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Full text of "Mannus - Zeitschrift für Vorgeschichte 1.1909"

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Inhalts-Verzeichnis des 112. (Doppel-) Heftes. 


Geleitwort. | 
Gründungsberieht und Е 
‘Satzungen der Deutschen Gesellschaft far Vorgeschichte. 


1. Abhandlungen: 
Kessinna G., (Berlin. Der UrspPung der Urfinnen und der Urindogermanen 
und ihre Ausbreitung nach dem Osten.: I. Urfinnen und Nordindogermanen. 
| Mit 26 Textabbildungen und 11 Tafeln. 
Montelius O., (Stockholm). Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. I. Mit 
40 Abbildungen im Text. ` 
Deveir A (Brent) EE Astronomie in Westeuropa. Mit A Tertabbildungen i 
un afe 
Bademacher С., (Köln). Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Flieg 
berge i Troisdorf, Siegkreis, Reg.- -Bez. Koln. Mit 4 Textabbildungen u und 
afel. 
Schmidt В. BR., (Tübin ingen). Das Aurignacien in Deutschland. Vergleichende’ 
Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum, Mit 8 Tafeln. i 
s i IL Mitteilungen: 
Goetze A., (Berlin). Ostgotisehe Helme und symbolische Zeichen. mit 4 Text- 
abbildungen und 1 Tafel | 
Hess von Wichdorff H., (Berlin. Über die ersten Anfänge vorgesehiehtlicher 
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. Fin Beitrag zur Geschichte der 
vorgeschichtlichen Wissenschaft. 
Kessinma G., (Berlin. Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld der Latene- 
Zeit (?) in Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710. Mit 1 Text- 
| abbildung. 
| | Ш. Aus Museen und Vereinen: ` | 
Kiekebusch A., (Berlin). Die vorgeschichtliche Abteilung des Markischen Museums | 
. der Stadt Berlin. Mit 5 Textabbildungen. | 
Ваше E., (Posen). Aus der Provinz Posen, Erwerbung des Kaiser Friedrich-Museums 
zu Posen vom Juli—Dezember 1908. 
Deutsche Gesellschaft Naturw.-Abt. in Posen. Vortrag: Blume, die chronologische 
| und die ethnographische Methode der vorgesc ichtlichen F orschung. 
Société préhistorique de France. | 
Sitzungsberichte der Berliner Zweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vor- 
. geschichte 1—3. 
IV. Bücherbesprechungen. 


V. Nachrichten. (Mit 1 Tafel). 


Bezugsbedingun gen: : 
 „Mannus“, Zeitschrift für Vorgeschichte 


erscheint in 


zwangloser Folge, jährlich etwa 3—4 Hefte, die zusammen einen Band 
von са. 20 Druckbogen mit ebensoviel Tafeln und reichlichen Textillustrationen 
bilden. Finzelne Hefte sind nicht hünflich. 


Abonnementspreis pro Jahr M. 16.—. 


Manuskripte sind an den Herausgeber Professor Dr. Gustaf Kossinna, Gross-Liehter- 
felde, Karlstr. 10 einzusenden, lllustrationsmaterial in reproduktionsfahiger Ausführung 
erbeten, Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch 30 Separata unberechnet. | 


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Zeitschrift fur Vorgeschichte 


Organ der Deutschen Gesellschaft 
fur Vorgeschichte 
: herausgegeben von :: 
Professor Dr. Gustaf Kossinna 


I. Band 
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WÜRZBURG 
Curt Kabitzsd (A. Stuber's Verlag) 
1909 


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Inhalts - Verzeichnis. 


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Zum Geleit von G. K. ; 
Verhandlungsberidt der Gett en deg Verssmmlung- 
Satzungen der Deutschen Gesellschaft für nr 


Ausschuss und Vorstand . . . . . . . . . . 12, 168, 
Ehrenmitglied pos КМЖ. Bt ites obi uH A 
Nach ridyten (Einzelheiten siehe im | Sadregister) i atu ee лё- “ж... 102, 


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Abhandlungen, Mitteilungen und Nadhrichten. 


Albrecht, G.: Sitzungsberichte der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte, 
Zweiggesellschaft Berlin. . . . 2... 144, 
Beltz, R.: Einige seltenere steinzeitlidie Funde aus ; Mecklenburg 
Blume, E.: Die chronologishe und die ethnographische Methode diri vor- 
geschichtlihen Forschung (Vortrag in der Deutschen Gesellschaft, Posen) 
Blume, E: Aus der Provinz Posen. Erwerbungen des Kaiser Friedrich- 
Museums zu Posen . . . . . . . . . © . . . . . о .1908 
, 1909 
Devoir, A.: Urzeitlihe Astronomie in Westeuropa . 
Fródin, O.: Einzigartige Steinzeitfunde bei Alvastra 
Fuhse, F.: Städtisches Museum Braunschweig. . 
Goetze, ÀA.: Ostgotishe Helme und symbolische Zeichen . 
Goetze, À.: Germanische Funde aus der Vélkerwanderungszeit koX 
Günther, A.: Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertümperéins 
für den Regierungsbezirk Coblenz 
Hahne, H.: Der nordwestdeutsche Verband für Alterfamsforschüngät in Kassel 
Hekler, A.: Eine neue Bronzebüste eines Germanen . à 
Herrmann, C.: Grabhügel bei Lissdorf, Kreis Naumburg ; 
Hess von Wichdorff, H.: Über die ersten Anfänge убт езйнйн 
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. . . 
Kiekebusc, A.: Die vorgeschichtlichhe Abteilung des Märkischen Müseums 
der Stadt Berlin. 
КіекеЬиѕа, A.: Chrónalogie: Kultur a Bevölkerung ES EEN 
Bronzezeit . 
Kossinna, G.: Der EECH do Urfinnen und der Urindoscmanen und 
ihre Ausbreitung nad dem Osten. 
I. Urfinnen und Nordindogermanen | 
IL Nordindogermanen und Südindogermanen . | 
Kossinna, G.: Vergessener Bericht über ein Urnengraberfeld der jare: 
Zeit (7) in Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710 


148 


225 


127 


IV Inhalts - Verzeichnis. 


Kossinna, G.: Germanen-Darstellungen in der antiken Skulptur 

Kossinna, G.: Nachruf an O. Mertins 

Kossinna, G.: P. Telge, В. v. Weinzierl, J. Mestorf, W. Кееш, н. Schumann; 
W. Zenker . owe ee Se A 

Kossinna, G.: Société ие de Fane. À 

Montelius, O.: Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 1 

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Miller-Brauel, H.: Der Hexenberg am Wege Brauel- m. Kr. Zeven 

Pastor, W.: Das Problem der Trojaburgen . i ' 

Rademacher, C.: Die germanische E der Kaiserzeit am Fliegen- 
berge bei Troisdorf . А 

Rademamer, C.: Prähistorisches Museum: zu Köln А 

Rieken, K.: Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit 

Schmidt, H: Ergebnisse meiner it, auf dem Es we bei 
Striegau in Schlesien . a SC AS as e "uS 

Schmidt, R. R.: Das Aurignacien in  Deütsddand: 

Sdineider, H.: Rassereinheit und Kultur m 

Voges, Th.: Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim- 

Waase, K.: Möritzscher Funde, Urnengräberfunde aus der Leipziga Tief- 
landbucht 

Weinzierl, R. R. von: "Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nord- 
böhmen . 

Wilke, G.: Entätehung una Heimatland der Spirale und Ааа Stellung 
der Spiral-Mäanderkeramik . "E | ; 

Wilke, G.: Der neue Skelettfund des Home Аита сепак Hauseri . 


Sachregister . 
Büderbespreduingeil- d Я 
-Verzeichnis der Abbildungen i im Text ‘dnd auf den Tafeln : 


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Zum Geleit. 


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МИ dem vorliegenden Нейе der ,,Zeitschrift fir Vor- 
geschichte" tritt zum ersten Male ein Organ an die 
Öffentlichkeit, das aus dem Zusammenschluss der deutschen 
Vertreter der Vorgeschichtsforschung als erste Frucht er- 
wachsen ist und hinfort für die Fachleute der Ort sein soll, 
wo alle ihre Ausserungen von mehr als lokaler oder eng 
landschaftliher Bedeutung vereinigt werden sollen. Von 
keiner anderen Erwägung gingen wir bei der Gründung der 
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte aus, als von der 
Erkenntnis der Notwendigkeit, unserer Wissenschaft, deren 
Kundgebungen und Taten bisher nach allen Windrichtungen 
hin zerflatterten, endlich auch in Deutschland einen solchen 
allgemeinen Sprechsaal zu schaffen, wo alle diejenigen ihrer 
Jünger ihre Stimme erheben kónnten und erheben sollten, 
die etwas in höherem Sinne Fórderlicdhes und für jeden 
Fachmann unentbehrlich Neues mitzuteilen haben. 

Wir folgen hiermit nur dem vor fiinf Jahren so glanzend 
gegebenen Beispiele unserer franzósischen Fachgenossen, 
sowie der Belgier, denen sich im vorigen Jahre Englander 
und Schweizer angeschlossen haben. 

So wenig die Pflege der Vorgeschichte in Deutschland 
nachsteht dem Stande dieser Wissenschaft in den genannten 
Ländern, so wenig darf uns die frohe Zuversicht fehlen 
auf ein gleich glückliches Gedeihen unserer Gesellschaft 
und unserer Zeitschrift, wie es die ausländischen Gesell- 
schaften und ihre Organe über Erwarten zu erleben die 
Freude hatten. 


Mannus. Bd I, H. 1. 1 


9 Zum Geleit. 


Uber die Einzelheiten, die bei der Gründung der Gesellschaft 
und der Zeitschrift in Frage gekommen sind, bringt der im Eingange des 
Heftes wieder abgedruckte Bericht über die gründende Versammlung die 
nótigste Aufklárung. Hier sei daraus nur kurz wiederholt, dass ein 
Bedürfnis nach einer selbständigen Gesellschaft vorgeschichtlicher Fach- 
leute bei uns schon seit Jahrzehnten sich fühlbar machte, seit 1900 
stándig beraten wurde und im Herbst vorigen Jahres endlid seine 
Befriedigung fand, so dass am 3. Januar а. J. die formelle Begründung 
der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vollzogen werden konnte. 


Unser Ziel geht einmal dahin, durch Veranstaltung von wissen- 
schaftlichenSitzungen in Haupt- wie in Zweigversammlungen dauernde 
Anregungen zu bieten, geistigen Austausch und persönlichen Zusammen- 
schluss herbeizuführen. 


Unser Hauptziel liegt jedoch in der Schöpfung einer Zeitschrift, 
deren Aufgabe es ist, sowohl den wissenschaftlichen Kleinbetrieb 
zu pflegen durch Einrichtung eines Nachrichtendienstes und durch Berichte 
über wichtige Vorgänge und Arbeiten auf allen Gebieten unserer Wissen- 
schaft, als auch den hóheren Anforderungen der Wissenschaft gerecht 
zu werden durch Darbietung gewählter grósserer und kleinerer Original- 
arbeiten. Маф Raum und Zeit soll hier die ganze Vorgeschichte des 
- europäisch-vorderasiatischen Kulturkreises nach Möglichkeit gleichmässig 
berücksichtigt und zur Bearbeitung empfohlen werden. 


Tüchtigen Leistungen des Auslandes, in erster Linie solchen 
unserer zahlreichen ausländischen Mitglieder, stehen, wie gleich das erste 
Heft zeigt, unsere Blätter ebenso offen, wie deutschen Arbeiten: doch 
muss mit Rücksicht auf jenen Teil unserer Mitglieder und Leser, die 
ausschliesslich unsere Landessprache lesen, für Arbeiten in fremder Sprache 
die Übersetzung ins Deutsche eintreten. 

Die Anordnung der Zeitschrift wird sich demnach so gestalten, 
dass an der Spitze eines jeden Heftes eine Reihe von längeren Ab- 
handlungen steht, dann kleinere Mitteilungen, eine Abteilung „Aus 
Museen und Vereinen“, sowie Besprechungen von Werken folgen, 
endlih Nachrichten den Beschluss machen. Natürlich lässt sich diese 
Einrichtung erst allmählich bei fortschreitender Organisation ebenmässig 
durchführen. 

Und nun noch ein Wort über-den Namen der Zeitschrift, der ich den 
Obertitel Mannus gegeben habe. Derartige Übernamen für Zeitschriften 
und Sammlungen von Werken, die manchen vielleiht altmodisch an- 
muten und ans 18. Jahrhundert erinnern, sind in neuerer Zeit immer 
häufiger in Aufnahme gekommen, weil sie von grossem praktischen Vor- 
teil sind wegen der bequemen, sichern und von Missverständnissen freien 


Zum Geleit. 3 


Art ihres Zitierens, wahrend ein langatmiger Titel innerhalb des engeren 
Kreises intimer Fachleute in der Schrift sehr bald eine feste Abkiirzung 
annimmt, die jedem Neuling wie Laien ein Rätsel aufgibt. Darum be- 
standen oder bestehen noch Zeitschriftentitel wie „Euphorion“, „Klio“, 
„Метпоп“. | 

Und bedarf es noch vieler Worte, es zu rechtfertigen, dass nicht 
ein farbloses antikes Wort gewählt wurde, sondern eben , Mannus*? 
Mannus war, wie Tacitus in dem berühmten zweiten Kapitel seiner 
Germanja mitteilt, nach der germanischen Anthropogonie und 
Ethnogonie der Sohn des erdgeborenen Tuisto, jenes zweigeschlechtigen 
Urwesens, dem der nordishe Ymir und der indische Yama entspricht, 
und war zugleih der erste Mann, der Menschenvater, gleichsam der 
Urmensch und zwar der indogermanische, wie auch in der indischen 
Mythologie Manus, der Bruder des ebengenannten Vama, der erste Sterb- 
liche ist. Unser Wort „Mensch“ ist ja nur eine adjektivische Ableitung 
von „Mann“, eigentlich also der „Männische“. 

So eignet sich „Mannus“ vorzüglich als Name einer deutschen Zeit- 
schrift fiir Vorgeschichte, weit besser als etwa ,Anthropos*, der Mensch 
schlechthin, wie bekanntlich eine andere Zeitschrift sich nennt. 

Wir Vorgeschichtsforscher suchen hinter den äusserlich nur zu oft so 
unscheinbaren, für den Fachmann aber doch so unendlich beredten Resten 
der Vorzeit stets den Menschen selbst zu entdecken und womöglich auch 
die Volksgemeinschaft, der er angehórt. Keine Volksgemeinschaft ist 
aber für unsere Vorgeschichte von grösserer Wichtigkeit, als die тдо- 
germanische, und innerhalb dieser nehmen wiederum ein erhóhtes Interesse 
in Anspruch, nicht an sich, sondern wegen ihrer geschichtlichen Kultur- 
mission die sogenannten Centum-Völker, d. h. die Nordindogermanen. 

Ihr Typus ist aber am reinsten bewahrt bei den Germanen. Es 
lag darum nahe, eine der schönsten und sprechendsten Verkörperungen 
dieses Typus, die Büste des in kräftigster Jugendblüte prangenden (iermanen 
des Berliner Museums, der früher unter dem Namen des Kaisers 
Victorinus ging, als Abbild unseres Mannus zur Titelvignette zu wählen. 


So mögen denn die Wünsche und die Zuversicht, womit 
wir dieses erste Heft in die Weite senden, in dieselben Worte 
zusammengefasst werden, die den Ausklang der , Gründenden 
Versammlung“ der Gesellschaft bildeten: „Seten wir die 
Vorgeschichte in den Sattel; reiten wird sie schon können!“ 


Grosslichterfelde West, Karlstrasse 10, 1. Mai 1909. 


G. K. 


1* 


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Deutsche Gesellschaft fur Vorgeschichte. 


Verhandlungsbericht der griindenden Versammlung 


am 3. Januar 1909 im Vortragssaal des Markischen Museums. 


(Dauer der Sitzung 11—2 Uhr, 43 Anwesende.) 
I. Prof. Dr. Kossinna begrüsst die Versammlung mit folgenden Worten: 


„Hochverehrte Herren! 


So ist denn die fiir uns grosse Stunde gekommen, wo Sie die 
Vorgeschichte durch neue Organisationen als befreit von allen 
fesselnden Banden, als selbstbewussten Vollbiirger unter den ihr 
nahestehenden Wissenschaften endlich егКагеп sollen. Sie alle, 
die Sie hergekommen sind, haben schon durch Ihr Erscheinen 
bezeugt, dass Sie in diesem Streben mit mir einig sind. Schon 
für diesen Beweis Ihres Vertrauens bin ich Ihnen zu tiefem Dank 
verpflichtet. Ich bin mir voll bewusst, wie viel ich von Ihnen 
verlangt habe, wenn ich verlangte, dass Sie gerade jetzt kom- 
men sollen. Waren doch für die Auswártigen nicht nur die ge- 
wöhnlichen Unbequemlichkeiten einer weiteren Reise zu über- 
winden, sondern diesmal kam noch der Kampf mit hartem Wind 
und Wetter, mit Frost und Schnee hinzu. Und fast noch schlimmer 
ist die Wahl des Tages am Jahresbeginn, wo fast jedermann durch 
gehäufte Amtsgeschäfte an seinen Wohnsitz gebunden ist, wo auch 
die Einheimischen vielfach durch den Besuch lieber Gäste ans 
Haus gefesselt werden. Man sagte dieser Versammlung darum 
ein sicheres Fiasko voraus, und es wurde der Wunsch laut, dass 
ich aus eigener Machtvollkommenheit die Gesellschaft für ge- 
gründet erkláren und als Vorsitzender mir einen Schriftführer 
küren, alle genaueren Festlegungen aber der sommerlichen Haupt- 
versammlung überlassen sollte. Auf diesen Wunsch glaubte ich 
nicht eingehen zu dürfen. Denn eine formelle Gründung schien 
mir unter allen Umständen notwendig, und wenn sie nur durch 
zehn Anwesende vorgenommen werden sollte. Denn an der Form 
hängt hier alles. Wie der deutsche Kaiser des Mittelalters trotz 
einstimmiger Wahl nicht Kaiser war, wenn es ihm nicht gelang, 
die Reichskleinodien in seinen Besitz zu bringen, so wären auch 
wir noch keine regelrechte, allgemein anzuerkennende Gesell- 
schaft geworden durch den blossen Willen der Mitglieder. Es 
muss auch hier die rechtliche Form hinzukommen, um die Grün- 


111. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


dung als vollkommen erscheinen zu lassen. Миг so werden wir 
eine Macht sein, die verhandeln kann, die den jetzt überall 
gärenden Elementen der Nachbarwissenschaften als Rech- 
nungsfaktor erscheinen wird; nur so kónnen wir nach 
Auseinandersetzung mit den unser Eigenleben hemmenden 
Nachbarorganisationen,nach reinlicher Scheidung vonihnen, 
dazu kommen, einen ehrenvollen Frieden zu schliessen, 
zum Zwecke gleichberechtigter, eintráchtiger Arbeit. Denn 
das ist ja unser Ziel von vornherein gewesen; nicht Krieg 
ist unsere Losung, sondern durch Kampf zum Frieden, zu 
fruchtbarer Arbeit im Geiste unserer Wissenschaft !). 

Darum müssen Sie heute unsere Organisation schaffen, und 
darum mussten Sie herkommen. Sie alle, hochverehrte Kollegen 
und Freunde unserer Wissenschaft, die Sie das in schóner Einig- 
keit und unter Zurückstellung aller Sonderwünsche und aller 
Einzelheiten, die bei der Gründung nicht unmittelbar in Frage 
kommen, heute bewirken wollen, Sie alle begrüsse ich in herz- 
lichster Dankbarkeit und hebe zum Schluss noch mit Freude 
hervor, dass ich in Ihren Reihen auch manches noch jugendliche 
Gesicht leuchten sehe, eine Tatsache, die bei früheren Versamm- 
lungen von Vorgeschichtsforschern schwerlich zu beobachten ge- 
wesen ware. Es ist mir das ein gutes Vorzeichen, dass, wie 
unsere noch so junge Wissenschaft einer reichen Zukunft entgegen- 
sieht, so auch unsere Gesellschaft die Jugend und damit die Zu- 
kunft für sich hat.“ 

Hierauf schlägt Prof. Dr. Kossinna als 1. Vorsitzenden der 
heutigen Sitzung Herrn Prof. Dr. Lehmann-Haupt-Berlin vor, der 
zusammen mit Herrn Dr. Hahne-Hannover als 2. Vorsitzenden, 
sowie den Herren Mielke-Berlin und Blume-Posen die Leitung 
der Tagung übernimmt. 


. Prof. Lehmann-Haupt legt eine Tagesordnung vor, welche 


genehmigt wird. Sie enthalt folgende Punkte: 

1. Verlesung eines Aufrufes, worin die Grundsätze zum Ausdruck 
gebracht werden, die der zu gründenden Gesellschaft als Richt- 
schnur ihrer Arbeit vorgeschlagen werden sollen. 

2. Verlesung der vorläufigen Satzungen. 


3. Vorschlage zur Wahl des Ausschusses und Vorstandes der 
der Gesellschaft. 
4. Verhandlungen. 
Dr. Hahne verliest den Aufruf, dem er als Einleitung die fol- 
genden Worte vorausschickte: 
,M. H.! Dieser Aufruf soll sogleich eine Antwort sein auf viele 
bereits ausgesprochene und noch unausgesprochene Fragen grund- 
sátzlicher Art, die mit der Gründung der ,Deutschen Gesellschaft 


') Deshalb wird sich unser freier, nur wissenschaftlichen Bedürf- 


nissen entsprungener und wissenschaftlichen Zwecken dienender Zusammenschluss 
auch bewähren, trotz der jüngsten gegen uns gerichteten „Verbände“, die aus dem 
Zustande unerer Wissenschaft eine Machtfrage machen, wobei dann die Vorge- 
schichtsforschung „nicht frei“ sein kann — in unserem Sinne. а. К. 


Gründungs-Versammlung. 1 


für Vorgeschichte“ im Zusammenhange stehen, und wir hoffen, 
dass dadurch die heutigen Verhandlungen vereinfacht werden 
móchten zugunsten ihres Hauptzweckes, die Gesellschaft als 
gegründet zu erklären.“ 

„Die Grundsätze des Aufrufes sowie die Ihnen alsbald vorzu- 
legenden Satzungen und Wahlvorschläge stellen zugleich das Er- 
gebnis einer sechsstündigen vertraulichen Vorberatung dar, die 
gestern im Kreise von 13 Vertretern und Förderern der europäisch- 
vorderasiatischen Vorgeschichtsforschung stattgefunden hat, deren 
Namen sich übrigens grösstenteils in der Vorschlagsliste für die 
Ausschusswahl finden“. 


Aufruf. 


Die Vorgeschichtsforschung ist im letzten Jahrzehnt auch in 
Deutschland eine selbständige Wissenschaft geworden; ihre Interessen 
können daher nicht mehr nur nebenher durch Organisationen vertreten 
werden, die andere Hauptzwecke verfolgen; — sie muss eine selbständige 
Organisation haben. 


Herr Professor Dr. Kossinna hat es für seine, ihm als erstem Inhaber 
eines deutschen Lehrstuhles für Vorgeschichte vorgeschriebene Pflicht er- 
achtet, neben den idealen auch die praktischen Ziele unserer Wissen- 
schaft zu verfolgen'). Mit der Gründung einer „Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte“ und eines selbständigen Fachorganes glaubt er und 
mit ihm an 200 Vertreter und Freunde der Vorgeschichte, die letzte 
Weihe zu der Mündigkeitserklärung der Vorgeschichtsforschung für 
Deutschland vollziehen zu können. 


Wir bitten Sie also, in der heutigen Sitzung vor allem Ihre Zu- 
stimmung dazu zu geben, dass die „Deutsche Gesellschaft für Vorge- 
schichte“ als gegründet erklärt wird. 


Es schweben natürlich noch viele einzelne Fragen, worüber die- 
jenigen, die künftig die Gesellschaft vertreten und die Hauptarbeit leisten 
sollen, sich einigen müssen. 


Das ist jedoch nebensächlich gegenüber dem Hauptzweck der 
heutigen Versammlung: unseren Zusammenschluss vor aller Welt zu 
erklären. Deshalb bitten wir Sie dringend, lassen Sie uns alle Fragen, 
die die Ausgestaltung und das Arbeitsprogramm der Gesellschaft be- 
treffen, auf künftige Sitzungen verschieben. Vorstand und Ausschuss 
werden dann alle Schwierigkeiten viel leichter lösen, als es eine Grün- 
dungsversammlung vermag. 

Die Satzungen, die wir ausgearbeitet haben, zeigen die grund- 
legenden Absichten und Ansichten über das, was wir wollen. Wie wir 
es erreichen können, darüber wird noch vielfach zu beraten sein. 


1) Wir würden es begrüssen, wenn ein zweiter, ebenfalls schon lange erstrebter 
Zusammenschluss zustande käme, nämlich aller Museen, welche die Vorgeschichte 
pflegen, und Hand in Hand mit uns die rein praktische Seite unserer Forschung 

etrieben: möchte doch die durch persönliche Zwistigkeiten immer stärker ein- 
reissende Zersplitterung unserer Kräfte bald Platz machen einer grossen, ein- 
heitlichen, jede besonnene ideale Konkurrenz sichernden Organisation unserer 
Wissenschaft. а. К. 


8 Deutsche Gesellschaft fiir Vorgeschichte. 


Was wir jetzt ausführen wollen mit der Gründung der „Deutschen 
Gesellschaft für Vorgeschichte", ist ein ganz alter Plan, der unter ver- 
schiedenen Formen schon oft erwogen ist, aber nie ausgeführt wurde 
aus Mangel an einer kráftigen Initiative. 


Aus ihrer ungünstigen, ja bedrangten Lage kann unsere Wissen- 
schaft nur ein energischer Schritt herausführen: das ist nach unserer 
Meinung die Gründung einer „Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte“. 


Die Vereinigung der Kráfte als Gegengewicht gegen die 
alte Zersplitterung ist unser Ziel. Möchte vor allem persön- 
liche Uneinigkeit in idealen oder praktischen Fragen zugunsten 
der Sache zurückgedrängt werden durch weiterblickende Be- 
sonnenheit, die der Begeisterung für die gemeinsame Arbeit 
zur Seite stehen muss, damit etwas Ganzes geleistet werde. 


Wir bieten die Hand jeder Organisation, jedem Institut, 
allen Persónlichkeiten und allen Wissenschaften, die in ernster 
Arbeit dazu mithelfen wollen, dass sich die Vorgeschichte einen 
Platz an der Sonne erobert. 


Der Aufruf wird mit lebhaftem Beifall aufgenommen und soll 
nach dem spáteren Beschluss der Gesellschaft (s. S. 11) 
dem ersten rein persónlichen Aufruf Prof. Kossinnas zur 
Gründung der Gesellschaft als die erste offizielle Ausse- 
rung der Gesellschaft folgen?). 


') Mein erster, Aufruf war in der Tat ganz persónlich gehalten und auch 
von mir ganz allein ünterzeichnet worden, da es zu umständlich gewesen wäre, 
einen aller Beteiligten genehmen Aufruf zustande zu bringen. Absichtlich wurden 
darum die Namen derjenigen, die sich bei der zu gründenden Gesellschaft als 
Mitglieder angesagt hatten, auf eine besondere Blattseite gerückt und sie selbst 
eben nur als Mitglieder bezeichnet (,,als Mitglieder sind beigetreten‘). Unverständ- 
lich ist es mir daher, wie dennoch eine Unzufriedenheii einiger weniger dieser 
Herren entstehen konnte, die in Verkennung meiner klaren Worte gemeint haben, 
diese ihre Namen vielmehr als Unterschriften meines Aufrufs auffassen zu müssen. 
Mein erster Aufruf war, wie ich es in der Eróffnungsansprache (oben 5. 6) ange- 
deutet habe, ein Kampfesaufruf, der natürlich Schärfen nicht vermeiden konnte, 
sollte endlich einmal die Wahrheit gesagt werden. ,,Fanfaren klingen niemals 
liebenswürdig", so charakterisierte Willy Pastor meinen Aufruf ganz richtig. Nur 
diejenigen werden freilich diese Schärfen verstehen, die da wissen, wie viele Hinder- 
nisse die oft recht persónlichen Beweggründen entsprungene gegnerische Haltung 
der von mir bezeichneten Kreise unserer aufstrebenden Wissenschaft bereitet hat. 
Meine Freunde und Fachgenossen sind über meine aus dieser Kampfesstimmung 
hervorgegangene Ausserungen hinweggegangen, die unter meiner Fürsprache bereits 
in der gründenden Versammlung durch einen neuen Aufruf ersetzt worden sind. 
Die zürnende Berliner anthropologische Gesellschaft hat eine im versóhnlichen Geiste 
gehaltene Erklárung von mir, die ich ihr alsbald nach unserer Gründung zugehen 
liess, angenommen (Zeitschrift für Ethnologie 1909, S. 117). — Aus einer Stelle 
meines Aufrufes, die sich gegen Ubergriffe gewisser Vertreter der Rómerforschung 
wendet, hat man in Westdeutschland vielfach einen Angriff gegen die Rómisch- 
germanische Kommission in Frankfurt a. M. herauslesen wollen. Darauf kann ich nur 
erwidern, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, die Wirksamkeit dieser Kom- 
mission und besonders ihres trefflichen Leiters Dragendorff, mit dem ich fort- 
dauernd in Verbindung stehe, in die Erórterung zu ziehen: somit sind alle Ver- 
dächtigungen nach dieser Richtung hin völlig hinfällig. Unversöhnten Gegnern sei 
hier gesagt, dass es nicht in meiner Absicht lag, irgendwen zu kränken, und wenn 
dies irgendwo doch so — unrichtig — empfunden worden sein sollte, so tut mir dieses 
aufrichtig leid. 


--——— dm 


Griindungs-Versammlung. 9 


IV. Herr Mielke verliest die vorläufigen Satzungen. 

V. Prof. Lehmann-Haupt verliest die Vorschlagsliste fiir die Wahl 
des Ausschusses und des Vorstandes der Gesellschaft und weist 
darauf hin, dass sie der derzeitigen órtlichen Verteilung der Mit- 
glieder der Gesellschaft (siehe VII b) entspreche. 


Vl. Eine Anwesenheitsliste wird aufgestellt. 


VII. Die nunmehr eróffneten Verhandlungen beginnen damit, dass: 

a) sich die Versammlung einstimmig mit dem Inhalt des Auf- 
rufes einverstanden erklárt unter Zufügung einiger gering- 
fügiger Zusätze, und dass 

b) Prof. Dr. Kossinna auf Wunsch weitere Angaben über die 
Anzahl der angemeldeten Mitglieder und deren Verteilung gibt. 

Prof. Dr. Kossinna: ,Es wird Sie interessieren, zu hóren, wie 

sich unsere Mitglieder, rund 200, über Deutschland und über Europa 
verteilen.!) 


Das Deutsche Reich teilt sich unter diesem Gesichtspunkte in 
fünf Gebiete: 


1. Berlin, die stärkste Gruppe, zählt 55 Mitglieder. 

2. Nordostdeutschland, westlich bis zur Elbe, ohne Berlin 
und den Anteil des Kónigreichs Sachsen: 45 Mitglieder. Somit 
gehört die Hälfte unserer Mitglieder in das Gebiet östlich 
der Elbe. 

. Nordwestdeutschland: 33 Mitglieder. 

. Sachsen- Thüringen: 31 Mitglieder. 

. Süddeutschland: 19 Mitglieder. 


„Aus dem deutschen Sprachgebiet sind weiter zu nennen: 
Österreich-Ungarn:: 6 Mitglieder; Schweiz: 3 Mitglieder; ferner 
Dänemark: 1 und Schweden: 3 Mitglieder; endlich Belgien: 2 
und Frankreich: 1 Mitglied; bemerkenswert ist, dass die Vorstände 
von Vereinen und Instituten einen starken Anteil unserer Mitglieder 
ausmachen: im Nordosten sind es 23 unter 45; im Nordwesten 
23 unter 33, in Sachsen-Thüringen 20 unter 31, im Süden 10 
unter 19, im Auslande 12 unter 16, insgesamt also 88 unter 144." 


Anmerkung: Da der Aufruf auf die Geschichte des Gründungs- 
planes nicht näher eingeht und diese Geschichte nur dem kleinen 
Kreise wirklicher Fachleute bekannt ist, erscheint es angemessen, 
die einschlägigen Sätze aus einer Mitteilung von Prof. Dr. Kos- 
sinna bei Eröffnung der vorberatenden Vertreterversammlung hier 
einzuschalten: 


„Als Einleitung zu den Satzungsverhandlungen darf ich wohl 
einige ganz kurze Ausführungen machen über die früheren Ver- 
suche, die Vorgeschichte selbständig zu organisieren, die ja leider 
alle gescheitert sind. Vor Jahrzehnten schon wollten die Vorge- 


сл A са 


1) Dass innerhalb unserer Gesellschaft Kleinmut nicht am Platze ist, mag 
die Tatsache zeigen, dass wir trotz aller systematisch betriebenen Versuche der 
Gegenseite, unsere Mitglieder abspenstig zu machen — was freilich nur in den 
allerseltensten Fállen gelungen ist —, wir uns jetzt auf 242 Mitglieder vermehrt 
haben; die neuen Zugänge liegen hauptsächlich in Nordost, Berlin, Nordwest und 
im Auslande. G. K. 


10 


VIII. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


schichtsforscher innerhalb der Berliner Anthropologischen Ge- 
sellschaft eigene Fachsitzungen veranstalten; allein die Sache fiel 
ins Wasser, vielleicht mehr aus persónlichen als aus sachlichen 
Gründen. Später hat der verstorbene Direktor Voss den Plan 
gehabt, ausserhalb der anthropologischen Gesellschaften die 
Vorgeschichtsforscher zu einigen um einen festen Kern, den die 
zahlreichen mitteldeutschen Forscher und Museen, namentlich in 
der Provinz Sachsen und Thüringen, bilden sollten. Aber auch 
diesem Plane fehlte ein umsichtiger und kraftvoller Führer der 
Bewegung. Seit der Hallischen Anthropologenversammlung von 
1900, wobei die Angelegenheit von neuem als dringlich bezeichnet 
und vertraulich durchgesprochen wurde, lag die Frage der Ge- 
samtorganisation der Vorgeschichte geradezu in der Luft. 
Und doch geschah nichts. Wie man vorzugehen habe, wurde 
ernstlicher nur erwogen in dem kleinen Krelse, den meine ersten 
Schüler und Zuhórer um mich bildeten. Unter ihnen war es be- 
sonders Herr Dr. Hahne, der sich meinen Bestrebungen zur Ver- 
fügung stellte und sogar selbstandig wirkte. Diese Besprechungen 
und Agitationen waren schon 1905 und besonders 1906 in vollem 
Gange. Als Beweis hiefür lese ich ihnen eine Stelle vor aus 
einem Aufsatze Hahnes in Tilles „Deutschen Geschichtsblättern“ 
Jahrgang 1906, Band 8, Seite 56: ,Hoffentlich werden die Be- 
strebungen, gerade die der deutschen vaterlandischen vorge- 
schichtlichen Forschung gewidmeten Sammlungen durch zusam- 
menschliessende Organisation zu heben, bald von Erfolg sein“. 
1907 ging Herr Dr. Hahne nach Hannover ans Provinzialmuseum 
und damit fing unser Plan an, greifbare Formen anzunehmen. 
Mit der Vollendung der Neuordnung der vorgeschichtlichen Ab- 
teilung dieses Museums, die zu Weihnachten 1907 von Dr. Hahne 
erhofft wurde, glaubten wir die Gründung einer Gesellschaft für 
Vorgeschichte verbinden zu kónnen. Aber die Gründung musste 
hinausgeschoben werden wegen widriger Verhältnisse im Privat- 
leben der Nächstbeteiligten und weil auch die Neuordnung in 
Hannover nur langsam vorrücken konnte. So kam das Jahr 1908, 
und ich beschloss nun, dem langen Zógern ein Ende zu machen 
und ganz allein die Sache in die Hand zu nehmen. So ist denn, 
nach Rücksprache mit befreundeten Fachgenossen im Sommer 
1908, die Sache im Herbst fertig geworden. Natürlich steht uns 
nach wie vor die Frage der Gesellschaft an erster Stelle. Aber 
eine wissenschaftliche Gesellschaft ohne Zeitschrift ist ein Unding. 
Darum war von jeher der Plan der Zeitschrift ein un- 
erlásslicher Bestandteil unserer Gründung* !). 


Beratung der Satzungen: 


А. Nach sehr eingehenden Erórterungen werden die SS 1, 3, 4, 
5, 6, 7, 8, 9, 10 und 12 mit unwesentlichen Anderungen an- 


1) Auch an dieser Stelle verwahren wir uns nachdrücklich gegen alle mit 


den Tatsachen in Widerspruch befindlichen Unterstellungen und Deuteleien, wie sie 
von bekannter Seite her bei der Agitation gegen unseren Zusammenschluss fort- 
dauernd verbreitet werden! G. K. 


Gründungs-Versammlung. 11 


genommen. Ве! Besprechung der SS 5 und 6 wurde nament- 
lich betont, dass der Geschäftsordnung des Vorstandes bezw. 
Ausschusses vieles anheim gestellt werden solle, was die 
Regelung der Beziehungen zu anderen Organisationen usw., 
sowie innere Fragen der Gesellschaft betrifft. 


B. S 2 wurde in der Form eines Antrages des Herrn Prof. Peiser- 
Kónigsberg in die Satzungen aufgenommen; S 11 in der 
ursprünglichen Fassung mit geringen Veränderungen. 

Die SS 2 und 11, die wegen ihres inneren Zusammenhanges 
gemeinsam besprochen wurden, gaben Veranlassung zu folgenden 
grundsátzlichen Darlegungen seitens der Versammlung: 


1. Der zu Beginn der Sitzung verlesene Aufruf soll als erste 
offizielle Ausserung der Gesellschaft sobald als möglich ge- 
druckt und versandt werden, zugleich mit den endgiltigen 
Satzungen der Gesellschaft und dem Bericht über die grün- 
dende Versammlung. 


2. Anerkannt werden die Dezentralisationsbestrebungen, die sich 
in den vorgelegten Satzungen und dem Aufruf ausdrücken, 
und es gelangen die Wünsche und Ansichten der Versamm- 
lung über das Verháltnis zu alten und neuen Vereinigungen 
für Vorgeschichte in folgendem Hinweis zum Ausdruck: 

Die Satzungen der Gesellschaft enthalten den Wunsch und 
die Móglichkeit, dass alle Vereinigungen, Institute usw. für 
Vorgeschichtsforschung, unbeschadet ihrer besonderen und 
órtlichen Bestrebungen, Mitglied der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte werden kónnen. Die Deutsche Gesell- 
schaft für Vorgeschichte will die Ergebnisse der Einzelarbeit 
auf allen wissenschaftlichen Gebieten, soweit sie der Förde- 
rung der europáisch-vorderasiatischen Vorgeschichtswissen- 
schaft dienen, zusammenfassen. Diesem Zweck dient vor 
allem die Zeitschrift der Gesellschaft. 


3. Berlin ist aus naheliegenden praktischen Gründen zum Sitz 
der Gesellschaft gewählt worden; die Vertretung der Inter- 
essen der Berliner Mitglieder soll einer Berliner Ortsgruppe 
zufallen. 


IX. Der Vorsitzende der Gründungsversammlung, Herr Prof. Lehmann- 
Haupt, erklärt nach Annahme der Satzungen (s. S. 14) die Deutsche 
Gesellschaft für Vorgeschichte für gegründet und spricht ihr die 
ersten Glückwünsche aus. 


X. Die Wahl des Ausschusses wird in Übereinstimmung mit der vor- 
gelegten Wahlliste einstimmig durch Zuruf vollzogen. Die erst- 
malige Wahl des satzungsgemäss vom Ausschuss zu wählenden 
Vorstandes wird seitens der gründenden Versammlung durch An- 
nahme der zur Tagesordnung vorgelegten Vorstandsliste vollzogen. 
Die anwesenden Mitglieder des somit gewählten Ausschusses und 
Vorstandes nehmen die Wahl an. 


12 


Xl. 


XII. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


In den Ausschuss der Gesellschaft wurden gewahlt: 
Geheimrat Prof. Dr. Adalbert Bezzenberger — Königs- 
berg i. Pr., 
Univ.-Professor für vergleichende Sprachwissenschaft, Vor- 
sitzender der Altertumsgesellschaft Prussia. 
Dr. med. Gustaf Eichhorn — Jena, 
Konservator des Germanischen Museums. 
Museumsdirektor Feyerabend — Görlitz. 
Dr. Hans Hahne — Hannover, 
Vorsteher der vorgeschichtlichen Abteilung des Provinzial- 
museums, Privatdozent für vorgeschichtliche Archäologie an 
der Technischen Hochschule. ; 
Prof. Dr. Paul Höfer — Wernigerode am Harz, 
Vorsteher des Fürst-Otto-Museums. 
Dr. Albert Kiekebusch — Berlin-Karlhorst, 
Ordner der vorgeschichtlichen Abteilung des „Märkischen 
Museums*. 
Prof. Dr. Gustaf Kossinna -- Berlin-Gr.-Lichterfelde -West, 
Univ.-Professor für deutsche Archäologie. 
Prof. Dr. Karl Lehmann-Haupt— Berlin, 
Univ.-Professer für alte Geschichte. 
Obersekretär Hermann Maurer—Berlin. 
Prof. Dr. Ohnesorge — Lübeck. 
Rektor Karl Rademacher — Kóln, 
Vorsteher des „Prähistorischen Museums“. 
Dr. J. Reimers — Hannover, 
Provinzialkonservator, Direktor des Provinzialmuseums. 
Prof. Dr. Walter — Stettin. 
Generaloberarzt Dr. Georg Wilke — Chemnitz. 
Dr. Ewald Wüst — Halle a. S., 


Privatdozent für Geologie und Paläontologie an der Universität. 
In den Vorstand wurden gewählt. 


. Vorsitzender: Prof. Dr. Kossinna — Berlin. 

. Vorsitzender: Geheimrat Prof. Dr. Bezzenberger, 
Königsberg i. Pr. 

. Vorsitzender: Museumsdirektor Dr. Reimers — Hannover. 

. Schriftführer: Dr. Kiekebusch — Berlin. 

. Schriftführer: Generaloberarzt Dr. Wilke — Chemnitz. 

. Schriftführer: Privatdoz. Dr. Wüst — Halle a. S. 


Schatzmeister: Obersekretär Maurer — Berlin. 


Prof. Dr. Ohnesorge-Lübeck dankt im Namen der Anwesenden 
Herrn Prof. Lehmann-Haupt als dem Leiter der heutigen Ver- 
sammlung und Herrn Prof. Dr. Kossinna, dessen tatkräftigen und 
unermüdlichen Werbungen es zugeschrieben werden müsse, dass 
die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zur 
Tat geworden sei. 


Schlusswort des Herrn Prof. Dr. Kossinna: 


„M. H! Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Erscheinen und Ihre 
verständnisvolle und einträchtige Mithilfe bei den ersten Anfängen 


AN са юе 


Griindungs-Versammlung. 13 


einer eigenen Arbeitsorganisation unserer Wissenschaft. Ich muss 
ein Wort Bismarcks mit geringer Anderung hier anwenden: 
„Setzen wir die Vorgeschichte in den Sattel! Reiten wird sie 
schon können!“ Und nun zum Schluss ein Heil der Vorgeschichte 
und allen, die es gut mit ihr meinen‘. 

Nach Schluss der Sitzung fand im Ratskeller ein gemeinschaft- 
liches Mahl statt, an dem sich 25 Mitglieder beteiligten und bei 
dem zu dem erwünschten Ausbau persónlicher Beziehungen viel- 
versprechende Anfánge gemacht wurden. 

An Seine Majestát den Deutschen Kaiser wurde folgendes 
Huldigungstelegramm gesandt: 

An des Kaisers und Kónigs Majestat! 
Die in Berlin aus allen deutschen Gauen versammelten 
Vertreter der Vorgeschichtsforschung, die soeben die 
„Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte“ gegründet 
haben mit dem Ziel, die Anfänge europäischer Kultur 
aufzuhellen, bitten, Ew. Majestät als dem erhabenen 
Förderer aller Wissenschaften ihre ehrfurchtsvolle 
Huldigung darbringen zu dürfen. 
I. A: Der Vorsitzende 
Universitätsprofessor Dr. Gustaf Kossinna, Berlin. 

Am nächsten Tage lief beim 1. Vorsitzenden folgendes Tele- 

gramm ein: 

Herrn Prof. Dr. Kossinna, Gr. Lichterfelde, Karlstr. 10. 
Seine Majestät der Kaiser und König lassen für die 
Meldung von der Gründung der „Deutschen Gesell- 
schaft für Vorgeschichte" und den Huldigungsgruss 


danken. 
Auf Allerhöchsten Befehl 


der Geheime Kabinettsrat von Valentini. 


Deutsche Gesellschaft fur Vorgeschichte. 


Satzungen. 


|. Name, Zweck, Sitz und Geschüftsjahr der Gesellschaft. 
S 1. 


Die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte bezweckt den Zu- 
sammenschluss der Vertreter und Freunde der Vorgeschichte zur 
Wahrnehmung aller Interessen der Vorgeschichte: Pflege vorgeschicht- 
licher Forschung, Verbreitung vorgeschichtlicher Kenntnisse, Schutz 
vorgeschichtlicher Denkmäler und Verhinderung des Raubbaues. 


S 2. 

Um diesen Zweck zu erreichen, tritt die Gesellschaft in enge 
Verbindung mit den Provinzial- und Lokalvereinen für Vorgeschichte 
und regt dort, wo Mangel an solchen empfunden wird, zu Neugrün- 
dungen an. Als eigenes Arbeitsgebiet behält sie sich die Veranstaltung 
der Hauptversammlung und die Herausgabe einer Zeitschrift vor. 


S 3. 


Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Berlin. 


$ 4. 


Das Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr. 


|. Organisation. 


S 5. 

An der Spitze der Gesellschaft steht ein Vorstand von 7 Mit- 
gliedern: 3 Vorsitzende, 3 Schriftführer und 1 Schatzmeister. Dieser 
Vorstand wird bei Gelegenheit der Hauptversammlung durch den Aus- 
schuss aus dessen Mitte auf 3 Jahre gewählt und hat innerhalb der 
Wahlperiode das Recht der Zuwahl. Der Vorstand gibt sich eine 


Geschäftsordnung. 


Satzungen. 15 
§ 6. 


Der Ausschuss, der aus 15 Mitgliedern besteht, wird durch die 
Hauptversammlung auf Grund einer vom Vorstande vorzulegenden Liste 
von 30 Namen auf 3 Jahre gewählt und ergänzt sich innerhalb der 
Wahlperiode durch Zuwahl. 


§ 7. 


Die Mitgliedschaft wird durch Anmeldung beim Vorstande unter 
Berufung auf zwei Mitglieder nachgesucht. Uber die Aufnahme ent- 
scheidet der Vorstand. Die Ernennung zu korrespondierenden und 
Ehren-Mitgliedern erfolgt auf Antrag des Vorstandes durch den Ausschuss. 


§ 8. 
Die Mitgliedschaft erlischt: 


a) durch Austritt, der schriftlich vor Schluss des Geschäfts- 
jahres erklárt werden muss, 


b) durch Ausschliessung mittelst einer Mehrheit von |з des 
Ausschusses. 


lil. Beitragszahlung. 
S 9. 


Jedes Mitglied zahlt einen Jahresbeitrag von 10 Mark und erhält 
dafür die Zeitschrift der Gesellschaft. Durch Zahlung eines einmaligen 
Beitrages von 300 Mark wird die immerwährende Mitgliedschaft erworben. 


IV. Hauptversammlung. 
S 10. 


Alljahrlich findet eine Hauptversammlung statt, die den Jahres- 
bericht des Vorstandes entgegennimmt und dem Schatzmeister Ent- 
lastung erteilt. 

Den Ort der Hauptversammlung bestimmt der Ausschuss. 


V. Zweiggesellschaften. 


S 11. 


Vereinigungen von Mitgliedern der ,Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte" zu Zweiggesellschaften haben das Recht, sich eigene 
Satzungen zu geben, die jedoch nicht in Widerspruch zu den Satzungen 
der Hauptgesellschaft stehen dürfen. 


16 Deutsche Gesellschaft fiir Vorgeschichte. 


Satzungsänderungen und Auflösung. 
§ 12. 


Eine Anderung der Satzungen oder die Auflósung der Gesellschaft 
kann nur durch die Hauptversammlung, die in letzterem Falle auch 
über das Gesellschaftsvermögen entscheidet, mit Dreiviertel - Mehrheit 
vorgenommen werden. Anträge müssen dem Vorstande 8 Wochen 
vorher eingereicht und in ihrem Wortlaute den Mitgliedern mit der 
Einladung zur Hauptversammlung zugestellt werden. 


Der Vorstand: 
I. А. 


Univ.-Prof. Dr. Gustaf Kossinna 
1. Vorsitzender. 


IR —— 


Der Ursprung der Urfinnen und der Urindoger- 
manen und ihre Ausbreitung nach dem Osten. 


Vortrag gehalten am 18. Juli 1908 


von Gustaf Kossinna. 


1. Urfinnen und Nordindogermanen. 
Mit 25 Textabbildungen und 11 Tafeln. 


Vorbemerkung: Es lag ursprünglich in meiner Absicht, diesen Vortrag 
mit Ausfüllung der vorhandenen mittleren Lücke und genauen Literaturangaben 
gesondert herauszugeben. Da aber zun&chst mehrmonatige Reisen, dann die Grün- 
dung und nun fortgesetzt cie weitere Organisation der Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte mich vollkommen in Beschlag nehmen, wollte ich nicht länger zögern, 
die schriftliche Unterlage meines Vortrages, wie sie im Juli vorigen Jahres ab- 
gefasst war, weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was mir von vielen Seiten 
dringend empfohlen worden ist. Es sei hier gleich bemerkt, dass dieser Vortrag 
Anschauungen wiedergibt, wie ich sie grösstenteils, beispielsweise über die Ancylus- 
kultur und ihre Herleitung aus dem Magdalénien Westeuropas bereits in meinen Vor- 
lesungen über die Steinzeit in den Wintersemestern 1904/5 und 1906/7, sowie über das 
indogermanische Urvolk im Wintersemester 1905/6 und nur zu einem kleineren 
Teile erst in einer Wiederholung dieses letzten Kollegs im Wintersemester 1907/8 
ausgesprochen habe. — Diese Bemerkung erscheint darum besonders notwendig, 
weil zufällig gerade bald nach meinem Vortrage eine ganze Reihe einschlägiger 
Arbeiten erschienen sind, die ich, selbst wenn ich ihnen in keinem Punkte zu 
folgen imstande wäre, nicht in die Erörterung ziehen könnte, ohne das Gefüge 
meiner Darstellung sei es auch nur durch Erweiterung ganz wesentlich zu ändern. 
Am wenigsten gilt dies von den in der Mainzer Zeitschrift Jahrg. Ш. 1908 er- 
schienenen Kompilationen über die frühneolithische Zeit in Deutschland, die den 
von mir mitgeteilten Tatsachen und Anschauungen weder etwas hinzuzutun noch 
etwas abzutragen geeignet ist. — Dagegen berührt sich mit meinen Anschauungen 
und Ergebnissen, wenn auch keineswegs in den ethnologischen Hauptsachen, wo wir 
sehr auseinandergehen, so doch in zahlreichen Einzelheiten archäologischer 
Forschung die durchaus gediegene Arbeit von Wilke über „Neolithische Keramik 
und Arierproblem“ (Archiv f. Anthropologie 1909). Dasselbe Heft des Archivs bringt 
zwei Arbeiten zur Anthropologie des neolithischen Mitteleuropa, deren Ergebnisse 
ich durchaus anerkenne und vielleicht ohne grössere Schwierigkeit in meinen 
Vortrag hätte hinarbeiten können, wenn mir die nötige Musse zu Gebote gestanden 
hatte; es sind das die Abhandlungen von О. Reche, Zur Anthropologie der jüngeren 
Steinzeit in Schlesien und Böhmen, und von A. Schliz, Die vorgeschichtlichen 

Mannus. Bd. 1. 2 


18 Gustaf Kossinna. [2 


Schádeltypen der deutschen Lander in ihren Beziehungen zu den einzelnen Kultur- 
kreisen der Urgeschichte. Namentlich die letztere ist von einschneidender Bedeutung 
durch die Bestátigung, die nun von der anthropologischen Seite her meine schon 1902 
rein auf kultureller Grundlage vorgenommene Zuweisung der Bevölkerung des 
Róssener Stiles zur nordischen Gruppe, dagegen der bis dahin von anderen mit 
ihr gleichgestellten Bevólkerung des Grossgartacher Stiles, wie auch des Hinkel- 
steinstiles und ganz natürlich der Spiralkeramik zur donauländischen Gruppe er- 
fährt. Überhaupt wird Schlizens anthropologischer Nachweis, dass die archäo- 
logisch festgestellten Kulturkreise nicht in beliebiger Weite und Form 
ausgespreitete Kulturteppiche sind, sondern, wie es von mir zuerst und stetig auf- 
gefasst worden ist, wirklichgetragen waren von wohlcharakterisierten 
Volksstámmen mit bestimmtem somatisch-anthropologischem Ha- 
bitus, der kleinen, aber um so anmasslicheren Schreiergruppe der „Nicht- 
ethnologen* unter den Vorgeschichtsforschern hoffentlich wenigstens für einige Zeit 
einen wohlt&tigen Dampfer aufsetzen und ihnen endlich die ernste Frage nahelegen, 
ob ihr verständnisloses Abweisen der ethnologischen Gesichtspunkte auf einem 
eigensinnigen blossen Nichtwollen oder vielleicht auf einem durch mangelhaftes 
Erkennen hervorgerufenen Nichtkónnen beruht. 

Trotzdem ist es besser, dass mein Vortrag die ihm ursprünglich geliehene 
Gestalt beibehalten hat, damit man den Anteil der verschiedenen Forschungsweisen 
an den gesicherten Ergebnissen der jetzigen Behandlung der indogermanischen 
Frage klarer erkennen kann. lm übrigen habe ich nur selten einmal auf diese 
oder jene allerneueste, im Texte noch nicht benutzte Literaturerscheinung, die 
nur für Einzelfragen von Bedeutung ist, anmerkungsweise hingewiesen. 


Als ich zuerst meine Absicht kund gab, heute über die Indoger- 
manen zu sprechen, begegnete ich der erschrockenen Frage, ob ich 
denn den ganzen Stoff behandeln wollte. Nun, ich kann Sie be- 
ruhigen, das will ich ‘nicht, weil dazu die Vorlesung eines ganzen 
Wintersemesters nicht ausreichen würde. So kompliziert ist die „т- 
dogermanische Frage“ hauptsächlich dadurch, dass erst eine Unmenge 
„Vorfragen“ aus allen möglichen Wissenschaften ins Reine zu bringen 
sind. Die Erledigung dieser Vorfragen nahm in meinem schon mehrere 
Male gelesenen Kolleg über die indogermanische Urzeit stets soviel 
Zeit in Anspruch, dass ich die Entstehung und Ausbreitung der Indo- 
germanen selbst nur in einem kurzen Anhang behandeln konnte. Diese 
Vorfragen lasse ich heute beiseite, muss aber, um. Verständnis zu 
finden, für einige dieser Fragen meinen festen Standpunkt genau kund tun. 

Zunächst über die indogermanische Ursprache. Da war es vor 
einiger Zeit Mode — heute ist es Gott sei Dank wieder nicht mehr so 
der Fall —, sich in hyperkritischen Zweifeln zu gefallen, ob es eine solche 


3] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 10 


Ursprache überhaupt gegeben habe. Selbst Sprachforscher und Sprachver- 
gleicher machten die Mode mit und sprachen mit überlegener Selbstironie 
von der nur hypothetisch angesetzten Ursprache als einem Phantom, dessen 
Wiederaufbau nur den Zweck habe, zu den ältesten erreichbaren Sprach- 
formen der Einzelsprachen zu gelangen und diese zu erklüren. Sie 
spotteten so ihrer selbst und wussten nicht wie. Aber es waren das 
solche Sprachforscher, die nur am grünen Tisch arbeiteten, ohne ge- 
nügend Geschichte und Volksforschung zu kennen. Die Realforscher 
unter den Sprachgelehrten haben diese, wie alle ungesunde Hyper- 
kritik, im Grunde ganz unwissenschaftliche Mode abgetan oder nie 
mitgemacht, aber bei Naturforschern findet man sie auch heute immer 
noch. 


Wenn es also eine indogermanische Ursprache fiir mich unter allen 
Umständen gegeben hat, dann natürlich auch ein indogermanisches 
Urvolk. Der Zweifel hieran entspringt einem beinah noch unklareren 
Denken, als der Zweifel an der Ursprache. Denn eine lebendige 
Sprache ohne scharf umrissenes Volk, das sie spricht, ist ein Unding. 


Dieses Volk muss wie alle Vólker ursprünglich auf einem ver- 
hältnismässig engen Raume gewohnt haben, wo es eben entstanden ist. 
In so ausgedehnten Ráumen, wie etwa das ganze Flachland von Nord- 
frankreich durch Norddeutschland und Mittelrussland bis zum Ural hin, 
wo in früheren und jetzigen Zeiten einige, freilich wenige Sprach- 
forscher, aber auch ein Mann wie Ratzel die Urheimat der Indoger- 
manen sahen und sehen — in solchen Räumen entsteht kein Volk — 
ganz abgesehen davon, dass schon die archäologischen Verhältnisse 
gerade diese Annahme ganz unmöglich erscheinen lassen. 


Also ein Urvolk mit einerindogermanischen Ursprache 
auf nicht zu grossem Raume. 


Und dies Urvolk hatte auch einen bestimmten Typus, wie das 
zwar nicht bei einem modernen Volk, wohl aber bei einem Urvolk nur 
natürlich ist. Wenn Sie also, wollen, setzen Sie hier meinetwegen auch 
das verpónte Wort ,Rasse" ein. Der bekannte Spott über das ,kurz- 
köpfige Wörterbuch“ als Gegenstück zur „indogermanischen Rasse“ 
schreckt mich so wenig, dass er vielmehr nicht den geringsten Eindruck 
auf mich macht. Selbstverständlich warne ich die Anfänger in der 
Vorgeschichte stets vor der Verwechslung der Begriffe „Volk“ und 
„Rasse“. Hier liegt die Sache aber denn doch anders; man darf auch 
hier nicht Prinzipienreiterei treiben, sondern muss daran denken, dass, 
je weiter wir in die Vorzeit zurückgehen, desto mehr die den Be- 
griffen „Rasse“ und „Volk“ zugrunde liegenden Tatsachenunterschiede 


schwinden, so dass schliesslich beide Begriffe zusammenfallen. Hier 
0% 


20 Gustaf Kossinna. [4 


haben wir einfach die geschichtlichen Tatsachen sprechen zu lassen. 
Die ältesten Geschichtsquellen und Denkmäler, und auf die ältesten 
kommt es allein an, bezeugen die Indogermanen ausnahmslos als 
hochgewachsen und mit heller Komplexion; die Gräberfunde fügen dazu 
die Langkópfigkeit und drittens spricht die Häufigkeit der Vereinigung 
gerade dieser drei Merkmale in einem und demselben Typus bei den 
heutigen Völkern derjenigen Länder, die für die Urheimat der Indo- 
germanen in Betracht kommen, d. h. also Europa ohne die drei süd- 
lichen Halbinseln und ohne Osteuropa oder Nordosteuropa, für jenen 
Typus als indogermanischen Typus, der also dasselbe ist, was wir heute 
den nordischen oder nordeuropäischen Typus nennen. Diese vier Dinge, 
d. h. indogermanische Ursprache, indogermanisches Urvolk, kleinerer 
Urraum als Urheimat und nordischer Typus der Indogermanen, sind 
heute für mich indiskutabel, da ich ein ungeheueres Material in Be- 
wegung setzen müsste, um die Gründe hierfür vorzuführen. 


Um den Ursprung der Indogermanen zu ermitteln, ist es also 
nach meiner Ansicht nur nótig, die früheste Verbreitung des nordischen 
Typus in Europa zu ermitteln. Das war auch schon mein Standpunkt, 
als ich im Jahre 1902 meine archäologische Beleuchtung der indoger- 
manischen Frage in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlichte. Leider 
hat mich damals noch die anthropologische Forschung im Stich ge- 
lassen, so dass ich in einem sehr wichtigen Punkte zu einem Fehl- 
schlusse kam. 


Ich hatte damals als erster die grosse Zweiteilung der nord- und 
mitteleuropäischen Steinzeitkultur erkannt und bekannt gemacht: auf der 
einen Seite in Skandinavien und Norddeutschland die nordische Kultur mit 
Ausläufern nach Mitteldeutschland und später von hier nach Nord- 
österreich, Süddeutschland und der Schweiz, auf der andern Seite im 
ganzen Donaugebiet die sogenannte bandkeramische Kultur, die um- 
gekehrt ihre Ausläufer nordwärts nach Mitteldeutschland sendet: zwei 
enorme Gegensätze. Man hat später an gewisser Stelle diese bedeut- 
same Klärung ignorieren zu dürfen geglaubt, um überflüssigerweise 
weiter gegen die alte, zu enggefasste Einteilung der Neolithik in Band- 
und Schnurkeramik kämpfen zu können. Es sind dabei neue Ein- 
teilungsversuche gemacht worden, es ist von alteuropäischem Horizontal- 
und Vertikalsystem im Gegensatz zum freien Dekorationssystem geredet 
worden. Ein anderer jemand hat statt dessen die Schlagworte „Um- 
lauf- und Rahmenstil“ erfunden. Beide aber glaubten mit diesen 
nach ganz einseitigen Gesichtspunkten ausgedachten Scheidungen meine 
auf dem gesamten hinterlassenen Kulturmaterial aufgebauten ethno- 
logischen Anschauungen widerlegt zu haben, zeigten aber dadurch nur, 


5] Der Ursprung d. Urfinnen и. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 921 


wie wenigen heute immer noch die Fähigkeit zu eindringender ethno- 
logisch-archáologischer Erkenntnis gegeben ist. 


Nun schien es damals nach freilich nicht fachmännisch geführten 
Untersuchungen so, als wiesen die mitteldeutschen Ausläufer der 
Bandkeramik in Rheinhessen und in der Pfalz denjenigen anthropolo- 
gischen Typus auf, den man den mittellandischen nennt. Und auch 
über die Jordansmühler Skelette ging mir von Breslau aus das Urteil 
zu, sie wären einer kleinwüchsigen, langschädeligen Rasse ange- 
hórig. So war es nicht wunderbar, dass ich mich dahin entschied, in 
dem grossen, scheinbar auch anthropologisch bestätigten Gegensatz 
jener beiden Kulturen zugleich den von Indogermanen und Nichtindo- 
germanen ausgedrückt zu sehen. 


Seitdem sind nun namentlich durch Paul Bartels (1904) und 
Schliz (1906) treffliche anthropologische Untersuchungen gerade der 
Trager der Donaukultur gemacht worden und haben gezeigt, dass diese 
Stämme gleichfalls, nicht nur in Lengyel, was längst bekannt und von 
mir gebührend hervorgehoben worden war, sondern durchweg einen 
wenn auch wohl nicht vóllig nordischen, so doch mit dem nordischen 
nüchstverwandten Typus aufweisen. Die vereinzelten Graber dieser 
Kultur, die in Nordfrankreich begegnen, die hunderte von Grübern am 
Rhein und Neckar, die wenigen aus Thüringen bekannten, die zahlreichen 
aus Schlesien, endlich die wegen des dort fast allein herrschenden 
Leichenbrands wieder nur in geringerer Zahl beobachteten Skelette aus 
Ostgalizien und vom Dnjepr, sie alle auf dieser weiten Strecke zeigen 
ohne Ausnahme denselben einheitlichen langschádeligen Typus, der sich 
nur durch überall feinere Formen von der eigentlich nordischen Abart 
zu unterscheiden scheint. Und genau so besitzen die unzáhligen 
Grüber der nordindogermanischen Schnurkeramiker ausnahmslos den 
einheitlichen gróberen, nordischen Typus mit extremer Dolichocephalie, 
wie er übrigens in Skandinavien keineswegs in dieser Einheitlichkeit an- 
zutreffen ist. Damit war meine frühere Ansicht unhaltbar geworden. 


Ich muss aus diesen anthropologischen Gründen jetzt also er- 
kláren: sowohl die Trager der nordischen Kultur sind Indogermanen, 
wie die Trager der Donaukultur. Der von mir erkannte Gegensatz 
dieser beiden Kulturen, dem sich alle einzelnen neolithischen Kultur- 
gruppen nur als verschiedene Erscheinungsformen oder jüngere Ent- 
wickelungen unterordnen, bleibt aber natürlich bestehen, und wir haben 
also damit jetzt schon eine Nordgruppe und eine Südgruppe der 
Indogermanen zu unterscheiden. Ich will gleich jetzt erklären, dass 
für mich kein Zweifel besteht, dass diese beiden Gruppen dieselben 
Urgruppen sind, die die Sprachforschung ermittelt hat, die sie aber 


29 Gustaf Kossinna. [6 


anders benennt, nämlich West- und Ostindogermanen nach den ge- 
schichtlichen Sitzen jener Gruppen. Zur Ostgruppe rechnet die Sprach- 
forschung die Arier in Asien und von den europäischen Stámmen die 
Slawoletten und die thrakische Völkerfamilie, zu der auch die Armenier 
in Kleinasien gehóren. Deren Ahnen sind nun тете Südindogermanen, 
die Donauleute der Bandkeramik. 


Alle anderen europäischen Indogermanen, also Germanen, Kelten, 
Illyrier, Italiker, Griechen, heissen sprachlich Westindogermanen; deren 
Vorfahren sind nach meiner Ansicht die Trager der nordischen Kultur, 
meine Nordindogermanen. Doch damit kommen wir schon zur Aus- 
breitung der Indogermanen. 


Zuerst müssen wir aber noch dem Ursprung der Indogermanen 
weiter nachgehen. 


Ein so ungeheueres Gebiet, von Skandinavien und vom Rhein bis 
zum unteren Dnjepr, kann natürlich nicht als die Urheimat der Indo- 
germanen angesehen werden, zumal wir hier schon zwei ganz differen- 
zierte Kulturgebiete haben. Mein Vaterland muss „kleiner“ sein oder 
gewesen sein, sagt der Urindogermane. Die Frage ist also: lag der 
Entstehungsherd der Indogermanen im Donaugebiet bei den Südindo- 
germanen, oder an der Ostsee bei den Nordindogermanen, oder in 
keinem dieser beiden Gebiete, sondern an einer dritten Stelle? 


Hier müssen wir die Siedlungsarchäologie befragen, wie ich sie 
seit Jahrzehnten betreibe. Die Grundsätze sind sehr einfach: zeigt ein 
Gebiet in einer Periode mehr oder weniger starke Besiedlung, in der 
folgenden, d. h. unmittelbar anschliessenden, aber starke Abnahme 
der Siedlungen oder gar Leere, so ist eine Abwanderung der Bevölke- 
rung anzusetzen. Wohin die Bevölkerung abgewandert ist, lässt sich 
nur dann mit voller Sicherheit feststellen, wenn wir Anzeichen einer 
Fortsetzung, d. h. meist einer jüngeren Entwickelung der besonderen 
Kultur der Auswanderer in einem neuen Lande feststellen können. 
Andernfalls aber sind wir auf Mutmassungen oder Wahrscheinlichkeiten 
angewiesen. Umgekehrt liegen Zuwanderungen vor, wenn ein dünn- 
bevölkertes Gebiet ganz plötzlich starke Besiedlung aufweist. 


In der neolithischen Epoche sehe ich nun keine Möglichkeit, im 
eigentlichen Gebiete der Indogermanen einen Ausgangspunkt des indo- 
germanischen Typus zu finden. Sein Ursprung muss weit älter sein. 
Man hat zwar sehr naturwissenschaftlich sein wollen und gesagt: da, 
wo die stärkste Verbreitung einer Art ist, muss auch ihre Heimat 
liegen, so will es die Botanik. Und daher soll der nordische Typus 
nur aus Skandinavien stammen können. Aber der Mensch ist eben 
keine Pflanze, und so gilt auch jener botanische Grundsatz für die 


7] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 23 


Menschengeschichte nicht. Denn sonst müssten wir am Ende die Ur- 
heimat der Angelsachsen nicht an der deutschen Nordseeküste, sondern 
vielmehr in Nordamerika suchen. So allgemeine Grundsátze sind über- 
haupt für alle geschichtliche Forschung eine bedenkliche, ja gefährliche 
Sache. Diese soll vielmehr jedesmal die besonderen Tatsachen unter- 
suchen und dann mit umfassendem Wissen und gesundem Menschen- 
verstand ihre Schlüsse daraus ziehen. Darum bin ich auch nie ein 
Anhänger der skandinavischen Urheimattheorie gewesen. Der nor- 
dische Typus muss weit älteren Ursprungs sein, als dass er aus Skan- 
dinavien stammen könnte: er muss in der Diluvialzeit seine Wurzeln haben. 

Wendet man die siedlungsarchäologischen Grundsätze auf die paläo- 
lithische Epoche an, so ergibt sich, wie das auch sonst schon an- 
erkannt ist, dass die dünne Bevölkerung von Mittel- und Südost- 
europa während der Zwischeneiszeiten von dem dichtest bevólkerten - 
Frankreich ausgegangen ist und beim Herannahen jeder neuen Ver- 
gletscherung den ungünstigen Wirkungen des Klimas durch Rückwan- 
derung nach Westeuropa sich wieder entzogen hat. Ebenso ist es all- 
gemein anerkannt, dass die frühneolithische Langkopfrasse von der fran- 
zösischen Cro-Magnonrasse abstammen muss; denn sie hat keine andern 
ihr noch näher stehenden unmittelbaren Vorgänger. Es fragt sich nun, 
wann sind diese langschädeligen Neolithiker von Frankreich nach Mittel- 
und Nordeuropa ausgewandert ? 

So lange ich die Nordindogermanen für die einzige Indoger- 
manen- Gruppe hielt, war die Sache einfacher. Jetzt kommen aber 
die Südindogermanen dazu, und da muss ich sagen, ich kann die früheste 
Kultur der Südindogermanen nicht von derjenigen der Nordindogermanen 
‚ ableiten, ebensowenig aber umgekehrt die der Nordindogermanen von der 
der Südindogermanen. Beide Kulturen entstammen also einem fremden 
Gebiete, das in der Hauptsache ein und dasselbe Gebiet gewesen sein muss. 

Untersuchen wir zuerst die nordischen Verhältnisse, weil diese 
früher zu beginnen scheinen. 


I. 


Sieht man ab von der geringfügigen Hinterlassenschaft des 
paläolithischen Menschen, die sich hauptsächlich an einigen Punkten in 
der Umgebung Berlins, bei Eberswalde, bei Edingen in Pommern, bei 
Lübeck und vielleicht auch bei Labiau und Rossitten in Ostpreussen vor- 
finden, so wird die früheste Besiedelung, die wir in Norddeutschland 
und Skandinavien feststellen können, durch Geräte bezeugt, die aus 
dem Geweih des von Süden dorthin vereinzelt vorgedrungenen dilu- 
vialen Rens hergestellt sind: es handelt sich hierbei nach den bisherigen, 
leider noch gar zu unvollständigen Materialuntersuchungen neben einigen 


94 Gustaf Kossinna. [8 


rundschaftigen Fischharpunen mit beiderseitigem Widerhaken (Taf. IV, 5), 
die dem Havellande entstammen (Privatbesitz), namentlich um mehrere 
Schaftstangen zu grossen Hacken, Axten oder vielleicht Wiirdezeichen aus 
dem zusammenhängenden Gebiete von Schleswig-Holstein, Jütland und 
Fünen, sowie um einen Setzkeil aus Prenzlau (Taf. I, 2, 3). Alle diese 
Geweihstangen weisen eine rundliche Durchbohrung auf, die bei entspre- 
chenden Geräten des obersten Magdalénien niemals vorkommt, wenn auch 
die Durchbohrung des Rengeweihes als solche dem Magdalénien wohlbe- 
kannt war, wie die sogenannten Kommandostäbe zeigen. Das Fehlen des 


Abb. 1. Typen des Tardenoisien 
(M. Hórnes, d. diluv. Mensch S. 94 Fig. 37). 


diluvialen Rens überall im eigentlichen Frühneolithikum, sein spärliches 
Auftreten in Skandinavien überhaupt, wo es nur im südlichsten Teile 
von Schweden vereinzelt festgestellt werden konnte, beweisen, dass die 
fraglichen Geräte in eine unmittelbar an das Magdalénien anschliessende 
Periode zu setzen sind, d. h. in diejenige Epoche der geologischen 
Entwicklung des Ostseebeckens, die von den schwedischen Eiszeit- 
forschern (de Geer) nach einer charakteristischen arktischen Muschel 
die Yoldia-Periode, nach der Verteilung von Wasser und Land 
aber die Eismeer-Periode der Ostsee genannt wird (Karte Taf. I, 1) und von 
mir seit Jahren in die Epoche nach Schluss des Bühlstadiums der 
Alpengletscher Pencks, das wiederum mit der vierten nordischen Dilu- 
vialeiszeit (ungerechnet die tertiáre QGünzeiszeit) gleichzeitig ist, ge- 
setzt wird. 

Auf welchem Wege wir von diesen Frühzeugen des neolithischen 
Menschen ohne Sprünge weiter zu den reichbezeugten Siedelungen des 


9] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 05 


eigentlichen Frühneolithikums innerhalb der Ancylus- und Litorina-Pe- 
riode der Ostsee gelangen, darüber gewinnen wir einige chronologische 
Sicherheit nur durch den Vergleich des Nordens mit dem Westen 
Europas. In Frankreich und Belgien, den klassischen Lándern für alle 
Fragen des Paläolithikums, sind auch die Übergänge aus dem Paläolithikum 
ins Frühneolithikum und die ersten Stufen dieser letztgenannten Epoche 
neuerdings lückenlos und vóllig klar aufgedeckt worden.  Rutot hat 
Schon mehrfach auf die im obersten Magdalénien eingestreut vorkom- 
menden Formen einer mikrolithischen Kultur aufmerksam gemacht, d. h. 
Formen von Miniatur-Silexgeráten, die nur mittelst einer Schaftung in 
Gebrauch genommen werden konnten. Diese Art von Geráten des aus- 
gehenden Paläolithikums ist die Vorstufe zu der frühstneolithischen Kul- 
turstufe des Tardenoisien, benannt nach dem franzósischen Fundort 
Fére-en-Tardenois (Aisne), worin jene Formen selbständig werden, d.h. 
nunmehr ausschliesslich auftreten (Abb. 1). Denn nicht nur Pfeilspitzen, 
wie man früher annahm, sondern alle für den damaligen Menschen not- 
wendigen Geräte enthält das Tardenoisien: Beile, Messer, Schaber, 
Hobel, Bohrer, und die Mehrzahl dieser Stücke zeigt die kleine, eigen- 
tümliche, drei- bis viereckige, sogenannte ,geometrische* Gestalt. Auch 
in Norddeutschland gibt es zahlreiche Wohnstátten mit einer solchen 
Kulturhinterlassenschaft, die man früher Feuersteinwerkstätten nannte. 
Ich erwähne nur die im Berliner Museum für Völkerkunde vorhandenen 
Proben aus solchen Wohnstätten des Havel- und Spreegebietes, wie 
Kladow und Schmóckwitz, ferner solche aus der Lüneburger Heide. 

Wahrend das Tardenoisien keinen Abbruch der Kultur, sondern 
eine, wenn auch einseitige Weiterbildung seiner Vorstufe darstellt, folgt 
ihm in Belgien und Nordfrankreich, teilweise auch in Mittelfrankreich, 
sowie im ganzen Dordognegebiet eine Kultur mit völlig andersartigem, 
archaischem Charakter, bei der die Silexgeráte — überwiegend Hohl- 
schaber, während Pfeilspitzen unbekannt sind — wieder in ganz früh- 
diluvial - eolithischer Weise mittels eines als Retoucheur dienenden 
rohen Silexknollens nur ganz grob handlich zugehauen werden und 
allein die ,pics" genannten Schlágel, selten und noch unvollkommen 
auch die ,Spalter“ (tranchets) eine beabsichtigte Form erhalten. Rutot 
schreibt diese Kultur einem fremden Barbarenvolke zu, dessen Ein- 
bruch den Untergang der vorgeschrittenen Kulturstufe des Tardenoisien 
herbeigeführt habe. Ich denke weniger an den Einbruch einer fremden 
Bevólkerung, für die ein Ursprungsgebiet nicht zu ermitteln ist, als 
vielmehr an das Emporkommen einer bestimmten Rasse, nàmlich der 
kurzkópfigen, gegenüber der bisher in Alleinherrschaft befindlichen Cro- 
Magnon-Rasse. Rutot hat 1905 diese Kultur nach einem Hauptfundorte, 
Flénu bei Mons in Belgien, das Flénusien (Taf. II) genannt. Dieser 


26 Gustaf Kossinna. [10 


Stufe entspricht in Norddeutschland diejenige makrolithische Silexkultur, 
die wir in ein frühes Stadium der Ancylus-Periode der Ostsee setzen 


Abb. 2. Ostseegebiet in der Ancylus-Periode 
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden. Taf. 5). 


müssen, d. h. jener Periode, in der die Ostsee infolge starker Land- 
hebung namentlich im Süden des Beckens einen geschlossenen Binnensee 
bildete, ein Süsswasserbecken mit Süsswassermollusken, wie die Ancylus- 
Schnecke (Karte s. Abb. 2). Eine Fundstatte solcher Silexgerate ist vor 


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11] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 27 


kurzem am Rande eines Moores bei Kalbe a. d. Milde in der Altmark aufge- 
deckt und beschrieben worden (Taf. ПГ), während jenes Moor selbst vor 
Jahrzehnten schon treffliche Vertreter eines etwas jüngeren Stadiums der 
Ancylus-Kultur herausgegeben hat. Fällt die Yoldia- Periode aller- 
mindestens zehntausend Jahre vor Christus, so wird die Ancylus- 
Periode, die dem Gschnitz-Stadium der Alpeneiszeiten Pencks ent- 
spricht, wie die anschliessende Litorina-Periode dem Stadium der 
Daun-Moränen parallel geht, um 8000 vor Christus oder noch früher 
anzusetzen sein. 

Während der voll entwickelten Ancylus-Periode, d. h. jenes 
Stadiums dieser Periode, da statt der Birken- und Zitterpappelbestände 
schon Kiefernflora und etwa das heutige Klima in Dänemark herrschte, 
ist in Norddeutschland von Hannover bis Ostpreussen, in Dänemark, 
in Südschweden nordwärts bis zur Seensenke und in den baltischen 
Provinzen eine Kultur sehr reich vertreten, die weniger durch Silex- 
geräte als durch Geräte aus Knochen und Geweih charakterisiert wird. 
Unvergänglich wird Georg Sarauws Verdienst bleiben, der aus dem 
bisherigen unklaren Gewirr frühstneolithischer Erscheinungen diese Stufe 
sauber herausgeschält und ebenso klar als erschöpfend im Jahre 1903 
dargestellt Ка’). Elch und Urstier sind jetzt im ganzen Umkreise die 
bedeutungsvollsten Tiere im Leben des Menschen und für Dänemark 
durchaus zeitbestimmend. Offenkundigst weist diese Kultur auf das 
Magdalenien Süd- und Mittelfrankreichs, Belgiens und des Oberrhein- 
gebietes als ihren Vorgänger hin. So finden sich jetzt zahlreiche Typen, 
die während des Magdalenien aus Rengeweih hergestellt wurden, ent- 
weder in derselben oder in weitergebildeter Form wieder, aber nun- 
mehr aus Knochen und Geweih vom Elch und Edelhirsch, zuweilen 
vom Urstier, wozu sich weiter die Verwendung der Wildschweinshauer 
gesellt. Um nur einige jener Übereinstimmungen hervorzuheben, wobei 
ich das auch hier ergiebige Gebiet der Steingeräte übergehe, nenne ich 


1) Anmerkung. Die seit April 1908 tätige neue Direktion der „Prähisto- 
rischen Abteilung des Kgl. Museums für Völkerkunde in Berlin“, d.h. Carl Schuch- 
hardt, hat mit der Einrichtung einer im August fertig gewordenen „Sonderaus- 
stellung“ ihre Wirksamkeit begonnen. Schuchhardt selbst hat jedoch hieran keinen 
Anteil genommen, sondern die neue Aufstellung im Museum einem seiner Assistenten 
überlassen. Wenn der „berufenste Vertreter‘ der Vorgeschichte Norddeutschlands, 
wie er sich selbst nennt, an diese Aufgabe sich nicht herangewagt hat, wird er 
seine Gründe hierzu gehabt haben, und jeder Kenner wird diese weise Vorsicht 
billigen. Bei dieser Sachlage sollte Schuchhardt aber auch alle Belobigungen des 
geistigen Eigentums Schmidts (Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen, 
Berlin, Oktober 1908) den Kennern überlassen. Dass diese Ausstellung ihrem Ver- 
fertiger als Gipfelpunkt in der Entwickelung der heutigen Vorgeschichte erscheint, 
darüber werden sich die Fachleute nicht wundern, wenn sie selbst auch der An- 


28 | Gustaf Kossinna. [12 


Schaftröhrenäxte mit schräg geschnittener Schneidenflache aus dem Mittel- 
fussknochen des Urstieres (Abb. 3), wie sie in gleicher Weise das Magda- 
lénien der Freudenthaler Hóhle bei Schaffhausen lieferte (Abb. 4). Ebenso 


Abb. 3. '/a Schaftróhrenaxt, Abb. 4. Freudenthaler Abb. 5. '/s Ellbogenknochen- 


Maglemose, Seeland Hóhle bei Schaffhausen. dolch, Maglemose 
(Aarböger f. nord. oldk. 1903, 222). (Aarböger f. n. o. 1903, 232). 


traten die jetzt häufigeren Dolche, die aus dem Ellbogenknochen vom Elch 
oder Edelhirsch geschnitten wurden (Abb. 5), wie schon in der früheren 
Diluvialzeit, so auch in der Rentierzeit Frankreichs auf, wo der Ell- 


sicht sein sollten, dass der schöne und umfangreiche Denkmälervorrat nicht ent- 
fernt genügend in seinen grossen Zusammenhängen beherrscht und dargestellt 
worden ist, so dass das Ganze einen durchaus unbefriedigenden Eindruck hinter- 
lässt und trotz der Auswahl im Grunde noch eine ,,rudis indigestaque moles“ 
bleibt, auch in den Einzelheiten nicht ohne bóse Fehler. Gefreut hat es mich aber, 
dass Schmidt jetzt gelernt hat, dass die ältesten ostdeutschen Buckelurnen nun 
doch nicht in die früheste Bronzezeit gehóren, wie er vor einigen Jahren sehr 
bestimmt mich belehren wollte. Dass ich gerade an dieser Stelle auf die Sonder- 
ausstellung hinweisen muss, daran ist eine der schlimmsten Sünden im Steinzeit- 
saal schuld, wo ebenso wie in dem „Führer“ nicht die geringste Kenntnis vom Be- 
stehen der Ancylus-Kultur wahrzunehmen ist. Und dies ist um so belastender, als 
gerade das Berliner Museum, besonders infolge der hervorragenden Stellung der 
Mark Brandenburg innerhalb dieser Epoche, wohl das an einschlägigen Denkmälern 
reichste ist: diese Denkmäler sind nun sámtlich in der Versenkung verschwunden! 


13] Der Ursprung d. Urfinnen u. d Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 29 


bogenknochen des Bären hiefiir verwendet wurde. Von den fiir die 
Ancyluszeit besonders charakteristischen Fischharpunen finden sich so- 
wohl die rundschaftigen mit ein- oder seltener beiderseitigen Wider- 
haken aus Elchgeweih (Taf. IV, 5, 6, 2f), als die flachen vierkantigen, 
aus Rippen hergestellten, die spiessartig meist nur einen Endwiderhaken 
besitzen (Taf. IV, 2e), endlich auch die einseitig dicht gekerbten (Taf. IV, 2g) 
genau so im Magdalénien aus Rengeweih und Renknochen hergestellt; 
die einseitig dicht gekerbten z. B. im Kesslerloch bei Thaingen (Taf. IV, 3). 
Dagegen werden die breiten, flachen Hirschgeweihharpunen mit ein- 
oder doppelseitigen Widerhaken und steter Schaftlochbohrung, die für 
das durchaus nur westeuropáische Asylien (Tourassien) in Südfrank- 
reich, Oberitalien, Schottland und für die Anfänge der Schweizer Pfahl- 
bauten charakteristisch sind (Taf. IV, 7), durch einen Fund aus dem 
Kieler Hafen bei Ellerbek (Taf. IV, 8), der ein versprengtes Exemplar 
dieser Art aufweist, mit dem gesamten Asylien in eine jüngere Epoche 
gerückt, die einem frühen Stadium der Litorina-Periode parallel läuft. 
Zuweilen zeigen die Ancylus-Harpunen Ornamente, und zwar derselben 
Art wie die paläolithischen, so ein Zickzackband, das auch sonst in der 
Ancyluszeit häufig ist, schon in der Yoldia-Periode (Taf. I, 2 Mitte) 
und ebenso bei paläolithischen Harpunen und anderen Knochen- 
geräten, 2. В. aus dem Kesslerloch, auftritt. Oder es erscheinen 
naturalistische Tierdarstellungen, so auf einer Harpune von der Ost- 
seeinsel Langeland (Taf. IV, I), auch dieses durchaus im Stile des 
Magdalénien. | 

Dem Typus der mit eingebohrtem Schaftloch versehenen Hirsch- 
geweihhacken (Taf. V, 1—3) entsprechen im Magdalénien solche ohne 
Durchbohrung. Auch diese Gerate zeigen in der Ancylus-Periode zuweilen 
reiche Verzierungen in dem genannten, an franzósischen Rengeweihstücken 
so häufigen Stile (Taf. VI, 1). Dem einfachen gesellt sich das mehrfache 
Zickzack band, ferner Winkelreihen, Wellenlinien, Lángslinien, die mit einem 
Saume kurzer, schrág oder senkrecht gestellter Querstrichelchen oder 
kleiner Keile versehen sind, Dreieck- und Rautengruppen u. a. Ein her- 
vorragendes Stück ist ein durchbohrter, feinpolierter Geweihschaft aus 
Kl.-Machnow, Kr. Teltow, nahe Berlin, bei dem diese stark eingetieften Ver- 
zierungen, die zumeist ein ,ausgespartes Zickzackband" freilassen, mit 
schwarzer Birkenteerharzmasse emailliert sind (Taf. V, 4, 5). Ähnliches 
Emailmuster weist eine prachtige Harpune von Peitschendorf, Kr. Sens- 
burg in Ostpreussen, auf (Taf. IV, 4). Eine andere Geweihhacke, wahr- 
scheinlich aus Elchgeweih, die zu Vstad in Schonen gefunden wurde, 
zeigt neben einem schraffierten Rautenmuster, das keineswegs, wie 
Almgren meint, auf jüngerneolithischen Ursprung hinweist, auf beiden 
Seiten die trefflich eingeritzte Darstellung eines Hirsches oder Rehs 


30 Gustaf Kossinna. 14] 


(Taf. VI, 2). Besonders reich an geometrischen Verzierungen sind die 
früher als Saumglätter bezeichneten, jetzt als Abhäute- oder Schuppen- 
messer gedeuteten, falzbeinartigen, zugespitzten, stets mit einem Anhánge- 
loch versehenen Platten aus Edelhirschknochen, die gleichfalls eine 
Erbschaft der Rentierzeit sind, damals aus Rengeweih geschnitten. Schóne 
Beispiele hiefür lieferten das Havelland (Fernewerder Taf. VI, 4), Hol- 
stein (Travenort Taf. VI, 3), Danemark. 


Wie die Harpune, so gehen auch ihre siegreichen Nebenbuhler, 
die Angelhaken, auf Vorbilder und Anfange des südfranzósischen Magda- 
lénien zurück, wo sie stets einästig gebildet sind, während sie in der 
Ancylus- wie auch in der folgenden Litorina-Periode schon die heutige 
zweiästige Form haben, doch stets mit glatter Spitze, noch ohne den 
in jüngerneolithischer Zeit aufgekommenen Widerhaken (Taf. VI, 5, 6). 
Dasselbe gilt endlich auch von den an beiden Enden filetnadelartig mit 
zwei Spitzen versehenen Netzknüpfern. 


Westwarts der deutschhollándischen Grenze lassen sich die Er- 
scheinungen der Ancyluskultur durch Holland, Belgien und Nordfrank- 
reich bis an die Seine hin verfolgen, indessen doch nur spärlich, so dass 
man sagen muss, diese Kultur entspricht im ganzen einem älteren 
Einfluss, der von dem Magdalénien Süd- und Mittelfrankreichs sowie 
des Ober-Rheintals, keineswegs aber etwa Osterreichs ausgeht. Da 
nun dieser Einfluss in ein so gut wie leeres Land kam, so ist es 
klar, dass er sich deckt mit einer Besiedelung gleichen Ursprungs und 
gleicher Richtung. 


Gegenüber dieser mehr auf Südfrankreich zurückweisenden Ein- 
wanderung der Leute der Ancyluskultur, zu der sich allerdings gleich- 
zeitig Einwanderungen der Leute des mehr nordfranzósischen und belgischen 
Flénusien gesellen, erscheint die weitere Fortsetzung der Ancylus-Kultur 
im Ostseegebiet ausschliesslich auf neue Einwirkungen und Einwanderungen 
aus Nordfrankreich und Belgien zurückzugehen. Gewaltige Landsen- 
kungen im Ostseegebiet führen die klimatisch auffallend milde, durch 
Eichenwaldflora gekennzeichnete Litorina- P eriod e herbei, so genannt 
wiederum nach einer charakteristischen Schnecke dieses Brackwasser- 
stadiums der Ostsee (Karte: Abb. 6). Die Kultur dieser Zeit, allbekannt 
als die der altesten danischen Muschelhaufen, ist eine Tochter des franzó- 
sisch-belgischen Campignien, oder nach Rutot besser Campignyien ge- 
schrieben, das wiederum nichts ist als eine in Stoffauswahl und Formgebung 
der Geräte verfeinerte Stufe des alten Flénusien, mit dem es nicht nur im 
Hennegau (Mons), sondern auch anderwärts überaus häufig an den- 
selben Fundstätten vereinigt angetroffen wurde. Die Spitzhacken oder 
Schlägel (pics) des Flénusien leben hier weiter, die dort begonnene 


15] Der Ursprung d. Urfinnen и. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 3] 


Ausbildung der Form der grossen annähernd dreieckigen ,Spalter* mit 
jener charakteristischen, durch einen einzigen Hieb zugeschlagenen, 
schiefen, langen Schneide ist jetzt vollendet und wird ganz besonders 


alas —— —— - 


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Abb. 6. Ostseegebiet in der Litorina-Periode 
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf. 6). 


bevorzugt (Abb. 7 links). Einen sehr bemerkenswerten Fortschritt bedeutet 
die erste Anfertigung von Tongefässen in zunächst noch rohen Formen, wie 
sie im Asylien, Campignyien und in der Litorina-Kultur (Abb. 8a) gleich- 


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39 Gustaf Kossinna. ` [16 


Abb 7. SECRETA des nordfranzósischen Campignien 
(nach Hornes, d. diluviale Mensch S. 66). 


[o b d a's 


Abb. 8. Früh-Litorinafunde von Ellerbek, bei Kiel (nach Mestorf: '',, ausgenommen a). 


17] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 33 


zeitig auftritt. Die fast völlige Übereinstimmung jener Schlägel des Campi- 
gnyien mit den Beilen der Muschelhaufen (Abb. 8b), jener ,tranchets" mit 
den ,Spaltern* (Abb. 8c), der beiderseitigen Spitzen, Bohrer (Abb. 7 
rechts unten; 8 d), Rund- und Lóffelschaber (Abb. 7 rechts), der ,Papagei- 
schnabel“ genannten Werkzeuge (Abb. 7 ganz rechts oben), der Sägen, der 
Scheibenkernsteine, Wurfsteine sichern die Annahme einer Einwanderung 
neuer Bevólkerungsnachschübe langs den Küsten der Nordsee von Westen 
nach Osten, und ihre Spuren erscheinen am Südrande der Nordsee nur 
darum ausgelóscht, weil hier bis heute fortdauernde Landverluste den 
Strand der Litorina-Zeit mit Meeresflut bedeckt haben. Ob die oberitalieni- 
schen Erscheinungen des Campignyien gleichfalls auf Einwanderung aus 
Nordfrankreich beruhen, wie ich glauben móchte, kann nur durch genaue 
Erforschung der dort unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden 
Kulturperioden, also der Bevölkerungszusammenhänge ermittelt werden, 
wie wir das an der Ostsee zu tun in der Lage sind. 


Während die Ancylus-Kultur gebunden scheint besonders an 
stehende Binnengewässer, ist die Litorina-Kultur, abgesehen von Einzel- 
erscheinungen in Polen, wesentlich auf die Küstengebiete beschrünkt. 
Sie erscheint in Schleswig-Holstein, Rügen und Vorpommern, östlich 
nicht über Greifswald hinaus, in ganz Dänemark, Schonen und Südnor- 
wegen. Aus dem gróssten Teile der Lander am Süd- und Ostrande 
des Ostseebeckens hat sich also eine Abwanderung der Bevólkerung 
der Ancylus-Periode vollzogen, nach Osteuropa, wie wir später sehen 
werden. [n Norwegen wird diese Epoche fast ausschliesslich durch eine 
Kultur vertreten, in der die Beile vom Nöstvettypus das Hauptcharakte- 
ristikum abgeben, ein Typus, der in seinem zuerst, obwohl nur selten 
noch, rhombischen, dann dreieckigen, endlich trapezförmigen Querschnitt 
durchaus den echten Litorina-Silexbeilen (pics) gleicht (Taf. VII, 1—4), 
allein wegen des in Norwegen mangelnden Rohstoffes nicht aus Silex 
hergestellt ist, sondern aus einem möglichst ähnlichen, d. h. harten, 
feinkórnigen Eruptivgestein oder vielfach Hornblende, die sich in der 
Art der damaligen Silextechnik grob zuschlagen liessen!). 


Die Erkenntnis, dass die Wohnplatze, die jene Beile vom Nóstvet- 
typus bergen, ebenso wie die dänischen Muschelhaufen durchaus dem 
Verlauf der weit über dem heutigen Küstensaume liegenden Strandlinien 


1) Bald nachdem ich diesen Vortrag gehalten hatte, erschien eine Schrift 
von А. W. Brögger: Vistefundet, En aeldre Stenalders Kjökkenmödding fra Jederen. 
Stavanger 1908, worin Viste in Jederen als erster Wohnplatz Norwegens be- 
schrieben wird, der, abgesehen von dem stärkeren Hervortreten der Erbschaft aus 
der Ancylus-Zeit, mit der dänischen Kultur der Muschelhaufen in Stoff und Ge- 
staltung völlig identischen Inhalt birgt. 

Mannus. Bd. I. 3 


34 Gustaf Kossinna. [18 


der Litorina-Zeit folgen, dass diese Ansiedelungen aus der Zeit bis zum 
Maximum der Litorina-Senkung stammen, dass endlich dieses Maximum 
nach dem Zusammenstimmen der geologischen und archäologischen 
Berechnung mit grosser Sicherheit um die Zeit von 5000 vor Chr. zu 
setzen ist, — diese Erkenntnisse verdanken wir den jüngsten. trefflichen 
Forschungen der beiden Norweger Brögger, Vater und Sohn, des Geo- 
logen und des Archäologen. 


Allein, welche Beziehungen liegen hier vor zur indogermanischen 
Frage? Sind diese Frühneolithiker überhaupt Indogermanen? Sind es 
Langkópfe? Müssen es nicht Langkópfe sein, wenn sie von der 
Magdalenien-Bevölkerung Frankreichs und Belgiens abstammen sollen? 


Mit dreifachem Nein beantworte ich diese Fragen. Im Jung- 
paläolithikum Belgiens und des östlichen Nord- und Mittelfrankreichs 
gab es auch eine Kurzkopfrasse, die man nach dem Fundorte 
Grenelle bei Paris oder weniger gut nach dem belgischen Fundort mehr 
mesocephaler Schädel Furfooz benannt hat, eine wahrscheinlich ein- 
heimische Rasse, mag sie nun, wie man neuerdings gemeint hat, von 
einem Zweig der Neandertalrasse abstammen oder nicht, mithin völlig 
zu scheiden von den aus Vorder- oder Mittelasien eingewanderten 
Kurzkopfkolonien, deren Ergebnis die sogenannte alpine Rasse ist. 
Desgleichen haben wir in der neolithischen Zeit Frankreichs einen 
starken Prozentsatz Kurzschädel festzustellen, 146 == 21,2°/o nach der 
letzten Berechnung Salmons von 1895, neben weiteren 145 — 21,1% 
mesocephaler Schädel gegenüber 397 := 57,70?|  Langschádel. Leider 
hat die franzósische Forschung nicht feststellen kónnen, welchen ge- 
nauer umschriebenen Kulturen diese neolithischen Kurzschädel Frank- 
reichs angehóren, die sich von Belgien durch ganz Ostfrankreich bis 
nach dem Mittelmeer erstrecken mit besonders starken Anhäufungen 
im Seinegebiet (Pariser Becken) und an der unteren Rhone. 


Allein in Deutschland sind alle Schádel, die wir mit Bestimmtheit 
der frühneolithischen Periode zuschreiben müssen, ausnahmslos Kurz- 
schüdel. So aus der Ancylus-Periode die Schädel von Kl. Machnow, Кг. 
Teltow, Spandau (Kopfindex 88,4), Plau in Mecklenburg (Kopfindex 
82), ferner die zahlreichen uralten sogenannten Torfschädel, ich nenne 
die aus Trampe, Kr. Prenzlau (84,1) und Leipzig und die mecklen- 
burgischen, über die sich Ludwig Brückner ausgelassen hat, wie die 
aus Dömitz (79,8) und Gnewezin (80). Nicht anschliessen darf man 
hier die in ihrer Zeitstellung nicht gesicherten kurzkópfigen Skelette 
aus dem Rinnekalns in Livland, einem Hügel, aus dem zwar reiche 
Fundstücke eines gleich zu besprechenden jüngeren Ausläufers der 
Ancylus-Kultur gehoben, allein auch Gräber der Eisenzeit festgestellt 


19] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 35 


worden sind. Aus der Litorina-Zeit kennen wir leider nur sehr wenige, 
dazu nicht einmal fachmännisch gehobene Skelette, was wohl der einzige 
Punkt ist, den man an der sonst die hóchsten wissenschaftlichen An- 
forderungen befriedigenden neueren Untersuchung 
einer Reihe dänischer Muschelhaufen bemängeln kann. 
Die jütländischen Skelette von Ertebölle wie von 
Aamölle (Abb. 9) sind beide gross und kräftig, aber 
über die Schädelbildung ist nichts Sicheres festzu- 
stellen móglich gewesen. Hier treten ergänzend um- 
gekehrt westeuropäische Tatsachen in die Lücke: 
die Skelette der beim bergmännischen Gewinn der 
Silexknollen aus unterirdischen Kreideschichten durch 
Einsturzmassen verschütteten Arbeiter, wie sie in 
Belgien schon vor langem zu Obourg (Abb. 10), ganz 
neuerdings auch zu Strépy entdeckt worden sind, von 
1,55 m und 1,70 m Länge, die Schädel kurz, der von 
Obourg mit dem Index 80. Schon diese anthropolo- 

gischen Tatsachen zeigen, dass wir es hier nicht Р РТА 


mit Indogermanen zu tun haben. (nach: gait a 


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Wir müssen nun sehen, wo wir bei der weiteren 
Verfolgung dieser nordischen Verhältnisse den Riss oder vielleicht die 
Naht antreffen, an der sich ein neues Gewebe mit indogermanischem 
Einschlag ansetzt. 


Abb. 10. Bergmannsskelett, Obourg, Belgien (nach А. Rutot: Bull. de la soc. d'anthrop. de Bruxelles. XXIV. PI. I). 


Schon die eigentliche Litorina-Kultur besitzt, wie die zeitlichen 
westeuropáischen Entsprechungen, das Asylien und Campignyien, die 
ersten Anfánge einer neuen Technik der Steinbearbeitung, indem sie 


36 Gustaf Kossinna. [20 


die Kunst des Schleifens von Knochen und Geweih auf weiche, grob- 
kórnige Eruptivgesteine, den Grünstein, übertrágt. Doch wird zunächst 
nicht die ganze Oberfläche der Steingeräte geschliffen, sondern nur die 
Schneide, wie das schon bei der Hälfte der alttypischen, d. h. drei- 
eckigen Nóstvetbeile zu beobachten ist, bei den jüngeren trapezformigen 
aber, sowie bei den ihnen parallel laufenden südschwedischen Beilen 
des Limnhamntypus (Taf. VIII, 1) durchweg der Fall ist. Damit 
kommen wir in die Periode, in der das trapezoide Nöstvetbeil in 
die völlig internationale Form des stumpfnackigen, allseitig runden 
»Walzenbeils* (Taf. VIII, 2, 3) übergeht, das in England wie in 
Frankreich und sogar in Nordafrika erscheint, innerhalb Mittel- und 
Nordeuropas aber wesentlich nur in Skandinavien und Nordost- 
deutschland, auffallend häufig in der Mark Brandenburg, der nebst 
Ostpreussen stärkestbevölkerten Gegend der Ancylus-Kultur, wo dieses 
Beil also gewissermassen ein späterer, spärlicher Ersatz für die 
fehlende Litorina-Kultur ist. Eigentümlich ist ihm, dass seine ziem- 
lich glatte Aussenfläche nicht durch Zuhauen, sondern durch allmäh- 
liches, mühsames Abstossen geformt wird. In Norwegen findet sich 
das Walzenbeil noch ganz wie die Litorina-Kultur durchaus gebunden 
an eine Küstenbevölkerung. Es erscheint zudem im Vereine mit einem 
anderen Beiltypus, den ich nur als eine jüngere Erscheinungsform des 
grossen Litorinaspalters ansehen kann, allerdings nicht eines solchen aus 
Feuerstein (Silex), sondern eines aus weicherem (Gestein, wie er in 
Norwegen vorkommt, aber mit derselben charakteristischen, einseitig 
angeschärften schiefen Schneide, die nunmehr allerdings nicht mehr 
zugeschlagen, sondern angeschliffen wird. Es ist die von Brögger ge- 
kennzeichnete und Vespestadtypus (vgl. Abb. 11 ganz unten rechts) 
genannte Form [aus Elchgeweih vorgebildet schon während der Lito- 
rinazeit in dem vorerwähnten (S. 33 Anm.) wichtigen Wohnplatz von 
Viste in Jederen]. 

Eine wichtige Fundstelle dieser früharktischen Kultur, wie 
ich diese Erscheinungen in Skandinavien nennen will, ist ein Wohnplatz 
von Gullrum auf Gotland, der ausserdem ein gleichzeitiges Skelettgrab 
barg. Hier traf man einmal Harpunen, Spitzen, Meissel, Messer und 
Pfriemen aus Elchknochen oder Elchgeweih als Erbschaft der Ancylus- 
Zeit, sowie das eigentümliche Knochenkämmchen der Litorina-Art, 
daneben aber zugleich jungneolithische, mit Widerhaken versehene 
Angelhaken, eine entwickeltere, reichverzierte Keramik, das nur an der 
Schneide geschliffene Grünstein- Walzenbeil, das ganz geschliffene 
Vespestadbeil, endlich — für die Zeitbestimmung dieses Fundes be- 
deutungsvoll — aus Dänemark oder Schonen eingeführte geschlagene 


Silexbeile (Abb. 11). 


21] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 37 


Diese an grösseren Wohnplàtzen in Skandinavien erst selten 
angetroffene, in Einzelfunden aber ausserordentlich stark und von 
Dänemark nordwärts bis Lappland und Finnmarken immer zahlreicher 
und dichter auftretende 
arktische Kultur ist ja 
ihrem Hauptinhalte nach 
lángst bekannt und 1874 
auf dem internationalen 
Práhistorikerkongress zu 
Stockholm von A. Rygh 
für Norwegen und von 
O. Montelius für Schwe- 
den ausführlich be- 
schrieben und durch 
Abbildungen erläutert 
worden. Eine grosse 
Rolle spielen hier neben 
den weichsteinigen Ves- 
pestadbeilen dieüber den (Rack ейи toenmninies foren пама 80 x). 
ganzen Körper hin ge- 
schliffenen Schiefergeräte: Hohlmeissel, Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen 
(Taf. IX, 1, 2). Die Schieferspitzen hat А. W. Brögger wohl mit Recht als 
schon in der Ancylus-Zeit beginnenden Ersatz der frühneolithischen 
Knochenspitzen aufgefasst. Eine zweite Klasse sind die Geräte aus Elch- 
geweih, die in der südskandinavischen gleichzeitigen Kultur fehlen, wie 
Harpunen, Angelhaken, Kämme, Löffel. Dazu kommen noch, wie an 
den Wohnstátten auf der norwegischen lnsel Kjelmes am Varangerfjord 
(Taf. IX, 3—5), Geráte aus Rengeweih derselben Form, wie die ge- 
nannten Elchgeweihgeräte; sie können natürlich nicht von dem längst 
ausgestorbenen Diluvialren Südschwedens stammen, sondern nur von 
der abweichenden, aus Sibirien neu eingewanderten Art des „grön- 
landischen“ Rens. 

Eine ähnliche, vielfach gleichartige arktische Kultur herrscht nun- 
mehr auch in Finnland, wo Silex äusserst selten und nur in spät- 
nordischen Formen eingeführt wurde, für die einheimischen geschliffenen 
Geräte aber, wie arktische Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen, Meissel 
und Hacken ausschliesslich Grünstein, Sandstein oder Hornblende Ver- 
wendung fand (Taf. IX, 6—14). Dass die arktische Kultur in dieser Form 
bis ans Ende der neolithischen Zeit dauerte, zeigen eigenartig durch- 
lochte Axthämmer mit herausstehenden Knollen, eine Art Kommandoäxte 
(Taf. IX, 12), wie sie ausserhalb Finnlands zuweilen auch in Skandinavien 
vorkommen (einmal auch in Brandenburg), ferner durchlochte Axt- 


38 Gustaf Kossinna. [22 


hammer mit plastischem Tierkopfende (Taf. IX, 11). Auch hier Ton- 
gefásse mit halbkugelfórmigem Boden, weiter Offnung und denselben 


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Abb. 12. Finnland (nach A. Hackman, Abb. 13. Finnland (nach A. Hackman, 
die Bronzezeit Finnlands Fig. 3). die Bronzezeit Finnlands Fig. 4). 


eigenartigen Verzierungen wie in Skandinavien, wobei das Grubenorna- 
ment in Horizontalreihen abwechselt mit Zonen von dichtgestellten in 
Schnitt ausgeführtenTannen- 
zweigornamentreihen oder 
von schräggerichteten Punkt- 


stichreihen (Abb. 12. 13), 
welch letzteres Ornament 


т аааз im (z. B. zu Áloppe in Uppland) 
d IA К LO TT CL U : . LH L] 
amy KC ie SE ki Almgren, vielleicht mit Recht, 


092200220 


MET mts von einem ähnlichen Muster 
er: ' der südskandinavischen 
Wad Die Ganggráber-Keramik herlei- 
esr e win Se ten will. Diese Verzierun 
Wr me EE әзе g 5 
и in E ay СЫЎ der Tongefásse geht weiter 
NUS S ! über Finnland südwärts nach 
M Livland, wo der Rinnekalns 
| eine solche Keramik auf- 
weist, und ostwärts nach 
dem Ladoga- und Onega- 
Abb. 14. Птелѕее (nach Archiv f. Anthrop. М. F. Ш. Taf. XV). SEE und durchs ganze nórd- 
liche und mittlere Russland 
bis zur Wolga, hier besonders stark in den Gouvernements Jaroslaw 
und Wladimir vertreten. 


Ar 
‘ 
7 


Nicht ohne Bedeutung ist es, dass solch ет Gefäss vom Штелзее 
(Abb. 14) die punktierte Darstellung einer nackten Frau nebst Vierfiissern 


23] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 30 


aufweist. Wird diese Art der Kunstübung der Menschendarstellung 
in der arktischen Kultur selten angetroffen, so ist um so häufiger die 
Tierzeichnung. Und während die Menschendarstellung, wie auch ander- 
warts zu allen Zeiten schon oft an primitiver Kunstübung beobachtet 
worden ist, wenig gelungen und unbeholfen erscheint, wird die Tierwelt 
in bewunderungswürdiger Naturtreue wiedergegeben, vor allem dasjenige 
Tier, das dem Frühneolithiker seit der Ancylus-Zeit als einziges Haus- 
tier stündlich vor Augen war, der Hund. Und zwar muss der Hund 
seinem Aussehen. nach von der Art der nordischen Spitze gewesen sein, 
wie ihn jetzt noch die nordischen Fischer- und Jágernomaden, auch 
die Eskimos, die alle ja auch sonst die Ancylus-Kultur in erstaunlicher 
Treue bis heute bewahrt haben, als Haustier züchten. Solch eine 
Hundekopfskulptur mit hochstehenden Ohren, als Gegenstück zu einem 
Menschenkopf an dem anderen Ende, ziert den erwähnten Kamm von 
Gullrum (oben S. 36 f.; Taf. X, 1). Der Fundort Áloppe lieferte zwei 
práchtige, naturalistisch gebildete kleine Elche aus gebranntem Ton 
(Taf. X, 3, 4). Aus einem Moore bei Falkóping in Vestergótland stammt 
ein kleiner Bernsteinhángeschmuck in Gestalt eines bärtigen Menschen- 
kopfes mit Stirnbinde, dessen tiefe Augenhóhlen zu beiden Seiten der 
balkenfórmigen Nase nach einer guten Bemerkung Almgrens ganz auf- 
fallend den Menschenkopf des Gullrumer Elchknochenkammes wieder- 
holen (Taf. X, 2). Und genau so gestaltet ist das Gesicht eines Bernstein- 
hángestückes aus Finnland (Taf. IX, 15) und sind weiter die Gesichter der 
bekannten steinzeitlichen Bernsteinamulettfiguren, die bei Schwarzort 
nächst Meme! aus dem Grunde des Kurischen Haffes (Taf. XI, 1—6) 
ausgebaggert worden sind: wichtige Fingerzeige für die feinere Chrono- 
logie und die engeren Kulturzusammenhánge im Beginn der jünger- 
neolithischen Zeit!). Das ostpreussische Bernsteinland hat ja auch 


') Während der Korrektur kann ich noch auf die neueste Arbeit des unge- 
mein rührigen norwegischen Steinzeitforschers A. W. Brógger wenigstens kurz hin- 
weisen: Et norsk ravfund fra stenalderen: Bergens Museums Aarbog 1908. No. 11. 
Es handelt sich um einen neuen und zwar erst den zweiten bedeutenderen stein- 
zeitlichen Bernsteinfund Norwegens, aus Linnes, Amt Süddrontheim, wie der frühere 
von Gustafson veróffentlichte aus Heró im Romsdal ein Moorfund arktischer Kultur, 
dessen Herkunft über Schweden (Gotland?) aus Ostpreussen gezeigt wird. Ве- 
sonderes Gewicht wird auf den Nachweis gelegt, das die gesamte arktische Kultur 
Norwegens aus dem óstlichen Schweden und weiter aus den baltischen Provinzen 
Russlands nebst Ostpreussen herübergekommen sei, ein Nachweis, der, selbst wenn 
er sich voll aufrecht erhalten lassen sollte, für die ethnologische Frage und für 
meine hier dargelegten Ansichten überhaupt von untergeordneter Bedeutung ware. 
Vollere Aufklárung auf diesem Gebiete wird voraussichtlich das zusammenfassende 
Werk Bróggers über die arktische Kultur bringen. 


40 Gustaf Kossinna. (24 


nach Westen über Norddeutschland manche seiner figürlichen Gebilde 
entsandt, so die bekannten drei Tierfiguren aus Bernstein, den Eber 
von Danzig, den Bären von Stolp in Hinterpommern und den Bären 
oder das Pferd von Woldenberg Kr. Friedeberg in der Neumark, aber 
auch das in diesem Zusammenhang noch nie genannte kleine Menschen- 
bild (Taf. X, 5) von Bernburg (Anhalt), das natürlich nichts mit dem in 
seiner Nachbarschaft aufgedeckten spiralkeramischen Grabfund zu tun hat, 
sondern in den Kreis dieser ostpreussischen, arktischen ldole gehórt, 
worüber im zweiten Teile dieses Vortrages noch zu reden sein wird. 
An irgend einen direkten Zusammenhang zwischen der figuralen Skulptur 
der arktischen Kultur und derjenigen des donauländischen und süd- 
russischen Kulturkreises der Bandkeramik zu denken, ist für einen 
Kenner der Steinzeitkultur Mittel- und Südosteuropas eine bare Un- 
möglichkeit. Dieser Gedanke Almgrens und anderer vor wie nach ihm 
war wirklich kein glücklicher. 


Die weitere Ausbreitung eines jüngeren Stadiums der arktischen 
Kultur, das man natürlich nicht vorschnell mit der Ancylus-Kultur gleich- 
setzen darf, über Finnland nach Russland hinein, bezeugen ausser der 
eben berührten Keramik die gleichfalls schon genannten Schaftlochhammer 
aus Finnland und Russisch Karelien mit jenem Tierkopfende, das wiederum 
nichts anderes darstellt, als den Kopf des arktischen Spitzhundes 
(Taf. IX, 11; XI, 10), ein Fortleben des in der arktischen Kultur Skandi- 
naviens so zahlreich an Schiefermessern erscheinenden Hundekopfgriffes, 
dessen allmählich bis zur Unkenntlichkeit vorschreitende Degenerierung 
Almgren in eine typologische Reihe gebracht (Taf. XI, 8). Zu den 
Seltenheiten gehórt ein Axthammer aus Finnland in Widderkopfgestalt 
(Taf. XI, 2). 


In denselben Kreis gehóren die Knochenschnitzereien, Menschen- 
und Tierbilder, die lnostranzeff aus der neolithischen Station des La- 
dogasees veróffentlicht hat (Taf. X, 6, 7), endlich in weiterer Ferne die 
merkwürdigen schon stark degenerierten Silexbilder aus Wolosowo im 
Gouvernement Wladimir (Taf. X, 8—11) und andere ostrussische Funde 
gleicher Аг. Von entscheidender Bedeutung ist es, dass die einzigen 
gesicherten Schadel dieser Funde, die von Wolosowo, einer kurzkópfigen 
Rasse angehören. 


Noch weiter darüber hinaus bis ins Jenisseigebiet nach Ostsibirien 
führen uns die Graber mit Skeletten einer kurzkópfigen, doch nicht 
mongolisch gestalteten Menschenart, mit Knochen- und Stein-, aber auch 
schon Kupfergeräten, die an der Basaikha bei Krasnojarsk aufgedeckt 
wurden, vor allem das Grab eines Schamanen, dem ein plump ge- 
schnitztes knóchernes Menschenidol und neben anderen Tierskulpturen 


25] рег Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 4] 


die ausserordentlich naturgetreuen Bilder einer Elchkuh und eines Elch- 
kalbes, aus Elchgeweih geschnitzt, beigegeben waren (Taf. XI, 9). Viel- 
leicht schliesst sich hieran als letztes Glied dieser langgezogenen Kette 
von Kulturwanderungen am äussersten Meere die Steinzeit der Aino- 
stamme. 


Das blosse Vorkommen von Muschelhaufen, die nach Münsterbergs 
Angabe (Japanische Kunstgeschichte 1, 70) im Süden des Ainolandes 
alter sein sollen, als im Norden, fallt für unsere Frage kaum ins Gewicht. 
Die ihnen zugehórige Keramik zeigt Mattenabdruck. Eher wáren hier 
die bekleideten tónernen Menschenfiguren heranzuziehen, wahrend Tier- 
figuren gerade sehr selten sind. Völlige Übereinstimmung zeigen nur 
die von М. G. Munro in seinem soeben erschienenen ,Prehistoric Japan“ 
(Vokohama 1908) auf drei Tafeln abgebildeten neolithischen Fischhar- 
punen aus Hirschgeweih. Wibling hat bereits vor einem Jahrzehnt die 
arktische Keramik Schwedens und die entsprechende Russlands mit der 
von ihm als sehr ähnlich befundenen der Alaska-Eskimos verglichen, 
die er in Berlin gesehen hat. Allein die mir von Seler aufgewiesenen 
ganz rohen Tongefásse der Ingalik haben trotz der am Halse befind- 
lichen Reihe tiefeingedrückter Gruben (keine Grübchen) nicht die ge- 
ringste Ähnlichkeit mit arktischer Keramik, wohl aber stimmen die 
Schieferpfeilspitzen und die holzgeschafteten Schiefermesser der Manner 
in auffallendster Weise mit den gleichen Schiefergeráten der arktischen 
Kultur. Diese arktische Kultur nun mit Wibling eine ,mongolische* zu 
nennen, wäre sehr voreilig. Was es mit der von Wibling behaupteten 
Übereinstimmung der Steingeráte der Blekingschen Küstenfunde ark- 
tischer Kultur mit den Geráten der Steinzeitleute am Amur auf sich 
habe, konnte ich jetzt, wo die sibirische Sammlung des Berliner 
Museums für den Umzug verpackt ist, nicht ermitteln. 


Dass diese Kulturwanderungen zugleich ein Zeichen, weil eine 
Folge der Ausbreitung eines Stammes sind und zwar eines der gróssten 
Stämme der altweltlichen Menschheit, der Finno-Ugrier, steht 
für mich ausser Frage. Aber noch haben wir ein neues, sprechendes 
Zeugnis für dieses Kulturgebiet und die Anfänge jenes Hauptstammes 
zu behandeln, das sind die Felsenzeichnungen. Allbekannt sind ja jene 
skandinavischen Hällristningar, die in unzähligen Wiederholungen einen 
kleinen Kreis von Stoffen vorführen und sich nicht genug erschöpfen 
können an Sonnenrädern und Fusssohlen, an kleineren und grösseren 
bemannten Ruderschiffen, auch wohl an kindlich unbeholfen dargestellten 
Tieren, wie Rindern und Pferden, sowie an Menschen. Das Bohuslän 
und die Smalene sind das Hauptgebiet dieser eigenartigen zu Beginn 
der Bronzezeit einsetzenden Zeichnungen, doch reichen sie in minder 


49 Gustaf Kossinna. [26 


zahlreicher Verbreitung noch weiter nordwárts, in Schweden bis Upp- 
land, in Norwegen bis zum Drontheimfjord. Diese Zeichnungen tragen 
südskandinavischen Charakter. Ganz anderer Art sind die zum Teil 
erst im letzten Jahrzehnt durch den Norweger Lossius und den Schweden 
Hallstróm bekannt gewordenen nordskandinavischen Felsenzeichnungen: 
sie gehóren der arktischen Kultur an. Ihre Anzahl ist vorláufig noch 
gering, zehn im ganzen, von denen drei auf das schwedische Jämtland, 


Abb. 15. Gebiet arktischer Felsenzeichnungen (1—10) und Felsenmalereien (11—13) in Skandinavien 
(nach „Fornvännen“ 1907, 161). 


die übrigen auf Norwegen fallen und hier vom Drontheimfjord im Land- 
inneren nordwárts bis zu dem Ofotenfjord vorkommen. Ausserdem 
finden sich auf der schwedischen Seite!) noch drei Felsenmalereien, zwei 
in Jàmtland und eine in Härjedalen (vgl. die Karte: Abb. 15). Sie 
steigen empor bis zu Hóhen von über 500 m wie zu Landverk im 
Jamtlande; einige liegen jedoch so tief, dass sie wohl unterhalb der 
Strandlinie der Litorinasenkung sich befinden, also erst der jüngerneo- 
lithischen Zeit angehóren kónnen. 


1) In dem soeben (April 1909) mir zugegangenen ersten Hefte des diesjährigen 
„Fornvännen“ S. 55 f. zieht Hallström auch eine norwegische, schon 1878 veröffent- 
lichte arktische Felsenmalerei ans Licht, von Hindhammern in Nordmóre. 


27] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 43 


Sie bieten keine religiósen Darstellungen, keine Genreszenen, keine 
Geschichtsdarstellungen, wie die Wikingerkriegszüge über See auf den 
südskandinavischen, germanischen Felsenritzungen, sondern lediglich 
Wildtiere des Hochlandes, den 
Bàren, den Elch, das Ren in 
meist wunderbarnaturalistischer 
Vollendung der Umrisse, gegen 
die jene südskandinavischen 
Tierdarstellungen armselige 
Stümperei sind. Wir haben 
hier in ausgesprochener Weise 
an einer und derselben Stelle 
die Gegensätze nebeneinander: 
auf der einen Seite das primi- 
tive, allein von der grossen 
Stärke der Erinnerung geleitete, 
vom Denken aber unbeirrte 
Schaffen einer direkt aus der 
Natur schöpfenden Jägerkunst, 
auf der anderen Seite das in 
hohem Masse durch star- 
kes seelisches Innenleben 
und gedankliche Vorstel- 
lungen beeinflusste Bilden 
der mehr aus fernerer 

blasserer Erinnerung 

schaffenden Phantasie des 
kultivierten, an das Haus 
gebundenen Ackerbauers 
und Viehzüchters; Gegen- 
sätze, die man neuerdings 
unter die Schlagworte 
»physioplastische“ und 
„idioplastische“ Kunst ge- 
bracht hat. 

Wiedergegeben seien 
hier zunächst die bei- 
den Zeichnungen von 
Landverk in Jämtland 
(Karte Nr. 3, Abb. 16. 17) 
und von Böla im Dront- 
heimfjord (Karte Nr. 6, Abb. 19. 20. Bola (nach ,Fornvánnen* 1908, 70f.). 


44 Gustaf Kossinna. " 8 


Abb. 18—20). Das leider stark abgewaschene Bild von Landverk 
zeigt einen Elch, dem nachstellend ein Bar folgt. Stórend an der 


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ALI IM ШШШ مر‎ 


———. 


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я, 


Abb. 21. Bardal (nach ,Fornvánnen* 1908, 63). 


strengen Profilauffassung ist nach Hallstróms richtiger Bemerkung nur 
die Wiedergabe je zweier Ohren, bei denen übrigens auch die Ohr- 
muschel angedeutet ist, statt eines einzigen. In Bola, wo bis 1897 
der nórdlichste bekannte 
Fundort der Felsenzeich- 
nungen lag, befindet sich 
an einersenkrechten Wand 
neben einem kleinen 
Wasserfall ein sehr schón 
naturalistisches Bild eines 
Rens mit ganz eigenartig 
gestaltetem Семей, wie 
Abb. 22. Bardal (nach ,Fornvánnen* 1908, 65). es aber nach der beige- 
gebenen Zeichnung eines 

lebendigen Renochsen auch heute noch in der Natur vorkommt. 


Eine der schónsten und zugleich die bedeutsamste ist die ark- 
tische Felsenzeichnung von Bardal am Drontheimfjord, die nur 40 m über 
dem Meere angebracht ist (Karte Nr. 5, Abb. 21. 22). Dort befinden sich 


ee ers. bmx 
(1 | ZC NV М 
| "d | M L ZUM My 


29] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 45 


zwei vollstándige und mehrere angefangene treffliche Elchbilder, jedes 
3 m lang, 2 m hoch, und gleichzeitig ist die Klippe in einer Lánge von 
fast 30 m und einer Breite bis 10 m mit Schálchenvertiefungen, Fuss- 
sohlen, Menschenfiguren, an fünfzig Tieren und hundert Schiffen über- 


LAGE DE LA PIERRE ARCTIOUE 


EN SUEDE er ЕН NORVEGE 


FINLAND 


NORVEGE 


Abb. 23. (Nach Congrès international 4’ап гор. et d’archéol. VII. Stockholm 1874, Т. 1, 192). 


zeichnet, von denen eines 4,3 т Länge und 89 Mann Besatzung auf- 
weist: dies alles in südskandinavischem Stile. Dass diese letzteren 
jünger, die arktischen Zeichnungen viel àlter sind, also weit hinein in 
die jüngere Steinzeit reichen, hat schon Lossius erkannt und Hallstróm 
neuerdings sicher erwiesen durch die Beobachtung, dass einerseits die 
feineren Linien der Elchumrisse zwar von den breiten, tiefen Rinnen 


46 Gustaf Kossinna. {30 


der Schiffslinien durchbrochen werden, nicht aber von den ebenso 
breiten Naturfurchen der Klippe, durch die jene Elchumrisslinien, statt 
sie zu überspringen, vielmehr ohne Unterbrechung hindurchlaufen. 


Eine erwünschte Bestätigung des hier behandelten grossen kul- 
turell-ethnographischen Zusammenhanges für den ferneren Osten bieten 
die von Aspelin veróffentlichten Felsenzeichnungen vom Onega, denen 
sich wiederum vóllig übereinstimmende aus dem Sibirischen anschliessen. 


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Abb. 24. Schieferkultur und Finnen. Abb. 25. 


° = Nöstvettypus und arktisch, 

S — Seefinnen | im 16. Jahr- Verbreitung der Kurzköpfe in Norwegen 
L = Lappensiedelungen | hundert. (nach A. M. Hansen, Landnam i Norge 
x = Finnen-Ortsnamen. Tf. VI. VII). 


Es ist sehr bedauerlich, dass die von Savenkow bewirkten Auf- 
nahmen der Felsenzeichnungen aus dem Jenisseigebiet, die nach seinem 
Urteil eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den Schöpfungen des Künstlers 
von der Basaïkha (oben S. 40) besitzen, vor ihrer Veröffentlichung 
ihm abhanden gekommen sind und darum zum Vergleich hier nicht 
näher herangezogen werden können. 


In wie ausgedehntem Masse die Feststellung der Hinterlassenschaft 
der arktischen Kultur in Skandinavien heute gegenüber dem Stande 
vom Jahre 1874 gewachsen ist, zeigt ein Vergleich der älteren Ver- 
breitungskarte von А. Rygh (Abb. 23) mit der neueren von А. M. Hansen, 
jenem gedankenreichen, aber in archäologischen, geologischen und 


31] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 47 


anthropologischen Fragen vielfach auf unsolidem Boden stehenden Ver- 
fasser des Werkes „Landnäm i Norge“. Dieser Unterschied bleibt 
wirksam, auch wenn man die zuerst von Hansen als notwendig erkannte 
Einbeziehung der frühneolithischen Siedlungen in die Entwickelung der 
arktischen Kultur als stárksten Zunahmefaktor bei dieser Vergleichung 
ausser Spiel lásst (Abb. 24). 


Setzt man weiter die Verteilung der arktischen Kultur über die 
Kiistengebiete Norwegens und die gleichmässige Gebundenheit der 
Litorina-Kultur an die Küstengegend in Vergleich mit der Verbreitung 
der ebenso auf die Küstengebiete beschränkten, aber hier sehr stark 
überwiegenden heutigen norwegischen Kurzkopfbevölkerung, wie dies 
gleichfalls Hansen auf Grund der Untersuchungen von Arbo und Larssen 
getan hat, so ist der innere Zusammenhang dieser Tatsachen un- 


verkennbar (Abb. 25). 


Der anthropologische Typus der skandinavischen Kurzköpfe ist in 
der Hauptsache umschrieben durch die Eigenschaften: blond, blauäugig, 
hochgewachsen. Dazu treten weiter die Merkmale einer schräggewölbten 
Stirn und stark vortretender Brauenbögen. Vor allem aber ist wichtig, 
dass die Kurzköpfigkeit nicht hervorragend erscheint, sondern den Index 
80 zeigt oder wenig darüber. Somit haben wir es mit einem Typus 
zu tun, der dem dänischen Steinzeittypus von Borreby entspricht, und 
sogar schon bei den Skeletten der Muschelhaufen, wie wir gesehen 
haben, vorzuliegen scheint. Und auch Schweden bietet heute in seinem 
südlichsten und östlichsten Gebiete, also gerade dort, wo einst die 
Ancylus- und Litorina-Kultur stark vertreten war, verhältnismässig nicht 
unbedeutende Zahlen dieses hellerfarbigen hochgewachsenen Kurzkopfes : 
erreicht doch nach den Untersuchungen von Gustaf Retzius (1902) 
Schonen mit etwa 19% Kurzkópfen fast die Zahlen von Westerbotten, 
während Uppland mit 21 °/o nur wenig hinter Lappland mit 23,6 zurück- 
steht. Dagegen ist Mittelschweden ein breites Band starkster Lang- 
kópfigkeit, die т Sódermannland nur 5%, т Dalsland gar nur 4,86 "jo 
Kurzkópfe neben sich hat. 


In Dánemark muss dieser Kurzkopftypus noch viel allgemeiner sein, 
wenn man die neuerdings von H. P. Steensby für Nordfünen, Anholt und 
Westjütland, von L. Ribbing für Bornholm gewonnenen Ergebnisse auf 
das ganze Land übertragen darf, was nach einer soeben erschienenen 
Darstellung von Sören Hansen zulässig erscheint. Es stimmt dazu, 
dass auch die vorerwähnten belgischen Bergmannsskelette eine mäs- 
sige Kurzköpfigkeit aufweisen. 


Um also aus all diesen archäologischen und anthropologischen 
Erkenntnissen meinen Schluss zu ziehen, so bin ich der Ansicht, dass 


48 Gustaf Kossinna. [32 


eine Bevölkerung vom Borrebytypus — vielleicht neben einer stark kurz- 
kópfigen, die zugleich von kurzem Wuchse war — seit dem Ende des 
Magdalénien in allen Stadien der frühneolithischen Epoche von Frank- 
reich, Belgien und dem Oberrhein nach Norddeutschland, Dänemark 
und Südskandinavien gewandert ist und hier die ausgehende paläoli- 
thische Kultur in teilweise neuen Formen weitergebildet hat. Diese 
Bevólkerung muss schon am Schlusse der Ancylus-Zeit aus Mittel- 
schweden und aus dem ganzen östlichen Norddeutschland und den 
baltischen Provinzen ausgewandert und, wie ich glaube, nach Osten 
gezogen sein, da einmal die Litorina-Kultur hier so gut wie unvertreten 
bleibt, dann vor allem aber gerade in diesen Gebieten spáter und bis 
heute noch der ausgesprochen langschädelige nordische Typus in grös- 
serer Reinheit und Starke vertreten ist. Innerhalb der baltischen 
Provinzen birgt nur der Rinnekalns in Livland noch die mit finnischer 
Keramik ausgestattete jüngerarktische Kultur. Dass aber auch auf 
Livland dann der Indogermane seinen Fuss gesetzt hat, zeigt eines 
der bis jetzt noch so seltenen neolithischen Graber des Ostbaltikums, 
das 1904 zu Woisek Kr. Fellin aufgedeckt worden ist und nach 
К. Weinberg einem extremen Langschädel von rund 607 Längen- 
breitenindex zugehórte. Am Ausgang der neolithischen Zeit hat die 
arktische Bevölkerung dann Finnland, das Ladoga-, Onega- und 
Wolga-Gebiet besiedelt. Das mittlere bis untere Wolgagebiet und 
weiter westlich das Land bis in die Nähe des mittleren Dnjeprs 
müssen die Gegenden gewesen sein, wo die Finnen bereits am Ende 
der neolithischen Zeit eine in der finnischen Sprache als Nieder- 
schlag noch heute fortbestehende Kultureinwirkung durch die am 
Dnjepr sesshaften Arier erlebt haben, bevor diese nach Asien ab- 
wanderten. In ähnlicher Weise, wie später die Indogermanen, hat die 
arktische Bevólkerung endlich auch grosse Teile von Asien bis nach 
Ostsibirien und móglicherweise sogar Nordjapan hin mit ihrer Kultur 
und Sprache belegt, um hier jedoch, wiederum ähnlich wie die Arier, 
aber auch wie die Indogermanen Ost- und Südeuropas, dem Blute nach 
von der einheimischen Bevölkerung früher oder später absorbiert zu 
werden. Daher die körperliche Verschiedenheit des in den nördlichen 
Breiten Europas und Asiens weit auseinandergezogenen finno-ugrischen 
Stammes, dessen fremde Rassenbestandteile trotz finnischer Sprache 
uns schon im germanischen Norden durch die Lappen so klar vor Augen 
geführt werden. 

Ist meine Herleitung der finnischen Urbevölkerung richtig, dann 
fallen auch alle die schweren Bedenken fort und werden alle die 
Winkelzüge derjenigen Sprachforscher unnötig, die von der auch mir 
über allem Zweifel sicheren Urverwandtschaft des finnischen und des 


33) Der Ursprung d. Urfinnen и. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 40 


indogermanischen Sprachstammes überzeugt sind, aber nun darum, wie 
O. Schrader, — freilich ohne eine Spur sonstiger inneren Nótigung, ja 
Berechtigung — die indogermanische Urheimat móglichst nahe an die 
europäisch-asiatische Grenze zu rücken bestrebt sind. Die gemeinsame 
oder wenigstens nahe benachbarte Urheimat beider Ursprachen in 
Frankreich würde alles genügend erklären. Während nun aus Nord- 
deutschland, den baltischen Provinzen und Mittelschweden die arktisch- 
finnische Bevólkerung zeitig abrückte, war ihr in Dánemark, Südschweden 
und Norwegen bei dem späteren Eindringen einer neuen überlegenen 
Bevólkerung ein Ausweichen und Abwandern nach aussen hin nicht 
móglich oder dieses trat wenigstens nicht ein, wie die heutigen anthro- 
pologischen Verhältnisse beweisen. Die Urbevölkerung wurde hier 
gegen Ende der neolithischen Zeit von den neuen südwärts hergekom- 
menen Eindringlingen unterworfen und verlor den Besitz der eigenen 
altererbten Kultur, von der innerhalb der skandinavischen Bronzezeit 
oder gleichzeitig mit ihr sich nicht mehr die geringsten Spuren finden. 
Es ist daher durchaus irrig, mit Montelius von der arktischen Kultur 
als von einer „lappischen“ Kultur zu reden, die seit der Steinzeit her 
in Skandinavien alle Perioden bis auf unsere Tage überdauert haben 
soll, selbst wenn wir nicht wüssten, wie spät die heutigen Lappen 
in Skandinavien eingewandert sind. 


II. 


Wie die Verschmelzung der arktischen und der skandinavisch-indo- 
germanischen Bevólkerung in eine in gewissem Sinne neue, die skandina- 
visch-germanische, sich vollzogen hat, ist schwer zu sagen. Kleine, aller- 
dings doch recht unsichere archáologische Anzeichen einer Vermischung 
könnten vielleicht schon Wohnstáttenfunde in Jaederen (Vespestad, Hole- 
heien) und Uppland (Aloppe) und ein Skelettgrab in Gotland (Gothem) 
andeuten, woselbst unter hauptsächlich arktischen Steingeräten auch 
eine geringe Anzahl südskandinavischer Silexgeráte erschienen. Allein 
man muss annehmen, dass die Indogermanen durch strenge Vermeidung 
der Ehegemeinschaft mit Arktiern ihren rein nordischen Typus lange 
bewahrt haben. Als unterworfene, versklavte Leute konnte die arktische 
Bevëlkerung weder im Staats- noch im Kriegsleben eine Rolle spielen, 
kam daher auch beim Aussenden eines ver sacrum der jungen Mann- 
schaften von Skandinavien nach Süden, d. h. nach Deutschland, wenig 
in Betracht. Beweis ist die anthropologisch unvergleichlich rein nordisch 
gestaltete Bevölkerung, die von Norddeutschland aus während der Stein- 
zeit das mittlere und südliche Mitteleuropa besetzte und ebenso die- 


jenige Bevölkerung, die von Dänemark und Schleswig-Holstein aus im 
Mannus. Bd. 1. 4 


50 Gustaf Kossinna. (34 


Laufe der zweiten Bronzezeitperiode Nordwestdeutschland, insonderheit 
Hannover und Oldenburg, während der dritten Bronzezeitperiode aber 
Nordostdeutschland, insonderheit Mecklenburg, Vorpommern, Nordsachsen, 
Nordbrandenburg besiedelte und hierdurch zum erstenmale und dauernd 
mit dem germanisch zu nennenden Teilvolke des indogermanischen 
Stammes besetzte, mit jenem Volke, das damals sicher schon rein ger- 
manisch sprach, d. h. eine Sprache, die lángst mit dem Vollzug der so- 
genannten germanischen Lautverschiebung nach allen Richtungen hin 
gleichmässig begonnen haben musste. 


Doch wir sprachen schon von den Gegensátzen der arktisch-finnischen 
und südskandinavisch-indogermanischen Kultur und Bevólkerung, ohne 
vorher die Anfánge und die Herkunft der letzten untersucht zu haben. Wir 
sahen, dass die internationale Form des stumpfnackigen Walzenbeils 
(Taf. VIII, 2) an der Ostsee ein kennzeichnender Bestandteil der spáteren 
Litorina- und der arktischen Kultur wurde und als solcher in Skandinavien 
an eine Küstenbevólkerung gebunden war. Wie überall, wo es erscheint, 
geht dieses Walzenbeil gewissermassen durch Plattdrücken allmählich 
und in unzähligen Übergängen in das jüngere, mehr abgeflachte Walzen- 
beil (Taf. VIII, 3) und weiter in das zuerst noch etwas rundliche, dann flach 
und flacher gestaltete, gleichfalls internationale spitznackige Beil über 
(Taf. VIII, 4). Dieses Spitzbeil kommt nun nie in arktischen Funden 
oder auf arktischem Gebiete vor. In Norwegen gehórt es im Gegen- 
satz zu seinem Vorgänger, dem Walzenbeil, durchaus einer binnen- 
ländischen, auf Ackerbau und Viehzucht gestellten Bevölkerung an. 
Es erscheint weiter nicht nur in Silex, sondern in geschliffenem Silex, 
geschliffen zuerst nur an der Schneide, dann über den ganzen Körper 
hin. Das sind aber Erscheinungen, die der arktischen Kultur gänzlich 
fremd sind. Mit grosser Sicherheit setze ich daher die Anfänge der 
indogermanischen Einwanderung in die Periode des spitznackigen Beils, 
die zugleich die Anfänge eines Ackerhackbaues und der Viehzucht mit- 
bringt. Aber woher? Aus Mitteleuropa kaum, denn ausser der arktisch- 
finnischen Bevölkerung Norddeutschlands hat dort in frühneolithischer 
Zeit (und von dort weiter bis in die spätneolithische Zeit hinein) nur 
noch die Pfahlbautenbevölkerung gesessen, in der Schweiz, im oberen 
Rheingebiet bis nach Andernach abwärts und in Württemberg '), mit der 


1) In dem Augenblick, da ich das Imprimatur erteile, erhalte ich durch meinen 
Freund A. Schliz eine Abhandlung über ‘neolithische Landsiedlungen der Pfahlbau- 
zeit im Neckargebiet (Röm.-germ. Korrespondenzblatt 1909, 17 Н.). Ferner entnehme 
ich einer Bemerkung C. Rademachers (s. unten S. 83), dass nunmehr diese Kultur 
nordwärts sogar schon bis Scheuerbusch bei Wahn, Kr. Mühlheim a. Rh., von ihm 


festgestellt worden ist. 


35] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 51 


Kultur des sogenannten Michelsberger Typus, mit riesenhaften Erd- 
festungen und nachweislich mit einer. anthropologisch vom nordischen 
Typus durchaus abweichenden, also nicht indogermanischen Bevólkerung. 
Es steht uns als Ursprungsland des indogermanischen Typus, der ja 
vom Cro-Magnontypus abzuleiten ist, gegenwärtig nur Frankreich zu 
Gebote. Und dort liegen die Siedelungsverhältnisse der neolithischen 
Zeit so, dass die Archáologie geradezu einen massenhaften Auszug der 
Bevólkerung zu Beginn der spátneolithischen Zeit verlangt, jener Zeit, 
da einmal das aus dem Walzenbeil durch Abflachung entstandene zwei- 
fláchige, im Durchschnitt spitzovale, im Umriss dreieckige spitznackige 
Beil weiterhin durch Herausbildung von immer deutlicher werdenden 
Schmalseiten in das im Durchschnitt nunmehr vierseitige Spitzbeil über- 
geht, dann ebenso auch das durch Verbreiterung des Nackens entstandene 
zweiflächige, im Durchschnitt spitzovale „breitnackige“ Beil durch dieselbe 
Herausbildung von Schmalseiten zum vierseitigen sogenannten ,,dünn- 
nackigen‘ Beil wird. Dieses letztgenannte Beil ist bekanntlich dasjenige, 
in dessen Epoche in Mittel- und Nordeuropa die Anfánge der durch 
reiche Entwickelung der Keramik gekennzeichneten jungneolithischen 
Gráberepoche heraufgeführt werden. Da trifft es sich eigenartig, dass 
in Frankreich diese eben erwähnten Beilformen die dortige Beilent- 
wickelung neolithischer Zeit abschliessen, die jüngeren in Mittel- und 
Nordeuropa entwickelten Beilformen wie vor allem das dicknackige 
Beil, das eigentliche Beil der Gräberepoche, dagegen dort völlig fehlen. 
Man könnte nun versucht sein, dem ja immer sehr bedenklichen, um 
nicht zu sagen verzweifelten Auswegsgedanken Raum zu geben, es habe 
dort eine sogenannte Überdauer der älteren Formen stattgehabt bis ans 
Ende der neolithischen Zeit. Aber eine solche Annahme wird ad ab- 
surdum geführt durch die zweite, mit jener ersten in schönem Einklang 
befindliche Tatsache, dass in Frankreich mit Ausnahme des Pyrenäen- 
gebietes und des Dolmengebietes der Bretagne auch jede nennenswerte 
neolithische Keramik völlig fehlt, wie ich nicht nur aus dem Studium 
der Literatur versichern kann, sondern auch in den französischen Museen 
bestätigt gefunden habe. Denn die sehr spärlichen nordfranzösischen 
Erscheinungen von Bandkeramik des Stichreihen- und des Spiral- 
musterstils sind klärlich nicht der Ausgangspunkt der mitteleuropäischen 
Bandkeramik, sondern versprengte Ausläufer des mittelrheinischen oder 
eher noch des Lütticher Gebietes dieser Kultur, des sogenannten 
Omalien Rutots. Die am Ausgang der neolithischen Epoche stehende, 
kupferzeitliche Dolmenkeramik der Zonenbecher Frankreichs aber, noch 
dazu aus Kurzkopfbegräbnissen, ist erst recht kein geeigneter Ersatz 
für das Fehlen sonstiger reicherer neolithischer Keramik und noch 


weniger ein Ausgangspunkt der mittel- und nordeuropäischen jünger- 
4* 


59 Gustaf Kossinna: Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen usw. (36 


neolithischen Kultur gewesen. In dem fast völligen Abbruch der jünger- 
neolithischen Kultur Frankreichs gerade an dem Punkte, wo in Mittel- 
und Nordeuropa in zwei Gebieten eine grossartige Entwickelung von rasch 
sich folgenden Kulturen beginnt, sehe ich allerdings eine volle Be- 
státigung meines von vornherein gefassten Gedankens, dass der Ursprung 
dieser Bevölkerung am letzten Ende in Westeuropa, insonderheit in 
Frankreich, liegen müsse. (Fortsetzung folgt.) 


к. Mannus, Zeitschrift fur Vorgeschichte Ва. I. Taf. 1. 


1/ 
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$. Rengeweihhacke, 
Prenzlau, Brandenburg (nach Arch. 
d. Brandenburgia 10 Taf. Ш, 1). 


1. Ostseegebiet in der Yoldia-Periode (nach 
de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf. 3). 


2. Durchlochte Rengeweihschäfte, Dänemark (Aarb. f. n. oldk. 1896, 305). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. D ЗО Verlag), Wiirzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1. Taf. V. 


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Hirschgeweihhacken. 1—3 Typen. 4, 5 Kl. Machnow bei Berlin. 5. abgerollte Verzierung (nach Globus 84, 108). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (А. Stuber's Verlag), Würzburg. 


Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. 1. 


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2. Hirschgeweihhacke, Ystad, Schonen. 


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222—2 3. Travenort, Holstein (Zeitschr. 
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5. 6. Angelhaken aus Elchgeweih: Gollwitz, Kr. Zauch-Belzig, 
Brandenburg; Reddies, Kr. Rummelsburg, Hinterpommern. 


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4. ji Fernewerder, Kr. Westhavelland (Nachrichten ü. d. Alt. 1902, 31). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen, Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg. 


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Entwickelung des Nöstvetbeiltypus. 


1. Litorinabeil. 2. Nöstvetbeil mit rhombischem, 3. mit dreieckigem, 4. mit a йад ааш Querschnitt 
(nach А. W. Brógger, Oxer av Nóstvettypen Taf. X; IV; V; Ш, 5). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen, Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ba. 1. 


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2. Hirschgeweihhacke, Ystad, Schonen. 


3. Travenort, Holstein (Zeitschr. 
f. Ethnol., Verh. 1892, 249). 


5. 6. Angelhaken aus Elchgeweih: Gollwitz, Kr. Zauch-Belzig, 
Brandenburg; Reddies, Kr. Rummelsburg, Hinterpommern. 


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4. У. Fernewerder, Kr. Westhavelland (Nachrichten ü. d. Alt. 1902, 31). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Entwickelung des Nöstvetbeiltypus. 


1. Litorinabeil. 2. Nóstvetbeil mit rhombischem, 3. mit лини, ke 4. mit nx vonigem Querschnitt 
(nach A. W. Brógger, Óxer av Nóstvettypen Taf. X; IV; V; Ш, 5). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ba. 1. Taf. VIII. 


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1—4 = is, 


Vom Néstvetbeil zum Spitzbeil. 
1. Limnhamntypus; 2. rundes Walzenbeil; 3. abgeplattetes Walzenbeil; 4. gewólbtes spitznackiges Beil. 


(1. 2. 3. nach А. W. Brógger, Oxer av Nóstvettypen, Taf. VIII, 13; IX; VIII, 14. — 4. nach W. С. Brógger 
Strandliniens beliggenhed under stenalderen i. d. s. Norge. Taf. VII). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ба. 1. Taf. IX. 


Arktische Kultur Norwegens (1—5) und Finnlands (6—15). 
(1.—5. nach Congrès internat. d'anthrop. & d'archéol. préh. Stockholm 1874, S. 183 Н.; 6.—15. nach Hackman: Fennia 17, No. 31, S. 3, 5). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen, Curt Kabitzsch (A. Stuber’s] Verlag), $ Würzburg. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ba. 1. Taf. X. 


1. fix Knochenkamm: Gullrum, Gotland. 


Ze Silexfigur: Russland. 


6. 7. Knochen: Ladogasee. 9—11. Silexfiguren: Wolosova. 


Arktische Skulptur aus Skandinavien, Norddeutschland, Russland. 
1.—4., 9.—11. nach Almgren, Nordiska stenaldersskulpturer (Fornvännen 1907, Fig. 1—3. 9. 21—26). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


7. '3 Axthammer; Finnland. 


1-6 = '!s 


1.—6. Bernsteinamulette ; Schwarzort, Ostpreussen. 


9. Sibirien. "le 7 1% 
` 10. Russisch Karelien, Finnland. 


Figürliche ا‎ arktischer Kultur 
1.—6. nach В. Klebs, d. Bernsteinschmuck der Steinzeit v. Schwarzort Taf. IX; 7. nach Ailio: Journ. d. 1. soc. finno-ougr. XXIII; 
8. nach О. Almgren: Fornvännen 1907, 116; 9. nach Congrès internat. d'archéologie Xl. Moscou 1892 II, 330; 

10. nach Congrès internat. d’anthrop. et d'archéol. УП, Stockholm 1874, T. X, 290. 


Kossinna, Der Ursprung der Urfianen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Das Sonnenrad und das christliche Kreuz”. 


Von 


Oskar Montelius. 
Mit 72 Textabbildungen. 


In einem vor wenigen Jahren veróffentlichten Aufsatz?) habe ich 
nachgewiesen, dass das Rad eines der Symbole der Sonne und des 
Sonnengottes war, dass dieses Symbol bereits lange vor dem Auftreten 
des Christentums dazu angewendet wurde, um die Göttlichkeit zu be- 
zeichnen, und dass es in der christlichen Kirche von der ältesten Zeit 
her dieselbe heilige Bedeutung gehabt hat. 

Da die wirklichen Rader hier auf Erden im Anfang aus vollen 
Scheiben bestanden, also ohne irgend welche Speichen, war ihre Ahnlich- 
keit mit dem am Himmel dahinrollenden Sonnenrade in der Form grósser, 
als zu der Zeit, da die Wagenräder Speichen bekamen. Lange Zeit war 
die Anzahl der letzteren nur vier, wurde alsdann zuerst auf sechs und 
weiterhin auf acht vermehrt, welche Anzahl erst in vergleichsweise 
später Zeit überschritten wurde. Daher wurde auch das himmlische 
Rad bald mit vier, bald mit sechs oder acht Speichen dargestellt. 

Wir werden nun sehen, wie das Radsymbol im Laufe der Jahr- 
tausende so grossen Veränderungen unterlag, dass alle, die mit der Ent- 
wickelungsgeschichte dieses Zeichens nicht vertraut sind, nicht ahnen 
können, dass die Gestalt, worin das Zeichen sich schliesslich zeigt, 
durch eine allmählich sich vollziehende Veränderung aus der ursprüng- 
lichen Form hervorgegangen ist. Dies gilt nicht bloss von dem vier- 
speichigen Rade, sondern ebenso von dem Rade mit sechs oder acht 
Speichen. 


1) Übersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von 
G. Kossinna. 

з) Das Rad als religióses Sinnbild in vorchristlicher und christlicher Zeit 
(Prometheus. Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie 
und Wissenschaft herausgegeben von Dr. Otto N. Witt. XVI. Jahrgang. Berlin 1904/1905 
No. 16—18). 


54 Oskar Montelius. [2 


Der scheinbar unwichtige Umstand, dass so lange Zeit Rader 
mit nur vier Speichen an Wagen benutzt wurden, hat ganz unerwartete 
Folgen gehabt, wie die nun folgende Darstellung der Entwickelung des 
vierspeichigen Radsymbols zeigen wird. 


Fig. 1. Konsekrationskreuz Fig. 2. Grabstein, Fig. 3. Konsekrationskreuz, 
(Wandmalerei zur Einweihung Schottland. Schweden. 
der Kirche), Schweden. 


Wir erinnern uns, wie man in älterer Zeit bei diesem Symbol oft 
nicht nur den Radreifen und die Speichen, sondern auch das für die 
Achse vorgesehene Loch in der Mitte wiedergab. Es war indes weit 


Fig. 4. Mosaik. Markuskirche, Venedig. 


leichter, nur den Reifen und die Speichen abzubilden. Daher fehlt 
auch gewóhnlich das Loch in der Mitte. Bisweilen sieht man die Ritze 
zwischen dem Reifen und dem äusseren Ende der Speichen, aber ge- 
wóhnlich ist sie nicht angegeben. 


3] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 55 


Urspriinglich sind die Speichen, wie beim wirklichen Rade, ziemlich 
schmal und überall fast gleichbreit. Allmählich nehmen sie jedoch ап 
Breite zu, wobei sie im Anfang noch überall fast gleich breit sind 


Fig. 5. Konsekrations- 


Fig. 7. Ап einem Kapital, 
kreuz, Schweden. 


Markuskirche, Venedig. 


(Fig. 1), schliesslich aber werden sie am äusseren Ende stark aus- 
geschweift (Fig. 2—4 und 6). 

Lange bildeten Reifen und Speichen ein Ganzes. Allmählich 
wurde jedoch die Vereinigung zwischen ihnen aufgelóst. Die vier 
Speichen lósen sich vom Reifen, so dass sie innerhalb desselben frei 


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Fig. 8. Steinsarkophag, Ravenna. 


schweben. Die Enden der Speichen sind entweder abgerundet, so dass 
sie der Innenkante des Reifens folgen, oder nach innen geschweift, 
wie bei Fig. 5, oder sie haben auch andere Formen. 

Der Zwischenraum zwischen Reifen und Speichenenden ist ge- 
wóhnlich ganz schmal, wird aber zuweilen breiter. Dann sind einige 
Male die vier Speichen nicht von gleicher Lànge, sondern eine von 


56 Oskar Montelius. [4 


ihnen, die nach unten gerichtete, wird allmählich länger (Fig. 7—9). 
So sieht man unter den Mosaikbildern, welche die Apsis der berühmten 
Kirche San Apollinare in Classe bei Ravenna schmiicken, das in Fig. 9 
wiedergegebene: ein Kreuz, das am unteren Teil viel langer ist als am 
oberen, zeigt sich von einem Reifen umgeben; aber der Zwischenraum 
zwischen beiden Teilen ist so gross, dass das Kreuz überall frei steht. 


Das Kreuz kann sogar so lang sein, dass es sich bis unterhalb 
des Reifens erstreckt. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür haben wir 


Fig 9. Mosaik, Ravenna. 


in dem in Fig. 13 abgebildeten Kapitäl aus der Kirche San Clemente 
in Rom. 


Manchmal hat der Radreifen, wie in dem zuletzt angeführten 
Falle, seinen ursprünglichen Charakter verloren. Nicht selten ist er zu 
einem Blattkranz geworden, wie in Fig. 8, 10 und 11. 


Wir erinnern uns, dass man bereits frühzeitig, lange vor dem 
Auftreten des Christentums, zwischen den vier Speichen des Sonnen- 
rades Strahlen einsetzte, die offenbarten, dass das Rad ein Abbild der 
strahlenden Sonne war. Solche Strahlen sieht man auch in der christ- 
lichen Zeit nicht selten, sowohl in der Kreuzesglorie hinter dem Haupte 
Christi — wozu ein Beispiel in dem früheren Aufsatz angeführt wurde — 
als auch in anderen Fállen. Fig. 10 und 12 zeigen gleicharmige Kreuze, 
die zwischen den Kreuzarmen Strahlen haben; das erstere ist nicht von 
einem gewóhnlichen Radreifen umgeben, sondern von einem Blattkranz. 


57 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


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58 Oskar Montelius. [6 


Während die Speichen sich in der Weise, wie wir es eben kennen 
gelernt haben, veränderten, war der Radreifen lange erhalten geblieben, 
entweder in seiner ursprünglichen Form, oder in der Umwandlung zu 
einem Blattkranz. Andererseits kommt es vor, dass, während die 
Speichen in der Breite zunehmen, der Reifen immer schmaler wird, 
so dass er schliesslich fast verschwindet. Dies ist der Fall bei den 
Originalen zu Fig. 4 und 6. In der ersteren Figur wird der Kranz nur 
von einer schmalen Linie gebildet, während die Speichen sehr breit 


Fig. 13. Kapitàl, Rom. 


sind. Besser als eine lange Abhandlung beweist dies, dass wir hier 
wirklich ein ursprüngliches Rad vor uns haben, dessen vier Speichen 
im Begriff sind sich aus dem Radreifen zu lósen und ein gleicharmiges 
Kreuz zu bilden, und dass es nicht ein Kreuz ist, das von einem Ringe 
umgeben wird. 


Schliesslich sieht man überhaupt keinen Ring mehr. Nur die 
vier Speichen bleiben übrig, indem sie ein gleicharmiges Kreuz 
bilden. 


Dieses Kreuz, das unter dem Namen des griechischen bekannt 
ist — zum Unterschied von dem ungleicharmigen lateinischen Kreuz —, 
hat manchmal Arme mit breiten abgerundeten Enden, ein Andenken 


1] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 59 


an die Zeit, da es ein Teil des Rades war und die Enden der Speichen 
sich nach dem Radreifen formten. 

Diese Form haben ein paar Kreuze, die aus christlichen Gräbern 
auf Björkö im Mälarsee, dem durch Ansgars Lebensbeschreibung be- 


Fig. 15. Eingehauenes Kreuz im alten Altartisch. 
Dreifaltigkeitskirche, Uppsala. 


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Fig. 16. Kirchenglocke Fig. 17. Manze Fig. 18. Kirchenglocke 
vom J. 1515, Frankreich. Olofs Schatzkönigs. vom J. 1475, Frankreich. 


rühmten Birka, herstammen (Fig. 14), und einige andere schwedische 
Kreuze aus dem älteren Teile unserer christlichen Zeit. 

Oft haben die Enden indessen andere Formen (Fig. 15). 

Sehr lehrreich ist ein Vergleich zwischen den beiden in Fig. 16 
und 18 abgebildeten Symbolen, beide um 1500 an französischen 
Kirchenglocken angebracht. Die erstere Figur zeigt ein vierspeichiges 
Rad auf einem hohen Fuss, die letztere ein gleicharmiges Kreuz auf 
solchem Fusse. Die Arme des Kreuzes sind auf ganz dieselbe Weise 
abgerundet wie die gegen den Radreifen stossenden Speichenenden. 


60 Oskar Montelius. [8 


Das gleicharmige, sogenannte griechische Kreuz hat 
also urspriinglich nichts mit dem Kreuze Christi zu tun, 
ein Verháltnis, das um so mehr besondere Aufmerksamkeit verdient, 
als diese Kreuzform äusserst verbreitet gewesen ist und noch ist, nicht 


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Fig. 19. Langobardisches Goldkreuz, Italien. Fig. 20. Runenstein, Schweden. 


nur in der griechischen, d.h. der morgenländischen, sondern auch 
gerade in der abendländischen Kirche. 

Die Kreuze, die in Mittel- und Südeuropa in den Gräbern ger- 
manischer Völker aus der Zeit kurz nach ihrer Annahme des Christen- 


Fig. 21. Silberkruzifix, Bjórkó. Fig. 22. Silberkruzifix, Gotland. 


tums angetroffen werden, haben diese Form (Fig. 19), und dieselbe 
Form haben die Kreuze auf den schwedischen Runensteinen aus der 
Übergangszeit zwischen Heidentum und Christentum (Fig. 20). 

Dass dieses Symbol oder richtiger das vierspeichige Rad wirklich 
zu jenen Zeiten als ein Kreuz aufgefasst worden ist, wird in unzweifel- 


9] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 61 


hafter Weise dadurch bewiesen, dass man auf manchen zu derselben 
Zeit geprägten Miinzen, die innerhalb der Inschrift ein Rad mit vier 
Speichen zeigen, das lateinische Wort crux (Kreuz) zwischen diesen 
Speichen liest (Fig. 17). 

Obwohl das griechische Kreuz in seiner ältesten Form, mit vier 
gleich langen Teilen, sich überhaupt nicht für die Kreuzigung eignet, 
findet man doch, unter anderem aus den ersten christlichen Zeiten im 
skandinavischen Norden, mehrere als Schmuck getragene Silberkruzifixe 
von dieser Form, wie das aus den ältesten christlichen Gräbern auf 


Fig. 23. Silberkruzifix, Schweden. Fig. 24. Silberkruzifix, Gotland. 


Bjórkó stammende Original von Fig. 21 und die Fig. 22—24 abgebil- 
deten Kreuze. Wie bei manchen anderen griechischen Kreuzen hat 
der untere Teil, falls er auch nicht ebenso gross ist, wie die beiden 
Seitenarme, so doch durchaus dieselbe, oder mindestens nahezu dieselbe 
Lünge, wie der obere Teil; die zwei wagerechten Arme kónnen etwas 
kürzer sein. Bald ist Christus mit deutlich angegebenen Nägeln, die 
durch die Hände gehen, am Kreuze befestigt (Fig. 23), bald ist er 
daran festgebunden (Fig. 24). 
Aus dem früheren Aufsatz erinnern wir uns, dass das vierspeichige 
Rad bisweilen auf einem Stabe getragen wird. Auf dieselbe Weise 
wird auch das gleicharmige Kreuz getragen. 
. In der Mitte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung sehen 
wir ein solches auf einem Stabe sitzende Kreuz oft zur Darstellung 


62 Oskar Montelius. [10 


Christi angewendet. So ist es unter anderem der Fall auf einem um 
550 fiir den Erzbischof von Ravenna verfertigten prachtigen Thron, der 
mit künstlerisch geschnitzten Elfenbeinplatten bedeckt ist. Eine dieser 
Platten (Fig. 25) stellt den Augenblick bei der Hochzeit von Kana dar, 
da Christus das Wasser in Wein verwandelt. Er trägt in seiner linken 


Fig. 25. Elfenbein, Ravenna. Fig. 26. Taufstein, Schweden. 


Hand ein kleines fast gleicharmiges Kreuz, das auf einem Stabe be- 
festigt ist. 


Bereits zu jenen Zeiten hatte man wohl vergessen, dass dieses 
Zeichen eigentlich ein Sinnbild seiner Góttlichkeit war. Es gab nur an, 
wer der Abgebildete war. 


Zu derselben Zeit, wie auch in der Kunst späterer Zeiten, sieht 
man ein solches, auf einer langen Stange getragenes, gewóhnlich gleich- 
armiges Kreuz gleichfalls in der Hand Johannes des Täufers, wie auf 
dem Fig. 27 wiedergegebenen, im fünften Jahrhundert ausgeführten 
Mosaikbild, welches die Wólbung im Baptisterium von San Giovanni zu 
Ravenna schmückt. In diesem Falle kann das Kreuz selbstverständlich 
keine Beziehung auf eine Kreuzigung haben, da ja Johannes den Tod 
nicht auf diese Weise erlitten hat. Wir haben hier deutlich das aus 
uralter Zeit herstammende Zeichen für die Göttlichkeit, oder wohl in 
diesem Falle vielmehr für eine góttliche Sendung. 


11] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 63 


Bei Kenntnis dieses Verhältnisses können wir ohne Schwierigkeit 
die auf den ersten Blick eigentümliche Erscheinung erkláren, dass man 
bisweilen ein kleines Kreuz in der Weise angebracht findet, wie auf 
dem Fig. 23 abgebildeten, bei Alt-Uppsala gefundenen Kruzifix aus 
Silber, das als Schmuck getragen wurde. Das Haupt des Gekreuzigten 
ist von einem Heiligenschein umgeben, der zwar durch den langdauernden 
Gebrauch sehr abgenutzt worden ist, aber wahrscheinlich ein gewóhn- 
licher Heiligenschein ist, nicht eine Kreuzglorie. Über dem Haupte 
sehen wir ein kleines, fast gleicharmiges Kreuz und darüber die Hand 


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Fig. 27. Mosaikbild, Ravenna. 


Gottvaters mit zwei ausgestreckten Fingern, das Zeichen des Segens. 
Dieses Kreuz verhält sich zu der ganzen Darstellung ganz ebenso wie 
die in dem früheren Aufsatz erwähnte Kreuzglorie. Wie diese kann es 
keine Beziehung auf die Kreuzigung selbst haben, weil es ja deutlich 
genug ist, dass der Abgebildete gekreuzigt ist. Aber es маг von Wich- 
tigkeit, anzugeben, wer der Gekreuzigte ist. Diese Aufgabe hatte das 
auf unzähligen Kruzifixen hinter dem Haupte Christi sitzende vier- 
speichige Rad, das Kreuzglorie genannt zu werden pflegt; und dieselbe 
Aufgabe hatte das über seinem Haupte auf dem Kruzifix Fig. 23 dar- 
gestellte Kreuz. 


Da man des Zeichens ursprüngliche Bedeutung vergessen hatte, 
war man sich nicht bewusst, dass man sowohl mit der Kreuzglorie als 
mit dem kleinen Kreuze tatsächlich die Göttlichkeit des Gekreuzigten 
angab. 2С 


64 Oskar Montelius. (12 


Ein kleines gleicharmiges Kreuz ist in gleichem Sinne sichtbar 
über dem Haupte Christi auf dem Fig. 24 wiedergegebenen Silber- 
kruzifix. Es lag in einem auf Gotland gefundenen Silberschatz, der 
gemäss dem Zeugnis der Münzen im Anfang des 11. Jahrhunderts 
vergraben wurde. 


Manchmal sieht man auch hinter dem Haupte des Gekreuzigten 
statt der Kreuzglorie ein Kreuz, ohne dass ein Ring es umgibt. Das 
ist der Fall bei dem Fig. 26 wiedergegebenen Christusbilde auf einem 
schwedischen Taufstein aus dem Anfang des Mittelalters; natürlich sind 
nur drei von den vier Armen sichtbar. Der Umstand, dass das Kreuz 
hier den Platz der Kreuzglorie, das heisst des Rades, einnimmt, ist ein 


Fig. 28. Silbernes Ellakreuz, Schweden. Fig. 29. Silbernes Ellakreuz, Schweden. 


interessanter Beweis — wenn noch ein weiterer Beweis erforderlich 
würe — für die Entwickelung des gleicharmigen Kreuzes aus dem Rade. 


Infolge der Neigung an den einmal angenommenen Formen fest- 
zuhalten, die stets alles kennzeichnet, was mit Religion zu tun hat, 
leben die älteren Formen beständig fort an der Seite der jüngeren: 
das Rad mit den vier schmaleren oder breiteren Speichen — entweder 
hüngen diese mit dem Radreifen zusammen oder haben sich von ihm 
gelóst — kann also vorkommen, und kommt in der Tat allgemein noch 
zu der Zeit vor, da das von dem Reifen ganz befreite, gleicharmige 
Kreuz bereits längst in Gebrauch war. So haben die sogenannten 
„Ellakreuze“, die in sehr später Zeit in Schweden verfertigt wurden, 
um Heilung von Krankheiten zu schaffen, bald die Form eines Rades 
mit vier am Ende breiteren Speichen (Fig. 28), bald das Aussehen, wie 
es Fig. 29 zeigt, mit einem kleinen gleicharmigen Kreuze, viel kleiner 
als der Kreis, der es umgibt. 


Es kommt eben darauf an, dass man grosse Zeitráume überschaut, 
um einen richtigen Überblick über die in Frage stehende Entwickelung 
zu gewinnen. 


13] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 65 


Noch notwendiger wird dies aus einem anderen Grunde. Lange 
bevor die Entwickelung des Radsymbols, die wir soeben mit besonderer 
Beziehung auf die christliche Kirche geschildert haben, innerhalb dieser 
Kirche — manche hundert Jahre nach dem Anfang unserer Zeitrech- 
nung — dazu geführt hatte, dass das gleicharmige Kreuz auftritt, ohne 
von einem Kranze umgeben zu sein, gab es nämlich bereits ein heiliges 
Zeichen von ganz ebenderselben Form. 


Dieses unerwartete Verhältnis findet seine Erklärung darin, dass 
das gleicharmige Kreuz 
bereits lange vor dem 
Auftreten des Christen- 
tums ein Symbol der 
Göttlichkeit war. 


Ganz regelrecht steht 
dies in Zusammenhang mit 
dem in hohem Grade merk- 
würdigen Umstand, dass die- 
selbe Entwickelung des 
gleicharmigen Kreuzes 
aus dem Rade, die wir so- 
eben innerhalb der christ- 
lichen Kirche kennen ge- 
lernt haben, auch bereits 
lange vor Christi Geburt 
vor sich gegangen ist. 


Fig. 31. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien. 


In dem früheren Aufsatze 

sahen wir, dass die assyrischen Könige im neunten Jahrhundert vor 
unserer Zeitrechnung oft mit einem Halsschmuck dargestellt sind, der 
von den Symbolen der Sonne, des Mondes und des Istarsternes ge- 
bildet wird (Fig. 30). Das Zeichen der Sonne ist das vierspeichige Rad. 
Bisweilen sieht man aber an Stelle dieses Rades ein gleicharmiges 
Kreuz, ganz gleich den vier Speichen des Rades (Fig. 31). Diese Speichen 
haben sich also aus dem Radreifen auf vollkommen dieselbe Art ge- 
löst, wie wir das Verhältnis in der christlichen Zeit gefunden haben. 


Manchmal trägt der assyrische König um den Hals nur das Bild 
der Sonne, ein gleicharmiges Kreuz, so gleich dem christlichen Kreuze, 
dass man an dessen hohes Alter nicht glauben sollte, wenn es nicht 
über allen Zweifel erhaben ware, wie bei der Frage nach dem Original 
zu Fig. 32, das sich aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor 
Chr. herschreibt. 

Gleicharmige Kreuze von derselben Form, wie die christlichen, 

Mannus. Bd. I. 5 


66 Oskar Montelius. [14 


sieht man auf vielen asiatischen Abbildungen aus dem letzten vor- 
christlichen Jahrtausend und noch früher. 


Auf ägyptischen Denkmälern aus der Zeit Ramses des Grossen, 
also aus dem letzten Teile des zweiten Jahrtausends, tragen einige 


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Fig. 32. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien. 


Gefangene, die sich durch ihre charakteristischen Gesichtszüge und ihre 
eigentümliche Tracht als Semiten erweisen, solche Kreuze um den 


Fig. 33. Münze aus Phónizien Fig. 34. Münze des Kaisers 
(Anfang des 3. Jahrh. n. Chr.). 


Fig. 35. Münze des Kaisers 
Konstantin d. Gr. 


Maxentius (Anfang des 4. Jahrh.). 
Hals. 


Andere dergleichen Kreuze kommen auf Siegelzylindern mit 


babylonischer Keilschrift vor, bald vor einem anbetenden Manne, bald 
über einem sitzenden Gotte. 


Es kann somit kein Erstaunen erregen, dass solche gleicharmige 


15] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 67 


Kreuze ebenso auf Sachen aus der rómischen Kaiserzeit zu sehen sind, 
über deren heidnischen Ursprung kein Zweifel herrscht. Auf Münzen, 
die in Phónizien unter der Regierung des Caracalla geprägt sind, findet 
man solche Kreuze über den Häuptern der Dioskuren (Fig. 33). Аш 
einer für Maxentius, den Gegenkaiser Konstantins des Grossen, also 
um 300 geprägten Münze sieht man ein solches Kreuz an dem Giebel 
eines heidnischen Tempels (Fig. 35). 

Ein solches Kreuz sieht man auch auf einer Münze mit dem 
Namen der Stiefmutter Konstantins, der Kaiserin Theodora; aber es ist 
ungewiss, ob die mit ihrem Namen gepragte Münze als heidnisch oder 
christlich betrachtet werden muss. Dieselbe Ungewissheit herrscht auch 
in bezug auf das Kreuz von ganz derselben Form, das auf Münzen 
mit dem Namen der wirklichen Mutter Konstantins, der Kaiserin Helena, 
vorkommt. 

Heidnisch ist dagegen offenbar das Kreuz von derselben Form, 
das auf der Fig. 34 wiedergegebenen Rückseite einer eigenen Münze 
Konstantins angebracht ist. Man hat wenigstens allen Anlass anzunehmen, 
dass sie geprägt wurde, bevor er Christ wurde! die Rückseite der 
Münze zeigt nämlich, wie aus der Inschrift hervorgeht, das Bild des 
Sonnengottes mit einer kleinen strahlenden Sonne auf der einen und 
einem kleinen gleicharmigen Kreuze auf der anderen Seite. 


Auf alle Fálle sind all diese Kreuze vollkommen gleich den 
christlichen, die zu derselben Zeit abgebildet worden sind. 


Andererseits ist das Kreuz, das man auf der zuletzt genannten 
Münze an der einen Seite des Sonnengottes sieht, etwas ganz anderes, 
als das Zeichen, das Konstantin vor dem entscheidenden Kampfe mit 
Maxentius erschienen sein soll — das Zeichen, in dem der Sieg ersterem 
verheissen wurde. Dieses Zeichen, das auf vielen von Konstantin nach 
seinem Siege geschlagenen Münzen dargestellt ist, war weder ein 
griechisches noch ein lateinisches Kreuz. Es war eine Form des sechs- 
speichigen Sonnenrades, worin, wie man, unbekannt mit der wirklichen 
Geschichte des Symbols, glaubte, die zwei | 
ersten Buchstaben des griechisch geschrie- 
benen Namens Christi sich fanden. | 

Mehrere Abbildungen т den rómischen Н 
Katakomben und anderwárts zeigen, dass die 
ersten christlichen Jahrhunderte neben dem 
gleicharmigen Kreuze, wie wir es jetzt be- наб. Runonstein Schweden. 
trachtet haben, auch noch ein ähnliches 
Symbol benutzten, das unter dem Namen ,Hakenkreuz* bekannt ist 


und nicht selten mit seinem indischen Namen „Swastika“ benannt 
5% 


68 Oskar Montelius. [16 


wird (Fig. 36). Es ist ein gleicharmiges Kreuz, aber mit rechtwinkelig 
umgebogenen Enden. 


Auch dieses Symbol ist uralt. Aber während das oben besprochene 
gleicharmige Kreuz mit geraden Enden urspriinglich bei den semitischen 
Vólkern vorkommt, gehórt das Hakenkreuz eigentlich den indogermani- 


йу. 4 UF X LVCILAINAC 


E:COEM+CALLISTI FACILE-F-COEM-CYRIACAE 
Fig. 38. Hakenkreuz und Fig. 39. Hakenkreuz und Inschrift, 
vierspeichiges Rad, Stein Stein aus den rémischen Katakomben. 


aus den Calixtuskatakomben. 


schen Vólkern ап. Bei ihnen kann dieses Symbol sehr frühzeitig, be- 
reits im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt nachgewiesen werden. 


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Fig. 40. Hakenkreuz auf dem Gewand eines Totengräbers. 
Wandmalerei, Katakomben, Rom. 


Es kommt aber auch in den darauf folgenden Zeiten in Griechenland 
und Italien wie anderwärts vor. 


Beim Auftreten des Christentums war somit dieses Zeichen, gleich- 


17] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 69 


wie das Rad und das gleicharmige Kreuz, seit uralten Zeiten ein 
heiliges Symbol und wurde als solches von den Christen, wie wir aus 
den rómischen Katakomben ersehen, angenommen (Fig. 38—40). 

Bei den heidnischen Schweden war das Hakenkreuz in den Jahr- 
hunderten, die dort der Predigt des Christentums zunáchst vorangingen, 
wohl bekannt. Es ist daher leicht erklärlich, dass manche von den 
Kreuzen der Runensteine ein Hakenkreuz in der Mitte aufweisen, wie 


bei Fig. 37. (Fortsetzung folgt.) 


Digitized by Google 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa’. 


Von Commandant Alf. Devoir in Brest. 
Mit 4 Textabbildungen und 3 Tafeln. 


Die Altertumsforscher haben sich seit langer Zeit vorwiegend mit 
der Bestimmung der megalithischen Bauwerke beschäftigt; da Dolmen 
und Hügel als Grabbauten angesehen wurden, richtete sich ihre Auf- 
merksamkeit auf die Gruppen von Menhirs und besonders auf die Stein- 
reihen. 

Gabriel de Mortillet spricht sich in „Le Préhistorique“ folgender- 
massen aus: ,Man hat ganz zu Anfang die Steinreihen als Friedhófe 
angesehen, doch haben die Grabungen diese Vermutung nicht bestätigt. 
Man hat Versammlungsplatze óffentlichen, politischen und religiósen 
Charakters daraus gemacht. Nichts stützt diese Vermutung; im Gegenteil 
scheint die schmale und langgestreckte Form der Steinreihen dem zu 
widersprechen. Die Steinreihen waren wahrscheinlich eine Art Archive; 
jeder aufgerichtete Stein erinnert an eine Tat, eine Person oder einen 
bestimmten Zeitpunkt". 

Diese Ansicht, die der gelehrte Altertumsforscher als die ,ver- 
nünftigste Erklärung"? hinstellt, befriedigt den Geist nicht mehr als die- 
jenigen, die er verurteilt. 

Nach Sir John Lubbock dienten die grossen englischen ,Crom- 
lechs* vielleicht als Tempel, doch spricht er nicht über die Bestimmung 
der Steinreihen. Ein Altertumsforscher aus Morbihan (Bretagne), 
Herr Gaillard, der т Plouharnel Carnac wohnte und die Denkmäler 
dieser Gegend genau kannte, kam auf den Gedanken, dass die Stein- 
reihen astronomische Merkzeichen waren; ungenaue Beobachtungen 
erlaubten es ihm aber nicht, aus diesem glücklichen Gedanken die 
Folgerungen zu ziehen, die er im Keime enthielt; er gelangte vielmehr 
zu einer verwickelten Gedankenreihe, die einige ungewisse Hypothesen 
erforderte. 


1) Aus der franzósischen Handschrift übersetzt von Ernst Wahle, revi- 
diert von G. Kossinna. 


79 Alf. Devoir. [2 


Herr Gaillard versuchte es übrigens nicht, zu verallgemeinern, und 
er sprach dies sehr unumwunden in seiner Abhandlung aus, die in der 
Zeitschrift „Les Sciences appliquées“ veröffentlicht ist: „Ich behandle 
nur die Steinreihen von Morbihan, und es war meine Absicht, aus- 
schliesslich diese zu erklären“ !). 

Genauere, in der Betragne und in England angestellte Beobachtungen 
erlauben uns heute, die Frage umfassender zu behandeln. 

Einige Monate vor der Veróffentlichung der Arbeit Gaillards hatte 
ich in Gemeinschaft mit meinem Freunde, dem Gendarmerie-Hauptmann 
Grossin, eine Erforschung der megalithischen Denkmäler der Umgegend 
von Brest begonnen; wir waren durch die Tatsache in Erstaunen ge- 
setzt worden, dass eine bestimmte Anzahl Menhirs und Dolmen parallele 
Reihen bildeten, die deutlich von Osten nach Westen ausgerichtet 
waren, und wir dachten, dies wäre die Hauptrichtung, die von den 
vorgeschichtlichen Baumeistern eingehalten worden sei. 

Das war aber nur ein kleiner Teil des Rätsels. 

Weitere Untersuchungen, die Aufnahme von Denkmálern, die uns 
im Jahre 1895 unbekannt waren, riefen mir Feststellungen ins Gedächtnis 
zurück, die ich einige Jahre früher in dem westlichen Teil des Bezirkes 
Lorient gemacht hatte. Die Menhirs im Departement Finistére, die 
bedeutend weniger zahlreich sind als die von Carnac und Erdeven, 
unterscheiden sich von den unserigen durch gewóhnlich weit betracht- 
lichere Abmessungen; wáhrend die in der Umgegend von Carnac be- 
nutzten Blöcke unbearbeitet und von unregelmässiger Form sind, trifft 
man in der Nordwestecke von Finistere wahre Obelisken, deren ebene 
oder abgerundete Flächen nicht nur aus dem gröbsten herausgearbeitet, 
sondern sorgfältig zugerichtet sind; allein schon der zerbrochene Riese 
von Locmariaker kann von dieser ausgezeichneten Arbeit der vor- 
geschichtlichen Steinmetzen eine Vorstellung geben. 

Ich habe es nicht nötig gehabt, wie Herr Gaillard, Zuflucht zu 
nehmen zur Bestimmung von Standpunkten des Beschauers und zu 
Menhir-Indexen; die Richtlinien, die von den mitunter einander ziemlich 
nahen, mitunter mehrere hundert Meter von einander entfernten Menhirs 
abgesteckt werden, geben die unmittelbare Lösung in einem der 
wichtigsten Fälle. 

Für die hervorragendsten Denkmälergruppen ist die abgesteckte Rich- 
tung diejenige des Aufgangspunktes der Sonne zur Sommersonnenwende, 


1) Sir Norman Lockyer nennt in seinem Werke Stonehenge and other stone 
monuments (London 1906) S. 97 diese Abhandlung von F. Gaillard: L’Astronomie 
Prehistorique und die Zeitschrift, in der sie erschienen ist: Les sciences populaires, 
revue mensuelle internationale (Paris, 15 Rue Lebrun). Kossinna. 


3] Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 73 


oder umgekehrt die des Untergangspunktes zur Wintersonnenwende; 
mit anderen Worten: der vorgeschichtliche Beobachter, der sich an 
einem Endpunkte der Reihe aufhielt, sah zur Zeit der Sonnenwende 
die Sonne an dem andren Endpunkte auf- oder untergehen. 

Er war also in der Lage, seinem Stamm mitzuteilen, dass man 
den kürzesten oder den längsten Tag des Jahres hatte. 

Auf diese Weise wurde in unsern Gegenden die erste Art der 
Zeitmessung ausgeführt. 

Die Richtigkeit dieser Beobachtungen sollte bald bekráftigt werden; 
im Jahre 1901 kam der bedeutende englische Astronom Sir Norman 
Lockyer, der soeben das Denkmal von Stonehenge hinsichtlich der 
Richtlinien studiert hatte, zu denselben Schlüssen, und stellte in einem 
von der Royal Society herausgegebenen Bericht fest, dass die Achse 
dieses Denkmales nach dem Aufgangspunkt der Sonne zur Sommer- 
sonnenwende gerichtet seit). 

Der Unterschied zwischen der in England aufgenommenen Richt- 
linie und derjenigen, die ich in unserm Finistére festgelegt hatte, ent- 
sprach genau dem Unterschied der geographischen Breiten der beiden 
Lánder; der Beweis war also geliefert. 

Sobald ich die Abhandlung Sir Norman Lockyers kennen lernte, 
teilte ich ihm die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen mit; sie 
sind der Gegenstand von Erórterungen in der englischen Zeitschrift 
„Nature“ gewesen. Zahlreiche seit dieser Zeit gemachte Messungen 
haben den Wert des Vorhergehenden nur bekräftigt; sie haben gezeigt, 
dass die vorgeschichtlichen Menschen auch — jedoch seltener — die 
Linie Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende — Sonnenuntergang zur 
Sommersonnenwende absteckten. 

Es muss hervorgehoben werden, dass die Bestimmung der zur 
Sonnenwende gehórigen Richtlinien sehr genau ist, dagegen sind die 
auf die Nachtgleiche bezüglichen Richtungen ziemlich schlecht ausge- 
richtet. Diese Tatsache ist nichts Auffallendes, wenn man erwágt, dass 
in der Nähe der Sonnenwende die Auf- und Untergangspunkte sich 
sehr wenig von Tag zu Tag veründern, wahrend zur Zeit der Nacht- 
gleiche der Unterschied sehr gross ist. 

Die auf die Sonnenwenden bezüglichen Beobachtungen sind wahr- 
scheinlich die altesten; nachdem die astronomischen Zauberer Beginn 
und Ende der längsten und der kürzesten Tage durch Merkzeichen 
festgelegt hatten, bestimmten sie die Dauer des Halbjahres, das sie 
mittels der auf die Tag- und Nachtgleiche bezüglichen Merkzeichen 
in zwei Vierteljahre weiter teilten. 


1) Vgl. Proceedings of the Royal Society (London), Vol. 69, 137 ff. Kossinna. 


74 Alf. Devoir. [4 


Diese ureinfache Zeitmessung musste noch vervollkommnet werden. 

Ich hatte — und dieselbe Beobachtung ist in England gemacht 
worden — das Vorhandensein einer dritten Richtlinie beobachtet, oder 
vielmehr zweier in bestimmtem Verhältnis zur Ost-Westlinie stehenden, 
symmetrisch verlaufenden Richtlinien. 


Sir Norman Lockyer hat den Zweck der einander entsprechenden 
Absteckungen, die zwischen den auf die Sonnenwenden und die Tag- 
und Nachtgleichen bezüglichen Richtungen liegen und von ersteren 
um einen für ет- und dieselbe Breite unveränderlichen Winkel abweicht, 
vollkommen bestimmt. 


Sie legen die Richtung fest, in der man den Sonnenaufgang zu 
Zeiten sah, die von den Tag- und Nachtgleichen und von der einen 
oder anderen Sonnenwende gleich weit entfernt sind, und erlaubten 
infolgedessen die Einteilung des Jahres in acht untereinander augen- 
scheinlich gleiche Teile. 


Im Norden und Westen von Finistére sind die Zwischenrichtungen 
allgemein durch die Absteckung einer auf die Sonnenwendepunkte be- 
züglichen Richtlinie abgeschnitten; ihre Absteckung lässt ausserordentlich 
wenig von der Ungenauigkeit der Absteckung der Tag- und Nachtgleiche 
merken. 


Um alles mitzuteilen, was mit den grossen, vielgestaltigen Denk- 
málern in Beziehung steht, bleibt nur noch übrig zu sagen, dass jede 
Ausdehnung in die Breite im allgemeinen in einer senkrechten Linie 
oder in Parallelen zur Grundrichtung erfolgt, die ihrerseits die Richtung 
nach dem Tag- und Nachtgleichenpunkt, nach dem Sonnenwendepunkt, 
oder die Zwischenrichtung sein kann. 


Die zugehórigen Azimute sind für die Breite von Brest: von 
Norden 54? und 66? nach Osten, oder symmetrisch von Süden 66° 
und 54? nach Osten. Die Azimute der Sonnenwendpunkte und der 
Zwischenrichtungen nähern sich offenbar dem Meridian, wenn die 
geographische Breite grósser wird. 


Diese einfachen Feststellungen lassen sich gleichmässig gut auf 
die grossen Menhirreihen der Gegend von Morbihan anwenden, wenn 
man die in der Schrift des Herrn Gaillard eingeschalteten Plàne für 
genau halt. So beziehen sich die Steinreihen von Ste. Barbe und 
5. Pierre Quiberon auf den Sonnenaufgang in gleichem Abstand von 
der Herbst- Tag- und Nachtgleiche und der Wintersonnenwende, oder 
auf den entsprechenden Untergang; diejenigen von Erdeven bestimmen 
den Aufgangspunkt der Sonne zur sommerlichen Zwischenzeit. Le Ménec 
und Kerlescant bezeichnen die auf die Tag- und Nachtgleiche bezügliche 
Linie, während Kermario und Le Ménec-vihan die Richtung des Sonnen- 


5] Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 75 


aufganges zur Sommer- und des Sonnenunterganges zur Wintersonnen- 


wende angeben (Abb. 1). 


Die Richtungen, die auf den der Arbeit des Herrn Gaillard an- 
gefügten Plänen verzeichnet sind, weichen im allgemeinen um 1 oder 2, 


höchstens 4° von den theoretischen Rich- 
tungen ab; genaue Beobachtungen würden 
diese Abweichungen vielleicht noch er- 
mässigen. 


Möglicherweise sind die Zwischen- 
Steinreihen ursprünglich als einfache Merk- 
zeichen für die weitere Zeiteinteilung aufge- 
richtet worden ; ihre Bedeutung hat im Laufe 
der Jahrhunderte in den Augen der grossen 
Masse der Bevölkerung vorherrschend wer- 
den müssen. 


Diese Steinreihen beziehen sich in 
der Tat auf folgende vier Zeitpunkte: den 
8. November, 4. Februar, 6. Mai und 
8. August, die nichts anderes sind — worauf 
Sir N. Lockyer aufmerksam gemacht hat — 
als die mittleren Zeitpunkte der vier Haupt- 
abschnitte des landwirtschaftlichen Jahres 
(farmer's year) für ein von dem unserigen 
nur wenig abweichendes Klima. 


Der Anfang des November ist die Zeit 
der Saat, die vom Februar ab herauskommt; 
in den ersten Tagen des Mai beginnt die 
Blütezeit; wärmere Sommer machten vor 
Mitte August die Ernte schon reif. 


So konnte der allein auf Sonnen- 
beobachtung beruhende neolithische 
Kalender vor fünf oder sechs Tausend Jahren 
die Feldarbeit regeln, und wir wissen, dass 
die asiatischen [? d. Hrsgbr.] Eindringlinge 
Ackerbauer waren. 

Man begreift, wie gross der Einfluss 


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Abb. 1. Steinreihen von Le Ménec, 
nach H. du Cleuzion (G. de Mortillet, 
Musée préhistorique Taf. LX). 


der Erfinder der ersten Astronomie sein konnte: anfangs Verkiindiger 
der Sonnenwenden und Entfacher der heiligen Feuer, wurden sie mit 


dem Fortschreiten ihrer Wissenschaft die Regler aller ländlichen Ar- | 


beiten, dann aller Taten und Handlungen ihrer Stámme überhaupt. 
Durch den Zwang der Dinge selbst, und trotz der physischen 


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76 Alf. Devoir. [6 


Uberlegenheit mancher Stammesglieder musste die geistige Auslese, die 
die Baumeister-Astronomen bildeten, unbedingt die Leitung des Stammes 
in die Hand bekommen. 


In der Tat können es nur durchaus hierarchisch gegliederte Ver- 
bände dahin bringen, so mächtige Bauwerke wie die Steinreihen von 
Carnac, wie gewisse Cromlechs in Finistére oder England zu vollenden. 
Hunderter von Armen, die einem einzigen Haupt gehorchten, bedurfte 
es, um die gewaltigen Dolmen von Locmariaker zu bauen, um die 
granitenen Obelisken der Umgebung von Brest aufzurichten, von denen 
manche ein Gewicht von mehr als 50 Tonnen besitzen. 


Und man ist aufs höchste erstaunt, wenn man bedenkt, dass 
einer von ihnen, der Menhir von Melon, — das wichtigste Merkzeichen 
einer auf den Aufgangspunkt der Sonne zur Zeit der Sonnenwende 
bezüglichen Richtung —, dessen Gewicht nicht unter 14,000 kg beträgt, 
so aufgerichtet worden ist, dass zwei seiner ebenen und parallelen 
Flächen auch parallel zur astronomischen Richtlinie sind, die 1500 m 
davon entfernt durch eine Reihe von drei Menhiren festgelegt ist. Die 
vier Blöcke sind genau in einer geraden Linie aufgestellt (Taf. XII, 1, 2). 


Die Aufrichtung von neuen Denkmälern (Taf. ХП, 3, 4; XIII, 1, 2; 
Abb. 2, 3), die Anstellung von وی‎ a an den Hauptzeitpunkten 
des Jahres waren wahrschein- 
lich die Gelegenheit zu Ver- 
sammlungen und auch zu 
Festen, in deren Verlauf die 
neolithischen Ackerbauer die 
Grósse der Werke feierten, die 
von ihnen oder ihren Vorfahren 
vollendet worden waren, und 
ihre unterwürfige Frómmigkeit 
schrieb ohne Zweifel das Ver- 
dienst der Einrichtung allein 
dem übernatürlichen Können 
| der Zauberer zu. 

Haben wir nicht vor vier 
Jahren gesehen, dass die See- 
leute von Nippon ihren Sieg 
allein den göttlichen Vorfahren 
des Mikado zuschrieben ? 

Mein trefflicher Freund Le Rouzie, dessen Arbeiten für die Archäo- 
logie der Gegend von Carnac so wertvoll sind, hat schon lange den 
Gedanken ausgesprochen, dass man mitten in den Steinreihen astrono- 


Abb. 2. St. Denec. 


7] Urzeitliche Astronomie т Westeuropa. 77 


misch-religióse Feste feierte; die früher gemachten Beobachtungen be- 
kráftigen diese Meinung in einzigartiger Weise. 


Die Sonnwendfeuer erinnern noch jetzt an diese Jahrtausende 
alten Bräuche; bei den Steinreihen von Erdeven, die nach dem Zwischen- 
aufgangspunkt der Sonne im Sommer ausgerichtet sind, haben die 
Neolithiker am 6. Mai jeden Jahres das Blühen feiern kónnen und 
vielleicht auch die Arbeit. 

Seit dieser Zeit würde dieser Brauch nur um sechs Tage vorgerückt 
sein. Wenn man alle die Feste prüft, die von dem rómischen Heiden- 
tum in den katholischen Kirchenbrauch übergegangen sind, würde. man 
sehr viele Überbleibsel wiederfinden, die auf die vorgeschichtlichen 
Zeiten zurückweisen; daher ist auch oft das Kreuz auf dem Menhir 
angebracht, und der Fromme kniet in unsern Tagen an demselben Ort 
nieder, wo vor 5000 Jahren der Fromme betete (Taf. XIII, 3). 


Das enthüllen uns plumpe Blócke, die auf unserm Boden von 
Menschen aufgerichtet sind, deren Namen wir niemals erfahren werden. 


In der Heide tauchte eine vielleicht weniger gelehrte, aber nicht 
weniger alte Astronomie als die der Chaldaer auf, und wir ahnen, 
welches der geistige und wirtschaftliche Zustand unserer fernen Vor- 
fahren sein konnte. 


Eine Welt, von der man glauben konnte, dass sie auf ewig ver- 
schwunden ist, steigt aus der Nacht der Vergangenheit hervor: in ihren 
seit 40 oder 60 Jahrhunderten verschlossenen Grabkammern haben uns 
die Dolmen und Grabhügel den Schmuck und die Waffen verstorbener 
Geschlechter bewahrt; ihr Denken selbst stellt uns in seiner erhabensten 
Form die Einfachheit der plumpen Denkmäler vor, die sie gebaut haben. 

In welche Vorzeit versetzt uns diese allein auf der Sonnen- 
beobachtung begründete Astronomie, wenn wir bedenken, dass alle 
südasiatischen oder arischen Völkerschaften seit etwa 40 Jahrhunderten 
im Besitze eines Mondkalenders sind! 

In bestimmten Fallen werden uns die Denkmäler selbst sagen, zu 
welcher Zeit sie aufgerichtet worden sind. 

Die astronomischen Richtlinien, welche die vorgeschichtlichen 
Zauberer festzulegen suchten, sind in der Tat langsamen Veränderungen 
unterworfen, die selbst die Folge von der vorrückenden Bewegung der 
Nachtgleichen sind. 

Diese Unterschiede kónnen der Berechnung unterworfen werden, 
deren Ergebnisse, verglichen mit den im Gelände gemachten Beobach- 
tungen, wertvolle Abschatzungen erlauben. 

Auf diese Weise schreibt Sir Norman Lockyer, der die Hypothese 


78 АН. Devoir. [8 


einer von den Architekten von Stonehenge gut ausgeführten Absteckung 
vertritt, diesem Denkmal ein Alter von 36 Jahrhunderten zu. 


Die grossen Menhire von Finistére kónnen zur gleichen Zeit auf- 
gerichtet worden sein, das heisst mitten in der Kultur der Bronze 
(Morgien) ?). 

Der kühne Versuch des berühmten Astronomen zeigt, welch un- 
geheures Feld sich vor der Altertumskunde der Gegenwart eróffnet; 
das Studium der ,monumen- 
talen“ Zeitrechnung steckt noch 
in den Kinderschuhen. 

Wieviel an megalithischen 
Resten noch reiche Gegenden 
sind im Gegensatz zu den 
wenigen in der Bretagne und 
auf der anderen Seite des 
Armelkanals erforschten Qua- 
dratkilometern entweder noch 
unerforscht oder ungenügend 
untersucht. 

Wenn man ehedem Menhirs 
und Dolmen als allein stehende, 
von einander unabhangige Denk- 
mäler hat ansehen können, so 
hat eine derartige Auffassung 
heute keine Geltung mehr. Wir 
müssen in jedem von ihnen 
eines der Glieder einer zu- 

Abb. 3. Kerdelvas. sammengehórenden Gruppe 

sehen, von der uns ein Rest 

erhalten ist oder hat verschwinden kónnen, einen der Ringe einer mehr 

oder weniger ausgedehnten Kette, die vom Menschen und von den Un- 
bilden der Witterung mehr oder weniger zerstórt worden ist. 


Es ist also wichtig, die Lage aller noch vorhandenen Denkmäler 
genau zu bestimmen, mógen sie in gutem Zustande oder verfallen sein; 
dagegen sind Verzeichnisse oder Kataloge mit unbestimmten Angaben, 
deren einige vorhanden sind, nunmehr vollstándig ungenügend. 


Was die heutige Wissenschaft nótig hat, was wir denen vererben 
müssen, die nach uns kommen, das sind topographische Verzeichnisse 


1) Nach der durch О. Montelius begründeten Chronologie wäre das Jahr 1700 
vor Chr. gegen Ende der ersten Periode der reinen Bronzezeit zu setzen. Kossinna. 


9] Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 79 


in grossem Massstabe, die durch die Ergebnisse astronomischer 
Forschungen vervollstandigt werden. 


Die Kenntnis der auf die Sonne bezüglichen Richtungen ist übrigens 
in hohem Masse dazu angetan, die Arbeit der Forscher zu erleichtern; 
den Kompass in der Hand müssen sie, von einem bekannten Denkmal aus- 
gehend, diejenigen aufsuchen, die sie noch nicht kennen; dieser Methode 
verdanke ich zu wiederholten Malen ausgezeichnete Ergebnisse. 


Die Zukunft wird — zweifellos besser als wir es kónnen — die 
neuen Zeugnisse verwerten, die von sorgfaltig ausgeführten Erkundungen 
geliefert würden; solch ein auf der Erde liegender Block, den heut- 
zutage der Archäologe verachtet, würde ein wertvolles Anzeichen seif, 
wenn seine Lage auf einer abgesteckten Linie ihn zu einem unbestreit- 
baren Denkmalrest macht, der seinerseits dazu angetan ist, neue Ent- 
deckungen einzuleiten. 

Aber die Arbeit, kartographisch unsere vorgeschichtlichen Denk- 
mäler systematisch aufzunehmen, ist schwer; um sie gut auszuführen, 
wird es vieler Zeit und vielen guten Willens bedürfen. 

Werden diejenigen, die sich dem widmen werden, in einigen Jahren 
alle noch heute vorhandenen Denkmäler auffinden? 


Das Gegenteil ist leider weit wahrscheinlicher: Die Ausbreitung 
der Feldbestellung hat schon zahllose vorgeschichtliche Denkmäler ver- 
schwinden lassen; der Bau von neuen Dörfern, das Anlegen von Ein- 
friedigungen in gewissen Gegenden, wo der Besitz sehr zerstückelt ist, 
haben ähnliche Folgen gehabt; in der Bretagne besonders sind die 
niedrigen, die Felder begrenzenden Mauern aus der Geschichte der 
Vergangenheit hergestellt. 

Zweifellos ist es in vielen anderen Làndern ebenso. 

Es würde ein grossartiges Werk sein, in dem Geist der Landleute 
die Achtung vor diesen kostbaren Überresten zu wecken; gewiss müssen 
die Archäologen sich damit befassen, aber sie würden dieser Aufgabe 
nicht gewachsen sein. | 

Sie brauchen hingebungsvolle Mitarbeiter, die dem Landmann 
nüher stehen, als es bei ihnen der Fall ist, um das gute Wort überall 
da durchdringen zu lassen, wo vorgeschichtliche Überreste vorhanden 
sind, — und wenige Gegenden in Europa !) sind vollstándig frei von 


solchen (Taf. XIV). 


1) Zahlreiche Menhire des sáchsischen und bóhmischen Gebietes sind er- 
wühnt bei G. Wilke: Neolithische Keramik und Arierproblem (Archiv f. Anthropologie 
1909, М. F. УП, 300 Anm.); einige bóhmische bei Pić, Cechy předhistorické 1, 67 ff.; 
die 22 thüringischen jetzt in dem Werke: Vor- und frühgeschichtliche Altertümer 
Thuringens von А. Gótze, P. Hófer, P. Zschiesche. Würzburg 1909. Kossinna. 


80 АН. Devoir. [10 


Nach Massgabe der Ausdehnung der zu erkundenden Gebiete 
müssen diese Mitarbeiter zahlreich sein; sie müssen Ausdauer besitzen, 
um eine Arbeit von mitunter langer Dauer zu einem guten Ende zu 
führen. 

Für eine solche Aufgabe sind die Lehrer von Natur bestimmt; 
mógen sie die Kinder lehren, dass einst — vor sehr langer Zeit — 
Menschen diese jetzt vom Schweiss ihrer Eltern benetzten Landereien 
bebauten, dass diese Menschen niclit zu schreiben verstanden, aber 
dass sie, um ihre lándlichen Arbeiten zu regeln, um die Zeit zu messen 
und sich der denkwürdigen Ereignisse zu erinnern, in den Boden grosse 
Steinblócke setzten. | 


Mögen sie ihnen sagen, dass diese vor Zeiten aufgerichteten Steine 
nicht zerstört, sondern gleich den Feenhóhlen, den Zwergenhäusern, 
Tempeln und Grabstätten der Menschen vergangener Zeiten sorgfältig 
erhalten werden müssen. 

Spáter werden sie ihnen sagen, was diese Menschen waren, oder 
wenigstens, was wir davon wissen, und der gute, dem Kinde anvertraute 
Same wird gedeihen für die ganze Umgebung. 


Auf diese Weise werden die alten Denkmäler, nunmehr besser 
gekannt von denen, die bei ihnen wohnen, vor der Zerstórung bewahrt 
bleiben; die erste Ursache so vieler unwiederbringlicher Verluste ist in 
der Tat nur die Unwissenheit. 


Alberne Legenden haben bis auf heute viele Landleute davon ab- 
gehalten, sich für die Spuren der Vergangenheit zu interessieren, die 
zumeist als Werke bösartiger Geister hingestellt werden, deren Macht 
die Zeit nicht vollstándig gebrochen hat. 


Wenn die Landleute lernen, dass man diese Denkmäler ihren Vor- 
fahren verdankt, und welches ihre Bestimmung war, dann werden sie 
die ersten sein, die ihnen die Erhaltung sichern. 


Jedoch nur der Lehrer kann der Verbreiter dieser Elementar- 
kenntnisse, der unentbehrliche Vermittler zwischen der archäologischen 
Wissenschaft und der ländlichen Bevölkerung sein. 


Für jeden von uns ist es also Pflicht, mit den Lehrern, unseren 
natürlichen Mitarbeitern, in den Flecken oder Dörfern ihres Bezirkes 
Beziehungen anzuknüpfen und ihr Interesse für unsere Arbeiten zu 
wecken: wie viele von ihnen werden, fern von den Zerstreuungen der 
Stadt, glücklich sein, in den archäologischen Forschungen ein Mittel zu 
finden, sich in ihrer Mussezeit zu beschäftigen, und gleichzeitig ein 
wirklich nützliches und wissenschaftliches Werk zu tun, dem auch die 
Geistlichen der verschiedenen Bekenntnisse ihre Mitarbeit widmen 
könnten. 


11] . Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 81 


Es ist hier natürlich notwendig, einer mehr glühenden als aufge- 
klärten Begeisterung entgegenzutreten ; Aufgabe der organisierten archäo- 
logischen Gesellschaften und ebenso der Staatsgewalt ist es, hier eine 
Bremse anzulegen, und jede Schädigung der Denkmäler zu verhindern. 


Wenn ihre Erhaltung jeden guten Willen für sich hat, müssen die 
Forschungen und Untersuchungen einer strengen gesetzlichen Regelung 


Schema einer megalithischen Gruppe nach den Arbeiten von Sir N. Lockyer und Comm. Devoir. 


Nord. 2 


48° 30’ nórdliche Breite. 
Abb 4. 


unterworfen werden; zu viel Schätze können bei Gelegenheit einer 
schlecht geleiteten Ausgrabung verschwinden. 


Zum Aufsuchen der Denkmäler nach einfachen, hier angegebenen 
Regeln muss die Archäologie alle diejenigen auffordern, die sich dem 
Studium der vorgeschichtlichen Vergangenheit widmen wollen. 


‚Viele würden augenscheinlich mehr Interesse daran haben, 
Grabungen auszuführen, Sammlungen zu vergrössern: ganz recht, aber 
wir müssen nicht nur für uns selbst, sondern auch für diejenigen arbeiten, 
die nach uns kommen. 


Das Aufsuchen der megalithischen Architekturreste erscheint auf 
Mannus. Ва. I. 6 


82 Alf. Devoir: Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. [12 


den ersten Blick eine wenig verführerische Arbeit; vernünftig unter- 
nommen, mit dem Kompass in der Hand, wird sie dagegen Leiden- 
schaft erwecken in jedem, der sich ihr ernsthaft widmet, weil sie von 
nun an auf Grundlagen ruht, deren festes Gefüge sechzig Jahrhunderte 
nicht erschüttert haben. 

Unsere Zeit wird ihre Aufgabe gut erfüllt haben, wenn es ihr ge- 
lingt, die Bausteine für die zukünftige Wissenschaft vorzubereiten und 
zu erhalten. 

In dieser Richtung müssen ohne Zeitverlust und in vólliger Über- 
einstimmung alle diejenigen arbeiten, die es sich Mühe kosten lassen, 
in den ,megalithischen Gebieten“ die Kenntnis der menschlichen Ver- 
gangenheit vorwärts zu bringen. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ва. I. Taf. XII. 


2. Melon, Westseite. 


3. Kergadion. 4. Kergadion. 


Menhire der Bretagne. 


Devoir, Urzeitliche Astronomie, Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


eh A DIAS 
OF THE 
UNIVERSITY 
= " ОЕ | 
NIAUIFORNIP : 


Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Ва. 1. Taf. XIII. 


1. Kerivoul. 


2. Kerivoul. 


3. Bar ar Lann (Portsalle). 


Menhire und Dolmen der Bretagne. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Wärzburg. 


Devoir, Urzeitliche Astronomie. 


Digitized by Google 


Mannus, Zeitschrift fir Vorgeschichte Ва. I. Taf. XIV. 


1. Hoher Stein bei Grimma (Sachsen). 


2. Grésserer Hiinenstein 3. Kleinerer Hünenstein 
bei Benzingerode am Harz. 


Menhire in Mitteldeutschland, 


Devoir, Urzeitliche Astronomie, Curt Kabitzsch (А. Stuber's Verlag), Wiirzburg. 


Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit 
am Fliegenberge 
bei Troisdorf, Siegkreis, Reg.-Bez. Kóln. 


Von 
C. Rademacher. 
Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel. 


Es ist bekannt, dass zu beiden Seiten des Niederrheins, auf den 
letzten Ausláufern des Gebirges, sich zahlreiche Gräberfelder befinden, 
die zu verschiedenen Zeiten teilweise untersucht und mehr oder weniger 
wissenschaftlich beschrieben worden sind!). Eine zusammenhängende, 
abschliessende Arbeit über die ganze Frage der niederrheinischen Grab- 
hügel steht noch aus. Die letzte zusammenfassende Arbeit von 
A. Kiekebusch?) weist den Grabhügeln einen Zeitraum von der Hall- 
statt- bis zum Ende der Kaiserzeit zu. Kiekebusch glaubt ferner, dass 
‚Germanen während dieser ganzen Zeit am Niederrhein gesessen haben. 

Ganz gelöst ist diese Frage noch nicht, denn man hatte bis heran 
noch keine einzige Wohnstättenanlage in dem ganzen Gebiete aufgedeckt. 

Um so erwünschter war es, dass die Untersuchungen des Bericht- 
erstatters in den zwei letzten Jahren am Niederrhein, und zwar in un- 
mittelbarer Nähe der Stadt Köln, nicht weniger als vier Wohnstätten- 
anlagen ergaben. Zwei dieser Anlagen reichen nun in eine frühere 
Zeit zurück, während die andern mehr oder weniger mit den Grab- 
hügeln in Verbindung zu setzen sind. 

Die erste Anlage befindet sich im Scheuerbusch bei Wahn, Kr. 
Mühlheim a. Rh., auf dem Gräberfelde, das von der Hallstattzeit bis in 
die Kaiserzeit hinabreicht®). Es sind dort steinzeitliche Hausanlagen 
zum Vorschein gekommen mit einem Inventar *), das der Untergrombacher 


1) Die einschlägigen Veröffentlichungen des Berichterstatters befinden sich 
in den „Bonner Jahrbüchern" Band 105; „Nachrichten über deutsche Altertums- 
funde“ Jahrgang 1893, 94, 95, 96, 97, 98. 99. 

*) Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im Spiegel der 
Hügelgräber des Niederrheins von Dr. A. Kiekebusch. Berliner Dissertation 1908. 

з) Мега]. den Aufsatz des Berichterstatters in dem Berichte über die Prà- 
historiker-Versammlung in Köln am 23.—-31. Juli 1907. S. 126 ff. 

*) Funde im prähistorischen Museum zu Köln. 


6* 


84 С. Rademacher. [2 


Periode entspricht, eine Periode, die durch Direktor Lehner bei Urmitz 
und Mayen ebenfalls festgestellt wurde. 

Die zweite derartige Anlage liegt auf der Hóhe des Vorgebirges 
bei Bonn. Daselbst befindet sich ein kleines Hügelfeld, das der 
altesten Bronzezeit (Montelius I) zum Teil angehórt, wie das eine 
Bronzeaxt!) mit einem triangulären Dolche beweisen. Das Inventar 
einer Wohnstátte auf dem Terrain dieses Begrabnisplatzes ergab eine 
Keramik, die dem Übergange der Steinzeit zur Bronzezeit entspricht, 
das Bruchstück eines Zonenbechers?) kam an der Stelle zum Vorschein. 
In der Ebene zwischen Rhein und dem Vorgebirge, man kónnte fast 
sagen am Fusse jener Höhen, welche die eben erwähnten Grabhügel 
tragen, waren Scherben gefunden worden, die den grossen, dick- 
wandigen Gefássen?) mit langem, zylinderfórmigem Halse und fast 
wagerechtem Rande angehóren, die man bis vor kurzem der jüngsten 
Bronzezeit, nach Reineckes Vorgang jedoch der älteren Hallstattzeit 
zuschreibt. Die Auffindung dieser Scherben, welche zum ersten Male 
die altere Hallstattzeit, und zwar in unverkennbarer Übereinstimmung 
mit süddeutschen Formen, für den Niederrhein festlegt, gab Veranlas- 
sung, dort Grabungen vorzunehmen. Es kamen hier mehrere Wohn- 
gruben zum Vorschein, die jedoch der La Ténezeit zuzuweisen sind, 
was die Übereinstimmung mit typischen La Ténezeitlichen Funden in 
Kessenich bei Bonn beweist. 

Die vierte Wohnstättenanlage ward in dem Walde bei Troisdorf 
am Fliegenberg*) entdeckt. Hier sind eingehendere Untersuchungen 
bereits angestellt, über die in folgendem weiter berichtet werden soll. 

Der Fliegenberg ist einer der letzten Erhebungen der bergischen 
Höhen zwischen Siegburg und Troisdorf. Die ganze Gegend ist sehr 
reich an Grabhügeln. So befinden sich ausgedehnte Graberfelder bei 
Siegburg, Niederpleiss, Caldauen, Schreck, Altenrath und, kaum 1 km 
vom Fliegenberge selbst, am Ravensberg. Die Funde von dem Be- 
gräbnisplatz am Ravensberg beweisen das Hinaufreichen desselben in 
die Hallstattzeit (viele Graphiturnen, konische Halsbildung u. a. m.) 


Der Fliegenberg senkt sich terrassenfórmig der Rheinseite zu und 
endigt in einer sehr wasserreichen, sumpfigen Niederung. Nach der ent- 


1?) Funde im prähistorischen Museum zu Köln. 
°) Im präh. Museum zu Köln. 


з) Viele derartige grosse Urnen befinden sich im Museum zu Giessen und 
im Museum zu Frankfurt. 


1) Es war zuerst die Bezeichnung „am dicken Stein“ gewählt. Weil dieser 
Stein aber durch das Quarzitbrechen làngst verschwunden ist, erscheint der Name 
des Berges, an dessen Fusse die Anlage sich befindet, angemessener. 


3] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 85 


gegengesetzten Seite verbindet ein Bergsattel den Fliegenberg mit dem 
Güldenberg und dem Lohmarer Berg; ersterer ist die grósste Erhebung 
der Gegend, welche dieselbe in weitem Umkreise beherrscht. Zunächst 
am Fliegenberg erhebt sich der Güldenberg, der nach einer Seite steil 


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Lageplan der Grabung am 17.- 20. IX. und 1.—5. X. 1907. Fliegenberg bei Troisdorf. 
Abb. 1. 


zum Aggerflusse abfällt. Uppige Wiesen breiten sich dicht an den 
Berg hinan. Der Güldenberg ist mit einem Walle gekrónt, der das ganze 
Plateau umschliesst in Form eines unregelmässigen Vierecks (s. Abb. 1). 
Nicht weit von dieser Wallanlage liegen drei vereinzelte Grabhügel. 


Man sieht, alle Vorbedingungen für eine prähistorische Dorfanlage 
sind hier gegeben: Wasserreichtum, terrassenfórmiges Absenken des 
Gebirges für den Ackerbau, geschützte Lage (nach der Rheinseite un- 
durchdringlicher Sumpf, nach der anderen der Aggerfluss) dazu uner- 
messliche Walder für die Jagd. So wird es uns auch erklarlich, dass 
wir schon für eine frühe Besiedelung der Gegend deutliche Spuren 
antreffen. Hierzu gehören zahlreiche mikrolithische Geräte, dem Tar- 
denoisien angehörig, eine Werkstätte zur Herstellung von Steingeräten 
aus dem dort anstehenden Material (feiner Quarzit), und endlich zwei 
grosse Vorratsgefässe !), die der jüngsten Bronzezeit zuzuschreiben sind. 


1) Alle hier genannten Funde befinden sich im Museum zu Köln. 


86 С. Rademacher. (4 


Der Fliegenberg und überhaupt die ganze Gegend sind mit allu- 
vialem Sande bedeckt, worunter Lager von Ton sich befinden. In 
diesem Ton liegt nesterweise Quarzit, der in grossen Blócken, stellen- 
weise wenigstens, auch bis auf die Oberfläche tritt. Dieser Quarzit 
wird gegenwärtig ausgebeutet, und bei diesen Arbeiten kamen vereinzelte 
dunklere Stellen mit Scherben und dgl. zum Vorschein. Dieser Um- 
stand war Veranlassung, dass von seiten des Kélner Museums hier 
Ausgrabungen vorgenommen wurden, welche um so erwünschter waren, 


Grabung 1. Fliegenberg bei Troisdorf. 17.—20. 1Х. 1907; 1. X. 1907. Wohngrube 1. Baumloch 1 м. 2 
Abb. 2. 


da die Scherben, von denen vorhin die Rede war, nicht mit der Keramik 
der nahen Begräbnisplätze übereinstimmten und auch recht zahlreiche 
Bruchstücke römischer Provenienz sich vorfanden. 


Die erste Grabung fand auf dem vorhin beschriebenen Hang nicht 
weit von der unteren Grenze statt. Zwei nebeneinander liegende kreis- 
runde Gruben, deren sich auf dem Hange eine ganze Anzahl befinden, 
wurden angeschnitten, Es galt zunächst festzustellen, ob diese Gruben 
als Wohngruben oder als Baumlócher anzusprechen seien. Da wieder- 
holt kleine Scherben prähistorischen Charakters dicht neben und in 
den Gruben aufgehoben waren, schien die Meinung, dass wir es mit 
Wohngruben zu tun hätten, nicht aussichtslos. Durch einen 19 m 
langen Graben wurden die beiden Lócher seitlich angeschnitten. [n 
durchschnittlich 75—80 cm Tiefe zeigte sich der Urboden, sehr heller 
trockener Sand, in dem stellenweise Eiseninfiltrationen harte, etwas 
dunklere Stellen hervorgebracht haben. Einzelne Scherben, darunter 


5] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 87 


Sigillata!) kamen zum Vorschein. Diese Grabung (Abb. 2) stellte also 
zunächst die Bedeutung der an dem ganzen Hange befindlichen kreis- 
runden Gruben fest, die als Baumlócher demgemäss anzusprechen sind. 
Ich bemerke hier, dass im Laufe der Ausgrabung noch wiederholt 
derartige Giruben angeschnitten und durchgegraben worden sind, stets 
war das Ergebnis dasselbe. 


Vor etlichen 80 Jahren haben hier máchtige Eichen gestanden, 
die ausgerodet worden sind. Als Rodloch der einzelnen Stámme haben 
wir die Gruben anzusehen. Aber dennoch wurde die erste Grabung 
sehr bedeutsam, denn sie führte im weiteren Verlaufe zum Aufdecken 
einer wirklichen Wohnstelle oder Wohngrube. Ат südóstlichen Rande 
des Rundwalles, der die grósste der beiden Gruben umgab, stiess man 
auf eine tiefschwarze, sehr harte Schicht, worin Scherben in Menge 
sich vorfanden. Beim Verfolgen dieser Kulturschicht stellte sich eine 
anscheinend runde, muldenfórmig eingegrabene Vertiefung heraus, deren 
oberer Durchmesser etwa 4 und dessen grósste Tiefe 1,20 m betrug. 
Rings um diese Mulde, die durchaus mit der dunklen, harten Kultur- 
schicht ausgefüllt war, stand der helle Sand 70—80 cm an. Die 
grósste Tiefe lag neben dem südlichen Rande bei A. Hier fand sich 
ein eisernes Ziehmesser, ein zweites Eisenstück, ein Kannenbeschlag aus 
Bronze mit Ausguss, Henkelrest, Fortsatz mit eisernerm Scharnierrest. 
Bemerkenswert war auch die Stelle bei B, wo aus einer starken Aschenschicht 
Pferdezáhne und Knochen gehoben wurden. Knochen lagen auch an ver- 
schiedenen andern Stellen. Die dunkle Schicht hatte durchweg 40—45 cm 
Máchtigkeit. Ganz unten, in 1,20 m Tiefe, wurden grosse rómische 
Scherben gefunden, doch lag im ganzen die rómische Ware in den 
oberen Schichten häufiger als in den tiefern. Ein Stückchen römischen 
Glases kam ebenfalls zum Vorschein. Der Sand unter der Kulturschicht 
war ausserordentlich hart und an der Oberflache mit Kohlenfunken 
durchsetzt. Kohle fand sich durch die ganze Schicht zerstreut. Be- 
sonders bei B traten Kohlen haufiger auf. Die Oberflache der Kultur- 
schicht lagerte ziemlich horizontal, massenhaft Hüttenbewuf an der 
südlichen und Ostlichen Seite, teils leicht zerdrückbar, teils hart 
gebrannt. Nicht nur diese Lehmbrocken des ersten Verputzes traten 
zum Vorschein, auch Reste des feinen Mörtelüberzuges, der ehemals 
die Lehmwand überdeckte. 


Eine zweite und dritte Grabung, bei der ebenfalls Baumlócher an- 
geschnitten wurden, ergab kein Resultat; nur einzelne Scherben kamen 
zum Vorschein. 


1) Siehe Abb. 2. 


88 С. Rademacher. (6 


Bei der Grabung 4 wurde eine Stelle innerhalb eines kleinen 
Wallvierecks gewahlt (vgl. Abb. 1 links). Dieses Wallviereck mit einer Seite 
fast dicht an einen Weiher stossend, ist ganz geebnet. Ein kleiner Graben 
und ein dementsprechender Wall umgibt die Stelle. Ein Durchschnitt des 
Walles erzielte kein Resultat. Das Wallviereck ist durch zahlreiche 
Kaninchen-Gänge ausgezeichnet; bei ihrem Wühlen hatten die Tiere 
einzelne Scherben ans Tageslicht gebracht. Bei diesem Kaninchenbau 
wurde die Untersuchung begonnen. Bald stellte sich ein Dunklerwerden 


Grabung 4. Fliegenberg bei Troisdorf. 3.—4. X. 1907. Wohngrube Il. 
Masstab 1:150. 


Abb. 3. 


des Bodens ein; ganze Massen von Scherben kamen zutage, und in Tiefe 
von 1,25 m wurde der etwas muldenförmige Boden einer Wohngrube fest- 
gestellt (Abb. 3). Die Kulturschicht hatte wieder eine Mächtigkeit von 
40 cm, doch setzten sich die Scherben auch über die Oberflache der 
dunklen Schicht in ziemlicher Menge fort. Unter der Kulturschicht 
fand sich ein aus faust- und handgrossen Steinen hergestelltes Pflaster 
(tief 110—115 cm), das etwa 1 qm bedeckte. Uberdeckt war dieses 
Pflaster von einem hellgrauen, feinkórnigen Sande, der grósstenteils 
aus Asche bestand. Kohlenspuren auf den Steinen, das rotgebrannte 
Aussehen derselben ergaben mit Sicherheit, dass dieses Pflaster als 
Herd benutzt wurde. Die Steine waren flache Flussgeschiebe aus der 
nahen Agger. In dem Pflaster, am östlichen Rande der Grube gelegen, 
fand sich ein rómischer Scherben der mittleren Kaiserzeit und ein Glas- 
stück, im westlichen Teile einige Knochen und ein Pferdezahn. 

Die Bodenverhaltnisse dieser Wohnstätte waren gleich denen der 
ersten Grube, sehr heller Urboden (Sand), ziemlich schwarze Kultur- 
schicht, darüber eine braune, nicht sehr dunkle Oberschicht. Beim 


7] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 89 


Weitergraben a—a, 8—68 fand sich je ein Bruchstück eines Mühlsteines, 
ausserhalb der Wohngrube. 

Die Querschnitte a—a, B—f sind zu beachten; sie sind ziemlich 
genau, da bei dieser Grube die Dichtigkeit der Kulturschicht am 
stärksten war. Die eine Kurve a—a gibt den mittleren Durchmesser 
an; die zweite 6—68 liegt mehr nach dem südöstlichen Rande hin. 
Bei Vergleichung der beiden Querschnitte ergab sich, dass nur eine 
runde Form der Grubenwand beide Kurven ganz in ihrer Fläche auf- 


Grabung 5. Fliegenberg bei Troisdorf. 4. X. 1907. Wohngrube Ш. Baumloch 4. 
Masstab 1:150. 
Abb. 4. 


zunehmen vermag. Es ist dies ein direkter Anhalt für die runde Form 


der Wohngrube. 


Die folgende Grabung, nicht weit von der bei der ersten Grabung 
entdeckten Wohngrube, begann, wie aus Abbildung 4 ersichtlich ist, 
mit einem Durchschnitt durch eine nunmehr als Baumloch erkannte 
Grube. Der Durchschnitt bestätigte das bei den früheren Grabungen 
gewonnene Ergebnis. Da sich an einer Stelle Scherben zeigten, auch 
der Boden eine etwas dunklere Färbung annahm, wurde der Graben 
NW—SO fortgesetzt. In den ersten 4—5 m wurde ein Tiefergehen der 
dunklen, auf den ursprünglichen Boden aufgelagerten Schicht (von 
55 cm—110 cm) festgestellt. Dann stieg der helle Sand wieder auf 
80 cm, um von da ab langsam bei fortwährend dunkler und härter 
werdender Erde auf 110 und endlich auf 120 cm Tiefe zu sinken. 
Hier war also eine dritte Wohngrube mit einer vorgelagerten Neben- 
grube festgestellt. 

Die Wohngrube Ш (siehe Abb.) hatte dieselbe Anlage wie Wohn- 


90 С. Rademacher. [8 


grube I und II, nur war die Kulturschicht bei Grube III viel weniger 
durch Kultureinwirkungen gefarbt, auch das Scherbenmaterial erreichte 
nur die Hälfte der Ausbeute von Grube | und Il. Dass die Grube aber 
dennoch als Wohngrube anzusprechen ist, beweist die Feuerungsanlage 
an der süd-óstlichen Seite. 0,5 m von der Mitte der Grube entfernt 
fanden sich drei in einer Linie aufgestellte, ziemlich derbe, mehr als 
kopfgrosse Quarzitblócke, die von dem ursprünglichen Boden der Hütte 
25—30 cm aufragten. Hinter diesen, also nach dem südöstlichen 
Rande, zeigte sich eine starke Brandschicht mit sehr viel Kohle und 
Asche. Diese Feuerstelle, die eines Pflasters entbehrte, vielmehr direkt 
auf dem Sande angelegt war, hatte 1 qm Flächenraum. Die drei 
Quarzitsteine haben offenbar als Abschluss des Feuerraumes gegen den 
übrigen Teil des Raumes gedient. Beim Entfernen der Steine behufs 
Untersuchung des unter ihnen befindlichen Bodens fanden sich unter 
den Steinen rómische und germanische Scherben vor. 


Eine bemerkenswerte Stelle ist noch bei d im Profil 8—»* (siehe 
Abb.). Hier senkte sich die Kulturschicht bis auf 150 cm, also noch 
25 cm unter dem sonstigen Boden der Grube. Es muss sich demge- 
mass hier eine Vertiefung befunden haben, Funde wurden in dieser 
Vertiefung nicht gemacht. 


Eine sechste Grabung (s. Abb. 1) wurde an einem Hügel westlich 
der ersten und fünften Grabung vorgenommen, die kein Ergebnis lieferte. 
Die siebente Grabung erstreckte sich wiederum auf einem länglichen, 
natürlichen Hügel, etwa 15 m Lange, 90 m Breite, 0,80 m Hóhe. Ein 
grosser Kreuzgraben lieferte einige Scherben, einen kleinen Bronzering 
von 25 mm Durchmesser und eine kleine rómische Münze, sog. Tetri- 
kus. Eine Wohnstattenanlage konnte hier jedoch nicht festgestellt werden. 


Die letzte Grabung fand an einem Punkte statt, dessen Umgebung 
durch Abráumungsarbeiten für die Quarzitgrube sehr stark durchwühlt 
und teilweise abgetragen oder mit grossen Abraummassen bedeckt war. 
An dieser Stelle waren Mengen von Scherben, kleine Bronzestücke, 
unbearbeitete Feuersteinstücke zum Vorscheine gekommen. Nur ет 
kleiner Teil des Platzes war unversehrt geblieben und auf diesen be- 
schränkte sich die Grabung. Etwa 80 cm unter der Oberfläche steht 
der helle, unversehrte Sand an. Darüber beginnt eine dunkelbraune 
Erdschicht, die sich ungeändert bis unter die Humusdecke an der 
Oberfläche hinaufzieht. In dieser braunen Schicht ziemlich viele 
Scherben, rómische und germanische, auch einige grobe Feuerstein- 
stücke. Zu bemerken ist hier, dass von Arbeitern in der Nahe dieser 
Stelle ein Feuersteinmesser gefunden war, 8 cm lang, 2,5 cm breit, mit 
gut retouchierten Schneiden. Eine Menge flacher, rotgebrannter Fluss- 


9] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 91 


geschiebe kamen zum Vorschein, die einem Herdpflaster angehórt haben; 
leider war dieses durch die Arbeiten zerstórt, so dass nichts Genaueres 
darüber mitgeteilt werden kann. 

Als die ganze Kulturschicht ausgeráumt und untersucht worden 
war, wurden die Grabungen im klaren, unversehrten Sande fortgesetzt, 
und zwar nach Westen. Scherben kamen lángst keine mehr zum Vor- 
schein, dafür jedoch eine Anzahl sehr kleiner Feuersteinstücke, meist 
éclats; einzelne mussten als Spitzen angesprochen werden, darunter 
eine sehr fein gearbeitete, überall retouchierte sog. Diéderspitze und 
noch ein Schaber von der Grósse eines kleinen Fingernagels. Auch 
ein Nukleus für die kleinen Geräte fand sich vor und ein etwas 
grósserer Schaber aus Quarzit. 

Diese Fundstücke, mikrolithischer Art, haben offenbar mit den 
Wohngruben und ihrem Inhalte nichts zu tun. Sie sind wohl dem Tarde- 
noisien zuzuschreiben und, wie Dr. Hahne mitteilt, dem Funden zu 
vergleichen, die auch in der Lüneburger Heide vorkommen. 


II. 


Das Fundmaterial. 


Nach Beendigung der Grabung sind von den Arbeitern der Quar- 
zitgruben noch mancherlei Funde in dunklen Kulturschichten gemacht 
worden, um deren Bergung und Überweisung ап das Kölner Prä- 
historische Museum Herr Hauptlehrer С. Breuer in Altenrath grosse 
Verdienste sich erworben hat. Es ist Pflicht des Berichterstatters, dem 
Herrn auch an dieser Stelle den besten Dank auszusprechen. Da die 
oben erwähnten dunkleren Kulturschichten meist als Wohn- oder Abfall- 
gruben anzusehen sind und das Material vollständig mit dem durch 
die systematischen Grabungen gewonnenen übereinstimmt, so möge eine 
kurze Zusammenstellung der Funde hier folgen (vgl. Tafel XV). 

Funde von Eisen: Ziehmesser, Meissel, Glocke (Abbildung), kleinere 
Eisenstücke unbekannter Verwendung. 

Bronze: Kannenbeschlag (Abbildung), Bronzering, Bronzeblech, Aucissa- 
Fibel (Abbildung). 


Münzen: Augustus- Münze mit Nachstempel, Tetrikus- Münze, Denar 
des Posthumus. 


Mühlsteine: Zwei ganz erhaltene, in der bekannten runden Form der 
römischen Handmühlsteine mit Loch, mehrere Bruchstücke, 
darunter einer mit tiefen, bogenförmig gezogenen Rillen. 


OO С. Rademacher. (10 


Spinnwirtel: Zwei flache, zwei konisch geformte, einer frgm. ohne 
Ornamente. 


Feuerstein: Messer, 8 cm lang, mehrer kleine Feuersteinstücke zum 
Feuerschlagen. 
Poliersteine aus schwarzem Kieselschiefer. 


Hausverputz: Lehmbrocken der Wande und aus Kalkmórtel hergestellter 
feiner Verputz. 


Formen: Eine massive Tonform zur Herstellung der Gefässe. 
Perlen: Frgm. blaue Glasperle. 


Glas: Einige Bruchstücke rómischen Clases. 


Römische Gefässe: Scherben von Sigillata-Gefássen mittlerer Kaiserzeit 
(Abbildung), Scherben von Kochtöpfen mit umgebogenem 
Rande (Abbildung), Henkel und Bruchstücke grosser Am- 
phoren, Henkel von zweihenkeligen Gefässen, Scherben von 
grösseren und kleineren Gefässen mit profiliertem Rande, 
einige mit eingeritztem Wellenornament. 


Germanische Gefässe: Meist nicht mit Drehscheibe hergestellt. Es 
ergeben sich Gefässe aller Art, Gefässe mit Fuss, Gefässe 
mit scharf abgesetzter Bauchwand, zahlreiche Gefässe (weit 
über 50) mit einfachem Randprofil, meist nur kleine Rand- 
leiste aussen. 


Die Farbe der einheimischen Gefässe ist bald schwarz, bald 
schokoladebraun, bald gelb, bald braun, einzelne von sehr 
feiner Arbeit. 


Unter den Ornamenten tritt verhältnismässig oft die Verzierung 
durch Fingernageleindrücke auf und zwar nicht selten in komplizierter 
Form in der Weise, dass jedes Ornament durch zwei Eindrücke her- 
gestellt erscheint, einmal nach rechts, das andere Mal nach links 
gebogen. Meist sind es die kleineren Gefässe mit scharf abgesetzter 
Bauchwand, deren Unterteil diese Verzierung aufweist. Auch auf dem 
Rande tritt deren Fingernagelornament auf, bei einigen Gefassen um- 
zieht ein Band solcher Eindrücke die weiteste Stelle der Bauchwand. 


Mit dem Fingernagelornament verbunden tritt auch das Ausstechen 
kleiner Flächen in dreieckähnlicher Form auf. Zunächst gibt es Gefasse, 
auf denen letztere Verzierung allein angewandt worden ist, daneben 
aber auch solche, auf denen beide Ornamentarten zusammen vorkommen. 
Die Gefässwand ist in Felder zerlegt; abwechselnd ornamentierte man 
nur ein Feld mit dem Fingernagel, das andere Mal zog man vertikale 
Furchen, die dann mit Ausstich verziert wurden (Abbildung). Ein drittes 
Ornament ist eine kleine rundliche Vertiefung, sehr fein und zart an- 


11] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 93 


gebracht in winkelbandähnlicher Form. Die Winkelbänder treten durch 
Linien, welche die Punzen umziehen, scharf hervor (Abbildung). 


Ein weiteres Ornament entsteht durch das Herausarbeiten kleiner 
Nupfen und Warzen, die, in verschiedener Hóhe herausmodelliert, in 
grosser Anzahl die Gefásswand bedecken. Oft ist auch durch Furchen 
oder herausmodellierte dünne Stäbchen die Gefässwand abgeteilt, und 
die Nupfen und Warzen füllen die Abteilungen aus. 


Endlich ist die Kammstrichverzierung zu erwähnen, die entweder 
über der ganzen Gefässwand für sich angebracht ist, oder aber in 
Verbindung mit polierten, mehr oder weniger breiten vertieften, vertikalen 
Streifen. 


Ein Vergleich des gesamten Fundmaterials mit dem der benach- 
barten sehr zahlreichen Hügelgräber, auch mit dem des nur 1 km vom 
Fliegenberge entfernten Begräbnisplatzes am Ravensberg, beweist sofort 
die grosse Verschiedenheit. Die einheimische Keramik vom Fliegen- 
berge in Form und Ornamentierung ist mit der vom Ravensberge 
nicht gleichzeitig. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es 
am Fliegenberge mit einer germanischen Dorfanlage der Kaiserzeit 
(also nach 50 n. Chr.) zu tun haben, das beweisen die Münzen, die 
Sigillata, die Formen der römischen Gefásse!). Können wir so die 
Dorfanlage nicht mit den naheliegenden Begräbnisplätzen in Verbindung 
bringen, so tritt sehr auffallend die Übereinstimmung mit den Funden 
zutage, die 1899 von Prof. Gundermann im Giessener Stadtwalde ge- 
macht worden sind und die sich nunmehr im Museum zu Giessen be- 
finden. Hier finden wir dieselben Ornamente in Nupfen und Warzen, in 
Kreisen und Kammstrichen wie am Fliegenberge, hier finden wir dieselben 
Formen der Gefásse. Zahlreiche Fussurnen sind dort bei Giessen gefunden, 
es war ет Begrabnisplatz ohne Grabhügel. Die Übereinstimmung ist so 
gross, dass die Scherben eines Gefássbodens von Giessen, den Herr 
Hauptmann Kramer mit anderen Scherben dem Kólner Museum freund- 
lichst überliess, mit einem vom Fliegenberge vollstándig übereinstimmt. 
Es ist dies ет Gefässboden, der in Giessen und am Fliegenberge innen 
zu einer kegelfórmigen Spitze herausgearbeitet ist, ein Vorkommnis, 
das auf keiner Graburne bis jetzt beobachtet werden konnte (Abbil- 
dung von Giessen und Fliegenberg). Hat nun der Giessener Begrab- 
nisplatz, dessen Keramik mit der der Dorfanlage am Fliegenberge über- 


1) Die provinzialrómischen Teile des Fundes gehóren, soweit sie ohne 
Kenntnis der Originale bestimmbar sind, in die frührómische Zeit (vgl. Aucissa- 
fibel), die germanischen dagegen, die der Vf. ganz richtig mit den Funden aus 
Giessen vergleicht, mindestens grósstenteils erst ins 3. Jahrh. nach Chr., was be- 
sonders das Warzenornament der Tongefässe dartut. G. K. 


94 С. Rademacher. [12 


einstimmt, als Graburnen nur jene oben erwähnten Fussurnen, so 
müssen wir unbedingt auch von dem Begrábnisplatze, der zu der Dorf- 
anlage des Fliegenberges gehört, ähnliche oder dieselben Fussurnen 
erwarten. 

Im Jahre 1882 hatte der Berichterstatter von einem Arbeiter in 
den Quarzitgruben eine Graburne gekauft, die in demselben Jahre dort 
gefunden worden war. Der Mann hat die Stelle damals mir gezeigt. 
Bei dieser Urne, so erzáhlte der Arbeiter, habe ein ,,roter Deckel mit 
ausgearbeiteten Figuren“ gelegen. Dieser Deckel war verloren gegangen, 
so dass ich ihn nicht zu Gesicht bekommen habe. 1883 vertauschte ich 
die Urne vom Fliegenberge Herrn Geheimrat Finkelnburg in Godesberg, 
ich habe sie seit der Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen, hatte aber 
wohl noch in der Erinnerung, dass die Form nicht mit den bekannten 
Urnenformen der Gegend übereinstimmte. Die neuesten Ausgrabungen 
am Fliegenberge, die Übereinstimmung des Fundmaterials mit Giessen, 
brachte mir jene Urne lebhaft in die Erinnerung. Herr Prof. Wiede- 
mann in Bonn, Schwiegersohn des Herrn Geh. Rat Finkelnburg, hatte die 
Freundlichkeit, die Urne dem Kólner Museum zu schenken; es war 
eine Fussurne, genau wie die vom Giessener Stadtwalde (Abbildung). 
Bei den Giessener Graburnen sind Sigillatagefásse in grósserer Anzahl 
gefunden worden, und so wird auch der ‚rote Deckel“, von welchem der 
Arbeiter sprach, eine solche Sigillata-Schale gewesen sein. Hoffentlich 
gelingt es, den Friedhof zu der Ansiedelung aufzufinden. Aber auch 
jetzt schon haben wir den Beweis, dass neben unseren Hügelgräbern 
sich Grabfelder am Niederrhein befinden, die, ohne Hügel errichtet, 
eine andere Kultur zeigen, als die in den bekannten Grabhügeln. 


Es ist das erstemal in hiesiger Gegend, dass eine germanische 
Dorfanlage der Kaiserzeit festgestellt werden konnte. Noch nicht über 
alle Fragen der Hausanlage sind wir unterrichtet, weitere Ausgrabungen 
werden hierüber Aufklärung geben. 


Für die gesamte Beurteilung der niederrheinischen Hügelgräber 
sind die Funde am Fliegenberge aber jetzt schon von grosser Bedeutung. 


Nachtrag. 


Gerade in den Tagen der Korrektur der vorstehenden Mitteilungen 
sind von dem Berichterstatter neue Ausgrabungen am  Fliegenberge 
vorgenommen worden, über die an dieser Stelle einige kurze Bemerkungen 
beigefiigt werden müssen. 

Zunächst konnte noch eine Wohnstättenanlage (Grabung 10 siehe 
Abb. 1), aufgefunden werden, welche neue Gesichtspunkte der Beurteilung 


13) Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 95 


nicht ergab, nur fehlen die rómischen Scherben hier vollstándig. Sehr wichtig 
sind aber Grüberfunde, etwa 300 m von der 1. Grabung entfernt (siehe 
Abb. 1), Gräber, die mit der Dorfanlage unbedingt zusammen hängen. 
Unter den Funden sind an erster Stelle zu bemerken: ет Gefäss 
gallisch-rómischer Herkunft mit 6 Gesichtern auf der Bauch- 
wand, die 6 keltische Gottheiten darstellen, darunter eine Gottheit mit 3 
Gesichtern, ein Gesicht en face, die beiden andern im Profil darge- 
stellt; ein rómisches Gefäss, mit Rillen und S-fórmigem Halse, ein 
germanisches Gefäss mit eingeschnittenen Rillen und winkelfórmig 
gegeneinander gelegten Strichgruppen, mit kleinen Punzen und Warzen, 
Bruchstücke eines grossen Bronzegefässes, geschmolzenes Silber, zwei 
Bronzemesser mit Ornamentation, eine Lanzenspitze, eine Eisenfibel mit 
gebogenem Bügel, eine Scheibenfibel mit Feder, Bruchstücke einfacher 
Gefässe und geschmolzenes Glas, einer Flasche wahrscheinlich angehórig. 

Dieser Fund beweist aufs neue die Wichtigkeit der Niederlassung. 
Eine eingehende Publikation wird im 2. Hefte des „Mannus“ erfolgen. 


Digitized by Google 


"28124282 { ше 119219572 М ләр э8еие}10(] ayosiaeaues ag ‘1aqovwmapry 


"AX 12/27 | Y Pg 21421252940 1 anf gft4u251127. ‘snuuvjpy 


Das Aurignacien in Deutschland. 


Vergleichende Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum 


von Rob. Rud. Schmidt-Tübingen. 
Mit 3 Tafeln. | 


In meinem Aufbau der jungpaläolithischen Kulturen Deutschlands'), 
den ich auf Grund neuer Funde und Untersuchungen diluvialer Wohn- 
plätze festlegte, habe ich bereits kurz auf die Vertretung des Aurignacien 
in Deutschland hingewiesen. Die Zahl der Funde erlaubt es heute 
durch unmittelbare Gegenüberstellung, durch eine vergleichende 
Stratigraphie der Fundplätze, die Elemente dieser Kultur für Deutsch- 
land eingehender zu untersuchen. 

Die Frage nach dem Aurignacien, der Vorsolutré-Epoche, die sich 
zwischen der primitiven Kultur des Spätmousterien und der Kultur der 
Lorbeerblattspitzen des Frühsolutréen einschaltet, ist in den letzten 
Jahren neu belebt worden. 

Unter den ersten Forschern, welche die Zusammenhänge der eis- 
zeitlichen Spuren des Menschen, den natürlichen Kulturaufbau zu ent- 
schleiern suchten, war Lartet, welcher dem Jungpaläolithikum zwei 
verschiedene Gruppen zuteilte. Er unterschied eine ältere Gruppe von 
Aurignac, Chatelperron und Gorge d’Enfer, der er eine zweite jüngere 
Gruppe mit dem Magdalénien von La Madeleine und dem Solutreen 
von Laugerie-Haute voranstellte. 

Das System Mortillets, das hauptsächlich auf einer Morphologie 
der Industrien basierte, bot dem Vorsolutreen keinen Raum und man 
verlor diese grundsätzlichen Unterschiede der Lartetschen Einteilung 
aus dem Auge, indem man bemüht war, nach Möglichkeit den lücken- 
haften Aufbau Mortillets auszuflicken. Einen von diesen systematischen 
Zielen unabhängigen Weg betrat Dupont, dessen Forschungen in bel- 
gischen Höhlen eine schärfere Horizontierung und Wechsel des archäo- 
logischen Inventars erkennen lassen. Erst neue Nährstoffe, die der 
Frage nach dem Vorsolutréen durch die jüngeren kritischen Forschungen 
und Ausgrabungen Breuils, Cartailhacs, Peyronys, Bardons, Bouyssonies 


1) В. В. Schmidt, Die spateiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland. Korresp. 
Blatt d. deutsch. anthrop. Ges. 1908. 
Mannus. Bd. 1. 1 


98 Rob. Rud. Schmidt. [2 


u. a. zugeführt wurden, machten sie wieder lebenskraftig. Ein ent- 
scheidender Schritt war hier die vergleichende stratigraphische Studie 
Н. Breuils'), der die Typenreihe der einzelnen Aurignacienhorizonte 
festlegte. Breuil unterscheidet besonders auf Grund der Funde von 
Spy, Trou Magrite und Goyet in Belgien, Solutré, Brassempouy, Pair- 
non-Pair, Arcy-sur-Cure, Le Trilobite, La Ferrassie und Cro-Magnon 
drei Niveaus. 

I. Das untere Niveau, charakterisiert durch die Funde von 
Brassempouy, La Ferrassie, Abri Audit und Pont Neuf, weist noch eine 
Anzahl von Formen des Spát-Moustérien auf, kennzeichnet sich aber 
vor allem durch die Spitzen vom Typus Chatelperron, eine gekrümmte 
Spitze mit einem retuschierten Rande. Hierzu gesellen sich schon 
breitflache Klingen, grobe Werkzeuge aus Knochen und Horn, schaufel- 
fórmig zugescharfte Knochensplitter und Pfriemen. 

П. Vielgestaltiger ist das Inventar des mittleren Aurignacien, das 
an zahlreichen Fundplátzen vertreten ist, wie in Cro-Magnon, La Fer- 
rassie, Tarté, Aurignac, Les Cottés und in mustergültiger Weise von 
Bardon und Bouyssonie in La Comba-del-Bouitou untersucht und 
charakterisiert wurde. Im Vordergrunde stehen Leitformen wie der 
Kielkratzer, ein hochdicker nukleusfórmiger Kratzer von meist nur 
2—4 cm im Durchmesser?) Als gleichwertige Leitform ist die 
Spitze von Aurignac ihm an die Seite zu stellen, eine flache oder 
halbrunde Knochenspitze, die an ihrer abgerundeten Basis mit einer 
engen Querspalte versehen ist, jedoch kommen auch solche ohne ge- 
spaltene Basis vor. Häufig sind die Messer mit tiefen Kerben und 
Einbuchtungen versehen, die sich entweder unmittelbar gegenüberliegen 
und so eine Taille erzeugen oder an ihren Rändern eine Serie schräg 
gegenüberliegender Wechselbuchten tragen. Weniger zahlreich, beson- 
ders selten an der Basis des mittleren Aurignacien (Bouitou, unteres 
Niveau) sind die Stichel. Das erste Erscheinen des Bogenstichels, ein 
kurzer plumper Stichel, der durch länglich abgesprengte Lamellen 
bogenförmig zugespitzt ist, fällt noch in das mittlere Aurignacien. 
Neben diesem werden Stichel an feineren Klingen und Klingenkratzern 
angebracht. 

Ш. Das jüngste obere Aurignacien, das grundlegend in La Font 
Robert, La Gravette und Le Trilobite vertreten, vernachlässigt bereits die 


DH Breuil, La question Aurignacienne, Revue préhistorique 1907, Nr. 6 und 
7; und Les gisements Présolutréens du type d’Aurignac, ХШе Congrés d’Anthro- 
pologie et d’Archéologie préhistoriques, Monaco 1906. 

3) Seine verschiedenen Variationen gehen aus der Studie Bardons und 
Bouyssonies, Grattoir caréné et ses dérivés (Revue de l'école d'Anthropologie 1906) 
hervor. 


3] Раз Aurignacien in Deutschland. 99 


feinere Retuschierung der Klingenránder. Den Kielkratzer behält dasselbe 
noch bei, der sich von seinem massiven Vorláufer durch kleinere Typen 
unterscheidet. Erst zur vollen Geltung gelangt der Bogenstichel, nicht 
minder typisch sind der Eckstichel mit terminaler Endretusche, prisma- 
tische und polyedrische Kernstichel. In die gleiche Typenreihe setzt 
Breuil den Typus von La Gravette, eine spitze Klinge mit einer abge- 
stumpften Schneide, dessen Bedeutung als Leitform aber dadurch 
herabgemindert wird, dass dieser selbst noch im Solutréen wiederkehrt. 
Überhaupt enthalt das ausgehende Aurignacien Westeuropas bereits eine 
Anzahl von Prototypen des Solutréen (wie La Font-Robert). 


Rutots Feststellungen für das belgische Aurignacien!) beruhen 
im wesentlichen auf den bereits erwähnten Forschungen Duponts. Als 
unteres Aurignacien bezeichnet Rutot das belgische Niveau von Hastiére, 
das indessen noch das vervollkommnete Mousterien von La Quina ent- 
hält und somit noch in den Kulturkreis des ausgehenden Moustérien 
fällt. Nach Rutots Annahme aber entspricht der Horizont von La Quina 
dem Breuilschen Horizont der Chatelperronleitformen, denen er nur 
eine lokale Bedeutung zuschreibt. Somit bliebe für das belgische 
Aurignacien nur noch ein mittleres Aurignacien, das belgische Niveau 
von Montaigle, das mit dem Niveau von Cro-Magnon und Gorge d'Enfer 
sich deckt und ein oberes Aurignacien, das belgische Niveau von Trou 
Magrite, bestehen, das dem Niveau von La Font-Robert entspricht und 
wie dieses bereits die Vorboten der Solutréenindustrie aufweist. 


In Osteuropa ist die Aurignacienkultur in typischer Weise in 
Krems und Willendorf vertreten und von Obermaier in den Funden am 
Wagramdurchbruch des Kamp (Niederósterreich) nachgewiesen worden*). 
Überall zeigt sich hier, dass das Aurignacien dem jüngeren Lóss an- 
gehórt, der nach Obermaiers Feststellung für Niederósterreich und 
Máhren die Kulturen des Aurignacien, Solutréen und Magdalénien ein- 
schliesst. Inwiefern diese Feststellung sich bestätigt, werden wir aus 
den deutschen Funden ersehen kónnen. 


Für die Stratigraphie und Typologie des Aurignacien in Deutsch- 
land sind vor allem die drei Fundplatze Sirgenstein (Schwab. Alb), 
Ofnet (bei Nórdlingen) und Wildscheuer bei Steeden a. d. Lahn grund- 


legend, über die ich bereits in einigen kurzen Fundberichten meiner 


1) Rutot, Le Présolutréen ou Aurignacien en Belgique, Congrés préhistorique 
de France 1907. Ders. Moustérien et Aurignacien, Bulletin de l'Académie royale 
de Belgique 1908. 


*) Obermaier, Die am Wagramdurchbruch des Kamp gelegenen niederósterr. 
Quartárfunde, Jahrb. f. Altertumskunde, Zentralkommission f. Kunst- und histor. 
Denkmale, Bd. Il. 1908. 


7* 


100 Rob. Rud. Schmidt. [4 


Ausgrabungen der Jahre 1905—08 Mitteilung gemacht habe !), während 
eine eingehende Bearbeitung in meiner Gesamtarbeit über das deutsche 


Palaolithikum Aufnahme findet. 


Sirgenstein. (Schwab. Alb). 


Die Funde im Sirgenstein, die zum ersten Male fiir Deutschland 
den Beweis erbracht haben, dass eine Entwicklung der jungdiluvialen 
Kulturen sich auch fiir unsere Gebiete bestatigte, kommen in erster Linie 
fiir unsere Aurignacienfrage in Betracht. Der Sirgenstein (Schwab. Alb), 
eine geräumige Jurahóhle, leicht zugänglich und wohnlich, mit einer 
breiten davor liegenden Terrasse, liess drei Hauptablagerungen unter- 
scheiden, deren mittlere durch zwei Nagetierschichten von einer unteren 
und oberen Hauptablagerung geschieden wurde. Diese drei Haupt- 
ablagerungen haben einen gleichzeitigen, markant sich vollziehenden 
Wechsel in der Beschaffenheit der Bodenablagerung, der Tierwelt, wie 
auch des Nutzinventars des Menschen gemeinsam. Aber die schneller 
fortschreitende industrielle Entwicklung überholt den faunistisch klima- 
tischen Wechsel, der in diesen drei grósseren Ablagerungen zum Aus- 
druck kommt und so zeigen sich innerhalb dieser mehrere weitere 
archáologische Schichten, die sich durch die verschiedenen übereinander 
lagernden Herdstellen der Hóhle und Terrasse deutlicher kennzeichnen. 


Die älteste Diluvialablagerung, die unmittelbar auf einem Tertiär 
ruht, zeigt in ihrer unteren Lage ein primitives Mousterien, während 
der obere Horizont ein vervollkommnetes Mousterien enthält, das uns 
in klassischer Weise in dem Moustérien perfectionné von La Quina, 
dem belgischen Horizont von Hastiére, entgegentritt. Dieser Horizont 
zeichnet sich im Sirgenstein durch eine Reihe prächtig retuschierter 
zugeschlagener Schaber vom Typus La Quina, zahlreiche Handspitzen, 
ein auf beiden Flächen bearbeiteter Doppelschaber in Fäustelform, 
Knochenunterlagen (Compresseur) u. a. aus, wahrend er jeglicher An- 
zeichen einer typischen Aurignacienindustrie entbehrt. Unter der Tier- 
welt dieser Schicht finden wir die grosse ausgestorbene Diluvialfauna, 
Mammut, Rhinozeros, aber auch Wildpferd, Ren ua Auffallend ist hier 
das starke Uberwiegen des Höhlenbären. 

Mit dem Ausgang des La Quina-Horizontes kündet sich eine klima- 
tische Schwankung an, die der kleinen Nagetierwelt der Tundra vorüber- 
gehend günstige Lebensverhältnisse gewährte. Die Nagetierschicht, welche 


') В. В. Schmidt, Die neuen paläolithischen Kulturstätten der Schwab. Alb, 
Arch. f. Anthr. 1908; die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Bericht des natur- 
hist. Ver. f. Schwaben und Neuburg, Augsburg 1908; Die späteiszeitlichen Kultur- 
epochen in Deutschland, Korrespondenzbl. f. Anthr. 1908. 


5] Das Aurignacien т Deutschland. 101 


über dem La Quina-Horizont lagert, ist sowohl im Sirgenstein, wie in Ofnet 
und Wildscheuer nur wenige Zentimeter stark. Für uns ist dieselbe aber von 
besonderer stratigraphischer Bedeutung. Mit Abschluss des feuchtkalten 
Klimas bricht ein vollkommener Wechsel in der industriellen Tätigkeit 
sich Bahn. Die Moustérienindustrie tritt mehr und mehr zurück, die 
Bearbeitung der prismatischen Klingen und der organischen Substanz 
gelangt in den Vordergrund, als Elemente der jungpaläolithischen Industrie. 

In der mittleren Diluvialablagerung, die das Aurignacien enthielt, 
liessen sich drei archáologisch verschiedene Horizonte dieser Kultur 
feststellen, die ich hier mit Früh- (Unteres), Hoch- (Mittleres) und 
Spat- (Oberes) Aurignacien bezeichne. 

Das Frühaurignacien. Die Hauptmasse der Steinwerkzeuge 
gehórt auch hier noch der Moustiertechnik an. Den prismatischen Klingen 
mangelt noch die typische Retusche des Aurignacien, wáhrend die 
Ránder zahlreiche Aussplitterungen tragen, so dass sie zuweilen tief aus- 
gekerbt sind. Die Klingen haben nur flüchtig zugeschlagene Kratzer- 
enden und gleichen vollkommen den Stücken, welche sich in dem 
tieferen Aurignacienniveau der Ofnet und Bocksteinhóhle fanden. Haufiger 
sind kurzdicke Absplisse mit Kratzerenden (Fig. 4, Taf. XVI), die wohl 
als Vorláufer der eigentlichen Tartékratzer oder Kielkratzer anzusehen sind. 
Wohl weist dieses Niveau eine Reihe zugespitzter Klingen auf, die jedoch 
nicht mit dem Typus von Chatelperron übereinstimmen. Die geschliffenen 
Knochenwerkzeuge wie Pfriemen sind kantig und uneben zugeschárft, 
Merkmale, die gleichfalls die alteren Stücke des Bocksteinaurignacien 
zeigen werden. 

Das Hochaurignacien des Sirgensteins bietet einen reicheren 
Typenschatz, hinter dem die dekadente Moustierindustrie mehr noch 
als in dem vorhergehenden Frühaurignacien zurücktritt. Die Aurignacien- 
retusche ist bestrebt, alle Ecken und Kanten abzustumpfen und zu 
runden. So entsteht eine Reihe symmetrischer Formen, langliche oder 
spitzovale Kratzer (Fig. 6, Taf. XVI), Doppelkratzer und blattspitzen- 
fórmige Geräte. Vielfach sind an den Klingen ein oder mehrere Nutz- 
buchten angebracht. 

Für die volle Übereinstimmung mit dem westeuropáischen mittleren 
Aurignacien spricht vor allem eine Serie typischer Kielkratzer (Fig. 9a, 
Taf. XVII von oben gesehen, Fig. 9b Seitenansicht), wie sie in West- 
europa in Spy, Tarté, Brassempouy, Cro Magnon, La Ferrassie, 
Pont Neuf, Bouitou, Les Cottés, Trilobite, im Osten in Krems, Willen- 
dorf u. а. wiederkehren. Einige mehr längliche und kleinere Kiel- 
kratzer fanden sich an der oberen Grenze dieser Schicht. Selten sind 
noch die Stichel, die an dicken blattfórmigen Absplissen und an den 
Kanten der Klingen und Klingenkratzer auftreten, dagegen fehlt dem 


102 Rob. Rud. Schmidt. (6 


mittleren Sirgensteinaurignacien noch der Bogenstichel. Zu dem weniger 
typischen Hausrat sind hier noch Klingen mit Aussplitterungen, sog. 
Steinmeissel, Bohrer u. a. zu erwähnen, die aber auch in den übrigen 
Aurignacienhorizonten wiederkehren. Weit zurück treten im Verhältnis 
zu den zahlreichen Steingeráten des Sirgenstein-Hochaurignacien die 
Knochenwerkzeuge; im Vordergrunde stehen hier eine Anzahl von 
Glattern, die aus den Rippen grósserer Tiere (Bar, Pferd etc.) ver- 
fertigt sind, ferner zugespitzte Elfenbeinsplitter, Wurfspeerspitzen und 
Pfriemen aus Knochen und Horn, Kernstücke von Mammutstosszähnen 
mit sog. Jagdmarken и. a. m. Der gleichen Fundschicht gehórt auch 
eine der Form nach mit der Aurignacienspitze übereinstimmende Spitze 
ohne gespaltene Basis an. Alle Knochenartefakte sind hier vollkom- 
mener geschliffen als diejenigen der unteren Aurignacienschicht. 
Einige grundsätzliche Unterschiede weist das jüngste, folgende 
Spütaurignacien des Sirgensteins auf. Zunächst lässt die grosse 
Masse der Steinmanufaktur die sorgfáltige Retuschierung, welche dem 
mittleren Horizont ihren besonderen Stempel aufprágt, vermissen. Die 
Klingenabsplisse sind durchschnittlich kleiner und dünner, so dass eine 
Reihe kleinerer, einfacher und doppelter Kratzer hier vorwalten. Noch 
einige kleinere Exemplare des Kielkratzers (Fig. 13a, b, Taf. XVIII) ent- 
stammen dem Spätaurignacien. Mehr stratigraphische Bedeutung kommt 
hier wohl den zahlreicheren Stichelvarietáten zu, von denen der Bogen- 
stichel (Fig. 17, Taf. XVII), der hier sowohl wie in der Bocksteinhóhle 
ausschliesslich einem späteren Aurignacien zufállt. Häufiger sind kurz- 
dicke Kantenstichel (Fig. 21 a, b, Taf. XVIII) und polyedrische Stichel, 
wie auch dünne Eckstichel mit terminaler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII). 
Hier haben wir das erste Auftreten kleiner spitz zuretuschierter Klingen, 
deren eine Schneide abgestumpft ist, die Breuil mit dem Namen Typus 
de la Gravette (Fig. 22a, b, Taf. XVIII) belegt und als Leitform des 
ausgehenden Aurignacien bezeichnet. Diese Form erlóscht aber noch 
nicht mit dem Aurignacien, kehrt im Solutréen des Sirgenstein wieder 
und lässt sich morphologisch bis in das Spátmagdalénien verfolgen. Ein 
gleiches gilt von den Stielklingen. Auffälliger erscheinen mir einige 
breitere dünne Klingen mit Stielansätzen und der gekrümmte Bohrer 
(Fig. 15, Taf. ХУШ), die ich nur in unserem Spätaurignacien bisher ange- 
troffen habe. Die Knochenwerkzeuge des Sirgenstein-Spätaurignacien 
zeigen keine wesentlichen Unterschiede von denen des vorangehenden 
Hochaurignacien auf. Auch diesem Niveau sind wie in dem Früh- und 
Hochaurignacien immer noch eine grössere Anzahl schlecht ausgeprägter 
Moustiertypen beigesellt, anscheinend jedoch nur an Fundplätzen, wo 
grössere Werkstätten sich vorfinden. Bemerkenswert ist, dass eine Reihe 
solcher Moustierstücke eine zweite Retuschierung erfahren, die eine 


7) Das Aurignacien in Deutschland. 103 


vollig verschiedene Patina aufweist; also von verschiedenen Generationen 
benutzt wurden. An einem Fundplatze wie der Sirgenstein, wo einzelne 
Schichten zuweilen mit Silexstücken übersät waren, ist es nicht zu 
verwundern, wenn hin und wieder einige Stücke an die Oberfláche ge- 
rieten, von neuen Ansiedlern verwendet und nach ihrer Weise verbessert 
wurden. 

Das Sirgenstein- Aurignacien erhält ein besonderes faunistisches 
Gepráge durch das auf dieses Niveau beschrünkte, wenn auch seltene 
Vorkommen der Höhlenhyäne und des Höhlenlöwen. Das Ren ist 
in der Ablagerung des Früh- und Hochaurignacien weit seltener, und 
die nordischen Nager, sowie das Moor- und Alpenschneehuhn fehlen. 
Ein wármeres kontinentales Steppenklima scheint auf das Kaltemaximum 
der unteren Nagetierschicht gefolgt zu sein. Unter der bereits im 
Moustérien vorhandenen Fauna tritt besonders das Wildpferd zahlreich 
hervor; Höhlenbär, Mammut und Rhinozeros begegnen wir fast in gleicher 
Starke. Hier reihen sich и. a. noch Edelhirsch, Wildkatze, Caniden 
und Ovis argaloides an. 

Die Sirgensteinstratigraphie weist über dem  Aurignacien eine 
weitere Folge zweier Kulturepochen auf, eines Solutréen und eines 
älteren. Magdalénien. 


Die Ofnethóhle (Bayr. Ries). 


Bereits in den Jahren 1875 bis 1876 nahm O. Fraas!) eine Grabung 
in der grósseren Ofnethóhle vor. Die Aufmerksamkeit, die seither auf 
die Ofnet gelenkt wurde, fórderte nicht gerade unsere Kenntnisse von 
den eiszeitlichen Kulturen, denn dieser nach dem Sirgenstein reichste 
diluviale Fundplatz Deutschlands wurde durch Raubbau fast völlig er- 
schópft. Das Material, das in den verschiedenen Museen und Privat- 
sammlungen verstreut lag, überzeugte mich, dass in der Ofnet ein Auf- 
bau von mehreren Kulturen vorliegen müsse, der uns wichtige 
Aufschlüsse über die Folge und Entwicklung der jungpaläolithischen 
Kulturen versprach. т den Jahren 1907, besonders im Herbst 1908, 
nahm ich umfassende Ausgrabungen vor, in der Hoffnung noch un- 
gestórte Lagerungen zu finden, die eine stratigraphische Feststel- 
lung erlauben kónnten. Diese Hoffnung wurde in gewissem Sinne 
übertroffen. Unter einem gewaltigen, unmittelbar unter dem Höhlen- 
eingang lagernden, zimmergrossen Felsblock, den ich sprengen liess, 
baute sich zunächst eine 90 cm mächtige alluviale Schicht auf, mit den 
Einschlüssen der Metallzeiten und der jungsteinzeitlichen Kultur. In 
einer Tiefe von 1 m zeigte sich eine nur wenige Zentimeter starke 
rötlichbraune Schichtung mit zahlreichen Ockerstückchen und kleinen 


1) О. Fraas, Korresp.-Blatt f. Anthr. 1876 5, 57. 


104 Rob. Rud. Schmidt. [8 


Feuersteinmessern, die sich zu zwei muldenfórmigen Vertiefungen ег- 
weiterte und an dieser Stelle zwei kreisförmige Schädelbestattungen in 
Ocker aufwies. Der gróssere Bestattungskreis enthielt 27, der kleinere 
6 mit mannigfachen Schmuckbeigaben ausgestattete Schädel, die zahl- 
reichsten fossilen Menschenreste, welche uns aus jener Epoche erhalten 
blieben. Die Tierwelt dieser Schicht verweist uns an das Ende des 
Diluviums, an die Schwelle der heutigen geologischen Ara. Der hier 
stattgehabte Ritus ist ein spät-paläolithischer Brauch, die Schmuck- 
beigaben und Steinwerkzeuge weisen deutlicher auf das Azilien-Tarde- 
noisien des aussterbenden Paläolithikums. Dieser Ablagerung folgen in 
weiterer Tiefe ет wohl ausgeprägtes Spátmagdalénien, ein typisches 
Solutréen und Aurignacien. Ich kann mich hier auf eine kurze Auf- 
zühlung des Aurignacieninventars beschránken, da ich diesen Fund unter , 
dem gleichen Gesichtspunkte bereits in meinem Bericht über die vor- 
geschichtlichen Kulturen der Ofnet!) erwähnt habe und eine erschópfendere 
Mitteilung hierüber in Vorbereitung ist, die in meiner Gesamtarbeit über 
die paläolithischen Kulturen Deutschlands Aufnahme findet. 

Für das Vorhandensein eines Frühaurignacien sprechen auch 
hier tiefausgekerbte und ausgesplitterte Klingen mit nur flüchtig zuge- 
schlagenen Kratzerenden (Fig. 5, Taf. XVI), denen die feinere Aurig- 
nacienretusche noch mangelt. Eine stärkere Betonung findet diese 
Epoche durch den Typus von Chatelperron (Fig. 3, Taf. XVI). Andrer- 
seits aber fehlt das reichere Moustierinventar, welches diese Epoche 
im Sirgenstein auszeichnet. 

Die Anzeichen eines vollentwickelten Hochaurignacien künden 
die verschiedenen Kratzervarietäten mit typischer Aurignacienretusche 
und symmetrische Werkzeugformen, darunter Klingen mit einfachen 
und doppelten Kratzerenden, ferner einige coche-grattoirs (Fig. 10a, 
Taf. XVII, Vorderansicht, Fig. 10b, Rückansicht), Bohrer u. a. Ein 
bei meinen Ausgrabungen vorgefundener Kielkratzer und eine unter dem 
Material des Stuttgarter Naturalienkabinetts befindliche Aurignacien- 
knochenspitze mit gespaltener Basis verweisen noch stärker auf die 
Vertretung eines Hochaurignacien in der Ofnet. 

Einige flüchtig retuschierte Klingen, die ich in einem hóheren 
Niveau der Aurignacienschicht vorfand, sowie Kratzer, Stichel, atypische 
Kielkratzer, Nukleuskratzer, Messer mit stielfórmigen Ansatzen, Pfriemen 
aus Knochen gehóren wahrscheinlich bereits einem jüngeren, einem 
Spát-Aurignacien an. Dagegen fehlen diesem Niveau die spitzen 
Klingen vom Typus Gravette, sowie der Bogenstichel und gekrümmte 
Bohrer, die das jüngere Aurignacien vom Sirgenstein auszeichnen. 


1) В. В. Schmidt, Die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Ber. d. naturw. 
Ver. Schwaben u. Neuburg, Augsburg 19С8. 


9] Das Aurignacien in Deutschland. 105 


Charakteristisch treten die klimatischen Verhältnisse hervor, 
welche zur Zeit des Aurignacien bestanden. Eine dünne, durch 
nur wenige Nagetiere angedeutete Ablagerung zeichnet auch hier die 
untere faunistische Grenze, über der sich das Aurignacien aufbaut. 
Auch die Stratigraphie der Ofnet bestätigt, wie bereits in meinem 
Fundbericht mitgeteilt worden ist: Das Aurignacien der Ofnet fällt in 
die Epoche einer etwas wärmeren, klimatischen Schwankung, die eine 
reichere Anwesenheit der südlichen Spezies, wie der hier so zahlreich 
vertretenen Hyäne und das vereinzelte Vorkommen des Höhlenlöwen 
gestattete, während die hochnordische Tierwelt, wie das Ren äusserst 
selten erscheint und die klimatisch empfindsamere arktische Kleinfauna 
fast gänzlich zurückgedrängt wird. Eine auffallendere Erscheinung im 
faunistischen Gepräge des Aurignacienzeitalters der Ofnet ist das massen- 
hafte Vorkommen und Überwiegen des Wildpferdes, des Hauptnahrungs- 
tieres des Altsteinzeitmenschen, dessen zahlreichste Reste gerade dieser 
Epoche angehören, während den übrigen Diluvialschichten kaum ein 
Zehntel des Pferdekonsums zufallt. Das gleiche Vorwiegen des Wild- 
pferdes im Aurignacienzeitalter bestatigten ja bereits die Funde im 
Sirgenstein u. a. Noch drastischer geht die ,Blüteperiode" des Wild- 
pferdes aus dem Aurignacien des franzósischen Fundplatzes Solutré 
hervor, das durch ein mächtiges Knochenlager dieser Einhufer charak- 
terisiert wird. Unter der übrigen Tierwelt der Aurignacienschicht finden 
wir die Záhne und aufgeschlagenen Knochen des Mammwuts, des woll- 
haarigen Rhinozeros, des Höhlenbären, des Bison, des Riesenhirsches 
und der verschiedenen Caniden. 

Die Stratigraphie beider nur wenige Meter voneinander getrennter 
Ofnethóhlen ist vollkommen die gleiche. In beiden wird das Aurignacien 
überlagert durch ein typisches älteres Solutréen, die Kultur der Lorbeer- 
blattspitzen, wodurch zugleich mit Evidenz die Folge von Aurignacien, 
Solutréen und Magdalénien für Mitteleuropa nachgewiesen wird, eine 
Folge, die von Girod und A. de Mortillet durch die irrtümliche Auslegung 
der Cro-Magnon-Stratigraphie für Westeuropa bisher bestritten wurde. 

Die Bocksteinhóhle. (Schwab. Alb.) 

Ein Aurignacien, das uns gleichfalls einigen Einblick in seine 
Entwicklung gewährt, lieferten die 1883—84 von Bürger und Losch 
gemachten Funde in der Bocksteinhóhle des kleinen hóhlenreichen 
Halbtrockentales der Lone (Schwab. Alb). Bürger !) unterscheidet zwei 


') Bürger, Der Bockstein, XXIII. Versamml. d. d. anthr. Ges. zu Ulm 1892, 
Verein für Kunst u. Altertümer in Ulm und Oberschwaben. — Die Bocksteinfunde 
befinden sich im Altertumsmuseum in Ulm, im Naturalienkabinett, in der Alter- 
tumssammlung und in der Privatsammlung Hedinger in Stuttgart, sowie in anderen 
Sammlungen. Der Rest der Sammlung, den Bürger, der indessen verstorben ist, 
behielt, ist nicht mehr zu ermitteln. 


106 Rob. Rud. Schmidt. [10 


Hauptkulturschichten. Die obere Kulturschicht, welche die meisten 
Funde lieferte, маг 26—30 cm mächtig. Eine 0,50 bis 1 m starke 
lehmige Zwischenablagerung, die nur sehr wenige Einschlüsse enthielt, 
trennte diese von einer zweiten unteren Kulturschicht, die in einer 
Gesamttiefe von 1,90 m etwa eine Stárke von 40—60 cm hatte und 
bis auf den lebendigen Felsgrund der Grotte herabreichte. Der einheitliche 
Charakter der unteren Schicht blieb dank ihrer tiefen und getrennten 
Lage am stärksten gesichert. Dagegen ist bei der oberen Kulturschicht 
weder eine scharfe Trennung von der Humusablagerung beobachtet, 
noch innerhalb dieser an einer Horizontierung festgehalten worden, so 
dass Neolithikum, Spátmagdalénien und Spätaurignacien in eine Reihe 
gestellt werden. Ein Übelstand mag zu dieser Vermischung der Kul- 
turen beigetragen haben, denn die jungfräuliche Unberührtheit, die 
Bürger seiner Fundstátte nachrühmt, traf nicht zu. Eine Kindesmórderin 
wurde, wie sich nachträglich durch amtliche Überlieferung nachweisen 
liess, dort bestattet, um deren diluviales Alter damals ein heftiger 
Streit entbrannte. 

Die untere Kulturschicht enthielt, wie sich aus Bürgers т- 
ventarisierung ergiebt, grosse, breite, im Profil leicht gebogene Klingen, 
deren Ränder unregelmássig retuschiert und mit zahlreichen Aus- 
splitterungen versehen sind. Die Enden der Klingen tragen nicht die 
sorgfältige Rundung des fortgeschrittenen Aurignacien. Für eine archai- 
sierende Technik spricht auch ein kleiner mandelfórmiger Keil (Fig. 2, 
Taf. XVI), der über eine Flache hin retuschiert ist, wie solche noch dem 
Spätmousterien, aber auch dem frühen Aurignacien beigesellt sind. 
Mehrere längliche Kiesel, die in diesem Horizont angetroffen wurden, 
dienten als Unterlage zur Werkzeugherstellung (compresseur). Ganz 
der Technik eines frühen und mittleren Aurignacien entsprechen schaufel- 
förmig zugeschärfte breite Elfenbeinsplitter, ein grober grosser Pfriemen 
(Fig. 1, Taf. XVI), sowie kleinere, alle aber ausgezeichnet durch eine 
gleiche typische, noch unvollkommene Schleiftechnik, d. h. die Stücke 
sind kantig, die Spitze läuft nicht gleichmässig geglättet aus und 
trägt konzentrische Vertiefungen und Unebenheiten. Es sind die frühen 
Versuche einer noch nicht lang erworbenen technischen Errungenschaft 
(desgl. Sirgenstein). Von einer etwas vollkommeneren Technik zeugt 
ein 25 cm langer, aus einer Rippe verfertigter Glätter, dessen Enden 
gerundet, wie sie meist im Hoch- und Spätaurignacien sich finden. 
Die Knochenartefakte der unteren Bocksteinkulturschicht sind wesentlich 
dunkler gefärbt und zeigen eine weiter fortgeschrittene Fossilisation als 
diejenige der oberen Kulturschicht. 

Die Industrie der oberen Kulturschicht kennzeichnet sich 
durch eine Anzahl typischer kurzdicker Bogenstichel (burin busqué), 


11] Das Aurignacien in Deutschland. 107 


Eck-Stichel mit transversaler Endretusche, kleiner Kernstichel und kurzer 
einfacher Schaber; dem gleichen Niveau gehört nach Bürgers Inventari- 
sierung eine prachtvolle Aurignacienknochenspitze mit gespaltener Basis 
(Fig. 8a und b, Taf. XVII) an, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach 
dem tieferen Aurignacienniveau entstammt '), ferner ein Pfriemen mit 
Kopf aus dem Metacarpale des Rens, wie ich solche in der oberen 
Aurignacienschicht der Wildscheuer gewann. (Ein vollkommen gleiches 
Stück, als sei es aus derselben Hand hervorgegangen, fand ich in der 
eine halbe Stunde vom Bockstein entfernten Höhle des Hohlesteins des 
gleichen Tales, unterhalb einer mächtigen Nagetierschicht). In das 
gleiche obere Aurignacien der Bocksteinhöhle gehören eine Anzahl fein- 
gerundeter und polierter kleiner Pfriemen; sie sprechen für eine viel 
grössere technische Vollkommenheit als die Knochenwerkzeuge der 
unteren Aurignacienschicht. Noch ein anderer wesentlicher Unterschied 
besteht darin, dass zu den Artefakten aus organischer Substanz der 
unteren Kulturschicht fast ausschliesslich Elfenbein, zu denen der 
oberen Kulturschicht Horn und Knochen verwendet wurden. Unter den 
Schmuckstücken der oberen Kulturschicht befindet sich ein aus Rentier- 
geweih verfertigter geschliffener Anhänger und ein durchbohrter Bären- 
zahn, wie Bürger einen solchen auch der unteren Kulturschicht zuweist. 


Die Verschiedenartigkeit der Tierwelt dieser beiden Kulturschichten 
giebt sich nach Bürger darin zu erkennen, dass nur der unteren Kultur- 
schicht, die nach meiner Feststellung die Einschlüsse eines frühen bis 
mittleren Aurignacien enthält, die Relikte des Höhlenlöwen, des Riesen- 
hirsches und zugleich die zahlreichsten der Hyäne angehören, die auch 
in der oberen Kulturschicht (des Spätaurignacien) wiederkehrt. 


Die übrige Diluvialfauna wie Höhlenbär, Wildpferd und Ren kommt 
in beiden Kulturschichten vor. Das Mammut, Rhinozeros und Bison 
fehlen nach Bürgers Horizontierung dem oberen Niveau. Dieser Tat- 
sache ist wohl nur die Bedeutung eines Lokalkolorits beizumessen. 

Die obere Kulturschicht Bürgers enthielt aber sowohl die Tierwelt 
als die archäologischen Einschlüsse zweier chronologisch weit getrennter 
Epochen: des Spätaurignacien und davon gut zu unterscheiden Arbeiten 
eines Spätmagdalenien, das nicht allzu reichlich aber typisch ver- 
treten ist. Wir kónnen also bei der Vermischung dieser beiden Kultur- 
ablagerungen faunistisch kein sicheres Bild für das jungere Aurignacien 
mehr gewinnen. 

Im Sommer vergangenen Jahres, мо ich eine systematische 


') Der dem Stücke anhaftende Boden ist nicht hellgelb, wie derjenige den 
oberen Kulturschicht, sondern rotbraun wie die Ablagerung der unteren 
Kulturschicht. 


108 Rob. Rud. Schmidt. [12 


Durchforschung der Höhlen des kleinen weltabgeschiedenen Lonetales 
vornahm, überzeugte ich mich, dass der Fundplatz bis auf den Fels- 
boden der Grotte ausgegraben war. Ein: grósserer, vor der Grotte 
gezogener Graben zeigte unter der 1 m máchtigen Schuttablagerung früherer 
Ausgrabungen die alte Humusdecke in einer Stárke von 53 cm, darunter 
eine dünne graue blättrige Erdschicht von wenigen Zentimetern, mit 
einigen keramischen Einschlüssen der jüngeren Steinzeit. Weniger 
deutlich vollzog sich der Wechsel zu einer hellgraugelben Ablagerung, 
deren oberer etwa 15 cm mächtiger Teil feinsandiger, der tiefere, etwa 
20 cm starke Teil lehmiger war und durch zahlreiche Brandstreifen und 
Knochenkohlen sich abhob. Den wenigen Knochenresten, die ich in 
der letzteren Schicht vorfand, haftete das gleiche Medium an, das sich 
auch noch an einigen Artefakten der von Bürger beschriebenen Stücke 
aus dem oberen Niveau befindet. Nicht nur aus Analogie, sondern 
auch aus diesen stratigraphischen Feststellungen lassen sich hier also 
zwei Niveaus festlegen. Das obere würde hiernach dem Spätmagda- 
lénien, das untere dem Spätaurignacien entsprechen. Während ich 
unterhalb dieser Ablagerung eine nur durch einige Knochenfragmente 
ausgezeichnete dunkelgelbe, lehmige Zwischenablagerung von etwa 1 m 
Mächtigkeit antraf, die auch Bürger erwähnt, zeichnete sich die unterste 
Kulturschicht durch ihre dunkelgelb- bis rotbraune Färbung aus, 
in der ich vorwiegend gróssere Knochenstücke von Mammut, Rhino- 
zeros, Wildpferd u. a. vorfand, die hier bis auf eine Gesamttiefe von 
3,40 m und bis zu dem Felsboden herabreichten. Nagetierschichten 
konnte ich nicht beobachten und keine weitere Horizontierung der 
archáologischen Einschlüsse feststellen. Dazu mangelte es an Fund- 
stücken. Von meiner früher geäusserten Annahme, dass sich auch ein 
Solutréen unter den Bocksteinfunden befinde, muss ich nach dieser 
erneuten Nachprüfung abstehen. Die 
Wildscheuer bei Steeden an der Lahn!) 

ist schon seit 1820 als prähistorische Wohnstätte bekannt. Von ihr 
drang einer der ersten schwachen Lichtstrahlen in die Dämmerung 
urgeschichtlicher Forschung. 1874 nahm Oberst Cohausen?) eine 
grössere Ausrdumung der Höhle vor und hinterliess darüber einige 
Aufzeichnungen und Angaben über die Fundtiefe der augenfalligsten 
Stücke. Behlen?), der 1905 abermals eine Grabung vornahm, wandte 


) В. В. Schmidt, Die spáteiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland und 
Die neuen paläolithischen Funde, Korrespondenzbl. f. Anthrop. 1908. 

2) Cohausen, Die Höhlen und die Wallburg bei Steeden a. d. Lahn, Ann. d. 
Ver. f. Nass. Altertumskunde XV, 1879, S. 223. 

3) Behlen, Eine neue Nachgrabung vor der Steedener Hóhle Wildscheuer, 
Ann. d. Ver. f. Nass. Altertumsk. Bd. 35, S. 29, 1905. 


13] Das Aurignacien т Deutschland. 109 


sein Hauptinteresse der Mikrofauna zu und unterschied die einzelnen 
am stärksten hervortretenden Schichten. Der nördliche Teil des Höhlen- 
eingangs wie der Terrasse blieb jedoch unberührt. Eine im ver- 
gangenen Jahre vorgenommene Untersuchung zeigte hier unter der un- 
gestórten Humusdecke eine lósshaltige, 70—80 cm starke Ablagerung 
mit zahlreichen abgeworfenen Erstlingsgeweihen des Ren, eine nor- 
dische Kleinfauna der Steppe und Tundra und ein Frühmagdalénien. 
Die folgende tiefere Ablagerung mit einem typischen Aurignacien liess 
deutlich zwei Schichten erkennen, eine obere gelbe, lehmige Schicht 
von 60—70 cm mit einem Spätaurignacien und eine untere tief-rotbraune, 
von 60 bis auf 80 cm ansteigende Lehmschicht mit einem Hochaurig- 
nacien. Beide Schichten lieferten bei meiner Ausgrabung noch eine 
Reihe typischer Leitformen. Schliesse ich das mit Tiefenangaben ver- 
sehene Material der Cohausenschen Grabung, das leicht seine Zugehörig- 
keit zu den einzelnen Schichten erkennen lässt (s. Korrespondenzbl.), zu 
einem Gesamtresultat mit ein, so zeigt sich zunächst, dass beide 
Aurignacienschichten der archaisierenden Geräte eines Frühaurignacien, 
sowie des Moustérieninventars gänzlich entbehren. Beide Schichten 
unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich. 

Das Inventar der unteren Ablagerung ist bereits ein sehr vorge- 
schrittenes spátes Hochaurignacien. Die Klingen sind im Durch- 
schnitt grósser als diejenigen der oberen Aurignacienschicht, die besten 
Stücke zeigen die typische Aurignacienretusche. Als Leitformen finden 
wir einen kleineren Kielkratzer und einen groben aus Lydit hergestellten 
Bogenstichel. Einige Klingenkratzer tragen Nutzbuchten (coche-grattoir). 
Zu den übrigen steinernen Gerätschaften gehören Meissel (lames es- 
quillés), Bohrer, Behausteine u. a. Die gleiche Schicht wies ein kleines 
Depot prachtig zugeschliffener, aus den Mittelfussknochen des Pferdes 
verfertigter Pfriemen auf. Ein falzbeinfórmiges Elfenbein-Artefakt zeigt 
eine Rautenverzierung (Fig. 7, Taf. XVIII). 

Das Spätaurignacien der oberen Ablagerung enthielt eine 
Gravettespitze, einen gekriimmten Bohrer (Fig. 16, Taf. Ш), Kanten- 
stichel, Klingen mit Stielansatz (Fig. 14, Taf. XVIII), mehrere schlecht 
retuschierte Messer und Kratzer, einen schaufelfórmig zugeschliffenen 
Róhrenknochen und einen kleineren dünnen Glátter. Ein tief eingraviertes 
Wolfszahnornament auf einem Vogelknochen gehórt gleichfalls der 
oberen Aurignacienschicht an, das von einem schwachen Abglanz jenes 
ersten künstlerischen Triebes zeugt, von dem der Westen Europas uns 
vollendetere Werke überlieferte. Immerhin sind die primitiven Anfánge 
der Ornamentik, die die Aurignacienkultur Belgiens und Frankreichs 
auszeichnen, auch ein Gemeingut der Aurignacienleute Mitteleuropas. 
Auch eine wohl ausgeprágte Schmuckliebe kennzeichnet in Überein- 


110 Rob. Rud. Schmidt. [14 


stimmung mit den westlichen Funden diese Epoche. Zwei durchbohrte 
Pferdezähne, zwei gleichfalls durchbohrte Geschiebesteine als Anhänger, 
eine durchlochte Lyditperle, drei Korallen und ein unbearbeitetes Bern- 
steinstiick sind aus den Aurignacienschichten; ob sie indessen der 
oberen oder der unteren Aurignacienschicht entstammen, lässt sich 
aus den Cohausenschen Notizen nicht mehr feststellen. 

Für das faunistische Gepräge trifft im wesentlichen das zu, was 
bereits für das Sirgenstein- und Ofnetaurignacien gilt. Wärmere Spezies, 
deren bereits das spätere Jungpaläolithikum entbehrt, charakterisieren 
diese Epoche. Die Hyàne ist auf die untere Aurignacienschicht, also 
das Hochaurignacien, beschránkt, wo auch die arktische Mikrofauna 
gánzlich fehlt. Auffallend selten ist das Ren im Vergleich zu seinem 
massenhaften Vorkommen in der Magdalénienschicht. Höhlenbär, Mam- 
mut, Rhinozeros tichorhinus, Wildpferd sind in beiden Aurignacien- 
schichten vertreten, zahlreich jedoch nur das Wildpferd. 


Der Hohlefels bei Schelklingen!) 
ist eine geráumige Nachbarhóhle des Sirgenstein, im Achtale der Blau- 
beurer Alb, ein gewaltiger Hóhlenbárschlupf, der schon in den 70er 
Jahren durch O. Fraas teilweise ausgegraben wurde, von Lokal-Forschern 
aber auf der Suche nach Höhlenbärresten gänzlich durchwühlt wurde, 
so dass eine nachtragliche stratigraphische Feststellung aussichtslos ist. 
Die Funde sind nicht reich. Eine schichtengemásse Untersuchung lag 
den Anforderungen der damaligen urgeschichtlichen Forschung noch 
fern. Das Material enthält vorwiegend ein typisches Spätmagdal£nien. 
Einige grössere Klingen und Kratzer, sowie ein massiver Glätter (Fig. 12, 
Taf. XVIII), gehören wahrscheinlich einem späten Aurignacien an. Die 
Tierwelt ist im wesentlichen die gleiche wie diejenige des Sirgensteins. 


Das Buchenloch (Eifel). 

Ein Künstler, der der urgeschichtlichen Forschung ein lebhaftes 
Interesse entgegenbringt, Maler Eugen Bracht, nahm auf der Suche 
nach den Spuren des steinzeitlichen Menschen eine Durchforschung 
dieser im romantischen Kylltal gelegenen Höhle bei Gerolstein vor, deren 
Ergebnisse er in einer ausführlichen Monogrophie niedergelegt hat *). Die 
Funde sind indessen nicht so zahlreich, dass sie unsere Frage neu 
beleuchten könnten. Bracht unterscheidet eine moderne Ablagerung 
mit römischen Gefässscherben, eine Zwischenablagerung mit zahlreichen 
Resten einer arktischen Nagetierwelt (der oberen Nagetierschicht Sirgen- 
stein, Ofnet, Wildscheuer entsprechend), die nur am Eingang der Höhle 


!) O. Fraas, Die Funde im Hohlefels bei Schelklingen. Württ. Jahreshefte 1872. 
2) Eugen Bracht, Die Ausgrabung des Buchenlochs, Festschr. z. XIV. Vers. d. 
Anthr. Ges. in Trier 1883. 


15] Das Aurignacien in Deutschland. 111 


zu erkennen war, und eine darunter befindliche diluviale Kulturschicht. 
Die diluviale Besiedlung der Höhle fällt in eine faunistische Ara, die 
durch Mammut, Rhinozeros, Ren, Wildpferd, Bison priscus und Höhlen- 
bär ausgezeichnet wird. Unter den Silexartefakten sind eine Moustier- 
spitze, ein Klingenabspliss mit Aussplitterung (lame esquillé) und einige 
Stiicke, die nur wenige Gebrauchsspuren aufweisen. Das Trierer Pro- 
vinzialmuseum besitzt einige Knochenartefakte, darunter ein Fragment 
eines Glátters, der aus einem Rippenstück verfertigt ist, und zwei zuge- 
schliffene Elfenbeinsplitter, wovon der eine spitz, der andere breit aus- 
läuft, alle ausgezeichnet durch kantige Schleiffláchen, wie sie die älteren 
Aurignacienstücke des Sirgensteins und der Bocksteinhóhle aufweisen. 
Diese Stücke gehóren auf Grund analogen Vorkommens dem Früh- 
Aurignacien an, das hier móglicherweise von einem Moustérien unter- 
lagert ward. | 


Die Lóssfunde und ‘paladolithischen Funde aus dem 
offenen Diluvium. 


Zeugen die Höhlenablagerungen für mitteleuropäische Verhältnisse 
von einem gewissen Reichtum technischer Erzeugnisse des Aurigna- 
cienzeitalters, so sind die Funde aus dem offenen Diluvium überaus 
spárlich zu nennen. 

Es ist die verdienstvolle Arbeit Obermaiers, die österreichischen 
Lossfunde vom Standpunkt der modernen diluvialarcháologischen 
Forschung aus neu beleuchtet zu haben und jener einseitigen Beurteilung 
entgegen getreten zu sein, die von rein glacial-geologischem Gesichts- 
punkte aus die Funde beliebigen archäologischen Epochen zuteilt, 
in gänzlicher Unvertrautheit mit der Technik und den Leitformen der 
einzelnen Kulturen. So war es auch bisher in Deutschland als fest- 
stehende Tatsache betrachtet worden, dass alle im jüngeren Lóss be- 
findlichen Kulturreste ins Solutréen gehóren.  Indessen weisen die 
Lóssfunde auch in Deutschland nach meinen letzten archäologischen 
Feststellungen, ausser dem typischen Solutréen, alle Kulturphasen des 
Jungpaläolithikum auf, sowohl Aurignacien wie Magdalénien. 


Metternich (Rheinland). 

Der am besten erforschte Aurignacienlóssfund liegt unweit jenes 
Gebietes, das bereits eine Wohnstátte der Aurignacienleute der Wild- 
scheuer aufweist. Die paläolithische Fundstelle bei Metternich (Re- 
gierungsbezirk Coblenz), lenkte bereits vor drei Jahrzehnten die Auf- 
merksamkeit einzelner Forscher auf sich, und А. Schaffhausen hat in 
den Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preuss. Rheinlande 
und Westfalens der Jahre 1879—83 öfters über diese Funde Bericht 
erstattet, ohne dass ihnen das weitere Interesse der Fachgelehrten 


112 Rob. Rud. Schmidt. [16 


bisher zugewandt wurde. Sichere Aufschliisse gewannen wir erst in 
den letzten Jahren durch die Beobachtungen Giinthers, der, gestützt 
auf eigene Nachgrabungen, sowohl die eigentliche Kulturschicht fest- 
stellte, wie auch genaue Mitteilungen über die Fauna und archäolo- 
gischen Einschlüsse machte'). Ich beschránke mich deshalb auf eine 
archáologische Betrachtung dieser Funde, in denen Günther ein Solu- 
tréen vermutet. Die meisten Artefakte bestehen aus einer Reihe mittel- 
grosser und kleiner Klingenabsplisse, die kleinsten unter ihnen sind völlig 
unretuschiert geblieben und nur als ein Abfallsprodukt zu betrachten. 
Typischer hingegen sind längliche polyedrische (Fig. 19a und b, 
Taf. XVIII) und kürzere nukleusfórmige Stichel, wie sich solche unter 
der Sammlung Günthers und unter den früheren Funden des Bonner 
Provinzialmuseums befinden. Diese sind als typische Formen des Spát- 
aurignacien anzusehen und kehren zur gleichen Epoche im Sirgenstein, 
Bockstein u. a. wieder. Bemerkenswert ist noch ein práchtiger Klopfer, 
wie er nicht gerade ausschliesslich aber doch hàufig im oberen Aurigna- 
cien des Westens (Trilobit u. a.) vorkommt. Die Tierwelt ist nicht 
vollzählig vertreten, enthält aber die wesentliche Fauna des älteren 
Jungpaläolithikum: Mammut, Rhinozeros tich., Edelhirsch, Bos primi- 
genius und Wildpferd. 
Rhens (Rheinld.). 

Noch besser kennzeichnet seine chronologische Zugehórigkeit der 
einige Kilometer von Metternich entfernte Lóssfund von Rhens, wenn 
auch seine Stratigraphie und Tierwelt zurzeit noch nicht vollkommen 
erforscht ist. Die Stücke decken sich im wesentlichen mit denjenigen 
von Metternich. Hier haben wir ausser einer Reihe von Klingenab- 
splissen, die keiner weiteren Bearbeitung unterzogen sind, einen grossen 
Klingenkratzer (Fig. 11, Taf. XVIII) mit einer Retuschierung, wie sie 
übereinstimmend die Aurignacienstücke der Wildscheuer tragen. Ferner 
einen typischen polyedrischen Stichel und einen Bogenstichel (Fig. 18, 
Taf. XVII). 

Thiede (bei Wolfenbüttel). 

Von den weiteren Funden aus dem offenen Diluvium, welche 
paläolithische Artifakte lieferten, kommt das von Nehring untersuchte 
Thiede*) in Betracht, dessen paläolithischer Fundhorizont faunistisch 
in das Bereich des älteren Jungpaläolithikum gehört. Es liegen in- 
dessen nur einige retuschierte Klingenabsplisse vor, sodass die Zuteilung 


') Günther, Paldolithische Fundstellen im Löss bei Coblenz, Bonner Jahr- 
bücher Heft 116, 1907 und im Bericht über die Prähistoriker-Versammlung 1907 
in Koln. 

^) Nehring, Die дчагагеп Faunen von Thiede und Westeregeln nebst Spuren 
des vorgeschichtlichen Menschen (Arch. f. Anthr. 10 u. 11). 


17] Das Aurignacien in Deutschland. 113 


zum Aurignacien nicht weiter nachweisbar ist. Die Gleichaltrigkeit der 
Funde in der Wildscheuer und derer von Thiede und Westeregeln hat, 
auf faunistische Basis gestiitzt, schon Nehring richtig erkannt. 

Auch den Taubach-Weimar-Ehringsdorf-Funden wird durch die 
jüngsten Forschungen Hahnes ein Aurignacieninventar zugeschrieben’). 
Der Gedanke, dass zur gleichen industriellen Epoche in den Distrikten 
Norddeutschlands und denen Mittel- und Siiddeutschlands zwei ver- 
schiedene Tierwelten parallel gehen, ist vielleicht vom geologischen Stand- 
punkt aus diskutierbar, allein wir miissen feststellen, dass typische Leitfor- 
men des Aurignacien bisher wenigstens fehlen. Von allen Taubach-Weimar- 
Ehringsdorf-Stücken, welche mir bisher in öffentlichen und privaten Samm- 
lungen zugänglich waren, sowie aus bisher erschienenen Publikationen und 
Abbildungen ist mir nicht ein Stück bekannt, das mit Sicherheit 
dem Aurignacien zuzuschreiben wäre. Ein dem grattoir caréné als 
»nahestehend* angesprochener kahnfórmiger Schaber”) dürfte wohl kaum 
eine Ahnlichkeit mit diesem Typus aufweisen (vergleiche die Typen- 
reihe von Bouitou u. al Die Bearbeitung sämtlicher Stücke steht 
durchaus im Einklang mit der Technik des Acheuléen und Moustérien. 
Die typische Aurignacienretusche mangelt gänzlich. Mehr Aufschlüsse 
gewähren vielleicht die jüngsten Funde, von denen Hahne in der Zeit- 
schrift für Ethnologie (Heft 5, 1908) berichtet und worunter falzbein- 
artige Glätter und ет dem Typus Pointe à la Gravette nahestehende 
Spitze erwáhnt werden. 

Fasse ich die Resultate, die einer vergleichenden Stratigraphie 
dieser Fundplätze zugrunde liegen, zusammen, so ergeben sich folgende 
Schlussfolgerungen: 

Das Aurignacien erfáhrt durch die Ablagerung einer arktischen 
Kleinfauna, die untere Nagetierschicht, die den La Quina-Horizont des 
ausgehenden Moustérien begrenzt, zunächst eine scharfe Trennung, die 
sich übereinstimmend in den Funden des Sirgensteins, der Ofnet und 
Wildscheuer findet. 

Die Industrie des Früh-Aurignacien, die aus dem Sirgenstein, 
der Ofnet, dem Bockstein und dem Buchenloch hervorgeht, zeigt einer- 
seits noch eine stárkere Abhàngigkeit von der primitiven Moustiertechnik, 
vereint aber andererseits schon in sich die wesentlichen Züge der neuen 
jungpaläolithischen Technik. Die typischen Leitformen des vorge- 
schrittenen Aurignacien wie Kielkratzer, Aurignacienspitze und Bogen- 
stichel fehlen noch gänzlich. Die Randschärfung der im Profil leicht 


1) Hahne und Wüst, Die paläolithischen Fundschichten und Funde der Gegend 
von Weimar. Zentralbl. f. Min. 1908. 


?) Fig. 7. S. 206 der Hahneschen Abhandlung. 
Mannus. Bd. І. = 8 


114 Rob. Rud. Schmidt. [18 


gebogenen Klingen ist noch eine unvollkommene, die Retusche ist un- 
regelmässig über die tief ausgekerbten und ausgesplitterten Klingen- 
ränder verteilt (Fig. 5, Taf. XVI). Nur selten tragen die Klingen flüchtig 
zugeschlagene Kratzerenden (Fig. 4 und 5, Taf. XVI). Feinsymmetrische 
Formen finden wir noch nicht. Kurze dickprismatische Kratzer (Fig. 4, 
Taf. XVI) mógen als Vorláufer des eigentlichen Kielkratzers des Hoch- 
aurignacien anzusehen sein. Der Typus von Chatelperron (Fig. 3, 
Taf. XVI) zeigt eine geringe Verbreitung und kommt nur in der Ofnet 
vor. An die altpaläolithische Industrie sich anlehnende kleine mandel- 
fórmige Keile (Fig. 2, Taf. XVI) sind wie dem Spätmousterien so auch 
dem Frühaurignacien (Bockstein) nicht fremd. Eine spezifische noch 
in ihrer ersten Entwickelung beharrende Technik weist die Bearbeitung 
der organischen Substanz auf. Die groben Pfriemen (ohne Kopf) 
(Fig. 1, Taf. XVI) und die schaufelfórmig zugescharften Knochen und 
Elfenbeinsplitter sind durch kantige oder unebene Schleifflachen aus- 
gezeichnet (Sirgenstein, Bockstein, Buchenloch). Die dekorative Aus- 
schmückung der Knochengeráte setzt im Frühaurignacien noch nicht 
ein, auch findet die Jagdtrophäe als Schmuck noch keine Verwendung. 
Für den Gebrauch von Farbstoffen spricht das Vorkommen des Ockers 
schon mit dem Beginn des Spät-Mousterien im Sirgenstein. Ebenso 
lassen mannigfache ortsfremde Mineralien und Gesteine auf einen be- 
reits schon früher entwickelten Sammeltrieb schliessen. Die indu- 
striellen Charakteristika des Frühaurignacien der erwähnten Fundplätze 
sind im wesentlichen die gleichen, die uns in dem unteren Aurignacien- 
Niveau des Abri Audit, von Chatelperron, Roche au Loup, Pont Neuf 
u. a. entgegentreten. 

Die technisch-stilistischen Eigenschaften des Hoch-Aurignacien 
werden durch die Fundplätze Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer und Bock- 
stein beleuchtet, deren Inventar durch eine gleiche Typenreihe, durch 
gleiche technische Konventionen scharf hervortritt. Die unregelmässige 
Retuschierung des Frühaurignacien wird abgelöst durch eine sorgfältige, 
tiefkannelierende Randschärfung, die sogenannte Aurignacienretusche. 
Die Hochaurignacienarbeit ist leicht kenntlich durch ihre tiefkannelierende 
Retusche, die zuweilen einreihig die ganzen Ränder der prismatischen 
Klingen, häufiger mehrreihig die halbe Oberfläche der Artefakte über- 
zieht oder die Basis der mehr dickprismatischen Klingen durch läng- 
lich schmale Lamellen kielförmig abstumpft. (Fig. 6, Taf. XVI). Diese 
Bearbeitung hat eine Reihe symmetrischer Formen zur Folge. Es ist, 
als sei mit der Epoche der Rundfiguren auch ein stärkeres Symmetrie- 
gefühl erwacht, das selbst in den mitteleuropäischen Werkstätten an 
dem Nutzinventar der Aurignacienleute zum Durchbruch kommt, die 
nicht den vollen Anteil haben an jener hohen künstlerischen Entwick- 


19] Das Aurignacien т Deutschland. 115 


lung, von der uns die Hóhlen Spaniens und Siidfrankreichs künden. 
Vielfache Anbringung kleiner Buchten an grösseren und kleineren 
Klingen (Fig. 10a, b, Taf. XVII) und Klingenkratzern ist vor allem dem 
Hochaurignacien eigen. Der Kielkratzer (Fig. 9a, b, Taf. XVII) steht 
im Vordergrunde der Typenreihe und zeigt seine grösste Frequenz im 
Hochaurignacien (Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer). Die Aurignacien- 
spitze (Fig. 8a, b, Taf. XVII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein) scheint, 
soweit hier feststellbar, ausschliesslich diesem Niveau anzugehören. 
Die Stichel zeigen noch nicht jene Variation und Häufigkeit, die ihnen 
im Spätaurignacien zukommt, meist kehren sie an dicken, blattförmigen 
Absplissen wieder. Der Eckstichel taucht schon im Hochaurignacien 
auf, dagegen liegt nur aus dem späten Hochaurignacien der Wildscheuer 
ein Bogenstichel vor, ein Typus der mehr auf das Spätaurignacien be- 
schränkt zu sein scheint. Die Bearbeitung der organischen Substanz 
gelangt zur volleren Entwicklung. Ausser der Spitze von Aurignac ist 
einer der verbreitetsten Typen der grosse Knochenpfriemen mit Kopf, 
der meist aus der Metacarpale des Pferdes und Rens hergestellt wird 
(Wildscheuer, Bockstein, Hohlestein). Grössere und kleinere Glätter, 
Falzbeine (Fig. 7, Taf. XVII) und Wurfspeerspitzen aus Elfenbein und 
Knochen, geglättete und an der Basis gerundete Elfenbeinsplitter, die 
teilweise mit Kerben, den sogenannten Jagdmarken versehen sind, gehören 
zu den Arbeiten der Hochaurignacienleute. Alle Stücke weisen glatte 
Schleifflächen oder gleichmässig zulaufende und gerundete Spitzen auf 
und unterscheiden sich dadurch merklich von der plumperen Ware und 
unvollkommenen Technik des vorausgegangenen Frühaurignacien. Das 
Hochaurignacien Deutschlands steht mit seinen technischen Eigenschaften 
in Übereinstimmung mit dem mittleren Aurignacien von La Ferrasie, 
Cro-Magnon, Tarté, Aurignac, Les Cottés, Bouitou, dem belgischen 
Niveau von Montaigle und dem mittelosteuropäischen Aurignacien von 
Krems. | 

Das Spát-Aurignacien, das durch die jüngste Aurignacienschicht 
des Sirgenstein, der Ofnet, der Wildscheuer, des Bockstein, ferner durch 
die Funde im Hohlefels und den Lössfunden von Metternich und Rhens 
charakterisiert wird, hat teils noch die rudimentären Züge der vergangenen 
Epoche, teils schon die Charaktere des späteren Jungpaläolithikum. 
Das Inventar der Spätaurignacienschichten ist stets weniger reichhaltig 
als dasjenige des Hochaurignacien. In seinem Gesamtmaterial lässt das 
ausgehende Aurignacien bereits den Verlust der typischen Aurignacien- 
retusche erkennen. Damit treten auch die symmetrischen Formen mehr 
und mehr zurück. Die Klingen sind durdwweg kleiner und dünner und 
nähern sich der Industrie des späten Jungpaläolithikum, während die 


Moustierabsplisse ausser in dem Spätaurignacien des Sirgenstein nicht 
| 8* 


116 Rob. Rud. Schmidt. [20 


wiederkehren. Die Kielkratzer sind seltener und kleiner (Fig. 13, Taf. XVIII). 
Reichere Variationen zeigen nun die Stichel. Der Bogenstichel (Fig. 
17, 18, Taf. XVII Sirgenstein, Bockstein), dessen erstes vereinzeltes Er- 
scheinen bereits in das Hoch-Aurignacien fällt, ist jetzt etwas häufiger. 
Zahlreicher ist der an diinnen Klingen angebrachte Eckstichel mit termi- 
naler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein, 
Metternich). Fast aussdiliesslidi diesem Niveau ist der kurze nucleus- 
fórmige Kantenstichel (Fig. 21, Taf. XVIII, Sirgenstein, Bockstein u. a.) 
eigen; der mehr längliche polyederische Stichel (Fig. 19, Taf. XVIII), der 
einem Nucleus für sehr schmale länglihe Klingen gleicht (Metternich, 
Rhens), ist nur in dem Spätaurignacien anzutreffen und auch in Westeuropa 
auf die jüngsten Ablagerung des Aurignacien beschränkt (z. В. Laussel, 
Dordogne). Einen gewissen chronologischen Anhaltspunkt gewährt unter 
den Bohrertypen des Spätaurignacien der gekrümmte Bohrer (Fig. 15, 
16, Taf. XVIII, Sirgenstein, Wildscheuer) und nur den Gerätschaften des 
Spätaurignacien fand ich dünne, breite Klingen mit Stielansätzen (Fig. 
14, Taf. XVIII) beigesellt (Sirgenstein, Оле, Bockstein, Wildscheuer). 
Die Spitze von Gravette (Fig. 22, Taf. XVIII), kommt dem Spätaurig- 
nacien des Sirgenstein und der Wildscheuer zu, besitzt hingegen nicht 
die Bedeutung einer Leitform, da sie auch in der späteren Epoche des 
Solutréen wiederkehrt. Ganz fehlen die Stielklingen, die das Spät- 
Aurignacien von La Font-Robert auszeichnen, die hingegen auch dem 
Solutréen und Magdalénien eigen sind. Die Knochengeräte weisen keine 
wesentlichen Unterschiede gegenüber denen des Hoch-Aurignacien auf. 
Zu Pfriemen wird ein kleineres Material bevorzugt, ebenso sind die 
grösseren Glättwerkzeuge seltener. Die Verwendung des Elfenbeins 
tritt mehr zurück, während Artefakte aus Horn und Knochen vorwiegen. 
Die technisch-stilistischen Eigenschaften dieser Epoche sind im wesent- 
lichen analog dem oberen Aurignacien von La Gravette und Le Trilobite, 
während es die Prototypen des Solutreen von La Font-Robert und des 
belgischen oberen Aurignacien-Niveau von Trou Magrite entbehrt. 

Im engsten Zusammenhang mit dem Streben nach Symmetrie, 
nach einem gewissen Formideal, das an den Gerätschaften des Paläo- 
litnen des entwickelteren Aurignacien, des Hoch- und Spätaurignacien, 
zum Ausdruck kommt, steht ein neues Element: der Sinn für den 
Kórperschmuck. Das erste Glied in dieser Entwickelungsreihe scheint 
die Jagdtrophäe einzunehmen, denn aus den tieferen Ablagerungen des 
Hochaurignacien liegen durchbohrte Tierzähne des Höhlenbären und 
des Wildpferdes und ein durchbohrter Anhänger aus Rentiergeweih vor. 
Es fehlen hingegen die eigentlichen Kommandostäbe, deren Prototypen 
bereits im Aurignacien Westeuropas erscheinen. Aber noch mit dem 
Hochaurignacien gesellt sich zu dem erwähnten animalischen Schmuck 


21] Das Aurignacien in Deutschland. 117 


der Schmuck aus durchbohrten Geschiebesteinen, Perlen, Gagat u. a. 
Zur Ausschmückung der Geräte finden die einfachsten geometrischen 
Ornamente Anwendung, das Rautenornament (Fig. 7, Taf. XVIII) im späten 
Hoch-Aurignacien, das Wolfszahnornament im Spätaurignacien. Be- 
schränkt sich die Kunst des Aurignacienmenschen unserer Gebiete auf 
diese schwachen Andeutungen, die dem Inventar der Aurignacien- 
schichten der Wildscheuer entstammen, so versagt die Plastik wie die 
parietale Kunst, deren Anfánge im Westen Europas bis in das Aurignacien 
zurückzuführen sind, anscheinend gänzlich. 

Die Aurignacienindustrie aber, die hier eine in allen ihren wesent- 
lichen Punkten übereinstimmende Typenfolge aufweist, bestätigt auch 
trotz des Ausfalls einer hóher entwickelten Kunst, eine Verbindung der 
Kulturzentren West- und Mitteleuropas. Die Einflüsse des Aurignacien 
finden wir selbst in Italien wieder und ihre Kulturgrenze reicht weit 
über Europa hinaus. Geringere Anhaltspunkte haben wir über die 
Existenz und Verbreitung der Rassen des Aurignacienzeitalters. Das 
Aurignacien Westeuropas weist in Spy (zwischen dem Niveau von Hastiére 
und dem typischen Aurignacienniveau) einerseits noch den Neandertal- 
typus auf, während die Aurignacienleute von Mentone der kunstbe- 
gabten Grimaldi-Rasse angehören, die auch als die ersten Vorläufer der 
spätpaläolithischen rituellen Bestattung anzusehen sind. Aus unserem 
Gebiete liegen menschliche Reste des Aurignacien nur aus dem Sirgen- 
stein vor, einige Zähne, die unmittelbar über einer mächtigen Brand- 
schiht im unteren Teile des Aurignacien lagerten; sie zeigen keine 
neandertaloiden Merkmale. 

Von allgemeiner Gültigkeit für das innerhalb meines Untersuchungs- 
gebietes fallende Mittel- und Süddeutschland dürfte die faunistische 
Horizontierung und scharfe geologische Abgrenzung sein, welche aus 
dieser durch mehrere Funde belegten Stratigraphie des älteren Jung- 
palaeolithikum hervorgeht. Das Aurignacien Deutschlands ist ausge- 
zeichnet durch ein wärmeres kontinentales Steppenklima. Die ver- 
gleichende Stratigraphie der Profile zeigt, dass jene Periode als eine 
etwas wärmere klimatische (postglaciale) Schwankung aufzufassen ist, die 
zwischen zwei Kältemaxima eines feuchtkalten Tundraklimas (der oberen 
und unteren Nagetierschicht) fällt. Im Zusammenhang mit der wär- 
meren Klimaphase steht die stete Anwesenheit der südlicheren Spezies 
wie Höhlenhyäne und Höhlenlöwe, welche hier ausschliesslich diesem 
Zeitabschnitt des Jungpaläolithikum angehören, während die subarktische 
Kleinfauma gänzlich fehlt und das Ren sich vor allem selten in den unteren 
Aurignacienshichten findet. Eine Statistik der Tierwelt des Jung- 
paläolithikum Deutschlands ergibt ferner, dass die zahlreichsten Relikte 
des Wildpferdes dem Aurignacien zufallen, dessen Blüteperiode gleich- 


118 Rob. Rud. Schmidt. [22 


falls aus dem westeuropäischen späten Aurignacien hervorgeht, das in seiner 
Faunenreihe ein je nach seiner geographischen Lage sehr verschiedenes 
Colorit zeigt. Auch das Mammut ist in dem Aurignacien unseres 
Untersuchungsgebietes noch häufiger als im späteren Jungpaläolithikum. 
In den Höhengebieten Süddeutschlands ist der Höhlenbär besonders 
in dem frühen Aurignacien sehr zahlreich. Zu der übrigen Tierwelt 
gehören das wollhaarige Rinozeros, Bison, Riesenhirsch, Edelhirsch, die 
Caniden, Wildkatze, Ovis argaloides u. a. 

Während nun die Höhlen Mittel- und Süddeutschlands alle Zeit- 
abschnitte enthalten, liegt aus dem Löss bisher kein älteres Auri- 
gnacien vor. 

Die wichtigsten Profile, die ih durch eigne Ausgrabung oder nach- 
trägliche Untersuchung selbst feststellen konnte, gebe ich zum Vergleich 
in schematischer Darstellung hier wieder. 


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Tafel XVI, 
Tafel XVI, 
Tafel XVI, 
Tafel XVI, 


Tafel XVI, 


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Tafel XVII, 


Tafel XVII, 


Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 


Tafel XVII, 
Tafel XVII, 


Tafel XVIII, 
Tafel XVIII, 


Tafel XVIII, 


Tafel XVIII, 


Erklärung zu Tafeln XVI—XVIII. `) 


R. R. Schmidt, das Aurignacien in Deutschland. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Früh-Aurignacien. 


1 Grober Pfriemen, Bockstein, Untere Kulturschicht. 

2 Mandelférmiger Keil, Bockstein, Untere Kulturschicht. 

3 Chatelperronspite, Ofnet, Untere Aurignacienschicht. 

4 Kurzer dicker Abspliss mit zugeschlagenem Kraterende, Sirgen- 
stein, Untere Aurignacienschicht. 

5 Klinge mit unregelmässig retuschierten und ausgekerbten Rändern, 
Ofnet, Untere Aurignacienschicht. 


Hoc-Aurignacien, 


6 Länglich ovaler Krater mit typischer Retusche des Hochaurignacien, 
Sirgenstein, Mittlere Aurignacienschicht. 

7 Falzbeinförmiges Elfenbeinartefakt mit Rautenverzierung, Wild- 
scheuer, Untere Aurignacienschicht. 

8 Aurignacienknochenspite, Bockstein, Obere Kulturschicht. 

Эа Kielkra&er, von oben gesehen, 9b Seitenansicht, Sirgenstein, 
Mittlere Aurignacienschicht. 

10 Klingenabspliss mit Buchten, Ofnet, Aurignacienschicht. 


Spät-Äurignacien. 


11 Klingenkrater, Rhens, Lössscicht. 

12 Fragment eines Glätters, Hohlefels-Schelklingen. 

13 Kleinere Kielkrater, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 

14 Klingen mit Stielansat, Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht. 

15 Gekrümmter Bohrer Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 

16 Desgl. Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht. 

17 Bogenstichel, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 

18 Desgl. Rhens, Lössschicht. 

19 Länglicher polyedrischer Stichel, Metternich, Löss. 

20 Stichel mit terminaler Endretusche, Sirgenstein, Obere Aurig- 
nacienschidt. 

21 Kurzer kernförmiger Kantenstichel, 
nacienschicht. 

22 Gravettespite, Sirgenstein, Oberc Aurignacienschicht. 


Sirgenstein, Obere Aurig- 


') Alle Figuren sind in natürliher Grösse. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1. 


Fig. 4. Fig. 5. 


Curt Kabitzsch (А. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Schmidt, Das Aurignacien,in Deutschland. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. Taf. XVII. 


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d Fig. 10а. 


Fig. 9b. 


Fig. Эа. 


Fig. 10b. 


Schmidt, Das Aurignacien in Deutschland. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ва. I. 


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Fig. 22. 
Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


Fig. 21b. 


Fig. 15. 
< chmidt, Das Aurignacien in Deutschland. 


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Il. Mitteilungen. 


Ostgotische Helme und symbolische 


Zeichen. 


Von Professor Dr. Alfred Gótze in Berlin. 
(Vorgetragen in der Sitzung der ,Berliner Zweiggesellschaft für Vorgeschichte“ 


vom 22. April d. J.) 


Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel. 


Bei den Vorarbeiten für die Fortsetzung der ,Germanischen Funde 
aus der Vólkerwanderungszeit", deren zweiter Band!) ostgotische 
Diademe und Helme behandeln soll, hat sich eine Anzahl interessanter 
Probleme ergeben, von denen ich hier einige Punkte vorläufig kurz 
hervorheben móchte, deren ausführliche Behandlung aber der genannten 
Veróffentlichung vorbehalten bleibt. 

Uber die Herkunft der sechs- bezw. vierteiligen Spangenhelme 


der Merovingerzeit ist 
trotz mehrfachen Erórte- 
rungen nochnichts einiger- 
massen Sicheres ermittelt 
worden. Namentlich ist 
es bisher noch fraglich 
geblieben, wie sich der 
Typus entwickelt hat 
und auf welche Vor- 
läufer er zurückgeht; all- 
gemeine Vergleiche mit 
orientalischen Helmen 


führen nicht zum Ziel. 


Wenn es nach dem Ent- 
wicklungsgang, den die 
germanische Kunst der 
Völkerwanderungszeit im 
allgemeinen genommen 
hat, von vornherein wahr- 
scheinlich ist, dass man 


Abb. 1. Ostgotischer Helm aus Südrussland. 


die Vorläufer der Spangenhelme im ostgotischen Kulturkreise Südruss- 
lands zu suchen hat, fehlte es doch bisher an einschlägigem Fundmaterial. 


1) Erster Band: Gotische Schnallen. Berlin 1907. 


122 Alfred Gótze. (2 


Diesem Mangel ist nun durch einige neuerdings bekannt gewordene 
Helme ostgotischer Herkunft abgeholfen worden, in denen ich die Vor- 
laufer der Spangenhelme sehen móchte (Abb. 1). Sie bestehen aus 
vier dreieckigen Eisenplatten, die an den Rändern zusammengenietet 
sind. Zu beiden Seiten befindet sich je ein Loch zur Befestigung des 
Kinnriemens (oder der Wangenklappen?). Spuren im Eisenrost, in einem 
Falle sogar Überreste eines gepressten Silberbandes lassen erkennen, 
dass den unteren Rand ein umgelegter Ornamentstreifen zierte. Wenn 
auch die Unterschiede zwischen diesen Helmen und den Spangenhelmen 
nicht übersehen werden dürfen, sind sie, was das Wesentliche der Kon- 
struktion anlangt, jedoch derart, dass die ostgotischen Helme die ver- 
nünftige konstruktive Vorstufe für die eigentlich widersinnige Konstruk- 


Abb. 2. Schnalle aus Abb. 3. Zeichen von den Runen- Abb. 4. Südrussische Zeichen. 
der Gegend von speeren von Müncheberg 
Kertsch. und Kowel. 


tion der Spangenhelme bilden. Man kann sich den Entwicklungsgang 
wohl so vorstellen, dass die Nietränder zunächst durch Ornamentbänder 
verdeckt wurden, dass letztere immer festere Struktur und konstruktive 
Bedeutung erlangten, wodurch schliesslich die Nietung der Eisenplatten 
aneinander überflüssig wurde und so letztere in ihrer Form degene- 
rierten. 

Ob der ostgotische Helmtypus das originale Ergebnis aus Zweck 
und Technik ist, was wegen der einfachen Form und Technik nicht 
unmöglich erscheint, oder ob schon bestehende Helmtypen mitgewirkt 
haben, lässt sich noch nicht mit Sicherheit nachweisen. In letzterem 
Fall kommt der bosporanische Kulturkreis in Betracht, wo ähn- 
liches vorliegt. Namentlich handelt es sich um Wandmalereien und 
Reliefs, auf denen ganz ähnlich geformte Helme dargestellt sind. Bei 
den engen Beziehungen zwischen der bosporanischen und goti- 
schen Kultur würde es wenigstens durchaus nicht auffallen, wenn 
ausser manchem anderen Kulturgut auch der Helmtypus von den Goten 
übernommen worden wäre. Diesen Beziehungen will ich hier nicht 
weiter nachgehen, sondern sie nur durch ein Beispiel illustrieren. Im 
bosporanischen Kulturkreis kommen eigentümliche Zeichen zahlreich 
vor, die an Gebrauchsgegenständen, Tongefässen, Waffen, Schmuck- 


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3] Ostgotische Helme und symbolische Zeichen. 123 


sachen, besonders an Schnallen (s. Abb. 2), ferner auch auf Grab- 
steinen und sonstigen Skulpturen (s. Tafel XIX, Herr Mavrogordato war 
so liebenswürdig, mir die Photographie zur Publikation zu überlassen) 
angebracht sind. Sie kommen ferner vor in Funden, die schon gotische 
Elemente aufweisen, sie müssen also den Goten bekannt gewesen sein; 
die Chronologie bereitet keine Schwierigkeiten, da sie sich noch im 3. Jahrh. 
n. Chr. nachweisen lassen. Man trifft sie schliesslich in den ver- 
schiedensten Varianten zusammen mit anderen Zeichen an, die in der 
Form zwar etwas abweichen, aber doch noch unverkennbar verwandt sind. 

Hier kommen wir an eine Stelle, wo Bosporanisch-Gotisches mit 
Skythischem zusammentrifft. Auch die skythische Kultur kennt eigen- 
artige Zeichen, die den bosporanisch-gotischen verwandt sind. Hierauf 
und auf die sonstigen Zusammenhänge skythischer und gotischer Kultur 
(den Nachweis eines direkten Zusammenhanges werde ich an anderer 
Stelle bringen) will ich aber hier nicht eingehen, sondern nur noch 
kurz auf die Beziehungen obiger Zeichen zu den bekannten Runen- 
speerspitzen von Müncheberg und Kowel hinweisen. 

Auf beiden befinden sich ausser der Runeninschrift allerhand 
Zeichen, die teils, wie Triquetrum und Suastika, allgemein verbreitet 
sind, teils aber bisher sonst unbekannt waren (Abb. 3). 

In den oben erwahnten südrussischen Zeichen, die sich an die 
bosporanischen anschliessen, treten nun Vergleichsstücke zu den Runen- 
speer-Zeichen auf (Abb. 4). Die Ubereinstimmung im konkreten Bei- 
spiel ist zwar nicht vollkommen; wenn man aber den Stil der in den 
verschiedenartigsten Formen auftretenden südrussischen Zeichen, von 
denen hier nur einige Proben gegeben sind '), in ihrer Gesamtheit über- 
sieht, kann man nicht im Zweifel sein, dass hier ein Zusammenhang 
mit jenen der Runenspeerspitzen vorliegt. 

Das Hakenkreuz Abb. 4c erscheint als eine Zusammensetzung 
aus zwei Zeichen der Form 3b; es kommt übrigens in ganz identischer 
Form auf einem Eisenmesser aus dem Gräberfelde der römischen 
Kaiserzeit von Fohrde, Kr. Westhavelland, vor. Die ,Mondsichel“ der 
beiden Runenspeere ist in Südrussland auf einen altarartigem Bau ge- 
setzt, wie es dort mit jenen Zeichen gern geschieht. 

Es erhebt sich nun die Frage: sind die Runenspeere in ihrein 
Fundgebiete oder in Südrussland hergestellt? In ersterem Fall ergibt 
sich ein starker Einfluss der südrussisch-gotischen Kultur auf die nord- 
ostgermanische. Im zweiten Fall tritt sofort die schwerwiegende Frage 
nach der Herkunft der Runen überhaupt in den Vordergrund, für deren 
südlichen Ursprung man die angedeuteten Verhältnisse mit in Anspruch 
nehmen kann. 


1) Ich hoffe, das mir vorliegende reiche Material, das ich zum Teil Herrn 
Mavrogordato verdanke, zum Teil auf meiner vorjährigen Reise in Stidrussland ge- 
sammelt habe, bald veróffentlichen zu kónnen. 


Über die ersten Anfánge vorgeschichtlicher 
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. 


Ein Beitrag zur Geschichte der prähistorischen Wissenschaft. 
. Von Dr. Hans Hess von Wichdorff in Berlin. 


Ein eigenartiges Schicksal hat es gewollt, dass die beiden be- 
deutendsten Geologen im Ausgange des Mittelalters — Georg Agricola 
und Petrus Albinus — trotz ihrer umfangreichen und eingehenden 
Kenntnisse sich von den mittelalterlichen Anschauungen über das Wesen 
und die Entstehung der Versteinerungen nicht loszureissen vermochten. 
Noch ein Jahrhundert später erblickte man allgemein in den zahlreichen 
fossilen Pflanzen- und Tierresten, die in den verschiedenen geologischen 
Formationen als Zeugen vergangener Erdepochen und ihres organischen 
Lebens inneliegen, merkwürdige Zufallsgebilde oder, wie man sie nannte, 
„lusus naturae". Um so auffälliger ist es daher, dass beide Forscher 
auf vorgeschichtlihem Gebiete, dessen Objekte in jener Zeit in ganz 
gleicher Weise abergläubische Deutung erfuhren, bahnbrechend für die 
modernen Anschauungen wirkten. 

Mit welcher Zähigkeit man damals, hauptsächlich wohl aus reli- 
giösen Bedenken, trotz besserer Erkenntnis die alten negierenden Ап- 
sichten über vorgeschichtlihe Urnenfunde zu vertreten pflegte, zeigt am 
besten Johannes Matthesius in seiner Bergpostille (Sarepta con- 
cione XV !): | | 

„Ein wunderlich ding ist es gleichwol / das so mancherley form an 
„denselben Topffen sein | das auch keiner dem andern gleich ist | vnd 
»das sie vnter der Erden weich sein | wie die Corellen im Wasser | vnd 
„ап der Lufft hart werden. Item das in einem jeden Topff was sonder- 
„іаѕ lieget. Ich hab ein wundschaffen Ringlein an einer Greffin ge- 
„sehen / von Gold | Silber vnd Kupffer | sehr artig gewunden / das hat 
„man in einem solchen Erdtopff gefunden. Man disputirt wol | es sey 
„etwan an dem ort ein Begrebnus gewesen | darinnen man todter Leut 
„Asche j wie in den alten Vrn oder Trentöpfflein | darein man der 
„weinenden Zeeren gefasset habe. Aber weil man die Töpffe nur in 
„Meyen grebt/ da sie sich selber verrathen ! vnd als were die Erden 
»schwanger | einen Hübel machen | darnad sich die so ihnen nad 
„gehen | richten | las ichs natürliche vngemachte | vnd von 
„Gott vnd der natur gewirckte Töpffe sein.“ 


!) Zitiert bei Petr. Albinus ,Meyssnische Bergchronika“ pg. 179. 


2] Über die ersten Anfänge vorgeschichtlichher Erkenntnis im Ausgange usw. 195 


Der abergläubishe Sinn des gemeinen Mannes aber hing an der 
uralten Überlieferung, wonach die vorgeschichtlichen Gefässe das Geschirr 
der sagenhaften früheren Zwergbevölkerung, die als Pygmäen die Höhlen 
des Landes einst bewohnt haben sollten, dargestellt hätten; man nannte 
sie daher gewóhnlid auch Zwergtópfe. Der erste Mann, der mutig 
eine neue Änschauung vertrat, war der ausgezeichnete Geologe und 
beste Bergwerkskenner seiner Zeit, der Arzt Georg Agricola, der zuerst 
in Joachimsthal, später bis an sein Lebensende in Chemnitz ansässig 
war. Agricola wies nach, dass die Erdtöpfe tatsächlich die Urnen seien, 
in denen die frühere heidnishe Bevölkerung des Landes ihrer Sitte 
nach die Asche der verbrannten Toten beigesetzt habe. 

Im 3. Anhang des 7. Buches seines im Jahre 1546 erschienenen 
Werkes „De natura fossilium“ gibt Georg Agricola seine Ansichten über 
vorgeschichtliche Fundgegenstände folgendermassen wieder (nach der deut- 
schen Übersetzung des Bergmeisters Ernst Lehmann, Freiberg 1810): 


„Man hat innerhalb der Erde thönerne Gefässe mit engem Halse, 
„weitem Bauche, mit 1, 2 bis 3 Henkeln, zuweilen sogar mit einem 
„Deckel, angetroffen. Sie werden an mehreren Orten ausgegraben, be- 
„sonders bey dem sächsischen Dorfe Fertesleben, einem Matthias Schulen- 
„burg gehörig, in einem Weinberge; ferner bey Lübben in der Nieder- 
„lausitz, 10000 Schritt von Luckau; weiter auf dem Seeberge in 
„Thüringen, 1 bis 2 Schleuderwürfe weit von Steinburg. Der unwissende 
„Haufe in Sachsen und in der Niederlausitz glaubt, dass sich diese 
„Flashen innerhalb der Erde erzeugt haben; der thüringische, dass 
„sih ihrer die Affen bedient haben, welche ehemals den ausgehöhlten 
„Seeberg bewohnet. Bey Lichte betrachtet sind es Urnen, worin die 
„alten Germanen, dem Christenthume noch nicht zugewandt, die Asche 
„der verbrannten Leichname aufbewahrten. In allen diesen bedeckten 
„Gefässen findet man Asche, manchmal auch Kohlen, ja sogar Ringe.“ 

Petrus Albinus, Agricolas geistvoller Nachfolger, hat in seinen 
historischen und bergbaugescichtlihen Werken sich zu der gleichen 
Meinung bekannt und zugleih mit besonderem Interesse die Kenntnis 
der vorgeschichtlihen Dinge befördert. Er war wohl auch der erste 
deutsche Forscher, der eine systematishe vorgeschichtliche Aus- 
grabung veranstaltete, um gewisse vorgeschichtliche Fragen zu lösen. 
Sein Ausgrabungsbericht, vermutlich der älteste erhaltene, lautet folgen- 
dermassen: | | 

»Derwegen ih mich im Jar 1587 im Herbst die warheit zu 
„erkündigen | selbs vnterstanden etlihe solcher Hügel | so nicht fern 
„von dem Städtlein Zanaw | bey dem Dorff Bergzanaw/ auff vnd 
„durchgraben zu lassen | da ich denn in des meisten theils solche Reyen 
„oder Circkel von grossen Feldtsteinen | vnd im mittelsten Circkel die 
„Vrnas mandherley form | aber weil sie vielleicht von der vietrifft vnd 
„wind am Sande sehr entblöset | meistes theils zubrochen vnd voll Sande 
„oder Erden gefunden | darneben gleihwol in etlihen Aschen | Beyn 
„упа Kohlen gewesen. Dieses aber ist sonderlich zumercken | das ich 
„kleine Näplein dabey gefunden / fast in der form | wie man die Käss- 
„näplein macht / doch vnten kewlich | auff deren jeden an einer seiten 
„ein Löclein mit einem Daumen eingedruckt | das mans desto besser 
„dabey halten mögen | Solche haben ich vnd Magister Osswaldus Vogel | 


126 Hans Hess von Wichdorff: Über die ersten Anfünge usw. [3 


„Superintendens zur Zanaw | тет lieber Gevatter vnd vertrawter Freund | 
„für die jenigen Vrnulas angesehen | darein man die Trenen der wei- 
,nenden, so vorzeiten zu den exequiis oder bestetigung der verstorbenen | 
,mit Gelde sein gedinget worden | gesamlet. Werden von etlichen Plen- 
„disteria genennet. 

„In dem grósten Hübel oder Berg aber so fast mitten vnter den 
,andern | deren in 16 oder mehr gewesen | funden wir erstlich eins 
„Lachters tieff | ein gantz Menschen Gebein in der ordnung | wie das 
„Cadauer war begraben worden | an welchem die schinbein grosserer 
„lenge | auch die Kinbacken noch gar voll frischer weisser Zeen, Vnter 
„welche noch eins Lachters Geff etliche grosse Feldwacken lagen | mit 
„breite Steinen bedact / da zwischen ein grosser hauffen gar schöne 
„weisgrawlichte Азфеп | welche etwas fette anzugreiffen gewesen. Aus 
„welchen allen so viel zu sehen / das es Begrebnussen der Heyden sein. — 
„Ich las es derwegen dabey bleiben | das es urnae mortuorum sein“. 

Albinus erwähnt in seiner „Meissnischen Bergchronika !)* ferner 
eine grosse Anzahl vorgeschichtlicher Fundorte, deren Namen mit ihren 
entsprechenden heutigen Bezeichnungen ich hier folgen lasse: 

a) Clöden und Schmiedeberg, zwischen Torgau und Wittenberg rechts 
und links der Elbe gelegen (Provinz Sachsen). 

b) e bei Senftenberg = Coschenberg bei Senftenberg (Nieder- 
lausitz). 

c) Tribel am Buchholtzerberg = Triebel bei Sorau (Niederlausitz), 

Buchholz Nachbardorf. 

d) Luben zwee Meilen von Luccaw = Liibben bei Luckau (Niederlausitz). 
e) Guckelberg '|» Meile von Sagen in Schlesien = bei Sagan in Schlesien. 
f) Zwischen Bergsdorff vnd Greus = zw. Bergisdorf und Greisitz bei 

Sagan. 

g) Nicht näher bezeichneter Ort zwischen Bober und Neisse in 

Schlesien. 

h) Fertesleben in einem Weinberg ein halbe meil vom Schlos Schricka 
= Farsleben bei Schricke unweit Wolmirstädt bei Magdeburg. 

i) Reinish Zabern = Dorf Rheinzabern (Pfalz). 

К) Im Land zu Hessen bey Giesa im Dorff Dudershoffen -- Duden- 
hofen bei Giessen (Hessen). 

1) Zanaw und Wergzanaw -- Zahna und Marzahna bei Wittenberg 

(Prov. Sachsen). 

m) Guben (Niederlausitz). 


!) Petrus Albinus, Meissnische Bergk Chronica. Dresden 1590. Seite 177— 180. 


Vergessener Bericht uber ein Urnen- 
sraberfeld der Laténe-Zeit (?) in Ermsleben, 
Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710. 


Von Gustaf Kossinna. 


Mit 1 Textabbildung. 


Paul Christ. Hoepfneri, scholae senat. Halberstad. Con-Rect., Ger- 
mania antiqua oder kurtze Fragen von denen alten Gebräucen der 
Teutschen bis auf den ersten Teutschen Kayser Carolum den Grossen 
aus den bewerthesten Auctoribus, soviel davon vorhanden, zusammen 
gefasset. Halle im Magdeb. a. 1711. [Vorrede Blatt b 9—b 11]. 


„Es haben auch erst neulich bey Ausgang des 1710 ten und Ein- 
gang des 1711 ten Jahres einige solhe Todten-Tópfe in und ausser 
Ermsleben sich hervorgetan... Und ist also glaubähnlich, dass diese 
Todten-Tópfe von den alten Teutichen in dem Heidenthum herrühren, 
und über 1000. Jahre alt sind. Deren sind etliche in dem Orte selbst, 
bey Gelegenheit eines neuerbauten Hauses gefunden: etliche aber ausser 
demselben an einem Wassergraben, da das von den nahe gelegenen 
Bergen herabschissende Regenwasser unter die Erde nach gerade weg- 
gespület, dass sie oben nachgefallen, wodurch diese Todten-Tópfe un- 


128 Gustaf Kossinna: Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld usw. 2 


gefähr sind entdecket worden, davon #24 gedachter Herr Past. prim. und 
Inspect. Reimann viele Scherben, aber auch unterschiedliche ganze Töpfe 
bekommen hat, welche Er in Kupfer hiervor stechen lassen [vgl. Abbildung]. 
Es sind aber deren einige von groben Thon fast einen Finger dicke, andere 
aber dünner, und sind inwendig roth, wie ein gemeiner Thon gestalt: 
oder sie sind in der Mitte schwartz und ausswendig und inwendig roth. 
Andere sind ganz zart, wie Serpentin, und schwartz, deren etliche etwas 
dicker, etliche aber gantz dünne, und schön gläntzen, wenn sie von der 
anklebenden Erde gesäubert werden. Ihre Gestalt ist gar unterschiedlich, 
denn einige gehen unten spitz zu: einige sind breit und mit einem | 
dicken Bauche. Der Hals ist bey den gröberen lang, bey den subtilern 
kleiner, oder es ist gar nur ein kleiner Rand herum. Die Groben sind 
mit vielen Finger Knippen herum gezeichnet, oder auch mit vielen kleinen 
Strihen. Die subtilen sind oft ganz bloss, oder haben in der Mitte 
einen oder mehr Reifen herum ; oder sind mit viel andern Strichen und 
Puncten bezeichnet. An den groben sind mehrenteils eine oder zwo 
gebogene Henge oder Handhaben oder nur grosse Puckeln oder Hacken 
von Thon: an den subtilen sihet man dergleichen nicht. Es sind auch 
auf etlichen Deckel gewesen, die aber aus Unverstand und Unvorsichtig- 
keit entzwey gestossen. Insgemein sind sie theils grösser, theils kleiner, 
darunter ein klein schwartzer wie ein Suppen-Töpchen vor die Kinder, 
wobey auch ein k[l]einer Löffel ist von eben der Materie, der vielleicht 
den Todten solte dienen die Speise damit zu nehmen. Wie man denn 
weiss, dass man den Todten allerley Geräthe habe mit gegeben, so sie 
in diesem Leben gebraucet, dass sie selbiger auch in jenem Leben 
sich bedienen können, und daneben ihnen Essen und Trinken ins Grab 
gesetzet, wie Micrael. praefat. part. 2. lib. 3 bezeuget. Und Herr 
Schottel, Von der Teutschen Hauptsprache lib. 5 Tract. 6. р. 1287 
meldet dieses: Ich weiss, dass noch vor wenig Jahren verstopfte Glaser 
mit schónen Bier gefüllet, aus der Erden, da man sie vor vielen Jahren 
den Todten zu gut hineingesetzt, gegraben seyn, und solch ein Glass 
ist mir einmahl in D. Christoph. Albini Medici Stetinensis Hause ge- 
zeiget, welches zum Gedächtnis aufgehoben war. Mit welchen Worten 
ich diese Vorrede schliesse und dem geneigten Leser gegenwärtiges 
Werkchen bestens recommendire, nicht als etwas Vollkommenes, sondern 
als einen Anfang und Anleitung die Antiquitäten unsers Vater- 
landes mehr und mehr aufzusuchen, damit wir nicht hospites 
in patria seyn mögen, da andere Völker ihre Alterthümer so 
sorgfältig zu untersuchen bemüht sind, und wir uns іл den 
vorigen Zeiten mehr um andere, als um uns selbst beküm- 
mert haben. 
Er lebe wohl!!!“ [nämlich: der geneigte Leser.] 
Man sieht: „Einst alles wie Heut’!“. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Vorbemerkung. Diese Abteilung: unserer Zeitschrift, die bei 
dem ersten Versuche noch recht unvollkommen oder wenigstens unvoll- 
ständig erscheint, soll künftig möglichst reichhaltig ausgebaut werden. 
Dazu ist natürlih die Mitarbeit aller interessierten Museen und ge- 
lehrten Gesellschaften und Vereine unseres Faches allererste und not- 
wendigste Vorbedingung. Vor allem werden hierdurh diejenigen 
Museen und. Vereine, die wir zu unseren Mitgliedern 
zählen, ebenso aber auch alle diejenigen, deren mass- 
gebende Vorstände oder Vorstandsmitglieder unserer Ge- 
sellschaft angehören, aufgefordert, ungesäumt an die Arbeit zu 
gehen und baldmöglichst — so dass das nächste Heft des ,Mannus' 
schon die Früchte dieser Arbeit darbieten kann — Berichte über 
wichtige Vorgänge, Tätigkeiten und Veränderungen ihres 
Bereiches abzufassen und dem Herausgeber unaufgefordert 
einzusenden. Besonders wichtig erscheinen ganz knapp gehaltene 
und durch genaue chronologische Bestimmung und Verweisung 
auf bekannte Typen und bekannte Abbildungen verdeutlichte 
Berichte über die Funde der letzten Zeit, denen passend einige Abbildungen 
wichtiger Stücke beizugeben wären. In vielen Punkten ist hier der Be- 
richt über das Posener Kaiser-Friedrih-Museum von Erich Blume ge- 
radezu vorbildlih. Strenge, knappe Sachlichkeit ist Haupterfordernis. 

Eingeleitet wird diese Abteilung durh einen Bericht über die 
Neuordnung der Vorgescichtlihen Abteilung des Märkischen Museums, 
die durh den Neubau des Museums herbeigeführt worden ist. Die 
ursprüngliche Absicht der Verwaltung dieses Museums war es, die Neu- 
ordnung wiederum nach dem verfehlten, von mir seit Jahrzehnten be- 
kämpften und jetzt sogar auch von dem Kgl. Museum für Völkerkunde 
in Berlin aufgegebenen Prinzip der örtlichen Herkunft der Gegen- 
stände vorzunehmen. Noch in zwölfter Stunde aber gelang es mir 
glücklicherweise, die massgebenden Stimmen nach der Richtung zu 
beeinflussen, dass ein System der Aufstellung zu bevorzugen sei, 
das bei einheitlihem Material das chronologishe Prinzip zugrunde 
legt, beim Auftreten verschiedener Kulturgebiete aber zunächst die 
Kulturgruppen und dann erst das chronologishe Moment berück- 
sichtigt. Seit langem vertrete ich dieses gemischte System, dem 
ich in der Literatur oder in der Praxis sonst noch nicht begegnet 
bin, als das einzige mir brauchbar erscheinende. Ich halte um so mehr 
an diesem meinem Prinzipe fest, als nunmehr an der sog. ,Aus- 
stellung‘ der Prähistorischen Abteilung des Kgl. Museums 
für Völkerkunde in Berlin jedem fachmännischen Beur- 
teiler klar geworden sein muss, zu welchen Ungeheuer- 
lichkeiten unklaren Wirrwarrs man gelangt bei einem 
Versuche einer völlig starren Durchführung des chrono- 

Mannus. Bd. 1. 9 


150 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


logischen Prinzips — sei es auch nur in der unvollkom- 
menen Zergliederung der Perioden, wie sie das Berliner 
Kgl. Museum aufweist — an einem Materiale, das über eine 
solche Menge miteinander vóllig unverwandter Kulturen 
sich ausdehnt. 

Die Hauptsache war aber, dass ich es durchsetzte, dass die Neu- 
ordnung des Märkishen Museums nur einem wissenschaftlich 
geschulten Fachmanne anvertraut werden dürfte. Die Leistungen 
des Herrn Dr. Kiekebusch hierbei haben gezeigt, was alles unter diesen 
Umständen für die Wissenschaft, wie noch mehr für das grössere 
Publikum zu erreichen ist. 


— ——— 


Die vorgeschichtlihe Abteilung des 
Markischen Museums der Stadt Berlin. 


Von Dr. A. Kiekebusch. 
Mit 5 Textabbildungen. 


Das Märkische Museum ist im Jahre 1874 vom Stadtrat E. Friedel 
gegründet worden. Anlass zur Gründung der vorgeschichtlichen Abteilung 
selbst gab der Bronzedepotfund aus der Wuhlheide bei Cöpenick !). 
Die Gegenstände dieses Fundes tragen noch heute die Nummern 1—7. 
Die neueste im laufenden Jahre eingetragene Nummer des Verzeichnisses 
ist 24164. Diese Ziffer kennzeichnet zur Geniige die Arbeit dreier 
kurzer Jahrzehnte. Der bei weitem grósste Teil der Sammlung ist 
durch die Rührigkeit E. Friedels, der vom Kustos Buchholz unterstützt 
wurde, in den Besitz des Museums gelangt. Zwei Vorzüge zeichneten 
die vorgeschiditlide Abteilung des Märkishen Museums aus, wie sie 
mir im Dezember 1907 auf die Empfehlung meines Universitatslehrers 
Prof. Dr. Kossinna hin zur Neuordnung und Aufstellung in den neuen 
Räumen übergeben wurde, Vorzüge, die den Gründern und Verwaltern 
des Museums gewiss ein ehrenvolles Zeugnis ausstellen. 

Einmal ist bei der Sammlung der Altertümer nie darauf gesehen 
worden, dass nur Paradestücke ins Museum kamen. Alles, was an vor- 
geschichtlichen Altertümern im märkishen Boden gefunden wurde, das 
hat man wohlverwahrt. Wertlose vorgeschichtliche Alter- 
tümer gibt es nicht. Diese uns heute in Fleisch und Blut über- 
gegangene Binsenwahrheit ist in früheren Jahrzehnten selbst von Fach- 
leuten selten richtig erkannt worden*). Gerade die wenig anspruchsvollen 
Altertümer haben sich aber für die Wissenschaft als recht fruchtbar 
erwiesen, und bei der Behandlung der in heutiger Zeit auf der Tages- 
ordnung stehenden Fragen, wie 2. B. der durch Ausgrabung der , Rómer- 
schanze" bei Nedlitz unweit Potsdam wieder aufgerollten Frage nach 
der Chronologie der märkishen Burgwalle*) werden die zahlreichen 


!) Zeitschr. für Ethnologie П. 1870. S. 171. 

*) Vgl. dazu: A. Kiekebusch: Einfluss der róm. Kultur auf die germanische usw. 
Stuttgart 1908. Streker u. Schröder. S. 3 f. 

*) Zeitschr. f. Ethn. XLI. 1903. $. 127 ff. 


‚Ш. Aus Museen und Vereinen. 131 


Scherben des Märkishen Museums noch ein ernstes Wort mitzureden 
haben. Auch auf „neue Formen“ wurde im Märkischen Museum nicht 
einzig und allein gesehen. Ein Provinzialmuseum hat unbedingt die 
Aufgabe — soweit sie ihm von einzelnen Lokalmuseen nicht abgenommen 
wird — alles zu sammeln, was auf die Vorzeit der Provinz nur irgend- 
“welches Licht wirft. Für die Beurteilung der Besiedlungsverhältnisse 
in einer bestimmten Zeit ist es z. B. von unermesslihem Werte, zu 
wissen, wie häufig die einzelnen Formen wiederkehren. Ein Zentral- 
museum mag sich vor Dubletten fürchten. Das Provinzialmuseum hat 
seinem ganzen Charakter nach dazu keine Ursache. Jedenfalls liegt 
aber in diesem Unterschiede auch eine der Möglichkeiten, die Interessen- 
sphären beider für die Zukunft in friedliher Weise abzugrenzen. 


Ein zweiter Vorzug der Sammlung des Märkischen Museums hat 
mir die Arbeit wesentlich erleichtert. Die Identifizierung der einzelnen 
Gegenstände erforderte wenig Zeit. Die Nummer war auf jedem Stück 
selber angegeben, nicht etwa auf einem Zettel. Ersteres ist aber un- 
bedingt erforderlich, um unzählige Irrtümer zu vermeiden. Im andern 
Falle richtet jeder Umzug nie wieder gut zu machende Verwirrung an. 
Auch grosse Museen könnten davon einiges erzählen. Man braucht des- 
wegen die Altertiimer nicht zu verunstalten. Die Nummer allein an 
wenig auffallender Stelle genügt vollkommen. Wer sie sucht, 
wird sie schon finden. 

Auf Vollkommenheit hat natürlich auch die vorgeschichtlihe Samm- 
lung des Märkischen Museums ше Anspruch erhoben. Die Funde sind 
fast ausschliesslich Einzel- oder Depotfunde oder Proben aus Gräber- 
feldern, Burgwällen u. dergl. Zusammenhängende Funde aus Gräber- 
feldern, die vom ersten bis zum letzten Grabe untersucht worden 
wären, fehlen fast ganz. Für die wirklich wissenschaftliche Erforschung 
der Vorzeit sind sie aber unentbehrlih. So bleibt der Zukunft noch 
eine grosse, schöne Aufgabe. Bisher fehlte es der Museumsverwaltung 
an Mitteln, um umfangreichere Ausgrabungen vornehmen zu kónnen. 

Die äusseren Schicksale der Sammlungen des Märkischen Museums 
waren ja bisher eine ununterbrochene Leidensgeschichte. Im Laufe 
weniger Jahrzehnte mehrfahe Umzüge. Und unzulänglich waren die 
Räume immer. Da entschieden sich denn die städtishen Behörden zu 
einem Neubau. Seit dem Juni 1908 ist der vom Stadtbaurat Ludwig 
Hoffmann geschaffene Prachtbau vollendet. Für die vorgeschichtliche 
Sammlung war das Erdgeschoss bestimmt. Sieben Räume von ver- 
schiedener Grösse standen zur Verfügung, und in diesen Räumen war 
bereits eine beschränkte Zahl von Schaukästen vorhanden. Diese Ве- 
schränkung kam meinen Ansichten und Absichten durchaus entgegen. 
Vom ersten Augenblicke an war ich mir darüber klar, dass die vorge- 
schichtlihen Altertiimer geschieden werden müssen in eine Schau- 
sammlung, die in erster Linie der grossen Zahl der Museumsbesucher 
dient, und eine Studiensammlung für die Fachgelehrten. 

Für das grosse Publikum haben die fast zahllosen Tongefässe 
und Steinbeile, wie sie sich immer und immer wiederholen, gar keinen 
Sinn. Die meisten Besucher gehen an den aufgehäuften Schäten ge- 
dankenlos vorüber, staunen allenfalls diese Massen an, suchen im besten 
Falle die Altertümer der eigenen, engeren Heimat auf und verlassen 

9* 


132 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


das Museum, ohne etwas gelernt zu haben. Ermüdet oder sogar — 
gelangweilt kehren die meisten einem vorgeschichtlihen Museum den 
Rücken. Daher kommt es auch, dass selbst die Gebildeten fast ohne 
Ausnahme von der heimischen Vorzeit nichts, geradezu gar nichts 
wissen. Auch die ausgezeichnete vorgeschichtliche Abteilung des König- 
lichen Museums für Völkerkunde war bis dahin immer nur für die Ge- 
lehrten da. 

Von vornherein hatte ich mir die Aufgabe gestellt: Wer in Zukunft 
die Schausammlung der vorgescichtlihen Abteilung des Märkischen 
Museums besucht, soll im Laufe von etwa zwei Stunden einen Uber- 
bli über die märkische Vorgeschichte gewinnen von der Eiszeit her 
bis zur Germanisierung und Christianisierung der Mark im 12. Jahr- 
hundert. 

Dieser Forderung mussten sich alle anderen Wünsche beugen. 
Man sage nicht, dieser Standpunkt, der das grosse Publikum so stark 
berücksichtigt, wäre nicht wissenschaftlih. „Für das Volk ist das Beste 
gerade gut genug.“ Wer aber endlich der Prähistorie ihren Platz an 
der Sonne erobern will, muss auch für die Verbreitung vorgeschichtlicher 
Kenntnisse sorgen. Das ist bisher von den meisten Museen versáumt worden. 
Die Wissenschaft kommt bei diesem Standpunkt durchaus nicht 
zu kurz. — Selbstverständlih war mirs, dass die Schausammlung 
chronologish und nach Kulturen geordnet werden musste. Unmöglich 
kann man einen Überblick gewinnen, wenn man in jedem Saale Hinter- 
lassenschaften aus allen Perioden findet. Uber die Notwendigkeit der 
chronologishen Aufstellung brauche ich hier weiter kein Wort zu ver- 
lieren. Schwerlih würde ih den Mut gefunden haben, mich vor den 
Lesern dieser Zeitschrift zu rechtfertigen, wenn es mir nicht gelungen 
wäre, die chronologishe Anordnung durchsetzen zu können. Dass mir 
in dieser Beziehung völlig freie Hand gelassen wurde, verdanke ich dem 
Vorsitzenden der Direktion, Bürgermeister Dr. G. Reicke. In Berlin 
war bis dahin keine vorgeschichtlihe Sammlung chronologisch geordnet. 
Die prähistorische Abteilung des Königl. Museums für Völkerkunde trat 
dann gelegentlich des Historikerkongresses mit einer chronologisch geord- 
neten Ausstellung an die Öffentlichkeit. 

Die 7 Räume der vorgeshictlihen Abteilung des Märkischen 
Museums liegen zu ebener Erde (Abb. 1). „Für sie wurde ein schlichter, 
schwerer Eindruc erstrebt. Die Behandlung aller Vitrinen und Schränke 
sowie aller Holzteile mit Verwendung von Holznägeln zeigt einen 
derben ursprünglichen Charakter. Auch die Fussböden wurden in diesem 
Sinne gebildet')“. Der Vorraum nahm 3 Einbäume auf. Ihnen gegen- 
über habe ich 6 grosse Tongefässe aufgestellt, die zugleich je eine der 
6 Perioden der märkishen Vorgeschichte vertreten. Neben diesen wie 
neben allen anderen Gegenständen der ganzen Abteilung liegt je ein 
mit leicht lesbarer Schrift bedruckter Zettel, der ausser 
der Bezeichnung des Gegenstandes stets Fundort und 
Nummer (für wissenscaftlich interessierte Besucher) sowie eine 
ganz kurze Beschreibung trägt nebst Angabe der Zeit, aus 


1) Ludw. Hoffmann: Neubauten der Stadt Berlin. Bd. УШ. Mark. Mus. Mit 
50 Tafeln. Berlin 1909. E. Wasmuth. 5. VIII. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 133 


welcher der Fund stammt. Ausserdem ist in jedem Saale 
eine kleine Holztafel angebracht worden, auf welcher die 
Zeitdauer der betreffenden Periode angegeben ist, z. B. 
Saal VI: „Jüngere Bronzezeit 1200—800 v. Chr.*; Saal VIII: ,Laténe- 
Zeit 500—1 v. Chr.“ 


2. Ww EE ec кок у 
Erdgeschoss 
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Broncezeit 
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Abb. 1. Grundriss der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums. 


Unter den vorgeschichtlihen Altertümern gibt es bekanntlich viele, 
die auch das Auge jedes Kunstfreundes erfreuen. Es ist darauf gesehen 
worden, dass die Gediegenheit und Schönheit vieler Funde ins rechte 
Licht gerückt wurde. Doch ist selbstverständlih um des schönen Ein- 
druckes willen niemals ein Gegenstand an einen falschen Platz gestellt 
worden. Strenge Wissenschaftlichkeit war höchstes Prinzip. Die Prä- 
historie will ja nicht nur Kunstgeschichte — sie will mehr, sie will 
Kulturgeschichte sein. 

Bezüglid der Tongefässe kam es mir mehr auf Echtheit als auf 
Abrundung an. Solche, von denen nur Scherben vorhanden waren, 
wurden selbstverständlich zusammengesetzt, niemals aber „ergänzt“ und 
noch viel weniger etwa mit der Bürste bearbeitet, um ihnen einen Glanz 
zu geben, den sie niemals besessen haben. 

Als Hintergrund für die Tongefässe und als Untergrund für grössere 
Bronzen und für Eisen hat sich der grobe graue Rupfen meiner An- 


134 


1. Periode der Bronzezeit. 
Etwa 2000—1600 vor Chr. ';, nat. Gr. 
Schwertstab von Metzelthin, Kr. Ruppin. 
Kupferdoppelaxt: Petersberg b. Halle a.S. 
Kupferbeil, Nattwerder, Kr. Ost-Havelland. 
Bronzenadeln mit schräg durchbohrtem 


Abb. 2. 


Kugelkopf: а) Paplitz, Kr. Jerihow Il, 
b) Hohenkránig, Kr. e i. N. 
Rollennadel, Ahrendsdorf, Kr. Teltow, 
Bronzedepotfund, Wustermark, Kr. Ost- 
Havelland. 2 Armringe, Schónwerder, Кг. 
Prenzlau. 2 Ösenringe, Kr. Soldin. Hals- 
ring und Spirale, Rehnitzer Bruch, Kr. 
Soldin. Bronzemeissel a) Blankensee, Kr. 
Templin, b) Lunow, Kr. Angermünde. 
Armspirale, Neu-Ruppin. Manschetten- 
armband, Westhavelland. Langgestielte 
Randáxte von Kláden, Kr. Stendal. 
2 Schwertstabklingen von Gr.Schwechten, 
Kr. Stendal. Bronzedolh von Lüben, 
Westpreussen. In der Mitte: Entwicklungs- 
reihe der Bronzebeile (Flach-, Rand- und 
álteste Form der Absatzaxt). 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 


sicht nach durchaus bewährt. Als Unter- 
grund für Silberfunde wurde ein etwas 
feineres Gewebe mit entsprechender Tönung 
gewählt. Sammet blieb völlig ausge- 
schlossen; аиф das Aufziehen auf Papp- 
kartons ist gänzlich vermieden worden. 

Wenn die Schausammlung des Märk. 
Museums auch nur eine Auswahl der vor- 
geschichtlihen Funde aufweist, so wird 
dem Besucher doch nichts Wesentliches 
entzogen. 

Der Steinzeitsaal enthält neben einer 
Sammlung von Harpunen, Hirschgeweih- 
hacken, Beiltypen, Lanzen- und Pfeil- 
spitzen, Messern und Meisseln die jedem 
Vorgeshichtsforsher bekannten Tonge- 
fässe aus der unterirdischen Steinkiste von 
Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow !), und 
Steinzeitfunde von Liepe, Kr. Anger- 
münde?), Bandelow, Kr. Prenzlau "A, 
Schönwerder, Kr. Prenzlau *), Sternhagen, 
Kr. Prenzlau?) u. a. Aus der ersten 
Bronzeperiode habe ich eine ganze Tür- 
vitrine belegen können, die fast sämtliche 
Typen jener Zeit enthält (Abb. 2). Der 
Depotfund von Mittenwalde, Kr. Teltow °), 
aus der zweiten Periode der Bronzezeit ist 
ja von Kossinna ans Licht gezogen und in 
seiner Bedeutung genügend gewürdigt wor- 
den (Abb. 3). Die Depotfunde von Spind- 
lersfeld bei Cöpenick *), Vehlow (Prignitz) 
und die wissenschaftlih hochbedeutsamen 
Funde aus den Hügelgräbern von Weit- 
gendorf *) vertreten u. a. die dritte Periode. 
Der Saal der jüngeren Bronzezeit ent- 
hält z. B. den Depotfund von Biesenbrow 
und das berühmte Königsgrab von Seddin, 
bekanntlih das Glanzstük des Marki- 
schen Museums. In Saal УП ist die Lau- 
sitzer Keramik aufgestellt, als Vertreterin 
der von Kossinna so genannten Kultur 


» Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (151). Brunner: Steinzeitl. Keramik in der Mark 
Brdbg. Braunschweig 1898. S. 4 ff. Abb. S. 5. 
2) Zeitschr. f. Ethn. ХИ. S. (227) ff. 1880. XXII. S. (367) ff. 1890. XXIV. S. (180) 


1892. Brunner: 5. 18 (Abb.) 


з) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (180) 1892. Brunner: S. 17. Fig. 48. 


E Z.T. E RAW 5, (181 
"X. 3; BBOAXIV S CTBT), 


1892. Brunner: Fig. 47. S. 17. 
1892. Brunner: S. 17. Fig. 49. 


6) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. 1902 S. 209. 
1) Z. f. E. XXIV. S. (427) 1892. XXXIV S. (261) 1903. Brandenburgia (Monats- 


hefte) 1. 5. 28 и. 37f. Abb. Tafel. 


*) A. Götze: Kunstdenkmäler der Provinz Brdbg. I. 2. S. 64f. 


| Lanz М 
Digitized by N 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 135 


der Karpo-Daker. Derselben Kultur gehórt auch das von mir erst im 
Februar 1908 ausgegrabene Buckelurnengrab von Hasenfelde bei Fiirsten- 
walde an, das genau so aufgestellt wurde, wie ich es gefunden habe 
(Abb. 4). Der grosse Saal enthält die Altertiimer der Laténe-Zeit und 
der rómischen Kaiserzeit, 
neben den chronologisch 
geordneten ` Fibeltypen 
meist Funde aus den 
eisenzeitlichen Gräberfel- 
dern der Mark. Bemer- 
kenswert sind namentlich 
die in besonderen Vitrinen 
untergebrachten Mäander- 
urnen nebst Beigaben von 
Buchow und Fohrde aus 
dem Havellande, von See- 
low, Kr. Lebus und von 
Milow, Kr. Westprignitz. 
— Der letzte Saal birgt 
Funde aus der Wenden- 
zeit (6. bis 12. Jahrh.). 
Neben Altertümern aus 
wendischen Ansiedlungen 


und Burgwällen (Tonge- 


fassen, Scherben mit Abb. 3. Miedo оо Kr. Teltow. 

charakteristischen Verzie- Etwa 1600- 1400 vor Chr. 

rungen, Schlittknochen, 2 Dolchklingen, 1 Randaxt, 1 dickwanzige Bronzepinzette, 
15$ e ind 1 Bronzenadel und 1 Bronzesichel. 

Sd a enringen usw.) sin Im Saal V der vorgesch. Abt. d. Mark. Museums. 

hier die hervorragenden уа nat. Gr. 


Hacksilberfunde') von 
Leissow, Niederlandin, Gralow, Tempelhof und Sonnenwalde ausgestellt. 
Die notwendige Ergánzung der Schausammlung ist die Stu- 
diensammlung. Sie ist in 2 Geschossen des grossen Turmes unter- 
gebracht. Jedes Geschoss hat eine Grundflache von etwa 115 qm. Das 
untere enthält 16 Glasschranke (4 zweitiirige, 8 dreitürige und 4 vier- 
türige). Es sind das die Schränke, die zum alten Bestande des Museums 
gehóren. Der Raum wird erleuchtet durch 28 Glühbirnen (jede 16 kerzig, 
110 Volt). Das obere Geschoss ist rings an den Wänden mit 2,20 m 
hohen neuen Schränken versehen (18 zweitürige und 1 eintüriger; 
Kiefer; grau; Wasserbeize). |n der Mitte des Raumes stehen für Aus- 
lagen u.a. 2 Tische (1,20х3 m) und an den beiden Fenstern sind kleinere 
Arbeitstische angebracht, die durch je eine Glühbirne noch besonders 
beleuchtet werden können. Der ganze Raum wird erhellt durh 4 Os- 
ramlampen (jede 100 kerzig, 110 Volt). Zum Anbringen von Hand- 
lampen dienen 7 Steckkontakte. — Die Funde der Studiensammlung 
sind nach Landschaften, Kreisen und Ortschaften geordnet, um ein 
schnelles Auffinden der einzelnen Nummern zu ermöglichen. Auch jeder 


1) Vgl. Hervorragende Kunst- und Altertumsgegenstände des Märk. Mus. in 
Berlin. Heft I. 1896. Mertens & Cie. 


136 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


fremde Forscher, der zu Studienzwecken das Mark. Museum besucht, 
würde sich bei der ausgezeichneten Beleuchtung und der verhältnis- 
mässig weitläufigen Aufstellung sofort zurechtfinden. Die Sammlung 
stellt nicht — wie so oft sonst — ein in Kisten und Kästen verpacktes 
Magazin dar, sondern eine wirklich zu Studienzwecken übersichtlich ge- 
ordnete ,Studiensammlung". Die Arbeiten in dieser Abteilung sind 
noch nicht beendet. Jeder Besucher dürfte aber schon den richtigen 
Eindruck erhalten von der Reichhaltigkeit der vorgeschichtlichen Schätze 
des Museums. Die Gefässe von Billendorf und Jessen-Jüritz aus dem 
Kreise Sorau nehmen je allein einen viertiirigen Schrank in Anspruch. 
Im oberen Stockwerk sind die Altertümer aus dem Frankfurter Bezirke 


Abb. 4. Buckelurnengrab von Hasenfelde, Kr. Lebus. 
Ausgegraben am 28. Febr. 1908. 
Aufgestellt im Saal VIII der vorgesch. Abt. des Mark. Museums. 
' 44 nat. Gr. 


untergebracht, im unteren die aus dem Potsdamer und dazu die aus 
der Altmark, aus Schleswig-Holstein, Pommern, Posen und dem 
Rheinlande. 

Ziel ist, dass der Forscher in Zukunft — dazu gehört 
natürlih noch viel Arbeit — nicht nur die Funde selbst, son- 
dern bei jedem Funde auch die entsprechende Literatur 
verzeichnet findet. 

Ich bin niemals im Zweifel darüber gewesen, dass der im Mark. 
Museum eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist. Wer sich sonst 
noch davon überzeugen will, der beobachte das Publikum in der Schau- 
sammlung. Die allermeisten gehen nicht mehr verständnislos und ge- 
dankenlos durch die Sale. Sie studieren fast jeden Zettel, werden 
durch die Beschreibung aufmerksam auf die Eigentümlichkeiten der 
einzelnen Funde und nehmen wirklich etwas mit. Probe auf das 
Exempel war es mir, dass einige Berichterstatter, die von der Vorge- 
schichte bisher nichts verstanden — ein einziger Schnitzer verrät ja oft 
den Laien —, an der Hand meiner Zettel und des von mir verfassten 
kleinen „Führers“ einen ganz brauchbaren Überblick über die märkische 
Vorgeschichte geschrieben haben. Sie haben sich also durchgefunden. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 137 


Das war der Zweck der Schausammlung. Manches muss noch vervoll- 
kommnet werden; durch Hinzufügung einzelner Zeichnungen (2. B. Dar- 
stellung eines germanischen Kriegers der Völkerwanderungszeit im vollen 
Waffenschmuck oder der Frauenkleidung während der Bronzezeit и. dgl.) 
wird vieles noch anschaulicher: werden. 

Der ganz kurz gefasste „Führer“ gibt selbstverständlih nur die 
allernotwendigsten Fingerzeige. Die genaue Einführung und Erklärung 
muss einem umfangreicheren „Führer durch die vorgeschichtlichhe Abteilung 
des Märkischen Museums“ vorbehalten sein. 


Abb. 5. Bronze-Wendelring von Fehrbellin (Osthavelland). 
Im Saal VI der vorgesch. Abt. des Märk. Museums. 
"a nat. Gr. 


Aus der Provinz Posen. 


Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen, 
vom Juli bis Dezember 1908, 


mitgeteilt von Erih Blume, Posen. 


Zugrunde gelegt ist der Aufzählung eine Einteilung nach den deutlich 
hervortretenden grossen Kulturgruppen, die auf Grund der Kossinnaschen 
Forschungen ethnographisch benannt werden. Die allerältesten vorindo- 
germanischen Kulturstufen sind in der Provinz überhaupt nur sehr schwach 
vertreten. СО. v. geschenkt von; Ort = Gräberfeld; fr. -- früher; 
Slg. — Sammlung. 


138 


10. 
11. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 


I. Indogermanische Zeit 
(Steinzeitlihe Gräberperiode und Periode | der Bronzezeit). 


Golencin, Kr. Posen-Ost: Auf den Höhen am Bogdankatal: 
Prismatische Messer und Schneide eines Beiles aus Feuerstein и. a. 
(auch jüngere Perioden sind in zahlreihen Scherben von verschie- 
denen Fundstellen vertreten). — G. v. Sammlungsaufseher Thamm 
und wissenschaftl. Hilfsarbeiter Blume-Posen. 


Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza: aus der Grünfliessniederung: 
Randscherben mit hangenden kurzen Linien am Rande, offenbar 
von einem Trichterrandbecher, u. a. — G. v. Distriktskommissar 
Schober-Roneck. 

Kischewo, Kr. Obornik: Steinbeil. G. v. Lehrer Gruhn-K. 


Kokorzyn, Kr. Kosten: (Ziegelei): Bei einer amtlichen Aus- 
grabung (vgl. Nr. 36) fanden sih Scherben und ein Tonwirtel aus 
der Steinzeit. 


Lassek-Luban, Kr. Posen-West: in ausgewehten Sanddünen 
der „Wüste“ an der Warthe: Steinzeitlihe Siedlungsstelle mit 
massenhaften Abfällen von der Feuersteinbearbeitung, Scherben, 
Bewurfstücken u. dergl. Teilweise sind noch bestimmte rundliche 
Plätze mit besonders dichtliegenden Resten zu erkennen, offen- 
bar ehemalige Hüttenböden. Ins Museum gelangten zahlreiche 
Funde: Prismatishe Messer, Pfeilspitzen (meist mit eingewölbter 
Basis) u.a. Geräte aus Feuerstein, meist kleine, selten grössere 
Stücke: wie eine Lanzenspitze, ein dicknackiges Beil aus Feuerstein, 
von Steinbeilen treten besonders die Arbeitsbeile mit abgesetzten 
Nacken hervor. Scherben mit Schnurverzierung (unecht), häufiger 
grössere Stücke von Gefässen mit Wülsten dicht unter dem Rande, 
die manchmal Fingernägeleindrücke aufweisen, Griffzapfen und 
-warzen и. а. 

а. у. Lehrer Vorwerk-Luban und Sammlungsaufseher Thamm-Posen. 


Neugedank, Kr. Obornik: Steinaxt. G. v. Lehrer Gruhn-K. 


Radlau (Grenze von Kazmierz) Kr. Samter: Schneidenteil einer 
Steinaxt u. a. G. v. Distriktskommissar Münster-K. 


Südhof, Kr. Gratz: didinackiges Feuersteinbeil. G. v. Schäfer 
Siedler-Dombrowo b. Eichenhorst. 


Szczodrowo, Kr. Kosten: diinnackiges Jadeitbeil. G. v. Ritter- 
gutsbesitzer Lehmann-Nitsche-Chelmno b. P 


Szczodrowo, Kr. Kosten: Schneidenteil einer Steinaxt. 


Szczodrowo, Kr. Kosten: Bronzedepotfund der Periode ] 
(2 Halsringe mit Usenenden, 4 grosse ovale offne Armringe), vgl. 
Prähistorishe Blatter 1894 (VI), 20 ff. Taf. IV—VI. Nachrichten 
über deutsche Altertumsfunde 1892, 50. Montelius, Die Chronologie 
der altesten Bronzezeit. S. 37 Nr. 5. — Nr. 10 und 11 G. v. Pro- 
fessor Lehmann-Nitsche, La Plata. 


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Ш. Aus Museen und Vereinen. 139 


|. Thrakische (Karpodakische) Kulturgruppen. 


(Älteste Stufe Zeit der Buckelurnen; mittlere Stufe Periode III—IV, 
jüngste Stufe Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit). 


Mittlere Stufe (ca. 1300—900 v. Chr.). 


12. Bomblin II, Kr. Obornik: 7 Tongefässe, 1 Bronzenadel von 
einem Graberfeld. а. v. Lehrer Gruhn-Kischewo. 

13. Czempin, Kr. Kosten: Scherben. — G. v. + Gerichtsvoll- 
zieher a. D. Grams-Posen. 

14. Follstein, Kr. Filehne: 2 Tongefässe. G. v. Lehrer Hantke-F. 

15. Miala, Kr. Filehne: 18 Tongefásse, 1 ‘Kasestein’ von einem 


Graberfeld. G. v. Lehrer Bartoschek-M. 


Jiingste Stufe (са. 900—500 v. Chr.). 

16. Brodowo, Kr. Schroda: 3 Tongefässe. Sig. Kozubski. 

17. Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda: Keramik, Bronzen (Arm- 
ringe, Nadeln u. a.), Eisenbeigaben, Perlen aus der Slg. Kozubski. 
— Etwa 20 Gräber wurden auf demselben grossen Gräberfelde im 
Juli amtlich ausgegraben. 

18. Kazmierz, Kr. Samter. Amtliche Ausgrabung auf einem schon 
zerstörten Gráberfeld. (Anm. Es handelt sich um ein anderes als 
das von Schwartz, Materialien zur vorgeschichtlihen Kartographie 
der Provinz Posen, Nachtrag I, 7 f., Il, 6 ff., Ш, 6f., IV, 3 f. be- 
handelte bekannte Gräberfeld, das auf dem zum Rittergute Neu- 
dorf (früher Kazmierz) gehörenden Vorwerk' Gorzewice liegt und 
richtiger unter diesem Namen geführt wird. 

19. Markenfelde (fr. Markowice), Kr. Schroda: 2 Tongefässe 
von einem Gráberfeld. 516. Kozubski. 

20. Pierschno, Kr. Schrimm: Keramik von einem Grf. Sig. Kozubski. 

21. Roneck, Kr. Hohensalza: Zipfelschale und verzierter Rand- 
scherben. G. v. Distriktskommissar Schober-R. 

22. Schroda: Tongefäss von einem Grf. G. v. Fuhrwerksbesitzer 
Wilhelm Schmidt-Schr. 

23. Wlostowo, Кг. Schroda: Keramik und Beigaben von einem Ort, 

° (vgl. Nr. 39). Sig. Kozubski. 

24. Kischewo, Kr. Obornik: 2 gr. fast gleihe geschlossene, hohle 
Nierenringe aus Bronze mit vertieften sich schneidenden Linien und 
Hoftüpfeln verziert (Periode V1), an verschiedenen Stellen einzeln 


gefunden. G. v. Lehrer Gruhn-K. 


Ш. Germanische Kulturgruppen. 


(Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit im Norden. Latene- 
und römische Kaiserzeit fast in der ganzen Provinz). 


a) Ältere Stufen der Laténezeit (ca. 500—150 v. Chr.). 
25. Chlewisk, Kr. Samter: Urne und Henkelgefäss aus zerstörter 
Steinkiste. 
26. Golencin, Кг. Posen-Ost: 4 Gräber (davon 3 eingepackte Stein- 
kisten) amtlich ausgegraben. 


140 
27. 
28. 
29. 
30. 
31. 


32. 
33. 


Ill. Aus Museen und Vereinen. 


Kirchlich-Murzynowo, Kr. Schroda: Henkelgefáss. G. v. 
Lehrer Englert-K.-M. 

Kónigsrode (fr. Krolikowo), Kr. Schubin: Urnen und Beigefásse 
aus einem Steinkistengrab. G. v. Gutsverwalter Plümicke-K. 
Neu-Paulsdorf (fr. Polskawies), Kr. Gnesen: Urne mit zwei 
Henkeln aus einem Steinpackungsgrabe (?) — G. v. Distrikts- 
kommissar v. Ramsau-Kletzko. 

Nochau, Kr. Schrimm: Keramik und Beigaben. G. v. Dománen- 
pachter L. Kinder-N. 

Radosiew, Kr. Czarnikau: 3 Tongefässe aus einer Steinkiste. 
G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke. 

Rzadkowo, Кг. Kolmar: Keramik und Beigaben aus Stein- 
kistengrábern. G. von Lehrer Wienke-Rz. 

Walkowitz, Kr. Czarnikau: Urne aus einer eingepackten Stein- 
kiste. G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke. 


b) Jiingste Stufe der Laténezeit (Reinecke D. Tischler A 
150—1 v. Chr.) und römische Kaiserzeit (1—400 n. Chr.). 


34. 


35. 
36. 


37. 


38. 
39. 


40. 
41. 
42. 
43. 
44. 


Dembicz-Kolonie, Кг. Schroda (sicher? vgl. auch Nr. 39): 
2 br. Latenefibelbruchstücke; ein Fibelbruchstiick der älteren Kaiser- 
zeit (Slg. Kozubski). 

Kischewo, Kr. Obornik: Vasenformiges Tongefäss und Schale, 
offener drahtfórmiger Bronzearmring. G. v. Lehrer Gruhn-K. 
Kokorzyn, Kr. Kosten (Ziegelei). Amtlihe Ausgrabung von 
9 Gräbern der älteren Kaiserzeit mit Beigaben (3 Brandgruben, 
5 Urnen mit dunkler oder Branderde, davon 1 mit Waffen, 1 Urne 
in reinem Sande mit Waffen). — Verzierter Scherben g. v. Ritt- 
meister a. D. Hildebrand-K. 

Nochau, Kr. Schrimm: Scherben mit Branderdebelag, u. a. 
Randscherben mit Henkel (D. AA Maanderscherben; Lanzenspitze 
und -schuh mit Feuerpatina. (Anm.: Ausserdem wurde eine ver- 
rostete eiserne Lanzenspitze und ein Schädel aus einem Skelett- 
grabe geschenkt, dessen Zeitstellung nicht sicher scheint). G. von ` 
Domdnenpachter Kinder-N. 

Siedlemin, Kr. Jarotschin. Funde aus einem Hügelgrab der 
Kaiserzeit! G. von Pfarrer Gibasiewicz-S. | 
Wlostowo, Кг. Schroda: eiserne Beigaben (Schere, Messer u. a.) 
aus Urnen. Slg. Kozubski. 


IV. Slawische Periode (ca. 800—1200 n. Chr.). 


Bielawy, Kr. Grätz: Tongefäss mit Wellenlinie verziert, aus 
dem See. G. von Professor Lehmann-Nitsche, La Plata. 
Golina, Kr. Jarotschin: Scherben vom Ringwall. — G. von 
Pfarrer Gibasiewicz-S. 

Montscnik, Kr. Schroda: Scherben, Knochen, Schläfenring 
von einem Siedlungsplatz neben dem Kirchhof. 

Posen: Scherben, gef. bei Kanalisierungsarbeiten in der Nähe 
des Doms (ausgehende slawische Zeit). G. der Stadt Posen. 

— Tongefässe derselben Zeit, gef. beim Abbruch des alten jüdischen 
Tempels. G. der jüdischen Gemeinde zu Posen. 


Ill. Aus Museen und Vereinen. 141 


Deutsche Gesellschait, 
Naturwissenschaftliche Abteilung, in Posen. 


Ат 17. Márz fand in der Kóniglichen Akademie zu Posen 
die monatliche Versammlung der Naturwissenschaftlichen Ab- 
teilung der Deutschen Gesellschaft statt. Erih Blume, wissen- 
schaftlicher Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrih-Museum ergriff das Wort zu 
einem Vortrag über: Die chronologische und die ethnographische Methode 
der vorgeschichtlichen Forschung“. Nach einem kurzen Überblick über die 
Entwickelung der Vorgeschichtswissenschaft aus der Volkssage heraus bis in 
die Gegenwart, wurden die beiden in den letzten Jahrzehnten geschaffenen 
Hauptmethoden: die chronologische, die auf eine zeitlihe Anordnung zielt, 
und die ethnographische, die sich mit der Aufstellung der geographisch ver- 
teilten Kulturgruppen, deren Verschiebung und stammeskundlicher Deutung 
befasst, an Lichtbildern erläutert. Die chronologische Methode wurde einge- 
führt von Oskar Montelius in seinem schwedischen Werke ‘Om tidsbestämning 
inom bronsäldern‘ (Stockholm 1885, Preis 6 Kr.), später für andere 
Perioden weiter angewandt und schliesslich deutsch dargestellt von dem- 
selben Verfasser: „Die älteren Kulturperioden im Orient und Europa. 
Die Methode.“ Stockholm 1903. Auf der Grundlage einer möglichst ge- 
nauen relativen Chronologie arbeitet die ethnographische Methode. Sie 
wurde durch Aufstellung der Kulturgruppen in Ostpreussen von Otto 
Tischler (Schriften der physikalisch-ókonomischen Gesellschaft 1890, 97 ff.) 
in einer gewissen Hinsicht vorbereitet und dann vornehmlich durch die 
Verbindung von Ergebnissen der sprachwissenschaftlich - historischen 
Stammeskunde mit den archäologischen Erkenntnissen von Gustaf Kossinna 
auf sichere Grundlage gestellt in einem Vortrage auf dem Kasseler 
Anthropologenkongresse von 1895 über die vorgeschichtlihe Ausbreitung 
der Germanen. Praktisch wurde diese Richtung weitergeführt in seinen 
Arbeiten: Die indogermanische Frage archäologisch beantwortet (Zeit- 
schrift für Ethnologie 1902, 161 ff.); Uber verzierte Eisenlanzenspitzen 
als Kennzeichen der Ostgermanen — ebenda 1905 — und in kleineren 
Aufsätzen. Durc eigene Studien gewonnene Beispiele für diese Methode 
brachte der Vortragende aus den Provinzen Ost- und Westpreussen vor, 
wo die germanische Stammesgeschichte zur römischen Kaiserzeit schon 
besonders gut geklärt werden kann. Mit dieser Methode mündet die 
Vorgeschichtsforschung in die Geschichte ein. Andererseits arbeitet sie 
Hand in Hand mit den Naturwissenschaften, besonders der Anthropo- 
logie und Geologie: für die Feststellung der Anfänge der menschlichen 
Kultur. Im weitesten Sinne des Wortes ist sie Kulturwissenschaft, die 
Betrachtungsart der Gerätformen und Verzierungen bringt sie in Be- 
ziehung zu der Kunstgeschichte, und mit der sprachwissenschaftlichen 
Altertumskunde muss sie zusammengehen zur Ermittlung der Trager 
der verschiedenen Kulturgebiete. 


142 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Société préhistorique de France. 


Unser Mitglied Dr. A. Guébhard, Vorsitzender der Société 
préhistorique de France, hat eine bemerkenswerte Ansprache gehalten, 
bei der Gelegenheit, als er am 28. Januar d. J. vom Präsidentenstuhl 
Besitz ergriff. Eine Stelle daraus ist auch fiir unsere Gesellschaft von 
hohem Interesse. 


Der Redner beklagt es, dass die menschliche Gedankenkapsel, die 
seit der Zeit des Homo Mousteriensis so beträchtliche Erweiterungen 
gewonnen habe, doch nicht unbegrenzt ausdehnbar sei und darum, wenn 
sie gefüllt sei, sich erst von Altem entlasten müsse, um Neues auf- 
nehmen zu kónnen. 


„Das ist es," so sagt er, „was immer weitere wissenschaftliche 
Spezialisierungen notwendig macht. Und ist nicht aus einer solchen 
Spezialisierung nach dem unabwendbaren Gesetz der Arbeitsteilung auch 
unsere französische Gesellschaft für Vorgeschichte geboren worden, 
die: durch Spaltung entstandene Tochter der hochehrwiirdigen Pariser 
anthropologischen Gesellschaft, die noch ganz ausser Atem ist (ébrouée) 
über diese unerwartete Parthenogenesis, aber glücklicherweise zurück- 
gekommen ist von ihrer ersten Anwandlung, das Kind zu verschlingen, 
um ihm die Mutter zu erhalten? Mutter und Kind befinden sich wohl. 
Warum sollte sich also erstere, die schon gross ist und täglich grösser 
wird, erschrecken, wenn sie sieht, dass auch letzterer gross wird. 
Den Beweis, dass hier nur ein notwendiges und durch den Lauf der 
Dinge gegebenes Ereignis eingetreten ist, liefert die Tatsache, dass ein 
gleiches in allen Ländern sich wiederholt. Ganz neuerdings sind in 
England, für sein Ostgebiet, ebenso in der Schweiz Gesellschaften für 
Vorgeschichte gegründet worden unter dem Vorsitz hervorragender Ge- 
lehrter, die wir zu unseren Mitgliedern zu zählen die Ehre haben, so 
Herrn Dr. Allen Sturge und Herrn Wiedmer-Stern, den Direktor 
des historishen Museums zu Bern, „des Historishen“ wohlgemerkt! 
Noch bemerkenswerter ist es, dass durch eine eigenartige Umkehr der 
Dinge die neue Schweizer Gesellschaft satzungsgemäss in ihr Bereich 
einbezieht Anthropologie und Ethnologie, die ihrerseits eines besonderen 
Gesellschaftsmittelpunktes ermangeln, und das in einem Lande, wo sie 
trotzdem zahlreihe Anhänger besitzen! In Deutschland besteht die 
Teilung seit lange !). Solhe Teilungen sind aber Vervielfaltigungen. 


1) Dies ist leider ет Irrtum des hochverehrten Herrn Redners, dem er, wie 
er mir schreibt, durch den Umstand verfallen ist, dass ich selbst 1907 dem 3. fran- 
zösischen Prähistorischen Congress zu Autun, wo ich andauernd den anregenden 
Verkehr des Herrn Guébhard, des Präsidenten jenes Congresses, zu geniessen 
die Ehre hatte, als Vertreter der Deutschen anthropologischen Gesellschaft beiwohnte, 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 143 


Und die Mittelpunkte wissenschaftlicher Tätigkeit vervielfältigen, heisst 
alle Wissenschaften stärken, denn schliesslich zieht jede von ihnen 
früher oder später ihren Vorteil aus den Fortschritten aller andern. 

Könnten doch die törichten Eifersüchteleien ihre Ohnmacht ein- 
sehen und vor der vollendeten Tatsache sich beugen! Alle haben Platz 
an der Sonne; und noch niemals haben Verfolgungen oder gegen- 
seitige Bekämpfungen von Sekten den Enderfolg einer lebensfähigen 
Religion hintangehalten. Oder ist etwa die Religion etwas Schöneres 
als die Wissenschaft? Bleiben wir der unsrigen treu und óffnen wir 
weit die Pforten des Tempels allen Adepten. Das Gotteshaus zu 
schliessen ist gut für Zeiten der Gefahr. Aber wenn einmal der Kampf 
ums Dasein gewonnen ist, was haben dann die ргіеѕќегіфеп Ver- 
wiinschungen noch für einen Sinn? Lasst zu uns kommen gross und 
klein; wir werden uns mit Macht verdoppeln, wenn wir sowohl unseren 
inneren Wert als unsere Zahl verdoppeln. ` 

Der Bekehrungseifer ist immer noch das beste Merkmal der Uber- 
zeugung; ein Glaube, der nicht agitiert, hat keine Wirksamkeit. Jedes 
Mitglied muss in seinem Kreise agitieren für die Gesamtheit durch 
tátiges Werben von Beitrittserklárungen, die man nicht abwarten darf, 
sondern bei jeder Gelegenheit anzuregen verstehen muss. . . .“ 

Da können wir nur sagen: tout comme chez nous. Aud für 
uns gilt in hohem Masse die letzte Mahnung, Mitglieder zu werben. 
Nur eine grosse Zahl von Mitgliedern kann die Gesellschaft gegen 
alle Wechselfalle und äussere Angriffe dauernd schützen. Die fran- 
zösische Gesellschaft besteht seit 1904, also 5 Jahre lang und hat es 
auf nahezu 350 Mitglieder gebracht. Aber dort sind wenigstens die 
Prähistoriker einig; wären wir deutsche Prähistoriker ganz einig, würden 
wir schon beim ersten Zusammenschluss 350 Mitglieder gezählt haben. So 
aber sind wir erst 250, wir müssen jedoch mit aller Macht dahin 
streben, schon im ersten Jahre wenigstens auf 300 zu kommen. — 
Dann der andere Punkt: wenn in Frankreich — und ich weiss es 
durch meinen Freund Rutot auch fiir Belgien — nach 5 Jahren die ge- 
nannten Prähistoriker noch mit einer so starken Feindschaft der Anthro- 
pologischen Gesellschaft zu kämpfen haben, wie obige Ansprache zeigt, 
so brauchen wir über unser jetziges unerquickliches Verhältnis zur Ber- 
liner und zur Deutschen Anthropologischen Gesellschaft wahrhaftig nicht 
zu unglücklih zu sein; wir werden gewiss, wenn auch nicht 50 Jahre 
lang, wie Moltke es nach 1870 für das Deutsche Reich voraussagte, 
so doch eine Reihe von Jahren noch Gewehr bei Fuss stehen müssen, 
um uns gegen die eifersüchtigen Unterdrückungsbestrebungen der älteren 
Gesellschaften zu wehren. 


die Herr Guébhard in derselben Rolle eines vermeintlihen Verfechters der Vorge- 
schichtsforschung gegenüber den Übergriffen der vorwiegend anthropologisch und 
ethnologisd interessierten Berliner anthropologischen Gesellschaft sich dachte, die 
in Paris die dortige Société préhistorique de France gegen die àltere Société 
d'anthropologie de Paris einnimmt. G. K. 


144 Ill. Aus Museen und Vereinen. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 
Zweiggesellschaft Berlin. 


Die Gründung der Zweiggesellschaft der Berliner Gruppe der Deutschen 
Gesellschaft für Vorgeschichte erfolgte am 3. Januar 1909 in unmittel- 
Багет Anschlusse an die Gründung der Hauptgesellschaft. Der auf ein 
Jahr gewählte Vorstand besteht aus den drei Vorsitzenden: Universitäts- 
professor Dr. Gustaf Kossinna, General z. D. Rudolf Liebmann 
Exz., Archivrat Dr. Georg Schuster, aus den drei Schriftführern: 
Dr. Albert Kiekebusch, Dr. Gustav Albrecht, Bezirksgeologe Dr. 
Joh. Korn und dem Schatzmeister: Zahnarzt Otto Seemann- Berlin, 
Schönhauser Allee 177. Der Jahresbeitrag ist vorläufig auf 3 Mark fest- 
gesetzt worden, für Studierende der Berliner Hochschulen auf 1 Mark. 


Sitzungsberichte. 


Die 1. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am 
13. Februar im Vortragssaale des Märkischen Museums am Mär- 
kischen Platz statt. 

Der erste Vorsitzende, Universitäts-Prof. Dr. Kossinna, eröffnete 
die gut besuchte Versammlung mit einem kurzen Hinweis auf die Ziele 
und Bestrebungen der Hauptgesellschaft und legte dar, dass es die Auf- 
gabe der Zweiggesellschaften sei, die Kenntnis von den Ergebnissen der 
vorgeschichtlihen Forschung in den weitesten Kreisen des Volkes zu 
verbreiten. Zu diesem Zwecke würde die Zweiggesellschaft Berlin in 
jedem Monat eine öffentliche Sitzung mit Vorträgen und Vorlagen ver- 
anstalten und zu geeigneter Zeit Ausflüge zur Besichtigung vorgeschicht- 
liher Fundstätten unternehmen. 

Prof. Kossinna hielt dann einen Vortrag „Germanen-Darstel- 
lungen in der antiken Skulptur“, in dem er unter Vorführung 
zahlreicher Lichtbilder einen Überblick über die der Nachwelt erhaltenen 
römischen Bildwerke, auf denen Germanen dargestellt sind, gab und 
seinen Zuhörern vorführte, welche Körperbeschaffenheit die alten Ger- 
manen zeigten, wie sie sich kleideten und was ihr Tun und Treiben war 
in dem Augenblicke, der vom Künstler für die Darstellung gewählt wurde. 

Nach den Berichten der römischen Historiker erschienen die 
Germanen den Römern als eine durchaus eigenartige, reine und nur 
sich selbst gleiche Rasse, deren auffallend hoher und dabei schlanker 
Wuchs, deren grosse Körperkraft und selbstbewusste, stolze Haltung die 
Bewunderung der römischen Eroberer erregte. Die zweite hervor- 
stechende Eigenschaft des germanischen Typus, die den Römern auffiel, 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 145 


ist die sogenannte helle Komplexion, zu der eine weisse und zugleich 
rosige Gesichtsfarbe, überhaupt durchsichtige Helle der gesamten Haut, 
blaue, scharfblickende Augen und eine Fülle blonden Gelocks gehören. 
Angaben über die Kopf- und Gesichtsbildung fehlen allerdings bei den 
alten Historikern, aber zur Vollendung des germanischen Typus treten 
hier die Grabfunde ein, denen wir entnehmen, dass Langgesichtigkeit 
und Langkópfigkeit bei den Germanen durchaus vorherrschen. Zu dem 
langen oder besser hohen, schmalen und kräftig profilierten Gesicht ge- 
hören eine längliche, schmale, feine Nase, die entweder gerade oder 
hakenfórmig als Adlernase gestaltet ist, zurücktretende Jochbeine mit 
senkrecht gestellter Wangenplatte, stark hervortretende Augenbrauen 
und eine breite, flache und hohe, aber nicht gerade steile, sondern 
mehr allmählich aufgewólbte Stirn. Ferner ist die Kieferpartie sehr 
kräftig entwickelt, mit Neigung zu schräg nach vorn gerichteter Stellung 
des Vordergebisses, und der Langschädel erscheint nicht eiförmig, sondern 
ellipsoid, d. h. mit etwas breiterem Stirnteil im Verhältnis zum Hinter- 
haupt, dieses aber ist vom übrigen Schädel kuppelartig abgesetzt und 
nach hinten und unten stark hinausgezogen. 


Aus den Berichten der römischen Schriftsteller und den Ergeb- 
nissen der heutigen archäologischen Grabforschung ergibt sich, dass man 
es bei den alten Germanen überwiegend mit der nordeuropäischen hellen 
Langkopf-Rasse zu tun hat, und die plastischen Denkmäler bestätigen 
dies in jeder Weise. Aus der ältesten Zeit, in der die Römer mit den 
Germanen bekannt wurden, aus dem Kimbern- und Teutonenkriege (um 
100 v. Chr.) und den Kriegszügen Cäsars gegen die Sweben (um 
50 v. Chr.) sind keine bildlihen Darstellungen erhalten, erst aus der 
Zeit des Augustus, als der Kaisersohn Tiberius mit einer Flotte bis 
zur Nordspitze Jütlands vordrang und die Elbe bis Magdeburg hinauf- 
fuhr. Die von ihm unterworfenen Germanenstämme mussten Gesandte 
nad Rom schicken, die an seinem Triumphzuge teilnahmen, und eine 
Darstellung von Szenen dieses Triumphs findet sich auf der Gemma 
Augustea, einer Onyx-Kamee in Wien, auf der аиф ein Germanenpaar 
erscheint, der Mann mit lockigem Haupthaar, Vollbart und wildem Auf- 
blick, mit nacktem Oberkórper, Hosen und Schuhen, die Frau in trau- 
ernder Haltung mit in den Händen gestütztem Kopfe und in faltiger 
Gewandung. Der Unterschied des germanishen Typus von dem auf 
der Gemme ebenfalls dargestellten Typus der Skordisken oder Kelto- 
illyrier, die mit dem Torques geschmückt sind und sklavische Unter- 
würfigkeit zeigen, tritt scharf hervor. Eine gleichzeitige Darstellung von 
drei germanischen Männern mit je einem Kinde und einer Frau, die 
bittflehend wahrscheinlich durch Tiberius dem Augustus vorgeführt werden, 
zeigt die Augustusschale, die 1895 bei Boscoreale gefunden worden 
ist, und mehrere Gesichtstypen germanischer Krieger erscheinen auf der 
Sardonixkamee von Belgrad, auf der der thrakische Lehnskónig 
Rhoemetalkes über die am Boden liegenden Daker fortsprengt. Alle 
diese Gestalten sind von hohem \Уифзе, vollbärtig und mit stolzem 
Gesichtsausdruck, mit nacktem Oberkörper, Hosen und Schuhen dar- 
gestellt, einige tragen den viereckigen Kriegsmantel, der auf der rechten 
Schulter mit einer Fibel befestigt wurde, die auf dieser Darstellung 
allerdings durch einen Knopf ersetzt ist. 

Mannus. Ва. I. 10 


146 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Die Eigenart der germanischen Bekleidung zeigen auch eine Reihe 
von Bronzefigürchen, die von der Verzierung römischer Pferde- 
pektoralien herstammen und Nachbildungen grósserer Skulpturen sind, 
einige derselben lassen auch die charakteristische Haartracht der Ger- 
manen erkennen, das schrag über den Kopf gekámmte und vorn rechts 
in einen Knoten zusammengedrehte Haar, von der auch Tacitus be- 
richtet. Diese Haartracht tritt dem Beschauer ferner auf den Grab- 
steinen römischer Soldaten, die am Rhein aufgefunden worden sind, 
entgegen. Auf diesen in den Museen zu Mainz, Worms, Bonn und 
Wiesbaden aufgestellten Grabsteinen sprengt der römische Reiter meist 
über einen am Boden liegenden Germanen, der mit Hose und Schuhen, 
mit nacktem Oberkörper und Haarknoten dargestellt ist, hinweg. Auf 
einem Wormser Grabstein sind auch zwei unterworfene Germanen dar- 
estellt. 
: Aus der Zeit des Kaisers Vespasian sind Reste einer Säulenhalle 
erhalten, die den Innenhof des Pratoriums im Mainzer Legionslager 
umzog und auf deren Säulensockeln der Kampf der Römer gegen die 
feindlichen Chatten dargestellt war. Man findet auf den erhaltenen 
Platten marschierende und kämpfende Legionssoldaten und eine trauernde 
Germania (oder Chattia), in der bekannten Trauerstellung mit aufge- 
stiitztem Haupt. Aus der Zeit Domitians, unter dem der römische 
Grenzwall (limes) begonnen wurde, sind Münzen mit der Darstellung 
der Germania capta, einer trauernden weiblichen Gestalt, und eines 
Germanen mit vorn und hinten herabhängendem Mantel bemerkenswert. 
Dieser Mantel, der abweichend von sonstigen Darstellungen ет Loch 
zum Durchstecken des Kopfes hat, findet sich ferner auf einem Triumphal- 
relief im Vatikan, das einen Germanenjüngling mit edlem Gesicht und 
starkem Gelock zeigt, doch verrät diese Darstellung auch griechische Ein- 
flüsse, die in einigen Abweichungen in der Bekleidung (nackte Beine 
und Füsse) hervortreten. 


Eine Reihe von Darstellungen germanischer Volkstypen enthält die 
Trajanssäule in Rom, die der siegreihe Kaiser nah den Kriegen 
gegen die Daker (101—107 n. Chr.) errichten liess. Man erblickt hier 
eine dakische Gesandtschaft, die von bastarnischen Kriegern geleitet 
wird, eine bastarnische Gesandtschaft, Fürsten und Priester, Kampf- 
Szenen u. а., und auf diesen Skulpturen erscheinen die germanischen 
Manner in gefranstem Mantel, langen Hosen, die durch einen Gurt zu- 
sammengehalten werden, und Halbschuhen; das dichte Haupthaar ist 
nach vorn gekämmt und dort in einem Knoten zusammengebunden. 
Noch reichhaltiger sind die Darstellungen germanisher Typen der 
Markussäule auf der Piazza Colonna in Rom, die zur Erinnerung an 
die Kämpfe Marc Aurels gegen die Markomannen und Quaden (171 
bis 175 n. Chr.) errichtet ist. Auf den nicht sehr gut erhaltenen Reliefs 
erblickt man u. a. germanische Schleuderer (Quaden), die dem Kaiser 
den Übergang über einen Fluss wehren, die Verteidigung eines Gebirgs- 
passes durch die Quaden gegen römische Auxiliartruppen, die Zerstörung 
eines langobardischen Dorfes durch die Römer, einen gefangenen Fürsten 
der Langobarden vor dem Kaiser, Edlinge der Waristen, die einen Schwur 
leisten, Gruppen von Wandalen und Astingen, die Verteidigung einer 
germanischen Feste durch markomannische Krieger, die Hinrichtung von 


Ill. Aus Museen und Vereinen. 1417 


aufständischen Markomannen und verschiedene Szenen aus dem Kriege 
gegen die Markomannen. Die Darstellungen sind in bezug auf dte 
Tracht der germanischen Männer und Frauen, auf die Bauart der Häuser 
und der Befestigungen, auf manche Sitten und Gebräuche, auf die Kampfes- 
weise u. a. von hoher Bedeutung, um so mehr als wir über den Ver- 
lauf der Feldzüge durch römische Schriftsteller unterrichtet sind, wodurch 
auch mande Reliefs, so die Gefangennahme des Quadenkönigs Ariogaisus, 
ihre Erklärung finden. 

Typen des bereits erwähnten germanischen Stammes der Bastarnen 
zeigen die Zinnen und Metopenbilder des Siegesdenkmals von 
Adamklissi, das zur Erinnerung an die Siege des Krassus in der 
Dobrudscha errichtet wurde (29 vor Chr.). Die auf diesem Denkmal darge- 
stellten Männer sind schlank und breitschulterig, haben ausdrucksvolleZiige 
und tragen ein enganliegendes Wams mit aufgelegtem Pelzkragen, lange 
Hosen, die zum Teil in Streifen zusammengenäht um die Beine gelegt sind, 
und das Haar in einem redhtsseitigen Knoten zusammengedreht. An der 
Statue der sogenannten Thusnelda in Florenz, die als eine trauernde Ger- 
mania aufzufassen ist, zeigte der Vortragende, dass sich bei diesem 
Bildwerk in Gewandung und Haltung hellenistische Einflüsse geltend ge- 
macht haben, wie sie auch bei dem Tropaeon von Adamklissi zu spüren 
sind. Zum Schlusse ging der Vortragende auf die Darstellungen germa- 
nischer Krieger und Volkstypen in der modernen Kunst ein, wie sie uns 
auf Gemälden, Sockelreliefs und Wandfriesen entgegentreten, und be- 
merkte, dass die hier allgemein übliche Darstellung der Germanen in unbe- 
kleidetem Zustande völlig phantastisch sei. Die Nacktdarstellungen 
auf neueren Bildwerken im Gegensatz zu den. bekleideten Figuren der 
antiken Skulpturen gehen nach Ansicht des Vortragenden auf die Kupfer 
in dem Werke Clüvers über das alte Germanien (1631) zurück, aus 
dem sie in die Titelkupfer und Vignetten der Druckwerke des 18. Jahr- 
hunderts übernommen wurden. Die moderne Kunst hat diese Nackt- 
darstellungen der Germanen ohne Berücksichtigung der antiken Bild- 
werke und Nachrichten beibehalten. | 

Die 2. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am 
18. März unter Vorsitz des Prof. Dr. Kossinna im Vortragssaale des 
Märkischen Museums statt. 

Der Vorsitzende machte zunächst Mitteilung, dass die Mitglieder- 
zahl der Gesellschaft erheblich gewachsen sei und dass eine ganze Reihe 
von Glückwunsch- und Anerkennungssdhreiben eingelaufen seien, worin 
die Absender ihrer Freude über die Gründung der Gesellschaft und 
ihrer Übereinstimmung mit ihren Zielen und Bestrebungen Ausdruck 
verleihen. Darauf wurden die Satzungen der Zweiggesellschaft Berlin 
vorgelegt und einstimmig von der Versammlung angenommen. 


Nunmehr teilte der Vorsitzende mit, dass ein Mitglied der Gesell- 
schaft, der bekannte Archäologe О. Hauser in Basel, der in einem 
interessanten Fundgebiete des Diluvialmenschen, im Vézére-Tale іл 
der Dordogne, schon lange tätig ist, die Mitglieder der Gesellschaft für 
Vorgeschichte einlade, die dortigen Fundstätten zu besichtigen (vgl. „Nach- 
richten“), und fügte hinzu, dass er den Besuch nur dringend empfehlen 
könne, da er selbst im vergangenen Sommer dort gewesen sei und 
der Aufdeckung des jugendlichen Skeletts in der unteren Grotte von 

~ 10* 


148 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Le Moustier durch Prof. Klaatsch beigewohnt habe. Das Skelett und 
namentlich der Schädel sei als der beste und zugleich früheste Ver- 
treter der bis vor kurzem als älteste Ausprägungsform des Menschen 
geltenden Neandertalrasse zu betrachten, und ihm gleichgeartet sei ein bald 
darauf im benachbarten Corr&ze-Departement zuLaChapelle aux Saints 
gefundenes Skelett desselben Typus mit besonders gut erhaltenem 
Schädel. Gegen Ende des Februar sind bei Clermont sur Oise іл 
einer Art Höhle, deren Wände vom Wasser zernagt waren, menschliche 
Gebeine gefunden worden, von denen ein Oberschenkel und ein Kiefer 
mit sehr grossen Backzähnen am besten erhalten sind, doc steht die 
wissenschaftliche Untersuchung noch aus. Der Vorsitzende knüpfte daran 
Mitteilungen über den Fund des Homo Heidelbergensis, des ältesten 
jetzt bekannten Menschenrestes in den altdiluvialen Sanden beim Dorfe 
Mauer, südöstlih von Heidelberg, und über die Untersuchung des 
Unterkiefers durch Schoetensack und Klaatsch und stellt einen Vortrag 
von Dr. Korn über diesen Gegenstand in Aussicht. 

‘Zur Vorlage gelangten zwei Werke von Mitgliedern der Gesell- 
schaft, von Geheimrat L. Pfeiffer (Weimar) über die Skelettreste des 
Menschen und die bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thü- 
ringens (vgl. unten S. 157) und von Dr. G. Eichhorn „Die paläo- 
lithischen Funde von Taubach in den Museen zu Jena und Weimar“, 
ein Prachtwerk von 39 Quarttafeln mit 272 photographishen Ab- 
bildungen und zahlreichen Federzeichnungen, das als Festschrift zum 
350jährigen Jubiläum der Universität Jena erschienen ist (vgl. unten 
S. 156). Ausserdem teilte Prof. Kossinna mit, dass das Mitglied Frhr. 
Kälmän von Miske in Güns (Ungarn) den ersten Band seines reich 
illustrierten Prachtwerkes über die „Prähistorische Ansiedlung bei Velem 


St. Veit“ der Bibliothek der Gesellschaft zum Geschenk gemacht habe. 
Dr. A. Kiekebusch sprach über die Chronologie, die Kul- 


tur und die Bevölkerung der märkischen Bronzezeit (2000 
bis 500 v. Chr.) unter. besonderer Berücksichtigung der Funde des 
Märkischen Museums und gab seinen Zuhörern durch den reichen Inhalt 
des Vortrags und durch eine Fülle von Lichtbildern ein Bild von den 
Gewohnheiten und dem Leben der Bewohner der Mark und der Ost- 
seeländer zur Bronzezeit, von ihren Waffen, ihrer Kleidung und ihren 
Hausgeräten, sowie von der Bestattung und der religiösen Anschauung 
der damaligen Zeit. 

Zunächst liess der Vortragende die zahlreich erschienenen An- 
wesenden einen Einblick tun in die Art und Weise, wie die Prähisto- 
riker allmählich Ordnung in die mannigfachen Funde der Vorzeit ge- 
bracht haben und wie besonders der Schwede Montelius durch syste- 
matische Vergleihung von Tausenden von Fundobjekten eine genaue 
Typologie und Chronologie geschaffen hat, die es ermöglicht, innerhalb 
der grossen vorgeschichtlihen Zeitabschnitte — Stein-, Bronze- und 
Eisenzeit — ziemlich genau abgegrenzte Unterabteilungen festzulegen. 
So haben die Prähistoriker schon früh beispielsweise durch die Be- 
obachtung, dass sich Bronzesahen mit Spiralornamenten meist in 
Skelettgräbern und solhe mit Drachenornamenten stets in 
Brandgräbern vorfanden, festgestellt, dass man zwei Hauptperioden 
der Bronzezeit zu unterscheiden habe, und durch die weitere Beobad- 


III. Aus Museen und Vereinen. 149 


tung, dass die Skelettgräber in einer unteren Kulturschicht lagen, während 
die Brandgräber sich darüber befanden, zuweilen in einem und dem- 
selben Grabhügel, haben die vorgeschichtlihen Forscher erkannt, dass 
die Skelettgräber in diesen Fällen älter als die Brandgräber, also auch 
die Gegenstände mit Spiralornamenten älter als die mit den Drachen- 
ornamenten sind. In Weiterführung dieser Erkenntnis konnte Montelius 
für ganze Reihen von Bronzegegenständen, beispielsweise für Bronze- 
schwerter und Bronzezeitfibeln, eine ziemlich sichere Zeitfolge 
feststellen. 

Der Vortragende zeigt diese Art Ermittelung der Chronologie ge- 
nauer an den verschiedenen Arten der Beile. Die ältesten Formen der 
Bronzebeile lehnen sich an die der Steinbeile an, sie sind glatt und 
sassen infolgedessen bei der Schaftung nicht fest. Um ihnen mehr 
Halt zu geben, wurden die Bronzebeile mit kleinen Rändern versehen, 
die nah und nach erhöht wurden und dann auch einen mittleren 
Quersteg („Absatz“) erhielten. Die Rand- und Absatzbeile sind also 
jüngeren Datums als die glatten Beile, und ihnen folgen die Tüllen- 
beile, deren Einrichtung noch grösseren Halt bei der Schaftung gewährt. 
Nach diesen vier Beiltypen hat man die Chronologie der gesamten 
Bronzezeit bestimmt, indem man für jede Periode 200 Jahre ansetzte 
und für die älteste Periode 400 Jahre annahm. Durch Vergleichung 
mit ägyptischen und griechischen Funden, deren Zeitbestimmung ziem- 
lih sicher ist, kam man dazu, den Beginn der Bronzezeit um das 
Jahr 2000 v. Chr. Geburt anzusetzen, und erhielt so für die älteste 
Periode der Bronzezeit den Abschnitt 2000 bis 1600 v. Chr., für die 
folgenden 1600—1400, 1400—1200, 1200—1000 und 1000—800 v. Chr., 
denen sich eine Übergangszeit zum Eisen von 800—500 v. Chr. an- 
schliesst. Die Typologie der Beile wird durch die der Schwerter und 
Fibeln und durch die Formen der Gefässe des sogenannten Lau- 
sitzer Typus kontrolliert, und durch fortgesetzte Vergleichung der Fund- 
stücke ist es gelungen, eine genaue Chronologie der älteren und 
jüngeren Bronzezeit und dementsprechend der anderen vorgeschichtlichen 
Zeitabschnitte festzustellen. Die älteren Gefässformen des Lausitzer 
Typus gehören 2. В. in die dritte Periode der Bronzezeit, die jüngeren 
in die frühere Eisenzeit von 800—500 v. Chr. Geb., und durch Ver- 
gleichung mit ägyptischen, kleinasiatischen und kretishen Funden war 
es möglich, festzustellen, dass die älteste Bronzezeit im nördlichen 
Europa gleichzeitig mit der 12. Dynastie in Ägypten, mit der mittelmino- 
ischen Zeit auf Kreta, mit den Funden der zweiten trojanischen Schicht 
und der Zeit des Chammurabi (1958—1916 v. Chr.) ist, während die 
dritte Periode der Bronzezeit (1400—1200 v. Chr.) mit dem neuen 
Reich der 18.—20. Dynastie (1580—1100) und der sechsten Schicht von 
Troja (1500—1200), also mit dem Trojanischen Krieg gleichzeitig ist. 


Diese Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung hat Ed. Meyer 
in seiner neuen Bearbeitung der „Geschichte des Altertums“ bereits 
verwertet, und es ist zu erwarten, dass die Historiker mehr ais bisher 
die Feststellungen der Vorgeschichte in den Kreis ihrer Betrachtungen 
ziehen werden. Der Vortragende ging nun auf die verschiedene Zu- 
sammensetzung der Bronze, die ein wesentliches Hilfsmittel bei Fest- 
stellung des Alters bildet, auf ihre Herstellung und auf die Herkunft 


150 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


der Bronzegegenstände ein und zeigte, dass die nördlichen Bronzeleute 
ihre Sachen gegossen haben, wie aus Funden von Qussformen und 
Bronzesachen mit Gussnaht hervorgeht, während die südlichen sie auch 
gehämmert haben, woraus sich mannigfache Schlüsse über die Herkunft 
einzelner Fundgegenstande ziehen lassen. Aus Darstellungen auf Bronze- 
waffen und Bronzegeräten, sowie aus den nordischen Felsenbildern lässt 
sich erkennen, dass die Bewohner der Mark und der norddeutschen 
Tiefebene Ackerbau und Viehzucht trieben, dass sie das Pferd als Zugtier 
benutzten und den Hund, das Schaf und den Ochsen kannten, dass sie 
der Jagd auf Hirsche, Bären und Auerochsen nachgingen und auf Kähnen 
mit Angel Fischfang trieben. Die Gräberfunde, namentlich solche aus 
Eichensärgen, geben uns Aufschluss über die Art der Kleidung der 
Bronzezeitleute, und die Art der Bestattung, sowie die Beigaben lassen 
erkennen, wie die Bewohner des nördlihen Deutschland zur Bronze- 
zeit über das Leben nach dem Tode dachten, welche Ansichten sie über 
Religion, Sitte und geselliges Leben hatten und in welchem Masse bei 
ihnen abergläubische Vorstellungen entwickelt waren. 


Unter Benutzung von zahlreichen Lichtbildern machte der Redner 
Mitteilungen über Kleidung, Waffen und Hausgeräte der Bewohner 
der Mark und Norddeutschlands zur Bronzezeit, über ihr Leben und 
Treiben, über Ackerbau, Viehzucht und Jagd, über die verschiedene Art 
der Bestattung, über Religion und Kultus und schloss mit einer Vor- 
führung der im Märkischen Museum befindlichen Funde aus der Bronze- 
zeit, die erkennen liessen, dass bereits eine umfangreiche Kultur in der 
Mark vorhanden gewesen ist. 


3. Sitzung am 22. April 1909. In der Aprilversammlung teilte 
der 1. Vorsitzende, Prof. Dr. Kossinna mit, dass die Hauptgesellfchaft 
Frl. Prof. Johanna Mestorf zum 80. Geburtstage beglückwünscht 
und sie zum Ehrenmitgliede ernannt habe. Frl. Mestorf hat die Ehren- 
mitgliedschaft dankend angenommen. Eine Abbildung des künstlerisch 
ausgeführten Diploms, das der Jubilarin von der Deutschen Gesellschaft 
überreicht worden ist, wird im 1. Hefte der Zeitschrift der Gesellschaft 
veröffentlicht werden (vgl. unten S. 165). Dieses Heft soll Ende Mai 
erscheinen und wird viele reich illustrierte Abhandlungen von namhaften 
Prähistorikern enthalten. Der Vorsitzende teilte ferner mit, dass ver- 
schiedene auswärtige Gelehrte aus Norwegen, Finnland und Frankreich, 
darunter der Vorsitzende der Société préhistorique de France, Prof. 
Dr. Guebhard, der Deutschen Gesellschaft beigetreten seien. Prof. Kossinna 
machte einige Mitteilungen über die französische Gesellschaft, die 1904 ge- 
gründet worden ist und bereits 350 Mitglieder zählt, und führte mehrere 
Stellen aus der Antrittsrede des Vorsitzenden Prof. Guébhard an, die mit der 
Mahnung schliesst, man solle beständig Mitglieder werben, eine Mahnung, 
die auch für die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte beachtenswert 
ist, da diese erst 250 Mitglieder zählt und noch sehr viele Mitglieder 
gebrauchen kann. (Näheres vgl. unter dieser Abteilung, oben S. 142 f.). 


Zur Vorlage gelangten einige Veröffentlihungen des Leipziger 
Museums für Völkerkunde, so die Abhandlungen von Näbe über die 
steinzeitlihe Besiedlung der Leipziger Gegend, eine reich illustrierte 
inhaltreihe Darstellung, und von Jacob über die Laténe-Funde der 


Ш. Aus Museen ила Vereinen. 151 


Leipziger Gegend, die manches neue Material, so über feintónige, ge- 
drehte Laténe-Gefásse, bringt, ferner eine Arbeit des Generaloberarztes 
Dr. Wilke über die neolithische Keramik und das Arierproblem, eine 
Abhandlung von Montelius über die Chronologie des britischen 
Bronzezeitalters und von dem Norweger Schetelig über die kreuz- 
fórmigen Fibeln Norwegens aus der Merowingerzeit (350—550 n. Chr.), 
letztere beide Arbeiten in englischer Sprache und mit zahlreichen Ab- 
bildungen, und schliesslich das bedeutsame Werk über die vor- und 
frühgeschichtlihen Altertümer Thüringens von Göte, Höfer und 
Zschiesche, das die Ergebnisse einer 14jährigen Forschungstätigkeit 
enthält und als das Muster einer vorgeschichtlihen Landesdarstellung 
zu bezeichnen ist. (Näheres hierüber, wie über die Werke von Näbe 
und Jacob s. unter ‚ЛУ. Bücherbesprechungen“, unten S. 154 ff.). 
Prof. Dr. Götze madhte darauf eine vorläufige Mitteilung über 
die Fortsetzung seiner „germanischen Funde aus der Völker- 
wanderungszeit". Dem ersten Bande, der „gotische Schnallen“ 
behandelt, soll jetzt eine Bearbeitung der ostgotischen Diademe 
und Helme folgen. Das Fundmaterial ist, der Kostbarkeit und Selten- 
heit dieser Gegenstände entsprechend, nicht umfangreih, aber um so 
wichtiger. Das gilt namentlih von den Helmen, die als ein Prototyp 
der germanischen Spangenhelme der Merowingerzeit gelten können und 
deren Ursprung bisher noch nicht genügend geklärt war. Während man 
bei letzteren das Spangengerüst als das Wesentliche und die füllenden 
Eisenplatten als das Sekundäre anzusehen pflegte, zeigte die Urform 
das umgekehrte Verhältnis. Die gotischen Helme sind aus vier drei- 
eckigen Eisenplatten zusammengenietet; Überreste und Spuren von Ог- 
namentbändern erinnern an das angesetzte Ornamentband der Spangen- 
helme. Der gotische Charakter der Eisenhelme wird wahrscheinlich 
gemacht durch ihr Verhältnis zu entsprechenden Funden aus dem Bos- 
poranischen Reihe. In Lichtbildern zeigte Prof. Оббе die im Museum 
für Völkerkunde befindlihen Diademe und Spangenhelme und einige 
in Südrussland vor kurzem gefundene gotische Eisenhelme und führte 
die auf russischen Grabsteinen und in den Katakomben von Kertsch 
befindlihen Darstellungen von Kriegern mit Plattenhelmen vor. Den 
Schluss bildeten Bemerkungen des Vortragenden über das Verhältnis 
der gotischen Kunst zur bosporanischen und skythischen und besonders 
über eigenartige Monogramme. (Näheres s. unter „Mitteilungen“, oben 
S. 121 Н..) — Den Hauptvortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr. 
Georg Wilke aus Chemnitz über „Entstehung und Heimatland 
der Spirale und ethnische Stellung der Spiral-Mäander- 
keramik“ unter Vorführung zahlreiher Lichtbilder. Unter den ver- 
schiedenartigen Verzierungssystemen in der neolithischen Keramik hat keine 
der wissenschaftlichen Erklärung so grosse Schwierigkeiten bereitet wie die 
Spiral-Mäander-Verzierung, die namentlich in Bosnien und Siebenbürgen 
in geradezu erstaunlicher Fülle und Mannigfaltigkeit vorkommt. Solange 
die mykenische Herkunft der neolithischen Spirale ein vielfach ver- 
breitetes Dogma war, suchte man die Herkunft und die Entwickelung 
der Spiralornamente aus Vorbildern der Natur zu erklären ; ganz anders 
gestaltete sich aber diese Frage, als festgestellt worden war, dass die 
neolithische Keramik weitälter als die mykenische Kultur 


159 Ш. Aus Museen und Уегетел. 


ist und dass die neolithische Spirale ihre Vorláufer in der 
älteren Steinzeit hat. 


Es lag nun der Gedanke sehr nahe, die neolithische mit der paläo- 
lithischen Spirale in Verbindung zu bringen, wie dies auh Much in 
seinem Buche über die Urheimat der Indogermanen mit gewissem Vor- 
behalt und neuerdings Grössler in Eisleben in entschiedener Weise 
getan haben, aber Wilke hält einen solhen Zusammenhang für völlig 
ausgeschlossen, weil einmal ein ungeheurer Zeitraum die Spirale der 
älteren und der jüngeren Steinzeit trennt und zweitens die neolithische 
Spirale nicht an der Spite der vier bandkeramischen Stilformen des 
Neolithikums steht, sondern erst in einem sehr späten Abschnitte des- 
selben auftritt. Ihr voraus gingen Jahrtausende, in denen sich die 
Ornamentik der Gefässe auf die einfachsten geometrischen Elemente 
beschränkte, und es ist nicht anzunehmen, dass eine so schwierige 
Dekorationsweise, wie es die Spiralverzierung ist, jahr- 
tausendelang gewissermassen im Bewusstsein des Volkes 
geschlummert habe und plötzlich ohne jede erkennbare 
Anregung von selbst zu neuem Leben erwacht sei, um in 
raschem Siegeszuge das ganze südliche Mitteleuropa zu 
erobern. Es spricht auch nach Wilkes Ansicht nichts dafür, dass die 
Spirale oder die Spiral-Mäanderdekoration den Vorbildern aus der Natur 
nachgebildet sei, vielmehr ist der älteste Kunststil ein rein geome- 
trischer, und selbst die figürlihen Darstellungen und die Gesichts- 
formen auf Gefässen haben sich durch rein ornamentale Umbildung 
gegebener geometrischer Formen entwickelt. Der Vortragende zeigte 
dies an mehreren Beispielen von Gesichtsgefässen aus Mitteldeutsch- 
land, die eine gewisse Verwandtschaft mit denen der dänischen Gang- 
gräber erkennen lassen, und bemerkte dann, dass das Entwickelungs- 
verhältnis zwischen neolithischer Ornamentik und figürlicher Darstellung 
noch deutlicher als in der Plastik sich in der zeichnenden Kunst aus- 
präge, wo zuerst geometrische Ornamente erscheinen, aus denen sich 
dann Tier- und Menschendarstellungen entwickeln. Im Anschluss an 
diese Bemerkungen führte Wilke aus, dass die Spiral-Mäander- 
Verzierung auch nicht auf bloss spekulativem Wege durch einfache 
Synthese, wie man die Muster der vorangegangenen Stilart erhielt, ent- 
standen sein kann, sondern dass die komplizierten und recht mannig- 
faltigen Formen dieser Ornamentik sih an bestimmte mathe- 
matische Vorbilder angelehnt haben müssen. Für die Mäander- 
verzierungen finden sich derartige Vorbilder in den Schöpfungen der 
Flecht- und Webekunst aller Völker, und selbst konzentrische Kreise 
und Voluten, die als Muster für Spiralverzierungen dienen können, 
kommen dort vor. All die Zickzacklinien und Winkelbänder, die Doppel- 
haken und Dreiecksreihen, die schräggestellten Quadrate und Rhomben, 
die sich auf den neolithischen Gefässen finden, sind als Nahahmungen 
von Flechtmustern anzusehen, und aus der Verschiebung solcher 
Flechtmuster ergeben sich wieder die mannigfachen mäandrischen Figuren, 
die auf den Gefässen der neolithischen Bandkeramik vorkommen. Diese 
Verschiebung der Flecht- und Webemuster kann von dem ausübenden 
Künstler sowohl absichtlih wie unbewusst und versehentlih geschehen 
sein, während sie andererseits ihre Entstehung einem Zufall bei der 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 153 


Ausbesserung von mit geometrischen Figuren verzierten Kleidungsstiicken, 
beim Faltenwurf des Gewandes oder beim Rollen von Matten und an- 
. deren Stoffen verdanken kann. 

Der Einfluss der Flecht- und Webetedhnik auf die Keramik spiegelt 
sid schon in den vorausgegangenen Kunstperioden wieder und durch 
die Natur des Geflechtes war der Weg vorgezeichnet, den der Kunststil 
einschlagen musste. Durch verschiedene Gruppierung der senkrecht oder 
schräg stehenden Flecht- oder Gewebestreifen kam man notgedrungen 
zu rein geometrischen Figuren und durch verschiedene Anordnung dieser 
Figuren ergaben sich mannigfache Variationen, die dann zu verschiedenen 
nach Zeit und Ort wechselnden Stilformen führen mussten. An einer 
grossen Reihe von Beispielen erläuterte Dr. Wilke die Ubereinstim- 
mung der Máanderornamente auf den neolithishen Gefässen mit 
den Mustern auf Flechtwerken und gewebten Stoffen und zeigte dann, 
dass auch die Spiralornamente unter ähnlichen Einwirkungen ent- 
standen seien, und zwar durch die Verschiebung mehrerer Gruppen von 
Kreisen, die entweder konzentrisd angeordnet und nebeneinander gestellt 
. waren oder in gleicher Anordnung sich sdhnitten. Die Vorführung einer 
grossen Zahl von Gefässen aus Bosnien und aus Siebenbürgen mit 
Spiral- und Volutenverzierungen und der von Wilke dazu entworfenen 
Zeichnungen verschiebbarer Kreissysteme liess die Richtigkeit der 
vom Vortragenden ausgesprochenen Ansicht erkennen. 


Im weiteren Verlaufe seines Vortrags machte Dr. Wilke noch inter- 
essante Angaben über die Heimat der Spiral- Mäander-Ornamentik, 
die er in das Gebiet der unteren Donau verlegt, und über ihr 
Alter, für das er nach den neuesten Untersuchungen das dritte 
Viertel des dritten Jahrtausends ansetzt. Much sucht die 
Heimat der Spiral-Mäander-Ornamentik im Harz- und Saalegebiet, von 
wo sie sich den Wanderungen der Indogermanen entsprechend fácher- 
förmig ausgebreitet haben sollte, um schliesslich im südöstlichen Mittel- 
europa durch Aufnahme neuer technischer Elemente zu höchster Voll- 
kommenheit zu gelangen. Gerade die entgegengesetzte Verbreitung 
haben Kossinna und H. Schmidt angenommen, die beide die Ge- 
burtsstätte der Spirale nach Südosten verlegten und in der mittel- und 
westdeutschen Bandkeramik lediglich eine Ausstrahlung jener hocent- 
wickelten, nah Kossinnas jetziger Anschauung ostindogermanischen 
Kultur erblickten. Auch Wilke ist aus chronologishen Erwägungen, 
wie aus technischen Gründen zu der gleichen Auffassung gelangt. Die 
Heimat der Spiral-Mäander-Dekoration muss dort gesucht werden, wo 
man sie am einfachsten, den mathematischen Konstruktionsfiguren am 
meisten entsprechend antrifft und wo die Voraussetzungen zu ihrer 
Entwickelung, d. h. konzentrishe Kreise und Vierecke bereits bekannt 
waren. Beide Voraussetzungen trafen bisher nur für das untere 
Donaugebiet zu. 

Nicht minder schwerwiegend sind die chronologischen Tat- 
sahen. Nach H. Schmidts Untersuchungen ergibt sich, dass alles, 
was im südöstlichen Europa neolithisch ist, alter sein muss als Troja II. 
Sind Dörpfelds Berechnungen richtig, so muss die Spiral -Maander- 
Dekoration des unteren Donaugebiets in die Mitte des 3. Jahr- 
tausends v. Chr. Geb. zuriickverlegt werden, und zwar ziemlich weit, 


154 IV. Bücherbesprechungen. 


da sie nicht einmal am Sdhlusse der südosteuropäischen Steinzeit liegt. 
Die Graber des Róssener T ypus sind, wie auch das Vorkommen des 
Leichenbrandes wahrscheinlich macht, in den Anfang der 2. Hälfte des 
3. Jahrtausends anzusetzen, und dementsprechend würde das erste Er- 
scheinen der Spiral-Mäander-Keramik in Mitteldeutschland daher aller- 
frühestens in das 3. Viertel des 3. Jahrtausends, und selbst wenn man 
ein teilweises zeitlidies Zusammenfallen mit der Róssener Periode zu- 
lásst, kaum in die Mitte des 3. Jahrtausends zu verlegen sein, d. h. 
später als im unteren Donaugebiete. Die Heimat der Spiral-Mäander- 
Dekoration kann also nicht, wie Grössler neuerdings behauptete, т 
Mitteldeutschland zu suchen sein, sondern liegt im unteren Donau- 


gebiet. Dr. Gustav Albrecht. 


IV. Bucher-Besprechungen. 


A. Götze, P. Höfer, P. Zsehlesehe, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer 
Thüringens, im Auftrage Thüringischer Geschichtsvereine und wissenschaftlicher 
Korporationen mit Unterstützung der Staatsregierungen von Preussen, Sachsen- 
Weimar, Sachsen- Koburg- Gotha, Schwarzburg - Rudolstadt und Schwarzburg- 
Sondershausen. Mit 24 Lichtdrudstafeln und einer archäologischen Karte. 
Würzburg, Curt Kabitzsch (A. Stubers Verlag) 1909. XLI, 466 S. 

Seit Lissauer in seinen „Prähistorischen Denkmälern Westpreussens“ eine 
knapp gehaltene und doch reiche Vorgeschichte dieses Landes nebst einer nach Voll- 
ständigkeit strebenden kritischen Statistik der Funde herausgab, ist mehr als zwei 
Jahrzehnte lang für kein anderes Land eine derartige Darstellung versucht worden. 
Nun erhalten wir endlich die erste würdige, den ungeheuern Fortschritt unserer 
Wissenschaft seit 1887 klar wiederspiegelnde Nachfolge in einer Bearbeitung des 
durch seinen Siedlungsreichtum wie durch die Mannigfaltigkeit der sich ablösenden 
Kulturschichten gleich einzigartigen Thüringer Landes. Vierzehn Jahre hindurch 
haben, in oft entsagungsvoller Hingabe, drei unserer trefflichsten Vorgeschichts- 
forscher daran gearbeitet, zugleich die besten Kenner thüringischer Kultur: mit 
einem stattlichen Bande haben sie uns nun beschenkt, der eine neue Epoche 
thüringischer Forschung heraufzuführen bestimmt ist. 

Thüringen ist hier gefasst als das Land zwischen Werra und Saale, begrenzt 
durch den Kamm des Thüringer Waldes im Süden, durch den Südrand des Harzes 
im Norden. Dass somit das geschlossene, besonders nach Osten hin siedlungs- 
mässig scharf abgegrenzte Kulturgebiet des Saalebeckens von der nordsüdlich ver- 
laufenden östlichen Kartengrenze mitten durchgeschnitten wurde, ist ein schwerer 
Übelstand, wie die Bearbeiter selbst erkannt haben, liess sich aber, nachdem ein- 
mal der Kartenumriss bestimmt war, aus technischen Gründen nicht mehr ändern. 
Die drei Bearbeiter haben den Stoff in der Weise untereinander verteilt, dass 
Höfer (Wernigerode) den an den Harz stossenden Nordteil, Zschiesche (Erfurt) das 
Kernstück des Landes, Götze (Berlin) die Flussgebiete der Saale und der Werra 
in Arbeit nahmen. Zschiesche eröffnet die Darstellung mit einer Mitteilung der 
massgebenden Gesichtspunkte im Plane des Werkes und schildert sein Werden 


IV. Bücherbesprechungen. 155 


(S. I—VII). Darauf folgt eine Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte Thüringens 
von Gótze (S. IX—XLI), dann die Statistik der Funde von allen dreien Verfassern 
(S. 1—393), dazu Nachträge von Höfer (S. 394—400), endlich ein überaus sorgsam 
gearbeitetes und übersichtlich gestaltetes Literaturverzeichnis von Hófer. Die von 
Gótze auf 24 Tafeln angeordneten 379 Abbildungen, ein unentbehrlicher Bestandteil 
des Ganzen, machen den prächtig ausgefallenen’ Beschluss des Werkes, dessen 
gesamter Inhalt bestehend in mehr als 10000 Nummern auf der im Massstab 
von 1:100000 ausgeführten Karte nach einem gut gewählten Zeichen- und Farben- 
system, das in Zukunft hoffentlich überall festgehalten werden wird, eingetragen 
worden ist und hier mit einem einzigen, wenn auch nicht gerade kurz zu be- 
messenden Blick überschaut werden kann. 

Ungünstig erscheint nur die Anwendung der kaum hervortretenden schwarzen 
Farbe, die für chronologisch unbestimmbare Eintragungen gewählt ist, auch zur Be- 
zeichnung der Menhirs, deren Anzahl 23 betragen soll, aber deren Standorte allein 
von der Karte her ohne Durchnahme des gesamten Textteiles nur sehr schwer zu 
ermitteln sein dürfte, zumal auch ein Sachregister fehlt, während ein Ortsregister 
beigegeben worden ist. 

Bei der Anordnung der Fundstatistik ist der geographische Gesichtspunkt 
der ausschlaggebende, insofern die Kreiseinteilung zugrunde liegt, innerhalb der 
Kreise die Ortschaften in alphabetischer Reihe behandelt worden sind und die 
Chronologie der Funde erst als letztes Einteilungsprinzip gilt. Ich würde statt 
dessen lieber, wie es bei Lissauer und auch in Höfers Literaturverzeichnis geschehen 
ist, das chronologische Moment an erster Stelle berücksichtigt haben, wodurch weit 
eher ein gewisser Überblick über die Kulturentwicklung zu erreichen gewesen 
ware. Aber vielleicht waren in diesem Punkte den Verfassern von den unter- 
stützenden  Lokalvereinen  hindernde Verpflichtungen auferlegt worden.  Voll- 
ständigkeit ist natürlich nach Möglichkeit angestrebt worden; aber dass ausser den 
sogleich beigegebenen Hóferschen Nachtragen sehr bald eine weit gróssere Nachlese, 
vielleicht sogar genügender Stoff für einen eigenen Nachtragsband sich ansammeln 
wird, scheint nach einer Bemerkung Zschiesches von den Verfassern selbst ange- 
nommen zu werden. Wir móchten das als erste Frucht der Anregungen erhoffen, 
die von dem Werke zweifellos ausgehen werden. Um ein paar nur zufállig auf- 
gestossene Lücken zu nennen, so weise ich darauf hin, dass unter dem Stichwort 
„Merseburg“ bei Aufführung der Skelettgräber der Schnurkeramik ein im Britischen 
Museum befindlicher hoher Schnurbecher zu erwähnen war, der nach der Abbildung 
im Bronzezeitführer des Britischen Museums (Tf. VI, 8) dem Wernigeróder Exem- 
plar eines Merseburger Schnurbecher sehr ähnlich sieht. Die schöne Merse- 
burger Amphore des Berliner Museums aber ist abgebildet in Henne am Rhyns 
deutscher Kulturgeschichte I? S. 7 Fig. 37, einem Werke, von dessen zahlreichen 
Abbildungen aus dem Berliner Museum kaum einer unser Práhistoriker Kenntnis 
zu haben scheint. Aus den vielen im Dunkel verborgenen Privatsammlungen seien 
hier die Beigaben aus schnurkeramischen Skelettgrábern von der Zuckerfabrik in 
Artern an der Unstrut genannt, die im Besitze unseres Vorstandsmitgliedes Dr. Gustav 
Albrecht in Charlottenburg sich befinden. Ferner verweise ich auf die Allstedter 
Funde von Dr. Hans Hahne in Hannover. Um auch von ältester Literatur etwas 
nachzutragen, so sei der mit Abbildungen versehene Bericht über Ausgrabung eines 
Urnengráberfeldes bei Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, hervorgeholt, den der 
Halberstádter Konrektor Paul Christ. Höpfner in seiner „Germania antiqua“ 
(Halle 1711) bringt (neuer Abdruck oben S. 127 f.). 


Eine treffliche Arbeit ist Gótzes Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte 


156 IV. Bücherbesprechungen. 


des Gebietes. Wer berücksichtigt, wie exponiert die Stellung gerade dieses Gelehrten 
im Kampfe der wissenschaftlichen Meinungen, namentlich in allen Fragen der 
Steinzeitkultur, im letzten Jahrzehnt gewesen ist, wird nicht ohne hohe Anerkennung 
seine streng objektive, alle strittigen Fragen fast zu sehr vermeidende Darstellung 
aufnehmen. Zu begrüssen ist es auch, dass sich Gótze rückhaltlos zu der Berech- 
tigung und Notwendigkeit der Frage nach den Volksgemeinschaften, die hinter den 
Funden stehen, bekennt. Einspruch erheben muss ich hier nur gegen die von ihm 
etzt wiederholte, wenn auch mit Fragezeichen versehene Vermutung, dass das von 
Norddeutschland nach Thüringen eindringende Volk der Kugelamphoren bereits die 
Germanen wären. Wer die ganze Folge der früheren und späteren Völkerbewegungen 
in ganz Mitteleuropa überschaut bis zur endgiltigen germanischen Eroberung 
Thüringens in der frühen Laténezeit — im letzten Punkte stimmt mir ja auch Götze 
zu —, kann in der Bevölkerung der Kugelamphoren, die ja nur bis in den 
Anfang der Bronzezeit in Mitteleuropa fortlebt, um dann völlig auszuwandern, nur 
Nordindogermanen, nicht aber bereits Germanen sehen. Mit vollem Recht erhofft 
der Verfasser, nicht nur für Anfänger und Interessenten eine geeignete Einführung 
in die thüringische Vorgeschichte darzubieten, sondern auch dem kundigsten Fach- 
mann ein gutes Hilfsmittel für Forschung und Darstellung und auch manchen 
trefflichen Wink gegeben zu haben. 

Wir wünschen dem Werk einen schönen, raschen Erfolg, den es verdient, 
auf dass wir eine baldige, auf den doppelten Umfang vermehrte Auflage erleben, 
die dann auch die Behandlung des gesamten Saalegebietes miteinschliessen möge. 

G. Kossinna. 


Eichhorn, Dr. Gustav, Die paläolithischen Funde von Taubach in den Museen 
zu Jena und Weimar. Mit 39 Tafeln und 301 Abbildungen. Jena, Gustav Fischer 1909. 
Wenn man die Funde von Taubach-Ehringsdorf der letzten drei Jahre schon 
vor dem Beschluss der Veröffentlichung des vorliegenden Tafelwerkes — es ist eine 
Festschrift zum 350 jährigen Jubiläum der Universität Jena — gemacht hätte, dann 
wäre vielleicht die Abbildung vieler Silexstücke unterblieben. Der Verfasser weiss 
das ganz gut, er sagte sich aber offenbar, wie nützlich es sei, wenn endlich ein- 
mal der Allgemeinheit in musterhaften, einwandfreien Abbildungen zugänglich 
gemacht würde, was man bisher als menschliche Artefakte der ältesten paläo- 
lithischen Station in Deutschland ansehen musste. 

„Bei einem Versuch, die Taubacher Steinwerkzeuge nach einem bestimmten 
System zu ordnen, das sich auf die Formen derselben aufbaut, stösst man auf 
Schwierigkeiten, da viele Stücke durchaus charakterlos sind und nicht hier oder 
dort untergebracht werden können. Verhältnismässig viel Spitzen gibt es, flache 
blattförmige sowohl, wie lange, schmale, dreikantige und dicke. Demnächst sind 
klingenförmige zu nennen, im Querschnitt drei- oder vierkantig, ferner scheiben- 
förmige, im Querschnitt flache und dicke. Da unter den Taubacher Formen typische 
Formen fehlen, ist auch die speziellere Zeitstellung innerhalb des Paläolithikums 
schwierig“. So der Verfasser. Jetzt liegt die Sache anders. So lange kein gründ- 
licher Gegenbeweis für die Annahme der Gleichaltrigkeit von Taubach und 
Ehringsdorf erbracht wird, müssen wir Taubach dem spätesten Mousterien oder 
dem Aurignacien zuweisen. Das konnte Verworn schon vor Jahren auf Grund 
der in dem Eichhornschen Atlas auf 35 prächtigen Tafeln dargestellten Funde 
aussprechen, ehe noch die neuen wirklich typischen, tadellos retuschierten Spitzen 
und Doppelspitzen gefunden waren. Die allgemeine Form, die Ausbrechungen, 
die Absplitterungen und die Retuschen geben zu denken; Eichhorn hat nun ein- 


IV. Biicherbesprechungen. 157 


fach alle alten Stücke abgebildet: 251 photographische Aufnahmen von Steinen 
und 27 von Knochen, Prachtleistungen der Ateliers von Zeiss- Jena, auf zusam- 
men 39 Quarttafeln, denen vielfach saubere Federzeichnungen der charakteristischen 
Stücke zur Klärung der verschiedenartigen Randbeeinflussung gegenübergestellt 
sind, sollen den Leser selbst entscheiden lassen. Diese Klárung des photo- 
graphischen Lichtdruckes durch Zeichnung müsste bei so diffizilen Sachen eigentlich 
Regel werden. Herr Eichhorn hat freilich zur Ausführung dieser idealen Ver- 
öffentlichungsart einen splendiden Verleger gefunden. Wegen seiner Idee ist der 
Verfasser sehr zu loben und seines Fleisses wegen — ег hat all die sau- 
beren Federzeichnungen selbst gemacht — nicht minder. Der Text beschränkt 
sich auf die Beschreibung der wichtigsten Stücke gleich unterhalb der Zeichnungen, 
auf 2 Seiten Vorwort und auf 8 Seiten Allgemeines; Kritik sollte in der Haupt- 
sache vermieden werden, und das war bei dem vorzüglichen Abbildungsmaterial 
ganz richtig. 
Weimar. | A. Móller. 


Pfeiffer, Dr. L., Geh. Med. Rat, Über die Skelettreste des Menschen und die 
bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thüringens. Sonderabdruck aus 
Korrespondenz-Blätter des Allgem. ärztl. Vereins von Thüringen. Weimar 1909. 
29 S. 8°. 

Angeregt wurde die Arbeit durch neu gefundene bearbeitete Knochen aus 
den Travertinen von Ehringsdorf sowie durch die Bekanntschaft mit Hunderten von 
rohen neolithischen ,Steinbeilen* und Knocheninstrumenten aus Schweizer 
Pfahlbauten, die nicht ohne weiteres — wie die Beile — als Werkzeuge zum Hauen 
und Schlagen angesehen werden können. Daraufhin prüft der Verfasser die schon 
bekannten Funde aus dem llmtal und der Hyänenhöhle zu Gera und stellt den 
bisherigen Verwendungsannahmen neue entgegen, die wesentlich auf die Gerberei 
hinauslaufen. Wie Mason in seinem Werke ,Aboriginal skin dressing* an hundert Bei- 
spielen die mannigfachsten Geräte aus Holz, Knochen, Horn und Stein in ihrer 
Verwendung bei der Verarbeitung von Tierhäuten, Dármen und Sehnen beschreibt, 
so glaubt, Pfeiffer in den zyiindrischen Knochenabschnitten, den flachen, ganz 
wechselvoll gestalteten Knochenplatten, den schmalen meisselartigen Artefakten, 
den Píriemen, zugespitzten Geweihsprossen und den ausgekerbten Metakarpal- 
knochen der paläolithischen Stationen Thüringens Werkzeuge zur Herstellung von 
Leder, Riemen usw. zu erblicken. Die oft auffallig abgenutzten Gelenkpfannen der 
Schulterblütter, und der seit Portis als Trinkgefásse angesprochenen Beckenknochen 
muss er deshalb nach amerikanischen Vorbildern als Fellschaber erklären. Die Kerben 
und Kritzel auf dem bekanntesten Beispiele, dem ,Becher* aus Taubach im Stádt. Mu- 
seum zu Weimar, führen ihn zur Anwendung der grósseren Knochen als Hacke- 
bretter, Ambosse, d. h. Unterlagen oder Stützfláchen für das z. B. zuzuspitzende 
Holzstück, von denen Weimar aus La Micoque eine ganze Reihe besitzt und denen 
sich diejenigen aus Ehringsdorf (Fig. 21, 22 und 24) ganz gut anschliessen würden. 
Tragen die in Fig. 12 und 13 abgebildeten Stücke wirklich absichtliche Gravierungen, 
dann wären nach der französischen Chronologie die Funde der Hyànenhóhle nicht 
einheitlich. Der Wellenlinie in Fig. 25 setzt der Verfasser mit Recht das war- 
nende? bei. — Die kleine Arbeit sollte eine Zusammenfassung der bearbeiteten 
paläolithischen Knochen geben; man hätte dann aber auch auch das Hildesheimer 
Museum und das fragliche walzenfórmige Spongiosastück aus Jena berücksichtigen 
müssen. Die auf den letzten Seiten der anregungsreichen Schrift gebotene Ex- 


158 IV. Bücherbesprechungen. 


kursion in die Praxis der primitiven Gerberei (mit eigenen Versuchen) kónnte zu 
weiteren Experimenten veranlassen und dann sicherlich manche prüfungswerte 
Gesichtspunkte zur Beurteilung der Verwendungsweise prähistorischer Geräte über- 
haupt liefern. Der Systematik, Chronologie und Typologie will die Arbeit nicht 
dienen; aber die Ansichten über den materiellen Besitzstand des Paläolithikums 
dürften durch derartige kulturgeschichtlich-technische Betrachtungsweisen erweitert 
werden. | 
Weimar. A. Méller. 


Е. Max Маре, Die steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend unter beson- 
derer Beriicksichtigung der Wohnplatzfunde. M. 6 Taf., 2 Karten und 121 Abb. 
im Text (Veröffentlichungen des Städtischen Mus. f. Vélkerk. zu Leipzig H 3). 
Leipzig 1908. 58 S. 4°. 

Es gibt im Kónigreich Sachsen wenige Gebiete, die aus neolithischer Zeit ein so 
reiches Material geliefert haben, wie die Leipziger Tiefebene. Die Zahl der Einzel- 
funde von Steingeräten beträgt hier allein über 2000. Besondere Erwähnung ver- 
dient darunter eine Zahl nordischer Feuersteinbeile und Dolche, die nur durch 
Import in unsere Gegend gelangt sein kónnen. Bemerkenswert sind die in der 
altern Literatur verstreuten Nachrichten über angebliche Pfahlbauten, von denen 
an drei Stellen Reste gefunden worden sein sollen. Leider hat sich mit Ausnahme 
von der 1873 beim Bau des Elster - Saale-Kanales aufgedeckten Anlage von Funden 
nichts erhalten und auch von dieser sind nur einige Steingerate übrig geblieben, während 
die Gefässreste verloren gegangen sind. Von Grabfunden sind ausser zahlreichen 
einzelnen Gefässen mit Schnurverzierung und zwei Kugelamphoren, die wohl trotz 
des Fehlens von Skelettresten als Grabbeigaben aufzufassen sind, besonders hervor- 
zuheben zwei grössere Gräberfelder bei Cróbern und Miltitz und mehrere Hügel- 
gräber in Bienitz, sämtlich der Zeit der Schnurkeramik angehórig. Ausserdem fanden 
sich noch zwei Hockergräber in Altranstádt und eines in Günthersdorf, deren 
keramisches Inventar nach Deichmüller in den Aunetitzer Gräbern von Wiederau, 
Pegau, Riesa, Döbeln und Meissen Analogien hat. Von Wohnstättenfunden ist 
besonders bemerkenswert eine Siedlung bei Möritzsch. Der Umstand, dass sich 
hier nur Scherben mit Winkel- und Stichbandkeramik fanden, Spiralbänder - Ke- 
ramik dagegen völlig fehlte, bildet einen neuen Beleg für die von mir an anderer 
Stelle aufgestellten These, dass wie am Rhein so auch in Mitteldeutschland diese 
verschiedenen Stilarten zeitlich zu trennen sind. Das gleiche gilt von der grossen 
Station von Eutritzsch (über 200 Herdstellen!), wo in den westlichen Herdgruben 
nur Stich- und Winkelbandkeramik, in den östlichen nur Spiralbänder - Keramik, 
in den in der Mitte gelegenen beide Typen gemischt vertreten waren. Zu 
bedauern ist nur, dass diese grosse und interessante Siedelung nicht, wie ich es s. Z. 
dem Grassi-Museum vorschlug, systematisch untersucht worden ist, da eine metho- 
dische Ausgrabung, wie sie sich ein Privatmann in Anbetracht der hohen Kosten 
nur ausnahmsweise leisten kann, neben sonstigen wichtigen Ergebnissen gewiss 
auch Gelegenheit zu eventuellen stratigraphischen Beobachtungen geboten haben 
würde. Bemerkt sei noch, dass sich in dieser Siedlung 8 m von eine Herdstelle 
entfernt zwei als liegende Hocker beigesetzte Erwachsene — freilich ohne Beigaben — 
fanden, während in Móritzsch in einer Herdstelle selbst aus dem Boden ein Kinder- 
skelett, gleichfalls liegender Hocker, aufgedeckt wurde. Übrigens bildet die Beisetzung 
innerhalb der Wohnung durchaus nicht ein vereinzeltes Vorkommnis, wie Herr Näbe 
annimmt. Weitere Beispiele kenne ich von Stützheim i. E., Michelsberg b. Unter- 
grombach in Baden, im Mansfelder Seekreis, Gross Tschernosek und Lobositz a. Е. in 


JV. Bücherbesprechungen. 159 


Béhmen und besonders aus Griechenland, so Akropolis in Athen; Eleusis; Therikos; 
Orchomenos (Bulle, Orchomenos 5. 68), wo sich die Erinnerung an diese uralte 
Bestattungssitte bis in die klassische Zeit erhalten hat. Ebenso ist Bestattung 
in Wohnungen neuerdings auch in Thanech und Megiddo in Palästina festgestellt 
worden. -- Wenn auch die Schlussfolgerungen des Verf. bei Fachleuten auf 
manchen Widerspruch stossen und insbesondere die Anschauungen über die 
Schnurkeramik keine Zustimmung finden werden, so bildet doch die vorliegende 
Publikation, die weiten Kreisen das in vielen Privat- und óffentlichen Sammlungen 
verstreute Material zugüngig macht, eine sehr willkommene Gabe, deren Wert 
durch die zahlreichen guten Abbildungen und die vorzüglichen, kostspieligen Tafeln 
noch besonders erhóht wird. 
Chemnitz. Georg Wilke. 


Karl Jaeob, Die La Téne-Funde der Leipziger Gegend. Ein Beitrag zur vor- 
geschichtlichen Eisenzeit der Leipziger Tieflandsbucht. Mit 29 Tafeln und 1 Fund- 
karte. Sonderabdruk aus dem Jahrbuche des Städtischen Museums für Völker- 
kunde zu Leipzig. Band 11 1907. Leipzig 1908. 41 S. 4°. 


Gleichzeitig mit der Darstellung der Steinzeit der weiteren Leipziger Umgebung 
durch M. Nabe bietet das Leipziger Museum für Völkerkunde in dankenswertester 
Weise eine solche der Laténe-Periode durch den neugewonnenen Fachmann für die 
vorgeschichtlichhe Abteilung. Mit dieser Erstlingsarbeit, die bescheidenerweise nur 
das bisher, meist durch Zufallsfunde gewonnene Material vereinigt vorführen und 
damit zu systematischen Nachgrabungen und eindringenderer Forschung anregen wil 
führt sich Jacob auf vorteilhafte Art in den Kreis der Vorgeschichtsforscher ein. 

Zunächst werden die Grabfunde vorgeführt in einer Ausdehnung, die nord- 
warts bis Delitzsch (Schenkenberg und Lóbtau), südwärts an der Elster bis Pegau 
und Zeitz, westwürts in den Kreis Merseburg hinein bis zur Saale (Kl. Corbetha) 
sich erstreckt, deren reichster Mittelpunkt aber die Leipziger Gegend und namentlich 
Leipzig-Süd (Connewitz) bildet. Daran schliesst sich eine Beschreibung dreier Wohn- 
stättenfunde und den Beschluss machen allgemeine Folgerungen und Betrachtungen. 
Neben wenigen bereits anderwärts gegebenen Veröffentlichungen, die hier teils ein- 
fad wiederholt, teils erweitert vorgeführt werden, wie die Hallishen Funde des 
Gräberfelds von Kl. Corbetha, Kr. Merseburg, oder die Dresdener aus Pegau, wird 
in der Hauptsache neues Material geboten, das bisher nur denjenigen wenigen 
Forschern bekannt war, die eingehendere Studien in den Museen und Privatsamm- 
lungen der Gegend gemacht haben. Namentlich seien die schönen Funde der seit 
ihrem Verkauf an das Berliner Museum für Völkerkunde unzugänglich gewordenen 
Sammlung Reichsgerichtsrat Langerhans (Leipzig-Arndtstrasse, Connewitz, Cröbern: 
diese reichen Gräberfunde aus Cröbern sind von Jacob nicht einmal erwähnt worden) 
und die ebenso wertvolle, nunmehr dem Leipziger Museum als Leihgabe übergebene 
Sammlung des Pfarrers Rosenthal in Probstheida (Gräberfeld Cröbern). 

Ausserordentlich stark vertreten, ganz wie in Thüringen, sind auch in den 
Leipziger Funden die feintonigen, dünnwandigen, schwarzgeschmauchten, gedrehten 
Tongefässe, ein Erbteil der soeben von den Germanen hier verdrängten keltischen 
Bevölkerung. Ganz ausgeschlossen erscheint es, dass diese von Jacob als ‘terra nigra’ 
bezeichnete Ware, deren Verbreitung von Dresden nach Rheinhessen den Weg der 
Ausbreitung der herminonischen Germanen über die keltischen Sitze der Laténe- 
Zeit in Mitteldeutschland wiederspiegelt — wie ich bereits 1907 gezeigt habe —, 
als Importware aus keltischen Ländern anzusehen wäre, wie Jacob meint, der die 
Feststellung dieser frühesten germanischen Drehscheibenarbeit zudem falschlich für 


160 IV. Bücherbesprechungen. 


eine neue Entdeckung halt. An Import, jedoch nur aus dem Saale-Elstergebiet her, 
könnte man vielleicht bei den wenigen Stücken dieser Art denken, die bis jetzt aus 
dem nordöstlihen Anhalt und der westlichen Mark Brandenburg zutage gekommen 
sind. Eingehender dies Thema zu erórtern, muss ich einer besonderen Darstellung 
vorbehalten. -— Ungenügend sind die chronologischen Bestimmungen, die noch ganz 
im alten Tischlerschen Fahrwasser laufen, trotzdem Jacob von den neuern genaueren 
Untersuchungen dieser Fragen Kenntnis hat. Ein weiterer Mangel ist die Unbe- 
kanntschaft mit den Ergebnissen meiner Mäanderverzierungsforschung, infolgedessen 
Erzeugnisse kaiserzeitliher Raédchentechnik der Laténe-Zeit zugeschrieben werden. 
Ganz irre gegangen ist der Verf. bei den Grabfunden von Möritzsch, Kreis Merseburg, 
die übrigens, soweit sie der Sammlung Waase-Neuruppin angehóren, sehr unvoll- 
stándig mitgeteilt sind, wie 14 aus einem mir vorliegenden Manuskript des Herrn 
Waase ersehe. Aber ohnehin ist klar, dass neben offenkundigen Laténe-Grabern, 
aus denen 2. B. die Urne Taf. Ш 19 stammt, ebenso sicher kaiserzeitlihe und zwar 
nicht solde aus der früheren Kaiserzeit dort aufgedeckt sind, aus denen z. B. die 
Fussurne Taf. Ш 20 herrührt, die keineswegs, wie Jacob meint, eine Laténe-Form 
darstellt, ebensowenig wie das Taf. Ш 21 abgebildete Bruchstük eines tónernen 
Beigefässes, das mit Reihen von aufgesetzten Buckelchen verziert ist, die Bronze- 
gefässnietköpfe nachahmen, sowie mit je einem in die Henkelósen eingehängten 
Tonringe, auf die Hallstattkultur zurückweist, wie Jacob denkt, sondern ganz 
charakteristishe Merkmale der späteren Kaiserzeit besitzt. 
Den weiteren Arbeiten des Verfassers sehen wir mit Interesse entgegen. 
G. Kossinna. 


Erich Blume, Verzeichnis der Sammlungen des Uckermärkischen Museums- und Ge- 
schichtsvereins in Prenzlau. Im Auftrage des Vorstandes bearbeitet. Prenzlau 1909 
(1908). 103 S. 8°. Mit 125 Abb. 


Vorbedingung für das schnelle und nadhhaltige Aufblühen der Vorgeschichts- 
wissenschaft in den skandinavischen Landern seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
war nicht sowohl die Menge der Funde, als vielmehr ihre gute Ordnung in den 
Museen und deren mustergiltige Veröffentlichungen, die für die weitere Verarbeitung 
des Fundmateriales eine feste Basis gaben. — Auch in Mitteleuropa, besonders in 
Deutschland hat eine rege, stellenweise begeisterte Sammeltatigkeit im vorigen 
Jahrhundert reihe Scháte aufgehäuft, aber sie sind bis heute in wörtlichem Sinne un- 
übersehbar, da nur von wenigen Sammelstellen für die Dauer brauchbare Ver- 
öffentlichungen ausgingen und gar Sammlungs-Verzeichnisse und Führer, die wirk- 
lih führen, dem Laien wie dem Forscher fast gänzlih fehlen! Jetzt kommt ein 
soldier nun aus dem kleinen Prenzlauer Museum, dessen Name fiir den Prà- 
historiker guten Klang hat durch Schumann-Miecks Uckermarkische Megalith-Graber- 
forschung, das Urnenfeld von Oderberg-Bralit, sowie manche Leckerbissen, wie die 
Depotfunde von Arnimshain und Alexanderhof und das prächtige Grab von Damme. — 

Dass aber noch viele andere Schätze in dem Prenzlauer Museum, das seit 
1899 in der umgebauten Heiligengeisthospitalkirche untergebracht ist, ,schlummerten*, 
zeigt uns Blumes Sammelverzeichnis. Ein erfreulihes Büchlein, von dem man wirklich 
„etwas hat“! Erstens und vor allem eine wissenschaftlihe Materialsammlung, die 
selbständigen Wert beanspruchen kann; als Führer und kritisches Verzeichnis 
kommt es seiner Pfliht weit mehr nach als irgend eine demselben Zweck dienende 
Schrift nicht nur in Deutschland. 

Vorgeschichtlihe Museen sind in Deutschland zumeist noch eine Welt in der 
man sich langweilt. Man sicht doch aber am Prenzlauer Verzeichnis, dass es möglich 


IV. Biicherbesprechungen. 161 


ist, eine auch dem Laien zusagende Einführung in die vorgeschichtlichen Funde zu geben; 
allerdings muss sie ein Fachmann herrichten: die Sammlung und den Führer da- 
. zu! Das ist das Geheimnis, das unsere vielen, vielfach hochwertvollen deutschen 
vorgeschichtlihen Sammlungen seither meist auf dem Niveau unfruchtbarer Sammel- 
stellen hält: das Fehlen fachmännischer Leiter oder Bearbeiter! Blume ist Kossinna- 
schüler, also gewöhnt an strengkritisches Arbeiten, das aber von weiteren Gesichts- 
punkten beherrscht wird. Das Prenzlauer „Verzeichnis“ ist eine der ersten Мибап- 
wendungen der Studien der jungen Berliner Schule für Vorgeschichte! Es steckt 
mehr Arbeit in solch einer Schrift, als man denkt. Ehrlihe und strenge Arbeit am 
Material ist aber der einzige Schlüssel für die Erschliessung der Vorzeit! Das Prenz- 
lauer Verzeichnis ist nach folgender Disposition verfasst: 


I. Vorrede und Vorwort betr. die Geschichte des Museums und der vorge- 
schichtlihen Forschung in der Uckermark. 

П. Die vorgeschichtlichen Altertiimer eingeteilt (und aufgestellt) in die Ab- 
schnitte: Steinzeit, Bronzezeit, Latene-Zeit, röm. Kaiserzeit und slawische Zeit. Jedem 
Abschnitt ist ein knapper und doch alles Wesentliche bringender Überblick über die ucker- 
märkischen Verhältnisse der betreffenden Zeit vorangestellt. Die Ergebnisse der Kossin- 
naschen Arbeiten liegen den Ausführungen zugrunde. Diese 5 Kapitel bilden zusammen 
einen für Laien und Forscher sehr brauchbaren Abriss der uckermärkischen Vor- 
geschichte, reich illustriert durch die Abbildungen charakteristisher Funde aus dem 
Museum. Aus der Übergangszeit vom Quartär zur geologischen Jetzt- 
zeit (Ancylus- und Litorinazeit der Ostsee entsprechend) stammen die ältesten sicheren 
Funde menschlicher Kulturreste: ziemlih spärlihe und nicht sehr charakte- 
ristische Einzelfunde von einfachen Stein- und Knochengeraten. Der jüngeren 
Steinzeit gehören u. a. Einzelfunde der ältesten Beiltypen an, Vorläufer 
der т den Gräbern der Blütezeit gefundenen. Während der neolithischen „Gräber- 
zeit“ gehört die Uckermark völlig in den nordeuropäischen Kulturkreis, 
den die Tiefstichkeramik kennzeichnet und der uns für das Quellgebiet 
der Indogermanenauswanderungen gilt. Vom Kreise der Nachbarkulturen erreichen 
nur wenige Importe (bandkeramische Steingeräte) die Uckermark. Für alle charakte- 
ristishen Erscheinungen der norddeutschen Megalithgräberzeit bietet das Land und 
das Museum viele Beispiele. 

In der Bronzezeit liegt die Uckermark bis auf ein kleines Gebiet im Süd- 
osten ganz im Bereih der nordeuropäischen Gruppe, die die germanische 
zu nennen ist, da sich schon aus ihr ohne Unterbrechung die friihgeschichtliche Kultur 
der Germanen herleitet. Jener Südostwinkel fällt seit der Ill. Periode der 
Bronzezeit ins Gebiet der weitausgedehnten ungarisch-ostdeutschen Gruppe (der „kar- 
podakishen“ nach Kossinna. Zeitschrift f. Ethnol. 1902). Das Urnenfeld von Oder- 
berg-Brali& ist ein Beispiel der älteren karpodakischen Gräberfelder; die jüngeren 
sind spärlich vertreten. 

Völlig westgermanischen Typus haben die uckermärkishen Funde der 
Laténezeit bis auf wenige ostgermanische Einstreuungen im Kreise Anger- 
münde. Der Norden des Kreises Prenzlau zeigt während der Laténezeit engere 
Beziehungen zu Pommern (Urnen in Steinpackung, darüber Brandschüttung) gegen- 
über den andern Kreisen, die sih den andern Nechbern anschliessen (Urnen in 
freier Erde oder in Steinpackung, aber ohne Brandschüttung). In der älteren Kaiser- 
zeit (l.—Il. Jhdt. n. Chr) bleibt die Uckermark dem westgermanischen Kulturgebiet 
zugehórig; in derspáteren (Ill.— IV. Jhdt.) wird sieostgermanisch offenbar durch 
Verschiebungen der Bevölkerung. Sichere Unterlagen für Nennung von Stammes- 
namen fehlen noch für die Uckermark in diesen Jahrhunderten. Im У. Jahrhundert 

Mannus. Bd. L 11 


162 V. Nachrichten. 


verliert die Uckermark, wie ganz Ostdeutschland, ihre Bevélkerung und damit 
die Möglichkeit vorgeschichtliher Funde. Die Zeit der slawischen Besiedelung 
trägt die gleichartigen Züge von ganz Norddeutschland. Die spärlihen geschicht- 
lichen Nachrichten der Frühzeit treffen die Uckermark erst sehr spät, erst nach 
der im Xll. Jahrhundert vollendeten Zurückeroberung Ostdeutschlands durch 
die Deutschen. 

Wir wünschen dem Katalog schnelle Neuauflage, auch schon deshalb, weil 
dann vielleicht Glanzpapiertafeln die grossenteils mangelhaften Textdrucke ersetzen 
könnten! Ein uckermärkisches Fundortsverzeichnis und ein solches der grossen und 
kleinen vorgeschichtlihen Sammlungen innerhalb der Uckermark und endlich eine 
Literaturübersicht, uckermärkische Vorgeschichte betreffend, sind Zugaben, die künftig 
in keinem derartigen Führer fehlen sollen. 

Der geschichtliche Teil des Museums ist Inhalt des zweiten, weniger ein- 
gehend bearbeiteten Abschnittes des Verzeidinisses. Ein Gobelin aus Hindenburg 
und die Reste des Prenzlauer Rolands verdienen hier besondere Beachtung. 

Hannover. H. Hahne. 


V. Nachrichten. 


Der Nordwestdeutsche Verband für Altertumsforschung 
in Kassel. 


Bei der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes in Kassel vom 
13.—15. April d. Js. wurden die Verhältnisse und Vorgänge mehrfach zur 
Sprache gebracht, die sich seit der Gründung und dem ersten Auftreten 
unserer Gesellschaft entwickelt haben. Da diese Dinge doch einmal im Zu- 
sammenhang besprochen werden müssen, ist an dieser Stelle hierfür vielleicht die 
beste Gelegenheit gegeben. 

Dass der Zusammenschluss der deutschen Vorgeschichts- 
forscher und -Freunde in unsern Kreisen nachweislich seit Jahren geplant ist, 
darüber spricht der Bericht der gründenden Versammlung (s. oben S. 9f.). Von den 
Vorgeschichtsforschung treibenden Museen innerhalb Preussens 
waren ausserdem seit Jahren energische Bestrebungen ausgegangen, eine Museen- 
vereinigung zu schaffen zu gemeinsamer Arbeit an der vorgeschichtlichen 
Forschung, besonders um die leidige Frage der Ausgrabungskompetenzen, sowie 
die der einheitlichen musealen Verwertung und der so notwendigen Fórderung der 
wissenschaftlichen Veróffentlichung der Funde zu lósen. 

Dieses Unternehmen scheiterte an der mangelnden Einigkeit und besonders 
daran, dass das ,Zentralmuseum * in Berlin während des Interregnums nach 
Voss’ Tode nicht in der geeigneten Weise seine Stellung und Tätigkeit in diesem 
Zusammenschluss durch einen genügend bevollmächtigten Vertreter übernehmen 
konnte. 

In Bayern haben die gleichzeitig einsetzenden gleichartigen Bestrebungen 
unterdessen zu einer hóchst erfreulichen Organisation geführt, in Preussen nur in 
der Provinz Hannover. 


У. Nachrichten. 163 


Während diese Bestrebungen, die preussischen Musee п zusammen- 
zuschliessen also vorlaufig ruhten, setzten nun desto energischer unsere Bemii- 
hungen ein, den andern Teil der als notwendig erkannten Organisation der deutschen 
Vorgeschichtsforschung zu erledigen, den freien Zusammenschluss der Einzel- 
personen, Vereinigungen und Institute in Deutschland, die Vorge- 
schichtsforschung treiben wollen, und sie führten zur Gründung unserer 
Deutschen GesellschaftfürVorgeschichte, die also von vornherein 
als ein Korrelatzu der erhofften Museenvereinigung gedacht war! 

War für den vor allem praktische Ziele verfolgenden Museenzusammen- 
schluss das Zentralmuseum in Berlin der gegebene Kristallisationspunkt, 
zunächst wenigstens für Preussen, so war es für eine deutsche Gesellschaft 
für Vorgeschichte doch natürlich der Zusammenschluss der Fachleute unter 
Vorsitz des Vertreters des ersten deutschen Lehrstuhles für deutsche Vorge- 
schichte. 

Der grosse sofortige Erfolg des Rufes zur Gründung unserer Gesellschaft 
beweist genügend, dass diese unsere Überlegungen richtig waren. 

Die somit auf einen richtigen und sichtlich erfolgreichen Weg gebrachte 
Entwickelung der Organisationsbestrebungen wurden aber gestórt durch 
zwei Dinge: kaum zu entwirrende Радеп persónlicher guter und schlechter 
Beziehungen ,der Tonangebenden in der Wissenschaft* mit ihren Folgen, den 
dazugehórigen polemischen Auseinandersetzungen, verschleierten das 
Bild des Vorganges der ,Befreiung der deutschen Vorgeschichtsforschung* in den 
Augen mancher Kreise; und leider bekam unsere Gesellschaft durch die Form 
eines zu heftigen Ausbruchs dieser Unterstrómungen bei ihrer Begründung den 
Anschein einer „pietätlosen“ Sezession derVorgeschichtswissen- 
sch aft aus dem Schoss aller der wissenschaftlichen Gesellschaften und Verbande, 
die bisher den in Deutschland solange unmündig gebliebenen (bzw. für unmündig 
gehaltenen) Forschungszweig bemuttert (bzw. bevormundet) hatten und naturgemäss 
nicht glauben móchten, dass er zum Aschenbródel geworden war, seit seine Be- 
handlung nicht mehr entsprach seiner wachsenden Bedeutung. Nachträgliche 
Einrichtung von „prähistorischen Fachsitzungen* seitens jener Gesellschaften und 
ähnliches sollen unsern bereits vollzogenen freien Zusammenschluss als unnötig 
erscheinen lassen. Auf Grund dieser Vorgänge konnte ein zweites verwirren- 
des Moment erstarken. Von der vorgeschichtlichen Abteilung der Berliner 
Museen ist nämlich statt der erwarteten Verfolgung des alten Programms des 
Museenzusammenschlusses, von dem и. а. auch das Wiedererstehen der 
leider eingegangenen „Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ in grósserem Stile 
erhofft wurde, der Plan ausgegangen, eine Zeitschrift herauszugeben, der neuerdings 
die Aufgabe gestellt ist ,die Gesamtinteressen der deutschen vorgeschichtlichen For- 
schung zu pflegen“ und „der gesamtdeutschen Forschung auch die Zusammenhänge mit 
den weiter entfernten Kulturen zu vermitteln“ (Ankündigung vom 13. IV. 1909). An sich 
brauchte dieses Programm, das fast wörtlich dem unserer Gesell- 
schaft und ihrer Zeitschrift entspricht, ja nur eine ,ideale Konkurrenz* 
zu bedeuten, wenn nicht die Entwicklung dieses Unternehmens anderes gezeigt 
hatte! Für das Zustandeko ттеп dieser Berliner Zeitschrift wurde von vornherein 
die Hilfe gerade derjenigen an Altertumsforschungen interessierten Gruppen 
beansprucht, die sich durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vor- 
geschichte unangenehm überrascht oder mit mehr oder weniger Recht benach- 
teiligt oder verletzt fühlten und trotz aller unserer Bemühungen unversóhnlich 
geblieben sind, In diesen Kreisen ist durch die Begründung der neuen 
| 11* 


164 V. Nachrichten. 


Berliner Zeitschrift aus der Reaktion gegen den Kossinnaschen Aufruf eine Agi- 
tation gegen unsere Gesellschaft geschaffen, zu deren Kristallisationspunkt 
die Bemithung um das Zustandekommen der neuen Zeitschrift gemacht wurde. 
Über die Erwägungen, die zur Gründung unserer Gesellschaft geführt haben und 
über deren Ziele werden höchst missverständliche „Aufklärungen“ ge- 
geben, die gelegentlich ans Komische streifen! Die Deutsche Gesellschaft für 
Vorgeschichte wird bald als „eine Art grosser Heimatbund“ hingestellt im Gegen- 
satz zu den Altertumsverbänden, „die wissenschaftliche Forschung treiben, aber 
keine Volksfeste veranstalten wollen“ (Ausserung in Kassel), bald als blosses Mittel 
zur Begründung unserer Zeitschrift und als Konkurrenzunternehmen (!) gegen das 
vermeintlich legitimere der Berliner Zentrale. 

Der eigenen Unternehmung der Berliner Zentrale wird dagegen nachgerühmt, 
dass sie ,in erfreulichster Weise alles (sic) vereinigt, was sich in Deutschland 
bisher schon mit Altertumsforschung beschäftigte“, und dass sie „auf sicherem 
Boden stehe“. Durch dieseund áhnliche Darlegungen wirdfür weniger 
eingeweihteKreiseunsereGesellschaftundihreZiele in ein vóllig 
falsches Licht gesetzt, zumal da die betreffenden Darstellungen 
voneinerSeiteausgehen,hinterdereine staatliche Beihilfe steht! 
Und deshalb ist jene Agitation, die an sich ja nur als Intermezzo bis zur allgemeinen 
Aufklärung aufzufassen wäre, geeignet, aus Sachen der wissenschaftlichen Arbeit 
eine Machtfrage, gehandhabt von Einzelnen, zu machen. Diese Erkenntnis 
fand nun gerade auch wahrend der Kasseler Tagung Ausdruck, deren Verhand- 
lungen und vielfache private Auseinandersetzungen über das Thema aber schliess- 
lich doch einen erfreulichen Eindruck hinterliessen; denn mit aller Ent- 
schiedenheit trat trotz des Aufwallens gegenteiliger Ansichten die Tatsache hervor, 
dass in den Schlachtruf gegen uns keineswegs die Gesamtheit der 
nordwestdeutschen Altertumsforscher einstimmt. Unzweideutig fand auch 
offiziell die Ansicht Ausdruck, dass der Zusammenschluss zur Deutschen Gesell- 
schaft für Vorgeschichte einen erfreulichen Schritt vorwärts für unsere Wissen- 
schaft bedeute. Von berufenster Seite wurden die persönlichen Beiklänge 
der Verhandlungen als das Unwesentliche abgelehnt. Viele und berufene 
Persónlichkeiten, auch aus dem nordwestdeutschen Gebiete, sind zugleich Mitglied 
und Mitarbeiter unserer Gesellschaft und anderer Verbände, die durch die jüngsten 
Vorgänge fast in scheinbar unversöhnlichen Gegensatz zu uns getrieben worden 
waren; sehr angesehene und vornehme Vereine und Institute, die an der Förderung 
der deutschen Vorgeschichtsforschung beteiligt sind, haben, z. T. in vorurteils- 
freier Weise mit dem Ausdruck der Freude über unsere endlich erfolgte Organi- 
sation der deutschen Vorgeschichtsforschung unsere Zeitschrift bereits bestellt 
und wollen auch die geplante Berliner Zeitschrift unterstützen, 
in der Hoffnung auf zwiefache Anregung, infolge der zu erwartenden 
Ausserung verschiedener Standpunkte in den „konkurrierenden beiden vorgeschicht- 
lichen Organen, und in der Erwartung, dass künftig beide Unternehmungen fried- 
lich nebeneinander gehen werden. Zwar wird von den „Gegnern“ geflissent- 
lich stets nur Kossinnas erster „Kampfruf“ als Unterlage für die 
Auseinandersetzungen über die Begleiterscheinungen unserer Organisation 
benutzt, und dieoffiziellenÄusserungenunsererGesellschaft im Bericht 
über die Gründungsversammlung übergangen, zwar überwuchern die per- 
sönlichen Empfindungen und Rücksichten vielfach noch die sachlichen, 
aber trotzdem kommen überall mehr und mehr Vertreter des weiter- 
blickenden Standpunktes zum Wort; und sie gaben auch auf der Kasseler 


V. Nachrichten. 165 


Tagung — auch offiziell in der Vertreterversammlung — ihrer Ansicht energisch 
Ausdruck. Dadurch ist auch z.B. der höchst modern anmutende Vorschlag 
eines Boykottes der Konkurrenz, d. h. unserer Gesellschaft und Zeitschrift 
vereitelt worden, der in den Kreisen des „Paktes“ zur Gründung der Berliner 
Zeitschrift seit einiger Zeit propagiert war. Interessant ist, dass der Vorschlag 
motiviert wurde mit der Behauptung, der Stoff für vorgeschichtliche Veröffentlich- 
ungen reiche nicht aus für zwei Zeitschriften! 

Nun, das von der grossen Mehrheit der Vorgeschichtsforscher und -Freunde 
gewünschte schnelle und frohe Aufblühen unserer Wissenschaft wird 
nicht abhängen von pränumerando geführtem Streit, es wird ausgehen von den 
Stellen, wo stille tüchtige Arbeit geleistet werden wird, und dafür ist eine 
klare Organisation der Arbeit auf dem Gesamtgebiet der deutschen 
Vorgeschichtsforschung eine unentbehrliche Unterlage. Hoffentlich wird 
sie bald in der oben eingangs skizzierten Richtung durchgeführt: gegründet auf 
die natürliche Bedingung der Arbeitsteilung, nicht mehr verwirrt durch 
Vorgänge und Bestrebungen, dieden Forderungenunserer Wissen- 
schaft fernstehen. И Н. Hahne. 


Das Gesetz über prähistorische Ausgrabungen. Wie die „Inf.“ von 
unterrichteter Seite erfährt, ist der Gesetzentwurf „Zum Schutz von friihgeschicht- 
lichen Denkmälern usw.“ dem Preussischen Staatsministerium zugegangen. Das 
Gesetz bezweckt den nötigen Schutz gegen Raubgräbereien sicher zu stellen. 
Praktisch hat sich herausgestellt, dass in erster Linie Volksschullehrer, Händler und ge- 
legentlich auch Offiziere (meist im Manöver) sich mit der Ausgrabung von Funden 
dieser Art beschäftigen. Man will eine Anzeigepflichtbeiden Bezirksregierun- 
gen einführen. Hierdurch soll erreicht werden, dass das Auffinden und Ausgraben 
frühgeschichtliher Funde den Stellen überlassen bleibt, die sid bisher wissen- 
schaftlich damit befasst haben und sie der Öffentlichkeit zugängig machen können. 
In erster Linie ist hierbei an die Museen gedacht: Bezirksregierungen und 
Provinzialkonservatoren kommen hierfür nicht in Betracht. Der Entwurf wird in 
dieser Tagung nicht mehr den Landtag beschäftigen, sondern es ist anzunehmen, 
dass nach Beschluss des Staatsministeriums kommissarische Beratungen über ihn 
stattfinden werden. 


Frl. Professor Johanna Mestorf ist am 1. April d. J. aus dem Amte als 
Direktor des Schleswig-Holsteinishen Museums vaterlandischer Altertümer in Kiel 
geschieden, das sie als Nachfolgerin von Professor Dr. Handelmann seit 1891 be- 
kleidet hat, nachdem sie schon seit 1873 als Kustos an dieser Anstalt gewirkt hatte. 
Der Kaiser hat ihr aus diesem Anlass in Anerkennung ihrer ebenso unermüdlichen 
als segensreichen Tätigkeit sein Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift verliehen. 


Als Nachfolger von Frl. Prof. Mestorf wurde der seit 1899 am Kieler Museum 
wirkende Kustos Dr. phil. Friedrih Knorr aus Eutin zum Direktor des Museums 
vaterländischer Altertümer ernannt. 


Am 17. April beging Frl. Professor Mestorf in Kiel ihren achtzigsten Ge- 
burtstag. Unsere Gesellschaft hat sie aus diesem Anlass nach einstimmigem Ве- 
schluss des Ausschusses zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt und ihr dies in einem 
künstlerisch ausgestatteten Diplom kund getan, das kennen zu lernen unsere Mit- 
glieder interessieren wird. Wir haben diesem Hefte daher auf Tafel ХХ eine ver- 
kleinerte Nachbildung beigegeben, die natürlich die Farben des Landschaftsbildes des 
Originals, worin der Fachmann die Steinkammer von Albertsdorf auf Fehmarn so- 
gleich erkennen wird, nicht wiedergibt. 


166 V. Nachrichten. 


Todesfall. Am 15. Mai d. J. hat der Tod zum ersten Male eine Lücke in 
unsere Gesellschaft gerissen, leider eine sehr fühlbare, indem er den im besten 
Mannesalter stehenden Oberlehrer am Gymnasium zum hl. Geist, Professor Dr. 
Oskar Mertins, einen Schulkameraden des Herausgebers dieser Zeitschrift aus 
den 1870er Jahren zu Tilsit, von einem langdauernden №егете ел erlöste. 
Obwohl von Hause aus Philologe, hat sih Mertins schon frühzeitig in das Fach 
der Vorgeschichte eingearbeitet und dabei auch der notwendigen Hilfen der Natur- 
wissenschaft sich voll bemäcdtigt. Schon 1891 zeigte er in der kleinen Schrift „Die 
hauptsächlichsten prähistorishen Denkmäler Schlesiens“ eine nicht gewöhnliche Be- 
herrschung dieses Gebietes. Es folgte dann eine längere Reihe tief eindringender 
Spezialabhandlungen zur Vorgeschichte Schlesiens, die er im 6. und 7. Band der 
Zeitschrift „Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild“, später in den „Beiträgen zur Ur- 
geschichte Schlesiens‘ erscheinen liess, so über die Spuren des Diluvialmenschen, 
Depotfunde der Bronzezeit, Kupfer- und Bronzefunde, die Urnen-Gräberfelder der 
Bronzezeit, endlich über Steinzeitliche Werkzeuge und Waffen in Schlesien. Sein reiches 
Wissen fasste er dann 1906 zusammen in dem ganz vortrefflihen „Wegweiser durch 
die Urgeschichte Schlesiens“, der binnen Jahresfrist in neuer Auflage erscheinen 
musste. Die deutsche Vorgeschichte und besonders die schlesishe verliert in 
Mertins eine hervorragende Kraft, die um so schwerer zu ersetzen sein wird, als 
in Schlesien vorderhand noch kein Nachwuchs an Jüngern unserer Wissenschaft 
herangezogen worden zu sein scheint. а. К. 


Einladung des Herrn О. Hauser nach Les Eyzies (vgl. oben S. 147). 
Les Eyzies, 17. II. 09. 
An die Deutsche Gesellschaft fiir Vorgeschichte Berlin. 
Hochgeehrte Herren! 

Es stehen während der diesjährigen Ausgrabungskampagne (Januar bis 
November 1909) Stationen des Acheuléen, Moustérien, Aurignacien (inférieur und 
supérieur), Solutréen und Magdalénien zur Ausgrabung. Aller Voraussicht nach 
werden meinen Arbeiten nicht nur durch das französische Unterrichtsministerium 
etwelche Schwierigkeiten in Zukunft bereitet, sondern es werden auch die Grabungen 
in den Stationen des Acheuléen, Moustérien, Aurignacien und Solutréen im Ver- 
laufe des Sommers ohnehin beendet sein. Ich gedenke jedoch, soweit es die Pacht- 
verháltnisse der einzelnen Lokalitáten erlauben, aus jeder Epoche und Station je 
ein Profil intakt zu belassen, um den Besuchern des Vezeretales das Studium der 
einzelnen Perioden in situ zu ermöglichen. 

In Vorbereitung liegt eine übersichtlihe Beschreibung der Stationen 1—45 
(La Micoque, Laugerie, Les Eyzies, Le Moustier, Longueroche) mit Typentafeln, 
Profilen, Ansichten und einem für die Besucher handlichen Ubersichtsplan. 

Ich gestatte mir, den verchrlichen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte einen Besuch der klassischen Stätten der Dordogne wärmstens zu 
empfehlen. 

Da die Unterkunftsverhàltnisse im Dorfe Les Eyzies trot; allen unseren Be- 
mühungen immer noch sehr mangelhafte sind, wurden in meinem Standquartier, 
der idyllisch gelegenen Laugerie Haute, 3 gute Zimmer mit 4—5 Betten zur gefl. 
Benüt&ung bereit gestellt. Die Кафе ist tadellos reinlid und schweizerisch geführt. 
Bei gutem Wetter kann das Essen im Freien auf einer neuaufgeführten Terrasse 
eingenommen werden. Ferner steht den geehrten Besuchern mein neuerrichtetes 
Bureau sowohl zum Aufenthalt wie auch zum Studium der dort aufgestellten Typen- 
sammlung, aus allen von mir ausgegrabenen Stationen, der Plàne und Photo- 
graphien zur Verfügung. Fuhrwerke ebenfalls in der Laugerie Haute. 


V. Nachrichten. 167 


Bequemste Reiseroute: Paris Quai d'Orsay (ab vormittags 10'°), Limoges 
(an 415 ab 5°°), Périgueux (an 6°' abends). Empfehlenswertes Hotel in Périgueux: 
. Hotel Messageries. Zu allen weiteren Auskünften bin ich immer gerne bereit. 
In vorzügliher Hochachtung zeichnet ergebenst 
O. Hauser. 


Kongresse. 

Der diesjährige, 5, ,Congrés Préhistorique de France“ wird vom 
26.—31. Juli zu Beauvais (Oise) abgehalten. 

Die ersten drei Tage sind für die wissenschaftlihen Verhandlungen und 
lokalen Besichtigungen, die letzten drei Tage für wissenschaftliche Ausflüge bestimmt, 
wobei besonders Besichtigungen von Dolmen und Menhirs vorgesehen sind. Der 
Kongress ist diesmal verbunden mit einer Ausstellung für allgemeine Vorgeschichte 
und einer zweiten für die Vorgeschichte des Oise-Departements. 

Ein Besuch der stets vorzüglich vorbereiteten und geleiteten französischen Prä- 
historikerkongresse ist sehr lohnend. Der Beitrag für die Teilnehmer ist 12 Franken, 


einzusenden an M. Louis Giraux, Trésorier, 9 bis Avenue Victor-Hugo, in Saint- 
Mandé (Seine). 


Am 31. Juli d. J. beginnt der belgische Congrés archéologique et 
historique zu Lüttich; Beitrag 10 Franken oder mit Verzicht auf die Publikation 
5 Franken, einzusenden an Messieurs les Secrétaires Généraux des Kongresses in 
Lüttih, Rue Fabry 14. 


Die diesjährige Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen 
Geschichts- und Altertumsvereine wird vom 9. —11. Septbr. т Worms tagen. 


Nachdem das Provinzialmuseum in Hannover durch seinen Direktor, unser 
Vorstandsmitglied, Herrn Dr. J. Reimers, an die Deutsehe Gesellsehaft 
für Vorgeschichte die freundliche Einladung hat ergehen lassen, ihre dies- 
jährige Hauptversammlung in Hannover abzuhalten, hat der Ausschuss 
unserer Gesellschaft einstimmig besdiossen, dieser Einladung Folge zu leisten. 
Für die Tagung ist die Zeit vom 7. bis 9. August angesetzt worden. Die König- 
lihe Technische Hochschule zu Hannover hat die Güte gehabt, Vortrags- und Aus- 
stellungsráume zur Verfügung zu stellen. 

Folgender Tagesplan ist in Aussicht genommen worden: 

Freitag den 6. August 

Nachm. 6 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzungen. 

» 8 ,  Begrüssung und geselliges Beisammensein. 
Sonnabend den 7. August 

Vormittags: Sitzung und Vorträge. 

Mittags 12 Uhr: Wiedereróffnung der neugeordneten Vorgeschichtlichen 
Abteilung des Provinzialmuseums und Führung durch diese. 

Sonntag den 8. August 

Ausflug in eine für die vorgeschichtlihe Forschung wichtige Gegend 

(Fallingbostel, Umgebung von Bergen bei Celle). 
Montag den 9. August 

Sitzungen und Vorträge. 

Gemeinsame Mahlzeiten, Führungen und besondere Vorträge in den Museen 
und andern wissenschaftlichen Anstalten Hannovers sind in Aussicht ge- 
nommen, ebenso Sonderausstellungen aus dem Gebiete der Vorge- 
schichtsforschung. 


168 V. Nachrichten. 


An den Schluss der Hauptversammlung knüpft sid ein Ausflug in den 
Teutoburger Wald zum Besuch der Schlachtfelder der Rómerkriege, insonderheit 
der Varusschlacht als Gedenkfeier zum 1900 jährigen Jubiläum dieser Schlacht. 
Unser Mitglied, Herr Professor Dr. Knoke in Osnabrück, hat die Führung übernommen. 

Hieran schliesst sich weiter, falls eine Beteiligung von mindestens 6 Herren 
stattfindet, ein diluvialarchäologischer Ausflug, dessen Führung unser 
Mitglied Herr Dr. Rob. Rud. Schmidt in Tübingen übernehmen wird: be- 
sichtigt werden die von Herrn Schmidt neuaufgestellten Funde aus Andernach und 
den westfälischen Höhlen (Bonner Prov. Mus.), die Diluvialfunde in Wiesbaden 
(Steeden a. d. Lahn!), Stuttgart (Schussenquelle! im Naturalienkabinett; ausser- 
dem die von Schmidt neu eingerichtete paläolithishe Sammlung des Altertums- 
museums), Tübingen (ausserordentlich reiche neue paläolithische Sammlung des 
Gevlogischen Instituts), endlich auf etwaigen Wunsch nod Ulm (Bocsteinhöhlen- 
funde). Den Beschluss macht die Besichtigung eines diluvialen Profils der neuen 
Ausgrabungen von v. Koken u. Schmidt in der Schwäbischen Alb. 

An Vorträgen sind bereits angemeldet: 

1. Univ.-Professor Dr. Gustaf Kossinna (Berlin): Über vorgeschichtlichen Handel 
in Mitteleuropa (mit Lichtbildern), Eróffnungsvortrag. 

2. Geheimrat Univ.-Professor Dr. Adalbert Bezzenberger (Königsberg i. Pr.): 
Thema vorbehalten. 

3. Direktor Dr. J. Reimers (Hannover): Beziehungen zwischen Vorgeschichts- 
forschung und Denkmalpflege. 

4. Dr. A. Kiekebusch (Berlin): Bronzezeitfunde des Markischen Museums in Berlin. 

5. Generaloberarzt Dr. Georg Wilke (Chemnitz): Spiral-Mäanderkeramik und 
Gefässmalerei. 

6. Privatdozenten Dr. Ewald Wüst (Halle a. S.) und Dr. Hans Hahne (Hannover): 
Der gegenwärtige Stand der Paläolithikumforschung besonders im Hinblick auf 
die Erforschung des Ilmtal-Paläolithikum (Weimar-Ehringsdorf-Taubah). Hier- 
mit ist verbunden eine Sonder-Ausstellung von paläolithishen Funden aus 
Westeuropa und dem llmtal. 

7. Privatdozent Dr. Hans Hahne: Einführung in die neugeordnete Vorgeschicht- 
lihe Abteilung des Provinzialmuseums mit besonderen Ausführungen über 
einige wichtige Fundgruppen. 

8. Dr. Olbricht (Lüneburg): Das Klima der postbaltishen Zeit und die vorge- 
schichtlihe Chronologie. 

9. Dr. Rob. Rud. Schmidt (Tübingen): Die spätpaläolithischen Bestattungen in 
der Ofnet. 

10. Hochschulprofessor B. Schulz (Hannover): Das Theoderichgrabmal in Ravenna 
und seine Probleme. 

Eine Anzahl weiterer Vorträge steht noch in Aussicht. 

Eine Anmeldung fernerer Vorträge bei der Hauptversammlung kann nur 
dann auf Berticksichtigung rechnen, wenn sie spätestens bis Ende Juni beim 
Unterzeichneten erfolgt ist. Gustaf Kossinna. 


Zum Schatzmeister unserer Haupt-Gesellschaft ist nach einer Zeit inter- 
imistischer Verwaltung dieses Amtes Herr Dr. Gustav Albrecht-Charlotten- 
burg, Rónnestr. 18, gewahlt worden. An ihn sind von nun an alle Zahlungen für 
die Hauptgesellschaft zu richten. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ва. I. Taf. XX. 


Fraulein pproteffor pyestort, 


Der ehrwürdigen und alluerehrten ео 
unter Den Denten Borgeihichtsjorihern 
wowowowowowowo [ПЕ Dip мәмәмәмәмәләлә 
ее фейл fir оное 
sum Cage Der Dolleniuug Des adioigffeu 
Jahres ihres au Arbeit und Erfolgen fo 
reihen Lebens Die Herzlichen Glik- 
ШЕФ? ans und ernennt fie ap ihrem 


Momo Ehrenmitglied, ponerse 
Ledi 17. Z 190 РРА С. 
Mei. "Edi 


Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


Digitized by Google 


|. Abhandlungen. 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz ?. 
Von 


Oskar Montelius. 
Mit 72 Textabbildungen. 


II. 


Im Vorhergehenden haben wir gesehen, dass sowohl das vier- 
speichige Rad wie das gleicharmige Kreuz oft oben an einem Stabe ge- 
tragen wurde. So sind beide auch auf Grabsteinen abgebildet. 

Wir werden zuerst die Grabsteine betrachten, bei denen das auf 
einem Stabe getragene vierspeichige Rad eingeritzt oder im Relief dar- 
gestellt ist. 

Auf dem Fig. 41 abgebildeten Steine ist das Rad deutlich ange- 
geben, indem die inneren Konturen des Radreifens auch an den Enden 
der Speichen zu sehen sind. Hier sind die Speichen ganz schmal und 
gegen die Enden nicht erweitert. Fig. 42 zeigt einen Grabstein mit 
einem ähnlichen Rade; der Unterschied ist eigentlich nur der, dass die 
Speichen gegen die Enden hin bedeutend breiter werden. 

Einige Male, so auf dem Fig. 43 wiedergegebenen Steine, sitzt 
über dem Rade eine Flagge mit einem kleinen Kreuz zu oberst: der 
Anfang zu der unter anderem aus dem Wappen Gotlands wohlbekannten 
„Kreuzesfahne“, die in diesem Wappen von dem Lamme getragen wird. 

In den eben angeführten Fällen ist das Rad deutlih und hat noch 
keine Veránderung erlitten. Der Radreifen ist leicht erkennbar und 
überall von gleicher Beschaffenheit, die Speichen gehen nicht weiter, 
als bis an den Reifen. | 

Andere Grabsteine weisen ganz abweichende Bilder auf. Die 
Speichen sind nicht, wie in álterer Zeit, überall gleich breit; sie haben 
ausserdem so an Lange zugenommen, dass sie tiber den Reifen hinaus- 
gehen, indem sie auf ihm liegen und ihn teilweise decken. Dieser 
selbst bleibt auch nicht ohne Anderung. Fig. 45 zeigt, wie er zwischen 


1) Ubersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von 
G. Kossinna. 
Mannus. Bd 1 H 3. 12 


170 Oskar Montelius. [19 


den Speichen sehr schmal ist. Hierdurh und durch die veränderte 
Form der Speichen werden vier kleine Rundteile gebildet. 


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Fig. 41. 
Grabstein, Danemark. 


Fig. 42. Fi 


g. 43. 
Grabstein, Dánemark. 


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Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. 
Grabstein, Danemark. Grabstein, Schottland. Grabstein, Schottland. 


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20] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 171 


Eine Querlinie zwischen der Oberkante des Stabes und dem unteren 
Ende der abwärts gewendeten Speiche macht es deutlich, dass wir in 


Fig. 47. Grabstein, Schottland. Fig. 48. Grabstein, Dänemark. - 


Fig. 45 wirklich ein Rad mit vier ungefähr gleich langen Speichen vor uns haben, 
das auf einem Stabe sitzt, und nicht ein lateinisches Kreuz mit einem Ring. 

Die vier eben erwähnten Rundteile fin- E 
den sich auf den beiden Figuren 46 und 47 E DE 
wieder, obwohl der Radreifen auf dem ersteren | 
Steine seinen ursprünglichen Charakter gänz- 
lid verloren hat und auf dem letzteren so 
gut wie vollstándig verschwunden ist. Auf dem 
ersteren findet sich nicht mehr irgendwelche 
Scheidelinie zwischen Stab und Rad. Auf dem 
letzteren Steine ist kein Stab gezeichnet, 
woher das Ganze sich jetzt als ein gleich- 
armiges Kreuz darstellt. 

Auch auf dem Fig. 48 wiedergegebenen 
Grabstein, der auf einem dänischen Kirdi- 
hofe errichtet worden ist, hat der Radreifen 
seine ursprüngliche Gestalt verloren; er ist 
nicht mehr kreisförmig. 

Der Radreifen kann auch auf eine andere Art seine eigentliche 
Bedeutung verlieren. Wenn er klein wird und gleichzeitig die Speichen 
lang, so entsteht eine soldhe Form, wie sie Fig. 44 zeigt. 


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Fig. 49. Grabstein, Schottland. 


12* 


172 Oskar Montelius. [21 


Auf dem Grabstein Fig. 49 ist der Reifen auch fast gänzlich ver- 
schwunden. Die vier stark ausgeschweiften Enden der Speichen sind 
jedoch auf die Art, wie wir es früher kennen gelernt haben (Fig. 14 
und 18) abgerundet, so dass ihre Aussenkonturen einen beinahe voll- 
stándigen Kreis bilden. Der obere Teil des Grabsteins ist fast halb- 
kreisfórmig abgerundet gewesen. 

Dieser Stein zeigt also in der Tat ein an einem Stabe getragenes, 
gleicharmiges Kreuz, nicht ет Rad. ^ 


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Fig. 50. "m 51. Ch 52. 
Grabstein, Schonen. Grabstein, Westergótland. Grabstein, Westergótland. 


Viele andere Grabsteine tragen die Zeichnung eines gleicharmigen, 
auf einem langen Stabe sitzenden Kreuzes. 

Fig. 50 zeigt ein solches Kreuz, dessen Arme in abgerundete 
Enden auslaufen, wie bei Fig. 14. Sie haben also die Form, wie die 
Speichen in manchen Rädern, kurz bevor die ersteren frei von dem 
Radreifen wurden. Fig. 51 und 52 geben Kreuze wieder, deren Arme 
in breite, gradlinige Enden auslaufen. 

* ۴ * 

Andere Grabsteine haben selbst die Form eines schmaleren oder 
breiteren, oft ganz hohen Unterteils, das obenauf ein vierspeichiges 
Rad trágt. | 


22] Раз Sonnenrad und das christliche Kreuz. 173 


Die Speichen oder Kreuzarme hóren entweder, wie es bei einem 
Rade natürlih ist, an der Innenkante des Radreifens auf (Fig. 53); 
eine деи фе Linie scheidet sie von dem Kranze. Oder sie reichen 
auch ein kürzeres oder längeres Stück über diese hinaus (Fig. 54—59). 
Dass der Teil des Steines, der das Rad trägt, gewöhnlich bedeutend 
breiter ist, als die abwärts gerichtete Speiche, findet seine Erklärung 
in der Natur des Stoffs, weil das Grabmal zu schwach geworden wäre, 
wenn man nicht diese Vorsichtsmassregeln ergriffen hatte. Der Teil 
der drei oberen Speichen, der innerhalb des Radreifens sitzt, ist 
dagegen lange von derselben Breite, wie derjenige, der sich ausserhalb 
des Reifens fortsetzt (Fig. 55), aber späterhin wird auch der äussere Teil 
dieser Speichen bedeutend breiter als der innere (Fig. 54). Selten ist 
jedoch der Unterschied so gross, wie auf dem Fig. 59 abgebildeten Steine. 

Gewöhnlich bilden die Zwischenräume zwischen den Speichen und 
dem Radreifen vier deutliche Öffnungen. Einige Male ist dies jedoch 
nicht der Fall: Das Rad, sowohl der Reifen als auch die Speichen, sind 
nur eingeritzt oder im Relief angegeben, obgleih der Stein dieselbe 
Form hat, wie die vorher erwähnten (Fig. 61 und 62). 

Allmählih wird der Reifen immer undeutliher, so dass seine 
Spur mit Schwierigkeit und nur durch einen Vergleich mit den älteren 
Formen aufgefunden werden kann. Manchmal sieht man weder Reifen 
noch Speichen — das heisst denjenigen Teil der letzteren, der inner- 
halb des Reifens gesessen hat —, aber die Kontur des Steines ist die- 
selbe, wie bei denen, die nach oben hin in ein vierspeichiges Rad mit 
weit überschiessenden Speichen endigen (Fig. 64). Bisweilen kann in 
diesem Falle, wie ein eigentümliches Andenken an den Ursprung der 
Form, ein Kreis auf dem Steine eingeritzt sein, obgleich keine Speichen 
‘innerhalb desselben angedeutet sind (Fig. 63). 

Bei Figur 60 ist der Radreifen verschwunden, aber die Enden der 
Speichen haben die abgerundete Form beibehalten, die sie hatten, als 
sie vom Reifen umschlossen waren. 

Solche Kreuze, wie sie auf den Figuren 41—64 abgebildet sind, 
kommen allgemein auf den britischen Inseln vor. Sie finden sich auch 
in mehreren anderen Ländern, unter anderem in Norwegen und Schweden, 
besonders auf Gotland. 

Die Form hat, auh in ganz ursprünglicher Gestalt, bis in die 
späteste Zeit fortgelebt. Auf vielen schwedischen Kirchhöfen sieht man 
solhe Kreuze von Holz oder Eisen, wie sie in Fig. 65 und 66 abge- 
bildet sind. Bei diesen Kreuzen ist gewöhnlich der untere Teil ebenso 
schmal, wie die Speichen, weil in diesen Fällen der Stoff kein Hinder- 
nis für eine Bewahrung der ursprünglihen Formen in den Weg legte. 

* * 


174 Oskar Montelius. Р [23 


Im 2. und 3. Kapitel des ersten Buchs Mose wird der Garten їп 
Eden geschildert und darin erzählt, wie mitten im Garten „der Baum 
des Erkenntnisses des Guten und Bösen“ stand. Da Adam trot des 
Verbotes von der Frucht des Baumes ass — dass es ein Apfel ge- 
wesen wäre, wird nicht gesagt — wurde er aus dem Paradiese;ver- 
trieben, auf dass er nicht desgleichen nehmen sollte von „dem Baume 
des Lebens“ und essen und leben ewiglih; und ein Engel wurde mit 


~ >- Ze 


Fig. 55. Steinkreuz, Norwegen. Fig. 54. Steinkreuz, Gotland. 


einem blossen, gezückten Schwerte gesetzt, um den Weg zu dem Baume 
des Lebens zu bewachen. 

Nach den Ausdrücken in diesem Bericht scheint es so, als ob es 
zwei verschiedene Báume gewesen sind. Aber es spricht viel dafür, 
dass der Baum des Erkenntnisses und der Baum des Lebens ein und 
derselbe gewesen ist, eine Ansicht, die auch im Mittelalter die gewóhn- 
lidhe war. 

Der Bericht im ersten Buch Mose steht offenbar in Zusammen- 
hang einerseits mit dem heiligen Baum, der in der Religion und Kunst 
Indiens und Assyriens eine so grosse Rolle gespielt hat, und anderer- 
seits mit der Vorstellung, von der sich Spuren bei mehreren Völkern 


24] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 175 


finden, von einer Frucht, deren Genuss ewiges Leben gäbe. So glaubte 
der Parse, dass die Somapflanze ewiges Leben und der Saft der 
Zypresse „Erkenntnis“ gäbe. Auch die Edda erzählt ja davon, wie 
Walhallas Gótter ihre Jugend nur so lange bewahrten, als sie von Iduns 
Apfeln assen. 

Bereits seit den ältesten Zeiten der christlihen Kirche wurde der 
Baum des Lebens im Paradiese als Vorbild des Kreuzes aufgefasst, 


Fig. 55. Steinkreuz, Gotland. 


und das Kreuz wurde sowohl in der morgenländischen wie der abend- 
landischen Kirche als ein Baum des Lebens inmitten des Paradieses 
gepriesen. In der Kunst des Mittelalters wurde daher das Kreuz oft 
als Baum des Lebens dargestellt. 

So verhalt es sich mit den in Fig. 67 und 68 abgebildeten Grab- 
steinen, wo wir ein gleicharmiges Kreuz oben auf einem Baume sehen. 
Dieser ist stark stilisiert, wie es gewöhnlich der Fall ist bei Abbildungen 
vom Baume des Lebens. Auf dem Stein Fig. 52 ist derselbe Gedanke 
dadurch ausgedrückt, dass auf jeder Seite des Stabes, der das Kreuz 
trágt, ein Blatt hervorgesprossen ist. Die Fig. 69 und 70 abgebildeten 
Steine sind mit einem gleicharmigen, von einem Stabe getragenen, sehr 
blattreihen Kreuze geschmückt, das ganz einem Baume mit grosser, 


176 Oskar Montelius. [25 


reich belaubter Krone ähnelt. Bei der zuletzt genannten Figur sieht 
man am Schnittpunkte der Kreuzesarme ein solches Hakenkreuz, wie 
sie oben Fig. 36—40 wiedergegeben sind. 


* * 
* 


In seiner grossen Arbeit über die christliche Kunst ') sagt Garucci: 
„Das Kreuzsymbol, das ,gleicharmiges“ und ,griechisches" Kreuz ge- 


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Fig. 56. Steinkreuz (vom Jahre 1361), bei Wisby. 


nannt zu werden pflegt, hat durhaus keine Ãhnlihkeit mit dem Kreuz, 
wie es für Hinrihtungen angewendet wurde, sei es bei Römern oder 
Griechen oder gar im Orient. Die Völker des Altertums haben es als 
Zeihen der Erlösung benutzt, man weiss niht auf Grund welher Über- 
lieferung“. 

Die Erklärung dessen, was Garucci dunkel scheint, ist im vor- 
hergehenden gegeben: Das gleicharmige Kreuz ist nichts anderes, als 
die bereits in vorchristliher Zeit aus dem Sonnenrade gelösten vier 
Speichen, und das Kreuz bezeichnet daher wie das Rad zuerst den Sonnen- 


1) В. Garucci, Storia della arte cristiana. Prato 1881. I, 155. 


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26] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 177 


gott und sodann das Góttlide als solhes. Es hat diese Bedeutung, 
weil das Rad, wie wir gesehen haben, ursprünglich ет Bild der 
Sonne war. 

Aus dem Aufsatz über ,Das Rad als ein religióses Sinnbild in 
vorchristliher und christliher Zeit" erinnern wir uns, wie man bisweilen 
zwischen den Speichen 
Strahlen sieht, und 
dies nicht nur in der 
ältesten vordhristlichen, 
sondern auch in der 
christlichen Zeit. Zwi- 
schen den Speichen in 
dem hinter Christi 
Haupt sichtbaren Rade, 
welches Kreuzglorie ge- 


nannt zu werden pflegt INES 
— das Zeichen für (HNO) 
seine Göttlihkeit — I) 


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sieht man nicht selten 
solche Strahlen, und 
einige Male wird das 
ganze Rad durch eine 
strahlende Sonne er- 
setzt. 

Da das gleicharmige 
Kreuz aus dem vier- 
speichigen Rade ent- 
standen ist, sollte es al- 
so nicht Erstaunen her- 
vorrufen,wenn auch die- 
ses Kreuz als eineSonne 
aufgefasst wurde. Es 
wäre das um so weniger überraschend, als Christus, der ja durch das 
Kreuz repräsentiert wird, selbst auf manche Art in Gedanken mit der 
Sonne zusammengestellt wird. 

Vor dem Christentum hatte man im Süden wie im Norden zu 
Weihnachten, der Zeit der Wintersonnenwende, die Geburt der Sonne 
gefeiert. Kurz nach dem Siege des Christentums durch Konstantin be- 
gann man, zuerst in der abendländishen und etwas später in der 
morgenländischen Kirche, den 25. Dezember als Christi Geburtstag zu 
feiern, den Tag, da „die wahre Sonne“, „die Sonne der Gerechtigkeit“ 
auf die Welt gekommen war. Man konnte das um so leichter tun, als 


Fig. 58. 
Steinkreuz, Schottland. 


Fig. 57. 
Steinkreuz, Schottland. 


178 Oskar Montelius. (27 


keine von den Biichern des neuen Testaments etwas über die Jahres- 
zeit erwähnt, da Christus geboren wurde. 

Man kann sagen, dass die Evangelien selber zu einer solchen 
Gleichstellung von Christus mit der Sonne berechtigen durch die Er- 
zühlung von seiner Verklärung, da „sein Angesicht leuchtete wie die 
Sonne, und seine Kleider wurden weiss, als ein Liht“, um die Worte 
des Matthäi-Evangeliums zu gebrauchen. 

Im Zusammenhang hiermit müssen wir uns erinnern, dass auch 
bei Jehovah sich gewisse Züge finden, die an den Sonnengott erinnern, 
ein Umstand der um so weniger iiberraschend ist, als die Juden ja auf 
allen Seiten von Vólkern umgeben waren, die den Sonnengott anbeteten. 

So lesen wir im zweiten Buch Mose, 19. Kapitel, beim Bericht über 
die Gesetzgebung auf dem Sinai, wie der Herr vom Berge herabstieg im Feuer. 


| fu Hp ROL, D 
( ЖАКТ 
| | INNS ’ e 


Fig. 59. Steinkreuz, Gotland. 


Und im ersten Buch der Kónige 18. Kapitel wurde vom Wett- 
kampf des Elias mit den Baalspriestern berichtet, um zu sehen, wessen 
Gott, Jehovah oder der heidnishe Sonnengott Baal, „mit Feuer ant- 
worten“ würde. Baal sandte kein Feuer zu seinem Altar, aber auf 
des Elias Altar ,fiel das Feuer des Herrn herab und verbrannte das 
Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der 
Grube“. 


28] Раз Sonnenrad und das christliche Kreuz. 179 


In der Kunst der christlihen Kirche zeigt sich auch vielfach, wie 
tief eingewurzelt der Gedanke an einen Zusammenhang zwischen der 
Sonne und der Gottheit ist oder wie natürlich der Gedanke ist. 


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Fig. 60. Steinkreuz Schottland. Fig. 62. Steinkreuz, Gotland. 


Fig. 63. Steinkreuz, Gotland. 


180 Oskar Montelius. [29 


In manchen Kirchen sieht man über dem Altar eine strahlende 
Sonne mit oder ohne den Namen Jehovas oder dem Auge Gottes in 
der Mitte. 

Bei manchen Monstranzen strahlt eine Sonne von der Hostie, dem 
Leibe Christi, aus, 
wenn sie vor der knie- 
beugenden Gemeinde 
in die Hóhe gehoben 
wird (Fig. 71). 

Von manchem Kreuz 
gehen Sonnenstrahlen 
aus, wie auf dem 
Fig. 72 abgebildeten. 
Diese Figur ist einer 
schwedischen Zeitung 
aus dem Jahre 1903 
entlehnt, wo sie als 
Vignetteüber einer Pre- 
digt angewendet wurde. 
Durch einen eigentüm- 
lichen Zufall — oder 
richtigeraufGrundeines 
tieferen Zusammen- 
hanges, dessen der 
Zeichner sich nicht be- 
wusst war, — ist hier 
die von dem Kreuze 
ausstrahlende Sonne 
mit dem Namen des 
Wochentages zusam- 
mengestellt, der ehe- 
mals der Tag der Sonne 
war und jetzt der Tag 
des Herrn ist. 

Hiermit will ich na- 

türlich nicht sagen, dass 

HORS. Govinda: Eisenkreuz (v. 4740), Jámtland. die Christen noch in 

unseren Tagen in ihrem 

Gott einen Sonnengott sehen. In ihrem Versuch, sich das vor Augen 

zu stellen, was von keiner Menschenhand gezeichnet werden kann, be- 

nutzen sie als Symbol der Gottheit das Höchste, das Strahlendste, was 
Menschenauge gesehen — die Sonne. 


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30] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 181 


Als Symbol des Göttlihen ist die Sonne ja besonders passend 
auch aus dem Grunde, weil alles Leben hier auf Erden auf der Sonne 
beruht. Wenn die Sonne nicht mehr ihr Licht über uns leuchten liesse, 
nicht mehr ihr Antlitz uns zuwendete, dann wäre die Erde und alles, 
was auf ihr kreucht und fleugt, tot. 

Dies wissen wir. Den Völkern des Altertums war das richtige 
Verhaltnis zwischen der Sonne und der Erde noch nicht bekannt, und 


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Fig. 67. Grabstein, Westergötland. Fig. 68. Grabstein, Westergötland. 


dessenungeachtet beteten sie allgemein den Sonnengott als den vor- 
nehmsten aller Gótter an. 

Bei dem nahen Zusammenhang, der zwischen der vorchristlichen 
und christlihen Zeit, zwischen vordhristlichher und christlicher Religion 


sich findet, ist es natürlich, dass vieles im christlidien Kultus — obwohl 
die Christen unserer Tage sich dessen nicht bewusst sind — bei náherer 


Forschung als eng verknüpft mit làngst verflossenen Zeiten sich er- 
weisen wird. 


Eins von den Gliedern in der Kette, die uns. und unsere Religion 


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182 Oskar Montelius. (31 


mit unseren Vorfahren und deren Religion seit Jahrtausenden verknüpft, 
ist das von uns eben betrachtete: die aus dem Sonnenrade gelósten vier 
Speichen, das gleicharmige Kreuz. 

Da das griehische Kreuz in so nahem Zusammenhange mit der 
Sonne steht, wie es nach dem, was wir im Vorhergehenden gefunden 
ТШЕ ЕШШ ИШ haben, der Fall ist, und да der Halb- 


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mond das heilige Zeichen der Moham- 
medaner ist, so liegt es auf der Hand, 
auf das bemerkenswerte Verhältnis hin- 
zuweisen, dass, wenn Christen und Mo- 
hammedaner, wie es oft geschah, gegen- 
einander kámpften, die ersteren in der 
Tat das Symbol der Sonne, die letz- 
teren das des Mondes auf ihren 


Fahnen führten. 


* * 
* 


Während beinahe zweier Jahr- 
tausende haben die christlichen Völker 
in dem vierspeichigen Rad und im Kreuz 
ihr heiligstes Symbol gesehen, ein Sym- 
bol, das seine unerhórt grosse Bedeu- 
tung dadurch erhielt, dass man in seiner 
Form das Kreuz Christi wiederge- 
geben sah. 

Nunmehr wissen wir jedoch, dass 
dies ein Irrtum ist. 

Die Kreuze, welche die Romer und 
andere Volker zu Christi Zeit bei der 
Hinrichtung von Sklaven und groben 
Missetátern anwandten, hatten nicht die- 
selbe Form wie das griechische Kreuz. 
Sie hatten auch nicht dieselbe Form 
wie das lateinische Kreuz. 

Aus den Berichten im Neuen Testament erhalten wir allerdings 
keine náhere Beschreibung von der Form des Kreuzes, und die Worte, 
die im griechischen Text und in der lateinischen Übersetzung über das 
Kreuz gebraucht werden, geben ebensowenig irgend welche Aufklárung über 
die Form. Das griechische Wort staurós bedeutet nämlich Pfahl, und die 
ursprüngliche Bedeutung vom lateinischen crux — das englische cross, das 
schwedische kors, das deutsche Kreuz — ist nur Folterwerkzeug !). 


Fig. 69. Grabstein, Westergötland. 


1) Daremberg und Saglio, Dictionnaire des antiquités grecques et romaines. 
Paris 1881. 1°, 1574. 


32] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 183 


Aber wenn die Schriftsteller aus den ersten christlichen Jahr- 
hunderten von der Form des Kreuzes sprechen, nennen sie es T-fórmig. 
Auch die älteste Abbildung, die wir von Christi Kreuz haben, zeigt uns 
dieses in der Form eines FRA EM TASC PNIS PST 


T ohne irgend eine NT 

über das Ru hi- КА EDNODOD AU A 
nausgehende Verlänge- |! Lëtz? D Sue: I E DTW IE ) d Fi 
rung des Stammes des A ZN Nee 
Kreuzes. | 

Möglicherweise er- 
halte ich künftig einmal 
Gelegenheit, näheres 
über diese interessante و‎ N 
Frage im „Mannus“ mit- | ИД AENEAN К 
zuteilen. Da wird es | AN d 
sich auch erweisen, teils 
dass ет Gottessymbol 
von derselben Form wie 
das lateinische Kreuz, 
mit sehr langem Unter- 
teil, bereits vor dem Auf- 
treten des Christentums UN AUS RSEN 
bestand, ebenso wie wir О N Ge \ wë, H A SD I» 
gefunden haben, dass es И и и 
auch mit dem griechi- 
schen Kreuz der Fall 
gewesen ist, teils dass 
das Kreuz, an dem der 
sterbende oder verschie- 
dene Christus seit an- 
derthalb Jahrtausenden НА | 
gewöhnlih abgebildet | и T d Uu 
ist, seine Form erhalten |’ т nA RA d Ki {SiN EA Kg EI || 
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von Symbolen- für die ul M ral es А: 
Gottheit, die wir jetzt Fig. 70. ee (у. J. 1316), он. 
kennen gelernt haben. 

Da das gleicharmige Kreuz von der grossen Bedeutung gewesen 
ist, die wir alle kennen, so können wir nun den Sinn der Worte 
verstehen, die im Anfang der ersten Abteilung dieses Aufsatzes geäussert 
wurden: ,der scheinbar unwichtige Umstand, dass das Rad mit nur 
vier Speichen so lange Zeit an den Wagen benutzt wurde, hat sehr 


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184 


Oskar Montelius. [33 


unerwartete Folgen gehabt". Wenn die gewöhnlichen Räder vier Speichen 
nicht während so langer Zeit gehabt hätten, dass man sich auch das 


Fig. 71. Monstranz. 


Sonnenrad allgemein als vier- 
speichig vorstellte, so ware aller 
Wahrsceinlihkeit nach das 
gleiharmige бгіефіѕфе 
Kreuz niemals entstanden. 
* * 
* 

Das Kreuz, das als 
für die Christenheit am 
meisten charakteristisch 
betrachtet wird, hat also 
tatsählih seinen Ur- 
sprung in vorchristlicher 
Zeit. 

Dies im ernsten Augen- 
blick überraschende Ergebnis 
darf indessen nicht unsere Ver- 
wunderung erwecken. Als das 
Christentum entstand, waren 
diejenigen, die Christen wurden, 
mit den heiligen Sinnbildern 
vertraut, die ihre Vorfahren seit 
Jahrtausenden mit Ehrfurcht 
betrachtet hatten. Zu diesen 
Sinnbildern gehörte das Rad, 
das gleicharmige Kreuz und das 
Kreuz mit langem Unterteil. Da 
war es natürlih, dass diese 
Zeichen, in denen die Christen 
nur Symbole des Gjöttlichen, 
nicht irgend eines heidnischen 
Gottes im Gegensatz zu dem 
christlihen, sahen, von den 
Christen als Symbole für ihren 
Gott und seinen Sohn ange- 
wendet wurden. 

Dass diese Symbole bei 


den Christen die Bedeutung bekamen, die sie jetzt haben, darf noch 


weniger Verwunderung erwecken. 


Wir wissen, wie oft es vorkommt, dass man, wenn die wirkliche 
Geschichte und wirkliche Bedeutung eines Gegenstandes oder einer Er- 


34] Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 185 


scheinung unbekannt ist, eine Erklärung derselben gibt, die wohl be- 
rechtigt scheinen kann, tatsächlih aber durchaus unrichtig ist. Wenn es 
sich um die Frage nach der Bedeutung eines der Sprache urspriinglich 
fremden Wortes handelt, nennt man eine solche Erklárung ,volksety- 
mologisch“. Auch auf anderen Gebieten als dem sprachlichen, nicht zum 
mindesten auf dem, das in Zusammenhang mit der Religion steht, 
begegnen wir gleichen Erscheinungen. 


Eine solche ist, um ет Beispiel anzuführen, die Erklärung, die 
man von der Richtung der dhristlidien Kirchen gegeben hat. Man sieht, 


Fig. 72. Vignette zu einer Sonntagsbetrachtung. 


dass die Kirchen in der Richtung von Westen nach Osten gebaut werden, 
mit dem Altar gegen Osten, und man glaubt, dies beruhe darauf, dass 
der Altar in der christlihen Kirche gegen Jerusalem gerichtet sein soll 
in derselben Weise, wie der vornehmste Platz in der mohammedanischen 
Moschee die Richtung gegen Mekka angeben soll. Diese Erklärung 
lasst sich gut an, ist aber unrichtig, was unter anderem daraus hervor- 
geht, dass auch die während der ersten Jahrhunderte des Christentums 
gebauten Kirchen, deren Ruinen im nördlichen Syrien liegen, ihre Altäre 
im Osten haben, obwohl ein jeder in jenen (Gegenden wohl wusste, 
dass das nicht besonders weit abliegende Jerusalem im Süden lag. 
Die richtige Erklärung ist, dass der Altar in der christlichen Kirche gleich- 
wie in manchem vorchristlihen Tempel deshalb nach Osten gerichtet sein 
soll, weil die Sonne im Osten aufgeht. Von alters her hatte man die 
Vorstellung, dass, wenn man sich gegen Osten wände, man sich gegen 
die Sonne, gegen Gott wände. 


Dieselbe Bewandtnis hat es mit der richtigen Bedeutung der Sym- 
bole, die wir eben betrachtet haben. Man wusste, dass sie heilige, 
von den Vätern ererbte Sinnbilder waren, und man kam dazu, die Er- 

Mannus. Bd. І. Н. 3. 13 


186 Oskar Montelius: Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. [35 


klárung für ihre Heiligkeit darin zu sehen, dass sie Abbilder des Kreuzes 
waren, an dem Christus einen qualvollen Tod erlitten hatte. Tatsächlich 
stammen sie von so uralten Zeiten her, dass die Überlieferung ihrer 
richtigen Bedeutung in Vergessenheit geraten ist. 

Sie waren nicht Sinnbilder von Christi Erniedrigung 
und seinem Tod als ein Missetäter. 

Sie waren Sinnbilder seiner Gottheit. 


Übersicht über die Forschungsergebnisse 
in Nordbóhmen 1 


Von Inspektor R. В. von Weinzierl, Teplitz-Schónau (+). 
Mit 32 Textabbildungen. 


Das nórdliche, wie auch das nordwestliche Bóhmen ist von grosser 
Bedeutung in bezug auf die Urgeschichte des Landes selbst, das 
vermóge seiner zentralen Lage in Europa ein für die Erforschung der 
vorgeschichtlichen Kulturen wichtiger Terrainabschnitt des Kontinentes, der 
von den frühesten Zeiten an von Handelswegen durchquert war, Funde 
aller Kulturabschnitte in sich birgt. 

Der autochthone Bewohner hatte sich zunächst zwischen dem Erz- 
und Mittelgebirge festgesetzt und von da fächerartig über die Nord- 
halfte Bóhmens verbreitet, so dass insbesondere der Elbe-, Eger- und 
Bielalauf mit seinen fruchtbaren Niederungen dem Neolithen alles bot, 
was er für sich und seine Viehherden und zu einer friedlichen 
kulturellen Entwicklung benótigte. 

Das Ende des Neolithikums ist gegeben durch das Einsetzen der 
Metallzeit. Die dstlichen, westlichen und auch die vom Süden aus 
dem Donaugebiete Böhmen überflutenden Einflüsse der Bronzekultur 


1) Der vorliegenden letzten Abhandlung des hochverdienten böhmischen 
Forschers wurde die Aufnahme in den ,Mannus* nicht versagt, obwohl der vor- 
zeitige Tod des Verfassers es leider unmöglich gemacht hat, durch weitere Ver- 
handlungen seine Zustimmung zu den sachlich notwendigsten Anderungen seiner 
Auffassung und Darstellung zu erlangen. Dahin gehören die verfehlten Ansätze 
der absoluten Chronologie, die besonders bei den Zahlen der Laténeperioden zu 
Tage treten (S. 204), für die Bronzezeit aber vom Herausgeber teilweise eingerenkt 
werden mussten, ferner der Gedanke, das die feinere Ware der Zonenbecher süd- 
licher Import sei (S. 194), namentlich aber die unglückliche Verschmelzung der 
keltischen Bojer und ihrer Nachfolger, der swebischen Markomannen, zu dem rein 
erdachten Stamme der Keltogermanen, denen eine einheitliche, allerdings sich 
stark abwandelnde Kultur zugeschrieben wird, neben der in Bóhmen noch eine 
geschlossene spezifisch rómische Kultur einhergehen soll, wie andererseits die 
Markomannen vieles schon rein Slawische zugeteilt erhalten, und manches andere, 
das der Kundige alsbald erkennen wird. G. K. 

13* 


188 В. В. von Weinzierl. [2 


ergeben ет neues Bild der besiedelten Flache. Es zeigt sich genau, 
dass nunmehr mit Ausnahme der Randgebirge und deren Innerland- 
Auslaufer unser heutiges Bóhmen bis auf wenig Terrainabschnitte be- 
volkert war. 

Durch vielfache neue Handelsbeziehungen entstehen neue Handels- 
strassen, die von einem Kulturzentrum zum anderen führen. Schon in 

der neolithischen Kulturepoche 
kónnen wir vom ursprünglichen 
Sitze des Steinzeitmenschen aus 
eine breite Kulturstrasse der Biela- 
Eger aufwárts bis Saaz, von da 
über Schlan nach den Zentrum 
Bóhmens und schliesslich dem 
Osten zu feststellen. Von Mähren 
aus ist in dieser Kulturepoche 
zunáchst eine Rückstauung nach 
dem Westen fühlbar. In der 
Bronzezeit macht sich die Ein- 
bruchstelle von Taus und jene im 

` äussersten Süden, sowie jene im 
nordöstlichen Böhmen geltend; 
letztere bildet den Eingang der 
Lausitzer Kultur. 

Die Hallstattkultur betritt 
vom Osten und Süden her die 
gebahnten Wege ihrer Vorläufe- 
rinnen, worauf die Latöne-Kultur 

оке Ritter von Weinzien; bei Taus einbricht und der grossen 

geb. 1855, { 9. Juni 1909. Kulturstrasse Beraun abwärts fol- 

gend zunächst in dem mächtigen 

Kulturzentrum von Stradonitz einen Stützpunkt findet, dann nordwärts 

wendend sich bis in das nördliche Böhmen ergiesst und den durch 

die südwärts gerichteten Ausströmung der Steinzeitkultur eröffneten 

primären Handelswegen nach Norden zu folgend bis in die Gegend von 
Auscha fühlbar wird. 

Vom Rhein her folgt der Latene- über Nordbayern die römische 
Kultur, fränkische Kaufleute dringen bis an die Elbe resp. Biela vor 
und in der Zeit der Völkerwanderung, die keinen Hiatus für Böhmen 
bildet, bringt das Gewoge der ruhelosen Zeit noch andere Kultur- 
momente nach Böhmen. Böhmen ist mehr denn je ein Durchzugsland 
seworden, insbesondere der nördliche Teil, wo alle Kulturmomente in 
den mächtig entwickelten Kulturzentren ihre Einflüsse zur nachwirkenden 


3] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 189 


Geltung brachten, so dass wir sagen kónnen, dieser Abschnitt bildet 
eigentlich eine breite, das Land durchquerende Handelsstrasse. 

Die letzten Reste der sesshaften Kelto-Germanen verschwinden, 
das Hin- und Hergewoge der Völkerwanderungszeit verwischt immer mehr 


KANN فا‎ 20 12-98 2:8 Tu 240 3.$ 3133413536 au 4 43 40 A1 Д 
EL E B. 
Fig. 1a. Stier- oder Votivgefäss von Ribeian. Seitenansicht. 
® 
das deutliche Bild der kulturellen Entwicklung der einstigen Bewohner 
der fruchtbaren Wasserläufe, das Bild wird immer unklarer, bis dann 
mit dem Erscheinen der Slawen im VIl. Jahrh. nach Ch. die Geschichte 
des Landes, wenn auch nicht deutlich, so doch greifbarer wird. 


Aus diesen ganz flüchtigen Andeutungen geht vor allem hervor, dass 
die Urgeschichte des Landes von besonderem Interesse und von hoher 
Bedeutung ist und vielfach den Fusspunkt zu fortgesetzten Studien bildet. 

Aus diesem Grunde wurde massgebenden Ortes Bedacht darauf 
genommen, die Forschungen eingehend durchzuführen, diese fachlichen 
Arbeiten zu unterstützen und in jeder Beziehung zu fördern, um einen 


190 В. В. v. Weinzierl. [4 


vollständigen Überblick über die kulturelle Entwicklung zu gewinnen. 
Gleichzeitig wurde die Wichtigkeit eines urgeschichtlichen Zentralmuseums 
für das nórdliche resp. nordwestliche Bóhmen ins Auge gefasst. 

Zu diesem Behufe hat die Gesellschaft zur Fórderung Deutscher 
Wissenschaft, Kunst und 
Literatur in Bóhmen zu 
Prag die altehrwürdige 
Thermenstadt  Teplitz- 
Schónau für die Errich- 
tung dieses Zentralin- 
stitutes ausersehen, ins- 
besondere aus dem 
Grunde auch, weil seine 
Lageim dichtbevólkerten 
deutschen Landesteile, 
inmitten vieler vorge- 
schichtlicher Kulturzen- 
tren, dazu berechtigt. 

Im Jahre 1901 
wurde das práhistorische 
Inspektorat für die deut- 
schen Landesteile аш 
Antrag oben genannter 
Gesellschaft errichtet mit 
dem Sitze in Teplitz- 
Schónau und vom Lan- 
desausschusse bestätigt. 
Mit diesem Momente 
wurde eine Organisation 
der Forschungsarbeiter 

Fig: 1b. Stier- oder Votivgefäss von Ribeian. Vorderansicht. durchgeführt. Ein Fund. 
und Fundorte-Kataster, 
genaue Kartierungen der auch wenig bedeutenden Fundorte, Pläne und 
sonst noch notwendige Karten bilden heute bereits fiir die Urgeschichts- . 
forschung einen bedeutenden wissenschaftlichen Schatz. Die Samm- 
lungen des Museums wurden fortab derart ausgestaltet, dass sie nunmehr 
schon eine reichliche Übersicht geben über die kulturelle Entwicklung 
des autochthonen Bewohners bis zur Slaweneinwanderung. Die Be- 
stände des Zentralinstitutes zählen heute mehr als 20000 Inv.-Nummern; 
dieselben geben Zeugnis von einer jahrelangen, eindringenden Forschungs- 
arbeit, die bis nun zu folgenden Ergebnissen geführt hat. 
Der autochthone Bewohner unseres Durchforschungsgebietes trágt 


5] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 191 


in bezug auf seine Schädelbildung jene Kriterien an sich, die zu der 
Annahme berechtigen, ihn als nordische Rasse anzusprechen!). Dieser 
‚ Neolith überschritt, von Norden herabziehend, das Erzgebirgsmassiv 
nórdlich des Teplitzer Bek- 
kens, besiedelte nun zu- 
nüchst das ganze Becken 
zwischen dem  Erz- und 
Mittelgebirge. Die zahlrei- 
chen Siedelungen und Be- 
grabnisplatze weisen auf eine 
dichte Besiedelung hin. Die 
keramischen Erzeugnisse 
(Fig. 1 a, b), die Verzierungs- 
motive (Fig. 2, 3) und die 
Technik, sowie die Stein- 
werkzeuge und Waffen (Fig. 4) 
lassen uns einen geschlos- Fig. 2. Bandkeramisches Gefäss von Lobositz. 
senen Kulturkreis erkennen, 

der seiner Typen wegen als der der Bandkeramik bekannt ist. Selten 
nur kommen einfach mit dunkler Erdfarbe bemalte Gefässe vor. Die 
bis jetzt vereinzelt gefundenen Bestattungen zeigen noch keinen ausge- 
sprochenen Totenkultus, wiewohl man bereits mehr als eine Andeutung 
des sogenannten liegenden Hockers vorfindet. Etappenweise rückt der 
Besiedler gegen Westen, Süden und Osten vor”). Am Ende der älteren 
Kulturphase der jüngeren Steinzeit macht sich eine Rückstauung von 
Osten her merkbar, die uns wohl auch die Bemalung des Gefásses der 
Kulturzentren der Bandkeramik aus Mähren bringt. Am Ende dieses 
Kulturabschnittes macht sich, jedoch nur vereinzelt, der Róssener 
Typus geltend und wird nicht allein im nórdlichen Bóhmen, sondern 
bis in das Zentrum Bóhmens hinein, besonders aber an der Elbe gefunden. 


Noch vor dem Erlóschen der Bandkeramik setzt: von Norden her, 
mit dieser parallel gehend, die Schnurkeramik ein und zwar in vehe- 
menter Weise, so dass es den Anschein hat, als ob die ältere Kultur- 
phase mit einem Male verwischt worden ware. Es entstehen an den 
alten Kulturpfaden und Handelswegen neue Kulturzentren, besonders 
in der Elbegegend, wo nicht allein Gräbergruppen, sondern grössere 


1) Reche O., Zur Anthropologie d. jüng. Steinzeit in Schlesien und Böhmen. 
(Archiv f. Anthropologie N. F. Bd. VII, Heft 2/3). Braunschweig 1908. 


Schliz A., Die vorgesch. Schädeltypen der deutschen Länder in ihrer 
Beziehung zu d. einz. Kulturkreisen der Urgeschichte. (Ebenda Heft 4). 


?) Weinzier! R. v., Die jüng. Steinzeit in Böhmen. Mit einer Karte. Prag 1895. 


192 | В. В. у. Weinzierl. [6 


Friedhófe teils bereits durchforscht, teils wenigstens angeschnitten wor- 
den sind !). 

Die Keramik der jüngeren Kulturphase des Neolithikums bringt 
uns neue Typen (Fig. 5, 6, 7, 8), neue Verzierungsmotive (Fig. 9) und 


Fig. A Bandkeramische Nutzgefässe von Karbitz-Herbitz. 


endlich auch eine wesentlich verschiedene Technik; dazu gehören präg- 
nante Formen der Steinwaffen und -Geräte (Fig. 10), vielfach anderer 
Hausrat und dgl. m. Die Bestattung der Toten wird streng rituell 
durchgeführt. Sehr selten kommen sitzende, in der Regel liegende 
Hocker vor. Am Ende dieses Kulturabschnittes kommen vereinzelt auch 
Verbrennungen und Schädelbegräbnisse vor. Einzelne Momente berech- 
tigen wohl auch zu der Annahme, dass die Anthropophagie in vereinzelten 


1) Leitmeritz, Lobositz, Gross-Tschernosek: Weinzierl В. v., Der prähistor. 
Wohnplatz und die Begräbnisstätte auf d. Lósskuppe südöstlich v. Lobositz. Mit 
27 Fig. (Zeitschr. f. Ethnol. 1895). 

Neue Funde auf d. Lósskuppe. Mit 7 Illustr. (Verh. d. Berl. Anthrop. Ges. 
1897, 42). 

Eine neolith. Ansiedelung d. Übergangszeit bei Lobositz. Mit 7 Fig. (Zeitschr. 
f. Ethnol. 1894). 

Eine neolith. Ansiedlung oberh. Kl.Tschernosek. Mit 8 Illustr. (Verh. der 
Berl. Anthrop. Ges. 1895, 684). 

Die neolith. Ansiedelung bei Gr.- Tschernosek a. Elbe. Mit 81 Illustr. (Mitt. 
d. Anthrop. Ges. Wien 1895). 


7] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 193 


Fallen noch geübt wurde. Die Trepanation (Fig. 11) kommt mit echter 
Schnurkeramik vor. 

In dieser Kulturphase scheint, am Ende derselben, eine robustere 
nordische Rasse den autochthonen Bewohner gewaltsam unterjocht zu 


VIRIS nor TR nnper Ta NEE EM IR E KK SOS 776 г 


Fig. 4. Pflugschar von Obernitz. 


haben. Das Studium der zahlreichen dolichocephalen Schädel der 
neolithischen Kulturepoche, die die Sammlung des Zentralinstitutes 


Fig. 5. Grabgefässe zweier neolithischer Hockerbestattungen von Gr. Tschernosek. 


enthält, zeitigt diese Annahmen gegenüber jenen der älteren Kultur- 
phase '). 
Am Ende dieses Kulturabschnittes kommt, freilich nur vereinzelt, 


1) Reche, а. а. О. 


194 В. В. v. Weinzierl. [8 


immer aber noch mit echter Schnurverzierung, das Ansa-lunata-Gefass 
(Fig. 12) vor und schliesslich der glockenfórmige Becher (Zonenbecher) 


Fig. 6. Kugelamphore von Bilin. Fig. 7. Kugelamphore von Prosmik a. E. 


Fig. 8. Typen des schnurkeramischen Kulturkreises von Lobositz und Umgebung. 


und in seinem Gefolge die ornamentierte breit- und flachrandige Schüssel. 
Diese südliche Importware, die ihren Weg über Mähren nach Böhmen 
genommen hat, ist bis in das nordwestliche Bóhmen verbreitet. Es 


9] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 195 


werden auch lokale Nachahmungen gefunden, die aber gegenüber der 
schónen [mportware eine recht primáre Mache aufweisen. 

Eine ganze Reihe der in schnurkeramischen Skelettgräbern ge- 
fundenen glockenfórmigen Becher, sowie Fragmente solcher aus neoli- 
thischen Kulturschichten lassen uns diese Keramik gegenüber anderen 
Fundberichten noch аз neolithisch ansprechen; diese reicht in die 
frühmetallische Zeit hinein !). 

Am Ende des Neolithikums tritt, besonders in den Grábern, die 


Fig. 9. Schnurkeramische Becher aus dem Elbegebiet. 


sogenannte Pseudoschnur auf (Fig. 15, 14, 15), ein Verzierungsmotiv, 
das die echten Schnurabdrücke ersetzen sollte. 

In den Gräbern finden wir, freilich nur selten, Bernstein und Gold, 
letzteres gleichzeitig mit Kupfer. Besonders der Bernstein und auch 
der importierte Feuerstein zeigen uns, dass Handelsverbindungen mit dem 
Norden, der früheren Heimat unseres Neolithen, fort bestanden haben. 

Noch ehe die Bronze Bóhmen überschwemmte, hatte das Kupfer 
in den Steinzeitsiedlungen Eingang gefunden. In Grabern mit echter 
Schnurkeramik finden wir Ohr- oder Fingerschmuck aus Kupfer °). 

Das Ende der jüngeren Steinzeit können wir für Böhmen mit 
dem Jahre 3000 vor Chr. festsetzen. (? G. K.) 


1) Weinzierl В. v., Importierte neolith. Keramik in Böhmen (Prähistor. 
Blatter VIII). 
2) Gross-Tschernosek a. Elbe. 


196 В. В. у. Weinzierl. [10 


Mit dem Eingange des Kupfers merken wir bereits deutliche Form- 
veránderungen an den Gefassen (Fig. 16), Veränderungen, die durch 
metallzeitige Vorbilder bedingt sind. 

In den Steinzeitgrábern, besonders des Elbegebietes, finden wir 
eine ganze Reihe von Formen der sepulchralen Gefässe, die sich im 
Laufe der Zeit verändert haben gegenüber den primären Typen, und 
diese veränderten Formen erhalten im Beginne der Metallzeit eine 
weitere Anderung in der Profilierung, der Henkelgestalt und den Or- 


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Fig. 10. Seltene Form einer gelochten Steinaxt und Steinmesser. Ога ила von Kraiditz. 


namentmotiven. In einzelnen Kulturzentren wirken stärkere Einflüsse 
auf bestimmte Formen ein, so dass endlich in der ältesten Bronzezeit 
sich ein scheinbar neuer Formenkreis ausgestaltet hat, der nach seinem 
Fundorte der Aunetitzer Typus (Fig. 17) genannt wurde. Wir kónnen 
diese neuen Formen zurückleiten bis zu den Grabinventaren der Elbe- 
gegend ?), die zeitlich sehr weit von einander abstehen. Die sogenannten 
Aunetitzer Gräber enthalten noch liegende Hocker. und bei diesen finden 
wir ein Metallinventar, das reine Typen dieser Kulturphase zeigt, 
so die dreieckigen Dolche (Fig. 18), die sábelfórmige Nadel mit dem 
verkehrt kegelfórmigen Kopfe, auf dem eine Ose aufsitzt, die einfachen 


Flachbeile u. a. 


1) Gross-Tschernosek, Lobositz. 


11] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 197 


Wir wissen wohl, wann die Kupferzeit einsetzt, doch kónnen wir 
weder deren Ende, noch einen Übergang zur Bronzezeit feststellen. 
Es liegen uns nur wenige Kupferfunde vor und zwar Beile, die ihrer 
Form nach auf die Schmalbeile der Steinzeit hinverweisen. .Der in den 


Fig. 11. Linksseitige Schläfenbeintrepanation von Bilin. 


Fig. 12. Ansa-lunata-Gefässe von Gr. Tschernosek. 


schnurkeramischen Gräbern gefundene Schmuck (Fig. 19) besteht aus 
Ringen, die aus schwachem Drahte einfach zusammengebogen sind. 
In den Muschel- und Zahngehängen finden wir kleine kugelige Kupfer- 
perlen. 


198 В. В. v. Weinzierl. [12 


Naturgemáss sind die Kupfersachen in der Frühbronzezeit ein- 
geschmolzen worden, daher zum gróssten Teile verschwunden. 

In der altesten Bronzezeit blieb der Totenkultus derselbe wie in 
der Steinzeit. Der Schädeltypus verändert sich wesentlich, neigt der 


Fig. 14. Amphore mit Pseudoschnurornament von Lobositz. Fig. 15. Neolithische Amphore von Hostomitz. 


13] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 199 


Mesocephalie zu, wiewohl noch typische Langschádel vorkommen. Die 
Untersuchung der menschlichen Reste ergab eine Mischrasse. Etwa 
um 1300 vor Chr. setzt mit aller Vehemenz die Lausitzer Kultur 
ein und verwischt in der ganzen Nordhalfte Bóhmens die bestandene 
Kultur. Bis zum Jahre 1000 vor Chr. besteht ein anthropologischer 
Hiatus. Die Toten werden verbrannt, die Asche und die zerkleinerten 
Knochen werden in Urnen beigesetzt. Es entstehen sogenannte Urnen- 
friedhófe, von welchen jene von Libochowan, Wesseln und Rosawitz 
an der Elbe, von Ratsch im Mittelgebirge die bedeutendsten sind. 
Nur wenige Bronzen, meist angeschmolzene, werden in der Totenasche 


Fig. 16. Spät-neolithische Grabgef&sse von Teplitz-Schönau. 


gefunden. Die neue Kultur hat sich in den grossen Kulturzentren 
festgesetzt. 

Im nórdlichen und nordwestlichen Bóhmen haben wir es mit 
einer reinen Lausitzer Kultur zu tun, die sich wiederum in den einzelnen 
Zentren zunächst autochthon, später durch verschiedene neue Einflüsse 
weiter entwickelt hat. | 

In dem ersten Abschnitte der Bronzezeit wurde Böhmen, besonders 
der nórdliche Teil, von der pannonischen Kultur überflutet, auch die 
entferntesten und einzelnen Niederlassungen fand der von Osten kom- 
mende Handler. Es entstand ein regelrechter Handel. 

Beschädigte und gebrochene Stücke wurden in ganze umgesetzt, 
die Gusstechnik fand ihren Eingang. 


200 В. В. v. Weinzierl. [14 


Eine grosse Zahl von Depotfunden, zahlreiche verbrauchte Guss- 
formen (Fig. 20), die in den bronzezeitigen Kulturschichten und Gruben 
gefunden werden, und schliesslich zahlreich gefundene, ganze Bronze- 
objekte (Fig. 21, 22), sowie die reichen Grabinventare beweisen einen 
recht ansehnlichen Metallreichtum. Bedeutende Goldfunde, reicher Bern- 
steinschmuck ver- 
weisen uns wieder- 
um auf weit ver- 
zweigte Handelsver- 
bindungen mit dem 
Norden und Osten. 
Der Lausitzer Kultur 
entspricht ein ganz 
neuer, geschlosse- 
ner Formenkreis von 
Gefässen mit neuen 
Verzierungsmotiven. 
Von der einfachen 

doppelkonischen 

Urne an bis zum 
Etagengefäss finden 
wir nur wenig Än- 
klänge an alte, be- 
kannte Formen (Fig. 
23). Der sogenannte 
schlesische Typus 
hat im nördlichen 
Fig. 17. Grosses Vorratsgefäss von Stankowitz. Böhmen keinen Ein- 

| gang gefunden. Wir 

können in den einzelnen Varianten nur den Göritzer und Billendorfer 
Typus !) unterscheiden; die vom Westen und Süden nach Bóhmen ein- 
dringende Hiigelgraberkultur ist im Nordwesten und Norden Bóhmens 
nicht fühlbar geworden. Nórdlich der Eger sind auch bis jetzt noch keine 
Hügelgráber gefunden worden. Etwa um das Jahr 1000 v. Chr. machten 
sich in den Lausitzer Kultur-Zentren neue kulturelle Momente geltend. 
Neue Gefässtypen und das Eisen werden in den Urnengräbern mit Leichen- 
brand gefunden. Die Früh-Hallstattkultur dringt über Süd- und Südwest- 
bóhmen bis nach Norden vor. Sehr lehrreich sind beispielsweise die Urnen- 
graber von Libochowan. Es wurden ungestórte Grabinventare gehoben, 


2) Voss A., Keramische Stilarten der Provinz Brandenburg und benachbarter 
Gebiete. Mit zahlr. Textillustr. (Zeitschr. f. Ethnologie, Berlin 1903). Nach Voss 
handelt es sich im nórdl. Böhmen nur um den Lausitzer Typus „im engeren Sinne“. 


15] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 201 


in denen neben den typischen Lausitzer typische Hallstattformen 
(Fig. 24) standen und neben Bronze auch Eisen gefunden wurde. 
Diese Übergangsgrüber zeigen so recht die Verschmelzung der Kulturen. 
In der weiteren Reihenfolge wurden wiederholt Brandgräber mit reinen 
Hallstattformen (Fig. 25) 


gefunden, die sich mit der ПИ тт 
Hügelgräberkeramik um РИ- S Dscherni E , | 


зеп vollkommen decken. In cbt Onaz.. 
fast allen kleineren Siede- Et M T 
lungen der Lausitzer Kultur | a tr 

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werden, wenn auch verein- | Mal eC Barata, $: Bos 


zelt, Anklánge an die Hall- | 
stattkultur gefunden. 

Weiterhin auch bringen 
uns die überlagernden Kul- 
turschichten die Gewissheit, 
dass die Hallstattkultur eine 
lange Spanne Zeit andauerte. 
In einzelnen Urnenfriedhöfen 
finden wie lokalentwickelte, 
neue Formen, rote bemalte 
Grabgefässe und die der 
Ansiedelung entsprechenden 
Kulturgruben enthalten einen 
typischen Hausrat dieser 
Kultur. 

Auch aus diesem Kul- | 
turabschnitte kennen wir 
keine Hügelgräber aus dem 
nordwestlichen und nörd- 
lichen Böhmen (Fig. 260). | | | 

Um das Jahr 400 v. Fig. 18. Kupferdolche von Gr. Tschernitz. 
Chr. setzt, bei Taus ein- 
brechend, die Frühlaténe-Kultur ein; es dauerte eine geraume Zeit, bevor 
im nórdlichen und nordwestlichen Bóhmen sich die kelto-germanische 
Besiedlung vollzogen hatte !). Die Kelten, ein kriegerisches Volk von hoher 
Kultur, nahmen alle Elemente der besiedelten Terrainabschnitte und 
Kulturzentren in sich auf und beherrschten das in Besitz genommene 
Land. Ihre hohe kulturelle Stellung, ihre soldatische Organisation gab 


') Weinzierl В. v, Das Laténe-Grabfeld von Langugest bei Bilin. Mit 
zahlr. Textillustr. und 13 Lichtdrucktafeln. Brschw. 1899. 
Mannus. Bd. I. H. 3. 14 


202 В. В. v. Weinzierl. [16 


ihnen eine gewisse Machtstellung. Sie bezogen vor allem, den alten 
Handelswegen folgend, die Kulturzentren und vermóge der regen Ver- 
bindung mit den Rheingebieten wurde der Handel reger denn je, in- 
folgedessen die rómische Kultur sehr bald im Gefolge der reinen 
Laténe-Kultur nach Bóhmen kam. 
Die Gepflogenheit der Totenver- 
brennung erlischt mit der Früh- 
Laténe. Die Kelten bestatteten 
ihre Toten nach einem bestimmten 
Ritus in der gestreckten Rücken- 
lage. Wir finden meist gróssere 
Gräber-Gruppen, vielfach grössere 
Friedhöfe von nahe aneinander 
gereihten Gräbern, mit meist 
nördlicher Orientierung. 

Die Männergräber enthal- 
ten allerorts gleichartige Waffen 
(Fig. 27), welcher Umstand auf 
eine mehr soldatische Ausrüstung 
der bewehrten Männer hinweist. 
Die Frauengräber sind meist sehr 
reih mit Bronze- und Eisen- 
schmuck (Fig. 28) dotiert. Selten 
wird Glasschmuc gefunden (Fig. 
29). Ein geringer Prozentsatz der 
Gräber enthält keinerlei Schmuck- 
gegenstände, was auf eine gewisse 
Armut verweist. 

Hat die Hallstattkultur be- 
Ер reits das Eisen den Ansiedlern 

Frühbronzezeitiger Halsschmuck von Stankowitz. zur Kenntnis gebracht, so ist mit 

dem Laténe-Volke eine in jeder 
Richtung hin entwickelte Technik der Eisenbearbeitung ins Land ge- 
kommen. 

Dieses Volk verstand es, aus den leicht schmelzbaren Eisenver- 
bindungen das Metall zu gewinnen; die gefundenen Eisenschmelzéfen 
und die vielfachen Funde von Eisenschlacken in den Ansiedlungen sind 
die Beweise hierfür. 

Die Kelto-Germanen sind ein Mischvolk; die gefundenen Schädel 
zeigen keine Rassenreinheit mehr. So ergab das grosse Laténe-Grab- 
feld von Langugest alle Schädeltypen. Die Keramik ist bezüglich der 
Formen, der Ornamentik und der Technik der Bearbeitung verschieden 


. 17] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 203 


von der der vorhergehenden Kultur. Auch tritt ein neues Moment 
in den Vordergrund. Die Kelten hatten bereits Kenntnis von der 


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Fig. 21. Bronzezeitfunde aus dem nordwestlichen Béhmen. 


Tópferdrehscheibe, doch sind, alter Geflogenheit gemäss, die Gebrauchs- 
gefässe in der Hand geformt worden, während feinere Schalen, 


besonders aber die sepulchralen Gefässe auf der Scheibe, meist mit 
14* 


204 В. В. у. Weinzierl. 


[18 


feiner Profilierung und Gliederung des Halses erzeugt wurden. Diese 
verweisen auf die klassische Kultur der Rheinprovinzen, von wo die 
römishe Kultur in stetem Kontakte mit unseren Keltensiedlungen 


fortab blieb. 


Die zahlreichen Kleinfunde der Laténe-Kulturgruben zeigen uns, 


Fig. 22. Frühbronzezeitige Gewandnadeln von Kl. Tschernitz. 


dass der Bewohner nicht 
allein ein gewandter Tópfer 
und Schmied war, sondern 
auch alle anderen Handwerke 
verstand und sich auch in 
jeder Richtung hin künstle- 
risch betatigte. Die Textil- 
reste der Langugester Graber, 
fein und grob gewebte, wie 
auch gemusterte Kleiderreste 
aus Pflanzenfasern, führen 
uns den Kelten als geübten 
Weber vor Augen. 

Die Wohnungen, und 
dies vorweg die unter dem 
Bodenniveau versenkten Win- 
terhütten, sind trotz der hoch- 
stehenden Kultur noch ebenso 
primitiv zu denken, wie sie 
in der Steinzeit waren. 

Die Frühlaténe-Kultur 
macht sich durchgreifend über 
den ganzen Landesteil gel- 
tend; so finden wir in den 
Inventaren von 114 Grabern 
von Langugest nur bei we- 
nigen Bestattungen Anklánge 
an die Mittel-Laténe, nur 
einige Mittel - Laténe- Typen 


unter den Fibeln aus Eisen. Der schwere Fussschmuck der Frauen- 
gräber, die grossen Buckel-Scharnier-Ringe, gehören der Frühlaténekultur 
ebenso an wie den beiden folgenden Abschnitten. 

Die Frühlaténe-Kultur gehört dem Zeitabschnitte von 200 bis 
50 vor Chr., die Mittellaténe von 50 vor bis 50 nach Chr. und die Spát- 


laténe jener von 50—200 nach Chr. an. 


Die Mittellaténe-Kultur war nicht durchgreifend, die Typen der- 
selben bleiben eingestreut zwischen denen des ersten Absdchnittes. Die 


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19] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 205 


Fig. 25. Grosses bronzezeitiges Nutzgefáss von Stankowitz. 


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Fig. 24. Urnengrab mit Leichenbrand von Libochowan. 


206 В. В. v. Weinzierl. [20 


Spatlaténe-Kultur dagegen ist schärfer gekennzeichnet in der Keramik 
und den Metallfunden durch zahlreiche Anklánge an die rómische Kultur. 


Fig. 25. Urnengrab mit Leichenbrand von Libochowan. 


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Fig. 26. Bronzeschwert, eiserne Lanzenspitzen, Bronzegeräte und Waffen von Hostomitz. 


In den Kulturgruben dieses Abschnittes werden vielfach klassische Im- 
porte gefunden, unter denen Fragmente von Terra-sigillata-Gefässen 
zu erwähnen sind. Römisch- provinziale Formen werden vielfach ge- 


21] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 207 


funden'). Wurde bisher ausschliesslich die Bestattung des Toten ge- 
übt, so findet im 2. Jahrh. nach Chr. bereits die Verbrennung Eingang. 


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Fig. 27. Früh-Latènegrabfunde von Liquitz. 


Die Urnen (Fig. 30) dieser Gräber 
zeigen einen durchaus klassischen Typus. 
Waffen und Schmuck werden insgesamt 
der Haupturne, welche die Reste des 
Verbrannten enthält, beigegeben und 
unter dem Bodenniveau versenkt. 

Das Laténe-Volk, das sich am 
Ende des 3. Jahrh. v. Chr. auch auf der 
Prohner Anhöhe (südlich von Langugest) 
und südlih von Dux bis Hostomitz an- 
siedelte, benützte die heisse Therme —. - 
der sogenannten Riesenquelle bei Dux, WIR eco Ee pe rm 
die dort mächtig zutage trat. Die baden- 


1) Ein Silber- Denarfund (numi serrati) von Liebshausen in Verbindung mit 
römischen Armbrustfibeln lässt die Vergrabungszeit dieses Gelddepots im 2. Jahrh. 
nach Chr. feststellen. 


208 В. В. v. Weinzierl. [22 


den opferten Schmuckstiicke, meist Fibeln und Ringe aus Bronze. Bei der 
Teufung (1882) der im Jahre 1879 nach dem Döllinger-Einbruche уег- 
schwundenen Quelle wurden mehrere Tausend dieser Schmuckstiicke zutage 


Fig. 30. Grabgefáss von Twerschitz. 


gefórdert. Die grosse Zahl der prachtigen Laténe-Fibeln gehórt einem 
einzigen Typus, dem Frühlaténe-Typus an. Bei der Teufung der im Zu- 
sammenhange stehenden Urquelle von Teplitz im Jahre 1879 wurde 


23] Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordbóhmen. 209 


eine grosse Zahl von römischen Denaren und auch Schmuckstücke im 
Quellenschlamme gefunden. Auch einige keltische Münzen wurden ge- 
hoben. Die Rómer gehóren der Zeit 
von 83 vor bis 313 nach Chr. an. Die 
Fibeln sind prágnante Formen des 2. 
Jahrh. nach Chr. Die Kelten benützten 
offenbar die beiden Thermen schon zu 
Heilzwecken und opferten zum Danke 
der Quellengóttin. Die Riesenquelle 
bei Dux scheint wegen des massenhaft 
geopferten Frauenschmuckes vorweg ein 
Frauenbad gewesen zu sein. 

Vom 3. Jahrh. an verflacht sich 
die Kultur der sesshaften Kelto-Ger- 
manen. Das beginnende Gewirr der 
Völkerwanderung verhindert jedes kul- 
turelle Aufstreben. Die Markomannen- 
kultur ist im Niedergang begriffen; die 
fortwährende Kampfesbereitschaft im 
Gewoge dieser ruhelosen Zeit lässt 
auch die verschiedenen kulturellen Ein- 
flüsse, die der Westen brachte, in den 
einzelnen Siedelungen nicht zur Geltung 
kommen. Die Merowingisch-Frankische 
Kultur, die bis hierher vordringt, hinter- 
lasst im 4. und 5. Jahrh. ihre deutlichen 
Spuren in den gehobenen Grabinven- 
taren des Elbegebietes (Fig. 31, 32). 
Ein typisch quadischer Urnenfund ist 
aus dem Westen Bohmens bekannt und 
steht eben so vereinzelt da wie der 
Goldfund von Schellenken bei Dux aus 
dem 6. Jahrhundert. 

Die Markomannenkultur sinkt auf 
eine Tiefe, die charakterisiert ist durch Fig. 31. Frankisches Mannesgrab von Prosmik. 
eine ganz plumpe Keramik, wohl auf 
der Drehscheibe erzeugt, doch von einer rohen Masse. Der hartge- 
brannte Scherben zeigt im allgemeinen nur eine einfache Profilierung. 
Das Verzierungsmotiv ist ein durch ein kammartiges Instrument einge- 
ritztes, vielfaches Wellenband. 

Schmucklos sind die Gräber der Bestatteten. Das Eisen spielt 
im Hausrat und als Waffe die Hauptrolle. Messer, Scheeren, Waffen 


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210 В. В. v. Weinzierl: Übersicht über die Forschungsergebnisse usw. [24 


und sonstige Geräte erinnern mit ihren praktischen Formen an jene der 
Spátlaténe, an die nach unseren Siedlungen gebrachten rómischen Formen, 
die durch Jahrhunderte im Gebrauche waren, da sie den praktischen Be- 
dürfnissen der Zeiten entsprachen. Alle anderen kulturellen Momente 
fanden keinen Aufschwung in der Zeit der Vólkerwanderung mehr. 

Die Reste der einst dichten Bevölkerung wehrten sich gegen fremde 
Eindringlinge hinter angelegten Wällen, die an den grossen Kultur- 


Fig. 32. Inventar des Grabes Fig. 31. 


strassen die Anhöhen krönten. Hier in diesem zusammengepferchten 
Gemeinwesen gab es keine freie kulturelle Betätigung, und nur die 
Nahrungssorge liess die Männer ausziehen in die Wälder, während 
andere die Zugänge bewachten. 

Im 7. Jahrhundert wandern die Slawen in Böhmen ein und 
dringen allmählich bis ins nördliche und nordwestlihe Böhmen vor. Die 
Gräber ihrer Bestattungen enthalten eine ebenso rohe Keramik, wie sie 
den Markomannen wenig besser eigen war. Arm an Formen und von 
schlechter Masse sind die Urnen der Slawen-Gräber, aus stark glimmer- 
haltigem Tone auf der Scheibe erzeugt. Diese und die Gebrauchs- 
Keramik unterscheiden sich wesentlich von jenen der Markomannen. 

Der Schmuck der Gräber entbehrt jeder Mannigfaltigkeit. Stiel- 
runde Ringe mit S-förmigem Ende von verschiedener Grösse, aus 
Bronze, Silber, selten aus Gold, vielfah nur mit Silber und Gold 
plattiert waren in die Haarzöpfe der Schläfen eingeflochten. 

Der Schädeltypus gehört vorweg einer brachycephalen Rasse an. 
In der ersten Herzogszeit finden wir bereits Denare in den Gräbern. 


Drei Holzbrandplatze mit Steinkern aus 
der Bronzezeit. 


Aus der städtischen Abteilung des Niederlausitzer Museums für Alter- 
tumskunde in Kottbus. N. L. 
Von Frau Kaethe Rieken, Kottbus. 
Mit 11 Textabbildungen und 1 Tafel. 


Auf Anregung des Magistrats der Stadt Kottbus N.L. und durch 
Bewilligung der erforderlichen Gelder seitens des Stadtverordneten- 
kollegiums wurde mir die Möglichkeit gegeben, im Verlauf von drei 
Jahren planmässig ein grosses Urnengräberfeld auf einem Höhenrücken 
in der Nähe der Sachsendorfer Wiesen zwischen den Dörfern Sachsen- 
dorf und Klein Gaglow aufzudecken und seine reichen Schätze, nach 
ihrer Zusammengehörigkeit in der Erde grabweise zusammengehalten, 
der städtischen archäologischen Sammlung einzuverleiben. Die bis jetzt 
gehobenen Gräber enthalten Tongefässe und Beigaben aus der Zeit der 
Buckelurnen bis zu denen aus der jüngeren Bronzezeit. 

Bei der Ausgrabung wurde Graben an Graben auf 1—2 m Tiefe 
gezogen, häufig durch den Ortstein hindurh. So war es möglich, dass 
nur verstreute kleine Gegenstände übersehen werden konnten. Die 
Arbeiter hörten mit ihrem Graben auf, sowie sie auf etwas anderes 
stiessen als Sand, und nunmehr begann meine Feinarbeit in der Erde 
mit Löffel und Pinsel zur Freilegung des Fundes, damit das Gesamt- 
bild vor Entfernung der Gegenstände aus ihrem Lager mit Zeichenstift 
und photographischer Platte fixiert werden konnte. 

Aus dem später zu gebenden umfassenden Fundbericht müssen 
einige Nummern vorweg genommen werden, weil ein durch günstige 
Umstände unversehrt gebliebener Inhalt zu zeigen scheint, wie die Ein- 
äscherung der Verstorbenen seitens der Stammesgenossen technisch 
vorgenommen wurde. ! 

Unsere Archáologie arbeitet im Vergleich zu den 
Summen, die für Grabungen im Orient zur Verfügung ge- 
stellt werden, im engeren Vaterlande mit sehr kleinen 
Mitteln, wodurch die Ausführbarkeit beabsichtigter plan- 


212 Kaethe Rieken. [2 


mässiger Ausgrabungen in der Regel ein Wunsch bleibt. 
So mag die Tatsache verständlich werden, dass wissenschaftlich verwertbare 
Holzbrandstätten kaum gefunden zu sein scheinen, jedenfalls nicht be- 
schrieben sind, dass wir bisher keine Vorstellung über die Ausführung 
der Einäscherung vor der Wikingerzeit haben, trotzdem die Funde ein- 
geäscherter kleinster Kinder wie Erwachsener erstaunlich gross ist. Er- 
klärlih wird die Seltenheit des Findens von Ustrinen weiter dadurch, 
dass jede eine Dauereinrichtung war zur Benutzung bei eintretenden 
Todesfällen, d. h. dass nicht für jede fernere Leiche ein neuer Brand- 
platz genommen wurde, sowie dass die Glut oberirdisch, wenn auch 
wahrscheinlih in künstlihen Mulden, loderte, dass die Kohlen ober- 
irdisch liegen blieben und ihre Reste der zersetzenden Wirkung der 
Witterung, der Vegetation und der nivellierenden Tätigkeit der Beacke- 
rung preisgegeben wurden. Ihre Spuren scheinen gleich denen der 
Wohnstätten, soweit diese auf festem Boden, nicht im Wasser, errichtet 
waren, grossenteils durch jene Faktoren verwischt zu sein, aber erhalten 
geblieben sein können sie dort, wo lockerer Boden vom Winde auf- 
gewirbelt, von Regenbächen bewegt, sie alsbald ausreichend bedeckte. 

Folgende bekannte Tatsachen fanden sich auf dem Klein Gaglower 
Gräberfelde wieder vor: 


. 1. Die grossen Holzkohlenfunde, die auf angeglühter Erde und 
um erhitzt gewesene Steine lagerten, enthielten niemals Spuren von 
Knochenresten. 


2. In den Gefässen mit Knochenasche fanden sich niemals (bezw. 
nur selten angedeutet) Spuren von Holzbrand. 


3. Die Metallbeigaben zeigen vorwiegend die Einwirkung schmel- 
zender Hitze und sind zum Teil innig mit Knochen verbacken, in Zahn- 
lücken eingeschmolzen; Glas und Goldschmuck ist zum Teil in Tropfen- 
form verändert. 


4. Mit wenigen Ausnahmen sind in den Knochenurnen die Reste 
derart angeordnet, dass die Kopfknochen oben liegen, darunter die 
Armknochen und Rippen, zwischen ihnen häufig eine braunschwarze 
Masse (Rest der inneren Organe?) und im unteren Drittel des Gefässes 
Becken und Beinknochen. 


5. Die Tongefässe der Gräber sind mit wenigen Ausnahmen einer 
Überhitzung nicht ausgesetzt gewesen, d.h. nicht blasig aufgetrieben 
oder angekohlt. 

Ohne weiteres ist aus diesen Tatsachen zu folgern, dass: 

1. Die Leiche in gestreckter Körperlage eingeäschert wurde, da 
andernfalls der unter 4 angegebene strenge Aufbau in dem Aschen- 
gefäss nicht oder nur unter schwerer Mühe ausführbar gewesen wäre, 


3] Drei Holzbrandplütze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 213 


2. die Leiche bekleidet und ausgestattet mit Schmuckbesitz ohne 
Entfernung von Weichteilen dem Feuer zur Vernichtung übergeben wurde 
(Verschmelzung der Metallgegenstánde mit den Knochen, zerschmolzener 
Glasschmuck, mehrfacher Fund von Ton- und Glasperlen), 

3. eine unmittelbare Berührung der Leihe mit dem Scheiter- 
haufenholz verhindert sein musste, so dass nur die Flamme des Holz- 
stosses und die strahlende Hitze den Körper berührte und ihn ein- 
üscherte. 

Die planmässige Durchforschung des Klein Gaglower Gräberfeldes 
hat, wie mir scheint, den Anfang des Aufschlusses darüber gegeben, 
wieweit die Technik zur Einäscherung vorgesdhritten war. Für die dazu 
erforderlihe Menge Holz gibt einen gewissen Anhalt die Arbeit von 
Olshausen „Die Leichenverbrennung in Japan“ (Zeitschrift für Ethnologie, 
40. Jahrgang 1908, Seite 100). 

Darnach war zur Einäscherung der sitzenden Leiche in 7—10 Stunden 
bis 75 kg Tannen- oder Fichtenholz erforderlich, auch weniger, je nach 
Beschaffenheit der Leiche (mager, fett, wassersiichtig usw.). 

Auf dem vorgenannten Friedhof sind von mir 182 Fundstätten 
gehoben, z. Teil Grüber, z. Teil Steinsetzungen ohne Spuren eines 
Inhalts, darunter die in folgenden Zeilen bekannt gegebenen drei Státten, 
die den Eindruck erwecken, dass auf ihnen die Flamme den Kórper 
vernichtet haben kann. — Sie führen auf dem Grabplan die Ziffern 
88, 100, 118 à und 118 b und lagen inmitten des Urnenfeldes. No. 100 
. und 118 lagen nahe zusammen. 

No. 88. 0,70 m unter dem Bodenniveau zeigte sich eine zusammen- 
hängende Schicht von Holzbrand in einer Ausdehnung von 9 m О. W. 
zu 6 м N. S. Sein Kern bestand aus einem unregelmässig umrandeten 
Steinbau, 2,50 m О. W. und 3 m М. S. im Durchmesser haltend, mit 
einer Tiefe von 0,45 bis 0,50 m (hierzu Skizze 1). Die N. S. Aus- 


Skizze 1. Längsschnitt der Brandst&tte (88). 


dehnung des Holzbrandes war leider von den Arbeitern in nicht mehr 
genau festzustellender Ausdehnung verkürzt, so dass die erhaltene 
Breite mit 6 m für den Befundbericht vielleicht zu eng bemessen ist. 
Der mit dem Spachtel durchgearbeitete Holzbrand enthielt weder Ton- 


214 Kaethe Rieken. : [4 


scherben noch Knochensplitter. Er bildete ein längliches Oval, das in 
einer Mulde ruhte. Von den dünnen, etwa 5—10 cm dicken Rándern 
aus verdickte er sich schnell zum Steinbau hin auf 40—50 cm Dicke, 
hatte hier also die Tiefe desselben und war ihm innig angelagert. Mit 
dem Steinbau bildete der Holz- 
brand ungefähr eine gleichmässige 
Oberfläche, d. h. das Dickenwachs- 
tum erfolgte von der Peripherie 
an abfallend in die Tiefe, mit 
andern Worten, Holzbrand wie 
Steinbau lagen in einer künstlich 
angelegten Mulde. 

Der Steinbau, 40—50 cm 
tief, zeigte gleich dem Holzbrand 
ovale, aber durch verschiedene 
.Dicke der Steine bedingte unregel- 
mässig umrandete Form (Skizze2). 

Seine Oberfläche war aus- 
gesprochen muldenförmig gestaltet 
(Skizze 3). | 

Die Seiten bildeten Steine 
| von 30—40 cm Durchmesser, den 
Skizze 2. Oberflächenansicht des Steinlagers. 
Nr. 88 Brandplatz (3 m : 2,50 m). Grund nach dem Innern zu etwas 
kleinere, auf denen solche von 
Faustdicke ruhten. Alle Lücken füllte feiner aber nicht durch Hitze 
verbackener Sand, d. К. dieser hatte die Lücken erst nach aufgegebener 
Benutzung ausgefüllt; denn 
samtliche Steine, einschliesslich 
der inneren, waren mürbe, 
bróckelten, zertielen s: T. beim Skizze 3. Querschnitt des Steinlagers bei a (Nr. 88). 
Aufheben und waren ausnahms- (2,50 m). 
los geschwärzt, soweit sie ein- 
ander nicht berührten, d. h. sie waren alle der sprengenden Feuerein- 
wirkung ausgesetzt gewesen und der russenden Flamme. Zwischen den 
Steinen lagen vereinzelte Holzkohlenreste und wenige Tonscherben ver- 
schiedener Herkunft; deren Wandstärke und Oberflächenausführung liessen 
auf Abstammung von verschiedenen Gefässen schliessen. 

Die seitlihe, von der Tiefe ausgehende Verjüngung des Holz- 
brandes zur Oberfläche (Skizze 1), die erst in einer Tiefe von 0,70 m 
unter dem heutigen Bodenniveau begann, liess unzweideutig die Anlage 
in einer künstlich hergestellten Bodenmulde erkennen, die aber noch 
weit über den Umfang des Holzbrandes hinausgegangen sein wird, 


5] Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 215 


andernfalls das ganze Feld in der Zeit von rund 3000 Jahren sich 
um 70 cm hatte gehoben haben miissen, wogegen die geringe Tiefe 
der tatsächlichen Gräber spriht. Die Ausfüllung der Mulde konnte 
leicht erfolgen durch den sehr lockeren Flugsand, vorausgesetzt, dass 
er dem Winde frei ausgesetzt war, also die Fläche baumfrei war. 

Die locker gefügten Steine waren wahrscheinlich der Rost, auf dem 
die Leiche ruhte; sie bildeten eine lückenreiche Unterlage für den Körper, 
der damit überall von der zerstörenden Glut erreicht werden konnte, 
ohne dass Berührung mit dem Holzstoss nötig war, die obendrein 
noch durch die muldenförmige Anordnung des Leichenlagers (Skizze 3) 
erschwert wurde. Die Anlage der Ustrine in einer künstlich geschaffenen 
tiefen Mulde geschah wohl im Interesse der Holzersparnis. Es wurde 
damit ein langsameres Feuern möglich; die entfachte Glut konzentrierte 
sich mehr, als wenn der Holzstoss der unberechenbaren Wirkung des 
Windes frei ausgesetzt gewesen wäre, auf den zu vernichtenden Körper: 
das Ergebnis einer feinsinnigen Beobachtungsgabe. Unter Voraussetzung 
der Richtigkeit der Annahme vielfacher Benutzung desselben Brand- 
platzes zur Einäscherung darf man aus der Mürbheit auch der inneren 
Steine folgern, dass die Lücken zwischen den Steinen aus Erfahrung 
bewusst erhalten blieben. Dann muss die Brandstätte z. Zt. der Ruhe 
vor Versandung durch irgend eine Art der Überdeckung geschützt ge- 
wesen sein. 

Nr. 100. Anders gebaut war die Holzbrandstätte No. 100 (Skizze 4, 5). 
In der Tiefe von 0,70 m unter der heutigen Bodenoberfläche lag in Aus- 


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Skizze 4. EEN der ebe Nr. 100 (7,0 т). Steinlager NS = 1,80 м. 


dehnung von 1,30 т O.W. zu 1,80 т М. $. eine Schicht grosser, etwa 1 Ztr. 
schwerer geschwärzter und bróckelnder Steine, deren Lücken ausgefüllt 
waren mit an der Oberfläche hart geschmolzenem Sande. Er war z. T. 
innig mit den Steinen verklebt. Auf ihnen war kein Holzbrand, bzw. 
nur Spuren davon zu sehen. Die Steinblócke lagerten auf der an 
dieser Stelle auffallend harten Ortsteinschicht. In gerader Fortsetzung 
der М. S. Lange, unterbrochen durch Holzbrand und diesen begrenzend, 
lag м 1!| m Entfernung vom Südende des Steinbaues ein Haufen 
nicht geglüht gewesener, wenn auch an der Holzkohlenseite angeschwärzter, 
mannskopí grosser Steine in einer Tiefe von etwa 0,40 m unter der 
Bodenoberflähe. Jener grosse Steinbau war allseitig umgeben von 


216 Kaethe Rieken. [6 


Holzbrand. Er begann im М. О. und W. etwa 20 cm unter dem Boden- 
niveau in einer Machtigkeit von 9 cm, um bald nach der Tiefe zu auf 
70 cm anzuschwellen, hart an dem Steinbau wieder nur etwa 20 cm 
Dicke zu zeigen, die bestehen blieb bis zum Steinhaufen am S. Ende. 
` Die Ausdehnung der ganzen Brand- 

FANS, o Ee Oe WE, státte -betrug 6,30 т О. W. und 


ont: 20 7mN.S Die Länge des Stein- 

- - SE. F : | baus mit 1,80 m erscheint kurz für 
4 : TENOOR ATA 7 >: Einäscherung einer Leiche, aber 
О is qus БОЛУН -` nah der wechselnden Machtigkeit 
` SE оо Е 5, der Holzkohlen хи urteilen wurde 
RR Е ААУ “дег Holzstoss in voller Stärke nicht 
АКИ ВЕ = wie bei No. 88 hart an dem Toten- 


Qiu." lager errichtet, sondern in einiger 


У, Kä: тум” СА uM. ~~ 
EEE a Entfernung. So glaube ich die ge- 
TERN Ze 7727 ringe Machtigkeit der Kohlenschicht 
dime isi ci CDS ыч» in der Nähe der Blöcke erklären 
i | S PC i zu dürfen. — Auch bei dieser An- 


Skizze 5. Flächenansicht der Brandstátte 100. ordnung konnte die Hitze allein 
Holzbrand 6,30 (OW) und 7 m (NS) : . А 

Steinlager 1,80 (NS) und 1,30 (OW). einwirken, ohne dass die Gefahr 

| der Vermischung der Holzkohlen 

mit der Leihenasche drohte. Der Holzstoss war in seiner vollen Stärke 

nur auf der О. М. W. Seite, 4. h. hufeisenförmig aufgetürmt (Skizze 6), 

während an der S. Seite die geringe Stärke des Holzbrandes von 0,20 m 


auf geringere Mächtigkeit des Holzstosses schliessen lässt. 


Skizze 6. Querschnitt durch Nr. 100 im nördl. Drittel des Steinlagers. 
Holzbrand u. Steinlager = 6,30 m. Steinlager = 1,30 m. 


Die Vergleichung beider Brandplätze lässt vermuten, dass zwischen 
der Benutzung von 88 und 100 Jahrhunderte Zeitraum liegen, was dem 
Zeitunterschiede zwischen den beigesetzten Gefässen und den Beigaben 
wohl entsprechen würde. 

No. 118a. 40 cm unter der Bodenoberfläche stósst man auf ein 
80 cm starkes Lager wohlgeordneter, locker gelegter grosser Steinblócke. 
Der Bau zeigt die Masse 2,110 m O. W. und 1,20 m N. S. 

Die Lücken zwischen den oberen Steinen sind ausgefüllt mit nur 
z. T. hart gebranntem Sande. Auf den Steinen wenig, rings um die- 
selben viel Holzbrand; auf dem Lager einige Scherben von Tongefassen, . 


7] Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 217 


etwas Knocensplitter. Rings um den Steinbau ist Sand bis zu 
einiger, nicht bestimmbarer Tiefe, vermischt mit wenig Holzbrand, im 
Umkreise von etwa 1![ m auffallend hart und fest verbacken. Die 
Steinblócke der Aussenwand wie der Oberfläche waren mürbe, zerfielen 
beim Fortnehmen, während die des Innern ihre natürliche Härte be- 
sassen. Auch die Grundsteine der Seitenflächen bröckelten nicht. Im 
Gegensatz zu der Brandstätte 88 und 100 fehlte hier eine unzerstörte 
Holzbrandschicht. Jene hartgebrannte Sandschicht deutete darauf hin, 
dass auf ihr bedeutende Glut gelodert hatte. 

№. 118 b. Es ist nicht unmöglich, dass zu 118 a eine Holzkohlen- 
schicht 45 cm unter der Bodenoberfläche, von 118 а etwa 2—3 m ent- 
fernt, gehört. Der Holzbrand war diffus vermischt mit kleinen mürben 
Steinen und Steinsplittern und lagerte in 60—90 cm Dicke, 45 cm Breite, 
80 cm Länge ungeregelt oval gestaltet, auf lockerem, nicht hart ge- 
branntem Sande. Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, 
dass der Holzbrand von der Einäscherungsstätte entfernt wurde um Platz 
zu schaffen für einen neuen Holzstoss zwecks weiterer Einäscherung 
und vielleicht in einiger Entfernung vergraben wurde oder auch auf die 
damalige Oberflähe des Geländes geschüttet wurde. Wahrscheinlich 
ersteres, wenn man beriicksichtigt, dass in No. 100 der Brand an der 
Nordseite in einer Tiefe von etwa 20 cm begann. Die Stichhaltigkeit 
dieser Annahme vorausgesetzt, wären damit die dunklen, für mich bis 
zur Auffindung der vorliegenden Holzbrandstätten unerklärbaren mehr- 
fachen Holzbrandfunde auf dem Kl. Gaglower Gräberfelde wie ander- 
wärts z.B. auch auf dem Gräberfeld in Tauer (Niederlausitzer Mittei- 
lungen Bd. IX. S. 91) erklärt, d. h. als Aschplätze. — Die Bestätigung 
können nur weitere Funde von Brandplätzen mit Steinkern geben. 

Die soeben beschriebenen Brandplätze wurden inmitten des Brand- 
gräberfeldes gefunden und wiesen, da die nähere Umgebung auffällig 
frei von Gräbern war, daraufhin, dass sie zu ihm in Beziehung stehen. — 
Die Annahme, dass die Brandstätten Opferaltäre für die Götter dar- 
stellten, ist nicht unbedingt abzulehnen, und trotz Fehlens jeglicher Hin- 
deutung muss man auch diesen Gedanken festhalten, da wir ausser 
der länglihen Anordnung und zureichenden Grösse keinen Beweis für 
die Auffassung gefunden haben, dass die Brandstätten zur Einäscherung 
der Leihen dienten. — Es ist auffallend, dass weder Knochensplitter, 
noch Metall oder andere Fragmente von den der Leiche beigegebenen 
Gegenständen in den Steinlücken gefunden wurden. Freilich geschah 
das Calcinieren der Knochen, d.h. die Zerstörung des Organischen, 
nicht vollständig. Die schwarze Färbung in manchen grossen Röhren- 
knochen, braunrote, getrocknete Gewebreste in der Innenseite mancher 
Schädelkapselfragmente und die durch den Befund nachweisbare staub- 

Mannus. Bd. I. H. 3,4. 15 


218 Kaethe Rieken. [8 


fórmige Veraschung erst innerhalb jener Knochenurnen, die durch guten 
Verschluss vor Eindringen von Wurzeln und Sand geschützt waren, — so 
dass das Gefäss halbgefüllt sich ganz leicht anfühlt — und der Inhalt wie 
Asche deuten darauf hin, dass die Fortsetzung der Veraschung erst im 
Gefäss durch jene kleinsten Lebewesen vor sich ging, die ihre Nahrung 
in organischen Stoffen, nicht in mineralishen Kalksalzen finden. 
Immerhin sollte man vermuten, dass trotzdem einzelne Reste sich in 
den sandgefüllten Lücken der Steinsetzung gefunden hätten. Die Unter- 
suchung des Sandes auf Phosphorsäure, die einen Hinweis bei positivem 
Ausfall hätte geben können, wenn die Reste einstmals vorhanden waren, 
unterblieb leider. Auf diese Unterlassung wurde ich erst aufmerksam 
durch das freundliche Interesse, das Herr Professor Dr. Goetze-Berlin 
meiner Arbeit entgegenbrachte. 

Theoretisch ist diese Möglichkeit der Einäscherung von Leichen 
auf den beschriebenen Brandplätzen nicht von der Hand zu weisen, 
wenn wir daran denken, dass unsere Soldaten beim Abkochen im Felde 
ihre Speisen einschliesslich Frischfleisch nicht im Feuer, sondern hinter 
dem Feuer, d.h. in der Richtung: Wind, Feuer, Kochgeschirr in einer 
kleinen Mulde kochen und Frischfleisch in ғ bis 34 Stunden gar be- 
kommen. Das Kochgeschirr ist zwar geschlossen, aber der an seiner 
Oberfläche verkohlende Leichnam ist auch ein geschlossener wasser- 
reicher Körper, dessen Inhalt durch Feuer in Kochen gerät, dessen 
Aussenfläche nach Verdunstung des Wassers zunächst mumifiziert ist und 
verschliessend wirkt, so dass die Flüssigkeit im Innern alsbald ins 
Sieden geraten und verdunsten kann aus den durch Platzen entstehenden 
Rissen, Sprüngen und den natürlichen Öffnungen, worauf nach Verar- 
mung an Wasser der weitere Prozess des Verkohlens, Veraschens und 
schliesslich auch Calcinierens der Knochen nicht mehr schwer ist. Dass 
die Hitze in der Umgebung der Steine, die sih dem Leichnam mitteilte, 
eine gewaltige gewesen sein muss, zeigt die Mürbheit selbst 1 Ztr. 
schwerer Steine bis zum Kern. | 

Die zur Einäscherung erforderlichhe Zeit kann nur eine Versuchs- 
reihe ergeben. Konnte die Vernichtung des Körpers auf jenen Brand- 
plátzen stattfinden, dann ist entweder allsogleih ein den Steinbau 
überragender grosser Holzstoss um den auf jenem lagernden Leidinam 
errichtet, oder es ist nach Bedarf Holz nachgeschichtet worden bis zur 
dauernden Höhe des Steinlagers. Letzteres Verfahren hat die grössere 
Wahrscheinlichkeit für sich; denn dann konnten Flamme und besonders 
strahlende Hitze, dauernd in der Mulde zusammengehalten, gleichmässig 
auf den Leichnam einwirken bei zweckentsprechend sparsamem Holz- 
verbrauh, und so fände auch die Anlage eines erhöhten Steinlagers 
für Aufbahrung der Leiche ihre praktische Erklärung, d. h. Hochlagerung 


9] Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 219 


derselben auf porósem Ruhebett zur Benutzung der nach oben mittwärts 
und durch Lücken strahlenden Hitze. 

Die beschriebenen Funde lassen erkennen, dass sie die erhaltenen 
Reste eines Krematoriums oder auch einer Kultstátte sind, die durch 
natürliche günstige Bedingungen ihr Aussehen annähernd unzerstórt aus 
der Zeit ihrer Entstehung bis zur Auffindung bewahrt hatten. Ihre 
Veröffentlihung kann daher berechtigt erscheinen. 

Die Bekanntgabe nachfolgender Funde mit den Brandstátten erfolgt 
dagegen nur in der Absicht, dass sie wegen ihrer Eigentümlichkeit und 
etwaigen Zusammengehórigkeit mit den Brandstätten in der Literatur 
niedergelegt sind zu späterer Bewertung beim Auffinden ähnlicher 
mensclicher Bauwerke. Eine auch nur annähernd sichere Deutung der 
Art der Verwendung ist zurzeit unmöglich. 

Als der Magistrat der Stadt Kottbus wusste, dass in seinem Ge- 
lände Gräber aus alten Zeiten ruhten, wurde mir der Auftrag, den 
Inhalt des Feldes zu retten. Voraussetzungslos fing ich in der annähernd 
bestimmten geographischen Mitte des Feldes an und stiess auf die 
Funde 1.2.3.4. durch Anlage eines Grabens in W. О. Richtung und 
bis zur Tiefe der Ortsteinschiht 1—2 m tief. Sie erhielten erst eine 
gewisse Bedeutung bei der Durchsicht der von Anfang an angelegten 
Karte, die gleich dem Felde in Quadrate von 10,0 m:10,0 m Seitenlänge 
eingeteilt wurde. Die Funde 1. 2. 3. 4. wurden Spátsommer 1906 gehoben, 
die Brandstátte 88 Oktober 1907. Erst ihr Zusammenliegen auf der 
Karte führte zu dem Gedanken, dass diese Nummern aktuell zusammen- 
gehóren kónnen, um so mehr, als Karte und Aufzeidinungen ergeben, 
dass erstens ausser in der Nähe der Brandstätten keine ähnlichen Ge- 
bilde vorhanden waren und zweitens die Urnen in 0,35 m Tiefe oder 
weniger lagerten, während die Oberfläche des Steinkerns der Brand- 
státten erst in 0,70 m Tiefe sich zeigte gleich der nachstehend be- 
schriebener Bauwerke. 

Fund 1 (Skizze Nr. 7). In einer Tiefe von 0,70 m kommt in 
weissem Sande ein 1,90 m (N. S.) langes, 0,60 m (O. W.) breites 
lückenhaftes Lager faust- bis mannskopfgrosser Steine (16—20 Stück) 
zutage. 

Es wird umgeben in 0,30—0,60 m Entfernung (je nachdem in 
diesem Lager offenbar durch Entfernung von Blócken in früheren Zeiten 
Lücken entstanden sind) in demselben Niveau von einem Oval eng 
aneinander gelagerter kleinerer bis grósserer, etwa faustgrosser Steine, 
das am S. Ende einen etwa 0,50 m hohen Berg faustgrosser Steine 
einkreist, dem am N. Ende zwei ebensolhe Haufen auswärts angelagert 
sind. Ein locker gepflastertes Oval vielleiht kindskopfgrosser Steine 
umgibt das erste in einer Entfernung von 0,60— 0,80 m und ist an 

15* 


220 Kaethe Rieken. [10 


der М. О. und М. W. Seite markiert durch je einen mannskopfgrossen 
Block. Auf dem einen fand sich etwa ein teelóffelgrosser Rest 
Knochenasche (?) und eine Spur Holzbrand.  lrgendweldwen Inhalt 
barg die Fundstátte ausser den Steinen nicht. 


О 


e 
O 
Ооос фос go „2° 


Skizze 7 (Fund 1). Vergr. 200: 1. 


Fund 2 (Skizze 8). Dem Funde 1 parallel in 2 m Entfernung nach 
O., in derselben Bodentiefe gelagert, ruht ein offensichtlich verwüstetes 
Lager Steine mit 2,10 m (N. S.) Lange und 0,50 bis 0,80 (O. W.) Breite. 
Am S. Ende etwa faustgross, bilden sie hier eine dreifache Schicht, 
während das N. Ende nur noch zwei übermannskopfgrosse Steine 
aufweist. Etwa in der Mitte zwischen beiden Enden liegen verstreut 6 
mannskopfgrosse Steine. Ein geschlossenes Oval dicht aneinander ge- 


11] Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 991 


reihter, taubenei- bis faustgrosser Steine umringt das Lager in einer 
Entfernung von 0,50—0,80 m. — Offenbar zwecks Erzielung gleicher 
Höhe sind an den Stellen, an denen kleinere Steine verwendet wurden, 
diese bis zur Dicke der grösseren gehäuft. Nur das N. Ende ist her- 


Skizze 8 (Fund 2) Vergr. 200:1. 


vorragend. Es ist hergestellt aus drei sich berührenden Steinen, von 
denen der mittlere rund und mannskopfgross ist, die zwei seitlichen 
am Fusse flach, sonst gerundet sind. Der Ostseite des Steinovals 
angelagert ist eine 2 m lange, 0,70—1,0 m breite, 0,02—0,1 m mächtige 
Schicht Holzbrand, in der sich durch Brand gelockerte kleine Stein- 
platten und fraglihe Knochenreste finden. 

Fund $ (Skizze 9). In 3 m Entfernung nah О. von Fund 2, 
diesem parallel mit geringer südlicher Verschiebung gelagert kommen ver- 
einzelte grosse Steine zutage, die zwei grössten mit dem Durchmesser 


222 Kaethe Rieken. [12 


21:33:17 ст bezw. 34:24 ст. — Für sich betrachtet hatte dieser Fund 
gar keine Bedeutung, aber 0,28 m unter ihm und von ihm getrennt durch 
eine 0,28 m dicke Sandschicht fand sich ein locker gelegtes Oval faust- 
grosser und kleinerer Steine mit 
einer Lange von 1,80 m (N. S.) 
zur Breite von 0,85 т (О. W.). 
Dieses Pflaster, in der Skizze 
punktiert gezeichnet, war fast 
lückenlos erhalten und in der- 
selben Höhe, in 0,10 m Entfernung 


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d Go } umgeben von einem stellenweise 

A У d unterbrochenen Oval von 1—2 
„2; 2 OD. dicht aneinander gelegter faust- 

> b grosser Steine. Der eine jener 

E o grósserer Blócke lag ausserhalb 

E 20,70 der Grenzen des tieferen Bau- 

а = werks. 


Fund 4 (Skizze 10). In 
2 m Entfernung von No. 3 zeigt 
sich nach Beseitigung der Sand- 
massen, in derselben Tiefe wie 

Skizze 9 (Fund 3). Vergr. 200: 1. bei den vorangehenden, folgen- 
des Bild. 

Ein nur noch in wenigen Steinen erhaltenes Steinoval von I m 
(N. S.) Länge und 0,50 m (O. W.) Breite (Steine mannsfaustgross) 
umgibt in einer Entfernung von 0,33 m 
ein Kreis а Kiesel. Am lotzbrand AC 
Südende berührt der Ring jenes lücken- E o? "a 
hafte Lager. An der М. W. Seite ist £ 
der Kreis durch einen grossen Stein 
unterbrochen, der mit drei kleineren 
eine Nische bildet, in welcher sich 
Holzbrand ohne Knochensplitter mit 
‘le Fuss Tiefe, 1 Fuss Länge und 
Breite findet. Die diese Nische bil- 
denden Steine sind intensiv geschwarzt. S. 

Fund 88 lag im S. von Fund 1. Skizze 10 (Fund 4). Vergr. 200: 1. 
2. 3. 4. mit etwa 5 m Abstand. 
Stehen diese Funde in aktueller Abhängigkeit zueinander, dann darf 
gefolgert werden, dass für No. 88, dessen Sohle im Gebiet des Stein- 
kerns um etwa 0,50 m tiefer lag, als 0,70 m unter dem Bodenniveau, 
eine künstliche Bodenmulde aus Zweckmässigkeitsgründen angelegt wurde, 


13] Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 203 


eine Annahme, zu der bereits die muldenfórmige Gestalt des Holzbrandes 
berechtigte. — Nehmen wir die Tiefe der Gräber hinzu (in Frage 
kommen als nächst gelagerte die Funde: 19. 7. 8. 17. 18. 85. 84. 90. 
89. 150. 151. 149. 153. 152. 82. 81. 80. 79. 83. 86. 87. 91. 62. 45. 


Fund 108 und 109. 


53. 60. 20. 5.), die fast durchweg 0,35 m und weniger betrug, so darf 
man, wenn die Funde 1. 2. 3. 4. in Verbindung mit Fund 88 stehen, und 
alle fünf dem Leichenkult dienten, annehmen, dass diese Stätte ins- 
gesamt in einer kiinstlidien Mulde angelegt wurde, nicht in einer 
natürlihen! Denn der lockere Sand des Gräberfeldes duldet eine er- - 
Ве фе Niveauverschiedenheit auf kleinem Terrain so wenig, dass ich 
bei meiner Grabarbeit besondere Funde, die ich andern Forschern т 
ihrer Lage zeigen wollte, kaum für wenige Tage konservieren konnte. 
Der Flugsand deckte den Fund alsbald zu. — Aus dieser elementaren 
Tätigkeit des Flugsandes darf man schliessen, dass die Wächter der 
Stätten Vorrichtungen kannten, etwa in Gestalt von dichten Umzáu- 
nungen, eine Versandung zu verhindern. Denn wie früher erwähnt, - 
die Brandstätten sind fraglos in mehrfahem Gebrauch gewesen und 
ihre Konservierung war beabsichtigt und notwendig. 

Fund 108 und 109, Steinsetzungen, sind in photographischer Nach- 
bildung beigegeben. Sie lagen von 100 (Skizze 5) bis 6 m entfernt in 
0,70 m Tiefe. Die Urnengräber 96. 97. 99. 103. 104. 106. 107. 114. 


994  Kaethe Rieken: Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. [14 


103., die spáter bekannt gegeben werden, ruhten 0,35 т tief und 
weniger. 

Fund 116 und 117 in der Nähe von 118a und 118b waren 
Urnengráber. Die planmássige Ausgrabung dieses Feldes 
hat mir erneuert den Beweis geliefert, dass das Gräber- 
suchen mit der Sonde gleichkommt einer Vernichtung 
von sich ergánzenden Urkunden. Der Tópfe sind für die 
Wissenschaft genug gesammelt. Die keramischen Feinheiten 
der Tópfe und die Beigaben kónnen für ihre kulturelle Bewertung 
aufklärende Ergänzung nur bekommen durch planmässige Ergänzung 
des Inhalts ganzer Gräberfelder, nicht einzelner Gräber. 

Im Einzelgrabe ruht ein Moment, im Gräberfelde mit 
seiner lokalen Umgebung eine Summe von Momenten, die 
Geschichte von zusammengehörenden Generationen. 


Anmerkung. Während der Druclegung vorstehenden Fundberichtes über- 
sendet Herr Prof. Dr. Schuchhardt mir seine Arbeit: „Verbrennungsstätten beim 
Darzauer Urnenfriedhofe“ Zeitschrift des Histor. Ver. für Niedersachsen 1906. Die- 
selbe enthält reichen Literaturnachweis über vorliegende Materie und beschreibt das 
Einäscherungsverfahren vor 1650—1900 Jahren, d. h. aus einer etwa 1!/; Jahrtausende 
später liegenden Zeit als die oben behandelte. Der Unterschied zwischen den 
späteren und früheren Methoden liegt darin, dass auf den Darzauer Verbrennungs- 
stätten abgedecktes, schwälendes Feuer die Leiche vernichtete, auf den Gaglower 
Krematorien (wenn man diese als Leichenbrandpläte gelten lassen will) die frei- 
lodernde Flamme. Fortschritte in der technischen Beherrschung des Feuers d. h. 
seiner wirksamen Glut mógen langsam das aesthetische Gefühl für eine Ánderung 
der Verbrennung beeinflusst haben. Die in offenem Feuer verbrennende Leiche 
mit den anfänglihen Bewegungen einzelner Teile, je nachdem die Glut den einen 
Teil früher austrocknete als den andern, mag die Empfindung des Grauenvollen 
wachgerufen haben. Die wirtschaftlihe Frage nach sparsameren Holzverbrauh wird 
bei dem Reichtum an Wald zu damaliger Zeit kaum die Ursache zur Änderung der 
Technik gewesen sein. 


Ebenfalls während der Drucklegung übersendet mir Herr Professor 
Kossinna die Arbeit: Schliz „Der Entwickklungsgang der Erd- und Feuerbe- 
stattung usw.“ 6. Heft des Historischen Vereins Heilbronn, 1900. Der Unterschied 
im Verbrennungsmodus Heilbronn gegen den von Gaglow ist gross! Dort Ein- 
äscherung des Körpers unter Bedeckung mit Brennmaterial (wie es scheint), hier 
sorgfältiges Fernhalten desselben von der Leide, deren Vernichtung allein durch 
die strahlende Hitze, — dort Vernachlässigung der Asche der einzelnen Leiche, hier 
pietätvolles Sammeln derselben und Ausstattung des Grabes mit Lebensmitteln 
und Beigabe von Schmuck- und Gebrauchs- bezw. auch Lieblingsgegenständen, — 
dafür dort Anhäufung des Leichenbrand haltenden Brennmaterials aus vielen Ein- 
äscherungen zu einem Hügel (der Rest oder der Anfang der Pietät gegen den Ver- 
storbenen ?), hier Vernachlässigung des Brennmaterials, das keine Leichenreste 
enthielt und am geeigneten Platz vergraben oder einfach verschüttet wurde — 
dort ein Aufbau aus aneinanderpassenden, kantigen Steinen zur Errichtung des 
Crematoriums, hier Aufbau des Leichenlagers aus unbearbeiteten Findlingen, ent- 
sprechend dem Fehlen anstehenden Gesteins in unsrer Gegend, obwohl die 
Sprengung der Steine auch den hiesigen Bronzezeitmenschen bekannt war, wie 
einzelne Gräber beweisen, deren Grenzen aus in Bogenform gesprengten Granit- 
stüken bestehen. — 

Das sind bedeutsame Differenzen in der Ideenwelt der früheren Bewohner 
jener Gegenden, die, räumlich weit getrennt, gleichzeitig vor der Sonne ihr Dasein 
führten. — 


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Der Ursprung der Urfinnen und Urindoger- 
manen und ihre Ausbreitung nach Osten. 


Vortrag gehalten am 18. Juli 1908 


von Gustaf Kossinna. 


2. Nordindogermanen und Südindogermanen. 
Mit 22 Textabbildungen und 13 Tafeln. 


Vorbemerkung. 15. X. 09. Wie für das erste, so gilt auch für 
dieses zweite Drittel meines Vortrages, dass die ihm zugrunde liegende 
Niederschrift hier in derjenigen Fassung erscheint und erscheinen muss, 
die sie vor anderthalb Jahren erhalten hat, obwohl gerade die in Kapitel III 
berührten Probleme jetzt noch mehr als damals zu näherer Erörterung 
anreizen: leider aber mangelt es mir dafür z. Z. ganz an der nótigen 
Musse. Es ist das um so bedauerlicher, als ich sogleih nach der 
Tagung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zu Hannover eine 
Studienreise von anderthalb Monaten durch Osterreich-Ungarn nebst 
Rumänien, Bukowina, Galizien unternahm, die mir für diesen damals 
bereits gedruckten zweiten Teil, wie auch für den noch ungedruckten 
Schlussteil einen reichen Schatz neuen Stoffes und neuer Ergebnisse 
einbrachte, die eine zeitraubende Umarbeitung der Darstellung künftig 
notwendig machen werden. Jetzt nur einige kurze Bemerkungen. 

Da der Jordansmühler Typus herangezogen wird (S. 235), so muss 
ich hervorheben, dass nicht nur, wie bereits Seger in seiner Behandlung 
der schlesischen Steinzeit bemerkt hat, für die hochfüssigen Pilzgefässe 
und die entsprechenden fusslosen Näpfe in Nord-Böhmen, Mähren 
(Brünner Gegend) und Ungarn zahlreiche Parallelerscheinungen sich 
finden, sondern dass in der Umgebung Prags die Jordansmühler Keramik 
vollzählig vertreten ist, also mit Einschluss jener so eigenartig verzierten 
charakteristischen Henkelkrüge, die Seger für ureigensten, sonst nirgends 
sich wiederholenden Besitz des Gebietes zwischen Zobten und Oder 
erklärt hat. Doc sind es in Böhmen nicht Doppelhenkel-, sondern 
Einhenkelkrüge, wie sie in gleicher Form, wenn auch abweichender 


226 Gustaf Kossinna. [38 


Verzierung” der Pfahlbau im Laibacher Moor geliefert hat. In einem 
Falle finden sich innerhalb einer Kulturschichht mit Spiralkeramik 
neben drei Skelettbestattungen der Spiralkeramik zwei Jordansmühler 
Brandgraber so eingeschlossen, dass sie eine später eingetretene Störung 
der zusammenhängenden spiralkeramischen Kulturschicht zu sein scheinen 
(Abb. 1, 2). Einen endgiltigen Schluss auf die Zeitfolge beider Kulturen 
möchte ich hieraus noch nicht wagen. 

Auffällig ist zugleich der Ritus der Brandbestattung, der innerhalb 
der Donaukultur, wenn man von den in der Kulturstellung unsicheren 


Abb. 1. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung А. J. Jira zu Podbaba. 


14 
15 


16 


Abb. 2. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung А. J. Jira zu Podbaba. 


17 


1. 2. 5. 6. 7. 10. 11. Podbaba Reiser, Sandgrube mit 2 Brandgräbern; 12. Kulturgrube mit Spiralkeramik 
gemischt; 13. Kulturschicht mit Spiralkeramik gemischt. 
4. 8; 15. Podbaba Meilbeck, 2 Kulturgruben. 
9. 14. Weleslawin, 2 Kulturgruben; 14 gemischt mit Spiralkeramik. 16. Scharkatal, Burgwall, Kulturschicht. 
3. Gr. Holletitz, Bez. Saaz: zusammen mit Spiralkeramik. — 17. Ungarn. 


Brandgräbern mit Steinchenhalsbändern der Hanauer Gegend (ob Gross- 
gartacher oder Rössener Stil?) absieht, hier zum ersten Male festge- 
stellt worden ist; ebenso die verhältnismässig grosse Zahl der so sel- 
tenen Skelettgräber der Spiral- und Stichreihenkeramik in der Nähe 


39] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 227 


von Prag (Podbaba 4, Bubentsch 2, Weleslawin bei Wokowitz 1, Jeneralka 
im Scharkatale 1). 

Alle diese wichtigen Funde konnte ich in der ausgezeichneten, an 
tadellos erhaltenen Objekten und selbst an erlesenen Kabinetstücken 
überreihen Privatsammlung des Herrn Jos. Ant. Jira zu Podbaba 
studieren. Es wäre für das Weiterblühen der archäologischen Vorge- 
schichtsforschung Böhmens von besonderem Vorteile, wenn diesem ebenso 
fleissigen und gewissenhaften, als bescheiden im Hintergrunde ver- 
bleibenden, überaus interessierten Arbeiter endlich ein geeigneter Wir- 
kungskreis auf diesem Gebiete in seinem Lande eröffnet würde. 

Noch wichtigere, ja einschneidende Ergebnisse brachte das Studium 
der osteuropäischen bemalten Keramik der Steinzeit. Zunächst für ihr 
Verbreitungsgebiet. Professor Hadaczek schätzt, wie er mir mitteilte, die 
Zahl der Ansiedlungsplütze dieser Kultur allein in Ostgalizien auf die ` 
gewaltige Hóhe von etwa 200. Trembowla ist der Nordpunkt am Sered, 
welcher Fluss übrigens nicht so strenge die Westgrenze dieser Kultur 
bezeichnet, wie es bisher schien. Ausser dem S. 239 erwähnten 
Koczylowce ist noch Zerwanica westlicher gelegen; der äusserste West- 
punkt rückt jetzt bis nach Jezupol bei Halicz, nördlich von Stanislau. 
Dagegen muss ich den Fundort Mokrzyszow an der Weichsel in der 
Gegend von Tarnobrzeg, den man wegen eines einzigen, 3 cm hohen, 
auch bei Kohn & Mehlis, Materialien I, 238 Fig. 105 abgebildeten, 
spiralig weiss und rot bemalten Gefässchens heranziehen könnte, nadh- 
dem ich das winzige Original in der Krakauer Akademie gesehen habe, 
in Übereinstimmung mit Professor Demetrykiewicz unberiicksichtigt lassen: 
es ist klingend hart gebrannt und stand in einer grossen Urne, die ich 
dem 4. Jahrhundert nach Chr. zuschreiben möchte. 

Von grósster Wichtigkeit sind dann die Beobachtungen über die 
Siedelungsanlagen, die mir sowohl von Hadaczek in Lemberg, der in 
Koszylowce umfassend gegraben hat, als auch von Demetrykiewicz in 
Krakau mitgeteilt wurden, der einmal die Ausgrabungen Ossowskis in 
Bilcze Zlota nachgeprüft und weitergeführt, sodann in Wasylkowce durch - 
neue Grabungen sich klare Anschauungen verschafft hat. Danach be- 
ruhen Ossowskis Angaben über seine Ziegelgräber mit 
Leichenbrandurnen durchweg auf Täuschung: was er sah, 
sindlediglich Hüttenreste; dieangeblich nur symbolische 
Beisetzung geringfügiger Knochenreste vom Leichenbrande 
ist falsche Deutung tatsáchlicher Funde von verbrannten 
Tierknochen. Sehr verdächtig erscheinen hiernach auch die wundersamen 
Leichenbrandbegräbnisse in unterirdischen Gemächern mit bemalten Wänden 
in Südrussland, wie in Petreny: Chwoikos und v. Sterns Grabungen 
bedürfen in diesem wichtigen Punkte entschieden einer strengen Nadh- 


228 Gustaf Kossinna. [40 


prifung. Jedenfalls ziehe ich jetzt schon alle meine Folgerungen iiber 
die osteuropäische Heimat des steinzeitlichen Leichenbrandes vollkommen 
zurük. Auch in der bei Bilcze gelegenen Gipshöhle Werteba liegen 
keine Gräber vor: die dort zerstreut vorkommenden Skelette sind die 
Reste der Opfer des Einsturzes von Teilen der Höhle gewesen, die 
von Bergarbeitern herrühren mögen. Anthropologisch sind diese Skelette, 
die der Kultur der bemalten Keramik angehören, darum natürlich nicht 
minder wertvoll. Eine Publikation der gesamten einzigartigen Bilcze- 
Werteba-Funde, auch der Skelette, die übrigens nach der Versicheruung 
von Demetrykiewicz von der Krakauer Akademie in die Wege geleitet 
wird, würde einem wahren Bedürfnisse der Wissenschaft abhelfen. 

Darunter befindet oder leider befand sich auch ein jetzt nur nod 
in Abbildung vorhandenes Gefässchen mit Farbmasse, die zum Bemalen 
der Gefässe diente. Verhältnismässig häufig begegnet hier Tiermalerei 
(Stier, Pferd[?], Hirsch, Eichhörnchen), selten auch Menschenmalerei, 
wie einmal auch in Koszylowce, einer Ansiedlung, in der Hadaczek eine 
jüngere, mehr entwickelte Phase erkennen möchte. Beide Fundstätten 
lieferten eigentümliche rechteckige, verzierte, knöcherne Gürtelplatten, 
die an die im Schlussabschnitt zu besprechenden geschweift trapez- 
förmigen Stücke gleicher Bestimmung innerhalb der schnurkeramischen 
Kultur stark erinnern, ebenso wie ein in der Form völlig vereinzelt da- 
stehendes bemaltes Gefäss von Bilcze genau die Gestalt der in Galizien 
ja auch auftretenden schnurkeramischen Amphoren besitzt. Anscheinend 
liegen hier chronologische Hinweise vor. Andererseits kommen in der 
bemalten Keramik Osteuropas (aber auch in Siebenbürgen) horizontale 
Umkränzungen des Gefässhalses mit plastischen Nietkópfen vor, wie sie 
Кб im Niersteiner Typus aufgewiesen hat. — Ein sitzendes Menschen- 
idol von Horodnica mit Vereinigung beider Beine zeigt übrigens, dass 
der von Chwoiko aufgestellte Unterschied der Beinbildung bei stehenden 
und sitzenden Idolen nicht überall gilt. 

Was die lediglid mit eingeritzter Verzierung bedeckten Gefässe 
und Scherben angeht, so finden sie sih nach Demetrykiewicz und 
Hadaczek überall vereint mit der bemalten Keramik, nach Demetrykiewicz 
zu etwa ein Drittel des Anteiles der bemalten Keramik: das entspricht 
also dem Stil II von Chwoiko. 

Geradezu erstaunlich ist in Ostgalizien und in der Bukowina der 
Reichtum an Silexgeräten gegenüber ihrem Mangel oder verschwindend 
geringen Auftreten in Bessarabien und Südrussland: ein Umstand, der 
mit der Fülle des Rohmateriales am Fuss der Nordkarpaten zu- 
sammenhängt. Und zwar erscheint der Silex in Ostgalizien, 2. В. bei 
Nizniow, wie auch in Wolhynien eingebettet in Kreideablagerungen, in 
Westgalizien aber in Jura. Neben massenhaften grossen Nuclei und 


41] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen и. ihre Ausbreitung usw. 999 


Schabern sind es hauptsádiidi die riesigen, etwas gebogenen Späne 
(Prismenmesser), die Erstaunen erwecken und an die frühneolithischen 
oder spätpaläolithischen gleichen Stücke von Pressigny gemahnen. Es 
scheinen auch grosse Silexbeile vollkommen nordischer Form dieser 
Kultur anzugehören, wie wenigstens Chwoiko in seltenen Fällen für das 
Dnieprgebiet festgestellt hat, Hadaczek aber für Ostgalizien als ganz 
gewöhnlih annimmt. Auch aus Kukuteni sah ich in Bukarest eine Ал- 
zahl derselben. Die gewaltigen Massen dieser Stücke in meisterhafter 
Ausführung, die man in den Lemberger und Krakauer Sammlungen als 
Einzelfunde und besonders aus grossen 'Silexwerkstütten' aufgehäuft 
sieht, bin ich allerdings geneigt, den eingedrungenen nordischen Kulturen 
zuzuweisen, wie auch Demetrykiewicz will. Namentlich scheint das der 
Fall zu sein mit den zahllosen herrlichen, grossen Säge- oder Sichel- 
messern, die allerdings seltener in den rein nordischen, symmetrischen 
Formen erscheinen, als gerade in einer unnordischen Form mit einem 
spitzen und einem breiten, gerade abgeschnittenen Ende (Abb. 3): eine 


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Abb. 3. Silex-Ságemesser aus Sienlawa am San. 
(nach Zbiór wiadomości VI. Krakau 1882. Taf. VI, 17). 


Form, die auffallenderweise innerhalb der von der osteuropüischen so 
merklich abweichenden siebenbürgischen bemalten Keramik in der Um- 
gebung von Kronstadt sehr häufig aus Sandstein nachgebildet erscheint, 
nur einmal aus Silex (Steinbruchhiigel und Schneckenberg). Selbst- 
verständlich handelt es sich bei allen galizischen und wolhynischen Silex- 
geräten niemals um nordischen Import, auch wo sie hier in nordischen 
Kulturen auftreten. Das wird nicht nur durch die teilweise eigenartigen 
Formen, sondern auch durch das Rohmaterial erwiesen. Schon seit 
vielen Jahren spürte ich der Herkunft der in ganz Ostdeutschland nicht 
seltenen, stets meisterhaft geschliffenen Silexbeile nach, die jene reizvolle, 
achatähnliche Maserung aufweisen (Abb. 4—6), ohne etwas Sicheres darüber 
ermitteln zu können. In Ostgalizien ist aber dieses Rätsel leicht gelöst, 
wie eine flüchtige Durchsiht des Dzieduszycki-Museums Jedermann 
sogleich belehren wird. Ostgalizien ist das Ursprungsland des 


230 Gustaf Kossinna. [42 


gebünderten Silex und der daraus gefertigten schónen Werkzeuge. 
Von hier aus sind jene Beile über Ostdeutschland bis nach Vorpommern 
(Hinrichshagen), Westhavelland (Kl.-Kreutz), Anhalt (Coswig), Merse- 
burg (Schkopau) verhandelt worden. Da nun die langen Schaber und 


— 


——— 


Abb. 4—6. Gebänderter Silex aus der Prov. Posen, Kaiser-Friedrih-Museum in Posen. 
4. Kl. Drensen, Kr. Filehne; 5. Biskupin, Kr. Znin; 6. Jankowo, Kr. Mogilno. 


die kolossalen Spanmesser, die sicher einheimische Arbeit sind, zum 
Teil auch die Maserung besitzen, so zu Wierzbowiec bei Trembowla 
am Sered und zu Horodnica, so ist jeder Zweifel an meiner Auffassung 
ausgeschlossen, 


Ш. 


Nordindogermanenund Südindogermanen in Mitteleuropa. 


Nachdem wir so ermittelt zu haben glauben, dass in jener Uber- 
gangszeit von der älterneolithischen zur jüngerneolithischen Periode, die 
durch die alteste, dem Walzenbeile noch nicht zu fern stehende Form 
des spitznackigen Beiles bezeichnet wird, der nordeuropäische Zweig 
der Indogermanen aus Frankreich nach Norddeutschland und Südskan- 
dinavien eingewandert ist, hat es keine Schwierigkeit, seine weitere Ent- 
wickelung zu verfolgen. Die Zeit des ,spitznackigen' Beiles ist zugleich 
diejenige des wie jenes im Querschnitt spitzovalen ,breitnackigen' Beiles, 
das dem spitznackigen nicht nachfolgt, sondern neben ihm hergeht, denn 
beide Formen nehmen allmählich die Entwickelung der scharfen Seiten- 
ránder zu dünnen Schmalseiten vor. Ich kann daher das breitnackige 
Beil nidit mit Sophus Müller aus dem spitznackigen herleiten, sondern 
führe es auf das ihm ähnlich gestaltete Litorinabeil zurück. Nur das breit- 


43] Рег Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 231 


nackige Beil entwickelt sih andauernd weiter, zuerst durch Ausbildung 
von Schmalseiten zu dem ‚dünnnackigen‘, dann durch Verdickung des 
Rückens (Bahnendes, Nackens), zu dem ‚dicknackigen‘ Beile, das in 
der Metallzeit fortlebt. Mit der Schópfung des dünnnackigen, meist über 
den ganzen Körper hin gesdhliffenen Beiles sind wir bereits in die 
Epoche der Megalithgräber der nordischen Indogermanen eingetreten, wo zu- 
erst die kleinen Dolmen, danach die grossen rechteckigen Hiinenbetten und 
Ganggräber erscheinen, schliesslich die ganz unterirdischen Steinkammern 
und die kleineren Steinkisten folgen. Wir haben mehrere Versuche, 
das Gebiet dieser Steingräber Norddeutschlands kartographisch darzu- 
stellen: leider sind aber alle, auch der letzte von Meitzen, sehr unvoll- 
kommen, da die Grenzen des Gebietes nach Süden wie nach Osten 
überall erheblich zu eng gezogen sind. 

Im Verlaufe dieser Entwickelung, die bis zur Form der einfachen, 
steinschutzlosen Flachgräber führt, findet ein.immer weiteres Vordringen 
der Nordindogermanen nach Mitteldeutschland statt, endlich sogar nach 
Süddeutschland, nach der Schweiz und nach Österreich bis fast ans 
Donauufer hin, ja auch gewisse Entwickelungen der österreichischen 
Alpenländer und selbst Ungarns-Siebenbürgens scheinen nordische Ab- 
leger zu sein. Die nicht geringe Reihe von selbständigen Kulturen, die 
die Nordindogermanen hierbei aus dem ursprünglichen Kerne der Mega- 
lithgräberkultur hervorgehen lassen, nämlich zunächst die Ausgestaltung 
des Nierstein-Rössener Stiles, der in zwei Strömungen südwärts geht, 
einmal von Westhannover an den Mittelrhein und unteren Main und 
Neckar, das andere Mal zwishen Harz und Elbe nebst Saale nach 
Thüringen; zweitens diejenige Vertretung der Megalithgräberkultur in Mittel- 
deutschland, die an der Elbe und am Harz im Latdorfer (Bernburger) 
Typus zu neuer Eigenart auswächst; drittens die Kultur der Kugel- 
amphoren, die gleichzeitig mit dem Latdorfer Typus zwischen Elbe und 
Oder in Westpommern und Nordbrandenburg zur Blüte gelangt und von 
hier aus auf dem einen, südwestlich gerichteten Zuge an die Elbe, die Elbe 
aufwärts bis Böhmen, ebenso die Saale aufwärts und bis ins westliche 
Thüringen sich verbreitet; endlich viertens den jüngsten Sprössling, 
die Elb-Saale-Schnurkeramik, bei deren Geburt norddeutscher, Lat- 
dorfer und Kugelamphorenstil in gleicher Weise Gevatter gestanden 
haben — das ausführlich zu erörtern sollte ursprünglich das Kernstück 
meines Vortrages werden. Allein die Überfülle des Stoffes zwang mich 
zur Beschränkung — und so will ich die Darlegung dieses Kapitels 
der Ausbreitung der Indogermanen, zumal ich damit bereits 1902 einen 
ersten Versuch gemacht habe, für ein anderes Mal zurückstellen. 

Einen kartographishen Niederschlag der genannten nordindoger- 
manischen Kulturen hat noch niemand angefertigt. Wer die unlängst 


232 Gustaf Kossinna. [44 


von Schliz herausgegebene Karte der Verbreitung der in Süddeutschland 
nachgewiesenen steinzeitlihen Kulturen ansieht, wird dort von den 
norddeutschen Kulturen nur die jüngste derselben, die schnurkeramische, 
berücksichtigt finden, wenn auch längst nicht in ihrer vollen Ausdehnung. 
Man muss innerhalb des erstaunlich weiten Bezirkes dieser Kultur zwei 
mehr durch die Gleichzeitigkeit ihres Daseins, als durch ihre innere 
Übereinstimmung verbundene Gebiete scheiden. Im Osten entwickelte 
sich der eine Zweig, den ich die Oderschnurkeramik nenne und auf den 
ich später noch näher eingehe, im Westen der andersartige Zweig des 
Elb-Saalegebietes in der Provinz und dem Königreich Sachsen, sowie 
in Thüringen. Die thüringische Abteilung dieser Kultur entsendet Kolo- 
nien nach Nordböhmen und Mähren, nach Kurhessen, Nassau, Hessen- 
Darmstadt, weiter nach Baden und der Schweiz, endlich von hier wieder 
ostwärts nach Württemberg nebst Bayern. Sehr augenfällig ist im 
untersten Maingebiet und in ganz Süddeutschland ein starker direkter 
Einfluss von einer späten Phase der nordwestdeutschen Megalithkeramik 
her, der jene schwach Sförmig geschweifte, aber auffallend hoch 
aufstrebende Becherform der Megalithgräberkultur dorthin bringt, bei 
der meist der ganze Körper des QGefíüsses mit dichtgestellten Zonen 
von Tannenzweigornament (Sparrenmuster) oder von ähnlichen Mustern 
bedeckt ist, während die nur spärlih und in kleiner, verkümmerter 
Gestalt auftretende schnurkeramishe Amphore durch thüringische Ein- 
flüsse herangeführt wird. Charakteristisch für diesen Becher ist ein 
schmaler, oft zugleich vom Bauch scharf abgesetzter Standfuss, der 
dem thüringischen Typus durchaus fehlt: dort ist der Boden des Bechers die 
Standflache des breiten Bauches. Es ist das eine Form, die von manchen 
Forschern, namentlich von Soph. Müller und leider auch von Montelius, ganz 
falsch beurteilt wird, indem sie ohne allen triftigen Grund als eine „südliche“ 
Form dargestellt wird. Solche hohen Becher mit verjüngtem Fuss 
erscheinen häufiger in Holstein, im Hannöverschen, in Westfalen, am 
Niederrhein und in Holland, dann in dem beregten hessen-nassauischen 
und süddeutschen Gebiet (Taf. XXII, 1—8). Es ist das zugleich die Form, 
mit der die Nordindogermanen Nordwestdeutschlands und Hollands in 
der Kupferperiode der Steinzeit nach England ziehen, wo die Lang- 
schädelgräber in Langhügeln ihnen angehören und zugleih der Bern- 
stein jetzt häufiger sich zeigt, während im Laufe der Bronzezeit hier 
wiederum eine kurzköpfige Bevölkerung mehr und mehr in den Vor- 
dergrund tritt (Taf. XXII, 9—11). 

In Süddeutschland und Nordösterreich erfüllt die Kultur der Schnur- 
keramik Gebiete, die vorher von einer durchaus andersartigen Kultur 
eingenommen waren, nämlich von der bandkeramischen oder Donaukultur. 

Wohl nicht mit Unrecht hat man die ersten Anfänge und Siede- 


45] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 933 


lungen der Donaukultur an die mittlere Donau verlegt, in die aus- 
gedehnten Lóssgebiete an der ungarischen Donau-Theissebene, nebst 
Siebenbürgen, Serbien, Bosnien, Niederösterreih, Mähren. Hier 
finden wir die dichteste Besiedelung, die reichste Entwickelung und, 
wie es scheint, auch die frühesten, primitivsten Erscheinungen dieser 
Kultur d. h. diejenigen, die der Entwickelung der Stichreihenkeramik 
und des mit ihr gleichzeitigen Hinkelsteintypus vorausliegen. Von hier 
aus gehen auch in späterer Zeit Anregungen künstlerischer Art aus, wie 
die aus dem Muster von Systemen konzentrischer Kreise und ineinan- 
dergesetzter Vierecke auf dem Wege der ‚Verschiebung‘ entwickelte 
Spiral - Mäander- Verzierung, die nach Wilkes für mich überzeugendem 
Nachweis je weiter hinauf nach der oberen Donau und dem Mittelrhein 
hin, desto mehr als nur halb verstandene Nachahmung der fertigen 
östlihen Muster übernommen und weitergegeben und zudem hier fast 
nur in den allereinfachsten Gestaltungen ausgeführt wird!). 


Man muss danach das Gebiet der oberen Donau bis zum Rhein 
und das Rheingebiet für die verhältnismässig späte Epoche der Spiral- 
Mäanderkeramik als ein Kolonialgebiet jenes österreich-ungarischen Kern- 
landes ansehen. Ein zweites Kolonialgebiet waren die mitteldeutschen 
Länder Schlesien, Böhmen, Sachsen, Thüringen; ein drittes, wenn auch 
kulturell stark abweichendes, war Südosteuropa. 


Es entsteht jetzt die Frage, wann diese Donaukultur einsetzt im 
Verhältnis zu den Anfängen der nordisch-indogermanischen Besiedelung. 
Sieht man auch hier die Steingeräte als Leitmotive an, so ist zunächst 
zu bemerken, dass die anscheinend frühesten derartigen Werkzeuge der 
Donaukultur gekennzeichnet werden durch eine eigentümliche untere Ab- 
plattung, die den ganzen Gerätkörper entlang läuft; ich meine, die all- 
bekannten sogenannten hochgewölbten ‚Hobel‘, in Plättbolzenform, doch 
mit ‚aufgewippter Nase‘ (Schneide), denen sich (später?) die ähnlich be- 
handelten ‚flachen Hacken‘ gesellen. Der hochgewölbte Hobel hat nun 
eine Form, die ihrer ganzen Art nach nicht gut aus einem anderen Vor- 
gänger abgeleitet werden kann, als aus dem Walzenbeil, und zwar durch 
seitlihe Zusammendrückung und einseitige untere Abplattung. Er müsste 


1) Inzwishen hat Н. Grössler (Eisleben) in seiner Abhandlung: „Die Ent- 
stehung der Spiral- und Mäanderverzierung, ihr Alter und ihr Ursprungsland“ 
(Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüring. Länder 1908 УП, 124 ff.) 
diesen Ursprung ins Saalegebiet verlegt. So geschickt Grössler auch seine Gegner 
bekämpft, ih kann mich doch zu seiner Ansicht nicht bekennen, weil damit der Ur- 
sprung dieser über so grosse Weiten verbreiteten Kultur gerade in einem äusseren 
Grenzgebiet angenommen wird. Auch stehen die von ihm nachgewiesenen Fälle 
des Vorkommens konzentrischer Kreise in Thüringen zu vereinzelt da gegenüber der 
Fülle der Erscheinungen im östlicheren Donaugebiet. 

Mannus. Bd. 1. Н. 3/4. 16 


934 Gustaf Kossinna. [46 


dann einer verhältnismässig frühen Zeit angehören und damit könnte 
gut stimmen, das er typisch ist in der rheinhessischen Hinkelsteinkultur, 
der ältesten Vertretung der dortigen Donaukultur, die nach meiner An- 
sicht von der nordischen Róssener Kultur und Bevölkerung überdeckt 
wird, bald aber im Grossgartacher Stil eine eigenartige Mischung her- 
vorbringt, bei der die Urbevölkerung nach Ausweis der Anthropologie 
wieder Oberwasser gewinnt, um dann in der Spiralkeramik ganz zur Herr- 
schaft zu gelangen und erst von der nordischen Kultur der Schnurkeramik 
im Verein mit der Zonenbecherkultur völlig verdrängt zu werden. Schwierig- 
keiten macht allerdings die Tatsache, dass die mitteldeutsche Stichreihen- 
keramik, zu der ja im weiteren Sinne auch der Hinkelsteintypus gehört, 
in Zeiten fällt, die wir nicht für relativ früh anzusehen haben. Hier 
haben wir nämlich den seltenen, bisher noch gar nicht ausgenutzten Fall, 
dass wir nordische und Donaukultur in Vergleich setzen können. In Ost- 
deutschland ist zweimal zu beobachten, wie sogenannte Kümpfe der Stich- 
reihenkeramik (Abb.8) mit nordischer Keramik in demselben Grabe vereinigt 
sind: zu Kl. Rietz, K. Beeskow-Storkow, (Flachgrab in Steinkiste) mit Kugel- 


amphoren, die schon Schnurornament aufweisen (Abb. 7), und zu Iwno, 


Abb. 7, 8. Steinkistengrab von Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow, Prov. Brandenburg. 
7. Kugelamphoren und weitmundige Näpfe. 8. Stichreihenkumpf. 


Kr. Schubin, mit in nordischen Gräbern, die in den Kreis der ostdeutschen 
Schnurkeramik gehören (Abb. 9), mindestens mit dieser gleichalterig sind, 
ausserdem Gefasse von einer Form enthalten, die sich sehr stark den 
Zonenbecern nähert (Abb. 10). Im westlicheren Mitteldeutschland, an der 
Saale sehen wir weiter, dass die böhmisch-thüringische Stichreihenkeramik 
durch Formenaustausch sich als gleichaltrig mit den Anfängen des 
Latdorf-Bernburger Typus erweist, wie ich das ein andermal zeigen 
werde. Soviel scheint dadurch festzustehen, dass der Hinkelsteintypus und 
die Stichreihenkeramik kaum so alt sein kónnen, als die frühesten Erschei- 


47] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 235 


nungen der nordwestdeutsch-dänischen Dolmenkeramik, die aber wiederum 
in ostdeutschen Auslaufern, wie wir sehen werden, sich als gleichalterig ` 
erweist mit dem Jordansmühler Typus in Schlesien, einer Kulturgruppe, 
die etwa dasselbe Alter haben wird, wie die Stichreihenkeramik. 

Wie weit das reine 
spitznackige Beil inner- 
halb oder wenigstens in 


1/3. Etwa 1/2. 
Abb. 9. 10. Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen. 


dem Gebiete der Donaukultur vorkommt, entzieht sich noch meiner 
genauen Kenntnis, allein zu Butmir bei Sarajewo, einer Station, deren 
Anfänge für besonders altertümlich gelten — vielleicht mit Unrecht —, 
erscheint neben dem echten hochgewölbten Hobel das Spitzbeil, allerdings 
gleichfalls schon mit der charakteristishen unteren Abflachung. [Das 
echte Spitzbeil fehlt im Osten. Korrekturnote]?). 

Alles in allem werden wir vorláufig wohl nicht zu arg in die [те 
gehen, wenn wir annehmen, dass die ersten Anfánge der südindogerma- 
nischen Siedelungen an der Donau nicht allzuviel spáter fallen, als die 
der Nordindogermanen an der Ostsee. Wir haben danach anzunehmen, 
dass am Sdiusse der mittelneolithischen Epoche, genauer um die Zeit 
des Gebraudhs des spitznackigen und des gleichzeitigen breitnackigen Beiles, 


1) Inzwischen ist im August 1908 zu Frankfurt a. M. diese Spezialfrage für 
Stiddeutschland von А. Schliz in einem Vortrage behandelt worden, dem ich jedoch 
nad vielen Richtungen hin, in Chronologie, wie in Beurteilung der Kultur- 
zusammenhänge meine Zustimmung versagen muss, wie ich das in Frankfurt so- 
gleich betont habe (Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 
1908, 92 ff.). Dass der Pfahlbaukultur der Typus des spitznackigen Beiles zukomme, 
kann ich sehr wohl unterschreiben; dieser Kultur gehórt aber nur ein kleines Gebiet 
nichtindogermanischer Bevölkerung. Für die siidindogermanischen Gebiete ist die 
Frage also noch weiter zu verfolgen. 

16* 


236 Gustaf Kossinna. [48 


aus dem bald das dünnnackige hervorging, die Auswanderung der Indo- 

germanen aus Westeuropa ziemlich gleichzeitig nach zwei Richtungen 
stattgefunden hat. Dann hátten wir hier eine merkwürdige Parallele 
zu den beiden ebenfalls gleichzeitig — um 400 vor Chr. — vollzogenen 
grossen gallischen Auswanderungen aus Frankreich, genauer aus Nord- 
frankreich, des Bellovesus-Zuges nach den südeuropäischen Halbinseln, 
des Sigovesus-Zuges nach dem Ostalpengebiet. 


IV. 


Südindogermanen in Osteuropa. 


Wir haben soeben den Ursprung der Nord- und der Südindoger- 
manen uns klar zu machen gesucht und wenden uns nunmehr dem 
anderen im Thema angekündigten Hauptpunkte zu, der östlichen 
Ausbreitung. 

Auch hier werden wir naturgemáss zu einer Zweiteilung des Stoffes 
gezwungen, entsprechend der uranfänglichen Zweiteilung der Indoger- 
manen. Doch wenden wir uns diesmal 
zuerst den Südindogermanen zu und 
zwar dem östlichen Ausläufer der Donau- 
kultur, der ausserhalb der Karpaten, jener 
bedeutungsvollen ursprünglichen Ost- und 
Südostgrenze des Stammgebietes dieser 
Kultur, seine Státte gefunden hat und 
bisher in den Kreisen der deutschen Vor- 
geschichtsforschher doch noch wenig ein- 
ЕБ “о gehender gewürdigt worden ist, obwohl 

Abb. 11. Bileze Шога. Ostgalizien. er in einzelnen Teilen, wie namentlich 
Grab 8 (nach Ossowokl). aus Ostgalizien, schon vor mehr denn 
dreissig Jahren aufgedeckt worden ist. 

Es ist dies jene neben Wohnstätten fast ausschliesslich aus Leichen- 
brandgrübern mit bewundernswerter bemalter Spiralkeramik gekennzeich- 
nete Kultur, die ausser dem östlichen Teile von Galizien die Bukowina, 
Rumänien, Bessarabien und Südrussland bis an den Dniepr nebst einer 
Exklave auf der Krim einnimmt. Ein gutes Beispiel für Ostgalizien 
bilden die von Ossowski in einer Reihe von Arbeiten veröffentlichten 
reichen Grabanlagen von Bilcze Zlota: Urnengräber in „Ziegel- 
packung“ (Abb. 11), bei denen die eigentlihe Urne sich darstellt ent- 
weder als grosses birnenfórmiges, nur auf dem Oberteile der Aussen- 
seite bemaltes Gefäss mit zugespitztem Fusse und engem, kurzem 
Halse — dem eine stets nur auf der Innenseite bemalte Schale als 
Deckel aufsitzen kann (Abb. 12 a, b und Tafel XXIII, 10, 11) —, oder 


49] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 937 


auch als grosses Gefáss in griechischer Kraterform mit scharf abgesetztem 
oder gleitend übergehendem weit ausladenden und umgebogenen Halse 
(Taf. XXIII, 1. 6; XXIV, 7. 11. 12). Zuweilen auf die Kante gestellt und 
durch die Packung in dieser Form gehalten, birgt diese Urne allerdings bloss 


geringe Spuren des 
Leichenbrandes, der 
nur in symbolischer 
Andeutung beige- 
Abb. 12 a—c. Bilcze Zlota Grab 8 (nach Ossowski). ijs. setzt wird (Abb. 11). 

Unter den Beigaben 

fallen auf kleinere hochgestreckte doppelkonische Gefásse (Taf. XXIII, 8. 9), 
ferner halbkugelfórmige Schalen mit scharf abgesetztem, sehr stark aus- 
ladendem Rande, die wegen ihrer Form von russischen Forschern 
„Schwedenhelme“ genannt worden sind (Taf. XXIII, 7; XXX unterste Reihe; 
XXXI ebenso). Diese Schalen tragen die Bemalung stets nur auf dem 
äusseren Kugelboden, müssen daher ursprünglih als hochangebrachte 
Hängegefässe gedacht worden sein, wenn sie nicht vielmehr, was wahr- 
scheinlicher ist, als Deckel der grossen Urnen ge- 
dient haben. Die merkwürdigste Beigabe sind 
eine Art doppeltrichterformige Pokalgefasse mit 
oberer und unterer Schale und mittlerer Er- 
сте тт weiterung, doch ohne Boden, 
<~ also ganz hohl, von den klein- 
sten bis zu den gróssten For- 
—* men (30 cm hoch in Bilcze). 
> fe Man hat sie, da sie meist in 
Abb. 13. Latdorfer Trommel, Abb. 14. prm Zwillingsform, durch Stabe drei- 
Schkopau, Kr. Merseburg. a Teel cutie Me fach miteinander verbunden, 
auftreten, Opernguckergefässe 

genannt und als Untersätze für Schalen gedeutet (Abb. 12c und Taf. XXIII, 5; 
ХХХ oberste; XXXI unterste Reihe). Meiner Ansicht nach sind sie als 


Trommeln aufzufassen ganz wie die seit langem bekannten ähnlichen 


238 Gustaf Kossinna. [50 


Tongeráte des Latdorfer (Bernburger) Stils (Abb. 13. 14), die an- 
scheinend auch der Form nach in einem Zusammenhange mit diesen 
spiralverzierten Trommeln stehen!), wobei es nur noch nidi klar 
ist, von welchem dieser beiden Gebiete die Beeinflussung auf das 
andere ausgegangen ist, da wir eben über Zeitverhältnis der nordischen 
Kulturen zu den Donaukulturen, insbesondere zur bemalten Keramik 
noch zu wenig haben ermitteln können (5. $. 228. 234). In der 
Malerei erscheinen nicht nur Bänder von meist sehr stark dege- 
nerierten Spiralen, die auch in einen geschlossenen Kreis, eine Rad- 
figur oder einen Stern (Taf. XXIV, 1. 8. 9. 11. 12) sich wandeln können, 
sondern als Zwickelfüllung auch unvollkommene Tier- und sogar Menschen- 
figuren (Abb. 15. 16; Taf. XXVI; XXVIII rects)?). 

Standige Merkmale dieser Kultur sind tónerne Frauenidole, das 
Symbol der Fruchtbarkeitsgöttin (Taf. XXIX), und tönerne Tierbilder, die 
das im Haushalt der Donaukultur wichtigste Haustier, das Rind (Taf. XXIII, 
18. 19) und andere Haustiere versinnbildlihen. Nur selten erscheinen 
Mannesidole, bei denen ausser der Geschlechtsbezeichnung ein von der 
rechten Schulter nach der linken Hüfte über den Leib laufendes Band 
dargestellt und stets nur ein Ohr, das linke, durchbohrt ist, während 
bei den Frauenidolen beide Ohrmuscheln zur Aufnahme von Hänge- 
schmuck eingerichtet sind (Abb. 17 ас; d). 

Horodnica ist das einzige Gräberfeld, und die bei Bilcze gelegene 
Höhle Werteba die einzige Wohnstätte dieser Kultur in Ostgalizien, die 
eine grössere Anzahl von Menschenskeletten geliefert hat: alles aus- 


1) Hinweisen möchte ich hier wenigstens auf die aus dem nordischen Stil 
stark herausfallenden Verzierungsweisen des Zahnrads und des Malteserkreuzes, die 
beide im Latdorfer Stil, namentlich aber bei den Latdorfer Trommeln häufiger vor- 
kommen, das Malteserkreuz auch auf Gefässen, wie der Schale vom Schöffenberg 
bei Oberwiederstedt (Mansfelder Seekreis), der Halsamphore von Elbekosteletz, 
Gefässresten von Prerow und vom Schlaner Berg, diese drei in Böhmen. Dieselbe 
Kreuzverzierung, nicht eingetieft nach nordischer Art, aber gemalt und zwar stets 
schwarz, findet sih nun recht häufig auf Böden kleinerer Schalen der bemalten 
Keramik. Das Zahnradmotiv scheint allerdings mehr auf den Mondseetypus hin- 
zuweisen. 


2) Als westliche Parallele hierzu bringt H. Gróssler eine an genannter Stelle 
(S. 233 Anm.) veröffentlichte mehrfache Ritzung eines klar als solcher erkennbaren 
Auerhahnes auf einem Gefässe von Gr. Oerner, Mansfelder Gebirgskreis. Allein es 
will mir scheinen, als ob das Gefäss trotz aller Fundverhältnisse nach Form (Schalen- 
form) und plastischer Verzierung (senkrechte Bauchwülste) vielmehr in die spätere 
Kaiserzeit (3. Jhr. nach Chr.) gehört und eine Parallele ist zu dem benachbarten 
gleichalterigen Gefäss von Stimnitz Kr. Querfurt, das eine ganz ähnliche Vogel- 
ritzung mit Grübchenumsäumung aufweist und nach seiner Form und den in die 
drei Henkel eingehängten Tonringen unbedingt kaiserzeitlich ist (abgebildet: Album 
der Berliner prähistor. Ausstellung 1880 Sect. V, Taf. 17). 


51] Der Ursprung d. Urfinnen и. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 239 


gesprochene Langschädel, die aber noch einer näheren wissenschaftlichen 
Charakterisierung entbehren. 

Um mande neue Züge bereichert wurde unsere Kenntnis dieser 
Kultur durch die Ausgrabungen К. Kaindls in Schipenitz in der Buko- 
wina !), namentlidi aber durch die Aufdeckung der 
interessanten, kompliziert gebauten Grabstätten von 
Petreny bei Bilzi in Bessarabien, die v. Stern auf 
dem archäologischen Kongress zu Jekatarinoslaw ein- 
gehend dargestellt hat (Taf. XXIII—XXVI). Nochreicher 
ist diese Kultur in Podolien entwickelt, wo die archäo- 
logishe Karte von Th. Volkow vor wenigen Jahren 


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Abb. 15. Grosses birnenférmiges Gefäss mit Tier- Abb. 16. Menschenmalerei auf Scherben 
malerei, gefüllt mit angebrannten Weizenkörnern. der Tripoljekultur, Dnieprgebiet (nach Chwoiko). 
Podolien. 


noch gar keine einschlägigen Funde kannte (Taf. XXXIV), und vor allem im 
Dnieprgebiet. Hier ist im Gouvernement Kiew, ein wenig auch noch in die 
Gouvernements Cherson und Tschernigow hinein, besonders durch Chwoikos 
mehr als zehnjährige unermüdlihe und mit glänzendem Erfolge aus- 
geführte Grabungen fast eine neue Urzeitwelt entstanden. In der rus- 
sischen, wie fremden Literatur wird diese ukrainische Steinzeitkultur 


1) Neuestens hat dieser Forscher eine weitere Veröffentlichung einschlägiger 
Art über eine Wohnstätte in Koszylowce bei Tluste in Ostgalizien gemacht, die ich 
dem Stil II der Tripoljekultur gleichsetze, den wir sogleich kennen lernen werden 
(Tierkopfhenkel an Gefässen, Form der weiblichen Idole). 


240 Gustaf Kossinna. 


[52 


nach einem der ergiebigsten Fundorte Tripolje-Kultur genannt. Chwoiko, 
der 1899 beim Kiewer Kongresse die erste gróssere Ausstellung und 


Abb. 17 a—d. Steinzeitlide Frauenidole (a— c) und Mannesidol (d). Podolien. 


Veröffentlichung dieser Kultur veranstaltete, vermag neuestens drei Stil- 
perioden innerhalb dieser Kultur zu unterscheiden. 
Stil I, der älteste, ist ausschliesslih vertreten in Wohngruben 


Abb. 18. Steinzeitlihe Wohngrube der Kyrillusstrasse in Kiew 
(nach Chwoiko). 


(Semljanki) der Kyrillus- 
strasse in Kiew (Abb. 18). 
Dies sind etwa 40 cm 
tief ausgeschachtete Platze 
von runder bis rechteckiger 
Form im Verhältnis von 
4:5 m, in deren Mitte 
eine Feuerherdstelle ein- 
getieft ist, die mit Speise- 
resten, wie Muscheln und 
Tierknochen, mit Scher- 
ben, kleineren glatten 
Beilen aus Elch- oder 


Hirschgeweih ohne charakteristishe Form, selten mit kleinen rohen 
Silexgeräten, wie Schabern und Messern, sehr selten kleinsten Silex- 


53] Der Ursprung d. Urfinnen u. d Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 241 


beilen angefüllt ist (Abb. 19). Durchaus fehlen Pfeilspitzen, grössere 
Steinbeile sowie Schaftlochhämmer; zuweilen birgt die Grube ein ge- 
krümmt liegendes Skelett. Die verhältnismässig rohen Scherben sind 
in ganz einfacher Weise durch Einritzung von punktierten und einfach 
oder mehrfach gestrichelten Linien, von Tannenzweigmustern und alter- 
nierenden Zickzackstrichbändern verziert (Taf. XXXII, 1). 

In Stil II (früher Stil B genannt), der wie Stil III ausschliesslich 
in den „Ploschtschadki“ genannten Familiengräbern, jenen mit Holz- 
konstruktionen gestützten, innen aus- 
gemalten Lehmbauten (Taf. ХХУП), vor- 
kommt, treffen wir manche der schon 
aus Petreny bekannten Tongefässformen 
(Abb. 20 und Taf. ХХУШ), wie die kra- 
terförmigen mit hohlgewölbtem Baud, 
eingezogenem Halse und ausladendem 
Rande, am Oberteil mit eingeritzter 
Verzierung oder mit Tierkopfreliefs 
(Taf. XXIII, 13. 14). Dazu kommen soge- 
nannte „Fassurnen“ in doppelkonischer, 
rundlicher Wölbung, fast ohne Hals und 
Rand, mit ein bis drei Reihen um- 
laufender Öhre unterhalb der schmalen 
Öffnung, am Oberteile mit eingeritztem 
Tannenzweigmuster (Abb. 20 unterste 
Reihe). Eigenartig sind die kleinen 
„Wasserschöpfer“, trichterförmige Schäl- 
chen mit eingezogener Wandwölbung 4er tühesten Tripolje-Kultur (nach Chwoiko). 
und wulstartig verdicktem Standboden 
(Abb. 20 oberste Reihe). Ausser dem Tannenzweigmuster und anderen 
Motiven des ersten Stils werden jetzt Sterne, kleine Kreise, Kreuze, 
konzentrische Halbkreise eingeritzt; dazu kommt noch die Bemalung mit 
schwarz gesáumten Spiralbändern auf hell- oder dunkelbraunem Grund 
(Taf. XXXII, 2). Die entweder stehend mit Vereinigung der Beine in 
einen Stumpf oder sitzend mit Sonderung der Beine dargestellten 
weiblichen Idole zeigen nach Art des steatopygen Schönheitsideals 
starke Betonung des Geschlechtscharakters an Brüsten und zuweilen 
auch Gesclechtsteilen, übertrieben gross dargestellte Gesässe, gewaltige 
durchbohrte Ohren, herausgetriebene Nasen, gut bezeichnete Augen: im 
Ganzen, wenn die Mundbezeichnung fehlt, eine Art Eulenkopf (Taf. XXIX). 

Dem Stil Ш (früher Stil A genannt) eigenen die reichst aus- 
geführten Spiralmuster, Wellenlinien, Wellenbänder, Systeme konzen- 
trischer Kreise, geritzt und weiss eingelegt, dazu der Gefässgrund mit 


249 Gustaf Kossinna. [54 


Buntmalerei bedeckt (Taf. XXXII, 3; XXXIII). Der Grundton ist vorherrschend 


zimmetbraun; die Buntmalerei verwendet die Farben weiss, rot, orange, 
schwarz, gelblich, hell- und dunkelbraun bis violett. Waren die Gefässe des 


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Abb. 20. Gefässtypen des Stils И der Tripolje-Kultur (nach Chwoiko). 


II. Stils schon eine feine Tonware zu nennen, зо erreicht jetzt die 
Feinheit der Tonschlemmung, die Sauberkeit der Form, oft auch die grosse 
Dünnheit der Gefässwandung den Gipfel und alles das ohne Anwendung 


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55] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 943 


der Drehscheibe (Taf. XXX. XXXI). Von hervorragendem Formensinn zeugt 
die Umgestaltung der grossen kurzhalsigen Birnenurne zur vollen hals- 
losen Bombenform mit engster Mündung, eine Form, die vor kurzem 
von gewisser Seite fälshlih als eine Urform der Bandkeramik 
hingestellt wurde (Taf. XXXI Mitte). 
In diese Periode gehóren die schon 
genannten glockenfórmigen „Schwe- 
denhelme“, äusserst geschmackvoll 
gefärbt und geritzt (Taf. XXX; XXXI 
unterste Reihen), ebenso die Trommeln 
(,Operngucker*), die entweder in 
zimmetbraunem Überzug ein gefurchtes 
Muster aufweisen, oder weiss bemalt Abb. 21. Gefässscherben mit plastischen 
sind mit schwarz oder dunkelbrauner  Mensdengeriditerm дез oe ll дег Tripolje- 
Umrisssáumung (Taf. XXX. XXXI). Zu 
nennen sind weiter kleine glatte Halbkugelterrinen, auf zwei bis drei 
Fiisschen stehend und mit ein bis drei Reihen von Ohren unter dem 
abgesetzten kurzen Halse (Taf. XXXI, oberste Reihe Mitte), endlich noch 
die aus Stil II bekannten, 
flüchtig gearbeiteten klei- 
nen Trichterhalsschalen, 
die jetzt auch zimmetfarbig 
und mit gefurchtem Muster 
verziert, sowie mit zwei 
zipfelartig abwärts gerich- 
teten Öhrzapfen versehen 
sind (ebenda rechts und 
links). Auch weibliche 
Tonfiguren leben noch 
fort, doch zu schemati- 
schen, kreuzfórmigen Ge- 
An, 22. бете ое кики (nach Chwoiko). ^". — Staltungen entartet, die an 
dem ornamentiertén bein- 
losen weiblichen Leibe Kopf und Arme nur als Stümpfe andeuten und somit 
den aegaeischen Brettidolen sich nähern (Taf. XXIII, 15. 16; XXIX, 23. 26). 
Gemalte Tier- und Menschenbilder scheinen dem II. und III. Stile ge- 
meinsam zu sein. Statt der plastischen Tierkópfe als Vasenschmuck des 
П. Stils erscheinen jetzt dreieckig oder herzfórmig gebildete Menschen- 
gesichter (Abb. 21). Nur in Stil Ш begegnen durchlochte Steinhámmer, 
sowie eine kleinere Anzahl flacher Kupferbeile nebst einem grossen 
kupfernen Doppelaxthammer, der auf der einen Seite als Beil, auf der 
anderen als gekrümmte Spitzhacke gebildet ist (Abb. 22, Mitte unten). 


944 Gustaf Kossinna. (56 


Skelettfunde sind neben den fast durchgängigen Leichenbrandgräbern 
äusserst selten; neuerdings hat Chwoiko ihren Anteil auf zwei bis drei 
vom Hundert abgeschatzt. Маф brieflicher Mitteilung sind diese Skelette 
stets langschádelig mit einem Kopf-Index von 72—74. 

Die West- und Südgrenze der Tripolje-Kultur (Taf. XXXIV) bildet in 
Ostgalizien zunächst der Sered, ein von Norden in den obersten Dniestr 
fallender linker Nebenfluss!), dann läuft die Linie nach Horodnica am Süd- 
ufer des Dniestr, springt südwärts über an den Prut nach Schipenitz bei 
Tschernowitz in der Bukowina, geht an diesem Flusse weiter bis Kuku- 
teni bei Jassy in Rumänien, dann über Petreny bei Bilzi in Bessarabien, 
durchquert den mittleren Dniestr bei Soroki, dann den Bug in der Nahe 
von Haissin in Podolien, um bei Uman die Westgrenze des Gouver- 
nements Kiew zu überschreiten, bei Kolnibolota an der Sinjucha das 
Gouvernement Cherson zu berühren, über Swenigorodki dem Ros sich 
zuzuwenden, diesem bis zu seiner Mündung in den Dniepr bei Kanew 
zu folgen und endlich jenseits des Dniepr im Kreise Oster des Gouver- 
nements Tschernigow zu endigen. 

Ein Blick auf die geologisch-klimatologische oder pflanzengeo- 
graphische Karte Russlands zeigt, dass diese altesten Siedelungen des 
neolithischen Menschen, gerade wie die wenigen paläolithischen Stationen 
Siidrusslands, südwärts durchaus innerhalb des Gebietes der Schwarzen 
Erde bleiben und von der Nordgrenze der eigentlichen Steppe sich noch 
erheblich fernhalten, eine Tatsache, die auch dann nicht einzuschränken 
wäre, wenn es mit der Exklave der Tripoljekultur an der Krimküste, 
von der Furtwängler Mitteilung gemacht hat, seine Richtigkeit hat, da 
ja die Südküste der Krim nicht zum Steppengebiet gehört. In der 
eigentlichen Steppe konnte naturgemäss weder т paläolithischer noch in 
neolithischer Zeit der Mensch dauernd bestehen; wenigstens sind dort 
keine Spuren von Ansiedelungen oder Gräbern angetroffen worden, die 
über die Zeit des Skytheneinfalls, also um 800 vor Chr., hinausgehen. 
Es bedarf daher keiner langen kritischen Erörterung, um das Ungereimte 
der nun Jahrzehnte lang wiederholten Behauptung Otto Schraders dar- 
zutun, die südrussische Steppe sei nicht nur das eigentliche Geburtsland 
der Indogermanen, sondern auch diejenige Urheimat, von der aus sie 
über Europa und Asien sich verteilt hätten. 

Man geht nicht zu weit, wenn man alles, was die Sprachforschung 
bisher gerade über diese Urheimat ermittelt zu haben glaubt — welche 
Ansicht auch immer man hier nachprüft —, in Bausch und Bogen als 
hinfälliges Kartenhaus bezeichnet. Die gesamte sprachvergleichende 


') Nur der oben (S. 239 Anm.) genannte neue Fundplatz Koszylowce liegt 
noch weiter westlich. 


57] рег Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 945 


Paläontologie geht auch heute noch vorschnell, ja unbesonnen auf ein 
Endziel aus, das erst über weite Zwischenstationen vielleicht einmal 
von ihr erreicht werden kann. Sie will sogleih die Kultur der noch 
ungeteilten Urindogermanen durch blosse, noch dazu ganz unsystematisch 
betriebene Wortvergleichungen herausdestillieren, ohne zu beachten, 
dass schon mehrere Jahrtausende vor Christus es hier so enorme 
Gegensätze gibt, wie nordische Kultur und Donaukultur, Gegensätze, 
wie sie auch durch die Sprachforschung ermittelt worden sind, was ich 
oben schon erwähnt habe, ohne dass diese aber aus ihrer Erkenntnis 
die nötige Schlussfolgerung für ein methodisches Ersdiiessen der 
Urzeit gezogen hat. Methodisd würde sie vorgehen, wenn sie auf 
зрга Нет Wege zuerst einmal erschliessen wollte: erstens die gemein- 
same Kultur der Nordindogermanen oder Centum-Völker, zweitens die 
gemeinsame Kultur der Südindogermanen oder Satem-Vólker. Dann 
erst liessen sich innerhalb jeder dieser Gruppen alter Kulturbesitz und 
späte Kulturübertragung sicherer auseinanderhalten. (Forts. folgt.) 


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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. I. 


Abb. 7. 1. Blémkeberg b. Bielefeld, Abb. 8. 1/5. Kaaks b. Itzehoe, Holstein Abb. 9. Uz Andernach a. Rhein 
Westfalen (Mus. Bielefeld). (nach Alt. u. heidn. Vorz. V, 49). (nach Bonner Jahrb. 92 Taf. II 10). 


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Abb. 10. Etwa 1/5. Abb. 11. 1/5. Abb. 12. 1/5. Abb. 13. 14. Gegend von Overzaal, Twente; 
Unteres Nahetal. Holzheim bei Giessen. Hebenkies bei Wiesbaden. Borger bei Assen, Drente (nach Holwerda, 
(10—12 nach АН. u. h. Vorz. V, 49). Nederlands vroegste beschaving Taf. I, 11. 12). 


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Abb. 15. Holderness Etwa !/5. 2/9 
Ka Greenwell, Abb. 16. 17. Wiltshire, England; Fifeshire, Schottland 
ritish Barrows). (nach Archaelogia LXI, Taf. X und S. 111). 


Spätneolithishe Tonbecher Nordwestdeutschlands, Hollands, Englands und Schottlands. 


(Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen, Curt Kabitzsch (А. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXV. 


Grosses Gefäss der bemalten Spiralkeramik aus Petreny, Bessarabien. 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXVI. 


Grosses Gefüss der bemalten Spiralkeramik mit Menschendarstellung aus Petreny, Bessarabien. 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXVII. - 


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Wohnplatze der Tripoljekultur Stil Ш bei Tscherbanjewka 
(nach Chwoiko). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch.( A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ва. I. Taf. ХАГХ. 


Tönerne Frauenidole der Tripoljekultur Stil II und Ш. 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt kabtzsch (A \Stuber’s Verlag) Würzburg. 


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ll. Mitteilungen. 


Rassereinheit und Kultur. 


Von Privatdozent Dr. Hermann Schneider, Leipzig. 


In dem landläufigen Rassenbegriff sind zwei Elemente verschiedener 
Herkunft zu scheiden, ein biologisches und ein kulturgeschichtlihes. Der 
ältere kulturgeschichtliche Faktor ist eine Gleichsetzung der wesentlichen 
Leistungen und Eigentümlichkeiten einer Kultur oder mehrerer Kulturen 
mit einem bestimmten, historisch gegebenen Bestandteil des Volkes oder 
der Vólker, die die betreffende Kultur besitzen. Wo Germanen auf- 
treten, entwickelt sich ein glänzendes Rittertum, eine Kunst voll naiver 
Innerlichkeit, eine Weltanschauung voll tiefer Mystik; wo Semiten ег- 
scheinen, herrschen anmassende Pfaffen und harte Geldmenschen, die 
Kunst stirbt ab, die Weltanschauung predigt herrische hartherzige Gótter, 
die durch Opfer und Demut in guter Laune erhalten werden müssen. 
Psychologisch gewandt erhalten wir den ritterlichen, naiven und tiefsin- 
преп Germanen einerseits und den anmassenden und doch kriechenden, 
kunstfeindlichen und fanatischen Semiten andererseits. Die „reine Rasse“ 
ist der unveränderliche Kern, der sich in allerlei äusserlich herangebrachtem 
Stoff immer in derselben Weise ausprägt; von ihr stammen alle eigen- 
artigen und wertvollen Kulturleistungen; sie ruhen samt und sonders 
in ihr als Keime von dem Moment der Rassenbildung an. Der Rasse- 
begriff ist in diesem Sinn ein zeitloser Begriff, etwas vollkommen Un- 
veränderliches; wenn die reine Rasse in andere Völker aufgeht, lässt 
sich ihr Geist als das einzig produktive in diesen nachweisen bis die 
Rasse vollkommen zerstört ist und mit ihr die Produktivität des neu 
entstandenen Gemisches. 

Diesem zeitlosen qualitativen Rassebegriff hat die biologisch und 
entwicklungsgeschichtlich interessierte neuere Forschung einen naturwissen- 
schaftlihen und genetischen Anbau gegeben. Die Rasse bleibt dabei 
unveränderlich, aber sie erhält eine Entstehungsgeschichte, wir fragen 
überall nach dem Werden, also muss auch das Werden der Rasse unter- 
sucht sein. Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden 
der Tierzüchter bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tier- 
rassen. Neue Rassen erhält der Züchter durch Auswahl, Kreuzung nicht 
allzu entfernter Verwandter und durch Reinziichtung. Also entstehen 
Menschenrassen durch ein glückliches Zusammentreffen guter Elemente, 


248 Hermann Schneider. [2 


das die Auswahl ersetzt, durch ihre Mischung und durch ihre Isolation, 
die zur Reinziichtung führen muss. Durch diese Erweiterung ist der alte 
Rassebegriff, ohne irgend etwas von seinen Vorzügen einzubüssen, be- 
deutend verschönt und modernisiert; er hat etwas Darwinistisches in 
sich aufgenommen. 

Leider haben aber Anbauten immer etwas Misslichhes. Wenn 
Mischung und Reinziichtung geeigneter Elemente neue produktive Rassen 
schaffen, dann ist nicht zu verstehen, warum diese reinen Rassen, wenn 
sie sich mit bestehenden Völkern mischen, nicht zu neuen noch produk- 
tiveren Rassen werden können, sondern „sich auflösen“ „degenerieren“. 
Hier wissen wir nun einmal sicher, das ein Element der Mischung 
,edel^ ist, wir beobachten Mischung und manchmal auch eine lange 
Reinzüchtung, aber die Produktivität versiegt. Die Einführung des Ent- 
wicklungsbegriffs erschüttert den älteren Teil des Rassenbegriffs. Früher 
waren die Rassen einfach da, „geschaffen“, wenn man will; da gab es 
kein Fragen, warum sie so aussahen, warum sie alle aus der Urzeit 
stammten; in der Urzeit lag eben die Schöpfung. Wenn aber Rasse ein 
Produkt einer Mischung und Reinzüchtung edler Elemente ist, warum ist 
dann die Mischung in der Urzeit „Rasse“, in historischer Zeit „Mischmasch“? 

Es gibt keine andere Möglichkeit, als konsequent zu sein und zu 
sagen: Rasse ist immer, in der Urzeit wie heute, jedes dauernde 
Ergebnis einer Mischung und Reinzüchtung, das in der Ausbildung von 
körperlichen oder geistigen Zügen gleicher Art bei einer grossen Zahl 
von Individuen besteht und sie im Vergleich mit Verwandten als eine 
besondere Gruppe hervortreten lässt. Rasseneigenart, nationale Eigen- 
art, Stammeseigenart und Familieneigenart sind auf ein und dieselbe 
Weise entstanden: nur die Grösse der Gruppen macht den Unterschied. 
In diesem Sinn kann ich von einigen der heutigen Nationen, die aus 
der Völkerwanderung hervorgegangen sind als Rassen reden; Rassen 
sind die Enderzeugnisse jeder Völkermischung; der Ägypter und Baby- 
lonier der persischen. Zeit hat Anspruch auf diese Bezeichnung, wie der 
um 3000 v. Chr.; auch er ist das körperlich und geistig eigenartige 
Ergebnis einer Mischung und fortgesetzten relativen Isolation, einer 
anderen, vielleiht komplizierteren Mischung, einer weniger strengen Iso- 
lation, als seine Urahnen, aber eine „Rasse“, wie sie. 


Nun ist freilich der Ägypter und Babylonier der persischen Zeit 
kulturell unfruchtbar, der der Urzeit dagegen höchst schöpferisch. 
Sehen wir aber genau zu, so ist in Ägypten nicht eine fertig eintretende 
ägyptische Rasse kulturell fruchtbar, sondern etwas Werdendes, ein Ge- 
misch aus drei als Rassen wohlcharakterisierten Elemente, einem libyschen, 
einem semitischen und einem negroiden; unter unsern Augen treten 
diese Bestandteile zu einem neuen zusammen und dann erst setzt mit 
der Wucht einer Explosion die Kulturentwickelung ein; im Verhältnis 
der fortschreitenden Verschmelzung der Teile, der Reinzüchtung der 
neuen eigentlich ägyptischen Rasse, versiegt die kulturelle Produktivität. 
Dasselbe scheint für Babylon zu gelten; die grossen kulturellen Leistungen 
sind nicht sumerisch, noch semitisch, sondern das Erzeugnis der Mischung 
von Sumerern und Semiten zu einer neuen babylonischen Rasse, die 
im Mass ihrer Vollendung unfruchtbar zur Kulturneuschöpfung wird. 

Wenn wir nun auf die Bildung unseres Rassebegriffs zurückgehen 


3] Rassereinheit und Kultur. 249 


und besonders die Erfahrungen der Ziichter ins Auge fassen, die auf 
ihn übertragen sind, finden wir, dass eigentlich nie etwas anderes zu 
erwarten war. Der Züchter will bestimmte neue körperliche oder geistige 
Eigenschaften in seiner neuen Rasse haben, darum wählt er aus und 
mischt; er will diese Eigenschaften dauernd haben, darum ziichtet er 
sein Produkt rein. Das Neue, „Höhere“, die Leistung, der Fortschritt, 
entsteht nur durch Auswahl und Mischung; die Reinzüchtung hebt jede 
weitere Neuschöpfung auf, hemmt die Produktion, führt zur Konstanz, 
zum Stillstand. Die Mischung der verwandten, aber verschiedenen Ele- 
mente gibt neue schöpferische Möglichkeiten; die Reinziichtung hebt 
diese Möglichkeiten grösstenteils wieder auf. 

Man kann in einem Bild das Verhältnis der Rassenmischung zur 
Kultur so ausdrücken, dass man sagt: Wo verschiedene Elemente zu 
einer Mischung zusammentreten, erfolgt ein Ausgleich, der im Beginn 
der Mischung mit der grössten Energie angestrebt wird und am Schluss 
in einem Gleichgewicht vollendet ist. Reine Rassen sind im Gleichge- 
wicht; sie stellen einen Endzustand dar, sind kulturell unfruchtbar. 
Treten sie mit anderen zusammen, so erfolgt eine Gleichgewichtsstörung, 
die der Differenz bez. der Spannung proportional ist; die reinen Rassen 
verlieren ihre Reinheit, „lösen sih auf“, und schaffen nun eine Kultur- 
arbeit, die der Spannung entspricht und sich mit der Spannung im Lauf 
des Ausgleichs vermindert; schliesslich ist die neue Rasse fertig, rein- 
gezüchtet, wenn keine äussere Störung eintritt, und damit kulturell ent- 
wickelt, aber zu neuen schöpferischen Leistungen unfähig geworden. 

Man kann als „Rasse“ auch weiterhin das Ergebnis einer Mischung 
nicht allzu ferner Verwandter mit folgender Reinzüchtung ansehen, muss 
sich aber darüber klar sein, dass wohl die Mischung, nicht aber die 
Reinzüchtung schöpferische Kulturleistungen bedingt, ja, dass die fort- 
schreitende Reinheit das Aufhören schöpferischer Kulturtaten bedeutet, 
Gleichgewicht, ein Höchstmass der Kulturbreite, nicht der Kulturhöhe. 
Die Rassereinheit ist so weit entfernt, eine Anwartschaft auf schöpferische 
Kulturleistungen zu geben, dass man geradezu sagen kann, dass Rasse- 
reinheit und schöpferische Begabung sich ausschliessen. 


Daraus folgt ohne weiteres, dass es nicht angeht, Kulturleistungen, 
die eben nur bei Mischung von mehreren Rassenelementen entstehen 
können, einem dieser Elemente zuzuschreiben und so eine Rassen- 
begabung zu konstruieren. Die Verführung zu falschen Schlüssen dieser 
Art liegt natürlich darin begründet, dass Kulturrassen, die dem Gleich- 
gewicht nahe, also kulturell unproduktiv sind, beim Eintritt einer neuen 
reinen Rasse wieder schöpferish werden können; der babylonische 
Sumerosemit kommt zu neuen Fortschritten durch das Eintreten kana- 
anäischer und später chaldäischer Semiten; der spätrömische Bewohner 
Italiens wird durch germanische Elemente zum Italiener der Renaissance. 
Es liegt sehr nahe, die neuen Leistungen einfach als Leistungen der 
neuen Ankómmlinge zu buchen und zu vergessen, dass diese für sich 
allein, rein, trotzdem es ihnen nicht an Zeit und Anregung von den 
Kulturländern her gefehlt haben kann, nichts erhebliches für die Kultur 
geleistet haben. Der voreilige Schluss muss aber aufgegeben werden; 
es gibt kulturelle Leistungen der italienischen Rasse, aber keine der 
Germanen in dem Italien der Renaissance. 

Mannus. Bd. I, H. 3/4. 17 


250 Hermann Schneider. (4 


Damit fallt aber fast der ganze qualitative Inhalt der zeitlosen 
Rassenformeln zu Boden. Viel geht dabei nicht verloren; die Rassen- 
formeln dieser Art, kulturgeschichtlich und psychologisch, sind so ärmlich 
und so deutlich Schöpfungen der Rassen- und Nationaleitelkeit, sowie 
des Rassen- und Nationalhasses, dass man nur eine innige Genug- 
tuung empfinden kann, wenn sie ausgemerzt werden. 


Die Frage ist nur, was an ihre Stelle zu treten hat. Am besten 
wird man den Ausdruck Rasse beschränken auf Vólker uns unbekannter 
Mischung, die nach einer langen Reinziichtung als körperlihe Typen 
differenziert in die Geschichte und damit in andere Mischungen ein- 
treten. Die. Ergebnisse dieser neuen Mischungen, die logisch nicht von 
den Rassen zu trennen sind, kónnten Volker, Nationen heissen. Es 
gabe also eine indogermanische, semitische, sumerische Rasse, aber keine 
ägyptische, babylonishe etc. Dabei muss im Bewusstsein gehalten 
werden, dass diese Trennung nur eine willkürlich vorgenommene Ver- 
einfachung zu besserer Verständigung ist, dass die „Rassen“ nichts sind 
als Endzustände älterer unbekannter Mischungen gleicher Art, wie die, 
in die sie selbst eintreten. Dass normalerweise die Völker und Nationen 
Europas und Vorderasiens nicht so ausgeprägte Typen darzustellen 
scheinen, als die Rassen der Germanen, Semiten, Hethiter usw. erklärt 
sich daraus, dass 1. zur Zeit der Ausbildung dieser Rassen Europa 
und Vorderasien relativ leer, die Isolation vollkommener war, 2..daraus, 
dass primitive Völker gleichartiger aussehen .und 3. daraus, dass die 
heutigen Nationen aus diesen älteren Rassen entstanden, ihre Mischung, 
also auch körperlich einen Ausgleich bilden. 

Treten verschiedene Rassen oder Völker zusammen, so entsteht 
eine Mischung; ihr Ergebnis ist ein körperlicher und geistiger Ausgleich, 
ein neues Volk und eine neue Kultur. Beide entstehen nur nach und 
nach, im Verhältnis der fortschreitenden Mischung; daraus erklärt sich, 
dass die neuen Kulturleistungen erst einige hundert Jahre nach der 
ersten Mischung erscheinen. Die neu entstehende Kultur kann einen 
Fortschritt über alles bis dahin in dem Weltteil oder in der Menschheit 
geleistete darstellen, oder nur eine Ausbreitung älterer Leistungen auf 
eine grössere Zahl sein. Die ersten Leistungen sind auffälliger und 
wichtiger für den Fortschritt der Menschheit, deshalb bisher allein be- 
rücksichtigt worden. 

Welche Faktoren bestimmen die Höhe der Kulturleistung eines 
Volkes? Da käme zunächst die Verschiedenheit der beiden oder mehreren 
Mischungsbestandteile in Betracht, als verschiedene Kulturhöhe und als 
verschiedene Eigenart. Die erste bestimmt die Menge des nachzu- 
lernenden, die zweite die Zahl neuer Möglichkeiten; beide ergeben die 
Grösse der „Spannung“. Ist die Differenz der Kulturhöhe sehr gross, 
so wird die Wahrscheinlichkeit einer Übergipfelung durch die primitivere 
Rasse sinken; ist sie sehr klein, so wird es ebenso sein. Die Wahr- 
scheinlichkeit, dass die Eigenart der Rassentypen sehr verschieden ist, 
besteht namentlih in der Zeit dünner Bevölkerung der Erde und 
weiter Wanderungen; sie nimmt mit wachsender Bevölkerungsdichte und 
wachsender Mischung aller vorhandenen Rassen bis zur völligen Er- 
schöpfung ab. 

Neben diesem Verhältnis der Mischungsbestandteile zueinander 


5] Rassereinheit und Kultur. 95] 


kommt м jedem Fall in Rechnung der Ort der Herkunft und der der 
Mischung der Bestandteile, d. В. der der Kulturentwicklung. Rassen, 
die Gegenden entstammen, welche, wie der Norden oder die Steppe, 
die Spannkraft im Kampf ums Dasein entwickeln und üben, werden in 
weichen Klimaten, in Ruhe und Überfluss grosse Kraftüberschüsse auf 
Kulturleistungen wenden können. In reichen Ländern, womöglich noch 
in leicht zu schliessenden Grenzen, wird die Entfaltung aller Keime, aber 
auch die Erschlaffung leicht eintreten; von der Natur weniger begünstigte 
Gebiete werden vielleicht gelegentlih noch höhere Kulturleistungen 
sehen, weil sie ihre Bewohner elastisch erhalten; die jüdische, die 
japanische und die mitteleuropäishen Kulturen sind Beispiele dafür, 
doch scheint eine gewisse Entwicklungshöhe in benachbarten reicheren 
Gegenden und deren Einfluss auf das ärmere Land dafür Voraus- 
setzung zu sein. 

Die absolute Höhe der kulturellen Entwicklung im Mischungs- und 
Entwicklungsgebiet ist endlich für die erreichte Kulturhöhe in jedem 
einzelnen Fall ausserordentlich wichtig; was die neueintretende Rasse 
an Kultur vorfindet, ist massgebend für das, was sie erreicht. Offenbar 
gibt es gewisse Punkte in der Kulturentwicklung der Menschheit, deren 
Erreichung dem Glücklihen mühelos, fast mechanisch selbstverständlich 
ganz neue Gebiete erschliesst; ein solcher Punkt ist die Entbindung 
einer Lautschrift. Andere Punkte sind ungünstig und fesseln gewisser- 
massen den neu eintretenden. Jedenfalls kann man aus der vorliegenden 
Grösse der kulturellen Leistung nicht ohne weiteres auf Begabungs- 
unterschiede schliessen; auch hier spielt das Glück eine Rolle. 

Schliesslich bleibt als Restfaktor bei Berechnung der erreichbaren 
Kulturhöhe einer Rassenmischnng die Begabung der Mischungsbestandteile. 
Sie lässt sich nicht ausschalten und soll nicht ausgeschaltet werden. Nur 
die voreilige, wissenschaftlich unfruchtbare und schädliche Bildung quali- 
tativer Rasseformeln soll vermieden werden; wir können das nicht anders, 
als indem wir alles irgend mögliche auf quantitative und sonst kontrollier- 
bare Elemente zurückführen; sonst wird die „Begabung“, die ja eigentlich 
nur tautologisch „erklärt“, ein Faulbett, statt eines fördernden Durchgangs- 
faktors. Was an qualitativen Elementen sich dem Schema der Entwicklungs- 
stufen der Mensdhheit, wie allen Erklärungen durch quantitative und 
der Rolle der Quantität in der Naturwissenschaft analoge Hilfsmittel 
entzieht, das soll Begabungsfaktor der in die jeweilige Mischung eintreten- 
den Rassenelemente sein. So sehen wir in der Ferne neue, höhere und 
reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters. Hoffen wir, dass mit 
ihnen niemals in Begeisterung und Hass soviel Unfug getrieben wird, 
wie mit ihren heutigen Ahnen. 


17% 


Der neue Skelettfund 
des Homo Aurignacensis Hauseri. 


Von Georg Wilke, Chemnitz. 
Mit 1 Textabbildung. 


Wie den Lesern des Mannus schon aus den Tageszeitungen be- 
kannt sein wird, hat sih dem Homo Mousteriensis Hauseri, dessen 
Auffindung und Hebung im August vorigen Jahres mit Recht ein so 
allgemeines Aufsehen erregte, ein neuer, gleichfalls einer sehr frühen 
Periode des Paläolithikum angehörender Skelettfund zugesellt, dessen 
Aufdeckung wiederum den in grosszügigster Weise und nach streng 
wissenschaftlihen Gesichtspunkten geleiteten Ausgrabungsarbeiten des 
Herrn О. Hauser zu danken ist. 

Die Fundstelle liegt aber diesmal nicht in Le Moustier, sondern 
etwa 40 km südlih davon auf der einsamen Berghöhe von Combe 
Capelle, unweit des alten Städtchens Montferrand, das sich mit seinen 
alten Burgruinen malerisch über dem Tale der Couze erhebt. Wie bei 
allen paläolithischen Fundstellen in den Dordogne, so handelt es sich 
auch hier um einen abri sous roche, wie wir ihnen in den Tälern der 
Vézére und Lorréze und ihren Nebenflüssen in so grosser Zahl be- 
gegnen, und zwar ist Combe Capelle noch insofern von besonderem 
Interesse, als hier vier verschiedene Kulturschichten von etwa 0,2 bis 
0,5 m Dicke, getrennt durch sterile Zwischenschichten von 8—3 m, 
übereinander gelagert sind. 

Die unterste Schicht, ein Aurignacien inférieur, unterscheidet sich 
hinsichtlih der in ihr eingeschlossenen Kulturreste nur wenig von der 
ihr unmittelbar vorausgehenden Periode, dem Moustérien supérieur, 
wie wir sie von der klassischen Fundstelle, der oberen Grotte oder 
Terrasse von Le Moustier kennen. Wie hier, so steht auch im Aurignacien 
inferieur von Combe Capelle das Feuersteingerät im allgemeinen auf 
einer ziemlich tiefen Stufe und ist noch wenig differenziert. Die bei 
weitem meisten Stücke, denen man begegnet, sind einfache Feuerstein- 
schaber (racloirs) mit ziemlich groben Randretuschen. Nur selten er- 
scheinen feinere Messer und Bohrer oder sorgfältiger bearbeitete Kratzer 
(grattoirs) mit den charakteristischen feinretuschierten Bögen. 

Erst in der zweiten Schicht von unten, dem Aurignacien moyen, 
wird das Feuersteingerät mannichfaltiger und die Bearbeitung eine feinere. 
Die für das Moustérien charakteristishen Typen verschwinden vollständig 


2] Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 953 


und neue Formen stellen sich ein, unter denen die eigentiimlichen pyra- 
midenförmigen grattoirs Tarté und schöne regelmässige viereckige Doppel- 
kratzer mit bogenförmigen Schmalkanten und sehr sorgfältig ausgeführten 
Randretuschen besonders charakteristisch sind. 

Noch mehr differenziert erscheint das Feuersteingerät in der dritten 
Schicht, dem Aurignacien supérieur wo wir zum ersten Male jene prädh- 
tigen messerartigen Feuersteinklingen mit zierlihem Griff und ausser- 


ordentlich feinen .Retuschen antreffen (pointes à cran) und auch schon 
eleganteren Schmuckgeräten aus Knochen oder Rengeweih begegnen. 


In der vierten Schicht von Combe Capelle, die bereits einem 
reinen Solutréen angehört, erreicht diese Kultur ihre höchste Entwicke- 
lung. Die schon in der dritten Ablagerung vereinzelt vorkommenden 
pointes ä cran sind hier von einer erstaunenswerten Eleganz und Fein- 
heit, und nicht weniger die jetzt zum ersten Male auftretenden pointes 
en feuille de laurier, die loorbeerblattartigen Klingen, die den schönsten 
Lanzenblättern aus der Blütezeit der dänischen Feuersteinindustrie kaum 
nachstehen dürften. Daneben erscheinen, wie schon in der vorigen 
Periode zahlreiche percoirs und burins, kleine Pfeilspitzen und lange 
schmale drei- oder vierkantige, oft sehr fein retuschierte Späne oder 
Stäbchen, die wenigstens zum Teil jedenfalls als Angelhaken gedient 
haben mögen, teilweise wohl auch zur Bearbeitung von feinen Holz- 
und Knochenwerkzeugen benutzt wurden. 

Interessant ist die Tatsache, dass sich bestimmte Gerátetypen, wie 
dies auch anderwärts beobachtet wird, ja bis zu einem gewissen Grade 
schon in La Micoque der Fall ist, immer nesterweise beisammen finden. 
Man darf daraus wohl schliessen, dass schon in jenen fernen Zeiten 
eine gewisse Arbeitsteilung bestand und dass namentlich die Herstellung 
der feineren Werkzeuge wie der pointes à cran und der Lorbeerblatt- 
spitzen gewerbsmässig von darin besonders geschulten und kunstgeübten 
Meistern betrieben wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf 
einen Irrtum hinweisen, dem man sehr häufig begegnet: Wenn auch die 
Zahl der Feuersteingeräte in allen abris eine ganz ungeheuere ist und 
selbst auch die schöneren Stücke in Fragmenten noch ziem- 
lih häufig vorkommen, зо bilden doch vollständig intakte 
Exemplare eine grosse Seltenheit. Während der zwei Tage, 
an denen wir trotz der drückenden Sonnenglut in Combe 
Capelle mit wahrem Bienenfleiss arbeiteten — ausser Herrn 
Hauser und mir noch zwei Arbeiter — kam nur eine einzige 
vollständig erhaltene und in jeder Beziehung tadellose pointe 
à cran zum Vorschein. Ausser dieser fand ich selbst noch in 
der zweitobersten Schicht ein sehr zierliches Stück mit ausser- Abb. 1. v; 
ordentlich zarten Retuschen an der inneren Stilseite (Abb. 1), _Zierliche 


А А р. . . inte a n 
das mir Herr Hauser, wie alles übrige, was ich in Combe Capelle mit sehr feinen 


und den sonstigen Stationen persönlich ausgegraben habe, „Reisen | 
zu überlassen, die grosse Freundlichkeit hatte. Und wie in oben. 


Combe Capelle erging es uns auch in Longueroche, Le 

Moustier und La Micoque. Wirklih schöne und typische Stücke, wie 
sie für Museumszwecke geeignet sind, fanden sich auch hier nur sehr 
dünn gesät. Soviel über das Milieu. 


Die Aufdeckung des Skelettes, das in der untersten Schicht lag, 


954 Georg Wilke. [3 


erfolgte am 26. August, nur wenige Tage nach meinem Besuch von 
Combe Capelle. ,Sie müssen dem Menschen geradezu an den Hühner- 
augen herumgekrabbelt haben. — Pech“ so lautete die vorläufige kurze 
Notiz, die mir Herr Hauser in der ersten Freude über seinen neuen 
Fund zukommen liess. Bei der neuen Grabung stiess man in der vóllig 
intakten Schicht — eine breccienartige, aus zahllosen Feuersteingeräten 
und Knochenresten, durch Sand und Kalk zusammengekittete Masse — 
zunächst auf die Oberfläche eines Schädels und bei weiterer Freilegung 
auf eine Reihe sorgfältig durchbohrter Schneckengehäuse, die Reste eines 
Kolliers, das man dem Toten in das Grab mitgegeben hatte. 


Wie im vorigen Jahre bei der Auffindung des Homo Mousteriensis, 
so stellte Herr Hauser auch dieses Mal die Grabungen vorläufig ein, 
um die weitere Hebung und Bergung Herrn Professor Klaatsch zu über- 
lassen, den er telegraphisch von dem neuen Skelettfunde in Kenntnis 
gesetzt hatte. Man muss die Fundstelle selbst gesehen und selbst 
dort gegraben haben, um die enormen Schwierigkeiten voll würdigen 
zu können, die das Herauspräparieren der morschen und gebrechlichen 
Skelettreste aus dem harten Kalksteine verursacht haben muss. Aber 
die mühsame Arbeit ward reichlich belohnt. Denn es gelang nicht nur 
den Schädel, der trotz des riesigen, viele Jahrzehntausende auf ihm 
lastenden Druckes und trotz einer frischen Verletzung bei seiner Auf- 
findung im ganzen leidlich erhalten war, glücklid zu bergen, sondern 
auch das übrige Skelett zeigte sih bis auf einige Hand- und Fuss- 
wurzelknochen völlig intakt. 

Besonders interessant war die Lage des Skelettes, das in einer 
künstlichen, den Körperformen sorgfältig angepassten Bodenvertiefung 
deponiert war. Der Körper war etwas nach rechts geneigt, die Beine 
stark gegen den Leib angezogen, sodass wir es hier bereits mit einer 
echten „Hockerbestattung“ zu tun haben, wie sie in den späteren Perioden 
bis zum Schlusse der jüngeren Steinzeit fast überall in Europa geübt 
wurde und im Kaukasus selbst noch in den älteren Abschnitten der 
Hallstattzeit gebräuchlich war. 

Über die Kulturperiode, der das Skelett von Montferrand angehört, 
haben die Grabbeigaben, die über der Brust und neben den Händen 
und Füssen lagen, hinreichend Aufschluss gegeben. Es sind dies typische 
Geräte des entwickelten Aurignacien und es kann daher keinem Zweifel 
unterliegen, dass wir es hier mit einem Vertreter dieser Stufe zu tun 
haben. Wenn sich ausserdem auch noch neben und zwischen den Teilen 
des Skeletts verschiedenerlei charakteristische Mousteriengeräte fanden, 
so erklärt sih dies eben dadurch, dass man bei der Anlegung des 
Grabes zufällig in die alte Kulturschicht gelangt war. Zu dieser Alters- 
bestimmung passt wohl auch am besten das prächtige Muschelkollier, 
da meines Wissens im Aurignacien inferieur durchbohrte Muscheln bis- 
her noch nicht beobachtet worden sind. 

Welcher Rasse gehörte nun dieser Homo Aurignacensis Hauseri, 
wie er nach der Kulturperiode und seinem Entdecker benannt werden 
soll, an? Solange nur ein kleiner Teil des Schädels aufgedeckt und die 
Beigaben noch nicht freigelegt waren, durfte man das Skelett in Anbe- 
tract seiner Lage in der untersten Kulturschicht auf diese Periode be- 
ziehen und es lag daher die Vermutung nahe, dass wir es hier mit 


4] Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 955 


einem Verwandten des im vorigen Jahre freigelegten Homo Mousteriensis 
Hauseri, also einem neuen Vertreter der Neandertalrasse oder wenigstens 
einem Abkómmling von ihr zu tun haben würden. Diese Vermutung 
hat sich indes nicht bestätigt. Nach zahlreichen Photographien und den 
brieflihen Mitteilungen, die ich darüber von den Herren Klaatsch und 
Hauser erhalten habe und nach einem Vortrag, den ersterer am 13. 10. im 
Verein für Erdkunde in Leipzig gehalten hat, handelt es sich hier vielmehr 
um eine völlig verschiedenartige Rasse. Im Gegensatz zu dem Moustier- 
schädel, der mit seinen stark entwickelten Augenbrauenbögen, seiner 
ausserordentlich niedrigen fliehenden Stirn, der starken Einschnürung 
der Schläfenbeinpartien, der hochgradigen Prognathie, der Form des 
Unterkiefers und vor allem dem negativen Kinn noch stark pithekoide 
und negroide Merkmale darbietet, haben wir es beim Homo Aurig- 
nacensis mit einem weit höher stehenden Menschentypus mit schön 
gewölbtem Schädel zu tun, der hinter dem des heutigen Europäers 
kaum wesentlich zurücksteht. Seine nächsten Verwandten bilden viel- 
mehr die Schädel von Brüx und Brünn in Mähren und der von Galley 
Hill, die sämtlich mit dem von Combe Capelle die ganz auffallende 
Länge und Schmalheit und die hochgewölbte Stirn gemein haben und 
ihm auch in der Bildung der Augenbrauenbögen und der Nasenwurzel 
gleihen. Auch die, freilich nur spärlichen sonstigen Skelettreste von 
Galley Hill — Unterkiefer und Gliedmassen — stimmen mit dem Homo 
Aurignacensis durchaus überein. Insbesondere sind beide durch das 
neutrale Kinn charakterisiert. Endlich gehört dieser Rasse auch noch 
das Skelett von Chancelade (Dordogne) an, das freilih einer viel 
jüngeren geologischen und Kulturperiode entstammt, nämlich dem 
Magdalénien. Dieses Skelett, das vor zwanzig Jahren von dem Kon- 
servator des Museums in Périgueux, Dr. Feaux, gehoben und von 
Professor Testus in Lyon sehr eingehend untersuht und beschrieben 
worden ist, hat mit dem Menschen von Combe Capelle nicht nur die 
Schädelform, sondern auch den sonstigen Skelettbau gemein. Insbe- 
sondere zeichnen sich beide durch die verhältnismässige Kürze von Arm 
und Bein und durch das Grössenverhältnis zwischen den oberen und 
unteren Abschnitten der Beine und Arme aus. In beiden Fällen haben 
die Unterschenkel fast dieselbe Länge wie die Oberschenkel und ebenso 
stimmt der Vorderarm fast genau mit dem Oberarm überein. 

Dieses eigentümliche Grössenverhältnis, das wir in ganz ähnlicher 
Weise auch bei den Negern und Australiern beobachten, bildet den 
Hauptunterschied gegenüber den schlanken hochgewachsenen Cro Magnon- 
leuten, die im übrigen, insbesondere in der Schädelbildung eine ganz 
überraschende Übereinstimmung mit der Aurignacgruppe zeigen und 
nach Auffassung des Herrn Klaatsch als unmittelbare Abkómmlinge von 
ihnen zu gelten haben. Hat sich dann weiter aus der Cro Magnon- 
Klasse der europäische Menschentypus entwickelt, so bildet also der 
Homo Aurignacensis den eigentlichen Stammvater unseres Geschlechtes. 


Wo haben wir den Ausgangspunkt dieses neuen Menschentypus 
zu suchen? Auch diese Frage wurde von Herrn Klaatsch in seinem 
Leipziger Vortrage ziemlich eingehend behandelt. Während die Neander- 
talrasse, wie sie am vollkommensten durch den Homo Mousteriensis 
Hauseri repräsentiert wird, ganz unverkennbare negroide Merkmale dar- 


256 Georg Wilke. {5 


bietet und übereinstimmend mit diesen somatischen Beziehungen zu- 
sammen mit einer ausgesprochenen afrikanischen Fauna, dem Elephas 
antiquus u. s. f. erscheint, weist die Fauna, die mit dem Aurignac- 
menschen auftritt, der Elephas primigenius, die Nagetierformen u. a. m. 
auf Asien hin. Freilid bildet auch Asien nur. das Durchgangsland. 
Denn die eigentlihe Heimat lag weiter südlich in Australien, dessen 
Bevölkerung nicht nur mit der Aurignacrasse sondern selbst noch mit 
dem heutigen Europäer manche Ziige gemein hat. Wahrend den Europäer, 
sagt Herr Klaatsch, sowohl die Negerbevölkerung Afrikas, wie die mongo- 
loide Bevölkerung Asiens und des malayischen Gebietes vollständig fremd 
anmuten, fühlt er sich zum Australier wie zu einem ihm viel naher stehenden 
Menschentypus hingezogen. In der Tat waren unter den von Herrn Prof. 
Klaatsch skioskopisch vorgeführten Australierkópfen nicht wenige, die man 
auf den ersten Blick recht wohl für altgermanische Erscheinungen halten 
könnte und selbst einige sprachlihe Beziehungen glaubt Herr Klaatsch 
wie er mir nach Schluss des Vortrages persönlich mitteilte, vermuten 
zu dürfen. So kennt das Australische die Dualbildung und auch laut- 
lih finden sich namentlih mit dem Lateinischen gewisse Uberein- 
stimmungen. Mehr Gewicht, als auf diese wohl mehr auf Zufall be- 
ruhenden sprachlichen Übereinstimmungen möchte ich auf gewisse 
Kulturparallelen zwischen den heutigen Australiern und den Aurignac- 
und Cro-Magnonleuten legen, auf die Herr Klaatsch in seinem Vortrage 
gleichfalls hinwies. So findet sich die Hockerstellung, wie wir sie oben 
bei dem Skelett von Combe Capelle kennen gelernt hatten auch bei 
den australischen Mumien. Mit den bekannten Höhlenzeichnungen der Cro 
Magnon-Leute in der Dordogne lassen sich recht wohl die australischen 
Felsenzeichnungen vergleichen, die wie jene oft sehr naturalistisch aus- 
geführt sind und meist Darstellungen der heimischen Fauna bilden. 
Die Reihe kleiner Striche, die sich bogenförmig über den Leib der Venus 
von Brassempouy hinzieht und für die man bisher keine befriedigende 
Erklärung hatte'), hat eine überraschende Ähnlichkeit mit den gleichfalls 
reihenförmig angeordneten Hautnarben, mit denen sich die modernen 
Australierinnen ihren Körper verschönern, und schliesslih sprechen 
einige Umstände insbesondere die Bildung des Fusses und gewisse 
Feuersteingeräte dafür, dass auch die Art des Erkletterns der Bäume 
mittelst der grossen Zehe, die in eingeschlagene Löcher eingesetzt wird, 
bei den Aurignac-Menschen die gleiche war, wie noch heute bei den 
Australiern. 

Als die Aurignacrasse in Europa einzog, fand sie die Neandertal- 
rasse bereits vor, die damals über einen grossen Teil des europäischen 
Kontinentes verstreut war. Selbstverständlich wird es dabei nicht an 
harten Kämpfen gefehlt haben, denn man kann sich nur schwer vor- 
stellen, dass zwei so grundverschiedene Rassen, wie es die Neandertal- 
Moustier und Aurignac-Galley Hill-Menschen waren, auf die Dauer 
hätten friedlich neben- und untereinander wohnen können. Auf diese 


') Mortillet, Musée préhist. pl. ХХУП 230 will in diesen Strichen die 
Darstellung eines Gürtels erkennen, doch spricht dagegen schon der Verlauf der 
Strichreihe, die etwa einem Pfeilbogen gleicht. Hätte der paläolithishe Künstler 
einen Gürtel darstellen wollen, so würde er wohl sicher die Linie horizontal um 
den Leib geführt haben. 


6] Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 957 


Rassenkámpfe ist wohl auch das Verschwinden des Neandertaltypus 
zurückzuführen, sei es, dass die Vertreter dieser Rasse allmählich der 
Vernichtung anheimfielen, oder dass sie den neuen Ankómmlingen 
weichend in andere Länder abzogen. Immerhin müssen beide Rassen 
doch noch längere Zeit nebeneinander existiert haben, da sowohl für 
das im vorigen Jahre aufgedeckte Skelett von La Chapelle-aux Saints, 
Dep. Corréze als die Reste von Spy, die beide dem Neandertaltypus an- 
gehören das jung-diluviale Alter durch das Vorkommen reichlichher Mam- 
mut- und Rentierfunde einwandfrei festgestellt ist. Dann aber wird 
man auch mit der Möglichkeit wiederholter Blutmischungen rechnen 
müssen, deren Folgeerscheinungen sogar noch in der Gegenwart sich 
geltend machen mögen. 


Anmerkung. Hier ist der Hinweis wohl nicht unangebracht, dass das vor 
Jahrzehnten in Le Moustier ganz nahe der Fundstelle des Hausershen Homo 
Mousteriensis von Riviére aufgedeckte Skelett einer Frau, das leider noch immer 
nicht veröffentlicht worden ist, nicht den Neandertaltypus zeigt, also wohl nur der 
Aurignacrasse angehören kann und dann, weil aus dem Moustérien stammend, ein 
noch älterer Vertreter der hochstirnigen Aurignacrasse wäre als das Skelett vom 
Combe Capelle, ebenso auch die beiden von Dupont in der Höhle zu Hastiére gefun- 
denen Unterkiefer mit ausgebildetem Kinnhöcker, also wohl „positivem“, mindestens 
,neutralem* Kinn nach Klaatschens neuester Terminologie, und das bekannte von 
Schmerling entdeckte Schädeldach von Engis (unteres Aurignacien), während der 
Alte von Cro-Magnon, der Urvertreter der jungdiluvialen Cro-Magnon-Rasse, be- 
kanntlih dem mittleren Aurignacien entstammt, also genau ebenso alt ist, wie der 
Hocker von Combe Capelle. G. K. 


Einige seltenere steinzeitliche Funde 
aus Mecklenburg. 


Von R. Beltz, Schwerin. 
Mit 2 Textabbildungen und 1 Tafel. 


1. Als ergiebigste steinzeitliche Siedelung des Landes hat sich 
immer mehr die Fundstelle von Wustrow - Niehagen erwiesen, gelegen 
auf der schmalen Halbinsel Fischland zwischen Ostsee und Saaler 
Bodden. Seit 1898 ausgebeutet (vgl. Mecklb. Jahrb. 64 S. 68 und 106) 
hat sie eine Unzahl von Stücken ergeben, deren Hauptmasse sich in 
der Sammlung ihres glücklichen Entdeckers, des Herrn Dr. med. Lettow 
in Wustrow befindet. Die Lagerungsverhältnisse sind sehr einfach: 
am steilen Abbruchufer über etwa 2 km hin bis etwa 800 m land- 
einwárts liegen auf einer starken Schicht festen Ortsteins (Aus- 
scheidungsprodukt der früheren Heidesandoberflache) die Gegenstande 
unter einer bedeutenden, vom Winde stark beeinflussten Schicht Blei- 
sandes und Flugsandes. Unter dem Ortstein lagert gelber Geschiebe- 
mergel. Zur Beurteilung der Stelle ist festzuhalten, dass die ganze 
Küste sich in Abbruch befindet und der Landverlust am Fischlande 
jetzt jahrlich noch etwa 0,5 m betràgt, früher natürlich mehr, vor un- 
gefáhr 4000 Jahren also, zur Steinzeit, die ganze Stelle weit von der 
See, vier bis fünf Kilometer gering gerechnet, entfernt lag. Auch 
andere Momente weisen dahin, dass die ausserordentlich starke Be- 
siedelung des Fischlandes (und des Darsses) dem Bodden, nicht der 
See nachgegangen ist. — Auf der Stelle der Wustrow-Niehagener Siedelung 
ist nun ein Stück aufgetreten, das durch Form und Lagerung aus dem 
Kreise der anderen herausfallt. Der (Taf. XXXV Та, b) in zwei Ansichten 
abgebildete , Faustkeil“ von (jüngerem) St. Acheul-Typ ist nach der 
bestimmten Angabe des langjährigen und geübten Erforschers der Stelle, 
des Dr. Lettow nicht auf der Ortsteinschicht, sondern unter der- 
selben im Diluvialmergel gefunden, in der Lehmwand des Hohen 
Ufers. Er besteht aus schwarzem Feuerstein, hat zum Teil noch die 
Kruste, 10 cm Länge, 7 cm Breite, die Seiten leicht gewölbt, eine mit 
Rückenkante; er ist gearbeitet in bekannter altpaläolithischer Technik, ohne 
Retouchen, zeigt auch keine Rollspuren. Das Stück sei hier verzeichnet 
als einer der sehr wenigen Belege für eine ältere nordisch-norddeutsche 
Paläolithik; zu einer Einreihung in ein geologisch-chronologisches Schema 
genügen die Angaben natürlich nicht. — Hinzugefügt sei ein zweites 
Stück von derselben Fundstelle, über dessen Lagerung leider kein Bericht 
vorliegt, ein stumpfspitziger Bohrer altpalaolithischer Form, 13 cm lang, 


2] Einige seltenere steinzeitlihe Funde aus Mecklenburg. 259 


oben der natürliche Stein mit seiner alten Kruste (Taf. XXXV, 2). In 
der Lettowschen Sammlung sind alle Ubergangsformen zu den feineren 
scharfspitzigen neolithischen Bohrern vorhanden, und das Vorkommen 
eines derben, altertümlich anmutenden Exemplars in neolithischer Um- 
gebung würde nichts Befremdliches haben, hat übrigens auch in ähn- 
lichen Stücken aus Feuersteinwerkstätten in der Schweriner Sammlung 
(Arendsee b. Krópelin, Büttelkow b. Krópelin) seine Parallelen. 


2. In der sicher neolithischen Fundschicht von Wustrow-Niehagen 
finden sich auch Bohrer von einem älteren (Kjökkenmöddings-)Habitus 
(das auf Taf. XXXV, 3 abgebildete Stück 9 cm lang), vielfach, und auch 
sonst tritt diese alte Stufe recht stark hervor, in Spaltern (das auf 
Taf. XXXV, 4 befindliche Stück 7 cm lang), Axten usw. Ein recht 
hübsches Beispiel für den Übergang der Kjökkenmöddingsaxt zu der 
„spitznackigen“ neolithischen gibt das in Abb. 5 wiedergegebene Stück 
(10 cm lang). — Die Masse der Funde ist echt neolithisch, doch ist 
es recht auffallend, dass unter der kaum übersehbaren Fülle von 
Gegenständen einige Gruppen fast ganz ausfallen. So sind Kernsteine 
und gróssere, prismatische Messer direkt selten, dagegen überwiegen die 
kleinen zierlichen Geräte (kleinste Messer, Nadeln, besonders die Pfeil- 
spitzen, unter denen allein 300 querschneidige usw.) in einem Masse, 
wie an keiner zweiten Stelle des Landes. (Aus Pommern erinnert das 
Ensembie der Feuersteinmanufaktur von Scholpin b. Stolp sehr an das 
Wustrower.) Eine Besonderheit bilden flache runde Scheiben mit ge- 
dengelten Rändern, die man an einer Stelle in Masse aufgelesen hat; 
der Durchmesser beträgt 1,2 bis 4 cm, die Oberfläche ist oft die des 
natürlichen Steines, oft aber auch sehr fein geschliffen; bei fünf ist deut- 
lich erkennbar, wie sie aus geschliffenen Keilen zurechtgearbeitet sind. 
Bei der Mehrzahl der geschliffenen versagt die Erklárung dieser 'petits 
disques' als Rundschaber, zumal auch die Schmalseite nicht wie bei den 
Schabern abgeschragt, sondern scharf gerade abschneidend gebildet ist. 
Man hat sie in Wustrow als Amulette bezeichnet und speziell als 
einen Ersatz der runden, durch Trepanation dem Schádel entnommen 
Knochenplattchen französischer Gräber. In der Form ähneln sie diesen 
in der Tat sehr. Wir geben als Beispiele einen grósseren derberen 
Schaber von 4 cm und ein „Amulett“ sorgsamster Herstellung von 2 cm 
Durchmesser (Taf. XXXV, 6, 7). Eine fernere Besonderheit ist ein kleines 
Tongebilde (Abb. 8), stark gebrannt, aus grauer Masse, 4,7 cm lang, 
ein Unterarm mit geballter Faust, auf der die Finger durch feine Striche 
angegeben sind. Sonst tritt Keramisches leider nicht besonders hervor. 
Die zahlreichen Scherben sind klein, mit Tupfenband, Kerbenband, Band- 
reihen in Glockenbechergeschmack usw.; etwas bessere Specimina sind 
in das Berliner Völkermuseum gelangt. — Die nordischen neolithischen 
Feuersteintypen finden sich vollzählig, wenn auch die durchgebildeten 
Formen der Klingen und Ságen mangeln. Aus anderem Gestein die üb- 
lichen Quetschmühlen, Reibsteine, Schleifsteine, wahrend Аже usw. sehr 
zurücktreten: ausser einigen Bruchstücken nur zwei durchbohrte Аже 
aus Gneis und zwei undurchbohrte. 

Eine hübsche Ergánzung zu der grossen Wustrow-Niehagener 
Stelle bieten zwei in geringer Entfernung (1 bezw. 2 km) ebenfalls 
auf sandigem Kuppen liegende  Feuersteinschlagstátten bei Alt- 


260 В. Beltz. [3 


hagen und Ahrenshoop, deren Untersuchung sich Herr Lehrer 
Mät in Wustrow angenommen hat und die ebenfalls ein recht beträcht- 
liches Material ergeben haben. Der Charakter aller Stellen ist ver- 
schieden: in Althagen überwiegen gróssere, gut gearbeitete Messer, 
Kernsteine usw., Ahrenshoop zeichnet sich durch práchtige Feuerstein- 
keile aus usw. Sodann sind noch im Bodden bei niedrigem Wasser- 
stande an zwei Stellen, bei Niehagen und bei Barnstorf Steingerate, 


Abb. 2. Abb. 1. 
Selpin bei Tessin. 


Tierknochen usw. unter Umständen beobachtet worden, die auf Pfahl- 
bausiedelungen deuten. — Die Siedelungsverhältnisse des Fischlandes 
laden zu einer monographischen Behandlung ein; es маге eine dankbare 
Aufgabe, auch von allgemeinerer Bedeutung, festzulegen, wie sich diese 
verschiedenen Lokalitáten, die doch Sondercharaktere zeigen, zueinander 
verhalten, besonders auch ihr zeitliches Verhältnis zu bestimmen. Mit 
der Heranziehung der zahlreichen norddeutschen Feuersteinwerkstellen 
zu einer Gruppierung der Typen und Chronologisierung der Typen- 
komplexe ist ja noch nicht einmal der Anfang gemacht worden. 

5. Bei Gelegenheit der sorgsameren Absuchung und Untersuchung 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Ba. 1. Taf. XXXV. 


Wustrow-Niehagen. 


Beltz, Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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4) Einige seltenere steinzeitlihe Funde aus Mecklenburg. 261 


einer Feldmark, des Gutes Selpin bei Tessin haben sich auch zwei 
ungewóhnliche Steingeráte ergeben: 1. Einer der bekannten Kjókken- 
móddingspalter (7 cm lang), in echter alter grossfláchiger Technik her- 
gestellt, merkwürdig dadurch, dass die Schneide geschliffen ist (Abb. 1). 
In den ergiebigeren neolithischen Stationen finden sich Gegenstande 
älteren Typs und älterer Technik regelmässig, und mit der Erklärung, 
dass es sich da um Relikte einer früheren Kultur handelt, kommen wir 
nicht aus. Es sind vielmehr alte Typen neben den spáteren die 
ganze Steinzeit hindurch hergestellt, gelegentlich auch, wie an unserem 
Beispiel, mit der jüngeren Technik; übrigens fanden sich in Wustrow- 
Niehagen auch geschliffene querschneidige Pfeilspitzen. 2. Ein Feuer- 
steinmeissel einfachster Form (10 cm lang), hergestellt aus einer leicht 
gewólbten, nur 1 cm dicken Platte, deren obere Seite die natürliche 
Kruste und deren untere (konkave) Seite einen alten Bruch hatte; alle 
vier Seiten sind durch Schliff etwas gegláttet, am meisten die rundlich 
geformte Spitze; mir in dieser Art sonst nicht bekannt (Abb. 2). 


Der „Hexenberg“ 


am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 
Ein steinzeitliher Grabhiigel. Fundbericht von 1891. 
Mit 16 Textabbildungen und 1 Tafel, nach Zeidinungen des Verfassers. 


Von Hans Müller-Brauel, Haus Sachsenheim bei Zeven. 


Ziemlich in der Mitte zwischen den Dórfern Brauel und Offensen 
ergiesst sich die Mede, ein kleiner Bach, in die Oste. Von hier ab an 
bildet die (alte) Oste ein Wiesental, auf beiden Seiten ist sie dann von 
Heidehöhen eingeschlossen. Auf diesen Höhen liegen südlich der Oste, 
unmittelbar am alten Osteufer, fünf grosse und mittelgrosse Grabhiigel 
dicht beieinander in einer Reihe. 
Alle zeigen die Spuren früherer 
Grabungen und ich vermute stark, 
dass dies die Hügel sind, die im 
Jahre 1696 der Konsistorialrat 
Spilker untersucht hat und wo- 
rüber er in seiner Schrift: „Disser- 
tatio tumulum cum urnis aliquot in 
Duc. Bremensi inventis..“ berichtet 
hat. Er fand darin verzierte Urnen, 
Metallgeräte, Zangen und einen 
Pferdezahn. Die Urnen und Bei- 
gaben befanden sich, siehe Wach- 
ters Angabe, 1841 noch auf der 
Stadtbibliothek in Stade; ich habe 
nicht erfahren können, wo sie 
heute sind. 

Ewa 200 Schritte weiter süd- 
lih liegen abermals vier Grab- 
hügel, zum Teil sehr grosse, dicht 
beisammen. Der grösste führt im 
Volksmunde den Namen „Uhlen- 
berg“ (das umliegende Feld führt heute noch den Namen Uhlenkamp, 
früher lag hier ein alter Kiefernwald, dessen letzte Reste ih noch 
kannte). — Den Uhlenberg habe ich 1891 untersucht, er sollte eben- 
falls wegen Steingewinnung zerstört werden. Das Grab lag auf dem 
Urboden, in etwa 2 m Tiefe, unter dem Scheitelpunkt des Hügels. An 


Abb. 1. 2. Beile aus Feuerstein. Uhlenberg. '/s nat. Gr. 


2] Der ,Hexenberg^ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 


Beigaben fanden sich: zwei sehr schöne, gut geschliffene Steinbeile aus 
hellem Feuerstein (Abb. 1. 2), ein ungewöhnlich schöner, schiffsboot- 
förmiger Hammer aus einer stark glimmerhaltigen Gesteinsart (Abb. 3), 
ein vasenförmiges Tongefäss mit Bindfadenverzierung (Abb. 4) und 


Abb. A Steinhammer. Uhlenberg. '/s nat. Grösse. 


zwei rohe Feuersteinmesser (Abb. 5. 6). Letztere lagen wohl in einer 
Tiefe, in nächster Nähe, aber nicht unmittelbar mit den Fundsachen zu- 
sammen. Von dem erwähnten Hammer liess sich der Holzstiel bis auf 
eine Länge von 40 cm in der feucht-moorigen 
Erde verfolgen, aber mehr nur als dunkler, 
modriger Strih in der Erdmasse; Stückchen 
aufzuheben war nicht mehr möglih. Nahe dem 
Grabe lag eine grosse Menge verkohlter Eicheln. 
Sie müssen schon bei der Bestattung hinein- 
gelegt sein; ein späteres Hineinkommen in 
diese Tiefe erscheint ausgeschlossen, denn es 
liess sich genau erkennen, dass kein Mauseloch 
oder etwas ähnliches von der Fundstelle ab 
nach oben führte, oder auch je nach oben oder 
der Seite geführt hatte — die Schichtung des 
Hügels, aus Heidesoden, war überall deutlich 
erkennbar und intakt erhalten. Sie lagen süd- 
Erwähnt sei, dass ich 


Abb. 4. Tongefäss mit Bindfaden- 


verzierung. Uhlenberg. ';s nat. Gr. lich von der Fundstelle. 
in ganz gleichen und gleichzeitigen Grabhügeln 
des öfteren südlich der Grabstelle, in gleicher Tiefe lose hingeschüttet 


einen Haufen Holzkohlen fand. 


Auf dem zweiten, halb zerstörten Hügel fand ich vor langen 


Jahren ein kleines Feuersteinmesserchen und eine Ur- 


nenscherbe, die der Bronzezeit angehórt. Dieser 
Hügel ist früher durch den Tierarzt Ehlers- 
Soltau geóffnet worden, nach Leutebericht soll 
er hier einen Steinhammer gefunden haben. 
Der dritte, nicht sehr hohe, aber dafür sehr 
umfangreiche Hügel zeigte viele Spuren früherer 
Grabungen. Bei der von mir angestellten Unter- 
suchung ergab er ein Brand-Bohlengrab; die 
Schicht liess sich, deutlih erkennbar, auf eine 
Länge von drei Metern verfolgen, bei rund 


Uhlenberg. 


D. 


Abb. 5. 6. Feuersteinmesser. 


''g nat. Gr. 


50 cm Breite; irgendwelche Beigaben fanden sich nicht vor. 


Der vierte Hügel, sehr zergraben, flach, niedrig, umfangreich, ist bisher 
nicht von mir untersucht worden, dürfte aber bei seinem Zustande kaum 
noch irgendwelche Funde ergeben. Auf dem bedeutend höheren Heide- 


264 Hans Müller-Brauel. [3 


rücken auf der Nordseite der Oste liegen insgesamt 10 mehr oder 
minder grosse Grabhügel nahe beisammen, hart an einem alten Strassen- 
zuge. Zweimal kehrt unter diesen die Form der sog. Zwillingshügel wieder. 
Zwei Hügel sind inzwischen durch den jetzt genau darüber führenden Dorf- 
weg Brauel-Offensen eingeebnet und verschwunden. Aus einem dieser 
Hügel stammt ein Steinbeil, das ich zurückkaufte (Abbild. 7). Nach Unter- 
suchung des Herrn Dr. Gottsche-Hamburg besteht es 
aus einer feinen dichten Dyabasart. Von dem zweiten 
nun eingeebneten Hiigel war vor Jahren noch eine 
kleine Anhöhe erhalten; als ich diese untersuchte, fand 
sih eine Steinpflasterung von etwa 1 Quadratmeter 
Grösse, an Fundgegenständen aber nichts mehr. 
Ub Die weiter ab nach Westen liegenden Hügel, dar- 
Si unter ein Zwillingshügel, werden 2. Z. eingeebnet; bis 
RS jetzt ist eine kleine rotgelbe Scherbe zum Vorschein 
gekommen, die ersichtlich einem steinzeitlichen vasen- 
fórmigen Gefáss angehört. 
Der grösste der Hügel nördlich der Oste, einer der 
gróssten überhaupt im Kreise Zeven führt im Volksmunde 


—— wm el, 
Je nat. Grösse. den Namen „Hexenberg“. Er liegt in nächster Nähe 

der beiden ganz abgetragenen Hügel, bildet den süd- 
lichen Anfang einer aus noch drei Hügeln bestehenden Gräberreihe, 
welche in gerader Richtung nach Norden führt. Alle diese sind recht 


klein, niedrig und stark zergraben. 


Der Hexenberg sollte 
vom Besitzer Herbst 1890 
aufgegraben werden zwecks 
Gewinnung von Steinen. 
Da erbat ich mir vorher 
die Erlaubnis einer Unter- 
suchung gegen Zusicherung, 
alle Steine sorgsam aus- 
zulesen. Diese Untersuch- 


e 


d 
7 


ung hat höchst interessante = 
und wichtige Resultate ge- =, а 
bracht, deshalb sei ein- 7 2; 
gehender dariiber berichtet. A 


Ausserer Befund. 
Der Hügel war vor 


Beginn der Ausgrabung 
ziemlich kreisrund, sein Um- 
fang betrug reichlih 100 
Schritt, sein Durchmesser, > Aa 

Richtung Süden - Norden Der Hexenberg vor der Aufgrabung mit den Löchern. 
18 {з m, Richtung Osten- | 

Westen 20 m, die Höhe, vom Urboden gemessen, gut 3,50 m; er war 
ganz mit Heide bewachsen. Auf seiner Oberfläche zeigte er an neun 
Stellen die Spuren früherer Grabungen, wirklich tief war aber nur der, 
auf der Abbildung 8 mit a bezeichnete Einschnitt, der eine Tiefe von 


4] Der ,Hexenberg* am Wege Brauel-Offensen, Кг. Zeven. 265 


ca. 1,25 m erreicht hatte. Wahrscheinlich war hier eine, sich in hiesigen 
Hügeln oft findende Nachbestattung einer Urne, die stets dann in Steinen 
gepackt war, gefunden und dann, in der Annahme, weitere Steine berge 
der Hügel nun nicht, die Grabung eingestellt worden. Bei b fand sich 
eine Scherbe der Laténe-Zeit; im Verlaufe der Arbeit wurden an dieser 
Stelle Urnenscherben, Knochen und kleine Eisenbruchstücke gefunden. 
Hier handelte es sich ebenfalls um eine von Steinsuchern zerstörte Nach- 
bestattung. Der mit c bezeichnete Einschnitt war ganz neueren Datums 
und von einem alten Schäfer gemacht, der daselbst nach seiner eigenen 
Aussage „einen Topf mit Geld hatte leuchten sehen“, dann aber beim 
Nachgraben nichts gefunden, auch nichts vorgeschichtliches zerstört hatte. 

Ganz oben, im Gipfel des Hiigels, fand sich eine arg zertriimmerte 
Urne, dicht unter der Oberfläche. Sie enthielt eigentümlicherweise keine 
Knochen, sondern ausschliesslich Holzkohle; nach Bestimmung des Herrn 
Dr. Voigt, Assistenten am Hamburger Botanishen Museum, sind es 
Tannenholzkohlen. Die Urne war umstellt mit fünf mässig grossen 
Handsteinen, erhalten ist sie nicht, da der Scherben durch Frostein- 
wirkung vollständig zermürbt war. 


Aufbau des Hügels. 


Eigentümlich war der Aufbau des Hügels, sowohl in Hinsicht auf 
grössere und kleinere Steinpackungen als namentlich in bezug auf die 
Erdmasse. Wie aus Abbildung 9 
а = ae zn 
zeigt die sämtlichen Steinpak- IN 
kungen des Hügels von oben <, `` м! on UI % /// M 
aus gesehen, keine reichte über eme Ze vn II, / / ep o 
1 m tief hinunter — war der ("оа „8А a8 у’. "ny „ LS 

SRSA QB о ZN 


Fuss des Hügels von einem / < г. ОРО 

Kranz von Steinpackungen ein- |-> = TON NN / 99. —1 zz xs 
D D мыч = 

gefasst, die aber nicht zusam- KEN €— O99. ا‎ —— 


EN U — 
menhingen. Sie bestanden, wie Te, — _ d, ) — — == 
überhaupt alle Steinpackungen \& i 
des Ніве], aus nur kopfgrossen ZT 2 aJ NS Ф ар. < 

^A VN 


Steinen. Auch der Mantel des SCH) e, 1 کو‎ 
Hiigels enthielt oft dicht unter 8777, 2 / NUS A 
der Oberflähe viele Stein- ОЕ АХ 
packungen, die aber bis аш 3 fa ` e | | > Ss S ў 
eine derselben, ohne jeden In- Me, 0Ф //// 9^ % № ex 
| halt waren. Diese V 590 | Uli, “Ф 

eine enthielt in schó- 6° / |] 43080 WY sud 

ner Packung ein ao, 

kleines, ziemlich roh Hexenberg, die Steinpackungen von oben gesehen. 

geschlagenes Messer 


| aus Feuerstein, das ersichtlich in der Mitte der Packung ет- 
Abb. 10.'.Gr. gelegt war (Abbild. 10). | 
[a In Abbildung 11 ist die Erdschichtung des Hügels dar- 
Hexenberg. Bestellt. Schon zu Anfang der Ausgrabung — ich wähle 
Für sih n stets den Weg, die Erdmasse eines Hügels ganz von der 


ei chónen А . А "TP 
Steinsetzung Stelle zu bewegen — zeigte sich eine recht regelmässige 


Mannus. Bd. 1. H. 3/4. 18 


266 Hans Müller-Brauel. | [5 


Schichtung der Erdmassen. Die Lagerung des schwarzgrauweisslichen 
Sandes (nur auf der Westseite zeigte sich ein Strich harten schwarzen 
Ockers) wurde in Abständen von 4—10 cm: von schwarzen, etwa 3 bis 
6 mm dicken Linien durchzogen, nur der Scheitel des Hügels war bis 


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Abbild. 11. Hexenberg. Durchschnitt. 


wee ما‎ 
= es 
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auf eine Tiefe von durchgängig 70 cm ohne diese Linien. Hier hatten 
augenscheinlich Frost und Regen verwitternd eingewirkt. Vom Urboden 
ab wurden an allen Seiten durchgängig 45 solder Schichten gezählt, 
Schichten, die sich gebildet hatten durch Vermoderung pflanzlicher Stoffe. 

Hier darf man nun wohl bestimmt annehmen, dass die zum Auf- 
bau des Hügels verwandte Erde in Kórben, oder noch richtiger vielleicht 
in grossen Soden einst zusammengetragen wurde. Da das Zusammen- 
tragen in Kórben eigentlich lose Erde voraussetzt, die dann ja bei vor- 
wartsschreitender Erbauung zusammengetreten ware, und nicht in dieser 
Regelmássigkeit die Schichtung bewahrt haben würde, so darf eine Er- 
bauung aus abgerissenen oder abgestochenen Soden mit Sicherheit vor- 
ausgesetzt werden. Wer einmal Gelegenheit hatte, in früheren Jahren 
eine sog. Miete, wie sie der Landmann errichtete aus Dünger und Heide- 
soden, zu sehen und deren Sdchichtung beachtet hat, wird diesem zu- 
stimmen. Nur so konnte auch hier bei einer solchen Schichtung der 
einzelnen Soden sich diese Lagerung bilden. Ubrigens spricht noch ein 
weiterer Umstand dafür: die Beschaffenheit mancher Stellen, ja manch- 
mal einzelner Soden, die in weissgrauem Sande sonst lagen, war mehr 
oder minder torfartig und entsprach ganz der Oberfläche des nur etwa 
1000 Schritt entfernten „Düngelmoores“. 


Hauptgrab. 


Nicht ganz in der Mitte des Hügels, etwas nach der Ostseite hin, 
in 3 m Tiefe, war das Hauptgrab. Allem Anscheine nach war der Tote 
unverbrannt beigesetzt worden. Es konnten zwar keine Skelettreste 
mehr gehoben werden, aber eine weisslich graue, schmierig fette Erd- 
schicht bezeichnete in dem dort moorigen Boden. doch noch mit einiger 
Sicherheit die einstige Lage der Leiche. Weiter muss sie einst, der 
Lage der Beigaben nach, in der Längsrichtung Süden-Norden, mit dem 
Kopfe nach Norden beigesetzt sein. Uber dieser Leichenrestschicht 
hatten die vorhin beschriebenen dünnen schwarzen Schichtstreifen eine 
bedeutend grössere Dicke, ebenso am Kopf- und Fussende, wo diese 
Streifen, deutlich erkennbar, senkrecht liefen. 

Man wird sich demnad die Bestattung wie folgt vorzustellen haben: 

Auf dem Urboden legte man die Leiche mit sämtlichen Beigaben 
nieder. Dann stellte man besonders grosse Heidesoden um 
dieselbe herum, Steine wurden dazu nicht verwandt; darauf erfolgte 
der Aufbau des ganzen Hügels in der oben weiter beschriebenen Weise. 


6] Der ,Hexenberg* am Wege Brauel-Offensen, Кг. Zeven. 267 


Beigaben. 


Als Beigaben fanden sich folgende Gegenstände. An der Ost- 
seite des Kopfes ein grosser schwerer Sdieifstein aus rotem Granit. 
Die Schleifbahn ist nicht besonders glatt, nur recht wenig hohl ge- 
schliffen, also nur kurze Zeit benutzt. Die Ecken des Sdileifsteins sind 
teilweise, ebenso wie die Seiten, künstlich abgerundet; dadurch hat der 
Stein eine etwas ovale Form bekommen. Die Lange ist 34 cm, die 
Breite 28 cm. Es kónnte erwogen werden, ob nicht der Stein nur zur 
Herstellung des weiter gefundenen Hammers verwandt sei, dann weiter 
nicht benutzt wurde, oder nicht weiter benutzt werden duríte, weil zur 
Herstellung einer Totenbeigabe verwendet, und so in dasselbe Grab 
gelegt wurde. 

An der Westseite des Kopfes stand ein arg zerdriicktes grosses 
Tongefáss (Abbild. 12), mit drei grossen Henkeln. Diese waren der 


Abbild. 12. Abbild. 13. 
Tongefäss mit 3 Henkeln. Vasenfórmiges Tongefäss. 
Hexenberg. '«. Hexenberg. ‘Ja. 


Leiche zugekehrt, also handgerecht für den Liegenden zum Anfassen. 
Das Gefäss ist von einer ganz ungewöhnlichen und sehr seltenen Form, 
kleiner Fuss, weiter Bauch, eingezogener enger Hals. Der Bodendurch- 
messer beträgt 9,4, die obere Halsóffnung 14,5, die Höhe 33, der 
Bauchumfang dabei jedoch 91 cm. Die Wandstärke beträgt oben 0,8 
bis 1 cm. Eigentümlicherweise sitzen die drei Henkel einmal auf der 
grössten Bauchbiegung, dann auf einer Hälfte des Gefásses. Die Ver- 
zierung weicht völlig von anderen steinzeitlihen Gefässen ab; um den 
Hals des Gefässes bis hinab auf die Bauchbiegung läuft ein Ornament, 
das man als umgekehrte Tannenbäume bezeichnen könnte. Es wieder- 
holt sich siebenmal. Auf den Henkeln verläuft eine leichte Rille, die 
wohl durch Fingerstriche hergestellt ist. 


268 Hans Müller-Brauel. D 


Mir ist nirgendwo, namentlich nicht mit reinen Steinzeitfunden, ein 
ähnliches Gefäss bekannt geworden !). 


Besser gearbeitet und gewohnter in der Form ist das zweite vasen- 
fórmige Gefäss von 24,2 cm Höhe. Es stand an der Ostseite der 
Leiche, 85 cm südlicher. Ist das grosse Gefáss aus grobem, dunkel- 
braunen Ton gearbeitet, so dieses aus feinerem gelbroten, der aber 
recht schlecht gebrannt ist. Diesem Umstande ist wohl die schlechte 
Erhaltung zuzuschreiben, — bei der Auffindung war das Gefäss nur ein 
i feuchter zermatschter Tonklumpen, erst in 
wochenlangem Suchen gelang der, dann frei- 
lidh sichere Aufbau des Gefässes. Der Boden- 
durchmesser beträgt 7 cm, die obere Öffnung 
18 cm. Als Verzierung sind am oberen 
Rande fünf Reihen Striche eingedrückt; Ab- 
bildung 13 zeigt das Gefäss in з Grösse, 
Abbildung 14 gibt ein Randstück in natür- 
licher Grösse. Gefässe dieser Art und Form 
Abbild. 14. ', Gr. sind in Nordhannover ziemlih häufig ge- 
funden, in meiner eigenen Sammlung be- 
wahre ich allein aus engem Bezirk fünf heile und Reste von etwa 
ebensovielen, in der Sammlung des Provinzialmuseums stehen zwei, 
von Friedrih Tewes ausgegrabene, aus Hohenaverbergen bei Verden. 
Soweit meine Beobachtungen reichen sind sie fast immer in stein- 
losen Hügelgräbern gefunden, Hügel, die sih durch ihre Grösse und 
oft kegelförmige Gestalt auszeichnen. Bei diesem Gefäss sind die Ver- 
zierungen mit einem Stempel oder einem Holzstäbchen in den nod 
feuchten Ton eingedrückt und zwar besteht jeder Strich, wie aus Ab- 
bildung 14 hervorgeht, aus zwei, vor, bezw. ineinander gemachten Ein- 
drückungen ?). 
Diesem Gefäss gegenüber auf der Westseite des Körpers lag der 
in Abbildung 15 gegebene schéne Steinhammer. Nach Untersuchung des 


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!) Das Gefäss hat die Form der т Mitteldeutschland so häufigen schnur- 
keramischen Amphore, der ja auch die senkrecht gerillten Henkelösen auf der 
Baucmitte eigentümlich sind und das senkrechte Fischgrätenornament des Ober- 
teils, wie bei dem Originale der Abbildung 12 (das nicht mit dem überall aus gleich, 
langen Sparren bestehenden Tannenzweigmuster zu vermengen ist), wenigstens 
nicht unbekannt ist (Langenbogen: ‘Merkbuch’ des Berliner Museums? Taf. Il, 18; 
Burgscheidungen: Mitt. а. d. Pr. Mus. Halle Il, Taf. IV, 21; Einsdorf: Vorg. Altert. 
d. Pr. Sachsen Il, Abb. 57; Grossumstadt: Prähistor. ВИ. 1895, Taf. I, 7). Merk- 
würdig ist ja die Dreizahl der Henkelösen, die in den rein nordischen Kulturen 
vermieden wird und höchstens in der Weise, wie bei der Amphore vom Hexenberg, 
erscheint, dass die drei Ösen nicht symmetrisch in der Form eines gleichschenkeligen 
Dreiecks verteilt, sondern auf die eine Hälfte des Gefässes beschränkt sind, so 
auch bei einer der schnurkeramischen Amphoren von Einsdorf (Vorg. Altert. d. Pr. 
Sachsen II, Abb. £4). а. К. 


з) Dieser hohe Becher mit verjiingtem, abgesetzten Fusse vom Hexenberg 
gehért ebenso wie der vom Uhlenberg (Abb. 4) zu der in diesem Hefte des 
‘Mannus’ von mir behandelten grossen Klasse spätneolithischer Gefässe Nordwest- 
deutschlands, die wir einerseits in den schnurkeramischen Gräbern von Hessen- 
Nassau, Hessen-Darmstadt und Südwestdeutschland wiederfinden und die anderer- 
seits sich in England und Schottland weiter entwickeln (Mannus I, 232 und 
Taf. XXII). G. K. 


8] Der ,Hexenberg* am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 969 


Herrn Dr. Gottsche-Hamburg ist er aus einem sehr schönen, dichten, 
kristallinischen Hornblendegestein, das etwas Schwefelkies enthält, ange- 
fertigt. Die Länge des Hammers beträgt 13,5, die Dicke, im Bohrloch 
gemessen 3,9, die grösste Breite 
an der Schneide 4,7 cm. Die 
Durchbohrung ist unten und 
oben genau gleichweit, kreis- 
rund, mit einem Durchmesser 8 
von 23 mm, der Rand zu beiden \ 
Seiten des Bohrloches ist 13, 
resp. 14 mm stark. Die Bohrung : 
selber ist sehr glatt und sauber, Abbild. 15. Hammer: Hexenberg. 'js Gr. 

nur einige schwache Rillen 

sind im Innern bemerkbar. Zu beiden Seiten des Bohrloches zeigt 
der Hammer einen feinen, etwa halb durchgehenden alten Sprung. Bei 
der Auffindung war er so ме, dass er mit einem Messer hatte ge- 
schnitten werden kónnen, eine unbedeutende Verletzung rührt von einem 
Spatenstiche her. Die untere Seite war bei der Auffindung mit einer 
ziemlich dicken rostbraunen Erdkruste bedeckt, die ich zunächst für zer- 
gangenes Eisen hielt. Nach Untersuchung des Herrn Dr. Gottsche war 
es aber eine Art Alaunerde, die sich am Gestein infolge der Zersetzung 
des darin enthaltenen Schwefelkieses gebildet hat. 

Zwischen diesen beiden Fundstücken, etwas höher, also ver- 
mutungsweise im Gürtel oder auf der Brust lag das unter Abbildung 16 
gegebene, 14,2 cm lange und etwa 2 cm breite Messer aus graublauem 
Feuerstein. Beide Seiten sind in ihrer ganzen Lange durch je einen 
Schlag hergestellt, die scharfen Kanten zeigen nur wenige und kleine 
Scharten, viel benutzt kann es demnach nicht sein. 

Weitere Beigaben fanden sich trotz genauer Untersuchung 
nicht vor. 

Ehe ich nun an die Frage der Zeitstellung des Hiigels 
gehe, möchte ich hier einer Anzahl interessanter Feuerstein- 
splitter und Feuersteingeráte gedenken, die sich zerstreut in der 
Erdmasse des Hügels fanden. 

Schon zu Anfang der Ausgrabung zeigten sich hie und da, 
in loser Erde, auffallend viele Feuersteinsplitter, bald einfache 
Sprengstiicke und natürliche Knollen, dann aber auch solche, die 
unzweifelhafte Spuren von Bearbeitung trugen. Um vóllig sicher 
zu gehen, liess ih jeden auftauchenden Feuersteinsplitter, 
ganz gleich ob Natur- oder Kunstprodukt, aufsammeln. Eine 
nachherige Sortierung der ganzen Masse, wohl an drei Kilo, 
ergab 30—40 Stücke, die entweder sichere Spuren einer Be- 
arbeitung zeigten, oder aber als Geräte oder als misslungene 
Gerüte mit einiger Sicherheit anzusprechen sind. Auf der bei- 
gegebenen Tafel (Taf. XXXVI) habe ich die gróssere Anzahl 
dieser Stücke abgebildet. Gefunden sind sie durchgängig in 
einer Tiefe von etwa 1,50 m unter der Oberfläche. 

Ein Versuch, die Stiicke nach Formen zu sortieren, zwecks 
Abb. 16. ‘ls Gr: besserer Auswahl der abzubildenden Stücke, ergab, wenn man 


Hexenberg. : Н 
Messer. will, folgende Formenreihen: 


270 Hans Müller-Brauel. [9 


1. Nummer 1—4, rohe Feuersteinstücke, mit sicheren Spuren der 
Bearbeitung; 1—3 messerfórmig. Zum Teil ist noch die ursprüngliche 
Kalkkruste des Feuersteines erhalten. 

2. Nummer 5, Schaber aus weissgrauem Feuerstein, mit scharfer, 
dünner Schneide. 

3. Nummer 6—18, Messerchen oder Pfeilspitzen. Nummer 8 ist 
im Feuer gewesen und ganz weiss gebrannt, es lag in 1,40 m Tiefe. 

4. Nummer 18—22. Bei diesen Stücken könnte man glauben, 
unvollendete Pfeilspitzen mit breiter Querschneide vor sich zu haben. 
Gemeinsam ist ihnen allen eine obere dünne scharfe Kante, und ein 
unteres dickes Ansatzende. Die Schlagmarken auf der Unterseite sind 
immer deutlich vorhanden. 

5. Nummer 23, ein Feuersteinstück, das teilweise noch die Kalk- 
kruste hat. Untere Seite grob abgesprungen, mit deutlicher Schlagmarke, 
obere Seite hat ebenfalls deutliche Bearbeitung. Ob beabsichtigt war, 
daraus eine blattfórmige Lanzenspitze herzustellen? 

6. Nummer 24 ила 25. Beide Stücke sind sicher als kleine Keile 
aufzufassen. Fig. 25 auf Unterseite glatt (schief rund abgesprungen), 
zeigt nur an der Schneide daselbst Schlagmarken. Die obere Seite 
ist, wie Abbildung erkennen làsst, ganz bearbeitet. 

7. Nummer 28— 38. Eine Anzahl Splitter, Knollen, usw. teilweise 
mit sicheren Spuren von Bearbeitung. 


Mir schienen diese Stücke so wichtig, dass ich die hauptsäcdlichsten 
derselben hier auf der beigegebenen Tafel in Abbildung gebe. Ich be- 
gnüge mich mit der Feststellung, dass alle Stücke in der losen Erde 
des Hügelaufbaues gefunden sind. Meiner Ansicht nach dürften wir in 
diesen Stücken Gebrauchsgegenstände vor uns haben, die zu Mahlzeiten 
während der Arbeiten des Hügelaufbaues benutzt wurden. In sehr kurzer 
Zeit zurechtgeschlagen wurden sie entweder nach Gebrauch als wertlos 
hingeworfen und kamen so in den Hügel, oder aber man könnte denken, 
es seien diese Stücke nun durch den Umstand, dass sie zu Mahlzeiten 
benutzt wurden, die einem Toten galten, für anderweitige Benutzung 
nicht mehr in Frage gekommen — also Zeugnisse des Totenkults im weiteren 
Sinne. Vielleicht kann man ja noch einen Schritt weiter gehen. Ich 
habe oben weiter absichtlih betont, dass einmal der Sdhleifstein, als 
auch Hammer und Messer aus dem Grabe sehr wenig oder gar nicht 
benutzt seien im praktischen Leben. Es könnten aber diese Stücke 
ebensogut Dinge sein, die von vornherein nur als Grabbeigaben hergestellt 
wurden. Nun sind unter den verschiedenen Knollen und Messerchen 
solche, die der Farbe nach sehr gut aus demselben Feuersteinknollen 
hergestellt sein kónnen, als das Messer, das dem Toten mitgegeben 
wurde. Die Stücke haben dieselbe weisslich graublaue Farbe und zeigen 
im Bruch und Sprung die gleichen Eigenheiten, Eigenschaften, die unter 
diesen Umständen vielleicht doch mehr als zufällig sind. Auch stände 
ja der Annahme, dass man die Reste des Knollens, aus dem das Мез- 
ser geschlagen war, nachher über den Totenhügel ausgestreut hätte, nichts 
an sich entgegen. Ein Aneinanderfiigen aller bei der Arbeit zurück- 
gelegten Stücke blieb freilich ergebnislos. Für eine Verwendung unserer 
Stücke bei Totenmahlzeiten dürfte m. E. das eine im Feuer gewesene 
Feuersteinmesserchen sprechen. Auch der Umstand, dass in der Erd- 


10] Der ,Hexenberg* am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 971 


masse des Hügels, und zwar in solcher Tiefe und т unberührten 
Schichten, dass ein späteres zufälliges Hineinkommen als ausgeschlossen 
gelten kann, sich Kohlen fanden, dürfte für abgehaltene Totenschmau- 
sereien sprechen. Die Kohlen sind nach Untersuchung im Laboratorium 
des Botanishen Museums Hamburg Eschenholzkohlen — bemerkt sei, 
dass heute hier in unseren Dörfern die Esche verhältnismässig recht 
selten ist. 

Aus der Gesamtmasse dieser roh geschlagenen Feuersteingeräte 
dürfte aber der Schluss zu ziehen sein, dass solche ziemlich rohen und 
einen hochaltertiimlichen Eindruck machenden Stücke noch in verhältnis- 
mässig später Zeit — wie wir gleich sehen werden — gearbeitet wurden. 
Wohnstätten, in denen also ein solhe Ware vorherrschend ist, dürfen 
deshalb nicht ohne weiteres der urältesten Zeit zugewiesen werden !). 

Erinnern will ich hier nur noch daran, dass sich roh geschlagene 
Feuersteingeräte oft in Grabhügeln der älteren und auch noch vereinzelt 
in denen der jüngeren Bronzezeit finden. Ja, т sächsischen Urnen, 
Völkerwanderungszeit, finden sie sich noch recht häufig. In dem von 
mir entdeckten und ausgegrabenen Urnenfriedhofe dieser Zeit zu Hees- 
lingen, Kreis Zeven, der 70 Gefässe und viele zerstörte lieferte, lag 
in über 40 Urnen ein roh geschlagenes Messerchen oder anderes Stück 
aus Feuerstein. Merkwürdigerweise zeigte bei diesem Friedhofe ein fein 
und spitz zugeschlagenes Messerchen oben in loser Erde meist die dar- 
unter in der Tiefe sitzende Urne mit ziemlicher Sicherheit an: es 
machte den Eindruck, als ob bei der Bestattung etwa ein Pfeil über der 
beigesetzten Urne in den Boden gesteckt sei. 

Für die Frage der Zeitstellung des Hügels ist natürlich 
nur das Hauptgrab mit den beschriebenen Beigaben massgebend, und 
hierunter besonders die Tongefässe. Form und Verzierung des vasen- 
fórmigen Gefässes kennen wir hier aus Steindenkmälern, die der jüngeren 
Steinzeit angehóren — aus dem zerstórten Steindenkmale zu Godenstedt, 
Kreis Zeven (das nur seiner Decksteine beraubt war, als ich zugezogen 
wurde), hob ich neben Beilen und Dolchen von Feuerstein, neben Bern- 
steinperlen und schön ornamentierten charakteristischen Scherben dieser 
Periode ein Gefäss, das diesem hier sehr ähnlich ist, wenn auch die 
Ornamentik noch den älteren steinzeitlichen Gefässen etwas näher steht. 

Die übrigen Gefässe dieser Form, die ih aus Grabhügeln hie- 
siger Gegend hob, zeigen bis auf zwei, die reines Bindfadenornament 
haben, gleiche Verzierungsweise. Die damit zusammen gehobenen Bei- 
gaben sind aber ganz gleichartig; mit den Gefássen mit Bindfadenver- 
zierung wurden je zwei Hämmer, zwei Beile und ein kleines unverziertes 
Näpfchen gefunden, mit den übrigen Gefässen je ein Beil, ein Messer und 
einmal ein Dolch von Feuerstein. In Oldendorf, Kreis Zeven, woher 
ich nur eine einzige Scherbe eines solchen Gefässes aus einem dort 
zerstörten Hügelgrabe erhielt, soll ein Bronzebeil damit zusammen ge- 
funden sein; mit völliger Sicherheit ist aber dieser Fund als ein Fund 


7) Der Verfasser hat die Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen, dass diese 
m. E.-sicher älterneolithischen Feuersteingeräte bereits Jahrtausende in der Erde 
sich befanden, als sie zusammen mit den sie umschliessenden Heidesoden oder 
mit der lose aufgetragenen Erde beim Aufbau des Hügels zufällig mitverwendet 
wurden. а. К. 


279 Hans Müller-Brauel: Der ,Hexenberg* am Wege Brauel-Offensen usw. [11 


nicht zu belegen, umsomehr, da das Beil an einen wandernden Handler 
verkauft wurde und so nicht erhalten blieb. 

Jedenfalls aber dürften diese Gräber und namentlich auch der hier 
beschriebene ,Hexenberg* bei Brauel-Offensen, ziemlich an das Ende 
der jüngeren Steinzeit zu setzen sein’). 

Sagen möchte ich noch, dass diese Hügel mit beschriebenem Grab- 
inventar hier wenigstens immer ohne Steinbau im Innern sind, sich oft 
in der nächsten Nahe eines noch vorhandenen oder vorhanden gewesenen 
Steindenkmals finden und zwischen Elbe und Weser ziemlich häufig sind, 
in einzelnen Gegenden, so nach der Elbe zu, sogar als sehr háufig 
vorkommend bezeichnet werden müssen. Immer zeichnen sie sich aus 
durch ihre bedeutende Grósse und auch von weitem schon durch ihre 
bestimmte mehr kegelfórmige Gestalt gegenüber den mehr runden brust- 
gewölbten bronzezeitlichen Hügeln. 


1) Der Ausdruck ‘ziemlich an das Ende der jüngeren Steinzeit’ ist sehr glück- 
lich gewählt, denn so spät auch diese Gräber mit den schlanken Fussbechern fallen 
— dass sie nicht die allerletzte Phase der spätneolithishen Periode darstellen, 
beweist die Parallele mit den jütischen ‘Einzelgräbern’, die nach S. Müller die 
sich ablósenden Stufen der Untergräber, Bodengrüber, Obergräber und Oberstgrüber 
A, В aufweisen, von denen die letztgenannten Oberstgrüber schon gleichzeitig mit 
den frühstbronzezeitlihen Gräbern vom Aunetitz-Leubinger Typus sein dürften. 
Der schöne Streithammer vom Uhlenberg (Abb. 3), der dem Typus 77 in Soph. 
Müllers Ordning, Stenalderen, entspricht, zeigt, dass das zugehörige Grab der Stufe 
der frühesten jütischen Bodengräber entspricht (Aarböger f. nord. oldk. 1898, 230 ff.). 

а. К. 


Mannus P Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. Tafel XXXVI, 


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Müller-Brauel, Der Hexenberg am Wege Brauel-Offensen. Digiti жанок аын) (à Sens Verlag), Würzburg. 


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Moritzscher Funde. 
Urnengräberfunde aus der Leipziger Tieflandbucht. 


Mit 2 Tafeln. 
Von Karl Waase, Neu-Ruppin. 


In Heft 1/2 des , Mannus* bespricht Herr Professor Dr. Kossinna 
auf Seite 159 und 160 „Die La Téne-Funde der Leipziger Gegend“ von 
Karl Jacob. Ат Ende der Besprechung werden auf Seite 160 auch 
einzelne Fundstücke meiner Privatsammlung erwähnt. In der obigen 
Schrift ist nur ein Teil meiner Funde angeführt worden, da aber die 
gesamten, zum Teil recht interessanten Gegenstände meines Privat- 
besitzes für die Allgemeinheit von Interesse sein dürften, so möchte 
ich dieselben im folgenden der Öffentlichkeit übergeben. 


Annähernd in der Mitte der Chaussee Leipzig- Merseburg liegt 
1 km nördlich von der Landstrasse das Orthen Möritzsh, Kr. Merse- 
burg. Das Gebiet zwischen Dorf und Chaussee wird im Volksmunde 
„Tiefenbreite* genannt. In dieser Feldbreite zieht sich eine Mulde 
(Tiefe) entlang, die von Grössdölzig aus bis nach Günthersdorf zu ver- 
folgen ist. Die Mulde ist äusserst reich an vorgeschichtlihen Funden 
aller Zeiten. (Vergleiche neben der Jacobschen Schrift auch die Arbeit 
von F. Max Näbe, Die steinzeitlihe Besiedelung der Leipziger Gegend 
unter besonderer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde, besprochen im 
Mannus I, 158). 


An einer Stelle der Tiefenbreite, der jetzigen Horburger Gemeinde- 
sandgrube (500 m südlidi von Möritzsch), befindet sich eine Begräb- 
nisstatte. Vor ungefáhr neun Jahren wurde diese Grube das erste Mal 
geöffnet; dabei stiess man auf eine Anzahl Urnen, die leider fast alle 
vernichtet wurden. Nur ein kläglicher Rest fand Schutz im Hallischen 
Provinzialmuseum (durch Herrn Kantor Nothnagel-Horburg). Das von 
Jacob auf Seite 24 erwähnte Gefäss gehört jedenfalls zu diesem Rest. 


Im Frühjahre 1906 wurde das letzte Stück der Sandgrube abge- 
tragen. Am 8. Februar fand man drei Gefässe. Sie standen in einer 
Tiefe von 80 cm direkt auf den Sandsedimenten. Zwei davon sind lei- 
der vollstándig zerstückelt und ihre Scherben verstreut worden, eine 
Urne dagegen ist zur grossen Hälfte und mit Inhalt erhalten geblieben. 
Ihr oberer Rand hat einen Durchmesser von 19 cm. Diese Weite be- 


974 Karl Waase. [2 


halt der Hals ungefähr 4 cm bei, dann erweitert er sih kaum merk- 
lih, um sich nach unten halbkugelig zu schliessen. Die Gesamthóhe 
betragt ungefáhr 12 cm. Das Aussere zeigt nichts Hervorzuhebendes. 
Das Innere war noch zur Hälfte mit Asche und Knochenresten gefüllt, 
unter den letzteren befanden sich viele Schädel- und Rippenteile, auch 
Rohrenknochen (Tibia und Ulna-Reste). Tafel XXXVII, 1a stellt das 
rekonstruierte Gefáss dar. Der Ton hat grau-braune Farbe, die Aussen- 
seite ist stark geglättet. 

Die beiden anderen Gefässe scheinen keine Leichenreste enthalten 
zu haben, sie bildeten vielleicht Beigaben. — Höchst interessant sind 
die Fragmente der einen Urne. Zwei grosse und eine Reihe kleinerer 
Scherben befinden sich in meinen Händen. Tafel XXXVII zeigt in 1 b und 
1 c die Details der beiden grossen Bruchstücke (1 b siehe auch Jacob, 
Tafel Ш, 21). Die Scherben genügen, um ein Bild der ganzen Urne 
zu geben. In ihren Massen ist sie ungefáhr dem obenbeschriebenen 
Grabgefásse gleihgekommen. Ihre Ausführung beweist eine hochent- 
wickelte Keramik. Das Gefäss hat Schüsselform. Der obere Rand 
ist glatt, nach aussen abgeschrägt und hier mit einem kleinen Wulst 
versehen. Der Hals der Urne, der oben seinen grössten Durchmesser 
hat und nach innen etwas eingezogen ist, hat eine Höhe von 6 cm. 
Er ist mit schön geschwungenen Henkeln verziert. In jedem derselben 
hängt ein festgebrannter tönerner Ring. Der Scherben Tafel XXXVII 
1 b gibt uns auch Aufschluss, wie der Tonring im Henkel befestigt wurde. 
Zunächst brannte man die Ringe, dann wurde das Gefáss aus weichem 
Ton geknetet, hierauf wurden die Henkel geformt und nachdem man 
in jeden derselben einen Ring gehängt hatte, steckte man den Henkel 
durch zwei Locher in das Gefáss. Innen am Halse drückte man die 
Tonstreifen nietenartig fest, und nun wurde der so fertiggestellte Topf 
gebrannt. Am oberen Halsrande ist rechts und links vom Henkel je 
eine knopfartige Verzierung angebracht. Von jedem Knopfe geht senk- 
recht nach unten bis zum Halsende ein perlschnurartiges, aus vier kleinen 
Kreisen bestehendes Ornament. Der untere Halsrand ist mit einem 
aus ebensolchen Kreisen bestehenden Bande umgeben, sämtliche Kreise 
sind kongruent, sie sind mit einem dünnen Schilfstengel oder starken 
Grashalme eingedrückt worden. Vom Halsende aus wendet sich die 
Wand des Gefásses in einem stumpfen Winkel nach aussen, um sich 
dann schnell in kleinerem Winkel nach unten zu schliessen und dem 
Ganzen einen tellerartigen Abschluss zu geben. Nach den vorhandenen 
Bruchstücken ist es am wahrscheinlichsten, dass das Gefäss die Form 
gehabt hat, welche die Rekonstruktion in Tafel XXXVII, 1 d wiedergibt. 
Karl Jacob bezeichnet das Gefäss als „die Nachbildung eines (hall- 
stätter?) Bronzegefässes“, Kossinna schreibt ihm „charakteristische Merk- 
male der späteren Kaiserzeit“ zu und nimmt nach mündlicher Mittei- 
lung mit Sicherheit das einstige Vorhandensein dreier Henkel an. 


Die Fragmente der zweiten Beigabe weisen auf ein Tonnengefäss 
hin. Wir veranschaulichen auf Tafel XXXVII drei der grösseren Scherben in 
1e, 1f und 15, sowie die Rekonstruktion des Gefässes in 1h. Diese 
Urne ist mit Strichornamenten, die parallel mit der Grundfläche gehen 
und jedenfalls durch Fingernageleindrücke hervorgerufen worden sind, 
verziert. Beigaben konnten bei dem bis jetzt beschriebenen Grab 1 


3] Möritzscher Funde. 275 


nicht ermittelt werden, in der Nahe wurden zwei bearbeitete Feuerstein- 
stiicke (Schaber) gefunden, die wohl kaum zu dem Grabe gehóren 
diirften. 

Den Inhalt von Grab 2 stellt die Abbildung 2a auf Tafel XXXVII dar. 
Das Grabgefáss ist eine Fussurne aus glattem, graubraunen Ton. Sie 
stand unverpackt in 90 cm Tiefe auf den Sandschichten. Der obere 
Durchmesser beträgt 17, der Fussdurchmesser 4 !/«, die Höhe 13 cm. 
Die Urne fiel, wie die folgenden alle, beim Heben auseinander und 
musste aus vielen Stücken zusammen geleimt werden. Das Innere war 
bis an den oberen Rand mit grobem Leichenbrand gefüllt. Zwischen 
den Leichenresten lagen drei Stücke von Bronzebeigaben. Zwei Teile 
gehören zusammen; sie haben, wie mir Herr Professor Kossinna mit- 
geteilt hat, zu einer Schildfessel gehört '). Der grössere Teil ist mit 
einem aufgenieteten Bronzekegel und mit Kreisen verziert. Wir bilden 
ihn von oben und von der Seite gesehen in natürliher Grösse ab 
(Tafel XXXVII, 2b und 2c), ebenso das kleinere Stück (2d). Die 
dritte Bronzebeigabe ist ein Kettenrest. In einem Ringe befinden sich 
drei Glieder. Tafel XXXVII, 2e zeigt ein Glied von hinten, 2f von vorn und 
2g das ganze Stück in natürlicher Grösse. Nicht weit von dieser Urne 
lag in gleicher Tiefe der Fussrest eines zweiten Gefässes mit breiterer 
ne (Tafel XXXVII, 2h). Das Grab wurde am 12. Februar 1906 auf- 
gedeckt. 

Grab 3 veranschaulicht Tafel XXXVIII, За. Das schüsselförmige 
Gefäss ist aussen stark geglättet und schwarz gefärbt. Den Hals zieren vier 
Horizontalfurchen, durch diese entstehen zwei wulstige Ringe. Bei einer 
Höhe von 16 cm beträgt der obere Durchmesser 26 und der grösste 
Umfang 88 cm. Zwischen dem groben Leichenbrand fand sich ein 
Eisenbeigabenrest, derselbe rührt anscheinend von einer Fibel her. Er 
ist insofern interessant, als sich am Eisen, da, wo sich die Spirale der 
Fibel befindet, das Stück einer Muschelschale als Verzierung angebracht 
ist. Tafel XXXVIII, 3b und 3c illustrieren die Beigabe von der Vorder- und 
Rückseite in natürlicher Grösse. Das Grab wurde am 26. Februar 1906 
in 1 m Tiefe aufgedeckt. Professor Kossinna bezeichnet diesen Fund 
als „offenkundiges Latene-Grab“. 

Grab 4 und 5. Am 4. März desselben Jahres stiess man in 
einer Tiefe von 1,10 m auf zwei nebeneinanderstehende Graburnen. 
Dieselben sind aussen mittelbraun, innen hellbraun gefärbt, aussen stark 
gerauht, innen geglättet. Das erste Gefäss zerbröckelte trotz der an- 
gewandten grössten Vorsicht beim Ausheben so sehr, dass nur zwei 
Bodenreste geborgen werden konnten (Tafel ХХХУШ, 4a und 4b). 
Das Grab 5 konnte einigermassen erhalten werden (Tafel ХХХУ Ш, 5a). Die 
Urne hat folgende Dimensionen: Oberer Durchmesser 22 '/2, grösster 
25, unterer 1212 cm, Höhe 15 cm. Die Leichenreste beider Gefässe 
sind äusserst roh gebrannt. Grab 4 hatte als Beigabe den Rest einer 
eisernen Fibel. Tafel ХХХУШ, Figur 4c und 4d bildet diesen in natürlicher 


1) Schildfesseln mit solchen fingerhutförmigen Bronzenietkópfen gehören haupt- 
sählih dem 2. Jahrh. nah Chr. an, erscheinen aber auch schon am Ende des 
1. Jahrh., ebenso noch am Beginne des 3. Jahrh. Dieses Grab braucht also nicht 
wesentlich älter zu sein, als Grab 1. а. К. 


276 Karl Waase: Möritzscher Funde. [4 


Grósse in Vorder- und Riickansicht ab. Im fünften Grabe befand sich 
ein schön erhaltener eiserner Gürtelhaken; von dem dazu gehörigen 
Ringe war nichts zu entdecken (Tafel XXXVIII, Figur 5b nat. Grösse). 
Beide Urnen enthielten neben der Eisenbeigabe je einen Scherben mit 
gleicher Bogenverzierung. Sie stammen jedenfalls von einem (efäss 
(Tafel ХХХУШ, 4e und 5c). Die Ornamentik erinnert an das von 
K. Jacob auf Tafel XXI abgebildete Gefäss. 

Die späteren Funde von Möritzsch sind in die von Jacob ange- 
führten Privatsammlungen übergegangen. 


Mannus, Zeitschrift fir Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXXV I. 


Grab 1 und 2. 


Waase, Móritzscher Funde. Curt Kabitzsch (А, Stuber's Verlag) Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXXVIII. 


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Grab 3, 4 und 5. 


Waase, Möritzscher Funde. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag) Würzburg. 


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Eine neue Bronzebüste eines Germanen. 


Von Anton Hekler, Budapest. 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Die beistehend in natürliher Grösse abgebildete Bronzebiiste 
stammt aus O-Szény (Brigetio) und befindet sich gegenwärtig im Be- 
sitze des Herrn А. Мї in Komorn (Komárom, Ungarn), wo ich sie 
im Frühjahr dieses Jahres mit anderen Kleinbronzen zusammen in Musse 


278 Anton Hekler. | [2 


studieren konnte. Ich kann es nicht versáumen, dem Besitzer für seine 
Liberalitát und für die gütigst erteilte Erlaubnis der Publikation audi 
an dieser Stelle meinen warmsten Dank auszusprechen. 

Die Büste, welche die ganze Brustpartie und die beiden Schultern 
einschliesst, ragt aus einem breiten Blattkelh empor. Schon die Durch- . 
bildung der dargestellten Körperteile weist auf einen älteren Mann von 
sehnig hagerer Struktur: der Brustkorb ist mager, eingefallen und die 
Schultern fallen vom Nacken steil herab. Auf diesem Oberleib sitzt 
ein bärtiger Kopf mit länglihem Gesicht, dessen ruhig kontemplativer 
Ausdruck eine klare Intelligenz und ein objektives Anschauungsvermögen 
zu verraten scheint. Die Haare sind am Hinterkopf kurz geschnitten, 
am Oberkopf dagegen lang wachsen gelassen. Dieses lange Haar ist 
von hinten flach anliegend nach der rechten Seite herübergekämmt und 
über der Schläfe zu einem dicken wulstigen Knoten geschlungen. Das 
ist die charakteristische Haartracht der Germanen, wie man sie aus den 
Schriftquellen erschlossen und auch in unserem Denkmálervorrat durch 
viele Beispiele belegt vorgefunden hat. Da das einschlägige Material 
vor kurzem in den Bonner Jahrbiichern (1909, Heft 118, 1 S. 63 ff.) 
von A. von Salis eingehend und mit reichen literarischen Hinweisen 
besprochen wurde, so glaube ich mich hier nur auf das Notwendigste 
beschränken zu müssen. 

Ganz frappant ist die Analogie unseres Germanenkopfes mit den 
Germanendarstellungen am Tropaion von Adamklissi ). Diese Verwandt- 
schaft im Ausdrucke und in der Durchbildung sowie die Art der Arbeit 
führt mich darauf, die Büste in das 1. Jh. nach Chr. zu datieren. Die 
grosse Büstenform ist kein Hindernis für diese Ansetzung in die frühe 
Kaiserzeit. Für die grosse Büstenform, die aus dem Blattkelch empor- 
taucht, haben wir ja schon aus claudischer Zeit in der bekannten sog. Klytia 
den schlagendsten, sicheren Beleg *). Überhaupt führt die genaue Durch- 
forschung der römischen Büsten immer mehr zu der Erkenntnis, dass 
die grosse Büstenform nicht erst in der trajanisch-hadrianischen Epoche 
entstanden ist. Die künstlerische Vorstellung, die Büste aus einem 
Blattkelhe emportauchen zu lassen, konnte nur in der hellenistischen 
Zeit entstehen. Sie ist ein reizvoller Spross jener künstlerischen Richtung, 
die mit kühner, erfinderischer Phantasie menschliche und tierische Formen 
mit pflanzlichen Motiven im Bilde organisch zu verbinden versuchte und 
die dann in den pompejanishen Wandmalereien mit tollem Ubermut 
eine ganze Welt der Unmöglichkeiten dem Betrachter entgegenführt ?). 
Die Büste, die unten mit einem Blattkelch ansetzt, ist in der Kunst der 
römischen Kaiserzeit reihlih verwendet worden. Ich begnüge mich mit 
dem Hinweis auf einige Beispiele: Kopenhagen, Ny-Carlsberg Glyptothek 
Nr. 664 (Domitian) und Nr. 671 (Trajan; hier ist am Büstenfuss ein 
Akanthuskeld angebracht) usw. 

Unsere Büste kann als ein neuerlicher Beleg dafür betrachtet wer- 
den, welch starke Anziehungskraft das Erfassen fremder Völkertypen 
п die römischen Künstler gehabt hat. Dieses lebhafte Interesse für 


5 Furtwängler; Das Tropaion von Adamklissi T. VI, 1. 

2) C. Smith: Catalogue of sculpture No. 1874 РІ. XIV. 

3) Für alles Nähere kann ich auf meine Ausführungen im Jahrbuch des kais. 
deutschen arch. Instituts 1903 S. 28 ff. verweisen. 


3] Eine neue Bronzebiiste eines Germanen. 979 


die charakteristischen physischen und psychischen Eigenschaften fremder 
Völkerschaften haben die Römer als eine glänzende Erbschaft der helle- 
nistischen Kunst übernommen. Allein auch dafür ist unser Germanen- 
bildnis ein schöner Beweis, dass sie dieselbe Aufgabe mit einer von der 
griechischen völlig verschiedenen Auffassung zu lösen verstanden haben. 
Haben wir in der einzigen erhaltenen hellenistischen Germanendarstellung 
eine leidenschaftliche, überaus aktiv-pathetische Natur vor uns, so liegt 
andererseits bei den Germanenbildnissen der römischen Kunst das Haupt- 
gewicht in der klaren Akzentuierung eines ernsten, ruhigen, ethisch- 
kontemplativen Daseins. Mit diesem Gegensatze haben wir den funda- 
mentalen Unterschied berührt, der überhaupt das hellenistische und das 
römische Porträt voneinander trennt. Darauf näher einzugehen soll 
indes einer anderen Gelegenheit vorbehalten werden. 


Ergebnis meiner Wallforschung auf dem 
Breitenberge bei Striegau in Schlesien. 


Von Oberlehrer Hermann Schmidt in Löbau i. S. 
Mit 2 Textabbildungen. 


Gelegentlid meines Ferienaufenthaltes in Striegau stellte ich mir 
Michaelis 1906 die Aufgabe, den vorgeschichtlihen Wall auf dem Breiten- 
berge bei Striegau zu untersuchen. Die Erlaubnis zum Graben wurde 
mir unter der Bedingung erteilt, dass ich etwaige wichtige Funde ab- 
liefern solle. 

Aus der Broschüre ,Die Striegauer Berge in Е 
und geschichtlicher Beziehung von J. Zimmermann“ (Striegau 1892), 
sowie aus Behla: „Die Rundwälle im östlichen Deutschland“, Seite 167, 
entnahm ich, dass schon oft in dem Walle geforscht wurde, und durch 
den Werkmeister des Basaltsteinbruches, Herrn Rohner, erfuhr ich, dass 
im Jahre vorher Herren vom Schlesischen Altertumsverein in Breslau 
im Walle gruben und etliche Kisten mit gefundenen Scherben mitnahmen. 

Der südliche Teil des Walles ist durch die Basalt-Steinbrucharbeiten 
längst verschwunden; die übrigen Teile werden infolge der Erweiterung 
des Steinbruches voraussichtlih demselben Schicksal verfallen. Die 
Länge des westlichen Wallarmes betrug (1906) 135 m, die des östlichen 
Armes nur noch 120 m. (Abb. 1.) 

Zufolge der Abtragungsarbeiten seitens der Steinbrecher zeigte 
der westlihe Arm eine scharfabgestochene, senkrechte Schnittwand 
von 1,85 m Höhe. Sie ähnelte vollständig den Schnittflächen, die sich 
mir in den gewöhnlichen slawischen Erdwällen (ohne Schlacken) in der 
Oberlausitz boten. Die Scherben darin trugen als Verzierung die sla- 
wishe Wellenlinie. Recht deutlich zeigte sih das Kopfende eines ver- 
kohlten, 28 cm im Durchmesser haltenden Baumstammes, der in der 
Längsrichtung des Walles lag. 

In dem bereits abgetragenen, zu beiden Seiten des Walles hin- 
geworfenem Erdreich lagen zwischen slawischen Scherben auch solche 
aus vorslawischer Zeit. 

Interessanter erschien mir der östlihe Wallarm, in dessen Nähe 
einzelne Schlacken verstreut waren. Weil ich hier keine deutliche 
Schnittwand vorfand, grub ich mit Hilfe meines Schwiegersohnes (Prä- 
parandenlehrer Fritz Pollack) eifrig an vier Tagen einen senkrechten 
Querschnitt bis auf den Grund und zeichnete ihn genau nach Mass ab. 


281 


Ergebnis meiner Wallforschung а. 4. Breitenberge b. Striegau. 


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Boden unterhalb 
15 cm einzelne 
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Schicht von са. 


Abb. 1. 
in einer 


Masstab 1 : 1000. 


also auf dem gewachsenen 


Nach einer Zeichnung von Fritz Pollack. 


I. Was ich in diesem Wallarme fand. 


1. Auf dem Grunde, 


2] 


Grundriss des slawischen Walles auf dem Breitenberge bei Striegau in Schlesien. 


Die Schnittfläche hatte eine Länge von 7 m und eine Höhe von 1,20 m. 


(Abb. 2.) 


des eigentlichen Walles, lagen 


Mannus. Bd. 1. Н. 3/4. 


282 | Hermann Schmidt. [3 


Scherben ohne Verzierung aus vorslawischer Zeit. (Abb. 2.) An einer 
Stelle befanden sich ziemlich viel beisammen. Leichenbrand und andere 
Funde beobachtete ich darin nicht. 

2. Die darüberliegende, meist lockere, 20 bis 25 cm starke Erd- 
schicht enthielt Asche, etlihe Scherben aus slawischer Zeit, ziemlich viel 
Knochen und ein 7 cm langes Bruchstück eines eisernen Messers (an 
das Schlesishe Altertumsmuseum in Breslau abgeliefert). In dieser 
Erdschicht zeigte sich schräg nach aussen eine runde, 18 cm im Durch- 
messer haltende Höhlung, die ich für einen Fuchsgang hielt. 

3. Uber dieser zweiten Schicht erhob sich der eigentliche Schlacken- 
wall, der ganz ahnlich aufgebaut worden ist, wie man seine slawischen 
Namensvetter in der Oberlausitz errichtete. Die Basalt-Schlacken lagen 
in der Mitte des Walles und zogen sich in der Langsrichtung hin. 

Unter den Sdilacken lagerten gróssere, flache Steine, die mit 
einer ca. 10 cm starken Schicht dunkler Asche bedeckt waren. Die 
unversehrte Schlackenschicht hatte unten eine Breite von 1,50 m und 
eine Höhe von са. 60 cm. Im oberen Teile waren die Schlacken 
verwühlt. 

Rechts von der Schlackenschicht zeigte sich mit ihr in gleicher 
Höhe sehr deutlih ein senkrechter, 60 cm breiter Streifen von rotge- 
glühter Erde nebst kleinen, ebenfalls rotgeglühten Steinen. Noch weiter 
rechts (nach aussen zu), bestand der Wall nur aus aufgeschiittetem, 
totem Erdreih, ähnlich wie in den Schlackenwällen der Oberlausitz. 
Als ich jedoch an dieser Stelle noch mehr vom Walle abstach, um einen 
vollständigen Querschnitt zu erhalten, stiess ih — was ich nicht er- 
wartet hatte — auf weissgeglühte Erde, über der in aschenreicher Erde 
ein 50 cm langes, 6 cm starkes, rundes Stück Kohle lag. Daneben 
und darüber kam noch verschiedenes verkohltes Holz zum Vorschein. 

Links von der Schlackenshicht suchte ich vergeblich die rotge- 
glühte Erde, wie sie sonst in senkrechtem Streifen zu beiden Seiten 
der Schlacken vorkommt. Dafür befand sich dort schräg nach oben (in 
der Richtung zum Wallkessel) ein Streifen teils weissgeglühter, teils 
rotgeglühter Erde nebst einzelnen geglühten Steinen. Weiter links 
folgte unter der inneren Wallböschung, und zwar unter grösseren Steinen, 
eine mit Asche und Kohle durchsetzte Erdschicht, die viel Knochen und 
Scherben mit der slawischen Wellenlinie enthielt, wie dies bei den 
Oberlausitzer slawischen Wallen überall zutage tritt. Auffallend waren 
einzelne Schlacken, die in der unteren Hälfte der innern Wallbóschung 
mehr oberflachlich lagerten. 

Im oberen Teile war der Wall in seiner ganzen Breite 20 bis 
30 cm tief zerstört. 

Anmerkung. Weder im westlichen, noch im östlihen Wallarme war eine 
Spur von einer einst freistehenden, aus Holz errichteten, mit Erde und Steinen 
ausgefüllten sogenannten „gallischen Mauer“ zu sehen, wie solche in neuerer Zeit — 
glücklicherweise nur von sehr vereinzelten Forshern — von allen Willen, ins- 
besondere auch von den versdilackten, generalisierend angenommen wird. Wer 
jahrelang mit Hacke und Spaten unbeeinflusst in den slawischen Wallen eingehend 
geforscht und das Innere derselben mit seinen meistens recht massigen Erd- und 
Steinanhäufungen nebst den Kulturniederschlagen (Knochen, Scherben, Pflaster, 
Estrich etc.) kennen gelernt hat, der wird sich wohl niemals zu dieser Ansicht be- 


kehren lassen. Ganz abgesehen davon, dass den Slawen im 6. Jahrhundert es 
nod am Geschick und am Handwerkszeuge mangeln mochte, um gezimmerte Ge- 


4] Ergebnis meiner Wallforschung а. 4. Breitenberge Ъ. Striegau. 283 


rüste aufzuführen, kann ich mir nicht denken, 
dass eine aus Holzbalken hergestellte, mit 
Querriegeln versehene, mit Erde und Steinen 
ausgesetzte, mehrere Meter starke „Mauer“ (?) 
durch und durch brennt und dabei so intensiv 
glüht, dass die im Innern liegenden Steine 
schmelzen und versdilacken. Und wenn dies 
wunderbarerweise dennoch geschéhe, wie er- 
klärt sih alsdann die rotgeglühte Erde zu 
beiden Seiten der Schlackenschicht ? 


П. Meine Ansicht über diese 
vorgeschichtliche Státte. 


1. Die Benutzung des Berges in 
vorslawiscer Zeit. 


Die früher auf dem Breitenberge 
gefundenen Bronzegegenstünde: Pfeil- 
spitze, Nadel, Bruchstiick eines Ringes 
und Beil (Pollack: „Das prähistorische 
Gewand des Breitenberges bei Striegau“. 
— Striegau 1906 —, S. 7), sowie haupt- 
sächlich die in der untersten Erdschicht 
gehobenen Scherben aus vorslawischer 
Zeit beweisen sicher, dass der Breite- 


berg schon vor den Slawen benutzt ¥ хў 

wurde. Ob Мег eine Siedelung war, |j c X 3$ á 

wie auf dem Löbauer Berge in der К: NS 
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Oberlausitz, oder ob man nur auf der 


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Höhe die Toten bestattete, vermag ich ^ 
vorläufig nicht zu beurteilen. Die unter |” X I USER! 
dem Walle in der untersten Erdschicht 
vielfach vorkommenden Scherben ohne 


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Leichenbrand lassen mich allerdings ап- / gi N 
nehmen, der Berg habe in vorslawischer /Ҹ % Kar 1 
Zeit als Wohnstátte gedient. Die Toten RN W 


würde man in diesem Falle am Ab- 
hange des Berges bestattet haben, was 
eine Notiz im Zimmermann (Seite 18) 
bestätigen könnte, welche lautet: „dass 
vor zwei Jahren (d. i. 1754) an dem 
sogenannten Breiten Berge, bei Ge- N \) 

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legenheit einiger daselbst entdeckter 


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Schnittwand des Walles (östlicher Arm) auf dem Breitenberge bei Striegau in Schlesien. 
Masstab 1:30 


Urnen“. Dk 
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, Е 

dass man auf dem Berge wohnte und № 

zugleih auf ihm die Toten begrub. NN 


Durch Nachgraben im Wallkessel dürfte 
man aber schwerlich hierüber Aufschluss 
finden, weil durch die spátere Benutzung 
des Berges die Humusschicht vollstandig 
durchwühlt sein mag. 


19* 


984 Hermann Schmidt. [5 


Anders verhält es sich mit der untersten Schicht unter dem Wall- 
ringe, wo die Erde noch unversehrt liegt, wenigstens soweit sie nicht 
durch die Slawen beim Bau des Walles durchgraben wurde. Auf diese 
Stelle miissen die Forscher ihr Augenmerk richten, wenn volle Klarheit 
erlangt werden soll. 

Durch einen Steinwall scheint die Siedelung in vorslawischer Zeit 
nicht befestigt gewesen zu sein, wie Mertins in seinem Wegweiser durch 
die Urgeschichte Schlesiens, S. 75, annimmt; denn Spuren davon zeigten 
sich an den beiden Schnittflächen nicht. 


2. Die Benutzung des Berges in slawiscer Zeit. 


Die überall im eigentlihen Wallringe gehobenen Scherben mit 
der typischen Wellenlinie, das Bruchstiick eines im unteren Teile des 
Walles gefundenen eisernen Messers und der ganze Aufbau des Walles 
bezeugen sicher, dass diese Anlage eine von den Slawen errichtete, 
befestigte Siedelung war, die durch Feuer zerstórt wurde. 

Wie 14 bereits im 2. Bande (1. und 2. Heft) der Jahreshefte der 
Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz dar- 
gelegt habe, denke ich mir die Entstehung einer solchen slawischen 
Wohnungsanlage folgendermassen: 

Nachdem während der Völkerwanderung die hier sesshaften Stämme 
die Gegend verlassen hatten, zogen gegen die Mitte des ersten christ- 
lihen Jahrtausends slawische Familien, bez. Sippen aus den ausge- 
dehnten Ebenen Russlands truppweise mit ihrem Vieh in das leer- 
gewordene oder höchstens nur noch sehr schwach bewohnte Gebiet ein. 

Hatte eine Familie oder eine Sippe einen ihr zusagenden, erha- 
benen, von der Natur geschützten Punkt, wie den Breitenberg, als 
Wohnplatz erkoren, so baute sie am Rande der Höhe ihre einfachen 
Hütten aus Holzstangen und Baumstämmen, zuweilen mit Lehmbewurf. 
Zum Schutze gegen die Winterkälte schüttete sie an die hintere Wand, 
wie auch zu beiden Seiten, soviel Erde und Steine auf, dass die Hütte 
davon nicht nur überragt, sondern sogar bedeckt wurde. So glich die 
Wohnung einem höhlenartigen Raume, in welchem die Insassen während 
des Winters vor Kälte und bei Regenwetter vor Nässe vollen Schutz 
fanden. 

In gleicher Weise errichtete man daneben Ställe für das Vieh und 
die Räume zur Aufbewahrung der Vorräte an Getreide, Stroh usw. 
Zum Schutze gegen Wind und gegen feindlihe Überfälle wurde der 
Wall noch kreis- oder hufeisenartig fortgesetzt und nach und nach er- 
höht, so dass die Hütten nebst Ställen, Schuppen und Scheunen nach 
aussen gänzlich geschützt waren. (Weil die Erde aus der nächsten 
Umgebung genommen wurde, so ist es nicht ausgeschlossen, dass mit 
dem Erdreich auf dem Breitenberge auch Scherben aus vorslawischer 
Zeit in die Umwallung gerieten. Deshalb ist es leicht möglich, dass 
einzelne vorslawische Gefassfragmente neben solchen aus slawischer 
Zeit in den oberen Teilen des Walles gefunden werden.) 

So glich auf primitive Weise die Anlage einem abgeschlossenen 
srossen Bauernhofe oder einem Rittergute mit seinen Wohnhäusern, 
Wirtschaftsgebäuden, Hofmauern und Toren. 


6] Ergebnis meiner Wallforschung а. 4. Breitenberge b. Striegau. 985 


Immerhin musste eine solde Hóhlenwohnung auf dem Breiten- 
berge ziemlich feucht sein, weil man zur Umwallung keinen trockenen 
Lehm verwenden konnte, der die Feuchtigkeit nicht durchgelassen hätte. 

Aber man verstand es, sich dadurch zu helfen, dass man das zum 

Walle verwendete Gestein und Erdreich teilweise ausglühte. 

| Ob man dies in einem offenen Graben in der Längsrichtung des 
Walles hinter den eigentlihen Wohnräumen durch jenes Verfahren er- 
reichte, wie ich es im ,,Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft 
f. Anthr., Ел. u. Urgesdi.", XXXVII. Jahrg., No. 9/11 (1906) — und 
in „Die vorgescictlihen Rundwälle in der Amtshauptmannschaft 
Lóbau i. S." beschrieb, oder ob die Austrocknung (Verschlackung) da- 
durch erzielt wurde, dass man im Graben abwechselnd viel kleines 
Holz und Steine sehr locker schichtete, mit Erde bedeckte und das 
Holz entzündete — ähnlich, wie Mauersteine aus Lehm in einer Feld- 
ziegelei gebrannt werden — will ich dahingestellt sein lassen. 

Auf jeden Fall geschah die beabsichtigte Ausglühung zwischen 
Erdwänden, denn sonst würde die zu beiden Seiten der Schlacken- 
schicht lagernde Erde mit den Steinen nicht rot geglüht sein, und die 
Intensität der Farbe würde nicht allmählich abnehmen, je weiter das 
Erdreich von den Schlacken entfernt liegt. 

In dieser Beziehung unterscheidet sich der zum Teil verschlackte 
Wall auf dem Breitenberge durch nichts von den Schlackenwällen der 
Oberlausitz (Schmidt: „Die vorgeschichtlihen Rundwälle in der Amts- 
hauptmannschaft Löbau i. (5.* Löbau, Olivas Buchhandlung 1909; und 
Jahreshefte der Ges. f. Anthr. und Urgesch. der Oberlausitz, Bd. II, 
S. 165—241.) 

Wäre die Anlage auf dem Breitenberge nicht in späterer Zeit 
wiederholt benutzt und dadurch an der Oberfläche durchwühlt worden, 
so würde man sich von der Richtigkeit meiner Behauptung leicht über- 
zeugen kónnen. | 

Nun aber ist die obere rote Schicht längst vernichtet, und sogar 
der obere Teil der Schlackenschicht ist auseinander geworfen worden. 
Deshalb wundert es mich nicht, wenn es bei Zimmermann auf Seite 19 
heisst: ,Die angeschmolzenen Steine liegen nicht schichten- und reihen- 
weise, wie bei einer Mauer, sondern sind ganz regellos im Walle auf- 
gehäuft“. 

Bei weiterem Abbau des verschlackten Teiles wird der aufmerk- 
same Beobachter die geglühte Erde zu beiden Seiten der unver- 
sehrten Schlackenschicht leicht finden. 

Dass an dem Querschnitt, den ich grub, das geglühte Erdreich 
links nicht senkrecht stand, sondern sich nach oben schräg zum Wall- 
kessel zog, erkläre ih mir so: bei der Einäscherung des Wohnraumes 
gab die schwache Wand zwischen Hütte und Schlackenschicht nach und 
neigte sich nebst den Schlacken in der Richtung zum Wallkessel. 

Die zutageliegenden Schlacken an der inneren Wallböschung sind 
keinesfalls an der Stelle entstanden, wo sie jetzt liegen, sondern sind 
von der Wallkrone aus dorthin verwühlt worden. 

In den Wällen der Oberlausitz fand ich, dass sich die Wohnräume 
stets nur an die innere Seite des Wallringes lehnten; auf dem Breiten- 
berge scheint jedoh — wenigstens an der Stelle, wo ich rechts von 


286 Hermann Schmidt. [7 


der Schlackenmauer auf Asche, Kohle und weissgeglühte Erde stiess — 
ein Wohnraum auch nach aussen gelegen zu haben. 

Die Herdfeuer brannten in den slawischen Wallen im Freien, in 
der Mitte des Wallraumes, wo man für gewöhnlich die Scherben der 
beim Kochen zerbrochenen Gefásse in grosser Zahl findet. Weil auf 
dem Breitenberge an denselben Stellen wahrscheinlich schon in vor- 
slawischer Zeit gekocht wurde, so ist es selbstverständlich, dass hier 
vorslawische und slawische Scherben durcheinander gefunden werden. 

Das Wasser entnahmen die Burgwallbewohner einer brunnen- 
artigen Vertiefung, die sie an der tiefsten Stelle des Wallkessels in den 
Felsen gruben. Auf dem Breitenberge ist dieses tiefe Wasserloch bereits 
vor einer Reihe von Jahren dem Steinbruche zum Opfer gefallen, wie 
mir ein Herr aus Striegau mitteilte, und wie es Zimmermann auf Seite 31 
andeutet. 

Zimmermann berichtet auf Seite 19 seiner Broschiire, dass im 
Walle zwei gut erhaltene kleine Napfchen gefunden wurden, wovon das 
eine zur Hälfte mit angebrannten Gerstenkórnern gefüllt war. Hieraus 
ist zu schliessen, dass die slawischen Bewohner des Breitenberges 
Ackerbau trieben, wie dies von den Burgwallbewohnern der Oberlausitz 
zufolge der wiederholten Getreidefunde bekannt ist. 

Als der Breiteberg im Laufe der Zeit durch das Anwachsen der 
Sippe nicht mehr genügenden Platz bot, verliessen einzelne Familien 
den Wall und bauten sich im Tale an einem Fusse an, woselbst sie 
ihrer Hauptbeschäftigung, der Viehzucht und dem Ackerbau, bequemer 
nachgehen konnten, und als durch Zufall oder in kriegerischer Zeit die 
hölzernen Wohnungen im Walle niederbrannten, verliessen auch die an- 
deren Wallinsassen den erhabenen Ort und siedelten sich ebenfalls im 
Tale an, wodurch allmählich die slawischen Dörfer entstanden. 

Infolge des Feuers stürzten die mit Erdreich bedeckten hóhlen- 
artigen Hütten im Walle ein. Erde, Steine, Kohle und Asche bedeckten 
nun die eingeäscherte Wohnstätte. 

Alles, was sie an Wirtschaftsniederschlägen verwahrte, erhielt sich 
unter der trockenen Erdshicht auf dem Grunde des Walles, weshalb 
bei vorsichtigem Abtragen des aufgeschütteten Wallringes unter der 
inneren Wallböschung nicht nur Scherben und Knocen, sondern auch 
eiserne Geräte, Spinnwirtel etc. gefunden werden dürften. 

Beim bisherigen Abtragen des Walles mag schon mancher eiserner 
Gegenstand achtlos weggeschaufelt worden sein, weil man ihn mit seinem 
gelbbraunen, dicken Oxydüberzuge für geglühten Lehm hielt. Wollten 
doch die beiden Herren, welche zugegen waren, als ih das Bruchstück 
eines eisernen Messers fand, durchaus nicht glauben, dass es Eisen sei. 
Um sie von meinem Funde zu überzeugen, blieb mir weiter nichts 
übrig, als den Rost an der einen Stelle vorsichtig bis auf den eisernen 
Kern abzuschaben. 

Wie ich von den Burgwällen der Oberlausitz annehme, dass sie 
in der Zeit vom 6. bis 8. Jahrhundert erbaut und benutzt wurden, so 
bin ich auch betreffs des Walles auf dem Breitenberge der Ansicht, 
dass seine Errichtung und Benutzung in diesen Zeitraum fällt. 

Ist meine Annahme richtig, dass sich die Slawen bei ihrer Ein- 
wanderung befestigte Wohnungen auf Höhen anlegten und erst später 


8] Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau. 287 


von dort aus die Täler an den Flussláufen besiedelten, so haben wir 
reichlih Stoff, um uns ein Bild von dem Kulturzustande während der 
ersten Jahrhunderte der rein slawischen Besiedelung Schlesiens (und 
der Oberlausitz) zeichnen zu können und sind nicht mehr auf Vermu- 
tungen angewiesen, wie Mertins (Seite 126) schreibt. 


3. Die Benutzung des Berges im Mittelalter. 


Auch im Mittelalter scheint der Breiteberg als Wohnplatz gedient 
zu haben; denn die auf dem Berge gehobenen, im Breslauer Alter- 
tumsmuseum aufbewahrten Eisensahen deuten darauf hin, wie Axt, 
Sporn, Pfeilspitze und Stück eines Hufeisens (Pollack, S. 8). 

Ebenso bieten die von Zimmermann (S. 19) erwähnten Brakteaten, 
sowie die meissnischen und böhmischen Groschen Belege dafür. 

Obgleich ich keine Scherben aus dieser Zeit hob, so ist doch nicht 
ausgeschlossen, dass solche schon gefunden wurden oder noch zum 
Vorschein kommen werden. 

(Die von Zimmermann (S. 19) angeführten menschlihen Skelette 
nebst den eisernen Lanzenspitzen geben keinen Anhalt für die Zeit- 
bestimmung, weil die genaue Angabe der Fundstelle nicht bekannt ist). 


4. Die Benutzung des Berges in späterer Zeit. 


Der Breiteberg hat nicht nur in vorgeschichtlicher Zeit und während 
des Mittelalters eine besondere Anziehungskraft auf. die Menschen ausge- 
übt, sondern er lockte auch in späterer Zeit die Bürger Striegaus herbei. 

Befand sich doch — nach dem Berichte Zimmermanns (Seite 30) — 
im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts auf ihm eine kleine Bergrestau- 
ration in Gestalt eines Sommerhauses nebst einer Kegelbahn und 
Lindenallee. = 

Für den gewissenhaften Forscher ist es nicht unwesentlich, dass 
er auch davon Kenntnis nimmt, weil ihn sonst etwaige Funde von 
Resten jener Anlage zu falschen Schlüssen verleiten können. 


Ergebnissätze. 


1. Schon in vorslawischer Zeit wurde der Breiteberg benutzt und 
zwar allem Anscheine nach als Wohnplatz. (Von einer Umwallung aus 
jener Zeit ist keine Spur vorhanden.) 

2. Um die Mitte des ersten christl. Jahrtausends erwählten die 
zuerst in Schlesien eingewanderten Slawen den Berg als Wohnstätte, 
bauten auf ihm am Rande ihre höhlenartigen Erdhütten und errichteten 
dadurch den Wall, den sie teilweise verschlackten, um trockene Wohn- 
räume zu erhalten. 

3. Auch im Mittelalter scheint der Berg bewohnt gewesen zu sein, 
weil aus jener Zeit Eisensachen und Münzen gehoben wurden. 

4. Am Anfange des 19. Jahrhunderts befand sich auf ihm eine 
kleine Bergrestauration nebst einer Kegelbahn und einer Lindenallee. 
— — Auf jeden Fall bietet der Breiteberg für den Altertumsforscher ет 
äusserst interessantes Arbeitsfeld, und es ist erfreulich, zu hören, dass 
sih die Direktion des Schlesischen Altertumsvereins die weitere Er- 
dieser vorgeschichtlihen Stätte zur besonderen Aufgabe ge- 
stellt hat. 


Vorgeschichte 
des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 
Von Th. Voges, Wolfenbiittel. 


Nicht Klosterurkunden und Stiftschroniken, auch nicht Orts- und 
Flurnamen bilden die einzigen Quellen fiir die alteste Geschichte unserer 
Dörfer, bedeutsamer noch sind die vorgeschichtlichen Altertiimer, die 
der Boden getreulich bewahrt hat, die Steingeräte und Bronzesachen, vor 
allen die schlichten Urnen mit ihren Beigaben. Alles dies sind zwar un- 
scheinbare und geringfügige Gegenstände, aber als gleichzeitige und un- 
anfechtbare Zeugen für uralte Siedelungen unersetzlih. Längst haben 
darum diese Reste aus der Vorzeit Beachtung gefunden, und mancher 
eifrige Sammler hat wertvolle Schätze zusammengebracht. Wenige Orte 
gibt es im braunschweigischen Lande, die, was die Zahl der vorgeschicht- 
lichen Funde anbetrifft, sich mit Beierstedt messen können. Dies Dorf, 
zum Amte Schöningen gehörig, liegt am südlichen Fusse des Heeseberges, 
und seine Feldmark erstreckt sich bis zum Grossen Bruce hin, das von 
der Ilse und Oker bis zur Bode reiht. Nicht die Stätten, die bereits 
in vorkarolingischer Zeit genannt werden, wie Ohrum und Schöningen, auch 
“nicht die Dörfer, deren Name allein schon auf die uralte Zeit hinweist, 
wie Wittmar oder Salzdahlum, haben solchen Reichtum an vorgeschicht- 
lihen Fundstücken aufzuweisen wie Beierstedt, und selbst die Orte, 
deren Feldmarken längst als ergiebige Sammelstátten soldier Sachen 
gelten, wie Lelm, Halchter und Lauingen, bleiben doch in dieser Beziehung 
weit hinter Beierstedt zurück. Es ist das Verdienst des Herrn А. Vasel, 
dass sein Heimatdorf heute so bedeutsam dasteht. Zu Ende des Jahres 
1888, als er neben Kunstwerken und Altertümern auch vorgeschichtliche 
Gegenstände zu sammeln begann, waren solche wohl aus den benachbarten 
Dórfern Watenstedt und Jerxheim bekannt, von der Beierstedter Flur 
war bis dahin nur eine Steinaxt und eine rómische Emailperle vorhanden. 
Doch wussten sich die alteren Bewohner dort noch zu erinnern, dass 
in den sechziger Jahren beim Rübeneinmieten auf einem Acker west- 
lih vom Dorfe ein Steinkistengrab entdeckt worden war. Innen lag ein 
Skelett, neben welchem einige Tongefässe standen, auch zwei Stein- 
geräte waren beigegeben; ausserdem soll noch ein Bronzeschwert mit 
im Grabe gelegen haben. Niemand wusste freilich, wo diese Sachen 
geblieben waren, niemand sonst kannte Steingeräte oder Bronzesachen. 


2] Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 289 


Das wurde nun bald anders, als Herr Vasel sein Augenmerk auch auf 
dieses Gebiet lenkte. Heute liegen in seinen Schränken wohl an 70 
Steingeräte, die auf Beierstedter Feldmark aufgenommen wurden. An 
Einzelfunden aus Bronze sind freilich nur 3 Stück vorhanden, wie ja 
denn im nordharzischen Hiigellande die Metallsachen überall in der 
Minderheit bleiben. Dazu kamen nun aber sehr bald die für die Kultur- 
geschichte des Landes so wichtigen Graber mit ihrem Tongeschirr, ihren 
Bronze-, Eisen- und Glasbeigaben. An drei Stellen in der Nähe des 
Dorfes sind Skelettgráber der frühen Bronzezeit aufgedeckt oder doch 
wenigstens gespürt worden. Auf dem Sandberge, östlich vom Orte, liegt 
ein Plan des Herrn Vasel. Hier wurde in einem Steinlager neben 
einem Skelett eine Säbelnadel und ein offenes Manschettenarmband 
aufgenommen, dazu fand sich hier ein zierliches Henkelgefáss, eine Tasse 
vom Aunjetitzer Typus. Die zweite Stelle liegt westlich vom Dorfe auf 
dem Kleinen Höckels, das Ackerstück heisst „Am Holzwege" und gehört 
dem Ackermann Herrn W. Lohl. Auch hier kamen drei Gefásse zutage, 
die dem genannten Formenkreise angehóren. Die dritte Stelle liegt im 
Westen nahe am Dorfe und zugleih an der Soltau, das Feld heisst 
„Im Mohlensdale“; sein Besitzer ist der Ackermann Herr H. Giltner. 
Es lieferte eine Tasse, wiederum von Aunjetitzer Art. 


Aus der Hallstattzeit stammt dann das Urnenfeld, das westlich 
vom Dorfe auf dem Groten Höckels liegt, einer Erhebung, die jetzt 
Kleiberg, ehemals aber auch Hakelberg genannt wurde. Der Plan ge- 
hórt dem Ackermann Herrn Fr. Siemann. Der Friedhof hier erstreckt 
sid von Süden nach Norden in einer Lange von etwa 66 m; er ist unge- 
fáhr 30 Ar gross und enthielt 68 Graber, deren weitaus grósste Zahl 
aus Steinkisten mit Steinpackung nach Art der Graber von Villanova 
und Bismantova bestand. Es wurden aus ihnen etwa 75 Gefässe nebst 
Schmucknadeln, Armringen, Messern aus Bronze erhoben; Eisen war 
nur ganz wenig vorhanden, dagegen fanden sich Perlen in nicht geringer 
Zahl. Wahrscheinlich ist dies Gráberfeld noch grósser, denn 30 Schritte 
westlich wurde später noch eine Kiste mit Steinpackung entdeckt, die 
eine doppelt gehenkelte Urne enthielt '). 


Ausser den Steinkisten auf dem  Groten Höckels haben sich 
auffallenderweise auch Gräber an solchen Orten gefunden, wo man 
solche gar nicht vermutete. Oben auf dem Heese stand im Abraume 
des Miillerschen Steinbruches ein grosser Topf, in dem sich ein Napf 
befand, der wiederum einen kleinen Becher umscloss. Es sind dies 
Gefässe der Hallstattzeit, wahrscheinlich war es eine Urne mit Bei- 
gefässen. 

Ausserdem wurde altes, zerbrochenes Geschirr gefunden unten auf 
dem Haferkampe, einem Plane, dicht vor den Wiesen des Grossen 
Bruches, der ehemals sumpfiges Gelände war. Erhalten ist ein flacher 
Napf, der jedoch zu wenig ausgesprochene Merkmale hat, um ihn einer 
bestimmten Zeit zuweisen zu können. Gewiss hat auch hier eine Sie- 


1) Einige Urnen und Beigefässe nebst Bronze- und Eisenbeigaben sind ab- 
gebildet in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Jahr- 
gang XXVII (1894) Tafel I—IV. Die Fundstücke hat Herr А. Vasel dem Herzogl. 
Museum zu Braunschweig überwiesen. 


290 Th. Voges. [3 


delung bestanden. Was den Ве!егз{е {ег Funden einen ganz besonderen 
Wert verleiht, ist dies. Die Graber, die man auf den Feldmarken 
anderer Dórfer unseres Landes geóffnet hat, stammen — auch selbst 
wenn sie in grósserer Zahl vorhanden sind — immer nur aus einer 
einzigen Periode; so gehóren die Urnen von Lauingen nur der Laténe- 
Zeit an, während das Gräberfeld von Lelm-Räbke in das dritte und 
vierte nachchristlihe Jahrhundert gewiesen werden muss. Die Funde 
von Beierstedt dagegen stammen, wie schon angedeutet wurde, aus ver- 
schiedenen Zeiten. Die zahlreichen Steingeräte sind meist neolithisch, 
und da sie sich auf der ganzen Feldflur zerstreut vorfanden, so darf 
man wohl daraus schliessen, dass die Leute der Steinzeit noch keine 
geschlossene Ortschaft bewohnten, sondern dass ihre Köten vereinzelt 
hier und da lagen. So wird es auh noch in der frühen Bronzezeit 
gewesen sein, da ja, wie bereits bemerkt, die Gräber sich an drei ver- 
schiedenen Stellen befanden, deren Entfernung voneinander die An- 
nahme eines gemeinsamen Friedhofes ausscliesst. So beträgt der 
Zwischenraum zwischen den Gräbern auf dem Sandberge und dem am 
Holzwege 1340 m, und dieses ist von der Fundstelle auf dem Giltnerschen 
Acer an der Soltau ungefähr 240 m entfernt. Dagegen liegen die 
68 Gräber auf dem Groten Höckels so dicht beisammen, dass sie einen 
gemeinsamen Friedhof gebildet haben, und dieses Gräberfeld legt den 
Gedanken nahe, dass unweit dieser Stätte schon zur Hallstattzeit ein 
Dorf mit aneinander geschlossenen Höfen bestanden hat. Es kann kaum 
ein Zweifel darüber sein, dass diejenigen, deren Brandreste hier Grab 
an Grab beigesetzt sind, auch im Leben nachbarlich beieinander ge- 
wohnt haben, Hof an Hof. Und bei der geringen Entfernung dieses 
Gräberfeldes vom letzten Gehöfte des Dorfes — es sind 397,5 m — 
ist anzunehmen, dass dies Hallstatt-Dorf da gelegen hat, wo heute 
Beierstedt liegt. Die Stätte war mit Umsicht gewählt und bot den 
Siedlern mancherlei Vorteile. Im Rücken erhob sich der Hees, der 
ehemals wohl bewaldet war, wie es andere benachbarte Höhen noch 
jetzt sind). An seinen Abhängen breiteten sich fruchtbare Ackerflachen 
aus, und Quellen lieferten für Menschen und Vieh Wasser?). Anger 
und Weiden, die sich zur Niederung hinabzogen, boten den Herden 
gute Weide. In zahlreihen Windungen zog die Soltau dahin, und das 
sumpfige Gelände dieses Baches war in Verbindung mit dem nahen 
Bruce ein wirksamer Schutz gegen plötzliche Überfälle von Süden her. 
Wie dies Hallstattdorf hiess, weiss niemand, sein Name ist für immer 
verschollen; auch Spuren und Anzeichen der einstigen Bewohnung haben 
sih nicht erhalten, kein Herd, kein Kiichengeschirr, kein Hausgerät. 


1) Dass der Hees früher mit Gehólz bedeckt war, darf vielleiht schon aus 
dem Namen geschlossen werden; von Leo, Müllenhoff und Walther wird das Wort 
als Wald, Busch und Gestrüpp erklärt. В. Andree, Braunschweiger Volkskunde ?, 
S. 99. Übrigens trug der Hees ums Jahr 1803 noch Buschwerk. Hassel и. Bege, 
Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg II, 86. Dagegen hat 
der Holzweg westlich vom Dorfe damit nichts zu tun; den Weg benutzen die Beier- 
stedter, wenn sie aus dem Elme Holz holen wollen. 

*) Früher entsprang eine Quelle am Südabhange des Heeseberges, deren 
Wasser durch das Dorf floss. Um das Jahr 1850 gab es im Orte selbst, so vor dem 
Vaselschen Hofe, noch mehrere Quellen. Eine speiste den Teich, der im Südosten 
des Dorfes lag. 


4] Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 291 


Der Grund und Boden, wo die alten Kóten gestanden, ist ja auch nicht 
in Ruhe geblieben, Brandschutt hat ihn überlagert, und Keller wurden 
angelegt. 

Ausser dem Dorfe mit seinen dicht aneinander gerückten Höfen 
mógen wohl vereinzelt hier und da sowohl in der Hóhe am Berge, wie 
in der Tiefe am Bruche noch Siedelungen vorhanden gewesen sein, wie 
die Funde auf dem Heese und auf dem Haferkampe anzudeuten scheinen, 


Wie lange dies Hallstattdorf an der Soltau bestanden hat und ob 
es noch in den folgenden vorgescichtlichen Zeiträumen bewohnt ge- 
wesen ist, wissen wir nicht, wenigstens vorläufig nicht. Der Friedhof 
auf dem Groten Höcels hat nur Altertümer, die der Hallstattzeit an- 
gehóren, Laténe-Sachen fehlen. Solche sind weder hier noch sonst wo 
auf der Feldmark gefunden. Sind die Bewohner ausgewandert, oder 
haben sie die Brandreste ihrer Toten anderwärts eingesenkt? Sind die 
Grüber aus den folgenden Perioden, wie ja so háufig geschehen ist und 
noch immer geschieht, zerstört oder stecken sie noch irgendwo verborgen 
in der Erde? Wenn aber auch die nächstfolgenden Zeiten stumm und 
leer sind, so ist doch schwerlich die Stätte unbewohnt geblieben. Kärg- 
liche Anzeichen liegen vor, dass in römischer Zeit doch hier Siedelungen 
vorhanden waren. So wurde auf dem Giltnershen Acer, wo das 
Henkeltöpfchen der frühen Bronzezeit gelegen hatte, der Fuss eines 
römischen Bronzegefässes oder eines Kandelabers gefunden, und auf 
den Feldern lagen hier und da zerstreut Glas- und Emailperlen aus 
römishen Fabriken. Ferner fanden sich wiederholt Wirtel, deren 
Form ebenfalls auf die römische Kaiserzeit hinweist. Aus der Völker- 
wanderungszeit und den letzten Jahrhunderten vor dem grossen Sachsen- 
kampfe ist dann gar nichts mehr vorhanden, kein Geschirr, keine Fibel, 
keine Waffe. 

Plötzlih, ohne dass vorher der Name des Dorfes in Chroniken 
und Annalen genannt wird, taucht in den klösterlichen Urkunden der 
Name Begerstede auf; es ist eins der bedeutsamsten Dokumente, 
worin er zuerst verzeichnet ist. Die Markgräfin Gertrud, die Brunonin, 
stiftete 1115 das Agidienkloster zu Braunschweig und begabte es u. a. 
mit zehn Hufen in Begerstede!). Zwölf Jahre später wird es aber- 
mals und zwar villa Beyerstede genannt’). Wenngleich nun erst 
damals das Vorhandensein von Beierstedt urkundlich bezeugt wird, so 
ist es doch als Dorf gleichen Namens weit älter. Nach Arnold stammen 
die Orte, die auf -statt ausgehen, aus dem 5. bis 8. Jahrhundert 3). 
Ein Mann, dessen Name Begheri oder ähnlich lautete, erscheint als 
sein Gründer oder — wie man jetzt wohl richtiger sagen muss — als 
der Wiederhersteller des Dorfes. Wer vor etwa einem Menschenalter 
die Geschichte von Beierstedt in der Art der früheren Ortschroniken hätte 
schreiben wollen, würde gewiss mit dem Jahre 1115, allenfalls mit 
der Gründung der Dörfer, deren Namen auf -stedt ausgehen, ange- 


1) Urkunde des Kaisers Lothar vom Jahre 1134. Orig. Guelficae II, 519. 

?) Urkunde Herzog Heinrich des Löwen für das Kloster Riddagshausen. — 
Id verdanke diese Nachricht gütiger Mitteilung des Herrn Geheimen Archivrates 
Zimmermann. 

з) W. Arnold, Studien zur Deutschen Kulturgeschichte. S. 71. 


292 Th. Voges. [5 


fangen haben; heute müsste der Verfasser nicht nur die Gründungszeit 
dieser Siedelungen, also die letzten vier Jahrhunderte der vorgeschicht- 
lichen Zeit ins Auge fassen, wiewohl ja ausser dem Ortsnamen nichts 
weiter vorliegt, sondern auch, trotz der noch vorhandenen Lücken, bis in die 
Bronze- und Steinzeit zurückgehen. Somit würde die Geschichte des 
Dorfes keine acht Jahrhunderte, sondern fast 4000 Jahre umfassen. 
Dabei unterliegt es kaum einem Zweifel, dass die Zwischenräume in 
der Besiedelungszeit, die jetzt noch stumm und leer sind, dereinst zum 
Reden gebracht werden. Sind ja doch erst etwa 20 Jahre vergangen, 
seitdem hier gesucht und geforscht wird, und darum darf man wohl 
hoffen, dass diese Lücken bei einiger Aufmerksamkeit noch ausgefüllt 
werden. Sollten sich aber wirklich die Graber der Laténe-Zeit und der 
römischen Periode nicht mehr nachweisen lassen, so ist das Fehlen 
dieser Altertiimer noch immer kein Beweis für die Veródung des Dorfes 
und für die Wüstenei seiner Feldmark. Aus der Völkerwanderungszeit 
sowohl wie auch aus der altsächsischen Zeit kann, wie bemerkt, auch 
nichts aufgewiesen werden, trotzdem doch nach der Ortsnamenforschung 
das Dorf damals schon bestand. Aber auch selbst fiir den Fall, dass 
die Bewohner auszogen, um sich anderswo neue, bessere Wohnsitze 
zu suchen, dass sie mitgerissen wurden von der Wanderlust, die Ge- 
schlechter und Stámme ergriff, so werden die verlassenen Kóten nicht 
lange leer gestanden haben. Soweit der Blick zurückgeht in die Ge- 
schichte des Vaterlandes: zu allen Zeiten sind die Gaue bevölkert ge- 
wesen, und der Landhunger hat es nicht dazu kommen lassen, dass 
das mit Mühe urbar gemachte Land wieder vom Walde in Besitz ge- 
nommen wurde; neue Einwanderer haben die ehedem bewohnten Stätten 
aufgesucht und sich die Arbeit ihrer Vorgänger zu nutze gemacht, 

So steht also das Dorf, das von jenem Begeri nicht gegründet, 
sondern nur nach ihm genannt wurde, nicht auf neuem von ihm und 
seinen Leuten der Waldwildnis abgerungenem Boden, es war vielmehr altes 
Kulturland, das sie bebauten. Diese Erscheinung trifft aber auch noch bei 
anderen Orten zu, die auf -stedt ausgehen. Von braunschweigischen Orten 
mögen hier nur Watenstedt und Emmerstedt genannt sein. Ein Gleiches 
gilt von Silstedt bei Wernigerode, von Ober-Wiederstedt im Mansfelder 
Gebirgskreise und von Nienhagen, dem alten Bode-Sargstedt an der 
Holzemme !). | 

Viele der bei diesen auf -stedt ausgehenden Dörfern gefundenen 
Gegenstände sind nicht das Ergebnis planmässiger Ausgrabungen, sondern 
nur durch Zufall ans Licht gekommen. Wenn aber dereinst in und bei 
den Dörfern, wo sonst wohl Scherben vorgescichtlicher Gefässe gespürt 
wurden, sorgfältige Nachforschungen angestellt werden, so wird sich in 
noch mehr Fällen zeigen, dass auch noch andere dieser auf -stedt aus- 
gehenden Orte keineswegs Anlagen auf eben erst gerodetem Waldlande 
sind, sondern im längst offenen Gelände liegen. Auch die Dörfer, deren 
Name ein -heim, -um usw. enthält, sind weit älter, als man gewöhnlich 
annimmt. Er ist genau so, wie bei vielen Leben- und Büttel-Dörfern, 
die durchaus nicht die ersten und ältesten Ansiedelungen an der Stätte 


1) Über Nienhagen vergl. meinen Aufsatz in der Jahresschrift für die Vorge- 
schichte der sächsisch.-thüring. Lander УП (1908) S. 17. 


6] Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 293 


sind, die jetzt ihren Namen tragt. Jene Fremdlinge, deren Name noch 
im Bestimmungsworte der Dorfnamen steckt, haben ihre Häuser auf 
den Schutthaufen verlassener Kóten errichtet, sie haben den Boden bebaut, 
der längst gerodet war!). Die Siedelungskunde darf also nicht mit der 
Frage nach der Bedeutung des Ortsnamens und der Zeit seines Auf- 
tretens einsetzen, sondern muss mit der Erforschung der vorgeschicht- 
lichen Grabstätten beginnen; sie soll nicht nur die ältesten Namensformen 
aus Chroniken und Pergamenten aufsuchen, sondern die noch viel alteren 
Urkunden, nämlich die Urnenfriedhófe, aufdecken, und so das Vorhanden- 
sein von Dörfern nachweisen, deren Name freilich verklungen und un- 
wiederbringlich verloren ist. 


1) Th. Voges, Vorgeschichtlihe Siedelungen im nordharzischen Hügellande. 
Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig (VI) 1907. S. 9. 27. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe- 
und Altertumsvereins 
fur den Regierungsbezirk Coblenz. 


Von A. Günther, Coblenz. 


Das Museum des Vereins befand sich bisher in dem der Stadt 
gehörigen alten Schöffenhause, einem architektonisch merkwürdigen Ge- 
bäude, dessen zwar schöne und stimmungsvolle Räume aber seit langem 
für die Unterbringung der Sammlungen nicht mehr ausreichten. Schon 
seit Jahren hatte daher der Verein sein Augenmerk auf die Erlangung 
weiterer Räume in dem anstossenden alten Kaufhause gerichtet, das 
durch die Errichtung eines Neubaues für das dort untergebrachte städtische 
Realgymnasium im Jahre 1907 frei wurde. Dank der Unterstützung 
bewährter Gönner und dem Entgegenkommen der Stadtverwaltung wur- 
den ihm für seine Zwecke die Erdgeschossräume und die darunter 
liegende grosse gewölbte Halle überlassen. Letztere, zurzeit noch an- 
derweitig benutzt, wird jedoch erst im nächsten Frühjahr dem Verein 
übergeben werden können und soll dann zur endgiltigen und ausschliess- 
lihen Unterbringung der Altertumssammlungen dienen. 

Es galt also im Berichtsjahre zunächst die Erdgeschossräume den 
Zwecken des Vereins dienstbar zu machen. Ursprünglich bildeten diese 
Räume einen einzigen Saal von etwa 25 m Länge und 13 m Tiefe, 
dessen Decke von zwei mächtigen Steinpfeilern mit Eichenholzbiigen ge- 
tragen wurde, durch Einziehen von Wänden aber in eine Anzahl Räume 
getrennt war. Das Gebäude selbst wird schon im Jahre 1388 als das 
sogenannte „Neuwehuys“, „ein gestolze gemacht“ erwähnt und diente 
für öffentlihe Zwecke als Kauf- und Versammlungshaus. Seit dem 
Jahre 1480 sollte es nur noch dem Handel mit wollenen Tüchern und 
Körnerwaren dienen, während für leinene Tücer, für die Aufstellung 
der städtischen Wage, für Flachs- und Fettwaren ein anderes Kaufhaus 
gebaut wurde. Von vornherein war es aber auch die „gewöhnliche Ge- 
richtsstätte“, wo die Schöffen ihre Sitzungen abhielten und ihr Urteil 
sprachen '). 


') Archivrat Richter in der Cobl. Zeitung vom 3. März 1905. 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 295 


Als Wahrzeichen der Stadt ist an dem Turme unter der Uhr ein 
bártiger Ritterkopf, „der Mann vom Kaufhaus“, angebracht, der nad 
der Pendelbewegung die Augen rollt und mit jedem Stundensdilage den 
Mund aufsperrt und die Zunge streckt, Für das Schöffengericht wurde 
1530, unter Kurfürst Richard v. Greiffenklau, ein besonderes Bauwerk, 
das bisher vom Verein benutzte Schöffenhaus, aufgeführt, ein noch in 
spätgotischem Charakter mit Renaissance-Anklangen errichtetes Gebäude 
mit schónen Netzgewólben und prachtvollem Erker. 

Dieses Gebäude hatte im Jahre 1889 der um seine Vaterstadt 
hochverdiente Ehrenbürger, Herr Geheimer Kommerzienrat Jul. Wegeler, 
langjähriger Vorsitzender und Ehrenmitglied des Vereins, auf seine 
Kosten instand setzen und für die Zwecke des letzteren herrichten lassen. 
Jetzt übernahm er in ebenso hochherziger und freigebiger Weise auch 
die Wiederherstellung des Saales im alten Kaufhause, die in gediegenster 
Weise zur Ausführung gelangte. Der Verein glaubte sih daher und 
für seine so oft bewiesene tatkräftige Unterstützung zu ganz besonderer 
Dankbarkeit verpflichtet und versuchte dieser durch Beschaffung und 
Anbringung einer vom Bildhauer Wildermann in Cöln gefertigten Bronze- 
plakette mit dem Bildnis des Herrn Geheimrats in dem neuen Saale 
dauernden Ausdruck zu geben. 

Die Eröffnung des Saales fand in feierlicher Weise am 16. Mai d. J. 
in Gegenwart der Vertreter der Stadtverwaltung und vieler Mitglieder 
des Vereins statt. Der stellvertretende Vorsitzende, Herr Stadtbaurat 
Maeckler behandelte in einer längeren Festrede die Geschichte des Vereins, 
der im Jahre 1908 auf eine 25jährige erfolgreiche Tätigkeit zurück- 
blicken konnte !). Hieran schloss sich ein Rundgang durch die Samm- 
lungen unter Führung des Unterzeichneten. 


Zurzeit ist die Einteilung und Benutzung der Räume folgende: 

Im Erdgeschoss des Schöffenhauses: Im vorderen Raume die ethno- 
logische Sammlung des + Admirals Deinhard (Geschenk des Geheimen 
Kommerzienrat Wegeler), nebst einer Ausstellung mittelalterliher und 
neuzeitlicher Keramik von Coblenz und Umgebung; 

im hinteren Zimmer: Bibliothek und Vorstandszimmer. 

In den beiden Räumen des Obergeschosses: Kunstgewerbliche 
Gegenstände verschiedener Zeitalter und Länder und Römische Funde 
der Umgebung von Coblenz: Cobern-Gondorf, Urmitz, Andernach, 
Plaidt und aus den Limes-Kastellen Heddesdorf und Niederberg. 

In dem neuen Saale des Kaufhauses ist die Nordseite für die 
Ausstellung von Gemälde- und Kunstwerken vorbehalten, auf der Süd- 
seite sind einstweilen die vorgeschichtlichen, römischen und fränkischen 
Fundstücke aus Coblenz und der náheren Umgebung ausgestellt. Ausser- 
dem birgt der Kellerraum des Schöffenhauses eine Anzahl römischer Skulp- 
turen, Meilensteine und Reste der römischen Moselbrücke aus Coblenz. 

Das Museum erfreute sich eines anhaltend guten Besuches und 
erwarb sich, da es seine Sammeltatigkeit in bezug auf Ältertümer auf 
die engere Umgebung, also Stadt- und Landkreis Coblenz, beschränkt 


1) Als Festgabe aus diesem Anlasse wurde den Mitgliedern das fast aus- 
schliesslich von Angehörigen des Vereins bearbeitete Heft „Coblenz“ des Rheinischen 
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz überreicht. 


296 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


und ein möglichst vollständiges Bild der kulturgeschichtlichhen Entwicke- 
lung der engeren Heimat zu geben bemiiht ist, in weiteren Kreisen 
Anerkennung und Unterstiitzung. So wurden ihm mit freundlicher Hilfe 
des Herrn Gymnasialdirektor Dr. Weidgen die bisher im Königlichen 
Gymnasium aufbewahrten alten Skulpturen aus Coblenz, darunter das 
bekannte Grabmal des Vebeius oder Ubceius und der den Kreuzweg- 
góttern Quadriviis gewidmete Stein des Publicanen C. Crisp. Cladaeus 
überwiesen; die Gemeinde Arzheim stellte einen Grabfund der letzten 
Latene-Zeit, bestehend in mehreren Tongefässen, Eisenschwert, Lanze, 
Eisenfibel und einfachem Bronzereif mit dicker Glasperle zur Verfügung; 
aus Vallendar erhielt es mehrere Hallstatt-Gefässe, aus dem Coblenzer 
Stadtwald eine Urne der jüngeren Bronzezeit mit Scherben anderer 
Gefässe und den Resten eines Bronze-Armringes, von Herrn Apotheker 
Kiefer zwei römische Urnen (Ende des 1. Jahrhd.) von seiner Baustelle 
am Moselweisser Weg; von den Erben des verstorbenen Herrn Ge- 
heimrat Mütze mehrere bronzezeitlihe Gefässe aus Rhens, römische 
Funde aus Urmitz usw. | 

Aber auch finanzieller Unterstützung erfreute sich das Museum 
und freiwillige Beiträge seiner Mitglieder ermöglichten nicht nur den 
Erwerb weiterer Fundstücke, sondern auch die Übernahme der lokal- 
geschichtlich wertvollen und reichhaltigen Güntherschen Sammlung, wo- 
durch es seinem gesteckten Ziele der Altertumssammlung wesentlich 
näher rückte. 


Die Altertumssammlung umfasst nunmehr folgende Gruppen: 


Paläolithische Zeit: 


Diluviale Tierreste aus Metternich und Rhens, u. a. Mammutzähne, 
Schädel, Unterkiefer und Zähne von Rhinozeros antiqu., Reste von 
Cervus elaphus, Bos primig., Equus caball. foss. usw. 

Aurignacien: Silexartefakte und Steingeräte aus Metternich und 
Rhens (veröfftl.: Günther in Bonner Jahrbücher Heft 116 und R. R. Schmidt 
im ,Mannus" Heft 1/2), sowie Silexartefakte aus der Friedhofenschen 
Lössgrube in Metternich und aus Kärlich. 

Magdalénien: Silexartefakte und Knochenstücke vom Martinsberg 


b. Andernach. | 
Neolithische Zeit: 


Silexartefakte (10 Klingen) aus Rübenach bei Coblenz, geschliffene 
Steinmeissel von der Kartause (Coblenz), Urmitz u. a. O., ein facettierter 
Hammer der Schnurkeramik von Boppard, Steinwerkzeuge von Metter- 
nich usw. 

Gefässe und Scherben, darunter reich verzierte Stücke, der jüngeren 
Winkelbandkeramik nebst einzelnen Scherben der Crossgartacher, der 
Spiral-Mäander- und der Zonenkeramik aus Wohngruben am Jägerhaus 
b. Urmitz (Veröffentlihung demnächst). 


Bronzezeit: 


Grab- und Einzelfunde von Gefässen und Schmuckstücken ver- 
schiedener Perioden vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl. Günther 
in Bonner Jahrb. Heft 110). 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 297 


Grab- und Einzelfunde aus Metternich b. Coblenz, Rhens, Riibenach, 
Urmitz, Kartause-Coblenz und Coblenzer Stadtwald. 


Hallstatt-Zeit: 


Fundstücke einer Hallstatt-Wohngrube in Coblenz-Lützel (verófftl. ` 
Günther im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11), desgl. 
von der Petersschen Ziegelei in Rhens; Grab- und Einzelfunde aus 
Urmitz, Vallendar und Sayn. 


Laténe-Zeit : 
Ältere Latöne-Zeit: 

Grab- und Einzelfunde vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl. 
Günther, Bonner Jahrbücher Heft 110), Grabfunde von Coblenz-Neuen- 
dorf und Pfaffendorf bei Coblenz, 1 Flaschenurne aus Coblenz. 

Mittlere Latàne-Zeit: 

Grabfund aus dem Coblenzer Stadtwald. 

Jüngere Laténe-Zeit: 

Grabfunde aus dem Coblenzer Stadtwald (z. Teil veröfftl. Günther 

im Korrespbl. 4. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11) und dem Arz- 


heimer Gemeindewald. 
Römische Zeit: 


Die Fundstücke des frührömischen Gräberfeldes bei Coblenz- 
Neuendorf (veröfftl. Günther, Bonner Jahrb. Heft 107). 

Desgl. des Trevererdorfes im  Coblenzer Stadtwald (veröfftl. 
Bodewig in Westd. Zeitschrift ХІХ). 

Desgl. eines frührömischen Gräberfeldes vom Kaiserin Augusta-Ring 
in Coblenz (erwähnt in Bodewig, Das römische Coblenz, Westd. Zeit- 
schrift XVII, Ш und im Korrespbl. ders. ХХ, 7 und 8). 

Desgl. eines Gräberfeldes des 1.—1У. Jahrhd. von der Löhrstrasse 
zu Coblenz (zum Teil veröfftl. ebenda). | 

Desgl. eines spätrömischen Gräberfeldes am Markenbildcdhenweg 
zu Coblenz (desgl.). 

Fundstücke aus der Altstadt zu Coblenz (desgl.). 

Sechs römische Meilensteine vom Engelsweg (jetzt Römerstrasse) 
zu Coblenz, darunter drei mit ziemlich vollständigen Inschriften von 
Claudius (44 n. Chr.), Traian (98 n. Chr.) und wahrscheinlih Nerva 
(97 n. Chr.), (veröfftl. von Günther in den Coblenzer Tagesblättern und 
Lehner im Korrespbl. 4. Westd. Zeitschr. ХУШ, Nr. 4 und 5). 

Römische Skulpturen und Inschriftsteine aus Coblenz und aus der 
römischen Moselbrücke daselbst (zum Teil in: Bodewig, das römische 
Coblenz, Westd. Zeitschr. XVII, Ш). | 

Fundstücke des 1.—1V. Jahrhunderts aus Cobern-Gondorf, Urmitz, 
Andernach und Plaidt. 

Fundstücke aus den Limes-Kastellen Neuwied- Heddersdorf und 
Niederberg (z. T. im grossen Limeswerk (ORL), Kastell Niederberg). 


Frankische Zeit: 


Grabfunde aus Coblenz, Metternich, Urmitz, Sackenheimer Hof 
b. Bassenheim. Rhens, Sebastian Engers und Miilhofen. 
Mannus Bd. 1. H. 3:4. 20 


298 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Hieran schliesst sich die reihe Sammlung von Erzeugnissen des 
Mittelalters und der Neuzeit. 


Von den Arbeiten und Erwerbungen des Vereins aus den 
letzten Monaten sind zu erwähnen: 

Die Aufdeckung der römischen Stadtmauer und Kulturschichten bei 
dem Neubau des Hauses Altenhof 3 in Coblenz, 

die Aufdeckung weiterer Teile der Römischen Heerstrasse am 
alten Engelsweg, wobei auch der von Eltester (Bonner Jahrb. Heft 52, 
1872) erwähnte Seitenkanal wieder festgestellt wurde, 

die Aufdeckung eines Römischen Töpferofens in Niederberg (ver- 
ОНИ. Günther im Röm.-Germ. Korrespbl. Jahrg. Il, Nr. 5, 1909), 

die Aufdeckung mehrerer Gräber der Antoninen-Zeit in Arenberg 
b. Ehrenbreitstein, 

der Erwerb einiger fränkischer Gefüsse aus Urmitz. 


Prähistorisches Museum zu Köln. 
Von C. Rademacher, Köln. 


Das Städtische prähistorische Museum zu Köln, begründet von der 
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, wurde im August 1907 eröffnet. 
Die Eröffnung war verbunden mit einem prähistorischen Kongress!), zu 
dem namhafte Forscher des In- und Auslandes erschienen waren. Seit 
der Eröffnung haben sich die Sammlungen bedeutend vermehrt, sodass 
an dieser Stelle einiges darüber mitgeteilt werden mag. Das Museum 
selbst, in den Räumen des „Bayenthurmes“ untergebracht, besteht aus 
drei übereinander liegenden geräumigen Sälen. Der untere Saal enthält 
nur Diluvialfunde Westeuropas, der zweite Übergangsperioden zur jüngeren 
Steinzeit, die jüngere Steinzeit und die Bronzezeit, der dritte Saal endlich 
Hallstatt- und Laténezeit sowie römische Kaiserzeit. 

Was die Vermehrung der paläolithischen Periode angeht, so sei 
an erster Stelle hier erwähnt, dass bei der Eröffnung des Museums 
eine Sonderausstellung von Funden aus La Micoque und La Grange aus 
dem Vézéretale in dem Museum zur Aufstellung gelangt war, die 
berechtigterweise die Aufmerksamkeit der Forscher wachrief. Als eine 
hochherzige Schenkung des Förderers unseres Museums, des Geheimen 
Kommerzienrates Herrn E v. Rath, ist diese Sammlung in den Besitz 
des Museums übergegangen. Das Kölner Museum besitzt nunmehr die 
reichhaltigste und wichtigste Sammlung von La Micoque, jener bekannten 
Acheuléen-Moustérien-Station, die sich durch die wunderbare Feinheit 
der Objekte und ihre einzige, elfenbeinartige Patina auszeichnet. Die 


1) Der Bericht über die Verhandlungen des Kongresses, herausgegeben von der 
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, ist vor kurzem erschienen, 179 S. gr. 8 mit 
193 Ab. u. 5 Tafeln. Preis 3,50 Mk. 


Ш. Aus Museen und Уегетел. 299 


zierlichen und feinen Keile vom Acheultypus sind in den verschiedenen 
Formen und Gróssen vorhanden und fast alle, wie auch die übrigen 
Moustérientypen, von einer wunderbaren Sorgfalt der Bearbeitung. Die 
Magdalénien-Station La Grange weist neben zahlreichen typischen Ge- 
ráten dieser Periode einzelne hervorragende Werkzeuge auf, die eine 
doppelte Bestimmung hatten. Unter den Knochen- und Hornwerkzeugen 
ist bemerkenswert ein Doppelpfriem mit halbkreisfórmigem Handgriff, 
Amulette, verzierte Knochen und endlich eine sog. Lampe, die nicht 
weit von dieser Station, bei La Marsaille, gefunden worden ist. 


Aus Chelles und Acheul selbst wurden typische und atypische Stücke 
erworben, daneben auch Chelles-Keile aus Italien. Prof. Schweinfurth 
stiftete eine umfangreiche Sammlung paläolithischer und eolithischer Werk- 
zeuge aus Ägypten (Theben), welche die Übereinstimmung dieser primi- 
tiven Kulturen für Westeuropa und Afrika aufs deutlichste zur Anschauung 
bringen. Das Mousterien der Krapinahöhle ist vertreten durch eine 
Kollektion typischer Steingeräte und menschlicher Skeletteile, deren 
Abgüsse der verdienstvolle Forscher der Krapinahóhle, Prof. Gorjanovié- 
Kramberger in Agram, als Geschenk dem Museum überwies. Auch 
die vorhandenen Sammlungen des Solutréen und Magdalénien fanden 
durch geschlossene Funde reiche Vermehrung, sodass nunmehr die ge- 
samte paläolithische Abteilung in einer gewissen Vollständigkeit und 
Reichhaltigkeit vorhanden ist und einen Überblick über die Kulturent- 
wickelung während des Diluviums gestattet, und das nicht nur durch 
eine sog. Typensammlung, sondern hauptsächlich durch zusammen- 
hängende, geschlossene Funde. 

Die Übergangsperioden zur jüngeren Steinzeit konnten durch die 
Bemühungen des Museums auch im Rheinlande festgestellt werden. 
Das aus den Schriften Rutots bekannte Flénusien, charakterisiert durch 
die eolithenartige Bearbeitung des Silex, wurde in Muffet bei Aachen 
entdeckt. Da Rutot eine Kollektion des belgischen Flenusien dem 
Museum stiftete, ermöglicht die Zusammenstellung ein Urteil über die 
Übereinstimmung der beiden Fundplätze. Auf dem Lousberge bei Aachen 
fand sich eine Campignien-Station. Die Wohnstätten haben auf dem 
Plateau des Berges gelegen. Durch Abschwemmungen sind zahlreiche 
Silexstücke, darunter typische Geräte, an die Abhänge des Berges 
gerollt, wo sie 1908 entdeckt worden sind. Typische Gratbeilformen 
vermischt mit solchen, die bereits an das eigentliche Beil des Neolithi- 
kums erinnern, obschon die Polierung noch vollständig fehlt, beweisen, 
dass die Station einer Zeit angehört haben muss, die dem polierten 
Beile direkt voranging. 

Die Tardenoisienindustrie mit ihren mikrolithischen Geräten konnte 
in der Umgegend von Köln (Troisdorf) festgestellt werden. Dieder- 
spitzen, Schaber und andere kleine Geräte sind 1908 daselbst gefunden. 
Zum Vergleich wurden französische Tardenoisiengeräte aus verschiedenen 
Fundorten erworben. Das Robenhausien von Spiennes in Belgien ist 
durch eine reiche Auswahl vertreten, die neben Kratzern, Schabern, 
Bohrern, die Entwickelung des polierten Beiles aus dem Gratbeil vor- 
führt. Bemerkenswert sind grosse Schlägel aus Feuerstein, gefunden in 
dem Bergwerk zu Spiennes, wo die Neolithiker ihren Feuerstein gewannen. 
Bekannt ist die Station ja besonders durch den Umstand geworden, 

20* 


300 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


dass Skelette der alten neolithischen Feuerstein- Bergleute hier zutage 
gekommen sind. (Vergl. Rutots Schrift hierüber und 'Mannus' I, 35.) 
Interessant ist eine Erwerbung aus den russischen neolithischen Stationen 
mit denselben Formen der Feuersteingeráte und einer Keramik, die als 
Ornamente tief eingedrückte, kreisfórmige Stempelverzierung aufweist. 
Auch die Sammlung der rheinischen polierten Steingeráte fand eine be- 
merkenswerte Ergänzung durch eine Anzahl fein polierter, zum Teil 
durchbohrter Axte und Hammer aus der Gegend des Niederrheins, die 
als Einzelfunde von dem Museum erworben werden konnten. Pfeil- 
spitzen, Schaber und Messer des Neolithikums fanden sich an ver- 
schiedenen Orten. 


Für die Keramik des rheinischen Neolithikums sind bedeutsam 
die Funde von dem Gráberfelde bei Kretz am Laacher See, welche die 
Firma Zervas Söhne in Köln dem Museum überwies. Es sind zierliche, 
der bandkeramischen Stufe angehörige Gefässe teils mit Winkelband, 
teils mit Spiralverzierung. Ein kleines Gefäss verdient besondere 
Beachtung. Es trágt an dem S-fórmigen Halse eine Anzahl Warzen, 
die als Band das Gefáss umgeben. Dem Künstler muss der Ursprung 
und die Bedeutung dieser Warzen, die eine Nachahmung der Brust- 
warzen darstellen, noch geläufig gewesen sein, denn zwei solcher Warzen, 
nebeneinander gestellt, ganz ausser der Reihe, beweisen dies aufs 
deutlichste. 

In der Nähe von Köln, bei Wahn, konnte 1907 eine steinzeitliche 
Station, der Untergrombacher Periode angehörig, entdeckt werden, die 
bereits charakteristische Funde lieferte. Die vollstandige Erforschung 
steht noch aus. 

Die Sammlungen aus der Bronzezeit fanden sehr zahlreiche Ver- 
mehrung, zunächst durch Bronzefunde aus dem Bieler See samt der 
dazu gehórigen Keramik und der Aufstellung eines grossen Modelles 
eines bronzezeitlichen Pfahlbaudorfes, das der Verein der Kölner Alter- 
tumsfreunde dem Museum stiftete. Ungarn ist in den Erwerbungen 
des letzten Jahres durch einen reichen Bronzedepotfund, wie durch eine 
Anzahl der bekannten Kupferáxte vertreten, desgleichen konnten einige 
zierliche Becher, alle incrustiert, erworben werden. Die rheinischen 
Bronzeäxte wurden durch eine ganze Anzahl vermehrt, meist Geschenke 
von Gónnern. Vor allem ist hier ein Grabfund aus einem Hügel bei 
Köln zu erwähnen, der neben einem triangulären Dolche eine seltene 
Form der Axt aufweist. Es ist eine Absatzaxt mit rundem, langaus- 
gezogenem Mittelstück, durch eingeschlagene Ornamente reich verziert. 
Eine ähnliche Axt ist bisher in den Rheinlanden und auch in Deutsch- 
land nicht gefunden, wie das Prof. Lissauer einige Tage vor seinem 
Tode noch dem Berichterstatter mitteilte. Auch eine prachtige Radnadel 
aus der Gegend des Laacher Sees gelangte in das Museum. Zum Ver- 
standnis des Publikums dienen das Modell einer Bohrmaschine zur 
Durchlochung der Steingeráte, das Modell eines Pfahlbauwebstuhles 
und zwei spätbronzezeitliche Gräber, welch letztere in einer Nische 
des 2. Saales Aufstellung gefunden haben. 

Eine andere Nische enthalt einen vollstándig aufgebauten Grab- 
hügel, wie sie zu Tausenden an beiden Seiten des Niederrheines sich 
vorfinden. Das Grab ist aus der Hallstattzeit und leitet zu dem 


Ш. Aus Museen und Уегетел. | 301 


dritten Saal über, der die Funde aus den Grabhügeln des Niederrheines 
enthalt. Seit der Eróffnung ist dieser Saal neugeordnet und die Samm- 
lung sehr vermehrt worden. Das Gebiet zwischen Sieg und Wupper ist 
nunmehr mit einer gewissen Vollständigkeit vertreten. Von allen Be- 
gräbnisplätzen zwischen Sieg und Wupper ist eine grosse Anzahl Grabfunde 
zu einem Gesamtbilde vereinigt, alles nach Gräbern sorgfältig geordnet. 
Jedes Grab ist abgeteilt und enthält eine Grabskizze, die den Hügel 
und seinen Inhalt zur Darstellung bringt. Nunmehr gelingt es auch 
hier, an die Zeitstellung der Funde heranzutreten. 

Schon bei der Eröffnung des Museums waren Funde von einer 
germanischen Niederlassung auf dem Fliegenberge bei Troisdorf vor- 
handen. Die Untersuchungen über die ja im 1. Hefte des , Mannus* 
Bericht erstattet worden ist, werden fortgesetzt. Es ist eine Nieder- 
lassung der rómischen Kaiserzeit, die bis ins 4. Jahrhundert sich ver- 
folgen lässt. Auch die Gräber dieser Niederlassung sind gefunden, 
reich ausgestattet mit Silberfibeln, Bronze-Scherben, rómischen Gefássen, 
germanischen Urnen, darunter auch die belgische Gesichtsvase mit 
den sechs Gótterbildnissen. Ein genauer Bericht hierüber wird dem- 
nüchst folgen. Diese Graber sind ohne Hügel. Im Scheuerbusche bei 
Wahn konnten ebenfalls Gráber der rómischen Kaiserzeit festgestellt 
werden, meist zerbrochene Gefásse germanischer oder rómischer Prove- 
nienz, übereinstimmend mit den Funden in Giessen. Bei Cleve ward 
Ahnliches in diesem Jahre beobachtet. Dort im Walde bei Moyland 
. finden sich eine Anzahl Gráberfelder mit ganz verschiedenem Charakter. 
Eines mit Graburnen, wie sie in niederrheinischen Hügeln typisch sind, 
andere mit Scherben, darunter vielfach solche rómischer Herkunft, 
zahlreiche Brandasche, zerstreute Knochen, ganz kleine Hügel. In den 
Grabhügeln zwischen Sieg und Wupper, wie sie im Kölner Museum 
ausgestellt sind, findet sich dagegen nur einmal eine Spur rómischer 
Beimischung (Wahn). Die genauen Ergebnisse werden ebenfalls dem- 
nächst veröffentlicht werden. 


Städtisches Museum, Braunschweig. 


Neue Erwerbungen mitgeteilt von F. Fuhse. 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Für die vorgeschichtlichhe Abteilung wurde im Geschäftsjahr 1908/09 
die Sammlung des Oberrealschullehrers Krone erworben: Funde von 
neolithischen (bes. bandkeramischen) Siedelungen bei Hessen a. Fallstein, 
Halchter und Ohrum am Oder, Gr. Vahlberg und Wittmar an der Asse; 
Latene: Leiferde, Kr. Wolfenbüttel, Wasbüttel; Völkerwanderung: Osel, 
Wolfenbüttel, Harzbüttel. — An Einzelfunden der Sammlung Krone sind 
zu erwähnen: 98 Steinwaffen (axte und Hammer aus verschiedenen Ge- 


302 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


steinsarten) von der Feldmark Räbke am Elm. Der Reichtum an Stein- 
waffen auf dieser kleinen Feldmark war ein ganz ausserordentlicher. Fast 
alle öffentlihen und Privatsammlungen unseres Landes besitzen von 
dort eine grössere Anzahl von Steingeräten. — Vom Osel stammt ein 
Instrument von weissem Feuerstein, das als Urtypus des Töpfer- 
rádchens zu betrachten ist (s. Abbildung 1 in nat. Gr.). Man kann 
mit ihm nicht nur in Ton, sondern auch in Holz und Leder bequem ein 


aus Punkten sich zusammensetzendes Ornament eindrücken. — Bronze- 
absatzüxte aus Helmstedt, Wendeburg und vom Regenstein. Tüllenaxt 
mit ausladender Schneide aus Helmstedt. — Ringförmige blaue Glas- 


perle mit vier gelben Augenringen aus Warberg, ähnlich Pit-Déchelette, 
Le Hradischt de Stradonitz Pl. VI, 44. 


Abb. 1. 11. 
Osel, Kreis Wolfenbüttel. 


Abb. 2a b. 13. 
Roskilde, Seeland. 


Se. Hoheit der Herzog-Regent überwies eine grosse und aus- 
gezeichnete Sammlung dänischer Steinwaffen und Werkzeuge, darunter 
die seltene 'Flügelaxt von Roskilde, 18 cm lang (Abb. 2), nebst einigen 
Bronzeschwertern und Axten. 

Hr. Oberlehrer Hahne III schenkte eine kleine Axt aus grauem 
Stein und einen bearbeiteten Feuersteinsplitter aus dem Forstbezirke 
Wolfstal bei Stiege im Harz. Bisher waren aus jener Gegend vorgeschicht- 
liche Gegenstände nicht bekannt. 


Ш. Aus Museen und Уегетел. 303 


Aus der Provinz Posen. 


Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen 
vom Januar bis Juni 1909 
mitgeteilt von Erich Blume. 


Zur Einteilung der Funde werde ich fortan die fünf kulturell. 
chronologishen Gruppen wählen, die ich т dem Bericht über die Neu- 
ordnung der vorgescichtlichen Abteilung, erschienen in dem Verzeichnis 
über die vorgeschichtlihe Sonderausstellung, dargelegt habe: 


Ausstellung im Kaiser-Friedrih-Museum 
vor- und frühgeschichtliche Altertümer 
aus dem Gebiet der Provinz Posen. Posen 1909. 


Im Folgenden werden nur die Erwerbungen aufgeführt, die in jenem 
Verzeichnis nicht behandelt sind. 


Abkürzungen: G. = Geschenk; Kr. = Kreis; Ort, = Gräberfeld; 
Brz. = Bronzezeit; у. = von; fr. = früher. 


Il. Indogermanische Zeit. 


1. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 177/178. Steinaxt- 
hammer; Grundriss Spitzoval, dessen eines Ende quer abgeschnitten 
ist; Bohrloch konisch; gef. im Sommer 1898. — G. der kgl. Wasser- 
bauinspektion Czarnikau. | 

2. Golencin, Kr. Posen-Ost. Funde von einem steinzeitlichen 
Siedlungsplatz (Splitter, Spanmesser, Pfeilspitzen aus Feuerstein; 
Reibsteine, Schleifsteinbruchstiick, Scherben и. a.) auf den Hóhen 
am Bogdankatal. Vgl. Mannus I, 138, Nr. 1. — Gesammelt и. gesch. 
von Sammlungsaufseher Thamm, Posen. 

3. Nifke, Kr. Schrimm. Funde von einer steinzeitl. Siedlungs- 
stelle auf Sanddünen an der Wartheniederung, offenbar denen 
von Lassek-Luban, Kr. Posen-West (Mannus, |, 138, Nr. 5) zeit- 
lih parallel. — Ат 20. Vl. gefunden vom Verfasser. 


Ш. Thrakische (karpodakische) Kulturgruppen. 


4. Czarnikau. Zwei Tongefásse, eines noch mit Leichenbrandresten, 
und Scherben von wenigstens fünf andern (Brz. 4); gef. „Бе! den 
Durchsticharbeiten in Station 162/3 der Netze in der Wiese der 
katholischen Pfarrgemeinde Cz.“ — а. d. kgl. Wasserbauinspektion 
Czarnikau. 

5. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 176/7: Steinaxthammer 
von fünfeckigem Grundriss; Bohrloch konisch; auf einer Seite Spur 
einer falsch angesetzten Hohlbohrung. Gef. im Nov. 1898 beim 
Baggern. — G. wie Nr. 4. 


304 
6. 


Zalesie noch eine wie die oben genannten Оеѓаѕѕе von ihm 


Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Chojno, Kr. Rawitsch. Vom Grf. in der Grzeba (vgl. Ausst. 
Nr. 241—435 u. a.) Tongefásse und Metallbeigaben aus einem 
Grabfund und viele Scherben aus zerstörten Gräbern (Brz. 5; 
älteste Eisenz.). — Amtliche Untersuchung am 2. VI. 

Sulmirschütz (Sulmierzyce), Kr. Adelnau. Flur Zalesie (ndl. 
v. S.) Verzierter graphitierter Scherben von einem Grf. (jgst. Stufe). 
Vom selben Ort, stammen die beiden Tongefásse Posener archäo- 
logische Mitteilungen I, Taf. VII, 16 und VIII, 5 (Text S. 23 f.), 
die also auch örtlich mit den kaiserzeitlihen Funden nichts zu tun 
haben. Diese sind südlich von 5. gehoben worden (Flur Wielki zal). 
— Mitteilung und Geschenk von Pfarrer Gibasiewicz, Siedlemin !). 


IV. Germanische Kulturgruppen. 


Tongefäss, wohl aus der Umgebung von Czarnikau, dessen Fund- 
ort aber nicht feststeht; eingeliefert mit Nr. 4. Vgl. Abb.: es er- 
innert sehr an westgermanische Laténeformen in Profil wie Ver- 
zierungen (wagerechte Linie auf der Schulter, darüber 20 alternierend 


Nr. 10. As 


schräggestellte Strichgruppen bis zum Halsansatz; herab von ihr 
laufen 16 senkrechte Linien in ungleichen Zwischenräumen. Das 
Tongefäss steht m. W. in der Provinz Posen vereinzelt da. — 
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau. 

Kokorzyn, Kr. Kosten. Ziegelei. Tongefäss und Bruchstücke 
einer Lanzenspitze und eines Messers aus Eisen, zusammen gefunden 
auf dem (rf. der römischen Kz. Vgl. Mannus I, 140, Nr. 36 und 
Sieh Nr. 2051 und 2463—2482. — G. v. Rittmeister Hilde- 
rand, K. 


') Herr Pfarrer Gibasiewicz besitzt von dem Gräberfeld 


selbst gefundene kleine Bronzeschnalle, die hier abgebildet ist. 
Sie hat einen eingliedrigen ovalen Rahmen und rechteckige, 
nicht sehr sauber gearbeitete Riemenkappe. Der Dorn zeigt 
eine abwärts gebogene Spitze und an der Wurzel cine recht, 
еке Erhöhung, die mit einer Rille verziert ist und zu beiden 


Seiten von dieser mit Linien. Das Stück gehört der jüngeren 
Kaiserzeit an, etwa der Tischlerschen Periode D, und ist eines 
der wenigen dieser Zeit aus der Provinz Posen (vgl. Ausstellung 
im Kaiser-Friedrih-Museum 5. 18). Zu Nr. 7. *4. 


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Ш. Aus Museen ила Vereinen. 305 


10. Posen, Stadt (Oberwilda). Kleines Tongefáss mit fast zylindrischer 
Wandung und dickem ausladenden Rande, zugedeckt mit alt aus- 
gebrochenem Tongefässboden, gef. zwischen Scherben in einer 
Brandgrube nahe der Grenze von Dembsen, Kr. Posen-West, beim 
Bahnbau. Es enthält noch Branderde und Leichenbrandreste. 
Abb. (Laténezeit). — G. d. kgl. Eisenbahnbauabteilung für den 
Umbau des Bahnhofs Posen. 

11. Spiegel (fr. Oporzyn), Kr. Wongrowitz. Unterteil einer Urne 
aus einem Steinkistengrabe. Vgl. Ausst. Nr. 734—736. — G. v. 
Lehrer Kliemke, Sp. 


Unbestimmt. 


12. Bei Czarnikau aus der Netze: 5 hohe gerundet pyramidenfórmige, 
oben wagerecht durchbohrte Netzsenker. Beschnittenes Hirschgeweih. 
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 
Zweiggesellschaft Berlin. 


Sitzungsbericht. 


In der 4. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin am 22. Mai 1909 im Vor- 
tragssaale des Märkischen Museums legte der 1. Vorsitzende, Universitäts-Professor 
Dr. G. Kossinna, verschiedene neu erschienene Werke vor, so die von E. Hollack 
im Auftrage des Provinzialverbandes bearbeitete Vorgeschichtliche Über- 
sichtskarte von Ostpreussen nebst dem die „Erläuterungen“ enthalten- 
den Textbande, eine Arbeit, die sämtliche neueren Forschungen zu verwerten sucht, 
ferner eine Abhandlung des Dorpater Gelehrten R. Hausmann, die als Fortsetzung 
zu dem Kataloge der grossen archäologischen Ausstellung zu Riga vom Jahre 1896 
eine „Übersicht über die archäologische Forschung in den Ost- 
seeprovinzen im letzten Jahrzehnt“ gibt, und schliesslich das zweibändige 
überreich illustrierte Werk уоп О. у. НоуогКа und A.Kronfeld „Vergleichende 
Volksmedizin*, in dem sich neben volkskundlichen und kulturgeschichtlichen 
. Abhandlungen auch viele den Prähistoriker interessierende Mitteilungen, so über 
Beigaben in Grabstätten, Amulette und andere Arten von Abwehrmitteln, Damonen- 
glauben u. a. finden. 

Der vom 1. Vorsitzenden gleichfalls vorgelegte, von J. Heierli verfasste 
1. Jahresbericht der Schweiz. Gesellschaft für Urgeschichte enthält 
einen Überblick über die Entstehung und die Geschichte der Gesellschaft und über 
die in den Jahren 1907—1908 in der Schweiz gemachten vorgeschichtlichen Funde 
und lässt ersehen, dass die Gesellschaft eine Zentralisierung der vorgeschichtlichen 
Funde und die Gründung eines schweizerischen Archivs für Vorgeschichte als 
Grundlage für eine künftige Vorgeschichtliche Karte der Schweiz anstrebt. Ferner 
gelangten zur Vorlage mehrere Abhandlungen von Rutot über den Unterkiefer des 


306 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


Homo Heidelbergensis, über die Hauserschen Skelettfunde von Moustier und 
über die Eolithenfrage, eine Arbeit von Schierholz über die Ortlichkeit der 
Varusschlacht und eine Abhandlung von Stuhl (Würzburg) über das altrómische 
Arvallied, endlich einige akademische Abhandlungen des hervorragendsten Keltisten, 
unseres Mitgliedes Heinrich Zimmer ,über direkte Handelsverbindungen 
Westgalliens mit Irland im Altertum und frühen Mittelalter*, 
worin besonders die Mitteilungen über den Weinhandel der gallorómischen Zeit 
von hóchstem Interesse sind. 

Prof. Kossinna teilte darauf mit, dass ein Mitglied der Gesellschaft, 
Prof. Dr. О. Mertins in Breslau, gestorben sei, ein verdienstvoller Prähistoriker, 
der zahlreiche Abhandlungen über die Vorgeschichte Schlesiens, besonders aus 
der Bronzezeit, und 1906 einen ,Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens* 
verfasst habe (s. S. 166 u. 322). Ausserdem gelangte die Einladung der Verwaltung 
des Provinzial-Museums in Hannover zum Besuch der vorgeschichtlichen 
Ausstellung, die anlásslich der Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte veranstaltet wird, zur Verlesung. Prof. Dr. Kossinna und 
Privatdozent Dr. Hahne knüpften daran nähere Mitteilungen über das Programm 
der vom 6.-9. August 1909 in Hannover stattfindenden Hauptversammlung. 

Zur Vorbereitung auf den im Juni geplanten Ausflug nach Seddin hielt 
Dr. A. Kiekebusch einen kurzen Vortrag über das Kónigsgrab bei Seddin, 
in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder ausführliche Angaben über die 
Ortlichkeit, über die Grössenverhältnisse des Grabhügels und der Grabkammer, 
über die dort gemachten Funde und über die mit dem Hügel verknüpften Sagen, 
sowie über einige benachbarte Hügelgräber machte. 

Schriftsteller Willi Pastor behandelte darauf in einem Lichtbilder-Vortrag 
das „Problem der Trojaburgen“, in dem er die Bedeutung dieser Stein- 
setzungen als Kultstátten des Sonnendienstes nachzuweisen suchte, eine Ansicht, 
die bereits Ernst Krause in seinem Werke über die ,Trojaburgen Nordeuropas* 
(1893) ausgesprochen hat. Der Vortragende ging von dem in der Frühlingszeit 
von den Kindern eifrig betriebenen Spiele ,Himmel und Hólle* aus und zeigte, 
dass der mit Kreide auf das Strassenpflaster gezeichnete Spiralgang mit den Zahlen 
1—12 und den Feldern ,Himmel* und ,Hólle* eine Nachbildung der Labyrinthwege 
der Trojaburgen sei. Dieses Kinderspiel weise auf ein früheres Volksfest zurück, 
das wiederum seine Entstehung einem uralten Kultgebrauche verdanke. 

In Wisby auf der Insel Gotland benutzen die Kinder beim ,Trojaspiel*, das 
unserem ,lHimmel-und-Hólle-Spiel^ verwandt ist, die sogenannte ,Trojaburg?*, 
ein eigenartiges Gebilde aus Findlingsblócken mit labyrinthisch verschlungenen 
Gàngen, die von den Spielenden durchlaufen werden, mit dem Zweck, als Erster 
den Ausgang wieder zu erreichen. Diese Steinsetzung ist uralt, wie die in den 
Erdboden halb eingesunkenen erratischen Blócke erkennen lassen, ausserdem deuten 
verschiedene Sagen von der Entstehung der Trojaburg auf ihr hohes Alter hin. 
Von Kindern ist die Steinsetzung nicht erbaut worden, dagegen spricht die Grósse 
einzelner Blócke, vielmehr ist sie von Erwachsenen angelegt, und zwar, wie aus 
älteren Darstellungen hervorzugehen scheint, zur Veranstaltung von Volks- 
festen. In Gotland selbst hat sich hiervon nichts erhalten, nur das „Trojarennen“ 
der Kinder ist als Nachklang eines früheren Volksfestes zu betrachten, aber aus 
der Darstellung einer Trojaburg in einer Klosterhandschrift des 12. Jahrhunderts, 
aus labyrinthischen Zeichnungen auf kretischen Münzen des 4. vorchristlichen Jahr- 
hunderts und aus der figurenreichen Darstellung des Tonkruges von Traglia- 
tella, der dem etruskischen Kulturkreise des 7. Jahrhunderts vor Christi Geburt 


Ш. Aus. Museen und Vereinen. 307 


angehört, ersieht man, dass die ,Trojaburgen* im Mittelalter und bereits im Alter- 
tum bekannt waren und zur Veranstaltung von Volksfesten oder Festspielen benutzt 
wurden. Für die letzte Annahme ist die Darstellung auf dem Kruge von Traglia- 
tella von Bedeutung: sie zeigt den aufrechtstehenden Grundriss einer Trojaburg, 
ähnlich der noch erhaltenen Steinsetzung in Wisby, und vor dem Ausgange zwei 
Berittene, die soeben die labyrinthisch verschlungenen Gänge verlassen haben, 
- wührend vor den Reitern eine Gestalt mit einer Keule und vor dieser sieben Jüng- 
linge im Tanzschritt einherschreiten, die mit Speeren und einem Schilde, auf dem 
der Sonneneber dargestellt ist, bewaffnet sind. Der erwáhnte Grundriss ist durch 
das in runenähnlicher, rückläufiger Schrift eingeritzte Wort ,Truia* als Trojaburg 
gekennzeichnet. Man hat es hier mit einer Darstellung zu tun aus einer Zeit, als 
die Trojaburgen noch Festspielplátze für Erwachsene waren. 

Der Reigen, der auf dem genannten Kruge dargestellt ist, dürfte das gleiche 
sein, was spätere Zeiten mit dem Namen ,ludus Trojae* bezeichnen, und da bei 
diesen Spielen, wie Vergil berichtet, Figuren, geritten wurden, die den Linien des 
kretischen Labyrinths entsprachen, so haben sie, wie die Darstellungen auf kretischen 
Münzen zeigen, in Beziehung zur Trojaburg gestanden. Welchen Charakter diese 
Festspiele trugen, lässt sich aus anderen Darstellungen des Tragliatella-Kruges er- 
sehen, wo die Beischrift einer weiblichen Figur ,mi Velena*, ,ich bin Helena* 
zeigt, dass der Inhalt des Spiels der Helena- bezw. der Trojasage entnommen 
worden ist, und da diese Sage als Erzáhlung von den Schicksalen der entführten, 
gefangenen und schliesslich wieder befreiten Sonnenfrau gedeutet wird, so 
haben die Trojaspiele sicherlich in Beziehung zum Sonnenkult gestanden. Wie die 
weibliche Gestalt auf dem Tragliatella-Kruge die jungfräuliche Sonne bezeichnet, so 
ist die erwähnte keulentragende Gestalt als Vertreter des Wintergottes anzusprechen, 
man hat es also in der Darstellung mit dem Kampfe des Winters gegen die Sonne 
und mit dem Siege des wiedererwachenden Frühlings zu tun. Denselben Gedanken 
sollten auch die Trojaspiele zum Ausdruck bringen, und wenn man erwägt, 
dass in älteren Berichten mitgeteilt wird, durch die Volksfeste bei den Trojaburgen 
und ähnlichen Steinsetzungen sei in England und in der Mark Brandenburg das 
Wiedererwachen der Frühlingssonne gefeiert worden, wenn man daran denkt, dass 
das ,Himmel-und-Hólle-Spiel^ unserer Kinder‘ im Mai und Juni, in den Tagen des 
beginnenden Frühlings, der wiedererwachten Sonne ausgeübt wird, so dürfte es 
keinem Zweifel unterliegen, dass die Trojaspiele und mit ihnen in noch hóherem 
Grade die Trojaburgen in Beziehung zum Sonnenkult gestanden haben. 

Es fragt sich nun, aus welchen religiösen Bräuchen heraus die Trojaspiele 
entstanden sind, und wie man dazu kam, diesen Festen solche merkwürdig ver- 
schlungenen Gebilde, wie es die Trojaburgen sind, zugrunde zu legen. Für die 
Beantwortung dieser Frage ist von grosser Wichtigkeit ein Volksglaube, der sich, 
wie Willi Pastor erwähnte, mit einer erstaunlichen Zähigkeit noch heute hier 
und da in Schweden erhalten hat, der Glaube, dass man mit den Troja- 
burgen ,Wetter machen* kónne. Das Landvolk glaubt, dass man einen 
Sturm herauf- oder herabbeschwóren, dass man die Sonne erscheinen oder ver- 
schwinden lassen kann, je nachdem man die Gange der Trojaburg nach der einen 
oder nach der anderen Richtung hin durchläuft, und diese Anschauung deckt sich 
gewissermassen mit dem, was einige antike Autoren von alten heiligen Reigen be- 
richten, nämlich, dass die Teilnehmer die Dinge bezauberten oder entzauberten, 
je nachdem ihr Reigen dem rechts oder links stehenden Anführer folgte. Liegt 
dieser letzten Anschauung eine altgermanische Kultvorschrift, die der Rechts- 
umwandlung aller Heiligtümer, die dreimal mit der Sonne umgangen werden 


308 Ш. Aus Museen und Vereinen. 


mussten, zugrunde, so tritt uns in der Benutzung der Trojaburgen zum Beschwóren 
oder Bezaubern der Sonne die Weltanschauung der noch auf schamanistischer 
Stufe stehenden Vólker entgegen, der Gedanke, dass man die Dinge durch 
ihr Ebenbild bezaubern kónne, ein Gedanke, der noch heute im Zauber- 
glauben der Naturvólker, im Votiv- und Amulettaberglauben einen Ausdruck findet. 
Im Labyrinth der Trojaburgen hat man versucht, die Sonnenlaufbahn nachzu- 
bilden, und glaubte, mit diesen Gebilden über die Sonne selbst 
Macht zu gewinnen. 

Das kunstvoll verschlungene Gebilde einer Trojaburg, wie man sie z. B. bei 
Wisby findet, kann aber nicht die älteste Gestalt dieser Stätten eines ganz ursprüng- 
lichen Sonnendienstes gewesen sein, und in der Tat finden sich einfachere Gebilde, 
so eine Trojaburg auf der Insel Wier im hohen Norden, bei der konzentrische 
Kreise mit wechselnden Ausgängen einen Gang umschliessen, der zu einer ganz 
einfach spiraligen Anlage führt! Einfache Spiralen oder ein System konzen- 
trischer Kreise sind es auch, die uns auf alten Darstellungen der Trojaburgen, auf 
den englischen Bildsteinen, auf den Schwellensteinen der nordischen Ganggräber 
und in den Figuren des „Himmel- und Hölle-Spiels“ entgegentreten, und sie sind 
nach Pastors Ansicht auch die ursprünglichste Form der Trojaburgen gewesen. 
Und diese Form weist zugleich auf das Ursprungsland der Trojaburgen, auf den 
skandinavischen Norden hin. Hier bietet die Sonnenlaufbahn tatsächlich 
das Bild einer sich verjüngenden Spirale oder enger werdender konzentrischer 
Kreise dar, und diese Sonnenlaufbahn, die immer wieder beobachtet wurde, hat 
ein noch schamanistisch geschulter Geist in den Steinsetzungen der Trojaburgen 
nachzubilden versucht. Vom Norden aus haben sich die Trojaburgen über ganz 
Europa ausgebreitet, ihr Verbreitungsgebiet reicht vom nördlichen Eismeer bis in 
das Mittelmeergebiet und von Island bis tief nach Russland hinein. Bei all diesen 
Trojaburgen ist die Spirallaufbahn der Sonne als Grundgedanke der An- 
lage benutzt worden, und wenn sie auch, wie bei der Trojaburg in Wisby, bis 
zur Unkenntlichkeit entstellt scheint, so liegt dies an dem Standpunkt des Beobach- 
ters, denn in Südschweden und weiterhin nach Süden ist die Spirallaufbahn der 
hochnordischen Sonne immer weniger erkennbar. Die schräg gegen die Erde stehende 
Sonne beschreibt hier Halbbogen von Osten über Süden nach Westen, die sich 
gegen die Sonnenwende des Sommers zu verjüngen, gegen die des Winters erweitern, 
und diese verschiedenen Halbbogen finden sich in den genau orientierten Gängen 
der Trojaburg von Wisby, wie Willi Pastor durch mehrfache Beobachtungen fest- 
gestellt hat, wiedergegeben. 

Dass die Spiralen allein oder in Verbindung mit konzentrischen Kreisen 
das heilige Sonnenzeichen des Nordens waren, ist aus verschiedenen Dar- 
stellungen auf vorgeschichtlichen Kultdenkmälern ersichtlich, so aus den Zeichnungen 
auf der Scheibe des Sonnenwagens von Trundholm auf Seeland, der aus der älteren 
Bronzezeit stammt, so aus den Spiralfiguren über der Eingangspforte und auf den 
Schwellensteinen irischer und skandinavischer Ganggräber und aus den mannigfach 
verschlungenen Spiralornamenten auf Gegenständen aus der jüngeren Bronzezeit. 

Diese Zeichnungen und flächenhaften Darstellungen der Sonnenscheibe und 
ihrer spiraligen Laufbahn gehören sämtlich jüngeren Kulturperioden an, in älteren 
Zeiten versuchte man die Sonnenlaufbahn plastisch nachzubilden, und als Er- 
gebnis dieser Kultur- und Kunstrichtung sind die sogenannten ,Wallburgen* 
anzusehen, die als Hügel von beträchtlicher Höhe entweder von einem zur Spitze 
aufsteigenden spiraligen Gange umgeben oder in kreisförmigen Terrassen abgestuft 
sind. Diese Hügel haben nicht, wie vielfach angenommen worden ist, zu Vertei- 


IV. Biicherbesprechungen. 309 


digungszwecken gedient, sondern waren Kultstätten, und zwar Stätten des 
Sonnenkults, der von jeher die germanische Weltanschauung beherrscht hat. 
Man sollte die Hügel deshalb, wie Pastor vorschlägt, mit dem Namen „Wal- 
burgen* bezeichnen, um im Anklingen an verwandte Worte, wie Walhall, Walküre, 
Walstatt, auf ihre einstige Bestimmung als Kultstätten hinzuweisen. In einigen 
Gegenden hat sich der Name „Walburg“, ,Walsburg* oder „der Wal“ tatsächlich 
erhalten, und der frühere Brauch, um die Osterzeit nach diesen Hügeln ,walpern* 
zu gehen und auf der Hóhe das Osterfeuer anzuzünden, deutet auf die ursprüng- 
liche Bestimmung der ,Walburgen* als Státten des Sonnenkults hin. Dass 
auf diesen Hügeln auch Steinaltáre errichtet waren, zeigt eine den Walburgen ähn- 
liche Terrassenanlage in Frankreich im Departement de l'Aveyron, auf deren Hóhe 
sich eine Dolmenanlage erhebt, und Pastor ist der Ansicht, dass nur ein Teil der 
Dolmen als Gráber anzusehen ist, und dass andere, die frei zutage liegen und 
von vierfachen Steinkreisen umgeben sind wie in Schweden, ebenso zahlreiche 
Menhirs und Cromlechs als Altáre und Heiligtümer anzusprechen sind, und zwar 
als Kultstätten des Sonnendienstes, wie Stonehenge und ähnliche Steinsetzungen, 
die in das Kultgebiet der Trojaburgen einzureihen sind. 

An den Vortrag schloss sich eine längere Besprechung, in der die Ansichten 
Pastors von verschiedenen Seiten in einzelnen Punkten angefochten wurden, 
ausserdem kamen einige Beispiele von Steinsetzungen, die den Trojaburgen ver- 
wandt sein dürften, zur Erwähnung. So wies Geheimrat Mühlke auf eine mittel- 
alterliche Steinsetzung in der Nähe von Tondern, die „Treuburg“ genannt, 
hin, Rektor Monke auf den Wunderkreis oder Irrgarten auf dem Haus- 
berge bei Eberswalde, der noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts als 800 
Schritt lange Laufbahn vorhanden war, auf den ,Jecketanz* bei Ahrensfelde 
(Kr. Lebus) und auf ,Behrend Kirchhof* in der Schorfheide bei Joachims- 
tal, Redakteur Scheuermann auf Hügelwälle im Elsass, die den Trojaburgen 
gleichen und auf denen noch heute Sonnenwendfeuer angezündet werden, und 
Direktor Feyerabend auf Schalensteine mit Näpfchen u..\xonzentrischen Kreisen 
in der Nähe von Grabsteinen in der sächsischen Oberlausitz. An der Diskussion 
beteiligten sich ferner Privatdozent Dr. Hahne, Dr. A. Kiekebusch und Prof. 
Dr. Kossinna. Dr. С. Albrecht. 


IV. Bücher - Besprechungen. 


Robert Forrer, Reallexikon der prähistorischen, klassischen und frühdristlichen 
Altertümer. — Mit 3000 Abbildungen. Verlag von W. Spemann in Berlin und 
Stuttgart. -- Gr. 8°. VIII u. 943 $. — Preis gebd. 28 МК. 

Robert Forrer, Urgeshichte des Europäers von der Menschwerdung bis zum An- 
bruche der Geschichte. — Mit mehr als 1500 Abbildungen. Stuttgart, Verlag von 
W. Spemann. (Spemanns Compendien 2). — Kl. 8°. VIII u. 584 S. — Preis 
gebd. 6 Mk. 

Die beiden Nachschlagewerke für vorgeschichtlihe Archäologie, die zu Weih- 
nachten 1907 fast gleichzeitig erschienen, bekunden schon im Titel verschiedene Ziele. 


310 IV. Bücherbesprechungen. 


Julie Schlemm will in ihrem „Wörterbuch zur Vorgeschichte“ (Berlin 1908) ет 
„Hilfsmittel beim Studium vorgescichtlicher Altertümer von der paläolithischen Zeit 
bis zum Anfange der provinzialrömischen Kultur“ schaffen, indem sie vornehmlich 
die in der Literatur auftauchenden Benennungen der Fundtypen sehr fleissig zu- 
sammenträgt, ohne aber kritisch zu sichten, und oft unter Ausserachtlassung gerade 
des Wesentlichen. 

Ganz anders Robert Forrers Reallexikon! Von den drei darin vereinigten 
Stoffgebieten kommen hier nur die prähistorischen Altertiimer in Frage; doch wird 
manchem Forscher in diesem Fache die Mitgabe der klassischen und frühchristlichen 
Artikel willkommen sein, gerade wenn er diesen Zweigen ferner steht. 

Forrer geht neben der Berücksichtigung häufiger genannter Fundplätze, die 
kurz durch. Wort und Bild erläutert werden (2. В. Oberflacht, Rondsen), mehr darauf 
aus, sich dem stofflich Wesentlichen zuzuwenden, und behandelt so die Gerätgruppen 
(z. B. Äxte, Schwerter), die Zeitstufen, und eine Reihe von Realien, die in der 
Fachliteratur meist nur eine untergeordnete Rolle spielen und selten ausführlicher 
bearbeitet werden. Hierhin gehören die Abschnitte über Arbeitsstoffe der Vorzeit, 
Flora, Fauna, zum Nahrungswesen, zur Kleidung, Bauten, Handel und Verkehr u. a., 
Abschnitte, bei denen oft die Verbindung mit der klassischen Archäologie fruchtbar 
wird. Man wird sie besonders freudig begrüssen, mag auch manchmal eine lücken- 
hafte Materialsammlung und die Spärlichkeit der Literaturangaben gerade hier un- 
angenehm empfunden werden. Aber Forrer erfrisht durch die Eigenschaft, aus 
eigner Anschauung darzustellen, und durch selbständige Verarbeitung des vorhandenen 
Materials, die oft neue Gesichtspunkte einträgt. 

Es liegt in der Natur eines Forschers, der nicht bloss aufspeichert, sondern 
auch verarbeitet, über die Gruppierung des Einzelmaterials hinaus zur zusammen- 
fassenden Darstellung zu gelangen. So liess Forrer seinem Reallexikon alsbald die 
„Urgeshichte des Europäers“ folgen, die er selbst im Vorwort als Zusammenfassung 
aus dem Reallexikon charakterisiert. Allerdings verdiente sie mehr den Namen 
einer Kulturgeschichte, denn die Entwicklung der Kultur tritt in besonders reichem 
Masse hervor. Mehr als 1500 Abbildungen die zumeist den 3000 des Reallexikons 
entnommen sind, erläutern den Text und machen dieses wie jenes Werk schon 
allein recht wertvoll, da sie oft neue noch nicht bekannte Gegenstände wiedergeben !). 

Eine auf streng methodischer Grundlage ruhende Chronologie und auf dieser 
wiederum aufgebaute Ethnographie liegt ihm ferner, und doch werden auch nur 
auf diesem Wege die höchsten Ziele einer Kulturgeschichte erreicht werden, die die 
Entstehung und Wanderung kultureller Errungenschaften und die stammestümliche 
„Eigenart der Kultur zur Aufgabe hat. 

Das Werk entgeht auch dem Umstande nicht, der Vorzug wie Nachteil aller 
bisher erschienenen Gesamtdarstellungen wie der von Hoernes?), Déchelette °) ist, 
und den auch Sophus Müllers Urgeschichte Europas unter einer Gruppierung des 
Stoffes nach grossen Kulturgebieten nur äusserlich verdeckt: nämlich dass sie immer 
nur ein engeres Gebiet genauer beherrschen, das ihren Kern bildet. 

Eine auf gleichmässiger systematischer Grundlage zu schreibende Übersicht 
über Europa ist auh für einen heute kaum mehr möglich, es sei denn, dass ihm 


!) Als recht störend empfindet man in beiden Werken, dass die auf Text- 
seiten aus den Abbildungen zusammengestellten Tafeln nach eigner Numerierung 
(die überhaupt überflüssig ist) zitiert werden anstatt nach den Seitenzahlen, wo- 
durch gewöhnlich ein mehrfaches Hin- und Herblättern erforderlich wird. 

^) Urgeschichte des Menschen 1892; Urgeschichte der Menschheit. 3. Aufl. 1905 
(516. Göschen Nr. 42). 

3) Manuel d'Archéologie préhistorique celtique et Gallo-romaine. I.-Paris 1908. 


IV. Bücherbesprechungen. 311 


für die einzelnen Länder gründliche Vorarbeiten zu Gebote stehen. Wohl wäre eine 
solhe Darstellung besonders für Mitteleuropa sehr erwünscht. Ein Hand in Hand 
Arbeiten mehrerer an einer soldhen Aufgabe ist weit weniger denkbar, als an einem 
Nachschlagebuch. Dafür möchte man es aber empfehlen, wenn man auch Forrers 
Bedenken teilt (S. VIII), ist erst einmal ein Grundplan gegeben. Man wünschte 
sich für die Gegenwart ein Werk, dass nach Forrerschen Gesichtspunkten mit einer 
Materialsammlung nach Schlemmscher Art arbeitet, mag es immerhin umfangreicher 
werden. 

Die Zukunft aber wird einmal ein Sachwörterbuch der Altertumskunde er- 
heischen, das die Realien der Bodenfunde verbindet mit den auf sprachwissenschaft- 
lihem Wege gewonnenen. Noch stehen wir hier in den allerersten Anfängen. 
Auf germanistischer Grundlage begann Moriz Heyne mit den 5 Büchern deutscher 
Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert. 
Hoops’ „Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertume* bilden ein 
anderes Beispiel. Unter Heranziehung volkskundlicher Forschung gelangt Rudolf 
Meringer in seinen Arbeiten über „Wörter und Sachen“ т den Indogermanischen 
Forschungen Bd. XVI—XXI und als Fortsetzung davon in der kulturhistorischen 
Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung „Wörter und Sachen“ zu wertvollen Er- 
gebnissen. Leider scheint diese vielversprechende neue Forschung, die gerade für die 
indogermanische Altertumskunde unentbehrliche Fühlung mit der vorgeschichtlichen 
Archäologie noch nicht gewonnen zu haben. Und doch gehört auch diese Ver- 
bindung zur ganzen Erfassung des Zieles. In dieser Richtung ist auch das Real- 
lexikon spáterer Zeit zu erwarten; wie es andererseits einmal kein Sprachwérterbuch 
geben wird, das ohne Abbildungen zu denken wäre, es genüge denn allereinfachsten 
Übersetzungszwecken. 

Posen. Erich Blume. 


Emil Hollack, Vorgeschichtlichhe Übersichtskarte von Ostpreussen. — Erläuterungen 
zur vorgeschichtlihen Übersichtskarte. Glogau-Berlin, Carl Flemming. 1908. 

Gleichzeitig mit den badischen und thüringischen Inventarwerken erscheint 
ein in Anlage und Ziel verwandtes von Ostpreussen, ein höchst wertvoller Gewinn 
für die prähistorische Forschung, der es das gewaltige, in seiner Art ja ganz einzige 
ostpreussische Material übersichtlich und zum Teil überhaupt erst zugänglich macht. 
Die Aufgabe ist in die Hände eines Forschers gelegt, dessen Arbeitsfeld im wesent- 
lihen die Durcharbeitung des Landes, besonders in unerschlossenen Strichen, nach 
seinen vorgeschichtlihen Bodenschätzen gewesen ist; er kann uns daher vieles 
Neue und Selbstgewonnene bieten, und es ist begreiflich, wenn dieses subjektive 
Element in dem Werke stark hervortritt; allerdings nicht immer zu seinem Vorteil. 

So befremdet es zunächst gleich an der Karte, dass Verfasser sich seine 
eigene ziemlich krause Terminologie gesucht hat, während man sich in Archäologen- 
kreisen doch längst an die Zeichen und Farben der Stockholmer Verständigung ge- 
wöhnt hat und diese in den anderen Inventarwerken zu grunde gelegt sind und 
sih bewährt haben. Im übrigen ist die Karte (1:300000) einfach gehalten, 
aber übersichtlich und praktisch leicht verwendbar (zur Nachahmung zu empfehlen 
z. B. die Einteilung in Übersictsvierecke), mehr als die ja sehr viel genauere, 
aber dadurch unhandlihe Thüringer. Wir vermissen die Angaben der Höhenzüge 
oder Hóhensdiditen, deren Bedeutung für Besiedelungsdaten auf der west- 
preussishen und mecklenburgischen so deutlich hervortritt. Die Kreise sind ab- 
geg-enzt, doch fehlen leider die in dem Buche viel angewandten Landschaftsnamen 
(Masuren usw.), deren Kenntnis Verfasser doch nicht allgemein voraussetzen darf, 


312 IV. Biicherbesprechungen. 


zumal sie durchaus nicht gleidimássig gebraucht werden. Auch im Text war eine 
kurze Charakteristik der landschaftlihen Verhältnisse und der siedelungsgeschicht- 
lichen Bedingungen geboten. — Wenn das gesamte Material auf einer Karte ver- 
einigt ist, so ist dagegen hier nichts zu sagen (im allgemeinen würde Referent 
eine Scheidung nach Perioden oder, wenn man eine grosse Karte haben will, Über- 
sichtskarten für die einzelnen Perioden in der Art von Lissauers westpreussischer 
Karte vorziehen), da die grosse Masse der ostpreussischen Funde in eine Periode 
(Hollacks „weitere Eisenzeit”) fällt. Auch ist durchaus zu billigen, wenn die Einzel- 
funde im allgemeinen auf der Karte nicht aufgenommen sind (im Text wären sie 
willkommen gewesen). 

Das Werk beginnt mit einer „Einführung in das Studium der Каме“, in der 
eine Übersicht über den Gang der Vorgeschichte gegeben und das chronologische 
Schema begründet wird, das der Terminologie der Karte zu grunde liegt. Der 
Verfasser hat sich damit auf ein Gebiet begeben, das ihm sichtlich nicht liegt, 
und die (auch stilistisch nicht einwandfreie) Darstellung besteht im wesentlichen aus 
einem Referat der bisherigen Formulierungen, besonders Tischlers, Kemkes, Bezzen- 
bergers und einer — wenig glücklihen — Kombination derselben ohne eigenen 
Standpunkt. Völlig wehrlos steht H. besonders der Chronologie gegenüber, trotz 
des naiven Versuchs, sich durch Synchronismen weiterzubringen (Steinzeit = Salomos 
Tempelbau, 21. Dynastie usw.; ältere Bronzezeit = Lykurg, erste Olympiade; jüngere 
Bronzezeit == attischer Seebund, Censoren in Rom usw.). Welche Jahrhunderte 
z. B. eigentlich der älteren Bronzezeit zugeschrieben werden, wird aus der Darstellung 
S. XXXVI kein Mensch entnehmen können, da Verfasser sich einverstanden erklärt 
sowohl mit Bezzenberger, der die untere Grenze um 800, als mit Tischler, der einmal 
— т unglückliher Stunde — die Rantauer Funde um das 8. bis 7. Jahrh. vor Chr. 
angesetzt hatte, Funde einer Stufe, die doch noch in den früheren Abschnitt 
(Montelius Ш) der in Ostpreussen „ältere Bronzezeit“ genannten Periode fallen 
und die ganze Entwicklungsreihe Montelius IV/V noch vor sich haben müssen. — 
Die Gruppierung der Funde geschieht nach dem Schema: Steinzeit (ohne weitere 
Gliederung); ältere Bronzezeit, unter welhem Namen man in Ostpreussen (Kemke, 
Prussia-Katalog 1) die Perioden M. I—V zusammenzufassen pflegt; jüngere Bronze- 
zeit (= M.VI, jüngste Hallstatt, älteste Laténe-Stufen); erste Eisenzeit (jüngere 
Latene-Stufen), weitere Eisenzeit. Die einzelnen Abschnitte werden nach Grabformen, 
Verbreitung, Gerättypen charakterisiert, etwas ungleichmässig (bei der ersten Eisen- 
zeit fehlt die Typenbeschreibung überhaupt!), aber sonst korrekt. Schmerzlich ver- 
misst man nur eine Abbildung der Typen, wie sie doch alle verwandten Inventar- 
werke gegeben haben und wie sie hier bei der ganz singulären und überreichen 
Erscheinungswelt der ostpreussischen Eisenzeit dem Fernerstehenden unentbehrlich 
ist. Zum Teil kann der klare und übersichtlihe Prussia-Katalog aushelfen; doch 
steht ja die Neubearbeituug des zweiten Teiles noch aus. — Das Schwergewicht 
liegt natürlih auf dem Abschnitte über die „weitere Eisenzeit“, deren ungeheures 
Material nah der Art der Gräberfelder, den Tischler - Bezzenbergershen Typen- 
gruppen B—H nebst den dabei hervortretenden ,Kulturkreisen* (was H. dar- 
unter versteht, ist mir nicht ganz klar geworden) und der Verteilung über das 
Land gesichtet wird. Nach dem Auftreten eines Typs der Gruppen B usw. ist dann 
im Text und auf der Karte das Grabfeld den betreffenden Gruppen zugeschrieben; 
das führt mehrfach irre, wenn vereinzelte an dem Orte gefundene Stüce als 
gleichberechtigt mit der Masse der Fundstücke behandelt werden und so aus der 
Beschreibung nicht hervorgeht, welhem Abschnitte das Feld im wesentlichen an- 
gehört. — Unentbehrlih für das Verständnis solcher Inventare ist auch eine Über- 


IV. Bücherbesprechungen. 313 


sicht über den archäologischen Betrieb der betreffenden Landschaft. Jeder Forscher 
weiss, dass es durchaus nicht gleichgiltig ist, von wem ein Denkmal untersucht 
ist, und dass die grössere oder geringere Menge von Fundstellen in einer Gegend 
zum grossen Teile davon abhängt, ob sich ein geschickter Erforscher gefunden hat 
oder nicht. In dem vorliegenden Werke fehlt selbst bei der Einzelbeschreibung 
meist der Name des Untersuchers, das Jahr der Bergung usw., sodass nicht immer 
ersichtlich ist, ob es sich um Zufallsfunde oder systematische Ausgrabung handelt, 
ob die Stelle erschöpft ist, das sichtlihe Denkmal noch besteht usw. 

Den Hauptteil nimmt das „Verzeichnis und nähere Charakteristik der vor- 
geschichtlichen Gräber und sonstigen Plätze“ ein. In ihm liegt die eigentliche Arbeit 
und der Wert des Werkes. Die Ordnung ist alphabetisch, eine systematische Über- 
siht ist am Schluss gegeben. Die Anordnung ist klar, reiche Literaturnachweise 
vorhanden. Referent hat Gelegenheit gehabt, das Verzeichnis bei einem Studium 
der Sammlung zu benutzen, und es praktisch und zuverlässig gefunden. Hier er- 
füllt das Werk seinen Zweck voll, und wir schulden dem Verfasser rückhaltlosen 
Dank für die entsagungsvolle Arbeit, deren Umfang nur der zu schätzen pflegt, 
der selbst in ähnlicher Weise tätig gewesen ist. 

Schwerin. R. Beltz. 


Karl Schfrmeisen, Die arischen Göttergestalten. Allgemein verständliche Unter- 
suchungen über ihre Abstammung und Entstehungszeit. — Brünn, K. Winiker. 
1909. — 336 S. 


Seiner vor fünf Jahren erschienenen mythologisch - prähistorishen Studie 
über „die Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“ (Brünn 1904) hat 
K.Schirmeisen nun ein nicht minder originelles Werk folgen lassen. Seine ein- 
gehenden Untersuchungen über die arischen Góttergestalten gründen sich wohl auf 
den Inhalt des Rigveda und Awesta; in der Deutung der vedisch-awestischen Texte 
folgt jedoch der Autor keineswegs den bereits von Anderen ausgetretenen Pfaden, 
sondern schlägt vielfach neue Wege ein, ohne sich jedoch zu verhehlen, dass ein- 
zelne derselben später möglicherweise als Irrwege erkannt werden könnten. In der 
gehaltvollen Einleitung (dem ersten der acht Abschnitte, in die das Werk geteilt 
ist) bespriht Schirmeisen zunächst das ,Endziel der mythologischen Forschung‘. 
Er fasst die Göttergestalten als „ein Produkt zahlreicher Faktoren, einen Nieder- 
schlag der verschiedensten Erkenntnisse und Erfahrungen der Völker“ auf und sieht 
in der Mythologie neben der vorgeshictlichen Forschung und der Ethnologie „das 
beste Hilfsmittel zur Erschliessung der menschlichen Urgeschichte*. Schon in der 
oben zitierten Schrift über die „Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“ 
hat der Autor dargelegt, dass jede einzelne Gottheit „das getreue Spiegelbild der 
materiellen, geistigen und sittlihen Kultur des Volkes ist, von dem sie geschaffen 
wurde“ und dass sich in jeder Göttergestalt „die natürliche Beschaffenheit ihres 
Entstehungsgebietes wiederspiegeln" müsse. Diesen gewiss ganz einwandfreien 
Standpunkt nimmt der Verfasser nun auch bei seinen neuen Untersuchungen ет 
und sucht aus den Attributen, den Fähigkeiten und Gewohnheiten, die in den 
Mythen den einzelnen Göttern zugeschrieben werden, einen Schluss auf die Ent- 
stehungszeit der letzteren zu ziehen, indem er an dem Gedanken festhält, dass die 
Ausgestaltung der Gottesidee schon mit den crsten Anfängen der menschlichen 
Geistesentwicklung begonnen hat und dass jede wesentlihe Veränderung in den 
Kulturzuständen die Tendenz erkennen lässt, eine neue Gottheit zur Herrschaft zu 
bringen. Auch die Entstehung neuer Berufsstände führte zur Entstehung 

Mannus. Ва. 1. Н. 3.4. 21 


314 IV. Bücherbesprechungen. 


neuer Góttergestalten, wie denn auch der Einfluss von Vólkerwanderungen und 
Rassenmischungen auf die Entstehung neuer Götter nicht gering zu achten ist. 

So kommt der Autor zu dem Schlusse, dass die Gottheit der pal&olithischen 
Menschen eine noch nicht geschlechtlich differenzierte Feuergottheit, 
die älteste Religion demgemäss ein absoluter Monotheismus gewesen sein 
muss. In der mesolithischen Zeit trat eine Wassergottheit auf, neben der auch 
Sonne und Mond — „wahrscheinlich als die Sprósslinge der alten Feuergottheit* 
— verehrt wurden. In den nördlicheren Gebieten erscheint die Sonne als weibliche 
der Mond als männliche Gottheit; die Mondgottheit stellt der Autor als Haupt- 
gottheit des Mesolithikums hin. In der neolithischen Zeit spielen bereits zwei 
Hauptgottheiten — eine ältere südlidven und eine jüngere nördlichen Ursprungs — 
eine Rolle. Neben dem „Vater Himmel“ und der „Mutter Erde“ erscheint nach 
und nach eine „bäuerliche Gewittergottheit“, in den nördlicheren Gebieten wahr- 
scheinlid auch eine „Göttin der Morgen- und Frühlingsröte“. In das Neolithikum 
fällt auch die erste Zusammenstellung von Gottheiten zu einer „Jahreszeitendreiheit“ 
sowie eine gewisse Kenntnis des Sternenhimmels. In der älteren Metallzeit (dem 
` »Doldzeitalter*) treten insbesondere die Frühlingsgottheiten hervor, während 
die kulturell so wichtige jüngere Metallzeit (das „Schwertzeitalter“) die Entstehung 
neuer Göttergestalten, beziehungsweise die Umgestaltung der älteren Gottheiten im 
wesentlichen zum Abschluss bringt. Ein wichtiges Kapitel, das an die schwierigsten 
Probleme der Urgeschichtsforschung rührt, behandelt die „Einflüsse der Rasse- 
mischungen und Völkerwanderungen“, ein weiterer, sehr interessanter Abschnitt die 
„Entstehung des Zodiakus“. 

Der zweite Hauptabschnitt behandelt „die alten Feuergottheiten*; die Titel 
der übrigen Hauptabschnitte lauten: „Der lichte, strahlende Himmelsgott und seine 
abgeleiteten Formen“. — „Die Planetengottheiten“. — „Die Gewittergottheiten*. — 
„Die Helfer der Gewittergottheiten*. — „Frühlingsgöttinnen“. — „Die Gottheiten 
der dritten Jahreszeit und ihr Gefolge“. 

Auf weitere Einzelheiten kann bei dem überreichen Inhalte des Werkes an 
dieser Stelle nicht eingegangen werden. Nur an einem Beispiele möge die Art 
und Weise, wie der Autor aus der von ihm eingehend studierten vedisch-awestischen 
Literatur seine Schlüsse zieht, mit wenigen Worten dargelegt werden: Die Wirk- 
samkeit Vrtras und die Fluht Agnis werden mit der Eiszeit identifiziert. 
Indras Sieg über Vrtra repräsentiert die Nacheiszeit. Der winterlihe Charakter 
Varunas deutet auf eine vorneolithische Entstehung; er ist offenbar eine 
Weiterentwicklung des eiszeitlihen Feuergottes Tvashtr. Da der Scleuderstein 
fast die einzige Waffe Indras ist, so fällt die Entstehung dieses mit Thor-Donar 
identischen Gottes in das Neolithikum. Ähnlich fällt die Entstehungszeit Mithras 
(= Merkur) in die ältere Metallzeit, da unter den Waffen dieses Frühlingsgottes 
das Schwert fehlt. Das Endergebnis aller dieser Untersuchungen ist, dass im 
vedischen Olymp die Mythologien dreier Völkergruppen vereinigt sind; es waren 
des wahrscheinlich Germanen, nördliche Mischvölker und Iranier. 

Brünn. Prof. A. Rzehak. 


Albert Kiekebusch, Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im 
Spiegel der Hügelgräber des Niederrheins nebst einem Anhang: Die absolute 
Chronologie der Augenfibel. Inaug.-Dissert. Berlin 1908. (Auch и. 4. T.: Studien 
und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde. Ш. Stuttgart, Strecker & Schröder. 
3,— M.). 

Die erste Doktordissertation an der Berliner Philosophischen Fakultät über 
ein Thema der vorgeschichtlihen Archäologie müsste in dieser Zeitschrift erwähnt 


IV. Bücherbesprechungen. 315 


werden, auch wenn ihr Inhalt weniger bedeutsam ware, als derjenige der oben 
genannten Abhandlung. Herr Kiekebusch hat zum Erweise seiner erfolgreichen 
Studien ein Thema grossen Umfangs und historischer Wichtigkeit gewählt, das 
Thema vom Einfluss der römischen Kultur auf die Germanen mit der Einschränkung 
auf die Germanen am Niederrhein. Es ist selbstverstándlid, dass der von dem 
hohen Werte seiner Wissenschaft und seines Studiums erfüllte Archäologe dieses 
Thema nur auf dem Wege der Archäologie behandelt, und dass er zunächst es Ъе- 
gründet, warum nur das Studium des Bodenmaterials, und zwar nach den neueren 
Fortschritten in Typologie und Chronologie, in der Ausgrabungstechnik und in der 
Sorgfalt der Beobachtung, imstande ist, die Aufgabe zu bewältigen. 

Schon in diesem einleitenden Teile ahnen wir etwas von den Hindernissen 
einer solchen Untersuchung gerade im Gebiete des Niederrheins, wenn wir hören, 
dass bei Ausgrabungen der früheren Jahrzehnte die „barbarischen“ Altertümer acht- 
los oder verächtlich beiseite geworfen worden sind (S. 3). 

Mit Recht wird in weiteren vorbereitenden Abschnitten auf die frühere Über- 
schätzung des römischen Kultureinflusses bei gänzlicher Unterschätzung der boden- 
ständigen germanischen Kultur und auf die Überwindung des letzteren Vorurteils hin- 
gewiesen; dabei auch manche Fehler früherer archäologischer Ansichten erörtert, die 
durch mangelhafte Unterscheidung der verschiedenen Perioden römischer Beein- 
flussung oder auch durch Verwechselung von Handelsbeziehungen mit Beeinflussung 
der Lebensart und des Handwerks herbeigeführt wurden. Hierher gehóren auch 
fehlerhafte Einschätzungen von gutgearbeiteten Geräten (Fibeln, Gefassen), die 
man für rómisd beeinflusst hielt, während die betreffende Industrie ihre Anregungen 
von viel älteren südlichen Einflüssen empfangen hatte. Verfasser stellt die Forderung 
auf, dass Einwirkung rémischer Waren auf germanische Produktion nur dann be- 
hauptet werden darf, wenn die römischen Vorbilder aufgezeigt werden können, 
nach denen gearbeitet worden ist (S. 9). Er scheint zwar diesen trefflihen Grund- 
satz bald darauf zu vergessen (S. 11), wenn er versichert, dass in der späteren 
Kaiserzeit die Einwirkung rémischer Arbeit auf germanische Technik sich mit Sicher- 
heit beobachten làsst, ohne uns ein einziges Beispiel von Vorbild und Nachbildungen 
zu nennen; aber wir bemerken später, dass er die Durchführung seines Themas 
auf das dritte und vierte Jahrhundert überhaupt nicht ausgedehnt, also diesen 
wichtigen Teil der Untersuchung wohl auf spätere Zeit verschoben hat. Verfasser 
beginnt den ersten Hauptteil mit Charakteristik seiner Quellen (Ausgrabungs- 
berichte, Museen), um dann die Chronologie oder besser Einteilung der römischen 
Kaiserzeit zu begründen und darauf die provinzialrömische Kultur auf Grund der 
Hauptfundstellen (Haltern, Hofheim) und der darauf bezüglidhen Literatur zu be- 
schreiben. 

Diese beiden Abschnitte, überschrieben „Die Chronologie der römischen Kaiser- 
zeit“ und „Provinzialrömische Kultur“ enthalten m. E. den besten Teil der Abhand- 
lung, eine gut begründete Einteilung der römischen Kaiserzeit in drei Perioden mit 
Übergangszeiten und eine treffliche, in Kürze belehrende Beschreibung der rómischen 
Kulturreste am Rhein während der ersten Periode. — 


Hätte К. sein Thema vollständig durchführen („bewältigen“) wollen, so hätte 
er in ähnlicher Weise wie die erste auch noch die zweite und die dritte Periode 
schildern müssen. Denn wer den Einfluss der römischen auf die germanische Kultur 
darstellen will, muss zuerst die römische, dann die germanische, dann die Spuren 
und Beweise der Beeinflussung letzterer durch erstere darstellen. In einer Disser- 
tation war dies offenbar nicht möglich; Verfasser hat sich deshalb auf Abschnitte 
beschränkt; für die zweite Periode der kaiserzeitlihen Kultur verweist er auf den 

21* 


316 IV. Bücherbesprechungen. 


Limes und seine Kastelle; für die dritte Periode unterbleibt auch ein solcher Hin- 
weis. Eine Rechtfertigung dieses abgekürzten Verfahrens liegt ja nahe, aber Ver- 
fasser hätte doch nicht unterlassen sollen, auf die Lücke aufmerksam zu machen. 

Der zweite Hauptteil umfasst folgerichtig die germanische Kultur am Nieder- 
rhein und zwar unter der Überschrift „Die niederrheinischen Hügelgrüber*. In der 
Tat enthalten diese zahlreichen Hügelgräber das Material zur Beurteilung der ger- 
manischen Kultur; und wohl deshalb, weil man nur aus ihrem Inhalt den etwaigen 
römischen Einfluss zu erkennen vermag, ist auch das (kurze) Kapitel vom römischen 
Einfluss unter diese Uberschrift mit aufgenommen. Dieses Kapitel S. 64—66 müssen 
wir also als den logisch zu erwartenden dritten Teil der Untersuchung gelten lassen. 


Diese Hügelgräber nun sollen am Niederrhein ein ganz besonders schweres 
Rätsel aufgeben. Sie sollen nach bisherigen Beurteilungen einer verblassten Hall- 
stattkultur angehören, von dem Einfluss der Laténe-Kultur sollen sie keine Spuren 
zeigen; germanische Gräber der Laténe-Zeit und der Kaiserzeit hat man vergeblich 
gesucht; es soll also am Niederrhein eine Lücke geklafft haben, „die fast tausend 
Jahre umfasste" (S. 28). 

Der Verfasser löst schliesslich durch eingehendes Studium des Materials und 
der Ausgrabungsberichte die Schwierigkeit mit der Erkenntnis, dass der Inhalt 
der Hügelgräber Beziehungen sowohl zur Hallstattzeit als auch zur Laténe-Zeit und 
zur römischen Kaiserzeit aufweist, dass die Grüberfelder also die ganze Zeit von 
der Hallstattkultur bis zur Periode der römischen Herrschaft am Rhein ausfüllen, 
und dass demnach am Niederrhein jene verblasste Hallstattkultur bis in die Rómer- 
zeit fortbestanden hat. Diese Erkenntnis ist gewiss eine verdienstvolle Leistung 
und die darauf verwandte Mühe alles Lobes wert. — 

Aber eine Verwunderung überkommt uns darüber, wie es móglid gewesen 
ist, dass diese Erkenntnis am Niederrhein solange gefehlt hat, dass man so lange 
hin- und hergeraten hat, bis man gegen alle Behauptungen misstrauisch geworden 
ist. Sollte hierin eine Erklärung oder Entschuldigung für die Erscheinung liegen, 
dass die Rémerforschung am Rhein sich so lange geringschätzig gegen die deutsche 
Vorgeschichtsforschung verhalten hat? 

Die Tatsache, dass die Urnengräber und Urnenfriedhöfe seit der späteren 
Bronzezeit oder jüngeren Hallstattzeit bis in die Völkerwanderungszeit in der Anlage 
und Bestattungsweise einander sehr ähnlich sind, ist bei uns und in ganz Nord- 
deutschland ebenso zu konstatieren, wie am Niederrhein, aber darum sie als „ein- 
heitlich^ zu bezeichnen oder „als ein untrennbares Ganzes zu betrachten“ würde 
recht bedenklich sein und das Urteil verwirren. Auch bei uns sind die Beigaben 
aus diesen Zeiten meist recht dürftig, aber doch ist eine Unterscheidung möglich 
geworden dadurch, dass man die durch Beigaben oder Fundgemeinschaft datierten 
Gefässe dazu benutzte, um die gleichartigen Gefässe, wenn sie auch ohne Beigaben 
vorkommen, mit zu datieren. Die Typen sind ja ungemein weit verbreitet. Aus 
der S. 36-39 gegebenen Beschreibung der niederrheinischen Grabhügel-Keramik 
glaube ich viele alte Bekannte zu erkennen, deren Periode bei uns längst bestimmt 
ist, besonders auch viele der Latenezeit angehörige. Man vergleiche z. B. die mit 
schönem hallstättischen Schrägrand versehenen Gefässe, die in Laténe- Gräbern 
Mecklenburgs gefunden sind; die rauh gemachten mit glattem Rand oder auch mit 
senkrechten glatten Streifen (also rauhen Feldern), die auf der Wandtafel der Pro- 
vinz Sachsen als Latene-Typen gezeichnet sind; die mit mehrzinkigem Instrument 
flechtwerkartig verzierten der Latene- und der Kaiserzeit; die vielen terrinenför- 
migen, wie die bei Koenen vom Urnenfriedhofe der Golzheimer Heide bei Düssel- 
dorf gezeichnete (Taf. XIX, 2), deren so viele bei uns aus Gräbern der Kaiserzeit 


IV. Bücherbesprechungen. 317 


bekannt sind, — und man wird, wie ich, auf деп Gedanken kommen, dass die Ver- 
legenheit wegen der klaffenden Lücke nicht einzutreten brauchte, wenn die Finder 
oder Verwalter der rheinischen Urnenschätze ihre Blicke weniger nach Westen und 
Süden, als nach Osten und Norden gerichtet hätten, wo ja doch die Verbindungen 
der bis zum Rhein vorgedrungenen Germanen liegen mussten. 

Ein anderer Grund der eingetretenen Ratlosigkeit scheint mir aber auch in 
einer gewissen summarischen Art der Ausgrabungen zu liegen. Wenn nicht jedes 
Grab für sich als geschlossener Fund behandelt, sondern die Ausbeute ganzer 
Felder durcheinander gebracht ist, kann man natürlich nicht die Zeitfolge in der 
Besetzung eines grossen Feldes beobachten und der Inhalt eines zufällig datierten 
Grabes kann nicht zur Datierung vieler anderer verwendet werden. Aus der sum- 
marischen Behandlungsweise, die Kiekebusch der als „untrennbar Ganzes“ be- 
trachteten Gräbermasse angedeihen lässt, glaube ich auf summarische Ausgrabungen 
schliessen zu müssen, würde aber solche nicht mit der Meinung entschuldigen 
können, dass die richtige Ausgrabungsmethode erst in den letzten zehn Jahren 
gefunden sei (S. 14 und 37), da Hostmann schon 1874 gezeigt hatte, wie man ein 
Urnenfeld (Darzau) ausgraben und beschreiben muss; — von vielen späteren Bei- 
spielen nicht zu reden. — Unbegreiflich ist es ferner, dass so viele Ausgrabungs- 
funde ,verschollen*, dass andere nur oberfláchlich beschrieben sind. Móchten doch 
endlich die Grundsátze überall begriffen werden: ,Wer nicht berichtet, soll auch 
nicht ausgraben* und ,Urgeschichtliche Dokumente dürfen nicht in Privatzimmern 
verschwinden*. 

Nachdem Kiekebusch einen zusammenhängenden Kulturzustand der Be- 
wohner des Niederrheins vom 8. Jahrhundert bis in die Kaiserzeit nachgewiesen 
hat, kann er zur ethnologischen Bestimmung übergehen und hat gewiss recht, wenn 
er die ganze in den Hügelbrandgräbern bezeugte Kultur für eine germanische hält, 
zumal im benachbarten Treverergebiet die Kelten bis zur Mitte der Laténezeit durch 
Skelettgráber und anders geartete Keramik charakterisiert sind. Die germanische 
Zugehörigkeit hätte m. E. auch positiv erwiesen werden können durch den Ver- 
gleich mit den germanischen Urnenfeldern Norddeutschlands, wie denn auch die 
eigentümlich ,verblasste* Beschaffenheit der Hallstatt- und der Laténe-Typen in 
den niederrheinischen Hügelgräbern m. E. nur dadurch erklärt werden kann, dass 
die Bevölkerung jene Hallstättischen und Laténe-Einfliisse nicht direkt vom rheini- 
schen Süden empfangen hat, wo ihre Feinde sassen, sondern aus ihrer östlichen 
Heimat mitgebracht oder von ihren óstlichen Verwandten überkommen hat, zu 
denen jene Einflüsse von Bóhmen (Boii) her und auf dem Elb- und Saalewege 
gelangt waren. 

Zuletzt wendet sich der Verfasser dem römischen Einfluss zu. Während bei. 
den Germanen, die der rómischen Machtsphüre unterworfen waren, am Oberrhein, 
Mittelrhein und im Mosellande dieser Einfluss am dortigen Fundmaterial sehr ge- 
nau erkannt und sein Fortschritt verfolgt werden kann, lehren die niederrheinischen 
Hügelgräber, dass die freien Germanen sich während der frühen und mittleren 
Kaiserzeit dem römischen Einfluss unzugänglich verhalten haben. Dass in der 
späten Kaiserzeit (3.—4. Jahrhundert) sich die Sache anders verhält, und hier sich 
römische Einwirkungen auf Technik und Leben der Eingeborenen beweisen lassen, 
wird nicht ausgeführt. Ob die Hügelgräber nicht bis in diese Periode reichen?') 

Als Anhang gibt Verfasser noch eine dankenswerte und nützliche Unter- 
suchung über die absolute Chronologie der Augenfibel, die auf Grund der Funde 


') Nach der Veröffentlihung von Rademacher іл Н. 1/2 dieser Zeitschrift S. 94 scheint die späte 
Kaiserzeit in Flachgräbern bestattet zu haben. 


318 V. Nachrichten. 

und Beobachtungen in Haltern, Neuss, Hofheim, Urmitz, Andernach zu dem Ziele 
führt, dass vier Entwickelungsstufen zu unterscheiden sind, die innerhalb der ersten 
50 Jahre unserer Zeitrechnung sich vollzogen haben. Die germanische Herkunft 
dieser Fibel ist schon von Almgren erkannt worden. Aber die wichtige von Kiekebusch 
festgestellte Tatsache, dass das Prototyp und die erste Entwickelung desselben nur 
in Böhmen häufiger auftreten, scheint mir einen nicht zu unterschätzenden Hin- 
weis auf das Land und das Volk zu enthalten, von dem die germanischen 
Techniker jener Zeit ihre wichtigsten Anregungen empfingen. 

Wernigerode. Paul Hófer. 


V. Nachrichten. 


Grabhügel bei Lissdorf nahe Eckartsberga, 
Kreis Naumburg. 


Anfang September d. J. wurde in Flur Lissdorf bei Eckartsberga ein Stein- 
kistengrab aufgedeckt. Der Gutsbesitzer Bornschein wollte einen Teil des Hügels 
abtragen, um ihn mit Feldfrüchten bestellen zu können. Dabei stiess er auf eine 
Steinplatte, einen der gewaltigen Decksteine des Grabes. Beim Abheben liess man 
sie unvorsichtigerweise ins Grab fallen, wodurch die in der Kiste stehenden Ge- 
fässe vollständig zertrümmert wurden. Als ih am 11. September die Grabstätte 
untersuchte, hatten Unberufene in dem Grabe gewühlt und die vorhanden gewesenen 
Scherben, durchbohrte Tierzähne, Menschenknochen usw. achtlos beiseite geworfen. 
Bis zur Hälfte war jetzt das Grab mit Erde angefüllt, trotzdem es ursprünglich keine 
enthielt. Ungefähr von 4 bis 5 Menschen fanden sich Knochenreste vor, sodass 
ich zu dem Schlusse kam, dass hier Nachbestattungen stattgefunden haben mussten. 
Bei meiner Untersuchung beobachtete ich zunächst Reste einer Steinpackung über 
der Steinkiste. Darunter fand ich im Niveau der Deckplatten eine flachgewölbte 
Steindeckung von keilförmigen Steinen, die mit Gipsmörtel unter sich und mit dem 
dahinterliegenden noch vorhandenen Deckstein verbunden waren. Als ich auch diese 
Steinpackung entfernt hatte, kam die genannte 1,85 m lange und 0,20 m dicke Stein- 
platte zutage, die den hinteren Teil des Grabes bedeckte. Somit füllte die mit 
Gipsmörtel verbundene Steindeckung eine Lücke zwischen den zwei grossen Dec- 
platten aus. 

Am 14. September setzte Herr stud. phil. et archaeol. Hagemann, der am 11. 
September auch zugegen war, die Ausgrabung fort. Nach kurzem Bemühen fand sich 
meine Vermutung bezüglich der Nachbestattungen bestätigt; denn an der östlichen 
Schmalseite der Kiste befand sich ein quadratischer Eingang von 0,55 m Seitenlänge, 
durch den die Leichen in der Steinzeit nachbestattet worden sind. 

Um den Zugang zu dieser Tür, die mit Steinplatten zugesetzt war, zu er- 
reichen, war ein Weg angelegt. In der Breite des Grabes führte der gepflasterte, 
rechts und links mit Steinplatten eingefasste Weg, sich nach aussen zu immer ver- 
breiternd, rampenartig auf die Oberflähe des Hügels. In und neben dem rampen- 
artigen Zugange befanden sich bronzezeitlihe Nachbestattungen. Eigenartig war 
die Beisetzung dieser Toten: Nachdem man die über einer Steinsetzung aufgetragene 
Humuserde, ungefähr 0,75 m mächtig, abgetragen, stiess man nach Wegnahme der 


V. Nachrichten. 319 


Steine auf einen seitlich liegenden Hocker, der, mit dem Gesicht nach Osten ge- 
wandt, begraben worden war. Als Beigabe fand man Scherben einer Tonschale. 
So setzte sich die Ausgrabung von oben nach unten zu fort, fünf Skelette zutage 
fórdernd, die schichtenweise, mit zwischenliegender Steinpackung übereinander be- 
stattet worden waren. Als ich am Nachmittag eintraf, konnte ich die fünfte Leiche 
blosslegen, die leider fast ganz aufgelöst war. Als Beigabe fand ich Trümmer eines 
schwarzen Gefässes mit ausgeschweiftem Rande. Eine Rekonstruktion war ausge- 
schlossen. Trümmer von mehreren Gefässen, die eine Zusammensetzung nur teil- 
weise ermöglichen lassen, wurden in ziemlicher Anzahl gefunden. Als hauptsäc- 
lichste Fundobjekte sind zu nennen: 1. eine 10 cm lange Bronzenadel mit annähernd 
kugelförmigem Kopf; 2. die Hälfte einer Brillenspirale von 5—6 cm im Durchmesser; 
3. Teil eines Ringes aus Bronzedraht, spiralfórmig gewunden; 4. kleine Röllchen 
und Perlen ebenfalls aus Bronze, die, auf eine Schnur gereiht, als Halskette Ver- 
wendung gefunden haben mögen. Die Knochenteile lagen teilweise ungeordnet 
durcheinander. Trotzdem die meisten Gefásse in kleinen „Steinkisthen“ mit Deck- 
platte beigesetzt waren, ist doch kein einziges vollständig aufgehoben worden. — 
Beim Ausräumen des steinzeitlihen Grabes fand man in der östlichen, linken Ecke, 
nahe an der Tür, mit Erde, Menschen- und Tierknochen vermengt, einen 10 cm 
langen Knochenpfriemen. Sonst ist trotz sorgfältiger Untersuchung in der Kiste 
nichts von uns aufgefunden worden. — Die Grabanlage befindet sich ungefähr 20 
bis 25 Minuten vom Dorf entfernt und liegt nördlich vom Ort auf einer Anhöhe, 
die teils mit Buschholz bewachsen, teils der Landwirtschaft nutzbar gemacht worden 
ist. Der sanftgewölbte Hügel erstreckt sih von Westen nach Osten und zeigt 
mehrere Erhöhungen, die vermuten lassen, dass noch mehrere Gräber vorhanden 
sind. Die Ausdehnungen der bis jetzt aufgedeckten Grabanlage sind folgende: Die 
Steinkiste misst in ihrer ganzen Länge, von Westen nach Osten 2,40 m und in der 
Breite 1,40 m. Sie ist mit schönen Kalksteinplatten ausgesetzt, die ganz regel- 
mässig aneinandergefügt und mit Gipsmörtel verbunden sind. Die Tiefe des Grabes 
beträgt 1,05 m, von der Sohle des Grabes bis zur Oberfläche des Hügels 1,80 m. 
Einschliesslih der bronzezeitlihen Nebenbestattung ist die Grabanlage 3,80 m lang. 
Der Hügel selbst ist ungefähr 40 m lang und 18 m breit. Die Höhe lässt sich 
leider schwer bestimmen, da man schon früher die gute, aufgetragene Humuserde 
behufs Feldregulierung sich zunutze gemacht hat. Was die weiteren Grabungen 
noch erschliessen werden, bleibt der Zukunft vorbehalten. Die wenigen Fundgegen- 
stände sind in den Besitz des Herrn Student Hagemann übergegangen. 


Naumburg а. S., 10. X. 09. Lehrer Carl Herrmann. 


Einzigartige Steinzeitfunde bei Alvastra. 
Ein Pfahlbau zum ersten Mal in Skandinavien gefunden. 
Viertausendjährige Äpfel, Weizenkörner und Holzgeräte. 


Eine in ihrer Art einzigstehende Ausgrabung ist während des September 
für Rechnung der Stocholmer Kgl. Akademie der schönen Wissenschaften, Ge- 
schichte und Altertümer von Dr. Frödin östlih vom Omberg gleich bei der Eisen- 
bahnstation Alvastra gemacht worden, 


320 V. Nachrichten. 


Im vorigen Jahre wurden hier einige Gerätfunde gemacht, die darauf hin- 
deuteten, dass das grosse Moor, das sich dort befindet, Reste eines alten Wohn- 
platzes barge. Bei seinen Untersuchungen hat Dr. Fródin nicht nur diese Annahme 
bekräftigt gefunden, sondern zugleich die äusserst interessante Entdeckung gemacht, 
dass wir es hier mit Überresten eines Pfahlbaues zu tun haben, des ersten, der 
in Nord-Europa gefunden wurde. Aus dem konservierenden Kalkmoor sind weiter 
Waffen und Geräte aus Stein, Flint, Knochen, Horn und sogar aus Holz ausge- 
graben, und ausserdem verkohlte Äpfel und Weizenkörner — alles nach ganz zu- 
verlässiger wissenschaftliher Datierung wohl 4000 Jahre alt. Mehr kann man 
nächstes Jahr zu finden hoffen, wenn die Ausgrabungen fortgesetzt werden; unter 
anderem bleibt noch zu untersuchen, welche Form und Konstruktion der gefundene 
Pfahlbau gehabt hat. 


Dr. Frödin, der kürzlich von seinen Grabungen nach Stockholm zurückgekehrt 
ist, hat in „Dagens Nyheter“ einige Mitteilungen über den bemerkenswerten Fund 
gemacht. 


Der Fundplatz liegt gerade an der Kante des Dags-Moores, gleich östlich vom 
Eisenbahnhotel in Alvastra: Als der Besitzer im vorigen Sommer mit Deicharbeiten 
beschäftigt war, wurden die ersten Funde gemacht: Nusschalen, Steinwaffen usw., 
die zu den wissenschaftlihen Ausgrabungen dieses Sommers Veranlassung gaben. 
Dr. Frödin liess einen metertiefen Graben auf 56 Quadratmeter ausheben, und hier 
auf dem Boden des Grabens fand er eine Kulturschicht von ein Drittel Meter 
Mádhtigkeit. Unter dieser Schicht stiess er auf einen Fussboden (Plattform) von 
Kiefern- und Birken-Stämmen, die meisten ausgezeichnet gut erhalten, die Birken- 
stämme noch mit der teilweise übrig gebliebenen weissen Rinde. Der Fussboden 
erstreckte sich über eine Fläche von mehr als 50 Quadratmeter hinein unter die 
Torfshiht zu beiden Seiten des Grabens und ruhte auf Pfählen von ungefähr 
10 cm Durchmesser. Hier war also die Plattform eines Pfahlbaus, des einzigen 
bisher nicht nur in Skandinavien sondern in ganz Nord-Europa gefundenen !). 


In den Alpengegenden hat man Reste alter Pfahlbauten gefunden, aber ob- 
wohl augenscheinlich nach demselben Prinzip gebaut, unterscheidet sih doch der 
in Alvastra ausgegrabene von diesen mitteleuropäischen Pfahlbauten. Eine geo- 
logische Untersuchung, vorgenommen von Dr. L. von Post, hat nämlich an die Hand 
gegeben, dass der schwedische Pfahlbau nicht wie die Schweizer im See selbst ge- 
standen, sondern in einem Morast auf dem schwach abfallenden Strande. Die Platt- 
form hat teils auf den Pfählen geruht, teils auf dem Morastboden selbst, und das 
Wasser ist unter dem Gebäude in ebenmässigem Laufe durchgeflossen. Hier waren 
die Bewohner geschützt gegen Überfälle sowohl von der Land- als der Seeseite, 
geschützt durch den unpassierbaren Morast. Selbst kamen sie hinüber auf schmalen 
Stegen, von denen man auch einige Spuren gefunden hat. 


Wie gross der alte Pfahlbau gewesen ist, kann erst die fortgesetzte Ausgrabung 
zeigen. Es ist möglih, dass man andere ähnliche Bauten in der Nähe findet — 
das ist sogar wahrscheinlih, da weder die schweizer Pfahlhäuser noch die Land- 
wohnplätze, die man in Schweden angetroffen hat, vereinzelt liegen, sondern zu 
mehreren vereint. Übrigens ist der gefundene Pfahlbau kein „Einfamilienhaus“ 
gewesen. Auf der Plattform liegen nämlich mehrere Herde, 6 auf der bisher aus- 
gegrabenen Fläche. Die Stämme in ihrer Umgebung sind von der Hitze verkohlt 


1) Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen, sei daran erinnert, dass in Norddeutsch- 
land, so in Mecklenburg (Wismar u. a.), Posen (Czeszewo) und mehrfach im südlichen Ostpreussen 
(Masuren), steinzeitlihe Pfahlbauten aufgedeckt und ausgebeutet worden sind. а. К. 


V. Nachrichten. 391 


und die Steinplatten gesprungen. Eine Raumeinteilung hat es offenbar nicht ge- 
geben, die Herde liegen so nahe aneinander, dass die Wände verkohlt waren. 
Wahrscheinlich hat ein grosses Dach von Fellen oder von Zweigen und Torf sich 
über die ganze Plattform erstreckt. — Dr. Fródin hat Reste der schmalen Streben 
gefunden. 

Über der Plattform lag, wie schon erwähnt, eine 30 cm dicke Schicht von 
Abfällen, die verschiedene interessante Sachen enthielt. Es fanden sich dort Waffen 
aus Stein und Flint, Pfriemen und Meissel aus Клофел und Horn, ausserordentlich 
' gut erhalten im Sumpfwasser, das den Stein angegriffen, das Knochengerät aber 
konserviert hat. Es fanden sich dort Scherben von Tongefässen, Wildschweinszähne, 
die offenbar als Zierat gebraucht sind, Knochen in Menge von Wildschweinen und 
Edelhirschen, an denen also kein Mangel war, Nussschalen in Massen. Man fand 
auch verkohlte Weizenkórner und verkohlte Apfel — ein Teil von ihnen liegt jetzt 
unter Glas im Nationalmuseum, und das verdienen sie, denn wohl hat das Stein- 
museum verschiedene alte Raritäten, aber 4000-jährige Apfel hat es bisher nicht 
beherbergt. So alt sind sie indes. Der Wohnplatz gehört nämlich in die Gang- 
gräberzeit, einem späteren Teil der Steinzeit ungefähr vom Jahre 2500 bis zum 
Jahre 2000 v. Chr. 

Man hat wohl gewusst, dass der Weizen schon zu der Zeit bekannt war, man 
weiss es aus Abdriicken in gefundenen Tongefässen, aber dies ist Originalweizen 
von vor mindestens 4000 Jahren, und das ist etwas Neues. Ebenso einzigstehend 
sind die Apfel, der erste Fund seiner Art in Skandinavien. Vermutlich hätten die 
jetzt verkohlten Apfel keinen Preis auf der Herbstausstellung des Pomologischen 
Vereins bekommen, sie sind wohl recht und schlecht Sauerobst gewesen, aber den 
Ostgótern der Steinzeit haben sie auf alle Fälle ebensogut geschmeckt wie die Nüsse. 
Weder botanisch noch zoologisd ist der Fund übrigens bis jetzt bearbeitet. 

In einer Spalte zwischen zwei Stámmen fand sich sdiliesslid ein kleiner sehr 
gut gearbeiteter Holz(angel)haken, das erste erhaltene Holzgerát, das in Schweden 
aus so alten Zeiten gefunden ist. Nächstes Jahr, wenn Dr. Fródin mit der Unter- 
suchung des vom wissenschaftlihen Standpunkt Interessantesten, nämlich der Kon- 
struktion des Hauses, fortfáhrt, hofft er unter der Plattform im Schutz der Stámme 
nod mehr merkwürdige Dinge in dem prächtigen Kalkmoor zu finden, vielleicht 
geradezu Kleidungsreste. ` 

Das schon Gefundene zeugt ausser davon, dass die Gegend schon zu der 
Zeit reih und fruchtbar war und dass sie mit Menschen bevölkert war, die in Pfahl- 
hütten wohnten, auch davon, dass die Bevölkerung in Handelsverbindung mit anderen 
Völkern gestanden hat. Die Flintgeräte beweisen das — aller Flint ist ja impor- 
tiert — aber auch eine schöne Bernsteinperle in Form einer Doppelaxt, dem Symbol 
der Gottheit. 


322 У. Nachrichten. 


Todesfälle. 


Nachträglich bringen wir ein Bild des ersten uns durch den Tod geraubten 
Mitgliedes, Professor Dr. Oskar Mertins in Breslau, dessen Bedeutung für 
unsere Wissenschaft im „Mannus“ S. 166 
bereits skizziert worden ist. 


Am 5. Juni d. J. starb der Kgl. 
Rumänishe Hofgoldshmied Paul 
Telge zu Berlin, bekannt durch die 
zahlreihen trefflihen Nacbildungen 
vorgeschichtlicher Gold- und Silberfunde, 
z. B. von Vettersfelde, Sackrau, Pe- 
troassa, Wittislingen, Hiddensö, deren 
hauptsählihste er in der Schrift 
„Prähistorische Goldfunde in gesetzlich 
geschützten Nachbildungen“ in Wort und 
Bild behandelt hat. 


Am 9. Juni verschied plötzlich 
zu Freiburg i. S. unser Mitglied, der 
Kustos des Teplitzer Museums, k. k. 
Konservator Robert Karl Ritter 
von Weinzierl. Er war geboren 
1855 zu Weissaugezd in Böhmen, stu- 
dierte an der Prager Technischen Hoch- 


ái d m * isa лето 1858 schule und an der dortigen Universität, 
е gest. zu Breslau 14. 5. 1909. | wurde Sekretár der Prager Physiokra- 


tischen Gesellschaft und betrieb neben- 
bei aufs eifrigste das Studium der Vorgeschichte, die er durch fortgesetzte Aus- 
grabungen in Nordbóhmen auch praktisch förderte. Seine zahlreichen Schriften zur 
Vorgeschichte, mit denen er seit 1894 hervortrat, finden sich fast alle genannt in 
der „Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen“ (Mannus S. 187 bis 
210), die sein Schwanengesang werden sollte. Wegen seiner erfolgreichen Arbeiten 
wurde er 1897 zum k. k. Konservator ernannt und 1899 als Kustos des von ihm 
geschaffenen Zentralmuseums für Nordböhmen bestellt, das er in trefflichster Weise 
einrichtete, verwaltete und vermehrte und dessen Schätze er in den „Tätigkeitsberichten“ 
der wissenschaftlihen Welt auch literarisch eröffnete. Der neuen tatkräftigen Be- 
wegung, die zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte führte, 
schloss er sich alsbald freudigen Herzens an und sogleich stellte er seine letzte 
obengenannte Abhandlung, worin er ein Fazit seiner Lebensarbeit zieht, dem ‘Mannus’ 
zur Verfügung. So schien es angebracht, dieser Abhandlung zugleich sein körper- 
liches Bild mitzugeben (S. 188). Möge dem nunmehr verwaisten reihen Museum 
zu Teplitz bald ein Leiter erstehen, der mit gleicher Inbrunst, Tatkraft und Ge- 
schicklihkeit der Verwaltung und Mehrung seiner Schätze sich weiht. 


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V. Nachrichten. 323 


Ат 20. Juli entschlief т Kiel unser erstes und einziges Ehrenmitglied 
Fräulein Professor Dr. med. Johanna Mestorf, Direktor des Schleswig-Hol- 
steinishen Museums vaterländischer Altertümer 
a. D. Noch zum 17. April, ihrem 80. Geburts- 
tage, hatte ich ihr zugleih mit dem im ersten 
Mannushefte wiedergegebenen Ehrendiplom den 
Wunsch der Gesellschaft übermittelt, sie nod 
lange Jahre die unserige nennen zu dürfen. 
Die Erfüllung dieses Wunsches blieb uns versagt. 

Seit ihrem 70. Geburtstage, 1899, ist 
J. Mestorf fortgesetzt der Gegenstand so zahl- 
reicher Ehrungen und infolgedessen so zahlreicher 
öffentliher Besprechungen gewesen, dass ihr 
äusserer Lebenslauf in weiteren Kreisen bekannt 
sein dürfte. | £ 
| Geboren am 17. April 1829 zu Bramstedt Dicleesor Dr Johanna Манн. 
in Holstein als Tochter eines Arztes nahm sie 17. 4. 1829 — 20. 7. 1909. 
während der 50 er Jahre des vorigen Jahrhunderts 
längeren Aufenthalt in Schweden, was für die Heranbildung ihrer archäologischen 
Neigungen und ihrer Begeisterung zu heimatlicher Altertumsforschung von ent- 
scheidender Bedeutung wurde. Seit 1859 lag sie in Hamburg antiquarischen Studien 
ob, die sie seit 1865 zunächst zu Übersetzungen skandinavischer Werke führte, wie 
Nilssons „Ureinwohner“, Wibergs, Hildebrands, Worsaaes, Undsets, Soph. Müllers 
und Montelius' einschlägige Schriften, denen in den letzten Lebensjahren nod 
Salins ,Germanische Tierornamentik“ (1904) sich anschloss. 

Bald aber folgten eigene wissenschaftlihe Schöpfungen, beginnend 1868 mit 
den „Bildern aus der Vorzeit Schleswig-Holsteins“. Reicher wurde diese selb- 
ständige Tätigkeit, nachdem sie 1873 zum Kustos des Schleswig-Holsteinischen Mu- 
seums vaterländischer Altertümer ernannt und 1877 der ,Anthropologische Verein 
in Schleswig-Holstein“ gegründet worden war. Ihre beiden Werke ,Vorgeschicht- 
liche Altertümer aus Schleswig-Holstein“ (1885) und „Urnenfriedhöfe in Schleswig- 
Holstein“ (1886) sind die Quellen, aus denen jeder Forscher zunächst schöpft, wenn 
er eine Belehrung über die Vorgeschichte Schleswig-Holsteins sucht. Dazu kam die 
lange Reihe wertvoller Abhandlungen in den ,Mitteilungen des Anthropologischen 
Vereins“ (seit 1888) und in den „Berichten“ des Museums, besonders nachdem sie 
1891 als Nachfolger Prof. Handelmanns an die Spitze dieser Anstalt geriidst war. 
Hervorgehoben seien hierunter ihre Arbeiten über ,Steinaltergráber ohne Stein- 
kammer unter Bodenniveau“ (1892, 1899), ,holsteinische Gürtel“ (1897), „Glas- 
perlen aus Frauengräbern der Bronzezeit“ (1900), ,Danewerk und Heithabu“ (1901), 
»Wohnstatten der älteren neolithishen Periode in der Kieler Föhrde“ (1904), 
„Moorleihen“ (1900, 1907). 

Ihr Hauptwerk jedoch, womit sie sich ein dauerndes Denkmal gesetzt hat, ist 
das musterhaft eingerichtete, geordnete, verwaltete Museum selbst. Hierin konnte 
sie ihrem Jugendideal, die ihr in Schweden vertraut gewordene, damals der deut- 
schen so weit überlegene skandinavische Methode der archäologischen Forschung in 
Deutschland anerkannt und geübt zu wissen, so recht von Herzen nachgehen, und 
dies zumal im Dienste ihres engeren Heimatlandes, dem sie über alle Massen an- 
hing. Sie war ein erbitterter Feind aller Zentralisation von Berlin her und sah in 
den allerneuesten Personalánderungen an der Berliner Zentralstelle, wie sie mir 
in einem langen, ernsten Briefe gestand, nach allen Richtungen eine Gefahr für 


ro 
| 
| 
! 


324 V. Nachrichten. 


den gedeihlichen Fortschritt der Vorgeschichtsforschung. Noch ganz kürzlich schrieb 
sie mir, dass „nach ihren Erfahrungen die Lokalforschung von höchstem Werte“ sei, 
„vorausgesetzt, dass sie nicht dilettantisch betrieben, sondern von wohlgeschulten 
КгаНел nach strenger Methode vollzogen wird. Diese werden der Deutschen Gesell- 
schaft für Vorgeschichte nicht fehlen und da dürfen wir von ihrer ernsten Arbeit 
die schönsten Erfolge erhoffen“. 

Noch von ihrem Sterbelager aus liess sie es mich wissen, ,dass sie die ihr 
erwiesene Ehre“ (der Ernennung zum Ehrenmitgliede) „stets besonders dankbar 
empfunden hat“. 

Nicht das geringste Verdienst J. Mestorfs besteht darin, dass sie es verstanden 
hat, die richtigen Kräfte zu ihrer Unterstützung im Museumsdienste heranzuziehen 
und durch wissenschaftlich wie praktisch gleich gut geschulte Mitarbeiter und Nadh- 
folger für die in der Museumsverwaltung so notwendige Bewahrung der Überlie- 
ferung zu sorgen. 


Ende Juli starb plötzlich unser Mitglied der Schriftsteller Wilhelm Keetz 
in Hitzacker (Prov. Hannover), der sih manches Verdienst um die Vorgeschichte 
seiner engeren Heimat erworben hat. 


Am 12. November verschied zu 
Löcnitz bei Stettin nach langem, schweren 
Leiden unser Mitglied Sanitätsrat Hugo 
Schumann. 

Geboren am 2. März 1853 als 
Pfarrerssohn zu Untersiemau bei Koburg, 
mit 16 Jahren ganz verwaist, studierte er 
in Jena und Leipzig, um 1878 nach früher 
Heirat in Löcknitz als Arzt sich niederzu- 
lassen. Der Mangel geistiger Anregungen 
in dem kleinen Orte trieb ihn zum Studium 
der Geschichte, dann bald der Vorgeschichte 
seines neuen Heimatlandes, der er trotz 
schwerer Landpraxis alle freie Zeit, meist 
Nachtstunden widmete. Die erste Frucht 
dieser Studien war 1886 die Schrift über 
„Die Burgwälle des Randowtales“ (Balt. 
Stud. 37). In rashem Zuge bemäkhtigte 
er sich der Kenntnis der Hauptperioden 
der pommersch-nordbrandenburgischenVor- 
geschichte und vertiefte diese Kenntnis be- 
ständig, wie seine andauernden Veröffent- 
lichungen neuer Funde bewiesen. Seine 
„Urnenfriedhöfe in Pommern“ von 1889 
(Balt. Stud. 39) haben die wissenschaft- 

Sanitätsrat Hugo Schumann. liche Sicherung vergänglichen Materials ge- 

de En bracht und können darum nie völlig ver- 

alten. Ausser den „Baltishen Studien“ 

brachten die „Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft“ und die 
„Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ zahlreichste Aufsätze von ihm. 


V. Nachrichten. 325 


Beiträge zur Kenntnis der Steinzeit lieferte er durch Behandlung der Stein- 
kistengraber von Blumberg (1888), Lebehn (1889), Retzin (1896), Hammelstall (1902); 
der Flachgräber von Glasow, Casekow, Oberfier (1891), Stramehl (1894), Char- 
lottenhóh (1899); der Steingerätdepots von Bagemühl (1888), Brüssow (1890), 
Randowtal (1895); sowie der Tongefässverzierungsarten (1891). 


Der Bronzezeit gewidmet sind seine Abhandlungen über den Bronzedolch von 
Magnushof (1902) aus Per. I; die Funde Clempenow (1897), Peenefluss (1897), 
Arnimshain, Crüssow, Rosow (1901), aus Per. 11; Angermünde (1901), aus Рег. Ш; 
Hérnchentutuli (1890), Alt-Storkow (1891), Schwennenz (1894), Nassenheide (1900), 
aus Per. IV; Goldarmringe (1888), Hanshagen (1898), Vietkow (1900) aus Per. V. 


Der frühesten Eisenzeit gehóren an die Schriften: Die pommerschen Hohl- 
wülste (1892) und „Die Waffen und Schmucksachen Pommerns zur Zeit des Laténe- 
Einflusses, ihr Charakter und ihre Herkunft“ (Lemckefestschrift 1898). 


Sehr wichtig sind seine Veröffentlihungen über germanische Gräber aus 
früh- und spätrömischer Kaiserzeit, wie die von Obliwitz (1891), Zirzlaff (1892); — 
Borkenhagen, Falkenberg, Redel (1892—94), Bodenhagen (Baumsarg 1899), Hohen- 
selhow (1902); sowie aus merowingischer Zeit von Friedefeld (1898). 


Reichhaltig waren auch seine Ausserungen über wendische Skelettgrüber: 
Ramin (1898), Boeck, Bagemühl (1890), Wollin (1891, 1892, 1894), Friedefeld (1893); 
über Hacksilberfunde schrieb er 1902; über ein karolingisches Gefäss 1901. 


Bei den Skelettgrábern der Steinzeit, wie der rémischen Kaiserzeit und der 
wendischen Epoche widmete er der anthropologischen Untersuchung der menschlichen 
Reste stets die grósste Sorgfalt, was nicht dankbar genug anerkannt werden kann. 


Von selbstándigen Werken seien noch die Festschrift der Pommerschen Ge- 
sellschaft für Geschichte und Altertumskunde an die Berliner anthropologische Ge- 
sellschaft genannt: Der Bronzefund von Hökendorf (Stettin 1894), besonders aber 
seine nützliche Zusammenfassung „Die Kultur Pommerns in vorgeschichtlicher Zeit“ 
(Balt. Stud. 46, 1896). 

In den letzten Jahren seines Wirkens widmete er sich unter dem Einfluss 
seines Prenzlauer Freundes А. Mieck, des verdienstvollen Schépfers des schénen 
Prenzlauer Museums, ganz der Erforschung der Uckermark. In diese Epoche fällt 
sein kleiner Vortrag über die „Vorgeschichtlihen Beziehungen der Uckermark während 
der Stein- und Bronzezeit* (Prenzlau 1899), die mit А. Mieck gemeinschaftlich 
verfasste Schrift „Das Gräberfeld bei Oderberg-Bralitz“ (Prenzlau 1901) und nament- 
lih sein umfangreiches und reifstes Werk „Die Steinzeitgräber der Uckermark“ 
(Prenzlau 1904), worin er für die richtigere Beurteilung der Graberepochen und 
Kulturgebiete der Steinzeit Norddeutschlands Anerkennenswertes geleistet hat. Leider 
bedeutet dies Werk nicht nur den Höhepunkt, sondern auch den Endpunkt seines 
wissenschaftlihen Schaffens. In den letzten fünf Jahren lähmte ein Herzleiden 
seine Arbeitskraft und verhinderte jegliche wissenschaftliche Tätigkeit. 


Erstaunlich reichhaltig und vielseitig war die Arbeit dieses Mannes, der, ob- 
wohl Privatmann, in den letzten zwanzig Jahren fast allein die Vorgeschichte 
Pommerns in Verwaltung genommen hatte. Ehre seinem Andenken! Man ег- 
schrickt vor dem Gedanken, dass Pommern, dieses herrliche, unerschöpflich reiche 
Fundgebiet der Vorzeit, etwa auch den Segen der Arbeit dieses Thüringers hätte 
entbehren müssen und fragt sich, wie lange das jetzige völlige Darniederliegen der 
Sorge um die Vorgeschichte dieses Landes denn noch andauern soll! Ist niemand 
in Pommern da, der mit gleichem Eifer und gleicher Versenkung sich seiner Heimat 


326 V. Nachrichten. 


widmen oder wenigstens einen lauten Mahnruf ins Land erschallen lässt, nachdem 
Stettin und Stralsund gleichmässig veródet erscheinen? Oder wird wieder alles 
Heil von dem Herrn Minister in Berlin erwartet? 


Ат 3. Dezember entsdilief zu Bergquell-Frauendorf nach langem, schweren 
Leiden unser Mitglied der Geheime Sanitütsrat Dr. Wilhelm Zenker, Leiter 
eines Sanatoriums, im 71. Lebensjahre. Auf archäologischem Gebiete hatte er, wie 
in Frankreich Thieullen, die Neigung in Steinen, die Naturgebilde waren, mensch- 
liche Artefakte zu erkennen. ак 


Erklärung, 

Heft 1 der „Prähistorischen Zeitschrift“ 5.101 behauptet Direktor Schuchhardt, 
in der Versammlung des Nordwestdeutschen Verbandes, die am 19. April 1909 in 
Cassel tagte, sei ,festgestellt^, dass die von mir im Lager des Habichtswaldes ge- 
fundenen Scherben „nicht römisch“ seien. Diese Behauptung entspricht 
nicht der Wahrheit. Vielmehr haben diejenigen Herren, die sich die Scherben 
ansahen, das Vorgezeigte teils als wirklich römische, teils als möglicherweise römische, 
teils als Laténe-Ware anerkannt, und diejenigen, die das nicht vermochten, wussten 
überhaupt nicht, was sie damit anfangen sollten. Kein einziger der Herren 
aber hat sich dem Urteil Schuchhardts, dass sie karolingisch seien, 
angeschlossen. 

Osnabrück. Dr. F. Knoke. 


Berichtigung. 

Mannus Heft 1/2 S. 134 ist unter Abb. 2 die Bezeichnung „Nachbildung“ hin- 
zuzufügen bei folgenden Stücken: Schwertstab von Metzelthin (Original in Privat- 
besitz), Randbeile von Kläden, Schwertstabklingen von Gr. Schwechten, Dolch von 
Lüben. — S. 135 muss es unter Abb. 3 heissen: dickwangige Pinzette. 


Unsere Gesellschaft, die am 3. Januar mit 199 Mitgliedern begründet 
wurde, beim Erscheinen des ersten Mannus-Heftes (Juni) auf 250, bei der Haupt- 
versammlung in Hannover (August) auf 280 Mitglieder angewachsen war, zählt 
deren gegenwärtig (Dezember) 330. 

Am Gründungstage wurde Herr Geheimer Kommerzienrat vom Rath in Köln 
lebenslängliches Mitglied, im Dezember hat Seine Königlidhe Hoheit der 
Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg 
die immerwährende Mitgliedschaft erworben. 

Innerhalb des Ausschusses ist an Stelle des ausgeschiedenen Universitats- 
professors Dr. Lehmann-Haupt das rührige Mitglied Privatdozent Dr. Rob. Rud. 
Schmidt in Tübingen gewählt worden. — Das Amt des Schatzmeisters der Haupt- 
gesellschaft hat an Stelle von Dr. Albrecht-Charlottenburg, der aus Gesundheits- 
rücsichten sein Amt niederzulegen sich gezwungen sah, Zahnarzt Dr. Bordes in 
Berlin W. Schillstr. 10 übernommen. 


V. Nachrichten. 327 


Die Festschriften der Hauptversammlung zu Hannover 


sind, soweit der Vorrat reicht, auf gewöhnlihem buchhändlerischen 
Wege zu beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Ey 
in Hannover, Georgstr. 47, und zwar: 


1. 


2. 


Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover. 
7 Bogen 49, 6 Tafeln. Mk. 2.— 


Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge- 
schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen 
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin 


zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von 
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 80. Mk. —.25 


. Grabungen des Museumsvereins für das Fürsten- 


tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau. 
9 S. 89, 2 Tafeln. Mk. —.25 


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Sachregister. 


Abhäutemesser der Ancyluszeit 30. 

Abri Audit, Aurignacien vom 98, 114. 

Absatzäxte 300, 302. 

ims a des Aurignacien 101, 102, 111, 
112 


— des Moustérien 115. 

Acheuléen von Weimar 113. 

Ackerbau im Neolithikum durch einen 
Kalender geregelt 75. 

Adamklissi, Germanendarstellungen von 
147, 278. 

Agypten, eolith. und paläolith. Werkzeuge 
299. 


Ahrendsdorf, Кг. Teltow, Rollennadel 134. 

Ahrensfelde, „Jecketanz“ bei 309. 

Ahrenshoop (Mecklenburg), Feuerstein- 
werkstatte 260. 

Ainostámme, Zusammenhang mit der 
finnisch-ugrishen Wanderung 41. 

Alaska-Eskimos s. Eskimos. 

Albertsdorf (Fehmarn), Steinkammer 165. 

Albrecht, 2. Schriftführer der Zweiggesell- 
schaft Berlin der D. G. f. V. 144. 

— Schatzmeister der D. G. f. V. 168,326. 

Allstedt (S.-Weimar), Funde 155: 

loppe (Uppland), arktische Keramik 38, 

Elchfiguren 39, Wohnstattenfunde 49. 

Alpenschneehuhn 103. 

Alpine Kurzkopfrasse 34. 

Altenrath (b. Siegburg), Hügelgräberfeld 
84. 

Althagen (Mecklenburg), Feuersteinwerk- 
statte 260. 

Alvastra (Schweden), Pfahlbau 319. 

Amphoren, schnurkeramische 268, i. Siid- 
deutschland 232. 

— schnittverzierte 267, 268. 

— in Bohmen 193, 194, 198, 199, 238. 

Amulette des Magdalénien 299. 

Amulettfiguren s. Menschendarstellung, 
plastische. 

Amur, Steinzeitkultur am 41. 

Ancylus- Periode der Ostsee und ihre 
Kultur 26. 

— in Nordwesteuropa 30. 

— ihre Fortsetzung 30, 33. 

— Schädel aus ihr 34. 

— Erbschaft in der früharktischen Kultur 
36. 


Andernach, schnurkeramischer Becher 
Tafel XXII. 

Angelhaken, der Ancyluszeit 30. 

— jungneolithische 36 

Anhänger s. Körperschmuck. 

Ansa lunata, Gefässe mit 194. 

Anthropophagie 192. 

Äpfel aus einem Pfahlbau 320, 321. 

Arcy-sur-Cure, Aurignacien 98. 

Arendsee (Mecklenburg), Feuersteinwerk- 
státte 259. 

Arier 22. 

— Kultureinwirkung auf die Finnen 48. 

Ariogaisus bildlich dargestellt 147. 

Arktische Kultur, in Nordeuropa 37. 

— — Ausbreitung bis Ostsibirien 40. 

— — nicht mongolisch 41. 

— — Fortdauer bis an das Ende der 
neolith. Zeit 37. 

Armenier 22. 

Armring aus Glas s. Neusattel. 

Armringe s. Dembicz-Kolonie. 

— 8. Kischewo. 

— s. Lignitz. 

— $. Szczodrowo. 

Artern a. Unstrut,schnurkeramische Funde 
155. 

Assyrien, Steinskulpturen aus 66. 

Astronomen Führer der Bevölkerung 76. 

Astronomische Bestimmung der Sonnen- 
wenden durch Steinreihen 73. 

Asylien 35. 

— in der Ofnet 104. 

— Hirschgeweihharpunen des 29. 

Aucissa-Fibel 91, 93. 

Augustusschale von Boscoreale 145. 

Aunetitzer Typus in Dóhmen 196, Braun- 
schweig 289. 

Aurignac, Aurignacien von 98, 115. 

Aurignacien von Combe Capelle 252. 

— in Deutschland 97. 

— in Italien 117. 

— in Belgien 99. 

— das mitteleuropäishe in Verbindung 
mit dem westeuropäischen 117. 

Aurignacien, Rassen im 117. 

— menschl. Reste im deutschen 117. 

— vergleichende Stratigraphie der deut- 
schen Fundplätze 113. 


330 


Ge, Ha Typenreihe der Horizonte 98. 
lima 
— Depotfund aus dem 109. 
Aurignacienretusche, Wesen der 101, 114. 
— Auftreten im Hochaurignacien 114. 
— Verschwinden im Spätaurignacien 115. 
Aurignacleute und Australier 256. 
Ausgrabungen, Gesetz über prähistorische 
165 


Australier und Aurignacleute 256. 

Axt der Muschelhaufenzeit 259. 

— seltener Form 300 

— aus Dronze 84. 

— Flügelaxt 302. 

— Absatzäxte 300, 302. 

Axthammer von Czarnikan 303. 

— finnlünd. Form in Brandenburg 37. 


Bandelow, Kr. Prenzlau, Steinzeitfund 134. 

Bandkeramik, Verbreitung in Europa 21. 

— zugehöriger anthropolog. Typus 21. 

— in Nordbóhmen 191. 

Bandkeramische Grabfunde im Museum 
Kóln 300. 

— Siedelungen in Braunschweig 301. 

— Wohngruben am Mittelrhein 296. 

Bardal am Drontheimfjord, Felsenzeich- 
nungen und Hällristningar 44. 

Barnstorf (Mecklenburg), Steingeräte 260. 

Basaikha bei Krasnojarsk, Ostsibirien, 
Grabfund 40, 46. 

Bastarnen, Typen der 147. 

Becher, incrustiert, aus Ungarn 300. 

Becher, schnittverziert 268. 

Becher, schnurverziert 263. Taf. XXII. 

Beierstedt b. Jerxheim, Funde von 288. 

Beigaben bei paläolith. Bestattungen 104, 
254 


Beile aus Bronze 196, 283. 

— — ihre typolog. Entwickelung 149. 

— der Litorinazeit 33, 230. 

vom Limnhamntypus 36. 

vom Vespestadtypus 36. 

breitnackige 51, 230. 

dickknackige 51, 231. 

diinnnadckige 51, 230. 

Spitzbeil 51. 

Spitznackiges Beil 51, 230, 235. 

Walzenbeil 36, 50. 

im Neolithikum in Ostdeutschland ein- 

geführt 229. 

Belgien, Ancylus-Kultur in 30. 

Belgrad, Sardonixkamee von 145. 

Bellovesus-Zug der Gallier 236. 

Bemalte neolithishe Keramik 191, 236. 

Benzingerode a. H., Hünenstein von 
Tafel XIV, 23. 

Bergisdorf b. Sagan, Funde von 126. 

Bergmannsskelette s. Obourg, Strépy. 

Bergzahna, Kr. Wittenberg, Hügelgräber 
125. 

Berlin, Märkishes Museum, vorgesch. 
Abteilung 130. 


КЕ Де 


| 


Sachregister. 


Berlin, pal&olith. aus der Umgegend von 23. 

Bernburg (Anhalt), Menschenbild aus 
Bernstein 40. 

— spiralkeram. Grabfund 40. 

Bernburger Typus 231, 238. 

Bernstein im engl. Neolithikum 232. 

— in béhmischen Funden 195, 200. 

— in einer paläolith. Fundstelle 110. 

Bernsteinperlen s. Perlen. 

Bernsteinschmuck s. Menschendarstellung. 

Bessarabien, neolith. Keramik 228, 236. 

pesa une , Vorläufer von ritueller 117. 

— 8 er. 

er Kr. Gratz, slavisches Ton-Gefäss 
140. 


Bieler See, Bronzefunde 300. 

Biesenbrow (Brandenburg), Depotfund 
von 134. 

Bilcze, neolith. Gefäss 228. 

Bilcze-Zlota, Urnengräber von 236. 

Bilder keltischher Gottheiten auf einem 
Gefass 95. 

Bilin (Bóhmen), Amphore von 194. 

Billendorf, Kr. Sorau, Urnenfriedhof 136. 

Billendorfer Typus in Bóhmen 200. 

Biskupin, Kr. Znin, Silexbeil 230. 

Bisonreste in deutschen paläolith. Fund- 
stellen 105, 107, 111, 118. 

Björkö, Kreuz von 59. 

— Kruzifix von 60, 61. 

E Кг. Templin, Bronzemeissel 
134. 

Blattspitzenfórmige Geräte des Aurig- 
nacien 101. 

Blómkeberg b. Bielefeld, neol. Becher 
Taf. XXII. 

Borksteinhóhle, Aurignacien in der 105, 
113, 114, 115, 116. 

Bogenstichel des Aurignacien von deut- 
schen Fundorten 98, 99, 104, 106, 
112, 113, 115, 116. 

Bohlengrab 263. 

Bohrer altpaläolith. Form 258. 

-. des Aurignacien 102, 104, 109, 116. 

— der Muschelhaufenzeit 259. 

Bohuslän, Hällristningar von 41. 

Béla im Drontheimfjord, Felsenzeich- 
nung 43, 44. 

Bomblin ll, Kr. Obornik, bronzezeitliche 
Funde 139. 

Bonn, Hausanlage der Glockenbecherkul- 
tur 84. 

— Hügelgräberfeld der ältesten Bronze- 
zeit 84. 

Bordes-Charlottenburg, Wahl zum Schatz- 
meister 326. 

Borger, Drente, neol. Becher, Taf. XXII. 

Borreby, Steinzeittypus von 47. 

— Herkunft desselben 48. 

Bos primigenius von Metternich 112. 

Boscoreale, Augustusschale von 145. 

Bosporan. u. got. Kultur, Beziehungen 
der 122. 


Sachregister. 


Bouitou, Aurignacien von 98, 101, 115. 

Brandbestattung bei der Donaukultur 226. 

— bei der osteurop. bemalten Keramik 
eine Täuschung 227. 

Brandenburg, Axthammer finnländischer 
Form in 37. 

— Walzenbeil in 36. 

Brandgruben s. Kokorzyn. 

— $. Posen. 

Brassempouy, mitt]. Aurignacien von 98, 

Brauel-Offensen, Kr. Zeven, neolith. 
Grabfunde 262. 

Braunschweig, stadt. Museum 301. 

Breitnackiges Beil s. Beil. 

Bretagne, neolithische Keramik 51. 

— — Bauten 72. 

Britische Inseln, Grabsteine 170, 171, 173, 
177, 179 

Brodowo, Kr. Schroda, bronzezeitliche 
Tongefässe 139. 

Bronzefigürchen zur Verzierung römischer 
Pferdepektoralien 146. 

Bronzegefässe, Bruchstücke 95, 291. 

Bronzegegenstände, Herkunft der 149. 

— Herstellungsart der 150. 

Bronzezeit, Chronologie 149. 

— Hügelgräberfeld s. Bonn. 

— Funde aus Posen 138, 303. 

Brünn, Schädel von 255. 

Brüx, Schädel von 255. 

Buchdeckel aus Elfenbein 57. 

Buchenloch i. 4. Eifel, Aurignacien 110, 
113. 

Buchow (Havelland), Mäanderurne 135. 

Bühlstadium der Alpengletscher 23. 

Bukowina, neolith. Keramik 236. 

— Feuerstein in der 228. 

Burgscheidungen (Kreis Querfurt), Am- 
phore von 268. 

burin busqué s. Bogenstichel. 

Butmir (Bosnien), neolith. Fundstelle 235. 

Büttelkow (Mecklenburg), Feuersteinwerk- 
statte von 259. 


Caldauen b. Siegburg, Hügelgräberfeld 84. 

Campignien a. d. Rheinland 299. 

Campignyien, Fortsetzung in der Litorina- 
Kultur 30, 35. 

— in Oberitalien 33. 

Caniden in deutschen paläolith. Fund- 
stellen 103, 105, 118. 

Chancelade, Skelett von 255. 

Chapelle aux Saints, Skelett von 257. 

Chatelperron, Aurignacien von 114. 

— Klingentypus von 104, 114. 

— Spitzen vom Typus 98. 

Chelles-Keile aus Italien 299. 

Chlewisk, Kr. Samter, laténezeitlicher 
Steinkistengrabfund 139. 

Chojno, Kr. Rawitsh, bronzezeitliches 
Grab 304. 

Chronologie der Bronzezeit 149. 


331 


Chronologische und ethnographische Me- 
thode der vorgeschichtl. Forschung 141. 

Clermont sur Oise, menschliche Gebeine 
von 148. | 

Clóden (Prov. Sachsen), Funde von 126. 

Cliiver, Germania antiqua 147. 

Coblenz, Museum zu 294. 

coche-grattoirs von der Ofnethóhle 104. 

Combe Capelle, palàolith. Funde von 
252. 

Coschenberg (Niederlausitz), Funde von 
126. 


Coswig, Steinbeil von 230. : 

Congrés archéologique et historique in 
Lüttich 167. 

Congrés Préhistorique de France 167. 

Coup de poing s. Keil. 

Cro-Magnonrasse 23, 25, 255. 

Cro-Magnon, mittl. Aurignacien von 98, 
99, 101, 115. 

Cromlechs s. Menhirs. 

Czarnikau, Axthammer von 303. 

— Netzsenker von 

— bronzezeitl. Gefässe 303. 

— latenezeitl. Tongefäss 304. 

Czempin, Kr. Kosten, bronzezeitliche Ge- 
fässscherben 139. 


Daker, Darstellungen der 145. 

Dalsland, Kurzköpfe in 47. 

Dänemark, Elchharpunen 29. 

— Grabsteine 170, 171, 179. 

— Haustein 55. 

— Kurzkopftypus 47. 

— Wechs al der Flora 27. 

Danzig, Eberfigur aus Bernstein 40. 

Darzau, Verbrennungsstätten von 224. 

Daun-Morànen, Stadium der 27. 

Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda, bronze- 
zeitlihe Grabfunde 139. 

— Fibelreste 140. 

Denare s. Münzen. 

Depot von Knochenpfriemen des Aurig- 
nacien 109. 

Depotfunde in Bóhmen 200. 

— aus Ungarn 300. 

— $. Szczodrowo. 

— 8. Biesenbrow. 

Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte 
Mitgliederzahl 9, 143, 326. 

— lebenslänglihe Mitglieder 326. 

— Einladung zur 1. Hauptversammlung 
in Hannover 167. 

Diademe, ostgotische 151. 

Dicknackiges Beil s. Beil. 

Diéderspitze des Tardenoisien 91. 

Diluviale Tierreste im Mus. Coblenz 296. 

Dnjepr, Bandkeramik am 21, 239. 

— Arier am 48. 

Dolce, dreieckige Bronze-, aus Böhmen 
196. 


— — von Bonn 84. 
— — von Köln 300. 


332 


Dolhe aus Ellbogenknochen von Elch 

. und Edelhirsch 28. 

— aus Feuerstein 271. 

Dömitz (Mecklenburg), Kurzschädel der 
Ancyluszeit 34. 

Donaukultur, Heimat 233. 

— Ausdehnung 233. 

— Zeitstellung 233. 

— Brandbestattung bei der 226. 

Doppelaxthammer aus Kupfer 243. 

Doppelkratzer des Aurignacien 101. 

Doppelpfriem des Magdalénien 299. 

Doppelschaber vom  Moustérien 
Sirgenstein 100. 

Drachenornamente auf Bronzen 148. 

Drehscheibe bei den Kelten 203. 

Dudenhofen b. Giessen, Funde von 126. 

Diinnackiges Ве! s. Beil. 

Dux, Benutzung der Quelle von 208. 


des 


Eberswalde, Paläolithisches 23. 
— Irrgarten bei 309 
clats des Tardenoisien 91. 

Edelhirsh im deutschen Paläolithikum 
103, 112, 118. 

Edingen i. Pommern, Paläolithisches 23. 

Ehringsdorf b. Weimar, Aurignacien 113. 

Einladung zum Besuche diluvial-archäo- 
logischer Fundstellen im Vézére-Tale 
in der Dordogne 147. 

— Brief von O. Hauser 166. 

Einsdorf (Prov. Sachsen), Amphoren von 
268. 

Eisen, erstes Auftreten in Bóhmen 200. 

Eisenmesser mit Zeichen von Fohrde 123. 

Elbekosteletz (Bóhmen), Amphore 238. 

Elchfiguren aus Ton 39. 

Elchgeweih-Geräte der arktischen Kultur 
Skandinaviens 37. 

Elchknochen-Gerate der Ancyluszeit 29. 

Elfenbein, Buchdeckel aus 57. 

— von einem Thron aus Ravenna 62. 

— im deutschen Aurignacien 102, 106, 
109, 111, 114—-116. 

Ellakreuze aus Schweden 64. 

Ellerbeck b. Kiel, Fischharpune aus Hirsch- 
geweih 29. 

Elsass, Hügelwälle im 309. 

Emailperlen s. Perlen. 

Engis, Schadeldach von 257. 

England, Walzenbeil in 36. 

Eolithen aus Agypten 299. 

Ermsleben, Mansf. Gebirgskreis, Urnen- 
friedhof von 127, 155. 

Ertebólle in Jütland, Skelette der Litorina- 
zeit 35. 

Eskimos, Bewahrer der Ancyluskultur 39. 

— Keramik der Alaska- 41. 


Ethnographishe Methode der Vorge- 
schichtsforschung 141. 
Falköping (Vestergötland), Bernstein- 


amulett 39. 


Sachregister. 


Farsleben, Kr. Wolmirstedt, Funde von 
125, 126 

Fauna der deutschen Aurignacienfund- 
stellen 100, 103, 104, 105, 107, 108, 110, 
111, 113, 117. 

Faustkeil von Wustrow-Niehagen 258. : 

Fehrbellin (Osthavelland), Bronze-Wen- 
delring 137. 

Felsenzeichnungen 41. 

Felsmalerei s. Hindhammern. 

Fernewerder, Kr. Westhavelland, Abhaute- 
messer aus Edelhirschknochen 30. 

Feuerstein im béhm. Neolithikum 195. 

— invölkerwanderungszeitl. Gräbern 271. 

— in Galizien 228. 

Feuersteinbeile mit Maserung, Heimat 
der 229 f. 

— — Vorkommen in Ostdeutsdiland 230. 

— s. Beile. 

— nord. Form in Galizien 229. 

Feuersteingeräte in Ostgalizien und Buko- 
wina 228. 

Feuersteinmesser 90, 92, 263, 265, 269, 270. 

Feuersteinspáne, galizische 229. 

Feuersteinwerkstätten in Mecklenburg 259. 

Fibel, aus Eisen 95, 207. 

— s. Aucissa-Fibel. 

— s. Scheiben-Fibel. 

Fibelreste der Laténe- 
s. Dembicz-Kolonie. 

— aus Latene-Gräbern 275. 

Fifeshire, neol. Becher, Taf, XXII. 

Finnischer Sprachstamm verwandt mit dem 
Indogermanischen 48. 

Finnland, arktische Kultur in 37. 

—- Bernsteinhàngestück aus 39. 

Finno-Ugrier, ZeugenihrerAusbreitung 41. 

— Ausbreitung der... nach Osten 48. 

— beeinflusst durch die Arier 48. 

— kérperliche Verschiedenheit der 48. 

— Verschmelzung mit Indogermanen 49. 

Fischgrätenverzierung 267, 268. 

Fisdiharpunen des Magdalenien u. d. 
Ancylus-Kultur 29. 

Flachbeile s. Beile. 

Flenusien a. d. Rheinland 299. 

— in Belgien u. Nordfrankreich 25. 

— Fortsetzung im Campignyien 30. 

Flügelaxt von Roskilde 302. 

Fohrde, Kr. Westhavelland, Eisenmesser 
mit Zeichen 123. 

— — Mäanderurnen 135. 

Follstein, Kr. Filehne, 
Tongefässe 139. 

Fränkishe Funde a. d. Rheinland im 
Museum Coblenz 297, 298. 

Frankreich, Kreuze auf Kirchenglocken 
aus 59. 

— Ursprungsland des indogermanischen 
Typus 51 f. 

— neolith. Siedelungsverhältnisse in 51. 

— Fehlen neolithischer Keramik in 51. 

Abbruch jünger-neolith. Kultur in 52. 


und Kaiserzeit 


bronzezeitliche 


Sachregister. 


Frankreich, verzierte Rengeweihstüce 29. 

— Kurzschädel im Neolithikum 34. 

— Walzenbeil in 36. 

— Bandkeramik in Nord- 51. 

— Zonenbecher in 51. 

Frauenidole aus Ton 238, 241, 243. 

Freudenthaler Hóhle bei Schaffhausen 28. 

Fruchtbarkeitsgöttin 238. 

Früharktische Kultur in Skandinavien 36. 

Furfooz, Rasse von 34. 

Fussbecher, schnurkeramische 232, 263, 
267, 268. 

Fusschalen i. d. Tripoljekultur 243. 

Fussohlen, Darstellung von s. 
ristningar. 

Fussurnen, germanische, der Kaiserzeit 
32, 275 


Häll- 


Gagat, im Aurignacien zum Schmuck 
verwendet 117. 

Galizien, neolith. Keramik 228, 229, 236. 

Galley Hill, Schädel von 255. 

Gallishe Auswanderungen aus Frank- 
reih 236. 

Gefäss gallisch - römischer Herkunft mit 
Gesichtern 95. 

Gefässdecel, rot, 
Figuren 94. 

Gefässreste, neolithische s. Jesuiterbruch, 
Lassek-Luban. 

Gemma Augustea in Wien 145. 

Germanen 22. 

-— erste Ausbreitung von Dänemark und 
Scleswig-Holstein 50. 

— am Niederrhein 83. 

— Haartracht 146, 278. 

— körperlihe Eigentümlichkeiten 144. 

Germanendarstellungen in der antiken 
Skulptur 144, 278. 

— unserer Zeit 147. 

Germania capta, Darstellungen der 146. 

Germanishe Funde aus der Völker- 
wanderungszeit 151. 

Germanische Kulturgruppen, neue Funde 
a. d. Prov. Posen 139, 304. 

Gerolstein s. Buchenloch 

Gesamtverein der deutschen Geschichts- 
und Altertumsvereine, Hauptversamm- 
lung 1909 in Worms 167. 

Geschichte der Vorgeschichtswissenschaft, 
ein Beitrag zur 124. 

Gesetz über prähistorische Ausgrabungen 
165. 

Gesichtsvase von Troisdorf 301. 

Geweihhacken der Ancyluszeit 29. 

Giessen, Gräber der Kaiserzeit 93. 

Glas, Scherben von römischem 87, 88, 92. 

— geschmolzenes 95. 

— $. Perlen. 

Glätter des Aurignacien 106, 109, 110, 
111, 115, 116. 

— von Weimar, falzbeinartig 113. 

gleicharmige Kreuze s. Kreuze. 


mit ausgearbeiteten 


а 


533 


Glocke aus Eisen 91. 

Glocken aus Frankreich 59. 

Gnewezin i. M., Kurzschädel der Ancylus- 
zeit 34. 

Godenstedt (Hannover), Steingrab von 271. 

Gold im bóhm. Spätneolithikum 195. 

— in der bóhm. Bronzezeit 200. 

Goldfund s. Schellenken. 

Golencin, Kr. Posen- Ost, 
geräte von 138. 

— neolith. Siedelung 303. 

— eisenzeitl. Grabfunde 139. 

Golina, Kr. Jarotschin, slav. Scherben 140. 

Gollwitz, Kr. Zauch- Belzig, Angelhaken 
aus Elchgeweih 30. 

Gorge d’Enfer (Belgien), Aurignacien 99. 

Góritzer Typus in Bóhmen 200. 

Gortz, Kr. Westhavelland, Ren - Harpune 
4, 29. 

Gorzewice, Kr. Samter, s. Neudorf. 

Gotische und bosporan. Kultur, Bezie- 
hungen zueinander 122. 

Gotland, Grabsteine von 174, 175, 176, 
178, 179, 180, 183 

— Kruzifixe von 60, 61, 64. 

— Skelettgrab von 49. 

Gottheit und Sonne 177. 

Gottheiten, keltische, auf einem Gefäss 95. 

Goyet (Belgien), Aurignacien 98 

Gräber, paläolithische 104, 254. 

— im Zusammenhang mit einer Derf- 
anlage 95. 

— $. Bestattungen. 

—- s. Bohlengrab. 

Gräberepoche, Anfänge der jungneoli- 
thischen 51, 231. 
Graberfelder karpodakischer Kulturgrup- 
pen a. d. Prov. Posen 139, 303. 
Grabhügelfelder am Niederrhein 83, 301. 
Grabplatte, bosporan., aus Siidruss- 
land 123. 

Grabsteine (mittelalterlich), mit Rad- und 
Kreuzesbildern 170. 

Grabstein aus Schottland 54. 

Grabsteine rémischer Soldaten mit Ger- 
manendarstellungen 146. 


Feuerstein- 


Gralow (Brandenburg), Hacksilberfund 
135. 

Granit, verwendet zu einem Sdleif- 
stein 267. 


grattoir caréné s. Schaber. 

Gravette, Klingen vom Typus 102, 109, 116. 

— jn der Ofnethóhle fehlend 104. 

Greisitz b. Sagan, Funde von 126. 

Grenelle, Rasse von 34. 

Griechen 22. 

Griechisches Kreuz s. gleicharmiges Kreuz. 

Grimaldirasse 117. 

Grimma (Sachsen), Menhir von Taf. XIV/1. 

„Grönländisches Ren“, während der ark- 
tishen Kultur in Skandinavien ein- 
gewandert 37. 

Grossgartacher Keramik 234, 296. 


534 


Gr. Holletitz (Bóhmen), neolith.Gefass 226. 

Gr. Kreuz, Kr. Zauch-Belzig, Elch-Har- 
pune 29. 

Gr. Oerner (Mansf. Gebirgskreis), neolith. 
Gefüss 238. 

Gr. Schwedhten, Kr. Stendal, 2 Schwert- 
stabklingen 134, 326. 

Gr. Tschernitz (Bóhmen), Dolche von 201. 

Gr. Tschernosek (Béhmen), Ansa lunata- 
Gefüss 194. 

— — neolith. Keramik von 193. 

Grossumstadt, Amphore von 268. 

Gr. Vahlberg (Braunschweig), neolith. 
Siedelung 301. ` 
Gschnitz-Stadium der Alpeneiszeiten 27. 

Guben, Funde von 126. . 

Guébhard, Prof. Dr., Rede in der Société 
réhistorique de France 142. 

itglied der D. G. f. V. 150. 
Gullrum, Gotland, Wohnplatz u. Skelett- 
rab der arktischen Kultur 36. 

amm von 39. 

Gürtelhaken, laténezeitlicher 276. 
Gürtelplatten aus Knochen 229. 
Giirtelschnalle s. Zalesie. 

Gussformen s. Schiessglock. 


Haartracht der Germanen 146. 

Habichtswald, Lager im 326. 

Hacken der Donaukultur 233. 

Hakenkreuz 67--69. 

— in der christ]. Kirche benutzt 67, 69. 

— indogerman. Vólkern angehórend 68. 

— auf Runensteinen 67, 69. 

— auf ostgot. Runenspeeren 123. 

Halchter (Braunschweig), neol. Siede- 
lung 301. 

Hällristningar in Skandinavien 41, 45. 

— ihre Bedeutung für die Erkenntnis der 
Kultur der Bronzezeit 150. 

Hallstattkultur in Bóhmen 200. 

Hallstattzeitl. Funde im Mus. Coblenz 297. 

— — im Mus. Bonn 84. 

Halsringe mit Osenenden s. Szczodrowo. 

Hammer, fazettiert, von Boppard 296. 

— schiffsbootformig 263. 

— 269. 

Hammer der arktischen Kultur Finnlands 
37 


— desgl. Russlands 40. 

Handelsverbindungen des neolith. Böhmen 
195. 

— des bronzezeitl. Bóhmen 200. 

Handspitzen des Moustérien vom Sirgen- 
stein 100. 

Harjedalen, Felszeichnungen von 42. 

Harpunen aus Japan 41. 

—- des Asylien 29. 

— der Ancyluskultur 29. 

Harzbüttel (Braunschweig), völkerwande- 
rungszcitl. Funde 301. 


Hasenfelde b. Fürstenwalde, Buckelurnen- | 


grab 135. 


| 


Sachregister. 


Hastiére (Belgien), Aurignacien und Mou- 
stérien 99, 100. 

Hastiére, Niveau von, in Spy 117. 

— Unterkiefer von 257. 

Hauser-Basel s. Einladung. 

Haustein aus Dänemark 55. 

Haustiere, plastisch dargestellt 238. 

Hebenkies b. Wiesbaden, neol. Becher 
Tafel XXII. 

Heeslingen (Hannover), vólkerwande- 
rungszeitl. Friedhof von 271. 

Heilbronn, Verbrennungsstatten von 224. 

Helme, ostgotische 121, 151. 

Helmstedt, Bronzeabsatzaxt,Tüllenaxt 302. 

Hennegau, Flénusien und Campignyien : 
im 30. 

Herdpflaster in german. Wohngruben 88. 

Heró in Norwegen, Bernsteinfund von 39. 

Herstellung von Gefässen, Form zur 92. 

Hessen a. Fallstein, neol. Siedelung 301. 

Hindhammern in Nordmóre, Felsmalerei 


42. 

Hinkelsteinkultur 234. 

Hinridashagen in Vorpommern, Silex- 
beil 230. 

Hirschgeweih, beschnitten 305. 

Hirschgeweihhacken derAncylusperiode29. 

Hobel der Donaukultur 233. 

— Vorkommen in Butmir 235. 

Hocker, sitzende 192. 

Hockerbestattung, bronzezeitliche 319. 

— paläolithische 254. 

— in Australien 256. 

— in Böhmen 191. 

Hohenaverbergen (Hannover), 
Becher 268. 

Hohenkränig, Kr. Königsberg in N., Bronze- 
nadel 134. 

Hohlefels bei Schelklingen, Aurignacien 
vom 110, 115. 

Hóhlentiere in deutschen paläolith. Fund. 
stellen 100, 103, 105, 107, 110, 111, 
116, 117, 118. 

Höhlenprofile s. Profile. 

Hohlestein, Knochenpfriemen des Aurig- 
nacien vom 107. 

Holderness (England), neolith. Becher 
Taf. XXII. 

Holeheien in Jaederen, 
funde von 49. 

Holland, Ancylus-Kultur in 30. 

— neolith. Becher Taf. XXII. 

Holzheim b. Giessen, neolith. Вефег 
Taf. XXII. 

Homo Aurignacensis H. 252. 

Homo Heidelbergensis 148. 

Horodnica, neolith. Keramik 230, 238. 

Horngeräte des Aurignacien 107. 

Hestomitz (Böhmen), Amphore 198. 

— Bronze- und Eisengeräte 206. 

Hügel, schichtweise aufgebaut 266. 

Hügelgrab der Kaiserzeit s. Siedlemin. 

Hügelgräber in Böhmen 200. 


neolith. 


Wohnstätten- 


Sachregister. 


` Hügelgräber, neolithische im Kr. Zeven 262. 

Hügelgräberfeld der ältesten Bronzezeit 
bei Bonn 84. 

Hügelgräberfelder, niederrheinische 84. 

Hügelwälle im Elsass 309. 

Miu ene der Vorgeschichts- 
forschun 

Hundekopfs Sauter der arktischen Kul- 
tur 39, 40. 

Hüttenbewurf 81, 92. 


Idole d. Tripoljekultur 241. 

-- in Menschengestalt 228, 238, 240, 243. 

— S. а. Menschendarstellungen. 

Illyrier 22. 

Птелѕее, Gefäss von 38. 

Indogermanen, Nordgruppe u. Südgruppe 
der Archäologen 21. 

— West- und Ostgruppe der Sprach- 
forscher 22. 

— ihre Wurzeln in der Diluvialzeit 23. 

— die Frühneolithiker Nordeuropas 
Nicht- 34. 

— т Livland 48. 

— Verschmelzung mit Finno-Ugriern 49. 

— Beginn und Richtung der Einwande- 
rung in Nordeuropa 50. 

— Ursprung in Westeuropa 52. 

— Eindringen in England 232. 

Indogermanische Fragen: Vorfragen 18. 

— Ursprache 18. 

— Urvolk 19. 

— Typus des Urvolkes 19. 

Indogermanische Zeit, neue Funde in der 
Provinz Posen 138, 303. 

Indogermanischer Sprachstamm, verwandt 
mit dem finnischen 48. 

Ingalik $. Eskimos. 

Istarstern, Symbol in assyr. Zeit €5. 

Italien, Einflüsse des Aurignacien 117. 

— Langobard. Goldkreuz 60. 

Italiker 22. 

Iwno, Kr. Schubin, neol. Keramik 235. 


Jadeitbeil 138. 

Jagdmarken an Waffen des Aurignacien 
102, 115. 

Jagdtrophäen aus dem Aurignacien 116. 

Jamtland, Felszeidinungen von 42. 

Jankowo, Kr. Mogilno, Silexbeil 230. 

Japan, Harpunen aus 41. 

— Finno-Ugrier in Nord- 48. 

Jenissei, Felsenzeichnungen vom 46. 

Jessen-Jüritz, Kr. Sorau, karpodak. Urnen- 
friedhof 136. 

Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza, neolith. 
Gefasscherben 138. 

Jezupol bei Halicz, neolith. Keramik 227. 

Joachimstal, „Behrend Kirchhof“ b. 309. 

Jordansmühl, Skelette von 21. 

Jordansmühler Typus 225, 226. 


Kaaks b. Itzehoe, neol. Becher Taf. XXII. 
Kaiserzeitlihe Funde in Posen 140. 


335 


Kaiserzeitlihe Fussurnen 92, 275. 

— Urnengräber 93, 94, 95, 238, 273. 

Kaiserzeitliches Hügelgrab 140. 

Kalbe a. M., Ancylus-Kultur von 27. 

Kalender, neolithischer, auf Sonnen- 
beobachtung beruhender 75. 

Kammstrichverzierung 93. 

Kannenbesdiag mit Ausguss aus Bronze 


, 91. 

Kantenstichel s. Stichel. 

Kapital a. d. Kirche San Clemente in 
Rom 56, 58. 

— Teil von einem Kapitàl a. d. Markus- 
kirche 55. 

Karbitz-Herbitz (Bóhmen), Bandkeramik 
von 192. 

Karpodakische Funde aus der Provinz 

osen 139, 303. 

Käsestein 139. 

Kassel, Nordwestdeutscher Verband in 
162. 

Katakomben, Inschriften und Zeichnungen 
in den römischen 68, 69. 

Kazmierz, Kr. Samter, bronzezeitliche 
Grabfunde 139. 

Keetz-Hitzacker T 324. 

Keil, archaisierender aus dem Aurignacien 
106, 114 

Keile aus Feuerstein 270. 

Kelten 22. 

— ihre Keramik 202. 

— Totenbestattung 202. 

— Wandlungen 236. 

Keltoillyrier, Typus der 145. 

Keramik der früharktischen Kultur 36, 38. 

— der Kelten 202. 

— der Slawen 210. 

— mit Stempelverzierung 300. 

— bemalte hallstáttische in Böhmen 201. 

— bemalte osteuropäische 227. 

Kertsch, bosporan. Schnalle von 122. 

Kessenichb. Bonn, laténezeitlidveFunde 84. 

Kiekebusch, 1. Schriftführer der Zweig- 
gesellschaft Berlin der D. G. f. V. 144. 

Kielkratzer des Aurignacien 98, 99, 101, 
102, 104, 109, 113—116. 

Kiew, neol. Wohngruben in 240. 

Kirdilidi-Murzynowo, Kr. Schroda, latene- 
zeitlihes Henkelgefäss 140. 

Kischewo, Kr. Obornik, Steinbeil 138. 

— — kaiserzeitlihe Gefässe u. Bronze- 
armring 140. 

— — Bronze-Nierenringe 139. 

Kjelmes, Norwegen, Wohnstätten mit ark- 
tischer Kultur 37. 

Kjökkenmöddings-Geräte 259. 

— $. a. Muschelhaufen. 

Kläden, Kr. Stendal, Randäxte 134, 326. 

Kladow (Brandenburg), Tardenoisien 25. 

Kleidung der Germanen 145. 

Kl. Drensen, Kr. Filehne, Steinbeil 230. 

Klein Gaglow (Lausitz), Urnenfriedhof 
von 211. 


336 


Kl. Kreutz, Westhavelland, Steinbeil 230. 

Kl. Machnow, Kr. Teltow, Hirschgeweih- 
hacke 29. 

— — Kurzschädel der Ancylus-Zeit 34. 

К. Rietz, Кг. Beeskow - Storkow, neol. 
Grab 134, 234. 

К. Tchernitz (Béhmen), Br.-Gewand- 

nadeln von 204. 

Klima zur Zeit des Aurignacien 105, 117. 
Klingen des Aurignacien 98, 101, 102, 
104, 106, 109, 110, 114, 115, 116. 

— 8. Chatelperron. 

— S. Gravette. 

— s. Stielklingen. 

Klingenabsplisse s. Absplisse. 

Klingenkratzer s. Kratzer. 

Klopfer des Aurignacien 112. 

Knochenwerkzeuge des Aurignacien 98, 
101, 102, 104, 107, 109, 111, 114, 
115, 116. 

Knoke-Osnabriick gegen Schuchhardt} 326. 

Knorr, Dr. phil. F., Nachfolger von Frl. 
Prof. Mestorf 165. 

Kokor Kr. Kosten, neolith. Scherben 

u. Wirtel 1 138. 

-— — Grabfunde aus Brandgruben, mit 
Beigaben 140. 

— — kaiserzeitl. Funde 304. 

Köln, Prähistorishes Museum 298. 

Kommandostäbe fehlen im deutschen 
Aurignacien 116. 

Kongresse im Jahre 1909 167. 

Königsrode, Kr. Schubin, laténezeitliches 
Steinkistengrab 140. 

Konsekrationskreuze aus Schweden 54, 55. 

Korn, 3. Schriftführer der Zweiggesell- 
schaft Berlin der D. G. f. V. 

Korallen aus der Wildscheuer 1 10. 

Körperbeschaffenheit der Germanen 144. 

Kérperschmuck der Aurignacienleute 116. 

Kossinna,Begriinder der ethnographischen 
Methode 141. 

— 1.Vorsitzender der Zweiggesellschaft 
Berlin der D. G. f. V. 144. 

Koszylowce (Galizien), neolith. Keramik 
227, 228, 239. 

Kohlenreste, untersucht 271. 

Kowel, Zeichen vom Runenspeer von 122. 

Kraiditz (Bóhmen), Steingeráte von 196. 

Krapina, Moustérien von 299. 

Kratzer des Aurignacien 101, 102, 104, 109, 
110, 112, 114, 115. 

— s. Kielkratzer. 

Krems, Aurignacien von 99, 101, 115. 

Kretz a. Laacher See, bandker. Grabfunde 
300. 

Kreuz, sechs- und achtspeichiges 67. 

— lateinisches 58. 

gleicharmiges 58, 65. 

Wesen des dhristlichen 186. 

und Christentum 183. 

und Sonnenrad 176. 

unabhàngig vom Kreuze Christi 60. 


— 

— 

— 
urn 


a لے و‎ e 


Sachregister. 


Kreuz, schon in vordhristl. Zeit ein Symbol 
der Göttlichkeit 65. 

Kreuze zum Hinrichten 182. 

auf einem Stabe getragen 62, 172. 

zusammen m. d. Sonnenrad 170, 174. 

zusammen m. d. Baum des Lebens 175. 

aus germ. Grábern der Zeit kurz nad 

Annahme des Christentums 90. 

auf franzós. Kirchenglocken 59. 

auf babylon. Siegelzylindern 66. 

auf ägyptischen Denkmälern 66. 

Kreuzverzierung 1. 4. Tripoljekultur 241. 

Krim, neolith. Keramik 236. 

Kruzifixe, altchristliche, aus Schweden 60, 
61. 


Kugelam horen 231. 

— ethnologische Stellung der 156. 
Kukuteni, Silexbeile nord. Form 229. 
Kümpfe der Stichreihenkeramik 234. 
unas physioplastische und idioplastische 


Kunstübung im Auri nenaden s. Verzierung. 

Kupfer im böhm. Spätneolithikum 195. 

— Doppelaxthammer aus 243 

Kupferäxte aus Ungarn 300. 

Kupferbeile s. Nattwerder, Petersberg. 

Kupferfunde in Böhmen 197. 

Kupfergeräte i. d. Tripoljekultur 243. 

Kurzkopfrasse, Aufkommen der 25. 

- im Jungpaläolithikum Belgiens, Nord- 
und Mittelfrankreichs 34. 

— alpine 34. 

— skandinavische 47. 

Kurzschadel im Frühneolithikum Deutsch- 
lands 34. 

— im Neolithikum Frankreichs 34. 

— in Nordeuropa 47. 

— in der engl. Bronzezeit 232. 

— zusammen mit Zonenkeramik 51. 


Labiau (Ostpreussen), paläolithisches 23. 

La Comba-del-Bouitou, mittl. Aurignacien 
98. 

La Chapelle aux Saints, Skelett von 148. 

Ladogasee, neolith. Station des 40. 

La Ferrassie, Aurignacien von 98, 101, 115. 

La Font-Robert, Aurignacien, Solutréen 
98, 99, 116. 

La Grange, palàolith. Funde 298. 

La Gravette, Aurignacien von 98, 116. 

— Klinge vom Typus 99. 

Laibach, Pfahlbau von 226. 

La Marsaille, „Lampe“ von 299. 

Lames esquillés s. Meissel. 

La Micoque, paläolith. Funde 298. 

Landverk in Jämtland, Felsenzeichnungen 
von 43, 44. 

Langeland, Elchgeweih-Harpune 29. 

Langenbogen (Prov. Sachsen), Amphore 
von 268. 

Langobarden, Darstellung eines Fürsten 
der 146. 

Langobardisches Goldkreuz aus Italien 60. 


Sachregister. 33 


Langschädel b. d. Kultur d. bemalt. Ke- 
ramik 239, 244. 

— frühneolithische 23. 

— im engl. Neolithikum 232. 

Langugest, kelt. Friedhof von 205. 

Langkopfrasse, frühneolithische 23. 

Lanzenspitzen 95, 206, 304. 

— nebst Schuh 140. 

Lappen in Skandinavien 49. 

Lappland, Kurzkópfe in 47. 

La Quina-Horizont des Moustérien 113. 

— Moustérien von 99, 100. 

Lassek-Luban, Kr. Posen-West, neolith. 
Siedelung 138. 

Latdorfer Typus 231, 238. 

Lateinishes Kreuz s. Kreuz. 

Latenezeitlihe Funde aus Böhmen 204. 

— — aus Braunschweig 301. 

— — im Museum Coblenz 297. 

— — aus Posen 139, 304 

— Girtelhaken 276. 

— Urnengräber s. Chlewisk, Kessenich, 
Möritzsc. 

Latene-Kultur in Böhmen 201. 

Lauingen (Braunschweig), Latenezeitl. 
Friedhof von 290. 

Lausitzer Typus 149. 

— in Nordböhmen 19. 

Laussel, Dordogne, Stichel von 116. 

Leichenverbrennung im böhm. Neolithi- 
kum 192. | 

— Technik der, in Japan 213. 

— Platze zur 213. 

Leiferde, Kr. Wolfenbüttel, 
Funde 301. 

Leipzig, Kurzschädel der Ancyluszeit von 


Leissow (Brandenburg), Hacksilberfund 
135 


laténezeitl. 


Lelm-Räbke (Braunschweig), kaiserzeitl. 
Friedhof 290. 
Le Moustier, Skelettfund 148, 255. 
— alter Skelettfund 257. 
Lengyel, Bandkeramik 21. 
Les Cottes, Aurignacien von 98, 101, 115. 
Le Trilobite, Aurignacien 98, 116. 
Libochowan (Böhmen), Urnengräber 199, 
200, 205, 206. 
Liebmann, 2. Vorsitzender der Zweig- 
gesellschaft Berlin der D. G. f. V. 144. 
Liebshausen (Bóhmen), Denarfund von 
207. 
Liepe, Kr. Angermünde, Steinzeitfunde 
134. 


Limnhamntypus, Beile vom 36. 

Linnes, Amt Süddrontheim, Bernstein- 
fund 39. 

Liquitz (Bóhmen), Laténe-Funde 207. 

Lissdorf, Kr. Naumburg, Grabhügel 318. 

Litorina-Periode der Ostsee und -Kultur 30. 

— Skelette der 35. 

— Erbschaft in der früharktishen Kul- 
tur 36. 


Litorinaspalter jüngere Form des 36. 

Livland, Indogermanen in 48. 

Lobositz, Amphore von 198. 

— bandkeram. Gefäss von 191. 

— Schnurkeramik von 194. 

Lóss, Aurignacien, Solutréen u. Magda- 
lénien, Zeit des jüngeren 99. 

Lóssfunde des Aurignacien aus Deutsch- 
land 111, 112. 

— in Deutschl. ohne &Негез Aurignacien 
118 


Lousberg b. Aachen, Campignien von 299. 

Lübben (Niederlausitz), Funde von 125, 
126. 

Lübeck, paláolithisches 23. 

Lüben (estoreussen), Bronzedold 134, 
326. 

Lüneburger Heide, Tardenoisien 25. 

Lunow, Kr. Angermünde, Bronzemeissel 
von 134. 

Lydit, im deutschen Aurignacien ver- 
wendet 109, 110. 


Maanderscherben s. Nochan. 

Mäanderurnen s. Fohrde, Milow, Seelow, 
Twersdhitz. 

Magdalénien, in deutschen Fundstellen 
103, 104, 106, 107, 108, 109, 110, 116. 

— Fortsetzung in der Ancyluskultur 27. 

— Amulette aus dem 299. 

— Harpunen aus dem 29. 


magl mons; Seeland, Schaftröhrenaxt, 
e een 28. 
Mainz, Legionslager s. Säulenhalle. 


depen s. Hindhammern, bemalte Kera- 

mi 

Malteserkreuz-Verzierung 238. 

Mammutreste aus deutschen paläolith. 
Fundstellen 100, 103, 105, 107, 108, 
110, 111, 112, 118. 

Mannesidole aus Ton 238. 

Manschettenarmband aus Bronze 289. 

Markenfelde, Kr. Schroda, bronzezeitliche 
Tongefasse 139. 

Магкіѕфеѕ Museum Berlin, vorgeschichtl. 
Abteilung 130. 

Markomannen 209. 

Markussäule, Germanen auf der 146. 

Marzahna, Kr. Wittenberg, Funde von 126. 

Mauer b. Heidelberg, Homo Heidel- 
bergensis 148. 

Mayen s. Pfahlbaukultur. 

Mecklenburg, steinzeitl. Funde 258. 

— Pfahlbauten 260. 

Megalithdenkmäler s. Albertsdorf, Bar ar 
Lann, Menhire, Steinreihen. 

— Zeit der 231. 

— Notwendigkeit ihrer Kartierung 78. 

Meissel des Aurignacien 109. 

— aus Bronze 134. 

— aus Stein 261. 

— aus Eisen 91. 

Menhire 72. 


338 


Menhire, in Deutschland 79, Taf. XIV. 

— Vorbedingungen ihrer Errichtung 76. 

Menschendarstellungen, plastische s. Idole, 
Menschengesichter. 

— zeichnerische s. Hällristningar, Ilmen- 
see, Keramik (osteurop. bemalte). 

Menschenfresserei 192. 

EE plastisch dargestellt 


Menschenidol 228. 

Menschenreste, paläolithische s. Skelett- 
reste. 

Mentone, Grimaldirasse in 117. 

Merowingerzeit s. Spangenhelme. 

Merowingish-Fränk. Kultur in Böhmen 
209. 


Merseburg, schnurkeram. Funde 155. 
Mertins-Breslau + 166, 322 

Messer aus Bronze 95. 

— aus Eisen 282, 284, 304: 

— aus Feuerstein 90, 92, 263, 265, 269, 270. 
— der Ancyluszeit 30. 

— des Aurignacien 98, 104, 109. 
Mestorf-Kiel 150, 165, 323. 

hai der vorgeschichtlichen Forschung 


Metternih (Reg.-Bez. Koblenz), Aurig- 
nacien 111, 115. 

меи Кт. Ruppin, Schwertstab 134, 
26. 

Miala, Kr. Filehne, bronzezeitliche Grab- 
funde 139. 

Michelsberger Typus, s. Pfahlbauten- 
bevólkerung. 

Mikrolithische Silexkultur s. Tardenoisien. 

Milow, Kr. Westprignitz, Mäanderurnen 


135. 

Mitgliederzahl der Deutschen Gesellschaft 
ür Vorgeschichte 9, 143, 326. 

— lebenslangliche Mitglieder 326. 

Mittellandischer Typus 21. 

Mittenwalde, Kr. Teltow, Depotfund 134, 
135. 

Mittelalterlihe Funde von einem Wall 287. 

Mittelalterlides s. Grabsteine. 

Mokrzyszow, Gefäss von 227. 

Mondkalender bei den Ariern 77. 

Mondseetypus 238. 

Mondsymbol in assyr. Zeit 65. 

Monstranz 184. 

Montaigle, Aurignacien von 99, 115. 

Montelius, Begründer der chronologischen 
Methode 141. 

— Schöpfer von Typologie und Chrono- 
logie 148. 

Montferrand s. Combe Capelle. 

Montsdhnik, Kr. Schroda, slav. Siedelungs- 
funde 140. 

Moorhuhn fehlt im Aurignacien 103. 

Möritzsh, Kr. Merseburg, Urnengräber 
160, 273. 

Mörtelüberzug über einer Lehmwand 87. 

Mosaik aus frithchristl. Bauten 54, 56, 62, 63. 


Sachregister. 


Moustérien aus deutschen Fundstellen 
100, 104, 109, 110, 113. 

— von Combe Capelle 252, 254. 

Moustiergeräte mit zweiter Retuschierung 
102 


Moustiertechnik im Frithaurignacien 101, 
106, 113. 

Moyland b. Cleve, Graberfelder von 301. 

Muffet b. Aachen, Flénusien von 299. 

Mühlsteine, rómische 91. 

Miincheberg (Brandenburg), Zeihen vom 
Runenspeer 122. 

Münzen, keltishe, aus der Quelle von 
Teplitz 209. 

— т slaw. Gräbern 210. 

— rómische 66, 67, 90, 91. 

mit Darstellung der Germania 
capta 146. 

Muschelhaufen, die ältesten in Dänemark 


30. 
— Herkunft ihrer Kultur 33. 
— Skelettfunde darin 35. 
— im Ainoland 41. 
Muschelschale an einer Fibel 275. 


Nachbestattungen i. е. neolith. Hügel 318. 

— in Grabhügeln 265. 

Nadeln aus Bronze s. Ahrendsdorf, 
Bomblin Il, Dembicz-Kolonie, Hohen- 
kränig, Striegau. 

Nagetierschichten in deutsch. paläolith. 
Fundstellen 100, 103, 104, 108, 110, 
113, 117. 

Nahetal, neol. Becher aus dem, Taf. XXII. 

Nattwerder, Kr. Osthavelland, Kupferbeil 
134 


Neandertalrasse 255. 

Neandertaltypus in Spy 117. 

Neckar, Bandkeramik am 21. 

Neolithisher Kalender 75. 

Netzkniipfer der Ancyluszeit 30. 

Netzsenker 305. 

Neudorf, Кг. Samter, Gräberfeld 139. 

Neugedank, Kr. Obornik, Steinaxt 138. 

Мец -Paulsdorf, Kr. Gnesen, Stein- 
packungsgrab 140. 

Neu-Ruppin, Armspirale von 134. 

Neusattel (Béhmen), Armring von 208. 

Niederlandin (Brandenburg), Hacksilber- 
fund 135. 

Niederpleiss b. Siegburg, Hügelgräber- 
feld von 84. 

Niehagen (Mecklenburg), 
von 260 

Nierenringe aus Bronze s. Kischewo. 

Nifke, Kr. Schrimm, neol. Siedelung 303. 

Nochau, Kr. Schrimm, Gefässe mit Bei- 
gaben 140. 

— — Gefässherben und Eisenwaffen 
140. 

Nordafrika, Walzenbeil in 36. 

Norddeutschland, rein nordische Bevól- 
kerung in 49. 


Steingeräte 


Sachregister. 


Norddeutschland, rein nordische Bevöl- 
kerung, ihre Ausdehnung nach Mittel- 
europa 49. 

Nordfrankreich, Ancylus-Kultur in 30. 

— Bandkeramik 21. 

Nordindogermanen, Vordringen von Nor- 
den 231. 

Nordostdeutschland, Walzenbeil in 36. 

Norwegen, Kultur in der Litorinazeit 33. 

— Grabsteine aus 173, 174. 

— Walzenbeil, gebunden an e. Küsten- 
bevólkerung 36. 

Nordwestdeutscher Verband für Alter- 
tumsforschung in Kassel 162. 

Nóstvettypus, Beile vom 33. 

—- mit angeschliffener Schneide 36. 

Nucleuskratzer des Aurignacien 104. 

Nusschalen a. e. Pfahlbau 321. 


Obernitz (Béhmen), Pflugschar von 193. 

Oberwiederstedt (Mansfeld. Gebirgskreis), 
neol. Schale 238. 

Obourg in Belgien, Bergmannskelette 
von 35, 47. 

Ocker, Vorkommen in der Ofnethéhle 
103, 104, 114. 

Ofnet, Aurignacien von der 99, 103, 113, 
114, 115, 116. 

onan (Braunschweig), neol. Siedelung 


01. 

Oldendorf (Hannover), Hiigelgrab von 271. 

Omalien, Kultur des 51. 

Onega, Felsenzeidinungen vom 46. 

„Operngucer“ der Tripoljekultur 237. 

Organische Reste in einem Grabe 263. 

Organisation der böhmischen Vorge- 
schichtsforschung 190. 

Ornament der Keramik der arktischen 
Kultur, abgeleitet von der Ganggraber- 
Keramik 38. 

Ornamente germ. и. гот. Gefässe der 
Kaiserzeit 92. 

Ornamentik a. d. deutsch. Aurignacien 109. 

Ósel (Braunschweig), Töpfergerät 302. 

— — völkerwanderungszeitl. Funde 301. 

Osennadeln 196. 

Ostgalizien, Bandkeramik 21, 236. 

Ostgotishe Diademe und Helme 151. 

Ostindogermanen, Teilvólker 22. 

Ostpreussen, Bevólkerung der Ancylus- 
Zeit 36. 

O-Szóny, Germanenbüste von 277. 

Overzaal, Twente, neol. Becher, Taf. XXII. 

Ovis argaloides im Sirgenstein 103. 

— im Aurignacien 118. 


Pair-non-Pair, Aurignacien von 98. 

Paläolithishe Rassen 255. 

Paläolith. Geräte a. d. Rheinland im Mus. 
Coblenz 296. 

Paläolithishe Gegenstände aus Deutsch- 
land mit Verzierung 119. 


330 


Paläolithishe Funde in Norddeutschland 
23, 112, 258. 

Paläolith. Funde im Mus. Köln 299. 

Paläolithikum, Reihenfolge der spätpaläo- 
lith. Kulturen 105. 

Pannonische Kultur in Böhmen 199. 

Paplitz, Kr. Jerichow Il, Bronzenadel mit 
Kugelkopf 135. 

Peitschendorf, Kr. Sensburg, Harpune 29. 

Perlen 139, 289. 

— aus Bernstein 271, 321. 

— aus Email 288, 291. 

— aus Glas 92, 291, 302. 

— im deutschen Aurignacien 110, 117. 

Petersberg b.Halle, Kupferdoppelaxt 134. 

Petreny (Bessarabien), neol. Funde 239, 
241. 

Pfahlbaukultur 83, 235. 

— in Mitteleuropa 50. 

Pfahlbau in Schweden 319. 

Pfahlbauten in Mecklenburg 260. 

— in Deutschland 320. 

Pfalz, Bandkeramik 21. 

Pfeilspitze aus Bronze 283. 

Pfeilspitzen aus Feuerstein 270, 303. 

Pferdezähne, durchbohrt, а. d. Wildscheuer 
110. 


— in einer Wohngrube 87. 

Pflugschar s. Obernitz. 

Pfriemen aus dem deutschen Aurignacien 
98, 102, 104, 106, 107, 109, 114, 115, 116. 

Phónizien, гот. Münzen aus 66, 67. 

Pierschno, Kr. Schrimm, bronzezeitliche 
Gefässe 139. 

Plastik s. Arktische Kultur, Amulettfiguren, 
Frauenidole, Germanendarstellungen, 
Haustiere, Tierbilder. 

— im deutschen Aurignacien fehlend 117. 

— in der arktischen Kultur 39. 

Plau (Mecklenburg), Kurzschadel der Ancy- 
luszeit von 34. 

Podbaba, Jordansmühler Typus von 226. 

Podolien, neol. Kultur in 239. 

Pokale, doppeltrichterférmig 237. 

Pointe à la Gravette s. Spitze. 

Polen, Litorina-Kultur in 33. 

Pont Neuf, Aurignacien von 98, 101, 114. 

Porträt, Unterschied zwischen hellenisti- 

schem und römischem 279. 

Posen, Erwerbungen des Kaiser-Friedrich- 
Museums in 137, 303. 

— (Stadt), Latenezeitl. Grabgefäss 305. 

— slawische Gefassreste 140. 

Prenzlau (Uckermark), Setzkeil aus Ren- 
geweih 24. 

Prerow (Böhmen), neol. Keramik 238. 

Pressigny, Feuersteinspäne von 229. 

Prismatische Klingen des Aurignacien 101. 

Profile von deutschen Höhlen mit paläo- 

lith. Schichten 119. 

Prosmik (Böhmen), Amphore von 194. 

— fränk. Grab 209. 

Pyrenäen, neolith. Keramik in den 51. 


340 


Quaden т Béhmen 209. 

Quarzit, Schaber aus 91. 

— verwendet zur Herstellung von Stein- 
geraten 85. 

Quellen, heilkraftige, in vorgesch. Zeit 
benutzt 208. 


Räbke (Braunschweig), Steingeräte 302. 

Rad, ein Abbild der strahlenden Sonne 
53, 56, 65. 

— Weiterbildungen 54, 65. 

— auf einem Stabe getragen 169. 

Radfiguren auf neol. Keramik 238. 

Radlau, Kr. Samter, Steinaxt 138. 

Radnadel 300. 

Нау Кг. Czarnikau, Steinkistengrab 
40. 

Rassen, paläolithische 34, 117, 255. 

Rassenbegriff, biologishes und kultur- 
geschichtlies Element im 247. 

Rassenzugehórigkeit des bóhm. Neolithi- 
kers 191, 193. 

Ratsch (Bóhmen), Urnenfriedhof von 199. 

Rautenornament im Aurignacien 117. 

Ravenna, mittelalterl. Skulpturen 55, 56, 
57, 62, 63. 

Ravensberg bei Troisdorf, Hiigelgraber- 
feld von 84, 93. 

Reddies, Kr. Rummelsburg, Angelhaken 
aus Elchgeweih 30. 
Regenstein (am Harz), 

axt 302. 

Rehnitzer Bruch, Kr. Soldin, Halsring 
und Spirale 134. 

Ren, im Aurignacien selten 105, 117. 

Rengeweihgeräte der arktischen Kultur 
Skandinaviens 37. 

— aus Norddeutschland und Dänemark 23. 
Rentierreste in deutschen paläolith. Fund. 
stellen 100, 103, 107, 109, 110, 111. 
Retuschierung, doppelte, an Moustier- 

stücken 102. 

Rhein, Bandkeramik am 21. 

Rheinhessen, Bandkeramik 21. 

Rheinzabern (Pfalz), Funde von 126. 

Rhens (Rheinland), Aurignacien von 
112, 115. 

Rhinozerosreste in deutschen paläolith. 
Fundstellen 100, 103, 105, 107, 108, 
110, 111, 112, 118. 

Ribeian, Bóhmen, Stiergefáss von 189. 

Richtlinien, von Menhiren abgesteckt 72, 
73, 74, 75, 76, 81. 

— ihre zeitlihe Bestimmung 77. 

Riesenhirshe in deutschen paläolith. 
Fundstellen 105, 107, 118. 

Ringe aus Bronze 90, 91, 134, 283. 

— Wendelring 137. 

Ringwall, Funde von einem 140. 

Rinnekalns in Livland, Grabhügel von 
34, 48. 

— — Keramik von 38. 

Robenhausien von Spiennes 299. 


Bronzeabsatz- 


Sachregister. 


| Roche au Loup, Aurignacien von 114. 


Rom, Kapital а. d. Kirche San Clemente 

— s. Katakomben. 

Römishe Funde a. d. Rheinland im 
Museum Coblenz 297, 298. 

— Gefasscherben 87, 92, 110. 

Roneck, Kr. Hohensalza, Zipfelschale м. 
Scherben 139. 

Bi (Böhmen), Urnenfriedhof von 
99 


Roskilde, Flügelaxt von 302. 

Rössener Typus in Böhmen 191. 
Rössen-Niersteiner Stil 231, 234. 
Rossitten(Ostpreussen), paläolithisches 23. 
Rumänien, neolith. Funde 236. 
Runenspeere 122, 123. 

Runenstein, aus Schweden 60. 

— Hakenkreuze auf 67, 69. 

Russland, arktishe Keramik in 38. 
Be Kr. Kolmar, Steinkistengräber 


Säbelnadel 289. 

Sachsendorf (Lausitz), Urnenfriedhof von 
211. 

Sagan, Funde a. d. Nähe von 126. 

Sägemesser aus Feuerstein 229. 

Sammeltrieb der Aurignacienleute 114. 

Sandstein, verwendet zu Sicheln 229. 

Sardonixkamee von Belgrad 145. 

Säulenhalle des Prätoriums im Mainzer 
LER nel ger, die Skulpturensockel der 
46 


Schaber des Aurignacien 107. 

— des Moustérien vom Sirgenstein 100. 

— neolithische 270. 

— des Tardenoisien aus Quarzit 91. 

— von Weimar, dem grattoir caréné nahe- 
stehend, 113. 

Schädel s. Kurzkópfe; Langköpfe aus einem 
Skelettgrab 140. 

Schädelbegräbnisse 192. 

— spätpaläolithische 104. 

ee des aunetitz. Kulturkreises 

99, 

— von Langugest 202. 

— der Slaven 210. 

Schäftröhrenäxte aus Urstierknochen 28. 

Schalenvertiefungen s. Hällristningar. 

Scharkatal, neolith. Gefäss 226. 

Schausammlungen, System der Aufstel- 
lung von 129, 

Scheiben aus Feuerstein, bearbeitet 259. 

Scheibenfibel 95. 

Schelklingen s. Hohlefels. 

Schellenken (Bóhmen), Goldfund von 209. 

Scheuerbush (Rheinland), Kaiserzeitl. 
Gräber 301. 

— Michelsberger Typus 50. 

— Wohnstätten 83. 

Schiefergeräte der arktischen Kultur Skan- 
dinaviens 37. 


Sachregister. 


Schiefergeräte, der Ingalik 41. 

Schiefermesser mit Hundekopfgriff 40. 

Schiessglok (Böhmen), Gussformen von 
203. 


Schiffsdarstellungen s. Hällristningar. 

Schildfesseln 275. 

Schipenitz (Bukowina), neolith. Funde 239. 

Schkopau b. Merseburg, Steinbeil 230. 

— neolith. Trommel 237. 

Schlackenwall 283. 

Schläfenringe 140, 210. 

Schlaner Berg (Béhmen), neol. Keramik 
238. 

Sdieifstein aus Granit 267. 

Sdieiftedinik in der Litorina- Zeit auf 
Gestein ausgedehnt 36. 

Schlesien, Gräber mit Bandkeramik 21. 

Schlesischer Typus fehlt in Nordbóhmen 
200 


Schleuderer, Darstellung germanischer 
146. 

Schmidt, R. R., Tiibingen, Wahl zum 
Mitglied des Ausschusses 326. 

Schmiedeberg (Prov. Sachsen), Funde 
von 126. 

Schmöcwitz (Brandenburg), Tardenoisien 
von 25. 

Schmucksachen $. Beigaben, Bernstein, 
Körperschmuc, Wildpferdzähne, Wild- 
schweinzähne. 

Schnalle s. Kertsch, Zalesie. 

Sdineckengehàuse als Halsschmuck 254. 

Schnittverzierte Amphoren 267, 268. 

Schnurkeramik in Böhmen 191. 

— in Deutschland 231, 232, 268. 

— Ausbreitung nach Süden 232. 

— $. Artern, Brauel-Offensen, lwno, Las- 
sek-Luban, Merseburg. Taf. XXII. 
Schnurkeramiker, nordischer Typus der 21. 
Scholpin (Mecklenburg), Feuersteinwerk- 

státte 259. 

Schonen, Grabsteine aus 170, 172. 

— Kurzkópfe in 47. 

Schönwerder, Kr. Prenzlau, Armringe 
von 134. 

— — Steinzeitfund von 134. 

Schottland, Grabstein aus 54. 

Schreck b. Siegburg, Hügelgräberfeld 
von 84. 

Schroda, bronzezeitliches Tongefäss 139. 

Schumann—Löcnitz + 324. 

Schuster, 3. Vorsitzender der Zweig- 
gesellschaft Berlin der D. G. f. V. 144. 

Schwarze Erde und Tripoljekultur 245. 

Schwarzort b. Memel, Bernsteinamulett- 
figuren 39. 

Schweden, Ellakreuze 64. 

— Grabsteine 170, 172, 173, 180, 181, 182. 

— Konsekrationskreuze 54, 55. 

— Kruzifixe 60, 61, 63, 64. 

— Kurzköpfe 47. 

— Pfahlbau 319. 

— Runenstein 60. 


341 


Schweden, Taufstein 62, 64. 
„Schwedenhelme“ d. Tripoljekultur 237, 
243. 
Schweiz, Fischharpune а. Hirschgeweih 29. 
Sdwerter aus Bronze 206, 288, 302. 
Schwertstabe s.  Metzelthin, Gross- 
Schwechten. ^ 
Seddin (Prignitz), Kónigsgrab von 134. 
Seelow, Kr. Lebus, Mäanderurnen 135. 
Seemann, Schatzmeister der Zweiggesell- 
schaft Berlin der D. G. f. V. 144. 
Selpin (Mecklenburg), Spalter und Meissel 
261. 


Sibirien, kurzkópfige Bevólkerung mit 
arktischer Kultur in Ost- 40. 

— Finno-Ugrier in Ost- 48. 

Sichelmesser aus Feuerstein 229. 

Siedelungsarchäologie, Grundsätze der 22. 

Siedlemin, Kr. Jarotschin, kaiserzeitl. 
Hügelgrab 140. 

Siegburg (Rheinland), Hügelgräberfeld 
von 84. 

Sieniawa, Sägemesser 229. 

Sigillata-Scherben 87, 92. 

Sigovesus-Zug der Kelten 236. 

Silber aus Graburnen 95. 

Silex s. Feuerstein. 

Silexfiguren s. Wolosowo. 

Sirgenstein, Aurignacien vom 99, 101, 
102, 103, 113, 114, 115, 116. 

— mensdl. Reste im 117. 

Skandinavien, Axthämmer finnländischer 
Form in 37. 

— Walzenbeil in 36. 

Skelette in Wohngruben 241. 

Skelettfund von Combe Capelle 252. 

Skelettgrab von Gotland 49. 

Skelettgráber, bronzezeitlih, aus Thü- 
ringen 318. 

— d.frühen Bronzezeitvon Beierstedt 289. 

— der Spiral- u. Stichreihenkeramik 226. 

— in der Bronzezeit älter als die Brand- 
gräber 149. 

Skelettreste, menschliche, des Paläolithi- 
kums 104, 117, 148, 253. 

Skordisken s. Keltoillyrier. 

Skulpturen aus Assyrien 65, 66. 

— aus Ravenna 57. 

Skythische Kultur 123, 244. 

Slawen in Böhmen 210. 

Slawische Gefässreste 140, 282, 284. 

Slawische Siedelung, Entstehung einer 284. 

Slawische Funde, neue, aus Posen 140. 

Slawoletten 22. 

Smalene, Hällristningar von 41. 

Société préhistorique de France 142, 150. 

Södermannland, Kurzköpfe in 47. 

Soldin (Brandenburg), Ösenringe 134. 

Solutre, das Wildpferd häufig in 105. 

— Aurignacien in 98. 

Solutréen von Combe Capelle 253. 

— in deutschen Fundstellen 102, 103, 
104, 105, 108, 112, 116. 


342 


Sonne und Gottheit 177. 

Sonnenaufgang und Kirchenbau 185. 

Sonnenbeobachtung Grundlage des neo- 
lith. Kalenders 75. 

Sonnenräder, Darstellung der s. Häll- 
ristningar. 

Sonnenwalde (Brandenburg), Hacksilber- 
fund 135. 

Sonnensymbol s. Rad. 

— т assyr. Zeit 65, 66. 

Sonnenwenden, Beobachtung von 72, 
73, 15. 

Sonnenwendfeuer 77. 

sae der Muschelhaufenzeit 259, 261. 

„Spalter“ 261. 

— Entwicklung der 31. 

Spandau, Kurzsdiüdel der Ancyluszeit 


von 34. 
Spangenhelme der Merovingerzeit, Her- 
kunft und Entwicklung 121, 151. 

Spanmesser aus Feuerstein 303. 
Speerspitzen der Aurignacienkultur 102, 
115 


Spiegel, Kr. Wongrowitz, Urne a. e. Stein- 
kiste 305. 

Spiennes, Robenhausien von 299. 

Spindlersfeld b. Cópenic, Depotfund 
von 134. 

Spirale, Entstehung und Heimat der, 
м. ethn. Stellung der Spiral-Mäander- 
Keramik 151. 

Spiralkeramik, bemalte 236. 

— Skelettgráber in Bóhmen 226. 

— Grabfund von Bernburg 40. 

Spiralornamente auf Bronzen 148. 

Spitzbeil s. Beil. 

Spitzen des Aurignacien 98, 102, 113. 

— des Tardenoisien 91. 

Spitznaciges Beil s. Beil. 

Sprache, Urverwandtschaft und Urheimat 
der indogermanischen u. finnischen 48. 

Sprahforshung über die Heimat der 
Indogermanen 244. 

Sprachvergleichende 
Fehler 245. 

Spy, ті]. Aurignacien in 98, 101. 

— Neandertaltypus in 117. 

— mensdi. Reste 257. 

Stankowitz (Böhmen), aunetitz. Gefäss 
von 200. 

— — bronzezeitl. Gefäss von 205. 

— — Halsshmu&k u. Ösennadel 202. 

Steeden a. L. s. Wildscheuer. 

Steinaxt 288. 

Steinbeil aus Diabas 264. 

Steinbeile aus Feuerstein 262. 

Steine, durchbohrt, aus der Wildscheuer 
110, 117. 

Steingeráte aus Dänemark 302. 

— aus Mecklenburg 258. 

— aus dem Rheinland 300. 

— — im Mus. Coblenz 296. 

Steingrab s. Godenstedt. 


Forschung, ihre 


Sachregister. 


Steinhámmer i. d. Tripoljekultur 243. 

Steinkammern s. Albertsdorf. 

Steinkiste, neolith., mit Steinpackung 318. 

Steinkisten der frühen Eisenzeit von 
Beierstedt 289. 

Steinkistengrab 288. 

Steinkistengräber, germanische, a. d. Prov. 
Posen 139. 

— eingepackte s. Golencin. 

— — 8. Walkowitz. 

Steinmeissel des Aurignacien 102. 

Steinpackungen in einem Hügel 265. 

Steinpackungsgräber s. Neu-Paulsdorf. 

Steinpflasterung in einem Hügel 264. 

Steinreihen, ältere Ansichten über die 
megalithischen 71. 

— s. Richtlinien. 

Steinsarkophag aus Ravenna 55. 

Steinzeit, jüngere, in Böhmen 191. 

Steinzeitkultur, Zweiteilung der nord- 
und mitteleuropäischen 20. 

Stempelverzierung auf Keramik 300. 

Steppenfauna in der Wildscheuer 109. 

Sternfiguren auf neolith. Keramik 238, 
241. 


Sternhagen, Kr. Prenzlau, Steinzeitfund 
von 134. 

Stichel des Aurignacien 98, 99, 101, 102, 
104, 106, 107, 109, 112, 115, 116. 

— 8. Bogenstichel. 

Stichreihenkeramik, Skelettgrüber der 226. 

Stielklingen des Aurignacien 102, 109. 

— im Spätaurignacien fehlend 116. 

Stiergefäss s. Ribeian. 

Stimnitz, Kr. Querfurt, kaiserzeitl. Gefäss 
von 238. 

Stolp i. P., Bärenfigur aus Bernstein 40. 

Stonehenge 73. 

— Altersbestimmung 78. 

Strépy, Bergmannskelette von 35, 47. 

Striegau (Schlesien), Wall bei 280 ff. 

Südhof, Kr. Grátz, Feuersteinbeil 138. 

Südindogermanen = Bandkeramiker 22. 

— т Osteuropa 236. 

Südrussland nicht Heimat der Indo- 
germanen 245. 

Sulmirschiitz, Kr. Adelnau, bronzezeitl. 
Grabfunde 304. 

Swastika s. Hakenkreuz. 

Swebenknoten 146, 278. 

Symbole von Sonne, Mond u. Istarstern 65. 

Symbolische Zeichen im bosporan. Kultur- 
kreis 122. 

Szczodrowo, Kr. Kosten, Bronzedepot- 
fund 138. 

— Jadeitbeil 138. 


Tannenzweigmuster i. d. Tripoljekultur 
41 


Tardenoisien in Norddeutschland 25. 

— in der Ofnethóhle 104. 

— im Rheinland 85, 91, 299. 

Tarté, mittl. Aurignacien in 98, 101, 115. 


Sachregister. 


Taubach b. Weimar, Aurignacien von 113. 

Taufstein aus Schweden 62, 64. 

Telge-Berlin + 322. 

Tempelhof (Brandenburg), Hacksilber- 
fund 135. 

Teplitz, Weihgaben in der Quelle von 
208. 

Teplitz-Schönau, Museum 1%. 

— — neolith. Keramik von 199. 

Thaingen, Kesslerloch, Ren-Harpune 29. 

Thiede (Braunschweig), Aurignacien von 
112. 

Thrakische Völkerfamilie 22. 

Thüringen, Gräber mit Bandkeramik 21. 

Thusnelda, Statue der sogen. 147. 

Tierbilder 238. 

— aus Bernstein 40. 

— aus Ton 238. 

Tierdarstellungen, plastische 39, 40. 

— zeichnerische 42, 238. 

Tierfiguren auf neol. Keramik 238. 

Tierköpfe, plastisch 243. 

Tiermalerei in der neolith. Keramik 228. 


Todesfälle innerhalb der Gesellschaft 
166, 322. 

Tondern, mittelalterlihe Steinsetzung 
309. 


Tongefässe der arktischen Kultur in Finn- 
land 38. 

— erstes Auftreten der 31. 

— gedrehte, germanische, der Latene- 
Zeit 159. 

Töpfergerät 302. 

Töpferofen, römischer 298. 

Torfschädel der Ancyluszeit 34. 

Torques von Fehrbellin 137. 

— der Keltoillyrier 145. 

Tourassien s. Asylien. 

Tragliatella (Etrurien), Tonkrug von 306. 

Trajanssäule, Germanen auf der 146. 

Trampe, Kr. Prenzlau, Kurzschädel der 
Ancylus-Zeit 34. 

Travenort, Holstein, Abhäutemesser aus 
Edelhirsch 29. 

Trembowla, neolith. Keramik 227. 

Trepanation 193. 

Trichterhalsschalen 243. 

Trichterrandbecher s. Jesuiterbruch. 

Triebel (Niederlausitz), Funde von 126. 

Trilobite, Aurignacien von 101. 

Tripoljekultur 239, 240. 

— Ausdehnung 244. 

Triquetrum auf Runenspeeren 123. 

Troisdorf (Rheinland), germanische Dorf- 
anlage 83. 

— Tardenoisien 85, 299. 

Trojaburgen, Problem der 306. 

Trommeln, neolithische 237, 243. 

Trou Magrite (Belgien), Aurignacien von 
98, 99, 116. 

Tüllenaxt 302. 

Twerschitz (Böhmen), Mäanderurne von 
208. 


343 


Übergang vom Paläolithikum ins Früh- 
neolithikum in Frankreich u. Belgien 25. 

Ukraine, Steinzeit in der 239. 

Ungarn, neolith. Gefäss 226. 

Untergrombacher Periode, Hausanlagen 
der 83. 

Uppland, Kurzköpfe in 47. 

Uppsala, eingehauenes Kreuz von 59. 

— Kruzifix von 61, 63. 

Urmitz (Rheinland), Funde von 296. 

Ustrinen s. Verbrennungsstätten. 


Vehlow (Prignitz), Depotfund 134. 

Venedig, Mosaik a. d. Markuskirche 54. 

— von einem Kapitäl in der 55. 

Verbrennungstätten s. Darzau. 

— s. Heilbronn. 

— s. Kl. Gaglow. 

Verzierung von Knochengeräten im Früh- 

 aurignacien fehlend 114. 

— — im Aurignacien 117. 

Vespestad in Jaederen, Wohnstättenfunde 
von 49. 

Vespestadtypus, Beile vom 36, 37. 

Viste in Jaederen, Norwegen, Wohnplatz 
von 33, 36. 

Vólkerwanderungszeitl. Friedhof 271. 

— Funde aus Braunschweig 301. 

Vorgeschichtsforschung, Hilfswissenschaf- 
ten der 141. 

Vorgeschichtswissenschaft, zur Geschichte 
der 124. 

Vorratsgefässe 85. 


Waffenbeigaben s. Kokorzyn. 

Wagramdurhbruh i. Niederösterreich, 
Aurignacien vom 99. 

Wahn b. Kóln, Pfahlbaukeramik von 300. 

Walkowitz, Kr. Czarnikau, latenezeitliche 
Steinkiste in Packung 140. 

Wallanlage in Form eines Viereckes 85. 

Wallforschung 280. 

Walzenbeil 36, 50, 230. 

— Prototyp des Hobels der Donaukultur 
233. 

Wandalen, Darstellungen von 146. 

Warberg (Braunschweig), Glasperle von 
302. 

Waristen, Darstellung von Edelingen der 
146. 

Warzen an german. Gefassen der Kaiser- 
zeit 93. 

Wasbittel (Braunschweig), 
Funde 301. 

Wasserschopfer i. d. Tripoljekultur 241. 

Weberei der Kelten 204. 

Weihgaben in Heilquellen 208. 

Weimar, Aurignacien von 113. 

Weinzierl-Teplitz + 322. 

Weitgendorf (Prignitz), Hügelgraber 134. 

Weizen a. nord. Pfahlbau 320, 321. 

Weleslawin, neolith. Keramik 296. 


laténezeitl. 


544 


Wellenlinien u. -bänder i. d. Tripolje- 
kultur 241. 

Wellenornament auf rómisch. Gefässen 92. 

Wendeburg (Braunschweig), Bronze- 
absatzaxt 302. 

Werkstätte zur Herstellung von Stein- 
geräten 85. 

Werteba b. Bilcze 228, 238. 

Wesseln (Böhmen), Urnenfriedhofvon 199. 

Westerbotten (Schweden),Kurzköpfe in 47. 

Westhavelland, Manschettenarmband 134. 

Westindogermanen, Teilvölker 22. 

Wierzbowiec, neolith. Keramik 230. 

Wildkatze im Aurignacien 118. 

— im Sirgenstein 1053. 

Wildpferdreste im deutschen Paläolithi- 
kum 100, 103, 105, 107, 108, 110, 111, 
112, 117. 

Wildpferdzáhne als Schmuck 116. 

Wildscheuer b. Steeden а. L., Aurignacien 
von der 99, 108, 114, 115, 116, 117. 

Wildschweinzähne als Schmuck 321. 

Willendorf, Aurignacien von 99, 101. 

Wiltshire, neol. Becher Taf. ХХИ. 

Wirtel 138, 291. 

— aus Wohngruben 92. 

Wisby, Trojaburg von 306. 

Wittmar (Braunschweig), neol. Siedelung 
301. 

Wlostowo, Kr. Schroda, bronzezeitliche 
Grabfunde 139. 

— — Eisengeräte a. Gräbern 140. 

Wohnstätten mit zugehörigem Friedhof 95. 

Wohnstättenanlagen s. Bonn. 

— s. Pfahlbauten. 

— $. Scheuerbusch. 

— $. Troisdorf. 

Wohnungen der Kelten 204. 

Woisek, Kr. Fellin, neolith. Grab von 48. 


Sachregister. 


Woldenberg, Kr. Friedeberg i. N., Tier- 
figur aus Bernstein 40. 

Wolfenbüttel, vólkerwanderungszeitliche 
Funde 301. 

Wolfszahnornament auf e. Vogelknochen 
a. d. Aurignacien 109, 117. 

Wolhynien, neolith. Funde 228. 

Wolosowo, Gouv. Wladimir, Silexfiguren 
von 40. 

Wustermark, Kr. Osthavelland, Depot- 
fund 134. 

Wustrow-Niehagen (Mecklenburg), Funde 
von 258. 


Voldia-Periode der Ostsee 24, 29. 
Vstad in Schonen, Geweihhacke 29. 


Zahna, Kr. Wittenberg, Funde von 126. 

Zähne als Schmuck s. Höhlenbärenzähne, 

Wildpferdzähne. 

Zibnradverzierung 238. 

Zalesie, Kr. Adelnau, kaiserzeitl. Gürtel- 
schnalle 304. 

Zeichen s. symbolische Zeichen. 

Zenker—Bergquell-Frauendorf + 326. 

Zerwanica, neolith. Funde 227. 

Ziehmesser aus Eisen 87, 91. 

Zipfelschale s. Roneck. 

Zonenbecher aus einer Wohngrube 84. 

— in Frankreich 51. 

Zonenkeramik in Bóhmen 194. 

— Funde im Rheinland 296. 

Zweiggesellschaft Berlin der D. G. f. V. 
Vorstand 144. 

— — Sitzungsberichte 144, 305. 

— — Satzungen 147. 

Zwischeneiszeiten, Bevólkerung vonMittel- 
und Südosteuropa 23. 


Bücher- Besprechungen. 


Blume, E., Verzeichnis der Sammlungen des Ucermärkishen Museums- 
und Geschichtsvereins in Prenzlau, Prenzlau 1909 (Hahne) . e. 
Eichhorn, Dr. G., Die paläolithishen Funde von Taubach in den Museen 
zu Jena und Weimar, Jena 1909 (Möller) А f 
Forrer, R., Reallexikon der prähistorischen, klassishen und frühdhristlichen 
Altertümer, Berlin-Stuttgart (Blume) . ' . OX а 
Forrer, R., Urgeschichte des Europäers von der Menschwerdun bis zum 
Anbruche der Geschichte, Stuttgart (Blume) 
Gétze-Héfer-Zschiesche, Die vor- und rühgeschihlihe Е 
Thüringens, Würzburg 1909 (Kossinna) 5 
Hollack, E., Уогрезфи Фе Übersichtskarte von ЕЯ ES 
zur vorgeschichtlihen Übersichtskarte. Glogau-Berlin 1908 (Beltz) . 
Jacob, K., Die La Tene-Funde der Leipziger Gegend; ein Beitrag zur vor- 
geschichtlihen Eisenzeit der a Tieflandsbucht, Leipzig 1908 
(Kossinna) . Ко ёр Л | ر‎ 
Kiekebusdh, A. Der Einfluss der Sateen Kultur ad die Renee im 
Spiegel der Hügelgräber des Niederrheins, nebst einem Anhang: Die ab- 
solute Chronologie der Augenfibel. Diss. Berlin 1908 (Hofer) : 
Маре, F. Max, Die steinzeitlihe Besiedlung der Leipziger Gegend unter 
besonderer Beriicksichtigung der Wohnplatzfunde, Leipzig 1908 (Wilke) 
Pfeiffer, Dr. L., Uber die Skelettreste des Menschen und die bearbeiteten 
Tierknochen aus der Diluvialzeit Thiiringens, Weimar 1909 (Moller) 
Schirmeisen, K., Die arischen Göttergestalten. Allgemein verständliche 


Untersuchungen über ihre Abstammung und Entstehungszeit. Brünn 1909 
(Rzehak) 


Seite 


160 


156 


309 


309 


154 


311 


159 


314 


158 


157 


313 


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Verzeichnis der Abbildungen 


im Text und auf den Tafeln. 


(Chronologisch geordnet.) 


m nn 


Seite, Taf. 
1. Paläolithisches. 
Deutschland. 


Silex- und Knochengeräte aus dem 
Aurignacien. . XVI—XVIII 

Faustkeil und Bohrer ‘alpalaolith. 
Form aus Mecklenburg XXXV, 1—2 


Frankreich und Schweiz, 
Rengeweihgeräte des Magdalénien VI, 1 


Harpune des Magdalénien vom 
Kesslerloh . . . V3 

Schaftröhrenaxt а. d. Freudenthaler 
Höhle bei Schaffhausen . . . 28 

Pointe à cran von La Micoque. . 253 


2. Frühneolithisches. 


Typen des Tardenoisien . . . 24 


Norddeutschland und 
Skandinavien. 
Entwicklung des Nóstvetbeiltypus . УП 


Vom Nöstvetbeil zum Spitzbeil . . VIII 
S a aus Norddeutsch- 


land . E 2—3; lV, 5 
Silexgeráte von Kalbe - а. M. (Alt- 
mark). . Boa owe ШИ 


Geráte der Ancyluszeit 

IV, 1—2, 4-6, 8; V; VI, 2—6 
Litorinafunde von Ellerbek bei Kiel 32 
Kjókkenmóddingspalter von d 


in Mecklenburg . . 260 
Schaftröhrenaxt, Maglemose, See- 
land . 28 


Ellbogenknochendolch, Maglemose 28 

Muschelhaufen Aamölle, Skelettgrab 35 

Älterneolith. Feuersteingeräte aus 
einem Grabhügel in Hannover XXXVI 


Seite, Taf. 
Frankreich, Belgien 
und Schweiz. 


Silexgeräte des Flénusien von Flénu 
(Belgien) IT 
Harpune aus Hirschgeweih, Schweiz IV,7 
Silexgeráte des nordfranz. Cam- 
pignien . 32 
Bergmannsskelett,  Obourg, Belgien 35 


5. Jüngerneolithische Zeit. 


Deutschland, 


Funde arktischer Kultur aus Nord. 
deutschland. . . . X, 5; ХІ, 1—6 
Menhire in Mitteldeutschland . XIV 
Spätneolithishe Tonbecher Nord. 
westdeutschlands . XXII, 1—12 
Neolithische Werkzeuge aus Mecklen- 
burg . XXXV, 3—8 
Beile von  gebündertem. Silex aus 


der Provinz Posen . . 230 
Steinkistengrab von KI. Rietz, Prov. 

Brandenburg 234 
Sdinurkeram. Gefüsse ` von ‘Iwno, 

Prov. Posen 235 


Trommel von Schkopau, Kr. Merse- 


burg . . 231 
Feuersteinmeissel von  Selpin. in 


Mecklenburg 260 
Uhlenberg, Kreis Zeven, Feuerstein. 

beile . . . . га. m a “YOO 
— Steinhammer . . . . . . . 963 
— Tongefäss mit Bindfadenver- 

zierung s dece «ge. “QBS 
— Feuersieinmasser : . 263 
Steinbeil aus dem Kreise Zeven . 264 
Hexenberg, Kreis Zeven, Grundriss 264 
— Plan der Steinpackungen. . . 265 
— Messer aus Feuerstein . . 265 


— Durchschnitt durch den Hügel . 966 
— Amphore mit 3 Henkeln . . . 267 


348 
Seite, Taf. 
Hexenberg, Kreis Zeven, vasen- 
förmiger Becher . . . . 267 
— Gefässcerben . 268 
— Steinhammer . 269 
— Spanmesser aus Feuerstein . 269 


Skandinavien u. Danemark. 


Funde arktischer Kultur IX, 1- 5; X, 1-4 
Früharktische Wohnplatzfunde von 


Gotland . . 37 
Karte arktischer Felszeichnungen in 

Skandinavien . . 42 
Arktische Felszeichnungen in Skan- 

dinavien . . . 43,44 
Karte der arktischen ` Kultur in 


Skandinavien . . .. 45 
Schieferkultur und Finnen, Karte . 46 
Fliigelaxt von Roskilde (Seeland) 302 


Westeuropa. 


Menhire der Bretagne . XII, XIII 
Steinreihen von Le Ménec . . . 75 
Menhire von St. Denec . . . . 76 
Menhir von Kerdelvas . . . . . 78 
Schema einer megalithischen Gruppe 
nach Lockyer und Devoir. . . 81 
Spätneolithische Tonbecher Hollands 
XXII, 13—14 
— — Englands und Schottlands 
XXII, 15—17 
Bóhmen. 
Stier- oder Votivgefass von Ribeian, 
Seitenansidht . . . . . . . 189 
— Vorderansidht . . 190 


BandkeramischesGefass vonLobositz 191 
Bandkeramishe Nutzgefässe von 
Karbitz-Herbitz . . . . . . 192 
Pflugschar von Obernitz . . 193 
Grabgefässe zweier neolithischer 
A оирвези Gr. Tscher- 
nosek . . 193 
Kugelamphoren von Bilin u. Prosmik 194 
Typen des schnurkeramischen Kul- 
turkreises von Lobositz und Um- 


gebung . . 194 
Schnurkeramische Becher : aus ; dem 
Elbgebiet . . 195 
Grabfund von Kraiditz: seltene 
Steinaxt und Steinmesser . . 196 
Ansa-lunata-Gefässe von Gr. Tscher- 
nosek . . . . . . . . 997 
Amphore mit Pseudoschnurorna- 
ment von Lobositz . . . . . 198 
Amphore von Hostomitz . . 198 
Spät-schnurkeramische Formen aus 
dem nordwestlihen Böhmen . 198 
Spätneolithishe Grabgefässe von 
Teplitz-Schönau . . 199 


Jordansmühler Typus in der Um- 
gebung Prags . ИС 


226 | 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite, Taf. 
Russland, Sibirien und 
Galizien. 
Funde arktischer Kultur 
IX, 6—15; X, 6—11; XI, 7—10 
Früharktishe Gefässe aus Finn- 
land und Russland . . . . . 38 
Silex-Sägemesser aus Sieniawa am 


San т X "e wc ow 1099 
Bilcze- Zlota, Ostgalizien, Quer- 

schnitt durch Grab 8 69096 
— Gefässe aus Grab 8 : 237 
Tripoljekultur, „Operngucker* 237 
— Gefäss mit Tiermalerei 239 
— Menschenmalerei auf Scherben 239 
— Idole in ere Ро- 

dolien. . ; 240 
— Wohngrube in Kiew 240 


— Stein-, Knochen- und ct 
geräte. . , 241 


— Gefàsstypen des Stils II 242 

— Gefasscherben mit plastischen 
Menschengesichtern des Stils Ш 243 

— (Geräte aus Stein-, Knochen, Ge- 
weih und Kupfer 243 


Bemalte Tongefässe und andere 
Fundstücke aus Petreny, Bess- 


arabien ; . XXIII, XXIV 
Gefásse der  bemalten Spiral- 

keramik von Petreny, Bess- 

arabien XXV, XXVI 


Wohnplatze der Tripoljekultur Stillll 
bei Tscherbanjewka . . . XXVII 
Verzierte Scherben der Tripolje- 
kultur Stil H а oh ww AR VII 
Tónerne Frauenidole der Tripolje- 
kultur Stil II und III T 
Tongefässe der Tripoljekultur Stil Ш 
v. Tripolje-Tscherbanjewka XXX, XXXI 
Gefässornamente der Tripoljekultur 
stil 1— Ш . XXXII-—XXXII 
Verbreitung der steinzeitl. Kultur 
bemalter Keramik . XXXIV 


XXIX 


4. Bronzezeit. 


Deutschland. 
Funde der 1. Per. der Bronzezeit 
im Mark. Mus. Berlin . . . 134 
Bronzefund von ae. Kr. 
Teltow . . 135 


Buckelurnengrab von Hasenfelde, 
Kr. Lebus 

Bronze-Wendelring von Fehrbellin 
(Osthavelland) . 137 

Plan des bronzezeitlichen Friedhofes 


136 


von Klein Gaglow bei Kottbus . XXI 

. Holzbrandplätze von Klein Gaglow, 
Brandstatte 88, Längsschnitt. 213 
— — Oberflachenansicht . 214 
— — Querscnitt 214 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite, Taf. 
Holzbrandplatze von Klein Gaglow, 


— Brandstätte 100, eon 215 
— س‎ Flächenansicht : 216 
-- — Querschnitt . . 216 
See MER von KI.  Gaglow, 
Fund 1 ps 1 de 1990 
— Fund 2 221 
— Fund 3 222 
— Fund 4 . 222 
— Fund 108 und 109 223 
Bóhmen. 
Grosses EES von Stan- 
kowitz. . 200 
Kupferdolche von Gr. Tschernitz 201 
Frühbronzezeitiger Halsschmuck von 
Stankowitz . 202 
Bronzezeitfunde aus dem nordwest- 
lihen Böhmen . 203 
Gussplatten von Schiessglock 203 
Frühbronzezeitige Gewandnadeln 
von Kl. Tschernitz 204 
Grosses bronzezeitiges Nutzgefäss 
von Stankowitz 205 
Urnengrab mit Leichenbrand von | 
Libochowan . Low cw 4 x 205 
— desgl. — TES 
Bronzegerate und -Waffen von 
Hostomitz DC 206 


5. Vorrómische Eisenzeit. 
Deutschland. 


Funde aus Urnengräbern von 
Moritzsch, Kreis Merseburg XXXVIII 
(?) Tongefässe von Ermsleben, 


Mansf. Gebirgskreis 127 
Tongefäss aus einer Brandgrube 
von Posen (Stadt) 304 
Latenezeitliches Tongefäss von Czar- 
nikau . Big ne ag” oe ck 304 
Bohmen. 
Liquitz, Früh-Laténegrabfunde . 207 
— kunstvolle Bronzearmstange 207 
Glasring von Neusattel . 208 


6. Rómische Kaiserzeit. 
Deutschland, 


Plan der Grabung am нерсе 
b. Troisdorf . . 85 


— Grabung 1: Wohngrube | 86 
— Grabung 4: Wohngrube II 88 
— Grabung 5: Wohngrube lll . 89 
Funde aus Wohngruben von Trois- 

dorf (Rheinland) . f XV 


349 


. Seite, Taf. 


Funde aus  Urnengrábern von 
Móritzsd Kreis Merseburg XXXVII 

Kaiserzeitlihe Bronzeschnalle von 
Zalesie (Prov. Posen) . . $04 


Österreih-Ungarn. 


Grabgefässvon Twerschitz (Böhmen) 208 
Bronzebüste eines Germanen von 


O-Szöny (Ungarn) 277 
Mittelmeerländer. 
Münze des Maxentius 66 
— Konstantins d. Gr. 66 
— aus Phönizien . 66 


7. Zeit der Völker- 
wanderungen und des 
Frankenreiches. 


Deutschland und Polen. 
Zeichen von den Runenspeeren 


von Müncheberg und Kowel . 122 
Böhmen. 
Fränkisches Mannesgrab von Pros- 
mik (Böhmen) . . . 909 
— Beigaben daraus . 210 
Russland. 
Ostgotischer Helm aus Südrussland 121 
Schnalle aus der Gegend von Kertsdi 122 
Siidrussische symbolische Zeichen. 122 
Bosporanishe Grabsteinplatte aus 
Siidrussland owe A A par. RIK 
Italien. 
Langobardisches Goldkreuz 60 
8. Mittelalter. 
Slawisdes. 
Slawischer Wall bei ои De 
sien), Grundriss . 281 
— Querschnitt . 283 
Frithchristliches aus Italien. . 
Mosaik, Markuskirche, Weeer 54 
Steinsarkophag, Ravenna . 55 
Von einem Kapital, Venedig . 55 
Mosaik aus Ravenna 56 
Steinskulptur aus Ravenna , 51 
Elfenbeinplatten von Budidedeln . 57 
КарНа! aus Rom . . 58 
Elfenbeinplatte von Ravenna 62 
Mosaikbild aus Ravenna 63 


Hakenkreuze aus den römischen 


Katakomben 


350 
Seite, Taf. 
Schottland, 
Grabsteine aus Schottland 54, 170, 171, 
177, 179 


Skandinavien und Dänemark, 


Verzeichnis der Abbildungen. 


| Seite, Taf. 


Bergmannsskelett von Obourg, Bel- 
ien . 

Karte der Kurzküpfe in Norwegen 

Linksseitige nn 

| von Bilin ; Wee 


Konsekrationskreuze aus Schweden 54, 55 
Haustein aus Dänemark си 55 
Silberkreuz von Bjórkó . 59 i 
Kreuz von einem Altar, Uppsala . 59, 10. Geologisches. 
Münze Olofs Schatzkönigs - 59 | Karte des Ostseegebietes in der 
Runenstein aus Schweden . 60 ` Voldiaperiode . 
pie en 60, > | paid in der Ancylus-Periode 
aufstein aus weden A ee t 
Silberne Ellakreuze aus Schweden 64 O ur 
Kreuz v. e. schwed. Runenstein 67 
Grabsteine, байыш : 170, 171 : 7 
— Sdonen . . . . 170, 172 11. Bildnisse. 
— Westergótland . . . 172 " 
Steinkreuze, Norwegen . . . 174 | В. В. v. Weinzierl 
—. Gotland ff 174, 175 | Prof. Dr. Mertins. . . 
— Wisby . . . 116 | Prof. Dr. Joh. Mestorf . 
Grabstein, Gotland ‚ . 178 | Sanitätsrat Hugo Schumann . 
Steinkreuze, Gotland 179, 180 
— Damen BÉ . . 179 
Holzkreuz, Gotlan 180 ` 
Eisenkreuz, Jämtland . . 180 12. Verschiedenes. 
Grabsteine, este reor ane, 181, 182 | Kreuze auf assyr. Skulpturen 
M serene jos ee aut aus Assyrien 
onstranz : akenkreuz . . 
Vignette zu einer Sonntagsbetrach- | Grundriss der vorgeschichtl. Abtei- 
tung a S ss . 185 У lung des Márkischen Museums 
zu Berlin . 
9. Anthropologisches. d ecco von Ösel, Kreis Wolfen- 
Skelettgrab a. d. eee von | Ehrenmitglieddiplom von Frl. Prof. 
Aamölle . Mestorf 
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