©urdtfd&mttdmaf}. Sie fappljifd&e ©tropfe,
an fidj wotyl fd&wieriger unb in ber ©d&ule minber
geübt, !jat fidf) iljm nid&t oljne mannen SBiberftanb
ergeben. SBeit ja^Ireid^er aber finb Uljlanbs SBerfud&e
im beutfd&en ©ebid&te nodf) aus ber j&tit ber ©d&ule.
©ie beginnen fd&on im Sa^re 1800, unb gleid|) au$
bem folgenben 3a^r lenne idf) iljrer me^r als ein
2>ufcenb. ßines berfelben ^angt atterbingö unmittelbar
mit ber ©d&ule jufammen, eine gereimte Sitte an ben
Steftor um ©ewä^rung ber grüfjjaljrsoafanj, ein an-
beres wenigftens mittelbar, benn es ift eine lieber-
fefcung aus ©ilius Stalicuö. Sie übrigen finb o^ne
fol<$e 33eranlaffung entftanben unb Ijaben bie t>er=
fd&iebenften ©egenftänbe unb gormen, fie jeugen tum
früher ©ewanbtljeit bes SluSbruäs, t>on ber Äenntnis
bebeutenber SDfttfter; aber wer wirb oon ben @rjeug-
niffen eines SBierjeljnjäfirigen erwarten, bafe fie ben
fpäteren 3Keifter oerraten?
3m Saljre 1801 mürbe Uljtanb fonftrmiert; ben
t>orberettenben ttnterridfjt Ijatte er beim ©rofjtwter ge-
noffen. 3m &erbft besfelben Sa^reö mürbe ber SBier-
jeljnjäljrige unermartet oor bie Sßa^t feines Berufes
geftettt. ©eine eigenen Steigungen mären auf p^ito=
logtfd&e ©tubien gegangen, aber biefe waren bamals
12
no<$ nidfjt in georbnetem felbflänbtgem Setrieb an bcr
IjeimatHd&en &od)fd)ule; unb fo mar ftatt iljrer bas
©tubium bcr 2Rebt$in in Slusfid&t genommen, @s
mürbe aber in jenem 3>a^r ein grofees ©tipenbium
frei, bas nur für SEljeologen unb Suriften beftimmt
mar, unb fo entfd&tofc fidj Urlaub ju ber Saufbatyn
feines SBaters, ber jurtftifd^cn. ©er ©ntfdfjlufe muffte
über 3laü)t gefaxt merben, unb Urlaub felbft fagt
„gegen meine« feerjens 3)rang". Uns ift nun freilidj
ber Surift unjertrennlidfj oon bem 33itb Uljlanbs, bes
nie gebeugten SBertreters alter gefdjjriebener ©efefce
mie ber „ungef d&riebenen 9tedfjte" bes gefränften SBolfes ;
unb er felbft läfet ja ben zbtn angeführten SBorten bas
Sefenntnis folgen, bafc iljn nid&ts fo ergreife unb jum
Sieb begeiftere, als bie ©öttin bes SRed&ts, menn jie
SBölfer jur Jtlage, Äönige $ur SRed&enfd&aft rufe.
©o meit mar's im ^afytt 1801 nod^ mdfjt. Urlaub
inflribierte jroar am 3. Dftober jum ©tubium ber
SRedfjte, aber t)on einer mirflidfien ^Betreibung besfelben
fonnte nodfj feine Sftebe fein, ©s mar ntd&t feiten,
bap Tübinger Sürgerfö^ne in fo früfjen Sauren afabe=
mifd&e SSürger mürben. 2ln ber anatolifdEjen ©dfjule
fehlten bie Dberflaffen. 35iefelben mürben bann burdfj
5ßrit)atunterrid^t erfefct, ber bie formell fd&on jum
©tubium jugelaff enen auf basfelbe oorbereitete. U^lanb
genofc folgen $prit>atunterrid(jt bei bem Repetenten
©eubert, ber fpäter Sßralat mürbe; mir erfahren auf$er=
bem, baf$ er SBorlefungen bei bem pljilologifd&en 5ßro=
feffor ©egbolb työrte unb bafe ©onj, ber bamalige
13
iQauptt>ertreter bcr ftaffifd&en 9Htertum$nriffenfd|jaft
unb bcr frönen ßitteratur in Tübingen, rooljlroollenbe
Seilnaljme für tyn gejetgt fjat. SRebcn ber ftaffifdfjen
Sitteratur mürben au<$ neuere ©pradfjen getrieben.
5Bon ben fdfjönen Äünften tyulbigte Uljlanb ber jeicfc
nenben nid&t o^ne ©ef dfjtä ; namentlich im aquarellieren
von Sanbfd&aften Ijören mir tyn loben. S)ie 3ttuftf
liebte er, aber oljne fie auszuüben. Äörperlid&e ttebungen
pflegte er unb bemaljrte fidf) ©emanbtljeit unb SUMjär-
tung bis in fein tyoljeä Sllter. 3ln bem ftubentxfd&en
£tbtn in ber §erfömmü<$en 2lrt unb SBeife Ijat er
feinen Slnteil genommen, audfj mdftf, al$ er im Saljre
1805 fein eigentlidfjeö gadftftubium begonnen fyaitt.
(Sr f)atte an feiner gamilie einen feften 3tfidff)alt, unb
es fehlte audf) an ^reunben nid&t, unter benen fidf) eine
gehobene ©efeßigfeit anfnüpfte. 3$ miH bie jiemlidfj
jaljlretd&en SRamen ber 3ugenbfreunbe Urlaubs, wie
mir fie au& feinem SBriefmedftf el t ernten, nidfjt anführen ;
für mürttembergif d&e D^ren Ijaben mehrere bief er -Warnen
fe^r guten Älang, aber bie ©efd&id&te unferer ßitteratur
nennt fie ni<$t. ©ie mirb nur bie SRamen 3iuftinu$
Äeroers unb Äarl Stftoijers ju nennen fyabtn, meldte,
beibe ein 3al>r älter als ttljlanb, 1803 unb 1804 bie
ttnfoerfttät belogen, ©ie finb bie eigentlichen littera-
rifd&en ©enoffen ttljlanbö, mie bamate, fo aud& nodf)
weiterhin; ju tynen tritt fpäter ©d&mab, ber mit
Urlaub na<$ beffen 9iüdßel)r von ?ßarid in greunb^
fdjjaft getreten ift. 3$ serfpare aber auf timn an-
bereu Drt, von ben gemeinf amen poetif d&en Seftrebungen
14
imb SBerfudfjen bcr ^reunbe ju rcbcn. SBon bem muntern
unb (jarmlofen £on bcr ©efetttgfeit, ber unter tynen
fjerrfdfjenb war, geben uns bie galjlreid&en SBriefe,
roetöje SRaijer in feinem gefpräd&tgen SBudjj über Urlaub
t>eröffentftdf)t §at, einen Segriff. SWaper ift ber gute,
treue Äamerab mit einem feerjen t>oH ©onnenfdfjetn,
etwas umftänbttd&, faft jeremomöö nadf) fdf)tt>äbif<$er
3lrt unb SBetfe, ber Pfleger aller t>erroanbtfdf)aftltd(jen
33ejiel)ungen, bie fidf) nrie ein trielmafd&tgeö 9lefe gmif df>en
ben 33eamtenfamUien SBürttembergö f)in unb fjer
fpannen, bas äuge für aHe§ getne unb ©dfjöne ge=
öffnet, ate $reunb ber Statur mit jener unenblid&en
2lnbad&t gum Äleinen unb Merfteinften btQabt, bie
er in willigen epigrammartigen Siebern Sluöbrud
ftnben läfct; babei aber ber moralifdfjen -Jiatur naä)
fernljaft frif<$> fretyeitsliebenb, ein rüftiger SBanberer,
ber baö ganje Sanb bie Äreuj unb bie Duer burdfj*
jogen unb aud^ ben nid^t minber rüftigen ttljlanb nodjj
um fieben Sa^re überlebt l>at.
@ine gang anbere SRatur mar Äerner. ©d&on
frü^e fränfelnb, tyat er bodf) ein ^oljeö SUter erreicht ;
feine neroöfe Äonftitution mag bie SBtberfprüdfje unb
©d&roanfungen in feinem SBefen erflären. 6r ift meidf)
bte gur Unmännftd&feit, bann nrieber jomal auffd&nettenb,
ja fatirifdfj angreif enb. 35eß Sammems ift fd&on in
feinen ^ugenbbriefen lein @nbe; aber ein Shtcf, unb
ber fanguinifdfje SKann fdftfägt bie £öne beö auö=
gelaffenften feumorö an. %n it)m ift von allen ben
greunben am meiften t>on ber romantifd^en Ironie.
15
2)odj ift fic bei iljrn nifyt jerfefcenb unb t>erneinenb;
bic SBejaljung erhält bas ttebergenrid&t. ©r bringt bcn
2Renfd)en unb Singen ein üon Siebe übetroaüenbeö
&erj entgegen; leidet üerlefct, üerjei^t er ebenfo leidjt.
©ein §au& am guße ber SBeibertreu ift eine offene
Verberge für bie üerf cfyiebenften ©elfter geroef en ; Senau
unb SUefanber t>on SBflrttemberg fyabtn bort gekauft,
aber audf) nodfj ganj anbere 3)ämonen, bie ber menfdfjens
freunblid&e Slrjt armen SReroen- unb ©emütöfranfen
anzutreiben bemüht war. Sludfj fein ©eifterglaube,
ben ber t>on igaua aus ganj rationaliftifdjj angelegte
ttfjlanb nie geteilt, ben er trielme^r in ber prädjjtigen
„©etfterfelter" fe^r anmutig ironifiert Ijat, nimmt an
bem ^umoriftifd^en ©runb^uge be§ ganjen SWanneö
teil. 3m ©runbe treu unb rooljlmeinenb, ift Äerncr
bodfj jum Spielen aü$u geneigt. 35er geiftig unru^igfte
unb neroöd erregbarfte unter ben greunben, tritt er
au$, mie mir feljen werben, am frütyeften felbftänbig,
ja aggreffto, in bie litterarifd^e Deffentlid^Ieit t)inauö.
tttylanb erfd&etnt in ben Sriefen ber greunbc
immer als xfyc geiftigeö igaupt. ©<$on in btn Seiten
iljreö afabemifd&en gufammenlebenö *) at er mehrere
feiner ^orjüglid^ften ©ebid&te gef Raffen, ©eine ruhige
gefiigfeit, feine männliche Söttlbe trugen weiter baju
bei, ü)m fdfjon in frühen Sauren baö unangefochtene
Slnfeljen ju t>erf Raffen, beffen er fein lebenlang alö
ber größte unb befte unter ben jeitgenöffifdfjen ©intern
feiner Heimat genoffen l)at. SBam^agen, ber im ©pät*
Ijerbft 1 808 naä) Tübingen f am unb mit Äerner balb
16
eine innige greunbfd&aft fdftfofc, nennt Uljlanb „ben
entfd&lojfenften, Ijartnädfigften ©dfjroeiger", ber ifjm bis
baljin oorgefommen fei. „Siebet er aber, fo ift, ma§
et fagt, gebiegen, ftar, jroedhnäjHg unb möglidftft fürs.
Dljne alle Slbfidfjt unb 3icrerei ift eö fo, auö freier
■Watur Ijerauö." Sieben SSam^agen, fagte Ufjlanb felbft,
fyabt man freiließ fd^roeigfam erf feinen muffen; aber
es ging anbem bamate unb fpäter ebenfo mit ü)tn.
@r ^atte bie SCrt entfc&loffener unb jielbettmfcter ©^araf-
tere an fi<$, roeld&e nid&t unnfife reben, meldte jroar
unbeugfam entfdftfoffen finb, t>on iljren Meinungen
fein Sota nadfoulaffen, eß aber für gang überftüffig
galten, bief elben überatt aufjutifd&en. 6r ift im lifc
terarifdfjen unb im pottttfd&en £tbtn feiner Ueber*
jeugung treulidfj nachgegangen, oijne anbern bie irrige
ju oerargen. ®ine grfinblidfje unb reblid&e gorfdfjer*
natur, baute er feine ©pejialforfdjungen auf baö fau=
berfte unb gemiffenfjaftefie aus, otyne ben Äifcel ju
enajflopäbifd&cm Sßiffen ober gar jur eiteln 2fas*
framung eines folgen ju Ijaben. SBon entern ©tolj
befeelt, mar er fidjj ju gut, ftdf) aufjufpielen. §uU
bigungen, bie man iljm in fpäteren Sauren fo oft
barbradjte, waren iljm ftets peinltd^, oielleidfjt nidfjt
bloß aus 33ef<$eibenl)eit ober roetl er ftdf) ba genötigt
fe^en fonnte, öffentlich $u reben — was er, wo's bie
©ad&e wollte, ganj oortrefflidE) oerftanben i)at — , fon*
bern auü), mie es Def)lenf Kläger einmal an tym b&
merft fyabm wollte, aus einem ©tolj, ber roaljrljaft
grofeen 2Renfdfjen faum jemals fehlen fann. SBenn
1?
man anbererfeitö auf bie in Uljlanbö &eimat fo fe^r
häufige Ungewanbtljeit ber 9tebe Ijinwetft, bie bei iljm
befonbers ftarf nor^anbcn war, fo trifft bas, rote bei
uns ©dfjwaben überhaupt, fo aud) bei U^lanb nur in
einer bestimmten Stiftung ju. 2Ber bie f<$wäbifd)e
©efettf<$aft aud) nur ein wenig fennt, ber weift, wie
lebhaft, ja aufgeregt unb leibenfd&aftlid) bie Unter-
Haltungen unferer 9Kännergefettf<$aften fein fönnen.
Slber ber SBürttemberger, fall« nid)t inbimbuette ©igen-
tfimlidtfeit ober längerer aScrtc^r mit gfremben eine
Ausnahme bewirft, wirb nur gefprädjig in einem Äreife,
voo er ganj Ijeimifd) ift. <5r ift t>erlefcbar unb mifc
trauifdf); er Ijat pon alter $eit, von jenen SJagen Sllt-
Württembergs l)er, wo fein ßanb eine Slrt t>on Snfel
im potitif <$en unb ftulturleben bilbete, wo innerhalb
beöfelben ein ©pftem von Korporationen ben Drganiö*
muß bes (Staates ausmalte, ein lebhaftes Sewußtfein
uon ber 33ebeutung feines 3Wafro= unb 9Ki!rofosmuS,
ein ableljnenbes SBeneljmen, bas an 33era<$tung flrcift,
gegen bas gfrembe unb innerhalb feiner ©renjftöde
bie Steigung, wieber neue ©renjen in $orm ber t>er-
fdjiebenften gefettigen Äorporationen ju bilben, beren
gegenfeitiges SBerljältms leidet in geinbfdjaft ausartet.
©o entfielt naturgemäß eine gewiffe Slbneigung gegen
größere unb freiere ©efettigfeit, aber innerhalb ber
einmal gebilbeten Äreife ein um fo lebhafteres unb
burdfj (Stilette wenig geftörtes treiben. 2tud) von U^=
lanb wiffen bie, welche i^m einigermaßen näljer famen,
px berieten, wie ganj anbers, wie bequem gefettig er
Bfiffter, SJubtoig U&lanb. 2
18
ftd) gab, wo er in jufagenber ©efefffdfwft war. @r
war gar lein $reunb bcr ©infamfeit; aber er liebte
Keine, burdfjauö juf ammengeljörige Streife. 2)ie 2Ränner=
gefettfd&aft war es, bie er nadj ffibbeutfd&er SBeife üor-
$og; in ber ein gerabeö 2Bort fein SBerftofc gegen bie
©efettfdfjaftöregel ifi. 3)aö 3Re|elfuppenlieb unb bie
beiben Strinflteber finb i^m üorn &erjen gefommen,
unb aufs feinfte l)at er baö 23jeetrinfen, bas Storn-
Ijagen ju feinem e&rlidfrften ©ntfefcen in Tübingen nodf)
nid&t 3Kobe geworben fanb, jum ©egenftanbe jierlicfc
Ijöflid&er Ironie gemalt. Sie gemifd&te ©efcüfd^aft,
in ber oberfläd&lid&eö ©eifireid&tljun fo gerne bie Dber=
Ijanb gewinnt, fonnte iljm nidf)t jufagen; bafi SBeib
ftanb bem SKanne t>oQ tiefgrünbiger (Smpfinbung ju
Ijodf), als bafc er mit iljm l)ätte fofettieren mögen.
2lm Ijäuötidjen £ifd& ober in ©efettfd&aft weniger
^reunbe, ba taute er auf; ba fonnte er berebt werben,
ja üon Suftigfeit fprfil)en. ®in liebenöwürbiger £umor,
ber gerne bie ©pifce audf) gegen fidf) felbft wenbet,
fprid&t aufc mannen feiner ©ebidite, unb ein fold&er
war ü)tn audf) im gefelligen SBerfe^r eigen. Älatfdf)
unb ©emeinljeiten burften ba feine SRoffe fpielen, unb
bie aud) bei emfter ©egnerfd&aft mit bem fdfjlimmften
SBort jurücf&altenbe 3Rtlbe in ber $orm, bie er in
feiner politif<$en Sßolemif, in feinen wenigen fritifd&en
äleufterungen über litterarifd^e 3)inge an ben £ag legt,
ift ü)tn gewifs audf) im gefettigen SBerfetyr eigen gewefen.
3n jungen SJagen war er woljl lebhafter, Ijumoriftifd&er
unb ju luftigem ©pafj, audf) ©pott aufgelegter als in
19
fpäteren Sauren. SBcnn alle feine 93riefe — fie finb
ja leibet bie einigen Drigütalurfunben, aus betten ber
©pätergeborne bte Kenntnis feiner perf önlid&en 3lrt
ftd) ju geben f köpfen fann — eine ernfte, gemeffene
$orm bes Slusbrucfs bewahren, bie in ben an $rembe
geri^teten faft ins ßeremoniöfe getyt, mnn mir in
üjjnen vergebens jene felbftgefättige, polemifd&e 3Wanier
fud&en, in bie ein SBrieffdfjreiber fo feljr leidet üerfättt,
fo finben nrir bodfj in ben greunbesbriefen aus ber
3fugenbjeit eine lebenbigere gärbung, eine jugenbüdfje,
ftubentifdfje greube am ©djerj, felbft am Ijarmlofen
©pott. 3Jn ber Sugenb, bis ju feinem breifngften 3al)r
etroa, l)at er folgen Stimmungen audE) öfters öffent=
lid^en 2tuSbrudf im ©ebid^te gegeben, aber nur in
genriffen ©darauf en: ber &umor otyne fatirifd&e ©pifce
Ijerrfdjjt bei weitem üor; roo fidf) ©atire, ^onie finbet,
ift fie nie vergiftet unb jeigt ftdf) burdjaus auf bas
Ktterartfdfje ©ebiet befd&ranft, auf ben Äampf jmifd^en
ber SWomantif unb iljren (Segnern, roo feine emften
Sebensfragen ins ©piel famen unb roo bie ftttttdfje
Beurteilung fein gorum Ijatte. Sluf bem potitifd^en
©ebiet fämpft er ernft unb gemeffen; ^ier, roo audf)
ber Ijarmtos gemeinte ©pott leidet ©erlebt, weil bie
tiefften Sbeen heraustreten unb ber 3Kittelpunft bes
fittüd^en 9Renfd^en in bie ßampflinie rüdEt, ift nur in
einem ©ebidjjt, ber „Sßanberung", bie SBaffe bes iQoIjnö
— unb eines farfaftifc^mnid)tenben — gef dEjnmngen ;
biefes ©ebid&t ift aber aus bem %dt)x 1834, ber $ett
ber tiefften polittfdfjen ©nttäufd&ung, ein Saljr, nafy
20
bem Urlaub feinen 33eruf feiner politifdjen lieber^
jeugung Ijatte jum Dpfer bringen muffen, o^ne eine
ftrud&t für fein SBaterlanb bapon ju ernten. 3n ben
Stampfen um bie SBerfaffung tjatte er neben ben ®e~
bieten, bie wir in ber Sammlung feiner SBerfe lefen,
audfj fatirifdjje SBorte auf SSangenljeim gebietet, aber
er t)ielt es für Unred&t, ftc ber Deffentttdjjfeit ju über=
geben.
3)er greunbesfreis, in meinem Urlaub mä^renb
ber ©tubentenjafjre fidfj bewegte, mar aus Angehörigen
attef gafultäten jufammengefefet. Sturer perfönlidfjer
greunbfd&aft bttbeten audfj tttterarifdjje Seftrebungen
einen Äitt unter i^nen. ©s mar bie 3eit, ba bie
Sftomantif in ifjre jroeite Sßeriobe eintrat, bie 3*ü, ba
33rentano, 2lrnim, Greujer in ißeibelberg ü)re roman*
tifdfje Hofburg aufgefdfjlagen Ratten unb aus i^r bie
aKanifefte bes neuen poetifd&en ©laubens in bie SBelt
fanbten. S)ie Tübinger greunbe nahmen an biefen
33eftrebungen Stntcil. Slus iljrer ©tubentenjeit finb
nidjt blofc bie ©idfjtungen, mit benen fie juerft im
©efotge ber SRomantif erfdfjienen, fonbem es entftanb
audj) bamals, im Sa^r 1807, ein ^anbfd^riftlid^es
„©onntagsblatt" in iljrem Streife, roeldfjes in ftubem
tifd&er Stneipjettungsroeife, bodf) audfj in ernfteren £önen
bie ©adfje ber 9tomantif vertrat; Ultfanb naljm einen
^ert)orragenben Stttteit baran. SHe S)auer biefes
SMatteS mar furj. 9We^rere Sängeljörige bes Streifes
t>erßefjen fd&on 1807 bie fcod&fd&ule. 3mei 3a§re
fpäter gingen Sterner unb SBarnljagen oon Tübingen
21
fort. 2tud) Urlaubs bleiben mar nidf)t meljr lang,
©r Jjatte fdfjon im 3a^r 1808 ba§ juriftifdfje gwful*
tätöc^amen rüljmlidE) beftanben; am 1. 2lpril 1810
übergab er feine 2)oftorbiffertatton unb btfputierte $mei
Stage barauf. @§ mar feine einjige Strbeit aus bem
©ebiete beö gelehrten SRedjts unb Ijanbelte de juris
romani servitutum natura dividua vel individua.
35ie 2lbbanblung fyat t>on ©adfjfennern eine l)ödjft am
erfennenbe ^Beurteilung erfahren; etmaö llngrünbltd&eö
jii madfjen märe für ttfjlanb eine Unmögltdf)feit ge*
mefen.
©<$on als Urlaub neun ^afyxt früher fid^ für bas
©tubium ber Siebte beftimmt Ijatte, mar ifjm oon
feinem SBater eine nriffenfdjjaftlid&e Steife in 9luöfid^t
geftettt morben. Sie trat er nunmehr an unb gebaute
mit ber 2Bal)l feines Steifejielö jugleidfj feinem prafc
tifd&en Seruf unb feinen litterarifdfjen Steigungen ju
bienen. SBürttemberg mar ein ©lieb beö 9tt)einbunbs ;
ben Code Napoleon in granfreidfj felbft praftifdf)
lennen ju lernen, fonnte für bie Ausübung beö
jurifüfdfjen SBerufeö -Jtufcen bringen, ©o badete jeben-
falls ber SBater Urlaub, als er ben Sßlan, nadE) $aris
ju gelien, gut Ijiefj. 2)er ©ofyn mar nidf)t gemittt, an
biefer Duelle praftifd&er SBeleljrung oorüberjugefjen;
aber raas tyn nad^ $aris jog, mar meit meljr bie Siebe
jur Sßoefie bes SKittelalters, meldte er bort in ben
©djjäfcen ber großen 33ibliot^eI fo gut mie nirgenbs
fonft ftubieren fonnte. ©o reifte benn Ufjlanb im
9Jtai 1810 nad& Sßariö, jum ©ntfefcen Äerners, ber
22
fidEj ntdjt üorftcücn fonnte, mas fein greunb bort
fudfje. @r traf in $aris mit SBarnljagen mieber ju=
fammen, lernte aud) ©£)amiffo fennen, aber bie wert-
twllfte 33efanntfdE)aft mar bie mit Swntamtel 33efifer.
2ln i^n, eine ebenfo grünblid&e unb fdfjmeigfame Statur
mte er felbft mar, fdjloß er fidf) eng an. SBeffer mar
ju f laffxfdj-pljilologifd&en ßmedf en nadf) $arte gekommen,
fjulbigte aber baneben feinen Steigungen für romanifdje
Sitteratur. @r madfjte Urlaub mit ber fpanifdfjen unb
portugiefifdjen ©pradfje unb Sitteratur befannt, Urlaub
it>n mit benen beö Sorbens ; in ber pflege alt=
franjöfifd&er 35id)tung trafen fie beibe jufammen. @ö
mar bamals t>on ben ©Säften berfelben nodf) ganj
menig befannt. Urlaub eignete fidf) mit feinem eifernen
gleife, ber audfj burdfj bie Äälte beö 2Binter§ in bem
mangelhaft gezeigten ©aal ber 33ibliotljef ntdjjt ju
ermüben mar, feljr bebeutenbe ßenntniffe auf biefem
©ebiet an, bie er fiel) jum gröfeern Seile burdj mfl$«
fameö ©tubium ber ißanbfd&riften felbft ermerben
mußte. @ine $rud£)t biefer ©tubien mar ber „SUif-
fafe über ba§ altfranjöfifd&e (Spoö", üon bem idj fpäter
ju reben Ijabe. S)ie Slbfd^riften llljlanbö aus alt-
franjöftfdfjen föanbfd&riften Ijaben nodfj anbem gorfdjjern
gute SHenfte getrau; unb nid£)t üergeffen barf idjj bie
Anregung, meldte er felbft burdE) feine arbeiten $u
mannen poetifdfjen SBerfen erhalten fjat, nidfjt bloß $u
bireften tteberfefcungen altfranjöftfdSJer ©ebid^te,fonbem
audf) ju eigenen ©d)öpfungen, unter meldten fi<$ ein
paar feiner auagejeidfjnetfien beftnben. S)aö gelb mar
23
weit, auf baö fidfj ttljlanb ijier begeben Ijatte, unb t>er-
fpradfj mandEje wolle grudfjt. Urlaub rofinfd&te feljr,
feine glüdftxdf) begonnenen ©tubten nodfj länger fort-
feien ju fönnen; aber ber bamate nodfj erforberlicije
Urlaub $um Slufenttyalt im 2lu8lanb würbe tljm von
feiner Regierung t>em>etgert. ©o mufete er nad& adfjt-
monatlid&em Stufentljalt am 26. Sönuar 1811 vtm
Sßaris abreifen. 63 war erftauntid) mel, roaö er ftd()
bort in biefer für berartige ©tubien fnapp bemeffenen
3eit angeeignet Ijatte; aber er wirb nur mit ©d)tner$
an baö gebaut Ijaben, maß er nodfj weiter Ijätte er-
werben fönnen. 3luf ber feeimreife naljm Urlaub
einen lurjen Stufentljalt bei Äerner, ber ftd) im 2Büb=
bab als 2lrjt niebergelaffen fjatte. S)ie greunbe be=
fpra<$en ben Sßlan eines poetifdfjen 2Hmanad(j$, ben
Äerner no<$ im felben 3>af)r erfd&einen Hefe. 3lm
14. Februar ift ttfjlanb wieber in Tübingen.
6$ mar woljl ein harter ©prung aus bem feine
gange ©eele befriebigenben ©eleljrtenleben in Sßaris in
baö eine« Jtanbibaten ber 5Re<$te, mit einem 2eben&=
beruf oor 2iugen, ber auf foldfje geifiige ©enüffe l)in
üottenbö nidjjt meljr munben wollte. SDie ^urifterei
machte iljm „taufenb ©frupel", wie er feinem t)er~
fdjjwiegenen SJagbudfj ancertraute , unb feinem -Kaper
Hagte er, wie feljr er üereinfamt fei. 2)ie Sßoefte,
oon beren „gemaltfamem unb mftinftmäfngem 3Sor=
bringen unter ganj frembartigen 33efdfjaftigungen" er
berietet, unb bie gelehrte arbeit an feinem Sluffafc
über ba$ altfranjöfif^e @poß tröfteten iljn.
24
2tud) an neuen $reunben fehlte es md&t. %ä)
nenne Äarl -Kapers 33ruber äfoguft, ber bamate bie
9te<$te in Tübingen ftubierte, ein Jüngling pon
glüljenbem ©eifte, oon tyoljer mufif alif dfjer SBegabung ;
t)or allem aber ©uftat) ©d&mab, ber als ©tubent ber
Geologie im Stift lebte. S)iefe 33efanntfd(jaft, meld&e
fd&nett ju einer innigen $reunbfd&aft mürbe, f)at für
Uljlanb bie größte unb erfreuliche Sebeutung erlangt,
©d&mabs fanguinifd^e Seb^aftigfeit ergänzte llljlanbs
bebädfjtige, ja mitunter fdfjmerfättige -Jiatur. 2)er fünf
3>aljre jüngere 3ßann flaute mit einer glü^enben
Segeifterung ju feinem 9Mfter auf; es mar iljm bie
^öc^fie 33efriebigung, ftd& Urlaubs ©d&üler ju nennen,
ba er bodfj, im mefentlid&en freilidf) auf iljm fufeenb,
in mannen Seftanbteilen unb 9ttdf)tungen feiner
^Socfie ftd& felbftänbig neben üjn ftetten fonnte. S)ie
SBerounberung für ttfjlanb auäjufpredfjen, ift ©dfjroab
ntdfjt mübe gemorben, unb er Ijat in feiner Ittterarifdfjen
£l)ättgfeit, jumal als 9tebafteur be$ SDiorgenblattö,
bie auögiebigfte ©elegenljeit baju gehabt, ©r mar
aber nidjt blofc ber treu ergebene Sttnger, ber 3lafy
folger unb ©enoffe in ber bid&terifdfjen Äunft, er mar
für Urlaub no<$ meljr. Äerner unb 3Kaper ftanben
biefem im Stltcr näljer, mit bem erften fjatte er bie
erften $lüge in bie poetifdfje Deffentlidfjfeit getrau,
mit bem jmeiten üerbanb i£)n politifd&e ©eflnnung
unb in ben fpäteren Sebenöja^ren gemeinfamer 3Bol>n=
ort. ©djjmab aber Ijatte bie unfd(jä|bare SBebeutung
für Urlaub, ba§ er if)n audjj auf feinen ©ängen als
25
^orfdjer begleitete, bafc er geroiffermafjen ein 33anb
jtmfdjen ber jettlofen SHdjtung Urlaubs unb ber
litterarifdjen Kultur ber ganjen $ät Wfonfl. ®*
Ijatte t>or ben beiben anbem ftreunben bie encpflo=
päbifdie, pf)ilofop£)tfdje ©Übung bes ©tiftlers üoraus,
bie bei iljm bie beftimntte Stiftung auf bas 9leftl)ettfd)e
naljm. @r f)at ftd) ntit antifer, mittelalterlidEjer unb
neuer Sitteratur im umfangrexdjften 2ttafje befaßt
unb war als ©tjmnafialleljrer, als 33erfaffer eigener
SBerfe, Herausgeber unb tteberfefeer frember, enblid)
alö SRebafteur einer mäßigen titterarifdjen 3ettfd)rift
in feiner igeimat ein bebeutenber StlbungStrager, eine
litterarifdje ©rofsmadEjt.
■Jladjbem Urlaub anbert^alb !3aljre befd)äfttgungs=
los ju igaus gelebt tyatte, eröffnete fid) eine 2fosfidjt
für fein praftifdjes Seben. <5r befam ben SBorfdjlag,
alö ©efretdr beim Suftijminifterium protriforifdj ein-
jutreten, unb es mürben tljm gute 3lusfidE)ten weiter*
Ijin gemalt. Urlaub geigte ftd) bereit, erhielt am
3. ©ejember 1812 bas 2lnftettungsbefret unb fiebelte
am 16. na<$ Stuttgart über. 3n i> er Jßauptfiabt bes
ßanbes Ijatte er nun fiebjeljn 3a^re lang feinen Sßoljns
jxfc, ben er erft ju Slnfang 1830 infolge feiner
(Srnennung jum Sßrofeffor mieber mit feiner 33ater=
ftabt Tübingen üertaufdjte. ©ein erfter 33eruf ge=
roäfjrte if)m aber feine SBefriebigung. 3)er 9Winifter
t)on ber Sülje nrirfte fdjon von 2lnfang an abftofeenb
auf iljn unb es bilbete fid) jtmfdjen bem SBorgefefcten
unb bem Untergebenen fein angenehmes SBer^ältnis
26
auö. 2ludf) bcr ganje ©efdfmftefreiö, in ben nodfj tncl
Äabtnettöjuftij Ijereinragte, mar bcm ©tnne bes jungen
9Kanne§ juroiber. Angenehmer gematteten fidfj bie
perfönlidjen SBerljältniffe. @3 fonnte fdfjon bei ben
naljen Sejie^ungen ju angelesenen Familien Stuttgart«
nid&t an einer freunblidfjen SSfafprad&e fehlen. 2Kandf)e
alte greunbfdjjaften würben befeftigt unb mm ge-
grünbet. 9Kan roeift namentlich t>on einer ©efettfd&aft
geiftretd&er 3Kanner, in bie llfjlanb Slufnaljme fanb
unb bie na<$ bem rü^mlidf) befannten SBein^auß, in
bem fie üerfeljrte, bie ©dfjattengefellfd&aft genannt
mürbe. %vlx fie f)at U^lanb mandfjes gefettige Sieb
gebietet, unter anberem bie ©efd&id&te von ben fiebert
3e<$brübern, man mödfjte mutmaßen audj baö £rinf-
lieb „2Ba§ ift bas für ein burftig Safjr" unb baö
■JRefcelfuppentieb. < $n biefem Greife ging es mdf)t
weniger frifdfj unb burfd&ifoö $u als früher in bem
greunbeöfreiö auf ber &odf)fd£)ule. Um fo ernfter unb
unerquidElid&er mar baö praftifd&e Seben. 2Bar baö
Regiment Äönig griebridfjö für einen red(jt§= unb frei=
Ijeiteburfttgen 2Rann überhaupt fein ©egenftanb
freubiger Seitnafjme, fo geroifc am menigften für
einen, ber an biefem Äarren felber mit jieljen foffte.
3)aju bie allgemeine SBeltlage. 211$ Urlaub fein 2lmt
in Stuttgart antrat, mar ber ruffifd&e ^etbjug bereite
an feinem gräfclidfjen @nbe, bem ;Jttdfjte, angelangt.
Sßürttembergifd&e ©olbaten mürben, unb in nid&t ge=
ringer Slnjaljl, bie Dpfer biefes Unternehmens. Qtod
natye greunbe Uljlanbs waren barunter. 2)er oben
27
genannte 2lugufi Sßatjer war jur 2lrmee ausgehoben
worben unb Ijatte ben fjelbjug als Seutnant mit=
gemalt; auf bem 9tücfyuge fam er um, niemanb
wußte genau ju jagen, wo unb wann unb rote. Studj
einen anbem, t>on mir nodfj nid()t genannten greunb
muftte Urlaub in SRuftlanb laffen. griebrid) t)on öatp-
predfjt Ijatte im 3>a^re 1805 in Tübingen Suri&prubenj
ftubiert unb mar bort mit U^lanb befannt unb be*
freunbet geworben. üftad) einer furjen 33efdfjäftigung
mit ber gorftwiffenfdfjaft mar er bann feinem igange
jur militarifdfjen Saufba^n gefolgt unb Ijatte ben
öfterreidjifd&en $elbjug beö %a§u& 1809 als Leiter-
offijier mitgemacht. 3)er ruffifd^e ftelbjug fottte anty
ü)n t>erf<$lingen. 9iadf)bem er bei ©molenöf fx<$ baö
Äreuj ber (Sljrenlegion erworben Ijatte, fanb er in ber
©dtfadjt bei 3WoöI)ai«f ba§ (gnbe feiner friegerifd&en
Saufbaljn burdfj einen ßanonenfdjufc, ber i^m ein Sein
jerfdjjmetterte. S)ie Teilung ging gut vor fi<$ unb
ber SRefonoaleSjent fonnte fidf) mit Silbern fricblic^en
ßebenö in ber fd)wabifd&en Heimat einwiegen. 9luf
bem großen SRüdjuge fam er glücflidfj über bie 33erefina;
aber er mußte mit ftroftf d)äben in SBilna jurücfgelaffen
werben unb erlag bort am 10. Januar 1813 bem
■Kert>enfieber. 6r ift e§, ben U^lanb in bem ©ebtdfjt
„Sluf ber tteberfaljrt" feinem eigenen Dljeim Jgofer,
ber im nämlid^en Sa^re 1813 ftarb, gegenüber*
geftellt Ijat:
SMefer, braufenb t>or uns allen,
3ft in Äampf unb ©türm gefallen.
28
IMjlcmb Ijat bas änbcnfcn bcö greunbea au<$ nodfj
anberö atö in bicfem crft jc^n Satyre fpätcr gebiä^
tctcn Siebe üerljerrttdfjt. 3)enn er ift e§, obvooty er
feinen Flamen nidfjt nannte, ber im %ofyct 1813 bie
Heine ©d&rift „3)enfmal griebridfjs üon £arppred(jt"
herausgegeben fjat: eine furje 33iograpf)ie beö SBer-
jiorbenen, feine $etbbriefe auö ben %ctf)ttn 1809 unb
1812, eine 2luön)af)l feiner lprifdf)en ©ebtdf)te unb ein
paar ©ebenföerfe beö (Spigrammatifers igaug. @ö
war ba§ erfte 33ud(j, mit meinem Uljlanb, obwohl
nur afe Herausgeber, an bie Deffentttd&fett trat, unb
es Ijat baburdfj eine eljrwürbige Sebeutung für feine
greunbe.
S)er furdfjtbare Ausgang bes rufftfd&en getbjitgö
befferte für bie SBürttemberger mdf)ts. Sßreußen unb
9tuftlanb erhoben ftdj gegen Napoleon, Defterreid&
fd&lofc fidfj fpäter an. Aber als bie großen Bfylatytm
gefd&lagen würben, roeld&e ben grembltng t)om beutfdEjen
93oben vertrieben, ba ftanb SBürttemberg nodfj immer
auf Napoleons ©eite. @rft im SRovember trat es ben
Alliierten bei. 9Jian f)at gefragt, warum Urlaub nidfjt
mit inö gelb gebogen fei; man Ijat barauf ljinge=
nriefen, bafc bie Segeifterung in ©übbeutfdf)lanb, beffen
dürften burdf) Napoleon groß gemalt roorben waren,
weit geringer gemefen fei als im -Korben. 2Ran
brauet biefen Hinweis nidf)t. 3n SBürttemberg wenige
ftens paßt er bloß auf ben dürften. ftönig griebridf)
fjatte von Napoleon bie Äöntgswürbe unb bie 3Ser=
bopplung feines ©ebiets ermatten, auf -Jtapoleons
29
3tctt „chassez les bougres" Ijatte er bie ftänbtfd&e
33erfaffung feines Sanbes aufgehoben, ©eine Unter-
tränen Ratten an all bem wenig greube; fie werben
ben Äaifer ber granjofen fd&werlid) für ben SBoljl'
ttyäter tyres Sanbes angefeljen Ijaben. Statte Sßreufcen
bie furd&tbarfien Demütigungen, bie 2)ejimierung
feines ©ebiets unb unerfdjwinglidje Kontributionen
ju leiben gehabt, fo war ber Sltwürttemberger aus
georbneten, mit feinem geiftigen Sffiefen eng oerwadj-
fenen SBerfaffungSjuftänben herausgeworfen worben
unb Ijatte mit bem t>erfaffungslofen Regiment feine wei-
teren 2Bol)ttl)aten befommen als ben 3uwad)S einer
Setwlferung, gegen bie er fi<$ unb bie fi$ gegen ü)n
ftraubte, unb bas 33ewufctfein / an bem ©tanj eines
Sßeltbeljerrfdjers als ge^orfamfter Sttener teilnehmen
ju bürfen, bas er mit brücfenben &eereslaften teuer
genug bejahte. 9lein, mit ber 2lnl)ängltd)feit an Na-
poleon war'S audj in SBürttemberg nid&t weit l)er.
3lber man wirb begreifen, nrie ferner Ijter gerabe bie
Sage genommen werben mufete, wie wenig (Srtyebenbes
unb 33egeifiernbes barin liegen fonnte, bajs beutfd&e
33rüber einen Krieg gegen Napoleon führten, in beffen
&eere bie Gruppen SBürttembergS mitfämpften. 2)iefes
83unbest>erfjältnis feines Königs ju anbew, ^atte ber
t>erfaffungslofe SBürttemberger lein 9Rittel. 2Bas
l)ätte ba Urlaub tljun fönnen? &ätte er auf feine
Sanbsleute fließen f ollen ? Ober war iljm jujumuten,
bafc er ben Krieg, in bem feine SDHtbürger auf feiten
bes geinbes ftanben, befänge? SDas 3al)r 1813, bie
30
3eit ber nieberbrfidfenben unb nidEjt jur 2)idf)tung bc-
geifternben gefdfjäftlid&en SBibcrtoärtigfettcn unb poli*
ttfd^cn ©eelenfimfftfte , ift bei Urlaub überhaupt fe^r
arm an ©ebidfjten.
@rft als fein eigenes Sanb bei bem Äriege gegen
Napoleon mithat, als unter ben gähnen bes itron*
prinjen „bie Sugenb SRu^m erfod&t", Ijörte jener VSty
menbe Äonflift ber $Pfft$ten unb ^ntereffen für ben
SBürttemberger auf. Unb nun feljen nrir Urlaub,
ber ju Anfang bes 3a$reft 1813 uon bem „fdjauer*
trotten ©türm aus -Korben" gefungen £)atte, ber jer=
ftdrenb in ben Jtranj ber Sieber einbringe, nun feljen
mir ü)n felbft in ben Steigen ber „freubigen ^etym
fdjlager" eintreten, ©dfjnett nadjjeinanber entfielen
in ben erften 3Wonaten bes Saures 1814 bie patrio-
tifd&en ©ebid&te: „9ln bas SBaterlanb", „©efang unb
Ärieg, 2.", „SBormarts !" , „Sieb eines beutfd&en
©angerS", „3)ie ©iegesbotf<$aft" unb fd&liefcen mit
bem ©iegesrufe:
33if toria ! mit tmS ift ®ott.
2Rit ausgesogen ift er audf) jefct ntdfjt. @r mar bo$
fd&on balb ftebenunbjroanjtg Sa^re alt — Äörner, an
ben man mol)l gern üergleidSJSroetfe benft, mar bodjj erft
einunbjmanjig, als er ins ^elb jog. 3n bie Sinie
fonnte er nidjt meljr eintreten. @ine Sanbmeljr fottte
allerbings audf) in SBürttemberg gebilbet merben ; f dfjon
@nbe 1813 $dtte bie 3Wutter ©orge, ttljlanb fönnte
baju ausgehoben merben. @r antmortete: „3d& fann
nidf)t perlen, baß, mtnn mit ber 3 e *t au< $ & e *
31
uns eine 2anbwel)r, b. Ij. eine allgemeine SBolte-
bewaffnung unb ©ienftleiftung wäl)renb be« Äriegeö
eingerichtet werben fottte, wie fold^c bereit« bei allen,
wm ben größten bis ju ben Heinften Staaten S)eutf<$-
lanbö ftattftnbet, unb wogegen unfer Äönig attein
fid^ bisher üerwafjrt Ijat, tdfj midjj einem folgen ber
guten ©ad(je ju leiftenben ©ienfte auf feine SBeife
entjiefjen möd&te unb barin eine waljre 33erul)igung
für mein ganje« ffinftigeö Seben finben würbe/' aber
e$ fam ntdfjt jur ©Übung biefer Sanbweljr unb ttljlanb
fonnte fpäter mit SHtterfeit bemerfen, baß, wenn fxe
je jufammen fäme, fdfjon bafür geforgt fei, „baß lein
Unglüd mit ©ewe&ren gefd&elje".
3n bemfelben 3*üf)jal)r 1814 entfd&ieb fx<Jj ttfc
lanbs ©efd&icf im ©taatöbtenft. ©r Ijatte bisher otyne ©e=
fyalt arbeiten unb auf Jtoften feine« SBaterfi leben muffen.
(Sein 2Kinifter fonnte ftdf) ber fategorifdjen Qtorberung,
auf beftnitiue 3lnftettung anjutragen, enblidj nidjt
länger entjteljen. S)er Antrag würbe am 9. 3M 1814
abfdftfägltdj befd&ieben unb auf bie üorwaltenbe Ueber-
bürbung ber ©taatöfaffe Ijingewiefen. 2)urdfj einen
33efudf) bei ben ©Item über iljr ©inuerftänbni« be-
ruhigt, fünbigte Uljlanb nodfj im felben 3Wonat feine
Stellung. ,,%ä) barf nun audf) ausfpredfjen ," fdfjrieb
er an feine ©Item, „bafc burd) ein längered Starren
in meinen bisherigen SBerljältmffen unb nun poHenbß
ein entfd&iebenes Stafetten an biefelben mein inneres
uon £ag ju £ag meljr gelitten l)aben würbe. 3n
benjenigen ©efd&äftöoerljältnifjen, worein idjj Ijier immer
32
tiefer aerwiclelt werben follte, fyätte idjj, je me^r i<$
äufeerlidfj üorgefdfjritten wäre, um fo meljr an Seelen*
ru^e unb innerer ©elbftänbigfeit uerloren."
3um 3fttnifierialrat war Uljtanb oerborben. 6r
ging jur 9lbt>ofatur über, bie er fedfoefjn Sa^re lang
ausgeübt Ijat; fie gewährte iljm bie gretyeit beö £l)un§
unb £affen§, aber jur Sefriebigung gereifte fie ü)m
aud) mdfjt. ©o fe^en wir iljn in ben nädfjften Sauren
mehrmals nadjj anberen S9erufdarten fudjjen. @ine
Sßroluratur war tym bei Ueberna&me ber ©efretärö=
fteHe jugefid&ert worben, faUß er in ber lefeteren mdjjt
aerljarren wollte. Um eine fotdjje tarn er bann audj
mehrmals ein, aber uergebenö. Sludj um anbere
Stellungen bewarb er fidfj unb immer umfonft. SHefe
oergebtid&en Senkungen, ju einer ftd&ern Aufteilung
ju gelangen, jogen ftdfj burdj) bie näd&ften ^abre $in*
burdfj. ©ie gingen oon bem Streben aus, feine bürger-
liche (Sjifienj einmal ju befeftigen; von einer befom
bem Steigung jum Süreaubienft fann bei Urlaub nidjjt
bie Siebe fein, aber er glaubte, bie gä^tgleit in fidjj
ju tyaben, ft$ ju übernrinben unb fidf) audfj mit Sttngen
ju befdjjäftigen, bie tym „von Statur fremb, ja wibrtg"
waren. 3föm fagte auägefprod&enermafcen ein p^ilo-
logifd&er Se^rftu^l am meiften ju, auf bem er burdfj
fein Slmt in fefter 33erfil)rung mit ben üieblingögegen-
ftänben feines ©enfenö unb gorfdfjenö geblieben wäre.
Um einer folgen ©teile willen wäre er, ber einge-
fleifd&te ©djjwabe, fogar aufcer Sanbö gegangen. Stodfj
wer, fünf Safyxt nadjj feinem Austritt aus bem ©taatö=
33
bienft Ijat er fid^ um fotd&e ©teilen in SSafcl unb 33onn
umget^an, audf) fid& nadf) einer beliebigen ©tellung in
granffurt erfunbigt, aber immer umfonft. 3m eigenen
Sanbe fdfjienen fid& äfasfid&ten ju eröffnen. Urlaubs SSater
meinte menigftenö 1817, bafe eö iljm bei ber Bewerbung
um ben Tübinger Se^rftu^l ber beutfd&en ©prad&e unb
Sitteratur nid&t fehlen mürbe. Slber bamate mar fdfjon
ber SBerfaffungöftreit im ©ang, unb Urlaub erflärte,
baft er burdjjauö bem ©runbfafc folgen muffe, „oor
&erfteHung eines SRedfjtSjuftanbeö in feinem ßanbe auf
jebe ©teile ju t>erjidfjten, meldte mit einer SBerpflid^tung
auf ben -Kamen beö gegenwärtigen Äönigö oerbunben
märe". @benf omenig bejeigte er ein 3a$r fpäter Suft,
ficlj um bie 3>uftitiarfteHe bei ber Unioerfität ju be-
merben; bafe i^m bamalö eine ©teile als Dberamta*
rietet ober an einem ©eridbtö^of angeboten mar, t>er=
traute er nur feinem SEagbudfj an. ©eine 2Bal)l jum
Slbgeorbneten im 3a^r 1819 unb feine Sßer^eiratung
baö 3a^r barauf matten biefen fd&manfenben Unge*
mtf#eiten ein ©nbe.
2luö jenen Safjren, auö bem Suni 1814 ift baö
©ebtdfjt „Unftern". ©in fold&er Ungtüdförnenfclj modjjte
er fidf) manchmal f dfjeinen. Slber in einem unb, roie
uns ©päteren bebünfen mag, in ber ißauptfad^e für
feine Bufunft ^atte er roenigftens eben bamalö ©lüdf.
3m Sa^r 1815 ift bie erfte Sluögabe von Uljlanbs
©ebbten erfdfjienen.
@r mar fd&on jw)or lein Unbelannter mefjr. 3n
mehreren £afd&enbüdfjern unb 3^tf^^ften mar fcljon
gif d) er, Subttrig U&lanb. 3
34
eine bebeutenbe SRetye oon ©ebidfjten von il>m t>er*
öffentlid^t worben. £>er 33eifaH §atte i^nen nid&t ge*
feijlt. ©d&on 1810 fd)rieb ©^amiffo ganj entjücft über
bie tym befannt geworbenen ©ebid&te: „3$ fann wol)l
fagen, bajs midfj nadfj ©oetye fein 2)idf)ter fo angeregt
Ijat"; neben ©oetfjeö ©ebid&te Ijatte fie fd&on früher
SBarn^agen geftellt, „ebenfo waljr unb rein, fo frifd)
unb fü&". £>ie reiche gfille ber Sßrobuftion, bie in
ii)m Ijeroorgequollen war, äufcerlidj jufammenjufaffen,
war fdjjon länger Uljlanbs SBunfdi) gewefen. £>er
SBerteger oon Äernerö „SReifefdfjatten", bem er feine
©ebid&te fd&on 1811 ober 1812 anbot, wollte fie nidjjt
nehmen. 35er greifen: t>on SBangentyeim , als Äu=
rator ber Unioerfität Tübingen mit Ul)lanb befannt
geworben, erbot fidf) im §erbft 1814, (Sotta jum 58erlag
ber ©ebid^te ju beftimmen. £>aö Unternehmen fam
jufianbe, unb im ©ommer ober feerbft 1815 erfd&ien
bie erfte aufläge, t>on ber fidlj woljl weber ber 33er=
leger nodjj ber SMd&ter felbft träumen lieft, bafe iljr fo
oiele — bis jutn £obe beö SHdjters allein über oierjig —
nadfjfolgen mürben. @rft ging eö nidfjt aHjufd^neH.
3m $al)r 1820 erfd&ien bie jwette, 1826 bie brüte;
aber bie weiteren folgten fidjj rafd&eren ©d&rittes, unb
fd&on oon 1833 an ging wotyt fein 3a^r vorüber,
oljne bafe eine ober mehrere ausgaben erfäjienen mären.
3)ie erfte Auflage enthielt ber 3al)l ber ©ebidfjte nadj
fd&on ben größeren SCeil beffen, was bie legten barbieten.
SDrei größere ©nippen fehlten nod& ganj: bie „33ater=
länbifd&en ©ebid&te" nebft ben tynen DorauSftefjenben,
35
bie fidfj ebenfalls auf bie politifd&e 3 e ^ a Ö e begießen;
bic „ 2lltf r anjöfif d^ en ©ebid^te" unb enblidf) ber „$or*
tunat". 2llle biefc traten fd&on in ber jroetten aus-
gäbe tyinju, neben i^nen nodj) tnand^e anbete, unb audjj
fpätere Auflagen brauten nodlj biefen unb jenen 3** 5
roadfjö, einen befonbers reiben unb inljaltafdfjtüeren
bie adfjte com 3a^r 1834. Slufjer ber ©ebiä)tfamms
lung ^at Urlaub tum eigenen poetifd&en 9Seröffent=
ttdjungen nur nod& brei ausgeben [äffen: bie 23ater*
länbtfd&en ©ebidfjte, roeldje in ben Sauren 1816 unb
1817, für ben S3ebarf ber Äämpfe jener 3^it teils eim
idn teils gefammelt erfdfjienen — als Äuriofum mag
erwähnt werben, bafc ©dfjroab fie ins Sateinifd&e überfefet
l)at — unb bann in bie jroeite Auflage ber ©ebid)te auf=
genommen würben; fobann bie beiben ©ramen „@rnft
Don ©djroaben", roeldfjes 1818, unb „Subnrig ber
33aier", meines 1819 erfdjienen ift. 2ludf) biefe beiben
finben ftä) nunmehr in ber 33olfsauSgabe ber poeti=
fd&en 2Berfe U^tanbs forme in ber neuen ^Sradjtaus-
gäbe mit ben ©ebidfjten in einen 35anb Dereinigt.
2,
U bie erfte Auflage Don UJjlanbs ©ebbten er-
friert, ftanb er fd&on oöllig auf bcr igöfje feines
poetifd&en ©dfjaffens. @tn>a jroei ^Drittel ber ©ebtd)te,
bie ttrir in ber lefeten, oottftänbigften Ausgabe t>er-
einigt fefjen, ftnben fidj fd)on in ber erften; unb
obroofjl Uljlanb bann unb mann audfj ©ebid&te aus
ber 3 e ü »or 1815 in fpäteren Auflagen aufgenommen
l)at, roätyrenb fie in ber erften fehlten, fo ftellt bo<$
im ganjen jenes SBertyältnis fid) aud& in ber nrirflid&en
Sßrobuftion Uljtanbs übereinftimmenb bar, wie man
leidet imftanbe ift ju erf ernten, feit &oßanb aus
bem £agbud(j bes 2)idf)ters bie 2lbfaffungSjeit für bie
weitaus überroiegenbe aße^rja^l ber ©ebid&te bis auf
ben SEag genau mitgeteilt l)at. ttt)tanbs Sßoefie fliegt
reid<d& etwa bis ju feinem breifeigften 3>af)re; tnit
ber 3Ritte bes Saures 1817 l)ört fie faft ganj auf.
33is batjin über jmei^unbert ©ebidfjte in breije^n bis
t>ierjet)n ^a^ren; t>on ba an in elf Sauren nidfjt metyr
als fünfjeljn. 3 roc i weitere ©podfjen uer^ältnismäfng
reid&er Sßrobultion jetgen fidf) nodj) in ben Sauren 1829
37
unb 1834; aber aus ben folgenben brei %ofyctffyxttn
— jeljn ©ebid&te! @s mar rooljl in ber 23)at richtig,
wenn man trietfad) fyörte, llljlanbs ®id(jtung Ijabe
einen $rül)ling, aber feinen igerbft gehabt; aber es
ift freilid) unrichtig, wenn man biefe SBorte auf ben
©el)alt feiner Sichtungen bejieljt. S)enn in biefer
Sejie^ung nrirb fidj ergeben, bafe llljlanb, wie als
■äKenfdfj, fo als Sinter, fc^r früljjeitig gereift unb —
niemals nrirfüdj alt geworben ift. 2Kan Ijat not=
roenbigerroeife ^Betrachtungen barüber aufteilen muffen,
wie ein fo frühes 2lufl)ören ber ^robuftion ju er=
Mären fein möchte. Ratten mir blofe bie gebrudften
©ebid)te in ifyren üerfd^iebenen Auflagen, fo fönnte
ber ©ebanfe entfielen, ttljlanb Ijätte in fpäteren
Sauren nur weniger ©ebid^te mef)r in bie Sammlung
aufgenommen, fei es, bafc er ftrenger gegen fidlj felbft
geworben wäre, fei es, baft er ben 35anb nid)t ju feljr
Ijabe ausweiten laffen motten. SBäre aber bas ber
gaff gewefen, fo fy&ttt Uljlanb üon feinen alten ©e=
bieten wofjt mefyr als nur fünf in ben fpätern 2luf=
lagen ausgegeben. Sjdfj fann jebo$ auf ©runb ber
Kenntnis fetir tneler nidf)t in bie ©ammlung auf=
genommenen ©ebidbte beftimmt behaupten, bafe jene
SHnnatyme nidf)t jutrifft. ©erabe aus ben früheren
Sauren, benen ber lebhafteren Sßrobuftion, liegen mir
audE) am meiften um>eröffentlid(jte ©ebidjte oor, weit
wenigere aus ben fpätern. ©o ift benn in ber £l)at
anjunefmten, bafc bas poetifdfje ©Raffen bei Urlaub
frül) aufgehört Ijat unb nur feiten nrieber empor-
38
gequollen ifl. SBerm mir nätyer jufe^en, fo ift audfj
im einzelnen ein met>r ftofttoeifcö ats gteidjjmäfjig fort-
taufenbes ©Raffen toa^rjune^men. SKefjrere ©ebid&te,
nid^t etroa bloß fad&tidfj ober formell unter fiä) ju--=
fammen^ängenbe , fonbern audf) ganj roefentlidfj t)er=
fd)iebene, entfielen fd&neH ^intereinanber, in einem
2Konat, in einer SBodfje, an einem Xag; bann Raufen,
bie audlj in ben früheren Sauren oft etlidje -Dionate
lang bauern. Sftan mag aerfudfjt fein, ju ergrünben,
ob folä)e rafd&e ^robuftimtät unb fotdf) längeres Waty
laffen berfelben mit ben äußeren SebensgefdEjicfen bes
SDid&ters irgenbroie jufammentyänge. 3m ganjen aber
nrirb bie Antwort negatio fein. SDer Sinter bes
grüfjtings l)at bie atterroenigften feiner ©ebidfjte im
grü^ling gebietet, unb fo ift's audfj im größeren.
2tflerbings l)at ber 9lufentf>alt in Sßaris mehrere ©e=
bid&tc — ber Sftefyrjafil nadjj aber Ueberfefcungen unb
Bearbeitungen — aus bem attfranjöftfd&en ©agen=
freis jur $olge gehabt; bie 23erfaffungsfämpfe fjaben
in jiemtidfj rafd&er $olge bie „SBaterlänbifdfjen Sieber"
^eroorgerufen; bas Satyr 1813, ttrie fdjjon erwähnt,
bilbet eine jiemlidf) teere ©teile in ber fonft befonbers
frud^tbaren SDid&tung jener %af)n. Slber roeber llljlanbs
SBeröeiratung nodlj ber antritt feiner Sßrofejfur Ijaben
irgenb eine Steigerung feiner Sßrobuftion tyert>or=
gerufen; von ben 3<t$ren 1829 unb 1834 fpiett bas
erfte gar feine Atolle in Uljtanbs Seben, bas jtoeite
aber, bas ^atyx naef) feiner 2tmtsenttaffung , märe
rool}t efjer angettjan geroefen, feine ©eifter herunter-
39
als hinauf juftimmcn. 2Kan fiel)t, bie Sßfydje bed
©id&ters ift uon bcn äußeren (SSrlebniffen bcö SDtenfd&en
tocit unabhängiger, als man meinen follte. SBenigftens
bei Urlaub; trieHetdjt aber au$ bei anbern Sttdfjtern,
über beren ©ebid&te mir eben nodfj feine fo genaue
<$ronoiogifdje Äenntniß befifcen, mie über bie feinigen.
Urlaub felbft Ijat fein &et)l baraud gemalt, bafc
bie SMdfjtung bei itim nid&t immer lebenbig mar. 6r
§at, ma§ man ifjm nid&t genug banfen fann, äße, bie
ityn um feinen 9iat baten, ernftlidf) baoor gemamt,
iljren fiebenöberuf auöfdjjliefclidfj in ber Sßoefte ju fudfjen;
er l>at bie§ rool)l in erfter Sinie aus allgemeinen fitt=
ticken unb fojiaten ©rmägungen tyeraud getrau, aber
er foß boeb aud& einmal fjinjugefefet fyabtn: mie bann,
wenn fo ein 33erufsbidf)ter einmal aufmadfje mit bem
Semufjtf ein , fein SHd&ter me^r ju fein? Unb ein
anbermal l)at er auf bie ftrage, marum er benn bie
3Rufe fo rufjen laffe, geantwortet: nein, fie laffe üjn
in SRu^e. 3faä) feine grau roeife baoon ju erjagen,
mie ferner er jum SDid^tcn fam, mie lang er einen
©toff mit fid& ^erurn trug, oljne $anb baran ju legen,
mie bann aber am guten SEage mit erftaunlid&er
©dfjneffigfeit bie poetifd&en ©ebilbe fidfj jufammen
fnjjlaHifierten. ©§ liegt barin etwas, maß mit feiner
tiefftttltd&en SRatur enge jufammen^ängt. U^lanb §at
feinen Äifeel in fid^, ju fd&affen unb mit ©d&öpfungen
ju gtänjen um jeben Sßreiö; er ift ftolj, aber nityt
eitel, ganj unb gar nidfjt. @r läfet bie 9Jtufe ju fidj)
fommen, fudjjt fie nid^t mit ©eroalt ju fidj) ju jie^en.
40
SBebeutenbe ©reigniffe, bie iljn im öffentlidfjen ober im
Sßrioatleben natye berühren, lodert leidet ein ©ebidfjt
aus iljm Ijeroor; aber er madfjt feinen Slnfprudf) barauf,
bie Sßoefie fommanbieren ju fönnen, unb ooüenbs von
anbem läftt er fie fid& in feiner SBeife fommanbieren.
33efannt ift bie @rjäf)lung, wie Urlaub, oon einer
üomefjmen Sperfon um ein ©elegenljeit§gebiä)t . gebeten,
ben reitenben 33oten, ba er felbft fid^ nid&t imftanbc
fal), auf 33efteffung etroaö au§ fid§> tyerauöjupumpen,
alsbalb ins Sßilbbab ju ©d&roab weiter fd&idfte, ber
benn aud£) nrirflidjj} aushelfen fonnte. 3Kag er bamit
meHeid^t ttrotö farg unb fd^roff erfdljeinen, mag man
i^m mit ber beliebten Untertreibung fommen, er fei
eben ein poetifdljeö Talent, feine poetifdfje Siatur ge=
roefen: er ftelit bod) ganj anberö ba als bie leidfjt=
lebigeren ^oeten, benen eö immer fliefjt, bie bei feiner
©elegenljeit fehlen unb fdfjliefclid^ mit ephemeren ®e-
legen^eitögebid^ten Sänbe füllen ; ganj anberö alö ein
Sftüdfert, ber feinen @infaH feiner unruljigefl Sßtyantafte
unterbrädfen fonnte, ober, um in ber SRälje $u bleiben,
Äerner, ber mit feinem läfelidfjen SBefen unb feinem
Sftangel an ©elbftfritif feine ed^ten perlen unter bem
©erümpel ber roäd&fernen oft faft oergraben l)at.
©d&liefcltä) bat bodfj jeber feine ausfefeenben Sßulfe,
unb wer bie SRücffe^r einer poetifd&en Stimmung nid^t
abwarten mag nrie Uljlanb, fonbem im Vertrauen auf
bie ted^nifd&e ftertigfeit — bie Urlaub bodfj roaljrlidjj
aud& Ijatte — barauf los bietet, ber mu% nur ju
leidet baö Sob einer aUejeit frifd&en unb fangbereiten
41
©idfjternatur mit bem £abet erlaufen, fefjr oft nic^t
auf feiner eigenen &<% 311 fielen. @ß ift rool)t feine
33la§p^emie, wenn idf) in biefem 3ufamment)ang audf)
©oetfifc nenne, ber fidlj mit ber roaltflofen SSeröffent-
li<$ung aller geringfügigen Äleinigf eiten, „an Sßerf onen
unb ju feftlid^en ©elegenfjeiten" u. ä., roenigftenö bei
benen feinen 5Danf serbient §at, bie nod) eine Äritif
an i^m für ertaubt galten.
Ufjlanb gehört ju ben SDid&tern, bei benen bie
faft unüberf eßbare SBirfung, bie fie auf anbere aus-
geübt tyaben, weit mefjr in bie Sfagen fpringt ate bie
Reiben, burdf) bie fie fetbft mit SBorgängern unb
SWeifiem jufammenfjängen. ©r ragt fo feljr über alle
früheren Stjrifer, mit 3lu§na^i{ie ©oetljes, empor, bafc
er von feinem irgenbnrie abhängig ju fein fd&eint. Unb
bodfj mufe eine genauere ^Betrachtung notroenbig audf)
bei i^m, mie bei jebem anbern, einen 3uf«tnmen^ang
mit grüneren nadf)n>eifen fönnen; roenngleidfj ba§
SRefultat einer folgen ^Betrachtung baö fein wirb, bafc
er in bem 3ftnerften feiner ©mpfinbung unb in ber
d&arafteriftifdfjen Prägung feines poetifdfjen ©uteß fo
fetbjiänbig bafte^t, nrie faum ein anberer.
3d& ¥*>* fo* ©tu* &¥K beträd&tfidf) über ben
Anfang oon Urlaubs Sßoefie, wie fid^ biefelbe in feiner
©ebid&tfammlung barfteüt, jurüdf greifen ju fönnen.
@§ finb mir ja&lreiäje cor bas 3a^r 1804 fallenbe,
bid 1800 jurüdfreidjenbe ©ebidfjte Urlaubs befannt
geworben, t)on benen freiließ mand&e fdjjon bei SKaijer,
Stotter, 3>al)n unb in Urlaubs Seben t)on feiner SBitroe
•
¥
42
gebrudft jinb; ebenfo fenne idEj, wie fd&on bewerft
würbe, nodfj oiele unt>cröffcntli<^tc aus ber 3 e ü tiadj)
1804, mit wetd&em 3jal)re bie ©ammlung ber ©ebid&te
anhebt. 3ene älteren ©ebtd&te nun fyabm fo gut tote
mä)tß t>on bem fpäteren ßtyarafter U^lanbifd&er Sßocfie
an fid), faum einmal wirb man einen SEon oon feiner
Seier anflingen l)ören; es ift bas ja nidfjt anbers
möglidf), benn es finb 23erfud&e eines ©reijefjn- bis
©edjjjeijnjäfirigen. 2lber SSerfud^c , bie, gleich jenen
lateinifdjen ©d&ult>erfen, eine merfwürbige ©eroanbt^eit
jeigen. 3)ie poetifd&en formen finb bem Söngling
t>on SKnfang an vertraut; er benüfct aud& foldlje,
bie er fpätertyin aerfdfjmäljt l)at, alcäifdjje unb fappljifdfje
©tropfen unb freie, reimlofe SR^t^men. Utjlanb tyat
fid) audlj bie £opif ber ^ßoefte f dEjon ju eigen gemalt ;
er gebraucht mit ^ertigfeit unb ©idjertyeit bie Silber
unb ^Beübungen ber flaffijiftifd&en Sßoefie. 3fn ben
Sahnen biefer fojufagen fämlmäfeigen ©ttlart gefjt er
nodfj faft burd&aus. 9Äan fann fidfj an Älopftoä, an
©filier erinnert füllen, aber an feinen oon beiben
in befonberem 2Raf}e. SRidfjtiger wirb man fagen:
©er Slnfänger gebraust wie jeber Anfänger, aber mit
größerer ©idfjerljeit, als feinem 2llter jujutrauen märe,
unb otyne fflatrifdjje @ntle^nung, bas bereits jum ©e~
meingut geworbene Sanbmerfsjeug ber Kaffijiftifd&en
Sitteraturperiobe, gerabe wie Ijunbert anbere — Ju-
nta! unter feinen Sanbsleuten — , meldte fdfjtedjjt unb
red&t in ben SBeifen Älopftodfs, Ujens, Äleifts, ©Millers
weiter gebietet ^aben.
43
2Bo bleibt ©oetye? fragt man billig, ©ottte
ber gröfjte S^rifcr auf feinen rofirbigften SRadjjfolger
gar nid&t eingeroirft ijaben? £at bodfj U^tanb felbft
in fpäteren Sauren gegen £iedf ju beffen Sefremben
geäußert, er roüfete nidfjt, toetdje 2)id&tung neben bem
ftofflid&en ©influfe ber alten 3Wtterbü$er befonberö
auf iljn eingeroirft fyabtn foHtc, aufcer btc ©oetl>eö.
3n ber S^at Ijat ©oetfje feine Sßirfung auf tüjtanb
ntdfjt t>erfeljlt, aber fie trat erft etroas fpäter ein.
©oettye fyat auf mand&e 9Jtenfd(jen jener fttit nidfjt ge=
wirft, auf bie ©dritter großen ©influfj gehabt fjat.
35ie ©egner ber SRomantif fingen ©dfjitters Sob mit
geller ©timme, ©oetfjes weit me^r in ber 2lrt, rote
man t>or einer ©rofjmadfjt feine Änidffe mad&t ; oft aber
feljen mir fie gerabeju gegen ©oettye inö gelb jie^cn.
3$ barf nur an bie meltbefannte SBeimarer ©e*
fd&id&te Kofeebueö oom 3a^r 1802 erinnern, ©filier
ift ber Sftattonattft , ben bie rattonaliftifd&e 3 C ^ mit
©totj ben S^rigen nennt; ©oetfje ift bodf) erft burdfj
bie SRomantifer ju meiter reid^enber SBerfiljmttyeit ge=
langt, benn feine 33erl)errtid(jung bilbet ja in ber alte-
ren ^ßljafe ber SRomantif ein ©d&iboletf) biefer ©d)ule.
2lud& in U^tanbß ©ebid&te bringt ©oetfje erft
mit ber SRomantif ein, fogar e^er erft im ©efolge
berfelben. ©e(jr bebeutenb ift in ber %i)at ©oetjjeß
SBirfung auf Urlaub nieijt, aber bodlj nidfjt ju unter*
fd&äfeen. 3$ rebe babei natürlidfj nidfjt t)on ber großen
unb allgemeinen SBirfung biefer bid()terifdfjen Sßerfön*
lid&feit, wer l)ätte fidf) ber ent jie^en fönnen? fonbern
44
oon ©injet^eitcn beö ©tils unb ber Stuffaffung. ©in-
teniö in feiner Ijodfjfctyäfebaren Ibtjanblung über @oe=
t^eß (Sinflujs auf Utjtanb, ber einzigen, bie man über
fotdje ftiliftifdfje Singe ju 3tate jieljen fann, t>at
mandfje Heine 3üge namentttdE) im fpradfjtid&en 3lua-
brucf aufgeführt, toeldEje einen ©influfe oon feiten
©oettyes ju verraten f feinen, ©etyr feiten finb aller-
bingö bei tt^tanb foläje ©ebiä)te, meldte im gangen
an ©oettyeß Slrt gemahnen ; idf) müßte faum ein paar
namhaft ju machen, ettoa „Sie 3lbgefdf)iebenen",
„@ntfd&tuß", „SBalblieb", „3)er SBlumenftrauß", über=
tyaupt einige oon ben ©onetten; tooju idf) nod& aus
ben bramatifd^en ©nttoürfen bie ©jenen aus „gram
ceöca oon Sftimino" fügen fann, beren SDiatog midfj
auffaHenb an ben be§ £affo gemannt. S)ann unb
mann finbet man bei Urlaub au<fy ©ebtdfjte, beren
©egenftanb ober Haftung einem beftimmten ©ebidjt
©oettyeö nad&empfunben ju fein fdfjeint. ©interna §at,
mit ©lud, roie mir fd&eint, auf bie oon ©oettye in
bem mit SBielanb herausgegebenen £afdfjenbud& auf
1804 oeröff entließen ©ebidfjte Ijingetoief en ; ju einigen
berfelben ftnben ftdfj in ber Xfyat unter Urlaubs ©e-
bidfjten parallelen, bei beren 33etra<$tung man bie
Slnna^me, baß fie burdfj jene angeregt feien, fetyr
toal)rfdfjeinlid(j finben muß — aber nur angeregt, oon
SRadfjafjmung ift toeber in ben formen nod) in ben
©ebanfen bie Sftebe; bei anbem gefiele idjj bie oon
©inteniö gefunbenen 9lel>ntiä)feiten nidfjt ftnben ju
fimnen.
45
SBeit gröfeer unb nadf^altiger mar bei Utjlanb
ber (Sinflufc ber Stomantif; man mufe aber Ijier nadf)
2lrten unb Sßerioben berfelben unterfd&eiben. SDie
Siomantif im gewöljnlid&en, lanbläufigen ©inn ift es,
beren ©influfj mir in ben älteften gebrudten ©ebidfjten
Ul)lanb§ roaljrnefjmen. @ö ift bie Sßoefie ber gouque
unb ©enoffen, meldfje juerft ein entfd)ieben fräftig mir=
fenbes germent in feiner Sßoefte mirb. 2Wit $ouque
mar U^tanb f d&on frülje befreunbet ; in ©edenborf 8 211=
manadj erfdfjienen feine erften ©ebid&te, an gouques
£afd(jenbüd()ern fyat er nodfj bis jum ^afyx 1815 2lm
teil genommen. @s ift bie emftere, aber audjj geiftig
unb litterarljiftorifdlj minber bebeutenbe Stiftung ber
SRomantif, bie auf ben ernften Jüngling juerft ein=
geroirft Ijat. S)ie Siebe ju ber Sßoefte unb Kultur-
roett bes üötittelalters ift urfprüngtid& nur eine $ßt)afe
in ben bunt roedfjfelnben Siebljabereien ber älteren
9tomantifer; aber fie fjat jidlj ©eltung unb SDauer
üerfd^afft. 2Benn Sied in jener „monbbeglänjten
3aubernad)t" ftd) gern erging, roeil er ba fo red&t
nadf) ^erjenftlufi pljantafieren unb Sßljantaftereien trei=
ben tonnte, fo nahmen es anbere ernfter. SDie Sßoefte
bes Sftittelalters mar jugleidf) bie alte oaterlänbifdfje,
unb es ging mit t^r mie ein paar Sa^rje^nte juoor
mit Dffian : man fat) meles in i^r für ed&t altertüm=
lidjj, für grofc unb bemunbernömert an f maß biefe
Serounberung faum t)erbiente; man fdfjuf fid) aus
einer nod& fetir mangelhaften Kenntnis unferes Sllter-
tums ein Steftibilb besfetben, ju bem man ftdf) in
46
bcn furd&tbaren SRöten bcr ©egennwrt gerne flüchtete;
unb ber ©runbdfjarafter biefeö Silbeö läfjt ftclj mit
feinem anbeten SBorte bejeidfjnen ate mit bem SSortc
„romantifdj)" in bem gern?* geroöfwlid&en Sinn, in bem
man SBeberö greifd&fife eine romantifdje Dper ober
ben SR^einfaff ein romantifd&eß Sanbfd&aftöbilb nennt,
ttfjlanb t)at t)on biefer SRomantif fidfj juerft bas
nrirflidfj ©rofje angeeignet. $)ie beiben dlteften ©e=
bidfjte in feiner Sammlung tyaben ^etben^aften , alt-
germanifd&en £on. ©dfjon frü^e mar er auf baö ger-
manifdfje Altertum in feiner unoerfälfd&ten $orm
aufmerffam gemalt roorben; Sieber aus bem gelbem
budfj, ben SBaltljarius unb ©ajo ©rammatifus Ijat
er fdfjon furj na<$ bem SSnfang biefeö Sa^unbertö
fennen gelernt; namentlich t)on bem SBalttjartuö leitete
er eine 9iet>olution in feinem ©efd^madf §er: „2Baö
bie flaffifdfjen ©id&troerfe, trofc meines eifrigen Sefend,
mir nid)t geben fonnten, weil fie mir ju Kar, ju
fertig baftunben, roas idj an ber neueren ^ßoefie mit
all ityrem r^etorifd^en ©dfjmudfe oermifjte, ba§ fanb
idjj Ijier: frifdje Silber unb ©eftalten mit einem tiefen
fctntergrunbe , ber bie 5ß^antafie befd&äftigte unb am
fprad&." ©ein älteftes oon iljm felbft üeröffentlid&teö
©ebidfjt, „SDie fterbenben gelben", getyt ganj auf biefer
33al)n unb eröffnet audfj nadf) feinem poetifdfjen SBerte
ben Zeigen roürbig genug. ßfjaralterifttfdf) ift l)ier
jugleiä), nrie in anbem ©ebiä)ten aus jener %i\\, bie
Verlegung beö ©dfjauplafees in ben ffanbinamfdfjen
■Korben, mit roeldfjem Urlaub fiä), nrie feine gelehrten
47
SBerfe bezeugen, fo gerne ju tfjun gemalt t>at. 9(u$
baa jweite ©ebidfjt, „2)er blinbe Äönig", baö jroar
in feiner jefcigen ©efialt erft aus bem 3al)r 1814 ift,
aber in einer früheren, nur in ber gorm mefentlidfj
abweid&enben fdfjon 1804 t>erf a§t würbe, fpielt im
Sorben; es beruht auf einer (Srjaljlung bei ©ajo
unb ift baö erfie, leiber audfj für geraume $eit baö
lefcte Seifpiel ber 33enu|ung ed^ter alter &elbenfage
bei tt^lanb. @rft „Älein ftolanb", 1808 gebietet,
jeigt nrieber eine fotöje. ©dfjon in bem „33linben Äö=
mg", ber nodf) frifdjje unb ungebrod&ene ftraft jeigt,
fpielt jene SRomanti! in ber Slrt gfouqu^a unb anberer
3eitgen offen mit Ijerein unb nrirb atebalb für eine
3eitlang ooHftänbig Ijerrfdfjenb. 3e|t treten bie
büfteren, fdfjattentjaften, balb of fianifdf) melandjolifd&en,
balb abfiraft graufamen Äönige auf, bie greifen Harf-
ner, bie jarten Äönigötödfjter, bie unglüdflidf) Hebenben
©d&afer, SRönd^e unb -Können; ein nebelhafter, fcnti-
mentaler ©tjarafter fjaftet ben meiften biefer ©ebidfjte
an, bie man wegen ityrer f damenhaften, lebtofen @e=
ftalten beim beften SßiHen im ©ebäd^tnis nid&t immer
audeinanberju^alten imftanbe ift. 3)er $on ift balb
metyr büfier, balb einer freunblid^eren 2Bet)tnut ju=
geneigt ; faft immer flingt er in ©ntfagung, Trennung
ber Siebenben, £ob, Hoffnung auf tyimmlifdfjeö 9Bieber=
fetjen au§. 2ludj bie Silber ber fattjolifdfjen ßirdjje,
bie ju bem Äoftüm jener 35id)tung gehören, finben
fic^ ba unb bort oermenbet. 2>ie ©ebidjte bes Saures
1805 fielen faft alle meljr ober weniger unter bem
48
Sann bicfcr 9Robe, tote man fie rooW nennen barf,
unb nod) langete 3ett W biefelbe nad&genrirft; ja,
no<$ im 3>af)r 1815 f dalägt tt^Ianb in „S)eö ©ängers
gludf)" nrieber bas alte SC^ema an, tum ba an nidjt
meljr. Sener £on bes roetymfitigen, roaffenlofen
©d&merjes, jene Stimmung ber fdjmetjlidjen ©nt-
fagung, jene £obeöfel)nfudf)t ift in Urlaubs Sßoefie
tief eingebtungen. ©ie finbet fid) in jenen frühen
Sauren nid&t bloß in ben ballabenartigen ©ebidfjten,
n>o fte jum ftoftüm gehört, fonbem audfj in ben rein
tyrifd&en — foroeit bei bem 3Kangel an marfigen,
beftimmten ©agengeftalten fidj biefe ©ebiete überhaupt
genau abgrenjen laffen. ©er ©ebanfe an ben Stob,
fei es, bafe er bie SBergänglid&feit beö 3rbif<$en, f*i
es, bafc er ben föinblicf auf bie SBerflärung jenfeitß
beö ©rabes bebeute, ift bei U^lanb aud& in fpäteren
3eiten oft tyeroorgetreten. aber er trägt üjn fpäter
in gefaßterer SBeife, in reiferer gform, mit weit metjr
männlicher greubigfeit unb fefter SKilbe t>or als in
jenen Sünglingögebid^ten ; mä^renb Äemer, ber tym,
roie mir nad&l)er fe^en werben, in jenen %af)Ttn poe-
tifdf) triel nätyer ftanb als fpäter, jeitlebens in biefer
me^leibigen Stimmung oertjarrt ift, mit iljr metjr als
nötig fofettiert unb bamit triele t)on feinen ©ebid&ten
red&t fe^r ungenießbar gemalt tjat. 3$ Wn nidfjt
gemeint, menn id) jene 9Koberid&tung , wie fie aud£>
in Uttfanbö ©ebtdftfen eine $ettlang fetjr fjerrfdfjenb
Ijeröortritt, als eine im ganjen bebauemömerte be*
jeiddne, bamit über Utjlanbö 2)id()tung in jenen Sauren
49
Oberhaupt abjufpred&en. aber bafe biefelbe audfj
in einer ber SRomanttf nod& näljer fteljenben $eit
fd&on unangenehm berührt ijat, baft auf fie bie um
günftigften Urteile, bie je über Uttfanb gefällt roorben
jtnb, jurücfgeljen, bas barf nid&t unerwähnt bleiben
— fdfjon beöfyalb nid&t, tüclt cö jenen Urteilen tyre
©pifee nimmt, benn fie paffen nidfjt auf ben ganjen
ttfjlanb, fonbern nur auf eine Sßeriobe feiner S)id^tung.
©oetlje fagt auöbrücfltdf), bafc feine SBerftimmung gegen
Urlaub aus ber Seftüre beö SBtafangö feiner ©ebid&t-
fammlung entftanben fei, in meinem er „fo triele
fd&roadfje unb träbfelige ©ebidjjte" fanb, baft ifjm baö
aOBcitcrlcfen verleibet mürbe, ©benfo geljt audf) feines
©pott über bie bitter, bie ftatt gleifdfj unb Änod&en
SBlumen in iljren 33ledf$arnifd&en Ijaben, eben auf
jene älteren ©ebid&te — Seine Ijätte freilidf) fd&meigen
bürfen, benn er felbft fjat gerabe jener fentimentalen
SRebelromantif feinen Tribut reid^Ud^ bargebradjjt.
Sftan barf aber nidf)t t>erfd&roeigen, bafc es fd&on
in jener $t\t bti Ufjlanb nid&t an anberen, burd^aus
erfreulidfjen ©rfd&einungen — in ber SRomantif unb
neben berfelben Ijer — feljlt. ©djjon in benfelben
©ebid&ten, meldte nadf) ©egenftanb unb ©timmung
ganj ber wrljin befd&riebenen ©efd^maeföregion ange*
työren, ift mand&e§, roaö man mit Shibm nennen mufj.
„3)er Äönig auf bem £urme" ift nadj) 9Kotit> unb
©runbftimmung ganj aus jener ©attung ber 9to=
mantif hervorgegangen, aber meldte getragene ©dfjön*
^eit, bie fidfj bem Seften bei ttfjlanb an bie ©eite
3fij$er, Subtoig Urlaub. 4
50
ftcßcn barf ! 3Witten unter ben romanttfd&en ©geifern
fteljt „©dfjäfers ©onntagslieb"; unb aus ber SEobes-
ftimmung heraus ift „SDie ÄapcHe" entfianben. 3a,
es finben ftdfj im Saljre 1805 fdljon ©ebid&te bei Ufc
lanb, bie ju betn eigenften ©ut feines ©eifies gehören,
bie t>or unb nadf) i§m fein anberer fo Ijätte madfjen
fönnen, ©ebidfjte, bie mit feinen Ijöddften fpatern ®x-
jeugniffen im SBert unb im befonberen poetifäjen
Sfjarafter von einer Slrt finb : i<$ nenne ben „©änger"
unb no<$ me|ir „3)ie fanften £age". SKudf) an frifd&en,
ja tjumoriftifdfjen ©rjeugniffen fefylt es fdfjon bamals
nidfjt ganj. 3$ erinnere an ben in ©oetljes SBeife
fdfjalßjaften „©ntfd&lufc" unb an „©retdjens greube";
bas lefctgenannte ©ebidEjt'ift jugteidfj mm 3ntereffe,
roeil es bod& ^öd^ft maljrfdfjeintidf) feine ©ituation unb
©mpftnbung einer ©teile in ©oettjes ©gmont ent=
nommen l)at. S^qUx^ Mingt es fdfjon fefyr entfdfjieben
an ben SBolfston an, beffen fdEjönfte Sßermenbung fidf)
im $aljr 1809 jeigt, in meinem „2)er gute Äamerab",
„2>er SBirt^in Södfjterlein", „2>es ©oibfd&miebs %bfy
terlein", „3)er ©<$mieb" entfianben finb. ©erabe in
ben Sauren, bie bajnrifdfjen Hegen, mar bes Änaben
SEBunberljorn erfd&ienen unb Ijatte alle ber Stomantif
unb SBotfSbidfjtung juneigenben ©emüter mit magifdjer
Äraft erfaßt.
3n ben Sauren nadf) 1805 tritt bie erjältfenbe
Sichtung bei Urlaub jurücf, bie rein fyrifd&e in ben
3Sorbergrunb. 2Bie nun aber jene roieber meljr \)twox-
tritt, ba Ijat fie ©egenftänbe unb 2töne einigermaßen
51
gemedjfelt. ttljlanb Ijat injnrifdjen bie edjte alte ©rtge
genauer lernten gelernt, bie beutfdje unb norbifdje rote
bie f ranjöftf d)e ; in tyt regiert nidjt jene näd)tli($e
©c&roärmerei unb Träumerei, fonbern ein Ijerjljafter
£elbengeift, berb unb rfidffidjtätos jufaljrenb. 5Suä)
ttljlanbs SBattaben jeigen nunmehr biefeß frifd&e, manty
mal berbe SBefen, „Älein Sftolanb" ate erfte ooran,
bann nad) einer Sßaufe von etroa jroei ftatpen bie
anb.ern aus bem altfranjöftfdjen ©agenfreiö, foroofjl
aus bem färolingifdjen wie auö bem anglonormäm
mftyen, ate fraftigfte unb glänjenbfte 33lüte biefeß
ftaftooQen 8totiQt% ber „£aittefer", ber bie ©ebid&te
be$ ^afyTtü 1812 mit einem pradjttwtten Strompetem
ton abfdjltefct. @inen roefentlidj anberen ßljarafter
§aben, gan$ entfpred&enb bem Ijifiorifdjen Etyarafter ber
i^nen ju ©runbe liegenben Sßerfonen unb Vorgänge,
bie ©ebidjte, bie fi$ in ben Äretfen ber protjenjatifdjen
unb fpanifd&en SCroubabourö bewegen; fie finb in an-
berem 3ufammenl)ang 8« ermähnen, ©anj oerroanbt
aber an tjetbenljaftem ©eift finb ben franjöftfd&en 33al=
laben bie beutfdjen. %\xä) ba, roo Ufylanb nad) feiner
früheren äBeife «Stoffe uon allgemeinerem unb utibt*
ftimmterem (S^arafter befjanbelt, finbet man jroar nod)
im %atyc 1812 bie ganj ber alten fentimentalen @at*
tung angeljärenbe ^Swttgfrau ©ieglinbe", aber au<#
fdjoit brei Saljre früher fräftige ©ebidjte oott freu*
bigen igelbenmutä, roie „2)aä ©djroert". 3 u ^ e ^ a & er
fetjen mir ben Sttdjter fidj an eine gegebene fonfrete
Ueberlieferung aus ber ©age ober ber ©efdjidjte <m
52
letjnen; mit befonberer SSorliebe entlehnt er feinen
Stoff bet fd&roäbifdjjen SSorjeit. SWit Sluöna^mc beö
in Sparte gebidfjteten ,,©raf ©bertjarbö SBeifeborn", ba*
unö wie ein fanfter, aber burdfjauö nid^t fenrtmentaler
Ätang beö ijjeimmeljö anmutet, lauter feefe, reden-
^afte $rifd(je, ein ©tücf weit in ben gefpenftigen igumor
hinein langenb wie „Sunfer Stedfjberger" ober t>on
Uebenarofirbiger Saune fprubelnb wie ,,©raf (Sberflein"
unb in anberer Sßetfe bie „©<Jjn>äbifd(je Äunbe", bis
bad 3at)t 1815 mit ben SaHabcn aber ©bewarb ben
Stoufd&ebart bie eigentliche legenbarifd&e, rfjapfobtfd&e
Seljanblung oaterlanbifd^er ©efd&idfjte im rein epifdjen,
referierenben SBolffitone bringt. -Jiadfj jener 3*it finben
mir t>aterlänbifdjje 23aHaben n>ot)l nod; manchmal bei
Uttfanb, aber nidfjt meljr in berfelben edfjt epifdfjen
SBeife. @$ mif<$t ftdf) oielme^r bie -Jtaturempftnbung
als ganj integrierenber Seftanbteil mit ein unb oer*
änbert ben rein epifdjen ©^arafter redjjt roefentlidj
in einen minbeftena ebenfo ftarf Iprifd^ gefärbten.
2)at)er ber nid&t genauer befinierbare 9teij biefer fpfo
teren ©tütfe, meldte auf und SRoberne mit unferer
oormiegenb Iprifdjjen ©timmung unb Neigung ganj
befonberö mirfen. SBenn „3)er ©d^enf tum ßünburg"
ald eine reijenb erfunbene 3lnefbote ben 33oben ber
SBalbeönatur, auf bem er fpielt, menigftenö jum Unter*
grunbe l)at, ber für ben ©Ijarafter be$ ©anjen wxenU
befjrtidf) ift, fo ift in „Seite £ob" bie SBolfelegenbe
unb ber Staturoorgang in fpmbolifdfjer SBeife unauf-
töölidjj perfettet unb ba* „©ingent&al" löft fidfj ooffenbö
53
ganj roefentüdfj in iftaturftimmung auf. 2letynltdj t)cr-
galten fi<$ bie beiben legten Sattaben Urlaubs aus
bem Saljre 1847, „£er<$enfrieg" unb „3)er lefcte $falj~
graf", von betten bie erfte otjne ben iWaturtJorgang
gar nidjt benfbar ift, bie jroeite aber bas 33ertt>adfjfen=
fein bes gelben mit ber iWaturroelt auf eine ganj
entjüdenbe Sßeife jur 2lnfd(jauung bringt.
3Ran barf fagen, es ift t>on ben SBirfungen,
roeld&e bie Sftomantif in jener jut>or beftintntten gortn
unb Stiftung auf Urlaub ausgeübt §at, feine t)er-
loren gegangen, rooljl aber §at fid^ eine SReifung unb
Stldrung bei iljtn tJoffjogen, bie i§n, oljne baft er ben
SBoben, auf bem er einmal angettmrjett mar, ju t>er=
laffen braudfjte, unenbltdj) tyod) über bie 3eitgenoffen
hinausgehoben §at, bie er in feiner Sugenb als SWeifter
unb SBegmeifer t>ereljrte.
S)as ift es nun rooltf, mas man gemö^nlid^ meint,
tüenn man bat)on rebet, baß Utylanb bie Sftomantif,
aus ber er Ijerüorging , ju Iberer Älarljeit erhoben
unb bamit jugleidE) fiberttmnben Ijabe. ®r Ijängt aber
mit ber Sftomanttf, nur mit einer anbem ©eftaltung
berfelben, audfj nodfj in einem guten anbern £etl
feiner ©ebid&te juf ammen, unb tdj möd^te; um nur
einen furjen tarnen bafür $u tyaben, biefe $orm feiner
Stomantif bie SHedftfterenbe nennen. 3dfj Ijabe bas
junädtjft netter ju erläutern.
3ene fentimentale $orm ber SRomantif, bie man
mit gfouqu^s tarnen am becfenbften bejeidjnet, ift ja
gar nidfjt bie urfprünglid&e, auü) leinesmegs bie
54
nridfjtigfte. 2)ic Stomanttf — um einmal biefcn -Kamen
für bie ^ßroteudgefiatt beizubehalten, bie, bei ben t>er*
fdfjiebenften SBanblungen, burdf) bie Sßerfonen tyrer
äntyänger unb ©egner bodj) immer eine SKrt von (Sin*
tyeit oorftellt — bie Siomanttf ging ja t)on ber flaf*
fijiftifd^en SHd&tung aus unb ift erft auf Umwegen ju
ber SSerfjerrttdfjung mtttelaltertidfjer Sfypen, unb maß
brum unb bran Ijängt, gelangt. 33on Anfang aber
fiat fie baö — roenigftena nadfj iljrer Meinung —
©pejififd^oetifd&e auf ben ©dfjilb gehoben, unb baö
ift nun namentlich bei ben altern Sftomanttfern eben
bie ©elbfttjerrlid&feit beö genialen Snbioibuumd. 3)er
©egenfafc gegen bie Sßljilifterei mad&t, von ber Sucinbe
bis ju (Std&enborffö £augenid(jtö fyerab, in ben t>er*
fäjtebenften formen ben ©runbjug ber SRomantif aus.
©r ift eö audf), ber bie SRomantifer fidf) auf ba*
Mittelalter mit feiner gütte poetifd&er Figuren unb
©rjätjlungen, mit feiner ttnbeffimmertljeit um ftiliftifdje
3lbrunbung im großen unb um üernünftige 2)enfbar-
feit im einjelnen alö auf einen ber SCummelpläfce
tljrer ßaune werfen liefe. -Kur poetifdjj, nur nid&t alt*
baden oernünftig ! SDief e Jlagge bedf t gar oerf dfjiebened,
ja biametral entgegengefefcteö ©ut: ben Äultuö ber
blofjen flangt>otten gform ttrie bie reine ^ormlofigfeit,
bie ©leidfjgültigfeit gegen ben Stoff unb bie tollfte
Häufung von ©tofflidfjem , bie reine äBittlür ber
poettfdjjen (Srftnbung unb bie anbädjtigfte 3Biberauf-
toärmung alter £rabitionen, bie fublimiertefte Sronie
be$ geiftreidjjen Sßoeten unb bie Jlad^betung ber leier-
55
fcafteften ©affenf)auert>erfe, bie abftraftefie 5ß^ilofop^ie
unb ben ßultuö ber Jungfrau Sßaria. ©o t>erfd(jieben
bicfc 3)tnge finb: fic ftnben ftd&, in jeweils fo ober
fo oeränberter SWifcijung, bei ben igauptt>ertretern ber
SRomanttf allemal ttrieber beifammen. 2lm meiften
freüi<^ bei £iedf, ber benn audjj bafi öinbeglteb jnrifdfjen
aßen gtittn unb SRidfjtungen ber Siomantif ift. Sluö
i&m allein fdfjon ließe ftdjj biefelbe in iljren fcaupt*
Phänomenen, fomeit fie poetif<$ finb, ableiten. @r
I;at aber aud) ©d&ule gemalt. @erabe um bie &\t,
ba ftdj) bei Uljlanb bie erfie $l)afe feiner romantifd&en
SHdfjtung in ber fcauptfad&e abgefponnen Ijatte, gewann
bie 9fo>mantif in bem foeben entnridfelten ©inn einen
neuen SJUttetpunft, neue fträfte unb 33unbe«genoffen.
3)er ©egenfafc jnrifdjjen ben 3inl)ängern ber
älteren, rationaliftif <$en 2)enfn>etf e in Sßrofa unb Sßoefie
unb benen ber SRomantif mar fdjon alt. 35on ben
Xenien an, nur mit öfterem grontn>e<$fel, Ijat ß$ ein
fold&er ßampf in unfer Safjrljunbert herüber gejogen.
@$ finb oft elenbe Sumpereien, an bie ber ©trett ftd&
anheftet, aber fie finb tppifdjj. ©o Ijat bie tum
SBityelm ©Riegel nadjj 33ttrger$ Vorgang roieber ju
(Styren gebraute gform beö ©onetts einen jahrelang
bauernben Ärieg ^eroorgeruf en , in bem man fidfj
um merjeljn 3tetmjeilen fd&lug unb einen ©egenfafc
ber ganjen SBeltanfd^auung meinte, Einte in Strömen
ift nur allein barum gefloffen. ©oetlje !jat fidfj ber
neuen gorm bemädfjtigt, aber er l)at in bem befannten
©onett Ijinjugefügt, bafe er bodfj be&utfam bamit fein
56
motte, benn o&ne jemeiliged „Seimen'' geije es ba bodfj
faum ab unb er fdfjnifce gern aus ganjem &plje. 2>a=
mit mar bad Gegiftet gebogen unb über bas S^ema
bes ©onettö ergoß fidfj nun ein ©dfjmatt t)on braufen-
ben fernen unb ©egentljemen in ol)renbetäubenbem
SDurdljeinanber. 33oß fdjjrieb nun fein 2Tntifonett an
©oetfje; Slrnim unb Srentano ließen it>r Sßtfcfeuer*
merf gegen ben alten ßolfteiner Urrationalifien fptelen,
unb in SBaggefenö „Äarfunfel" ober „ftttngflingel=
2llmanad()" faßte fid(j in einer mirftidfj geiftreidjen
SBeif e bie ©egnerf d&aft gegen bie 3lomanttf jufammen ;
üon beiben ©eiten oerliefen ftdf) bie SBogen aHmä^lid^
mieber, unb meffen ber ©ieg gemefen fei, oermod&te
mol)l niemanb fo ganj fidler ju fagen, benn ber
Plattheiten auf ber einen, ber ©jtraoaganjen auf
ber anbern ©eite motten ungefähr glet<$ t)iele ge-
mefen fein.
S)aö Hauptquartier ber beiben feinblid&en &eere
mar &eibelberg. 3)ort Ijaujien 33oß unb Paulus,
meldfje gemeinfam bie alte Surg beö SRationaltemuä
t>erteibigten , benn in ben Sftomantifern Ijatte man
nid&t bloß bie 2ln!jänger einer anbern poetifdjjen
Stiftung, fonbern audfj bie g-reunbe beö Äatfjolijiamuö
unb Slbf oluttemufi jubefämpfen: SBerftanb gegen SJtyfiif.
Sßauluä Ijielt ftdfj rein auf bem praftifd&en unb mtf[en=
fd&aftlid&en, t$eologifd(j=pl)ilofopt)ifd)en ©ebiete; 33oß
bagegen ift ber eigentliche äft^etifd^4itterarif(^e ©egner
ber romantifdfjen $oetif, ber bie alten f laffijiftifdfjen gtor*
men gegen bie „melfd&e Älangmetfjobe ber Äanjonen
57
unb ©onette" ausfpiette. Slber audfj bic ®egner
Ratten tfjren ©tfc am felben Drte. Ereujer oertrat bic
p^ilologifd^^toiffcnf^aftli^c ©eite bcr Sftomanttf, bic
potttifc^c unb p^ilofopljifdfje ©örreö, bic poetifd&e
Wcnim unb Brentano, ju roeld&en beinahe nodjj £iecf
gefommen wäre, fyättt ben it)tn jugebadfjten Seljrftufyl
in &eibelberg ntd&t ein anbercr it>eggefifd)t. Uns
gefct f>ier nur bic poetifdfje ©eite bcr ©adfje an, benn
in ©dfjroaben fam Ijauptfädjlidf) biefc jur Beljanblung,
unb tt^lanb §at otynet)in, wie von feiner 2)id&tung
überhaupt, fo audj) üon feiner Beteiligung an jenen
kämpfen bas ßulturgefd&td&tlid&e, Sßljilofopljifd&e unb
2tyeotogifd(je oon oorntjerein auögefdfjloffen.
2fn Sßürttemberg mar üon Anfang an ein &aupt=
fifc ber Sinti -Stomantif er. SDaö tum ©otta 1807 ge=
grünbetc „2Jiorgenblatt" mar baö oorneljmfte Organ
berfelben; baö 2^ema ift in biefem Blatte, ba$ erft
1815 burdfj ben Uebergang in Stücfertö Sftebaftion eine
oöttige SBenbung madfjte, in üerfdfjiebenen Tonarten
üariiert roorben. S)ie beiben ßauptfampen waren
griebrid^ &aug unb $riebrid) 2Beif[er, roeldfje beibe
roenigftena jeitmeilig an ber Stebaftüm beteiligt waren;
baju nodfj ber nad^ntalige ©tjmnaftalprofeffor Sfteinbecf,
ber in fpätern Sa^rje^nten burdj) feine greunbfdfjaft
mit Senau am raeiteften befannt geworben ift. &aug
unb Sßeiffer waren na§ befreunbet unb geiftig vtx-
wanbt. Beibe SHterögenoffen, gehörten beibe, was für
tyre ganje ^ßerfönlid^feit dfjarafteriftif<$ ift, bem ©tanbe
ber teeren Berwaltungöbeamten an; ber in foldfjen
58
Äreif en öftcrö t>ertretene Stypus bes nrifcigen, f arf aftif dfjen
Äameraben unb SKnefbotenfrämerS tritt bei iljnen fefjr
ausgeprägt ^eroor. 33eibe waren t>or allem ©pi=
grammatifer, gabelerjäljler, ©atirifer in Sßrofa unb
SSerfen, uon einer fünblic^en ©eroanbtfjeit unb grud&t*
barfett. 2)urd(j Sttter unb ©eiftesrid&tung ftanben fie
ganj auf bem 33oben ber uerftanbesmäfjigen Kafft?
jiftifd&en ©<$riftftellerei bes ad&tjefjnten ^^unberts,
unb biefe Stiftung l>aben fie in jaljlreid&en Slrtifeln
unb ©ebid^ten bes 9Korgenblattes jum Slusbrud ge=
bradfjt. 3$re eigentlid&en gelben finb bie ©leim, Uj,
Sid^tenberg, Ääftner, Sefftng, Sßielanb unb Älopftocf;
baju nodfj ©filier, ber insbefonbere oon bem t&m
perfönltdjj befannten &aug gerühmt mirb, weit weniger
©oetlje, ber eben mit bem romantifdjen ©rjfeinb in
naljer Serüljrung ftanb. &aug ift übrigens meitaus
ber bebeutenbere. @r ift nidjt blofe neben Ääftner
ber nrifctgjle unferer beutfdjjen ©pigrammatifer, er §at
aud& eine nrirHidjj poertfd&e 3lber. ©o ift er aud& ber
SSielfeitigere oon beiben unb in feinen litterarifdfjen,
äfttyetifdfjen 3lnftd^ten geredeter unb billiger, nrie benn
unter feinen poetifd&en arbeiten aud^ mandfje lieber*
fefcungen aus ben 3Rinnefängern unb anbern Sßoeten
finb, beren Semunberung man fonft für eine ©igen-
tümlid&feit ber Stomanttfer anfeljen möchte, ©eine
Dppofition gegen bie Sftomantif ift einerfeits nrifciger
unb besljalb wirf famer als bie SBeiffers, anbererfeits
fa<$lid(jer unb gemäßigter; er l)at audf) beizeiten ba=
mit aufhören uerftanben, mäfyrenb Sßeiffer nocij lange,
59
nadfjbem bie Streitigkeiten fyiftorifdfj geworben waren,
fortgepoltert fiat.
Uljlanb unb feine $reunbe fallen ftdfj in biefen
(Streit fjineingeftellt. gffir wen anbers tonnten fie
Partei ergreifen, als für bie Seite, toeld&e Sugenb
unb Sßoefie ju oertreten f<$ien? 3$ Ijabe fdjjon früher
t>on bem Ijanbfd)riftlid&en „©onntagöblatt" gerebet,
bas bie jungen greunbe im ^afyt 1807 im benmfcten
©egenfafce jum 3Worgenblatt gefd&rteben Ijaben. U^
lanbö Sftomantif tritt in bemfelben freiließ nod& fe^r
fyarmloa auf. ©r rebet begeiftert oon ber romantifd^en
Sßoefte, in ber er ben Inbegriff be§ waljrljaft Sßoe-
ttfdfjen erbttiJt, ofjne fie näljer $u beftimmen ober gegen
U)re ©egner ins fjetb ju jiefyen; in bemfelben £one
fudfjt er audfj ben greunben einen ^Begriff oon ber Sßoefte
bes ÜRibelungenliebs ju geben. Äerner, ber leiben*
fd&aftlidfjere, ift es ädern nad^ gemefen, ber juerft ben
fatirifdjjen £on angefdfjlagen l)at. 3unädf)ft bleiben
bie jungen gfäljnbridije ber Stomantif nodjj ftiH unter fiel),
oergnfigen fidf) mit §umorifttfdfj=überfdf)TOenglidjjen @pi=
fteln, mit einer gemeinfamen Sßarobie -Diattijtffonö, ben
bie Slntiromantifer als ben großen ßpriler ber ©egen=
wart anräucherten, wie er wieberum bie ©rofcen biefer
6rbe. ^n bit Deffentlidjjfeü tritt jebenfallö Remer
juerft ein. 3m 3al)r 1811 erf dienen als fein erftes
Sudfj bie „Sfteifefd&atten" , jene merfmürbige Steige
pfyantaftifdjjer Silber, in benen ein bämonifd&es poeti-
fd&eö geuer unb ein ganj toller &umor miteinauber
um ben Vorrang wetteifern : fein genialfteö SBerf, ift
60
biefeö SBudf) jugleidlj eines ber glänjenbften, wenn nidfjt
baö glanjenbfte 2Ranifeft ber SEHedfifd&en SRomanttf
gegen bie „Sßlattiften". 3m felben Satyr folgte ßer-
nerö crftcr 2Hmanad), an meldfjem Utylanb bebeutenben
Anteil naljm, jmei ^afyxt fpäter ber jroeUe unter
bem Tanten „©eutfctyer ©ictyterroalb". Jgier treten
nun beibe greunbe ate SRitter ber SRomantif in bic
©d^ranten, mit parobiftifcijen ©ebid&ten, roeld&e „©ptn-
beimann ber SRejenfent" unterzeichnet finb. ©pinbel=
mann ift ber lange, bärre SBeiffer. SBäljrenb Herners
©atire metyr im affgemeinen gegen bie Sßtyilifierei getyt,
ift bie Urlaubs fofort gegen baö littcrarifd^c ©egner-
tum gemenbet. 9lud(j bas affgemeiner gehaltene „%x&ty
lingölieb bes SRejenfenten" ftreift jutn ©d&lufc SBeifferö
litterarifd&e Neigungen, wenn eö ityn, „ftleifienö %xbty
ttng in ber SCafd^c", ausgeben lägt ; bie beiben erften
©loffen aber, t)on benen bie eine, „2)er SRejenfent",
f<$on in bem SHdfjterroalb erfdjten, tyaben ganj unb
gar bie litterarifd&e Sßolemif gegen SBeiffer ober nodfj
meljr gegen feinen 9Reifter 33ofc jum ©egenfianb: in
ironifd&er SBeife wirb bie Kaffijifttfdje ?ßoefte mit
ityren „antifen SBeröfoloffen" ber „SKftermufe ber ro=
manttfcty füfeen £errn" gegenüber tyeraudgeftridfjen.
3)ie jroeite ©loffe, „2)er SRomantifer unb ber SRejen-
fent", erfd^ien erft in ber ©ammlung ber ©ebidfjte,
jugleid) audfj bie beiben weiteren ©ebid&te „SRomanje
oom SRejenfenten" unb „2)ie Sefetyrung jum ©onett",
rote audfj in ber (Sinleitung ju ben ©bertyarböbaffaben
(1815) nodfj auf bie ©inngebtd&te ber ©egner ange-
61
fpielt ift. 2lm birefteften gegen SBeiffer ift bie „93e*
feljrung" gerietet. S)er alte ©egner bet Sftomanttf
Ijatte im %äf)t 1814 felbft ein ©onett t>erbro<ijen unb
äiüar fein parobiftif d&es , n>ie fonft fd&on, fonbern
ein feljr ernft, ja bäfier gefärbtes Siebe§gebid&t. 2ttit
überlegenem 2Bifc jieljt nun Uljlanb über üjn tjer,
mit er, baö „reine Hermelin ber alten ©cljule", jefct
felbft fein meifteö gell befubelt Ijabe:
gürroaJjr, bu bift bem Sdjrer ju Dergleichen,
$er feinen Sögling ob geftotylnen ßirfdjen
3fa3fd)att unb fdjeltenb felber fie gefreffen.
3m 3M>* 1815 £<** er baö Äriegabeil begraben; mit
&aug Ijatte er unb I)at er nodj fpäter gute greunb*
fd^aft gehalten, allgemeiner unb oljne foldfje fpejtelle
Sejie^ungen aber Ijat er fdfjon 1811 bie ©ad&e ber
SRomantif nriber bie „©tubenpoefte" in feinem „SWiftr-
dfjen" nertreten, bas als baß ©egenfpiel ber eben be~
fprodjjenen ©ebtdjte, als bas ernftljafte SDtanifeft ber
fdjjroäbifdfjen SRomantifer bejeidfjnet werben fann.
3Son 1811 bis 1815 reicht biefe Beteiligung Vlty
lanbö an bem ©onettfrieg unb an bem Kampf jnrifdfjen
SRomantif unb Älaffijiömuö. ©ie bilbet nur eine
furje (Spifobe in ber ©efdfjidfjte feiner 5ßoefie. ©dfjon
etwas früher aber fefjen mir tljn audfj in anberer
3lrt an ber SRomantif in ftiedfe Sßeife ftdjj betet*
ligen. 3$ Ijabe beö Änaben SBunberljorn ermähnt.
©* fann fein 3 ro etfel f e * n / bafy biefe ©ammlung eö
gemefen ift, meldte Urlaub audjj jur Stfdfjtung im gan;
eigentlidjjen SBolföliebton angeregt §at; benn feine
62
©ebidfjte bicfer Slrt f äffen gerabe im %af)t 1809, naty
betn baa SBunberljorn 1808 erf d&ienen toar.
2)a« 3al)r 1809 ift überhaupt ber Anfang oon
Urlaubs 35rentano*2:te<fifdfjer SRomanttf. 25a* beroetfen
vox allem bie bramatifdfjen Fragmente. 3m 3<x!jr 1809
fd^rieb Äerner fein ©d&attenfpiel „ßönig @gtnl>arb",
bas in bie SReifefdfjatten aufgenommen nmrbe, unb ttfc
lanb t)erf afete iljm ein SRad&fpiel baju ; beiber arbeiten
finb ganj in bem burleöfen, parobierenben iQoljfdfjnitt-
ftil gehalten, ben Xitä 3Robe gemalt l>atte, mit SSer-
toanblungen ber Sßerfonen ineinanber, Stpoftrop^ie-
rangen bes Spubttfumö, SBermifd&ung von ©jene unb
SBtrflidftfeit unb einer balb natoen balb ironifd&en
•Jtad&aljmung beö ©tilß unb @ef$madfe ber alten
$Bolfdbfldf>er. 25ie eigene bramatifdje Bearbeitung, bie
Urlaub bem 33olfsbudj von ©ginfjarb angebeiljen liefe,
nmrbe nicljt fertig; fie ift ernft^aft gehalten, aber in
ber Beljanblung entfliehen von ber Sftomanttf ab-
hängig, nrie ba* fdftlid&e gragment „©dfjilbetd" be=
weifen fann, baö baraus in bie ©ebiclitfammlung über=
gegangen ift. ©leid&fatte im ftaljre 1809 Ijaben llljlanb
unb Äerner miteinanber bie fpanifd&e Sßoffe „3>er
33ftr" gefdfjrieben, burd& bie auä) ein ganj patobtfiifdfjer
£on gef)t; t)on lltyfonb f djeinen bie poetifd&en, t)on
Äerner meljr bie profaifdfjen $eile fjerjurüljren. 3)afi
bramatifd&e Fragment „35a$ ©tänbd&en", ba$ in Siedfe
3trt Sßoefte unb ^p^ilifterei einanber gegenüberfiettt, ge-
hörte urfprünglidj ju bem bramatifd&en (Sntrourf „%avx*
lan unb Rannet" unb ift au<# aus bemfelten 3«$rc.
68
<8ttoa% fpäter, jroifd&en 1809 unb 1814, mufc ber @nf~
rourf „Karl bcr ©rofce in Serufalem" entftanben fein,
von beffen &anö ©adiftfdfjem 2ton man fic^ aufi bcr
„©d&toäbifdjen Äunbe", tuel<$e barauö fjerauögetoadjtfen
ift, eine SBorftettung madjen fann.
hieben ber SBolfepoefte unb ber beö beutfdfjen
■Mittelalters Ijat aber bie Stomantif, melgeftaltig wie
fie ift, ntd&t minber bie farbenglänjenbe 3Did&tung ber
ffiblid&en, romanifd&en SBolfer gepflegt unb nad>geal>mt.
S)ie bis jur ftarrifatur getriebene Sobpretfung £albe=
rons, bei melier bann nodfj ferner bie fatyolifterenbe
■Meigung mitgenrirft §at, ift bas ^eroorragenbfte S9ei=
fptel bafür. ®ie greube an ©pielen mit frönen
formen unb Älängen ift in ber ganjen ©df>ul* afc
mädjjtig: „©flfce Siebe benft in £önen", unb leiber
trifft aud& bas „3)enn ©ebanfen fteljn ju fern" oft=
mals ju. SBir Ijaben gefeljen, mit um bie »on ben
SRomantifern gepflegte ftorm bes ©onetts fidf) ein
langer Äampf entfponnen §at 39ei ben Äomanttfem
ift bas ©onett atterbings manchmal blofe ein „ Äling=
gebiet", ©er emfte U^lanb §at es ernfter beljanbelt,
ja mehrere feiner ernfteften unb geiftig bebeutenbften
(Sebidfjte finb in biefe gorm gefleibet. 3ft es aber ein
3ufall, wenn er ftdj) berfelben eben in ben nämlidjjen
Sauren 1809 bis 1814 bebient !jat, in roeWje feine
anbern Siedfifierenben ©ebid^te fallen? Sßor unb
nadj jener $t\t fenne idfj nur aus ben 3<*!jren 1807
unb 1808, fonrie auö bem ^afyc 1815 ein paar in
ber Sammlung nid&t fteljenbe ©onetie, unb bas fpätefte
64
ifi ba* 1816 gcbid^tete „2tn bic SBunbfd&medfer". Sie
Dftaoe gehörte nidjjt jur engeren ©omäne ber 9fa>~
mantifer, benn fie mar fdfjon cor iljnen gepflegt Sor-
ben unb würbe beöljalb aud& oon iljren ©egnern nidjjt
üerfdjmäljt. Slber fie gehört auä) ju jenen romamfdfjen
formen, an benen bic Stomantifer befonbered ©efaHen
femben. Unb fo fann es abermals fein 3 u f°tl fein,
bafc U^lanb fid& aud& biefer gorm eben um biefelbe
3eit bebient, tum 1807 bis 1816, unb bann nodf>
einmal 1819 in bem fd^önften unb ebelften unter ben
Ijierljergeprtgen ©ebid&ten, „Katharina". Sie ©loffen,
i^rer Sßatur nad& gleichfalls ©ebid&te formellen Ur-
fprungs unb Gljarafterö, finb oon 1813 unb 1814,
bie £enjone in bem poetifdjjen SBettfampf mit Studiert
Don 1816.
3ft an biefen bem Snljalt nadfj feljr aerfdfjiebenen
©ebidfjten bie gorm allein ber ©runb, fie an biefe
©teile ju orbnen, fo jetgt eine anbere ©ruppe t>on
Uljlanb* ©ebidjjten nadfj gorm unb ^n^alt jugleidfj
d&arafteriftifdjje Sßermanbtfd^aft mit ber Stomantif. 3dfj
meine bie fpanifdfjen Äomanjen unb bie mit i^nen
oerroanbten ©ebidfjte. ©ie fielen in ber ©ebtdjjt*
fammlung unmittelbar beifammen unb finb audjj
fttltftifdj) burd&auö miteinanber »erbunben. 3n ber
3eit reiben fie von 1809 bis 1815; infternerd erftem
Sllmanad^ ftanben no<$ jroei weitere, „Safilbe" unb
„©anft Slbefon«", toeWje biefer SBeröffentlid&ungSjett
jufolge in ober vox baö 3a^r 1810 fallen muffen.
3$ nenne bie ganje ©ruppe fpanifdfj, obgleich mandfje
65
bcr ©ebidjte tyren ©djauplafe in ©flbfranfreid), in
Italien ober an feinem bestimmten Drte §aben. 3n
Spanien fpielen bie beiben tbtn genannten ©ebidjte,
roeldje mit ben jroei anbern „©er ©ieger" unb „©er
nädjtttdje Stitter" juerft von allen veröffentlicht roorben
finb : Safübe ift eine fpanifdje Segenbe, ©anft Slbefons
aber eine Ueberfefcung aus ßopeö Äömg SBamba.
©panifdj ift baö SBerömafc, roeldjes bent beö lefet*
genannten ©ebidjteö treu nadjgebübet ift: es finb bie
in ber fpanifdjen ©idjtung Ijäuftgen trodjäifdjen 58ier-
füfeler, beren gerabe 3eüen burdj Slffonanjen t>erbun*
ben finb. 3n biefem SBersmafe finb nod) fernerhin
gebietet: „©er faftüifdje Stifter", „©anft ©eorgs
Stitter", „Stomanje t>om Keinen ©äumling"; toä^renb
in ben übrigen, jumeift nadj jenen gebidjteten bie
2tffonan$en burd) ben genauen Steint erfefet finb:
„Sioman&e t)om Stejenfenten", „bitter Sßaris", „©er
Stauber", „©ängerliebe" unb „Siebesftagen". ©as
fpanifdje SBersmaft ift es nidjt allein, roas biefe ©e-
bid)te serbinbet unb ber Stomanttf t>erpflidjtet; es ift
audj in ben meiften oon ifjnen bie für biefe djaraf-
terifttfdje Steigung jum ©pielen, fei es mit romantifdjer
Ironie ober mit troubaboursmäfeiger ©alanterie, beut*
lidj auägefprodjen.
2lm glänjenbften aber Dereinigen ftdj biefe ®igen=
fdjaften in bem „$ortunat", von roetdjem 1814 bis
1816 bie p>et erften unb einigen Sfidjer ausgearbeitet
nmrben. 3n i§m ftnben ftd) bie roefentltdjfien Sngre-
bienjien jener Stomantif beifammen, meiere idj bie
Sflf^et, Subtoig tt&lanb. 5
66
£iedftfd[>e genannt Ijabe, unb jtoar fo, ba§ idjj biefen
£orfo für eine« ber twrjfiglidfjften SBerfe ber ©attung
galten mödjjte. 3>er ©egenftanb ift einem ber alt-
beutfdfjen SBolfebfidfjer entnommen, an benen bie
9tomanttfer fo gern jeljrten; er ifi biß gegen ben
©d(jlu& im roef entließen treu nadfj biefer SBorlage be-
fjanbelt, was bie äußeren Gegebenheiten betrifft, aber
in ber ftiüftifdjen 3lusfttl)rung ifi ein ganj neues SBerl
baraus geworben. 3$ wüßte nid&t, toeldje SBufter
aus ber jeitgenöfjtfdfjen Sitteratur bem Sinter für
feine 33ef)anblung oorgef fytotbt fyabm fönnten, benn
bas groftartigfle SSeifptel ber ©attung, Styrons ®on
Suan, ift erft fpäter erfd^ienen. 2Bir fönnen nur an
bie alten Staliener, Slriofi in erfter Sinie, erinnern,
weldje in bem nämlidjen SBersmafc bas trielbenmnberte
unb öfters nachgeahmte Seifpiel eines fomtfdjjen ober,
genauer gefagt, eines ben ©ruft ber alten iQelbenfage
in ©dfjerj, ja Sßarobie auflöfenben @pos gegeben
Ratten. -Kur ift bie SSe^anblungsmeife bes mobemen
Sinters weit fubjelttoer, wie es ber frittfdfjen 3^-
bilbung unb ber ©timmung ber 9tomanttf, namentlich
in iljren Urfprüngen, entfprid&t : eine metfwürbige @r*
fdfjeinung in ber 2$at, bafc bie älteren Sßfjafen biefer
Bewegung bei Urlaub i^re SBirfung erft na$ ben
fpäteren äu&ern. S)er (Stoff ift ^ier redjt etgentttdf)
nur bas legenbarifd&e ÜKaterial, beffen ftd(j ber ©idfjter
bebient, bas er mit fdfjembar würbigem, treubefliffenem
©ruft unb ^eiliger ©dfjeu wiebergibt, um in SBirfttdf)*
feit, bem tieferen ©inn nad&, lebiglidjj bamit §u fpiefen
67
unb es jum SJummelpfafc geiftrexdfjer Ironie ju madfjen.
©ie 2fet, nrie SBielanb romantifd&e ©toffe Ijumoriftifdfj*
fatirtfdjj be^atibclt ^atte , mar bodjj eine roefentlidf)
anbete, fte ^attc einen ftarf rationaliftifd&en 39et*
gefdfjmadt. &ier bagegen ift es bie reine fouwräne
Saune bes bidjterifdjen ^nbiütbuums, weldfje auf bie
Sfiljne tritt, in ben serfd&iebenfien Tonarten fidfj §ören
läßt, jefet im ©^ronifenftit mit I)odjjgejogenen Srauen
ernflljaft ju berieten fdjeint, um gleidfj barauf mit
einer eleganten SBenbung fort&uljüpfen, ftd) an baö
Sßublifum mit einer fd)aK§aft*eroften Sßarabafe ju
toenben, jefet nrieber im ©emoge romanttfdjer Silber
unb gfarbenmaffen fdjroetgt, fidfj t>on bem Älange einer
tmmbert)offen ©pradfje eimoiegen läßt, um fofort nrieber
mit einer Semerfung fubjeftfofter Ironie fjerüorju*
ftmngen, fo ba§ ber (Sinbrudf beö ©attjen ber einer
prädfjttgen, von überlegenem SBtfce geleiteten gaftnadEjtö*
maflferabe fein mufc. Äaum wirb in SDeutfdfjlanb
jemanb ju fmben fein, ber es unferem Sinter in
btefem ©ebtdfjte, baö t)or allem audfj ein £riumplj für
feine ©prad&= unb SBeröbegabung ift, gleidf) getrau
Ijätte. 3$ müßte nur ben fdfjon t>on anbern genannten
iße^fe in feiner „33raut von Supern" $u nennen, ber
benn au<$ mit ben berebteften SSorten Urlaub feinen
9Mfter gereiften §at
SBarum $at Uljtanb bas@ebid(jt nid^t aoHenbet?
2Bar es blofy berfelbe fd^cn oben ermähnte fprung*
weife S^arafter feines ©intens, ber ber SBoHenbung
längerer ©ebidfjte nid)t günftig fein fonnte, ber iljn
68
von ja^lreidjjen bramatifdfjen planen nur jtoei soffenben
liefe, was audjj bie SBetterfttlpung beö gortunat vtt-
tyinberte? ©eroife ntdfjt baß allein; benn gletdjj nadfj
bem SBerlaffen biefeö planes Ijatte er bie Slusbauer,
jroei 2)ramen fdfjnett fjtntereinanber auöjuar&eiten. ißat
i^m alfo meHeidfjt tbtn bie Arbeit am iQerjog ©ruft
ben gortunat verleibet? SBofyl nodjj mef)r als ba§;
er mufe ber ganjen romantifdijen Ironie unb gorm-
fpielerei fatt geworben fein, benn fo ernft er es mit
ber geiftigen Ausfüllung von formen roie ©onett unb
DttQM genommen Ijatte, mit feiner tiefften SRatur
harmonierte bas ganje SBefen gerotfc nidijt. Unb tbm
ber gortunat fann itym ben ©efdjmad baran benommen
Ijaben. ©etyr letyrreidij ift bafür feine SSemerfung aus
bem Tübinger ©tiliftifum, Don bem idjj fpäterljin ju
reben Ijabe: ,,©s Hegt ein gerotffer, gerabe bem
£umoriftifd(jen wenig jufagenber 3wang barin, burdfj
ben weiten Umfang einer ©popöe unaufftörli^ luftig
ju fein, ©ine fold&e 33efonbrung bes fomtfdfjen
©lementes ber Sßoefie, jumal wenn fie in großen
Waffen vorgenommen wirb, gehört ben Reiten einer
fünftlidjjero poertfdjjen SBilbung an." ©8 mochte i^m
fdjließlidlj wiberfteljen, ein foldfjes feinem fd<djten,
geraben SBefen wenig gemäßes Äolettieren mit bem
^ublifum nodfj burdfj mehrere, ja weit mehrere ©e=
fange f ortjuf efcen : benn bie jwei twttenbeten SBfidfjer
entfpredjen nur etwa bem erften fünftel bes alten
33olfsbud(jes. ©ine erftmalige Hemmung mar trieUeidjt
ber Umftanb, bafe er ft$ bur<$ eine Abwetd&ung von
69
bcr alten ©efdEjid&te am ©djluffe feines SBrudjjftficfs
ben 2Beg »erbaut f)atte; über ber ©djjmierigfett, ben
Sßlan in aeränberter Stiftung fortzuführen, mag bas
SBerf ins ©todfen gefommen unb bann aus jenen
tiefer liegenben ©rünben ganj fteden geblieben fein.
2Ber metß, ob mir es mit ebenfo großem Vergnügen
lefen mürben, menn es jeljn Südjer ftatt jmeier Ijätte?
Db mir bann ebenfo gern auf längere Sauer, als
jefct auf bie einer ©tunbe, uns an bem geiftigen geber-
battfpiel ergöfcen mürben ? Urlaub §at an feinen XitdU
fterenben ©ebid)ten unb mit einem glänjenben finale
am gortunat gezeigt, baß i§m audEj foldije fpielenbe,
formalifiifdjje Sßoefte nidijt t)erf Stoffen mar; aber er
fjat bie £f)fire red&tjeitig mieber jugefd^lagen unb uns
erfpart, i§n neben Brentano unb ben £ie<f jener 3*it
reiben ju muffen, bei benen man t)or bem beftänbigen
Stteinanberfpielen aller garben unb Tont blinb unb
taub mirb unb mit einem fafeenjämmerlidijen ©d&mmbel
feljr ernüchtert ermaßt.
■Reue formen unb ©attungen ber Iprtfd^cn unb
eptfdjjen Sßoefte finb nadfj jener 3 e *t ntd&t m *§* * n
Urlaubs SMdEjtung eingebrungen. 2ftan mag mofjl
fagen, baß bie ftiUe ©röße ber gorm unb bes 2>n-
Ijalts von nun an in ben menigeren ©ebid^ten, bie
ttodfj folgen, bebeutenber unb von einem lidfjteren
©lang umgeben erfdfjeine, als juoor; aber fdjon bie
frühere 3*ü M ©ebidfjte gebraut, roeldfje ben fdfjönften
aus fpäteren %af)Ttn ebenbürtig finb, unb vox allem
ifi fein fpejiftfd^er 3ug in ben fpäteren ma^rjuneljmen,
70
ber ntd&t fdijon früher t>orl)anben geroefen märe. 9Ran#e
frühere SJeflanbtetle feiner Sßoefte fdjjeiben fid^ nun*
xMfyc aus, unb fo mag man in ben fpäteren ©ebidjjten
feine eigentlidjje Statur reiner ftnben, benn jene SBe-
fianbteite roaren von außen §er jugef filjrt ; aber f djjon
mit ad&tjeljn Sauren f eljen mir i§n Sieber bidjjten, bie
ju ben reinften unb eigentümlichen ßrjeugniffen feiner
Sßoefie jäljlen.
SEBenn bie ©runbform feine« ©elftes fdjjon fel>r
frülföeirtg in Urlaubs ©ebid&ten erfdjjeint, in einem
Sebensalter, ba fetbft ber frühreife ©oet$e no<$ mit*
unter bie ©ierfdfjalen angelernter 5ßocfte an fidjj fangen
fcatte, roenn fie für alle 3*it i^m treu geblieben tft, fo
muß baraus nodjj fetnesroegs folgen, baß fie audjj be-
fonbers fdjarf ausgeprägt märe, von ber gewöhnlichen
gorm menfdjjlidjjen @mpfinben« befonbers abftädfje unb
fo unmittelbar leidjt in bie Slugen fiele, nrie etma bei
Seine, Äerner, Senau. ©8 fallen fetyr oft tbtn bie
geiler leidster in bie Slugen, als bie ^ugenben, unb
bas Slbmetd&en von ber geraben äRttteltinie bes SRaßes
geljt nid^t immer nadjj oben, fonbern audf> nadfj ben
©eiten unb nadij unten. @s gehört fdEjon eine gemiffe
Stiftung auf ba« Sßati&ologtfdfje — im weiteren ©inne,
monadj xä) jebe nidfjt rein na<# poetifdfjen, fonbern
jugleidjj nadjj ftoff ttdjjen , politifdfjen, religiöfen ober
anbern -Dttttelpunften gramtterenbe Stiftung in ber
Sßoefie barunter üerfietye — - baju, Urlaubs ©ebtd&te
bes^alb, roetl fie faft immer in ber mittleren 3 onc
einer normalen ©mpfinbungd- unb ©ebanfenmett oer*
71
weilen, für minber bebeutungaaott ju Ratten. 9lein,
fte fjaben i§re ©röße unb jtoar tyre ganj eigentttmttd&e
(Sröße; aber fte liegt tiefer, wie etwa bei einem nur
in mäßigem, eblem ©djjmud fidfj er^ebenben 39au, an
bem bie 3)eutf d(H SRomantif er ber ©egemoart a<$tlo$
vorübergehen.
Uljlanb §at einmal in 33ejtel)ung auf fcölberltn
eine intereffante Unterfd&etbung gemalt jnrifd&en ben
großen ©intern, weldje, roie ©filier unb ©oetlje,
ttidjjt nur burdjj i^re Sßoefte ttrirfen, fonbem audjj frembe
©ebiete, mie *pi)ilofopljie, ©efd&td&te, ^aturroiffenfd&aft,
in iljren @eft<Jjt8frei$ jie^en, unb folgen, „bei melden
jener frembartige (Stoff au$gefdj)loffen bleibt, bie baljer
minber reidj unb mannigfaltig finb, bei benen aber
baö xoatyct, innerste SBefen ber ^oefte reiner üorljan-
ben ift, alö bei jenen großen". aSerfteijt man biefen
©afe nidfjt t)on ben neben ber Sßoefte Ijerlaufenben
itriffenfdfjaftlidfjen Sefirebungen , fonbem t)on ben in
bie Sßoefie Ijineinragenben nriffenfdSJaftlidjjen, vor allem
p$tlofopijtfd&en ©lementen, fo paßt er jugletdjj ganj
oortreffltdjj, um Urlaub« bid&terifd&e 3lrt im ©egenfafc
tttoa ju ©dritter unb ©oet^e ju bejeidfjnen. @r ift
ate ©tdfjter mirflid^ bloß ©idfjter. SDie Äämpfe ber
Stomantif, bie mir in einen Seil feiner spoefte hinein
ragen fallen, finb eben poettfdjje, litterarifdfje, b. lj. fie
finb von i^m bloß nadjj tfjrer Utterartfdfjen unb poe*
tifd&en ©eite angefaßt roorben. S)ie Sßoltttf bilbet ben
©egenftanb für einen anbern 2^eil feiner ©ebidfjte,
fomo^l ber Äampf gegen Napoleon im 3a$r 1814
72
als bic balb barauf entbrannten roürttembergtfd&en
JBerfaffungslämpfe ; audf) nod& int %a§x 1834 £at
i^n bie 3tot bes ganjen SBaterlanbes ju bent ©e-
bidfjt „Sßanberung" erregt unb feine bärgerlid^-
bemofratifdfje ©efimwng in ber „SBerfunfenen Ärone"
ftd& SluSbrud t>erfdfjafft. Sie „33aterlänbifd(jen ©e=
btdfjte" bilben baburdij einen eigenartigen SBeftanbteü
feiner ©ebid&tf ammlung , bafc fie einen ©egenftanb
bes dufteren, praftifdjen Sebens beljanbeln. SDatyer
iljr me§r ins Styetorifdfje faHenber Ton, eine größere
Slnfpannung ber äußeren SWittel ber Ueberrebung, au<§
xootjl mandjjmal ein ßerabfieigen ju ben ©ebanfen unb
SRebewenbungen bes gorums. 2tHein fte fielen in
iljrer marftgen Kraft, in i^rer efjrttd&en, bfirgerlid&en
©dtfidfjti&eit %oä) über ben glänjenberen politifdfjen ©e-
bieten ber aierjiger Safere, in benen fo unenblidjj mel
ftofetterie fiedft. — 2)ies wäre nun aHerbmgs eine
ftlaffe t)on ©toffen, bie bem ©idjjter aus Legionen
jufftefcen, weldjje an fidfj mit ber Sßoefie nidjjts ju tl>un
traben. Urlaub §at aber eben mit feinen poßtifdijen
©ebtdjjten bie Meinung glänjenb nriberlegt, baft bie
Sßotitif ein ber poetifdjjen Seljanblung gar nidjjt fähiger
©egenjianb fei. 3a, W* Diplomatie etwa, jener ganje
Xtil ber Sßolitif, ber es eben mit ben fträften unb
Seiftungen bes SBerjianbes, ber genialen Äombinationfi-
gäbe ju tljun Ijat : er mag ftdfj für bas S)rama eignen,
beffen ©eete bie SDiatclttt ifl, für bas fyrifd&e ©ebid&t
jebenfaHs nidjjt. aber foUten bie moralif fym, bie
im SBiffen liegenben ftaftoren polittfdjjer Sßorgänge
«. % •
•■ •. * to t "
* • • *
73
einer Iprifdjjen Seljanblung unfähig fein? ©oHte ber
Äampf um bie rec&tsgemäfee grei^ett, weldfje, um mit
ttttfcmb f eiber ju reben, „bie Sßürbe bes SDGenfdfjen
ausmalt", weniger poetifd& fein als ber um ben 33eft$
eines frönen SBeibes, bie treue Eingebung an bas
SBaterlanb unb feinen dürften weniger als bie an bie
•ftatur, an bie (Beliebte, an ben gfreunb, ber jefct auf*
lobernbe Ärieg um bas &eil ber -Kation weniger als
bie SRaubjuge mittelalterlicher ©eefönige? ©twas me^r
©rbgefdfjmadf ber nadten SBirf ltdjtf eit , etwas mefjr
^üdfidfjtslofigfett, wo§l audj) igärte bes SBottens unb
©mpftnbens wirb foldfjer Stogesltjrtf allerbings anhaften,
etwas me^r, als jenen elegtfdfjen ©ebid)ten ober ben
S3e^anblungen einer nur burdj bie Sßljantafie t>ermit*
telten 83ergangenljeit ; aber woljl audjj etwas meljr Äraft,
innere 2Baf)ri>ett unb unmittelbare SBirfung auf bie 3^it.
äHein jene Sßaterlanbsbi^tung tyat es zbm iljrer
SRatur na<$ mit ben Äräften bes ©emüts unb SBiffens
§u tfyxn unb ift barum unmittelbar poettfdjj; wie fie
benn audjj t>on ben politifdjen 2ftanifeften ber ^ebräi*
fdjjen Sßropljeten, t)on Styrtäus unb Sllcäus an in ber
spoefte aller lebenbig wirfenben SSölfer aufgetreten ift
unb nur aus ber unfern burdij eine unpolitifdjje Seit*
ridjjtung Ijat wegbefretiert werben foHen. SBomit idjj
mdjjt leugnen will, bafc bie Siebes* unb -Raturlprif
me^r im SDUttelpunft ber Sßoefte fte^e, ba fie es tUn
nur mit ber ©mpfinbung §u ttyun §at unb aufterbem
über bas SBeljifel ber Sß^antafie oöUig frei verfügt,
welkes in ber politifdfjen ©id&tung nur eine unter«
74
georbnetere Stolle fpielen fann. <g& ifi bemnadjj bte
tmterlänbifdfje ©idjjtung Ufjlanbö {ein (Sinmurf gegen
meinen ©afc, bafe er ab SXdjter eben SDidtfer fei.
Urlaubs <ßoefie ift im toefentUdfjen unb jebenfaüö ba,
mo fte i£re Jjödjjfie Entfaltung erteilt Ijat, jeitlos,
man tonnte audj fagen tulturlod. @8 märe mir leib,
menn biefe SluSbrfidf e mifsi>erßanben mürben ; fte f ollen
eine ©djjranfe, aber minbefienö ebenfofeljr eine Sfogenb
bejeidjjnen. 3$ ^offe audjj nid^t, bafc man biefe 2lu$=
brfltf e auf bie ©ptfce fieHe unb babur<# ad absurdum
ffltjre. 88on feiner 3«* unb Jtultur fann ftdjj ja bo<$
fein 3Kenfd(j loömadjjen. @r tragt fte in taufenb
Äleimgfetten mit ftdfj. 3ebermann mirb an Urlaubs
©pradjjf ormen erfennen, bafe er im neunjeljnten 3aljr=
Ijunbert, an Ätebling$floffen, metrtfdjjen unb anberen
SBenbungen, bafe er nadfj ben 9RetflerjaI)ren ©oetyes,
nadjj bem aufblühen ber SRomanttfer gebietet Ijat.
©o mirb audjj feine Sluffaffung ber ©efdjjled&töltebe
©erraten, bafc er nidjjt in bie Älopfiodftfdjje ober Ujifdjje
Sßeriobe gehört, fonbern nadjj ©oetlje gebietet ^at;
feine polittfdjje 2)enfmeife, bafc er in einem alten SBer-
faffungsflaate unb bodjj na<# ber franjöftfdjjen 9ta)o*
lution gelebt Ijat; feine -Raturauffaffung mteberum, bafc
er nidfjt vor ©oetlje* 3** f <*Hen fatm ; f rfn^ Religion,
bafc er einer gtit angehört, in ber eine Steltgioftt&t
otyne engeren fonfefftonellen ©Ijarafter möglidfj mar.
©o bringt bie Äultur einer $eit unmtberftefjlidfj in
bie gufammenfefcung ber einzelnen ©Ijaraftere ein,
mie ein unenblidfj teilbarer ©toff, ber ftd) in Sltom*
75
form fafi aHgegenmärtig allen Äörpern mitteilt, bic
in ber mit iljm gefd&miingerten Stmofpfj&te ftd^ be=
finbcn. 6ine fotdje burdfjgängige Sttpngigfeit t>on
ber Qdt fann man Bei Uljlanb fo meutg leugnen
motten ate bei itgenb einem anbern. Um maß e$ fidj
^anbelt, ift nur bas, ob bie eigentümlidfjen gaftoren
ber B^tbilbung in feiner Sßoefte genriffermafcen in
orderen 3Raffen erfdtjeinen, unb bas ift nid^t ber
§att. SMe eigentlidfje SBtffenfdfjaft feiner Bett ift bie
^ßijüofopftfe. 2Bie mären @oetl>e unb ©filier — idjj
rebe ba gar nidjt einmal oon iljren profaifdjjen Sßerfen,
fonbern bloß *>on iljrer $oefte — ju benfen o^ne
biefeö mäd&tige Sngrebienö? Dljne biefeö Ratten
mir mdjjt nur tnele üon ben bebeutenbften ©ebidfjten
©d&iCerö nidjt, mir Ratten, um oon anbern Sßerfen
©oetljeö ju fdjjmetgen, feinen fjauft. Sei Uljlanb ift
ttidfjt eine ©pur biefeö (dementes ma^rjune^men. 3Ran
fann fagen, er fei, mie etma bie Srfiber ©rtmm,
in einer Slrt oon SReaftton gegen bie pljilofopljtfdjje
3eitbilbung groß gemorben. Studjj anbere feiner geit*
genoffen Ijaben ftdfj von berfelben abgemenbet; aber
fte I>aben es get^n mie ©örres, SBrentano unb iljre
romantifdfjsfattyolifdfjen ©enoffen, um fte ju negieren,
fie burdfj eine anbere ju erfefeen. Urlaub Ijält fidfj
blofc perfönftd) fern baoon, er Ijat fid^ nie bamit ju
t^un gemalt, aber er ift t>off ber ebelften SJoleran^
gegen alle Äonfequenjen, bie baö SJenfen bei anbern
l)aben mag. S)ie Geologie Ijat mäljrenb feines ßebenß
unb jum guten 3Jeil in feiner nädjjften SWa^e ente
76
fd&etbenbe SBanblungen burdjjgjmadjjt : in feinen SBerfen
ift mdjjtä von Geologie ju entbetfen. @in ebler,
mttber SSjetemus, in ben einfachen Silbern für ba&
Ueberftnnlidfje fidjj bemegenb, wie iljn jebe 3^ bti
aWannern feiner geifligen 2lrt hervorbringen fann, ift
ba unb bort ju üerfpüren ; aber er §at lebiglidjj nidj)t&
©pefttlattoes an fi<i), er fönnte mit anbern 3fa3*
brfidfen fdfjon int öomer fielen, bei bent baö enrig
fdjjöne iccLvces fteäv ^at^ooa 3 ävdpcöicot gefdjjrieben
ftef)t Urlaub §at in feiner Sugenb, wie es fdjeint,
ftdfj au$ ben fird&lidijen ©ebräudfjen nid&t met gemalt,
ift aber fpäterljin oljne eine ©pur von metljobifttfd&em
©nabenburdjbrudfj ju tynen jurüdf gelehrt , als ju ber
ftorm, in ber ftdjj nun einmal jenes „Verlangen nadfj
ben ©öttern" in feiner 3ett unb feinem 3Soß aufwerte.
2lber er Ijat leine ©pur t>on Unfreiheit, von bloßem
Sefenntnisglauben an ftdf); ift er es bodjj, ber ben
geiftttd&en ©ängern jugerufen ijat, üpen ascetifdijen
£on „ntd&t länger ju führen", unb ber mit ber bos*
Ijaften SBenbung „fo fromm er eudjj gelingt" jiemlid^
beutlidfj verfielen tiefe, bafc er an bie tiefere Steltgto*
fität fold&er ®idfjtung md&t f onberlidfj glaubte. S)ie -Katar
fpielt bei Uljlanb feine Heinere SRoHe als bei ©oetlje ;
aber bti jenem ftnben mir nur rein ftimmung$maf$ige
■Jtaturbetradjtung , bei ©oettye audjj in ben ©ebidjjten
nidjjt feiten eine meljr fpefulatioe 3lrt ber SSerfenfung
in bie ©e^eimniffe bed SRaturlebenö. (Sbenfo ift bie
33eljanblung ber Siebe bei Urlaub otel meljr auf bie
reine ©mppnbung unb bie aus tyx tjeroorfirömenben
77
fftegungen bed äßoffenö eingefdjränft, als bei ©oetye,
ber auä) bicfe SRegung, roeldje tyren mroergleidtfi^fien
©olmetfdjer in iljm gefunben Ijat, öfters in baö Stdjt
ber fpefulattoen Sßeltbetradjtung $u rüden liebt.
Unb enblid) baö Sfteidj ber ©efdjidjte, bejie^ungö-
weife ber erjäljlenben ©idjtung! SBelc^e unenblidje
3Kenge ber tferfdjiebenfien ©inge Ijaben anbere ©idjter
in fie hereingezogen: rettgiöfe Sbeen unb Stampfe,
©egenfäfce ber antifen unb djrtftlidjen ober ber euro-
päifdjen unb amerifamfdjen Äultur, erbaulidje 6reig*
gniffe unb polittfc^e Sbeen! gfir Urlaub als ©idjter I«
epfiiert bie @ef <^id^te nur als ©age ; eine entf djiebene
außer ber @rjcil)lung gelegene Stotbenj fyaben aufeer
feinen politifdjen ©ebbten nur „2)ie Ulme ju iQtrfau"
unb „3Jtünfterfage". @8 ift nur ber poetifdj beraubet
bare Vorgang, ben er auffudjt unb beljanbelt. SJttdjt
als ob nidjt audj feine SBaffaben einen tieferen ©eljalt
Ratten: bie blofee ^iftorifc^e ober fagenljafte Slnefbote
genfigt iljm jroar mitunter, aber bodj nidjt immer.
Sebe feiner SBattaben Ijat iljre ©runbftimmung, man
fann audj fagen eine betyerrfdjenbe ^btt, 06er nur
getmfe nic^t in bem ©inne, bafc nun irgenb eine bie
©egemoart intereffierenbe grage barin beljanbelt wer*
ben foffte. @ö finb bie einfadjfien menfdjltdjen 58er-
Ijältniffe unb Äonflifte, meiere bie ©egenftönbe bilben,
unb gerabe bie ausgejeidjnetfien unter Urlaubs 33al- /
laben Ijaben es mit folgen Vorgängen ju t^un, meldte ,'/
otyxt beftimmte &ulturt>orausfefeungen in jebem Qziul
alter bfcnfbar finb; iä) ntnnt „£aittefer" , „Sertran
78
be äJorn", „Sie SSibaffoabrüd e" , „Ver sacruni a .
S)aö julefct genannte ©ebid^t Ijat allerbings politifdfjen
©eljalt, aber bodfj feinen irgenbnne ^ftortfd) begrenzen,
fonbern einen, ber fidfj, t)on ben äufjem Formeln
ber Äolonifation abgelesen, ate unabhängig t)on Seit
unb Nationalität benfett täfet. 3lm meiften ma^ vaoty
unter ben bebeutenbften »affaben Urlaubs „S5er SBal*
ler" einen fpejifif<$en , religiöfen Sn^alt ju §aben
f feinen; aber bodj ifi ber Äat^oUjiömuö lebtgltdj poe*
tifdfj beljanbett, von irgenbeiner befttmmteren, aus bem
Stammen ber rein poetifdjen ©rjäljlung §erau$tretenben
3bee fann audj Ijter nic&t bie Siebe fein — \a man
möchte es ate bie ädjiUeöferfe biefes unoergleufjli<i>
frönen ©ebidjte* anfeljen, bafc eö oljne einen fefteren
ßern ber Gegebenheit ober ber 3bee ftdfj fo ganj in
Stimmung auflöft.
3ft aber nidfit innerhalb biefer ©renjen nodjj
9taum genug für eine ooffrotegenbe Sßoefie? ©inb rndfjt
bie ©toffe unb SWotioe, beren Urlaub ftdj enthalten
§at, foldjje, toeldje jtoar poetifdfj be^anbelt werben
Wunen, baö ©ebiet ber ^ßoefte oergröfjern, fte unb il>re
SCräger mit ber allgemeinen ßeitfultur, mit ber SBelt-
litteratur in nähere 33erfiljrung bringen, roeldfje aber
jur tnnerlidjien SBerflärfung ber Äraft, bie ber ©idjtung
oljne fie inne tool>nt, nid^t beitragen, ja öfter« felbft
in fonfi gefd&idften fiänben ju einem bie SBtrfung efjer
abfdjpoädjenben äußern Sfaljängfel, einem bloßen
fabula docet geworben finb ? SDtögen wir jugeben, bafj
Urlaub als Äulturmenfdfj, als 3 e ttgcnoffe ungeheuerer
79
geiftiger Bewegungen ärmer in feiner $oefte ift als
manche anbere: tneHetdjt ift er in feinem Heineren
©eiftesgebiet, in bem Sejirf ber reinen, jmecHofen
Sßoefie um fo reifer, ©$ bfirfte fidj in ber %$at
bei iljm ein fotd^er T>erljältni$mäfjig Heiner Umfang
ber poetifdjen SKittel, aber eine befto bebeutenbere
gfüHe innerhalb beöf elben ergeben, ob mir nun bie
©egenfiänbe ober bie SBeljanblungöweife feiner Sßoefte
in« 3luge faffen mögen.
9Wan $at gejwetfelt, ob Urlaub als SBallaben?
bitter ober afe Sprifer größer fei. 9Kan fonnte für
baö erftere ein Urteil ©oet^eö anführen unb Ijat in
ber %$cA fi$ jumeift bafär entf^ieben. 3Wir fdjeint
bie $rage teils mit einer anbern oerweäjfelt roorben,
teils aus innern ©rfinben gerabe bei Urlaub faum
beantwortbar ju fein. 2$ §alte Urlaub in ber Xfytt
für ben bebeutenbften unf erer SaHafrenbidjter ; in ber
Sgrif finb anbere SMdjter ba, meldte iljm gletdfjfommen.
Ss ift aber falfdj, biefes SBertoerljältms ju einem
prifdjen feiner SaHabe unb feiner Sprif umgubeuten.
Stoju fommt ferner, bafc beibe ©ebiete fe&r eng ju*
fammenljängen unb gerabe bei Urlaub nic^t fo ganj
beftimmt ju fc^eiben finb. ©anj rein epifdje ©rjä^lung
ift in unferer fubjefttoen ßeitbilbung überhaupt faum
möglidj ; Uljlanbs ©berljarbsballaben motten raot)( bas
reinfte SBeifpiel einer folgen fein. 3 Uttie $ $ au # bit
Sattabenerjäljlung eng mit einer fyrtfdjen Stimmung
oerbunben; bei U&lanb nidjt blofc in feinen fpäteren
föwftbifdjen Sallaben, von benen fdjon ermähnt mürbe.
80
bafe fic feijr gern in unepifdjje Sanbfdfjafts* unb Sßatur-
fiimmung auslaufen, audjj mdfjt bloß in bcn blaffen,
gefialtlofen ©ebtlben aus feiner erfien romanttfdjen
$Periobe, fonbern auti) in ben t)oHenbetften SBerfen
feiner SBaffabenbidfjtung — idjj erinnere toieber an ben
„Sßaffer". -Jtodj toeit djarafterifiifd&er ift es aber für
ttljlanb, bafc bas 6pos fojufagen in feine äytit ein*
bringt. 2Benn namentlidf) unter feinen älteren ©e-
bieten mandjje fmb, von benen fid) nid)t fagen laßt,
ob fte epifdfj ober Iprifd) feien, fofern il)re Sßerfonen
lebiglicij Präger Iprif dfjer Stimmungen fmb : fo Ijaben
audfj bie Iprifdfjen ©ebid&te, in welken er in erfter
$erfon rebet, einen eptfdjjen $ug. 3 u ^ e ^ t)erfefet er
ftdj in irgenb eine beftimmte Situation unb bietet
aus üjr heraus. Seltener bei weitem ftnb bie rein
fubjeftioen, nur bie eigene innere Stimmung jer*
gliebemben ©ebidjte, eine ©attung, bie fdfjon ©oetlje
mit feiner SMfterfdjaft gepflegt Ijat, beren größter
Selb aber Seine ift. 3JHt ber tieferen Subjefturität
fehlen nun aber tbtn aud) bie ©efa^ren berfelben,
jene ©op^ifterei ber Seibenfdfjaft, jene mafclofe §er-
oorfe^rung bes „großen, jerriffenen ^erjens", an ber
es faft bei feinem unter feinen bebeutenberen $eit*
genoffen feljlt — von ben Keinen 9todjbetern ju
fdjroeigen. S)ie Slnfnäpfung an beftimmte, feft um-
fdjjriebene Situationen gibt ber Sprif Urlaubs üjre
gerunbeten ©eftalten, tyre flare Sßlaftif. 2)as liebe
3<Jj fpielt bei iljm bie Meinfte Sftottc; ftatt es be*
rounbernb ober bemitleibenb ju betradfjten, gibt er es
81
lieber offen unb ^erjlidfj an ein liebenswertes Dbjeft
Ijin. ®ie Eingebung, nid&t bie fd&madfjtenbsjerfliefeenbe,
fonbern bie mit fefter SDtännltdfjfeit gepaarte, ift ein
©runbjug feiner Sprif; unb weld&e ©egenftänbe fönnten
es in leerem 9Jtof$e fein, an benen biefe Eingebung
fiel) erprobte, als bie jwei alten Schemata ber Stjrif:
ftrauenliebe unb SWatur? Dber aber beibe Bereinigt,
ein« im anbern fid^ fpiegelnb unb oerflärenb.
SBeibe fpielen feine ganj gletdfje 5RoHe in Urlaubs
Sßoefie. S)ie Stebesempfinbung l)at ber ernfte, fpröbe
Sßann ntdjjt fo nadfj allen ©eiten unb in tyren tiefften
liefen ausgefdjjöpft wie etwa ©oetlje. ©ie Ijat bei
iljm uorwiegenb ben ©runbton einer sollen, unge-
brodfjenen, fräftigen, aber ruhigen Steigung ; er ftnbct
für bie 9Rännerfreunbfcijaft im igerjog (Srnft faum
minber üolle äfforbe; Setbenfdfjaft, ^eifcer gieberatem
bleibt feiner Sprif fem. Unb bodfj ift oon itjm bas
©ebidfjt „D bridfj nidjt, ©teg, ju jitterft feljr", bas
mir lange Siebesfrüljlinge unb anbere Variationen
biefes £ljemas aufjuwiegen fdfjeint. ®as ift bodfj ge-
wifc ©mpftnbung, fo vollblütig wie nur eine; aber
allerbings, ber Stopfen ©ift feljlt barin, oljne ben
nun einmal einem morp^iumfüd^tigen ©efdjlecl)te foldje
Äofi nidfjt munben will.
Smmer^in überwiegt bie -Katar unter Urlaubs
tyrifdfjen ©egenflftnben ; unb wer aufjer ©oetye ptte
fte fo befungen wie er? 2tbermats nadj ber SluSbeljmmg
bes ©toffeS eine gewiffe ©mfdjränfung auf bas fo-
griffet, fiubtotg Itylanb. 6
82
jufagen 3Kittlere, auf bad, was täglidj mit erneuter
Siebeömadjt jum äuge unb §erjen bringt. 2)ie SBüfte
unb bad 3Weer, bie §eibe unb bie SBelt ber ©letfdjer
fehlen; ber melgereifie SDtamt §at audj foldje -Katar*
büber gefe^en unb gemifc bemunbert, aber fie Ijaben
üjm bie Sippen nidjt geöffnet — ba$ fonnte nur, ma&
i^m vertraut unb ans §erj gemadjfen war. S)er
fleißige SBefudjer ber ©d^tocij Ijat nur einmal, unb ba
freilidj in ergreif enber ©rofeartigfett, bie 2Hpennatur
in eines feiner ebelften ©ebtdjte, in „£ettö £ob",
fjineingeftefft. ©in ©ebidjt ift leiber nid^t ausgeführt
roorben, in meinem er, me^r in ©oetljifdjer SBeife,
eine fuccefftoe Steige t)on ßanbfc&aftöbilbern im großen
<5tit ju geben gebaute; es märe leljrreidj geworben
um bes ©egenfafceö mitten. S)enn im übrigen bleibt
er ju fiaufe, in ber Jßeimat, in bie er ftdj immer ntu
»erfenft, bie er nie ju ergrünben unb ju erfdjöpfen
imftanbe ift, beren altbzttttmt (Stege i&n jebedmal
neu rühren. Sie fdjmäbifdje Sanbfdjaft, fein Ijeimifdje*
Tübingen, bie SBeben^äufer Sßalbgrünbe, bie SBurm*
linger Äapeffe, bie geheimen, felöbefrönten Sllbt^aler,
ber -Jledar mit ber Surgruine t)on &ofen, baö finb
bie fütteren Steije, bie üjm bie 3 un 9 e Wfen, bie t^m
Offenbarungen eingeben, beren nur bie größten ©id&ter
gemürbigt morben finb. &ier ift er unerfdjöpflidj reid^;
er brauet ntdjt ben ßauber ber SDtonbnadjt, „mann
nur bie ©eljnfudjt unb bie ©djmermut madjt", i^m
bietet baö t)offe ©aatfelb, bie buftenbe SBeinblüte ge*
funbe -Kaljrung für baö ©emüt ; ift er, mie atte S)id)ter,
83
am nofffien vom greife beö grfiljlingö, fo entlodft tym
audj bie ©ommerf onnenroenbe ein unaergänglidfj fdfjöne*
©ebid&t. U&lanb ifi fein $ant§eift unb fein 3«9fttfcr;
jene ßiebeöleibenfdjaft, mit ber 3Körife ben SBogen
be§ gluffeö „ben fe!jnfud(jtöt>offen Seib" jum Auf* ent* '
gegennrirft, jene jauberljafte SJtyftif, bie aus feinem
„33efudj in ttrad)" ober bem „©efang ju ßroeien in
ber -Kadfjt" rebet, tft iljm fremb. ©eine ©mpfmbung
tft ruhiger, flarer, gefaxter. @r liebt bie Sftatur roie
eine ©eliebte, beren ©egenltebe tym gerotfe ift. @&
nrirb ein jeber feine eigenen Steblinge unter Utylanbö
©ebbten Ijaben. SBenn id& aber erwäge, bafc gerabe
unter U^lanbö Sftaturgebidjten biejenigen finb, bie bei
einem anbern am roenigfien benfbar mären, bafe einige
unter ben aufigejei^netften berfelben nodfj in bie
frü^efte 3eit jurfidfreidfjen, ba er afe SBaHabenbidfjter
noclj im SBanne romanttfdjjer Sentimentalität fianb,
unb bafj jene Sugenbgebidjte im ©runbton t>on benen
feiner fpätejien 3a$t)e$nte nicljt t>erf djieben jtnb: fo
fe^e id(j mi<$ ju bem ©bluffe gebrängt, bafj thzn in
ber ernften, roeüjenoHen Sftaturlgrif ber 3Kittelpunft
t>on U^lanbs Sttdftfernatur liege. 6$ fdjjeint mir, ©e~
bidfjte, mie „2)ie fanften £age", „©djäferd ©onntagö-
lieb", „gritylingöglaube", „2)aö ^al", „2luf ber
Ueberfa^ri", „©onnenroenbe", „Stuf ben £ob eines
SanbgetfHidjjen" bejeidfjnen bie tieffte ©tgentfimlidfjfeit
U^lanbö; ©ebtdjjte, bie einen milben ©ilberglanj über
bie -Katar legen, roie man iljn gemäßen mag, roenn
man t>on ber ©dfjanje beö Tübinger ©dfjlojfes an einem
84
gritylingsmorgen bas 3ltd artljal unb bert blau^buftigen
ftanb ber Sttb überbaut.
©inb aber neben biefer §aupt* unb ©runbftim=
mung in Urlaubs SRaturtyrif bie t>erfdjiebenften £öne
biß ju ber gtanjootten ©dfjilberung ber SBeinlefe in
ber „©eifterfelter" vertreten, fo jetgen bie erjäljtenben
©ebidfjte, nadfjbem einmal bie SRonotonie ber ©djafer
unb Äönigstöd)ter überwunben ifl, eine pradfjtige gütte
bes frifdjeften garbenreidjtums. SBeldje SCöne wären
ba nidjt uertreten, tum bent froren Äampfesmut SJaitte-
fers bis ju ber getragenen geterlidfjfeit bes SBaffers,
von ber §oljf<ijnittfigur bes Staufdfjebarts bis ju ber
eleganten 3^^^ ^tx galanten £roubabours !
©er fünftlerifdj frudjtbare äftoment ift ftets mit fixe-
rem ©triff ^erausgefunben ; es ift alles ba, was bie
6rjäf}lung poetifdfj Ijerausljebt , fein Sota me&r unb
weniger, ©djien uns bie SRaturlprtt ben 2Rittelpunft
feines ©emfits, feiner geiftigen Sfalage ju ©erraten,
fo mag bie SBattabe ityn am meiften als ben großen
3Mfter ber Äunfi erweif en. ©ine Äunft aber, bie
■Jlatur ju fein fd)eint, fo ftdfjer unb grofc, mit fo
weifer SBegrenjung ift fie geübt. Urlaub Ijat uns in
biefer 33ejiel)ung T>erwö§nt. 3Wan fennt gerabe feine
SaHaben fdjon tum früher Sugenb auf unb mag leidfjt
gewohnt werben, fie als etwas ©elbftoerfiänblidjes an-
jufeljen: man lefe einmal bie £afd)enbfi<i>er feiner
3eit, man lefe bie Sammlungen unferer bebeutenbften
Sinter — idfj neunte ©filier unb ©oetlje, was bie
epifdje ©d&tlberungsfunft betrifft, nidjt aus — unb
85
fc^c bann ju, ob man einen ftnbe, ber über Uljtanb
ju fteHen märe.
3e reiner wir uns auf bas eigentltdj $Poetifd)e
in ber SJ5oeftc befdjränften, um fo bebeutenber ift uns
feine ©efialt erfd^ienen. SDa^in geprt nun audj nodj
©til unb 33e|)anblungaroetfe. ©ie wrbienen baö Ijödrfte
Sob. 33or allem bie äußere $orm, ©pradje unb
SWetrif. S)aß U^lanb in formeller 33ejiel)ung ju un-
feren t>ottenbetfien ©intern jä|)lt, ift fd)on lang er-
famtt roorben. SBenn es m$t ben §auptpunft feiner
S)arfieHung in ber Sitteraturgefdjtdjte bilbet, fo fommt
bas nur beroon, baß er no<$ genug tiefer liegenbe
SBorjüge ^at unb feinen ^Ruhmestitel ntdjt bloß von
ber ^ormooHenbung feiner Sßoefie abzuleiten brauet.
@in SSirtuoö iji er nid)t; er Ijat gewiß nie ein ®e*
bid^t gemalt, um bloß mit ber $orm ju glänjen;
bie allgemeine ©igenfdjaft aller formaltfiifdjen ©idjter,
bie ©itelfext, lag iljm gänjlidj ferne, ©r benüfct bie
gtänjenben romantfdjen SBersmaße, meldte bie Sftoman-
tifer pflegen, bas ©onett unb bie Dftaoe, aber nur
in einem getroffen jeitlidj abgegrenzten £eil feiner
©tdjtung, unb gerabe biefe beiben formen ift er mit
bebeutenbem ©e^alt auszufüllen bemüht geroefen, ge*
rabe in üjnen -tritt bei iljm ber ©ebanfe, t)on ber
cpflifdjen ftorm gehoben, befonbers prägnant Ijeraus.
©eroiß, wenn Sßlaten fidj gerühmt §at, im ©onett
ben erfien Sßreis errungen ju liaben: Ulilanb §ätte
es mit gleidjem Sftedjt oon fidj rühmen bürfen, t)ieHei(^t
mit größerem, benn er aerfdfjmölit ben 9teij ber auf*
86
faffenben Sfteime, bic bei ?ßlaten feine Heine Stolle
fpielen. 5Bon antifen 3Serömaßen erfdfjeint bei ü)m
nur ba§ S)ifti$on ; anbete ftnb nadf) ein paar Sugenb-
x>erfudjen aufgegeben toorben. ©eine ftorm ift baffir
ju muftfalifdfj, ber affgemeine ©timmungödfjarafter ju
gleichmäßig über baö ©ebidfjt Derbreitet, alö baß bie
fdfjarf geglieberten antifen SDtetra i$m Ratten gemäß
fein fönnen. ©anj überariegenb t>ermenbet er einfadfje,
fangbare SBerßmaße, in ber Siegel bie affereinfadjften
unb geroöljnlidfjften. 2tber er oertoenbet unb Ijanbljabt
fie mit einer unbebingten fünftlerifdjjen ©idfjerljeit, bie
eben, toeil fie fo t)offcnbct ift, als natürliche Seidfjrtg=
feit erfdfjeint. -Jttrgenbß ift ba ettoas t)on ben elenben
iQilfömitteldjen ju bemerfen, beren anbere ftdfj bebiencn
muffen, um ein SBort, einen ©ebanfen in ben SBetS
ju bringen, von ben gequälten SBortfteffungen , ben
©afe- unb Sßortoerftümmelungen anberer; bie Siebe
läuft fließenb ab, balb in einfadf) fdfjlid&ter 3Mobte,
balb in reiben, glänjenben SConmaffen. 3$ erinnere
an ben „£aiffefer" mit feinem unregelmäßigen fpringen-
ben SKjptljmuS, ber tote §uff djaff ober ©djjtoertflang
tönt, ober an baö eigentliche Sßradtjtftüdf, „®a$ ©lüdf
Don @ben{jaff" : toie Hingt unb raufet baß, tote jmang-
los ift für ben ftetß toieberfe^renben Steint bas redjjte
SBort gefunben unb toie großartig, bämonifdfj, fdfjicf=
falßgetoaltig wirft biefe SBiberljolung beöfelben Stetm*
Hanges! Uljlanb !)at jcbenfattö mit 33etoußtfein bic
äußere $orm als ein nifyt ju unterfdfjäfeenbeö ©lement
ber Sßoefie angefe^en unb beljanbelt. ©affir jeugt
87
feine Strenge in ©inljaltung ber Siegeln. -Jlidjt nur
i bie Sßrofobie ift burdjroeg rein unb flar gehalten, nidjt
1 nur finb alle SBerömafee, benen es an leidster lieber*
ftdjtlidjfeit feljtt, ftreng t>ermieben; audj bte Siegeln
be$ SBoljlflangö finb ftreng beobadjtet, id> roiH nur
ermähnen, baft ber iQiatuß von Urlaub geroiffenfiaft
aermieben roorben ift. 3Kan mei§, wie ftreng er gegen
feine eigenen ©ebidjte geroefen ift. 3mmer meljr fjat
er ftd) reine, flare gorm unb fonjifen SluöbrudE jur
^ßflidjt gemalt. Sßemt er ein ©ebidjt niä)t in bie
©ammlung aufgenommen ober aus berfelben toieber
außgefdjieben Ijat, fo merben mir immer neben ben
fadjlidjen audj formale ©rünbe bafflr ftnben; ebenfo
bei ben Umarbeitungen älterer ©ebidjte. ©ie enb*
gültige ©eftatt bes „»linben Äönigö" untertreibet
fi<$ üon ber erften roefentlidj burdj formale SBerbeffe-
rungen; „aKutter unb Äinb" §at er aus einer brei*
teren, tyrifdjen $orm in bie jefeige epigrammartfdje
jufammengebrängt; ber ©pfluö „©er Äönigßfoljn" mar
anfänglidj bebeutenb größer unb ift mit roetfer Defo*
nomie t>erfürjt morben; bie fünfte Stummer beßfelben
(„2Bie fd&reitet föniglidj ber Seu") Ijatte in iljrer
älteften ©eftalt freie, reimlofe Stimmen unb ift erft
fpäter mit Steinten t>erfe§en, überhaupt in eine gleidj*
mäßiger fliefjenbe gorm gebraut morben. @$ ift ein
meffeidjt minber bebeutfamer $ug, toenn Uljlanb ju
bem erfien ©ebidjt „©efang unb Ärieg" genau ein
Saljr fpäter baö jmeite im felben aSerfimafc unb Um*
fang Ijinjubidjtet, ober menn er ju bem „©täubten"
88
trierunbjroanjig 3<xl>re fpater jroei weitere tym genau
nadjgebilbete „©terbeflänge" Ijinjuffigt. 33ejeic&nenb
aber finb bie fpanif cfi - ptooenjalif d^en ©ebidjte, von
benen id) fd&on gerebet §abe. 2Itö Urlaub lange
3eit nadj iljrer Sttbfaffung jtd) in „Sertran be
Som" unb „SBaffer" roteber auf benfelben geo*
grapljifdjen Soben begab, Ijat er alsbatb roieber
basfelbe SBersmafe gewählt, aber nunmehr es burd)
SBerbopplung in feiner SBirfung unenblid) gefteigert;
audj bie nodj fpäter entftanbene „SBibaffoasSBrücfe"
jeigt roieber eine SWobiftfation ber alten gorm. oben
btefes Seifpiel fann beroeifen, wie roefentlidj für ttl)~
lanb bie gorm ifi, aber n>ie fie iljm eben nur ba&
Äleib ber ©ebanfen, fein S)ing T>on felbftänbiger
öebeutung ifi. -Jtodjmals, er ifi fein Virtuos, er ift
ein Äünftter.
es gibt aber audj eine innere $orm bes ©ebidjte,
bie nidjt minber toid^tig ifi als bie äufjere: bie ganje
Tonart, auf roeldje basfelbe geftimmt ift, alles, roa*
jroifdjen ber rein fadjlidjen ©toffroal>l unb ber rein
tedjnifdjen Seljanblung in ber 3ftitte liegt, äftan §at
öfters, namentlid) in früheren Seiten, ttljlanb ju fe^r
als 5Bolfsbid)ter betrachtet; jum ©lücf ifi man mm
biefer einfeitigen SBetradjtungsroeife jurüdfgefommen-
6r ift in ber 2^at nid^t fejjr Ijodj getoertet, wenn
man — beftod>en etwa burdjj bie grofee Verbreitung
feiner popularften ßieber auf bem SBege ber mufU
falifdjen Äompofition — iljn eben als ben SHdjjter für
SRännergefangöereine anfielt; ba E>at er boc§ ganj
89
anbete ©aiten auf feinem Snftrument! Stbcr es ift
allerbtngß nidfjt §o<$) genug ju fdjäfcen, wtnn ein ©idfjter
von folget &ö])e ber SBegabung unb Äunft jugleidjj
für bie Smpfinbung weiterer, \a mitunter ber aller*
toeiteften Äreife $u bieten imftanbe ift; e$ ift ein 35e*
weis von gefunber Äraft, t)on gerabem SBieberfüm;
unb es t&ut ber fttnjilerifcijen ©röfce Urlaubs feinen
©intrag, bafc er ein paar Sieber gebietet §at, bie ©ol*
baten unb 3Kägbe fingen. ©r ift babet nidfjt etroa
jeweilig ein anberer, roie ©dfjubart, ber bie vottfr
tfimlidjjften Äunfelfiubenlieber unb fllopftodfifd&e Oben
nebeneinanber ^»at; feine Sßoefte ift eine nrirflidfje ©in«
§eit, er rotrb in feinen Ijödjjfien Äunftprobuften jroar
nidjjt meljr von jebem gewürbigt, aber bodjj bem SBort-
laut, ber affgemeinen £enben$ nadjj aufgefaßt werben,
er wirb in feinen üolfötümttdfjften Siebern vom feinften
3ßanne nadfjempfunben werben fönnen. gfir blafterie
fteinfdfjmeäer ift er nidjt; er Ijat ju triel berbe ©üb?
ftanj an ftdj). S)en ittopftodfifcljen Dbenfdfjwung wirb
man in unferem 3^talter fdfjwerlidj fe^r fd&merjlidj
bei i^m t>ermtf[en, man wirb tnelme^r leidet geneigt
fein, in feinem ftifferen ©efitylsergufj meljr 2BaI)r|)ett
ju ftnben. ©Der toirb man eine gewiffe bämonif^e
aber an iljm oermiffen. ©r Ijat baö Unfyetmlidfje, @e*
fpenfttfdfje nidfjt umgangen; aber er l>at es ftetß epifdfj
betjanbelt, balb mit einem berben iQumor, mag er baö
©anje be^errfdjjen wie in „@raf 9Ud(jarb D^nefurdfjt"
ober nur mitKingen wie in „Sunfer Sftedjjberger", balb
als eine 2lrt oon etljtfd&er 3lemefi«, wie im „®lfidf t>on
90
©benljatt". ©idj eigentlich poetifdfj mit ben liefen ju
ttyun $u madfjen, in betten bie Stätfel bes fiebenö
rt$en unb ber Sßatynfinn lauert, bas ift md)t feine
©adfje; er ruft nidfjt umfonjl betn ßird&ljof ju, bie
fdfjroarje ©rbe mit frifdfjem ©rfin &u überbeäen. Un-
enbtidf) toeit mufc er fyier, um nur Bei feinen Sanbs-
leuten ju t>erroeilen , hinter 3Körtfe jurüäfteljett, ber
t)or allem im 3Kater holten gang granbtofe S)inge
biefer Strt f)at. ®od& jurüdfftefjen ift nidjt ba§ redete
SBort; Urlaub t)at fi^ auf foldfje ©ebiete überhaupt
nidfjt Begeben motten, fo roenig als er etroas oon
Äerners Seherinnen roiffen wollte. <£r Ijält fidj in
ben ©renjen ber normalen, gefunben 9Renfdfjemtatur;
fie finb nodj meit genug für eine bunte fjüffe von
Stimmungen, 3Kotit>en unb Tonarten, ©in volles,
fraftigeö SWenfdfjenleben gef)t t>or unferem Stuge t>or*
über ; baö ftinb, beffen 9lnbti<J fanfte, f aft wehmütige
£eitnat)tne erroeeft, ber Süngling, ber eljrfurdjjtstjoff in
bie Rotten ber großen SBett ber Saaten eintritt, ber
3Kamt, ber mit freiem 2Bort unb unerfdfjrodfener S^at
für baß Sßoljl feines Sanbeö einfielt, ber ©reis, ber
fid& müb unter ben bunten £eppidj ber glur Ijinunter*
feljnt, fte finb alle in frönen, Haren ßügen gefdjilbert.
Ungezügelte grömmigfeit finbet fidj neben froher
gefeiliger Saune, tiefer, gehaltener ©rnft ntbm liebend
roürbigem §umor, ladfjenber igelbenmut neben ritter-
lieber ©alanterie, auf jaudfjjenbe grüljlingsroonne neben
näd^tlid^em @lfenfpuf. ©ie aerfdjiebenfien Situationen
eines Sebens, bie t>erf<$tebenjlen ©d&idfjten ber ©efell*
91
fdfjaft ftnb bebaut: ber Äönigöfoljn, ber fein SReid^
jurfidfjuerobern audjie^t, ber greife Äriegö^etb im
«ftampf mit unfern unb ©täbtern, ber ©änger, bfr
mit einem Siebe ßänber entflammt, ber ©olbat, bem
fein befter Äamerab jur ©ette fällt, ber Säger, ber
fidjj auf feine ©alanterien nid&t twrfieljt, ber Sauer
unb ber ©d&mieb mit feinem ©djjafc, baö 3Räbdf)en,
baö mit ©tolj ben ©eliebten am genfter t>orbeif:prengen
ftef)t, mit einer füllen Styräne bem Ijeimftd) ©eliebten
nadjfdijaut, ber 2lrme, ber fidfj auf bie ©rlöfung vom
<Srbenletb freut, ber ©efangene, ben ber Stuf ber Serdje
boppelt etenb in 3taä)t unb ©rauen jurMftnfen läfet
©dfjmerjttd&e 3#ne fehlen mit nieten in biefer reiben
Tonleiter: roeljmfitiger ißinblidf auf bie SBergänglid&feit
beö Srbifd^en, gefaxte Trauer um geriebene $reunbe,
mitteibige £eilnaljme mit ber Sugenb, bie in fo garten
unb raupen $t\ttn l>eranroadf)fen muft; ja eines ber
tiefften, meffeid^t baö tiefjle ©ebidjt, baö Urlaub je
flef djaffen f)at, „£raum", läßt itt einem erfdfjütternb
frönen ©efidfjt, in bas alle 2Be^>mut beö menfdjlidfjen
Sebenö jufammengebrängt erfdfjeint, bie SEBonnen unb
greuben von ber @rbe f djeiben:
gern, ferne fal) tc§ fdjrotnben
$er @rbe Suft unb $etf.
©elbft ber bittere öoljn über bie ©lenbigfeit ber
9Wenfdjen ift bem ©idjjter ntdfjt fremb, obwohl er tyn
nur einmal in feiner „Sßanberung" ergoffen, fonft
lieber feine öitterfeit in fidfj begraben tjat. SBIo§ jener
frantyafte unb unwahre aßeltfd&merj ift üjm fremb
92
unb von ©runb aus juwtber, bcr mit fofetter ©elbfi*
befpiegelung immer wieber von bem ©tft rebet, ba&
bic 2Bett üjm fiatt -Waljrung geboten, unb von bem
9Ufe, ber burdj fein inneres gelje, auf bafc bie SSelt
f agen möge : D, weldj ein ebler ©etft ifi §ier jerftört I
SEBenn er auf bie SBeltfdjmeralijrtf ju reben fam, ba
fomtte ber milbe, bulbfame 3Wann työ^nifdj werben
unb §arie SEBorte gebraudjen: ,,2)te SBiene ftirbt, wenn
fie geftodjen Ijat, bie Sanier fielen immerfort unb-
fterben niemals."
SEBenn man ben ©runbdjarafter tum Urlaubs-
Sßoefie mit einem SBorte bejetd&nen wollte, fo fönnte
man tyn wo^l als einen männltdjen bejetdjnen. @ble
■Dtanntjett ifi fdjon in feinen 3>ugenbgebid)ten ju Der-
f puren; greif en^aft ift er niemals geworben. 3lm
meiften eignet tym immer ber üotle, ungebrodjene Xon
aus einer fräftigen, frei gewölbten SJruft. gelben-
^aftigfeit unb eble 2Wilbe fteljen als fdjönes ©djwefter*
paar in feinen ©ebtdjten nebeneinanber, wie fie in
ben ©ebidjten bes SWittelalters nebeneinanber gefeiert
ftnb, mit benen er ftd) fo t)iel befdjäftigt, aus benen
er fo mandjen frönen Stypus, fo mandjes prädjtige
alte SBort für feine Sßoefte mtnommzn §at. 3$ wfifjte
feinen anbern unferer 2)tdjter itjm in feiner Slrt ju
t>ergleidjen; benn er ragt um Haupteslänge empor über
bie, benen er feine poetifdjen Sbeale entlehnt Ijat, wie
über bie, weldje auf feinen ©djultern unb in feinem
©üme weiter gebietet §aben. Unter ben 3Mern mag
man an ©djnorr von Garolsfelb beuten, ber aber weit
93
tiefer in ber Sftomantif ftedfen geblieben ift unb forootjl
an Talent als an gorm entfd&teben unter Urlaub fieljt
■Kur einen -Dhtftfer eiroa müßte ify tym jur ©ette ju
[teilen, ber jroar in ber SKuöbe^nung unb im großen
©til feiner SBerfe fidf) beträd&tlid& über üjn ergebt, aber
bodfj fojufagen in ber geiftigen Tonart feiner Äompo=
fitionen tym t>erroanbt ift. ©dfjon bei mandfjen ©e-
bieten Urlaubs ift mir ber alte fcanbel eingefallen,
bei manchen Äompoftttonen fcänbelö Urlaub. Sftatttrlidf)
rebe idfj nur von ber Sluffaffungs* unb 2)arfteffungö-
gäbe, foroett fte t>om äußeren Umfang unb ber Anlage
ber SSerfe unabhängig ift; benn bie großen Dpern
unb Oratorien, bie großen Orgel* unb Snftrumental-
werfe ftänbete finb ja, als ©anje betrachtet, t>on ben
im engften Stammen gehaltenen SWeiftergebitben Urlaubs
ganj t>erfdjieben. Seibe finb fo red&t bie eigentlichen
©arfteHer freubigen iQelbentums, aber audj jene mann-
lidjje aKilbe tjerrfd&t in üjänbels SBerfen; jene flare,
gerunbete, ted^nifd^ üoüenbete, aber jtdfj nie jur tnr*
tuof en Spielerei fjerbeilaff enbe gtorm madjt audjj iQänbelö
SBerf e unfterbttdfj ; beibe bleiben in tyrer ^ödjjften Äunft
immer t>erftänbltdfj, fte Ijaben bie ®ab^ f bie richtige
SarfteHungömeif e mit genialem Snfiinft ju ftnben. S)a=
fjer ift Urlaub populär wie fein jroeiter 2)i($ter, unb
fo mar es audjj &änbel unb roirb e8 jefct roieber meljr.
S)er ©djjroanengefang ©imfonö erinnert mid^ ftetö
roieber an U^lanbifdjje 3lrt unb 2Beife, ebenfo melobiös,
ebenfo milb unb gefaßt, ein ebenfo roetdfjes — nidfjt
fentimentaleö — SSerflingen roie in mand&em Sieb
94
Urlaubs. Unb faft rtodj meljr glaube id^ bei ber
Seftüre Uljlanbtfdfjer jQetbengebidfjte &änbelif<$e Älänge
ju ijören, vor allem jenen Sftauermarfdj, ben größten,
ben bie ©efdjidjte ber 2Ruftf fennt, in bem ein &eer
oon Reiben feften ©d&rittes an unferem inneren äfage
wrüberjiefjt.
■Jhtr beiläufig ift bisher oon Uljlanbö bramattfdfjen
©idjiungen bie SRebe getoef en ; unb fie finb bod) tooijl
einer befonbern Setradfjtung wert. 3<*/ wenn nur
ber ©tünnte eines eljebem gefdfjäfcten bramaturgifdjjen
Ärüifers folgen wollten, fo müßten wir U^lanbfc
©ramen in bie erfte Sfteilje unter feinen SBetfen fteHen.
&at bo<$ äBtenbarg in feiner Slrbeit über „bie
©ramattfer ber Sefctjeit" behauptet, ber Sattaben*
bitter Urlaub fei nur ber in taufenb ©tüdfe jer-
fprungene 35ramatifer. @s war eine Sßarabope, rnie
fie ben Ferren oom jungen 2)eutfdfjlanb mandfjmal in
bie geber gekommen finb. ©dfjon Jgebbel, ber eifrigftc
unb unbebingtefte Senmnberer Urlaubs, Ijat biefelbe
jurüdf genrief en ; er felbft war für Urlaubs Dramen
ooH von Slnerfennung, bie, nadfjbem er felber ftdjj mit
bebeutenben äBerfen auf biefem ©ebiet ijeroorgetyan
Ijatte, einer nfidjtemeren Setradjjtung gewid&en ift.
2Wan Ijat früher tum Urlaub nur bie beiben 3)ramen
gefannt, bie er felbft herausgegeben Ijat, „@rnft Don
©d&toaben" unb „Subnrig ber 33aier"; baju bie in ber
©ebidfjtfammlung t>eröffentli^tcn Fragmente „©<$il-
beis", „2)a3 ©tänbc&en" unb „Äonrabin" nebft ber
95
bialogifdjjen ©jene „Stormätmtfdjer Srauclj", bie nur
gern} äufjerlidjj an bie bramatifdfje gorm anfnüpft unb
in allen anbern SBejie^ungen ju ben SBattaben gejagt
werben barf. 9laty Urlaubs £obe würbe in Subwig
©eegerö fteutfd&em ©idfjterbudfj bie fdjon erwähnte
$offe „SDer 33är" t>eröff entließt, weldjje U&lanb mit
Äerner gemetnfam oerfafct §at unb t>on weldjer trierjig
Satire früher ein Weiner Seit in bem £afd(jenbud!j
„Steinbutten" abgebrudft worben war. ©eitbem tjaben
wir aber burdfj anbere Sßublifationen Äunbe t>on
mannen anberen bramatifdfjen planen Uljlanb* er*
Ratten, unb Stbetbert Äetter §at 1877 in feinem Ijödjft
oerbienftlidfjen SBerfe „Urlaub als ©ramatifer" atted
jufammengefteltt, road man über Urlaubs bratnatifdje
entwürfe weife.
@d ift nidjjt wenig. 3lud) wenn man abjtetyt,
was — wie ber 5Rormdnnif<^e SBraud) — tebiglidjj
eine äufjere bialogifdjje (Smfleibung Ijat unb woju man
aus Uljlanbö älteren ©ebbten ebenfo gut nodf) ein
paar, wie „2Köndj unb ©djjäfer", ^tnjufügen fönnte,
fo bleiben immer nodjj jwei Dolle ©ufcenbe twHenbeter
unb umwflenbeter ftramen übrig. Ottern nadjj reiben
biefe ©ntwürfe ebenfo weit in ber 3*Ü jurüdf, wie
bie ©ebidfjte. ßebigtidjj eine liebung, woljl nodjj auö
ber 3 e ^ & ed t)orbereitenben afabemif<$en Unterricht*,
ift bie Ueberfefcung auö ©enecad Xfatfr; jur flaffifdjjen
©toffwelt gehört aud& nodjj ber etwa 1805 gefaxte
Sßlan ^äld^iUeud 9 £ob", von bem nur eine SSrlcfftcffc
jeugt. ,35ann folgen ein paar (Sntwfirfe aus ber
96
romantifdjen Sftitter- unb üjelbenroelt, jumeift in ben
Sorben oerlegt, in bcr Haltung etwa parallel bcn
älteften gebrudften ©ebidjjten, fotocit mir bic @nt-
fleljungöjett lernten, aus bcm Saljre 1807; ed ifl aber
noä) in bcm 1809 uerfafcten furjen ©rama „83enno"
biefetbe Slrt bcr Sftomanttf wn etroas bunflcr, feier*
lieber gärbung ju ftnben, mit gefjarmfdjjten SHttcm
unb Änappen, 33rubermorb, SBatb unb ©infiebelei;
audfj ein mentg genau briannter Sßtan Dom Sa^re 1810
(„SDer eiferfttdjtige Äönig") fd^eint am meiften in
biefe Äategorie ju gehören. ©aneben aber jetgt jtdjj
fdjjon 1807 ein (Sntnmrf anberen S^arafterö in
„granceöca t)on Sftimtno", nadjj ber befannten @r*
jaljlung bei ©ante; ein @ntmurf> ber in ben aus-
geführten ©jenen fe^r mel ©<$öneö jeigt — wie
auffattenb er in ber ©pra<$e an ©oetljeö SCaffo ge-
maljjnt, §abt tdj gelegentttdj ju ermähnen gehabt. ©ine
breite ©pur f)at nun aber bie ©tnnrirfung SCiedfe unb
ber mit tym üerroanbten ©ruppe von SRomantifem
audj in Urlaubs bramatifdfjem Sitten eingebrücft unb
jmar in benf etben Rafynn, ba mir biefe (Stnmirfung
in feiner ftjrtf ma^rne^men. SKufcer ben früher t>on
mir genannten ©ntroürfen, roetöje biefer ©ruppe an-
gehören („@gin|)arb", „SRadjfpiet ju Äernerö @gin*
Ijarb", „©er Sär", „£amtan unb Rannet") finb no<$
jroet meitere ju "nennen: „®ie ©erenabe", nur in einem
©cenarium auf un§ gekommen, unb „S)ie unbtxoofynU
Snfel", beren 3Jtanuffript nodj ©or^anben ju fein
fdjjeint, aber bis jefct nityt befannt gemadjt roorben ifl.
97
2Kit bcm ^cfyx 1816 finbct and) im ©rama bic=
fetbc entfdjiebene 2tbroenbung t)on bicfcr 9tid)tung
ftatt, tüte in ber St)rif. Nunmehr treten ©egenftänbe
att§ ber beutfdfien ©efdf)tdf)te unb Sage in ben SSorber-
grunb. 9htr bie ©efdf)idf)te be§ fpanifd&en National
Ijclben Sernarbo bei ßarpio fällt aufeerljalb biefeö
9laf)men3; ttm$ von btefem ©ntnmrf ermatten tft, in
$rofa, in 33tanft>erfen unb in fpanifd&en £rodfjäen,
jeigt eine fefjr fdf)öne unb ebte Sprache. $)er beutfcfyen
©age gehören jroei ©ntroürfe an: bie „Nibelungen"
unb „®er arme §einrtdj". 33om legieren ift faft
mdfjte ermatten; t)om erfteren eine wttftänbige pro=
faifdfje ©fijjterung beö ^nlialtö atter einzelnen ©jenen.
S)arnad) jerfäfft ber ©ntnmrf in jroei ©tfide : ,,©ieg-
friebö £ob" unb „6l)riemf)ilben§ Nadfie"; bas ©anje
beginnt mit bem Sefudf) ©iegfriebö in SBormö unb
enbet mit Äriemfjtlbens £ob ; im gangen finb fed^jc^n
2foentfiren aus ben jroei legten ©rittein be§ beutfdfien
Nibetungenliebs befjanbelt. 33on ©eibetö unb 2Bagner§
33erfudjen unterfdjeibet fidf) ber üfjlanbifdje burd; bie
9Jtttbertidfftd&ttgung ber jmeiten Hälfte beö Nibelungen-
lieb«, von beiben unb jugleidf) von ©ebbet baburdft,
bafe Ufylanb, aufeer in unroefcntlidjen, rein poetifd&en
ßleinigf eiten , nidf)t über baö beutfdfje Nibelungenlieb
hinaufgegangen ift. @r fjat bie ©age ganj auf bem
tnenfdf)tid)en ©ebiet gehalten, im treuen §Hnfdf)lufe an
ba§ Ntbetungenlieb , aus bem er bloß nodf) ein paar
bort fd&on nidjt me^r üerftanbene Ueberrefte be«
alten 2Jtytf)uö ju befeitigen brauste. 3$ fjatte biefen
98
2Beg in bcr %$at für ben ridfjtigften. SBaftüren unb
§ornf)äuttge 2)rad(jentöter taffen mir uns in bcr alten
©idjhmg gern gefallen, in moberner SBerroenbung
werben fie unbebingt afabemifdf} ausfallen, ©eibete
Srun^itb mit all t^ren großen ftiliftifdjen ©djjönljeiten
!ann baö beroeifen; t>on SBagners ßurücffd&raubung
auf baö -Kioeau ber attnorbifdfjen ©ötterfage gar nidfjt
ju reben, meld&e, mag fie fo gcfd^tdft gemalt fein
als fie motte, nur burdf) eine alle gibern aufreijenbe
unb mieber betäubenbe 3Rufif unb eine fjenif^e 2lus-
ftattung t)on foloffatftem Umfang i^re SBtrfung tfjun
fann. @s ift aber leiber nid^t möglich, bie ©egen-
probe auf biefe Se^auptung ju mad&en, benn oon
bem tt^lanbifd&en (Sntnmrf, ber in ©injcl^citcn fc^r
feine unb fraftooffe ©ebanfen enthalt, ift neben bem
©jenar nur eine Heine 2lnjaf)t t)on SBerfen aus ber
erften ©jene, bramatifdfj ganj unmid^tig, juftanbe
gefontmen.
* SDie übrigen bramatifdfjen Sßläne finb aus ber
©efdfjidfjte bes beutfd&en SDHttetalters , iiim 5Ccit mit
ben SRobiftfationen unb 2luSfdf)mü<Iungen, meldte f<$on
ältere ©age baran angebrad&t fyat: bie Fragmente
„ßonrabin", „£>ie 2Beiber von SBeinsberg", „2Belf",
„Dtto t)on 2Bittelsbad(j", „Cannes Sßarriciba", meldte
t)on 1816 bis 1820 fallen, unb bie beiben ausgeführten
©tüde „fcerjog Grifft oon ©d&maben" (1816/1817)
unb „fiubwig ber 33aier" (1818). ®ie „SBeiber üon
SBeinsberg" maren als ©d&roanf gebadet, bei roeldEjem
bie 3Kotioe ber t>icl fpateren Gegebenheiten mit ben
i
99
©djjornborfern mit eingenrirft Ijaben werben ; ein paar
ausgeführte ©jenen in &ans ©adfjfifdfjem £on finb
baoon erhalten. 3)ie anbem ©tüde gehören ber
ernften ©attung an. „Äonrabin" ift aus ber ©ebidfjt*
fammlung befannt; roas bat)on erhalten ift, ift nur
ber prädjttge Anfang bes ©anjen, über ben Urlaub
nid&t Ijinausgefommen ift; er nriffe, fdfjrieb er fpäter,
aus eigener ©rfa^rung, „bafe biefer gefc&idjtlidje ©egen*
ftanb für bas SDrama günftiger ju fein fd&eint, als
er es wirJlidSJ ift." S8on „2Betf" fyabtn wir blofj
einen f leinen Anfang in fd&öner 33ilberfpradfje, n)ie
immer bei U^lanb, ber aber keinerlei äfaffd&lufe über
bie Slbftdfjten bes ©id&ters gibt; vom Sßarriäba blofc
eine flüchtige ©rroftljnung bes SBorljabens, biefen ©toff
ju beljanbeln; tum Otto t)on SBittelsbadjj ein ©jena-
rium, bas eine trefflid&e Steigerung ber feanbluug
bis jum britten 3Kte, von ba an eine etwas fd&roädj)*
liiere Haltung jeigt.
Sei U^lanb ift jebodfj bie farbenretdfje poetifdfje
Slusfü^rung immer ein jQauptoerbienft , unb fo famt
man bodfj nur über bie beiben t>ottenbeten Dramen
mit DöHiger ©idfjerfjeit fi$ ein Urteil bilben. ©ie
fallen ber £eit tyrer ©ntfte^ung nadfj mitten jroifd&en
bie anbern f oeben befprodfjenen ©ramenentmürfe hinein.
„Öerjog @rnft" ift no<$ 1816, im felben 3a^r mit
ben meiften ber „SBaterlänbifdfjen ©ebid&te", begonnen
roorben, an beten Sn^alt einzelne ©teilen mie bie
berühmte „3)er ©ienft ber grei&eit ift ein ftrenger
2)ienft :c." gemahnen, unb mürbe im nä^ften ^a^x
100
üoffcnbet; et fyat fofort Seifatt gefunben unb ift 1819
juerft in Hamburg, bann gleidj barauf in (Stuttgart
aufgeführt roorben; er fdjjeint, fo feltene ©äfte beibe
©tüdfe Uljlanbs auf unferen Sühnen finb, bis jefet
ftdjj nodfj immer als bas beliebtere behauptet ju §aben.
„Subroig ber Sater" t>erban!te feine @ntftel)ung im
3a^r 1818 bem Sßreisausfd&reiben ber -JRündjner
ftofbü^ne für ein ©d&aufptel aus ber bagrifd&en ®e-
fdfjid&te. ©r fyat ben Sßreis nid^t erhalten, unb über-
haupt l)at bas ©tüdf rooljl im ganjen weniger SeifaH
gefunben, als fein älterer 33ruber — teils roofjl mit
Sftedjt, teils entfd&ieben mit Unred&t.
Äein ßmeifel, bafe ©ruft t>on ©d&roaben bas
poetifdf) fernere t>on beiben ©tüdfen ift — Subnrig
ber SBaier bramätif<$ genrift bas beffere. 3n bas er-
flere §at Urlaub fein poetif<$es, in bas jroeite fein
polirtfd&es 3beal gegoffen; baß jcber, ber eben fdfjöne
2)arfteHung unb poettfd&e Sftütyrung fud&t, baft vor
allem bie Sugenb jt<$ bem erfteren jumenben roerbe,
ift an fi<$ Har. @rnft von ©d&roaben gehört na<$
ber ©d&öntyeit feiner ©prad&e md(jt nur ju Urlaubs
beften Seiftungen, fonbern überhaupt ju bem $ßräd&*
tigften, roas mir befifcen. £)ie ©djön^eit ber äußer-
liefen $)arftettung ift aber au<$ ijier nur bie Slufjenfeite
eineö tief poettfdfjen Snljalts. SDiefes £)rama ift ber
pd^fte Oefang ber greunbestreue ; roas bas menf<$=
lidfje <Qerj, bie menfd&lidfje ©pradfje Ijat jur SDarfteUung
biefes ©efü^ls, bas, roeidfj unb ftarf jugleidjj, über
ben £ob hinaus bauert, bas ift ijier ju ftnben. Der
fc fc fc * * «■
101
bramatifdfje Aufbau ift bann freüid) weniger ju loben.
2)er entfdfjeibenbe Sßunft ber ganjen &anbtung, bie
@rflärung (Srnftö, von feinem SBerner ni^t laffen
ju fönnen, unb feine abermalige 2led)tung, fällt fdjon
an ben ©<$luf$ beö erften Slfteö; bie folgenben t)ier
bitben nur bie jtemlidf) gerablinige SBeiterfüljrung unb
aSoffenbung. Smmer^in ift 6rnfi fein Bring; nW
fagen, er ift fein o^ne jegßd&e ©dfjutb von feiner ©eite
in (Erfüllung feiner tjöc&ften ^ffidfjten ber brutalen
tteberntadjt erliegenber &elb, rote ber beö unbramatifdf)
gebauten Äörnerifd&en ©tüdfeö: er Ijat gefehlt, Ijat
jtdfj gegen feinen Jßerrn empört, unb baö £ragifd[je
ift nun tbzn baö, bafe er bem ©enoffen feiner @m-
pörung Sreue galten muß, baf$ er an ber Haltung
ber greunbeötreue ju ©runbe ge^t, meldte eben bie
Äonfequenj feiner Se^enöuntreue ift. Unbramatifdf)
ift es bann atterbingö, roenn im Verlauf beö ©tüdfe
überall nur bie moralifdje Sidfjtfeite biefer Jßanblungö-
roeife jutn 33orfd)ein gefommen ift. SDod) o$ne baö
märe bie poertfdje ©d&önljeit jener ftreunbfd&aftöfjenen
getrübt roorben ; unb man barf, roenn man baö ©tücf
als ©anjeö nidjjt als bramattfdf) im ^ödjften ©inn
beö SBorteö bejei^nen fann, um fo geroiffer ^inju-
fügen, baß bie einzelnen ©jenen metftenö ^öd^ft tebenbig
finb, jumal ber ©d&tuft beö erften unb ber ganje
britte 2Ift. 3)iefe roerben audjj in ber f jenifdtjen Star*
ftettung notroenbig begeifternb mirfen muffen.
3)er bramatif d)e Aufbau ift in „Subroig ber 33aier"
entfdjjieben beffer ; Ijier ift ein äfaffteigen biö jur 5ßeri-
102
petie bea ©tüdfö, bem ©ieg über grtcbrt^, eine SBor*
Bereitung neuer SBernridftung unb eine enbgültige 2ö=
fung berfelben burdfj bie ©elbftausfteferung $riebridfj$
unb Subraigö eblen ©ntfdfilufj jur gemeinfamen 9te*
gierung. Sludj ein intereffanter, bramatifd) nrirfung§=
fähiger polittfdfjer ©egenfafe ift üorljanben: jnrifdjjen
bem altritterltdfien 3ft>el, ber burdjj griebridfj unb nodfj
nrirffamer burdjj feinen SBruber Seopolb pertreten ift,
unb bem aufftrebenben Sürgertum, als beffen ^ßro*
teftor Subnrig, ber einfädle, fdftfid&te Sürgerfönig er*
fdfjeint. ©iefer ©egenfafe mußte Urlaubs ©emüt ge=
rabe in ben 3a£ren be§ aSerfäffungöfampfeö befonbers
befd&äftigen ; ob bie Söfung bur<$ bie gemeinfame Re-
gierung politif<$ fonberlid^ glfidfii<$ ju nennen ift —
in ber ©efdfjidfjte Ijat biefelbe red^t furj gemährt —,
biefe grage brauste ber ©idjjter, ber |ier einen
menfdfjlidjj frönen 3ug in bzx ©efd&idfjte fanb, nidjt
aufjuroerfen, bem Sßolitifer ttljlanb mußte eine fold£>e
Söfung burdfj freien SBertrag unter ben ©treitenben
notmenbig ganj befonbers jufagen. Slud^ bie ganje
güljrung beö bramattfd&en ^ortfd^rittö ift in biefem
©tficfe weit beffer ate in bem früheren. 2Benn es
trofebem im ganjen weniger beliebt fein bürfte, fo
roirb bie 9ted(jnung bat)on auf bie beö minberen ro-
mantifdfjen Sftcigeö fommen; wirft bo<$ bei ben aller-
meiften Sefern unb ßufdfjauern eine fdfjöne, rütyrenbe
©pradfje unb auf baö ©effiljl wirfenbe ©injelbttber
roeit meljr, ate ein frafttwller Sufammenljalt unb eine
rid&tige ©ntnridftung beö ©anjen.
103
3)er eigentliche bramatifdfje -Wert), ber in mandfjem
poetifdfj trielleidfjt niebriger fteljenben ©tüdfe ju Sage
tritt, ifi übrigen« bod) in betben ©ramen Urlaubs
nidjjt ju finben. 6d fe^tt bie pfpd&ologifclje ©ialeftif,
oljne bie wir uns eine grofee Sragöbie ni^t ju benfen
vermögen. SBifdfjer Ijat bamit fdjon ben Sftagel auf
ben Äopf getroffen, wenn er eben an baö gelten
biefeö ^aftorö erinnert, baran, ba§ bie gßljigfett, ftdfj
in einen fremben 3uftanb ju oerfefeen, bei ttljlanb
jroar für bie erjäljlenbe 35i<$tung, nidfjt aber für bie
bramatifdfje ausgereist §abe. 3)a§ fommt t)or allem
in „Subroig ber Saier" jum SBorfdjein. 2Benn bie
ganje ©eftalt unb Äataftropfje @rnftö t)on ©d&roaben
jroar ntd&t poetifdjj fdfjöner, aber jebenfaflte bramatif^
intereffanter ju machen geroefen märe, falte ber 2)idf)ter
üjm me^r innere 3^rijfen^eit ju geben unternommen
§ätte, falte er ben Äampf in feinem Snnern jroifdfjen
Seljenöpfftdfjt unb ^reunbeötreue bargeftefft §ätte, ftatt
i^n, als einen ftetö in geraber Sinie roanbelnben
SRenfdfjen, roie er felbfi einer mar, fofort oljne foldjjen
Äampf nadjj ber einen ©eite §in fallen ju laffen: fo
leibet in bem jmeiten ©tüdfe, bad megen feines
bramatifdfjeren Slufbaus nodf) me^r oon foldfjer 35iale!tif
verlangt §ätte, audjj ber unmittelbare ©inbrudf unter
einer gemiffen Starrheit ber gftguren. $Präd&tig finb
ein paar Nebenfiguren, bie einfach gerabeauö reben
unb fjanbeln burften, t>or allem ber oft angeführte
SJäcfer Stomas mit feinem ©oljn. 3lud(j ber jiel*
benmfcte, fräftige, aber milbe Subnrig, ganj ein &elb
104
unb Sftegent nadjj bem &erjen Urlaubs, ift fd&ön ge-
jetdjnet; ebenfo bet roilbe, rücfjtdfjtslo« jufaljrenbe
Seopolb. SIber für bie gigur griebridfjs ijaben bie
färben auf Urlaubs Palette nidfjt ganj äugereidfjt.
&ier oerlangte fdfjon ber Äontraft gegen Subnrig bie
©arftetlung eines ritterlid^ ebeln, aber audfj ritterlich
übermütigen Äat)alicrö, ber etwas unftätes fteuer im
Slut Ijätte, oon bejaubernber ßiebensroürbigfeit , ein
©tücf von einem ©gmont ober 3)on ^uan — bas ifl
fein &elb für tt&lanb, bafür ift er ju gut bürgerlich
unb Ijauslidfj.
3Ran glaubt eine getmffe Ijarte ttngeübtyeii im
©ebraudfj ber bramatifdfjen Äunftmittel, ber einen SUtann
t)on aalglatter SBeroeglidjjfeit unb 2Jhi$felgen)anbtljett
verlangt, au<$ in mannen ©injetyeiten roaljrjuneljmen.
Söenigjiens erfd&eint mir bie 2lrt, roie bie Sagen-
erklungen von ©rnfts 9teifen beiläufig trcrroertet
ftnb, unb no<$ meljr, roie bie Slncfbotc vom frommen
©d&roeppermann unb feinen (Siern angebracht ift, meljr
Sßietät gegen bie Srabition als ©efdjicf ber bramatfc
f dfjen SBermenbung ju verraten ; ber ©dfjüler Albertus
ift gleidfjfalls eine $igur, bie aus ber großen 33elefen-
Ijett Urlaubs in mittelalterlid&en fingen Ijerftammt,
fie fott rooljl ätjnltdf) wie etwa bie fomifdfjen Figuren
©^afefpeares jur ^Belebung bes Äolorits beitragen,
aber — Urlaub iji fein ©^afefpeare. Anfänger
madfjen öfters Sleminifcenjen. 3$ glaube, aud& im
&erjog @mft foldfje ju finben. ®er Äaifer Äonrab
menigftens gemannt mit feiner ftrammen ^Regierung«*
105
politif, bie, er gegen rebettifd&e (Stoße feine« SReidfjs
burdfjfefct, an fteinridf) IV., unb es ift bejeidfjnenb, baß
beibe meijr jur ftofte für anbete bienen. ©er ©dfjluß
erinnert an ben bes Qamtet; ober fottte bem 2)idjter
ber Don SBattenfteins £ob Dorgefdfjroebt fjaben, in
roetöjem audjj bem fiugen Sßolittfer am £iele fönt*
©trebens, bas mit ber 58erntd)tung bes bramattfdfjen
gelben erreicht i% mit 33itterf eit gefagt tmrb : bu Ijaft
erreid&t, roas bu gewollt? 2ludj ßrnft unb Sßerner
gemahnen im ganjen unb in einzelnen 3öfl en an
ßarlos unb Sßofa.
3ebod[j, es mag ber Äriti! genug fein, ©agen,
baß ein ©tfldf geiler Ijabe, foff nidjjt Reißen, es fei
fd&ledfjt. ©djled&t ifl nidfjts, roas Urlaub gemalt Ijat ;
es fam nur barauf an, bie ©renjen, bie audj bas
größte ©enie Ijat, bei itjm feftjuftedfen. 2Ber gibt
nidjjt gerne bie ljö<$jte SBofffommenljeti preis auf einem
©ebiete, bas bie tieffte Begabung bes SDtannes nidfjt
berührt? 2Bie fommt es aber, baß Urlaub nadf) 1820
audfj feine leife 2lnbeutung eines bramatifd&en planes
meijr von fidf) gibt, ba bo<$ no<$ mehrere feiner aus*
gejeidfjnetften tyrifdfjen unb namentfidfj erja^lenben @e=
bidjjte nadjj jener Seit verfaßt finb ? 3ft es ©dfjeu Dor
größeren poetifdfjen Unternehmungen geroefen ober bie
©rfenntnis — roie fte bem gar nidfjt etngebübeten
SWanne rooljl jujutrauen wäre — , baß §ier nidfjt feine
fdfjönfien Sorbeeren gebieten? SBietteidfjt beibes, unb
nodfj ein brittes. 3)ie 3)ramen bis 1814 ftnb eigentttdfj
meijr eine 3(rt von romantifdfjen ©tilübungen, „ftdjj
106
in erneutem Äunftgebraudj ju üben", um mit ©oetlje
ju reben. Urlaubs Jgerjblut fließt bodj nur in ben
ernften ®ramen t)on 1816 an unb biefe alle, foroeit
mir fie einigermaßen fennen, — mit 2lu3nal)me ber
Nibelungen unb be§ armen §einrt<$8, ber beiben
^Bearbeitungen alter ©age — jeigen einen entfliehen
politifdjen ©eljalt, ber mitunter, roie in „Subnrig
ber SBaier", als bie etgentlidje ©eele beö ©toffeö er-
fdjeint. 3ft & eto Befall, baß biefe SBerfudje gerabe
in bie Saljre fallen, ba beö SMdjterö ©emfit burdj bie
polttifdjen Äämpfe SBflrttembergö erregt war? ©s ifl
Seit, ju biefen Äämpfen fiberjugeljen.
3,
djon ju Anfang biefer ©arjieffung ift angebeutet
roorben, in meiner geiftigen, politif <$en unb
fojialen 2ftmofpl)äre Ultfanb aufgeroadjfen ift. 3)ie
altroürttembergif<$e SBerfaffung, roeldfje feit Sa^r-
^unberten mit bem SSoHc t>ern>a<$fen unb namentlich
ben felbftbenmßteren Greifen ber Seamten* unb ®e*
le^rtenroelt lieb unb teuer mar, tjatte f<$on ju @nbe
beö adjtjeljnten Sa^r^unbertö ©rfdjfitterungen unb
kämpfe ju befielen. @ö mar eine Drganifation, bie
nod) in bas Mittelalter jurüdragte unb ü>rem SBefen
nad) ben mobernen ftaatsredjtlidjen ©ebilben fremb*
artig gegenüberftanb. 9te<#te bes Sanbeö unb 9te<#te
beö dürften ftanben foorbiniert nebeneinanber ; ein
3ufammennrirlen beiber gaftoren war möglid^, aber
nidjt geforbert unb baljer auä) nidjt regelmäßig. S8e-
jog ber gfttrft, bur<$ fein Äammergut mit eigenen
©tnffinften oerfe^en, t)om Sanbe nid&tö, außer mos
biefes itjm auf bem 2Bege bes immer tmeberljölten
Jtompromiffes otjne Sßräjubij barreidjen modjte, um bie
108
©dfjulben ju jagten, bic eine gerabe im ad&t jeljnten Safyt 5
ljunbert bis jum SBatynfinn getriebene SBerfdfjroenbung
ankaufte; mar er in gefefegeberifd&er imb abminiftra*
ttücr SBejietyung an bie -Dtttnrirfung beö Sanbtagö
nid(jt redjtlidj gebunben: fo tyatte biefernrieberum bie
SBerroaltung roefentHd(j in feiner &anb, t>or allem aber
bie Sefteuerung, überhaupt bie ginanjnrirtfdfjaft be*
Sanbeö. 35er ©tyarafter ber ganjen SSerfaffung mar
metjr prit>atred|jtlid(j als ftaatsredjttidf) ; burdfj eine Sfteitye
von Verträgen jroifd(jen ben öerjögen unb ber Sanfc
fdfjaft immer roieber neu ftiputiert, ftanb baö ganje
9ted&t§t>erljältnte fd&liefclid) unter ber Dberaufftdfjt be&
ßaiferö aU beö oberften Seljenöljerrn. 3JHt feiner
SSerfaffung bilbete SBürttemberg eine 9ted&t§infel auf
bem kontinent; unb nun begannen bie SBogen ber
franjöftfd&en 9tet)olution gegen biefeö (Sitanb angu*
ftärmen. 2)ie Stimmung feljr vieler, t>ieffei<$t ber
meiften unter ben jüngeren namentlidfj, mar für biefe
große Semegung, beren fettes Std^t man jroar oft
burdlj fdfjroarje ©Ratten t>erbüftert fal), aber bodfj immer
nrieber ungetrübt tyinburd^bre^en ju fetyen tyoffte. @&
bebarf feines ®rtoeifeö, nrie feljr bie treibenben Sbeen
jener $eit fid(j von benen ber alten roürttembergifdSJen
SSerfaffung unterfdfjieben; eö gibt eine gange Sitteratur
aus ben neunziger Satyren, bie fidfj eben mit ben
fragen befaßt, meldte burdS) bas ©inbringen ber neuen
3been in ben alten ©taatöförper entftanben. 3)a£
Sanb Ijat ftdf) aber audE) praftifdfj in bie Äämpfe ber
franjöfifdfjen 9tepublif tyineingeftellt. ©er fcerjog ftanb
109
auf Defierreidfja ©eite ; bte Sanbf d^aft tDoHtc, oljne bcn
gerotfj t>orljerrfd(jenben ©pmpat^ien für granfreidj eben
offenen 3luöbrud geben ju wollen, jebenfaflte bas Sanb
oor ben ©<$ftbigungen eines franjöftfdfjen ©tnfatts
bewahren, unb fo ift es fogor ju etroas gefommen, maö
man jefet für ein flaatsredfjtfidfjes ßuriofum anfe^en
toürbe, roas aber bei jener Äoorbination t>on gttrft
unb SBoII red(jt begreif lidj toar : ju einer ©enbung nad£)
?Pariö t>on feiten ber Sanbfdjaft, roeld&e bat, bas
Sanb für bie ?poftttf feines &erjogS nidEjt oerantmortltdf)
ju mad(jen. &erjog griebriefy, ber 1797 jur Regierung
gelommen toar, lonnte feiner geiftreidj^ungeftümen,
rüdfid&tslofen, ijod&ftrebenben -Watur nadf) feine greube
an ftänbtfd^cr SBerfaffung Ijaben, bie i§m, bem 2tuto*
traten, in ganj republifanifd&er gorm gegenüberftanb
unb gegenübertrat. @r ging fpater auf bie Seite
Napoleons, mit bem er fidfj oerf d&mägerte, unb burdE)
biefen Verteiler t>on Äronen fa^ er feine 3Rad(jt immer
meljr gefieigert. 33on bem <Qauptfd&luf$ ber SReidEjS*
beputation 1803 an erhielt SBürttemberg einen ®t-
bietsjuroad&s um ben anberen; lauter ©ebiete, bie nun
erft in bas ©pftem ber mürttembergifd&en SBerfaffung
aufzunehmen gemefen mären, aber in ben Stammen ber*
fetben fdfjon besljalb fd^Ced^t paßten, roeil fie jum
größeren £eil fatljotifd& maren unb jene SSerfaffung
mit ber lutljerifdfjen ßirdfje aufs atterengfte oerfnüpft
mar. ©er abfolutiftifd&e ßljarafter bes fcerjogs unb
biefe ©d&roierigleit, feine neuen ©rroerbungen in ben
ftomplej beö fonftitutioneffen Sanbes einjupaffen,
110
mußten mit einember in einer unb berfelben Stiftung
auf bie Sluftjebung ber SBerfaffung Ijin toirfen. griebri<$
befam 1803 bie Äurfürftentvfirbe, burdfj ben ^rieben
von Sßreßburg 1805 bie Äönigstvürbe mit ber vollen
Souveränität unb ben aus biefer Souveränität fließen*
ben Sterten. 9lun artete er ben ßeitpunlt für ge-
fommen, um ben von beiben ©eiten mit viel &aß
geführten ©treitigfeiten mit ben ©täuben ein 6nbe
ju mad&en. 2lm 30. ©ejember beäte er bie &anb auf
bie Äaffen unb baö Slrdjiv ber ©tänbe, verpfli<$tete
tags barauf bie Slemter jur bebingungölofen Unter-
orbnung unter bie Steuerung unb ©teuerabtieferung
an biefelbe unb proklamierte am 1. Sanuar 1806 bie
itönigstvürbe.
S)aö £anb mar nun jeljn 3a$re lang o§ne ftän*
bifdfje SBerfaffung, unb tvenn bie alte SBerfaffung nidjt
fdjon guvor bei ben einflußreichen ©timmfü^rern im
^elljien Sid&te geftanben tväre, ber ©egenfafe ber ferneren,
von überall jjer bebrängten 3eiten Ijätte ftc in ein
foldjes ju fefeen genügt. Sie SBerljältniffe änberten
ftd) burdj bie 33erjjanblungen über bie -Keugeftaltung
©eutfdjlanbä nad) Napoleons ©turj. ©er 83unbeö-
Vertragsentwurf beftimmte, baß in allen Sunbeöftaaten
ftänbifdjje SSerfaffungen eingeführt unb ein 3Rinimum
ber ftänbifdjen Stedjte feftgefefct werben fottte. S)iefe
Seftimmung eines 3JHnimumö tvurbe von SBürttemberg
als Äränlung ber Stedjte beö Sanbeöljerrn bejeidfjnet
unb jurüägetviefen. ©8 ift nidjt untvaljrfdfjeinlid), baß
griebridjj ben tveiteren ßumutungen ber Sßädfjte juvor*
u
111
Jommen wollte burdE) freiwillige (Srteilung einer 5ßer=
faffung a ^ feto &*** unb jtoar einer SBerfaffung, in
welker jenes 3Jtinimum ftänbifdfjer 9ted£)te unb no<#
barüber hinaus geboten wäre. @r berief ju Anfang
beö Sa^reö 1815 eine ©tänbeverfammlung ein, weld&e
ben von iljm vorgelegten 33erfaffungöentwurf beraten
foHte. ©iefer ©ntwurf aber ftiefc auf unüberwinblid&e
©dtjwierigleiten fowo^l bei ben SSertretern beö alt-
württembergifd&en £anbeö, weld(je junäd&ft bie 3ugrunb*
legung ber alten SBerfaffung, alfo SBieberljerftelhmg
beö t)om &er$og einfeitig gelöften SBertragö »erlangten
unb bie burd) 3 eitocr^ättniff c unb ©ebietövergröfcerung
notwenbig geworbenen Slenberungen eben als Säube-
rungen beö alten Sftecljtöftanbeö julaffen wollten, alö
audj bei bem 2lbel, beffen reid(jöunmittelbare ©ebiete
oljne jeben SKed&tögrunb bem £anbe einverleibt worben
waren, ©o würbe ber Sanbtag 3Jlitte 1815 vertagt.
Sllö er toieber einberufen würbe, Ijatte ber Äönig ju&
ju einem wefentlid(jen 3 u 9 e ftiw&ttte Ijerbeigelaffen: er
wollte bie alte SSerfaffung alö ©runblage für bie alt-
württembergifd&en Sanbeöteile jugeben unb nur für
bie neuwürttembergifd&en eine neue, auf bem ntobemen
SRepräfentationöfpftem beru^enbe erlaffen. Sie SSer-
Jjanblungen barüber waren ü)rem 6nbe nalje, alö
äönig griebridfc am 30. Dftober 1816 ftarb. ©ein
©oljn Ijatte alö itronprinj viele Hoffnungen auf eine
freifinnige Regierung erwedft. 6r fefete bie SBerijanb-
lungen fogleidfj nad& feinem Sftegierungöantritt weiter
fort unb bradfjte gegen ben von ben ©täuben injwifdjen
112
tjoöenbeten SBerfaffungsentrourf einen eigenen t>or.
aber es tarn abermals gu feiner ©inigung; im Sunt
1817 mürbe bie ©tänbeoerfammtung aufgelöft. ©ine
Sfojaljl entfdfjieben freifinniger ©efefee unb 5Berorb=
nungen bemies aber, baß ber ßönig ben SBiUen §atte,
in uerfaffungsmäßigem ©inne gu regieren. Um ben
Stöfdjlufc bes SBerfaffungsroerfes enbttd& bodfj ^erbeiju^
führen, mürbe im Sommer 1819 mieberum eine ©tänbe*
t)erfammlung einberufen, meldte bis 6nbe ©eptember
bie SSerfaffungsangetegenljeit im roefenttidjen in 2lm
bequemung an bie 9tegierungSt>orf$läge ins reine
braute.
2)amit mar nadf) einer $aufe t)on mergeln Sauren
bas Sanb SBürttemberg toieber im ©enuß einer flän*
bifdfjen SBerfaffung. S)ie SSerfaffungsftreitigleiten £aben
unenblidfj triel ©taub aufgewirbelt, es Ijat auf beiben
©eiten nid&t an großen gestern unb Verbitterungen
bes Kampfes gefegt; menn bie ©tänbe einmal bie
Snterjeffion ber von &ergog Äarls milber Seit Ijer
befteKten auswärtigen ©arantiemftdfjte anjurufen unter-
nahmen, Äönig griebridfj aber gegen Vertreter fiam
bifd&er Slnforberungen gertd&ttidfj vorging, fo geugt bas
bei beiben teilen oon übergroßer &ifee ber Aufregung.
Sludfj von benen, bie außerhalb bes ©treites ftanben,
ift in vertriebener SBeife über benfetben geurtettt
morben. 3 utne *ft würbe aUeroings ben ©täuben vox*
geworfen, baß fie an veralteten Sfafdfjauungen feflge=
galten Ratten, an 2lnfd(jauungen, meldte meber mit ber
neuen ©eftaltung bes Sanbes nodj) mit ben mobernen
113
politifdfjen unb ftaatöredfjtlidfjen gbeen ju Bereinigen
gemef en feien ; &egel unb ©eroinus ftnb rooljl bie jroei
bebeutenbften SBertreter biefeö ©tanbpunfte§. 3Jian
^at auf mand&e Uebelftänbe ber alten SBerfaffung l)in=
genriefen, auf baö otigard^ifd^c Regiment, bas ber Keine
£anbtag§au§fd(juf$ geführt l)atte, ba bie ganje Sanb*
fdfjaft oft oiele Sa^re lang nidfjt jufammengetreten
war, barauf, bafe bie ganje 9led(jt8grunblage ber alten
Seit, bie SRcic^öftanbf d^af t , bie ße^ensoberljerrlidfjfeit
be§ römifdjen Äaifers, weggefallen war; man §at be-
tont, bafe ber erfte SBerfaffungöplan Äönig griebrid&ö
in mandfjem freifinniger geroefen fei als bie alte 33er-
faffung, in welker t>erfd£)iebene jefct faft felbftoerftänfc
lid&e @runbred£)te fehlten, man §at gefaßt, bie ftänbifd&e
Dppofition tyabe burdE) iljr geilfd&en nur baäfelbe er=
reidfjt, roaö £arqumius mit ben fibglltmfct)en Sudlern :
bie enbüdf) oon ifjr angenommene SBerfaffung fei ber
erften Äönig griebridjs gegenüber ein 9Winu£ t>on
ftänbtfd&en Steckten unb SBorteilen im @imt ber Dppo*
fttion geroefen; in ber %f)at enthielt bie befimtioe
SSerfaffung ba§ von ftänbifdfjer ©eite ftetö befämpfte
ßroetfammerfyftem, baö in bem erften ©ntrourf Honig
griebridfjö nid&t enthalten geroefen mar.
9Jian fann baö aUeö jugeben unb bie %vaQt, ob
nidjt bie alte SSerfaffung bod) aud£) ben neuen 33or*
lagen gegenüber iljre Sßorjüge gehabt fjabe, ruljen
laffen — roie benn l)ier überhaupt nid&t ber Ort ift,
biefe Ijödtft oerroidelten fragen ju befpred&en. gür
bie Sanbftänbe lag bie ©adlje bamalö nidfjt einfadfj fo,
8fifd&er, Subtoig Urlaub. 8
114
nrie tyxt Äritifer jagten. 3Rodjte bei trielen SSertretem
bes alten Sfted&tsftanbes ein gamxliem>orurteil mit*
fpieten: bie meiften roaren bodfj rooljl einig barfiber,
bafc SUlobiftfationen an bet alten SBerfaffung notroenbig
feien, aber fte wollten junftdfjft ben alten 3te<$tsboben,
ben i^r 3Ronard) burdf) einfeitigen 3ßa$tfd&lufe itjnen
unter ben gfifeen roeggejogen Ijatte, nrieber anerfannt
§aben unb erft bann ftdfj auf weiteres einlaffen. ©aju
fam bie -Kot ber erft überjianbenen itrtegsjaijre, ju
ber fidfj mehrjähriger, in ber Hungersnot von 1816/17
gipfelnber SDtifjroadjs gefeilte, um bie alten Sdttn von
fetbft als bie guten erf feinen ju taffen; bagu aber
vor allem ein tiefes SKifetrauen in bie ©Ijrlidftfeit beö
Siberalismus, ben Äönig gfriebridfj anbot. 3Kan mag
es ©igenfüm f dielten, bafc bie Sanbftänbe fein @nt*
gegentommen nxtyt benufcten, bafc fie au<$ feinem -Kadfj*
folger gegenüber, ber bodj) an ber Sluf^ebung ber 33er-
faffung unfd^ulbig mar, auf ber Herstellung bes alten
9te<$tsftanbes t>erljarrten; es ift aber minbeftens ein
©igenfinn, ber t)iel SldEjtung einflößen mu%, ben man
bem in ganj ©eutfdjlanb gepriefenen SBiberftanbe ber
©d|jlesroigs<Qoljieiner gegen bie bänifdje SBerfaffung rootyt
jur ©eite fteffen barf.
Uljlanb Ijat fid) t)on Slnfang an in bie Steigen
ber Kämpfer gemifdfjt. 6r ftammte aus einer gfamilie,
bie burd) mehrere 3Kitglieber mit ben alten SBerpte
niffen aufs engfte juf ammenljing , er mar Surift unb
t)on einem äufcerft ftrengen ©tan für bas formale
Sted&t erfüllt, an bem SRegierungsfpftem , ba& er in
115
feinem ©taatsbienft fennen gelernt, Ijatte er nidjts
weniger als greube. 6s tonnte !ein $tottftl fein,
bafc er ftdj fofort auf bie ©eite ber alten SBerfaffung
fdjlagen würbe, bes „alten guten Stedjts", wie es nadj
iljm von greunben unb geinben genannt worben iji.
Unmittelbar an bem SBerfe mitjut^un, war er junadjft
nodj ju jung ; erft mit breifeig Sauren würbe er wftljl*
bar. SJnjwifdjen war er mit ber 2Bu<$t feines ©idjter-
worte« tyätig. „9fot 18. Dftober 1815" war bas
erfle ©ebidjt, mit bem er in bie Bewegung eingriff;
im Saljre 1816 folgten „SDas alte gute Sftedjt",
„SBfirttemberg", „©efprädj", „2ln bie JBoöSöertreter",
„31m 18. Dftober 1816"; biefe fed&s jufammen würben
im fcerbft 1816 als „SBatertänbifd&e ©ebidjte" in
einem bünnen &eftdjen ausgegeben. 2lud) nadj Äönig
Sßitijelms Regierungsantritt ruljte Uljlanbs ftreitbare
3Rufe nidjt; oom ©pät^erbft 1816 bis jum ©ommer
1817 finb nod) fteben weitere ©ebidjte ^injuge*
lommen: „©djwinbetyaber", „&ausred)t", „S)as fierj
ffir unfer SSoll", „$Reujal)rswunfd&", „3)en Sanbftänben
jum Gljriftoptjstag 1817", „©ebet eines SBürttem*
bergers" unb „SRad&ruf", bas lefete nadj ber 3luftÖfung
ber ©tdnbeoerfammlung im guni 1817 gebietet. $n
ber ©ammlung ber ©ebid&te bilben biefe breije^n
©cbid^tc eine eigene Abteilung, nebft bem 1819 ge*
bieteten Sßrolog ju ©rnft tum ©djwaben unb ber
„SBanberung" t>on 1834.
S)ie t>aterlänbifdjen ©ebidjte Ijaben eine feljr be=
beutenbe SBirfung erjielt. Snnerljalb SBürttembergs
\
116
oerfteljt fidfj biefetbc rooljl von felbft. Sludj Äerner,
ber in mehreren ^öd^ft leljrreid&en ©riefen an Uljtanb
bie politifd&e Stellung beö ftreunbes befampft Ijat,
war w>H iljres Sobeö: „Sßeldj ein teurer, gebiegener
3Renfd& ift bodf) biefer Urlaub !" Slber aud) weit über
bie ©renjen bes Sanbes Ijinaus mar ber ©inbrud
§ödjft bebeutenb ; fdfjon bas eine „SBenn Ijeut ein ©eift
tjernieberftiege" Ijat ja in einem fjunbertfadjen 6d(jo
burdE) ganj ©eutfdijlanb fortgeflungen. 2lber audEj bie
©ebidjte, bie lebiglidfj für bie roürttembergifdfje 83er-
faffungöangelegen^eit t>erfafct finb, {jaben bis naä)
■Korbbeutfdfjtanb bebeutenb genrirft. 6s mar voofy bie
erfte 3trt fol^er politifd(jen Sprif unb burdj iljre eble,
u)ürbige ©prad(je, bie fidj) von allen &efcmitteln fem
l)ält, nur nodf) toirf famer. 3n ber S^at Ijören mir
benn, bafe biefe ©ebidfjte nod) in ber preufjifdjen Äon=
föfiöjeit, metdfje einen äl)nlid|)en ©egenfafc l)ert>orbrad(jte,
if)re Stolle gefpielt {jaben.
Ueber ben poetifdfjen ßljarafter biefer ©ebidfjte
§abe idEj fdfjon in Äürje gerebet. Sftnen Jßtien Äifcet
ber bemagogifdfjen, haßerfüllten Slufreijung ju geben,
ber mannen fpäteren ©ebid&ten politifd&er Slgitatoren
eine bef onbere Beliebtheit , freitidfj bafür audf) eine
meljr ober meniger ephemere, t>erfd|jafft Ijat, baö lag
meber in Urlaubs poetifd&er -Katar, no$ rndre es mit
feiner perfönlid&en ©emeffenljeit unb nüchternen ©elbfc
judjt vereinbar geroefen. ©r ift entfdjieben, unbeugfam,
nimmt fein Blatt vor ben- 3Wunb, aber er ift geredet,
er trennt bie $erfon von ber ©adlje. 6r ift weit
117
baoon entfernt, in biefen ©ebidjten ein liberale«
©laubenabefenntnfe ju geben, uon ber ©leid&ljeit aller
■Dtenfd&en ju reben, bie Äreuje aus ber @rbe ober bie
Äronen von ben ^auptem iljrer Präger reißen ju
wollen. S^eierlei *ft eS oor dkm, wäö tym am
fcerjen liegt: ber 3tedjtöt>ertrag unb bie altljeimifdfje
©itte ; betbes ift iljtn in bent alten guten Siebte ver-
einigt.
„9todj ift fein gfirft fo $odj gefürftet,"
rief er bent Äönige $u, als er 1817 ben Sanbtag auf=
gelöft Ijatte, mit bem er fid) ni<#t einigen fonnte,
„2)afi, roenn bie SBelt nad^ grei^eit bfirftet,
@r fte mit greiljeit tränfen fann,
2)aj3 er allein in feinen §änben
2)en Steid&rum aUeS Bed&teS f)äit,
Um an bie Völler auäjufpenben,
©o triel, fo wenig üjm gefällt."
•Kein, ber SSertrag ift es, ber iljm ben Sffiert einer
SSerfaffung ausmalt, SBeiöljeit fann „nidjt baö 3ted&t
begraben, nod) SBo^lfaljri es erfefeen"; nur bie ftxfa
Ijeit gilt i§m, bie nidjt gefd&enft, fonbern bur$ freie
tteberetnfunft bef Stoffen wirb. S)iefe$ $Bertrag8t>er-
Ijältnis fanb in ber alten SSerfaffung ftatt, feine
SBieberljerjiellung bur<$ bie SBerfaffung von 1819 be-
grüßt Urlaub mit freubiger 3«ftimmung. 35a« alte
Stedjt Ijat aber für iljn ntbtn ber formalen ©eite
aud) eine materiale; es ift iljm baö 9te<$t, bas bie
©üter beö perfönlid&en 9te$tsf d&ufceö , ber fparfamen
SBirtfdfjaft, ber flirre unb SEBiff enf dfjaf t , ber SBaffen*
118
fä^igfeit unb bcr greijügigleit in ftd) enthält, t>or
allem aber es ift ü)m bas aus bem Ijetmatlid&en
SBoflsboben emporgemadjfene, t>on innen emporgefeimte,
bas alterprobte,
2)eS n>o§foerbienten 9tu§m
3a$r§unberte bewährt,
2)ad jeber nrie fein ©Ijriftentum
S3on §erjen liebt unb eljrt.
2lts bas einljeimif d£je , bas mit allen gibern bes
SBolfes aermadjfene fdjüfet er es gegen ben gremben,
ber es reblid) meint, aber für bas müritembergifdlje
Stoß fein ioerj ^ öt / htm er offenes unb freies ©aft-
redjt anbietet, bem er es aber vermehrt, mit feinen
Sftejepten an ben if>m nidjt vertrauten SSoßsförper
Ijeranjutreten. SDiefer grembe mar ber 3Jftnifter t)on
SBangen^eim, berfelbe, ber mit Urlaub t)on früher §er
n>of)l belannt unb befreunbet mar, ber geifireidje, aber
unftäte S^üringer, ber für eine Slnjaljl t)on Sauren
in SBürttemberg feine ftaatsmämrifdje Stoße fpielte.
Urlaubs Sßolemif gegen iljn mar uon ge§&f jtger geinte
fdjaft meit entfernt unb er §at bem alten ©egner
triele 3>a§re fpäter gejeigt, mie menig perfönlidfjer ©roll
in iljm mar, inbem er ben t>on feinen politifd&en 3rr*
fahrten nadf) SBürttemberg jurüdfgef ehrten , aber ba=
felbft m<#t bürgerlichen SBangenljeim jur ßulaffung
in bie Äammer empfahl, leiber umfonfi. SWit Sßangen-
ijeim mar in jenen Sauren bes ©tänbefampfes audj
SRüdfert in Stuttgart, mo er feit 1815 bas Sßorgen*
fclatt rebigierte; er mar mit SBangenljeim befreunbet
119
unb $at gegen eines ber t>aterlctnbifd)en ©ebidjte Vlty
lanba ein ©egenflüd gebietet. Sie beiben gegne-
rif djen Sinter fdjeinen miteinanber fremtblidj, bod&
ofjne nähere 33ejiel)ung, oerfeljrt ju ijaben. ®inen
Ijarmloferen poetifdjen SBettjireit jwifdjen beiben f>at
Sftüdert inj feinen Sßerfen aufbewahrt, bie bekannte
Senjone über bie oon einem gemeinfamen Sefannten
aufgegebene ftrage, ob ber Xreuebrudj ober ber £ob
ber ©eliebten metjr fdjmerje; Urlaub f>at ben ©treit
in jeber iQinftdjt gewonnen.
3n ben 1819 berufenen Sanbtag war Urlaub
wählbar. <5r würbe für bafi Dberamt Sfflbingen ge*
wäfjlt. SDie Stimmung in biefer SSerfammlung war
tum Anfang an eine weit günfttgere, weil man ben
Äönig entgegenfommenb fat), unb weil man @tn*
nufdjungen be$ 83unbe$tag8 befürchtete. Uftfanb Ijat
bie Slbreffe »erfaßt, weldje bem Könige vorgetragen
würbe unb banfbare Hoffnungen auf bas ©elingen
bea SBerfeö aufifpradj. @r war unter ber Deputation,
weldje am 24. $uli ju biefem 83eljuf äubienj §atte;
ber jtönig aufwerte, er ijabe if>m and) nodj für ein
©ebidjt ju banten. ©d war gewift {ein anberes als
baö ©ebi$t „itatijarina", baö Urlaub gum Slnbenlen
ber am 9. Januar oerblidjenen Äönigin gebietet ijatte.
Äatljarina Jjatte ftd) burd) tyre großen 2ßof)ltljaten im
fcungerjalpe 1816—1817 ein liebeooUeö Slnbenfen
geftiftet. S)iefe erbarmenbe Stljätigfeit pries benn
aud& Urlaub in feinem ©ebidjte, bas in ben Äreis
feiner ebelften (Sbelfteine gehört. Sei $of foQ baft
120
©ebid&t nidjt eben SBo^Igcf allen erweeft tjaben; fein
SBunber, bie gut bürgertid&e ©efinnung, bie fid) ixt*
gegen wetjrt, in ber $ürftin etwas anbereö als bie
SBoljttljäterin ber SRotleibenben ju preifen, tjat biefe
SBerwatyrung faft etwa« ju breitfpurig ^ingefleßt , fo
bafc man fragen möd&te: warum nidfjt oljne folgen
SRüd^alt loben? $nbe§ war baö ©ebidfjt gar nidjt
baju beftimmt, bei &ofe Stimmung ju madfjen.
Sie SSer^anblungen liefen fd^nett unb glatt ab;
bie SBerfaffung würbe einfHmmtg angenommen unb
am 27. ©eptember 1819 t>erftlnbigt; audj Utyfonb
§atte bei ber motimerten 3lbftimmung fein 3a freubig
gegeben : „SRand&er wirb mandjes t)ermiffen, aber ba&
SBefentlidje befielt, t)or allem jener Urfefe unfere&
alten Stents, ber Vertrag." 3 ur S^er & e * % tXi
faffungswerfes würbe am 29. Dftober fein &erjog
6rnft aufgeführt; er war um einen Sßrolog baju er-
fud&t worben, biefer Prolog, ber bie freie ©tnigung
beö dürften mit feinem SBolfe preifi, würbe bann afe
»erfö^nenber äbfd&lufe ben „a3aterlänbifd)en ©ebbten"
angehängt; erfi fünfjeljn Sa^re fpäter fam nodj bie
fdjarf bat)on abfted&enbe „Sßanberung" £inju.
©leid& nadEj ber ©ene^migung ber SBerfaffung
würben bie SBaljlen für ben erften t>erfaffungömäftigen
Sanbtag anberaumt. Urlaub würbe biesmal oon ber
©tabt Tübingen gewählt. 3lm 15. Januar 1820
fanb bie ©röffnung bes Sanbtags fiatt.
35er £ag barauf war für Urlaub« Seben no<#
widriger ; er brachte feine öffentliche SSerlobung. 3Me
121
Staut, ©mitte Sifdfjer, bic frfil) t>ermaifte %oä)kx eines
©almer Kaufmanns, mar bem fd(jüd(jternen 3Ranne
fdfjon lange ans &erj gemadfjfen; mit intern Karen
Slitf, intern meiblidjen ©dfjarfftnn erfannte fie feine
ftiHe Steigung; bas $aar mar f$on längere 3^
einig, allein erft mit ber Sefeftigung ber t>ater-
länbifd&en Ser&ftltniffe, mit feinem eigenen Seitritt
jur 9Jtitmirfung an iljrer Sfasbilbung mottte Urlaub
audfj feine Ijäuslidfje ©jiftenj begrünben. 2lm 29. 3Wai
besfelben Saures fanb bie &odfjjeit ftatt. 6s ift ein
ftittes ©lüdf gemefen, bas bie ©atten miteinanber
genoffen ; leiber in einer Sejieljung nur $u füll, benn
bie @ije mar finberlos. S)ie Äinber ber frü^erftorbenen
©<$mefter Utyfonbs, fomie ein ©oljn eines $reunbes,
meldte bas Sßaar an Äinbesftatt annahm, mußten ben
eigenen Äinberfegen erfefeen. Sie ftreunbe bes Kaufes
mußten, mie ftnberfreunblidfj Uljlanbs &erj mar;
ferner jlidj) genug, foldfje Siebe nidfjt eigenen Äinbem
ermeifen ju fönnen! Um fo inniger mar bas 83er*
§ältnis ber ©atten. Urlaubs grau mußte feljr genau,
mas jte an iljrem 3Kann Ijatte, fie mürbe nityt eifer*
ffidfjtig, als ber eingefleifd&te Sßflidfjtmenfdfj einen guten
£eil feines ioödfoeitstages feinen lanbftänbifd&en Ob*
liegenljeiten mibmete; fie mar bie treue Begleiterin
feiner Steifen unb bie aufmerffame Teilnehmerin an
feinen ©tubien ; fie l)at enblidfj nad& feinem SJobe bem
Anbeuten bes ©atten bas prädfjtige ©ebenfbudfj ge=
mibmet, bas üjn uns in t>ottcr ßebensfrifd&e unb
plafiifdfjer Stunbung t>or 3lugen fteHt, ein Sudfj, bas
122
ju bcn freunblidjften ©rfdjeinungen unfctcr mobernen
beutfdjen Sitteraturgefd&id&te jä§lt.
• 3)ie crftcn 3a$re beö jungen ß^eftanbeö wt*
gingen unter fleißiger ftänbtfdjer Arbeit. SDie aKit-
glieber ber Partei bes „alten guten SRedjtd" Ratten
nun SBeranlajfung unb ©elegentyett, §u jeigen, bafe fte
nid&t blofc unter bem 33anner ber $reü>eit für alte
ßmridjtungen ju fämpfen, fonbem audjj innerhalb ber
neuen geit ben liberalen gorberungen berfelben ge*
redjt ju werben t>ermödjten. Urlaub f)at bad für feine
Sßerfon jur ©enüge getrau. 6r war ein l)öd&ft pfftdjt*
getreuer Arbeiter, wie auf anbero, fo audj auf bem
politifdjen ©ebiete. 3li$t nur ate SWitglteb ber Äammer,
fonbem aud) als Äommifftonömitglteb innerhalb ber*
felben l)atte er feinen ©ifer für ben Sluöbau feine«
Btaatt* ju ermeifen. 6r war einer ber bebeutenbften
Vertreter liberaler Sntereffen in ber roürttembergtfdjen
Äammer unb roiberlegte für feinen Xtil bie f6tf)a\xp-
tungen berjenigen grünbttdj, meldje in ben SBertretero
ber altett SSerfaffung ©egner beö vernünftigen gort*
fdjritts erblidten. ©afc er einmal auf igerabfefcung
bes 3JHlitär*6tat$ antrug, baf$ er in ber Seit *>**
^eftigften Äonflütö — erft in ber jroeiten Sßeriobe
feiner lanbfiänbtfdjen 22}ättgfett — für 33ubgett>er*
Weigerung ftimmte, baö mag man alö SRemintöjenjen
au& ben Qtütn SHtrofirttembergd anfeilen; aber e*
mar bod& geroifc ganj im ©inn bea mobernen Stberalte*
muö, rotnn er, im erften ßanbtag, bie S^far <&*
t>erfaffungöroibrig befämpfte, rotnn er gegen bie 58er«
123
folgungen auftrat, meldje griebrid) Sift ausjufte§en
Ijatte — ein 3Kann, ber in melen Sttngen nidjt feiner
©eftnnung war — , memt er einen Slntrag auf Sie-
mfton beö 3 u nftroefen8 fteUte; unb eö war jugleidj
im ©tnne ber nationalen ©intyeit, wenn er fdjon 1820
bie -Jiotmenbigfeit eines beutfdjen bürgerlichen ©efefe-
budjes betont l)at. SBenn man 1822 iijn in ben
äusfd&ufc beö ©ried^entjereinö mahlte, fo l)at man
$anj gemifc nid&t einen p§U§eHenifd)en SRomantifer in
ber Strt &ölberlins, fonbern eben ben greunb ber
unterbrüdften gretyeit in tym gefe^en.
SHe ftänbifd&e £I)citigfeit ttljlanbö mährte big jum
3a§re 1826; als mieber gewählt mürbe, lehnte er ab,
er glaubte nadjj ftebenjal)riger aufopfernber S^ätigfeit
ftdfj 9htlje gönnen ju bfirfen.
5Bon feiner abüofatiföen Styättgfeit erfahren mir
<md jenen Setzten fo triel mie nichts, ©ie l)at tym
Don SCnfang an nidjt jugefagt unb er mar in ber
äufcerlidjen Sage, fic^ berfelben ju entf plagen, ©ie
miffenfdjaftlid&e Arbeit, bie feit jenem erften 2Juffaft
über baö altfranjöftfd&e ©poö je^n S^re lang geruht
Ijatte, mürbe mieber aufgenommen, um von nun an
nie me^r ju ru^en. 3n bie Sßeriobe feine« Sebenö,
an ber mir fielen, faßt baö 33udj Aber 2Baltl)er t>on
ber SBogelmeibe, baö im 3al>r 1822 erfd&ienen ift, fo=
mie bie ftiUe Vorbereitung größerer ©ntmürfe, bie erft
fpäter^in reifen foßten. @ine Slrbeit anberer Slrt
mar bie Verausgabe von &ölberltnö ©ebid&ten, meldte
Urlaub, gemifc nic^t blofc burd) bie Sitten uon &6U
124
berlinä -Dhitter angeregt, fonbern audj aus eigener
Seilna^me an bem UnglüdElidjjen, ber feinen geiftigen
Xob fo lange fiberlebt Ijat, aus eigener &odjfdjat$ung
biefer l)ert>orragenben ©eiftefimerf e , int 3a$re 1826
in ©emeinfdjaft mit ©uftao ©djroab Verausgab.
a»it ttljlanbö toiffenfd&aftliien arbeiten ftanben
auclj triele, mol)l bie meiften feiner Steifen im 3 Us
fammen^ang. @r mar ein feijr rflftiger SKeifenber,
attejeit jur SBanberung aufgelegt, unb e$ ift in
ben t>ier Sa^rje^nten nad) feiner Verheiratung fein
3a^r oer&angen, beffen ©ommer if)ti nidf)t, öfters ju
mehreren 2Men, aus Tübingen entführt §ätte; feine
grau ift ü)m babei jumeift als Segleiterin §ur
©eite gemefen. U^lanb ift für jene 3 e ^ tnangel-
öfterer SBerfeljrömittel meit ^erumgefommen. ©eine
Steifen führten tyn, mie f<$on früher nadj Sßariö, fo
jefct bis nad) £openl)agen, nac^ SBien, nad) Belgien;
Stalten Ijat er nie aufgefudjt, t)icttcid&t aus SWangel
an innerem Sebfirfniö, ftber bie ©renjen ber germani-
fdjen 2Belt l)tnau8§ugef)en, mo§l nodfj mel)r aber, meit
er feinen ©egenjianb für feine ©tubien bort muffte —
benn für bie bilbenbe Äunft §atte er jmar einen
empfänglidjen ©inn, aber fein fadjmännifdjeö Sntereffe,
fein äjiljettfd(je8 Sebürfniö, mie ed jefct aud) t>on meit
mehreren ber SJlobe megen ge^eudjelt als mirfli(§
empfunben mirb. 3n ©eutfdjlanb §at Urlaub feine
Steifen in bie Äreuj unb Duer erfiredtt, balb aus*
fdfjliefjlidfj ber ®r^olung unb bem -ftaturgenufc nadj*
ge^enb, meift aber jugleid^ ernften ©tubien, jumal feit
125
er begonnen §atte, für fein großes Unternehmen ber
SBolfSlieberfammlung einjuljeimfen. ©übbeutfdjjlanb
unb bie ©c^tociä waren bie ©ebtete, bie er namentlich
burdfjreifte, §ier ift iljm fein einigermaßen intereffanter
Sßunft unbefannt geblieben. SRacIj bem SBobenfee unb
ber ©djjroetj jogen iljn nidjjt bloß bie großen ©djjäfee
für bie Sitteratur bes SJUttelalters unb namentlich bes
^iftorifd&en SBolfsliebs, nid&t bloß feine Vorliebe für
bas republif anif djje Sanb, fonbem t>or allem bie Samm-
lungen unb bie Sßerfönlidjfeit eines älteren, gleidj=
firebenben gorf djjers. 3)er $reil)err 3of ept) von Saßberg,
ber unermttblidfje ©ammler unb glüdflid&e ginber
auf bem ©ebtete ber altbeutfdfjen ©idfjtung, ftanb mit
Urlaub feit 1820 in einem lebhaften brieflichen S8er=
t efjr ; eine erfte perf önlidfje Begegnung f anb ftatt, als
Saßberg im felben 3ftl)te n&dfj Stuttgart tarn, ©er
gaftfreie, f)umoriftifd(je ©beimann fyat auf feinem S3e-
fifctum in ©ppisljaufen im £f)urgau unb fpäter auf
ber von itym erworbenen alten 3fteersburg jahraus
jahrein ©äfte beherbergt, von benen bie meiften
burdfj feine altbeutfdfjen ©djjäfce angelodtt waren, in
beren SJHtteilung er keinerlei ©d&ranfen fannte. 3lud&
ttl)lanb §at t>on 1823 an öfters in bem gafilid&en
igaufe £age unb Sßodfjen ernfter 2lrbeit unb fetterer
©efeHigfeit oerlebt. ©ein umfangreicher 33rteftt>edfjfel
mit Saßberg gehört ju ben leijrreidjjften unb am
jiefjenbften Veröffentlichungen aus ber ©efdfjidfjte ber
germanifdfjen Sßl)ilologte , unb es fteljt ba ber von
baroefem £umor fprubelnbe alte Sägermetfier im
126
djjarafteriftifdjjen ©egenfafce ju bem toortf argen, for*
meHen U^lanb. SBeibe aber finb einanber gleich in
unermfibüdjer ©efättigfeit — wenn Safeberg bem
jüngeren gtorfdfjer feine Sammlungen aufö liberalfte
jur SBerffigung gefteUt Ijat, fo I)at ttljlanb mit ©dfjmab
jufammen il)m bie gange Stuttgarter 3JKnnefänger*
Ijanbfd&rift abgetrieben — ; aud) in i^rer Sfttdfjtung
innerhalb ber germanifdfjen gorfdfjung finb jie einanber
Dermanbt nidjjt blofe burdfj ü>r einbringenbeö gelehrte*
©tubium, baö audj) fd&einbare Äleinigfeiten für ben
Aufbau bed ©anjen nidjjt t>erf dfjmftljt , fonbern au<$
burdfj i^re entfdfjiebene Hinneigung jur ^iiiorifd^nnbuf^
ttoen 3Ketljobe unb eine namentlidfj bei Safeberg feljr
um>erI)o§len auftretenbe 2lbmenbung mm großen, tmfte
©ebtete umf affenben Äonftruftionen unb ©pefulationen.
2)en ©ebanfen an eine afabemifd^e Seljrftette
§atte U^lanb nodj) immer nidfjt aufgegeben, ©ine
3Mbung, bie er um eine foldfje in Tübingen im
3a^re 1827 eingegeben ijaben mufe, mürbe trofe ber
ttnterflüfeung burdfj ben afabemifdfjen ©enat von ber
Regierung nidjjt berüdfftd&tigt. 3roet Saljre fpäter
fteUte ber ©enat abermals unb bringenber ben Antrag
auf U^lanbö Aufteilung für ben Se$rftui)l ber beutfd&en
Spraye unb Sitteratur. aber erfi, nad^bem ©d&roab,
meldten ber ©enat aud(j genannt, in ebler 33efdfjeiben*
I)ett gegen feinen greunb unb SWeifter abgelehnt Ijatte,
genehmigte bie Regierung am 29. ©ejember 1829,
audfj mo^l gebrängt burdjj bie ©efatjr, Urlaub an
Sägern ju verlieren, feine Ernennung jum aufeer*
127
orbentüdjjen Sprofeffor, aber mit ©ifc unb ©timme in
ber ftafultät. 3)er Sfteft be§ Sßinterö verging unter
fleißiger Vorbereitung auf ben neuen SBeruf, unb im
2lprtl 1830 jog Urlaub von Stuttgart nadj Tübingen.
@ine Stöorbmmg uon greunben unb Sanbtagsgenoffen
erwartete tyn an ber ©renje ber Stuttgarter -Wartung
unb übergab iljm einen Sorbeerfranj , ben Urlaub
gerührt annahm, aber gleidjj im nädjften SBalb an
einer ©idf)e aufhängte.
Urlaub mar ber erfte fad&männifdfje Vertreter
feiner SBiffenfcIjaft auf ber fdjmäbifdjen &odjjfdf)ule.
©eine ßoffegienljefte, bie nad) feinem £obe Jjerauös
gegeben mürben unb von benen idjj fpäter nod& ju
reben §aben merbe, jeigen ü)n nid^t bloß als &erm
beö ©toffeö, fonbern Ijaben audj) eine fe^r gefdjjidfte
Stnorbnung, eine gertigfeit im ©ifponieren unb in ber
3ubereitung für ben münblidfjen Vortrag, meldte um
fo größere 2ldfjtung ermedten muß, als er feine ®e*
legenljeit gehabt fjat, fie nadfj ben baö erfie 3M ge*
matten ©rfa^rungen ju überarbeiten, fonbern bie
SReifterleifhmgen, bie uns ba vorliegen, jugleidjj erfie
Verfuge finb: Verfuge freilidfj, bie auf langjähriger
Äenntnte beö ©egenftanbeö beruhten. Urlaub §at über
©efd&id&te ber beutfdfjen Sßoefte im SUHttelalter, fomie
im fünfzehnten unb fedfoeljnten Sa^r^unbert, über
©agengef<$td&te ber germanifdjjen unb romanifd&en
Völfer, femer oon fpejieHeren ©egenftanben über bas
SfKbelungenlieb gelefen, mit oiel SBeifaU; ber auöge-
be^nteren SBirlung feiner ftottegien mag bie bamate
128
in Tübingen aHeö Sntereffe abforbierenbe Sß^ilofopljie
©intrag getljan l)aben. 6r las ftctö ein forgfälttg
aufgearbeitetes SJtanuffrtpt vor, mit fraftooHer ©timme,
mit eigener gemütlicher £eilna§me, aber oljne glän=
jenbe SRebnerfünfte. 9iod) me^r Seifaß als biefe ge=
lehrten SBorlefungen fanben bie unter bem -Kamen bes
„©ttliftifumö" bekannten Uebungen, meldte Ul)lanb
anftellte. @§ waren ganj freie Uebungen, eine 3lrt
t)on 3)if putatorium ; ©ebidtfe, Ueberfefcungen, wiffen*
fd^aftlic^e 3luffä|e t)on allgemeinerem ^ntcreffe mürben
ba vorgetragen, t)on jebem, ber Suft l)atte, befprodjen
unb von Urlaub, ber ftd) nur bie oberfte Seitung
biefer ©tunben vorbehielt, ein furjeö Urteil jur ©a^c
abgegeben ober allgemeinere SBemerfungen, parallelen,
juftimmenbe ober waroenbe SRatfdjläge gegeben, ©tu*
beuten aller gafultäten Ijaben fidj an biefen Uebungen
beteiligt; es wirb unter benen, welche bamafe in £ü=
bingen ftubierten, faum ein bebeutenberer -Käme fein,
ben mir ni<$t als SEeilne^mer aufgeführt fänben. 2Btl=
Ijelm Subwig ißoHanb Ijat ju feinen früheren 5ßer-
bienften um Urlaubs Sfabenfen t>or wenigen 3Jionaten
baö weitere gefügt, bie 2lufjeidjnungen Uljlanbö für
baö ©tiliftifum ju veröffentlichen. @§ ifi eine greube,
biefeö 33ü<$lein ju lefen, ober no<$ beffer barin ju
blättern, unb ben feinen geiftigen 2)uft beöfelben ein=
juatmen; fo unenblid) viel Urbanität in allen Sie-
beutungen biefeö SBortes ift barin ju finben, milbe
^Beurteilung befi Unvollkommenen, aber audj attif^eö
©alj; für bie Kenntnis von Urlaubs poettfd&en Sin*
129
fdjjauungen tft bad 33ud|j unf haftbar, unb aus jeber
©eite fpridjt fein crnfter unb mtlber ©inn, bcr allem
^Partei* unb ©liquenmefen fern fteljt. 2ludf) beroetft
biefe SBeröffentlid&ung, bafc ttljlanb, wenn er in feinen
©tubien fidfj auf einen ganj bestimmten Äreis bes
Sßiffens einfdjjränfte, barum mit anbem Sßrotrinjen
ber SBtffenfdjjaft unb Sttteratur nid^t unbefannt ge-
toefen ift.
©es Qu1<mmtnkbtn& mit feinen ©Itern fottte
fid^ Urlaub ntc^t lang ju erfreuen I)aben. ©<$on im
3al)r 1831 ftarben beibe fd)neH nadjjeinanber, bie
Butter am 1. 3uni, ber Sßater am 29. 2luguft. ©er
Keine ßijflus „;ftad&ruf", in meinem bie gefaxte, männ-
liche äßefjmut, bie mir in Urlaub« ©ebbten öfters
ftnben, in ganj befonbers f tönern Älang ertönt, ift
auf ben £ob ber @ltern gebietet, günf 3a^re fpäter
folgte bie einzige ©<$mefter Urlaubs i^nen na<$.
2)as 3<*§t 1832 braute neue 3roifdfjenfälle, meldte
ber hoffnungsvoll begonnenen afabemifd&en ^ätigfeit
balb ein 3^ fefcten. 2)ie Suliretiolution braute bie
liberale Semegung überall in glufc. 2lud) in 3Bürttem=
berg begann fidjj biefelbe neu ju regen. Unter ben
Ußännem, bie i§re ©adjje führten, burfte Urlaub nifyt
fehlen, ©uftat) ©d&roab fam mit einer Sfajaljl von
Stuttgartern nadjj Tübingen, um i^n jur Slnna^me
bes aWanbats für Stuttgart ju beftimmen. Sefct, ba.
mieber ein f^ärferer Sßinb roe^te, ba etwas @r§cbli(^eö
für bie ©adfje §u fyun unb ju gewinnen mar, mottle
fid^ ttltfanb nidjt entjie^en. 6r mürbe am 3. ^uni
3fif«er, Subtolg Urlaub. 9
130
1832 für Stuttgart gewählt; für Tübingen ging fein
ftreunb Sßaul SPfoer aus ber Urne Ijeruor, ber ein 3jat>r
jutwr burdf) feinen „SBriefwed&fel §weier ©eutfdfjen" ein
ungeheures auffegen in ©eutfdjjlanbö poiitifdjer Sßelt
hervorgerufen tjatte. ?Pftgcrö auöbrüälidje Betonung
ber preufctfdjjen SBormadjjt als ber einzigen SRettung
§atte Urlaubs Seifall nid&t — er Ijat no<$ fpäter, toie
wir fe^en werben, an Defterreidfjs 83unbe8ftanbfdfjaft
mit 3&$t0töt feftgeljalien; um fo me^r waren beibe
in ber liberalen ©eftnnung unb ber ©mpörung wiber
baö ©lenb beö 83unbeö einig, bie grage her SBor*
madjtfieUung fam erft weit fpater prafttfdfj jur Sera*
tung, aber fie l)at bie perfönlidfje fjreunbfd^aft ber
beiben 3Känner nid&t gefiört.
©er Sanbtag — er Reifet in ber ©efd&id&te SBürt-
tembergö ber „vergebliche" — würbe am 15. 3<uiuar
1833 einberufen. 3)ie SQBogen gingen alöbalb feljr
l>od& ; Uljlanb mit feiner furdjjtlof en Sfted&tdUebe erf df)ien
fofort in ber vorberften ßinie. ©in unbebeutenberes
©eplänfel war eö, wenn er am 9. gebruar in ber
©ad&e ber t)ier „Demagogen" £afel, Sftöbinger, Rubel,
SBagner auftrat, weldfje, wegen ftubentifd^er ©el)eün*
bünbelei feiner $dt verurteilt, vom Äönige begnabigt
worben waren, beren 3Ba^lbarIeit nun aber von. ber
Kammer, trog ttlilanbs Fürwort, verneint würbe,
©in 3Ht ber ©ered&tigfeit war es, wenn Urlaub jwet
Sage fpäter, aber wieberum vergeblidfj, auf äBangem
^eims Legitimation für bie ©t&nbefammet antrug,
ntdjjt na$ bem formellen Siedfjt, aber mit ber jebem
131
faHö baö ®tmüt be§ 3lntragfteHerö l)o<ij e^renben
3ttottoierung: „®ibt efi nid^t au<# ein getjiiges fcetmat*
redjt, ba$ nid^t t)on ber ©djoße abfängt? 3ft es nidjt
ein SBoljnen im Sanbe, wenn man im Sffnbcnfcn feiner
33emol)ner lebt unb burclj tyr SBertrauen §ur 9tepräfen=
tation berufen würbe?" ©eljr balb aber fam ein
mistigerer ©egenftanb auf bie £agesorbftung. ^Pfijer
braute am 13. gebruar eine 3Jtotion gegen bie 33unbe$-
befdtfttjfe vom 28. 3uni 1832 ein. 2>er ©e&eimerat
erHefe bagegeft ein Steffript, in meinem von ber Äammer
geforbert mürbe, fte foHe bie SDtotton „mit oerbientem
ttnmillen trermerfen". 2)te Dppofttion mar, mie fdjon
bie 2)emagogeft=3fogelegenl)ett gejeigt Ijatte, in ber
3JUm>rität. Slber l)ier mar nun bie SBfirbe bes £anb*
tagä felbft in grage gefteUt. 25er ©e&eimerat ^atte
bie SSer^anblung ber Äammer über Sßftjers äfatrag
gar ntd^t abgewartet, fonbern burdj fein Sfteffript, ba*
gegen äße« Sfteäjt in bie SSer^anblungen eingriff, bie*
felbe im t>orau« ju beftimmen gefugt. £)as moHte
ftdj auü) eine fonft gefügigere Äammer nid^t gefallen
laffen. U^lanb entmarf alö 33erid(jterfiatter bet fiaatd*
redjtttdjjen ßommtfftoit eine Slbreffe gegen bad Sfteffrtpt
be* ©eljetmerate, in melier gegen baö vorgreif enbe
©inf^reiten ber Regierung unb gegen bie 3umuttmg
ber „JBermerfung mit UnmiHen" feierlid&e SBerma^rung
eingelegt mürbe. Sie Slbreffe mürbe t>on ber Ätfmmer
gutgeheißen, obmoljl nur mit einigen 2lbf<$mädjuttgen>
but^ bie fte rtad) U^tanbö brafttfd&em SluabrudE „aus-
gebeint" mutbe. SDie Slntmort ber Regierung mar
132
bie Sfoflöfung bes Sanbtags unb bic 2lnorbnung neuer
2Sa§ten. tt^lanb erhielt bieömal nur ©timmengletd^
Ijeit; fein ©egenf anbibat t>&ttt als ber ältere bas SWcd^t
auf ben ©ife in ber ßammer gehabt, trat aber §urütf .
2lls Staatsbeamter xau^tt tt&lanb um Urlaub §um
eintritt in bie Äammer bitten, ©er Urlaub mürbe
t>ermeigert, mit einem ganj unbemäntelten fcinmeis auf
fein SBer^alten im ßanbtage. Urlaub mar nidjjt jmeifel=
fjaft, mas er §u t^un §abt. ©r erflärte feinen 3lu$=
tritt aus bem ©taatsbienft unb {am um alsbalbige
©ntlaffung ein. SHefelbe mürbe am 22. 3Wai erteilt,
„fe§r gerne" nad& bem SBortlaute bes 3Winifterial=
erlaffes — ber Sufafe mar, nrie man mijfen mollte,
auf aßerljöd&fte Slnorbnung gemalt morben.
©amit enbigte Urlaub« afabemtfdjje Styätigfett
nadf) breijä^riger 3)auer. ©in Sufall ^atte es gemoUt,
ba$ er feine ^nauguralrebe über bie ©age Dorn &er§og
©rnft erft am 22. SDtärj 1832, an @oetl)es SCobestag,
gehalten $atte — bie 3Kuftf bei biefem geftaft $at
if)m, mie er fpäter fagte, „abgeblafen" — unb erft
am 7. ©ejember 1832 als Sßrofeffor beeibigt morben
mar. 3m SWärj 1848, als unter bem SDrudE ber
9tet>olution ein plöfclid&er ttmfd&mung ber politifd&en
Sage in SBfirttemberg eingetreten mar, ftettte ber
©enat einen Slntrag auf tt&lanbs SBieberanfteUung ;
aber ttf)lanb mollte nidfjts me^r bawn. Uljlanbs
©^renfranj ift burdlj fein »erhalten gegenüber ber
Urlaubsoermetgerung um ein Slatt reifer geworben;
aber bas befte ©lud feines Sebens, bas i§m fo fpät,
133
mit bretunbtriergig Sauren erft ju teil geworben mar,
ntufcte er für bie SBaljrung feiner 9ttanne$e§re in
ben Äauf geben; unb jttmr für biefe SBa^rung allein,
benn es mar il)m mdfjt befd&ieben, t>on ben Realen,
für bie er ftritt, eines ins Seben ju rufen. 3n ber
neuen Äammer xoax, toie fo !)äuftg nadj) 2tuflöfungen,
bie Sßartei ber Regierung nodjj t>erftärft erfdtfenen.
ttljlanb l)atte (Gelegenheit, für bie Stufljebung ber
3enfur eine glänjenbe SRebe ju galten, toclc^e bie
troftlofe 33ergeblidfjfeit ber bur<$ bas 3a§r 1830 ntu
ermedften Hoffnungen barlegte, aber jum SluS^arren
ermunterte unb ben 2lusbUdf auf eine beutfdfje National-
oerfammlung leudjjtenb im Jßintergrunbe geigte ; ja
er gab feiner SBermerfung ber Stegterungspoltttf ben
fdfjärffien Slusbrudf, inbem er gegen bas Subget
fiimmte. Stber es fam ju feinen grüßten fold^er
SSeftrebungen. ©er Sanbtag mürbe ju @nbe 1833
tiertagt ; @§rengefdjenfe mürben bem Äämpfer, ber
feine bürgerliche @pftenj baran gegeben Ijatte, t>on
ben ©tubenten, von ben SBä^lern unb ben grauen
Stuttgarts ju teil. Sie Sanbtage von 1836 unb
1838 maren o^ne befonbere poltttfd&e Sebeutung;
mit bem lefeten ^örte tt^lanbs ^ätigfeit im £alfc
monbfaal auf — er mar es mübe, feine Äraft nufelos
unb o^ne ausgiebige llnterftfifcung anberer ?u t>er*
geuben.
ttljlanb mürbe ntd&t verbittert; er Ijatte nadjj befter
tteberjeugung gejubelt, ©d&mttfjen unb SBeltoerbeffern
mar mdjjt feine ©adjje. @r fe^rte ru^ig ju feinen
134
©tubten jurüdf, bic er nun nid)t meljr jur belebenben
SBirfung auf empfänglidfje Sugenb verwerten formte;
ftatt bes Äatyeberö blieb tym nur nodjj ber ©djjreib-
ttfdfj, um an ü)tn in langfamer, gewiffert&aftejier Ar-
beit feine bebeutenbften 2Berfe auöjuf eilen. 3n bic
nädjften 3a$tge$nte nadfj feiner Amtsenthebung fällt
bie ©c&rift über S^or (1836) unb bie »olfelieber*
fammlung (1844). »erbittert, faßte id&, ifi Urlaub
ntd&t geworben; es würbe tym ntemanb bie gefränfte
&)tt angemerlt tyaben, beren SBunbe anbere fo gern
offen galten unb fo gern fofett entblflfcen; wenn er
ein paarmal bitter würbe, wer will es i^m verargen?
©eine politifdfjen Sinfdfjauungen §aben burdfj feine ©r=
(ebniffe fdjjwerlidSJ irgenb eine Umgestaltung erfahren;
baju waren fie nidfjt ejtrem genug, waren fie ju reifftdfj
erwogen, ju tief mit feiner Statur üerwadjjfen, unb er
§at fidf) ba§ Stedfjt ju unbebingtefier geft^altung feiner
■JReinungen burdjj bie geredjjtefte Beurteilung anberer
erworben. 916er es ging iljm, wie es leidet SWännern
t)pn entfdjjiebener, aber gemäßigter 9tidfjtung geljt, wie
es bem i^m in melen ©ijarafterjügen Derwanbten
3afob ©rimm gegangen ift : er würbe Berber, oteHeidfjt
ittufionslofer in feiner ©timmung unb feinem Urteil.
SHe oaterlänbifdjjen ©ebtd&te jeigen einen feft über=
jeugten SWann, ber feinen ©<$ritt jurüdtweidfjt , ber
.{tdjj vor bem entfdfjiebenen SBorte nid&t fdjjeut : ; aber
fie jeigen f einerlei ©eringfdjjäfeung bes ©egners, ber
reblidfje SBiQe SBangenljeims wirb anerfannt, bie £reue
<xls bas fdjjöne SBanb jwifdfjen $ürfi unb SBolf gerühmt.
135
Ober ba* ©ebidfji „Äatfnmna": bic gürfiin Ijat
irid&ts voraus t)or ber 33ttrger«frau , aber fic wirb
mit erfenntlidjjem &erjen als bie JBolfömutter, bic
Utäljrerin gepriefen, bic in fcungertagen bic ©arbenben
flefpeift l)at. Unb nun bic ©ebidjtc von 1829 unb
1834: ntdfjt blofc bic „SBanberung", bie ben £on ber
gerben, farfafttfc^cn SBeritoelflung an bcm guten SBißen
ber 9Badfjtl)aber am lauteften anf djlägt; baneben fielen
uod& ein paar anbere ©ebidjjte. 2Bte büftcr ber ©djtufc
ber „©lodfenltfijle" , burd& bie „ein bumpfer ©rabeö*
$lodfenflang" tönt, roenn man vom beutfdjjen 33ater*
lanbe rebct ! unb bantbtn „%tH £ob" mit ber 58er*
l)errttd)ung beö füllen tepublifanifd&en &elbentumd!
9Wit epigrammatifd&er ©dfjärfe aber ift bie nunmehrige
politifdjje ©mpftnbung tt^lanbö audgefprodfjen in ben
jmei ©tropfen „£>ie verfunfene Ärone". 2>a ftfet
ber freie Steuer t>or bcm gattft unb bengelt fro§ feine
©enfe, m&ljrenb unten im ©nmb eine Ärone im S^eid^
t>crfunfen liegt — feit grauen Sauren, niemanb fudjt
nad& tyr, mag fie audfj nädjtltd(j @belfteinglanj cmporfun-
fein laffen. 9Kan §at SRedfjt, menn man t>on einem repu*
blif anif cljen ©runbjug in ttfjlanbd 2Bef en fprtd&t ; mir toer*
ben balb fe^en, mit melier 83egrenjung bas rid&tig ift.
Snt ©ommer 1836 bejog Urlaub naclj ber Mä*
hijt vom Sanbtag ba* geräumige &aud am ftufee be$
Defterbergö, mit bcm Slidf auf bie Sftedtarbrfidfe unb
ben SBöljrb, baö er t>on bem Äanjler 2Bäd&ter, für
ben e« roentge Sa^re juwr erbaut roorben mar, er-
worben $aite. S)aö Stau* unb ber ba^inter ftdfj §odf)
13(5
I)maufjieljenbe ©arten $aben mannen froren ©afi
gefeiert , von ben Sßflegföljnen unb anbetet 3ugenb,
mit roeldfjet bet etnfte 9Kann von &etjen luftig roetben
fonnte, bis ju ben mandfjetlei fttemben, bie ben be~
türmten 2)id&tet auf jufudfjen famen, freiließ oft genug,,
um roie Hebbel , bet gleid& im ©eptembet 1836 ttt)*
lanb in feinem neuen 33eftfctum auffudfjte, von ber
2Bottfatgl)eit be« aRanneä, bet äufjetliclj fo gan§ unb
gat. nid^tö einet 33etfi§mtljeit an ftd(j Ijatte, enttaufd^t
tum bannen ju ge^en. %n fteunbfdjaftlidf)em 33et~
fe^t fonnte ed nid^t fehlen. 9Rit trielen bet alten
ÄoUegen von bet Untoetfität beftanb ein angenehmes
aScr^ättniö. ©uftat) ©d&mab liefe fid& 1837 t>on ber
©tuttgattet ©pmnaftatptofeffut auf bie Sßfattet ©o=
matingen jmei ©tunben von Tübingen aetfefcen; lange
l)ielt es fein lebhafter ©eift in biefem ftitten Suftfteife
nidf)t aus, et ging fdjjon 1841 hiebet nadjj Stuttgart.
3bet feit 1843 $atte Urlaub in Tübingen felbft feinen
älteften unb t>ieHeid(jt aud& nftdjjften gteunb um ftdj.
ftatl SWaijet ttmtbe in jenem Safyxz <wi ben Tübinger
©erid&töljof t)crfcfet unb ijat fein ganjes Seben von
ba an in Tübingen gewohnt, ©iefem gteunbfd&afts*
bunb gab nidfjt nut bie langjährige ©erooljn^ett, fon~
betn audjj bie gleite ©efinnung in ben ©adfjen be$
SBatetlanbeö feften Seftanb. ©utdfj SJRaijet in etiler
Sinie roat Urlaub fd&on ftü^et mit Senau befannt
gerootben, unb bei Senauö häufigen Sefudfjen in
©d&roaben fonnte bie 33efanntfd&aft öfters etneuert
toetben. Senau meinte langete 3 C ^/ Urlaub l)abe
137
aKifef attcn an tym gefunben ; baö Äranf ^afte in feiner
©emütöanlage §at ttljtanb in ber $$at, wie feine
grau berietet, frfll^ettig bemerft, meHetd&t $at üjn
aber audfj bie ©d&eu t>or tittcrarifd^ct unb poetifd^er
©ujbrflberfd&aft etwas jurüdfljaltenb gemalt. 3)er
Äultuö, ben namentltdfj ©dfjmab mit tym felbfl trieb
in einer SBeife, bie jur ttngered&tigfeit gegen anbere
mürbe, §at tym gemifc feine ftreube gemalt, unb
atteö, was nadj Äoterie, ©dfjriftftettert>ereinen u. bergt,
auöfalj, $at er entfd&ieben t)on fidfj gemiefen.
3n bie 3^t biefcö Tübinger ©tiHlebenö, in beffen
SRu^e Uljlanbs bebeutenbfte gelehrte Sßerfe reiften,
fallen feine großen Sfteifen an bie Sßerip^erte 2)eutfdf)=
lanbö, meld&e fämtlidjj im Sintereffe ber 33olf «lieber*
fammlung unternommen roorben finb. 2lm befannteften
ifi bie von 1838 nadf) SBien geworben, auf meldfjer
bem SHdfjter t)iel ©jjre nriberfu^r — aud(j ber 6rj-
Ijerjog Äarl, ber ©ieger von Slfpern, fyat üjn an
feinen £tfdf) gelaben — unb auf meldfjer er ben §aupt=
fomponiflen feiner Sieber, Äonrabin Äreufcer, fennen
lernte. 3Sier 3a^re fpäter mürbe ber -Korben ©eutfdjj'
lanbö befugt, in Hamburg gelten Sappenberg unb
ber fdjjroabtfd&e Sanbömann 2Burm Uljlanb längere
3eit feft, in Äiel bie Sanböleute Sßfaff unb ©orner;
bie Sfteife ging biß Äopen^agen unb &elftngör unb
über Sfibetf, »raunf d&metg , SBürjburg jurfldf. %m
3a$r 1844 ging es nad& Zeigten, bis naü) ©ent,
Dftenbe unb Slntmerpen.
3ur (Sinmeüjung beö neuen Tübinger Untoerptätfi-
138
geb&ube* erhielt Urlaub 1845 bad ©oftorbiplom ber
p^ilofop^en gafultat. gin 3a$r barauf führte
bie ©ermamftenoerfammlung in gfranffurt üjm bic
perfönltdfje Sefanntfd&aft ber ©ebrüber ©rimm ju,
mit welken er fd&on lange in briefltd&em SBerfe&r
jlanb ; Uljlanb war eö, ber 3af ob ©rtmm* ©mennung
jum Sßräftbenten veranlagte, unb biefer reifte mit ifym
nadfj Tübingen unb verweilte einen SCag in feinem &aufe.
S)ie ©ermaniftenverfammlungen ju gfranffurt unb
ein Sa^r fpäter ju ßübedf fingen fdjon eng mit ber
©tn^eiiöbemegung in S)eutf<$lanb jufammen. 35tefe
SBerfammlungen, meldfje bie ©rforfdfjer be$ beutfd&en
SCltertumö in ©pradjje, Spoejte, ©cfd^td^te unb 3tedf)t
vereinigten , nahmen von felbft einen $alb polüifd&en
©Ijarafter an. SCud^ Urlaub $at in ftranlfurt einen
SCrinlfprudfj auögebradfjt , ber ber 3Ser!)errltd(jung ber
ftretyeit galt, Snbertljalb 3al>re fpäter flanb ©eutfefc
lanb in fetten flammen ; bie gfebruarsStevolutton mar
ausgebrochen.
Slm 2. SKärj 1848 fanb in Tübingen eine grofce
SBolfeverfammlung ftatt. SDad Vertrauen richtete fidfj
fofort mieber auf ben fütten 9Rann, ber, mo es nötig
mar, fo laut unb mutig feine ©timme ergeben fonnte.
S3on feinen SRitbürgem aufgeforbert, entwarf Urlaub
bie Stbreffe an ben fiänbtfd&en 2lu*fd&ufc in Stuttgart,
meldte bie atebatbige Einberufung bed vertagten Sattb-
tagd verlangte; fte mürbe von ber SBerfammlung gut-
geheißen unb am felben £age abgefd&tdft. £>te gor*
berungen ber äbreffe maren fe$r gemäßigt, menn man
139
fie mit mannen anbcrn klängen aus jener nrilben
3eit t>ergleid>t; ein beutfdjer SBunbeöfiaat mit ä3olfö=
Vertretung, allgemeine SBolfebemaffnung, Sßre^frei^cit,
SSereinsfretyett, öffentliche unb münbltdje SKedjtSpflege,
©elbftanbtgleit ber ©emeinben, Sftemfton ber mfirttem*
bergifc^cn SScrfaffung.
S)ie SHnge gingen in SBürttemberg fe$r fdjnett.
©djon nadj mentgen £agen war ber Äönig auf ben
Sfodmeg gebrängt, ein 9JHnifierium aus ben Sftetyen ber
Oppofttion ju büben. 3« biefem „SKärjmimfterium"
Jfjatte SPftjer bad Sßortefeuitte beö Äultuö. Site nun ber
S3unbeötag bie ©infefcung beö ©iebjel)ner*2luafdjuffe8
iefd^loffen fyxtte, ber als SBeirat für bie Sftemfion ber
beutfdjen 33unbe8t>erfaf[ung bienen fottte, forberte
^fijer Urlaub auf, bie Vertretung SBürttemJ&ergö in
biefem 2fa$fdjufj ju übernehmen. ttljlanb fagte ju unb
reifte am 25. 2Rärj nadj granffurt ab.
@8 ift i&m in granffurt t>on Anfang an ntdjt
moljl gemefen. 9Rit ber 2lrt, mie baö innerhalb beö
©iebje$ners2lu$fd)uffeö gewählte Komitee, ©a^tmann
an ber ©pifce, ben SSerfaffungdentmurf ausarbeitete
unb befjanbelte, mar er md)t eim>erftanben ; audf) bie
barin fdjon beutltdf) geworbene Senbenj auf bas @rb=
faifertum Sßreufcenö ftiefc tyn ab. SDa^er liefe er fu$,
als ber aSerfaffungöentnmrf befd^toffen mar unb bie
Eröffnung ber beutfdjen SRationafoerfammlung in ber
9läl)e ftanb, von feinem SBertrauenöamt entheben, bo
er baöfelbe o^ne^in mit bem eine« Slbgeorbneten jur
•Kationafoerfammlung mdfjt t>erträgUdj fanb.
140
3lm 26. Sprit nwtbe Ufjtanb mit großer 3Wajorität
in bie SRationafoetfammtung geroäblt. Sr na^m feinen
$la& in berfelben auf bem äufjerften glügel bes Unten
Zentrums; in ben fpäteren geiten befl ^Parlaments
roär)lte er für lurje Bett einen ©ifc auf ber eigent=
lidjen Surfen, teerte aber nadj einigen 5Eagen auf feinen
alten Splat) jurflÄ; efl Jjetfet, biefe Wüctlcfjr fei ßcfdtjcljen,
weil er einen 3 e *tet »orgefunben Ijabe , in roeldjem
einer tron ber Surfen tr)n nid)t baju gehörig genannt
tiabe. ®« fdjeint mir bafl fefjr üejeidjnenb ju fein.
Sener Uebergang jur ejtretnen Partei — roenn man
it)n fo nennen barf — gefäjat) infolge ber 9lbftint=
mung über bafl 9teid)öobert)aupt, meiere bie große Äluft
jroifdten Ujjlanb unb ben Parteien ber SRedjten, be=
äietjungflroeife audj befl 3entruntfl, flaffenb an ben £ag
legte. @s mar ba rooljl metjr eine Stimmung bes
Stugenblietfl, roenn Ufjlanb feine Steigungen ber Sinfen
meljr als juoor juroanbte. ©eroifj geborte er ja ber
fetben in melen SDingen an, oor aßem in ber hinter
ben augen&UcfticIjen Strömungen liegenben ©efamt=
riebtung feiner polttifdjen Meinungen. @r war ein
35emofrat, roenn bie grünbttdjfle Sbroenbung oon allem,
roafl fllaffenftolj, äbetfllrodjmut, mitttanfiJjer Äorpflgeift
(jeifit, einen folgen maebt, roenn bie colfstümliäjfie
fit - G "nung, für roeldje Bürger unb Sauer auf einet
mit bem ®belmann fielen, roenn bie unoebingte
etung befl ©runbfafcefl ber bürgertidjen ©teidjbeit
em ©efeft bemofratifdje ©igenf^aften pnb — unb
oUten fte triebt? ®r mar ein SRermblrfaner, roenn
141
man buräj ben 3Kut ber frcicftcn ©efinnung unb
•üteinungsäufeerung gegen bie ©rofcen ber @rbe, burdj
ein jäljes gehalten an bem SKedjtöboben ber Äon-
ftitutton, burd) eine auögefprodjene ©letdjgülttgfett gegen
ben ©lanj ber Äronen, burdj ein madjeö SRifetrauen
gegen, bie Präger berfelben ein Sftepubltfaner wirb.
3lber Uljlanb mar fein ©emofrat unb fein Sftepublfc;
faner im ©inne Jener £age. 2>ie fid^ überftürjenbe
SBolföteibenfdjaft, bas genftereinroerf en, bie S3arrifaben=
fämpfe, furj gejagt, baö Sfteoolutionare ber SBemegung
mar ntdjt feine ©adje. ©eine Siebe ju ruhiger @nt=
faltung beö SRaturgemäfeen ftimmte nid^t mit bem Um
geftüm berer, bie mit bem ©efen bafjerfamen unb
mitfamt bem Unfraut unb bürren ©eftrüpp aud) bie
jarten Keimlinge ebler ©emädjfe auf einen Raufen
feljren wollten. @r mar für 2tbfd)affung alten Un-
rechts, aber auf bem SBege beö freien Sftedjtöafteö; er
mar für bie entfdjiebenfte gretyett, aber, mie er gletdj
im Slnfang feines granffurter Slufentljaltö erflärte,
für bie, meldje bie ©in^ett fdjüfe. ©eine nüchterne
■Ratur moHte nidjtö von ben au% SJuriflljegeltantemus
unb franjöftfdjem ©ojialiömuö genährten ©taatsuto-
pien; namentlich ber bebeutenbe franjöfifdje ©infJufe
bei einem guten SCcil ber Sinfen fagte i^m gar nid&t
ju. 3Kan mag etma in Sftugeö Sriefmedjfel bie Partien
aud feinem Sßarifer 2tuf enthalt bis 1848 nadjlefen;
fie finb fgmptomatifdj fefjr leljrreidj unb man x^erftc^t
es, menn Scanner mie Uljlanb ftdj ber Partei im
Parlament ntdjt anf fließen motten, in ber foldje
142
Sbeen unb fold^e SKftnncr menigftenö eine fc^r be-
beutenbe Stoffe fptelten.
©o ftanb Urlaub oon Stnfang an fe§r verein*
famt in ber SRationafoerfammlung, ja er modfjte mit
fu$ felbfi in Äonfftft geraten, wenn er feine eigenen
3been oergltd^ mit ber 2lrt, mie fte t>on anbem.oer*
treten mürben unb mie S^orljeit, oft aud& böfer SBtffe
t>on ben oerfd&tebenften ©etten $er oerberbte, maß iljm
an ftd(j be« ©iegeö wert gefd&ienen fyatte. @r trat in
feinen Älub ein, er moffte feine tteber-jeugung behalten.
<£r mußte ntd&t ober .moffte ntdfjt baran glauben, ftdfj
menigfienö, um fein Sota t>on fetner SWeinung ab*
meiden ju muffen, nidjt baran teuren, bafc ber emjclne
in einer parlamentarifd&en 33erfammlung md&t* ift oijne
Sfafd&lufc an eine Sßartei. ©eine moralifd&e ©tärle
mürbe feine poßtffd&e ©d&wädfje. 35aju ber mel mettere
ttmfreiö ber 3ntereffeti unb Snftanjen, ber auf bie
ftranffurter SBer^anblungen einwirft*, im SBergleid)
mit ber engen SBett beö mflritembergifdfjen Sanbtageß;
unb enbltdf) bie ttnmöglid&feif, jmifd^en äffen ben jafjfc
lofen Äftppen ^tnburdjjufteuern, bad Unvereinbare ju
vereinigen, meldte fe$r balb bie Serljanblungen auö*
fid&täloö mad&te unb i§nen ben Straftet eine« um=
frud&tbaren, aber beßfjalb nur um f o tigeren ©treiteß
gab. @ß ip fein SBunber, baß Urlaub« Stimmung
gebrüdft mar, baß er einmal feiner $rau, bie i§m nadjj
granffurt nad()gereift mar, fagte: „SBenn mir an einem
£age bie Sinfe redfjt grflnblidfj entleibet, fo mirb mir
am nädfjften SCage bie SRedfjte jum ©fei" ; bafj er f e&r
143
frü§ fd&on oljne ©offnung war. äUeö ba* fonntc je-
bod& nid^t Ijinbern, bafe er, feiner $Pfft<$t ju genügen,
biö jum legten Stugenblid auö&arrte.
Uljlanb gehörte nid^t ju ben §ert>orragenb tätigen
Stitgltebern bed ^Parlament*; er war ein gegriffen*
Ijafter £eilne§mer an ben ©ifcungen, auf bie er ftd&,
wie feine Ijinterlaffenen Rapiere auömtefen, grünbli^
vorbereitete, aber er wollte roeber unter ben Seitern
nodfj unter ben regelmäßigen Sftebnern einen Spiafe
fjaben. yinx bei bebeutenben SBerontaffungen ift er als
Stebner aufgetreten,, §at aber bann audf) bei greunb
unb getnb immer einen bebeutenben ©inbrud hinter-
laffen. 2)urdf) bie 3Rad(jt feiner ebeln ©efinnung, burdf)
ben gtofcen, getragenen £on feiner Sieben, beren poeiif d&e
Silber fidf) bem D§r unsergefclidfj einprägten, nrirfte
er mädfjtig audfj auf bie, meldte feinen ©rünben fidfj
Dcrf Stoffen. $u btt 3Jtel)r§ett> meldte für bie Einigung
unter preufcifd&er &eg*monte mar, ftanb er im (Segen*
fafe. 21m 26. Dftober fpradfj. er gegen ben 2tusfdtfu§
Defierreidfjd; am 22. Januar 1849 §ielt er feine be*
rüljmtefte Sftebe, bie gegen baö (Srbfatfertum, beren
©dtfufcmorte alöbalb ju geflügelten SBorten geworben
finb: „@8 rokb fein &aupt über SDeutfd&lanb leud&ten,
baö nidfjt mit einem motten tropfen bempfratifdfjen Defo
gefalbt ip." am 21. 3Rärj unb am 11. Slpril
fttmmte er gegen bie 9teid&$t>erfaffung in ber gform
bed ©rbfatfertumö, mie jte aud ben Debatten §ersor*
gegangen mar.
3Ban fcat Ujn für fein SBerljalten in biefen fragen
144
einen Sbealiften genannt — einen ebeln fonnte man
nidjt umljin beizufügen — ; unb eö ift flar, bafc bie
fpätere (Sntmidttung ber beutfdljen Singe immer me^r
feinen ©egnern Sftedfjt ju geben fdjeinen mufcte. Rein
3metfet: bie gefühlsmäßige unb moralifdfje Äraft ber
patriotifdfjen ©mpftnbung unb ber pfftd&tgetreuen Ein-
gabe an feine Ueberjeugung mar ftärfer bei iljm als
bie für potttifdfjeö treiben notmenbige SDtaleftif unb
öemegltdjf eit ; toie er fein ©ramatifer mar, fo mag
if)m — in biefem ©inne — audfj ber 9lame eines
^ßolitiferö abgefprodjen werben, ben er ftdf), in biefem
©inne, oieMdfjt fogar verbeten Ijaben mürbe. Slber bie
©aeije tag benn bodfj nidf)t einfad^ fo, ba£ ttljlanb bas
allenfalls menfd&lidf) Söünfdfjensmertere, bie ©egner bas
potiiifdj allein SRögltd&e vertreten Ratten. Rein 3Renfd^
mar imftanbe, bie öfterreid&tfd&e ftrage auf redjtUdfp
parlamentarif d^em SBege ju löf en ; Defierreidf) hinaus*
votieren Ijtefc bie iftattonatoerfammUmg felbft leugnen,
in melier me^r als ^unbert Defterretd&er fafcen. 9hm,
Ijier fonnte man, mie bie SWe^eit es tljat, burd&
einen füljnen ©djniti Reifen, t>on bem man fidf) felbjl
fagen modfjte, bafe er unoermetblidf) , menn au<$ be-
bauerltdf) fei. 3lttein — bas preufnfdf)e @rbfaifertum
mar ju ber Seit, ba es befd&loffen mürbe, felbft fdjjon
ein reines 3^^/ rfn Sbeat, beffen Sermirflidfjung
faum meniger unmöglidf) mar, als bie bes Steiges mit
Defierreidf) als Sfteidfjsftanb. 3Kan fonnte miffen, bafe
bas Sßreufcen, meldte« ben SBaffenftittftanb t>on 9Mmö
gefdfjtoffen unb baß 3Rinifterium SBranbenburg ein-
145
«gefefet fyattt, feine Neigung jur Slnnaljme eines Wlcin-
t>ates oon feiten bes Parlaments fyaben werbe, unb
t>ie Slblefmung ber Äaifermürbe burd() griebrid^ Sßit-
(jetm IV. !jat btefe 2luffaffung gtänjenb beftätigt. 3)a
lag benn bod(> eigentlich bie $rage fo: foHte eine an
unb für fidj möglid&e, aber in jener Seit nid&t meljr
mögliche SReid^öuerfaffung befdfjloffen werben ober eine
<m fid^ nodj fdfjmerer mögltd&e, aber bie gefamte
beutfdfje Sunge umfaffenbe? SBenn Urlaub prifd&en
jmei ttnmögtidjjfeiten bie mäljtte, ju meld&er iljn fein
igerj trieb, wer will tljn brum freiten?
2lts bie Slble^nung ber Äaifermürbe von feiten
i>es preufjtfdjen Äönigs erfolgt war, ©erliefe bie Wlefyx'
jaljl ber Slbgeorbneten bas Parlament. Urlaub gab
fidfj feiner Sllufton barüber fyin, bafi nun nidfjts meljr
$u erreichen war, aber er glaubte aushalten ju fotten.
<5r verfaßte bie 2tnfpra<$e an bas beutfdje 33otf, metd&c
trofe ber ttngunft ber Seiten aufforberte, bas begonnene
SBerfaffungsmerf nid^t fallen ju laffen. Slls am
30. 2Rat 1849 bie Verlegung bes Parlaments nadf)
Stuttgart befdfjloffen mürbe, fprad() er t>ergeblidfj ba=
gegen; aber er entjog fidfj ber £eilnaf)me au<$ jefet
nidfjt, er mar ber 3lnfi($t, baf$ ber einmal gefaxte
33efdf)lufj au<$ für ityn binbenb fei. ©eine (Stellung
in bem jefct nur.nodfj aus ben graftionen ber Stnfen
jufammengefefeten Parlament mar f <$mterig genug ; er
Ijat es auf ber Steife nadfj Stuttgart in 9Rergent!jeim
gegen SKörtfe ausgefprod&en. 3n Stuttgart erflärte
n |td& gtei<# bei ber erjien ©ifeung am 6. Suni gegen
146
bie Sftegentfd&aft, beten ©infefcung baö ^Rumpfparlament
befdfjtofe, unb, gletd&faflte oJ)ne ©rfolg, bafür, ba£ bie
württembergif<$e ^Regierung jur Vermittlung eines
redjttidjen griebensjuftanbes in S3aben unb ber 5Rl)ein=
pfalj aufgeforbert würbe. 211$ ein 2tbgeorbneter ba&
württembergtfdje SRinifterium beö £anbe$t>errate§ jiel),
wenn es ntd&t atsbalb betn twrn Parlament t)er=
abfd&iebeten ©efe| über bie SBttbung einer SBotfeweijr
gegen bie preufjifd&e 2trmee jur Slußfü^rung oer^elfe,
üerwa^rte fidfj tt^tanb gegen eine fol<#e Seljanbtung.
be§ SDWmfteriumö, wetöjeö, jwtfdfjen bie erregte 5Botfö~
ftimmung unb bie immer me^r ©oben genrimtenbe
SReaftion eingeteilt, oljnebieö fdfjwer genug tfyat 25a&
SRinifterium forberte baö Parlament unb bie SReidfjß^
regentfdfjaft auf, iljren ©ife aufjerfjalb 3Bürttemberg$
ju verlegen; ate biefe 2tufforberung oljne Slntwort
blieb, fdjritt bie ^Regierung jur 33erl)tnberung ber
©i|ungen burdfj bewaffnete 9ttadjt. 2lm 18. Sunt 1849
würben bie jutn ©ifcungdtofal ffiljrenben ©trafen
burd> 3Ritttär abgefperrt. 35ie Sßartamentömitglteber
begaben pdf) im $ug baljin, t>oran ber Sßräftbent £öwe,
welkem Urlaub unb fein treuer ©efinnungögenoffe
2llbert ©d&ott jur ©eite fdfjritten. 5Die ^Regierung tiefe
erflären, bafc bie ©ifeungen mdjjt gehalten werben
bürften. S)er Sßroteft beö Sßräfibenten würbe burdf)
bie trommeln ber ben 2Beg Derfperrenben Infanterie
übertäubt, t>on ber ©eite l)er rücfte bie SReiterei im
Stritt an, unb fo waren bie Slbgeorbneten genötigt,
ben $lafe ju räumen.
147
©o enbete bie große ^Bewegung; von ber gart}
®eutfdjtanb fein &etl erwartet Ijatte; ein tragifdfjer
Ausgang gewiß aud^ in ben 2tugen berjenigen, weldfje
an bent ^Rumpfparlament feine greube gehabt Ratten
— e§ war einem SBolfgang 3Kenjet vorbehalten,
baräber ju wifeeln.
5Die alsbalb fidj Derbreitenben ©erüdjte, baß Don
ber blanfen SBaffe ©ebraud) gemalt, baß ttljtanb
unb anbere förperlidf) Deriefet worben feien, waren
junt ©lüdf Döttig grunbloö. Urlaub felbft tyat in einer
öffentlichen @rflärung jene ©erüdfjte für unwahr er-
f lärt : „2)ie einjige SBerlefeung, bie idfj baDon getragen,
ift baö bittere ©efüljl ber unjiemlidfjen 33e!janblung,
welche bem leiten Sftefte ber beutfd&en SRationatoer^
fammlung in meinem &eimatlanbe wiberfa^ren." ®r
meinte bamit nid&t ba§ Verbot weiterer ©ifeungen
— bie württembergifdfje Regierung fonnte in biefer
öejie^ung nid&t anberö ^anbeln, angefidfjtö ber Stuf-
regung im eigenen Sanbe, be§ SBürgerfriegs unb ber
preußifd&en SnterDention in SBaben: fonnte bo<$ biefe
lefetere fid) jeben Slugenblidf auty auf SBürttemberg
ausbeuten; er meinte nur bie brutale 2trt, bie SBer*
wa^rung beö ^räfibenten ju übertrommeln unb ben
sptafe burdj bie iQufe ber Sßferbe fäubern ju laffen,
o^ne nur einen Shigenblicf abjuwarten, ob bie 5Ber-
fammlung nid&t dou felbft umfetyren toürbe.
U^lanb fe^rte alöbalb na<$ Tübingen jurütf . ©ort
war er unenblidjj Diel Dereinfamter, afe er juDor ge-
wefen war. 35ie alten ©efettfd&aften, in benen er bei
148
ber Stnmefenljeit fo meler Slnberdbenfenben nur „un-
nüfceä ©rinnern unb t>ergeblidf)en ©trett" ju finbcn
fürchtete, t)crmicb er lieber, als bafc er fid) mtbrigen
Begegnungen audgefefet Ijatte.
SDte Beteiligung am Parlament mar U^lanbd
t legte potittfdfje ^ätigfeit. Stur ein SRadfjfpiel baju
war es, toenn er im Dftober einen 3 e to*ngöarti!el
gegen bie Ausübung bed ©tanbred&tö in Saben fdfjrieb
unb wenn er im 3uli 1850 jum ©taaiögeridfjtd&of
nadj ©tuttgart einberufen mürbe, beffen SUfitglieb er
feit 1848 mar, um über bie 33erfaffungömäfeigfeit ober
SBerfaffungömibrigfeit einer Sftegierungd^anblung beö
HWinifierö von 2Bäd)ter feine ©timme abzugeben.-
©eitbem ifi ttljlanb nie mieber aus feinem ju=
rfidfgejogenen Seben herausgetreten. Sludj bie Sßocfie
finben mir nid&t meljr als feine ©efäljrtin. $flnf
fletne ©ebidfjte t>on epigrammatifdfjer Haltung — baö
tft atteö, maö mir an poetifdjjen Srjeugniffen nadfj
bem Sa^re 1849 dou i§m §aben. -Kur bie gelehrte
gtorfdfjung ijt feine Befestigung von jefet an, an ber
er oljne &aft unb oljne SRafi meiter arbeitet. ©8 mirb
ftdjj »erlognen, Urlaubs gelehrter £l)ätigfeit eine ju=
fammenfaffenbe ©arfieHung ju mibmen.
4-
n Urlaub« ©ebtdjten fanben nrir eine merfroürbige
gäljtgfeit ber 3Jef$ränfung auf beftimmte, bet
©eiflesbefdjaffenljeit bes 2)i<$ters angemeffene (Stoffe
unb formen; eine ©elbftbefdfjränfung , t>on ber man
jroetfeln !ann, ob fte me^r unmittelbare ftolge natfir-
Ud)er anläge ober me^r ffinftlerifd&e äbftdfjt fei.
$)iefelbe SBefdfjränftmg auf ein bestimmtes ©ebiet finben
nrir audj in feiner gelehrten ftorfdfjung, ja Ijter roofjl
nodj ausgefprod&ener. 3$ §abe feiner 3*tt von feiner
Verausgabe ber Sriefe unb ©ebidfjte Varppredfjts, t>on
feiner Steilna^me an ber 33eröffentli<$ung von iQölber*
lins gef ammelten ©ebidjten gerebet ; idfj fann nodf) bei-
fügen, bafc er fidfj audfj an ber 2lusroa$t t>on grieb*
rid) iQaugs ©ebtdfjten beteiligt Ijat, bie im 3<^r 1840
erfdfjtenen ift. ®amit nrirb aber nid^t blofc U^lanbs
Anteil an frember ©(^riftftetterei, fonbem überhaupt
feine litterarifd^e ^ätigfeit außerhalb bes ©ebietes
feiner eigenen Sßoefte unb ber germaniftifdjen ^orfd^ung
erfdfjöpft fein.
150
aSon einer einfeitigen gad)btlbung, von einer
au8fdjlief$ftcf)en £>reffur auf eine beftimmte ©iöjiplin
ift Urlaub weit entfernt. iQätte er nidjt felbft eine
bebeutenbe allgemeine 33tfbung unb bie gäfyigfeit be-
feffen, audj über ben Äreis ber $a$roiffenfdjaft hinaus
ju benfen unb ju empftnben, fo fy&ttt er ntdjt alö
Sßrofeffor ein ®ifputatorium eingerichtet, in welkem
bie freiefte 2Baf)t beö ©toffeö geflattet war. ©ben
feine 33emerfungen aus bem Tübinger ©tiliftifum be=
weifen einen non affer 2luöf<^tic§lic^feit feljr weit ent-
fernten ttriffenfdjaftlidjen ©tanbpunft. 3Kan weife au<$,
baft er in ben t^eologifd^-p^ilofop^if^en Seroegungen
unb Äämpfen, bie in ber 3*ü fäntx afabemifdjen
Sptigfeit unb ben fotgenben Sauren Tübingen in
Sttem gelten, burdjauö für baö 9te<$t ber SBiffenfdjaft
ju freiefter ^Bewegung eingetreten tfl, er, ber perfönltdj
an ben ÄuÜuöformen feiner Äir<$e festgehalten fyat;
baß fann nur ein 9Kann t^un, ber in affgemein
nriffenfdjaftlidjer Sejie^ung nifyt nöffig inbiff er ent ift
— bie Snbifferenten ^alten'ö geroöljnlidfj fe^r einfach
mit ber ©eroalt.
@ö ift aber leidjt roafjrjune^men, baft ber Sluö*
gangspunft für Urlaubs gorfdjungen fein abftraft
roiffenfdjaftltdjer ift. ©r gelangt ju ber germantfttfdjen
3Btffenf$aft nid>t, roie manche anbere, rote j. 33. tljr
größter 9Kct^obtfer Sadjmann, t)on affgemein p^ilolo-
giften 33eftrebungen auö. ®ie ift tym feine S)omane
ber affgemeinen pPologifcHiftorifd&en SBtffenfdjaft,
auf bie er, als auf ein no<$ jungfräuttdjeö ©ebiet,
151
bie ©runbfäfce unb äRetljoben ber alteren pl)üologifd(jen
SMöjiplinen anjumenben unternähme, fte iji tym audjj,
fotDcit fte ßitteraturgefd&id&te ift, md&t etwa ein fpc=
jietteö gelb für bie ^rdftfüljrung litterargef^i^tli^er,
Mturgefd&td&tlidjjer, pljüöfopljifdjer ©eftd&töpunfte. ©ie
ifi il)m tebtgtidf) ©rforfd&ung ber beutfd&en SBorjett,
ein ©egenftanb patriotifd&er SBegeiflerung, fte roäd&ft
tym nidjt aus ber SBtffenfdfjaft, fonbem aus ber poe-
tifd&en atofd&auung unb (Smpftnbung Ijerauö, wie fte
Jjinnrieberum auf fein poetifdfjeö ©Raffen befrud&tenb
einwirft. Stfefen Urfprung §at bie germanifHfdfje
SBtffenfd&aft bei ben meifien feiner 3 e Ü8 en °ff en 9 es
fyabt, fte ift eine teils aus ber romantifdjen &infe§r
jum Mittelalter tetlö auö ber patriotifdjen Strömung
ber erften Saljrjeljnte unfereö SftWunbertö hervor-
gegangene Stiftung beö $orf<fjenö. SBorab trifft Med
ganj wie bei Urlaub ju bei ben Srübem ©rimm,
mit benen man iljn f o oft vergleichen mufe ; namentlich
feit bie Sugenbbriefe ber beiben ©ruber veröffentlicht
ftnb, erfennt man feljr genau bie ©eneftö iljrer gor-
fd&ung: eö ift junäd&fl eben bie Sftid&tung auf bie
romantifd&e Sßoefte, auf baö SSaterlänbifd^e unb SBolfö*
tfimlidje, roaö fte in bie germantftif <$e SBiff enf djjaft hinein-
treibt. £)a§er bei atten brei jener nmnberbare Sfteij
tyrer gelehrten SBerfe, auö benen immer roieber baö
©tubtum beö altvaterlänbtfdfjen SBefenö, namentlich
ber alt^etmifdjen Sßoefie, alö baö ©runbmotit) hervor*
leud^tet ; eö ift Jeine neugierige ©tubengele^rfamfeit,
fein nrifTenfd&aftötyeoretifd&er ©gftemjroang, eö ift eine
152
t>on ber tiefftcn ©emütserregung infpirierte unb burdi*
wärmte ftorfdjung, ein ©udfjen nadjj bem Sßulöfddlag
beö SBolfeö. ^n ben iQerjen bitftx SHänner ift eine
eroige Sugenb unb bie glfif)t audfj in ifjten ©Triften.
liefet tiefe gemütlidjje Anteil, biefe patriotifd^e
Sßietät, bie roir au6) bei anbern ©ermaniften jener
©eneration ftnben, bei ©d&meller wie bei Sadjjmanrt
— um nur nod& bie jroei bebeutenbften ju nennen — ,
f)at geroifc roefentlidjj ju bem aufcerorbentlid&en Sluf-
fdjjroung jener ©tubien in ber erften iQälfte unfere&
Saljrljunbertö beigetragen. SJton fann fid^ baoon um
fo leidster überzeugen, roenn man bie jum SCeit fjödjft
bead&tenöroerten ©ermaniften älterer $eit iantbm ftellt,
bei melden eben ein rein nriffenfdjaftlidjeä Sntereffe
baö Seftimmenbe ift, Ijödjjflenä nod(j bei ben aus ber
Süngerfdjaft Älopfiodfö hervorgegangenen ein oager
SCeutoniömuö in ber Slrt biefeö Sinter«.
Urlaubs fd&roäbifd&e Heimat l)at in früheren getten
mehrere Flamen von gutem Älang unter ben 33eför*
berern ber germanifd&en ^ilblogie aufjuroeifen. 3$
nenne nur bie aus bem adfjtjel)nten 3al)r£unbert,
um nid&t gar ju roeit juruäjugreifen; bejeid&nenber*
roeife finb fie faft alle ftubierte Geologen, ©leiefr
ber ältefte t)on iljnen, ber Ulmer gridf, ift als iQerauö*
geber von ©Ritters Styefaurus mit 2tu8jeidjjnung ju
nennen, ©obann l)at als ©pradfjforfd&er ber rofirttem*
bergifd&e Pfarrer ftulba neben fpradfjtfjeoretifdSJen 33er*
irrungen, roie fie in feiner 3eit lagen, bebeutenbe
SSerbienfte ; bie t)on Sßrof effor 9tafi in Stuttgart heraus*
153
gegebene Seüförift //® er £eutfdfje ©prad&forfdjjer"
fyattt ü)n jum bebeutenbften SRttarbeiter. ©ie folgen*
ben ragen nod& in Urlaubs 3 e ^ herein; fo bie beiben
Ulmer: 33eef enmeper , ber SBerfaffer ja^lreid^er feljr
gefdEjafcter ©tubien jur ©efd&id&te unb Sitteratur, imb
3. 6. ©d&mib, ber SBerf affer be§ t>on entfestigen
©tpmologien firofeenben, aber fonft työd&ft fdjjäfebaren
fd^ioäbif dfjen 2Börterbudf$ ; ©d&iUerö Sugenbfreunb
^eterfen unb ber ju früty oerftorbene mefoerljeifcenbe
gerbinanb SBedf Berlin ; vor allen aber ber befanntefte
ber fd&mäbifd&en ©ermaniften um 1800, ber igaffer
griebrid) ©atrib ©räter. @r Ijat ftdjj namentlich burdf)
bie mit ©d&ubartö ©dfjmager 33ödf^ in SRörbttngen be-
grünbete, bann nadf) beffen £ob t)on i^m aBein fort-
gefefete 3ettfd|jrift „33ragur" befannt gemalt. 33ei
iljm ftammt bie 33efd(jäftigung mit ber germamfd&en
SSorjeit aus ber SBettmnberung Älopftodfe einerfeitö
unb Berbers anberfeits. @r geljt in barbtfd&er 33e-
geifterung ben ©puren ber alten ©falben nadf) unb
fudfjt jugleidj bie alte SBolföpoefie ju ergrünben. 3la*
mentlidjj für bie norbifd&e Sitteratur §at er triel ge-
fyan, mo^t me^r als irgenb ein ©eutfd^er feiner
3eit. @r mar ungemein fletfeig, aber nirgenbs ift
er jum tiefften SBerftänbniö burd&gebrungen ; er ar-
bettete ju fd&nett unb mar ein grenzenlos eitler ©ed,
ber triel ju gern äft^etifd^ irrltd&telierte, altnorbifdEje
©ebid&te ins ©riedfjifdfje fiberfefcte, fein liebes 3<$ allejeit
in rl>etorifd&e 33eleu<$tung ju fiellen muffte unb fi$
fd&liefelidf) burdjj fein jroeibeutigeö Setragen gegen bie
154
Srttber ©rimm audfj um ben rool>foerbienten Ärebtt
nodfj gebraut Ijat; er Ijat fid^ lang überlebt, bemt
er ift erft im %afyx 1830 geftorben.
2Bte ganj anbers ber neunjefjn Saljre jüngere
Urlaub! 6r ift 5Did(jter, mä&renb ©räter blofc ®e*
bidEjte gemalt l>at; ber Sinter in iljm ift aus ben
troäenfien unb mümtiöfeften gforfdjungen immer triebet
heraus ju erfennen, fei es, bafj i^n eine« ber rounberbar
fdfjönen Silber verrat, wie man fie aud|j an feinen
SPartamentsreben benwnbert Ijat, fei es, bafj bie ^ein-
ffiljligfeit für bas ©pejifif d£j*$ßoetifd(je jeigt, aus meinem
Stoffe ber ftorfdjer felber gemalt ift. Slber bie ©idfjter*
natur Ijat i^n nid&t ju flüd&tigem Umljergaloppieren
auf ber frifd&en SBeibe aerleitet; fie gibt ü)tn nur bie
feine SBitterung für bie eblen, rofirjigen unb Ijeilfamen
Äräuter, bie ftd|j in bem bunten £eppidfj ber SBiefe
bergen. 6r geljt mit feiner ftd&ern, genriffentyaften
Sebäd&ttgfeit ©dfjritt für ©dfjritt, laßt nid&ts liegen,
roas er brausen fann, fdjjeut roette Umroege nidfjt,
roenn er roetfc, baft er auf i^nen etroas ftnbet; unb
roie er am @nbe einer Slrbeit ift, ba Ijat er ein lüden-
lofes, ein in feiner 9lrt üottfommenes Sßerf gefdjjaffen.
©er Sinter Urlaub geljt als gorfdjjer überall
unb immer ber SMdEjtung nadjj; nod|j mel me^r unb
ausfd&liefjlid&er als Safob ©rimm, bei bem biefelbe
bodfj audfj eine erjie SRotte fpiett. 2)as poetifdfje 6m*
pftnben eines SBolfes unb jroar bes großen SBölfer*
jtammes, bem er f elbft angehört, fud&t er überall Ijeraus*
jufinben; roas nidf)t Sßoefte ift, bas lagt er beifeite
155
liegen. 2tber er fud&t bie Sßoefte, wie 3afob ©rimm,
md)t bloß in ber gefdEjriebenen Sitteratur, er fudjt fie
ebenfo in ber ©itte unb ben tägttdfjen 3Sorftettungen
bes SBottes — beö SBolfes, benn er gel>t immer auf
baö SBolfetümlid&e aus, ba§ fttnftmäßige ©lement in
ber spoefte intereffiert iljn IjödEjftenö in lefcter Suite.
Uljlanb ift fein großer ©ntbeder unb 33aljnbredf)er
nrie 3<rfob ©rimm, baju ift er gar nidjt fpftemattfdE)
genug angelegt. 6r ift ein ganj außerorbentlidfj fleißiger
unb treuer Arbeiter, ber aber ju feiner Arbeit nod£)
weiter einen ljiftorifdf)en ©inn unb eine aud£) burdf)
bie fd&önften Sßerfpeftioen nidEjt t>erfül>rbare 33orftd(jt im
©d&lüffejteljen als t>ortrefflidf)e ^Beigaben mitbrad&te.
2)aburdf) ift er ba, roo er fidfj mit ©rimm auf bem=
felben ©ebiet bewegte, in ber 9Jh)tI}ologie, jroar ärmer
an jielmeifenben ©ebanfen unb ©efidEjtspunften, aber
bafür ift er audfj vor mausern SWißgriff jenes genialen
©ntbeders beroaljrt geblieben. @8 fommt iljm fytx
fein gefunber ©inn für baö ©egenfiänbltd&e ju gute,
©r gehört ntdEjt ju ben ^orfdEjew, roeldEje, leiber burdEj
Safob ©rimmö SSorbilb t)erfül>rt, in ben Ijarmlofeften
©Ingen mgtljologifd&e SRefte mittern. £>ie ©efd&id&te
unb Drtölunbe fpielt eine große Sftotte in feinen gor-
f dfjungen. ®r Ijat, nrie man namentlidEj aus bem Srief-
roedjfet mit Saßberg feljen fann, ber in biefer SBe-
jteljung ganj gleite SBege ging, feljr genau unb mit
Vorliebe ben ^iftorifdEjen ©ofumenten unb £>aten für
^ßerfonen unb Vorgänge nadjjgefpürt; er ^at auf feinen
oielen SBanberungen Bie Sßläfce, an meldten eine ©age
156
ober bie ©rinnerung an ein l)ifiorif$e3 ©reigniö, eine |
I)iftorifd)e ^Jcrf anlief eit haftete, gern unb oft mehr-
mals auf gefugt; baö twile 33erftanbnte für bie @r*
fcfyemungen ber Sßocfie glaubte er erft burdf) btefe*
©tubium ber jeitltd&en unb örtlichen Umgebung ftdj
ju erwerben, ©ewiffermafcen jeigt fidj in biefen $ü$tn
audj wieber ber Dieter, beut bie ganje 2Belt lebt.
3^m ift bie attptljenbilbung wef entließ ^oefie; bie
ältefien unb größten Figuren Ijat iljr atterbingö bie
SReligion geliefert, aber was fidfj um biefe gfiguren
gruppiert, was fte in tebenbiger Bewegung jeigt, ba&
ift Sßoefie, eine balb reiner ben ©ebanfen beö 3Jtytl)us
barfteUenbe, balb ü)n freier umfpielenbe 33olfebid)tung.
Sßarum fottte biefe lebenbige SBolfobid&tung fdjon in
einer grauen SSorjett aufgehört l>aben? ©oute fie nidjt
trielmetyr bis auf unfere £age, nur in oeränberten
formen unb gfarben, lebenbig ttyätig geblieben fein?
©eftalten älterer ©efdfjtdjte, wie ©ietridj oon Sern,
finb nadfjwetöltdEj jum ©egenftanbe ber iöolfsbtd&tuntj
geworben; warum foHtc ba§ bei neueren m<$t ebenfo
ber ftall fein? (Ss ift fein Steifet, atterbingß, bafr
mandje lebenbe Sßolföfagen trofc tyrer ptortfdjen Sin-
fnftpfung nur 9Retaftafen alter ©ötterfage ftnb, wie
bie Sagen t>om 2Rute$l)eer unb ber wilben 3agb; „
aber braudEjt baö Don allen ju gelten? ®ie Sßl>antafie
beö SSotteö wirb freilief) ju einer geit, ba Sßoefie bie
gorm aller geiftigen iQerwrbrtngung war, lebenbiger
gewefen fein als in einem ßeitalter beö obligaten
©djulunterridfjtö; aber aufge^ött §at fie nodj immer
•
157
rridjt, bcr Ijifiorifdje SUhjttyus unb bic Sttncfbote erjeugen
jtdjj nodfj ^eutjutage.
(So ift ein ganj djarafteriftifdfjer 3ug bei Urlaub,
bafj er bie @rftärung immer bei bem SunadEjftliegenben
fudjjt, falls fie bort gefunben werben fcmn. 2)iefe
33efd(jränfung auf bas, roas jur ©adfje gehört, t>erleil)t
feiner gorfdjung ben ßljarafter bes Dbjefttoen im
ijödrfien ©rabe. @r lägt bie Singe felbft reben, fo*
roeit es immer mögti^ ift. ©eine fubjeftioe Sljätig-
feit befielt im herbeiholen eines möglidEjfl t>oHftanbigen
2Raterials unb babei fc^eut er audfj große Umwege
nid)t, greift, roo es gilt, in weite fernen, wenn nidjt
jur (Srflarung, fo bo<$ jur lehrreichen Sparalleltfterung ;
fie befielt in ber vom feinften poetifdfjen Snftinft ge-
leiteten 2luswaljt, Slnorbnung unb SBerwertung ber
dfjarafteriftifdEjen $fige ju einem farbenreichen, fpredjen*
ben Silbe; aber wenn bas 93ilb fertig ift, fo tritt ber
flünftler ftiB jurüd unb verliert ftd& in ber SWenge.
6r Reifet fein fubjeftioes Urteil fdjjweigen; ^at er t>on
oom^erein eben foldEje ©egenftänbe gemault, bie i^n
anfpred(jen, fo enthält er fi$ bodf), feine Segeifterung
in empljatifdjen Sobfprttdfjen preiszugeben. 3n ber
ßnt^altung oon allem, was nidjjt unmittelbar jur ©adfje
gehört, ift faum ein anberer fo weit gegangen wie er;
ja er ge^t barin faft attju meit. SBenn man es nur
$ödjjlid) rühmen fann, bafj er bie in ber ©ermamften*
weit faft jum guten £on geprenbe Sßolemif beifeite
lieft, fo §at er metteidjt nidEjt immer gut getrau, litterar*
Ijtftorifdfje äusbltäe unb ©ef amturteile fo feljr, faft
158
ängftltdfj ju oermeiben. SßeldEjer anbete mürbe jeber
(grroäljnung mobemer ^Bearbeitungen einer beftimmten
©age, eines befHmmten 9Rotu>S fid^ fo gefliffentlidj
enthalten §aben? SBcld^cr anbere fy&ttt bei ber 33e-
fpredEjung ber mittetalterlidEjen giftion ber „blauen
SBlume" nid&t baran erinnert, roeldje SRotte biefe pftion
bei ben SKomanttfern gefpielt tyat? 6s liegt barin,
wenn man fo nritt, eine genrijfe Xxodtntyit, rneffeid^t
auö einer berechtigten ©d&eu vor getftreidjen SBenter-
hingen o^ne genauen 3ufammenl)ang mit ber ©adfje
hervorgegangen, bie immerhin von einem genrijfen
SKangel an fiberfdEjauenber SHSeitc bes ©eftdfjtspunftes,
an genialer Äraft ber Äombination jeugt, aber bod>
gerotfj unenbtidfj beffer ift als bas in unferer mobemen
SitteraturgefdfjtdjtfdEjreibung fo fe^r ^auftge ©egenteil.
Urlaubs gelehrte ^ätigfeit ift'erft naü) feinem
£ob in i^rer ganjen Sfasbe^nuug unb Sebeutung be-
fannt geworben. ©as bei weitem meifte bavon tyü
ftdfj in feinem -Äacfjlafc l)anbfd(jriftlidjj Dorgefunben;
bas ift ein Unglüä, benn es tytti ju ber £eit, ba es
entftanb, nod) weit bebeutenber roirfen muffen, als
jur $eit feiner SSeröffentlidjung, ba einzelnes fd&on ein
9Kenfd)enalter hinter fidfj §atte. ^ebenfalls aber Ijaben
bie brei ©ete^rten unb greunbe Urlaubs, SB.ß.iQottanb,
Slbelbert Äetter unb $ranj Pfeiffer, meldte in ben
Sauren 1865 bis 1873 — ber lefctgenannte ifi mitten
in bem SBerf abgerufen roorben — Urlaubs „©Triften
jur ©efd&idfjte ber 2)idf)tung unb ©age" in adjt ftatt*
tiefen ©rofcoftaobänben Verausgaben, ftdfj ein großes
/
159
SBetbienfi um bic ©efdjidjte imferer 2Biffenfd&aft unb
ein ebenfo gtofteö um bie aHfeitige Kenntnis Urlaubs
etmotben.
Urlaub arbeitete gemädjlidEj, auf ©eminmmg alles
itgenbmie ffitteid&baten bebadjt; et fonnte matten, benn
et fyattt nidf)t nötig, von feinet ©djjtiftfteHetet ju leben,
unb et mat oljne jebe ©udf)t, butdfj immet neue SBetfe
ju glänjen. ©o ^)at et mit bet SBetöffentlidjjung feinet
$otfdf>ungen immet miebet jutüä gehalten , folang et
glaubte nod|j etroas Ijinjutljun ju fönnen, unb getabe
ein paat feinet bebeutenbften Seiftungen finb babutdf),
im SWanufftipt fd&on mef)tfad|j unb bis jut fettigen
SÄeinfd^rift ausgeführt, liegen geblieben. 9Kan fann
fdEjliefcen, mie gtofc feine Slnfotbetungen an ftdfj felbft
waten, ba et fo fein unb genau ausgeatbeitete SQBetfe
in feinem ©djteibtifdfj §at liegen laffen.
Urlaubs etfte geteerte Arbeit mat bet Sluffafe
„übet bas altftanjöfifdfje ©pos", bet, mie fdfjon et-
roäfynt, 1812 in gouques unb Sfteumanns 3 e üf$rift
„2)te 2Rufen" etfdfjienen ift. ®t ift eine teife gtud&t
bet Raufet ©tubien. ©d&abe, baft et an einem Dtt
etfdftfen, mo et bet SBetgeffenljeit fc§r ausgefegt mat !
2)enn bet Stuffafe mat mirftidf) «pod)emad(jenb. Urlaub
§at ^)iet fd&on auf bas übetjeugenbfte nad&gemiefen,
roas füt ein UntetfdEjieb ift jroifdfjen ben füt ben ®e-
fang beftimmten, in Sfaaben t>on 3llejanbtinetn ge=
bieteten ß^anfons aus bem Jatolingifd&en ©agenfteis
unb ben jum Sefen beftimmten, in metffiftigen Sfteim-
paaten gefd&ttebenen Gontes bet btetomfdEjen ©age;
160
er tyctt auä) fdEjon nadfjgenriefen, ba£ bic erfteren feinet
roegs, roie man angenommen l>atte, aus ber fogenannten
Gtyronif bes Surptn abgeleitet ftnb. Spätere fram
jöfifdfje $orfd&ung Ijat biefe SKefuttate beftatigt, oljne
bafc bes in einer wenig befannten $eitf«&rtft ver-
borgenen Sluffafces nadjj ©ebityr geartet roorben märe.
3Wit feiner nädjjften Arbeit l>at ftd& Urlaub auf
ben 33oben ber beutfdfjen 2)td&tung bes -ättittelatters
begeben. 3m Raty 1822 erfd&ten fein SBudjj „SBaltljer
oon ber 33ogeht>eibe, ein altbeutfdjer ©idjjter". 6s
mar bic erfte SKonograp^ie über ben größten beutfdfjen
SKirinefänger unb ^at feinen Sßert nodfj immer nidf)t
oerloren. @ine beträdfjtüdEje $al)l wn ausgaben unb
Slb^anblungen ift f eitler nachgefolgt ; aber roenn audfj
mand&e ©injelljeiten jefct umgefdjrieben werben mähten,
fo nrirb man Urlaubs 33ud|j bodfj immer mit -ftufcen
ftubieren unb nrirb ftets unter bem ©inbrudf einer
f)öd(jfi bebeutenben Seiftung fielen, iQter ^)at er jum
erftenmal bie Äunft gejeigt, von ber feine fpäteren
©Triften nodj oft ßunbe geben: aus ber ©adje her-
aus, nid^t in fie Ijinein ju fdEjretben. Slus ben ©e*
bieten SBaltyerS felbft heraus geftaltet fidjj tym bas
33ilb bes ©ängers unb roädEjft es t)on 2lbfd^nitt ju
2töfd(jnitt oottftänbiger unb größer heraus, £)al>er audf)
ber poetif $e SReij bes SBerf es ; es ift eine genaue, auf
bie @rforfd(jung bes ©injelften gegrftnbete ©tubie, aber
es l>at nid&ts Srodfenes an fidfj: es ift nidfjt blofc ber
©idjter, ber Ijier ben Sttdfjter gefdEjilbert l>at, es ifi oor
allem ber befd&etbene ßünftler, ber hinter feinem Äunfc
161
werf üerfdfjwinbet. 3)a$ 2Berf ift für bic germanifiifdfje
5|3^iIotogic grunblegenb geworben unb id) wüßte Don
bcn fpäteren SBerfen übet; 2Baltf)er feinö, bafi ftdfj
tl>m tfergletdjen fönnte, außer bas 2Keifierwerf twn
2Bilmann§, baö etwa in berfelben Slrt unb SBeife mit
ntdjt geringerem ©eift gefdfjrieben ift.
Sin feinen SBaW&er gebaute Urlaub ein SBBerl
von allgemeinerem Sn^alt anjufdfjließen. 3n feinen
^Briefen aus ben folgenben Sauren lefen wir häufig
Don einer geplanten ©efdjid&te ber mittelalterlid&en
beutfd&en Sßoefie überhaupt. @3 ift bat>on junadjft, 1823
bis 1824, nur ein £eil fertig geworben, ber pdf) mit
bem SKinnefang im allgemeinen befd&äftigt, alfo un-
mittelbar an baö tjor^erge^enbe Xtyma anfnttpft ; ber*
felbe ift aber erft nadj Urlaubs £ob gebrudt worben.
<£$ ift woljt bie auögejeidjnetfte innere ©efcfjtdfjte bes
UWinnef angö , bie mir überhaupt beftfcen; bie äußere
©ef<$id(jte, bie ©dfjilberung ber einjelnen ©idfjter unb
maß baju gehört, tritt gegenüber ber allgemeinen
©^araftertfierung jener Sßoefte oerl)ältni$mäßig jurüd.
3)er ©ebanfenge^alt, bie ©efü^lsmelt unb ber Formern
fdfjafc beä 9ttinnefangö ift nadfj allen Seiten mit ber
äußerften geinljeit entwidett, unb man fpürt beutltdfj
Ijerauö, baß bem SBerfaffer bie Siebe jur ©adfje bie
geber geführt §at. 2Kan wirb bie SBorjfige biefer
Slrbeit aud& jefct nod& feljr §o$ ftetten bfirfen, nadEjbem
man fidfj gemannt fyxt, über ben SBert be§ 2Rinne*
fangö etwas nüdEjterner ju benfen unb vor allem baß
einljeimif dfje , t>olf$tfimüdjje ©lement in tym, baß mir
fjiffler, ßubtuig Itylanb. 11
162
in ben frü^efien -DHnnefcmgero nod) in bct SlHem-
^errfd&aft ftnben, von bcm protjenjattfdj^öftfdjen fon*
t>entionetten SJtobegefd&mdtf, bcr fdfjon frül> einge-
brungen ift, ju unterfd&eiben. @s mad&t ja eben einen
Öauptjug in Urlaubs gelehrten SEBcrlen aus, bafj er
in erfter Sinie immer aus ben ©ofttmenten l>erauä
barftefft, nid&t urteilt ; baburdf) behalten bief elben i^ren
SBert audfj für biejenigen, beren Urteil über bie Singe
in manchem ganj anbers ausfallen mag.
Uljlanbs 3Sor^aben fdjränfte fic^ aber feinesroegä
auf eine ©efdfjidEjte ber mittetalterlidEjen Sprif ein,
fonbern ^at, rote fdjon aus ben t>erfd(jiebenen SSegeid^'
nungen, bie er bem ©egenftanb in feinen ^Briefen
gibt, bie gefamte beutfdje Sitteratur roenigftens ber
»tütejeit umfaffen fotten. Stts 1829 SBiüjelm ©rimm*
■JMfterroetf über bie beutfdje föetbenfage erfd&ien,
äußerte Ul)lanb, basfelbe enthalte trietes, roas er aud&
barjufteffen gebaut Ijätte. 2)ie eingeljenben ©tubien,
bie er für fein 2Berf gemalt Ijatte, finb nidjt verloren
gegangen, fie mürben für feine afabemtfdjjen 33or-
lefungen uerroertet. Urlaub tyat im ©ommer 1830
über bie ©efdEjidjte ber beutfdfjen Sßoefie im 3Rtttelalter
unb im ©ommer 1831 über bie ©efdEjtdfjte berf elben
im fünfzehnten unb fedfjje^nten Sa^unbert gelefen.
3)ie aKanuffripte für biefe SSortefungen ^aben ftdjj in
feinem UtodEjIaf} Dorgefunben. 3)ie ©efd&id&te ber mittel
alterttdEjen ßitteratur gehört, roie mir fdfjeint, ganj fidler
ju bem früheren Sßlane; fie ift äljnttdfj angelegt mie
bie Slb^anblung über ben 3Kinnefang. @S geljt Ijier
163
mie bort bie StarfteHung bes Spalts bcr ffSocfie, in
bicfcm gfaHe bcr alten ©agen, aoraus unb bilbet Bei
weitem bie &auptfad£je; bie äußere ©efdfjidffte ber
SitteratuV, bie gform tljrer Ueberlteferung burdf) fo
unb fo triele einzelne ©td&ter unb ©ebidEjte, folgt nati)
unb ift nidEjt von berfelben SBtdfjtigf eit ; wobei man
aUerbtngs nidEjt oergeffen barf, bafc man SBorlefungen
t)or fidfj §at, in benen, jumal bei einem erften 33er-
fudfje, bie oorberen £eile faft notmenbig ausführlicher
werben mufften als bie nadEjfolgenben. SBon einem
erften 33erfud(j mürbe man übrigens fonfi bei biefen
SBorlefungen md|jt oiel merfen. ©ie verraten nid)t
blofj eine genaue SSertraut^eit mit bem ©egenftanbe,
fonbern audfj ein bebeutenbes ©efdEjiä ber S)arfteHung.
©erabe für SSorlefungen erfdfjeint ber 2Beg, ben Urlaub
genommen Ijat, befonbers geeignet, ©anj einjig in
üjrer Slrt ift namenttidfj bie SBeife, wie im erften £eil
bie ©agengefdfjid&ten erjä^lt finb; Ijier Ijat ein Sinter
gefd&rieben unb jwar ein Sinter, ber wie fein anberer
bie gftljigfeit befafc, ftdfj mit fd£jlidf)tem ©inn unb treuem
©emfit in bie alte ©age ju oerfenfen unb bas ©olb
in tyr aus werttofefter ;Ka#arfdfjaft tyerausjufinben.
Stte ein$eimifdf)e beutfd&e <§e"lbenfage §at für il)n,
barin ftimmt er wieber mit Safob ©rimm ooBftänbig
überein, weit meljr SBert als bie importierte bretomfdjje.
3u ber (Srftärung unferer föelbenfage Ijat er audfj
fe^r fdfjäfcenswerte SSerfu^e gemalt; oor allem finb
bie gefdfjidEjtlidfjen ©lemente berfelben f d|jön bloßgelegt :
Urlaub unterfdfjetbet fid) t)on SBtl^elm ©rimm nament=
164
tid& baburdEj, bafe er ber ©efdjjidjjte einen größeren
(Stnfluf} auf bie ©age juweift ; intereffant jebcnfaHö ifl
aud(j bie parallele jwifdjen ber SEBolfbietrid^fagc unb
ber perftf djen i&elbenfage, wenn fie audjj, wie *8 fd(jetnt,
feinen Seifall unter ben gfadfjmännern gefunben Ijat.
3n ber Äritif ber Nibelungen ftnben wir etwa bie
ndmltdfje äfajidfjt, b^x ber bie gforfdfjung jefet angelangt
ift : bie Slnerfennung eined SBerfafferö für baa t>or*
(iegenbe (Spoö, ber aber auf ©runb x>on unter ftdjj
uerfdfjieb enen rljapfobtfd&en ©agenbe^anblungen gear=
bettet §at unb nidjt imftanbe gewefen tjl, bie -Wallte
jwifdjen benf elften ganj unftdjjtbar ju madfjen, oljne
bafc eö jebodj mögltdj wäre, irgenbeine jener Süjapfo-
bien aus bem jefctgen 3ufammen^ang wieber heraus-
jufd&älen; eine nfid&terne Äritif wirb fdfjwerlidfj weit
über biefeö SRefultat ^inaudfotnmen.
3)ie ©efdEjtdjte ber beutfd&en Sitteratur im fünf-
jeljnten unb fedfjjeljnten 3al>rl)unbert ift etwa« an-
berö angelegt als iljre SBorgängerin, infofem bas
€^ronologifd^e etwas me^r bejiimmenb in bie Um
orbnung eingreift; es fdfjeint aud), bafj bief e SSorlefung
nid^t auf älteren Slufjeid&nungen beruhte, fonbern bem
$lan nadjj t)on ber t)or^erge^enben ganj getrennt war.
Ittber ber ©efamtdjjarafter ber SJarftettung ifl wieber
berfelbe ; \a man mödfjte bemfelben l)ier infofern no<$
meljr unbebingte Slnerfennung jollen, als ed in ben
Ijier be^anbelten 3eiten wenige einzelne SHdfjter von
defonberd l)ert>orragenber Begabung gegeben ^»at / bie
3)tdjjtung alfo weit me$r al« in ber f)öftfdfjen Sßeriobe
165
eine tcin aoßstümlid&e, allgemeine unb tnbimbualitäts*
lofe genannt werben mu$. SHefer allgemeinen Sßocfic,
beten SBurjeln in ber SBolfefage unb SBolfsfttte ruljen,
ift Urlaub immer, im ©egenfafee ju ber tnbüribuetteren
Äunftpoefie, mit befonberer SSorliebe nachgegangen.
Jßier l>at er nun ganj üorjüglidfj ©elegenljett, in einer
an poeiifdfjer Äunft unb Snburibualität armen gut
bie immanente ^oefie in allen Steuerungen nidjt blofc
in ber Sitteratur, fonbern audf) im täglidjen &tbm
nadjjjuroeifen. £>a^er fann man biefe feine S)arfteHun$
als eine fulturljiftorifdfj ebenfo roertootte Arbeit be*
jeidfjnen, als fie es lttterarl)tftorifd) ift. 3 u öfö$ ftnbct
^ier fein Sinn für bas ^Bürgerliche eine t>oUe 2Beibe A
fo bafc man immer ben ©inbrud fyabtn wirb, es fei
i^m biefe Sirbett redfjt eigentlich t)on Jßerjen gegangen.
2lls ein mit ü)rem ©egenfianbe ftd|j nalje berffl&renber
äuffafc mag ber fdfjon 1828 oerfafcte „3ur ©efdfjtdfjte
ber ftreifdfjiefcen" ermähnt fein, roeldfjen Urlaub als
(Sinleitung ju fiallings ausgäbe bes glfidHjaften ©dfjiffs.
gefd&rieben Ijat.
©d&on in ber ©efdtfdjte ber mtttelalterlidEjen
Siiteratur fpielte bie SJarfteffung unb Slnalpfe ber ©age
bie Hauptrolle. . SJiefes gorfdEjungsgebtet ift t>on 115*
lanb t>on nun an nod|j mefjr unb ausfdjjliefclid&er ge*
pflegt roorben. @r Ijat im SBinter von 1831 auf 1832
über „©agengef dfjidjte ber germanifdfjen unb romanif djjen
SBölfer" gelefen. 3n biefer SBortefung l>at er bie
flanbinamfd^e Sitteratur ju Slnfang ber Sarjlettung
in fe§r ausgebeizter SBeife ^ereingejogen. fteirt
166
SBunber; beim bic altnorbifdjje Sitteratur Ijat nidfjt
bIo§ allein von äffen germamfdfjen SJitteraturen eine
in umfangreichen ©enfmälern erhaltene ©ötterfage,
aud) iljre §elbenfage fpielt eine ganj anbete SRoffe
unb ift roemgfiens im allgemeinen t)on me^r fagen=
Ijaftem, altertümlid&em Gl)arafter, als bie beutfdje.
SebodE) fann man faum leugnen, baß Uljlanb ber
©arfieffung berfelben Ijier einen verhältnismäßig faft
§u großen Sftaum jugeftanben Ijat. 3fn ber ©arfleffung
ber beutfd&en unb franjöjtfd&en Sagen ge^t er bann
melfadj gleiten ©drittes mit bem früheren Äoffeg,
fo baß biefe Partien für uns t>on geringerem Snter-
effe ftnb.
Sfadfj für feine t>erfpätete Snauguralrebe am
22. 2Rärj 1832 jjat Urlaub ben ©egenfianb aus ber
©agengefd£jid|jte genommen. ®r lag üjm perfönttdj
feljr nalje, benn es mar bie Sage vom fierjog @rnft,
bie er beljanbelte. ©eine SRebe ift ein Meines StabU
nettsftüd oon feiner ©agenanalpf e ; in ganj t)orjüg-
lidfjer SBeife Ijebt Uljlanb bie ©dfjid&ten l>tftorifd(jer 3ßor=
gänge ab, meldte, fd^tie§ttd^ nod(j t>on ber üppigen SBege*
tation pljantaftifdjer SBunbergefdfjid&ten überwarfen,
jene ©age gebilbet Ijaben. S3ie Svfy&xtx waren gewiß
neugierig genug, ju erwarten, was ber SRebner über
eine gewtffe moberne bramatifd&e SBe^anblung ber
©age äußern mürbe; es ifi ganj Uljlanbtfd), baß er
barüber fein SBort verloren $at.
Urlaub l>at fidEj na<$ biefem nodj mttyc unb nodfj
in engerem ©inne mit ber ©agengefdfjtdjjte ju t^un
167
gemacht. 6r grenjt fie auf einen bestimmten 3roeig
ber germanifdjen SSölfer unb auf ben eigentlichen
©öttermgtljuö ein. 3m Safyx 1836 erfdjien, als erfter
S3anb feiner „©agenf orfd&ungen" : „©er SWpttjuö von
£ljor nadjj norbifrfjen Duellen" ; ein SBudj, ba$ allein
Dottftänbig tyingereidfjt fyättt, ttjm eine bebeutenbe ©teile
unter unfern ©ermaniften ju fidlem, unb baö benn
mtdj in ber £ljat fidj einen fetyr guten Tanten
erworben tyat. @r befd&ränft fid) §ier, wie fd&on ber
£itel auöroeift, ganj auf bie altnorbifd&e ©age; bie
beutfd&en ©agenrefte t>om 2)onnergotte, bie tätwixty
nungen feines Äulteö bei alten ©d&riftfteHern finb tum
Dorn^erein auögefdjloffen. @§ ift leidet möglich, bafc
Urlaub baö, obxüoijl er eö in feiner Abneigung gegen
nriffenfdfjaftlidjje Sßolemtf nirgenbö fagt, int ©egenfafce
|u ©rimrnS beutfcfjer -äJtyttyologie getrau Ijat, roeldjje
ein $a§r juuor erfdfjienen war. ©rtmms aufcerorbent*
lid&e, faft beifpiettofe Äombinationsfraft tyatte, von
ber beutfdjjen SWpttyenroelt unb iljren oft faum erlernt-
baren 9teften auögeljenb, ein unoergleid&lidfjeö ©ebäube
<tuö überallher jufammengelefenen ©teinen aufgeführt,
baö immer ein ©egenftanb ber SBenmnberung bleiben
mirb, wenn man audfj nodfj fo triel gegen baöfelbe einju-
menben tyaben mag. SDte ©teine finb nifyt alle roetter-
fcefiänbig geroefen ; einige finb fetyr fd^nell ausgewittert.
S)ie (Sntbedf erfreube Ijatte ben genialen gorfdfjer mandjjed
allju rafdf) aufnehmen unb jufammenpaffen laffen, maß
nidijt herein gehörte. Urlaub mar in folgen fingen
trtel be^utfamer; eö gefiel tym ntd&t, bafc ©rimm
168
attegorifdjje Sßerfonififationen ber fpäteren Sfttter-
poefte, ttebertragungen aus römifdjjer 3Jtytl)ologie, tote
„2Bunfd&" ober „©albe", für bie altgermanifd&e 3JtytIjos
logie in änfprud) nehmen wollte; im 3al>r 1858, als
3appertö altyodfjbeutf d&es ©d&lummerßeb Mannt würbe,
war ©rimm von feiner (Sdjjtljeit überzeugt, ttljlanb
gleidfj von SInfang an nufctrauifdj bagegen. SBäljrenb
©rimm ju feiner beutfdjen SJtytljologie bie norbifd&e
immerwal>renb £erbeijiel>t unb bcibe oljne weitere*
als ibentifd), wenigftens in ber &auptfa<ije, anfielt,
Ijat tüjlanb ftd) auf bas ©ebiet ber norbifd&en ©age
befdfjränft unb uerfudjjt, twrerft einmal auf bicfem, baö
bie ausgebeutete unb jufammenljängenbfie 9Rt)tl>em
trabition Ijat, ju beftimmten SRefultaten ju fommen.
33on ben einfacheren unb in iljrer tlrbebeutung leidet
oerfiänbttdjen ©agenerjäljlungen wenbet er ftdj ju ben
t>erwi<felteren, beren Sebeutung oft nur nodj in ein
paar ©runbjflgen ju erfennen ift, walpenb wilbea
©eftrfipp freier poetifdjer ©rftnbung ober mifeoer-
oerftänblid^er ©eutung ftdj barüber Eingelegt Ijat.
S)iefe Stnalpfc ber einzelnen ©agen ifi in tyrer äta*
orbnung unb Slusffiljrung ganj meifter^aft; bie elemen=
tare ©runbbebeutung bes Donnergottes, weWje freiließ
auclj weit flarer ift als bie anberer ©Ortzeiten, ift
aufs einleud&tenbfte nadjgewiefen unb in üjren 58er-
jweigungen oerfolgt. 2Rit 9tedjt ift Uljlanbs Deutung
jener ■ftaturmtjttyen fo berühmt unb oorbilbftd) geworben.
6s feljlt aber ein anberes (Slement ber ©agenforfdjjung,
bas queHenfritifclje. Sffiie oertjalten fidfj bie SBerfe,
169
in bcncn eine ©age überliefert ifi, untereinanber —
äuJ3erKdj, nadjj Stbf affungöjett , biplomatifd&er lieber*
Ueferung, unb innerlidfj, nad) gegenteiliger abhängig-
feit ober ©elbftänbtgfeit ber einzelnen ©arfiellungen,
nadjj ©Ijarafter uub Senbenj ber einjelnen Serfaffer?
3)iefe fragen ftnb oon ungemeiner Sßidfjtigf eit ; um
nur an baö flaffifdje Seifpiel ju erinnern, SBaur §at
burdfj tyre Stellung unb Beantwortung ber Stritif ber
neutefiamentlidjen (Srja^Iungen einen ganj ntum unb
mett fefieren 33oben gegeben. 6r fragte: roie uer*
galten fi$ j. 33. bie brei ©pnoptifer ju einanber,
meldjjeö ift ber Stammbaum üjrer 2)arfieHungen, meldte
©runbanfdjauung tjat jeber oon iljnen, waö ift baljer
bei jebem als inbimbuett, maö atö überliefert anju*
fetjen? (So ift Kar, bafc baö notmenbige SSorfragen
für bie Äritif beö (Srjä^Iungöin^altö finb. ©traufc
Ijatte eben nur biefen %rif)alt ins 2Tuge gefaxt; unb
gerabe fo §at es ttljtanb auf feinem ©ebiete gemad&t.
9Ran fann nidfjt um^in, baö als einen SfRangel feiner
ttnterfudjjung ju bejei^nen; eö mar aber fafi ein not*
menbiger 3Kangel, benn foldfje DueHenfritif mar ju
jener $eit überhaupt nodfj nid)t genügenb in i^rer ganjen
2Bi<$ttgfeit erfannt. SDie ©d&rift über £§or $at fibri*
genö unter biefem SWangel faum erljebftdf) gelitten;
nadjj ben neueren tlnterfudjjungen finb gerabe bie
Sagen tum SCtyor am reinften fiberliefert, eine Ärittf
ber Duellen Ijatte alfo gerabe Ijier am menigfien an bem
SRefultate änbern fönnen, baö Urlaub au& einer fpnop-
tifdfjen 3ufammenfaffung ber Duellen gemonnen Ijatte.
170
Sfaberd t>erf)ält eö fid& mit bem 3Jtytl>uö t>on
Dbin. 2)iefer fottte bcn jweiten £eil ber „©agem
forf jungen" bilben; tttjlanb §at ftd& audjj gleidjj nadj
SBottenbung feines Xfyox baran gemalt. S)ie Slrbeit
blieb aber bann nrieber liegen, trietteidjjt burdf) bie in
ben SBorbergrunb tretenben SBolfölieberftubien jurfitf-
gebrängt. @rft in ben fünfziger Sauren fjat Urlaub
bie Stöl>anblung über Dbin ausgeführt; baß 3Äanu-
ffript ift in feinem -ftadjjlafc gefunben worben unb
madjjt ganj ben ©inbruef, im wef entließen brurffertig
geworben ju fein. 2lu<ij Ijier befdjjränft fid& ttljlanb
tiollfiänbig auf bie norbif dfje ©age ; unb l>ier tjat bief e
SBefd&ränfcmg i§re ©djjattenfette. ©ie ift mettyobologifdj
burdjjaud ju loben, aber ber SWpt^uö fonnte in biefer
SBefdfjränfung nxtyt erfdfjöpft werben. 3n ber norbifdfjen
©age ift Dbin in ben 3Kittelpunft beö ©ötterfpfiemö
geftellt, fein ganjes SBefen in baö ©eiftige gefefct.
S)ie allgemeine 9teligionögefcf)t(Ijte unb bie beutfd&en
©agen jeigen fofort, baß baö in feiner SBeife baö
ttrfprfinglidfje fein fann. 3n ber beutfd&en ©age ifl
SBoban, ober melier -Kante fonft für ü>n fubftituiert
fein mag, weit reiner in feiner edfjten -Jtaturbebeutung
erhalten als in ber norbifdfjen. S)iefer lefeteren folgenb
[teilt Urlaub Dbin burdfjaus nur als geiftiged SBefen
bar; wieberum ift bie Slnafyfe biefes geiftigen SBefen«
in ben uerfdjjiebenen SBeräfielungen feiner Sljätigfeit
t>ortrefflid(j gegeben. 2lber man tyätte wenigfiens
in einer Einleitung ober in einem ©d&lufcabfdfjnitt
eine StarfieHung bat>on erwartet, wie fidjj baöfelbe
171
<mis bcr -ftaturaorftettung tjerauö entmidfelt Ijabe.
teuere $orfdf)ung Ijat gejeigt, bafc Dbin nur auf fünft*
ßdfje SBeifc jum 3Kitielpunft bcr norbifdjen 2Jtyt§ologte
tjemadjjt morben tft, bafc bcr eigentliche -ftationalgott
ber -Rormeger trielmetyr Styor war unb bafc Dbin auö
ben bänifd&en unb beutfd&en Sanbern, mo er mit tne^r
als im Sorben uereljrt war, erft fpäter als fiauptgott
in ben SRorben aorgebrungen ift, gemiff ermaßen als
Stepräf entant einer leeren ßultur, wie er benn im
fiarbarböliebe ausbrfidfttdfj als ©ott ber SBornetymen
iem SBauemgotte %%ox gegenübergestellt ift. Urlaub
§at übrigens einen feljr bebeutenben Stritt ju
biefer ©rfenntniö getrau ; ein gut SCeit ber SRefultate,
metöje in Sßeterfens epodfjemadfjenber ©dfjrift über
ben norbifdjen ©ötterbienft gewonnen finb, ftnbet fidfj
fdjjon bei i^m, menigftens angebeutet. 6r tyat fdjon
ganj beutlidjj auögefprodfjen, bafc ber ßultuö Dbins
namentlich aus S)änemarf unb bem kontinent, ber
gregö aus ©dfjmeben flammte, momtt, als britter im
33unbe, Xfyox ate ber norroegtfdfje ©ott gegeben mar.
33is in iljre Äonfequenjen tjat er biefe ttnterfdfjei*
bung leiber nidjjt verfolgt; baß ©gftem ber ebbifdjen
•Dhjtfjen von Dbin, baö bodfj feineöfaHö urfprüngiidjj
ift, aufjulöfen, §at er nid&t t>erfudjjt. fiter madf)t ftdij
eben ber SfRangel einer Äritif ber Duetten geltenb;
eine fold&e mar nid^t ju umgeben, menn ber 3W9-
ttyuÄ nad& allen ©eiten erfd&öpfenb betjanbelt merben
fottte. Slber ein bebeutenber ftortfdfjritt über bie
SJeljanblungdroeife bes ^ortnpt^uö hinaus ift e«
172
jebenfaHa, bafe etynograp^ifdjje unb gefd&id&tltd&e 33er*
Ijältniffe in bie ttnterfudjmng Ijereingejogen finb;
unb jtoar ifi bicfer fjortfd^ritt gefdjjetjen in berfelben
Stiftung, in roeld&er bie fpäteren, bas ©gfiem ber
ebbtfd&en ©ötterleljre erfdfjfitternben ttnterfudjjungen ge*
gangen finb.
®ie leite Sbfaffung ber ©dfjrift ü&er Dbin f&ttt
etwa jwanjig %af)xt fpäter als bie Slbljanblung über
£J)or. 3« bie 3 TO if^ en J^t fällt eine anbere SKrbeit,
bie man im l>öd)fien ©inn als Urlaub« Sebendarbeit
bejeidjjnen fann: bie Solfölieberf ammlung unb roafc
baju gehört.
Urlaub tyat fd&on fef>r frülj an eine ©ammlung
beutfdjjer SBolfelieber gebaut. 33on weniger befttmmten
Richten unb Sbeen foldjer 3lrt abgefe^en, fprid&t er
rootyl jum erftenmal im Satjr 1828 in einem 33rief
an Safeberg biefen ©ebanfen etwa« befttmmter aus.
33on ba an Ijat er il>n nidfjt me^r losgelaffen. Sil« er
burd) baö aufgeben feiner Sßrofeffur bie uotte SWufee
für foldjje langfam fortfd&reitenbe ©tubien gewonnen
Ijatte, liefe er, von 1835 an, fein Saljr oergeljen, in
meinem er nidfjt einmal ober meljr ftdjj auf Steifen
begeben Ijätte, um ben auf ben SBibliot^efen weit unb
breit jerjireuten fliegenben Slättern unb ©ammel-
bänben an Ort unb ©teile nadfoufpüren. -Radf) einem
3af)rjef)nt etwa fd&lofe Xttjlanb ab unb liefe bie Sejte
ber oon U)tn gefammelten SSolfelieber 1844 unb 1845
in einem flarfen, t>omel>m ausgefiatteten Sanb er*
fd&einen. S)ie ©ammlung umfafet im ganzen 368
173
Utummern, in fünf SJfidjern unb einem -Jtodjtrag, rooju
am Sdjlufc noä) ba$ bibIiograp^ifd)e öueHen&erjetdjniö
fommt. S)ie SJejte finb geköpft aus älteren Xtrftmben,
aus ^anbfd^rlften unb au« S)ru<f en bis ins fiebje^nte
3aljr§unbert §erab ; nur auönä^msroeif e ift bie münb*
Ud&e tteberlieferung ^injugejogen roorben. 2)aburdj
unterfdjetbet ftdj biefe Sammlung, beren ©runbtenbenj
eine tjifiorifdje ifi, feljr roefentlid) von ben meiften
anbern SBolfalieberfammlungen. @ö ifi aber über-
haupt bie bebeutenbfte, nadj i^rem jeitlidjen unb ort-
lidjen Umfang größte SBolfelteberfammlung in SDeutfd)*
lanb ; fie ifi SBorbilb unb Slneif erung für eine Sßenge
anberer Sammlungen geworben, roeldje im einjelnen
ber ftotftyunQ mannen gortfdjritt gebraut Ijaben, von
melden aber an allgemeiner SBebeutung itjr feine gletdj*
flefommen ift. 9hir baö altbeutfdje Steberbudj t)on
SBöljme lägt ftdj bamit gleidjftetten , unb von folgen
Sammlungen, bie nur eine beftimmte ©attung ber
SSoltelieber umfaffen, ift bie ber Ijtftortfdjen SBoltelieber
t)on Siliencron mit gleitet Sfaajeidjnung ju nennen.
SDa§ Sßerf 33öljme$ fü^rt allerbingö auf einen $unft,
ben Urlaub in feiner Sammlung ganj beifeite ge-
laffen $at, auf bie Sßelobien ber SBolfelieber. SKadj
unfern jefcigen Segriffen gehört bie 3Mobie ju fol<$er
t>olfemäfciger Sßoefic alfi ganj roefenilidjer Seflanbteil;
fie ift Ijter ein triel roefentlidjerer afe in ber ftunft-
poefie, namentUdj ber mobernen, ba bie SBolf «lieber
auf bekannte 2Mobten gebietet mürben, bie gorm
bes £e£ie* alfo burdj bie 2Mobte im aoraufi befttmmt
174
war. @s ifi jebod^ ju berüd fxd^ttgen , bafc UJ)lani>
jwar ein greunb, aber fein fadjmanmfdjer Stenner ber
SWufif war; unb ber SWangel ber SRelobien ifi tt>o^t
ber einjtge, ben man ber ©efamtanlage feines Sßerfea
nadfjfagen fann.
SDie SBolfsltebertejte waren als erfier 83anb be~
jeidjnet; jwei weitere follten eine Slbljanblung übet
bas beutfdfje SBolfslieb unb fritifdfje, erläuternbe 9fa*
merfungen ju ben berfelben bebürftigen Siebern tnt*
galten. S)tefe SJänbe ftnb erji aus Xt^lanbs SRad&lafr
herausgegeben worben. S)ie Slb^anblung iji, na<§
einem ©djema ju fd&liefcen, bas fidj oorgefunben $a\ t
auf adjt Stöfdjnitte angelegt gewefen, von weld&en ft<£
nur bie t>ier erfien, „©ommer unb Sßinter", „gfabel-
Heber", „Sßetfc unb SßunfdfjUeber", „Sitbeslieber"
gefunben Ijaben, biefe aber innerlidj unb äufcerlidj
t>oHenbet. ©ie nehmen für fidfj attein fd&on einen
fiarfen 33anb ein; bie S)arfiettung iji feljr eingeljenk
unb burd) jaljlreid&e Slnmerfungen belegt, wetöje von
einer ganj aufcerorbentlid&en SBelefentyeit, einem um>er*
broffenen gleite $eugnis geben. 3** Mcfen ben £e#
ber 3lbl>anblung begleitenben Slnmerfungen fommen
bann aber; wieberum einen etwas fdfjwädfjeren 33anb
ffittenb, bie Slnmerfungen ju ben einzelnen ©ebtdjjten
unb. jwar ju bem weitaus größeren £eile berfelben;
biefe Slnmerfungen erfked en ftdj burdf) bie ganje Sieber*
fammlung tjinburdf) unb fd&einen fomit twllenbet ju
fein. 2fn beiberlei Slnmerfungen §at Urlaub bas ganje
©ebiet ber SBolfslieber ausgebeutet, nidfjt bloß ber
175
beutfdjjen, cmdj nidjjt bloß bcr germanifdfjen überhaupt;
befonbers ausgiebig ftnb bie ffanbinat>ifd(jen geroefen.
S)tc 2)arfteHung ber Slb^anblung felbfi ift btefelbe mie
in bem SBerf über bcn 3Rinnefang, nur baß bei einem
SBucf) über bas SSoIfelieb bie befonbern Slbfd&nitte über
bie einjetnen 2)td(jter natürlich wegfallen. @§ ift aber*
mals ganj innere ©efdjjidfjte ber Sßoefie, S)arfteHung
tyrer Hauptmotive unb ©runbarten. 3Kan wirb ntdfjte
bagegen einmenben fönnen, wenn ber Herausgeber ber
äbljanblung fie ju bem reifften unb oorjügüdjjien unter
Urlaubs SBerfen rennet, ©anj entjfidenb ift, nrie
fdfjon in früheren arbeiten, bodjj t>ieffeid^t §ier nod) in
leerem ©rabe, bie 2lrt, toie ber 2)id(jter — man barf
üjm biefen -Kamen vootyl geben — bie Sßoefte audjj in
ber ^ülle beö bloßen SBoKsbraudjd, felbfi unter einer
S)ede unbeholfener Sluöbrudfemeife fofort IjerauSju*
flnben meifc. 2ludfj bie funfiuotte unb bodfj ganj natür-
Ivfy eines aus bem anbem entnridelnbe S)arfte!Iung ift
ber ^öd^ften SBemunberung wert. Sttefe Slrbeit mar
es in ber Xfyat mert, baß er ja^rje^ntelang feine
befte Äraft an fie gerfidft Ijat. 6s gibt feine i§r
vergleichbare ©dfjrtft über bas beutfdjje SBoHöKcb ; idfj
müßte nur Strefs Einleitung in bie flamfdfje Sitteratur*
gefdjjidjjte bamit ju vergleichen.
SDie ©agenforfdjjung Ijat Urlaub über biefem
größeren Sßlane nidfjt liegen laffen, er ift tnelme^r mit
ber alten Siebe ju i§r jurüdfgefe^rt. ©in Sieblings*
plan feiner fpäteren Saljre, ben er im 3a^r 1848 tum
erftenmal ermähnt, mar eine ©agenfunbe ©djjmabens.
176
®s ift fd&abe, bafc er fic nidfjt ausgeführt l>at; benn
was wir ftatt beffen aus anbern &änben erhalten
tjaben, finb 9Katerialfammlungen, bie bei allem 2Bert
im einzelnen ein feiges jufammentyängenbes 2Berf nidfjt
erfefcen fönnen. 6in Seit jebodfj von Urlaubs 2Berf,
etwa bie &älfte bes ©anjen, t>om Saljr 1850 an ge*
trieben, ift wrtyanben, freiließ mdfjt in ganj bruefc
fertigem ßuftanbe. @s ift wenigstens für bie a&
gemeine ©efdfjtdjjte unb 9Jtytljologie wo§l ber mistigere
Seil; er tyanbelt tum ber SBorgefdjjidjjte, ber ttrfage
unb Sßanberungsfage ber ©ueben unb bridjt in ber
Sefpredfjung tljrer ©ötterfage ab. S)ie S)arfteHung
t>errät aufcerorbentlid&e Xtmftdfjt unb eine bei Urlaub
fonft niä)t häufige ©abe, in fügten Kombinationen
fd&ewbar gcrnlicgcnbcs ju t>erfnüpfen. S)ie norbifdfje
©age ifi in fetjr ausgiebiger Sffieife Ijerbeigejogen. 3)as
SBerf nimmt fo eine etwas ifolierte Stellung unter
Urlaubs 2lb^anblungen ein. SRandjjes bürfte t>or einer
abermaligen Unterfudjung wo§l fdjjwer ftanb^alten,
leiber finb bie fragen, bie §ier auftauten, feiger
faum wieber grünbltdfj befprodjen worben. -Kur bas
©tamnu>erljältms jwifdfjen ©dfjwaben unb SUemannen
tyat buref) SBaumann eine grünblid&e ©rörterung er*
fahren, unb U^lanbs Slnfid^ten muffen banadfj in
biefem fünfte mobiftjiert werben; feine 9Mnung von
einer urfprünglidfjen SBerfdjjiebentyett ber fdfjwäbtfd&en
unb alemannifd^en ©prad&e, obwohl fie ba unb bort
nodf) fpuft, ift meines ©radjjtens fdfjon juoor Ijinfättig
gewefen. 3lber bas Söerf ifi bafür eines von ben
177
geiftreidftften, bic Urlaub gefdjrteben tyat, es gibt affent*
falben ju benfen unb fy&ttt fdjon längft einen tbm*
bärtigen SRad^foIgcr jur eingetyenben Prüfung unb
SBeiterbilbung feiner SRefultate unb Probleme reijen
f ollen ; wäre nidjtö baoon gef ^rieben als ber 2lbf d^nitt
über ben SRamen ber ©djjroaben, fo wäre fdjjon biefer
intereffant genug geroefen, um ber gelehrten 2Belt t>or*
<jelegt'ju werben.
U^lanb Ijatte eine äußere 33eranlaffung, mit feinen
©agenftubien aud) weiterhin f ortjuf atjren. g^ran j Pfeiffer,
mit bem er fdjon lange in freunbfdjaftlidjjem 33erfeljr
ftanb, grünbete im 3a^r 1856 feine „©ermania",
meldte in ben erften Sauren, folange Pfeiffer no<$
in ©tuttgart lebte, bafelbfi erfdfjien. ©dfjon ber ®r-
fd&einungöort mar für fdfjroäbtfdjje gorfdjjer e * ne 2faf 5
forberung jur £eilnaljme an bem Unternehmen, ttfc
lanb mar oon Anfang an fetyr marm für basfelbe,
unb ber erfte 2luffafc, ben bie 3 e ttf$rift braute, mar
oon i§m. ©eine ^Beiträge, fed&ö an ber gaty, gehören
fämtlidjj bem ©ebiete ber germanifdjen ©age an, jroei
baoon, „©igemunb unb ©igeferb" unb „3)er SRofen-
garten oon SBorms" ber affgemein beutfdjjen, bie an*
bern oier: „2)ie Sßfaljgrafen t>on Tübingen", ,,3)ietrid()
tum Sern", „33obman", „2)ie Soten t>on Suftnau",
ber fdfjmäbifdfjen. 2ln bie lefeteren fdjjliefct fidj) bann
nodfj eine Sftetye ffirjerer, jum Seil nur fftjjenljafter
Slufjeidjjmmgen jumeift über fdfjroäbifd&e ©agen an f
von benen man annehmen fann, bafc fie Vorarbeiten
für baö größere SBerf über fd&mäbifdfje ©agenfunbe
$H*er, Subtoiß U&tanb. 12
178
finb, menn nid&t einzelne für befonbere SBeröffent*
ttdfjung beftimmt waren. 3n bicfcn SKuffäfeen ift eä
Urlaub ftd&tßdf) tt>ol)l; es ifl bie Sage feines eigenen
SBoHsftammes, bie er ba ju be^anbeln unternimmt;
er §at bie genauefie Kenntnis ber Derttidjfeiten unb
ber Ueberttef erung ; l)ier Übt iljm alles unb mögt mie
ein 2öalb um tyn §er; mit ftdjttidjem Seijagen, in
gemädjlidfjer 33reite erjagt er, f Gilbert er, anafyftert
er bas ©efdfjilberte. ^ür ben großen 3uftttnmen^ang
ber SBtffenfdjaft fjat er ba mdf)t gearbeitet — obfdjon
jeber Sauftein im einzelnen bem großen ©efamtbau-
merf ju gute fommen mu% — , aber im Keinen Ijat er
prädfjtig ausgeführte 3)arftellungen gegeben, in bie t>or
allem ber Drtsftmbtge fidjj mit ©enufc unb nid)t oljne
gru^t vertiefen fanm
S)iefe lefete ?J3^afc oon Urlaubs gelehrtem ©Raffen
— fie enbet erji mit feiner tefeten, töbtidjen ßranf-
§eit — gemannt mid^ fe^r an bie lefcten ©rfdfjeinungen
feiner erjä^lenben 2)td(jtung. 2lu<^ in biefen oerfenft
er fidfj in bie Statur unb @ef djidjte feiner f d&mäbif djen
&etmat; bas Sneinanber von ©rjä^tung unb Statur-
empftnbung tji §ier mie bort basfelbe. Man fann
überhaupt t>erfud()t fein, Urlaubs 3)tdfjtung unb $or-
fd&ung als nalj oermanbt ju bejeidfjnen. Rängen fte
bodfj in tljrer ©enefts eng miteinanber jufammen unb
fielen in ber lebenbigften 2Bed&felmtrfung untereinanber.
©ie Stoffe feiner erjä^Ienben SHdjjtung ftnb, mit
geringen ausnahmen, berfelben 3lrt mie in feinen
gelehrten arbeiten; aufcer ber iQimoenbung iura WtttU
179
alter ift beiben Seilen feiner ©dfjriftftetteret bie 33or~
liebe für bie einfachen Äutturformen gemeinfam, in
roeldjen baö eigentlich Sßoettfd&e am unmittelbarften
unb elementarfien §en>orbrid()t. 33eibe SKale audfj bie-
felbe Äunfi ber S)arftettung, mdjjt prunfl&aft r§etorifdf>
ober geifireid^ fdfjitternb, fonbem rutjig, fadjltcij, em>är-
menb unb erleudjtenb. ©dfjliefclidj finb es bo<$ bie
©runbjfige feines menfdjltd&en ©tyarafterö, roeldje ba
ium Sorfd^ein fommen, tüeldje bei feiner feiner 33er*
ftettung unb ©dfjminfe fähigen -ftatur überall Mar ju
Sage liegen: ein treuer, Ijtngebenber ©inn unb ein
ber füllen ©dfjöntyeit gegenftänbltdjer Sßoefie jugetöem
beteö ©emüt.
ö.
m iQerbft besfelben 3alpe3, in meinem U$lanb
in Stuttgart gemefen mar, um §um lefctenmal
feinen pottttf<$en $fft<$ten gu genügen, muffte er fi$
abermals borten begeben, trat einen feiner engfber-
bunbenen gfreunbe }u ®rab }u geleiten. ®uflat> ©cljmab
mar am 4. 9tot>ember 1850 gan§ plofclidj), fd&einbar
au& twtter ©efunbljeit heraus, gefiorben. 3tte trüben
ffinfjiger 3a^re wollten überhaupt nur memg ©rfreu-
lidjeö bringen. 2fm 3<rfj* 1855 jiarb audf) ber alte
gfteunb unb ©enoffe ber germanifttfdjjen gorfd&ungen,
Sofeptj t>on Safcberg, ffinfunbad&tjig 3a$re ölt; er mar
biß in feine lefcten 3a£re ein Silb frifdfj grünenben
Älter« geblieben. S)er politifd&e &orijont mar fd&roer
bemölft ; umfonfi war ber ganje 2tuffdfjmung ber mer-
jiger 3^re gemefen. 3Wandjer greunb Utjlanbs, ber,
oljne trietteidjjt in feinen aWeinungen trtel rabifaler
ju fein, tynen einen fifirmifdfjeren SKuöbrud gegeben
$atte, lebte im 2lu$lanbe als ^lüdfjtling, ein paar
181
waren fogar fianbredjjtlidfj erfdfjoffen worben. ©etvtfc,
bic politifdjje ©timmung, bic tvtr in einigen ©ebidfjten
jtvanjig Sa^re früher gefunben tyaben, rnufjte audfj
jefct nodfj, nur verfd&ärft, in Urlaubs ©emfit tyerrfd&en.
©ein SBerljalten in einer Angelegenheit, bie viel von
ftdlj reben gemalt Ijat, erflärt fidfj i\xm SCett aus biefer
©timmung.
2)as Äapttel bes preufctfdfjen Drbens pour le
m&ite fd&lug Urlaub int 3a$r 1853 junt SRitglieb
vor. 2)as ©erfidfjt bavon fyattt fidf) fdjjnett bis naä)
Tübingen verbreitet. 2llsbalb fd&rieb Urlaub an 2He*
janber von &umbolbt, ben Äanjler bes Drbens, unb
bat, von feiner Ernennung abjufe^en: er würbe „mit
litterartfdjjen unb politifdfjen ©runbfftfeen, bie er nidfjt
jur ©dfjau trage, aber audfj niemals verleugnet tyabe,
in unlösbaren SBtberfprudfj geraten, wenn er in bie
iljtn jugebadfjte, jugletdjj mit einer ©tanbesertyöljung
verbunbene (Styrenfiette eintreten wollte"; es fiünbe
ü)m fdjjledjjt an, „mit (Sljrenjeidfjen gefdfjmüdft ju fein,
wätyrenb foldje, mit benen er in vielem unb mistigem
jufammengegangen, weil fte in ber lefeten $errüttung
wetterfd&ritien, bem SSerlufte ber &eimat, gretyeit unb
bürgerten ©&re, felbft bem Sobesurteil verfallen
feien", öu^t^olbt , beffen ®inlabung jur Annahme
ftdfj mit biefem SBrief gefreujt fyattt, warfel>r beftürjt:
in feinem vierunbad&tjigjäljrigen ütbtn, fo fdfjrieb er
fofort an Urlaub, fei i^m wo§l nie etwas metyr Un-
erwartetes vorgefommen ; ber Drben fei eigentlich mefir
eine 2lrt von Sttabemie, er fei o§ne jebe polittfd&e
182
SUufftdjt gefiiftet morben unb man Ijabe bie Sluö*
roaljl ber SRitglieber tum jeljer fo getroffen, baf* bie
Unabljangigfeit t>on allen politifd&en ober religiöfen
©ejtd&töpunften Ijabe inö äuge fpringen muffen, felbft
feljr ausgefprodjjene SRepublifaner feien unter ben 3RÜ-
gliebem be$ Äapitelö; Utylanb möge üjn burdjj 33e=
Darren auf feiner Steigerung nid^t einer peinlichen
SBerlegenljeit ausfegen, iljn, ber felbfl aus feinen libe=
ralen ©runbfafcen niemals ein i&eljl gemalt Ijabe.
©er (jödfrfi liebenömfirbige Srief mar t>ergeblt<^ ; U^
lanb beeilte ft<ij, ju ermibern, bafc eö üjm ganj un-
möglich fei, feinen ©ntfdjjlufj ju anbern: „Stief empfinbe
id[j," fdjrieb er, „bafc es minber ferner ift, ber Um
gunft unb bem Unrecht bie ©ttrne ju bieten, als einer
großen unb unerwarteten Segünftigung ftdj) nifyt ent-
gegenfommenb ju erjeigen." ©anj ju ber namlid&en
3eit foHie Urlaub jum Sftitter beö neugefiifteten
bagerifdjen Drbenö für SBtjfenfd&aft unb Äunfl er-
nannt merben; audjj biefe 3tuöjeid^nung mieö er mit
berfelben Segrünbung jurüdf.
©iefeö SBer&alten Ijat bie Derfd&iebenfte 35eur-
teilung erfahren. 3n -ftorbbeutfdfjlanb Ijat man e$
melfadfj als Abneigung gegen Sßreufjen ausgelegt, roie
fie in ©fibbeutfd&lanb gerabe ju jener 3eit in fe^r
§o§em aWafee wrljanben mar ; unb eö §at no$ jüngft
ft<ij eine Stimme in biefem ©inn pren laffen. Äein
3meifel, bafc Urlaub audjj an jener Slbneigung teil*
na^m ; aber er (>at ja bodjj audjj ben baperifdjjen Drben
jurüdfgemiefen. SBarum fott er nidjjt bie SBa^eit
183
gejagt &aben, wenn er fdjjrieb, er möge nid^t als einer
erfreuten, ber angefidfjts ber -Kot unb Verfolgung
feiner polittfdjjen greunbe ftdjj mit ©Ijrenjeidfjen ab-
fpeifen taffe? Veibe Drben Ratten f einerlei politifdfje
Vebeutung ; aber fie famen aus ben igänben beutfdjer
dürften, ber baperifdfje bireft, ber preußifd&e wenigstens
burdfj bie Veftfttigung bes Äömgs. 2lus gürften^anb
wollte Urlaub einmal fein ©efd&enf annehmen; am
wenigften ju einer 3eit, ba er ben ©ebern mißtraute,
ba er ju ber SReinung ©runb ju l)aben glaubte, man
wolle burdj bie Slusjetdfjnung eines SRannes t)on feiner
politifd&en Stellung fidfj bas 2lnfel)en bes Stberattsmus
geben. ©r §ätte aber wa^rfdfjeinlidf) in früherer Seit
ebenfo geljanbelt. SBenn er in etwas ein Sftepublifaner
ber ©runbgefinnung nadj war, fo mar er es {ebenfalls
barin, baß er t>on oben feine ©abe ^aben wollte,
burdj bie er feine twlligfte Unabljängigf eit Ijätte gefä^rbet
glauben fönnen. 35er Äöntg t>on 33apern äußerte auf
bie -KadSJridSJt t>on ber Slbleljnung: „<£o Ijaben wir
bodfj gejetgt, baß biesmal bas Vorurteil nic^t auf
unferer ©ette war." ©s war jebenfaUs ein e^rlid^es
Vorurteil, es war feine Äofetterie babei; wer ben
9Wann fannte, würbe waljrfdfjeinlidfj fd&on im voraus
gefagt Ijaben, baß er nidjt anbers ju ^anbeln im=
ftanbe fein werbe. Unb ift nid&t biefer fd&roffe ©tolj
unenbtidf) beffer als bas unenblid^ triel häufigere ©egen-
teil bat>on?
@s fehlte Urlaub nidjjt an anbern ©Ijren, beren
SKnna^me fein politifd&es ©ewiffen nid&t belaften fonnte.
184
@r gehörte nun ju bcn gcfeicrtften ©röfjen SDeutfdj^
lanbö. 2Ber ftdfj feinen polittfdjjen ©runbfäfeen t>er=
fd&lofj, ber fonnte mdjjt umljin, bem ©idjjter bie Jjödjjfle
SBereljrung barjubringen. 3)ie Ijäfjlid&en ©taubmolfen A
roetöje bie t>on beiben ©eiten mit nidfjt attju eblen
SBaffen geführten Äämpfe um ba$ junge 3)eutfd(jlanb
emporgemtrbelt Ratten, waren Idngft oerfd&rounben ;
audfj bie ungeftüme politifdjje ©idfjtung ber oierjiger
Salpe, in ber neben wahren ©d&önfjeiten fo mel
Äafcengolb ftaf, war l)inmeggemel)t. ©er freche ©pötter,
ber einft über Urlaub* SRitterromantif in feiner geifc
reid^=Iiebertic^en 2Beife geroi^elt fyattt, lag ju Sßarte
in einer jahrelang mäljrenben Sluflöfung, felbfi
gefdSJmä^t unb oerlaffen, faft meljr, als er'ö aerbieni
$atte. 3Ber mar no<$, ber ftdfj mit Urlaub als Sgrtfer
Ijätte meffen fönnen — menn man, ma$ bodfj billig
ju, forbem ift, ben ganzen Umfang ber ßeijiung über-
flaute? 6r mar unb blieb ber allgemein tiereljrte
SReftor bes ©idjjterorbenö. ©eine ©ebidjjte erlebten
eine Stuflage nadfc ber anbern ; aud|j in frembe ©prägen
mürben fic fiberfefet. SBiele von iijnen trug audfc bie
Äunft ber 3Rufif in bie meiteften Äreife. SRidjjt blofc
bie beiben t>om guten Äameraben unb t>on ber SBirtin
£öd|jterletn, meldte t>oIIjiänbig ju SBolföliebern geworben
finb, bie er auf ber 33rficfe t>or feinem genfter unb
auf feinen SBanberungen mo$l taufenbmal erflingen
Ijören fonnte: no<$ einer bebeutenben 3 a W anberer
f)at bie SEonfunfit fid£) bemädjjttgt. 6$ märe unrecht,
l)ier nid&t einen Atomen flott atter ju nennen, ber
185
mit Urlaub ebenfo unjertrennUd!) t>erbunben ift, roie
SSBebcr mit £!jeobor Äöroer: ben -Kamen Äonrabüt
Äreufeer, ber, wie ttfjtanb felbft im Keinen am größten,
mand^eö Sieb beö 9Mfter8 burdf) feine Äunft weiter
verbreitet fjat. 3 ume *ft ift & btt am tiefften unb
breiteften in baö SBolf hinein roirlenbe Sftännergefang,
ber ben Präger bafür abgegeben I>at; aber audj'bie
jarteften Ätänge, bie ber fjerjberoegenbften unter ben
Äfinften ju ©ebot fielen, Ijaben in gemifd&ten Stören
ober im ©otogefgng fidfj um mandfjeö jartere ßiei>
gefd&lungen, unb bie größten -Kamen atö ber 9Rufif-
gefdfjidjjte unferea Sa^unbertÄ finb unter ben Rom*
poniften Urlaubs ju nennen.
$>er einfädle 9Rann ijatte feine gfreube an biefer
3lrt von (S&re unb Popularität. SBenn er feinen
Drbenöftern auf feiner 83ruft feljen wollte, fo freute
eö üjn, baß ein ftatttidjjer Äauf fairer feinen -Kamen
burd^ bie -Dteere tragen fottte. Deffentltdfje igulbigungen
aber waren üjm immer peinlidfj. 33ei ber -Kaiur*
forfdfjeroerfammlung ju Tübingen im Sa^r 1853 mürbe
audfj auf tyn ein &o<$ auögebradjjt ; er lehnte es ab,
ba fein -Harne nidfjt bafjer gehöre, unb lachte ijerjltdf»
baju, als ein eifriger SBerelper, ber tyn nidjjt von
©efid&t fannte, entrüftet rief: „SBerft ben fterl hinaus."
(Sine minber mittfommene ßugabe J u feinem 2)i<i)ter~
rul>m waren bie jafjllofen gufenbungen poetifdfjer 58er*
fuc&e, bie er fid& gefallen laffen mußte. DI)ne jemate
welj ju tijun, $at er mit Freimut feine SReinung
geäußert, jum 3uwarten geraten; nur wo bie grage
186
an tljn gerietet würbe, ob ber ©<$reiber md(jt bic
Sßoefte als Sebensberuf ergreifen fottte, ba l)at er mit
twttfier @ntfdjiebenf)eit abgeraten unb ftd& bamit gewifi
um mannen ein SBerbienft erworben.
U&lanb §atte bas ©lüdf, bis in« 3Hter frifö unb
ungebrochen ju bleiben. @r war förperlidj nie fdjjön
gewefen ; jum (Srfiaunen aller gfremben Jjatte er ntd&ts
Smponierenbes , md&ts ben Sttdjter, ben 3Wann non
©eift SBerratenbes in feinem äfageftdjjt, unb es ift Ujm
öfters pafftert, tnelmeljr für einen $anbwerfsmann,
etwa einen U^rmadjjer, angefeljen ju werben; nur
ber ©lanj feines frönen blauen 2luges madjjte einen
tieferen ©inbrud. Äörperlidfj abgehärtet unb geübt,
gehörte er ju ben jäljen Staturen von guter, berber
©ubflanj, wetdfje feine Sßeriobe üppigen, jirofcenben
äHüljens ^aben, aber bafür audf) nid&t alt werben.
33ts in feine legten 3a^re blieb er ber alten ©itte
bes Reifens getreu; modfjten iljn befonbere SSeran-
laffungen baju treiben, wie 1856 bic $pijilotogem>er-
fammlung ju Stuttgart unb 1859 bas große ©Ritter-
feft bafelbft, bei welkem er — es ift woijl feine lefcte
öffentliche Siebe gewefen — einen feurigen SErinffprudjj
ausbrachte ; ober mod&ie er ber alten Suft freier 2Ban-
berung ^ulbigen. 2ln ben 33obenfee unb in bie ©djjwetj
fjat ifyn nodjj in feinen legten S^^ren mand&e Steife
geführt, bie legte im fierbft 1861, auf ber er bas
©rab bes teuren ßafcberg auffud&te. SDie gufcwan*
berung in näherem Umfreis blieb tfjm immerwäfjrenb
SSebürfniS; au<$ ber ©ebraudf) bes gtufc unb ©ee-
187
babes, eine Hebung, weld&e bie tneifien ftdf) feljr balb
abgewöhnen, war tym bis ju [einem legten 3a^re
ein ©enuß, von bem er auc§ burdfj wibrigeö SQBctter
fid& nid^t abgalten ließ.
2)er alte ©oetlje ijat ben Sluöbrudf geliebt: alt
werben Ijeiße eigentlich nidfjtö anbereö als Diele erleben
unb t)iele überleben. 2ludjj lüjlanb mußte einen um ben
anbem von feinen greunben t>or fidfj inö ©rab fteigen
fel>en; überlebt ijat ü>n von feinen intimeren greunben
nur Äarl -Kaper. 3m 3uni 1861 ftarb fein polt*
tifdfjer ©efinmmgsgenoffe SItbert ©dfjoit, ber einft mit
i^m neben bem Sßraftbenten beö Sftumpfparlamentefi
gef djjritten war ; gegen @nbe be$ Sa^reö fein ©dfjwager,
ber Staatsrat Sftofer, mit bem üjn trofc feljr uetfe^ie-
bener 2lnfdf)auungen eine warme greunbfdjjaft t>er-
bunben ^atte. 2lm 23. gebruar 1862 erlag Suftinuö
Äemer einer ©rippe; Uljlanb reifte ber Sa^reöjeit
jum SErofe ju feiner Seftattung na<$ bem entlegenen
SBeinöberg unb gab wenige £age barauf einem alten
ftreunbe, bem Sßrofefior SBaur in Tübingen, baö ©eleite.
Äurj barauf füllte er fidjj unwohl ; ber Strjt fanb eine
Stippenfettentjünbung. -ftadfj einigen SBodjen befferte
fidjj bas SBeftnben beß Äranfen wieber etwas, fo baß
er außer S3ett fein, fogar in feinen ©arten geljen
fonnte; gef unb ift er nidjt mel)r geworben; mit leib-
lidfjeu £agen wedfjfelten fd&laflofe SRädSJte unb bie
Gräfte blieben fd&wadS).
Unterbeffen fam Urlaubs ffinfunbfiebjigfter ©e-
burtÄtag Ijeran. ©r würbe in ganj ©eutfdfjlanb mit
188
Äcbcn unb ©ebidjten feftlidjj begangen. Uijlanb felbft
muffte fid^ auf eine fülle geier mit ben ©einigen be*
fdfjränfen. SBon ben jaltfreid&en Sufenbungen, bie er
an jenem 26. 2tpril erhielt, unb für bie er ft$ nur
in einem allgemeinen SDanffdfjreiben erfenntlidf) be-
zeigen fonnte, fjat i^n mo&l eine aus Dberfd&maben
am meiften erfreut; eö mar ein ©otbftüd, baö üp
ein burdj feinen „SßaHer" tief ©rgriffener fdfjidfte mit
ben Sffiorten: „£rinfen ©ie bafür eine gtafdfje be&
atterbeften 2Bein$, ber $$v &erj mit &immetemonne
laben möge!"
©ine Operation an ber SBruji, meldte nadj einiger
Sefferung bes allgemeinen SBefinbenö vorgenommen
mürbe, ging feljr gut unb o^ne nachteilige folgen oon
flattert ; ed fdjjien oöllige SBefferung ju erwarten, unb
fobalb eine Steife möglid(j erfd&ien, mürbe ber Äranfe
am 13. Stuguft in baä ©oolbab Sagftfelb verbrämt.
Slber bie Sltembef^merben unb ©djjlafloftgfeiten Ijoben
ftdü nidjjt, bie erwartete Sßirlung bes 33abe§ blieb
aus. ©o mürbe ju Slnfang ©eptemberä bie Sftfidfreife
angetreten, junäcfjft na<$ Stuttgart unb von bort
am 10. ©eptember na<$ Stübingen. -Wodj immer
famen Stage ber ©rleidfjierung, an benen felbfl ein
Sluf enthalt im freien möglidf) mar; aber baf* an feine
bauernbe SBefferung gebadet merben fonnte, mufften
bie ©einigen ft<$ balb fagen. 3m -Kooember mufjte
ber Äranfe au<$ bie £age im 35ette jubringen; fernere
Äampfe mit ber fteigenben ätemnot folgten unb liefen
ba$ 6nbe ate eine ^Befreiung aus harter Slot er=
189
fdjetnen. 3tot 13. -Rooember 1862, abenbs um neun
ttyr, ifl Urlaub fanft entföiafen.
U^lanb ifl in einer gärenben, unfjeimlidj be*
regten Seit heimgegangen. ©s war mdfjt unridjttg,
was bas „Sournal bes SDebats" bei ber 9todfjridfjt
von feinem £obe fdfjrieb: „SDas ©eutfdjlanb Urlaubs
ge^t ju ©nbe." ©tue neue 3^it ftieg attmäljlid) empor,
©er Äonfftft in Sßreuften fjatte fdjon begonnen, als
Urlaub nod) lebte, ©s folgten ber bamfdfje unb ber
beutfdje Ärieg, bie Sujemburger Stngelegen^eit, betf
norbbeutfdfje S3unb; unb es fonnte balb fein Steife!
mefjr fein, baß bie Singe in ©eutfdfjlanb feinen anbem
©ang meljr nehmen fonnten, als ben jte infolge biefer
fibermädjttgen ©reigniffe genommen Ijaben. S5as mar
eine 3eü, in ber es, namentlich für ben ©übbeutfdjen,
galt, ju sergeffen, roas bahnten lag, mit ben 3>ingen
unb Sßerfonen, rote fie nun einmal waren, fein? 9tedj*
nung ju madjen. ©inem 3Jtanne t)on Urlaubs 2lrt
märe bas jum minbefien fe^r fdjroer gefallen. &at
er ben ruhmreichen gelbjug oon 1870, bie beftnittoe
Drbnung ber beutfdfjen Singe nidjt meijr erlebt, fo ifl
es ifjm audj erfpart geblieben, bie 3a$re 1864 unb
1866 ju fe^en, beren ©reigniffe tym tief Ratten ans
ißerj greifen muffen, ©r ging baljin, efje nodj in
feinem eigenen Sanbe ber tiefe 9Hfc burdfj bie Steigen
ber alten SBolfsmänner ging, ber auf ber SBerfamm*
190
fang wm 1863 ftdjj flaffenb auftrat. 3Ijm war triel
SBittcreö etfpatt; aber feine ^reunbe, feine ©efinnungs-
genoffen in ganj ©eutfdfjlanb fa^en mit trübem &etjen
auf bie ©teile, an ber ein aeteijttes Sjaupt ftdfj tum
©Plummer Eingelegt Ijatte. „S5eutfdf)lanb fd£)metjt
uns oljne iljn," fptadlj 3Kaper an feinem ©tabe, unb
ein anbetet fdfjtieb : „2Bit fjaben baö ©eroiffen 2)eutf dfj*
lanbs t>ettoten."
3a, eö roat ein 3Wädfjttget Eingegangen, bet eine
ftiHe, abet ftarfe 3Wad(jt übet bie ©emfitet geübt Ijatte.
Äeinet t>on ben fiegljaften £ettfdfjetgeiftetn, meldte mit
jünbenbem ©enie unb tficffidfjtölofet 2^>atftaft eine
SBett in Ujte ^u&jiapfen jmingen: ein füllet, unf^ein-*
batet 3Kann, beffen ©titte einen unbeugfamen SBiUen
uetbatg, bet feinet 3Rad(jt bet Sßelt fidjj beugenb au$=
§iett, roo anbete feig umfe^tten, bet feinen tutyigen
©dljtttt, o^ne nadfj tedfjts obet linfs ju blinjetn, weitet
ging, als anbete nrie t)on feotniffen gejagte Sßferbe
toH t)otanftütmten. @t ift auftedfjt geblieben unb et
fonnte es; benn fein S^eifel roat bei gfteunben unb
©egnetn an bet Sautetfeit feines SQSoffens, an bet
mafetlofen SReinljeit bet -DUttel, bie et gebtaudfjte. ©t
roat twtneljm unb ftolj, ju wtneljm, um je einen
ftummen 2Beg ju manbeln, ju fiolj, um itgenb einen
ftemben Sffiitten übet fidfj ju etfennen; abet et roat
nidjjt bünfetyaft, fein ©tolj roat t)on eblet 33efdjjeiben=
Ijeit unjetttenniidjj. SDet 9Jlann, bet feinem gütjien
ju roeidfjen bereit roat, et roat nidjjt ju t>otnel>m, auf
feinen ftitten ©ängen SDotnen unb ©teine jut ©eite
191
ju fdjaffen unb bei jeber ^euerönot Ijerbeijueilen unb
felbft an bic ©prifce ju treten. SDie edfjte bfirgerlid&e
©eftnnung fyat in üjm iljren twttenbetften, man barf
fagen flaffifdjjen Sttuöbrudf gefunben; man mödjte ein
©tfidf oon reidjäftäbtifd&em ^dmilienftotj in i^m ftnben.
@r war fidfj nidjjt ju gut, mit bem SBolf in feinen
breiteten ©djidjjten freunblidfj ju oerfe^tfen; aber er
mar eine reutlidje -ftatur unb mottte mit bem Sßöbel,
in meinem ©emanb er iljm nun entgegentreten mod^te,
ntdjtö ju tljun Ijaben. @r Ijatte eine treue Sttn^äng-
lidjjfeit an ba§ 2llte, er gehörte ju benen, meldten fefte
formen beö &tbm& fettig finb, er mar t>on rityrenber
Sßietät gegen bie S3anbe ber $amttie, er naljm an bem
ftrdfjlidfjen Seben einen regelmäßigen Stnteil; aber er
madfjte fotdfje Pietät feinem anbern jum ©efefe, er
moEte bem freien SDenfen unb iganbeln bie S3aljn
offen miffen.
Unb melier Sftetdfjtum ber fünftlerifdfjen ©eftal-
tungäfraft mar hinter bem ftarren, unfdjönen STntlife,
hinter bem ungelenken auftreten verborgen! 2Beld(j
meifer ©ebraudfj ber oon ber -ftatur Ujm gefd&enften
SKittet, metdfj genaue Äenntniö ber Sinie, auf ber ba$
Sötafc feiner Äraft lag! 2Beld(jes ffinftlerifd&e gorm*
gefügt, meldte Äunft beö reinften ©tite unb babei
meldte ©abe, bem gemeinen 3Kanne jum $erjen ju
reben! Urlaub ber Sßolittfer wirb einft oergeffen
fein, er mirb ni(^t in ben Südjjem flehen, in benen
fidjj vor ber ©lorie einer neuen 3^* ** e Sbeale
einer alten fo gerne ju Utopien umformen; Urlaub
192
ber SDidjjter mirb ntd&t eljer aergeffen werben, ate bi«
bie ©pradjje unb gbeenmelt unferea Sjafjr^unbert«
überhaupt einmal mit bem ©taub ber 93ergeffen$ett
bebedft fein wirb.
3m SWenfdjjen aber tfi bod) f<$ltefjH$ Me i)öd(jfte
©in^eit wahrer ©röfce ju ftnben; e$ finb nur ebtfeitige
Talente, in melden ffinftterifd&e Sebeutung ober praf*
tifdjje* ©enie ntd^t mit fd&öner 3Kenfd)Iidjfeit gepaart
finb. 3n ttljlanb mar jene böd&fte ©n^eit ber Äräfte.
SBie bereit mar ber ftrenge 2Rann ju Ijarmlofem ©d&erj,
mie offen fein J&erj für bie Äleinen ber 6rbe, für
ftinber unb 2trme! SBie geneigt mar er immer, aud&
an gegnerifdfjen fWtftiungen bie gute 9töftd[jt anjuer*
fennen, mie t>ermieb er ieireö J&ittere SBort, jebt gm?
fiberfpietung eine» ßmifles auf ba« perfönttd&e unb
moraßfdje bebtet! SBenn mir in feiner Sttdjjtung ben
ßtyarafterjug einer felbjibemufcten, feflgegrünbeten, aber
ftetö mit ebter SJHlbe gepaarten 3Rannijeit alfi ben Ijer*
üorjledfjenben ftnben ju bürfen glaubten: es ift berfelbe,
ber burdjj feine ganje Sßerfönttdfjfeit geljt.
3lm 16. SRooember 1862 mürbe Utytotb beerbigt.
©eine SBeflattung gemattete fid^ ju einer' großartigen
Totenfeier. 3mei befonbere ©tfenbaljnjüge maren nötig,
um bie £etf neunter alle na<$ Tübingen ju bringen;
felbft bie ©dfjfiler beö Stuttgarter Dbergijmnaftums
Ratten ein paar äbgeorbnete gefdfjtcft. 3n fedfoeljn
193
Stbteilungen bewegte ftdfc ber 3«9 betn ftitten 33erg*
friebljof ju, einem Drte, ber nur einen fjeünttdjen 33lt<f
auf einen Xtil ber ©tabt gewahrt, t>on fanften 3ln-
tyityen umfdjloffen, oon jenem roettabgefdfjiebenen ^rieben
umweht, ber und oft fo nmnberbar aus ben ßiebern
unferes EHd&terö entgegenbringt. 2fn toürbiger Sffieife
mürbe ber £ote von einer SRetye t>on SRebnern ge*
prief en : in prof aif dfjer SRebe von bem feinfinnigen S)ef an
©eorgii unb bem Vertreter ber ©tabt Stuttgart, Dber-
bürgermeifter ©icf; poetifdEje SBorte riefen tym nadfj
ber treue, am ©rabe feiner ebelften ©rinnerungen fteljenbe
9Kat)er unb, ate jmei ber geadjtetften jüngeren ©idfjter
©dfjmabens, mein SSater 3- ©• 3W<&«/ *> e ff en frftf* 5
Dotter ©timme baß (Sdfjo ber 33ergmanb bie ©djjlufc
raorte feiner Dbe beuttidj nadj#attte „Submig Urlaub",
unb Subtoig ©eeger, ber geiftreidje, feurige Sttd&ter,
ber felbji über ein furjeö, er flarb am 22. Sfftöra 1864,
jur Sftu^e geleitet werben fottte. <£üt gadfeljug am
3lbenb fd&lofc bie geier ab. Sludfj t>on audroartö t>er*
na^m man triel uon SSeranftattungen jum 3lngebenfen
beö £oten, in melden nid^t allein ber ©idjter ge-
priefen, fonbern audjj bie politif dfjen Sbeen, bie er t>er*
treten fyattt, t>erfünbtgt mürben.
@in einfadfjer ©ebenf fiein ergebt fid|j auf ber ©teile,
mo Urlaubs Sftefte ru^en. Slber fdjon menige £age
nadfj feinem iginfdfjeiben mürben audfj Sßeranftaltungen
getroffen, um bem SHdfjter ein größeres S)enfmal in
feiner SSaterftabt ju errieten, ©inftmetten mürbe, im
Öerbft 1865, im SieberljaHegarten ju Stuttgart
$ifd)er, fiutouffl U&Ianb. 13
194
$)i$ter, ber wie wenige im ©efange lebt, oon feiten
ber größten ©ängergef ettf <$aft ©<$waben$ eine 3Rarmor*
bäfte aufgefiettt. 2)ie ^Bewerbung für bas Sübtnger
SDenfmal rief eine jtattfid&e SRenge t)on ©ntroürfen
Ijeroor, unter melden ber ben fdftfidjten SBolffimann
redjt jur ßrfd&eumng bringenbe von ®. Äiefc gewallt
würbe, am 14. 3uB 1873 würbe ba$ @rjbilb beß
SDid&ter« entläßt; eö war ein weihevolle* geft, beffen
aQe SEeilneljmer gern gebenden.
(Sin nidjt nttnber untfergangttdje* SDenfmal Ijai
tljm feine 2Bitwe gefefct, inbem fte brei 3al>re na$
feinem £obe baß föftlidje ©ebenfbudj Ijerauögab, ba&
uns in einer fräftigen, naturwaljren 3 e t<$ n uttg ww
feinftcr, funfigefibter §anb, bie bes ©dfjmude* frember
färben nidjt bebarf, baö SBilb bes SKanneö jum ©reifen
lebenbig gegeben &at. ©ie ift fpäter^in nad) ©tutt-
gart übergefiebelt unb Itfer im SKter von jmeiunbadtfjtg
3afjren erft am 5. 3uni 1881 geftorben.
Uf)lanb Ijat leine ©rben feines Slawen« , leine
birefte SRadjfommenfd&aft ^interlaffen. ©afür Ijat er
in feiner fdfjwäbifdfjen loeimat unb weit über fie #nau«,
fo weit 5Deutf$e wohnen, ein SBott, baß an feiner
geiftigen ©rbfdjaft jeljrt, ba& in t&m mit ©anf einen
SHdjjter fteljt, ben e$ ganj lieben, oon beffen ©eifte
jeber freie, offene ©eift einen üjaud) perfpfireu fann,
einen 3ßenf$en, beffen ©ebädfjiniö e$ nur mit ber
lüften Serelpung in ftd> wadjjrufen fann. @$ werben
ttadj oft 3 ei ten fommen, ba ed not t^un wirb, baö
9luge auß ben betj&enben Hebeln unb bem grellen
195
©onnenbranbe ber ©egenroart ju bcn Silbern folget
■Dtänner ju ergeben, auf bie ein SBoff als auf bie
aSerförperungen feines beften ©eins ^inbliden barf:
Urlaub roirb immer in ber Steige biefer 3Jtönner
fielen.
Batfjhmfc
©eite 3 ff. Ueber Uljfonbö gamilte ftelje bie SBerfe
oon Dotter (1803) unb von U§lanb3 mttoe (1865 unb 1874).
Ue&er feine BHograpIjie jumeift biefelben, fotoie baö jroet&änbige
2Ber! oon ßarl SHager (1867).
(Seite 7 ff. ©terju, foroie ju ber fpäteren StorfteHung
ber nmrttembergifdjen SBerfaffungäfätnpfe »gl. griefer unb ©ejjler,
@efd)tdjte ber SJerfaffung 2Bürttemberg3 (Stuttgart 1869).
©eite 10 f. Sroci foteinifd&e ©ebid)te f. bei 3a§n, Urlaub,
©. 109 ff. SBegen ber beutfdjen f. oben ©. 41 f.
©eite 15 f. SBarnljagen, 2)en!tt>ürbtgfetten , 93onb 2,
©eite 55.
©ette 16, unten, ©ielje ßulj, Hebbel 2, 21 f. 3n biefem
SBerf unb in Hebbels Tagebüchern finbet pdj viel ©djöneä über
tUjlanb; td) Ija&e ba3 Sötdjtigfte baoon in ber bleuen 3ür$er
geitung 1887, 9fr. 64—67, jufammengefteat.
©eite 20, Seile 7 *>• u - ttd&er ba§ „©onntagSbfatt" f. SRaöerö
aWitteilungen im SBettnarifdjen galjrbudj, 33anb 5, ©eite 33 ff.
©eite 22, 3eile 8 ff. o. u. ©ie§e Saijn, ©. 69.
©eite 24, 3ette 2. Ue&er Sluguft Wlayev f. ßarl ajtoner,
Urlaub, SBanb 1.
©eite 34, 3eÜe 3 ff. ©ielje Gljamiffo, SBerfe, iöanb 5 (1839),
©eite 294; Storn§agen, 2)enrn>ürbigJeiten, 2tanb 2, Bette 54.
197
(Seite 35, Qexle 13 f. Ludovici yhlandi de constituenda
republica carmina, Latinitate et inetris Horatianis vestita etc.
(Stuttgart 1823.)
©eite 44, 3 e ^ e 1 ff- ® er SluffttJ oon ©interna fte§t in ben
3a§rbüd)ern für Ätiologie unb Sßäbagogif, Sanb 106, ©eite 369 ff.
©ette 46 ff. Sgl. @td#olfc, üuellenftubten ju U&lanbS $a(;
laben (Berlin 1879).
©eitc 49, Seile 9 ff. ©oetfjeS 2lu3fage f. ©tfermann 1, 45 f.
(2lu3g. o. fünfter); JpeineS Urteil f. in feinen Söerfen, Sanb 6,
254 ff.
©ette 55 ff. Sgl. $fap Einleitung au feinem «Reubrutf
oon „$röft ©tnfamfeit" (1883), roeldje aber ju einfeitig bie ©ad)e
ber SRomantifer fü^rt, unb SBelti, ©efdjidjie beS ®omtteä in ber
beutfdjen 2)td)tung, ©ette 192 ff.
©eite 62 f. ©te§e ÄeHer, Urlaub als $ramatifer {®tutU
gart 1877).
©eite 68, 3eile 16 ff. ©te§e fcollanb, 3u S. Urlaubs ®e;
bädjtmS, ©ette 56. 2Rtt biefen SBorten Urlaubs felbft unb bem
von mir ausgeführten wirb aud) ber ftrengen Äritif SifdfjerS
(Äritifdje ©änge, 9teue golge, £eft 4, ©eite 138) iljr fflefy
tmberfafjren fein.
©eite 71, Seile 7 ff. ©te§e Dotter, Urlaub, ©. 239.
©eite 79, 3etle 12. 2ln berfelben ©teile, n>eld)e ©eite 49
citiert warben ift.
©eite 82, 3eile 11 ff. 2)en $lan biefeS ©ebidjtS $at Urlaub
in feinem ©tiliftifum mitgeteilt; f. ipottanb, 3um ©ebädjtntö
S. U^lanbö, ©eite 51 f.
©eite 92, Seile 8 ff. abermals SBorte auö Uljlanbö ©tiliftifum ;
f. §ollanb, ©eite 36.
©eite 94, 3eile 18 ff. ©ielje #e66elö SBerfe, Sanb 12,
(Beite 207 f.
©eite 94, 3eile 21 ff. ©te&e Hebbels Sagebüdjer, Sanb 2,
©eite 517.
©eite 99, 3eile 7 ff. ©ietje fetter, Urlaub als SDramattfer,
eexte 320 f.
198
©eite 103, Seilt 6 ff. ©ielje Stfdjer, ßriüföe ©finge, Heue
golge, #eft 4, ©eite 146 f.
©eite 107 ff. »gl. baö ju ©eite 7 ff. citierte 39&er! von
3*idfer unb ©e|tfer.
©eite 109, 3 e ^ c 5 ff. Sgl. Vreede, La Souabe apres la
paix de Bale (Utrecht 1879), fotvie (übet bie politiföen ©trö*
mungen in Württemberg ju jener 3 c ü überhaupt) ä&oljlnritt,
SBeltbürgertum unb SaterlanbSliebe ber ©cijtvaben (Hamburg 1875).
©eite 114, unten. Sgl. ben ©rief ÄernerS vom 25. 2)e-
3ember 1817 (Sßürttemb. $Biertelja$r3l)efte, 3a$rg. 1, ©ette 220):
„2Bir wären einanber ganj nafye, roöreft 2)u lein Ijartnäcltger
Surift unb in eine gfamilie eingeteilt, bie jtvar feljr brat) benit,
bie aber bie ©ad^e beS alten" 9iec§t3 biö jur ßatifatur übertreibt.' 1
2Ba3 übrigens bie Semerfung über bie gatnilie betrifft, fo fafj
ferner im ©laSljaufe, benn fein trüber war bamalS SJHnifter.
^eite 116, $t\U 2- $i c Briefe finb an ber in ber vorigen
9tote genannten ©teile veröffentlicht. 2)te angeführten SBorte
f. bei aRager, Urlaub, 2, 71.
©eite 117. (£3 ift ^arafteriftifc^, bafc Urlaub audj in
granffurt ftd^ gegen bie einfeitige Erteilung einer Serfaffung
bura) eine Regierung erflärt Ijat. SBenn Qaym (3)ic beutfdjje
SRationaloerfammlung, 2, 255) barin „einen ©tretet gegen
$reuj?en" fteljt, fo mödjte idj lieber fagen: Urlaub Ijat l)ter
feinen alten SRed&tSgrunbfafc wieber vorgetragen; 23o£f)ert lag
feinem ©eredjttgfettaftnne fern.
©eite 119, &\U 4 ff. Sgl. nodj femer ben von JpoHanb
1876 sur Xübinger $§ilologenverfammlung herausgegebenen
fomifc§en SBettgefang anufdjen Ufjlanb unb SHidert.
©ette 128, 3eile 19 ff. fcoHanb, 3um ©ebäd&tritä Äubroig
Urlaubs (Seidig 1886).
©eite 136, 3eile 6 f. ©ie$e Äu$, Hebbel, 1, 234 ff.
©eite 142, unten, ©ie^e 3Jtaver, Urlaub, 2, 204.
©eite 156 f. §ödjft Ie&rretd& für Urlaubs 2lnfc$auungen
über biefen $unft ift bie fragmentarifc§e Shtftetd&nung, bie in
feinen ©djrtften, Sanb 8, ©eite 620, abgebrueft ift. <Sr
199
beobachtet SBauernf inber , bie mit Sopffdjerbett Sanbnrirtfdjjafi
fpielen; fie geigen üjm bie au>it ju neuen ©eftaltungen bereite
^antafie be§ SBoffeS: „2)ie SJtytljologte ift reidfj, aber fo reidj)
ift fie mdjt, bafj ficfj auä ifjrem ©ebröcfel eine Sttärdjenroelt ex-
zeugen fönnte." @§ fann fein S^W f e * n / ^ a S ^^ e f e SBorte
gegen ©rimmS 2lnfdf)auungen gerietet finb.
©eite 158, unten. 3n Stuttgart bei 3. ©. (Sotta er=
fdjienen; Qn^alt ber adfjt SBänbe (ein Stern bejeidjnet ba§ fd&on
t)on Urlaub felbft Seröffentticfjte):
1. ©efd&tdjte ber beutfcfjen ^oejte im 2JlttteIalter.
2. 2>erf. ©a)foj$.
©efdjjicfjte ber beutfdjen 3)idj)tfunft im 15. unb 16. Safjr:
Ijunbert.
3. 2lb§anblung über bie beutfdjjen SBolMieber.
4. Sfanterfungen ju ben 33otf§ttebew.
lieber baö altfranjöftfcfje <&po§. *
5. SBaltfjer von ber SBogelroeibe. *
2)er Sttinnefang.
lieber bie Aufgabe einer ©efettfdjaft für beutfd^e Spraye.
$ux (Sefdjidjte ber greifcfjiejjen. *
Ueber bie ©age vom §erjog ©ruft.
6. ©agenforfdjungen : a) £§or, *
b) Obin.
7. ©agengefddidjte ber germanifcfjen unb romamfcfjen Softer.
8. ©cfjroäbifdjje ©agenfunbe.
Slb^anblungen auä Pfeiffers ©ermania.*
■ftadjjträge.
©eite 168, Seite 4 ff. ©ie§e UljlanbS »rief an Pfeiffer im
Slnljang jü bem $rtefn>ea)fel 3n>ifdf)en Saperg unb ttljlanb,
(Bette 328.
©eite 182, Seile 5/4 t>. u. ©tefje Hermann ©rimmS
SubtläumSarttfel jn ber $eutfd[)en 9htnbfd&au, 33anb 51, Beite 66,
in bem man leiber neben ber getftreidjjen 3luffaffung aucfj ein
paar tf)atfäd)lid)e Sertürner »erjeicfjnen mufj.