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•1
MALERBRIEFE
••
BEITRAGE ZUR THEORIE
UND PRAXIS DER MALEREI
VON
W. OSTWALD
LEIPZIG • VERLAG VON S. HIRZEL
1904
Mb 14V
VORBEMERKUNGEN
Die nachfolgenden Briefe sind zum Teil be-
reits am Ende des vorigen und am Anfange
dieses Jahres in der wissenschaftlichen Beilage
der MiinchenerAllgemeinenZeitung erschienen.
Sie haben mir schon damals eine Anzahl brief-
licher Anfragen, Einwendungen, Bestatigungen
und anderer Mitteilungen eingebracht, die zum
Teil Anlass zu den Erweiterungen gegeben
haben, welche sich in dieser Buchausgabe vor-
finden. Ich hoffe sehr lebhaft auf weitere der-
artige Mitarbeit, insbesondere aus den Kreisen
der Berufskunstler, damit ich erfahre, nach
welchen Richtungen meine Darlegungen ge-
legentlich einer etwaigen spSteren Auflage zu
verbessem oder zu erganzen sind.
Im iibrigen bin ich mir bewusst, dass mein
Widerspruch gegen mancherlei durch das Al-
ter geheiligte Ansichten nicht verfehlen wird,
Widerspruch gegen dies Buch hervorzurufen.
Doch bin ich wohl nicht der einzige, der den
bisherigen antiquarischen und„philosophischen"
Betrieb derKunstwissenschaften unbefriedigend
III
Vorwort
findet, und an seine Stelle das wissenschaft-
liche Verfahren gesetzt zu sehen wiinscht,
durch welches allein dauerhafte Ergebnisse
bisher haben erreicht werden kdnnen, das em-
pirisch-experimentelle. Wenn dieses uns auch
nur zunSchst von der einseitigen CberschStzung
der Leistungen gewisser Kunstepochen zu be-
freien helfen wiirde, so ware allein dadurch
uniibersehbar viel fiir eine wirldiche, d.h. inner-
liche Entwicklung unserer Kunst gewonnen.
Leipzig, MUrz 1904.
W. Ostwald.
IV
INHALT
Seite
I. Physikochemische Seite der malerischen
Technik. Der Kunstler und sein Handwerk. Die
Zeichnung: VorgSnge dabei und Dauerhaftigkeit
der erzielten Produkte. Das Papier und die Fixier-
mittel I — 13
II. Warum Bleistiftzeichnungen glSnzen und
Kohlezeichnungen nicht. OberflSchenlicht und
Tiefenlicht. Farbige Stifte; Lenbach - Technik.
Pastell; seine verschiedenen Anwendungen. Mal-
griinde. Dauerhaftigkeit der Pastellbilder. DasFarb-
material und seine Grundlage 13 — 33
III. Eigenschaften des Pastells. Sein einziger
Mangel: keine durchsichtige Lasur. Selbsther-
stellung der Pastellstifte. Mischfarben. Malgrund.
Verfahren beim Arbeiten. Fizieren; Rezept zu
einem guten Fixiermittel. Zusammenfassung der
mannigfaltigen Vorziige des Pastells: es ist zur-
zeit die ausgiebigste und dauerhafteste Technik 23 — 36
IV. Farbstoffe. Untersuchung auf Verfilschung.
Beschreibung der verschiedenen Farbstoffe:
Ockerarten^ Eisenozyde, Frankfurter Schwarz^
Ultramarin, Chromozyd, Kobaltfarben, Barsrtgelb,
Preussisch Blau, Indigo, Alizarinlack, Zinnober,
Inhalt
Seite
Mennige, Chromrot, Chromgelb und -orange.
Priifung der Farbstoffe auf Lichtechtheit .... 36—46
V. Theoretisches. Decken der Farbstoffe, be-
ruhend auf Spiegelung und Lichtbrechung. Ein-
fluss des Mittels 46 — 54
VI. Grau, teurer Freund! Wirkungsweise der
Farbstoffe. Ergfinzungsfarben. Einfluss des
Mittels. Mischungen durch Addition und Sub-
traktion. Pointillieren 54 — 65
VIL Aquarell. Lasur- und Deckfarben. Binde-
mitteL Stumpfwerden beim Trocknen und die
Wirkung der Fimisse. Grosse Diinne der Farb-
schichten und daher riihrende Schwierigkeiten
und Vorteile, Zusammenfassung 65 — 75
VIII. Die Wirkung der Galle beruht auf Ober-
fliichenspannung. Das Gerinnen der Wasser-
farbe. Einfluss von zugemischtem Deckweiss:
die Wirkung triiber Mittel. Darstellung der
Femen durch triibe Ltasur. Guasche, Ein neues
Problem: der Zusammenhang zwischen Bild-
schicht und Malgrund 75 — 83
IX. Das Fresko. Seine mangelhafte Halt-
barkeit. Chemische VorgSnge dabei. Stdrungen
durch die Unterlage. Abhilfe. Chemischer Ein-
fluss des Kalkes auf die Farben. Helles Auf-
trocknen. Stiickweises Arbeiten. Bdcklins Un-
falle beim Fresko. Verwerfung dieser Technik 83—91
X. Versuchte Rettung des Fresko: Stil. Be-
steht hier in einer unfreiwilligen Beschrfinkung.
Tempera. Geheimmittel in der Malerei und
Wamung davor. Unberechtigte Cberschfitzung
der alten Rezepte. Malerische Alchemie. Kiinf-
tige Entwicklung der Technik. dlmalerei, ihre
Vorziige. Bindemittel und deren Trocknen.
VI
Inhalt
Seite
Einfluss des Luftsauerstoffs. Deck- und Ltasur-
farben in der dltechnik. Vorzfige und Nachteile
der dltechnik. Andening des Bindemittels . . 91 — 104
XI. Die Bedingungen der Dauerhaftigkeit
bei dlbildem. Abschluss des SauerstofFs von
vorn und hinten. Schollenbildung; ihre Ur-
sache und Vermeidung. Verbesserung der
Malgriinde. Trennung der mechanischen und
optischen Wirkungen. Verschiedene mogliche
Methoden 104 — 115
XII. Das Trocknen der dlfarbe und die
katalytischen Einfliisse dabei. Nachwirkungen
der Trockenmittel. Diinne Technik. Pastoses
Malen 115 — 123
XIII. Weisser Malgrund. Lasur auf weisser
und farbiger Unterlage. Geloste Farbto£fe; Dif-
fusion. Asphalt, seine Vorziige und Nach-
teile. Lacke als colloidale Farbstoffe. Cber-
gfinge 123 — 133
XIV. Umfang der Lichtskale. Der weisse
Untergrund ermoglicht den weitesten Umfang.
Leim-Gipsgrund. Farbenpracht der vlSmischen
Meister. Tiefenlicht ohne OberflsLchenlicht.
Luftverschlechterung und Luftperspektive. Ge-
maltes „Licht". Mdglichste Ausdehnung der
Skale nach der hellen Seite. Bdcklins Praxis 133—140
XV. Tempera. Verschiedene MSglichkeiten;
Beispiele dafQr. Emulsions- oder dltempera.
Malgriinde in Tempera. Die beste Technik:
das Problem ist nicht eindeutig 140 — 147
XVL Verbesserung der Mittel. Physiologi-
sche Seite der Technik. Blendungswirkungen.
Objektive Darstellung subjektiver Erscheinun-
VII
Inhalt
Seite
gen. .Nachbilder. Ausblicke auf geschicht-
liche Tatsachen. Der fleckige Himmel .... 148—156
XVII. Die Malakademie und die Urteile dar-
ilber. Die Notwendigkeit naturwissenschaft-
lichen Unterrichts. Seh- und Malfehler. Be-
wusstes Schaffen 156 — 165
VIII
I.
Lieber Freund!
Sie sprachen neulich im Anschluss an unsere
Unterhaltungen in Ihrem Atelier den Wunsch
aus, die privaten Vortrage liber malerische
Techniky zu denen Sie mich durch Ihr eifriges
und verstandnisvolles Fragen verfuhrt hatten,
Ihren Kunstgenossen allgemeiner zuganglich
gemacht zu sehen. Damit haben Sie eine
leicht ertbnende Saite in meinem Gemiit be-
nihrt, denn ich selbst danke bei meinen dilet-
tantischen Versuchen in Ihrer Kunst so vieles
der unwillkiirlich sich einstellenden Anwen-
dung meiner Wissenschaft, dass ich mich leicht
liberreden lasse, diese Dinge kdnnten auch
anderen von Nutzen sein. So lassen Sie denn
das wiederholt Besprochene nochmals Uber
sich ergehen uud verzeihen Sie einem alten
Lehrer, wenn er den durch Zufalligkeiten ge-
fiihrten Zickzackgang des freundschaftlichen
Gespraches durch einen systematischen Vor-
trag ersetzt.
Zwar kann ich nicht daran denken, das
Gesamtgebiet der malerischen Technik voU-
stsindig durchzunehmen , schon deshalb nicht,
weil ich noch nicht Gelegenheit gehabt habe,
Ostwald, Malerbriefe. Z
Physikochemisches fiber Malerei
alle bekannten Verfahren pers&nlich zu erpro-
ben. Dann aber ziehe ich auch in Betracht,
dass in verschiedenen, z. T. in jiingster Zeit
erschienenen Werken*) die chemische Seite
der Malerei in vortrefflicher Weise behandelt
wird, so dass ich vieles nur wiederholen k^nnte,
was bereits von zustSndiger Stelle dargelegt
worden ist. Neben der chemischen Seite der
Sache gibt es aber noch eine physikalische
und eine physikochemische; Sie werden es
natiirlich linden, dass ich diese mir wissen-
schaftlich nSher stehenden Betrachtungsweisen
auch in meiner Darstellung mehr zur Geltung
kommen lasse, als die rein chemische, so be-
deutungsvoU diese ist. In der Tat ist diese
letztere bereits in den besten HMnden; die „Ge-
sellschaft zur F6rderung rationeller Malver-
fahren^' in Miinchen hat schon Erhebliches ge-
leistet und wird noch viel mehr leisten konnen,
wenn sie von der zunachst beteiligten Seite,
den Kiinstlem, nur sachgemass in Anspruch
genommen wird.
Eine andere Sorge, die ich Ihnen aussprach,
dass ich schliesslich doch nur AUbekanntes er-
ortem wiirde, haben Sie mit dem Hinweis zu
beruhigen gesucht, dass es unter alien Umstan-
den fur den ausiibenden Kiinstler ein Vorteil
*) Besonders empfehlenswert ist Linke, Die Maler-
farben, Stuttgart, 1904.
Kunst und Handwerk
sei, wenn er die Dinge, die er aus t^licher
Brfahrung auszufiihren gewohnt ist, einmal im
Lichte der Wissenschaft erblicke, sei die RoUe
der Wissenschaft auch noch so bescheiden.
Das kann ich gelten lassen; ist doch die Wis-
senschaft iiberall dazu da, die Praxis zu er-
leichtem, ihdem sie erkennen IMsst, was we-
sentlich und was unwesentlich ist. Einen
anderen Einwand, der mir gelegentlich aus
Kiinstlerkreisen gemacht worden ist, m5chte
ich dagegen hier gleich bekampfen. Es ist
dies die Beftirchtung, dass durch wissenschaft-
liche Erdrterung die kiinstlerische Inspi-
ration gehemmt und das Kunst werk niichtem
gemacht v^iirde. Hier handelt es sich ja doch
zunstchst nur um das rein Handwerksmassige
der Kunst; und es scheint mir gar keinem
Zweifel unterworfen, dass ein jeder Kiinst-
ler um so freier schaffen wird, je siche-
rer er das Handwerk beherrscht. Auch
die Erfahrung spricht dafiir ; man braucht nur
eine der vielen Ver5ffentlichungen durchzu-
sehen, in denen wir Nachricht iiber die Ar-
beitsweise B5cklins erhalten. Oberall tritt
die unablassige Obung und Forschung hervor,
welche dieser grosse Meister der Phantasie
an das Handwerk seiner Kunst gewendet hat.
Mir ist es gerade umgekehrt unzweifelhaft ge-
worden, dass durch die eingehende Beschafti-
gung mit dem Material die schafFende Farben-
I*
Zeichnungen
phantasie dieses Kiinstlers hijufige Anregung
erhalten hat.
So lassen Sie sich denn die nachfolgenden
,,Selbstverst&dlichkeiten'' freundlichst ge-
fallen!
Die verschiedenen Verfahren der Malerei
unterscheiden sich nicht sowohl durch die
Natur der angewendeten FarbstofFe, als durch
die Beschaffenheit der Bindemittel, mittels
deren die FarbstofFe (im allgemeinen pulver-
f5rmige feste K5rper) auf der Unterlage fest-
gehalten werden. Vom Bindemittel hSngt
also einerseits die besondere Technik des Auf-
trages und der weiteren Behandlung ab, an-
drerseits aber auch die Wirkung der Farbe
auf das Auge und endlich die Haltbarkeit des
erzeugten Bildes. Daher werden wir in der
Folge vorzugsweise uns mit den Bindemitteln
zu beschaftigen haben.
Ohne chemisches Bindemittel werden
zunachst alle Zeichnungen im engerenSinne
hergestellt. Man erzeugt sie, indem man mit
dem in Stangen oder Stifte geformten Farb-
sto£fe die gewiinschten Linien und Flachen
ausfiihrt, wobei durch schwa'cheres und star-
keres Aufdrticken des Stiftes, bezw. durch ein-
malige oder wiederholte Behandlung der FliCche
alle Cbergange zwischen der Farbe der Unter-
Bleistiftzeichnung
lage und der des Farbsto£fes hervorgebracht
werden kdnnen.
Damit ein solches Verfahren ausftihrbar
ist, muss zunachst die Unterlage rauh sein.
Die rauhe Unterlage wirkt wie eine Feile auf
den Stift und entnimmt ihm Substanz in Ge-
stalt eines Pulvers, welches an den Stellen
liegen bleibt, liber welche der Stift gefiihrt
worden war.
Ob auf solche Weise bereits eine eini-
germassen dauerhafte Zeichnung hergestellt
werden kann, hangt von der Feinheit des
Farbpulvers ab, welches der Stift an die Un-
terlage abgibt. 1st es sehr fein, so findet
jedes Komchen in den Unebenheiten der Un-
terlage Unterkunft und Ruhe und wird durch
Schtitteln, Klopfen, auch Benihren nicht ge-
st5rt. So verhalt sich beispielsweise der
Graphit, aus dem die gew&hnlichen Blei-
stifte bestehen. Da indessen die K5rnchen
nur frei in den Unebenheiten der Unterlage
liegen, nicht aber durch irgend ein Klebemit-
tel festgehalten werden, so kSnnen sie durch
Starke oder wiederholte mechanische Bean-
spruchung verschoben, herausgeworfen, kurz
von ihrem Ort entfernt werden. Die Bleistift-
zeichnung ist somit auch dem Verwischtwer-
den xmterworfen. Hierauf beruht die Entfer-
nung der Bleistiftstriche mit Radiergummi.
Die weichen Sorten (von dunkler Farbe) wirken
Fixieren
auf Grund ihrer etwas klebrigen Beschaf-
fenheity verm&ge deren sie die K5rnchen aus
ihren Lagern herausholen. Die hMrteren Sor-
ten enthalten ausserdem Beimischungen schar-
fer Pulver, welche die Unterlage abschleifen,
auf der sich die Zeichnung befindet, und so
die K5rnchen gleichzeitig mit ihren Triigern
Oder Umgebungen entfemen.
Will man eine derartige Zeichnung unver-
wischbar machen, so muss man jedes K5mchen
an der Stelle, an der es sich befindet, fest-
kleben. Dies geschieht durch tJbergiessen
Oder Bespritzen mit irgend einem Klebsto£f.
Dieser braucht nur in sehr geringer Menge
(also in sehr verdtinnter Ldsung von i bis 5
Prozent) aufgetragen zu werden, da er nur
sehr geringe Mengen des FarbstofFes zu bin-
den hat.
£s ist hiernach leicht zu verstehen, dass
eine solche Stiftzeichnung um so leichter ver-
wischbar sein wird, und daher um so mehr
der Fixierung bedarf, je grSber das Farbpul-
ver, je weniger rauh die Unterlage und je
dicker der Auftrag ist. So ist bereits schwarze
Oder rote Kreide bedeutend weniger feink5rnig
als Graphity und am grSbsten sind die Teil-
chen der Zeichenkohle , da diese, die aus den
verkohlten W^den der Zellen des Holzes be-
steht, iiberhaupt erst durch die feilenartige Wir-
kung der Unterlage in Pulver verwandelt wird.
Dauerhaltigkeit
Die Rolle der Unterlage, als welche fast
ausschliesslich Papier dient, ist hiemach bei
Stiftzeichnungen cine doppelte. £in gewisser
Grad von Rauhigkeit ist zunachst notwendig;
je gliCtter die Oberflache ist, um so weniger
Pulver kann sie abfeilen und um so weniger
bietet sie dem Pulver Gelegenheit, sich zu
befestigen. Um hier kraftigere Ziige zu er-
zielen, muss man entsprechend starker auf-
driicken, wodurch beide Wirkungen, das Fei-
len und das Befestigen, versta'rkt werden.
Somit wird man fiir die feinsten Pulver (Blei-
stift) auch noch die glattesten Papiere anwenden
k&nnen (wenn andere Griinde dafiir Anlass ge-
ben ) und muss fiir Kreide und Kohle zuneh-
mend rauhere Papiere nehmen.
Die andere Aufgabe der Unterlage ist, als
TrSger des fertigen Kunstwerkes zu dienen.
Hierzu gehdrt ein mSglichst grosses Mass
chemischer und mechanischer Wider-
stand sfahigkeit.
Die chemische WiderstandsfMhigkeit bezieht
sich hauptsachlich auf die UnverSnderlichkeit
gegen die oxydierende Wirkung des in der
Lruft enthaltenen Sauersto£fes. Dies ist ein
Einfluss, der ohne imgew5hnliche Mittel nicht
ausgeschlossen werden kann und der daher
stets in Rechnung gesetzt werden muss. Auch
in der Folge wird er eine immer wiederkeh-
rende Beriicksichtigung beanspruchen. Die
Das Papier
reine Pflanzenfaser oder Cellulose, aus wel-
cher gutes Zeichenpapier besteht, ist siusserst
bestandig, ebenso der Lreim, mit welchem
das Papier gehartet zu werden pflegt. Dies
beweisen uns die viele Jahrhunderte alten
Papiere, die wir in Bibliotheken und Archi-
ven vorfinden. Unbestandig ist dagegen der
Holzschli£f, welcher bei dem riesig gestei-
gerten Bedarf gegenwartig den geringeren
Papieren zugesetzt wird, und zwar ist er
um so unbestandiger , je weniger chemische
Nachbehandlung er erfahren hat. Die che-
mischen Veranderungen zeigen sich einer-
seits in der gelben bis braunen Farbung,
welche derartige Papiere im Lichte (am
schnellsten natiirlich in direktem Sonnen-
licht) annehmen, andererseits in dem Verlust
an Festigkeit. Beide Vorgange, das Vergilben
und das Br5cklichwerden , tinden auch ohne
die Mitwirkung des Lichtes statt, nur viel
langsamer.
Der Kiinstler, welcher mdglichst dauer-
hafte Erzeugnisse herstellen will, wird der-
artige Papiere sorgfaltig meiden. Man kann
sie meist erkennen, wenn man einen Streifen
des zu priifenden Papieres wie ein Buchzei-
chen halb in ein Buch legt und die heraus-
ragende Seite dem direkten Sonnenlichte aus-
setzt. Einige Stunden pflegen zu geniigen,
um die Veranderungen der belichteten HsQfte
8
Pixiermittel
gegeniiber der geschiitzten bei verdachtigem
Papier erkennbar zu machen.
t)ber die mechanische Widerstandsfahigkeit
unterrichtet man sich durch einenReissversuch^
der geniigende Auskunft gibt. Blatter welche
bewegt werden, wie in Mappen usw. aufbe-
wahrte, befestigt man auf einer grdsseren Un-
terlage von steifem Papier, welche die mecha-
nischen Beanspruchungen zunachst auszuhalten
hat. Damit diese Unterlage ndtigenfalls ge-
wechselt werden kann, heftet man das Blatt
nur so weit an, dass es beim Bewegen keine
Falten bekommt, im Notfalle aber ohne Ver-
letzung leicht abgelost werden kann.
Was das Pixiermittel anlangt, so kann,
wie erwahnt, so gut wie jeder Klebsto£f die-
nen. Dieser muss in irgend einer Fliissigkeit
aufgelost sein, und hier gibt es die beiden
grossen Gruppen der wlisserigen und nicht-
wasserigen Ldsungen. Von der Wahl des
Losungsmittels hangt einigermassen die des
Bindemittels ab, da letztere sich nicht in alien
Fliissigkeiten gleich gut aufl5sen.
Am wohlfeilsten sind wasserige Pixier-
mittel; das beste Bindemittel, was Dauerhaf-
tigkeit und Unveranderlichkeit anlangt, ist Leim
(farblose Gelatine), der in ein- bis zwei-pro-
zentiger Lc5sung angewendet werden kann und
wegen des Erstarrens der Lr5sung in der KSlte
warm angewendet werden muss. Ebenso gut
TropfenbilduDg
ist arabisches Gunixni. Nur sind hier folgende
Umstande zu beachten.
Alles Papier wird durch Anfeuchten mit
Wasser stark ausgedehnt und bleibt wellig
und uneben zunick, "wenn man es ohne Sorg*
fait trocknet. Ist es an seinen Rlindem fest-
geklebty „aufgespannt", so wird es beim Trock-
nen wieder eben. Nicht aufgespanntes Papier
trocknet gleichfalls eben, wenn man es im
feuchten Zustande an einer Ecke aufhSngt
und frei trocknen lasst. Es erscheint dann
allerdings diitenformig aufgeroUt, IsCsst sich aber
voUkommen eben ausbreiten.
Bine weitere Eigentiimlichkeit des Wassers
ist seine grosse Neigung zur Tr opfenbildung,
die von seiner grossen OberflSchenspannung
herriihrt. In dieser Eigenschaft tibertrifit es
alle anderen FlOssigkeiten. Infolgedessen ha-
ben wasserige Fixiermittel Neigung, auf dem
Bilde Tropfen zu bilden, welche sich mit Farb-
staub bekleiden, ablaufen und den Farbsto£f an
falsche Stellen bringen k5nnen.
Das Mittel, diese Erscheinung zu vermei-
den, besteht darin, dass man die Oberflachen-
spannung moglichst vermindert. Dies geschieht
leicht durch ZusStze von Weingeist (lo — 30
Prozent]. Ather, Seife, Galle und viele andere
Stoffe wirken ahnlich, sind aber nicht so gut»
Ein mit diesen Sto£fen versetztes wasseriges
Fixiermittel zerfliesst auf dem Bilde und zieht
10
Andere Fixiermittel
sich gleichzeitig mehr oder weniger in das
Papier ein, womit der angestrebte Zweck er-
reicht wird.
Aus ahnlichen Ursachen erweisen sich ge-
wisse traditionell gebrauchliche Fixiermittel
wie Milchkafifee, abgestandenes Bier usw. als
anwendbar. Doch soil man solche Gemenge
nie anwenden, da sie iiberfliissige Sto£fe ent-
halten , welche leicht zu unerwiinschten
Nebenerscheinungen (Gelbwerden, Klebrigblei-
ben usw.) Anlass geben.
Nichtwasserige Fixiermittel haben den Vor-
teily das Papier nicht auszudehnen; es kann
also hernach ohne besondere Vorsicht ge-
trocknet werden. Man wendet sie daher an,
falls man das Blatt nicht aufhangen kann, wie
bei Zeichnungen in Skizzenbiichem u. dgl.
Von nichtwasserigen Losungsmitteln ist
als wohlfeilstes und bequemstes der Wein-
geist zu nennen. Wegen seiner geringen Ober-
flachenspannung benetzt er leicht die FlSche und
dringt in das Innere des Papieres ein. Das
Klebemittel, welches hier in erster Linie ge-
nannt zu werden verdient, ist der Schellack.
Man wendet ihn nach Bedarf in gebleichtem
Oder auch ungebleichtem Zustand an (im letz-
teren Falle wahlt man hellfarbige ^blonde''
Sorten) ; eine einprozentige L5sung geniigt fast
immer.
Andere L&sungsmittel kommen neben dem
II
Zerstauber
Weingeist kaum in Frage, da sie keine Vor-
zUge und "wegen Feuergefahrlicbkeit, Genich,
Kostspieligkeit u. dgl. haufig grosse Nachteile
haben. £s kann auf ihre Nennung und Be-
schreibung daher hier verzichtet virerden.
Das Auftrag en des Fixiermittels kann durch
Obergiessen nur bei solchen Bildem geschehen,
die von vomherein ziemlich fest sitzen, so dass
die Staubchen durch die Bewegung der Fliissig-
keit nicht fortgeschviremmt i^erden. In alien
anderen Fallen muss das Fixiermittel in Ge-
stalt zahlloser kleiner Trdpfchen aufgestaubt
werden. Hierzu dienen die Zerstauber , die
man aus Glas oder Metall in den Handlungen
bekommt. Am brauchbarsten sind metallene
Zerstauber in Pumpenform, die man fest auf
die Flasche mit dem Fixiermittel aufeetzt.
Die kleine OfiEnimg muss sauber gehalten wer-
den, da sie sich leicht verstopft. Man zerstSubt
zu diesem Zwecke nach dem Gebrauche etwas
reines Wasser, bezw. Weingeist durch den
Apparat.
£in Einfluss des Fixiermittels auf die Dauer-
haftigkeit des Bildes findet wegen seiner
sehr geringen Menge im allgemeinen nicht
statt. Selbst wenn das Bindemittel mit der
Zeit durch Zersetzung seine bindenden Eigen-
schaften verliert, kann schlimmstenfalls nur
der Zustand hergestellt werden, in dem sich
das Bild vor dem Fixieren befunden hatte. Die
12
Bleistift und Kohle
einzige Gefahr^ welche vermieden werden muss^
ist die Farbung des Papiers durch etwaige
Zersetzungsprodukte des Bindemittels. Bei
Anwendung von reinem Lfeim, Gummi Oder
Schellack liegt eine solche Gefahr nicht vor.
Unter alien Umstanden wird man nie mehr
von dem Bindemittel anwenden, als zum Fest-
halten des Pulvers erforderlich ist. Die not-
wendige Menge hangt von den Materialien ab
und kann leicht durch einige Versuche fest-
gestellt werden.
II.
Lrieber Freund !
Sie schreiben mir: „Ich habe mit grossem
Vergniigen die Verha'ltnisse wieder allgemein
zusammengefasst gesehen, die wir vorher nach
verschiedenenSeiten einzeln besprochen batten.
Dabei ist mir aber eine Frage eingefallen, die
ich Ihnen, glaube ich, bereits einmal gestellt
hatte, deren Beantwortung ich mich aber nicht
mehr erinnern kann. Warum sind die Blei-
stiftlinien gl'dnzend, wahrend Zeichnungen mit
Kreide oder Kohle es nicht sind?'^
Ich beantworte Ihnen diese Frage um so
lieber, als sie einen Punkt benihrt, den wir
spater immer wieder in Betracht zu ziehen
haben werden. £r betrifft die Unterscheidung
13
der beidcn Arten Lidit, widche wir von der
BfldflMcbe bei der Betracfatm^ cnipfangcn. Um
g^enan zn schen, um nvas cs nch handdt, tntte
ich Sie, ein Stfick fiavtngen Glases znr Hand
zu nehmen and das anschanlich m bcobaditen,
^Kras icli Ihnen beschreiben iverde.
VS^cnn Sic sidi znm Penster ^^cndcn and
die Glasscheibe horizontal onteriialb Aogen-
hdhe etwas vor sich halten, so haben Sie eine
Art Spiegel; Sie sehen ein amgekehrtes Bild
des Fensters and der daran befindlichen G^en-
8t£inde in den natiirlichen Farben and von der
Farbe des Glases ist nichts za sehen. Hier
wirkt also die ebene Oberflache des Glases nur
spiegelndy indem sie das Licht zuriickwirft,
welches die Oberflache trifft; von der eigenen
Farbe des Glases kommt nichts zur Wirkung.
Nun erheben Sie die Hand mit dem Glase
und halten die Scheibe senkrecht zwischen
das Auge und das Fenster: Sie sehen nunmehr
das ganze Licht , das vom Fenster kommt , in
der Farbe des Glases, und je nachdem die
^usseren Gegenstande heller und dimkler, dem
Glase ^nlich oder weniger Ithnlich geflirbt
sind, beobachten Sie Verschiedenheiten der
Lichtstltrke. Ist Ihr Glas sehr tief und rein
geflCrbt, so sind andere Unterschiede nicht
sichtbar; ist es schwach gefarbt, so bleibt noch
ein entsprechender Rest von der eigenen Farbe
der Gegenstsinde sichtbar.
14
Oberflachen- und Tiefenlicht
#
Diese einfachen und wohlbekannten £r-
scheinungen sind zwar kein ,,Urphanomen" im
Goetheschen Sinne, aber fiir unsere kiinftigen
Betrachtungen sind sie doch von grundlegender
Bedeutung. Sie lehren uns den Unterschied
zwischen dem Oberflachenlicht und dem
Tiefenlicht kennen. Von alien Flachen, also
auch von denen des Bildes, erhalten wir stets
beide Arten Licht, und die Wirkung un-
serer Bilder beruht auf der Abmessung
dieser beiden Lichtarten. Hierbei besteht
der Umstand, dass das Oberflachenlicht farb-
los ist, d. h. die Parbe des allgemeinen Lfichtes
im Raume hat. Parbiges Licht kbnnen wir
nur als Tiefenlicht herstellen, und das vom
Bilde ins Auge gelangende Licht ist um so
tiefer und reiner gefSrbt, je mehr das Tiefen-
licht das Oberflachenlicht liberwiegt. Als Sie
die farbige Glasscheibe zwischen das Auge
und das Fenster hielten, konnte gar kein Ober-
flachenlicht in Ihr Auge gelangen, well ja die
vom Fensterlicht getro£fene OberflSche vom
Auge abgewendet war. Daher haben Sie so
die tiefste und reinste Farbung erzielt, welche
Ihre Glasplatte herzugeben vermag. Man kann
auch Mischungen von Oberflachenlicht und
Tiefenlicht herstellen, doch darauf woUen wir
erst etwas spater eingehen, wenn wir diese
Tatsachen zum Verstandnis anderer maltech-
nischer Erscheinungen brauchen.
15
liJMJiilinig als was Ijiitr i if.'T"LJif n TlUttrlioi nut
Telle alle pmnDdi dcr
and bOdcn
Menge Obcrflaclicnlicbt zmuLkuriill and daher
and dcr ZeicfamlDohle sind dagcgcn onregel-
mflMyawg gestahete BrodistDde, die kcineriei
ebene OberfiaiAe faQden konnen and daher nicfat
Auch beme r k te n Sie in Du-em Briefe, dass
Bleiadftzeiclinangen nach dem Fbderen viel
^Kreniger glanzen. Dies ergibt sicli daraos, dass
beim Fixieren das Papier aafqaillt; die einzel-
nen Fasem heben sich, nefamen eine andere
Stellung ein und bringen somit auch die Gra-
phitblKttchen aus ihrer parallelen JLage; die
Folge ist eine entsprechende Venninderung
des OberfllCchenlichtes. Deshalb verandert das
Fixieren auch nicht das Aussehen der Kreide-
und Kohlezeichnungen, denn hier ist von vom-
herein keine parallele Stellung vorhanden, die
gesttfrt werden kdnnte.
Nun ktf nnen wir auch mit besserer Rustung
i6
Lenbach-Technik
unsere Betrachtung auf die Arten der Mal-
technik ausdehnen, die sich an die einfarbige
Zeichnung unmittelbar anschliessen : die far-
bige Stiftzeichnung und das PastelL
Die Zeichnung mit farbigen Stiften kann
in vielfaltiger Gestalt angewendet werden.
Unmittelbar an das eben geschilderte Ver-
fahren schliesst sich eines, das nach seinem
benihmtesten Vertreter die Lenbach-Technik
heissen mag. £s kommt darauf hinaus, dass die
mit dunklem Stift hergestellte Zeichnung durch
Einsetzung einzelner Farben belebt wird. Man
kann diese Farben mittels farbiger Stifte
(Pastellstifte) auftragen, doch ist es auch m5g-
lich, die Farbe einfach als feines Pulver mit
einem Pinsel oder Wischer aufzunehmen und
auf das Papier zu libertragen, in dessen Un-
ebenheiten sie mit dem Finger oder anderen
Hilfsmitteln eingerieben wird. Das letzte Ver-
fahren ist besser geeignet, grosse Flachen ohne
scharfe Rander zu behandeln, ersteres erm5g-
licht schsCrfere Zeichnung.
Cber das Technische dieses Verfahrens
braucht weiteres nicht gesagt zu werden, da
es auf ganz denselben Grundlagen beruht, wie
die einfache Zeichnung. Auch von der Dauer-
haftigkeit gilt das gleiche: ist das Bild gegen
mechanischeUnbilden(Reiben,Kratzen,Wischen)
geschiitzt, so hMngt seine Lebensdauer nur von
der Dauerhaftigkeit des angewendeten Farb-
Ostwald, Malerbriefe.
2
17
9
9
PartntoBc ^vird .sfuBIc i Amfcooft ygcnc D
Das Pastell im cneerai Sinne unterscfaei
mdir Oder lircniger voDat a n dj g mit Farbc be-
deckt wird. Man findet liicr wie oberall Ober-
gange. Eineraeits wird noch die Farbe des
Gimides mit benotzt and nnr die widitigsten
Telle des Bildes i^e r den voDst a n di g fivfaig ans-
gestaltet: eine Tedinik, die namentlich beim
Bildnis vielfihig angewendet wird. Andrer-
seits wird die ganze Rildflache fisuing gedeckt
tmd man stellt sich wie beim Olgemalde die
Anfgabe, die optische Erscheinung des Darge-
stellten mdglichst vollstandig wiederzogeben.
Dann kommt die Farbe des Bildgmndes nor
sekund^ zur Wirkung und darf als solche
nirgenda erscheinen. Wobl aber kann man
sie zweckgenuiss bier und da durcbscfaimmem
lassen, um besondere Wirkungen zu erzielen.
Das Material fBr die Herstellung der fieu-bigen
Pastellstifte ist Kreide, die mit den verschie-
denen Farbstoffen vermischt und unter Be-
i8
Pastell
niitzung eines wasserigen Bindemittels (Tra-
gantgummi) in St£[bchen oder Stifte geformt
wird. Das Bindemittel dient nur dazu, dem
Farbpulver Zusammenhang und die gewiinschte
Harte fiir die Handhabung zu geben, und hat
mit der Bindung der Farbe auf der BildilSche
nichts zu tun. Diese erfolgt zunachst aus-
schliesslich mechanisch in der oben geschil-
derten Weise, dass durch die feilende Wir-
kung des rauhen Bildgrundes der Stift die
Farbe in Gestalt von Pulver abgibt, welches
an den Unebenheiten des Papiers hangen
bleibt.
Mit der Aufgabe voUstandiger Deckung des
Untergrundes tritt nun beim Pastell eine
Schwierigkeit auf, die bei der Zeichnung kaum
vorhanden ist. Damit die Deckung ausreicht,
muss die Schicht des Farbpulvers eine merk-
liche Dicke haben; es miissen nicht nur die
Vertiefungen in den Unebenheiten des Unter-
grundes ausgefiillt werden, sondem auch
dessen Erhohungen miissen noch eine Schicht
des Farbpulvers tragen. Femer ist es oft not-
wendigy dass eine bereits vorhandene Farbe
durch eine dariibergetragene gedeckt wird.
Man erreicht diese Zwecke zunachst durch
die Anwendung sehr weicher Farbstifte, indem
man dem Farbteig bei der Herstellung nicht
mehr Bindemittel zusetzt, als ftir die Hand-
habung und die Vermeidung des Zerbrockelns
2*
19
Malgrund
notwendig ist. Femer aber muss eine Unter-
lage gewMhlt werden, welche einen mSglichst
reichlichenFarbauftrag ermoglicht und ihn auch
festhsilt. Hierzu dienen einerseits filzigweiche
Flachen, welche viel Farbe aufnehmen, andrer-
seitsrauhharte FlSchen, die eine besonders starke
Schleifwirkung auf den Stift ausiiben. Die
Wahl und Herstellung geeigneter Pastellgriinde
ist von diesen beiden £igenschaften abhsingig;
je nachdem die eine oder andere in den Vorder-
grund tritt, ergeben sich auch merkliche Ver-
schiedenheiten der Technik. Bin mit solchen
Stiften hergestelltes Bild ist zwar sehr emp-
findlich gegen mechanische Verletzungen —
schon der Spaziergang einer Fliege kann den
Farbauftrag in Unordnung bringen — , es kann
aber, wenn solche St5rungen durch sorgfSltiges
Einrahmen unter Glas ausgeschlossen sind,
eine sehr grosse Lebensdauer erreichen. £s
wird dies u. a. durch die Pastelle der Dres-
dener Gemaldegalerie belegt, welche mehrere
Jahrhunderte alt sind. Insbesondere fehlt auch
den Sltesten Pastellen ganz und gar der braune
„Galerieton'S der sich an fast alien Olbildern
entwickelt, und ihre Farbenfrische scheint
ganzlich unberiihrt von der Zeit zu sein.
Dies riihrt daher, dass derartige Bilder aus
reinem Farbstoff ohne Bindemittel bestehen.
Die BestMndigkeit, welche den Farbstoffen fiir
sich Oder in gegenseitigem Gemisch eigen ist.
20
Dauerhaftigkeit
kommt auch dem Pastellbilde zu, und die viel-
fachen Veranderungen, welche die Bindemittel
der Tempera- und insbesondere der Clbilder
im Laufe der Zeit erfahren, und in denen die
Ursache des langsamen Unterganges solcher
Werke liegt, sind hier ganz ausgeschlossen.
Ebenso sind chemische Wechselwirkungen
zwischen Farbstoff und Bindemittel, sowie
mechanische Storungen durch SchoUenbildung,
Reissen, Abblattern nicht moglich.
Da femer der Farbauftrag im Pastell eine
gewisse Dicke hat, so beruht jede einzelne
Farbwirkung an den verschiedenen Bildstellen
auf der Anwesenheit einer verhaltnismassig
gross en Menge Farbstoff. Selbst wenn dieser
einer langsamen Zerstorung, etwa durch den
Sauerstoff der Luft, unterliegt, so wird es beim
Pastell sehr viel langer dauern, bis das Ver-
schwinden des Farbstoff es merklich wird, als
beispielsweise bei einem Aquarellbilde, dessen
Farbwirkung auf der iiberaus diinnen Farb-
schicht beruht, welche als durchsichtiger Hauch
iiber den weissen Untergrund gelegt ist.
Dagegen ist allerdings von der anderen
Seite hervorzuheben, dass der Farbstoff des
Pastells vermoge seiner pulverigen Beschaffen-
heit dem Angriffe des Luftsauerstoffs von alien
Seiten ausgesetzt ist ; ist er daher durch diesen
angreifbar, so erfolgt der Angriff auch ver-
haltnismassig schnell. Dies zeigt sich sehr
21
ksagtn asf die F jibatcfl e
In^bcsocdere ist Krcide ^
Ubn- d»x anori^anxscfacn F aifastoflc n, den Q17-
d»x des Eiseos, Mangaos, Kcpfers nsw^
VUnmarm, dem Kobalt, den Ghromateii
Am ehesten ist noch erne ig jm w f itm ^
Kreide atif PreuMisciiblaii, das Fenocyaneisen,
zn befHrchten^ da dieses dorch bosische Stofie
unter Gelbfifrbong .'Abscheidiiiig von Eisenoxyd
ttnter Bildong eines anderen Ferrocyansalzes}
zernetzt wsrd und der kohlensaure Kalk leicht
22
Oauerhaftigkeit
unter Verlust von KohlensSure basisch wird.
Indessen scheinen die zur Reaktion erforder-
lichen Bedingungen weder bei der Herstellung
der Farbstifte, noch bei der Aufbewahrung
der Bilder einzutreten, so dass Preussischblau
auch fiir Pastell als ein bestandiger Farbstoff
angesehen werden kann.
Zieht man alle diese Umstsinde in Betracht,
so gelangt man zu dem etwas tiberraschend
erscheinenden Resultate, dass in Pastell her-
gestellte Bilder, wenn sie gegen grobe mecha-
nische Verletzungen durch Glas geschiitzt sind,
so ziemlich die dauerhaftesten Produkte
der malerischen Technik sind.
III.
Lieber Freund!
Die Ausserung in Ihrem letzten Schreiben,
dass die Pastellmalerei doch nur fur wenig
emsthafte Sachen, fur halbe Spielereien ge-
eignet sei, hat mich sehr verdrossen. Ich
meinerseits halte die Pastelltechnik fiir die
schdnste und ausgiebigste von alien, die ich
kenne. £s gibt in der Tat nur wenige Auf-
gaben, die man mit Pastell nicht 15sen konnte,
und dabei gewahrt es dem Kiinstler eine Frei-
heit, wie keine einzige andere Technik. Ich
meine, dass er bei keiner anderen Technik
23
Vorzfige des Pastells
weniger vom Material abhMngig ist, dass es
keine gibt, die so weitgehende Anderungen
eines halbfertigen Bildes gestattet, dass keine
so wenig Riicksicht bei willkiirlicher Unter-
brechung der Arbeit beansprucht; dabei geh5rt
sie, wie ich Ihnen schon entwickelt habe, zu
den dauerhaftesten, die es gibt. Kurz, wenn nicht
die Unmoglichkeit vorlage, eine durchsichtige
Lasur in Pastell zu machen, wiirde ich nicht
anstehen, es fiir das voUkommenste aller Ver-
fahren zu erklaren. Und selbst dieser Mangel
ist nicht sehr empfindlich, seitdem die Maler
auf die fast uberall vorhandene Wirkung der
Lufttnibung und des entsprechenden Luft-
lichtes aufmerksam geworden sind, derzu-
folge die mittels durchsichtiger Lasur allein
zu erzielenden Wirkungen kaum jemals erfor-
derlich sind. Triibe Lasur ist in Pastell sehr
leicht zu erzielen.
Da Sie ausserdem hinzufiigen, dass die
Auswahl der vorhandenen Farben in den kSuf-
lichen Pastellstiften die Ausfiihrung von Land-
schaften fast unmoglich mache (was ich zuzu-
geben bereit bin), so werden Sie sich schon
eine ausfiihrliche Darlegung meiner Pastell-
erfahrungen gefallen lassen miissen.
Was zunachst die kMuflichen Stifte betrifit,
so leiden sie vor alien Dingen an der Unzu-
verlassigkeit der beniitzten Farbstoffe. Hier
scheinen die unbestandigen Anilinfarben in be-
24
Herstellung der Stifte
senders umfangreichem Masse eingedrungen
zu sein, und der Kiinstler, dem es auf die
Dauer seiner Produkte ankommt, wird daher
gut tun, sieh seine Pastellstifte selbst zu
machen, und zwar aus den rohen Farben,
wie sie jeder Tiincher braucht. Dies ist eine
leichte und vergniigliche Arbeit; ich habe sie
anfangs nur getan, um die blaugrauen und
griingrauen Mischtone zu haben, die ich fur
meine Landschaften brauchte; spater aber habe
ich mir meinen ganzen Bedarf selbst gemacht.
Das Verfahren ist sehr einfach.
Man braucht zunachst eine Reibschale von
12 bis 15 cm Durchmesser und einen Vorrat
von gew3hnlicher weisser Schlemmkreide.
Dann werden 10 g Tragantgummi mit einem
halben Liter Wasser in die Wa'rme gestellt;
liber Nacht ist das Ganze zu einer gallertartigen
Masse geworden, die als Bindemittel dient.
Wir nennen diese Losung A. Fiir die an
Kreide reichen Stifte, d. h. die meisten, die
man macht, ist dies Bindemittel A meist zu
stark; man verdiinnt je einen Teil davon mit
einem und mit drei Teilen Wasser, die
erste dieser Verdiinnungen heisse B, die andere
(mit 3 Teilen Wasser) C. Die unverdiinnte
Masse A ist fiir Metallfarben (Chromgelb,
roten und griinen Zinnober und dergleichen)
gerade recht. Ockerfarben brauchen die Lf5-
sung C Oder noch eine verdiinntere; Frank-
25
. ^ ■ J - - . ,
etwa 50 g Krcidc roh wit dcr Bndwagc |^e-
dfinntCD TlragantlosDoi^ C etwa q — ^15 ccm dazo
Dna vciiiiliciljcl tic iocs wit dcm Pkstfll xu. cmrai
7ci^ ▼cm dcr iMfCKUbert dies CHusfi kilUk. 1st
setzt man Krcide 20, im andcren Falle V^as-
gleichiSniiige Masse, die man hema A nor za
fonncn brancbt. Dies kann dor^i AosroUen
nut der Hand anf einer Unteiiai^ von Zeitangs-
Oder LfOschpapier gescfaehen. ScfaSnere Stangen
aber erfaalt man, ^pirenn man den Teig ans einer
Art Spritze mit etwa blei stiftw e ilei ' C>ffiiQng
presst. Ich babe mir meine Spritze ans einer
dienstfreien Rad£abrluftpnmpe gemacbt und
damit Tausende von Stiften gepresst. Die er-
baltenen Wtirste lasst man trocknen, und zwar
ist es guty n^enn dies miter massiger Enpirar-
tnung geschiebty mid zerbricbt sie dann in
fingerlange Stiicke.
Jetzt wollen wir mis eine Reihe abgestufter
26
Abstufungen
Farbstifte, z. B. Ultramarine machen. Hierzu
wird zunMchst in der beschriebenen Weise
eine gr5ssere Menge des weissen Kreideteiges
auf Vorrat gemacht. Dann nehmen wir 50 g
Ultramarin und machen unter Zusatz des
mittleren Bindemittels B die Masse ftir die dun-
kelsten Stifte. Sind diese geformt, so stellen wir
die gleiche Menge der Masse nochmals her, neh-
men sie aus der Reibschale und teilen sie nach
dem Augenmass in zwei gleiche Teile. Die eine
Hstlfte kommt in die Reibschale zuriick; hier-
zu fiigt man eine gleiche Menge der weissen
Masse und verarbeitet nun beide so lange, bis
alle Streifen und Flecken verschwunden sind,
was auch nur wenige Minuten beansprucht. Die
Masse wird in Stifte geformt und bildet den
zweiten, helleren Ton.
Von dem Rest der reinen Ultramarinmasse
nimmt man wieder die Halfte und fiigt so viel
weisse Masse dazu, dass wieder die gleiche
Gesamtmenge entsteht, d. h. Ultramarin bildet
ein Viertel, die Kreide drei Viertel der Menge.
Dies gibt nach dem Vermischen den dritten
Ton. So fahrt man fort, indem man immer
die HSlfte des noch iibrigen Ultramarins nimmt
imd sie mit Weiss, auf 50 g ergSnzt. Zwischen
dem siebenten und zehnten Ton wird man die
Farbung der Masse so gering finden, dass eine
weitere Verdiinnung den Farbstoff nicht mehr
erkennen IMsst; dann ist die Arbeit beendet.
27
Brttcbteil ▼on den m
rate mdbt gleicfac Diffcrenzcn, sondcm
gleiche Verb^ltnissc als abercmstiiniiiaide
Abs ti i f i mg cti cmpfiiidet, Audi ivird man findm,
dass in den so crtialtenen Rdhcn wirldich die
Stufitn der HeUigkeit oder Satdgunir ^eich
weit vonetnander e n t fcrnc eiscfaeinen.
In gletcher V^eise verfiOut man mit alien
Farben^ die man anwenden wilL So erfaalt
TMtn in knrzer Zeit eine grossc Reihe von
Farbstiften* Aucb wird man bei der Leich-
tigkeit der Herstellung es bald bequem finden.
28
Mischungen
allerlei Mischungen, vor alien Dingen solche
von Ultramarin mit Schwarz, in gleicher Weise
wie die reinen Farbstoffe zu behandeln. Hier
gibt das personliche Bediirfnis des Kiinstlers
sehr bald die Richtung an, in welcher neue
Versuche zu machen sind. Man merke sich
L
die Regel, dass die Farbe auf dem fertigen
Bilde so aussieht, wie das trockene Gemisch
der Farbpulver. Beim Befeuchten mit dem
Bindemittel tritt eine Verdunkelung der Farbe
ein, die beim Trocknen wieder verschwindet
und daher nicht in Betracht kommt.
Was nun das Malen mit diesen Stiften an-
langt, so kommt sehr viel auf die Wahl des
Papiers an. Wsihrend die bisherige Anwendung
des Pastells zu leichten, skizzenartigen Bildem
in dieser Beziehung keine besonderen Anfor-
derungen stellt, muss man, wenn man GemSlde
mit voUer Bildwirkung herstellen will, ein
Papier wsQilen, welches eine recht dicke
Schicht des Farbpulvers festhalt. Fiir diesen
Zweck habe ich bisher nichts Besseres kauflich
gefunden, als das Pyramidenkornpapier (und
zwar nur Korn Nr. 3) von SchMuffelen in
Heilbronn. Man kann sich auch selbst ebenso
geeignete Griinde herstellen, doch will ich
hierauf noch nicht eingehen.
Man tragt auf dieses Papier die Farben in
breiten Flachen, ohne jede Riicksicht auf Aus-
sparen reibend und zeichnend auf und zwar
29
Maltechoik
f
nimmt man fur grosse Flfichen die Breitseite
des Stiftes. CbergSnge entstehen sehr leicht
durch grobes Cbereinanderzeichnen der Farben
und nachmaliges Verreiben mit dem Fin-
ger, den man allenfalls durch eine Gummi-
kappe schiitzen kann. Hat man die grossen
Flachen angelegt, so kann man die £in-
zelheiten nach Bedarf derart hineinsetzen,
dass man an den erforderlichen Stellen zix-
nMchst die vorhandene Farbe mit einem trocke-
nen Borstpinsel (dlpinselj von entsprechender
Grdsse fortkehrt, was gar keine Schwierigkeit
macht; auf dem Grande stehen dann die hinein-
gezeichneten Farben wie auf reinem Papier.
Auf gleiche Weise kann man ganze missfSllige
Partien beseitigen. Um eine Anschauung von
der Freiheit der Arbeit zu geben, will ich er-
w^hnen, dass ich neulich auf einem Papier,
das einigen besuchenden Damen als Grundlage
fiir ihre ersten Pastellversuche gedient hatte
und auf dem hernach noch mein kleiner Sohn
sein Urteil ilber die erzielten Leistungen schrift-
lich niedergelegt hatte, ein Bild ausgefahrt
habe, das, wie es auch sonst geraten sein mag,
von der vorangegangenen Misshandlung jeden-
falls nichts mehr erkennen IMsst.
Der Haupteinwand, den man gegen diese
sch5ne Technik erhebt, ist der des Fixierens.
Man muss zugestehen, dass jedes Fixiermittel
das Bild etwas verandert, indem dies ein wenig
30
Pizieren
dunkler und wohl auch derber wird. Cberlegt
man aber, dass es keine Technik gibt, bei
welcher nicht Verschiedenheiten zwischen dem
Aussehen der Farbe unmittelbar beim Auf-
tragen und nach dem Fertigstellen bestanden,
so liegt hierin zunachst kein ausschliesslicher
Fehler der Pastelltechnik. Da femer bei der
Leichtigkeity mit welcher sich Obergange her-
stellen lassen, das Pastell ohnedies die Gefahr
weichlicher Arbeit mit sich bringt, so wird
man in diesem natiirlichen HSrterwerden gleich-
falls keinen Nachteil erblicken. Ich habe man-
cherlei Versuche mit Fixiermitteln angestellt
und gedenke, sie noch fortzusetzen; vorlaufig
will ich das Verfahren mitteilen, das ich bis-
her als das beste bezeichnen muss.
Man libergiesst 15 g ksCufliches Casei'n mit
dreiviertel Liter Wasser, in dem 10 g kohlen-
saures Ammoniak aufgel5st worden sind, und
stellt die Masse nach ordentlichem Umschiltteln
in mSssige Warme. Das Casein zergeht bald
zu einer triiben Fliissigkeit. 1st dies geschehen,
so setzt man ein viertel Liter gewohnlichen
Weingeist dazu. Wenn man den Geruch nicht
scheut, kann man denaturierten Brennspiritus
nehmen; andemfalls nimmt man reinen Wein-
geist. Man setzt den Spiritus einzelnen kleinen
Mengen zu und schiittelt jedesmal ordentlich
um, damit sich das Casein nicht in Kliimpchen
wieder ausscheidet. Damit ist das Fixiermittel
31
Fizieren
fertig. Beim Aufbewahren entsteht meist ein
weisser Niederschlag. Man giesst die dariiber-
stehende Fliissigkeit fiir den Gebrauch ab,
ohne den Absatz aufzudihren. Fiir die
Anwendung wird sie auf das fertige Bild
mit dem Zerstauber aufgetragen. Man hat
gut acht zu geben, dass sich nirgends
Tropfen bilden, welche die OberflMche entlang
iliessen. Wo dazu Gefahr vorhanden ist, nimmt
man die Fliissigkeit durch Aufdriicken von
L5schpapier fort; ein gewohnlicher L5sch-
driicker leistet hierftir gute Dienste. 1st alles
gleichfbrmig befeuchtet, was man an der dunk-
len Farbe und beim seitlichen Daraufsehen an
dem beginnenden Glanz erkennen kann, so
IMsst man das Bild , an einer Ecke aufgehangt,
trocknen. Noch besser ist, sich das Papier von
vornherein auf starke Pappe zu kleben, weil
dadurch sowohl das Malen, wie das spsCtere
Einrahmen bedeutend erleichtert wird.
Nach dem Trocknen wird man das Bild
nur wenig verandert finden, um so weniger,
je verdiinnter des Fixierwasser war. Wo
der Farbauftrag nachlassig und unvollstan-
dig gewesen ist, tritt dies deutlicher her-
vor; ausserdem wird der Kundige einiges von
dem weichen Sammetglanz des unbedihrten
Pastells vermissen. Nun besteht aber nicht
die geringste Schwierigkeit, auf dem getrock-
neten Bilde ohne Vorbereitung mit Pastell
32
Fertigmachen
weiter zu arbeiten, und man kann mit kurzer
Miihe wieder den Charakter des unberiihrten
Pastells herstellen, indem man die gemalten
Fllichen mit den vorher angewendeten Stiften
nochmals libergeht und die zu Tage getretenen
Liicken ausfUllt. Bin zweites, n5tigenfalls ein
drittes Fixieren gibt den spater aufgetragenen
Farben Halt, und das fertige Bild ist nach
wiederholtem Fixieren so fest, dass man es
abwischen und sogar mit Brot abreiben kann,
ohne dass es leidet. £s hat in diesem Zustande
eine grdssere Haltbarkeit als ein mit Leim-
farbe gemaltes Bild, denn das Casein ist nach
kurzer Zeit durch Verdunsten des kohlensauren
Ammoniaks in Wasser unl&slich geworden und
das Bild ist somit wasserfest.
Ist das Bild zur Einrahmung bestimmt, so
wird man vielleicht besser tun, das letzte
Fixieren zu unterlassen, zumal, wenn es sich
um ein Kunstwerk von mehr zartem und wei-
chem Charakter handelt. Hinter Glas ist ein
derartiges Bild von einer Dauerhaftigkeit und
Unveranderlichkeit, welche weit iiber die von
dlgemSlden hinausgeht. Die Schonheit und
Reinheit der Farben ist in der dltechnik gleich-
falls unerreichbar.
Ein Bedenken ist noch zu erwiihnen. Das
erforderliche Papier ist bisher h5chstens in
Bogen von 62/96 cm zu erhalten, dies wICre
also das gr3sste Format, das man fiir seine
Ostwald, Malerbriefe. 3
33
ZusammenfasBung
Bilder zixr VerfUgung hMtte. Nun ist es aber
nur eine Frage des Bedarfs, dass auch ent-
sprechend grdssere Formate hergestellt werden;
auch gedenke ich spSter Mittel anzugeben,
durch welche man sich GHinde von beliebiger
Grdsse fiir Pastell machen kann.
Zieht man schliesslich die Summe, so hat
das Pastell folgende Vorziige. Man kann sich
die Farben selbst herstellen, hat also die grosst-
mSgliche Sicherheit dafUr, dass man wirklich
geeignetes und dauerhaftes Material verwendet.
Das fertige Bild ist weder dem Nachdunkeln,
noch der Schollenbildung, dem Reissen, dem
Blindwerden, und wie die unzkliligen Krank-
heiten der Olbilder sonst heissen mSgen, unter-
worfen. Vielmehr sichert die Technik
bei nachmaligem Fixieren dem fertigen
Bilde die gr5sste Dauerhaftigkeit, die
mit den zur Zeit bekannten Verfahren
dberhaupt erreichbar ist. In ihrer Aus-
fuhrung ist die Pastelltechnik freier als jede
andere; sie gestattet die weitestgehenden
Um£[nderungen am ausgeftihrten Bilde , ohne
dass irgend welche Gefahren des Reissens,
Durchschlagens usw. wie bei dlbildern ent-
stehen. Auch am fertigen Bilde lassen sich
nachtraglich noch beliebige Umanderungen
vomehmen, ohne dass sich Unterschiede
zwischen dem friiheren und dem spateren
Auftrage ausbilden. Man kann mit einem
34
Zusammenfassun^r
Wort jederzeit aufh6ren und jederzeit wieder
anfangen.
Andererseits macht das Eindecken beliebig
grosser Flachen mit einem gleichfb'rmigen Tone
gar keine Schwierigkeiten, da man eben nur
einen und denselben Stift zu beniitzen hat;
ebenso wenig technische Schwierigkeiten ent-
stehen bei der Herstellung von verlaufenden
ObergSngen, wie beim Himmel in Landschaften.
Da jede Farbe rein vom Stift auf das Bild ge-
langt, so ist ein Verschmutzen, wie es durch
Farbreste im Pinsel, durch Aufnihren des
Grundes usw. bei anderen Verfahren entsteht,
gar nicht mSglich. Da keine Bindemittel mit
grdsserer oder kleinerer Trockendauer vor-
handen sind, so macht es keinen Unterschied,
ob man irgend eine Stelle in einem Zuge oder
in verschiedenen Unterbrechungen herstellt;
merkt man sich den beniitzten Stift , so kann
man nach beliebiger Zeit den gleichen Farbton
an den vorhandenen ansetzen, ohne dass die
kleinste Spur einer Fuge erscheint. Endlich
kommt kein stark riechendes oder die Kleider
befleckendes Malmittel zur Anwendung. Der
Staub, der beim Arbeiten mit Pastell gebildet
wirdy kann in seiner Wirkung dadurch un-
schadlich gemacht werden, dass man wahrend
der Arbeit unter dem Bilde eine Rinne aus
Blech Oder Pappe von einigen Zentimetem
Breite anbringt^ in welcher er sich sammelt.
3*
35
Zusammenfusung
Damit er nicht bei der Arbeit auf der Bild-
flSche haften bleibt, muss man das Malbrett
ein wenig nach vom iibemeigen. Die Finger
werden freilich schmutzig, da man bald auf
alle Schutzvorrichtungen dagegen wegen der
Behinderung der flotten Arbeit verzichten
wird; doch sind die Farben von der Be-
schaffenheit, dass sie sich sehr leicht ab-
waschen lassen. Damit die HMnde vom hau-
iigen Waschen und dem Kreidestaub nicht
rauh werden, reibt man sie von Zeit zu Zeit
mit Borlanolin ein.
Aber ich muss aufhSren, denn wenn ich
anfange, das Lob des Pastells zu singen, so
finde ich so bald kein Ende. Haben Sie sich
nun iiberzeugt, dass man das Pastell auch
emst nehmen kann?
IV.
Lieber Freund!
Sie berichten, dass Ihnen zwar die Her-
stellung von Pastellstiften nach meiner An*
weisung ohne Schwierigkeit gelungen sei, dass
Sie aber nicht wtissten, welche FarbstofFe Sie
anwenden miissen , um damit recht dauerhafte
Bilder zu erzielen. Die Antwort will ich so
kurz und bestimmt, als ich kann, zu geben
mich bemOhen; allerdings ist damit noch nicht
36
Priifung von Farbstofifen
alles getan, denn die leidige Farbenschmiererei,
d. h. die Verfalschung der reinen Farbstoffe
durch Zusatze, welche sie billiger oder
schb'ner machen soUen, ist ausserordentlich
verbreitet, und gegen unzuverlassige Farben
schiitzt es natiirlich nicht, wenn man Farb-
stofFe, die lichtecht sind, als reine kauft und
dafiir verfsaschte erhMlt.
Indessen gibt es gliicklicherweise ein ziem-
lich einfaches Mittel, um viele Verfalschungen,
insbesondere „Schonungen'' mitTeerfarbstoffen,
zu erkennen. Diese sind namlich in Wasser
Oder Weingeist meist loslich, wahrend die fur
uns in Betracht kommenden Farbstoffe es
nicht sind. Sie legen daher die auf Teerfarb-
stoffe zu untersuchende Farbprobe (ich nehme
an, dass Ihnen die rohen Farbstoffe in Pulver-
form vorliegen) auf einige Lagen von weissem
Lfosch- oder Filtrierpapier in Gestalt eines oben
eingedriickten Haufchens und tropfen nun in
die obere Vertiefung so viel Wasser, dass
es durch das Haufchen sich in das unterliegende
Papier zieht. Dann untersuchen Sie das nass
gewordene Papier und Sie werden leicht
erkennen, ob ein gelSster Farbstoff durch-
gedrungen ist, denn Sie sehen ihn nicht nur
auf der Riickseite des obersten Papiers, son-
dern auch auf den darunter liegenden Papieren.
Den gleichen Versuch machen Sie mit Wein-
geist; einen dritten mit einem Gemisch von
37
Ocker
Weingeist und etwas Ammoniak; wenn in alien
FIQlen die FlOssigkeit ungefiCrbt sich in das Papier
ziehty diirfen Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit
auf die Abwesenheit von Teerfarbstoffen
schliessen. Allerdings ist der Schluss nicht
vollkommen sicher, denn manche Teerfarb-
stoffe, die in Gestalt unloslicher „Lacke'' zu-
gesetzt waren, verraten sich auf solche Weise
nicht; da muss die Versuchsanstalt der Gesell-
schaft zur Fdrderung rationeller Malverfahren
inMiinchen oder ein ahnliches Fachlaboratorium
heran.
Als v511ig lichtechte FarbstofFe sind zu-
nltchst die verschiedenen Ocker arten zu be-
zeichnen, deren farbender Bestandteil Eisen-
oxyd Oder dessen Hydrat ist. Ersteres hat
eine rote, letzteres eine gelbe Farbe und geht
durch Erhitzen oder „Brcnnen" in das rote
Oxyd iiber. Je nachdem die Erhitzung
schwacher oder starker ist, erh^t man leb-
haft gelbrote bis violettrote Farben; erstere
heissen Englisch Rot, letztere Caput mortuum,
die beide aus Eisenoxyd bestehen. Auch Terra
di Siena ist ein eisenhaltiger Ocker.
Fiir Pastell sind die Ocker sowie Terra di
Siena insofem unbequem, als sie meist durch
ihren Tongehalt bereits ohne jedes Bindemittel
so feste Stifte geben, dass man mit ihnen nicht
mehr gut arbeiten kann. Es empfiehlt sich
daher, an ihrer Stelle das reine, kiinstlichher-
38
Schwarz, Ultramarin
gestellte Eisenoxydhy drat und Eisenoxy d
zu benutzen, die gleichfalls sehr wohlfeil sind,
Ersteres bindet gleichfalls bereits ohne Binde-
mittel meist geniigend oder kann mit sehr
wenig Tragant gebunden werden und auch
das rote Eisenoxyd wird man mit der schwSch-
sten Tragantl5sung C geniigend fest machen
konnen. Die dunkleren Sorten Caput mortuum
brauchen mehr Tragant. Englisch Rot enthalt
oft 15sliche Stoffe, durch die es stark zusam-
menbackt; man muss es dann durch wieder-
holtes Ausziehen mit heissem Wasser reinigen.
Die in den verschiedenen Ockem vorhandenen
Niiancen erzielt man leicht durch Mischen von
gelbem und rotem Eisenoxyd, und Sie werden
es bald bequem finden, sich einige Reihen
davon herzustellen.
Als schwarzer FarbstofT dient Frankfurter
Schwarzy das gleichfalls vollkommen zuver-
lassig ist. Die feineren Sorten „in Hiitchen'^
brauchen sehr wenig Tragant , die gr5beren
mehr, bis zur LiSsung B. Aus diesem imd den
Eisenoxyden mischen Sie sich femer eine An-
zahl brauner Farben; gelbes Eisenoxyd und
Frankfurter Schwarz geben ein far Landschaf-
ten sehr brauchbares GrOngrau.
Vollkommen zuverlSssig ist ferner Ul-
tramarin, das Sie mit der Tragantlosung
B binden. Aus Ultramarin und Frankfur-
ter Schwarz machen Sie drei oder vier
39
Chrom- und Kobaltfarben
Reihen Blaugrau nach wechselnden VerhlElt-
nissen, die Sie sowohl in der Landschaft wie
im Bildnis sehr brauchbar finden werden. Mit
Caput mortuum erhalten Sie violettgraue Far-
ben , die Ihnen gleichfalls willkommen sein
werden.
Gleichfalls voUkommen zuverliCssig sind die
verschiedenen Chromoxyde, welche lebhaft
bis matt griine Farbstoffe sind. Hier miissen
Sie sich aber vor Tauschung in acht nehmen,
denn als ^Chromgriin'* erhalt man gegenwartig
oft den sogenannten griinen Zinnober, dessen
Dauerhaftigkeitaufeiner etwas niedrigerenStufe
steht.
Weiter ist ganz zuverlassig das Kobalt-
blau und die anderen kobalthaltigen Farbstoffe
wie Thenards Blau und Rinmanns Griin, die
indessen seltener vorkommen. Wie sie sich
bei der Herstellung von Pastellstiften verhalten,
miissen Sie selbst erproben, denn ich habe
noch keine Erfahrungen mit ihnen gemacht.
Ich wende sie nicht an, weil ihr Aussehen sich
bei kiinstlichem Lichte sehr stark andert, was
von dem grossen Anteil Rot herriihrt, das in
ihrer Farbe enthalten ist.
Auch der sogenannte gelbe Ultramarin
(Baryumchromat), ein schwefelgelber Farbstoff
von grosser Reinheit der Farbung, ist als ganz
zuverlassig zu bezeichnen. £r empfiehlt sich
namentlich zur Herstellung lebhaft griiner
40
Preussisch Blau
Farben durch Mischung mit Preussischblau,
woriiber ich unten mehr sagen will.
Wir kommen zu einer Reihe von Farb-
stoffen, die man noch als brauchar bezeichnen
kann, deren Dauerhaftigkeit aber aus allge-
meinen Griinden niedriger eingeschStzt werden
muss. Ich wende sie ohne Bedenken an, denn
die ungiinstigen Umstande, unter denen sie
sich als unhaltbar erweisen wiirden, treten
so selten ein, dass ich es darauf hin wage, ab-
gesehen davon, dass mir die Ewigkeit meiner
Werke nicht allzusehr am Herzen liegt.
Hier ist zimachst als fast unentbehrlicher
Farbstoff Preussisch oder Pariser Blau zu
nennen. Nach meinen bisherigen Erfahrungen
halt er sich in Pastell gut (vgl. S. 22). Der
reine Farbstoff ist viel zu dunkel, und auch
wegen seiner mechanischen Eigenschaften nicht
geeignet, um in Stifte geformt zu werden; man
versetzt ihn schon ftir den dunkelsten Ton mit
seinem mehrfachen Gewicht Kreide. Die ge-
ringeren Sorten Berlinerblau pflegen bereits
grosse Mengen derartiger Zusatze zu enthalten;
diese benutzt man nicht, sondem kauft die
dunkelste und daher teuerste Sorte, die Pariser-
blau genannt wird, und die um so mehr Kreide
vertragt. Bindemittel ist sehr wenig erfor-
derlich (L5sung C).
Zu Mischungen wird Preussischblau sehr
viel gebraucht. Mit gelbem Eisenoxyd erhalt
41
Indigo, Krapplack
man griine Farben, die fiir die Landschaft aus-
gezeichnet sind und die eine sehr grosse Dauer-
haftigkeit besitzen. Mit Schwarz entsteht ein
etwas griinliches Blaugrau. Ebenso kann man
mit den weiter unten zu erwahnenden gelben
Farben verschiedene Griine erhalten.
Ein anderer wertvoUer blauer Farbstoff ist
Indigo, und zwar benutze ich am liebsten
den in Teigform erhaltlichen kiinstlichen Indigo
der Badischen Anilin- und Sodafabrik, der mit
dem dreifachen Gewicht Kreide imd sehr
wenig Bindemittel den dunkelsten Ton liefert,
dessen hellere Abstufungen fiir Femen sehr
gut zu verwenden sind. Mit gelben Farbstoffen
erhalt man stumpfe Griine, mit roten gute
violette Mischungen.
Liebhaft rote Farbstoffe von vollkommener
Dauerhafdgkeit besitzen wir nicht, wohl aber
eine Anzahl in der zweiten Gamitur. Kar-
min ist ganz unecht, dauerhaft ist dagegen
Krapplack oder statt dessen der ebenso
zu verlSssige Alizarinlack der Badischen
Fabrik. Dieser gibt mit Ultramarin ein pracht-
voUes, mit Indigo gutes Violett. Im reinen
Zustande gibt er durch die Beimischung des
Weiss ein blMuliches Rosa.
Gleichfalls zur zweiten Gamitur gehSren
die Metallfarben Zinnober, Mennige und
Chromrot. Von ersterem sind die dunkleren
Sorten am zuverlassigsten , doch ISuft man
42
Chromrot und -gelb
immer die Gefahr, dass er in starkem Lichte
grau wird. Mennige ist in starkem Licht
nicht dauerhaft, dunkelt auch an schwefel-
wasserstoffhaltiger Luft. Beide Farbstoffe
brauchen sehr viel Bindemittel. Bin dunkle-
res, lebhaftes Rot ist das Chromrot, basisches
Bleichromat, das nach meinen Erfahrungen im
Pastell sehr haltbar ist; wahrscheinlich ist es
das dauerhafteste von den dreien, doch wiirde
ich im allgemeinen kein Bedenken tragen, die
alle anzuwenden. Nur vnrd man gut tun, sie
inMischungen sovreitals m^glichdurch andere
Farbstoffe von zweifelloser Dauerhaftigkeit zu
ersetzen.
Endlich ist hier das Chromgelb (Bleichro-
mat) zu nennen, das, wenn es nicht mit schwe-
felwasserstoffhaltiger Luft inBeriihrung kommt,
sich mir im Pastell als dauerhaft erwiesen
hat. Auch ist jene Gefahr offenbar nicht allzu
gross; meine Bilder beiinden sich in dem
neben dem Laboratorium stehenden Wohn-
hause, und ich habe zuweilen die Anwe-
senheit jenes Gases zu beklagen; eine Ein-
wirkung auf das Chromgelb aber habe ich
noch nicht wahrgenommen.
Chromgelb wird in verschiedenen To'nen,
als helles und dunkles, sowie als Chrom-
orange hergestellt. Alle diese Farben sind
lebhaft und sch5n, doch ist es gut, ihre
Anwendung auf das Unentbehrliche zu be-
43
gcstcfltj die ontcr zahOi
SSimobcr, GfamingrGn, 2iik|prQii, Olgriiii
dcm £arblo8e Zusatze allcr Art mtlmltni ,
tst lor dco ICalcr ^vobl am JMi^fVi»*ai^^i|rgfi^«^
nch diese Gemsscbe selbst hciz nat cfflcn, und
zwsar ^uromc^^Kdi mcfat mit dcm bleihaltigen
Chromgelb, sondem mit Bazirtgelb {gdbem
Ultramarinj oder mit Stront ium gelb. Solche
griine Parben smd in hohem Masse bestandig.
Hiermit ist die Reihe der anzuwendenden
Parben so ziemlich erschopft. Nicht dass nicht
noch einige dauerhaite Farbstoffe vorhanden
wKren; sie sind aber mehr oder weniger ent-
behrlich, d. h. sie lassen sich in ihrer farbigen
Wirkung durch Bilischung der genannten Stoffe
nachbilden oder ersetzen. Alle die genannten
44
Prufung auf Lichtechtheit
Farben lassen sich beliebig miteinander ver-
mischen und beeinflussen sich gegenseitig nicht.
Denn da im Pastell die einzelnen Farbkom-
chen ohne innige Beriihrung nebeneinander
liegen und kein Bindemittel den mdglichen
Verkehr zwischen ihnen vermittelt, so sind
gegenseitige chemische Beeinflussungen viel
mehr ausgeschlossen, als beispielsweise in der
dlmalerei.
Endlich will ich noch erw§[hnen, dass es
bequem ist, ausser den hellen Abt(5nungen
der Farben mit Kreide noch einige dunkle mit
Frankfurterschwarz herzustellen. Man ver-
fahrt hierbei nach dem gleichen Schema, wie
mit Kreide, wird aber mit drei Mischungen
meist sein Auskommen finden.
So, damit habe ich Ihnen das notigste mit-
geteilt. Wollen Sie eingehendere Kenntnis der
Farbstoffe gewinnen, so k5nnen Sie dazu das
sehr empfehlenswerte Werk von Liinke, die
Malerfarben (Stuttgart 1904) benutzen.
Schliesslich gebe ich Ihnen noch das allge-
meine Verfahren an, Farbstoffe ftir Pastell aui
ihre Liichtechtheit zu priifen. Sie liberziehen
einfach ein Pastellpapier gleichfbrmig mit der
betreffenden Farbe, wozu Sie am besten einen
mittleren Ton wahlen, fixieren den Auftrag
und setzen ihn so dem Liichte aus, dass die
eine HlUfte geschiitzt bleibt Wenn Sie einen
photographischen Kopierrahmen haben, so legen
45
Theorie
Sie die gefMrbten Schnitzel darunter, nachdem
Sie die HSlfte mit schwarzem Papier bedeckt
haben; zur Not tut es auch ein ziisammenge-
legter Pappdeckel, aus dem die Papiere halb
hervorragen. Stellen Sie die Versuche im
Sommer bei krsiftigem Sonnenlichte an, so ge-
wfihrt Ihnen bereits eine Versuchsdauer von
einigen Tagen eine geniigende Auskunft, indem
Sie etwaige, durch die Liichtwirkung entstan-
dene Veranderungen gegenUber dem geschiitzten
Teil leicht erkennen werden.
Bei der Ausfiihrung der Versuche miissen
Sie nur darauf achten, dass Sie sich nicht etwa
durch das Vergilben des Papiers tSuschen
lassen, das bei schlechtem Material gleichfalls
sehr schnell im Sonnenlichte eintritt.
V.
Lieber Freund!
Ihr Herr KoUege hat zu friih triumphiert.
£s ist allerdings voUkommen richtig, dass meine
letzten Briefe ausschliesslich praktische Anwei-
sungen und Rezepte geben. Ich habe aber theo-
retische Erlauterungen nicht deshalb vermieden,
weil ich sie nicht zu geben wiisste, sondem
weil mir daran lag, Leser wie Ihr Herr KoUege
einer ist, davon zu liberzeugen, dass theore-
tische Kenntnisse kein Hindernis fiir die Aus-
46
Decken
arbeitung praktischer Vorschriften sind. Ich
muss im Gegenteil betonen, dass alle meine
Anweisungen auf theoretischen Grundlagen be-
ruhen, ja, dass ich die einzelnen Seiten des
Verfahrens nach theoretischen Oberlegungen
aufgesucht und verbessert habe, und zum Nach-
weise hiervon will ich die Einzelheiten unter
allgemeinen Gesichtspunkten nochmalserdrtern.
Wir beginnen mit der Tatsache, dass die
Pastellfarbe deckende Eigenschaftenhat, d. h.
dass ein Auftrag von Pastellfarbe die darunter
liegende Farbe, sei es des Gnindes, sei es
eines friiheren Auftrages von FarbstofF, mehr
Oder weniger vollstandig zudeckt, so dass nur
Oder fast nur die oberhalb liegende Farbschicht
das Aussehen der Stelle bestimmt. Die
Theorie des y,Deckens" ist von gr(5sster Wich-
tigkeit fiir die Beurteilung der meisten Ver-
haltnisse in der Malerei, auch bei anderen Tech-
niken, und ich erbitte mir daher fiir sie alle
Ihre Aufmerksamkeit. Zun£[chst seien die Er-
scheinungen bei weissen Farbstoffen erklart.
Alle weissen Farbstoffe, also auch die
Schlemmkreide, bestehen aus sehr kleinen
Kornchen eines Stoffes, welcher an sich farb-
los und durchsichtig ist. Dass farblos durch-
sichtige StofFe durch feine Zerteilung undurch-
sichtig weiss werden, ist eine sehr leicht zu
beobachtende Tatsache. Schnee besteht aus
KristSllchen des durchsichtigen Eises, der
47
Spiegelung
weisse Schaum der Meereswogen besteht aus
Blattchen durchsichtigen Wassers. Doch ist
die feine Zerteilung nicht allein die Ursache
der weissen Farbe, sondem daneben ist not-
wendig die gleichzeitig vorhandene hSufige
Abwechslung zwischen zwei farblosen Stoffen
von sehr verschiedener Lichtbrechung, wie
£is, bezw. Wasser und Luft. Mischt man z.
B. Glaspulver, welches aus gleichem Grunde
weiss und „deckend^' ist, mit einem Stoffe von
annahemd gleicher Lfichtbrechung, wie Terpen-
tin51, so erhMlt man ein fast durchsichtiges Ge-
menge, welches nicht mehr deckt.
Die Ursache dieser Verschiedenheiten liegt
in der Spiegelung oder Zuriickwerfung des
Lichtes. Um selbst zu sehen, um was es sich
hierbei handelt, nehmen Sie eine gew(5hnliche
farblose Glastafel zur Hand und beobachten
Sie die nachfolgenden Erscheinungen:
Wenn Sie dem Fenster den Riicken wenden
und die Glasplatte aufrecht und etwas seitlich
halten, so werden Sie bald ein Spiegelbild des
Fensters erblicken, das von der vorderen Ober-
flache des Glases zuriickgeworfen wird. Dieses
Bild ist nicht so hell, wie eines in einem wirk-
lichen Spiegel, und Sie erkennen daraus, dass
nicht alles Licht von der Oberflilche des Glases
zuriickgeworfen wird. Ein Teil dringt auch in
das Innere des Glases, denn bei einiger Auf-
merksamkeit werden Sie auch ein zweites,
48
Vielfache Spiegelung
gegen das erste ein wenigverschobenes Spiegel-
bild des Fensters erblicken, welches noch
schwacher ist. Dies entsteht durch das Licht,
welches in das Glas eingedrungen und an der
hinteren FliSche des Glases zuriickgeworfen
ist. Indessen ist auch dort* wo die beiden
Spiegelbilder libereinander liegen, das Bild
lange nicht so hell wie in einem wirklichen
Spiegel, und daraus folgt, dass ausserdem noch
ein Teil des Lichtes durch das Glas gegangen
ist. Dass dieser Teil sogar der grdsste ist,
erkennen Sie, wenn Sie sich dem Fenster zu-
wenden und die Glasscheibe zwischen das
Auge und das Fenster bringen: der von der
Glasscheibe optisch bedeckte Teil des Fensters
ist nur wenig dunkler als der freie.
Nehmen Sie nun statt der einen Glas-
scheibe einen ganzen Stoss aufeinander liegen-
der Scheiben, so werden Sie leicht erkennen,
dass das gespiegelte Licht stltrker, das durchge-
lassene demgemass schwacher wird. Die
Spiegelung in einem solchen Stoss, namentlich
wenn die einzelnenScheiben recht diinn und klar
sind, gewinnt einen „metallischen" Charakter,
d. h. das Licht wird bedeutend vollstSndiger
zuriickgeworfen. Dies ist leicht zu verstehen,
denn von dem Lichte, das durch die erste
Scheibe gegangen ist, wird ein Teil von der
zweiten zuriickgeworfen, und die dritte tut
das gleiche mit dem noch weitergegangenen.
Ostwald, Malerbriefe. ^
49
Binfluss des Mittels
Je mehr Scheiben Ubereinander liegeiii um so
mehr Licht wird also zunickgeworfen und um
so weniger kann durchgehen. Schliesslich kann
man sich vorstellen, dass^ wemi das vorhan-
dene Glas in unbegrenzt viele, unbegrenzt
diinne Flatten gespalten wiirde, gar kein Licht
mehr durch k5nnte, well alles zuiiickgeworfen
wird. Man kann dies nahezu erreichen, wenn
man ein klares Stiickchen Glimmer stark er-
hit2:t. Hierbei springt das Mineral in zahllose
dUnne BUCttchen, die locker aneinander haften,
und man erhlUt eine silberartig aussehende
Platte, die sehr stark das Licht zunickwirft,
aber keines mehr durchlSsst.
Nun machen Sie aber einen Hauptversuch.
Teilen Sie Ihren Stoss Glasplatten in zwei
gleiche HsQften und legen Sie die Flatten der
einen HSlfte aufeinander, nachdem Sie jede
von ihnen mit Wasser benetzt haben. In diesem
Stosse werden also die einzelnen Flatten
voneinander nicht durch Luft, sondem durch
Wasser getrennt sein. Sie sehen auf den
ersten Blick, dass der nasse Stoss viel mehr
Licht durchlasst und viel weniger spiegelt als
der trockene. Damit ist vergleichbar, dass
nasse Kreide viel dunkler aussieht und viel
schlechter deckt als trockene. Die Theorie
dieser Erscheinung ist die folgende:
Damit an der GrenzflSche zweier durch-
sichtiger Schichten eine Spiegelung stattfindet,
50
Lrichtbrechung
mussen diese beiden Schichten von verschie-
dener Beschaffenheit sein, wie etwa Glas
und Luft Oder Luft und Wasser. Wo bei-
spielsweise Wasser an Wasser, also gleich an
gleich grenzt, tritt nie eine Spiegelung ein.
Die Grdsse nun, von welcher der Betrag des
zuriickgeworfenen Lichtes abhangt, heisst die
Lichtbrechung, und es besteht das Gesetz,
dass unter sonst gleichen Verhaltnissen um so
mehr Licht zuriickgeworfen wird, je grosser
der Unterschied der Lichtbrechung in den an-
einander grenzenden Schichten ist. Betrachtet
man nun folgende Zahlen fur die Lichtbrechung :
Luft z.oo, Wasser 1.33, Ol 1.48, Glas 1.53,
Kreide 1.57, Barytweiss 1.64, Zinkweiss 1.90,
Bleiweiss 2.00, so ist der Unterschied zwischen
Luft und Glas 0.53, wahrend der zwischen
Wasser und Glas nur 0.20 ist; dies gibt also
Rechenschaft von der sehr viel kleineren
Spiegelung im Innem des nassen Stosses.
Gleichzeitig sieht man, dass alle anderen StofFe
nachst dem Glas eine gr&ssere Lichtbrechung
haben; sie wiirden also bei einer entsprechen-
den Anordnung weniger Licht durchlassen und
mehr spiegeln.
Ganz Shnliche Verhaltnisse finden nun statt,
wenn an Stelle des Stosses ebener Flatten
eine Ansammlung von unregelmMssigen Sttick-
chen tritt. Zwar verschwindet mit der ebenen
Grenzflache auch die regelmassige Spiege-
4*
51
Decken
lung, aber die Zuriickwerfung des Lrichtes
bleibt bestehen, und well diese nun von und
nach alien Richtungen stattfindet, erscheint
die OberflSche gleichfdrmig weiss. Das ist
also die Ursache, warum Schnee, Wasser-
schaum, gepulvertes Glas usw. weiss aus-
sehen.
Gleichzeitig erkennen wir, wo von es ab-
h&agt, wie gut ein derartiges Pulver deckt.
Denken wir uns die verschiedenen weissen
Pulver auf einen schwarzen Grund zu solcher
H5he aufgetragen, dass eben die schwarze
Farbe des Grundes zugedeckt wird, so ist dazu
erforderlich, dass das auffallende Licht prak-
tisch voUstandig zuriickgeworfen wird. Da
dies in unserem Plattenversuch um so voll-
standiger geschah, je zahlreicher die Platten
und je grosser der Brechungsunterschied der
aneinander grenzenden Schichten war, so wer-
den wir schliessen: ein weisser FarbstofF deckt
um so besser, je feiner er zerteilt ist und je
grosser seine Lichtbrechung ist. Daneben
sehen wir aber auch, dass die Deckung ver-
mindert und die Farbe grauer werden muss,
wenn statt der Luft zwischen den Teilchen
des FarbstofFes sich irgend ein anderer StofF,
wie Wasser oder Ol, befindet. Und zwar wirkt
dl stSrker dieDeckungvermindemd als Wasser »
weil es eine hdhere Lichtbrechung hat als
Wasser. Bleiweiss hat die grSsste Licht-
52
Binfluss des Mittels
brechung, deckt also am beaten und wird
darin auch von Ol am wenigsten beeintritch-
tigt; Kreide deckt am wenigsten und wird am
sta'rksten durch Bindemittel wie Wasser oder
Ol nach Grau geflihrt.
Hieraus ergibt sich nun auch die ErklSrung
aller Erscheinungen, die beim Fixieren der
Pastellbilder auftreten. Wenn das Fixierwas-
ser aufgebracht wird, erscheint das Bild viel
dunkler, well das Licht von der nassen Kreide
viel weniger zuriickgeworfen wird als von der
trockenen. Nach dem Verdunsten des Was-
sers und Weingeistes bleibt aber das Bild
nicht unversEndert zuriick, denn zwischen den
K5mchen der Farbe ist das Casein nach-
geblieben, welches an vielen Stellen ,,optische
Bdicken'^ zwischen den Kdmchen schafft,
durch welche Licht geht, so dass der Auf-
trag weniger deckt als vorher. Ein Fixier-
mittel wird also das Bild um so weniger Mn-
dem, je kleiner seine Lichtbrechung ist und
je geringer die Mengen sind, die man zur aus-
reichenden Befestigung der K5mchen anein-
ander braucht. Beide Bedingungen werden
recht gut vom Casei'n erfullt, und daher riih-
ren also die befriedigenden Eigenschaften des
angegebenen Mittels. Doch ist es ganz denk-
bar, dass noch vorteilhaftere Kombinationen
der beiden erforderlichen Eigenschaften vor-
handen sind. Niemals wird man aber ein
53
Fiziemiittel herstellen kSnnen, welches das
Bild vinUg miverSndert Uisst, demi ein Ver-
kleben der Kdmchen obne die Herstelliing
optischer Briicken ist physisch unaosiiihrbar.
Hit diesem praktischen Ergebnis schliesse
ich flir heute den tfaeoretischen Brief.
VL
Ldeber Freundl
Das psychologische Experiment, das ich
mir erlaubte mit Ihnen anzustellen, ist richtig
gelungen: Sie haben mit dem Wort von der
„grauen Theorie'' gegeniiber den Darlegungen
meines letzten Briefes in erwarteter Weise
reagiert. In welchem Zusammenhange Der-
artiges mit allgemeineren Fragen der Asthetik
stehty woUen wir vielleicht spiiter einmal er-
drtem; dass ich letztlich nur Schwarz und
Weiss, und das aus beiden sich ergebende Grau
zum Gegenstande der Untersuchung machte,
hatte seinen guten Grand darin, dass die
dort angestellten Betrachtungen sich mit ge-
ringer Anderung auch aqf die Farben im en-
geren Sinne anwenden lassen.
Nehmen Sie wieder ein farbiges Glas zur
Hand — am besten ist es, ziemlich hell ge-
fSrbt, etwa griin oder orange — und betrach-
ten Sie das Bild des Fensters, das sich darin
54
^- Fatbe
spiegelt, wenn Sie mit dem RUcken zum Fen-
i ster das Glas vor einen dunklen Hintergrund
halten. Das Spiegelbild von der vorderen
FlSche kennen Sie bereits ; es zeigt natUrliche
Farben, da es aus dem unverandert von der
VorderflSche gespiegelten Licht besteht. Nun
suchen Sie das Nebenbild auf, das von der
HinterfliCche der Glastafel gespiegelt wird;
es ist gegen das erste ein wenig verschoben
und daher nur an den iiberragenden RSndem
leicht erkennbar. Auch wird es deutlicher,
wenn Sie eine kleine Wendung zum Fenster
hin machen. Dies Bild erscheint in der Farbe
des Glases. Dass es so sein muss, lasst sich
leicht absehen; wenn das farblose Tageslicht
durch das Glas tritt, so wird es eben gefltrbt:
das ist die Eigenschaft des farbigen Glases.
Hier ist das Licht aber nicht nur durch die
einfache Glasdicke gegangen und an der an-
deren Seite herausgetreten, wie wenn Sie etwa
das Fenster durch das Glas betrachtet hsitten,
sondem da es an der HinterflSche der Glas-
tafel gespiegelt worden ist, so hat es, um
vom wieder herauszutreten, die Glasdicke noch
einmal durchmessen miissen. Dadurch ist es
eben so stark gefSrbt, als wSre es durch zwei
Glasscheiben von der gleichen BeschafFenheit
durchgegangen. Auf dieser Erscheinung
beruht nun alle Wirkung der Farbstoffe
Oder Pigmente. Denn diese haben eine
55
Farbiges und weiases Licht
Shnliche BeschafFenheit wie das gefiCrbte Glas,
sic sind Stoffe, die das Licht zwar durchlas-
sen, aber nur, indem sie es gleichzeitig fSrben.
Ebenso, wie ein farblos durchsichtiger Stoff
in feiner Verteilung unver&idertes , also im
allgemeinen weisses Licht zuriickwirft, so wirft
ein Farbstoff gefSrbtes Licht zuriick, und er
wird auch um so besser decken, je grdsser
seine Lichtbrechung und je feiner seine Ver-
teilung ist.
ZunSchst werden Sie fragen: wie macht es
der Farbstoff, damit das Licht farbig wird?
Die Antwort ist: indem er gewisse Anteile
des weissen Lichtes vemichtet. Die Optik
lehrt bekanntlich, dass man das weisse Licht
in eine Unzahl verschiedenfarbiger Lichtarten
zerlegen kann, etwa indem man es durch ein
glMsemes Prisma „bricht^^ Bringt man diese
verschiedenfarbigen Lichter wieder alle zu-
sammen, so erhSlt man wieder weisses Licht.
Nimmt man aber von den farbigen Lichtern
ein en Teil heraus, so gibt der Rest bei der
Vereinigung gleichfalls ein farbiges Licht.
Diese Eigenschaft haben nun die farbigen
Ko'rper: sie vernichten einen Teil des Lichtes,
das durch sie geht, d. h. sie verwandelt es in
WMrme, so dass es aufh5rt, als Licht zu exi-
stieren, und daher erscheint der durchgehende
Rest in einer entsprechenden Farbe.
Es gehSrt also je ein Paar Farben zusam-
56
Brganrangsfarben
men 9 die herausgenommene und die des Re-
stes. Nimmt man beispielsweise Rot heraus,
80 erscheint der Rest nach der Zusammen-
fiigung griin und umgekehrt. Solche Farben-
paare nennt man Erganzungsfarben. Die
Paare:
Rot und Blaugnin,
Goldgelb und Blau,
Grungelb und Violett
sind solche Erganzungsfarben, doch gibt es
natiirlich unendlich viele, da man beliebige Ge-
biete der Farben aus der Gesamtheit des
weissen Lichtes herausnehmen kann und da-
her auch entsprechend viele ErgSnzungsfarben
erhalt. Jedes Paar ist reziprok, d. h., wenn
ich Blaugriin herausnehme, erhalte ich Rot,
nehme ich Rot heraus, so erhalte ich Blau-
griin.
Einstweilen geniigt dies, um die einfachen
Erscheinungen in der uns vorliegenden Technik
des Pastells zu verstehen. Mein Ultramarin
hat die Eigenschaft, einen solchen Anteil des
weissen Lichtes zu verschlucken, dass der Rest
hauptsachlich aus Blau (neben etwas Violett
und Rot) besteht, und indem das weisse Licht
in die UbereinanderliegendenTeilchen desFarb-
stoffes eindringt und von deren Hinterflachen
wieder zuriickgeworfen wird, gelangt es als
blaues Licht in mein Auge. All dieses Licht
ist freilich nicht blau, denn von den Ober-
57
Binfluss des Mittels
flitchen der obenliegenden Teilchen erhalte ich
auch weisses Oberfl^chenlicht neben dem
blauen Tiefenlicht Aber dieser Anteil ist axis
leicht ersichtlichen Griinden um so kleiner, je
feiner das Pulver meines Parbstoffes ist, und
daher bei fein geriebenen FarbstofFen meist
recht gering.
Nun werden Sie bemerkt haben, dass das
Ultramarin, als Sie es zum Zweck der Por-
mung der Pastellstifte mit Wasser und Tra-
gant angerieben batten, sehr viel dunkler blau
aussah als vorher in Gestalt des Pulvers und
nachher in Gestalt der trockenen Stifte, und
Sie wissen allgemein, dass trockene Parbstoffe
immer viel heller aussehen als nasse, seien
sie nun mit Wasser, Ol, Pimis oder irgend
einer anderen Plussigkeit getrSnkt. Die ErklM-
rung hierfUr ist in den Darlegungen des fiinften
Briefes gegeben. Wenn die ZwischenrMume
zwischen den einzelnen Parbk&mchen mit einer
PlUssigkeit von grSsserer Lichtbrechung als
Luft angefiillt sind (und es haben alle PlUssig-
keiten eine bedeutend gr5ssere Brechung als
Luft), so erfolgt die Zuriickwerfung des Lrichtes
von den Hinterflifchen der ParbstoffkSmchen
viel schwitcher. Das Licht muss also viel
mehr hintereinander liegende K5mchen durch-
dringen, ehe es wieder zuriickgeworfen wird,
und es wird dabei um so tiefer gefSrbt. Hier-
bei wird natiirlich viel mehr von der Gesamt-
58
Aufhellen
menge des Lichtes verschluckt, und daher. ist
die Farbe sowohl reiner wie dunkler.
Das Aufhellen der Stifte durch Kreide-
zusatz ist demnach eine einfache Sache. £s
liegen in dem Gemisch neben blaumachen-
den Ultramarinteilchen Kreideteilchen, welche
weisses Lricht unverandert zuruckschicken, und
das Gesamtlicht besteht daher aus Blau und
Weiss nebeneinander. Wegen der Kleinheit
der einzelnen KSmchen unterscheiden wir
beide nicht, sondem sehen nur ein helles, d. h.
viel Weiss enthaltendes Blau. Auch solche
Gemische sehen im nassen Zustande tiefer blau
aus als trocken, denn auch hier dringt das
Licht tiefer in das nasse Gemisch ein, und
wird daher von mehr Ultramarinkdmchen be-
einflusst als beim trockenen Gemische.
Wenn Sie sich nun noch vergegenwiirtigen,
dass die Anwendung eines Fixiermittels in ab-
geschwachtem Masse ganz dieselbe optische
Wirkung tut wie das Befeuchten, so wissen
Sie, warum das Pastellbild nach dem Pixieren
ein wenig tiefer in der Farbe zuriickbleibt, als
es vorher war, und damit haben Sie die wesent-
lichen Kenntnisse Hber die Optik der Pastell-
technik zusammen, soweit es sich nicht um
Mischungen handelt.
Was letztere anlangt, so ist ihre Theorie
von Helmholtz, Briicke u. a. wiederholt so aus-
fUhrlich und geniigend dargelegt worden, dass
59
Helligkeit und Sftttigiing
ich mich hier auf die Angabe des AllemStig-
sten beschrSnkenlkann. Ich bitte Sie, die nach-
folgenden Zeilen zu iiberschlagen, ausser wenn
Sie Ihre Erinnerung wieder auffirischen woUen.
Denken Sie sich aus einem mittleren Weiss
in der eben geschilderten Weise verschiedene
Gebiete farbigen Lichtes herausgenommen und
den Rest zu der Erganzungsfarbe vereinigt, so
haben Sie zunSchst eine unendliche Reihe paar-
weise zu einander gehSriger Farben. Jede dieser
Farben k5nnen Sie nun in zweierlei Art ver-
Itndem. Erstens kcinnen Sie die Farbe einer-
seits immer heller, andrerseits immer dunUer
denken, ohne dass sie aufhSrt, die fragliche
Farbe zu sein. So kdnnen Sie etwa ein ge-
gebenes Gnin einerseits bis zum hellsten,
andrerseits bis zum dunkelsten Grtin vom
gleichen Farbcharakter (etwa Blaugriin) ver-
folgen« Diesen Unterschied nennen wir die
Helligkeit der Farben. Andrerseits aber
k5nnen Sie das Grun, ohne seine Helligkeit
zu cCndem, immer weniger gdin werden lassen,
so dass es zuletzt in Grau auslMuft. Diesen
Unterschied nennen wir die Ss^ttigung der
Farbe. WShrend also die Helligkeit von der
Gesamtmenge des Lichtes abhSngt, die in
unser Auge gelangt, hangt die SSttigung davon
ab, wieviel von dem Gesamtlicht farbig
und wieviel farblos ist. So wird beispiels-
weise ein Farbstoffauftrag durch die Mitwir-
60
Farbmischung
kung des Oberfliichenlichtes um so heller, aber
gleichzeitig um so weniger gesSttigt, je mehr
Oberflachenlicht sich dem Tiefenlicht bei-
gesellt. .
Zerlegen wir ein beliebiges farbiges Licht
in seine Bestandteile , so wird ein Licht von
gesattigter Farbe sich dadurch kennzeichnen,
dass nur ein verhaltnismassig kleines Gebiet
von Strahlen vorhanden ist, wahrend alle an-
deren fehlen; ein gesSttigtes Blaugriin wird
also, wenn man es mittels des Prismas zu
zerlegen versucht, nur blaugriines Licht und
kein anderes ergeben. Je weniger gesSttigt
eine Farbe ist, um so mehr andere Strahlen
werden sich darin finden, und im neutralen
Grau sind alle Strahlen in demselben Verhalt-
nis vorhanden wie im Weiss, nur weniger
hell.
Was geschieht nun, wenn man zwei Farben
mischt? Um hierauf die richtige Antwort zu
finden, muss man sich vor alien Dingen gegen-
wartig halten, dass es zwei wesentlich ver-
schiedene Arten gibt, zwei (und mehr) Farben
zu mischen, namlich durch Addition oder
durch Subtraktion. LSsst man beispiels-
weise griines und gelbes Licht, etwa aus zwei
Scheinwerfem, auf dieselbe weisse FlSche
fallen, so erhSlt das Auge von dieser die
Summe der beiden Lichtarten, es findet Ad-
dition statt. Setzt man aber umgekehrt das
6z
Subtrftktion
gelbe Glas vor den Scheinwerfer^ der bereits
das griine trk'gt, so entnimmt es dem bereits
griln gefiCrbten Lichte (dem nun vorwiegend
die roten Strahlen fehlen) noch diejenigen (vor-
wiegend blauvioletten] Strahlen, durch deren
Verlust das weisse Licht gelb gef&rbt wird,
und es fehlen im durchgegangenen Lichte die
beiden Gebiete. Dass beide Arten der Farb-
mischung wesentlich verschiedene Resultate
liefem, hat Helmholtz an verschiedenen auf-
fallenden Beispielen gezeigt: wcQirend man
durch Subtraktion aus Blau und Gelb Griln
erhalty geben diese beiden Farben durch Ad-
dition Weiss. Femer ist das additive Licht
natiirlich heller, als unter gleichen Umstanden
das subtraktive.
Bei der gewdhnlichen Mischung der Farben
treten nun ganz vorwiegend die Erscheinungen
der Subtraktion auf; wir sind in der Tat ge-
wohnty aus Blau und Gelb Griln zu mischen.
Doch kann man auch additive Wirkungen auf
Bildem hervorbringen. Dies gelingt, wenn
man die zu addierenden Farben in moglichst
kleinen Punkten Oder Flecken nebeneinander
setzty ohne sie ilbereinander zu lagern. Wird
dann das Auge des Beschauers so weit vom
Bilde entfemt, dass es die einzelnen Flecken
nicht mehr unterscheiden kann, so findet auf
der Netzhaut eine Wirkung statt, die der
Cbereinanderlagerung oder Addition der beiden
62
Addition
Parben entspricht. Von diesem Vorgange
machten die Pointillisten oder Neo-Impressio-
nisten Gebrauch.
Nach dem, was vorher erdrtert worden ist,
wird sich jede derartig erzielte Farbwirkung
ebenso in das System der nach Helligkeit und
SSttigung geordneten Farben einreihen lassen
wie ii^end eine durch Subtraktion erzielte
Farbe^ nur miissen in beiden FsQlen andere
Verhaltnisse der FarbstofFe nebst Weiss ge-
wlQilt werden, um die gleiche Wirkung zu
erzielen. Man muss daher in Abrede stellen,
dass in bezug auf Helligkeit, Tiefe, Feuer,
Oder wie man sonst die Farbwirkung kenn-
zeichnen will, durch das Verfahren der addi-
tiven Mischung grundsStzlich andere oder
weitergehende Resultate erhSltlich sind als
durch die gew5hnliche subtraktive Mischung.
Auf beiderlei Weise hat man die gleiche Reihe
vom weissesten Weiss bis zum schwfirzesten
Schwarz zur Verfiigung, welches die Pigmente
hergeben kdnnen, nur hat man zur Erreichung
der gleichen Farbwirkung jedesmal andere
Mittel anzuwenden. Nur darin besteht ein
Unterschied, dass beim Nebeneinandersetzen
der Farben, also der additiven Mischung durch
die nicht unerhebliche Gr5sse, die man aus
technischen Griinden den einzelnen Flecken
geben muss, eine feinere Zeichnung sehr
erschwert ist, wlQirend dadurch, dass die
63
Flimmem
Farbflecken sich hart an der Grenze der Unter-
scheidbarkeit befinden, ein psychophysisch be-
griindeter Nebeneindruck entsteht, ein Flim-
mern, das mit einem glatten Farbauftrag nicht
zu erzielen ist. Hierin liegt die Erweiterung
der Mittel, welche durch diese Technik er-
reicht wird. Man wird von vomherein sagen
k5nnen, dass fiir gewisse Erscheinungen ein
solches Mittel von grossem, ja unersetzlichem
Werte ist, wShrend andrerseits zahllose andere
Erscheinungen vorliegen und dargestellt wer-
den, denen diese besondere optische Wirkung
nicht angemessen ist.
In ihrer Anwendung auf die Pastelltechnik
ergeben diese Betrachtungen, dass auch hier
beim Mischen meist Subtraktionsfarben erzielt
werden, und zwar um so mehr, je durchsich-
tiger die einzelnen Farbstoffk5rnchen sind.
Farbstoffpulvery die mit geringer Durchsichtig-
keit eine etwas grobere Kombescha£fenheit
verbinden, zeigen indessen Mischungserschei-
nungen, die sich zuweilen denen der Addition
annShem. HierUber sammelt der Kiinstler
unter der Arbeit sehr bald die erforderlichen
Erfahrungen. Fiir die Durchflihrung einer rein
additiven Technik gewShrt das Pastell gute
MiSglichkeiten, indem man erst die eine Farbe
in kurzen Strichen oder Punkten hinsetzt, dar-
auf fixierty und dann mit der anderen Farbe in
die ZwischenrSume geht. Durch das nach
64
Bin neuer Versuch
jedem Auftrag vorgenommene Fixieren ist ein
Mittel gegeben^ die Vermischung der nach-
einander gebrauchten Farbstoffe zu verhindem.
VII.
Lieber Freund!
Sie haben nach der Anweisung meines
vorigen Briefes mit dem farbigen Glase expe-
rimentiert und fragen mich, warum dessen
Farbe so viel kraftiger und gesSttigter aus-
sieht, went! man es auf ein weisses Papier
legt^ als wenn man bloss das weisse Papier
dadurch ansieht. Zunachst nehmen Sie meine
Anerkennung fur die Richtigkeit Ihrer Beob-
achtung; dass es Ihnen aufgefallen ist, bedeu-
tet bereits einen gut entwickelten Sinn ftir das
Bemerken von Erscheinungen, auf die man
nicht vorbereitet war. Diese FShigkeit ist sel-
tener als man glauben soUte, denn die meisten
Menschen sehen nur das, was sie zu sehen er-
wartet hatten.
Die Ursache liegt darin, dass beim Betrach-
ten des weissen Papiers durch das farbige Glas
das weisse Licht des Papiers nur einmal
durch das Glas gegangen ist. Legen Sie aber
das Glas auf das Papier , so muss das Tages-
licht, um zum Papier zu gelangen, bereits ein-
mal durch das Glas gehen und wird dann vom
Ostwald, Malerbriefe. ^
65
Aquarell
Papier nochmals durch das Glas bis zu Ihrem
Auge zuriickgeworfen. £s entsteht also in
diesem Falle eine Wirkung, als wMre das
Tageslicht durch die doppelte Dicke des
Glases gegangen^ und demgemMss ist die F^-
bung entsprechend stMrker.
Hiermit sind wir nun auch gleichzeitig in
die Theorie der Technik eingetr^ten, zu der
ich mich im systematischen Gange nun zu
wenden habe, zu dem Aquarell im engeren
Sinne. Urspriinglich bedeutet ja der Name
ersichtlicherweise nur eine Maltechnik, die auf
der Anwendung des Wassers zum Verdiin-
nen und Auftragen der Farbstoffe beruht. Nun
wissen Sie aber, dass Wasserfarben in zwei
verschiedenenWeisen angewendet werden, als
Aquarell und als Guasche. Wahrend frU-
her alle Welt und jetzt noch, wie ich glaube,
die Engltoder mit einer Art religi5ser Scheu
vermeiden, die beiden Arten nebeneinander
in demselben Bilde zu gebrauchen^ ist heute im
internationalen Kreise der Kiinstler dieser Zopf
gefallen und es herrscht hier wie sonst das
Motto: erlaubt ist, was gefallt.
Wie bei alien derartigen Regeln handelt es
sich um gewisse tats£[chliche VerhsQtnisse,
welche zu dem Dogma gefiihrt haben. Nur
der Umstand, dass man sich iiber die Ursache
der beoachteten Erscheinungen nicht klar ist,
bewirkt dann ein solches summarisches Ver-
66
Lasiir- tind Deckfarbe
boty wobei denn immer das Kind mit dem
Bade ausgeschiittet wird^ d. h. neben den un-
sch5nen Verbindungen auch die sch5nen und
brauchbaren verboten werden.
£s handelt sich bier namlich um einen sehr
wichtigen Unterschied, der bereits den Slte-
sten Schriftstellem liber Malerei gelSufig ist,
denderdurchsichtigen und der undurchsichtigen
Farben, oder wie wir heute sagen^ der Lasur-
und Deckfarben. Beim Aquarell im engem
Sinne werden mSglichst nur Lasurfarben ver-
wendet, wllhrend die Guasche umgekehrt fast
ausschliesslich Deckfarben gebraucht. Worauf
das Decken beruht, haben wir bereits im drit-
ten Briefe erSrtert: eine Deckfarbe gibt nur
solches Lricht aus^ welches durch Absorption
und Reflexion, durch Verschlucken und Zuriick-
werfen in den K&mchen des Farbstoffes
selbst seinen Charakter erhalten hat. Eine
Lasurfarbe wirkt dagegen wie ein auf Papier
gelegtes farbiges Glas: sie l^sst die Farbe des
Untergrundes durchwirken und entzieht die-
sem Lrichte nur noch diejenigen Strahlen, die
sie selbst verschluckt. Beim Aquarell dient
nun als Untergrund im allgemeinen weisses
Oder nur sehr wenig gefarbtes Papier. Die Wir-
kung des Aquarells auf das Auge entsteht also
durch das Zusammenwirken des weissen Pa-
pieres mit den aufliegenden durchsichtigen
Farbstoffschichten.
67
5*
Lasur- und Deckfarbe
Demgem&s setzt sich die Palette des Aqua-
rellisten vorwiegend aus solchen Farbstoffen
zusammen, welche nichtdeckenden Oder durch-
sichtigen Charakter haben. Erinnem Sie sich
der Theorie des Deckens aus den friiheren
Briefen, so werden Sie alsbald die Eigenschaf-
ten erkennen^ welche bei derartigen Farbstoffen
vorhanden sein miissen: da die Deckung um
so starker ist^ je grosser die Lichtbrechung
des Farbk5rpers ist, so werden solche Farb-
stoffe am durchsichtigsten sein, der en Licht-
brechung am geringsten ist. Dies fiindet sich
allgemein bestStigt: die Bleifarben, welche
allgemein die gr5sste Lichtbrechung haben,
sind keine Lasurfarben, wohl aber die „Lacke"
aller Art, deren TrSger die Tonerde, ein Stoff
mit kleiner Brechung, ist.
Femer aber wird das einzelne Farbk&m-
chen um so durchsichtiger sein, je kleiner
es ist. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit,
ftir das Aquarell moglichst feingeriebene Farb-
stoffe zu verwenden. In der Tat beruhen die
Unterschiede in der Giite der verschiedenen
Arten von kSuf lichen Aquarellfarben so gut
wie ausschliesslich auf dem durch das Reiben
erzielten Feinheitsgrade des Farbstoffes. Denn
mit gesteigerter Feinheit nimmt nicht nur die
Durchsichtigkeit des einzelnen Komes zu, son-
dem auch sein Festhaften nach erfolgtem Auf-
trage. Es ist ja ohne weiteres ersichtlich,
68
Bindemittel
dass ein K&mchen durch spateres Dariiber-
fiihren des Pinsels um so weniger von seinem
Platze bewegt werden wird, je kleiner es ist,
je enger also die Schlupfwinkel sind, in denen
es Unterkunft und Schutz gegen spatere Be-
lastigung durch die Pinselhaare fiinden kann.
Hieraus nihrt die Eigenschaft sehr fein gerie-
bener Aquarellfarbe, nach einmal erfolgtem
Trocknen mehr oder weniger unverwaschbar
zu sein.
Die Frage nach dem Bindemittel der
Aquarellfarbe, die Ihnen vermutlich langst auf
der Zunge geschwebt hat, beantwortet sich
sehr einfach : es wird meist arabisches Gummi
dazu genommen. Dieses ist, wie Sie wissen,
in Wasser 15slich, und darauf beruht die
Eigenschaft der Farbstofft£(felchen, beim Rei-
ben mit Wasser zu zergehen. Femer beruht
hierauf die andere Eigenschaft, dass stark auf-
getragene Aquarellfarbe dem nassen Pinsel
nicht standhMlt. Wahrend namlich bei diinnem
Auftrag die Farbstoffkornchen in den Uneben-
heiten des Papieres geniigend Platz finden
k(5nnen, werden die meisten von ihnen bei
starkem Auftrag nur durch das Gummi fest-
gehalten, und miissen diesen Halt verlieren,
wenn das Bindemittel aufgel5st wird. Daher
kann man bei geschwinder und geschickter
Arbeit allerdings auch iiber starke Farbe einen
neuen Auftrag machen: wenn man nsimlich
69
fertig ist, bevor sich das Gummi gel5st hat.
Sowie man aber zum z w e i temnal mit dem Pin-
sel auf die nasse Stelle konunt, wird die ibres
Haltes beraobte Untermalung mitgenommen.
Aus dieser Unbequemlichkeit ergibt sich
die Frage, ob man nicht Bindemittel verwen-
den kann, die nach dem Trocknen gegeniiber
einem iveiteren Auftrage fest bleiben. Solche
Bindemittel gibt es allerdings; wir werden sie
spSter bei der Tempera kennen lemen. Sie
haben neben dem erwIOmten Vorzug offenbar
den Nachteil, dass man auch die Farben beim
Aufbewahren nicht trocken werden lassen
darf, da alsdann auch die Unl3slichkeit ein-
treten miisste. Doch sollen diese ErSrterun-
gen der spSteren Abhandlung iiber.die Tem-
pera vorbehalten bleiben: beimAquarell rech-
net man eben mit der LSslichkeit des Binde-
mittels und handelt danach.
Wsthrend die mit sehr diinner Farbe be-
handelten Stellen eines Aquarellbildes nach
dem Trocknen ebenso aussehenwie in nassem
Zustande, werden die stark gedeckten Stellen
deutlich ,,stumpfer" beim Trocknen. Dieser
Ausdruck besagt nichts, als dass nach dem
Trocknen mehr zerstreutes OberflSchen-
licht von den betreffenden Stellen zuriick-
geworfen wird. Die hier obwaltenden optischen
Verhffltnisse lassen sich auf Grand unserer
friiheren Betrachtungen leicht verstehen.
70
Fimissen
Sie erinnem sich, dass die Zunickwerfung
des Lfichtes um so geringer ist, je geringer
der Unterschied zwischen der Lfichtbrechung
der K&mchen und der ihrer Umgebung ist.
Im nassen Bilde besteht die Umgebung aus
Wasser, im trockenen teils aus Gunimi, teils
aus Luft. Ersteres hat ungefahr die gleiche
Brechung wie die Farbstoffe; ein Gemenge
von beiden wirkt also fast wie ein gefKrbtes
Glas; die Luft hat dagegen eine sehr viel klei-
nere Brechung und die von Luft umgebenen
K5mchen wirkcn also vorwiegend als Deck-
farbe. Bei sehr diinnem Auftrage reicht das
Gummi aus, um jedem Komchen die zur La-
surwirkung erforderliche Umgebung zu ge-
wMhren, bei dickem Auftrage dagegen nicht,
wenn man nicht noch besonders Gummi oder
ahnliche Stoffe hinzunimmt. WMhrend also
im nassen Bilde die eben beschriebene Rolle
des Gummis vom Wasser liberall libernommen
wird^ gelangt beim trockenen an die Stelle des
Wassers um so mehr Luft, je starker der
Farbauftrag ist.
Ebenso einfach wie die ErklSrung des
Stumpfwerdens beim Trocknen ist die der
Wirkung von Fimissen u. dgl. auf das stumpf
gewordene Bild, das sie wieder ,,herau8holen^^
Der Fimis bewirkt, dass jedes Farbkdmchen
dauemd in eine optisch Shnliche Umgebung wie
beim nassen Bilde kommt und dass ihm so-
71
Der Bildgfrund
mit ermoglicht wird, wie ein durchsichtiges
farbiges Glas zu wirken. Als Fimis kann da-
her jede L8sung dienen, die einen glasMhn-
lichen Riickstand IMsst, also z. B. wieder arabi-
sches Gummi. Um aber nicht Gefahr zu
laufen, den Farbauftrag durch Lbsen des
Bindemittels zu zerst5ren, nimmt man meist
alkoholische Fimisse, denn Alkohol 15st das
Gummi nicht auf. Eine Losung von gebleich-
tem Schellack ist brauchbar; noch besser
scheint mir der unter dem Namen Zaponlack
jetzt in den Handel gebrachte Fimis, der voU-
kommen farblos ist und auch keine Gefahr des
Vergilbens mit sich bringt. £r besteht aus
einer L5sung von Celluloid in Amylacetat und
hat den besonderen Vorzug, dass er keine
Neigung hat, in das Papier einzudringen, wie
es die alkoholischen Lacke tun.
Fiir die erzielten Farbwirkungen spielt der
Bildgrund, das Papier, eine wesentliche Rolle,
denn ihm f^lt die Aufgabe zu, das Licht zu
reflektieren. Der dtinne Farbiiberzug wirkt
als durchsichtiges Mittel, und zwar zweifach,
indem das auffallende Licht zuerst beim Durch-
gehen bis zum Papier wie durch ein farbiges
Glas gefarbt wird, sodann aber zum zweiten-
mal beim Zunickgehen den gleichen Einfluss
erfahrt. Damit diese Wirkung zu stande kommt,
miissen namentlich fiir hellere Farben ganz
ausserordentlich diinne Farbstoffschichten
72
Schwierigkeiten der Technik
aufgetragen werden. 1st dieser Farbstoff dann
nicht voUstandig unvercbiderlich und erfahrt
er eine langsame chemische Umwandlung, so
geniigt ein quantitativ verschwindend kleiner
Umsatz^ um eine fiir das Auge sichtbare Wir-
kung hervorzurufen. Somit zeigen Aquarelle
in ganz besonders hohem Masse die Eigen-
schaft des Verbleichens im Lichte, falls sie
nicht mit unversinderlichen Parben hergestellt
sind.
Die beschriebene Art der Lichtwirkung be-
dingt auch die bekannte Schwierigkeit des
Aquarells bei der Herstellung grdsserer ¥lsi-
Chen von gleichformiger oder regelmassig ab-
getonter Farbung. Denn da die ganze Wir-
kung auf der Dicke oder Dichte der aufliegen-
den durchsichtigen Farbschicht beruht^ so muss
diese Dicke ganz gleichfSrmig sein oder regel-
massig abnehmen, wenn die angedeuteten Wir-
kungen erzielt werden sollen. Beim Pastell
ist eine solche Schwierigkeit ebenso wenig
vorhanden wie bei der Guaschetechnik. Denn
da hier die Farbschicht so dick aufgetragen
wirdy bis die Wirkung des Untergrundes auf-
gehoben ist, so ist es gleichgtiltig, ob an ein-
zelnen Stellen der Auftrag noch etwas dicker
ist, da sie durch die Wirkung nicht weiter ge-
^dert wird.
Andrerseits bewirkt die beschriebene Licht-
bewegung eine sehr reine und klare FMrbung
73
Zusammenfassung
des zuriickgeworfenen Lichtes. Dies beruht
darauf, dass hier das gesamte Licht die
fSrbende, durchsichtige Schicht zweimal durch-
dringen muss^ wahrend bei der Reflexion von
deckenden Farben ein Gemenge von farbigem
Tiefenlicht und von weissem Oberfl£[chen-
licht an das Auge gelangt, dem der Charakter
der Durchsichtigkeit fehlt.
Soil ich daher mein Urteil iiber die Eigen-
tiimlichkeiten der Aquarelltechnik zusammen-
fassen, so kann ich ihr keine sehr grossen Vor-
zlige zuschreiben, Ihre wichtigste Tugend be-
steht in dem mittels der durchsichtigen Farben
erzielten optischen Charakter; femer bedingen
die geringen Mengen des Bindemittels keine
Gefahr fur die Dauer des Bildes infolge ihrer
VerKnderung. Da auch der Unterlage, dem
Papier, ein sehr grosses Mass von Dauerhaftig-
keit zugesprochen werden kann, so liegen nach
dieser Richtung keine Ursachen schnellen Ver-
derbens vor. Dagegen ist ein sehr erheblicher
Nachteil der Umstand, dass die gesamte Wir-
kung des Bildes auf der Starke und BeschafFen-
heit einer ausserordentlich diinnen Farbstoff-
schichte beruht, woraus sich einerseits die
Schwierigkeiten in der Herstellung der Bilder,
andrerseits ihre grosse Empfiindlichkeit gegen
chemische Veranderungen der Farbstoffe er-
geben. Diese Umsttode schrMnken die Frei-
heit des Kiinstlers nicht unerheblich ein, und
74
Wirkung der Qalle
SO sehen wir, dass gegenwSrtig die Kiinstler,
die Wasserfarben zur Herstellung grosser Ge-
mSlde verwenden, die reine Aquarelltechnik
gegen eine getnischte vertauschen, die von
jenem Hauptfehler weniger betroffen ist« Die
grosse Verbreitung des Aquarells in Lieb-
haberkreisen hat ihren Grand wohl ausschliess-
lich in der Leichtigkeit und Einfachheit des
erforderlichen Apparates; infolge ihrer techni-
schen Schwierigkeiten ist sie sonst fiir den
Anfanger die ungeeignetste von alien.
VIII.
Lrieber Freund!
Aus den Fragen, die Sie mir stellen, ersehe
ich mit Genugtuungy dass' Ihnen meine £r-
orterungen wirklich zum Nachdenken Anlass
geben; damit ist ihr Hauptzweck erreicht. Die
Fragen will ich der Reihe nach beantworten.
ZunSchst woUen Sie wissen, wozu die
Galle eigentlich beim Aquarellieren dient, d. h.
wie sie wirkt. Sie wissen, dass dieser Stoff
den gleichf(5rmigen Auftrag der Farbe erleich-
tert und die Neignng der w£[sserigen Farbe, in
Tropfen zusammenzugehen, aufhebt* Die Ur-
sache liegt in der OberflSchenspannung
des WasserSy die sehr gross ist. Verm&ge
dieser Eigenschaft hat das Wasser mehr als
75
Wirkung der Galle
jede andere Pliissigkeit das Bestreben, eine
mdglichst kleine OberflSche zu bilden. Da nun
offenbar ein runder Tropfen eine kleinere Ober-
flSche hat, als eine ausgebreitete Schicht, so
hat das Wasser immer das Bestreben, aus dem
Zustande der Schicht in den des Tropfens iiber-
zugehen. Wo nun die Unterlage nicht b e n e t z t
wird und dadurch den Bestand der Schicht
sichert, bilden sich demgemass Tropfen. Sie
sehen dies am besten an den Tautropfen auf
solchen BlMttem, die durch einen t^berzug von
Haaren oder Wachs die Benetzung verhindem.
Die Galle wirkt nun in doppeltem Sinne. £in-
mal vermindert sie sehr stark die OberflSchen-
spannung des Wassers, in dem sie aufgel&st
ist; andrerseits erleichtert sie die Benetzung,
indem sie etwa vorhandenes Pett auf der
Papierflache (welches in den moisten F^len
die Ursache der schlechten Benetzung ist) in
lauter kleine Tr&pfchen verwandelt und so un-
schSdlich macht. Diese letztere Eigenschaft
des Emulgierens ist von massgebender Be-
deutung far die Temperatechnik, und wir
woUen sie dort eingehender erdrtem.
Femer fragen Sie, woher das Gerinnen oder
Grieslichwerden mancher Aquarellfarben riihrt.
Hieriiber kann ich Ihnen allerdings nur Ver-
mutungen sagen. Durch die Susserst feine
Verteilung naliert sich der Zustand vieler
Aquarellfarben dem, der in der Wissenschaft
76
Gerinnen der Farbe
der colloid ale Zustand genannt wird; es ist
dies ein Mittelding zwischen einer mechani-
schen AufechlSmmung und einer wirklichen
LriSsung. Solche in „colloidaler Losung'^ be-
findliche Stoffe werden nun leicht aus diesem
Zustande herausgebracht und in Plocken ge-
fallt, wenn andere, salzartige Stoffe in die
Lr5sung gebracht werden. Ich halte es daher
fiir ganz wohl m5glich, dass das gew5hnliche
Quell wasser, das der Wasserleitung entnom-
men wird, durch seinen nie fehlenden Salz-
gehalt eine solche F^lung hervorbringt. Da
die verschiedenen coUoidalen Ldsungen sehr
veri^chiedene Empfiindlichkeit gegen Salze ha-
ben, so ist es ganz erklarlich, dass gewisse
Farben die Erscheinung leichter zeigen als
andere. Wenn diese Theorie richtig ist, so
muss sie auch die Mittel an die Hand geben,
den Fehler zu vermeiden. Fragen wir, wo-
durch die Ausf^lung verhindert werden kann,
so sehe ich zwei Mittel. Eines ist die An-
wendung salzfreien Wassers; destilliertes oder
Regenwasser enth^t kein Salz und wird also
ein besseres Verhalten der Farben erwarten
lassen. Unwirksam wird dies Mittel sein, wenn
das Papier selbst Salze enth^t. Dies ist nicht
ganz selten der Fall; Alaun oder Natriumthio-
sulfat kommen am meisten vor. Hier k5nnte
man ein zweites Mittel anwenden. Es ist eine
allgemeine Erfahrung, dass eine coUoide Lbsung
77
Zugemiachte De€k&rbe
viel schwerer gefiOlt wird, wenn gleichzeitig
gewisse andere colloide Stoffe zugegen sind.
V^enn man also dem Wasser wahrend der Arbeit
stets ein wenig Eiweiss, Lreim oder Gummi
zusetzt (welche alle colloide Stoffe sind) , so
wird auch bei salzhaltigem V^asser oder Pa-
pier eine Fallung weniger leicht eintreten.
Versuchen Sie es, wenn Sie nachstens mit
diesem Umstande zu kICmpfen haben, und ver-
sMumen Sie nicht, mir Ihre Beobachtungen
mitzuteilen.
Endlich fragen Sie, weshalb ein mit Deck-
weiss gemischter Farbstoff einen ganz anderen
Farbton zeigt, als wenn man ihn entsprechend
diinn als Aquarellfarbe auf dem weissen Pa-
pier ausbreitet. Mit Weiss gemischt erschienen
die Farben alle bedeutend „kcQter". Nun nennen
wir einen Farbton kMlter, wenn er mehr Blau
enthSlt, und die Frage heisst daher, warum
macht die Zumischung von Weiss die Farben
blaulicher aussehen?
Die Ursache liegt in der Erscheinimg,
welche Goethe seinerzeit fUr das ,,Urphano-
men^^ der Farbenlehre erklsirt hat, dass nSm-
lich ein durchscheinend weisses oder triibes
Mittel gegen einen dunklen Grund gesehen
blau aussieht. Am einfachsten liberzeugen
Sie sich von der Tatsache, wenn Sie diinne
Milch in ein Gefass mit dunklen WSnden
giessen: am Rande erkennen Sie leicht einen
78
Tnibe Mittel
ausgesprochen blauen Streifen, wo das dunkle
Gefass noch durch die weisse Milch erkennbar
durchscheint. Die physikalische Ursache dieser
Erscheinung ist ein wenig umstandlich zu er-
klaren; Sic linden das NMhere dariiber in
Briickes Physiologic der Farben. £s kommt
wesentlich darauf heraus, dass sehr kleine
Teilchen am vollkommensten solches Licht
zuriickwerfen, welches die kurzesten Wellen
hat, und dies ist das violette, blaue und griine
Licht. Dieses iiberwiegt daher in dem von
der Milch zuriickgeworfenen Lichte, wahrend
das durchgegangene Licht diese Strahlen ver-
loren hat und daher gelb bis rotgelb aussieht.
Dies ist die Ursache, warum die Schatten in
den Femen blau aussehen, denn dort lagern
die kleinen Triibungen der Luft vor einem
dunklen Hintergrunde. Umgekehrt geht bei
niedrigstehender Sonne deren Licht durch
diese Triibungen hindurch und ihr Licht wird
daher gelb bis rot. Indessen hSngt hierbei
sehr viel davon ab, wie fein die trilbenden
Teilchen sind: das Blau, bezw. Rot ist um so
reiner, je feiner sie sind. Gr&ssere Teilchen,
z. B. ein Nebel, iiben nicht mehr diese aus-
walilende Zuriickwerfung aus und erscheinen
daher in beiden Ansichten, auf dunklem wie
hellem Grunde ungefarbt, d. h. grau.
Wenn Sie nun einem Farbstoff, etwa ge-
brannter Terra de Siena, Weiss zumischen, so
79
Trabe Mittel
wirken die weissen Teilchen als ein triibes
Mittel vor dem dunklen Grunde des Farb-
stofifes und es mischt sich daher dem ziuiick-
geworfenen Lichte Blau bei. Dies wird ver-
mieden, wenn Sie zuerst die Stelle mit Weiss
eindecken und dann die Siena dariiber »lasie-
ren«, d. h. unvermischt mit Weiss daniber
bringen.
In diesen VerhSltnissen liegt ein ausge-
zeichnetes Mittel, um leichter und vollkomme-
ner gewisse natiirliche Erscheinungen nachzu-
bilden. Das Blau der Femen lasst sich z. B.
natiirlicher durch Auflasieren von Weiss auf
die Schatten hervorbringen, als durch eine ver-
diinnte einfache Farbe gleichen Tones, und so
wird man sich einer jeden Naturerscheinung
gegentiber fragen, auf welche Weise sie in der
Wirklichkeit optisch zu stande kommt, um ein
entsprechendes Verfahren fiir die Wiedergabe
zu wMhlen. Insbesondere bringt der durch-
scheinende Charakter der menschlichen Haut
eine Menge derartiger »Farben triiber Mittel «
zu wege, die auf gleiche Weise wiedergegeben
werden kdnnen. Da indessen erst in der Ql-
malerei diese Verfahren die leichteste imd
mannigfaltigste Ausflihrung gestatten, so woUen
wir dort naher auf diese Dinge eingehen. Beim
Aquarell machen sich nSmlich die Anderungen
beim Trocknen gerade am meisten an den
schwachen Lasuren von Deckfarbe geltend,
80
Guasche
SO dass es ausserst schwer ist, den schliess-
lichen Efifekt eines solchen Auftrages genau
vorauszubestimmen.
Hierdurch sind wir denn auch naturgem^ss
auf die Wasserfarbentechnik mit Deckfarben
Oder die Guasche-Technik gekommen. Fiir die
Kennzeichnung der optischen Eigentiimlich-
keiten der Guasche ist fast dasselbe zu sagen,
was liber Pastell gesagt worden ist, da die
Aufhellung der FarbstofFe hier wie dort durch
Beimischung von Weiss hervorgebracht wird,
Nur dient in diesem Falle nicht Kreide, son-
dem ein StofF mit viel grcSsserem Brechungs-
koeffizienten, das Permanentweiss (Baryumsul-
fat) Oder das Zinkweiss (Zinkoxyd). £s ist dies
erforderlich, da beim Auftrag die Farbe nass,
d. h. mit iiberschiissigem Wasser vermischt
ist, und deshalb dunkler und weniger deckend
aussieht, als sie nach dem Trocknen, d. h. dem
Fortgehen des Wassers, erscheint. Da es ftir
den ausftihrenden Kiinstler sehr unbequem ist,
wenn die Farbe wesentlich anders auftrock-
net, als sie aufgetragen wurde, so sorgt man
durch Anwendung des starker brechenden
Weiss und durch Zusatz geniigender Mengen
Bindemittel dafiir, dass der daher riihrende
Unterschied mdglichst gering wird, doch ge-
langt man hierin keineswegs sehr weit.
Hierdurch entsteht allerdings gleichzeitig
ein Problem 9 welches uns von jetzt ab durch
Ostwaldi Malerbriefe. 6
8i
andere Eigens^iaften als der Bildtra^cr, so
bcgliimt die GcfiEdir aofeutreten, dass sicb dcr
Bildstofir Tom TrSger ablost and in Hrmm Oder
grteseren Stticken abfallt. Dies gesdtadkA da-
dnrch, dass die Ansdehnong dnrdi die ge-
nannten Einflusse ▼erschieden stark wiikt, so
dass Bildstoff and Unterlage, die bei g^^ebenen
Verhffltnissen gleich gross waren, bei anderen
Verhffltnissen verschiedene Grosse annehmen.
Ist eines von beiden, der BildstofiF oder die
Unterlage, nachgiebig, so wird eine der-
artige Verschiedenheit nicht viel scbaden, denn
das eine zwingt dem anderen seine Bewegungen
auf. Erst wenn beide hart und widerstands-
fiChig sindy treten die Schiebungen und Zer-
rungen ein, die zunMchst zu Spriingen, schliess-
lich zum AbbUittem fiihren.
Beim Pastell, auch dem fixierten, ist jeden-
falls der Bildstoff so weich und nachgiebig,
dass von einem Reissen oder Abblattem liber-
haupt nicht die Rede sein kann. Dagegen
kann die Guaschefarbe bei starkem Auftrage
82
Fresko
ganz wohl eine hornige oder steinige Masse
von erheblicher Hsirte bilden. Hier sichert
man sich gegen eine m5gliche Trennung durch
Benutzung eines Papiers mit rauher Ober-
flache, zwischen dessen Fasern die Farbstoff-
masse eindringt, und von denen sie auf die
Dauer festgehalten wird. Auf glattem, hartem
Stofife, wie Pergament, hergestellte Guasche-
bilder bieten keine GewMhr ftir eine unver-
anderte Dauer, um so weniger, je dicker der
Farbauftrag ist. Auch dieser Umstand wird
uns spater immer wieder begegnen; es gibt
keine Manier, die mehr selbstmdrderisch ware
als die pastose Malerei.
IX.
Lieber Freund!
Das Fresko, ,,die edelste Technik'^ wie Sie
sie nennen, babe ich nicht vergessen; sie ge-
h5rt in der systematischen Reihe an diese
Stelle, denn es handelt sich um eine Wasser-
farbe mit einem besonderen Bindemittel. War-
um Sie dies Verfahren mit dem auszeichnen-
den Beiwort versehen, habe ich um so weniger
verstehen kdnnen, als Sie hinzufiigen, dass Sie,
wie die meisten heutigen Maler, keine Gelegen-
heit gehabt haben, das Verfahren kennen zu
lernen und anzuwenden. Wenn Sie den Zu-
stand der Fresken am Berliner Museum oder
6*
83
an der Neuen Pmakotfaek in M nnchen betrach-
ten^ so li^erden die £ast tiberall nnerkennbar
geii^ordenen Ruinen der nor einige Jahrzelinte
alten 'Werke schii^erlich eine nberzengende
Sprache znGunsten des Fresko reden. 'Wie sich
das auch nnter giinstigeren 'Wittemngsverfaalt-
nissen als im mittleren Eiiropa verhalten mag:
bei uns hat sich diese Technik als ganz un-
ziiverlassig erwiesen, -was die Dauer der er-
zielten 'Werke anlangt. Und \Krelchen sach-
lichen Beschrankungen dies Verfahren
unterworfen ist, wird sich bei der Betrachtung
der Einzelheiten ergeben.
Im Fresko wird eine besondere Art von
Wasserfarbe angewendet. Hier wird die Male-
rei auf einer frisch hergestellten, nassen Kalk-
wand ausgefuhrt, wobei die Farbe selbst mit
Kalk gemischt wird. In dem angewendeten
Wasser Idst sich etwas Kalk (V3 Prozent] auf,
\^elcher beim Trocknen zuriickbleibt, indem er
gleichzeitig durch die Kohlensaure der Luft in
Calciumcarbonat iibergeht. Da das Festwerden
des M5rtels auf dem gleichen Vorgange be-
ruhty so ist ein guter Zusammenhang des Bildes
mit seiner Unterlage gesichert. Denn da das
Bindemittel aus demselben Stofife besteht wie
die Unterlage, erfahren beide durch die Ande-
rung der Musseren UmstSnde gleiche Beein-
flussungen und eine Hauptursache des Abblstt-
tems fitllt fort.
84
Fehler der Unterlage
AUerdings ist das Bild noch alien St5rungen
ausgesetzt, welche seine Unterlage, das Mauer-
werk erfahren kann. Das bedenklichste ist das
Auskristallisieren geldster Stofife an der Ober-
flMche. Wenn nMmlich irgend welche 15slichen
StofFe entweder in der Mauer von vornherein
vorhanden sind oder im Laufe der Zeit hinein-
gelangen, so scheiden sie sich schliesslich un-
vermeidlich an der Oberfl&he aus. Denn
wenn durch den Einfluss der wechselnden
Witterung, ganz abgesehen von direktem Nass-
werden durch Regen oder dergleichen, die
Mauer abwechselnd nass und trocken wird, so
geht folgendes vor sich. Die Feuchtigkeit
der nassen Mauer 15st den vorhandenen 15s-
lichen Stofif bis zur SSttigung auf. Beim Trock-
nen verdunstet notwendig das an der Ober-
fl£[che, am Bilde, befindliche Wasser und
hinterlasst zunMchst die entsprechende Menge
des gel5sten StofFes an dieser OberfiUiche.
Dann aber zieht sich die im Innern vorhan-
dene Feuchtigkeit verm5ge der OberflSchen-
spannung(Kapillaritat) gleichfalls nach der Ober-
flache, um dort das gleiche Schicksal zu erfah-
ren. So wird zunachst der gel&st gewesene
Stofif in die Oberflache transportiert Wieder-
holt sich der Vorgang, so geht schliesslich alle
iiberhaupt in Wasser Idsliche Substanz in die
OberflSche und das Bild vnrd mit ihren Aus-
scheidungen bedeckt.
85
Abhilfe
In die Mauer kaxrn der 15sliche StofiF auf
zweierlei Art kommen. Einmal mit dem Ma-
terial der Mauer, hauptssichlich mit den Stei-
nen, weniger mit dem M6rtel. Das Mittel
dagegen ist, nur solches Material zu verwen-
den, \Krelches auf natiirlichemi oder kiinstlichem
Wege durch lange Anwendung vielfach ge-
wechselten m&glichst reinen Wassers seine
Idslichen Bestandteile vollstMndig verloren hat.
Ebenso muss man sich hiiten, mit dem ver-
wendeten Wasser, dem Mdrtel, den Farben
Idsliche Stoffe in das Bild einzufuhren.
£in anderer Weg, auf dem ISsliche Stoffe
in die Mauer gelangen k&nnen, ist die Diffu-
sion aus der Bodenfeuchtigkeit. Diese enthSlt
immer gel&ste Stoffe aus dem Material des
Bodens, und wenn sie sich in die Mauer ver-
breiten kann und oben die geschilderte Ver-
dunstung erfahrt, so sind wieder die Voraus-
setzungen Hir die Entstehung zerst5render
Ausscheidungen gegeben. Das Mittel dagegen
ist wohlbekannt: es ist die Anbringung einer
wasserdichten Isolierschicht zwischen dem
unteren und dem oberen Teil der Mauer,
welche das kapillare Ansteigen der Boden-
feuchtigkeit verhindert.
Neben diesen Qefahren, welche die Lebens-
dauer eines Freskobildes bedrohen, ist noch
die energische chemische Wirkung zu erwSh-
nen, welche dem als Bindemittel angewende-
86
Chemischer Binfluss des Kalkes
ten Kalk eigen ist. Kalk ist ein stark basi-
scher Stofif, welcher auf viele, namentlich
organische Stoffe zerstdrend einwirkt. Insbe-
sondere wird die Oxydationsfahigkeit organi-
scher Farbstoffe mittels des Luftsauerstoffs
durch den Kalk oft gesteigert. Ferner iibt er
vielfach eine zerlegende Wirkung auf salzartige
Verbindungen aus : Preussisch-Blau wird durch
Kalk augenblicklich unter Abscheidung von
Eisenoxyd und Bildung von Calciumferrocyanat
entfarbt. So sind fast nur die Ocker- und
Erdfarben neben Ultramarin und einigen we-
nigen anderen StofTen fiir diese Technik ver-
wendbar.
Die Freskofarben werden nass aufgetragen
und sollen hernach im trockenen Zustande ihre
Wirkung liben. Da wegen der geringen LSs-
lichkeit des Kalkes nur wenig Bindemittel
zwischen den Kdrnem des Farbstoffes ver-
bleibt, befindet sich in dem trockenen Bilde
vorwiegend Luft zwischen diesen, und es wird
das Maximum an Deckung und zuruckgewor-
fenem Licht gemSss den friiheren Darlegim-
gen erreicht. In diesem Zustande ist die
Farbe aber nicht wahrend des Auftrages; da
befindet sich Wasser zwischen den Kdmem,
die Reflexion ist gering und die neben dem
weissen Aufhellungsmittel (kohlensaurer Kalk
und Kalk) vorhandenen Farben wirken viel
dunkler und farbiger als nach dem Trocknen.
87
Dflhcr ctilsldit cine grossc Sdi wiei Igkcit, da
man niclit cnteprecfacpd don aogcnblicklidien
Aossehen malen dar( sondem die spatere
'Wirkang des trockenen Bildes voraas-
nehmen muss. Diese Sc fawi ei igkeil ist mn
so eiiieblicher, als eine Andemng oder Kor-
rektur des emmal getrockneten Bildes nahezu
▼cSllig ausgeschlossen ist. Deim die auf das
trockene Bild gebrachte Kalkfarbe verbindet
sich nicht mehr fest genng mit dem Unter-
gronde, dessen Oberflache beretts ganz in Cal-
ciumcarbonat fiberg^angen ist. Man ist daher
auf die Benut2ning anderer Arten der Technik
fUr nachtragliche Andemngen and Ausfuhmng
an dem in aller EUe hingestrichenen Bilde an-
gewiesen, und dass die zeitlichen Veranderun-
gen in Ton und Farbe an diesen Zusatzen
andere sein miissen als an den Freskofarben,
bedarf keiner besonderen Darlegung. Infolge-
dessen ist eine noch so vorsichtige Ausglei-
chung der ,,Retuschen" doch eine vergebliche
Arbeit: binnen kurz oder lang treten sie un-
weigerlich zu Tage und erfordem neue Retu-
schen und so fort in infinitum.
Ich bin somit der Meinung, dass die Ver-
nachl£(ssigung der Freskotechnik nicht etwa
das Zeichen eines klSglichen Niederganges der
heutigen Kunst ist, sondern man hat das
Fresko aufgegeben aus demselben Grande,
aus dem man die Postkutsche aufgegeben hat:
88
Stiickweises Arbeiten
well zweckmassigere Verfahren es verdrangt
haben. Dies bezieht sich sowohl auf die
kiinstlerische Frage wie auf die der Dauer-
haftigkeit.
Was insbesondere die kiinstlerischen Nach-
teile anlangt, so liegen sie in der Notwendig-
keit des stiickweisen Arbeitens, in der Be-
schr^nkung der Palette und endlich in der
starken Veranderung der aufgetragenen Farben
beim Auftrocknen. Das stiickweise Arbeiten
mochte am Platze sein zu einer Zeit, wo die
Probleme der Lichtftihrung und der Farben-
stimmung noch gar nicht gestellt waren und
der Kiinstler sich nach dieser Richtung darauf
beschranken konnte, schonfarbige Einzelheiten
nach den Regeln der wohlgefalligen Gesamt-
wirkung zusammenzustellen. Von einem Hin-
arbeiten auf grosse und geschlossene Licht-
wirkungen kann aber bei einer solchen Arbeits-
weise nicht die Rede sein, und so sehen wir
denn auch, wie zu der Zeit, wo solche Auf-
gaben die Kiinstler zu beschaftigen beginnen,
alles sich vom Fresko ab- und der in dieser
Beziehung unverhaltnismMssig ausgiebigeren
dlfarbe zuwendet Das gleiche gilt fur die
anderen Seiten der Frage, die Beschrankung
der Palette und das helle Auftrocknen. Man
braucht nur die Schilderungen von Schick
liber seine gemeinsamen Erlebnisse mit Bdcklin
bei Gelegenheit von dessen Freskoarbeiten in
89
Unberechenbarkeit
Basel*) nachzulesen, um zu erfahren, was es
mit der Freskotechnik auf sich hat. ^^Das Auf-
trocknen des ersten Bildes ist ganz unberechen-
bar vor sich gegangen. Die Luft, die Cypressen
und anderen Bsiume kamen so, wie B(5cklin
sie erwartet hatte. Die Schattenseite des
Hauses aber viel zu hell, weil er in den Schat-
ten viel mit Kalk gemischte T5ne gebraucht
hatte. Die Wiese ist viel zu hell und weiss-
lich geworden, weil Bdcklin zu sehr auf den
dunkelgrauen Grundton des Bildes gerechnet
hatte, der nun viel weisslicher aufgetrocknet
ist, als er geglaubt. So stehen jetzt die vorher
hellgelb-griinen Flecke, wo der niedrige Rasen
zwischen den hdheren Pflanzen sichtbar war,
als dunkelgriine Flecke auf einem weisslich-
grauen Grund usw. . . . Auf dem vorderen
Grase sind auch viele Veranderungen vor sich
gegangen. Die auf den griinen Mittelton des
Grases aufgesetzten hellgninen Striche sind
jetzt gar nicht mehr zu sehen und bilden mit
dem Mittelton eine unmodellierte FarbenflMche.
Die tiefgrauen Mitteltdne (zu denen der Grund*
ton beniitzt wurde) sind ganz blass aufgetrocknet
und die darauf gemalten hellgninen Halme
sind dunkler als der Grund; die blauen Blu-
men (Smalte und Morellensalz) dunkler als
*] R. Schick: Tagebuch-Aufxeichnungen Uber
A. Bdcklin. 2. Aufl. S. x6o. Berlin, P. Pontane 1902,
90
Beschranktheit
Chromgriin, ebenso die hellgelben Blumen
(Goldocker) fast eben so dunkel als das griine
Gras."
Sie werden vielleicht einwenden, dass dies
nur von den ungeniigenden Erfahrungen B(5ck-
lins in der Freskotechnik herriihrt und dass
ein Kiinstler, der viel darin gemalt hat, der-
artige Versehen nicht mehr machen wird.
Dies ist richtig, aber ebenso richtig ist, dass
auch der erfahrene Kiinstler seine beabsich-
tigten Wirkungen nur ungefShr vorausberech-
nen kann und daher in seinem Schlussergebnis
vom Zufall abhSngig bleibt. £r wird sich da-
her notwendig auf einen bestimmten Umfang
von Ausdrucksmitteln beschrSnken miissen und
wird diesen Kreis auch kaum erweitern k&n-
nen, denn neue Versuche verbieten sich durch
die Unmdglichkeit der nachtrsiglichen Ande-
rung. Ich fasse daher mein Urteil liber die
Freskotechnik kurz dahin zusammen, dass sie
in keiner Weise Pflege oder Erneuerung ver-
dient, sondern wegen ihrer weitgehenden Un-
vallkommenheiten aufzugeben ist.
X.
Lfieber Freund!
Auf Ihre Bemiihungen, der Freskotechnik
ihr traditionelles Ansehen zu wahren, wcCre
vielerlei zu erwidem, doch werden wir dies
91
wobl bcsscr anf iiiwcic tiadigte Zusbsbemu
konft ▼erachiebcn, ^to Rede and G^eorede
sdmeUer anfemander fblg^en. Deim mn etne
finchtbare Verfaandlmig za fuhren, mossen ^^ir
mis zuerst fiber irgendwelche gemetnsame
AnagangBptmkte Idar gen^orden sein, von denen
ana ^mr die li^eitere Verstandigung SQChen
kdimen. Nur anf eine Direr Bemerkongeii
laasen Sie mich eingehen; Sie sagen, keine
andere Technik bStte einen so grossen Stil
wie das Fresko, mid daher sei es das geeig-
netste Verfiahreii fur montunentale M aler^
'Wir hatten abnliche Fragen bei einem
firiiheren Anlass beriihrt und ich hatte Ihnen
bereits damals nicht verhehlt, dass- ich mir
bei diesen 'Worten nichts Bestimintes denken
konnte, \Krorauf Sie wieder replizierten, jeder
Maler wisse, ivas damit gemeint seL Ich muss
also versuchen, den jedenfalls vorhandenen
Sinn des Wortes selbst herauszubekommen.
Am besten denke ich Ihre Meinung zu trefFen,
wenn ich den Ton auf die Tatsache lege, dass
die Ausiibung der Technik nicht jede beliebige
Ausdrucksweise ermoglicht, sondem nur be-
grenzte Arten; so wird man zweifellos Sonnen-
untergKnge und ahnliche farben- und licht-
reiche Naturerscheinungen nicht in Fresko
darstellen woUen. Sind durch die Aufgabe
selbst derartige Probleme gegeben, so wird
man sich bei ihrer Ausfiihrung auf Andeutungen
92
Freiwillige Beschr^kung
beschrSnken und eine „naturalistische'' Aus-
ftihrung vermeiden, well sie unzulanglich blei-
ben miisste. Hierdurch behalt das Produkt
etwas Abstraktes, denn da es sich nicht um
eine grosse Annaherung an die Naturerschei-
nung handeln kann, so muss der Kiinstler
seine Wirkung in der Zeichnung und in dem
gedanklichen Inhalt des Dargestellten suchen.
Ich hofife, mit dieser Schilderung das Wesent-
liche getrofFen zu haben, wenn Sie auch ver-
mutlich ein wenig den gehobenen Ton ver-
misst haben, in welchem sonst derartige Fragen
abgehandelt zu werden pflegen. Nun werden
Sie mir aber auch zugeben, dass man sich
ahnliche Beschrsinkimgen in jeder anderen
Technik auferlegen kann, indem man die
Palette, d. h. die Zahl und den Umfang
der anzuwendenden Farben, entspre-
chend einschrankt. Man kann also in jeder
anderen Technik in ahnlichem Stil malen, wie
er durch die Natur des Fresko gegeben ist:
nur kann man in den anderen Techniken
ausserdem Aufgaben bewaltigen, denen gegen-
liber Fresko versagt. Es liegt bei diesem also
nur eine BeschrSnkung vor, die dem Kiinstler
zwangsweise auferlegt wird, wsChrend er sie
sich ndtigenfalls freiwillig auferlegen kdnnte.
In einer solchen Eigenschaft kann ich keinen
Vorzug, sondern nur einen Nachteil sehen.
Damit wollen wir das Fresko vorlKufig bei-
93
Alte Geheimmittel
seite lassen und nns den noch iibrigen Arten
der malerischen Technik zuw^enden. £s sind
hauptsachlich zwei, die Olfarbe und die Tem-
pera.
Zur Einhaltung einer strengen Systematik
^^Mre es hier notig, zunachst die Tempera
vorzunehmen, ^^eil das, ^^as man jetzt darunter
versteht, auch auf die Anwendung des Wassers
zur Verdiinnung der Farbe herauskonunt, also
auch eine Aquarelltechnik im ^^eiteren Sinne
ist. Dies empfiehlt sich aber des^^egen nicht,
weil es gegenwartig einen ganz bestimmten
Begriff der Tempera nicht gibt. Vielmehr
stehen wir hier auf dem Boden einer Alchemie,
einer geheimen Rezeptenkunst, an welcher
die Fortschritte der heutigen Wissenschaft an-
scheinend ganz einflusslos voniber gegangen
sind. Aus den alten Malbiichem ^verden halb-
verstandene An^veisithgen heriibergenommen,
nach eigenem Gutdiinken verbessert und dann
von dem gliicklichen Erfinder als grosse Ge-
heimnisse auf das angstlichste gehiitet. Von
Zeit zu Zeit tritt ein derartiges neues Mal-
verfahren mit grossem Gerausch an die Offent-
lichkeit; Erfinder und Fabrikanten nihmen ihm
eine unerreichte Leuchtkraft und ein unver-
gleichliches Feuer der Farbe nach, ver-
schweigen aber sorgfaltig, woraus das Binde-
mittel der neuen Farben besteht. Man kann
es nicht oft genug wiederholen, dass die An-
94
Neue Geheimmittel
wendung derartiger Farben fur den Maler un-
gefahr dasselbe bedeutet, wie eine Kapitalan-
lage in siidamerikanischen Staatspapieren fur
einen Familienvater. £s kann ja sein, dass die
Sache etwas taugt, aber die Wahrscheinlich-
keit spricht nicht dafiir, und ehe man ihm ge-
nau sagt, was man ihm in die Hand gibt,
sollte kein Maler, der es mit seiner Kunst
emst nimmt und der seinem KsCufer oder Auf-
traggeber gegeniiber etwas wie Verantwort-
lichkeit empfindet, solche Sachen anwenden.
Die Beispiele, ^vo durch die An^vendung von
derartigen Geheimmitteln hochbezahlte Kunst-
^verke bereits nach ^venigen Jahrzehnten, ja
Jahren so weitgehende chemische und mecha-
nische Veranderungen erlitten haben, dass ihr
Wert auf einen geringen Bruchteil herabge-
gangen ist, sind leider so zahlreich, dass man
sie nicht einmal anzuftihren braucht. Gewdhn-
lich wird hiergegen von den Betroffenen wieder
ein neues Geheimmittel angewendet und durch
Quacksalberei das t)bel schliesslich nur noch
Srger gemacht. Auch versaumt man dann
meistens nicht, darauf hinzuweisen, dass die
alten Rezepte der grossen vlsimischen und
niederdeutschen Kunstler, deren Bilder nach
bald einem halben Jahrtausend noch glsCnzend
und farbenfrisch erscheinen, durch Verl5schen
der Tradition verschwunden seien, und dass
daher heute keine Hoffnung bestehe, das gleiche
95
Qegen die Alchemie
zu erreichen. Demgegeniiber muss auf das
sch&iste betont werden, dass auf Grund un-
serer heutigen wissenschaftlichen Kenntnisse
eine mindestens ebenso sichere Beherrschung
des Materials m&glich ist, und dass man Bilder
herstellen kami, die mit wissenschaftlicher
Wahrscheinlichkeit eine gleiche Dauer gewahr-
leisten. Aber derartige Resultate erzielt man
nicht nach der Methode des Alchemisten, der
„nach unendlichen Rezepten das Widrige zu-
sammengoss'S sondern durch klare Frage-
stellung, auf welche die Wissenschaft immer
noch auch klare Antwort zu geben gewusst
hat, wenn auch nicht inimer von heute auf
morgen.
So ; damit habe ich meinem Herzen zunachst
Luft gemacht. £s tut mir in der Seele weh,
wenn ich z. B. in den Aufzeichnungen liber
B5cklin mich iiberzeugen muss, welche unend-
liche Zeit dieser grosse Mann mit unniitzen
und richtungslosen Versuchen verdorben hat,
die ihm ein nicht eben grosser Betrag von che-
mischer und physikalischer Kenntnis erspart
hMtte. Natiirlich kann auch der kenntnis-
reichste Naturforscher nicht alles vorauswissen.
Aber ein solcher versteht zu experimen-
tieren; dies ist eine ebenso schwere Kunst
wie das Malen. Denn es kommt nicht nur
darauf an, etwa alte Rezepte nachzumischen
und zu probieren, ob sie etwas taugen, sondern
96
Kunfkige Entwicklung der Technik
man muss sich von der Wirkungsweise jedes
Stoffes, der erfahrungsmassig brauchbare Re-
sultate gibt, ein klares Bild machen, und dann
die AnsMtze so variieren und durcharbeiten,
dass der angestrebte Zweck am voUstSndigsten
erreicht wird. Hierbei handelt es sich meist
um ein Kompromiss zwischen verschiedenen,
sich teilweise widersprechenden Forderungen;
in unserem Falle sind es vorwiegend die bei-
den Fragen der optischen Ausgiebigkeit
und der Dauerhaftigkeit. Die eine Forde-
rung zu be£riedigen, ohne gegen die andere zu
verstossen, ist eine Aufgabe, die nur durch
systematische, nach den Regeln der Wissen-
schaft streng durchgefUhrte Arbeit gel5st wer-
den kann. Die Technik der Malerei muss hier
eine Entwicklung durchmachen, wie sie die
Medizin durchgemacht hat, denn sie steckt
ihrerseits noch ganz und gar in der Epoche
der Geheimmittel und des absurdesten Aber-
glaubens. Diese Entwicklung zu beschleunigen,
ist eine Aufgabe, fur die sich wohl ein Mann
erwMrmen mag.
Bekanntlich werden heutzutage fast alle
Bilder mittels Olfarben hergestellt. Olfarben
im heutigen Sinne sind allgemein erst seit der
sogenannten grossen Zeit der italienischen
Malereiy die durch die Namen Lionardo, Raf-
fael und Tizian gekennzeichnet ist, zur An-
wendung gekommen. Was die Technik der als
Ottwald, Malerbriefe. y
97
Vorzaglich der Oltechnik
Erfinder der Olmalerei geltenden Vlamen, der
Brtider van Eyk, gewesen ist, weiss man heute
noch nicht mit Sicherheit; dass es nicht die
heutige Olmalerei gewesen ist, ergibt sich aus
dem sehr bedeutenden Unterschiede ihrer Er-
haltung gegeniiber der der unzweifelhaften
dlbilder aus etwas spsCterer Zeit. Die An-
nahme von Ernst Berger, dass die vlMmische
Technik Oltempera gewesen sei, hat manches
fiir sich, kann aber hier nicht eingehend er5r-
tert werden. Jedenfalls stehen wir vor der
Erscheinung, dass die reine Oltechnik gegeniiber
jenen ausgezeichneten Kunstwerken sehr
schnell Boden gewonnen und die anderen Ver-
fahren fast vollkommen verdrangt hat.
Die Ursache hierfur liegt in zwei Umstan-
den. Einmal gestattet die dltechnik, die bei-
den Prinzipien des Farbauftrages, die Deckung
und die Lasur, neben- und tibereinander gleich-
zeitig anzuwenden, und gewahrt somit dem
Ktinstler einen grosseren Umfang von Aus-
drucksmitteln als eine der vorbesprochenen
Methoden. Ferner hat die Olfarbe wsCh-
rend des Malens jederzeit das gleiche
Aussehen, welches sie auch nach dem
Festwerden beh£(lt; der Ktinstler kann also
seine Wirkungen so genau abstimmen, wie er
willy und ist keinen unvorhergesehenen Wand-
limgen seines Werkes ausgesetzt. Allerdings
ist dieser letzte Vorteil ein triigerischer, denn
98
Trocknende die
wenn sich die Olfarbe auch nicht in Wochen
und Monaten im Tone verandert, so tut sie
dies doch sicher in Jahrzehnten und Jahrhun-
derten. Der wohlbekannte warmbraune Ton
der alt en dlbilder ist ein Zeugnis daftir; er
beruht nicht aufurspninglicherFarbbeschaffen-
heit, sondern auf der Anderung, welche das
als Bindemittel beniitzte Ol im Laufe der Zeit
erlitten hat.
Doch hierauf wollen wir erst spater ein
wenig nSher eingehen; zunachst betrachten wir
die chemischen und optischen Eigenschaften
der dlfarbe.
Das Bindemittel dieser Farben ist Lein-,
Nuss- Oder Mohn51, kurz ein „trocknendes"
dl. Unter einem solchen versteht man ein
Ol, das an der Luft in eine harzartige^ feste
Masse iibergeht. Dass dies alle Ole nicht tim,
kann jeder am Oliven- oder Speisedl sehen,
das durch langes Stehen an der Luft zwar
ranzig, d. h. iibelschmeckend wird, aber nicht
fest. Was beim Festwerden stattfindet, ist im
wesentlichen ein Oxydationsvorgang, d. h.
das Ol nimmt aus der Luft einen von deren
Bestandteilen, den Sauerstoff, auf und ver-
bindet sich mit diesem zu jener festen Masse.
Daher trocknen die Olfarben nur auf dem Bilde
Oder auf der Palette, nicht aber in der Tube,
denn in dieser sind sie gegen den Zutritt des
Luftsauerstoffs geschiitzt.
7*
99
Bei dieser Umwandlang geht das 6l in
eine naheza gleiche Menge des harzartigen
Produktes fiber. Das ist zwar nicht ganz ge-
nau, denn das Volmn des Produktes ist, na-
mentlich nach langer Ozydation, ein ^^enig
kleiner als das des dls; dies komxnt aber erst
spSter in Prage. Hierdnrch ist nun der opti-
sche Charakter der OliiEurbe g^eben. AVahrend
bei den verschiedenen Arten der AVasserfarbe
der Hauptbestandteil des Bindemittels, das
AVasser, ohne Rest verdunstet, und deshalb
die Parbe als eine wesentlich aus dem Parb-
stoff bestehende, einigermassen porSse Masse
hinterlKsst, so bleibt das 6l seinem Raume
nach erhalten, und die festgewordene Parbe
ist nicht por5s, sondem besteht aus dem durch-
sichtigen Harz des festgewordenen Ols, in
welches die Parbstoffk5rperchen eingelagert
sind.
Optisch ergibt sich hieraus das Polgende.
Haben die Parbstofifkdmchen eine grosse
Lichtbrechung, so wird die Gesamtmasse
deckende Eigenschaften haben, da die Licht-
brechung des Ols, obwohl grosser als die des
Wassers, doch hinter jener der Parbstoffe zu-
riicksteht. £s hat namlich Wasser 1.33, Ql 1.48,
Bleiweiss aber 2.00. Immerhin wird es hier
doch unter sonst gleichen UmstiCnden eines
bedeutend dickeren Parbauftrages bediirfen, um
mit etwaa weniger brechenden Parbstoffen die
100
Lasur
gleiche Deckung zu erzielen, wie sie etwa bei
Guasche erreicht wird, und so bietet sich fUr
die dlmalerei der starke y,pastose'' Auftrag in
vielen Fallen mit einer gewissen Notwendig-
keit an. Doch muss betont werden, dass diese
Notwendigkeit ein Cbel ist und dass ein Ol-
bild um so sicherer im Laufe der Zeit zu
Grunde geht, je pastoser es gemalt ist. Ich
will nicht leugnen, dass mir diese Voraus-
sicht manchmal bei der Besichtigung von Aus-
stellungen einen gewissen Trost gewShrt.
Hat der mit Ol angeriebene Farbstoff da-
gcgeh keine grosse Lichtbrechung, so treten
die in meinem vierten Briefe beschriebenen
Erscheinungen ein. Das Licht findet wenig
Hindemisse bei seinem Durchgange durch das
Gemenge und dieses hat im wesentlichen
die optischen Eigenschaften eines farbigen
Glases. Damit eine derartige Farbe ihre
Wirkungen tut, muss sie auf einen Untergrund
getragen werden, der seinerseits das Licht
zuriickwirft, ganz wie das beim Aquarell im
engeren Sinne der Fall ist. Derartige Farben
nennt man Lasurfarben. Man kann sie in
Deckfarben verwandeln, wenn man sie mit
deckendem Weiss mischt. Da aber hierbei
ein Teil des Weiss als triibe Schicht vor dem
dunklen Farbstoff sich betStigt, so werden alle
derartigen Farben durch Mischung mit Weiss
(S. 78) nach der blauen Seite umgestinmit.
lOI
Dies ist namcntlich beiin Rot aoffidlend:
Krapp als Lasor wiiH nnvergleichlich war-
mer, als mit AVeiss gemischt; wo er ins Vio-
lett zieht.
Dorch diese Embettong der Parbkdrper in
ein Mittel von verhaltnismassig hoher Brechung
ist mm in erster Linie eine bedeutende Ver-
mindemng des weissen oder grauen Ober-
flSchenlichtes erreichbar, ond es gelingt daher,
die AVirkung des Bildes in beliebigem Masse
durch fiEtfbreiches Tiefenlicht zu bestinunen.
Hierauf beroht insbesondere die ungemein far-
bige AVirkung jener altvUimiscfaen Bilder, die,
wie sie auch gemalt sein mSgen, beziiglich
ihrer optischen Eigenschaften den Olbildem
zugerechnet werden miissen. In der heutigen
Technik werden diese Wirkungen allerdings
meist verschmlQit; teils mogen sie den Kunst-
lem nicht geniigend bekannt sein, teils erfor-
dert ihre Anwendung ein umstlindlicheres Ver-
fahren als das flotte Heruntennalen mit fertig
gemischten T5nen.
Ein zweiter Erfolg der Einbettung ist die
mechanische Widerstandsf£[higkeit der
Farbschicht. dlbilder k(5nnen ohne schiitzendes
Glas aufgehangt werden und man kann sie
von angesetztem Staub und Schmutz durch
Abwaschen reinigen. Dieser Vorzug ist in-
dessen nicht ganz zweifellos; war er wichtig
zu einer Zeit, wo die Herstellung hinreichend
102
Mechanische Eigenschaften
grosser und ebener Glasplatten nicht ausfiihr-
bar war, so fdUt er heute nicht ins Gewicht,
wo auch fiir sehr grosse Gemalde Spiegelglas-
scheiben zu Preisen erh^Qtlich sind, die weit
unter denen der Kunstwerke selbst liegen.
Ohne Glasschutz aber ist das dlbild sowohl
den schnellwirkenden Unbilden der NachlSssig-
keit Oder des Vandalismus wie den langsam
wirkenden der Luftverunreinigungen, insbeson-
dere dem Russ und der schwefligen Ssiure der
modemen Ststdte ausgesetzt. DemgemsSss schrei-
ten die Museumsverwaltungen immer mehr
und mehr dazu, auch die Olbilder hinter Glas
zu setzen (wogegen vom Standpunkte der kiinst-
lerischen Wirkung gar nichts zu sagen ist),
und damit wird jener mechanische Vorzug der
dlbilder einigermassen zwecklos.
Denn diesen Vorzugen gegeniiber stehen
sehr erhebliche Nachteile. Da das Bindemittel
einen entscheidenden Anteil an der optischen
Wirkung des GemsQdes hat, so wird jede An-
denmg des ersten auch die letztere Sndem.
Nun ist das harzartige Oxydationsprodukt der
trocknenden die durchaus kein unverMnder-
licher Stoff; der Oxydationsvorgang bleibt
nicht stehen, sondem schreitet langsam fort,
wobei das Harz braun wird und an Volum
mehr und mehr verliert. Demgemsiss ist ein
jedes dlbild in fortW£(hrender Veranderung be-
griffen. Diese Verstnderung hat eine verschie-
103
Sie bddagen sidi, dav idi Dmen nlhngh-
httt dlle llalvcrlalirc& durdi fiHgne
1 1 « I r w 1 1 ^
das0 Sic sicli nrhKnwtlicfa gar nidit gctraucii
wfirden, irgend em Kid dcm KSofer za ober-
geben. Das ist eine Empfindong, die der an-
Cmgende Physiker aocfa za haben pfl^;t, wenn
er anf die zahllosen PdilennSgliclikeiten bei
aeinen Messongen aufineiisam gemacht wird
und nun verzweif elnd ansmfty dass es ja liber-
haupt keine genauen Messnngen gebe. Das ist
ganz richtig; absolut genau ist keine Messung
und absolut dauerhaft kein Bild. Aber die
Genauigkeit kann wie die Dauerhaftigkeit ver-
schiedene Grade haben, und eine rationelle
Kenntnis der Bedingungen fflhrt eben dazu,
das unter den vorhandenen Umstsinden dauer-
hafteste Kunstwerk herzustellen.
104
Dauerhafte filbilder
So will ich alsbald betonen, dass man auch
mit dlfarben recht dauerhafte Bilder machen
kamiy wenn man nur die Bedingungen einhSlt,
die fur deren Erhaltung die giinstigsten sind.
Diese Bedingungen sind von zweierlei Natur:
einmal muss man dem Bilde die gr&sste Un-
verSnderlichkeit oder vielmehr die geringste
Veranderlichkeit zu sichem suchen, zwei-
tens muss man das Bild darauf einrichten,
dass die unvermeidlichen Veranderungen ohne
das Kunstwerk zu gefiChrden nickgSngig ge-
macht werden kSnnen.
Es handelt sich hierbei nur um die Ver-
ICnderungen am Bindemittel, denn ich mache
hier wie immer die Voraussetzung, dass der
Maler nur dauerhafte Farbstoffe verwendet
hat. Seiche gibt es in hinreichender Mannig-
faltigkeitund Sch5nheit(S.36); ich werde hierauf
nicht wieder eingehen, zumal bei der dlfarbe
durch die Einbettung der FarbstoffkSmchen in
die harzige Masse ein besonders wirksamer
Schutz gegen die Einwirkungen der Luft und
ihrer Verunreinigungen gegeben ist, so dass
auch ein weniger bestandiger Farbstoff in Ql
an Bestandigkeit erheblich gewinnt
Nun wissen Sie bereits, dass das Fest-
werden der dlfarbe auf einer Sauerstoffauf-
nahme beruht. Die spKteren ungiinstigen Ver-
toderungen des Bildes beruhen auf der glei-
chen Ursache. Daraus ergibt sich, dass am
105
Sdiuts dcr Rfickaeilc
fertigen Bilde derZutritt der Ltuft mSglichst
beschiiinkt werden soUte. IVie erfaeblich dieser
Umstand ist, Hisst sich daran erkennen, dass
solche Bildstellen auf LfCinwand, die auf der
Hinterseite durch den Holzrahmen g^en den
unmittelbaren L>uftzutritt geschiitzt sind, regel-
mSssig eine bedeutend bessere Erhaltung auf-
weisen als die freien Stellen. Auch sind die
ausgezeichnet erhaltenen altvUimischen Bilder
auf Holz gemalt, wodurch der Luftzutritt zur
Riickseite der Parben sebr erheblich ge-
hemmt ist.
Von diesem Gesichtspunkte aus wird man
in der iiblichen Anwendung der Leinwand fiir
OlgemiQde einen Fehler erblicken miissen, der
die Lebensdauer der Kunstwerke etwa auf die
HSlfte herabsetzt. Abhilfe ist indessen auf der
eben gegebenen Grundlage leicht zu schaffen-
Handelt es sich um Sltere auf Leinwand ge-
malte Bilder, so wird es sich zunachst darum
handeln, die Hinterseite gegen die Luft un-
durchlSssig zu machen. Dies geschieht am
einfachsten und besten dadurch, dass man
Zinnfolie (Stanniol) mittels einer alkoholischen
Schellackldsung aufklebt. Dieser Oberzug ISsst
sich leicht wieder entfemen, wenn dies aus
irgendwelchen Griinden erforderlich wird, und
kann dem Bilde auf keine Weise schaden, na-
mentlich wenn man auch die Aussenseite der
Zinnfolie durch einen Fimisuberziig schiitzt.
io6
Schutz der Vorderseite
Durch diese Massnahme ist auch die Aufhahme
von Feuchtigkeit durch die Leinwand, die eine
der Ursachen des Reissens ist, auf Null ge-
bracht.
Das gleiche Verfahren lasst sich auf neue
Bilder anwenden. Nur wird es aus Gninden,
die wir gleich erlirtem woUen, rsCtlich sein,
den Stannioltiberzug erst anzubringen, nach-
dem das Bild mindestens ein Jahr alt gewor-
den ist.
Auf diese Weise ist zunachst der Sauer-
stoff auf der Hinterseite abgehalten. Auf der
Vorderseite pflegt der Maler einen Fimis an-
zubringen, der neben anderen Funktionen auch
diese ausiibt. GemMss dem, was im vorigen
Briefe bemerkt worden ist, wird eine Einrah-
mung unter Glas noch bedeutend wirksamere
Dienste leisten. Es ist nicht schwer, die Ver-
glasung so sorgflQtig herzustellen, dass nur
ein Minimum von Luft eindringen kann, und
damit sind die Bedingungen geschaffen, die
eine vielfach gr&ssere Lebensdauer des Bildes
gewahrleisten. Allerdings und dies auszu-
sprechen gebietet die wissenschaftliche Vor-
sicht — liegen noch keine l&igeren Erfahrungen
iiber etwaige andere Einwirkungen*) einer der-
*) Die gelegentlich ausgesprochene BefOrchtung,
dass eingeschlossene Feuchtigkeit schaden kdnne, lilsst
sich dadurch beseitigcD, dass man eben keine Feuchtig-
keit einschliesst.
107
, nnd
iclMfHidi stn. lie sic u lic|{^findfff^ imd dsher
Das dicn Gcsagte brrirhf mdtk anf BtAchc
Bgmschaften der dfiubc, die unUciiiibar mit
ihr verbonden stnd. Neben den daher rahren-
den Nacfateflen liat aber dtrHc Tedmik nodi
andere, ^relcfae von nngeeigneter Auwendnng
herrfibren. Diese enlsiehen bauptsScblidi dnrcfa
das Ubereinandernialen nnd den dicken Parb-
anftrag nnd zeigen sicfa daiin, dass die Parb-
scbicbt ibren ^«gfltiitii#«iiatig verliert nnd in
Schuppen oder SchoUen anseinandergeht.
Die Ursachen bierzn sind mehrfoch. All-
gemein wird man sagen, dass eine derartige
Trennung der Parbscbicbt dann eintreten wird,
wenn Bildgmnd nnd Parbscbicbt ibre FllCcben-
grtfsse in verscbiedenem Masse Sndem. Und
zwar werden solcbe Erscbeinungen um so
eber eintreten, je weniger nacbgiebig beide
sind.
Denken wir uns zunlichst die Leinwand
nur mittels einer TrsCnkung mit Leim g^en
das Aufsaugen des dls gescbiitzt und auf
diesen Orund mit so diinner Farbe gemalt.
io8
Dunner Parbaultrag
dass die einzelnen Teile der Schicht an den
Faden der Leinwand befestigt sind iind nicht
miteinander eine zusammenhMngende Platte
bilden. Dann ist eine M&glichkeit zur Schollen-
bildung nicht vorhanden, denn wenn auch die
Leinwand etwa durch Feuchtwerden ihre Di-
mensionen Mndem soUte (sie dehnt sich hier-
bei nicht wie Papier aus, sondem zieht sich
im Gegenteil zusammen, um sich beim Trock-
nen wieder auszudehnen), so folgt eben jedes
Stiickchen Farbe dem Faden, an dem es fest-
getrocknet ist. £s ist ganz wohl ni5glich so
zu malen, namentlich wenn man sich von dem
traditionellen Vorurteil gegen gebleichte Lrcin-
wand frei macht und demgemMss einen weissen
Grund verwendet. Ein solches Bild wird nur
in minimalster Weise vom Dunkelwerden des
Ols betroffen werden, da dieses nur einen
kleinen Teil des Farbauftrages bildet und auch
in mechanischer Beziehung gewahrt es eine
grosse Sicherheit fiir unvertoderte Dauer.
Sollte schliesslich zuviel von dem wenigen
61 durch Oxydation verschwunden sein, so
kann man dieses leicht ersetzen und das Bild
fiir eine neue Reihe von Jahrzehnten frisch
machen.
Alle diese Verhffltnisse ICndem sich wesent-
lichy wenn man die Farbe in starken Schichten
auftragt. In solchen F^len bildet sich das
feste Produkt aus dem Ql zunMchst nur an der
109
wird gcwShalicli zocrst mit mducicn Sducfa-
ten eilier ans Lenn ond Krcide oder Ton ge-
miscliten Farfoe tiberzogen, anf ^velche dann
oft nodi cine odcr einige Scliicfaten OlBsffbe
kommen. Je dicker dieser lialgnind aii%e-
bracht wird, and je verscliiedener die liber-
einander li^enden Scfaiditen sind, nm so mehr
Ge&hr besteht fur etne verschiedenartige An-
demng der Ansdehnnng, and somit for das
Entstehen von Rissen.
Iftir scheinty dass die allgemetne Anwendong
der Leinwand ftir OlbiLder eines der vielen
Vorurteile ist, unter denen die Kunst noch
heute leidet. Zu einer Zeit, ^}7o man grosse
Bogen Papier oder Pappe nur durch Anein-
anderkleben kleiner herzustellen wusste, waren
die grossen FUCchen der Lieinwand willkommen.
GegenwMrtig kann man Papier imd Pappe fast
in alien beliebigen Dimensionen erhalten, und
zzo
Neue Malgrunde
da man jedes derartige Produkt durch einen
t)berzug von Lreim oder Casein von passender
StSrke in einen Malgrund verwandeln kann,
der nach Belieben in jedem gewtinschen Masse
,,schluckt'^ oder nicht, so liegt wirklich kein
Grund vor, statt der Leinwand mit ihrem iin-
bequemen Keilrahmen nicht lieber Pappe zu
nehmen. Insbesondere kann man jede Pappe
durch Aufkleben eines geeigneten Papiers mit
jedem gewiinschten Korn versehen, und er-
langt so Malgriinde, die alien Anforderungen
entsprechen. Ja sogar Leinwand wurde besser
auf Pappe geleimt, statt auf den Keilrahmen
gezogen, denn im ersten Falle verliert sie als-
bald die b&se Eigenschaft, mit der Feuchtig-
keit ihre Flachengrosse stark zu andem. Ver-
folgt man diesen Gredankengang weiter, so
gelangt man schliesslich auf den Plan, als
Unterlage zum Malen Me tall in Blechform
zu nehmen. Im Aluminium hat man ein
ideales Material dazu, das durch sein geringes
Gewicht auch bei sehr grossen Abmessungen
handlich bleibt und dessen chemische Eigen-
schaften eine schadliche Wirkung auf das
Bild ausschliessen. Ob man unmittelbar auf
das mattgeatzte Metall malt oder besser zu-
erst einen t)berzug von Papier oder Leinwand
gibt, wird von den Umstanden abhSngen.
Jedenfalls erm5glicht die Beniitzung der Me-
tallflache als Untergrund gewisse technische
ziz
Parb- ond f ^ i^^ ^n imt^i^gi aof das
fmtmtc ah zusU mmcn. Nun wordc man aber
daasdbe ermtben^ wenn man die mechani-
sche ^^^rknq^ des Ola ala Bindemittel von
seiner optischen als dnrclisiclitige ond staik
lididirecliende Um^^ebong der FarbkSmcfaen
trennte and beide Funktionen ▼erschicdencn
Stoffen 2itwiese. Eine Uisapg dieser Anftabe
bestiinde z. B. darin, dass man aof stark anf-
sangendem Gnmde arbettet; dann geht der
grtfssere Teil des dls in diesen Grand mid es
bletbt zwischen Farbsto£Ekdrncfaen nm-
zuriickf als zu deren mechanischer
erforderlich ist. Die optische Folge davon ist,
dass die Farben infolge des Eintretens von
Lttft zwischen die K5mchen ^.einscblagen'S
d« h. viel mehr Liicht von der Oberflache zu-
rttckwerfen und das Bild sowohl an Tiefe wie
XX2
Wirkung der Pimisse
an Farbigkeit verliert. Dadurch, dass man die
Zwischenraume wieder mit einem stark bre-
chenden Mittel ausfiillt, wird indessen die
friihere Erscheinung hergestellt oder das Bild
,,herausgeholt^. Diese zweite Funktion aber
konnte einem anderen Stoffe Hbertragen wer-
den, der nicht wie das 6l die Eigenschaft des
Braimwerdens oder Nachdunkelns hat. Solche
Stoffe sind die zu Fimissen verwendeten Harze
wie Mastix, Dammar, Sandarak usw., und man
bedient sich dieser Stoffe, wie bekannt, bereits
vielfach fur diesen Zweck. Allerdings sind
auch sie dem Einflusse der Zeit unterworfen;
sie werden aber nicht braun, sondern sie ver-
lieren ihrenZusammenhang und werden „blind'%
d. h. undurchsichtig. Wie dieser Fehler zu
bessem ist, hat indessen seinerzeit der unver-
gessliche Pettenkofer gezeigt, der Mann, dem
wir die erste erfolgreiche physikochemische
Behandlung dieser Probleme verdanken. Ein
Mirzeres oder l^ngeres V^rweilen im Dampfe
von Alkohol (oder einem anderen geeigneten
fldchtigen Ldsungsmittel der Harze) gibt dem
blind gewordenen Cberzug ohne jede Be-
riihrung des Bildes seine Durchsichtigkeit
ivieder.
Damit indessen ein solches Verfahren vollen
Erfolg hat, muss der Fimis nicht friiher auf-
getragen werden, als nachdem das Ol aus-
reichend ,,getrocknet'% d. h. in die feste Form
Ostwald, Malerbriefe. »
FISclitige Mafanittd
tibergegangen ist, Iftan muss also das Bild
nass fertig malen, dann Utngere Zeit (einige
Monate) trocknen lasscn, and dann mdlich den
Fimis dariiber ziehen. Gibt man dann (etwa
auf der Rlickseite des Bildes) genau an, womit
das Bild gemalt und gefimisst ^p^orden ist^ so
ist ftir alle Zukunft die Moglichkett vorhanden,
die urspriinglich vom Kiinstler beabsichtigte
und erreichte Wirkung v^eder herzustellen.
Dies ist indessen nicht der einzige Weg
zum ZieL Man kann ebenso auf undurch-
IMssigem Grunde mit einer Farbe malen, wel-
che nur so viel Ql enthalt, als zur Bindung er-
forderlich ist, und im iibrigen die erwiinschte
Diinnfliissigkeit der Farbe durch den Zusatz
solcher Fliissigkeiten bewirken, die hemach
verdampfen. Auch ein solches Bild wird
einige Zeit nach dem Auftrag der Farbe ein-
schlagen, weil der fliichtige Zusatz verdampft
ist, und kann durch Fimis wieder herausgeholt
werden. Als Verdiinnungsmittel empfehlen
sich die bisher Hblichen, insbesondere Terpen-
tin51 und Spik&l; letzteres ist viel weniger
fliichtig und lasst also das Bild entsprechend
Ifinger ,,nass".
Will man das eingeschlagene Bild zum
Zwecke des Weitermalens wieder herausholen,
80 wendet man am besten ebendieselben fliich-
tigen StofFe ohne weiteren Zusatz an, die man
aber mit dem Zerstauber und nicht mit dem
114
Bekannte Verfahren
Pinsel auftragt. Man braucht nicht zu furchten,
dass zu wenig Bindemittel verbleibt, nament-
lich nicht, wenn bereits einiges Festwerden
des dls stattgefiinden hatte. Ausserstenfalls
macht es keine Schwierigkeit, ein Gemenge
von Terpentindl und wenig Mohn51 mit dem
ZerstMuber aufzutragen und so jede beliebige
nachtrMgliche Bindung zu erreichen.
In diesen Darlegungen wird der Kiinstler
vielfach die Beschreibung bekannter Methoden
erkennen. Durch die Angabe der Griinde in-
dessen, welche zu diesem oder jenem Ver-
fahren gefiihrt haben, wird er gleichzeitig die
Hilfsmittel finden, nicht nur das Erlemte oder
Gefundene sachgemSss anzuwenden, sondern
auch seine Mittel weiter zu entwickeln, ohne
die Zukunft seiner Schbpfungen durch die £in-
haltung ungeeigneter VerhsUtnisse zu gefShrden.
XII.
Lrieber Freund!
Weshalb die verschiedenen Farben, wenn
sie auch mit dem gleichen Ol angerieben wer-
den, so verschieden schnell trocknen, fragen
Sie. Da die Antwort uns gerade in eines der
interessantesten Kapitel der physikalischen
Chemie hineinfUhrt, so soil sie ausfUhrlich ge-
geben werden.
Ahnlich wie der zum Festwerden fuhrende
8*
"5
LangMune chemische Vorgftnge
Ozydationsvorgang beim LeinGl nicht augen-
blicklich vor sich geht, sobald Ol unci Luft
miteinander in Beriihrung kommeny so gibt es
zahllose chemische Vorgfinge, die mit einer
gewissen Langsainkeit ablaufen, wenn auch
die Bedingungen fiir sie, insbesondere diurch
das Vorhandensein der erforderlichen Stofife»
.gegeben sind. FUr das Studium derartigcr
zeitlicher VerlMufe an chemischen Vorgangen
gibt es eine eigene Wissenschaft, die chemi*
sche Kinetik, die in den letzten Jahrzehnten
sehr grosse Fortschritte gemacht hat.
Eines der merkwUrdigsten Ergebnisse die-
ser chemischen Kinetik ist nun, dass die Zeit,
welche ein bestimmter Vorgang braucht, nicht
nur von den Susseren Bedingungen, wie Tem-
peratur, Druck und Konzentration der beteilig*
ten StofFe, abhMngt, sondem auch in sehr
hohem Masse von der Anwesenheit anderer
Stoffe, die an der Zusammensetzung des ent-
stehenden Produktes keinen Anteil haben und
deshalb durch den Vorgang im allgemeinen
auch nicht verbraucht werden. Sie wirken
auf den Vorgang, um ein anschauliches Bild
zu geben, wie dl auf ein eingerostetes RSder-
werk ; dieses nimmt auch unter sonst gleichen
UmstMnden eine weit grdssere Geschwindig-
keit an, wenn die reibenden Teile ge(51t wer-
den, und ohne dass das 6l fiir die Wirkung
verbraucht wird. Stoffe, welche eine der-
zi6
Katalyse
artige Eigenschaft haben, nennt man kataly-
tisch wirksame oder Katalysatoren, und
den Vorgang der Beschleiinigung durch die
Anwesenheit solcher Stoffe Katalyse. Meist
geniigen sehr geringe Mengen des Katalysators,
um grosse Beschleunigungen zu bewirken.
Im allgemeinen bestehen ftlr jeden Vorgang
besondere Katalysatoren, iind man muss von
Fall 201 Fall ermitteln, welche Stoffe diesen
merkwiirdigen Einfluss auf eine gegebene
chemische Reaktion ausiiben k(5nnen.
Nun ist es wohlbekannt, dass Leindl u. a.
viel schneller „trocknet", wenn es zum An-
reiben vonBleiweissbenutzt wird, als wenn man
es etwa mit Zinkweiss benutzt. Andererseits
kann man dem Leindl die Eigenschaft erteilen,
unter alien UmstSnden schnell zu trocknen,
wenn man es mit irgend welchen Bleiverbin-
dungen kocht, so dass es etwas von diesen
aufldst. In diesen Tatsachen erkennen wir
die charakteristischen Eigentiimlichkeiten der
Katalyse: Bleiverbindungen beschleuni-
gen den Oxydationsvorgang des Leindls
und somit dessen „Trocknen'^ Lrein51firnis,
d. h. schnell trocknendes Leindl, ist von dem ge-
wdhnlichen durch den Gehalt an einem solchen
Katalysator verschieden, und Sikkativ, d. h.
eine Fliissigkeit, durch deren Zusatz man Leindl
schnell trocknend machen kann, ist eine kon-
zentrierte Ldsimg eines solchen Katalysators.
117
Trockenmittel
Die Eligenschafty die Oxydation des Leindls
katalytisch zu beschleiinigeny haben nicht nur
Bleiverbindungen, sondem auch Mangan*-
verbindiingen und vermutlich auch andere Me-*
tallabk5mmlinge. Wenigstens schliesse ich aus
den Angaben iiber die Trockenwirkung des
Griinspans, die in alten Malbiichem sich fin-
den, dass auch vielleicht das Kupfer wirk-
sam ist. Doch liegen hieriiber noch zu wenige
exakte Arbeiten vor, als dass sich Bestimmteres
sagen liesse. Ebenso machen bekannte Re-
zepte zum Firniskochen den Eindruck, als
wenn auch durch langeres Erhitzen des Lrein-
51s an der Luft ein Beschleuniger entstande,
denn sie beruhen darauf, dem Ql durch blosses
langeres Erhitzen die Eigenschaft des Schnell-
trocknens zu erteilen. Doch miissen auch
hier erst die wissenschaftlichen Arbeiten ein-
setzen, fur die iibrigens die Bahn vorgezeichnet
ist, denn mit katalytischen Erscheinungen weiss
die physikalische Chemie jetzt trefflich umzu-
gehen.
Aus diesen Angaben werden Sie alsbald
entnehmen konnen, welche Bedeutung die
Warnung vor allzu reichlicher Anwendung
solcher Trockenmittel hat, die jeder gewissen-
hafte Lehrer seinen Schiilern zukommen lasst.
In meinem vorigen Briefe entwickelte ich
Ihnen die Theorie des Reissens der Olfarbe;
der wesentliche Punkt dabei war die ver-
iz8
Reissen der dlbilder
schiedene Zeit^ welche einerseits die ober*
flMchlichen Schichteiiy andererseits das Innere
der Farbmasse zur Oxydation brauchen. Durch
die Anwendung des Sikkativs wird nun dieser
Zeitunterschied noch weiter gesteigert: die
Oberflache trocknet in wenigen Stunden und
schliesst das Innere auf eine ebenso lange
Zeit vom Festwerden ab, wie eine gewohn-
liche Farbe, denn in beiden FsQlen erfolgt das
Festwerden im Innern wesentlich nur in dem
Masse, als die feste Schicht SauerstofT durch
Diffusion, d. h. durch langsame Durchdringung
ihrer Masse hineinlSsst*
Nun beschleunigt das Trockenmittel nicht
nur das erste Festwerden des Ols, sondern
anscheinend in gleichem Masse auch die wei-
teren unerwiinschten VerlCnderungen des fest*
gewordenen Ols, insbesondere das Schwinden
und Braunwerden. Was also bei gewdhnlicher
Farbe normal nach langer Zeit eintritt, tritt
bei Anwendung von Sikkativ in entsprechend
kiirzerer Zeit ein, und zwar um so schneller,
je mehr Trockenmittel angewendet worden
ist. So ist denn ein mit viel Sikkativ gemaltes
Bild auf seiner OberflSche bereits nach wenigen
Jahren ein Greis, wa'hrend es im Innern noch
ein Jiingling ist, und dass eine derartige Kom->
bination nicht gut tut, braucht nicht erst lange
dargelegt zu werden.
Viel weniger bedenklich ist die Anwendung
119
SchneUlechnik
von Trockenmitteln bei der Einhaltung eines
diinnen Farbauftrages, denn die eben ge-
schilderten Cbelstande steigem sich natur-
gemass in schneller Progression, je dicker die
Farbschichten sind. 1st das Bild diinn gemalt,
80 wird das enthaltene Ql in wenigen Tagen
so fest, wie ohne Sikkativ in Monaten, iind
wenn es dann gefimisst wird, so ist der weitere
SauerstofFzutritt zum Ol und damit die iiner-
wdnschten Anderungen des festen 6ls prak-
tisch zum Stillstande gebracht. Ich wiirde es
also fiir unbedenklich halten, ein Bild, das
schnell hergestellt werden soil, in diinner
Technik mit geniigendem Sikkativ in einem
Zuge fertig zu malen iind es dann nach einer
Woche Trocknens zu iirnissen. AUerdings hat
auch hier die Erfahrung das entscheidende
Wort zu sprechen, und meine Darlegung be-
zweckt nur, auf Grund der vorhandenen Kennt-
nisse eine Gruppe von Bedingungen zu formu-
lieren, welche ein gutes Ergebnis erwarten
Ifisst.
Eine derartige Technik ist insbesondere fur
Arbeiten vor der Natur ungemein bequem und
fbrderlich. Benutzt man als Malgrund farbiges
Zeichenpapier mit ziemlich starkem Kom, das
man mit einer Lreimldsung von etwa 6 Prozent
prMpariert hat, imd malt man darauf mit ge-
wdhnlicher Olfarbe, die man mit einem Mai*
mittel aus Sikkativ mit der zehnfachen Menge
Z20
Arbeiten vor der Natur
Terpentin51 so stark verdiinnt, als es der er-
strebte Zweck nur zulasst, so verliert man
nirgend Zeit mit technischen Schwierigkeiten
iind kann in einer Stunde eine Studie bereits
recht weit durchfiihren. Die Femen werden
mit diinnster Farbe, fast wie Aquarell angelegt;
die passend gew^lte Farbe des Papiers kann
hier die Arbeit ausserordentlich erleichtem.
Grosse Fllichen dariiber liegender Gegenst&de
werden ausgespart, kleine tibergangen. Nach
einer Viertelstunde, die man mit der Anlage
der Ubrigen Flsichen ausgefullt hat, ist die
Farbe der Feme bereits so fest geworden,
dass man Einzelheiten sicher und sauber hin-
einsetzen kann. Indem man stets von hinten
nach vom arbeitet, ergibt es sich unwillkiir-
lichy dass die im Vordergrunde beiindlichen
Dinge den stSrksten Farbauftrag erhalten, und
damit ist ihr plastisches Vortreten leicht ge-
sichert. Ich besitze derart hergestellte Skizzen,
die liber zwanzig Jahre alt sind, gar keine
Sorgfalt bei der Auf bewahrimg erfahren haben
und an denen ich nicht die geringste Spur des
Altems entdecken kann, trotzdem die meisten
nicht einmal gefirnisst sind. Ich schreibe dies
ausschliesslich dem diinnen Farbauftrage zu,
denn die tibrigen Erfordemisse fur eine m5g-
lichst grosse Dauer bei diesen Ferienprodukten
einzuhalten, habe ich nicht der Miihe wert
gefimden. Ja, ich habe sogar meist zu dem
121
oben erwahnten Malmittel etwas Bemsteinlack
(etwa '/lo) gesetzt, welcher das Einschlagen
verhinderty um mir das spMtere Fimissen zvt
ersparen, und damit bewusst gegen die Be-
dingungen der mdglichsten Dauerhaftigkeit ge*
siindigt, ohne dass ich bisher SchSdigungen
davon bexnerkt habe. Vielleicht w^erden solche
nach einigen Jahrhunderten sichtbar werden,
falls die BllCtter dann noch existieren sollten.
Schliesslich einige Worte iiber das pastose
Malen. Fragt man nach den optischen Wir«
kungen, die man damit erreichen kann, so er-
gibt sich nur eine einzige, namlich das Glanz-
licht auf der glatten Oberflache eines
gewdlbten Farbtropfens. In dieser Form
kennt und verwendet insbesondere Rembrandt
in feinster und bewusstester Weise den plasti-
schen Farbauftrag. Im iibrigen sind die dl-
farben, wie sie auf dem Bilde stehen, durch
das in den meisten reichlich enthaltene Blei-
weiss so gut deckend, dass bereits eine Schicht
von rund einem Zehntelmillimeter das Durch-
scheinen der Unterlage ausschliesst. Wendet
man, was man der Sicherheit wegen fur end-
giiltige Werke stets tun soUte, einen rein
weissen Malgrund an, so wird eine voUkom-
mene Deckung meist nicht nur nicht erfordert,
sondem ist sogar oft ein Nachteil; demgemass
kann der Auftrag noch viel diinner sein, und
das Durchscheinen des weissen Grundes kann
122
Die „Handschrift"
9f
erfolgreich zur Erzielung einer lebendigeren
Farbwirkung benutzt werden. Wird endlich
der pastose Auftrag sinngemMss auf einzelne
kleine Stellen beschrSnkty so fallen auch die
Ursachen der SchoUenbildung und des Reissens
fort. Vom Standpunkte der kiinstlerischen
Wirkung bleibt also zu Gunsten des dicken
Farbauftrages iiber das ganze Bild gar nichts
iibrig, denn die ^Handschrift^^ des Kiinstlers
diirfte gleichfalls nicht proportional der pro
Quadratmeter verwendeten Farbenmenge be-
wertet werden. Umgekehrt bewirken die zahl-
losen Reflexe auf der OberflSche eines mit
dickem und linregelmassigem Farbauftrag ge-
malten Bildes, dass es namentlich bei kiinst-
lichem Lichte oft unm5glich ist, liberhaupt
einen Standpunkt zu gewinnen, an welchem
man nicht durch unerwtinschte Reflexe ge-
stort wird. Bleiben also nur Ursachen iibrig,
welche ich unter dem Worte Mode am rich-
tigsten zusammenzufassen glaube.
XIII.
Lrieber Freimd!
Sie verlangen, dass ich meine Bemerkung
begdinde, dass man fiir endgiiltige Bilder einen
weissen Untergrund benutzen miisse, und fuge
hinzu, dass allerdings die IQteren Italiener^
Vlamen und Deutschen einen solchen benutzt
123
Lasur
hStten, und dass auch B5cklin die gleiche
Praxis geiibt habe, finden aber Ihrerseits einen
getSnten Grund f(ir viele Zwecke angenehmer.
Um diese wichtige Frage griindlich zu be-
handeln, muss ich zunSchst auf ein bisher nur
andeutungsweise betrachtetes Problem ein-
gehen, nSmlich das der Lasur, insbesondere
bei der Olfarbentechnik.
Eine Lasur besteht bekanntlich in einer
durchscheinenden farbigen Schicht iiber einem
irgendwie gefarbten Untergrunde. Man er-
zielt hierdurch eine bedeutende Vertiefung der
farbigen Wirkung.
ttber die Art und Weise, wie diese •Wir-
kung zu stande kommt, ist einiges bereits S. 65
gesagt worden. Dort war indessen zunlichst
der weisse Untergrund in Betracht gezogen
worden. Betrachten wir nun, wie eine Lasur
auf farbigem Untergrunde wirkt. Wir be-
handeln zunachst den einfachsten Fall, dass
man auf eine bestimmte Deckfarbe, z. B. Eng-
lischrot, eine gleichnamige durchsichtige Farbe,
z. B. Krapplack deckt.
Macht man den Versuch, so erzielt man einen
Eindruck, den man mit Worten wie ,,feurig'S
9,leuchtend'S ^tief ' wiederzugeben versucht.
Es ist der Eindruck, welchen die Farben
eines reinen Spektrums machen, denen keine
merkliche Menge Weiss beigemischt ist. Den
gleichen Eindruck machen aus gleichem Grunde
124
Lasur
tiefgefarbte Glasmalereien. Bel der Lasur Rot
auf Rot beispielsweise kommt diese Wirkung
dadurch zu stande, dass bereits die Deckfarbe
wesentlich rotes Licht zunickwarf, dem nur
(vgl. S. 15) einiges von der OberflSche kom-
mende weisse Licht beigemengt ist. Dieses
weisse Licht wird nun durch die rote Lasur
gleichfalls rot geflCrbt, so dass nur rotes Licht
iibrigbleibt, und so kommt die Reinheit oder
Leuchtkraft oder Tiefe der Farbe zu stande.
£s ist natiirlich, dass man jede andere Farbe
in gleicher Weise zu solcher Wirkung bringen
kann.
Etwas verwickelter ist die Wirkung einer
Lasur auf andersfarbigem Untergrund. Die
Lasur hat, da sie in der Durchsicht wirkt,
die Eigenschaft, dem durchfallenden Lichte ge-
wisse Strahlen zu entziehen. Und zwar sind
es die Komplementarfarben der Farbe, in wel-
cher der Farbstoff erscheint. So absorbiert
der rote Krapplack hauptsSchlich Gnin, das
Preussischblau hauptsachlich Rotgelb usw. Man
kann sich von dieser Wirkung leicht uberzeu-
gen, wenn man durch ein Taschenspektroskop
nach einer weissen Lichtquelle (z. B. hellen
Wolken) hinsieht und dann ein mit der be-
treffenden Lasurfarbe iiberzogenes Glas vor
den Spalt des Apparates hSlt. Andererseits
wirken die deckenden Farbstoffe derart, dass
sie von dem weissen Licht die Farben zurtiek-
"5
DieFolge
b cachra nkties
Untcrmalimg and Lasor so.
Orange nod Rot, Gdh nod Gron etc, so
wird verbaltnisiiiSBsig vi^ Licfat von grosser
Reiiiheit der Farbe zorackg ew o i fe n , mid die
Parfoe erscheint ,4eaclitend*'. Aof solche Weise
lassen sich erfolgreich G^enstande darstellen,
die ivie vom Sonnenlichte dnrchleochtetes Laub,
dorchsichtiges Wasser, bimte Glasfenster a. dgL
kein Oberfiachen^ireiss in ihrer Erscheinung
entfaalten.
Stehen sich Untermalung and Lasur im
Farbenkreise femer, so nimmt die Menge des
von dcr FlSche zuriickgeworfenen Lichtes im-
mer mehr ab, and diese erscheint entsprechend
dunkler. Durch Cberlegen einer komplemen-
tMrfarbigen Lasur iiber eine moglichst rein-
farbige Untermalung ISsat sich eine tiefe und
126
Eigenschaften der Lasurfarben
doch farbige Wirkung erzielen. Das tiefste
Schwarz ergibt sich, wenn auf einen schwar-
zen Untergrund abwechselnd komplementar-
farbige dunkle Lasuren (z, B« gebrannte Siena
und Preussischblau oder reiner Indigo) auf-
getragen werden.
Die Frage, auf welchen Eigenschaften der
Unterschied zwischen Deck-< und Lasurfarben
beruht, ergiebt sich aus der Anwendung der-
selben Betrachtungen liber die Reflexion (S. 52),
welche bereits vorher fur viele Erscheinungen
in der Malerei aufklSrend gewesen sind. Da,
wie dort gezeigt worden war, eine Farbe um
so besser deckt, je grosser ihr Lichtbrechungs-
verm5gen ist, so folgt, dass umgekehrt eine
Farbe umso weniger deckt, also umso mehr den
Charakter einer Lasurfarbe hat, je kleiner ihr
Lrichtbrechungsverm5gen ist, oder genauer, je
naher ihre Lichtbrechung gleich der der Um-
gebung wird. Da es keinen Farbstoff von der
geringen Lichtbrechung der Luft gibt, so gibt
es auch in alien Malverfahren, bei denen die
K5rnchen des Farbstoffes wesentlich von Luft
umgeben sind, keine Lasur, Dies gilt in erster
Lrinie far die Pastellmalerei, und hier liegt die
wesentlichste Beschrankung ihrer technischen
Mittel. Umgekehrt erhalten umso mehr Farben
den Charakter der Lasurfarbe » je grosser die
Lichtbrechung des Bindemittels ist. Da in
dieser Beziehung die Harze und trocknenden
127
Icg^CB «nd, so crUlrt cs sicfa, dan die
Lasorteben moldbc 9em warden, die
dcm Bimlf iniHfl iiiflil mil rncrhmiHirh
tenen, soodem wriifclicl i aaflSsen
Ei^coscliaft haben die
I I T _ .... I „ I
tallozyde gegenSbcr dcm
nut ^ffiTi sie Quf cnsidittfre
und ticCiter PSrbmi^ crxc _
Pfir die anderen Arten dcr ICalcrei knmmen
C^eldate F ar bs tolTe kamn je m Frage. Alle
Stofie, welche wirldiche LMsaogcn tnlden, zti-
gen anch die Eigenschaft der Diffasion, d. h.
freiwilligen Verbrettnng in angr enzende
Getnete des JLdstingsinittels, uro sie noA nicht,
Oder in geringerer Konzentratkm anwesend sind.
£ine solche I>i£Eu8ion tst anch in anscheinend
festen Mitteln, i^e trockener Lreun, Gummi*
Harz mdglich, wenn sie anch dort sehr viel
langsamer erfolgt, als in fiussigen Lrdsungen.
Die Folge davon ist, dass sich um jedes Ge-
biet, wo der geldste StofiF anwesend ist, in das
freie Gebiet hinein ein Difiusionshof bildet,
welcher die Gestalt eines nach aussen abge-
tdnten Randes hat. Eine gute Anschauung
hiervon ergeben die unter der Glasur befind^
lichen blauen Zeichnungen auf Porzellan (z. B.
128
Asphalt
das Meissner Zwiebelmuster), welche alle mit
diesem verschwimmenden Rande versehen sind.
Dieser kommt dadurch zu stande, dass die
blaue Kobaltfarbe sich auf dem Porzellan schon
zu der Zeit befindet, wo es der hochsten Tem-
peratur ausgesetzt ist, und wo die Glasur daher
halbfliissig ist. In dieser diffundiert das ge-
l(5ste Kobaltoxydy das die blaue Farbe bildet,
von den Stellen, wo es aufgetragen war, nach
den freien Stellen hin, und bildet so den cha-
rakteristischen verschwimmenden Diffusions-
rand.
Da durch diese Erscheinung die scharfe
Zeichnung vemichtet wird, so vermeidet man
die Anwendung gelSster FarbstofTe in der
eigentlichen Kunstmalerei. Der einzige, hier zu
erwahnende Farbstoff ist der Asphalt, dessen
ausgezeichnete Lasurwirkung seinem gelosten
Zustande zuzuschreiben ist. Allerdings sind
damit auch die eben geschilderten Diffusions-
erscheinungen verbunden, deren nicht voraus-
gesehene und nicht gewiinschte Ergebnisse dem
unkundigen Benutzer dieses Farbstoffes grosse
Verlegenheiten und Misserfolge bringen k5nnen.
Von diesem Cbelstande der gel5sten Stoffe,
der Diffusion, frei und deren optische Vor-
ztige fast ohne Mangel besitzend sind die col-
loidalen Farbstoff e. Mit diesem Namen be-
zeichnet man nichtkristallinische Stoffe, welche
sich mit Losungsmitteln zwar nicht zu eigent-
Ostwald, Malerbriefe. g
129
Parblacke
lichen Lrfisungen, wohl aber zu Suspensionen
Oder AufechlSmmungen vereinigen, welche noch
einen grossen Teil der Eigenschaften der LS-
sungen haben.
Sie lassen sich mit beliebigen Mengen des
Lrdsungsmittels verdiinnen und zeigen dabei
eine Durchsichtigkeit, welche der der wahren
Lfdsungen nahe kommt, sie aber doch nicht
ganz erreicht. Dies erkennt man daran, dass
solche Lr5sungen zwar oft in der Durchsicht
ganz klar erscheinen, in der Aufsicht aber doch
eine Zerstreuung des Lichtes erkennen lassen.
Ein Beispiel dafiir bietet etwa Preussischblau
in viel reinem Wasser dar, welches in der
Durchsicht klar aussieht. Wenn man aber
mittels einer Sammellinse, etwa eines Brenn-
glases, einen Kegel Sonnenlicht in die Fliissig-
keit fallen IMsst, so zeichnet sich dieser mit
der kupferroten Farbe ab, die man auch durch
GlStten des festen Farbstoffes mit einem har-
ten, glatten K5rper hervorrufen kann.
Zu den gebrMuchlichsten coUoidalen Farb-
stoffen geh&ren die Farblacke. Es sind dies
Verbindungen organischer Farbstoffe mit Ton-
erde oder Aluminiumhydroxyd. Friiher dien-
ten nur ein paar natiirlich vorkommende orga-
nische Farbstoffe, wie Karmin und Krapp zur
Herstellung von Farblacken. GegenwSrtig, wo
die Industrie zahllose kiinstliche Farbstoffe von
alien Farbtdnen herstellt, ist auch die Gewin-
130
Farblacke
nung von Farblacken eine sehr viel mannig-
faltigere geworden. Indessen gelangen diese
meist nicht lichtbestlindigen Produkte gliick-
licherweise nur ausnahmsweise in die fiir die
Kunstmalerei bestimmten Farben und werden
hauptsSchlich in der Tapetenindustrie ver-
braucht.
Von den in der Malerei benutzten Lacken
ist Krapplack dem Karminlack in Bezug auf
seine Bestlindigkeit weit liberlegen. Zwischen
dem kiinstlichen Alizarin und dem natiirlichen
Krappfarbstoff besteht weder chemisch, noch
optisch ein Unterschied, ausser dass der kiinst-
liche Farbstoff reiner ist und daher noch eine
grcSssere Gewc[hr der Dauer bietet, als der
natiirliche^
Da zur Lackbildung mit Tonerde sich fast
nur organische Farbstoff e eignen, welche sehr
oft nur eine geringe Lichtbestandigkeit haben
(unabhangig davon, ob sie natiirliche oder
kiinstliche Farbstoffe sind), so hat sich all-
gemein die Vorstellung verbreitet, als seien
Lacke im allgemeinen nicht ,,echt". Wahrend
dies, wie erw£[hnt, allerdings von vielen alten
^natiirlichen'* Farbstoffen gilt, hat die Industrie
neuerzeit eine Reihe hervorragend lichtechter
kiinstlicher Farbstoffe erzeugt, welche jene
alten unechten nicht nur ersetzen, sondern
iibertreffen. Allerdings lassen sie sich nicht
auf den ersten Blick von den verganglichen
Cberglnge
Produkten unterscheiden , und so lange der
Kiinstler sich nicht daran gewfihnt, ihm unbe-
kannte Farbstoffe einer Probe auf ihre Licht-
besttfndigkeit zu unterwerfen (S. 45), ist es
jedenfalls besser, diese Produkte nicht auf der
Palette heimisch werden zu lassen. Wohl
aber sollten die grossen, als zuverlassig be-
kannten Firmen, die sich mit der Herstellung
von Kiinstlerfarben befassen, dahingerichtete
Arbeiten untemehmen und die als zuverlMssig
erkannten Lacke in den Handel bringen.
Zu den Lasurfarben werden schliesslich
einige gerechnet, welche weder echte noch
coUoidale Ldsungen geben, wie Terra di Siena,
Umbra usw. Diese erhalten ihre durchsichtige
Beschaffenheit im Gemenge mit dem Binde-
mittel durch den verhSltnismassig kleinen Wert
ihres Lichtbrechungsvenndgens, welches dem
der 51igen und harzigen Bindemittel sich nahert.
Dadurch wird die totale Reflexion und daher
auch die Triibung des Gemenges auf ein ge-
ringes Mass herabgedriickt. Indessen ist doch
hier bei weitem nicht die Durchsichtigkeit vor-
handen, wie bei den wahren und den colloi-
dalen Ldsungen. Diese Farbstoffe beginnen
daher den Cbergang zu den Deckfarben, wel-
Cher durch eine Stufenleiter verschiedener
Farben von immer grSsserem Brechungskoeffi-
zienten vermittelt wird.
132
Der LichtumfansT
XIV.
Lfieber Freund!
Ich habe die Frage nach dem Malgrunde
keineswegs vergessen, nur woUte ich sie in
meinem letzten Briefe noch nicht behandeln,
da die Auseinandersetzungen liber die Lasur
bereits einen zu breiten Raum eingenommen
batten. Heute will ich meinen damaligen Aus-
spruch rechtfertigen.
Der Maler beabsichtigt meist, mit seinem
Bilde einen Eindruck zu erzielen, welcher
dem der natiirlichen Erscheinung mdglichst
nahe kommt oder m(5glichst eindringlich an
diese erinnert. Hierbei steht ihm die funda-
mentale Schwierigkeit entgegen, dass der
Umfang des Lichtes, liber welchen er
verftigt, ganz unverhaltnismlCssig viel
kleiner ist, als in der natiirlichen Er-
scheinung. Denn das Bild wird im Zimmer
bei mittlerem Licht betrachtet; das weisseste
Bleiweiss kann nicht mehr davon zuriick-
werfen, als darauf f^lt, und dieses sehr mMssige
Lficht ist das hellste^ was der Maler zur Dar*
stellung der wiederzugebenden Erscheinung
zur Verfiigung hat. Andererseits ist es nicht
mdglichy die Reihe etwa nach der anderen Seite
zu verl&igem, denn dunkler als ein Ort in der na-
tiirlichen Erscheinung, von welchem kein Licht
133
JUCIU
nuBD t*f al?iw'li1fiPl . in ***fi^"* WUIp P3ri>c and
Vcrzicliicl uiiui hiUAul^ bet mm idso in
mi Smnc^ so fifllt allcniings dicse Uireadie for
die WaU etnes weissen Malgmndes feit; doch
wird aludann ein soldier meist idmedies ge-
wlhlt.'
Denken wir miSy Sie wollcn ein r^titA reines
ond feoriges Rot in Ihrem Bilde anbringen,
etwa zar Darstellmig eines sonnedorchleaclite-
ten Carhigen Kirchenfensters. Sie werden Ihr
Ziel am besten erreichen, wenn Sie aof weissem
Untergnmde mit abwecbsefaiden Scbicbten
gelber und roter Lasm-Carbe arbeiten, bis Sie
das Oberfl^chenlicht beseitigt and nar rotes
Tiefenlicht nachbehalten haben. Wieviel Licht
dann ffberbaupt noch von der Stelle aus-
geht, bSngt wesentlich davon ab, wieviel Licht
der Untergrand zariickwerfen kann, and daraus
folgt umnittelbar, dass Sie mit rein weissem
Untergnmde die grdsste Lichtmenge erzielen
werden. Es folgt weiter daraus, dass flir solche
134
Lreim-Qi]>8grund
Wirkungen ein Kreidegrund zunSchst ungiin-
stiger erscheint, als einer aus einer stMrker
brechenden weissen Farbe, etwa Bleiweiss.
Denn wenn das Bindemittel der Lasurfarbe
eindringty so wird die Zuriickwerfung des Lich-
tes seitens des Untergnindes um so mehr ge-
schlidigt, je kleiner dessen Brechungskoeffizient
ist. Indessen gibt es ein Mittel, diesen Nach-
teil zu vermeiden. Wenn neCmlich der Unter-
grund das Eindringen des Bindemittels der
Lasurfarbe verhindert, so kann auch die Ver-
dunkelung durch dieses nicht eintreten, und
man erreicht das Gewiinschte auch mit schwS-
cher brechenden weissen Farben.
Dies ist die Ursache fiir die gute Wirkung
des Lreim-Gipsgrundes, den die Slteren Tafel-
maler angewendet haben, und zu dem Bbcklin
auch*seinerseits zuriickgekehrt ist. Gips ist
ein Stoff von nicht sehr erheblicher Licht-
brechung, etwa 1.5 bis 1.6, alinlich der Kreide,
und wiirde daher durch Ol oder Fimis ziem-
lich durchscheinend werden. Dadurch, dass
er mit Lfeim vermischt ist, wird aber das dl
am Eindringen verhindert und die Lichtreflexion
der weissen Schicht bleibt erhalten.
Durch die Ausnutzimg dieser Grundsatze
sind die genannten Maler dazu gelangt, ihren
Bildem die viel bewunderte Tiefe und Pracht
der Farbe zu geben. Wenn oft behauptet
wird, dass dies fiir den gewShnlichen Sterb-
135
dawrlbr nod noch mdir, optisch c^espro-
cbcn, ciicM tit' ^PCfdco Iemid, ^vas jcoc Iffcster
za stande gdbndbt habcn. Wm man sich da-
▼on fibcfzciuren. ao
Piquer oder aonst einen got weisaen Gmnd
imd ▼eraoclie, die Wirkoocr mit Deckfarbe
nachzoahmcn. Ea gdingt mcfat, nnd zwar on-
fisich deahalb nicht, weO man bei der Deck-
£arbe nicht daa Oberflacfacniicfat ansschliessen
kann, daa bier an^eachloasen iat. Ifit L.asiir-
iarbe dagegen gellngt ea, denn die gefiirbte
Gelatine ist ja optiscb gesprocfaen nicbts als
eine Lraaur.
Dem beatigen lAaler kommt es allerdings
oft genug auf dieae Art der Wirkong nicbt
an* Denn eraichtlicherweise iat fur ein na-
turalistiacbea Bild ein solcbea Mittel nur dort
am Platze, wo aucb die Naturerscbeinung
Tiefenlicbt obne Oberflacbenlicbt gibt.
Die alten Maler waren darauf aus, ihren Heili-
gen, Marieen usw. so schdnfarbige Gewander
zu malen, als sie nur fertigbiingen konnten,
136
Lufdicht
und sie bekiimmerten sich nicht darum, ob
diese Gewander irgendwelchen wirklichen
Kleiderstoffen ahnlich aussahen. Heute aber
handelt es sich im Bilde meist um Ober*
flachenlicht. Die sehr weit fortgeschrittene
Lruftverschlechterung in den modemen Stadten
hat namlich die Menschheit und insbesondere
die Maler auf die optischen Wirkungen der
triiben Luft aufmerksam gemacht, und unsere
heutige schongeistige Kunstliteratur ist da-
durch voll von unklaren Phrasen iiber das
„Lficht, das aller K5rper umflutef' und der-
gleichen geworden. Tatsachlich ist das Licht,
das durch ein farblos durchsichtiges Mittel,
wie die Luft geht, fur uns ganzlich unsicht-
bar und kann daher weder noch braucht es
gemalt zu werden. Was sichtbar ist, sind
die triibenden Teilchen, Russ und Staub
in der Luft. Indem diese das auf sie fallende
Licht nach alien Seiten zerstreuen, bringen
sie ein entsprechendes graues oder blaues
Licht zur Wirkung, das um so deutlicher wird,
je dicker die wirksame Schicht ist. Hierdurch
werden die dunkelsten Stellen der GegenstsCnde
um so mehr blaulich oder grau aufgehellt, je
weiter sie vom Beschauer entfemt sind. Diese
seit Jahrhunderten bekannten und mehr oder
weniger gliicklich ausgedriickten Wirkungen
der sogenannten Luftperspektive treten nun
bei um so geringerer Entfemung in die £r-
137
LufUicbft
scfaeinmig, je staofaiger die LfUft ist, ond daruxn
gibt es tataHclilich m unserer Zeit sehr viel
mehr lAiftlicht zu sehen und zo malen, als in
friiheren Jahrfaonderten. In Leipzig zeigen
meist bei aofinerksamer Betrachtiing die auf
der anderenSeite der Strasse liegenden Schwar-
zen bereits deatliches Luftlicht, wIEhrend ich
auf Riigen oft noch in der Entfemung von
mehreren Kilometem die GegenstlCnde in ihrer
EigenCeu-be nnd nur mit den ersten Spuren des
LuiUichtes ausgestattet gesehen babe. Wenn
man also sorgfiUtig darauf achtet, dass die je-
weils dunkelste Farbe sich nach der zunehmen-
den Entfemung ins Hellere abstuft, und dies
bereits bei geringen Distanzen zum Ausdruck
bringty so erzielt man obne weiteres das ^^um*
flutende Licht''.
All dieses Luftlicht ist nun OberflSchen-
lichty und es ist klar, dass dieses nicht mittels
durchsichtiger Lasur-, sondem mittels Deck-
farbe ausgedriickt werden muss. Man kann
die Wirkung in feinster und naturgemSssester
Weise durch eine triibe Lasur von sehr dtinner
weisser Farbe erreichen (S. 80); die sachge-
miCsse Ausfiihrung dieses Verfahrens ist in-
dessen nicht ganz leicht. Hier tritt der Fall
ein, wo ein Weiss von kleinem Brechungs-
koeffizienten zweckm&siger ist, als eines von
gr5sserem, denn die aufzutragende Schicht
wird um so dicker sein kdnnen, bis die gleiche
138
Weisse Lasur
Wirkung erreicht ist, je naher sich die
Brechungen des Farbstoffes und des Binde-
mittels liegen. Daher wenden die erfahrenen
Maler fur derartige Zwecke an Stelle des
Bleiweisses das weniger brechende Zinkweiss
an, denn je dicker die aufzutragende Schicht
sein darf (es handelt sich hier um liusserst
diinne Schichten), um so weniger technische
Schwierigkeiten macht die Herstellung. £s
wSre daher ganz zweckmSssig, mit dem
BrechungskoefiEizienten dieses „Luftweiss"noch
weiter herabzugehen und etwa Gips oder kiinst-
lich hergestellten kohlensauren Kalk (Kreide
ist meist zu gelblich durch einen kleinen Eisen-
gehalt) fiir diesen Zweck zu verwenden.
Durch diese Beriicksichtigung des Luft-
lichtes verkurzt der Maler nun wieder seine
Lichtreihe nach der Seite des Schwarz, denn
er gelangt nur zu einem abgestuften Grau, das
er nicht iiberschreiten darf, wenn nicht die
Luftwirkung gestSrt werden spU. Somit hat
er auch in diesem Falle ein lebhaftes Interesse
daran, die Reihe nach der anderen, hellen
Seite so lang zu halten, als mSglich, d. h.
sein Weiss m5glichst lichtreich und unbe-
schmutzt zu bewahren. Dies gelingt am leichte-
sten, wenn er auf weissem Grunde arbeitet,
damit er nicht iiberall, wo er die grSsste
Helligkeit braucht, dicke Schichten von Blei-
weiss anbringen muss. Dass dieser Umstand
139
faalb LaA nod IVoflkcn bei so vieien heatigen
f
als brslJiMlf n sic aos dictom Ton. Anfu^eisseiii
lich.
Sthr vid L clirrcicfa cs aeht man in die-
ser Bezielinng an den Bildem Bocidins.
Dorcfastciitige Dinge, insbesondere Liiift und
IVasser, malt er mit LasnrfiBoben aof ^reis-
sem Grande. Die gleiche Technik ergibt
ihm die optische VHrkong des dorclischei-
nenden Marmors und nasser Steine. 'Wo
aber Loftlicht ins Spiel kommt, treten Deck-
farben aii£ Icb wiU nicht bebaupten, dass
dies tiberall genan dnrchgefiihrt ist; insbeson-
dere geraten ibm seine Felsen ^regen reich-
licber Anwendung der L.asnrfarbe namentlicb
in der spMteren Zeit oft ein ^renig zu unkorper-
lich«
Doch ich will scbliessen* Die Verfolgung
dieser Betrachtungen, die im wesentlichen
schon von Ludwig angestellt worden sind (der
sie nur mit seiner ungliicklichen Petroleum-
malerei und seiner nicht minder ungliicklichen
Einseitigkeit im Kunsturteil verquickt hat) ftihrt
in die mehr psychophysischen Seiten der
Technik hinein, von denen erst spSter einmal
die Rede sein soil.
140
Tempera
XV.
Lieber Freund!
Von den verschiedenartigen Techniken bleibt
uns wesentUch noch eine zu besprechen iibrig,
die Tempera. Allerdings handelt es sich
hier nicht um einen so scharf begrenzten Be-
griff, wie bei den bisher erSrterten Verfahren,
denn Tempera bedeutet urspriinglich jedes
Bindemittel fiir Farbe, und noch heute werden
sehr verschiedenartige Gemenge damit be«
zeichnet, Hier ist es insbesondere^ wo die
moderne Farbenalchemie und dasGeheimmittel-
wesen seine iippigsten Bliiten treibt und seine
schlimmsten Friichte tr>.
Unter Tempera versteht man gegenwartig
solche Bindemittel, welche sich zwar im fri-
schen Zustande beliebig mit Wasser verdiinnen
lassen, sich aber gegen Wasser unl5slich er-
weisen, nachdem sie einmal trocken geworden
sindy bezw. langere Zeit an der Luft gestanden
haben. Die technische Erleichterung, die der-
artige Mittel gewMhren, liegt in der M5glich-
keit, Uber vorhandene Farben malen zu k5nnen,
ohne sie zu st5ren. Die Chemie gewa'hrt eine
ganze Reihe von Hilfsmitteln , um diese Auf-
gabe zu 15sen. Man kann das Prinzip der Ol-
malerei benutzen, nMmlich einen Stoff anwen-
den, der durch Oxydation unl5slich wird. Oder
man kann das Festwerden darauf begrunden.
141
Mdgllchkeiten
dass ein die L(5slichkeit verursachender Stoff
verdampft. Oder man kann die Wirkung des
LichteSy gewisse Kombinationen unldslich zu
machen, anwenden. Oder man kann auf die
Malerei einen Stoff aufbringen, der das Binde-
mittel unl(5slich macht. Damit ist meine chemi-
sche Phantasie zunSchst ersch(5pft; ich glaube
aber, dass ich bei einiger Anstrengung noch
einiges aus ihr herauspressen kSnnte.
Um Ihnen aber zu zeigen, wie man diese
allgemeinen Vorschriften in bestimmte Rezepte
verwandelty will ich fiir jeden Fall ein Bei-
spiel geben. Wenn Sie Leim mit Eisenvitriol
mischen, so erhalten Sie den ersten Fall. An
der Luft geht das Eisensalz in eine hShere
Oxydationsstufe liber und dabei entsteht eine
Verbindung, welche den Leim unU5slich macht.
Leider wird diese Tempera dabei ziemlich
braun, so dass sie sich nicht fur alle Farben
eignet. Den zweiten Fall erhalten Sie, wenn
Sie CaseYn mittels Ammoniak oder noch besser
Ammonkarbonat in Wasser aufl5sen« Das Am-
moniak , bezw. das Ammonkarbonat verflilch-
tigt sich beim Trocknen und hinterlMsst das
Casein im unldslichen Zustande. Dies ist eine
sehr gute Tempera. Drittens k5nnen Sie mit
Leim malen, dem eine sehr geringe Menge
eines chromsauren Salzes zugesetzt ist. Im
Lichte wird das Salz so verSndert, dass es
mit dem Leim eine unl5sliche Verbindung
142
Emulsion
bildet. Auch hier ist die gelbe Farbe der
Chromverbindung etwas stSrend^ doch ver-
schwindet sie bei der Belichtung und macht
einer mehr neutralen Platz. Viertens kdnnen
Sie mit Leim malen und jeden Auftrag nach
dem Trocknen mit einer L5sung van Formalin
anstauben. Dieses vereinigt sich mit dem
Leim zu einer unl5slichen Verbindung und der
Zweck ist gut erreicht, da das iibrige Formalin
verdampft, ohne das Bild zu beeinflussen.
Ich habe Ihnen f!ir jeden Fall nur ein Bei-
spiel gegebeuy kc5nnte aber deren Anzahl sehr
erheblich vermehren, wenn ich nicht bereits
beftirchten miisste, den y,chemischenSchrecken"
bei Ihnen erregt zu haben. So will ich es
hierbei bewenden lassen und nur noch auf
eine wichtige, weil viel angewendete und un-
endlicher Variationen fKhige Erweiterung der
vorhandenen Mittel hinweisen. Es ist dies die
Anwendung der Emulsionen.
Eine Emulsion ist ein Gemenge einer
wMsserigen Fliissigkeit mit Kiigelchen einer
nicht in Wasser 15slichen Fliissigkeit, wie 6l,
Fett Oder dergleichen. Milch ist eine solche
Emulsion; in ihr schwimmt das Butterfett in
Gestalt sehr kleiner Kugelchen, die sich nur
schwierig zu gr5sseren Massen vereinigen.
Dies geschieht beim Buttem, und Sie wissen,
dass dies fur den Unerfahrenen keine leichte
Sache ist. Ebenso ist Eigelb eine derartige
143
Doppelte Bindung
Emulsion; es besteht aus einem gelben Qly
dem Eier^ly das wieder in Gestalt kleinster
Tr(5pfchen in Eiweiss aufgeschlMmmt ist
Welchen Wert derartige Emulsionen fiir
die Temperamalerei haben kdnnen, ergibt sich,
wenn man sich die Wirkungsweise einer
passend zusammengestellten, z. B. Casein mit
Lein5Uimis, vergegenwICrtigt. Wird eine Farbe
damit angerieben, so kann man sie beliebig mit
Wasser verdiinnen, kann sie also wie Aquarell
Oder Guasche anwenden. Beim Trocknen wird
zunMchst das Casein in Wasser unloslich.
Gleichzeitig beginnt aber auch der Oxydations-
vorgang am Lein&l, und dieses wird gleich-
falls fest. Das Farbkom ist also auf doppelte
Weise gebunden, und zwar durch ein Binde-
mittel, das vermSge seiner eigentiim-
lichen wabigen Struktur eine besondere
ZMhigkeit besitzt.
Wegen dieser Vorziige wird als Tempera
gegenwSCrtig meist irgend eine Emulsions-
tempera beniitzt. Um eine solche herzustellen,
bedarf man zunMchst eines in Wasser 15s-
lichen, einigermassen schleimigen Stoffes.
Hierzu kann arabisches Gummi, Leim, Eiweiss,
Casein usw. beniitzt werden. Femer bedarf
man eines dies oder fliissigen Harzes mit den
erforderlichen Eigenschaften; hier bieten sich
einerseits die trocknenden 6le, wie Lein-,
Mohn- und Nussdl an, andererseits die fliissigen
144
dltempera
Harze und Fimisse, wie Terpentine Copaivay
Canadabalsam, auch 51iger Bernstein- oder
Kopallack, Riihrt man einen der zuerst ge-»
nannten, in Wasser zu einem Schleim von dl-
konsistenz gel5sten Stoffe mit etwa einem
Flinftel bis einem Zehntel aus der zweiten
Reihe zusammen, so vereinigen sich beide als*
bald zu sahnelChnlichen, undurchsichtigen Ge-
mengen, die nach etwa viertelstiindiger Be-
arbeitung die richtige BeschafFenheit haben
und durchsichtig auftrocknen.
Meist wird Eigelb als wSsseriger Bestand-
teil benutzt, doch ist dies nicht sehr zweck->
msLSsig. Denn im Eigelb ist bereits ein 6l
enthalten, das aber nicht trocknet und ausser-
dem die stark gelbe FSrbung hat. Besser ist
Eiweiss, noch besser Casein, in Ammonkarbo-
nat gel5st. B&cklin hat in der letzten Periode
seines Schaffens eine L5sung von Kirschgummi
benutzty in welcher je ein Neuntel Petroleum,
Copa'iVabalsam und Terpentin emulsioniert war.
Hiergegen wMre h5chstens einzuwenden, dass
das Petroleum dberflussig erscheint; doch kann
es immerhin Wirkungen haben, die sich nicht
alsbald voraussehen lassen.
Die technische Bedeutung der Tempera
liegt nun darin, dass hier die im vorigen
Briefe erw£[hnte Trennung der mechanischen
und optischen Wirkung des Einbettungsmittels
systematisch durchgefUhrt werden kann. Man
Ostwald, Malerbriefe. XO
145
malt (Bit T«mperafaf4>o, holt si« nsch dftm
Tr^lcknen mtt wieto Fimis tierons and kami
Miraof wieter ohoe Sehwitrigkeit mit aener
'Pomptraiftrbe weftsr arbeiten tmd von fnuom
AMiMeii. Ebento httaa man aiif ^^incr Unter-
iMtmg van T^ftipem dlfaite auftrogto, fia<-
ittMitttih Hiit satcher Farbe Itaamrsfi. Bs iftt
naGh< £• Merger Mhr waOirachflkdiab, dass die
Seli6«li0it 4ar Parbe in den altvlSmiacaheo
Bifdem auf Ml<Aie VVfaiae ^ ^amr Obtr
Tempera — erreiCht wordMi tat Da ein ^ditm
TampcratModemittel vcrmtfge wamtr auaam-
iii€iigf66eititenBMchfiffenlieit durch 4iec&n^'e
Masse austrsckncn uad fest wenden kaos^ao
flMt die Ursaelie des iteisseos, die im vodi^Mi
Briefe beziiglich der dftfarbe dargeiac^-wordaii
war, hier fort; audi die Anwenduag der la-
sierenden Ol&rbe btingt sie nioht mit, dean
eine Lasor ist natiutlfemilss ein acftir diinBcr
Aiiftrag. AUerdlngs ist luerbei verauagefietat,
dass nicht berdits durcdi den Mdgnmd das
Reissen bedkigt wird. Um dies zn vermeideny
ist auch der MalgJPtsnd in Tempera suszvifittireQy
4ind zwar miSgllohst diinn.*)
So sind wir, lieber Freund^ eodlibb am
Ende vmserer gemeinsamen Wanderui^ an-
*) Gemahlen^r Schwerspat mit einem solchen (ver-
dfinnten) Tempera -Bindemittel dtinn aufgfetraefoa, g^6t
einen vorsUgliclMn Malgrund, auch fir Paatttll.
146
Waklfrcdli49it
gelangt. Freilich miissen Sie zuna'chst wie
Moses sich damit begnOsen, das gelobte Land
der zuverlMssigsten Technik vor sich zu sehen;
das Betreten in Gestalt eines erprobten Re-
zejites l^nn ichlhaen noch nicht errndglietien,
weil meine Arbeiten ndch nieht wdt getmg daxn
gediAen sUnd. Aber ich glaiibe dttirch die
Pestlegiing der WissenschaMichcm OruikUageh
ddch den expeiimmtler^nden Kdns^adssen
(He Aufgaben und die Mittdl zu ihrer Ltfftung
hltireiehend* klar gemacht zu haben, um ihren
Bemtihungen etne bestimmte Richtung ^u
gebenudd das bisfaer so verbmtete planlwe
uiid attf einen gltteklichen Zu&li berecHnete
Heriithprdbieren entbehtlich zu^ xnachen. £s
ist ja offenbar, dass die Ldsung der Aufgabe
kc3ne eihdc^utige ist; man wird eote ^nzie
Anzahl von Kombinattonen ^asammensteiien
ktkinen, die aile nahezu gleich groase Vorztlge
hlA>en. Um so bes$er , dann ist auch Sic die
pers^nliche Eigenart des Kiinstlers noc^ reich-
lich Raum vdrhanden. Aber ich hoffe wenig-
stens das erreic^t zu haben, dass kfinftig der
Kfinstler nicfht blindHhgs sich Zusammeu-
setzuiigen mit Phantasienamen,' die als Tem-
pera ohne Angabe der Bestandteile angebcrten
werden, anTertraat, sondem vor alien Di^en
zu wissen verlangt, woraus das Bindemittei
besteht.
H7
Verbesserung der Mittel
XVI.
Lieber Freund!
£^ ist zweifellos lichtig, dass man auch
mit unvoUkommenen Mitteln Bilder schafFen
kaniiy deren Wiikung auch als Darstellung der
Wirklichkeity des Lichtes und der Luft in der
Landschaft etwa^ sehr gross ist. Ihre Frage,
ob alsdann die Mdhe um die Verbesserung der
Mittel nicht dberfliissig sei, muss ich allerdings
verneinen. Schon die Tatsache, dass die mei-
sten grossen Maler, und insbesondere solche,
welche weitgehende optische Wirkungen in
ihren Bildem hervorzubringen gewusst haben,
sich sehr eingehend um die Verbesserung ihrer
Mittel gekUmmert haben, beweist die wirk-
liche Bedeutung derselben. Aber man wird
auch ganz allgemein sagen k3nnen, dass wenn
ein Mann schon mit geringen Mitteln Erheb-
liches leisten kann, er mit besseren Mitteln
entsprechend weiter kommen wird.
Dass die besseren Mittel aber nicht in jeder-
manns Hand auch sch^nere Kunstwerke er-
geben, liegt natiirlich daran, dass auch die
besten Mittel nichts helfen, wenn man sie
nicht zweckmk'ssig verwendet. Der Maler hat
nun alien Grund, sich iiber die Wirkungen,
die er mit seinen Mitteln erreichen kann, klar
zu werden, denn wie ich Ihnen fHiher
148
Darstellung des Hellen
(S. 133) dargelegt habe, iibertrifft der Umfang-
der Lichtreihe in der Natur bei weitem den,
welcher dem Maler zur Verfiigung steht. Wenn
dieser also helle Lichterscheinungen zu malen
haty so sieht die Aufgabe anfangs nahezu holF-
nungslos aus. Betrachtet man aber anderer-
seits gewisse Bilder, die mit Benutzung der
erforderlichen Kenntnisse und Geschicklich-
keiten auf einen derartigen EfFekt gemalt sind,
so erstaunt man liber die blendende Wirkung,
die der Maler mit seinem schwachen gemalten
Licht hervorzubringen weiss.
In meinem Zimmer hUngt an der hellsten
Stelle eine Landschaft von Jespersen, den
Sonnenuntergang iiber einer Heide darstellend.
Die Sonne ist ziemlich tief am Horizont, aber
noch nicht von Nebeln bedeckt; am Himmel
befinden sich verstreute W51kchen. Beim Be-
trachten des Bildes empfindet man ein ganz
ahnliches Gefuhl der Blendung, das die Be-
trachtung der wirklichen Sonne in dem dar-
gestellten Zustande, wo man sie eben ansehen
darfy hervorrufen wiirde. Dabei ist die Sonne
nicht einmal mit dem allerhellsten Weiss ge-
malt, sondern gelblich; in der Mitte befindet
sich 9 wie man bei genauerem Zusehen er-
kennt, ein violettrStlicher Fleck; auch hat der
Maler auf pastosen Auftrag verzichtet. £s ist
also mit mcissigen Mitteln ein ahnlicher Ein-
druck erreichty den die unverhSltnismMssig viel
149
grteseren HetUigkeitsonteischiecle der Wirklich-
keift herycirbriiiifeiL
A^alysieFt faan cite HtUismittel im eiii;Eriiiaa,
8^ ergeben okh tqtf^v^ BcBoniierheiten* D4e
Heidc und 4er ^immel sfod in dcpr t^lOie d«r
SoockC viel l^ller, ai» sonBt eemult; lunnib^el-
beac u»te;r der Sonne ist 4er Hotiff9ot Inst
ebenso h^, wie der liiauqd imd die Sasaie.
Bei der wirUiohen Srscheinuxi^ hat man 4en
gleiohen Eindruok; es ruhrt dies von der Ober-
strablung oder Irradiation her. Dies iat etQe
Eigenschaft unseres Auges, venule <jteren 9ich
jedes heUe Qebiet ^(chejabar tlber die angren-
zenden D^unkeiheiteQ fa^naua verbreitet, und
zwar um^o mehr, |e griteer der HeUigikeits-
unterschied isrt. Hier ist er sehr groaa^ der
jMLaler hat demc^t^rechend ein sehr weities
X^berstr^ung^ebiet gemajt, Man k5nnte tm^
wenden, d^p diese t^beratrnhiung im Bilde
durch dieaelben ^iittel hervorgebracht werd/sn
n;ii|aste« wiye in der Natur, niiti^cb diirch
l^febeneinapc^rsetzea von lieU und Punkel.
Hier aber 4nidet der Maler aeoie ^^ehr eoge
Gren^e ^n de^n ^iel zu geringen Helligkeijta-
unterschied aeiQer alusserateyi Farbetoffe: sein
bestes Weiss neben seinem beaten Schyrarz
gi|>t nur eipe sehr unb/»4eutfEmde t^berstraMung,
die mit der dpr Spnne gegen d^n Horiepnt. gar
nicht zu yiBigleic^en iat. Deshalb hat er sich
dadurch gehplfep) da^s pr die Erscheinung,
150
Darstellung snbjtfklifVer Empfindungen
in WirktichJc&it H'Ur subjektiv im
Auge des BresclxffiieTs entfltebty abi^efativ
m »ei»Sild g«snalt hmt Indcm csr dadupch
im Aage enicD i ftinl i cli en 2te8taod lieprvontift,
d» flbkle mac tatstfchttolie t^bwatrafabu^ statt,
bvwi^kt «r bn dem Beschaner die Bmpfiiidiinif
dcr blendendcR HeAUgkeife^ die erfabmngt-
gemiln die Ursadre einer Oberstvafaking Kit*
EBermit iat cm uagebcncr wkhtigea und dcr
manugftkigsten Anwendimgen fithj^ca Pruwip
anagespcocben^ von dem die Kiinatlear uiibe*
wusst Oder bewosat bestitndig Anwcndnng
maciien:snaiiiiiialt die sabjektivea Neben-
eracbeiXMMigien der I^icfa^wirkiuirgixiaBild^
urn den KiAdxmck z^ii erweckea, ala wiSren
deren objective Ursacben vtirhrandeii*
AofdenihescfariebeneDBflde findcn aicah nocb
mehrere Anvpidfuigctt des glaichen BtinzipB.
Jener itHffiobe Fleck in der Mitte 4iar •Sonne Ter-
tiitt die Tatsacfae^ dasa die Mitte unaerea Qe^
eidttsfeldea tine etwas wenlger Irchtenipfind-
li^e SMle eftthtOt, aU iitare sliiciiste Umgdbvog
iat Diesear Umatand kancnt taica gewittmttclien
Oeteauoii dea Angee gar nielit aur Bmpte *
dug, woUl aber bei der Blendim%« md danm
bat itan der Mater oocli aur in die 8cnu» ge*
miUt.
Daa VarachmitElBete ist ainr iMgnuier Uaoh
stand. Wenn man in die Sonne geseban teaty
so beh^ man im Aoiga wsitarend einiger Zeit
X5I
N
das Nachbild der Sonne, das durch eine Reihe
von ziemlich lebhalten Farben ,^bkllngt'^ Und
zwar erscheint dies Nachbild, das in einer Ver-
linderung des Augenbintei^;rundes an der Stelle,
wo die Blendung stat^eftinden hatte, besteht,
fiberall dort, wohin man den Blick richtet, es
ist also mit dem Auge beweglich. Der
Maler hat nun derartige iarbige Nachbilder der
Sonne an verschiedene Stellen seines Bildes
gesetzt und ist dabei so vorsichtig verfahren,
dass man die iarbigen Flecken als solche nicht
unmittelbar empfindet, sondem erst beim ge-
naueren Zusehen unterscheiden kann. Dem-
gemass bemerkt der unvorbereitete Zuschauer
iiberhaupt nicht, dass der Maler die Nachbil-
der hingemalt hat; er hat nur in seinem
Auge, das auf irgend welchen anderen Stellen
des Bildes ruht, die gleiche farbige Erschei-
nung, als hStte er das Nachbild der Sonne im
Auge, und da er diese Empfindung wieder-
findet, wenn er seinen Blick auf andere Stellen
des Bildes richtet, so gesellt sich dazu der
Eindruck, dass dies Nachbild mit dem Blicke
wandert, gerade wie ein richtiges Nachbild.
Da er derartiges nur von der Blendung des
Auges durch grosse Lichtunterschiede herkennt,
so wird alsbald der Eindruck bewirkt, solche
Helligkeitsunterschiede seien tatsiichlich vor-
handen.
Es ist sehr zu beachten, dass der Blen-
isa
Gewdhnung
dungseindruck dieses Bildes auf den Unvor-
bereiteten sehr gross ist; er verschwindet aber
ein wenig, wenn man die Mittel genauer unter-
sucht hat und ist bei mir, der ich dies oft ge-
tan habe, bereits ziemlich viel geringer ge-
worden, als er anfangs war. Dies ist ein
natiirlicher und unvermeidlicher Vorgang, der
ein grosses Licht auf gewisse geschichtlich
beglaubigte Tatsachen wirft, die uns sonst
schwer verstandlich sind. Solange der Be-
schauer nur solche Nachbilder kennt, die durch
eine wirkliche Blendung entstehen, miissen die
gemalten, von deren Existenz er noch keine
Erfahrung hat, ausserordentlich iiberzeugend
wirken, indem sie ihm das Vorhandensein einer
wirklichen Blendung suggerieren. In dem Masse,
als er aber lemt, dass es auch gemalte Nach-
bilder gibt, wird der Schluss von den Nach-
bildern auf die Blendung immer weniger bin-
dend und die Wirkung schwacht sich ab. Diesen
eben geschilderten Vorteil der unwidersteh-
lichen Suggestion hat offenbar ein jeder Maler,
der als erster eine derartige Nachahmung der
Natur entdeckt und anzuwenden weiss. Der
Beschauer, der diese VerhMltnisse nicht kennt,
unterliegt der Suggestion um so sicherer, je
weiter abliegend vom Gewohnten die neue Er-
werbung ist, wcihrend die spstteren Beschauer,
denen das neue Mittel durch vielfache Anwen-
dungen, die sie in Bildem gesehen haben, ge-
153
Vorttil das BMten
Ufofig geipordai iflt» van jener zwingesden
Snggcw/tiotx iiidits mehr cwnpffinden* So .eddKton
sioh die entbuatiMtisdbeii Beri^rte on jdem
Alleitaiii flbor die BusscriU'dftUtliclic IftrtCiriictH
kcdt dnr von den demfillgen Jftnlcni crneichtBD
Wirkongent wShrend vrir nach dem, vtmi^ wir
vm JCDM91 Malcrotfin wiiiBn, sie xwar vfiiinut*
Uoh nadi anderea Sctten aehr aohdn, aber niclits
weniger als nat n ra lUa ti a c h hcrvDrragend fin*
daa wiirdeB. Neulii^ wurde ich von emen
Fraunde gofragty wie die zeitg enttsaiachen Be*
ridite fiber die ana a e rord eatHcltie NatiirlscMMat
der Lraodachaften Gdottoa ru erUMren aeien.
da docfa, wie der Angenafdiein lehrt« dieae
L«ndacli«fte& flr una vaai einer IdndlsChec
HilfloajglQrit in der Aufiaaaung miid DarateUung
BuA Sie Aotff^ort iat eben, daaa jene Zeit-
I^Bnoaaen neben den GeaichtBeiadriickea der
waridichen Natur iainliGhe» dtirch Kunat her-
vergebradite meht kannten und daber von der
Annfiksensng^ die Giotto ala ersfeer errekfat
hatte, in deradlben Weiae atsggeativ beeinfluaat
wurden, vnt der hentige Bescfaauer von dem
•charfaimiigeo Nachbikksinaler Jeaperaen«
Waa ich Ifanoi hier fiir die Blenduoga-
erscheinungen entwickelt habe« gilt natlMich
allgemein von alien aufajelctiv en^ftuidenen
Wirkangmi dea Xaaaeren liiohtea auf daa Auge*
Um Bmen noch eln andcsrea Bmapidi vomi-
itthrea nnd IfaMo dadttreb die ganz anaaer-
154
D«r fleekig» Htemel
oxdenfeUohc Allgemeinheit und Fruchtbarkeh
dieses Prinzips zu zeigen, will ich noch eiiieii
FaH er&rtern, d^^ des fleckigpen Him-
laels. Scit tintr nicht grossen Aixzahl von
Jahrcn fUUte ich imch duixb dmit dutnme
Matttcr, den ELimmel zu malen, geSrgert : sie
bestand dluis, dass man verschiedene blaiiie
und rtitiiche gcobe Stridbe kreuzweise neben-
einander setzte. Da ich den Himmel niemals
so gesehetn hatte^ betrachtete ich die Sacfae
als eine (sehr verbreitete) Mode^ bis ich ein*
nud auf ein Bild stiess, in weichem dies Prin*
zip sacfagemass und nicbt auaserlich mecha-
niacfa benutzt worden war. Hier waren die
beiden FarbtiSne, ein griinblauer und ein r6t-
lichvicdetter, sorgfiQtig so gcgffineinander abge-^
stimmty dass ifare Helligkeit gleich war
und ihrc gegenaeitigen Grcnzen dadurch tAibk
liur sdiT schwer erkennen lieasen. Wean man
eine derart behandelte Flliche httraehtfit^ so
weiss man nicfat recht> auf welche von beiden
Farben man daa Auge einsteilen soH, denn
da das Auge nicht voUstSndig achromatisch
ist, so braucht es Sir verschiedene Farben
eine etwas verschiedene Einstellung. Eine ahn-
liche Unsicherheit empfindet man, wenn man
in den ganz klaren Himmel schaut, in dessen
Tiefe sich kein Gegenstand befindet, der ver-
m5ge seiner bestimmten Ent&mung eine btt*
stimmte Einstellung der Augen veranlasst, und
155
dco, dcno Ftfilisloff und TlimlfmiUflj Dcckuog^
sind ja aoch dot Ifittd, von der
KJndmck hervorznbriiigen, dcr dcm der natiir-
lichen Ersclieinnng iml i fimnmL Der Unter-
sdued liegt nor in der zancbmenden Verwick-
hmg and Vemumnigfaltigiing der Erscheinqng,
War es bisfaer nor die Farbe selbst ohne Rfick-
siclit aof ihre Begrenzung and g^enseitige
optische Beeinfliissiing, die ivir betrachtet
haben, so sind nunmelir die Obereinstimmun-
gen und Verschiedenheiten znr Sprache ge-
kommen, welche diese Farben in ihrer Wir-
kung auf das Auge im Vergleich zu der natiir-
lichen Erscheinung zeigen.
XVII.
Lieber Freundl
Sic flussem sich zufrieden mit den An-
regungen und F0rderungen, die Sie meinem
letzten Brief entnommen batten, betonen aber
156
Akademischer Unterricht
mit sichtlichem Ingrimm, dass Ihnen hiervon
seinerzeit auf der Akademie nicht der leiseste
Schimmer gesagt und erkl^t worden sei, und
dass Sie unzweifelhaft sich eine Menge nutz*
loser Arbeit und schwer iiberwundener Irr-
tiimer erspart hittten, wenn Sie friiher zu der-
ardgen allgemeinen und doch auf den einzelnen
Fall leicht anwendbaren Betrachtungen ange-
halten worden wICren.
Ich selbst kenne den Betrieb der Akade*
mieen nicht aus eigener Erfahrung, muss aber
allerdings zugeben, dass die Ausserungen von
Kiinstlem, aus denen spater etwas Erhebliches
geworden ist, iiber ihre auf der Akademie ver-
brachte Studienzeit fast ohne Ausnahme recht
ungiinstig lauten. Dies steht in einem auffal-
lenden Gegensatz zu der Tatsache, dass die
Gelehrten sehr oft ihrer Universitatslehrer
dankend gedenken, ja nicht selten erklaren,
dass das Beste, was sie geleistet hatten, der
Schulung Oder wenigstens Anregung ihrer aka-
demischen Jahre zu danken sei. Nun muss
ich die FIChigkeit selbstsCndiger wissenschaft-
licher Forschung ebenso hoch stellen, wie
die selbstSndiger kiinstlerischer Gestal-
tung. Wenn nun die erste Fahigkeit erfolg-
reich und in einer den Z5gling befriedigenden
Weise von einer Lehranstalt ausgebildet wer-
den kann, so muss ich dies auch von der an-
deren annehmen, d. h. ich muss die MSglich-
157
koit bchflopteo, den Unterricht sdf der Koiurt-
akadeinie ebenso IBrderiiA uad begeistemd za
gortalteo, vHe sich der wisscDsehafUiclie Unter-
richt erfahrangttniffwrig gestalten lliMt. Wenn
dies 2iel nicht erreicllt wild, eo kann es nor
an der Lehrmetiiode oder dem I^hriidiidt
liegen. Dcmn an der Kunstakademie wtrd ja
wie an der UnhreraitlCt der Unterricht von Sol-
chen erteQt, die die FShigkelt artbetfindigen
Schaffisns an eigenen Werken erwieaen haben.
Nun achelnt allerdinga sax der Kunfitakademie
die Oroppe von LrOhriUchMii zu fthlen oder
nor atiefinfitteriich behandelt zu vrefden, die
idtk ala unbedingt grun^egend ftir jede gesnnde
KunstObung anaehen muss, die Naturwissen-
sc ha ft en. Anatomie einerselts, Geofnetrie
und Perspektive andererseits werden wohl ge-
l^rt. Aber mlt wie diirftigem Brfolge, zelgt
ein Rundgang durch irgend eine AusstcAlung
neuer Bilder, in denen die perspektivisc^en
Pehler — nun wir woUen sagen — nicht airtten
sind. Dass Physik, insbesondere Optik, Phy*
siologie des Sehens und endlkh Psychdiegie
geiehrt wQrden, scheint liicht vorzukommen.
Mit der Chemie hat man im Ihteresse der
maltechnischen Fragen aUerdinga eben einen
schUchtemen Anfang gemacht.
Ich zi5gere nicht, die Ketzerei auszusprechen,
daas der bildende Kiinstler eine ihinde-
stena ebenso griindliche naturwissen-
158
Notwendigkeit n tMu r^ wfl tanBcbaftlicher Bildung
schaftliohe Bildunghftbetimufts, wie b«i*-
apiftliiw^ise d«r M^ediiziBer. Dafiir kann
w grotse ToUe ddr ttbltchim Aistiiettk, die woU
moist der V<«rtragefHle ebensowenig bcgretft;
wie der H5rer, auf sich berahanilaaaon. Afidere
Dinge, die txxir dbenso entbebxiieh soheinen,
iMoe iefa lieber uobe^eiehnet, um die amm*'
a^pebeodeo Reformer zusiachat in den GrenMO
dea Ausffibrbaren ^u faalten.
&ie warden fragen, woher der SdiUler die
Zeit hietfiir netameo aoll. Die Antwort lic^
darin, dass ihm eine rationelle, d. fa, auf die
Sache gehende wisaenachafdiefae Bildungy
set aie Bochao elementar, daa Handweiic seiner
Kunst in ganz unuberaehbarer Weise erleiob^
tem wird. Was er aieh senat miihseUg als
eine tmvarstandene Kegel hat eiopriKgenaiiisseo,
wobei er aich immer noeh zu besinnen hat>
ob mcht gerade daa Qei^eBteil vorgeschrieben
iat> daa braiieht ihm alsdaim nur eimnal ge*
aagt au warden, ond er kann ea dem Zusam*
me&hang seinea rationellmi Wisaena einver*
letben, denn es iat mir etoe einzehie Anwendung
fldlgemeiner Gresetae, die er kennt* Wenn man
wie ich tiigUeh gesehen hat» wie achnell einem
Sebitter die aaehgemSaae Anw^iduog allge*
meiner Gesetee znr featen Denkgewohnhait
werden kann, so hat man in eine derartige
Ldbrmathode etniiinbegreQatea VertrauMi. Und
weno der KunatachiUer sich ttberzeugt, wie
159
Sehen lemen
bald ihm das, was er lemt, die kiinstlerische
Arbeit erleichtert, so wird er das Erwerben
derartiger Kenntnisse mit derselben Freude
betreiben, wie sic die Regel beim jungen Na-
turwissenschaftler ist.
Aber wohin bin ich geraten! Da ist wieder
der Lehrer mit mir durchgegangen. Ich wende
mich zu den psychophysischen Bedingungen
der Malerei zurtick, und mache Sie auf ein
wichtiges allgemeines VerhsQtnis aufinerksam,
das ich der Wirkung wegen auf eine m5glichst
auffallende Form bringe.
Zum Zwecke der malerischen Wie-
dergabe der Natur muss der Kiinstler
erst neu sehen lernen.
Dies ist deshalb nStig, weil wir keineswegs
die Dinge so sehen, wie sie sich, optisch ge-
sprochen, dem Auge darbieten, sondem so,
wie wir sie am besten erkennen. Wir be-
nutzen nsCmlich gew5hnlich unsere Augen nicht
dazu, um einfach die verschiedenen Farben-
und Lichtempfindungen, die uns die Aussenwelt
bietet, alsfarbigeFlecken aufzunehmen, son-
dem um uns in der Aussenwelt ftir allerlei tag-
liche und praktische Zwecke zu orientieren.
Beispielsweise sehen wir fiir gewohnlich nichts
von den schiefen Winkeln, unter denen uns
infolge der perspektivischen Verschiebungen
die HMuser erscheinen. Vielmehr fassen wir
diese gesehenen schiefen Winkel als rechte
i6o
Praktisches und kiinstlerisches Sehen
auf, d. h. wir subtrahieren den uns bekannten
Einfluss der Perspektive von dem tatssichlichen
Gesichtsbilde und konstruieren uns daraus das
rechtwinklige Haus. Dies macht sich geltend,
wenn das Kind oder allgemein der unentwickelte
Mensch zu zeichnen beginnt: alle Dinge, von
denen er erfahrungsmassig weiss, dass sie rechte
Winkel haben, zeichnet er auch rechtwinklig,
obwohl sie ihm tatsachlich schiefwinklige Ge-
sichtsbilder geben. Das gleiche gilt fur die
perspektivische Verkleinerung femer Gegen-
stMnde: alle Fehler, welche der Ungeiibte
in dieser Beziehung begeht, liegen in dem Sinne,
dass er die perspektivische Verkleinerung ge-
ringer zeichnet, als sie tatssichlich sich dar-
stellt. Giotto hat beispielsweise noch nichts
von der Perspektive verstanden und hat nur
ungefahr gewusst, dass feme Gegenstlinde
kleiner erscheinen. Seine unaufh&rlichen per-
spektivischen Fehler bestehen fast alle darin,
dass er die Verkleinerung zu gering zeichnet.
Das gleiche gilt endlich fiir die Farben.
Praktisch interessieren uns die Farben der
Gegenstande auch nur als Hilfsmittel des £r-
kennens, und somit subtrahieren wir von jeder
gesehenen Erscheinung die uns bekannte be-
sondere V^irkung der gerade vorhandenen Be-
leuchtung und wenden unsere ganze Aufmerk-
samkeit auf die Erkennung der Eigenfarbe des
Gegenstandes, seine spgenannte Lokalfarbe.
Ostwald, Malerbriefe. XZ
i6i
Bis ticf in die aogcminntr gnssc Z€A dcr itft*
licnisclicii Mslcrci kam man den Emfloss diuei
GewShnons: veriblgen; alle Biider werden so
dargcstellt, als wSren sSmdidie Gegenstande
dnrch fiu1>loses Lricht bdeaditet. Selbst dort,
iro die BeotMicfatong so onzweideiitig ist, dass
sie nicfat fibersehen urerden kann, wie bei dem
Blan der Femen, wird dieses wie eine Lokal-
&rbe behandelty and von den besonderen Um-
stSnden, dnrch welcfae das Femblaa modi-
fiziert wird, findet sich last nichts beachtet
und ausgedriickt.
Diese Beispiele liessen sich noch vielfoch
vermehren, doch urerden Sie das wohl noch
leicfater und mannigfaltiger aus Ihrer Erfahrung
tun kdnnen, als ich es vermag. So will ich
nur einen allgemeinen Schluss daraus ziehen
und ihn zu einer entsprechend allgemeinen
Regel benutzen, die fiir die kiinstlerische Ar-
beit massgebend ist, soweit sie die Darstellung
der natOrlichen Erscheinung anstrebt. Der
Kilnstler muss sein Auge und sein Be-
wusstsein unaufhSrlich dazu zwingen,
sich jene fUr dieZwecke despraktischen
Lebens erworbene innere Bearbeitung
und Umgestaltung der Gesichtsein*
driicke wieder abzugewShnen; er muss
sich dazu erziehen, nur Formen und
Farben zu sehen, ohne Beziehung auf
das, was sie ,,in Wirklichkeit" darstellen.
z62
Sehen lernen
In dem Masse, als er diese ^Wirklichkeit'^ aus-
zuschalten gelemt hat, wird er in den Stand
gesetzt sein, in seinen Bildem den Eindruck
der Wirklichkeit wiederzugeben. Denn seine
Aufgabe ist ja, fiir jeden dargestellten Gegen-
stand im Auge des Beschauers die optische
Wirkung hervorzubringen, welchen der Gegen-
stand hervorrufen wiirde, wenn er sich dort,
wo er dargestellt ist, selbst befSnde. Die
praktische „t}bersetzung'' oder das Erkennen
besorgt dann der Beschauer des Bildes seiner-
seits; und gerade der Umstand, dass er diese
Obersetzung erst selbst besorgen muss, ruft
in ihm den Eindruck hervor, als befande sich
der wirkliche Gegenstand vor ihm. Umgekehrt
wird jede in das Bild hineingemalte der-
artige Cbersetzung den Beschauer aufinerksam
machen, dass es sich nicht um den Gegen-
stand selbst handeln kann, sondem nur um
eine Darstellung desselben.
Wenn ich schliesslich das, was hier im
einzelnen von Fall zu Fall erlautert worden
ist, in einen allgemeinen Satz zusammenzu-
fassen versuche, so erhalte ich die folgende
Kegel Oder Mahnung, die sich jeder Kiinstler
immer wieder ins Bewusstsein rufen soUte,
bis er sich daran gew3hnt hat, bestandig da-
nach zu handeln. Diese Regel ist dieselbe,
die sich aus den Mitteilungen der grossen
Kiinstler selbst von Lionardo bis B3cklin als
II*
163
Bewu88te Arbeit
Summe ihrer Weise entnehmen IsCsst. Sie
heisst:
Der Kiinstler schaf fe bewusst. £r sei
sich unaufh5rlich klar iiber den Zweck,
den er eben erreichen will, und iiber die
Mittel, mit denen er ihn erreicht.
Jedem Kiinstler gelingen von Zeit zu Zeit
noch weit iiber das von ihm Vorausgesehene
und bewusst Gewollte in besonders gliicklichen
Augenblicken Dinge, iiber welche er selbst er-
staunt. Hierin liegt eine Quelle grosser Fort-
schritte. Solchen gliicklichen Funden gegeniiber
hat er die heilige Pflicht, nicht zu ruhen, als
bis er genau herausgebracht hat, worauf die
besondere und neue Wirkung beruht, die ihm
da gelungen ist, und er hat die Richtigkeit
einer auf diese Frage gefundenen Antwort da-
durch zu priifen, dass er eine gleiche oder
Mhnliche Wirkung nunmehr bewusst hervor-
bringt.
Dies ist in kurzen Worten der eine und
wahrscheinlich hMufigere Weg, auf welchem
der Kiinstler fortschreitet. Bin anderer liegt
darin, dass er sich durch die Natur, die £r-
fahrung Aufgaben stellen lasst, deren LSsung
noch nicht versucht oder gelungen ist, und
dass er durch das Experiment die Mittel zu
gewinnen versucht, um das neue Problem zu
bewlQtigen. Die Aussicht, eine derardge Auf-
gabe zu 15sen, wird um so grosser sein, je
164
Schluss
sicherer der Kiinstler einerseits die bereits
vorhandenen Ausdrucksmittel beherrscht, und
je klarer er andererseits liber die Bedingungen
der Wirkung, optische, wie psychologische
ist. Auch hier ist also eine mdglichst weit-
reichende Klarheit und Bewusstheit die Grund-
lage alles Erfolges. £s findet hier eine Shn-
liche Umwandlung statt, wie in alien anderen
menschlichen Dingen; was friiher von dem
unerkl£[rbaren Eingreifen h5herer Machte ab-
h£(ngig erschien, wissen wir jetzt nicht nur
naturwissenschaftlich zu begreifen, sondem
auch hervorzubringen. Ebenso hat in der
Kunst die unbewusste Eingebung dem
bewussten Kcinnen zu weichen.
Druck Ton Breitkopf & HiCrtel in Lreipzig.
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