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begründet und für die Geiellichait
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herausgegeben pon
Prol, Dr. Guital Koilinna |
X. Band (1918)
leipzig und Würzburg
Verlag von Curt Kabitzid
1919.
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Alle Rechte, insbefondere das der Überſetzung, vorbehalten.
Druck der Univerſitätsdrucherei H. Stürtz K. G., Würzburg.
Inhaltsverzeichnis.
, Seite
Zueignung an Guſtaf Koffinna zum 60jabrigen Geburtstag I
Beiträge zur Seftihrift - - - tte ne Ge el 1
Abhandlungen . - - - - - 222 ee ee eee CCC 159
Meng ͤ wͤ»ͤͤ—ꝰ˙: ß; Dur oo 179
Bücherbeſprec hungen BEE EE 243
Almgren, Oskar: Zur Rugierfrage und Derwandtes. Einige Andeutungen 1
Bayer, Jofef: Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutſchlands.
Mit 3 ehh ne Re en ca A 179
Bezzenberger, Adalbert: Ein maſuriſches Steinzeitgrab. Mit 5 Tertabb.. . . . 10
Bing, Juft: Der Kultwagen von Strettweg und feine Geftalten. Ein Deutungsverſuch.
TUL rr, ee ee ee 159
Bing, Juft: Der Umendedel von Merſin Kr. Köslin. Deutungsverſuch. Mit
ebben E ee ee ee 83 223
Girke, Georg: Seldbrief: - - - - >: mon 157
Hahne, Hans: Jueignung der Feſtſchrift an Guftaf Koffinna zum 60. Geburtstag III
Heb v. Wichdorff, Hans: Die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die vorgeſchicht⸗
iche Willenihaft . . 4. 22.25 20 board lb ed ar 192
hörter, Peter: Grabfunde der catenezeit im Muſeum zu Mauen, Rhld. Mit
Ol!!! es u oe eee ee 231
Jahn, Martin: Der SpatlaténesSund von Iſchiläſen Kr. Guhrau. Mit 3 Tertabb.
Und: r ⁰⁰ʒ 15
Koffinna, Guſtaf: Erläuterungen zur Karte der Sunde gebänderter Seuerfteingeräte.
mit 1 Tafel (IV). . ) / 202
Langer, Stanz: Zwei Bronzeſchwert⸗Sunde aus Wenfidendorf Kr. Niederbarnim,
Prov. Brandenburg. Mit 1 Tafel (V). . . 2... 2. ee ee eee 210
Ledler, Jörg: Seldbrief - - kn EEE 157
Cienau, Michael Martin: Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz. Mit
2 Textabb. und 2 Tafeln (II, IIñꝶ:uLLLL[nUß᷑Umnß nnn... 25
Cienau, Michael Martin: Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz. Noch ein
F ĩðx %s e ër ee DaS 207
Lienau, Michael Martin: Ein großes und ein kleines Schildkröten⸗Congefäß aus
Klieſtow Kreis Lebus, bei Srankfurt a. O. Mit 3 Tertabb. und 1 Tafel (VI) 212
Liſſauer, Fritz Selobries . . . = u. a & we. 2 ae a a ee 156
Mötefindt, hugo: Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. Mit 46 Textabb. 31
Montelius, Oskar: Die Vorfahren der Germanen. Mit 2 Cextabuvrt,t . 64
IV Inhaltsverzeichnis. — Bücherbeſprechungen.
Näbe, Max: Die Bodenſtempel auf wendiſchen und frühdeutſchen Gefäßen des
9.—14. nachchriſtlichen Jahrhunderts. Mit 10 Textabbbbbooood.
Netoligty, Sritz: Die Urſache der ſtarken Jahnabnützung an prähiſtoriſchen Schädeln
Peiſer, $. E.: Der Goldfund von hammers dor
Rademacher, E.: Zur Chronologie der niederrheiniſchen Hallſtattgräber
Schultze, Martin: Dorgeſchichtliche Unterſuchungen während der Kriegszeit. Mit
Schulz, Walther: Urnenfriedhöfe und Grabhügel des letzten Jahrtauſends v. Chr. im
nordöſtlichen Weſtfalen. Mit 20 Textabbovbouor² eee
Schulz, Walther: Urnenfunde der vorrömiſchen l bei Warmſen Kr. Stolzenau,
Prov. Hannover. Mit 7 Tertabb.. . . .. 2 .
Wahle, Got: Der moderne Krieg, ein Minderer der vor: und frühgeſchichtlichen
Bodenfunde..n: 4.8.5 282 EE ¶ ei nes
Wilte, Georg: Die Zahl Dreizehn im Glauben der Indogermanen. Mit 41 Tertabb.
Sachregiſteee e. CCC
Verzeichnis der Abbildungen im Text und auf den Tafeln
Bücherbeſprechungen.
Aberg, Nils: Die Typologie der nordiſchen Streitärte. Würzburg 1918 (E. Wahle)
Ehrlich, B.: Keramiſche und andere ordenszeitliche Sunde in der Stadt Elbing und
in der Elbinger Umgegend. Thorn 1917 (S. M. Näbee dd
Koffinna, Guſtaf: Altgermaniſche Kulturhöhe, ein Kriegsvortrag. Die Kerien:
Januar 1918 (E. Walter-Stettin). - - > > 220er 22 eee
Male, Emil: Studien über die deutſche Kunſt. herausgegeben mit 1.9 mungen von
Paul Clemen, ufw. von Otto Grautoff. Leipzig 1917 (E. Wahle) .:...
Monumenta Germaniae architectonica, herausgegeben von Albreht Haupt. II. Die
Pfalzkapelle Kaifer Karls des Großen zu Aachen. Leipzig (R. Mohrmann)
Sprater, Sriedrich: Die Urgeſchichte der Pfalz, zugleich Führer durch die vorgeſchicht⸗
liche Abteilung des Hiſtoriſchen Muſeums der Pfalz. Speier 1915 (E. Wahle)
257
267
Seite
251
257
243
246
252
250
Dem 60jährigen |
Gujtaf Koſſinna
zum
28. September 1918.
Druck der Königl. Univerſitätsdruckerei D. Stürtz K. G., Würzburg.
SO —. .. —
Fueignung.
Das vorliegende Doppelheft des Mannus iſt ein Geburtstagsgruß an
den 60 jährigen Guſtaf Koffinna. Wenn es nicht jetzt im Kriege herauskommen
müßte, wäre es ein noch weit ſtattlicherer Band geworden, an dem vor allem
auch die Jugend einen viel weſentlicheren Anteil beigetragen hätte; denn
Koffinna, der erſte Inhaber des erſten deutſchen Lehrftuhles für Vorgeſchichte,
hat wirklich Schule im höheren Sinne machen können, allein ſchon
als Ordner und Juſammenfaſſer der bereits vorgebildeten Arbeitsweiſen,
als Lehrer einer wachſenden Jahl akademiſcher Schüler und als Anreger,
Förderer und Wegweiſer eines weiten Kreiſes von Freunden und Mit-
arbeitern. Zudem ift aber die Kofjinna zu verdankende grundſätzliche Ein-
führung der Siedlungsgeographie bzw. Siedlungsarchäologie
in die Dorgeſchichte, wo fie früher nur gelegentlich in unvollkommenen
Anjagen angewendet war, und ihre Ausbildung zu einer äußerſt verfeinerten
Methode eine notwendige und nicht mehr wegzudenkende Stufe in der Ent⸗
wicklung der Vorgeſchichte zur ſelbſtändigen geſchloſſenen Wiſſenſchaft ge-
worden !). Nicht nur feine eigentlichen Schüler arbeiten heute, unbeſchadet
aller Mannigfaltigkeit ſonſtiger Frageſtellung in der Vorgeſchichtsforſchung
bewußt ſiedelungsarchäologiſch, d. h. mit dem Beftreben der Heraus-
arbeitung von Kulturbildern und -Kreifen aus dem Moſaik der zeitlichen und
geographiſchen Sundverteilung, und zwar durch einen Analogieſchluß aus
geſchichtlicher Zeit, nämlich mit Verwendung der Erfahrung, daß geſchloſſene
Kulturbilder grundſätzlich geſchloſſenen menſchlichen Lebenseinheiten, wie
Völkern und Stämmen entſprechen: im Gegenſatz zu Kulturzufammenhängen
weniger beherrſchender Art, wie 3. B. den durch Handel bedingten. Allein
ſchon als zeitliches und geographiſches Ordnungsprinzip für die Sund-
materialien weiter Gebiete hat ſich die ſiedlungsarchäologiſche Methode
glänzend bewährt; aber weiter auch als Grundlage für die längſt geſuchte
und verſuchte „geſchichtliche Durchdringung“ des rein vorgeſchicht⸗
lichen Stoffes mittels Gleichſetzung von zunächſt rein archäologiſch ge:
wonnenen, vorgeſchichtlichen, daher namenloſen Kulturgruppen mit theore⸗
tijd) vorauszuſetzenden vorgeſchichtlichen Anfängen geſchichtlicher Stammes⸗
und Dölfergruppen. Der exakt methodiſche Ausbau dieſes Grundgedankens
IV Zueignung.
und feine Anwendung auf die verſchiedenen Salle in der Vorzeit wird aller-
dings noch viel Arbeit und weiterhin noch manchen wiſſenſchaftlichen Streit
erfordern, da in diefe an die Geſchichte anknüpfenden Schlüſſe der „ethno—
graphiſchen“ Hilfsmethode allerlei an ſich auch noch nicht felſenfeſt begründete
philologiſch⸗hiſtoriſche Theorien und ſprachgeſchichtliche hupotheſen hinein-
ſpielen und gar leicht vom Wege beſonnener Induktion ablenken können.
Zur Beurteilung von Roſſinnas Stellung in der Entwicklung
unſerer Wiſſenſchaft erinnern wir uns, daß die rein archäologiſche
Dorzeiterforfchung ihren Ausgang im erſten Drittel des 19. Jahrhunderts von
den nordeuropäiſchen Ländern Dänemark, Deutſchland und Schweden ge-
nommen hat: Den Thomſen, Liſch, Danneil, Worſaage, Wedel, Undjet, Ciſchler,
Spohus Müller und Montelius find die erſten großen Urbeitsleiſtungen und
Sindungen zu danken, beſonders auf dem Gebiete der aller weiteren Sorichung
zugrunde liegenden kulturarchäologiſch⸗-ſtiliſtiſchen und zeitlichen Ordnung
(Typologie und Chronologie) des Sundmateriales. Hiermit gewann die vor-
geſchichtliche Archäologie eine erſte ſcharfe Begrenzung auf Grund ihres be:
ſonderen Stoffes und ſeiner ſpeziellen Derarbeitungsweijen als ſelbſtändiges
Forſchungsgebiet gegenüber anderen, auch gelegentlich vorgeſchichtliche Fu-
ſtände behandelnden Wiſſenſchaften, wie der Geſchichts- und Sprachforſchung,
Erdkunde, Völkerkunde, Anthropologie und der klaſſiſchen Altertumswiſſen⸗
ſchaft. Dieſe Abgrenzung mußte geſchehen unbeſchadet der vielfachen Herüber⸗
nahme wichtiger kulturgeſchichtlicher Einzelheiten, wertvollen Tatjachen:
materiales und anregender Hypothejen aus dieſen und anderen Forſchungs⸗
gebieten, z. B. auch der Zoologie, Technik und Chemie.
Seit jenen erſten bahnbrechenden Anfängen arbeiten in zunehmender
Anzahl Sachforſcher auf weiterem oder engerem örtlichen und zeitlichem Ge—
biet innerhalb der Vorgeſchichte erfolgreich an der Seftiqung und Mehrung
der Tatſachen. Solange unſere Wiſſenſchaft jedoch noch keinen geſchloſſenen
Aufgabenfreis und feſte Methoden bei klarer Frageſtellung beſaß, beſtand die
Gefahr des Zurüdfallens in irgend eine Abhängigkeit. Einen weiteren großen
Schritt zum methodiſchen Ausbau und ſomit zur Stärkung der Selbſtändigkeit
der Dorgeſchichtsforſchung als Wiſſenſchaft bedeuten deshalb Roſſinnas mit
den geſamten wiſſenſchaftlichen Mitteln unſerer Wiſſenſchaft in Angriff ge-
nommene Arbeiten über Indogermanen- und Germanenarchäologie: kühne
und erfolgreiche erſte methodiſche Zuſammenfaſſungen!
Aud) das moderne Muſeumsweſen ift von dem Kreiſe um Roſſinna
nicht unweſentlich beeinflußt worden im Sinne klarerer Srageftellung für die
praktiſche Arbeit auf vorgeſchichtlichem Gebiete. Denn auch der Aufdeckung,
Bergung und Weiterverarbeitung der Bodenfunde als des für den weiteren
Ausbau unſerer Wiſſenſchaft immer notwendigen Grundmateriales kommt die
Anwendung möglichſt ſcharfer chronologiſcher und tupologiſcher Unterſchei⸗
dungen und ſiedlungsgeographiſcher Geſichtspunkte ſehr weſentlich zugute.
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Zueignung. V
Den kommenden Förderern und Dollendern unſerer Wiſſenſchaft ift
auf alle Fälle ihr Schaffen durch Kofjinna weſentlich erleichtert, das können
wir, ſeine Schüler, Mitarbeiter und Freunde, beſonders gut beurteilen, zumal
diejenigen, die als reifere Männer zu ihm oder ſeiner Methode kamen und
bei ihm Wegweiſung und Ordnung des eigenen Erſtrebten erfuhren.
Guſtaf Kofjinna ijt am 28. September 1858 zu Tilfit als Sohn eines
Gumnaſtalprofeſſors geboren. In Göttingen, Leipzig, Berlin und Straßburg
ſtudierte er 1876 bis 1881 neben klaſſiſcher Philologie vor allem germaniſche
Philologie, deutſche Geſchichte und Geographie. Karl Müllenhoff, der Berliner
Germaniſt, beeinflußte ihn entſcheidend und wies ihn auf die Erforſchung
des germaniſchen Ultertums ?), was bereits Koſſinnas Doktorarbeit (über die
älteſten hochfränkiſchen Sprachdenkmäler, in den Straßburger Quellen und
Forſchungen zur germaniſchen Sprach- und Kulturgeſchichte heft 46) Orts-
und Perſonennamen betreffend, erkennen läßt. Die Erforſchung des Ur-
ſprunges und der Verzweigung der Germanen bis zum Werden des deutſchen
Volkes, alfo die deutſche Stammeskunde, die Müllenhoffs eigenſtes Feld ge-
wejen war, hat Roſſinna fortgeſetzt, aber unter immer zunehmender Be:
tonung der eigentlichen Sachforſchung. Seine frühen Arbeiten, die ihm den
Ruf eines tüchtigen Germaniſten ſicherten, waren noch faſt rein philologiſch
gewefen*); fein erſtes Auftreten in dem Kreiſe der deutſchen anthropologi⸗
ſchen Geſellſchaft?), die damals das einzige Forum für die Dorgeſchichts⸗
forſchung in Deutſchland war, zeigte bereits, daß er die grundlegende Be-
deutung der bis dahin von der philologiſchen Altertumsforſchung völlig ver-
nachläſſigten jungen Wiſſenſchaft der vorgeſchichtlichen Archäologie (Prähiſtorie),
die ihm ſelbſt zunächſt auch nur als gelegentliche Hilfe bei der philologiſchen
Erforſchung geſchichtlicher Privataltertümer erſchienen war, voll erkannt hatte:
zumal für die Fragen der Siedelungsgeſchichte und vorgeſchichtlichen Stammes-
kunde. Das war etwas Neues und trug reife Früchte, nachdem RKoſſinna die
Herfulesarbeit geleiſtete hatte, die jammervoll zerſtreuten Sonderverdffent-
lichungen europäiſcher, zumal deutſcher vorgeſchichtlicher Archäologie, zu
ſammeln, und, nachdem er dann vor allem auch mit ünglaublichem Fleiß
die in noch böſerem Zujtande in Muſeen und Sammlungen zerſplitterten
prähiſtoriſchen Sachaltertümer zunächſt Nord- und Mitteleuropas in jabre-
langen Muſeenreiſen bewältigt hatte. Damit hatte er zum erſten Male
die eigentlichen ſachlichen Quellen der deutſchen vorgeſchichtlichen
Urchäologie in einer hand vereinigt. Dieſe Materialſammlung iſt er-
ſtaunlich und immer wieder Anlaß zu uneingeſchränkter Bewunderung für
jeden, der hier Einblick gewann. Dem Wiſſenden erwacht nur immer wieder
der eine Wunſch, daß dieſe koſtbaren Schätze doch erſt veröffentlicht wären;
wieviel Streit würde dann auch überflüſſig ſein. Aber welche Rieſenarbeit
erforderte zunächſt noch ihre Sichtung: Sleiß und Sachkenntnis! Jede der
Vveröffentlichungen Koſſinnas brachten einen Teil, einen Ausjchnitt des Ganzen;
4
VI Zueignung.
ganze Reihen folder Arbeiten find im Keim oder ſchon weiter gediehen
bereits vorhanden in feinen Muſeumsbüchern, den Früchten feiner Reijen®)
und den daraus unter Jufügung der einſchlägigen Literatur zuſammen⸗
geſtellten Sundmappen mit der chronologiſchen Durcharbeitung des Riefen-
materiales und ſeiner Übertragung in tupengeſchichtliche und ſiedelungsgeo⸗
graphiſche Karten.
Die Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Derarbeitungs-
methoden dieſes Materiales und die Ausbreitung ihrer Anwendung auf
größere Fragen zeigen die Arbeiten nach 1895. Die Abhandlung über „Die
ethnologiſche Stellung der Oſtgermanen“ (indogermaniſche Forſchungen VII
S. 276) 1896 nahm bereits eine Sonderfrage ſiedelungsarchäologiſch mit hilfe
der ethnographiſchen Hilfsmethode, die rein archäologiſche Gruppen und
Kulturfreife mit hiſtoriſchen und ſprachgeſchichtlichen Kreiſen verbindet, in
Angriff, wobei die neuen Erkenntniſſe, die der vorgeſchichtlichen Archäologie
entſprangen, ſogleich weit von den älteren Anſchauungen der reinen Sprad):
forſchung, auch denen Müllenhoffs, wegführten und ihm die erſten An-
erkennungen und die erſten Feindſeligkeiten brachten.
Die Bekanntſchaft mit Koffinnas Arbeiten blieb auf engere wiſſenſchaft⸗
liche Kreiſe beſchränkt, ſo lange er noch im königlichen Bibliothekdienſt ſtand
(feit 1881 in Halle, Berlin und Bonn und wieder Berlin; dort. 1894 zum
fgl. Bibliothekar, 1900 zum Profeſſor ernannt). Im Atlas von Erkerts von
1900 konnten bereits einige ihrer Ergebniſſe verwertet werden und wurden
jo weiteren Kreiſen bekannt. Im Jahre 1902 wurde Roſſinna dann zum
„Profeſſor für deutſche Archäologie” und zum „Vorſteher des prähiſtoriſchen
Apparates an der Univerſität Berlin“ ernannt, womit der erſte deutſche
Cehrſtuhl für Dorgefhichte begründet war. Schon im gleichen Jahre
erſchien Kofjinnas umfaſſendere Arbeit „die indogermaniſche Frage archäo⸗
logiſch beantwortet“ (Zeitjchrift für Ethnol. 1902), deren rein induktiver Teil
mit einem Schlage weiten Kreiſen die Bedeutung und Leiftung Roſſinnas
klar machte, an deren deduktive ethnographiſche Folgerungen fih heftige
Fehden anſchloſſen, die durch das Fernſtehen vieler Beurteiler gegenüber
dem archäologiſchen Stoff verſchärft wurden. Allgemeinere Anerkennung“)
erwarben die methodiſch und ſtofflich begrenzteren und leichter faßlichen
Arbeiten zur Germanenſtammeskunde: verzierte Lanzenſpitzen als Kenn:
zeichen der Oſtgermanen“ 1905 und „Die Grenzen der Kelten und Germanen
in der Latènezeit“ 1907, ſowie „Germaniſche Mäanderurnen“ 1907.
Damals gingen aus dem Kreiſe begeiſterter arbeitsfroher Schüler um
Koffinna die erſten zu eigener Wirkſamkeit hinaus und auch ſonſt begann
Koſſinnas Lehrtätigkeit und weitwirkende Anregung Früchte zu tragen; das
zeigte ſich auch an dem großen Erfolge des im Dezember 1908 ergangenen
Gründungsaufrufes zu einer „Deutſchen Geſellſchaft für Vorgeſchichte“, die
die endgültige Befreiung der Vorgeſchichtsforſchung aus veralteter Sorjdungs-
Zueignung. VII
organiſation bedeutete und deshalb doppelt wirkſam war. In den Deröffent-
lichungsſchriften der Geſellſchaft, dem „Mannus“ und der „Mannusbibliothek“
erſchienen nun in ſchneller Folge auch Kofjinnas eigene weitere Arbeiten”)
und Aufläße, in denen das ihn von Anfang an beſonders feſſelnde Indo⸗
germanenproblem und namentlich die Germanenarchäologie bisher im Dorder-
grunde ſtehen: jenes in den großen Arbeiten über die „Urfinnen und die
Urindogermanen“, dieſes in allgemeinerer Form beſonders in der „Herkunft
der Germanen“ 1911 und zuletzt in dem weitverbreiteten Buche „Die deutſche
Vorgeſchichte eine hervorragende nationale Wiſſenſchaft“, deffen zweite Auflage
1915 erſchien als „Weihegabe an das zum erſten Male geeinigte deutſche Geſamt⸗
volk, das ſiegreich im Weltkriege und zugleich das erſte Kulturvolf der Welt,
beides allein kraft feines wohlbewahrten Schatzes altgermaniſcher Raſſenwerte“.
Unbeſchadet vorausſetzungsloſer rein wiſſenſchaftlicher Arbeitsweife wahrt
fich Koſſinna gleich großen Vorbildern gerade der klaſſiſchen Zeiten der Wiſſen⸗
ſchaft aller Dölker das Recht der nationalen Sinnesart und nationaler
Ziele, im bewußten Gegenſatz zu der ſo vielfach mißbrauchten Betonung
des angeblich internationalen Charakters aller Wiſſenſchaft: ein Grund mehr
für begeijterte Anhängerſchaft und hartnäckige Anfeindung, zwiſchen denen
Kofjinnas, nur dem Naheſtehenden verſtändliches, nicht einfaches Charatter-
bild hin⸗ und herſchwankt.
Kojfinna ijt der erte ernſte Forſcher auf einem deutſchen Ce hrſtuhl,
der mit ganzer Kraft und vollem Intereſſe fih nur der Vorzeitforſchung und
in erſter Linie der deutſchen Vorzeitforſchung gewidmet hats der von der
Heimat ausgegangen iſt und vom germaniſchen zu weiteren Kreiſen fort⸗
ſchreitet. Er beherrſcht vor allem bis heute noch mehr als jeder andere den
nötigen ſachlichen Stoff, deshalb gehört er zu denjenigen, die meiſt, auch
wenn es recht unbequem iſt und gar manchem ärgerlich, zunächſt in ſach⸗
lichen Materialfragen meiſt Recht behalten. Daran mag er ſich heute freuen;
die Wiſſenden freuen ſich mit ihm vor allem daran, daß es eiſernſtem Fleiße,
meiſt fern jeder erleichternden Unterſtützung mächtiger Einflüſſe, trotz ſchwieriger
allgemeiner Cage der jungen Wiſſenſchaft, trotz körperlicher und anderer
Hemmungen einem einzelnen gelungen ift, einen Markſtein in einer Wiſſen⸗
ſchaft aufzurichten, die heute nicht nur mehr und mehr anerkannt in dem
großen Geſamtbild der Geſchichte der Menſchheit daſteht, ſondern auch den
in heutiger Jeit endlich wieder geltenden Ruhmestitel beanſpruchen darf,
einen hohen vaterländiſchen Gehalt zu haben; denn Kofjinnas bisherige
Hauptleiſtung iſt die Klärung der herkunft der Germanen und ihrer Kultur,
was eine hochbedeutungsvolle Stufe in der Erkenntnis deutſchen Weſens
bedeutet. — Möchte unſer Lehrer und Führer aus ſchwerer Zeit neue
Kräfte gewinnen zu neuer Mühe und Arbeit, die des Jorſchers Leben koſtbar
machen für die Allgemeinheit! — Hahne.
VIII
Anmerkungen.
1) Über Koffinnas Methode vgl. beſonders feine Ausführungen in „Herkunft der
Germanen“ und der „Deutſchen Vorgeſchichte“. Sie ift eine Sortbildung von urſprünglich
bei tier- und pflanzengeſchichtlichen, paläontologiſchen Forſchungen ſowie in der Dölter-
kunde und gelegentlich ſchon früher in der eee beſonders der nordiſchen Prähiſtorie
angewandten Arbeitsweijen.
2) Dal. Koſſinnas Nachruf über Müllenhoff in Bezzenbergers „Beiträge zur Kunde
der indogermaniſchen Sprachen“ 1884. ,
3) Dgl. u. a. Über den Volksſtamm der Sweben und ihren Namen. Weſtdeutſche
Jeitſchrift 1890; Der Urſprung des Germanen- Namens 1895; Zur Geſchichte des Dolfs-
namens der Griechen 1896.
4) Dortrag in Kajjel 1895 über die vorgeſchichtliche Ausbreitung der Germanen
(wiedergegeben erft 1906 in der Zeitichr. d. Dereins für Volkskunde S. 1).
5) Die erſte große Reife ging 1896 nach Riga bei Gelegenheit des 10. Ruſſiſchen
archäol. Kongreſſes, wo der Inhalt ſämtlicher baltiſcher Muſeen vereinigt war. Drei- bis
viermonatliche Reifen gingen 1899 — 1901 in die Muſeen Deutſchlands und Dänemarks,
1904 eine nach Dänemark und Schweden, 1905 nach Süddeutſchland und Gſterreich, 1907
und 1908 nach Mlgien und Frankreich, 1909 nach Oſterreich, Ungarn, Rumänien, Galizien,
1911 nach Württemberg und Bayern, 1912 nach Thüringen, Schweden und Norwegen,
1913 nach Nordweſtdeutſchland, Rheinlande und OGſterreich, 1915 nach Pommern, Weſt⸗
und Oſtpreußen. Dol. hierzu auch den archäol. Reiſebericht von 1899, Deutſche Geſchichts⸗
blätter II.
6) Zum Beiſpiel Höfer, Deutſche Erde 1909 S. 66.
7) Da ein vollſtändiges Verzeichnis der vor 1909 erſchienenen Kufſätze und Arbeiten
Roſſinnas bisher noch nirgends erſchienen ijt, mag es hier, nach feinen eigenen Zuſammen⸗
ſtellungen, Platz finden.
Koſſinna, ſelbſtändige Bücher vor 1909.
1. Die älteſten hochfränkiſchen Sprachdenkmäler. 1881. Straßburger Quellen und Sore
ſchungen zur germaniſchen Sprach- und Kulturgeſchichte. Heft 46:
2. Bibliotheca philologica. 1883.
5. K. Baedeters „Berlin und Umgebung“. 5. Aufl. 1887.
Koſſinna, Kleine Schriften vor 1909.
1. Das alte Hermundurenland. „Ausland“ 1882. Nr. 35. S. 690—692.
2. Straßburger Studien. Heft 1. Straßburg 1882. Deutſche Literaturzeitung 1882. 640 f. Rez.
5. Sriſchbier, Preuß. Wörterbuch I. 1—6. Deutſche Literaturzeitung 1882. 1644—1646). Rez.
4. Straßburger Studien. Heft 2, 3. Deutſche Literaturzeitung 1885. 485 f. Rez.
5. Straßburger Studien. Heft 4. Deutſche Literaturzeitung 1883. 1363. Rez.
6. Sriſchbier, Preuß. Wörterbuch II. Deutſche Literaturzeitung 1884. 854 f. Rez.
7. E. Lemke, Dolkstümliches aus Oſtpreußen I. Deutſche Literaturzeitung 1884. 1427. Rez.
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8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
26.
27.
Anmerkungen. IX
Die landeskundliche Literatur für Nordthüringen. Deutſche Literaturzeitung 1884,
1509 f. Rez.
Rezenſion Ackermann, Bibliotheca Hassiaca. najel 1884. Zentralbl. f. Bibliothek⸗
melen 1884. 451 f.
Rezenſion, Beiträge zur Candeskunde Bayerns. München 1884.
Rezenſion. „Auch ein deutſcher Literarhiſtoriker“. Grenzboten 1884. IV. 267—275.
Karl Müllenhoff, Beitr. zur Kunde der indogermaniſchen Sprachen. Göttingen IX.
135—150. 1884. R
Nachtrag zu dem Derzeichnis der Schriften Müllenhoffs. Ebenda S. 252. 1884.
Taropopragng Zeitſchr. f. deutſches Altertum. 1885. 29. 268.
Libri confraternitatum Sancti Galli Augiensis Fabariensis. Deutſche SE
1885. 85 f.
„Erklärung“. Deutſche Literaturzeitung 1885. S. 887.
K. A. . Hahn, Mittelhochdeutſche Grammatik. 4. Ausg. 1884. Deutſche Literatur:
zeitung 1885. 1481 f. Rez.
. Rezenfion hofmeiſter, Mecklenburg altniederſächſiſche Literatur. Schwerin 1885.
Zentralbl. f. Bibliotheksweſen 1886, 39.
. Rezenfion Schloſſar, Bibliotheca historico-geographica Stiriaca. Graz 1886. Zentral-
blatt f. Bibliotheksweſen 1886. 235 f.
. Rezenfion Götzinger, Reallexikon der deutſchen Altertümer. Leipzig 1885. Anz. f.
deutſches Altertum u. deutſche Lit. XII, 1—17. 1886.
Kezenſion P. Höfer, Der Feldzug des Germanicus im Jahre 16 v. Chr. 2. Bernburg
1885. Ebenda XII, 165—167. 1886.
. Rezenfion Th. Mommſen, Römiſche Geſchichte. Bd. 5. 2. Berlin 1885. Ebenda XIII,
193—210. 1887.
. Th. v. Grienberger, Die Ortsnamen des Indiculus Arnonis. Deutſche Literatur-
zeitung 1887. 579. Rez.
E. Cemke, Doltstüml. in Oſtpreußen. II. Deutſche Cite raturzeitung 1887. 1589 f. Rez.
Rich. Ed. Ottmann, Gramm. Darſtellung der Sprache d. althochdeutſchen Gloſſars Rb.
Deutſche Literaturzeitung 1887, 1773 f. Rez.
Rezenſion R. Henning, Die deutſchen Runendenkmäler. Rorreſpondenzbl. d. weſt⸗
deutſch. Zeitſchr. f. Geſch. u. Kunjt. 1889. VIII, 254—257. Straßburg 1889.
Rezenſion Karl Müllenhoff, Deutſche Altertumstunde. Bd. 2. Berlin 1887. Anzeiger
für deutſches Altertum und deutſche Literatur 1890. XVI, 1—60.
27a. Erwiderung. Literarifches Zentralbl. 1890. Nr. 7.
28.
29.
Nachtrag zu 27. Anzeiger XVI, 339. 1890.
Die Sweben im Zuſammenhange der älteſten deutſchen Dölterbewegungen. Welt:
deutſche Zeitſchr. f. Geſch. u. Kunſt. 1890. IX, 199—216.
. Germaniſche Vorzeit. Jahresber. d. Geſchichtswiſſenſchaft f. 1888. II. 260 — 270.
1890.
„Zeitſchr. f. Volkskunde. herausgegeben von E. Dedenjtedt. Bd. 1. Deutſche Literatur-
zeitung 1890. 1229 — 1231. Rez.
Die herkunft der „Hheriman“. Zeitſchr. f. deutſches Altertum 35, 264. 1891.
Germaniſcher Dativ aus der Römerzeit. Anz. für deutſches Altertum u. deutſche
Lit. 17, 78. 1891.
Nochmals die Sweben. Weſtd. Jeitſchr. 1891. X. 104—110.
35.
36.
37.
Germaniſche Vorzeit. Jahresber. d. Geſchichtswiſſenſchaft f. 1889. II. 1—17. 1891.
Arminius deutſch? Indogermaniſche Forſchungen 1892. II, 174—184.
Rezenſion R. Much, Deutſche Stammſitze. Halle 1892. Ebenda 1894. IV. 46—49.
~
Anmerfungen.
. Arminius. (Wiſſenſchaftl. Beihefte zur Zeitſchr. d. allg. deutſchen Sprachvereins. 1892.
III. 126—129.)
. Rezenfion Sr Stolz, Die Urbevölkerung Tirols. *, Innsbruck 1892. Jeitſchr. d. Der.
f. Volkskunde. Berlin 1893. S. 99 f.
. Rezenfion Karl Cerp, Die alten Dölker, Gaue und Anfiedlungen im heutigen Lande
Gotha. Gotha 1892. Anz. f. deutſches Altert. u. deutſche Lit. 1894. Bd. 20. 199.
Geſellſchaft f. deutſche Philologie (Seuilleton der Berliner EE 14. De3. 1894.)
Desgleichen 2. Juni 1895.
„Desgleichen 26. September 1895.
Desgleichen 23. Oktober 1895.
Desgleichen 17. November 1895.
Desgleichen Ende Dezember 1895.
Desgleichen 17. Januar 1896.
Über die vorgeſchichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutſchland. Korreſpondenzbl.
d. deutſch. anthropol. Geſellſch. 1895. Nr. 10. S. 109—112.
. Der Urſprung des Germanennamens. Beitr. 3. Geld d. deutſchen Sprache 20.
258—301. 1895.
. Über die deutſche Altertumskunde und die vorgeſchichtliche Archäologie. Verhandl.
d. 43. Derſamml. deutſch. Phil. u. Schulm. Köln 1895. S. 126—129.
. Rezenfion £. Wilſer, Stammbaum und Ausbreitung der Germanen. Bonn 1895.
Die vorgeſchichtliche Ausbreitung der R in Deutſchland. Jeitſchr. d. D. f.
Volksk. Berlin 1896. 1—14.
Jur Geſchichte des Dolfsnamens Griechen. geſiſcht zum 50jährigen Doftorjubilaum
Karl Weinholds. Straßburg. 1896. S. 27—42.
„Solklore“. Jeitſchr. d. Der. f. Dolkskunde. Berlin 1896. S. 188—192.
Profeſſuren für deutſches Altertum. Grenzboten 1896. II. 600—605.
welchem Dolfe gehören die Nauheimer Latenefunde? Correſpondenzbl. d. deutſch.
anthrop. Gef. 1896. 30—32.
„Die geſchichtliche Entwicklung der germaniſchen Volksgrenzen in Oft und weſt. Globus
1896. Bd. 69. S. 106—109.
Beiträge zur Jubiläumsausgabe des Brockhausſchen Konverſationslexikons. 1891 ff.
„Vorgeſchichtliche Archäologie 1895. Jahresbericht für germaniſche Philologie. Bd. 17.
S. 74—94. 1896.
. Die ethnologiſche Stellung der Oſtgermanen. Indogermaniſche Forſchungen. 1896.
Bd. VII. 276—312.
. Rezenlion R. Loewe, Die Germanen am Schwarzen Meere. Halle 1896. Zeitichr.
d. Vereins f. Volkskunde. 1896.
Rezenſion Georg holz, Beiträge zur deutſchen Altertumskunde I. Halle 1894.
Deutſche Jeitſchr. f. Geſchichtswiſſenſch. I. 1896/97. Monatsbl. 19—21. 76—78.
Germanen am Gebirge „Hercunia“. Beitr. z. Geſch. d. deutſch. Sprache u. Literatur.
26. 282 f. 1900.
„Eine archäologiſche Reife durch Teile Norddeutſchlands. Deutſche Geſchichtsblätter II.
1900. S. 23—26.
„ Rezenfion Karl Müllenhoff, Ddeutſche Altertumskunde. Bd. IV. Berlin 1899.
Citerariſches Zentralbl. 1900. 731—735.
„Dorgeſchichtliche Stammeskunde Schleſiens. Globus LXXXI, 93 f. 1902.
. Dorgeichichtlihe Stammeskunde Schleſiens. Schleſ. Zeitung 18. Januar 1902.
. Die indogermaniſche Frage archäologiſch beantwortet. Jeitſchr. f. Ethn. 1902. S. 161:
. Die Jeitbeſtimmung der Sfelettgraber von Trebitz, Mansfelder Seekreis. Nachrichten
über deutſche Altertumsfunde. 1903. 53—59.
Anmertungen. XI
70. Bronzedepotfund vom Rittergut Piesdorf bei Belleben, Mansfelder Seekreis. Nach⸗
richten über deutſche Altertumsfunde. 1903. 485—487.
71. Über das „Strepyien“. Korreſpondenzbl. d. deutſch. Geſellſch. f. Anthropologie
1904. S. 85.
72. Rezenſion £. Wilſer, die Germanen. Archiv f. Rollen: u. Geſellſchaftsbiologie
Berlin 1904. I. 780—785.
75. „Erklärung“. Ebenda heft 6. e `
74. Rezenſion Wolfgang Schlüter, Über Milluchs Werk: Die heimat der Indogermanen.
Deutſche Erde. 1905. S. 22 f.
75. Rezerffion Willibald Stavenhagen, Altdeutiches Slottenweſen. Deutſche Erde.
1905. S. 103 f.
76. Rezenſion Adolf Bett, Baiern, Goten und Langobarden. Deutſche Erde. 1905. 221.
77. Rezenſion Julius Wilbrand, Die deutſchen Stämme an der Lippe zu Zeiten des
Druſus und des Germanicus. Deutſche Erde. 1905. 221.
78. Rezenfion h. Tehbert, Das Germaniſche Gehöft. Deutſche Erde. 1905. 221 f.
79. Rezenſion Eduard Halter, Auf den Spuren der Haruder im Elſaß. Deutſche Erde.
1905. 222.
80. Derzierte Canzenſpitzen als Kennzeichen der Oſtgermanen. Jeitſchr. f. Ethn. 1905.
S. 369.
81. Zum Goldfund von Sköfde. Jeitſchr. f. Ethn. 1905. 471f.
82. Zum Brandgrubengräberfeld von Wilhelmsau. Zeitichr. f. Ethn. 1905. S. 596—599.
83. Geſchäftliches auf der Anthropologenverfammlung 1905 zu Salzburg. Korreſpondenzbl.
d. deutſch. Geſellſch. f. Anthropologie, Ethnologie und Urgeſchichte. 1905, 153 f.
84. Rezenſion Ludwig Wilſer, Die Bedeutung der Germanen in der Weltgeſchichte.
” Deutihe Erde 1906. Heft 1.
85. Die Grenzen der Kelten und Germanen in der Latenezeit PORE DORE d.
deutſch. anthrop. Gef. 1907. S. 57—62).
86. Über germaniſche Mäanderurnen. Ebenda 1907. S. 57.
87—89. Zeitſchr. f. Ethnol. 1908. S. 569 ff., 631 ff., 815 ff.
90—91. Rorreſpondenzbl. des Geſamtvereins 1908: 1. eingeritzte Zeichnungen in Stein⸗
kiſtengräbern, 2. ſteinzeitlicher Ceichenbrand.
92. Rezenſion O. Schrader, Sprachenvergleichung und Urgeſchichte (Buſchans Zentralbl.
f. Unthr. 1908. S. 225 ff.).
93. Bodes Deutſches Muſeum. Jägl. Rundſchau, Unterhaltungsbeilage 11. 3. 1908.
S. 238 f.
94. Archäologiſche Dorbemerfung zu Oskar Sleiſcher: Muſikaliſche Bilder aus Deutſchlands
Vergangenheit. (Textbuch zu einer Aufführung auf der Bühne.)
Don 1909 ab finden fih Koſſinnas weſentliche Arbeiten im Mannus und der
Mannusbibliothek. Außer vielen kleinen Mitteilungen, Sitzungsberichten und Anmerkungen
ſind es beſonders die folgenden:
Mannus I. 1909.
1. Der Urſprung der Urfinnen und der Urindogermanen und ihre Ausbreitung nach
dem Often. S. 17 u. 225.
2. Dergejjener Bericht über ein Urnengräberfeld der Latenezeit. S. 127.
3. Germanendarſtellungen in der antiken Skulptur. S. 144.
4. Götze, Hofer, Iſchieſche „Die vor- und frühgeſchichtlichen Altertümer Thüringens“.
Beſpr. S. 154.
5. Jacob, Die Latenefunde der Leipziger Gegend. Beſpr. 159.
XII Anmerkungen.
. orgeſchichtlicher handel in Mitteleuropa. S. 2.
Exkurs über den Slurnamen Idiſtaviſo. S. 90.
Die Srau in der Dorgeſchichte Mitteleuropas. S. 2.
. Eine merkwürdige Baummarke. S. 41..
Mannus II. 1910.
. Der Urſprung der Urfinnen und der Urindogermanen ... II. S. 59.
Zum Homo Aurignacensis. S. 169.
. Zur Wochengöttervaſe vom Sliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. S. 201.
Die kulturgeſchichtliche Stellung der Priegnitz in der Vorzeit. S. 234.
. Gedrehte Gefäße und Mäandergefäße der Latenezeit. S. 242.
Jum dreiperiodenſuſtem. S. 309.
Galliſche Gottheiten und ihre Darſtellungen in germaniſchen Funden. S. 317.
Städtiſches Muſeum für Völkerkunde zu Leipzig; illuſtr. Führer durch die vorgeſch.
Abteilung. Beſpr. S. 322.
+ Mannus Ergänzungsband I. 1910.
Mannus III. 1911.
Anmerkungen zum „heutigen Stand der Dorgeſchichtsforſchung“. S. 127. A
Anſprache bei der Einweihung des Muſeums zu Neuruppin. S. 310.
Zum „Crichterrandbecher“. S. 287.
. Zur älteren Bronzezeit Mitteleuropas. S. 316.
Mannus Ergänzungsband II. 1911,
Mannus bibliothek Nr. 6
. Die herkunft der Germanen. 1912.
Deutſche Erde 1912, Heft 4/5, Taf. 14. Siedlungsgebiete der Germanen, Kelten und
Illurier in Nord- und Mitteldeutichland während der älteren Bronzezeit — als Gre
weiterung zu Nr. 22.
Mannus IV. 1912.
Die deutſche Vorgeſchichte, eine hervorragend nationale Wiſſenſchaft. S. 17.
. Die Einweihung des neuen ſtädtiſchen Runſt- und Gewerbemuſeums zu Dortmund.
S. 130.
. Zur älteren Bronzezeit Mitteleuropas II. S. 173.
III. S. 271.
”
; Der erſte baltiſche Archäologenkongreß zu Stockholm im Auguft 1912. S. 415. (Dabei
Koffinna: Die herkunft der oſtdeutſchen Bevölkerung der Bronzezeit. S. 421.)
v. Miste, Die prähiſtoriſche Anfiedlung Delem St. Did. Bd. 1. Beſpr. S. 340.
Mannus bibliothek Nr. 9.
„Die deutſche Vorgeſchichte eine hervorragend nationale wiſſenſchaft. 1912. Stark ver⸗
mehrte Auflage II. 1914.
| Mannus V. 1913.
. Weſtfäliſche Vorgeſchichte. S. 31.
Zur älteren Bronzezeit Mitteleuropas. IV. S. 160.
. Qummeley und SEI Das Gräberfeld in Wilhelmshöhe bei Afh, Prov. Poſen.
S. 319.
Mitteilung betr. Sorge ch chen De S. 380.
Deutſcher Dolfswart. Beſpr. S. 383.
56.
43.
Der goldene halsring von Peterfitz bei Kolberg in hinterpommern. S. 97.
45.
Anmerkungen. XIII
Mannus bibliothek Nr. 12.
Der germaniſche Goldreichtum in der Bronzezeit I. 1913.
Mannus VI. 1915.
Der germanifche Goldreichtum in der Bronzezeit. S. 1.
. Mente und Koffinna, Ein Depotfund der jüngeren Bronzezeit aus dem hannoverſchen
Wendlande. S. 192.
Neue Goldgefage aus Srantreidh. S. 216.
Mannus VII. 1916.
. Die illyrifche, die germaniſche und die keltiſche Kultur der früheſten Eiſenzeit im Der-
hältnis zu dem Eifenfunde von Wahren bei Leipzig. S. 87.
Ju den vorgeſchichtlichen Eiſenbarren. S. 339.
Manus VIII. 1917.
Die goldenen „Eidringe“ und die jüngere Bronzezeit in Oſtdeutſchland. S. 1.
Mannus IX. 1918.
Krötendarſtellungen auf neolithiſchen Gefäßen. S. 69.
Schrader, Sprachvergleichung und Urgeſchichte. Beſpr. S. 110.
Our Rugierfrage und Verwandtes.
Einige Andeutungen
von Oscar Almgren.
In feiner trefflichen Arbeit „Die germaniſchen Stämme und die Kulturen
zwiſchen Oder und Paſſarge zur römiſchen Kaiferzeit” (I. S. 175 ff.) hat
Erich Blume die hinterpommerſche Stelettgräbergruppe der jüngeren Kaifer-
zeit nebſt verwandten Funden der angrenzenden Gebiete bis einſchließlich
Haven in Mecklenburg und Sackrau in Schleſien, dem Stamme der Rugier
zugeſchrieben, allerdings mit gewiſſem Vorbehalt. Er deutet dabei auch auf
die Derwandtichaft dieſer Kultur mit der gleichzeitig in den däniſchen Inſeln
und in Norwegen herrſchenden hin, ſowie auch auf die bekannte ſprachliche
Verknüpfung der Rugier mit den Rygir in der weſtnorwegiſchen Landſchaft
Rogaland (jetzt Rufulke).
von dieſem Punkte aus könnte man vielleicht etwas weiter kommen.
Bekanntlich hat Salin!) das Auftreten der betreffenden Kulturgruppe in
Norwegen auf die Einwanderung eines ſüdgermaniſchen Stammes zurück⸗
geführt, weil dieſes Land keine Dorausſetzungen gehabt hätte, durch bloße
Handelsbeziehungen einen ſo mächtigen Einfuhrſtrom ſüdlicher Cuxuswaren
heranzuziehen. Nun hat weiter Schetelig?) als die wahrſcheinliche Einbruch⸗
Helle dieſer Einwanderung in Weſtnorwegen die Inſel Karmö bezeichnet, wo
in einem großen Hügel bei Avaldsnes ein ſehr prächtiger Grabfund der be-
züglichen Art angetroffen ijt. Don hier aus hat ſich nach Schetelig die
fremde Kultur weiter im norwegiſchen Weſtlande ausgebreitet, wie verſchiedene
Sunde ausweiſen. Dieſer Ort Avaldsnes entſpricht aber dem aus der Wikinger⸗
zeit bekannten Königshofe Ag valdsnes, der damals eben ein Hauptort des
1) Vitterhetsakademiens Mänadsblad 1896. S. 44 ff.
2) Vestlandske Graver fra Jernalderen (Bergen 1912). S. 58 f.
Mannus, Bd. X. h. 1 u. 2 1
2 Oscar Almgren. [2
Rogalandes war!). Dies merkwürdige Zufammentreffen ſpricht ja recht
ſtark für die Richtigkeit von Blumes Anfegung. — Was die Einwanderungs⸗
frage betrifft, ſo iſt es wenig wahrſcheinlich, daß ein ſüdgermaniſcher Stamm
lich ohne beſonderen Anlaß in Norwegen angeſiedelt hätte. Wenn man aber
nun weiter mit Roſſinna?) annimmt, daß die deutſchen Rugier einmal aus
dem norwegiſchen Rogaland ausgewandert ſind, ſo verknüpft ſich das ganze
zu einem verſtändlichen Zuſammenhange. Die von Salin und Schetelig
angenommene Einwanderung in Norwegen im dritten Jahrhundert wird
zu einer Wiedereinwanderung von Rugiern, ganz analog mit der von Prokop
erzählten Rückkehr einer Abteilung der Heruler zu dem alten Sitze ihres Stammes
in Südſchweden. Doch können auch die betreffenden archäloogiſchen Erſchei⸗
nungen auf längerdauernde Beziehungen zwiſchen Nord⸗ und Südrugiern
zurückge führt werden, indem einzelne Mitglieder der erſteren an den Kriegs⸗
zügen der letzteren teilnahmen und bei ihrer Heimkehr fremde Sitten und
Geräte mitbrachten. Alfo eher eine Parallelerſcheinung zu dem bekannten
Rüditrom der gotiſchen Kultur aus Südrußland nach den zurückgebliebenen
Nordgoten.
Ob nun alle die von Blume herangezogenen nordoſtdeutſchen Sunde
der betreffenden Gattung wirklich, wie er will, nur den Rugiern zuzuſchreiben
ſind, iſt wohl fraglich, wenigſtens für die Gräber von Sackrau. Dieſe könnte
man wohl mit beſſerem Recht den aus Schleſien bekannten Silingen zu⸗
ſprechen, zumal man auch dabei eine vorzügliche Verknüpfung archäologiſcher
und ſprachlicher Juſammenſtellungen gewinnen kann. Denn einerſeits hat
ja Kofjinna (a. a. O.) den Namen der Silingen und damit auch ihren
Urſprung aus Silund, dem jetzigen Seeland, hergeleitet; was ſprachlich ſehr
gut begründet ift, da Ableitungen desſelben Wortſtammes mit -und für
den Gaunamen und ing für den Namen der Einwohner in Skandinavien
ſehr gewöhnlich find’). Andererſeits bietet ja eben Seeland die allerzahl⸗
reichſten Gräberfunde der betreffenden Kulturgruppe. ffo- haben wir hier
eine vollſtändige Parallele zur Rugierfrage.
Die ganze Sache liegt wohl eigentlich ſo, daß das Odermündungs⸗
gebiet und die Oderlinie überhaupt den weſentlichſten Auswanderungs: und-
Verkehrsweg für die Bewohner der weſtdäniſchen Inſeln“) und Norwegens
nach dem Süden hin bildeten. Wenn wir unter den ſkandinaviſchen Aus-
1) Snorre Sturlafon, Olav Truggvaſons Saga Rap. 70; val. ſeine Saga Olavs
des Heiligen Kap. 124. Wenn in der Saga des Harald Hárfagri Rap. 40 Agvaldsnes
ſcheinbar dem Hordaland zugerechnet wird, fo beruht dies darauf, daß die zuerſt auf-
gezählten Königshöfe dieſer Landichaft angehören.
2) Indogermaniſche Sorſchungen. VII. S. 281.
3) Dies iſt oft von Noreen hervorgehoben worden, der auch die ee
ftellung Silingen⸗Silund gutheißt, wie er mir mitgeteilt hat. |
4) Weſtdäniſche Inſeln im Gegenſatz zu Bornholm.
3] Zur Rugierfrage und Derwandtes. 3
wanderern im Odergebiet literariſch nur ſolche aus Seeland und Rogaland
belegen können, jo beruht dies offenbar darauf, daß eben die Silingen und
die Rugier fih eine leitende Stellung über die Angehörigen anderer jfandi-
naviſchen Stämme errungen haben, genau fo wie es Koffinna?) von den
oſtdeutſchen Burgunden annimmt, die wohl nicht alle aus dem kleinen Born-
holm ſtammen konnten.
Auf die vorrömiſche Periode dieſer mutmaßlichen Auswanderungen aus
den däniſchen Inſeln und Norwegen nach dem Odermündungsgebiet kann
ich hier nicht eingehen. Ich möchte nur weiter hervorheben, daß ſchon die
Odermündungskultur der älteren Kaijerzeit, deren ethniſche Beſtimmung
Blume (I S. 157) offen läßt, manche Beziehungen eben zu jenen Teilen
Skandinaviens aufweiſt und mit ihnen zuſammen faſt ein einheitliches Kultur-
gebiet bildet, das ſich ſowohl von dem weſtlich als dem öſtlich angrenzenden
deutlich abhebt. Beſonders gilt dies für das 2. Jahrhundert, und zwar gelangt
in dieſem ganz wie in der jüngeren Kaiſerzeit jene Derwandtſchaft beſonders
durch das Vorkommen mit zahlreichen römiſchen Gefäßen und anderen Koſt⸗
barkeiten üppig ausgeftatteter, meiſt brandloſer Beſtattungen in allen den
erwähnten Gebieten zum Ausdrud. Dies ſcheint mir anzudeuten, daß die
ganze Skelettgräbergruppe der älteren Kaijerzeit im Odermündungsgebiet
von keinem anderen Geſichtspunkt aus angeſehen zu werden braucht als
die jungkaiſerzeitliche. In beiden Perioden dürfte es ſich um eine Be⸗
völkerung handeln, die mit derjenigen der weſtdäniſchen Inſeln und Süd-
norwegens eng verwandt und wahrſcheinlich von zuſammengeſtrömten Aus⸗
wanderern verſchiedener Kleinſtämme gebildet war, unter denen indeſſen
die Rugier ſchon zur Zeit des Tacitus die Leitenden geworden waren. So
braucht man wohl nicht mit Blume nur die Brandgrubengräber der älteren
Kaijerzeit in Hinterpommern den Rugiern zuzuteilen und anzunehmen, daß
jie erit am Anfang der jüngeren Raiſerzeit plötzlich zur Leichenbeſtattung
übergegangen ſind. Eben in den däniſchen Inſeln und in Norwegen kommen
ja beſonders in der älteren Kaiſerzeit Stelettgräber und Brandgräber neben-
einander vor. Man hat ja ſogar jetzt im ſüdöſtlichen Norwegen das erſte
germaniſche Skelettgrab der Spätlatenezeit angetroffen).
Die Odermündung war wohl immer ein Knotenpunkt des Derfebrs,
wo ziemlich unſtete Bevölkerungsverhältniſſe herrſchten; daraus erklären ſich
wohl auch die vielen vereinzelten Gräber und kleineren Gräbergruppen des
Gebietes. Daß darunter auch weſtgermaniſche Einſchläge, wenigſtens im
1. Jahrhundert vorkommen, hat ja Roſſinna längſt nachgewieſen )).
| Die oben ausgeſprochene Behauptung, daß die an römiſchen Gefäßen
beſonders reichen Gräber des 2. Jahrhunderts eine kulturelle Eigentümlichkeit
1) Die deutſche Vorgeſchichte. 2. Aufl. S. 145.
2) fl. W. Brögger, Oldtiden. VII. S. 68.
8) Zeitſchr. f. Ethnol. 1905. S. 395.
1*
A | Oscar Almgren. [4
des Odermündungsgebietes der däniſchen Inſeln (außer Bornholm) und
Südnorwegens bilden, möchte ich nun in aller Kürze etwas näher begründen.
Ich zähle zu dieſer Gruppe die folgenden, den Sachgenoſſen wohl bekannten
Sunde:
| a) Odermündungsgebiet (im weiteren Sinne, weſtlich etwa bis zur
Warnow gerechnet): Cübſow, Kr. Greifenberg (Pernice, Praehiſt. Jeitſchr.
IV, S. 126 ff.); Coffin, Kr. Puritz (Baltiſche Studien 34 S. 335, 39 S. 134);
Klatzow, Kr. Demmin (Muf. f. Dölkerk. Berlin, II 3078—85) 1); Bietko w,
Kr. Prenzlau (Weigel, Nachr. üb. d. Altertumsfunde 1890 S. 39 ff.);
Groß Kelle und Brunow im ſüds⸗öſtlichen Mecklenburg (Beltz, die vor:
geſchichtlichen Altertümer ſ. 342 f.)
Wahrſcheinlich gehört hierzu auch der Fund von Segenthin, Kr.
Schlawe im mittleren hinterpommern, von woher das Berliner-Antiquarium
einen ſchön verzierten Bronzeeimer und eine Kajjerolle mit Stempel beſitzt
(Blume, II. S. 138, Willers, Die römiſchen Bronzeeimer von Hemmoor
S. 147, 218).
p) Dänemark: Juellinge auf Colland (Sophus Müller, Nordiste
Fortidsminder II. f. 1 ff.); Eſpe, Ringe nnd Nörre Broby auf Fünen
(ebenda S, 39 mit weiteren Cite raturhinweiſen).
Zu dieſen inſeldäniſchen Funden geſellt ſich, wie Sophus Müller
(Aarböger 1916 |. 293) hervorhebt, der Sund von Bodum bei SES im
öſtlichen Nordſchleswig.
c) Südoſtnorwegen: Storedal, Amt Smaalenene (Guſtafſon, Opus-
cula Oscari Montelio dicata, Stockholm 1915. S. 265 ff.; Jan Peterjen,
Norske Olfund I S. 38).
Alle diefe Funde, die mindeſtens zwei, in vielen Fällen mehrere (in
Cübſow ſogar neun) römiſche Gefäße als Beigaben zählen, find im weſent⸗
lichen gleichzeitig und können wohl alle der Blumeſchen Stufe B jer. hin-
zugerechnet werden. Sie gehören wohl hauptſächlich in die Zeit um 100 und
in die ältere hälfte des 2. Jahrhunderts ?). Auch betreffs der Grabanord⸗
nung ſind ſie ziemlich gleichartig. Die allermeiſten ſind zweifelsohne brand—
loſe Beſtattungen geweſen. Vollkommen feſtgeſtellt iſt dies betreffs der—
jenigen von Bietkow, Juellinge und Storedal. Bei den meiſten übrigen
deuten ſowohl die Sundbeobadytungen als die Abweſenheit aller Brand-
. an den Fundſachen nach derſelben Richtung hin. Aud) in dem Sunde
1) Nad) meinen 1896 gemachten notizen beſteht der Fund von Klatzow aus einem
Bronzeeimer ähnlich dem von Bietkow, einem kleineren, rundbauchigen Bronzeeimer.
verbrannten Bruchſtücken einer ſchweren Kaſſerolle, einer leichten Schöpfkelle mit Sieb,
bronzener Trinkhornbeſchläge, knöcherner Spielſteine und eines langgeſtreckten Würfels,
bronzener Riemenzunge u. a. m. (Über die Sundumftande f. weiter unten!)
2) Zur Datierung |. beſonders Guſtafſon, a. a. O. Müller hat bekanntlich eine
ſpätere Anjebung.
5] Zur Rugierfrage und Derwandtes. 5
von Cübſow find weder die Schmuckſachen noch die übrigen Gegenſtände von
Heuer beſchädigt, und hier foll eine manneslange gemauerte Steinkiſte vor-
handen geweſen ſein. Darum wird man geneigt mit Schuchhardt die am
Boden der Kijte beobachtete „Rohlenſchicht“ als Überreſte einer vermoderten
Holzbekleidung zu erklären; und die Behauptung, daß ein zerfallenes Ton-
gefäß „Aſche“ enthielt, ijt eine bekannte ftereotype Sinderangabe, die feines-
wegs, wie der Herausgeber des Fundes will, als Beweis für Leichenbrand
gelten kann. Nach dem nur von Arbeitern herrührenden Bericht über den
Sund von Coffin follen hier die beiden Glasſchalen „Aſche und Knochen“
enthalten haben, warum man ihn allgemein als ein Brandgrab auffaßt.
Aber die Anlage des Grabes, mehr als 6 Fuß tief unter mächtiger Stein⸗
bedeckung wäre für ein germaniſches Brandgrab dieſer Zeit (wenn es fih
um ein Flachgrab handelt) wohl eben jo beiſpiellos wie die Verwendung
von Glasſchalen als Knochenbehälter. Man könnte bei den Knochen vielleicht
auch an unverbrannte Tierknochen als Überrefte mitgegebener Speiſen denken.
Nur der Fund von Klatzow dürfte mit Gewißheit einem Brandgrabe ent⸗
ſtammen, denn hier ſind mehrere Gegenſtände ſtark vom Feuer beſchädigt
(f. oben S. 4, Note 1) ). Der Fund foll in einem von Feldſteinen künſtlich
errichteten Hügel angetroffen fein.
Außerhalb dieſes geographiſch eng zuſammenhängenden Gebietes fenne
ich aus dem ganzen damaligen Germanien nur zwei mitteldeutſche Sunde,
die mit jenen Gräbern vollkommen gleichartig ſind, nämlich diejenigen von
Wichulla, Kr. Oppeln in Oberſchleſien?) und von Schladitz-ZIwochau,
Kr. Delitzſch, nördlich von Leipzig’). Auch fie find offenbar als Skelettgräber
aufzufaſſen “). Jeder von ihnen ſteht in feiner Gegend unter anderen gleidh-
zeitigen Funden ganz einzigartig da, bildet aber zugleich gewiſſermaßen einen
Vorläufer für je eine Gruppe reicher Skelettgräber der jüngeren Kaijerzeit:
Wichulla für Sackrau, Schladi für die thüringiſche Gruppe von Doigtſtedt,
e en Haßleben ujw.*). Alfo genau wie die behandelte Oder-
1) Es D mit darum ſehr auffallend, daß Weigel bei feiner Beſprechung des
Bietfower Sundes (Nachrichten 1890 S. 40) die Vermutung äußert, daß auch der Gund
von Klagow einem Sfelettgrabe entſtamme.
2) Seger, Schleſiens Vorzeit. VII. S. 413 ff.
3) K. H. Jacob, Jahrbuch des ſtädtiſchen Muſeums für Völkerkunde zu Leipzig. 3.
1908—1909). S. 130 ff. |
4) Da der Fund von Schladitz 2—3 m tief lag, handelt es fih nach allen Analogien
gewiß aud) hier um ein Grab, niht, wie Jacob meint, um einen Depotfund. Aud) die
ZJuſammenſetzung des Sundes mit Trinkhornbeſchlägen und geſchweiftem Meffer, ſpricht
unbedingt für ein Grabinventar; nur die ungewöhnlich große Zahl der Kaſſerollen ift
etwas auffällig. .
5) Götze⸗höfer⸗Iſchieſche, Die vors und frühgeſchichtlichen Altertümer Thü⸗
tingens S. XXXVII, wo weitere We Über Haßleben: Möller, Praehiſt. Zeit-
ſchrift V. S. 573.
6 Oscar Almgren. R [6
mündungsgruppe in den ſpäteren Sunden von Haven, Damme, Arnswalde und
die entiprechende däniſche Gruppe in den reichen ſpätkaiſerzeitlichen Gräbern
Sünens und Seelands ihre Fortſetzung haben. Es ijt ſomit nicht zu bezweifeln,
daß auch jene mitteldeutſchen Gebiete mit den genannten nordiſchen in engen
kulturellen Beziehungen ſtanden, was ja auch direkt durch ſolche Erſcheinungen
wie den Sund einer Sibel vom Sadrauer Typus auf Fünen!) und denjenigen
eines nordiſchen goldenen Schlangenkopfarmringes bei Apolda in Thüringen?)
erwieſen wird. |
Suchen wir nun nach älteren Dorausſetzungen dieſer an römiſchen Ge-
fäßen reichen germaniſchen Gräber des 2. bis 4. Jahrhunderts, ſo finden ſich
entſprechende Gräber des 1. Jahrhunderts eigentlich nur in zwei Gebieten:
in Böhmen und in Dänemark. Ich berückſichtige nämlich auch hier nur ſolche
Gräber, die mindeſtens zwei römiſche Gefäße als Beigaben enthielten.
Funde mit nur einem Beigefäß dieſer Art find aus den meiſten germaniſchen
Gebieten mehr oder weniger bekannt?). Aber es handelt fih hier um die
üppige Ausbildung der Sitte, dem Toten ein ganzes Trink- (und Eß⸗) ſervice
römiſchen Urſprunges ins Grab mitzugeben. In den frühkaiſerzeitlichen
Markomannengräbern Böhmens finden wir dieſe Sitte ſchon reichlich ver⸗
treten, hauptſächlich in Brandgräbern (3. B. Holubice, Zliv, Dobrichow⸗
Pichora), aber auch in wenigſtens einem Stelettgrabe bei Strafy*). Aber
ſpätere Gräber dieſer Art verjagen in Böhmen ganzs).
In ganz Norddeutſchland ſind ähnliche Gräber des 1. Jahrhunderts
meines Wiſſens unbekannt, ſoweit nicht ſolche unter den Funden von Hagenow
im ſüdweſtlichen Mecklenburg vorhanden fein ſollten s). Aus dem 2. Jahr:
hundert kenne ich außer den ſchon erwähnten Funden nur das Urnengrab
von Hankenboſtel, Kr. Celle, das zwei römiſche Gefäße (eine ſchwere Kafferolle
und eine leichte Schöpfkelle) als Beigaben enthielt“).
Aus Dänemark find dagegen für das 1. Jahrhundert die Gräber von
Byrſted, Amt Aalborg, Kjaerumgaard auf Fünen und Stangerup auf Falſter
1) Aarböger 1877. S. 373. — Müller, Ordning Sig. 262.
2) Blume, I S. 80. — Roſſinna, Die deutſche Vorgeſchichte. 2. Aufl. S. 166.
3) Die im ganzen Germanien feit der vorrömiſchen Eiſenzeit übliche Sitte, ein
Bronzegefäß als Knochenbehälter zu benützen, kommt natürlich hier nicht in Betracht.
) Pic, Die Urnengräber Böhmens. Sp. 413 und Lextfigur 50.
5) Es wäre höchſtens an den Fund von Liber zu erinnern (Pic, Taf. LVIII, wo
einem Brandgrabe aus dem Ende des 2. Jahrh. mit Bronzeurne eine Schöpfkelle mit
Sieb beigegeben war. ö :
) Beltz, Die vorgeſchichtlichen Altertümer S. 342 f. Für die älteren Sunde von
Hagenow find die näheren Sundumſtände nicht bekannt, aber bei den ſpäteren, fyjtema-
tiſch unterſuchten handelt es ſich um Brandgräber mit Bronzeurnen, denen in einzelnen
Fällen Kaſſerollen beigegeben waren. Die Sunde gehören wohl zum Teil noch dem
2. Jahrh. an.
7) Willers, Die römiſchen Bronzeeimer S. 74 ff.
7] 3ur Rugierfrage und Derwandtes. 7
zu nennen, alle offenbar Skelettgräber !). Das erjtgenannte Grab liegt inner:
halb des Gebietes der frühkaiſerzeitlichen nordjütiſchen Skelettgräber mit zahl-
reichen tönernen Beigefäßen. Dieſe Gräbergruppe und die bis jetzt behandelte
bilden, wie Sophus Müller in feiner Nordiſchen Altertumskunde Dor:
gelegt hat, zwei verſchiedene Abarten der Sitte, den Toten mit reichem Ge⸗
ſchirr für die Mahlzeit auszurüſten. Gegenüber dem in Norddeutſchland be⸗
ſonders im Elbgebiet während der Kaiſerzeit üblichen Mangel auch an tönernen
Beigefäßen, iſt dieſe in Dänemark im 1. Jahrhundert aufgekommene und auf
den Inſeln durch die folgenden zwei Jahrhunderte fortbeſtehende Sitte um
ſo auffälliger. Inwiefern bömiſche Einflüſſe dabei mitwirkend waren, wage
ich nicht zu entſcheiden. Aber die norddeutſchen Gräberfunde des 2. bis 3. Jahr⸗
hunderts mit zahlreichen römiſchen Gefäßen können ſchwerlich mit den böhmi⸗
ſchen aus der erſten Hälfte des 1. Jahrhunderts in näherem Juſammenhang
ſtehen, ſondern find wohl als eine weitere Ausbreitung der däniſchen Sitte
nach norddeutſchen, mit den Inſeldänen verwandten Stämmen aufzufaſſen,
zumal ihr Schwerpunkt anfangs, im 2. Jahrhundert, an der Odermündung
liegt. Wenn dies richtig ijt, hätten wir in dem Derbreitungs vorgang dieſes
Grabritus eine ſehr merkwürdige Parallele zur Ausbreitung des Brandgruben⸗
ritus, wie diefe von Roſſinna?) und Koftrzewsfi?) dargelegt iſt.
Beſonders hervorzuheben ift noch, daß Gräber der betreffenden Art in
dem ſonſt jo fundreichen nordoſtgermaniſchen Kulturgebiete, das aus dem
unteren Weichſelgebiete, Oſtpreußen!) und den drei großen Oſtſeeinſeln
Bornholm, Oland und Gotland beſteht, fo gut wie gänzlich fehlen. Aus
dieſem ganzen Gebiete weiß ich nur zwei einſchlägige Sunde anzuführen.
Sie ſtammen beide aus der jüngeren Kaijexzeit?) und aus Weſtpreußen.
Bei Miſchiſchewitz, Kr. Karthaus fand man in einem Sfelettgrabe einen ge-
wellten Bronzeeimer und einen Glasbecher (Blume II. S. 159. Hügel VII).
Gus Ruda, Kr. Strasburg ſtammt eine Bronzeſchüſſel mit figürlichen Dar-
ſtellungen, die in einem hügel nebſt Gläſern und einem Bronzeeimer, die
leider verſchollen find, gefunden fein ſoll (Blume I S. 142).
Dieſe Armut des Zotiſch⸗burgundiſchen Kulturfreijes an Gräberfunden
mit mehreren römiſchen Gefäßen ſtimmt gut überein mit der von Salin
a. a. O. hervorgehobenen Erſcheinung, daß auch die jungkaiſerzeitliche Der-
zierungsart der geſtanzten Bleche und eingefaßten Steine in dieſen öſtlichen
Gegenden ſehr ſelten find. Die Einwohner Südnorwegens, der däniſchen
1) Nordiske Fortidsminder II. S. 38, wo weitere, Cite rcaturnachweiſe.
2) Zeitſchr. f. Ethnol. 1905. S. 391.
3) Die oſtgermaniſche Kultur der Spätlatenezeit (Mannusbibliothek Nr. 18. S. 5 f.).
- 4) Oſtpreußen war allerdings nur zum Teil germaniſch.
5) Aus der älteren Kaiſerzeit wäre nur ein Grab aus der Kiesgrube bei Rondſen
anzuführen, wo eine als Knochenurne dienende Bronzekanne von einer Bronzepfanne
und von Sibeln des 1. Jahrh. begleitet war (Blume, II. S. 160).
8 | Oscar Almgren. [8
Inſeln und des Odergebietes hatten offenbar ihre ſüdlichen Beziehungen mit
anderen Gegenden als die Goten, und der nach den erſteren hingehende
ſüdöſtliche Kulturſtrom war ja auch, wie Salin nachgewieſen hat, ſpäter als
der gotiſche. Wenn wir übrigens im erſteren Falle von ſüdöſtlichen Çin-
flüſſen ſprechen, ſo müſſen wir uns klar machen, daß dies nicht von allen
Beſtandteilen der reichen jungkaiſerzeitlichen Stelettgräberfunde jenes Gebietes
gilt. Denn gewiſſe Gefäßarten, wie die Eimer vom Hemmoorertypus und die
Gläſer mit blauen und weißen Fäden, ſtammen ja aus der Rheingegend.
Aud) der Grabritus ſelbſt ift gewiß nicht in der jüngeren Kailerzeit aus dem
Südoſten eingeführt worden, ſondern hat ſich offenbar in dem genannten
nordiſchen Gebiete ſelbſt ſeit dem 1. Jahrhundert ausgebildet, zwar wohl
anfangs durch römiſchen Einfluß ).
Die beiden Gräberfunde von Miſchiſchewitz und Ruda in Weſtpreußen
ſind wohl alſo auf vereinzelte Einwirkungen aus dem Odergebiet zurück⸗
zuführen. Ebenſo kennt man auf dem ſchwediſchen Feſtlande drei vereinzelte
Gräberfunde ähnlicher Art, unter denen die von Gremölla bei Yitad und
Överbo, Kip. Warnhem in Weſtergötland durch ihre ſüdweſtliche Cage, das
von Gödaͤker in Uppland durch feine aus der Rheingegend ſtammenden Gefäß⸗
formen ſich zunächſt als Ausftrahlungen der inſeldäniſchen Kultur erweiſen
dürften 2). Die Gräber von Gremölla und Godater waren indeſſen Brand-
gräber und zeigen in dieſer Beziehung landſchaftliche Abweichungen. Aber
jedenfalls ſtehen alle drei Funde ebenſo wie der etwas ſpätere, von Salin
behandelte und von Litslena in Uppland mit ſeinen durch geſtanzte Bleche
und eingefaßte Steine geſchmückten Arbeiten in Schweden als Fremdlinge
da und haben keine Weiterentwicklungen angeregt.
Ganz anders in Norwegen, wo die reichen ſpätkaiſerzeitlichen Skelett⸗
gräberfunde an vielen weit geſchiedenen Orten, nicht nur im Weſtlande,
auftreten, und, wie Schetelig nachwies, die Vorbilder für die überaus zahl⸗
reichen und köſtlichen norwegiſchen Skelettgräber des 5. bis 6. Jahrhunderts
ausgemacht haben. Damit find wir zum Ausgangspuntt unſerer Unter⸗
ſuchung zurückgekehrt.
Betreffs der Rugier möchte ich noch die Frage aufwerfen, ob doch
nicht der Name der Inſel Rügen mit dem der Rugier zuſammenhängt, obwohl
man feit Zeuk?) allgemein den erſteren als ſlawiſch erklärt, weil er in den
1) Die provinzialrömiſchen Gräber ſind ja mit Ton⸗ und Glasgefäßen reich aus⸗
geſtattet, wogegen Bronzegefäße kaum in ihnen vorkommen.
2) Oremölla: H. Hildebrand, Månadsblad 1874. Montelius, Svenska Sornsater
zu Sig. 294. Överbo: Muf. Stockholm Inv.-Nr. 5766. (Der Sund enthält eine große Bronze»
kanne, eine Schöpfkelle mit Sieb wie die von Oremölla, dee Bronzenadeln und einen
Goldfingerring.) Godafer: Almgren, Fornvännen 1916. S. 76 ff. (Grab 1), befonders
S. 95 ff. und 101 f.
3) Jeuß, Die Deutſchen und ihre Nachbarſtämme. S. 665. Dal. Ludwig Schmidt,
Geſchichte der deutſchen Stämme I. S. 327. Anm. 1.
9] Zur Rugierfrage und Derwandtes. 9
Urkunden der wendiſchen Fürſten meijtens ohne das g als Ruja, Roja
auftritt. Es wäre doch ſehr nötig, daß diefe Frage von feiten der modernen
Sprachforſchung, beſonders der ſlawiſtiſchen, wieder aufgenommen würde.
Denn archäologiſch würde eine Zuſammenſtellung Rügens mit den Rugiern
ſehr gut paſſen, da ja die Inſel ganz zur Odermündungskultur gehört, ob—
gleich die bekannten Funde meiſtens aus dem 2. Jahrhundert ſtammen und
keine von ihnen beſonders reich ſind ).
Schließlich benutzte ich dieſe Gelegenheit, um einen ſehr bedauerlichen
Sehler zu berichtigen, den ich bei der Zuſammenſtellung meiner ſehr ſchemati⸗
ſchen Karte zu Blumes Arbeit (Mannus VIII S. 291) leider begangen
habe. In dem fundreichen oſtpreußiſchen Kreije Siſchhauſen ſollten nämlich
die Skelettgräber der Periode B viel ſtärker zum Vorſchein kommen (mit 4
oder 5 Zeichen ſtatt 1). Danach muß ich auch meine ebenda S. 290 gemachte
diesbezügliche Bemerkung gegen Blume zurücknehmen, was jedoch nicht be-
deutet, daß ich feine Auffaſſung von der gotiſchen Herrſchaft im Samland
Bezzenberger und Hollad gegenüber unbedingt annehme. Umgekehrt find
in der Gegend von Elbing und Marienburg der Zeichen der „gemiſchten“
Gräberfelder vielleicht eiwas zu viel geworden, indem ich damit z. B. die
Gräberfelder von Braunswalde, Willenberg, Kickelhof und Grunau bezeichnet
habe, obwohl man für dieſe entweder nur Urnengräber oder gar nichts über
den Grabritus kennt. Allerdings iſt es hier recht wahrſcheinlich, daß man es
mit gemiſchten Gräberfeldern zu tun hat, weshalb ja auch Blume ſie in
ſeine Beilage 73 (nicht 75) aufgenommen hat. — Dielleicht werde ich einmal
in anderem Zujammenhange eine beſſere Karte bringen können.
1) Blume II. Beilage 74. Dal. Koffinna, Jeitſchr. f. Ethnol. 1905. S. 395.
Ein maſuriſches Steinzeitgrab.
Don A. Be3z3enberger.
Mit 5 Tertabbildungen.
Am 17. März 1915 wurde das Pruſſia-Muſeum von dent ftellvertretenden
Generalkommando in Allenſtein durch Fernruf benachrichtigt, daß bei Be-
feſtigungsarbeiten in der Johannisburger Sort unweit der Station Puppen!)
ein vorgeſchichtlicher Fund gemacht ſei, welcher die ſofortige Entſendung
eines Sachverſtändigen erwünſcht erſcheinen laſſe. Jugleich wurde mitgeteilt,
daß die Bahnſtrecke frei, und der Bauleiter der Befeſtigungsarbeiten, Herr
Korallus, mit den erforderlichen Anweiſungen verſehen fei. Fahrtausweiſe
jeien von der Königsberger Cinienkommandantur zu erbitten.
Obgleich die Angaben über den Fund Zweifel an ſeiner Bedeutung
erregten, und die Witterungsverhältniſſe (ſcharfer Froſt bei tiefem Schnee)
einer Bodenunterſuchung ſehr ungünſtig waren, gab es für herrn Peifer
und mich doch kein langes Beſinnen; bot uns doch die Nachricht des General: -
kommandos neben der Möglichkeit einer vorgeſchichtlichen Feſtſtellung die
Gelegenheit, den friſchen Spuren der maſuriſchen Winterſchlacht nahe zu
kommen! Unverzüglich beſorgten wir alſo alles Nötige und fuhren am
Abend des 18. März ab. Bis Löken war vom Kriege nichts zu merken,
aber unſere Hoffnung, dort ein paar Stunden ſchlafen zu können, ging nicht
in Erfüllung, denn der Zugang zur Stadt, dem damaligen Quartier Hinden-
burgs, war geſperrt, der Bahnhof aber übervoll von Feldgrauen, die in
allen erdenklichen und undenkbaren Stellungen raſteten. So behalfen wir
uns denn mit einem leeren Plätzchen im ſtickluftigen Zimmer des Bahnhofs⸗
1) In den Jahren 1902 und 1905 iſt dort ein ausgedehntes Gräberfeld aufgedeckt,
über das Hollad, Jeitſchr. f. Ethnol. XL. (1908) S. Sal Andeutungen gemacht hat.
Es enthielt Sunde der Perioden C, D, E.
Le
2] Ein mafurifches Steinzeitgrab. j 11
kommandanten, brauchten aber erfreulicherweiſe nur etwa zwei Stunden zu
warten, denn der Führer eines leeren Güterzuges erklärte ſich bereit, uns
in ſeinem Gepäckwagen bis Johannisburg mitzunehmen, und wir gingen
hierauf um ſo lieber ein, als wir dadurch in die Geſellſchaft einiger Ceute
kamen, welche die ſchweren Tage der Ruſſeneinfälle und -Kämpfe als Augen=
zeugen erlebt hatten. Anfangs war durch die winzigen Fenſterchen unſeres
Wagens nichts zu erblicken, aber allmählich traten bald rechts, bald links
vom Bahndamm aus dem Morgengrauen zerſchoſſene Gehöfte, Reſte von
Stacheldrahtverhauen und Schützengräben hervor, und in Arys lagen bei
Tageslicht die Trümmer des von den Ruſſen geſprengten Waſſerturmes vor
uns. Don dieſen ſtumm ſprechenden Zeugen abgeſehen, war aber die Land⸗
ſchaft vollkommen tot: kein Menſch, kein Schlitten, keine Rauchſäule! ſelbſt
Krähen ließen ſich nicht blicken.
In Johannisburg, wo wir unſeren Jug verlaſſen mußten, waren Uhr,
Türen und Fenſter des Bahnhofsgebäudes durch Slintenfugeln zerſchoſſen,
aber ein Warteraum war geheizt und unſer Hufenthalt von erträglicher Dauer.
Ein Militärzug, der eine Artillerieabteilung von Suwalki her beförderte,
nahm uns mit und brachte uns in anderthalb Stunden nach Puppen, wo
wir von Herrn Korallus mit Fuhrwerk erwartet wurden, die unverzüglich
ausgeladene Artillerie aber ſich in Marſch ſetzte. In leichtem Schneetreiben
verſchwand fie in der Richtung auf Przasnuſz, aus welcher bis in die ſinkende
Nacht Kanonendonner herüberrollte.
Die Stelle, zu der wir geführt wurden, liegt auf dem Dienſtlande der
Förſterei Walderſee (früher Koczef) nahe dem Zujammenjtoß des Uplick⸗
und des Sdrusno-Sees, nordnordöſtlich von der hier befindlichen Brücke (früher
Fähre), über welche die Straße Gr. Rurwig — Walderſee —Alt-Kelbonfen
führt, und zwar 80 m nördlich von der Weſtecke des Forſthauſes und 25 m
öſtlich von der Mitte des Weges, dicht am Waſſer des Uplickſees. Ihre höhe
über dem Waſſerſpiegel mag 5 m, wenn nicht mehr, betragen haben. Auf
der Generalſtabskarte ijt an ihrer Stelle ein kleiner Hügel eingezeichnet).
Dier hatte man begonnen, hinter einem bereits ausgebauten gedeckten
Schützengraben einen zweiten herzurichten und war hierbei auf den Fund
geſtoßen, der unſere Sabrt veranlaßt hatte. Worin er tatſächlich beſtand, war
aus der uns gewordenen, aber von uns ſelbſt nicht entgegen genommenen
telephoniſchen Nachricht nicht zu entnehmen geweſen, und fo waren wir
denn ſehr angenehm überraſcht, als uns ein ſtattlicher, gut geglätteter ſchwarzer
Steinhammer aus Diabas (nach Herrn Prof. A. Bergeat) mit Zulinderbohrung
(Abb. 1) übergeben und geſagt wurde, daß er bei einem Skelett gefunden ſei.
Die hierdurch in uns erweckten Hoffnungen gingen indeſſen leider nicht ganz
1) Dor Jahren ſoll ebenda ſchon ein Skelett gefunden worden fein. Näheres war
darüber aber nicht zu ermitteln.
12 oy A. Bezzenberger. ö [3
in Erfüllung, denn bei jteilem Abjtedhen der Grabenwände waren die Ruhe-
Hätte des Sfelettes und es ſelbſt ſchwer beſchädigt. Überdies war der Boden
über 1 m tief jo feft gefroren, daß wir faſt daran verzweifelten, in ihm
arbeiten zu können. Da aber die Grabanlage unverzüglich vernichtet werden
mußte, wollten wir wenigſtens verſuchen, ihr Derſtändnis abzugewinnen,
und wider Derhoffen ijt uns das genügend gelungen.
Die Grabenwände zeigten als natürliche Bodenſchichtung unter einer
20 em hohen Humusdede ein Kieslager von 1,20 m höhe über Sand, zugleich
aber innerhalb des Kiejes dunkle Erde, die ſich äußerlich von dem humus
nicht unterſchied und deren Verfolgung eine von ihr ausgefüllte Grube von
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Abb. 1. 1:2
etwa 2:4 m Ausdehnung und 1 m Tiefe ergab. In ihr, 80 cm unter der
Oberfläche, und zwar an der Oft- und Südſeite, fanden wir horizontal liegende
menſchliche Knochen, die ſich zum Teil in den Grabenwänden vorzeichneten,
nämlich: a) zwei in ſüdnördlicher Richtung nebeneinander liegende Unter-
ſchenkel mit nordwärts vorgelagerten Fußknochen und dicht bei den Unter-
ſchenkeln den linken Oberſchenkelknochen; b) weſtlich vom ſüdlichen Ende
der Unterſchenkel (alſo der Knie) in oſtweſtlicher Richtung aufeinander
folgend ein als Teil des Beckens anzuſprechendes Knochenſtück, ſowie Arm=!)
und Handknochen. — Die Abftinde der einzelnen Stücke genau zu be:
ſtimmen, war nicht möglich, da wir uns genötigt ſahen, den Boden gez
waltſam zu lockern und viele Fragmente erft den abgeſprengten Erdſchollen
abgewinnen konnten. Trotzdem ergab ſich aber noch ein klares Bild von
— —
1) Die linken und rechten Unterarmknochen und nach herrn prof. M. Braun das
untere Ende des linken Oberarmbeins „eines Mannes oder eines ſehr großen Weibes“.
4] S Ein maſuriſches Steinzeitgrab. 13
der Körperlage des Beſtatteten. Sie kann nur die eines liegenden Hoders
geweſen fein, da alle Reſte der oberen Extremitäten oſtweſtliche, die Unter-
ſchenkel dagegen ſüdnördliche Richtung hatten. Des weiteren bewies die
Knochenlage, daß der Leichnam auf der rechten Rörperſeite (Blick nach
Süden) geruht hatte. Daß er in einer ausgehobenen Grube beigeſetzt iſt,
bedarf kaum noch der Bemerkung, und daß es fih um eine Slachgrube handelte,
wurde dadurch wahrſcheinlich, daß größere Steine fehlten und auch von
Niemand bemerkt ſind.
Abb. 2. 2: 3.
Die Knochen waren aber nicht das einzige, was das Grab barg. Nach
Ausjage des Schachtmeiſters hatte das uns eingehändigte Steinbeil (wegen
deſſen ich an Bronze-Analyjen S. VII, Sig. IV erinnere) etwa 70 cm tief,
etwa 40 cm nördlich von den Knochen b mit der Schneide nach Weiten auf
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einer Schmaljeite gelegen (vgl. Pruſſia-Berichte XVIII. S. 46: Lage von
Feuerſteinmeſſer und Knochennadel neben dem unteren Steinzeit-Skelett), und
in gleicher Tiefe wollte derſelbe ein Stück Rotel von der Größe einer kleinen
Birne gefunden haben, das ſich habe zerreiben laſſen — eine Angabe, die
erheblichen Zweifeln Raum gibt. Dermutli war der vermeintliche Rotel
ein vermorſchtes rotes Geſteinſtückchen. Wir ſelbſt fanden:
1. ſüdlich von den Knochen b, in geringer Entfernung von ihnen, ein
Seuerſteinmeſſerchen (Abb. 2) und ein winziges Seuerſtein-Spaltſtück;
14 A. Bezzenberger. Ein maſuriſches Steinzeitgrab. [5
2. bei den Subfnoden eine Feuerſtein⸗Pfeilſpitze (Abb. 3);
3. über dem linten Sub Knochen eines Tieres, vielleicht eines jungen
Schafes ;
4. über dem rechten Sub Scherben, die das fragmentierte rötlich⸗
bräunliche Gefäß Abb. 4 ergaben. Es beſteht aus gut geſchlemmtem Ton
(Wandungsſtärke 6 mm) und hat eine glatte ebene Stehfläche, die äußerlich
in ihrer höhe unbedeutend hervortritt. Wegen feiner Som verweiſe ich auf
die von Koſſinna Mannus I. S. 232 behandelten ſpätneolithiſchen Tonbecher.
Im Rande enthält es (Abb. 5) ein unregelmäßiges rundes Lod) (durch Gegen:
bohrung im trockenen Ton hergeſtellt), und es iſt anzunehmen, daß neben
dieſem in der fehlenden Wandung ein zweites vorhanden war. Analoga
find in der ſteinzeitlichen Keramik der Ruriſchen Nehrung nicht felten (vgl.
Pruſſia⸗Berichte XVIII. S. 131. Abb. 33. XIX. S. 156. Abb. 11). Die Der:
zierung iſt ſorglos mit Hilfe eines Stäbchens hergeſtellt, deſſen Ende eingedrückt,
ſchräg oder im Bogen durch die Wandung gezogen und wieder eingedrückt
wurde. Die Zwiſchenräume zwiſchen den Ornamentteilen find wulſtig.
Gus dem Geſagten ergibt ſich, daß uns das Glück zu einem der ſehr
ſeltenen oſtpreußiſchen Gräber der jüngeren Steinzeit geführt hatte.
Den Rückweg nahmen wir über das furchtbar zerſchoſſene Ortelsburg,
vor deſſen Bahnhof 1000 eben eingebrachte ruſſiſche Gefangene ſtanden, und
von da führte uns ein überfüllter und ungeheizter Soldatenzug in nicht viel
weniger als 12 Stunden (im Frieden dauert die Fahrt noch nicht 1 Stunde)
nach Allenſtein. Dort gegen Morgen eintreffend, fanden wir die Nachricht,
daß Memel von den Ruffen genommen fei.
Der Spätlatene⸗Fund von Cſchiläſen
Kr. Gubrau.
Don Martin Jahn, Breslau.
mit 3 Tertabbildungen und 1 Tafel.
Bei der Kreisſtadt Guhrau beginnt der ſchleſiſche Candgraben, der eine
bruchartige Niederung, den Guhrauer Stadtwald, erſt nach Norden ent-
wäſſert und dann dem polniſchen Landgraben, der Grenzſcheide zwiſchen
Schleſien und Poſen, folgend, in die Bartſch kurz vor deren Vereinigung mit
der Oder mündet. Bei der Mündung des Grabens liegt das bekannte Gräber⸗
feld der Spätlatenezeit von Zeippern, Kr. Guhrau?) und jenſeits der Grenze
der gleichzeitige Friedhof von Schlichtingsheim, Kr. Srauftadt?). In der Nähe
des Urſprunges des Landgrabens ift nun ein neuer Fund aus derſelben Zeit⸗
ſtufe gehoben worden, der reichſte und bedeutendſte Grabfund Schleſiens aus
dem letzten Jahrhundert vor Chriſti Geburt.
Die Fundſtelle liegt auf dem linken Ufer der Candgrabenniederung in
der Seldmark Tſchiläſen. 600 m öſtlich vom Dorfe durchquert der Weg nach
Juppendorf ein kleines Gehölz, in dem am Südrande des Weges eine Sand⸗
grube angelegt worden iſt. Dieſe kaufte die Stadt Guhrau an, um Kies zur
Wegverbeſſerung zu ſchachten. Im Frühjahr 1914 ſtießen dort Schachtarbeiter
auf den Grabfund. Das Breslauer Muſeum erhielt hiervon durch Herrn
Rittergutsbeſitzer von Coeſch auf Gabel Kunde und erlangte vom Magiſtrat
der Stadt Guhrau die Überweiſung der Fundſtücke in die Breslauer Samm⸗
lung. Herr Muſeumsdirektor Profeſſor Seger erkundete an Ort und Stelle
die Fundumſtände, ſoweit die Arbeiter darüber noch Huskunft geben konnten,
1) Die Abbildungen für dieſe Arbeit hat herr Direktor Seger in freundlichſter Weiſe
zur Verfügung geſtellt, wofür ich ihm auch an dieſer Stelle meinen Dank abſtatte.
2) Seger, Schleſiens Vorzeit. N. S. II S. 31 ff.
-
16 martin Jahn. E
und veranlaßte weitere Grabungen, die jedoch kein Sundſtück aus der Spät:
latenezeit mehr zutage förderten. Wohl aber wurden 40 Gräber von einem
Urnenfeld ausgegraben, das aus der jüngſten Bronzezeit (Periode V) ſtammt.
Das Latenegrab ift dicht neben dieſem älteren Friedhof angelegt worden.
Audy einige Derbrennungsitätten oder Steinherde wurden angeſchnitten.
Schließlich ſei noch erwähnt, daß zwei Kilometer öſtlich der Sundftelle am
gegenüber liegenden Rande des Bruches auf der Feldmark von Juppendorf
kurz vorher ein ſpätkaiſerzeitliches Gräberfeld aufgedeckt wurde !).
Nach den Angaben der Arbeiter, auf die man ſich freilich nicht allzu
ſehr ſtützen kann, beſtand das Spätlatenegrab aus einer länglichen, mit ſchwarzer
Erde und Holzkohlenſtückchen ausgefüllten Mulde, die fih unter der humus⸗
decke noch 50 em hinabſenkte und etwa 0,60 m breit und 1,50 m lang war.
In der Mitte der Grube ſtand ein Bronzeeimer, rings um ihn herum die
Gijenbeigaben. Der eine der beiden Schildbuckel foll in dem Eimer gelegen
haben. Obwohl die Arbeiter bei der Auffindung keine KRnochenſpuren be:
merkt haben, unterliegt es keinem Zweifel, daß der Bronzeeimer als Grab⸗
urne diente und die verbrannten Knochen des Toten enthielt. Im Innern
des Eimers find nämlich noch einige kleine Knochenſtückchen vom Leichen:
brand am Boden und an der unteren Wandung feit angebaden. Aud) be-
merkt man am unteren Teil der Innenwandung eine ganze Reihe von Roſt⸗
ſpuren, die kaum alle von dem einen inliegenden Schildbuckel herrühren.
Vielmehr müſſen mehrere Eiſenbeigaben im Inneren der Bronzeurne bei-
geſetzt worden ſein. Wahrſcheinlich lagen, wie gewöhnlich, die kleineren Bei⸗
gaben im Eimer, die größeren, wie Schwert, Lanzen und Dolchmeſſer, die
nach damaliger Sitte in verbogenem Zuſtande beigeſetzt wurden, außen rings
um den Eimer herum. Der in der Urne gefundene Schildbudel bedeckte wohl
urſprünglich die Mündung des Gefäßes, wie dies auch ſonſt in Kriegergräbern
üblich iſt, und iſt nachträglich in den Eimer hineingeglitten. Um und über
die Urne hat man die Aſchen⸗ und Rohlenreſte und Rückſtände des Scheiter⸗
haufens geſchüttet, ſo daß die Grabgrube mit ihrer tiefſchwarzen Füllung
ganz den Eindruck einer für diefe Jeitſtufe fo typiſchen Brandgrube gemacht
hat. Trotz der ungenügenden Beobachtung der Fundumſtände erſcheinen ſie
mir in dem angegebenen Umfange genügend geſichert, zumal ſie mit den
ſonſt zu dieſer Zeit üblichen Grabgebräuchen gut übereinſtimmen. Wir haben
ein tupiſches Spätlatenegrab vor uns, das allen Anzeichen nach vereinzelt
lag; denn obwohl in ziemlich weitem Umkreiſe die Erde teils weggeſchachtet,
teils bei der ſpäteren Ausgrabung völlig durchgegraben wurde, fand fic) keine
Spur eines zweiten gleichzeitigen Grabes. Es iſt ja dieſe vereinzelte Cage
gerade bei reich ausgeſtatteten, italiſche Bronzegefäße enthaltenden Gräbern
aus den Jahrhunderten um Chriſti Geburt häufig beobachtet worden.
1) Schleſiens Vorzeit. N. S. VII. S. 115 ff.
3] Der Spatlaténe-Sund von Aſchiläſen Kr. Guhrau. 17
Die erhaltenen Sundjtüde des Grabes ſind folgende:
a) Bronzeeimer der Spatlaténeform mit eingezogenem hals. Wandung ſtark
verbeult und mehrfach durchbrochen; nur der ſtärkere Hals iſt wohlerhalten. An ihm
zwei einfache henkelöſen aus Eiſen, die mit je zwei durchgehenden, an den Enden breit⸗
geſchlagenen Eiſennieten befeſtigt ſind. Der eiſerne, in zwei Bruchſtücken erhaltene Henkel
iſt aus einem einfachen runden Stabe von 0,8 em Stärke geſchmiedet, deſſen Enden zu
einem ſchlanken Dreieck ausgehämmert ſind. Die Eiſenteile ſind ſtark verroſtet und unvoll⸗
ſtändig. Der flache Boden zeigt weder außen noch innen Drehrillen, ebenſowenig wie der
Unterkörper; nur am Halfe und auf der Schulter bemerkt man Spuren einer bſchleifung.
Sichere Jeugniſſe für eine Herftellung durch Suk fehlen. Nach Ausfage eines Fachmannes
ift der Eimer getrieben. hammerſpuren find nur am Rande des halſes klar erkennbar,
ſonſt find fie offenbar durch Übſchleifen und Abpugen abſichtlich entfernt worden.
An der äußeren Bodenſeite ift in der Mitte eine Marke eingeſchnitten worden,
die einem dreizehigen Suge oder einem Pfeilzeichen ähnelt. Die Maße des Eimers in dem
verbeulten Zuſtande ſind: höhe bis zum Rande 24,5, Mündung 21, Bodendurchmeſſer
16,5 em. Inv.⸗Nr. 255 : 14. Abb. 2—3 a.
b) Drei Stücke eines eiſernen zweiſchneidigen Schwertes, das in der eiſernen
Scheide ſteckt. Es war bei der Beiſetzung verbogen worden. Die untere Bruchkante des
mittleren Stückes (Taf. J, Abb. 5) liegt gerade an einer Biegungsſtelle. Die Schauſeite
der Scheide war mit Querſtegen verziert, von denen einer erhalten iſt. Die Bruchſtücke
ſind an einer Seite Wort mit angeroſtetem Kies belegt — ein Beweis, daß das Schwert
neben der Urne im Grabe lag — während an der bei der Biegung nach innen fom:
menden Seite vielfach Holzteilchen und andere Beſtandteile mit Abdrücken von. Gräſern,
Wurzelfaſern oder ähnlichem angebacken ſind. Die Breite der Scheide ſteigt an den
Bruchſtücken von 6 bis zu 6,5 cm. Lange der Bruchſtücke 9,5, 10,5 und 15 cm. Inv. ⸗
Nr. 256: 14. Abb. Taf. I, 5 und 5 a.
c) Eiſerner, febr unvollſtändiger Schildbuckel mit ſtarkem Brandroſt. Der ge⸗
wölbte Reſt des Mittelteiles deutet auf eine halbkugelige Form hin. Der breite Rand
trug urſprünglich ſechs Nietlöcher. Don den eiſernen Nietnägeln find noch vier erhalten,
davon zwei feſt aneinander geroſtet, ein Beweis, daß ſie ſchon bei der Beſtattung vom
Buckel gelöſt waren. Die Nägel haben große, flach gewölbte Köpfe von 5 cm Durchmeſſer,
ihre Enden find winklig umgeſchlagen. Sie laffen für den Holzihild eine Stärke von 1,8 cm
frei. Buckeldurchmeſſer 22, Randbreite 5, höhe noch 4,5 cm. Inv.⸗Nr. 257: 14. Abb.
Taf. I, 1 und 1a.
d) Eiſerner Schildbuckel in zwei Bruchſtücken, die außer⸗
dem verbogen ſind. Die Spitze des koniſchen Mittelteiles iſt ein⸗
gebeult. Der breite, nach außen abfallende Rand trug vriprüng-
lich ſechs Nietlöcher. Von den eiſernen Nägeln ſind vier erhalten.
Ihre flachen, 4 em großen Röpfe haben in der Derlängerung des
Nietes eine kleine Spitze; die Enden der Nägelſtiele find durch
kleine, kreisrunde Scheibchen geſichert. Für die Holzplatte des
Schildes bleibt ein Raum von 1 om übrig. Buckeldurchmeſſer 19,
Randbreite 4,5, Kragenhöhe 1,2, Geſamthöhe urſprünglich etwas
über 6 cm. Inv.⸗Nr. 258: 14. Abb. Taf. I, 2 und 2a.
e) Eiſerne, ſtark verroftete TCanzenſpitze mit ſchlankem
Blatt und ſcharfem Mittelgrat; in der Mitte einmal faſt recht⸗
winkelig gebogen. Die dicke angeroſtete Riesſchicht ſpricht ebenſo
wie bei der nächſten Canzenſpitze dafür, daß die Stücke außerhalb Abb. 1. Ai. Mutter
der Urne beigeſetzt wurden. Länge geftredt 40, Tülle 8, Breite der verzierten San
4 cm. Inv.⸗Nr. 259 : 14. Abb. Taf. I, 13 und 13a. zenſpitze.
Mannus, BD. X. H. 1 u. 2. 2
18 Martin Jahn. [4 |
f) Desgleichen, von gleicher Form, nur etwas größer. Der jetzige Zuſtand der
Lanze macht es wahrſcheinlich, daß ſie in der Mitte ebenſo umgebogen war wie e, bei der
Auffindung aber wieder auseinander gebogen wurde. In der Tülle iſt der durchgehende,
aus den beiden Löchern herausragende Niet erhalten. Am unterſten Blatteil erkennt man
ein Mufter von unregelmäßigen, großen, erhabenen Geldern und Punkten, das durch
kitzung hervorgerufen worden iſt, wie ich bereits früher ausführlich dargelegt habe!).
Länge geſtreckt 45,5, Tülle 8,2, Breite 4,7 em. Inv.⸗Nr. 260: 14. Taf. I, 14 und Abb. 1.
g) Eiſernes Meſſer mit gerader Klinge, einmal umgebogen und offenbar wie f
nach der Auffindung wieder aufgebogen. In der Griffangel ein eiſerner Niet mit zwei
Endſcheibchen, am Griffabſchluß eine quadratiſche, im Querſchnitt dreieckige Griffhülſe.
Die Ränder der Nietſcheiben und Hülfenflächen werden von feinen Furchen begleitet.
Die Dicke des vergangenen Griffes betrug 0,8 cm. Länge geſtreckt 24, Griffangel mit
Hülſe 5,8 lang, Breite 2,5 cm. Inv.⸗Nr. 261: 14. Abb. Taf. I, 8 und 8 a.
h) Griffteil eines ähnlichen geraden Meſſers, das gebogen war, jetzt an der Biegung
abgebrochen ift. Die Schneide ift Wort ausgewetzt, die Griffangel an den Rändern [drag
abgekantet. Länge noch 12, Griffangel 5, Breite 2,7 cm. Inv.-Nr. 265: 14. Abb.
Taf. I, 9.
i—k) Unter den eingelieferten Sundftüden befinden ſich drei Klingenreſte und
zwei Griffteile von Meſſern, die wohl zu zwei großen, einſchneidigen Dolchmeſſern
mit geradem Rüden gehörten. Da die Bruchſtücke nicht unmittelbar aneinanderpaſſen,
iit ihre Juſammengehörigkeit nicht mehr ſicher feſtzuſtellen. Die beiden Klingenſtücke
Taf. I, 12 und 10 ſtammen wohl von einer Klinge, die ebenſo geformt und in gleicher
Weiſe einmal umgebogen war, wie die andere Klinge Taf. I, 7. Zu den Klingen ge:
hören offenbar die beiden bronzenen Griffteile Taf. I, 3—4. Es müſſen alſo zwei, in
unverſehrtem Juſtande völlig gleichgeformte und gleichgroße Meſſer vorgelegen haben,
die die anſehnliche Länge von mehr als 30 cm gehabt haben. Der Klingenanteil Taf. I, 7
iſt geſtreckt 25,5 em lang, 2,6 cm breit; Inv.⸗Nr. 265: 14. Das Stück Taf. I, 12 ift
geſtreckt 12,7 lang, 2,7 cm breit; Inv.⸗Nr. 262: 14. Das Fpitzenſtück Taf. I, 10 ift
10,5 lang, 2,3 cm breit; Inv.⸗Nr. 264: 14. Die beiden bronzenen Meſſergriffe Taf. I,
3 bis 4 ſind einander völlig gleich, nur iſt bei dem einen (Taf. I, 4) ſchon in alter Zeit das
Ende abgebrochen. Sie greifen mit dem breiten, hohlen Griffelabſchluß über die eiſerne
Meſſerklinge und haben einen dreieckigen Querſchnitt wie die Meſſergriffhülſe Taf. I, 8a.
Die Griffe beſtehen aus einem dreieckigen, halsartigen Hauptteil, der in ein zu einem
Dogelfopf ausgeſtaltetes Ende übergeht. Der Wort nach einwärts gebogene Papageien⸗
ſchnabel umſchließt ein kreisrundes Coch und iſt vom halſe durch eine ſchmale Rippe ge⸗
trennt. Während der Griff ſonſt flach ijt, wie die Meſſerklinge, tritt der eigentliche Dogel-
kopf mit den ovalen Augen beiderſeits in ſtarker Wölbung hervor. Das Mittelloch ift mit
einer Punktteihe umgeben, die Längstanten des halſes werden durch eine Linie und
eine Reihe eingeſtempelter Kreischen hervorgehoben, während die Abſchlußkante zur
Klinge von zwei Punktſtichfurchen begleitet wird. Die den Klingenrücken verlängernde
Schmalkante trägt zwei Surchen, welche über den Scheitel des Tierkopfes hinweglaufen
und hier beſonders tief eingegraben ſind. Von ihnen gehen zwei ebenſo tiefe, parallele
Surchengruppen fiſchgrätenartig über den Kopf nach den durch ſeichte Doppelfurchen
umrahmten Augen. In den tiefen Furchen war eine Einlage, wohl von Blutemail, von
der noch Reſte vorhanden find. Die ſpiralähnlichen flachen kleinen Auflagerungen auf
dem Klingenende des Griffteiles Taf. I, 4 find wohl keine beabſichtigten Verzierungen.
Länge des vollſtändig erhaltenen Bronzegriffes 5,5, Dicke des Kopfes 1,2 cm. Inv.⸗Nr.
671: 14; Inv.-Nr. des anderen Griffes 266: 14.
——
1) Schlefiens Vorzeit. N. $. VII. S. 94, 100—103, Taf. I, 6.
ur ns ee: —— — —— — — bu ³ͥ;̃ .g̃ũ ⏑—ʒ ]q˙ . ²—ůmuvnʒ. ß —n— m m —mUT UP ̃ m •ůꝓ ̃ff WA w.. ˙wÄʃg ͤ˙¹o!̃.̃ ͤͤMmuXT Ät!lrT—ꝛ2 „„“
51 Der SpatlaténesSund von Tichiläfen Kr. Guhrau. 19
1) Eiſernes Raſiermeſſer mit kurzem, nicht ganz vollſtändigem Griff. Spige
fehlt. Infolge der geringen Biegung des Rückens und der Schneide iſt die Klinge faſt
rechteckig. Länge mit Griff 8,5, Breite 4 cm. Inv.⸗Nr. 267 : 14. Abb. Taf. I, 11.
, m) Eiſerner Niet mit etwas verdidtem Kopf, 3,8 em lang. Inv.-Nr. 268 : 14.
bb. -Taf. I, 6.
Die Beigaben des Grabes laſſen erkennen, daß hier ein vornehmer
Krieger beſtattet worden iſt. Zu ſeiner Rüſtung gehören Schwert, Lanzen,
Schilde und wohl auch die Dolchmeſſer. Gewöhnlich liegen zwei Canzen bei
einer vollſtändigen Ausriijtung, von denen die eine als Wurfſpeer, die andere
als Stoßlanze diente. Von unſeren faſt gleichen Canzenſpitzen gehörte wohl
die größere, verzierte zur Stoßlanze. Auffallend hingegen ijt die Zweizahl
der Schildbuckel, da ein Gebrauch zweier Schilde im Kampfe ausgeſchloſſen
iſt. Man könnte verſucht fein anzunehmen, daß die Ausitattungen zweier
Gräber von den Arbeitern bei der Auffindung zuſammengeworfen wurden.
Das wäre aber nur möglich bei der gleichzeitigen Annahme, daß fait alle
übrigen Sunde des zweiten Grabes verloren gegangen find. Auch ſtimmen die
Sundftüde ſonſt mit der gewöhnlichen Ausitattung eines Kriegergrabes über-
ein. Ungewöhnlich iſt nur noch die große Zahl der Meſſer. Als völlig unnötig
erweiſt ſich jedoch die Annahme eines zweiten Grabes durch den Umſtand,
daß auch ſonſt — und zwar auch bei planmäßig gehobenen Gräbern — mit⸗
unter zwei Schildbuckel in einem Grabe nachgewieſen worden ſind !). Aus
welchem Grunde die doppelte Ausſtattung mit Schilden ſtattgefunden hat,
bleibe dahingeſtellt.
Das wichtigſte Stück des Grabfundes iſt der Bronzeeimer (Abb. 2 u. 3).
Er gehört zu den latenezeitlichen Eimerformen, die Willers eingehend behan⸗
1) Da ich in meiner Arbeit über die Bewaffnung der Germanen auf dieſe Srage
nicht eingegangen bin, führe ich die mir bekannten germaniſchen Kriegergräber mit zwei
Schildbuckeln hier auf: 1. Nauheim, Kr. Friedberg, Sund 148. Quilling S. 56 und
Taf. XVI, 148. Unſuſtematiſcher, unſicherer Sund. 2. Riefte, Kr. Ulzen, Grab 484 mit
2 Buckeln und 2 Seſſeln. Muf. Lüneburg. 3—6. Nienbüttel, Kr. Dien, Grab 44 mit
2 Budeln und 2 Seſſeln. Muf. Hannover 16097-16099. Ein anderes Grab, Muf. Don:
nover 16359 — 16361, enthält 2 Schildfeſſeln. In einem „Depot“, Muf. Hannover 16250
bis 16251, befinden ſich zwei Buckel, ebenſo in einem „Depot“, das ich in hamburg in
der Sammlung Schwantes ſah. Inwieweit ſich dieſe „Depots“ von Gräbern ſondern, oder
ob fie überhaupt nicht als Gräber anzuſehen find, ijt mir unbekannt. 7—9. Rörchow,
Mecklenburg, Grab 58: Bronzeurne mit 2 Budeln. Grab 42: 2 Buckel, Beltz Altertümer
Taf. 53, 10—11. Grab 139: 2 Buckel Muf. Schwerin. 10. Rach ow, Mecklenburg, Grab 79 b:
2 Buckel Muf. Schwerin. 11. Langaa auf Fünen. Bronzeurne mit reichen Beigaben,
u. a. 2 Buckeln. Sehested. Fortids-minder og oldsager fra egnen om Broholm S. 172 ff.,
Taf. 38 v. 12. Rondſen, Kr. Graudenz. Brandgrube 8 vom 10. X. 1887. Anger S. 16 f.,
Nr. 1177 erwähnt einen Buckel aus 2 übereinanderliegenden Eiſenlagen. Es ſind aber
in Wirklichkeit zwei verſchieden große Buckel, deren Buckelnieten ſich auch voneinander
durch die verſchiedenen Größen ſondern.
Bei der Mehrzahl der Gräber ſind die beiden Buckel von verſchiedener Sorm. Die
Sunde ſtammen meiſt aus dem letzten Jahrh. v. Chr. und dem 1. Jahrh. n. Chr.
2*
e
20 Martin Jahn. [6
delt hat!), und zwar fällt er in die legte Gruppe E. Im Profil met er im all-
gemeinen die Gorm der Eimer mit delphin= oder blattförmigen Henfeldjen auf,
wenn er auch deren wohlgefällige Form nicht erreicht. Seine Henkelöſen find
nicht aus Bronze gegoſſen, ſondern aus Eiſen geſchmiedet und einfach feſtge⸗
nietet, nicht angelötet. Auch ihre Geſtaltung ijt von größter Einfachheit, eine
reine Zwedform. Der Henkel ift aus einem einfachen, runden Eiſenſtabe gebildet,
deffen umgebogene Enden wenig auffallende Derſtärkungen tragen. Bei den
vielen im Norden gefundenen Laténeetmern find die henkel nur felten er-
halten. Die beſſeren Stücke hatten Bronzehenkel, die entweder knaufförmig
profilierte oder in Dogeltöpfe auslaufende Enden hatten. Für letztere bieten
gute Beiſpiele die Eimer von Hoby auf Laaland (Willers a. a. O. Taf. IV, 2)
und von Groß Starſin, Kr. Putzig?). Die henkel bilden unmittelbare Dor-
ſtufen der Schwanenkopfhenkel an den frühkaiſerzeitlichen Bronzeeimern,
von denen ſie ſich durch ihre einfachen unverzierten Bügel und das Fehlen
der mittleren Aufhängeöfe unterſcheiden. Die Vogelköpfe der Bronzehenkel
find offenbar bei den Tſchiläſener Henkel in roher Weiſe in Eiſen nachgeahmt
worden. Die Eimer mit eiſernen Henkelöſen, aber mit ſchön geſchwungenem
Profil, wie unſer ſchleſiſches Stück, ſtehen ebenſo wie Willers Gruppe C in
der Mitte zwiſchen den formvollendeten Eimern mit kunſtvollen Bronze⸗
henkelöſen (Willers Gruppen A und B) und den ganz einfachen, plumpen,
1) Willers, Neue Unterſuchungen über die römiſche Bronzeinduſtrie 1907 S. 1—29.
2) Der Willers unbekannt gebliebene Eimer von Groß Starſin (Danziger Amtlicher
Bericht XX (1899), S. 42, Abb. 19), der auch als Urne in einem Waffengrabe diente,
gehört der Gruppe C mit einfachen Bronzehenkelöſen an.
7] Der Spatlaténe-Sund von Tfchiläfen Kr. Guhrau. 21
bauchigen Formen mit eiſernen Hentelöjen, wie der Eimer von Weſterwanna
(Willers a. a. O. Taf. III, 2, Gruppe D). Willers (a. a. O. S. 12) hält
dieſe Bronzeeimer ausnahmslos für gegoſſen; ein Beweis hierfür ſind ihm
die Spuren der Abdrehung. In dieſer Derallgemeinerung ift die Auffafjung
von Willers ſicher unrichtig, wie auch ſchon von anderen Forſchern hervor⸗
gehoben wurde. So ift der Tſchiläſener Eimer getrieben, nicht gegollen,
Ein Japfenloch an der Bodenmitte, wie es beim Abdrehen der Reitnagel
der Drehbank hinterläßt, fehlt hier, ebenſo eingedrehte umlaufende Linien.
Wohl aber erkennt man am hals und auf der Schulter feine, umlaufende
Rigen, die durch Schleifen und Abpugen entſtanden find, und zwar wurde
der Eimer dabei in der Tat auf einer Drehbank oder drehbaren Unterlage
bewegt. Dieſe Schliff-⸗ und Drehſpuren find N fein zwingender Beweis
SE 25 SE Im: Am" —
SE == SE 2 ECH
RS E
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| —
Abb. 3. Un 3a. ae
hentelöjen Bodenzeichen
des Bronzeeimers.
für die Herftellung des Eimers durch Guß. Vielmehr kann auch ein getriebener
Eimer in dieſer oberflächlichen Weiſe auf der Drehbank bearbeitet werden,
um ihm ein gleichmäßigeres, glatteres Ausjehen zu geben. Durch den Schliff
Jind die Spuren des Treibhammers faſt völlig verwiſcht. Nur an der Ober-
kante des ſtarkwandigen Halles erkennt man fie noch deutlich. Mein Gewährs⸗
mann ſtellte es für unmöglich hin, daß diefe Vertiefungen etwa vom Modellier⸗
holz beim Formen eines Wachsmodells herrühren könnten, die dann in der
verlorenen Form mitgegoſſen wären. Ihre Form entſpricht vielmehr voll⸗
kommen den Einſchlägen eines Treibhammers. Die heimat der Eimer iſt
Italien, von wo fie durch Vermittlung der Kelten über die Oſtalpen und
Böhmen nach Deutſchland eingeführt wurden. Um häufigſten ſind ſie daher
im unteren Elbgebiet gefunden worden. Für Schleſien iſt der Eimer von
Tichiläjen das erſte ſicher ſchon in der Spätlatenezeit dem Erdboden anver⸗
traute Stück. Im Muſeum Breslau befindet ſich noch ein zweiter Eimer der
Lateneform von der formvollendeten Gruppe mit bronzenen Delphinhenkel⸗
22 . Martin Jahn. [8
öſen (Willers Gruppe A) aus Petrigau bei Markt Bohrau, Kr. Strehlen !).
Da jedoch über feine Jundumſtände nichts bekannt ift, wäre es bei dieſem
Stück möglich, daß es erft in der frühen Kaijerzeit vergraben wurde, da fih
die Eimer noch bis in die erſten Jahrzehnte des erſten Jahrhunderts n. Chr.
halten 2).
Der Eimer von Tſchiläſen ift noch beſonders durch die in der Mitte
des Bodens eingeſchnittene Marke (Abb. 3a) ausgezeichnet. Meines Wiſſens
ſind an den veröffentlichten Eimern der Lateneform bisher nie Bodenmarken
bemerkt worden. Die Form des aus drei Strichen beſtehenden Zeichens weiſt
offenbar auch nach Italien, wo ſchon in den letzten Jahrhunderten v. Chr.
Geb. auf Tongefäßen u. a. vielfach ähnliche, roh eingeritzte Zeichen (Scrafitti)
angebracht wurden. Ich verweiſe 3. B. auf ein ganz gleiches Zeichen auf
dem Boden eines Tonbechers aus einem latenegeitlichen Grabe von Giubiasco
(Südjchweiz), einem Gräberfelde, auf dem auch zwei Bronzeeimer derſelben
Untergruppe E wie unfer Stück gefunden worden finds).
Die Waffen des Sundes bieten bis auf die verzierte Canzenſpitze keine
Beſonderheiten. Es ſind Stücke von gewöhnlicher Form, wie ich ſie in meiner
Abhandlung über die Bewaffnung der Germanen näher beſprochen habe ).
Die Bedeutung der verzierten Canzenſpitzen hat zuerſt Koſſinna in einer
ſeiner wichtigſten und grundlegendſten Urbeiten dargelegt, deren Ergebniſſe
durch die zahlreichen neuen Sunde immer von neuem bekräftigt worden
jind5). Da ich kürzlich die Tſchiläſener Lanze im Zujammenhange mit den
übrigen verzierten Waffen Schleſiens näher beſprochen habe s), kann ich hier
von einer Behandlung abſehen.
Auffallend ijt die große Zahl der beigegebenen Meſſer. Nach den er⸗
haltenen Rejten lagen mindeſtens vier Meſſer mit geradem Rücken und ein
Raſiermeſſer in dem Grabe. Zwei Meſſer (Taf. I, 8 u. 9) haben eine ge:
wöhnliche orm. Bei dem größeren, deffen Länge 24 cm beträgt, ift der
eiſerne Griffbeſchlag vollſtändig erhalten. Der vergangene, 0,8 cm dicke
1) Schleſiens Vorzeit VII S. 436 Abbildung.
2) Dgl. 3. B. die Eimer mit Delphinhenkelöſen in frühkaiſerzeitlichen Gräbern von
Dobrichow⸗pichora und Holubitid in Böhmen. Pic, Urnengräber Böhmens, Taf. 53,
11—12 und Taf. 65, A So fand fih auch die in der Laténezeit hergeſtellte bronzene
Schnabelkanne von Polniſch⸗Neudorf, Kr. Breslau, in einem Grabe der früheſten Kaifer-
zeit. Schleſiens Vorzeit VII, S. 259. Abbildung.
3) Ulrich, Die Gräberfelder von Bellinzona S. 535 und Taf. 86a Abb. 1. Die
Marke bedeutet nach Bohn den Buchſtaben A. Die beiden Bronzeeimer (ebendort Taf. 62, 15
und Taf. 75, 11) find bereits von Willers a. a. O. Taf. IV, 3—4 abgebildet worden.
4) Ich habe in dieſer Arbeit den Sund von Uſchiläſen ſchon verwerten können.
Dal. dort S. 64 f., 155 und 230 f.
5) Roſſinna, Über verzierte Sei pie als Kennzeichen der Oſtgermanen.
Zeitſchr. f. Ethnol. 1905. S. 369 ff.
6) Schleſiens Vorzeit. N. $. VII. S. 93 ff.
d Der SpatlaténesSund von Iſchiläſen Kr. Guhrau. 23
Griffmantel aus Holz oder Knochen wurde durch einen Niet feſtgehalten und
gegen die Klinge durch eine quadratiſche Hülfe abgeſchloſſen, deren Quer:
ſchnitt genau dem der Klinge entſpricht. Der Griffbeſchlag iſt durch einfache,
die Ränder begleitende Furchen verziert).
Außerdem lagen in dem Grabe zwei gleiche, ſehr lange, gerade Meſſer,
die wohl am beſten als Dolche oder Dolchmeſſer zu bezeichnen ſind. Leider
ſind fie nur in mehreren, nicht aneinander pajjenden Bruchſtücken erhalten
(Taf. I, Abb. 3, 4, 7, 10 und 12). Ihre Länge war größer als 30 cm.
Die Klingen erreichen ein Breite von 2,7 em und laufen ſpitz zu, doch be⸗
hält der Rücken in der ganzen Cänge eine ſchnurgerade Richtung. Die beiden
Dolchmeſſer ſind durch bronzene Griffe von geſchmackvoller Form aus-
gezeichnet, die über die Klingenenden hinweggreifen. Die beiden flachen
Bronzeplatten find zu Dogelköpfen ausgeſtaltet, deren etwas gebogene Dalle
in geſchickter Weiſe zu den Klingen überleiten. Die ſtark gebogenen Papagei⸗
ſchnäbel und die aus der Ebene herausquellenden Röpfe mit den ovalen
Augen haben recht naturaliſtiſche Züge und find flott und ſicher modelliert.
Die übrigen Teile jedoch deuten die Tiergeſtalt nur noch ſchwach an und
Jind rein ornamental behandelt. Der von Schnabel und Hals umſchloſſene
Raum iſt genau zirkelrund. Seine Kreisform wird noch durch einen punk⸗
tierten Saum hervorgehoben. Huch die Ränder des Haljes werden von Linien
und Reihen eingeſtempelter Kreiſe begleitet. Die Wölbung des Kopfes war
ein willkommener Platz zur Einlage von Blutemail in tiefen, fiſchgrätenartig
angeordneten Furchen. In der Verbindung von Naturtreue und Stilijierung
Jind die Griffe echte Vertreter ſpätkeltiſcher Kunft. Beſonders kennzeichnend
für keltiſche Arbeit ijt der Furchenſchmelz, der mit Vorliebe in ſolche Kugel-
flächen am Ende eines Gegenſtandes, wie 3. B. in Nagelköpfe, in die Knöpfe
von Sporen oder in die Endungen von Trinkhornſpitzenbeſchlägen u. ä. ein-
gelegt wurde. Spätlatenezeitliche Meſſergriffe in Tierform find ziemlich felten.
So enden die Meſſergriffe von Heppenheim, Kr. Worms?) und von Beuvray
(Srankreich “)) in Köpfe von Säugetieren. Ein Meſſer von Rondfen läuft in
einen ftrichverzierten Entenkopf mit ſtark geſchwungenem Hals aus (Anger,
Rondſen, Taf. XVIII, 6). Die Form eines freilich nur ſehr flüchtig ange⸗
deuteten Dogelfopfes mit langem, abſtehendem Schnabel met der bronzene
Meſſergriff aus Großromſtedt (Sachſen⸗Weimar) Grab 24 auf, deffen Halsteil .
auch mit Reihen von Kreifen verziert ift*). Die Dolchmeſſer von Tichiläfen
ſind ſicher aus keltiſchem Gebiet eingeführt, und zwar am een
1) Ein ſehr ähnliches Meſſer ſtammt 3. B. aus Rondſen. Anger Taf. XVIII, 11.
2) Reinecke, Mainzer Feſtſchrift Taf. VI, 10.
3) Déchelette, Manuel d’archéologie. Bd. II, 3. S. 1364. Abb. 60.
4) Zeitſchr. d. Der. f. thüring. Geſch. N. $. 18 (1908), Taf. Abb. 9. Ungenügende
Abbildung. Die Augen des Vogels find auf der Schmalkante angedeutet, daher auf der
Abbildung nicht ſichtbar.
24 Martin Jahn. Der Spatlaténe-Sund von Tſchiläſen Kr. Guhrau. [10
aus Böhmen, über welches Land auch der italiſche Bronzeeimer nach Schleſien
gekommen iſt.
Das Raſiermeſſer (Taf. I, 11) beſitzt nicht die gewöhnliche griffloſe
Sichelform, ſondern hat einen recht gedrungenen, hackmeſſerartigen Körper,
an den ſich ein kleiner Griff anſetzt.
Das Grab von Cſchiläſen hebt fih von den übrigen gleichzeitigen Funden |
Schleſiens durch den aus Italien ſtammenden Bronzeeimer und die keltiſchen
Dolchmeſſer mit Dogelkopfgriffen ab. Trotz dieſer fremden Beſtandteile ift
es unzweifelhaft das Grab eines Germanen. Dafür ſprechen die Begräbnis⸗
art, — Beſtattung des verbrannten Leichnams in einer Urne, die in Brand⸗
erdeſchüttung ſteht — die echt germaniſchen Formen der Schildbuckel und die
für die Oſtgermanen charakteriſtiſche Form der verzierten Canzenſpitze. Da
es innerhalb der ſchleſiſch-ſüdpoſenſchen Kulturgruppe liegt, waren in ihm
die Gebeine eines wandaliſchen Edlen aus dem letzten A v. Chr.
beigeſetzt.
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Tafel I.
Mannus, Jeitſchrift für Vorgeſchichte. Bd. X. H. 1 u. 2.
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Abb. 3 und 4 in ½, alles andere in ½ nat. Gr.
Tichiläfen, Kr. Gubrau.
verlag von Curt Habitzſch, Leipzig und Würzburg.
Jahn, Der Spätlatene-Sund von ſchiläſen (Kr. Guhrau).
/
Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz.
3 Ein Nachtrag. |
Don Mihael Martin Cienau, Srankfurt a. O.
Mit 2 Tert- und 2 Tafelabbildungen (Tafeln II und III).
Im IX. Bande (Neue Solge, 1907, 4. Heft) des „Anzeiger für Schweize⸗
riſche Altertumstunde“ befindet fih eine Abhandlung von Dr. J. Heierli
über „Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz“. Kleinere Berichte
desſelben Forſchers über dieſe Quellfaſſung findet man im XXXVIII. Jahrg.
Nr. 9/12 des „Rorreſpondenzblatt der deutſchen Geſellſchaft für Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeſchichte“, ſowie in „der Balneologiſchen Zeitung,
XVIII. Jahrg. Nr. 25 vom 10. Sept. 1907“ und im „I. Jahr.⸗Ber. der
Schweiz. Geſellſch. f. Urgeſchichte, S. 38.“ l
In der erſtgenannten Abhandlung ſagt Heierli in einer Anmerkung
auf S. 276: „Erſt während des Druckes diejer Arbeit erhielt ich Bericht, daß
in einer Ede der Röhrenfaſſung eine Blockleiter, beſtehend aus einem Baum: .
ſtamm mit Einſchnitten, und beim Husräumen der Einzelröhre vier hölzerne
Haden zum Vorſchein gekommen waren.“ Dieſe Anmerkung veranlaßt meinen
Nachtrag. |
Ich befand mich zur Zeit der Aufdedung der uralten Quellfaffung, tin
Anfang des Jahres 1907, als Kurgaft nach eben beendeten Studien in St. Moritz.
Als erſter Fachmann ſah und begutachtete ich die Sunde und berichtete ſofort
an meine hochverehrten Lehrer Montelius und Heierli (Heierli, a. a. O.
S. 269). Bei einem ſpäteren Aufenthalt in St. Moritz ließ ich, mit Erlaubnis
des Engadiner Muſeums (St. Moritz), die Blockleiter und Holzhacken photo-
graphieren (Textabb. 1).
Neuerdings ſandte mir Herr Architekt Chr. Gartmann, welcher ſich um
die ſachgemäße Freilegung und Fixierung der alten Quellfaſſung durch Photo⸗
graphie, Zeichnung und Modellierung in hervorragender Weiſe verdient ge⸗
26 | M. M. Lienau. [2
macht hat, eine Skizze, welche die Blodleiter in situ bei der Auffindung zeigt
(Textabb. 2). Ich Motte hiermit herrn Gartmann auch dafür meinen ver-
bindlichſten Dant ab. |
Die Leiter hat eine Lange von etwa 2,50 m bei 20 em Durchmeſſer. Das
Material wird wohl mit demjenigen aller übrigen Holzteile übereinſtimmen,
alfo Cärche (Larix europaea) fein (Heierli, a. a. O. S. 272).
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Abb. 1.
Man vergleiche mit Textabb. 2 die Abbildungen 58 und 59 bei Heierli
(a. a. O. S. 268 und 270), ſowie meine Taf. II.
Die Photographie von Taf. II ſtellte mir ſeinerzeit herr Gartmann zur
verfügung. Sie zeigt ihn (vorn in der Röhre ſtehend) „in den Sielen“ bei
Bergung der zwei Holzröhren, welche innerhalb eines Plankenrahmens
ſtanden (Heierli a. a. O. Abb. 58/59). Nun bringe ich noch eine bisher nicht
publizierte Photographie der im Quellgrund gefundenen Schwerter auf Taf. III.
3] Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz. 2?
Man vergleiche mit Taf. III die Abb. 58 (Querſchnitt), 63 und 64 bei
Heierli (a. a. O.). Dieſe Schwerter geben mir Gelegenheit zu einer kurzen
chronologiſchen Bemerkung.
Heierli ſetzt die Bronzefunde (a. a. O. Abb. 63) in die jüngere
Bronzezeit, insbeſondere wegen des Schwertes mit achteckigem Griffe (a. a. O.
Abb. 63, oberes Schwert — meine Tafel III rechts) und der Keulenfopfnadel
mit Reifen am Hals. Als „abfolute Zeit” gibt er „zirka 3000 Jahre“ vor
1907 n. Chr. an — alſo etwa 1100/1000 vor Chr. (a. a. O. S. 276, Abſ. 3).
Bei dem Schwerte beruft Heierli fih auf J. Naue (a. a. O. S. 274, Abj. 2
und Anm. 1). ° |
Nun hat aber Koffinna auf Grund eingehender neuerer Unterſuchungen
dieſe Schwerter feiner Bronzeperiode II c (1550—1400 vor Chr.) zugewieſen.
So jagt Koffinna im Mannus Bd. IV auf S. 286, Abſ. 2: „Daß die be:
ſonders in Bayern fo häufigen Schwerter mit achtkantigem Bronzegriff der
Periode IIc” aus den germaniſchen Griffzungenſchwertern der Periode IIb
fih entwickelt haben ſcheint mir aus der Tatſache hervor⸗
zugehen i | |
Das zweite Schwert von öjterreichiich-ungariicher Form (Heierli a. a. O.
Abb. 63, unteres Schwert — meine Taf. III links) „dürfte ungefähr gleich⸗
zeitig“ fein mit dem erſten. „So“ ſchrieb mir Reichsantiquax Montelius auf
meinen Fundbericht. Montelius nennt den Gund „hochintereſſant“ und zählt
die Bronzen „feiner zweiten Periode des nordiſchen Bronzealters“ zu (vgl.
Montelius, „Tidsbestämning inom Bronsaldern“ pl. 2). Sämtliche bei
Montelius auf Pl. (Tafel) 2 abgebildeten Gegenſtände (mit Ausnahme von
42, 43, 35, 22) zählt Koſſinna zu feinem Abjchnitt IIc. Montelius ſpricht
von „ungefährer Gleichzeitigkeit“ der beiden Schwerter; vielleicht iſt das
zweite Schwert von öſterr.⸗ungar. Typ ein wenig jünger.
Einen weiteren guten Unhaltspunkt für die Chronologie bietet nach
Heierli die , Keulenfopfnadel mit Reifen am hals“, welche Heierli gleich⸗
falls „der jüngeren Bronzezeit und dem Anfange der Eiſenzeit“ zuweiſt.
28 M. M. Cienau. [4
Dieje Nadeln find, wie auch unfer Quellfund zeigt, gleichzeitig mit
den achteckigen Schwertern („Die Alt. unf. heidn. Dorzeit Bd. V. Taf. 62')),
welche, wie wir ſahen, der Kofjinnajcdyen Periode IIc angehören. Die ans
geführte Taf. 62 gehört zu einer Abhandlung von P. Reinecke über „Jünger
bronzezeitliche Grabfunde aus Nord- und Süddeutſchland“, und zwar ift fie
„gewidmet der Analyje” feiner Bronzezeitſtufe C für Süddeutſchland, „welche
den Anfang des jüngeren reinen Bronzealters in Mitteleuropa einnimmt.“
P. Reinedes Taf. 62 führt nun lauter Sunde, welche nach „Roſſinna“
deſſen Stufe II zuzuteilen find — jo auch das „Schwert von hammer“,
welches Kofjinna ganz an den Schluß dieſes Abfchnittes fekt (Mannus
Bd. IV. S. 285).
Das führt mich zu den Grenzſtreitigkeiten der „Abſoluten Chronologie“.
Wenn ich von den Roſſinnaſchen Jahlen ausgehe, ſo ſchließt mit deſſen
Periode II c, 1550 — 1400 vor Ch., die ältere Bronzezeit. Seine Periode III,
1400 — 1200 v. Chr., umfaßt die mittlere Bronzezeit (für den germaniſchen
Norden fegt Montelius für Periode III die Zeit von 1300—1100 v. Chr.
an), feine Perioden IV, 1200—1000, und V, 1000 —800 v. Chr. bezeichnen
die jüngere Bronzezeit.
Betrachtet man die Aufitellung von G. Behrens (Katalog Nr. 6 des
Röm.⸗Germ. Zentralmuſeums: „Bronzezeit Süd deutſchlands“), jo entſpricht
deffen Periode „8 hügelgräberzeit“ den zperioden P. Reinedes:
B. C. D“ und zwar ijt Behrens Bi (ältere hügelgräberzeit) Reinecke B,
(B.) Ba (mittlere Hügelgräberzeit) = (R.) C., (B.) Ba (jüngere Hügelgräber⸗
zeit): RP ĩð während die Behrens- periode A Früheſte
Bronzezeit der Reinecke-periode A (Koſſinna I um 2100—1750, Mon⸗
telius I 1800 — 1500 v. Chr.) und die Behrens⸗ periode C Späteſte Bronze⸗
zeit (Kolfinna IV und V, Montelius IV und V) den Hallſtatt⸗
Perioden A und B von P. Reinecke entſprechen ).
Halten wir uns an das Schema von Roſſinna, ſo endet Behrens A
(Reinecke A) um 1750, und Behrens B., jüngere hHügelgräberzeit (Reinecke D,
Bd. V. Taf. 38 der Alt. unf. heidn. Vorzeit) um 1200 v. Chr. (Behrens
a. a. O. S. 91/92, S. 220 Abf. 4 und S. 221 Abſ. 1.)
Wenn wir nun vorher geſehen haben, daß Reineckes Periode C
(Behrens B,) der Koſſinna⸗-periode IIc, 1550 — 1400, entſpricht, jo werden
wir feine Periode D (Behrens B,) mit Roſſinna III 1400 — 1200 gleidh-
ſtellen dürfen, jedenfalls läßt Behrens ſeine Periode B (1. 2. 3.) um 1200
v. Chr. mit B, enden.
So ergibt ſich folgende tabellariſche Überſicht:
1) Die dort abgebildete Nadel (1129) iſt jedenfalls mit der „St. Moritzer“ nahe
verwandt.
2) G. Behrens (a. a. O. S. 91/92. S. 219/221. S. 276),
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29
Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz.
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30 M. M. Lienau. Die bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz. [6
Um fchlieglih auf unſeren Quellfund zurückzukommen, jo ergibt fih
aus vorſtehenden Ausführungen für ihn die Zeit um 1400 v. Chr. Um diefe
Zeit etwa ſind alſo die Bronzen als Weihegaben für: den Quell (Quellgott)
niedergelegt worden. Sie famen ſämtlich im Grund der Röhre A innerhalb
der planken⸗Einfaſſung, welche zwei Röhren A und B umſchloß, zum Dor-
ſchein (Heierli a. a. O. Abb. 58). l -
Aus einer dritten älteren, abfeits ſtehenden Einzelröhre (Heierli a. a. O.
S. 276) ſtammen die vier Holzhaden, von denen 2 meine Textabb.! zeigt.
Dieſe Einzelröhre iſt alſo noch vor 1400 v. Chr. in den Felsſchutt, aus
welchem die Heilquelle hervordrang, geſtellt worden: als älteſte Faſſung.
Eine ältere Quellfaſſung werden Mittel- und Nordeuropa nicht aufzuweiſen
haben.
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Die Entſtehung des Wagens und des
Wagenrades. :
Don Hugo Mötefind t, Marnheim (Pfalz).
Mit 46 Abbildungen.
1. |
In unſerer Zeit ijt die Anjchauung geläufig, daß jede Erfindung mit
dem Namen eines Erfinders verknüpft fein muß. Dieſelbe Unſchauung herrſchte
auch im Altertum: jede Erfindung von irgendwelcher Bedeutung war mit
dem Namen eines Gottes, eines Heros oder irgend einer anderen bekannten
Perſönlichkeit verknüpft, ſehr oft ſogar mit mehreren Namen, da die Tradition
darüber bereits damals weit voneinander abwich. So ift es nicht weiter auf-
fällig, daß auch für die Erfindung des Wagens uns aus dem Altertum Namen
erhalten find (Caftor, Erichthonios, Onomaos, Prometheus, Neptolemos u. a.).
Unſere moderne Forſchung hat freilich längſt erkannt, daß die Erfin⸗
dungen derartiger Kulturgüter in eine Zeit zurückreichen, von der weder
Namen noch Jahreszahlen erhalten ſind, und wir wiſſen, daß all dieſe Er⸗
findungen nicht, wie wir uns das heute ſo gerne vorſtellen, mit einem Schlage
erfolgt find — wie die Athene aus dem Haupte des Zeus entſprungen,
ſondern ganz allmählich geworden find, jo daß wir auch beffer von Ent⸗
ſtehung ſtatt Erfindung reden.
Mit der Frage, wie die Entſtehung des Wagens vor fih oe:
gangen iſt, ob der Wagen ein „Allgemeingut der Menſchheit“ war, ob er
an vielen Stellen zugleich und unabhängig voneinander erſonnen, ob die
Form durch natürliche Gedanken verbindung urſprünglich dieſelbe, wenn auch
ſpäter mit kleinen lokalen Varianten ausgeſtattet, nur das Material je nach
Boden und Klima verſchieden — mit all dieſen Fragen hat fih die wiſſen⸗
ſchaftliche Sorſchung erft ſehr ſpät befaßt.
32 Hugo Mötefindt. [2
Als der gelehrte Profeſſor Johannes Scheffer fein Werk „De re”
vehiculari veterum“ ſchrieb (Srankfurt 1671), da ahnte man noch nichts
von all dieſen Fragen. Wohl befindet ſich in dem erſten Bande dieſes Buches
ein beſonderes Kapitel „De vehiculorum primo auctore“; es enthält jedoch
nur eine fleißige Zuſammenſtellung all der muthologiſchen Namen, die in
der großen Weltliteratur irgendwann einmal als Erfinder des Wagens be⸗
zeichnet ſind. i
Welche Sortichritte die Wiſſenſchaft in den folgenden 150 Jahren durch⸗
gemacht hat, läßt ein Vergleich des Buches von Scheffer mit dem Werke
von Ginzrot, „Die Wagen und Fuhrwerke der Griechen und Römer uſw.“
(München 1817) erkennen. Gleich das erſte Kapitel des Ginzrotſchen Werkes
führt die Überſchrift „Über den Urſprung der Wägen“. Schon diefe
Überſchrift zeigt, daß Ginzrot nicht mehr an eine Erfindung denkt, ſondern
von einer allmählichen Entſtehung überzeugt iſt. Über dieſen allmählichen
Werdegang hat Ginzrot ſcheinbar ſehr eingehend nachgedacht; er iſt dabei
zu der Anficht gekommen, daß der Wagen aus der Schleife entſtanden
ſein müſſe. Die Schleife ſei gewiß das erſte Fuhrwerk geweſen, deſſen ſich
die Menſchen bedient hätten. Mußte man nun Steine oder andere ſchwere
Laften auf dieſer Schleife fortſchaffen, jo wurden der Schleife natürliche:
Walzen untergelegt, wodurch deren Fortbewegung ſehr erleichtert und
beſchleunigt wurde. Dieſer Vorteil mag dann die Menſchen auf den Gedanken
gebracht haben, die Scheibenwalzen oder Scheibenräder zu erfinden
und unter der Schleife zu befeſtigen: fo fei dann der erffe Wagen
entſtanden.
Seit 1817 iſt dieſe Schleifentheorie nicht wieder zur Ruhe gekommen;
zwar vergehen zunächſt volle fünfzig Jahre, in denen die Theorie unbeachtet
geblieben zu ſein ſcheint, aber um ſo ſchärfer wird das Problem in der Folge—
zeit erfaßt. Im Jahre 1867 nimmt der General von Schlieben in ſeinem
Buche „Die Pferde des Altertums“ (Neuwied und Leipzig 1867) die Theorie
wieder auf und vermutet, daß die Wagenräder „urſprünglich ſehr
breite Blockräder“ geweſen ſeien (S. 162). 1875 erſcheint der erſte Band
der „Theoretiſchen Kinematik. Grundzüge einer Theorie des Maſchinen⸗
weſens“ von §. Reule aux (Braunſchweig 1875); hier findet ſich auf S. 202 ff.
die Entſtehung des Wagens und der Wagenräder vom Standpunkt des
Technikers aus behandelt. Reuleaux kommt dabei zu folgendem Ergebnis
(S. 205): „Die Forſchung ihrerſeits ſcheint dahin zu führen, daß der Wagen
nicht aus der Schleife, dem ſchlittenartigen, kaſtenförmigen Bauwerk,
ſondern aus dem rollenden Rörper, dem Rade ſelbſt, ausgebildet
worden ift. Man hat fidh vielleicht zu denken, daß aus dem rollenden Baum:
ſtamm, dann der unter Laſten gelegten Walze, welcher das ſcheibenförmige
Rad und insbeſondere das formoſaniſche Räderpaar noch nahe ſteht, die
allmähliche Entwicklung ſtattgefunden habe.“
3] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. | 33
Wenige Jahre jpäter findet fih das Problem von dem Anthropologen
Tylor wieder aufgegriffen. In dem ſeinerzeit viel gelejenen Werke ,,Anthro-
pology. An introduction to the study of man and civilization“ (London
1881; deutſche Ausgabe von G. Liebert unter dem Titel „Einleitung in
das Studium der Anthropologie und Jiviliſation“, Braunſchweig 1883)
finden wir die Anjicht vertreten, daß der Wagen aus der Rolle derart .
entſtanden fei, daß man dem mittleren Teile der letzteren eine geringere
Dicke gab und hierdurch ein Räderpaar mit einer Achje aus einem Stück
“ erhielt (engl. Ausg. S. 199, deutſche Ausg. S. 235). Dieſelbe Anjchauung
findet fih übrigens in einer in demſelben Jahre vom gleichen Derfaffer er-
ſchienenen Abhandlung „On the origin of the plough and wheel-carriage“
(Journ. of the anthr. Inst. X, 1881. S. 74 ff) noch einmal eingehend aus⸗
einandergeſetzt.
Nach Tylor hat ſich Eduard hahn mit dieſen Fragen eingehend be⸗
ſchäftigt. Don Hahns zahlreichen Schriften kommen hier vor allem in Be-
tracht ein Aufſatz mit dem Titel „Heilige Wagen“ (Derhandl. d. Berl. anthr.
Geſ. 1895. S. 542), das dickleibige Werk „Die Haustiere und ihre Beziehungen
zur Wirtſchaft des Menſchen“ (Ceipzig 1896. S. 94 ff), die Studie „Demeter
und Baubo, Derſuch einer Theorie der Entſtehung des Aderbaues” (Cübeck
1896. S. 30 ff.), zwei weitere klufſätze „Zur Theorie der Entſtehung des
flckerbaues (Globus LXXV, 1899. S. 281 ff., bef. S. 284) und „Zur Ent-
ſtehung des Rades und des Wagens“ (Zentralbl. f. Anthr. VIII, 1903. S. 1 ff.),
das Buch „Die Entſtehung der Pflugkultur“ (Heidelberg 1909. S. 41) und
vor allen Dingen die kleine zuſammenfaſſende Schrift „Von der Hacke zum
Pflug“ (Ceipzig 1914. S. 60).
Hahn kann eine Erklärung, die den Wagen aus ſeiner Nützlichkeit heraus⸗
entwickelt, für den Anfang überhaupt nicht gelten laffen (Demeter und Baubo
5. 33). Seiner Meinung nach iſt der Wagen in den älteſten Zeiten
lediglich für den Transport der Götterſtatuen und Götterfymbole beſtimmt
geweſen (ebend. S. 32), er war ein heiliges Gerät, ein Kultgegenitand
(ebend. S. 35). Don dieſem Geſichtspunkte aus ſucht Hahn deshalb
auch die Entſtehung des Wagens zu erklären.
Don vornherein ift es für ihn völlig undenkbar, daß die Rader
an den Achjen (und damit der Wagen) aus der Walze entſtanden fein
ſollten, indem man die Räder aus dem vollen Stamm herausgearbeitet
und den Stamm zwiſchen den Rädern zur kichſe verdünnt haben ſollte. Dom
Beginn feiner Unterſuchungen an hat Hahn gegen diefe knſicht Einwendungen
erhoben, zunächſt nur aus rein ethnologiſchen Erwägungen, die ſich auf die
Tatſachen der Verbreitung und der Benutzung des Wagens gründeten (Demeter
und Baubé S. 51). In neuerer Zeit ſtützt er fic) in dieſem Punkte auf die
„techniſche Autorität" des Inspecteur général des ponts et chaussées
G. Sorejtier, der 1900 ein Buch unter dem Titel „La roue. Etude paleo-
Mannus, BD. X. H. 1 u. 2. 7
u
34 Hugo Mötefindt. [4
technique“ (Paris und Nancy) veröffentlicht hat. In dieſem Buche hat
Foreſtier, ebenſo wie vor ihm Hahn, die Anjchauung ausgeſprochen, daß
das Rad lange vor dem Wagen vorhanden war (Soreftier a. a. O.
S. 126). Als Beweis für dieſe Anſicht werden die kleinen Zierſcheiben aus
Knochen, Horn, Stein uſw. in Scheibenform, die „der Bearbeitung halber“
in der Mitte oft durchbohrt find (sic!), herangezogen und von ihnen be-
hauptet, daß ſie dem Wagen lange vorausgegangen ſeien, und daß ſie auch
in den Gebieten vorkämen, in denen niemals ein Rad unter dem Wagen
gegangen ift (Soreftier a. a. O. S. 126. — Hahn, Hacke und Pflug S. 59).
Hahn und Foreſtier find der gleichen Anſicht, daß das Scheibenrad
in der älteſten Zeit keine jo große Rolle geſpielt haben könnte, daß
es nicht die älteſte Form des Rades ſei, wie die meiſten Forſcher heute
annehmen!). Zum Beweis dieſer Unſicht met Hahn darauf hin, daß er
auf alten einſchlägigen Abbildungen nur ein einziges Scheiben—
rad gefunden hätte (Zur Theorie uſw. S. 284), und ſucht außerdem ſeine
Anſicht durch eine Aukerung Foreſtiers zu ſtützen, daß das plumpe Scheiben—
rad, das fih um feine Achſe unter dem Wagen dreht, nur ſcheinbar
primitiv fei, und viel, viel ſpäter auftrete als der erſte Wagen
(Pflugkultur S. 41). Die Anſicht, man wäre zuerſt auf die Schleife geraten
und zu gleicher Zeit oder weiterhin wäre aus der Verbindung der Walze
und der Schleife der Gedanke des Wagens entſtanden, bleibt Hahn voll—
kommen unverſtändlich (ebend. S. 40). Nach Hahn iſt vielmehr deshalb der
Wagen entſtanden, weil das Rad vorhanden war (Demeter und Baubo
S. 33 u. a. m.). Die durchbohrte Scheibe iſt nicht immer mit dem Gedanken
verbunden geweſen, der uns nahegelegt wird, das Rad wäre dazu da, um
einem Wagen zu dienen oder auch nur, daß das Kad ſich dreht oder drehen
laſſen muß.
Was nun die Erfindung des Wagens angeht, ſo vertreten hahn und
Foreſtier vollkommen gleich und unabhängig voneinander denſelben Gedanken-
gang. Beide Forſcher vermuten, den Unlaß zur Erfindung des Wagens
hätten zwei Spinnwirtel — runde Scheiben, die in der Mitte durchbohrt
waren — gegeben, die man auf eine Adje geſteckt hätte. Wenn fih nun
herausſtellte, daß man über eine oder zwei Achſen dieſer Art etwas
befeſtigen und es dann auf dieſen Rädern rollen könne, dann war
der Wagen erfunden (Demeter und Baubo S. 34. Foreſtier a. a. O.
S. 126). Nur in einem ganz nebenſächlichen Punkte weichen ſie voneinander
1) Zum Beiſpiel Ginzrot a. a. O. I. S. 78. Schlieben a. a. O. S. 162. Karutz im
Globus 74, 1898. S. 336. Thrämer, Die Som des Heliodiihen Wagens (Straßburger
Seſtſchr. zur XLVI. Derf. deutſch. Phil. herausgeg. von d. phil. Saf. Kaiſer Wilhelms-Univ.
Straßburg 1901. S. 162.) Deune, §ünf Bücher deutſch. Hausaltertiimer. Band 2.
Leipzig 1901. S. 27. Montelius, Das Sonnenrad und das chriſtliche Kreuz. Mannus I,
1909. S. 55.
5] | Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 35
ab: Hahn vermutet, daß diefe älteſte grundlegende Erfindung einem Prieſter
zu verdanken fei, der feine müßige Zeit mit dergleichen Spielerei ausfüllte
(Hacke und Pflug S. 60). Soreftier dagegen nimmt an (S. 126), daß eine
Mutter ihrem Kinde aus zwei Spinnwirteln ein Spielzeug gebaut hätte
und dadurch die Erfindung des Wagens veranlaßt fei. Foreſtier und hahn
begegnen fidh alfo in der Vorausſetzung, daß das kleine unpraktiſche Gerät,
das Modell, der praktiſchen Verwendung des Wagens mit Jug-
tieren auf der Straße vorausging, und daß die Entſtehung des loſe
auf der Achſe beweglichen Rades in irgend einer Art oder Form damit zu—
ſammenhängt, daß der. Wirtel, jenes wichtige Gerät der Urzeit, ſchon vor—
handen war.
Gegen dieſe Theorien von hahn hat ſich Götze im Zentralblatt
für Anthropologie XVIII, 1897. S. 12 ablehnend ausgeſprochen, ohne
ſeine Anſichten näher zu begründen.
Späterhin hat ſich dann Weule mit der Entſtehung des Wagens ein—
gehend beſchäftigt (Die Urgeſellſchaft und ihre Lebensfürſorge. Stuttgart
1912. S. 71). Weule nimmt hier im weſentlichen Hahns Theorie der
Entſtehung des Wagens an, freilich ohne ſich deſſen zu verhehlen, daß noch
weitere Schwierigkeiten beſtehen.
Die jüngſte Außerung über die Entſtehung des Wagens iſt ſchließlich
die Anſicht eines erfahrenen Technikers, $. M. Feldhaus, der in feinem
Handbuch „Die Technik der Urzeit, der geſchichtlichen Zeit und der Natur-
völker“ (Leipzig-Berlin 1914. S. 1253) folgendes über die Entſtehung des
Wagens anführt: „Daß der Wagen aus der Schleife entſtanden iſt,
möchte ich nicht ohne weiteres annehmen. Erſt müßte eine der wichtigſten
Erfindungen, die Drehbewegung, gemacht ſein, ehe man einen Wagen auf
Rädern ſetzen konnte. Wo und wann die Drehbewegung erkannt und aus—
geführt wurde, iit ungewiß. Der endloſen Drehbewegung des Rades ging
wahrſcheinlich die begrenzte Drehbewegung des Scharniers vorauf. Die Dreh-
bewegung des Scharniers hat in dem Gelenk des Tierförpers ja ein Vorbild;
die endloje Drehbewegung des Rades hat aber in der Natur kein Vorbild.“
über die Entſtehung des Wagens haben ſich demnach bisher nur
Ethnologen und Techniker geäußert, während ein Archäologe von ſeinem
Arbeitsgebiet aus der Frage noch nicht näher getreten iſt. Und doch ſollte
man eigentlich meinen, daß aus den vorgeſchichtlichen und geſchichtlichen
Denkmälern gerade über dieſen Punkt einige Aufflarungen zu gewinnen
wären — weit eher als aus dem ethnologiſchen Material, denn bei den vor⸗
und frühgeſchichtlichen Denkmälern beſitzen wir das Kriterium der Chronologie,
das für das ethnologiſche Material uns bei weitem nicht in dem Maße zur
Verfügung ſteht. So mag denn in den folgenden Seiten einmal der Derſuch
unternommen werden, feſtzuſtellen, was die vor- und frühgeſchicht⸗
lichen Denkmäler über die Entſtehung des Wagens ausſagen.
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36 Ä Hugo Mötefindt. | [6
2.
Für die ältefte Zeit dürfen wir vier verſchiedene Sahrzeugformen
als bekannt vorausjegen: die Schleife, den Karren, den Streitwagen
und den vierrädrigen Wagen. Über all diefe vier Fahrzeuggruppen
bieten uns die archäologiſchen Denkmäler in Geſtalt von einigen wenigen
Originalfunden wie in den Darſtellungen auf den Felſenzeichnungen, den
Einritzungen auf Tongefäßen, den Daſenbildern, Skulpturen, Gemmen und
Münzen reiche klufſchlüſſe.
Aus der Reihe dieſes an der hand der Denkmäler gewonnenen Materials
iſt von vornherein eine kleine Gruppe von Wagen auszuſondern, die als
Kultwagen oder Tafelgerät gedient haben. Was an derartigen Kult-
wagen aus dem germaniſchen Kulturfreife bekannt geworden ift, habe ich
vor kurzem zuſammenfaſſend behandelt!); dabei habe ich u. a. nachgewieſen,
daß dieſe Kultwagen im germaniſchen Kulturkreiſe nicht vor der
Periode II c der Bronzezeit, d. h. vor 1550 bis 1400 v. Chr. auftreten —
alſo zu einer Zeit, als der Streitwagen und der vierrädrige Wagen
im Norden bereits bekannt waren. Durch dieſen Nachweis iſt die
Behauptung, die Ed. Hahn an das Vorkommen dieſer Rultwägelchen im
Norden geknüpft hatte, daß nämlich erft diefe Kultwägelchen gewiſſer⸗
maßen als Modelle vorhanden geweſen leien und danach die eigent-
lichen Wagen gefertigt, von vornherein erledigt. Für den zweiten
Teil dieſer Annahme, daß diefe kleinen Kultwagen als Modelle für die eigent-
lichen Wagen gedient haben könnten, lagen ja von Anfang an keinerlei
kinhaltspunkte vor. Für den Archäologen ift es zu offenſichtlich, daß die
Kultwägelchen all das, was fie an ÜUhnlichkeiten mit den Wagen beſitzen,
vom Wagen her übernommen haben; das zeigt ſich beſonders deutlich an
dem „Sonnenwagen” von Trundholm, der ja überhaupt kein richtiger Wagen
ijt, ſondern lediglich eine Art „Räderſpielzeug“. Nicht anders ſteht es mit
den Kultwagen in den anderen Rulturkreiſen, worauf ich aber an dieſer
Stelle nicht näher eingehen möchte, um den Rahmen der Feſtſchrift nicht
allzu ſehr zu überſchreiten.
Wagen und Schleife unterſcheiden ſich auf den erſten Blick dadurch,
daß der Wagen Räder beſitzt, die Schleife dagegen ohne Räder auskommt.
Irgendwelche Belege für das Vorkommen der Schleife in der euro:
päiſchen Urzeit ſtehen der archäologiſchen Sorihung nicht zur
Verfügung. An der Hand der Denkmäler läßt fih die Schleife lediglich
in Ägypten und Affyrien nachweiſen. Trotzdem dürfen wir fie auch
wohl für das urzeitliche Europa vorausſetzen und den Mangel an Beleg⸗
1) H. Mötefindt, Der Wagen im nordiſchen Kulturkreiſe zur vor- und frühgeſchicht⸗
lichen Zeit. Seſtſchrift Ed. hahn zum 60. Geburtstage EEN Don Sreunden und
Schülern. Stuttgart 1917. S. 209.
7] Die Entitehung des Wagens und des Wagenrades. 37
material lediglich darauf zurückführen, daß wir aus den bildlichen Darſtel⸗
lungen, die uns aus jenen frühen Zeiten des europäiſchen Menſchengeſchlechtes
erhalten ſind, überhaupt ſehr wenig klufſchlüſſe über das Leben und Treiben
dieſer Dölferjcharen gewinnen können; Originalfunde derartiger Holzſchleifen
laſſen ſich infolge der Vergänglichkeit des Materials von vornherein nicht
erwarten.
Sur den Streitwagen habe ich gleichfalls in meiner früheren Arbeit
nachzuweiſen verſucht, daß eine feiner Formen, ein leichter Renn-
wagen aus holz, im Norden erfunden ift und von dort aus über Gallien,
Italien, Griechenland bis nach Agupten verbreitet wurde, während eine
andere Sorm, ein plumper Kajtenwagen, ihren Ausgangspuntt
in Dorderafien hatte, wo fie zuerſt auf der Steinſtele des Eannatum von
Lagajd um 2700 v. Chr. erſcheint und von dort gleichfalls zu den Agyptern
und Griechen gelangt iſt.
Der vierrädrige Wagen iſt wohl aus zwei aneinanderge—
koppelten Streitwagen entſtanden. Dieſe Theorie, die, ſoviel ich ſehe,
Wilfinfon als erſter ausgeſprochen hat!), gewinnt dadurch an Wahrſcheinlich⸗
keit, daß die heimat des vierrädrigen Wagens mit den für die
Heimat des leichten Rennwagens in Frage kommenden Gebieten
identiſch ift. Die Vorausſetzungen, die Feldhaus an der oben angeführten
Stelle (vgl. S. 10) für die Erfindung des Wagens gefordert hatte, haben fick
als hinfällig erwieſen, ſeit ich die falſchen Anfchauungen, die Feldhaus ſich
von den Dejbjergwagen gebildet hatte, richtig ſtellte und dieſelbe Ronſtruk⸗
tion bereits auf einer norwegiſchen Seljenzeihnung nachwies (Hahnfeſtſchrift
S. 218 ff.). | |
Während wir für den Streitwagen und den vierrädrigen Wagen den
nordiſchen Kulturfreis als Heimatland angeben konnten, erſcheint es recht
auffällig, daß der ein- bis dreirädrige Karren im Norden zur vor:
und frühgeſchichtlichen Zeit ſich überhaupt nicht nachweiſen läßt.
Die älteſten Karrenformen, die wir nachweiſen können, finden fih viel-
mehr in Affyrien, Agypten, Griechenland und in Italien.
hier verdient zunächſt einmal die Frage nach dem Derhältnis des
Karrens zum Streitwagen unjere Beachtung. Die aſſuriſchen Derhältniffe
liegen noch recht unklar. Im babuyloniſch-aſſyriſchen Gebiet herrſcht
jene plumpe, kaſtenförmige Streitwagenform, die von vornherein ſehr viel
Übereinftimmendes mit dem Karren hat. Nach den Denkmälern ift hier der
Streitwagen älter als der Karren. Der Streitwagen findet ſich bereits
auf der „Geierſtele“ um 2700 v. Chr., während der Karren auf babyloni-
ſchen Denkmälern überhaupt nicht vorkommt, ſondern ſich erſt für die aſſuriſche
Zeit durch die Wandreliefs aus den Paläften von Khorfabad und Nimrud
) Manners and customs of the ancient Egyptians. Band II. Condon 1837 S. 120.
38 Hugo Mötefindt. [8
(um 720 v. Chr.) belegen läßt. Dazu kommt noch die auffallende Tat-
ſache, daß der älteſte Streitwagen ein Scheibenrad zeigt, daß bei den
Karrendarftellungen fic) jedoch keine Scheibenräder finden. Dem-
nach ſcheint der Karren hier in Affyrien tatſächlich junger zu fein als
der Streitwagen.
Die äguptiſchen Verhältniſſe ſind e noch recht wenig
geklärt. hier mag nur kurz angedeutet werden, daß der Rarren auch in
dieſem Lande nicht heimiſch geweſen zu fein ſcheint, da er nur in ganz
wenigen Fällen bei großen Schlachtdarſtellungen auftritt und vielleicht als
eine unäguptiſche Erſcheinung anzuſehen iſt.
Die italiſchen und griechiſchen Derhältnijje ſind gleichfalls noch
recht ungeklärt. Immerhin laffen fih für diefe beiden Gebiete einige Auf-
klärungen an der Hand eines Studiums der Radformen ermitteln, mit dem
ich mich ſeit langem beſchäftigt habe. Inwieweit dieſe Studien für die in dem
vorliegenden Aufſatz eee Srage von Wichtigkeit ſind, mag der
folgende Abſchnitt zeigen.
3.
Immer und überall waren Achſe und Rad im Anfang feft mt:
einander verbunden; nicht das Rad bewegte ſich an den Achſenſpindeln,
ſondern die Achſen drehten ſich mit den Rädern in einer Gabel am
Boden des Wagens zugleich herum. Dieſe Erſcheinung iſt vor allen
Dingen für die Scheibenräder charakteriſtiſch. Sie bietet uns ſogar
Anlaß, die große Maffe der Scheibenräder nach der Form der Achſenſpindel
in zwei Gruppen zu zergliedern: Einmal finden wir Scheibenräder mit
viereckiger Mittelhöhlung, in welche die hölzernen kchſenſpindeln ein-
gelaſſen und verkeilt wurden, daneben gibt es auch Scheibenräder, welche
fih um runde Uchſenſpindeln drehten. Noch bis heute haben fid) beide
Ronſtruktionsarten in Portugal erhalten. Auch auf Sormofa follen die Ein-
geborenen ihre Wagen noch heute ebenſo bauen!).
Betrachten wir zunächſt den Entwicklungsgang der erſten Gruppe.
a) Das sche ibenrad mit viereckiger Achſe.
Sormen. Die älteſte Form zeigt eine rohe, einfache Holzſcheibe,
die in der Mitte ein viereckiges Achſenloch aufweiſt (Sorm 1 = Abb. 1). Sehr bald
wird die Achſenſpindel verziert (Sorm 2). Später tritt zur Sicherung der Der-
bindung zwiſchen Rad und Spindel ein holzzapfen hinzu, der durch die
Spindel vor der Radſcheibe hindurchgetrieben wird (Sorm 3). Im weiteren
Entwicklungsgange wird die Holzſcheibe mit ſechs Löchern, die ringsum in
gehöriger Entfernung vom Rande durch die Scheibe gebohrt werden, ver:
1) Reuleaux a. a. O. I. S. 204.
H
9] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 39
ſehen (Sorm 4). Der urſprüngliche Swed dieſer Locher war wohl der, einen
Bremsſtock oder eine Sperrkette durchſtecken zu können.
Soweit die einfachen Formen des Scheibenrades mit viereckigem Achſen⸗
loch. Neben dieſen einfachen Formen finden fih ſpäterhin auch zuſammen⸗
geſetzte. Junächſt wird um die Scheibe ein einfacher Metallreifen
Abb. A (Sorm 3). Abb. 4 (Sorm 4).
Abb. 1—4. Scheibenräder mit vierediger Achſe, einfache Sormen.
Sorm 1. Don einem Relief aus der Dilla Albani in Rom.
Sorm 2. Aus einem Wandgemälde aus Civita.
Sorm 3. Nach einem äguptiſchen Wandgemälde.
Sorm. 4. Don einer Terrakotta unbekannten Fundortes.
(Bronze oder Eijen) gelegt (Sorm 5); dieſelbe Form treffen wir auch wieder
mit reich verzierter Spindel (Sorm 6) und mit dem durch die Spindel hin-
durchgehenden Holz- oder Metallzapfen (Sorm 7). Mit dieſen Formen be-
gnügt man fic) jedoch nicht. Zur beſſeren haltbarmachung der Scheibe fegt
man dieſe aus mehreren Holz- oder Metallſcheiben zuſammen
(Sorm 8). Endlich befeſtigt man zur Verſtärkung der Scheibe auf dieſer
ein Viereck aus olzbrettern oder Metallbeſchlägen (Sorm 9). Eine
beſonders ſchwierig aus vier Teilen zuſammengeſetzte Scheibenradform finden
wir ſchließlich lediglich in Aſſyrien vorkommend (Sorm 10).
40 hugo Mötefindt. [10
verbreitung. Form 1. Relief in der Dilla Albani in Rom. 3oëga, Basi-
rilievi di Roma. II. Rom 1808. Taf. LXXX. Karl Otfried Müller, Denkmäler der alten
Kunit. 2. Bearb. durch Sriedr. Wieſeler Bd. II. Göttingen 1856. Taf. XLII. Abb. 518.
— @errafotta von Murina in Kleinaſien. Im Louvre zu Paris. Reinach und Pottier,
La nécropole de Myrina. I. Patis 1887. S. 570. Nr. 368. Daremberg-Saglio, Dictionnaire
des antiquités greeques et romaines, III, 2. S. 1357 Abb. 4636.
Abb. 5 (Sorm 5). | Abb. 6 (Sorm 6).
Abb. 8 (Sorm 8), Abb. 9 (Sorm 9). Abb. 10 (Sorm 10).
Abb. 5—10. Scheiben räder mit viereckiger Adhie,
zuſammengeſetzte Formen.
Sorm 5. Nach einem Relief an der Markusſäule.
Sorm 6. Nach einem Wee im Palaſt Barbarini in Rom.
Sorm 7. Nach einem Relief an der Markusſäule.
Sorm 8. Nach einem Wandgemälde aus Herculaneum.
Sorm 9. Nach einem Relief aus dem Palaſt Barbarini in Rom.’
Sorm 10. Nach einem Relief aus Niniveh.
Sorm 2. Wandgemälde aus Civita. Jahn, Über Darſtellungen des Handwerks
und Handelsverkehrs. Berichte d. ſächſ. Gef. d. Wiſſenſch. zu Leipzig. Phil.⸗hiſtor. Klaſſe.
XIX, 1867. S. 82. Taf. III. Abb. 3. Daremberg-Saglio a. a. O. IV, 1. S. 505. Abb. 5707.
Sorm 3. Aguptiſch: Kleiner Tempel von Karnak (Ramſes III.). Roſſelini,
Monumenti dell’ Egitto e della Nubia. Pifa 1832 ff. Taf. 128. Champollion, Monu-
ments de l’Egypte et de la Nubie. Band III. Paris 1845. Taf. 120. Maſpeéro,
Histoire ancienne de l’Orient classique. Les premiéres mélées des peuples [= Band 2].
Paris 1897. S. 462.
11] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 41
Römiſch: Wilkinſon, Manners and customs of the ancient Egyptians. II. Condon
1837. S. 156. Abb. 142.
Form 4. Terrafotta unbekannten Sundortes. Ginzrot a. a. O. I. Taf. XIV. Abb. 9.
Sorm 5. Relief an der Markusſäule in Rom. Peterſen, v. Domaszewski und Cal⸗
derini, die Martusfäule auf Piazza Colonna in Rom. II. München 1896. Taf. 101 B.
120. — Schwarzfigurig = attiſche Amphora im Muſeum zu Berlin. Gerhard, Trinkſchalen
und Gefäße des kgl. Muſeums zu Berlin. I. Berlin 1848. Caf. XXX. Abb. 15.
Sorm 6. Relief im Palaſt Barbarini in Rom. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VI.
Abb. 1.
Sorm 7. Relief von der Markusſäule. Peterſen, Domaszewski und Calderini
a. a. O. II. Taf. 115. Salomon Reinach, Repertoire des reliefs grecs et romains. I
Paris 1909. S. 323. — Relief vom Triumphbogen des Septimius Severus in Rom.
Ginzrot a. a. O. I. Taf. VIII. Abb. 5.
Sorm 8. Wandgemälde aus Herculaneum. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII. Abb. 6.
Sorm 9. Relief aus dem Palaft Barbarini in Rom. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII.
Abb. 1. ;
i Sorm 10. Relief aus Niniveh. Layard, Monuments of Niniveh. London 1849.
Taf. 17. Soreftier a. a. O. S. 72. Abb. 84. Paterjon, Aſſyriſche Skulpturen. Haarlem 1901
bis 1906. Taf. CXIX.
Das hauptverbreitungsgebiet der eriten Gruppe liegt demnach
in Italien; hier haben ſich die Formen in der etruriſchen Jeit entwickelt
und ſich in der Folgezeit bis um 200 n. Chr. gehalten. Außerhalb dieſes
Derbreitungsgebietes fällt ein Vorkommen in der Nekropole von
Myrina am Golf von Tſchandarly in Kleinaſien, was bei den mannig-
faltigen Beziehungen, die zur gleichen Zeit zwiſchen Italien und Kleinaſien
durch den rhodiſchen Handel beſtanden!), nicht weiter verwunderlich ift.
Die Beiſpiele in Agupten weiſten entweder auf eine Sonderentwidlung
in dieſem Lande hin, oder ſtehen im Zuſammenhange mit dem eigenartigen
Rade aus Niniveh, das ich eigentlich nur deshalb hier angeſchloſſen habe,,
weil es die eigenartige viereckige Uchſenkonſtruktion aufweiſt und in gewiſſem
Sinne ja auch ein Scheibenrad iſt.
Zeitſtellung. Die älteſten etruriſchen Vertreter dieſer Sormengruppe
gehören dem 4. vorchriſtlichen Jahrhundert an. Das Exemplar von Murina
fällt gar in das 8. vorchriſtliche Jahrhundert. Alle dieſe älteſten Stücke
der Gruppe verteilen ſich auf die Sormen 1 bis 4. Aus der ſpäteren Ent⸗
wicklungsreihe find einige Formen für die frühe und mittlere Kaiferzeit
charakteriſtiſch und dementſprechend datiert (Wandgemälde aus Herculaneum
von 79 n. Chr.; Markusſäule 193 n. Chr.; Triumphbogen des Septimius
Severus 210).
b) Das Scheibenrad mit runder Achſe.
Sormen. An der Spitze dieſer Gruppe finden wir die rohe einfache
Scheibe wieder, die bei dieſer Gruppe ein rundes Achſenloch in der Mitte
1) poulſen, Der Orient und die frühgriechiſche Runſt. Ceipzig⸗Berlin 1912.
S. 91 ff.
42 Hugo Mötefindt. [12
aufweiſt (Sorm 11); eine plumpere und robere Abart dieſer Som zeigt
uns die Achſe ſtark verdickt, jo daß fie bald die Hälfte der Scheibe ein-
nimmt (Form 12). An der erſteren Form finden wir zur Sicherung der Der:
bindung zwiſchen Rad und Spindel den holzzapfen wieder, der durch die
Spindel vor der Radſcheibe hindurchgetrieben ijt (Sorm 13). Die gleiche
Radform ift auch wohl auf einem Daſenbilde gemeint, wo die Uchſe nur durch
ein Kreuz angedeutet iſt (Sorm 14).
Abb. 12 (Sorm 12).
Abb. 15 (Sorm 13). Abb. 14 (Sorm 14).
Abb. 11—14. DEE mit runder Adfe, einfache San
Sorm 11. Don einem Sarkophag in Affifi.
Sorm 12. Nach einem Relief im Tempel von Sevek.
Sorm 13. Nach einem Relief von Rom-el-Sakhri.
Sorm 14. Don einer rotfigurigen Daje.
Die Reihe der zuſammengeſetzten Formen eröffnet Form 15. Hier
ift um die hölzerne Scheibe ein einfacher Reifen, wohl aus Metall (Bronze
oder Eiſen) gelegt. Daran reiht ſich eine Terrakotta, bei der durch rote und
. Idywarze konzentrſſche Kreiſe die Wiederholung dieſer Radreifen angedeutet
iſt (Sorm 16). von der Form 15 kommt auch noch eine Abart mit durch die
Spindel hindurchgehendem Holz- oder Metallzapfen vor (Sorm 17). Aus
dem Torfried von Waldfee-Aulendorf ift uns ein hölzernes Scheibenrad von
13] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. ` 43
60 cm Durchmeſſer erhalten, das in die Entwicklung der Formen wohl an
dieſer Stelle einzureihen ift (Sorm 18). Die eigentliche Radſcheibe ijt an
der Peripherie 3cm dick und beſteht aus zwei Teilen, die beinahe gleich
groß und durch hölzerne Zapfen an- und ineinander befeſtigt ſind. Die Nabe,
die aus einem Baumknorren gearbeitet iſt, hat eine höhe von 8 em und
Abb. 15 (Sorm 15). Abb. 16 (Sorm 16). Abb. 17 (Sorm 17).
Abb. 18 (Sorm 18). Abb. 19 (Sorm 19).
Abb. 15—19. Scheibenräder mit runder Achſe, zuſammengeſetzte Sormen.
Sorm 15. Hach einem Relief der Markusſäule.
1 Form 16. Nach einer Terrakotta aus Karpaſſo.
Sorm 17. Nach einem Say der Trajansjäule.
Sorm 18. hölzernes Wagenrad aus dem Torfried von Waldjee-Aulendorf.
Form 19. Don der Gudea-Stele.
einen inneren Durchmeſſer von 6,8 cm, außen einen joldyen von 17 cm; fie
ijt gleichfalls mittels zweier hölzerner, etwa 1 cm dicker Zapfen auf der
Radicheibe befeſtigt. Eine weit kompliziertere zuſammengeſetzte Form ift uns
auf der Gudea-Stele erhalten: ein Scheibenrad mit Spindelzapfen, darum
herum ein aufgezapfter Holzreifen und ein Metallreifen, der aus einzelnen
Nägeln gebildet zu fein ſcheint (Form 19).
44 Hugo Motefindt. [14
Eine beſondere Gruppe fügt zur Derftärfung der Scheibe zwei
fidh kreuzende Verſtärkungsbretter ein (Sorm 20). Eine Abart dieſer
Form mellt vier Löcher auf, die zunächſt nur in gehöriger Entfernung vom
Rande durch die Scheibe gebohrt werden; diefe Form findet fih ſowohl ein-
fach (Sorm 21), wie zuſammengeſetzt (Sorm 22); in der Gruppe der zu⸗
ſammengeſetzten Radſcheiben kommen wieder auch ſolche mit ſechs Cöchern
vor (Form 23). An der Hand einer größeren Materialſammlung läßt ſich
beobachten, wie dieſe vier bzw. ſechs Cöcher, die zunächſt in der Mitte zwiſchen
Abb. 20 (Sorm 20).
Abb. 20. Scheiben rad mit runder Adh fe und Derſtärkungsſtücken.
Som 20. Nach einem römiſchen Relief.
Radrand und Achſe durch die Scheibe hindurch gebohrt waren, allmählich
immer mehr an die Achje heranrüden (Sorm 24); ſehr bald nehmen fie fogar
eine lanzettförmige Form an, die nach der Achje zu ſpitz ausläuft (Sorm 25),
bei anderen wird dieſer Ausfdnitt mehr eckig (Sorm 26). Daraus entwickelt
jih dann die Form 27, bei der die Speichenform mehr oder weniger ous:
geſchnittene Vierecke andeutet — eine Formengruppe, die in ihrem weiteren
Entwicklungsgange direkt zum vierſpeichigen Rade überführt.
Verbreitung. Sorm 11. Aguptiſch: Relief im Theben⸗Cukſor, Palajt
Ramfes III. Champollion, Monuments de l'Egypte. Bd. IV. Taf. 324. Cenormant,
Histoire ancienne de l’Orient. 9. Auflage. Bd. 11. Paris 1882. Taf. zu S. 258.
Griechiſch: Dafen. 1. Reinach, Répertoire des vases peints grecs et étrusques.
I. paris 1899. S. 17. 2. Fröhner, Catalogue du collection van Branteghem. Brüffel
1895. Taf. 46. Nr. 211. Terrakotten: Don Rertſch, jetzt in der Eremitage in Petersburg.
Wiener Studien XXIV, 1902. Taf. I. Pamatfy XIX, 1896. S. 226. Homes, Natur⸗
und Urgeſchichte des Menſchen. Band 2. Wien u. Leipzig 1909. S. 482.
Helleniftifd-romifd: 1. Relief der fog. Tabula iliaca im Muf. Capit. zu Rom
und in den Papieren Emiliano Sartis. Jahn, Griechiſche Bilderchroniken. Bonn 1873.
Taf. I und II. Baumeiſter, Denkmäler des klaſſiſchen Altertums. Bd. I. Leipzig-
München 1885. S. 4. Soggini, Mufeo Capitolino. Bd. 4. Roma 1782. Taf. 17. —
2. Relief aus Dilla Conti in Srascati. Caylus, Recueil d’antiquites. Bd. 3. Paris 1759.
Taf. LVIII. Abb. 1.
Sarkophage. 1. Im Cateranifden Muſeum. Arddologifde Zeitung 1861.
Taf. CXLVIII. Garucci, Mufeo Lateranenfe. Roma 1861. Taf. XXXI. Benndorf⸗
` U
15] Die Entſtehung des Wagens und des Wagentades. 45
Abb. 24 (Sorm 24). Abb. 25 (Sorm 25). Abb. 26 (Sorm 26).
|
0
Abb. 27 (Sorm 27).
Abb. 21—27. Scheibenräder mit runder Adfe und Durchbohrungen.
Sorm 21. Don einer Tanagra-Terrafotta.
Sorm 22. Don einer römif en Statue.
Sorm 23. Dom Distos auf Phäftos.
Sorm 24. oe aus der Terramare von Gorzano, Prov. Modena.
orm 25. Don einem Crinfgerdt aus Caere.
Sorm 26. Nach einer kampaniſchen Terrafotta.
Sorm 27. Dom Olumpiagiebel.
46 Hugo Mötefindt. [16
Schöne, Lateranijdes Muf. Leipzig 1867. Nr. 488. Daremberg-Saglio a. a. O. IV,
1. S. 505. Abb. 5706. — 2. In Alfiji. Robert, Die antiken Sarkophagreliefs. Bd. III,
1. Berlin 1897. S. 101. Abb. 80. — 3. In Girgenti. Ard. Zeitung 1847. Taf. 5 und 6.
Baumeifter a. a. O. HI. S. 1508. Abb. 1450.
Kleingerät. 1. Wagenmodell aus Pompeji. Muſ. Borbonico XV, 1856. Taf.
Abb. 49. Baumeiſter a. a. O. III. S. 2082. Abb. 2320. — 2. Dogelwagen unbekannten
Sundortes. Zeitichr. f. Ethn. 1890. S. 54. Abb. 4. — 3. Hirſchhornſcheibe aus der Terramare
von Gorzano, Prov. Modena. Montelius, La civilisation primitive en Italie. I. Stod-
holm 1895. Taf. 17. Serie B. Abb. 8. Text S. 116. — 4. Steinſcheibe vom Valle della
Vibrata, Prov. Teramo. Montelius a. a. O. II, 1. Stockholm 1910. Taf. 114. Abb. 4.
Text S. 114. — 5. Tonſcheibe aus der Terramare von Campeggine, Prov. Reggio nell’
Emilia. Montelius a. a. O. 1. Serie B. Taf. 15. Abb. 17. — 6. Desgl. von Biſenzio,
Prov. Roma. Montelius a. a. O. II, 2. Taf. 257. Abb. 16. Derſelbe, Die vorklaſſiſche
Chronologie Italiens. Stodholm 1912. S. 55. Abb. 14. — 7. Desgl. von Detulonia, Prov.
di Groſſeto. Montelius, Civilisation II, 1. Taf. 178. Abb. 14. Tert S. 834.
Nordiſch. Zeichnungen an den hausurnen von Lindebuden bei Groß-Wöll—
witz, Kr. Flatow und Wittkau, Kr. Slatow. Ciſſauer, H., Die prähiſtoriſchen Denkmäler
der Prov. Weſtpreußen und der angrenzenden Gebiete. Leipzig 1887. S. 85. Hörnes,
Urgeſchichte der bildenden Kunjt in Europa. 1. Aufl. Wien 1898. Taf. XVII. 2. Aufl.
Wien 1915. S. 529. Abb. 15. S. 551. Abb. 4. Schriften d. naturforſch. Gef. zu Danzig.
Neue Folge VIII, 1892. S. 206. Taf. 3. Abb. 10. Taf. 4. Abb. 4. Braungart, Die Süd-
germanen. I. Heidelberg 1914. S. 74. Abb. 15. S. 75. Abb. 16. Mötefindt a. a. O. S. 221.
Sorm 12. Aguptiſch: Tempel von Sevek. Champollion a. a. O. II. Taf. CXL.
Nordiſch: 1. Zeichnung an der Geſichtsurne von Elfenau, Kr. Schlochau. Derhandl.
d. Berl. anthropol. Gef. 1878. Taf. XX. S. 350. Conwentz a. a. O. S. 205. Taf. IV.
Abb. 3. Braungart a. a. O. I. S. 75. Abb. 14. Mötefindt a. a. O. S. 221. — 2. Selſen⸗
zeichnung von Lille Berge, Smaalene, Norwegen. Mötefindt a. a. O. S. 220.
e Sorm 13. Aguptiſch: Relief vom Tempel von Medinet Habu (Ramfes III).
Wilkinſon a. a. O. I. S. 369. Abb. 65. — Relief eines Apisjarges aus der Zeit um Chrifti
Geburt von Komeel-Sathri. Mariette, Monuments divers. Paris 1872. Taf. 35. S. 10.
Römiſch: Relief vom Bogen des Septimius Severus. Reinach, Reliefs uſw. I.
S. 268. ö
Sarkophag aus Florenz. Robert a. a. O. II. Berlin 1890. S. 150. Abb. 139.
Don einer Campe. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII. Abb. 4.
| Sorm 14. Rotfigurige Dafe. Stafelberg, Graber der Hellenen. Berlin 1837.
Taf. 17. Abb. 3. Lenormant et de Witte, Elite céramographique II. Paris 1844.
Taf. 89. Gazette archéologique IV, 1878. Taf. 7. Abb. 1. Baumeiſter a. a. O. II.
S. 779. Abb. 851. Daremberg-Saglio a. a. O. III, 2. S. 1557. Abb. 4633.
Sorm 15. Griechiſch: Münze von Delphi. Head, Historia nummorum. 2. Aufl.
Oxford 1911. S. 289. Journ. of hell. stud. VIII, 1887. S. 17. Zeitſcht. f. Numis⸗
matik 20, 1897. S. 65.
helleniſtiſch-römiſch: Statuen im Louvre. Salomon Reinach, Repertoire de
la statuaire grecque et romaine. I. 1909. Taf. 38 und 61.
Reliefs. 1. Don der Dia Appia, jetzt in Berlin. Reinach, Reliefs uſw. II. S. 16.
Rekulé, Die griechiſche Skulptur. 2. Auflage. Berlin 1907. S. 293. — 2. Don der
Markusſäule. Domaszewski, Peterfen und Calderini a. a. O. Caf. 120. Reinach,
Reliefs uſw. I. S. 329.
Sarkophage. 1. Don Florenz. Robert a. a. O. II. Taf. LI. Nr. 139. — 2. In
der Kirche von Cadeneti, Daucluſe. Reinach, Reliefs uſw. II. S. 217. — 3. Don Philippe⸗
ville in Algier. Reinach a. a. O. II. S. 4.
17] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. - AT
Wandgemälde. 1. Don Herculaneum. Ginzrot a. a. O. I. Taf. XIV. Abb. 4. —
2. Aus den Titusthermen in Rom. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII. Abb. 2. Pouce,
Description des bains de Titus. Taf. XXX. Abb. 49. Smuglie witz et Carloni, Thermes
de Tito. Roma. Taf. 32. (Die beiden letzten Werke mir nicht zugänglich.)
Gemme im Muſeum zu Berlin. Tölten, Erklärendes Verzeichnis. III. Abtlg. 2.
Berlin 1835. Nr. 587. Müller⸗Wieſeler a. a. O. Bd. 2. Zweite Aufl. Taf. XXIII.
Abb. 251.
Münze der Colonia Laus Julia Corinthus. Müller-Wieſeler a. a. O. Taf. XXVI.
Abb. 287. S. 155.
Galliſch: Münze der Remer., Blanchet, Traité des monnaies gauloises. Bd. II.
Paris 1905. S. 380. Abb. 386.
Nordiſch: Felſenzeichnung von Batra, Bohuslän. Baltzer, Glyphes des rochers
du Bohuslän. Gothenburg 1881. Taf. IV ff. Baltzer und Montelius, Nagra af de vikti-
gaste hällristningarna samt en del af de faste Fornminnerne i Bohuslän. Göteborg
1911. Taf. ITI ff. Roſſinna, Die deutſche Vorgeſchichte eine hervorragende nationale
Wiſſenſchaft. 2. Auflage. Würzburg 1914. S. 92. Abb. 288.
Sorm 16. Terrakotta aus Karpaſſo. Sröhner, Catalogue du collection Barre. Paris
1878. S. 20.
Sorm 17. Relief von der Trajansſäule. Ginzrot a. a. O. I. Taf. XXVII. Abb. 5
Sorm 18. Aus dem Ried von Waldſee-Aulendorf. Donaukreis, Württemberg.
Sammlung in Friedrichshafen. E. von Tröltſch, Die Pfahlbauten des Bodenſeegebietes.
Stuttgart 1902. S. 95.
Sorm 19. Gudea-Stele. Eduard Meyer, Sumerier und Semiten in Babylonien.
Abhandlungen der Afademie der Wiſſenſchaften. Berlin 1906. Taf. 7. Meißner, Baby-
loniſch⸗ aſſyriſche Plaſtik. Leipzig 1915. S. 45. Abb. 73.
Sorm 20. Römiſches Relief. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII. Abb. 3.
Sorm 21. Griechiſch: 1. Don einer Tanagra-Terrakotta. Ephemeris archaiologike
1896. Taf. 3. Drerup, Homer. 2. Aufl. München 1915. S. 101. Abb. 81. hirſch, Auftions=
katalog XVII. S. 106. Nr. 1707. — 2. Don einem Streitwagenmodell aus Olympia.
Surtwängler, die Bronzen und die übrigen SENSE von Olympia. Olympia IV.
Berlin 1890. Taf. 25.
helle niſtiſch— römiſch. Statuen. Reinach, Stat. II, 2. S. 744. IV. S. 339.
Illyriſch. 1. An einer Wagenfibel von Santa Lucia. Marcheſetti, La necropole
di S. Lucia. 1886. Taf. VII. Abb. 5. S. 31. Derſelbe, Scavi nella necropoli di S. Lucia.
1895. S. 313. — 2. Tontad von Mondſchütz, Schleſien. Büſching, heidniſche Altertümer
Schleſiens. I. Breslau 1820. Taf. IX. Abb. 4.
Iberiſch. Bronzerädchen von Cabaza del Bueg, prov. Bodajoz. Pierre Paris,
Essai sur l’art primitive de Espagne, Bd. II. Paris 1904. S. 125. Abb. 370.
Sorm 22. Don einer römiſchen Statue. Reinach, Stat. II, 2. S. 536.
Sorm 23. Rretiſch⸗-mykeniſch: Auf dem Diskos von Phaiſtos. Evans, Scripta
minoa. Oxford 1909. Taf. XII. S. 24. Abb. i. S. 276. Abb. 12.
Römiſch: Auf einer Lampe. Ginzrot a. a. O. I. Taf. XVII. A. Abb. A
Sorm 24. Hhirſchhornſcheibe aus der Terramare von Gorzano, Prov. Modena.
Montelius, Civ. I. uſw. Taf. 17. Abb. 7. S. 116.
Sorm 25. Don römiſchem fahrbaren Trinkgerät („portavivande“). 1. Regulini⸗
Galaſſi⸗Grab in Care. Jeitſchr. f. Ethn. 1890. S. 72. Abb. 18. — 2. Polledrara-Grab in
Cervetri. Ebendort S. 71. Abb. 15.
Sorm 26. Campaniſche Terrakotta. Reinach, Reliefs uſw. II. S. 280.
Sorm 27. Griechiſche Reliefs. 1. Giebel von Olympia. Michaelis, Runſtgeſch.
d. Altert. 9. Aufl. Ceipzig 1911. S. 222. Abb. 410. — 2. Giebel von Eleuſis. Reinach,
48 ; Hugo Mötefindt. [18
Reliefs uſw. II. S. 347. — 3. Relief der jog. wagenbeſteigenden Frau. Michaelis a. a. O.
S. 207. Abb. 389. — 4. Relief von Phalerä. Reinach a. a. O. II. S. 346. — 5. Aus
dem Heroon von Gjölbaſchi⸗Truſſa. Ebendort 1. S. 454. — 6. Dom Amphiareion in Attika.
Ebendort II. S. 421.
Terrafotten: Aus dem diktäiſchen Seustempel. Reinach, Reliefs II. S. 334.
Dafen: Reinach, Daſes I. S. 44.118. 167. 190. 204. Midaelis a. a. ©. S. 122.
Abb. 256.
Kleingerät. 1. Bronzeſcheibe aus dem diktäiſchen Jeustempel. Reinach, Stat. IV.
S. 341. 2. Knochenbeſchlag vom Dipylon. Atheniſche Mitteil. XVIII, 1895. S. 124.
helleniſtiſch-römiſch. Sarkophag in London. Reinach, Reliefs II. S. 500.
Campaniſche Terrakotta. Reinach a. a. O. II. S. 266.
Kleingerät. Von einem „Portavivande“ von Dulci. Montelius, Civ. uſw. II, 2.
Taf. 267. Abb. 12.
Illyriſch. Tonſcheiben von Delem St. Did. Miske, Die präh. Anſiedelung
von Delem St. Did. I. Wien 1908. Taf. LVI. Abb. 15 und 15.
Keltiſch. Tonrad aus dem Pfahlbau von Wollishofen bei Zürich. Enz. f. ſchweiz.
Altertumskunde 1887. Taf. 1. Abb. 6. |
Nordifd. 1. Confdeibe von Walsleben, Kr. Oſterburg. Stendaler Beitr. III.
S. 88 und 99. Abb. 51. — 2. Selſenzeichnung von Tanum, Schweden. hörnes, Urgeſchichte
der bildenden Kunit. 2. Aufl. S. 255. Abb. 1.
Das Derbreitungsgebiet dieſer Gruppe erſtreckt ſich von Baby-
lanien über Ägypten, Griechenland, das illyriſche Kulturgebiet,
Italien und die nordiſchen Cänder. Intereſſant iſt dabei die Beob⸗
achtung, daß in einigen Ländern nur gewiſſe Formen verbreitet zu
fein ſcheinen. Der ganze Entwicklungsgang liegt fo, wie wir ihn 3u-
ſammengeſtellt haben, nur aus Italien vor. Cäßt fih ſchon auf griechiſchem
Boden dieſer Entwicklungsgang lange nicht in dem Maße belegen wie in
Italien, ſo finden wir im Norden nur die erſten beiden Entwicklungsſtufen
(Sormen 11 und 12), dann dieſelbe Form mit umgelegtem Metallband
(Form 15) und die Endform der Entwicklung (Sorm 27); alle übrigen Formen
fehlen hier. In Ägypten finden fih nur die Unfangsſtufen der Entwicklung ;
(Sormen 11—13). In Babylonien ift lediglich die ſehr komplizierte Form 19
erhalten, alle übrigen Entwidlungsglieder fehlen hier. Demnach dürfen wir
Italien als das Heimatland der Gruppe betrachten; Agypten kann ein⸗
fad) aus dem Grunde nicht in Betracht kommen, weil dort nur die Anfangs-
glieder der Entwicklungsreihe vorliegen, die weitere Entwicklung aber dort
vollkommen ſpurlos vorübergegangen zu ſein ſcheint.
Zeitftellung. Die Formen 11—13 finden ſich in Ägypten vor der
XIX. Dunaſtie, d. h. vor der Jeit um 1550 an (Ramſes II), bis in die Zeit
um Chrifti Geburt (Relief von Kom⸗el⸗FJakhri). Die babyloniſche Form ge-
hört der Zeit des Königs Gudea an, den wir um 2550 v. Chr. anzuſetzen
haben. Die nordiſchen Stücke finden ſich bereits auf den Seljenzeichnungen,
die vielleicht bereits der jüngeren Steinzeit angehören, auf keinen Fall jedoch
jünger ſind als die zweite Periode der Bronzezeit, d. h. um 1500 v. Chr.
Geburt, und auf den Geſichtsurnen, die der Jeit um 800 v. Chr. zuzu⸗
19] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 49
ſchreiben find. Vermutlich ſteinzeitlich ift wohl auch das Holzrad von Waldſee⸗
Aulendorf. Unter den italiſchen Stücken finden fih einige alte Stücke der
Form 11 und 24 aus Norditalien aus der Terramarenzeit, vielleicht ſogar in
die neolithiſche Epoche (vor 2000 v. Chr.) gehörig. Unter den griechiſchen
Stücken finden ſich einige ſehr ſpäte Entwicklungsſtufen darſtellende Formen,
die aber trotzdem noch der kretiſch⸗-mukeniſchen Kultur angehören. Keltiſch
kommt die Formengruppe auch bereits frühbronzezeitlich vor, und auch in
dem illyrifchen Kreiſe ift ihr Auftreten in dieſelbe Periode zurückzudatieren.
Das hindert natürlich nicht, daß die Formen andererſeits ſehr langlebig ſind
und ſich bis in die Jeit der Trajansſäule (106 n. Chr.) halten.
Aud) dieſe Gruppe dürfte in Italien ihre heimat haben und von dort
aus in die übrigen Länder verbreitet fein.
Intereſſant ift es, im Juſammenhange mit dieſer Gruppe die Ge-
ſchichte des Achſenſpindelnagels zu beachten. Das älteſte Beiſpiel für
diefe Derbindungsform von Achſe und Scheibe dürfte uns das Relief des
Gudea (Gorm 19) bieten (2550 v. Chr.); dann verſchwindet diefe Derbindungs-
möglichkeit rund 2000 Jahre und taucht ert in der Zeit um Chrifti Geburt
in kigypten (Sorm 15), in Italien im 2. Jahrhundert nach Chriſti wieder
auf (Sorm 13); aus Griechenland, den nordiſchen, keltiſchen ſowie illyrifchen
Kulturkreifen ift fie völlig unbekannt.
e) Das Caſtione⸗Rad.
Formen. Die herſtellung eines Scheibenrades aus einem Baumſtamm
ſtößt immer wieder auf eine Schwierigkeit: die. Holzſcheiben fallen entweder
zu dünn oder zu dick aus. Iſt die Scheibe zu dick, ſo bekommt dadurch
der ganze Wagen etwas Schwerfälliges. Iſt die Scheibe zu dünn, ſo
wird ſie bei einer großen Belaſtung des Wagens zerreißen, zumal wenn ſie
aus Holz beſteht, das Neigungen zu Spaltungen aufweiſt. Dieſen Schwierig⸗
keiten läßt ſich dadurch abhelfen, daß man entweder zwei dünne Scheiben
aufeinander legt und derart feſt miteinander verbindet, daß die Spaltungs-
richtungen in beiden Fällen entgegengeſetzt ſind, oder indem man gegen
die holzſcheibe zwei oder mehrere Bretter zur Deritärfung nagelt
oder einzapft. Ob man auf dem erſteren Wege ſich bereits im Altertum
beholfen hat, vermögen wir heute nicht mehr feſtzuſtellen, da wir diefe Her-
ſtellungsart nur aus der fluffindung von Originalholzrädern wieder ermitteln
können — holzräder uns aber leider nur ſehr felten erhalten find. Die
zweite herſtellungsart, die man auch heute noch in primitiven Ländern on:
wendet !), bat man im Altertum bereits gekannt.
— e = —
1) Beiſpiele aus Kleinaſien und Afghaniſtan bei Sorejtier a. a. O. S. 43, Sig. 45.
und S. 45. Sig. 47.
Manmis, Bb. X. H. 1 u. 2. ) A
50 Hugo Mötefindt. [20
Zweierlei verjchiedene Arten der herſtellung laffen fic) unterſcheiden:
Einmal hat man diefe Streifen auf die Scheibe aufgenagelt oder
durch Zapfen mit der Scheibe verbunden (Gorm 28). In einem anderen
Salle, den wir noch dazu an einem Originalholzrade nachprüfen können,
hat man jedoch an einem Scheibenrade vier Stücke zur Verſtärkung ein-
geſetzt (Soym 29), die wahrſcheinlich aus einer anderen Holzart. gefertigt
waren und dem ganzen Rade dadurch eine größere Feſtigkeit verliehen —
Al
H
DH
NM
Abb. 30 (Sorm 30). ` Abb. 31 (Sorm 31).
Abb. 28 — 31. Scheiben räder der Caſtione⸗Gruppe mit verſtärkungsſtücken.
* aon 28. Nach einem Relief der Marfusfäule.
orm 29. Holzrad aus Caſtione, Prov. Parma.
en 30. Nach einem len Relief.
orm 31. Nach einem römiſchen Relie
E: Abb. 29 (Sorm 29).
eine Technik, der wir übrigens in der folgenden Gruppe noch mehrmals
begegnen werden. |
Sehr bald begnügte man fih aber nicht damit, zwei derartige Der:
ſtärkungsſtücke auf- oder einzuſetzen, ſondern nahm vier Stücke, die man
dann zu einem Diered zuſammenſtellte (Sorm 30) — eine Form, die wir
unter den heutigen primitiven Wagenrädern noch erhalten finden!). Während
—
>) Mitteil. d. anthr. Gef. in Wien. XII, 1882. S. 89. Abb. 4.
21] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 51
bei der ſoeben beſchriebenen — wohl älteren — Form diefe vier Verſtärkungs⸗
ftüde bis an den Rand der Scheibe heranreichen, kommt noch eine jüngere,
mit einem beſonderen Felgenkranz verſehene Form vor, bei der nur zwei
Verſtärkungsſtücke bis an den Rand gehen, die beiden übrigen jedoch nicht
ſoweit durchgeführt find (Form 31). |
Don dieſen vier in quadratifcher Anordnung auf dem Scheibenrande be-
feſtigten Derjtärfungsjtüden ging man dann wohl dazu über, nur drei Der-
ſtärkungsſtücke anzubringen, und zwar fo, daß ein Derſtärkungsſtück durch die
Mittelachſe ging, während die beiden übrigen ſenkrecht dazu angeordnet
wurden und dieſe überſchnitten (Sorm 32).
Nun erfolgt plötzlich ein großer Umſchwung: Bisher haben wir immer
nur Scheibenräder vor uns gehabt (Sormen 28—32); jetzt ſetzt man plötzlich
dieſe drei Verſtärkungsſtücke als Speichen in einen Felgenkranz hinein und
erhält dadurch ein Speichenrad (Sorm 35 und folgende). Damit beginnt
eine neue Jormenreihe, die außerordentlich zahlreich auf den Denkmälern
vertreten iſt. .
Die älteſten Entwicklungsformen dieſer neuen Reihe zeigen eine voll-
ſtändig glatte und gerade Mittelſpeiche (Sorm 35). Sehr bald aber bildet
ſich um die Mittelachſe eine kreisförmig verbreiterte Nabe heraus (Sorm 34).
Aus dieſer kreisförmigen Verdickung entwickelt fih dann weiter eine ovale
Verdickung der Nabe (Form 35), und der weitere” Entwicklungsgang führt
dann ſchließlich dazu, daß die ganze Mittelſpeiche eine ovale, nach beiden
Seiten zu ſich verjüngende Form erhält (Sorm 36).
Don der Form 35 zweigt ſich eine andere Nebenform ab, bei der die
Mittelſpeiche geſchmackvoll geſchweift wird; dieſe Schweifung iſt zunächſt
ganz einfach gehalten (Sorm 37), wird aber allmählich kunſtvoll ausgeſtaltet
(Form 38).
Am Schluß dieſer Gruppe, die wir nach einem Originalſtück als Caſtione⸗
Gruppe bezeichnen, fei ſchließlich noch eine Radform angefügt (Sorm 39),
die wohl lediglich als ein verunglücktes Gebilde eines Daſenmalers zu be⸗
trachten iſt, mit der aber wohl doch eine Radform aus der vorliegenden
Gruppe gemeint iſt.
Derbreitung. Sorm 28. Relief an der Marc Aurelſäule. Ginzrot I. Taf. IX.
Soreſtier a. a. O. S. A0. Abb. 39.
Gorm 29. Holzrad aus der Terramare von Caſtione, Prov. Parma, im Muf.
zu Parma. Bull. di paletn. ital. VII, 1881. Taf. IV. Abb. 58. Montelius, Civilisation
primitive en Italie. I. Serie B. Taf. 13. Abb. 18. Text I. S. 102.
Sorm 30. 1. Relief nach Lucius Petus. Ginzrot a. a. O. I. Taf. VII. Abb. 1.
2. Reltiſche Münze. Evans, The coins of the ancient Britains. Suppl. London 1890.
Taf. M. Abb. 12. .
Sorm 31. Relief vom Begräbnisplatz der Sreigelaſſenen des Auguftus in Rom.
Ginzrot a. a. O. I. Taf. VI. Abb. 2. Soreftier a. a. O. S. 45. Abb. 48.
Sorm 32. Daſe. Müller⸗Wieſeler S. 15. Abb. 2.
4*
52 Hugo Mötefindt. | [22
Abb. 524(Sorm 32).
Abb. 38 (Sorm 38). | Abb. 39 (Sorm 39).
Abb. 32—39. Räder der Caftione-Gruppe.
Sorm 32. Nach einer griechiſchen Daje.
Sorm 33. Don einem Sarfophage in Rom.
Form 34. Don einer ſchwarzfigurigen Dale in London.
Gorm 35. Don einer ſchwarzfigurigen Dale in Paris.
è Form 36. Don einer athenijchen Münze.
Gorm 37. Don einem korinthiſchen Pinar in Berlin.
Sorm 38. Don einer panathenäiſchen Amphora in London.
Form 39. Don einer panathenäifchen Amphora.
23) Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 53
Sorm 33. Sarkophag mit der Darſtellung des Raubes der Proferpina in Rom.
Baumeiſter, Denkmäler d. klaſſiſchen Altertums. I. München 1885. S. 419. Abb. 459 b.
Annali dell' Instituto 1873. Taf. E. F. Abb. 2.
Terrakotten. 1. Don Cypern im Muf. zu Athen. Journ. of Hellenic studies
XXIII 1903. S. 40. — 2. Aus Athen im Louvre zu Paris. Benndorf, Siziliſche Vaſen⸗
bilder. Taf. I. Daremberg⸗Saglio II, 2. S. 1376. Abb. 3343. Gazette des beaux arts 1878.
Guhl und Koner, Leben der Griechen und Römer. 6. Auflage von R. Engelmann.
S. 482. Abb. 697. Rayet, Monuments des l’art antique. I. Paris 1880. Taf. 9. Soreftier
a. a. O. S. 55. Abb. 63. Reinach, Reliefs II. S. 30.
Dafen. Shwarzfigurig = attifcher Stil. 1. Aus Atras in Sizilien. Muf. in
London. Archäol. Jahrb. 1912. Beilage 1. Abb. 2 zu S. 61. — 2. Akropolis von Athen.
Muf. in Athen. Jahrb. a. a. O. Beilage 1. Abb. 1. Gräf, Dafen der Akropolis. II.
Taf. 74. Nr. 1281. — 3. Unbekannter Sundort. Cabinet des médailles in Paris. Micali,
' Monumenti degli antichi popoli italiani. Seconda edizione. S$irenze 1834. Taf. 96.
Abb. 1. Rayet, Monuments ujw. I. S. 3. Abb. 1. Panoffa, Bilder antiken Lebens.
Berlin 1843. S. 47. Taf. XX. Abb. 2. Milliet-Girandou, Vases du cabinet des mé-
dailles, Nr. 37—39. Daremberg⸗Saglio, Dictionnaire II, 2. S. 1375. Abb. 3341.
Schwarzfigurig⸗böotiſcher Stil. 1. Kabiriſches Heiligtum bei Theben. Journ.
of hell. stud. 23, 1893. S. 137. Abb. 3. 4. Berl. phil. Wochenſchr. 1888. S. 1483. Atheni=
ide Mitteilungen XIII, 1888. S. 422.
Rotfiguriger Stil. 1. Nola. Muf. in München. Gerhardt, Auserlefene Daten:
bilder. Taf. 217. Reinady, Vases. II. S. 110. Abb. 2. — 2. Unbekannten Sundorts im
britiſchen Muf. in London. Journ. of Hellenic Studies I, 1880. S. 202. Atlas dazu
Taf. VII. Daremberg⸗Saglio IV, 1. S. 504. Abb. 5703. — 3. Unbekannten Sundorts.
Muf. in München. Journ. of Hellenic Studies XXIII, 1903. S. 142. Abb. 8, — 4. Un:
bekannter Fundort und Derbleib. Ebendort I. 1880. daf. VII.
Kleingerät. Bronzerad von Olympia im Muſeum zu Berlin. Olympia IV.
Taf. XXV. Abb. 510.
Gemmen. bdruck im Muf. zu Berlin. Daremberg⸗Saglio II. 2. S. 1483. Abb. 3536.
Babelon, Catalogue des camées antiques et modernes. Paris 1897. S. 126. Surtwängler,
Meiſterwerke der griechiſchen Plaſtik. Berlin⸗Ceipzig 1895. S. 257.
Münzen. Münze der Derronier in Mazedonien !). Head, Macedonia. Condon 1879.
5. 154.
Sorm 34. Daſen. Shwarzfigurig - chalkidiſcher Stil. 1. Britiſches Muf. (früher
Sammlung Hamilton). Hancarville, Vases d' Hamilton. Bd. II. Taf. XCIV. Ginz⸗
tot a. a. O. 1. Taf. VII. Abb. 5. Panoffa Taf. XVII. Abb. 1. S. 36. hiſtoriſch⸗philo⸗
logiſche bhandl. d. fgl. Akad. d. Wiſſenſch. zu Berlin aus dem Jahre 1833. Berlin 1835.
Taf. III. Abb. 50. Daremberg⸗Saglio II. 2. S. 1153. Abb. 3081. Iourn. of hellenic stud.
XXIII, 1903. S. 139. Abb. 6.
Kleingerät. Bleiwagen aus Salamis auf Cupern. Alex. Palma di Cesnola,
Salaminia. Condon 1882. Taf. VI. Abb. 1. l
Münzen. 1. Sog. Wappenmünze. Nach Reglina, (Zeitichr. f. Numismatik. XXV,
1906. S. 40. Anm. 1. Die griechiſchen Münzen der Sammlung Warren. Berlin 1906.
S. 151) von Chalcis ſtammend, nach Curtius von Euböa (Hermes, X 1876. S. 224),
nach Babelon (Journ. intern. d’arch. VII, 1904. S. 247) von Athen geprägt. Dal. Revue
numismatique. N. S. I. 1856. Taf. XI. Abb. 7. Mionnet, T. E., Description des médailles
antiques. Paris 1837. II. S. 112. Nr. 6. III. S. 64. Nr. 15. daf. XL. Abb. 4. hiſtoriſch⸗
1) Über diefe zu vergleichen hugo Gäbler, Zur Münzkunde Makedoniens II.
Die Münzen der Derronier. Jeitſchr. f. Numismatik. Berlin. XX, 1897. S. 289 ff.
54 Hugo Mötefindt. [24
philologiſche Abhandl. d. tgl. Atad. d. Wiſſenſch. zu Berlin aus dem Jahre 1833. Berlin
1835. Taf. II. Abb. 32. Delaroche⸗Dupont⸗Cenormant, Tresor de numismatique. Paris
1850. Taf. XXVI. Abb. 6. Beule, Monnaies d’Athénes. Paris 1858. S. 23. — 2. Münze
"der Derronier. head, Macedonia. Condon 1879. S. 151. Imhoof⸗Blumer, Monnaies
grecques. Paris-Leip3zig 1885. Taf. D. Abb. 1. Babelon, Traité III. Taf. XLIV. Abb. 4.
Sotm 35. Dafen. Schwarzfiguriger Stil. t. Dulci. Mujeum zu Compiègne.
Rapporte volcente not. 256a. De Witte, Collection Beugnot. Nr. 19. Elite céramo-
graphique. III. Taf. 48. 49. S. 163. Gerhard, Auserleſene Dafenbilder I. Taf. 41. Reinach,
Vases II. S. 32. — 2. Unbekannten Sundortes im Louvre zu Paris. Jahn, Über Dar-
jtellungen des handwerkes und Handelsverkehrs auf Dajenbildern. Berichte d. ſächſ.
Gel, d. Wiſſenſch. zu Leipzig. Phil.⸗hiſtor. Klaſſe. XIX. 1867. S. 78. Taf. I. Abb. 1.
Daremberg⸗Saglio I. 1. S. 249. Abb. 285. Baumeiſter a. a. O. I. Taf. I. Abb. 13a. Soreſtier
a. a. O. S. 55. Abb. 62. Perrot⸗Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquité. Bd. X.
S. 231. Abb. 148.
Sorm 36. Münzen. 1. Athen (vorſolonſſch oder ſoloniſch). Babelon, Traité III.
Caf. XXXIII. Abb. 14. — 2. Melos. Revue numismatique 1909. Taf. V. Abb. 5.
Münchener Jahrb. f. bildende Kiinfte. I, 1910. Taf. A. Abb. 1. — 3. Cyrenaitfa. C. Müller,
Numismatique de l'ancienne Afrique. IV. Kopenhagen 1874. S. 20. Nr. 206. Taf.
Numismatic Chronicle 1881. Taf. I. Abb. 14. Babelon, Traité III. Taf. LIV. Abb. 9.
Sorm 37. Dafen. 1. Korinthiſcher Pinar in Berlin. Journ. of hell. stud. XXIII,
1903. S. 139. Abb. 5..
Sorm 38. E EE 1. Aus Griechenland. grüher Sammlung Hoffmann;
jetziger Derbleib unbekannt. Kollektion h. Hoffmann, Catalogue des objets d'art. I.
Paris 1886. Taf. II. Abb. 3. :
i Vaſen. 1. Panathenäiſche Amphora aus Athen im Brit. Muf. in Condon. („Daje
Burgon“). Millingen, Ancient unedited monuments. I. Taf. 1—3. Annali del Instituto.
1877. S. 299. 1878. S. 309. Monumenti X. Taf. XLVJII. Abb. k. Daremberg-Saglio
II, 2. S. 1153. Abb. 3080. IV, 2. S. 1511. Abb. 6637. Reinach, Vases I. S. 214. Abb. 5.
l Gorm 39. Dafen. 1. Aus Athen. Panoffa, Bilder antiken Lebens. Berlin 1843.
Taf. XVII. Abb. 2. S. 36. Derſelbe, Cab. Pourtales. Taf. VIII. Abb. 3. Daremberg-
Saglio IV. 1. S. 504. Abb. 5072.
Die Derbreitung der dritten Binde ijt demnach Lat DEEN,
Die Urform der Gruppe (Sorm 29) ijt lediglich aus Norditalien belegt.
Auf italiſchem Boden finden ſich weiter einige zeitlich allerdings
erheblich jünger anzuſetzende Vertreter dieſer Gruppe, die ich in
den Entwicklungsgang jedoch mit an eine recht frühe Stelle einſetzen zu
müſſen glaube. Die jüngſten Entwicklungsſtadien ſind faſt ausſchließ⸗
lich auf griechiſchem Boden erhalten; hier iſt es im weſentlichen das
Zentrum von Athen, erft in zweiter Linie kommen daneben Böotien und
Korinth, dann Mazedonien, Jonien, Melos, und unter dem Einfluß des
griechiſchen Mutterlandes dann auch Cypern und die Curenaika.
Zeitſtellung. Die eine Urform der Gruppe (Sorm 29) gehört der
Terramarenzeit an, und zwar wahrſcheinlich der Altbronzezeit, alſo rund
der Jeit um 2000 v. Chr. Die zweite Urform können wir zwar erſt aus
dem 2. Jahrhundert n. Chr. belegen (Marc Aureljäule, 195 n. Chr.
beendet); ich glaube aber, für dieſe Form gleichfalls ein hohes Alter voraus⸗
25] Die Entſtehung des Wagens und des Wagernrades. 55
ſetzen zu dürfen, vor allen Dingen, wenn wir die Ronſervativität beobachten,
mit der einige Radformen fih durch Jahrhunderte gehalten haben. Die
Weiterentwicklungen der Form 29, alſo die Formen 30 und folgende, ge⸗
hören in den uns heute vorliegenden Belegen gleichfalls den erſten beiden
nachchriſtlichen Jahrhunderten an; das darf uns aber nicht darin täuſchen,
daß wir hier eine Entwicklung vor uns haben, die ſich bereits in ſehr alter
Zeit vollzogen hat; denn die Formen 30 und 31, die doch unzweifelhaft die
Vorausſetzung zur Bildung der Formen 32 und 33 darſtellen, gehören gleich⸗
falls den beiden erſten Jahrhunderten n. Chr an, während die Som 32
fic) bereits für die Zeit um 500 v. Chr., die Form 33 aber gar ſchon für die
‚Zeit um 600 v. Chr. belegen läßt.
Gerade an der Form 33, für die uns, wohl durch einen Zufall, einmal
eine größere Reihe von Belegen erhalten geblieben iſt, läßt ſich ſo hübſch
beobachten, wie lange eine bereits in früher Zeit weiterentwidelte
Sorm noch in einem alten Stadium beibehalten und immer weiter
verwendet wird. Der älteſte Beleg der Form 33 reicht zum mindeſten
in die Zeit um 600 v. Chr. (Bronze von Olympia); ſchon etwas jünger find
die beiden Terrafotten aus Cypern und Athen, von denen das Cyperner
Stück Ende des 6. oder Anfang des 5. Jahrhunderts geſetzt wird, und etwa
gleichalt find auch die Münzen der Derronier. Gleichzeitig hält fih die Som, —
wie wir mit Hilfe der Dajenbilder feſtſtellen können, durch die Zeit der
ſchwarzfigurig⸗attiſchen und ſchwarzfigurig⸗böotiſchen Stile, die ungefähr in
die Jeit um 600 gehören, bis in den rotfigurigen Stil um 450 hinein, wir
finden ſie ſogar auch wieder auf einer Gemme des 4. Jahrhunderts.
Ahnliche Beobachtungen können wir an den Belegſtücken der Formen 34
und folgende machen. Sorm 34 tritt ſowohl im ſchwarzfigurig⸗chalkidiſchen
Stil um 600 auf, wie unter altertümlichem Bleigerät des 6. oder 5. Jahr⸗
hunderts von Cypern, außerdem findet fie fih auf einer Reihe von Münzen,
die dem Ende des 6. Jahrhunderts angehören. Der Form 35 begegnen wir
nur auf Daſen des ſchwarzfigurigen Stils, während ſich die Form 36 lediglich
auf Münzen der Zeit um 480 findet. Som 37 ift uns nur durch einen korinthi⸗
ſchen Pinax aus der Zeit um 600 belegt, Form 38 weiſt in den panathenäiſchen
Kreis und damit in die Zeit um 600, und demſelben Kreis und derſelben Zeit
gehört auch das eigenartige Gebilde der Form 39 an.
d) Das altitaliſche Rad (Mercurago⸗Gruppe).
Sormen. In dem Pfahlbau von Mercurago bei Arona am Lago
Maggiore, Prov. Novara, wurde uns ein hochintereſſantes Holzrad erhalten,
das fih heute im Muſeum von Turin befindet (Sorm 40). Dieſes Holzrad
beſteht aus drei Brettern (von Nußbaumholz?) und wird zuſammen⸗
gehalten durch zwei Verſtärkungen, die fih in der Mitte des Rades
56 Hugo Motefindt. [26
begegnen und ſchwalbenſchwanzartig in die Bretter eingelaſſen iind. Dieſe
Verſtärkungen find indeſſen nicht in gerader Linie, nämlich parallel mit dem
Durchmeſſer des Rades, ſondern in einem Bogen, faſt parallel mit der Peri-
pherie angebracht, indem ſie, um eingefügt werden zu können, biegſam
gemacht werden mußten. Dieſe Einfügungen ſind von Lerchenholz und auf
der unteren Seite verkohlt ). g
Wir ſtellen bieles Rad von Mercurago an den Anfang der dritten
Gruppe, weil diefe hier im Originalſtück erhaltene Form uns viel leichter
verſtändlich wird als eine andere tupologiſch noch etwas ältere Form, die
uns durch zwei Darſtellungen, ein etruriſches Relief und mehrere Münzen?)
Abb. 40 (Sorm 40). O Abb. 41 (erm 41).
Abb. 40-41. Scheibenräder der altitaliſchen (Mercurago-) Gruppe mit
erftärtungseinlagen.
Abb. 40. Holzrad von Mercurago, Prov. Novara.
Sorm 41. Nach einem etruriſchen Relief.
erhalten ijt, und die wir hier als Form 41 vorführen. In dieſen beiden Fällen
weiſt das Rad lediglich zwei gebogene Derſtärkungsſtücke auf, ſonſt
iſt es ſcheibenförmig gearbeitet.
Dieſe beiden Derftärfungsitüde follen nun in der Folgezeit eine eigen⸗
artige Rolle ſpielen. Derſelbe Pfahlbau von Mercurago, Prov. Novara,
hat uns noch ein zweites Holzrad erhalten (gleichfalls im Muſeum zu Turin;
Som 42). Es handelt fih um ein Rad mit ſechs Speichen, von denen zwei
mit der Nabe des Rades aus einem Stücke Holz beſtehen, die vier anderen
aber in das Mittelſtück und in die Felgen eingeſetzt ſind. Die verſchiedenen
Teile des Radringes (Selgen) ſind durch Stücke holz miteinander verbunden,
1) Dieſelbe Herſtellungsart findet fih auch heute noch in primitiven Ländern; fo
findet fih 3. B. in der indiſchen Abteilung des Muſeums für Völkerkunde zu Berlin ein
Modell, das von dem Reiſenden Dr. Sédor Jagor aus Birma (Rangun) aus den Jahren
1876 — 1877 herrührt. |
2) Ob das auf diefen Münzen dargejtellte Rad wirklich in dieſen Zufammenhang
gehört oder nur eine plump ausgeführte Darftellung einer ſpäteren Entwidlungsform
dieſer Gruppe zeigt, läßt fih nicht entſcheiden. |
27] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 57
welche in Einſchnitte (Zapfenlöcher) eingefügt find. Dieſe mit großer Ge-
nauigkeit ausgeführten Cöcher weifen auf die Anwendung eines Inſtrumentes
mit gebogener Schneide hin. Ein Teil des Rades iſt aus einem Stück ge⸗
fertigt, das, wie die übrigen Teile des Radringes, aus Nußbaumholz gemacht
zu ſein ſcheint. Die beiden Querſtäbe mit dem innerſten Ringe ſind ohne
Abb. 42 (Sorm 42). Abb. 43 (Sorm 43). Abb. 44 (Sorm 44).
Abb. 45 (Sorm 45). Abb. 46 (Sorm 46).
Abb. 42—46. Räder der altitaliſchen (Mercurago«) Gruppe.
Gorm 42. Holzrad von Mercurago, Prov. Novara.
Gorm 43. Nach einer Grabſtele von Selina, Prov. Bologna.
Sorm 44. Nach einer Münze von Ichnä.
Sorm 45. Nach einer Münze unbekannten Prägeortes.
Sorm 46. Nach einer umbriſchen Münze.
Zweifel von Kajtanienholz. An dem ganzen Rade findet fih keine Spur
von Metall. E
Ein eigenartiger Entwidlungsgang läkt fih vor unferen Augen ver-
folgen, wenn wir die beiden aus demſelben Pfahlbau von Mercurago er-
haltenen Holzräder miteinander vergleichen. Das, was wir an dem erjten
Rade (Sorm 40) als Derjtarfungsjtiide auf einem ſcheibenförmigen Rade
kennen gelernt haben, finden wir bei dem zweiten Rade (Form 42) als
Speichen in ein Speichenrad eingeſetzt. Dieſe neue Form iſt uns mehr⸗
58 | Hugo Mötefindt. [28
fach belegt: einige Dajenbilder!), mehrere Sarkophage und Reliefs, ein Rad
an einem anderen Gerät und zahlreiche Münzbilder (vgl. weiter unten). Die
Münzbilder weiſen alle den gemeinſamen Zug auf, daß fie die Mittelfpeiche,
ohne welche die Ronſtruktion des Rades gar nicht ausführbar ift, nicht als
einheitliches Gebilde darſtellen, ſondern als ein geteiltes, unterbrochenes
Stück wiedergeben; auf diefe kleine Abweichung ift wohl kein beſonderer Wert
zu legen.
Durch zahlreiche Darſtellungen iſt uns eine Abart dieſer eben geſchilderten
Form erhalten, die durch die eigenartige mittlere Derdidung der
Mittelſpeiche und ihre langſame Derdünnung nach den Seiten zu
auffällt (Sorm 43).
Eine andere Som zeigt gleichfalls dieſe Verdickung der Mitteljpeiche
auf, nur ſind an dieſe Mittelſpeiche an beiden Enden zwei beſondere Stücke
angeſetzt, mit denen die Speiche an den Felgenkranz anſetzt (Sorm 44).
Eine Weiterentwicklung der Formen 42 und 43 ſtellt ſchließlich folgende
komplizierte Form dar: die Mittelſpeiche ijt ohne jeden Abſatz an den Felgen⸗
franz befeſtigt; das Mittelſtück der Ode ift verdickt und mit einem viereckigen
Coch verſehen. An den Stellen, wo die gebogenen Speichen die gerade Mittel-
ſpeiche treffen, ift diefe mit je zwei Wülſten verſehen Dieſe Form 45 ſteht
auch in Verbindung mit der Form 44, wie die Abbildung der etruriſchen
Münze unbekannten Prägeortes bei Sambon I. S. 46. Nr. 27 dartut.
Eine weitere Abart der altitaliſchen Radform entwickelt ſich ſchließlich
unter dem Einfluß der Gruppe c (Caſtione-Gruppe): wir treffen hier die
beiden gebogenen Speichen wieder, die Mittelſpeiche dagegen iſt durch zwei
profilierte Einzelſtücke erſetzt (Sorm 46).
Mit dieſer Form ſchließt der Entwicklungsgang dieſer Gruppe ab, die
wir nach ihrer Verbreitung als altitaliſche Gruppe bezeichnen. ,
Derbreitung, Sorm 40. Holzrad von Mercurago,. Prov. Novara. Muf. in
Turin. Ferdinand Keller, Pfahlbauten. IV. Berichf. Mitteil. d. antiquariſchen Gel. in
Zürich. Bd. XIV. 1861. Taf. I. Abb. 12. Gaſtaldi, Lake habitations and prehistoric
remains on the turbaries and marl-beds of northern and central Italy. Condon 1865.
S. 111. Abb. 36. Robert Munro, The lake-dwellings of Europe. London 1890. S. 208.
Abb. 58. O. Montelius, La civilisation primitive en Italie. I. Stockholm 1895. Serie B.
Taf. I. Abb. 12. Text 1. S. 32. G. Soreftier, La roue, Paris 1900. S. 51. Abb. 5 b.
Journ. of hellenic studies 23, 1903. S. 146. Abb. 9. Salomon Reinach, Album des
moulages de Saint-Germain 1. Paris 1909. Taf. XVII. Abb. 30094. Dechelette, Manuel
d’archeologie prehistorique. II, I. Paris 1910. S. 289. Abb. 110.
Sorm 41. Relief. Micali, Monument per servire alla storia degli antichi
popoli italiani. Firenze 1832. Taf. LIII. Abb. 3. Dasjelbe, Seconda edizione, Firenze
1833. Taf. LIII. Abb. 3.
1) Auf einigen der in Frage kommenden Dafen find die Räder allerdings in ſeitlicher
Anlicht wiedergegeben und machen dadurch einen verzerrten Eindruck, fo daß diefe Bes
legſtücke nicht ſehr zuverläſſig find. °
29] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 59
Münzen. 1. Detulonia. Carelli⸗Cavedoni, Numorum italiae veteris tabulae.
Leipzig 1850. Taf. LVII. Abb. 18. 2. Cuder in Umbrien. R. Garrucci, Le monete dell’
Italia antica. I. Roma 1885. Taf. LIII. Abb. 3. Mommſen, Geſchichte des römiſchen
` Münzwefens. S. 273. Sambon, C., Recherches sur les monnaies de la presqu'ile italique.
Naples 1870. S. 65. Taf. IV. Abb. 17. Deede, Etruskiſche Sorjchungen II. Berlin. S. 55.
Nr. 90. Taf. IV. Abb. 90. Poole, Italy. Condon 1878. S. 18. Nr. 2. — 3. Suracus (287
bis 278). Regling, Die Sammlung Warren. Berlin 1906. Taf. X. Abb. 408. Du Chaſtel.
Taf. XIV. Abb. 18.
Gorm 42. holzrad von Mercurago, Prov. Novara. Muf. in Turin. Keller a. a. O.
Taf. I. Abb. 13. Gaſtaldi a. a. O. S. 112. Abb. 32. Munro a. a. O. S. 209. Abb. 55.
Montelius, Civilisation uſw. I. Serie B. Taf. I. Abb. 15. Tert S. 32. Soreftier a. a.
O. S. 54. Abb. 60. Journ. of hellenic studies 23, 1903. S. 146. Abb. 10. Reinach a. a.
O. I. Taf. XVII. Abb. 30095. Déchelette a. a. O. II, 1. S. 289. Abb. 110.
Sarkophag von Dulci. Monumenti dell’ Instituto VIII, 1865. Taf. XIX.
Annali 1866. S. 244. Daremberg⸗Saglio I, 2. S. 1528. Abb. 1993. Martha, L'art
étrusque. S. 357. Abb. 246. Foreſtier a. a. O. S. 55. Abb. 61. Reinach, Reliefs III. S. 63.
Dafen. Schwarzfigurig = attiſcher Stil. 1. Gerhard, Auserleſene Dafenbilder.
. Taf. 193. Reinach, Vases. S. 96. — 2. Dale aus Dulci im Brit. Muf. Elite céramo-
graphique I. Taf. XI. S. 17. Walters, Catalogue. II. S. 10. Abb. 20. Nr. B. 252.
— 3. Dale aus Dulci, früher in der Sammlung Ceake, jetzt im Sitzwilliam Mufeum in
Cambridge. Gardner, Catalogue. S. 27. Nr. 52.
. §euerzange. Micali a. a. O. Taf. CXIII. Abb. 2. Dasjelbe, Seconda edizione.
Taf. CXIII. Abb. 2.
Münzen: 1. Aretrium. Garrucci. I. Taf. LIII. Abb. 1. — 2. Asculum in Apulien.
Ebendort. Taf. LXV. Abb. 1—5. — 3. Bundesmünze. Ebendort. Taf. LIII. Abb. 2
— 4. Cortona. Ebendort. S. 6. Taf. LIL. Abb. 3a b. — 5. Etruriſch, unbeſtimmten Prägeortes.
Beſchreibende Darſtellung Berlin. III. S. 6. — 6. Therma in Mazedonien. Rev. nu-
mismatique N. S. V. 1860. Taf. XII. Abb. 3. S. 268. 7. Münze der Derronier (Dolts-
ſtamm in Mazedonien). Reinach, Th., L'histoire par les monnaies, Paris 1902. Taf. V.
Gorm 43. Reliefs. Stelen von Selſina. Monumenti antichi XX, 1910. S. 600.
Abb. 52. Nr. 63. Ebendort S. 595. Abb. 50. Nr. 169. Ebendort. Taf. V. Nr. 173.
Ebendort. S.594. Abb. 49. Etruskiſches Sarkophagrelief, jetzt in Mufignano in Italien.
D Camer, Römiſche Kultur im Bilde. 3. Aufl. Leipzig 1915. S. 67. Abb. 103.
Münzen 1. Unbeſtimmten etruriſchen Prägeortes (angeblich Saesulae). Annali
XII, 1840. Taf. P. Abb. 1. Head, Historia nummorum. 2. Aufl. Oxford 1911. S. 14.
Abb. 5. — 2. Münze mit OETI. Sambon a. a. O. I. Taf. I. Abb. 12. S. 41. Nr. 12.
— 3, Münze unbeſtimmten Makedoniſchen Sundarts (vielleicht Ichnä). Beſchreibende Dar-
ſtellung der antiken Münzen Berlin. II. Taf. VII. Abb. 67. 68. Rev. Num. 1860. Imhoof⸗
Blumer, Monnaies grecques. Patis⸗Ceipzig 1883. S. 78. — 4. Münze der Derronier
(thrakiſch⸗mazedoniſcher Doltsitamm): Babelon, Traité III. Paris. Taf. XLIV. Abb. 5
und 7. — 5. Ichnä. Imhoof-Blumer, Monnaies grecques. Taf. C. Abb. 18. S. 78.
Babelon, Traité uſw. III. Taf. XLIX. Abb. 11 und 12. Sallet, Beſchreibung des
Berliner Münz⸗Kabinettes S. 176. Nr. 90. Taf. VII. Abb. 68. Head, Historia num-
morum S. 178. — 6. Derronier. Head, Macedonia S. 154.
Sorm 44. Münzen: 1. Tyntenon (Genetiv einer unbekannten Stadt oder Dölter-
ſchaft). Berl. numismat. Jeitſchr. III, 1876. Taf. II. Abb. 1. S. 152. Beſchreibende
Darſtellung Berlin II. Taf. VI. Abb. 55. S. 162. — 2. Therma in Mazedonnien.
Berliner numismatiſche Zeitſchrift a. a. O. S. 152. Taf. II. Abb. 5. — A Aineia bei
Thermä. Babelon, Traité uſw. III. Taf. XLIX. Abb. 14. Head, Macedonia. S. 41.
Nr. 1. Sallet, Beſchr. von Berlin. II. S. 35. Nr. 2.
60 . Hugo Mötefin dt. {30
Gorm 45. Münzen: 1. Unbekannten Prägeortes (angeblich Faesulae oder Veji)
Bull. dell' instituto 1842. S. 156. Abeten, Mittelitalien. Taf. XI. J. 4. 5. S. 288. Duc de
Cuynes, Choix des monnaies grecs. I. Taf. I. Abb. 5. Rev. numismat. N. S. III. 1858.
Taf. XV. Abb. 4. S. 366. Mommſen, Geſchichte des römiſchen Münzweſens S. 216.
Revue archéologique. N. S. XXXVIII. 1879. Taf. XVI. Abb. 4. Sambon I. S. 46.
Abb. 27. — 2. Mit OE I. Gartucci a. a. O. II. Taf. LXXIII. Abb. 29—31. Sambon
a. a. O. I. S. 41. Head, Guide ufw.? Taf. 15. Nr. 108. Nr. 1. — Sambon, C., Recherches
sur les monnaies de la presqu'ile italique. Naples 1870. S. 51. Nr. 38. Taf. 3. Abb. 11
und 12. Mardi und Teffieri, Aes grave del Museo Kircheriano. S. 37. c). III. A. spl.
n. 9. Stiedländer, Beiträge. I. S. 166. Corſſen, Über die Sprache der Etrusker. Bd. 1.
TCeipzig 1874. S. 872. Taf. XXI. Abb. 5. Deecke, Etruriſche Sorſchungen II. Taf. I.
Abb. 6. S. 9. Nr. 6c.
Gorm 46. Münzen: 1. Tuder in Umbrien. Carelli⸗Cavedoni uſw. Taf. XV.
Abb. 1. Deede, Ettuskiſche Sorſchungen. II. Taf. IV. Abb. XVI. — 2. Unbekannten
Prägeortes in Etrurien. Garrucci II. Taf. LXXIII. Abb. 22. 23. Sambon a. a. O.
1. S. 46. Nr. 26.
Die Verbreitung der Formen 40 und folgende gruppiert fih
demnach um drei Zentren:
1. Norditalien. Aus diefem Gebiet ftammt die Urform (Sorm 40:
Mercurago am Lago Maggiore), und hier kommen ſpäterhin noch einmal
eine größere Reihe von Belegen für zwei ſpätere Formen (Gorm 42 in Mercu-
rago, Form 43 in Selfina-Bologna) vor.
2. Mittelitalien. In Etrurien und Umbrien fommt die Gruppe -von
Sorm 41 an vor. Don Form 42 gefellt fih dazu Apulien, von Sorm 45 an
endlich auch Latium; die Formen 45 und 46 zu guter Letzt find über ganz
Italien verbreitet. i
3. Thratien und Matedonien. Don Sorm 42 an tritt die Gruppe
auch in Thrakien und Makedonien auf. Junächſt ijt es das thrakiſch⸗make⸗
doniſche Volk der Derronier und die Stadt Thermä, die Münzen mit dem
Bildnis eines Wagens, an dem unſere Radform zu finden iſt, ſpäterhin ledig⸗
lich mit dem Bilde des Rades zeigen. Dazu kommt ſpäterhin dann noch
Ichnä (Sorm 43 und 44), die thrakiſch⸗makedoniſche Stadt oder Völkerſchaft,
die ihre Münzen mit Tuntenon ſignierte (Sorm 44), und einige andere nicht
näher lokaliſierte Beiſpiele aus demſelben Gebiet.
Außerhalb dieſer drei Jentren ſteht das einmalige Dor:
kommen auf Münzen von Syrakus, das durch feine zeitliche An-
ſetzung gleichfalls außerhalb des Rahmens der ganzen Gruppe
fällt.
Der Urſprung der Gruppe ſcheint demnach in Oberitalien zu
ſuchen zu ſein; von dort aus dürfte ſie ſich nach Mittelitalien und nach
Thrakien-Makedonien verbreitet haben.
Nicht unintereſſante Beziehungen find es, die diefe unſcheinbure Gruppe
der Wagenräder hier enthüllt. Der Werdegang der etruriſchen Kultur iſt
immer noch nicht klargelegt; die Mehrzahl der Forſcher hält an kleinaſiatiſchem
31] Die Entſtehung des Wagens und des Wagenrades. 61
Urſprung feft, und tatſächlich liegen zahlreiche Beziehungen zwiſchen beiden
Gebieten vor. Unſere unſcheinbare Wagenradgruppe enthüllt uns nun in
umgekehrter Richtung laufende Beziehungen, die vielleicht mit Kückſtrömungen
in Verbindung ſtehen, die bereits um 600 v. Chr. von Oberitalien über Mittel-
italien nach Thrakien und Makedonien gingen und einen Kückſchlag der
Etruskereinwanderung vorſtellen.
Zeitjtellung. Die Urform dieſer Gruppe, die uns in einem Original-
fundſtück durch den Pfahlbau von Mercurago erhalten ift, gehört der Zeit
um rund 2000 vor Chriſti Geburt an. Die Weiterentwicklung ſcheint ſich
einerſeits ſehr ſchnell vollzogen zu haben; derſelbe Pfahlbau von Mercurago,
der uns das hochintereſſante Original unſerer Urform geliefert hat, hat uns
noch ein zweites Originalſtück erhalten (Sorm 42), das gleich wie das erſte
Stück in die Zeit um 2000 zu datieren ſein dürfte. Andererſeits haben ſich
gerade diefe weiterentwickelten Formen noch ſehr lange gehalten. Dasſelbe
gilt von den übrigen Beiſpielen, die wir für die Form 42 zuſammenſtellen
konnten. Die Beiſpiele, die wir an der Form 41 aufzählen können, gehören
dem 5. Jahrhundert an (Sarkophag von Dulci), ein anderes Stück diefer
Form gehört erft ins 4. Jahrhundert. Die Formen 43 und 44 gehören dem
Anfang des 5. Jahrhunderts an; die Form 45 läßt ſich in die Jeit um 480
anſetzen. Die Beiſpiele für die orm 46 ergeben eine Datierung in die Zeit
um 450. Während die Entwicklung alſo ſich anfangs ſehr ſchnell vollzieht,
tritt in dem mittleren Entwicklungsſtadium eine Verlangſamung ein, die
erſt gegen Ende der Entwicklung (Sorm 45 ff.) beſchleunigt wird.
Außerhalb des Rahmens dieſer Gruppe fällt auch hinſichtlich der Datie⸗
rung die Münze aus Suracus, die der Jeit um 287—278 zuzuweiſen iſt.
Wir haben aber bereits oben gezeigt, daß dieſes Stück auch im Hinblick auf
die Verbreitung der Gruppe ſich nicht recht in den Rahmen einfügen will.
Vielleicht vermag ein Numismatiker von Sad) hier Klarheit zu ſchaffen.
Beziehungen zwiſchen den Gruppen c und d. Ju guter Letzt
wäre noch die Frage aufzuwerfen, ob zwiſchen den beiden verwandten Gruppen
von Caſtione und Mercurago irgendwelche Beziehungen vorliegen. Der Ge⸗
danke daran liegt gerade für die älteſten Formen ſehr nahe. Außerdem
kommen auch einige Radformen vor, die ſich mit Beſtimmtheit weder
der einen noch der andren Gruppe zuteilen laſſen; hierher gehören
vor allen Dingen eine Reihe von Münzen der Derronier, wobei auch noch
die Kleinheit der Darſtellung zu berückſichtigen iſt. So Head, Guide Taf. V.
Abb. 17. Babelon, Traité vim III. Taf. XLIV. Abb. 6. Jakob Hirſch, Auftions-
katalog der Sammlung Weber. Taf. XIV. Abb. 1164. Trotz allem möchte
ich im Hinblick darauf, daß beide Formengruppen einen vollſtändig
ſelbſtändigen Entwicklungsgang genommen haben, derartige Be-
ziehungen ablehnen. Dieſe Ablehnung läßt ſich außerdem noch durch die
Beobachtung ſtützen, daß eigenartige Bildungen der einen Gruppe
wy
62 Hugo Mötefindt. [32
(wie die Profilierung der Hauptjpeiche der Formen 37 und 38 der Gruppe c,
oder die wulſtige Hauptachſe der Som 45 oder die Zwiſchenlagen von der
hauptachſe der Som 44 der Gruppe d) in der anderen Gruppe nicht
vorkommen.
4.
Durch die vorſtehenden Unterſuchungen über die Scheibenräder haben
wir einmal das Ergebnis gewonnen, daß die bereits öfter geäußerte An⸗
ſicht, das Scheibenrad fei die älteſte Radform, bei einer Nad-
prüfung des verhältnismäßig reichhaltigen einſchlägigen archäo—
logiſchen Materials ſich als richtig erwieſen hat. Weiterhin findet
an der Hand der in der vorliegenden Unterſuchung dargelegten Entwicklung
der Scheibenräder die auffällige Beobachtung ihre Erklärung, daß an den
älteſten Streitwagen ſowohl vierſpeichige wie ſechsſpeichige Räder vorkommen,
denn die von uns auf konſtruktivem Wege gewonnene Entwicklung der
verſchiedenen Scheibenradgruppen hat uns einmal bei der Gruppe
der Scheibenräder mit runder Uchſenſpindel zu dem vierſpeichigen Rad,
bei den Gruppen der Caſtione- und Mercurago⸗Sormen dagegen zu dem
ſechsſpeichigen Rade geführt. Die hölzernen Scheibenräder, die uns ein
glücklicher Zufall in den Terramaren von Caſtione und Mercurago erhalten
hat, gehören zu den älteſten Wagenrädern, die wir nachweiſen können, und
das älteſte gegenwärtig bekannte Wagenrad überhaupt, das Rad von der
Gudeaſtele (um 2550 v. Chr.) ift gleichfalls ein Scheibenrad. Dor die
Gruppe der Scheibenräder mit runder AGchſenſpindel ſowie die
vom Typus Caſtione und Mercurago ift die Gruppe der Scheiben—
räder mit vierediger lchſenſpindel anzuſetzen, die auf die Entwick⸗
lung der an den Streitwagen und vierrädrigen Wagen verwendeten Rad-
formen ohne jeden Einfluß geblieben iſt. Einige Formen aus den Caſtione⸗
und Mercuragogruppen ermöglichen uns die Beobachtung der Jähigkeit,
mit der ſich dieſe altertümlichen Radformen durch Jahrhunderte,
ja ſogar durch Jahrtauſende halten, und laſſen uns den Gedanken
an eine ſcheinbare Primitivität der Scheibenräder überhaupt,
den u. a. Eduard Hahn ausgeſprochen hat, als irrig erkennen.
Die Sunde von Caſtione und Mercurago haben uns leider keinerlei
Hlufſchlüſſe darüber gegeben, ob die hier entdeckten Scheibenräder zu Streit-
wagen, zu vierrädrigen Wagen oder zu Karren gehört haben. Wenn wir
jedoch in der ſpäteren Zeit dem Scheibenrade im Zuſammenhange von
Wagendarſtellungen begegnen, ſo handelt es ſich in der weitaus überwiegenden
Mehrzahl der Salle immer um Karrendarſtellungen. Demnach dürfen
wir auch wohl für die Zeiten, aus denen wir bloß Scheibenräder
und nicht die dazu gehörigen Wagen kennen, Karren voraus:
ſetzen.
33] Die Entitehung des Wagens und des Wagenrades. 63
Wenn wir alfo das Scheibenrad als das älteſte Rad überhaupt an-
ſehen, jo machen wir damit den Karren zur älteſten Wagenform, und
wenn wir an die Spike der Entwicklung des Scheibenrades die Gruppe der
Räder mit viereckiger Achje ſtellen, jo kommt damit an die Spitze der
Entwicklung des Wagens eine Wagenform zu ſtehen, die den
Ethnologen als „Sormoſaner Karren” dng S. 32) geläufig ift.
Dieſen Formoſaner Karren haben unſere Ethnologen ſeit langem als älteſte
Wagenform angeſehen, und — wohl mit Recht — als Stütze für die An-
ſicht, daß fic) der Wagen aus der Schleife entwickelt hat, ins Feld
geführt. Wenn wir jetzt dieſe Wagenform auf Grund unſeres archäologi⸗
ſchen Materials als älteſte Wagenform überhaupt erklären, ſo brechen wir
damit gleichzeitig eine Canze für die Theorie, die vor genau hundert Jahren
Ginzrot als erſter ausgeſprochen hat, daß ſich nämlich der Wagen aus der
Schleife entwickelt hat. Der Ausgangspunft für die Entwicklung des
Scheibenrades ſcheint nach allem in Norditalien zu ſuchen zu ſein.
Demnach müßte auch die Entwicklung von der Schleife zum Wagen
in dieſem Lande ſtattgefunden haben. Über die Derhältniffe in Baby-
lonien und Aſſyrien laffen die gegenwärtig bekannten Funde noch keine
Klarheit gewinnen; nach dem gegenwärtigen Stande unſerer Kenntnis er-
ſcheint es jedoch nicht unmöglich, daß hier dieſelbe Entwicklung ſich
ſelbſtändig und unabhängig von der erſten Entwicklung in Italien
wiederholt hat. ö |
*
Die Dorfahren der Germanen.
Don Prof. Dr. Oscar Montelius, Stodholm.
Mit 2 Abbildungen.
Während der Zeit, die verfloſſen ift, feit ich 18841) in der „Nordisk
Tidskrift“ die Einwanderung unſerer Vorfahren nach dem Norden behandelte,
hat die raſtlos fortſchreitende Forſchung viele, für eine endgültige Cöſung
dieſes Problems wichtige Tatſachen ans Cicht gebracht.
Damals wies ich nach, daß unſere germaniſchen Vorfahren bereits
während des jüngeren Steinalters, alſo vor mehr als fünf Jahrtauſenden,
hier im Norden lebten. Zwei Gründe ſprachen hauptſächlich dafür. Der eine,
daß unter allen dieſen Jahrtauſenden kein Jeitpunkt nachzuweiſen iſt, von
dem man berechtigt wäre anzunehmen, daß damals die Einwanderung
unſeres Volkes ftattgefunden habe. Der zweite Grund war, daß bei weitem
der größte Teil der in den jüngeren Steinaltersgräben Ruhenden von dolicho⸗
cephalem, für die Germanen charakteriſtiſchem Tupus befunden wurde.
Die Richtigkeit dieſer Unſicht ift wohl heutzutage allgemein anerkannt
worden.
Eine wichtige Frage blieb jedoch unbeantwortet: Waren unſere Dor-
fahren die erſten Bewohner des Landes oder fanden fie bereits ein anderes
volk vor?
fluf Grund des damals vorliegenden Materials hielt ich es 1884 für
wahrſcheinlich, daß ein anderes Volk, von anderer Rolle, ſchon vor unſeren
SEH E gelebt habe.
1) Diefe Akte ift auch im „Arhiv für Geesen 1888 (S. 151 u. f.)
unter dem Titel: Über die Einwanderung unſerer Dorfahren in den Norden l(überſetzt
von J. Mestorf) gedruckt.
2] Die Vorfahren der Germanen. 65
Alles, was wir heute in dieſer Frage wiſſen, [heint mir indes dafür zu
ſprechen, daß unſere germaniſchen Vorfahren die erſten waren, welche nach
dem Ende der Eiszeit das jetzige Schweden in Beſitz nahmen.
x *
*
Diele taujend Jahre vor dem Anfang unſerer Zeitrechnung lag der
ganze ſkandinaviſche Norden unter einer ungeheuren Dede von Eis und
Schnee, einer Periode, welche unter dem Namen die „letzte Eiszeit“ bekannt iſt.
Dor ihrem Anfang herrſchte eine wärmere Periode, welche die „Zwiſchen⸗
eiszeit“ genannt wird, da ſie zwiſchen der „letzten Eisperiode“ und einer
älteren Kalteperiode lag, die man die „große Eiszeit“ nennt. Unter dieſer
älteren Periode, als die Kälte thre herrſchaft noch weiter als unter der letzten
Eiszeit ausſtreckte, lag der Eisrand noch viel ſüdlicher in Deutſchland als
während der letzten.
Aud in Mittel- und Weſteuropa fanden ſolche Wechſel ſtatt. Frank⸗
reich, deffen herrliches Klima jetzt den Neid der Nordländer erregen kann,
war lange Zeiten hindurch von Rentieren und anderen Arten nördlicher
Gegenden bewohnt. In Frankreich, wie überhaupt in Mitteleuropa, hat
man, ebenſo wie im Norden, eine letzte Eiszeit, eine dahinterliegende Zwiſchen⸗
zeit und eine dieſer noch vorhergehende vorletzte Eiszeit nachweiſen können,
— um nicht von den großen Veränderungen des Klimas, der Flora und
Sauna zu reden, die in noch älteren Zeiten ſtattgefunden haben. Alls in
Frankreich und Süddeutſchland noch die Kälte herrſchte, erſtreckte ſich die
Schneegrenze der Pyrenäen und Alpen viel tiefer hinab als in unſeren
Tagen. ,
Während der letzten Eiszeit hat auch ein großer Wechſel des Klimas
ſtattgefunden und ein folder ift wohl auch ferner noch zu gewärtigen. Man
nennt unſere Zeit gewöhnlich die „Poſtglazialzeit“. Es ſcheint mir aber be-
rechtigt zu fragen: Iſt dieſer Ausdrud richtig in der Hinficht, daß dieſer letzten
Eiszeit, nach deren Übſchluß wir jetzt leben, nie eine neue folgen wird? Die
letzte Eiszeit hat Vorgänger gehabt. Wird. ihr, wenn auch erft nach zehn⸗
tauſenden von Jahren, nie eine neue folgen, in der unſere ſkandinaviſche
Halbinſel wiederum von „ewigem Eis und Schnee“ bedeckt fein wird, wo
niemand länger hier wohnen kann und jede Spur der vieltauſendjährigen
Kultur, deren wir uns jetzt erfreuen, verſchwunden fein wird?
* *
**
Ein Blick auf die Karte Europas zeigt uns, wie verhältnismäßig kurz
die Entfernung zwiſchen den Nordabhängen der Alpen und den Gegenden
Deutſchlands iſt, die in der letzten Eiszeit von „ewigem Schnee“ bedeckt
Mannus, Bd. X. h. 1 u. 2. 5
66 ©. Montelius. [3
waren. Unter der vorletzten Eiszeit war die Entfernung zwiſchen der Schnee⸗
grenze der Alpen und dem Eisrande Deutſchlands eine noch kürzere. Bedenkt
man, wie verhältnismäßig unbedeutend dieſer Zwiſchenraum ift, jo erkennt
man leicht, daß die klimatiſchen Erſcheinungen einerſeits im Norden und
‘andererfeits in Mittel- und Weſteuropa inſofern im allgemeinen dieſelben
geweſen fein müſſen, daß, als die Kälte im Norden herrſchte, auch Mittel-
und Weſteuropa eine Eiszeit erlebten, und daß die Zwiſcheneiszeiten in den
ſtandinaviſchen Ländern und auf Frankreichs Ebenen einander entſprochen
haben müſſen. |
Durch langwierige energiſche Arbeit haben die Ultertumsforſcher mehrere
in Frankreich aufeinander folgende Perioden während des älteren Steinalters
feſtſtellen können. |
Don dieſen entſpricht die Mouſtierperiode der letzten Eiszeit; auf diefe
folgt zunächſt die Aurignacperiode und darauf die Solutré-, die Madeleine⸗
und die Azylienperiode. Dieſe alle zählt man zur paläolithiſchen Zeit. Den
Übergang in Frankreich zur neolithiſchen Zeit nennt der Hltertumsforſcher die
Campignienperiode.
Trifft man nun das Ende der letzten Eiszeit im nordiſchen Gebiete faſt
gleichzeitig mit dem in Frankreich an, fo muß die Zeit, in der die istante
am Ende der letzten Eiszeit anfing ſich nach dem Norden zurückzuziehen,
mit dem Anfang der Aurignacperiode zuſammenfallen.
Wir ſind berechtigt, a priori anzunehmen, daß, als die vorher mit Eis
bedeckten Gebiete des nördlichen Europas eisfrei wurden, es nicht lange
dauerte, bis Pflanzen und Tiere aus dem Süden, d. h. aus Mitteleuropa,
nach dem Norden, in die vom Eis befreiten Gegenden gelangten. Und ſicher⸗
lich dauerte es auch nicht lange, bis der Menſch nachfolgte und der ſkandinavi⸗
ſche Norden ſeine erſten Beſucher erhielt.
Weiß man etwas über dieſe älteſten Einwohner des Nordens?
Ja, man weiß, daß fie derſelben Raſſe angehören mußten, die
damals Mitteleuropa bewohnte. Deutſche wie franzöſiſche Forſcher find dar-
über einig, daß es eine dolichocephale Raſſe war, die unter dem Namen
Cro⸗Magnon-Raſſe bekannt ift. Erft am Ende der paläolithiſchen Zeit, alfo
lange nach der hier in Frage ſtehenden Zeit, zeigen fih Brachucephale in
Mitteleuropa. Von Südoſten ſcheinen ſie nach der Oſtſee vorgedrungen zu
ſein und das Gebiet der dolichocephalen Raſſe in zwei voneinander ganz ver⸗
ſchiedene Teile getrennt zu haben: in Skandinavien und Weſtfrankreich.
Es muß demnach ein Volk der Cro-magnon-Raſſe geweſen
fein, das nach Schweden und in die anderen ſkandinaviſchen
Länder einwanderte, nachdem das Schwinden des Eiſes es dem
Menſchen ermöglichte, ſich hier niederzulaſſen. |
* *
*
4] Die Vorfahren der Germanen. | 67
Die Cro⸗Magnon⸗Raſſe zeichnet ſich nicht nur durch Dolichocephalie,
ſondern auch durch verſchiedene andere Züge aus, die beweiſen, daß es
eine im Vergleich mit den Menſchen der vorhergehenden Jeiten recht hoch
entwickelte Raſſe war.
Sinden ſich nun, kann man fragen, in SEN oder den anderen Teilen
des nordiſchen Gebietes Umſtände vor, welche die Reſultate, zu denen wir
gelangten, bekräftigen können, daß nämlich die erſten Bewohner unſeres
Landes Dolichocephale von der Cro⸗Magnon⸗Raſſe waren?
Ja: vom älteren Steinalter hier im Norden hat man einige Skelette
dieſer Raſſe gefunden, und während des jüngeren Steinalters gehörten, be⸗
ſonders in Schweden, die größte Anzahl feiner Bewohner dieſer Rolle an. Das-
ſelbe gilt von der Bevölkerung Schwedens noch heutigen Cages.
Alles ſpricht demnach dafür, daß wir Schweden von jenen Menſchen
abſtammen, die nach dem Ende der Eiszeit von 1 Mitteleuropa nach dem
Norden eingewandert ſind.
Zwar befanden ſich hier bereits während des jüngeren Steinalters
Brachycephale neben den Dolichocephalen; fie gehörten zu denen, die am
Ende der paläͤolithiſchen Zeit ſowohl hier im Norden, wie in Mitteleuropa fih
zu zeigen begannen. Ihre Anzahl ift aber eine bedeutend geringere in den
ſchwediſchen Landſchaften nördlich von Schonen, als in letzterem und in
Dänemark. Und bis zu unſeren Tagen hat ſich die dolichocephale Raſſe auf
der ſkandinaviſchen Halbinjel ungewöhnlich rein erhalten, trotz der vielen
Jahrtauſende, die ſeit ihrer Einwanderung verfloſſen ſind.
Da die Dolichocephalen, die ſich in Frankreich befanden, nach dem
Eindringen der Brachycephalen während langer Zeiten fic) mit dieſen ver-
miſcht haben, ſind die Völker der ſkandinaviſchen Halbinſel wohl die reinſten
jetzt lebenden Nachkommen der Cro⸗Magnon⸗Raſſe, die am DE der Eiszeit
in Mitteleuropa lebte.
*
Weiß man etwas über die Zeit, zu der Schweden feine erſten Be-
wohner erhielt? Oder, mit anderen Worten, weiß man, wann die herrſchaft
des Eiſes ihr Ende fand? j
Durch geiftvolle Unterſuchung der Lager, die fih bildeten, als die
Eiskante fih von Schonen zurückzog, hat der ſchwediſche Geologe Freiherr
Gerard de Geer gefunden, daß, in runder Jahl, 15000 Jahre vergangen
find, ſeitdem die Eiskante anfing, fih von Schonens ſüdlichſter Rüſte nach
Norden zurückzuziehen.
Da, wie ſchon geſagt, es aller Wahrſcheinlichkeit nach nicht lange dauerte,
bis der Menſch auftrat, nachdem das Schwinden des Eiſes es ihm ermög⸗
lichte, hier zu leben, können wir auf die oben aufgeſtellte Frage antworten:
5* ö
68 O. Montelius. [5
Abb. 1. %. „Mandelförmiges“ ` Abb. 2. /. „Mandelförmiges“
Seuerſteingerät aus der Solutré— Seuerſteingerät. Südſchweden.
Periode. Frankreich. A
I
Es war vor ungefähr 15000 Jahren, als unſere Vorfahren an=
fingen, Schweden in Beſitz zu nehmen.
Man Wellt dann gern die neue Frage: Hat man irgendwelche Gegen:
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d f Die Dorfahren der Germanen. 69
ſtände gefunden, die von jenen älteſten Einwohnern Schwedens herrühren
können? Auch dieſe Frage kann bejahend beantwortet werden. |
Die „mandelförmigen“ Feuerſteinsgeräte, die gerade in den Teilen
unſeres Candes gefunden wurden, wo das Eis zuerſt verſchwand und der
Menſch ſich zuerſt niederlaſſen konnte, haben auffallende Abnlidfeit mit
Seuerſteinarbeiten der Solutreperiode i in Frankreich. Don der Richtigkeit diefer
Behauptung überzeugen wir uns leicht durch Vergleichen des Abb. 1 ab-
gebildeten franzöſiſchen „mandelförmigen“ Seuerſteinwerkzeuges mit dem
Abb. 2 abgebildeten ſchwediſchen von gleicher Form und ungefähr derſelben
Größe.
* 4 ú *
Wir Schweden ſind, wie die Norweger, Dänen und Deutſchen, Ger⸗
manen.
Waren es unſere Vorfahren, die kurz nach dem Ende der Eiszeit hier
einwanderten, ſo müſſen dieſe Einwanderer Bere] der Germanen
geweſen fein.
Nach meiner Überzeugung find nämlich die Germanen nicht als Ger:
manen hier eingewandert, ebenſowenig wie die Kelten als ſolche in ihr Ge-
biet, oder die Slaven als Slaven in ihr Land.
Zu jenen fernen Zeiten, als unſere Vorfahren anfingen ſich in Schweden
anzuſiedeln, war der Unterſchied zwiſchen den Stämmen, die in den ver⸗
ſchiedenen Teilen von Nord⸗, Mittel- und Südeuropa umherſtreiften, wohl
nicht ſehr groß.
Die Derſchiedenheiten find erft allmählich entſtanden, als Folge un⸗
gleicher Naturverhältniſſe in den betreffenden Gebieten und der verſchiedenen
Kulturentwicklung im Laufe der Jahrtauſende.
Durch derartige Differenzierung entwickelten ſich die Einwohner des
heutigen Englands und Frankreichs zu Kelten, im ſkandinaviſchen Gebiet zu
Germanen und in gewillen öſtlicheren Gegenden unſeres Weltteiles zu
Slaven.
* *
a
Kelten, Germanen und Slaven, wie viele andere Völker in Europa,
ſprechen, wie Perſer und Inder, Sprachen, die untereinander verwandt find
und die große indoeuropäiſche oder indogermaniſche Sprachenfamilie bilden.
Man hat angenommen, daß alle dieſe Völker nicht nur Sprachen, die einer
gemeinſamen Wurzel entſprangen, ſprechen, ſondern auch, daß dieſe Völker
ſelbſt einen gemeinſamen Urſprung haben.
Einige Sorjcher meinen, daß die e Urheimat in SR
Ländern der Oſtſee zu ſuchen ſei.
Nach meiner Anſicht kann indes dieſe gece nicht richtig fein.
70 O. Montelius. Die vorfahren der Germanen. D
Hier im ſkandinaviſchen Norden haben wir die heimat der Ger:
manen, aber nicht die Heimat der Indogermanen zu ſuchen.
Alles, was wir über die entlegenen Zeiten wiſſen, in denen die Indo⸗
germanen ſich über die Welt verbreiteten, hat mich davon überzeugt, daß
wir uns nicht die Ehre anrechnen können, die Wiege der Germanen habe in
unſeren Landen geſtanden. |
Es ijt ſchon genug, daß in unſeren Gegenden die Germanen zu Germanen
geworden find: ein Dolt, das feinen Namen auf fo manches Blatt der Kultur-
geſchichte geſchrieben hat, und das — wie ich hoffe — auch in der Zukunft
eine große Aufgabe in der für alle Völker gemeinſamen Arbeit für das Wohl
der Menſchheit haben wird. i
Die Bodenſtempel auf wendiſchen und frühdeutſchen
Gefäßen des 9.—14. nachchriſtlichen Jahr hunderts.
Don Seldw.⸗Ceutnant Max Näbe, Brambach i. Sa.
£ichtbilder von Teutn. d. C. W. Berthold, Zeichnungen von Landftm. Dr. A. Fiſcher.
mit 10 Abbildungen.
Die Bodenſtempel, die fih auf Topfböden an Fundplätzen mit ſlaviſcher
und frühdeutſcher Keramik in Mittel- und Oſtdeutſchland ziemlich oft vor-
finden, ſind bis heute noch eine unaufgeklärte, umſtrittene Erſcheinung.
Lange Zeit wurden fie und werden fie es zum Teil auch heute noch für aus-
ſchließlich wendiſch gehalten. Die einen ſahen in ihnen bloße Töpferzeichen,
gewiſſermaßen Fabrikmarken, während andere, veranlaßt durch das ſtarke
Überwiegen des Radfreuzes, göttliche Sumbole, Sonnenbilder, darin erblickten.
Gegen die Deutung als Sabrifmarten ſpricht die große Ahnlichkeit der
Zeichen in räumlich weit voneinander entfernten Gebieten, gegen die wendiſche
herkunft die Tatſache, daß ſich mit Bodenzeichen verſehene Gefäße auch in
Gegenden finden, in denen nie Slaven geſeſſen, gegen die Erklärung der
Zeichen als heidniſche Symbole das Auftreten dieſer Ware in deutſchmittel⸗
alterlichen Rulturſchichten, ja ſelbſt im Mauerwerk frühromaniſcher Kirchen.
Juſammenfaſſende Arbeiten über die Bodenſtempelfrage liegen zeitlich weit
zurück!). Da ſich das Sundmaterial inzwiſchen ganz bedeutend vermehrt und
1) Virchow, Über die Anwendung von Stempeln und über das Zeichen des Kreuzes
auf alten Töpfen. Jeitſchr. f. Ethnol. Bd. 3. 1871. S. 25 f.
Virchow, Das Radornament auf Topfböden von flawiſcher herkunft. Jeitſchr. f.
Ethn. Bd. 7. 1875. S. 98.
Senf, Das heidniſche Kreuz und feine Verwandten zwiſchen Oder und Elbe. Arch. f.
Anthr. Bd. XX. S. 17f.
Zapf, Das erhabene Radornament auf flavifhen Topfböden. Prähiſt. Blätter.
1889. S. 17
72 m. nabe. | [2
beſonders mein Forſchungsgebiet Weſtſachſen und die Altitadt Leipzig ſelbſt
eine große Anzahl neuer Sunde, auch ganzer Gefäße, geliefert hat, erſcheint
der Derſuch berechtigt, an Hand dieſer Sunde die Cöſung des Problems zu
verſuchen. |
Die Sitte, den Boden von Gefäßen mit Zeichen zu verſehen, ift ſehr
alt.. Bereits im Neolithikum können wir fie nachweiſen. Kupfa!) erwähnt
vom ſpätneolithiſchen Brandgräberfeld Schönfeld, Kr. Stendal, eine Schale,
die am Boden eine dem Genfer Kreuz ähnliche Sigur trägt. Im gleichen
Gräberfeld fand fic) der Boden einer zweiten Schale, verziert mit drei kon⸗
zentriſchen Kreijen, die nach außen eine dreifache Reihe von Jickzacklinien
nimbusartig umgibt. Man könnte hier recht wohl an eine Sonnendarſtellung
denken. Ganz bekannt find die vielen verzierten Böden aus der Hallſtatt⸗
ſtufe III und IV, zum Beiſpiel von Gaisheim?) oder aus den hügelgräbern
mit dem Fürſtengrab von Pullach). Endlich ganz ähnliche Böden aus der
Buciskalahöhle !). — Sind es bei erſteren zwei Sundpläßen met geometriſche
Figuren, denen das Kreuz zugrunde liegt, jo kommen bei letzterem Kreiſe,
ſowie ein ſiebenſtrahliger flammender Stern in Betracht. Charakteriſtiſch iſt
auch bei Gaisheim der Strahlennimbus, der den Boden umrahmt.
Die Zahl dieſer Sunde ließe fih noch erweitern.
Wir treffen dann den verzierten Boden wieder mit Vorliebe angewandt
bei den ſchönen ſchwarzglänzenden Mäandergefäßen unſerer provinzial⸗
römiſchen Brandgräberfelder. Vom Urnengräberfeld Darzaud) verzeichnet
Hoſtmann fünf Böden. Wieder find es Kreuzfiguren, einmal das Hakenkreuz,
dann das Kreuz mit einem es im Kreiſe umgebenden Strahlennimbus und
konzentriſche Kreiſe, die vorherrſchen. Huch das von mir unterſuchte, noch
unveröffentlichte provinzialrömiſche Gräberfeld von Hänichen bei Leipzig
lieferte eine ſchöne Mäanderurne mit großem, in den Boden mit dem Rill-
rad eingedrückten Hakenkreuz.
Die Ldjung der Frage, warum man den Boden mit in das Verzierungs⸗
jyjtem der Gefäße einbezog, liegt wohl in der Ausübung der Verzierungs⸗
technik. Man mußte, um bei den beſſeren, reich verzierten Runſtgefäßen
eine gleiche Anordnung der Ornamentik zu erreichen, das halbtrockene Gefäß
beim Dekorieren mit dem Boden nach oben vor ſich hinlegen. Die leere
Bodenfläche forderte geradezu zur Ausfüllung heraus. Ihre kreisrunde Form
ließ aber die Anwendung der üblichen horizontalen Ornamentik nicht an-
| 1) Kupta, Prähiſt. Jeitſchr. III. 1900. Neue Sunde vom ſpätneolithiſchen Brands
gräberfeld bei Schönfeld, Kr. Stendal.
2) Forſter, Nürnberger Feſtſchrift. Kongreß 1913. Grabhügelgruppen bei Gaisheim.
) Naue, Die Hiigelgraber mit dem Fürſtengrab bei Pullach. Beitr. zur Anthr. u.
Urgeſch. Bayerns. `
) Undſet, Erſtes Auftreten des Eiſens in Nordeuropa.
5) Hojtmann, Der Urnenfriedhof bei Darzau.
3] Die Bodenitempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.—14. nachchriſtl. Jahrh. 73
gebracht erſcheinen, jie war aber wie geſchaffen für die Anbringung bereits
vorhandener kultureller Zeichen. Denkbar ift auch, daß die flachen Schalen
oft zum Bedecken von Gefäßen beſtimmt waren, ihre Bodenverzierung alſo
auch den Zweck hatte, geſehen zu werden. — Kurz zuſammenfaſſend läßt ſich
folgendes ſagen:
Die Sitte der Anbringung figürlicher Zeichen auf Gefäßböden
ift bereits früh von den indogermaniſchen Völkern geübt worden
und findet ſich auch bei den Stämmen des freien Germaniens
bis ins dritte und vierte nachchriſtliche Jahrhundert. Angewandt
werden mit Vorliebe Kreuzfiguren in mannigfachen Dariationen,
Kreiſe, konzentriſche Kreije und das Hakenkreuz. Der ſieben—
ſtrahlige Stern und das Umgeben der Siguren mit nimbusartigen
Strahlen und Jacken, deuten auf Sonnenkultus hin. Die Zeichen
ſind nie eingeſtempelt.
In überraſchend großer Jahl und Mannigfaltigkeit treten nun die
Bodenzeichen um die Wende des erſten nachchriſtlichen Jahrtauſends auf der
frühen blaugrauen Ware auf, beſonders oft finden ſie ſich auf Burgwällen
und in frühmittelalterlichen Kulturſchichten. Ihr Vorkommen auf Burg-
wällen hat wohl in erſter Cinie dazu geführt, daß man ſie oft direkt für wendiſch
angeſprochen ha“. Auch die Art ihrer Verbreitung ſprach für diefe Anjicht.
Sie finden fih in Norddeutſchland hauptſächlich öſtlich einer Linie, die von
der Saale und Elbe, alſo ungefähr dem Limes sorabicus Karls, gebildet
wird. In ganz Oſtdeutſchland ſind fie weit verbreitet und reichen bis nach
Rußland hinein. Ebenſo finden wir ſie ſehr zahlreich in Böhmen und dem
übrigen Oſterreich bis hinunter zum Karjt. Weſtlich ſtrahlen fie vereinzelt
nach Thüringen aus, kommen aber auch in Bauern und ſelbſt in Württemberg
vor. Allerdings deckt fih dieſes Derbreitungsgebiet, abgeſehen von großen
Teilen Süddeutſchlands, ungefähr mit der Ausdehnung der Slaven in Europa.
Es iſt aber auch andererſeits wieder das Gebiet, wo ab 1000 die deutſche
Kolonijation einſetzt, und Deler Periode haben wir einen großen Teil der
Keramik mit Bodenſtempeln zuzuſchreiben.
In Herdſtellen und Unſiedelungen, die nur rein frühwendiſche Keramik
enthielten, habe ich Bodenzeichen, denen das Kreuz zugrunde liegt, nie ge-
funden. Dagegen enthielt eine Herdgrube von Cützſchena bei Leipzig!) mit
ausſchließlich früher Wendenkeramik einen groben Topfboden, der in der
Mitte eine erhabene kreisrunde Erhöhung zeigt. Auch Pfau beſchreibt eine
wendiſche Anlage des 7. und 8. Jahrhunderts zu Ziegra bei Waldheim),
die nur Böden mit erhabenen und eingedrückten Kreisflächen lieferte. Nach
1) Délfermujeum Leipzig. Sammlung Mabe.
2) Pfau, Die Wallanlagen zu Ziegra und Kriebſtein. Waldheimer Anz. 1913.
Nr. 288/95.
14 ` M. Näbe. [4
Mitteilung von Hofrat Deichmüller beſitzt die Dresdener: Sammlung ſolche
Bodenmarken einfachſter Form von Jöhda bei Nerchau, von dem Feſtenberg
bei Mügeln, von Burgberg bei Lodwig, der Schanze Brohna bei Radibor
(ſächſ. Cauſitz), Schanze Dobranitz ebendort, und Klein Dölzig bei Leipzig.
Es find ſtets runde, manchmal recht ſcharfkantige Vertiefungen. Ahnliche ein⸗
fache Marken lieferten die Ausgrabungen einer rein wendiſchen Dorfanlage
bei Cüſtrin!) und die Unterſuchungen des Schloßberges bei Burg ?). Jentzſch
bemerkt zu den Funden vom heiligen Land bei Niemitzſch, Kreis Guben“):
„Unter den bezeichneten Böden kommt die ſchlichteſte und anſcheinend älteſte
Marke, der kreisförmige Eindruck eines Stabes, ausſchließlich auf roher ge⸗
formten Gefäßen vor. In gewiſſen Burgwällen hat ſich nur dieſes Jeichen
gefunden.“ Stimming erwähnt aus der Mark Brandenburg?) drei wendiſche
Gefäße, die am Boden eine zentrale kreisrunde Vertiefung tragen, und zwei
mit je zwei konzentriſch aufgelegten Kreisleiſten am Boden. — Alle dieſe
Gefäße haben eine rein nationale wendiſche Ornamentik und verraten noch
keinerlei Beeinfluſſung durch die deutſche Keramik. Sie ſind wohl auch zweifel⸗
los zu einer Zeit entſtanden, als von einer ſolchen noch keine Rede ſein
konnte.
Wir dürfen demnach wohl jagen, daß in der Zeit von 500 bis
900 die rein wendiſche Keramif die Gefäßböden meiſt unverziert
läßt und nur in ſelteneren Fällen kreisrunde Vertiefungen, zen-
triſch geſtellte kreisförmige Erhöhungen oder e Kreiſe
als Bodenmarken verwendet.
= Jm Gegenſatz hierzu treten nun etwa vom zehnten nachchriſtlichen
Jahrhundert an in frühdeutſchen Rulturſchichten, im Schutte früher Burgen,
auf Wüſtungen und Wällen oder auf vereinzelt gefundenen Töpfen Zeichen
auf, die mehr oder minder das Kreuz als Grundmotiv zeigen und zweifellos
frühdeutſch find. Schon frühzeitig, als man allgemein noch jeden Boden-
ſtempel für ſlaviſch erklärte, ift von mehreren Seiten die Frage aufgeworfen
worden, wie das Vorkommen ſolcher Zeichen an weit in Süddeutſchland ge-
legenen Sundplagen zu erklären iſt?), in Gegenden, wo nie Slaven geſeſſen,
ja ſelbſt in den Mauern frühromaniſcher Kirchen.
Der Grund für die voreilige Beſtimmung aller Bodenſtempel als ſlaviſch
ijt wohl hauptſächlich darin zu ſuchen, daß oft nur die Böden oder Brud-
ſtücke ſolcher vorliegen, ganze Gefäße, deren Technik, Form und Derzierungs⸗
weiſe ausſchlaggebend iſt, ſich nur ſelten finden. Ich habe daher die ganzen
EEN Gefäße mit Bodenmarfen auf den Abb. 7, 8 und 9 mit abgebildet
1) Nietebuſch, Ausgrabungen des Märk. Muſeums bei Güſtrin. Jeitſchr. f. Ethn. 1914.
2) Götze, Der Schloßberg bei Burg im Spreewald. Prähiſt. Zeitichr. Bd. IV. 1912.
3) Jentſch, Das heilige Land bei Niemitzſch, Kr. Guben. Jeitſchr. f. Ethnol. 1886.
) Stimming, Die wendiſche Zeit in der Mark Brandenburg. Mannus Bt. VII.
5) Schiller, Prähiſt. Blätter. I. 1889. S. 80.
5] Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.— 14. nachchriſtl. Jahrh. 75
und werde weiter unten darauf zu ſprechen kommen. Ziemlich häufig be⸗
gegnet uns auf dem Scherbenmaterial der älteren frühdeutſchen Keramik
als Ornament die Wellenlinie. Daher wurde die geſamte blaugraue Ware,
die auf Burgruinen, Wüſtungen und in den oberen Schichten ſlaviſcher Wälle
zutage tritt, vielfach als ſlaviſch oder doch ſpätſlaviſch angeſprochen, weil
man in der Wellenlinie das flaviſche Leitmotiv erblickte. Und doch muß
uns ſchon der klugenſchein lehren, daß die auf frühdeutſcher Keramik an-
gebrachte Wellenlinie ſich ſtark von dem prähiſtoriſchen wendiſchen Burgwall⸗
ornament unterſcheidet. Während der ſlaviſche Töpfer die Wellenlinie met
mehrfach mit dem Ramm anbringt und ſich nicht genug tun kann in Rom⸗
binationen, begegnen wir auf der deutſchen Ware der einfachen, mit dem
Stichel hervorgebrachten nüchtern ſteifen Wellenverzierung. Nur ſelten treten
mehrfache parallele Wellen auf. Bereits im Neolithikum iſt die Wellen⸗
verzierung bekannt!). Das Motiv ift ja auch fo naheliegend, daß zu allen
Zeiten die verſchiedenſten Völker darauf kommen mußten. Seger?) nimmt
wohl mit Recht an, daß die Slaven die Kenntnis der Wellenlinie als Erbe
der provinzialrömiſchen Töpferei erhielten. Dieſe Bekanntſchaft muß in den
öſtlichen Provinzen des Römerreiches erfolgt ſein, die den Südſlaven zuerſt
zur Beute fielen. Derſelbe Vorgang wiederholte ſich aber in der Rheingegend
mit germaniſchen Volksſtämmen. Dieſe lernten hier von der in hoher
Blüte ſtehenden galliſch-rheiniſchen Töpferei den harten Brand, die voll-
kommenere Arbeit und die Verzierung mit Gurtfurchen, Caufrad und Wellen⸗
linie. So finden wir die Wellenlinie in ſpätmerovingiſchen Gräbern von
Meckenheim und in frühkarolingiſchen Rulturſchichten ?).
Zuſammenfaſſend läßt fih folgendes fagen: Die Wellenlinienver—
zierung wird als Erbe des römiſchen Imperiums im Oſten von
den Slaven, im Weſten von den Germanen übernommen. Aber
während ſie bei den Slaven gewiſſermaßen als nationales Orna—
ment weitergebildet wird, führt fie in der frühdeutſchen Keramik
nur ein untergeordnetes Daſein. Ganz verſchwunden iſt ſie auch hier
nicht, wie ihr Auftreten in der Bauerntöpferei noch heute beweiſt.
Die Jahl der im Gebiete des Rönigreichs Sachſen zutage gekommenen
Bodenzeichen iſt, wie eine Betrachtung von Abb. 7 ergibt, keine geringe. Sie
ſind über das ganze Land verteilt, in der fruchtbaren, reich beſiedelten Ebene
finden wir ſie am zahlreichſten, nur das unwirtliche höchſte Waldgebirge,
deſſen Erſchließung erſt im 15. und 16. Jahrhundert erfolgt, wird von ihnen
gemieden. Dennoch reichen ſie bis in die Gegend von herlaßgrün und Plauen
1) p. Majewski, Warſchau, Neuentdedte ſchnurkeramiſche Gruppe mit Schnur:
wellenverzierung (Südpolen). Jeitſchr. f. Ethnol. 1906.
l 2) Seger, Schleſiens Urgeſchichte S. 23.
3) Koenen, Gefäßkunde. T. XX. Sig. 25. Ferner Nürnberger Feſtſchrift 1913.
Germanifche Gefäße des 3. Jahrhunderts von Pfünz.
76 M. Nabe. [6
im Dogtlande und bis auf den Kapellenberg. Bezeichnend erjcheint mir der
Umitand, daß in Weſtſachſen, alfo dem Gebiete, wo die deutſche Kolonijation
zuerſt einſetzt, ausſchließlich das Kreuzzeichen mit feinen Variationen vor—
herrſcht, während im Often des Landes, in dem das Deutſchtum und Chriſten—
tum erſt ſpäter Eingang findet und die eingeſeſſene wendiſche Bevölkerung
länger mit ihren Stammesgenoſſen in Böhmen und Schleſien in Verbindung
ſtand, auch andere Zeichen ſich vorfinden (Abb. 7).
Die im Boden der Altſtadt Ceipzig gefundenen Stempel (Abb. 1 bis 6)
entſtammen ſämtlich frühmittelalterlichen Rulturſchichten. Nur Abb. 4 ijt
in einer Herdſtelle an der Straße Leipzig-Merjeburg bei Zöſchen gefunden,
zuſammen mit wenigen ſchwarzgrauen Scherben.
Abb. 1—6. Bodenſtempel aus Leipzig.
Beſonders hinweiſen möchte ich auf Abb. 3. Es ift der Knauf eines
frühmittelalterlichen Deckels, in den man den Kreuzſtempel eingepreßt hat.
Der Deckel ijt der ſlaviſchen, vorgeſchichtlichen Keramik fremd, aber in ſpäterer
geſchichtlicher Jeit von den Slaven vom Weſten übernommen worden. Einen
ſolchen ſpätſlaviſchen Deckel bildet Stimming ab!). Der Knauf desſelben trägt
ebenfalls das Kreuzzeichen (Abb. 9). Unſer Leipziger Deckelfragment gehört
nach Technik, Brand und Färbung zur deutſchmittelalterlichen Ware.
Zu derſelben Datierung führt uns die Betrachtung der wenigen er—
haltenen weſtſächſiſchen Gefäße (Abb. 7). Das graublaue Gefäß von Borna
entſtammt einer frühdeutſchen Hausanlage. Die Form des weitmundigen
Copfes ijt eiförmig, alſo deutſch, während die wendiſchen Gefäße durch den
1) Stimming, Die wendiſche Zeit in der Mark Brandenburg. Mannus Bd. VII.
S. 127. —
*
7] Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.—14. nachchriſtl. Jahrh. 77
erſt im zweiten Drittel der höhe erfolgenden Wandumbruch eine eimer—
förmige Geſtalt erhalten. Begleitfunde waren eiſerne Schlüſſel, Hufeiſen,
Pferdeknochen, Scherben mit deutſcher Laufradverzierung und eine Pferde-
figur aus Ton!). Der Krug von Carsdorf bei Pegau iſt ein Einzelfund, Form
und Henkel laſſen an ſeiner deutſchen Herkunft keinen Zweifel. Das gleiche
DoDenstemypil de 10-1. Ja he handed
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gilt von dem Gefäß von Seidewik bei Leisnig, mit dem charaktepiſtiſchen
Randprofil und der einfachen mittelalterlichen Wellenlinie (Abb. 7).
Eine Sonderitellung unter den ſächſiſchen Gefäßen mit Bodenzeichen
nimmt der Fund von mehreren Napfkacheln ein, der in Plauen beim Bau
1) Bernhard, Sagen aus der Leipziger Pflege. Jahrb. d. Städt. Muf. f. Dölker⸗
kunde. Bd. III. 1908/1909. S. 72. 8
78 Es m. Mabe. [8
des neuen Rathauſes gemacht wurde. Die Kacheln ſind innen grün glajiert
und tragen auf der Riidfeite ein nur wenig erhabenes Radkreuz. Sie dürften
früheſtens ins ausgehende 14. Jahrhundert, wahrſcheinlich ſchon ins 15. zu
legen fein, Wellen alfo das jüngſte Vorkommen von Gefäßen mit Boden-
ſtempeln in Sachſen dar. Wir müſſen annehmen, daß ſich in dieſer etwas
abſeits gelegenen Gegend in Töpferfamilien die alte Sitte länger erhalten
hatte und die Anwendung des Bodenſtempels noch erfolgte, ohne daß man
ſich ihres früheren Grundes mehr bewußt war. Dielleicht liegt auch Be⸗
einfluſſung ſeitens des nahen Böhmens vor, wo der Gebrauch auch länger
beſtehen blieb. So erklären ſich auch die zahlreichen Sunde von Bodenſtempeln
bei unſeren Ausgrabungen am Kapellenberg, die in der Hauptſache auch erft
ins dreizehnte bis fünfzehnte Jahrhundert fallen!).
Die mit Zeichen verſehenen Gefäßböden ſind meiſt etwas nach innen
gedrückt. Es iſt dies gleichzeitig ein Beweis dafür, daß die Marken mit hilfe
eines Stempels eingepreßt wurden. Die Meinung, daß das Zeichen in den
hölzernen Teller der Töpferſcheibe eingeſchlagen geweſen ſei, iſt nicht richtig,
denn dann würde fih das Gefäß nicht von der Scheibe löſen laffen. Die An-
wendung der Stempel wird uns auch durch Sunde beſtätigt. Buchholtz?)
bildet vom ſpätſlaviſchen Skelettgräberfeld von Bloſſin, Kr. Beeskow Starkow,
einen Gefäßboden ab, deſſen einfaches freiſtehendes Kreuz von einer ganz
ſchwachen Kreislinie umgeben ift. Er ſchreibt: „Dieſe peripheriſche Linie
tritt kaum hervor und ſcheint mir unbeabſichtigt und nur durch die runde
Form des Stempels entſtanden zu ſein“. Wie er weiter bemerkt, fehlt das
Wellenornament, die Gefäße ſind hart gebrannt und tragen Parallelfurchen.
Alles hinweiſe auf verhältnismäßig junge Datierung des Sundes. Einen
weiteren Beweis für die Stempelanwendung erbringt von der hagen?) vom
Fergitzer Burgwall. Der ſtark eingedrückte Gefäßboden trägt als Zeichen ein
zentriſch geſtelltes Balkenkreuz. Nach dem Rande zu erblickt man aber den
ſchwachen Abdrud eines gleichen Stempels. Hier hat der Töpfer den erſten,
ungeſchickt angebrachten Abdruck durch eine zweite Stempelung erſetzt. Aud
dieſes Gefäß gehört der ſpätſlaviſchen Zeit an. Den Burgwall verſetzt von
der Hagen in die Zeit vom 8. bis 12. Jahrhundert (Abb. 9).
von Wichtigkeit iſt es feſtzuſtellen, wieweit ſich die Bodenzeichen nach
Weiten erſtrecken. Wir finden fie vereinzelt in Thüringen, und zwar in Klein-
prießnitz, Münchenrode, mehrere um Roburg, vom alten Schloß bei Roden-
dorf (Pößneck) und vom alten Schloß bei hohenleuben. Das große Thüringer
Sammelwerk zählt nur vier Sundftellen auf, was aber feinen Grund wohl
1) Berthold und Näbe, Ausgrabungen auf dem Kapellenberg. Mitt. d. Vereins f.
vogtl. Geſchichte u. Altertumskunde. Plauen 1917.
2) Buchholz, Vorgeſchichtl. Begräbnis und Wohnſtätten. Jeitſchr. f. Ethnol. 1890.
S. 376.
3} p. d. Hagen, Der Fergitzer Burgwall. Mannus Bd. III. S. 90.
9) Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen 5. 9.—14. nachchriſtl. Jahrh. 79
mit darin hat, daß vielfach mittelalterliche Funde nicht berückſichtigt worden
find. Einen für die Zeitbeftimmung der Bodenmarken wichtigen Fund haben
die Ausgrabungen der Frau Baumann-Seyd auf der Altenburg in Merſeburg
geliefert. Es wurde ein bedeutender Befeſtigungsbau freigelegt, welcher der
Zeit Heinrichs I. gehört und um 930 entſtanden ift. Huch auf dieſem alten
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Abb. 8.
deutſchen Kulturboden wurden zwei SEET gehoben, die Radfreuze
als Bodenzeichen tragen (Abb. 8).
In der Harzgegend jcheinen die Marken zu fehlen, dagegen finden
wir He auf hartgebrannten frühmittelalterlichen Gefäßen des EES?
Hannovers (Abb. 8).
Sehr zahlreich treten fie in großen Teilen Süddeutſchlands auf. Wir
finden ſie in ganz Bayern bis hinunter zum Bodenſee, ja ſelbſt in angrenzenden
80 M. Nabe. {10
Gebieten Württembergs. Die Fundverhältniſſe laffen an ihrer Anwendung
jeitens deutſcher Stämme keinen Zweifel. Schon die Tatſache, daß das ver⸗
hältnismäßig kleine Gebiet, über welches ſich die ſlaviſche Invaſion in Bayern
erſtreckte, bei weitem überdeckt wird von dem, in welchem Bodenſtempel
vorkommen, gibt uns Klarheit über die Träger dieſer Sitte. Wieder liegt
ſämtlichen Marken das Kreuzmotiv zugrunde. Ein einziges Mal ijt auf einem
Bodenſtück aus Alt-Nürnberg das Pentagramm angebracht. Ich werde auf
die Bedeutung dieſes Zeichens, deſſen Nachweis ich der Güte des herrn Ruſtos
Hörmann verdanke, noch zu ſprechen kommen (Hbb. 8).
Ganz beſonders intereſſant iſt der Nachweis von Bodenmarken auf
ſogenannten Schallgefäßen im Mauerwerk ſüddeutſcher Kirchen des frühen
Mittelalters. Ich kann auf die Bedeutung dieſer Gefäße nicht näher ein=
gehen und verweiſe auf die untenſtehende Citeratur !). Wahrſcheinlich ver-
folgte man mit ihrer Einmauerung akuſtiſche Zwecke. Die Gefäße aus der
Kanonikatskirche zu Iſen, Amt Waſſerburg, find in der Form unſerer früh-
deutſchen Ware ähnlich. Die auf Abb. 8 ausgeführten Skizzen ſind leider
nur nach der flüchtigen Zeichnung in „Die Denkmalspflege 1904. Nr. 14/16”
angefertigt. Zwei aus Aen ſtammende Gefäße befinden fid im Muſeum zu
Traunſtein, eines im germaniſchen Muſeum zu Nürnberg. Die Kirche iſt
1177 bis 1212 erbaut. Abweichend in der Form ijt das ebenfalls auf Abb. 8
dargeſtellte Gefäß aus der alten Kirche zu Burgfelden auf der Schwäbiſchen
Alb. Es hat ausgeſprochene Tonnenform. Dieſe Form, ſowie der blumen:
topfartige Becher von der Burgſtelle Theinſelberg bei Memmingen, kommt
bei uns nicht vor, iſt aber zweifellos deutſch.
Aus dem Ungeführten ergibt fih folgendes: In Norddeutſch⸗
land weſtlich der Elbe und in Süddeutſchland finden fidh die Bode n—
zeichen ausſchließlich auf frühmittelalterlicher deutſcher Ware des
10. bis 13. Jahrhunderts. Stets liegt ihnen das Kreuz zugrunde.
Es findet fih variiert als Radkreuz und gefiedertes Kreuz,
ſeltener als ſechs- oder achtſpeichiges Radkreuz. Das hakenkreuz
und andere Zeichen, wie fie öſtlich der Elbe und in Öiterreich zahl-
reich auftreten, fehlen vollſtändig. Die Fundorte, frühe Burg-
anlagen, frühdeutſche Siedelungen, romaniſche Kirchen, die Ge—
fäßformen ſowie die Technik, endlich vereinzelte Münzfunde des
10. bis 12. Jahrhunderts laſſen es unzweifelhaft erſcheinen, daß
die Gefäße mit Bodenzeichen in den beſprochenen Gebieten dem
frühen deutſchen Mittelalter angehören.
1) Die Dentmalspflege 1904. Nr. II. 14. 16. — 1905. Nr. 6. 7. 10. — Prähiſt.
Jahrg. J. 80. — Weſtermanns Monatshefte. Januar 1877. Nr. 244. S. 396. — Cauſitzer
Magazin. Bd. 40. 1865. S. 25. — 1876. S. 322. — Gurlitt, Beſchr. Darſtell. d. Bauten
und KRunſtdenkm. XIX. 95.
11] Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.—14. nachchriſtl. Jahrb. 81
Wir wenden uns nun der Betrachtung des öſtlichen Deutſchlands rechts
der Elbe und der öſterreichiſchen Länder zu. Die hier ſitzenden jlavifchen
Dölferitämme hatten fih ihre politiſche Selbſtändigkeit und ihre nationale
Kultur mehrere Jahrhunderte länger zu behaupten gewußt. Sie waren aber
vom 10. Jahrhundert an fortdauernd weſtlichen deutſchen Einflüſſen unter⸗
worfen. Ihre fortſchreitende Chriſtianiſierung brachte mannigfache deutſche
Kulturelemente ins Land. Das können wir beſonders gut bei den Erzeugniſſen
der Keramik beobachten. Ein treffendes Beiſpiel für die Beeinfluſſung der
alten nationalen ſlaviſchen Keramik durch Deutſchtum und Chriſtentum geben
uns die Funde von Alt⸗Cübeck. Hier hatten bis zum Jahre 1138 hiſtoriſch be-
kannte Wendenfürſten geſeſſen, die aber bereits chriſtlichen Prieſtern ihren
Schutz gewährten. Die Form und Ornamentik der Gefäße trägt noch den
Charakter des rein Wendiſchen. Für ſpätwendiſche Datierung ſprechen die
zahlreich auftretenden Tonleiſten, die komplizierten Wellenmuſter und die
ſchräg geſtellten Einſtiche. Den ſtarken deutſchen Einfluß beweiſt das Auftreten
von Stielen und Henfeln, Stürzen und noch ſehr ungeſchickt behandelten
Rillen oder Furchen. Ebenſo deutſch find die auf der Außenfläche angebrachten
kleinen Stempel mit verſchiedenen eingeſchnittenen Muſtern. Den Bodgn-
marken liegt immer das Kreuz zugrunde (Abb. 8 oben). Wir dürfen in dem
einfachen Kreuz ſowohl wie in dem vier- und mehrſpeichigen Radkreuz nur
das von Weiten eingeführte chriſtliche Heilszeichen erblicken, wie ich weiter
unten nachweiſen werde. Alt-Liibed bietet uns eines der ſchönſten Beiſpiele
ſpätſlaviſcher, durch Deutſchtum und Chriſtentum beeinflußter Kultur. Die
gleiche Erſcheinung haben wir bei Mecklenburger Funden. Der von Beltz
abgebildete Topf von Rehna hat noch durchaus ſlaviſche Dekoration des
Bodens mit drei erhabenen konzentriſchen Kreiſen. Deutſchen Einfluß ver⸗
raten dagegen die noch wenig geſchickt ausgeführten Parallelrillen. Das
Gefäß von Stove ift nach der Form ein Mittelding zwiſchen ſlaviſchem halb-
hohem Napf und deutſchem weitmundigem Topf. Slaviſch ift die vierfache
Durchbohrung unterhalb des Randes, deutſch die Rillen und die plumpen
Henkel. Der Boden trägt ein aus Doppellinien gebildetes Radfreuz (ſiehe
Abb. 9). dëi
Mit dem weiteren Dordringen des deutſchen Einfluſſes nad) Often,
mit der Aneignung deutſcher Technik auf keramiſchem Gebiet, wie Hart:
brand, Rillendefor, Henkel, geht auch die Einführung des Kreuzes als Boden:
zeichen weiter. Nur hatte dieſe Neuerung ein ſehr verſchiedenes Schidjal.
Wir finden das Kreuz häufig in ſeiner urſprünglichen Form als einfaches
und Radkreuz. Wohl durch Ordenseinflüſſe wird es zum Balken- oder Malteſer⸗
kreuz verändert oder erhält Formen, wie wir ſie auf Münzen des 10. und
1) Feſtſchr. zur VIII. Derj. d. deutſch. Antbrop. Gef. Lübed. 1897.
2) Beltz, Vorgeſch. Altertümer d. Großherzogtums Mecklenburg.
Mannus, Bd. X. H. 1 u. 2. 6
82 M. Mabe. [12
11. Jahrhunders antreffen. Vielfach hat auch Unkenntnis oder Ungeſchick
jowie nachträgliches Herumfchneiden an den Stempeln das Bild verzerrt.
Eine große Rolle ſpielt in der ſpätſlaviſchen Keramik des Oſtens ein direkt
als heidniſch aufzufaſſendes Symbol, das Hakenkreuz. Sein Werdegang
wird uns weiter unten noch beſchäftigen. Den freien heidniſchen Germanen
Bodens beet SE?
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Abb. 9.
des dritten und vierten Jahrhunderts war es noch geläufig, ebenſo dem
Urchriſtentum auf klaſſiſchem Boden. Seitdem war es aus dem chriſtlichen
Wejten verſchwunden und vom Kreuz verdrängt. Im Often hatte es aber
feine Stellung behauptet, und fo finden wir es in der ſpätſlaviſchen Keramik
als eye des heidniſchen Kultus. Die ſchöne Urne von Loig bei Stettin?)
1) Kühne, Stettin, Bericht des Sreiherrn v. Böſſigk, Demmin. Jeitſchr. f. Ethn. 1883.
13] Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.— 14. nachchriſtl. Jahrh. 83
ijt ein folches Beiſpiel des dem Chriſtentum Trotz bietenden ſlaviſchen Heiden⸗
tums. Das um hundert Jahre jünger anzuſetzende Gefäß von Wachlin !) hat
dasſelbe Zeichen. Mehrfach finden wir es in Oft- und Weſtpreußen, beſonders
zahlreich in Schleſien. Reid) vertreten find Hakenkreuze auf den mir von
Prof. Seger, Breslau, gütigſt mitgeteilten Funden vom Breiten Berge bei
Striegau. Eine Ausnahmeftellung unter den ſchleſiſchen Funden nimmt ein
Gefäß ein, dds im Hedwigsturm in Ciegnitz mit einer Unzahl anderer mittel⸗
alterlicher Gefäße gehoben wurde?). Seine Technik und Form, vor allem
aber die Laufradverzierung laffen es als unzweifelhaft erſcheinen, daß es
deutſchen Urſprunges iſt; als Bodenmarke trägt es ein Radkreuz. Hahn ver⸗
ſetzt das Gefäß an das Ende des dreizehnten Jahrhunderts, was mit der
Datierung unſerer gleichen weſtelbiſchen Gefäße ins 11. bis 12. Jahrhundert
in keinem Widerſpruch ſtehen würde. (Sämtlich abgebildet unter Sig. 9.)
Eine Derſchmelzung beider Zeichen, des einfachen griechiſchen Kreuzes
und des Hakenkreuzes, gibt uns der Boden von der Biſchofsinſel bei Königs-
walde ). Soweit ich den Stoff überſehen kann, kommt diefe Kombination
nur dieſes eine Mal vor. Was fie bezweckt, wage ich nicht zu deuten (Abb 9).
In den öſterreichiſchen Ländern finden wir das Hakenkreuz auch an
verſchiedenen Fundſtellen. Ich erwähne Czaslau, Königgrätz und Rettlach.
Wir werden weiter unten ſehen, daß der Gebrauch, Bodenzeichen auf
den Gefäßen anzubringen, in den Gebieten weſtlich der Elbe nur von ver⸗
hältnismäßig kurzer Dauer war. Er ſcheint ſchon im dreizehnten Jahrhundert
ſeltener geworden zu ſein und verſchwindet im vierzehnten Jahrhundert
gänzlich. Ganz anders iſt der Entwicklungsgang in den zwar chriſtlich ge⸗
wordenen, aber politiſch frei gebliebenen Slavengebieten. Hier wird um jene
Zeit das Bodenzeichen in erſtaunlicher Menge und Verſchiedenheit angewandt.
Ein Zentrum für diefe Art ſpäter Bodenzeichen ift der hradek von Czaslau,
Sein Erforſcher, Prof. Cermäk, unterſcheidet drei Schichten. Die unterſte,
älteſte zeigt eine Keramik mit Anflangen an den Cauſitzer Typus. Darüber
folgt eine Schicht mit älterer Burgwallkeramik, alſo altwendiſch, etwa 500
bis 900. Dann kommt die jüngſte Schicht, welche durch Denare böhmiſcher
Fürſten bis in die Zeit von 1250 datiert ijt. In letzterer Schicht find eine
Unmenge verzierter Topfböden zutage gekommen. Cermäk bildet deren 74
verſchiedene ab (ſiehe nachſtehende Abb. 10 aus „Jubilejni Sbornik
Jee čáslav skych. Časlau 1904)*). Schon die Art ihrer Technik ift von
1) geg Urne von Gr. Walchin bei Stargard. Jeitſchr. f. Ethnol. 1882. S. 398.
2) Hahn, Die teram. Bedeutung des Sundes im hedwigsturm. Mitt. d. Geſchichts⸗
u. Altertumsvereins Ciegnitz. f. heft. S. 160.
3) Dirchow, Anwendung von Stempeln und über das zeichen des Kreuzes auf
alten Töpfen. Jeitſchr. f. Ethn. 1871. S. 27. Taf. VI. 1.
4) Cermäk, Jeitſchr. f. Ethnol. 1886. S. 659. — Ferner Jubilejní Sbornik pamatek
&äslavskych. Caslau. 1904. Taf. VI.
6*
84 M. Näbe. [14
der unſeren abweichend. Cermäf ſchreibt: „Einige der Zeichen waren in den
Gefäßboden eingedrückt, die meiſten eingeritzt. Nur einige ſind plaſtiſch und
angeklebt. Noch nirgends fand man jo viele und verſchiedene Zeichen, welche
gewiß das Dorhandenjein einer Töpferwerkſtätte bezeugen.“ Er vermutet,
daß die Zeichen den Zweck unſerer heutigen Schutz- und kaufmänniſchen
Warenmarken gehabt hätten. Ich möchte eher der Unſicht zuneigen, daß es
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Abb. 10. Bodenſtempel von hradek von Caslau.
ſich um Beſitzzeichen handelt. Wir dürfen ſomit in vielen der Zeichen Haus-
oder Familienmarken erkennen. Dafür ſpricht auch der Umſtand, daß, nach
Cermaf, die Zeichen vielfach nur eingeritzt find, allerdings wohl bereits
vor dem Brennen der Gefäße. Um als bloße Fabrikmarken gedeutet zu
werden, erſcheint mir die Zahl von 74 verſchiedenen Caslauer Zeichen als
zu groß.
Eine ähnliche Fülle von Zeichen lieferten Ausgrabungen in Röniggrätz.
Wocel erwähnt von dort 22 Bodenornamente, die er ins elfte Jahrhundert
15] Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.—14. nachchriſtl. Jahrh. 85
ſetzt!). Böhmen insbeſondere, wie auch das übrige Öjterreich, bis hinunter
zum Karit, find reich an Reramik mit Bodenzeichen. Nach Often können wir
dieſen Gebrauch bis nach Rußland verfolgen ).
Im 15. Jahrhundert ſcheint dieſe Sitte ſo gut wie allgemein erloſchen
zu ſein.
Aus dem bisher Betrachteten ergibt ſich folgendes:
Die weit verbreitete Anfidt, daß die Slaven die eigentlichen
Träger der mit Bodenſtempeln verſehenen frühmittelalterlichen
Keramik ſeien, iſt falſch. Es iſt ſicher, daß die Reramik reiner
Slavengebiete der Zeit von 500 bis 900 meiſt keine oder nur die
ſeltene Bodenverzierung durch kreisrunde Dertiefungen, er:
habene Kreisflächen oder konzentriſche Kreislinien verwendet,
die wohl als echt wendiſcher Kulturbeſitz anzuſehen find. Die Be-
trachtung der älteren ſlaviſchen Keramik zeigt uns deutlich ihren Charakter
als eine einheitliche, in ſich abgeſchloſſene nationale Kultur. Sie empfing
bis dahin nichts von den Deutſchen und wollte auch nichts empfangen, ebenſo⸗
wenig wie die deutſche Kultur von der jlavifchen. Die Abneigung und Der-
achtung, die zwiſchen beiden Völkern nach Zeugnis der zeitgenöſſiſchen Schrift⸗
ſteller beſtand, ſowie die wirtſchaftliche Sperre, welche ſeit Karl dem Großen
mit militäriſcher Macht aufrecht erhalten wurde, läßt eine gegenſeitige Be-
fruchtung auch ausgeſchloſſen erſcheinen. Erſt als um die Jahrtauſendwende
die ſlaviſchen weſtlichen Randvölker von den Deutſchen chriſtianiſiert und
unterworfen werden, tritt eine Beeinfluſſung der ſlaviſchen Keramik auch in
den frei gebliebenen Gebieten durch die vollkommenere weſtliche Töpferei
ein. In kurzem verbreiten fidh die Vorzüge der deutſchen Keramik, Hart-
brand, henkel, Stürze, blaugrauer Überzug über Oſteuropa. Stets ift die
deutſche Keramik die gebende, die wendiſche die empfangende. Der Gedanke
ift grotesk, daß in jenen Zeiten des Glaubenseifers und der Verachtung alles
heidniſchen der Deutſche von den Slaven das Radkreuz als früher hetdnifdycs
Sonnenſumbol übernommen hätte.
Die Sitte der Anbringung von Bodenzeichen in Geſtalt von
Kreuzen oder Radfreuzen ijt jedenfalls auf deutſchem Boden
entſtanden, und zwar in den Randgebieten, wo deutſches Chriſten⸗
tum und heidentum im Rampfe miteinander ſtanden. Das Gefäß
ſollte dadurch nicht etwa einen ſakralen Charakter erhalten. Die Anbringung
des chriſtlichen Heilszeichens auf Waffen und Geräten des täglichen Gebrauches
war eine ſehr allgemeine. Unter meinen Leipziger Metallfunden der Früh⸗
ES wocel, Sitzungsbericht d. K. R. Akad. d. Wiſſenſch. Wien. 1855. Bd. XII.
v. Sacken, Dasſelbe. Bd. XXIV. 1873. S. 616.
2) Juszkiewicz, Über Kurgane in Lithauen. Berlin 1868. Tafel X, XII. —
Grewink, heidniſche Gräber ruſſ. Lithauens. verh. d. eſtniſch. Geſellſch. zu Dorpat.
VI. (1870). S. 109—110, 193.
86 M. Nabe. Ip
zeit befindet fidh eine eiſerne Sichel, von der Form der ſogenannten Wenden-
ſicheln, die ebenfalls eine Marke in Kreuzform trägt. Solche Marken kenne
ich ferner von Eiſenſchwertern und Kupfergrapen. Pfau weiſt mit Recht auf
die Ahnlichkeit der Bodenkreuze mit den Ronſekrationskreuzen tomanifcher
Kapellen und Kirchen hin!). Das Pentagramm auf dem Nürnberger Gefäß⸗
boden ift ebenfalls als chriſtliches Hheilszeichen zu deuten. Dasſelbe Symbol
findet fih angebracht auf dem frühromaniſchen Portal der Kirche zu Knaut⸗
hain bei Leipzig. Es kann hier nur als heilszeichen oder Abwehrmittel ge-
dacht ſein. |
Wie will man es mit der Anſicht, daß unter dem Radfreuz das heid-
niſche Sonnenſymbol zu verſtehen fei, vereinbaren, daß fih in den Mauern
chriſtlicher Kirchen Töpfe mit dieſem Zeichen finden, und zwar nicht etwa
an verborgener Stelle, ſondern fo angebracht, daß ihre Bedeutung als Bau-
teile deutlich zu erkennen ift? Die Anbringung dieſes Heilzeichens auch auf
zu profanem Gebrauch beſtimmten Geräten entſpricht vollkommen der An-
ſchauung jener glaubenseifrigen Zeit. Wir haben nicht nötig anzunehmen,
daß die Gefäße zu irgendwelchen ſakralen Zwecken dienten. Dielleicht ſollten
die Zeichen auch mitbekunden, daß die Derfertiger der Gefäße Chriſten waren,
denn man war damals ängſtlich beſorgt, mit nichts heidniſchem in Berührung
zu kommen. Das Kreuzzeichen begleitete den Chriſten, wie ich ſchon oben
bewies, auch auf anderen Geräten des täglichen Gebrauches. Noch heute
ſchlägt der baueriſche Holzknecht in den Stumpf des gefällten Baumes dieſes
Zeichen ein!
Die Form, welche man für die Bodenzeichen nahm, war zunächſt das
einfache griechiſche Kreuz. Noch öfter wurde aber das im Kreis ſtehende
Radfreuz erwählt. Wie wir weiter oben ſahen, ergab ſich der Kreis von
ſelbſt, wenn man den in ein rundes Holzſtück geſchnittenen Kreuzſtempel in
den weichen Ton einpreßte. Man hat aber dann abſichtlich die Kreislinie
mit in den Stempel eingeſchnitten, um das Radfreuz hervorzubringen, das
den Deutſchen, wie vielen anderen Völkern, aus ihrer heidniſchen Vorzeit
geläufig war und bereits in der Frühzeit des Chriſtentums von dieſem als
Symbol: erwählt wurde. War es doch ein wohl berechneter Schachzug der
Kirche, die neue Lehre den Bekehrten dadurch annehmbar zu machen, daß
man manches früher heidniſche mit chriſtlicher Bedeutung verſah. Nicht
ſelten finden wir auch das Kreuz anſtatt in den Kreis, in ein Diered geſtellt.
Ein ſolcher Stempel war bedeutend leichter anzufertigen, wie denn über-
haupt die größere oder geringere Geſchicklichkeit wohl der Grund mancher
Bodenzeichenvariationen ijt. Zuweilen kommen Böden mit ſechs- oder adt-
ſpeichigen Rädern vor. Wir müſſen aber auch hierin Kreuzdarſtellungen er:
blicken. Willer ſchreibt darüber:?) „Wie ſchon im Heidentum wurde auch in
1) Pfau, Geſchichte der Töpferei in der Rochlitzer Gegend.
2) Wilſer, Das Hakenkreuz. Zeit 1917. Sis Derlag S. 6.
17) Die Bodenſtempel auf wend. u. frühd. Gefäßen d. 9.—14. nachchriſtl. Jahrh. 87
chriſtlicher Zeit außer dem vierarmigen das acht⸗ oder ſechsſtrahlige Kreuz
verwendet, ja dieſes letztere zum bevorzugten Wahrzeichen des Chriſtentums
erwählt, da es, wenn dem mittleren Stabe rechts oben ein ſeitlicher Bogen
angefügt wird, die beiden griechiſchen Buchſtaben X und P, den Anfang von
Chriſtus, enthält.“ Schwieriger iſt das Kreuz mit gefiederten Balken zu er⸗
klären, das uns in den alten Kulturgebieten Weſtſachſens, Bayerns und
Württembergs, hier auch einmal ohne Kreis, entgegentritt. Der Derſuch, in
der Dreiteilung der Balken einen Hinweis auf die Dreieinigkeit zu ſehen,
erſcheint wohl gewagt. Übrigens tritt uns dieſe Form ſchon in früher vor⸗
geſchichtlicher Zeit entgegen !). .
Im Derlauf des 12. und 13. Jahrhunderts wurden, wohl hauptſächlich
durch die Einflüſſe geiftlicher und ritterlicher Orden, die Kreuzfiguren weiter
verändert. Wir finden zuweilen Anfer-, Balken⸗ und Gabelkreuze. Es ift
wohl kein Zufall, daß uns Giele Bilder vor allem in den öſtlichen Landes-
teilen entgegentreten, in denen Ritterorden koloniſatoriſch tätig waren. In
Weſtſachſen und Süddeutſchland war um jene Zeit der Gebrauch ſchon im
Erlöſchen und die Chriſtianiſierung vollkommen durchgeführt.
Als Gegenſtück zu dem chriſtlichen Kreuz und ſeinen Spielarten finden
wir, wie ich ſchon oben ausführte, in den noch heidniſchen ſlaviſchen Gebieten
das Hakenkreuz als Bodenzeichen. Das hakenkreuz war ja ein uraltes,
nicht nur den Germanen in vorgeſchichtlicher Zeit, ſondern auch den meiſten
indogermaniſchen Völkern gemeinſames göttliches Symbol?). Es reicht bis
in die jüngere Steinzeit zurück, wie die Sunde vom Prieſterhügel bei Kron-
ſtadt und von Tordos beweiſen. Wir finden es auf nordiſchen Felszeichnungen
zuſammen mit Scheiben, konzentriſchen Kreiſen und Radkreuzen. Serner auf
Waffen und Schmuckſachen ſowie auf Goldmünzen mit Kunendarſtellungen.
Dieſelben Darſtellungen beſitzen wir noch aus den germaniſchen Brandgräber⸗
feldern der römiſchen Kailerzeit, des zweiten und dritten nachchriſtlichen Jahr-
hunderts. Damit ift alfo der Gebrauch, ſumboliſche Darſtellungen, wir dürfen
wohl ſagen Sonnenbilder auf Gefäßböden anzubringen, für die Germanen
bis in die erſte hälfte des erſten nachchriſtlichen Jahrtauſends ſichergeſtellt.
Das Urchriſtentum verwendete, wie Darſtellungen in den römiſchen Rata⸗
komben beweiſen, neben Kreuz und Radkreuz auch das Hakenkreuz als Symbol.
Wie Wilſer bemerkt“), verſchwand aber das Hakenkreuz früh wieder aus dem
chriſtlichen Sinnbilderſchatz und blieb den noch unbekehrten heidniſchen Völkern
vorbehalten. Das Chriſtentum wurde uns von Rom gebracht und mit ihm
Kreuz und Radkreuz, das heidniſche Hakenkreuz war feit den Stürmen der
Völkerwanderung aus Weſtdeutſchland verſchwunden. Die Slaven, welche
1) Wofinsty, Die inkruſtierte Keramik vim. Berlin 1904. T. CXII. Sig. 7.
2) Müller, Det sankaldte Hagekors’s Anvendetse og B:tydning i Oldtiden,
Kopenhagen 1877.
3) Wilſer, Das Hakenkreuz. Zeitz. Sis Verlag. S. 6.
88 M. Nabe. Die Bodenſtempel auf wendiſchen u. frühdeutſchen Gefäßen uſw. [18
auch zur großen indogermaniſchen Dölterfamilie gehören, werden das Haten-
kreuz ebenfalls beſeſſen haben. Leider find wir über die Kultur der Slaven
vor ihrem Eindringen in Deutſchland (etwa 500 n. Chr.) höchſt mangelhaft
unterrichtet. Wir werden aber nicht fehlgehen, wenn wir das zahlreiche
Auftreten des hakenkreuzſymboles in der Zeit der Kämpfe zwiſchen Chriſten⸗
tum und ſlaviſchem Heidentum als eine bewußte Betonung des alten Glaubens
gegen die neue Lehre auffaſſen.
Was uns ſonſt noch an Bodenzeichen im flaviſchen Often entgegentritt,
iſt ziemlich bedeutungslos und leicht zu erklären. Alle jene Zeichen, Haken,
Pfeile, Dreiſtrahl, Gitter, Ring ſind als haus- oder Geſchlechtsmarken der
Beſitzer oder Derfertiger zu erklären. Huch bis zur Unkenntlichkeit verball⸗
hornte Kreuz- und Hakenkreuzzeichen kommen vor. Die Sitte, die Gefäße
mit Beſitzzeichen zu verſehen, iſt im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert
beſonders in Böhmen wohl ſehr ſtark ausgeübt worden. Sie verſchwindet
im vierzehnten Jahrhundert. Die Erklärung für das Erlöſchen dieſes Ge⸗
brauches gibt folgende Betrachtung. Die frühere, rein handwerksmäßige Her-
ſtellung der Töpferwaren war im ausgehenden Mittelalter mehr und mehr
dem gewerblichen Großbetrieb gewichen. Damit war eine Entwertung des
gewöhnlichen Gebrauchsgeſchirrs hand in Hand gegangen. Wer je ſpät⸗
mittelalterliche Kulturſchichten unterſucht hat, kann fih die Derſchwendung,
die mit Tongefäßen getrieben wurde, nur durch deren Wohlfeilheit erklären.
kluf faſt wertloſen Sachen braucht man aber keine Eigentumsmarken! Dagegen
finden wir ſolche auf den koſtbaren Steinzeug- und Hafnerarbeiten, allerdings
nicht mehr als Bodenzeichen, ſondern SES als Wappen oder Signum an
bevorzugter Stelle angebracht.
Nachſchrift. Die kriegeriſchen Verhältniſſe geſtatteten es mir leider nicht,
die Urbeit ſo, wie urſprünglich geplant, auszugeſtalten. Die Abb. 7—9
ſollten als Tafeln erſcheinen und mit einem ausführlichen Nachweis der
Sunde verſehen werden. Die Papierknappheit machte dies unmöglich. Ich
kann ſomit nur hierdurch allen Fachgenoſſen und Sammlungen, die mich
durch Ungaben reichlich unterſtützt haben, meinen herzlichen Dank aus⸗
ſprechen. Ich füge die ergebene Bitte hinzu, mich auf unerwähnte Sunde
von Bodenzeichen auf ſlaviſcher und frühdeutſcher Ware aufmerkſam machen
zu wollen. , S. Max Nabe.
Die Urſache der ſtarken Sahnabnützung an
prähiſtoriſchen Schädeln.
Don Prof. Dr. Stik Netolitzky (Czernowitz).
Es iſt eine bekannte Erſcheinung, daß die Zähne an vielen prähiſtori⸗
ſchen Schädeln ſelbſt bei jugendlichen Individuen häufig ganz unverhältnis⸗
mäßig ſtark, ja ſelbſt bis auf die Wurzeln, abgekaut ſind. Dasſelbe kann man
an den Zähnen von Primitivvdlfern beobachten. Soweit ich ſehen kann, er⸗
klärt man dieſe Erſcheinung damit, daß die gelegentliche Derſchmutzung
der Nahrung mit Herdaſche, Erde und Sand diejes Abjchleifen bedingt habe.
Genauer und richtiger ſpricht ſich Prof. Dr. G. Elliot Smith) an-
läßlich der Unterſuchung der Zähne prädynaſtiſcher Naturmumien in Ober-
ägypten aus: „Im allgemeinen findet man, daß die Zähne der in den alten
Begräbnisſtätten beigeſetzten Leihen geſund find. Ihr vorzeitiger Durch⸗
bruch und ihre frühzeitige Abnützung find Tatſachen, die uns bei jeder der
alten Begräbnisſtätten, mit denen wir es zu tun hatten, auffielen. Allein
trotz dieſer großen Abnützung der Zähne gab es nur wenig Zahnerkrankungen
unter den Ungehörigen der älteren Bevölkerungen.“ |
„Die Nahrung diejer Leute findet fih oft in den Eingeweiden in einem
ſehr vollkommenen Zuſtande erhalten und ſcheint von ſehr derber Art ge-
weſen zu ſein; Gerſtenhülſen und beträchtliche Stücke harter Faſern ſind die
am leichteſten erkennbaren Beſtandteile für das freie Auge. Zu dieſer natür⸗
lichen Derbheit der Koft tritt noch die Tatſache hinzu, daß die von den alten
Nubiern genoſſene Nahrung eine gewiſſe Beimengung von Sand beſeſſen
haben muß. Dieſe Derhältnijje haben zu einer ganz außergewöhnlichen Ab-
nützung der Zähne geführt und wir haben beobachtet, daß die Milchzähne
1) The archaeolog. survey of Nubia 1907—1910. II. Vol.: Report on the human
remains. Cairo 1910. S. 279.
90 Fritz Netolitzky. D
junger Kinder bis zu einem viel größeren Ausmaße abgenüßt werden können,
als dies für gewöhnlich ſelbſt bei den dauernden Zähnen der erwachſenen
ziviliſierten Europäern vorkommt.“
Smith hat mit der Betonung der Gerſtenſpelzen als Urſache der
Zahnabnützung zweifellos das Richtige getroffen; aber nicht die „Derbheit“
an und für ſich iſt es, ſondern der normale und hohe Gehalt von Kiefel-
körpern in den Getreideſpelzen trägt die Hauptichuld an der fo großen
Abſchleifung der Zähne. Es wird dies ganz beſonders bei der Gerſte, den
beſpelzten Weizenarten, und den hirſeähnlichen Gramineenfrüchten
der Fall ſein, bei denen die Epidermiszellen der Spelzen (Schalen)
derart ſtark verfiefelt find, daß in der Oldie nach Behandlung mit Salz-
ſäure ganze Kiefelplatten unter dem Mikroſkop zu ſehen find.
Das Röſten und Anſengen der Zerealienfrüchte vor dem Eſſen als
urtümlichſte Zubereitung entfernt dieſe Getreidehüllen nicht; aber auch durch
Stampfen und Mahlen wird nur ein kleiner Teil entfernt. Selbſt unſer
höchſt entwickeltes Mühlengewerbe läßt noch Spuren in das Mehl übertreten.
So läſtig die unveränderten Spelzen von uns beim Eſſen empfunden
würden, jo unmerklich Jind fie nach der Röſtung des Kornes, wovon man
ſich ſelbſt leicht durch Kauen einer Malzkaffeeprobe überzeugen kann, die aus
geröſteten und gekeimten, ſonſt aber unveränderten, mit allen hüllen ver⸗
ſehenen Gerſtenfrüchten beſteht.
Ich ſelbſt habe durch Prof. E. Smith eine große Zahl von Proben
von den Inhaltsmaſſen der Eingeweide gerade jener Mumien aus dem
Niltale erhalten, die oben erwähnt wurden. Meine mikroſkopiſche Unter⸗
ſuchung )) ergab, daß es fih um das ganz regelmäßige Vorkommen von
Gerſten- und Weizenſpelzen (oft in ſehr großer Menge) handelt. Daneben
ſpielen aber noch die gleichfalls kieſelreichen Spelzen von Hirje und ein
kieſelreiches Blatt (Trichodesma) eine Rolle. Aber auch die vorhandenen
Wurzelknollen von Cyperus esculentus beſitzen eine Rieſelſchichte, die
allerdings gegenüber der unvermeidlichen Derunreinigung mit Sand und
Erde als abſchleifende Urſache zurücktreten mag. Jedenfalls müſſen
dieſe regelmäßigen Beſtandteile der Nahrung wegen ihres Kiefel-
gehaltes ſicherlich abſchleifend und polierend auf die Zähne gewirkt haben.
Daß ein Sandgehalt diefe bſchleifungen noch nebenbei begünſtigt, iſt ſelbſt⸗
verſtändlich. In der Tat fehlen dieſen Nahrungsmittelreſten niemals größere
Mengen von Sand, der aber wohl ausſchließlich bei dem ſchadhaften Juſtande
der Ceichen, die ganz im Sande SES nachträglich in die ee ein⸗
gedrungen iſt.
vielleicht könnten dieſe Maſſen von Getreideſpelzen als Zufälligfeit
4) Birje und Cyperus, Aus dem präbiftor. Ägypten. (Beihefte z. bot Zentralbl.
1912. Abt. II.)
3] Die Urſache der ſtarken Jahnabnützung an prähiſtoriſchen Schädeln. 91
aufgefaßt werden, die eben nur das Zeichen allereinfachſter Getreidenahrung
wären. Demgegenüber möchte ich betonen, daß ich ganz gleichartige Reſte von
Nahrungsmitteln aus dem prähiſtoriſchen Salzbergwerk von Hallein!) und
von Hallſtatt unterſucht habe, die zweifellos nichts anderes find, als durch
das Salz wunderbar erhaltener Rot der prähiſtoriſchen Bergleute. Auch
deren Zähne ſind ſtark abgekaut (Kyrle, Jahrb. f. Altertumskunde. Bd. VII.
1913. 18. 29). `
Wenn wir alfo Schädel mit Wort abgeſchliffenen Zähnen finden, fo
werden wir annehmen können, daß es fih um ſolche Menſchen gehandelt,
deren Hauptnahrung nicht aus tieriſchen, ſondern aus pflanzlichen
Stoffen beſtand, und zwar in erſter Linie aus nicht genügend ent⸗
ſpelzten Getreidefrüchten. Wenn man diefe Beobachtung und Schluß⸗
. folgerung in kritiſcher Weiſe an größerem Materiale verwertet, dürften Hin-
. weije auf die Lebensführung in prähiſtoriſchen Zeiten gewonnen werden
können. ö
1) Netolitzku, hirſe aus antiken Funden. Sigungsber. d. kaiſ. Akad. d. Wiſſenſch.
Bd. CXXIII. Abt. 1. 1914.
Der Goldfund von hammersdorf!).
Don §. €. Peifer.
Koflinna hat in Mannus IX S. 97 ff. über goldene Halsringe gehandelt,
welche nach ihm zweifellos ſkandinaviſcher, genauer ſchwediſcher Herkunft find
und nach Montelius in das 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. fallen. Er zieht
es vor, die ſämtlichen Ringe in das 6. Jahrhundert zu ſetzen, gibt eine Teilung
in zwei Arten, welche durch eine Übergangsart verbunden find und fügt
ein Verzeichnis der ihm bekannten Stücke an. hierdurch hat er für jede
weitere Bearbeitung eine ſichere Grundlage geſchaffen.
Zu ſeinem Verzeichnis kann ich nun zwei neue Stücke hinzufügen, nämlich
zwei Halsringe aus dem ſchönen Sunde bei Hammersdorf, Kr. Heiligenbeil,
nahe bei Braunsberg. l
Dieſe Ringe (1) find im Jahre 1917 an das tgl. Muſeum für Dölter-
kunde in Berlin verkauft worden. Sie gehörten aber zu einer Beſtattung,
welcher teils ſicher, teils wahrſcheinlich noch mehrere andere Stücke ent⸗
ſtammen, von denen einige ſchon in alter Jett, die anderen im Jahre 1917
in das Pruſſia⸗Muſeum in Königsberg gekommen find:
(2) Zwei Stücke einer großen, ſtarken, ſilbernen, teilweiſe vergoldeten
Schale mit bildlichen Darſtellungen und großen Perlen als Randverzierung.
(3) Mehrere Stücke einer dünneren ſilbernen Schale, ebenfalls mit
Perlrand.
+) Eine ausführliche Bearbeitung dieſes Sundes habe ich vorzubereiten begonnen,
wobei ich aber durch ein langwieriges Augenleiden ſehr behindert war und noch bin.
Jetzt, ſeit mehreren Wochen in Bad Salzſchlirf, wo ich mich von einer ſchweren Gicht zu
befreien ſuche, bin ich von allen wiſſenſchaftlichen Hilfsmitteln abgeſchnitten und ſtelle
dieſe vorläufige Mitteilung auf Grund einiger Notizen her, welche ich glücklicherweiſe mit
mir genommen hatte. So kann ich fie als beſcheidenen Beitrag zu der Feſtſchrift liefern,
welche den fo hochverdienten Herausgeber des Mannus zu ſeinem 60. Geburtstage
ehren ſoll. ö
2] Der Goldfund von Hammersdorf. 93
Zu 2 und 3 ſiehe Hirjchfeld in PB XI 77, Drexel in Bonner Jahrbüchern,
Heft 118 (Bonn 1909), S. 192/193 und paffim, ferner Ard. Jahrb. XXX.
S. 205 (Drexel konnte dort das kleinere Stück von 2, welches Hirjchfeld noch
nicht kannte, nach einer Photographie des Pruſſia⸗Muſeums veröffentlichen.),
Jahn in amtl. Berichte aus den fal. Kunftfammlungen Jahrg. XX XVIII.
Nr. 11. Sp. 276.
Das kleinere Stück von Nr. 2 iſt erſt lange Jahre nach dem größeren
aus Privatbeſitz in die hand der Pruſſia gekommen. Die Berichte über den
Fund von 2 und 3 ſind nicht genau und nicht ganz zuverläſſig. Die Fund⸗
ſtelle, einige 100 m von der anzunehmenden Beſtattung entfernt, iſt ziemlich
ſicher angegeben. An dieſer kann es ſich aber nur um ſekundäre Lagerung
handeln !). Darüber unten mehr.
(4) Eine Goldfibel mit Sehnenkonſtruktion, großer halbrunder Ropf⸗
Platte und (verloren gegangenem) Nadelhalter. Auf der Kopfplatte vier
Drachen, wie bei der Sibel von Szilagyi⸗Szomlyo f. Hampel, Ung. Altert.
Bd. III. Taf. 21 links, danach Salin, Tierornamentik S. 18, Sig. 28. Die Sibel,
deren Fußende etwa dem der Fibel bei hampel a a. O. Tafel 20 1 u. 2 ent⸗
ſpricht, nur daß die zwei oberen Seitenlinien merklich, die zwei unteren ganz
unweſentlich eingebogen ſind, iſt reich verziert durch Filigran in Schlangen⸗
linien, Perldraht, Kügelchen und in RKaſſetten eingelegte Halbedelſteine und
Bernſteinplättchen. Zu der Sibel gehörte das Stück einer goldenen Kette, die
zwar abgeriſſen iſt, deren karabinerartige Befeſtigung aber links neben der.
kleinen Sehne an der Adhfe der Sibel noch in der urſprünglichen Cage hängt.
(5) Ein Goldmedaillon des Konftantius II.
(6) Eine Goldberlocke. (Eine zweite, die genau der erſten gleich ge⸗
weſen ſein ſoll, iſt von einem Braunsberger Goldarbeiter eingeſchmolzen
worden.) l
Der Sund 1 ift beim Eggen eines Landjtiides gemacht worden, auf
welches Erde von einem daranſtoßenden Hügel, der abgetragen wurde, ver:
bracht worden iff.
Der Fund 4 foll aus einem ehemaligen Waſſerloch desſelben Stückes
ſtammen, das durch Erde von dieſem Hügel aufgefüllt wurde.
Fund 5 ift von einem Jungen auf einem etwa einem Kilometer ent:
fernten Stück oberflächlich liegend beim hüten gefunden worden; dort ſcheint
er nach Ausfagen von einem der Leute verloren zu fein, die fih eines Teiles
der Funde bemächtigt hatten.
Fund 6 ift auf demſelben Stück wie 1 gefunden worden.
1) Dieſe, ſowie weitere Angaben verdanke ich herrn Dr. Behn, der die Sunditellen
im Auftrage der Pruſſia unterſuchte, ſoweit es die ſpäte Jahreszeit, Ende 1917, ges
ſtattete. , |
94 8. E. Peifer. [3
Aus den Angaben 3u 1, 4, 5, 6 ergibt fih, dak es fih um eine Be-
ſtattung handeln wird, welche auf dem in feinem höchſten Teil jetzt ab-
getragenen Hügel angelegt worden war. Dieſer Hügel liegt hart an der
Chauſſee Braunsberg⸗heiligenbeil und war, wie jetzt noch zu erkennen ift,
beim Chauſſeebau in den dreißiger Jahren durchſchnitten worden.
Die Angaben der Arbeiter laffen ſchließen, daß fih in dem oberen Teil
des Hügels verbrannte Knochen und ein von den Arbeitern zerſchlagenes
Beigefäß befunden haben. In der Nähe der Stelle ſteht noch ein größerer
Stein, der von oben herabgerollt ſein kann. Danach vermute ich, daß es
ſich um ein Knochenhäufchen handelte, auf welchem und um welches Bei⸗
gaben lagen, während die ganze Beſtattung mit Steinen umſtellt war, eine
Anlage, welche für Zeit und Gegend tupiſch ift.
Dieſe Beſtattung wurde nun wahrſcheinlich in den dreißiger Jahren
bei dem Chauſſeebau zur Hälfte abgeſchnitten. In dieſem Teil fanden bei
dem Bau beſchäftigte Arbeiter nach meiner Vermutung die Silberfchalen,
während der Reft der Beſtattung, von der wohl nur einige verbrannte Knochen
zu ſehen waren, während die anderen Gegenſtände in der unberührten Erde
nicht zum Vorſchein kamen, ungeſtört liegen blieb. Die Schalen ſind dann
augenſcheinlich durch Jerſchneiden verteilt worden; die anderen Anteile
werden wohl eingeſchmolzen oder ſonſt verwertet worden ſein; nur die
noch vorhandenen Rejte (2 und 3) find von ihrem neuen Eigentümer
einige hundert Meter von der Sundftelle entfernt in der Erde verborgen
worden. Dort blieben ſie, bis ſie in den ſiebziger Jahren wieder auf⸗
gepflügt worden ſind.
Nach den vorſtehenden Ausführungen wird es alfo als möglich on: `
genommen werden dürfen, daß 1—6 zu einer geſchloſſenen Beſtattung ge:
hören. Unter dieſer Dorausjegung fehe ich in dem Geſamtfund die Habe
einer fürſtlichen Frau. Ob eine andere, männliche Beſtattung bei dem
Chaujjeebau zerſtört worden ijt, läßt fih nicht mehr feſtſtellen.
Dieſe habe ſetzt ſich nun aus Stücken zuſammen, welche ſowohl eine
Verbindung mit dem nordiſchen Kreis, wie eine ſolche mit dem ſüdlichen
reſp. ſüdöſtlichen, ergeben; und zwar iſt 1 nordiſchen Urſprunges, während
die anderen Gegenſtände nach Süden weiſen.
Die Ringe kenne ich vorläufig nur nach ſchlechten Photographien; trotz⸗
dem wage ich die Vermutung, daß fie den Typus bieten, welchen Koffinna
in feiner lehrreichen Arbeit als Übergangsart bezeichnet. Genauere Unter:
ſuchung der Stücke wird ergeben müſſen, ob dies richtig iſt, oder ob ſie noch
zur älteren Art zu rechnen ſind (ſiehe am Schluß).
Die Schalenreſte werden von Jahn, der zuletzt darüber gehandelt hat,
ins 5.—6. Jahrhundert geſetzt; ſie weiſen auf eine Herkunft aus einem ſüd⸗
öſtlichen Kulturkreis. :
4] Der Goldfund von hammersdorf. 95
Die Sibel, welche im weſentlichen der von Szylagyi Szomlyo entſpricht,
vielleicht etwas älter ſein dürfte, zeigt als beſondere Eigentümlichkeit, daß
die Steine regelmäßig angeordnet ſind. Dies, wie die ganze Ausführung
ſpricht für ihre Erzeugung durch Angehörige des römiſchen Kunjthandwerfs.
Sie muß zeitlich zwiſchen die Fibeln von Sakrau und die Childerichfibel fallen
und dürfte wohl nahe an letztere gerückt werden; deshalb nehme ich als Zeit
ihrer Herſtellung etwa die Mitte des 5. Jahrhunderts.
Das Medaillon dürfte aus der ſpäteren Regierungszeit des Konſtantinus II.
ſtammen, alſo zwiſchen 350 und 361 geprägt jein. Die Köpfe, und nur dieſe,
der Figuren auf der Rüdleite find ſtark abgerieben; es ift alfo lange getragen
worden, aber fo, daß nur die am ſtärkſten hervortretenden Teile gelitten haben.
Es iſt mit einer Oſe verſehen worden, wie entſprechende aus den ſchwediſchen
und ungariſchen Funden bekannt find. Um die fe anzubringen, iſt ſein
Oberteil durch hämmern verbreitert worden, wobei zwei Buchſtaben fort⸗
gedrückt worden ſind.
Die Berlode zeigt Ahnlichkeit in der Verzierung ſowohl mit der Oſe
des Medaillons, wie mit der Sibel. 4—6 weiſen auf das gleiche Milieu, und,
ſoweit es ſich um die Oſe von 5 handelt, auf die gleiche Zeit. Ich nehme an,
daß das Medaillon urſprünglich in einer reichen Faſſung geſeſſen hatte und
erft ſpäter, nach Derluft derſelben, mit der Ofe verſehen worden ift. Daraus
dürfte es ſich dann auch erklären, daß von der Abnutzung nur die Röpfe der
Figuren betroffen worden find. Da zu der Fibel eine Kette gehörte, welche
nach der Art ihrer Befeſtigung auf ein am anderen Ende der Rette befind⸗
liches Gegenſtück hinweiſt, iſt weiter anzunehmen, daß eine zweite Fibel
verloren gegangen iſt. Dieſe könnte entweder bei der ſicher ſtürmiſchen In⸗
beſitznahme durch die Arbeiter verloren gegangen ſein; dann iſt es nicht
ausgeſchloſſen, daß eine Unterſuchung der abgefahrenen Sande im Herbſt fie
noch zutage bringen wird; oder fie ift noch im Beſitz eines Hrbeiters, der fie
verheimlicht — wenn fie nicht etwa gar ſchon eingeſchmolzen fein jollte.
Auf der Kette waren wohl die beiden Berlocken und das Medaillon auf-
gereiht, ſo daß das Ganze einen ſtattlichen Schulter- und Bruſtſchmuck
bildete.
Der Schmuck, 8 alfo in oder etwas nach der Mitte des 5. Jahr-
hunderts, d. h. in der Zeit, wo Goten nach Pannonien übertraten, dort
hergeſtellt ſein wird, kam von dort nach der Oſtſee, wohl mit rückwandernden
Goten oder ihnen angeſchloſſenen Stammiplittern. Um 500 dürfte dann die
Beſtattung erfolgt ſein, wobei ein gewiſſer Spielraum natürlich gelaſſen
werden muß. Die Halsringe ſind demgemäß auch in die letzten Jahre des
5. Jahrhunderts oder in die erſte Hälfte des 6. Jahrhunderts zu ſetzen, wobei
die Wahrſcheinlichkeit mehr für deſſen Anfangsjahre ſpricht.
96 S. E. Peifer. Der Goldfund von hammersdorf. [5
[Norretturzufak: Nachdem ich auf der Rückfahrt nach Königsberg Ge-
legenheit hatte, die Ringe im Berliner Muſeum für Völkerkunde zu ſehen,
kann ich jetzt angeben, daß fie zur erſten Art Roſſinnas gehören und inner-
halb derſelben als älteſte Stücke angeſehen werden dürften. Die Verzierungen
ſind mit Stempeln eingeſchlagen, durch welche Kreiſe und Kreisabſchnitte er⸗
zeugt waren, die aus mehreren konzentriſchen Cinien gebildet werden, ferner
Dreiecke, welche ein feines gitterförmiges Muſter zeigen. Koſſinnas neue
Datierung im Anſchluß an Brenner wird damit durch unſeren Fund vor⸗
trefflich beftätigt. ]
Sur Chronologie der niederrheiniſchen
Hallſtattgräber.
Don E. Rademacher.
Unter dem Titel „Das Gräberfeld von de Hamert von Dr. Holwerda”
hat letzterer eine Schrift erſcheinen laſſen, die in eigentümlicher Weiſe Gutes
und Falſches vereint. Die ausgeführten Gedanken ſind durchaus nicht neu.
Holwerda und feine Freunde, beſonders Evelein, haben fie in den Mitteilungen
des Reichsmuſeums zu Leiden (ſiehe Oudheidkundige Mededeelingeir Bd. IV.
1910. S. 36) und an anderen Orten mehrfach gebracht. Es erſcheint uns an
der Zeit, auf gewiſſe Unſicherheiten hinzuweiſen, da zwar nicht der Sadh-
mann, wohl aber der Laie gegen die Beſtrebungen unſerer prähiſtoriſchen
Forſchungen durch fie mißtrauiſch gemacht werden könnte.
Es handelt fih in oben erwähnter Schrift um die Aufdeckung und Er-
forſchung eines kleinen Grabhügelfeldes von etwa 100 Hügeln bei De Hamert,
nicht weit von Kevelaer, hart jenſeits der deutſchen Grenze. Der Beſitzer,
Herr Rittergutsbeſitzer Artur Mauritz, hat in dankenswerteſter Weile die
Unterſuchung ermöglicht und die Funde der Wiſſenſchaft erhalten. Dr. Hol⸗
werda hat in muſtergültiger Art die Aufdedung ausgeführt. Es wäre ſehr
zu wünſchen, daß überall bei vorgeſchichtlichen Unterſuchungen mit ſolcher
Großzügigkeit und Sorgfalt, unter Weier Feſtlegung durch die Photographie
gearbeitet würde. Allerdings gehört dazu viel Zeit und Geld.
Holwerda ermittelte die Anlage der Grabhügel mit ihren Ringgräben,
einige alte Wege und Nebenanlagen, von denen er hervorragend gelungene
Photographien bringt.
Die Grabhügel ergaben etwa in der Mitte eine Urne, ein Tongefäß,
das die verbrannten Knochenreſte des Toten barg. Um die Jeitſtellung und
völkiſche Zugehörigkeit dieſer Gefäße dreht ſich nun der größte Teil der
Ausführungen holwerdas.
Mannus, BD. X. H. 1 u. 2. 7
98 E. Rademacher. [2
Das Kölner Prähiſtoriſche Muſeum hat gerade auf dem Gebiete der
rheiniſchen Hügelfelder umfangreiche Arbeiten hinter fih und beſitzt neben
den einzig daſtehenden Sammlungen aus den ſpeziell rheiniſchen Feldern
auch große Serien aus dem niederrheiniſchen Gebiet an der holländiſchen
Grenze. Infolgedeſſen ſind uns auch in praktiſcher Beziehung die Pen
dieſer Gegend durchaus nicht fremd.
Herr Holwerda geht in folgender Weiſe vor: Aus einer Schrift , Chrono-
logie der niederrheiniſchen Hallſtattzeit im Gebiete zwiſchen Sieg- und Wupper⸗
mündung von C. Kademacher“, erſchienen 1912 im Mannus, in der für
unſere Gegend eine Folge von 4 Stufen der frühen Eiſenzeit nachgewieſen
worden iit, nimmt er durch Vergleich mit den Funden von de Hamert für die
letzteren Datierungen. Dieſe trägt er in eine Karte ein und findet das Er⸗
gebnis ſinnlos. Folglich ſind, jo ſchließt Holwerda, die Datierungen der
Schrift falſch, das ganze Suſtem ebenſo, und damit die zeitlichen Unſätze für
die ſämtlichen rheiniſchen Hiigelfelder ſeiner Anſicht nach um 600 Jahre zu
früh. Nachdem er jo die Ergebniſſe der Sieg-Wupper-Ausgrabungen ab-
getan, trennt er ſelbſt die Sunde von de Hamert in zwei Klaſſen, eine mit
glatten Gefäßen und eine mit rauhen, durch Fingernageleindrücke verzierten.
Die erſteren erklärt er für hallſtättiſch beeinflußte gallogermaniſche, die letzteren
für germaniſche Sunde. Die Jeitſtellung wird durch eine Reihe von Beob⸗
achtungen in die Jeit um Chriſti Geburt und das erſte Jahrhundert n. Chr.
angeſetzt.
Dieſe Behauptungen mögen uns an dieſer Stelle beſchäftigen; eine
eingehendere Erledigung der ganzen Frage wird vorbehalten. Zunächſt ver⸗
dient die Art und Weiſe der Diskreditierung der prähiſtoriſchen Forſchung und
ihre Methode ernſthafteſten Widerſpruch.
Herr Holwerda wirft nämlich den deutſchen Prähiſtorikern vor, daß
kritiklos einer die Behauptungen des anderen übernehme. Er macht es anders,
indem er keinem glaubt und dabei überſehen dürfte, daß doch auf dieſem
Gebiete Erfahrungen gemacht worden ſind, die nicht hinter den ſeinigen
zurückſtehen.
Dann tadelt er, daß die deutſchen Forſcher Sorſchungsergebniſſe von
einer Gegend in die andere verpflanzen, wohin ſie gar nicht gehören können.
Und wiederum zieht er ſelbſt aus ſeinen in holland gemachten Beobachtungen
den Schluß, daß die Hügelfelder in den ſüdlich gelegenen Gebieten bei Köln
falſch datiert worden ſind. Die Ergebniſſe langjähriger Unterſuchungen auf
dem Gebiete zwiſchen Sieg- und Wuppermündung verpflanzt er ohne weiteres
nach Holland, und wenn ſie da nichts Paſſendes zu ergeben ſcheinen, dann
ſind ſie nach ſeiner Meinung falſch. Unſere Meinung aber iſt, daß herr
Holwerda fih dabei des von ihm ſelbſt gerügten Fehlers in ausgeprägteſtem
Maße ſchuldig macht. .
Im übrigen find herrn Holwerda die rheiniſchen (Kölner) Sunde fait
3] Zur Chronologie der niederrheiniſchen hallſtattgräber. 99
ſo gut wie unbekannt. Die ſchon erwähnte Schrift über die Chronologie
der Hallſtattzeit zwiſchen Sieg und Wupper hat eine Reihe von Tafeln.
Aus den dort abgebildeten Urnen hat er Analogien zu den Sunden von de
Hamert herausgeſucht. Don dieſen Analogien ſtimmt keine einzige aus den
früheren Hallſtattſtufen, die aus der letzten Stufe dagegen beffer. Wenn
Herr Holwerda fih die Mühe gegeben hätte, die Sammlungen des Kölner
Muſeums zu beſuchen, die die größte und wichtigſte für dieſe hügelgrabkeramik
ijt, dann hätte er nicht 3. B. einen rohen, ſchlechten, dickwandigen, ziemlich
formloſen grauen Napf mit einem eleganten, ſehr dünnwandigen, fein profi⸗
lierten, durch ein Rillenſyſtem verzierten und mit roter und ſchwarzer Sarbe
bemalten Gefäße verglichen, nur weil die Umriſſe eine ſehr entfernte Abn-
lichkeit zu haben ſcheinen (Hügel 61, Holwerda, mit Tafel XX, 9, Rade-
macher). |
Auf die einzelnen Vergleichspunkte einzugehen, ift überflüſſig. Sicher
ijt jedenfalls, daß neben mancherlei fremden Beftandteilen eine deutliche
Derwandtichaft der Reramik von de Hamert mit der ſpäteren hallſtatt⸗
ware der Rölner Gegend (Stufe 3 und hauptſächlich 4) vorhanden iſt.
Die Brücke und zugleich Erklärung dazu geben die Sunde im Gebiete von
Duisburg. Don großer Wichtigkeit wäre ein Ende eines Armringes, das
Holwerda mit einem Stück der Kölner Gegend aus der letzten Hallftattitufe
vergleicht. Der leider minderwertigen Abbildung nach ſcheint es ſich vielmehr
um einen ſogenannten Pufferarmring zu handeln, der mit Sicherheit der
ſpäteſten Hallſtattzeit oder früheſten Latenezeit, das ift etwa dem 5. Jahr-
hundert, zuzuweiſen wäre. Ein derartiges Stück (Halsring) befindet ſich im
Kölner Muſeum ſamt der dazugehörigen Urne aus dem Reichswald an der
holländiſchen Grenze, ein weiterer Halsring aus dem Gräberfeld Hardt bei
München⸗Gladbach (Ausgrabung C. Rademacher) in Berlin. Die Urne aus
dem Reichswalde paßt zu denen von de Hamert völlig.
Nach unſerer Anſicht gehört das Grabfeld de Hamert etwa in die Mitte
des erſten Jahrtauſends v. Chr. Die Erbauer ſind keltiſchen Stammes, aber
beeinflußt durch ſüdliche (rheiniſche) Einwirkungen dus der (liguriſchen) Hall-
ſtattkultur, was ſich auch an einzelnen Urnen deutlich offenbart.
Die Zeitanſetzung von Holwerda verdient auch genauer betrachtet zu
werden. Wieder ſtellt er die alte Behauptung auf, daß diefe Hallſtatt⸗-hügel⸗
gräber bis in die Römerzeit hineingehen follen. Als Beweis werden an=
geführt: Dor 20 Jahren durchwühlten die Bauern ein Hiigelfeld bei Weert,
50 km von de Hamert. Die Reſte der Sunde kamen nach Leiden. Darunter
befinden ſich mehrere Sibeln frührömiſcher Zeit. Wo dieſe Sibeln gelegen
haben, iſt unbekannt. Daß derartige Funde keine Beweiskraft haben, iſt
klar; denn nach dieſem Verfahren könnten wir z. B. in Wahn (Siegkreis)
ein großes Hallſtattgrabfeld in die Steinzeit, Bronzezeit, germaniſche Latène⸗
zeit, frühe und ſpäte römiſche Kaiſerzeit ſetzen. Dann ſollen in Deurne und
' 7*
SES ET
100 E. Rademacher. [4
Pofterholt und Hoog-Soeren Hallitatturnen mit römiſchen Sibelfragmenten
und einer ganzen Sibel gefunden fein. Ob diefe Urnen wirklich diefelben
wie de Hamert find? Serner: Im römiſchen Grabfeld von Gouf follen in
geſchloſſenen Funden aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. tupiſche Hallſtatt⸗
formen, mit abgeſetztem koniſchen Dalle — ganz die ſüddeutſche Art —
(Chronologie der Hallſtattzeit C: Rademacher XXI, Sig. 1) vorgekommen fein.
Das iſt durchaus ausgeſchloſſen. Es widerſpricht ſo vollkommen allen bis⸗
herigen Ergebniſſen aus gut erforſchten Gebieten, daß es mit Sicherheit als
Irrtum angeſehen werden kann. Möglich wäre, daß hier eine Derwedjelung
vorliegt mit germaniſchen Formen, bei denen gerade im 1. Jahrhundert
n. Chr. dieſer koniſche Hals wieder auftritt. Nach geſchichtlichen Jeugniſſen
haben wir auch im 1. Jahrhundert n. Chr. in den fraglichen Gegenden ſicher
Germanen. In welcher Weiſe „Grabfunde“ ſich übrigens „zuſammenfinden“,
zeigt ſehr lehrreicherweiſe folgendes: Im Düſſeldorfer Hiftoriichen Mufeum
war früher ein Grabfund aus der Umgebung ausgeſtellt, der neben ſpät⸗
römiſchen Gefäßen ein ſchleſiſches, ſpät bronzezeitliches Gefäß enthielt. Auch
im Crefelder Muſeum gibt es einen derartigen Fund, deffen Fundumſtände
allerdings ebenſowenig ſicher ſind. Die Erklärung für manches Derartige
geben Vorfälle auf den Kölner Hügelfeldern. Bei den Ausgrabungen von
Wahn brachte uns ein Ausgräber Urnen mit dabei gefundenen römiſchen
Terra sigillata⸗Scherben aus Hügeln. Nachher ſtellte fih bei ſyſtematiſcher
Durchgrabung des Gebietes heraus, daß über das Hügelfeld fih ein germani-
ſcher Begräbnisplatz aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. mit ſehr vielen
muldenförmig in den Boden eingeſchnittenen Flachgräbern hinzog. Don dieſen
Brandgruben lagen nun einige auch auf den Hügeln, und jo waren die
römiſchen Scherben in die unmittelbare Nähe der Hallſtatturnen gekommen.
So oder ähnlich werden fih wohl noch manche derartige Vorkommniſſe er-
klären. Jedenfalls kann von einem hineinreichen der früheiſenzeitlichen
Hügelgräber in die Römerzeit keine Rede fein; wohl aber ijt ihre frühe An-
ſetzung richtig. Das geht auf das Deutlichſte aus Pärallelen mit ſüdlicheren
Gebieten hervor. Erinnert fei nur an die mit den Hallſtatt 1 (Dillanova)
Typen beginnende, durch die frühen Leierfibeln belegte Derwendung des
Eiſens; dann die Entwicklung unſerer (Köln und nördlich) Hallſtatt⸗A⸗-Kultur
zur 1. Catèneſtufe, die im Trierer Muſeum abſolut einwandfrei zu ſtudieren
ift. Vielleicht wird ja allerdings herr Holwerda auch die Datierung dieſer
1. Lateèneſtufe trotz der griechiſchen Gefäße, Bronzeſtücke und Münzen zu
früh finden. Herr Holwerda vermißt beſonders einen Beweis für die zeit⸗
liche Folge der vier Stufen. Zwar ergibt fie fidh auch genetiſch von ſelbſt,
aber der Beweis ſei hier angedeutet: Die vier Stufen liegen auf mehreren
langgeſtreckten Feldern der Reihe nach nebeneinander, fo 3. B. Altenrath,
Siegburg, Iddelsfeld und Hardt. Das war 1912 uns noch nicht in dieſem
Maße jo bekannt. Auf mehreren Feldern iſt eine der Stufen theoretiſch ge—
5] Zur Chronologie der niederrheiniſchen Hallſtattgräber. 101
funden worden, z. B. Iddelsfeld. Dier lag 2, 3, 4 hintereinander, und beim
Nachſuchen fand ſich an der angegebenen Stelle in kaum erkennbaren Hügeln
die 1. Stufe.
Der wichtigſte Beweis aber für die frühe Unſetzung der Hallſtatthügel⸗
felder ift die Auffindung der ſpäteren Kulturen. Und das iſt jetzt für die
Kölner Gegend jo ziemlich gelungen. Germaniſches Srühlatene, Spätlatene,
frühe, mittlere und [pate römiſche Kaiferzeit find im Kölner Muſeum 3u-
ſammengetragen und beweiſen mit ihrer durch viele Jahrhunderte langen
Entwicklung aufs klarſte das größere Alter der Hallſtatthügel.
Wenn Holwerda in den römiſchen Kaftellen zu Dechten und Arents-
burg Scherben vom Typus derer von de Hamert gefunden haben, will, fo
möchten wir das noch nicht fo ohne weiteres annehmen. Eine ähnliche rohe
Keramik mit Singernageleindriiden mag ja wohl vorkommen, aber Derartiges
gibt es mehr. Ein Teil der Ware von de Hamert ift übrigens derart roh und
ſchlecht, daß fte mit jeder ſchlechten Keramik Ahnlichkeit haben kann; und
aus der Fingernagelverzierung laſſen ſich keine Schlüſſe ziehen, da ſie zu allen
Zeiten vorkommt. b
Zu welchen Folgen eine derartige unſichere Chronologie führt, zeigt
ſehr draſtiſch eine Veröffentlichung von Dr. Evelein über das Urnenfeld von
Riedhofen in Mededeelingen Bd. IV. 1910. S. 31—42. Auch hier iſt Herr
Holwerda für die Chronologie verantwortlich, da fih Evelein ihm gänzlich
angeſchloſſen hat. |
Das Grabhügelfeld Riedhofen ift ein fleines Seld mit Hügeln ähnlicher
Anlage wie de Hamert. Die Sunde unterſcheiden fih allerdings ziemlich.
Zwar gibt es auch hier zwei Arten, eine glatte, polierte Art von Gefäßen,
die gallogermaniſch, eine andere, rauhe, mit Fingernageleindrücken verzierte,
die germaniſch fein ſoll. Außerdem gibt es aber auch noch anderes, 3. B.
einen Steinhammer, der ſteinzeitlich ſein ſoll, aber in eine Urne gehört;
ferner viele Bronzen, Nadeln, die bronzezeitlich ſein ſollen. Das ganze gehört
nach folgender chronologiſcher Unterſuchung in das 1. Jahrhundert n. Chr.:
Urne 21 Riedhofen ift derſelbe Typus wie ein Gefäß aus Hoog Soeren. Bei
dieſem letzteren wurde eine andere Urne von ungefähr demſelben Typus
gefunden und in dieſer eine römiſche Sibel. (Wörtlich überſetzt, Mededeelingen
Bd. IV. 1910. S. 35, Zeile 6—8 von unten). Dabei ift gerade Urne 21 von
einer ſehr alten Form, die durch Sunde aus Baden, Mittelrhein gut datiert
iſt für die frühe Hallſtattzeit, etwa 1200 v. Chr. Es iſt eben ſehr leicht, kera⸗
miſche Derſchiedenheiten zu überſehen und dadurch ganz unterſchiedliche
Dinge zuſammenzubringen. Überhaupt gehört Riedhofen ganz einheitlich
in die ſpätere. Bronzezeit. Das beweiſen die frühen Dillanova-Sormen, die
Kerbſchnittverzierung, die noch niemals einer um Chriſti Geburt angeſetzt hat,
die henkelformen und vieles andere an der Keramik. Ebenſo der Steinhammer,
der tupiſch bronzezeitlich ift, die Nadeln bekannten Typus, der Bronzetutulus
102 E. Rademacher. Zur Chronologie der niederrheiniſchen Hallitattgräber. [6
u. a. m. Die Dorftufe der Riedhofener Keramif beſitzt das Kölner Mujeum
in Grabfunden von der Holländiſchen Grenze, von Rees und von Hünxe.
Falls Holwerda mit ſeiner Chronologie recht hätte, müßten dieſe Sunde, die
an Keramik kaum abweichen, mit ihren Bronzelanzenſpitzen, Bronzeſchwertern
frühen Typs, bootförmigem Steinhammer auch den Jahrhunderten um Chrifti
Geburt angehören.
Holwerdas Anſicht, daß die Steinzeit, Bronzezeit, Hallſtattzeit u. ff.
etwa beliebig lange gedauert und nebeneinander beſtanden haben ſollen, iſt
durchaus unbegründet. Unſerer Anſicht nach fehlt es noch ſehr an einer
ſyſtematiſchen Durchforſchung der Hügelgräberfelder im Holländiſchen und am
Niederrhein. Ehe man Keramik ſicher beurteilen kann, muß man viele Hunderte
von Gefäßen fih durch die hände gehen laffen. Keine Altjaden verlangen
zum richtigen Verſtändnis auch nur annähernd ſoviel Material wie die Keramik.
Wir haben in der Rölner Gegend dieſelbe Unſicherheit gehabt. Nur durch
glückliches Zuſammenfaſſen von Material hat fih die Erkenntnis gehoben.
Zweifellos wird auch in Holland, dank der vorzüglichen Grabungstechnik und
dem großen Eifer die Sache ſich langſam aufklären, und man wird nicht
mehr Scherben, die Singernageleindrücke aufweiſen, für ohne weiteres gleich⸗
zeitig halten — und gar eo ipso für germaniſch —, mag der eine auch dem
Ende der Bronzezeit angehören und der andere der Römerzeit. Jedenfalls
aber möchten wir zum Schluß noch einmal hervorheben, daß wir die Be-
rechtigung eines jeden Schluſſes aus den noch unſicheren Verhältniſſen an
der Holländiſchen Grenze auf die viel le bekannten rheiniſchen Sieg: `
Wupper⸗Gebiete ablehnen.
Wer da mit Holwerda glauben will, daß man die Chronologie doch nie
genau ergründen kann, der mag auf ſeiner Unſicht beharren; der Gang der
Vorgeſchichtswiſſenſchaft ift bisher ein anderer geweſen und wird erfolgreich
weiter gehen.
nn 8 während der
Kriegszeit. |
Don Martin Schultze.
Mit 6 Abbildungen.
Innerhalb der verfloſſenen Kriegsjahre habe ich einige Unterſuchungen
auf vorgeſchichtlichem Gebiete ſowohl in der Heimat wie draußen im Felde
vornehmen können, deren eingehende Veröffentlichung der kommenden Zeit
vorbehalten bleiben muß. Hier ſollen nur die wichtigſten Ergebniſſe kurz
angedeutet werden.
Zu Beginn des Krieges war ich mit der Unterſuchung eines bereits in
früherer Jeit aus landwirtſchaftlichen Gründen bis auf die Erdoberfläche
abgetragenen Hügelgrabes beſchäftigt. Die Fundſtelle liegt auf dem Areal
des Rittergutes Neuenfeld im Kreiſe Prenzlau unweit des bekannten Neuen-
felder Dolmen, woſelbſt noch mehrere Hügelgräber liegen, die teilweiſe ab⸗
getragen, einige jedoch noch gut erhalten ſind. Hußer einer Menge Gefäß⸗
ſcherben, Jeuerſteingeräten, Seuerſteinpfeilſpitzen und einem Stückchen Bronze
brachte die Grabung als wichtigſtes Ergebnis die Feſtſtellung, daß in den
Hügel zwei Kammern eingebaut geweſen waren. Dieſelben hatten rechts
eckigen Grundriß und jede von ihnen ſechs Rundpfoſten. Bemerkenswert
war der Einbau der Pfoſten. Dieſelben ruhten auf einem ſorgfältig gelegten
kreisrunden Steinpflaſter, waren dann nach oben hin ſorgſam mit Steinen
umſtellt. Nach Herausnahme der Erde fah ein ſolches Pfoſtenloch wie ein
kleiner, mit Seldfteinen ausgemauerter Brunnen aus, der nach unten zu auf
einer runden Steinunterlage ruhte. Die Kammern ſind durch Brand zugrunde
gegangen. In einem Pfoſtenloch ſtand noch der verkohlte Unterteil des Pfoſtens.
Solche Einbauten mögen auch in anderen Hügeln geweſen, aber nicht er-
kannt worden fein, was mich eine alte Ausgrabungsnotiz in den baltiſchen
104 Martin Schultze. [2
Abb. 1. Gügelgrab Neuenfeld. Pfoſtenloch 2. Nach Wegnahme der umliegenden Steine
zeigt ſich der GK A often innerhalb des Coches. A
Abb. 2. Anden Neuenfeld. Der Unterbau der öſtlichen Kammer mit den Dfoften
71—12. er Mitte fieht man den mit Steinen gepflafterten Boden. Die an den
Eden liegenden großen Steine zeigen die Pfoſten 7, 8, 10, 11 an. Die Pfoſten 9 u.
12 liegen in der Mitte der Längsjeiten. Oben lints zeigt ſich Pfoſtenloch 3 von der
weſtlichen Kammer.
Studien vermuten läßt. Uber den Gang der Grabung liegen zahlreiche Auf-
nahmen vor. `
In Kußland konnte ich in Weft- -Wolhynien dicht bei dem Dorfe Buzany,
hart an der galiziſchen Grenze, etwa 12 km von der galiziſchen Stadt Radziechow,
3] Vorgeſchichtliche Unterſuchungen während der Kriegszeit. 105
ein ſteinzeitliches Hügelgrab unterſuchen, das zur genaueren Erforſchung
völlig abgetragen wurde. Die Möglichkeit zu dieſer Grabung verdanke ich
dem überaus freundlichen und verſtändnisvollen Entgegenkommen des Stabes
der 22. Inf.-Diviſion. Ich ſpreche den Herren auch an dieſer Stelle für alle
mir hierbei gewährte Unterſtützung meinen beſten Dank aus. Im oberen’
Teile lagen drei Gräber jüngerer Zeit. Die Leichen waren hier in ausgehöhlten
Baumſtämmen beſtattet. In einem Grabe fand fih etwas Eiſen. Das ſtein—
zeitliche Grab fand fih unter der Erdoberfläche — die Leiche in Hoderlage.
| Beigaben waren durch den
ganzen Hügel verſtreut. Ein
Tongefäß ſtand über dem
Grabe. Die Funde ſchließen
ſich ganz den aus der Lite—
ratur bekannten Funden der
ſteinzeitlichen wolhuniſchen
hügelgräber an. Sämtliche
Fundgegenſtände, ſowie das
Abb. 3. er tab Neuenfeld. E oſten loch 2 u. 3 Abb. 4. Seuetiteinpfeil
von der weith ihen Kammer. wiſchen beiden ſpitzen aus dem Hügelgrabe
Pfoſtenlöchern eine Steinwand. Neuenfeld.
m situ gehobene Skelett wurden von mir dem fal. Muſeum für bölker—
kunde in Berlin überwieſen. Außer dieſem unterſuchten Hügel waren noch
mehrere Hügelgräber in dortiger Gegend vorhanden. Sie alle lagen weithin
ſichtbar auf den die umliegende Gegend beherrſchenden Höhen.
Auch ſteinzeitliche Siedelungen konnte ich hier, wie dann ſpäter im
Bezirk Kowel, mehrfach feſtſtellen. In letzterer Gegend fand ſich eine ganze
Dorfanlage. hier war auf der Sanddüne, auf der die Siedelung gelegen
hatte, vom Winde die obere Sandſchicht fortgeweht und nun zeigten ſich
106 Martin Schulge. [4
mitten im hellen Sande zahlreiche Pfoſtenlöcher. Leider konnte ich hier keine
genaue Aufmeſſung aus Mangel an Zeit vornehmen, ſondern nur zahlreiche
Seuerſteingeräte, prismatiſche Meſſer, Bohrer, Schaber, Pfeilſpitzen, Behau—
Abb. 5. Steinzeitliches hügelgrab bei Buzany (Wolhunien).
ha eS S 7 ee ees
Abb. 6. Der aufgegrabene Hügel, im hintergrunde rechts Schloßpark von Buzany.
Der ſchwarze Strich links vom Spaten zeigt das im Hügel gefundene Tongefäß. 50 cm
unter dem Tongefäß lag das hoderitelett,
jteine und Scherben ſammeln, von denen einige verziert waren. In dem
Sumpfgebiet am Stochod kamen gleichfalls auf den Sanddünen Seuerjtein-
geräte vor. In neolithiſcher Zeit ſcheint die Gegend mithin ſtark beſiedelt
geweſen zu ſein.
Die hügelgräber Wolhuniens laſſen ſich nach meinen Beobachtungen
5] Vorgeſchichtliche Unterſuchungen während der Kriegszeit. 107
äußerlich in vier Typen ſondern. Die einen liegen innerhalb einer eine
größere Fläche umſchließenden Erdumwallung, wie ſolche auch noch die
heutigen Friedhöfe dort zeigen. Dieſelben mögen jüngerer Zeit angehören.
Ein anderer Teil zeigt bei einem Durchmeſſer von etwa 12 m nur eine
Höhe von ½ m. Dieſe liegen in der Niederung und fanden ſich zahlreich.
Eine dritte Klaſſe hat bis zu 2 m Höhe und liegt gleichfalls in der Niederung,
während die ſteinzeitlichen Hügel auf höhen liegen und dann nicht gruppen:
weiſe, wie oft Klaſſe 2 und 3, ſondern einzeln. Ringwallartige Anlagen
fab ich im Gebiet der Stochod⸗Sümpfe mehrfach. Doch ſcheinen dieſelben
aus jüngerer Zeit zu ſtammen und der Gewinnung von KE ENEE
3u haben.
Hiermit fei nur kurz das Wichtigſte meiner Unterſuchungen und Beob⸗
achtungen auf vorgeſchichtlichem Gebiet angedeutet. Hoffentlich geſtattet bald
eine neue Friedenszeit, das zuſammengebrachte Material zu ſichten und die
einzelnen Ergebniſſe im Juſammenhang darzuſtellen.
Im Felde den 18. Juli. l Martin Schultze.
Urnenfriedhöfe und Grabhügel des letzten Jahr⸗
tauſends v. Chr. im nordöſtlichen Weſtfalen.
Don Dr. Walther Schulz, halle a. 8.
Mit 20 Abbildungen.
Abtürzungen.
Jahresbericht = Jahresbericht des hiſtoriſchen Vereins für die Graſſchaft Ravensberg.
mMüller⸗ Reimers = Müller⸗Reimers: Dor und frühgeſchichtliche Altertümer der Provinz
Hannover. 1893.
Nachrichten = Nachrichten über deutſche Altertumsfunde.
R. Bl. = Ravensberger Blätter.
Urnenfriedhöfe = Die Urnenfriedhofe in Niederſachſen. Bd. 1. 1911.
In älteren Berichten beſteht häufig Unſicherheit in der Bezeichnung
Urnenfriedhof und Grabhügel. Ein Grabhügel iſt ein über der Beſtattung
künſtlich aufgeworfener hügel; Urnenfriedhöfe ſind dagegen oft auf einer
natürlichen Bodenerhebung angelegt. Man muß annehmen, daß urſprüng⸗
lich die Gräber hier durch kleine Erdaufwürfe oder Holzpfähle bezeichnet
waren, die aber längſt verſchwunden ſind.
Derartige Friedhöfe ſind bei Stemmer !), Nordhemmern?), Wittenhuſen
an der Porta Weitfalita?) im Kreiſe Minden, bei Südlengern“) und Her-
ford ö) im Kreiſe Herford gefunden worden. Die verbrannten Knochen wurden
in der Regel in Urnen beigeſetzt; eine Leichenbrandgrube ohne Urne wurde
einmal bei Stemmer beobachtet. Steinkiſten oder Steinpackungen ſind nicht
a) Mufeum Bielefeld und Minden. Sch R. Bl. 1911. S. 69. Jeitſchr. f. vater-
land. Geſch. (Münſter) 1913. S. 495.
2) Muſeum Bielefeld. Schulz, a. a. O.
3) Mujeum für Doltertunde Berlin. Mufcum Bückeburg und Minden. Sötze:
Nachrichten 1898. S. 90.
) Muſeum Bielefeld. Realgymn. Bande.
5) Muſeum herford.
d Urnenfried hfe u. Grabhügel d. letzten Jahrtauſ. v. Chr. im nordöſtl. Wejtfalen. 109
bekannt geworden. Zuweilen finden ſich Beigefäße; Deckſchüſſeln nur ver—
einzelt in Stemmer. Metallbeigaben ſind ſelten.
Die Friedhöfe ſind ſämtlich in der jüngeren Bronzezeit belegt geweſen.
Abb. 2. Wittenhuſen (Kr.
Minden). Nach Götze. ¼.
Abb. 1. Wittenhujen bei der Porta Weftfalifa (Kr. Abb. 3. Stemmer (Kr.
Minden). Nach: Götze, Nachrichten 1898. "/,. l Minden). Etwa /.
Eine nähere zeitliche Beſtimmung ijt durch die folgenden Bronzefunde ge⸗
geben:
Wittenhuſen: in Urne Abb. 1 Bronzemeſſer Abb. 2; in einer anderen
eine Bügelplattenfibel, ähnlich Sibel von Rethwijdh. (Amt Dechta, Olden-
Abb. 4. Stemmer (Kr. Minden). Nat. Gr.
bura, vgl. Martin, Mannus IV. 1912. S. 222), beide Beigaben gehören dem
Ende der Bronzezeitperiode 4 an.
Nordhemmern: Bronzefibel der Periode 4 (Abb. bei Koſſinna, Mannus V.
1913. S. 36). g
Stemmer: in Urne Abb. 5 Bronzemeſſer der Periode 5 (1000—800
v. Chr.) (Abb. 4).
110 Walther Schulz. [3
Die Urnen haben met die in der jüngeren Bronzezeit üblichen Formen;
zwei Urnen aus Südlengern tragen von einem Hofe umgebene kleine Buckel,
die nach Koffinna auf weſtdeutſchkeltiſche Einflüſſe zurückgehen !).
Aus Stemmer und Nordhemmern beſitzen wir nun weitere Sunde, die
eine Benutzung dieſer beiden Urnenfriedhöfe bis in die frühe Eiſenzeit (jüngere
Hallſtattzeit) ſicherſtellen. Wittenhuſen wird im Ausgange der Bronzezeit
aufgegeben fein. Jür
die Friedhöfe von Her-
ford und Südlengern
liegen zu wenig Sunde
vor, um dieſe Frage
zu entſcheiden.
In Wittenhuſen
fand ſich die Urne
Abb. 5. Wittenhuſen bei der Abb. 6. Stemmer (Kr. Abb. 5. CLienau, der
w ta (K i i hio. j
Porta Lach en 1 Minden). Etwa / die Form von der dop-
pelkoniſchen ableitet,
fegt fie in die Zeit um 700 v. Chr 2). dus. Stemmer gehören in die Über-
gangszeit einige Terrinen mit gerundetem Umbruch und eingeſchwungenem
Unter- und Oberteil (Muf. Bielefeld). ,
Srüheifenzeitliche Gefäßformen aus Stemmer find:
Urne Abb. 6 mit gerauhtem Unterteil, entſtanden aus Sorm wie
Abb. 3; gleiche Urnen in einem
der früheiſenzeitlichen Gräber von
Nienburg (Prov. Hannover) (Abb.
Nachrichten 1892. S. 70), ferner in
dem früheiſenzeitlichen Friedhof
von Warmſen (Kr. Stolzenau, Prov.
Hannover) (Muſ. Minden).
Abb. 7. Stemmer Abb. 8. Stemmer (Kr. Urne Abb. 7: glänzend
(Kr. Minden). Minden). ſchwarz; nach Bau und Verzierung
ähnliche Urnen in Nienburg, 3. B.
in dem oben erwähnten Grabhügel (Muf. für Völkerk. Berlin, u: Han⸗
nover), ferner wiederum in Warmſen.
Bruchſtück einer Terrine mit ausladendem, aber nicht ſcharf St
Rande, wie er im öſtlichen hannover in der Stufe Weſſenſtedt und Jaſtorf a
auftritt?).
Der hohe, gerauhte Topf mit gewelltem Rande (Abb. 8). Er ift im
nordweſtlichen Deutſchland beſonders in der frühen Eiſenzeit bis in die frühe
1) Mannus IV. 1912. S. 183.
2) Urnenfriedhdfe I. S. 47. Abb. 3 und S. 48.
3) Schwantes, Prähiſt. Zeitidr. I. 1909. S. 142. Urnenfriedhöfe Bd. 1. S. 6.
4] Urnenfriedhöfe u. Grabhügel d. letzten Jahrtauſ. v. Chr. im nordöſtl. Weſtfalen. 111
Catènezeit verbreitet. In den keltiſchen Gräbern am Niederrhein tritt er
nach Rademacher in der Hallftattitufe 4 auf (600—500 v. Chr.) ), offenbar
unter germaniſchem Einfluſſe. Randfcherben liegen auch aus Nordhemmern
vor. Ein kleiner Napf mit gewelltem Rande fand fih im Urnenfriedhofe
Herford.
Aus Nordhemmern ſtammt Beigefäß Abb. 9 mit abgeſetztem Suße und
einer Kappe (Muj. Bielefeld). Im nördlichen hannover kommen Beigefäße
mit abgeſetztem Fuße in der Stufe Weſſen⸗
ſtedt und Jaſtorf a vor?), im Keltengebiete Er
am Niederrhein in Hallſtattſtufe 2 und 3 v |
(1000 bis 600 v. Chr.) s). INN
3 j f Abb. 9. Abb. 10. Nord-
: Don EES gehoren in die nordhemmern emmern (Kr.
frühe Eiſenzeit: (Kr. Minden). Minden). Etwa ½¼.
Nordhemmern: Bronzenadel mit
Näpfchenkopf; gekröpfte Bronzenadel mit Ropfſcheibe mit Buckelverzierung
(Muſ. Bielefeld). Abb. 10.
Stemmer: ein Eiſenring in einer Leichenbrandgrube, Durchmeſſer 5 cm,
Stärke / cm (Muf. Minden).
hügelgräber liegen in größerer Zahl am Südrande des EEN
Waldes*). Sie werden bereits im 17. Jahrhundert erwähnt®). Wenigitens
über einige beſitzen wir Ausgrabungsberidte, fo über Hügel bei Cammers-
hagen, Lir. Bielefeld®) und auf der Friedrich Wilhelm-Bleiche bei Biele-
feld”). Nach Wilbrand find manhe Hügel über 2 m hoch. Sie enthalten
mehrere Beſtattungen. Die Urnen ſind auf dem natürlichen Boden beigeſetzt,
der Brandſpuren zeigt. Doch in dem Grabhügel der Friedrich Wilhelm⸗Bleiche
ſtanden die Urnen über dem gewachſenen Boden. Die Hügel bei Lkämmers⸗
hagen waren bis 1 m hoch, der Durchmeſſer der größeren betrug 20—30 m,
der kleineren nur 2,50 bis 3 m. Juweilen find die Urnen mit einer Ded:
ſchüſſel und mit Beigefäß verſehen. Beigaben find ſelten s).
Unter den Tongefäßen begegnen uns meiſt ſchon bekannte Formen.
Urne Abb. 11 von der Friedrich Wilhelm-Bleiche könnte noch bronze-
zeitlich fein; fie erinnert an Urne Abb. 3. Bei einer weiteren Urne Abb. 12
1) Mannus IV. 1912. S. 207. Taf. 24. Abb. 15 und 16.
2) Schwantes, Urnenfriedhöfe. Bd. 1. S. A und 6.
2) Rademacher, Mannus IV. 1912. S. 205. 204. Taf. 19. 21. 23. ,
*) Sie werden verſchiedentlich in den Ravensberger Blättern und Jahresberichten
erwähnt, beſonders 11. Jahresbericht 1897, S. 39. Auf Kartenausſchnitten eingetragen
find fie bei Wulfmeyer: „Stätten germaniſcher Sreiheitskämpfe und Götterhaine bei
Bielefeld“. 1901. i
5) Dgl. Wilbrand, Jahresbericht 1897. S. 45.
6) Weigel, Jahresbericht 1897. S. 101.
7) Wilbrand, Jahresbericht 1906. — R. Bl. 1905. S. 85.
s) Muſeum Bielefeld, von Cammershagen auch Muf. f. Dölkerkunde Berlin.
12 Walther Schulz. 15
ijt die Schulter nur noch ſchwach angedeutet, fie wird fih aus der erſten Form,
vielleicht unter dem Einfluß der doppelkoniſchen Urne, entwickelt haben.
Mehrere Urnen laffen die Herkunft von der bronzezeitlichen Form, wie
Abb. 3 und Abb. 11, erkennen, nämlich:
Urne Abb. 15 (Unterteil eingeſchwungen, Hals eingezogen und ein
wenig nach innen gerichtet, Rand ſchwach ausladend),
Urne Abb. 14 (ähnlich, doch der Unterteil hat nicht den Schwung und
ſetzt ſich ſchärfer von der Schulter ab)
und gehenkelte Urne Abb. 15.
ee
Abb. 11. Bielefeld. Abb. 12. Bielefeld. Nah Abb. 13. Bielefeld. Nach
Nach Wilbrand: Jah- - Wilbrand. Wilbrand.
tesbericht 1906.
Abb. 14. Bielefeld. Abb. 15. Bielefeld. Abb. 16. Bielefeld.
Nach Wilbrand. Nach Wibrand. Nach Wilbrand.
2
Der hohe Rauhtopf mit gewelltem Rande ift viermal in dem Hügel
der Friedrich Wilhelm-Bleiche vertreten; einmal ein verwandtes Gefäß,
gerauht, mit nicht ſcharf abgeſetztem, nach innen gerichteten Halje (aber ohne
wellenrand). Abb. 16. r
Urnen mit gewelltem Rande ſtammen auch aus Hügelgräbern bei
vierſchlingen bei Brackwede (Ltr. Bielefeld) und vom Blömkeberge bei Biele-
feld!) (Muf. Bielefeld).
Don Beigefäßen des Hügels der Sriedrid) Wilhelm-Bleiche fei der Sub:
becher aus der Urne Abb. 16 erwähnt (Abb. 17), über die Jeitſtellung iſt
oben bereits geſprochen; ferner der Becher Abb. 18 mit ausgeſprochenem
Schrägrand.
1) Wilbrand, Jahresbericht 1898. 5. 85.
6) Urnenftiedhöfe u. Grabhügel d. letzten Jahrtauſ. v. Chr. im nordöſtl. Weſtfalen. 113
Don Metallbeigaben liegen vor: zwei Bronzenadeln mit umgerollten
Kopfenden vom Blömkeberge und ein kleiner offener Bronzearmring aus
einer Leichenbrandſchüſſel von Brackwede (Landfr. Bielefeld) (Muf.
Bielefeld).
Weiter treten Hügelgräber im nördlichſten Teile unſeres Gebietes auf
der Lokkumer heide zwiſchen Seelenfeld (Kr. Minden) und Lokkum (Pr.
Hannover) auf!). Es find Grabhügel von etwa
10 m Durchmeſſer. Neuerdings find in ihnen Holz- i
einbauten feſtgeſtellt worden. Nach den Angaben 7 t }
bei Müller⸗Reimers find die Urnen in den Hügeln A 17 Abb. 18.
unregelmäßig verteilt. Auf der Urne liegt eine Bielefeld. Bielefeld.
Deckſchüſſel; Beigefäße finden fih häufig. Eine An-
zahl Urnen wird im Muſ. Minden aufbewahrt, darunter auch die während
des Krieges gehobenen, die aber noch der Bearbeitung harren. Dieſe letzteren
Sunde werden für die Zeitbeitimmung ſicherlich von Bedeutung fein. Dor-
läufig kann man ſagen, daß die Gefäße denen der oben behandelten Hügel-
gräber naheſtehen. Vielfach findet man künſtliche Rauhung, auch durch
Kammſtrich. Der Raubtopf mit gewelltem Rande ift hier wieder vertreten.
Ausladende Ränder ſcheinen aber bei den Urnen zu fehlen. Als Beigaben
ſind mir zweimal Eiſenſtücke (das eine wohl die Spitze eines großen Meſſers)
bekannt geworden. Auch ein Wendelring ſoll dort gefunden ſein ?).
Weftlid der Weſer find Grabhügel ſüdweſtlich von Ovenſtedt (Kr.
Minden) vorhanden geweſen. Nach den Scherben zu urteilen (Muſ. Minden)
glichen die Gefäße denen der Lokkumer heide.
Ein Hügelgrab wurde in der Nähe der Loffumer Heide auf dem
Nollenberg bei Neuenfnid (Kr. Minden) ausgegraben?). Auf dieſer Boden-
erhebung liegen im öſtlichen Teile größere hügelgräber, nach Weiten zu
nehmen fie an Größe ab und auf dem weſtlichen Teile finden fih Slachgräber.
Der unterſuchte Hügel, etwa auf der Mitte des Berges, hatte eine Länge
von 5,90 m und eine Breite von 3,75 m. Er enthielt mehrere Beſtattungen;
eine wurde ordnungsmäßig unterſucht. Es ſtanden hier zwei Urnen in einer
Steinſetzung. Die eine iſt ein gerauhter Topf mit gewelltem Rande, die andere
iſt beſſer gebrannt und nicht gerauht, es läuft um den Hals ein flüchtig ein—
geriſſenes Band. Deckgefäße beſaßen beide Urnen; das der zweiten hatte
einen umgelegten Rand. Ein Beigefäß fand ſich in der zweiten Urne.
Alle dieſe Grabhügel, ſowohl die ſüdlich des Teutoburgerwaldes wie
die zuletzt behandelten, gehören, ſoweit überhaupt zeitlich beſtimmbar, der
1) Schuchhardt, Prähiſt. Zeitſchr. 1914. S. 360. — Müller⸗Keimers S. 24. —
Schulz, R. Bl. 1911. S. 70. |
2) Wengler, R. DL 1914. S. 24.
3) Wengler a. a. O.
Manmıs, Bò. X. Ñ. 1 u. 2. 8
114 Walther Schulz. o [7
beginnenden Eifenzeit an ). Ob ein zeitlicher Unterſchied zwiſchen den Gräbern
der Lotfumer Heide und denen des Nollenberges beſteht, kann noch nicht
entſchieden werden.
i *
In der frühen Eiſenzeit war alfo Beſtattung in Urnenfriedhöfen und
in Hügelgräbern im nördlichen Weſtfalen üblich. Es hebt fih eine Urnen⸗
friedhofgruppe zwiſchen zwei Grabhügelgebieten ab (vgl. Abb. 19). Sollte
t u .
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11 Moye,
Abb. 19. 1 Urnenfriedhof von Stemmer, 2 von Noröhemmern, 3 von Wittenhuſen,
4 von Südlengern, 5 von Herford, 6 hügelgräber ſüdlich des Teutoburger Waldes, 7 der
Lotfumer Heide, 8 ſüdweſtlich Ovenſtedt, 9 ſüdöſtlich des Dummer.
dieſe Trennung nicht der Wirklichkeit entſprechen, ſondern nur auf Liiden
in der Fundzuſammenſtellung beruhen? Es liegen Nachrichten über weitere
Urnenfunde vor, dod) fie find unbrauchbar, da zu unbeſtimmt. Über die
Unſicherheit der Benennungen ift ſchon anfangs geſprochen worden; vor
allem fehlen aber auch Angaben, die nur einigermaßen über die zeitliche
Stellung aufklären können:); denn es find bekannt Grabhügel der älteren
Bronzezeit (mit Körperbeftattung) auch im Gebiet der Urnenfriedhöfe, ferner
ein Urnenfriedhof der jüngeren römiſchen Zeit am Südrande des Teuto-
1) So auch Schumacher, R. Bl. Jahresbericht 1906, für die Urnen der Friedrich
Wilhelm⸗Bleiche.
2) Einmal find fogar mittelalterliche Siedelungsreſte als Grabſtätten beſchrieben.
8] Urnenfriedhöfe u. Grabhügel d. letzten Jahrtauſ. v. Chr. im nordöſtl. Weſtfalen. 115
burger Waldes: Weiter weſtlich ſind in der jüngeren Bronzezeit und in der
beginnenden Eiſenzeit beſonders Hiigelgraber verbreitet (bei den Germanen
wie auch bei den benachbarten Kelten); doch auch Urnenfriedhöfe werden
in der Literatur erwähnt.
Ich habe einmal die Vermutung ausgeſprochen, daß die Siedelungen am
Südrande des Teutoburger Waldes, die durch die Grabhügel gekennzeichnet
ſind, nicht von der Bevölkerung nördlich des Teutoburger Waldes, ſondern
vom Emsgebiet ausgegangen ſind ). Dieſe Annahme findet auch eine Stütze
in Schlüters Karte der frühgeſchichtlichen Beſiedelungsfläche des mittleren
Deutſchland (Ausjchnitt Abb. 20) 2). Ein breiter Waldſtreifen trennt danach
die Siedelungsfläche des Emsgebietes, in der die ſüdliche Grabhügelgruppe
liegt, von der des Weſer⸗Werregebietes mit den Urnenfriedhöfen.
Durch die waldfreien Striche wurde den Germanen bei ihrer Aus-
breitung die Richtung gewieſen; die trennenden Wälder und Sümpfe ſind
dann auch zu Dölkerſchaftsgrenzen geworden. Schon in der jüngeren Bronze-
Weſer Elbe
KC
Abb. 20. Wald und Beſiedelungsfläche in EE Zeit. 00 EE in
af. 24. |
Harz
Hoops: Reallexikon der germaniſchen Altertumskunde. Bd. 1. T
zeit waren die Germanen in Weſtfalen bis zum Lippegebiet vorgedrungen“).
Zu Beginn unſerer Zeitrechnung haben im Emsgebiete die Brukterer, nördlich
von ihnen, alſo nördlich des Teutoburger Waldes, die Cherusker, nördlich
von dieſen wieder die Agrivarier geſiedelt. Dermuten möchte ich, daß zu
Beginn der Eiſenzeit bereits dieſelben Verhältniſſe geherrſcht haben, daß alfo
die Hügel ſüdlich des Teutoburger Waldes den Brukterern, die Urnenfried⸗
höfe im Weſer⸗Werregebiete den Cheruskern angehören. Die Cherusfer reichen
im Südoſten bis zum harz. Nach R. Much haben fie zur Zeit Cäſars in dem
Gebiet von Harz bis zur Deler bereits feit ein paar Jahrhunderten geſeſſen );
d. h. alſo ſchon in der frühen Eiſenzeit. Wahle hat auf Grund der ſprachlichen
Sorſchungen von Much die früheiſenzeitlichen Gräberfelder des nördlichen
**
1) R. Bl. 1911. S. 71.
2) In Hoops Reallexikon der germaniſchen Altertumskunde Bd. 1. Taf. 92.
3) Dol. Karte über Ausbreitung der Germanen von Koffinna in „Deutſche Erde“
1912. Taf. 14.
) Deutſche Stammeskunde S. 91.
Ch
. 116 Walther Schulz. Urnenfriedhöfe u. Grabhügel d. letzten Jahrtauſ. v. Chr. ufw. [9
Harzvorlandes als cheruskiſch angeſprochen !). In unſerem Gebiete bleibt
die Verbindung der früheiſenzeitlichen Begräbniſſe mit etwa 500 Jahre
ſpäter überlieferten geſchichtlichen Völkerſchaften deshalb noch unſicher,
weil bisher nicht die fortlaufende Beſiedelung bis zur römiſchen Zeit nod:
weisbar iſt. Wir haben noch keine Gräber, die wir mit Sicherheit in die letzten
Jahrhunderte v. Chr. ſtellen könnten; ſie ſind aber auch im übrigen Weſt⸗
falen nur in geringer Zahl zutage getreten).
1) Sächſiſch⸗thüringiſche Jahresſchr. 10. S. 137.
2) Dol. Mötefindt, Zeitichr. f. Ethnol. 1915. S. 101.
th
Der moderne Krieg, ein Minderer der vor- und
frühgeſchichtlichen Bodenfunde. |
Don Ernſt Wahle, heidelberg.
Die letzten Jahrzehnte haben uns eine große Entwicklung der Waffen
technik gebracht, eines der Ergebniſſe des hohen Standes der Tednif
überhaupt. Im Zujammenhang hiermit ſteht die im Vergleiche mit früheren
Kriegen ganz andere Art des Kampfes in der Gegenwart. Zu den Solge-
erſcheinungen der hochentwickelten Technik gehört das Zurüdtreten der Ent-
fernungen im Rampf. Der Einflußbereich der kriegeriſchen Handlungen iſt
größer geworden im Vergleiche mit ehedem. Und ferner find die Zerjtörungen,
die der Krieg hervorruft, jetzt viel gründlicher als einſt.
Infolgedeſſen ſtehen wir heute einer ſehr ſtarken Minderung der Runſt—
und Kulturdenkmäler gegenüber, die — fern von Sejtungen und Landes:
grenzen gelegen — bisher im weſentlichen als außerhalb jeder Gefahr be—
findlich angeſehen wurden. Für die Zukunft ijt eine Milderung oder gar
ein Aufbhören der Kriegführung nicht zu erwarten. Die der Denkmalpflege
naheſtehenden Kreiſe haben bereits die Folgerungen hieraus gezogen und
Vorſchläge beraten zum Schutz der kunſt- und kulturgeſchichtlich wertvollen
Bauten und der öffentlichen Sammlungen. Daß jie mit dieſen Beſtrebungen
Erfolg haben werden, ift nicht anzunehmen. Einerſeits ift eine Rückſicht⸗
nahme auf ſolche Dinge vielfach überhaupt nicht möglich; und wenn anderer-
feits ein Gegner etwas zerſtören will, dann fragt er nicht nach Abmadungen,
die auf dem Papier ſtehen, oder nach Kulturwerten (vgl. die Jerſtörung der
Freiburger Anatomie).
Die Runſtwiſſenſchaft ift in der Cage, im Frieden alles für fie in Be-
tracht kommende in Bild und Schrift zu ſammeln; und wenn dann auch
ideelle Werte verloren gehen, jo bleibt doch der Sorichung das Zerjtörte für
ihre zwecke. Die Bauten von Ypern liegen in Trümmern, und doch arbeitet
die Wiſſenſchaft weiter mit ihnen, als ob ſie noch vorhanden wären.
118 l Ernſt Wahle. 2
Die Runſtforſchung befindet ſich fo in ungleich günſtigerer Cage als die
vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. Wenn vorgeſchichtliche Sammlungen vernichtet
werden, ſo ſind dieſe für den der Sache ferner ſtehenden wohl ſoweit für
die Sorichung erhalten, als fie bereits Bearbeitung gefunden haben. Allein
was wiſſen wir heute davon, mit einer wie gründlichen Bearbeitung die Mög⸗
lichkeit der Auswertung der in den Sammlungen aufgeſpeicherten Sunde
überhaupt erſchöpft iſt! Und einmal hiervon ganz abgeſehen: Die vorgeſchicht⸗
liche Forſchung ift angewieſen auf all das noch im Boden ungehoben ruhende
Material und auf, die ſtetige Verfeinerung der Methode feiner Ausgrabung.
Gerade dieſes aber trifft der moderne Krieg in nicht geahnter Weiſe.
Früher ſpielte ſich der Krieg hauptſächlich auf der Erdoberfläche ab;
der heutige dagegen geht ganz in den Boden hinein, und in Zukunft wird
dies wohl noch in viel ſtärkerem Maße als jetzt der Fall fein. Ausgedehnt find
die Grabennetze, zahlreich die Einbauten — ganz gleich, ob dieſe miniert oder
als Tagebauten gebaut ſind. Doch wird durch dieſe Anlagen im allgemeinen
nur wenig zerſtört. Denn das Grabennetz iſt weitmaſchig im Derhältnis zu
dem durch das Ausheben eines Grabens aus der urſprünglichen Lagerung
gebrachten Erdreich. Und auch die Einbauten verteilen ſich in der Regel ſo,
daß durch fie eine größere vorgeſchichtliche Fundſtelle kaum jemals voll-
ſtändig zerſtört werden kann. In der Zone des Kampfes, d. h. im vorderſten
Teile des Grabennetzes der beiden Gegner, häufen fih natürlich Gräben und
Einbauten im Vergleiche mit weiter rückwärts; hier tobt mancherorts der
unterirdiſche Minenkrieg, der in beſchränktem Umfange vollſtändige Der:
änderungen der Erdoberfläche hervorruft. Doch iſt auch dieſe eigentliche
Kampfzone des Stellungskrieges, längs der eine verſchieden ſtarke Umwühlung
des Bodens durch die Geſchoſſe ſtattfindet, zumeiſt nur ſchmal.
In den Gebieten heftigerer Kämpfe iſt ſie natürlich weſentlich breiter,
und auch die Umwühlung des Bodens iſt hier ſtärker als ſonſt. Dies trifft
zu für manchen Abſchnitt der Weſtfront, 3. B. die Gegend der franzöſiſchen
Herbſtoffenſive 1915. Vielleicht ſind mit dem hier zu beobachtenden Grade
der Jerſtörung der oberſten Erdſchicht einzelne Abjchnitte der ehemaligen Oft-
front und anderer Kriegsſchauplätze zu vergleichen.
Aber auch die Durchpflügung des Bodens in dieſem Maße wird in
Schatten geſtellt durch die Derhältnifje, wie fie in den Großkampfgebieten
der Weſtfront ſeit den Tagen des Sturmes gegen Verdun an der Somme
und der Aisne, im Artois und in Flandern in Erſcheinung getreten find.
Kennzeichen dieſer Gebiete ijt neben ihrer räumlichen Ausdehnung über ganze
weite Candſtriche die Stärke der Umwälzung der oberſten Erdſchicht, welche
allen Pflanzenwuchs verſchwinden läßt und an ſeine Stelle den erdfarbenen
Ton des locker aufgewühlten, bei feuchter Witterung tief verſchlammten
Bodens ſetzt. ;
Eine ſcharfe Abgrenzung des Begriffes Großkampfgebiet ift natürlich
3] Der moderne Krieg, ein Minderer der vor u, frühgeſchichtl. Bodenfunde. 119
nicht möglich. Und nur ſchwer kann man ein ſolches trennen von dem Gebiet,
über das die offene Seldſchlacht der Gegenwart hinweggeht und bei welcher
die Einwirkung der zuſammengefaßten Artilleriemaſſen, insbeſondere bei Ge⸗
legenheit der Stodungen im Fortſchreiten des Kampfes, auch eine flarfe
Durchwühlung der oberſten Bodenlagen hervorruft.
Sind ſomit verſchiedene Grade der Beeinfluſſung des Bodens durch den
modernen Krieg feſtzuſtellen, fo ift doch eine ſcharfe Abgrenzung der einzelnen
Tupen nicht möglich. Aber das iſt auch gar nicht nötig! Die Überlegung,
wieviel vorgeſchichtliches Material ein Kampfgebiet bisher geliefert hat und
in welchem Maße daſelbſt der Krieg tobte, läßt relativ vermuten, wieviel
wiſſenſchaftliche Werte dort vernichtet worden ſind. Bei im weſentlichen
gleicher Durchwühlung des Erdreiches wird in dem an Funden reichen Somme⸗
gebiet viel mehr zerſtört ſein als in dem fundarmen flandriſchen Boden. Der
vom Kampfe berührte Teil der Champagne ijt weniger reich an Funden
als mancher Abſchnitt der Oſtfront; und doch werden wir — entſprechend
dem Maße des Kampfes — in ihm den Derluft von mehr Denkmälern der
vor- und frühgeſchichtlichen Zeit zu erwarten haben als in letzteren Gebieten.
Ein abſolutes Maß für den Derluft iſt natürlich niemals möglich. Das,
was an Jufallsfunden in mehr oder weniger geſtörter Lagerung jetzt und
ſpäter aus dieſen Gebieten auf uns kommt, reicht hierfür nicht in entferntem
Maße aus. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn eine ſtaatliche Sorge
um dieſe im Boden ſchlummernden Denkmäler im Kriege vorhanden geweſen
wäre, wie jie kurz nach unſerem Einmarſch in Belgien für die dortigen Kunſt⸗
denkmäler ſofort einſetzte. Immerhin darf darüber nicht vergeſſen werden,
daß eine umfaſſende Organiſation zum Schutze der gelegentlich der kriegeri⸗
Idien Handlungen zutage tretenden Sundftellen trotzdem ungemein erfolg-
reich hätte arbeiten können, und daß das Verſäumnis, das neben der grob-
zügigen Fürſorge für die Kunſtdenkmäler der Kampfeszone und des beſetzten
Gebietes überhaupt beſonders befremdlich ſich ausmacht, ein ſchwarzer Fleck
in der Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft bleiben wird. Denn das, was teils
durch die Tätigkeit deutſcher Muſeen und Geſchichtsvereine, zumeiſt aber
durch die Arbeit von Privatperſonen im Soldatengewande von Gelegenheits⸗
funden hat gerettet werden können, iſt und bleibt kümmerlich im Vergleiche
mit der Maſſe ſicherlich unbeachtet gebliebener Denkmäler.
Ein wirkſamer Schutz der dem Boden noch nicht entnommenen Dinge
vor zukünftiger Zerjtörung durch den Krieg ift leider nicht denkbar. Unſere
Dorjtellungen von der Kriegführung haben durch die ganze Art der gegen⸗
wärtigen eine ſolche Wandlung erfahren, daß man fih den Kampf der Zukunft,
der mit feinen Mitteln auf den Fortſchritten von Wiſſenſchaft und Technit
einiger weiterer Jahrzehnte aufbaut, gar nicht recht vorſtellen kann. Nur
ſoviel läßt fih wohl jagen, daß große Offenſiven nicht in Gebirgen, Wald-
gebieten und Sumpfgegenden möglich fein werden, daß alfo [pater ebenſo
#
120 Ernſt Wahle. Der moderne Krieg uſw. [4
wie heute im allgemeinen gerade die fundleeren und fundarmen Gebiete
weniger vom Kampfe heimgeſucht werden als die anderen.
Der einzige Schutz der noch im Boden ruhenden vorgeſchichtlichen Denk⸗
mäler wird ſomit in unabläſſiger, zielbewußter Friedensarbeit zu ſuchen ſein.
Vorſicht wird in Zukunft walten müſſen hinſichtlich des Hufſchubes der
Ausgrabung von Fund plätzen, die nach dem Ergebnis von Probeunter⸗
ſuchungen wohl ſchöne Ergebniſſe zu zeitigen verſprechen, aber vorläufig als
nicht gefährdet gelten und deshalb im Intereſſe einer weiter entwickelten
flusgrabungsmethode noch zurückgeſtellt werden ſollen. Eine ſolche Sicher⸗
ſtellung noch nicht gehobener vor- und frühgeſchichtlicher Denkmäler ift für
die Zukunft nur bei im Inneren des Landes und nicht in der Nähe militäriſch
wichtiger Punkte gelegenen Plätzen geboten, nahe der Grenzen nur in Sonder-
fällen, jo wenn es ſich 3. B. um Pfahlbauten oder um in Mooren gelegene
Sunditellen handelt. |
Der Schuß der bereits in den Sammlungen befindlichen Sunde und der
nicht minder wichtigen Sundarchive wird — wie die Sicherung unſerer Gomm:
lungen überhaupt — in bombenſicheren Kellern zu ſuchen ſein.
Im klnſchluß an diefe Betrachtungen fei noch deſſen gedacht, daß die
Erforſchung der Flurnamen und der Flurformen wertvolle Hilfsmittel für die
Erkenntnis der Vor- und Frühgeſchichte bietet. Nach einem Kriege, der Ort-
ſchaften fo zerſtört, daß kein Stein auf dem andern bleibt, der Ader, Walder
und Wege ſo verwüſtet, daß ſie mit Friedensſchluß neu vermeſſen werden
müſſen, der die Bevölkerung ganzer Gebiete zur Auswanderung zwingt und
‚die ſpäter Zurüdfehrenden vor die Notwendigkeit ſtellt, noch einmal mit der
Arbeit von vorne anzufangen, nach einem ſolchen Kriege wird es zu Samm—
lungen und Unterſuchungen auf den genannten Wiſſensgebieten wohl für
immer zu ſpät fein. Auch hier ift ſomit raſtloſe Sriedensarbeit die einzige
Dorjorge.
Nach dem Geſagten ift es ohne weiteres klar, daß die vorgeſchichtliche
Forſchung hinſichtlich der Sicherſtellung ihres Materiales vor kriegeriſchen Ein—
flüſſen viel ungünſtiger geſtellt ift als alle anderen Wiſſenſchaften. bunt:
forſchung, Erdkunde und Volkskunde können fih durch Sammlung des Materials
in Friedenszeiten ſichern. Geologie und Biologie erleiden überhaupt keine
Einbuße, ja können vielleicht im Gegenteil manche wertvollen Beobachtungen
machen. „Arbeit“, jo wird nach dem Kriege das Loſungswort der ihn über:
lebenden Fachgenoſſen, wie überhaupt unſeres ganzen Volkes, lauten.
Heidelberg, Mai 1918.
ZS
Die Sahl dreizehn im Glauben der
Indogermanen.
Von Georg Wilke, Leipzig.
Mit 39 Tertabbildungen und 1 Tafel. Ze
Das Unangenehmſte, was einer Hausfrau paſſieren fann, ijt, wenn von
einer auf 14 Perſonen berechneten Geſellſchaft im letzten Hugenblick noch
jemand abjagt. 13 Perſonen bei Tiſch — undenkbar! Denn eine davon muß
in Jahresfriſt unfehlbar ſterben. Ebenſo wird es wohl kaum ein Hotel-
beſitzer wagen, einem ſeiner Fremdenzimmer die Nr. 15 zu geben; der Gaſt,
der dort untergebracht werden ſollte, würde ſicher ſchleunigſt kehrt machen
und lieber in einem anderen, wenn auch weit ſchlechteren Gaſthof Unter:
kommen ſuchen. Und einer meiner Bekannten erzählte mir einmal vor einer
langen Reihe von Jahren eine ganze Menge von ZSchreckensereigniſſen in
feiner eigenen Samilie, die alle in irgendwelcher Weiſe mit einer 13 in Der:
bindung ſtanden. Er prüfte daher ſtets ängſtlich, wenn er verreiſte, die
Wagenzahl des Zuges, um ja nicht in den 15. Wagen zu kommen, und nichts
hätte ihn dazu vermocht, an einem 15. des Monats ſich der Eiſenbahn oder
irgend einem Schiffe anzuvertrauen. Die 13 iſt nun einmal eine ganz aus⸗
geſprochene Unglückszahl, die ohne Zweifel — ſo meint man wenigſtens
ziemlich allgemein — mit der Abendmahlsgeſchichte Chrifti zuſammenhängt.
Ich war daher nicht wenig erſtaunt, daß ich unter den zahlreichen und
mannigfaltigen Amuletten, die ich während des Krieges in Frankreich zu
beobachten Gelegenheit hatte, kaum eines ſo häufig vertreten fand, wie
die 13. Nicht nur trägt man fie dort als bloße Zahl in Form koſtbarer, goldener,
bisweilen noch mit Edelſteinen geſchmückter Medaillons (Abb. 1), ſondern
auch in Verbindung mit anderen Amuletten, allen voran der berühmten,
meiſt in zierlicher Silber⸗ oder Goldfiligranarbeit hergeſtellten „Hand der
Satme“, deren apotropäiſche Bedeutung und Herleitung ich früher bei
122 Georg Wilte. | [2
anderer Gelegenheit behandelt habe (Abb. 2). Bei dieſen Amuletten, die ich
dann ſpäter auch in den Juwelierläden und Antiquitätengeſchäften i in Brüſſel
vielfach angetroffen habe, bildet alſo die 15 eine ausgeſprochene Glückszahl.
Wenn ich auch perſönlich
niemals an die Herleitung der
Unglückswirkung der 13 von der
ſoeben erwähnten Ubendmahls⸗
geſchichte geglaubt hatte, ſo be⸗
fremdete mich doch dieſe Doppel⸗
bedeutung der Jahl um ſo mehr,
als ich ſie ſonſt auch anderwärts
immer nur als Unglückszahl kennen
gelernt und insbeſondere in allen
von mir früher beſuchten ſlaviſchen
und romaniſchen Ländern, dar⸗
von Lille. unter auch in Frankreich, dem
Aberglauben von den 13 bei CTiſch
begegnet war. Ich hielt es daher für erwünſcht, dem Dreizehnglauben etwas
näher zu treten und insbeſondere die Frage nach feiner Verbreitung, Ent-
ſtehung und herkunft aufzuklären.
Abb. 1. Abb. 2.
Abb. 1 und 2. Stan e Amulette aus der
Gegen
1. Derbreitung der ſymboliſchen Zahl 13.
Wie viele andere fymbolifhe Zahlen ijt auch die 13 außerordentlich
weit verbreitet und namentlich begegnen wir ihr in ſcharf ausgeprägter Weiſe
im alten Mexiko, wo ſie vorwiegend als Glückszahl erſcheint. Die mexikaniſche
Mythologie kennt 13 Himmel mit 13 Gottheiten. Der Tag zerfällt bei ihnen
in 13 Tages- und 9 Nachtſtunden und im Tonal-amatl (d. h. Schickſalsbuch)
iſt die 15 (13 Wochen zu 20 Tagen = 1 Jahr von 260 Tagen) eine der Grund⸗
zahlen (Jeremias, Handb. d. altor. Geiſteskult. S. 161).
13 oberſte Schlangengottheiten treffen wir weiter bei den ſüdlichen
Nachbarn des alten Aztefenreiches, den Maya, doch find die Namen diefer
Gottheiten bis auf einen, Dotan, verloren gegangen (J. G. Müller, Geſch.
d. amerik. Urreligionen S. 487). Huch findet ſich hier der auch bei den Mexikanern
gelehrte Glaube, daß die Welt nach 5 Denusperioden (5 x 13) untergeht:
Hier erſcheint die 13 alſo als Unglückszahl.
Spuren der 15 finden ſich dann weiter bei Indianern Nordamerikas.
Bei dem Feſte, das dem Manitu des Feuers zu Ehren gegeben wird, kommt
dieſer als 13. hinzu, wie auch 13 Indianer dabei eine beſondere Rolle zu
ſpielen haben (J. G. Müller, a. a. O. 91 ff.). Huch legt, wie E. Böklen!)
1) Dieſe Abhandlung kam mir leider erſt zu Geſicht, als das Manuffript der vor⸗
liegenden Arbeit bereits fertig war. Bei dem hohen Wert, den ich der Abhandlung Böklens
3] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 123
in feiner verdienſtvollen Arbeit, „Die Unglüdszahl dreizehn“ (Muth. Bibl. V.
Heft 2) ausführt, die gefliſſentliche Betonung der 13 in den Dereinigten
Staaten (13 Sterne und 13 Strahlen an der erſten amerikaniſchen Flagge,
13 Blitze in der Klaue des Wappenadlers uſw.) die Vermutung nahe, daß
fie mit dem Vorkommen der 13 bei den Indianern in Verbindung ſteht, und
daß vielleicht die 15 Vereinigten Staaten, aus denen ſich die heutige Union
urſprünglich zuſammenſetzte, ſchon eine Art Vorläufer bei den Rothäuten
Nordamerikas gehabt haben (E. Böklen, a. a. O. 6°).
völlig unbekannt — wie wohl auch die ſonſtigen ſumboliſchen Zahlen —
ift die 13 anſcheinend den Buſchmännern und den geſamten Negervölkern.
Nur da, wo arabiſche und ſemitiſche Einflüſſe eingewirkt haben, wie in dem
Gebiete zwiſchen Viktoria⸗ und genes dürften ſich vielleicht Zpuren
von ihr finden.
Ebenſowenig habe ich ſie in den daraufhin von mir geprüften Sagen
Poluneſiens, Mikroneſiens und Aujtraliens feſtſtellen können. Dagegen findet
Jie fih im Malaiſchen Gebiete, wo zugleich auch nach Mond⸗Sonnenjahren
gerechnet wird (S. K. Ginzel, Handb. d. math. u. techn. Chron. I. 499 ff.).
Ebenſo begegnen wir ihr in Japan. So fragt ein Kinderlied aus
dem Koujaku-Monogotari („Es war einmal“) aus dem 11. Jahrhundert,
das noch heute gelungen wird, den Mond nach ſeinem Alter und nennt
„dreizehn ſieben“ als Mondphaſenzahlen (A. Jeremias, Handb. d. altor.
Geiſteskultur S. 151).
Don Tibet, wo man früher die Zeit nach einem 19jährigen Cyflus
mit 7 Schaltmonaten rechnete (Ginzel a. a. O. 404), berichtet Sven Hedin,
daß die Büßer durch 13 malige Umkreiſung des heiligen Berges Kailato Abſo⸗
lution ſuchen. Hier ift alfo die 13 eine Glückszahl.
Eine gewiſſe Rolle ſcheint ferner die 13 als Glücks- und Unglückszahl
bei den Zumerern und Babuloniern geſpielt zu haben, die urſprünglich
gleichfalls nach Mond⸗Sonnenjahren mit Einlegung von Schaltmonaten
rechneten (Ginzel a. a. Q. 130 ff.), und eine Gruppe von 13 Gottheiten kennt
auch die altägyptiſche Götterlehre (Maspero, Etudes de mythol. et
d’archéol. égypt. II. 385).
Ungemein weit verbreitet endlich ift die 13 unter den indogermani⸗
ſchen Völkern, denen wir uns bejonders widmen wollen.
Bei den Indern läßt ſich die Jahl ſchon für die älteſten zeiten nach⸗
weiſen. In den Samhita ift von einem „zugeborenen“ 15. Mond die Rede
und ähnlich auch in den Brähmana (Ginzel, I 315). In einer indiſchen Eides⸗
formel werden neben dem Dharma 13 kosmiſche Mächte angerufen (Baufay,
trotz meiner gerade den wichtigſten Punkt (Entſtehung der 15) betreffenden abweichenden
Auffaffung beilege, hielt ich es für geboten, ihr noch nachträglich, ſoweit es ohne allzu
große Tertänderungen möglich war, die gebührende Berückſichtigung zu geben. Auf eine
Beſprechung der von ihm angeführten Belege konnte ich jedoch nicht mehr eingehen.
124 | Georg Wilte. | [4
Pentihatantra II. 42, 117. Anm. 179), und eine Gruppe von 13 Gott-
heiten findet fic) auch ſonſt noch erwähnt (Sr. Bopp. Gloss. comp. ling.
sanscr. ed. 3. 1867. S. 167). Dor feiner Menſchwerdung beſpricht fih Buddha
mit den Tusitagöttern, in welcher Geſtalt er in den Schoß der Mutter ein-
treten folle; erft der 15. Vorſchlag wird verwirklicht.
ü Bei den Armeniern in Nordweſtperſien und Transkaukaſien fand ich
den eingangs erwähnten Glauben an die 13 bei Tijche wieder, und von einer
merkwürdigen Abart der auch ſonſt noch auf der Balkanhalbinſel (Wilke,
Ind. Or. u. Eur. S. 197) wiederkehrenden Polyphemſage bei den Armentern
Rumäniens berichtet H. v. Wlislocki (Märchen und Sagen der Bufowinaer
und Siebenbürg. Arm. (1891) V. XIV.). Nur ift hier, wie wir dies auch
bei zahlreichen anderen Sagen beobachten, die 13 mit der 12 vertauſcht.
| Bei den heutigen Griechen gilt die 13, wie anderwärts, gewöhnlich
als Unglüdszahl, doch findet fie fih daneben auch, wie in dem erwähnten
armeniſchen Dolyphemmarden, als Glüdszahl, jo ihsbejondere in dem neuz-
griechiſchen Märchen „Der Kapitän Dreizehn“, in dem der held mit feinen
Gefährten in einen Abgrund geworfen wird, aber, da er zuletzt hinabgeſtürzt
wird, auf ſeine Gefährten fällt und ſo gerettet wird (B. Schmidt, Griech.
Märchen uſw. 1877. Nr. 11).
Außerordentlid häufig findet fih die 13 im griechiſchen Altertum
wieder, und zwar ſowohl als Glücks- wie als Unglückszahl. Nach Diodor
XVI. 92-ff. ließ Philipp von Makedonien gleichzeitig mit den Bildern der
12 Götter fein eigenes als 13. im Seſtzug herumtragen, um fih dadurch als
Mitherrſcher der 12 Götter darzuſtellen; unmittelbar darauf wurde er er:
mordet. Bei den Bukolikern findet ſich zur Bezeichnung eines Dummkopfes
der Ausdrud reısxaderdsingvs (Menge, Griech. Wörterb. s. v.), der fein
Gegenſtück im Riejen mit 13 Ellbogen der germaniſchen Sage hat (Grimm,
Deutſche Muth. III. 153). Im gefeſſelten Prometheus des Afchylus erklärt
prometheus der Jo, daß ein Nachkomme von ihr im 15. Geſchlecht ihn be⸗
freien werde 1). 13 Freier werben bei Herodot VI. 126 ff. um Agarifta, die
Tochter des Königs Kleiſthenes von Sifyon. Don den 13 Perſonen, die ein:
ſchließlich Oduſſeus in die höhle Poluphems gelangen, ſoll Oduſſeus als
letzter ſeiner 12 Gefährten verſpeiſt werden; tatſächlich werden von dieſen
ja nur 6 aufgegeſſen, doch dürfen wir auf Grund der anderwärts wieder⸗
kehrenden Abarten dieſer Sage wohl annehmen, daß urſprünglich Oduſſeus
als der alleinige Gerettete galt. Jedenfalls iſt er der einzige, der von den
15 die Heimat wiederſieht. Einer Gruppe von 13 Gottheiten begegnen wir
im Puthagoriſtes bei Arijtophon, wo Eros als 13. aus dem Götterkreis aus-
1) Aischyl. pop. deouwıns v. 768 ff.
Io: ron adv tiv adıdv éxydvwr elvai xodwv
Io: Has elnas’ fuos nats Pånrakåděai xaxðv ;
He: tettos ye yévvav nods den’ dAAatow yovals.
5] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 125
geſtoßen wird, und die gleiche Zahl erſcheint bei Philoſtr. Ep. 39, wo von
den Athenern berichtet wird, daß fie verſchiedenen Göttern auf ihrer Flucht
gaſtliche Aufnahme gewährt und auch „dem Mitleid“ als 13. Gott einen
Altar errichtet hätten !).
Daß in Italien, der Hochburg aller möglichen Art von Aberglauben,
wo ſelbſt ein Mann wie Criſpi ſich nicht ſcheute, in der Kammer ſein großes
Korallenhorn gegen mal occhio- verdächtige Abgeordnete zu richten (Selig⸗
mann, Der böſe Blick u. Derw. II. 136), auch die 13 eine ungeheure Rolle
ſpielt, ift ſelbſtverſtändlich. Auch kehrt hier das Märchen vom Kapitän 13
in mehrfachen Abarten wieder (Visentino, Fiabe montovane No. 4 Trede-
cino; Imbriani, La novellaja milanese (Bol. 1872), No. 1 Tredesin. u. a.).
Aber auch ſchon bei den alten Römern läßt fih die Zahl nachweiſen.
So finden wir, wie bei den Indern und Griechen ſowie auch bei den Kelten
und Germanen (f. unten S. 127), neben der ſonſt üblichen Zwölfzahl der
Götter auch eine Gruppe von 13 bei Ovid. Metam. VI. 72
Bis sex coelestes medio Iove sedibus altis
Augusta gravitate sedent,
wo Juppiter als 13. in der Mitte der 2 x 6 himmliſchen itzt.
Ganz allgemein verbreitet fand ich den Glauben an die Unglückszahl 13.
in den von mir beſuchten ſlaviſchen Ländern (Böhmen, Slawonien, Serbien,
Bulgarien, Rußland). Doch findet ſich die Zahl, beſonders als Glückszahl,
auch in einzelnen Märchen der Sammlung Afanaſſiew (Hapodusa Pycekia
cxacnn), fo in dem von mir früher (Ind. Or. u. Eur. S. 144) in anderem
Zuſammenhange erwähnten Märchen von Iwan dem Ruhſohn, der fih vor
der in ein Schwein verwandelten Drachenmutter in eine Schmiede rettet
und ſie hier, als ſie ihn auffreſſen will, mit Hilfe der 12 Schmiede tötet
(a. a. O. Nr. 27). Und in einer wendiſchen Faſſung des Märchen vom Schnee—
wittchen ſtehen ihm 15 Beſchützer zur Seite. Dem auch anderwärts häufig
wiederkehrenden Motiv von 15 Gemächern begegnen wir in einem eſthaiſchen
Märchen „Die Meermaid“, die in einem Schloß mit 12 Gemächern wohnt,
jeden Donnerstag aber ſich in einer lichtdicht abgeſchloſſenen (dreizehnten)
Kammer verbirgt, um hier als Siſchweib herumzuſchwimmen (Kreugwald,
Eſthn. Ward. Nr. 16). Die Polyphemjage kehrt, freilich in völlig abgewandelter
Sorm, bei den Südſlaven wie in Finnland wieder (Wilke, Ind. Or. u. Eur.
197 f.).
In den keltiſchen Ländern findet fih die 13 außer in der Sorm von
Amuletten, derer ungeachtet aber auch der Glaube an die unglückbringende
Bedeutung fortlebt, ziemlich häufig, und insbeſondere kehrt der Kapitan
15 in mehrfachen Abarten wieder. Die Poluphemſage erſcheint — gleichfalls
1) Philostrat. Epist. 19: éd¢Savro xal APnvaior Aiuntpav gpedyovoay xal
Aidvvoov metotnoivra xal tois ‘Hoaxhéovs naidas &Awuévovs Ste xal ıöv ‘Edéou
dormoavıo Bwudy oe teLsnasdenxdtov Odeop,
. 6
së
126 Georg Wilte. | 10
in abgeänderter Form — in dem bretoniſchen Märchen le géant, qui n’avait
qu'un ceil (P. Sébillot, Contes des landes et des gréves, Rennes 1900).
Das bekannte Rabenmotiv begegnet uns in einem gäliſchen Märchen bei
Campbell. Und im Kultus der alten Kelten war das Bild des Cen Cruach
von 12 anderen Idolen umgeben (J. Loth, L' année celt. d'après les textes
irlandais. Rev. celt. XXV (1904) S. 157).
flußerordentlich zahlreiche Belege endlich liegen für das Vorkomm̃en
der 13 bei den germaniſchen Völkern vor, wo fie ebenſowohl als Unglücks⸗,
wie als Glückszahl !) erſcheint. So in einer Sage vom Greifenſtein bei Thum,
wo ein Bauer nachts von einem Zwerg nach einer Geiſterhöhle geſchleppt
wird und dort als 13. an einer Tafelrunde von 12 Rittern Platz nehmen muß,
dann aber reich beſchenkt entlaſſen wird (Meihe, Sagenb. d. Rönigr. Sachſens
S. 29. Nr. 28). Umgekehrt wird in dem Märchen Marienkind die 15. Rammer
BE DEEN EE Hl:
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Abb. 3. een Sen in yan von hHausverzierungen.
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oven a. d.
dem neugierigen Mädchen zum Verhängnis (Grimm, Kind u. Hausm. 403).
In Gutenberg bei Halle ſitzt unter einem Hügel eine henne auf 13 goldenen
Eiern, und nach einem anderen Märchen erhält die Braut von der Sonne
ein goldenes Kleid, und vom Mond ein Ei, aus dem 12 Rüchlein heraus⸗
kommen (Grimm, Kinder- und Hausmärchen Nr. 88). Diefes Zahlenverhältnis
Mutter oder Dater + 12 Kinder kehrt auch ſonſt oft wieder; ebenſo in der
Form Meifter + 12 Geſellen oder Führer + 12 Mannen (wie in der Oduſſeus⸗
ſage). 12 war die Jahl der Schöffen, zu denen als 13. der Richter hinzu⸗
trat (Grimm, Deutſche Rechtsaltert. I. 572). Mit 12 Geſellen arbeitet Mimir
als Schmied und in der Thidrekſaga fechten Thidrek und Iſung von je 12 Mannen
begleitet, 15 Zweikämpfe gegeneinander aus. Bereits oben erwähnt war
der Rieſe mit 13 Ellbogen. Unter den Göttern hieß Loki der 13., unter den
Göttinen Gnå die 13. (Grimm, Deutſche Muth. I. S. XXXIX). In
Grimnism. 56 ſendet Odin 15 Walküren in die Schlacht, um die Männer
auszuwählen, die zu fallen beſtimmt find. Auf dem Idafelde in Gladsheim
1) Bemerkenswert ift in dieſer Hhinſicht auch ein von einer 13 blätterigen Rofette
eingefaßtes Kreuz unter den Verzierungen eines hauſes von Eſchhoven an der Lahn
(Nachr. Alt. 1899, 1. Sig. 2 = Abb. 3). Ferner weiſen die alten Roßkämme, mit denen
man früher die Pferdekumete verzierte, und deren apotropäiſche Bedeutung ich Mannus
VII. 20 dargetan habe, meiſt 13 Zähne auf.
7] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 127
waren 12 Sitze für die Götter errichtet und einer für den Allvater ſelbſt
(Gulfag 14; vgl. hierzu die Gruppe von 13 Göttern bei den Römern, Griechen
und Indern S. 125).
Schon die hier im vorſtehenden angeführten Beiſpiele, die ſich noch
durch zahlreiche andere vervollſtändigen laſſen !), zeigen uns, wie tief die 13
im Glauben der indogermaniſchen Völker wurzelt, zugleich aber auch, wie
uns namentlich ihr Auftreten bei den Griechen und Indern lehrt, daß ſie
hier bis in die allerfrüheſten Zeiten zurückreicht. Wir dürfen daher mit
vollem Recht annehmen, daß dieſer Glaube ſchon in der indo⸗
germaniſchen Urzeit beſtanden hat und daß ihn die indogermanis
ſchen Einzelvölker bei ihrer Trennung von ihrer einſtigen heimat
nach ihren neuen Wohnſitzen mit hinübergenommen haben.
2. Die 13 in der vorgeſchichtlichen bunt Mitteleuropas.
Bei dieſer weiten Verbreitung, die die ſymboliſche 13 nach den vor⸗
ftehenden Ausführungen ſowohl bei verſchiedenen nicht indogermaniſchen,
wie namentlich den indogermaniſchen Völkern gefunden hat, mußte ſich ganz
von ſelbſt die Frage aufdrängen, ob nicht die gleiche ſumboliſche Bedeutung
auch ſchon für das vorgeſchichtliche Mitteleuropa nachzuweiſen iſt, das wir
ja heute mit vollem Rechte als das heimatgebiet der Indogermanen betrachten
dürfen. Allerdings ſind wir ja bei der Aufipürung dieſer Zahl bei den vor-
geſchichtlichen Bewohnern Mitteleuropas in einer etwas mißlichen Cage, da
uns Giele weder irgendwelche ſchriftliche Jeugniſſe noch eigentliche Dar-
ſtellungen von Zahlen hinterlaſſen haben, wie wir fie etwa in den franzöſi⸗
ſchen Amuletten vor uns ſehen. Wir bleiben daher zur Beantwortung dieſer
Frage lediglich auf die uns hinterlaſſenen künſtleriſchen Erzeugniſſe ange⸗
wieſen und müſſen dementſprechend feſtzuſtellen ſuchen, inwieweit ſich der
jeweilig herrſchende Derzierungsitiel einer dreizehnmaligen Wiederholung be:
ſtimmter Motive oder dreizehnteiliger Figuren oder Figurengruppen bedient.
Dieſer Weg erſcheint auf den erſten Augenblick ſehr wenig ausſichtsreich, da
ja die Kunjt bei der Gruppierung alle möglichen Zahlen verwenden und die
13 daher recht wohl auf bloßem Zufall beruhen kann. Indeſſen werden wir
verſchiedenerlei Anhaltspunkte kennen lernen, auf Grund deren wir recht
wohl entſcheiden können, ob und inwieweit ein Zufall auszuſchließen und die
Zahl 15 als bewußt und mit bſicht gewählt aufzufaſſen ift.
Ich gebe nun nachſtehend eine Juſammenſtellung von Gegenſtänden
und Verzierungsmuſtern, bei denen fih die dreizehn verwendet findet. Die
Lijte macht natürlich keinerlei Anſpruch auf Vollſtändigkeit, die für den vor:
1) Ein ungemein reiches Material hat Böklen in ſeiner Arbeit zuſammengeſtellt,
die auch ausführlich auf das Verhältnis der 13 zu anderen Zahlen, das hier nur gelegent⸗
lich berührt worden iſt, eingeht.
128 Georg Wilte. [8
liegenden Zweck weder nötig, noch ohne weitläufige Muſeumsreiſen erreichbar
war. Dafür habe ich aber wahllos alle mir gerade zur Hand befindlichen
Fälle herangezogen, um damit ein Bild über die relative Häufigkeit der Der-
wendung in der profanen Runſt und bei Gegenſtänden talismaniſchen oder
ſakralen Charakters zu gewinnen.
1. Zwei kleine ſcheibenförmige Goldanhänger mit je 15 getriebenen,
kreisförmig angeordneten Buckelchen aus Ramunta, Raukaſus. Skuthiſch—
buzantiniſche Periode (E. Chantre, Rech. anthrop. dans le Caucase T. II.
pl. XIV. 25 und T. III. pl. XIII. 19). Die Anhänger ſind als Schmuckſtück
aufzufaſſen. Da aber die Goldſchmiedekunſt wie noch heute (goldenes vier—
blätteriges Kleeblatt, goldene Anhänger mit der Zahl 13, goldene Spinne
mit Netz, Glücksſchweinchen, ſchuhförmige Anhänger, Kreuze uſw.) ſich gern
irgendwelcher talismanijcher oder ſakraler Motive bei ihren kunſtgewerblichen
Erzeugniſſen bedient, ſo wäre es immerhin möglich, daß die Dreizehnzahl
hier beabſichtigt iſt. Jedenfalls würde ſich ein deutſcher
) Kunſthandwerker umgekehrt ſehr davor hüten, daß
. ihm die Zahl bei einem Schmuckſtück unterlaufe.
rennen Oe 2. Rechteckige Silberplatte mit abgerundeten
einem kaiſerzeitl. Grabf. Enden und 15 Gruppen eingeſtempelter Kreije aus
KC gare E dem kaiſerzeitlichen Grabfelde von Dienſtädt in Thü—
J. f. E. 1908, 913. Sig. 19. ringen (Abb. 4). Don dieſer Platte gilt das unter 1
i Gejagte. |
3. 13- und 9jtrabliger Stern auf dem Schilde der Kriegerfiguren im
oberjten Bildfelde des Runenhorns von Gallehus (Abb. 5). Offenbar My-
Abb. 5. Darſtellung auf dem Runenhorn von Gallehus.
thiſche Darſtellung, wie fih auch aus den zahlreichen Sternfiguren ergibt.
Nach der Form der Runen 2. oder 3. Jahrh. n. Chr.
4. Nußarmband mit 13 Hohlſchalen aus dem Gräberfelde von Manners-
dorf am Leithagebirge; Latene C. Reinecke. Bedeutung wie Nr. 1.
9] die Jahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 129.
5. Spinnwirtel mit 13 Einkerbungen aus dem lateénezeitlichen Gräber-
felde von Bodenbach a. E. (Wiener Pr. 3. I. Taf. IV. 29). Bei der kleinen
Offnung handelt es ſich vielleicht um eine Tonperle.
6. Klapperblech mit 13 rechteckigen Bronzeblechplatten (Abb. 6) aus
dem hallſtattzeitlichen Gräberfelde von Gering; bei Mayen (Mann. VII. 334.
Ges EE
Ana dd)
Abb. 6. Klapperblech von Gering bei Mayen.
d
Abb. 4). Die apotropäiſche Bedeutung dieſer Klapperbleche wird wohl all:
gemein angenommen!).
7. Gehängefibel mit 13 Klapperblehen aus dem. Grabfelde von Hall-
ſtatt (Hörnes, U. d. K. 492. Sig. 159 = Abb. 7). Bedeutung wie unter Nr. 6.
8. Rajlelring mit Tierköpfen und 13 konzentriſchen Kreiſen von Hall:
ſtatt (Sorrer, Urg. d. Eur. Taf. 160, 4). Auch hier ift die apotropäiſche Be⸗
deutung klar.
9. Bronzene Dotivart von Hallſtatt mit 13 konzentriſchen Kreiſen, von
denen 10 auf den Stiel, 3 auf das Artblatt entfallen (Sorrer a. a. O. S. 423,
Sig. 316). Über die ſakrale Beſtimmung des Stückes herrſcht kein Zweifel.
Die Zahl kann natürlich ſehr wohl auf Zufall beruhen, da die Kreije nicht
zuſammenliegen.
1) In römiſcher Zeit dienten hierzu die fog. Crepundia (von crepare „klappern,
raſſeln“). Nur verwendete man hierzu gewöhnlich ſtatt der viereckigen Klapperbleche
aus Blech ausgeſchnittene oder gegoſſene Miniaturgegenſtände, von denen jeder noch
eine beſondere apottropäiſche Wirkung hatte. (Nach Plautus: ein goldener Degen mit
dem Namen des Daters, ein kleines doppeltes Doppelbeil mit dem Namen der Mutter, ein
kleiner ſilberner Dolch, zwei verſchlungene hände, ein kleines Schwein, eine goldene Bulle.)
Mannus, Bd. X. H. 1 u. 2. 9
130 | Georg Wilte. [10
10. Gefäß aus dem hallſtattzeitlichen Grabfelde von Kehrig bei Mayen
mit 26 (= 2 x 13) = ftrahligem Stern (Bonner Kat. Taf. VIII. 1). Als
Abb. 7. Gehängefibel von hallſtatt. Abb. 8. Gefäß von Kebhrig bei Mayen.
=>
Totenbeiqaben haben die
Grabgefäße ſelbſtverſtändlich
eine gewiſſe kultiſche Bedeu⸗
tung (Abb. 8). |
11. Gefäß mit 13 ſtrah⸗
ligem Stern aus dem hall-
ſtattzeitlichen Gräberfelde
von Gering bei Mauen
(Mannus IV. Taf. XV b,
hier Abb. 9).
12. Grabgefäß aus einem
Hügelgrab der hallſtattzeit
mit 13 ſtrahligem Stern auf
dem Gefäßrande. Markung
Hild (Attilau) bei Blaubeuren
(Die Alt. d. O. A. Blaubeuren
Abb. 9. Omphalosſchale von Gering bei Mayen. S. 23. Abb. 6 Nr. 7, hier
Abb. 10).
13. Zierteller mit 13 ſtrahligem Stern aus Baden (Sorrer a. a. OS. 461.
Sig. 366). Grabgefäß.
—
11] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 131
14. Tonſchüſſel mit 13jtrahligem Stern aus dem Gräberfelde von
Willmersdorf, Kr. Beesfow-Storfow. Früheſte Hallſtattzeit (Nachr. Alt. 1900.
S. 17. Abt. 2, hier Abb. 11).
| 15. Gefäßtragende weibliche Sigur mit 4 Hafenfreuzen und 2 aus je
13 Punkten gebildeten Kreiſen (Abb. 12). Curium, Cypern (Cesnola-Stern
Taf. LXIX, I). Über den ſakralen Charakter der Sigur ift jeder Zweifel
ausgeſchloſſen.
Abb. 10. 13zackiger Stern auf
einem Gefährande. Markg.
Ajd b. Blaubeuren. Alt. Blau-
beuren, S. 23, Abb. 6, Nr. 7.
Abb. 11. Deckelteller einer Aſchen⸗
urne mit 7 Gruppen von ſenkrech⸗
ten Strichen und 13 halbkreiſen.
Grabfeld von Wilmersdorf, Kr.
Beeskow⸗Storkow, Nachr. Alt.
1900, S. 17.
Abb. 12. Gefäßtragende |
Sigur von Curium, Cypern. Abb. 13. Gemme von Kreta.
16. Gemme von Kreta: Wappenartig geſtellte phantaſtiſche Tiere,
deren Dorderfüße auf einem Unterſatze (entarteter Pfeiler) ruhen, und
zwiſchen deren Köpfen fih eine 13 ſtrahlige Sonnenfigur befindet (Abb. 13).
17. Tonjarg von Theben mit Hafenfreuzen und 13blätterigen Roſetten
(Abb. 14). Sakrale Bedeutung iſt zweifellos (Bertrand).
18. Knotenfibel mit 13 Knoten aus einem Hügelgrabe von Wies, Steier-
mark (Abb. 15). Die Zahl 13 ijt wohl rein zufällig (doch vgl. Nr. 1). (Much,
Runſthiſt. Atl. XLIII, 15).
dh
132 Georg Wilte. [12
T de: |
— Zr ee SÉ" Abb. 15. Sibel mit 13 Knoten aus einem
Grabhügel von Wies, Steiermark.
Much, Atl. Taf. XLIII, 15.
4
Abb. 16a. Abb. 16 b.
Eimerdedel von Wies, Steiermark.
19. Reich verzierter Deckel eines
Bronzeeimers mit einem Innenkranz
von 5 punktiert herausgetriebenen
Doppelſchwänen und einem Auben-
kranz von 13 in gleicher Weiſe dar—
geſtellten Sonnenrädern. Dom Deckel⸗
rande hängen Klapperbleche herab
(Abb. 16). Grabhügel von Wies,
Steiermark (Much, Taf. XLII. 2 a,
c, b). Die ſakrale Bedeutung ergibt
ſich mit voller Sicherheit aus der Art
an. > En (Doppelſchwäne,
onnenräder).
Abb. 17. Bron Se) Ober-Dintl, 20. Bronzerad mit 13 Speichen
| (Abb. 17) aus einem Bronzefunde
von Ober-Dintl, Puitertal (Much, Taf. LXIX, 5). Sakraler Charakter nicht
zu bezweifeln.
13] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 133
21. Goldgefäß Nr. 2 vom Meſſingwerk bei Eberswalde (Abb. 18).
Kranz von 13 Sonnenfiguren, dem nach außen ein Kranz von 221) gleich⸗
Abb. 18. Gold ſchale von Eberswalde.
artigen Figuren folgt (Koffinna, Der germ. Goldreichtum in der Bronzezeit,
Mannus-Bibl. 12, Taf. III, 2).
22. Goldſchale von Eilby
Lund, Fünen (Abb. 19) mit an-
ſcheinend 13 Sonnenfiguren und
Hängezierat (Roſſinna a. a. O.
S. 26. Abb. 6).
23. Goldſchale von Cangen⸗
dorf, Kr. Frenzburg, Vorpommern
(Abb. 20). Kranz von 13 Sonnen:
figuren (Koflinna a. a. O. Taf.
XIV, 2).
Über die ſakrale Beſtimmung
Ee Wi
TZ
Abb. 19. Goldfdale von Eilby Lund, Fünen.
dieſer Goldgefäße kann nach der eingehenden Begründung Roſſinnas meines
Erachtens ſchon in Anbetracht der Jürich⸗ Altitettener Goldſchale, auf der
1) Eine wichtige, in der vorgeſchichtlichen Runſt Mitteleuropas öfter wiederkehrende
Kalenderzahl.
134 Georg Wilte. [14
7 Mond: und 7 Tierfiguren dargeftellt find, gar kein Zweifel herrſchen, und
die anſcheinend ſehr häufige Derwendung ſumboliſcher Zahlen (7, 9, 11, 15,
40 u. a.) bei der Derzierung dieſer Gefäße, wofür eine nochmalige genaue
Prüfung wahrſcheinlich noch weitere Beiſpiele liefern würde, bildet nur
eine neue Stütze für dieſe Annahme. Wer aber trotzdem an der Deutung
K. Schuchhardts feſthält, daß dieſe ſcharfrandigen Gefäße Trinkſchalen eines
metfreudigen Semnonenfürſten geweſen ſeien, dem empfehle ich, ſelbſt ein⸗
mal einen Verſuch damit zu machen; nur rate ich im Intereſſe der Lippen
den Verſuch abzubrechen, bevor der Met anfängt, die hand zu meijtern
24. Griffplatte eines prächtigen
=. Bronzedolches mit 13 konzentriſchen
Kreiſen und 13 ſtrahligem Stern
i f RL | (Abb. 21). Bronzefund von Rothen-
been grub, Niederöſterreich (Much, Atl.
Wahre Taf. XXXVII, 14). Früheſte Bronze-
b Are zeit. Waffen werden begreiflicher⸗
weiſe ſehr gern mit einem wirkſamen
Zauber verſehen.
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.
Abb. 20. Goldichale von Langendorf, Abb. 21. Dolchgriffplatte von
Kr. Sranzburg. Rothengrub.
25. Gefäß mit 15 vom Bodenrande ſternförmig ausſtrahlenden, ſchräg
nach oben verlaufenden Einritzungen. Grabfund von Buchholz, Kr. Greifen⸗
hagen. Frühe Bronzezeit (Mannus III. 147. Abb. 4 IV und IV a).
26. Bronzenes Jierbeil mit 19 Budeln, die jo angeordnet ſind, daß
je 7 beiderſeits dem oberen Randteile des Wort ausladenden Beilblattes
folgen, während auf den Stielteil eine einfache Reihe von 6 Budeln kommt.
Jede Seite für fih betrachtet enthält alfo 15 Buckel (Abb. 22). Da die
Buckeln am Blatteile ziemlich weit von der Schneidenecke enden, iſt die Zahl
vermutlich beabſichtigt. Dänemark (Madſen, Bronzealderen Taf. 3, 9).
27. Mit fortlaufenden Doluten verzierte Zierart. Anordnung der ein:
zelnen Doluten ähnlich wie bei der vorhergehenden (Abb. 23). Doch jegen
fich hier die dem oberen Blattrande folgenden Muſter in eine den Schneiden⸗
15] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 135
rand begleitende Ornamentlinie fort. Dänemark (Madſen, Bronzealderen
Taf. 3, 10). Beide Stücke find wohl als Zeremonialäxte Mfzufaffen.
Abb. 23. Zieraxt aus Dänemark.
28. Hängedoje- aus einem
Hügelgrab von Seeland mit ſechs—
ſtrahligem Stern in der Mitte und
13 durch gleich viele Bögen mitein—
ander verbundenen Kreijen; darum
ein Kranz von 29 konzentriſchen
Kreiſen (Abb. 24).
29. Gürtelplatte von Seeland
(Abb. 25) mit 3 konzentriſchen, aus
verwickelten Dolutenmujtern gebil—
deten Kränzen. Der innerſte von
ihnen ſetzt ſich aus 7, der mittelſte
aus 11, der äußere aus 13 Doppel-
voluten zuſammen !). Der. II. Abb. 25. Gürtelplatte von Seeland.
(Madſon, Bronzealderen Taf. 39, 1). 1
Die Anlegung des Gürtels erfolgte bei den Indogermanen ganz allgemein
erſt bei der Jünglingsweihe, die — wie bei vielen Naturvölkern der Gegen—
1) Die ſymboliſche Bedeutung der 7 ift allgemein bekannt, doch ſpielt auch die 11
ſowohl im babyloniſchen wie im indogermaniſchen Glauben eine ziemlich wichtige Rolle.
In Württemberg hängt man zahnenden Kindern am 11. eines Monats 11 Uhr porte
136 Georg Wilte. [16
wart und in, der abgewandelten Gorm der Konfirmation auch noch bei uns
— mit großen r@igidien Feierlichkeiten verknüpft war. Der Gürtel erlangte
dadurch eine gewiſſe ſakrale Be⸗
deutung, an die fidh die Erinne-
rung in mancherlei an ihn an⸗
knüpfenden Heil- und apotropäi-
ſchen Bräuchen bis heute erhal⸗
ten hat!).
30. Reid) verzierte Gürtel⸗
ſchließe der früheſten Bronzezeit
vom Burgberge bei Jägerndorf
in Mähren. Unter den Einzel⸗
muſtern 3 Sonnenräder zu 12, 13
und 14 Speichen (Much, Atl.
LXXVII. 1 = Abb. 27). Über
die Bedeutung des Gürtels f. u.
Nr. 29.
Adb. 26. Gold ſchale von Ledegaard. 31. Norddeutſche Scheiben-
ö | nadel mit 13 Budeln aus dem
frühbronzezeitlichen Depotfunde von Clempenow in Pommern (Nachr. Alt.
1897 S. 8. Abb. 4). Über die Bedeutung gilt das unter Nr. 1 Geſagte.
mittags Amulette mit dem friſchen Kraute von Eiſenkraut (Verbena officinalis) zur Der-
hütung von Krämpfen um den Hals (v. Hovorfa und Kronfeld, Vergl. Volksmedizin
II. 831). ;
Elf lebten noch vom Afenftamnf
Als Baldes Leiche auf den Brandſtoß fant.
lautet es in det Edda (Hyndl. 50). Und wie bei der elffeitigen Harfe von Telloh (Jeremias,
Handb. d. altor. Geiſteskult. S. 285. Abb. 184) und dem von 11 Sternen umgebenen
Marduk auf einem babyloniſchen Zylinder (a. a. O. 275. Abb. 175), fo findet ſich die
Zahl 11, namentlich in Form von Sternen und Sonnenfiguren, auch ſehr häufig in der
vorgeſchichtlichen bunt Mitteleuropas wieder. So bei den Goldſchalen von Ladegard
(Koffinna a. a. O. Taf. XIV, 3 = Abb. 26) mit elfſpeichigem Sonnenrade und einem
Kranze von 11 Sonnenkreiſen; beim Dotivfunde von Lavindsgaard, Sünen, der in einem
Bronzegefäße 11 Goldſchalen enthielt (Koſſinna a. a. O. S. 21), auf dem Näpfchenitein
von Sesfilgreen, Grafſchaft Tyrone, wo man neben Sonnenkreiſen mehrere Sonnenrader
mit 11 und 13 Strahlen ſieht (hörnes a. a. O. S. 230. Abb. 1) uſw.
Die Jahl leitet man gewöhnlich vom Cierkreis her, weil ein Bild immer von der
Sonne bedeckt ift (Jerem. a. a. O.). Wahrſcheinlicher aber iſt wohl, daß fie mit den
Epagomenen zuſammenhängt, die zum Ausgleid) des 354 tägigen Mondjahres gegenüber
dem 365 tägigen Sonnenjahre dem Mondjahre angefügt wurden (f. unten S. 145).
1) In Perſien reibt man einen Behexten mit der Gürtelſchnur ein (Seligmann,
Der böſe Blick u. Derw. I. 306). Auf den kanariſchen Inſeln ſchützen fih die Bauern
gegen den böſen Blick durch Umdrehen des Gürtels (a. a. O. II. 222). In manchen
Gegenden Rußlands tragen der Bräutigam und ſeine Freunde eng geſchnürte Gürtel,
weil ein Jauberer jemandem nur dann ſchaden kann, wenn er ihm den Gürtel gelöſt hat.
17] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 137
32. Reich verziertes Beil aus zinnarmer Bronze von Dänemark. Das
mittlere Band an der Seite des Beilkörpers wird ausgefüllt durch eine Reihe
von 15 hängenden und ſtehenden ſchraffierten Dreiecken, die mit den Spitzen
zuſammenſtoßen und 12 glatte Rau: —
ten einſchließen (Madſen, Bronze⸗ ,
alderen Taf. I. 1 = Abb. 28). Das —* ES
der Periode Ic angehörige Stück ift
als Jeremonialaxt aufzufaſſen.
35. Spinnwirtel mit 13 leicht
bogenförmig gekrümmten Einfur⸗
chungen, die ſtrahlenartig von der
Durchbohrung nach außen verlaufen.
Terramare von Polada (Munro,
Stat. lac. Sig. 68, 38). Sakrale
Bedeutung mit Kückſicht auf die +>:
ſonnenradartige Derzierung wahr: eae”
ſcheinlich. Abb. 27. Gürtelſchließe von Jägerndorf.
34. Bronzeſcheibe mit 13 ſtrah⸗
ligem Stern aus einem frühbronzezeitlichem Grabe von Staadorf, Ober⸗
pfalz (Nachr. Alt. 1903 = Abb. 29).
35. Tönerne, rot gefirnißte und weiß inkruſtierte Sepulfralfeule mit
12- und 13fproffigen Leitern verziert (Sorrer, a. a. O. S. 182. Sig. 106).
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Abb. 28. Zierteil aus Dänemark. Abb. 29. Staadorf, Oberpfalz.
Über die religiöſe und apotropäiſche Bedeutung der Leiter habe ich
Mannus VI. 36 eingehend geſprochen. Über die kultiſche Beſtimmung der
Tonkeule kann kein Zweifel herrſchen. |
36. Tonfigur von Klicevac in Serbien. Auf beiden Seiten der Bruſt
je ein 12 ſtrahliger, darüber ein 15 ſtrahliger Stern (Hörnes, U. d. K.
In Tunis läßt eine Srau gegen den böſen Blick an die Zimmerdecke den Gürtel ihres
Mannes befeſtigen und hält das andere Ende während der Arbeit feſt; ſelbſt einige Zeit
nach ihrer Niederkunft hütet ſie ſich, es loszulaſſen (a. a. O. II. 225). In China läßt man
die Kinder als Schutzmittel gegen die böſen Einflüſſe Gürtel aus zerſchnittenen Silder,
netzen tragen, wobei allerdings zugleich der Knotenzauber mitwirkt (Mannus VII, 31).
138 ö | Georg Wilte. [18
1. Aufl. Taf. I. = Abb. 30). Zweifellos Kultfigur. Wahrſcheinlich Per. 1,
vielleicht noch älter..
37. 13 ſtrahlige Sonnenfigur auf einem Gefäßſcherben aus dem ſtein⸗
kupferzeitlichen Pfahlbau von Weyeregg im Atterfee,
Oberöſterreich (Hörnes, Urgeſch. d. K. = Abb. 31).
38. 13 ſtrahlige Sonnenfigur auf einem Gefäß⸗
ſcherben einer bandkeramiſchen Siedelung von Regens⸗
burg (Pr. Iſchr. II. 120. Abb. 13 d = Abb. 32).
39. 13 ſtrahlige Sternfiqur auf dem Boden einer
reich verzierten Schale von Groß⸗Gartach (Pr. Iſchr.
II. Taf. 26d = Abb. 33).
40. 112 und 13jtrahlige Sonnenfiguren auf dem
Näpfchenſteine von Seskilgreen, Grafſchaft Tyrone
(Hhörnes, U. d. K. S. 230. Abb. 1).
41. Durch 13 breite flache Furchen in 13 Seg-
„ mente gegliederte durchbohrte Steinſcheibe von 3 Zoll
„ Durchmeſſer und 1 Joll Stärke aus Schleſien (Klemm.
SH ln u Handb. der german. Altertumskunde, E
8 48 und Taf. XI, 9, hier Abb. 34). In ähnlicher
Weiſe gegliederte Steingebilde, die zweifellos eine ſakrale Bedeutung hatten,
kommen ſchon in den frühneolithiſchen Dolmen von Alvao in Portugal vor
(Wilke, Südweſteurop. Megalithkult. u. ihre Bez. 3. Or. S. 49. Sig. 36) und
kehren anderſeits auch in Troja wieder (a. a. O. S. 150. Fig. 121).
Abb. 51. Sonnenrad von Abb. 32. Regens- Abb. 35. Schale von Groß⸗
Weyeregg. burg. Gartach.
42. Tonplatte von Schäßburg in Siebenbürgen mit einem doppelten
Kranze verwickelter Doppelvoluten im Stil der ſteinzeitlichen Spiral-Mäander⸗
keramik (Abb. 35). Der äußere Ring enthält 11, der innere 15 Doppel⸗
voluten. Die Platte, die ſtarke Brandwirkung zeigt und urſprünglich jeden⸗
falls einen Durchmeſſer von etwa 80 em hatte, diente als Deckplatte eines
tönernen Feuerherdes, der in der Mitte weißgrau gebrannt iſt, nach den
Rändern zu dagegen in rötliche bis ſchwärzliche Farben übergeht. Aud) der
19] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 139
unter den Ornamenten liegende Teil zeigt jtarfe Feuerwirkung, zuerſt rote,
dann ſchwärzliche Farbe. In der näheren und weiteren Umgebung fanden
jih viele Conſcherben, zum Teil auch ganze Töpfchen mit und ohne Der-
zierung. In einer Urne fand ſich auch ein ganzes Kinderſkelett (ohne Brand—
ſpuren) und in einem
anderen Topfe ein bloßer
RKinderſchädel. Außerdem
ſind noch eine Unmaſſe
von Knoden von Rm:
dern, Ziegen, insbeſondere
goar
2 *
s t
i ee 2 2 s,
Schleſlen. . Abb. 35. Tonplatte von Schäßburg.
Schweinen und auch Pferden, z. T. auch von Menſchen zutage gefördert
worden (Nachr. Alt. 1902, 73). Die Tonplatte, die nach dem Derzierungs—
ſtil nur der Zeit der Bandkeramik entſtammen kann, iſt ſchon von ihrem
Entdecker C. Seraphim als Opfertult-
platte aufgefaßt worden, und ich halte
diefe Deutung in Anbetracht der ge-
ſchilderten Fundumſtände für die einzig
mögliche.
45. Endlich erwähne ich noch .
die Darſtellung eines Ruderbootes mit FRS PRL EL}
12 Ruderern und 1 Führer auf einer Seto ee
Selſenzeichnung von Upſala (Pr. Zihr. App. 36. Stein von Häggeby in Uppland.
II. Taf. 34 b), die lebhaft an das oben
erwähnte Motiv vom „Kapitän Dreizehn“ und die Oduſſeusſage erinnert
(Abb. 36L Die gleiche Zahl wiederholt fih noch mehrfach, fo.
44. bei einem Boote auf der Steinplatte eines Kammergrabes von
Herreſtrup, Nordweſt-Seeland (Hörnes, U. d. K. S. 235. Abb. 3).
45. Bei einem der Schiffsbilder von Kyrforyf, Bohuslän (Mannus VI.
270. Abb. 11).
46. Bei dem Schiff von Dillfarahögen, Shonen (Mannus a. a. O. 266.
Abb. 7). Hier zugleich eine Gruppe von 13 Näpfchen. (Abb. 37.)
140 Georg Wilke. [20
47. Bei mehreren Schiffen auf norwegiſchen Felſenbildern.
Was lehrt uns nun dieſe Zuſammenſtellung? An reinem Rörperſchmuck
konnten wir die 13 nur viermal feſtſtellen. Hier iſt die Zahl vielleicht oder
ſogar wahrſcheinlich eine rein zufällige; immerhin iſt bei den auch noch heute
ſelbſt bei den höchſten Kulturvölkern beſtehenden engen Beziehungen zwiſchen
Amulett und Rörperſchmuck auch hier mit der Möglichkeit zu rechnen, dah
die Zahl abſichtlich gewählt iſt, um mit ihr dem Schmuckſtück zugleich eine
apotropäiſche Wirkung zu verleihen.
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Abb. 37. Dillfarahögen, Schonen.
Bei allen übrigen Stücken jedoch weiſt teils die Art des betreffenden
Gegenſtandes: Klapperbleche, Sarkophage, Grabgefäße, Dotivärte, Bronze-
rad und namentlich die Kultfiguren und die Opferherdplatte von Schäßburg,
teils die Form der Verzierungen: Sonnen-, Stern- und Radfiguren, teilweiſe
in Verbindung mit hakenkreuzen, Doppelſchwänen und anderen ſakralen
Motiven, mit größter Wahrſcheinlichkeit und vielfach ſelbſt mit voller Be⸗
ſtimmtheit auf einen talismaniſchen oder ſakralen Charakter hin. Erſcheint
hiernach die 15 im allgemeinen an Geräte und Ornamente apotropäiſcher
oder religiöſer Bedeutung gebunden, ſo iſt bei der großen Sorgfalt, die die
religiöſe Kunſt auch auf ſcheinbare Kleinigkeiten und Einzelheiten zu ver-
wenden pflegt, wohl die Annahme gerechtfertigt, daß auch der Zahl ſelbſt
ein ganz beſtimmter Sinn zugrunde liegt. Dabei muß man noch bedenken,
21] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 141 `
was für große techniſche Schwierigkeiten bei der Unteilbarfeit der 13 eine
einigermaßen korrekte und gleichförmige Darſtellung eines 13teiligen Kreis-
ornamentes dem Künſtler darbieten mußte, namentlich wenn es fih um fo
verwickelte und ſchwierige Muſter handelt, wie wir ſie bei vielen der oben
abgebildeten Gegenſtände in fo vollendeter Ausführung vor uns ſehen. Ich
meine, ſchon dieſer Umſtand allein weiſt mit voller Beſtimmtheit darauf hin,
daß der Kiinjtler die Zahl bewußt und mit voller Abſicht gewählt hat, um
damit einen ganz beſtimmten Gedanken zum Ausdruck zu bringen.
Nach alledem halte ich es für erwieſen, daß den vorgeſchicht—
lichen Bewohnern Mitteleuropas die heilige Zahl 13 wohl be:
kannt war, und zwar reicht fie hier, wie die Sonnen- und Stern-
figuren von Weyeregg, Regensburg und Groß-Gartach, und
namentlich die Opferkultplatte von Schäßburg lehren, ſchon ziem⸗
lich weit ins Neolithikum zurück.
3. Entſtehung der ſymboliſchen Bedeutung der 13.
Über die Entſtehung der ſymboliſchen Bedeutung der 13, an deren
Stelle, wie wir geſehen hatten, in vielen Sagen auch die 12 erſcheint, gehen
die Anſichten noch weit auseinander. Die bereits eingangs erwähnte, auch
von namhaften Forſchern !) vertretene Meinung, daß fie auf das Abend-
mahl Chriſti zurückgehe, iſt nach dem von uns vorgebrachten Material über
das Vorkommen der Jahl natürlich gänzlich unhaltbar. Denn wir finden
ſie nicht nur in Amerika bereits zu einer Zeit, wo von irgendwelchen chriſt⸗
lichen Einflüſſen noch keine Rede ſein kann, ſondern auch in der Alten Welt
ſchon Jahrtauſende vor Chriftus. Die ganze Abendmahllegende ijt vielmehr
nur als eine Variante des oben behandelten uralten Motivs vom „Kapitän
Dreizehn“ aufzufaſſen.
Andere Sorjder, unter ihnen vor allem Ed. Meyer (Geſch. d. Alt. I.
§ 426 A), haben die Erklärung einfach im geheimnisvollen Wejen der
Zahl 13 ſelbſt geſucht. Die 12, jagt man, fei, weil durch verſchiedene Zahlen
(2, 3, 4, 6) teilbar, eine harmoniſche und deswegen glüdbringende, die 13
dagegen als unteilbar eine unharmoniſche und daher unglückbringende Zahl
(Wuttke, Der deutſche Doltsaberglaube der Gegenw. S. 90). Erſcheint diefe
Erklärung an ſich ſchon etwas geſucht und gezwungen, ſo trifft ſie auch in—
ſofern nicht zu, als die 13 keineswegs immer eine Unglücks-, die 12 nicht
notwendig eine Glückszahl bildet ?), ſondern beide Zahlen nicht felten thre
1) W. D. Roſcher, Die Sieben- und Neunzahl, im Kultus und Muth. d. Griechen.
Abbandl. d. K. S. G. d. W. Bd. 55 (1906). S. 72 A 161. v. Hovorfa und Kronfeld,
Dal. Volksmedizin. Bd. II. 882.
2) Don den 12 Söhnen Jakobs wird Joſeph als 12. in die Grube geworfen und
in Sklaverei verkauft. Der vom blinden Hodr getötete Baldr ijt der 12. vom Aſenſtamme
(Edda, Hyndl. 50). Statt des 13. holt der Teufel auch ſchon den 12. vom Glücks rade.
142 Georg Wilte. e [22
Bedeutung wechſeln !). Dor allem aber läßt fie alle die mannigfaltigen Sagen
unerflärt, wo die Zahlen nicht nur ſcheinbar und oberflächlich beſtimmten
aſtralmythiſchen Erſcheinungen anhaften, ſondern auf das Engſte organiſch
mit ihnen verbunden ſind. Wenn Ed. Meyer a. a. O. meint, man habe die
ſumboliſchen Zahlen (auch 7 uſw.), nachdem fie primär infolge ihres gez-
heimnisvollen Charakters ihre Bedeutung erlangt hätten, nun ſekundär mit
den Vorkommniſſen in der Natur und namentlich den Himmelserſcheinungen
in Verbindung gebracht, ſo erſcheint es mir doch viel einfacher und näher⸗
liegend, daß man fie unmittelbar vom Himmel abgeleſen hat.
Dieſe Annahme, daß die 13, wie faſt alle ſumboliſchen Jahlen, ganz
unmittelbar aus der Beobachtung beſtimmter aſtraler Erſcheinungen hervor⸗
gegangen iſt, hat daher heute wohl die meiſten Anhänger, und nur hinſicht⸗
lich der Frage, welche Erſcheinungen als Quelle für ſie zu betrachten ſind,
gehen die Meinungen noch auseinander. Nach einer neuerdings ſtark in Auf-
nahme gekommenen kluffaſſung follen, wie die übrigen Mythen, jo auch
die mit der 12 und 13 verknüpften lediglich aus der Beobachtung der Mond⸗
phaſen hervorgegangen, alſo rein lunaren Urſprunges ſein, im Gegenſatze
zu der Ableitung von den 12 Monden, was zugleich ein kanarer und ſolarer
Urſprung wäre. Dieſer Gedanke ut ſchon von Leon y Gama für die Her-
kunft der 13 bei den Mexikanern ausgeſprochen und dann von F. Seler
übernommen worden (§. Seler, Codex Borgia II. 207). Für die gleiche
Herkunft bei den Naturvölkern der alten Welt ift dann neuerdings E. Böklen
in ſeiner mehrfach erwähnten Arbeit ſehr entſchieden eingetreten und
er hat fih zur Begründung feiner kluffaſſung auf ein febr reiches Sagen=
material bezogen. Indeſſen erſcheint mir keiner der von ihm beigebrachten
von 12 Schülern auf der hohen Schule für Schwarzkünſtler in Wunſiedel gingen nur 11
wieder fort, der 12. ward nicht mehr geſehen. Dal Böklen S. 7.
1) Gegen dieſe Erklärung ſpricht auch noch, daß bei der ungemein verwickelten
Sorm der arithmetiſchen Diviſion im früheren Altertum die Teilbarkeit einer Zahl gar
nicht die große Bedeutung hatte, wie bei unſerer heutigen unmittelbaren Diviſion.
Wollte man 3. B. im alten Agypten 47 durch 7 teilen, fo mußte man nach einem
wahrſcheinlich auf die XII. Dynaſtie zurückgehenden Rechenbuch wie folgt verfahren. Man
ging von einer Multiplikationstabelle aus, in der die 7 als Multiplikation erſcheint:
1 7
2 14 (= 2 * 7)
4 28 ( 2 x 14)
8 56 (= 2 X 28)
16 112 (= 2 x 56)
u. Í
und ſuchte nun in der zweiten Jahlenreihe ben nächſt unteren Wert von 47 auf.
Dieſen (28) zieht man von 47 ab, von dem verbleibenden Reſt (19) wieder die nächſt
niedrige Zahl der Tabelle 14. Es bleibt dann Reſt 5. Nun entſprechen der 28 und 14
in der linken Jahlenreihe die 4 und 2. Mithin ift 47: 7 = 47: (4 + 2) + Reft 5.
(Nadh D Schneider, Kult. u. Denken d. alt. Agupt. 2. Ausg. S. 301.) |
23] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 143
Gründe zwingend. Die von ihm zunächſt unter feinen „direkten Zeugnifjen“
angezogene Stelle Rigv. I. 25. 8, wo es von Daruna heißt, „der Ordnungs⸗
ſchirmer, der die 12 an Kindern reihen Monde kennt und auch den
nachgeborenen Mond“ ſcheint mir doch viel mehr auf die 12 Monate und
einen Schaltmonat, als auf die einzelnen Mondphaſen hinzuweiſen, und
zwar gerade auch mit Rückſicht auf die von Böklen zur Bekräftigung feiner
Hluffaſſung angezogene weitere Stelle Rigv. I. 164, 11 f., wo vom 12ſpeichigen
Rade, das, ohne fih abzunutzen, um den himmel rollt, und auf das 720 Zwil⸗
lingsföhne (= 360 Tage und Nädyle) hinaufſteigen, und von dem zwölf-
geſtaltigen (dvadasakrtih), weithin blidenden (wi¢aksanah) Dater am Himmel
die Rede iſt. Und ebenſowenig vermögen mich die übrigen, von Böklen bei⸗
gebrachten Belege, die Sage von den Rbhus und den von ihnen angefertigten
Bechern (Rigv. I. 20, 6), die Sage vom 12ſtrahligen Mond, das Märchen
vom ſingenden, ſpringenden Cöweneckerchen bei Grimm KHM N 88 uſw.
von der Berechtigung der von ihm verfochtenen Auffaffung zu überzeugen.
Am eheſten könnte noch die von Ginzel I. 322 A angeführte Stelle Nidänasütra 5
in Betracht kommen, die wie folgt lautet:
Siebenundzwanzig Wohnungen find des Reiches König aufgebaut,
und dreizehn Tage in jedem nakshatra (bringt der Mond zu),
dreizehn Tage und eines Tages Drittel zu vier Jehnden machend bei
dreien Malen (13½ . 3 = 40) den 3 mal 9 weiten Pfad, den altge wohnten,
mit vierzig Neuntagezeiten (= 360) er durchmißt.
Dier wird wenigſtens die Zahl 13 unmittelbar auf die Mondphaſen be⸗
zogen, doch handelt es ſich hier um eine rein aſtronomiſche Begriffserklärung
des Jahres und die hier behandelte Jeitrechnung gehört erſt dem Zeitalter
des Mahabharata an.
Haben wir hiernach den von Böklen angeführten Gründen kaum irgend⸗
welche erheblichere Beweiskraft für die herleitung der 15 von den Mond⸗
phaſen beizumeſſen, ſo ſpricht meines Erachtens die von ihm ſelbſt ſo be—
tonte öftere Vertauſchung der 13 mit der 12 geradezu dagegen. Denn die
Zahl der einzelnen Mondphaſen von Neumond zu Vollmond und umgekehrt
beträgt eben nicht 12 und 13, ſondern 13 und 14, und wenn man die letzte
und erſte, ſehr dünne und darum nur ſchwer ſichtbare Mondſichel unberück—
ſichtigt laſſen will, 11 und 12.
Ich halte es daher für viel wahrſcheinlicher, daß die 12 und 13 auf
einem luniſolaren Jahre beruhen, wobei die 12 den das regelmäßige Jahr
bildenden ſynodiſchen 12 Monaten zu 29½ Tagen entſpricht, die 13 da:
gegen fih auf einen zum Ausgleid) des Mondjahres (354 Tage) mit dem
Sonnenjahr (365 Tage) hinzugefügten Schaltmonat bezieht, dem im zwölf—
teiligen Tierkreis das als dreizehntes hinzugefügte Bild des Raben!) entſpricht
1 Daher der überall wiederkehrende „Unglücksrabe“, weil die Schaltmonate — ebenſo
wie die Schalttage — im allgemeinen für unglückbringend galten.
144 Georg Wilke. [24
(A. Jeremias, Das alte Teftament im Lichte des Orients). Allerdings nimmt
man ja für gewöhnlich an, daß man urſprünglich die Zeit nur nach dem
Mondlaufe eingeteilt habe, und dies mag vielleicht auch in den allerfrüheſten
Perioden der Fall geweſen fein. Doch muß man daneben auch ſchon früb-
zeitig auf das Sonnenjahr abgekommen fein. Zu dieſer Annahme berechtigt
uns nicht nur die verhältnismäßig hohe Entwicklung, die der im Norden ſchon
im Campignien einſetzende, in feinen einzelnen Phaſen: dem Pflügen, Eggen
der Ausfaat und Ernte völlig an die Jahreszeiten und den Stand der Sonne
gebundene Ackerbau innerhalb des Neolithikum erreicht!), ſondern das wird
für die der neolithiſchen Kulturſtufe entſprechende indogermaniſche Urzeit
auch noch durch eine Reihe von Sprachgleichungen ausdrücklich belegt. Auch
weiſt die von mir anderwärts ausführlich behandelte reiche Ausbildung des
Sonnenfultus beim indogermaniſchen Urvolke wie im neolilhiſchen Mittel-
europa mit voller Beſtimmtheit auf die Bekanntſchaft der Indogermanen
wie der neolithiſchen Bewohner Mitteleuropas mit dem Sonnenjabre hin.
Haben wir alſo ſchon für ſehr frühe Perioden des Neolithikums eine
Zeitrechnung ſowohl nach Mondläufen wie nach dem Sonnenlauf voraus⸗
zuſetzen, fo dürfen wir auch — ſchon mit Rüdfiht auf die an beſtimmte Tage
gebundenen kultiſchen Sefte — annehmen, daß ſich ſchon frühzeitig das Be⸗
dürfnis herausgeſtellt haben muß, beide Formen der Zeitbeſtimmung mit-
einander einigermaßen in Einklang zu bringen. Huf das Sonnenjahr mit
365 Tagen entfallen nämlich 12 Mondmonate (zu rund 291, Tagen), die
zuſammen nur 354 Tage umfaſſen. Zwiſchen Mond- und Sonnenjahr beſteht
alſo der immerhin ſehr erhebliche Unterſchied von 11 Tagen.
N Den Ausgleidy dieſes Unterſchiedes konnte man nun in verſchiedener
Weiſe bewirken. Junächſt dadurch, daß man dem 354 tägigen Mondjahre die
fehlenden 11 Tage als Schalttage anhängte, wobei man jedoch, wie J. Grimm
u. a. annahmen, zur Herbeiführung einer gewiſſen harmonie mit der Monats-
zahl, ſtatt 11 Tage 12 ſetzte, jo daß man ein Jahr von 366 Tagen erhielt.
Dieſe Jeitrechnung hat man früher allgemein für das indogermaniſche Urvolk
angenommen, und insbeſondere hat man daraus die heiligen 12 Nächte zu
erklären verſucht. Allein einen einigermaßen ſicheren Beweis für diefe An-
nahme hat man nicht erbringen können und man iſt daher neuerdings mehr
und mehr davon zurückgekommen ).
1) Dies kommt auch in der altgermaniſchen Bezeichnung der Monatsnamen deut⸗
lich zum Ausdrud. Das altisländiſche Jahr kennt folgende Monate: 1. Gormanadr (Schlacht⸗
monat), 2. Frermanadr (Gefriermonat), 3. Hrutmanadr (Widdermonat), 4. Thorri,
5. Goi, 6. Einmanadr, 7. Gaukmanadr (Kududmonat), 8. Eggtid (Eierzeit) oder Stekktid
(Einhegezeit der Lämmer und Schafe), 9. Selmanadr (Zeit des Beziehens der „Selden“
oder Sennhütten), 10. Heyannir (Heuerntemonat), 11. Tvimanadr (Rornſchnittmonat),
12. Haustmanadr (Herbſtmonat). Die Bedeutung Thorri. Goi und Einmanadr ift nicht klar.
2) Es klingt nicht ſehr wahrſcheinlich, daß man bei dem Beſtreben, den Zeitunter:
ſchied auszugleichen, lediglich aus dem oben angeführten Grunde bewußt und abſicht⸗—
25] | Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 145
Ein anderer Weg war der, daß man die Monate einfach weiter zählte,
bis der Doll: oder Neumond ungefähr wieder mit dem Jahresanfang zu⸗
ſammenfiel. Dies erfolgt annähernd ſchon nach 25 Monaten. Denn 25 Mond-
monate umfaſſen 29½ x 25 = 737 Tage, während die beiden entſprechenden
Sonnenjahre 731 Tage zählen. Man erhielt alſo ein Jahr zu 12 und eines
zu 15 Mondmonaten. Der dann noch verbleibende Unterſchied mußte dann
von Fall zu Fall durch Einfügung weiterer Schaltmonate ausgeglichen werden.
Lange Zeit wird man ſich in dieſer primitiven Weiſe geholfen haben, bis
man ſchließlich durch weitere Beobachtung, wozu ja der ſich mehr und mehr
entwickelnde Sonnen- und Mondkult hinreichend Deranlajjung gab, zur Auf-
ſtellung des gebundenen Mondjahres (Lunijolarjahr) gelangte, der die
Umlaufszeiten der Sonne und des Mondes in der Weiſe in der Zeitrechnung
ausgleicht, daß eine Unzahl ganzer Sonnenjahre zugleich eine Anzahl ganzer
ſunodiſcher Mondmonate umfaßt. Den einfachſten derartigen Zyflus bildet
eine achtjährige Periode mit drei Schaltjahren, wie ſie der älteſten griechiſchen
und der türkiſchen Zeitrechnung zugrunde liegt; ſchon weſentlich genauer iſt
der 11jährige mit vier Schaltjahren, den die arabiſchen Aftronomen verwendeten
und einen bereits ſehr vollkommenen bildet der von Menon im 5. Jahr⸗
hundert v. Chr. eingeführte 19 jährige mit ſieben Schaltjahren, bei dem der
Unterſchied erft nach 219 Jahren einen Tag beträgt.
Ob die Indogermanen bereits vor ihrer Trennung das gebundene
Mondjahr gekannt haben, läßt fih zwar nicht mit voller Beſtimmtheit be-
haupten, doch iſt es in höchſtem Grade wahrſcheinlich, da es faſt für ſämtliche
Einzelvölker nachweisbar iſt.
Bei den Indern wird, wie wir oben ſahen, der Mond als „Ordner
der Zeiten“ bezeichnet und in den Samhıt& ift von einem „zugeborenen“
15. Monat die Rede. Ebenſo in. den Brähmana, hier freilich öfter mit Au:
ſätzen, die auf eine Unſicherheit oder Unbeſtimmtheit in der Schaltung hin=
deuten (Ginzel J. 313).
Das älteſte ſicher nachweisbare perſiſche Jahr war ein Sonnenjahr
von 12 Monaten mit 360 Tagen und 5 Epagomenen, das ſich mithin (da die
wirkliche Jahreslänge 365 / Tage beträgt), alle 4 Jahre um 1 Tag, in 120 Jahren
alſo um 30 Tage verſchob. Zur Ausgleichung des Unterſchiedes wurde daher
alle 120 Jahre ein Schaltmonat eingefügt (Ginzel J. 290 ff.). Noch früher
ſcheint aber auch ein Mondjahr beſtanden zu haben, wie ſich beſonders aus
den im Bundeheſch namentlich angeführten, in Spuren aber auch ſchon im
lich einen neuen Sehler in der Zeitrechnung gemacht habe. Wohl aber mußte man zu
einer Schaltung von 12 Tagen gelangen, wenn man die wirkliche Jahreslänge (rund
365 1/, Tage) annähernd kannte, was ja ſehr wahrſcheinlich ift. denn dann mußten dem
Mondjahre für gewöhnlich 11, in jedem vierten Jahre aber 12 Tage angehängt werden.
Durch diefe Annahme ließe fih — außer den Zwölfnächten — die ſumboliſche Bedeutung
der 11 erklären (ſ. oben S. 136).
Mannus, Bd. X. Ñ. 1 u. 2. 10
. 146 | Georg Wilte. [26
älteren Avefta nachweisbaren Mondſtationen ergibt. „Da das Sonnenjahr
zum älteſten Beftande der Perſer⸗TChronologie gehört, müßte das Mondjahr
in vorhiſtoriſche Zeiten zurückteichen“ (Ginzel I. 297 f.).
Einem achtjährigen Cuniſolarzuklus (Oktaéteris) begegnen wir nach
Geminos VIII. 34 ſchon in den allerfrüheſten Zeiten bei den Griechen.
Aus ihm haben fic) dann ſpäter die Olympiaden entwickelt.
Gleichfalls einen achtjährigen Zyklus mit drei Schaltjahren zu 13 Monaten
haben wir nach Ginzel I. 237 ff. urſprünglich bei den Römern vorauszu⸗
legen, der dann unter Numa noch weitere Derbejjerungen erfuhr.
Nur ſehr ſpärlich fließen die Quellen über die altgermaniſche Zeit-
rechnung, doch ift uns wenigſtens bei den Ungelſachſen die Einfügung eines
( 15.) Schaltmonats durch Beda (De temp. rat. 13) verbürgt. Dieſer ſpricht
von den 13 Monaten des Schaltjahres, und zwar wurde der Schaltmonat
(Thrilidus) im Sommer am Ende des erſten Halbjahres eingelegt (Ginzel,
III. 37).
Weit beſſer find wir über die Zeitrechnung der Kelten unterrichtet,
über die uns die 1897 entdeckten, leider nur in Bruchſtücken erhaltenen Bronze:
tafeln von Coligny bei Cyon (Abb. 36) einigermaßen aufgeklärt haben. Sie
gehören nach der Form der (römiſchen) Schriftzeichen, die zur Schreibung
verwendet find, dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. an, und zwar enthalten
jie, wie zuerſt P. Diſſard, der Direktor des Muſeums in Lyon, richtig erkannt
hat, einen Kalender, der etwa fünf Jahre umfaßt !). Aus ihm ergibt fic,
daß die alten Druiden mit einem dreijährigen Juklus zu 37 Mondmonaten
rechneten. „Das gewöhnliche Mondjahr wurde zu 354 Tagen, aber auch,
um den Mondphaſen möglichſt zu folgen, zu 355 Tagen angeſetzt. Nahm
man alſo zwei Jahre zu 355 Tagen und ein Jahr (mit Schaltmonat) zu 385 Tagen,
fo war man nach dieſen drei Jahren um 214 Tage gegen den Mond und nur
wenig gegen die Sonne im Unterſchied; wurden hierauf zwei Jahre zu
354 Tagen und ein Jahr zu 384 gerechnet, ſo näherte man ſich wieder dem
Eintreffen der Mondphaſen, aber man wich mehr gegen die Sonne ab. Das
Abweichen des Kalenders gegen die Sonne konnte vom Dolfe erſt nach einer,
längeren Jahresreihe konſtatiert werden Wir haben ſehr wahr⸗
ſcheinlich in dem Kalender von Coligny gerade die Bruchſtücke jener Jahre
vor uns, die zu 355 reſp. 385 gerechnet worden find; würden uns die übrigen
Stücke erhalten geblieben ſein, ſo würden uns wahrſcheinlich Jahre von 354
refp. 384 entgegentreten.“ (Ginzel III. 86 f.)
Don mancher Seite ift bezweifelt worden, daß der Kalender ein galliſcher
oder keltiſcher ſein könnte, und man hat daher einen fremden Urſprung an⸗
genommen. Doch wendet Ginzel mit vollem Rechte dagegen ein, daß die
1) Ein Bruchſtück eines ganz ähnlichen Kalenders iſt ſchon 1802 bei Moirans (Lac
d' Ant re) im Jura gefunden worden, woraus zu ſchließen, daß ee die gleiche
Zeitrechnung im ganzen Sequanerlande üblich war.
27) Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 147
Druiden dieſer Zeit, wenn fie einen Import aus Griechenland benutzen
wollten, einen weſentlich beſſeren Kalender hätten heritellen können, da
doch zu jener Zeit das Kalenderweſen Griechenlands auf einer viel höheren
Stufe ſtand. Daß der Kalender auch in ſprachlicher hinſicht unzweifelhaft
keltiſch ift, hat Thurneyſen (Der Kalender von Coligny, Jeitſchr. f. felt. Phil.
II. Bd. 1899. S. 523 ff.) nachgewieſen.
Cäßt ſich hiernach für faſt alle indogermaniſchen Einzelvölker — teil-
weiſe ſogar ſchon für ſehr frühe Zeiten — eine Zeitrechnung belegen, die
auf einem Ausgleid) des 354tägigen Mond- und Z65tägigen Sonnenjahres
beruhte, und die fih zur Ausgleichung der beſtehenden Jeitunterſchiede der
Einlegung von Schaltmonaten bediente, jo dürfen wir nunmehr allein ſchon
deshalb mit großer Wahrſcheinlichkeit die erſte Entſtehung des Luniſolar⸗
jahres ſchon für die indogermaniſche Urzeit vorausſetzen. Die Quelle für
diefe Jeiteinrechnung war mithin für alle Völker die gleiche, nur die weitere
flusgeſtaltung war eine verſchiedenartige. Dieſe Annahme ift jedenfalls viel
wahrſcheinlicher als die, daß jedes der Einzelvölker für ſich die Zeiteinteilung
erfunden oder gar erſt in verhältnismäßig ſpäter Zeit von fremder Seite
entlehnt habe, da die vorderaſiatiſchen Völker, die hier nur in Betracht kommen
könnten, ſchon ziemlich früh vom luniſolaren zum reinen Sonnenjahre über:
gegangen find, und andererſeits die Zeitrechnung der meiſten indogermani⸗
ſchen Einzelvölker noch lange Jeit hindurch auf einer verhältnismäßig primi⸗
tiven Stufe ſtehen geblieben iſt.
i Dieſe Auffaffung findet nun eine volle Beſtätigung durch die größten
uns erhaltenen vorgeſchichtlichen Baudenkmäler, den Stonehenge und den
Avebury, deren wahre Bedeutung zuerſt klar erkannt zu ab ein Derdienft
O. Stephans bildet (Mannus VIII.) ).
Der Stonehenge, der auch noch in ſeinen Trümmern ungemein ſtim—
mungsvoll wirkt, beſtand aus einem klußenring von 30 gut behauenen
Pfeilern von 3,80 m höhe (den ſogenannten Sarſenſteinen), die einen fort⸗
laufenden Kranz von 1,10 m ſtarken Auflagejteinen tragen. Ihnen folgte
1) Niemand, der dieſe gewaltigen Steindenkmäler aus eigener Anfchauung kennt
und nur einigermaßen eingehend beobachtet hat, wird der ebenſo naiven wie phantaſtiſchen
Vogelbauerhypotheſe K. Schuchhardts (Pr. Itſchr II 292 ff. und IV 446) folgen können,
nach der diefe mächtigen Steinkreiſe im Grunde weiter nichts find, als große Sreiluftvoliéren,
und die fie zuſammenſetzenden mächtigen Steinpfeiler und Steinplatten, deren Abmeffungen
beim Avebury etwa 5: 3: 1,5 m betragen, bloße Seelenvogelpfähle, wie die Papageien⸗
pfähle auf den Raſenflächen unſerer zoologiſchen Gärten, auf die man an ſchönen warmen
Sommertagen die Kakadus zu ſetzen pflegt. Jeder, der unter dem Eindruck dieſer auch
noch in ihren Trümmern überwältigend wirkenden, altehrwürdigen Bauwerke geſtanden
hat, wird vielmehr die Überzeugung mit nach haus genommen haben, daß wir hier in
der Tat die Trümmer rieſiger Tempelanlagen vor uns ſehen, wie ſie hekatäus von der
dem Reltenlande gegenüber liegenden Inſel der Hyperborder und Macrobius (Saturn.
I. 18) auf dem Berge Jilmiſſos in Thrakien kennt.
10*
148 Georg Wilte. ) [28
nach einwärts ein zweiter Kreis, der aus etwa 1,80 m hoben Säulen aus
bläulichem Geſtein (blue stones) gebildet wird, das wahrſcheinlich aus der
Bretagne herbeigeſchafft worden iſt. Uber ihre Zahl fehlen ältere Nachrichten,
doch berechnet ſie ſich aus den noch vorhandenen Steinen und dem Grundriß
auf 48. Noch weiter einwärts folgen, das Ganze wuchtig überragend, fünf
in Hufeiſenform angeordnete, ſehr ſorgfältig behauene Trilithen, die von der
Mitte nach außen an Größe abnehmen und deren mittelſter die ſtattliche
Höhe von 7,9 m erreicht. Sie beſtehen, wie der Außenring, aus Sarſenſtein.
Die innerſte Gruppe endlich ſetzt ſich mieder aus einer Reihe von Blauſteinen
von 2,40 m Höhe zuſammen, die urſprünglich entweder hufeiſenförmig oder
zu einem Oval geordnet waren, und deren Jahl in dieſem Falle 22 betragen
haben müßte. Endlich erhob ſich vor dem mittleren Trilithen und einwärts
vom inneren Blauſteinring noch ein mächtiger (jetzt umgeſtürzter) Monolith
von 4,4 m Höhe und 1,1 m Breite (der „ltarſtein“), und ihm gegenüber
außerhalb des Außenringes ein zweiter Monolith, die beide zuſammen die
Achſe der ganzen Anlage bezeichnen, aber nicht ganz mit ihr zuſammenfallen,
ſondern die Dijirlinie nach der aufgehenden Sonne zur Zeit der Sommer:
ſonnenwende freiließen. Mit dieſer Difierlinie hat Biereye (Mitt. d. D. d.
Saalburgfreunde Heft 32/33) etwas abweichend von Lodyer, der als wahr:
ſcheinliches Erbauungsjahr 1680 errechnet hat, als Zeit der Errichtung das
Jahr 1750 beſtimmt, was mit den archäologiſchen Funden ziemlich gut
übereinſtimmt.
In der Umgebung dieſer Unlage befinden ſich dann noch zahlreiche,
der gleichen Jeit angehörige Grabhügel und etwa 500 m davon entfernt
ein noch heute deutlich erkennbarer, durch einen niedrigen Wall abgegrenzter
Raum von 2900 m Lange und 150 m Breite, den man ſchon von jeher als
Rennbahn gedeutet hat, und der mit dem Tempel durch eine beſondere,
heute freilich nur noch in Spuren erkennbare „Feſtſtraße“ verbunden war.
Aus dem Zahlenverhältnis der verſchiedenen Steinringe läßt fih nun
nach Stephan folgendes ableſen: Die 5 Trilithen bezeichnen die 5 Wochen:
tage entſprechend der Zahl der damals bekannten Planeten (Dauer der Olym-
piſchen Spiele 5 Tage!) Die 30 bedeutet die Jahl der Monatstage. 48 ſolche
Monate bildeten einen vierjährigen Zyklus, jedoch nicht ganz, vielmehr mußte,
um das Jahr vollzumachen, noch ein Schaltmonat von 22 Tagen eingefügt
werden, die durch den innerſten Ring bezeichnet wurden. Es ergibt ſich
alfo ein vierjähriger Zyklus mit 50 x 48 + 22 = 1462 Tagen, oder 565 ½ Tagen
für ein Jahr. SC
Handelt es fih beim Stonehenge {chon nicht mehr um ein eigentliches
Cuniſolarjahr, ſondern bereits um ein reines Sonnenjahr, wie es bei den
indogermaniſchen Einzelvölkern (mit Ausnahme bei den Indern und Perſern)
erjt in ſpäterer Zeit aufkommt, jo liegt das erſtere um fo klarer bei dem
zweiten großen Bauwerke vor, dem Avebury, der zwar in künſtleriſcher Hin-
29] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 149
jicht weit hinter dem Stonehange zurüditeht, ihn dagegen durch die Wucht
ſeiner Maſſen noch um ein bedeutendes überragt und der bereits dem reinen
Neolithikum angehört).
1) ber den Juſtand des Arab um die Wende des 17. und 18. Jahrhundert.
liegen zwei ziemlich widerſprechende Zeugniſſe vor: von Aubrey und von Stuteley.
Schuchhardt glaubt in feiner Arbeit: Stonehenge (Pr. Iſchr. II. 292 ff.) den Angaben Aubreys
volles Dertrauen entgegenbringen zu dürfen. Indeſſen find diefe Angaben, wie fih
Schuchhardt durch eigene genauere Beobachtung hätte ſelbſt leicht überzeugen können,
teilweiſe völlig unzutreffend. Nach Aubrey verläuft nämlich die aus dem Südoſttor der
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Abb. 38. Der Steintreis von Avebury 5 e Abb. 39.
einer Zeichnung Aubreus.
hauptanlage nad) Weſt⸗Kennet führende Seftitraße in ſchnurgerader Richtung, um bier
plötzlich rechtwinklig nach dem Steinkreiſe auf dem Overton Hill abzubiegen. Aud) zeigt
nach ſeiner Skizze die Straße überall die gleiche Breite und nur der kurze Schenkel vor dem
Overton Hill verſchmälert fih (Abb. 38). Die noch vorhandenen Reſte lehren jedoch mit voller
Gewißheit, daß die Seſtſtraße ganz ähnlich wie die Alignements von Carnak in der Bretagne
einen zweimaligen Knick machte, und zwar ſo, daß am nördlichen Knick der Winkel nach
Weſten, am ſüdlichen nach Oſten offen war und der nördliche und ſüdliche Schenkel faſt
parallel verliefen, der letzte etwas ſchärfer nach Oſten zu. Auch erkennt man an den noch
vorhandenen Steinen deutlich, daß die Straße nach ihrem Austritt aus dem Tore ſich
ziemlich ſtark erweiterte, um fih dann ganz allmählich nach dem Overton Hill zu zu per
idmalern (Abb. 30). Das aus den noch vorhandenen Reiten zu gewinnende Bild ent-
ſpricht aljo ſehr gut der Darſtellung Stukeleus, nur daß nach dieſer die- Seſtſtraße ſtatt eines
zweimaligen Knides eine zweimalige bogenförmige Schwingung aufweiſt, was ſehr wohl
der Fall geweſen fein kann.
Über die von Stuteley angegebene, nach Südweſt führende Straße, die Aubrey,
150 Georg Wilte. _ [30
Die Hauptanlage des jegt leider nur noch in dürftigen Trümmern er-
haltenen Tempels, der durch zwei lange, zweimal gefnidte Steinalleen mit
zwei weiteren Steinkreiſen in Verbindung ſtand, ſetzte fih aus einem um:
wallten, von gewaltigen Steinplatten gebildeten Außenfreis von 500 m Durch⸗
meſſer und zwei von gleich großen Steinplatten gebildeten Doppelringen zu-
jammen. Die Zahl der Platten des Hußenkreiſes betrug nach Stephans forg-
fältigen Berechnungen 99, während von den im Innern befindlichen Doppel⸗
ringen der nördliche 29, der ſüdliche 30 Platten zählte. Der Innenkreis be⸗
ſtand bei beiden aus 12 Platten. Endlich befand ſich noch ein einzelner Stein,
der den auffallenden Namen Ringftone führt, unmittelbar ſüdlich des ſüd⸗
lichen Doppelringes. „Was beſagen nun dieſe Jahlen? Daß mit 29 und 30
der Mondumlauf, mit 12 die Unzahl der Monate im Jahr bezeichnet wird,
iſt einleuchtend, ebenſo daß 30 x 12 eine arithmetiſch bequeme Einteilung
des Sonnenjahres darſtellt. Was ſollen aber die 99 Steine bedeuten? Mit
99 Jahren ift nichts anzufangen, wohl aber geben 99 Monate !) eine befriedigende
Erklärung. SC 29 x 12 als aud) 30 x 12 weichen von der wirklichen
nicht erwähnt, laſſen ſich gegenwärtig zwar keine beſtimmten Angaben machen. Ich habe
jedoch perſönlich den Eindruck gewonnen, daß der plötzliche Abbrud) des Südweſtquadranten
des Hauptwalles in den Gartenanlagen von Avebury tatſächlich einem alten Tore ent-
ſpricht. Die in einem Winkel geſtellten Long Stones ſüdweſtlich vom Dorfe könnten zwar
von einem ſehr mächtigen Steinfreife herrühren. Diel wahrſcheinlicher aber ift es, daß
ſie die Stelle der alten, von Stukeley angegebenen Südweſtſtraße bezeichnen. Dafür ſpricht
auch ein in dem Gärtchen des letzten hauſes von Little Avebury noch vorhandener, freilich
nicht beſonders mächtiger Steinblock, der bisher anſcheinend noch von niemand beobachtet
worden iſt, der jedoch, wie mir die Ceute mitteilten, ſchon immer dort geſtanden und
früher noch größer geweſen fein ſoll. Er bildet alſo anſcheinend einen weiteren Reft der
urſprünglichen Beckhampton avenue.
Jedenfalls ergibt ſich aus dem Mitgeteilten, daß die Aufzeichnungen Stufeleys
weſentlich genauer und zuverläſſiger find als die ganz flüchtigen Skizzen Aubreys, und
wir dürfen daher auch ſeinen ſonſtigen Angaben, namentlich hinſichtlich der Doppelringe,
der Zahlen und Stellung der Steine uſw. trotz feiner phantaſtiſchen Deutung volles Der
trauen entgegenbringen.
1) Auf diefe Monatszahl ift meines Erachtens die fo häufig vorkommende ſumbo⸗
liche 99 zurückzuführen:
„Die neunundneunzig (Würmer), die ſich in den Schultern tummeln hin und her,
Sie mögen hingehn allzumal, gleich wie ein hummelſchwarm verſurrt“,
Qeit es in einer altindiſchen Krankheitsbeſchwörung (Atharvaveda VI, 25), und im
Sächſiſchen Volksglauben lauern 99 Krankheitsdämone dem Menſchen auf (C. Seyfarth,
Aberglaube und Zauberei in der Volksmedizin Sachſens S. 16). 99 Jahre war früher in
Sachſen und Brandenburg die pachtzeit bei Erbgütern (Lòt. d. Prov. Brandenburg Bd. III.
559), und niemand darf mehr als 99 Güter haben (ebenda). Eine ſchwarze Katze wird
in 9 Jahren mit 99 Knoten eingenäht und für einen Hecktaler in der Kirche verkauft.
„Gott hilf raten für feunundneunzigerlei Seuer“ lautet es in einer öfter wiederkehrenden
Veſchwörungsformel gegen Rotlauf (v. Hovorta und Kronfeld, Vergl. Volksmedizin II.
1785). In Dänemark wurden nach Dietmar von Merfeburg alle 9 Jahr 99 Opfer gebracht.
59 Arme werden dem Uruna beigelegt (Rigo. II. 14, 4) uſw.
31]. Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 151
Jahreslänge bedeutend ab. Das mußte die alten Chronologen darauf bringen,
die Monate mit abwechſelnd 29 und 30 Tagen jo lange weiter zu zählen,
bis Monatsende und Jahresende wirklich zuſammenfielen und dies iſt nach
99 Monaten der Fall. Denn damit ſind 8 volle Jahre gezählt:
49 x 29 = 1421
50 x 30 = 1500
99 Monate — 2921 Cage in 8 Jahren,
3651/, Tage in 1 Jahr.“
Mit anderen Worten, wir haben hier eine ausgeprägte Oftaöteris mit
5 einfachen 12 monatlichen und 3 Schaltjahren zu 13 Monaten vor uns, wie
wir es oben in ganz gleicher Weiſe bei der älteſten griechiſchen und römiſchen
Zeitrechnung kennen gelernt haben.
Dürfen wir nunmehr auf Grund der vorſtehenden Erörterungen ſchon
für die neolithiſchen Bewohner Europas wie für die Indogermanen mit
Sicherheit eine Zeiteinteilung vorausſetzen, die mit einem Wechſel von 12- und
13 monatlichen Mond⸗Sonnenjahren rechnete, ſo iſt damit, wie ich meine,
die Entſtehung der archäologiſch bereits für das europäiſche Neolithikum
nachweisbaren ſumboliſchen Bedeutung der 13 völlig befriedigend erklärt, und
zwar halte ich dieſe Herleitung für um jo mehr berechtigt, weil die 13 als
heilige Zahl anſcheinend nur bei ſolchen Völkern vorkommt, die eine gleiche
oder ähnliche Zeitrechnung beſitzen, dagegen allen übrigen Dölfern, die dieſe
Zeiteinteilung nicht kennen, fehlt. Warum ſollten Buſchmänner, Neger und
ſonſtige Völker, die doch ſonſt ſoviel Sagen mit dem Mond verknüpft haben,
nicht gleichfalls die Zahl der Mondphaſen zum Gegenſtand irgendwelcher
Muthen machen?
Die Herleitung der 15 aus einem Mond⸗Sonnenjahr macht uns zugleich
auch in zwangloſer Weiſe den in den verſchiedenartigen Sagen ſehr häufig
vorkommenden Wechſel zwiſchen der Zahl 13 und 12 verſtändlich !), die in
der ſakralen Kunft des hallſtatt⸗, bronze- und ſteinzeitlichen Mitteleuropas
gleichfalls ungemein häufig vertreten iſt, ja ſogar bisweilen mit der 13 3u-
fammen vorkommt. So bei der Sigur von Klitevac, deren oberer Stern
13 ſtrahlig iſt, während die beiden Bruſtſterne nur 12 Strahlen haben.
Endlich wird damit vielleicht auch noch die Doppelbedeutung der 13
(und 12) als Glücks- und Unglückszahl erklärt. Denn die Mondgottheit, deren
Kult ja mit dem Mondjahre im engſten Zuſammenhange ſteht, war bekannt⸗
lich eine Göttin der Fruchtbarkeit und eine Totengottheit in einer Perſon,
1) Zahlreiche Beiſpiele hierfür bei Böklen, der auch (S. 7) noch auf die Der
tauſchung der 15 mit anderen Jahlen, insbeſondere die 3, 7, 9 und 40 hinweiſt. Gerade
dieſe Zahlen ſprechen aber meines Erachtens ganz beſonders gegen eine Herleitung der 13
von den Mondphaſen, da ſie ja mit ihnen gar nichts zu tun haben, ſondern zweifellos mit
der Jeitrechnung zuſammenhängen.
152 Georg Wilfe. . 2»
eine lebengebende und lebennehmende, und fie hat, wie ich andeutungsweiſe
bereits in meinem Buche „Indien, Orient und Europa“ und dann eingehend
in meiner Arbeit über den Kult der Mondgottheit bei den indorgermaniſchen
Dölfern (Wiſſenſch. Mitt. a. Bosnien u. d. Herzegow. XIII [1916] 171 f.)
dargetan habe, dieſe Doppelnatur ſchon während des europäiſchen Neo-
lithikum gehabt. |
S e
*
Wie faft unſere geſamte materielle und geiſtige Kultur, jo hat man
natürlich auch die Heiligkeit der 13 auf orientaliſche und insbeſondere babylo-
niſche Einflüſſe zurückführen wollen. Unſere Unterſuchungen haben uns, wie
ich meine, die Unhaltbarkeit dieſer Auffaſſung gezeigt. Nicht nur läßt fidh
die Heiligkeit der 13 ſelbſt bereits für das europäiſche Neolithikum erweiſen,
ſondern auch die ihr zugrunde liegende Zeitrechnung. In dieſer frühen
Periode kann von einer Beeinfluſſung Mittel- und Nordeuropas durch die
ſumeriſch-babyloniſche Kultur, die damals ſelbſt noch in den erſten Anfängen
ſteckte, und der europäiſchen jedenfalls noch in keiner Richtung überlegen
war, nicht die Rede fein. Sollte aber doch ein engerer Zuſammenhang zwiſchen
beiden fo weit getrennten Kulturgebieten beſtanden haben, was ja nament⸗
lich in Anbetracht der Derwandtſchaft des Sumerifchen mit dem Indogermani—
ſchen einerſeits und dem Urfinniſchen andererſeits keineswegs unmöglich er:
ſcheint, fo kann die Kulturſtrömung nur von Weiten nach Often gerichtet
geweſen fein und die Sumerer müßten dementſprechend die Anfangsgründe
ihrer aſtronomiſchen Kenntnijje bereits auf europäiſchem Boden erworben
und fie zugleich mit der damit verknüpften 15 nach Alien hinübergenommen
haben. Doch geraten wir damit auf einen ſehr ſchwankenden Boden, dem
wir uns vorläufig lieber nicht anvertrauen wollen.
33] Die Zahl dreizehn im Glauben der Indogermanen. 153
Erläuterung des Kalenders von Coligny.
Die Namen der Monate (große Buchſtaben) lauten:
Samon, mat 30 „ Giamon, anm 29 Tage
- Dumann, anm 29 „ Simiuisonn. mat 50 „
Riuros, mat 30 „ Equos. anm 30 „
Anagantios. anm 29 „ Elem biu. anm 29 „
Ogron. mat 30 „ Edrini. mat 50 „
Cutios, mat 30 5„ Cantlos. anm 29 „
Jeder Monat wird durch das Dollmondsdatum in zwei Teile geſchieden, und zwar
iſt der zweite Monatsteil überall durch die Bezeichnung ATENOUX (große Nacht“ =
Vollmondnacht) eingeleitet. Dor den Monatsnamen ſteht immer ein M, ein- oder zwei⸗
mal Mid, was ſich auf „Monat“ (bret. miz, korn. mis.) bezieht. Unmittelbar hinter dem
Monatsnamen folgt mat (oder m) oder anm, und zwar bei allen 30 tägigen („vollen“)
Monaten mat, bei den 29 tägigen („hohlen“) anm. Eine Ausnahme macht der Monat
Equos, der, obwohl er mit anm bezeichnet wird, 30 Tage zählt, alſo wohl im vor⸗
liegenden Salle einen Schalttag hat (555 tag. Mondjahr). Am Ende der hohlen Monate
erſcheint ein Ausdruddiuertomu (oder djuertio, djurtomu u. a.), der wahrſcheinlich „Wenden,
Umkehren“ bedeutet. Die Tage der Halbmonate find mit I—XV und I—XIV (XV)
numeriert. Neben den Tageszablen ſtehen verſchiedene Namen. Beſonders auffällig ift
die fortlaufende Reihe des D, die durch N, MD, jeltener NSDS unterbrochen wird.
D und MD beziehen fih auf den Tag (dydd = Tag), N auf die Nacht (nos = Nacht),
NSDS auf den halbtag von Mitternacht bis Mittag. Die Buchſtaben follen anzeigen,
welche Tage oder Nächte für beſondere handlungen geeignet find. Die bisweilen por:
kommenden Zeichen + ||, J++, I ſtehen immer nur vor D oder MD, find alfo
irgendwelche Tageszeiten. Prinni (Prinno u. a.), das bisweilen in der D-Reihe erſcheint,
hat neben ſich LAC (LAG, LACI) oder LOUD. Die Bedeutung iſt zweifelhaft. Wahr⸗
ſcheinlich bezeichnet es ſolche Tage, bei denen ſowohl der Tag wie die Nacht für gewiſſe
Handlungen ungeeignet ſind. Fraglich ijt auch die Bedeutung von AMB bei den D-Tagen,
INISR, IUOS u. a. Die kleinen Cöcher links neben den Tageszahlen dienten zur Auf-
nahme eines kleinen Stiftes, um einen beſtimmten Tag feſtlegen zu können.
154 Georg Wilte. [34
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Handb. ò. mathem. u. techn. Chronologie Bò. III.
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156 z
Den 12. 7. 18.
Hochverehrter Herr Doktor!
Auf Ihre freundliche Aufforderung, an der Feſtſchrift IN herrn Ge⸗
heimrat Koſſinna mitzuarbeiten, habe ich mich ſeinerzeit gerne bereit erklärt,
einen Aufſatz einzuſenden, falls ich einen Stoff dazu fände. Ich habe nun
geharrt und gehofft, aber nicht die kleinſte vorgeſchichtliche Scherbe wollte
mir unter die hände kommen. Sammlungen und Büchereien finden ſich
im toten Land leider nicht und aus dem Gedächtnis kann man eine wilffen-
ſchaftliche Arbeit auch nicht ſchreiben. Inzwiſchen fuhr ich auf Urlaub, eine
Zeit, in der ich Gelegenheit fand, meinen verehrten Lehrer wieder zu ſprechen
und bei der auch beſtätigt zu ſehen, daß ſich ſein Geſundheitszuſtand nicht
zum beſten entwickelt hatte. Ich wollte mir etwas Material zuſammenbringen.
Aber ehe ich mich recht verſah, fab ich ſchon wieder im M. U. Zug und fuhr
nach Frankreich. Nun liege ich wieder in meiner Erdhöhle, lauſche dem
Heulen und Krachen der Granaten und fehe fie ihre gewaltigen Erd-Sontänen
aufwirbeln. Statt alte Geſchichte zu erforſchen, muß ich an der neuen mit-
arbeiten, wenn auch nur als ganz kleines Lichtchen, als ganz gewöhnlicher
Seeſoldat, „nur ein Gewehr bei anderen Gewehren“. So bleibt mir nichts
übrig als meinem hochverehrten Lehrer zu wünſchen, er möge ſein Jubiläum
bei möglichſt guter Geſundheit feiern und uns noch recht lange auf den
dunklen Pfaden der Dorgeſchichte als Seuerſäule voranſchreiten, uns den
Weg über weite Strecken erhellend, zeigen, was vergangene Jeiten großes
getan haben. Ich aber werde weiter das höhlenleben führen und oft mit
Seufzen daran denken, daß es irgendwo ſchöne feſte Käufer mit Ciſchen,
Stühlen und weichen Betten, daß es ſchöne große Büchereien und Seminare
gibt, und daß Millionen Menſchen, die all das genießen könnten, ſich in
Schlick und Schlamm wälzen, jahrelang und mit ihrem Blut vielleicht die
Brücken für einen bauen, der fern über See auf einer Inſel ſitzt und lächelnd
feinen einſtigen Cehrmeiſter jih ſchlagen ſieht.“
Mit dem Ausdrucke der vorzüglichſten Hochachtung
ergebenſt
S. Lijjauer,
Seeſ. 3.5. Mar.⸗Inf.⸗R.
(Brief an Herrn Prof. Hahne.)
157
Im Felde. Im Ernting 1918.
Heil unſerem Führer!
Wir hier draußen find mit all unſeren Gedanken ganz in der Der-
gangenheit und Jukunft. Wir zehren von dem, was war, und hoffen auf
das, was nach dem Kriege ſein wird! All die geiſtige Anregung, die hier
fehlt, das ſoll uns hundertfältig die Jeit nach dem Kriege einbringen.
Wie unendlich oft denken wir an die Stunden zurück, wo wir uns mit der
von uns erwählten Wiſſenſchaft beſchäftigen konnten. Leuchtende Stunden!
Gehört doch der Vorgeſchichte all unſere Liebe. So weilen unſere Gedanken
unzertrennlich bei dem, der uns ein Derkünder wurde der herrlichkeit der
deutſchen Vorgeſchichte. Da webt ſich ein feſtes Band vom Felde zur
Heimat und umgekehrt; auch die heimat hofft auf uns. Möchten ſie uns
doch, Herr Geheimrat, wenn wir wiederkehren, noch recht lange und recht
viel von unjerer lieben Vorgeſchichte geben können!
Treudeutſch alle Wege!
Jörg Cechler
und Dr. Georg Girke.
I. Abhandlungen.
Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten.
Ein Deutungsverſuch von Juſt Bing.
Mit 15 Abbildungen im ert.
Der Wagen, der bei Strettweg in der Nähe von Judenburg in Steiermark
1851 gefunden wurde und eine Hauptzierde des Muſeums zu Graz bildet,
iſt ein vierrädriger Wagen von Bronze (Abb. 1). Das Geſtell iſt eigen⸗
tümlich: in der Mitte eine Rundung, von der zehn Strahlen ausgehen. Die
Seitenſtangen des Wagens
enden in Pferdeköpfen und
vorn und hinten ſind ſie
durch zwei Querjtangen
verbunden. In der Mittel⸗
rundung ſteht die Haupt:
geſtalt, ein Weib mit Leib-
gurt, das auf dem Kopfe
einen Reſſel trägt. Dorn
und hinten findet ſich zwei⸗ d Ve d RI EE AE E
mal wiederholt dieſelbe Made AGT ett dE,
Gruppe. Hinten an den Been te |e Ea :
Seitenjtangen find zwei
Reiter mit ſpitzen hüten
oder Helmen. Auf der einen ,
Seite haben fie Schilde; in Abb. 1. Der Kultwagen von Strettweg.
der anderen Hand halten
jie Stöcke, die wahrſcheinlich Reſte von Speeren find. Auf der inneren
Querſtange ſtehen ein Paar, Mann rechts, Weib links, beide nackt. Der
Mann ift phalliſch und trägt eine Axt, die Frau ift mit Ohrringen und
Armring geſchmückt. Auf der äußeren Querſtange vor der Frau iſt ein
hirſch mit auffallend hohem Geweih, an dem Geweih halten zwei nackte
Menſchen, deren Geſchlecht nicht zu erkennen ift.
| Ich habe herrn Geheimrat Roſſinna für Dee und ſachliche Bearbeitung
des flufſatzes zu danken, und herrn Dr. Walther Schmid, dem Landesarchäologen von
Steiermark, dafür, daß er die Angaben mit dem originalen Gegenſtande verglichen hat.
Mannus, Bd. X. j. 3 u. 4. 11
160 . Juft Bing. D
Weil die große Mittelfigur einen Kejjel trägt, ift man geneigt, den
Wagen mit den Keſſelwagen gleichzuſetzen, von denen aus dem Bronzealter
eine Reihe vorliegt. Die Einrichtung des Geſtelles iſt indes ſonderbar und
gewiß von ritueller Bedeutung. Die Rundung mit den zehn Speichen ſtellt
wahrſcheinlich die Sonne dar, die Pferdeköpfe der Seitenſtangen deuten auf
eine Pferdegottheit. Und die Unordnung mit zwei Stangen und zwei Quer⸗
ſtangen iſt bei ſolchen Gottheiten nicht ohne Seitenſtück. In dem Dioskuren⸗
tempel in Sparta war die Gottheit durch zwei Balken und zwei Querhölzern
ausgedrückt. Dazu iſt zu vergleichen, daß öfters die Dachbalken als Pferde⸗
köpfe ausgeſchnitten ſind 1). Schon von vornherein tritt uns hier etwas
Zuſammengeſetztes entgegen, in dieſem Denkmal ſcheinen zwei Kulte oer:
einigt vorzukommen, der Kult. des Reſſelwagens und der Kult der Sonne
und der Dioskuren. Letztere gehören bei den verſchiedenen indogermaniſchen
Völkern zuſammen. Es wird darum nötig, daß wir Umſchau halten, wie
dieſe beiden ſonſt dargeſtellt werden und wie ſie hier dargeſtellt ſind.
I.
Den Kejjelwagen kennen wir in einer Reihe von Stücken. In Krannon
in Theſſalien gab es einen heiligen Wagen, deffen Bild wir auf Münzen ſehen.
i Auf dem Wagen ſtand der heilige
Reſſel und auf den Rädern faken
zwei Vögel (Krähen). Die Spei-
chen der Rader waren nicht
ſtrahlenartig, ſondern wie ein
Doppelkreuz geſtaltet; ſolche
Räder kommen nur an farren-
Mauleſeln oder Rindern beſpannt
waren. Auf einem gleichartigen
Wagen ſitzt auf einer attiſchen
Münze die Erdgöttin, die Zeus
anfleht, ihr Regen zu ſpenden.
| Und in der Tat wurde, wie uns
Abb. 2. Reſſelwagen von Milavetich. berichtet wird, der Wagen von
Krannon gebraucht, wenn Dürre
herrſchte und man die Götter um Regen erſuchte ). Keſſelwagen auf vier
Rädern ſind gefunden in Peckatel in Mecklenburg und in Milavetſch
í
1) Baumeifter, Denkmäler des klaſſ. Altertums, Art. „Dioskuren“; Grimm,
Deutſche Muth. 4, S. 550. i
2) Furtwängler, Meiſterwerke der griech. Plaſtik, S. 257 ff., bef. S. 259, Abb. 34
und Anm. 1.
artigen Wagen vor, die mit
3] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geftalten. 161
in Böhmen!) (Abb. 2), Reſte davon in Yitad in Shonen, in Perugia in Italien |
und in Côte Saint-André in Frankreich. Kefjelwagen mit Vögeln find gefunden
in Skallerup in Dänemark und in Szaſzvaroſſzek in Siebenbürgen).
Alle diefe Wagen find vierrädrig. Auf den ſchwediſchen Felſenzeichnungen
iſt nach Montelius der vierrädrige Wagen der tupiſche Ochſenwagen, der
zweirädrige der tupiſche Pferdewagen ). Und auf einer Urne von Öden-
burg $) ſehen wir den vierrädrigen Wagen, auf dem ein hoher kegelförmiger
Gegenſtand (vielleicht die untere Hälfte einer Frauengeſtalt, einer Göttin?) ſteht,
von Rindern gezogen (Abb. 3). Man darf wohl hieraus ſchließen, daß dieſe
kleinen Wagenbilder auf einen von Rindern gezogenen vierrädrigen Pro⸗
zeſſionswagen zurückweiſen. Dies iſt zu beachten, wenn die dreirädrigen kleinen
„Deichſelwagen“ Rinderföpfe als Wagenſchmuck tragen oder auf ihnen Dogel:
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Abb. 3. Urnenbruchſtück von Ödenburg..
hälſe mit Rinderföpfen vorkommen. Dögel um den Rand einer Schale, einer
Urne oder einen Keſſel haben wir auf der Kette von Nemejice in Böhmens)
und auf den Tongefäßen von Ödenburg und Gemeinlebarn®) (Abb. 4).
Vögel und Kejfel gehören alfo zuſammen und das ganze ſcheint darauf
hinzudeuten, daß der Kefjel mit den Vögeln auf einem vierrädrigen Pro-
zeſſionswagen geſtanden hat, der mit Rindern beſpannt war.
Bis jetzt ſind wir nicht bis zur Menſchengeſtalt in dieſer Verbindung
gekommen. Nur auf der Urne von Odenburg ſteht vielleicht eine Frau, deren
obere Hälfte verloren ijt. Sie entſpricht der Mittelgeſtalt unſeres Wagens,
der keſſeltragenden Frau. Eine Frau, die wie die unfrige einen Leibgurt
trägt und die einen Keffel hält, findet fih auf einem Bronzemeſſer von
1) Pic, Čechy předhistorické II, Taf. XXVII; Altertümer unf. heidn. Don. V,
S. 208, Taf. 39.
2) Abb.: Hampel, Altert. d. Bronzezeit in Ungarn. Taf. LVIII, Abb. 2.
3) Kulturgefhichte Schwedens, S. 86. ö
4) Abb.: hoernes, Urgeſchichte der bild. Kunft in Europa, Taf. XXX Abb. 4.
5) Abb.: Pié, Památky 1905, S. 638. .
) hoernes, a. a. O. Taf. XXIII, Abb. 1 und Taf. XIX, Abb. 15.
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Abb. 5.
Bronzemeſſer
aus Itzehoe,
Holjtein.
Juft Bing. [4
Abb. 4. Urne von Gemeinlebarn, Niederöſterreich.
Itzehoe (Abb. 5). Frauen, die Urnen auf dem Kopfe tragen,
. haben wir aus den Funden von Novilara und Derona und
den obengenannten aus Gemeinlebarn !). Zu dieſen ijt wohl
die um Regen flehende Erdgöttin von Uthen zu ſtellen, obwohl
hier kein Kejjel vorkommt. |
Wenn wir uns an die ſchriftlichen Quellen wenden, tritt
uns zuerſt die Nerthus in Tacitus' Germania Rap. 40 entgegen.
Sie fährt auf einem Wagen, der von Kühen gezogen wird,
wie die Frau auf der Ödenburger Daje auf einem Rinder-
wagen gefahren wird. Es iſt anzunehmen, daß ſie unſerer
Mittelgeſtalt entſpricht. Die Deutung als die „Terra Mater“
ſtimmt mit der regenflehenden Göttin in Athen. Freilich wird
hier nichts von einem Reſſel berichtet. Eine Deutung des
dunkeln Wortes „Penetrale““ nach dieſer Richtung hin ijt
abzulehnen. i ;
Nerthus ift der ſpätere Gott Njord. In einem Derje in
Snorres Edda klagt Njord, daß er bei feiner Gattin Sfade
1) Hoernes, a. a. O. Taf. VIII, Abb. 3, 4, 14.
5] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 163
im Gebirge nicht aushalten kann. „Der Wölfe Geheul ſchien mir böſe zu
jen neben Schwanengeſang.“ Sfade hält es umgekehrt bei Word am
Strande. vor Dogelzwitſchern nicht aus. Daraus glaube ich ſchließen zu
können, daß der Wolf Sfades Tier und der Vogel Words Tier ijt. Njord
ijt nachweisbar urſprünglich eine Göttin und Sfades Name iſt männlich,
ſo daß man glauben kann, daß ſie urſprünglich ein Gott geweſen iſt.
Auf dem Gundeſtrupkeſſel 1) ſieht man eine Göttin, die einen Dogel
hält; ihr ruht in dem einen Arm ein Mann und auf der anderen Seite
ein Wolf (Abb. 6). Es ift gewiß die urſprüngliche Form der Ehe zwiſchen
Njord und Stade. Wie die Kühe, die den Nerthuswagen ziehen, den Rindern
Abb. 6. Aus dem Keffel von Gundeſtrup, Jütland.
vor dem Reſſelwagen auf der Ödenburger Dale entſprechen, ſtimmt der
Vogel Njords mit den Vögeln um den Reſſel auf den Wagen von Sfallerup,
von Krannon und von Szaſzvaroſſzek. Dies bekräftigt die hier verſuchte
Gleichſetzung der Göttin Nerthus (Njord) mit der Mittelgeſtalt unſeres Wagens.
Die volle Geſtalt der Keſſelwagen haben wir nach dem Dorhergehenden
alfo auf der, Münze von Krannon, in den Wagen von Skallerup und von
Szaſzvaroſſzek. Es ijt ein vierrädriger Wagen mit Reſſel und mit Vögeln
an den Seiten. Der Wagen wird von Rindern gezogen wie auf der Oden⸗
burger Urne. Wenn der ganze Wagen wie ein Kefjel auf Rädern gebildet
iſt (Peckatel, Milavetſch) oder wenn in der gleichen Weiſe unter einem Vogel
1) S. Müller, Nord. Altertumskunde II, Abb. 102.
164 Juſt Bing. [6
Räder gelegt find, ja, unter einem Vogel mit Rindfopf, fo ijt es einfach als
eine Kurzform der Miniatur zu verſtehen. Ebenfalls ſind die „Deichjel:
wagen“ mit drei Rädern auf einer Uchſe und Dogel⸗, auch Dogel-Rind-Kopfen,
als eine Spielform anzuſehen. Im Süden (Athen) wie im Norden (Nerthus)
iſt die Deutung der Göttin des Wagens als Erdgöttin überliefert. Im Süden
(Athen, Krannon) iſt der Kultzwed Regen nach der Dürre, im Norden (Njord,
Gundeſtrup) oder ſagen wir nördlich der Alpen, wenn der Gundeſtruper
belle, fo wie Drexel will), von den Donaukelten ſtammen ſoll (?), ſteht
dieſe Erdgöttin im Gegenſatz zum „Wintergotte“, zum Wolfsgotte, der im
Gebirge hauſt. Dieſer Unterſchied iſt ſicherlich als vom Klima gegeben zu
betrachten. Im Süden ift die Dürre der Hundstage, im Norden ijt die Winter-
kälte das, was man am meiſten fürchtet.
II.
Die Dioskuren kommen bei vielen indogermaniſchen Völkern vor. Bei
den Griechen gibt es von dieſen göttlichen Zwillingen verſchiedene Formen,
von denen Kaſtor und Poludeukes die Hauptform ijt. Sie ſind Brüder der
ſchönen Helena, in der man mit Recht eine urſprüngliche Sonnengöttin ſieht.
Bei den Indern entführen die Acvinen die Sonnengöttin Surya oder die
Tochter des Sonnengottes. Bei den Letten und den Littauern rauben die
„Gottesſöhne“ die Sonnentöchter, freien um fie oder find ihre Brautführer.
Bei den oſtgermaniſchen Nahanarvalen im lugiſchen Kultverband werden
zwei Brüder, die zuſammen Alcis genannt werden, und die Tacitus mit
Cajtor und Pollux gleichſetzt, als Götter verehrt. Die Dioskuren kommen
in verſchiedenen Formen vor. Die Hauptform ijt indes, daß fie als Reiter
auftreten. Man hat gemeint, daß die Tierform hier alter fei als die Menſchen⸗
form, und daß die zwei Reiter urſprünglich zwei Pferde ſind. Bei den Griechen
gibt es Unzeichen dafür und bei den Germanen iſt die Pferdeform ganz ſicher.
In der Germania Kap. 10 erzählt Tacitus von den heiligen weißen Pferden,
die in den heiligen Hainen unterhalten werden und den heiligen Wagen
ziehen, den der Prieſter und der Konig oder häuptling des Stammes begleiten,
und deren Wiehern und Lärm als das heiligſte Zeichen gelten. Es kann
darüber kein Zweifel fein, daß dieſe Pferde Götker ſind, wenn auch Tacitus
es nicht ausdrücklich ſagt, und fie find wahrſcheinlich für eine primitive Dios-
kurenform zu halten. Tacitus war wohl zu gebildet, um Tiergötter verſtehen
zu können. dëi
Wir ſahen, daß fie im Dioskurentempel in Sparta durch zwei Balken
und zwei Querhölzer dargeſtellt ſind, und wenn wir die gewöhnlich vor—
kommenden in Pferdeköpfe endenden Balken vergleichen, verſtehen wir,
daß zwiſchen Pferdeform und Balkenform kein Gegenſatz beſteht. Dieſe
1) Jahrb. d. k. arch. Inſt. Berlin 1915.
7] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 165
Balfenform jcheinen jie auch bei den Oſtgermanen gehabt zu haben. Zu
dem lugiſchen Kultbunde gehören auch die Wandalen (bei Tacitus: Dandilii)
und bei den Wandalen gibt es ein Rönigsgeſchlecht, das an den Kult geknüpft
iſt, die Hasdinger. Don den Hasdingern nennt Dio Caſſius die Namen zweier
Könige, die griechiſch Rhaos und Rhaptos heißen. Dieſe Namen find fonder-
bar, allein als Kultbenennungen find fie verſtändlich. Sie entſprechen den
germaniſchen Wörtern raus und *rafts, d. h. Balken und Querholz ).
Dieſe Balken mit den Pferdeköpfen als Abſchluß und den Querhölzern, die
dazu gehören, habe ich gemeint im Geſtell des Wagens wiederzufinden.
Dann aber bin ich auch geneigt nach dem Vorgang von Hoernes (a. a. O.
S. 484 ff.) in den zwei Reitern, die zweimal wiederholt wie alle kleine Figuren
hier ſind, auf den Seitenſtangen des Wagens ſtehen, das Reiterpaar der
Dioskuren zu ſehen. Sie ſtimmen mit den Dioskuren, wie ſie auf antiken
Münzen dargeſtellt find, gut überein. Wie fie haben fie Speere und
Abb. 7. Situla von Kuffarn, Niederöſterreich.
Spitzhüte (mzdor) und find als Reiter dargeſtellt :). Freilich fehlen ihnen
die antiken fliegenden Mäntel und die Dioskurenſterne über den Röpfen,
was wohl nicht wunderlich ift. hier haben fie aber große runde Schilde,
die die Dioskuren nicht führen, worauf ich ſpäter zurückkommen werde. Sie
allein haben auf den in Pferdeköpfe auslaufenden Seitenſtangen Platz, was
wohl die hier vorgebrachte Annahme ſtärkt, daß fie als Dioskuren zu betrachten
jind, denn ihre mit den Dioskuren wohl übereinſtimmenden Menſchengeſtalten
find auf dieſe Weiſe mit einem ſicheren Dioskurenſüumbol verbunden. Dios-
kuren (3) mit Spitzhüten kommen auch vor auf dem Dreifuß von Detulonia,
drei ebenſolche nach Pauſanias III, 24, 5 in Braſiai in Cakonien ). Auf
der Situla von Kuffarn ſieht man ein Reiterpaar, nackt und mit Spitzhüten
wie auf dem Strettweger Wagen. Nur tragen ſie keine Schilde (Abb. 7).
1) Anm. des Herausgebers. Dieſe beiden Namen hat R. Much bereits 1892
ſo erklärt, daß er in Raus das gotiſche raus, „Rohr“, und in Raptos das altisl. raptr, „Balken“,
ſieht (Zeitſchr. f. deutſch. Altertum XXXVI, S. 47 f.). Ob Muchs Meinung, die beiden
Namen ſeien Beinamen, die auf die äußere Erſcheinung ihrer Träger hindeuten, das
Richtige trifft, laſſe ich dahingeſtellt. G. Koffinna.
2) Baumeijter, Denkm. d. klaſſ. Altertums I, Abb. 498.
3) hoernes, a. a. O. S. 485.
166 Juft Bing. [8
Als Pferde glaube ih fie auf dem Kivikdenkmal zu erkennen, auf
einer Platte — Nr. 3 Nilſſon 1) — find fie zweimal, oben nacheinander
und unten gegeneinander, dargeſtellt. Auf einer anderen Platte — Nr. 7
Nilſſon?) — ſehen wir einen Aufzug. Juerſt kommen vier Männer,
dann folgt ein Wagen mit zwei Pferden, die ein Mann mit einer langen
peitſche lenkt. Ich fehe darin den heiligen Wagen mit den zwei heiligen
weißen Pferden, der bei Tacitus vom Stammesprieſter und vom Stammes⸗
könig begleitet wird. Es iſt wohl möglich, daß der Prieſter und der Rönig
im Bronzealter in einer Perſon vereinigt waren. Dies führt aber vielleicht ein
Stück weiter. In feinem ſchönen KHufſatz über antike Wagen⸗Gebilde hat
Abb. 8. Situla von Watſch, Krain.
Undjet 3) als Abb. 5 einen Deckel, der vorne einen Dogeltopf trägt (Abb. 15).
Es iſt, wie Undſet bemerkt, der Deckel einer Doſe, die ſonſt als ein Vogel auf
Rädern vorkommt. In dieſen Vogelwagen haben wir eine Kreuzform der
Miniatur unſeres Reſſelwagens mit Vögeln an der Seite des Kejjels gejehen.
‚Aber auf dieſem Deckel iſt ein Wagen dargeſtellt, wo ein Mann mit ſpitzem
Hute zwei Pferde lenkt. Dieſer Mann mit den zwei Pferden entſpricht wohl
dem Lenker der zwei Pferde auf dem Rivikdenkmal Platte Nr. 7, und fein
Spitzhut führt die ganze Gruppe in den Dioskurenkreis hinüber. Wenn
dieſe Gruppe dann eine primitive Dioskurengruppe iſt und der Deckel zu
einem Dogelwagen gehört, der nur als eine Kurzform unſeres Keſſel⸗
) Mannus VI, S. 264, Abb. 4 Roſſinna, Die deutſche Vorgeſchichte *, Abb. 200.
2) Mannus VI, S. 265, Abb. 5 = Koffinna, a. a. O., Abb. 202.
3) Zeitſchr. f. Ethnologie 1890, S. 55.
9] Der Rultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 167
wagens zu betrachten ift, dürfen wir hier vielleicht die Derbindung der beiden
Kulte vor uns haben, die in unſerem Strettweger Wagen vorkommt, die
Verbindung des Kults des Reſſelwagens oder jagen wir gleich: der Nerthus
mit dem Kulte der Dioskuren. Leider ift die Sundangabe ganz unſicher,
aber das Stück wird ſicher bedeutend alter ſein als der Strettweger Wagen.
Und wenn ich es richtig verſtanden habe, gibt das Stück zu dem wichtigen
Schluſſe Anlaß, daß diefe Kulte, der Nerthuskult und der Dioskurenkult,
ſchon zu einer Jeit miteinander verbunden waren, da die Dioskuren nur in
Pferdegeſtalt auftraten und ihr Lenker den ſpitzen Dioskurenhut trug.
In der Kulturgruppe, der der Strettweger Wagen angehört, haben
wir außerdem noch ein Jeichen für dieſe Derbindung. Auf der Situla von
Watſch haben wir in der Oberreihe eine Gruppe, wo wir unſeren Wagen
erkennen. Er trägt Vogelköpfe und in ihm fiken ein Mann und eine Frau,
der Prieſter und die Göttin nach dem Rap. 40 von Tacitus' Germania. Allein
vor dem Wagen finden wir nicht die Kühe des Tacitus, ſondern ein Pferd,
und das Weib, die Nerthus, trägt eine ſpitze Mütze, die dem Dioskurenpilos
ähnlich Debt (Abb. 8). Der Kult des Reſſelwagens ift hier mit dem Pferde-
kult nicht bloß vereinigt, fie find in eins verſchmolzen. Auf der Urne von
Gemeinlebarn (Abb. 4) 1) ſehen wir die Dögel oben am Rande, am Bande
abwechſelnd zwei Reiter mit Spitzhüten und zwei keſſeltragende Frauen.
hier kommen die Teile der beiden Rulte vereinigt vor. .
In der indogermaniſchen Muthologie glaube ich weſentliche Spuren
der Verbindung dieſer Kulte zu erkennen. In der nordiſchen Götterwelt
find die Kinder Words Frey und Freya. Freua mit dem ſtrahlenden Hals-
ſchmucke Briſingamen iſt wohl mit Sicherheit als eine Sonnengöttin zu be⸗
trachten. Frey iſt ein unzweifelhafter Pferdegott. Neuerdings hat Magnus
Olſen behauptet daß Srey und Ull ein göttliches Brüderpaar bilden und hat
fie mit Alcis zuſammengeſtellt, auch mit den wandaliſchen Rhaos und Rhaptos.
Aber zu dem Juſammenhang mit den Dioskuren ſteht er zweifelnd, der doch
wohl aus der Übereinſtimmung zwiſchen Rhaos und Rhaptos mit den zwei
Balken und den Querhölzern im Dioskurenheiligtum in Sparta einleuchtet.
Frey wird demnach als ein zurückgebliebener Dioskur zu betrachten ſein. Ju⸗
fammen bilden diefe Götter, Njord, Frey und Freya, die Göttergruppe der
Danen. In der griechiſchen Götterwelt find die Dioskuren und ihre Schweſter
Helena Kinder der Leda und des Schwans, in den Zeus verkleidet war. Wir
erkennen hinter dem galanten Abenteuer des Zeus wohl den Dogel der Göttin,
den wir neben dem Reſſel geſehen haben. Als eine Abart dieſer Sage möchte
ich die Europe⸗Sage betrachten: Hier ſind die zwei göttlichen Brüder Minos
und Rhadamantys geboren von der Jungfrau, die Zeus in Stiergeſtalt weg-
trug. Die Dioskuren haben hier Leben gewonnen als die Göttin des Reſſels
1) Hoernes, a. a. O. Taf. XIX, Abb. 13.
168 Suit Bing. [10
von den Rindern fortgeführt wird. Der Dogel da und die Rinder hier find
ſpäter zum Göttervater in Schwangeſtalt und Stiergeftalt geworden, weil
ja Zeus der Dater aller Götter fein ſollte. Und als dieſe Götter nicht in den
Olymp aufgenommen wurden, ward das ganze zu einer Ciebesgeſchichte
des Göttervaters mit einer ſterblichen Frau, hier tritt er als Schwan, dort
als Stier auf. Wir aber, die wir die Tiere kennen, die mit dem heiligen
Keſſelwagen kultiſch verbunden find, laffen uns dadurch nicht beirren. Wie
Srey und Sreya Njords — d. h. der Nerthus — Kinder find, ſtammen die
verſchiedenen Dioskuren, fie mögen Kajtor und Poludeukes oder Minos
und Rhadamantys heißen, und dazu die Helena, die Sonnenjungfrau, von
der Göttin, deren Tiere Rind und Dogel find, von der Mutter Erde. Im!
Norden wie im Süden ift die. Göttin des nirgends erwähnten Keſſels die
Mutter und die Dioskuren und die Sonnenjungfrau die Rinder. Damit
ſtimmt es wohl überein, daß überall auf den Kultgegenftänden, die wir vor
uns haben, der Keffel oder die Kefjelgöttin das Herrſchende ijt, die Haupt:
geſtalt wie auf dem Strettweger Wagen, oder das Urſprüngliche zu ſein ſcheint,
dem die Dioskuren⸗Gruppen beigefügt werden. Als das ZJwiegeſpann find
jie auf dem Deckel des Dogelwagens von Saint-Germain en Caye geſtellt,
als Seitenfiguren auf der Urne von Gemeinlebarn, auf den Füßen des Dreifuß-
keſſels von Detulonia. Die kultiſchen Überreſte und die alten Mythen im
Süden wie im Morden berichten uns recht verſtanden genau dasſelbe von der
verbindung dieſer Rulte.
III.
Die Reiterpaare an den Seitenſtangen des Strettweger Wagens find
ſchon von Hoernes als Dioskuren unter Vorbehalt erklärt worden. Die ganze
Darſtellung wird ſonſt von Meringer !) und von Déchelette als ein Hirjchopfer
aufgefaßt. Wenn die zwei Reiter einfach Reiter und nicht Dioskuren fein
follen, find fie beim Hirſchopfer nicht übermäßig beteiligt. Sonſt kann man
gegen die klaren und ſcharfſinnigen Darlegungen Meringers nichts einwenden.
Die Deutung als Hirfchopfer, wo zwei Sklaven den Diddi halten — eben
weil ſie Sklaven find, ijt ihr Geſchlecht nicht bezeichnet — und wo der Häuptling
das Beil zum Schlage führt, wo ſeine goldgeſchmückte Rönigin neben ihm
ſteht und vielleicht den Keffel für das Opferblut fertig hält, — die hände find
verloren und nichts iſt hinderlich, ſie auf dieſe Weiſe zu ergänzen —, das iſt
alles klar und einleuchtend, und wenn ich das Ganze anders auffaſſe, kann
ich doch nicht die Gültigkeit der Deutung Meringers widerlegen.
Mein Grund, die Geſtalten änders zu deuten, iſt der, daß meine ganze
Deutung hinken würde, wenn ich mich mit den gefundenen Göttergeſtalten
begnügen würde. Das Geſtell deutet auf Kult der Sonne und der Dioskuren,
1) Indogermaniſche Sorjchungen 1904, S. 146 ff.
— — —
11] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 169
Selſenzeichnung von Sofjum.
Abb. 9.
in menſchengeſtalt habe ich aber nur die Dioskuren gefunden. Die Geſtalten,
die noch übrig find, find jedoch ſehr eigenartig. Indes glaube ich fie auf einer —
Felſenzeichnung wiederfinden zu können.
Es ijt die ſonderbare Zeichnung vom Foſſum (Abb. 9), wo eigen-
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170 Juft Bing. [12
tümliche göttliche Geſtalten auftreten ). Hier ſehen wir zu vielen Malen
den phalliſchen Mann mit der Art. Neben ihm kommt ein Hiridh vor, auf
deſſen hörnern zwei Menſchen reiten. Ihr Geſchlecht iſt nicht bezeichnet,
doch ſcheinen ſie wohl als Männer aufzufaſſen zu ſein. Es iſt dieſe Gruppe,
die ich mit unſerem hirſch und den Zweien, die feine Hörner halten, gleich⸗
zuſetzen wage. Wenn auf der Felſenzeichnung unten der Hiridh allein vor-
kommt, iſt das wohl als eine Kurzform der Gruppe zu betrachten. Dann
haben wir oben links zwei von den runden Scheiben mit aſtartigen Huswüchſen,
die für alle Selſenzeichnungsforſcher ein unlösbares Rätjel find. Es ift zu
bemerken, daß hier auf der Foſſumzeichnung und auf dem Strettweger Wagen
der phalliſche Artmann und der hirſch mit den Jweien — auf den Hörnern
reitend oder an den hörnern haltend — miteinander verbunden vorkommen,
was ſie auf den Felszeichnungen ſonſt nicht tun.
Den Axtmann können wir weiter verfolgen ). er iſt mit dem
Gott mit den großen Händen gleichgeſetzt („Skomakaren“ und Felſen⸗
zeichnung von Kinnekulle). Letztere ift nachweisbar das Urbild für den
lappiſchen Fruchtbarkeitsgott Waralden Olma. Als Fruchtbarkeitsgott
zeigt er fih, wenn er auf der Felſenzeichnung von Hoitlyde über dem
Ehepaar ſteht ). Dies ſtimmt mit der Deutung Wilkes, der in der Art
ein Sinnbild der Fruchtbarkeit ſieht. Es iſt zu bemerken, daß auf der
Selſenzeichnung von Foſſum und vermutlich auch auf der von Hvitlyde
der Artmann noch keine großen Hände hat. Auf dem „Skomakaren“ ift die
Art oben auf der einen Hand zugefügt, das heißt: die Verbindung der
beiden Teile, der Axt und der großen Hände, ift nur äußerlich zuſtande
gebracht. Dagegen find fie auf der Seljenzeihnung von Rinnekulle in eine
wirkliche Geſtalt verſchmolzen, und dieſe iſt in den Waralden Olmay unmittel⸗
bar übernommen. Wenn der Artmann hier auf dem Strettweger Wagen
fo, wie ich glaube, mit dem Axtmann von Foſſum und von Hvitlyde derſelbe
iſt, dann iſt er hier mit dem Gott der großen hände unverbunden. Das
aber zeigt, daß hier ein religiöjes Element rein vorkommt, das auf den Felſen⸗
zeichnungen ſonſt mit einer anderen Göttergeſtalt in eins verſchmolzen iſt.
Es ift dabei zu bemerken, daß es ganz gleich ift, ob man auf der Felſenzeichnung
von Foſſum und hier auf dem Wagen von Strettweg den Axtmann als einen
Artgott auffaßt oder als einen Mann (Häuptling oder Prieſter), der die heilige
Art hält. Durch den heiligen Gegenſtand ift er jedenfalls in den Kreis der
Göttlichkeit getreten. Und wenn er — vom „Skomakaren“ an — mit dem
Gotte der großen Hände gleichgeſetzt wird, iſt er ſicher als Gott aufgefaßt.
Die Art und die großen Hände find als zwei „Synonyme“ zuſammengeſtellt.
1) Baltzer, Taf. 49—50, Nr. 8, kleine Ausg. XXVI XXVII.
) Mannus VI, S. 166 ff., Abb. 18—22 = Roſſinna, a. a. O., Abb. 188 — 190.
3) a. a. O. Abb. 18—22.
13] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geftalten. 171
Die Art als Sinnbild der Fruchtbarkeit und die großen Hände, d. h. Seuer-
flammen, als Sinnbild der Fruchtbarkeit gehen von ſelbſt zuſammen. Was
die einen durch die Axt ausdrücken, drücken die anderen durch die großen
Hände aus. Oder ſagen wir vorſichtiger, um nicht zwei nebeneinander
beſtehende Religionen annehmen zu müſſen: was auf die eine Weiſe durch
die Art ausgedrückt wird, wird auf die andere Weiſe durch die großen hände
ausgedrückt. Dann vereinigen fic) die Sinnbilder, d. h. die Auffafjungen
verſchmelzen in eins. |
Ich habe dies hier umſtändlich entwickelt, weil ich glaube, bei dem
Hiridh einen ähnlichen Vorgang feſtſtellen zu können. Auf der Selſenzeichnung
von Sofjum kommt die hirſchgruppe ſowohl in Dollform (Old mit Zweien
auf den Hörnern reitend — Hirfd) mit Zweien, die an den Hörnern halten,
hier auf dem Strettweger Wagen) als in der Kurzform (nur Hirſch) vor.
Die Bedeutung dieſer Formen iſt, wie ich glaube, vollkommen gleich. Nun
kommt auf der Felſenzeichnung von Lilla Gerum der Diddi mit einem. Rad
Abb. 10. Aus der Selfenzeihnung von Lilla Gerum.
durch ein geſchlungenes Band verbunden vor (Abb. 10). Es iſt klar, daß
die Meinung nicht fein kann, der Hirſch ziehe das Rad, denn ein derartiges
geſchlungenes Band kann kein Zugzaum fein. Das Rad ift das gewöhnliche
Zeichen der Sonne und der hirſch muß dann irgendwie mit der Sonne in
Verbindung ſtehen. Das Rad als Sonnenzeichen gehört zu derſelben Gruppe
wie der Gott „mit den großen händen“, den wir mit dem Artmann als
„synonyme“ verbunden geſehen haben. Nach dieſer Analogie wäre es
möglich zu ſchließen, daß die beiden Zeichen, das Rad und der Diddi, ebenſo
nebeneinander als Synonyme ſtehen und daß der Hirjd) entweder allein
oder mit den Zweien zuſammen ein Ausdrud für die Sonne wäre. Zu einem
ähnlichen Ergebnis find die Muthologen gekommen. Im Sólarljóð D 55 (56)
ſteht: Den Sonnenhirſch ſah ich — vom Süden fahren — ihn zügelten zu⸗
fammen Zweite. Dr. Paaſche hat in feinem Buche „Kristendom og Kvad“
(Kriſtiania 1915) erwieſen, daß dieſer Sonnenhirſch mit den Zweien auf dieſer
Stelle die chriſtliche Dreieinigkeit bedeutet. Doch hat Profeſſor Salt in feiner
Abhandlung und feiner Erklärung des Gedichts +) nachgewieſen, daß hinter
—
1) Sólarljóð: Kristiania Vidensk. Selsk. Skrifter 1915.
172 Juſt Bing. | 14
dem chriſtlichen Hirſch ein alter heidniſcher ſteht. Der Ausdrud des Sölarljöds
von den Hörnern des hirſches „en loku horn til himins“ ijt deutlich nach dem
Ausdrud des zweiten Helge-hundingsbaneliedes D. 38 gebildet, wo der
held mit einem Didde verglichen wird, deffen „Horn glóa vid himin själfan“.
Freilich ijt der Ausdruck von Chriftus „homo cervus“, wie Paaſche nad-
gewieſen hat, der chriſtlichen Muſtik bekannt, aber er hat vielleicht eben Anlah
gegeben, daß der heidniſche Sonnenhirſch hier gebraucht wurde. Dieſen
Hirſch erkennen wir nach dem Helge⸗Hundingsbaneliede an feinen leuchtenden
Hörnern. Und es beſteht kein Zweifel darüber, daß es für den chriſtlichen
Gedanken ein Gewinn fein würde, wenn die Dreieinigkeit in dieſem Aus-
Abb. 11. Slaſche von Matzhauſen.
druck durch ein altes heidniſches Symbol bezeichnet worden wäre und daß
man es nicht jo zu verſtehen brauchte, daß Chriftus unmittelbar als ein hirſch
dargeſtellt fei, den der Dater und der heilige Get zügeln mußten. Wenn
dem fo ijt, dann können wir wohl den hirſch und die Zweie im Sölarljod
mit dem hirſch und den Jweien von Foſſum und mit derſelben Gruppe hier
auf dem Strettweger Wagen gleichſetzen. Der hirſch allein, ſo wie er im
zweiten Helge-hundingsbaneliede vorkommt, ijt nach dem Dorhergehenden
als eine „Kurzform“ mit derſelben Bedeutung zu betrachten. In der Kultur:
gruppe, zu der der Strettweger Wagen gehört, ift der Hiridh ficher als heiliges
Tier dargeſtellt. Als ſolches kommt er auf der Züricher goldenen
©. P
15] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 173
Schüſſel !) und auf der Flaſche von Matzhauſen (Abb. 11) vor, und dann
öfters auf den Situlen. Ich glaube, daß wir in dieſem unzweifelhaft heiligen
Dirich an den Ritualgegenſtänden der Hallitätter und der Latene-Periode
denſelben Hirſch haben, wie auf den Felſenzeichnungen von Foſſum und von
Lilla Gerum, und daß wir ihn mit dem Sonnenhirſch des Sdlarljods und deffen
Gegenſtück mit den hohen leuchtenden hörnern im zweiten helge-Hundings⸗
baneliede gleichſetzen dürfen. Das Geweih dieſer Hirſche auf den Felſen⸗
zeichnungen wie auf dem Strettweger Wagen iſt überaus ſtattlich, ſo wie es
in den beiden altnordiſchen Gedichten bis zum Himmel hinauf ragt. Auf
dem Strettweger Wagen halten die Zweie am Geweih des Hiriches feft, das
entſpricht den Worten im Sólarljóð: „hana teymdu tveir saman,, In
dieſem Diddi mit den Zweien ſehen wir alfo einen Ausdrud für die Sonne.
Dieſe Gruppe wird natürlich mit der hinter ihr ſtehenden Frau im Ju⸗
ſammenhang aufgefaßt. Zwar ſind ſie nicht miteinander durch irgend ein
Band verbunden wie der Hirjd) und das Rad von Lilla Gerum, allein fie ſtehen
fih fo nahe, daß das Auge fie leicht als eine Einheit auffaßt. Nun ift der
Hiridh mit den Zweien an fid ein vollkommener Ausdrud für die Sonne und
hat als ſolcher keinen ufak nötig. Mit der Frau ift er alfo in Verbindung
zu ſetzen nur unter der Bedingung, daß dieſelbe eine Dienerin dieſer Gottheit,
eine mit der Sonne verwandte Gottheit oder auch ein anderer Husdruck für
dieſelbe Gottheit ſein ſoll. Für die letzte Möglichkeit ſpricht die Sachlage
bei der Seljenzeichnung, von Lilla Gerum.
Wir haben im Geſtell des Wagens einen klusdruck dafür gefunden,
daß der Kult, dem der Wagen geweiht war, der Kult der Dioskuren und der
Sonne geweſen. Die Rundung in der Mitte mit den zehn Strahlen ſchien
die Sonne zu bedeuten und die Balken mit den Pferdeköpfen an den Enden
und den beiden Querhölzern die Dioskuren. Die Dioskuren und die Sonne
bilden zuſammen eine Göttergruppe mit einheitlichem Kult. Und es ift
daher von Wichtigkeit, daß wir in dem Sonnenhirſch einen Ausdrud für die
Sonne gefunden haben. Denn ſonſt würde die Geltung der Menſchengeſtalten
auf dem Wagen nicht der Geltung der Form des Geſtells entſprechen. Nun
hängen der Sonnenhirſch und die Zweie neben ihm, wenn wir nach der Selfen-
zeichnung von Foſſum urteilen follen, mit dem phalliſchen Uxtmann 3u-
ſammen, wie wir oben bemerkt haben. Allein in dieſer Gruppe kommt
kein Zeichen für die Dioskuren vor. Und freilich ift der Sonnenfult mit dem
Dioskurenkult verbunden, aber der Ausdrud für die Sonne in dieſem Rulte
ift gar nicht der Sonnenhirſch. Es ift überall ein Weib, die Sonnengöttin,
die Sonnentochter, die Sonnenjungfrau, die mit den Dioskuren verbunden
auftritt. Nun ſehen wir auf dem Wagen gleich hinter dem Didde und den
Zweien eine Frau ſtehen, und es iſt uns erlaubt, jo wie ich nachgewieſen
1) Roſſinna, Der germaniſche Goldreichtum in der Bronzezeit, Taf. XV, Abb. 5.
174 Juſt Bing. [16
habe, dieſelbe als „jyunonym” mit dem hirſche zu deuten. Ich glaube daher,
daß es nicht zu gewagt iſt, in dieſer Frau die Verkörperung der Sonne zu
ſehen, jo wie fie in der Verbindung mit den Dioskuren dargeſtellt ift.
In den Diosfurenmythen ſpielt der Goldſchmuck der Sonnenjungfrau
eine gewiſſe Rolle: In den indiſchen Mythen werden die Ohrringe der
Königin geſtohlen und wieder zurechte gebracht +). Dazu ijt nach Müllenhoffs
berühmtem Aufjag „Srija und der Halsbandmythus” 2) auch der Streit Lokes
und Didars um Steyas Briſingamen zu rechnen. Die Frau auf dem Strett-
weger Wagen iſt mit Goldſchmuck reichlich ausgeſtattet. Sie hat Ohrringe
und fie hat Armring. Das ijt auch ein Umſtand, der dazu beiträgt, daß wir
es wagen dürfen, ſie mit der Sonnentochter des Dioskurenkreiſes gleichzuſetzen.
Überjchauen wir das ganze Ergebnis unſerer Ausführungen, fo finden
wir drei verſchiedene Kulte hier vereinigt, zuerſt den Nerthuskult, dann den
Dioskurenkult und ſchließlich den Kult des Sonnenhirſches mit den Zweien
und des Artmanns. Überall iſt die Menſchengeſtalt vorherrſchend. Statt
des Reſſels ſehen wir die keſſeltragende Frau, die Dioskuren find zu Reitern
geworden, mit dem Hiridh kommen feine Zweie und hinter ihnen ſteht als
„ſynonym“ die goldgeſchmückte Sonnentochter des Dioskurenkreiſes. Es liegt
auf der Hand, daß der Künjtler die Menſchengeſtalt für die rechte Darſtellung
der Gottheit anſieht. Daher ijt der Sonnenhirſch, der ſonſt mit dem Axtmann
verbunden iſt, hier nur als Vorläufer vorgeſchoben, und als das rechte und
würdige Seitenſtück zum Artmann ſteht die mit dem hirſch gleichbedeutende
Sonnenjungfrau in ihrem Goldſchmuck. Nur der Menſch darf fih als Teil-
haber zum Menſchen ſtellen, daher ift nicht der Hirſch, ſondern die Sonnen:
jungfrau, die urſprünglich zu einem anderen Götterkreiſe geyort; die Paar:
geſtalt des Artmanns geworden.
IV.
Auf der Selfenzeichnung von Foſſum finden fih neben dem phalliſchen
Airtmann und dem Fonnenhirſch mit den Zweien links oben zwei runde
Scheiben mit aſtartigen Auswiidjen. Sie find dunkle Ratfel für alle Seljen-
zeichnungsforſcher, und vielleicht bietet ſich hier eine Gelegenheit zu dem
Verſuche, in dies Geheimnis einzudringen. Wir müſſen uns dabei zuerſt
über Vorkommen und Verbindung dieſer ſonderbaren Geſtalt klar werden.
In Baltzers Werk über die Felſenzeichnungen von Bohuslän habe ich
mir dafür fünf ſichere und zwei unſichere Fälle angemerkt, die unſicheren
werden hier außer Betracht gelaſſen. Auf der Felſenzeichnung von
Afpeberget?) kommt dieſe „Gabelſcheibe“ mit einem Weibe zuſammen vor,
1) Gubernatis, Zoological Mythology I, 80—81.
2) Zeitſchr. f. deutſches Altertum XXX, 218 ff.
5) Mannus VI, S. 176, Abb. 23; S. 178, Abb. 27.
17] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geftalten. 175
auf der anderen Seite findet fidh ein merkwürdiges zweibeiniges Tier (Hahn?)
und ein kleines Boot. Es ſind gewiß alles göttliche Zeichen und die Frau die
Göttin, die dieſen Sinnbildern entſpricht +). Mein Verſuch, die Göttin des
Bootes wegen mit der Caciteiſchen Iſis gleichzuſtellen, hat keinen Untergrund,
denn dies Vorkommen ſcheint vereinzelt dazuſtehen. Vielleicht findet fidh
auch noch einmal — Baltzer 42—43 Nr. 2, Almgren 199 — die „Gabelſcheibe“
mit einer Frau zuſammen, doch iſt die Menſchengeſtalt ſehr undeutlich. Es
ift nach der Felſenzeichnung von Aſpeberget wohl ſehr unwahrſcheinlich, daß
die „Gabelſcheibe“ die Sonne bezeichnen kann, fo wie einige Archäologen
gemeint haben. Denn ſie kommt |
hier neben dem Sonnenrade vor,
gehört zu einer anderen Gruppe
der Felſenzeichnung, ſteht auch
unten in der Wiederholung der
Zeichen bei der Kampfgruppe
für ſich über derſelben, während
das Sonnenrad unter der Kampf-
gruppe ſteht. Sie bildet alſo
etwas vom Sonnenrade Abge-
ſondertes. Und wenn man auch
nicht ſagen kann, was ſie be⸗
deutet, ſo ſcheint es auf der hand
zu liegen, daß fie kein Zeichen
für die Sonne ſein kann. In
einem Falle, auf der Felſen⸗
zeichnung von Hoitlyde, Baltzer
18—21 Nr. 1, ſtehen die Gabeln, Abb. 12. Schild von Kleinglein.
die wohl als Afte aufzufaſſen
ſind, außerhalb der Scheibe, in einem anderen Falle, Baltzer 25—26 Nr. 8,
Almgren 114 find fie mit der Scheibe durch eine Art Mittelglied
verbunden. Man kann demnach dieſe Scheibe vielleicht als einen runden
Schild auffaſſen, an dem Alte befeſtigt find. In der Hallſtätter Kultur-
gruppe ſind derartige Schilde mit Unhängſeln in Kleinglein bei Wies in
Steiermark gefunden, doch ſind die Unhängſel als Axte und nicht als
Ajte geformt (Abb. 12) 2). Dagegen finden wir auf der berühmten Hall⸗
ſtätter Schwertſcheide einen aſt⸗ oder blattartigen Dierpaß auf den Schilden
der wandernden Schilöträger (Abb. 15) 3). Nun ut nach Wilke die
Art ein Sinnbild der Fruchtbarkeit, jo daß es möglich ift, daß dies Schild⸗
zeichen und dies Schildanhängſel, was die Bedeutung anlangt, nicht ſehr
1) Mannus VI, S. 178.
2) Much, Runſthiſtoriſcher Atlas, S. 101.
3) d. a. O. S. 161.
Mannus, Bd. X. H. 3 u. 4. 12
176 Juft Bing. [18
weit voneinander abliegen. Der Aufzug der wandernden Schildtrager ijt
auf dem Situlenbruchſtück von St. Marein (Abb. 14) durch ein großes ſtiliſiertes
Pflanzenornament unterbrochen ). Auf dem oberen Ring der Certoſa⸗
Situla ?) findet fih ein gleichartiges Pflanzenornament, aber umgekehrt ge-
ftellt, die Blätter nach unten, ihr Stiel nach oben, und es ſteht hier richt mitten
in einem einheitlichen Aufzuge, wie auf dem Bruchſtück von St. Marein.
N 8
Abb. 13. Ausſchnitt der Hallftatter Schwertſcheide.
Die Schilde der Schildträger, die vor dem Pflanzenmotiv ſich befinden, haben
in der Mitte einen Ring, die hinter dem Ornament aber ein eingeteiltes
Viereck. Es ſcheint, daß dies Pflanzenmotiv in St. Marein noch als etwas
Lebendiges aufgefaßt, in der Certoſa zu Bologna aber zu einem reinen
Abb. 14. Situla von St. Marein (Bruchſtück).
Ornament erſtarrt, mit der Spitze nach unten gekehrt und als eee
zwiſchen die verſchiedenen Gruppen geſtellt iſt.
Es ſcheint, daß wir hier einer Verbindung von Schild ind Dflanze
auf der Spur find, die gewiß von kultiſcher Art ift. Eine ſolche können wir
auch in alten Sitten und muthologiſchen Namen als etwas Derjteinertes
nachweiſen. Einen Schild mit einer Garbe ſetzen die Mönche von Abingdon
1) a. a. O. S. 145, Nr. 8.
2) hoernes, Urgeſch. d. bild. Kunit. Taf. XXXII.
19] Der Kultwagen von Strettweg und feine Geſtalten. 177
in die Themſe und zeigen ihr Recht auf ein Wieſenſtück, als der Schild um
dieſes herumtreibt. Sculd, der Sohn der Scef (Garbe), kommt in der engliſchen
Königsreihe vor, und wenn in einer norwegiſchen Rönigsreihe in dem Attar-
tolur im Slateyarbét ein Skjoldr Sohn von Sfelfir vorkommt, von dem die
Sfilfingar abſtammen, iſt dies gewiß als eine Abwandlung des engliſchen
Sculd Scefing zu betrachten. Skjold ift der Stammvater der däniſchen Skjol⸗
dungar: es ift, wie Arel Olrik gezeigt hat, der Korndämon, der als Stamm-
vater des Volkes und des Königshauſes betrachtet wird. Skjold heißt der
Ehegatte der Fruchtbarkeitsgöttin Gefjon. Wenn wir weiter umblicken,
finden wir bei den Römern den Srühlingsanfang der Salier mit dem Ancile.
Es iſt vielleicht möglich, daß wir einen entſprechenden Aufzug wiederfinden,
wenn wir die Schildträger der Hallſtätter Schwertſcheide Aſte als Schild⸗
zeichen führen ſehen. Wenn auf unſerem Wagen die zwei Reiter Schilde
tragen, möchte ich vermuten, daß ihre Schilde aus dieſem Kreiſe ſtammen
und von da aus auf die beiden Dioskurenreiter übertragen worden ſind.
weiter glaube ich, daß wir dieſen Schild in den „Gabelſcheiben“ der bohuslän⸗
Iden Felſenzeichnungen wiederfinden und daß diefe urſprünglich dem Kult-
kreiſe, den wir auf der Selſenzeichnung von Soſſum vor uns haben, angehören,
von wo aus ſie, fo wie der Artmann, auf die Selfenzeichnungen der gewöhn⸗
lichen Art, 3. B. die Afjpebergzeichnung, aufgenommen worden find. Auf
der Foſſumzeichnung fanden wir neben dieſem Schilde, an dem Alte befeſtigt
ſind, auch den phalliſchen Artmann und den Hiridh mit den Zweien. Sie
machen zuſammen eine Gruppe von Göttern oder ſagen wir vielleicht lieber
eine Kultgruppe aus. Dieſelbe finden wir hier als Block auf dem Wagen
von Strettweg, während ihre Beſtandteile ſonſt nur einzeln auf den gewöhn⸗
lichen Seljenzeichnungen aufgenommen find. Dieſe Kultgruppe ift hier auf
dem Strettweger Wagen mit dem Dioskurenkult in Verbindung gebracht.
Der Hiridh mit den Zweien ift vor die goldgeſchmückte Sonnentochter geſtellt
und die Dioskurenreiter tragen die Schilde, aber ohne die Afte, die auf der
Joſſumzeichnung an ihnen befeſtigt find.
V.
Es foll nicht geleugnet werden, daß dem oben vorgetragenen Deutungs-
verſuche vieles abgeht, um angenehm zu wirken und vorteilhaft zu erſcheinen.
Ihm fehlt das augenfällig Leichtfaßliche, das von vornherein Selbſtverſtänd⸗
liche. Er ſcheint auch mehr eine Gruppierung als eine Deutung zu ſein.
Man bleibt nach wie vor eigentlich ganz im unklaren über den Jweck und
Sinn des Ganzen. Es iſt nicht anders geplant und gewollt. Mir war es darum
zu tun, die Geſtalten des Wagens zu erklären aus ihrer Verbindung mit
den archäologiſchen und ſchriftlich überlieferten Tatſachen und vor allem
darum, ihren Platz in der Reihe dieſer Tatſachen zu beſtimmen. Die alte
goldene wiſſenſchaftliche Regel lautet: Non oportet causas investigare.
12*
A nmn BR "T Wë R ip VERF E T t WW" TE .. geg
178 Juft Bing. | [20
Gür mich ift das Ziel geweſen, ſorgfältig zu ordnen und nicht glücklich zu raten.
Es war mir darum zu tun, die kultiſche und religiöſe Bedeutung der Geſtalten
danach zu beſtimmen, was wir durch Überlieferung und Ausgrabungen kennen.
Was dahinter liegt, iſt nicht Gegenſtand dieſer Unterſuchung, und ich erkenne,
daß meine Erklärung vielleicht mehr Rätjel bringt als Ian.
»Ich mache auf einige ſolche Sonderbarkeiten aufmerkſam. Wie ift es
3. B. möglich, daß der Vogel das Tier der Erdgöttin fein kann? Was iſt die
urſprüngliche Bedeutung des Reſſelwagens mit dem Vogel daneben? Jit
die Derbindung des Dioskuren⸗ und des Nerthuskultes nur ein geſchichtliches
Zufammenwachſen zweier verſchiedener Kulte oder ift jie innerlich begründet?
Wie ift es möglich, daß eine Kultgruppe ſich auf einer einzigen Seljenzeichnung
und dann auf dem Strettweger Wagen, Hunderte von Jahren und von Meilen
davon entfernt, feſt zuſammen und rein vorkommt, da doch ſonſt auf den
Seljenzeichnungen ihre Beſtandteile aufgelöſt und einzeln aufgenommen und
mit anderen verbunden auftreten? Es iſt mir nicht möglich, auf dieſe Fragen
jetzt Antwort zu geben, und beſonders ſcheint mir die letzte eine ſchwierige
Aufgabe zu ſtellen. Doch die Geſtalten entſprechen fih ganz genau, fo daß
nicht daran zu zweifeln iſt, daß es dieſelben Götter ſind. Es iſt wahr, daß
es den Dienern der Wiſſenſchaft nicht immer gegeben iſt, eine Erſcheinung
leichtfaßlich zu machen. Ein Erſatz dafür iſt es, daß ſie es vermögen, ſicherer
als zuvor dem vorkommenden Fall in der Reihe der Erſcheinungen ſeinen
Platz anzuweiſen. |
Abb. 15. Bronzefigur des Nationalmufeums zu Saint Germain en Laye.
II. Mitteilungen.
Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchrono⸗
logie Norddeutſchlands.
Antwort auf E. Werths Kritik meines geologiſch⸗paläontologiſch⸗
archäologiſchen Diluvialſyſtems.
Don J. Bayer. |
mit 3 Abbildungen.
Ende November 1918 aus Paldjtina zurückgekehrt, leſe ich erft jetzt
E. Werths Kritik meines Chronologieſyſtems des Eiszeitalters im Juſammen⸗
hange mit der Kritik meiner Beurteilung von Markkleeberg 1). Obgleich ich
beabſichtige, das Problem ohnehin nächſtens eingehend zu behandeln, ver⸗
anlaßt mich doch die übergroße Häufung von unrichtigen Dorftellungen und
Behauptungen Werths zu einer ſofortigen Erwiderung, die ich aus obigem
Grunde ganz kurz faſſen kann, um ſo mehr als die Einwände Werths meine
Ciszeitchronologie nicht im geringſten zu erſchüttern vermögen.
Auch er ſteht bekanntlich auf dem Standpunkte der norddeutſchen Dilu⸗
vialgeologen, welche mit ihrem warmen Mouſteérien, poſtglazialen COR vim,
auf durchaus unhaltbarem Boden bauen.
Um es kurz zu fagen: Die Diluvialgliederung NRorddeutſchlands,
wie fie heute von der Geſamtheit der norddeutſchen Diluvial-
geologen vertreten wird), ift ebenſo unhaltbar wie die Alpen-
Chronologie Pend-Briidners. l
Die Erklärung dafür, wieſo es möglich ift, daß beide Hufſtellungen un-
richtig find, trotzdem fie von der Gejamtheit der deutſchen Diluvialgeologen
vertreten werden und untereinander noch dazu ganz gut übereinſtimmen,
erhält man, wenn man ſich ihre Entſtehung ins Gedächtnis ruft.
1) prähiſtor. Zeitſchr. IX (1917), S. 112—117.
2) Meines Wiſſens gibt es keine Ausnahme, wie auch die einhellige Annahme
eines letztinterglazialen Alters der Ilmtalſtationen ſeitens der norddeutſchen Rongreß⸗
teilnehmer in Weimar 1912 gezeigt hat.
180 3. Bayer. 2
Man findet dann nämlich, daß die norddeutſche Gliederung faſt ledig⸗
lich unter alleiniger Berückſichtigung des norddeutſchen Bodens entſtanden
ift, während die Aufjtellung Pencks der Hauptfache nach auf den alpinen Der-
hältniſſen fußt. Nun ift bis heute die geologiſche Candesaufnahme in Nord-
deutſchland noch nicht ſo weit durchgeführt, um das ganze diluvialgeologiſche
Bild in lückenloſem Zuſammenhange erkennen zu laſſen und damit Alters⸗
verwechſelungen von Ablagerungen auszuſchließen und in den Alpen wird
es auch in Zukunft trotz genaueſter Aufnahmen aus naheliegenden Gründen
unmöglich ſein, das Alter aller Bildungen ſtratigraphiſch zu ermitteln.
Mit einem Wort, die vereiſt geweſenen Gebiete find ohne Berüd-
ſichtigung der dazwiſchen liegenden ſtets unvereiſt geweſenen Gebiete zur
Aufitellung der diluvialen Zeitenfolge nicht hinreichend. Dazu kommt, daß
jene Aufitellungen ohne ausreichende Heranziehung der Archäologie und
Paläontologie, vor allem ohne Berückſichtigung des Altersverhältniſſes der
beiden in ausländiſchen Profilen, entſtanden find’). Der Hauptfehler ift
alſo die zu enge Begrenzung des Gebietes, aus welchem jede der beiden
Aufitellungen erwachſen ijt. Gerade ein ſolches. Problem fegt aber für
ſeine verläßliche Cöſung Aufbau auf breiteſter Grundlage voraus.
Wenn ich geſagt habe, das Studium der vereiſten Gebiete allein genügt
nicht, ſo liegt ein weiterer Grund dafür darin, daß hier die wertvolle Mithilfe
der Urchäologie bis zur Entdeckung von Markkleeberg faſt ganz fehlte.
So iſt es nur natürlich, daß die Entſcheidung der Frage auf dem
Boden des ſtets eisfreien mitteleuropäiſchen Gebietes herbei—
geführt wurde.
In dieſem Gebiete iſt es wieder im beſonderen Niederöſterreich, das
mit ſeinen mächtigen Cößablagerungen und reichen, übereinander gelagerten
Rulturſchichten den beiten Einblick in den Verlauf des Eiszeitalters gewährt,
während 3. B. mit den geringmächtigen, mit keinem geologiſch näher be:
ſtimmbaren Materiale gefüllten ſchwäbiſchen höhlen trotz des Reichtums an
archäologiſchem Material nichts Entſcheidendes zu machen iſt.
Aber die Mehrzahl der norddeutſchen Diluvialgeologen beſchränkte ſich
bisher auf das Studium des heimatlichen Bodens und hält die daſelbſt auf⸗
geſtellte Diluvialſtratigraphie für ſo feſt begründet, daß ſie von vornherein
eine andere Aufitellung für nicht erörterbar erklärt.
So geht es auch Herrn Werth!
Seine Denkungsweiſe iſt bereits ſo konſervativ, daß er auf meine voll⸗
ſtändig begründete Aufftellung gar nicht eingeht, ſondern fie einfach verwirft,
weil fie mit der herrſchenden Anficht in Norddeutſchland nicht übereinſtimmt
1) Dernachläſſigt wurden vor allem die weſteuropäiſchen Profile, welche für das
archäologiſch⸗paläontologiſche Derhältnis im Diluvium von geradezu entſcheidender Be:
deutung ſind.
*
31 Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Nordbeutflands 181
und „zu einer gänzlichen Umgeſtaltung der . R
Norddeutſchlands führen würde“ ).
Dieſe Befürchtung Werths iſt allerdings berechtigt: Die Diluvialgeologen
Norddeuſchlands werden ihre bisherige Anſicht überprüfen und von Grund
auf ändern müſſen.
Der große Umſturz in den Anſchauungen über das Diluvium wird durch
die fachliche Widerlegung der einzelnen Anwürfe Werths, die ich in der Reihen-
folge ſeines Urtikels bringe, in Erſcheinung treten und wird bildlich durch
die am Schluſſe gebrachte Gegenüberſtellung des alten und neuen Syjtems
veranſchaulicht.
Wenn Werth behauptet, daß es „bisher nicht bekannt iſt, daß Bauer
fih mit dem Diluvium Norddeutſchlands beſchäftigt hat“, verweiſe ich auf
„Die Chronologie der diluvialen Kulturen und Ablagerungen in den Alpen
und in Norddeutſchland“ ), wo zum erſtenmal die Diluvialſtratigraphie
Norddeutſchlands an und für fih und im Verhältnis zur alpinen
Diluvialgliederung richtig dargeſtellt wird.
Ich lade herrn Werth und feine wiſſenſchaftlichen Freunde ein, diefe
Kufſtellung umzuſtoßen! Aber ſachlich, nicht mit ſubjektiven Anſichten über
mein Können und unbegründeten wiſſenſchaftlichen Einwänden!
Werth beginnt feinen Angriff auf meine Eiszeit-Chronologie mit einer
Kritik meiner „Dorausſetzungen“ bezüglich Markkleebergs, nämlich daß „die
Sunde von Markkleeberg zweifellos dem Alt- und Mittelmouſtérien angehören,
die geräteführenden Schotter von Markkleeberg aber ebenſo zweifellos gegen
Ende der vorletzten Zwiſcheneiszeit abgelagert wurden“ 3).
Und zwar behauptet er, daß ich die fraglichen Schotter für interglazial
halte und daß fic) die Kultur nicht als Mouſtérien beſtimmen laffe.
Wie ich zeigen werde, rührt erſteres daher, daß Werth meine Arbeiten,
beſonders meine Eiszeitchronologie, nicht genügend kennt, letzteres daher,
daß er offenbar mit der paläolithiſchen EE auf keinem guten, Fuße
ſteht. Sonft würde Werth wiſſen, daß die Tupengeſellſchaft von Markklee⸗
berg, mit den maßgebenden weſteuropäiſchen Fundſerien verglichen, ein
unzweifelhaftes Moufterien darſtellt.
Nun zum geologiſchen Punkt!
Wenn Herr Werth meine Chronologie ſtudiert, wird er ſehen, daß ich
niemals die Schotter von Markkleeberg für interglazial in dem
ihm vorſchwebenden Sinne (höheſtadium) gehalten habe, ſondern
ihre SE ſtets als am Ende des vorletzten Interglazials vor
1) a. a. O. S. 112.
2) Zeitſchr. f. Ethnologie 1914, S. 465—477. .
) J. Bayer, „Die Bedeutung der Mouſtérienſtation Markkleeberg bei Leipzig
für die quartärchronologiſche Frage.“ Mannus 1916, S. 315—325.
— —— — — wi es dÉ
182 J. Bauer. [4
fih gegangen anſah, was ihm ja ein Blick auf die Stellung des Mouſtérien
in meiner Tabelle des Eiszeitalters gejagt hätte.
Bei dieſer Gelegenheit bemerke ich, um Mißverſtändniſſe für die Ju-
kunft auszuſchließen, daß ich alles, was innerhalb zweier Vereiſungs⸗ Maxima
liegt, als „interglazial“ zu bezeichnen gewohnt bin. Natürlich hat der
andere ebenſo recht, welcher als interglazial nur das höheſtadium einer
Zwiſcheneiszeit nimmt und als glazial auch ſchon die Zeit der Klimaverſchlechte⸗
rung vor einer Eiszeit und die Zeit der Klimabeſſerung nach einer Eiszeit
anſieht. Daher beabſichtige ich von nun an die Ausdrüde Früh⸗Rißzeit,
Rißeiszeit, Spät⸗Rißzeit uſw. zu gebrauchen.
Aber darüber, wie ich das Alter der Markkleeberger⸗Schotter auffaßte,
konnte Herr Werth gar nicht in Zweifel kommen, weil die Klimakurve in
meiner chronologiſchen Überſichtstabelle dies deutlich erkennen läßt 1); daher
hielt ich es auch nie für nötig, beſonders auseinanderzuſetzen, wie ich das
meinte.
Derſelben flusdrucksweiſe wie ich bedient fih übrigens ja auch Gagel
— und ſie kann daher doch nicht ſo ungewöhnlich und unverſtändlich ſein —,
wenn er ſagt: „Solange nicht unſere ganze Diluvialgliederung umgeworfen
und als falſch erwieſen wird, bleibt Markkleeberg Schluß des vorletzten
Interglazials”?)!
Da hat aber Werth auffallenderweiſe nichts einzuwenden, ſondern
ſtimmt eifrig zu!
Wenn Werth mein Chronologiefyftem überhaupt ſtudiert hätte, müßte
er wiſſen, daß ich ſchon das ſpätere Acheuléen nicht mehr in das höheſtadium
des vorletzten Interglazials ſtelle, ſondern bereits in die Zeit bedeutender
Klimaverſchlechterung, um jo weniger das Mouſtérien, das ich ja mit feinem
jüngeren Übſchnitte direkt mit dem höheſtadium der Rißvereiſung paral-
leliſiere ?).
Daß ich daher Markkleeberg mit ſeinem Mittel-Moufterien knapp vor
dem Riß⸗Maximum annehmen mußte, wenn ich von Übereinſtimmung des
Befundes mit meiner Aufitellung ſprach, ijt klar; hätte ich die Markkleeberger
Kiefe in dem Sinne als „interglaziale“ Bildung bezeichnet, wie Werth von
mir behauptet, fo würde dies ja ganz und gar nicht in meinen „Kram“ paſſen,
1) 3. Bayer, »Die Chronologie des jiingeren Quartärs. “ Mitt. d. präh. Kom.
d. Akad. d. Wiſſ., Wien 1913, II. H. 2.
2) R. Gagel, „Die altſteinzeitliche Sundjtelle Markkleeberg bei Leipzig.“ Mannus
VI (1914), S. 370.
3) Während ich meine älteren Aufftellungen in weſentlichen Punkten korrigiert
habe und ſie daher als überholt anzuſehen ſind, verweiſe ich als auf die abſolut gültige
Tabelle der Quartärchronologie auf die 1912 und ſpäter erſchienenen Arbeiten, 3. B.
Chronologie des temps quaternaires, internat. Kongreß zu Genf 1912, Die Chronologie
des jüngeren Quartärs, |. oben Anm. 1, Alpine und norddeutſche Chronologie, ſ. S. 3
Anm. 2.
5] Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutſchlands. 183
ſondern gerade das Gegenteil von dem fein, was meine Chronologie bezüglich
der zeitlichen Stellung des Moufterien beſagt.
Damit fällt Werths ganze diesbezügliche Polemik unter den Tijd) und
er möge getroſt ſein: Ich kenne die Literatur über Markkleeberg und über
Thiede, aber ſchließlich laſſe ich mir nicht vorſchreiben, was ich zu zitieren
habe und was nicht, zumal in dem vorliegenden Falle jedes Zitieren unnötig
war, da ja die von Werth genannten Arbeiten über die geologiſchen Der-
hältniſſe von Markkleeberg alle genau dasſelbe beſagen, was gar niemand
bezweifelt, ich nicht, Gäbert nicht und alle anderen nicht.
Daß Gäbert beſſer getan hätte, für die Ablagerungszeit der Mark⸗
Heeberger Schotter den Ausdrud „erſtes Interglazial der Leipziger Bucht“
nicht zu gebrauchen, wo es fih doch nur um geringfügige Oſzillationen des
faſt hocheiszeitlichen Inlandeiſes handelt, iſt richtig. Aber ſicher hat Gäbert
trotz der nicht genauen Ausdrudsweife das Richtige gemeint.
Für den Geologen und Archäologen in einer Perſon treffen alſo meine
beiden Dorausjeßungen für Markkleeberg — Moujterien und Zeit knapp vor
dem Maximum der Rik-Eiszeit — völlig zu und eben damit beſtätigt Mart-
kleeberg in glänzender Weiſe die unumſtößliche Richtigkeit meines
diluvialgeologiſch-paläontologiſch-archäologiſchen Syftems?).
Zu der eben gekennzeichneten geologiſchen und archäologiſchen Stellung
Markkleebergs paßt auch die bekannte Fauna des Mouſtérien mit Mammut,
wollhaarigem Nashorn uſw., Tieren, die wohl Kälte ertragen konnten, jedoch
nicht als ausgeſprochen glazial anzuſehen ſind, denn ſie verblieben während
des kühlen letzten Interglazials in Mitteleuropa und verſchwinden erſt nach
der letzten Eiszeit.
Ich ſuche mit dieſer Tierwelt alſo weder ein Glazial noch ein Interglazial
zu beweiſen, dazu bedarf es ausgeſprochenerer Vertreter der Tierwelt, z. B.
der Tundren⸗Mikrofauna und der Antiquusfauna oder einer Faunengeſell⸗
ſchaft, wie ich fie als charakteriſtiſch für das Riß-Würm⸗Interglazial auf:
gezeigt habe: Waldfauna mit Hiridh und Reh, wärmeliebende Kondylien
wie Helix pomatia ujw.
klber die Sauna von Markkleeberg ſtimmt mit der überein, welche das
Mouſtèrien in Frankreich und überall begleitet und das ift eine weitere er-
freuliche Ubereinſtimmung mit der archäologiſchen Einſchätzung Markkleebergs.
Mit der Geſamtheit der deutſchen Diluvialgeologen hält auch Werth
Weimar⸗Taubach⸗Ehringsdorf für letztinterglazial.
1) Das während des Druckes dieſer Arbeit erſchienene Buch: „Cöße, Eiszeiten
und paläolithiſche Kulturen“ von W. Soergel (Derlag Sijcher-Jena 1919) zeigt ſchon
einen gewiſſen Fortſchritt in meiner Richtung: Soergel legt feiner Auffaſſung bereits
die drei von mir ſcharf getrennten Cöße zugrunde, ſtellt fie bereits vor die Würm:
eiszeit und wird, wenn er nur einmal die rheiniſche Mittelterraſſe als Hochterrajje
erkannt haben wird, noch ein tüchtiger Dertreter meiner Unſchauung werden.
-
184 3. Bayer. 56
Daß das und damit die ganze Charakteriſierung des letzten Interglazials
falſch iſt, ergibt ſich u. a. aus folgendem: |
Im Ilmtal fehlen ſicher datierbare glaziale Ablagerungen, wie ich mir
zu wiederholen erlaube, denn ſonſt wären die dortigen glazialen Ablagerungen
bisher doch wenigſtens von einem Geologen richtig als mindelglazial be-
ſtimmt worden und nicht als rißglazial.
Wenn ich fie hier mit ſolcher Sicherheit fo datiere, fo habe ich diefe Alters-
beſtimmung zwar auch nicht im Ilmtal gewinnen können — aber auf dem
Umwege über Niederöſterreich.
Dort hat ſich nämlich, wovon weiter unten noch geſprochen werden
ſoll, mit Sicherheit ergeben, daß in das letzte Interglazial ausſchließlich
das Aurignacien mit ſeiner eben charakteriſierten Sauna fällt. Da
weder hier noch an einer der auf der Welt bekannten Aurignacien:
Sundjtätten der Altelefant vorkommt, können die Ilmtalſtationen
mit ihrer maſſenhaften Antiquus fauna eben nicht der letzten,
ſondern müſſen der vorletzten Zwijcheneiszeit angehören. Herr
Werth wird mir zugeben: überall im letzten Interglazial die Primigenius⸗
fauna und nur im Ilmtal die Antiquusfauna — das gibt es nicht.
Alfo umlernen!
Bezüglich der Berufung Werths auf den Antiquitätenhändler Haufer
als Sachverſtändigen und auf deſſen wunderbares „Micoquien“ verweiſe ich
auf die, glaube ich, genügend klare Charakteriſierung dieſes „Gelehrten“
durch mich im Mannus !). Ich warte ſchon lange vergebens auf den ent:
ſprechenden Nachweis, den Haujer für ſeine warme letztinterglaziale Mi⸗
coquien-Sauna noch ſchuldig iſt, — vielleicht liefert ihn der in der Literatur
jo beſchlagene Herr Werth. |
Nur foll er mir nicht wie Gagel mit den ſekundär abgelagerten und
nicht einmal ſicheren Untiquusknochen von Rixdorf oder mit der an Ort und
Stelle ſtratigraphiſch noch nicht firierbaren Taubacher Sauna kommen.
Wenn Werth bei Taubach von einer jüngeren Antiquusfauna ſpricht,
der gewiſſe altertümliche Formen des älteren Diluviums fehlen und dann
dieſen Gegenſatz zu der bekannten altdiluvialen Sauna als Beweis für das
letztinterglaziale Alter anführt, überſieht er, daß auch die Sauna des Acheulsen,
weil ſie bereits der Endzeit des eigentlichen Mindelrißinterglazials angehört,
in Frankreich dieſe altertümlichen Formen nicht mehr aufweiſt, ſondern mit
der von Ehringsdorf uſw. genau übereinſtimmt, was eben ganz und gar für
die Gleichzeitigkeit und Identität der beiden ſpricht. Das Ilmtalpaläoli⸗
thikum ijt alfo nicht jünger als Markkleeberg, ſondern beträchtlich älter).
1) Mannus VIII (1917), S. 280 ff. und IX (1918), S. 105 ff.
2) Eine genaue Unterſuchung der glazialen Schotter im Liegenden der Ralktuffe
wird ſicher ergeben, daß ſelbe um eine Eiszeit älter ſind als die artefakteführenden Schotter
von Markkleeberg. hier wäre der Hebel anzuſetzen.
7] Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutſchlands. 185
Für dieſes hohe Alter der Ilmtalkultur ſpricht auch der Unterkiefer von
Ehringsdorf. |
Den beiten Beweis, daß Werth teine Ahnung von meinem Chronologie-
ſyſtem hat, erbringen aber feine a. a. O. S. 115 zu leſenden Sätze, die in der
Behauptung gipfeln, daß zwiſchen mir und allen anderen Diluvialforſchern
„keine chronologiſche, ſondern nur noch eine nomenklatoriſche Streitfrage“
vorliege, wodurch ſich, wie Herr Werth herablaſſend erklärt, „eine ſachliche
fluseinanderſetzung darüber erübrigt“.
Er meint nämlich, daß es ſich lediglich um meinen Eigenſinn handelt,
dahingehend, daß ich alles, was alle anderen letztes Interglazial nennen,
vorletztes nenne.
„Dieſe Derſchiebung“, fährt Werth fort, „führt aber weiter bei Bayer
zur Aufitellung eines letzten Interglazials mit kalter Fauna!“
Nun, die Sache verhält ſich doch etwas anders:
Jene vorletztinterglazialen Ablagerungen, Funde uſw., die man allgemein
unrichtig für letztes Interglazial hält, wodurch eine Doppelauflage
des Mindel-Riß-Interglazials in Erſcheinung tritt, wandern bei
mir an ihre richtige Stelle in die vorletzte Zwifcheneiszeit, fo daß es im
Diluvium nur ein Antiquus⸗Interglazial, die Mindel⸗Riß⸗Zwiſcheneiszeit, und
nicht zwei Antiquus-Interglaziale gibt. Was aber allgemein als poft-
glazial (nämlich Poſtwürm) gilt, fei es als Cößperiode nach der höhe
der letzten Deretjung wie bei den norddeutſchen Geologen, R. R. Schmidt,
D. Obermaier und den Franzoſen, oder wie bei Pend als Achenſchwankung
zwiſchen Würmeiszeit und Bühlvorſtoß, ift bei mir letztinterglazial, alfo
vor der Würmeiszeit. Die Eiszeiten ſelbſt bleiben dabei die an und für ſich
unverrückbaren Begriffe, wenn auch die Auslegung einzelner Eiszeitablage⸗
rungen bei meinen Gegnern oft unrichtig ift, was eben mit der Verwechſlung
der Interglaziale und unrichtigen UAnſetzung der Cößablagerungszeiten vim.
zuſammenhängt. Jedenfalls geben die drei Grundmoränen Norddeutſchlands
einwandfreie, allſeits anerkannte Vertreter der letzten, vorletzten und vor⸗
vorletzten Eiszeit ab und ſind ſo der feſtſtehende Rahmen, in den eingebaut wird.
Daher liegt zwiſchen meiner Aufitellung und denen meiner Gegner
kein nomenklatoriſcher, ſondern ein ſehr weſentlicher ſachlicher
Unterſchied vor, ſo daß ſich nichts „erübrigt“, ſondern Herr Werth es ſehr
nötig hätte, ſich damit ſachlich auseinanderzuſetzen, was aber allerdings
vorausſetzt, daß man die gegneriſche Anſicht überhaupt genügend kennt.
Die weitere Behauptung Werths, „Bayer macht eben aus dem letzten
Interglazial, dem Cöß zuliebe, ein kaltes Interglazial“, zeigt abermals das
völlige Nichtverſtehen meiner Aufitellung.
Sonſt müßte Werth aus dem Derlaufe der Klimakurve in meinen ver-
ſchiedenerorts erſchienenen Chronologietabellen erleben haben, daß ich mir
die Löße in den Übergangszeiten gebildet denke, daß aber gerade das
186 | 3. Bayer. [8
Höheftadium des letzten Interglazials völlig ohne Lößbildung
ift (Bildung der Göttweiger Derlehmungszone).
Wenn ich den Cöß gelegentlich als „interglazial“ bezeichnet habe, ſo
gilt bezüglich dieſes Ausdrudes hier wieder das oben bei Beſprechung des
Alters der Markkleeberger Schotter darüber Geſagte.
Die Behauptung Werths, daß ich mich bei Aufitellung meiner Chrono-
logie auf Thiede ſtütze oder geſtützt habe, iſt ebenfalls unrichtig.
Thiede iſt — und da ſtimme ich ausnahmsweiſe mit Werth überein —
nicht geeignet, Ausgangs⸗ und Stützpunkt für eine Diluvialgliederung zu ſein.
Ich habe Thiede auch nur eingeordnet, nachdem ich auf Grund eines der
wichtigſten Cößprofile der Erde, des Profils von Willendorf, meine quartär⸗
chronologiſche Hufſtellung längſt geſchaffen hatte.
Dieſes entſcheidende Profil von Willendorf habe ich in der „Chronologie
des jüngeren Quartärs“ kurz beſprochen:
Mitten zwiſchen zwei Löken mit glazialen Kondyylien eine Laimenzone
mit darauf lagerndem Schwemmlehm, im Bereiche der Laimenzone Maſſen
von Weinbergſchnecken und Reſte einer gemäßigten Waldfauna, aber ohne
die charakteriſtiſchen Elemente der Antiquusfauna.
Auf dieſen durch die Säugetier- und Kondylienfauna als zweifellos
interglazial und zwar, wie nicht anders möglich, als letztinterglazial er⸗
wieſenen Horizont!) verteilen fih in Willendorf II fünf RKulturſchichten
mit einem ſchön ausgeprägten Mittelaurignacien ?), fo daß alfo die Gleidh-
ſtellung des mittleren Aurignacien mit dem letzten Interglazial
eine erwieſene Tatſache iſt. )
Ein mit diefem Willendorfer Profil vollſtändig übereinſtimmendes
Profil aus der Stiftsziegelei in Wielandsthal bei Herzogenburg in Nieder-
öſterreich, das jedoch bisher keine menſchlichen Spuren aufzuweiſen hat,
bringt Abbildung 1. Oben eine mächtige Ablagerung des Löß der Früh⸗
Würmzeit, mitten das hier durch mehrere Laimenzonen (Schwemmlehm⸗
ſchichten) dargeſtellte letzte Interglazial, im Ciegenden wieder rein äoliſcher
Lök mit glazialen Kondyylien, der Spätrißzeit angehörig.
mit Hilfe des Willendorfer Profils habe ich Thiede nach dem von
Nehring 1890 gegebenen Profil gedeutet und habe auch weiter noch den
1) Dal. hans Menzel, „Über die Foſſilführung und Gliederung der Cößformation
im Donautal bei Krems.“ Jeitſchr. d. Deutſch. Geolog. Geſ. Bd. 66 (1914), S. 195: „Durch
dieſen Saunenwechſel“ (nämlich glaziale Ronchylien im oberen äoliſchen Lök, gemäßigte
Sauna mit großen Heliz-Arten im Bereiche des Schwemmlehmes) „iſt auf das Schlagendſte
erwieſen, daß dieſer Shwemmlehm und die unter ihm folgende Derlehmungs⸗
zone (Göttweiger Derlehmungszone Bauers) aus einer Interglazialzeit,
und zwar aus der letzten (Riß⸗-Würm), ſtammt, während der darüber lagernde
äoliſche LOB fih in einem Abſchnitte der Würm⸗Eiszeit gebildet hat.“
) Die 4 jüngeren Rulturſchichten (Jung-Aurignacien) liegen darüber im äoliſchen Lök.
—
9] Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutſchlands. 187
„mut“, Gagel, „den vollkommen ins nordeuropäiſche Diluvium hinein—
gewachſenen Forſcher über das Profil von Thiede aufzuklären“, der den
arktiſchen Tierhorizont an der Baſis des Thieder Profils für würmeiszeitlich,
hält, während er, wie aus obigem Profil von Willendorf für jedermann klar
hervorgeht, rißeiszeitlich ijt, zumal auch in Thiede über ihm Aurignacien
gefunden wurde.
Abb. 1. Cößprofil in der Stiftsziegelei zu Wielandsthal bei herzogenburg, N. ©.
Die reiche Literatur über Thiede anzuführen, war für mich in der Ab-
handlung über Markkleeberg, wo ich Thiede wie geſagt nur nebenbei er—
wähnte, kein Anlaß; im übrigen überlaſſe ich es Werth, den Schluß daraus
zu ziehen, daß ein Derfaljer alles, was er nicht zitiert, nicht weiß.
Was die Deckſande betrifft, handelt es fih natürlich um im Riß-Würm—
Interglazial verſchwemmte Geſchiebedeckſande, die für unſere Stage voll-
kommen belanglos ſind. Ich hielt es nicht für nötig, dem Fachmanne über
die urſprüngliche Herkunft derſelben eine Anmerkung zu machen. .
188 3. Bayer. SH | | [10
Werth ſpricht ſchließlich von meinem Ehronologie-Schema als einem
vorgefaßten Suſtem und behauptet, daß ich dieſem zuliebe alles ſo be⸗
urteile, daß es übereinſtimmt.
Demgegenüber unterſtreiche ich, daß meine Chronologie auf geo⸗
logiſcher Grundlage erwachſen iſt, ſicher verankert durch Archäologie und
Paläontologie, keine Weisheit vom grünen Tijd, ſondern Beobachtung im
Gelände, auf der Schotterterraſſe und an der Cößwand.
Wenn einmal die Veröffentlichungen über diefe mehr als zehnjährigen
archäologiſch⸗geologiſchen Arbeiten erſchienen ſein werden — und das wird
hoffentlich bald fein — dürfte eine etwas beſcheidenere Ausdrudsweife bei
herrn Werth Platz greifen !).
Jedenfalls halte ich es für unvorſichtig, jemanden als geologiſchen
Laien hinzuſtellen, gegen den man dann als Berufsgeologe die Schlacht auf
der ganzen Linie verliert und darauf muß ſich Herr Werth allen Ernſtes
gefaßt machen.
Seine lehrmeiſterhaften Sätze über meine Beurteilung der drei von
Jakob auf Grund von Rollung und Patinierung unterſchiedenen Horizonte
von Markkleeberg erledigen ſich durch das, was ich unlängſt diesbezüglich
Hauſer erwidert habe?).
Wenn ich ſchon Herrn Gagel gejagt habe, nur der Ausgang dieſes Kampfes
ume die Diluvialchronologie, das Wichtigſte, was heute die Diluvialarchäologie
und Diluvialgeologie zu löſen hat, wird die geologiſche und archäologiſche
Überlegenheit einer Partei zeigen, kann ich das gegenüber Werth nur wieder:
holen und rate ihm und ſeinen auf Irrwegen wandelnden Freunden zur
raſcheſten Umkehr; denn wenn auch Gagel in ſeiner genannten Arbeit ver⸗
ſichert: „Die Gliederung des norddeutſchen Diluviums ift durch die nahezu
50 jährige Arbeit einer großen Anzahl der angeſehenſten Geologen jetzt jo
einſtimmig feſtgeſtellt, daß darüber wohl kein Wort zu verlieren iſt“, hat meine
1) Ich verweiſe bei dieſer Gelegenheit auf eine zweite Arbeit des gefallenen preußi⸗
ſchen Bezirksgeologen hans Menzel, „Die paläontologiſchen Grundlagen für die Chrono-
logie des Diluvialmenſchen“, Zeitſchr. f. Ethnologie 1914, S. 241—248, wo der doch ſicher
vorurteilsloſe norddeutſche Forſcher mein Chronologie-Ergebnis auf Grund eigener Unter:
ſuchungen im niederöſterreichiſchen Cöß . Das ſollte doch auch herrn Werth und
Genoſſen zu denken geben!
In einem Brief ddto. Nikolasſee bei Berlin, 27. III. 1914 ſchrieb mir Menzel u. a.:
„Seither“ (nämlich ſeit unſerer gemeinſamen Exkurſion im Donautal bei Willendorf
und Wöſendorf) „habe ich viel geleſen. Aber Sie haben recht. R. R. Schmidt und Koten
haben fic) geirrt. Jwiſchen ihren Nagetierſchichten liegt ſicher ein Interglazial. Es paßt
alles trefflich. Aurignacien iſt in feiner Blüte interglazial. Die jüngeren Stufen werden
kälter. Daher das Ren.“ ....
„Ich habe erkannt, daß Sie auf’ dem rechten Wege find. Ob ich Ihnen in allem
folgen kann, weiß ich noch nicht. Aber ſoweit ich kann, will ich mit meinem paldontologtidien
Rüſtzeug für Sie eintreten.“ ....
2) Mannus IX (1918), S. 108.
189
11]
Die Unhaltbarteit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutichlands.
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190
13] Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Norddeutſchlands. 191
Aufitelhing tatjähli „zu einer gänzlichen Umgeſtaltung der bisherigen
Diluvialſtratigraphie Norddeutſchlands“ geführt, wie die Gegenüberſtellung
der Abb. 2 und 3 zeigt. . |
Das Diluvium und damit die ſichtbare Strecke der menſch—
lichen Urgeſchichte ift alfo ganz bèträchtlich kürzer als man bis
jetzt annehmen mußte, denn es fällt die bisherige letzte Zwiſcheneiszeit
zur Gänze weg und es folgt als letztes Interglazial unmittelbar auf die
Riß⸗Eiszeit die Klimaſchwankung des Aurignacien, welche bisher in ner-
ſchiedenen chronologiſchen Hufſtellungen als „Achenſchwankung“ im Poſt⸗
glazial angeſetzt war. Rife und Würmvereiſung ſchließen fih enge
zuſammen. |
Die Verkürzung macht nach Pends Berechnung feiner legten
Zwiſcheneiszeit „mindeſtens 60000“ Jahre aus!).
Die Jahlen für das ausgehende Altpaläolithikum — die Mindelriß⸗
zwiſcheneiszeit mit dem Chelléen läßt fih auch nicht annähernd auf Jahr-
zehntauſende ſchätzen — können nun wohl kaum mehr ſechsziffrig ſein und
die für das Jungpaläolithikum dürften ſtark unter 50000 bleiben.
Wien, 18. I. 1919.
1) „Alpen im Eiszeitalter“, S. 1169.,
Mannus, Bd. X. 9. 3 u. 4. 15
ef
Die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die
vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft.
Eine Beſprechung des Buches
von Dr. Ernſt Wahle, Oſtdeutſchland in jungneolithiſcher Seit,
ein prähiſtoriſch⸗geographiſcher Derjud.
en 2 Karten und 4 Tafeln. [Mannus⸗Bibliothek Nr. 15.] Ladenpreis brofd. M. 9,—
Subſkriptionspreis M. 7,20).
Don Dr. heß von Wichdorff, Preuß. Bezirksgeologe,
3. 3. im Felde. =
Die vorliegende Arbeit ift eine in den Jahren 1912—1913 entſtandene
Heidelberger Diſſertation, die in recht geſchickter Weiſe geographiſche und
geologiſche Methoden auf einen archäologiſchen Stoff anwendet. Auf archäolo⸗
giſchem Gebiete konnte der Verfaſſer fidh hierbei auf die bekannte bahnbrechende
Arbeit Roſſinnas über die verſchiedenen neolithiſchen Kulturen Oſtdeutſch⸗
lands und Oſteuropas (Mannus Bd. II) ſtützen, was wohl noch ſchärfer
anzuerkennen geweſen wäre. Unders auf den in Betracht kommenden natur⸗
wiſſenſchaftlichen Gebieten. Es iſt außerordentlich anerkennenswert, was
der Verfaſſer trotz der nur in geringem Maßſtabe vorliegenden zuſammen⸗
faſſenden Vorarbeiten, insbeſondere auf geologiſchem Gebiete, geleiſtet hat.
Sehr richtig met Wahle auf die außerordentlich großen Lüden hin, die heute
noch in der geologiſch⸗geographiſchen Erforſchung Oſtdeutſchlands klaffen.
Wenn er allerdings (S. 3) annimmt, daß „die Menge der aus den einzelnen
Teilen des Gebietes bisher veröffentlichten geologiſchen Meßtiſchblätter die
geologiſche Kenntnis der betreffenden Landesteile deutlich wiederſpiegelt“,
ſo befindet er ſich freilich in einem nicht geringen Irrtum. Vergehen doch
oft viele Jahre, bis eine geſamte Kartenlieferung, die die geologiſchen Der:
hältniſſe eines ausgedehnten Gebietes umfaßt, vollſtändig aufgenommen
und im Druck vervielfältigt iſt. Inzwiſchen aber hat der betreffende Staats⸗
geologe in vieljähriger Arbeit das ganze Gebiet und die angrenzenden Lande
d
2] Die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. 193
jo eingehend durchforſcht, daß er ein eingehendes Bild weiter Landftreden
geographiſch⸗geologiſch gewonnen hat, während der Fernerſtehende von
dieſer jahrelangen Arbeit und ihren Ergebniſſen vor der Veröffentlichung
der betreffenden Meßtiſchblätter zunächſt nichts ahnt. Freilich geben die
ſtarken bändereichen Deröffentlichungen im Jahrbuch der Kgl. Preußiſchen
Geologiſchen Candesanſtalt und der Deutſchen Geologiſchen Geſellſchaft von
den neuen Forſchungsergebniſſen eingehend Kunde, fie können aber trotzdem
nur Bruchſtücke der neuen Wiſſenſchaft bieten, während inzwiſchen erft in
mühjeliger jahrelanger Einzelarbeit und mit wachſender Erfahrung gerade
die wichtigſten Erkenntniſſe ſich Bahn brechen oder heranreifen. Gewiß
empfinden auch die Geologen tief den Mangel an zuſammenfaſſenden Dar⸗
ſtellungen größerer Gebiete des norddeutſchen Slachlandes, aber es ift dem
Eingeweihten heute kein Geheimnis mehr, daß das Problem des geologiſchen
Aufbaus der Diluvialgebiete Norddeutſchlands ungemein verwickelt ift und
daß nur in ſuſtematiſcher Einzelforſchung allmählich für größere Gebiete
eine ſichere und beſtimmte Grundlage und Darſtellung gewonnen werden
kann. So war z. B. vor zehn Jahren die Herausgabe einer geologiſchen Über⸗
ſichtskarte von Oſtpreußen noch ein wiſſenſchaftlich nicht zu verantwortendes
Unternehmen, während jetzt die allgemeine geologiſch⸗geographiſche Erkenntnis
dort derartige Fortſchritte erzielt hat, daß in abſehbarer Zeit der Deröffent-
lichung einer derartigen Überſichtskarte nichts mehr im Wege ſteht. Alsdann
wird auch die geographiſche Wiſſenſchaft beſonderen Gewinn aus den neuen
geologiſchen Anſchauungen ſchöpfen können. Mit gewaltigen Schritten geht
zugleich die Erforſchung des geſamten norddeutſchen Flachlandes durch die
beinahe anderthalb Jahrzehnte beſtehende Einrichtung des Bohrarchivs der
Kgl. Geologiſchen Candesanſtalt vorwärts, in dem alljährlich viele Tauſende
von Brunnenbohrungen aus allen Landesteilen Norddeutſchlands bearbeitet
werden. Immer enger wird der Kranz der Bohrungen in den einzelnen
Gebieten, immer genauer die Kenntnis des inneren Aufbaues des Diluviums,
ſeiner Mächtigkeit und ſeines Untergrundes in weiten Landſtrecken. Bald iſt
die Zeit nicht mehr fern, wo die genaue Ermittlung der Diluvialmächtigkeiten
geſtattet, durch Abdeckung der Diluvialablagerungen eine genaue orographiſche
Karte Norddeutſchlands vor den Eiszeiten zu liefern. Dieſe Karte wird dem
Geographen ſehr wertvolles Material liefern; ſie wird ganz auffällige Be⸗
ziehungen des heutigen Bodens der Oſtſee zu der prädiluvialen Tie fenlage
Norddeutſchlands ergeben und damit mit einem Schlage erkennen laffen,
warum das Inlandeis gerade fo weite Gebiete Norddeutſchlands bedecken
mußte, kurz die geographiſch⸗phuſikaliſchen Grundlagen des Eiszeitenproblems
liefern.
Nach dieſer Abſchweifung über die ſtille Arbeit der norddeutſchen Slad-
landsgeologen — ſie wird manchem auf Grenzgebieten der verſchiedenen
Wiſſenſchaften arbeitenden Gelehrten willkommen ſein und den Wert engerer
15*
194 | he von Wichdorff. 3]
perſönlicher Sühlungnahme zwiſchen den Dertretern der verſchiedenen Wiſſen⸗
ſchaften deutlich erſcheinen laſſen — mögen nun eine Unzahl kurzer Bemer-
kungen folgen, die das geologiſch⸗geographiſche Bild Oſtdeutſchlands, das
der Derfaffer aus vielen verſtreuten Einzelbeobachtungen und eigenen Er⸗
wägungen als Grundlage ſeiner Darſtellung aufbaut, auf Grund neuerer
zum Geil unveröffentlichter geologiſcher Erkenntniſſe erweitern, ergänzen
und zum Teil berichtigen.
Was zunächſt die jugendlichen tektoniſchen Störungen im norddeutſchen
Flachland (S. 13 des Buches) anlangt, jo ſteht heute auf Grund eingehender
Spezialaufnahmen und eines dichten Netzes von Bohrungen einwandfrei
feſt, daß die Oderniederung bei Stettin, die große Weichſelniederung bei
Danzig und das ausgedehnte Memeldelta auf keinen Fall jugendliche tek⸗
toniſche Einbruchsgebiete darſtellen. Sie ſtehen in keinerlei direkten oder
indirekten Beziehungen zu den tektoniſchen Derhältnijjen des Untergrundes,
vielmehr zeigt der Untergrund die gleichen Umſtände in der Niederung wie
in der näheren und weiteren Umgebung des vermeintlichen Einbruchs⸗
gebietes. Wie neuerdings feſtgeſtellt, ift (vgl. die Erläuterungen zu Blatt Königs-
berg⸗Oſt), iſt der voreiszeitliche Untergrund des nördlichen Oſtpreußen in
ein enggegliedertes Schollenſyſtem zergliedert, das die geſamte fog. baltiſche
Kreidetafel in eine große Reihe von ſchmalen Horften und Einſenkungsgebieten
teilt und verurſacht, daß hier und dort noch namentlich auf den Horſten Glieder
der Tertiärformation (Oligozän und Miozän) erhalten geblieben ſind. Dieſer
Schollenzerklüftung des Untergrundes des nördlichen Oſtpreußen verdanken
die Vorkommen der dem Unteroligozän angehörenden Bernſteinformation
des Samlandes ihre Erhaltung und ihre den Abbau des Bernſteins ermög⸗
lichende Höhenlage. Der Umſtand, daß Glieder der Tertiärformation von
dieſer Schollenzerklüftung mit ergriffen find, beweiſt deutlich, daß diefe tet-
toniſchen Ereigniſſe nachkretazäiſch find und entweder am Ende der Miozänzeit
oder in der Pliozänzeit erfolgt ſind. Daß dieſes Untergrundbild bereits vor
den Eiszeiten vorhanden war, beweiſt nichts deutlicher als der Umſtand der
fortwährend ſtark wechſelnden Mächtigkeit des Diluviums auf kurze Strecken.
Die Grundmoräne hat ſich in die tiefen Senken des vordiluvial geſtörten
Untergrundes hineingeſchoben und met hier einen abweichenden Aufbau
gegenüber den gleichen Ablagerungen auf den Horjten auf (beſonders hin-
ſichtlich der Kies- und Sandhorizonte). Daß die Horite als ſolche bereits dem
heranrückenden Inlandeis entgegenſtanden, alſo bereits vorhanden waren,
zeigt das maſſenhafte Vorkommen von großen losgeriſſenen Schollen und
Teilen dieſer Dote, die von dem heranrückenden Inlandeis von den Horjten
abgeſchoben, weitergeführt und ſchließlich in die Grundmoräne eingebettet
wurden. Als Beiſpiel mag die 4 km lange, 1—2 km breite und 15—20 m
ſtarke Rieſenſcholle von unteroligozäner Bernſteinformation und Kreide
dienen, die im Jahre 1910 vom Ref. bei Steinitten im Samlande nachgewieſen
———ů— —
ep eg
4] die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. 195
wurde (vgl. Jahrbuch der Kgl. Geolog. Landesanſtalt in Berlin für 1911,
S. 344—352). Die tektoniſchen Störungen im Untergrund des Samlandes
wie überhaupt des geſamten nördlichen Oſtpreußen ſind demnach nicht
jugendlich, nacheiszeitlich oder eiszeitlich, ſondern ſicher ſpättertiären Alters.
Was ferner die jungen Niveauveränderungen im Gebiete des Oſtſee⸗
bedens betrifft (S. 13—14), jo hat gerade neuerdings (1907—1914) die ein⸗
gehende Durchforſchung der Ruriſchen Nehrung ſeitens des Ref. die An-
nahme ſolcher Niveauſchwankungen in junger Zeit vollkommen widerlegt.
Die Verhältniſſe der ſkandinaviſchen Halbinſel können nicht ohne weiteres
auf norddeutſche Küftengebiete übertragen werden. Die Geſchichte der
Kuriſchen Nehrung zeigt deutlich, daß dieſe Küftenbildung im Laufe vieler
Jahrtauſende unter vollkommen demſelben Oſtſeeſpiegel, der heute noch vor-
handen ift, entſtanden ift (vgl. Erläuterungen der Ruriſchen Nehrung 1918).
Sehr richtig ftellt der Derfaffer gegenüber älteren irrigen Anſchau⸗
ungen dar, daß der Baltiſche Candrücken (S. 16—17) feine auffallende Rolle
keineswegs dem Dorhandenfein eines älteren, voreiszeitlichen Gebirgskernes
verdankt. Er weiſt vielmehr mit Recht darauf hin, daß gerade im Gebiete
des Baltiſchen Candrückens die größten Mächtigkeiten des Diluviums beobachtet
worden find (200—300 m), was gerade in neuerer Zeit durch die häufung
der Tiefbohrungen dauernd neue Beſtätigung findet. Die angezogene Be⸗
merkung Tornquiſts, daß der Baltiſche höhenrücken umgekehrt genau über
der zwiſchen einigen Sockeln des Untergrundes befindlichen Senke desſelben
aufgebaut iſt, daß alſo das Diluvium die Höhenlage des Untergrundes genau
verkehrt wiedergibt, iſt nur eine geiſtreiche Derallgemeinerung von wenigen
Beobachtungen, die durchaus nicht allen Tatſachen entſpricht, vielmehr auf
den viel verwidelteren Verhältniſſen des Untergrundes beruht und erft durch
die oben erläuterte neue Erkenntnis der Schollenzerklüftung im nördlichen
Oſtpreußen erklärt wird, die Tornquiſt 1910 noch nicht erkannt hatte.
Don großer Bedeutung in geographiſcher Hinjicht ift die Trennung,
die der Derfaffer (S. 16) in der Sortjegung des Baltiſchen Landrüdens ein-
treten läßt. Gewiß iſt es auffällig, daß der Baltiſche Landrücken zunächſt
in zuſammenhängendem Bogen von Mecklenburg nach Pommern und weiter
durch Weſtpreußen bis zum Turmberg bei Danzig dahinzieht, während der
preußiſche Candrücken in Maſuren ſcheinbar eine parallele Bildung darſtellt,
jedenfalls nicht als unmittelbare Sortjegung des weſtlichen Flügels anzu-
ſehen ift. Diel Nutzen würde der Verfaſſer bei dieſer Darſtellung gehabt haben,
wenn er die ſpäter (1914) erſchienene Arbeit des Referenten über das Ma⸗
ſuriſche Interſtadial (Jahrbuch der Geolog. Landesanft. 1914) hätte benutzen
können. Dieſe Arbeit führt an der hand der wichtigen Entdeckung des Maſuri⸗
ſchen Interſtadials mitten hinein in alle die Probleme, die mit der Bildung
des Baltiſchen (Preußiſchen) Candrückens in Maſuren und mit der Entſtehung
der Seen in feinem Bereiche in Zujammenbang ſtehen. Im Gegenſatz zu
196 Dep von Wichdorff. [5
anderen Forſchern, die in dem Baltiſchen Moränenzug eine Rüdzugsitaffel
des letzten Inlandeiſes ſehen (S. 18 unten), hat der Referent in der Abhand-
lung über das maſuriſche Interſtadial exakt nachgewieſen, daß gerade der
preußiſche Candrücken in Maſuren die ſüdliche Randlinie des
letzten großen Dorftokes des Inlandeiſes in diefe Gegenden war.
Damit erklärt ſich ohne weiteres die beſonders große Anhäufung von dilu⸗
vialen Ablagerungen in dieſer Randzone; alle die zahlreichen Schwierigkeiten,
die der Derfaljer mit vorzüglichem geographiſch⸗geologiſchen Derſtändnis aus
den bisherigen Theorien herausfühlt, löſen ſich ohne weiteres in einer dem
Derfajfer annehmbaren einfachen Form.
Man verſteht nun vollſtändig, warum gerade dieſer gewaltige Moränen⸗
zug des Baltiſchen Landrüdens die Endmoränenerſcheinungen mit ihren
ausgedehnten Blockpackungen, Riesrücken und flachgewölbten Sandfuppeln
in ſo einzig ſchöner Weiſe erhalten zeigt, warum man gerade hier das Seen⸗
phänomen in allen Stufen der Übſchmelzperiode des Eiſes bis zur Jetztzeit
genau verfolgen kann, warum gerade hier ſo gewaltige flach nach Süden ab⸗
dachende Sanderflächen meilenweit den Südabhang des Baltiſchen Candrückens
in gleicher Ausbildung begleiten und im Norden des Landrückens die kuppige
Grundmoränenlandſchaft ſo modellgleich erhalten geblieben iſt.
Ebenſo wie der Preußiſche Candrücken in Maſuren die Endmoräne
des letzten großen Vorſtoßes des Inlandeiſes am Ende der Eiszeiten darſtellt,
ijt zweifellos der mecklenburgiſch⸗pommeriſch⸗weſtpreußiſche Landrüden mit
denſelben orographiſchen Endmoränenerſcheinungen, mit den gleichen Seen⸗
bildungen, der jugendfriſchen kuppigen Grundmoränenlandſchaft längs des
Nordabhangs und der ausgeprägten breiten, dachförmig abfallenden Sander⸗
landſchaft im Süden des Höhenrüdens das Ergebnis eines letzten großen
Dorftoßes des Inlandeiſes am Schluß der Eiszeit kurz vor der endgültigen
Abſchmelzperiode. Die nördlicher liegenden kleinen Rüdzugftaffeln haben
niemals die Bedeutung wie dieſe gewaltige Randlinie des letzten Dor-
ſtoßes. $
Die auf S. 18 unten bis S. 19 beſonders betonte weſtpreußiſche Lüde
-an der Weichſel zwiſchen dem mecklenburgiſch⸗pommeriſchen Landrüden und
dem preußiſchen Landrücken wird erft in naher Zukunft geklärt werden, wenn
die oben erwähnte geologiſche Überſichtskarte von Oſtpreußen erſcheint und
die wichtigen neuen Diluvialforſchungen in Nordpolen den geographiſchen
Vergleich mit den entſprechenden Urſtromtalzügen in den angrenzenden
deutſchen Landen ſüdlich des pommeriſch-mecklenburgiſchen Höhenzuges
geſtatten. Möglicherweiſe wird dann das Ganze lediglich als der Weichſel⸗
bogen einer einzigen hauptendmoräne oder eines einzigen Landrüdens fih
erweiſen, deſſen Erſtreckung noch unendlich weit nach Rußland erſtreckt und
in gleicher Ausbildung wie in Maſuren 3. B. auch vor Dünaburg und am
Druswjaty⸗See vom Referenten beobachtet wurde.
6] Die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. 197
Wenn der Derfafjer (S. 28 oben) bemerkt, daß beim preußiſchen Land-
rücken „nur ſoviel heute mit Sicherheit zu ſagen iſt, daß eine Gliederung des
Landrüdens in Zonen, wie fie auf dem Pommeriſchen Landrüden fih jo -
einfach ergibt, nicht möglich iſt“, ſo iſt dies ein Irrtum, wie ſich aus den obigen
Darſtellungen und der Arbeit über das maſuriſche Interſtadial ohne weiteres
ergibt. Die in Vorbereitung begriffene geologiſche Überſichtskarte von Oft-
preußen wird die Verbreitung der einzelnen Zonen beim Preußiſchen Land-
rücken ebenſo zeigen wie die geologiſche Überſichtskarte Pommerns diejenigen
des Pommeriſchen Landrüdens. Der Verfaſſer findet dagegen zweifellos
Entſchuldigung, da tatſächlich auf dieſen Umſtand bisher von geologiſcher
Seite nirgends hingewieſen ijt (erh 1914 vom Referenten und 1915 in Heh
v. Wichdorffs „Maſuren, Cand und Leute”). Das gleiche gilt von der Be⸗
merkung des Derfaſſers (S. 28), daß beim preußiſchen Landrüden „ein ein-
heitlicher Endmoränenzug ebenſowenig nachgewieſen werden kann wie
— wenigſtens auf deutſchem Boden — eine zuſammenhängende Jone der
Sander“. Die Einſchränkung des Derfaljers beſteht zu Recht, aber anderer⸗
ſeits haben die neuen Unterſuchungen des Referenten im nördlichen Polen
die weite Verbreitung des Sanders und der angrenzenden Urſtromtäler
ergeben. Gerade die neueren Forſchungsergebniſſe in Nordpolen werden
das geologiſche Bild des norddeutſchen Flachlandes in wichtigen Punkten
ergänzen und die Zuſammenhänge klarer hervortreten laſſen. `
Auf S. 30 wirft der Derfaffer die Frage auf „Wie wird man dem Memeler
Höhenzuge gerecht“ und entſcheidet ſich S. 31 zur Auffaffung als Endmoränen⸗
zug, als welcher er auch auf der morphologiſchen Überſichtskarte dargeſtellt
wird. Referent hat den geſamten Memeler Höhenzug 1912—1914 in feiner
ganzen Ausdehnung kartiert und als einen einfachen Grundmoränenrücken
erkannt, der lediglich aus Geſchiebemergel beſteht. Die Diluvialinſel von
Roſſitten auf der Ruriſchen Nehrung mit ihrem fruchtbaren Lehmboden ift
feine unmittelbare ehemalige Fortſetzung, die durch den ehemaligen Einbruch
der Oſtſee in das Gebiet des heutigen Kuriſchen Haffes von ihrer Wurzel
abgeſchnitten wurde. Den Memeler Höhenzug kann man unmöglich als End⸗
moräne auffaſſen.
Dagegen iſt der Nachweis eines Endmoränenbogens bei Ragnit an der
Memel durchaus richtig, nur hat Tornquiſt den weiteren Verlauf nach Norden
entlang der bisherigen deutſch⸗ruſſiſchen Grenze bis nach Dawillen nordöſtlich
Memel nicht erkannt, da ſein Verlauf vielfach auf ruſſiſchem Gebiete liegt.
Sander und kleine Staubecken ſcheinen dieſe noch nicht im einzelnen unter⸗
ſuchte nördlichſte Endmoräne Deutſchlands auf ihrem Laufe zu begleiten.
Wenn der Verfaſſer S. (45) gegenüber anderen Forſchern darauf hin-
weiſt, daß „jungſteinzeitliche Reſte ſtets auf oder in den Dünen, niemals
unter ihnen liegen“, ſo kann Referent dem aus eigener vielfältiger Anſchau⸗
ung nur durchaus beipflichten. Das gilt beſonders von der Ruriſchen Nehrung,
198 | beß von Wichdorff. [7
wo die jungſteinzeitlichen Sunde ſämtlich auf der Oberfläche des alten Wald-
bodens der alten Parabeldünen liegen, die ſpäter durch die Wanderdünen
verſchüttet find. Den alten Parabeldünen der Ruriſchen Nehrung ift aber
auch aus geologiſchen Berechnungen heraus ein mehrtauſendjähriges Alter
zuzugeſtehen, das vollkommen mit der Jeitbeſtimmung der jungneolithiſchen
Funde auf ihrer Oberfläche zuſammenfällt (vgl. Erläuterungen der Ruriſchen
Nehrung und Hek v. Wichdorff, Geologie der Kurifchen Nehrung 1919). Aud
hinſichtlich der vom Verfaſſer angenommenen gelegentlichen jugendlichen
Umlagerungen in Dünengebieten ſtimmt Referent vollkommen mit dem Ver⸗
faſſer überein. Eine 1902 vom Referenten im Dünengebiet von Priemhauſen
in Pommern aufgefundene wendiſche Siedelung mit Hausgefäßen, Holz-
kohlen und Handmühlen in 1 m Tiefe unter kleinen Sanddünen lag lediglich
in einem jugendlichen Umlagerungsgebiet, während die größeren Parabel⸗
dünen des Gebietes als älteſte Bildungen unverändert in weiterer Umgebung
erhalten waren.
Es ijt dem Derfaſſer ferner durchaus beizupflichten, wenn er (S. 64) auf
die Wichtigkeit der in großer Fülle auf der Kuriſchen Nehrung zutage getretenen
jungneolithiſchen Kulturreite hinweiſt mit dem Bemerken, daß diefe Funde
beweiſen, daß die Kuriſche Nehrung zu jener Zeit bereits ganz entwickelt war,
und zwar in heutiger Geſtalt. Freilich muß der Verfaſſer infolge der älteren
vorhandenen Citeratur, die nicht nur in dieſem Punkte grobe Irrtümer auf⸗
weiſt, die Einſchränkung machen: „wenn man abſieht von dem jüngeren
nördlichſten Ende“. Referent hat in den Erläuterungen zur Ruriſchen Nehrung
dagegen nachgewieſen, daß dieſe nördlichſte Spitze nicht jünger iſt und daß die
Kurifche Nehrung bis zur Zeit der Entſtehung des Memeler Tiefs fogar noch
weiter nördlich bis zur fog. „Holländiſchen Mütze“ gereicht hat, in dieſer Erſtrek⸗
kung allerdings an das alte Oſtſeeſteilufer angelehnt. Übrigens befand ſich vor
der Entſtehung des Memeler Tiefs am Nordende der Nehrung in früheren,
geologiſch und zahlenmäßig nicht zu ermittelnden Jeiten am entgegengeſetzten
ſüdlichſten Ende der Nehrung öſtlich von Kranz ein älteres Tief, das „Kranzer
Tief“, das nach dem Durchbruch des Memeler Tiefs verlandete. Das Memeler
Tief beſtand ſchon im Jahre 1252 bei der Gründung der Ordensburg Memel,
fo daß das Kranzer Tief weit in vorgeſchichtliche Zeiten zurückgreift oder gar
noch älter als das Auftreten des Menſchen in dieſen Gegenden iſt. Die vom
Referenten herrührenden Erläuterungen zur Kuriſchen Nehrung enthalten
(S. 76) folgende Bemerkung, die die Beachtung der Dorgeſchichtsforſcher
verdient: „Ob zur Zeit der Steinzeitbewohner das Kranzer Tief noch beſtand
oder ſchon das Memeler Tief vorhanden war, iſt noch unentſchieden. Viel⸗
leicht läßt ſich dieſe Frage ſpäter einmal durch das Studium der Jugehörig⸗
keit der Nehrungs⸗Steinzeitkultur zum baltiſchen Rulturkreiſe oder zu weft-
licherer Kultur feſtſtellen. Damit würde fih ergeben, ob die Nehrungs:
ſteinzeitbewohner von Norden oder Süden eingewandert ſind, woraus man
` —ͤ— — — EE ¶ — ——ñ——ñ — . — ——
8] Die neuere Geologie Oftdentidlands und die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. 199
auf die damalige Lage des Tiefs, das zweifellos ein ſtarkes Hindernis bot,
ſchließen könnte“. |
Was die Litorina-Senfung anbetrifft, die der Verfaſſer im Einklang
mit dem Referenten in die Zeit vor dem Auftreten des jungneolithiſchen Men:
ſchen fegt (S. 65), fo muß betont werden, daß an der oſtpreußiſchen Küfte
ihr Nachweis bisher nirgends gelungen ijt. Die auf derfelben Seite (S. 65)
vorhandene Anmerkung (3) zeigt den Derfafjer als vorzüglichen Kritiker ganz
im Sinne der modernen Küftengeologie.
Auf S. 66 wird richtig darauf hingewieſen gegenüber G. Berendt, dak
Koblenjtellen in Mooren ohne gleichzeitige Kulturrelifte nicht unbedingt
Zeugen menſchlicher Tätigkeit darſtellen, ſondern auch auf anderem Wege
entſtanden ſein können, wie ſie auch in anderen Torfmooren beobachtet
werden. Hierzu mag als Beſtätigung ein ſorgfältig vom Referenten ſelbſt
unterſuchtes Beiſpiel erwähnt werden. Im Jahre 1908 wurde beim Bahnbau
Kruglanken⸗Marggrabowa in Maſuren ein tupiſches Flachmoor durchſchnitten,
welches unter 14 bis 1 m normalem ſchwarzen waſſerreichen Flachmoortorf
eine hellgelbe Torf-Ajchenbrandichicht mit zahlreichen angekohlten und ver-
brannten Baumſtämmen und Stücken zeigte, unter der dann eine 2 m ſtarke
gallertartige Teichſchlammſchicht (Sapropelit) mit zahlreichen Fiſchſchuppen
folgte. Den tieferen Untergrund des Moores bildete derſelbe Geſchiebemergel,
der die Bergkuppen in der Umgebung des Moores zuſammenſetzte. Die
Brandſchicht verdankte augenſcheinlich nur einem Blitzſchlag in das früher
bewaldete Torfmoor ſeine Entſtehung; ſpäter hat ſich dann über der Brand⸗
ſchicht ohne menſchliches Zutun wieder genau ein ſolches waſſerreiches Sumpf-
moor gebildet wie früher, das nun bereits 1,—1 m neuen Torf auf der alten
Brandſchicht abgelagert hat. Im vorliegenden Falle iſt jedes menſchliche
Zutun ausgeſchloſſen. |
Don befonderer Bedeutung find die vom Derfaffer mitgeteilten Seft-
ſtellungen über die jungneolithiſchen Beſiedelungsverhältniſſe in Oſtdeutſch⸗
land (S. 149—159). In Jukunft wird bei Funden und Grabungen auf die
Bodenverhältniſſe noch mehr zu achten fein, um nach Art des Derfajjers daraus
Schlüſſe über damalige Bewaldung, Felder und Lichtungen zu ziehen. Auf
S. 67 und 74 beſchäftigt fih der Verfaſſer, ebenſo wie fo viele andere ernſte
Jorſcher vor ihm, mit dem fog. „Rrantas“, jener niedrigen, höchſtens 3 m
hohen Scharkante im Kurifchen Haff, die G. Berendt im Jahre 1869 heranzog,
um feine Theorie der durch zahlreiche Senkungen und Hebungen entitanden
fein ſollenden Kurijden Nehrung zu ſtützen. Wie oben bereits gezeigt wurde,
hat tatſächlich keinerlei Hebung oder Senkung bei der Entſtehung der Ruriſchen
Nehrung mitgewirkt, ſie hat unter den noch heute vorhandenen Niveau⸗
bedingungen ſich gebildet. Der viel beſprochene Krantas ſtellt aber weiter
nichts dar als den in jedem geſchloſſenen Waſſerbecken durch die Wellen⸗
bewegung und den randlichen Auswurf des aufgewühlten Bodenſandes
200 heb von Wichdorff. 009
ſich bildenden Uferſtrand oder die „Schar“, die mit einem Steilabſturz („Schar⸗
kante“) plötzlich nach den tieferen Teilen des Waſſerbeckens abſtürzt, eine
Erſcheinung, die jeder einzelne Binnenſee aufweiſt. Da zu Berendts Seiten
die „Seenforſchung“ überhaupt noch nicht bekannt war, iſt ihm die falſche
Deutung der Scharkante des Haffes als verſunkene Kliffküſte nicht beſonders
zur Laſt zu legen. Wohl aber hat er durch die Wahl des auffälligen litauiſchen
Namens „Krantas“ für eine fo alltägliche geologiſche Erſcheinung ein halbes
Jahrhundert lang die Gelehrten mehrerer Wiſſenſchaften über die Bedeutungs⸗
loſigkeit der Sache hinweggetäuſcht. Es ift zu wünſchen, daß dieſer zu Mih-
deutungen Anlaß gebende Ausdrud aus der deutſchen Wiſſenſchaft verſchwindet.
Im Fundkatalog, der eine ausgezeichnete Überſicht über die einſchlägigen
Sunde bringt, wird u. a. (S. 168—172) die KRuriſche Nehrung eingehend be-
handelt. Hierzu noch einige einſchlägige Bemerkungen. S. 169 wird von einem
Berg bei Pillkoppen das Vorkommen mehrerer Waldbodenſchichten über⸗
einander auf Grund früherer geologiſcher Darſtellungen angenommen und
angegeben, daß der unterſte Waldboden derjenige der ſpätneolithiſchen Zeit
mit den ſteinzeitlichen Funden iſt. Die neueren geologiſchen Unterſuchungen
auf der Kurifchen Nehrung haben nun ergeben, daß die häufig zu beobachtende
Erſcheinung mehrerer Waldböden übereinander nur ſcheinbar iſt, daß es ſich
vielmehr um verſchiedene Huswehungsanſchnitte ein und desſelben alten
Waldbodens, der eben der neolithiſchen Zeit angehört, handelt (vgl. Erläute⸗
rungen zur Ruriſchen Nehrung und Heß von Wichdorff, Geologie der Ruriſchen
Nehrung 1919). Mit dem Dorhandenſein eines einzigen alten Waldbodens
auf der Nehrung vereinfacht ſich die ganze jungneolithiſche Beſiedelung der
Ruriſchen Nehrung zu einer klaren Anſchaulichkeit. Die Angabe, daß der
Sundreihtum auch in den nichtfeſtgelegten Wanderdünen jetzt ſtark ab-
nehme und die Grenzlinie der Anſiedlungen nach Often alſo ſchon über⸗
ſchritten ſei, dürfte nicht ganz zutreffen, denn es fänden ſich dauernd noch
ziemlich reiche Funde, die wohl hauptſächlich durch Fremdenverkehr oft in
unberufene Hände gelangen.
S. 170 wird irrtümlich angegeben, daß im alten Waldboden der Nehrung
Baumreſte nicht beobachtet worden ſind. Dagegen zeigt jede Begehung auf
weiten Strecken zahlreiche noch ſtehende Baumſtubben und die bekannten
kreisrunden Querſchnitte ſog. „hohler Bäume“ im Sande, deren ſchwarze
Rinde noch erhalten iſt, während das Innere vollkommen zu Mulm zer⸗
fallen ift, jo daß der Sub des Nehrungswanderers nicht felten in ihnen ein⸗
bricht. Aber auch hohe Baumſtämme find dort, wo noch ſtärkere Wander⸗
dünenſandbedeckung den Waldboden verhüllt, vielfach vorhanden. Sie werden
wegen ihres ſtarken Harzgehaltes „Kienbäume“) alljährlich 3. B. von den
Bewohnern von Perwelf in der Wanderdüne ausgegraben. Huf dem alten
Waldboden finden ſich nicht ſelten n in größerer Menge, vereinzelt
auch Sichtenzapfen.
10) Die neuere Geologie Oſtdeutſchlands und die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft. 201
S. 171 ſtößt der Verfaſſer fih an den Angaben über das Vorkommen
von altem Waldboden mit jungneolithiſchen Reſten auch im Bereiche der
alten Nehrungsplatte. In den Erläuterungen zur Kurifchen Nehrung ift der
Umſtand eingehend erläutert, daß zur neolithiſchen Zeit und noch bis zum
Ende des Mittelalters‘ die ganze Nehrung, ſowohl die Nehrungspalwe wie
die alten Parabeldünen vollkommen bewaldet und mit einem ſtarken alten
Waldboden bedeckt waren. Die Angaben der A Sundberichte beruhen
aljo auf Tatfaden.
Der alte Waldboden ift übrigens ein torfartiger Rohhumus oder Troden-
torf, wie er fih häufig bei Nadelſchutt und Heidekrautbeſtänden in Wäldern
bildet. Schlüſſe aus dem Vorkommen von Grundwaſſer zu machen, liefert
auf der Nehrung ſtarke Fehlerquellen, da der Grundwaſſerſpiegel der Nehrung
uhrglasähnlich aufgewölbt ijt und in der Mitte der Nehrung fidh etwa 4—5 m,
an einigen Stellen noch höher, über den Oſtſee⸗ und Haff⸗Waſſerſpiegel
erhebt.
Die vorſtehenden Bemerkungen können dem ausgezeichneten Werke
keinen Abbruch tun. Sie ſollen nur dazu dienen, ergänzend den neueſten
Stand der Hilfswiffenfchaften darzutun und zu beweiſen, daß es dem Der-
faſſer gelungen iſt, trotz der ihm zugänglichen unvollſtändigen Grundlagen
ein in jeder Weiſe in ſeinen Schlüſſen richtiges und wertvolles Werk zu ſchaffen,
das zweifellos auch den in Betracht kommenden anderen Wiſſenſchaften
manchen wertvollen Wink und manche Anregung bringen wird. Alles in allem
eine vortreffliche Gabe!
Erläuterungen zur Karte der Sunde gebanderter
Feuerſteingeräte (Taf. IV). |
Don Guſtaf Roſſinna.
Ich beabſichtigte, meiner ausführlichen Behandlung der gebänderten
Seuerjteinbeile (Mannus IX, S. 143 ff.) ſogleich eine Karte beizugeben, die
das dort mitgeteilte Fundverzeichnis darſtellen ſollte. Leider wurde diefe
Karte nicht mehr rechtzeitig fertig, ſo daß ich ſie jetzt geſondert herausgeben
muß. Sie iſt von Herrn stud. geol. Arthur Ebert gezeichnet worden.
Ich gebe im folgenden ein die Jahlen der Karte erklärendes, ganz
kurz gehaltenes Verzeichnis für die Orte der Lagerung gebänderten Seuer-
ſteins und der Funde von Geräten aus gebändertem Feuerſtein, beides im
Unſchluß an meine Ausführungen a. a. O. S. 144 und 145 ff.
L Orte der Lagerung gebänderten Feuerſteins.
| Oftgalizien.
Wiſzenka Kr. Grodek.
Sprynta Kr. Sambor.
Przewodek oder przewodow Kr. Sokal.
Wierzbowiec Kr. Trembowla.
Graniczeſtie Kr. Sereth.
horodnica Kr. Horodenta.
Nizniow Kr. Tlumacz (vgl. Mannus I, S. 288).
Polen.
8a. Umgegend von Lublin.
SOV d d eg
II. Fundorte gebänderter Feuerſteingeräte.
Oſtgalizien.
1—6 ſiehe oben unter I.
2] Erläuterungen zur Karte der Sunde gebänderter Seuerſteingeräte. 203
1 e Weſtgalizien.
7. Slotowa Kr. Pilzno.
Polen.
9. Nalenczow Kr. Pulawy.
10. Chodel Kr. Lublin.
11. Ciemno Kr. Lublin.
12. Diejlawice Kr. Stopnica.
13. Beſzowa Kr. Stopnica.
14. Grabowa Kr. Stopnica.
15. Borzumow Kr. Stopnica.’
16. Oicow Kr. Olkuſz.
17. Olkuſz Kr. Olkuſz. ;
18. Grzegorzewice Kr. Opatow. l
19. Blendow Kr. Grojec.
20. Mazewo Kr. Pultusk.
21. Szeromin Kr. Plonsk.
22. Djiecz Kr. Wloclawek.
25. Wloclawek Kr. Wloclawek.
24. Brzezuo Kr. Nieſzawa.
25. Rujawien.
26. Tymin Kr. Izbica.
27. Chotel Kr. Izbica.
Littauen.
29. D3iewiantfowice Kr. Slonim.
Nordpofen.
30. Rzeſzunek oder Rzefzyn Kr. Strelno.
31. Piaski Kr. Strelno.
52. Tarnowek Kr. Strelno.
55. Standau (früher Stanomin) Kr. Hohenſalza.
54. Szadlowice Kr. Hohenfalza. ,
55. Zelechlin Kr. Hohenfalza.
56. Szumborze Kr. Hohenfalza.
A. Neulinden (früher Kacztowo-Neudorf) Kr. Hohenfalza: 1 Beil. —
Städt. Muf. Thorn IID 276, 6.
57. Jankowo Kr. Mogilno.
38. Bis kupin Kr. Znin.
39. Kl. Drenſen Kr. Filehne.
40. Gr. Bartelfen Cdtr. Bromberg.
41. Beröyhowo Kr. Obornik.
42. Johannismühl Kr. Poſen⸗Oſt.
204 Guſtaf Koffinna. [3
en mae
Weſtpreußen.
45. Adlig Papau Kr. Thorn.
44. Czernewitz Kr. Thorn.
B. Abbau Rentſchkau Kr. Thorn: 6 Geräte aus gebändertem Seuer⸗
ftein. — Städt. Muf. Thorn III A 4,2 Beil; III A 4, 10. 11 Bruchſtücke von |
2 Beilen; III A 9,14 großer Rernſtein, etwa drei Pfund fhwer; noch |
uneingetragen 2 Bruchſtücke. |
C. Sandige Höhen, nördlich bei Thorn: 1 Splitter — a Muſ.
Thorn II B 110.
D. Gramtſchen Kr. Thorn: 2 Splitter — Städt. Muſ. Thorn.
45. Baierjee Kr. Kulm.
46. Golotty Kr. Kulm.
47. Wabez Kr. Kulm.
48. Gelens Kr. Kulm.
49. Joſephsdorf Kr. Kulm.
50. Mygowo Kr. Kulm.
51. Schöngrund-Mſzanno Kr. Strasburg.
52. Gatſch Kr. Graudenz.
53. Gr. Ceiftenau Kr. Graudenz.
54. Kittnau Kr. Graudenz.
55. Lipowitz Kr. Graudenz.
56. Rondſen Kr. Graudenz.
56a. Marienburg.
57. Buſchin Kr. Schwetz.
58. Kl. Czappeln Kr. Schwetz.
59. Zawadda Kr. Schlochau.
60. Oſſoweg Kr. Pr. Stargard.
61. Babenthal Kr. Karthaus.
62. Gowidlino Kı. Karthaus.
65. Roſſi Kr. Karthaus.
64. Delonfen Kr. Danziger Hobe.
Oftpreußen.
65. Bartoſchken Kr. Neidenburg.
66. Gr. Schläfken, Kr. Neidenburg.
67. Mörken Kr. Oſterode.
68. Bergling Kr. Oſterode.
69. Wawrochen Kr. Ortelsburg.
70. Wilhelmsthal Kr. Ortelsburg. |
71. Gr. Borten Kr. Ortelsburg. | i
72. Pogobien Kr. Johannisburg.
[4
Erläuterungen zur Karte der Sunde gebänderter Seuerjteingeräte.
. Raftenburg Kr. Rajtenburg.
Altroſenthal Kr. Raſtenburg.
. Kremitten Kr. Raſtenburg.
. Kruglanfen Kr. Angerburg.
. Sofolfen Kr. Marggrabowa.
. Näglad Kr. Mohrungen.
Pfeilings Kr. Mohrungen.
. Mafjeden Kr. heiligenbeil.
. „Hatangen”.
„Samland“.
. Corjeiten Kr. Fiſchhauſen.
Nautzwinkel Kr. Fiſchhauſen.
. Rofjitten Kr. Fiſchhauſen.
. Weblau Kr. Weblau.
Inſterburg Kr. Inſterburg.
Hinterpommern.
. Gnewinke Kr. Lauenburg.
. Silligsdorf Kr. Regenwalde.
Schleſien.
Olſchino Kr. Lublinig. '
. Amalienthal Kr. Gr. Wartenberg.
Biſchwitz Kr. Öls.
. Merfine Kr. Wohlau.
Buchwald Kr. Lüben.
. Kreidelwiß Kr. Glogau.
Südpoſen und benachbartes Polen.
Rafzkow Kr. Adelnau.
Borowko Kr. Roſten.
. Mieczownica Kr. Slupzu.
Niedzielsko Kr. Wielun.
. Ciefzencin Kr. Wielun.
. Okalew Kr. Wielun. |
. Str3egocin Kr. Lentidiza.
Brandenburg.
. Sorau Kr. Sorau.
Kl. Kreutz Kr. Weſthavelland.
205
— Gen, ven .
206 Guſtaf Koffinna. Erläuterungen z. Karte d. Sunde gebänderter Seueriteingerate. [5
105.
106.
107.
108.
109.
115.
111.
112.
110.
114.
115.
Dorpommern.
Wolgaſt Kr. Wolgaſt.
hinrichshagen Kr. Greifswald.
Anhalt.
Coswig a. d. Elbe.
Provinz Sachſen.
Bretſch Kr. Oſterburg.
Schkopau Kr. Merſeburg.
Thierbach Kr. Weißenfels.
Rönigreich Sachſen.
Lodwig bei Dresden. 0
Börtewitz bei Mügeln.
Elfter-Cuppe-Aue.
Mähren.
Buſinow oder Buſinovice bei hohenſtadt.
Gr. Ratzlawitz bei Prerau.
nachtrag: 75a. Röſſel in Oſtpreußen: 1870 in einem 18 Sub tiefen
Torfmoor gefunden, im Juli 1919 vom Prufjia-Mufeum zu Königs-
berg angekauft (Inv. Pr. VII 9226), nach gef. Mitteilung von
Profeſſor Peiſer.
Die Bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz.
noch ein Hinweis.
Don Michael Martin Lie nau, Frankfurt a. O.
In der Koflinna=Seftichrift Band X, Heft 1/2 (S. 25—30) des „Mannus“
habe ich zum St. Moritzer Quellfund einen „Nachtrag“ geliefert. Dem möchte
ich noch einen kurzen „Hinweis“ hiermit anfügen. Die Anregung dazu ver-
danke ich herrn Geh. Rat Profeſſor v. Duhn, heidelberg, der mich auf⸗
merkſam machte auf eine Abhandlung Pigorini’s: „Uso delle acque
salutari nell’ età del bronzo“ im „Bullettino di Paletnologia Italiana
Serie IV. Tomo IV. Anno XXXIV (1908), s. 169—191“. Es handelt fidh
um eine — der St. Moritzer ähnliche — Quellfaſſung der chlorſalzhaltigen
Quelle von Panighina, 2 km von Bertinoro in der Provinz Sorli an der
Oſtküſte Oberitaliens. Auch hier hatte man die Quelle durch einen ausgehöhlten
Baumſtamm (von etwa 40 em Durchmeſſer und etwa 10 em Wandſtärke)
gefaßt und diefe Holzröhre war mit einem Pfahlwerf (palafitta) zu ihrem
Schutze umgeben, welches gleichfalls große Ahnlichkeit mit der St. Moritzer
Holz⸗Umwehrung der Röhren A und B hat, wie auch mit den Holzbauten
(gabbioni), welche die Terramaren des Po-Tales mauerartig umſchloſſen
(dazu bei Pigorini die Textfig. E! bis J).
Gefunden wurden in oder bei der Holzröhre ausſchließlich Tongefäße
und Scherben von ſolchen, abgeſehen von wenigen anderen unbedeutenden
Dingen: als Tierknochen und einem Nukleus. Vierzehn ganze oder faſt ganz
erhaltene Tongefäße wurden geborgen. Sowohl der Archäologe Santarelli,
der den Quellfund von Panighina im Jahre 1902 zuerſt veröffentlichte, wie
auch Pigorini nehmen an, daß die Mehrzahl der Gefäße, wovon einige
auch durch Zufall beim Schöpfen in die Röhre oder daneben gefallen fein
könnten, Weihegaben (donari) darſtellen von Brunnenkurgäſten, die aus
Dankbarkeit für ihre Geneſung ihr Trinkgeſchirr der Quelle (dem Quellgott)
darbrachten. Und dieſe Annahme wird dadurch bekräftigt, daß die mehr
Manmıs, Bò. X. H. 3 u. 4. ; 14
208 Martin Cienau. (2
oder weniger gut erhaltenen Tongefäße zur Gattung der Becher oder Schöpf:
gefäße gehören.
cht von den Gefäßen bringt pigorini auf ſeiner Tafel V.
Die Quellfaſſung von Panighina iſt nach Pigorini (in Übereinſtim⸗
mung mit Santarelli) einer pfahlbauten⸗ Bevölkerung (palafitticoli) zuzu⸗
ſchreiben.
Während Santarelli aber die Gefäßfunde und ſomit auch die Quell⸗
faſſung der Kupferzeit!) zuteilt und auf eine Pfahlbaubevölkerung zurück⸗
führt, die abſtammt von den italieniſchen Neolithikern, deren Rulturreſte
wir aus Hütten oder Höhlen kennen (famiglie dei fondi di capanne e delle
caverne), ftellt Pigorini in überzeugender Beweisführung Quellfaſſung
und Funde in die Bronzezeit unter Juweiſung an eine Pfahlbaube völkerung,
die völkiſch zu trennen ift von den neolithiſchen und aeneolithifchen , fa-
miglie dei fondi di capanne e delle caverne“ — dies ift nach Pigorini das
Pfahlbauvolk, das während der Bronzezeit Italien zu einer höheren Jivili⸗
ſation führte und deffen in fih gut abgeſchloſſenen Kulturkreis?) man von
der Schweiz über Ober⸗Italien bis Bosnien verfolgen kann (dazu bei Pigorini
Textfig. E! bis J).
Chronologiſch beſtimmt alfo Pigorini die Funde von Panighina als
bronzezeitliche, und zwar ſtellt er ſie in den Rahmen des reinen und ur⸗
ſprünglichen Bronzealters (pura e primitiva eta del bronzo) im Gegenſatz
zu dem, ſeiner Meinung nach, jüngeren St. Moritzer Quellfund, nämlich
dieſen in eine „periodo che oltre le Alpi fu detto il secondo della eta del
bronzo, e che in Italia si & convenuto die considerare come l'inizio della
prima eta del ferro“. .
Durch meine chronologiſchen Sejtitellungen im Band X, Heft 1/2 des
„Mannus“ hoffe ich den ſicheren Beweis erbracht zu haben, daß auch der
St. Moritzer Quellfund dem „Keinen Bronzealter“ angehört, alſo älter
ijt, als Pigorini auf Grund der Ausführungen heierli's annahm.
Zur Textabbildung 1. Mannus X 1/2 (Seſtſchrift) S. 26. — Holzleiter
und 2 Holzhacken aus der St. Moritzer bronzezeitlichen ee — be:
merke e noch folgendes:
Im I. Jahr.⸗Ber. der Schweiz. Geſellſch. f. Urgeſchichte, S. 38 ſagt
heierli: „Auf der Leiter mögen Badende in die Quelle hinunter und herauf
geſtiegen fein” (vgl. Mannus a. a. O. Textabb. 2) und zu den Polzhacke n
u „Che la gente venuta ad abirtala (Panighina) deri vasse da quella dei fondi
di capanne neolitiche e precorresse l'età del bronzo (demnach alſo in der Kupferzeit
[periodo eneolitico] ſtand), serbando in parte la propria fisonomia industriale‘“.
2) „Campo archeologico ben determinato, quale è quello delle stazioni con palafitte
esteso dalla Svizzera all' Italia superiore ed alla Bosnia.“
3] Die Bronzezeitliche Quellfaſſung von St. Moritz. 209
macht mir Profeſſor Almgren, Upſala, auf Poſtkarte freundlichſt folgende
Mitteilung: „Holzhacken wie die Ihrigen werden bei uns auf dem Lande
noch beim Waſſerſchöpfen verwendet“. Zu dieſem Zwecke werden wahr⸗
ſcheinlich auch die St. Moritzer (4) Holzhacken gedient haben — alfo als Schöpf⸗
handhaben zur Arm-Derlängerung, da fie als „Hack⸗Geräte“ in dem ſteinigen
Selsboden kaum dienen konnten.
Daß unſere Holzgeräte tatſächlich Schöpf- Handhaben geweſen find,
geht auch daraus hervor, daß fie beim Ausräumen der (älteſten) Einzelröhre, —
alſo nicht wild innerhalb der 4 Holzwände der Quellfaſſung —, gefunden
wurden, in welche ſie wahrſcheinlich dadurch gelangten, daß ſie dem Schöpfen⸗
den aus der Hand glitten. Die Gleichſtellung in bezug auf Zweck und Ge⸗
brauch mit den noch heut, nach Almgren, in Nordfchweden benutzten, wo
ſich auf dem Lande ſehr alte Gewohnheiten und. Geräte erhalten haben,
iſt demnach voll berechtigt und unſer Fall liefert einen neuen Beweis, „wie
wertvoll (nad) Sophus Müller) zur Aufflarung der unbekannten fernen
Zeiten ein Vergleich mit den hiſtoriſchen und mit den exotiſchen Völkern
ſein kann“.
Schließlich möchte ich noch hinweiſen auf: „Déchelette, Manuel
d’Archéologie II, Premiere Partie: Age du Bronze, S. 444—453,
$ V: Les chars processionnels à situle et le culte des eaux ther-
males .
148
Swei Bronzeſchwert⸗Funde aus Wenſickendorf
Kr. Niederbarnim, Prov. Brandenburg.
Don Franz Langer, Weidmannsluft bei Berlin.
Mit Tafel V.
Der Cehngutsbeſitzer Karl Rathenow in Lübars Kr. Niederbarnim
ließ im Jahre 1908 auf ſeiner zweiten Beſitzung in Wenſickendorf am
Rahmerjee 1 m tief rigolen; hierbei wurden eine Anzahl Urnen gefunden.
Nach einer Beſchreibung der ihm inzwiſchen abhandengekommenen Sund-
ſtücke — größtenteils Beigaben der Urnen —, ſowie der mir zu Geſicht ge⸗
kommenen Refte, Urnen uſw., handelt es fih zweifellos um Beſtattungen
aus der Bronzezeit. Da zu erwarten ſteht, daß gelegentlich beim Rigolen
der anderen Hälfte des Gartens, das bald nach dem Kriege erfolgen ſoll,
weitere Funde gemacht werden, ſo werde ich hierüber ſpäter berichten.
Herr Rathenow hatte für die Funde große Teilnahme, konnte aber die
Arbeiten nicht beauflichtigen. — Wenſickendorf liegt 22 km von Lübars
entfernt —. So wurde das Rigolen größtenteils in feiner Abwefenheit aus-
geführt. Die Arbeiter hatten alle beim Graben zerbrochenen oder beſchädigten
Urnen als wertlos beſeitigt. Die wenigen erhaltenen Fundſtücke find Herrn
Rathenow ſpäter zumeiſt noch abhanden gekommen oder entwendet worden.
In ſeinem Beſitze befinden ſich u. a. noch zwei Bronzeſchwerter.
1. Ein Rurzſchwert (Abb. 1 B*)) wurde zuſammen mit einem Stein⸗
beil (Abb. 3) in einer Urne gefunden. Die Urne ſtand ungefähr 1 m tief
und war mit Steinen umpackt. Das Schwert hat eine Cange von 290 mm
bis zur Bruchſtelle — die Spitze ift nachträglich von unbefugter Hand abge-
brochen worden. Die verloren gegangene Spitze betrug ungefähr 5mm.
Die Griffangel iſt gleichfalls zum größten Teil abgebrochen und wurde ſo
vorgefunden. Die größte Breite beim Anjak zur Griffzunge beträgt 41 mm
1) Die Abb. 1B und 2B Jind die natürliche Größe, jedoch nicht die ganze Lange.
Zu 1B und 2B find die Schwerter in ganzer Länge dargeſtellt; Verhältnis etwa */,.
bn.
\
H
er
2] Zwei Bronzeſchwert⸗Sunde aus Wenfidendorf Kr. Niederbarnim. 211
und verjüngt ſich bis zu 12 mm. Stärke der Mittelrippe 7 mm, ſie verflacht
ſich bis zu 3 mm. Gewicht des Schwertes: 206 g. Das Steinbeil, welches
mit dem Schwert in der Urne lag, iſt von ſauberer Arbeit. Die Bohrung
des Schaftloches iſt jedoch nur halb durchgeführt.
2. Bei der Herftellung eines Karpfenteiches, unweit des Rahmerjees
und in der Nähe der Urnenfunde, wurde, in einer Tiefe von beinahe 1 m,
das zweite Schwert gefunden (Moorfund). Dieſes Schwert (Abb. 2 B)
iſt im Verhältnis zu ſeiner Cange — 506 mm mit Griffangel bis zur Bruch⸗
ſtelle — (ein Teil ijt abgebrochen !), auffallend ſchmal; gleichmäßige Breite
21,5 mm, die fih nur kurz vor dem Anlaß zur Griffangel bis zu 40 mm er:
weitert. Auf beiden Seiten des Schwertes befinden ſich zwei parallellaufende
Längsrippen. Stärke des Schwertes 6,8 mm. Gewicht: 361 g.
Beide Schwerter find zweiſchneidig. Als Hiebwaffe waren die Schwerter
ungeeignet. Das Kurzſchwert hatte keine genügende Lange und war zu
leicht, um als hiebwaffe Verwendung zu finden, während das CLangſchwert
zu ſchwach war und bei einem wuchtigen hieb zerbrechen mußte. Es käme
nur der Gebrauch als Stoßwaffe in Frage. Die Schwertformen laſſen daher
auf die Kampfweiſe ſchließen. Das Kurzichwert mußte in feiner Handhabe
als Dolch gebraucht worden fein, während das Langſchwert mit einem Degen
zu vergleichen ift. Das Stoßſchwert ſtellte aber höhere Anforderungen in
bezug auf Gewandtheit an die Rämpfenden, als das Hiebſchwert. Es ver-
langte Ausbildung und Übung, um einem gewandten Gegner mit Ausſicht
‘auf Erfolg gegenübertreten zu können.
Beide Schwertformen liefern demnach den Beweis, daß man ſich in
der Handhabe der Stoß⸗ oder Stichwaffe geübt hatte.
1) An der Bruchſtelle iſt das Schwert noch ebenſo breit, wie an dem höher gelegenen
Teile, es iſt daher anzunehmen, daß noch ein größeres Stück fehlt.
Ein großes und ein kleines Schildkröten⸗Tongefäß
aus Klieſtow (Kreis Lebus) bei Frankfurt a. O.
Don Michael Martin Lienau, Frankfurt a. O.
Mit 3 Textabbildungen und Tafel VI.
In Band IX Heft 1/2 des Mannus ift an drei Stellen über die Schild-
kröte, bzw. Kröte (Froſch) im germaniſchen und en Altertum
geſchrieben worden:
Zuerft in der Anmerkung 8 zu Seite 29 der Abhandlung von Georg
Wilte „Die herkunft der Kelten, Germanen und Illyrer”. Hier antwortet
Wilke auf die Behauptung „Schrader's“ „Am Panzer dieſer kleinen Tiere
müſſen alle Lehren vom nordiſchen Urſprung der Indogermanen abprallen“
mit dem Satze „Auch der ſo ſtark und feſt erſcheinende Panzer dieſer kleinen
Tiere hat dem Anprall der archäologiſchen Forſchung nicht ſtandhalten können“,
indem Wilke „umgekehrt“ ſchließt, wie Claſſen, welcher Kelten und Ger⸗
manen von ſüdlichen nach nördlichen, ſchildkrötenfreien Gebieten abwandern
läßt, „daß die Schildkröte nach dem großen Klimaſturz um 800 v. Chr.
(Mannus IV, 418) das nördliche Mitteleuropa verließ und für die zurüd-
bleibende Bevölkerung nach ihrem Verſchwinden keine Veranlaſſung mehr
vorlag, das Wort noch fernerhin beizubehalten“. Und in einem „Nach-
trage“ zu feiner Abhandlung bemerkt Wilke (a. a. O. S. 54 unter 2.): „Herr
Prof. Roſſinna macht mich darauf aufmerkſam, daß die Schildkröte auch
heute noch in weiten Gebieten Norddeutſchlands angetroffen wird“, was
herr Prof. Felix, Leipzig, beſtätigt mit dem Vorbehalte „freilich wird fie
ſtets nur vereinzelt angetroffen und iſt überall ein ſeltenes Tier“. Dies wieder⸗
um veranlaßt Wilke zu der Berichtigung „Wenn alſo auch die Schildkröte
bei dem großen Klimaſturze nicht vollſtändig abgewandert iſt, ſo wurde ſie
doch ſo ſelten, daß ſie für das wirtſchaftliche und Seele Leben ihre einſtige
Bedeutung verlor“.
Zudem leſen wir in einer „Nachſchrift“ des Herausgebers (Prof.
Koſſinna's), a. a. O. S. 54, daß auch er fih zu dieſem Gegenſtande in dem-
2] Ein großes und ein kleines Schildfröten-Tongefäß aus Klieſtow uſw. 213
jelben Mannus⸗Hefte unter III. Bücherbeſprechungen (S. 110/115) noch äußern
wird. Hier beſpricht Koſſinna „Otto Schrader's Sprachvergleichung und
Urgeſchichte, Jena, 1907“. Die Seiten 114/115 (bei Kojfinna) find der
Schildkröte gewidmet. „Danach (nach den Forſchungen von Conwentz)
findet fih (noch heute) die „sumpfſchildkröte“ (Emys orbicularis L.) in
Oſtpreußen, Weſtpreußen, Poſen, Schleſien, Pommern, Branden-
burg, Mecklenburg, Schleswig⸗-holſtein, Altmark, Braunſchweig,
Hannover und über Oſtpreußen hinaus noch in Kurland“ — und „für
die indogermaniſche Urzeit iſt ihr Vorkommen einwandfrei auch für
Skandinavien erwieſen“. l
Neuerdings (Lund 1917) ift eine ſchwediſche Gelehrtenarbeit erſchienen
welche C. Kurd zum Derfaffer hat: „Den Forntida Utbredningen af Kärr-
sköldpaddan (Emys orbicularis Lin.) 1 Sverige, Danmark och angränsande
Länder. Mit einer Juſammenfaſſung in deutſcher Sprache“. Der ſchwediſche
Text umfaßt 124 Seiten (Großformat), die Juſammenfaſſung in deutſch
4 Seiten. Am Schluſſe des Werkes wird die frühere und jetzige Ausbreitung
kartographiſch vorgeführt (Karta öfver kärrsköldpaddans utbredningsomrade
fordom och nu i Europa). Auf Deler Karte ift mit einer roten Linie die
heutige ungefähre Nordgrenze der Sumpfſchildkröte in Europa eingezeichnet
(Kärrsköldpaddans nuvarande, ungefärliga nordgräns) eingezeichnet. Der
Zug dieſer „Grenzlinie nach Norden“ iſt nach Rurck etwa: von (ſüdlich)
Nantes nach Limoges — Lyon — (ſüdlich) Turin — (nördlich) Venedig
— (ſüdlich) Graz — (nördlich) Belgrad — in nordöſtlich laufendem Bogen
nach (ſüdlich) Großwardein — in nordweſtlich laufendem Bogen (mitt-
warts) Brünn / Krakau — (mittwärts) Dresden / Breslau — Frank—
furt a. Oder — (weſtlich) Berlin — in weſtwärts gerichteter Ausbuchtung
nach Stettin — (ſüdlich) Königsberg i. Pr. — Dünaburg — von da in
faſt gerader Linie über Smolensk nach Orenburg am Uralfluß.
Wie man aus dem Juge der heutigen Grenzlinie erſieht, läuft dieſe
auch bei Frankfurt a. Oder vorbei; dazu möchte ich bemerken, daß die Sumpf:
ſchildkröte in der Nähe Frankfurts vorkommt im „Elfenſteig⸗See“, im „Faulen
See” (bei Tzſchetznow) und in den Eilang⸗Seen (bei Reppen); in letzteren
ift fie nicht einmal beſonders felten (freundliche Mitteilung des Herrn Profeſſor
Roedel, Frankfurt a. Oder, der mir auch aus feiner Bibliothek den „Kurd“
lieh, wofür ich nochmals herzlich danke).
Die „foſſilen (oder ſubfoſſilen) Fundorte“ außerhalb dieſer Nord-
grenze, alfo in den heut ſchildkrötenfreien Gebieten Mittel- und Nord-
Europas find eingezeichnet mit roten Punkten für die Fundorte aus poft-
glazialen oder alluvialen Erdſchichten, mit ſchwarzen Punkten für die
Fundorte aus älteren Erdſchichten oder ſolchen, über deren Alter keine
Nachricht mehr zu ermitteln war.
Abgefehen von Rußland, das für die foſſilen Sunde außer Betracht
—
214 | Martin Cie nau. (3
gelaſſen ijt, find foſſile (oder ſubfoſſile) Sundftellen feſtgeſtellt worden für:
England: 2, Srankreich: 5, Holland: 1, Belgien: 2, (Schweiz: 1)),
(Oſterreich: 1) ), Deutſchland: 47, Dänemark: 37, Schweden: 25.
Außer der Überſichtskarte über Europa enthält die Abhandlung von
C. Kurd noch 2 Sonderkarten über die foſſilen Sunde mit beſonderer Berück⸗
ſichtigung von Schonen und den ſüdlichen Geſtaden der Oſtſee.
Nach C. Kurds Unterſuchungen ijt die Schildkröte in der Ancylus-
Zeit nach Dänemark und Schweden eingewandert, während die Frage:
„zu welcher Zeit ift die Zumpfſchildkröte in Schweden und Dänemark aus:
geſtorben?“ gegenwärtig noch nicht zu beantworten iſt. Sicher iſt ihr
Vorkommen noch während der „Ganggräberzeit“ auf Langeland. Wahr:
ſcheinlich aber hat die Schildkröte noch nach dem Ende der Steinzeit — viel⸗
leicht noch in der ausgeſprochenen Bronzezeit in Dänemark und Schweden
fortgelebt. „Die Haupturſache des Ausfterbens der Sumpfſchildkröte in
Schweden und Dänemark hat man in dem Bindernilje zu ſuchen, das die
poſtglaziale Wärmeabnahme der Fortentwicklung der Eier in den Weg ge⸗
legt hat.“
An dritter Stelle (a. a. O. S. 55/70) berichten Joſef Kern, Leitmeritz,
und Roſſinna über „Krötendarftellungen auf neolithiſchen Ge—
fäßen“, erſterer auf S. 55/69, Roſſinna auf S. 69/70.
Zu den Krötendarſtellungen (insbeſondere zu vergleichen Kern, a. a. O.
Abb. 1 und Abb. 5) möchte ich hinweiſen auf eine vielleicht nicht allgemein
bekannte Kröten⸗Darſtellung auf einem italieniſchen Tongefäß⸗Fragment
„im Bullettino di Paletnologia italiana. Serie IV. Bd. IV. 1908. S. 103,
Sig. C.“
Allerdings handelt es fic) nicht um einen neolithiſchen, ſondern frühſt⸗
eiſenzeitlichen Scherben vom „Quirinale in Rom“; aber, wenn auch zeitlich
erheblich jünger, beſtätigt dieſer Scherben doch vorzüglich den Nachweis
Kerns (a. a. O., S. 69 „Rorrekturnote“ und Schlußabſatz vor „dieſer“), daß
Sroſch und Kröte im Dolfsaberglauben eine große Rolle ſpielen (Tierzauber!),
ſeinerſeits dadurch, daß anf ihm unmittelbar links neben 3 Krötendarſtellungen
lid} ein hakenkreuz befindet — alfo das alte Sonnenſymbol, deffen fih
der Menſch zu Schutz und Trutz bediente.
Ich wende mich nun zu unſeren Klieſtower Gefäßen (Certfig. 1 und 2):
In den Jahren 1902 und 1903 habe ich als Enthuſiaſt (meine Studien⸗
jahre bei den ſkandinaviſchen Forſchern und dem Schweizer Heierli folgen erft
von 1905 bis 1908) bei dem Bauerngutsbeſitzer Friedrich Klemte in Rlie ſtow
(Kreis Cebus) bei Frankfurt a. Oder ein Urnenfeld unterſucht, und zwar
die erſten Gräber gemeinſam mit dem inzwiſchen verſtorbenen Heimats⸗
1) Nicht im Tert ausführlich beſprochen, aber auf der Überſichtskarte von Europa
eingezeichnet mit Punkten.
BEE
4) Ein großes und ein kleines SchildtrötensTongefäß aus Klieſtow uſw. 215
genoſſen und gleichgeſtimmten Enthuſiaſten M. Klittke, welcher die Samm⸗
lung des Naturwiſſenſchaftlichen Vereins des Regierungsbezirks Frankfurt
in feiner Obhut hatte. Klittke hat einige Male im „Helios“ (dem Organ
des genannten Vereines) über prähiſtoriſche Sunde berichtet und auch ein
(wohl wenig verbreitetes) Sonderheftchen erſcheinen laſſen: „Prähiſtoriſche
Funde aus Frankfurt a. Oder und Umgegend. 1902. Von M. Klittke.
Mit 4 Tafeln.“ In dieſem Sonderheftchen widmet Klittke die Seiten 11
bis 21 (II. Gräberfeld bei Klieſtow) den erſten Grabungen bei Klemte,
Klieſtow, im Jahre 1902. Dazu gehört die Tafel II, die im ganzen 29 Ab-
bildungen (hauptſächlich von Tongefäßen) vom Klieſtower Gräberfelde
aufweiſt, außerdem ein tierförmiges Tongefäß (Abb. 30/31) aus dem Kreife
Beeskow (a. a. O. S. 17, Abſqtz 2).
Die Abbildungen bei Klittke find klein und Durchzeichnungen von
Photographien. Abb. 19 (Tafel II bei Klittke) bringt unſer großes Gefäß
(ſiehe unſere Textfigur 1); es handelt fih um die Darſtellung einer Schild⸗
kröte mit 2 Röpfen und 2 Schwänzen in Form eines Deckelgefäßes. Der
Längs- und Querdurchmeſſer beträgt 13 und 12 em, die Höhe (einſchließlich
des Deckel⸗henkels) 9 cm, die Offnung 8, bzw. 7 cm. Die Köpfe und Schwänze
Jind je 2 cm lang, ebenſo die Füße. Der Durchmeſſer des Falzdeckels beträgt
überall 8 cm. Außer dem Deckelhenkel zeigt das Gefäß an den Längsjeiten
je ein knopfförmiges Henkelchen mit horizontaler Durchlochung. Das Orna-
ment beſteht aus Reihen von Einſtichen, die ſich in einfacher Linie um die
Balsenden legen. Außerdem befinden ſich unter dem Bauche einige band⸗
förmige Einſtich⸗ Ornamente, welche fih, wie an einer Stelle zu erkennen ift,
bis zur halben Gefäßhöhe hinaufzogen; auch unter den Seitenhenkeln befinden
bzw. befanden ſich Einſtiche. In dieſem Punkte weiche ich von Klittke ab,
welcher unter dem Bauche kreuzende Einſtich-Reihen erkennen wollte, aber
ſelbſt betont, daß das Gefäß zuviel abgeplatzte Stellen aufweiſt, um über
die Anordnung der Ornamente am Bauch und an den Seiten des Gefäßes
ein klares Bild zu geben. Der Deckel iſt mit zwei vom Henkel kreuzweiſe
ausgehenden Doppelreihen von Einſtichen geſchmückt. Das Gefäß iſt von
rotgelber Färbung und innen glatt (ohne Ornamente).
Nach „Brehms Tierleben, IV. Band“, hat die CTeichſchildkröte (wie
Brehm ſagt ſtatt Sumpfſchildkröte) eine Geſamtlänge von 32 em, wovon
8 em auf den Schwanz fallen. Auf Seite 413 (Brehm a. a. O.) befindet ſich in
1/3 natürlicher Größe eine Abbildung der Emys orbicularis. Daß es fih (Abb. 1)
um die Darſtellung einer — wenn auch durch die Doppelung der Köpfe und
Schwänze etwas phantaſtiſchen — Schildkröte handelt geht meines Er-
achtens hervor aus der rundlich⸗ovalen Form des Gefäßleibes, aus den kurzen
Füßen, insbeſondere aber aus den außer durch ihre abgeplattete Form da⸗
durch charakteriſtiſchen Köpfen, daß fie fih nach oben reden. Wenn die Schild⸗
kröte Kopf und Hals unter dem Panzer herausbringt, ſo pflegt ſie das nicht
—— er: we
216 Martin Cienau. [5
in gerader, ſondern in Worf nach oben gerichteter Poſe zu tun, ja fie kann bei
dieſer für ihr Geſichtsfeld notwendigen Aufwärtsbewegung ſogar mit dem
Halſe faſt einen rechten Winkel zum Panzerrande ſtellen. Auch das die Hals-
wurzeln umfaſſende Stichlinien⸗Ornament, welches Hals nebſt Kopf quaſi
abſchnürt — ihnen eine ganz beſondere Betonung gibt, weiſt auf die Schildkröte
hin, da dieſe (außer Schwanz und Füßen) nur Ropf und Hals aus dem Panzer
herausbringen kann. Im ganzen ift unſere Schildkröte (Tertfig. 1) ſtark
ſtiliſiert worden, worauf ich noch bei Vorführung eines mehr naturaliſtiſch
geformten ſchleſiſchen Fundes zurückkomme. Daß es fih zum mindeſten um
die Darſtellung einer ganz beſtimmten Tierart (nicht um das Erzeugnis reiner
Phantaſie) handelt, beweiſt unſere Textfig. 2, welche die kleine Tierfigur
unſeres Urnenfeldes (aus Grab 43) bringt, die ich gleichfalls als Schildkröten⸗
Darſtellung anſpreche!). Der Kopf ift genau fo geformt, wie die beiden Doppel:
Abb. 1. . Kli e ſto w Kr. Cebus. Abb. 2. ?/s.
töpfe unſeres großen Eremplares. Der Schwanz ift leider nicht aufgefunden
worden, aber man ſieht deutlich die Bruchſtelle am Sdwan3-Anjak. Aud
Leib und Füße gleichen dem großen Exemplar, allerdings hat unſer kleines
Exemplar nur 3 Füße. An der einen, gut erhaltenen Längsjeite ſieht man
deutlich die Refte eines kleinen Henkels (mit horizontaler Offnung), die andere
Längsfeite ift defekt. Das Gefäßchen ijt von grau-⸗ſchwarzer Färbung. Das
Gefäßchen hat mit Kopf eine Länge von 7,01 cm, mit Füßen eine Höhe von
3,05 cm, von der Geſamtlänge (7,01 cm) fallen 3,08 cm auf die Öffnung.
Das Gefäßchen iſt unverziert. Während vorſtehende Beobachtungen deut⸗
liche hinweiſe auf die Schildkröte geben, liegt auch darin eine Stütze dieſer
Hinweiſe, daß die Gefäßform kaum auf ein anderes Tier bezogen werden kann.
Ich berufe mich hier in erſter Linie auf „hoernes, Urgeſchichte der bildenden
Kunft in Europa” (Wien 1898 und 2. Auflage, neu illuſtriert, 1915). In
1) In demſelben Grabe muß urſprünglich noch ein zweites ganz ähnliches Zchild⸗
kröten⸗Gefäßchen geſtanden haben, von dem aber nur ein Sub und der Kopf (ohne hals)
gefunden wurden. Es iſt ganz ausgeſchloſſen, wie eine Beſichtigung unbedingt ergibt,
daß etwa dieſer Sub und Kopf abgebrochene Teile unferes kleinen Gefäßes find. —
6] Ein großes und ein kleines Schildkröten⸗Tongefäß aus Klieftow uſw. 217
beiden Auflagen bringt hoernes eine ganze Reihe von Tierbildern aus dem
„Hallſtättiſchen Rulturkreiſe“ (unfer Urnenfeld gehört unbedingt in den
Rahmen der Hallftatt-Jeit), und zwar ſowohl plaſtiſche Tierbilder aus Bronze
und Ton (1. Aufl. S. 440—525, Tafeln XII XV, XIX), wie auch figurale
Zeichnungen (Gravierungen, Einritzungen ufw.) in Metall und Ton (1. Aufl.
S. 564—586, Tafeln XVII, XVIII (oben)). Für die 2. Auflage (1915) kommen
in Betracht „Siebenter Teil, Abſchnitt III, S. 502—534 u. S. 540—558 und
die dazu gehörigen Textabbildungen und Texttafeln..
Beſondere Kapitel finden fih in der erſten Auflage „unter Plaſtik der
erſten Eiſenzeit“ über: „Roß und Reiter“, „Dogelfiguren“ und „Rind“ bzw.
in der 2. Auflage über „Pferd, Rind, Vogel“. Alle dieſe Abbildungen bei
hoernes unterſcheiden fic) nicht nur deutlich von unſeren Tertfig. 1 und 2,
ſondern find auch im einzelnen zu beſtimmen: als Pferd, Rind, Schwein,
Widder, hirſch, Vogel. Auch die Sigur (Drillingsgefäß) 23 Taf. XV (a. a. O.,
erſte Auflage), die gewiſſe Abnlidfeiten mit unſeren Gefäßen aufweiſt, auf
die auch Klittke (a. a. O.) hinzeigt, trägt einen ausgeſprochenen Widder⸗
kopf. Ebenſo kann man in dem Gefäß, welches Klittke (a. a. O.) auf Taf. II
Sig. 30/31 (Aufficht und Seitenſicht) bringt, nur eine entfernte Ahnlichkeit
entdecken. Dies Gefäß befindet fih im „Berliner Muſeum für Völkerkunde“
und wurde „1891 im Cütkeberg zwiſchen Gieſendorf und Falkenberg
bei Beeskow (Prov. Brandenburg) neben anderen Gefäßen zwiſchen vielen
Steinen gefunden und beſitzt eine Länge von 5 cm. „Es macht (wie auch
Klittke ſagt) den Eindruck einer Tierfigur.“ Klittke ſagt über unſere Text⸗
figur 1: „Wie fih aus der Zeichnung (bei ihm Taf. II, Abb. 19) erſehen läßt,
gehört es zu den ſogenannten ſchildkrötenförmigen Gefäßen“, ſchließt aber
ſeine Beſprechung des Gefäßes mit dem Sake: „Ob unſer Gefäß als eine
Nachbildung eines Vogels oder einer Schildkröte aufzufaſſen iſt oder ob die
Köpfe Ahnlichkeit mit denen von Schafen haben, muß ich dahingeſtellt fein
laſſen“. ; ur
Demgegenüber beſteht für mich fein (oder wenigſtens kaum ein) Zweifel,
daß unſere beiden Gefäße „Schildkröten“ darſtellen und in dieſem Dafür⸗
halten werde ich noch ganz beſonders beſtärkt durch die ſchleſiſchen Gefäße,
die zweifelsohne „Schildkröten“ darſtellen: Textfig. 3 bringt das Schild-
krötengefäß von Glauſche (Kr. Namslau), abgebildet in „Schleſiens Vorzeit,
Bd. VII (1899)“. Hier handelt es ſich um eine im allgemeinen naturgetreue
Nachbildung. Insbeſondere hebt ſich das Ornament als ganzes betrachtet
deutlich als Panzer ab, unter dem der nackte Leib heraustritt. Auch Einzel⸗
heiten des Ornaments deuten auf die in Felder und Platten gegliederte
Panzerſchale. Ferner iſt der Schwanz nach der Natur geformt, nur nicht —
aus techniſchen Gründen — fo lang und ſpitz. Auch der (ergänzte) Kopf iſt
naturaliſtiſcher. herr Profeſſor Seger-Breslau, dem ich auch an dieſer Stelle
meinen ergebenſten Dank, zumal für Beſchaffung der Textfig. 3, ausſpreche,
EI e, d
218 Martin Lienau. x [7
ſchreibt: „Die Ergänzung der Kopfpartie ift durch andere Originale unjerer
Sammlung fo ziemlich geſichert“ und in bezug auf diefe anderen Originale:
„Nebenbei bemerkt haben wir noch mehrere plaſtiſche Darſtellungen von
Schildkröten in unſerer Sammlung, meiſt allerdings in Klapperform. Zwei
davon ſind abgebildet in „Schleſiens Vorzeit Bd. VI (1896), S. 463, Sig. 8/9"
Leider war es mir nicht
möglich, mir Band V (alte Reihe,
1896) zu verſchaffen, ſo daß ich
auf eine vergleichsweiſe Be⸗
ſprechung dieſer ſchildkrötenför⸗
migen Klappern verzichten muß.
Gegenüber dem ſchleſiſchen
Gefäße von Glauſche wie arid
anſcheinend gegenüber den üb⸗
rigen ſchleſiſchen Schildkröten⸗
—.— s=- gefäßen ſind alfo unſere Gefäße
Abb. 5. ½. Glauſche Kr. Namslau. (Textfig. 1 u. 2) erheblich ſtili⸗
ſierter gehalten, ganz abgeſehen
von den Derdoppelungen bei Textfig. 1. Beſonders die Schwänze (Certfig. 1)
ſind ſtark ſtiliſiert; dies mag damit zuſammenhängen, daß unſer Gefäß,
worauf der Deckel, der Deckelhenkel und die Seitenhenfel hinweiſen, als
Gebrauchsgefäß aufzufaſſen ijt, das man dem Toten ſpäter als Cieblingsgefäß
mitgab; mit Rückſicht auf die Benutzung find Köpfe und Schwänze fraftig
gebildet, was zur Stiliſierung führte.
Das ſchleſiſche Gefäß von Glauſche dagegen hat wohl eine Öffnung,
aber keinen Deckel, auch keine henkel. Es macht mehr den Eindruck eines
Zeremonial⸗(Opfer⸗) Gefäßes, das irgendwo im Haufe feinen feſten Stand
hatte, fo daß die Gefahr des Abbrechens von Kopf oder Schwanz geringer war.
Dafür — für zeremoniale Benutzung — ſpricht auch die enge Öffnung.
Trotz dieſer Unterſcheidungen kommen unſere Gefäße den ſchleſiſchen
im Geſamteindruck weit näher, als allen anderen tierförmigen Gefäßen
oder ſonſtigen Gebilden der erſten Eiſenzeit. Es handelt ſich lediglich um zwei
verſchiedene Zweige ein und desſelben Aftes — um Gattung und Akt.
Für die Richtigkeit meiner Auffaſſung ſpricht (wenigſtens für mich)
auch ſehr lebhaft folgende Stichprobe: als ich meinen Aufſatz niederſchrieb,
zeigte ich einem gerade in meinem Haufe beſchäftigten jungen Handwerker
die Jeichnung von Tertfig. 1 und ohnen einen Augenblick des Beſinnens
ſagte er „das iſt ja eine Schildkröte“. Abſichtlich, um die Antwort auf meine
Frage „welches Tier?“ ſchwieriger zu geſtalten, hatte ich die phantaſtiſche
Darſtellung mit den Doppelungen vorgelegt. So „übet in Einfalt ein kindlich
Gemüt“, was auch „der Verſtand der Verſtändigen“ in N Falle nicht
überſehen kann.
. 8] Ein großes und ein kleines Schildkröten⸗Tongefäß aus Klieftow uſw. 219
Die zeitliche Stellung unſeres Urnenfeldes wird gut beleuchtet durch
die auf Tafel VI abgebildeten Funde, welche darauf hinweiſen, daß unſer
Gräberfeld in der überwiegenden Mehrzahl ſeiner Funde (im ganzen handelt
es ſich um einige 60 Gräber) der früheſten Eiſenzeit, alſo etwa dem 8. Jahr⸗
hundert v. Chr., zuzuſchreiben iſt. Dies wird auch durch das Urnenmaterial
beſtätigt. Mit einigen Gräbern ragt das Feld allerdings in die letzte Bronze⸗
zeit hinauf, wie z. B. die auf unſerer Tafel unter 1., 2., 3. abgebildeten Bronze⸗
nadeln zeigen. Dagegen ſprechen für die ausgeſprochene früheſte Eiſenzeit.
unſere Abbildungen 4, 6 a/f und 8, wie auch die Urne 5. Die Abbildungen 6a,
c—f gehören zuſammen zum Grab 42a. Die Sunde 6a, c, d, f lagen in der
fragmentariſchen Urne 6e1). Ganz beſonders charakteriſtiſch für die früheſte
Eiſenzeit find die ſchlichten eiſernen Halsringe 6c und 6d?) und auch die
blauen Glasperlen, 6 b und 6 f mit den weißen Jickzacklinien, welche man in
den Muſeen ſehr häufig mit Gegenſtänden der früheſten Eiſenzeit vergeſell⸗
ſchaftet findet“).
Unſere Abb. 8 zeigt das Bruchſtück einer Schwanenhalsnadel, die aber
nicht vom Urnenfelde ſelbſt, ſondern von der dazu gehörigen, etwa 150 m
ſüdöſtlich gelegenen Anfiedelung herrührt. Die Schwanenhals-Nadel ift
ja ein wichtiges Inventarſtück der früheſten Eiſenzeit in Mittel⸗ und Nord⸗
europa; ſie wird vielfach dem 8. Jahrh. v. Chr. zugewieſen. Die blauen
Glasperlen mit weißem Jickzack 6 f, reiten auf einem Bronzedraht, welcher
das eine Ende eines den eiſernen (Hals-) Ringen (6c/d) entſprechenden
Bronzeringes darzuſtellen ſcheint.
Das Konglomerat von blauen Jickzack⸗Glasperlen abwechſelnd mit
Bronzekugeln ſtammt ebenfalls aus dem Urnenfragment 6e Gekonſtruktion
Abb. 7 auf der Tafel).
Die Hauptmaſſe der blauen Glasperlen mit weißem Zidzad (Abb. 6 b,
Tafel X) ſtammt aus Grab 46; ſie waren auf einen geraden eiſernen Rund⸗
ſtab gereiht, dabei fanden ſich viele zerſchmolzene kleine Bronzeklümpchen:
beides in freier Erde. In unmittelbarer Nachbarſchaft ſtand eine größere
Henkelſchale mit an 2 umlaufenden Einſtichlinien hängenden Einſtichguirlanden.
Außer anderweitig im Stile der frühen Eiſenzeit dekorierten Gefäßen
fanden ſich auf dem Urnenfelde eine Reihe Gefäße mit ſt ark entarteten Buckel⸗
Jierden, während ein Urnenreſt noch einen egen wenn auch ſpäten
Buckel A
a Abb. 7 zeigt den Derſuch einer Wiederherſtellung nach dem großen Bruchſtück 6e.
2) Die ich leider bei meiner Rückkehr in die heimat in völligem Jerfall (mangels
Konſervierung) vorfand.
3) Zu vergleichen „Altert. unf. heidn. Dorz. Bd. V, Taf. 14, Nr. 218“, dazu Tert-
feite 62 unter Nr. 217— 19 und Tertjeite 68, Abj. 2, woſelbſt auch unfere Klieftower
Glasperlen angeführt werden. Dort werden derartige Perlen den erſten 3 Jahrhunderten
des letzten Jahrtauſends v. Chr. zugewieſen.
220 Martin Cienau. (9
Don meiner, vorftehend beſprochenen, Chronologiſierung des Urnen⸗
feldes machte ich herrn Muſeumsdirektor Profeſſor Seger⸗Breslau Mit⸗
teilung, der mir darauf antwortete: „Gefäße, wie das von Glauſche (Gert
abb. 3), treten im allgemeinen erſt in der VI. Periode Montelius (I. Eiſenzeit)
auf. Das Flechtbandornament iſt allerdings tupologiſch älter, aber es hält
ſich lange und iſt hier überdies ſchon in der Huflöſung begriffen. Ich würde
alſo jagen: Anfang der Periode VI oder älteſte Eiſenzeit. Das ſtimmt
ganz ausgezeichnet mit Ihrer Datierung“.
Gern hätte ich noch einen Beitrag geliefert über die Rolle der „Schild⸗
kröte ) im Volksglauben“. Da aber die Preuß. Staatsbibliothek⸗Berlin zur
Zeit Bücher nach außerhalb nicht verleiht, fo muß ich mich auf das beſchränken,
was der „Große Meyer“ (6. Auflage 1909) darüber meldet: „Die Schild⸗
kröte iſt ein kosmogoniſches Symbol, ein Sinnbild des aus dem Feuchten
entſtandenen Seften. Wiſchnu nahm, als er die Welt vom Untergang retten
wollte, die Geſtalt einer Schildkröte an. Daher war fie auch der ſchaffenden
Venus geheiligt, und hermes Demiurgos, der Weltbaumeiſter, verwendete
ihre Schale zu ſeiner den Kosmos verbildlichenden Planetenleier. Die Töne
der letztern lenken die Kreisbewegungen des Himmels. Später erhielt die
Schildkröte auch Bedeutung für das Familienleben; fie ift Sinnbild des Haufes
und erſcheint auch als ſolches bei SS Venus, dann als Symbol der Frau, auch
des Eigentums.“
Wie ich ſchon erwähnte: wurden bei Klemke, Klieſtow, einige 60 Gräber
aufgedeckt. Die Leichenbrand⸗Urnen waren zum Teil mit zahlreichen Bei-
gefäßen umſtellt, darunter auch eine Tonklapper in Geſtalt eines ſich nach
beiden Seiten verjüngenden Dogelleibes mit einem aus der Mitte ſenkrecht
aufſteigenden zylindriſchen Griff. Das Urnenfeld ift auf einer Ucker⸗- höhung
(Welle) gelegen nahe dem Gutshofe und der Chauſſee. Im Sommer 1918
wurde vom Derfaſſer — auf Grund einer Meldung des herrn Klemke, deffen
verſtändnisvoller Anteilnahme an den Grabungen großer Dank gebührt —
eine Siedelungsſtelle, etwa 150 m ſüdöſtlich vom Urnenfelde, aufgefunden,
auf der aber vorläufig nur ein kleiner Probeſtich gemacht werden konnte.
Dabei wurde außer zahlreichen Scherben von zum größeſten Teile ſehr dick⸗
wandigen, groben Gebrauchsgefäßen, auch das beſprochene Bruchſtück einer
bronzenen Schwanenhalsnadel gefunden. Das Klemke'ſche Bauerngut liegt
in größerer Entfernung vom Dorfe Klieſtow (in welchem ſelbſt noch ein
zweiter Beſitzer Klemte ſiedelt) an der Chauſſee Sranffurt-Cebus, und zwar
‚auf und an dem Rande des nach der Oder hin ziemlich ſteil abfallenden,
den Oderſtrom von Frankfurt bis Reitwein im Weiten begleitenden Höhen-
zuges (Plateaus). Jwiſchen dieſem Plateau und der Oder liegen vielfach
1) Über die bezügliche Rolle der „Kröten und Fröſche“ vergleiche man „Joſef
Kern“, a. a. O. S. 68/69.
Ti
10] Ein großes und ein kleines Schildfröten-Tongefäß aus Klieſtow ufw. 221
ſumpfige Oderwieſen; ſo liegt in der Niederung auch in nächſter Nähe des
Klemke'ſchen Gutes ſumpfiges Terrain. Auch Gräben sienen fih durch diefe
Wieſen⸗Niederung.
So hatte die Schildkröte dort gute Lebensbedingungen, iſt aber aus dieſer
Gegend ſpäter, wohl infolge der ſtärkeren Wieſenkultur, verſchwunden.
Nicht weit nördlich von unſerem Urnenfelde befindet ſich ein kleiner,
forkifikatoriſch ſehr geſchickt ausgeſuchter ſlawiſcher Zufluchtsort, welcher im
Süden in das Plateau übergeht und dort mit einem Walle bewehrt war,
deſſen Reſte noch heute vor Augen liegen, während er im Weſten, Norden
und Oſten (ohne Wallſchutz) — aber dereinſt wohl mit Paliſaden verſehen —
ganz ſteil abfällt, im Weſten nach einem (früher jedenfalls ſumpfigen) Hohi-
wege, im Norden in ein ſumpfiges enges Tal und im Oſten nach den ſumpfigen
Oderwieſen. Heute befindet ſich auf ihm ein trigonometriſches Jeichen. Daß
es fic) um ein ſlawiſches Shug- und Truß-Lager handelt, ergab ſich aus
einem vom Derfaffer gemachten Herdfunde mit Einſchüſſen von Gefäßſcherben
und Tierknochen; ſonſt wurden keine vor- bzw. frühgeſchichtlichen Hinter-
laſſenſchaften oder Hüttenreſte geſichtet. Der zu dem kleinen Lager führende
Plateau⸗Weg heißt noch heute der „Wendenweg“. In der Umgebung Frank⸗
furts befinden ſich auf dem weſtlichen Oderufer noch 2 wallumwehrte Plätze
aus vor- oder frühgeſchichtlicher Zeit, auf die ich aber hier nur flüchtig ma
weiſen kann: „an der fteilen Wand“ und „bei Reitwein“. `
Sämtliche Sunde feiner Klieſtower, wie überhaupt feiner Frankfurter
Grabungen 1902/4 (Klieftow, am Dammkirchhof (Siedelung), Kleine
Mühle (Kunersdorf), Trettin, Gräden bei Reppen, Kemnath bei Stern⸗
berg) hat Derfajjer den Sammlungen „des Naturwiſſenſchaftlichen
Dereins für den Reg.⸗Bezirk Frankfurt“ ſchenkungsweiſe überwiefen.
Dieſe Sammlungen befinden fih jetzt im Mujeum („CLienauhauſe“). Dort
ijt in einem Bodenraume auch das ziemlich große, vom Derfajjer neuerdings
geordnete Magazin untergebracht. Dem für die vorgeſchichtliche Zammlung
obwaltenden Platzmangel wird hoffentlich bald Abhilfe geſchaffen werden.
Inzwiſchen iſt, hauptſächlich von Berſu'ſchen Grabungen herrührend, auch
im Rellergeſchoß des Realgymnafiums vorgeſchichtliches Ausgrabungsmaterial
aufgeſtellt worden, doch wohl nur vorläufig — da man unſer ſchon weit
verzweigtes vorgeſchichtliches Sammlungsmaterial nicht noch in den einzelnen
Städten veräſteln ſoll.
Nachtragen möchte Verfaſſer noch, daß fih aus den Klemke'ſchen Funden
2 Glasperlen (blau mit weißem Zickzack) in Privatbeſitz (je eine Klemke und
Lienau) befinden und daß, wenn fein Gedächtnis ihn nicht täuſcht, eine
dritte ins Mainzer Zentralmujeum gelangte; ſchließlich ijt ein flachſcheiben⸗
förmiger Spinnwirtel aus Knochen, der unter einer zertrümmerten (wohl
den älteren Gräbern zuzurechnenden) Urne lag, an das Kgl. Muſeum für
Völkerkunde, Berlin, Vorgeſchichtl. Abteil., verſchenkt worden.
222 Martin Lienau. -m
Solches verbrach Derfaſſer im Puppenſtande des Enthuſiaſten, dem die „fun:
damentale“ Bedeutung der „Geſchloſſenheit eines Fundes“ noch nicht von
gelehrter Seite eingehämmert war. Nicht ein winziges Scherbchen darf zentri⸗
fugal werden. .
‚ Derfaffer ſchließt in der Hoffnung, daß feine Geſundheit ihm geſtatten
wird, in die, an fih nicht umfangreiche, Frankfurter Sdhau-Sammlung, pie |
er es bereits im Magazin getan hat, endgültige Ordnung zu ſchaffen, insbeſon⸗
dere die verſchiedenen Funde örtlich ſichtbar zu ſcheiden. Vorbedingung
zur Erfüllung dieſer Abſicht iſt allerdings, daß der Naturwiſſenſchaftliche
verein der Dorgeſchichte einen anderen Raum anweiſt, damit jetzt noch
. magazinierte Stücke (fo die Sunde von Remnath) gleichfalls zur Schau
geſtellt werden können.
Chronologiſch ijt die Vorgeſchichte im Frankfurter Mujeum vor
etlichen Jahren durch Profeſſor A. Götze in großen Jügen durchgearbeitet
und getrennt worden.
7
Der Urnendeckel von Merfin Kr. Köslin.
Deutungsverfud
von Juft Bing, Bergen (Norwegen).
Mit einer Abbildung.
Die Zeichnungen auf dem Urnendedel!) find folgende: in der Mitte
eine gezadte Rundung, von der kreuzweiſe vier Figuren ausgehen, rechts
zwei Rhomben, die auf der äußeren Seite einen Kamm oder eine Mähne
von geſpreizten Strichen
haben, links zwei Trapeze
mit Zeichnungen, die ſpäter
zu erwähnen ſein werden.
Die Anordnung des
Ganzen entſpricht genau den
Gabelſcheiben von Tegneby
und von Hoitlyde in Tanum
(Balzer: hällriſtningar
I 25—26 Nr. 8 und 18—21
Nr. 1). Dabei bieten die
Siguren rechts auf unſerem
Urnendeckel eine gewiſſe
Ahnlichkeit mit den Gabeln
. diefer bohuslänſchem Felſen⸗
zeichnungen. Allein dieſe
Siquren auf Tegneby und
Hvitlucke find die ſeltenere Merſin Kr. Köslin.
Som der Gabelſcheiben.
Häufiger kommt eine Anordnung vor wie die auf Aspeberget B I 23—24
Nr. 1, wo die Gabelſcheibe mit einer Frauengeſtalt verbunden ift, oder
auf Foſſum B I 49—50 Nr. 8. Da ſtehen die Gabeln im Kreis eng um die
Scheibe. Verbindung der Gabelſcheibe mit Frauengeſtalt ſcheint auch auf
der §3 von Cöfaͤſen Balzer I 42—43 Nr. 2 vorzukommen. Dieſe Varianten
bezeichne ich als Kurzform (Hvitlyde) und als Dollform (Afpeberget). Sie
1) Die Urne ſtammt aus einem oſtgermaniſchen früheiſenzeitlichen Steinkiſten⸗
grabe und befindet ſich in der Sammlung des herrn Paſtors Magdalinski in namen
bei Köslin. 6. K.
Mannus, Bd. X. 5.3 u. 4. 15
— FFF ²˙ü ⁵˙ . EEN
224 . Juft Bing. | [2
Jind gewiß fo zu verſtehen, daß die Dollform den Gegenſtand darſtellt, jo wie
er ausjieht, die Kurzform dagegen fih damit begnügt, die Einzelheiten,
aus denen er zuſammengeſetzt ift, anzudeuten. Unſere Zeichnung wird alfo
unter die Kurzformen zu rechnen fein. Wir haben die Teile vor uns, aus denen
der dargeſtellte Gegenſtand beſteht, aber in der Wirklichkeit find es mehr als
die vier, die wir hier ſehen. |
Don der Bedeutung der Gabelſcheibe ift zuerſt zu bemerken, daß fie
aller Wahrſcheinlichkeit nach keine Sonnenſcheibe mit Strahlen ift. Denn auf
der §4 von Aſpeberget ijt die Sonne wie gewöhnlich als Rad dargeſtellt.
Das Rad und die Gabelſcheibe kommen auf verſchiedenen Stellen vor, die
Gabelſcheibe in der oberſten Gruppe, das Sonnenrad in der zweitoberſten.
Unten wo die Zeichen wiederholt ſind, findet ſich die Gabelſcheibe oberhalb
der Gruppe, das Rad unterhalb, wo es wie öfters von einem Ring umgeben
ijt’). Die Gabelſcheibe ift mit einer Frauengeſtalt, das Sonnenrad mit einem
großen und mit einem kleinen Mann verbunden, dem Sonnengott und ſeinem
kleinen Diener, die öfters mit dem Rad verbunden ſind.
Die einfachſte Erklärung ſcheint mir die zu ſein, daß die Rundung ein
Schild ſei, und die Gabel Zweige ſeien, mit denen der Schild gemait werde.
Schilde in Frühlingsaufzügen werden überliefert, fo das römiſche ancile. Srei⸗
lich ſind gemaite Schilde nicht bekannt, allein wir haben ein Entſprechendes
in der Verbindung des Schildes mit der Garbe. Schild mit Garbe ſetzen die
Abingdonmöndge um 870 auf die Themſe, um ihr Recht an einem Wieſen⸗
ſtück zu beweiſen. Scyld Scefing — Schild, Sohn der Garbe, — kommt in
der engliſchen Königsreihe vor. Wenn die Gabelſcheibe mit einer Frau ver-
bunden ift, fo entſpricht dem, daß Gefjon, eine Fruchtbarkeitsgöttin, die
Srau vom König Skjold genannt wird. Der König ift gewiß nur eine Perſoni⸗
fizierung des Schildes, der zum Kult der Göttin gehört.
Kehren wir zu unſerem Urnendeckel zurück. Die Rundung in der Mitte
wird als Schild zu deuten ſein. Es kann keine gültige Einwendung dagegen
fein, daß der Kreis der Rundung gezackt ift. Wenn wir genauer die Figuren
rechts betrachten, ſcheinen ſie geradezu eine primitive Darſtellung einer
Garbe zu fein. Die Garbe wird unten zugeſchnürt fein, um am Schilde be:
feſtigt zu werden. Das Stroh wird als Block in der Rhombe dargeſtellt, oben
ſpreizen fih die Halme, die Abren find fortgelaſſen. Dieſe Garben, die mit der
Rundung verbunden find, entſprechen der Garbe auf dem Schilde der Abingdon:
monde und dem Scyld Scefing der engliſchen Rönigsreihe, während die
Gabeln der bohuslänſchen §3 Maien darſtellen, die mit Schilden zuſammen
ſonſt nicht bekannt find, allein durch dieſe Analogie vorausgeſetzt werden.
Auf der linken Seite des Schildes finden fidh ſtatt Garben zwei trapez:
artige Figuren. Wir dürfen annehmen, daß es Elemente ſind, die dem⸗
jelben Vorſtellungskreiſe oder Kultkreiſe angehören, müſſen aber beachten,
) Das Rad fehlt bei Balzer, findet fih aber auf der richtigeren Abbildung bei
Almgren, die im Mannus VI, S. 78 wiedergegeben worden iſt.
0
3] Der Urnendedel von Merſin Kr. Köslin. 225
daß unfere Zeichnung nur die Kurzform darſtellt, jo daß es wahrſcheinlich
iſt, daß ſie in größerer Anzahl vorkommen und der Schild damit rundum
beſetzt ſein wird. Und in der Tat kennen wir aus Erdfunden Schilde mit
ſolchen Anhängſeln. Von Wies in Steiermark kennen wir zwei ODotivſchilde,
die mit kleinen trapezartigen Unhängſeln garniert find, fie find bei Much
RKunſthiſtoriſcher Atlas Tafel XIII Nr. 2 und 3 abgebildet. Dies ift die Doll-
form des Gegenſtandes, während wir hier nur die Kurzform vor uns haben.
Das Vorkommen folder Schilde bekräftigt die Annahme, daß wir es hier mit
einer Form von Schildkult zu tun haben, und weiter daß unſere Gabel⸗
ſcheiben auf den $3 von Bohuslän als gemaite Schilde aufzufaſſen find.
Allein was fie bedeuten, dieſe Trapeze, das können wir nicht feſtſtellen. Diel-
leicht ſind ſie Abbildungen von Beilen. Daß das Beil ein Fruchtbarkeits⸗
ſumbol ijt, vermutet G. Wilke (Kultyrbeziehungen S. 165). Der lappiſche
Fruchtbarkeitsgott Waralden Olmay trägt eine Hacke, und die Geſtalt läßt fih
Zug für Zug auf einen Mann der Sz zurückführen, der ſtatt einer Hacke ein Beil
trägt. Auf den $3 von Hvitlyde und von hoghem ſteht ein großer beiltragender
Mann über einem Ehepaar. Allein diefe Deutung ift nur eine Vermutung.
Sicherer wird wohl fein, daß dieſe Symbole mit zum Schildkult gehören.
Die beiden Trapeze tragen Zeichnungen. Auf der unteren ſcheint ein
Mann eine Waffe zu tragen, die Beine ſind undeutlich, der Oberkörper aber
ganz klar. Auf dem Schilde von Wies Nr. 3 find entſprechende Geſtalten
abgebildet, die Übereinſtimmung läßt uns erkennen, daß der Mann auf unferer
Zeichnung behelmt iſt, doch trägt der helm hier keinen Buſch, wie auf dem
Schilde von Wies. Auf dem Schilde von Wies ift der Mann ausgeprägt phalliſch
dargeſtellt. Hier iſt er es vielleicht ebenſo, allein die Jeichnung iſt unten ſo
unklar, daß man es nicht deutlich erkennen kann. Die Bedeutung der Geſtalt
iſt ganz unſicher.
Sehr rätſelhaft ſind die Jeichnungen auf dem anderen Trapez. Da
haben wir eine Leiter mit 8 Sproſſen, die Aukenfeite vom Trapez bildet die
eine Seite der Leiter. Dieſelbe iſt nach beiden Seiten hin verlängert und
ungefähr in der Mitte der Leiter iſt auf beiden Seiten ein Strich parallel
mit der Verlängerung der Außenfeite. Parallel etwa mit den konvergierenden
Seiten des Trapezes gehen innerhalb desſelben zwei Linien, die einen
Winkel bilden. Man kann die Leiter mit den Ceiterſymbolen zuſammen⸗
ſtellen, über die Wilke Mannus VI, 36 handelt, dann bleiben aber alle die
anderen Zeichen vollkommen unerklärlich und der Zuſammenhang der Leiter
mit dem Schildkult iſt unbelegt. Man könnte auch das Ganze als eine Dar⸗
ſtellung eines Schiffes auffaſſen: die zwei Striche außerhalb des Trapezes
als die Steven und den Winkel als das Segel. Allein es ſieht ſehr wenig danach
aus; die Deutung als Leiter iſt ikoniſch entſchieden vorzuziehen, und als
magiſches Jeichen wird die Leiter durch Wilkes Unterſuchung archäologiſch
mit einer Reihe von Beiſpielen belegt. $
15*
2 e gf ege y eit
Urnenfunde der vorrömiſchen Eiſenzeit
bei Warmſen Kr. Stolzenau, Prov. Hannover.
Don Dr. Walther Schulz, halle a. S.
Mit 7 Abbildungen.
Die Sammlung des Kreishauſes zu Minden (Weſtfalen) beſitzt einige
bei Warmſen Kr. Stolzenau, Prov. Hannover (etwa 20 km unw. von
- Minden), ausgegrabene Gefäße. Da die Sundftüde kleinerer Sammlungen
leicht unbeachtet bleiben, fo feien fie bier veröffentlicht.
Die Fundſtelle ift ein flacher, natürlicher Sandhügel von etwa 14% Morgen
Ausdehnung ſüdweſtlich von Warmfen (Abb. 1). Er war vor einigen Jahren
Abb. 1. Lageplan 1: 100000. Abb. 2. 1/10
größtenteils mit Kiefern bewachſen. Die beſchriebenen Leichenbrandurnen
ſtanden etwa 50 cm tief frei im Sande ohne erkennbare Erdaufwürfe und
ſind nicht weit voneinander gefunden worden, Urne Abb. 2 dicht bei Urne
Abb. 5. Es handelt fih aljo um einen Urnenfriedhof!).
1) Im Muſeum Nienburg follen fic) aus dieſem Urnenfriedhof ein einfacher Bronze⸗
ohrring, ein Eiſenring von der Größe eines Singerringes und ein Beigefäß befinden.
2] Urnenfunde der vorrömiſchen Eifenzeit bei Warmſen Kr. Stolzenau uſw. 227
Urne Abb. 2 (Samml. Nr. 9): Rand abgebrochen, doch ein Bruchſtück
erhalten. Höhe 37 cm, Bodendurchmeſſer 12 cm, Bauchdurchmeſſer 50 cm,
Randdurchmeſſer 15 cm. Der nicht abgeſetzte Halsteil geglättet; über den
gerauhten Bauchteil gehen vier ſchmale, flüchtig eingeglättete Streifen hinab.
Sarbe gelblich bis rötlich. Der Inhalt der Urne iſt noch nicht vollſtändig
unterſucht. |
Dazu Scherben einer Schüffel, die als Dedgefäß diente. Sie trug am
Rande eine doppelte Durchlochung. Sarbe grau.
Urne Abb. 3 (Samml. Nr. 10): In Bruchſtücken erhalten. Höhe 20 cm,
Bauchdurchmeſſer 32 cm. Geglättet. Am Ubergange von Schulter zu Hals
Anfaß eines eingelaſſenen Henkels, der wahrſcheinlich zur Schulter verlief.
Die Schulter trägt eine Verzierung aus gegeneinander geſtellten, mit Schräg⸗
ſtrichen ausgefüllten Winkeln. Farbe rotbraun. Dazu Deckſchüſſel. Da die
Urne oberhalb des Leichenbrandes bis zur Höhlung der Schüſſel mit Sand
gefüllt war, iſt die Deckſchüſſel nicht zuſammengedrückt. Bodendurchmeſſer 8 em,
Randdurchmeſſer 29 cm, Höhe 10 cm. Farbe hellrotbraun, gelbbraun, grau.
d
Abb. 3.
Urne Abb. 4 (Samml. Nr. 11): Höhe 23 cm, Bodendurchmeſſer 10 cm,
Bauchdurchmeſſer 30 em, Randdurchmeſſer 27 cm. Dom Rande zur Schulter
läuft ein gefurchter henkel, deffen unterer Anfaß fih verbreitert. Derzierung
nicht ſehr jorgfältig gearbeitet. Don der Schulter herabhängende mit Schräg⸗
ſtrichen ausgefüllte Reihe von Winkeln, die an den Schenkelenden ein Grübchen
tragen. Jwiſchen den Winkeln Kreiſe von Grübchen mit Grübchenmittel⸗
punkt, doch in einem Felde nur ein Grübchen, in einem andern fehlt die
Verzierung. Unterer Abſchluß eine Grübchenreihe. Farbe des geglätteten
Gefäßes fleckig, gelbbraun, rotbraun bis glänzend ſchwarz. Zwilchen dem
Leichenbrand mehrere Stückchen geſchmolzener Bronze.
Dazu Reſte einer Deckſchüſſel.
Urne Abb. 5a (Samml. Nr. 13): Höhe 20 cm, Bodendurchmeſſer 10 cm,
größter Durchmeſſer 25 em, Randdurchmeſſer 22 cm. Bauchteil bis zur Schulter
gerauht. Sarbe fleckig, gelbbraun, rotbraun bis grau. In der Urne über dem
Leichenbrande ein Stückchen geſchmolzener Bronze und ein Beigefak.
Das Beigefäß Abb. 5 b (Samml. Nr. 13): Höhe 10 cm, Bodendurch⸗
meſſer 514 cm, Bauchdurchmeſſer 12 cm, an 10 cm. An der
e
228 . Walther Schulz. (3
Schulter viermal wiederholt je zwei längliche ſenkrecht geſtellte Wülſte. Etwa
in der Mitte der Bodenunterſeite kleines Grübchen, vielleicht zufällig. Ge⸗
glättet. Sarbe fleckig gelbbraun bis ſchwarz. |
Zu der Urne Refte einer Deckſchüſſel, außen graubraun, innen grau.
Bruchſtück von der Schulter einer Urne Abb. 6 a (Samml. Nr. 12): Form
der Urne etwa wie Abb. 3. Die Schulter trägt Verzierung von ſtehenden mit
Schrägſtrichen ausgefüllten Dreiecken. Farbe graubraun.
Bruchſtück von der Schulter einer Urne Abb. 6b (Samml. Nr. 14):
Verzierung ſtehende mit Schrägftrichen ausgefüllte Winkel. Im Scheitel
Grübchen. Neben dem einen Winkel Grübchenkreis mit Grübchenmittelpunkt.
Oben elbſchluß durch Querlinien. Farbe rotbraun.
Zeitbeſtimmung. Auf die Gefäße von Warmſen habe ich in der
Arbeit über „Urnenfriedhöfe und Grabhügel des letzten Jahrtauſends v. Chr.
im nordöſtlichen Weſtfalen“ (Mannus X, 1918, S. 108ff.) verſchiedentlich
Abb. 6.
Abb. 7. tro.
hingewieſen. Es beſtehen beſonders öſtliche Beziehungen, zu braunſchweigi⸗
ſchen Urnenfriedhöfen, mehr als zum nördlichen Hannover.
Zu Gefäßform Abb. 2 vgl. Urnenfriedhof des 6.—5. Jahrh. v. Chr.
(nach Subje) Groß⸗Steinum⸗Beienrode (Braunſchweig) Mannus VIII, 1917,
S. 174, Abb. 134. Eingeglättete Streifen find im nördlichen hannover von
der Stufe Jaſtorf b an beliebt !).
Zu Urnenform Abb. 3 vgl. 3. B. Urnenfriedhof Groß⸗Steinum⸗Beienrode
Graunſchweig), Mannus VIII, 1917, S. 181, Abb. 148 (doch andere Hhenkel⸗
ſtellung); Urnenfriedhof Königslutter (Braunſchweig). des 5. Jahrh. v. Chr.
(nach Fuhſe), Mannus VIII, 1917, S. 189, Abb. 178.
Zu Urnenform Abb. 4 vgl. 3. B. Urnenfriedhof Königslutter (Braun:
ſchweig), Mannus VIII, 1917, S. 188, Abb. 164, ferner S. 186, Abb. 158,
hier wie auch bei der erwähnten Urne von Gr. Steinum-Beienrode Abb. 148,
die Verbreiterung des unteren Henkelanſatzes.
Zu der Grübchenroſette vgl. wieder die Urne von Groß⸗Steinum⸗Beien⸗
— nn — O e m
1) „Die Urnenfriedhöfe in Niederfahfen“ 1911, S. 7.
4] Urnenfunde der vorrömiſchen Eifenzeit bei Warmſen Kr. Stolzenau ujw. 229
rode Abb. 148, die Urne von Königslutter Abb. 164; Urne aus Urnenfriedhof
Stemmer, Kr. Minden (Weſtfalen), Mannus X, 1918, S. 110, Abb. 7 aus
der beginnenden Eiſenzeit. Dieſe Verzierung ſtammt offenbar aus dem
oſtdeutſchen (illyriihen) Kreife. Pic, der in „die Urnengräber Böhmens“
eine größere Anzahl Gefäße der beginnenden Eiſenzeit mit dieſem Muſter
abbildet, leitet das Roſettenornament weiter ab aus dem hallſtättiſchen
Kulturfreife der Oſtalpen und Ungarns (Sp. 72 u. 96). |
Zu der Derzierung gegeneinandergeftellter mit Schrägſtrichen ausge-
füllter Dreiecke (wie bei Urne Abb. 3) vgl. Urnenfriedhof von Rönigslutter,
Mannus VIII, 1917, S. 190, Abb. 184.
Zu der doppelten Durchlochung des Schüſſelrandes vgl. gleichartig
durchlochte Schüſſeln von Grok-Steinum-Beienrode (Mannus VIII, 1917,
S. 175), ferner von Königslutter (Mannus VIII, 1917, z. B. S. 186, Abb. 155).
Zu der Urnenform Abb. 5 vgl. meine Angaben Mannus X, 1918, S. 110;
ferner noch 3. B. Urnenfriedhof der beginnenden Eiſenzeit Jwintſchöna,
Saalkreis (Prov. Sachſen), Mannus V, 1913, Taf. XXX, Abb. 2 und 3.
Nach allem gehören alſo die Urnen von Warmſen in der Mindener
Sammlung der beginnenden Eiſenzeit, rund um 500 v. Chr. (etwa 6.—5. Jahrh.
v. Chr.) an. Da die Urnen nahe beieinander ſtanden und anzunehmen iſt,
daß der Hügel mehr Urnen birgt, ſo kann man noch nicht ſagen, daß der ganze
Urnenfriedhof dieſer Zeit entſtammt. Der ausgegrabene Teil ift alfo gleichzeitig
mit dem jüngeren Teile der Urnenfriedhöfe von Stemmer und Nordhemmen
Kr. Minden (vgl. Mannus X, 1918, S. 110) und mit den älteren der Hügel-
gräber bei Nienburg (Hannover), um benachbarte Fundorte anzuführen.
Sämtliche vier enthalten Urnen beſaßen Deckſchüſſeln. Auch die Funde
aus den früheiſenzeitlichen hügelgräbern der Cokkumer heide Kr. Minden
(Mannus X, S. 113) ſprechen dafür, daß das Bedecken der Leichenbrand⸗
urnen mit Schüſſeln damals Brauch war. Sie ſind mir dagegen nicht bekannt
bei dem bronzezeitlichen Friedhofe von Wittenhuſen Kr. Minden (Mannus X,
S. 108), auch nicht bei ſicher bronzezeitlichen Urnen von Stemmer Kr. Minden
oder den neuerdings gefundenen bronzezeitlichen Urnen von einem Urnen⸗
friedhof von Schledebrüd bei Gütersloh Kr. Wiedenbrück (Muſ. Bielefeld),
alſo einem recht ſüdlich gelegenen Urnenfriedhofe der nordweſtfäliſchen
Gruppe. Es ſoll damit aber nicht geſagt ſein, daß hier Deckgefäße am Aus⸗
gange der Bronzezeit noch gänzlich fehlen.
* *
*
Als Nachtrag zu S. 113 meiner Arbeit in der Roſſinna⸗Feſtſchrift,
Mannus X, 1918, fei bemerft, dak während des Krieges gehobene Sunde aus
den hügelgräbern der Coffumer Heide (Kr. Minden) in der Kreisjammlung
230 Walther Schulz. (5
zu Minden — nämlich Beigefäße mit abgeſetztem Fuße, wie „Urnenfriedhöfe“
Abb. 4 und 5 (aus Hügelgräbern bei Nienburg), Urne Abb. 7, die nach Form
und Verzierung Urne Abb. 3 verwandt iſt, Bruchſtücke von Bronzeohrringen
mit herzförmigem Blatt, dazu Bruchſtück einer Glasperle, Bruchſtücke einer
Latenefibel von Eiſen (genauere Form unſicher), — erweiſen, daß dieſe
Hügelgräber aus der beginnenden Eiſenzeit und der Latenezeit ſtammen.
Es ſei auch noch darauf aufmerkſam gemacht, daß das Mannus X,
S. 109, Abb. 2 wiedergegebene Bronzeraſiermeſſer von Wittenhuſen
(Kr. Minden) eine Verzierung am Rücken, wie es nach der e ſcheinen
könnte, nicht beſitzt.
Grabfund der Latene⸗Seit im Mufeum zu
Mayen (Rhld.). |
Don Peter hörter.
mit 10 Abbildungen.
An derſelben vorrömiſchen Straße, Neuwieder-Beden—Mayen—Kel-
berg— Lüttich, an welcher der Mayener Geſchichts⸗ und Altertumsverein in
den Jahren 1910 bis 1913 bei Gering-Kehrig das Gräberfeld der älteren
Hallſtattzeit aufdeckte !), liegen dort, wo diefe Straße den. Mayener Stadt-
wald erreicht, mehrere Gruppen Hügelgräber der älteren Caténezeit, die vom
‚Derein im Jahre 1907 unterſucht, aber bisher nicht veröffentlicht wurden.
Zwei hügel liegen etwa 2½ km von Mayen im Diſtr. Stodtal in der
Nähe der Stelle, wo die alte Straße die Straße Mauen- Monreal ſchneidet,
im dichten Fichtenwald.
Der zuerſt unterſuchte Hügel hat einen Durchmeſſer von 16 m und
eine höhe, vom gewachſenen Boden aus gemeſſen, von 1,10 m.
35 em in den gewachſenen Boden eingehauen fand fih ein Schiefer:
plattenbelag von 150 x 120 cm. Auf den Platten lagen auf einer Seite an
drei Stellen Kohlerihäufchen ohne Knochenreſte, ein Eiſenring, ein großer
Nagel und Scherben von einem rot geglätteten Gefäß. Im Hügel zerſtreut
wurden noch einige Scherben von demſelben Gefäß gefunden und ein Stück
von einem Steinbeil. Leider ließ ſich das Gefäß nicht mehr zuſammenſetzen.
Ein zweiter hügel in der Nähe hat einen Durchmeſſer von 15 m
bei einer höhe von 1,30 m.
In der Mitte des Hügels fand fih, auf den gewachſenen Boden auf-
geſetzt, ein bienenkorbähnlicher, 50 cm hoher Hügel aus 10 cm dicken Ton⸗
wänden aufgebaut. Im Innern fanden ſich nur Quarzſtücke und Sand ohne
1) Deröffentliht Mannus B. IV, V, VII.
— 1 ee —
232 Deter Horter. ö D
jede Sfelett- oder Brandſpur. Um den kleinen Hügel lagen Scherben von ver:
ſchiedenen Gefäßen der Latènezeit. Ob es fih hier um ein Grab handelt,
konnte nicht feſtgeſtellt werden.
Eine weitere Gruppe von 12 Hügelgräbern derſelben Zeit liegt etwa
3 km von Mayen und 2 km von dem Dorfe Rürrenberg im Mayener
Stadtwald, Diſtr. Stich-rechts, dicht an der Straße Mauen⸗Kürrenberg.
Einige 100 m links läuft die oben genannte vorrömiſche Straße vorbei. Alle
Hügel wurden in demſelben Jahre geöffnet und die Sunde im bieſigen
EE geborgen.
1. Hügel Stich-rechts.
Der Hügel hat eine höhe von 1,70 m und einen Durchmeſſer von 16 m.
Ziemlich in der Mitte des Hügels, nur ein wenig in den gewachſenen Boden
Abb. 1. hügelgräber Diſtr. Stich rechts. ¼ natürlicher Größe.
eingetieft, ſtand eine 18 em hohe, ſchwarz graphitierte Urne mit einem
Siſchgrätenband um den Bauch (Abb. 1 Nr. 1). Die Urne war mit kleinen
Steinen umſetzt. In der Urne und um ſie herum fanden ſich mit Erde ver⸗
miſchte Holzkohlen, aber keine Knochen. Im Hügel fand fih noch eine größere
Brandſtelle und eine Partie Scherben.
2. Hügel.
Durchmeſſer 10 m, Höhe 1,80 m. Etwa in der Mitte des Hügels auf
den gewachſenen Boden geſtellt fand ſich die Urne (Abb. 1 Nr. 2) mit von
der Schulter abgeſetztem Halſe. Dieſelbe iſt geſchwärzt und hat als Verzierung
um den Bauch ein Band von hängenden ſchraffierten Dreiecken, dazwiſchen
und an der Spitze jedes Dreiecks einen eingeſtochenen Kreis mit Kreuzſtrich.
Dicht neben der Urne lagen nach Süden zu auf einem Brandſpuren zeigenden
Steine ein häufchen verbrannte Menſchenknochen. Das Ganze war mit
pyramidenförmig aufgeſetzten Steinen überwölbt. In einer Tiefe von 70 cm
von oben war der ganze Hiigel mit Brandſpuren durchſetzt.
3] Grabfunde der Laténe-Jeit im Mufeum zu Mayen (Rhld.). 233
3. Hügel.
Durchmeſſer 14,50 m, Höhe 1,80 m. In der Mitte auf dem gewachſenen
Boden fand Déi eine Cage von mit Erde vermiſchten Kohlen. Darüber ſtand
eine ſchöne Sußurne von 16 cm Höhe (Abb. 1 Nr. 3). Als Verzierung laufen
um den Bauch und den unteren Teil des Gefäßes aus kleinen Doppelkreiſen
gebildete wag⸗ und ſenkrechte Reihen und Dreiecke. In der Nähe der Urne
fand fih ein abgebrochenes Rurzſchweit (Abb. 2 Mı. 9), noch 25 cm lang,
Griffangel gebogen, mit Niete, 9 cm lang.
4. Hügel.
Durchmeſſer 12 m, Höhe 0,70 m vom gewachſenen Boden gemeſſen.
In den gewachſenen Selsboden war 2,35 m lang, 0,80 m breit, 0,40 m tief
ein Grab eingehauen, in der Richtung von Südweſt nach Nordoſt mit Steinen
umſetzt. |
Dom Skelett keine Spur mehr vorhanden. Am Züdweſtrande lagen
einige Holzkohlenſtückchen. Nach der Mitte zu an jeder Seite auf einem Stein
ein offener bronzener Armring von 6 em Durchmeſſer. In geringer Tiefe
unter der Oberfläche fanden ſich über den ganzen Hügel römiſche Gefäß⸗
ſcherben.
$
5. Hügel.
Durchmeſſer des hügels 14 m, Höhe 2,20 m. Auch hier fand fidh in
der Mitte des Hügels in der Richtung von Oft nah Weft eine Dertiefung,
2,90 m lang, 0,80 m breit, 0,30 m tief, in den gewachſenen Boden eingehauen
und mit Steinen umftellt, an den Enden in halbrunder Form. Am Oſtende
jtand das Gefäß (Abb. 2 Nr. 4) von nur 10 cm Höhe mit eingeritztem Fiſch⸗
grätenmuſter auf der Schulter. 120 em vom Weſtende lagen beieinander zwei
dünne Bronzearmringe. 50 cm über der Grabſohle fanden fic einige Menſchen⸗
zähne; ſonſt war vom Skelett nichts erhalten.
6. Hügel.
Durchmeſſer 10 m, Höhe 1,10 m vom gewachſenen Boden aus ge:
mellen, Hier fand fih 15 cm tief ein Rechteck von 150 cm Lange und 70 cm
Breite eingehauen, mit Steinen umſtellt und überwölbt in der Richtung von
Südweſt nach Nordoſt. Auf dem Boden der Vertiefung lagen ungefähr in
der Mitte beieinander zwei Bernſteinringe (Abb. 3 a), zwei bronzene offene
Armringe, flach mit Mittelrippe auf der Außenjeite von nur 4½ cm Durch⸗
meſſer, ein geſchloſſener Ring von 6 cm Durchmeſſer und zwei Sibeln (Abb. 3b).
Nach den Maßen der Steinſetzung zu urteilen muß es ein Kindergrab ge-
weſen ſein.
7. Hügel.
Durchmeſſer 11,50 m, Höhe 1,40 m. In der Mitte des Hiigels war eine
Dertiefung von nur 10 em in den gewachſenen Boden eingehauen in einer
234 peter Hörter. |4
Länge von 2,00 m und einer Breite von 0,65 m in der Richtung von Weft
nad) Oft. Auf dem Weftende und noch ein Stüd an der Südjeite fortlaufend
war eine 20 cm hohe Cebmldtdt aufgeſetzt. Am Oſtende ſtand eine 15 cm
hohe Urne (Abb. 2 Nr. 5) von grauer Farbe mit dicken Wänden. Als Der:
zierung laufen um den Bauch zwei Reihen eingeſtochener Punkte, dazwiſchen
find [drag gegeneinander geftellte Striche eingeritzt.
8. Hügel.
Durchmeſſer 13 m, Höhe 1,50 m. In einer Tiefe von 70 em ſtieß man
auf ein ziemlich gut erhaltenes Skelett in der Richtung von Nordweſt nach
Abb. 2. Hügelgrab Diſtr. Stich rechts. ¼ natürlicher Größe. Rurzſchwert !/,.
Südoſt, wahrſcheinlich eine ſpäte Nachbeſtattung. Außer einem Stückchen
Eiſen und einigen hart gebackenen unbeſtimmbaren Tonſcherben fanden ſich
keine Beigaben. Das urſprüngliche Grab fand ſich erſt in einer Tiefe von
1,50 cm und war hier 50 cm in den Felſen muldenförmig eingehauen. Als
Beigabe fand ſich eine 18 em hohe ſchwarzbraune Urne (Abb. 2 Nr. 6) ohne
Verzierung. Ridtung der eingegrabenen Mulde Südweſt-Mordoſt. Aud
hier war vom Skelett nichts mehr erhalten. Dieſer Hügel beſtand ausnahms—
weiſe aus mit Selsftiiden vermiſchter Erde, die anderen aus feiner lockereren
Erde. |
NA
—
5] Grabfunde der Catène⸗Jeit im Mufeum zu Mayen (Rhld.). 235
9. Hügel.
Unter einem Hügel von 11 m Durchmeſſer und 1,25 m Höhe war auch
bier ein Grab 20 cm tief in einer Länge von 2,40 m und einer Breite von
0,80 m in den Felſen eingehauen in der Richtung von Nordweſt⸗Südoſt. Am
Nordweſtende ſtand ein 17 cm hoher, roh gearbeiteter Topf (Abb. 2 Nr. 7)
mit dicken, mit Quarzſtückchen vermiſchten Wänden. Nach der Mitte zu
lag auf jeder Seite ein dünner Armring aus Bronzedraht von 6% cm
Durchmeſſer. | |
Abb. 3. Bronzering etwas weniger als die hälfte natürlicher Größe. Sibel und Bernſtein⸗
ringe */, natürlicher Größe. Diſtr. Stich rechts.
10. Hügel.
Kleiner niederer Hügel von nur 8 m Durchmeſſer und 0,80 m Höhe.
Das eigentliche Grab war 20 em in den Felſen eingehauen in der Richtung
von Nordweſt nach Südoſt in einer Lange von 2,40 m und einer Breite von
0,70 m. Dom Nordweſtende aus 60 cm lag ein ganz ſchwach gerippter,
maſſiver Bronzehalsring mit Unſchwellung an einer Seite (Abb. 3c). Bei
dem Halsring lagen feds kleine Bronzeringelchen von nur 2 em Durchmeſſer;
50 cm vom Halsring nach der Mitte zu lag auf jeder Seite ein flacher Arm-
ring von 6 cm Durchmeſſer und ein Eiſennagel.
236 Deier Horter. [6
11. Hügel.
| So ziemlich in der Mitte des hügels, der einen Duichmeljer von 12 m
bei einer höhe von 1,20 m hatte, lag auf dem gewachſenen Boden ein häufchen
verbrannter Knochen mit Steinen umjeßt und überwölbt ohne fonjtige
Beigaben.
12. Hügel.
Kleinſter Hügel von 6 m Durchmeſſer und 0,60 m Höhe. Unter einer
Steinpadung war in den Boden ein Grab von 1,75 m Lange, 0,70 m Breite
20 cm tief eingehauen in der Richtung von Nordweſt nach Südoſt. 80 cm
von der Nordweſtſeite lag ein Bronzering von 6 cm Durchmeſſer. Am Süd-
oſtende ſtand ein roh gearbeiteter Becher mit ſcharf vom Bauch abgeſetztem
Dalle (Abb. 2 Nr. 8).
hügelgräber Diſtr. Ciebroth.
Wenn wir auf der Straße Mayen—Kürrenberg— Kelberg weiter gehen,
beginnt dort, wo auf der rechten Seite ber Weg nad Kürrenberg abgeht,
der Dutt, Liebroth, zum Mayener Hinterwald gehörig. So ziemlich in der
Mitte des Diſtr. liegen im Buchenwalde zwei große Hügel.
1.1500
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Strasse von Mayen nach Melberg ——
Abb. 4.
Der erſte Hügel hat etwa 18 m Durchmeſſer bei einer höhe von nur
1,30 m. In einer Tiefe von 50 cm ſtieß man auf eine etwa 10 cm ſtarke,
ſich faſt über den ganzen Hügel erſtreckende Brandſchicht. Hier fanden ſich
einige Bronzenagelköpfe und ein kleines Kügelchen. Auf der Sohle des Hügels
war eine Mulde von 25 cm Tiefe in den Boden eingehauen. Hier ſtanden
nebeneinander zwei ſchwarzbraune Urnen (Abb. 5). Die Urne mit kantigem
Bauch enthielt die Leichenbrandreſte. Neben dieſer ſtanden aufrecht zwei
Steine. In der auf der Abb. 5 links wiedergegebenen Urne fanden fidh einige
————ʒ—˖Aä·é.—
— geen, an,
7] Grabfunde der Caténe-Jeit im Mufeum zu Mayen (Rhld.). 237
haſelnüſſe. Die auf dem Halje der Urnen als Verzierung angebrachten
hängenden Dreiecke mit Rautenmuſter find tief eingeſtochen; Höhe der Urne
24 und 25 cm.
Der zweite Hügel liegt in der Nähe nach Often zu und hat einen
ungefähren Durchmeſſer von 26 m bei einer Höhe von 2,50 m. Die Ober-
fläche ijt vielfach durchwühlt und es hat den Anfchein als wären früher ſchon
hier Schatzgräber bei der Arbeit geweſen. Obſchon nach zwei Richtungen ein
4 m breiter Graben durch den Hügel gegraben wurde, fanden fih nur zer⸗
ſtreute Brand⸗ und Knochemefte und eine eiſerne Pfeilſpitze.
——ä—a— — ——— — —
Abb. 5. Hügelgrab Diſtr. Ciebroth. ¼ natürlicher Größe.
hügelgrab im Mannebacher Gemeindewald.
. Mit der Provinzialſtraße Mayen—Kelberg— Lüttich läuft die vorröm:-
ſche ſtellenweiſe in der Nähe parallel, teils auf demſelben Bett, teils ſchneidet
die alte Straße Schleifen der neuen ab. Wenn wir nun von Nirenberg auf
der Provinzialſtraße weiter wandern, haben wir zu beiden Seiten Hügel-
gräbergruppen der Hallitatt-, Catene⸗ und römiſchen Zeit. Verſchiedene davon
wurden ſchon vom Derein aufgedeckt und die Sunde wurden ins Mayener
Muſeum gebracht. Von den Hügeln der Hhallſtatt⸗ und römiſchen Zeit will
ich jetzt nicht ſchreiben, ſondern nur einen Grabfund der Latenezeit er-
wähnen, der zwar nicht vom Verein gehoben wurde, aber von einem Wald⸗
arbeiter, der ſchon ¿fter beim Aufdeden eines hügels behilflich geweſen war.
Don Kürrenberg an derſelben Straße 13 km weiter liegt der Ort Boos.
2 km hinter Boos lagen auf der rechten Seite der Straße im Selde zwei jetzt
eingeebnete Hügel der mittleren Hallſtattzeit. Die Beigaben des einen be-
finden ſich im Mayener Muſeum.
Etwas weiter links beginnt der Mannebacher Gemeindewald. Hier
liegen mehrere Gruppen von Hiigelgrabern der drei genannten Perioden.
238 Peter Hörter. [8
Bei Wegearbeiten wurde nun ein Hügel
angeſchnitlen. Er war nach den Angaben des
betreffenden Arbeiters 1,30 cm hoch (der
Durchmeſſer wurde nicht gemeſſen). In der
Mitte des hügels war ein Coch von 25 em
Tiefe in den gewachſenen Boden eingegraben.
hier lag eine zerdrückte Urne und gleich da⸗
neben ein häufchen angebrannter Knochen.
klus den uns gebrachten Scherben ließ ſich
das ſchlanke Gefäß, Abb. 6, zuſammenſetzen.
Grabfund von Polch.
Abb. 6. Gü SEH Mannebach Ein Grabfund der mittleren Laténezeit
Etwa ½ natürlicher Größe, wurde uns im Jahre 1912 aus polch überbracht.
Huch dieſer Ort liegt an der öfter genannten
vorrömiſchen Straße von Mayen aus nach dem Rheine zu, 10 km von Mayen.
Der Fund wurde im angebauten Felde gemacht, nach Angabe des Sinders 1 m
tief. Die Sachen hätten in ſchwarzer Erde gelegen; 1 m davon wäre in der:
Abb. 7. Polch. ½ natürlicher Größe.
ſelben Tiefe ein Pferdeſchädel gefunden worden. Der Fund beſteht aus zwei
ſchön profilierten Sußurnen mit gewölbtem Boden, wie Abb. 7, und fünf
Bronzeringen (Abb. 8). Ein Bronzering hat einen Durchmeſſer von 1114 cm
und zwei einen Durchmeſſer von 714 cm; alle drei find aus einem 3 mm ſtarken
2
9] Grabfunde der Catène⸗Jeit im Mufeum zu Mayen (Rhld.). 239
Bronzedraht gefertigt mit Öfen an jedem Ende (Abb. 8 a). Ein vierter
offener Bronzering mit einem Durchmeſſer von 52 mm zeigt leicht einge⸗
Abb. 8. Polch. ½ ͤ natürlicher Größe.
ſchnittene Windungen (Abb. 8 b) und der letzte geſchloſſene Ring hat zwei
ſonderbare Anſätze, wovon der längere wie ein Dogelköpfchen ausſieht
(Abb. 8 c) [wohl unbeſeitigte Gußzapfen? G. K.]
Grabfund aus Kruft.
Unſere beiden zuletzt noch zu beſchreibenden Sunde führen
uns an die römiſche Straße Andernah—Mayen— rier, die,
nach den Sunden zu urteilen, auch Thon auf einer vorrömischen
Straße angelegt wurde.
Das eine Grab wurde ſchon im Jahre 1887 von Herrn
Baurat de Witt gehoben und das daraus aufbewahrte Schwert:
ſtück vor einigen Jahren von dieſem herrn dem hiefigen
Mujeum geſchenkt.
Die Fundſtelle liegt in der Nähe des Ortes Kruft, von 2
Mayen halbwegs nach Undernach. In einer Tiefe von 30—40cm . Abb. 9.
ſtieß man auf eine Cuffiteinplatte. Nach dem Aufheben der “ Keuft. Or
Platte zeigte ſich in die Britzſchicht (ſandigen Tuff) eine Der-
tiefung von etwa 35 cm cingehauen. hier lagen Reſte einer Urne mit
Knochen und Ajde und der untere Teil eines Schwertes von noch 21 em
Manus, Bd. X. Ñ. 5 u. 4. 16
240° Deter Hörter. | [10
Lange. Das Schwertende ftedt in einer Eiſenſcheide, deren äußere Seite
ganz mit Bronzeblech belegt ijt (Abb. 9). Es gehört in die frühe Laténe-
zeit (4. Jahrhuͤndert).
Hügelgrab bei Kaiſerseſch.
An derſelben Straße nach Trier zu bei Kaiſerseſch im Gemeindewalde
des Dorfes Eulchem liegen viele hügelgräber, welche zum Teil ſchon durd-
wühlt find. Nach Angabe des früheren Kaifersefcher Lehrers Zender follen
die meiſten aus der Steinzeit ſtammen. Einzelne Steinwaffen aus dieſen
Hügeln follen ins Bonner Provinzialmuſeum gekommen fein. Geſehen habe
ich nichts davon. Nur ein Hügel wurde
im Jahre 1906 vom Mauener Alter⸗
tumsverein aufgedeckt. Die dort ge⸗
fundenen Waffen gehören der Catene⸗
zeit an und werden im Vereinsmuſeum
aufbewahrt. Es iſt ein großer, oben
flacher Hügel von 1,70 m höhe, deffen
Durchmeſſer, da er ganz allmählich in
den Waldboden übergeht, nicht feft-
geſtellt werden konnte. Anjcheinend
nicht in der Mitte fand ſich auf dem
gewachſenen Boden eine Brandſchicht
mit Quarzſteinen umlegt. Hier lagen
beieinander ein eiſerner Dolch und zwei
Speerſpitzen, rundum verſchiedene Eiſen⸗
bandſtücke, einzelne mit Loch, andere
mit Niete, wahrſcheinlich zu einem
Abb. 10. Aus Hügelgrab Kaiſerseſch. Kaſtenbeſchlag gehörend (Abb. 10).
Etwa ¼ natürlicher Größe. Der zwe,jchneidige Dolch mit
Mittelrippe (Abb. 10a) hat eine Länge
von 26 cm, wovon 15 cm auf die Klinge entfallen. Der in der Mitte etwas
verdickte Griffdorn hat an dem Ende zwei dünne Ausläufer, die zum Heft-
halten des Holzgriffes dienten. Der 13 cm lange Speer (Abb. 10 b) hat
einen dünn zulaufenden Griffdorn, der in einem Holzſtäbchen ſteckt und in
dieſem wieder in einer Eiſenhülſe. Der andere hat eine Länge von 14 cm
mit dem Dorn. Auch an dieſem haften Holzteile. Eine zweite Brandſtelle
zeigte ſich im hügel 2,50 m nach Oſten zu in einer Tiefe von 1 m aber
ohne jede Beigabe.
Mit vorſtehend beſchriebenem Grabinventar aus 18 Gräbern iſt alles
aus der frühen und mittleren Latenezeit im Mayener Muſeum Vorhandene
aufgezählt. Es ſind dort zwar noch die Slachgräberfunde aus Ettringen und
Kottenheim zum Teil, aber diefe gehören allem Unſcheine nach einem rein
11] Grabfunde der Catène⸗Jeit im Mufeum zu Mayen (Rhld.). 241
germaniſchen Dolfsjtamme an und deshalb wird deren veröffentlichung einer
ſpäteren Zeit vorbehalten. 16 Grabfunde wurden in Hügeln, 2 im beaderten
Felde gehoben. Doch diefe werden wohl urſprünglich auch Hügelgräber ge-
melen fein. Zum Teil waren es Brand-, zum Teil Stelettgräber. Wenn auch
in den Hügeln Stich rechts bei Grab 4—5—6—7—8—9—10 und 12 vom
Skelett nichts mehr zu finden war, deuten doch die Grabanlagen und die
Lage der Schmuckſtücke ganz ſicher auf Leichenbeſtattung hin.
Die Hügel beſtehen faſt alle aus ſehr feiner lockerer Erde. Es ſieht aus,
als hätte man Raſenſtücke abgehoben und dieſe über dem Grabe aufeinander
geſchichtet. In einem derartig locker aufgeſetzten hügel war wegen des Luft⸗
durchzuges die Leiche ſchnell der Derwejung ausgeſetzt.
Bei acht Beſtattungen liegt ficher Ceichenbrand vor. Bei dem an zweiter
Stelle beſchriebenen Hügel, Diſtr. Stockthal, läßt fih nicht mit Beſtimmtheit
ſagen, ob Skelettgrab, Brandgrab oder ob überhaupt ein Grab vorliegt. Bei
den drei nicht vom Derein gehobenen Gräbern in Polch, Mannebach und
Kruft ſcheint es ſich ebenfalls um Leichenbrand zu handeln. Es liegen alſo
mehr Brand⸗ als Skelettbeſtattungen vor.
Es iſt auch zu beachten, daß wir uns hier ſo ziemlich auf der Grenze
zwiſchen Skelett- und Brandbeſtattung in der jüngeren Eiſenzeit befinden,
denn unterhalb Andernach ſind aus dieſer Zeit keine Skelettgräber mehr be⸗
kannt, während im nahen Neuwieder Becken und noch weiter den Rhein
hinauf in der älteren Latenezeit faſt nur Stelettgräber vorkommen !).
Ebenſo ſteht es mit der Keramik. Junächſt fällt auf, daß die vom Neu-
wieder Becken aus beiderſeits des Rheines aufwärts bis zum Neckar und auch
im Treverergebiet fo häufig vorkommenden Slajchenumen bisher hier ganz
fehlen, obſchon fidh bei den anderen hier gefundenen Gefäßen Seitenjtüde
in Form und Derzierungsweije mehrfach finden. Aud) gleichen unſere beiden
Urnen der mittleren Latenezeit aus Polch (Abb. 7) einer ſolchen aus Aaregg?) .
(Schweiz) ſo ſehr, daß man glauben könnte, alle drei ſeien von einer hand
verfertigt worden.
Es ſcheint mir, daß die Gefäßformen des Trierer und Birkenfelder
Gebietes den unſerigen mehr gleichen als die Gefäßformen aus dem Neu-
wieder Becken und weiter den Rhein aufwärts. Dergleiche beſonders die
Fußurnen bei hettner, Führer durch das Prov.⸗Muſeum zu Crier S. 124,
Nr. 11 und 13 und S. 128, Nr. 4 und 6 mit unſerer Abb. 1, Nr. 3. Aber auch
am Niederrhein kommen in den Hiigelgraberfeldern der Späthallſtattzeit im
Sieg-Wuppergebiet Graburnen vor, die ſowohl in Form wie in der Der-
1 mit den un gefundenen viele Ahnlichkeit haben?).
1) Dal. Günther: Mannus Bd. III, S. 26 ff. und Bonner Jahrbücher Heft 119.
5 Prähiſt. Zeitidr. Bd. VI, S. 237, Abb. 3.
3) Rademacher: Mannus Bod. IV, Caf. XXIV und XXV,
16*
242 peter Horter. Grabfunde der Caténe-Jeit im Muſeum zu Mayen (Rhld.). [12
l Wir haben es alfo hier, nad) den Brand- und Sfelettgrabern und aud)
nach der Keramif zu urteilen, mit einer Miſchkultur zu tun. Waffen kommen
nur dreimal als Grabbeigaben vor. Ebenſo fehlen die ſonſt ſo häufigen
Schalen gänzlich. |
Zum Schluß will ich noch mitteilen, wie fih in der Umgebung von
Mayen nach den bisherigen Ausgrabungsergebniffen die Skelett⸗ und Brand-
gräber verteilen. ` |
Ältere und mittlere Hallſtattzeit haben nur Brand⸗, jüngere hallſtattzeit
hat nur Skelettgräber; ältere Catenezeit Brand- und Skelettgräber zuſammen.
Das eine Grab der mittleren Latenezeit aus Polch war anſcheinend Brand-
grab. Spätlatenezeit oder germaniſche Zeit und römiſche Zeit bis ins 4. Jahr:
hundert zeigen nur Brandgräber, letztere mehrmals durch Münzen Konitan-
tins I. beſtimmt. Don da an, und durch die ganze Frankenzeit herrſchen
nur mehr Skelettgräber.
. Ill. Bücherbeſprechungen.
*
Koſſinna, Geheimrat Profeſſor Dr. Guſtaf, Altgermaniſche Kulturhöhe, ein Kriegsvortrag.
Die Nornen, 2. Heft, Januar 1918. Sonderabdrud. Preis 1 Mk.
Ein echter Kriegsvortrag, noch mitten aus dem Kampf der Geiſter in freudigem
Einſetzen für unſer Volkstum und ſchlagfertiger Abwehr feindlicher Angriffe geboren, und
wenn auch nach dem jähen Umſchwung jetzt wohl hier und da überholt, ſo doch in ſeinen
Tatſachen und wiſſenſchaftlichen Schlußfolgerungen von bleibendem Wert.
Der Ingrimm über die ſchon vor dem Weltkriege einſetzenden Derleumdungen der
Deutſchen ſeitens unſerer Feinde hat den Derfaffer veranlaßt, einmal von feinem Beruf
aus kräftig darzulegen, wie es denn eigentlich mit dem Vorwurf unſerer Barbarei und
Kulturfeindſchaft in Wirklichkeit beſtellt ift, wenn man ohne politiſche Doreingenommenheit
die Jeugniſſe der Geſchichte und Altertumskunde befragt. Juerſt wird ſcharf gegen die
Behauptung Salandras Stellung genommen, daß Deutſchland gegenüber Italien um
zweitauſend Jahre kulturrückſtändig fei. Das mußte den temperamentvollen Derfaſſer der
Deutſchen Vorgeſchichte natürlich in harniſch bringen und zu dem leichten Nachweis an-
feuern, daß die mittelländiſche Rolle Süd- und Mittelitaliens mit den Merkmalen eines
unruhigen herdenvolkes jo wenig wie die ruhigere, aber wenig unternehmungsluftige
alpine Rolle Norditaliens dem Lande eigenen Rulturfortſchritt gebracht hat. Italien ift
in der Steinzeit erſtaunlich armſelig, verglichen mit den vielgeſtaltigen Derhältniſſen Mittel-
europas, von wo in der Bronzezeit erft indogermaniſche Stämme durch Tirol und über
den Iſonzo nach Italien zogen und das Land an der höheren mitteleuropäiſchen Kultur
teilnehmen ließen. In nordiſcher Kernkraft übertrafen diefe Einwanderer mit ſtreng
bäuerlicher Jiviliſation bald das etruskiſche Städtevolk und bildeten das römiſche Welt⸗
reich, aber ſchließlich verbrauchte fih die dünne herrenſchicht und die Führung gelangte
wieder an die lange niedergehaltene Urraſſe. Noch zweimal iſt indeſſen von Norden her
neuer Juſtrom kulturſchöpferiſch für Italien geworden, einmal durch Goten und Lango-
barden in der Dölkerwanderung, dann nach deren Einſchmelzung in die ſtädtiſche Kultur
Italiens durch die von derſelben Oberſchicht bauptſächlich heraufgeführte Renailjance.
Seitdem hat das unzuträgliche Klima, der große Derbroud im Kriege und das Aufhören
der deutſchen Römerzüge den Juſtrom nordiſchen Blutes aufhören und in Italien einen
Rückgang kulturſchöpferiſcher Ceiſtungen eintreten laſſen. Selbſt der patriotiſche römiſche
Anthropologe Sergi muß die Überlegenheit Norditaliens zugeben und führt fie u. a. auf
die lange Herrſchaft Oſterreichs daſelbſt zurück.
Freilich hat bei uns ſelbſt bis in die jüngſte Zeit das Vorurteil geherrſcht, unſere
vergangenheit ſei kulturloſe Wildheit geweſen, da doch das ſog. finſtere Mittelalter das
farbenfrohe Ritterleben, die blühende Städteentwicklung, die von germaniſchen Altfranten
in Nordfrankreich ausgehende Kunjt der Gotik aufzuweiſen hat. „Gotiſch“ hat man aber
244 _ | | Bücherbeſprechungen.
ebenſo leichtfertig für barbariſch erklärt, wie man die „Wandalen“ fälſchlich zu rohen
Plünderern geſtempelt hat, und beſonders gefallen fih die Romanen darin, die ſtaaten⸗
bildenden, kulturfördernden Germanen als „Barbaren“ zu brandmarken.
l Darum wird im Hauptteil des Dortrages mit wohltuender Wärme, die aus auf-
richtiger Sreude an den prächtigen Altertiimern unferer Dorzeit auflodert, die Höhe der
deutichen Kultur von der Völkerwanderung bis in die früheren Perioden zurückverfolgt,
wobei der Eindruck des ſchweren Rüftzeuges der Wiſſenſchaft vermieden und doch das
Gefühl erweckt wird, daß man ſich Überall auf dem ſicheren Boden der Endergebniſſe be⸗
findet, die nur aus umfaſſenden Forſchungen gewonnen werden konnten. Mündet der
Runſtſtil der Dölkerwanderung auf flandriſch⸗-niederfränkiſchem Boden im 13. Jahrhundert
in die Gotik aus, ſo fußt dieſe doch auf dem fälſchlich romaniſch genannten Stil des 10. bis
12. Jahrhunderts, der wiederum eng mit der lombardiſchen bunt des 8. bis 10. Jahr-
hunderts zuſammenhängt. Nun ift aber der germaniſche Kunftitil der Völkerwanderung
ſelbſt durch die Goten geſchaffen worden, die um 180 n. Chr. von der Weichſelmündung
ans Schwarze Meer gezogen waren und aus der griechiſch-orientaliſchen Miſchkunſt daſelbſt
in Verbindung mit eigenen Motiven einen neuen nationalen Stil bildeten, der ſich dann
durch Südrußland und Ungarn zu allen germaniſchen Stämmen bis Skandinavien und
Spanien in Sonderbildungen verbreitete. Prachtſtücke verdanken wir der gotiſchen Gold⸗
ſchmiedekunſt, die uns die Nibelungenfage erſt verſtändlich macht, mit ihrem Reichtum an
Edelſteinen, feinſter Siligranarbeit und mannigfaltigen Formen. Dieſe Kunſt hat keine Seiten⸗
ſtücke im klaſſiſchen Süden, aber auch die vorhergehende „römiſche“ Periode der deutſchen
Vorgeſchichte zeigt keineswegs, wie früher angenommen wurde, eine ftarfe Beeinfluffung
der angeblichen Barbaren durch die höhere klaſſiſche Kultur. Wir kennen kaum einen Ab⸗
ſchnitt unſerer Vorgeſchichte aus antiken Schriftquellen und eigenen Bodenfunden beſſer,
aber nirgends tritt die Selbſtändigkeit der Germanen deutlicher hervor als gerade im
Kriegsweſen. Den ſchweren Waffen der Römer entſprechen die Trutzwaffen der Germanen
ungefähr, die Schutzwaffen jedoch nicht, da die Germanen nach Charakter und Kampfes:
weiſe ſie mutig verſchmähten. Im Seeweſen erwieſen ſie ſich den Römern durchaus über⸗
legen. Da ſie ſeit der Steinzeit in der Oſtſee allezeit Seefahrt getrieben, wofür auch die
zahlreichen uralten germaniſchen Bezeichnungen für das Seeweſen ſprechen, brachten ſie
es zu hoher Vollkommenheit, wie ſchon die nordiſchen Felſenzeichnungen und die erhaltenen
unvergleichlichen Sunde des Nydambootes und der Wikingerſchiffe, inſonderheit des
Oſebergſchiffes, durch den Augenſchein beweiſen.
So könnte man mit Leichtigkeit auch auf anderen Gebieten die Selbſtändigkeit der
Germanen in jener Jeit nachweiſen, doch ſcheint beſonders wichtig, wie das antike Rom
im Vergleich zum modernen Italien und den heutigen welſchen Völkern über unſere Dor-
fahren geurteilt hat. Gewiß waren die Germanen die gefährlichſten und gefürchtetſten
Feinde Roms, aber gerade darum beſchäftigte fih die öffentliche Meinung nun auch am
eingehendſten mit ihnen, und mit herzlicher Freude und vaterländiſchem Stolz dürfen wir
Nachkommen feſtſtellen, daß fih überall nur hohe Achtung, ja Bewunderung ausſpricht.
Tacitus hat in der Citeratur nicht etwa als vereinzelter Schwärmer die Germanen günſtig
beurteilt, ſondern er vertritt die herrſchende Meinung der höchſten politiſchen Kreiſe.
Und erft recht ſpielen die Germanendarſtellungen in der griechiſch-römiſchen Runſt eine
durchaus edle, vornehme Rolle. Sowohl der Kopf des Baſterners im Brüſſeler Muſeum
wie die bekannte fog. Thusnelda in Florenz, die Koſſinna für eine Bafternia halten möchte,
die Darſtellungen auf den Zinnen des Triumphbaues von Adamkliſſi in der Dobrutſcha,
für deffen möglichſte Schonung im letzten Kriege fih der Derfaffer beim“ Seldmarſchall
Mackenſen mit Erfolg bemüht hat, endlich die Darſtellungen auf der Trajansſäule und der
Gemma Auguftea zeigen nicht nur eine hohe Achtung vor der Schönheit und Würde der
Germanen, ſondern auch eine ganz auffällige Abweichung von der Darſtellung anderer als
Bücherbeſprechungen. 245
niedrigere Barbaren gekennzeichneten Stämme. Die Germanen waren alſo zur Römer:
zeit kein Volk von halbnackten Wilden, ſondern im Gegenſatz zu den unter anderen Zu—
ſtänden lebenden Römern zwar nur ein einfaches Bauernvolk, aber von großer Rörper—
ſchönheit, geordneten ſtaatlichen und hohen ſittlichen Derbaltniffen.
Es iſt beſchämend, daß noch deutſche Forſcher, wie Meitzen, die Germanen um
Chrifti Geburt für Wanderhirten erklären wollten, fo daß fie keine feſten Wohnungen gekannt
und bei dieſer große Strecken Landes fordernden Wirtſchaftsform etwa 200000 Seelen
umfaßt hätten. Beſſer wird den Derhältniſſen, daß ein fo ſchwaches und verſtreutes Dolt
die Römer ſchwerlich hätte beſiegen können, die Annahme gerecht, daß etwa 250 auf die“
Quadratmeile kämen und im ganzen vielleicht drei oder vier Millionen zu errechnen wären.
Seſte Anjiedlungen kannte ferner ſchon die Steinzeit, aus der wir nicht nur größere Burg:
und Feſtungsanlagen, fondem ganze Dörfer mit viereckigen und ovalen Bauten in Sach-
werk und Pfoſtenhäuſern kennen, z. B. bei heilbronn. Ganz falſch ift weiter die Anſicht,
daß nach antiken Schriftſtellern die Germanen ert durch die Römer den Aderbau über-
kommen hätten, infonderheit den Anbau der Gerſte, um möglichſt viel Bier zu brauen
und fih möglichſt oft zu berauſchen. Ein Jechervolk kann aber auf die Dauer kein Helden:
volk ſein, und weil es eben in Wirklichkeit anders war, haben die mannhaften Germanen
das Römerreich erobert und die eingangs erwähnten Blüten des Kunjtlebens getrieben;
zudem kann vieljeitiger Getreidebau, darunter auch der der Gerſte, bereits beim Übergang
zur jüngeren Steinzeit durch die Funde nachgewieſen werden. Und wenn früher der
Grundſatz galt, nach der Formel ex oriente lux müßte jeder Fortſchritt, aljo auch der Gee
treidebau aus dem Morgenlande zu uns gekommen fein, fo wird am Beiſpiel der hirſe
das Gegenteil erwieſen. Seit der Steinzeit kennen wir die deutſche Riſpenhirſe und die
italieniſche Kolbenhirſe, und wenn letztere wohl aus dem Mittelmeergebiet ſtammt, fo ijt
es noch nicht gelungen, für jene das Urſprungsland nachzuweiſen, ſchwerlich aber dürfte
es Rußland ſein, denn nach Polen und der Ukraine gingen wohl von den ſteinzeitlichen
Indogermanen drei Züge aus, die übrigen Gebiete aber waren in der Steinzeit von einer
dürftigen Jäger- und Fiſcherbevölkerung bewohnt, die dem Weſten keine Aderbaupflanze
übermitteln konnte.
Auch die Sprachwiſſenſchaft lehrt, daß die Namen der Getreidearten bei den Ger-
manen utaltes Sprachgut ſind und auch deshalb nicht von den Römern erſt mit der Sache
überliefert fein können, vielmehr waren Hafer und Roggen bereits ſeit der Bronzezeit in
Mitteleuropa bekannt, während die Römer ſie erſt ſpäter von dort entlehnten, gerade wie
den Räderpflug. Selbit in der Gbſtzucht foll nach allgemeiner Annahme alles edle und
zahme Obſt den Römern zu verdanken ſein, in Wirklichkeit aber kannten die Germanen
außer wilden Kirfchen, Birnen, Pflaumen, Nüffen und Beerenobſt ſchon in der Steinzeit
kleinere und größere Apfel, Edelobſt dagegen iſt erſt ſeit dem 5. Jahrhundert nach Chr.
gepflanzt worden, allgemeiner erft durch die Jiſterzienſerklöſter. Auch die Viehzucht mit
dem Zwed der Gewinnung von Milch, Fleiſch, Wolle und häuten ift eine Errungenſchaft
bereits der jüngeren Steinzeit, die aus den einheimiſchen Wildraſſen ſchon Schaf, Ziege,
Schwein und Rind zu züchten verſtand, ja ſogar das Pferd ſchon als Haustier beſaß, wie
Trenfentnebel aus hirſchgeweih in ſteinzeitlichen Wohnſtätten und ein mit Feuerſteindolch
kunſtgerecht getroffener Pferdeſchädel beweiſen. Dagegen brachten einwandernde Arier
erſt im 18. Jahrhundert vor Chr. das Pferd nach Babylonien und von da nach Ägypten
und in den kretiſch⸗mykeniſchen Kreis.
Schließlich ſind Wolle und Flachs nach Husweis zahlreicher Spinnwirtel und Spulen
ſchon feit der Steinzeit verarbeitet, und die Baumſärge haben uns die abwechslungsvolle
und maleriſche Tracht der Männer und Frauen aus der Bronzezeit wunderbar erhalten.
Die Gefäßkunſt der nordiſchen Steinzeit war jo eigenartig, daß man ihr Ausſtrahlen in die
Donaulandſchaften deutlich verfolgen kann, aber ert nach der Gewinnung von ganz Mittel:
yp åm ep mp e
246 Bücherbeſprechungen.
deutſchland drangen die Nordindogermanen zu Beginn der Bronzezeit in die ſüdlichen
halbinſeln Griechenlands und Italiens ein. Wie kümmerlich die Kultur der Steinzeit dort
geweſen iff, war ſchon zu Anfang erörtert worden.
So alſo ſehen die Kulturbeziehungen der klaſſiſchen Südländer zu den Germanen in
Wirklichkeit aus und man könnte die eben erwähnte Ausdehnung die erſte germaniſche
Völkerwanderung um 2000 vor Chr. nennen, der 400 nach Chr. die andere bekanntere
folgte. Die während des Krieges noch gehegte hoffnung auf eine abermalige Husbreitung
nach Südoſten iſt heute freilich getäuſcht worden, aber die Erkenntnis unſerer ſo lange
und zielſicher behaupteten Machtſtellung darf uns nicht entmutigen, und vielleicht iſt der
erhoffte Zuwachs an Deutſchöſterreich auch nach kulturgeſchichtlicher Seite nicht geringer
anzuſchlagen. . prof. Dr. E. Walter-Stettin.
Emile Mäle, Studien über die deutſche Kunft. herausgegeben mit Entgegnungen ven
Paul Clemen, Kurt Gerftenberg, Alfred Götze, Cornelius Gurlitt, Arthur Hafeloff,
Rudolf Kautzſch, D A. Schmid, Joſef Strzugowski, Geza Supka, Oskar Wulff von Otto
Grautoff. Leipzig 1917. 3 mk.
Der Deutſche iſt in der Wiſſenſchaft die objektive Betrachtungsweiſe gewöhnt, die
der Erkenntnis der Wahrheit dient. Es kommt nicht vor, ſelbſt jetzt nicht im Kriege, daß
einmal jemand unter uns die Wiſſenſchaft zu politiſchen Zwecken mißbraucht, oder daß
die politiſche Geſinnung von Einfluß ijt auf die Ergebniſſe der Forſchung.
Anders im Lager unſerer jetzigen Gegner. Dort hat der Krieg die Gemüter ſonderbar
erhitzt und die Köpfe verwirrt. Von dieſer neuen Krankheit ſind ſogar Vertreter der Wiſſen⸗
ſchaft ergriffen, fo daß ihnen die Objektivität abgeht und die nationaliſtiſche Brille das Licht
der Wahrheit verdunkeln läßt.
Selbjt Emile Male, der kenntnisreiche franzöſiſche Kunſthiſtoriker, der vor dem Kriege
auch in Deutſchland geachtet war, iſt in die Reihen derer getreten, die jetzt mit einem Male
entdecken, was für ein geringwertiges und verabſcheuungswürdiges Weſen der Deutſche
iſt. Er ſucht aus ſeinem Arbeitsfeld heraus den Nachweis zu erbringen, „daß Deutſchland
auf dem Gebiete der bunt nichts erfunden hat“, um damit die nen anderer
zu ergänzen oder zu beſtätigen.
Otto Grautoff verdanken wir die Überſetzung und Wiedergabe dieſer Schrift in den
„Monatsheften für Runſtwiſſenſchaft“. Eine Anzahl deutſcher Gelehrter ift feiner But:
forderung nachgekommen, ſich zu der Schmähſchrift — eine ſolche iſt ſie zwar nicht ihrer
Sorm nach, aber gemäß ihres Inhaltes und Zweckes — zu äußern. Urbeit und Antworten
zuſammen find als Sonderabdrud käuflich und verdienen Beachtung und weitgehende
Verbreitung. Nicht nur in wiſſenſchaftlichen Kreiſen und nicht aus wiſſenſchaftlichem
Intereſſe, ſondern lediglich als Beitrag zur Kenntnis des gegenwärtigen Geiſteszuſtandes
eines wiſſenſchaftlichen Arbeiters jenſeits unſerer Kampffront.
Einen wiſſenſchaftlichen Wert haben die Ausführungen Mäles nicht. Gleich zu
Anfang entſchlüpfen ihm die Sätze: „Nachdem die Söhne das Werk ihrer Dater entebrt
haben, ijt uns alles dort feindlich geworden. Fit es nötig, ja ijt es billig, den Lefer von einer
Runſt zu unterhalten, für die man nicht mehr die innere Sympathie empfindet, die doch
den Anfang jeglichen Derftehens bildet?“ Sehr unvorſichtig ift dieſe Außerung des Fran⸗
zoſen, mit der er geſteht, daß eine ſachliche Betrachtung, zu der doch nun einmal verſtändnis⸗
volle Hingabe gehört, nicht von ihm erwartet werden darf. Und er erklärt damit außerdem,
daß es keinen Zweck hat, ſich mit ihm über die in Rede ſtehenden Dinge auseinanderzuſetzen.
In der Einleitung ſagt Male: „Deutſchland hatte die Anmaßung, fidh für das große
ſchöpferiſche Dolt zu halten; es muß ihm gezeigt werden, daß es fidh irrt“. Das bedeutet
Bücherbeſprechungen. ö 247
mit anderen Worten und im Sinne der darauffolgenden „Beweisführung“: Die deutſche
Wiſſenſchaft iſt darauf ausgegangen, vieles — wenn nicht alles Bedeutſame auf der Welt
vorhandene — als Schöpfung germaniſchen Geiſtes hinzuſtellen, ganz gleich, ob beweisbar,
oder ob dieſes Ziel nur durch Entſtellung der Tatſachen zu erreichen iſt.
Der Neid muß Male laſſen: er führt dieſe Aufgabe mit bewundernswertem Geſchick
durch, fo daß — und darin liegt für uns die Gefahr — der laienhafte Lefer ihm Recht
geben wird. Anders freilich der Fachmann; er jieht ſofort, wie alles für einen einzigen
Zweck zurechtgeſtutzt ift, wie ganze Reihen angeſehener deutſcher Forſcher totgeſchwiegen
und andere, deren Ergebniſſe längſt abgelehnt oder überholt, an den haaren herbeigezogen
werden. i
Hat irgendwo einmal ein Deutjcher irgend eine Erſcheinung der germaniſchen oder
der deutſchen Kunſt als Schöpfung dieſer Völker hingeſtellt und nicht als Entlehnung von
anderswo, ſo wird er von Mäle als Beweis ſeiner Theſe herangezogen. Daß ſoundſoviele
Nichtdeutſche — darunter auch Franzoſen — ebenſo eingetreten find für die Schöpferkraft
der Germanen, wird verſchwiegen, obwohl dieſe Tatſache einem Gelehrten von dem Rufe
Males bekannt fein müßte. Und ebenſo wird Male wohl wiſſen, wie viele deutſche Gelehrte
in ehrlicher Arbeit all' die Einflüſſe zu ergründen ſuchen, die von den verſchiedenſten Seiten
her auf die deutſche Kunft eingewirkt haben. Aber er verſchweigt dieſe Tatſache, weil fie
nicht in den Rahmen ſeiner Darlegung hineinpaßt.
Mit dieſer Methode offenbart uns der Franzoſe die ganze Unehrlichkeit feines Kampfes.
Im Gewande einer wiſſenſchaftlichen Unterſuchung — in der freilich an einigen Stellen
die Sprache nur mühſam den Haß verbergen kann — bietet er dem Ahnungslofen Gift.
Seine Arbeit zerfällt in drei Teile. Der erſte befaßt fih mit der „Kunjt der ger:
maniſchen Dolfer“, worunter diejenige der Döllerwanderungszeit, oder beffer gejagt: der
Merowingerzeit, zu verſtehen ift. Male ſucht darin zu zeigen, daß die Germanen ſowohl
die Prachtſtücke des Kunſthandwerkes, die wir mit ihrer reichen Verarbeitung von Gold
und Halbedelfteinen aus den Schatzfunden und einer Unzahl reich ausgeſtatteter Graber
dieſes Zeitabichnittes kennen, wie auch die gleichaltrigen zahlreichen Zeugnilje des einfacheren
Kunſtgewerbes von verſchiedenen anderen Dölkern entlehnt haben. Außerdem beſpricht
er die Miniaturen der merowingiſchen Manuffripte mit den Tierdaritellungen, die jenen
eigenartigen Sarbenglan3 aufweiſen, der ein Fremdling ift „in der öden merowingiſchen
Welt, in der die Sonne bleich erſcheint“; nach Urt und Technik ſucht er ihre heimat im
Orient. Und endlich befaßt er ſich mit der langobardiſchen Plaſtik Oberitaliens, insbeſondere
den mit Slechtwerkmuſtern verzierten Steinplatten, die in den Kirchen Verwendung fanden
und nach ihm „ausſchließlich orientaliſchen Urſprungs“ find.
Der zweite Teil der Arbeit widmet ſich der romaniſchen Baukunſt, der dritte der
gotiſchen Urchitektur. In beiden herrſcht das gleiche Beſtreben wie im erſten Teil. Auf die
Darſtellung ihres Inhaltes kann in dieſer in einer vorgeſchichtlichen Zeitſchrift erſcheinenden
Beſprechung verzichtet werden.
Zehn deutſche Gelehrte antworten auf dieſe Schmähſchrift; der herausgeber Grautoff
ſpricht ein kurzes Schlußwort. Die Antworten find verſchieden umfangreich und auch ver:
ſchiedenen Inhaltes. Teilweiſe unterſuchen fie die Einzelheiten gar nicht, fon dern befaſſen
ſich lediglich mit der Tendenz der Arbeit; teilweiſe antworten He als Vertreter ihres Saches.
So gaht Supka auf den ganzen erſten Teil der Arbeit ein, Götze auf das Runſtgewerbe der
merowingiſchen Zeit und Wulff auf die langobardiſche Plaftit. Aber auch die letzteren
verzichten von vornherein auf eine Widerlegung des Franzoſen; ſie halten mit Recht die
Möglichkeit einer ſachlichen Auseinanderfegung mit ihm für ausgeſchloſſen, und ſehen
fie auch deshalb für unangebracht an, weil mit einer ſolchen Male zu viel der Ehre bewieſen
würde. Ihre Hauptaufgabe erblicken alle die Antwortenden darin, die Kampfesweiſe des
Franzoſen zu geißeln, feine ganze Unehrlichkeit der Geſinnung, feine Cügenhaftigkeit an
248 ) Bücherbefprechungen.
das Tageslicht zu ziehen, die fih unter dem Deckmantel wiſſenſchaftlicher Arbeitsweile
verbirgt. Und ferner erheben fie Einſpruch gegen die ganz einſeitige Zufpigung der Theſe
bei Male, „daß Deutſchland auf dem Gebiete der Kunft nichts erfunden hat“. Diel wichtiger,
als daß jemand der Welt zu etwas Neuem verhilft, ſo rufen ſie faſt einſtimmig aus, iſt, wie
ſich die verſchiedenen Menſchen zu übernommenen Kulturgütern verhalten. Beſteht doch
ein gewaltiger Unterſchied zwiſchen ſklawiſcher Nachahmung und ſelbſtändiger Weiter⸗
bildung einer Anregung von außerhalb. — .
Geſchichte und Kultur der Merowingerzeit!) in Europa find Grenzgebiete der
Sorſchung. Die vorgeſchichtliche Wiſſenſchaft hört mit ihrer Betrachtung auf — außer im
Norden und Nordweſten; für die Geſchichtsſchreibung und die hiſtoriſchen Hilfswiſſenſchaften
iſt ſie ein Gebiet, in dem die ſchriftlichen Nachrichten noch recht ſpärlich fließen. Die Teilnahme
des Runſthiſtorikers beſchränkt fih weitaus in den meiſten Fällen auf die Arbeiten in Edel:
metall, die verwöhnteren Anſprüchen genügenden Plaſtiken und die Bauwerke. Die breite
Maffe des einfacheren Kunftgewerbes und die Zeugniſſe einer primitiven Plaſtik liegen ihm
im allgemeinen fern; und da erſtere nur einen kleinen Teil des Denkmälervorrates dieſer
Zeit ausmachen und den Anfang einer langen und reichen Entwicklung bedeuten, fo iſt die
bunt der Merowingerzeit auch für ihn ein Grenzgebiet.
Es beſteht immer die Gefahr, daß ſolche Grenzgebiete der Sorſchung vernachläſſigt
werden. Die Urſache ift leicht zu ergründen; man muß fie ſuchen in der Notwendigkeit
für den Bearbeiter, in mehreren Wiſſenſchaften beſchlagen zu ſein. Bei der Bearbeitung
der Kultur der Merowingerzeit reichen fidh die Geſchichte mit ihren hilfswiſſenſchaften,
beſonders der. Religionsgeichichte, Kunſtgeſchichte und Archäologie die hand. Reines
dieſer Gebiete kann ohne Kenntnis der anderen der Bearbeitung unterzogen werden.
An der Erforſchung der Derhaltniffe der Merowingerzeit hat die deutſche Wiſſen⸗
ſchaft bereits eifrig gearbeitet. Aud) die Archäologie iſt dabei nicht müßig geweſen; und
wenn gerade ihre Ergebniſſe in vielem noch lückenhaft erſcheinen, ſo hat das ſeinen Grund
teils in dem Mangel an' brauchbarem Stoff, teils an der Kleinheit des Kreiſes der
deutſchen Dorgeſchichtsforſcher überhaupt:). Die in vorſtehendem genannten Zweige
der Forſchung werden jetzt annähernd den Punkt erreicht haben, von dem aus nach Shaf-
fung der notwendigen Einzelunterlagen die gemeinſame Arbeit zu beginnen hat. Die
Sorſcher müſſen ſich darüber klar fein, wo überall fie Unſchluß zu ſuchen haben und Auf
klärung finden können. .
Die Kenntnis der geſchichtlichen Dorgänge und des geſamten Nachlaſſes jener Zeit
an Denkmälern iſt die Grundlage der Erforſchung. Letztere ſind nach den einzelnen Er⸗
ſcheinungen zu trennen, die zeitlich feſtgelegt und räumlich umſchrieben werden müſſen,
deren Entwicklung verfolgt und deren Entſtehung oder Entlehnung von anderswoher
feſtgeſtellt werden ſoll. Die Aufgaben find hier ganz die gleichen wie in den anderen vor:
geſchichtlichen Zeitabſchnitten; ihre Cöſung ift jedoch weſentlich ſchwieriger. Die Urſache
hiervon iſt zu ſuchen in den Derhältniffen jener Jeit.
Das weſentliche Jiel der vorgeſchichtlichen Forſchung der Gegenwart ift die Jurück⸗
verfolgung der geſchichtlich feſtgeſtellten Völker in die vorgeſchichtliche Jeit hinein. Da
die Altersbejtimmung der Sunde heute auf ſicheren Grundlagen ruht — insbeſondere die
ijt im folgenden vermieden (vgl. E. Brenner, 7. Bericht der Römiſch⸗Germaniſchen Kom:
miſſion 1912, 255).
2) Den Dorwurf von{Str3ygowsti (AltaisItan und; Völkerwanderung 1917, 68), daß
in Deutſchland ein „Stilleben in bezug auf die Völkerwanderungsfunde“ herrſche und die
Sorſcher im „Halbſchlaf“ verharren, muß man als nicht gerechtfertigt und deshalb beſonders
taktlos zurückweiſen.
Bũcherbeſprechungen. 249
relative Chronologie —, fo hat diefe Forſchung ſchon manche ſchöne Ergebniſſe gezeitigt.
Und die Zweifel, die anfangs gegen die Richtigkeit des von ihr zur Anwendung gebrachten
Leitſatzes vorgebracht wurden, nämlich daß die Begriffe Dolf und Rulturkreis fih decken,
verſtummen immer mehr. Dieſe „ethnologiſche Methode“ wird dadurch begünſtigt, daß
innerhalb der von ihr bearbeiteten Jeitabſchnitte Nord- und Mitteleuropas eine im allge-
meinen keinen gewaltſamen äußeren Einflüſſen ausgeſetzte Entwicklung ſtattgefunden hat.
Die Wanderungen der Völker vollzogen fih nur felten ruckweiſe als Stöße, vorwiegend
als langſame Derfchiebungen; gegenſeitige Überlagerungen mit den für die Kulturver-
hältniſſe ſo bedeutſamen Folgeerſcheinungen ſind eine Seltenheit geweſen; infolge der im
großen und ganzen gleichen Kulturhöhe der Völker war das gegenſeitige Geben und Nehmen
recht gering. ,
Ganz anders in dem hier in Rede ſtehenden Jeitabſchnitt, innerhalb deffen die ge-
ſchichtliche Überlieferung über die einzelnen Dölter noch fo ſpärlich ift, daß die archäologiſche
Betrachtung ergänzend hinzutreten muß. Die germaniſchen Völker find in Bewegung
gekommen; ſie durchbrechen die Schranken, die das alte Rom aufrichtete, und ſuchen ſich
neuen Siedelungsraum. Häufig werden binnen kurzer Jeitabſchnitte weite Cänderſtrecken
von ihnen durchmeſſen. Starke Antriebe erhält ihr Wandern durch die Einbrüche aus Often
kommender Steppenvölker, eine neue Nahrung für die Stürme der Zeit.
Wenn auch das alte Rom auf die Dauer nicht in der Cage war, ihnen politiſch zu
widerſtehen, fo hatte es in Anbetracht des Unterſchiedes der Kulturhöhe doch den Germanen
manches zu geben. Eine neue Welt trat letzteren hier entgegen, die nicht ohne Einfluß
bleiben konnte auf ihr inneres und äußeres Leben. Ob dieſer immer günſtig war, iſt eine
Frage für fih; doch kommt er in den politiſchen Vorgängen und dem Kulturnachlaß der
Zeit zum Ausdrud. Der Einfluß auf den letzteren muß um fo deutlicher fein, als die Ger:
manen vielfach eine Herrenſchicht über der Maffe der alteingeſeſſenen Bevölkerung bildeten.
Und zu allen dieſen weltlichen Bewegungen geſellt ſich noch eine geiſtige: der Siegeszug
des Chriſtentums.
Daß die dieſen Zeiten angehörenden Sunde alle diefe Derhältniffe widerſpiegeln,
ijt zu erwarten. Und in der Tat werden wir dereinſt die Wanderungen und die Beein-
fluſſungen, das ſtändige Kommen und Gehen deutlich verfolgen können. Aber eben deshalb,
weil die Merowingerzeit von Stürmen durchweht ift, bedarf es beſonderer Vorſicht des
Sorſchers und einer beſonders breiten archäologiſchen Grundlage. Und gerade die letztere
iſt heute noch ſehr lückenhaft, insbeſondere für ein Gebiet, das zur Cöſung der in Rede
ſtehenden Fragen viel beizutragen haben wird: Südrußland mit der Krim.
Heute ſind die Anſichten gerade über die wichtigſten Punkte noch ſehr geteilt. Die
Herkunft des „germaniſchen Stiles der Völkerwanderungszeit“ ift noch unklar. Die Cöſung
dieſer Frage iſt um ſo wünſchenswerter, als ſich im Caufe der Zeit herausgeſtellt hat, daß
die merowingiſche Ornamentik in Kunſtgewerbe und Architektur als Grundlage der des
romanifchen Stiles anzuſehen ift. Langjam fangen wir auf deutſchem Boden und ander—
warts an, aus den Funden der Merowingerzeit koptiſche, buzantiniſche, ſuriſche und per:
ſiſche Einflüſſe herauszukriſtalliſieren, die teils politiſchen, teils religiöſen Beziehungen,
teils auch handelsverbindungen ihr Daſein verdanken. Die Erkenntnis bricht fih Bahn,
daß die Zeiten politiſcher Ruhe Grundbedingung waren für die Entſtehung der nationalen
Kunſt der Germanenſtämme, während die Wanderungen für deren Ausbreitung ſorgten.
Wir ſtehen in den Anfangen der Zuteilung beſtimmter Schmuck- und Gerätearten zu den
einzelnen Germanenſtämmen. Ebenſo wie wir für die Zeit um 500 v. Chr. einen Dorſtoß
ſtuthiſcher Scharen aus der ſüdruſſiſchen Steppe in weſtlicher Richtung nach Mitteleuropa
hinein bis in die Lauſitz archäologiſch nachweiſen können, werden wir wohl noch in die Cage
kommen, einen archäologiſchen Niederſchlag der geſchichtlich feſtſtehenden Wanderung
der Hunnen von dem germaniſchen Kulturgut zu trennen. Neuerdings wird die Heimat
250 Bücherbeſprechungen.
der eigenartigen Verzierung der in den öſterreichiſch-ungariſchen Donauländern eine ge-
ſchloſſene Fundgruppe bildenden ſogenannten Keßthely-Bronzen in den aſiatiſchen Steppen:
gebieten geſucht, von wo aus nomadiſche Dolfer fie nach Europa gebracht haben follen.
Aud) wird darauf hingewieſen, daß die Zufammenfegung der großen merowingerzeitlichen
Schatzfunde des Südoſtens entſprechend der Lage des Sundortes verſchieden iſt und ſomit
geographiſche Geſichtspunkte berückſichtigt werden müſſen: Die Schatzfunde aus den Mittel⸗
meerländern enthalten faſt nur Stücke helleniſtiſch-chriſtlicher herkunft; diejenigen aus der
ſüdruſſiſchen und der ungariſchen Pepe und deren Nachbargebieten find alle mehr oder
weniger öſtlich gerichtet.
Sind wir heute ſoweit, — zwar erſt am Anfang der Erkenntnis, aber doch auf ſicheren
Grundlagen, — fo verdanken wir das der wohl von Ciebe zum Volkstum getragenen, aber
doch — oder vielmehr beſſer: eben deshalb rein fachlichen deutſchen Forſchung. Die Mit-
arbeit des Auslandes an der Cöſung dieſer Fragen war bisher verhältnismäßig gering.
Wir ſind zu ſehr davon überzeugt, daß nur das Streben nach Wahrheit unſere wiſſenſchaft⸗
lichen Ergebniſſe beſtimmt; wir haben alfo keine Deranlaffung, auf Grund der Anſchuldi⸗
gungen des Franzoſen Mâle mit uns zu Gericht zu gehen. Wenn die franzöſiſchen Forſcher
ſich für berufen anſehen, auch nach Friedensſchluß auf ihrem jetzigen Standpunkt zu ver⸗
harren, für den die Arbeit Males nur ein Beiſpiel iſt, fo iſt das ihre Sache. Die Folgen
dieſes Verfahrens, die in ihrer eigenen Wiſſenſchaft ſehr bald in Erſcheinung treten werden,
haben ſie dann ſich ſelbſt zuzuſchreiben.
Heidelberg, April 1918. Ernſt Wahle.
Friedrich Sprater, Die Urgeſchichte der Pfalz, zugleich Führer durch die vorgeſchichtliche
Abteilung des hiſtoriſchen Muſeums der Pfalz. 80 Seiten mit 95 Abhildungen.
Speier 1915.
Eine Fülle von Stoff auf wenige Seiten Text zuſammengedrängt mit reichem An:
ſchauungs material. So bietet fih die neue Veröffentlichung Spraters dar, welche die vor:
geſchichtliche Entwicklung des Menſchen in der Rheinpfalz von den älteſten Zeiten an bis
zum Auftreten der Römer am Rhein umfaßt. Die Arbeit halt ſich ſtreng an dieſe zeitlichen
und räumlichen Grenzen; nur im Übſchnitt über die ältere Steinzeit greift fie aus nahe-
liegenden Gründen darüber hinaus. Die Gliederung des Stoffes erfolgt nach Jeitabſchnitten;
auf die kurze Kennzeichnung eines jeden ſolchen folgt die Nennung der zugehörigen Sunde.
Nach des Verfaſſers eigenen Worten ijt „das Buch gleichzeitig als Katalog der vor:
geſchichtlichen Abteilung des hiſtoriſchen Mufeums der Pfalz ausgeſtaltet“. Der Fachmann
wird es freudig begrüßen, auf dieſe Weiſe alles in der Sammlung in Speier befindliche
Material zeitlich geordnet zuſammen zu haben. Eine Überſicht über die eiſenzeitlichen
Ringwallanlagen ijt ebenfalls vorhanden, und ein Derzeichnis der Fundorte am Schluß
erleichtert die Benutzung. Wünſchenswert wäre eine Aufjtellung der pfälziſchen Stein-
ſäulen (Menhire) geweſen, von denen nur die ſchönſte genannt und abgebildet wird.
Auch der Laie wird das Buch mit Nutzen verwenden können. Sur ihn füllt es eine
Lücke in der Literatur aus und ift, unterſtützt durch die vielen Abbildungen, eine brauchbare
Einführung. Im Anſchluß an die Einleitung, die einen Einblick in die Geſchichte unſerer
Wiſſenſchaft bietet, ſähe man gerne eine kurze Darlegung der Methoden der vorgeſchicht⸗
lichen Sorſchung, wodurch dem Lefer auch die große Bedeutung der Erkenntnis der Entwicklung
der Geräte, wie 3. B. des Beiles und der Sicherheitsnadel, vor Augen geführt worden wäre.
Leider wird in der Einleitung der Dane Thomſen als Dater des Dreiperiodenſuſtems ange:
ſprochen, während doch nach den Unterſuchungen von Moetefindt und Koffinna es keinem
Zweifel unterliegen kann, daß dem norddeutſchen Forſcher Danneil viel eher dieſer Ruhm
gebührt (Mannus II, 1910, S. 294 ff. und 305 ff.).
Bücherbeſprechungen. i 251
In den Abichnitten über ältere und jüngere Steinzeit gibt Sprater in ganz großen
Zügen ein Bild der natürlichen Derhältniſſe, die der Menſch jeweils vorfand, doch werden
die Kulturrefte dazu nicht in Beziehung gebracht. Der ganz ungleichen Verteilung der Sunde
über die Pfalz wird nur S. 26 bei Nennung der Steinbeil-Einzelfunde gedacht, und auch
da ohne den Derſuch einer urſächlichen Begründung.
Wie Sprater S. 5 ſelbſt jagt, ſtützt er fih in der metallzeitlichen Chronologie ganz
auf die Arbeiten Reinedes, d. h. Bronze⸗, Hallſtatt⸗ und Latenezeit werden in je vier Unter:
abſchnitte gegliedert. Dieſe Einteilung der Latenezeit hat fih allgemein eingebürgert,
und es herrſcht auch unter den Forſchern Übereinſtimmung darüber, wie die Hallſtattzeit
zu gliedern iſt. Nur iſt wiederholt dem widerſprochen worden, daß Reinecke eine beſtimmte
ſüddeutſche Urnenfelderſtufe, die er in den Altertiimern unf. heidn. Dorg. V, Taf. 43—44,
S. 231—247 zur Darſtellung brachte, als „Hallſtatt A“ bezeichnet. Sprater hätte beſſer
getan, diefe noch zur Bronzezeit zu zählen, wie dies neuerdings 3. B. erft wieder von
G. Behrens geſchehen ift (Bronzezeit Süddeutſchlands. Katalog Nr. 6 des Röm.⸗Germ.⸗
Zentral⸗Muſeums, Mainz 1916). Auch die Einteilung der vorangegangenen Bronzezeit
Süddeutſchlands iſt leider bis heute noch nicht ganz klar. Uns fehlt noch immer eine
chronologiſche Darſtellung derſelben unter Vorführung der geſchloſſenen Sunde in Sorm
etwa von Tabellen, wie Splieth fie für Schleswig-Holftein und Beltz für Mecklenburg ge:
ſchaffen haben. Ehe eine ſolche vorliegt, dürfte es ſich empfehlen, das Material ſo ein⸗
zuteilen, wie es Behrens in ſeinem bereits genannten Buche getan hat: in frühe Bronze⸗
zeit und hHügelgräberbronzezeit.
heidelberg, Februar 1918. Ernſt Wahle.
Nils Aberg, Die Typologie der nordiſchen Streitäxte. Würzburg 1918 (Mannus-Bibliothef,
herausgeg. von Profeſſor Dr. Guſtaf Kofjinna, Nr. 17), IV, 60 Seiten mit 75 Abb.
im Tert.
Eine bereits 1915 in ſchwediſcher Sprache erſchienene Arbeit ift nach 3 Jahren noch
in deutſcher Überſetzung veröffentlicht worden. Der Grund hierfür wird darin zu ſuchen
ſein, daß die Ergebniſſe des jungen ſchwediſchen Gelehrten einem möglichſt weiten Kreije
deutſcher Fachleute in bequemſter Weiſe zugänglich gemacht werden ſollen. In der Tat
wird wohl keiner von dieſen das Buch unbefriedigt aus der Hand legen.
Wenngleich die Arbeit das Material des „Seſtlandes“ ausſchließt — Aberg faßt
dieſen Begriff im Gegenſatz zu den Inſeln und Halbinjeln —, fo verdient fie doch die Be-
achtung auch der deutſchen Fachleute, weil das Derbreitungsgebiet der nordiſchen Streit-
arte fajt ganz Norddeutſchland mit umfaßt und ferner die Typologie dieſer Geräte bisher
ſo gut wie gar nicht von uns betrieben worden iſt.
Den größten Teil des Buches nimmt die Betrachtung der einzelnen größeren Gruppen
von Streitäxten und ihrer Entwickelung ein. Einleitend kommt Aberg auf die Entſtehung
der Streitäxte zu ſprechen, und was er hierüber ſagt, iſt beachtenswert. Er unterſcheidet
ſcharf zwiſchen dem ſchaftlochloſen Beil, das während ſeiner ganzen Entwickelung vom ein—
fachen zum vollkommenen Werkzeug faſt immer ein Gerät für den täglichen Gebrauch
geblieben ift, und den Schaftlochärten oder Streitärten, die mit jenen in keinem typo-
logiſchen Juſammenhang ftehen. Die älteſten Arte mit Schaftloch waren lediglich Prunt:
waffen; durch ihre Entartung wurden ſie im Laufe der Zeit zu einfachen Geräten für den
täglichen Gebrauch. Dies ergibt ſich aus der typologiſchen Würdigung des ganzen Materials.
Die Derteilung der Typen in den Grabfunden verſchiedenen Alters, insbeſondere in den
Einzelgräbern, worauf der Derfaſſer im Schlußkapitel eingeht, erweiſt die Richtigkeit dieſer
Typologie. Das Ratfel des plötzlichen Auftauchens der Streitärte in hochentwickelter Form
252 ' Bücherbeſprechungen.
löſt Aberg, indem er ſie von der Steinkeule herleitet. Früher ſuchte man in Ermangelung
anderer Unhaltspunkte die Srage der herkunft durch die Annahme eines Einfluſſes von einer
füdlichen Metallkultur zu löſen. Wenn auch berg nicht in Abrede ſtellt, daß „die Streit-
äxte im Verlaufe ihrer Entwicklung Anregungen von einer ſüdlicheren Metallkultur emp⸗
fangen konnten“ (S. 4/5), fo ſieht er fie in der Hhauptſache doch als eine Errungenſchaft
des Nordens an.
Die Herleitung der doppelſchneidigen Streitart von der Schaftlochkeule muß als ein
guter Erklärungsverſuch gelten. Die tupologiſch älteſten Schaftlochäxte kommen in Eng⸗
land und Schottland vor; freilich find jie noch nicht in zeitlich beſtimmbaren Funden er:
ſchienen, und fo ſpricht Åberg auch noch nicht dieſes Gebiet als Heimat der Streitäxte an.
Ebenſo entſcheidet er fih auch aus typologifchen Gründen nicht für ein beſtimmtes Teil-
gebiet des Nordens als engeres Urſprungsland. — |
Dieſe neue Anficht über die Entſtehung der nordischen Schaftlochäxte wird hoffentlich
zu weiteren Arbeiten über Steingeräte die Deranlaſſung fein. Es drängt fidh uns die Frage
auf, wie weit nach Süden und Oſten dieſe Geräte nordiſcher herkunft ſich finden, und wie die
durchlochten Arte, hacken und Pfliige aus dem Gebiete der Donaukultur ſich zu ihnen verhalten.
Die nordiſchen Schaftlochäxte aus Stein treten zwar erft verhältnismäßig ſpät auf im Der-
lauf der jüngeren Steinzeit — „eine Folge der techniſchen Schwierigkeiten, die das Bohren
in Stein darbot“, Aberg, S. 5 —, Doch erſcheinen fie ſicher ſchon während der älteren Gang-
gräberzeit. Welche Kultur der Bandferamit dieſer zeitlich gleichzuſetzen ijt, wiſſen wir noch
nicht; auch ift noch unbekannt, wie eigentlich die Entwickelung der Steingeräte dieſes Kultur-
kreiſes verlaufen ift. Im Zuſammenhang mit der Cöſung dieſer Fragen wird fih dann viel-
leicht entſcheiden, ob die Erfindung der Steinbohrung etwa mehrfach unabhängig vohein-
ander erfolgt iſt, oder ob ſie vom Norden auf den Süden übertragen wurde oder umgekehrt.
Bei der Betrachtung fo manches Steingerätes aus dem Kulturtreife der Bandkeramik kann
man ſich des Eindruckes nicht erwehren, daß dieſen oftmals ein Schaftloch gleichſam aufge⸗
pfropft worden iſt, indem die Schäftung urſprünglich auf ganz andere Weiſe beabſichtigt
war. Aberg jagt, daß die nordiſchen Schaftlochäxte „fih nicht aus den Beilen ohne Schaft:
loch entwickelt haben, da diefe für die neue Technik nicht geeignet waren und ihr auch nicht
angepaßt werden konnten“ (S. 5); eine Durchſicht der Geräte des bandkeramiſchen Kreijes
nach gleichen Geſichtspunkten wird nötig fein. Vielleicht wird dann auch durch diefe Ar-
beiten Klarheit geſchaffen über die Stellung der zahlreichen Schaftlochäxte, die wir aus
Deutſchland kennen und die keinem ausgeprägten Typus angehören.
Kehl, Auguft 1918. Ernſt Wahle.
— — — —ö ͤ
Monumenta Germaniae architectonica, herausgegeben von Albrecht Haupt. II. Die
Pfalzkapelle Kaifer Karls des Großen zu flachen. Verlag von E. A. Seemann in
Leipzig. ,
| Im erſten Bande der ſchon ihrem Titel nach großzügig angelegten Veröffentlichung
hat das Grabmal Theoderichs in Ravenna den Reigen eröffnet, der zweite Band wendet
fih der größten erhaltenen Bauſchöpfung des mächtigen Frankenkönigs zu, der gleich dem
großen Oſtgoten das römiſche Imperium aus germaniſcher Kraft mit germaniſcher Welt⸗
anſchauung neu errichten wollte. Beide Reiche haben ihre machtvollen Schöpfer wenig
überdauert, das Verhängnis der Deutſchen, durch Uneinigkeit und Derzettelung die eigene
Größe zu unterwühlen, hat ſie bald zuſammenſinken laſſen. Die beiden Denkmäler aber
ſtehen als ſteinerne Urkunden vor uns erzählend und mahnend. Ortlid) weit getrennt
haben fie doch nähere Beziehungen. Nachdem die Oſtgoten durch Oſtrömer, diefe durch
Cangobarden und letztere durch die Franken niedergeworfen waren, hatte Karl das Erbe
S Bücherbeſprechungen. 253
Dietrichs angetreten, er nutzte es aus und führte Banteile aus dem glanzvollen Palaſte
zu Ravenna fort, um ſeine Pfalz und deren Kapelle damit zu zieren. 2
Der Derfafjer weiſt darauf hin, daß die Aachener Kapelle, die im Zentralbau einen
Schritt Borwärts bedeutete und einen Markſtein in der aufſtrebenden vom Holz zum Stein⸗
bau fih wendenden deutſchen Kunft bildet, nicht nur als Schloßkapelle, fondem als Dot:
und Staatskirche Karls errichtet und von dem in Hachen een Papſte Leo ſelbſt
um die Wende der Jahre 804—805 geweiht wurde.
Das nach Grundriß, Aufbau und künſtleriſcher Wirkung gleich geiſtreiche Werk mit
dem 30 Meter hohen und 14½ Meter weiten achteckigen Kuppelraum und feinem zwei⸗
geſchoſſigen, nach außen ins Sechzehneck überleitenden Umgang, deſſen obere anſteigende
Gewölbe den Wölbſchub der Kuppel abfangen, wird eingehend beſchrieben. Die Bauz,
glieder außen und innen werden unter vergleichender Heranziehung anderer Bauten ge-
würdigt, beſonders wird über die nach Paris verſchleppten, -1815 zumeiſt zurückge holten,
aber erſt 1845 wieder eingebauten Säulen berichtet. Die von verſchiedenen ſüdlichen Bauten
ſtammenden Säulenſchäfte aus wertvollem Geſtein haben durch Aufarbeitung an Dicke
eingebüßt, auch find die Baſen und meiſten Kapitelle erneuert.
Des Verfaſſers Annahme, daß die zweigeſchoſſigen Säulenſtellungen in den 8 oberen
Bögen einſt im Einklang mit dem Bilde von H. van Steenwijk d. D. von 1573 drei gleiche
Rundbögen trugen und erſt beim Wiedereinbau der dünneren Säulen die Mittelöffnung
etwas vergrößert fei, hat viel Wahrſcheinliches. Auch die Mutmaßungen über die einſtige
Geſtalt und Zweckbeſtimmung des Weſtvorbaues, die in Abb. 62 und Tafel XII in 2. Ab-
wandlungen dargeſtellt iſt, dürften der Wirklichkeit nahe kommen. Ebenſo iſt die Unordnung
der 1,75 Meter hohen durchbrochenen Steinſchranken am unteren Umgang und die vor⸗
wiegend auf Buchkremers eingehende Forſchung geſtützte Ergänzung des weſtlich vorge⸗
lagerten Dorhofes (Abb. 62 und Taf. XXVII) ziemlich überzeugend.
Sonſt hat der Derfaſſer es vermieden, zu weitgehend in Vermutungen über nicht
erhaltene Teile und in Streitfragen über Herkunft einzelner Dinge, ſo der berühmten Bronze⸗
gitter, einzugreifen; der Wert iſt gelegt auf eine möglichſt gewiſſenhafte und ausführliche
Darſtellung des Baues und feiner Ausſtattungsſtücke, die ganz beſonders durch die Tert-
bilder und 27 große Tafeln erreicht ijt. Die vorzügliche Ausführung der Lichtbilder ſowie die
gründliche und vornehme Behandlung der Zeichnungen verleiht dem Werke Wert und
Würde.
Möchte der kühne Plan, neben den geſchichtlichen Urkunden auch den baulichen ein
großzügiges Sammelwerk in den „Monumenta“ zu ſchaffen, bald über die erſten Unläufe
hinausgelangen.. Wie der Derfafjer mitteilt, hat er die Bearbeitung vom Palaſte Theoderichs
und von Werken in Cividale in Vorbereitung, denen fidh frühe deutſche Denkmäler an=
ſchließen ſollen.
hannover. , K. Mohrmann.
B. Ehrlich, Keramiſche und andere ordenszeitliche Sunde in der Stadt Elbing und in der
Elbinger Umgegend. — Mitteilungen des Coppernicus-Dereins für Wiſſenſchaft und
Kunft zu Thorn. 25. Heft. Thorn 1917. 76 Seiten, 10 Tafeln, 3 Textabbildungen.
der berfaſſer führt uns in feiner wertvollen Arbeit eine erſtaunliche Fülle weft-
preußiſcher Bodenfunde aus der Zeit von Beginn der deutſchen Landnahme bis zum aus-
gehenden Mittelalter vor, aus einer Periode alſo, über deren keramiſches und anderes
Sundmaterial wir auch ſonſt im Reihe höchſt lückenhaft unterrichtet find. Die frühmittel⸗
alterliche Keramik iſt ja bis heute ein nur zu oft auch von maßgebenden Stellen vernach—
läſſigtes Stiefkind. In den vor- und frühgeſchichtlichen Sammlungen findet fie oft gar
keine Stätte oder wird nur als Unhängſel geduldet, während die hiſtoriſchen und kunſt—
- mep- jo ..
254 Bücherbeſprechungen. S
geſchichtlichen Muſeen den oft recht unſcheinbaren Reſten noch weniger Beachtung ſchenken.
Am günſtigſten liegen die Verhältniſſe noch in Weſtdeutſchland, wo die römiſch-germaniſche
Sorſchung auch genügend Kulturrefte aus den dem Zuſammenbruch des Römerreiches
folgenden Jahrhunderten zutage brachte und uns eine genauere Kenntnis der merowingiſch⸗
karolingiſch⸗ſächſiſchen Keramik vermittelte. höchſt lückenhaft find aber unſere Kenntniffe
der frühgeſchichtlichen Keramik Mittel- und Oſtdeutſchlands. hier fegt erft ums Jahr 1000
in den bis dahin rein vorgeſchichtlich ſlawiſchen Gebieten die oſtdeutſche Kolonifation ein.
Die Ehrlichſche Urbeit führt uns alſo in noch vollſtändiges Neuland.
Einleitend beſchäftigt fih der Derfaljer mit der Keramik der letzten vorgeſchicht⸗
lichen Periode Weſtpreußens, jener der Eſten und Pruzzen. Er gibt dazu reiche Literatur:
angaben, was um ſo dankenswerter iſt, als gerade dieſes Gebiet manchen Fachgenoſſen
ferner liegen dürfte. Sodann folgt eine Zuſammenfaſſung der wichtigſten ordenszeitlichen
Sunde aus älterer Zeit; der Hauptteil iſt der Beſchreibung der größtenteils unter Ehrlichs
Leitung gemachten Funde feit 1915 gewidmet. Es kommen drei Sundftellen in Frage:
der Neubau eines Warenhauſes in der Stadt Elbing, die Stelle des alten Ordensſchloſſes,
und ein Ordenshof auf der kuriſchen Nehrung.
Die ausführliche Beſchreibung der Fundgegenſtände umfaßt die Reramik, Sunde
aus Holz, Glas, Leder, Stoff, Metall und Knochen.
Sür den Dorgeſchichtsforſcher ift beſonders die Keramik An die Ornamentik
von Bedeutung.
Als älteſte frühgeſchichtliche Gefäßform wird der henkelloſe, eiförmige Topf feft-
geſtellt. der Umbruch der Gefäßwand liegt ungefähr in der Mitte der Gefäßhöhe. Dieſe
auch anderwärts überall feſtgeſtellte Tatſache ijt ein wichtiger Unterſchied gegenüber dem
vorgeſchichtlich wendiſchen weitmundigen Topf, deſſen Gefäßumbruch immer im zweiten
oberen Drittel der Geſamthöhe liegt, was dem Gefäß eine eimerförmige Geſtalt gibt. —
Es folgen dann Töpfe mit henkeln, Grapen, Deckelſtürzen, Tiegel, Krüge, Kannen, Schüſſeln,
Leuchter, Slieſen, Kacheln. Allerdings gehört die größere Menge dieſer Gefäße dem 14. und
15. Jahrhundert an. Die Grapen und Henfeltdpfe gehen bis ins 13., die henkelloſen Töpfe
bis ins 11. Jahrhundert zurück. — Es wird eine wichtige und dankbare Aufgabe der Candes⸗
forſchung bleiben, in den Gegenden Mitteldeutichlands, wo die deutſche Roloniſation bereits
mehrere Jahrhunderte früher einſetzt, die hier entſprechend ältere frühdeutſche Reramik
zu erforſchen. Vielfach wurde, und wird zuweilen noch heute, diefe frühe deutſche Ware
für ſpätwendiſch gehalten, was zu irrigen Anfidten über die Wen der Slawen,
3. B. in Süddeutſchland, geführt hat.
Ein hochwichtiges Kapitel iſt das der frühdeutſchen Ornamentik. Ehrlich
führt von Elbing folgende Gruppen ordenszeitlicher Ornamentik an: Horizontalrillen,
Wellenlinien, profilierte Ceiſten oder Rippen, Stempelornamente. Er weiſt darauf hin,
daß fidh die erſten beiden Derzierungsarten bereits auf der vorgeſchichtlichen Burgwall-
und Pruzzenkeramik finden, ihre Ausführung auf der deutſchen Ware aber eine andere
ift. Es ift gewiß richtig, daß auch die flawijche und die frühdeutſche Wellenverzierung
nichts miteinander zu ſchaffen haben; daß nicht etwa die eine Bevölkerung ſie von der
anderen übernommen hat, ſondern daß, wie auch Seger vermutet, die Germanen in der
Rheingegend, die Slawen in den öſtlichen römiſchen Grenzprovinzen, ſie von der römiſchen
Töpferei übernommen haben. Der Umſtand, daß man jeden mit Wellenornament verzierten
Scherben für ſlawiſch anſah, hat im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts zu manchen
Trugſchlüſſen geführt.
Der Ausdruck Horizontalrillen oder Horizontalfurden ift niht glücklich; es
find feine Kreisparallelen, ſondern fortlaufende Spiralen. Ich würde eher den Ausdruck
Spiralfurchen vorſchlagen. Man nahm früher an, daß der Töpfer eine bogig ausge zackte
Schiene beim Drehen an das Gefäß gehalten hätte. Dann wären allerdings parallele Furchen
Bücherbeſprechungen. 255
und Reifen entſtanden. Der Vorgang iſt aber der, daß ein Stäbchen an das rotierende
Gefäß gedrückt und allmählich nach unten geführt wird. So entſteht eine fortlaufende
Spirale. Dieſe Verzierungsweiſe ift ebenfalls römiſches Erbe, und wohl erft in ſpätſlawiſcher
Zeit durch die Deutſchen, die fie allgemein anwandten, nach Often gelangt. Wenigſtens
verraten die auf ſpätſlawiſcher Keramik zuerſt um 1000 auftretenden Spiralfurchen ein
merflides Ungeſchick.
Ein einziges Mal ijt in Elbing ein henkelloſes Töpfchen mit Bodenmarke (Rad⸗
kreuz) gefunden worden. Es iſt zweifellos deutſcher herkunft. Derartige Marken finden
fi in Süd⸗ und Mitteldeutſchland vom 10. Jahrhundert an und erhalten fih, nach Often
weiter ſchreitend, bis ins dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert. Die ſlawiſche Keramif
verwendet in ihrer älteren Periode überhaupt nicht oder nur felten Marken in Form treis-
förmiger Vertiefungen, erhabener Scheiben und Kreiſe, um [pater neben dem Hakenkreuz
Gittermuſter und markenartige Zeichen zu benutzen.
Als weiteres frühdeutſches Ornament führt Ehrlich die Stempelverzie rung an.
Echte Stempeleindrücke finden ſich beſonders in Weſtdeutſchland, in Süddeutſchland und
der Harzgegend. Wir können den Werdegang dieſer Derzierungsweife wieder pon der
tömiſchen Töpferei her durch die Dölkerwanderungszeit, dann auf der fränkiſch⸗thüringiſchen
Keramik verfolgen. Es find vereinzelt angebrachte runde Stempeleindrücke mit Kreuzen,
Kreiſen, Siedermuſtern oder Gitterwerk. Die von Ehrlich abgebildeten Reihen quadratiſcher
Grübchen, die in regelmäßigen Abſtänden von Kreuzen oder Siedermuſtern unterbrochen
werden, ⸗ſind aber nicht, wie er annimmt, Stempel⸗, fondern Taufradverzie rungen. —
Dieſe bisher wenig beachtete frühdeutſche Caufradverzierung verdient unſere größte Beach⸗
tung. Wie Unverzagt und Forrer nachweiſen, wird ſie in der älteren Kaiſerzeit auf
Gefäßen aus ſchwarzer Erde angewandt, um im vierten Jahrhundert auf die Sigillata
überzugehen. Sorrer bildet aus Straßburg 48 verſchiedene Muſter ab. Auch dieſe Technik
ift von den Römern auf die Deutſchen übergegangen. So haben meine Altleipziger Boden-
unterfuchungen 33 frühdeutſche Caufradmuſter geliefert. Wie fih aus den Elbinger Funden
und der reichen von Ehrlich angeführten Literatur ergibt, pflanzt ſich dieſe Dekorationsweiſe
weit nach Oſtdeutſchland fort.
Don den übrigen Funden fei beſonders auf die Bruchſtücke ſehr früher Gläſer und
auf ein ſchönes, vielleicht noch dem vierzehnten Jahrhundert angehörendes Jinntannden
hingewieſen.
Zum Schluß kommt der Verfaſſer auf die zuerſt von Prof. R3ehat — Brünn — aus:
geſprochene Anſicht zu ſprechen, daß es fih bei den, teils mit Holzverſchalung verſehenen,
teils ausgemauerten Schächten, die ſich bei Grundbewegungen in allen unſeren alten
Städten finden, und die mit Maſſen von Kulturreften angefüllt find, um Opfergruben
handelt, die mit dem heidniſchen Totenkult in Verbindung zu bringen find. Ehrlich hält
es für denkbar, daß für die Elbinger Funde zum Teil ähnliches anzunehmen wäre. Es
wird niemand leugnen, daß der Gebrauch von Bauopfern und die Dergrabung von Ge-
fäßen zu abergläubiſchen Zwecken vielfach ausgeübt worden iſt und es zuweilen noch heute
wird. Da handelt es fih aber immer um ſauber in. die Erde geſtellte oder vermauerte Gefäße
in beſchränkter Anzahl. — Die Gruben und Schächte im Grunde unſerer alten Städte
find aber wohl ſämtlich als frühere Brunnen, frout: und Senfgruben zu deuten. Wenn
man ſich vor Augen hält, daß eine geregelte Waſſerverſorgung durch Röhrwaſſer vor 1500
nur in den wenigſten deutſchen Städten anzutreffen ift, wird es klar, daß in jedem Haus⸗
grundſtück Brunnen und Waſſergruben vorhanden fein mußten, die auch für viele Donn:
werker und wegen der beſtändigen Seuersgefabr nötig waren. Ich habe in Altleipzig feit
zwanzig Jahren hunderte folder bei Abbriidjen zutage kommender Schächte unterſucht.
Ihr Inhalt war neben zahlreichen ganzen Gefäßen, ſtets Steine, Ziegel, Ofenkacheln,
Scherben, Salbenbüchschen, klrzneifläſchchen, Glasreſte, Leder, Stoffe, Holz- und Metall-
Mannus, Bò. X. H. 3 u. 4. 17
256 Bücherbeſprechungen.
refte, Knochen der verſchiedenſten Tiere, Eberzähne, Siſchſchuppen, Kirſch⸗ und andere
Obſtkerne. — Zweifelsohne handelt es ſich um Brunnenſchächte und Traufgruben, Senk⸗
gruben und Abortanlagen, in die während ihrer Benützungszeit durch Zufall und Abficht
manches ganze Stück gelangte, und die ſpäter mit Kulturabfall und Schutt ausgefüllt und
überbaut wurden.
Die wichtigſten der Elbinger Sundftüde hat der Verfaſſer auf zehn Tafeln in guten
Cichtbildaufnahmen vereinigt. Allerdings wäre es wünſchenswert geweſen, wenigſtens
die ornamentierten Gefäße in Strichzeichnung zu bringen, denn im Kliſchee verſchwindet
das feine Ornament bis zur Unkenntlichkeit. Dankenswert find auch die zahlreichen Literatur:
nachweiſe, die in ihrer reichen Fülle den Fachgenoſſen bei ähnlichen Forſchungen von großem
Nutzen ſein werden.
Es iſt ſehr erfreulich, einmal aus einer deutſchen Stadt Bodenfunde in größerer
Menge vorgelegt zu erhalten. Es drängt fih uns die Frage auf, ob das Sundmaterial,
das zweifellos in all unſeren Altitäöten bei Erdbewegungen zutage kommt, ſtets mit gleicher
Sorgfalt beobachtet wird. Wenn die ſchöne Ehrlichſche Arbeit den Zweck erfüllte, die Auf-
merkſamkeit unſerer Provinzial⸗, Städtiſchen und Ortsmuſeen mehr als bisher auf die
Kulturrefte hinzulenken, die fih, wie ich immer wieder betonen möchte, bei jeder Erd-
bewegung auf alten ſtädtiſchen Kulturboden finden, jo wäre fie doppelt hoch zu bewerten.
Mit bloßen Geſetzen oder Befehlen an die beſchäftigten Arbeiter ijt nichts getan, es muß
vielmehr eine ſtändige Beobachtung aller flusſchachtungen von berufener Seite in die Wege
geleitet werden. Für die Kenntnis unſerer frühgeſchichtlichen mittel- und oſtdeutſchen
Keramik und Kultur würde eine ſolche Tätigkeit von größtem Nutzen fein.
Pottenſtein (Oberfranken). §. Max Nabe.
Sachregiſter.
Aaregg (Schweiz), Slaſchenurne 241.
Abbau Rentſchkau f. Rentſchkau.
Abingdonmonde, ‘edytsbrauch 176, 224.
Adeuléen 182, 184, 189, 190.
Aderbau, ſchon im Neolithitum 144:
Acvinen 164.
Adlig Papau (Kr. Thorn), gebänderter
Seuerftein 204.
Agvaldsnes 1.
Agypten, Schleifen, Karren, Wagen, Räder
Alcis 164, 167.
Augen, 191 GC die Holzhacken von
Moritz
Altenrath (Sie 12 Hallſtattgräber 100.
Altrofenthal (Kr. Raſtenburg), gebänderter
Seueritein 2
Alvao (portugal), Steinſcheiben aus den
Dolmen 138.
Amalienthal (Kr. Gr. el gebän⸗
derter Seuerjtein 205.
fncile 177, 224.
E Schildkröte 214.
ngrivarier 115.
iquusfauna 183, 184.
Arnswalde Kr. Arnswalde), Sund der
ſpäteren Kaiferzeit 6.
Aidh bei Blaubeuren (Württemberg), Ge-
fäß der Hallſtattzeit 130.
Aſpeberget . een
174, 175, 177, 223,
ll Schleife, Na wagen, Räder
Athene ‘als Erdgöttin 160, 164.
Atterfee f. Weyeregg.
Aubrey, über DEDINY 149 Anm. 1.
Aurignacien 184, 186, 187, 189 f.
Avaldsnes (auf Karmé, Inſel in Südweſt⸗
norwegen), eiſenzeitlicher Grabfund 1.
Avebury (E (Een land), Steinkreiſe 147ff.
Art, als EA tbarteitsjymbol 171, 225.
Artgott 170f., 173, 174, 177, 225.
Babenthal (Kr.
Seuerftein 204.
Babylonijde Kultur 152.
Karthaus), gebanderter
Bada (Bohuslän), Wagenrad auf Selen:
zeichnung 47.
Baierfee (Kr. Kulm), gebänderter Seuer⸗
jtein 204
Bartoſchken e Neidenburg), gebanderter
Feuerſtein 204.
Beda, über Schaltmonate 146.
Beeskow (Kreis), tierförmiges Tongefäß
Behrens, B., über Zeitbeſtimmung der
Bronzezeit 28f.
Obornik), gebänderter
Berduchoͤwo (Kr.
Seuerſtein 203.
1 G., über Kohlenſtellen in Mooren
1
gt (Kr. Oſterode), gebänderter Seuer-
tein 204.
Bernſtein, Ringe aus Gräbern der Laténe-
ei ;
Berlufche Ausgrabungen 221.
Beſzowa (Kr. 11 Polen), gebänder⸗
ter Seuerſtein 203
es nad), latenezeitlicher Mef:
ergri
Be3 er Adalbert, über gotiſche herr⸗
chaft im Samland 9.
Bielefeld 1 n und eiſen⸗
zeitliche Sunde 111, 113.
Biereye, über Stoneheng e 148.
Biettow (Kr. Dres); chr. 4. aus dem
2. Jahrhundert nach C
RENE (Kr. Ols), gebänderter Seuer⸗
tein 205.
Bistupin (Kr. Znin), gebänderter Seuer⸗
jtein 203.
Blendow (Kr. Grojec, Polen), gebänderter
Seueritein 203.
Bloffin oe Beestow-Storfow), ſpätſlawi⸗
ihes Gefäß 78.
Blume, Erich, über die Rugier 1, 2, 3, 9.
Beene enn latenegeitliherSpinn=
129
Bodum (Kr. Apenrade), a aus dem
2. Jahrhundert 3 Chr. 4.
Botten, E., über die Zahl Dreizehn 122,
142f., 151 Anm. 1.
17*
258
Borna (har, Sachſen,) man. Ge⸗
fäß mit Bodenſtempel 76, 77.
Borowfo (Kr. Kojten), gebanderter Seuer⸗
ſtein 205.
Börtewitz (Amtsh. Grimma, R gr. Sachſen),
gebänderter Seuerftein 20
Borzymow (Kr. Stopnica, Polen), ge:
bänderter Seuerftein 203.
Brackwede f. Dierſchlingen.
Braſiai (Cakonien), Dreifühe 165.
Braunswalde (Kr. Stuhm), kaiſerzeitliches
Gräberfeld 9.
SE 30 (Kr. ee gebänderter Seuer⸗
Beinamen. 167,
Brohna bei Rabibor be zauliß),
Bodenmarken wendiſcher Gefäße
Bronzezeit, abſolute Chronologie 28f.
Brufterer 115.
Brunow (Medlenburg),
2. Jahrhundert na
Brzezuo (Kr. an polen), gebänder⸗
ter Seuerftein 203.
Buchholz (Kr. „ Gefäß der
frühen Bron e
Buchwald (Kr. Lüben), b derer Seuer:
Hein 205.
Burg (im Spreewald), Bodenmarken wendi⸗
ſcher Gefäße 74.
Burgfelden (O.⸗kl. Balingen, württem⸗
erg), kirchliches Schallgefäß 80.
Burgunden 3.
GN Ge Schwetz), gebänderter Seuer⸗
ehr. 4 aus dem
Buflnovice . Buſino
Buſinow Ae erte Seuer=
ſtein 206.
Buzany (Wolhynien), Ausgtabun eines
ſteinzeitlichen hügelgrabes 104%
Buciskalahöhle, verzierte Gefäßböden 72.
Byrjtedt (A. Aalbor Dänematt), Sund
aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. 6.
Campignien, Ackerbau 144.
sama see) Alignements 149 Anz
gell bei Pegau (Kar. Sachſen), mittel-
alterlicher Krug mit Bodenſtempel 77.
Caſtione (Prov. Parma), Holzrad aus der
Terramare 51, 54, 62.
Certoſa (3talien), Situla 176.
Chelléen 189, 190, 191.
Ebodei a 115.
Chodel (Kr. Lublin, Polen), gebänderter
Seuerjtein 203.
Chotel (Kr. Ibica, Polen), gebänderter
Seuerſtein 203.
Ciemno (Kr. Lublin, Polen), gebänderter
Seuerſtein 203.
Ciefzencin (Kr. Wielun, Polen), gebander-
ter Seueritein 205.
Clempenow ſ. Klempenow.
Sachregiſter.
Cnyf, Zeitbeftimmumg der Funde ange:
weifelt 100.
Coligny (bei Lyon, Frankreich), Kalender
auf Bronzetafeln 146ff.
— — Erläuterung 153.
— — Abbildung von Bruchſtücken 154,155.
Corjeiten (Kr. Sifdhhaufen), gebänderter
Seuerftein 205.
Cofjin f. Koffin.
Coswig a. ò. Elbe (Anhalt) gebänderter
Seuerſtein 206.
me zent Andre (Stankreich), Kejlelwagen
Gros Zoe gh 66f.
Curium (Cypern), gefäßtragende Sigur131.
Czaslau, Keramit bis 1250 nach Chr.,
Bodenzeichen 83f.
N (Kr. Thorn), gebänderter Seuer-
ein 2
Damme, 1 55 der ſpäteren Kaijerzeit
Bu Dannenberg), verzierte ht
ene vom kaiſerzeitlichen Urnengräber⸗
Dédelette, Jolept, über den Strettweger
agen
De Hamert berfelbes 971, 7 nung
des Gräberfeldes 101.
Deurne, Zeitbeſtimmung der Sunde ange:
zweifelt 99.
Dienſtädt (bei Remda, Sachſen⸗ Tag
ere aus kaiſerzeitlichem Grab-
fund 128.
Dienſtedt (Thüringen), Sund der jüngeren
Stopnica,
aiſerzeit 5.
Dieſlawice (Kr. polen),
bänderter Seuerſtein 203.
Dio Caſſius, über die Hasdinger 165.
Dioskuren 164 ff.
Dobranitz bei Radibor NO ST,
Bodenmarken wendiſcher efabe 14
Dobřihow-Pičhora nn) tai erzeit⸗
Ek Sunde 6, 22 Anm
Drexel, über den an Keſſel 164.
Diimmerfee, hügelgräber 114.
D3iewiantfowice (Kr. Slonim, Littauen),
gebänderter Seuerjtein 203.
ger
Ehringsdorf CHE el paläolithi⸗
che Sunde 183, 1 185.
Gilby Lund (Siinen), Goldſchale 133.
Eimer aus 0 latene⸗ und kaiſerzeit⸗
liche 8, 20ff.
— — Herjtellungsart 21.
a 65 ff., 179 ff.
Elf, echte Bedeutung der Zahl 135
Anm. 1, 145 Anm
Eljenau (Kr. Schlochau), Wagenrad auf
Geſichtsurne 46, 48.
Elſter⸗Cuppe⸗Hlue (Kgr. Sachſen), gebän⸗
derter Seuerftein 206.
Sachregiſter. 259
Eſpe under nach sane au dem 2. Jahr:
Etru rische kultur, A iD. S
riſche Kultur, Werde
SCH (Kr. Mayen), gia ahgräberfunde
Eaten 15 N
Feld Prof., über den Sonnenhirſch 171.
eldhaus, $. Hs über den Urſprung des
agens 3 37.
Sergig (Kr. Tempiin), ſlawiſches Gefäß
mit Bodenſtempel vom Burgwall 78.
Sif men d Sien Stelettgraber der
aiferz
Slur tedt bab en=Weimar), goldener
e e armring 6
NS über den EEN des
Wagens 33f., 49 Anm
so (Bohuslän), Se, ZER 169ff.,
Srankfurt a. En Oder, vorgeſchichtliche
Sammlungen 221, 222.
SCH 167, 168.
reya 167, 168, 174.
Een auf Selſenzeichnungen 174ff.,
Gäbert, über 1 185.
Gaisheim (Oberpfalz), bal patel ine Ge⸗
Ce mit verziertem Boden 72.
Galle 975 KE" ondern) Runenhorn 128.
Garbe 176f., 224.
Ze, Ze fiber die Quellfaſſung von
25f.
gei One
tein 2
Gefjon 177 224.
en (Kr. Kulm), gebänderter Seuer⸗
ein
Semeinlebarn RE Urne mit
Dögeln, Reitern und Stauen 161, 162,
N (Ke. ey), hallſtattzeitliche Sunde
nen ihre Dorfahren 64ff.
Germaniſche Zeitrechnung 146.
Heſichtsurne, mit Wagenrad 46, 48.
Ginzel, $. K., über die Zahl dreizehn 123,
143, 145.
— über den Kalender von Coligny 146.
Ginzrot, über den Urſprung des Wagens 32,
Giubiasco (Südſchweiz), latenezeitliches
Glasperlen. aus Klieſtow 219, 221.
Glauſche (Kr. Namslau), Schild kröten⸗ Ton⸗
gefäß 217f., 220.
Gnewinke (Kr. Lauenburg i. Pom.), ges
bänderter Seuerſtein 205.
Gödaͤker (Uppland), kaiſerzeitlicher Fund 8.
Graudens), gebänderter Seuer⸗
SE Abr. ose aus dem 6. Jahrhundert
EN (Kr. Kulm), gebänderter Seuerftein
20
Gorzano (Prov. Modena), Hirichhorn-
cheiben aus der Terramare 46, 47.
Goten 243, 244.
Gotiſcher Kulturkreis 7, 243, 244.
Gotik 244, 247.
Götze, Alfred, über den Urſprung des
Wagens 35.
— une. des Muſeums in Frankfurt
Gowidlino (Kr.
Seuerltein 2
Grabowa (Kr. Stopnica, Polen), ge⸗
bänderter Seuerſtein 203.
Gräden bei pepper (Kr. Weſtſternberg),
Sunde 221
Gramtſchen (Kr. Thorn),
Seuerftein 204.
Graniczeſtie (Kr. SE EEN ges
bänderter e aes 2.
Gregorzewice J. Grzegorzewice.
Karthaus), gebänderter
gebänderter
Griechenland, Karren, Wagen, Räder 37ff.
SHMA Jakob, über Sonnen: und Mond⸗
Groß EE (Ctr. Bromberg), gebänder⸗ |
ter Seuerjtein 203.
s Borten (Kr. Ortelsburg), gebänderter
euerſtein 204.
Grok Gartach (Neckarkreis, Württemberg),
ae mit 13jtrahligem Stern 138, 141.
SE elle KEE aunt aus dem
2. Jahrhundert nah C
Groß Ceiftenau (Kr. Gruber). gebänder⸗
ter en 204.
Gro atzlawitz (Mähren), gebänderter
euerſtein 206.
Groß Romſtedt erg e at): latène⸗
zeitlicher Meſſergriff 23
SE Sclaffen (Kr. Neidenburg), ge⸗
änderter Kr Put 204.
Groß Starfin (Kr. Putzig), latenezeitlicher
tonzeeimer 20.
Groß e (Braunſchweig),
Urnenfriedhof 228, 229.
Groß haben de ange, Tongefäß
mit nkreuz 8
id Wollw vaL Ad duden
Grunau (Kr. E Weſtpr.), kaiſer⸗
zeitliches Gräberfeld 9.
Grzegorzewice (Kr. Opatow, Polen), ge:
bänderter 5 203.
Gude a-Stele, en 43, 47, 48, 49.
Gundeſtrup (Jütland), Kelj el 163, d
Gürtel, als Jaubermittel if Anm. 1.
Hagenow (Mecklenburg), Sunde der älteren
Kaiſerzeit 6.
Häggeby e Stein mit Schiffs⸗
zeichnung 159 Abb. 36.
260
Hahn, Eduard, a ee Urſprung des
Wagens 331. e
D eat 73, 80, 82 85 87, 151, 140, 214.
allein (Salzbur rg), 1 Rahrungsreſte ‘aus dem
Salzbergwer
hallſtakt (Oberösterreich), Nahrungsreſte
aus dem Salzbergwerk 91.
SNE mit lapperblechen 129.
ofivart 129
— a zweriſcheide mit menſchlichen Siguren
police Zeitbeſtimmungen 28f., 97ff.,
1 bei Nürnberg, Griffzungenſchwert
hammersdorf (Kr. Heiligenbeil), Goldfund
aus dem 5.—6. Jahrhundert nach Chr.
2
92 ff.
Handegott 170f.
hänichen bei Leipzig, Mäanderurne mit
Bodenverzierung 72.
Hankenboſtel (Kr. Celle), au aus dem
2. Jahrhundert nad C
Hardt bei Münchens Gladbach. ie aus
Ds Halljtatt= oder früheſter Caténe-
zeit 9
— Lage der hallſtattgräber 100, 101.
Boren 165.
aſelnüſſe in Urne 237.
Haßleben (Sachſen⸗Weimar),
jüngeren Kaiſerzeit 5.
Hausurnen, Zeichnungen von Rädern 46.
Haven EE taiferzeitliche Stelett-
gräber 1
Heierli, „Jatob, über die Quellfaſſung von
St. Moritz 25 ff., 208.
Hekatäus, über den Apollotempel i im huper⸗
boreerlande 147 Anm
111 164, 167, 168.
Sund der
elge⸗Hundin sbanelied 172, 173.
eppenheim (Kr. Worms), lateènezeitlicher
Meſſergriff 23.
Herford (Kr. SE Urnenfriedhof 108
110, 111, 114.
herteftrup (Seeland), Boot auf Steinplatte
eines Kammergrabes 139.
Heruler 2.
Hintichshagen (Kr. Greifswald), gebänder⸗
ter Seuerjtein 206.
Dirjche, auf dem Strettweger Wagen 159 ff.
— auf SERGE 170 ff.
irſe 245
d (Laaland), latenezeitliher Bronze:
eimer 20.
oernes, Ober den Strettweger Wagen 165.
oghem (Bohuslän), Selſenzeichnung 225.
Robenteu 15 (Reuß j. L.), Bodenzeichen an
- nge 18.
SE über gotiſche herrſchaft im Sam⸗
e 9.
Golub (Bobmen), ana aus dem
1. Jahrhundert nad d
— — Bronzeeimer 22 Ann, 2
Sachregiſter.
Holwerda, über „ des Gräber⸗
feldes von De Hamert 97
ee von St. Moritz 30, 209.
oog Soeren, 3eitbeftimmung der Sunde
angezweifelt 100, 101.
Horodnica (Kr. horodenta, alien), ge⸗
bänderter Seuerftein 202.
Hünxe (Kr. DEORE), ET ET der
Sunde 102
Hvitlyde (Bobuslan), Selſenzeichnung 170,
175, 223, 225.
Iddelsfeld (Kr. Mülheim a. Rh.), Cage der
Halljtattgraber 100.
Indogermanen, Urheimat 69f.
— SE 145 ff., 151.
— Muthologie 167.
Inſterburg „ Kr. Inſterburg), gebänderter
Feuerſtein 205.
Aen (Bez 8. Waſſerburg, Oberbayern),
kirchliches Schallgefäß 80.
Iſis 175.
Italien, Karren, Wagen, Rader 37ff.
Ee (Holſtein) ronzemeſſer, Arien
tiff eine keſſeltragende Frau 162
Jägerndorf (Mähren), Gürtelſchließe der
früheſten Bronzezeit 156.
Jahr, Verhältnis vom Mond- zum Sonnen:
jahr 143 ff.
no (Kr. Mogilno), gebänderter Seuer⸗
tein
rer (Kr. Poſen Oft), gebanderter
Feuerſtein 205.
. (Kr. Kulm), gebänderter Seuer-
tein 204.
Juellinge (auf Lolland, Dänemark), Sund
aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. 4.
Juppendorf (Kr ran) frühkaiſerzeit⸗
liches Gräberfeld 1
Kacztowo-Neudorf = Neulinden 203.
Raiſerseſch (Kr. Kochem), hügelgrab der
Latenezeit 240.
Kamunta (Kaukaſus), Goldanhänger 128.
Karmö (Inſel, Norwegen) Einbruchſtelle
ſüdlicher Einwanderung 1.
Kaſtor 164, 168.
5 (Kr. Mayen), Gefäß der hallſtattzeit
Keltiſche Zeitrechnung 146
Kemnath (Kr. Oſtſternberg), Sunde 221,
222.
Keramit, Bodenſtempel auf ER und
frühdeutſchen Gefäßen 7Iff.
Kern, Joſef, über i en 214.
Reſſelwagen, bronzene, ihre Deutung 159ff.
Kepthely-Bronzen 250.
Rettlach, hakenkreuz als Bodenmarke 83.
Kidelhof 1155 Elbing),
Gräberfeld 9.
kaiſerzeitliches
Sadıregifter. : | 261
ARMEE (Deitergötland), Selſenzeichnung
Kita (K Ge Graudenz), gebanderter Seuer⸗
ein
Kivit (Schonen, Zeichnungen auf den
Steinplatten des Grabes 166.
i (Sünen), Sund aus dem
1. Jahrhundert nach Chr. 6.
weg (Kr. Demmin), sun a dem 2.
abrhundert nach Chr. 4
Klein Tzappeln (Kr. Schwetz), r
Seuerſtein 204.
Klein Dölzig (bei Teipio), Bodenmarten
wendiſcher Gefäße 74.
Klein Drenſen (Kr. Filehne), gebänderter
Feuerſtein 203.
Kleinglein (Steiermark), Schild der Hall-
ſtätter Kultur mit Anbängfeln 175.
Klein Kreutz (Kr. Weſthavelland), ge bän⸗
derter Seuerſtein 205.
. l Priegnib, Bodenzeichen an Tongefäß
Alen enen (Kr. Demmin), frühbronze⸗
zeitliche Scheibennadel 136.
h Serbien), weibliche Tonfigur 137,
Klieſtow (Kr. Lebus), Schildkröten⸗Ton⸗
efäße 212ff.
— flawiſche Funde 221.
— Siedelungsitelle 220, 221.
„ 15 Berichte über Ausgrabungen
Koburg (Ei (Thüringen) Bodenzeichen an Ton⸗
ge
Roczek = Waldersee 11.
Röniggrätz, Bodenmarken an Tongefäßen
Konigslutter (Braunſchweig), Urnenfried—
hof 228, 229.
Königswalde (Kr. Oſtſternberg), Der:
ſchmelzung von Haten- ie griechiſchem
Kreuz als Bodenmarke 85.
Rörchow (Mecklenburg), germaniſche Krie-
gergräber mit 2 Schildbuckeln 19 Anm. 1.
Roſſi Je n gebänderter Seuer:
tein 204.
Koffin he Puritz), un aus dem 2. Jahr:
hundert nach Chr. 4, 5.
Roſſinna, Dua Zueignung zum 60. Ge⸗
burtstag I
— Lebensſauf v.
— Schriftennachweis VIII.
— über Zeitbejtimmung der Bronzezeit
27
— über einzelne oſtgermaniſche Volks-
ſtämme 2, 3, 7, 22.
— über die Schildkröte 2127.
— über Krötendarſtellungen 214.
Kottenheim (Kr. Mayen), Sladygräber-
funde 240.
Kowel (Wolbynien), ſteinzeitliche Siedelung
105.
Krannon (Thelfatien), SE auf
Münze 160, 163, 1
Krantas 199.
Kreidelwitz (Rr. Glogau), gebänderter
Seuerjtein 205.
Kremitten (Kr. Raſtenburg), gebänderter,
Feuerſtein 205.
Kreuze, als Bodenmarken 80ff.
— |. auch Hakenk., Radt.
Kronſtadt, Hakenkreuz in Sund der jünge⸗
ren Steinzeit vom . 87.
SEN 9 Mayen), Funde der Latenezeit
241.
me (Kr. Angerburg), gebänderter
euerjtein 205.
Kuffarn (Niederöfterreich), Situla 165.
Kujawien (Polen; ohne Ortsangabe), ge:
bänderter Seuerſtein 203.
Kultwagen 36, Ges E
Kunersdorf, Sunde ei der Kleinen Mühle
221.
Kurd, C., über die Schildkröte 215.
Kurifche Nehrung, jungneolithiſche Be-
ſiedelung 198, 200, 201.
Kürrenberg (Kr. Mayen), Grabfunde der
Latenezeit 232ff., 241.
Küftrin un GE wendiſcher
Gefäß
Kyrtorye (Bohuslän), Schiffsbild auf Selſen⸗
zeichnung 139.
SE (Kr. Hadersleben), Goldſchale
3
Lagaſch (Mefopotamien), Wagen auf Stein-
jtele des Eannatum 37.
Lämmershagen (Ltr. Bielefeld), Hügel-
gräber 111.
Langaa (Sünen), germaniſches zer
grab mit 2 Schildbuckeln 19 Anm. 1.
SEET (Kr. Sranzburg), Goldſchale
135.
Langobardiſcher Kunſtſtil 243, 244, 247.
Latenefibeln, aus dem Kreiſe May en 233.
Cavindsgaard(Sünen), Goloſchalen 156 finm.
Leda 167.
Leipzig (Stadt), Bodenſtempel 76.
Leiter, auf Urnendedel von Merlin 225.
Leon y Gama, über die Zahl Dreizehn 142.
Liber (Böhmen), Brandqrab aus dem
2. Jahrhundert nad) Chr. 6 Anm. 5t
em) (Stadt), mittelalterliches Gefäß mir
Bodenmarke 83.
Cilla Gerum, Seljenzeihnung 171, 173.
Lille Berge (Smaalene, Norwegen), Wagen
rad auf Felſenzeichnung 40.
Lindebuden bei Groß Wöllwitz (Kr. Slatow)
Wagenrad auf Hausurne 46.
Cipowitz (Kr. Graudenz), gebänderter
Feuerſtein 204. .
Litslena (Uppland), Sund der en rzeit 8.
Cockwitz (ber Dresden gebanderter s eners
jtein 206.
262 Sachregiſter.
Lodwiß (bei Dresden), Bodenmarken wen⸗
diſcher al 2
Cöfäſen (Bohuslän), gremur 223.
rog Or S Grimmen), Tongefäß mit haken⸗
euz 8
Coke 174.
Loffumer heide (Kreiſe Minden und
Stolzenau) Hiigelgraber 113, 114, 229.
Lodyer, über SR 148.
Cap 179, 180, 185f.,
Lübed (Stadt), ſpacſtawiſche Kultur, Ge⸗
age
a (Prien, Cager gebänderten Feuer⸗
eins 2
u (Ke KE Sund aus dem
2. Jahrhundert nah Chr. 4, 5.
u cher Aren 164, 165, 5
ützſchena (bei Leipzig), frühe Wenden⸗
era mit 8 75.
Macrobius, über Tempelanlagen in Thra-
kien 147 Anm. 1.
Magdalénien 189, 190.
W bei Leipzig), paläolithiſche
Sunde 179ff.
Mannebach (Kr. a), Hügelgräber
der Latènezeit 237, 241
Mannersdorf (am Leitha agebirge), au
armband mit 13 Hohlſchalen
Marienburg e de
Seuerſtein 204.
Markusſäule, Wagenräder 41, 43, 47, 54.
Wee Me (Oberpfalz), Flaſche mit Tier-
"aer (Kreis) Grabfunde der Latenezeit
felett- und Brandbeſtattung 241,
222.
Mazewo (Kr. Pultusk, Polen), gebänderter
Seueritein 203.
en Wellentinie in merowingiſchen
Gräbern 75.
Menhire, in der Rheinpfalz 250.
Menel, Ni hans, Gs dey Diluvialmenſchen
W prov. Novara, Oberitalien),
Holzräder 55ff., 61, 62.
Meringer, über den Strettweger Wagen 168.
Merowingerzeit, Runſtſtil 248f.
Merſeburg, mittelalterliche Bodenmarken
von der Altenburg 79.
Merſin (Kr. Köslin), un eines ver⸗
zierten Urnendeckels 2
Wa Ba 05 Wohlau), ce Seuer-
tein 2
Me ingert Na re Kr. Ober-
barnim), Goldſchale 133.
Meyer, Eduard, über bie Zahl Dreizehn
142.
Micoquien 184, 189.
Mieczownica (Kr. Slupzu, Polen), ge:
bänderter Seuerjtein 205.
Wie (Böhmen), Keſſelwagen 160
Minos 167, 168
Miſchiſchewitz (Kr. pores), Sund der
üngeren Kaiſerzeit
Moirans (im Jura), Bricht eines hg
lenders 146 Anm. 1.
Monatsnamen, altisländiſche 144 Anm. 1.
Mondſchütz (Kr. Wohlau), Tonrad 47.
Montelius, Oskar, über Jeitbeſtimmung der
Bronzezeit 27ff
men $ N N gebänderter Seuer-
ſtein
Mouſtsrien 179 ff. 189, 190.
us: Rudolf, uber Rhaos und Rhaptos
Mügeln (Kar. al Bodenmarken
wendiſcher ea an
Münchenroda (Kr polda), Bodenzeichen
an Tongefäßen 78.
Müller, GES über Grabſitten der Kaiſer⸗
zeit
Mygowo (Kr. Kulm), gebänderter Seuer
tein 204.
Muyrina (Kleinaſien), Wagenrad 40, 41.
Näglad (Rr. Mohrungen), gebänderter
Seuerftein 205.
m 1 pul polen)
enczow r awy, Polen), ge `
bänderter Feuerſtein 203.
Naſſeden (Rr. heiligenbeil), gebänderter
Seuerftein 205.
Natangen Sehe Ortsangabe), Bebanderjet
deim (Ar. 5 5.
Nauheim (Kr. e in Heffen), ger-
monine a Ber mit 2 Sdild-
budeln 19 Anm.
Nautzwinkel 5 Siäteufen) gebänderter
Seuerſtein 205.
Nemtßjice Gi Ser Kette mit Hae VE 161.
Neolithikum, Zeitrechnung 147f., 1
Nerthus 162, 164, 167, 168, ai 178.
Neuenfeld (Kr. Prenlau), Hügelgrab mit
A a E 103
Neuentnid ( Minden), Hügelgrab auf
dem Tlollenberg 113.
Neulinden (Kr. Hohenſalza), gebändertes
Seuerſteinbeil 203.
Neunundneunzig, e Bedeutung
der Jahl 150 fl
Niedzielsko (Kr. Dielen, polen) gebander=
ter Seuerjtein 205.
Niemisih (Kr. 1 0
ent Gefäße 7
d. Weſer, Urnenftiedhof 110,
Bodenmarten
Nienburg a.
229, 230.
Nienbüttel (Kr. üben), ermaniſche Kries
rgräber mit 2 (e udeln 19 Anm. 1.
Niniveb, Wagenrad
Nizniow (Kr. 1 Oſtgalizien), ge⸗
bänderter Seuerſtein 202.
Sachregiſter. 263
Njord 162f., 164, 167, 168.
Rordhemmern (kr. Minden), e
hof 108 f., 110, 111, 114,
Nérre Bro y (Sünen), Gund, Se dem
2. Jahrhundert nach Ch
Novilara, urnentragende Frau 162.
Nürnberg (Stadt), Pen n als Boden⸗
marke 80, 86.
Obervintl (Puftertal, ao: u gah ed
Ödenburg (Ungarn), Scherben mit dem
Bilde eines von Rindern gezogenen
Wagens 161, 162, 165.
Odermündungsgebiet, Fundort von Grä⸗
bern aus dem 2. Jahrhundert nach Chr. A
Oicow (Kr. Olkuſz, Polen), e
en 203.
Ofalew (Kr. Wielun, Polen), gebänderter
Seuerftein 205.
Olkuſz (Kr. Olkuſz, Polen), gebänderter
Seuerftein 203.
Olfen, Magnus, über Srey und Ull 167.
Olympiaden 146,
a ten We (Schweden), Sund der
oute (kt ec Lublinitz), gebänderter Seuer⸗
em (Kt Dloctawet, Polen), gebanderter
Seuerſtein 203.
Oſſoweg (Kr. Pr. Stargard), gebänderter
Seuerjtein 204.
De (Kr. Minden), Hügelgräber 113,
Överbo (Kip. Darker, Weſtergötland),
Sund der Kaiſerzeit 8.
wal ie Dr., 55 den Sonnenhirſch 171.
anighina ( Sorli, Oberitalien),
bronzezeit he Quellfaffun 207f.
E (Mecklenburg), Reſſelwagen 160,
bäi (Kr. enge höhe), gebänderter
euer
Pend, ü S geilbeftimmung der Eiszeit
179ff., 189, 191.
entagramm, als Bodenmarke 80, 86.
erugia (Italien), Keſſelwagen 161.
etrigau (Kr. Strehlen), Bronzeeimer 22.
eilings (Kr. Mohrungen), gebänderter
Seuerſtein 205.
Pferd, als 3 164 ff.
— - als austier 245.
St SE aus Terramare 137.
old) (Kr. Mayen), Sunde der Latönezeit
238, a 242.
Pollux 1
Polniſch Neudorf (Kr. SC laténe=
qe iche Schnabelkanne in frühkaiſer⸗
idem Grabe 22 Anm. 2.
poſterbolt 164, 168. i
oſterholt 3eitbeftimmung der Sunde ans
gezweifelt 10
EE en (Perun wendiſche Siede⸗
ung 1
Prokop, über die Heruler 2.
Przewodek (Kr. Sotal, Oſtgalizien), ge-
bänderter Feuerſtein 202.
Przewodow f. Przewodek.
Pullach, Gefäße mit verziertem Boden aus
dem Sirftengrab 72.
vere e (Kr. Grtelsburg), Gräberfeld 10
Rabe, im Tierkreis 143.
Rachow (Mecklenburg), germaniſches Krie⸗
gergrab mit 2 Schildbuckeln 19 Anm. 1.
Radfreuze, als Bodenmarken 80, 85, 86.
Rajtenburg (Kr. Raſtenburg), gebänderter
Feuerſtein 205.
Raf on a Adelnau), gebänderter Seuer⸗
20
Rees (ke. Rees), Jeitbeſtimmung der Sunde
Regensburg, bandkeramiſche Siedelung 138,
141
Rehna SES ſpätſlawiſches Ge⸗
fa
Reich wald (holländiſche Grenze), Halsring
aus ſpäter Hallſtatt⸗ oder MA Laz
tenezeit 99.
Reinede, Seitbeftimmung der Bronze- und
Hallſtattzeit 28f.,
Reitwein (Kr. Lebus) 1 Wattantage 221.
a Thorn), gebänderter Seuer⸗
ein 204
Rethwiſch (Amt Dechta, Oldenburg), Bügel⸗
plattenfibel der IV. Bronzeperiode 109.
Reuleaux, S., über den Urſprung des
Wagens 32.
any 167, 168.
Rhaos 165, 167.
Rbaptos 165, 167.
UPIT Zeitbeftimmung des. Gräber-
feldes 101.
Rieſte (Kr. Ülzen), E Krieger
grab mit 2 Schildbuckeln 19 Amn. 1.
Ringe (Sünen), Sund aus dem 2. Jahr
undert nach Chr. o
Rogaland (Norwegen) 1,
Rom, Quirinal, feuhſdeiſenseitliche Scherbe
mit Krötendarſtellung 214.
Rondſen (Kr. Graudenz), gebänderter
Seueritein 204.
— lateénezeitliche meſſer 25.
— Fund aus dem 1. Jahrhundert nach Chr.
aus der Kies un 7 Anm. 5.
nz Faarwe? mit 2 Schild⸗
udeln 19 Anm.
264 | Sachregiſter.
el (Kr. e EIER gebänderter
tein
Rot 1 (Miederöterrei), Dolchgriff⸗
Ruda Gt. Sd i. SEN ), Sund der
jüngeren Raiſerzeit 7,
Rügen, Deutung des namens 8.
Rugier 1 ff.
Rugir 1.
Rzeſzun |. Rzeſzun
Rzeſzunek (Kr. Rrelno), gebänderter Seuer⸗
ſtein 205.
Sackrau (Schleſien), die Stelettgräber der
jüngeren Kaiſerzeit den Rugiern zu⸗
geſchrieben 1, 2, 5.
Saint Germain en Laye, aus dem Mufeum,
Bronzefigur eines Mannes, der zwei
Pferde lenkt 166, 168, 178 Abb. 15.
Salin, Bernhard, über die Rygier 1, 2.
— über den gotiſchen Kulturfreis 1. 8.
Samland ons END), gebänderter
Feuerſtein 205.
Sammlungen, im aus zu Frank⸗
furt a. Oder 221
— des Kreishauſes zu Minden 226.
— des Paftors Magdalinski 225 Anm. 1.
Sandige höhen bei Thorn, gebänderter
Seueritein 204.
Scef 177, 224.
Schaltjahre 143 ff.
Schaltmonate 145ff.
Schäßburg (Siebenbürgen), verzierte Ton-
platte der Bandkeramik 158, 140, 141.
Scheffer, Johannes, über den Urſprung des
Wagens 32.
Schetelig, haakon, über die Rugir 1, 2.
— über Vorbilder der norwegiſchen Skelett⸗
Is, des 5. bis 6. Jahrhunderts nach
r
Schilde, als Kultiymbol 165ff., 224f.
Schildbuckel, in Anzahl von zwei Stück in
| oe Kriegergrabern, Sundorte
Schildtröte, verbreitung 212f.
— im Volks pened 220.
Schildkröten⸗ „ Merje 212ff
Schkopau (Kr. el gebanderter
Feuerſtein 2
SE ar (Kr. dicht, SE aus
dem 2. Jahrhundert nach Chr.
Schledebrück (Rr. Wiedenbrück), ER
friedhof 229.
Schlichtingsheim (Kr. Srauftadt), Gräber:
feld der Spätlatenezeit 15.
sn v., über den Urſprung des Wagens
Schlüterſche Waldkarte 115.
Schönfeld (Kr. Stendal), ſpätneolithiſche
Schale mit Bodenzeichen 72.
Schöngrund⸗-Mſzanno (Kr. Strasburg i.
Weſtpr.) GENEE Feuerſtein 204.
Schrader, Otto, über die Schildkröte 212.
Schriftennachweis der ee Ar-
beiten el Koffinnas VII
— zur Srage der Bodenſte el 71 Anm. 1.
— über 5 ge gn Agen 80 Anm. 1.
Schuchhardt, Karl, über Stonehenge 147
Anm. 1, 149
SES Soe Klieſtow 219, 220.
Schwerter, N vom Quellgrund in
St. Moritz 2
Sculd 177, 224.
Seelenfeld (kr. Minden), Hügelgräber 113.
Segenthin (Kr. eu), sum aus dem
2. Jahrhundert nah C
0 über Schildkröten⸗ ongeſäße 217,
Seidewiß (bei Leisnig, ek Sachſen), mittel-
alterlithes Gefäß mit Bodenſtempel 77.
Sefer, §., über die Zahl Dreizehn 142.
en Sree STONE), Näpfchen-
Hem 136 Anm., 158
Siegburg en) Lage der Hallſtatt⸗
gräber 100.
Silingen 2,
Silligsdorf (At. Regenwalde), gebänderter
Feuerstein 205.
Silund = Seeland 2.
Stade 162%.
De (Dänemark), Keffelwagen 161,
63.
1
Stilfingar 177.
Stjold 177, 224.
Sfomataren 170.
Slotowa (Kr. Pilzno, Weſtgalizien), ge:
ray tae Seuerſtein 203.
Smith, ©. Elliot, über Zahnabnügung 89.
Soergel, über Eiszeit 183 Anm. 1.
Sofolten (Kr. Marggrabowo), gebänderter
Seuerſtein 205.
Sölarljod 171ff.
Solutréen 69, 189, 190.
Sonnentult 159
Sorau (hr. Sorau), gebänderter Seueritein
05.
Sparta (Griechenland), Diosturentempel
160, 164, 167.
Spinnwirtel, als Anlaß zur Erfindung des
Wagens 34.
Sprynia (Kr. Sambor, EE ge:
bänderter Seuerſtein 202.
Staadorf (Oberpfalz), Bronzeſcheibe 137.
Standau (Kr. Hobenjalza), gebänderter
Feuerſtein 203.
sae rs (Salfter), un aus dem 1.
Jahrhundert nady d
Stanomin = Standau 203.
SEN EE der nordilchen Streit-
arte 251.
Stemmer, (Kr. Minden), Urnenfrieöhof
108f., 110, 111, 114, 229.
Stephan, Paul, über Stonehenge und Ape-
bury 147ff., 150.
St. Marein, Litulenöruchſtüc 176.
Sachregiſter. 265
St. Moritz (Schweiz), Quellfaſſung 25 ff.,
207.
Stonehenge (England), Steinkreiſe 147ff.
Storedal (Amt Smaalenene, Norwegen),
SCH aus dem 2. Jahrhundert nad) Chr.
Stove (Mecklenburg), ſpätſlawiſches Gefäß
Strettweg (Steiermark), Kultwagen 159 ff.
Striegau (Kr. Striegau), Hakenkreuze als
Bodenmarken 83.
Straty (Böhmen), Stelettgrab aus dem
1. Jahrhundert nach Ehr. 6.
Strzegocin (Kr. Lentichiza, Polen), ge-
bänderter Seuerſtein 205.
Stukeleu, über Avebury 149 Anm. 1.
Südlengern (Kr. Herford), Urnenfriedhof
108, 110, 114.
Sumeriſche Kultur 152.
Surya 164.
Szadlowice (Kr. Hohenjalza), gebänderter
Seuerftein 203.
: RE (Siebenbürgen), Keffelwagen
161 A
S3eromin (Kr. Plonst, Polen), gebänderter
Seuerjtein 203.
S3ylagyi-S3omlyo (Ungarn), Sibel 93, 95.
Szumborze (Kr. Hohenſalza), gebänderter
Seuerſtein 205.
Tacitus, über die Germanen 244.
— über die Rugier 3.
— über die Iſis 175.
— über die Nerthus 162, 167.
— über die heiligen weißen Pferde 164.
Tanum (Bohuslän), Wagenrad auf Seljen-
zeichnung 48.
Carnowet (Kr. Strelno), gebänderter Seuer⸗
Wem 205.
Taubah (Sachſen⸗Weimar), paläolithiſche
Sunde 183, 184,. 189, 190.
Tegneby (Bohuslän), Selſenzeichnung 223.
Teutoburger Wald, Hügelgräber 111, 114.
Theinſelberg (bei Memmingen, Bayern),
mittelalterlicher Becher mit Bodenmarke
80.
Thiede (Braunſchweig), paläolithiſche Sunde
185, 186 f., 189
Thierbach (Kr.
Seuerſtein 2
RE ſandige höhen, gebänderter Seuer-
weitzenfels) gebänderter
06.
EE über den Kalender von Coligny
147
Tordos, Hakenkreuz in Sunden der jüngeren
Steinzeit 87.
Trajansjäule, Wagenräder 47, 49.
Trebig (Thüringen), Sund der jüngeren
Raiſerzeit 5.
Trettin (Kr. Weſtſternberg), Sunde 221.
Treverer 241.
Walderſee (Sor
Troja (Kleinaſien), durchbohrte Stein⸗
ſcheiben 138. l
Trundholm (Seeland), Sonnenwagen 36.
Tidhiläfen (Kr. Guhrau), jpätlatenezeitlicher
Sund 15ff.
— Urnenfeld der V. Bronzeperiode 16.
Tylor, über den Urſprung des Wagens 35.
Cymin (Kr. Izbica, Polen), gebänderter
Seuerſtein 203. f
Ull 167.
Undſet, über Wagengebilde 166.
Upſala (Schweden), Felſenzeichnung 139.
Donen 167.
Delem St. Did (Kom. Steinamanger, Un⸗
garn), Tonſcheiben 48.
Verona (Oberitalien), urnentragende Frau
162
Detulonia (Italien), Wagenrad auf Münze
59
— dreifußkeſſel 165, 168.
Didar 174. .
Dillfarahogen (Schonen), Felſenzeichnung
139.
Vierſchlingen bei Brackwede (Ltr. Bielefeld),
Hugelgraber 112, 113.
Dögel, als heilige Tiere 161 ff.
Doigtitedt (Kr. Sangerhauſen) Sund der
jüngeren Kaiſerzeit 5.
Dölterwanderungszeit, Kunititil 244, 247.
Wabc3 (Kr. Kulm), gebänderter Seuerſtein
204.
Wagen, Entſtehung Ziff.
= deutung der bronzenen Reſſelwagen
159ff.
Wagenräder 31 ff,
Wahle, Ernſt, über cheruskiſche Gräber 115.
Wahn (Kr. Mülheim a. Rh.), Slachgräber
Geh i S ee éi 00
allſtatt-hügelgräbern angeleg ;
ſterei bei Alt Kelbonten, Kr.
Sensburg, Mafuren), Grab der jüngeren
Steinzeit 11ff.
Waldfee-Aulendorf (Donautreis, Württem⸗
berg), hölzernes Wagenrad 42, 47, 49.
Walsleben (Kr. Oſterburg), Tonſcheibe 48.
Wandalen 24, 165, 244.
Waralden Olma 170, 225.
Warmſen (Kr. Stolzenau), Sunde der vor-
römiſchen Eiſenzeit 110, 226ff.
Watſch (Krain), Situla 167.
Wawrochen (Kr. Ortelsburg), gebänderter
Seueritein 204.
Wehlau (Kr. Wehlau), gebänderter Heuer:
ſtein 205.
Wellenlinien, auf Tongefäßen 75.
Wenſickendorf (Kr. Niederbarnim), Bronze:
ſchwerter 210f.
Wejterwanna (Rr. Hadeln), Bronzeeimer
21.
266 GBachregiſter.
Weule, über den Urſprung des Wagens 35.
Weyeregg an Scherben mit
=. u aus Pfah bau im Atterfee
ärt (Kr. Oppeln), dr. 8. aus dem
e nach Chr
Wielands hal (Niederöſterreich), Cößprofil
Wierzbowiec (Kr. Trembowla, Oſtgalizien),
gebänderter Seueritein 202.
Wies (Steiermark), reich verzierter Deckel
eines ER 132.
— Dotivſchilde 225.
— Knotenfibel 131.
Wilhelmsthal (Kr. Ortelsburg), gebänder⸗
ter 8 204.
eorg, über den Artgott 170.
— über die Leiter 225.
— über die Schildkröte 212.
Wilkinſon, über den Urſprung des Wagens
willenberg (Kr. Stuhm), kaiſerzeitliches
Gräberfeld 9.
Willendorf e paläolithiſche
unde 186, 187.
Willers, über Bronzeeimer 19ff.
Wilmersdorf (Kr. Beeskow⸗Storkow), Ton-
une mit 13ftrabligem Stern 131.
bag a (Kr. Grodek, Oſtgalizien), ges
änderter Seuerſtein 202.
Wittenhuſen (Kr. E bronzezeitlicher
Urne.tfriedhof 108f., 114, 229.
— — Berichtigung über Bronzeraſier⸗
meſſer 230.
GE GE Slatow), hausurne mit Wagen»
Wleclawef (Kr. Wloclawek, Polen), ges `
bänderter Jeuerſtein 203.
GR als SN Tier 163.
o
"Të J pe Wolaatt), gebänderter Seuer-
or une von er eae 107.
Wollishofen (Kt. Zürich), Conrad aus
ablbau 48.
Wuttke, über die Zahl Dreizehn 141.
Yitad (Schonen), Kefjelwagen 161.
SE 89ff.
Zawadda (Kr. Schlochau),
Seuerſtein 204.
Zeippern (Kr. Guhrau), Gräberfeld der
Spätlatènezeit 15.
SE kinſetzung der Bronze
SEN bei verſchiedenen
Sorſchern 28
— der niedertheiniſchen Hügelgräber 97ff.
Zelechlin Aer? G3 denſalza), gebänderter
Seuerſtein 2
Zeus 167.
su 1 über Rügen, Namensdeu⸗
Siegen ( CH Sachſen), frühe Wenden:
mei, a in ne: Tempelan”
Zliv Böhmen,) Sund aus dem 1. Jahr⸗
undert nach Chr. 6.
5640 der Kaka Bodenmarken wens
iſcher
sana EH (Schweiz), Goldſchale 133,
zwintſchöne (Saalkreis), I
gebänderter
Verzeichnis der Abbildungen
im Text und auf den Tafeln.
(Zeitlich und länderweiſe geordnet.)
Seite, Tafel
1. paläolithiſche Zeit.
Mitteleuropa.
e der Einrichtung der paläo⸗
ithiſchen Kulturſtufen in die Eis⸗
und Zwiſcheneiszeiten . 189, 190
Lößprofil in der Stiftsziegelei zu
Wielandsthal bei 0 bud
in Nie deröſterreich
Mand elförmiges Seuerfteingerät aus
der Soluttè-Petiode i. Srankreich 68
— in Südſch weden 68
2. Neolithiſche Seit.
Nordoſtdeutſchland nebſt an-
grenzenden Ländern.
Karte der Verbreitung der gebänder⸗
ten Seuerfteingeräte . . . .. . IV
Grabfund (durchbohrter Steinham⸗
mer, Seuerſteinmeſſer und =pfeil-
ſpitze, ſpätneolithiſcher Tonbecher)
von Walderſee bei Alt Kelbonten .
(Kr. Sensburg), Oftpreußen .12, 13
Hügelgrab (Anſichten vor und bei der
Ausgrabung) bei Buzany, Wol⸗
nen wur 106
Süddeutſchländ und Gſterreich—
Ungarn. ,
Derzierte Schale bon Groß Gartach
(Nekkarkreis), Württemberg.. 138
Gefäßſcherben mit Sonnenfigur einer
bandkeramiſchen Siedelung bei
Regensburg, Bauern 138
Gefäßſcherben mit Sonnenfigur aus
teinzeitlichem Pfahlbau im Atter⸗
ee b. Weyeregg, Oberöſterreich 138
Derzierte Tonplatte der Spiralmäan⸗
erkeramik von Schäßburg, Sie-
ben bürgen 139
Seite, Tafel
England.
Steintreife von Avebury, Lageplan
um 1700) nah der CG nung
UDTUS: al ĩ ĩͤ K 149
— mutmaßlicher Verlauf der Stein-
ſetzung am Wege nach Overton
Hill nach Wiltek« 149
3. Bronzezeit.
Schweden. GE
Selſenzeichnung von Soffum. . . . 169
— von Lilla Gerum. .... cate. SECH
— von Dillfarahögen (Schonen). 140
Danematt.
Reid) verzierte Schaftlohart. . . . 137,
ere e Qe Eas oe A 135
Gürtelplatte (Seeland) . 2... . . 135
hängedoje (Seeland 135
Goldſchale von Eilby Lund (Sünen) 133
Deutſchland.
In Schleswig⸗-holſtein
ee von Ladegaard (Kr. Haders⸗ :
13
von IBehoe. .. eee. 162
In Weſtfalen
Sunde aus dem Ausgange der Bronze:
zeit, Raſiermeſſer und Tongeſäße
von Wittenhujen (Kr. Minden) 109, 110
— Kaliermeſſer und Tongefäß von
Stemmer (Kr. Minden)... . 109
Jn Brandenburg
Goldſchale von Meſſingwerk b. Ebers-
walde (Kr. Oberbarnim) . . .
BE. von Wenſickendorf
(Kr. Niederbarnim)
268 Derzeichnis der Abbildungen.
Seite, Tafel
In Pommern
Goldſchale von Langenburg (Kr.
Sran3burg). 999 134.
In Bayern
Bronzeſcheibe aus frühbron E
Grabe von Staadorf (Oberpfalz) 157
Mähren.
Da Gürtelſchließe der früheften
ronzezeit von Jägerndorf. . . 15
Böhmen. ,
Reſſelwagen von Milavetſch . . . 160
Oſterreich.
Dolchgriffplatte von Rothengrub (ite:
deröſter reichs
Schweiz. i
Sunde (Holzröhren,⸗blockleiter,⸗hacken,
E der ER,
von St. Moritz . . . 26, 27, II, III
4. Vorrömiſche Eiſenzeit.
Deutſchland.
In Schlejien
Grabfund der Spätlatenezeit (Bronze:
eimer, ſchweiſchneidiges Schwert,
Canzenſpitzen, darunter verzierte,
Schildbuckel, Meſſer, Dolchmeſſer
mit Dogeltopf am Griff, Rafier-
meer 2... 2.0... 17, 20, 21, I
Schildkrötengefäß, früheſte Eiſenzeit,
von Glauſche (Kr. Namslau). . 218
In Brandenburg
Sunde (Nadeln, darunter Schwanen⸗
halsnadel, eiſerne Halsringe, Glas⸗
perlen, Tongefäße, darunter 2
eee e
von Klieſtow $ t.. Cebus) . . 216, VI
Tonſchüſſel, früheſte Eiſenzeit, von
Wilmersdorf (Kr. Beeskow⸗Stor⸗
e) ee 131
Jn Pommern
Urnendedel mit Zeichnungen, früh-
eiſenzeitlich, von Merſin (Kr. Kös-
E ĩ — 223
In Weſtfalen und Hannover
Cageplan der Urnenfriedhöfe und
Hügelgräber im nördlichen Weſt⸗
ekröpfte Bronzenadel mit Kopf-
ebe, Beigefäß von Nordhemmern
KE Minden)
— EE von Stemmer (Kr.
Minden). 110
— Lageplan des Urnenfeldes, Ton⸗
gefähe von Warmſen (Kr. Stolze⸗
. . 226, 227,228
-fe
. W Mo ò% » % 9
nau, Hannover)
Seite, Tafel
In Rheinprovinz
Aus der Hallſtattzeit:
Klapperblech von Gering (Kr. Mayen) 129
W von e tr. Mayen) 130
— von Kebrig (Kr. Mayen) . . 150
Aus der Latenezeit; im Kreife Mayen
und Nachbarſchaft:
Grabfunde im Mayener Stadtwald,
Diſtr. Stich rechts; Bronzering,
Caténefibel, Bernſteinringe, Kurz-
ſchwert, Tongefäße . . .232, 254, 235
— — im diſtr. Ciebroth; Lageplan,
Tongefä ge ;
— in Kruft (Kr. Mayen); Schwert⸗
ch 8 239
— in Polch (Kr. Mayen); Bronze:
ange le Be ers 238, 259
— in Mannebach (Kr. Adenau); Ton⸗
gefgßß 3. a 258
— in Kaiſerseſch (Rr. Kodyem);
eiſerne Speerſpitzen, Dolch. 240
In Württemberg
Tongefäß der Hallitattzeit von Afh
bei Blaubeuren (Donaufreis). . 151
In Bayern
Zeichnung auf der Slaſche von Matz⸗
haufen (Oberpfalz z. 172
Oſterreich-Ungarn. N
Gehängefiebel von Hallſtatt (Ober⸗
öſterreich)
Knotenfibel von Wies (Steiermark) 152
Eimerdeckel von Wies (Steiermark) 152
Dotivfchild von Kleinglein bei Wies
(Steiermar 7777777) 175
Situla, Ausſchnitt, von Kuffarn (Nie⸗
deröfterreih) . - - » = 2... 165
— von Watſch (Krain). d) 166
— von St. Marein 176
Rultwagen von Strettweg (Steier⸗ 50
ee E ese, e 1
5. Römiſche Kaiſerzeit.
Dänemark.
Platte aus dem Keſſel von Gundeſtrup
(Jütlandedz᷑:- :: 163
Deutſchland.
In Schleswig .
Runenhorn, Ausſchnitt, von Gallehus
(Kr. Tondern )) 128
-O ͤ—.——.—. ..,. 6 t | — ae
r ——— — ͤ — — ` ve
Verzeichnis der Abbildungen. l 269
Seite, Tafel
Jn Thüringen
Silberplatte von Dienſtedt bei Remda
(Sachſen⸗ Weimar 128
en z
REIS von Bronzetafeln, telti-
eer Kalender mit lateiniſchen
Fe E von Goligny bei
A/ ( 154, 155
6. Frühes Mittelalter.
Deutſchland.
Wald und Beſiedelungsfläche in früh⸗
Wer Zeit im mittlerem Ge⸗
biet der Weſer und Elbe (Aus-
ſchnitt aus der . Karte) 115
Bodenſtempel des 10. bis 13. Jahr-
underts aus dem Königreich
Gen gr A 76,
— aus Mittel- und Süddeutihland 79
— aus dem öſtlichen Deutihland . 82
[die Namen der Fundorte find unter den
einzelnen ene genannt.)
Böhmen.
Bodenſtempel vom Hradek von Czas-
CP 84
7. Derſchiedene Seiten und
Länder umfaſſend.
Wage nräder
39, 40, 42, 43, 44, 45, 50, 52, 56, 57
— darunter erhaltenes olzrad von
Waldſee⸗flulendorf (Donaukreis,
Württemberg))
— — von Caſtione (Prov. Parma,
Malen a Jer ese cs
— — von Mercurago (Prov. Novara,
Italien), Scheibenrad sds.
— — von ebendort, Speidjenrad . 57
8. Nicht genau beſtimmt.
Schweden.
Steinplatte mit Ruderboot, in dem
12 Ruderer und 1 Führer ſitzen,
von häggebu (Uppland), 400 bis
600 nach Chur. 159
- Seite, Tafel
Deutſchland.
In Brandenburg
Hügelgrab mit Pfoſtenlöchern, Auf-
Sen während der Ausgrabung
und euerſteinpfeilſpitzen, von
Neuenfeld (Kr. Prenzlau) .. 104, 105
In Schleſien
are dreizehnteilige Stein⸗
Iheibe zu he ea ee A A
Tirol.
Bronzerad mit 13 Speichen von Ober⸗
Vintl (Puſtertalnln 77 132
Serbien.
Weibliche Tonfigur von Klitevat (Neo⸗
lithiſche Zeit oder 1. Bronzeperiode) 138
Ohne Ortsangabe.
Bronzefigur, Mann mit ſpitzem Hut,
der 2 Pferde lenkt, aus dem Na⸗
tionalmuſeum zu Saint Germain
en Lahe ae re 178
9. Karten, Pläne.
Darſtellung der Einteihung der paläo⸗
cl en Kulturftufen in die Eis⸗
und Zwiſcheneiszeiten . .-.189, 190
Karte der Verbreitung der gebänder⸗
ten Feuerſteingerdtee
Tageplan der Urnenfriedhöfe und
Dee im nördlichen Weft-
folen bi wi ces oe 5 ae Be 114
10. Bildniſſe.
Guſtaf Koffinna.
11. Derjchiedenes.
ef gene Ee Sigur von
Curium (3 yearn a a e E 131
Gemme von E ee ee 131
Sarkophag von Theben 132
Verzierungen eines Hauſes in Eſch⸗
oven a. d. Lahn . 2... . 126
Sranzöjiiche Amulette der Gegenwart
mit der Zahl Dreizehn aus der Ge⸗
gend von Cillll llc 122
ee
— — — — — — —— — eae AE vg e
270 | zur Nachricht
Fur Nachricht!
Dieſem Mannusheſte liegt bei ein Bildproſpekt:
Hakenkreuz⸗Jahrweiſer 1920.
Herausgegeben von Bruno Tanzmann und Walter Günther-Schrecken⸗
bach. Hakenkreuz⸗Verlag in Hellerau-Dresden. Preis 5,50 Mk.
Das Bildnis, nach einem alten Gemälde von hans Thoma, genannt
der „Philoſoph mit dem Ei“, ſtellt Cangbehn, den Derfaffer des berühmten,
jetzt leider gänzlich vergriffenen Buches „Rembrandt als Erzieher“ dar. Es
eröffnet einen Reigen von 60 ſorgfältig gewählten Wochen⸗ und Feſttags⸗
bildern von hans Thoma, Grafen Kalkreuth, Sidus⸗Hhöppner, Karl Bauer,
Ubbelohde, Steppes, Willi Krauß u. a., worunter Bildniſſe völkiſcher Führer
wie Langbehn, Graf Gobineau, Grundtvig, Bartels u. a. ſich befinden. Merk⸗
ſprüche und Berichte begleiten den künſtleriſchen Schmuck. Dieſer Abreip-
Wochenblock iſt künſtleriſch und textlich ebenſo wie drucktechniſch ein in jeder
Beziehung gediegenes Derlagswerf, das alle Beſtrebungen zum Wiederaufbau
unſeres Volkes zuſammenfaßt und unſeren Mitgliedern — auch Bruno Tanz-
mann gehört zu uns — zur Anjchaffung um jo mehr empfohlen werden kann,
als darin auch die deutſche Vorgeſchichte mit längeren Ausführungen aus
dem Buche von G. Roſſinna „Die deutſche Vorgeſchichte“ vim. und mit
Koſſinnas Bildnis vertreten iſt.
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Tafel V.
Mannus, Zeitichrift für Vorgeſchichte. Bd. X.
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Abb. 3.
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Abb. 2 B.
Abb. 1B.
Abb. 1 B, 2B und Abb. 3. Wenfidendorf Kr. Niederbarnim.
verlag von Curt Kabigidh, Leipzig und Würzburg.
nzeſchwert⸗Funde.
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Mannus, Jeitſchrift für Vorgeſchichte. Bd. X. Cafel VI.
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Bronze: 1. 2. 3. 4. 8., und Glas 6a u. f, Eiſen 6c u. d, Glas 6b.
Urnenfeld von Klieftow Kr. Lebus.
Lienau, Schildkrötentongeſäße. verlag von Curt Kabigih, Leipzig und Würzburg.
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` Zeitichritt für Vorgeſchichite
. 2 Band X. 11918.) 7 |
>. Guitaf Koilinna
um 60. Geburtstag, gewidmet.
keipzig und Würzburg
Verlag von Curt Kabigin
1918.
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ue gnung e e e ré e, e = o H 0 e e D e e Lë e D e » D
Bemerkungen . `. ..' SH EECH EE
HImgren, Zur Rugiertigge und Verwandtes I e ee
Bezzenberger, Ein mafurlicdes Steinzeitgrab - SC te eee
Jahn, Der Spatlatene-Fund von. Tkhllälen Kr. Gutrau nat tele ae
klenau, Die bronzezeltliche ‘Quellfafinng von, St. Mori achtrag) Daf
.Mötetindt, Die Entitehing des Wagens und des Wagenrades 3
‚Monte[lus, Die Vortahren der Sermanen e . 64470 7
nabe, Die Bodenitempel auf wendikhen und weg Sitte des A nach: „ E ei
l chriltilchen Jahrhunderts . Se . U-88: Cf
Netoligkg, Die Urfadie der-itgrken Zchnabungung . an prählitorihen. Schäden . 89-91” ft.
Beiler, Der Goldfund don Sammersdost 55 g Sien, dë e 92—96, DN
Rademather, Zur Chronologie der niedertheintkhen Ballftattgrdber wee . 7-102 5
Schultz e, Vorgekhiciliche Unterluchungen während der Rrlegs zelt . 103107 "A
Schulz, UmentriedhOfe und Grabhügel des lebten Sahriaulends v. Ehr. Im austeilen 2 7 We
bwelnalen 1 . 108-116, al
Wahl e, Der moderne Krieg, ein Minderer der ver und rähgefäctichen Bodentunde 112-120 vy
' Wilke, Die Zahl dreizehn im Glauben der 8 e e
Feldbriefe 8 ‚——U— „„ „ gog e . 180-11
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llt unter der Redaktion der Serren Profeffor Dr. Bans Schwe, Babe 4. S. A
und Generalarzt Dr. bg Wilke, E eee 1 „
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Ilannusbibltollek en = E
8 m 1. Wilke, Dr. Georg, Sbirul-IIidander-Reramik uiid Gefähe 2
malerei. (Sellenen und Thraker). Int 100 Abbildungen im Text-
An ` 8 ‘und 1-Tafel. / 1910. gr. 8 . It, 84 Seiten. Einzelpreis m. 4.30. — Sub- OM
l knptlonsprels“) M. 3. Co. SH
No; 2. Kimakowicz Winnicki, M. von, Spinns und Webewerkzeuge, 7
Eo Entwicklung und Anwendung’ in..vo rgeldtichtlicher Zeit Europas.
Weg? Wa Hut 107 Textabbildungen. 1911. Lä III. . * IA, 30; SE
l Bee . Sublkriptionspreis m. 3. 6o
De 3.. Schulz, Prof; Bruno, Das Grabmal des Theoderich zu e
‚Ravenna und ſelne Stellung In der. Hrdiltekturgeſchichte. Di
| 2 Abbildungen im Text und 1 Titelbild. 1911. gr. 8°, 33 Selten. Einzel.
Aug preis- M. 2.20, — : Subfkriptionspreis I. 1.75. h
n. l. Bartelt, Rektor Wilhelm, und Wadte, Mittelfchulishrer Kari, Die Burg-
: wălle des Ruppiner Kreifes. Ein Beifräg zur Heimatkunde. -
k 8 “Mit 1 Karte und 20 Tafeln, enthaltend 27 kagepläne und 227 Abbildungen `
unn Text. 1011. gr. 8°. HI, 65 Seiten, „ m. 5.50, — 2
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Deg, Kropp, Philipp, EEN Funde an: der WIER E
"AT germaniichen Völkergrenze zwilchen Saale und Weißer `
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turen zwifdıen Oder und Pallarge zur römlichen Kallerzeif. I. Tell:
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no. 12. Kolfinna, Prof, Dr. Guitat, Der germanifche Soldrelchtum
in der Bronzezeit. I. Der Gofdiund von Mlelfingwerk bet Ebers- -
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llo. 18. Blume, Dr. Erih, Die germanischen Stämme und de
Kulturen zwiíhen Oder und Paflarge zur römischen Kalſerzelf.
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1915. gr. 85. XIII und 212 Selten. sum m. 8. — Subtkriptions-
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lo. 15. Wahle, Dr. Ernit, Oftdeutichland in jungneolithlicher. Zeit, |
eln. prahiltorlidtegeographifdter Verfudt. Mit 2 Karten und 4 Tafeln.
1018. gr. 8°. IX und 216 Seiten. Einzelpreis Il. 9.—. — ~ Subfkriptions- :
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No. 10. Jahn, Dr. Martin, Die Bewatfnung der Germanen in der
älteren Eifenzeit etwa von 700 v. Chr. bis 200 n. Chr. Mit 1 Tatel,;
2 Karten und 227 Abbildungen im Text. 1916. gr. 8°. X und 20
Selten. Einzelpreis M. 7. — Subikriptionspreis Mm. 5.60.
no. 17. Hberg, Dr. Nits, Die Typologie der nordikdten Streite
äxte, Mit 75 Abbildungen im Text. 1918; gr. 8°. IV und 60 Selten.
Einzelpreis M. 3.—, Subikriptionspreis M. 2.40. i
No. 18. Koltrzewski, Dr. Józef, Die Ve Kultar der l
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herausgegeben von Prof. Dr. Guitaf Koflinna.
Yährlidi & Hefte in zwanglofer Folge, die zulammen einen Band von etwa 20 Druckbogen mit
ebenfoviel Tafeln und reichlihen Textabbildungen bilden. Einzelne Seke find nicht ck.
Bezugspreis für den Band M. 21.—, Einbanddecken zu M. 1. -
Inhalts verzeichnis des vorliegenden eltes:
I. Abhandlungen:
Bing, Just: Der Kultwagen von Strettweg und feine Geltalten. Mit 15 Abb. im Text.
II. Mitteilungen: ` ` Si
Bayer, 3.: Die Unhaltbarkeit der bisherigen Eiszeitchronologie Horddeuiſchlands. Mit 3 Abb.
Beh v. Wichdorf, Dr.: Die neuere Geologie Oltdeutichiands und die vorgeldichtlihe Willenidaft..
Koflinna, Gultaf: Erläuterungen zur Karte der Funde gebänderter Feueriteingerdte. Mit Tafel IV.
kienau, Michael Martin: Die bronzezeltliche Queilfaflung von St. Morig. Hoch ein Hinweis.
Lange Aë 19 Zwei Bronzeidiwert-Funde aus Wenildendort Kr. Mederbarnim, Prov. Brandenburg.
kienau, Michael Martin : Ein großes und ein kleines Schildkröten-Tongeläß aus Kliestow (Kreis
Lebus) bei Frankfurt a. O. Mit 3 Abb. im Text und Talel VI.
Bing, Suit: Der Urnendeckel pon Merfin Kr. Köslin. Mit 1 Abb. im Text.
Schulz, Walther: Urnenfunde der vorrdmifchen Ellenzelt bel Warmien Kr, Stolzenau, Prop. Seege
Mit 7 Abb. im Text.
Borter, Peter: Grabfunde der Latäne-Zeit im Muleum zu Mayen (Rhid.). Mit 10 Abb. im Text.
III. Bücherbefprechungen.
IV. Sachregliter.
v. Verzeichnis der Abbildungen,
in Ganzleinen find zum hiermit abgeicdloffenen X. Band wieder
Einb anddecken erhält. Preis fir die Becke DL &.—, Porto 30 Pig.
Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte.
Der Mitgliedsbeitrag der Gefellichaft für deutſche Dorgelchlchte beträgt letzt 15 M.,
für Mitglieder der Berliner Zweiggelellkhaft 2 M. mehr;
die Einzahlung desſelben hat an den velas von Curt Rabtizsch, Leipzig, Dorrienitrake 16,
zu erfolgen.
Neuanmeldungen sowie Abmeldungen bi crete an ten vor
rungsrat Professor Dr. G. Kossinna, Berlin-Lichterfeide, Karlstrasse 10 oder an den Schage
meilter der Geleliinalt, Berm Ernst Snethlage, Berlin MW 7, Quigowlfrake 123 zu richten.
Anschrift-Änderungen wa Zablungen ‘sys sey, Pets
Leipzig, Dörrlenitraße 16.
m anuskri te Vorl a ge ulw. find nur an den Berausgeber, Bern Geh. Regie
ITAnUSKTIpIE, Vorlagen rungsrat Professor Dr. G. Kossinna, Berlin-Lidter-
felde, Karlitrage 10 einzuliefern (Einicreiben!). Manuikripte follen möglidit einieitig be-
icrrieben fein, Zeichnungen reproduktionsfdhig ausgeführt unter Vermeidung von Blelitiftitricien
oder mit Bleiſtift ausgeführten Schattierungen. Am beiten geeignet find Federzeichnungen,
die jedoch tief idıwarz gehalten fein müſſen. Graue Striche eridiweren die Wiedergabe.
Der Bezugspreis des mannus im Buchhandel befragt für den vorliegenden Band m. 16 .
— ferner fel auf die beiden Ergänzungsbände aufmerkiam gemacht,
fowle auf die Einbanddecken zum Preife von M. &.— (für idmtlihe Bände nodi erhältlich).
Die Bände | IX und Ergänzungsband | und Il können neu eintretende Mitglieder
3 und Abonnenten, soweit noh vorhanden, nachbezlehen. Man werde
lich an den Verlag.
derlag von Curt Kabißic in fretpzig, NSrrienttrake 16.
Mannusbibliothek e uar romaa
No. 1. Wilke, Dr. Georg, Spiral»Mäander»Keramik und Gefäß»
malerei. (Hellenen und Thraker). III, 8% Seiten mit 100 Bb-
bildungen im Text und 1 Calel. 1910. Einzelpreis M. 4.50. — Vorzugs-
preis*) M. 3.60. |
‘No. 2. Kimakowiczs Winnicki, M. von, Spinn= und Webewerkzeuge.
Entwicklung und Anwendung in vorgeldichtlidier Zeit Europas.
III, 70 Seiten mit 107 Textabbildungen. 1911. Einzelpreis m. 3.30.
— Vorzugspreis III. 3.60.
Dog. Schulz, Prof. Bruno, Das Grabmal des Theoderich zu
‘Ravenna und feine Stellung in der Ardutekturgefchicite. 34 Seiten
mit 34 Abbildungen im Text und 1 Titelbild. 1911. Einzelpreis III. 2.20,
— Vorzugspreis M. 1.75. :
No. 4. Bartelt, Rektor Wilhelm, und Waale, IIlittelſchullehrer Karl, Die Burg,
© wëlle des Ruppiner Kreifes. Ein Beitrag zur Belmatkunde.
III, 65 Seiten mit 1 Karte und 20 Tafeln, enthaltend 27 Lagepläne, fowie
927 Abbiidungen im Text. 1911. Einzefpreis M. 5.50. — Vorzugs-
preis M. A. 40.
flo. 5. Kropp, Philipp, katénezeitlicie Funde an der kelfiichs
germaniichen Völkergrenze zwiichen Saale und Weißer
Eiter, iV, 132 Seiten mit 167 Abbildungen und 2 Kärtchen im Text.
1911.- Einzelpreis M. 8.50. — Vorzugspreis III. 6.80.
No. 6. Kollinna, Prof. Dr. Guitaf, Die Herkunft der Germanen. Zur
Methode der Sledlungsarchdologle. 30 Seiten mit 1 Karte. 1911.
Einzelpreis III. 1.50..— Vorzugspreis M. 1.20. Z. Zeit vergriffen.
No. 7. Wilke, Dr. Georg, Südweiteuropäiliche Megalithkultur und
ihre Beziehungen zum Orient. IV, 181 Sehen mit 141 Abbildungen
im Text, 6 Tafeln und 1 Karte. 1912. Einzelpreis m. 7.50. — Vor
zugspreis- M. 6.—.
No. 8. Blume, Dr. Erich, Die germanifchen Stämme und die Kul-
turen zwilchen Oder und Paliarge zur römiſchen Kaiferzeit. I. Teil:
- VI, 213 Selten mit 256 Abbildungen im Text und auf 6 Tafeln nebi
1 Karte. 1912. Einzelpreis M, 8. — Vorzugspreis III. 6.40.
No. 9. Kollinna, Prof. Dr. Guitat, Die deutiche Vorgeichichte eine
hervorragend nationale Willenicatt. 2..ftark vermehrte Auflage. VII,
255 Seiten mit 450 Abbildungen im T au auf 50 Tafeln. 1914. Einzel-
preis M. o. — Vorzugspreis M. Ar, Veit vergriffen. 3. Aull. unter
der Preffe.
flo. 10. Wilke, Dr. Georg, Kultu . 5 ‚ekungen zwiichen Indien,
Orient und Europa. IN: "ep mit 216 Abbildungen im Text.
1913. Einzelpreis III. 12. — 9 74 preis mM. 9.60.
) Der Vorzugspreis tritt ein, wer .» _ .ammlung abonniert wird oder von den bereits
vorliegenden Bänden mindeltens è oul pn Alt werden. ae für lämtllche Bände
In gleidimäßiger Gusitattung Ind zu T z.: ucttlid, Einbände je M. 6
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Blerzu 50° ... er- Teugrungsaufichlag.
Verlag von Curt Kabigich in keipzig, EE 16.
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Mo. 11. SchulzsMlinden, Dr. Walther, Das EES Saus in der
vorgeldtiditlidien Zeit. VIII, 128 Seiten mit 48 Abbildungen im Text.
1913. Einzelpreis M. A — Vorzugspreis M. 3.20.
No. 12. Koffinna, Prof. Dr. Guitaf, Der germaniiche Goldreichtum :
in der Bronzezeit. I. Der Soldfund von Meifingwerk bei Ebers-
walde und die goldenen Kultgefäße der Germanen. IX, 56 Seiten mit
17 Tafeln und 24 Abbildungen im Text. 1913. Einzelpreis m. 5. —
Vorzugspreis M. 4.—.
No. 13. kienau, M., M., Über Megalithgräber und fonitige Grab»
formen der küneburger Gegend. III, 42 Seiten mit 1 Karte,
30 Tafeln und 5 DEER im Text. 1914. Einzelpreis M. 5. —
Vorzugspreis M. 4.—
Mo. 11. Blume, Dr. Erich, Die germanifchen Stämme und die
Kulturen zwildıen Oder und Pailarge zur römiſchen Kaiierzeit.
II. Teil: Material. Aus dem Nadlaß herausgegeben von M. Schultze.
XIII, 212 Seiten. 1915. Einzelpreis M. 8. — Vorzugspreis M. 6.40.
e Do, 15. Wahle, Dr. Ernit, Oftdeutichland in jungneolithifcher Zeit,
ein prdhtitorifctegeographiicher Verfuch. IX, 216 Seiten mit 2 Karten
und 4 Tafeln. 1918. Einzelpreis M. 9. — Vorzugspreis M. 7.20.
Mo. 16. Jahn, Dr. Martin, Die Bewaffnung der Germanen in der
älteren Eilenzeit etwa von 700 v. Chr. bis 200 n. Chr. X, 276 Selten
mit 1 Cafel, 2 Karten und 227 Abbildungen im Text. 1916. Einzel»
preis M, 7.— Vorzugspreis M. 5.60.
#No. 17. Aberg, Dr. Nils, Die Typologie der nordiſchen Streits
| Arte, IV, 60 Seiten mit 75 Abbildungen im Text, 1918. Einzelpreis
m. 3. — Vorzugspreis III. 2.40.
Illo. 18. Koltrzewski, Dr. Józef, Die oitgermaniiche Kultur der
Spätlatönezeit. 1. Teil: XII, 25% Seiten mit 244 Textabbildungen
und 1 Karte. III. 20. — Vorzugspreis M. 16.—. 0
* lo. 19, Koltrzewski, Dr. 36zef, Die olfgermanifche Kultur der
Spätlatönezeit. I1.Teil: Material. Mit 118 Beilagen, Verzeichnis der
Fundorte und Sadıregist - 123 Seiten. 1919. M.11.—, Vorzugs-
preis IL 8.80.
*Ilo.20. Rademacher, Die pc ` + chtliche Beliedelung der Beide.
terralie zwiichen Ki", ` 1e, cher und Sulz ſowle inss
beiondere die Beſledelu ?: „ Olfrandes zur frānkiíhen Zelt.
Etwa 80 Seiten mit zahlreiv ‚dungen im Text nebit 11 Tafeln,
darunter & Karten. 1920. Ä 6.—, Vorzugspreis etwa M. 4.80.
| | Die Sammlung wird fortgefegt.
Bierzu 50 % Verleger» Teuerung ng mit Ausnahme der mit “ be-
zeichneten Nummern. ` ide je M. 6.—.
Univerltätsdruckerel . — Würzburg.
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