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Full text of "Ludwig van Beethoven"

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YERIx.GES.^fiARMONIE" 


Ludwig  van  Beethoven 


VON 


Theodor  von  Frimmel 


BERLIN  1901 


„HARMONIE« 
VERLAGSGESELLSCHAFT  FÜR  LITERATUR  UND  KUNST 


Alle  Rechte, 

besonders  das  der  Uebersetzung 

vorbehalten. 


Hl 


VORWORT. 


Wird  die  Zahl  der  Beethovenbiographien  durch  den  vorliegenden  Band 
vermehrt,  so  bedarf  das  einer  Erklärung;  diese  soll  in  wenige  Worte  zusammen- 
gefasst  werden:  es  giebt  viele  grosse  und  kleine,  alte  und  neue  Lebensgeschichten 
Beethovens,  aber  keine,  die  in  neuerer  Zeit  in  knapper  Zusammenfassung  auf 
Grundlage  kritisch  gesichteten  Materials  eine  übersichtliche  Darstellung  geboten 
hätte.  Eine  solche  Uebersicht  soll  in  dem  neuen  Buche  versucht  werden.  Ich 
habe  mich  bemüht,  aus  der  LJeberfülle  des  Stoffes  das  Charakteristische  heraus- 
zufinden, das  Wesentliche  zusammenzustellen  und  das  Ganze  der  Form  anzu- 
passen, die  durch  die  bisher  veröffentlichte  Reihe  der  „Berühmten  Musiker" 
gegeben  war.  Wohl  darf  ich  darauf  rechnen,  dass  mir  Kenner  der  Sache 
zugestehen  werden,  es  sei  nach  Möglichkeit  Neues  mitgetheilt  und  von  dem  zwar 
schon  Bekannten  doch  vieles  Versteckte  ans  Licht  gezogen  worden.  Manche 
Mittheilung  wurde  mir  noch  aus  dem  Munde  von  Solchen,  die  Beethoven  in 
ihrer  Jugend  gekannt  haben.  Es  war  noch  in  den  70er  Jahren,  als  ich  mir 
von  Dr.  Gerhard  v.  Breuning,  von  Aug.  Artaria,  von  C.  F.  Hirsch  die  Erzählung 
ihrer  persönlichen  Erinnerungen  an  Beethoven  erbat.  Später  erfuhr  ich  noch 
vom  greisen  Klavierstimmer  Weiss  in  Wien  (der  als  junger  Mann  in  der 
Streicherschen  Klavierfabrik  bedienstet  war)  und  von  Anderen  kleine  Züge  aus 
Beethovens  Leben,  wie  mir  denn  auch  mancherlei  Ueberlieferungen  aus  Familien 
zugänglich  waren,  in  denen  Beethoven  wohl  bekannt  war.  Einzelnes  davon 
wurde  für  die  Arbeit  benutzt.  Von  dem  breiten  Wiedererzählen  allbekannter 
alter  Geschichten  habe  ich  abgesehen.  Die  beliebten  Histörchen  sind  meist  nur 
angedeutet.  Was  leicht  zu  finden,  auch  was  leicht  zu  errathen  ist,  steht  einige 
Male  zwischen  den  Zeilen.  Man  muss  nicht  Alles  sagen,  zumal  in  einem  Buche, 
das  für  einen  weiten  Kreis  bestimmt  ist. 

Gerne  wird  die  Pflicht  erfüllt,  einigen  Persönlichkeiten  für  freundliche  Bei- 
hülfe wärmstens  zu  danken.  In  erster  Linie  glaube  ich  Herrn  Oberbibliothekar 
Dr.  Alb.  Kopf  er  mann  in  Berlin  verbunden  zu  sein  für  die  Bereitwilligkeit, 
womit    er    die  Auswahl    der  Stellen    überwachte,    die    aus    den  Beethovenhand- 


Schriften  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  in  Facsimile  wiedergegeben  wurden. 
Herrn  Hofsekretär  beim  gemeinsamen  obersten  Rechnungshof  Victor  Edlen 
von  Marquet  in  Wien  schulde  ich  vielen  Dank  für  die  Benutzung  des 
interessanten  Stammbuchblattes  von  1822.  Herr  Baudirektor  Julius  von  Herz 
in  Wien  gestattete  in  zuvorkommender  Weise  die  Faksimilirung  seines  werth- 
vollen  Beethovenbriefes.  Herr  Archivar  der  Wiener  Gesellschaft  der  Musik- 
freunde, Dr.  Eus.  Mandyczewski  hat  die  Herstellung  des  Buches  freundlichst 
gefördert  durch  die  Erlaubniss,  einige  Bildnisse  aus  den  Sammlungen  der  Gesell- 
schaft nachzubilden.  Frau  Josefine  von  Breuning,  die  Witwe  Gerhards 
von  Breuning,  war  so  liebenswürdig,  mir  eine  neuerliche  Durchsicht  ihrer 
Beethovenschätze  und  die  Nachbildung  einiger  Stücke  daraus  zu  gestatten.  Sehr 
förderlich  war  der  Arbeit  auch  das  freundliche  Entgegenkommen  des  Herrn 
Dr.  C.  V.  Schweitzer  in  Wien-Gneixendorf  und  des_,  Herrn  Fr.  Nie.  Mans- 
kopf  in  Frankfurt  a.  M.,  aus  deren  Besitz  mehrere  Vorlagen  für  die  Illustrationen 
herstammen.  Gar  manche  kleine  Förderungen  von  anderen  Seiten  finden  im 
Buche  selbst  dankende  Erwähnung. 

Möge  meine  Hoffnung  nicht  getäuscht  werden,  dass  die  Freunde  Beethovens 
und  seiner  Muse  in  dem  neuen  Buche  den  eigenartigen  Menschen  und  genialen 
Künstler  mit  breiten  Zügen  gezeichnet  und  getroffen  finden  mögen  und  dass 
ihnen  die  neuerliche  Vermehrung  der  Beethoven-Literatur  willkommen  sei. 

Wien,  im  Oktober  1900. 

Der  Verfasser. 


ine  unverwüstliche  Poesie  spricht  aus  den  grossen 
Strömen  zu  uns.  Sagenreich  ist  die  Donau,  die  Elbe, 
sagenreicher  der  Rhein.  Das  Hinabgleiten  der  Wasser- 
mengen und  wie  sich's  mischt  und  staut  und  wieder 
hinschiesst,  das  regt  unsere  Einbildungskraft  an.  Wir 
schwimmen  im  Geiste  von  Ort  zu  Ort  an  manchem 
Dörfchen,  an  mancher  Stadt  vorüber.  Da  grüssen  Reben- 
gelände, dort  nette  Giebel,  dort  ragen  hohe  Thürme.  Glückliche  und  Leute,  die  das 
Schicksal  zertreten  hat,  wandeln  an  den  Ufern.  Dem  Kunstbegabten  wird  das 
Alles  zur  Dichtung,  zum  Vers,  zur  Melodie,  dem  Nüchternen  drängen  sich 
andere  Gedanken  auf;  Anregung  aber  wird  Jedem  aus  dem  Rauschen  der  Fluthen.— 
So  rauscht  leise  flüsternd  der  Rhein  an  Bonn  vorüber,  der  Stadt,  in  der 
Beethoven  das  Licht  der  Welt  erblickt  hat.  Ahnen  lässt  sich's,  wenngleich 
nicht  nachweisen,  dass  der  Rhein  ein  Faktor  ist  in  der  Entwicklung Beethovenschen 
Geistes.  „Beethovens  liebten  den  Rhein",  heisst  es  in  einer  alten  Ueberlieferung. 
Hervorstechende  Züge  hatte  Beethoven,  wie  alle  Menschen,  ererbt.  Anderes 
zog  er  von  den  Vorgängern  und  Zeitgenossen.  In  manchen  Fällen  ist  der  Zu- 
sammenhang ziemlich  leicht  zu  erweisen,  in  anderen  stehen  wir  vor  unverständ- 
lichen, losen  Thatsachen,  an  denen  vielleicht  erst  ferne  Zukunft  innere  Ver- 
bindung erkennen  wird.  Auch  diese  losen  Daten  haben  wir  heute  zu  beachten 
als  Bausteine  künftigen  Verständnisses.  Wir  haben  sie  zu  sichten,  aufzubewahren, 
selbst  w'enn  uns  die  „Causalität"  dabei  nicht  klar  ist. 

Ludwig  van  Beethoven  ist  zu  Bonn  im  Jahre  1770  am  17.  Dezember  ge- 
tauft worden.  Geboren  wurde  er  vermuthlich  einen  Tag  \'orher.  Das  Datum 
der  Geburt  ist,  wie  bei  vielen  anderen  Künstlern  der  Vergangenheit,  nicht  genau 
bekannt,  wogegen  man  das  Datum  der  Taufe  urkundlich  sicher  gestellt  hat. 
Jahr  und  Tag  der  Geburt  Beethovens  sind  oft  unrichtig  angegeben  worden; 
war  doch  der  Meister  selbst  der  Meinung,  er  sei  1772  zur  Welt  gekommen. 
Auch  das  Haus,  dem  die  ersten  Blicke  des  kleinen  Ludwig  galten,  ist  unrichtig 


angegeben  worden.  Irrthümer  und  Fehler  reichen  bis  in  die  jüngste  Literatur 
herein.  Indess  obwaltet  für  den  Aufmerksamen  auch  in  Bezug  auf  das  richtige 
Geburtshaus  keinerlei  Zweifel.  Es  ist  jenes  unscheinbare  Gebäude  in  der  Bonn- 
gasse, in  welchem  jezt  der  Verein  „Beethovenhaus"  seinen  Sitz  hat.  Ein 
zweites  Beethovenhaus  wird  uns  dadurch  ehrwürdig,  dass  die  Familie  dort  lange 
gewohnt  hat.  Es  ist  das  Fischersche  Haus  in  der  Rheingasse,  in  welchem  der 
kleine  Musikus  von  Vielen  gesehen  und  beobachtet  worden  ist.  Diesem  Hause 
gebührt  die  Ehre,  der  Schauplatz  der  wichtigsten  Jugendentwicklung  Beethovens 
gewesen  zu  sein,  und  das  auch  dann,  wenn  die  Meinung  unrichtig  ist,  dass 
der  Knabe  dort  geboren  wurde.  Noch  andere  Beethovenhäuser  in  Bonn  haben 
für  uns  weniger  Bedeutung.  Es  sind  jedesmal  recht  enge  Verhältnisse,  in  die 
wir  blicken.  Im  Geburtshause  bewohnten  Beethovens  drei  niedrige  Stuben  im 
ersten  Stockwerke  des  Hinterhauses  und  dazu  noch  eine  Dachkammer.  (Ab- 
bildung des  Hinterhauses  nebenstehend.)  Keinerlei  äusserlicher  Glanz  umgab 
die  Eltern  des  Meisters,  obwohl  man  am  Nothwendigsten  gewöhnlich  nicht 
gerade  Mangel  litt.  So  war  es  freilich  nicht  von  jeher  bei  Beethovens  gewesen. 
Der  Gross vater  des  Komponisten,  Ludwig  hiess  er,  hatte  es  sogar  zu  einer 
gewissen,  wenn  auch  vorübergehenden  Wohlhabenheit  gebracht.  Aus  Antwerpen 
gebürtig,  eine  Zeit  lang  als  Sänger  in  Löwen  thätig,  war  er  1731  oder  1732  nach 
Bonn  eingewandert.  Nach  einer  alten  Ueberlieferung  wäre  er  nach  Bonn  berufen 
worden.  Schon  1733  wurde  er  Hofmusikus  beim  Kurfürsten  Clemens  August. 
Der  kräftige  Mann  „mit  äusserst  lebhaften  Augen  und  als  Künstler  vorzüglich 
geachtet"  (so  berichtet  Wegeier)  wusste  sein  Amt  gar  wohl  auszufüllen  und 
machte  seinen  Weg,  der  ihn  bis  zur  ansehnlichen  Würde  des  Hofkapellmeisters 
leitete.  Als  solcher  starb  er  etwas  mehr  als  60  Jahre  alt  im  Jahte  1773.  An 
Herrn  Oberbuchhalter  der  Unionbank  Paul  Weidinger  in  Wien  ist  aus  der  Familie 
Beethoven  ein  lebensgrosses  Bildniss  des  Grossvaters  vererbt  worden.  Es  zeigt 
den  behäbigen,  wohlgenährten  Hofkapellmeister  mit  einem  Notenhefte  vor  sich. 
Des  Kapellmeisters  Sohn  Johann,  der  Vater  unseres  Beethoven,  wusste  keine 
sichere  Lebensführung  zu  finden  und  verthat  mehr,  als  ihm  seine  Stellung  ein- 
trug. Zudem  war  er  gleich  seiner  Mutter,  die  in  ein  Kloster  gesteckt  werden 
musste,  dem  Trünke  ergeben,  von  geringer  Bildung  und  einer  recht  fahrigen 
Auffassung  seiner  Pflichten.  1756  war  er  Tenorist  am  kurfürstlichen  Hofe 
geworden  mit  bescheidenem  Gehalte.  Musikunterricht  hat  daneben  noch  kleine 
Einnahmen  zu  Stande  gebracht.  Die  Verehelichung  im  Jahre  1767  mit  einer 
jungen  Wittwe  Magdalena  Keverich,  vermählten  Laym,  war  keineswegs  dazu 
angethan,  geordnete  Vermögensverhältnisse  herbeizuführen.  Bald  stellte  sich 
Kindersegen  ein.  Das  erste  vSöhnchen  Ludwig  Maria  kam  1769  angerückt, 
freilich  nur,  um  nach  wenigen  Tagen  der  schnöden  Welt  wieder  Lebewohl  zu 
sagen.  Auf  diesen  Ludwig  I.  folgte  im  Dezember  1770,  wir  wissen  es  schon, 
Ludwig  IL,  der  Grosse.  1774  und  1776  kamen  noch  Caspar  (Anton  Carl)  und 
(Nicolaus)  Johann,  die  beide  das  Mannesalter  erreichten.  In  jugendlichem  Alter 
verstarben  ein  T()chterchen  Anna  Maria  Francisca,  die  1779  zur  Welt  gekommen 
war,  ein  Söhnchen  August  F'ranciscus  Georgius,  geboren  1781,  und  wieder  ein 
Töchterchen  Maria  Margaretha  Josepha,  geboren  1786.  Mit  der  Anzahl  der  Köpfe 
wuchsen  die  Ausgaben,  keineswegs  aber  die  Einnahmen.  Man  weiss,  dass  in  jener 
Periode  reichlichen  Kindersegens  ererbtes  Gut  verpfändet  und  verkauft  wurde. 
Trotzdem  wussten  Beethovens  jahrelang  ihr  ererbtes  Ansehen  nach  Thunlichkeit 
aufrecht  zu  erhalten.  .Sicher  hängt  es  mit  den  beschränkten  Mitteln  der  Eltern,  dem 


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unstäten  Charakter  und  der  niedrigen  Bildungsstufe  des  \'aters  zusammen,  dass 
der  kleine  Ludwig  einen  zwar  äusserlich  strengen,  aber  nicht  eigentlich  zweck- 
mässigen oder  planvoll  regelmässigen  Ihiterricht  erhielt.     Auch  das,  was  den 
jungen  Leuten    aus  gebildeten  reichen  Familien  von    Hause  aus  als  Schliff'   ins 
Leben  mitgegeben  wird,  blieb  dem  Heranwachsenden  so  gut  wie  fremd  und  das 
so  sehr,   dass    er   den  ALangel  an  feiner  Sitte  auch  im  Mannesalter  nicht  mehr 
auszugleichen    vermochte.     Der   Unterricht 
fürs  praktische  Leben  beschränkte  sich  aufs 
Xothwendigste.     Dass    der    Schulunterricht 
von  geringem  Erfolg  begleitet  war,  ist  mehr- 
fach   bezeugt.      Beethoven    ist    denn    auch 
gelegentlich    in   reifem  Alter    mit    den   Ge- 
heimnissen des  Multiplicirens  ins  Gedränge 
gekommen.     Im  Schreiben  behielt  er  bis  in 
seine  späte  Zeit  Fehler    bei,    die    für  seine 
Briefe  geradezu  bezeichnend  sind.  So  wurde 
z.  B.  die  Trennung  der  Sätze  zumeist  durch 
grosse  Beistriche  besorgt.    Die  Z  schrieb  er 
meist  übergross,  auch  inmitten  der  Wörter. 
Dass  man  Anreden  in  Briefen  mit  grossen 
Anfangsbuchstaben    zu    versehen    pflegte, 
kümmerte  ihn  wenig.   Vielleicht  wars  Eigen- 
sinn,  der  ihn  die  Vorschriften  des  Lehrers 
in  den  Wind  schlagen  Hess.     Für  uns  aber 
bedeutet   all'  das    eine    höchst  ausgeprägte 
Abkehr  von  allem  Aeusserlichen.     Wie  es 
scheint,   ging    schon  der  Knabe  Beethoven 
vielmehr  auf  einen  bestimmten  inneren  Gehalt  los,  als  auf  glatte  Züge.    Süsses 
Phrasengeklingel  in  geziert  sauberer  Handschrift  dürfte  wohl  auch  der  jugendliche 
Beethoven  nicht  aus  der  Hand  gegeben  haben:  der  reife  Beethoven  that  es  gewiss 
nie.  Was  er  schrieb,  richtete  sich  stets  sofort  nach  dem  Gedanken,  der  ihm  die  Feder 
in  die  Hand  zwang.     Er  schrieb  feste  Züge  mit  höchst  eigenartigen  Einzelheiten, 
unter  denen  die  wunderlichen  Formen  des  r,  v  undw  besonders  hervorgehoben  seien. 
Ueber    den  elementaren  Unterricht  hinaus  erlernte  der  werdende  Jüngling  noch 
etw^as  Latein  und  Französisch.     Wenn  es  beglaubigt  ist,  der  Knabe  sei  hin  und 
wieder    so    sehr    in  Gedanken    versunken    gewesen,    dass  er  Fragen  nicht  be- 
antwortete,   so  haben  wir  darin  einen  neuerlichen  Beweis,    wie  hochgradig  und 
wie    früh    bei  Beethoven    das    innere    Leben,    die    innere  Sammlung  entwickelt 
war.      An    epileptoide  Anfälle  ist  wohl  nicht  zu  denken,    und   sollten  es  solche 
gewesen    sein,    so    wären    sie    der    künstlerischen  Entwicklung   sehr   wohl  be- 
kommen. 

Auch  in  der  Kleidung  hielt  der  Knabe  wenig  auf  Sauberkeit.  Die  Haus- 
herrntochter Cäcilia  Fischer  sagte  ihm  gelegentlich,  wenn  er  unsauber  und 
gleichgiltig  aussah:  „wie  siehst  du  wieder  so  schmutzig  aus.  Du  solltest  dich 
etwas  propper  halten."  Dann  sagte  er:  „Was  liegt  daran,  wenn  ich  einmal 
Herr  werde,  dann  wird  mir  das  Keiner  mehr  ansehen."  In  der  Uniform  der 
kurfürstlichen  Musiker  hat  er  gewiss  nett  genug  ausgesehen.  Auch  war  er 
sicher  nicht  immer  träumerisch  oder  gar  melancholisch.  Denn  allerlei  lustige 
Jugendstreiche  sind  von  ihm  überliefert. 


Beettioven's    Geburtshaus. 
Hinterhaus  vom  Hofe  her  gesehen. 


—     10     — 

Der  Unterricht  in  der  Kunst,  die  ihn  gross  machen  sollte,  wurde  vom 
Vater  begonnen  und  nicht  ohne  Härte  fortgeführt,  schon  zu  einer  Zeit,  als  der 
Kleine  noch  auf  einem  Schemel  stehen  musste,  um  die  Klaviatur  zur  Hand  zu  haben. 
Nach  allem,  was  man  von  der  Sache  weiss,  scheint  es,  dass  im  fünften  oder 
sechsten  Lebensjahre  mit  dem  Unterricht  begonnen  wurde.  Zunächst  galt  er  dem 
Klavier;  später  wurden  auch  Geige  und  Bratsche  mit  einbezogen.  Von  Gesangs- 
unterricht ist  nirgends  die  mindeste  Erwähnung  zu  entdecken,  obwohl  es  gerade 
in  der  Sängerfamilie  erwartet  werden  könnte,  dass  man  wieder  einen  Sänger 
hätte  heranbilden  wollen.  Es  mag  sein,  dass  eine  der  Kinderkrankheiten,  die 
dem  Kehlkopf  so  verderblich  werden  können,  einen  Strich  durch  die  Rechnung 
gemacht  hat.  Der  väterliche  Unterricht  dauerte  nicht  allzulange,  was  man  wohl 
als  Glück  für  Beethoven's  Entwicklung  ansehen  muss.  Denn  von  pädagogischem 
Wert  konnte  er  bei  der  Art  des  Vaters  nicht  sein.  Dieser  hatte,  wie  Andere, 
zvv^ar  das  Talent  des  Kindes  rechtzeitig  erkannt,  doch  war  er  bestrebt,  dasselbe 
nur  ja  recht  frühe  für  den  Erwerb  der  Familie  auszunützen,  demnach  so  rasch 
als  möglich  einen  äusserlichen  Erfolg  zu  erzielen.  Daher  das  Bestreben,  den 
kleinen  Ludwig  als  Wunderkind  erscheinen  und  öffentlich  auftreten  zu  lassen. 
Vater  Beethoven  gab  deshalb  sogar  das  Alter  des  Knaben  unrichtig  an.  So 
Hess  er  im  März  1778  den  mehr  als  Siebenjährigen  als  sein  „Söhnchen  von 
sechs  Jahren"  in  einer  musikalischen  Akademie  auftreten,  und  einige  Jahre  später 
wurde  wieder  ein  lügenhaft  angegebenes  Alter  auf  eine  Widmung  gedruckt. 
Ueber  das  Ergebnis  der  erwähnten  Akademie,  in  welcher  der  Junge  „ver- 
schiedene Klavierkonzerte  und  Trios"  spielen  sollte,  ist  man  nicht  unterrichtet. 
Bald  danach  erhielt  er  aber  einen  Musiklehrer  in  der  Person  des  Tenoristen 
Tobias  Friedrich  Pfeiffer,  der  1779  nach  Bonn  gekommen  war.  Der  Unter- 
richt bei  diesem  kann  nur  von  episodischer  Bedeutung  gewesen  sein,  da 
Pfeiffer  nur  ein  Jahr  in  Bonn  verweilte.  Immerhin  scheint  Pfeiffer  des  Knaben 
Talent  zum  Improvisiren  mächtig  angeregt  zu  haben.  Offenbar  hat  er  dem 
Kleinen  auch  das  Verständniss  für  die  Flöte,  das  Lieblingsinstrument  des  18.  Jahr- 
hunderts, erschlossen.  In  den  Fischerschen  Nachrichten  aus  der  Bonner  Zeit 
heisst  es:  „Pfeiffer  blies  selten  die  Flaut  .  .  .  Wenn  er  aber  blies  und  Ludwig 
variirte  dagegen  auf  dem  Klavier,  dann  hörten  auf  der  Strasse  die  Leute  auf- 
merksam zu  und  lobten  die  schöne  Musik."  Mit  Pfeiffers  Flöte  wird  dann  auch 
Beethovens  Jugendwerk,  Sonate  für  Klavier  und  Flöte,  zusammenhängen.  Die 
Flöte  ist  auch  bedacht  in  einem  Trio  aus  der  Bonner  Zeit,  von  dem  wir  noch 
hören  sollen.  Der  nahezu  zehnjährige  Knabe  kam,  wie  es  scheint,  nachher  in 
die  Hände  des  alten  Hoforganisten  Van  den  Eden,  der  ihm  die  Behandlung 
der  Orgel  und  ein  gebundenes  Spiel  mit  ruhiger  Handhaltung  beigebracht  haben 
dürfte,  wenn  nicht  etwa  in  dieser  Beziehung  der  Franziskanerbruder  Willibald 
(Koch)  schon  früher  den  Knaben  beeinflusst  haben  sollte.  Als  der  Junge  schon 
weiter  vorgeschritten  war,  soll  er  auch  durch  den  Minoriten-Pater  Hanzmann 
im  Orgelspiel  gefördert  worden  sein.  Von  eigentlichem  Unterricht  war  wohl 
hier  nicht  die  Rede.  Bei  dem  jungen  Hofmusikus  Franz  Rovantini,  der  mit 
Beethoven  innig  befreundet  war  und  gleichfalls  im  Fischerschen  Hause  wohnte, 
dürfte  der  junge  Ludwig  aber  eine  wirkliche  Anleitung  zum  Spiel  auf  der  Geige 
und  Bratsche  gefunden  haben.  Wie  lange  dieser  Unterricht  gewährt  hat,  ist 
keineswegs  genau  anzugeben,  doch  kann  man  aus  dem  Lebensgange  Rovantinis 
und  Beethovens  schliessen,  dass  es  nicht  vor  1776  und  nicht  nach  1781  ge- 
wesen.    Rovantini  starb  am  9.    September    1781.     1757    war    er    geboren,  und 


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was  der  Anhaltspunkte  mehr  wären.  Bald  nach  seinem  Tode  unternahm  die 
Mutter  Beethoven  mit  dem  kleinen  Ludwig  eine  Art  Konzertreise  nach  Holland, 
von  der  musikoeschichtliche  Einzelheiten  nicht  bekannt  sind.  \'erwandte 
Rovantinis  gaben  Anlass  zu  dieser  Reise,  die  man  in  den  Spätherbst  1781  ver- 
setzen muss.  Was  man  vor  der  Sache  weiss,  lässt  immerhin  den  Schluss  zu, 
dass  der  angehende  Musikus  schon  damals  Leistungen  aufzuweisen  hatte,  die 
über  die  Familie  hinaus  Interesse  erwecken  konnten.  Während  der  ersten 
Jahre  des  musikalischen  L^nterrichts  hat  Beethoven  eine  tüchtige  Fertigkeit  auf 
dem  Klavier,  einige  Uebung  auf  der  Violine  und  auf  der  Orgel,  damit  auch  im 
Lesen  bezifferten  Basses  erworben.  Damals  zählte  der  Junge  noch  nicht  elf 
Jahre,  und  wenn  man  ihn  nicht  gerade  mit  Wunderkindern,  wie  etwa  Mozart, 
vergleicht,  kann  man  immerhin  von  einer  frühen  Entwicklung  sprechen.  Hatten 
doch  auch  die  Centren  im  Gehirn,  die  dem  musikalischen  Hören  vorstehen, 
schon  Anregung  erhalten,  als  der  Kleine  noch  in  der  Wiege  lag.  Denn,  dass 
bei  Beethovens  viel  musiziert  wurde,  ist  über  jeden  Zweifel  erhaben.  Früh 
regte  sich  auch  das  selbständige  Schaffen  in  dem  Knaben,  z.  B.  wenn  er  frei 
auf  der  Violine  phantasierte.  Es  mag  zur  Zeit  des  Unterrichtes  bei  Rovantini 
gewesen  sein,  als  Ludwig  vom  Vater  wiederholt  ermahnt  wurde,  doch  lieber 
nach  Noten  zu  üben,  als  regellos  zu  kratzen.  Wenn  der  Knabe  aber  darauf 
hinwies,  wie  schön  die  Weisen  seien,  Hess  der  Vater  ihn  gewähren,  wie  das 
die  Fischerschen  Ueberlieferungen  erzählen.  Mit  den  warmen  Pulsen  musika- 
lischen Schaffens  und  mit  den  ersten  Freuden  und  Leiden  des  Autors  wurde 
Beethoven  aber  erst  durch  Christian  Gottlob  Neefe  bekannt.    Der  Unterricht 

bei  diesem  talentvollen,  feinfühligen  und 
humanistisch  gebildeten  Manne,  einem  Schüler 
Adam  Hillers,  dürfte  spätestensim  Winter  1782/83 
begonnen  haben,  kaum  vor  dem  Tode  Van 
den  Edens.  Der  alte  Hoforganist  starb  im 
Juni  1782.  Neefe,  dem  ein  gewisser  Ruf  vor- 
ausging, war  im  Oktober  1779  als  Musik- 
direktor der  Grossman-Helmuthschen  Theater- 
gesellschaft nach  Bonn  gekommen,  doch  hat 
er  sicher  den  Unterricht  Beethovens  nicht  schon 
damals  übernommen,  da  er  doch  durch  allerlei 
Reisen  (nach  Pyrmont,  Cassel,  später  nach 
Münster  undFrankfurta.M.)  jedesmal  wochenlang 
von  Bonn  ferngehalten  wurde.  Am  15.  Februar 
1781  hatte  er  das  „Dekret  zur  Anwartschaft  auf 
die  Hoforganistenstelle"  erhalten.  Nach  dem 
Tode  Van  den  Edens  erhielt  er  die  Stelle 
selbst,  obwohl  er  Protestant  war.  Auch  erhielt 
er  die  Erlaubniss,  um  reisen  zu  können,  seine  Stelle  durch  einen  Vikar  verwalten 
zu  lassen,  und  dieser  Vikar  an  der  Orgel  war  schon  im  Sommer  1782  der 
junge  Ludwig  van  Beethoven.  Ende  Juni  jenes  Jahres  hatte  Neefe  Bonn  ver- 
lassen, im  „Herbst"  (wie  es  scheint  im  Oktober)  kehrte  er  dahin  zurück;  so  erzählt 
er  das  in  seiner  Selbstbiographie.  Spätestens  damals,  als  Neefe  wieder  in  Bonn  sich 
einlebte,  hat  der  regelmässige  Unterricht  Beethovens  begonnen.  Diese  Zeit  hatte 
für  die  Entwicklung  des  jungen  Künstlers  hohe  Bedeutung.  Der  verwachsene, 
hypochondrische,  geistig  jedoch  höchst  bewegliche  Neefe,  der  Jura  studiert  hatte 


Christian  Gottlob  Neefe. 

Vorlage  im  Besitz  der  Oeselhchaft  der  Mustk- 

freunde  in   Viten. 


—     12 


und  ebenso  als  Komponist,  wie  als  Schriftsteller  thätig  war,  führte  den 
zwölfjährigen  Knaben  zuerst  in  die  Schatzkammer  des  „wohltemperirten  Klaviers" 
von  Joh.  Seb.  Bach  ein  und  gab  ihm  trotz  vieler  Geschäfte  „Anleitung  im 
Generalbass"  und  in  der  „Komposition".  Am  2.  März  1783  schrieb  er  selbst  über 
seine  Schüler  für  Cramers  Magazin  der  Musik  (I  394).  Er  nennt  ihn  ein  junges 
Genie  und  meint:  „er  würde  gewiss  ein  zweiter  Wolfgang  Amadeus  Mozart 
werden,  wenn  er  so  fortschreite,  wie  er  angefangen."  Bald  wusste  der  hoffnungs- 
volle Junge  mit  seltener  Gewandtheit  und  Kühnheit  zu  moduliren,  wie  aus  der 
bekannten  Erzählung  hervorgeht,  die  Wegeier  mitgetheilt  und  Thayer  dem  Jahre 
1785  zugewiesen  hat.  Beethoven  vermochte  es  damals,  den  sattelfesten  Sänger 
Heller  während  der  Lamentationen  in  der  Charwoche  durch  überraschende,  un- 
gewohnte Harmonisirung  irre  zu  machen.  Unter  Neefes  Anleitung  komponirte 
Beethoven  Variationen  über  einen  Marsch  von  Ernst  Christoph  Dressler,  die 
in  Mannheim  gestochen  wurden,  und  drei  Klaviersonaten,  die  dem  Kurfürsten 
gewidmet  wurden,  begleitet  von  einer  langen  schwulstigen  Vorrede,  in  der,  wie 
oben  angedeutet,  das  Alter  des  Knaben  um  zwei  Jahre  zu  gering  angegeben 
wurde.  Diese  frühen  Werke  zeigen  den  jungen  Tonsetzer  noch  stark  im  Banne 
Philipp  Emanuel  Bachs,  mit  dessen  Werken  ihn  Neefe  bekannt  gemacht,  ferner 
unter  dem  Einflüsse  Mozarts  und  selbst  Neefes.  Die  genannten  Meister  neben 
Johann  Sebastian  Bach,  Händel,  Clementi  und  vielleicht  auch  Jos.  Haydn 
klingen  auch  später  in  Beethovens  Musik  gelegentlich  ein  wenig  an,  namentlich 
in  den  Werken,  die  bis  gegen  1810  entstanden  sind.  Ich  habe  vor  Jahren  ver- 
sucht, einige  Fäden  aufzuzeigen,  die  von  den  Vorgängern  zu  Beethoven  herauf- 
geleiten. Mancher  Zusammenhang  wird  sich  wohl  auch  noch  ergeben,  wenn 
man  der  Reihe  nach  durchprüft,  was  Beethoven  im  kurfürstlichen  Orchester 
zu  h(")ren  bekommen  hat.  Da  gab  es  zahlreiche  Gretrysche  Kompositionen 
(„l'amant  jaloux",  „i'ami  de  la  maison"  und  viele  andere),  Salieris  „Lügnerin 
aus  Liebe"  u.  a.  auch  Mozarts  „Entführung  aus  dem  Serail",  „Don  Giovanni" 
und  „die  Hochzeit  des  Figaro".  Nicht  zu  übersehen  wären  Paisiellos  „la  finta 
giardiniera"  und  Dittersdorfs  „Doktor  und  Apotheker".  Beethoven  hat  von  den 
damaligen  Neuigkeiten  der  Bonner  Bühne  gewiss  schon  als  Knabe  Kenntnis 
erhalten,  ja  späterhin  musste  er  sogar  die  unmittelbare  Bekanntschaft  der  auf- 
geführten Opern  und  Singspiele  machen,  da  er  als  Bratschist  im  Orchester  seit 
178g  thätig  war.  Auch  Neefesche  Kompositionen  waren  zur  Aufführung  ge- 
kommen, und  zwar  in  der  Saison  1781  auf  82  „Heinrich  und  Lyda"  und 
„Sophonisbe".  Der  Anfang  der  Ouvertüre  zu  Heinrich  und  Lyda  ist  (im  Klavier- 
auszug) folgender: 


Es  wäre  geradewegs  sonderbar,  wenn  Beethoven  dieses  Werk  nicht  ge- 
kannt haben  sollte,  das  doch  für  Bonn  gewiss  eine  sensationelle  Neuigkeit 
war.  Man  wird  im  Gegentheil  annehmen  dürfen,  dass  Beethoven,  sei  es  im 
Theater,  sei  es  ausserhalb  desselben,  Neefes  Heinrich  und  Lyda,  sowie  dessen 
Sophonisbe  genau  kennen  gelernt  hat.  Und  nun  erinnere  man  sich  des  Anfangs, 
den  Beethoven  für  das  Allegro  im  Klaviertrio  aus  Op.  1  in  Es-dur  gewählt  hat, 
auch  an  den  Anfang  der  F-moll-Klaviersonate  aus  Op.  2.     Sind  derlei  Anfänge 


—     13     — 


LYDA  (bei  Betrachtung  der  Rose)  „Mit  stinen  Händen  pflegt  er  dich" 
Larshgtto.         _  / 


auch  damals  nicht  beispielslos  gewesen,  so  liegt  es  doch  gar  nahe,  einen  inneren 
Zusammenhang  gerade  mit  Neefe  anzunehmen.  Auch  die  einseitig  chromatische 
Gegenhewegung,  wie  sie  Beethoven  nicht  selten,  z.  B.  in  der  Romanze  für  Violine 
und  Orchester  aus  G-dur  angewendet  hat,  dürfte  ihm  gerade  durch  Neefe  vermittelt 
worden  sein,  obwohl  sie  u.  A.  auch  bei  J.  Haydn  und  Mozart  vorkommt.  In 
Xeefes  Heinrich  und  Lyda  heisst  es: 

Die    entsprechenden 
Stellen    aus     der 
Beethovenschen 
Romanze      sind     wohl 
allen  Musikfreunden  ge- 
läufig, die  mir  auch  zu- 
geben    werden,     dass 
sich  eine  Weiterbildung 
des    Gedankens    bei 
Brahms  beobachten 

lässt,  der  im  Adagio  des  Violinkonzertes  (Op.  77)  wieder  auf  die  einseitig 
chromatische  Gegenbewegung  zu  sprechen  kommt.  Täuscht  mich  mein  Ge- 
dächtniss  nicht,  so  hat  auch  Chopin  die  Beethovensche  Stelle  einmal  anklingen 
lassen,  und  bei  Mendelssohn  ist  dies  der  Fall  in  der  Ouvertüre  zum  Sommer- 
nachtstraum. Will  man  das  C-dur-Rondo  aus  der  „Blumenlese  für  Klavierliebhaber" 
von  1783  als  Werk  Beethovens  gelten  lassen,  und  dem  steht  nichts  im  Wege, 
so  hat  man  dort  Andeutungen  der  einseitig  chromatischen  Gegenbewegung  aus 
Beethovens  Frühzeit  zu  verzeichnen.  Auch  sei  angedeutet,  dass  derlei  Stimmen- 
führungen auch  im  Es-dur-Concert  ohne  Opuszahl,  um  1790  entstanden,  und 
in  den  beiden  ersten  grossen  Klavierkonzerten  an  verschiedenen  wenn  auch  nicht 
an  so  auffallenden  Stellen  vorkommen,  wie  in  der  erwähnten  Romanze.  Leicht 
zu  finden  ist  die  einseitig  chromatische  Gegenbewegung  im  Rondo  der  Klavier- 
sonate Op.  31  No.  1.  Sie  kommt  auch  im  Ritornell  (spanisch  No.  14)  und  in 
der  „Kreutzer-Sonate"  vor. 

Aus  Neefes  Sophonisba  scheint  Beethoven  eine  gewisse  Anregung 
zu  dem  Triolenmotiv  im  Duett  des  Rocco  und  der  Leonore  empfangen  zu 
haben  (II.  Akt  des  „Fidelio")  wenn  anders  nicht  Joh.  Seb.  Bach  dazu  Gevatter 
gestanden  hat  (mit  einer  der  Inventionen,  die  dem  jüngeren  Künstler  sicher  be- 
kannt waren.) 

Das  Einwirken  der  Haydn  sehen  Muse  auf  Beethoven  ist  unverkennbar. 
Vielleicht  lässt  sich  im  Allgemeinen  sagen,  dass  die  reichgestaltete  thematische 
Arbeit  und  der  Zug  zur  Einheitlichkeit  bei  Beethoven  hauptsächlich  dem  \'or- 
gänger  Jos.  Haydn  zu  verdanken  sind.  Manches  Einzelne  bleibt  noch  nach- 
zuweisen. Diese  Angelegenheit  ist  berührt  im  III.  Bande  der  „Berühmten 
Musiker".  („Jos.  Haydn"  von  Leopold  Schmidt).  Wasilewski  hat  einige  Hin- 
weise gegeben.  Haydns  Oxford-Symphonie  ist  ohne  Zweifel  von  Beethoven  tief 
aufgenommen  worden.  Haydns  Adagio  der  Klaviersonate  No.  14  (Ausgabe 
Lebert)  ist  für  die  Beurtheilung  von  Beethovens  Opus  2  No.  l  von  Belang. 
Auch  No.  17.  I.  .Satz  sei  des  Besonderen  genannt,  sowie  Haydns  Streichquartett 
Op.  77  No.  1. 

Mozartspuren  sind  schon  seit  lange  bei  Beethoven  nachgewiesen  worden. 
Um  bei  der  Jugendzeit  zu  bleiben,  sei  erwähnt,  dass  der  Satz  eines  in  seinen  übrigen 
Teilen  unbekannt  gebliebenen  Klavierkonzertes  von  Beethoven,  der  vor  etwa  1 2 


—     14     — 

Jahren  zum  Vorschein  kam  und  der  um  1790  entstanden  sein  dürfte,  gänzlich  unter 
Mozarts  Einfluss  steht.  Die  Spuren  des  grossen  Salzburgers  reichen  bis  in  den 
mittleren  Stil  des  Bonner  Meisters.  Wie  Mozarts  Kammermusik,  seine  Bühnen- 
kompositionen, Symphonien,  Lieder,  Sonaten,  einschliesslich  der  Violinsonaten 
für  Beethovens  künstlerische  Entwicklung  bedeutungsvoll  waren,  ist  von  zahl- 
reichen vSchriftstellern  mehr  oder  weniger  ausführlich,  aber  nirgends  auch  nur 
annähernd  vollständig  behandelt  worden.  Mozarts  „Veilchen"  klingt  nach  in 
Beethovens  As-dur  Sonate  Op.  26,  die  auch  gar  deutlich  auf  Mozarts  Andante 
aus  dem  Es-dur  Klavierkonzert  hinweist.  Die  sogenannte  Champagnersonate 
für  Violine  Op.  30  No.  3  enthält  einen  deutlichen  Anklang  an  eine  Mozartsche 
Violinsonate,  und  so  könnte  man  lange  fortfahren.  Um  1786  schuf  der  junge 
Künstler  jenes  Trio  für  Klavier,  Flöte  und  Fagott,  auf  das  oben  aus  Anlass 
der  Pfeifferschen  Flöte  angespielt  wurde.  Die  erste  Seite  dieses  frühen  Werkes 
wird  umstehend  im  Faksimile  nachgebildet.  Die  ganze  Komposition  ist  im  Er- 
gänzungsbande der  Leipziger  Gesammtausgabe  als  No.  294  abgedruckt.  Die 
Handschrift  wurde  (nach  Thayer)  aus  Beethovens  Nachlass  um  20  Kreuzer  (!) 
verkauft.    Das  interessante  Werk  klingt  noch  stark  an  Mozart  an. 

Mit  Mozart  kam  der  Jüngling  Beethoven  in  persönliche  Berührung.  Be- 
greiflicher Weise  hatte  sich  in  dem  rasch  aufstrebenden  jungen  Klavierspieler 
der  Wunsch  geregt,  den  Gn'issten  zu  sehen  und  zu  hören,  der  damals  die 
Tasten  beherrschte,  das  war  Mozart  in  Wien.  Dahin  reiste  Beethoven  im 
Frühling  1787.  Dass  er  einigen  Unterricht  bei  Aiozart  genossen  hat,  steht  ausser 
Zweifel.  Auch  weiss  man,  dass  Mozart  über  die  Leistungen  des  jungen  Bonners 
geradezu  überrascht  war  und  ihn  prophetisch  der  Aufmerksamkeit  seiner  Freunde 
empfahl.  Nicht  allzu  klar  ist  die  Frage,  ob  er  Mozarts  Klavierspiel  selbst  gehört 
hat.  Er  klagte,  dass  ihm  der  ältere  Meister  beim  Unterricht  nicht  vorgespielt 
habe.  Doch  scheint  es  immerhin,  dass  er  anderwärts  ihn  spielen  gehört  hat. 
Auch  lässt  sich  annehmen,  dass  er  mit  Kozeluch  und  dessen  Schule,  ver- 
muthlich  auch  mit  der  blinden  Therese  Paradis  bekannt  geworden.  Wohl  hat 
er  auch  das  Wunderkind  Hummel  gesehen,  wohl  auch  den  kleinen  Scheikel 
und  Andere.  Man  weiss  wenig  Sicheres  über  diesen  Aufenthalt  Beethovens  in 
Wien.  Vielleicht  hat  der  junge  Virtuos  einmal  vor  dem  Kaiser  (Joseph  II.)  ge- 
spielt. Aus  einer  späteren  Aeusserung  des  Künstlers  wollte  man  darauf 
schliessen.  Beethoven  hatte  mit  der  erwähnten  Reise  nach  Wien  wenig  Glück. 
Er  erhielt  Nachricht  von  der  schweren  Erkrankung  der  Mutter,  brach  seine  Studien 
in  Wien  ab  und  eilte  über  Augsburg  nach  Hause  zurück.  Zwar  traf  er  seine 
Mutter  noch  lebend  an,  aber  „in  den  elendesten  Gesundheitszuständen",  wie  er 
selbst  damals  einem  Bekannten  (Schaden)  nach  Augsburg  schrieb.  Die  guie 
abgehärmte  Frau  starb  am  17.  Juli  1787.  Ihr  Ableben  versetzte  den  Sohn  in  einen 
Zustand  tiefer  Trauer  und  Melancholie.  Kein  Wunder!  Die  Mutter  war 
ihm  eine  liebe  Freundin  gewesen,  und  er  vertraute  ihr.  Dann  hatten  sich  die 
materiellen  Verhältnisse  der  Familie  während  der  wochenlangen  Krankheit  der 
Hausmutter  wesentlich  verschlimmert  und  Vater  Beethoven  hatte  um  Vorschuss 
bei  Hofe  bitten  müssen.  Ludwig  war  auf  der  Rückreise  von  Wien  in  Geld- 
verlegenheit gerathen.  Zu  Hause  die  zwei  halbwüchsigen  Knaben  Caspar  Carl 
und  Johann  sowie  die  kleine  Maria,  die  damals  noch  in  der  Wiege  lag,  alle,  wie 
man  annehmen  darf,  stark  vernachlässigt.  Fehlte  doch  die  mütterliche  Fürsorge. 
Das  war  also  ein  bitteres  Zusammentreffen  von  Umständen,  recht  wohl  ge- 
eignet, den  gefühh'ollen  jungen  Mann  zu  verstimmen. 


—      15     — 

Einer  alten  Ueberlieferung  zufolge  wurde  in  der  Zeit  nach  dem  Ableben 
der  Mutter  Beethoven  eine  Haushälterin  aufgenommen.  Caspar  Carl  sollte 
Musiker  werden.  Bruder  Johann  kam  als  Lehrling  in  die  Bonner  Hofapotheke. 
Ferdinand  Ries,  der  Freund  des  Hauses,  hat  in  jener  schweren  Zeit  mit  Rath 
und  That  ausgeholfen. 


W.  A.  Mozart  nach  Tischbein. 

Aus  Max  Kulbecli's  ^Opern-Abende",  Studien  zur  Geschichte  und  Kritik  der  Oper.    2  illustr.  Bände. 

(Verlag  der  Harmonie.) 

Für  Ludwig  ergab  sich  bald  die  Möglichkeit,  sich  wieder  aufzurichten;  er 
hatte  Halt  an  seiner  Kunst,  seinem  Beruf  und,  wie  man  weiss,  auch  an  etlichen 
Freunden  und  Bekannten.  Ungefähr  1785/86  war  er  ins  Haus  der  Witwe  von 
Breuning  gekommen,  wo  er  der  Tochter  Eleonore  und  dem  jüngsten  Sohne 
Lenz  Musikunterricht  zu  ertheilen  hatte.  Stephan  von  Breuning,  der  zweit- 
jüngste der  Söhne,  war  Beethovens  besonderer  Freund.  Steffen,  so  wurde  er  in 
der  Familie  genannt,  war  im  August  1774  geboren.    F.  G.  Wegeier,    der   den 


16     — 


brachte 
Nacht". 
Hessen, 
man 


Schattenriss 
des  jungen  Beethoven. 

(Nach  der  Lithof/raplue  in  den 

Biographischen  Notizen  von  Wegeier 

und  Ries.) 


jungen  Beethoven  seit  1782  kannte,  verkehrte  ebenfalls  in  jener  Familie,  die 
sich  nun  wohl  alle  Mühe  gab,  den  betrübten  Musikus  aus  seiner  Trauer  zu 
reissen.  Denn  Beethoven  war  dort  wie  das  Kind  im  Hause  gehalten  und  er  ver- 
dort  „nicht  nur  den  grössten  Theil  des  Tages,  sondern  selbst  manche 
Als  ungefähr  1786  die  Mitglieder  der  Familie  ihre  Schattenrisse  schneiden 
wurde  auch  Beethoven  herangezogen,  und  diesem  Umstände  verdankt 
das  nebenstehend  abgebildete  Profil,  eines  der  wichtigsten  Bildnisse  des 
Künstlers.  Unsere  Einbildungskraft  färbt  es  und  belebt  es 
als  das  rothbraune  blutreiche  von  dunkelstem  Haar  umrahmte 
Gesicht  eines  „störrischen,  unfreundlichen"  Jungen  von  kaum 
16  Jahren. 

Um  jene  Zeit  ist  Beethoven  auch  mit  dem  Grafen 
Ferdinand  E.  G.  Waldstein  bekannt  geworden.  Nach 
Thayers  Ermittelungen  dürfte  es  1787  gewesen  sein,  ver- 
muthlich  bald  nach  der  Rückkehr  des  jungen  Virtuosen  aus 
Wien.  VValdstein  war  eine  Art  Ideal  von  Kunstfreund.  Er 
erkannte  das  ungewöhnliche  Talent  Beethovens  und  förderte 
es  ohne  aufdringlich  zu  sein.  Zunächst  scheint  Beethoven 
durch  ihn  einen  guten  Flügel  zum  Geschenk  erhalten  zu  haben. 
Als  Vater  Johann  van  Beethoven  seine  Stimme  verloren 
hatte  und  seinen  Dienst  verlassen  musste,  ja  sogar  mit  der 
„Verbannung  auf  ein  kurkölnisches  Landstädtchen"  bedroht 
wurde,  dürfte  Waldheims  Einfluss  den  Sohn  Ludwig  gehalten 
und  ihm  zu  einer  bedeutenden  Gehaltsaufbesserung  verholfen  haben,  beziehungs- 
weise dazu,  dass  ihm  der  halbe  Gehalt  des  nahezu  unzurechnungsfähigen  Vaters 
eingehändigt  wurde.  Ludwig  hatte  ja  schon  damals  für  seine  Geschwister  zu 
sorgen.  Wegeier  spricht  vom  Einfluss  des  Grafen  beim  Kurfürsten  Maximilian 
Franz.  Die  wichtigste  Förderung,  die  Beethoven  durch  Waldstein  erfahren  hat, 
ist  aber  die,  dass  der  junge  Komponist  neuerlich  nach  Wien  geschickt  wurde, 
um  bei  Jos.  Haydn  eine  gründliche  Ausbildung  zu  erhalten. 

Bis  zu  jener  neuerlichen  Reise  nach  Wien  haben  wir  uns 
den  Heranwachsenden  als  pflichteifrigen  Organisten  und  Violin- 
spieler vorzustellen,  der  aber  jede  Gelegenheit  benutzte,  ausser 
Dienst  seinen  musikalischen  Gedanken  nachzuhängen  und  sie  zu 
Papier  zu  bringen,  wenn  auch  nicht  sie  alle  auszuarbeiten.  Zum 
musikalischen  Schaffen  mag  es  oft  genug  ungestörte  Gelegenheit 
gegeben  haben,  da  der  Kurfürst  nicht  selten  verreist  war.  Musik- 
unterricht wurde  ertheilt,  wenn  auch  ungern,  z.  B.  beim  Grafen 
Westphal,  wo  vielleicht  ein  etwas  steifer  Ton  herrschte,  dem 
der  junge  Tonkünstler  gesellschaftlich  nicht  gewachsen  war. 
Im  Uebrigen  dürfte  Alles,  was  gesellschaftliche  Verpflichtung 
heisst,  leicht  zu  erfüllen  gewesen  sein.  Denn  mit  dem  Grafen 
Waldstein,  der  Beethoven  selbst  besuchte,  mit  Breunings,  mit  der 
I-'amilie  Romberg,  mit  Ries,  Reicha,  Wegeier,  bei  Koch  und 
Anderen  war  der  Verkehr  ganz  ungezwungen,  wohl  auch  bei  Neefe.  Wegeier, 
der  Arzt  wurde,  ist  später  durch  Herausgabe  wichtiger  Nachrichten  über  Beethoven 
weithin  bekannt  geworden.  Die  Vettern  Romberg,  Andreas  und  Bernhard, 
errangen  sich  durch  ihre  künstlerischen  Leistungen  einen  bedeutenden  Ruf,  der 
noch    heute    unvergessen    ist.     Rombergs    haben    in    den  neunziger  Jahren,    als 


Bildnis  des  kleinen 
Stephan  vonBreuning. 
(Nach  einer  Miniatur  G.  t. 
Küyelgen's  aus  dem  Jahr» 
J788.  Original  bei  Frau 
Josephine  von  Breuning  in 
Wieti. 


17 


Beethoven  längst  aus  Bonn  fortgezogen  war,  ihn  in  Wien  besucht,  wo  der 
X'erkehr  der  alten  Bekannten  erneuert  wurde.  Andreas  Romberg  starb  vor 
Beethoven,  schon  i8lm,  Bernhard  überlebte  ihn.  Er  starb  1841.  (Ihre  Bildnisse 
werden  anbei  gegeben.)  Von  Ries,  der  gleich  Wegeier  bedeutsame  Mittheilungen 
über  Beethoven  veröffentlicht  hat,  hören  wir  noch.  Dass  jung  Beethoven 
einige  Male  recht  tüchtig  verliebt  war,  (Jeanette  d'Honrat  wird  als  eine  der 
Angebeteten  genannt)  mag  hier  Erwähnung 
tinden.  Neefe  hat  dem  Jüngling  ohne  Zweifel 
Manches  von  der  neuen  Literatur  zugeschoben. 
Die  Namen  Goethe  und  Schiller  waren  dem 
jungen  Manne  schon  damals  bekannt  ge- 
worden. \'on  den  grossen  Ereignissen  in 
Frankreich  musste  er  allerw'ärts  erfahren.  Die 
revolutionären  Ideen,  die  seit  1789  herüber- 
kamen, die  Nachricht  von  der  Erstürmung  der 
Bastille,  von  der  Flucht  des  Königs  und  von 
all  den  weltbewegenden  Ereignissen,  die  sich 
damals  nur  so  drängten  und  nicht  allzu  fern 
vom  Niederrhein  abspielten,  mögen  Beethoven 
lebhaft  ergriffen  und  zum  Nachdenken  über 
Menschenrechte  und  Gewaltherrschaften  an- 
geregt haben.  Ueberhaupt  waren  es  die  Jahre 
um  1800,  die  Beethoven  im  Kampf  ums  Dasein 
aufs  Eigene  gestellt  und  geistig  ausgereift 
haben,  wie  er  denn  damals  auch  sein  körper- 
liches Wachsthum  im  Wesentlichen  abge- 
schlossen hat;  es  scheint  nach  glücklicher  Ueberstehung  der  gewöhnlichen  Kinder- 
krankheiten, aber  nach  minder  glattem  Verlauf 
einer  Erkrankung  an  den  Pocken,  die  in 
seinem  Antlitz  bleibende  Spuren  zurückgelassen 
haben.  Die  auffallende  Ungleichheit  der  beiden 
Kinnhälften  ist  offenbar  durch  eine  tiefgreifende 
Pockennarbe  bedingt. 

Nur  in  künstlerischer  Beziehung  war 
noch  Alles  im  Gähren  und  Werden.  Was  in 
Bonn  fertig  geworden  neben  und  nach  den 
Kompositionen,  die  schon  oben  Erwähnung 
gefunden  haben,  hätte  ja  gewiss  genügt,  um. 
dem  Schöpfer  ein  Plätzchen  im  Parnass  zu 
erobern ;  da  aber  noch  so  viel  Besseres,  Eigen- 
artigeres, Grandioseres  nachgekommen  ist,  ver- 
schwinden die  Bonner  Werke  fast  neben  den 
späteren  musikalischen  Thaten,  obwohl  der 
Werke  aus  der  Bonner  Zeit,  wie  man  heute 
sieht,  ziemlich  viele  sind:  Quartette,  Trios, 
Lieder,  Präludien,  eine  Fuge,  zwei  Kantaten 
auf  den  Tod  Josephs  II.  und  auf  Leopold  IL, 
endlich  ein  Ritterballet.  Diese  Kompositionen,  alle  von  kunstgeschichtlichem 
Interesse,    sind    zumeist   im    Ergänzungsbande    zur  Leipziger  Gesammtausgabe 


Andreas  Romberg. 

Vorlage  aus  Nerrn  Fr.  Xic.  Manskopf's  musik- 
historischem Museum  in  Frankfurt  a,  M. 


Bernhard   Romberg 

Vorlage  aus  Herrn  Fr.  Ntc.  Manskopf's  musik- 
historischem Museum  in  Frankfurt  a.  M. 


—     18     — 

gedruckt.     Beethoven    hat    in    Bonn    überdies    Manches  skizzirt,    das  erst  nach 
Jahren  wieder  hervorgeholt  und  dann  fertiggestellt  wurde. 

Ein  musikalisches  Ereigniss  jener  Zeit  waren  zwei  Besuche  Jos.  Haydns 
in  Bonn  gegen  Ende  1791  und  im  Juli  1792,  das  ist  also  vor  und  nach  dem 
ersten  Aufenthalte  Haydns  in  England.  Joh.  Peter  Salomon,  ein  Bonner  Kind 
(aus  der  Bonngasse,  wie  Beethoven)  hatte  in  England  sein  Glück  gemacht.  Wie 
man  weiss,  war  er  es,  der  Haydn  bewogen  hat,  nach  England  zu  reisen.  Es 
ist  ziemlich  wahrscheinlich,  dass  Salomon  auch  mit  im  Spiele  war,  als  Beethoven 
1792  dem  berühmten  Altmeister  vorgestellt  wurde  und  ihm  eine  seiner  Arbeiten 
zeigen  durfte.  Bei  Haydns  erstem  Besuche  in  Bonn  scheint  übrigens  Beethoven 
nicht  unter  den  Auserwählten  gewesen  zu  sein,  die  zu  einer  improvisirten 
Festtafel  zu  Ehren  Haydns  herangezogen  wurden.  Haydn  anerkannte  das 
ungewöhnliche  Talent  des  jungen  Beethoven.  Damals  mögen  die  ersten  Gedanken 
Beethovens  an  eine  eigene  Reise  nach  England  sich  gebildet  haben.  Späterhin 
treten  derlei  Pläne  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  hervor,  ohne  aber  jemals  zur 
That  werden  zu  können. 

Auf  Beethovens  künstlerisches  Bewusstsein  hatte  ohne  Zweifel  schon  vor 
Ha\'dns  Besuch  sehr  hebend  eine  heitere  Fahrt  eingewirkt,  die  er  mit  dem  vor* 
züglichsten  Theile  des  kurfürstlichen  Orchesters  im  vSommer  1791  zu  Schiff  den 
Rhein  und  Main  aufwärts  mitgemacht  hat.  Der  Kurfürst  Max  Franz,  der  als 
Sohn  Maria  Theresiens  und  Bruder  Josephs  IL  vom  Wiener  Hofe  nicht  nur 
Heiterkeit  und  Aufklärung  sondern  auch  leidenschaftliche  Musikliebe  nach  Bonn 
mitgebracht  hatte,  wollte  während  seines  Aufenthaltes  in  Mergentheim  die  ge- 
wohnte musikalische  Anregung  nicht  missen.  Daher  die  Reise  der  Orchester- 
mitglieder im  Gefolge  des  Fürsten.  Auf  dem  Schiffe  der  Musiker  war  für 
Fr()hlichkeit  gesorgt.  Denn  der  Komiker  und  Sänger  Lux  hatte  dort  die  Königs- 
würde inne.  Beethoven  war  Anfangs  Küchenjunge,  später  der  Träger  einer 
scherzhaft  diplomirten  höheren  Würde.  In  Aschaffenburg  wurde  er  bei  dem 
berühmten  Klavierspieler  Sterkel  eingeführt,  dessen  feinere  Behandlung  des 
Instrumentes  er  sofort  nachzuahmen  wusste  und  den  er  durch  seine  freie 
Phantasie  höchlich  in  Erstaunen  setzte.  Liebevolle  Bewunderung  wurde  ihm 
durch  den  Kaplan  Junker  in  Mergentheim  zu  Theil,  vor  dem  er  auf  dem  Flügel 
phantasirte.  Beethovens  Bescheidenheit  bei  all  diesen  Erfolgen  ist  bemerkens- 
werth.  Auch  sei  erwähnt,  dass  die  mehr  als  zwanzig  Musiker  in  friedlicher 
Eintracht  beisammen  waren.  Man  denke!  So  war  es  wohl  auch  noch  auf  der 
Heimreise  stromabwärts.  Die  Stimmung  mag  die  zuversichtlichste  gewesen 
sein,  denn  der  Kurfürst  hatte  dem  Orchester  die  namhafte  Belohnung  von  lOOO 
Thalern  reichen  lassen.  Beethoven  ahnte  damals  nicht,  dass  er  vom  Vater 
Rhein  und  seinen  Liedern  und  von  vielen  der  fröhlichen  Reisegenossen  bald  für 
immer  Abschied  nehmen  würde.  Ein  Jahr  später  stand  er  schon  vor  der  Ab- 
reise nach  Wien.  Oft  hat  er  in  reifem  Alter  der  frohen  Jugendtage  am  Rhein 
gedacht,  so,  als  er  am  Septett  gegen  1800  komponirte  und  das  Thema  wählte: 

das  einem  rheinischen  Volks- 
liede  „ach  Schiffer,  lieber  Schiffer" 
^  entspricht;  so  gedachte  er  der 
Heimath,  als  er  1801  an  Freund  Wegeier  schrieb:  „Mein  Vaterland  ist  mir 
noch  immer  so  schön  und  deutlich  vor  Augen,  als  da  ich  Euch  verliess", 
sicher  schweiften  seine  Gedanken  nach  den  Bonner  Jahren  zurück,  als  er 
für  den  Grafen  Waldstein  seine  C-dur-Sonate  komponirte;  später  freute  er  sich 


—     19     — 

„bönnische"  Laute  zu  vernehmen,  als  Besuch  aus  der  Vaterstadt  bei  ihm  war, 
und  noch  1825  lässt  er  sich  dem  jüngeren  Ries  gegenüber  vernehmen:  „Leben 
Sie  wohl  in  den  mir  ewig  lieben  Rheingegenden." 

Beethoven  zog  in  die  Ferne.  Der  Rhein  aber  rauscht  weiter.  Er  ist, 
wenn  mans  nicht  allzu  genau  nimmt,  der  Alte  geblieben.  Denen,  die  zu  lauschen 
verstehen,  erzählt  er  noch  heute  von  seinem  grossen  Kinde  Beethoven. 


Die  ersten  Jahre  in  Wien. 


^i^^^^»M^^i'  nfangs  November  1792  fuhr  Beethoven  wohl  in  einem  altväterlichen 
Postwagen  durch  eines  der  Wiener  .Stadtthore  ein,  die  schmalen 
dunklen  Strassen  entlang,  vermuthlich  zunächst  zur  Hauptpost,  um  sich  von 
dort  in  eines  der  „Einkehrwirthshäuser"  zu  begeben,  deren  Wien  schon  damals 
ziemlich  viele,  wenngleich  ■  keine  vorzüglichen  besass.  Beethoven  wird  sich 
sobald  als  möglich  umgesehen  haben,  ob  seit  1787  noch  Alles  auf  dem  rechten 
Flecke  stehe,  und  wie  er  seine  Bekannten  vom  ersten  Aufenthalt  in  Wien 
wiederfinden  könne.  Die  Läden  der  Kunsthändler  mit  den  Musikalien,  die  dort  ge- 
wöhnlich feilgeboten  wurden,  haben  ihn  gewiss  lebhaft  gefesselt.  Vielleicht  war  er 
bei  Artaria  schon  heimisch  von  seinen  ersten  Wiener  Tagen  her.  Jos.  Eder,  sowie 
Hofmeister  &  Cie.  mussten  ihm  auffallen.  Sich  nach  dem  Stephansplatz  begebend, 
konnte  er  bemerken,  dass  dort  gegen  den  „Stock-im-Eisen"  und  vor  dem  „Riesen- 
thor" der  Stephanskirche  in  jüngster  Zeit  freier  Platz  geschaffen  worden  war.  In 
der  Herrengasse  war  eben  der  langgestreckte  neue  Liechtensteinsche  Palast  fertig 
geworden,  auffallend  durch  reichen  Schmuck  der  Fa9ade.  Das  sonstige  Stadt- 
bild mit  seinen  alten  Kirchen,  mit  den  alten  Palästen  z.  B.  der  Kinsky, 
Lobkowitz  und  mit  dem  neuen  Palais  des  Grafen  Fries  (von  1783),  mit  den 
Basteien,  Stadtgräben  und  Brücken  und  dem  weitläufigen  „Glacis"  war  noch 
ziemlich  ebenso  geartet,  wie  es  1787  gewesen,  und  was  der  Beobachtungen,  die 
Beethoven  zu  machen  hatte,  mehr  wären.  Wenn  er  in  der  Hauptstrasse  der 
Vorstadt  „Landstrasse"  an  dem  Hause  vorübergekommen  sein  sollte,  wo  er 
1787  bei  Mozart  Unterricht  erhalten  hatte,  so  wird  er  des  Meisters  nicht  ohne 
Wehmuth  gedacht  haben.  Denn  Mozart  war  nicht  mehr.  Noch  kein  volles 
Jahr  war  verstrichen,  seitdem  der  Musikgewaltige  noch  als  junger  Mann  dahin- 
gegangen. (Das  war  seit  dem  5.  Dezember  1791).  Freudig  und  erwartungsvoll 
aber  mochte  dem  kraftstrotzenden,  feurigen  jungen  Beethoven  das  Herz  geklopft 
iiaben,  als  er  an  Ha^^dns  Thür  pochte  im  Hause  No.  992  auf  der  „Wasserkunst- 


—     21     -- 

bastei".      Der   erste  Gang   zu    Haydn    musste    doch    dem   jungen  Musiker  von 
besonderer  Wichtigkeit  sein.     Das  hängt  nun  so  zusammen. 

Der  frühere  Aufenthalt  Beethovens  in  Wien,  wir  haben  davon  gehcnt, 
hatte  ein  vorschnelles  Ende  genommen.  Die  höhere  Ausbildung,  die  Beethoven 
anstrebte,  war  in  Bonn  nicht  zu  erreichen.  Jedenfalls  drängte  deshalb  Graf 
Waldstein,  dass  der  Wissensdurstige  nochmals  zu  Mozart  nach  Wien  reise.  Da 
starb  dieser  unerwartet.     Bald  darauf  kam  Haydn    auf  der  Durchreise    zweimal 


Jos.  Haydn  (1794)  nach  dem  Gemälde  von  G.  Dance. 
Aus  der  int  Verluije  der  ^Harmonie-  erschienenen  Saydn- Biographic  von  Leopold  Schmid'. 

durch  Bonn.  Bei  seinem  zweiten  Aufenthalt  dort  ist  es  ohne  Zweifel  unter  den 
Mächtigen  abgemacht  worden,  dass  Beethoven  die  Vollendung  des  Unterrichtes 
durch  Haydn  empfangen  müsse.  Graf  Waldstein  dürfte  der  Anreger  gewesen 
sein;  der  Kurfürst  und  Haydn  scheinen  freundlich  zugestimmt  zu  haben,  und 
Beethoven  konnte  mit  der  Abmachung  zufrieden  sein,  auch  in  äusserlicher  Be- 
ziehung. Denn  er  blieb  trotz  seiner  Abwesenheit  von  Bonn  kurfürstlicher  be- 
soldeter Hoforganist  und  hatte  überdies  Aussicht  auf  eine  beträchtliche  Zulage. 
So  musste  denn  Anfangs  die  Zukunft  dem  jungen  Künstler  überaus  günstig 
erscheinen.     \'on  Frankreich  her  näherte  sich  aber  Unheil;  kriegerische  Unruhe 


—     22     — 

kam  immer  dichter  an  den  Rhein  heran  und  bedrohte  die  Existenz  des  Kur- 
fürstenthums  immer  ernster.  Man  kennt  die  grossen  Ereignisse  seit  dem  Herbst 
1792  und  namentlich  die  Feldzüge  am  Rhein  und  Main.  Beethovens  Reise  von 
Bonn  nach  Wien  ist  nicht  ganz  unberührt  davon  geblieben,  da  sie  durch  die  beun- 
ruhigten Gegenden  führte.  Man  liest  in  einem  Notizbuch  Beethovens  von  jener  Reise: 
„einen  kleinen  thaler"  „Trinkgeld,  weil  der  Kerl  uns  mit  Gefahr  Prügel  zu  be- 
kommen mitten  durch  die  hessische  Armee  führte  und  wie  ein  Teufel  fuhr". 
Viel  bedeutsamer  aber  waren  die  Kriegsereignisse  für  den  Kurfürsten,  der 
wiederholt  aus  Bonn  flüchten  musste,  schliesslich  ganz  um  seine  Würde  kam  und 
1800  nach  Wien  zurückkehrte.  (Er  starb  1801  in  Hetzendorf  bei  Wien;  am 
27.  Juli  1756  war  er  geboren).  Die  immer  drohender  werdenden  Wirren 
Hessen  schon  gegen  Ende  von  1792  den  Kurfürsten  an  bedeutende  Ein- 
schränkungen in  seinem  Hofstaat  denken.  Daher  erhielt  Beethoven  statt  zuge- 
sagter 100  Dukaten  höchstens  25,  eine  Summe,  die  im  Herbst  1792  in  seinem 
Tagebuche  als  Einnahme  verzeichnet  steht.  Aus  demselben  Tagebuche  ent- 
nimmt man,  dass  es  unmittelbar  nach  der  Ankunft  in  Wien  vielerlei  Ausgaben 
zu  bestreiten  gab.  Ein  Klavier  musste  doch  rasch  gemiethet  werden.  Die 
Kleidung  erforderte  wesentliche  Erneuerung,  bedingt  durch  die  Grossstadt  und 
durch  den  nahenden  Winter.  Auch  fühlte  Beethoven  wohl  ein  wenig  den 
Mangel  an  Schliff,  und  desshalb  wird  Verbindung  mit  einem  Tanzmeister  an- 
gestrebt, dessen  Adresse  im  Tagebuch  notirt  erscheint.  Darin  liest  man  auch 
folgende  Zeilen,  die  gegen  Ende  1792  niedergeschrieben  sein  mögen:  „Alle 
Nothwendigkeiten,  z.  B.  Kleidung,  Leinwand,  alles  ist  auf.  In  Bonn  verliess 
ich  mich  darauf,  ich  würde  hier  100  Dukaten  empfangen,  aber  umsonst.  Ich 
muss  mich  völlig  neu  equipiren."  Johann  van  Beethoven  war  am  18.  Dezember 
1792  verstorben,  ein  Ereigniss,  an  das  sich  wohl  neue  Auslagen  geknüpft 
haben.  So  mag  es  denn  ym  Neujahr  1793  etwas  schmal  zugegangen  sein. 
Erst  im  Februar  1793  erhielt  Beethoven  sein  Vierteljahresgehalt.  Darauf  richtet 
er  ein  devotes  Schreiben  an  den  Kurfürsten  in  Geldangelegenheiten.  Thayer 
und  Deiters  haben  die  Finanzen  des  jungen  Beethoven  genau  überprüft  und 
theilen  mit,  dass  Beethovens  Gehalt  zwar  bis  zum  März  1794  fortlief,  dass  aber 
späterhin  keinerlei  Unterstützung  oder  Bezahlung  von  Seiten  des  Kurfürsten 
nachweisbar  ist.  Bis  dahin  aber  hatte  Beethoven  in  Wien  schon  einigermassen 
Fuss  gefasst,  obwohl  man  ihm  auch  von  mancher  Seite  merklich  entgegen- 
arbeitete, und  so  gings  denn  wieder  weiter. 

Der  Unterricht  bei  Haydn  begann  vermuthlich  schon  1792  und  scheint 
Anfangs  für  Lehrer  und  Schüler  von  Interesse  gewesen  zu  sein.  Hatte  doch 
Haydn  von  dem  neuen  Kunstjünger  einen  sehr  günstigen  Eindruck  empfangen. 
Der  LInterricht  geschah  hauptsächlich  nach  einem  Auszug  aus  dem  Joh.  Jos. 
Fuxschen  „gradus  ad  Parnassum".  Beethoven  bezahlte  den  Lehrer,  wie  es 
scheint,  mit  8  Groschen  für  die  Lektion;  auch  scheint  er  ihm  Kaffee  oder 
Chokolade  vorgesetzt  zu  haben.  Doch  bei  alledem  waren  die  Lorbeeren,  die 
der  60jährige  auf  seiner  Londoner  Reise  kurz  vorher  eingeheimst,  wohl  ehei 
geeignet,  den  Eifer  im  Lehren  erschlaffen  zu  lassen,  als  ihn  sonderlich  zu 
steigern.  Seine  Aufmerksamkeit  war  ja  zudem  durch  die  beabsichtigte  zweite 
Reise  nach  London  in  Anspruch  genommen.  So  Hess  denn  der  grosse  Lehr- 
meister manche  offene  Quint,  offene  Oktave,  manchen  Ouerstand  in  Beethovens 
Aufgaben  unverbessert,  obwohl  er  an  anderen  Stellen  auf  Reinheit  des  Satzes 
drang.     Die  Lässigkeit,    mit   der  Haydn  bei  der  Sache  war,  konnte  nicht  lange 


verborgen  bleiben.  Der  Komponist  Job.  Schenck  machte  Beethoven  auf  die 
unverbesserten  Fehler  aufmerksam  und  übernahm  unentgeltlich  und  insgeheim 
den  Unterricht,  bis  Haydn  im  Januar  1794  abreiste.  (Nach  Otto  Jahns,  Se}^- 
frieds  und  Schindlers  Angaben,  die  auf  Schencks  Mittheilungen  zurückgehen.) 
Zu  einem  offenen  Bruch  mit  Haydn  ist  es  nicht  gekommen,  doch  sank  der 
Alte  eine  Zeit  lang  in  der  Werthschätzung  des  Jungen.  Beethoven  Hess  sichs 
nicht  merken  und  besuchte  den  einflussreichen  Haydn  nach  wie  vor,  der  ihn 
im  Sommer  nach  Eisenstadt  zu  Esterhazy  brachte  (Thayer  I,  262  und  II,  410  ff). 
Des  früheren  Lehrers  Neefe  hat  Beethoven  zu  jener  Zeit  dankbar  gedacht.  Er 
scheint  ihm  von  gemachten  Fortschritten  geschrieben  zu  haben,  denn  Neefe  be- 
richtete davon  in  Spaziers  Berliner  Alusikzeitung  vom  Oktober  1793,  ^^o  auch 
eine  Stelle  aus  Beethovens  Schreiben  an  Neefe  mitgetheilt  wird:  „Ich  danke 
Ihnen  für  Ihren  Rath,  den  Sie  mir  sehr  oft  bei  dem  Weiterkommen  in  meiner 
göttlichen  Kunst  ertheilten.  Werde  ich  einst  ein  grosser  Mann,  so  haben  auch 
Sie  Theil  daran  .  .  ."  Obwohl  dem  jungen  Künstler  damals  schon  eine 
Ahnung  von  grosser  Zukunft  aufdämmerte,  und  obwohl  er  gelegentlich  nicht 
ohne  .Selbstbewusstsein  auftrat,  befleissigte  er  sich  zunächst  dennoch,  einstweilen 
recht  bescheiden  den  Schüler  zu  spielen.  Vielleicht  durch  Haydn  empfohlen, 
wandte  sich  der  Lernbegierige  nach  der  Abreise  des  berühmten  Altmeisters  an 
Albrechtsberger,  um  theoretische  Studien  fortzusetzen.  (Anbei  Albrechtsberger's 
Bildnis.)  Daneben  scheint  er  auch  seine  allgemeine  Bildung  etwas  erweitert  zu 
haben  durch  Unterricht  bei  .Schuppanzigh  dem 
Vater,  der  Professor  an  einer  Mittelschule  war. 
Oder  war  Beethoven  selbst  Lehrer  des  jungen 
Schuppanzigh  (geboren  1776)  in  irgend  einem 
musikalischen  Fache.^  Beachtenswerth  ist  für 
alle  Fälle  die  Tagebuchnotiz  aus  jener  Zeit: 
„Schuppanzigh  dreimal  die  W(oche)"  in  unmittel- 
barer Nachbarschaft  der  Aufschreibung:  „Albrechts- 
berger dreimal  die  W(oche)".  Der  gewissenhafte 
Lehrer  und  Theoretiker  Albrechtsberger  nahm  mit 
dem  gelegentlich  eigensinnigen  Beethoven  die 
Lehre  vom  einfachen  und  doppelten  Kontrapunkt 
durch.  Die  Formen  des  Kanon  und  der  Fuge 
wurden  eingeübt  und  zwar  in  mannigfacher  Weise 
und  viel  gründlicher,  als  etwa  früher  in  Bonn 
bei  Neefe.  Doch  lässt  sich  wohl  erkennen,  dass 
der  Unterricht  nicht  bis  zu  einer  sicheren  Be- 
herrschung der  Fugenform  geführt  hat,  wie  sie 
von  den  grossen  Alten,  wie  Bach  und  Händel 
ausgebildet  worden  war.    Beethoven  spürte,  dass 

die  Zeit  eine  andere  geworden  und  dass  mit  dem  Breittreten  dessen,  was  Andere 
schon  längst  viel  besser  geleistet  haben,  für  die  Kunst  nichts  gewonnen  wird.  Der 
Unterricht  bei  Albrechtsberger  dauerte  nach  Nottebohms  Ermittlung  etwa  bis 
Mai  1795.  Beethoven  war  unter  jenen  Schülern,  an  denen  Albrechtsberger 
„wahre  Freude  erlebte",  wie  der  Lehrer  später  selbst  niedergeschrieben  hat. 

Wenngleich  nicht  in  regelmässigen  Stunden,  so  doch  mit  zeitweiliger 
Aufmerksamkeit  hat  Beethoven  auch  zwischen  1793  und  1802  die  werthvollen 
Unterweisungen  Antonio  .Salieris  genossen,  wodurch  er  in  die  italienische  Ge- 


G.  .albrechtsberger. 

Vorlage  aus  Herrn  Fr.  Xic.  Manskopf's  .Vusik- 
liistorisdiini  Museuin  in  Frankfurt  a.  M. 


—     24 


Sangskomposition  eingeführt  wurde,  besser  deklamiren  lernte  und  genöthigt 
war,  sich  ins  Italienische  ein  wenig  einzuarbeiten.  Salieris  Rath  ist  wohl  auch 
späterhin  noch  eingeholt  worden,  etwa  bis  1809.  (Nebenstehend  Salieris  Bildnis.) 
Beethoven  war  in  Wien  sehr  lebhaft  bemüht,  gesangsmässig  schreiben  zu  lernen. 
Ich  kenne  ein  Autograph  Beethovens,  aus  welchem  her\-orgeht,  dass  sich  der 
Komponist  nicht  nur  über  den  Umfang  der  einzelnen  Stimmgattungen  (das  ge- 
hört ja  zu  den  gewöhnlichsten  Kenntnissen  des  Musikers)  sondern  auch  über 
die  einzelnen  Register  unterrichtete.  Salieri  dürfte  ihn  auf  derlei  Dinge  auf- 
merksam gemacht  haben. 

In  jene  Periode  besonderer  Schätzung  gesanglicher  Kunst  fällt  wohl  auch 
Beethovens  Versuch,  „wöchentlich  eine  kleine  Singmusik"  bei  sich  einzubürgern. 
Viel  später,  1 809,  deutet  er  in  einem  Briefe  diesen  Versuch  als  längst  vergangen 
und  aufgegeben  an. 

So  sehen  wir  den  werdenden  Meister  eifrigst  bemüht,  sein  Können  mehr 
und    mehr    zu    steigern,    zu    verfeinern.     In  Bonn    hatte    es    noch    an    sauberer 

Durchbildung  gefehlt.  Die  Kompositionen  der 
Frühzeit  haben  noch  wenig  Reiz  in  der  Stimm- 
führung, sie  sind  schwach  in  der  Polyphonie. 
Vieles  ist  hölzern,  altvaterisch,  angelernt.  Das 
Eigene,  Neue,  künstlerisch  Freie  kam  erst  zum  Vor- 
schein, nachdem  Beethoven  bei  tüchtigen  Lehrern 
die  Ausdrucksmittel  angelegentlich  studiert  hatte. 
Dann  war's  aber  auch  ein  Erfolg.  Das  Klavier- 
konzert von  1795  (als  Op.  15  erst  1801  ver- 
öffentlicht), die  Klaviersonaten  von  1796  (Op.  2), 
die  Adelaide,  die  Cellosonaten  (Op.5),  die  Keglevich- 
Sonate  (Op.  7),  die  drei  Brovvn-Sonaten  (Op.  10), 
die  Salierisonaten  für  Klavier  und  Violine  (Op.  12) 
und  was  man  sonst  an  bedeutenden  Werken 
jener  Jahre  nennen  mag,  sind  formvollendete 
Kunstwerke,  die  sich  den  Bonner  Arbeiten 
gegenüber  als  eine  weit  h(")here  Stufe  der 
Entwickelung  herausstellen,  auch  wenn  einige 
dazu    vielleicht    schon    in    Bonn    ent- 


Antonio Salieri. 


Vorlage  aus  Herrn  Fr.  Xic.  Mariskopf's  Musiklasiorischeiii  Gedanken 
MuseuiH  in  Frankfurt  a.  M. 

Standen  sein  sollten. 
Beethoven  hat  in  Wien  (1795)  insofern  mit  seiner  musikalischen  Vergangenheit 
gebrochen,  als  er  dort  mit  Op.  1  zu  veröffentlichen  anfing,  und  die  früher  gedruckten 
Arbeiten  unterdrückte.  Fürst  Karl  Lichnowsky  Stack  hinter  der  Publikation  dieses 
denkwürdigen  Opus  1.  Seiner  Freigebigkeit,  nicht  dem  Vertrauen  der  Verleger 
(Artaria  &  Cie.)  auf  Beethovens  Zukunft  verdankt  man  es,  dass  die  drei  Trios 
für  Klavier,  Violine  und  Violoncell  gestochen  worden  sind.  Sie  sind  diesem 
Fürsten  gewidmet,  der  ohne  Beethovens  Vorwissen  das  Honorar  durch  die 
Verleger  an  den  Komponisten  gelangen  Hess  (Nohl  II,  59).  Die  Veröffentlichung 
geschah  auf  Subskription.  Aus  der  Liste  der  Unterzeichner  lernt  man  die  Namen 
der  vielen  hochgestellten  Persönlichkeiten  kennen,  die  um  jene  Zeit  an  Beethoven 
Antheil  nahmen.  Mehrere  verpflichteten  sich  zum  Ankauf  vieler  Exemplare. 
Karl  Lichnowsky  nahm  20,  seine  Gemahlin,  eine  geborene  Komtesse  Thun,  3, 
Graf  Moritz  Lichnowsky  2,  Graf  Apponyi  bezog  6  l'Lxemplare,  Fürst  Nikolaus 
Esterhazy  3,  Graf  Czernin,  Komtesse  Fries  und  \'iele  Andere  je  2.  (Thayer  II,  4i4ff.). 


.MONDSCHEIN-SONATE' 


Original-Zeichnung 

von 

SASCHA    SCHNEIDER. 


—     25     — 

Bei  den  Klaviersonaten,  die  als  Op.  J  im  Jahre  1796  erschienen  sind,  scheint 
die  \'erlagshandlung  schon  mit  grcisserer  Zux'ersicht  ins  Treffen  gezogen  zu  sein. 
Es  ist  nichts  davon  bekannt,  dass  diesmal  irgendwelche  Gönner  mitgeholfen 
hätten.  Man  rechnete  wohl  schon  mit  dem  stets  wachsenden  Namen  des  Autors 
und  mit  der  Widmung  an  Jos.  Haydn.  Beethoven  dürfte  ein  sauberes  Exemplar 
mit  einigen  freundlichen  und  dankbaren  Worten  persönlich  nach  Gumpendorf 
hinausgetragen  haben,  wo  Haydn  sich  1793  ein  kleines  Haus  gekauft  hatte, 
dem  er  während  seiner  zweiten  Reise  nach  London  ein  Stockwerk  hatte  auf- 
setzen lassen.  Diese  Oertlichkeit,  abgebildet  in  Leopold  Schmidt's  Haydn- 
Biographie  gewinnt  also  auch  für  Beethoven's  Leben  einiges  Interesse. 

Mit  den  ersten  Wiener  Veröffentlichungen  sehen  wir  den  schaffenden  Ton- 
künstler in  stetigem  Aufsteigen  begriffen.  Die  belangreichen  Erfolge  der 
ersten  Wiener  Zeit  hatten  sich  aber  nicht  so  sehr  an  die  Kompositionen 
Beethovens,  als  vielmehr  an  sein  eigenartig  kühnes  Klavier  spiel  ge- 
knüpft, durch  das  er  zuerst  in  zahlreichen  einflussreichen  Privatkreisen, 
dann  wiederholt  in  (öffentlichen  Konzerten  Staunen  und  Bewunderung 
hervorrief.  Vor  der  grossen  Wiener  Oeffentlichkeit  spielte  Beethoven 
zuerst  1795.  Die  Ankündigung  des  Konzertes  war  Folgende:  „Sonntags  den 
29.  und  Montags  den  30.  März  1795  wird  die  hiesige  Tonkünstlergesellschaft 
im  k.  k.  National -Hof- Theater  zum  V^ortheil  ihrer  Wittwen  und  Waisen  eine 
grosse  musikalische  Akademie  in  zwe^^  Abtheilungen  zu  gebendie  Ehre  haben." 
Die  2.  Nummer  der  l.  Abtheilung  war  „ein  neues  Konzert  auf  dem  Piano-Forte, 
gespielt  von  dem  Meister  Herrn  Ludwig  von  Beethoven  und  von  seiner  Erfindung". 
Die  übrigen  Nummern  stammten  von  Cartellieri,  der  bei  aller  Tüchtigkeit  meines 
Wissens  kein  ungestümer  Neuerer  war.  Um  so  mehr  musste  Beethovens  Leistung 
hervorstechen.  Wie  rasch  hatte  man  ihn  zum  „Meister"  gemacht.  ImWiener Künstler- 
lexikon von  1793  kommt  sein  Name  noch  gar  nicht  vor,  und  nun  1795  spielt  er  schon 
in  grossen  Akademien.  Denn  auch  in  der  von  Haydn  gegebenen  grossen  Akademie 
im  Dezember  jenes  Jahres  spielte  er  ein  Konzert  eigener  Komposition,  das  ja  sicher 
dasselbe  war,  wie  das  in  derNovember-Akademie,  nämlich  das  grosse  C-dur-Konzert, 
das  später  als  Op.  15  veröffentlicht  wurde.  Bald  daraufging  Beethoven  auf  Konzert- 
reisen, vermuthlich  aber  erst,  nachdem  er  im  Konzert  der  Signora  Maria 
Bolla  am  8.  Januar  1796  in  Wien  wieder  öffentlich  gespielt  hatte.  Ich  möchte 
die  zwei  Reisen,  von  denen  Thaj'er  spricht,  nämlich  eine  angebliche  1795  vor  dem 
Konzert  der  Bolla  und  eine  nachweisbare  nach  demselben,  in  eine  einzige 
zusammenziehen  und  annehmen,  dass  Beethoven  erst  1796  von  Wien  abreiste, 
um  in  Prag,  Nürnberg  (kaum  auch  in  Dresden  und  Leipzig)  und  in  Berlin  zu 
konzertiren.  In  Prag  verweilte  er  einige  Zeit,  sicher  nicht  ohne  sein  Klavier- 
spiel glänzen  zu  lassen.  In  Berlin  wurde  er  mit  Fasch,  Zelter,  Himmel,  Duport 
und  vielen  Anderen  bekannt,  unter  denen  König  Friedrich  Wilhelm  II.  und 
Prinz  Louis  Ferdinand  wohl  die  wichtigsten  Persönlichkeiten  waren.  Beethoven 
spielte  mehrmals  bei  Hof,  wo  er  auch  frei  phantasirte.  In  der  Singakademie 
hatte  er  gleichfalls  Gelegenheit,  sein  Stegreifspiel  zu  entfalten  und  die  Zuhörer 
damit  zu  rühren.  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Konzertreise  steht  es,  wenn 
Beethoven  später  beim  Prinzen  Louis  Ferdinand,  als  dieser  in  Wien  war,  zur 
Tafel  g. laden  wurde,  und  dass  Beethoven  dem  Könige  (von  dem  er  eine 
goldene  Dose  erhalten  hatte)  die  zwei  Cellosonaten  Op.  5  widmete,  die  er  in 
Berlin  komponirt  und  bei  Hofe  mit  Duport  vor  dem  Könige  gespielt  hatte. 
Eine  klei:.e  Szene  mit  Himmel,  die  sich    nach  Kalischers  \'ermuthung  im  alten 


—     26     — 


Jagorschen  Lokal  Unter  den  Linden  zugetragen  haben  dürfte,  ist  oft  nacherzählt 
worden.  Als  Himmel  frei  phantasirte  und  schon  was  Rechtes  geleistet  zu  haben 
wähnte,  sagte  Beethoven:  „Nun,  wann  fangen  Sie  denn  einmal  ordentlich  an?" 
(Wem  kommen  dabei  nicht  ähnliche  ironische  Bemerkungen  des  Meisters  Brahms 
in  den  Sinn!). 

Wir  sind  indes  in  der  Zeit  vorausgeeilt,  ohne  uns  um  den  Wiener 
Bekanntenkreis  Beethovens  viel  bekümmert  zu  haben.  Und  da  giebt  es  viel 
nachzuholen.  Welche  Bekanntschaften  Beethoven  noch  von  1787  fortzusetzen 
hatte,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  ermitteln.  1792  dürfte  er  vom  Grafen  Wald- 
stein Empfehlungsbriefe  für  einige  einflussreiche  Persönlichkeiten  mitbekommen 
haben.  Die  Fischhoffsche  Handschrift  bezeichnet  den  Baron  Van  Swieten  als 
den  ersten  Gönner,  den  Beethoven  in  Wien  gefunden.  Es  war  der  vielseitige 
Kunstfreund  Gerhard  Van  Swieten,  der  Sohn  des  berühmten  Leibarztes  der 
Kaiserin  Maria  Theresia,  bei  dem  Beethoven  nicht  selten  bis  spät  in  die  Nacht 
vorspielte,  mit  Vorliebe  Joh.  Seb.  Bachsche 
Präludien  und  Fugen.  Ob  Van  Swieten  ein 
freigebiger  Mäcen,  oder  ob  Beethoven  der 
Gebende  war,  ist  unklar.  Vielleicht  hat  sich 
der  Baron  in  der  Geldverlegenheit  von  1792 
freundlich  erwiesen.  Bald  jedoch  fandBeethoven 
Unterstützung  und  künstlerische  Förderung 
durch  den  Fürsten  Karl  Lichnowski  und 
besonders  durch  dessen  Gattin  Christiane,  eine 
geborene  Grätin  Thun.  Auch  Graf  Moritze 
Lichnowski  wurde  Beethovens  Freund.  Eine 
Zeitlang  wohnte  Beethoven,  wie  zu  beachten 
ist,  als  Gast  im  Lichnowskischen  Hause 
(Wegeier  und  Ries  S.  28).  Jeden  Freitag 
hatte  er  dort  Gelegenheit,  das  treffliche  Streich- 
quartett: Schuppanzigh,  Sina,  Weiss  und  Kraft 
zu  hören.  Auch  im  Kreise  der  russischen 
Botschaft  verkehrte  Beethoven,  vermuthlich 
schon  damals  beim  Gesandten  selbst,  dem 
Fürsten  Andreas  Kyrillowics  Razumowski, 
gewiss  aber  sehr  früh  beim  Botschaftssekretär 

von  Klüpfell,  wo  er  auch  mit  dem  Hofbeamten  Nicolaus  Zmeskall  von 
Domanowetz  zusammentraf,  der  ihm  ein  ergebener  treuer  P>eund  fürs  ganze 
Leben  werden  sollte.  Vom  Oktober  1794  bis  Mitte  1796  war  Freund  Wegeier 
in  Wien.  In  den  Kreis  des  hohen  Adels  eingeführt,  musste  Beethoven  natürlich 
der  Reihe  nach  alle  adeligen  Musikfreunde  kennen  lernen.  Die  Widmungen  der 
Werke,  die  Beethoven  in  jenem  ersten  Wiener  Jahrzehnt  veröffentlichte,  geben 
dafür  bestimmte  Fingerzeige.  Die  Szene  und  Arie  „Ah!  perfido"  (1796  komponirt) 
ist  der  Gräfin  Clary  gewidmet.  Eine  Dedikation  an  die  Gräfin  Browne,  geborene 
von  Vietinghoff,  wurde  schon  oben  angedeutet,  desgleichen  eine  an  die  Komtesse 
Babette  Keglevich.  Eine  Widmung  an  den  Fürsten  Schwarzenberg,  eine  an  die 
Gräfin  Thun  sind  noch  hervorzuheben. 

Obwohl  man  weiss,  wie  manche  Wiener  Klavierspieler  dem  einge- 
wanderten Rheinländer,  der  in  jeder  Beziehung  eine  ihnen  fremde  Sprache  redete, 
sich  aber  trotzdem  rasch  des  Bodens  bemächtigte,  ganz  und  gar  nicht  hold  waren. 


Bildniss  Zelter's 
aus  der  im  \'erlage  der  „Harmonie"  erschieneneit 

Weber-ßiographie  von  Gehrmann. 

Vorlüge  aus  Herrn  Fr.  Xic.  Mtinskopfs  Mtistkhiüorischem 

Museum  Frankfurt  a.  M. 


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Erste  Seite  aus  Beethovens  Handschrift  des  Trios  für  Klavier,  Flöte  und  Fagott. 

(Vorlage  im  Besitz  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin.) 


Frimmel,  Beethoven. 


—     27     — 

lässt  sich  begreifen,  dass  sich  der  damals  noch  meistens  gesundheitstrotzende  an 
Gedanken  überreiche,  von  den  eintlussreichsten  Musikern  und  Musikfreunden  hoch- 
geschätzte junge  Mann  in  jener  Periode  seines  Lebens  recht  wohl  fühlte.  Seine  Briefe 
legen  davon  nicht  selten  Zeugniss  ab.  Besonders  die  erfolgreiche  Konzertreise 
des  Jahres  I7g(-)  scheint  Beethovens  Stimmung  mächtig  gehoben  zu  haben. 
Aus  Prag  schrieb  er  am  19.  Februar  1796  an  seinen  Bruder  Johann  (der  kurz 
vorher  aus  Bonn  nach  Wien  gezogen  war  und  in  der  Apotheke  nahe  beim 
Kärntner  Thor  Beschäftigung  gefunden  hatte):  „  .  .  Fürs  Erste  gehts  mir  gut, 
recht  gut.  Meine  Kunst  erwirbt  mir  Freunde  und  Achtung.  Was  will  ich 
mehr.     Auch  Geld  werde    ich    diesmal  ziemlich  bekommen  .  ."      Und    im    Mai 

1797  heisst  es  wieder  in  einem  Briefchen  an  Wegeier:  „Mir  geht's  gut  und  ich 
kann  sagen  immer  besser".  Frische  Heiterkeit  beherrschte  damals  den  Meister. 
Will  man  damit  nichts  Anderes  geben,  als  eine  ganz  allgemeine  Charakteristik 
der  Stimmung,  so  darf  man  wohl  sagen,  dass  diese  Frische  und  Heiterkeit  auch 
aus  Beethovens  Kompositionen  um  1797  herausklingt,  z.  B.  aus  dem  Quintett 
Op.  16,  dessen  Klavierpart  vom  Meister  selbst  Anfangs  April  1798  öffentlich 
gespielt  wurde,  ferner  aus  den  Klaviersonaten  Op.  10,  aus  den  Variationen 
Op.  66  und  nicht  zuletzt  aus  dem  Klavierkonzert  in  B  (Op.  19),  das  Beethoven 

1798  in  Prag  \'ortrug.  Dies  Alles,  um  nur  Andeutungen  zu  machen.  Damals 
bildete  sich  Beethoven  eine  Art  Stil,  den  man  seinen  mittleren  nennen  könnte, 
oder  besser  noch  den  zweiten  Jugendstil.  Denn  noch  1799,  also  noch  in 
Beetho\'ens  mittlerer  Lebensperiode,  tritt  mit  der  Sonate  pathetique  eine  neue 
tiefere  Auffassung  hervor,  die  freilich  nicht  sofort  beibehalten  wird,  die  aber 
deutlich  genug  einen  Fortschritt  ausspricht  und  eine  Stimmungsänderung. 
Melancholische  Themen  unterbrechen  seitdem  die  fröhliche  Laune  der  Kompo- 
sitionen nicht  selten.  Der  Trauermarsch  aus  der  As-dur-Sonate  Op.  26  (der 
allerdings  auch  eine  bestimmte  äusserliche  Veranlassung  hatte)  der  erste  und 
letzte  Satz  der  Cis-moll-Sonate  (Op.  27,  No.  1)  gehören  hierher.  Zufall  ist  es 
ja  nicht,  dass  sich  die  alten  Minores  unvermerkt  in  Trauermärsche  v^erwandeln 
in  den  Prometheusvariationen  Op.  35,  in  den  Variationen  Op.  34,  in  der  Eroica. 
Schatten  ziehen  über  Beethovens  F'ühlen  hinweg,  erst  durchsichtig,  unbestimmt, 
dann  dichter,  aufdringlicher.  Gespensterartig  schleicht  sich  die  Sorge  um 
den  Fortbestand  guten  Gehörs  heran;  sie  macht  immer  länger  währende  Be- 
suche; sie  setzt  sich  endlich  fest,  so  fest,  dass  an  ein  Entrinnen  nicht  mehr  zu 
denken  ist.  Was  immer  auszuführen  ist,  muss  nun  in  Gesellschaft  von  Leiden 
und  Ungemach  geschehen.  Wir  erfahren  noch  von  diesen  Sorgen.  Vorher  sei 
aber  ein  Blick  geworfen  auf  andere  Schatten,  die  vorübergehend  über 
Beethovens  Sein  hinwegzogen.  Es  waren  die  Schatten,  die  von  der  Liebe 
unzertrennlich  sind,  wenigstens  bei  leidenschaftlichen  Naturen,  wie  Beethoven 
eine  war.  Nach  dem  übereinstimmenden  Zeugniss  vierer  Jugendfreunde  war 
Beethoven  verliebter  Natur.  Bei  Wegelerr  heist  es:  Beethoven  war  „nie  ohne  eine 
Liebe  und  meistens  von  ihr  in  hohem  Grade  ergriffen".  Ein  Ueberblick  über  das 
Leben  des  Künstlers  lehrt  daneben,  dass  die  Leidenschaft  stets  rasch  wieder  ver- 
raucht war  und  dass  sie  den  Eifer  des  Schaffens  kaum  jemals  ernstlich  unter- 
brechen konnte.  Man  hat  Beethovens  Liebesangelegenheiten  zu  sehr  nach  dem 
Paradigma  Goethe  abgehandelt,  das  hier  übel  angewendet  ist.  Zur  Zeit 
Beethovens  war  das  Wertherthum  so  ziemlich  in  ganz  Europa  überwunden. 
Goethe,  obwohl  den  Tonmeister  überlebend,  gehört  doch  einer  früheren 
Generation    an.     Auch  die   ganze  Abstammung,    Jugend,    Umgebung    und    Er- 


—     28     — 


Ziehung  war  bei  Beiden  eine  grundverschiedene.  Daher  haben  sie  sich  auch 
streng  genommen  nie  verstanden,  wie  sich  das  später  zeigen  sollte,  als  sie  in 
den  böhmischen  Bädern  persönlich  zusammentrafen.  Beethovens  vielleicht  etwas 
plumpe  aber  warme  echte  Begeisterung  wurde  von  Goethe  kühl  und  welt- 
männisch abgelehnt,  und  Beethovens  Musik  war  für  Goethe  unnahbar.  Ueber 
das  Niveau  Zelter  oder  Reichardt  ist  der  Dichter  mit  seinem  musikalischen  Ver- 
ständniss  niemals  hinaufgekommen.  Beethoven  dagegen  hat  in  seinem  Leben 
und  Lieben  nie  auch  nur  annähernd  jene  Poesie  erreicht,  die  dem  grossen 
Goethe  bis  in  sein  hohes  Alter  treu  blieb.  Darf  man  den  unvergleichlichen 
Dichter  einen  Lebenskünstler  nennen,  so  war  Beethoven  daneben  ein  Pfuscher. 
Beethoven  also,  wie  Thayer  vor  vielen  Jahren  in  Wien  noch  von  Zeitgenossen 
des  Komponisten  erfahren,  wie  er  es  in  seinem  Beethovenbuche  angedeutet  und 
mir  brieflich  sehr  deutlich  mitgetheilt  hat,  war  in  Liebesangelegenheit  durch- 
schnittlich gar  nicht  poetisch  oder  sentimental. 
;f,^  Als  Kind   des  Josephinischen    Zeitalters    näherte 

er  sich  auch  in  der  Auffassung  der  Liebe  einer 
gewissen  Aeusserlichkeit;  jedoch  nicht  immer. 
Ungefähr  in  der  Zeit,  bei  welcher  wir  nun  an- 
gelangt sind,  schrieb  Beethoven  an  eine  nicht 
genannte  Dame  einen  leidenschaftlichen  Brief,  der 
darauf  schliessen  lässt,  dass  der  Künstler  damals 
tiefer  als  sonst  ergriffen  war.  Das  dreitheilige 
Schreiben  ist  bekannt  unter  dem  Namen  des  Briefes 
„An  die  unsterbliche  Geliebte"  und  hat  zu 
weitläufigen  Streitigkeiten  Anlass  gegeben.  Das 
berühmte  Schriftstück,  über  das  im  Anhange 
Näheres  zu  finden  ist,  ist  mit  Bleistift  auf  ge- 
schöpftes Papier  geschrieben,  wie  es  um  1800 
(mit  weiten  Grenzen)  in  Wien  oft  benutzt  worden 
ist.  Der  Bogen  ist  zweimal  gefaltet,  so  dass 
Octavseiten  gebildet  werden.  Auf  den  ersten  Seiten 
Vorlage  misHt^rn  Fr.  Nie.  iiaHskopfsMmimstorischem  [gt  die  Schrift  vcrhältnissmässig  Sorgfältig.   Denn 

Museum  in  Frankfurt  a.  M.  a>  o  o 

Beethoven  war  der  Meinung,  dass  er  bis  zum 
nächsten  Posttage  noch  reichlich  Müsse  habe.  Die  letzten  zwei  Seiten  sind 
flüchtig  geschrieben,  da  Beethoven  inzwischen  erfahren  hatte,  „dass  die  Post 
alle  Tage  abgeht".  Das  nebenstehende  Facsimile  bildet  den  Schluss  des 
Briefes  nach.  Der  Schluss  lautet  folgendermassen:  „leben  —  mein  Alles  — 
leb  wohl  —  o  liebe  mich  fort  —  verken(ne)  nie  das  treuste  Herz  deines 
Geliebten  1  ewig  dein  ewig  Mein  ewig  unss".  Schindler  nennt  irrthümlicher 
Weise  aber  mit  Bestimmtheit  die  Komtesse  Giulietta  Guicciardi  als  die  Adressatin; 
Thayer  gab  sich  alle  Mühe,  die  Komtesse  Therese  Brunsvik  als  die  Persön- 
lichkeit hinzustellen,  der  die  Leidenschaft  galt.  Die  nebenstehende  Abbildung 
giebt  die  Züge  der  jungen  Dame  wieder,  die  ja  ohne  Zweifel  von  Beethoven 
geliebt  war  und  ihm  einige  Zuneigung  schenkte,  die  aber  durchaus  nicht  die 
„unsterbliche  Geliebte"  zu  sein  brauchte.  Nimmt  man  es  genau,  so  stellt  es  sich 
als  ebenso  möglich  heraus,  dass  der  Brief  an  eine  dritte  Dame  gerichtet  war,  deren 
Name  sich  eben  nicht  feststellen  lässt.  Nach  der  Schrift  zu  urtheilen,  fällt  der 
Brief  an  die  unsterbliche  Geliebte  sehr  frühe,  vermuthlich  früher,  als  die  Be- 
ziehungen zur  Guicciardi  und  Brunsvik    nachzuweisen  sind.     Erwägungen,    die 


Beethoven, 
»ach  der  Zeichnunsr  von  G.  Stainhausei". 


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Facsimüe:  Aus  dem  Briefe  an  die  „unsterbliche  Geliebte". 

(Original  im  Besitz  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin). 


29     — 


aus  der  unxoUständigen  Datirung  des  Schriftstückes  sich  ergeben,  weisen  auf 
das  Jahr  1795.  Man  könnte  Magdalena  Willmann,  die  Scängerin,  die  ganz 
jung  aus  Bonn  nach  Wien  gekommen  war,  für  die  „unsterbliche  Geliebte" 
nehmen.  Denn  man  weiss  (durch  Thayer),  dass  Beethovens  Neigung  zu  diesem 
reizenden  Mcädchen  ungewöhnlich  tief  gegangen  war  und  dass  ihr  der  Komponist 
einen  Heirathsantrag  gemacht  hat.  Indess  will  ich  die  strittige  Frage  damit 
nicht  als  beantwortet  hinstellen. 

Die  seelischen  Schmerzen,  die  dem  jungen  Meister  durch  die  Liebe  wurden, 
milderten  sich  mit  den  Jahren,  dagegen  steigerte  sich  die  bange  Ahnung  von 
künftiger  Taubheit  nach  und  nach  bis  zur  vollen  Gewissheit,  dass  gerade  jener 
Sinn,  der  hauptsächlich  dem  Leben  und  Schaffen  Beethovens  Ziel  und  Richtung  gab, 

unheilbar  krank  war.  Anfangs, 
zwischen  ungefähr  1796  und  1802 
war  es  nur  ein  „Sausen  und 
Brausen",  das  Beethoven  im  Ohr 
zu  vernehmen  glaubte.  Starke 
Schalleindrücke,  wie  überlautes 
Sprechen,  berührten  ihn  unange- 
nehm. Im  Juni  1801  klagt  er 
über  diese  Hyperästhesie  und  über 
andere  Leiden  brieflich  seinem 
F'reunde  Wegeier,  der  nun  wieder 
nach  Bonn  zurückgekehrt  war: 
„Mein  Gehör  ist  seit  drei  Jahren 
immer  schwächer  geworden." 
„Meine  Ohren,  die  sausen  und 
brausen  Tag  und  Nacht  fort;  ich 
kann  sagen,  ich  bringe  mein 
Leben  elend  zu,  seit  zwei  Jahren 
fast  meide  ich  alle  Gesellschaften, 
weil's  mir  nicht  möglich  ist,  den 
Leuten  zu  sagen:  ich  bin  taub; 
hätte  ich  irgend  ein  anderes 
Fach,  so  ging's  noch  eher,  aber  in 
meinem  Fach  ist  das  ein  schreck- 
licher Zustand;  dabei  meine  Feinde,  deren  Zahl  nicht  geringe  ist."  Im  Theater 
musste  sich  der  Bemitleidenswerthe  „ganz  dicht"  an's  Orchester  anlehnen,  um 
die  Schauspieler  zu  verstehen.  „Die  hohen  Töne  von  Instrumenten,  Sing- 
stimmen, wenn  ich  etwas  weit  weg  bin,  höre  ich  nicht."  Die  Krankheit  sass 
irgendwo  im  inneren  Ohre  oder  in  den  Leitungen  zum  Gehirn,  nicht  aber  im 
Klangfeld  des  Gehirns  selbst.  Dieser  innerste  Sitz  alles  Hörens,  der  das  Klang- 
bewusstsein  vermittelt,  sowie  die  motorischen  Bahnen,  die  von  dort  nach  Aussen 
führen,  blieben  gesund.  Das  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  annehmen,  weil  Beethoven 
in  seinem  künstlerischen  Schaffen  schon  seit  1796  zurückgehen  und  dasselbe 
späterhin  bei  Eintritt  der  vollen  Taubheit  ganz  hätte  aufgeben  müssen,  wenn 
die  Krankheit  in  der  Gehirnrinde  ihren  Sitz  gehabt  hätte.  Im  November  1801 
schreibt  er  dem  Freunde,  dass  zwar  das  Sausen  und  Brausen  etwas  nachgelassen 
hätte,  aber  bezüglich  der  Hörschärfe  meint  er,  es  sei  noch  schlechter  geworden. 
Und    es  ging  auch  späterhin    immer  schlechter    und  schlechter,    bis    etwa  nach 


Komtesse  Thcrcsc  Brunsvik. 

(.Yacli  dem  GeiiiäUle  von  Lanipi  im  Beeilt  dts  Vereins  ^Detthovenhuiif 
in  Bonn  ) 


—     30     — 


zwanzig  Jahren  völlige  Taubheit  eintrat  und  weder  Hörrohre,  noch  Schall- 
trichter, noch  irgendwelche  Medikamente  Linderung  schaffen  konnten.  Anbei 
finden  sich  die  Vorrichtungen  abgebildet,  die  Beethoven  benutzt  hat,  um  die 
mangelnde  Hörschärfe  zu  ersetzen.  Auch  sei  eines  grossen  Schalldeckels 
gedacht,  den  er  sich  in  späteren  Jahren  an  einem  seiner  Claviere  hatte  anbringen 
lassen.  Neben  dem  Gehörleiden  zeigten  sich  schon  um  1794,  als  Wegeier  eine 
Zeit  lang  in  Wien  studirte,  quälende  Zustände  im  Bereich  der  Verdauung,  die  sich 
allerdings  anfangs  und  Jahre  lang  durch  Bäder  und  Arzneien  niederhalten  Hessen, 
die  aber  nach  und  nach  jenen  Zustand  herbeiführten,  dem  Beethovens  Körper 
schliesslich  erlegen  ist.  Eine  Andeutung  dieser  Dinge  lässt  sich  nicht  umgehen, 
sonst  bleibt  es  uns  unverständlich,  woher  schon  im  Jahre  1802  ein  so 
unzweideutiger  Ausdruck  bittersten  Schmerzes  hätte  kommen  können,  wie  er 
in  dem  allbekannten  „Heiligenstädter  Testament"  vorliegt.  Den  Sommer 
jenes  Jahres  hatte  Beethoven  auf  dem  Lande  zugebracht,  um  sein  Gehör  zu 
stärken.  Eine  Badeanstalt  zu  Heiligenstadt  bei  Wien  war  gewählt  worden. 
Als    es    Herbst   wurde    und    die    welken   Blätter   fielen,    sah   der  Kranke,    dass 

wieder  Alles  vergebens  war.  Da  sank  ihm 
der  Muth.  Im  Oktober  übermannte  ihn  mehr- 
mals Traurigkeit,  und  er  griff  zur  Feder  und 
schrieb:  „Für  meine  Brüder  Carl  und  .  .  .  nach 
meinem  Tode  zu  lesen  und  zu  vollziehen  — " 
„  ...  So  nehme  ich  denn  Abschied  von  dir  .  .  . 
geliebte  Hoffnung  .  .  .  O  Vorsehung  —  lass 
einmal  einen  reinen  Tag  der  Freude  mir 
erscheinen  —  so  lange  schon  ist  der  wahren 
Freude  inniger  Widerhall  mir  fremd  —  o 
wann  —  o  wann  o  Gottheit  —  kann  ich  im 
Tempel  der  Natur  und  der  Menschen  ihn  wieder 
fühlen  —  Nie?  nein  —  o  es  wäre  zu  hart." 
Dies  war  der  Schluss  des  ziemlich  langen 
^ät    ^SF^^^Bfe,""  Schriftstückes,  das  in  ungewöhnlich  gemüth- 

^^^^^^  vollen  und  leidenschaftlichen  Ausdrücken  von 

dem  „heillosen  Zustand"  schlechten  Gehörs 
spricht,  der  seit  6  Jahren  sich  stets  verschlimmert 
hat.  Er  ruft  die  Menschen  an,  sie  mögen  ihm 
nicht  Unrecht  thun  und  ihn  nicht  für  feind- 
selig, störrisch  oder  misanthropisch  halten, 
wenn  er  sich  absonderte  und  einsam  blieb.  Nur  sein  schwaches  Gehör  sei  daran 
Schuld;  er  höre  nicht,  wie  Andere,  wenn  aus  der  Ferne  ^eine  Flöte  oder  der 
Gesang  eines  Hirten  herüberklang:  „solche  Ereignisse  brachten  mich  nahe  an 
Verzweiflung,  es  fehlte  wenig,  und  ich  endigte  selbst  mein  Leben  —  nur  sie, 
die  Kunst,  sie  hielt  mich  zurück.  Ach  es  dünkte  mir  unm(>glich,  die  Welt 
eher  zu  verlassen,  bis  ich  das  Alles  hervorgebracht,  wozu  ich  mich  aufgelegt 
fühlte,  und  so  fristete  ich  dieses  elende  Leben  ..."  Dann  bittet  er,  dass  Professor 
Schmidt  (es  ist  der  musikliebende  Arzt  Dr.  J.  A.  Schmidt  in  Wien)  seine 
Krankengeschichte  schreibe.  Zu  Erben  setzte  er  seine  Brüder  ein,  wobei 
übrigens  der  Name  Johanns  ausgelassen  erscheint;  nur  Carl  ist  genannt,  dem 
er  insbesondere  für  seine  Anhänglichkeit  dankt.  Er  ermahnt  die  Brüder  zur 
Tugend.    Die    „Instrumente    von  Fürst  Lichnowski"    mögen,    so    ordnete 


Beethoven's  Hörapparate. 


31     — 


er  an,  bei  einem  der  Brüder  verwahrt,  im  Falle  der  Uneinigkeit  aber  verkauft 
werden.  (^Beethoven's  spätere  Testamente  werden  in  einem  Anhange  mit- 
getheilt.  —  Unsere  Abbildung  zeigt  die  Züge  Beethovens  ungefähr  in  jener  Zeit, 
als  das  Heiligenstädter  Testament  entstanden  ist.) 

Die  ..Instrumente"  beziehungsweise  das  Streichquartett,  das  Beethoven  vom 
Fürsten  Karl  Lichnowsky  zum  Geschenk  bekommen  hatte,  führen  uns  wieder  aus 
der  Welt  des  Schmerzes  zurück  in  eine  Welt  künstlerischer  Freude,  grossartigen 
Schaffens,  sie  führen  uns  auch  in  der  Zeit  um  einige  Jahre  zurück,  als  Missmut 

noch  nicht  die  Oberhand  gewonnen  hatte.  Und  zwar 
knüpfen  wir  an  jene  brieflichen  Aeusserungen  im 
Jahre  1796  an,  die  ein  durchschnittliches  Wohl- 
befinden Beethovens  deutlich  aussprechen.  Da- 
mals wurde  er  im  Musiziren  noch  nicht  empfindlich 
durch  seine  Gehörschwäche  gestört.  Noch  spielte 
er  wiederholt  öffentlich:  1796  in  einer  Romberg- 
schen  Akademie,  dann  bei  verschiedenen  Ge- 
legenheiten 1797.  Noch  führte  er  1798  frische 
Wettkämpfe  mit  dem  fingergewaltigen  Wölffl  auf. 
1798  spielte  er  auch  in  Prag  und  Wien  be- 
wunderungswürdig vor  dem  Publikum.  1800  gab 
er  eine  eigene  Akademie.  Beim  Grafen  Fries 
wurde  der  schwindelhafte  Klaviervirtuos  Steibelt 
niedergespielt.  In  Bezug  auf  schöpferische  Kraft 
gehören  ferner  die  Jahre  um  l8oo  zu  den  er- 
giebigsten im  Leben  des  Künstlers.  Sonaten 
verschiedener  Art,  Variationswerke,  Quartette, 
das  Quintett  Op.  16,  das  Septett  Op.  20,  die 
charakteristische  Musik  zu  Prometheus,  dem 
Viganoschen  Ballet,  das  Oratorium  „Christus  am  Oelberge",  die  ersten  zwei 
S^-mphonien,  zahlreiche  Tänze  und  kleine  Gelegenheitskompositionen  sind 
damals  entstanden.  Keine  kleine  Reihe!  Das  Larghetto  der  zweiten  Symphonie 
allein    (diese  wurde  im  Sommer  1802  vollendet) 

Larghetto 


Bildniss  Beethovens  aus  dem  Jahre  1802. 

(Xach  Hornemann's  Miniatur  im  Uesite  der  Frau  von 
Breuning  in   'Wien) 


würde  uns  diese  Schaffensperiode  ergiebig  erscheinen  lassen. 

Was  die  äusserlichen  Umstände  betrifft,  hatte  Beethoven  in  jenen  Jahren 
sicher  nicht  zu  klagen.  Er  war  „en  vogue"  und  verdiente  viel,  vermuthlich 
auch  durch  Klavierunterricht  und  sicher  durch  seine  Tonwerke.  Eine  Zeit- 
lang scheint  Graf  Browne  sein  Gönner  gewesen  zu  sein,  der  ihm  auch  ein 
Reitpferd  schenkte.  Dann  tritt  wieder  Fürst  Lichnowsky  als  freigebiger  Mäcen 
in  den  Vordergrund,  indem  er  dem  Meister  ein  Jahresgehalt  von  600  fl.  aussetzte. 
Viele  Freunde  schätzten  ihn.  Sogar  Tomaschek  in  Prag,  der  gegen  Beethovens 
Musik  wiederholt  geeifert  und  später  einmal  die  Meinung  geäussert  hat,  wenn 
Beethoven  bei  ihm  gelernt  hätte,  wäre  etwas  Anderes  aus  ihm  geworden,  selbst 
Tomaschek   lässt   ihn    als  ersten  Klavierspieler  der  Zeit  gelten.     Ein  Kreis  von 


—     32 


Musikern  bildet  sich  um  das  stürmische  Genie.  Das  Schuppanzighsche  Quartett 
gehörte  dazu.  Der  Violinspieler  Amen  da,  auf  kurze  Zeit  1798  und  1799  in 
Wien,  wurde  Beethovens  bester  Freund,  dem  er  sein  Liebesleid  klagte,  dem  er 
später  1801  sein  beginnendes  Gehörleiden  brieflich  mitgetheilt  hat,  dem  das 
Quartett  No.  1  aus  Op.  18  in  reinlicher  Abschrift  und  mit  herzlicher  eigenhändiger 
Widmung  auf  die  Reise  mitgegeben  wurde.  Zmeskall  bewährte  sich  als  an- 
hänglich und  aufopfernd.  Der  Genosse  jugendlichen  Frohmuths  Steffen  von 
Breuning  war  nunmehr  in  Wien.  J.  N.  Hummel  trat  dem  Meister  damals 
näher.  Der  junge  Ferdinand  Ries,  der  Sohn  P'ranzens,  welcher  der  Bonner 
Musikergruppe  angehört  hatte,  wird  seit  dem  Herbst  der  Schützling  und  .Schüler 
Beethovens,  der  viel  bei  ihm  verkehrte.  (Die  Bilder  Hummels  und  Ferdinand  Ries' 
finden  sich  nebenstehend.  Freilich  sind  sie  erst  später  entstanden,  als  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts,  das  uns  eben  beschäftigt.)  Der  Violinspieler  Wenzel  Krumpholz 
war  ihm  lieb  geworden  und  förderte  seine  Fertigkeit  auf  der  Geige.  Der  Verkehr 
mit  Brunsvicks,  dem  Grafen  Franz  Brunsvick  und  dessen  Schwester  Comtesse 
Therese  hatte  schon  früher  begonnen.     Auch  die  Comtesse  Giulietta  Guicciardi 

(von  ihr  war  oben  die  Rede,  da  sie  als 
Beethovens  „unsterbliche  Geliebte"  gegolten 
hat)  tritt  um  jene  Zeit  auf  die  Bildfläche.  So 
war  denn  reichlich  dafür  gesorgt,  dass  dem 
hie  und  da  leidenden  und  medicinirenden 
Meister  keine  Müsse  übrig  blieb,  über  seine 
körperlichen  Leiden  zu  grübeln.  Erst  der 
schwindende  ruhig  und  in  Zurückgezogenheit 
verbrachte  Sommer  in  Heiligenstadt  führte  zu 
einer  Krisis  des  Seelenlebens,  von  der  wir 
schon  gehört  haben.  Heute  weiss  jeder 
Beethoven-Freund  um  den  Ausbruch  der 
Verzweiflung,  den  der  Meister  im  Oktober 
niederschrieb.  Vor  Beethovens  Zeitgenossen 
blieb  die  Angelegenheit  verborgen  und 
sogar  Ries,  der  so  oft  beim  Meister  in 
Heiligenstadt  aus-  und  eingegangen  war, 
hatte  keine  Ahnung  von  dem  Inhalt  des 
Testaments,  das  Beethoven  bei  sich  ver- 
siegelt aufbewahrte.  Und  doch  bedeutet 
es  einen  Vi^endepunkt  im  inneren  Menschen. 
Seine  Heiterkeit,  die  späterhin  oft  genug  noch 
zum  Ausbruch  kam,  hat  fortan  den  Charakter  des  Galgenhumors.  Beethoven  ist  nun- 
mehr darauf  gefasst,  nie  mehr  in  seinem  Leben  voll  und  ganz  zu  hören.  Nicht  Musik,, 
nicht  liebevolle  Stimmen  wird  er  mehr  ohne  Dämpfung  vernehmen.  Kein  zärtliches- 
Flüstern  mehr,  kein  zartes  Piano.  Zeitweise,  wie  1802  in  Heiligenstadt,  Hess  er 
die  Hoffnung  gänzlich  sinken;  dann  veranlasste  ihn  wieder  die  Zähigkeit  seiner 
Natur  und  das  Zusprechen  der  Freunde,  die  ja  doch  bald  einer  nach  dem 
anderen  die  zunehmende  Schwerh<")rigkeit  bemerken  mussten,  gelegentlich  bei 
Aerzten  Hilfe  zu  suchen.  Die  ungeheure  Kraft,  die  in  dem  Manne  steckte, 
überwand  die  gedrückte  Stimmung  bald,  und  schon  aus  dem  Herbst  1802  sind 
allerlei  Anzeichen  zeitweiliger  guter  Laune  erhalten,  z.  B.  in  den  Zuschriften  an 
Freund  Zmeskall,  den  „Musikgrafen",  den  „Baron  Dreckfahrer"  oder  wie  immer 


J.  N.  Hummel. 

Vorluge  aus  Herrn  Fr.  Nie.  Mannkopf's  Musikhisiorisclurn 
Museum  in  Frankfurt  u.  M. 


—     33     — 


Beethinen    den    Guten    nannte,    der   die    Bedeutung    der   Beethovenschen  Muse 
schon  früh  erkannt  hatte  (Thayer  II,  197  f."). 

Gewissermassen  ein  Ausdruck  des  heldenhaften  Kampfes  gegen  Ungemach 
und  Krankheit  ist  die  Sinfonia  eroica,  die  bald  nach  dem  Maximum  der 
Depression  zu  einem  Maximum  gesunder  Spannung  emporführte.  Diese  Sym- 
phonie hängt  äusserlich  (wie  die  inneren  Fäden  verlaufen,  wissen  wir  ja  nicht) 
mit  den  Zeitereignissen  zusammen.  Ohne  jeden  Zweifel  hat  Beethoven  lebhaften 
Antheil  genommen  an  dem  kühnen  Vordringen  des  jungen  Bonaparte.  1796, 
als  sich  an  vielen  Orten  angesichts  des  siegreichen  Vordringens  Napoleons 
Freiwilligenkorps  bildeten,  dichtete  Friedlberg  einen  „Abschiedsgesang",  den 
Beethoven  komponirte.  Bald  darauf  1797  setzte  er  auch  Friedlbergs  Gedicht 
„Ein  grosses  deutsches  Volk  sind  wir"  in  Musik.  Ob  er  wohl  mit  ganzem 
Herzen  bei  diesen  antinapoleonischen 
Kundgebungen  war?  Er  mag  ge- 
schwankt haben.  Eine  Zeit  lang  hielt 
er  Napoleon  gewiss  für  einen  gross- 
artigen Verfechter  der  Menschenrechte, 
für  einen  idealen  Republikaner.  So 
lange  schwärmte  er  auch  für  ihn.  Als 
aber  Bonaparte  am  18.  Mai  1804  sich 
zum  Kaiser  erklärt  hatte,  wandte  sich 
Beethovens  Neigung  plötzlich  und  ent- 
schieden von  ihm  ab.  Die  Eroica, 
vielleicht  l802  angefangen,  1803  aus- 
gearbeitet, war  damals  schon  fertig. 
Denn  Ries  erzählt,  sie  habe  ursprüng- 
lich den  Titel  Bonaparte  geführt,  und 
Beethoven  habe  das  Titelblatt  durch- 
rissen, als  er  von  der  Usurpation  des 
Thrones  durch  Bonaparte  erfuhr.  Das 
muss  noch  im  Mai  1804  gewesen 
sein.  Ob  die  Anregung,  eine  Symphonie 
auf  Bonaparte  zu  schreiben,  von 
Bernadotte  1798  ausgegangen,  wie  es 
heisst,  oder  nicht,  gilt  uns  gleich.  Wir 
haben  nur  festzustellen,  dass  sie  über- 
haupt   mit   Beethovens  Vorstellungen 

von  der  Grösse  Napoleons  zusammenhängt  und  dass  sie  wohl  deshalb  weit  über  den 
Rahmen  der  früheren  zwei  Symphonien  künstlerisch  und  in  der  Ausdehnung  hinaus- 
gewachsen ist.  Es  scheint  dabei  etwas  von  der  antikisirenden  Auffassung  jener 
Zeiten  mitzuspielen,  die  sich  ja  auch  in  Beethovens  Leben  vielfach  spiegelt. 
Der  „Consul"  Bonaparte  mag  damals  ein  besonders  reizvoller  Klang  gewesen 
sein.  Auch  in  Wien  verbreiteten  sich  damals  klassicistische  Formeln  in  der 
Sprache  und  in  den  bildenden  Künsten.  Beethoven  schreibt  in  seinem  Heiligen- 
städter Testament  von  den  unerbittlichen  Parzen.  In  seiner  Wohnung  hatte  er 
einen  Stich  nach  dem  Klassicisten  Füger  hängen.  Damals  las  er  gelegentlich 
in  einer  Uebersetzung  des  Plutarch.  Was  man  damals  in  Wien  baute,  modellirte, 
malte,  wies  Alles  aufs  klassische  Alterthum,  mit  dem  man  den  Begrift  des 
Grossen,    Erhabenen,    Heldenhaften  verband.     Ebenso  wie  im  Aeusseren  (Beet- 


Ferdinand  Ries. 

Vorlar/c  aus  Herrn  Fr.  Ate.  Manskopf's  Jlrtsikhistorischetn  Museum 
in  Frankfurt  a.  M. 


—     34     — 

hoven  lies  sich  das  Haar  damals  ä  la  Titus  schneiden)  musste  Beethoven  auch 
in  seinem  inneren  Wesen  von  der  allgemeinen  Bewegung  erfasst  werden.  Bald 
danach  zeigt  sich  der  erste  Hauch  der  Romantik. 
Ritterwesen,  alte  Burgen,  Mittelalter  begannen  die 
Helden  des  Alterthums  abzulösen. 

Bei  aller  Gesangsmusik  versteht  sich  der  Ein- 
fluss  der  Romantik  von  selbst.  In  der  reinen  In- 
strumentalmusik ist  die  Romantik  eine  Abkehr  vom 
hergebrachten  Formelwesen,  die  gerade  zu  jener 
Zeit  besonders  auffallend  wird,  als  in  Dichtung  und 
bildender  Kunst  die  Romantik  in  Blüthe  schoss. 
Man  legte,  ob  theoretisch  gerechtfertigt  oder  nicht, 
dem  Tonwerk  bestimmte  Gedanken  unter,  die  eben 
meist  aus  dem  romantischen  Bereich  genommen 
waren.  Indes  soll  der  Klassiker  Beethoven  nicht 
zum  Romantiker  umgemünzt  werden,  obwohl  es 
unverkennbar  ist,  dass  er  die  grosse  Bewegung 
vorbereitet  hat.  Das  echt  romantische  Hineinge- 
heimnissen in  die  Musik,  in  jeden  Takt,  in  jedes 
Motiv,  lag  ihm  ziemlich  fern.  Sogar  seine  zwei 
., Romanzen"  für  Violine  und  Orchester  sind  wohl- 
geformte Tonstücke.  Er  wollte  nur  immer  bessere 
und  bessere  Musik    schaffen.    Auch   hielt   er    noch 

bis  zum  Lebensende  in  gewissem  Sinne  an  den  alten  Formen  fest  auch  wenn 
er  sie  wesentlich  erweitert  hat. 

Allegro    molto. 
pizz 


Beethoven  um  das  Jahr  1805. 

Nach  dem  Bildnis  von  Mäh  1er. 

[Die  Vorlage  ist  eine  Copie  nach  dem  Original 

im   Besitze    des   Herrn   Hauptcassierer    der 

oesterr.  ung.  Bank   Roh.  Heimler   in  Wien.) 


Thema  aus  dem  Finale  der  Eroica,  herübergenommen  aus  der  Prometheusmusik 
und  aus  den  Variationen  Op.  35. 


Josephs-Monument  und  Redoutengebäude. 

^t^^ : -^^^^-t;^ ^5^;:5^ 

f 


—  Fidelio  — 
Mittlere  Lebenszeit. 


M^4^         ^"  ?■?  M^^  eethoven  und  Abt  Vogler  komponiren  jeder  eine  Oper  für 

das  Theater  an  der  Wien".  Diese  Nachricht  verbreitete 
sich  Ende  Februar  1803  und  etwas  später  in  der  Musikvvelt.  Von  Beethoven  heisst 
es  dann  weiter,  dass  er  unter  günstigen  Bedingungen  engagirt  sei,  darunter  freie 
Wohnung  im  Theatergebäude  genannt  wird.  Zunächst  handelte  es  sich  um  eine 
Oper  mit  Schikanederschem  Text,  für  die  aber  nur  einzelne  Gedanken  skizzirt 
wurden.  Bald  darauf,  etwa  zwischen  Mai  und  Oktober  1803,  begann  Beethoven  die 
„Leonore".  So  wollte  man  anfangs  die  Oper  benennen,  deren  Text  nach  einem 
französischen  Vorbilde  mit  Musik  von  Gaveaux  „l'amour  conjugal"  zugerichtet 
wurde.  Uns  ist  sie  heute  geläufig  unter  dem  Namen:  Fidelio.  Frühe  Notirungen 
dazu  sind  in  einem  Skizzenbuch  aus  dem  Jahre  1803  erhalten,  das  L.  Nohl  zuerst 
besprochen  und  Nottebohm  veröffentlicht  hat.  Das  interessante  Notenheft  bietet 
überdies  Skizzen  zur  dritten  Symphonie,  auch  solche  zur  Waldsteinsonate  Op.  53, 
zum  herrlichen  Klavierkonzert  in  G-dur,  zur  C-moU  Symphonie,  zum  Tripel- 
konzert  Op.  56,  zu  einigen  Liedern  und  noch  Anderem.  Was  die  Leonore  be- 
trifft, so  scheint  es,  dass  mit  der  Arie  Marcellinens  „0  war  ich  schon  mit  Dir 
vereint"  begonnen  wurde,  für  die  Beethoven  erst  allerlei  Melodien  notirte,  die 
er  später  verwarf.  Ungefähr  dasselbe  gilt  von  anderen  Ansätzen,  die  oft  keinerlei 
Aehnlichkeit  mit  den  endgiltigen  Formen  aufweisen  und  nur  durch  den  bei- 
geschriebenen Text  ihre  Zuständigkeit  zur  Leonore  verrathen,  z.  B.  die  Skizzen 
zu:  „Mir  ist  so  wunderbar".  Die  weitere  Ausarbeitung  der  Oper  erfolgte  in  den 
zwei    nächsten    Jahren,    die    dem    Meister    viel    Unruhe    brachten,  mehrmaligen 


3* 


36     — 


Wohnungswechsel,  eine  böse  Erkrankung,  wie  es  scheint  an  Wechselfieber,  ein 
Zerwürfniss  mit  Steffen  v.  Breuning,  das  freilich  bald  ausgeglichen  wurde  durch 
einen  sehr  versöhnlich  gestimmten  Brief  Beethovens,  dem  ein  Miniaturbildchen 
beigefügt  wurde.  Dieses  ist  uns  erhalten  und  wurde  schon  im  II.  Kapitel  ab- 
gebildet.   (Siehe  S.  31.) 

1804  im  Juli  dirigirte  Beethoven  in  einem  der  Konzerte,  die  um  jene  Zeit 
regelmässig  im  Augartensaale  abgehalten  wurden.  Ries  spielte  das  C-moll  Konzert 
Beethovens  mit  Bravour  und  erntete  grossen  Beifall  auch  vom  Meister  selbst. 
Begonnen  wurde  das  Konzert  mit  Beethovens  D-dur-Symphonie.  Im  Dezember 
desselben  Jahres  phantasirte  Beethoven  zum  Entzücken  der  ganzen  Gesellschaft 
in  einem  Privatkonzert  bei  Lobkowitz,  wo  auch  die  Eroica  aufgeführt  wurde. 
In  der  Oeffentlichkeit  wurde  sie  zuerst  gehört  in  der  Clementschen  Akademie, 
am  7.  April  1805  im  Theater  an  der  Wien.  Sie  gefiel  im  Allgemeinen  nicht, 
und  die  Kritik  ertheilte  dem  Komponisten  allerlei  Rathschläge,  die  uns  heute 
äppisch  erscheinen.  Der  kleine  Kreis  der  Verständigen  trat  unbedingt  für  die 
Symphonie  ein.  Als  unangenehme  Nadelstiche  wird  Beethovens  Gemüth  übrigens 
die  abfälligen  Kritiken  dennoch  verspürt  haben.     Dazu  kamen  Streitigkeiten  mit 

den  Verlegern  Arta- 
ria&Cie.  Aus  einem 
Skizzenbuche  Beet- 
hovens (dem  soge- 
nannten Paul-Men- 
delssohnschen)  ent- 
nimmt man,  dass 
mittendurch  an  der 
L  e  o  n  o  r  e  gearbeitet 
wurde.  Die  Fertig- 
stellung wird  man 
in  den  Spätsommer 
1805  zu  versetzen 
haben.  Denn  am 
2ü.  November  1805 
war  die  ersteAuffüh- 
^.    ^         .    ,,.,,     „      ,  rung.  Sie  wurde fol- 

Die  Sängerin  Milder-Hauptmann.  ^ 

(Vorlage  im  liesitz  der  Gesdlschuft  der  Musik-  gendemiaSSCn     an- 

freunde  in  Wien.)  gekündigt:      „Neue 

Oper.  Heute  Mittwoch  den  20.  November  1805  wird  in  dem  K.  auch 
K.  K.  priv.  Schauspielhaus  an  der  Wien  gegeben  zum  ersten  Mal  Fidelio 
oder  die  eheliche  Liebe,  eine  Oper  in  3  Akten.  Frey  nach  dem  Französischen 
bearbeite|t]  von  Joseph  Sonnleithner.  Die  Musik  ist  von  Ludwig  \-an  Beet- 
hoven". Die  Titelrolle  war  in  den  Händen  der  Milder.  (Ihr  Bildniss  neben- 
stehend.) Der  Zeitpunkt  für  diese  Premiere  war  der  denkbar  ungünstigste. 
Kurz  vorher  waren  die  Franzosen  in  Wien  eingerükt  und  die  allgemeine 
Aufmerksamkeit  war  von  den  politischen  Ereignissen  in  Anspruch  ge- 
nommen. Auch  war  seit  der  Aufführung  der  Eroica  das  allgemeine  Urtheil 
eher  gegen  als  für  Beethoven  gestimmt.  Und  was  nicht  gering  anzuschlagen 
ist,  der  Fidelio  war  in  der  ersten  Form,  die  man  damals  zu  hören  bekam, 
doch  nicht  recht  ausgereift.  Die  Proben  waren  mühselig  und  ärgerlich,  so 
für    den  Autor,    wie    für    die  Ausführenden.     Man  war    damals    noch  durchaus 


Die  Sängerin  Milder-Hauptmann. 
Zeichnung  von  E.  Fr.  Leybold. 


37 


gewohnt,  dass  ein  Komponist  den  Singstimmen  recht  sehr  entgegenkam.  Beet- 
hoven aber  behandelte  sie  nicht  selten,  wie  Orchesterinstrumente.  Dann  wurde 
von  dem  Areopag,  vor  dem  die  Proben  stattfanden,  die  Ouvertüre  abgelehnt, 
die  Beethoven  der  „Leonore"  gegeben  hatte.  \'ermuthlich  ist  diese  erste 
Leonorenouverture  dieselbe,  die  im  Aianuskript  lange  bei  Steiner  &  Cie  gelegen 
hat  und  die  erst  nach  Beethovens  Tod  als  Op.  138  erschienen  ist.  Die  zeitliche 
Reihenfolge  der  vier  Ouvertüren,  die  mit  Beethovens  Oper  zusammenhängen,  ist 
noch  heute  strittig,  obwohl  eine  ganze  Reihe  namhafter  Gelehrter  die  Angelegen- 
heit beachtet  hat.  Eines  ist  sicher,  dass  bei  den  ersten  Aufführungen  am 
20.,  21.  und  22.  November  schon  die  zweite  Leonorenouverture  gespielt  wurde. 
Die  Oper  wurde  damals  kühl  aufgenommen  und  konnte  sich  nicht  im  Spielplan 
festsetzen.  \^on  der  Kritik  wurde  sie  fast  ablehnend  beurtheilt.  „Auch  die  Auf- 
führung war  nicht  x'orzüglich"  wird  berichtet.  Das  Alles  veranlasste  nun  im 
Freundeskreise  des  Meisters  lange,  oft  erregte  Erörterungen,  bis  sich  der  Künstler 
überreden  Viess,  wenigstens  versuchsweise 
Aenderungen  und  besonders  Kürzungen 
vorzunehmen,  um  das  Werk  1806  noch 
einmal  auf  die  Bühne  zu  bringen.  Der 
Gang  der  Handlung  sollte  rascher  werden, 
und  Breuning  arbeitete  das  Textbuch  um. 
Die  beiden  ersten  Acte  werden  in  einen 
zusammengezogen,  Terzett  No.  3  und 
Duett  No.  10  der  ersten  Fassung  fielen 
dem  streichenden  Stift  zum  Opfer.  Die 
Ouvertüre  erfuhr  eine  neuerliche  Um- 
arbeitung, so  dass  wir  nun  schon  bei  einer 
dritten  Leonorenouverture  angelangt 
sind.  Diese  wurde  bei  der  Aufführung 
am  29.  März  1806  gespielt.  Nun  gefiel 
das  Werk  schon  ein  wenig  besser,  aber 
noch  lange  nicht  gut  genug,  um  sich 
halten  zu  können.  Erst  weit  spätere  Auf- 
führungen, so  die  mit  einer  4.  Ouvertüre 
(in  E)  in  der  Textbearbeitung  von 
Treitschke    1814    und    noch    mehr    die 

Wiederaufführungen  im  Jahre  1822  fanden  das  Wiener  Publikum  genügend  ver- 
ständnissvoll, um  dem  grossartigen  Werke  zu  Erfolg  zu  verhelfen.  Die  Titelrolle 
war  an  die  Schröder-Devrient  übergegangen.  Die  Romantik  hatte  einstweilen 
Boden  gefas.st.  Der  Dichter  Bauernfeld  schrieb  am  11.  November  1822  in  sein 
Tagebuch  „Mit  Moriz  Schwind  im  Fidelio.  Wir  weinten  vor  Entzücken".  Ja, 
romantisch  angehauchter  Seelen  bedurfte  es,  dieses  Werk  zu  würdigen,  wenigstens 
in  jenen  Theilen,  die  einer  neuen  Auffassung  Ausdruck  verliehen. 

Die  Handlung  ist  folgende:  In  einer  spanischen  Festung  wird  ein  gewisser  Florestan 
unschuldig  festgehalten,  da  er  sich  den  Hass  des  mächtigen  Don  Pizarro,  Gouverneurs  jener 
Festung,  zugezogen  hat.  Florestan  soll  dem  Hungertode  preisgegeben  werden  und  schmachtet 
im  tiefsten  Kerkergewölbe  der  Festung.  Leonore,  Florestans  Gattin,  weiss  es  zu  ermitteln, 
wohin  man  ihren  Gemahl  geschleppt  hat.  Sie  verdingt  sich,  verkleidet  als  Diener,  beim  Kerker- 
meister Rocco  unter  dem  Namen  „Fidelio".  Florestan,  der  unter  den  Entbehrungen  und 
seeUschen    Leiden    im  dunklen   Gefängniss  schon  schwer  gelitten  hat,  ist  dem  Tode    nahe.     Da 


Die  Sängerin  Schröder-Devrient, 

zweite    Darstellerin    des    „Fidelio". 

(Zeichnttni/  von  Cramolini.) 


—     38     — 

erhält  Pizarro  geheime  Nachricht,  dass  der  Minister  Don  Fernando  davon  Kenntniss  erhalten 
habe,  wie  durch  Pizarro  Unschuldige  in  Haft  gehalten  werden.  Fernando  wolle  sich  selbst 
überzeugen,  was  in  Pizarros  Festung  vorgehe.  Nun  fasst  Pizarro  rasch  den  Entschluss,  seinen 
verhassten  Gegner  Florestan  bei  Seite  zu  schaffen,  noch  bevor  Don  Fernando  die  Festung  in- 
spizirt  hätte.  Rocco  soll  den  Florestan  ermorden,  weigert  sich  jedoch  entschieden.  Pizarro 
will  nun  den  Gefangenen  selbst  erdolchen.  Rocco  möge  die  Cisterne  öffnen,  damit  der  Ge- 
mordete dort  verborgen  werden  könne.  Fidelio  (Leonore)  hat  sich  die  Gunst  Roccos  und 
Marzeliinens,  der  Tochter,  erworben  und  weiss  den  alten  Kerkermeister  zu  bereden,  dass  er  sie 
in  das  unterste  Gefängniss  mitnehme,  wohin  er  sonst  Niemanden  einführen  durfte.  Marzelline, 
von  Liebe  zu  Fidelio  ergriffen,  unterstützt  die  Bitten  desselben.  Unter  dem  Vorwande,  dass 
sich  der  Alte  schonen  müsse,  wird  Leonoren  (Fidelio)  gestattet,  ihm  in  das  tiefste  Gewölbe  zu 
folgen  und  dort  bei  der  schweren  Arbeit  des  Blosslegens  der  Cisterne  zu  helfen.  Dort  erkennt 
sie  trotz  der  Dunkelheit  in  dem  Gefangenen  ihren  Florestan.  Als  bald  darauf  Pizarro  erscheint, 
um  seinen  Feind  zu  morden,  schützt  Fidelio  ihren  Gatten,  und  nun  hört  man  auch  schon  das 
Trompetenzeichen,  das  die  Ankunft  des  Ministers  verkündet.  Pizarro  wird  verhaftet  und  der 
Unschuldige  der  Freiheit  wiedergegeben.  Der  Stoff  war  so,  wie  er  dem  Komponisten  bei  seiner  edlen 
Lebensauffassung  gefallen  konnte,  wie  er  ihn  in  einzelnen  Momenten  begeistern  musste,  ja,  wie  er 
auch  im  modernen  Sinne  noch  sehr  bühnenfähig  genannt  zu  werden  verdient.  Nur  die  Be- 
handlungsweise  mit  den  altvaterischen  Textwiederholungen  und  der  formell  musikalischen  Be- 
handlung lässt  den  Fidelio  neben  dem  mehr  realistischen  dramatischen  Gefüge  neuerer  Bühnen- 
musiken veraltet  erscheinen.  Aber,  im  ersten  Viertel  des  Jahrhunderts  war  eben  die  Zeit  noch 
nicht  gekommen,  das  Musikdrama  mehr  realistisch  zu  gestalten,  beziehungsweise  die  Formen 
der  Arie,  der  Chöre  mit  Wiederholungen,  der  Cadenzen  und  andere  hergebrachte  Gebräuche 
ganz  aufzugeben  zu  Gunsten  eines  rezitirenden,  der  Rede  mehr  und  mehr  genäherten  Gesanges. 
Und,  sind  wir  aufrichtig,  so  dürfte  man  gerade  bei  der  Bühnenmusik  den  angedeuteten  Realis- 
mus nicht  zu  weit  treiben.  Sonst  müsste  endlich  jeder  Gesang  wegbleiben,  und  man  käme 
zum  Melodram  oder  zum  reinen  Drama  mit  eingestreuten  Musikstücken.  Wir  messen  indes 
auch  den  Fidelio  nicht  an  dem,  was  seither  auf  der  Bühne  geleistet  worden,  sondern  urtheilen 
nach  dem,  was  es  vorher  gegeben  hat.  Und  da  können  wir  uns  denn  an  dem  höchst  werth- 
vollen  musikalischen  Gehalt  und  an  der  dramatischen  Kraft,  wenigstens  des  II.  Aktes  herzlich  erfreuen. 

Der  II.  Akt  mit  seinen  ungewöhnlichen  Klangfarben,  seiner  üppigen  Ton- 
fülle, seinem  schaurigen,  dann  jubelnden  Charakter  ist  hauptsächlich  hier  ge- 
meint. Im  ersten  Akt  klebt  Beethoven  noch  vielfach  am  Hergebrachten.  Aber 
doch  enthält  er  auch  Juwelen  wie  den  höchst  vollendeten  Canon  „Mir  ist  so 
wunderbar".  Dieser  war  wieder  ein  Weiser  in  die  Zukunft,  der  deutlich  genug 
aussprach,  wie  man  ältere  Formen  einer  neueren  Richtung  anpassen  kcinne, 
und  wohin  neue  Wege  führen.  Fidelio  leitet  durch  seinen  Text,  durch  den 
kühn  vordringenden  Charakter  einiger  Hauptnummern  die  romantische  Oper  ein. 
C.  M.  V.  Weber  schwärmte  für  Beethovens  Oper.  Er  war  der  Jüngere  und 
schuf  erst  späterhin  den  Freischütz,  die  Euryanthe,  den  Oberon.  Und  mit  dieser 
Richtung  verglichen,  bleibt  uns  Beethoven  zwar  der  Anreger  aber  immerhin 
noch  der  Klassiker. 

Aehnlich  so  steht  es  mit  der  IV.  Symphonie  in  B-dur  (Oppersdorf  ge- 
widmet) und  noch  mehr  mit  der  V.  in  C-moll.  Ohne  sie  kein  Mendelssohn, 
kein  Schumann,  um  gar  nicht  weiter  gegen  die  neueste  Zeit  heranzukommen. 
Und  doch  die  Formvollendung  der  alten  Schule!  Die  B-dur-Symphonie  wie 
aus  einem  Guss,  mit  seltenem  Schwung  entworfen  und  in  freudigem  Schaffen 
zu  einem  Gebilde  von  seltener  Rundung  aber  trotzdem  gewaltiger  Kraft  des 
Klanges  gestaltet,  die  C-moll-Symphonie  mehr  grüblerisch,  herrisch,  langsam 
ausgefeilt;  beide  ungeheuer  hoch  über  Allem,  was  damals  geschaffen  wurde. 
Haydn  stand  schon  mit  einem  Fusse  im  Grab,  und  sonst  war's  eine  Wüstenei 


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der  Mittelmässigkeit,  ein  veraltetes  Einerlei,  soweit  das  Ohr  auch  lauschen 
mochte.  Die  Jungen,  wie  Weber,  waren  noch  nicht  recht  an  der  Oberfläche, 
und  Franz  Schubert  Zcählte  kaum  zehn  Jahre.  Der  erste  Satz  der  C-molJ- 
Symphonie  bedeutet  geradezu  einen  Triumph  thematischer  Arbeit,  und  wir 
können  es  uns  nicht  versagen,  das  Hauptthema  herzusetzen: 

Beethoven  schuf  in  jenen  fruchtbaren  Jahren  neben 
den  grossen  Werken,  die  heute  Jedermann  nennt  und 
kennt,  auch  noch  viele  kleinere,  die  in  der  allgemeinen 
Schätzung  etwas  zurückstehen,  da  sie  oft  mehr  auf 
glänzende  Wirkung  ausgehen,  als  auf  besondere  Tiefe 
der  Erfindung,  wie  einige  Variationswerke,  wie  das  Tripelkonzert  (Op.  56),  das 
Sextett  (Op.  71).  Zwischen  1801  und  dem  September  1805  ist  das  Lied  „An 
die  Hoffnung"  zu  Tiedges  Text  entstanden. 

Die  IV.  Symphonie  wurde  1806  vollendet  und  erfuhr  im  Jahre  1807  ihre  erste 
und  eine  zweite  Aufführung.  Die  Kritik  verhielt  sich  zum  Theil  wieder  ablehnend. 
Die  W  Symphonie,  obw^ohl  früher  als  die  IV.  begonnen,  dürfte  erst  im  Laufe 
von  1808  fertig  geworden  sein,  wenig  früher  als  die  VL,  die  Pastoralsymphonie. 
Die  \'.  und  VL  Symphonie  wurden  zum  ersten  Mal  in  einer  grossen  Akademie 
gespielt,  die  ausschliesslich  Beethovensche  Werke  zu  Gehör  brachte,  darunter 
auch  die  Chorphantasie.  Es  war  am  22.  Dezember  1808.  In  der  Pastoral- 
symphonie \\'echselt  der  Komponist  einen  Händedruck  mit  der  Programmmusik, 
doch  hält  er  sich  innerhalb  der  Grenzen,  die  ihm  sein  natürlicher  Verstand  für 
die  Ausdrucksfähigkeit  der  Musik  erkennen  Hess.  Die  stilisirte  Tonmalerei  mit 
dem  Kuckucksruf,  dem  Wachtelschlag  und  Nachtigallentriller  pflegt  uns  heute 
etwas  kindisch  anzumuthen.  Indes  stört  dieses  kleine  Zugeständniss  an  die 
Zeit  die  grossartige  Entfaltung  rein  musikalischer  Formen  nur  wenig.  Beethoven 
liess  sich  (man  weiss  es  durch  Neate)  gerne  durch  Bilder  der  Aussenwelt,  Ein- 
drücke aus  der  freien  Natur  zum  Schaffen  anregen ;  er  meinte  aber  sicher  nicht, 
dass  die  Hörer  diese  Bilder  ohne  Weiteres  aus  der  Komposition  herauslesen 
müssten. 

Den  einzelnen  Sätzen  der  Pastoralsymphonie  sind  bekanntlich  durch  Beethoven  selbst 
Ueberschriften  beigegeben,  welche  allgemeine  Stimmungen  andeuten.  Zum  „Allegro  ma  non 
troppo"  des  ersten  Satzes  heisst  es :  „Erwachen  heiterer  Empfindungen  bei  der  Ankunft  auf 
dem  Lande".  Das  „.A.ndante  molto  moto"  will  als  „Szene  am  Bach"  aufgefasst  sein.  Dem 
„Allegro"  in  ^l^  Takt,  einen  Menuett  vertretend,  ist  der  Titel  gegeben  „Lustiges  Zusammensein 
der  Landleute".  Daran  reiht  sich  „Gewitter.  Sturm"  (Allegro),  worauf  in  wiegendem  AUegretto 
mit  einleitendem  Dudelsackbass  der  „Hirtengesang"  folgt,  welcher  „frohe  und  dankbare  Gefühle 
nach  dem  Sturm"  zum  Ausdruck  bringt.  Kurz  vor  dem  Schluss  dieses  letzten  Satzes  khngt 
der  jüngere  Tondichter  pietätvoll  an  Meister  Mozart  an  (besonders  im  24.  bis  17.  Takt  vor  dem 
Ende).  Die  letzte  Nummer  des  1.  Aufzuges  der  Mozartschen  Zauberflöte  dürfte  für  diese  Stelle 
als  unbeabsichtigte  Grundlage  gedient  haben. 

Von  besonderen  Erlebnissen  jener  Jahre  gesteigerter  Schaffenskraft  und 
deshalb  auch  gehobenen  Selbstbewusstseins  ist  Einiges  anzudeuten.  Beethoven 
verbrachte  einen  Theil  des  Sommers  1806  beim  Freunde  (dem  Grafen)  Bruns- 
vik  in  Ungarn  zu  Marton-Vazar.  Dann  im  Oktober  ging  er  zum  Fürsten 
Lichnowsky  nach  Graz  bei  Troppau.  Die  Reise  nach  Ungarn  ist  mit  dem  Brief 
an  die  „unsterbliche  Geliebte"  in  Verbindung  gebracht  worden.  \'on  der  Reise  nach 
Schlesien  ist  mancherlei  bekannt  geworden,  das  für  Beethovens  Wesen  charak- 
teristisch ist.  Eine  Episode  sei  hier  erzählt,  da  sie  ebenso  den  berechtigten 
Künstlerstolz,  wie  die  ungewöhnliche  Heftigkeit  und  Ungezogenheit  des  Meisters 


—      40      — 

bezeichnet.  Die  eine  Erzählung  muss  uns  als  Typus  für  ähnliche  andere  dienen. 
Ich  benütze  dafür  die  Erinnerungen  des  fürstlich  Lichnowskyschen  Hausarztes 
Dr.  Anton  Weiser  (geb.  1777,  gest.  1826),  die  in  dessen  Familie  getreu  bewahrt, 
vom  Sohne  zu  Papier  gebracht  und  vom  Enkel  mir  gütigst  mitgetheilt  worden 
sind.  Fürst  Lichnowsk}^  hatte  klugheitshalber  französische  Offiziere  zu  sich 
geladen.  Um  sie  bei  Laune  zu  erhalten,  war  ihnen  der  Genuss  versprochen 
worden,  dass  sie  nach  dem  Diner  den  berühmten  Beethoven  würden  spielen 
hören,  der  damals  zu  Gast  im  Schlosse  weilte.  „Man  setzte  sich  zu  Tische; 
da  fragt  unglücklicher  Weise  einer  der  iranzösischen  Stabsoffiziere  Beethoven, 
ob  er  auch  Violon  verstehe".  Weiser,  welcher  der  Tafel  anwohnte,  „sah  augen- 
blicklich, welch'  schweres  Gewitter  im  Gemüthe  des  Künstlers  .  .  heraufziehe. 
Beethoven  würdigte  den  Frager  keiner  Antwort".  Weiser  konnte  das  Ende  des 
Diners  nicht  abwarten,  da  er  als  Direktor  des  Krankenhauses  zu  Troppau 
ebendort  seine  Berufspflichten  zu  erfüllen  hatte.  Was  weiter  geschah,  erfuhr 
er  aber  aus  Beethovens  eigenem  Munde.  Als  Beethovens  Klavierspiel  beginnen 
sollte,  war  der  Künstler  nirgends  zu  finden.  Man  suchte  ihn.  Der  Fürst  will 
ihn  zum  Spielen  überreden,  zwingen.  Umsonst.  Eine  widerliche,  geradewegs 
gemeine  Szene  entspinnt  sich.  Beethoven  liess  unverzüglich  packen  und  eilte 
trotz  schändlichen  Regenwetters  zu  Fuss  nach  Troppau,  um  dort  bei  Weiser 
nächtlicher  Weile  Unterkunft  zu  suchen.  Mit  dem  Regen  hängt  es  zusammen, 
dass  die  Handschrift  der  „Appassionata",  der  Sonate  in  F-moll  Op.  57,  die  Beet- 
hoven damals  mit  sich  führte,  durch  .Wasser  gelitten  hat.  Dies  erfährt  man  aus 
einer  anderen  Ueberlieferung.  Weiser  berichtet  weiter,  dass  es  nächsten  Tages 
schwierig  war,  ohne  des  Fürsten  Vermittlung  einen  Pass  für  die  Reise  nach 
Wien  zu  erhalten.  Endlich  gelang  es  doch.  Vor  der  Abreise  aber  schrieb 
Beethoven  noch  einen  sehr  selbstbewusst  gehaltenen  Brief  an  Lichnowsky,  der 
so  gelautet  haben  soll:  „Fürst!  Was  Sie  sind,  sind  Sie  durch  Zufall  und  Geburt, 
was  ich  bin,  bin  ich  durch  mich.  Fürsten  hat  es  und  wird  es  noch  Tausende 
geben,  Beethoven  giebfs  nur  einen  ..."  Für  den  Wortlaut  stehe  ich  gewiss 
nicht  ein.  Die  Tonart  ist  aber  vollkommen  so,  wie  man  sie  bei  Beethoven 
erwarten  müsste. 

Dass  die  Sonata  appassionata  fertig  von  Graz  nach  Wien  mitgenommen 
\vurde,  haben  wir  gehört.  Bald  danach  dürften  auch  die,  anfangs  recht  übel 
aufgenommenen,  seither  so  berühmt  gewordenen  Streichquartette  Op.  59  vollendet 
worden  sein,  die  dem  Fürsten  Razumowsky  gewidmet  wurden.  Längstens  am 
23.  Dezember  1806  war  das  unvergleichliche  Violinkonzert  Op.  61  fertig.  Clement 
spielte  es  an  jenem  Tage  öffentlich.  Um  den  Anfang  1807  war  das  Klavier- 
konzert in  G-dur  druckfertig.  Und  so  reihte  sich  denn  Perle  an  Perle.  Es 
waren  wichtige  Jahre  für  die  Musikgeschichte,  eine  Zeit  kräftiger  Fortbildung. 
Die  Coriolanouverture  Op.  62  bedeutet  aber  ein  äusserliches  Zurückgreifen  auf 
den  Klassicismus.  Die  Messe  Op.  86,  dem  P'ürsten  Nicolaus  Esterhazy  ge- 
widmet, ist  ein  für  Beethoven  etwas  schwaches  Werk. 

Bald  nach  der  Rückkehr  aus  Graz  scheint  Beethoven  an  einem  sogenannten 
Fingerwurm  (Panaritjum)  erkrankt  zu  sein.  Eine  alte  Nachricht  spricht  davon.  Zudem 
schreibt  er  um  den  Anfang  von  1807  an  den  Grafen  Oppersdorf  (zunächst  um  das 
Honorar  für  die  IV.  Symphonie  einzutreiben,  dann)  von  seinem  „armen  unver- 
schuldeten Finger",  an  dem  er  noch  kurire  und  der  ihn  14  Tage  lang  am  Ausgehen 
gehindert  hatte.  Die  Angelegenheit  ist  deshalb  erwähnenswerth,  weil  eine  Er- 
krankung an  der  Hand  für  jeden  Klavierspieler  Bedeutung  hat  und  weil  sie  wohl  mit 


—      41       — 


Frimrael,  Bei 


herzog,  700  von  Lobkovvitz,  löoo  von  Kinsky).  irgend  vveicner  iiiei  oaer  eine 
Auszeichnung  wurde  dabei  dem  Meister  nicht  .verliehen.  Auf  der  Urkunde 
vermerkte  Beethoven  „Empfangen  am  26.  Februar  1809  aus  den  Händen 
des    Erzherzogs    Rudolph    K.    H."       Obwohl    man    manche    Einzelheiten    der 


Frimioel,  Beethoven 


Anfang  des  Terzetts  „Euch  werde  Lohn  in  bessern  Welten"  aus  der  ersten  Bearbeitung  des  Fidelio. 

(Facsimile  nach  Beethovens  Originalpartitur  im  Besitz  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin.) 


—     41     — 

dazu  beigeti-agen  haben  mochte,  dass  Beethoven  anfing,  sich  mehr  und  mehr  vom 
Klavierspiel  zurückzuziehen,  hides  hört  man  noch  aus  dem  Jahre  1808  allerlei 
Stimmen  der  Bewunderung  für  sein  Spiel,  wie  dieStimmeReichardts,  der  den  Meister 
im  Benefiz  -  Konzert  von  1808  gehört  hatte,  wie  J.  F.  Nisles  und  des  Barons 
Tremont.  Nur  steigerte  er  die  Kraft  seines  Spiels  zum  Ungewöhnlichen,  gewiss 
hauptsächlich  der  Schwerhörigkeit  wegen. 

Kleine  Erzählungen,  die  sich  wohl  auf  die  Periode  beziehen,  welche  uns 
eben  beschäftigt,  wurden  mir  vor  Jahren  von  einem  Nachkommen  des  Kom- 
ponisten Antonio  Cartellieri  mitgetheilt.  Herr  Notar  Friedrich  Cartellieri  (mütter- 
licherseits auch  aus  der  Musikerfamilie  Kraft  abstammend)  schreibt,  „dass  Beet- 
hoven öfters  bei  Kälte  ohne  Handschuhe  zu  Krafts  kam  und  erstarrte  Hände 
hatte,  dass  ihm  dann  Frau  Katharina  Kraft  heimlich  ein  Paar  neue  Handschuhe 
in  den  bei  Seite  gestellten  Hut  legte,  welche  Beethoven  beim  Fortgehen  behaglich 
über  die  Hände  streifte,  ohne  in  seiner  Zerstreutheit  sich  des  Geschenkes  be- 
wusst  zu  werden".  Als  bestimmte  Familienüberlieferung  bezeichnete  Herr  Dr. 
F.  Cartellieri  auch  die  gelegentlich  nacherzählte  Angabe,  wie  Beethoven  sich 
bei  Krafts  über  die  Spielbarkeit  von  Violoncellpartien  erkundigt  hat.  Einmal 
aber  war  Beethoven  etwas  verdriesslich,  und  als  es  hiess,  die  Stelle  liege  nicht 
„in  der  Hand",  erwiderte  er:  „Muss  liegen!" 

Der  erwähnte  Brief  an  den  Grafen  Oppersdorf  führt  uns  zu  einer  wenig  erfreu- 
lichen Angelegenheit.  Beethoven  erhielt  sein  Honorar  und  bestätigte  am 
3.  Februar  1807  den  Empfang.  Nach  mehreren  Anzeichen  lässt  sich  schliessen, 
dass  unser  Meister  trotzdem  bald  wieder  in  Geldverlegenheiten  gerieth.  Im 
November  1808  entschuldigte  er  sich  bei  Oppersdorf,  dass  er  die  IV.  dem  Grafen 
gewidmete  und  von  diesem  bezahlte  Symphonie  jemandem  Anderen  veräussert 
habe  und  zwar  aus  Noth.  Zahlungsstockungen  gehören  von  nun  an  bis  zum  Ab- 
leben des  Künstlers  nicht  zu  den  Seltenheiten.  Nach  der  Szene  in  Graz  mussten 
doch  die  Auszahlungen  durch  Lichnowsky  aufhören.  Ein  Versuch,  eine  feste 
Stellung  als  Operndirigent  oder  Komponist  in  Wien  zu  erlangen,  scheiterte, 
vielleicht  an  dem  Entgegenwirken  des  Grafen  Palff}',  der  sich  allerdings  zu 
Zeiten  nicht  gerade  freundlich  den  Absichten  des  Meisters  gegenübergestellt  hat. 
Wir  erfahren  davon  aus  den  Ereignissen  des  Jahres  1814.  Auch  die  freigebige 
Art,  mit  der  drei  hohe  Musikfreunde  1808  dem  Meister  ein  Jahresgehalt  \'on 
4000  fl.  zusicherten,  konnte  nicht  dauernd  über  die  Verlegenheiten  hinweghelfen. 

Zu  dem  erwähnten  Jahresgehalt  kam  Beethoven  folgendermassen :  im 
Herbst  1808  erging  an  den  Meister  der  Ruf,  als  erster  Kapellmeister  des  Königs  Jeröme 
Bonaparte  nach  Kassel  zu  kommen.  Beethoven  war  anfänglich  auf  den  Ruf 
eingegangen.  Da  man  von  Seiten  des  Hofes,  besonders  des  musikbegabten 
jungen  Erzherzogs  Rudolf,  Beethoven  in  Wien  nicht  missen  wollte,  da  aber  der 
Künstler  seines  Gehörleidens  wegen  nicht  zum  Dirigenten  taugte,  wurden 
Unterhandlungen  eingeleitet,  die  Ende  Februar  1809  damit  abschlössen,  dass 
Beethoven  in  Wien  oder  wenigstens  in  einer  österreichischen  Stadt  zu  verbleiben 
habe,  Reisen  ins  Ausland  abgerechnet,  dass  er  dafür  jährlich  die  Summe  \'on 
4000  fl.  erhalten  solle,  die  zu  verschiedenen  Antheilen  vom  Erzherzog  Rudolph 
und  den  Fürsten  Lobkowitz  und  Kinsky  aufzubringen  wäre  (1500  fl.  vom  Erz- 
herzog, 700  von  Lobkowitz,  1800  von  Kinsky).  Irgend  welcher  Titel  oder  eine 
Auszeichnung  wurde  dabei  dem  Meister  nicht  verliehen.  Auf  der  Urkunde 
vermerkte  Beethoven  „Empfangen  am  26.  Februar  1809  aus  den  Händen 
des    Erzherzogs    Rudolph    K.    H."       Obwohl    man    manche    Einzelheiten    der 


—     42     — 

Angelegenheit  kennt,  z.  B.  durch  Mittheilungen  Beethovens  an  Baron  Gleichen- 
stein, sind  doch  die  ganzen  Triebfedern,  die  den  erwähnten  V^ertrag  anregten,  nicht 
im  Einzelnen  aufgedeckt.  Es  mag  sein,  dass  Erzherzog  Rudolph  dabei  die 
Hauptrolle  spielte,  da  er  doch  einige  Jahre  lang  Beethovens  Schüler  war.  Schon 
1804  scheint  Beethoven  beim  Erzherzog  eingeführt  worden  zu  sein,  für  welchen 
das  Tripelkonzert  (Op.  56)  1804  oder  1805  geschrieben  worden  sein  soll. 
Gewidmet  ist  es  ihm  allerdings  nicht.  1807  war  der  Unterricht  schon  in  bestem 
Gange,  und  1809,  jedenfalls  als  künstlerische  Antwort  auf  den  Vertrag,  dedizirte 
Beethoven  dem  Erzherzog  das  grosse  Klavierkonzert  aus  Es-dur  (Op.  73)  und 
die  Sonate  Op.  81  a.  Die  Widmung  des  Streichquartetts  Op.  74  des  sog. 
„Harfenquartetts"  an  Lobkowitz  wird  gleichfalls  mit  jenem  Vertrage  zusammen- 
hängen, den  ja  auch  Lobkowitz  unterfertigt  hatte,  und  die  Anregung  zur  Wid- 
mung der  Goetheschen  Gesänge  Op.  75  und  83  geht  sicher  auch  auf  den  Ver- 
trag von  1809  zurück.     Die  letztgenannten  Werke  sind  der  Fürstin  Kinsky  dedizirt. 

Dass  die  ungewöhnlich  bewegten  Zeiten  das  reichliche  Einkommen  Beet- 
hovens bald  in  Frage  stellten  und  bedeutend  schmälerten,  sei  einstweilen  nur 
angedeutet.  Zunächst  blicken  v\ir  auf  Beethovens  Leben  in  jenen  Jahren.  Er- 
freuliche Stunden  wurden  ihm  durch  den  Umgang  mit  den  trefflichen  Klavier- 
spielerinnen Bigot,  Dorothea  Erdtmann  (Graumann)  und  mit  der  Gräfin  Erdödy, 
bei  der  er  eine  Zeit  lang  in  dem  Hause  über  dem  alten  Schottenthor  wohnte. 
Baronin  Erdtmann,  an  die  Beethoven  einmal  als  seine  „liebe  werthe  Dorothea- 
Cäcilia"  schrieb,  spielte  Beethovens  Klavierkompositionen  mit  seltenem  Ver- 
ständniss.  Davon  weiss  man  durch  Reichardt  und  Andere.  Felix  iVIendelssohn 
hat  sie  noch  1831  in  Mailand  Vieles  von  Beethoven  vortragen  gehört  und  schrieb 
über  ihr  ausdrucksvolles  Spiel.  (Wir  geben  anbei  ein  Bildniss  der  „Dorothea- 
Cäcilia".) 

Was  bisher  nicht  beachtet  wurde,  ist  die  beabsichtigte  Wiederaufnahme 
des  Fidelio  im  Mai  1809.  Am  10.  oder  11.  Mai  war  eine  Vorstellung  dieser 
Oper  angekündigt,  die  also  wohl  auch  einstudirt  worden  war.  Wie  Geusau 
berichtet,  wurden  aber  die  Anschlagzettel  im  Laufe  des  Tages  wieder  entfernt. 
Man  begreift  das,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  Napoleon  in  Eilmärschen  gegen 
Wien  herangezogen  und  am  10.  Mai  in  Schönbrunn  eingeritten  war,  dass 
endlich  im  Laufe  des  11.  Mai  Vorbereitungen  zur  Beschiessung  der  Stadt  ge- 
troffen wurden.  In  der  folgenden  Nacht  wurde  die  Stadt  bombardirt.  Der  Hof, 
Erzherzog  Rudolph  mit  eingeschlossen,  und  l'zahlreiche  Bekannte  Beethovens 
hatten  Wien  verlassen.  Beethoven  machte  die  aufregenden  Stunden  in  Wien 
mit,  wie  Ries  erzählt,  bei  seinem  Bruder  Carl  in  der  Rauhensteingasse  und  zwar  im 
Keller,  „wo  er  noch  den  Kopf  mit  Kissen  bedeckte,  um  ja  nicht  die  Kanonen 
zu  hören".  Wien  kapitulirte  am  frühen  Nachmittag  des  12.  Mai.  Wieder 
brachten  die  Franzosen  Unruhe,  Theuerung,  wie  schon  1805,  in  die  Stadt 
Dass  Beethoven  in  seinem  Schaffen  durch  die  unabweislichen  Thatsachen  ge- 
stört wurde,  kann  nicht  bezweifelt  werden,  und  von  einer  besonders  reichlichen 
Produktion  im  Sommer  1809  ist  nichts  bekannt.  An  der  Sonate  Op.  81  a  für 
den  Erzherzog  Rudolph  und  an  zwei  Märschen  für  Militärmusik  wurde  wohl 
gearbeitet,  das  Konzert  in  Es  vermuthlich  damals  vollendet  und  sicher  die 
„Gleichensteinsonate"  für  Violoncell  und  das  „Lobkowitzquartett"  fertig  gestellt.  Im 
Uebrigen  verging  die  Arbeitszeit  mit  dem  Zusammentragen  theoretischer  Studien, 
die  später  als  Leitfaden  für  den  Unterricht  des  Erzherzogs  dienen  sollten.  Es 
waren   Auszüge   aus  Ph.  Em.  Bachs  „Versuch  über  die  wahre  Art  das  Klavier 


43     — 


zu  spielen",  aus  D.  G.  Türcks  „Kurze  Anweisung  zum  Generalbassspielen",  aus 
Albrechtsbergers  „Gründliche  Anweisung  zur  Komposition"  und  aus  Kirnbergers 
..Kunst  des  reinen  Satzes". 

Beethox'en  entbehrte  in  jenem  Sommer  die  gewohnte  Erfrischung  durch 
einen  Aufenthalt  auf  dem  Lande,  die  sonst  bei  ihm  gewöhnlich  grosse  Werke 
gezeitigt  hatte.  Gegen  Ende  Juli  war  er  noch  immer  in  der  schwülen  Luft  der 
Hauptstadt.  „Noch  kann  ich  des  Genusses  des  mir  so  unentbehrlichen  Land- 
lebens nicht  theilhaftig  werden"  klagt  er  damals  in  einem  Briefe.  Sogar  in 
der  ersten  Hälfte  August  war  er  noch  in  Wien,  wohin  er  sich  „eine  Aus- 
gabe von  Goethes  und  Schillers  vollständigen  Werken"  kommen  lassen  will. 
Indes    hatte    er   Hoffnung  „den  Rest  des  Sommers  in  irgend  einem  glücklichen 

Landwinkel  zubringen  zu 
können".  Da  die  Widmungen 
der  Pianoforte-Phantasie  Op.  77 
an  den  Grafen  Franz  Brunsvik 
und  der  Fis-dur-.Sonate  Op.  78 
an  die  Komtesse  Therese 
Brunsvik  mit  einiger  Sicher- 
heit in  den  Herbst  oder  Spät- 
sommer 1809  versetzt  werden 
können,  x^ermuthet  Thayer, 
dass  Beethoven  endlich  doch 
von  Wien  abgekommen  und 
zu  Brunsviks  nach  Ungarn  ge- 
gangen sei.  Die  theihveise 
Sprengung  der  Basteien  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Oktober 
und  in  der  ersten  des  November 
1809  scheint  er  schon  wieder 
in  Wien  mit  erlebt  zu  haben. 
Wie  er  selbst  schreibt,  war  er 
um  jene  Zeit  emsig  an  der 
Arbeit.  Sie  galt  vermuthlich 
den 43  wallisischen  und  irischen 
Melodien,  die  ihm  George 
Thomson  aus  Edinburgh  zur  Komposition  gesendet  hatte.  An  allerlei  Plänen 
fehlte  es  nicht,  und  ein  lebhafter  Briefwechsel  mit  den  Verlegern  ist  nach- 
zuweisen. Vermuthlich  noch  im  Sommer  war  Manches  skizzirt  worden, 
darunter  Gedanken  für  die  VII.  und  VIII.  Symphonie  und  für  eine  „Ouvertüre"  zu 
dem  Text  „Freude  schöner  Götterfunken  .  ."  Hier  liegt  also  eine  Wurzel  bloss 
zur  IX.  S3^mphonie.  1809  wurde  auch  die  Musik  zu  Goethes  Egmont  in 
Angriff  genommen,  auf  welche  bald  noch  andere  Kompositionen  zu  Goetheschen 
Dichtungen  folgten,  wie  denn  überhaupt  Beethovens  Aufmerksamkeit  in  jener 
Zeit  oft  durch  den  Dichter  gefesselt  wurde. 

Das  Jahr  1810  war  weniger  ergiebig,  als  die  vorhergehenden.  Vollendet 
wurde  die  Musik  zu  Egmont,  und  das  Zmeskallquartett  Op.  95  scheint  im 
Oktober  so  ziemlich  in  einem  Zuge  geschrieben  worden  zu  sein.  Sonst  sind 
es  nur  verhältnissmässig  kleine  Arbeiten,  die  in  jenem  Jahre  geschaffen  wurden 
(Thayer  III,  160  f.).     Man  geräth  auf  den  Gedanken,  dass  Beethovens  \'ersuche. 


Dorothea  Erdtmann,  geb.  Graumann. 
Torlage  aus  Fr.  Xic,  Manskopf's  JUuiikhisiorischeni  Museum  in  Frankfurt  a.  M. 


—     44     — 

sich  einen  behaglichen  Haushalt  zu  gründen,  viel  Zeit  und  gute  Stimmung  auf- 
gesaugt haben.  Auch  weiss  man,  dass  sich  Beethoven  1810  mit  Heirathsgedanken 
trug,  denn  er  verschrieb  sich  aus  Bonn  seinen  Taufschein  und  bald  darauf  hiess 
es,  die  Partie  habe  sich  wieder  zerschlagen.  Dass  die  Auserwählte,  wie  Thayer 
wollte,  die  Komtesse  Therese  Brunsvik  gewesen  sein  soll,  ist  gar  nicht  aus- 
gemacht, im  Gegentheil  sehr  unwahrscheinlich,  auch  wenn  man  nicht  sagen 
kann,  wer  es  sonst  gewesen  sein  mag.  Gerade  im  Jahre  1810  ist  Beethovens 
Lebensgeschichte  keineswegs  so  klar,  dass  man  mit  bestimmten  Beweisen  an- 
rücken könnte.  Bezüglich  des  Unterrichtes  beim  Erzherzog  Rudolph  lässt  sich 
wohl  annehmen,  dass  Beethoven  mit  Eifer  bei  der  Sache  war.  War  doch  im 
vorhergehenden  Jahre  eine  theoretische  Grundlage  vorbereitet  worden. 

Die  Versuche  aber,  einen  geregelten  Hausstand  zu  gründen,  misslangen 
gänzlich.  Von  nun  an  könnte  man  in  Beethovens  Leben  eine  Rubrik  eröffnen 
lür  Zwistigkeiten  mit  Dienern,  Köchinnen,  Haushälterinnen,  und  jedes  Jahr  fast 
wären  aufregende  Szenen  einzutiagen.  Zmeskall  musste  ungezählte  Male  rathen 
und  helfen,  bis  Frau  Nanette  Streicher  (die  Gemahlin  des  Klavierfabrikanten 
Andreas  vStreicher,  eine  geborene  Stein)  eine  Zeit  lang  die  L^eberprüfung  des 
Hausregiments  übernahm. 

In  eine  idealere  Sphäre  führte  ihn  1810  und  im  folgenden  Jahre  der 
\'erkehr  mit  Bettina  Brentano,  die  er  im  Hause  des  gelehrten  und  kunst- 
liebenden Hofraths  von  Birckenstock  kennen  lernte.  Im  September  1810  war 
der  Meister  in  Baden,  ob  auf  Tage  oder  Wochen  ist  unsicher. 

1811  kann  in  Beethovens  Leben  ebensowenig  als  guter  Jahrgang  gelten, 
als  1810.  Wäre  nicht  das  schwungvolle  grosse  B-dur-Trio  entstanden  und 
hätte  Beethoven  nicht  die  Musik  zu  den  „Ruinen  von  Athen"  und  zu  „König 
Stephan"  (für  das  neue  Theater  in  Pest)  geschrieben,  so  müsste  man  dieses  Jahr 
für  eines  der  unfruchtbarsten  erklären.  Vom  musikalischen  Schaffen  abgesehen, 
bot  es  aber  manche  beachtenswerthe  Erlebnisse.  Durch  Bettina  wurde  Goethe 
auf  den  Komponisten  aufmerksam  gemacht.  In  ihrer  überschwänglichen  Weise 
brachte  sie  dem  Dichter  einen  ganz  falschen  Begriff  von  dem  rauhen  Ton- 
künstler bei.  Goethe  antwortete  freundlich.  Dann  am  12.  April  1811  schrieb 
der  Komponist  an  den  Olympier  nach  Weimar  einen  Brief  mit  höchst  ver- 
worrenem Anfang  und  in  sonderbarer  Rechtschreibung.  Goethe  muss  durch 
diese  Zuschrift,  (die  ihm  die  Uebersendung  der  Egmont-Musik  ankündigte) 
sonderbar  berührt  worden  sein.  Zudem  ist  es  so  gut  wie  sicher,  dass  er  Beet- 
hovens Brief  erst  im  Januar  1812  durch  Breitkopf  &  Haertel  erhalten  hat. 
Diese  Angelegenheit  also  verzog  sich  bis  auf  Weiteres.  Es  hiess  zuwarten. 
Etwas  dringender  und  aufregender  waren  die  Unterhandlungen  in  Betreff  der 
Musik  fürs  neue  Theater  in  Pest.  Die  Eröffnung  sollte  am  FYanzenstage,  also 
am  4.  Oktober  sein,  um  damit  eine  Huldigung  für  Kaiser  Franz  zum  Ausdruck 
zu  bringen.  Aber  auch  hier  gab  es  Hindernisse  und  die  erste  Aufführung  der 
.,Ruinen  von  Athen"  und  des  „König  Stephan"  erfolgte  erst  1812  am  9.  Februar. 
Ebenso  der  Dichter  (Kotzebue),    wie  der  Komponist  ernteten  reichlichen  Beifall. 

Im  Sommer  1811  war  Beethoven  mit  seinem  Freunde  Oliva,  der  ihm 
damals  besonders  nahe  stand  und  manche  geschäftliche  Last  abnahm,  in  Teplitz. 
Varnhagen  von  Ense,  von  dem  Beethoven  gerne  einen  Operntext  erhalten  hätte, 
Tiedge,  Elise  von  der  Recke,  Fürst  Kinsky  waren  gleichfalls  dort  und  Beethoven, 
wiewohl  etwas  menschenscheu,  verkehrte  mit  ihnen,  sowie  mit  Fräulein  Amalie 
.Sebald,  die  ihn,  wie  es  scheint,  ziemlich  nachhaltig  fesselte.     Freundlicher  Um- 


45 


gang  ward  auch  mit  dem  Gubernialrath  von  Varena  aus  Graz  und  dem  Schau- 
spieler Ludwig  Löwe  gepflogen;  für  Letzteren  spielte  Beethoven  einige  Male 
den  Liebesboten.  iSii  besuchte  den  Meister  der  junge  Schny der  v.  Wartensee, 
der  von  seinem  Verkehr  mit  Beethox'en  allerlei  erzählt  hat.  Schnjaier  wollte 
l'nterricht  in  der  Komposition.  Doch  lehnte  Beethoven  sehr  entschieden  ab. 
Nur  die  fertigen  Arbeiten  Schny ders  wollte  er  durchsehen;  auch  weigerte  sich 
Beethoven,  dem  jungen  Manne  vorzuspielen. 

Ein  garstiger  Misston  ging  übrigens  1811  durch  ganz  Oesteneich  in  Folge 
des  Finanzpatents  vom  20.  P^ebruar,  das  als  Zwangsanleihe  alle  Geldangelegen- 
heiten hemmend  beeinflusste.  Beethoven  wurde  dadurch  empfindlich  geschädigt, 
und  sah  sich,  kaum  aus  den  Schulden  gerissen,  wieder  vor  die  Nöthigung 
gestellt,  durch  seine  Werke  den  Lebensunterhalt  zu  verdienen.  Mit  Mühe  rettete 
er  einen  kleinen  Theil  des  vertragsmässig  zugesicherten  Gehaltes,  dessen  Flüssig- 
machung besonders  schwierig  wurde,  nachdem 
die  Reichthümer  des  Fürsten  Lobkowitz  zer- 
fallen waren  (nach  181 1)  und  Kinsky  (im 
November  1812)  gestorben  war.  So  gab  es 
denn  für  die  nächsten  Jahre  wieder  äusseren 
Anlass  zu  erhöhter  Thätigkeit.  Bald  nach  der 
Eröffnung  des  neuen  Theaters  in  Pest  mit 
König  Stephan  und  den  Ruinen  von  Athen, 
taucht  die  neue  Symphonie,  die  VII.  in  A- 
dur  auf,  die  in  raschen,  grossartigen  Zügen 
vollendet  wurde,  ein  Denkmal  seltener  Kraft 
der  Erfindung  und  reifsten  Könnens.  Voll- 
endet wurde  sie  schon  gegen  Mitte  Mai  1812, 
aufgeführt  erst  imDezeniber  1813.  Für  Thom- 
son wurden  irische  und  schottische  Gesänge 
bearbeitet.  Um  sogleich  die  Schöpfungen  des 
ganzen  Jahres  zusammenzustellen,  seien  auch 
die  VIIL  Symphonie,  ein  wunderbarer  Bau, 
und  die  prickelnde  \^iolinsonate  Op.  96  (mit 
einigen  Anklängen  an  das  Tripelkonzert)  ge- 
nannt, an  die  sich  nur  noch  einige  Gelegenheits- 
werke anschliessen. 

Bemerkens werth  ist  der  Sommer  1812,  den  Beethoven  in  den  böhmischen 
Bädern  verbrachte.  In  Teplitz  traf  er  zwischen  der  Mitte  des  Juli  und  dem 
5.  oder  6.  August  wiederholt  mit  Goethe  zusammen,  vor  dem  er  auch  phantasirte. 
Die  Beziehungen  der  beiden  berühmten  Männer  zu  einander  sind  eingehend 
studirt  worden.  Dabei  wurde  es  ziemlich  klar,  dass  Beethoven  sich  in  jenem 
Teplitzer  Sommer  denn  doch  etwas  ungezogen  und  aufdringlich  demokratisch 
gegen  den  österreichischen  Hof  benommen  hat.  Goethe,  der  vom  künstlerischen 
Werth  des  Komponisten  keine  klare  Vorstellung  hatte,  fühlte  sich  durch  dessen 
Ungeschliffenheit  abgestossen.  Für  Beethovens  Beurtheilung  war  Goethe  dagegen 
zu  sehr  Hofmann.  Erneuert  wurde  der  Verkehr  mit  Amalie  Sebald  und  mit 
Bettina.  Die  Rückreise  geschah  über  Linz  a.  d.  Donau,  wo  Johann  v.  Beethoven 
eine  Apotheke  erworben  hatte.  Der  Komponist  vollendete  dort  die  VIIL  Sym- 
phonie, wie  aus  seiner  eigenhändigen  Bemerkung  herv^orgeht:  „Sinfonia  lintz  im 
Monath  Oktober  1812".     So  steht  es  auf  der  Handschrift  im  Besitz  der  Könie- 


Beethovens  Gesichtsmaske  von   1812. 
(Xach   dem  Qypsabguss  im  Besitze  des   Verfassers.) 


—     46 


liehen  Bibliothek  zu  Berlin.  Vielleicht  war  die  Vollendung  des  grossen  Werkes 
in  ruhiger  Umgebung  der  Hauptgrund,  warum  Beethoven  von  den  böhmischen 
Bädern  nicht  unmittelbar  nach  Wien  zurückreiste.  Thayer  nimmt  an,  Beethoven 
sei  nach  Linz  mit  der  Absicht  gekommen,  sich  in  die  Heirathspläne  seines 
Bruders  zu  mischen.  Das  nicht  gewünschte  Ergebniss  zudringlicher  Einmengung 
war  die  Vermählung  des  Bruders  mit  seiner  Wirthschafterin.  Als  Künstler  hatte 
Beethoven  in  Linz  bedeutende  Erfolge. 

Uebersehen  wir  nicht,  dass  Beethoven  1812  in  uneigennütziger  Weise 
die  Aufführung  zahlreicher  Kompositionen  bei  einer  Wohlthätigkeitsakademie  in 
der   steiermärkischen    Hauptstadt   erlaubte,    es    war    im    April,    und    dass  er  zu 

Gunsten  der  Stadt  Baden  bei  Wien 
in  Karlsbad  konzertirte.  Am  26, 
Juli  war  Baden  von  einem  grossen 
Brandunglücke  getroffen  worden. 
Beethoven  und  der  Violinspieler 
Polledro  nahmen  sich  sofort  der 
Sache  an.  Der  Erfolg  blieb  nicht 
aus,  doch  schrieb  Beethoven,  stets 
zu  W^ortspielen  geneigt,  darüber  als 
von  einem  „armen  Konzert  für  die 
Armen". 

Wie  Beethoven  in  jenem  Jahre 
ausgesehen  hat,  erfahren  wir  durch 
die  Maske  und  durch  die  Büste  von 
Franz  Klein,  die  nebenstehend  ab 
gebildet  werden.  Unbedingt  sind 
die  Klem'schen  Beethovenbildnisse 
die  wichtigsten,  die  wir  haben. 
Sie  werden  denn  auch  von  jenen 
modernen  Künstlern  sehr  geschätzt, 
die  einen  Beethoven  zeichnen  oder 
modelliren.  Unser  Titelbild  von 
Dake  legt  davon  Zeugniss  ab,  auch 
Stuck,  Klinger  u.  A.  haben  die  Be- 
deutung der  Klein'schen  Maske  er- 
kannt. 

Im  Jahre  1813  raubten  die  Ver- 
driesslichkeiten,  die  sich  an  die 
„Verfechtung"  der  Rechte  auf  das 
Jahresgehalt  knüpften,  dem  Künstler 
viele  Zeit.  An  die  verwittwete  Fürstin  Kinsky  musste  wiederholt  geschrieben  werden. 
Gänge  und  Schreibereien,  veranlasst  durch  den  finanziellen  Untergang  des  Fürsten 
Lobkowitz,  waren  nicht  zu  vermeiden.  Im  Juli  schrieb  der  Geplagte  an  den  Erz- 
herzog in  diesem  Zusammenhange:  „statt  über  eine  Anzahl  Takte  nachzudenken, 
muss  ich  nur  immer  eine  Anzahl  Gänge,  die  ich  zu  machen  habe,  vormerken." 
Die  Korrespondenzen  mit  den  Verlegern  nahmen  ihren  Gang,  und  der  Unterricht 
beim  Erzherzog  dürfte  viele  Zeit  in  Anspruch  genommen  haben;  wenigstens 
war  es  in  jener  Periode,  dass  dem  Meister  diese  Obliegenheit  lästig  wurde  und 
ihn    vermuthlich    am    freizügigen    Schaffen    hinderte.     Drückend    war   auch  die 


Büste  Beethovens  von  Franz  Klein. 
(Original  im  Streicher' sehen  Claviersalon  zu  'Wien. 


Franz  Stuck:  Beethoven. 


Xach  dem  grösseren  Kunstblatte  mit  Genehmigung  des 
Eigenthümers  und  Verlegers  Franz  Banfstaengl,  München. 


—      4!) 


Sorge  um  den  kränklichen  Bruder  Carl,  der  durch  die  staatliche  Finanzkrisis 
von  1811  hart  betroffen  war.  und  den  jier  Komponist  nach  wie  vor  unterstützte. 
Als  Phthisiker  hatte  Carl  unter  dem  ]^Iärzstaub  (Wien  ist  seit  Jahrhunderten 
wegen  Wind  und  Staub  berüchtigt)  böse  zu  leiden  gehabt.  Im  Laufe  des  April 
war  sein  Zustand  so  bedenklich  geworden,  dass  der  Kranke  sich  entschloss, 
seinen  letzten  Willen  zu  Papier  zu  bringen.  Der  Komponist  sollte  nach  Carls 
Ableben  \'ormund  des  Kleinen  werden.  Das  Testament  wurde  von  Carl  und 
Ludwig  van  Beethoven  unterzeichnet,  sowie  von  den  Zeugen  Oliva,  Pasqualati 
und  Leber.  Bruder  Carl  erholte  sich  wieder  zu  einem  Scheinleben,  das  noch 
über  zwei  Jahre  währen  sollte.  Den  Namen  Pasqualati  wollen  wir  nicht 
übergeben.  Der  Träger  desselben,  Johann  Freiherr  \on  Pasqualati,  war  Gross- 
händler, der  damals  sein  Komptoir  am  Kohlmarkt  hatte  und  vermuthlich  noch 
in  seinem  Familien-Hause  auf  der  Mölkerbastei  wohnte,  das  übrigens  damals 
schon  an  Herrn  Leber  verkauft  war.  Beethoven  hat  in  jenem  Hause,  das 
noch  heute  erhalten  ist  und  dessen  Abbildung  gegeben  wird,  seit  1804  wieder- 
holt gewohnt  und  verkehrte  (kleine  Zer-  ^ 
würfnisse  abgerechnet)  viel  mit  Baron 
Pasqualati.  Dieser,  selbst  Musiker  und 
Klavierspieler,  war  ein  warmer  Verehrer 
Beethovens,  dem  er  gerade  in  der  Periode 
trauriger  Familienangelegenheiten,  bei  der 
wir  halten,  berathend  zur  Seite  stand  und 
der  sich  auch  weiterhin  als  aufopfernder 
Freund  erwies.  Beethoven  hat  ihm  einige 
kleine  Kompositionen  gesendet.  Erheiterung 
mitten  in  allem  Ungemach  wurde  dem 
Meister  durch  Freund  Zmeskall.  Die  zahl- 
reichen Briefchen,  die  ihm  in  jener  Zeit 
von  Beethoven  zugingen,  sind  in  einem  fast 
leichtfertigen,  witzelnden  Tone  verfasst. 

In  den  ersten  Wochen  von  1813  hatte 
Beethoven  einen  Marsch  zu  Christoph 
Kuffners  Trauerspiel   „Tarpeja"    gearbeitet, 

der  am  26.  März  zum  ersten  Mal  gespielt  worden  sein  dürfte  und  später  im  ersten 
Augartenkonzert  die  .Schlussnummer  bildete.  Ausser  diesem  Werke  sind  1813  noch 
einige  Kleinigkeiten  entstanden,  wie  der  Canon:  „Kurz  ist  der  Schmerz"  endlich  die 
sogenannte  Schlachtsymphonie  Op.  91.  Beethoven  schrieb  auf  eine  Abschrift  den 
Titel:  „Auf  Wellingtons  .Sieg  bei  Vittoria,  1813,  geschrieben  für  Herrn 
Mälzl  .  ."  Leonhard  Mälzl,  heute  allbekannt  als  Erfinder  des  brauchbarsten  Metro- 
noms, war  der  Anreger  zu  dieser  Komposition,  ja  er  gab  den  ganzen  Plan  dazu  an, 
da  sie  ursprünglich  für  ein  grosses  Panharmonicon  bestimmt  war,  das  Mälzl 
erfunden  hatte  und  mit  welchem  der  Erfinder  und  Beethoven  nach  England 
reisen  wollten.  Dieser  Reise  setzten  sich  grosse  Schwierigkeiten  entgegen,  so 
dass  Beethoven  sich  die  Partitur  zurückerbat  und  sie  im  Einverständniss  mit 
Mälzl  für  Orchesteraufführung  umarbeitete.  In  demselben  Konzert  vom  8.  Dezem- 
ber 1813,  in  welchem  die  feine  VII.  Symphonie  zum  ersten  Male  gespielt  wurde, 
erklangen  auch  die  brutalen  Klänge  der  „Schlacht  bei  Vittoria".  Ein  glänzender 
Erfolg  krönte  das  Zugeständniss  an  den  Geschmack  der  Majorität.  Schon  am 
12.  musste  das  Konzert  wiederholt  werden  und  zwar  ist  es  bemerkenswerth,  dass 


Das  Pasqualati'sche  Haus  in  Wien. 

^V((e/(  tiiier    Vorlnge  im  Dtfitze  des  Autors. 


-     50     — 

gerade  die  Schlachtsymphonie  einen  Sturm  von  Beifall  entfesselte.  Man  wollte 
das  Werk  noch  einmal  hören  und  Beethoven  veranstaltete  am  2.  Januar  1814 
eine  Akademie  zu  seinen  Gunsten,  um  dem  Wunsche  des  Publikums  entgegen 
zu  kommen  und  die  günstige  Lage  auszunützen.  Merkwürdiger  Weise  war 
Mälzl,  dem  zumeist  der  Erfolg  zu  danken  war,  von  dieser  Wiederholung  aus- 
geschlossen. In  der  Folge,  als  Mälzl  seinerseits  die  Komposition  für  sein 
Panharmonicon  ausnützte,  kam  es  zu  Streitigkeiten,  die  erst  nach  jahrelangem 
Kampfe  beigelegt  wurden.  Die  Aufführung  am  2.  Januar  1814  wurde  von 
Beethoven  selbst  dirigirt,  dessen  Harthörigkeit  aber  jede  sichere  Leitung  unmög- 
lich machte.  Das  geschulte  Orchester,  durch  Beethovens  Missverständnisse 
zwar  gestört,  aber  nicht  irre  gemacht,  bemerkte  bald,  dass  Kapellmeister  Umlauf 
mit  seinen  Zeichen  dem  Gange  der  Musik  genauer  entsprach.  Es  folgte  nun 
diesem  Anführer,  und  die  Akademie  gelang  bestens.  Der  Erinnerungen  an  den 
Beethoven  jener  Jahre  sind  genug  festgehalten  (vor  noch  etwa  zwanzig 
Jahren  hörte  man  da  und  dort  einschlägige  Ueberlieferungen  erzählen),  um  klar 
zu  machen,  dass  die  lebhaften  Geberden  des  Künstlers  beim  Dirigiren  damals 
im  Jahre  1814  und  früher  nahezu  komisch  waren:  übertriebenes  Zusammen- 
sinken beim  Piano  und  Auffahren  beim  Forte,  „als  wären  mit  dem  Anheben  der 
Musik  in  jedes  Glied  tausend  Leben  gefahren",  wie  sich  der  Sänger  Wild,  ein 
Augenzeuge,  ausdrückte. 

Mit  diesen  Aufführungen,  die  in  lärmender  Weise  auf  die  Zeitereignisse 
Bezug  nahmen,  war  Beethovens  Anerkennung  in  Wien  besiegelt.  Bald  reihten 
sich  neue  Erfolge  an,  die  dem  Komponisten  rasch  zum  Weltruhm  verhalfen. 
Die  Thaten  des  grossen  Freiheitskrieges  boten  vielen  Anlass  zu  künstlerischer 
Verherrlichung.  Die  Franzosenhasser  jubelten,  als  Napoleons  Glücksstern  erblich, 
und  Beethoven,  von  dem  Taumel  ergriffen,  betheiligte  sich  mit  mehreren  Kom- 
positionen an  dem  Jubel  über  die  Siege  der  Verbündeten.  Nachdem  er  in  einer 
grossen  Akademie  am  27.  Februar  1814  nochmals  die  A-dur- Symphonie,  dann 
ihre  Nachfolgerin  in  F-dur,  ein  italienisches  Terzett  („Tremate  Empii  tremate") 
und  wieder  die  Schlacht  bei  Vittoria  zur  Aufführung  gebracht  hatte,  schrieb  er 
die  Musik  zu  Treitschkes  Singspiel  „Gute  Nachricht",  beziehungsweise  zum 
Schlussgesang  „Germanias  Wiedergeburt".  Die  Zeitung  „Der  Wanderer"  vom 
16.  April  1814  druckte  das  Gedicht  ab  und  fügte  die  Bemerkung  bei:  „Der  Wanderer 
glaubt  sein  Wanderbüchlein  zu  ehren,  indem  er  es  darein  aufnimmt;  möchte  es 
ihm  doch  auch  möglich  seyn,  die  herrliche,  einfache  erhabene  Melodie  unseres 
Beethoven  beyzusetzen".  Im  Laufe  des  April  und  Mai  fanden  zum  mindesten 
sechs  Aufführungen  dieses  Singspieles  statt,  zu  welchem  neben  Beethovens 
Schlusschor  auch  Musik  von  Hummel,  Mozart,  Gyrowetz,  Jos.  Weigl  und  Kanne 
herangezogen  worden  v/ar. 

Mittlerweile  war  eine  Wiederaufführung  des  Fidelio  vorbereitet  worden, 
der  nochmals  umgearbeitet  wurde.  Treitschke  feilte  am  Text,  Beethoven  an  der 
Musik.  Auch  sollte  eine  neue  Ouvertüre  geschrieben  werden,  die  aber  nicht 
rechtzeitig  fertig  wurde.  Bei  der  ersten  Aufführung  der  Oper  in  der  neuesten 
Gestalt  musste  eine  andere  Einleitungsmusik  gewählt  werden.  Treitschke,  mit 
dem  Beethoven  in  lebhaftem  Verkehr  gestanden,  erzählt,  dass  die  Oper  diesmal 
trefflich  einstudirt  war  und  stürmischen  Beifall  fand.  Sie  wurde  mehrmals 
wiederholt  und  zwar  am  18.  Juli  zum  „Benefice"  Beethovens.  Also  Anerkennung 
und  Erfolge  die  Fülle,  die  nun  für  die  Missernten  der  vorhergegangenen  Jahre 
entschädigen  mussten.    Beethovens  Ruhm  kam  auch  äusserlich  zum  Ausdruck, 


—     51 


indem  neuerlich  ein  Bilciniss  des  Meisters  begehrt  wurde.  Letronne  zeichnete 
es  und  Blasius  Höfel  brachte  es  aufs  Kupfer.  Andere  Bildnisse  reihten  sich 
nunmehr  in  ziemlich  rascher  Folge  an.  Sie  sind  von  sehr  ungleichem  künst- 
lerischen Werthe  und  haben  auch  nicht  alle  Porträtähnlichkeit.  Das  Höfeische 
Blatt  wurde  von  urtheilsfähigen  Zeitgenossen  sehr  gelobt,  weshalb  es  neben- 
stehend nachgebildet  wird. 

Wohl  unmittelbar  nach  den  Arbeiten  für  Fidelio  nahm  Beethoven  ein 
Gedicht  \-or,  das  ihm  Dr.  Weissenbach  aus  Salzburg  gebracht  hatte.  „Der  glor- 
reiche Augenblick"  hiess  es,  wobei  der  Dichter  die  Einigung  der  Grossmächte 
zur  Abwehr  der  Franzosen  vor  Augen  hatte.  Im  Herbst  komponirte  Beethoven 
emsig  an  dieser  grossen  patriotischen  Kantate,  die  er  in  einer  Akademie  zur 
Aufführung  bringen  wollte. 

Am  1.  November  war  der  Kongress  in  Wien  zusammengetreten,  welcher 
der  Welt  aus  den  unerträglich  gewordenen  politischen  Wirren  heraushelfen 
sollte.  Ungezählte  hohe  Gäste  strömten  von 
allen  Richtungen  herbei  und  verliehen  durch 
Reichthum  und  Aufwand  dem  damaligen 
Wien  einen  unerhörten  Glanz.  Die  Häupter 
der  Grossmächte  und  vieler  kleiner  Staaten 
waren  da.  Allerwärts  verkehrten  hohe 
Offiziere,  Gesandte,  Minister,  die  alle  wieder 
ihre  Gefolgschaft  hatten.  Vor  diesem  aus- 
erlesenen Publikum  sollte  nun  Beethoven 
seine  Akademie  abhalten.  Graf  Palffy, 
damals  Hoftheaterdirektor,  hatte  dem 
Komponisten  für  diesen  Zweck  allerdings 
den  grossen  Redoutensaal  eingeräumt,  jedoch 
dafür  eine  bedeutende  Abgabe  (die  Hälfte 
der  Einnahme  betragend)  diktirt.  Am  27. 
November  sollte  die  Akademie  abgehalten 
werden,  doch  wurde  sie  verschoben,  wie  es 
in  den  Akten  heisst  „auf  Wunsch  Ihrer 
Kaiserl.  Hoheit  der  Frau  Grossfürstin  von 
Russland,  Erbprinzessin  zu  .Sachsen-Weimar, 
höchstweiche  verhindert  gewesen  wären", 
das  Konzert  zu  besuchen.  Erst  am  29.  No- 
vember (1814)  fand  die  Aufführung  statt, 
gebliebene  Quelle  reden  lasse,  die  zuerst 
spricht  und  dann  fortfährt:  „Am  29.  November  ergötzte  in  diesen  der  Freude 
geweihten  Hallen  ein  Hochgenuss  anderer  Art  sämmtliche  Herrschaften  und  eine 
grosse  Anzahl  anderer  Anwesenden;  es  war  dies  die  kunstvolle  musikalische 
Darstellung  von  Wellingtons  Schlacht  bei  Vittoria,  komponirt  und  bei  der  Auf- 
führung dirigirt  von  dem  weltberühmten  Ludwig  van  Beethoven,  welcher  eine 
von  demselben  unsterblichen  Meister  der  Töne  komponirte  Symphonie  als 
Indroduktion  vorausging,  zwischen  welchen  ebenfalls  eine  von  demselben  ge- 
schriebene, auf  die  Gegenwart  der  Monarchen  und  Fürstin  Bezug  habende 
Kantate:  „Der  glorreiche  Augenblick"  eingelegt  war.  Doch,  wer  vermag  den 
rauschenden  Beifall  und  die  zu  allgemeinem  Entzücken  gesteigerten  Empfin- 
dungen zu  beschreiben,  welche  sich  über  alle  Anwesenden  ergoss,   als  .  .  .  die 


über 
von 


Beethoven  im  Jahre   1814 
(nach  dem  Stiche  von  Blasius  Höfel). 

(VorInge  im  Besitze  des   Verfuiisers.) 

die  ich  eine  bisher  unbeachtet 
einem  Balle  im  Redoutensaale 


—     52     — 

Worte  ertönten  „Was  nur  die  Erde  hoch  und  Hehres  hat,  in  meinen  (Viennas) 
Mauern  hat  es  sich  versammelt  ..."  Jawohl  ein  hoher,  herrlicher,  überaus 
seltener  Augenblick!"  So  schrieb  Fr.  X.  Ritter  von  Sickingen  für  seine  „Dar- 
stellung der  K.  K.  Haupt-  und  Residenzstadt  Wien",  für  ein  Buch,  das  allerdings 
erst  einige  Jahre  nach  Beethovens  Tode  erschienen  ist,  aber  die  Ereignisse  von 
1814  mit  der  Lebhaftigkeit  unmittelbarer  Anschauung  schildert.  Die  Begeisterung 
für  Beethovens  Kantate  hielt  nicht  lange  an.  Als  am  2.  Dezember  1814 
das  Konzert  in  allen  seinen  Nummern  zu  Beethovens  Gunsten  wieder- 
holt wurde,  fand  sich  nur  eine  geringe  Zuhörerschaft  zusammen  (nach 
Thayer).  Am  25.  Dezember  wurde  zum  Besten  eines  Spitals  ein  ähnliches 
Konzert  mit  Beethovens  „glorreichem  Augenblick"  gegeben;  dieses  war  besser 
besucht. 

Neben  den  Werken,  die  so  viel  Aufsehen  erregt  hatten,  komponirte  Beet- 
hoven im  Jahre  1814  noch  einige  kleine  Gesangsstücke,  die  Klaviersonate  Op.  90 
und  einige  Nummern  zu  Dunckers  Trauerspiel  „Leonore  Prohaska",  in  Anbetracht 
der  bewegten  Zeit  eine  reichliche  Ausbeute  für  ein  einziges  Jahr. 

Kaum  hatten  die  Konzerte  des  Dezember  ausgeklungen,  so  finden  wir 
Beethoven  schon  wieder  mit  neuen  Plänen  und  Entwürfen  beschäftigt.  Eine 
neue  Oper  sollte  begonnen  werden,  und  zwar  war  es  ein  Textbuch  von  Friedrich 
Treitschke:  „Romulus  und  Remus",  das  Beethoven  fesselte.  Bald  nach  Beginn 
der  Arbeit  erfuhr  aber  der  Komponist,  dass  der  Stoff  schon  als  Oper  bearbeitet 
worden  sei  (Thayer,  zum  Theil  nach  Otto  Jahns  Papieren).  Diese  Oper  blieb 
liegen,  und  so  ging  es  auch  mit  den  übrigen  nicht  wenigen  Opern,  die  der 
Künstler  noch  hat  schreiben  wollen.  Glatt  und  rasch  verlief  aber  die  Arbeit 
der  Polonaise  Op.  89,  die  Beethoven  für  die  Kaiserin  von  Russland  komponirte 
und  ihr  auch  in  einer  Audienz  überreichen  durfte.  Bei  Gelegenheit  eines  grossen 
Festes  in  der  Hofburg,  die  Kongressmitglieder  wollten  ja  fortwährend  unterhalten 
sein,  spielte  Beethoven  noch  einmal  öffentlich,  um  seine  „Adelaide"  zu  begleiten. 
Der  Sänger  Wild  trug  sie  vor. 

Früher  begonnene  Arbeiten  wurden  nun  fortgesetzt,  wie  die  Melodien  für 
Thomson;  \'erlagsangelegenheiten  kamen  in  Gang,  und  die  Geldfrage  bei  den 
Kinskyschen  Erben  und  mit  den  Gläubigern  des  Fürsten  Lobkowitz  wurde  in 
Ordnung  gebracht  und  zwar  in  einer  Weise,  mit  der  Beethoven  zufrieden  sein  konnte 
und  die  zeigte,  wie  vornehm  in  dieser  leidigen  Geschichte  dem  Künstler  begegnet 
worden  ist.  Unter  den  Werken,  die  1815  vollendet  wurden,  stechen  besonders 
die  2  Sonaten  für  Klavier  und  Violoncell,  der  Gräfin  Erdödy  gewidmet,  Op.  102, 
hervor,  die  A-dur  Sonate  Op.  101  für  Klavier  (der  Baronin  Erdtmann  dedizirt) 
und  „Meeresstille  und  glückliche  Fahrt"  „dem  Verfasser  der  Gedichte,  dem 
unsterblichen  Goethe  gewidmet"  (Op.  112).  Die  erste  Aufführung  des  letzteren 
Werkes  fand  im  Dezember  1815  statt.  Damit  aber  sind  wir  den  Ereignissen 
vorausgeeilt. 

Im  Sommer  1815  gab  es  freundlichen  Verkehr  mit  dem  englischen  Musiker 
Charles  Neate,  der  sich  dem  Meister  ungefähr  Anfangs  Juni  in  Wien  vor- 
gestellt hatte.  In  Baden,  wo  Beethoven  dann  seinen  Sommeraufenthalt  gewählt 
hatte,  wohnte  Neate  nahe  bei  Beethoven,  den  er  fast  täglich  sah  und  der  ihm 
freundschaftlich  zugethan  war.  Auch  mit  der  gräflichen  Familie  Erdödy  gab  es 
1815  heiteren  Verkehr,  der  den  Künstler  ab  und  zu  nach  Jedlersee  bei  Wien 
führte,  der  aber,  im  Herbst  jenes  Jahres  durch  die  Uebersiedlung  der  Erdöd\\s 
nach    Kroatien   sein    Ende  fand.    Mit  Neate  blieb  Beethoven  fortan  in  Verkehr, 


-     53     — 

auch    nachdem    der   junge    Mann    im    Herbst    18 lö  Oesterreich  verlassen  hatte. 
Neate  wirkte  später  in  London  für  die  Verbreitung  der  Werke  Beethovens. 

Eine  Ironie  des  Schicksals  ist  es,  dass  Beethoven  erst  durch  einige  Ge- 
legenheitsarbeiten von  geringem  Werth  zu  allgemeiner  Anerkennung  gelangen 
sollte.  Nicht  die  Eroica,  nicht  die  C-moll  Symphonie,  keines  der  hochvollendeten 
Klavierkonzerte  oder  Quartette,  keine  der  seither  so  berühmt  gewordenen  Sonaten 
hat  das  vermocht,  was  die  ., Schlacht  bei  Vittoria"  und  der  „glorreiche  Augen- 
blick" beim  Publikum  geleistet  haben.  Freilich  hat  der  ganze  Vorgang  etwas 
von  dem,  was  in  der  Physiologie  Summirung  der  Reize  heisst.  Ein  Ereigniss 
ist  oft  längst  durch  tausend  Anregungen  vorbereitet,  ohne  alle  Hemmungen 
überwinden  zu  können.  Schliesslich  genügt  ein  für  sich  kleiner  Anstoss,  um 
das  Ereigniss  wirklich  auszulösen. 


Ruine   im  Helenenthal. 


Der  letzte  Beethoven. 


inen  bedeutsamen  Abschnitt  in  Beethovens 
Leben  bildet  der  Tod  des  Bruders  Carl.  Die 
Kränklichkeit  des  Mannes  war  keine  Ein- 
bildung, wie  es  seine  Vorgesetzten  gemeint 
hatten.  Den  unwiderleglichen  Beweis  für  seinen 
kranken  Zustand  erbrachte  Carl  van  Beethoven  durch  sein  Ableben.  Er  starb  am 
15.  November  1815.  Der  Komponist  suchte  einen  ursächlichen  Zusammenhang 
dieses  Todesfalles  mit  einem  unfreundlichen,  amtlichen  Bescheid  vom  23.  Oktober 
jenes  Jahres  und  gab  seiner  Ueberzeugung  in  folgenden  Worten  Ausdruck: 
„Dies  Elende  Kameralprodukt  brachte  meinem  Bruder  den  Tod,  da  er  wirkl(ich) 
so  krank  war,  dass  er,  ohne  seinen  Tod  zu  beschleunigen,  nicht  seinen  Dienst 
versehen  konnte.  —  Schönes  Denkmal  dieser  rohen  Ober-Bedienten.  L.  van 
Beethoven."  Der  famose  Bescheid  (den  ich  in  der  Posonyischen  Autographen- 
sammlung kopirt  habe)  setzte  sich  wirklich  über  ein  Krankheitszeugniss  und 
andere  beigebrachte  Beweise  hinweg,  um  Carl  van  Beethoven  einer  besonders 
strafbaren  „Unlust"  zum  Dienst  und  „angewöhnter  Fahrlässigkeit"  zu  zeihen. 
Es  wurde  dem  schwer  Leidenden  aufgetragen,  unfehlbar  mit  2  en  [statt  zweitem] 
November  1.  J.  seine  Kassiersstelle  bey  der  Bankohauptkassa  anzutretten  [!  ],  ordent- 
lich und  ohne  Unterbrechung  zu  frequentiren  und  seine  Amtsverrichtungen  .... 
mit  Fleiss  und  Eifer  zu  versehen,  wiedrigen  [!]  Falls  man  sich  genöthigt  sehen 
würde,  denselben  als  einen,  allen  übrigen  Kassabeamten  zum  anstössigen  Bei- 
spiel dienenden  Beamten  strenge  nach  den  bestehenden  Direktiven  zu  behandeln." 
Man  kann  sich  des  feinfühligen  und  leicht  erregbaren  Meisters  Stimmung 
unschwer   ausmalen,    nachdem    er  diesen  unmenschlichen  Wisch  gelesen  hatte. 


—      00       — 

Noch  dazu  Geldverlegenheiten,  die  den  Künstler  veranlassten,  ungefähr  zu  jener 
Zeit  bei  Brentanos  in  Frankfurt  eine  beträchtliche  Summe  aufzunehmen.  Nach 
Aussen  hin  wollte  er  freilich  jetzt  mehr  als  je  generös  erscheinen  und  so  gab 
er  denn  gegen  Ende  des  Jahres  eine  Akademie  zum  Vortheil  des  Wiener  Bürger- 
spitals. Die  Ouvertüre  in  C  (Op.  115),  sowie  „Meeresstille  und  glückliche  Fahrt" 
wurden  damals  den  Wienern  zum  ersten  Mal  vorgeführt.  Daneben  brachte  der 
Komponist  auch  sein  Oratorium  „Christus  am  Oelberge"  wieder  zur  Aufführung. 
Die  Uneigennützigkeit  Beethovens  wurde  zum  Anlass,  dass  die  Stadt  Wien 
dem  Komponisten  das  Ehrenbürgerrecht  ertheilte.  Schindler  bemerkt  den 
trockenen  Ton  der  Urkunde,  in  der  es  an  jeder  warmen  Anerkennung  der 
künstlerischen  Grösse  des  neuen  Ehrenbürgers  mangelt.  Es  war  ein  schwacher 
Nachklang  der  vielen  Ehren,  die  sich  während  der  Kongresszeit  wie  Sonnen- 
blicke über  Beethovens  Dasein  gebreitet  hatten. 

Nicht  zu  übersehen  ist  es,  dass  in  der  Zeit  um  das  Ableben  des  Bruders 
die  Schwerhörigkeit  des  Künstlers  sich  entweder  stark  verschlimmert  hat,  oder 
dass  sie  sich  im  Umgang  mit  allerlei  fremden  Menschen  gerade  damals  besonders 
unangenehm  fühlbar  machte.  Wie  dem  auch  sei,  aus  jenen  Tagen  ist  ein 
Heftchen  erhaken  geblieben,  das  beweist,  wie  Beethoven  sich  genöthigt  sah, 
nunmehr  die  Antworten  im  Gespräch  aufschreiben  zu  lassen,  da  er  sie  durchs 
Ohr  nur  dann  vernehmen  konnte,  wenn  sie  ihm  aus  der  Nähe  zugeschrieen 
wurden.  Und  so  befand  sich  denn  Beethoven  im  Spätherbst  1815  in  einer 
keineswegs  beneidenswerthen  Lage.  Durch  den  Tod  des  Bruders  wurde  ja  der 
Meister,  der  allen  Fragen  des  praktischen  Lebens  höchst  unbeholfen  gegenüber- 
stand, mit  zwingender  Gewalt  in  Verhältnisse  gedrängt,  denen  er  in  keiner  Weise 
gewachsen  war.  Wir  wissen  schon  davon,  dass  Bruder  Carl  den  Komponisten 
zum  Vormund  über  den  jungen  Carl  gesetzt  hatte.  Nun  bekam  der  Künstler, 
ohne  dass  er  beweibt  gewesen  wäre,  die  Sorgen  um  ein  heranwachsendes  Kind 
zu  verkosten.  Diese  Sorgen  waren  bitter  genug.  Denn  die  Schwägerin  Johanna, 
dem  Künstler  geradewegs  verhasst,  konnte  bei  der  Erziehung  des  Neffen  Carl 
nicht  ganz  umgangen  werden,  so  sehr  dies  auch  erwünscht  gewesen  wäre. 
Liess  es  sich  doch  nicht  vertuschen,  dass  eine  üble  moralische  Anlage  die 
Schwägerin  zu  allem  eher  befähigte,  als  zur  Erziehung.  Aber  Mutter  und  Sohn 
standen  eben  in  einem  innigeren  Verhältniss  zu  einander,  als  Onkel  und  Neffe. 
Der  Meister  sah  sich  fortwährend  durch  die  Vormundschaft  in  seinem  Schaffen 
gestört.  Durch  die  ödesten  und  ärgerlichsten  Schreibereien  wurde  ihm  der  Drang 
unterdrückt,  schlummernde  Gedanken  zu  wecken  und  sie  zu  grossen  Werken 
auszubauen.  Nur  die,  über  jedes  Mittelmass  weit  hinausreichende  Spannkraft 
des  Meisters  konnte  ihn  vor  dem  künstlerischen  Untergange  retten.  Wo  Andere 
angefangen  hätten,  leichtflüssige  Modesachen  auf  den  Markt  zu  werfen  und  das 
Schaffen  in  grossem  Stil  aufzugeben,  hielt  Beethoven  fest  an  seinem  hohen 
Berufe,  und  kaum  vergehen  einige  Jahre  des  Ungemachs,  so  regt  sichs  wieder 
gigantisch  in  der  musikalischen  Phantasie  des  Meisters.  Eine  Zeitlang  aber 
macht  sich  allerdings  ein  Rückschlag  gegen  die  reiche  Schaffensperiode  von 
1814  und  1815  bemerkbar,  die  mit  den  herrlichen  Sonaten  Op.  101 — 102  ab- 
geschlossen hatte.  In  den  Jahren  1816  und  1817  ist  gar  nichts  zu  Stande 
gekommen,  was  so  recht  des  grossen  Beethoven  w^ürdig  gewesen  wäre.  Ein 
Oratorium,  das  er  für  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde  schreiben  sollte,  kam 
nicht  zu  Stande.  Vermuthlich  beabsichtigte  Beethoven  auch  um  jene  Zeit,  ein 
Requiem   zu   schreiben,   wohl  im  Zusammenhang  mit  dem  Tode  des  Bruders. 


—     56     — 

Vorübergehend  hatte  er  auch  schon  früher  (1808)  an  eine  solche  Trauermusik 
gedacht.  Als  Kinsky  1812  gestorben  war,  scheint  die  Absicht  wieder  aufgetaucht 
zu  sein.  1814  sprach  man  neuerlich  von  einem  beabsichtigten  Beethovenschen 
Requiem,  so  auch  einige  Jahre  später.  Der  Tuchhändler  Joh.  Wolfmayer,  der 
1814  dem  Komponisten  in  freundlichster  Weise  entgegengekommen  war,  bot 
ihm  noch  im  Frühling  1818  100  Dukaten  für  den  Fall,  dass  Beethoven  das 
Requiem  ausführen  wolle.  Auch  dieser  Plan  blieb  unberührt.  Nur  kleine  Sachen 
giebt  es  zu  erwähnen,  wie  Kanons,  einige  Lieder,  darunter  allerdings  eines  „An 
die  Hoffnung  aus  Tiedges  Urania"  und  der  Liederkreis  „an  die  ferne  Geliebte" 
Op.  98.  Ferner  ist  zu  nennen  eine  nicht  gerade  tief  gedachte  Kantate  für  Lob- 
kowitz,  ein  Marsch  für  Militärmusik  und  ein  Männerchor  zu  Schillers  Text  aus 
Wilhelm  Teil:  „Rasch  tritt  der  Tod  den  Menschen  an".  Letztere  Komposition 
ist  wieder  durch  einen  Todesfall  veranlasst.  Wenzel  Krumpholz  war  am  3.  Mai 
1817  gestorben.  Beethoven  vermerkte  die  Veranlassung  selbst  im  Stammbuch 
von  Alois  Pouchs.  Um  jene  Zeit  übernahm  es  Beethoven  auch,  den  Sohn  des 
Universitäts-Kalligraphen  Hirsch  in  Klavierspiel  und  Harmonielehre  zu  unter- 
weisen, doch  dauerte  der  Unterricht  nur  kurze  Zeit.  Beethoven  zog  aufs  Land, 
diesmal  nach  Nussdorf,  (das  Haus,  in  welchem  er  gewohnt  hat,  wird  nebenstehend 
abgebildet)  erquickte  und  erholte  sich  wieder,  und  ein  neues  grossartiges 
Schaffen  begann.  Nun  schrieb  Beethoven  abermals  in  einem  neuen  Stile, 
den  man  den  letzten  Stil  nennen  kann,  wenn  man  damit  nicht  die  Ueberreife 
oder  eine  Art  Alterserscheinung  und  keine  streng  durchgeführte  Einschachtelung 
meint.  Durch  die  Sonaten  Op.  102  und  101  war  die  neue  Art  schon  eingeleitet 
worden.  Sie  zeigen  schon,  dass  Beethoven  wieder  auf  die  strengen  Formen 
zurückgriff,  die  er  einige  Jahre  lang  bei  Seite  gelassen  hatte.  Allerwärts  tauchen 
nun  wieder  Fugen  oder  fugirte  Sätze  auf.  Behält  Schindler  recht,  so  geschah 
es,  um  die  Widersacher  verstummen  zu  machen,  deren  Feldgeschrei  es  war: 
Beethoven  kann  keine  Fuge  schreiben.  Durch  das  Streichquintett  Op.  137, 
vollendet  am  28.  November  1817,  wird  die  geschehene  W'endung  wohl  am 
deutlichsten  markirt.  Das  Ganze  ist  eben  eine  Fuge.  Beethoven  erneuerte  noch 
einmal  sein  ganzes  musikalischen  Denken,  indem  er  einerseits  wieder  auf  die 
grossen  Kontrapunktisten  zurückging,  andererseits  sich  gegen  das  hergebrachte 
Schwelgen  in  Formeln,  besonders  in  Kadenzen,  noch  merklicher  auflehnte,  als 
bisher;  konzertantes  Zierwerk  wird  vermieden.  Ab  und  zu  tritt  alterthümliche 
Ornamentik  auf,  oder  Beethoven  sucht  neuerlich  unverbrauchte  Gestalten  für 
begleitende  Stimmen.  In  der  Wahl  seiner  Motive  bleibt  er  noch  immer  einiger- 
massen  wählerisch,  wogegen  er  sich  in  der  Stimmenführung  (aus  klassischem 
Gesichtswinkel  betrachtet)  ein  wenig  vernachlässigt.  Ganz  neue  Klangwirkungen 
drängen  sich  dem  innersten  Ohre  auf,  freilich  mitunter  auf  Kosten  der  Rundheit 
und  Glätte  und  mit  besonderer  Bevorzugung  verpönter  Querstände  (berüchtigt 
ist  deshalb  Op.  102  No.  2),  wodurch  in  manche  Stellen  ein  eigenthümliches 
Schwanken  zwischen  grossen  und  kleinen  Terzen  und  Sexten  kommt,  das  man 
mit  dem  Schillern  der  Seidenstoffe  vergleichen  könnte.  Das  nunmehr  oft  an- 
gewendete gleichzeitige  Ertönen  der  Wechselnote  in  einer  Stimme  und  der  dazu 
gehörigen  Grundnote  in  einer  anderen,  bedingt  Tonverhältnisse,  an  die  man 
damals  noch  gar  nicht  gewöhnt  war.  (Beispiele  in  der  Cellosonate  Op.  102  No.  2 
in  der  Fuge,  in  der  Klaviersonate  Op.  101  im  Vivace  alla  Marcia  und  später 
in  der  grossen  Messe.)  Wie  sehr  man  auch  zugestehen  muss,  dass  die  logische 
Weiterentwicklung   der  Musik  auf  solche  verwickeitere  Verhältnisse  hindrängte, 


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(Das  Original  im  BesI 


Frimmel,  Beethoven. 


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■    Facsimile  nach   einem   Briefe  Beetliovens   aus  dem   Jahre    1820. 

(Das  Original  im  Besitz  des  Herrn  Baudirectors  Julius  Herz  von  Hertenried  in  Wien  j 


Krimmel,  Beethovoii. 


Di 


begreift  man  doch,  dass  die  Philister  von  den  neuen  Klängen  unangenehm  be- 
rührt wurden  und  dass  zunächst  nur  ein  kleiner  Kreis  verständnissvolle  An- 
erkennung zollte.  Man  wusste  sich  eben  die  eigenartige  Mischung  von  klassischer 
Form  und  romantischer  Freiheit  in  Beethovens  letztem  Stil  nicht  sofort  zu  deuten. 
Noch  in  den  50er  Jahren  eiferte  Ulibitscheff  gegen  den  letzten  Beethoven.  Heute 
kennt  man  noch  weit  schärfere  Wirkungen  in  der  Musik. 

Kein  zufälliges  Zusammentreffen  dürfte  es  sein,  dass  in  derselben  Lebens- 
periode, die  eine  Stilvvandlung  in  Beethovens  Kunst  zu  verzeichnen  hat,  auch 
Beethovens  Schrift züge  energischer,  rücksichtsloser,  flüchtiger  werden.  Die 
Wesensänderung  in  jener  Zeit  findet  auch  darin  ihren  Ausdruck,  dass  die  Unter- 
schrift nunmehr  (seit  einer  Uebergangszeit  von  1816  bis  1818)  fast  regelmässig  in 
flüssiger  lateinischer  Schrift  hingesetzt  wird,  wogegen  sie  bis  dahin  (die  Jugend- 
zeit ausgenommen)  mit  einiger  Beharrlichkeit  an  den  eckigen  Formen  deutscher 
Kursive  festgehalten  hatte.  Einige  hundert 
Briefe  aus  dem  letzten  Jahrzehnt  des  Künstler- 
lebens legen  davon  Zeugniss  ab.  Als  Beispiel 
der  Handschrift  Beethovens  aus  dieser  Periode 
dient  uns  ein  Brief,  der  an  Boldrini,  den 
Kompagnon  Artarias  gerichtet  und  1820  ge- 
schrieben ist.  Das  nebenstehende  Facsimile 
giebt  die  zweite  Seite  des  Schreibens,  das 
zwar  in  einer  Musikzeitung  abgedruckt,  aber 
sonst  nur  wenig  bekannt  ist.  Besonders  be- 
herzigenswerth  ist  die  Stelle  von  der  Besuchs- 
karte. Der  Künstler  ordnet  als  Wortlaut  an 
einfach:  Ludwig  van  Beethoven.  Keinerlei 
Zusatz.  Man  hat  ja  dem  grossen  Manne  in 
Wien  nicht  den  einfachsten  Titel  vergönnt. 
Wie  klein  sind  seitdem  die  neidischen,  miss- 
günstigen Leutchen  neben  dem  bescheidenen 
einfachen  Ludwig   van  Beethoven    geworden! 

Die  veränderten  Familienverhältnisse, 
von  denen  oben  die  Rede  war,  erforderten  eine 
ganz  neue  Lebenseintheilung.  Eine  Art  Ge- 
wöhnung an  das  neue  LTngemach  musste  er- 
zwungen    werden,     sollte     das    künstlerische 

Schaffen  nicht  verkommen.  Die  Lebenskraft  siegte  allmählich ;  der  Meister  lernte  es, 
in  Unfrieden  zu  leben,  hauptsächlich  mit  seiner  Schwägerin,  die  kein  Mittel  un- 
versucht liess,  sich  der  Vormundschaft  zu  bemächtigen.  Dutzende  von  erhaltenen 
Beethovenbriefen  befassen  sich  mit  dieser  widrigen  Angelegenheit.  Dagegen  ge- 
währte es  dem  Künstler  anfangs  sogar  ein  gewisses  Vergnügen,  sich  nicht  nur 
der  allgemeinen  Erziehung  seines  Neffen,  sondern  auch  dessen  musikalischer  Aus- 
bildung anzunehmen.  Schon  aus  der  Zeit,  als  Bruder  Carl  Testament  gemacht 
hatte,  sind  Andeutungen  vorhanden,  dass  Beethoven  auf  den  Musikunterricht 
des  Kleinen  achtete.  Nunmehr  fühlte  sich  Beethoven  geradewegs  verpflichtet, 
für  Unterweisung  in  der  Kunst  zu  sorgen.  Carl  Czerny  wurde  Klavierlehrer 
des  Knaben.  (Ein  Abbild  Czerny's  aus  späteren  Jahren  umstehend.)  Eine 
lebhafte  Korrespondenz  entwickelte  sich,  die  uns  auch  daran  erinnert,  dass 
der  Neffe    im  Februar    1816   in   die   Erziehungsanstalt   Giannatasio    del   Rio 


Beethovenhaus  in  Nussdorf. 

(Kahlenbergerstr.  26.) 

Ihothographie  des  Verlages   V.  A.  Heck  in  Wien. 


-      5S 


gekommen  war.  Da  gab  es  denn  für  Czern}'  genug  zu  bestellen  her  und 
hin.  Anweisungen,  das  Klavierspiei  betreffend,  sind  es  selten  genug,  die  wir 
da  zu  lesen  bekommen.  Meist  handelt  es  sich  um  höchst  prosaische  Dinge, 
z.  B.  „sollten  sie  noch  den  weg  zu  Karl  machen  wollen,  so  wäre  es  gut  zu 
hören,  von  wann  also  die  chokolade  bezahlt  werden  muss".  So  heisst  es  in 
einem  Briefchen,  das  wohl  an  Czerny  oder  an  den  Dichter  Bernard  gerichtet  ist, 
die  sich  beide  dem  Meister  dienstbar  erwiesen.  Da  gab  es  für  den  Tonmeister 
zu  sorgen,  dass  die  verderbte  Mutter  keinen  Zutritt  zu  ihrem  Sohne  erhalte,  da 
musste  für  Kleidung,  Schulbücher  und  tausend  andere  Dinge  gesorgt  werden, 
nicht  zuletzt  für  die  Bezahlung,  die  Beethoven  schwer  aufbrachte  und  nicht 
immer  pünktlich  leisten  konnte.  Eine  kleine  Operation,  die  der  Neffe  im 
Sommer  iSi6  zu  überstehen  hatte,  bereitete  manche  Sorge.  Mit  der  Häuslichkeit 
sah  es  bei  Beethoven  schlimmer  aus,  denn  je.  Frau  Nanette  Streicher  musste 
an  allen  Enden  ordnend  eingreifen,  denn  das  Dienstpersonal,  das  oft  gewechselt 
wurde,  verstand  es  ja  überhaupt  nicht,  den  künstlerischen  Werth  Beethovens 
zu    schätzen.     Für   Köchin,    Magd,    Diener   war   der  grosse  Tondichter  nur  ein 

jähzorniger,  tauber,  misstrauischer,  dabei  dennoch 
x'ergesslicher,  also  höchst  unangenehmer  Herr, 
den  zu  hintergehen  nicht  schwer  fiel  und  über 
den  man  sich  gelegentlich  lustig  machte.  Galt 
er  doch  seines  ungewöhnlichen  Benehmens  wegen 
in  jener  Zeit  und  auch  späterhin  vielfach  als 
„Narr".  In  der  That  aber  verhielt  es  sich  so, 
wie  er  im  Oktober  1817  an  Freund  Zmeskall 
schreibt  „in  meiner  Lage  .  .  bedarf  ich  überall 
Nachsicht,  denn  ich  bin  ein  armer  unglück- 
licher Mann".  Seltener  als  früher  bricht  die 
gute  Laune  wieder  durch,  namentlich  im  Verkehr 
mit  Steiner,  dem  Musikalienverleger,  mit  Haslinger 
und  mit  „Diabolus  Diabelli".  Steinern  pflegte  er 
„Generallieutenant"  zu  tituliren;  Tobias  Haslinger 
wurde  zum  Adjutanten  gemacht;  Nachwirkungen 
der  Kriegsjahre  und  wohl  auch  eine  Reminiscenz 
an  die  Scherze  bei  Gelegenheit  der  Fahrt  nach  Mergentheim.  Die  „Paternoster- 
gässler",  wie  sie  von  Beethoven  wegen  der  Lage  ihres  Musikladens  im  Paternoster- 
gässchen  genannt  wurden,  waren  die  meist  geduldigen  Stichblätter  Beethovenschen 
Witzes,  denen  er  auch  als  „Generalissimus  in  Donner  und  Blitz"  erschien. 

Wie  oben  schon  angedeutet,  hatte  sich  gegen  Ende  des  Jahres  1817  eine 
Art  Gewöhnung  an  die  neuen  Verhältnisse  in  der  Familie  eingestellt,  so  dass 
endlich  wieder  der  grosse  Künstler  über  den  gequälten  Prosamenschen  die  Ober- 
hand gewann.  Aeusserliche  Gründe  zwangen  wohl  oftmals  zu  Arbeiten  für 
Geld,  aber  ein  rein  äusserlicher  Anstoss  führte  auch  zu  einem  monumentalen 
Werk,  wie  es  in  der  Missa  solemnis  vor  uns  steht. 

Wir  wissen  längst  um  den  Unterricht,  den  Beethoven  dem  Erzherzog 
Rudolph  ertheilte.  Theils  ehrte  und  förderte  das  Verhältniss  den  Meister,  theils 
hemmte  es  ihn,  so  dass  er  auch  in  jener  Periode  es  gelegentlich  in  Augenblicken 
des  Unmuths  verwünschte.  Im  Ganzen  war  es  für  den  Lehrer  ohne  Zweifel 
selbst  recht  nützlich,  einmal  im  Sinne  des  „docendo  discimus",  dann  dadurch, 
dass    es    ihm    äusserlichen    Halt  verschaffte.    Und  Anregung  zum  Schaffen  bot 


Carl  Czerny. 

Vorlage  aus  Herrn  Fr.  Sic.  Manskopfs  Jlns/k 

historischen  ihisewn  in  Franlfuit  u.  M. 


59     — 


das  \'erhältniss  zum  Erzherzog  genug,  auch  wenn  wir  bei  einigen  Sonaten,  die 
dem  hohen  Gönner  gewidmet  sind,  annehmen  könnten,  dass  sie  so  wie  so  ent- 
standen wären  und  erst  als  fertige  Werke  ihre  Widmung  empfangen  hätten.  Op.  106, 
die  grosse  B-dur-Sonate,  1818  entstanden,  scheint  übrigens  ganz  im  Hinblick  auf 
das  anerkannt  treffliche  Klavierspiel  des  Erzherzogs  \-erfasst  zu  sein.  Bei  der 
grossen  Messe  giebt  es  keinerlei  Bedenken,  ihr  Entstehen  mit  dem  Erzherzog 
in  \'erbindung  zu  bringen.  Im  Frühling  1819  war  er  rasch  nach  einander 
Kardinal  und  Erzbischof  von  Olmütz  geworden.  Die  feierliche  Einsetzung  war 
für  1820  anberaumt.  In  einem  der  Kalender,  die  Beethoven  in  jenen  Jahren 
gelegentlich  zu  Notizen  und  tagebuchartigen  Eintragungen  benutzt  hat,  steht 
bemerkt:  „Installation  des  Erzherzogs  zu  Olmütz  am  9.  März  des  nächsten 
Jahres".  Beethoven  beabsichtigte,  seinen  hohen  Gönner  (dessen  Abbild  neben- 
stehend zu  sehen)  durch  eine  künstlerische  Huldigung  zu 
erfreuen,  indem  er  für  die  Inthronisationsfeier  eine  grosse 
Messe  komponirte.  Bis  zum  9.  März  1820  sollte  das 
Werk  vollendet  und  einstudirt  sein.  Das  Schaffen  des 
berühmten  Mannes  aber,  der  sich  dem  Fünfziger  näherte, 
\var  ein  überaus  verwickeltes.  Allerlei  Pläne  durch- 
kreuzten sich.  Körperliche  Leiden.  Ungezählte  Störungen 
durch  den  Neffen  und  die  Schwägerin,  durch  das  Alltags- 
leben. Der  Unterricht  beim  Erzherzog  gab  auch  Manches 
zu  schaffen.  So  komponirte  Beethoven  um  jene  Zeit 
ein  Thema  „O  Hoffnung,  0  Hoffnung",  das  der  Erz- 
herzog variirte.  Diese  Variationen  mussten  nun  genau 
durchgesehen,  verbessert,  zur  Abschrift,  zum  Verleger  und 
zum  Druck  befördert  werden.  Im  Frühling  1819  schrieb 
Beethoven  an  den  Erzherzog  über  „die  meisterhaften 
\'anationen",  in  denen  er  allerdings  manche  kleine  Verstösse  verbessert  habe. 
Mit  Bezug  auf  das  Thema:  o  Hoffnung  wirft  er  auch  rasch  den  Gedanken  hin: 
feurig  „mögte  ich  nun  von  Herzen  gern  singen,  wären 

i(hre)  K(aiserliche)  h(oheit)  nur  ganz  wieder  her- 
gestellt". Schüler  und  Lehrer  waren  kränklich, 
was  zu  ungezählten  Botschaften  Anlass  gab,  da 
die  Lektionen  oft  verschoben  oder  abgesagt 
wurden.  Ueber  hundert  Briefe  oder  Billete  Beethovens  an  den  Erzherzog  haben 
sich  erhalten.  Die  meisten  befinden  sich  im  Besitz  der  Gesellschaft  der  Musik- 
freunde in  Wien.  Der  Brief,  den  ich  eben  benützt  habe,  war  Anfangs  1900 
bei  Gilhofer  &  Ranschburg  in  Wien  und  soll  sich  gegenwärtig  in  Paris  befinden. 
Auch  in  Briefen  an  andere  Personen  ist  vom  Unterricht  ab  und  zu  die  Rede. 
Beethoven  ging  zwar  rasch  an  die  Arbeit  der  Messe,  doch  notirte  er 
mittendrein  auch  wieder  allerlei  Gedanken  für  andere  Werke  z.  B.  auch  für  die 
IX.  Symphonie.  Auch  ging  er  bei  der  Messe  zu  sehr  ins  Grosse,  um  zur  be- 
sfimmten  Frist  fertig  werden  zu  können,  obwohl  die  Inthronisation  des  Erzherzogs 
nicht  am  9.  März  stattfand,  wie  Beethoven  sich  notirt  hatte,  sondern  erst  am 
20.  März  (1820).  Nach  Nottebohm  ist  das  Kyrie  der  Messe  frühestens  um  die 
Mitte  des  Jahres  1818  begonnen  worden.  Das  Credo  mit  der  Fuge  und  das 
Benedictus  wurden  1819  geschrieben,  wie  Schindler  mittheilt,  der  darüber  allerlei 
Einzelheiten  zu  erzählen  wusste.  Beethoven  schien  in  jener  Zeit  „ganz  besessen 
zu  seyn"  (es  war  im  Sommer  1819  zu  Mödling.  —  Wir  bilden  das  Haus  ab,  in 


Erzherzog   Rudolf. 

(Vorlage,   im  Bisiiz    der  Oenellschuft 

der  MuxtVfriunde  in  'Wien.) 


—     GO     — 

dem  er  damals  wohnte).  „Im  Schweisse  seines  Angesichts  schlug  er  sich  Takt 
für  Takt  mit  Hand  und  Füssen  die  Takttheile,  ehe  er  die  Noten  zu  Papier  brachte, 
bey  welcher  Gelegenheit  ihm  sein  Hausherr  die  Wohnung  aufkündete,  indem 
die  andern  Parteyen  sich  beschwerten,  dass  ihnen  Beethoven  durch  sein  Stampfen 
und  Schlagen  auf  den  Tisch,  Tag  und  Nacht  keine  Ruhe  gebe"  (Brief  Schindlers 
vom  29.  September  1827  an  Schotts  nach  Mainz)  Eine  Skizze  zu  „et  vitam 
venturi"  findet  sich  im  Konversationsheft  35  ^  (Bl.  34)  der  Berliner  Bibliothek. 
Ganz  frühe  Entwürfe  zum  „Dona  nobis  pacem"  stehen  auf  einem  losen  Blatte, 
das  Herr  Baron  Dr.  Heinr.  Haerdtl  in  Wien  als  Rest  eines  Skizzenbuches  besitzt, 
Anfangs  notirte  Beethoven  im  *U  Takt  Gedanken  wie: 


—  Crucifixus  etiam  pro  nobis,  sub  Pontio  Pilato  passiis  et  sepultus  est. 


Max  Klinger:  Pietä. 


Copyright   1893  by  Pliotogrnphische  üust-llscliaft. 


(Mit   Gettehinigurig  der  Photoijriqihixdien   O'iSfUsdiiift  in  birliii.) 


die  dann  in  der  fertigen  Partitur  schärfer  pointirt  im  %  Takt  erscheinen: 

Andere  Skizzen  anderwärts.  Zwar  meldet  Beethoven 
in  einem  Briefe  an  Ries  schon  am  lü.  November 
1819,  dass  er  die  Messe  beinahe  vollendet  habe, 
aber  die  Vollendung  hatte  wohl  sicher  erst  im  Kopfe  des  Künstlers  stattgefunden; 
in  der  Partitur  Hess  sie  noch  lange  auf  sich  warten.  Die  Einsetzungsfeier  ging 
vor  sich,  ohne  dass  die  versprochene  Festmesse  hätte  dabei  gespielt  werden 
können.  Noch  am  27.  Februar  1822,  also  fast  zwei  Jahre  später,  entschuldigt 
sich  Beethoven  beim  Erzherzog,  dass  die  Messe  noch  nicht  überreicht  sei.  Fertig 
war  sie  damals  wohl,  aber  die  mühsame  Durchsicht  der  Abschrift  nahm  noch 


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viele  Zeit  in  Anspruch.  Erst  am  ig.  März  1823  (so  steht  es  im  handschrift- 
lichen Musikalienverzeichniss  der  erzherzoglichen  Bibliothek)  wurde  dem  Erz- 
herzog eine  „schön  geschriebene"  Kopie  überreicht,  durch  Beethoven  selbst. 
Ein  Riesenwerk  war  entstanden.  Seit  Seb.  Bachs  H-moll  Messe  und  Cherubinis 
umfangreichen  Messenkompositionen  hatte  die  Welt  eine  so  grossartige  Musik 
zum  Gottesdienst  nicht  gefunden.  Zu  hören  war  das  Werk  nicht  sofort,  da  es 
der  Aufführung  ungewöhnliche  Schwierigkeiten  entgegensetzt.  In  Wien  ist  zu 
Beethovens  Lebzeiten  die  Missa  solemnis  überhaupt  nicht  vollständig  aufgeführt 
worden.  In  dieser  Beziehung  hat  St.  Petersburg  den  Vorrang.  Dort  fand  schon 
iSl>4  die  erste  Aufführung  des  ganzen  Werkes  statt  (nach  Lenz).  Die  Missa 
solemnis  ist  so  umfangreich,  dass  sie  für  kirchliche  Zwecke  nur  selten  zu  ver- 
wenden ist,  nebenbei  bemerkt  nur  dort,  wo  es  der  Gebrauch  gestattet,  dass  auch 
während  der  Wandlung  Musik  erklinge.  Beethoven  hat  ein  Interludium,  wie  ein 
solches  oft  auf  der  Orgel  zwischen  „Sanctus"  und  „Benedictus"  gespielt  wird, 
sogleich  mit  komponirt  und  in  die  Partitur  gesetzt,  wie  schon  Schnerich  hervor- 
gehoben hat. 

In  den  folgenden  Jahren 
bemühte  sich  Beethoven  im\'erein 
mit  seinen  Freunden,  Abschriften 
der  Messe  bei  den  grossen  euro- 
päischen Höfen  und  Konzert- 
instituten abzusetzen,  was  in 
einigen  Fällen  gelang,  aber  auch 
viele  L'nannehmlichkeiten  mit  sich 
brachte.  Ein  sehr  auffallender 
Erfolg  wurde  am  französischen 
Hofe  erzielt.  Der  König  liess  dem 
Künstler  eine  schwere  goldene 
Medaille  übersenden.  (Sie  wird 
in  Wien  \'erwahrt.)  In  Wien  und 
in  Weimar  wurde  kein  Exemplar 
der  Missa  abgesetzt.  Die  dortigen 
Höfe  hatten  keine  Einladung  zur 
Zeichnung  auf  die  Messe  erhalten. 
Beethoven  rechnete  wohl  auf  die  persönliche  Verwendung  des  Erzherzogs 
Rudolf  in  Wien  und  auf  Goethes  Vermittlung  in  Weimar. 

Zu  den  Werken,  die  während  der  Arbeit  an  der  grossen  Messe  entstanden 
sind,  gehören  auch  Beethovens  letzte  drei  Klaviersonaten  Op.  109  (dem  Fräulein 
Maximiliane  Brentano  gewidmet)  Op.  1 10  und  111  (letztere  auf  Veranlassung 
des  Verlegers  dem  Erzherzog  Rudolf  dedizirt).  Ihre  Abfassung  fällt  in  die  Zeit 
zwischen  dem  Sommer  1819  und  dem  13.  Januar  1820.  Am  18.  Februar  1821 
ist  ein  interessantes  Stammbuchblatt  entstanden,    das  folgendermassen  beginnt: 

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mehreren  Jahren  voll- 
ständig veröffent- 
licht. Es  befindet 
sich  im  Besitze  des  Herrn  Hofsekretärs  beim  Obersten  Rechnungshofe  \'ictor 
Edl.  von  Marquet  in  Wien.  Der  Querstand  im  3.  Takt  ist  für  den  letzten  Stil 
Beetho\ens    nicht  befremdend,  doch    zeigt   die  ganze  Komposition  eine  gewisse 


Beethovenhaus  in  der  MödUnger  Hauptstrasse. 

Ansicht  der  Hofseite.    Beethoven  wohnte  1818  u.  1819  im  ersten 
Stockwerk  des  Flügels  nach  dem  Garten  zu. 


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Stammbuchblatt  Beethoven's  (Erste  Seite) 
('««cÄ  dtm  Xuioijraph  im  Iksäz  des  Herrn  Ilofsekretärs   Y.  Edkn  von  Marquct  in   Wien), 


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Flüchtigkeit,  die  sie  als  Gelegenheitsarbeit  kennzeichnet.  Ferdinand  Priringer 
hatte  Beethoven  um  ein  Autograph  für  sein  Stammbuch  angegangen.  Dies  die 
\'eranlassung.  Dem  Jahre  182 2  gehören  an:  das  „Bundeslied"  Op.  122,  die 
Ouvertüre  ..Zur  Weihe  des  Hauses"  Op.  124,  die  ebenso  wie  der  Schlusschor 
^\Vo  sich  die  Pulse  jugendlich  jagen"  durch  die  Eröffnung  des  Josephstädter 
Theaters  veranlasst  ist.  Mehrere  Aufführungen  fanden  Anfangs  Oktober  1822 
statt.  Der  Kanon  „Gedenket  heut  an  Baden"  mag  hier  erwähnt  werden.  Im 
November  desselben  Jahres  entstanden  die  .,Bagatellen"  für  Klavier  Op.  119 
und  die  Ariette  „Ich  war  bei 
Chloe  ganz  allein".  Noch  Anderes 
wurde  in  jenen  Jahren  zu  Papier 
gebracht,  doch  verschwindet  das 
Alles  neben  der  grossen  Chor- 
symphonie  in  D-molI  Op. 
125,  schlechtweg  „die  Neunte" 
genannt.  Sie  ist  vielleicht  der 
Gipfel  in  Beethovens  Schaffen, 
auch  wenn  Beethoven  selbst  die 
grosse  Messe  für  sein  ge- 
lungenstes Werk  hielt.  Die 
Neunte  ist  zugleich  das  Werk, 
an  dem  er  am  längsten  gearbeitet 
hat.  Je  nachdem  Einer  seiner 
Anlage  nach  den  Eintritt  der 
Singstimmen  im  letzten  Satz  als 
angenehm  oder  unangenehm 
aufnimmt,  wird  die  subjektive 
Schätzung  sehr  verschieden  aus- 
fallen. Was  der  Eine  als  Steige- 
rung des  Ausdrucks  wie  selbst- 
verständlich hinnimmt,  wird  der 
andere  als  unliebsames  Er- 
wachen aus  einem  schönen 
Traume  empfinden.  Er  wird 
sich  angerufen  meinen,  um  von 
den  instrumentalen  Klangfarben 
Abschied   nehmen   zu   müssen. 

Objektiv  beurtheilt,  also  ohne  Rücksicht  auf  Wohlgefallen  oder  Missfallen, 
ist's  ein  ungeheueres,  formvollendetes  Werk  (die  Form  ist  dadurch  mit 
nichten  „zersprengt")*).     Ein  Werk,  in  welchem  Beethoven  mehr  sagen  wollte, 


Beethoven's  Bildniss  nach  Schimon's  Gemälde. 
(yach  einer  Aufnahme  dir  Photoijropisdun  Gesellschaft,  Berlin.) 


*)  Wer  im  Zergliedern  von  Sonaten  und  Symphonien  geübt  ist,  findet  in  der  Neunten  bald 
die  bekannten  Formen  heraus,  auch  wenn  er  bemerkt,  dass  Alles  reicher  als  je  vorher  gestaltet 
ist  und  dass  der  Hauptsatz  des  Allegro  maestoso  bei  seiner  Wiederholung  etwas  knapper  gefasst 
ist,  als  zu  Anfang,  wo  er  in  einleitender  Breite  auftritt.  Die  Form  des  Molto  vivace  {^|^  Takt) 
ist  im  Wesentlichen  die  eines  Menuetto  mit  Coda,  und  zwar  einer  Coda  mit  Motiven  aus  dem 
Triotheile,  also  die  Reihenfolge  I,  II,  III  (wie  eins),  IV  (mit  Nachklängen  aus  II).  II  und  IV 
sind  in  4theiligem  Rhythmus  gehalten,  was  dem  Satze  einen  eigenthümlichen  Charakter  verleiht, 
wie  denn  überhaupt  die  grossartige  Rhythmik  dieses  Satzes  ohne  Zweifel  das  Bedeutendste  ist, 
das    bis    dahin    auf   diesem    Gebiete    geleistet    worden  ist.     Eigenartig  ist  die  Verwendung  der 


—     64     — 

musste,  als  sich  mit  reiner  Instrumentalmusik  ausdrücken  lässt.  Er  zog  das 
Wort  und  zwar  das  gesungene  Wort  heran,  um  wenigstens  in  seiner  V'orstellung 
einmal  jene  reine  Freude  zu  begrüssen,  die  er  seit  seiner  Ertaubung  in  der 
Wirklichkeit  vergebens  erwartet  hatte.  Schillers  Ode  ,.An  die  Freude"  bot  die 
Worte  oder  wenigstens  zunächst  den  vStimmungscharakter  für  den  Abschluss 
des  Werkes,  das  über  Alles  hinausragt,  was  bis  dahin  gehört  worden  war.  Ein 
lockerer  psychologischer  Zusammenhang  reicht,  wie  schon  angedeutet,  bis  zum 
Heiligenstädter  Testament  zurück,  in  welchem  Beethoven  die  Vorsehung  anruft 
um  einen  „reinen  Tag  der  Freude".  Ja  es  ist  schon  für  1793  nachgewiesen, 
dass  Beethoven  damals  Schillers  Gedicht  bearbeiten  wollte.  Viel  später,  1812, 
finden  sich  Notirungen  zu:  „Freude  schöner  Götterfunken",  die  zwar  zu  einer 
„Ouvertüre"  dienen  sollten,  also  mit  der  IX.  Symphonie  noch  nichts  zu  schaffen 
haben,  die  aber  unzweifelhaft  den  ganzen  Gedankenkreis  vorbereiten  helfen,  der 
dann  zur  Zeit  der  eigentlichen  Ausarbeitung  lebhaft  ins  Bewusstsein  trat.  .Schon 
um  1816  begannen  die  Gedanken  sich  zu  verdichten  und  zu  ordnen.     Was  den 


Pauken.  \'on  feinst  abgewogener  Rundung  erweist  sich  die  Klangfarbe  der  sonst  von  Beethoven 
gewählten  Instrumentirung.  Der  Hauptsatz  dieses  Molto  vivace  tritt  fugirt  auf.  Der  Trio  hat 
einen  leichthin  pastoralen  Charakter,  was  schon  zum  Theil  dadurch  zum  Ausdruck  kommt, 
dass  sein  Hauptgedanke  zuerst  von  den  Holzbläsern  vorgetragen  wird.  Das  Molto  vivace 
pflegt  bei  guten  Aufführungen  das  Entzücken  des  Publikums  zu  sein,  und  wenn  sich  ein  Musiker 
eine  frohe  Stunde  schaffen  will,  so  lese  er  in  diesem  Wunderwerke  von  einer  Partitur.  Das 
Adagio  molto  e  cantabile  und  Andante  moderato,  mehrmals  abwechselnd,  bilden  den  kaum  minder 
vollkommenen  dritten  Satz  der  Symphonie,  der  sich  am  wenigsten  an  eine  bestimmte  Form  hält. 
Immerhin  hat  man,  und  das  mit  Grund,  von  variirtem  zweitheiligem  Liedsatze  gesprochen.  Die 
Verwendung  einmal  gewählter  Motive  ist  hier  (wie  gewöhnlich  bei  Beethoven)  meisterhaft.  Die 
nothwendige  relative  Ruhe  zwischen  zwei  stürmischen  Sätzen  kann  kaum  weihevoller  ausgedrückt 
werden,  als  in  diesem  3.  Satze  der  IX.  Symphonie.  Der  letzte  Satz  scheint  in  seiner  Einleitung 
zunächst  regellos.  Gedanken  aus  früheren  Sätzen  werden  ohne  strengen  Formenzusammenhang 
wiederholt.  Prophetisch  klingt  das  Hauptthema  (zu:  „Freude")  durch  (Violoncelle  und  Bässe. 
Piano.  Allegro  assai),  das  den  Grundstock  des  Satzes  bilden  wird.  Entspricht  diese  Einleitung 
(mit  mehreren  Rezitativen;  auch  keineswegs  dem  hergebrachten  Schema  der  Symphonieform, 
so  dient  sie  um  so  mehr  dazu,  die  Zusammengehörigkeit  des  Ganzen  eindringlichst  klar  zu 
machen,  jedenfalls  eindringlicher  als  je  zuvor,  auch  wenn  die  früheren  Symphonien  Beethovens 
miteinbezogen  werden.  Die  rasche  Einleitung  (Presto  ^/^  Takt)  wird  von  Beethoven  noch  ein- 
mal gebracht,  worauf  das  gesungene  Rezitativ  „0  Freunde,  nicht  diese  Töne!"  folgt.  Klare, 
übersichtliche  Formgebung  beginnt  mit  dem  Allegro  assai  im  */^  Takt.  Von  hier  an  ist  der 
letzte  Satz  ein  grossartig  aufgebautes  Rondo.  Der  Hauptsatz  tritt  drei  Mal  auf,  abgelöst  von 
zwei  Seitensätzen.  Ein  Anhang  lässt  das  Riesenwerk  in  breitester  Weise  ausklingen.  Von 
einem  Sprengen  der  Form  (wie  Vischer  und  Köstlin  meinten  und  wie  es  unzählige  Mal  nach- 
geplappert worden  ist)  kann  keine  Rede  sein.  Dass  eine  neunte  Symphonie  eines  Beethoven 
sich  nicht  mit  den  mageren  Umrissen  der  Sonatine  begnügen  konnte,  dass  sie  nicht  zur  Suite 
zurückgreifen  wollte,  war  ja  doch  von  vornherein  anzunehmen.  Das  beigegebene  Facsimile 
nach  Beethovens  Handschrift  des  Anfangs  der  Neunten  giebt  uns  zugleich  eine  Uebersicht  über 
die  Anordnung  des  grossen  Beethovenschen  Orchesters.  Oben  die  Holzbläser,  darunter  die 
Hörner,  dann  die  Pauken  (Timpani;  Beethoven  schreibt  „Timpany"),  zu  unterst  die  Streich- 
instrumente. Die  Beischriften,  die  im  Facsimile  nicht  ganz  leicht  leserlich  sind,  lauten  : 
„Violoncelh"  (im  dritten  System  von  unten)  und  „sempre  pi(anissi)mo"  (ganz  rechts  über  dem 
dritten  System).  Im  weiteren  Verlaufe  treten  auch  noch  D-Posaunen  hinzu.  Im  letzten  Satz 
werden,  man  weiss  es,  Singstimmen  eingeführt  und  Beethoven  macht  dort  auch  wieder  vom 
Contrafagott  Gebrauch,  wie  im  Fidelio.  Die  Klangwirkung  dieses  verhältnismässig  seltenen 
Instruments  war  Beethoven  schon  in  Bonn  bekannt  geworden. 


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Anfang  der  Neunten  Symphonie. 

(P'acsimile  nach  Beethoven's  Handschrift  im  Besitz  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin.) 


—     65     — 


ersten  Satz  der  Symphonie  betrifft/so  finden  sich  nach  Nottebohms  Mittheilungen 
die  frühesten  Notirungen  auf  losen  Skizzenblättern  aus  dem  Jahre  1817.  Die 
zügige  Vollendung  erfolgte  aber  erst  in  den  Jahren  1822  und  1823  nach  der 
Herstellung  der  Missa  solemnis  und  der  letzten  Sonaten.  Eine  äussere  Veran- 
lassung zu  beschleunigter  Vollendung  ist  in  der  Aufforderung  der  philharmonischen 
Gesellschaft  in  London  zu  erblicken,  dass  Beethoven  für  sie  eine  Symphonie 
schreiben  möge.  Die  Korrespondenz,  darauf  Bezug  nehmend,  spielte  sich,  vor- 
bereitende Briefe  abgerechnet,  im  Jahre  1822  ab.  1823  wurde  neben  der  Sym- 
phonie kaum  etwas  Anderes  vollendet,  als  die  Variationen  Op.  120;  erforderte 
doch  das  Riesenwerk  den  ganzen  Mann.  Schindler  theilt  die  interessante  That- 
sache  mit,  dass  Beethoven  lange  geschwankt  hat,  ehe  er  die  Worte  fand,  die 
den  Chor  einleiten.  Anfangs  wollte  er  es  so:  „Lasst  uns  das  Lied  des  unsterb- 
lichen Schiller  singen",  dann  entschloss  er  sich  für:  „O  Freunde,  nicht  diese 
Töne!  sondern  lasst  uns  angenehmere  anstimmen  und  freudenvollere".  An- 
spornend, vielleicht  auch  hie  und  da  verstimmend,  mochten  auf  die  Arbeit  äussere 
Umstände  einwirken,  unter  denen  vielleicht  die  steigenden  Erfolge  Rossinis  in 
Wien  am  bedeutungsvollsten  sind.  Denn  sie  haben  viel  dazu  beigetragen,  dass 
Beethoven  im  Bewusstsein  der  Zeitgenossen  für  einige  Zeit  zurückgedrängt 
wurde.  Schon  seit  1818  eroberten  sich  Rossinische  Arien  den  Wiener  Boden 
und  zwar  in  raschem  Vordringen.  Mehrere  Jahre  hindurch  gab  es  fast  keine 
Akademie  ohne  Rossinische  Arie  (nach  Hanslick).  Der  Höhepunkt  eines  gerade- 
zu frenetischen  Rossinicults  wurde  aber  bei  den  Aufführungen  von  1822 
erreicht,  als  Rossini  selbst  in  Wien  war.  Der  italienische  Meister,  der  von  einer 
Stimme  jener  Tage  der  „Lieblingskomponist  des  jetzigen  Europa"  genannt 
wurde,  hat  sich  Mühe  gegeben,  mit  dem  schwer  zugänglichen  Wiener  Künstler 
in  Verbindung  zu  treten.  Ohne  Zweifel  hat  Beethoven  dem  Besuch  einige 
Schwierigkeiten  in  den  Weg  gelegt,  doch  haben  sich  die  zwei  berühmten  Männer 
wenigstens  überhaupt  begrüsst.  Dies  ist  beglaubigt  und  zwar  durch  eine  per- 
sönliche Mittheilung  Rossinis  an  Hanslick.  Auch  sonst  gab  es  Huldigungsbesuche. 
Für  den  französischen  Violinspieler  A.  J.  Boucher,  der  1822  dem  Meister  seinen 
Besuch  machte,  skizzirte  Beethoven  ein  kleines  Musikstück.  Es  ist  erst  vor 
wenigen  Jahren  bekannt  geworden  und  wird  hier  mitgetheilt. 


1822  überreichte  Franz  Schubert  seine  Variationen  zu  vier  Händen,  die 
er  dem  verehrten  Meister  gewidmet  hatte  und  die  eben  erschienen  waren. 
Schubert  soll  bei  der  Ueberreichung  im  höchsten  Grade  verlegen  gewesen  sein, 
und  zu  irgend  welchem  Gedankenaustausch  ist  es  damals  sicher  nicht  gekommen. 
Schindler  erzählt  die  Begebenheit  so  lebhaft,  als  wäre  er  Augenzeuge  gewesen. 
Er  wird  doch  nicht  Alles  aus  der  Luft  gegriffen  haben,  wie  fast  ein  halbes 
Jahrhundert  später  behauptet  worden  ist.  1822  wohnte  doch  Schindler  bei 
Beethoven. 

5 


—     66     — 


Der  kleine  Franz  Liszt  kam  1823  mit  seinem  Vater  zu  Beethoven,  wurde 
aber  zunächst  wenig  freundlich  aufgenommen.  Nachdem  ihn  Beetho\'en  aber 
hatte  spielen  gehört,  küsste  er  ihn. 

Beim  Zusammentreffen  mit  C.  M.  v.  Weber  am  5.  Oktober  1823  scheint 
Beethoven  sich  witzig  und  geistreich  erwiesen  zu  haben.  Er  nahm  den  jüngeren 
Meister  höchst  zuvorkommend  auf.  Wie  C.  M.  v.  Weber  um  jene  Zeit  aus- 
gesehen hat,  erweist  die  beigegebene  Abbildung. 

Im  Allgemeinen  lässt  sich  sagen,  dass  sich  seit  der  Zeit  des  Wiener  Kon- 
gresses die  Besuche  bei  Beethoven  sehr  gehäuft  haben.  Musiker,  Dichter,  Ver- 
leger, neugierige  Reisende  von  Namen  verlangten  ihn  zu  sehen.  Anselm  Hütten- 
brenner, Cypr.  Potter,  Dr.  Bursy,  Marie  Pachler 
Koschak  waren  1815  bis  1817  bei  ihm  gewesen. 
Atterbom,  Schlesinger  (aus  Berlin)  und  Zelter 
besuchten  ihn  1819.  1820  kam  Dr.  C.  W.  Müller. 
Louis  Schlösser,  Rochlitz  und  Stumpf  sind  unter 
den  Besuchen  bis  1823  noch  nennenswerth. 
Auch  Maler  und  Dilettanten  drängten  sich  an  ihn 
heran,  um  seine  ganz  eigenartigen  Züge  und 
seine  Gestalt  im  Bilde  festzuhalten.  Ein  Mähler- 
sches  Porträt,  die  Bildnisse  von  Klöber,  Schimon, 
Stieler,  Lyser,  Tejcek  und  andere  sind  in  jenem 
Lebensabschnitte  entstanden.  Die  schreitende 
Figur  und  der  Kopf  nach  Lysers  Zeichnung 
werden  anbei  abgebildet,  wie  wir  denn  auch  einen 
Beethoven  von  hinten  gesehen  (Seite  70)  abbilden; 
Jos.  Dan.  Boehm  ist  der  Zeichner.  Noch  andere 
Bildnisse  aus  der  Lebensperiode,  die  uns  hier 
beschäftigt,  finden  sich  weiterhin  eingestreut. 

Zu  Anfang  der  zwanziger  Jahre  schrieb 
Beethoven  an  Schreyvogel  (West):  „Sehr  gern 
hätte  ich  wieder  etwas  für  das  Theater  ge- 
schrieben. .  ."  Derselbe  Wunsch  durchzieht 
übrigens  mehr  oder  weniger  deutlich  ausgesprochen  die  ganze  späte  Lebens- 
geit  des  Meisters.  Die  Erfolge  Rossinis  scheinen  aber  ein  besonderer  Anreiz 
zewesen  zu  sein,  ernstlich  an  eine  Komposition  für  die  Bühne 
zu  denken.  Aus  dem  Winter  1822/23  finden  sich  zahlreiche 
Eintragungen  in  den  Konversationsheften,  die  sich  auf  eine 
Verbindung  mit  Grillparzer  beziehen.  Von  diesem  wünschte 
Beethoven  ein  Textbuch.  Nach  einigem  Zuspruch  von  ver- 
schiedenen Seiten  sandte  Grillparzer  die  „Melusine".  Zwischen 
Beethoven,  der  sich  für  den  Dichter  schon  deshalb  inter- 
essirte,  weil  er  unter  der  Censur  zu  leiden  hatte,  und  zwischen 
dem  neuen  Librettisten,  der  für  Beethoven  grosse  Verehrung 
hegte,  entwickelte  sich  ein  kurz  dauernder  Verkehr.  Die 
Oper  wurde  aber  nicht  komponirt.  Grillparzer  hatte  schon 
als  Kind  den  berühmten  Meister  der  Töne  gesehen,  kannte 
viele  seiner  Eigenheiten  und  hat  in  seinen  Schriften  darauf  Bezug  genommen. 
Charakteristisch  ist  seine  Aeusserung  gegen  Hermann  RoUett:  „Vor  Allem 
muss  man  sagen,  dass  Beethoven,    wenn    auch    ein  höchst   sonderlicher,    doch 


X  -  / 


C.  M.  V.  Weber. 
Zeichnung  von  W.  Hensel  a    d.  Jah.'-e  1822 

(Btld  aus  Gehrmann' s  Weber- Biographie.) 


Lyser's  Beethovenkopf. 


—    ()i 


ein  wahrhaft  guter  Mensch  war.      Wenn  er  aber  gereizt  wurde,    da  war  er  — 
wie  ein  wildes  Thier." 

Wie  sehr  auch  die  grosse  Masse  in  jenen  Jahren  italienischer  Musik  zu- 
jubelte, so  blieb  Beethovens  nicht  mehr  kleine  Gemeinde  ihm  doch  treu.  An 
Ehrungen  und  Huldigungen  war  kein  Mangel.  Von  einem  Antrage  der  phil- 
harmonischen Gesellschaft  in  London  haben  wir  schon  vernommen.  1819  hatte 
die  philharmonische  Gesellschaft  in  Laibach  und  der  kaufmännische  Verein  in  Wien 
den  Künstler  zum  Ehrenmitglied  gewählt.  1822  wurde  Beethoven  zum  Ehren- 
mitglied des  Musikvereins  in  der  Steiermark  ernannt,  die  königlich  schwedische 
Akademie  sandte  ihm  gegen  Ende  jenes  Jahres  ihr  Diplom,  das  wohl  Anfangs 
1823  in  des  Meisters  Hände  gelangt  ist  (beide  Urkunden  seit 
einiger  Zeit  im  Museum  der  Stadt  Wien).  Beethoven,  „nie 
beachtend  dergleichen",  war  von  solcher  Anerkennung  gewiss 
nicht  sehr  gerührt,  doch  hatte  er  Freude  daran.  Was  er  aber 
brauchte,  das  waren  nicht  Diplome,  sondern  Gelder.  Er 
hatte  noch  immer  Schulden,  nicht  wenige.  Deshalb  stand  er 
auch  mit  dem  Grafen  Brühl  in  Verbindung,  um  durch  dessen 
\'ermittlung  die  Aufführung  der  jüngsten  zwei  Riesenwerke, 
der  Messe  in  D  und  der  Chorsymphonie,  in  Berlin  zu  er- 
reichen. Das  hätte  den  Finanzen  wieder  aufgeholfen,  die 
besonders  1819  und  1820  sehr  herabgekommen  waren.  Man 
erfuhr  von  dieser  Absicht  in  Wien  und  dies  gab  Anlass, 
dass  sich  einige  Dutzende  Wiener  Musikfreunde  (an  der  Spitze 
stand  Fürst  Lichnowsky!)  aufrafften,  Beethoven  mit  einer 
Adresse  zu  überraschen.  In  blüthenreicher  Rede  wurde  auf 
das  Ueberhandnehmen  leichter  italienischer  Musik  angespielt 
und  Beethoven  ersucht,  seine  neueste  Symphonie  selbst  den 
Wienern  vorzuführen.  Im  Februar  1824  wurde  das  Schrift- 
stück verfasst  und  dem  Meister  überreicht,  der  es  nicht  sofort 
las,  sondern  erst  die  Abgesandten  ziehen  Hess.  Wie  Schindler, 
der  sich  später  einfand,  versichert,  war  Beethoven  von  dieser 
Ehrung  ergriffen.  Nun  sollten  also  die  neuen  grossen  V/erke 
in  Wien  aufgeführt  werden.  Eine  Akademie  wurde  vorbereitet.  Graf  Palffy 
machte  günstige  Bedingungen,  als  Schindler  in  Beethovens  Namen  von  ihm 
das  Theater  an  der  Wien  für  die  Akademie  erbat.  Aber  der  Künstler  zeigte 
sich  bei  den  versuchten  Abmachungen  bezüglich  der  Leitung  des  Orchesters 
starrsinnig.  Palffy  steigerte  nun  seine  Forderungen,  und  Beethoven  wählte 
nach  langem  Streiten  und  Unterhandeln  für  seine  Akademie  das  Kärthner- 
Thor-Theater.  Die  „Censur"  meinte  schliesslich  auch  noch  dareinreden  zu 
sollen,  da  ihr  Anfangs  die  Aufführung  einer  Messe  im  Theater  anstössig 
erschien.  Wieder  Unannehmlichkeiten  und  Schreibereien,  bis  auch  dieses 
Hinderniss  besiegt  war.  Am  7.  Mai  war  endlich  die  Aufführung,  bei  der  die 
grosse  OuV'erture  Op.  124  den  Anfang  machte  und  die  IX.  Symphonie  das 
Hauptstück  bildete.  Zwischen  beiden  wurden  „drei  grosse  H^-mnen  mit  Solo- 
und  Chorstimmen"  gebracht.  Es  waren  dies  drei  Nummern  aus  der  Missa 
solemnis.  „Herr  Ludwig  van  Beethoven  selbst  wird  an  der  Leitung  des 
Ganzen  Antheil  nehmen"  hiess  es  auf  der  Ankündigung,  und  Schindler,  der 
über  die  ganze  Angelegenheit  als  sehender  und  hörender  Zeuge  wohl  unter- 
richtet war,    fügte  hinzu,  dass  Umlauf  die  Oberleitung    inne    hatte.      Beethoven 


Lyser's  Beethovenfigur. 


5* 


—     68     — 

stand  ihm  „zur  rechten  Seite  und  fixirte  die  Bewegung  bei  Beginn  jedes  Satzes. 
Schuppanzigh  dirigirte  das  Orchester.  Die  Solos  wurden  von  den  Damen 
Sontag  und  Ungher  und  den  Herren  Haizinger  und  .Seipelt  gesungen.  Die 
Proben  waren  qualvoll  gewesen,  da  Beethoven  so  gut  wie  gar  keine  Zu- 
geständnisse an  die  Singstimmen  machte,  wie  sehr  auch  die  beiden  „schönen 
Hexen"  (so  nannte  Beethoven  die  reizenden  jungen  Solistinnen,  deren  Bildnisse 
nebenstehend  zu  sehen  sind)  darum  baten.  Bei  alledem  gelang  die  Aufführung, 
und  der  Beifall  war  so  mächtig,  wie  er  nur  je  einmal  in  den  ehrwürdigen 
Räumen  getost  hatte.  Als  der  Jubel  begann,  hörte  es  Beethoven,  der  dem 
Publikum  den  Rücken  kehrte,  nicht.  „Da  hatte  Caroline  Ungher  den  guten 
Gedanken,  den  Meister  nach  dem  Proscenium  umzuwenden  und  ihn  auf  die 
Beifallsrufe  des  Hüte  und  Tücher  schwenkenden  Auditoriums  aufmerksam 
zu  machen.  Durch  eine  Verbeugung  gab  er  seinen  Dank  zu  erkennen. 
Dies  war  das  Signal  zum  Losbrechen  eines  kaum  erhörten,  lange 
nicht  enden  wollenden  Jubels".  Dies  der  eine  Theil  des  Erfolges;  ein 
anderer,  nämlich  der  erhoffte  materielle  Gewinn,  war  höchst  unbedeutend  aus- 
gefallen; die  Erörterungen  darüber  führten  zu  Beleidigungen,  die  Beethoven  u.  A. 
auch  gegen  Schindler  wiederholt  äusserte,  so  dass  dieser  sich  für  einige  Monate 
von  dem  verehrten  Manne  abwendete.  Eine  Wiederholung  der  Symphonie,  die 
am  23.  Mai  im  grossen  Redoutensaale  stattfand,  ergab  eine  noch  schlechtere 
Einnahme.  Beethoven  wurde  durch  diesen  entschiedenen  Misserfolg  aufs  Tiefste  ge- 
kränkt. Während  vieler  innerer  und  äusserer  Unruhe  (wir  hören  noch  davon) 
arbeitete  Beethoven,  hie  und  da  günstige  Tage  benützend,  an  dem  grossen  Streich- 
quartett, das  später  die  Opuszahl  127  erhielt.  Es  war  das  erste  der  Quartette 
die  er  für  den  Fürsten  Nicolaus  Boris  Galitzin  schrieb.  Dieser  kannte  ihn 
von  der  Zeit  her,  als  er  um  1805  in  Wien  lebte,  und  hatte  1822  von  Beethoven 
die  Komposition  dreier  Streichquartette  erbeten.  Im  Januar  1823  hatte  dann 
Beethoven  die  Arbeit  zugesagt  gegen  ein  Honorar  von  je  50  Dukaten.  Das 
erste  dieser  „Galitzinquartette"  wurde  1824  geschrieben  und  erlebte  am  6.  Mai 
1825  seine  erste  Aufführung.  Die  zwei  anderen,  Op.  132  und  130,  wurden  1825 
komponirt.  Theils  durch  Beethovens  Schuld,  theils  durch  Zahlungsstockungen 
von  Seiten  des  Fürsten  führten  auch  diese  künstlerisch  so  hochvollendeten 
Schöpfungen  zu  neuen  Verdriesslichkeiten.  Op.  132  in  A-moll  wurde  privatim 
im  August,  öffentlich  im  November  1825  vorgetragen.  Das  Riesenquarttet  Op.  130 
erlebte  im  März  1826  seine  erste  Aufführung.  Der  zweite  und  vierte  Satz  wurde 
mit  stürmischem  Beifall  aufgenommen,  wogegen  die  übrigen  auf  wenig  Ver- 
ständniss  stiessen.  Damals  schloss  das  Quartett  noch  niit  der  grossen,  für  Hörer 
und  Spieler  schwer  ver.ständlichen  Fuge.  Beethoven  trennte  sie  jedenfalls  zum 
Vortheil  der  Sache  von  dem  Werke  und  schrieb  im  November  1826  ein  Finale 
in  freierem  Stil  an  Stelle  des  fugirten.  Die  Fuge  (man  kennt  deren  originelles, 
lange  für  verrückt  gehaltenes  Thema,  das  höchst  eigenartig  eingeführt  wird) 
bildet  nun  ein  Ganzes  für  sich  als  Op.  133.  Dieser  Quartette  hat  sich  der 
nachher  als  Joachims  Lehrer  so  berühmt  gewordene  Geiger  Jos.  Boehm  thätig 
angenommen.  Er  brachte  diese  inhaltschweren  Werke,  unter  Beethovens  Auf- 
sicht durchgeprobt,  in  seinen  Morgenkonzerten  im  Prater,  im  ersten  Kaffeehause, 
zur  Aufführung.  Bei  Gelegenheit  einer  Probe  oder  Aufführung  bat  Beethoven 
die  vier  Quartettspieler  zu  einem  Gabelfrühstück.  Weiche  Eier  wurden  gebracht. 
Boehm  öffnet  eines,  bemerkt,  dass  es  schlecht  ist  und  sucht  es  unbemerkt  mit 
einem    zweiten    zu    vertauschen.     Auch  das  zv/eite  ist  schlecht.     Beethoven  be- 


—     G9     — 

merkt  Boehms  \'erlegenheit,  erörtert  und  erledigt  den  Fall  in  der  kürzesten 
Weise,  indem  er  die  Eier  unter  lauten  Aeusserungen  des  Missfallens  zum  Fenster 
hinauswirft.  Draussen  aber  sassen  andere  Gäste,  die  sich  gegen  die  Beschiessung 
mit  faulen  Eiern  auflehnten.  Ein  kleiner  Auflauf  entsteht,  der  sich  nur  dadurch 
beschwichtigen  lässt,  dass  man  sich  auf  Beethovens  berühmten  Namen  beruft 
(gut  beglaubigte  Erzählung,  mir  durch  mehrere  Mitglieder  der  Boehm-Braunendal- 
schen  Familie  überliefert.    Vergl.  die  Anm.) 

Noch  zwei  weitere  Streichquartette  sind  unter  den  bedeutendsten  Werken 
jener  Jahre  hervorzuheben:  das  Cis-moll-Quartett  Op.  131,  ursprünglich  dem 
alten  Freunde  Joh.  Wolfmayer  zugedacht,  dann  aber  Baron  Stutterheim  gewidmet, 
und  das  F-dur-Quartett,  das  erst  auf  Schindlers  Vorschlag  bei  den  Mainzer  Ver- 
legern mit  der  Widmung  an  Wolfmayer  versehen  wurde.  Der  letzte  Satz  des 
Quartetts  Op.  135  trägt  die  Ueberschrift  „Der  schwer  gefasste  Entschluss.  Es 
muss    seyn!-'     Nichts    Mvstisches    darf    hinter    diesem    Titel    gesucht    werden. 


Henriette  Sontag. 
(Lithographie  v.  Engelmann  } 


Caroline  Ungher. 
(Lithographie  aus  den  30er  Jahren.) 


Handelte  es  sich  doch  bei  dem  „Es  muss  seyn!"  um  das  Wochengeld  für  die 
Haushälterin.  Dem  entsprechend  ist  der  Satz  auch  launig  und  klar,  keineswegs 
schwärmerisch  dämmernd  gehalten.  Die  höchst  prosaische  Veranlassung  zum 
Schlusssatze  des  Quartetts  Op.  135  führt  uns  wieder  ins  gewöhnliche  Leben 
zurück.     Und  da  ist  gar  Manches  zu  berichten  und  nachzuholen. 

Wir  müssen  um  einige  Jahre  zurückgreifen  und  uns  an  die  zerfahrenen 
Familienverhältnisse  des  Künstlers  erinnern.  Die  Erziehung  des  zwar  talent- 
vollen, aber  etwas  leichtfertigen  Neffen  hatte  sich  unter  den  uns  schon  bekannten 
ungünstigen  Umständen  recht  schwierig  gestaltet.  Im  Januar  1818  war  Carl 
aus  dem  Institut  Del  Rio  fortgekommen,  wo  Beethoven  zwar  in  aller  Freund- 
schaft verkehrt  hatte,  aber  doch  nicht  sicher  zu  sein  glaubte,  dass  nicht  die 
Schwägerin  Johanna  sich  in  die  Erziehung  mische.  In  der  Familie  Del  Rio  hat 
sich  das  Tagebuch  des  Fräuleins  Fann}',  der  Tochter  Giannatasios  erhalten, 
eine  Quelle,  in  welcher  viel  Beachtenswerthes  über  Beethoven  steht.  Auch  sonst 
haben  sich  in  der  Familie,  besonders  über  den  ungezwungenen  Verkehr  mit 
Beethoven,  allerlei  I7eberlieferungen  erhalten,  die  durch  Frau  Pessiak-Schmerling 
veröffentlicht  worden  sind.     Als  der  Komponist  den  Töchtern  des  Hauses  seine 


(0 


Musik  zu  Goethes  Flohlied  vorspielte,  machte  es  ihm  ungeheuer  viel  Spass 
einzuschalten,  wie  der  Floh  getödtet  wird:  „Jetzt  wird  er  geknaxt,  jetzt  wird  er 
geknaxt"  rief  er  mehrmals,  dabei  mit  dem  Finger  über  mehrere  Tasten  rutschend. 
Beethoven  hatte  sich  in  der  Nähe  des  Instituts  in  der  Vorstadt  Landstrasse 
eingemiethet.  Ais  Carl  danach  ins  Blöchlingersche  Erziehungshaus  kam,  das 
in  der  Josephstädterstrasse  im  Chotekschen  Palais  eingerichtet  war,  zog 
Beethoven  wieder  in  die  Nähe  des  Instituts.  Auch  dort  verkehrte  er  sehr 
häufig.  Die  Ueberlieferungen  von  Beethovens  Besuchen  sind  mir  vom  Sohne 
des  Institutsleiters  freundlichst  mitgetheilt  worden.  1819  bis  1822  war  der  Neffe 
dort  untergebracht.  Mit  Beethoven  hatte  man  die  grösste  Nachsicht,  auch  in 
Bezug  auf  Geldangelegenheiten.  Ja  sogar  wendete  Blöchlinger  durch  ein  Schweig- 
geld von  300  fl.  Unannehmlichkeiten  vom  Künstler  ab.  Einem  der  Lehrer 
gegenüber  hatte  sich  Beethoven 
nämlich  geäussert:  „Christus  ist 
doch  nichts  als  ein  gekreuzigter 
Jude".  Als  es  bald  darauf  zu 
einem  Zwist  mit  diesem  Lehrer 
kam,  drohte  dieser  mit  der  An- 
zeige. Blöchlinger  legte  die 
Angelegenheit  wieder  bei.  Ge- 
legentlich soll  sich  Beethoven 
bei  Blüchlingers  ans  Klavier  ge- 
setzt haben,  und  dann  spielte 
und  stürmte  er,  seine  Umgebung 
ganz  vergessend  so  lange,  dass 
die  Hausfrau  darüber  ganz  „des- 
parat" war.  In  ihrem  Zimmei- 
stand  das  Klavier,  und  sie  war 
wohl  in  ihrer  Hausordnung  em- 
pfindlich durch  Beethovens  An- 
wesenheit gestört.  Wie  bei 
Blöchlingers  so  hielt  Beethoven 
auch  zu  Hause  wenig  auf 
Ordnung.  Alle  Quellen  kommen 
darin  überein.  Besonders  zur 
Zeit  eifrigsten  Schaffens  war  an  irgend  welche  regelmässige  Zeiteintheilung  oder 
an  sauberes  Aufräumen  nicht  zu  denken.  Richtschnur  war  die  Kunst.  Ob  er  (wie 
so  häufig  um  1812)  im  Gasthause  zum  Schwan,  ob  im  „Römischen  Kaiser"  (unge- 
fähr 18I4  bis  1817)  ob  im  „Fischtrühel",  im  „Blumenstöckl"  im  „Jägerhorn"  (um 
1824)  oder  in  der  „Eiche",  beim  „rothen  Igel"  oder  sonst  wo  speiste,  es  gab 
keine  bestimmte  Essensstunde.  Weinstuben  wurden  gelegentlich  aufgesucht, 
z.  B.  die  „zum  Kameel"  in  der  Bognergasse,  von  wo  er  auch  Zucker  und  Kaftee 
für  seine  Hauswirthschaft  bezog,  wenn  eine  solche  überhaupt  gerade  Bestand 
hatte.  So  schrieb  er  gelegentlich  an  das  „Spezereigeschäftspersonal"  zum  Kameel 
„Ausserordentlich  Beste!  Sendet  gefälligst  .  .  österreichischen  Weissen  .  . 
Zucker  .  .,  Kaffee  .  .  Alles  mit  einem  Staats-Siegel  wohl  versehen  .  .  eiligst 
und  schleunigst  der  Eurige-Beethoven".  Zu  Hause  versuchte  er  es  dann,  be- 
sonders den  Verbrauch  des  Kaffee  genau  zu  überwachen.  Dass  er  gelegentlich 
die    Bohnen   gezählt    hat,  i.st  beglaubigt.     Auch  weiss  man  darum,  dass  er  sich 


Beethoven  a  tergo 

(nach  einer  Zeichnung  von 
Jos.  Dan.  Boehm). 


Beethoven 

(nach  einer  Zeichnung  von 
Jos.  Dan.  Boehm). 


—     71      — 


i825  Notizen  über  eine  Kafteemaschine  machte  „welche  das  durch  die  heissen 
Dämpfe  aufgelösete  aroma  durch  löschpapier  mit  solche(r)  gewalt  durchpresst, 
dass  auch  nicht  ein  Atoma  mehr  in  dem  ausgelaugte(n)  Kaffeepuher  Zurück- 
bleiben könne,  wodurch  Ersparung  an  Kaffe  und  geschwindigkeit  gewonnen 
wird".  Tausenden  von  unbedeutenden  Menschen,  die  gut  h()ren  und  keine 
grossen  Tonwerke  schatten,  wird  die  Sorge  um  derlei  Kleinigkeiten  abgenommen, 
der  grosse  Beethoven  aber  war  gezwungen,  Küchenrechnungen  zu  revidiren 
und  sich  bis  ins  Unbedeutendste  um  alles  Häusliche  zu  bekümmern,  nicht  nur 
für  sich  selbst,  sondern  auch  für  seinen  Neffen.  Geschäftliche  Korrespondenzen 
wurden  ihm  ab  und  zu  durch  Schindler,  den  unbesoldeten  Geheimsekretär, 
durch  den  Bruder  Johann  und  Andere  erleichtert.  Die  Leitung  des  Ganzen 
musste  aber  doch  von  seinem  Kopfe  ausgehen.  Kein  Wunder,  dass  seit  der 
IX.  Symphonie  nur  noch  selten  ein 
bedeutendes  Stück  vollendet  wurde.  Die 
Schwerhörigkeit  hatte  sich  zur  vollen 
Taubheit  entwickelt.  Ein  Leberleiden, 
dem  er  schon  im  Sommer  1821  einen 
Gelbsuchtsanfall  zu  verdanken  gehabt, 
machte  zusehends  P'ortschritte.  Leider 
ist  es  nicht  mehr  zweifelhaft,  dass  der 
tief  unglückliche  Mann  in  jenen  Jahren 
versuchte,  seinen  Unmuth  und  Schmerz 
Weine    zu    ersticken.      Ein    junger 


Beethoven-Bildnis  nach  J.  Stieler. 


mi 

^Musiker  Carl  Holz  war  der  Verführer. 
Seit  dem  Frühling  1824,  als  Schup- 
panzigh  den  neuen  Geiger  seines  Quar- 
tetts, den  Wiener  Beamten  Holz,  bei 
Beethoven  eingeführt  hatte,  verkehrte  der 
Komponist  mit  diesem  überlebensfrischen, 
gewandten,  aber  nicht  immer  offenen 
und  geraden  Manne,  der  ihm  freilich  über 
manche  trübe  Stunde  in  den  schwersten 
Jahren  hinweggeholfen  hat.  In  den 
Briefchen  Beethovens  an  Holz  lebt  wieder 
Witz  und  Humor  auf,  wie  er  sich  kaum 

eben  so  frisch  in  den  Episteln  an  die  „Paternostergässler"  (Steiner  und  Haslinger, 
deren  Laden  im  Paternostergässchen  gelegen  war,  siehe  S.  58)  zu  zeigen  pflegte. 
Einmal  witzelte  er  über  die  eigene  Krankheit:  „Vom  ausgehen  keine  Rede, 
vielmehr  vom  eingehen  zum  ewigen  Heil".  Holz  gewann  ungewöhnlichen  Ein- 
fluss  auf  den  sonst  so  halsstarrigen  Künstler,  der  ihn  im  Sommer  1826  sogar 
ermächtigte,  sein  Biograph  zu  werden.  Der  neue  junge  Freund  war  dem  Trunk 
ergeben,  und  so  staunen  wir  denn  nicht,  wenn  sich  in  seiner  Gesellschaft 
Beethovens  angeerbte  Schv/äche  geltend  machte.  Rechten  wir  übrigens  nicht 
mit  dem  Manne,  der  seit  einem  Viertel- Jahrhundert  unter  dem  furchtbaren  Be- 
wusstsein  unheilbarer  Schwerhörigkeit  gelitten  und  dennoch  unverzagt  aus- 
gehalten hatte  im  Kampf  ums  Dasein. 

Der  Neffe  hatte  dem  Meister  im  Sommer  1824  besonders  schwere  Sorgen 
bereitet  und  weiterhin  sollte  es  fortwährende  Quälereien  geben,  verursacht  durch 
die  Obliegenheit,  den  Neffen  zu  einem  gebildeten  Menschen  erziehen  zu  lassen. 


—     72 


Ein  merkwürdiger  Widerspruch  liegt  darin,  dass  Beethoven  einerseits  den  Neffen 
in  eindringlicher  Weise  zum  Studiren  ermahnt,  dass  er  ihn  aber  andererseits, 
wenigstens  in  jenen  Sommern  zu  ungezählten  Besorgungen  benützt  und  ihm 
nicht  selten  sogar  geschäftliche  Briefe  oder  Gänge  überträgt.  Weder  die  Er- 
mahnungen noch  die  Aufträge  dürften  den  Jüngling  besonders  gefesselt  haben, 
der  noch  dazu  von  seiner  Mutter  nichts  Freundliches  über  den  Oheim  vernahm. 
Den  Sommer  1824  verbrachte  Beethoven  hauptsächlich  in  Baden.  Zu  gleicher 
Zeit  hatte  er  in  Wien  eine  Wohnung  in  der  Vorstadt  Landstrasse  gemiethet. 
Anfangs  Oktober,  als  Beethoven  daran  war,  in  eine  andere  Wohnung  zu  ziehen, 
die  in  der  Johannesgasse  gelegen  war,  entlief  ihm  der  Neffe  Carl,  der  damals 
beim  Oheim  wohnte.  Bis  der  Junge  wieder  gefunden  war,  hat  es  Sorge  und 
Aufregung  genug  gekostet.  „Gott  ist  mein  Zeuge,  was  ich  schon  durch  ihn 
[den  Neffen]  ausstehen  musste"  schrieb 
Beethoven  damals  an  Tobias  Haslinger 
(in  einem  Briefe,  der  ehedem  bei  Sophie 
Pantschoulitscheff  gewesen,  später  zu 
Louis  Lüstner  gekommen  ist).  Dann 
zog  man  in  die  Johannesgasse,  wo  des 
Bleibens  wieder  nicht  lange  war.  Denn 
dem  „Narren"  wurde  dort  sehr  bald  in 
Folge  lärmender,  roher  Szenen  mit  dem 
Neffen  und  der  Haushälterin  die  Kündi- 
gung geschickt,  wie  dies  erst  vor  einigen 
Jahren  ermittelt  worden  ist.  In  jenen 
Jahren  lästiger  Wirren  brach  der  Körper 
allmählich  zusammen. 

Todesahnungen  haben  den  Muthigen 
beschlichen.  Am  6.  März  1823  entwarf 
er  ein  Testament,  in  welchem  der  Neffe 
Carl  zum  alleinigen  Erben  eingesetzt 
wurde.  Ein  anderes  Mal  suchte  er  sich 
in  humorvoller  Weise  die  trüben  Ge- 
danken aus  dem  Sinn  zu  schlagen.     Im 

Mai  1825  notirte  er  im  Helenenthal  bei  Baden  für  Dr.  Braunhofer  den  musi- 
kalischen Scherz  „Doktor  sperrt  das  Thor  dem  Tode"  und  „Note  hilft  nicht 
aus  der  Noth".  Letzteres  Wortspiel  war  bei  Beethoven  sehr  beliebt.  Bald 
darauf  (im  Juni  1825)  schreibt  er  aber  dem  leichtsinnigen  Neffen  „0  kränke 
nicht  mehr,  der  Sensenmann  wird  ohnehin  keine  lange  Frist  mehr  geben". 

Im  Laufe  der  Jahre  1825  und  1826  häufen  sich  in  Beethovens  Briefen 
die  Stellen,  in  denen  er  über  „schwache  Gesundheit",  „Gedärmentzündung", 
Magenschwäche,  Nasenbluten  und  andere  Leiden  klagt,  die  nun  in  ernsterer 
Weise  auftreten  als  früher.  vSein  Aeusseres  verräth  mehr  und  mehr  das  Fort- 
schreiten der  tückischen  Krankheit.  Das  Bildniss  von  Dietrich,  das  anbei  ein- 
gefügt ist,  lässt  gegen  frühere  Porträts  einen  merklichen  Verfall  erkennen. 
Noch  auffallender  ist  dies  bei  dem  allbekannten  Abbild  nach  Deckers  Zeichnung, 
die  um  mehr  als  ein  Jahr  später  fallen  dürfte.  Den  kranken  Beethoven  zeigt 
uns  auch  die  Schaller'sche  Büste,  die  vermuthlich  erst  nach  B.'s  Tod  vollendet 
ist.  Einen  gewissen  Trost  fand  Beethoven  in  jenen  bösen  Jahren  an  dem 
Umgange  mit  Steffen  von  Breuning   und    seiner    Familie.      Dieser   Verkehr 


Beethoven  nach  G.  F.  Waldmüllers  Gemälde. 


wirkte  auf  den  Kranken,  wie  eine  lindernde  Arznei,  wogegen  man  den  Umgang 
mit  Holz  einem  Betäubungsmittel  gleichsetzen  kann.  Bei  Breunings  fand 
Beethoven  oft  die  angenehmste  Gemüthsruhe  und  erfreuliche  Eindrücke.  Waren 
doch  Erinnerungen  an  die  goldene  Jugendzeit  in  Bonn  unzertrennlich  vom 
alten  F'reunde  Steffen.  Breunings  Frau  w&r  von  liebenswürdiger  feiner  Art, 
und  der  kleine  Gerhard  sorgte  für  ungezwungene  Heiterkeit,  wie  sie  nur  von 
Kindern  ausgehen  kann.  Da  der  Junge  dem  hochgehaltenen  Freunde  der 
P\'\milie  sehr  anhänglich  war,  erhielt  er  von  Beethoven  den  Beinamen  „Hosen- 
knopf". Auch  „Ariel"  wurde  er  genannt,  wenn  er  Botschaften  zu  besorgen 
hatte.  Dies  im  Zusammenhang  mit  dem  luftigen  Boten  in  Shakespeares  „Sturm". 
Die  Bekanntschaft  mit  Steffen  war  nach  jahrelanger  Unterbrechung  im  August 
1825  bei  einem  zufälligen  Zusammentreffen  auf  der  Bastei  erneuert  worden. 

Trotz  der  freundlichen 
Einwirkung  von  Seiten  der 
Familie  Breuning,  eines  Ein- 
flusses, den  der  Biograph 
vielleicht  überschätzt,  da  er 
besonders  eindringlich  von 
Gerhard  von  Breuning  selbst 
überliefert  ist,  drängten  sich 
doch  für  Beethovens  Denken 
und  Fühlen  ohne  Zweifel  un- 
erfreuliche Eindrücke  immer 
mehr  und  mehr  an  die  Ober- 
fläche. Da  nehmen  denn  die 
Sorgen  um  den  Neffen  einen 
breiten  Raum  ein.  Denn 
dieser,  leichtsinniger  als  je, 
beeinflusst  durch  einen  ver- 
kommenen Freund  N.  und 
durch  das  Beispiel  der  Mutter 
irregeführt,  deren  moral  in- 
sanity  stadtbekannt  war,  Neffe 
Carl  also  betrieb  seine  Studien 
nur  unregelmässig,  kam  auf 
Abwege,  und  als  es  einmal 
bei  den  Prüfungen  besonders 
schief  ging,  Hess  er  sich  zu 
einem  Selbstmord\ersuch  hinreissen.  P2s  war  Ende  Juli  1826.  Carl  mochte  die 
stürmischen  Vorwürfe  des  leidenschaftlichen  Onkels  allzu  sehr  gefürchtet  haben. 
Oder  fühlte  er  sich  tief  beschämt  durch  seine  Undankbarkeit?  Wodurch  auch 
die  That  veranlasst  sein  mochte,  für  Beethoven  war  sie  vielleicht  ebenso 
schmerzlich,  wie  für  den  etwa  19jährigen  Jüngling,  der  sich  nicht  schwer 
verwundet  hatte.  Die  gesellschaftlichen  Folgen  eines  Selbstmordversuches  waren 
bei  den  damals  massgebenden  Grundsätzen  höchst  unangenehme.  Nach  der 
Wiederherstellung  musste  Carl  Wien  so  rasch  als  möglich  verlassen.  Durch 
Baron  von  Stutterheims  gütige  Vermittlung  (damit  hängt  die  Widmung  des 
Quartetts  zusammen)  ergab  sich  die  Möglichkeit,  Carl  im  Dezember  1826  in 
Iglau  beim  Militär  eintreten  zu  lassen.     Die  Zeit  bis  dahin  verbrachte    er    beim 


Beethoven,  nach  einer  Zeichnung  des  Bildhauers  A.  Dietrich 

aus  dem  Jahre   1826. 

(Die  Photogrophie  in  der  Sumnduhr/  des  Verfassers.) 


74 


Onkel  Johann.  Dieser  in  Linz  als  Apotheker  wohlhabend,  ja  reich  geworden, 
hatte  sich  mehrere  Jahre  vorher  ein  Gut  in  der  Nähe  von  Krems  gekauft, 
das  Schlösschen  Gneixendorf,  auf 
welchem  er  den  Sommer  zu  verbringen 
pflegte.  Dorthin  also  wurde  der  Neffe 
vorläufig  geschickt.  Dadurch  wurde  es 
offenbar  veranlasst,  dass  Beethoven 
im  Spätsommer  jenes  Jahres  ebenfalls 
nach  Gneixendorf  fuhr,  wohin  zu  gehen 
er  einige  Jahre  vorher  sich  entschiedenst 
geweigert  hatte,  trotz  der  freundlichen 
Anträge  des  Bruders.  Erinnern  wir  uns 
an  den  Besuch  Beethovens  in  Linz  im 
Jahre  18 12,  um  zu  verstehen,  mit 
welchem  Widerwillen  nunmehr  der  halb 
Gezwungene  in  die  Kamille  seines 
Bruders  eingetreten  sein  muss.  War 
doch  auch  die  zweite  .Schwägerin  kein 
Tugendspiegel  gewesen.  Demnach 
überrascht  es  uns  nicht,  über  den  Auf- 
enthalt des  armen  Kranken  in  Gneixen- 
dorf nichts  P'reundliches  zu  erfahren, 
obwohl  man  ihm  dort  das  sonnigste 
Zimmer  eingeräumt  hatte  und  nichts  in 
den  Weg  legte.  Aber  das  überaus  un- 
gewöhnliche Gebahren  des  stocktauben 
Künstlers,  sein  verwildertes,  krankes 
Aussehen,  sein  Misstrauen,  sein  Jähzorn 
Hessen  keinerlei  gemüthlichen  \'erkehr 


Schaller's  Beethovenbiiste. 

Vortage  uns  Herrn  Fr.  \ic.  Manskopf's  Musikhistorischetn 
Museum  Frankfurt  a.  JH. 


Das  (jut  Gneixendorf. 

Nach  einer  modernen  Aufnahme  des  gegenwärtigen  Gut.shcrren 

Dr.  V.  Schweitzer.     Das  Kckzimmer    rechts    im   ersten  Stockwerk  wurde 

von  Beeihoxen  benutzt. 


aufkommen.  Die  auf- 
räumende Magd  verlachte 
ihn,  wenn  er  taktirend 
Noten  schrieb  (ohne  Zweifel 
war  es  das  zweite  Finale 

zum  grossen  B-dur- 
Quartett,  das  damals  kom- 
ponirt  wurde);  die  Land- 
leute hielten  ihn  für  ver- 
rückt, und  nur  der  Diener 
M.  Kren  hatte  die  nöthige 
Achtung  und  .Selbstbe- 
herrschung, den  Meister 
ehrlich  und  ohne  Lachen 
zu  bedienen.  Man  weiss, 
dass  Beethoven  damals 
körperlich  schon  sehr 
heruntergekommen  war. 
An  eine  ernstliche  Besser- 
ung des  bfisen  Leberleidens 


—      to 


war  nicht  mehr  zu  denken.  \m  Herbst  aber  traten  noch  Ereignisse  ein,  die  ohne 
Zweifel  den  Niedergang  beschleunigt  haben.  Beethoven  drängte  nach  Wien  zurück 
und  wollte  die  bevorstehende  Rückkehr  des  Bruders  in  die  Hauptstadt  nicht  mehr 
abwarten.  In  unzureichendem  Fuhrwerk  und  allzu  leicht  gekleidet  unternahm 
er  die  Fahrt  bei  nasskalter  Witterung.  Eine  Lungenentzündung  befiel  ihn  schon 
auf  der  Fahrt.  In  Wien,  in  seiner  Wohnung  im  vSchwarzspanierhause  traf  der 
Kranke  in  übelstem  Zustande  ein,  wo  sich  nunmehr  auch  die  letzten  Phasen  der 
Lebererkrankung  abspielen  sollten.  An  regelmässige,  ergiebige  Arbeit  war  nicht 
mehr  zu  denken.  Alles  blieb  liegen,  was  vor  kurz  und  lang  begonnen  worden 
war,  so  die  romantische  Oper  mit  Grillparzers  Text,  so  eine  Musik  zu  Goethes 
„Faust",  zu  der  1823  eine  Anregung  geschehen  war,  desgleichen  blieb  unvoll- 
endet das  Oratorium  „der  Sieg  des  Kreuzes",  das  Beethoven  nach  Bernards 
Text  für  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde  schreiben  sollte.  Eine  Ouvertüre 
über  den  Namen:  BACH  und  eine  X.  Symphonie,  für  die  philharmonische  Gesell- 
schaft nach  London  bestimmt,  blieben  bei  den  ersten  Notirungen.  Alles  nur 
Andeutungen.     Denn  Beethoven    Stack    voller  Pläne,  die  er  nach  vermeintlicher 

Genesung  alle  auszuführen  ge- 
dachte. Er  setzte,  wie  man  aus  den 
Bemerkungen  in  den  Konversations- 
heften schliessen  kann,  noch 
Hoffnung  auf  einen  Kurgebrauch 
in  Baden  oder  in  Pistyan  (dem 
ungarischen  Badeorte ).  Dann  wollte 
er  nach  London  reisen.  Doch  wurde 
es  immer  trostloser  mit  Beethovens 
Leiden,  das  der  Reihe  nach  mehrere 
Punktionen  erforderte.  Breunings, 
Schindler  und  manche  Andere,  nicht 
zuletzt  zwei  wackere  Dienstleute 
suchten  dem  zumeist  Bettlägerigen 
seine  Qualen  zu  erleichtern.  Aerzt- 
liche  Kunst  war  machtlos  gegen 
das  veraltete  Uebel,  und  die  Vorwürfe,  die  Gerhard  von  Breuning,  der  später  Arzt 
geworden  war,  gegen  Beethovens  Aerzte,  besonders  gegen  Wawruch  geäussert 
hat,  sind  zum  Mindesten  als  übertrieben  anzusehen.  Mitten  in  all'  dem  körper- 
lichen Leiden  bewahrte  Beethoven  ungeschwächtes  Interesse  für  Musik  und 
Musiker.  .Stumpff  hatte  dem  kranken  Meister  aus  London  die  englische  Ge- 
sammtausgabe  der  Händeischen  W'erke  gesendet.  Darin  blätterte  er  noch  mit 
Vergnügen.  Schubertsche  Kompositionen,  die  man  ihm  brachte,  erweckten  be- 
wundernde Anerkennung.  Erfreulich  scheinen  ihm  die  Besuche  J.  N.  Hummels 
und  Ferd.  Hillers  gewesen  zu  sein.  Am  meisten  wurde  er  aber  bewegt  durch 
eine  reichliche  Geldsendung  der  philharmonischen  Gesellschaft  in  London,  die 
von  der  Bedrängniss  und  schweren  Erkrankung  des  Künstlers  durch  diesen 
selbst  erfahren  hatte.  Beethovens  Dankschreiben  vom  18.  März  1827  ist  erhalten. 
Bald  danach  nahmen  die  Kräfte  so  sehr  ab,  dass  man  ein  baldiges  Ende  vor- 
hersehen konnte.  Mit  Anstrengung  wurde  am  23.  März  ein  Codicill  vom  Hin- 
scheidenden zu  Papier  gebracht.  Carl,  dem  schon  früher  die  Erbschaft  zugedacht 
worden  war,  blieb  Universalerbe.  (Beethoven's  Testamente  werden  in  einem 
Anhange    mitgetheilt).      Bruder  Johann    und    seine    F'rau    sollen    es    noch    bei 


Beethoven's  Sterbehaus  (Schvvarzspanierhaus;  in  Wien. 

Nach  einer  Photographie  von  Wendung. 

Beethoven's  Wohnung  befand  sich  im  zweiten  .Stockwerk.    Von 

der  Kirche  aus  gezählt,  entsprechen  ihr  das  5,  bis  9.  Fenster. 


—     76     — 

Beethovens  Lebzeiten  versucht  haben,  sich  der  Baarschaften,  auch  der  lOOO  fl., 
die  aus  London  gekommen  waren,  zu  bemächtigen.  Beethovens  Freunde 
warfen  sie  einfach  hinaus.  Ob  nun  diese  Angaben,  die  Schindler  bietet,  voll- 
kommen richtig  sind  oder  nicht.  Eines  ist  sicher,  dass  Beethoven  noch  während 
seines  Todeskampfes  widrige  Erörterungen  gewahr  werden  musste,  in  denen 
Bruder  Johann  keine  edle  Rolle  spielt. 

Am  24.  März  empfing  Beethoven  die  letzte  Oelung.  „Der  Pfarrer  kam 
gegen  12  Uhr  und  die  Funktion  ging  mit  der  grössten  Auferbauung  vorüber"; 
an  demselben  Tage,  sei  es,  als  der  Arzt  das  Zimmer  verlassen  hatte,  sei  es  als 
der  Geistliche  fort  war,  sagte  Beethoven  zu  Schindler  und  zum  kleinen  Gerhard: 
.,Plaudite  amici,  comoedia  finita  est  —  habe  ich's  nicht  immer  gesagt,  dass  es 
so  kommen  wird?"  Eine  Missdeutung,  als  sei  das  Plaudite  amici  auf  die  Spen- 
dung des  Sakraments  zu  beziehen,  ist  dadurch  ausgeschlossen,  dass  Beethoven 
selbst  zugestimmt  hatte,  als  man  ihm  den  Gedanken  äusserte,  dass  der  Pfarrer 
geholt  werden  solle.  Später  traf  eine  Sendung  von  Schotts  in  Mainz,  den  Ver- 
legern Beethovens,  ein,  mit  einem  Kistchen  Rheinwein  und  einem  Medikament. 
Man  stellte  einige  Flaschen  Wein  und  den  Heiltrank  ans  Bett.  Beethoven 
sah  sie  an  und  sagte  langsam:  „Schade!!  —  Schade!  —  —  zu  spät!!"  Bald 
darauf  verliessen  ihn  die  Kräfte  so  sehr,  dass  er  nicht  mehr  sprechen  konnte. 
Der  Todeskampf  dauerte  aber  noch  bis  zum  Nachmittag  (^^ö)  des  26.  März. 
Ein  Schneesturm  mit  Donner  und  Blitz  tobte  über  der  .Stadt,  als  der  Grosse 
noch  einmal  den  Arm  erhob  und  die  Faust  ballte  und  dann  seinen  letzten  Athem- 
zug  that. 

Beethoven  starb  auf  fremder  Erde.  Eine  fremde  Hand,  die  Anselm  Hütten- 
brenners, hat  ihm  die  Augen  zugedrückt. 


Wiener  Beethoven-Monument. 
Phologrupliie  von  Fruncktnstein  &  Co.  in   Wien. 


Einladung 
Seic6entirgänani^0 1 

weünej  arn  äp.  tAGarz,   um  3   ^l&Ar  y^aÄ-miUaoi)  ^tatt  nnaen   iwra. 

tnoin  pcrfammelt  (i<^  in  ^e^  tt)ot>nung  ^e9  üerflorbmen  im  ©(^»arjfpanler  s ^auf«  ttr.  200/ 
am  ffilacia  cor  bcm  Qtf>ottentl>OK. 

IDer  3u9  begibt  ftc^  oon  ba  na(^  6cc  DreyfaltigfdWjSirt^« 
bfy  tan  p.  p.  rninoritftt  in  bec  2llfcrga(Te. 

Di«  mufihlifc^eSBett  erlitt  ben  unerfe|ri(&en  93ertu(t  be«  6erü()mten  Sonbit^jterj  am  26-  SDfärj  1827  2i5enM3egen6  Ufrt. 

^5ectt)at)cn  flarb  an  ben  gotgen  ber  2Ba(Terfu4>t ,  im  5Ö.  3ii&«  f«n«*  2(tterJ, 

nac^  empfangenen  (leif.  ®acramenten. 

Set  Sag  ber  5rc^uien  nitrb  nai^ttagfic^  betannt  gemacht  oon 

E.  tM8  ewttobrav 
93ere;)cetn  unb  Sceunbcn. 

(Ciih  Kiirtl  KM  m  Soll,    exliioit«    lJtiat»iliitl»n|)  Pirtfitl. «trtw«!  >«»  »»«««  61*»«» 


F(wWe»»i«rMn^  des  Originals  aus  Herrn  Fr.  Nie.  Uanskopfs  Musikhistorischem  Museum  in  Frankfurt  a,  M. 

Nachhall. 

Die  Kunde,  dass  Beethoven  im  Sterben  liege,  und  der  wirkliche  Hingang 
des  Künstlers  rüttelte  die  ganze  Hauptstadt  wieder  auf,  die  sich  vorher  während 
seiner  Krankheit,  wenn  auch  nicht  ganz  theilnahmslos,  so  doch  etwas  stumpf 
erwiesen  hatte.  Erst  in  den  letzten  Tagen  kamen  viele  theilnehmende  Besuche, 
die  nun  abgewiesen  werden  mussten.  Als  aber  der  weltberühmte  Meister  am 
Nachmittag  des  29.  März  auf  dem  Währinger  Friedhofe  bestattet  wurde,  bildete 
sich  ein  so  ungeheuerer,  nach  Tausenden  zählender  Leichenzug,  dass  man  noch 
viele  Jahre  danach  von  dieser  imponirenden  Kundgebung  erzählte.  Nachmittags 
wurden  der  Bestattungsfeierlichkeit  wegen  die  Schulen  geschlossen  (so  habe  ichs 
von  mehreren  alten  Leuten  erzählen  gehört,  die  sich  des  Ereignisses  klar  er- 
innerten). Eine  dichte  Menge  strömte  gegen  das  Schwarzspanierhaus  und  gegen 
die  Kirche  in  der  Aiserstrasse,  wo  der  Sarg  mit  Beethoven  eingesegnet  wurde. 
Bauernfeld  schrieb  in  aller  Kürze  in  sein  Tagebuch  „Am  26.  ist  Beethoven 
gestorben,  56  Jahre  alt.  Heute  war  sein  Leichenbegängniss.  Ich  ging  mit 
Schubert.  Anschütz  hielt  vor  dem  Währinger  Kirchhof  eine  Leichenrede  von 
Grillparzer".  Damit  sind  nur  Andeutungen  gegeben.  Die  Betheiligung  war,  be- 
sonders aus  den  Kreisen  der  Ritter  \'om  Geiste  eine  ungeheuere.  Indes  gehen 
wir  nicht  näher  auf  die  Einzelheiten  der  Bestattung  ein,  wir  lassen  auch  die 
v'orher  geschehene  Obduktion  bei  Seite,  durch  die  Beethovens  Antlitz  furchtbar 
verzerrt  wurde  (deshalb  hat  die  Todtenmaske  Beethovens  keinen  Werth  als 
Bildniss);  wir  berühren  kaum  die  Angelegenheit  der  beiden  Exhumirungen  (der 
einen  1865  und  der  anderen  in  den  jüngsten  Jahren);  an  die  Denkmäler,  die 
dem  Grossen  errichtet  worden  sind,  zu  Bonn,  Heiligenstadt,  Boston,  Wien,  im 
Helenenthal  bei  Baden,  erinnern  wir  nur  mit  wenigen  Worten.     Auch  die  zahl- 


78 


reichen  Gedichte  zu  Ehren  Beethovens  und  die  vielen  modernen  Bildnisse,  die 
mit  oder  ohne  Geschick  die  Züge  des  Meisters  vvidergeben,  müssen  in  einer 
allgemeinen  Erwähnung  abgethan  werden.  Würde  es  doch  einen  eigenen  Band 
erfordern,  die  Dichtungen  neuerlich  abzudrucken  und  die  neuen  Beethoven- 
bildnisse kritisch  durchzunehmen. 

Selbst  der  Hinweis  darauf,  wie  Beethovens  Kunst  sich  die  Welt  erobert 
hat,  kann  nur  in  bescheidenem  Ausmass  gegeben  werden.  Dies  ist  wohl  da- 
durch gerechtfertigt,  dass  es  heute  kaum  ein  musiktreibendes  Kind  giebt,  das 
den  grossen  Namen  nicht  kennte.  Zudem  wissen  die  Musiker  wenigstens  im 
Allgemeinen  darum,  wie  eindringlich  die  Musik  Beethovens  gerade  auf  die  be- 
deutendsten seiner  Nachfolger  eingewirkt  hat.  Richard  Wagner  knüpfte  haupt- 
sächlich   an    die    IX.    Symphonie    an.     Brahms,    Brückner  wären  nicht  denkbar 

ohne  den  voranschreitenden  Beethoven. 
Mendelssohn,  Schumann  verehrten  ihn 
ebenso,  als  sie  oft  durch  den  mächtigen  Vor- 
gänger beeinflusst  worden  sind.  Schuberts 
Muse  war  innig  befreundet  mit  der 
Beethovens.  Beethoven  hat  als  Klavier- 
spieler die  Behandlung  seines  Instrumentes- 
gänzlich umgestaltet.  Er  drängte  dahin, 
dass  die  Ausdrucksfähigkeit  und  der  Ton- 
umfang seines  Instrumentes  erweitert  und 
die  Klangfülle  gesteigert  werde.  Man  weiss 
es,  wie  Graf,  Streicher  undBroadwood  seinen 
Anregungen  entgegengekommen  sind.  Und 
was  Beethoven  spielte,  bot  in  seinem 
musikalischen  Inhalt  ungeheuer  viel  neue 
Wirkungen.  Die  Weitgriffigkeit  seiner 
Klavierkonzerte  und  einiger  Klaviersonaten 
hat  den  Romantikern  ganz  neue  Wege  ge- 
wiesen. Seine  rhythmischen  Eigenheiten, 
wie  die  oft  wiederholten  Synkopen,  seine 
überraschenden  Gegensätze  in  dynamischer  Beziehung  (in  denen  er  noch  weit 
über  Vater  Haydns  Scherze  hinausgeht),  sind  nicht  zu  übersehen.  Dann  seine 
unübertreffliche  Abrundung  des  Orchesters,  in  dem  er  zwar  von  jedem  Instrumente 
grosse  Leistungen  verlangt,  in  welchem  er  aber  auch  jede  einzelne  Klangfarbe 
eben  so  sehr  dem  Ganzen  anzupassen,  als  für  irgendwelche  Charakteristik  im 
Einzelnen  zu  benützen  versteht,  nicht  zuletzt  seine  höchst  gefeilte,  erfindungs- 
reiche thematische  Arbeit  in  den  grossen  Durchführungen  der  Symphonien  (und 
der  formverwandten  Sonaten),  das  sind  wichtige  Stufen  musikalischer  Entwicklung. 
Ueberdies  hat  er  durch  seinen  Unabhängigkeitssinn  dem  Musiker  eine 
ganz  andere  gesellschaftliche  Stellung  erobert,  als  sie  bis  dahin  durchschnittlich 
gekannt  war. 

Bei  alledem  war  Beethovens  Leben  streng  genommen  ein  schlichtes,  be- 
scheidenes. Kein  prunkender  Palast  am  ('anal  grande,  keine  seidenen  Schlaf- 
röcke, keine  grossen  Reisen,  keine  Eindrücke  aus  ewigen  Städten,  kein  Brausen 
der  Meereswogen,  keine  blinkenden  Gletscher.  Ja,  es  fehlte  oft  sogar  das  be- 
ruhigende Gefühl  eines  ausreichenden  Lebensunterhaltes.  Die  Maass  bei  Rotter- 
dam war  das  gnisste  Wasser,  das  Beethoven  je  gesehen  hat.     Vermuthlich  war 


Beethoven's    englischer    Flügel. 

Geschenk  von  Thomas  Broadwood. 

Vorlage  aus  Herrn  Fr.  Nie.  Manskopfs  Musiklustorischem 

Museum  in  Frankfurt  a.  M. 


—     79     — 

der  höchste  Berg,  den  Beethoxen  erschaut  hat,  und  das  nur  aus  der  Entfernung, 
der  Schneeberg  in  Xiederc)sterreich,  der  keineswegs  mit  ewigem  Schnee  bedeckt  ist. 
Die  höchsten  Höhen,  die  Beethoven  erstiegen  hat,  waren  die  geringen  Erhebungen 
der  Voralpen  bei  Baden  und  Mcidling.  Unter  den  Städten,  die  er  kennen  gelernt 
hat,  war  Wien  die  grösste.  AU'  das  giebt  zu  denken.  Einerseits  das  Grandiose 
der  Beethovenschen  Kunst,  andererseits  die  Kleinheit,  oft  Aermlichkeit  seiner 
Lebensumstände.  Ein  Mendelssohn,  der  alle  Eindrücke  verkostet  hat,  vom 
Mövengeschrei  bei  den  Hebriden  bis  zum  Durchzittern  der  Nerven  in  den  Hoch- 
alpen der  Schweiz,  der  gesellschaftlich  von  geistreicher  freundlicher  Umgebung 
geschoben,  getragen  wurde,  er  ist  bei  aller  Grösse  nicht  eigentlich  grossartig 
geworden.  Aehnlich  noch  viele  Andere,  die  nicht  einmal  zu  Mendelssohns  Stufe 
heraufreichen.  Beethoven  wurde  ein  musikalischer  Riese  ohne  jeden  äusserlichen 
Prunk  und  trotz  der  widrigsten  Umstände,  trotz  des  Entgegenarbeitens  der 
meisten  Fachgenossen.  Beethovens  Leben  ist  ein  Beispiel  dafür,  wie  lange  es 
dauert  bis  ein  genialer,  zwar  überlegener,  aber  im  Kampfe  schwer  verwundeter 
Geist  gebraucht,  um  gegen  unverwundete  „gesunde"  Beschränktheit  aufzukommen, 
die  sich  an  allen  Orten  dem  Vorkämpfenden  entgegenstemmt.  Naturen  von 
geringerer  Zähigkeit  reiben  sich  in  solchem  Kampfe  auf.  Beethoven  blieb  Sieger. 
Aber  auch  bei  ihm  sind  Jahrzehnte  vergangen,  bis  er  durchdrang;  eigentlich  hat 
er  es  gar  nicht  mehr  voll  erlebt,  dass  kleinliche  Nörgler  ihre  Angriffe  aufgegeben 
hätten.  In  wiederholten  Anläufen  aber  warf  er  das  meiste  Widerstrebende  zu  Boden 
durch  die  Wucht  seiner  Kunst.  Die  Bedeutung  Beethovens  ist  heute  allgemein  an- 
erkannt, auch  wenn  subjektiver  Geschmack  in  allen  erdenklichen  Abstufungen 
und  Verwicklungen  sehr  verschieden  über  einzelne  Werke  Beethovens  urtheilen 
wird.  Der  künstlerische  Gehalt  seines  Lebenswerkes  ist  nicht  mehr  zu  verkennen. 
Tiefe  Spuren  hat  er  in  der  Musikgeschichte  zurückgelassen  und  das  im  Sinne 
des  Fortschrittes.  Beethoven  muss  den  Grössten  beigezählt  Vv^erden,  die  wir  in 
der  Kulturwelt  besitzen. 


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Beethoven's  Grabmal  auf  dem  Währinger  Friedhofe. 
Nach  einer  Photograpliie  des  Verlages  V.  A.  Beck  in  Wien. 


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Ausführungen  und  Quellennachweise. 

Zu  Kapitel  I. 

Ansicht  von  Bonn.  Unsere  Abbildung,  die  der  Verzierung  des  Kapitelanfanges  ein- 
gefügt ist,  bietet  eine  Verkleinerung  der  Radirung  von  einem  Bonner  Offizier  Du puis,  der  1789 
(nach  Füsslis  Lexikon)  eine  Reihe  von  Rheinischen  Ansichten  herausgab.  Rechts  unten  in  einer 
Lücke  der  Einfassung  steht  „Dupuis  officier  fec".  Für  die  photographische  Nachbildung  bin 
ich  Frau  Josefine  von  Breuning  zu  besonderem  Dank  verpflichtet.  —  Ganz  links  sieht  man  das 
Münster.  Von  dort  bis  über  die  Mitte  nach  rechts  reicht  im  Bilde  das  kurfürstliche  Schloss, 
in  welchem  Beethoven  so  oft  geweilt  hat. 

Ueber  die  Kurfürsten  Clemens  August  (1724 — 1761),  Max  Friedrich  (1761  —  1784) 
und  Maximilian  Franz  (1784—1794)  haben  Thayer  und  Nohl  sehr  viel  werthvolles  Material  zu- 
sammengetragen. Ueber  die  Musikzustände  in  Bonn  schrieb  in  leidlich  übersichtlicher 
Weise  ,L.  Nohl  in  Beethovens  Leben  L  61  ff.  Zur  Einführung  Leop.  Kaufmann:  „Bilder  aus 
dem  Rheinland"   (1884)  S.  223  ff. 

Die  Familie  Beethoven  stammt  aus  den  Niederlanden,  wo  der  Name  nicht  ganz  selten  ist. 
Vergl.  z.  B.  Rombouts  und  Van-Lerius:  Liggeren  der  Antwerpener  Malerschule  Bd.  IL  Das 
Wichtigste  über  die  Vorfahren  des  Tonkünstlers  bei  Wegeier  und  Ries  S.  1  ff.,  bei  Fetis  und 
besonders  bei  Thayer  I,  26  ff.  und  95  ff.,  wo  auch  wichtige  Mittheilungen  von  Otto  Jahn  und 
Jacobs  verwerthet  sind.  Seither  Werner  Hesse  in  R.  Picks  „Monatsschrift  für  die  Geschichte 
West-Deutschlands"  1879  (V.)  S.  2(X)  ff.  und  Deiters  in  der  „Allg.  musik.  Ztg."  vom  4.  Aug.  1880. 
Der  niederländischen  Herkunft  entsprechend  ist  der  Name  Beethoven  zu  betonen  und  ungefähr: 
fan  Beethofen  auszusprechen  (also  nicht  Bedowen  oder  Bethowen).  Van  bedeutet  nicht  den 
Adel.  Zum  Namen  vergl.  Wegeier  und  Ries  S.  5  und  den  Nachtrag.  L.  Nohl  in  der  „Caecilia", 
(algemeen  muzikaal.  tijdschrift  van  Nederlandj  vom  1.  Nov.  1884,  Kalischer  in  E.  Breslaurs 
„Klavierlehrer"  1884  S.  3.,  (Wiener)  Neue  illustrirte  Zeitung  vom  Ende  Juli  1889  Bd.  IL  No.  43, 
S.  891  und  „Neue  Wiener  Musikzeitung"  IL  No.  8  vom  1.  Oktober  1890.  (Frimmel,  Hinweis 
auf  die  Betonung  Beethoven  in  der  Familie  selbst).  Frimmel  in  Robitscheks  Deutscher  Kunst- 
und  Musik-Zeitung  vom  20.  November  1891.  In  Wien  wurde  der  Name  schon  zu  Lebzeiten 
Beethovens  unrichtiger  Weise  auf  der  zweiten  Silbe  betont.  Erzherzog  Rudolph  deklamirte: 
Lieber  Beethoven.  Hierzu  Frimmel  „Beethovens  Name"  in  der  „Neuen  freien  Presse"  23.  April  1900. 

Beethovens  Grossvater.  Das  in  Wien  erhaltene  Bildnis  ist  ein  Werk  des  Malers 
Radoux  und  kam  von  einer  Tochter  des  Beethoven'schen  Neffen  Carl  durch  Erbschaft  an 
Herrn  Oberbuchhalter  Paul  Weidinger.  Eine  alte  nette  Miniatur  im  Besitz  des  Herrn  Malers  Amad. 
Szekulics  in  Wien  trägt  auf  der  Rückseite  in  alter  Schrift  einen  Hinweis  auf  L.  v.  Beethoven. 
Indess  kann  sie,  wie  eine  genaue  Vergleichung  ergiebt,  weder  den  Grossvater  noch  den  Kom- 
ponisten darstellen. 

Bezüglich  der  Brüder  des  Komponisten  Caspar  Carl  und  Nicolaus  Johann  vergl.  die 
Anmerkungen  zum  IV.  Kapitel. 

Die  Frage  nach  dem  richtigen  Geburtshause  ist  schon  durch  Wegeier  zu  Gunsten  des 
Hauses  in  der  Bonngasse  entschieden  worden.  Reichliche  Mittheilungen  hierüber  bei  Thayer 
Bd.  I.  Seit  der  Bildung  des  Vereins  „Beethovenhaus"  ist  Vieles  über  die  ehrwürdige  Stätte 
geschrieben  worden,  was  hier  nicht  im  Einzelnen  aufgezählt  wird.  Nur  ist  zu  erwähnen,  dass 
sich  in  die  „Revue  internationale  de  Musique"  vom  l.  März  1898  doch  wieder  eine  Abbildung 
des  Fischerschen  Hauses  als  des  Geburtshauses  eingeschlichen  hat.  Derselbe  Irrthum  in  der 
Zeitschrift    „Die  Heimat"   (Wien   1880,  V,  No.  31).      Zahlreiche    Abbildungen,    das    Geburtshaus 


—     81     — 

und  die  seil  einigen  Jahren  dort  aufgestellte  Beethovensammlung  betreffend,  fanden  sich  in 
„the  Musical  times"  (Dezember  1S92),  in  „Dur  und  Moll"  II.  Jahrgg.  Heft  'A  (Text  von  Moritz 
V.  Kaiserfeld)  und  in  Reclams  „Universum"  vom  April  1899  (Text  von  K.  Büchner).  Zu 
beachten  auch  die  Jahresberichte  und  Sammlungsverzeichnisse  des  Vereins  „Beethovenhaus", 
sowie  die  reichliche  Zeitschriftenliteratur,  die  sich  an  die  Gründung  und  die  Ausstellungen  und 
Feste  desselben  Vereines  knüpft.  In  die  erste  Bonner  Beethovenausstellung  waren  übrigens  zwei 
falsche  Bildnisse  aufgenommen  worden.  Das  Bildniss  der  Mutter  Beethovens  ist  ganz  und  gar 
nicht  beglaubigt. 

Die  Vorweisung  eines  Geburtszimmers  im  Beethovenhause  zu  Bonn  geschieht  keineswegs 
auf  Grund  irgend  welcher  Ueberlieferung.  Ja  sogar  der  Wahrscheinlichkeitsnachweis  ist  ein 
schwacher.     Zudem  nähern  sich  derlei  Erörterungen  überhaupt  dem  Platten  und  Geschmacklosen. 

Für  den  Unterricht,  den  Beethoven  genossen,  kommen  neben  Wegelers  Nachrichten 
besonders  in  Frage:  die  Fischhofsche  Handschrift  (Thayer  Bd.  I.  Anhang  VII  von  Hermann  Deiters), 
die  Mittheilungen  des  Philologen  Dr.  W.  C.  Müller  in  der  Allgemeinen  musikalischen  Zeitung 
von  1827  (Abschrift  in  der  Geisslerschen  Sammlung  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien),  die 
seither  oftmals  wieder  benutzt  sind  z.  B.  bei  Nohl  in  „Beethoven  nach  den  Schilderungen  seiner  Zeit- 
genossen" (S.  3  ff.).     Siehe  auch  „Beethoven  als  Klavierspieler"  in  Frimmels  „Neue  Beethoveniana". 

Zu  Neefe  in  erster  Linie  von  Bedeutung  seine  Autobiographie  und  die  Nachträge  dazu 
von  seiner  Wittwe  in  der  „allgemeinen  musikalischen  Zeitung"  I.  (1799).  Thayer  I.  L.  Nohl: 
Beethovens  Leben  Bd.  I.  Nottebohm:  Beethovens  Studien  (L  S.  1  ff.),  La  Mara:  Musikerbriefe 
aus  fünf  Jahrhunderten  (I.  S.  280  f.,  Brief  Neefes  an  Klopstocki,  Frimmel  in  der  Wiener  illustrirten 
r.eitung  vom  Juli  1889  und  in  H.  Pohles  „Hamburger  Signalen"  von  1892,  Shedlock  „The 
Pianoforte  Sonata"  (1895)  S.  160  ff.  Münchener  „Allgemeine  Zeitung"  Beilage  1896,  No.  301, 
Fritzsch's  „Musikalisches  Wochenblatt"    1897   No.  8  vom   18.  Februar. 

Der  Name  Rovantini  kommt  auf  einem  kleinsten  Beethovenautograph  in  meinem  Besitz 
vor  in  Zusammenhang  mit  „Würzburg,  Crefeld  oder  bej  Coutin  Klavier  und  Orgelbauer".  Ohne 
Zweifel  hat  sich  Beethoven  späterhin  notirt,  wo  einer  der  Verwandten  seines  ehemaligen  Lehrers 
zu  finden  wäre.  Erklärend  hierzu  Thayer-Deiters  I.  S.  334,  Anm.  Im  Februar  1779  war 
Rovantini  mit  Beethovens  schon  so  befreundet,  dass  er  als  Pathe  zur  Taufe  der  Anna  Maria 
Francisca  gebeten  wurde. 

Zur  einseitig  chromatischen  Gegenbewegung  sei  auch  angemerkt,  dass  sie  im 
Mozartschen  B-dur-Konzerte  mehrmals  vorkommt,  ferner  mehrmals  im  Don  Juan  (Arie,  Allegro : 
Ah  fuggi  il  traditor,  dann  Sextett:  „Sola"  (Andante)  in  Figaros  Hochzeit,  endlich  im  „Tuba 
mirum"  des  Requiem.  Auf  mehrere  dieser  Stellen  hat  mich  vor  Jahren  freundlichst  Herr  Dr. 
Cartellieri  aufmerksam  gemacht,  der  auch  auf  analoge  Formeln  bei  Cherubini  und  beim  alten 
Antonio  Cartellieri  feinem  Zeitgenossen  Beethovens)  hinweist.  Später  hat  Mendelssohn  in  seiner 
Sommernachtstraum-Ouverture  ähnliche  Fortschreitungen  angewendet.  Für  Beethoven  liegt  es 
am  nächsten  anzunehmen,  dass  ihm  diese  Formel  durch  Mozarts  oder  Neefes  Musik  vermittelt 
worden  sei. 

Zum  Einfluss  Haydn  scher  Musik  auf  Beethoven  vergl.  Bd.  III  der  „Berühmten  Musiker" 
Leop.  Schmidt:  „Jos.  Haydn  S.  93.  Zum  Verhältniss  Clement!  und  Beethoven :  Shedlock  „The 
Pianoforte  Sonata". 

Der  Anfang  der  F-moU-Sonate  Op.  2  lässt  auch  an  Mozarts  G-moll-Symphonie  denken, 
was  Reinecke  („Die  Beethovenschen  Klaviersonaten"  S.  30)  bemerkt  hat.  Mozarts  Phantasie  und 
Sonate  in  c-moU  hat  Beethoven  vielfach  beeinflusst. 

Kompositionen  Beethovens  in  der  Bonner  Zeit.  Wichtig  Thayer  ,, chronologisches 
Verzeichniss  der  Werke  Ludwig  van  Beethovens"  (Berlin  1865)  und  ergänzend  dazu  mehrere 
Abschnitte  in  Thayers  „Ludwig  van  Beethovens  Leben"  (Berlin  I,  1866,  II  1872,  III  1879), 
ferner  Nottebohm  in  verschiedenen  seiner  Arbeiten,  besonders  aber  im  „thematischen  Ver- 
zeichniss der  im  Druck  erschienenen  Werke  von  Ludwig  van  Beethoven"  2.  Aufl.  (Leipzig  1868) 
und  in  den  zwei  Bänden  „Beethoveniana"  und  „zweite  Beethoveniana"  (1872  und  1887).  — 
Die  meisten  Jugendwerke  Beethovens  sind  im  Supplementbande  zur  Gesammtausgabe  (Leipzig, 
Breitkopf  und  Härtel)  gedruckt.  Die  frühen  Sonaten  (einschliesslich  einer  später  überarbeiteten 
und    einer    sehr    zweifelhaft  echten)   kommen  auch  vor  im  dritten  Bande  der    „Urtext" -Ausgabe 

b 


—     82      — 

„herausgegeben  auf  Veranlassung  und  unter  Verantwortung  der  königlichen  Akademie  der 
Künste  zu  Berlin"  (1898).  Zu  den  früheren  Concerten  siehe  G.  Adler  in  der  Vierteljahrschrift 
für  Musikwissenschaft  und  in  den  Vorreden  zur  Publication  dieser  Concerte  bei  Breitkopf  & 
Härtel.  Zu  den  Trauerkantaten  vergl.  E.  Kastners  „Musikalische  Chronik"  I,  S.  68  f.,  wo  weitere 
Literatur  zu  finden.  Siehe  auch  bei  Xeefe.  Das  C-dur-Rondo  aus  1783  ist  jüngst  durch 
Friedländer  im  Petersschen  Jahrbuch  veröffentlicht  worden. 

Zu  den  späteren  Werken  Beethovens  sind  dieselben  allgemeinen  Xachschlagebücher  zu 
benützen,  überdies  W.  v.  Lenz:  „Kritischer  Katalog  sämmtlicher  Werke  Ludwig  van  Beethovens 
mit  Analysen  derselben"  (2.  Aufl.  1860).  Zu  den  Klavierkompositionen:  C.  Czernys  Klavier- 
schule, 4.  Theil.  Zu  den  Klaviersonaten  die  Literatur  von  Marx,  Eiterlein,  Reinecke  und  viele 
Andere,  die  benützt  ist  im  Artikel  „Beethovens  Klaviersonaten"  (Frimmel)  in  der  Beilage  zur 
Münchener  AUgem. -Zeitung,  Ende  1896,  No.  301  und  302).  Ueberdies:  Tabellarische  Ueber- 
sicht  über  Beethovens  Klaviersonaten,  1887  bei  Challier  in  Berlin  erschienen,  ein  praktisches 
Heftchen  (aber  nicht  ohne  störende  Druckfehler"),  auf  das  mich  Carl  Lüstner  freundlichst  auf- 
merksam machte.  Vergl.  auch  einige  Abschnitte  im  Artikel  von  Alfr.  Chr.  Kalischer  „Die 
Beethovenautographe  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin"  in  den  „Monatsheften  für  Musikgeschichte" 
(1895  und  1896).  Einige  Abschnitte  in  Ant.  Rubinsteins  „Die  Meister  des  Klaviers"  (Berlin,  Har- 
monie) haben  mehr  Interesse  für  die  Freunde  Rubinsteins,  als  für  die  Beethovenforschung. 
Zur  „Mondscheinsonate"  (Fis-M>ll,  Op.  27,  No.  2)  sei  sogleich  hier  angemerkt,  dass  der 
Name  nicht  von  Beethoven  herrührt,  sondern  auf  Rellstab  zurückgeht. 

In  den  Werken  Beethovens  drei  Stilarten  unterscheiden  und  streng  sondern  zu  wollen, 
wie  es  so  oft  geschah  und  noch  geschieht,  ist  eine  vergebliche  Bemühung.  Bei  einem  schier 
unablässig  thätigen  Künstler,  wie  Beethoven,  der  noch  dazu  gar  oft  alte  eigene  Arbeiten  heran- 
zog, um  sie  etwas  zu  feilen  und  dann  zu  veröffentlichen,  ist  das  Eintheilen  in  Stile  ziemlich 
aussichtslos.  Danach  betrachte  ich  es  mehr  als  Redensart,  wenn  ich  hie  und  da  von  den  Stilen 
Beethovens  gesprochen  habe.  An  die  Eintheilung  von  W.  v.  Lenz  (in  „Beethoven  et  ses  trois 
styles"  1852)  schlie.sse  ich  mich  ebenso  wenig  an,  als  an  spätere  Versuche  einer  Eintheilung. 
Immerhin  lässt  es  sich  nicht  leugnen,  dass  die  frühen  Werke  sämmtlich  ungeheuer  von  den 
späten  abstechen.  Die  Jahre  1815  bis  1817  bilden  ferner  wirklich  eine  Abgrenzung  gegen  die 
vorher  geschaffenen  Kompositionen.  Während  dieser  Periode  bildet  sich  etwas,  das  man  wohl 
den  letzten  Stil  nennen  könnte.  Dagegen  scheint  in  der  mittleren,  fruchtbarsten  Zeit  des  Meisters 
überhaupt  gar  nicht  ein  einziger  Stil  massgebend  zu  sein.  Die  überquellende  Erfindung  drängte 
und  schob  fortwährend.  Ein  fester  Stil  konnte  sich  dabei  nicht  bilden-  Fast  für  jede  Kom- 
position müsste  eine  eigene  Abtheilung  eingerichtet  werden.  Auch  Wasielewski  Hess  die  Ein- 
theilung der  drei  Stile  fallen. 

Zur  Familie  von  Breuning  neben  Wegeier  hauptsächlich  Gerhard  von  Breuning:  „Aus 
dem  Schwarzspanierhause"  (1874).  Einige  Berichtigungen  bei  Thayer  und  Werner  Hesse  a.  a.  0., 
L.  Nohl  in  der  Wiener  illustr.  Zeitung  1885  „Beethovens  Freund  Steffen",  Ch.  G.  Kalischer 
„Beethovens  Ariel  und  Hosenknopf  Sonntagsbeilage  zur  Vossischen  Zeitung  1891  No.  23  zu 
No.  259  —  Zum  Beginn  des  Verkehrs  im  Hause  Breuning  wichtig  Carl  Wegelers,  des  Enkels 
Erörterungen  in  der  Koblenzer  Zeitung  vom  Mai  1890  und  danach  die  Kölnische  Zeitung  1890 
No.  143  vom  24.  Mai  1890.  Zu  Gerhard  v.  Breuning  vergl.  „In  Memoriam  (G.  de  Breuning)" 
Triest  1892  und  „Dem  Andenken  Dr.  G.  v.  Breunings  gewidmet  von  treuer  Freundeshand"  1893, 

Zum  Schattenriss  vergl.  Wegeier  und  Ries.  S.  52,  Frimmel  „Neue  Beethoveniana" 
S.  196  ff.  und  die  Nachträge  dazu,  auch  „Hamburger  Signale"  1892,  No.  11.  Die  Silhouette 
ist  oft  nachgebildet  worden,  z.  B.  in  der  „Rivista  musicale  italiana"  (Turin,  Gebrüder  Bocca  IV, 
1897)  und  in  C.  Werckmeisters  „Das  XIX.  Jahrhundert  in  Bildnissen"  Lieferung  8,  einem  Heft, 
auf  das  hier  sogleich  auch  bezüglich  anderer  Beethovenbildnisse  (mit  Ausnahme  des  Klöber'scher) 
hingewiesen  sei.  Kritische  Erörterungen  in  meinem  Buche  „Neue  Beethoveniana"  und  in  der 
Besprechung  des  Carel  L.  Dakeschen  Beethovenbildnisses  (Zeitschrift  für  bildende  Kunst  Neue 
Folge  IV.     S.   18  ff.). 

Zu  Mozart  hauptsächlich  Otto  Jahn:  W.  A.  Mozart  (IIL  AuÜ.  bearbeitet  von  Deiters) 
passim;  dort  auch  über  Hummel  als  Schüler  Mozarts.  Zu  Scheikel  vergl.  Meusels  „Museum 
für  Künstler  und  Kunstliebhaber",   111.   Stück,    1788,  S.  27.     Ebendort  S.  30  heisst  es:    „Ludwig 


—     83     — 

van  Beethoven,  komponirte  und  spielte  im  11.  Jahre."  (Artikel  von  C.  L.  J(unker.)  Ueber 
L.  Kozeluch  und  die  Paradis  siehe  Hanslick:  Geschichte  des  Konzertwesens  in  Wien  (S. 
24  f.\  Zur  Frage,  ob  Beethoven  Mozarten  habe  spielen  gehört,  vergl.  Fr.  Kullaks  Vorwort  zur 
Steingräberschen  Ausgabe  der  Klavierkonzerte  Beethovens  (1881),  auch  Friinmel  ,,Neue  Beetho- 
veniana'S  2.  Ausgabe,  S.  358  f. 

Briefe  Beethovens  sind  in  grosser  Anzahl  erhalten.  Die  wichtigsten  Veröffentlichungen 
sind  durch  Wegeier  und  Ries,  Schindler,  Nohl  und  Thayer  geschehen.  Leider  sind  die  zwei 
Bände  mit  Briefen  Beethovens,  die  Nohl  zusammengestellt  hat,  in  mehr  als  einer  Beziehung  an- 
fechtbar ([.  Sammlung  1865,  II.  1867).  Hierzu  ,,Die  Grenzboten"  1866  und  Ferd.  Hiller  „Aus 
dem  Tonleben  unserer  Zeit"  L,  306  ff.  Andere  Briefpublikationen:  L.  v.  Köchel:  83  Briefe  an 
den  Erzherzog  Rudolf  (18o5).  Alfr.  Schöne:  „Briefe  von  Beethoven  an  Marie  Gräfin  Erdödy 
geb.  Gräfin  Niszky  und  Mag.  Brauchie"  (1867),  Frimmel:  „Neue  Beethoveniana"  (1886).  Kapitel 
„Briefe",  „La  Mara":  Musikerbriefe  aus  zwei  Jahrhunderten,  II.,  l  — 17.  Dieselbe:  Klassisches 
und  Romantisches  (1892,  Kapitel  ,, ungedruckte  Briefe  Beethovens";  die  meisten  waren  übrigens 
längst  bei  Thayer  gedruckt). 

Ausserdem  sind  mehrere  Dutzende  von  Beethovenbriefen  in  Zeitschriften  und  Zeitungen 
veröffentlicht,  nicht  wenige  durch  Alfr.  Chr.  Kalischer.  Hoch  an  der  Zeit  wäre  es,  eine  Gesammt- 
ausgabe  oder  wenigstens  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  Briefe  Beethovens  zu  ver- 
anstalten. Wenn  im  Text  nicht  jedesmal  genau  angegeben  wurde,  aus  welchen  Briefen  die 
Citate  genommen  sind,  so  möge  dies  des  Raummangels  wegen  entschuldigt  werden. 

Johann  Peter  Salomon.  Vergl.  die  Literatur,  die  bei  L.  Nohl  (Leben  Beethovens)  und 
Leop.  Schmidt  (Jos.  Haydn)  benutzt  ist;  ausserdem  die  Musikerlexika  und  die  Literatur,  die  sich 
an  Beethovens  Briefe  knüpft.  Salomon  ist  geboren  1745  zu  Bonn,  gestorben  im  November  1815 
zu  London.     Zum  Besuch  Salomons  in  Bonn  s.  Dies'  Haydn  und  Thayers  Beethoven. 

Zu  Kapitel  II. 

Die  Verzierung  des  Anfangsbuchstaben  bringt  eine  Ansicht  des  Stefansdomes  in  Wien. 

Ueber  die  Verhältnisse  in  Wien  zur  Zeit,  als  Beethoven  dahin  zog,  unterrichtet  eine 
reichliche  Literatur,  von  der  ich  nur  Weniges  nenne,  wie  Gottlob  Friedr.  Krebel:  Europäisches 
genealogisches  Handbuch  (1792):  „Vertraute  Briefe  zur  Charakteristik  von  Wien"  (Görlitz  1793), 
De  Luca:  Topographie  von  Wien  (1794),  „Sicheres  Adress-  und  Kundschaftsbuch  für  Einheimische 
und  Fremde"  (1796). 

Des  Besonderen  zur  Wiener  Musik  um  1792  Burney  (des  ,, milzsüchtigen")  Reisen,  Schön- 
felds Jahrb.  d.  Tonk.   1793,  Hanslick:  Gesch.  d.  Konzertwesens. 

Zur  Geschichte  des  Wiener  Kunsthändler  zu  vergl.  Frimmel:  Geschichte  der  Wiener 
Gemäldesammlungen  L  S.  32  ff.     Viele  dieser  Kunsthändler  trieben  auch  mit  Musikalien  Handel. 

Zu  Beethovens  Studien  bei  Haydn  vergl.  besonders  Nottebohm:  Beethovens  Studien  I. 
S.  21  ff.,  Thayer  I,  258  ff.  Seyfrieds  Angaben  sind  hier  insofern  unbrauchbar,  als  sie  auf  Miss- 
verständnissen beruhen.  Chr.  G.  Kalischer  in  Breslaurs  „Klavierlehrer"  1884  (S.  181  f.,  194  f.), 
Leop.  Schmidt  „Jos.  Haydn",  S.  89.  Was  Haydns  Wohnungen  betrifft,  so  folge  ich  den  brief- 
lichen und  mündlichen  Auskünften,  die  mir  Herr  Ohrfandl,  Vorstand  des  Orchestervereins  Haydn 
in  Wien,  nach  Angaben  der  Grundbücher  gegeben  hat.  Zum  Unterricht  bei  Schenck  wichtig: 
Schindler  I.  Auflage  (1840),  S.  31  f.  Otto  Jahns  Auszüge  aus  Schencks  Selbstbiographie,  ab- 
gedruckt bei  Thayer  II,  410  ff.,  Nohl:  Beethovens  Leben  II,  30  ff.  Zum  Unterricht  bei  Salieri: 
Nottebohm:  Beethovens  Studien  I;  mit  Benutzung  Mosels.  Zur  Behandlung  der  Singstimmen: 
Schindler  II,  81,  Wasielewski's  Beethoven  II,  S.  201  f.,  Nottebohm  „Zweite  Beethoveniana", 
S.  297.  Zur  „Kleinen  Singmusik"  bei  Beethoven,  La  Mara:  Musikerbriefe  II,  S.  6.  Zu 
Albrechtsberger  siehe  dessen  sämmtliche  Schriften,  herausgegeben  von  R.  v.  Seyfried  (III,  214). 

Zum  Autograph  über  den  Umfang  der  Singstimmen.  Es  ist  mir  durch  die  Freund- 
lichkeit des  Ethnographen  Felix  Kanitz  und  des  Hofraths  v.  Walcher  in  Wien  bekannt  geworden. 

Zur  Reise  nach  Berlin:  Wegeier  und  Ries,  S.  109,  und  Nachträge  S.  18  ff.,  Thayer  II, 
II  ff.  und  Alfr.  Chr.  Kalischer  „Ludwig  v.  Beethoven  in  Berlin"  (in  „Nord  und  Süd",  No- 
vember 1886). 

6* 


—     84     — 

Beethovens  ., unsterbliche  Geliebte".  Der  dreitheilige  Brief  ist  wiederholt  vollständig 
abgedruckt  worden.  Ein  Faksimile  bei  Schindler.  Die  4,  die  Beethoven  hier  schreibt,  ist  noch 
dieselbe,  wie  sie  im  Tagebuch  von  17Q2  vorkommt.  Später,  ich  habe  noch  nicht  untersucht, 
seit  welchem  Jahre,  schrieb  Beethoven  eine  andere  4.  —  Zur  Frage,  an  wen  der  Brief  gerichtet 
sei,  vergl.  besonders  Schindler,  Thayer,  L.  Nohl  (Beethovens  Leben  II,  1 25  ff.  u.  III,  894,  ferner 
„Eine  stille  Liebe  zu  Beethoven"  und  „Beethovens  Brevier",  S.  98),  Mariam  Tenger  „Beethovens 
unsterbliche  Geliebte"  (I.  und  2.  Auflage  1890),  A.  Chr.  Kalischer  ,,Die  unsterbliche  Geliebte 
Beethovens"  (in  der  Sonntagsbeilage  zur  V^ossischen  Zeitung  1891.  No.  30  und  31,  und  einem 
selbstständig  ausgegebenen  Hefte),  Leipziger  „Illustrirte  Zeitung"  (J.  J.  Webers  Verlag)  vom  6.  Juni 
1891.  Frimmel  in  den  Hamburger  Signalen  1892  und  derselbe  in  Robitscheks  Deutscher  Kunst- 
und  Musikzeitung  (1895,   15.  Februar),  wo  noch  andere  Literatur  durchgenommen  wurde. 

Beethovens  Taubheit.  Wichtig  die  Briefe  Beethovens  an  Wegeier  1800  und  1801,  sowie 
ein  langes  Schreiben  an  Amenda  aus  1801  und  Steffen  von  Breunings  Schreiben  an  Wegeier 
aus  1804  (Wegeier  und  Ries,  Nachträge  S.  10).  Thayer  und  Nohls  Beethovenbiographien  passim. 
Schindler  zeigt  das  Bestreben,  den  Zustand  Beethovens  weniger  trostlos  darzustellen,  als  er  es 
thatsächlich  war.  Beachtenswerth  Aloys  Fuchs  in  L.  A.  Frankls  Sonntagsblättern  1845,  No.  32 
und  34.  Nohl:  „Eine  stille  Liebe  zu  Beethoven",  S.  203,  212.  In  neuerer  Zeit  wurde  das 
Thema  gestreift  durch  C.  G.  Kunn  in  der  Wiener  medizinischen  Wochenschrift,  Februar  und 
März    1892. 

Die  Hörinstrumente,  die  Beethoven  benutzt  hat,  sind  erhalten,  befanden  sich  jahrelang  in 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  und  sind  vor  ungefähr  10  Jahren  als  Geschenk  des  deutschen 
Kaisers  ans  Beethovenhaus  in  Bonn  gelangt.  Ein  solches  Instrument  ist  auch  Eigenthum  der 
Wiener  Universität. 

Das  Heiligenstädter  Testament  ist  kaum  in  der  kleinsten  Beethovenbiographie  über- 
sehen. Auch  an  vollständiger  Wiedergabe  fehlt  es  nicht.  In  L.  Nohls  Briefsammlung  (I)  ist 
es  nach  der  Allg.  mus.  Zeitung  von  1827  abgedruckt,  bei  Schindler  I,  86  ff.,  Thayer  (IT,  193  ff.) 
nach  dem  Original.  Von  anderen  mehr  oder  weniger  vollständigen  Abdrucken  nenne  ich  nur 
die  bei  Marx,  bei  Langhans  in  der  „Geschichte  der  Musik"  (1887)  11,  217  f.,  bei  Ferd.  Hiller 
,,Aus  dem  Tonleben  unserer  Zeit",  Neue  Folge  1871  (S.  158  ff.)  und  in  „Schorers  Familien- 
blatt" 1889,  No.  46.  Die  Unrichtigkeiten  in  L.  A.  Frankls  ,, Sonntagsblättern"  II,  S.  374,  sind 
widerlegt  in  H.  Pohles  Hamburger  Signalen   1892. 

Das  „Pfennigmagazin",  Neue  Folge  I  (1843),  meldet,  dass  der  Violinvirtuose  Ernst  damals 
das  Original  erwarb.  Im  Mai  1891  theilte  die  (Schumann-Brendel-Kahntsche)  Neue  Zeitschrift 
für  Musik  (S.  212  ff.)  die  Wanderungen  des  Manuskripts  mit,  das  damals  durch  Vermächtniss 
der  Frau  Jenny  Lind-Goldschmidt  an  die  Hamburger  Stadtbibliothek  gelangt  war. 

Der  Einfluss  des  Klassizismus  auf  Beethoven  wird  besonders  markirt  durch  die  Er- 
wähnung Plutarchs  in  einem  Briefe  an  Wegeier  1801,  in  welchem  Schreiben  auch  Antiochus 
erwähnt  wird.  Damit  war  nach  Wegeier  die  Fügersche  Komposition  gemeint;  wie  ich  vermuthe, 
war's  das  A.  Geigersche  Blatt  von  1798  nach  Füger,  das  als  Zimmerschmuck  sehr  verbreitet 
war.  Beethovens  Hausrath  war  ebenfalls  im  klassizistischen  Stil  gehalten.  —  Für  Wien  wird  die 
Blüthe  des  Klassizismus,  der  unter  Joseph  II.  einzudringen  begann,  hauptsächlich  betont  durch 
die  Errichtung  des  Christinendenkmals  von  Canova  1805,  durch  die  Aufstellung  des  Josephs- 
denkmals 1807,  späterhin  durch  den  Bau  des  Theseustempels  1822  und  des  Burgthors  1824. 
Beethoven  machte  auch  in  der  Kleidung  die  klassizistische  Mode  mit.  Auch  sei  angemerkt,  dass 
er  auf  Homer,  Ovid,  Plinius  seine  Aufmerksamkeit  lenkte.  Hierzu  L.  Nohl  „Beethovens 
Brevier"  (1870). 

Zu  Kapitel  III. 

Das  Bildchen  beim  Anfangsbuchstaben  zeigt  den  Josephsplatz  in  Wien  mit  dem  Kaiser- 
monument  (1807  errichtet)  in  der  Mitte  und  dem  Gebäude  des  Redoutensaales  zur  Rechten,  das 
uns  an  das  grosse  Concert  zur  Zeit  des  Wiener  Congresses  erinnern  soll. 

Zum  Fidel io.  Das  Textbuch  von  1805  führt  den  Titel  „Fidelio  eine  Oper  in  zwey  (!) 
Aufzügen,  frey  nach  dem  Französischen  bearbeitet  von  Joseph  Sonnleithner.  Die  Musik  ist  von 
Ludwig  van  Beethoven.     Für  das  K.  K.  Theater  an  der  Wien.     Wien   1805,   gedruckt  und  ver- 


—     85     — 

legt  bei  Anton  Pichler."  Der  Text  selbst  weist  aber  drei  Aufzüge  auf.  Das  Heftchen  sei  denen 
empfohlen,  die  eine  Monographie  über  Fidelio  schreiben  wollen.  Bei  Thayer  (Biographie  Beethovens) 
ist  der  Anschlagzettel  mitgetheilt,  aber  das  Datum  verdruckt.  Genauere  Wiedergabe  in  Thayers 
chronolog.  Verzeichniss. 

Von  Wichtigkeit  für  die  Geschichte  des  Fidelio  sind  Schindlers,  Seyfrieds,  G.  v. 
Breunings  Angaben.  Otto  Jahns  und  Nottebohms  Forschungen  haben  in  die  verwickelte  Ge- 
schichte der  zweimal  umgestalteten  Oper  einiges  Licht  gebracht.  Fast  jede  grössere  Beethoven- 
biographie bringt  einen  mehr  oder  weniger  beachtenswerthen  Abschnitt  über  Leonore-Fidelio. 

Thayer  hat  Vieles  gesammelt,  was  er  noch  von  Zeitgenossen  Beethovens  erfahren  konnte, 
z.  B.  des  Sängers  Röckel  Erinnerungen,  die  auch  in  ausführlicher  Weise  in  der  „Gartenlaube" 
von  1868  mitgetheilt  sind  (Rudolph  Bunge:  Fidelio,  nach  persönlichen  Mittheilungen  des  Herrn 
Prof.  Joseph  Röckel).  Friedrich  Treitschkes  Mittheilungen  über  Fidelio  sind  benutzt  bei 
Thayer  und  abgedruckt  in  L.  Nohls  „Beethoven  nach  den  Schilderungen  eines  Zeitgenossen" 
(S.  77  ff.). 

Noch  immer  brauchbar  ist  die  übersichtliche  Darstellung  Otto  Jahns  im  Vorwort  zum 
vollständigen  Klavierauszug  der  zweiten  ,,Leonore"  (Leipzig  1851).  —  Zu  den  Fidelioskizzen 
vergl.  Thayer  passim.  Nohl:  Beethoven,  Liszt  und  Wagner,  S.  78  ff ,  und  besonders  Nottebohm:  Ein 
Skizzenbuch  Beethovens  aus  dem  Jahre  1803.  Ein  Skizzenblatt,  das  erst  zu  veröffentlichen  ist, 
befindet  sich  bei  Dr.  Jurie  von  Lavandal  in  Wien.  —  In  Bezug  auf  das  langsame  Eindringen 
der  Oper  ins  Verständniss  des  Pubhkums  erinnere  ich  an  Briefe  Carl  Mar.  v.  Webers  an  seinen 
Bruder.  Der  eine  Brief  von  Prag  ist  am  1.  Dezember  1814  geschrieben:  „Ich  habe  den  21. 
Fidelio  von  Beethoven  gegeben,  der  trefflich  ging;  es  sind  wahrhaft  grosse  Sachen  in  der  Musik, 
aber  —  sie  verstehens  nicht  —  man  möchte  des  Teufels  werden!"  Der  zweite  Brief  mit  einer 
ähnlichen  Klage  ist  ebenfalls  in  Prag  am  18.  März  1816  geschrieben.  (Vergl.  Nohl:  Musiker- 
briefe S  243  und  252.)  Die  Stelle  aus  Bauernfelds  Tagebuch  steht  im  „Jahrbuch  der  Grillparzer- 
gesellschaft"  1895,  S.  10.  Der  bessere  Erfolg  von  1822  lag  sicher  nicht  allein  in  der  neuen  Besetzung 
Fideho  der  Schröder  anvertraut).  Im  Mai  1809  wurde  der  Fidelio  wieder  einstudirt,  doch  unter- 
blieb die  Aufführung  der  unruhigen  Zeiten  wegen.  Geusau:  Geschichte  von  Wien  (VI,  119) 
sagt  zum  10.  und  11.  Mai:  „Früh  war  noch  fürs  Burgtheater  die  deutsche  Oper  Leonore  an- 
geschlagen; später  ward  aber  das  Zettel  wieder  abgerissen.  Auch  erschien  keine  Wiener 
Zeitung." 

Bezüglich  der  Urtheile  über  die  Oper  vergl.  Thayer  II,  292  ff.  und  402.  (Wiener  Auf- 
führungen.'; In  Paris  hatte  die  Oper  Anfangs  geringen  Erfolg.  Die  erste  Aufführung  hat  dort 
1829  in  der  Salle  Favart  stattgefunden.  Zu  den  ersten  Aufführungen  in  Berlin  (Oktober  1815) 
lesenswerth  Ludwig  Geiger:  ,, Clemens  Brentano  und  Beethoven"  in  der  Beilage  zur  Münchener 
allgemeinen  Zeitung,  29.  November  1890.  —  Zum  Text:  J.  V.  Widmann  „Bouillys  Leonore  und 
der  Text  zu  Beethovens  Fidelio"  in  der  Deutschen  Kunst-  und  Musikzeitung  1895,  No.  19  u.  20. 
Zu  den  Leonoren-Ou  verturen :  W.  v.  Lenz  ,, Kritischer  Katalog",  III.  Theil,  II. 
Periode,  S.  151  ff,  0.  Jahn  a.  a.  O,  ferner  Alb.  Levinsohn  in  der  „Allg.  musikah  Zeitung" 
1882,  No.  50,  welcher  die  gesunde  Ansicht  vertritt,  dass  die  erste  Ouvertüre  mit  "Op.  138 
identisch  ist  (anders  Thayer  und  Nottebohm),  nochmals  Levinsohn  in  der  „Vierteljahrschrift 
für  Musikfreunde",  IX.  Bd.,  1893.  Beachtenswerth  auch  Alfr.  Chr.  Kalischer  „Die  Anzahl 
der  Leonore(Fidelio)-Ouverturen  Beethovens"  in  der  Sonntagsbeilage  der  Vossischen  Zeitung 
1890,  8.  Juni  (No.  23  zu  No.  261).  Ich  mache  noch  aufmerksam  auf  Schindlers  Brief  an 
Schotts  vom  29.  September  1827. 

Zum  ganzen  Werk  noch  zu  erwähnen:  Die  Prachtausgabe  des  Rieter-Biedermannschen 
Verlages  (mit  Zeichnungen  von  Schwind  und  Gedicht  von  Paul  Heyse),  Hallberger-Ricordis 
Beethovenalbum  S.  5  ff.  siehe  auch  Gazette  des  beaux  arts  1899,  I,  135  ff.  Zu  unserem 
Facsimile  vergl.  O.  Jahn's  Ciavierauszug,  Einleitung  Seite  XI  und  No.  15  und  15a.  Der  Anfang 
von   15a  entspricht  dem  Facsimile. 

Zum  Aufenthalte  und  zur  Szene  in  Graz  im  Lichnowskyschen  Schlosse  vergl.  Wegeier 
und  Ries,  Seyfried,  Thayer,  II,  S.  312  und  320.  Die  Weiserschen  Erinnerungen  sind  in  der 
Familie  weiter  erzählt  worden.  Der  Enkel  des  Arztes  Weiser,  Gemeindeausschuss  in  Payerbach, 
theilte  sie  vor  Jahren   in  der  Deutschen  Zeitung  (Wien,  31.  August  1873)  mit    und    verschaffte 


—     86     — 

mir  Einsicht  in  die  Aufschreibungen  seines  Vaters  aus  dem  Jahre  1867.  Die  Weiserschen  Er- 
innerungen sind  in  allem  Wesentlichen  vollkommen  unverdächtig  und  vertrauenswürdig.  Kleine 
Nebensächlichkeiten,  die  in  meinem  Text  ganz  übergangen  sind,  sowie  das  irrthümliche  Verweisen 
der  Szene  in  die  Weihnachtszeit  von  1807  sind  eben  Gedächtnissfehler,  die  sich  nach  anderen 
Quellen  richtig  stellen  lassen.  Aus  einer  Mittheilung  Varnhagen  von  Enses  (Denkwürdigkeiten, 
3  Aufl.,  3.  Theil,  S.  226)  scheint  hervorzugehen,  dass  Lichnowsky  den  Künstler  mit  Gewalt 
zum  Spielen  zwingen  wollte.  Vergl.  auch  Nohl:  Eine  stille  Liebe  zu  Beethoven,  S.  87  (nach 
Beethovens  eigener  Erzählung). 

Zur  Erkrankung  an  der  Hand  vergl.  den  Brief  Beethovens  an  Oppersdor'f  (undatirt), 
der  abgedruckt  ist  in  B.  Senff's  Leipziger  Signalen  1880,  No.  46,  und  einen  Brief  Steffen  v. 
Breunings  an  Wegeier  vom  März  1808.  Wegeier  u.  Ries,  Not.,  Nachtr.  S.  13,  und  Frimmel 
,,Neue  Beethoveniana",  2.  Ausgabe,  S.  361. 

Zu  Erzherzog  Rudolph:  Er  ist  1788  geboren  und  starb  1831.  Zahlreiche  genealogische 
und  biographische  Nachschlagebücher  geben  über  ihn  Auskunft.  Erzherzog  Rudolph  war  ein  Sohn 
Kaiser  Leopolds  II.  Lebensgrosse  Bildnisse  befinden  sich  in  der  fürstbischöflichen  Residenz  zu 
Olmütz  und  im  Besitz  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien.  In  der  Wiener  Ausstellung 
für  Musik  und  Theaterwesen  von  1892  sah  man  (im  Habsburgersalon)  drei  Medaillen  auf  den 
Erzherzog  und  ein  verhältnissmässig  grosses  Miniaturbildniss,  wie  denn  auch  Proben  seiner 
musikalischen  Kompositionen  dort  zu  finden  waren. 

Zu  den  Ereignissen  von  1809:  Hormayrs  Geschichte  von  Wien  und  in  diesem  Falle 
besonders  Geusaus  entsprechendes  Werk  vergl.  auch  E.  Wertheimers  „Zur  Geschichte  Wiens  im 
Jahre  1809"  im  Archiv  für  Oesterr.  Geschichtsquellen  Bd.  47.  Der  Einzug  Napoleons  in  Schönbrunn 
am  10.  Mai  1809,  jedenfalls  nach  den  Eindrücken  von  Augenzeugen  abgebildet,  in  A.  de  Labordes 
Voyage  pittoresque  en  Autriche  III.  Bd. 

Zum  neuen  Theater  in  Pest:  Ueber  die  Theater  in  Pest  1807  vergl.  u.  A.  Pückler- 
Muskaus  Reisetagebücher  (herausgegeben  von  Ludmilla  Assing)  II,  461  ganz  abgesehen  von  der 
Pester  Ortslitteratur.  Zur  Eröffnung  1812  beachtenswerth  „Der  Sammler"  von  1812,  S.  84 
(Kotzebue,  Beethoven  und  der  Hofarchitekt  Aman  werden  genannt),  ferner  die  K.  K.  Wiener 
Zeitung  vom    19.  Februar  und  4.  März   1812.     Vergl.  auch  Thayer  IIL   170,    180  f.,    188. 

Briefe  an  Kotzebue  abgedruckt  in  der  (Wiener)  Neuen  illustrirten  Zeitung,  28.  Juli  1889. 
Beethoven  fordert  den  Dichter  auf,  ihm  einen  Operntext  zu  schreiben,  möge  die  Oper  „romantisch, 
ganz  ernsthaft,  heroisch,  komisch,  sentimental  sein,  kurzum,  wie  es  Ihnen  gefalle".  (Nach 
W.  von  Kotzebue  „Urtheile  der  Zeitgenossen  ....  über  Aug.  v.  Kotzebue"  (BerUn,  Dresden, 
W.  Baensch  1881). 

Beethovens  Verhältniss  zu  Kuffner,  behandelt  von  A.  Chr.  Kalischer  in  der  Zeitschrift 
„Euphorion"   (herausgegeb.  von  Aug.  Sauer)   1897   (III.  Ergänzungsheft). 

Bezüglich  der  Angelegenheit  Beethoven  und  Goethe  verweise  ich  auf  meine  kleine 
Monographie  (Wien  1883),  ferner  auf  die  Nachträge  zu  meinem  Buche  „Neue  Beethoveniana" 
(zweite  Ausgabe  mit  zwei  Briefen  Beethovens  an  Goethe)  endlich  auf  einen  eigenen  Artikel  in 
der  „neuen  Zeitschrift  für  Musik"  1889  No.  49.  Eine  besondere  Ungezogenheit  Beethovens 
gegen  den  Hof  ist  auch  aus  Baden  beglaubigt,  aber  nicht  veröffentlicht. 

Zum  Aufenthalte  Beethovens  in  Linz  a.  d.  D.  hauptsächlich  Thayer:  Ein  kritischer  Ver- 
such, S.   19  und  die  entsprechenden  Abschnitte  in  Thayers  Beethoven-Biographie. 

Zu  Beethovens  Thätigkeit  für  Graz  in  Steiermark  ist  besonders  der  Briefwechsel  mit 
Rath  Varena  zu  beachten  (s.  Nohls  ßriefsammlungen  und  Thayer  passim).  Einiges  bei  Thayer  III. 
Vergl.  auch  die  ,, Wiener  Zeitung"  vom  11.  April  1812,  wo  u.  A.  erwähnt  wird,  dass  der  „ruhm- 
volle Kompositor  Hr.  Beethoven"  sich  bereit  erklärt  habe:  ,,dem  Künstlervereine  für  ähnliche 
wohlthätige  Unternehmungen  nicht  nur  immer  die  neuesten  seiner  Kompositionen  im  Manuskript 
zu  übergeben,  sondern  auch  eigene  Stücke  zu  bearbeiten". 

Zu  Leonhard  Mälzl  vergl.  F.  H.  Böckh  „Wiens  lebende  Schriftsteller"  1821,  S.  385, 
Hormayrs  „.Archiv  für  Geschichte  .  ."  1830,  S.  354  ff.  (Biographie),  ferner  Jurendes  Kalender 
von  1834,  S.  6  f.  (nach  dem  polytechnischen  Journal  vom  April  1832),  Besprechung  der 
Metronome  von  Bienaime  und  Mälzel.  An  die  Metronome  knüpft  sich  viele  Literatur,  die  nur 
im    .Allgemeinen    angedeutet   wird.     Ueber  das  Verhältniss  Mälzls  zu  Beethoven  schrieb  Thayer 


—     87     — 

in  seinem  „Krit.  Versuch"  S.  10  ff.  und  in  seiner  Ikcthovcnbiographic  III,  250  ff.  WerthvoU 
sind  Schindlers  Mittheilungen.  Mäizl  war  selbst  Musiker  und  wie  es  scheint  nicht  ohne  Talent. 
Mälzl  hat  sich  viele  Mühe  gegeben,  für  den  schwerhörigen  Meister  passende  Höhrrohre  zu 
erfinden. 

Ueber  das  Verhältniss  Beethovens  zum  Grafen  Ferdinand  Palffy  gedenke  ich  eine 
Sondersludie  zu  veröffentlichen,  da  mir  ungedrucktes  archivalisches  Material  zur  Verfügung  steht. 
Ich  verdanke  es  hauptsächlich  der  Freundlichkeit  des,  seither  verstorbenen,  Geheimraths  v.  Arneth 
und  den  Bemühungen  des  Herrn  Hofraths  Dr.  Schrauf.  Die  im  Text  angeführte  Stelle  ist  aus 
einem  Aktenstück  vom  27.  November  1814  genommen. 

Zum  Wiener  Kongress:  u.  A.  die  gedruckten  Protokolle  des  Kongresses,  La  Garde  „Fetes 
et  souveniers  du  Congres  de  Vienne"  1843.  Ohne  Namen  „Feyerlichkeiten  bei  der  Rückkehr 
S.  Maj.  des  Kaisers  von  Oesterreich  nach  Wien"  (Wien  1816)  Dr.  Alois  Weissenbach  „Meine  Reise 
zum  Congress"  (Wien,  1816).  Weissenbach  stand  mit  Beethoven  im  Verkehr  und  war  dem 
Komponisten  nicht  unlieb,  vielleicht  da  er  gleich  ihm  taub  war.  Varnhagen  von  Ense:  Denk- 
würdigkeiten, 3.  Auflage,  4.  Theil,  S.  252.  („Alles  schwamm  in  Glanz  und  Festlichkeit." 
Prince  de  Ligne  sagte:  „Le  congres  danse  bien  mais  il  ne  marche  pas".  Neuestens  hat  eine 
,, Kongressausstellung"  im  österreichischen  Museum  für  Kunst  und  Industrie  zu  Wien  die  ganze 
Zeit  wieder  aufleben  gemacht,  wie  denn  auch  die  Memoiren  der  Gräfin  Elise  Bernstorff  (Berlin  1896) 
Manches  von  jenen  glänzenden  Tagen  erzählen.  Ueber  die  Ausstellung  giebt  Aufschluss  der 
umfangreiche  „Katalog  der  Wiener  Congressausstellung"  (Wien  1896)  und  ein  illustrirtes  Werk, 
das  1899  bei  Artaria  &  Cie  in  Wien  erschienen  ist.  Darin  spricht  Baron  W.  Weckbecker  auch 
von  Beethovens  Leistungen  während  des  Wieners  Kongresses. 

Zu  Kapitel  IV. 

Der  Capitelanfang  wird  durch  eine  Ansicht  aus  der  Gegend  von  Baden  bei  Wien  geziert; 
die  Bergruine  ist  die  des  Schlosses  Rauhenstein.  Beethoven  hat  viele  Sommer  in  Baden  ver- 
bracht und  in  dem  Thale,  dessen  Eingang  abgebildet  ist,  sehr  oft  componirt.  1817  schrieb 
Beethoven  an  Frau  Nanette  Streicher  nach  Baden:  „Kommen  sie  an  die  alten  Ruinen,  so  denken 
sie  cass  dort  Beethoven  oft  verweilt". 

Der  Bruder  Carl  van  Beethoven  hatte  1806  Johanna  Reiss  geheirathet,  die  wohlhabend 
aber  verschwenderisch  war.  Thayers  Beethovenbiographie  besonders  III,  506  ff",  an  verschiedenen 
Stellen,  und  chronologisches  Verzeichniss,  Vorwort.  Das  Söhnchen  Carl,  der  Neffe  des  Kom- 
ponisten, wurde  1806  geboren  (Thayer  II,  310  und  III,  513).  Ich  habe  viel  Material  über  sein 
Leben  zur  Verfügung,  an  das  sich  eine  reichliche  Literatur  knüpft,  doch  muss  ich  von  ein- 
gehenden Mittheilungen  diesmal  absehen.  —  Der  amtliche  Bescheid  für  Carl  van  Beethoven  ist 
vollständig  mitgetheilt  in  der  Neuen  Zeitschrift  für  Musik  (1889,  No.  48). 

Die  Lebensgeschichte  des  Bruders  Johann  van  Beethoven  ist  durch  Thayer  gewissenhaft 
studirt  worden.  Vergl.  hauptsächhch:  Ein  kritischer  Beitrag  zur  Beethovenliteratur.  Schindler 
ist  etw^s  auffallend  bemüht,  Joh.  van  Beethoven  in  schiefes  Licht  zu  setzen.  Indess  ist  Johanns 
knickeriges  Wesen  nicht  abzuleugnen.  Dahin  äusserte  sich  mir  gegenüber  noch  Frau  Caroline 
van  Beethoven,  die  Wittwe  des  Neffen  Carl  ungefähr  1878.  Thayer  dagegen  deutet  wieder 
Alles  zu  Gunsten  Johanns,  obwohl  dieser  ohne  jeden  Zweifel  für  Ludwigs  Grösse  ein  rein  nur 
geschäftliches  Interesse  hatte. 

Der  Beginn  schriftlicher  Konversation  dürfte  bei  Beethoven  ungefähr  in  den  Spät- 
herbst 1815  fallen.  Das  älteste  erhaltene  Heft,  wohl  das  erste,  das  Beethoven  benützt  hat,  ent- 
hält eine  Eintragung,  die  sich  nur  auf  einen  Grabstein  für  Bruder  Carl  beziehen  kann:  „eine 
Marmorplatte  in  die  Wand  gemauert  mit  goldenen  Buchstaben  als  Grabstein  deines  Bruders,  das 
kostete  vor  der  h(and)  nicht  so  viel  .  ."  (vergl.  hierzu  meine  Erörterungen  in  der  Neuen  Zeit- 
schrift für  Musik  1889,  No.  47  — ).  Das  erste  Heft  war  noch  in  grüner  Seide  gebunden.  Die 
späteren  Konversationshefte,  deren  so  viele  in  der  Berliner  Bibliothek  verwahrt  werden,  sind 
nicht  mehr  so  luxuriös  ausgestattet.  Das  grüne  Heftchen  gelangte  in  den  Besitz  der  Beet- 
hovenschen  Erben,  dann  zum  Hofkapellmeister  Riedel  nach  Braunschweig  und  zur  Gräfin 
Amadei    nach    Wien.     Es    dürfte    nach    seinem  Inhalt  ins  Jahr  1816  gehören.     Vermuthüch  hat 


—     88     — 

Beethoven  vorher  schon  geles^entHch  sich  Anworten  auf  lose  Blätter  schreiben  lassen.  Auf  keinen  Fall 
war  aber  die  schriftliche  Konversation  mit  Beethoven  vor  1815  die  gewöhnliche.  Die  Konversations- 
hefte in  Berlin  sind  zuerst  von  Schindler,  später  von  Thayer  geordnet  worden.  Viele  Andere  haben  sie 
durchgesehen.  Kalischer  hat  Vieles  daraus  veröffentlicht.  Nohl  machte  von  Einzelnem  Gebrauch 
(vergl.  besonders  „Beethoven,  Liszt  und  Wagner"  S.  114  ff.)  Eine  vollständige  Pubhkation  würde 
zwar  nicht  in  den  Salon  passen,  aber  der  Beethovenforschung  vielen  Nutzen  gewähren. 

Zum  Beethovenhause  in  Nussdorf.  Nach  einer  alten  Ueberlieferung  in  der  Familie 
Zeissl  ist  an  der  Identität  des  Hauses  No.  26  in  der  Kahlenbergerstrasse  mit  dem  Hause,  in 
welchem  Beethoven  einmal  gewohnt  hat,  nicht  zu  zweifeln.  Nur  bezüglich  der  Jahreszahl  reicht 
die  Tradition  nicht  aus.  Die  Zeisslschen  Erinnerungen  gehen  viel  weiter  zurück,  als  die  Aus- 
künfte, die  ich  selbst  ca.  1886  vom  „alten  Greiner"  erhalten  habe.  Der  „alte  Greiner",  Besitzer 
jenes  Hauses,  seither  gestorben,  hatte  als  Kind  Beethoven  noch  gekannt  und  über  ihn  allerlei 
erzählt.  Nach  Greiners  Erinnerung  hat  Beethoven  im  Hoftrakt  gewohnt.  Was  Böck-Gnadenau 
noch  1889  erfahren  konnte,  ist  von  diesem  mitgetheilt  in  ,,L.  v.  Beethoven  in  Heiligenstadt 
und  Nussdorf".  —  Das  Haus,  dessen  Schauseite  wir  abbilden,  ist  ein  nettes  Rokokogebäude, 
das    sich  im  Wesentlichen  bis  heute    unverändert  erhalten  hat. 

Zu  Beethovens  Wohnungen  vergl.  sonst  Schindler,  Breuning,  Thayer,  Nohl,  ferner 
Herrn.  Rollet,  ,, Beethoven  in  Baden"  (1870),  Frimmel,  „Beethovens  Wohnungen  in  Wien"  in  den 
Berichten  und  Mittheilungen  des  Wiener  Alterthumsvereines  für  1892.  R.  Heuberger,  „Wo  unsere 
grossen  Musiker  gewohnt  haben"  (Wiener  illustr.  E.xtrabtatt,  14.  Juli  189.5),  J.  S.  Shedlock: 
Ludwig  van  Beethoven  in  H.  Saxe  Wyndhams  ,,Reference  catalogue  of  british  and  foreigns 
Autographs  and  Manuscripts"  (1899,  nicht  im  Handel)  und  Frimmel  in  der  Neuen  freien  Presse, 
11.  August  1899  Einige  kleine  Nachträge,  die  mir  Herr  Prof.  Zeissl  in  Wien  freundlichst  zur 
Verfügung  gestellt  hat,  sollen  bei  Gelegenheit  veröffentlicht  werden. 

Zum  beabsichtigten  Requiem:  Schon  1808  scheint  Beethoven  einmal  an  die  Abfassung 
eines  solchen  gedacht  zu  haben  (Nottebohm!  Zweite  Beethoveniana).  Der  einschlägige  Brief 
Wolfmayrs  aus  dem  Frühling  1818  wurde  von  mir  veröffentlicht  in  Robitscheks  deutscher 
Kunst-  und  Musikzeitung,  XXIl,  No.  2,  vom  15.  Januar  1895.  Siehe  ausserdem  ,, Monatshefte 
für  Musikgeschichte"  1896,  No.  2  (Kalischer)  und  No.  5  (Frimmeli.  1814  besorgte  Wolfmayr 
in  Wien  Geldangelegenheiten  für  Beethoven,  wie  aus  mehreren  Briefen  Beethovens  hervorgeht, 
z.  B.  aus  einem  an  Dr.  Kanka  in  Prag  (Brief  aus  Baden  vom  14.  September  1814).  Zu 
Wolfma}^  vergl.  Redls  Handelsadressbücher  aus  der  angedeuteten  Periode.  Wolfmayr  hat  wahr- 
scheinlich im  Wiener  kaufmännischen  Verein  den  Anstoss  dazu  gegeben,  dass  Beethoven  zum 
Ehrenmitgliede  jenes  Vereines  ernannt  wurde  (Urkunde  vom  1.  Oktober  1819  in  der  Wiener 
Sammlung  Trau).  —  Die  Absicht,  nach  Kinskys  Tod  ein  Requiem  zu  komponiren,  ist  beglaubigt 
durch  eine  Holz-Linzbauersche  Ueberlieferung,  mitgetheilt  bei  Nohl:  Beethoven,  Liszt,  Wagner 
S.  111.  —  Die  Mittheilung  aus  dem  Jahre  1814  geht  auf  Tomaschek  zurück  (,,Libussa"  1846). 
Beethoven  zögerte  mit  der  Ausführung,  da  die  Angelegenheit  seines  Jahresgehalts  noch  nicht 
geordnet  war. 

Zu  Beethovens  Besuchskarte.  Eine  solche  aus  der  Zeit  gegen  1799  hat  sich  in  der 
Familie  Amenda  erhalten.  Auch  sie  bringt  nur  den  Namen,  aber  mit  französischem  Vornamen 
und  mit  kalligraphischen  Zügen  umgeben  „Louis  van  Beethoven"  (so  berichtet  Nohl  in  „Beethoven, 
Liszt,  Wagner"  S    93). 

Die  grosse  Messe,  Op.  123,  ist  viel  besprochen  worden.  Vergl.  Lenz  V,  159.  Vieles 
bei  Schindler  (in  der  Beethovenbiographie,  auch  in  ,, Beethoven  in  Paris"  S.  97,  endlich  in  der 
Polemik  mit  Dorn  aus  Anlass  einer  Probe  in  Bonn.  Lieber  die  Polemik  s.  Hirschbachs  musikalisch- 
kritisches Repertorium  I,  293,  337,  372),  Nohl  in  Beethovens  Leben,  ferner  in  Beethoven,  Liszt 
und  Wagner  S.  109,  113,  194  und  in  Nohls  Feuilleton  „Beethovens  letzter  Mäcen",  Grazer 
„Tagespost",  27.  März  1880.  In  Form  kleiner  Monographien  erschienen  die  Programme  mehrerer 
Aufführungen.  Ueber  die  Aufführung  von  1892  schrieb  Lüstner  im  ,, Rheinischen  Kurier"  vom 
10.  April  1892.  Eingehende  Besprechung  der  Komposition  bei  Wasielewski,  S.  195  ff,  und 
bei  Mar.x-Behncke  IL  341  ff.  Das  Schreiben,  welches  Beethoven  an  die  Höfe  versendete,  ist  mit- 
getheilt in  dem  Hefte  „Ludwig  van  Beethovens  missa  solemnis  op.  123",  Bonn,  Henry  &  Cohen, 
1845.     Hugues  Imbert  schrieb    für   die  ,,Independance  musicale"  (No.    19  vom   15.  Januar   1888) 


—     89     — 

über  die  grosse  Messe.  Beachtenswerth :  Alfred  Schnerich,  „Der  Messentypus  von  Haydn  bis 
Schubert",  Wien  1892.  An  die  Analysen  von  Marcel  Remy  und  Sittard  sei  erinnert.  Aus  der 
Zeitschriftenliteratur  nenne  ich  noch  Spiros  Artikel  in  Lessmanns  „Allgemeiner  Musik-Zeitung" 
(1885,  XII.  Jahrgang,  Xo.  47).  Zur  Chronologie  und  Metronomisirung,  Nottebohm :  Beethoveniana 
I  und  II.  Ueberdies  „Pressburger  Zeitung"  17.  Nov.  1891  (Batka)  und  neuestens  Richard 
Sternfeld  „Zur  Einführung  in  Beethovens  Missa  solemnis."     (Verlag  der  Harmonie,  Berlin.) 

Zur  IX.  Symphonie.  Schindler  (auch  in  „Beethoven  in  Paris",  S.  42  ff.  und  122  f.). 
Mehrere  Aufsätze  in  der  „Caecilia"  von  1827,  1828  (C.  F.  Becker,  Fröhlich  u.  A.),  Otto  Jahn, 
Gesammelte  .Aufsätze  über  Musik,  S.  226  ff.,  Richard  Wagner,  „Bericht  über  die  .Aufführung  der 
neunten  Symphonie  von  Beethoven  im  Jahre  1846  in  Dresden  (aus  meinen  Lebenserinnerungen 
ausgezogen)  nebst  Programm  dazu"  (wiederholt  abgedruckt,  vergl.  besonders  „Gesammelte 
Schriften  und  Dichtungen"  II,  S.  66  ff.),  Nohl:  Beethoven,  Liszt  und  Wagner,  S.  HOL,  117  ff. 
Leipziger  „Illustrirte  Zeitung"  (J.  J.  Weber)  vom  17.  August  1878.  Wiener  „Neue  illustrirte 
Zeitung"  1889,  S,  894.  E.  W.  Fritzschs  „Musikal.  Wochenblatt"  1890.  Wiener  Fremdenblatt 
vom  25.  März  1892  (Frimmel).  (Steinfried)  „Deutsche  Revue"  1898,  S.  348  (Kalischer). 
Breslaurs  „Klavierlehrer"  vom  15.  Dezember  1892.  .Am  wichtigsten  sind  wohl  Nottebohms 
.Mittheilungen  in  den  „Beethoveniana". 

Zu  den  Erziehungshäusern  Del  Rio  und  Blöchlinger  vergl.  hauptsächlich  „Die 
Grenzboten"  von  1857  und  L.  Nohl  „Eine  stille  Liebe  zu  Beethoven",  Frau  Pessiak-Schmerling 
in  der  Wiener  Neuen  illustr.  Zeitung  1889,  No.  30,  S.  621  f.,  und  Hamburger  Signale  1892 
S.  125,  ferner  Frimmel  „Neue  Mittheilungen  über  Beethoven"  in  der  Neuen  freien  Presse,  4. 
November   1894  (Ueberlieferungen  bei  Blöchlingers). 

Ueber  Rossinis  Erfolge  in  Wien  vergl.  Azevedos  Rossinibiographie,  Wilders  Beethoven- 
biographie, Hormayrs  „Archiv  für  Geographie,  Statistik  etc."  vom  29.  März  1822  „Einige  Nach- 
richten über  den  Lieblingskomponisten  des  jetzigen  Europas  .  .",  Schindler  II,  57,  Thayer,  Ein 
kritischer  Beitrag  S.  24  (Rossinis  Absicht,  Beethoven  zu  besuchen),  Rochlitz,  „Für  ruhige  Stunden" 
S.  14,  27  ff.,  Hanslick  „Aus  dem  Konzertsaal"  (1870)  und  die  Notizen  über  desselben  Vortrag  im 
Verein  der  Literaturfreunde  zu  Wien,  Januar  1888,  auch  desselben  „Geschichte  des  Konzertwesens 
in  Wien",  Kalischer  in  der  Neuen  Berliner  Musikzeitung,  Januar  und  Februar  1892,  Abendblatt 
der  Münchener  Allgem.  Zeitung  vom  18.  April  1895  (nach  der  Vossischen  Zeitung),  Schumann  in 
den  gesammelten  Schriften  I,  212  ,, Rossinis  Besuch  bei  Beethoven:  Der  Schmetterling  flog  dem  Adler 
in  den  Weg,  dieser  wich  aber  aus,  um  ihn  nicht  zu  zerdrücken  mit  dem  Flügelschlag."  —  Die 
kleine  Beethovenbiographie  von  Schlosser  (1828)  erzählt,  dass  Beethoven  mit  Vorliebe  gegen 
italienische  Sänger  geeifert  habe.  Diese  Abneigung  dürfte  in  den  Jahren  des  Rossinitaumels  in 
Wien  entstanden  sein. 

Besuch  Franz  Schuberts  bei  Beethoven.  Bestimmte  und  ziemlich  eingenende  Mit- 
theilungen darüber  bei  Schindler  II.  176,  Kreissles  Schubertbiographie  (S.  259  ff.)  widerspricht 
den  Schindlerschen  Angaben.  Schubert  soll  den  Meister  nicht  zu  Hause  getroffen  haben.  Viel- 
leicht haben  sich  Beethoven  und  Schubert  anderswo  getroffen.  Persönlich  aber  waren  sie  mit 
einander  bekannt.  Rochlitz  („Für  ruhige  Stunden"  II,  S.  38)  sagt  ausdrücklich,  dass  Beethoven 
mit  Schubert  über  Rochlitz  gesprochen  hat  Der  Katalog  der  Wiener  Schubertausstellung  von 
1897  (S.  10)  theilt  eine  handschriftliche  Bemerkung  J.  v.  Spauns  mit,  die  nach  1865  erst  zu 
Papier  gebracht  ist.  Danach  hätte  Schubert  nie  mit  Beethoven  gesprochen.  Dies  Hesse  sich 
recht  gut  mit  Beethovens  Taubheit  und  mit  Schindlers  Mittheilung  zusammenreimen,  die  ja  sagt, 
dass  Schubert  in  ungewöhnliche  Verlegenheit  gerathen  war.  Dass  Schubert  und  Beethoven  in 
demselben  Gasthause  verkehrt  haben,  erfährt  man  übrigens  durch  Braun  v.  Braunthal  (Nohl 
III,  682).  Zur  ganzen  Angelegenheit  auch  Beilage  zur  Münchener  allgem.  Zeitung  1898,  No.  45 
S.  4.  Schubert  war  auch  gelegentlich  in  Steiners  Musikalienladen  gleichzeitig  mit  Beethoven 
anwesend  (Hüttenbrenners  Mittheilung  bei  Thayer  III,  421). 

Zur  Bekanntschaft  Franz  Liszts  mit  Beethoven  sehr  beachtenswerth:  Bäuerles  Theater- 
zeitung vom  19.  April  und  7.  Juni  1823,  Nohl,  „Beethoven,  Liszt,  Wagner"  S.  198  ff.  Nohl, 
Beethovenbiographie  III,  901.  Wichtig  Schindler,  „Beethoven  in  Paris"  S.  71  f.,  L.  Raman,  Fr. 
Liszt  I.  S.  45  ff.,  Polemisches  in  der  Neuen  Zeitschrift  für  Musik  von  1891,  neuestens  Ilka 
Horowitz-Baranay  in  der  Fleischerschen  „Deutschen  Revue"  Juli   1898,  S.  83. 


—     90     — 

Carl  Maria  v.  Weber  hatte  sich  über  die  Eroica  1809  in  einem  chiftVirten  Artikel 
recht  unfreundlich  und  etwas  gedankenlos  witzelnd,  aber  später  freundlich  über  Beethovens 
, .Christus  am  Oelberge'',  über  die  „Chorphantasie"  und  die  „Schlachtsymphonie"  geäussert. 
Webers  Urtheil  über  Beethoven  aus  dem  Stuttgarter  Morgenblatte  von  1809  ist  benützt  von 
L.  N(ohl)    in    der    kleinen    Notiz    „Psychiatrisches    über    Beethoven"    (Augsburger  AUgem.  Ztg. 

14.  Dez.  1872,  Beil.  No.  349).  Beachtenswerth  Schindler,  „Beethoven  in  Paris"  S.  120  f.,  ferner 
Schindler,  Beethovenbiographie,  Max  M.  v.  Weber,  Weberbiographie  II.  S.  505  ff.  und  „Reise- 
briefe von  C.  M.  V.  Weber  an  seine  Gattin  Caroline,  herausgegeben  von  seinem  Enkel"  (1886), 
R.  Kleinecke,  „Ausgewählte  Schriften  von  Carl  Maria  v.  Weber",  H.  Gehrmann's  Weber- 
Biographie  (Bd.  V  der  Berühmten  Musiker.) 

Andere  zahlreiche  Besuche  bei  Beethoven  in  jenem  Lebensabschnitte  sind  besprochen 
bei  L.  Nohl,  ,, Beethoven  nach  den  Schilderungen  seiner  Zeitgenossen".  Vergl.  auch  Wasielewski  I. 
338  ff.  In  beiden  Büchern  finden  sich  Quellenangaben,  zu  denen  ich  noch  hinzufüge:  Faust 
Pachler,  „Beethoven  und  Marie  Pachler-Koschak"  (Abdruck  aus  der  neuen  Berliner  Musik- 
zeitung" 1866).  Der  Besuch  Cyprian  Potters  ist  (nach  einer  Thayerschen  Notiz)  erwähnt  bei 
Deiters  (S.  240).  Vergl.  auch  „Neue  freie  Presse"  14.  April  1899  (nach  H.  E.  Krehbiel  „Music  and 
Manners  from  Pergolese  to  Beethoven".  Zum  Besuch  Alexandre  Jean  Bouchers  vergl.  „Revue 
internationale  de  musique"  1898,  No.  1  und  „Wiener  Abendpost"  vom  16.  August  1900  (Mittheilung 
eines  Boucher'schen  Stammbuchblattes  von  1822,  in  welchem   „le  Grand  Beethoven"   erwähnt  wird). 

Zum  Verkehr  Grillparzers  mit  Beethoven  vergl.  Grillparzers  gesammelte  Schriften 
Bd.  VII.,  E.  Kastners  ,, Wiener  musikalische  Zeitung"  Mai  1887.  H.  Pohles  Hamburger  Signale 
1892.     S.   141.     Alfr.  Chr.  Kalischer,  „Grillparzer  und  Beethoven"  in  ,,Nord  und  Süd"   1891. 

Beethovens  Brief  an  Grillparzer  (nach  den  Leipziger  Signalen)  abgedruckt  in  Nohls  erster 
Briefsammlung. 

Das  Stammbuchblatt  Beethovens  aus  dem  Jahre  1821  ist  genau  nach  dem  Original 
abgedruckt    in    der  deutschen  Kunst-    und  Musikzeitung  (herausgegeben   von   Adolf  Robitschek) 

15.  März  1893  (No.  6),  wo  ich  auch  Analogien  mit  späten  Werken  Beethovens  besprochen  habe. 
Erwähnung  desselben  geschah  im  Feuilleton  der  Münchener  AUgem.  Zeitung  vom  28.  März 
1893  durch  R.  Heuberger  und  um  jene  Zeit  im  Wiener  Fremdenblatt  durch  Speidl. 

Im  Jahre  1818  hatte  Beethoven  ein  derartiges  Stammbuchblatt  für  die  Klavierspielerin 
Sczimanowska  niedergeschrieben.  Es  ist  bei  Marx-Behnke  1884  und  im  Ergänzungsbande  der 
Gesammtausgabe  abgedruckt  (1887). 

Beethovens  Geldverlegenheiten  in  jenen  Jahren  waren  offenbar  sehr  drückend. 
Schindler  erzählt  davon.  Thayer,  der  sich  grosse  Mühe  gab,  Beethovens  Geldverhältnisse 
genau  festzustellen,  hat  in  seinem  kritischen  Beitrag  einiges  Nützliche  beigebracht.  Von 
Bedeutung  für  die  Angelegenheit  ist  ein  bis  in  die  jüngste  Zeit  unbekannt  gebliebener  Brief 
Steiners  an  Beethoven  vom  29.  Dezember  1820.  Beethoven  machte  darauf  Vermerke,  die  be- 
stimmte Zahlen  nennen.  Demnach  schuldete  Beethoven  Steinern  2420  Gulden  Wiener  Währung, 
wovon  die  grössere  Hälfte  ungefähr  1816  oder  1817  aufgenommen  worden  war.  Gegen  Ende 
1820  hatte  Steiner  an  die  Schuld  erinnert,  wodurch  Beethoven  ins  Gedränge  kam.  Die  Antwort 
Beethovens  ist  mir  einstweilen  unbekannt.  Am  29.  Dezember  drängte  Steiner  wieder.  Die 
Kenntniss  dieses  Briefes,  der  sich  seit  Kurzem  in  Wien  bei  Herrn  Dr.  Vinc.  Miller  v.  Aichholz 
befindet,  verdanke  ich  der  Freundlichkeit  Richard  Heubergers.  —  Ein  anderer,  jüngst  ver- 
öffentlichter Brief,  der  sich  auf  Beethovens  Geldverlegenheiten  bezieht,  gehört  der  Frau  Regierungs- 
räthin Glossy  in  Wien.  (Vergl.  N.  f.  Presse,  23.  April  1900.)  Der  Schneider,  den  Beethoven 
bezahlen  sollte,  hiess  Lind.  Das  Briefchen  Beethovens  an  Lind  gehört  wohl  ins  Jahr  1816  oder 
1817.  Zu  beachten  auch  ein  Zettelchen,  das  Kalischer  in  den  Monatsheften  für  Musikgeschichte 
(1896,  S.  48)  mitgetheilt  hat,  wo  aber  ohne  Zweifel  Lind  statt  Kind  zu  lesen  ist. 

Zu  den  Akademien  von  1824  hauptsächlich  Schindlers  Beethoven  und  Schindlers  Briefe 
an  Moscheies  vom  11.  April  1827  (vergl.  „Aus  Moscheies  Leben"  1872,  I,  163).  Hanslick,  Ge- 
schichte des  Wiener  Konzertwesens,  S.  274,  281,  und  die  dort  benutzten  Quellen  Zu  den 
letzten  (Quartetten.  Schindler,  besonders  Lenz,  Kritischer  Katalog  II,  220  ff.,  und  Noh! 
,, Beethovens  letzter  Mäcen"  (Feuilleton  der  Grazer  Tagespost  vom  25.  und  27.  März.  1880). 
Th.  Helm  im  „musikal.  Wochenblatt"  von  E.  W.  Fritzsch,    XII.     Nohl    „Neue    Bilder    aus    dem 


—    1)1    — 

Leben  der  Musik  und  ihrer  Meister"  (1870),  S.  123  f.,  und  Musikalisches  Skizzenbuch  (1866) 
S.  268  ff.  Nottebohm:  „Beethoveniana",  nach  Register.  Zu  Jos.  Böhm,  der  1795  geboren  ist 
und  1816  nach  Wien  gekommen  war,  vergl.  die  Musiklexika,  HansUck,  „Geschichte  des  Wiener 
Konzertwesens"  und  neuestens  Andreas  Moser,  ,, Joseph  Joachim"  (1898).  Für  die  freundHche 
Mittheilung  der  Ueberiieferungen  in  der  Böhmschen  Familie  bin  ich  hauptsächlich  der  Frau 
Elisabeth  Fleischhacker  geb.  Edl.  von  Braunendahl  in  Wien  zu  Dank  verpflichtet.  Sie  hat  als 
Kind  ihren  Onkel  Jos.  Böhm  Manches  über  Beethoven  erzählen  hören.  Ich  gedenke  davon 
anderwärts  Mittheilung  zu  machen. 

Zur  beabsichtigten  X.  Symphonie  und  zu  anderen  musikahschen  Plänen  vergl.  Schindler 
in  Hirschbachs  musik.  kritischem  Rcpertorium  Bd.  I  (1844)  und  Xottebohms  Beethoveniana. 
Auch  Ferd.  Hillers  Mittheilungen  über  Beethovens  letzte  Lebenstage. 

Beethovens  Todeskrankheit  und  Ende.  Kabdebos  „Kunstchronik"  1880  nennt  Leber- 
cirrhose  als  Todeskrankheit,  womit  denn  einmal  mit  dem  herkömmlichen  Gewäsch  von  der 
,. Wassersucht"  gebrochen  war.  Wassersucht  war  nur  eines  der  auffallendsten  Symptome  bei 
Beethovens  Krankheit.  Weitere  Erörterungen  im  Feuilleton  „Beethovens  Leiden  und  Ende"  in 
der  alten  Wiener  „Presse"  vom  8.  September  1880.  S.  auch  E.  Kastners  „Musikahsche  Chro- 
nik" S.  53  und  55  Welcher  Form  von  Leberentartung  Beethoven  zum  Opfer  gefallen  ist,  wird 
die  moderne  Medizin  zu  entscheiden  haben.  Lenz  (I,  77)  lässt  Beethoven  an  ,, Undank"  sterben. 
Viel  sachgemässer  die  Bemerkung  in  George  Grove,  „Dictionary  of  music  and  musiciens"  S. 
173.  „Aus  Moscheies  Leben"  (1872,  I,  148  ff.).  Briefe  von  Rau  und  Schindler  aus  dem  März 
und  April  1827.  Zur  Chronik  jener  Tage  auch  Faust  Pachler  a.  a.  0.  und  Nohl,  Musikalisches 
Skizzenbuch. 

Beethovens  letzte  Worte  werden  verschieden  angegeben.  Schindlers  Angaben  sind 
vertrauenswürdig,  doch  spricht  er  in  der  I.  Auflage  seines  Beethoven  nicht  eigentlich  von  den 
letzten  Worten,  sondern  von  dem:  Plaudite  amici  (S  189).  Erst  in  den  späteren  Ausgaben 
geht  er  auf  die  Frage  der  letzten  Worte  ein,  die  er  so  beantwortet,  wie  oben  im  Text  an- 
gedeutet ist.  Breuning  vensucht  es,  an  Schindlers  Angaben  zu  deuteln.  Grazer  ,, Tagespost", 
23.  Oktober  1868  (Brief  Hüttenbrenners  an  A.  W.  Thayer),  mir  bekannt  durch  den  Abdruck 
bei  Xohl:  Beethoven  nach  den  Schilderungen  seiner  Zeitgenossen  S.  268.  Vergl  auch  Alfr.  Chr. 
Kalischer:  „Die  letzten  Worte  des  sterbenden  Beethoven"  in  der  „Unterhaltungsbeilage  des 
Berliner  Lokal- Anzeigers"  (4.  Mai   1894). 

Zum  Leichenbegängniss:  Breuning,  Schindler,  Mündliche  Mittheilungen  des  alten 
Klavierstimmers  Weiss,  der  als  junger  Mensch  bei  Streichers  bedienstet  war  und  Beethoven  ge- 
kannt hat,  ferner  des  Prof.  Dr.  Carl  Wedl  in  Wien,  vergl.  auch  Schimmer  ,, Geschichte  der  Stadt 
Wien"  (1844)  S  297  Noch  Anderes  bei  Nohl  in  „Beethoven  nach  den  Schilderungen  seiner 
Zeitgenossen"  (271   ff.),  Grillparzer,  Sämmtliche  Werke  (VII,  S.   118  ff.). 

Den  Einfluss  Beethovens  auf  die  hervorragendsten  Romantiker  gedenke  ich  in 
einer  besonderen  Studie  zu  behandeln.  Andeutungen  gab  ich  vor  Jahren  in  einigen  Zeitungs- 
artikeln. 

Viele  Gedichte,  die  mit  Beethoven  zusammenhängen,  sind  in  H.  J.  Landaus  „erstem 
poetischen  Beethoven-Album"  (Prag   1872)  gesammelt. 

Ueber  die  Bildnisse,  die  nach  Beethovens  Tod  geschaffen  worden  sind,  ist  manches 
Einzelne  (z.  B.  über  das  von  C.  Dake  und  über  das  Schwindsche),  doch  nichts  Zusammen- 
fassendes geschrieben  worden.  Max  Klinger  hat  seinen  Johannesfiguren  mit  Absicht  einen 
Beethovenkopf  gegeben. 

Zur  Beethovenliteratur. 

Die  erste  gedruckte  Erwähnung  Ludwig  van  Beethovens  findet  sich,  soweit  bisher  bekannt,  in 
Cramers  Magazin  der  Musik  von  1783.  (Vergl.  oben  S.  12.)  Seither  ist  die  Beethovenliteratur  zu  einer 
kleinen  Bibliothek  angewachsen,  die  Schriften  der  verschiedensten  Art  und  von  sehr  ungleicher 
Bedeutung  und  Güte  umfasst.  Unentbehrlich  sind  die  Quellenschriften  von  Wegeier ,  Ries  und 
Schindler.  Die  „Biographischen  Notizen  über  Ludwig  van  Beethoven"  von  F.  G.  Wegeier 
und  Ferdinand  Ries  (Koblenz  1838,  ein  „Nachtrag"  erschien  1845)  sind  für  die  erste  Hälfte 
des  Beethovenschen  Lebensganges  von    grösster  Bedeutung.     Für    die    zweite   Hälfte    ist  Anton 


—     92     — 

Schindlers  Beethovenbiographie  ein  wichtiger  Wegweiser,  dem  man  freilich  ]  nicht  blindlings 
folgen  dürfte.  (Die  1.  Auflage  erschien  1840,  die  4.  1871).  Andere  Mittneilungen  Schindlers 
über  Beethoven  finden  sich  in  „Beethoven  in  Paris"  und  in  zahlreichen  Artikeln  für 
Zeitschriften. 

Die  kleine  flüchtig  geschriebene  Biographie  von  Joh.  Aloys  Schlosser,  bald  nach 
Beethovens  Tode  ausgegeben,  kann  höchstens  für  einige  Einzelheiten  aus  den  letzten  Lebens- 
jahren Beethovens  mit  einiger  Zuversicht  benutzt  werden. 

Ein  fiauptwerk  ist  „Ludwig  van  Beethovens  Leben"  von  Alex.  W.  Thayer  (nach  der 
englischen  Handschrift  ins  Deutsche  übertragen  und  stellenweise  ergänzt  von  H.  Deiters, 
(1866 — 1879).  Der  Autor  hat  es  leider  bei  seinem  Tode  unvollendet  hinterlassen.  Es  reicht 
nur  bis  in  die  Zeit  des  Wiener  Kongresses  herauf.  Wie  ich  höre,  wird  es  von  Anderen 
vollendet.  Thayers  Werk  enthält  eine  überaus  werthvolle  Masse  kritisch  behandelten  Materials, 
auch  wenn  man  darin  keine  zusammenhängende  Lebensgeschichte  des  Meisters  findet.  Ein 
knapper  Auszug  aus  dem  treffiichen  Thayerschen  Material  ist  von  H.  Deiters  für  ein  Heft  der 
Walderseeschen   „Sammlung  musikalischer  \'orträge''   zusammengestellt  worden. 

Die  ehedem  viel  genannten  Arbeiten  von  Oulibitscheff  und  die  von  Lenz  verfolgen 
ganz  andere  Zwecke  als  etwa  den,  Beethovens  Leben  im  Ganzen  und  im  Einzelnen  zu  über- 
blicken. Beide  Autoren  gehen  mehr  auf  ein  Abwägen  des  ästhetischen  Werthes  an  den  Kom- 
positionen Beethovens  aus;  Lenz  bemühte  sich  überdies  um  die  Zusammenstellung  eines 
kritischen  Kataloges  der  Werke  Beethovens. 

Der  Marxsche  Beethoven  (in  mehreren  grossen  Auflagen  verbreitet  und  viel  gelesen) 
ist  im  biographischen  Theil  etwas  schwach  und  versteigt  sich  bei  der  Deutung  der  Kompositionen 
in  ganz  subjektive  Erörterungen,  die  erst  in  der  neuesten  Auflage  durch  G.  Behnke  einiger- 
massen  gemildert  sind.  Ludwig  Nohl,  im  Wesentlichen  frisch  und  geistvoll,  ein  Meister  auf 
der  neuromantischen  „Phrasenharmonika",  hat  viel  Neues  zu  Beethovens  Lebensbeschreibung 
beigebracht  und  zahlreiche  Bücher  und  Aufsätze  über  unseren  Meister  veröffentlicht.  Nicht 
Weniges  davon  ist  angefochten  worden.  Einiges  ist  werthvoll.  Die  Nohlsche  Biographie 
Beethovens  (1867 — 1877)  müsste  heute  gänzlich  umgegossen  werden,  sollte  sie  wieder  dem 
Stande  der  Forschung  entsprechen,  die  seither  nicht  geruht  hat.     Nohl  ist  aber  dahin. 

Wasielewski  (sein  Beethoven  ist  1886  erschienen)  machte  von  einigen  neuen  Funden 
Gebrauch,  schrieb  wie  ein  echter  Musiker  von  der  Sache,  ohne  zu  gleicher  Zeit  ein  vorsichtiger 
Biograph  zu  sein. 

Die  Verdienste  Nottebohms  um  die  Erforschung  des  musikalischen  Schaffens  bei 
Beethoven  sind  weit  bekannt.  Darüber  wird  Einiges  im  Verzeichniss  der  Werke  Beethovens 
mitgetheilt.  Auch  in  den  Anmerkungen,  besonders  S.  81  unten,  ist  auf  Nottebohms  Bücher  und 
Hefte  des  Besonderen  Rücksicht  genommen.  Eine  Biographie  Beethovens  ist  von  Nottebohm 
nicht    verfasst    worden,    obwohl    er  dazu  viele  Einzelheiten  in  seinen  Arbeiten    beigetragen  hat. 

Damit  ist  nur  einiges  Wichtige  angedeutet.  Die  Beethovenliteratur  weist  noch  hunderte 
von  anderen  Schriften  auf,  deren  viele  in  den  Anmerkungen  des  vorliegenden  Buches  genannt 
sind.  Eine  nach^  Möglichkeit  vollständige  Aufzählung  und  kritische  Würdigung  der  ganzen 
Literatur  wäre  zwar  recht  nützlich  und  längst  erwünscht,  gehört  aber  nicht  hierher.  Der  Eifrige 
wird  sich  indes  nach  den  gegebenen  wenigen  Anhaltspunkten  wohl  zurecht  finden. 


ANHANG. 

Beethovens  Testamente. 

1.  Das  Heiligenstädter  Testament  aus  dem  Jaiire  1802  ist  so  oft  abgedruckt  worden,  dass 
wir  hier  von  einer  neuerlichen  Wiedergabe  absehen.  Eine  Inhaltsangabe  wurde  im  Text  gegeben. 
Literaturnachweise  auf  S.  84. 

2.  Beethovens  Testament  aus  dem  Jahre  1823  (ein  Brief  an  Dr.  J.  B.  Bach  in  Wien). 

„Wien,  am  6ten  März   1823." 
„Werther  Verehrter  Freund! 

„Der  Tod  könnte  kommen,  ohne  anZufragen,  in  dem  Augenblicke  ist  keine  Zeit  ein 
gerichtl(iches)  ^)  Testament  zu  machen,  ich  zeige  ihnen  daher  durch  dieses  eigenhändig  an,  dass 
ich  meinen  geliebten  Neffen  Karl  van  Beethoven^)  zu  meinem  Universalerben  erkläre,  u(nd) 
dass  ihm  alles  ohne  Ausnahme^)  was  nur  den  Nahmen  hat  irgend*)  eines  Besitzes  von 
mir,  nach  meinem  Tode  Eigenthümlich  zugehören  soll.  —  Zu  seinem  Curator  ernenne 
ich  sie  u(nd)  Sollte  kein  anderes  Testament  folgen,  als  dieses,  so  sind  sie  zugleich  befugt  und 
gebeten,  meinem  geliebten  Neffen  K.  v.  Beethoven  einen  Vormund  auszusuchen,  —  mit  Aus- 
schluss meines  Bruders  Johann  van  Beethoven^)  —  u(nd)  ihn  nach  den  hergebrachten  gesetzen 
denselben  ZuZugeben.  dies  Schreiben  erkläre  ich  so  gültig  für  allzeit,^)  als  wäre  es  mein 
letzter  Wille  Vor  meinem  Tode  —  ich  umarme  Sie  Von  Herzen 

ihr  wahrer  Verehrer  und  Freund 

Ludwig  van  Beethoven". 

Auf  der  ersten  Seite  unten  steht  noch  ein  besonderer  Nachtrag: 

„NB  an  Capitalien  finden  sich  7  Bankactien,  was  übrigens  sich  an  Baarschaft  noch') 
findet,  wird  alles  ebenfalls  wie  B.  A  das  Seine" 

Dieser  Brief,  bei  Nohl  unvollständig  mitgetheilt  (im  Musikal.  Skizzenbuch  S.  256  und 
Neue  Briefe  Beethovens  S.  219),  wird  hier  zum  ersten  Mal  diplomatisch  getreu  abgedruckt. 
Das  Original  befindet  sich  im  Besitz  des  Herrn  Barons  Dr.  Heinr  Härdtl,  Hof-  und  Gerichtsadvokaten 
in  Wien.  Es  ist  ein  Quartbogen  geschöpften  Papiers,  von  dem  zwei  Seiten  voll  beschrieben 
sind.  Eine  Ergänzung  steht  auf  der  dritten  Seite.  Als  Wasserzeichen  bemerkt  man  den  ver- 
zierten Schild  mit  dem  Hörn  an  der  Schlinge,  eine  Marke,  die  um  jene  Zeit  sehr  verbreitet  war. 

Beachtenswerth  sind  die  vielen  Nachträge,  die  Beethoven  an  zahlreichen  Stellen  beifügte. 
Er  wollte  die  Angelegenheit  so  klar  als  möglich  machen.  Die  Abneigung  gegen  den  Bruder 
Johann  tritt  auch  hier  deutlich  hervor,  wie  im  Testament  von   1802. 

Durch  Schindler  (II,  146)  und  G.  v.  Breuning  (Aus  dem  Schwarzspanierhause  S.  106) 
erfährt  man  den  Wortlaut  eines  weiteren  (dritten)  Testaments,  das  Beethoven  am 
3.  Januar  1827  abfasste.     Dieses    Testament    erscheint  wieder    in    der    Form    eines    Briefes    an 


^)  „gerichtl"  ist  über  der  Zeile  nachgetragen. 

2)  „Karl  van  Beethoven"  über  der  Zeile  nachgetragen. 

^)  „ohne  Ausnahme"  im  Unterrande  nachgetragen. 

*)  „irgend"  über  der  Zeile  nachgetragen. 

°)  „mit  Ausschluss  .  .  .  Beethoven"  nachgetragen  mittels  ^  auf  der  dritten  Seite. 

^)  „allzeit"  über  der  Zeile  nachgetragen. 

')  „noch"  über  der  Zeile  nachgetragen. 


—     94     — 

Dr.  Bach.  Der  Neffe  blieb  Universalerbe,  Dr.  Bach  wurde  als  Curator  beibehalten,  und  zum 
Vormund  über  den  Neffen  bestimmte  Beethoven  seinen  alten  Freund,  den  Hofrath  Stephan 
V.  Breuning. 

Wie  im  Text  des  vorliegenden  Buches  erwähnt  ist,  fügte  Beethoven,  als  er  das  Ende 
herankommen  sah  (am  23.  März  1827),  noch  ein  Kodizill  bei,  in  welchem  die  Erbschaft  des 
Neffen  insofern  beschränkt  wurde,  als  dieser  nur  die  Nutzniessung  des  Nachlasses  zugesprochen 
erhielt;  das  Kapital  aber  sollte  den  ,, natürlichen  oder  testamentarischen  Erben"  des  Neffen  Karl 
gewahrt  bleiben.  Dieses  Kodizill  wurde  auf  Veranlassung  des  Freundes  Breuning  abgefasst, 
der  freilich  einen  anderen  Wortlaut  gewünscht  hatte.  Statt  der  ,  natürlichen  oder  testamen- 
tarischen Erben"  hatte  er  ,,eheHche  Nachkommen"  vorgeschlagen.  (Vergl.  auch  L.  Nohl:  Briefe 
Beethovens,  S.  342,  und  desselben  musikalisches  Skizzenbuch,  S.   287  ) 


Verzeichnis  der  Werke  Beethovens. 

Schon  zu  Lebzeiten  des  Meisters  war  man  bemüht,  katalogartige  Uebersichten  über  seine 
Werke  anzulegen  und  zu  veröffentlichen.  1819  sind  zuerst  solche  Verzeichnisse  erschienen, 
denen  in  grossen  Zwischenräumen  noch  andere  folgten.  Sie  sind  jetzt  alle  von  der  Forschung 
überholt  und  bieten  heute  nur  mehr  wenig  allgemeines  Interesse,  wie  sehr  sie  auch  für  den 
Fachmann  von  Bedeutung  sind.  Dann  erschien  1851  bei  Breitkopf  und  Härtel  ein  thematisches 
Verzeichnis,  dessen  zweite  vermehrte  .A.uflage  „zusammengestellt  und  mit  chronologisch- 
bibliographischen Anmerkungen  versehen  von  G.  Nottebohm"  1868  in  demselben  Verlage  aus- 
gegeben wurde.  Es  ist  neben  A.  W.  Thayers  Buch  ,, Chronologisches  Verzeichnis  der  Werke 
Ludwig  van  Beethovens"  (Berlin,  Ferd.  Schneider,  1865)  das  wichtigste  Nachschlagewerk  für 
Beethovens  Kompositionen.  Nicht  zu  übersehen  ist  Wilhelm  v.  Lenz,  ,, Kritischer  Katalog 
sämmtlicher  Werke  Ludwig  van  Beethovens"  (2.  verbesserte  Auflage,  Hamburg  1860),  sowie 
der  4.  Theil  der  Klavierschule  von  Carl  Czerny.  Eine  Art  Verzeichniss  ergiebt  sich  auch 
aus  der  Zusammenstellung  am  Schluss  der  einzelnen  Kapitel  in  Thayers  Beethovenbiographie 
(bis  1817).  Eine  zeitlich  geordnete  Uebersicht  wird  auch  bei  Marx-Behncke  (in  der  IV.  Auflage)  II, 
S.  508  ff.,  gegeben.  Durch  das  Erscheinen  des  Ergänzungsbandes  zur  Leipziger  Gesammt- 
ausgabe  (1887/88)  erfuhren  die  genannten  Bücher  sämmtlich  nicht  unwesentliche  Ergänzungen. 
Auch  seither  ist  manches  Neue  zu  Tage  gefördert  worden.  Demnach  kann  die  folgende  Ueber- 
sicht einige  Posten  mehr  aufweisen,  als  die  älteren  Verzeichnisse.  Gleich  anderen  Ueber- 
sichten über  Beethovens  Werke  hat  auch  das  vorliegende  mehrere  Zugeständnisse  in  Bezug  auf 
Strenge  der  Eintheilung  machen  müssen.  So  wurde  die  Chor-Symphonie  nicht  bei  den  Gesangs- 
werken eingereiht,  sondern  den  Orchesterwerken  zugewiesen.  Die  Chorphantasie  steht  unter  den 
Klavierwerken.  Ich  tröste  mich  in  solchen  Fällen  mit  der  Ueberzeugung,  dass  Beethoven  nicht 
dazu  komponirt  hat,  um  seine  Werke  bequem  eintheilen  zu  lassen.  Vollständigkeit  ist  in  Bezug 
auf  fertige  Werke  angestrebt.  Einige  ganz  kleine  Gelegenheitsskizzen  sind  weggeblieben,  wie 
denn  auch  die  Skizzen  in  Beethovens  Notirungsbüchern  vom  vorliegenden  Verzeichniss  aus- 
geschlossen sind.     Den  Werken  ohne  Opuszahl  ist  die  Note  ,,o.  Op."  beigegeben. 


A.  Instrumentalmusik. 

I.  Orchesterwerke 

1.   Symphonie 


9.  (Chorsymphonie') 


C-Dur 

Op. 

21 

D-Dur 

36 

Es-Dur 

55 

B-Dur 

60 

C-MoU 

67 

F-Dur 

68 

A-Dur 

92 

F-Dur 

93 

D-Moll 

125 

Musik  zu  einem  Ritterballet  (Jugendwerk  ohne 
Opuszahl). 

Musik  zum  Ballet  „Die  Geschöpfe  des  Pro- 
metheus" Op.  43. 

Musik  zu  Goethes  Egmont  Op.  84  (siehe  auch 
bei  Gesangsmusik). 

Wellingtons  Sieg  oder  die  Schlacht  bei 
Vittoria  Op.    91. 

Gratulationsmenuett  o.  Op. 

Triumphmarsch  zu  „Tarpcja"  o.  Op. 


üö 


12  Menuette  | 

12  deutsche  Tänze     >  o.  op. 
12  Contretänze  ' 

Ouvertüre  (zu  Prometheus,  siehe  oben), 
zu  Coriolan  Op.  62. 
„  zuLeonore  (vermuthlich  l)Op.  138. 

„  zuLeonore  (vermuthlich 2) Op.  72a. 

„  zu  Leonore  Xo.  3  Op.  72a. 

zu  Fidelio  (E-Dur)  Op.  72b. 
(zu  Egmont,  siehe  oben). 
zu     den     „Ruinen     von     Athen" 
Op.   113. 
„  „Zur  Namensfeier"  Op.   115. 

„  zu  „König  Stefan"  Op.   117. 

,,  zur  „Weihe  des  Hauses"  Op.  124. 

II.  Für  Militärmusik. 

Marsch  in  D-Dur,  o.  Op. 
Marsch  in  F-Dur,  o.  Op. 
2  Märsche    für   Militärmusik    (komponiert  zu 

einem  Caroussel  in  Laxenburg),  o.  Op. 
Marsch  in  C-Dur  für  Militärmusik,  o.  Op. 
Polonaise  für  Militärmusik,  o.  Op. 
Ecossaise  in  A-Dur  für  Militärmusik,  o.  O. 

III.  Für  Orchester  mit  konzertirenden 
Instrumenten. 

c.)  Klavier  mit  Orchester  siehe  bei  Klavier. 

ß)  Violine    mit    Orchester    siehe    bei  Streich- 
instrumente. 

IV.  Für  Streichinstrumente. 

«)  Violine  und  Orchester. 
Romanze  in  G-Dur  Op.  40. 
„    F-Dur  Op.  50. 
Concert  in  D-Dur  Op.  61. 

ß)  Violine  und  Klavier. 
(siehe  Klavier). 

Y)  Violine,  Viola  und  Violoncell. 
Trio  in  Es-Dur  Op.  3. 
Drei  Trios,  G-Dur,  D-Dur,  C-Moll  Op.  9. 
Serenade  in  D-Dur  Op.  8. 

o)  Zwei  Violinen  und  Bass. 
Sechs  ländlerische  Tänze,  o.  Op. 

a)  Zwei  Violinen,  Viola  und  Violoncell. 

(Streichquartette). 
Sechs  Quartette,  F-Dur,  G-Dur,  D-Dur,  C-Moll, 
A-Dur,  B-Dur,  Op.   18. 


Drei  Quartette,  F-Dur,  E-Moll,  C-Dur,  Op.  59. 
Quartett  Es-Dur.  Op.  74. 
„         F-Moll  Op.  95. 

Es-Dur  Op.   127. 

B-Dur  Op.   130. 

Cis-Moll  Op.   131. 

A-MoU  Op.   132. 

F-Dur  Op.    135. 
Grosse  Fuge  in  B-Dur  Op.   133. 
[Quartett  in  F-Dur,    nach    der  Sonate  Op.   14 
No.   1.] 

Q  Zwei  Violinen,  zwei  Bratschen 
und  ein  Violoncell. 

[Quintett  in  Es-Dur    Op.  4  (siehe  auch    beim 

Octett  Op.   103)  ] 
Quintett  in  C-Dur  Op.  29. 
[       „       in  C-Moll  Op.    104,    nach  dem  Trio 

Op.   1  No.  3.] 
Fuge  in  D-Dur  Op.   137. 
Satz  in  C-Dur    zu    einem  Quintett  (siehe  bei 

Klavier  „letzter  Gedanke". 

r,)  Zwei  Violinen. 
Kleine  Gelegenheitskomposition  für  A.  Boucher 
(war      bisher      ungedruckt       siehe      oben 
S.  65).     Die  Lesung   der  letzten  Noten  ist 
nicht  unbedingt  sicher. 

V.  Für  Blasinstrumente. 

Sextett  in  Es-Dur  für  2  Klarinetten,  2  Hürner 

und  2  Fagotte  Op.  71. 
Marsch    für    2    Klarinetten,     2    Hörner    und 

2  Fagotte  (o.  Op.) 
Trio   in  C-Dur    für  2  Oboen  und   1  Englisch 

Hörn  Op.  78. 
Octett  in  Es-Dur  für  2  Oboen,  2  Klarinetten, 

2   Hörner    und    2    Fagotte    Op.  103.     (Als 

Quintett  Op.  4.) 
Rondino  für  2  Oboen,  2  Klarinetten,  2  Horner 

und  2  Fagotte  (o.  Op.) 
3  Duos  für  Klarinette  und  Fagott  (o.  Op.) 
3  Equale  für  4  Posaunen  (o.  Op.) 

VI.  Für  Blasinstrumente  und  Streich- 
instrumente. 

Septett  in  Es-Dur  für  Violine,  Viola,  Violoncell, 
Contrabass,  Klarinette,  Hörn  und  Fagott 
Op.  20. 

Serenade  für  Flöte,  VioUne  und  Bratsche  Op.  25. 

Sextett  in  Es-Dur  für  2  Violinen,  Bratsche, 
Cello  und  2  Hörner  Op.  81  b. 


96     - 


VII.  Für  Klavier. 

1.    Für  Klavier  allein. 

c/.)  Zweihändig. 

Drei    Sonaten,     Es-Dur,    F-MoU    und    D-Dur 

(0.  Op.,   1781). 
Zwei  Sätze  einer  Sonate  in  C-Dur  (Jugendwerk, 

o.  Op.,  ergänzt). 
Zwei  kleine  Sonaten,  G-Dur  und  F-dur  (ohne 

Beglaubigung.     Echtheit  zweifelhaft). 
Drei    Sonaten    in  F-Moll,    A-Dur    und  C-Dur 

(Op.  2). 
Sonate  in  Es-Dur,  Op.  7. 
Drei  Sonaten,  C-Moll,  A-Dur,  D-Dur.  (Op.   10.) 
Sonate  in  C-Moll,  (Op.   13). 
Zwei  Sonaten,  E-Dur  und  G-Dur  (Op.   14). 
Sonate  in  B-Dur  (Op.  22). 

in  As-Dur  (Op.  26). 
Zwei  Sonaten,  E-Dur   und  Cis-MoU  (Op.  27). 
Sonate  in  D-Dur,  (Op.  28). 
Drei  Sonaten,  G-Dur,  D-Moll,  Es-Dur  (Op.  31). 
Zwei  Sonaten,  G-Moll,  G-Dur  Op.  49). 
Sonate  in  C-Dur  (Op.  53), 
„    F-Dur  (Op.  54). 
„    F-Moll  (Op.  57.) 
„    Fis-Dur  (Op.  78). 
„     G-Dur  (Op.  79). 
„    Es-Dur  (Op.  81a). 
„    E-Moll  (Op.  90). 
„    A-Dur  (Op.   101). 
„    B-Dur  (Op.  106). 
„    E-Dur  (Op.   109). 
„    As-Dur  (Op.   110). 
„    C-Moll  (Op.   111). 
Sieben  Bagatellen  (Op.  33). 
Zwei  Präludien  (Op.  39,  siehe  auch  bei  Orgel). 
Rondo  in  C-Dur)  ohne  Opuszahl,  Jugendwerk, 
zwar     nicht    urkundlich    beglaubigt,     aber 
höchst  wahrscheinlich  von  Beethoven,   1783 
(fehlt  im  Supplementbande  der  Gesammtaus- 
gabe). 
Zwei  Rondos,  C-Dur  und  G-Dur  (Op.  51). 
Phantasie  in  G-Moll  (Op.  77). 
Polonaise  in  C-Dur  (Op.  89). 
Neue  Bagatellen  (Op.   119). 
Sechs  Bagatellen  (Op.   126). 
Rondo    (,.Die     Wuth     über     den     verlorenen 

Groschen")  in  G-Dur  (Op.   129). 
Rondo  in  A-Dur  (Ohne  Opuszahl). 
Menuett  in  Es-Dur  (o.  Op.) 
Präludium  in  F-Moll  (o.  Op.) 
Sechs  Menuette  (o.  Op.) 
Sieben  ländlerische  Tänze  (o.  Op.) 
Sechs  ländlerische  Tänze  (o.  Op.)  Bearbeitung. 


Andante  in  F-Dur  (o.  Op.) 
Zwei  Bagatellen  (o.  Op.) 
Gelegenheitskomposition  „Für  Elise*  in  A-Moll 

(o.  Op.) 
Allegretto  in  C-Moll  (o.  Op.) 
Zwei  kleine  Klavierstücke  (Lustig  und  Traurig) 

(o.  Op.) 
Klavierstück  in  B-Dur,  sog.  ,.Derniere  pensee 

musicale  '  (o.  Op.) 
Sechs  Ecossaisen  (o.  Op.) 
Zwei  Walzer,  Es-Dur  und  D-Dur  (o.  Op.) 
Zwei  Ecossaisen,  Es-Dur  und  G-Dur  (o.  Op.) 
Allemande  in  A-Dur  (o.  Op.) 
Stammbuchblatt  für  F.  Piringer  (o.  Op.;  vergl. 

das  Facsimile    in  vorliegendem  Buche)  fehlt 

im  Supplementbande    der  Gesammtausgabe. 
Kadenzen  zu  Klavierkonzerten  (o.  Op.) 
Neun  Variationen  über  einen  Marsch  v.  Dressler 

C-Moll  (o.  Op.) 
Sechs    Variationen    über  ein    eigenes    Thema 

in  F-Dur  (Op.  34). 
Fünfzehn  Variationen   (mit    Fuge)    in   Es-Dur 

(Op.  35). 
Sechs   Variationen    über    ein    eigenes    Thema 

D-Dur  (Op.  76). 
Dreiunddreissig  Variationen  über  einen  Walzer 

von  DiabelU  in  C-Dur  (Op.   120). 
24  Variationen  in  D-Dur  (Vieni  amore)  (o.  Op.) 
13  „  ,  A-Dur  (Es  war  einmal)  (o.Op.) 

9  „  „  A-Dur  (Quant'    e  piii  hello) 

(o.  Op.) 
6  Variationen  in  G-Dur  (Nel  cor  piü  non  min) 

(o.  Op.) 
12  Variationen  in  C-Dur  (o.  Op.) 
12  „  „    A-Dur         „ 

6  „  „    F-Dur  (über  ein  Schweizer- 
lied.    Siehe  auch  bei  Harfe). 

8  Variationen  in  C-Dur  (Une  fievre  brülante). 
10  „  „  B-Dur  (La  stessa) 

7  „  „  F-Dur  (Kind,  willst  du  ruhig 
schlafen). 

8  Variationen  in  F-Dur  (Tändeln  und  Scherzen). 

6  ,,  ,,  G-Dur(eigenes  Thema). 

7  „  ,,  C-Dur  (God  save  the  King). 
5           „  „  D-Dur(Rule  Britania) 

32  „  „  C-.MoU  (eigenes  Thema). 

8  ,,  „  B-Dur    (Ich    hab    ein    kleines 
Hüttchen). 

ß)  vierhändig. 
Sonate  in  D-Dur  (Op.  6). 
Drei  Märsche  C-Dur,  Es-Dur  und  D-Dur,  Op.  45. 
Variationen    in'  C-Dur    (Thema    vom    Grafen 

Waldstein)  (o.  Op.) 
Variationen  D-Dur  („Ich  denke  Dein"). 


97 


2.  Für  Klavier  mit  Begleitung, 
a)  Klavier  und  Orchester. 
Concert  in  Es-Dur  (o.  Üp.  Jugendwerk) 
Satz    zu    einem    Konzert    in    D-Dur    (o.    Op. 
gleichfalls  Jugendwerk.) 

1.  Konzert  in  C-Dur  Op.   15. 

2.  ..         .,    B-Dur     ,.     19. 

3.  „        ..    C-Moll    .,     37. 

4 G-Dur    ..     58. 

5.        ,.        „    Es-Dur  ..     73. 

Rondo  in  B-Dur  (o.  Op.  aus  dem  Nachlasse), 
ß)  Für  Klavier,  Chor  und  Orchester. 
Phantasie  C-Moll  Op.  80. 
■)'>  Für  Klavier  und  Blasinstrumente. 
Quintett  in  Es  Dur  (Klavier,  Oboe,  Klarinette, 

Hörn  und  Fagott  Op.   16. 
Trio  für  Klavier,  Flöte  undFagott(Jugendwerk)- 
Sonate    in  F-Dur  (Klavier  und  Hörn)  Op.   17. 
Sechs  varürte  Themen  für  Klavier  allein  oder 

mit  Flöte  oder  Violine  Op.    105. 
Zehn  varürte  Themen  (ebenso)  Op.   107. 
o)  für  Klavier  und  Streichinstrumente. 
[Drei  Quartette    für  Klavier,    Geige,   Bratsche 

und  Violoncell.  Es-Dur,  D-Dur,  C-Dur  o.  Op. 

Aus  dem  Nachlass]. 
[Quartett  nach  dem  Quintett  Op.   16]. 
Drei  Trios  (Klavier,  Violine,  Violoncell)  Es-Dur, 

G-Dur,  C-Moll  Op    1. 
Zwei  Trios,  D-Dur,  Es-Dur  Op.  70 
Trio  in  B-Dur  Op.  97. 
[Trio  in  Es-Dur  —  Nachlass. 
Triosatz  in  B-Dur  —  Nachlass]. 
14  Variationen  in  Es-Dur  Op.  44. 
Variationen  in  G-Dur  (Ich  bin  der  Schneider 

Kakadu)  Op.   121a. 
3)  Für  Klavier,    Klarinette  (oder  Geige) 

und  Violoncell. 
Trio  in  B-Dur  Op.    11. 
Trio   (nach    dem   Septett  Op.  20)    in   Es-Dur 

Op.  38. 


;)  Für  Klavier  und  Geige. 

Drei  Sonaten,  D-Dur,  A-Dur,  Ks-Dur,  Op.  12. 

Sonate  in  A-MoU  Op.  23. 

Sonate  F-Dur  Op.  24. 

Drei  Sonaten,  A-Dur,  C-Moll,  G-Dur  Op.  30. 

Sonate  A-Dur  Op.  47. 

„       G-Dur     „     96. 
Varürte  Themen  Op.   105  und    107,  siehe  bei: 

Klavier  und  Blasinstrumente. 
Veriationen  in  F-Dur  (Se  vuol  ballare)  o.  Op. 
Deutscher  Tanz  o.  Op. 

-q)  für  Klavier  und  Violoncell. 

Zwei  Sonaten,   F-Dur,  G-Moll  Op.  5. 
[Sonate  A-Dur  (nach  Op.  59)  Op.  69]. 
Zwei  Sonaten,  C-Dur,  D-Dur  Op.   102. 
Variationen    in    F-Dur    (Ein    Mädchen    oder 

Weibchen)  Op    66. 
Variationen    in    G-Dur    (Thema    aus    Judas 

Maccabäus)  (o.  Op.) 
Variationen  in  Es-Dur  (Bei  Männern,  welche 

Liebe  fühlen)  (o.  Op.) 


Vm.  Für  die  Orgel. 

Zwei  Präludien  (Op.  39,   siehe   auch  bei  den 

Klavierwerken). 
Zweistimmige  Fuge  (o.  Op.). 


IX.  Für  Harfe. 

Sechs  Variationen   über   ein  Schweizerlied  in 
F-Dur  (siehe  bei:  Klavier). 


X.  Für  Mandoline. 


Sonatine  (o.  Op.) 
Adagio  (o.  Op.) 


B.  Gesangmusik. 


Oper:    ,,Fidelio"    in    drei   Bearbeitungen    Op. 

72,  72a  und  72b. 
Messen:  Messe  in  C-Dur  Op.  86. 

Messe  in  D-Dur  Op.   123. 
Szene  und  Arie  (Ah!  perfido)  Op.  65. 
Lieder  zu  Goethes  Egmont  Op.  84. 
Meeresstille  und  glückliche  Fahrt  Op.   112. 
Die  Ruinen  von  Athen  (Nachspiel  und  Marsch 
mit  Chor  Op.   113). 


Schlusschor  zum  Festspiel  „Die  Weihe  des 
Hauses"  (,,Wo  sich  die  Pulse").  Bear- 
beitung von  Op.   113. 

Chor  auf  die  verbündeten  Fürsten  („Ihr  weisen 
Gründer"),     o.  Op. 

Terzett:  Tremate  Op.   116. 

Musik  zu  König  Stephan  Op.   117. 

Elegischer  Gesang  (für  Pasqualati)  Op.   118. 

Opferlied  (von  Matthison)  Op.   121b. 

Opferlied  in  zweiter  Bearbeitung  o.  Op. 

7 


98 


Bundeslied  (von  Goethe)  Op.   122. 

Cantate:  Der  glorreiche  Augenblick  Op.   136. 

„Germanias  Wiedergeburt"  (zu  dem  Singspiele 

„Gute  Nachricht")  o.  Op. 
„Es   ist  vollbracht"   (zu  den  „Ehrenpforten") 
Lobkowitzcantate  o.  Op. 
Musik  zu  Friedr.  Dunckers  Leonore  Prohaska 

o.  Op. 
Cantate  auf  den  Tod  Kaisers  Josef  II.  o.  Op. 
„  „    die  ErhebungLeopolds  zur  Kaiser- 

würde o.  Op. 
Zwei  Arien  für  eine  Bassstimme  mit  Orchester- 
begleitung. 
Zwei  Arien    zu  Ign.  Umlaufs  Singspiel   „Die 

schöne  Schusterin". 
Arie  für  Sopran:  „Primo  amore". 
Abschiedsgesang  für  drei  Männerstimmen. 
Gesang  der  Mönche  (zu  Wilhelm  Teil). 
Musikalischer  Scherz  für  Hauschka:   „Ich  bin 

bereit". 
Canon:  Im  Arm  der  Liebe. 
„        Ta  ta  ta, 

„        Kurz  ist  der  Schmerz  (F-MoU). 
„        Kurz  ist  der  Schmerz  (F-Dur). 

Rede,  rede. 
„        Lerne  schweigen. 
„        Glück  zum  neuen  Jahr  (F-Dur). 
,,        Hoffmann. 
O  Tobias! 
„         Erster  aller  Tobiasse. 
„         Brauchle  .  .  Linke. 
„         Petrus  war   ein  Fels. 
„         Bernardus  war  ein  Sanct. 
„         Ich  küsse  Sie. 
„         Edel  sei  der  Mensch. 
„         .Schwenke  Dich. 
„         Kühl,  nicht  lau. 
„        Signore  Abbate. 
.,        Ewig  Dein. 

Ich  bitt'  dich. 
„         Glück  zum  neuen  Jahr  (Es-Dur)  (für 
Pasqualati   1815). 
Canon  :   Si  non  per   portas. 
Te  solo  adoro. 
Freundschaft. 
Glaube  und  hoffe. 
Gedenket  heute  an  Baden. 
F'reu'  dich  des  Lebens. 
Wir    irren    allesammt    und  ein  Jeder 
irret  anders. 
Canon:  Es  muss  sein. 

„        Doktor  sperrt  das  Thor  dem  Tod. 
„        Glück  fehl  dir  vor  allem,   Gesundheit 
auch  niemalcn. 


Canon:  ..Hol'  euch  der  Teufel  .  .". 

[Für  einen  Canon :  „Da  ist  das  Werk  .  ."  liegt 

kein  B.sches  Autograph  vor  ] 
Volkslieder  verschiedener  Art  in  mannigfacher 

Bearbeitung. 
25  schottische  Lieder  Op.   108. 

25  irische  Lieder  o.  Op. 
20  irische  Lieder  o.  Op 
12  irische  Lieder  o.  Op. 

26  wallisische  Lieder  o.  Op. 

12  verschiedene,  englische,  schottische  irische 

und  italienische  Volkslieder. 
[Duett  aus  Op    82  siehe  bei:  Lieder.] 


Lieder  mit  Klavierbegleitung. 


(Siehe 


An  die  Hoffnung  (von  Tiedge)  Op.  32. 

auch  bei  Op.  94). 
Adelaide  (von  Matthisson)  Op    46. 
Sechs  Lieder  (von  Geliert)  Op.  48. 
Acht  Lieder  (von  verschiedenen  Dichtern)  Op.  52. 
Sechs  Gesänge    (von  Goethe,  G.  A.  v.  Halm 

und  Reissig)  Op.   75. 
Vier  italienische  Arietten  und  ein  Duett  (von 

Metastasio)  Op.  82. 
Drei  Gesänge  (von  Goethe)  Op.  83. 
Das  Glück  der  Freundschaft  Op.  88. 
An    die  Hoffnung  (von  Tiedge)  zweite  Bear- 
beitung Op.  94. 
An  die  ferne  Geliebte  (A.  Jeitteles)  Op.  98. 
Der  Mann  von  Wort  (von  Kleinschmid)  Op.  99. 
Merkenstein  (von  Rupprecht)  erste  Bearbeitung 

o.  Op. 
Merkenstein  in   zweiter  Bearbeitung  Op.    100. 
Der  Kuss  (von  C.  F.  Weisse)  Op.   128. 
Schilderung  eines  Mädchens  o.  Op. 
An  einen  Säugling  (von  Wirths)  o.  Op. 
Abschiedsgesang     an     Wiens     Bürger 

Friedelberg),  o.  Op. 
Kriegslied  der  Oesterreicher,  mit  Chor, 

Friedelberg)  o.  Op. 
Der  freie  Mann  (von  G.  C.  Pfeffel)  o.  Op. 
Opferlied  (von  Matthisson)  o.  Op. 
Zärtliche  Liebe  (von  Herrosen). 
La  Partenza  (von  Metastasio)  o.  Op. 
Der  Wachtelschlag  (von  S.  F.  Sauter)  o.  Op. 
Als    die  Geliebte    sich    trennen   wollte;    oder 
Empfindungen   bei  Lydiens  Untreue    (nach 
dem  Französischen  von  St.  v.  Breuning). 
In  questa  tomba  oscursa  (von  Carpani). 
Andenken  (von  Matthison). 
Sehnsucht,  vier  Mal,  (von  Goethe). 
Fünf  Lieder  (von  Reissig):  Lied  aus  der  Ferne, 
Der  Liebende,  Der  Jüngling  in  der  Fremde, 
Des  Kriegers  Abschied,  Sehnsucht. 


(von 


(von 


99     — 


An  die  Geliebte,  zwei  Mal,  (von  Stoll). 

Der  Bardengeist  (von  Herrmann). 

Ruf  vom  Berge  (von  Treitschke). 

Das  Geheimnis  (von  Wessenberg). 

So  oder  so  (von  C.  Lappe). 

Resignation  (von  Paul  Gr.  v.  Haugwitz). 

Abendlied    unterm    gestirnten    Himmel    (von 

H.  Goeble). 
Seufzer    eines    Ungeliebten    und    Gegenliebe 

(von  Bürger)  o.  Op. 
Die  laute  Klage  (von  Herder)  o.  Op. 
•Gedenke  mein!  o.  Op. 


Erlkönig    (von  Goethe),   Rekonstruktion    nach 

Beethovens  Skizze,  o.  Op. 
Ich,  der  mit  flatterndem  Sinn,  o.  Op. 
Der  Gesang  der  Nachtigall,  o.  Op. 
Lied  (für  Frau  von  Weissenthurm)  o.  Op. 
Lied    aus    der  „Olympiade"  (von  Metastasio) 

o.  Op. 
An  Minna,  o.  Op. 
Trinklied,  o.  Op. 
Klage,  o.  Op. 
Elegie  auf  den  Tod  eines  Pudels,  o.  Op. 


Verbesserungen. 

In  der  zweiten  Notenzeile  auf  S.   13  ist  die  zweite  Note  der  Oberstimme  als   fis  statt  f 
zu  lesen. 

S.   16  Zeile  23  von  oben  lies  Wald  s  t  e  i  n  statt  Waldheim. 


Inhalt. 


I.  Kapitel.    Jugendjahre ' 7 

Die  Familie  van  Beethoven.  —  Die  Kindheit  des  Tonmeisters.  —  Seine  Lehrer.  — 
Zusammenhang  mit  der  Musik  der  Vorgänger.  —  Reise  nach  Wien  1787.  —  Die 
letzten  Bonner  Jahre:  Breunings,  Graf  Waldstein,  Haydn  in  Bonn,  Die  Reise 
nach  Mergentheim.1 

IL  Kapitel.    Die  ersten  Jahre  in  Wien 20 

Beethoven  kommt  nach  Wien.  —  Unterricht  bei  Jos.  Haydn,  Schenk,  Albrechts- 
berger,  Salieri.  —  Erste  Opuszahlen.  —  Erfolge  des  Klaviervirtuosen.  —  Gönner 
und  Bekannte.  —  Die  „unsterbliche  Geliebte".  —  Taubheit.  —  Heiligenstädter 
Testament.  —  Erste  Symphonien. 

III.  Kapitel.     Fidelio  —  Mittlere  Lebenszeit 35. 

Fidelio.  —  C-moll- Symphonie.  —  Erlebnisse  in  den  Jahren  1806  bis  1808.  — 
Beethoven  in  Graz.  —  Kleine  Erzählungen.  —  Die  B-dur  Symphonie.  —  Berufung 
nach  Cassel.  —  Beethoven  wird  an  Wien  gefesselt.  —  Erzherzog  Rudolf.  —  Die 
Schlacht  bei  Vittoria  und  Maelzl.  --  Nochmals  Fidelio.  —  Der  glorreiche  Augenblick. 

IV.  Kapitel.    Der  letzte  Beethoven 54. 

Familienangelegenheiten.  —  Tod  des  Bruders  Carl.  —  Vormundschaft  über  den 
Neffen.  —  Häusliche  Unordnung.  -  Rückgang  im  Schaffen.  —  Handschrift.  — 
Letzter  Stil.  —  Neue  Kräfte.  —  Missa  solemnis.  —  Die  neunte  Symphonie.  — 
Besuche.  —  Die  Akademie  des  Jahres  1824.  —  Letzte  Quartette.  —  Todeskrankheit. 

Nachhall 77 

Das  Leichenbegängniss.  —  Wirlfungen  Beethovens  auf  die  Nachwelt.  —  Charak- 
teristik des  Meisters. 

Ausführungen  und  Quellennachweise 80 

Zu  Kapitel  I S.  80 

Zu  Kapitel  II S.  83 

Zu  Kapitel  III S.  84 

Zu  Kapitel  IV S.  87 

Zur  Beethovenliteratur S.  91 

Anhang 93 

Beethovens  Testamente S.  93 

Verzeichnis  der  Werke  Beethovens S.  94 


Friiranel,   Theodor  von 
Ludwig  van  Beethoven 

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