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Organ der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte
: herausgegeben von ::
Professor Dr. Gustaf Kossinna
ll. Band
WURZBURG
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag)
1910
372259
Inhalts-Verzeichnis.
Seite
Vorstand und Ausschuss ...... nenne. 280
Verzeichnis der Mitglieder. . . . . Kon nn ee ee we wee 894
Albrecht, G.: Sitzungsberichte der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte,
Zweiggesellschaft Berlin . . . . ie se ; en. 232, 240
Auerbach, A.: Tardenoisien in Ostthüringen I . . 174
Beltz, R.: Vorgeschictliche Funde und Untersuchungen in “Meiklenburg. 1907
bis 1909 . . . . a Wiel ee a. “ay & Ve ee 2 BOD
Berner, U.: Rasse, Racacninieciung und Berabung i Be et Re, ar u ©:
Bezzenberger, A.: Zur Geschichte der Sichel . . . . 179
Bieder, Th.: Die deutsche Ba und ihre Ausprägung in Dr. -Ludwig
Woltmann . . j : 162
Frödin, O.: Ein saiwedisdies Pfahlbau aus der Steinzeit Be ae of 109
Günther, A.: Zur ERISTENUNES: und Besiedelungsgeschichte des Neuwieder
Beckens. I. . . . gs Gs Bi leet ee y
Günther, Å: Zwei Zonenbedher; aus s Urmaiz E e He a va 17
Hindenburg, W.: Neue Funde der Laténe-Zcit aus dem Kreise Teltow . 194
Jacob, K. H.: Bronzegefäss oder Stockknopf? . . . .- ua ke a ee AS
Knoke, F.: Carl Schuchhardt als rémisch- Bun Forscher eo at we 200
Knoke, F.: Entgegnung . . 265
Kossinna, G: Der Ursprung ‘der Usfinnen md hi eradéeeenanen wid ihre
Ausbreitung nach Osten. III. Nordindogermanen und Südindogermanen. 59
Anhang: Fundstatistik . . . 2 2 .. ...... . +. +... BI
Kossinna, G.: Zum Homo Aurignacensis . . . 169
Kossinna, G.: ZurWocengöttervase vom Fliesenberg bei Troisdorf, Siegkreis 201
Kossinna, G.: Die kulturgeschidtlihe Stellung der Prignitz in der Vorzeit 254
Kossinna, G.: Gedrehte Gefässe und Mäandergefässe der Laténe-Zeit . . 242
Kossinna, G.: Zum Dreiperiodensystem . . . 309
Kossinna, G.: Gallische Gottheiten und ihre Darstellung: in sermanischer
Funden . . . 817
Kossinna, G.: Der neue Iranzo isdie Gesetzesentwint über Archäclögisdie
und päläontologishe Ausgrabungen . . . . . . m .. . nn nn 8323
Kossinna, G.: Todesfälle . . . . so ee ee rl
Krause, E.: Spelz- und Menännenarenze a es tas ee te, S200
Mielke, R.: Die Vorläufer der europäischen Häusformen ae . 243
Moetefindt, H.: Die Vorgeschichte in der französischen Denitierienkaimaier 269
Moetefindt, H.: Das Dreiperiodensystem. Ein Jubiläumsbeitrag zur Geschichte
der prähistorishen Forschung . . . - 2 2 2 en 20. Ba ie Sh, ee
IV Inhalts-Verzeichnis.
Montelius, O.: Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren
Olshausen, O.: Kuhdünger oder Seetang als Brennmaterial bei den Germanen
Über der sogen. ligurischen Bernstein in Südfrankreich
Rademacher, C.: Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge kei
Troisdorf
Schultze, M.: Bericht über Neu- Eingänge des Jahres 1909 i in mee re
lihen Sammlung im Museum der historischen Gesellschaft zu Bromberg
Solger, F.: Die klimatishen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit
Solger, F.: Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit
Waase, K.: Kantower Funde
Wilke, G.: Südwesteuropäische Megalithkultur an ihre Besichungen zum
Orient. a x @ G Boxe eh Zr a Bowe BCE we ee Ah
Sachregister .
Büdierbespreihungen: ;
Verzeichnis der Abbildungen‘; im Text nd auf ne Tafeln
I. Abhandlungen.
Germanische Graber der Kaiserzeit am
Fliegenberge bei Troisdorf, Siegkreis,
Reg.-Bez. Koln.
Von C. Rademacher, Köln.
Mit 14 Textabbildungen und 4 Tafeln.
Im Mannus, Band 1, ist von dem Berichterstatter eine germanische
Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf nah dem
gegenwärtigen Stande der Ausgrabungen behandelt worden. Wie aus
der Nachsdrift zu jener Arbeit ersichtlich ist, gelangte während der
Korrektur ein Grabfund vom Fliegenberg in den Besitz des Kölner
Prähistorishen Museums, der seine Zugehörigkeit zu der erwähnten
Dorfanlage als sehr wahrscheinlich erscheinen liess. Seit der Zeit sind
noch weitere Funde daselbst gemacht worden, so dass eine Zusammen-
fassung und wissenschaftlihe Beleuchtung der Funde geboten erscheint.
Über die Ortlichkeit ist im Mannus I, Seite 84 und 85, das
Notwendige gesagt worden. Die systematische Ausgrabung der Wohn-
stätten wurde im Westen des Terrains, man kann sagen auf der letzten
Terrasse des Geländes, nach der sumpfigen Niederung zu, vorgenom-
men. Beim Abtragen der sandigen Oberfläche zur Gewinnung der
Quarzite sind ausserdem mehr östlich, vereinzelt Herdpflaster, sowie
Funde, bestehend aus Scherben, Eisen- und Bronzesachen, Münzen
(Augustus, Postumus, Tetricus) zum Vorschein gekommen, entweder
als Einzelfunde, oder als Inhalt von Herd- bezw. Abfallgruben. Ein
vereinzelter Grabfund (Abb. 1) zeigte sich in diesem Gebiete, eine
Urne mit Leichenbrand und einzelnen Resten der dazu gehörigen
Schale. Sonstige Beigaben sind den Arbeitern nicht aufgefallen. Das
Gefäss, 25 cm hoch, 21 cm Durchmesser, ist wenig bauchig, der Rand
überkragend, Hals S-förmig; auf der Bauchwand ein Band von wenig
Mannus. Bd. Il. H. 1. 1
2 C. Rademacher. [2
eingedrückten, durch gerade Linien schraffierten Dreiecken. Es ist der
Laténezeit zuzurechnen. Weiter entdeckten die Arbeiter nicht allzu-
tief in der Erde einen mächtigen Scherbenhaufen, von sehr dickwan-
digen Gefässen herstammend. Aus diesen
Scherben liess sich eine vollständige, grosse
Urne von 54 cm Durchmesser und 44 cm
Höhe zusammensetzen. Der Oberteil des
Bauces ist durch wenig eingedrückte Linien
verziert. Von einem zweiten Gefass, das
als ein Vorratsgefäss angesprochen werden
muss, wurde nur der Oberteil zusammen-
gesetzt, der mit einem Leistenband verziert
ist. Der Durchmesser dieses Gefässes beträgt
an der Öffnung 62 cm, die Höhe hat minde-
stens 100 cm. Diese Gefässe (Abb. 2 u. 3)
gehören dem Ende der Bronzezeit, Anfang
Abb. 1. der Hallstattzeit an, ein Beweis, dass
mehrere Perioden am Fliegenberge ver-
treten sind, auch die Kaiserzeit, vgl. die Fussurne (Abb. 4) Mannus I.
Der dritte Fund, ebenfalls von den Arbeitern beim Abdecken gemacht,
führt uns auch in die Kaiserzeit zurück. Es ist ein Eisenfund, der nach
allem zu urteilen, wohl ein Depotfund gewesen sein muss.
oem
Abb. 2.. hé 0. nat. Gr.
Folgende Gegenstände wurden ge-
borgen:
1. Schildbuckel. 2. Vier eiserne
Beshläge mit grossen Tragringen.
3. Schelle mit Kléppel. 4. Grosses Abb. 4. 's d. nat. Gr.
Eisenbleh. 5. Langer Schlüssel mit
gedrehtem Stiel. 6. Gerät mit runder Spitze. 7. Unbearbeitetes Eisen-
stück. 8. Eisenschwert (Brchst.). 9. Messer. 10. Rand eines Gefasses.
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3] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 3
11. Eimerhenkel. 12. Beschlagstiicke eines Holzgefässes. 13. Nagel.
14. Verschiedene kleinere Eisensachen. 15. Bronzefibel.
Nach dem Berichte der Arbeiter lag der Schildbuckel zu oberst,
er wurde deshalb mit der Hacke zertrümmert. Der Schildbuckel ist
halbkugelförmig und gleicht den germa-
nischen des 3. Jahrh.') (Abb. 5). Die vier
Beschläge mit den Tragringen bilden zwei
gleiche Paare, von denen das eine etwas
massiver ist. Der Durchmesser der Ringe
beträgt 10 cm. Nach der Stellung der
Beschläge, die bei allen etwas gebogen
ist, müssen dieselben an einem rund-
lichen oder gebogenen Gefasse, einer Tonne
etwa, befestigt gewesen sein. Die Dicke
dieses Gefässes ist aus den Nieten zu
ermessen, sie hat 1 cm betragen. Die
Schelle gleicht den römischen und der-
jenigen, die als Einzelfund vordem in
demselben Gelände zum Vorschein kam
(Mannus, Band I). Von der Bronzefibel Abb. 5. fe nate Gr.
ist der Biigel nur erhalten. Es ist eine
provinzialrémische Fibel der Rheinprovinzen; Almgren, Taf. I, Fig. 16
(Abb. 6). Wir haben es anscheinend mit einem Depotfund zu tun, in
dem jemand seine Habe an eisernen Geräten, unbearbeitetem und altem
Eisen, das zu jener Zeit gewiss noch einen ziemlichen Wert besass,
bei einem drohenden Überfall vergraben hat. Solcher eisernen Depot-
funde sind aus Deutschland eine ganze Reihe bekannt.
Der späteren Kaiserzeit gehören dann
auch die Funde an, die uns jetzt beschäftigen
werden. Im Nordosten von den untersuchten
und im Mannus, Band I, beschriebenen Wohn-
stättenanlagen, steigt das Gelände rasch an.
Es war mit Kiefern bestanden und ist jetzt
eine ziemliche Strecke hindurch der Quarzit-
gewinnung wegen durchwihlt. Dieses abgetragene Terrain liegt etwas
- parallel zu den vorhin erwähnten Grabungen. Hier sind, wie das später
in Erfahrung gebracht werden konnte, verschiedentlih Gefässe und
Scherben zum Vorschein gekommen, die aber samt und sonders nicht
beachtet und mit dem Abraum verschüttet wurden. Erst durch die
letzten Nachforschungen waren die Arbeiter aufmerksam geworden, und
Abb. 6. Nat. Gr.
') Vgl. KOSSINNA: Zeitschr. f. Ethnologie 1905, S. 381.
1*
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4 C. Rademacher. [4
als wieder (1909) eine dunkle Stelle in dem hellen Sande mit Scherben
durchsetzt sich zeigte, wusste ein Arbeiter aus Altenrath den gesamten
Inhalt dieser dunklen Schiht zu sammeln, der dann in den Besitz des
Museums überging. Der Inhalt bestand:
1. aus einer kleinen, schwärzlichen Urne mit Leichenbrand, darin
nach Angabe der Arbeiter 2 Bronzemesser, ein kleiner Bronzering, ein
geschmolzenes Silberklümpchen und Glasschlacke, eine eiserne Bügelfibel,
2. den Scherben zweier Gefasse,
3. Bronzescherben.
Das Ganze, mit Brandasche umgeben, gehörte wieder nach dem
Urteile des Arbeiters zusammen. Es könnte demgemäss der Inhalt
eines Grabes gewesen sein. Die Nachgrabungen in der Nähe dieser Stelle
legten den Rest eines zweiten Grabes bloss, hier fanden sich Scherben
eines dickwandigen nichtrömischen Gefasses; eine Fibel mit Bronze-
platte (REUREINCK), eine Speerspitze, wozu später noch eine zweite
sich gesellte (Abb. 7), und ein Eisengerät,
unbestimmbarer Verwendung. In der Rich-
tung des ersten Grabes, etwa 5—10 m von
diesem entfernt, wurde dann das 3. Grab
entdeckt, dessen ganze Anlage erhalten und
genau beobachtet werden konnte. In dem
hellen Sand war eine 90 cm tiefe, 50—60 cm
breite Grube eingeschnitten. Auf dem Boden
stand die Brandurne, schwärzlich, mit Knochen
gefüllt. Auf den Knochen ein Spinnwirtel,
neben derselben, parallel mit der Spitze eine
26 cm grosse eiserne Schere, über der Urne
Scherben eines Gefässes, die ganze Ver-
tiefung mit Brandasche ausgefüllt, in der sich
noch folgende Gegenstände vorfanden: Scher-
Abb. 7. '/s nat. Gr. ben eines zweiten Gefasses, Reste eines mit
Kreisen verzierten Knochenkammes, Bruch-
stücke einer Silberfibel (Bügel fehlt); zahlreihe Scherben eines Bronze-
gefässes, ein plumper Bronzering, ein ornamentiertes kleines Bronze-
stäbchen, verschlackte Bronze, und der Schere gegenüberstehend, ein
grosses eisernes Schwert(?) mit unverhältnismässig langem Griff. Der
Knopf des Griffes war ziemlich nahe unter der Oberfläche.
Dabei diesen Grabfunden sehr wichtige Gefässe zum Vorschein gekom-
men sind, ist es nötig, auf den Inhalt der einzelnen Gräber näher einzugehen.
I. Grab. |
Die kleine schwarze Urne (Taf. l, Fig. 1), die den Leichenbrand ent-
hielt, ist germanischer Arbeit. Der Rand steht schräg, zwei Furchen am
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5] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 5
Halse, drei am Unterteile des Bauches. Zwischen diesen Furchen ein
Band von 6 sanft vorspringenden Nupfen. Die drei unteren Furchen
sind in verschiedenen Zwischenräumen angebracht, der letztere ist breiter,
und hier findet sich ein System von schräg aneinander gelegten, parallelen
Strichgruppen. Das eine der beiden Bronzemesser war im Leichenbrand
gewesen und hatte sehr gelitten; so viel war aber noch zu erkennen,
dass es genau dem andern,. sehr wohl erhaltenen gleih war. Dieses
Messer (Abb. 8), 7'2 cm lang
mit 1 cm langem Stiel, ist ziem-
lih reich auf beiden Seiten
ziseliert, die eine Seite durch |
kleine Halbkreise, vom Riicken
des Messers ausgehend, aus A
kleinen, gestrichelten Linien
hergestellt. Der Raum zwischen
diesen hängenden Halbkreisen
ist mit kleinen Kreisen aus-
gefüllt. Die andere Seite des
Messers ist ebenfalls durch
Rillen und Kreise verziert. An der Stelle wo Messer und Stiel sich
treffen, ist der Rücken durch parallele Einschnitte und halbkugelförmige
Ausschnitte gekennzeichnet. Die Glasschlacke gehört anscheinend einem
kleinen Fläschchen an, über dessen Form indes nichts zu sagen ist.
Das letztere gilt auch von den sehr verschlackten und kleinen Bronze-
resten, auch sie lassen kein Urteil über die Gestalt der Gefasse zu.
Mit der Silberschlacke ist dasselbe der Fall.
Zu dieser Graburne gehören nun, nach Aussage des Arbeiters, die
Scherben zweier Gefässe, die sich zusammensetzen liessen. Es ist ein
18cm hoher, ziemlich bauchiger Becher (Taf. I, Fig. 2) mit horizontalen
Strichverzierungen. Hals und Fuss sind S-förmig geschwungen, und
gleicht derselbe in etwa den Bechern der späteren Kaiserzeit, auf denen
sich vielfach die bekannten weissen Inschriften: ‘bibe’, ‘amo te’ und dgl.
finden. Wir werden später bei der Frage nach der Zeitstellung des
Grabes auf denselben noch zurückkommen müssen.
Von dem zweiten Gefasse, das in lauter kleinen Stücken sich
vorfand, sammelte der Arbeiter 100 Scherben. Leider bilden diese
nicht die vollständige Vase, doch ist so viel erhalten, dass sie im Römisch-
Germanischen Zentral - Museum zu Mainz zusammengesetzt werden
konnte. Es ist eine Gesichtsvase, die 6 Götterbildnisse auf der Bauch-
wand enthält (Taf. I, Fig. 3, 4; ll, Fig. 3, 4). Eine dieser Darstellungen
ist ein sogenannter Triceps, das mittlere Gesicht en face, die beiden
anderen im Profil darstellend.
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Abb. 8. '/3 d. nat. Gr.
6 C. Rademacher. [6
Solcher Vasen mit Götterköpfen sind mehrere bekannt. Eine be-
findet sich im Cabinet des Medailles zu Paris, eine zweite im Museum
zu Lüttih. BABELON, der den Katalog der Pariser Sammlung
herausgegeben hat, bezeichnet die Darstellungen als Wochengottheiten.
Er wurde wohl durch die Siebenzahl der Bildnisse dazu geführt. BABELON
schreibt: „La panse est ornée de sept bustes, les divinités gauloises de la
semaine; l'un d’eux a trois têtes barbues, celle du centre munie de petits
cornes. Trouvé à Bavay (Nord) au siècle dernier.“ Die Anordnung der
Bildnisse auf dieser Vase ist wie folgt: Gott (tricéphale), dann zwei
Götter, darauf eine Göttin, wieder zwei Götter und zuletzt eine Göttin.
Die Götter sind alle bärtig dargestellt. Wir haben also 5 Götter- und
2 Göttinnenbildnisse. (Siehe Tafel III.)
Das Lüttiher Exemplar ist in Jupille bei Lüttich gefunden (Taf. IV).
Es hat eine Höhe von 35 cm, die Grösse der Bildnisse beträgt 12 cm.
6 Bildnisse sind erhalten, das 7. fehlt; nah der Ansicht des Prof.
DEMARTEAU, der diese Vase beschrieben hat, fehlt der Tricephalus,
der hier abgeblättert ist. Die Anordnung auf der Lütticher Vase
ist folgende: Tricephalus (fehlend), ein bärtiger Gott, eine Göttin, drei
bärtige Götter, eine Göttin, also wiederum wie in Paris 5 Götter und
2 Göttinnen.
Auf dem Kölner Exemplar ist, wie schon bemerkt, die dreiköpfige
Gottheit vorhanden (Taf. Il, Fig. 3). Diesem folgt ein bärtiges Götterbildnis,
von dem allerdings nur das bärtige Kinn und die rechte Seite des Mundes
mit Bart erhalten ist. Das an dieser Stelle angebrachte Fragment mit den
kleinen Haarandeutungen ist nach meiner Überzeugung hier unrichtig ange-
bracht. Die Götterbildnisse der Kölner Vase haben diese kleinen Lockenan-
deutungen nicht, wohl das eine erhaltene Bild einer Göttin. Der an
diese Stelle aufgeklebte Rest hat demgemäss zu einer zweiten weiblichen
Gottheit gehört. Als dritte Figur haben wir eine Göttin mit Lockenhaar,
von dem vierten Bildnis ist nichts erhalten, von dem 5. nur die rechte
Stirn mit Augenbraue, sowie der Hals und die Andeutung der Gewandung,
der 6. Kopf ist wohl erhalten, ein bärtiger Gott.
Die sieben Köpfe der Pariser und Lütticher Vase haben nach oben
keinen Abschluss, nur über den Köpfen zweier Götter der Lütticher be-
merken wir kleine wenig eingedrückte Kreise, in welhen DEMARTEAU
„nuages“ sieht, „qui commencent à s'en rouler“. Auf jeden Fall sind
diese beiden Köpfe hierdurch von den anderen ausgezeichnet.
Die Kölner Vase hat einen vollständigen Abschluss der Bildnisse
in einem Ornament, das zu der ganzen übrigen, weiter unten zu be-
handelnden Ornamentation der Vase passt. Sehr wohl erhalten finden
sich über 5 Köpfen bogenförmige, rundlihe Tonwülste aufgelegt, welche
7) Germanische Graber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 7
die Bildnisse sehr vorteilhaft abschliessen. Dieses Band ist regelmässig
mit je 5 Eindrücken; aus parallelen Linien bestehend, versehen. Uber einem
Kopf, und zwar dem bärtigen Götterkopf, links neben dem Tricephalus
fehlt dieses Abschlussband (Taf. II, Fig. 4). Dadurch wird der Kopf von
den übrigen herausgehoben und an die erste Stelle gerückt. Dieser
Eindruck wird noch verstärkt durch eine besondere Eigentümlichkeit.
Ein nach der Mitte zu sich vergrössernder Tonwulst, unmittelbar an den
Kopf gelegt, mit diesem zu einem organischen Ganzen verbunden, ist
durh 12 runde Stempeleindrücke verziert, die tief hinunter fast das
ganze Gesicht einrahmen. Als Lichtschein, „Nimbus“, müssen wir diese
Auszeichnung ansehen. Ähnlich ist auch die Umrahmung des leider nicht
ganz erhaltenen Göttinnenkopfes. Diese beiden Bildnisse stehen ein-
ander gegenüber. Ausser diesem Abschluss über den Köpfen ist die
Kölner Vase vor den beiden obengenannten in Paris und Lüttich, noch
durc eine reiche Reliefverzierung der Zwischenräume ausgezeichnet, welche
die Verbindung der Bildnisse zu einem harmonischen Ganzen bewirkt.
Diese Verbindungsornamente sind an und für sih schon wichtig, dann
aber gibt die Art und Weise ihrer Behandlung uns manchen wertvollen
Fingerzeig über die Art der Herstellung dieser Gefässe. Es mögen des-
halb die Zwischenornamente einzeln vorgeführt werden.
1. Zwischen dem Kopf mit Nimbus und dem Tricephalus. Zu-
nächst ist ein bogenförmiger, hängender Wulst angebracht, der in
Höhe des Scheitels des Nimbus mit dem Bogen als Abschluss über dem
Tricephalus verbindet. An diesen Wulst ist in der Mitte ein verti-
kales Band angebracht, das sich bis zum Abschluss der Gewanddar-
stellung herunterzieht, sich aber dort in zwei fast wagerecht aufgelegte
Arme teilt. Am Ende ist ein Stempelornament angebracht. Dieser ver-
tikale Streifen findet seine Fortsetzung über dem Verbindungsbogen
durch einen 2cm langen, nach beiden Seiten halbkreisförmigen ausge-
schnittenen Bogen, mit zwei Stempeleindrücken wie unten verziert.
Über diesem ganzen Zwischenornament, etwas nach links, das grosse
Kreisornament.
2. Zwischen dem Tricephalus und der folgenden, bärtigen Gott-
heit, von der nur das Kinn und die eine Seite des Mundes erhalten
ist (Taf. II, Fig. 3). Dasselbe Ornament wie bei 1, nur sind diesmal zwei
gerade, etwas nach aufwärts gebogene Linien als Verbindung zwischen den
Köpfen angebracht. Das obere aufgesetzte Stück des vertikalen Randes
erscheint hier sehr deutlich nicht als ein einfacher Wulst, sondern als
ein etwas breites, fast schwertgriffartiges Ornament. Drei Stempelein-
drücke oben; auf dem Verbindungswulst dieselben unten, also wie 1.
Das grosse Kreisornament wiederum nicht in gerader Linie über dem
Ganzen angebracht, sondern wie bei 1 etwas nach links. Dieses ganze
8 C. Rademacher. [8
Zwischenornament erhält besondere Wichtigkeit, da es vollständig er-
halten ist.
3. Zwischen der fragmentierten bärtigen Gottheit und der Göttin.
Fast genau wie bei 2, nur ist der schwertgriffartige Aufsatz hier noch
breiter und mit zwei Stempeleindrücken in horizontaler Linie versehen.
Sonst Stempel wie bei 2. Wiederum das grosse Kreisornament auf der
Vase etwas nach links.
4. Zwischen der Göttin und dem fehlenden Bildnis. Dieses
Zwischenornament ist bis auf einen kleinen unteren Teil ergänzt. Bemer-
kenswert, dass der unterste Stempeleindruck sich vor der Stelle befin-
det, an der das Band sich teilt. Das grosse Kreisornament etwas
links wie bei den vorhergehenden.
5. Zwischen dem fehlenden Bildnis und dem sehr fragmentierten
erhaltenen. Es ist genau in der Art wie 1, auch die Stempeleindriicke
sind an derselben Stelle. Hier das grosse Kreisornament gerade über dem
Band, sodass die vier Stempeleindrücke in derselben Vertikalen liegen.
6. Zwischen der letzten fragmentierten Gottheit und dem Bildnis
mit dem Nimbus. Die Verbindungslinie ist hier genau wagerecht, der
mittlere Stempeleindruck wie bei 2 und 3. Der obere Kreis in dersel-
ben Weise wie 5 auf derselben Vertikalen.
Wie man sieht, sind die aufgelegten Zwischenornamente bei aller
Gleichartigkeit im einzeln etwas verschieden. Da nicht anzunehmen ist,
dass jeder kleinen Veränderung der Ornamente eine bestimmte Absicht
zugrunde gelegen haben kann, so können wir in diesen kleinen Ver-
schiedenheiten, die sich besonders in der Lage der eingedrückten Kreis-
ornamente kund gibt, nur ein freies Spiel des Töpfers sehen. Nach der
Grösse der Entfernung der Bildnisse, dieselbe ist nicht überall die
gleiche, brachte er nach eigenem Ermessen sein Ornament an und drückte
die Stempel dorthin, wie es ihm nach Lage und Laune angemessen
erschien. Ein handwerksmässiger Betrieb, der solche Vasen in grösserer
Anzahl herstellte, geht daraus hervor.
Wie aus dem Angefiihrten, sowie aus den Abbildungen der Kölner
Vase ersichtlich, lässt das aufgelegte Ornament zwischen den Götter-
bildnissen die Vermutung zu, dass diesem Ornamente ein besonderes
Motiv zu Grunde gelegen haben kann. Zunächst hat der Oberteil ein
fast schneidgriffähnliches Aussehen; das Ende des Ornamentes, nach
dem Boden des Gefasses zu, teilt sich in zwei kleine Arme, so dass
ein hammerähnliches Gebilde entsteht (Abb. 9). Abb. 10 ist die Dar-
stellung eines Hammers auf einem Bas-Relief im Museum zu Strass-
burg‘). Dasselbe stellt einen Götterkopf dar, der die geflügelte
') Veröffentlicht in der Schrift: „Deux Monuments du dieu Tricephale gaulois“
von E. KRÜGER.
9] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. Q
Mütze des Merkur trägt, während die Hand den Hammer des Dispater-
Silvanus schwingt. Dieser Hammer mit seinem verdickten Mittelteile
gleicht sehr dem Ornament auf der Kölner Vase. Die Verdickung ist
hier durch das an der Stelle angebrachte Ornament angedeutet.
Abb. 9. Abb. 10.
Eine Bemerkung noch über die runden Stempeleindrücke, die
mit demselben Motiv, bald grösser, bald kleiner oft auf der Kölner
Vase angebracht sind. Zunächst die 6 grossen Kreise dicht am Halse
der Vase zwischen den Bildnissen. Ihr Durchmesser beträgt 2 cm,
ein vertiefter Kreis ist angebracht, der einen Kreisring der Oberfläche
einschliesst. Dieser Kreisring ist durch eine mittlere, ziemlich tiefe Ver-
tiefung und eine äussere, nicht so tief eingedrückte Vertiefung gebildet.
Mitten in der Vertiefung sitzt ein ganz kleines kugelförmiges Gebilde.
So kehrt dieses Ornament auf den Zwischenverzierungen, dem Nimbus,
auf den Köpfen selbst an Stelle des Haupthaares wieder. Ähnliche
runde Kreiseindriicke finden sich, wie scion bemerkt, auch auf der Pariser
Vase. Sie füllen, zu je 2 oder je 3 in gleicher Grösse angebracht,
die Zwischenräume der Götterköpfe aus. Bei der Lütticher Vase haben
wir nur je einen reliefartig aufgelegten Kreis, an derselben Stelle, wo
die grossen Stempel der Kölner Vase sich befinden. DEMARTEAU sagt
hierüber: „Chaque figure du vase de Jupille est. accompagnée d'un an-
neau; c'est l’orbis ou circulus, qui désigne soit la revolution de l'astre
soit la zone où il paraît attaché et se meut perpétuellement“. Andere Or-
namente fehlen, ausser den bereits erwähnten „nuages“ über zwei Götter-
köpfen. Bei der Pariser Vase sind die Kopfhaare aller Bildnisse durch
ähnliche kleine Eindrücke hergestellt, die meist ein spiralförmiges
Ornament hervorbringen; dasselbe ist auf der Lütticher Vase der Fall.
Die Kinn-, Backen- und Lippenbärte dieser Götter, auch des Tricephalus
der Pariser Vase, zeigen dasselbe Motiv, ebenso sind drei Bärte der
Lüttiher Vase behandelt. Zwei Bärte der Pariser Vase sind durch
Striche angedeutet, ebenso auf der Lütticher Vase. Die Kölner Vase
10 C. Rademacher. {10
hat drei erhaltene Bärte, sie sind sämtlih durch Striche hergestellt,
auch der Bart des dreiköpfigen Gottes, während die Kopfhaare der
Götterbildnisse sämtlih durch die runden Stempeleindriicke hervor-
gebracht sind. Die Locken der weiblichen Gottheit sind durch kleine
parallele Halbkreise angedeutet. Man sieht, bei aller Gleichartigkeit im
ganzen doch mannigfache Verschiedenheit im einzelnen. Zu erwähnen
sind hier noch die beiden runden aufgelegten Kreise auf dem Haupte
des Tricephalus der Pariser Vase, die als Andeutungen von Hörnern
oder Flügeln gelten können. Ob der Kölner Tricephalus diese An-
deutungen auch gehabt hat, kann nicht festgestellt werden, da diese
Stelle des Kopfes fehlt.
Nicht unwichtig ist auch noch zu erwähnen, dass die Pariser und
Kölner Vase am Unterteile gleichsam als Abschluss der Götterdarstel-
lungen zunächst zwei Rillen haben, umlaufend um das ganze CGefass, dicht
beieinander, diesen folgt, mehr nach unten angebracht, eine dritte Rille.
Das Fehlen von ganzen Gesichtern und Gesichtsteilen auf der Kölner
Vase lässt über die Art der Herstellung deutlihe Schlüsse zu. Der
Töpfer hat zunächst die Vase auf der Drehscheibe gearbeitet, dann wurde
dieselbe sorgfältig geglättet und ihr ein feines, heilederfarbiges Aussehen
gegeben. Die Gesichter sind zunächst in besonderen Formen hergestellt
und zwar als eine dünne flahe Scheibe. Die noch weiche Vase nahm
der Künstler dann zur Hand, trieb an der Stelle, wo er die Bildnisse
anbringen wollte, die Wand heraus und klebte dann den Kopf auf, einen
nach dem andern. Sodann brachte er die Tonbänder an und griff
zuletzt zu seinem Stempel, mit dem er die Haare, den Nimbus und
die übrigen Ornamente herstellte. Man wird bei dieser Art der Technik
unwillkürlih an die mittelalterliche Steinzeugfabrikation erinnert, wie sie
uns aus den Erzeugnissen von Höhr-Grenzhausen, Siegburg, Köln, Frechen
und Raeren bekannt ist. Auc hier geschah die Anbringung der Orna-
mente, Wappen, Figuren und szenischen Darstellungen in der Weise,
dass man in einer Tonform dieselben zuerst presste und dann auf den im
übrigen fertig vorbereiteten Krug auftrug. Auch sei hier gleich bemerkt,
dass nach einer anderen Hinsicht hin dieser Vergleich nicht ohne Be-
deutung ist. Aus Siegburg und den übrigen mittelalterlihen Töpferorten
sind eine grosse Anzahl von bauchigen Gefässen bekannt, die alle
einen bärtigen Mann an der dem Henkel gegenüberstehenden Seite
haben. Der Kopf dieses Mannes schneidet mit dem Rande des Gefasses
ab. Man nennt diese Krüge „Bartmannskrüge“. Die Bärte sind oft lang,
oft kurz und man wird an die bärtigen Gottheiten der Vasen in Köln,
Paris und Lüttich erinnert, und das umsomehr, weil das Museum in
Lüttich ein Gefäss besitzt, mit einem solchen „Bartmann“, dessen Kopf
mit dem Rande des Gefasses ebenfalls abschneidet. Dieses Gefäss hat
11] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 11
denselben Fundort wie die Vase mit den (ötterköpfen und ist nord-
gallische, also belgische Arbeit.
Was nun die Frage nach dem Fabrikationsorte der Vasen angeht,
so werden wir in Nordgallien, also in Belgien, die Werkstätten zu
suchen haben. Die Übereinstimmung der drei Vasen ist eine überaus
grosse, ebenso die Technik, so dass wir zu diesem Schlusse berechtigt
sind. Alle Fäden weisen nach Belgien'), wo auch ähnliche Vasen mehrfach
zum Vorschein gekommen sind, so in Aiseau, Elouges, Schalkhoven,
Tongres, Ombret, Vodecée, also in den Tälern der Maas und Sambre.
Hier in Belgien und am Niederrhein hat während der römischen Herr-
schaft eine bedeutende Töpferkunst geblüht, und es ist gewiss mehr
als Zufall, dass die wichtigsten Töpferorte des Mittelalters wieder am
Niederrhein sich finden und hier im 15. und 16. Jahrhundert zu einer
so hohen Blüte sich emporschwangen.
Die Auffindung der belgorömischen Gesichtsvase in einer ger-
manischen Ansiedelung auf dem rechten Rheinufer spricht für rege
Beziehungen zwischen diesen Landschaften. Für die Beurteilung dieser
Beziehungen wäre eine Datierung der Gesichtsvasen sehr erwünscht.
Salomon REINACH *) verlegt die Herstellung der Gesichtsvasen in die
spätere Kaiserzeit, das 3. Jahrhundert etwa. Demgegenüber hat
Direktor KRÜGER °?) in Trier die Ansicht vertreten, dem 1. Jahrhundert
und zwar etwa der Zeit des Tiberius gehörte das Pariser Gefäss an.
KRÜGER) hält diese Periode auch für die Kölner Vase zu Rechte und
glaubt aus der sorgfältigen Behandlung des Tones, der sauberen Ausführung
der Vase selbst und den aufgelegten Tonbändern, die noch an spätes
Laténe erinnerten, sowie den Abschlussrillen am Unterteile des Bauches
der Vase, diesen Schluss ziehen zu können. Die Fundumstände der
Kölner Vase geben keinen einwandfreien Aufschluss über diese Frage.
Das 2. und 3. Grab, wie das später noch dargestellt werden wird, ge-
hören dem 3. Jahrhundert an. Darüber kann kein Zweifel bestehen.
Die Leichenbrandurne des ersten Grabes ist in dieselbe Zeit zu versetzen.
Gehören nun der Becher und die Gesichtsvase zu diesem Grabe, so
müssen sie auch der Zeit angehören. Das Urteil des Arbeiters spricht
dafür, da nach seiner Meinung die Scherben der beiden Gefässe neben
der Knochenurne von ihm aufgehoben worden sind. Weiterhin hat das
3. Grab 3 Gefässe, das erste hätte, wenn wir die drei Gefässe desselben
als zusammengehörig betrachten, auch die Dreizahl gehabt. Diese
Dreizahl ist aus vielen Gräbern bekannt. Es ist allerdings die Möglich-
1) Vergleihe DEMARTEAU: Le vase planetaire de Jupille.
2) Salomon REINACH: Cultes, mythes et religions.
3) E. KRÜGER: a~. aa O.
4) Persönliche Besprechung mit dem Berichterstatter.
12 C. Rademacher. [12
keit nicht ausser Acht zu lassen, dass die Scherben des Bechers und
der Gesichtsvase einem sehr viel früheren Grabe angehört haben und
dass dieses Grab bei der Neuanlage zerstört worden ist. Die Ansiede-
lung am Fliegenberge hat ja, wie schon eingangs ausgeführt worden
ist, lange bestanden. Münzen der ersten Kaiserzeit wurden gefunden
und in den Wohnstätten Scherben römischer Art, von denen einzelne
in das erste Jahrhundert unbedingt zurückreihen (Siehe die Tafel
Mannus |). Somit würde nach dieser Richtung hin mit der Möglichkeit
einer früheren Datierung zu rechnen sein. Auch der Becher trägt ver-
schiedene Symptome, die einer früheren Datierung nicht im Wege
stehen, ja dieselbe nach der Auffassung KRÜGERS wahrscheinlich
machen. Zunächst mutet er unter den bekannten Bechern, die ihm
gleichen, fremd an. Es ist bis jetzt kein derartiges Gefäss in den
römischen Gräbern der Kölner Gegend gefunden worden. Es könnte
nah KRUGERS ’) Urteil wohl das Prototyp ‘der etwas bauchigen, aber
schlankeren Becher abgeben, die im 3. Jahrhundert mit den Inschriften
sehr bekannt sind. Dazu stimme auch die Behandlung der Standflache,
des Fusses, die im Innern einen ziemlich hohen Kreis aufweist, der
bei dem späterem Becher nicht mehr vorkomme. Ein abschliessendes
Urteil ist demgemäss über die Datierung vorerst nicht zu fällen, obschon
es die meiste Wahrscheinlichkeit hat, dass die Gesichtsvase zu dem 1. Grabe
gehört und also der späteren Kaiserzeit zuzurechnen ist.
Auch Sinn und Zweck der Gesichtsvasen, welchem Kultus sie ge-
widmet sind, ist zweifelhaft. Es liegt auf der Hand, dass wir es bei
diesen Vasen mit Götterköpfen, mit Götterdarstellungen zu tun haben,
welchen eine bestimmte Vorstellung zugrunde liegt. Schon der Tricephalus,
eine aus dem Altertum bekannte Götterdarstellung, würde dies beweisen.
Aber auch nach dieser Hinsicht gehen die Urteile sehr auseinander.
BABELON?) bezeichnet die Darstellungen auf der Pariser Vase als
Planetengottheiten, dazu stimmt die Siebenzahl. DEMARTEAU *) hat
für diese und die Lütticher Vase dasselbe Urteil. Er zieht zum Beweise
ein goldenes Armband im Cabinet des medailles zu Paris herbei, das aus
Syrien stammt, aber griechische Arbeit ist, mit sieben Götterköpfen, welche
die sieben Planeten der Alten darstellen und deren Name in griechischer
Sprache jedem Bildnis beigefügt sind. DEMARTEAU ist der Ansicht,
wenn man die beiden Gegenstände im Cabinet des medailles, das gol-
dene Armband und die Tonvase mit den übrigen Götterbildnissen studiert
hätte, würden alle diese Vasen längst ihre genügende Erklärung gefunden
') Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter.
*) In dem Führer zu dem Cabinet des Medailles.
*) In der erwähnten Schrift: Le vase planétaire de Jupille.
13] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 13
haben. Salomon REINACH ist der Meinung!), dass die Vase und das
Armband keine Beziehungen zueinander haben. Er hat die Identifi-
zierung *) der dreiköpfigen Gottheit besonders bearbeitet und sieht in ihm
einen gallischen Merkur. Er hat nachgewiesen, dass in Frankreich eine
Anzahl Steindenkmäler zum Vorschein gekommen sind, die eine bärtige,
dreiköpfige Gottheit darstellen, stets in derselben Anordnung, wie wir
sie bei der Kölner und Pariser Vase kennen gelernt haben. Durch die
sonstigen Attribute des Tricephalus, den Bock zu den Füssen, die Flügel
bezw. Hörner, die auch anerkannte Merkurstatuen aufweisen, sei die
Identifizierung des Tricephalus mit dem gallischen Merkur bewiesen.
Nach CAESAR stellten die damaligen Gallier schon von allen Gott-
heiten den Merkur am häufigsten dar, „plurima simulacra“ sagt er von
ihm. Die Verehrung Merkurs war am meisten verbreitet. In Griechenland
wurde Hekate mit 3 Köpfen abgebildet, Hermes im 6. Jahrhundert v. Chr.
dreiköpfig und bärtig an den Kreuzwegen aufgestellt. Durch griechischen
Einfluss, so nimmt REINACH an, hatten die Gallier aus den südlichen
Kolonien diesen dreiköpfigen Gott übernommen. Durch LUCAN sind
uns die Namen von drei gallischen Gottheiten überliefert. Teutates,
Esus, Taranus. Esus ist nach der Meinung des französischen Gelehrten
Merkur. Anderer Auffassung ist KRÜGER in seiner schon wiederholt
angeführten Schrift über die Pariser Vase. Er sieht in der dreiköpfigen
Gottheit Mars. Die Art der Gewandung dieses Bildes, die einem
Panzer ähnlih sei, gab ihm Veranlassung zu dieser Annahme, die
noch durch einzelne kleine Umstände, die Striche über den Augen-
brauen, die Dreizahl der runden Stempeleindrüke zu beiden Seiten
des Kopfes und die kleinen runden Wülste in den Haaren ihm gestützt
erscheint. Der Töpfer habe diesen Kopf als den ersten darstellen wollen,
der erste Gott sei jedoch der Mars. KRÜGER identifiziert nun die
Köpfe der Pariser Vase, mit dem Tricephalus angefangen: Mars, Merkur,
Jupiter, Venus, Saturn, Sol, Luna. DEMARTEAU glaubt das fehlende
Bildnis der Lütticher Vase stelle einen dreiköpfigen Gott dar, und zwar
sei dies der Saturn; dann folgen Sol, Luna, Mars, Merkur, Jupiter,
Venus. Er hält die Vase für einen Ausfluss der aus dem Orient ge-
kommenen und während der römischen Kaiserzeit immer stärker auf-
tretenden magischen Kunst der Astrologie, die ja noch zu Zeiten des
Augustinus, wie aus seinen „Confessiones“ zur Genüge hervorgeht, eine
so grosse Rolle spielte, um dann später im Mittelalter zu neuem Leben
zu erstehen.
Die Dreiköpfigkeit des Saturn, der derselbe sei, wie im XVII.
1) Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter.
?) In der Schrift: Cultes, mythes et religions.
14 C. Rademacher. (14
Jahrhundert bei den Astrologen Saturnus Tergeminus, erklärt DEMARTEAU
aus dem Umstande, dass ihn die alten Astronomen mit ihren unvoll-
kommenen Instrumenten dreifach gesehen, also als eine Dreiheit, und
diese Dreiheit sei in der dreiköpfigen Darstellung zum Ausdruck ge-
kommen. Er sagt ferner: „Ces grands bols, cadeaux de l'amitié, étaient
destinés à paräitre au jours de fêtes: Funde merum Genio“. Zur guten
Vordeutung hätte man die astrologischen Gottheiten samt und sonders
auf diese Art der Gefässe angebracht. Da der astrologische Kult erst in
der späteren Kaiserzeit recht in Blüte kam, dürfte hierin auch ein Be-
weis gefunden sein, dass die Datierung nicht allzufrüh angenommen
werden kann, dass also die Kölner Gesichtsvase mit dem Becher nicht
den Rest eines früheren Begräbnisses darstellt, sondern zu den anderen
Funden gehört, mit diesen einen Grabinhalt bedeutet. Dies ist um so
wahrscheinlicher, da der bald darauf in der Nähe gefundene 2. und 3.
Grabinhalt, wie wir gleich sehen werden, in die spätere Kaiserzeit zu
setzen ist.
Fassen wir das Ganze kurz zusammen, so ergeben sich folgende
Tatsachen:
1. Die Kölner Vase hat mit denen in Paris und Lüttich sehr viele
Übereinstimmungen.
2. Auf allen Vasen sind Götterbildnisse dargestellt, die nicht mit
Sicherheit zu identifizieren sind.
3. Die Identifizierung der dreiköpfigen Gottheit ist ebenso unsicher,
da Merkur, Saturn und Mars von verschiedenen Forschern unter
dem Tricephalus begriffen werden. Dies mag darin seinen Grund
haben, dass die Götterindividualitäten in Gallien durch den rö-
mischen Einfluss schwankend geworden waren.
4. Die Annahme, dass wir es mit Planetengottheiten oder Vater-
gottheiten auf den Vasen zu tun haben, hat vieles für sich,
wenngleich die Sechszahl der Kölner Vase dem zu wieder-
sprechen scheint. Man könnte allerdings annehmen, dass hier
eine Gottheit durch Zufall ausgelassen sei.
. Die Vasen weisen auf Belgien als das Ursprungsland.
6. Als Zeit der Herstellung ist die mittlere oder spätere römische
Kaiserzeit anzusehen.
an
2. Grab.
Das zweite Grab, das unvollständig gehoben ist, enthält ausser
Scherben nicht römischen Charakters zwei Lanzenspitzen aus Eisen, eine
Scheibenfibel und ein Eisengerät. Die Lanzenspitzen (vergl. Abb. 7)
gehören der germanischen Kultur an.
3. Grab.
Über die Anlage des Grabes Seite 3.
15] Germanische Graber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 15
Die Urne (Taf. II, Fig. 1) mit den Knochenresten ist 20 cm hoch,
ohne Drehscheibe gearbeitet, plump, wenig geglattet. Der Rand ist ver-
dickt und nach unten mit Fingernageleindriicken verziert. Dieses Ornament
kehrt auf dem Bauche in doppelter Reihe wieder. Das zweite Gefäss
(Taf. I, Fig. 5) hat den Typus der Fussbecher, der Fuss fehlt allerdings. Es
hat eine Höhe von 11 cm und 17 cm Durchmesser. Wie bei den Fuss-
bechern sitzt der senkrechte Hals auf einem wenig gebogenen Bauche,
die weiteste Stelle ist nur einige cm von dem Beginne des Randes
entfernt. Der Rand ist etwas verdickt. Diese Rand- und Halsbildung
zeigen eine grosse Anzahl von Scherben, die in den Wohnstätten
des Fliegenberges gefunden worden sind, und hierdurch ist wohl be-
wiesen, dass die Gräber zu den Wohnstättenanlagen gehören. Auch die
Randbildung der Urne kehrt in Funden der Wohngruben wieder, ebenso
die Ornamentierung durch Fingernageleindrücke; diese bilden ja, nach
den bis jetzt gemachten Funden, in allen möglichen Variationen ange-
wandt, die hauptsächlichste Art der Orna-
mentation. Auf dem Knocheninhalte der
Urne lag der Spinnwirtel (Abb. 11). Der
Bauch des kleinen fussurnenähnrlichen, auf
der Drehscheibe gearbeiteten Gefässes ist
nun durch Ornamente verziert, die aus
sehr kleinen, sanft eingedrückten Ver-
tiefungen bestehen. Einige Male finden
sich je drei solcher Punkte in Form eines Abb. 11. Nat. Gr.
Dreieckes angebracht, öfter jedoch sind die
Punkte dicht aneinandergedrückt, so dass die Gestalt eines gleicharmigen
Kreuzes entsteht. Die Endpunkte des Kreuzes sind meist etwas ver-
stärkt eingedrückt.
Wie in dem Fundbericht erwähnt,
~ lagen über der Knochenurne Scherben
eines Gefasses, die nur zum Teil im
Feuer gewesen sind und sich deshalb
wieder zu einem Ganzen zusammensetzen
liessen. Es ist ein römisches Gefass
Abb. 12. '. d. nat? Gr. (Taf. II, Fig. 2) mit einer künstlichen
Färbung, die demselben das Aussehen
eines Sigillatagefässes gibt. Das Gefäss ist 18 cm hoch; Durchmesser
des Randes 11 cm, des Bauches 15 cm. Es hat eine etwas ellipsen-
förmige, bauchige Gestalt; Hals und Fuss sind ziemlich gleichmässig
eingezogen. Der ganze Bauch, nach Rand und Fuss durch schmale
Rillen abgegrenzt, ist mit zierlihen Ornamenten versehen. Spiral-
und volutenförmig ziehen sich äusserst geschmackvolle Linien, fein und
K—————. on
16 C. Rademacher. [16
sauber ausgeführt, um die ganze Bauchwand. Die Linien endigen in
Palmetten, deren Spitzen bald nach oben, bald nach unten gerichtet
sind. Durch kleinere Palmetten sind die freibleibenden Zwischenräume
ausgefüllt. Die Palmetten sind eingescliffen oder eingeschnitten und
verraten eine sehr geschickte Hand. Auch dieses Gefäss ist in das
‘3. Jahrhundert zu setzen. Die übrigen Beigaben des Grabes sind be-
reits aufgezählt. Die Schere (Abb. 12), eine sog. Schafschere, ist 20 cm
gross und wohl erhalten. Von dem Knochenkamm waren nur geringe
Reste vorhanden, er hatte den Leichenbrand durchgemacht. Von den
Zähnen sind nur einzelne Änsätze zu erkennen; bemerkt sei, dass Bronze-
nieten die Griffplatten zusammenhalten. Von der Silberfibel, die genau
der Almgren (Taf. V, Fig. 101) gleicht und in den römischen Rhein-
provinzen auch schon gefunden, ist nur der Nadelhalter da. Die Bronze-
|
EEE IL a EEE memes
Abb. 13.
reste gehören einem weitbauchigen Gefässe an, weitere Reste sind nicht
zu bestimmen und geben keine Anhaltspunkte. Das Schwert (?) (Abb. 13),
ebenfalls im Leichenbrand gewesen, zeigt
an einzelnen Stellen den bekannten Edel-
rost, andere Stellen waren blasig und
aufgetrieben, so dass eine Behandlung
nötig erschien. .Es ist 65 cm lang,
daran gehen 27 cm für den Griff ab.
Die Breite der Klinge beträgt 5,5 cm.
Der Typus dieses Schwertes ähnelt in
etwa den Schwertern der Völkerwan-
derungszeit. Der ganze übrige Befund
der Grabbeigaben und ebenso der Fibel-
rest sprechen für eine spätere Periode
der römischen Kaiserzeit.
Nach Auffindung dieser Gräber wur-
den die Ausgrabungen in dem eingangs
Abb. 14. geschilderten Terrain der Wohnstätten fort-
gesetzt. Der erste grosse Versucs-
graben lieferte keine weiteren Anhaltspunkte, doch kam im hellen
Sande, 60 cm tief, mit der Öffnung nach unten stehend ein plumpes
17] Germanische Graber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 17
Gefäss (Abb. 14) zum Vorschein, Höhe 39 cm, Durchmesser an
der Offnung 25 cm. Das dickwandige, rauhe Gefäss verjüngt sich stark
nach unten und hat einen gewölbten Boden. Die Innenseite ist ge-
schwärzt; der Topf scheint als Kochgefäss benutzt worden zu sein.
Das Gefäss war im klaren reinen Sande eingebettet, ohne jede weiteren
Beigaben, es erinnert dadurch an das ebenfalls mit der Öffnung nach unten
gerichtete, im Bimssand über der Magdalénien-Ansiedelung bei Andernach
am Martinsberg gefundene Gefäss, das SCHAAFFHAUSEN in seiner
Publikation der Martinsberger Ansiedelung veröffentlicht hat.
Durch weitere Grabungen wurde eine neue Wohnstätte aufgedeckt,
die keine neuen Aufschlüsse ergab. Scherben germanischen Charakters
kamen zum Vorscein, darunter einer mit reicher Ornamentation, aus
eingeschnittenen Rillen und kleinen Kreisen bestehend. Auch ein flacher
Reibstein wurde gefunden.
Zum Schlusse sei herzliiher Dank dem Herrn ausgesprochen,
durch dessen Unterstützung die Ausgrabungen und Ankdaufe für das
Museum ermöglicht worden sind. Sie sind geeignet, neues Licht zu
bringen über die germanisch-römische Kultur, wie sie in germanischen
Ansiedelungen der späteren Kaiserzeit auf dem rechten Rheinufer ge-
herrscht hat. —
Mannus. Bd. Il. H. 1. 2
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. fay, 4.
Fig, 1.
1. Triccphalus. 2. Gott. 3. Cöttin.
; 1. Nimbusgott Fig. 4. 2. Tricephalus.
Fig. 5. : i $
Vase mit 6 Götterbildern.
Tig. 1—4 aus Grab 1. dh M Köln
Fig. 5 aus Grab 3. r IS r. useum in
Fliegenberg bei Troisdorf.
Rademacher, Germanische Gräber usw. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag}, Würzburg.
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Mannus, Zeitschr t für Vorgeschichte Bd. 11. lay. I,
Fig. 3. Tricephalus. Fig. 4. Nimbuskopf.
Fliegenberg bei Troisdorf.
Fig. 1, 2 aus Grab 3; Fig. 3, 4 aus Grab 1.
Rademacher, Germanische Gräber usw. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg
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*SINQZIN AL ‘(Sep A s.12qnJS “Y) YyoszyIqey un ‘MSN IQR) Aydsıurwmise) ‘lAaqgIewespry
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. Taf IR.
1. Saturn. 2. Sol. 3. Luna. 4. Mars.
5. Merkur. 6. Jupiter. 7. Venus.
Vase von Jupille im Museum zu Lüttich (nach Demarteau).
Rademacher, Germanische Gräber usw. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Naturrevolutionen in Mittel-Italien
vor dreitausend Jahren”.
Von Oscar Montelius.
Mit 20 Textabbildungen.
Unter den Tausenden von Pilgern, die in unseren Tagen aus allen
Ländern, protestantischen sowohl wie katholischen, nach Rom wallfahrten,
um die wunderbare Stadt und ihre schöne Umgebung kennen zu lernen,
gibt es wohl nicht viele, die es versäumen die Albanerberge zu besuchen.
Hier lag einmal Alba Longa, die Stadt, die man als Roms Mutter be- `
trachtete; hier begegnen uns die Namen Frascati und Tusculum, Genzano
und Castel Gandolfo, wo sich Papst Pio Nono so wohl fühlte, ehe die
Fiktion von seiner Gefangenschaft im Vatikan erfunden wurde.
Genzano, wie Frascati berühmt wegen seines Weines, liegt an dem
schönen, von einer prächtigen Vegetation umgebenen Lago di Nemi,
von dem schon Ovid sang. Der Nemi-See ist, wie viele andere in
Mittel-Italien, fast rund. Lange braucht man ihn und seine steilen Ufer
nicht zu betrachten, um sich klar zu werden, dass er ein erloschener, mit
Wasser gefiillter Krater ist.
Nicht weniger als fünfzehn Krater, die von vulkanischer Tätigkeit
einst in der Vorzeit zeugen, und von denen die meisten wassererfüllt
sind, liegen rings um die römische Campagna (Abb. 1).
Um nur einige von ihnen zu nennen, so haben wir südlich oder
genauer südöstlih von Rom den Lago di Albano, ganz nahe an dem
eben erwähnten Lago di Nemi gelegen, und nördlih von Rom zuerst
den Lago di Bracciano, dann den Lago di Vico, und noch weiter hin
den grossen Lago di Bolsena. In den Lago di Vico springt der Monte
di Venere vor, dessen Name daran erinnert, dass auf dem Berge einst
eine weibliche Gottheit verehrt wurde. |
Alle diese Krater sind seit lange in Seen verwandelt. In anderen
ist keine solche Wasseransammlung entstanden. Der alte Kraterboden
1) Übersetzung aus dem Schwedischen von Albert WINCKLER, revidiert von
Gustaf KOSSINNA.
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[2
Oscar Montelius.
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ostl .L.v. Ferro
Abb. 1.
Ein Teil von Mittel-Italien.
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Digitized by Google
3] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 21
liegt da trocken, natürlich sehr verändert seit der Zeit, wo der Vulkan
in Tätigkeit war.
Ein solcher „trockener“ Krater ist das kesselförmige Tal, das bei
dem durch seine schattenreihen Haine berühmten Ariccia liegt, und
das bekannt ist unter dem Namen Valle Ariccia, gewöhnlih verkürzt
zu Vallericcia.
Der Monte Cavo ist ein anderer Krater derselben Art, rund und
gross. An seinem Rand liegt das wegen seiner reinen Luft und seiner
schönen Lage bekannte Rocca di Papa, wo die Römer während der
Sommerhitze Kühlung suchen.
Ganz oben auf dem Monte Cavo, oder Mons Albanus, wie die
Römer den Berg nannten, lag in alten Zeiten der Tempel des Jupiter
Latialis, und noch ist der mit flachen Steinen belegte heilige Weg merk-
würdig gut erhalten, auf dem einmal die Prozessionen von Rom und
ganz Latium hinauf zum Tempel zogen. Wo dieser stand, liegt jetzt ein
Kloster, von dem man eine herrliche Aussicht über Land und Meer ge-
niesst. Bei wirklich klarem Wetter kann man von hier bis hin zu den
höchsten Bergspitzen des fern gelegenen Sardinien sehen.
Vallericcia und Monte Cavo liegen ganz nahe am Lago di Albano
und Lago di Nemi. In unmittelbarer Nähe beieinander haben wir hier
somit nicht weniger als vier Krater, zwei leere und zwei mit Wasser
gefüllte. ,
Alle diese jetzt erloschenen Krater rings um die römische Cam-
pagna beweisen, dass es eine Zeit gab, wo es in der Umgegend Roms
ebenso unruhig war wie heutzutage in der Umgegend Neapels und an
der Strasse von Messina.
Alle Tätigkeit der unterirdishen Kräfte ist jedoch nicht vorüber
in den Gegenden um die ewige Stadt. Noch nimmt man diese Tätig-
keit hier und da auf der Campagna wahr.
Wer von Rom nach Tivoli gefahren ist, entsinnt sich sicher, welche
Gefühle man hat, wenn man sich der alten Brücke nähert, die über den
Teverone führt, unterhalb der Hadrians-Villa. Wenn man hier rastet,
um sich in einer am Wege gelegenen Osteria mit einem QGlase Wein
zu erfrischen, wird das Behagen etwas durch einen starken Schwefel-
geruch beeinträchtigt, doch gewöhnt man sich bald daran. Der Schwefel-
geruch kommt von den drei kleinen in der Nähe gelegenen Solfatara-
Seen, den Aquae Albulae, wie sie in alten Tagen hiessen.
Bei Viterbo, nördlich von Rom, gibt es auch warme Schwefelquellen,
und an mehreren anderen Stellen in der Nähe von Rom trifft man
Quellen, die gleichfalls im Zusammenhang mit den vulkanischen Kräften
stehen.
Hier wie bei dem westlich von Neapel liegenden, fast erloschenen
22 Oscar Montelius. [4
Krater, der auch unter dem Namen Solfatara bekannt ist, ist der Schwefel
eine Erinnerung daran, dass die vulkanishe Tätigkeit nicht ganz und
gar zu Ende ist.
Zu Zeiten, die nicht so weit zurückliegen, als dass die Geschichte
die Erinnerung an das, was damals geschah, nicht bewahrt hätte, ist
die Tätigkeit in der Umgegend Roms weit bedeutender gewesen, als
die meisten sich jetzt vorstellen. So erzählt Livius im 31. Kapitel des
ersten Buches seiner Römischen Geschichte, wie unter der Regierung
des Königs Tullus Hostilius „an den König und den Senat die Meldung
kam, dass es auf dem Albaner Berge Steine geregnet hatte. Da dies
kaum glaublih erschien, wurden einige Personen abgesandt, um das
Wunderzeichen in Augenschein zu nehmen, und vor ihren Augen fielen
haufenweise Steine vom Himmel, nicht anders als wenn der Wind Hagel-
wirbel auf die Erde hinabtreibt“. Aus diesem Anlass veranstalteten
die Römer ein neuntägiges Opferfest. Livius fügt hinzu, „dass der
Brauch beibehalten wurde, ein neuntägiges Opferfest zu veranstalten so
oft ein solhes Wunderzeichen gemeldet wurde“.
Dies traf nicht so selten ein, auch in verhältnismässig später Zeit.
Unter dem Jahre 341 vor Chr. Geb. berichtet Livius im 28. Kapitel
des 7. Buches von einem Wunderzeichen „gleich dem, das in der Vor-
zeit auf dem Albaner Berge gesehen worden; denn es regnete Steine
und mitter am "ase schien sich nächtlihe Dunkelheit auszubreiten.
Die heiligen Tücher wurden um Rat befragt, und wegen der allgemein
herrschenden Furcht beschloss der Senat, dass ein Diktator zur Veran-
staltung von Betfesten ernannt werden sollte. Nicht allein alle römischen
Mitbürger, sondern auch die angrenzenden Völker wurden ermahnt, dies
Betfest zu begehen, und es wurde bestimmt, an welhem Tag es von
einem jeden gefeiert werden sollte“.
Aus den über solhe merkwürdigen Ereignisse von den Priestern
besonders geführten Aufzeichnungen teilt derselbe Verfasser für noch
spätere Zeiten gleihe Berichte mit. Für die Jahre 216—167 vor Chr.,
also für die verhältnismässig kurze Zeit von nur 50 Jahren, sind nicht
weniger als zehn Ausbriiche in Latium von Livius erwähnt.
% *
%
Diese schriftlichen Aufklärungen über die vulkanischen Ausbrüce
in der Gegend Roms gehen indes nicht weiter zurück als etwa zwei
und ein halbes Jahrtausend. Tullus Hostilius sollte ja um die Mitte
des siebenten Jahrhunderts vor Beginn unserer Zeitrechnung gelebt haben.
Aus anderen Aufschliissen als den schriftlichen erfahren wir, dass
solhe Ausbriiche in den Albaner Bergen mehrere Jahrhunderte früher
stattgefunden haben und dass sie sehr bedeutend gewesen sind,
5] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 93
Zwischen Castel Gandolfo und Albano wurden vor ungefahr neunzig
Jahren einige sehr alte Graber aufgedeckt, die verbrannte Knochen, in
Tongefässen aufbewahrt, enthielten und die in einem gelblichen vulka-
nischen Sand unter einer 0,50—1 m dicken Schicht von „Peperino“ an-
getroffen wurden. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man in Latium eine
Gesteinsart, gebildet aus Steinchen und vulkanischer Asche, die im Wasser
aufgeschlemmt gewesen und dann erhärtet ist. Auch nach dem Jahre 1817,
wo man auf die ersten Gräber hier aufmerksam wurde, sind bei ver-
schiedenen Gelegenheiten solche Gräber angetroffen worden.
Der Sand, in dem die Graburnen niedergesetzt sind, rührt natür-
lih von vulkanischen Ausbrücen her, die älter sind als die Zeit, wo
die Gräber hier gegraben wurden. Aber von der darüberliegenden
Peperino-Schicht hat man bei genauen Untersuchungen gefunden, dass
sie jünger ist als die Gräber. Es hat sich nämlich gezeigt, dass man
sich nicht durch den Peperino gehauen hat, um die Graburnen in die
Erde zu bringen, sondern dass diese bereits an Ort und Stelle sich
befanden, als der Ausbruc eintrat, durch den die später zu Peperino
erhärteten Massen herausgeschleudert wurden.
Die im Jahre 1817 aufgedeckten Gräber erregten grosses Aufsehen,
teils weil man glaubte das Graberfeld von Alba Longa aufgedeckt zu
haben, teils weil viele der hier gefundenen Tongefässe von eigentüm-
liher Art waren. Sie haben die Form von Hütten und werden deshalb
„Hausurnen“ genannt (Abb. 2 und 3).
Abb. 2. Hausurne. Albano. Abb. 3. Die Hausurne Abb. 2 von oben gesehen.
Solche Hausurnen sind nunmehr nicht nur aus der Umgebung Albanos
sondern auch von anderen Teilen Mittel-Italiens bekannt. Mehrere sind
aus den wichtigen Gräbern unter dem Forum in Rom zutage gebracht,
24 Oscar Montelius. [6
von denen ich vor ein paar Jahren in einer schwedischen Zeitschrift
gesprochen habe. „Die eigentümlihe Form dieser Grabgefasse“, sage
ich dort '), „steht im Zusammenhang mit dem Brauch mancher Völker,
den Verstorbenen eine Ruhestätte zu bereiten, die der Wohnung gleicht,
in der sie gelebt haben. Als man begonnen hatte, die Toten zu ver-
; IN
Sn
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Abb. 4. Hausurne. Mittel-Italien. Abb. 5. Hausurne. Mittel-Italien.
brennen, anstatt sie unverbrannt zu beerdigen, war es natürlich, dass
das Grab auf andere Weise eingerichtet wurde als früher. Man konnte
nicht gut eine Handvoll verbrannte Knochen in eine grosse Grabkammer
legen, man konnte aber — und
in Mittel-Italien wurde das Brauch
— sie in ein Tongefäss von un-
gefähr derselben Form legen wie
die Hütte, in der die Toten ge-
lebt hatten“.
Diese Hausurnen zeigen,
dass die Hütte gewöhnlich läng-
lihrund war (Abb. 2—6), bis-
weilen jedoch ist die Form deut-
lich viereckig (Abb. 7 und 8). Die
Dachbedeckung wird auf ihrem
Platz durch Stangen festgehalten,
gleich denen, die zu demselben
Abb. 6. Hausurne mit Fenster. Mittel-Italien. Zweck an Gebäuden in späteren
Zeiten angewandt wurden. Im Dach
befindet sich ein Rauchloch. Eine viereckige Tür führt in die Hütte
hinein und manchmal sieht man ein Fenster derselben Form in der
Wand (Abb. 6). Nicht selten sind die Pfosten nachgebildet, die vor
der Tür standen und oben ein kleines Dach trugen, so dass das Ganze
1) „Neuigkeiten aus dem alten Rom“ („Nordisk Tidskrift“, 1907, S. 125).
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7] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 25
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Abb. 7 und 8. Vierseitige Hausurne, von zwei Seiten gesehen. Mittel-Italien.
eine Art Vorhalle bildete; auf der Hausurne sind diese Pfosten natürlich
auf die beiden Seiten der Tiir gestellt, nicht wie am Original mitten vor
diese, da sie dann nicht a
hatte gedffnet werden
können (Abb. 5).
Von besonderer
Bedeutung für die Zeit-
bestimmung der in der
Nähe von Albano unter
der Peperinoschicht
aufgedeckten Graber
wie so vieler anderer
Funde sind die aus
den Gräbern entnom-
menen Bronzehefteln,
diesogenanntenFibeln.
Ein Studium der Ver-
änderungen, die diese
nützlichen Schmuck-
sahen durchgemacht
haben, hat es ermög-
licht den Entwicklungs-
gang im Einzelnen fest-
zustellen, der von der
ältesten Form, ganz
gleich den heutigen m
Sicherheitsnadeln, ZU Abb. 12. Miniaturlanze von Bronze. Albano. Abb. 13.
i Miniatur-Schwert
von Bronze. Albano.
Abb. 9. Bronzefibel. Albano.
Abb. 10. Bronzemesser. Albano.
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Abb. 11. Miniatur-Schild von Bronze. Albano.
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26 Oscar Montelius. [8
solchen Formen geführt hat, wie die Abb. 9 und 19 zeigen. Die Scheibe,
an der die Spitze der Nadel ruht, war zu Anfang klein und von einem
schmalen in mehreren Windungen spiralförmig gelegten Bronzedraht ge-
bildet. Allmählich wurde die Scheibe grösser und gleichzeitig die Spiral-
windungen breiter und geringer an Zahl. Noch später findet sich nur noch
ein unbedeutendes, und schliesslich gar kein Überbleibsel von der Spiral-
form der Scheibe. Zu einem ziemlich späten Stadium dieser Entwicklung
gehören die in den Albanogräbern gefundenen Fibeln (Abb. 9).
Dies zeigt, dass die fraglichen Gräber sich aus der fünften der
Perioden herschreiben, in die ich die Bronzezeit Italiens eingeteilt habe.
Zu demselben Ergebnis führt eine Prüfung aller anderen aus diesen
Gräbern stammenden Sachen,
unter denen wir besonders be-
achten müssen die Waffen und
Werkzeuge von Bronze, teils
wirklihe Messer (Abb. 10),
teils Miniaturnachbildungen von
Schild, Lanze und Schwert
(Abb. 11 — 13). Anstatt im
Grabe, das selbst eine Minia-
turabbildung der Hütte war,
in der der Verstorbene gelebt
hatte, wirkliche Waffen nieder-
zulegen, legte man symbolische
kn 3 AF Abbildungen von solchen dort-
Abb. 14 und 15. Tonbild von zwei Seiten gesehen. Albano. hin. In einigen Gräbern fand
man auch kleine, plump aus-
geführte Tonbilder, die aller Wahrscheinlichkeit nach bestimmt waren,
die Personen vorzustellen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben
(Abb. 14 und 15).
Die fünfte Periode, der letzte Teil der Bronzezeit in Italien, ent-
spriht nun dem 12. Jahrhundert vor Christi Geburt. Während dieses
Jahrhunderts wurden also die Gräber bei Albano gegraben, und erst
nachdem sie angelegt waren, fand der vulkanische Ausbruch statt, durch
den sie mit der Peperinoschicht bedeckt wurden.
Obwohl es möglich ist, dass Gräber einer etwas späteren Zeit als
der eben genannten unter dem Peperino angetroffen worden sind, ist
es höchst wahrscheinlich, dass keine viel jüngeren Gräber dort gefunden
sind, und dass somit der in Rede stehende Ausbruch ungefähr 1100 Jahre
oder im elften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, also ungefähr
3000 Jahre vor unseren Tagen stattgefunden hat.
* *
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Terni und die Gegend östlich davon.
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15.000
Abb. 16.
1
98 Oscar Montelius. [10
Auch andere Funde geben uns bemerkenswerte Aufschlüsse von
einer gewaltigen Naturrevolution, die zu ungefähr derselben Zeit in
einer anderen Gegend Mittel-Italiens vor sich gegangen ist, die auch
nicht besonders weit von Rom liegt.
An einem von Osten in die Tiber mündenden Nebenfluss Nera
liegt die Stadt Terni, berühmt wegen des in der Nähe befindlichen
Wasserfalls „la caduta delle marmore“. Ganz nahe bei Terni, auf einem
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Abb. 17 und 18. Durchschnitt der Schichten bei Terni.
Abb. 17: Grab in dem oberen Gräberfelde. — Abb. 18: Grab in dem unteren Gräberfelde.
Platz, wo ein Eisenwerk, Acciaieria, angelegt worden ist, hat man Gräber
von hohem Alter gefunden (Abb. 16).
Obwohl der Abstand zwischen Albano und Terni in der Luftlinie
noch nicht hundert km beträgt, hatte man an der letzteren Stelle die
Sitte die Toten unverbrannt zu bestatten, zu der Zeit, als die Bewohner
der Albanerberge ihre Toten verbrannten. Auch in anderer Hinsicht
war die Begräbnisart an beiden Stellen verschieden.
Bei Terni grub man in den Boden eine Grube, in die die Leiche
gelegt wurde, dann wurde über diese ein Haufen von Steinen geworfen,
der ungefähr bis zur Erdoberfläche reichte. Auf der Mitte des Haufens
wurde ein Stein aufgerichtet, der über der Erde sichtbar war und die
Lage des Grabes angab (Abb. 18).
Die Gräber enthalten Waffen von Bronze, sowie Schmuckstücke
und Tongefässe, die es unzweifelhaft machen, dass sie sih aus dem
11. Jahrhundert vor Chr. herschreiben. Die Fibeln (Abb. 19) sind etwas,
aber nicht erheblich jünger als die in den oben besprochenen Albano-
Gräbern üblichen.
Eine nähere Untersuchung sowohl der archäologischen wie der
geologischen Verhältnisse hat indessen zu sehr interessanten Ergeb-
nissen geführt.
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11] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 99
Auf einer Lehmschicht — die, die man unten in Abb. 18 sieht —
hatte sich im Laufe der Jahre oder der Jahrhunderte eine dicke Schicht
Humus gebildet. Die jetzt besprochenen Gräber sind, wie wir bei einem
Blick auf die eben angeführte Abbildung erkennen, durh den Humus
in den Lehm hinabgegraben.
Später hat sih eine neue mächtige Lehmschicht an der Stelle
abgesetzt und das ganze Grabfeld bedeckt, sodass die Oberfläche des
Abh. 19. Fibel und Ringe von Bronze. Terni.
Bodens, in dem die Gräber angelegt waren, ungefähr 3 Meter unter der
jetzigen Erdoberfläche liegt.
Besondere Aufmerksamkeit verdient nun der Umstand, dass man
zu einer Zeit, als die Bodenoberfläche ungefähr 1,50 Meter höher lag
als die Oberfläche der Humusschicht, durch die die ursprünglichen Gräber
gegraben wurden, von neuem hier begraben hat (Abb. 17). Die späteren
Gräber, die anderthalb Meter höher als die früheren liegen und gleich-
falls unverbrannte Leichen enthalten, sind gewöhnlich von einem Stein-
kreis umgeben, dessen Oberkante wahrscheinlich über der Erdoberfläche
sichtbar war (Abb. 20).
In diesen oberen Gräbern finden sich Bronzewaffen, Schmucksachen
und Tongefässe. derselben Art wie in den unteren. Und bei einer
näheren Prüfung der Fibeln wie der übrigen Funde in allen diesen
Gräbern bin ich zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die
ältesten Gräber in der oberen Schicht so gut wie vollständig gleich-
zeitig mit den jüngsten Gräbern in der unteren Schicht sind. Be-
sondere Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, dass ein solcher
Steinkreis um das Grab, wie er eben besprochen wurde, auch in der
unteren Schicht angetroffen wurde.
Man hat also begonnen in der oberen Schicht zu begraben, un-
mittelbar nachdem man das alte Gräberfeld hat aufgeben müssen.
Das ist aber gleichbedeutend mit der besonders merkwürdigen
Tatsache, dass die gewaltige Lehmmasse von ungefähr anderthalb Meter,
30 Oscar Montelius. [12
die das alte Gräberfeld bedeckt, und in der das neue Graberfeld ange-
legt wurde, sich in einer sehr kurzen Zeit gebildet haben muss,
vielleicht in einem einzigen Jahr, und sicher im Verlauf von einigen
wenigen Jahren.
Die gleichfalls ungefähr anderthalb Meter dicke Schiht von Lehm
und Humus, die über dem oberen Gräberfeld liegt, kann dagegen all-
mählich hinzugekommen sein. Ungefähr 3000 Jahre sind nämlich ver-
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Abb. 20. Grab von einem Steinkreise umgeben, im oberen Gräberfelde. Terni.
flossen, seit man begann das obere Gräberfeld zu benutzen, was ja im
11. Jahrhundert vor Chr. Geb. geschah.
Die Tatsache aber, dass eine so mädhtige Lehmschicht, wie die,
in der das obere Gräberfeld liegt, sih in der kurzen Zeit, die ih eben
nannte, gebildet hat, setzt eine ausserordentlich starke Überschüttung
voraus, verursacht entweder durch ein Erdbeben, einen vulkanischen
Ausbruch oder eine andere ähnliche Ursache.
Und besondere Aufmerksamkeit scheint es mir zu verdienen, dass
die Naturrevolution, deren Spur wir bei Terni finden, ungefähr gleich-
zeitig gewesen sein muss mit der, da die Albanogräber mit Peperino
bedeckt wurden. Die jüngsten Gräber auf der letzteren Stelle sind näm-
lih nicht viel älter als die ältesten Gräber in dem oberen Gräberfeld
bei Terni. Auch wenn es dasselbe zerstörende Naturereignis gewesen
ist, das wir auf den beiden eben genannten Stellen kennen gelernt
haben, wäre ja ein solcher kleiner Zeitunterschied zu erwarten, denn die
Gräber bei Albano waren schon vorhanden, als der Ausbruch geschah,
13] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 31
und die Gräber bei Terni kamen erst hinzu, nachdem dies stattge-
funden hatte und man wieder zu ruhigen Verhältnissen gekommen war.
Wir können die Zeit, wo die Uberschiittung bei Terni stattfand,
näher bestimmen, als die wo der Peperino sich über das Gräberfeld bei
Albano legte. Bei Terni wissen wir nämlich, was die jüngsten Gräber
in der unteren Schicht und die ältesten Gräber in der oberen Schicht
enthalten. Bei Albano haben wir nur einen Terminus post quem: wir
wissen, dass Graber des 12. vorchristlihen Jahrhunderts dort vorhanden
waren, als der Ausbruch stattfand, aber, wie ich schon bemerkte, wissen
wir nicht, ob möglicherweise einige von den Gräbern, die vom Peperino
bedeckt wurden, etwas jünger, vom Anfang des 11. Jahrhunderts waren.
Um Missverständnisse zu vermeiden, darf ich vielleicht, obgleich
es wohl unnötig sein dürfte, ausdrücklich betonen, dass ih mich nicht
darüber äussern will, wie weit wir es mit ein und derselben oder mit
zwei nahezu gleichzeitigen Naturumwälzungen zu tun haben. Soweit ich
sehen kann, ist das erstere fast ebenso wahrscheinlich wie das letztere.
Es verdient hierbei besonders erwähnt zu werden, dass einer der
Flüsse, deren Wasser bei Terni übergetreten ist, in den Bergen östlich
und nicht sehr weit von Albano entspringt.
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Was ich mit dieser Mitteilung bezwecke, ist darzulegen, wie man
mit Hilfe einiger interessanter Funde hat beweisen können, dass mächtige,
vermutlich sehr verheerende Naturrevolutionen, ähnlich denen, die sich
vor kurzem an der Strasse von Messina ereigneten, in Mittel-Italien vor
dreitausend Jahren verspiirt wurden.
Zu Beginn unserer Zeitrechnung, kurz ehe Pompeii und Herculanum
durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört wurden, hatten die meisten ver-
gessen, dass dieser Berg ein Vulkan ist, da er seit langem nicht in
Tätigkeit gewesen.war. Er sah damals ebenso unschuldig aus, wie heute
die erloschenen Krater rings um die Campagna.
Ich hoffe, dass die, welche jetzt zwischen den Albanerbergen oder
an den alten Vulkanen nördlich des Tiber wohnen, nicht eines Tages
die furchtbare Bekanntschaft mit den im Erdinnern schlummernden Kräften
machen werden, die die Bewohner der beiden eben genannten Städte
am Vesuv einstmals machen mussten.
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Zur
Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte
des Neuwieder Beckens.
Von A. Giinther, Koblenz-L.
Mit 18 Textabbildungen und Tafel V—IX.
Das enge, zu beiden Seiten von steil ansteigenden Bergen ein-
gefasste Rheintal zwischen Bingen und Bonn, der sog. Mittelrhein, er-
weitert sich fast genau in der Mitte dieser etwa 120 km langen Strecke
bei Koblenz zu einer ,seeartig ausgebreiteten Niederung, die nur noch
auf der Ostseite durch ein mässig hohes und steiles, ältere Gebirgs-
schichten entblössendes Gehänge begrenzt wird, während ihr westlicher
Rand von niedrigen, sanft abfallenden Höhen gebildet wird, die nur an
wenigen Stellen das im übrigen unter einer mäctigen Decke diluvialer
und vulkanischer Ablagerungen verborgene devonische (Gebirge zutage
treten lassen“ !).
Oberhalb der Moselmündung beginnt eine weite beckenartige Ein-
senkung innerhalb des Gebirges, die rheinabwärts bis Andernach reichend,
unter dem Namen des „Neuwieder Beckens“ bekannt ist. Drei rheinische
Gebirgszüge bilden die Umfassung des Beckens: Im Süden der zwischen
Rhein und Mosel gelagerte Ausläufer des Hunsrücken mit dem Plateau
der Kartause (etwa 180 m über NN.) und dem Kühkopf (385 m
über NN.); im Osten der Westerwald mit der Montabaurer Höhe
(540 m über NN.); im Westen und nördlih die flachabfallenden Ab-
hänge der Eifel, in deren Hintergrund kegelartig die alten Vulkanberge
des Maifeldes und des Laacher Sees aufsteigen.
Zwei bedeutende Nebenflüsse des Rheines und drei starke Bäche
münden in dem Becken ein. Auf der rechten Seite die Lahn, der
Saynbach und die Wied; auf der linken Seite die Mosel, die schon
bei Giils das Becken betritt, und die Nette. Drei weitere Bache der
') Em. KAYSER, Erläuterungen zur geolog. Spezialkarte von Preussen usw.,
Blatt Koblenz, 1892.
Mannus. Bd. H, 3
34 A. Giinther. [2
linken Seite, der von Rübenah kommende Bubenheimer, der Mül-
heimer und der Kärliher Bach versiegen in den Feldern bei ihrem
Eintritt in die Rheinebene.
Vom Fusse der Kartause bis Andernach, auf einer Strecke von
etwa 18 km, erweitert sich das linke Rheinufer bis auf etwa 3 km, das
rechte Rheinufer von Bendorf bis zur Wied auf etwa 7 km Breite; die
Bodenoberflache auf durchweg 65 bis 71 m über NN. liegend.
Gleichsam die Eingänge des Beckens bewachend, liegt südlich, in
den Winkel zwischen Rhein und Mosel gebettet und um den Gebirgs-
fuss rhein- und moselaufwärts sich hinziehend, Koblenz, am nördlichen
Ende, dem steilansteigenden Kranenberg sich anschmiegend, Andernach;
beide nicht nur Gründungen der ältesten geschichtlichen Zeiten in den
Rheinlanden, sondern bis in die ältesten vorgeschichtlichen Zeiten hinauf-
ragende Stätten menschlicher Siedlungen und Kultur. Und ebenso wie
diese beiden Städte, weist auch das ganze Becken, sowohl in der
Niederung, wie auf den begrenzenden Höhen eine stetig andauernde
Besiedelung von der Urzeit bis zur Gegenwart auf, es ist geradezu ein
Sammel- und Brennpunkt im Völkerleben '), ein Kulturzentrum am
Mittelrhein gewesen.
Topographisch schildert in ganz vorzüglicher Weise von COHAUSEN?)
die Gegend:
„Hier bietet das Rheintal den Hochlanden, die es trennt, vier
geneigte Bahnen, die sanft zum Ufer hinableiten. Von Süden senkt
sich der Hunsrücken über das Tafelgelände der Kartaus zum Zusammen-
fluss von Rhein und Mosel; im Westen flacht sich die Eifel und die
Pellenz in Meilenbreite zum Rheintal ab. Gegen Norden führt eine
sanfte Berglehne über Heddesdorf und Rockenfeld zu den Höhen,
welche das Rheinufer bis zum Siebengebirge begleiten, und endlich wird
der im Osten liegende Westerwald auf einer ebenso sanften Rampe
über Heddesdorf, Niederbieber, Melsbach, Rengsdorf nach Altenkirchen
erstiegen. Keine andere Nebenstrasse führt aus dem Rheintal und
selbst diese nach Norden, Osten und Süden gerichteten Strassen führen
über Gelände, das von beiden Seiten durch Talschluchten auf eine ge-
ringe Breite eingeengt ist.“
Das in solher Weise ein breites Eingangstor zum Rheintal bil-
dende und für grössere Völker- und Heeresscharen den Verkehr zwischen
den beiden Stromufern vermittelnde Becken, dem die Mosel auch noch
den Wasserweg aus Gallien zuführte, muss sowohl in der Kriegs- wie
in der Kulturgeschichte der Rheinlande eine wichtige und hervorragende
1) NISSEN, Bonner Jahrb. Heft 104.
*) v. COHAUSEN, Bonner Jahrb. Heft 47 (1869).
3] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 35
Rolle gespielt haben. Aus der Kriegsgeschichte der letzten Jahrhunderte
sind die mehrfachen Rheinübergänge der Spanier, Deutschen und
Franzosen bekannt. 1620 überschritt Spinola, 1637 Jan von Werth
den Rhein bei Engers, 1672 Turenne bei Neuwied, ebenso verschiedene
Male die Franzosen 1793—1797 und die Osterreicher bei Vallendar,
St. Priest 1813 oberhalb Koblenz’). Dem Verkehr dienten eine ganze
Reihe alter von Hunsrück und Eifel kommender Strassenzüge, die in
ihrem oberen Verlaufe durch die Begleitung zahlreicher Hügelgräber als
vorrömische zu erkennen sind, darunter der wichtige Handelsweg Ander-
nach—Mayen— Trier mit den über Ochtendung und Saffig-Weissenturm
und über Bassenheim—Rübenach—Kaltenengers abzweigenden Neben-
strassen. Bei Koblenz lief die Hunsrückstrasse aus, während die von
Mainz nach Köln führende Strasse die Rheinorte des Beckens verband
und auch die erwähnten Querstrassen aufnahm. Letztere fanden aber
auch und jedenfalls sicher in der römischen Zeit ihre Fortsetzung auf
dem rechten Rheinufer.
Mit Recht folgert Professor SCHNEIDER in einer Fussnote zu
E. ausm WEERTH: „Römerstrassen“ im Bonn. Jahrb. Heft 66, 1879,
dass die Bedeutung der Lokalität durch die Doppelstrasse (bez. die
Strassenarme Bassenheim und Ochtendung) noch mehr hervortrete, wie
auch aus'm WEERTH selbst in dem erwähnten Aufsatz für diese Strassen
entweder eine Einmündung in die dem Strom parallel laufende Ufer-
strasse, oder den Anschluss an die Schiffahrt und ihre Hafenplätze,
oder endlich die Weiterführung jener Verkehrslinien auf dem rechten
Rheinufer annehmen zu müssen glaubt.
Den Wert, den die Römer auf den Besitz und die Behauptung
des Beckens legten, erkennen wir aus seiner Einbeziehung in den Schutz
des rechtsrheinischen Limes, der von der Lahn bei Ems ab in nur etwa
6— 8 km Abstand (Luftlinie) vom Rheine sich bis Rheinbrohl-Hönningen
hinzieht. Ebenso durch die spätrömischen Festungs- und Verteidigungs-
anlagen auf dem linken Rheinufer, die den Besitz des Beckens bis zum
Ende der Römerherrschaft am Rhein bezw. in Deutschland wahrten.
Aber trotz all dieser Umstände überliefert die alte Geschichte
nichts von den Ereignissen, die sich hier abgespielt haben müssen und
auch Cäsar, dessen Rheinübergänge unter richtiger Würdigung der
lokalen Verhältnisse und der Völkergrenzen wohl nur in diese Gegend
gesetzt werden können, unterlässt ihre Schilderung und nähere Angaben
bei der sonst so eingehenden Darstellung seiner Brückenbauten. Selbst
die beiden Endpunkte Koblenz und Andernach, als Städte römischen
Ursprunges, finden nur selten Erwähnung bei den Alten. So finden wir
1) v. COHAUSEN, Bonner Jahrb. 1869, Heft 47.
3%
36 A. Giinther. [4
Koblenz: „Confluentes“ zuerst bei Suetonius im „Leben des Caligula“.
Es wird später genannt im Itinerarium Antonini und auf dem Meilen-
stein von Tongern (3. bis 4. Jahrhundert), ferner bei Ammianus Marcel-
linus (356 n. Chr.) und endlich in der Notitia dignitatum imperii occi-
dentis (um 400 n. Chr.) '). Andernach begegnet uns als ,Antunnaco“
im Itinerarium Antonini und auf der PEUTINGER’schen Tafel, als „An-
tennacum“ bei Ammianus und als ,Antonaco“ in der Notitia dignitatum?).
Neben diesen spärlihen geschichtlihen Angaben bewahrte aber
die Überlieferung im Volke manche Kunde von verschwundenen Städten,
Siedlungen und Befestigungen. So soll auf dem linken Rheinufer zwischen
Koblenz und Andernach eine grosse Stadt „Reichental“ gelegen haben,
deren Namen noch in der Flurbezeichnung erhalten ist. Gegenüber im
Reiler Feld suchte man an der Stelle des 1680 eingegangenen Dorfes Reil
ein Riol oder das Rigodulum des Ammianus. Bei Rübenach glaubt man
heute noch an eine grosse gallisch-römische Stadt „Säntenich“ *) und
eine Ortschaft „Zaunheim“ ?), beide als Gemarkungsnamen fortlebend
und als Fundorte von Ältertümern bekannt. Urmitz und Engers haben
ihre Bezeichnungen: „Am Schloss“, Vallendar, Weitersburg, Niederberg
und Niederbieber ihre „Alte Burg“, Kalten-Engers einen „Leutekirchhof“
und die Heerstatt, Wallersheim einen „Rennmorgen“, Neuendorf einen
„Heerweg“, Kärlih eine Heeresgasse, Koblenz einen „Tummelberg“
(von Tumulus Grabhiigel) °) und eine „Schwedenschanze“ usw. Auf der
rechten Seite findet sich häufig die Bezeichnung Heidengraben, Pfahl,
Rennweg usw.
Seit CLUVER’s (1616) und REIFFENBERG'’s (1684) Zeiten wurden
an diese Traditionen viele Vermutungen angeknüpft und Versuche ange-
stellt, sie mit historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Auf
sie gestützt und durch zufällige Funde begünstigt, begann HOFFMANN
von 1791 an seine Nachgrabungen bei Weissenturm und Neuwied, die zur
Feststellung römischer Kastelle bei Heddesdorf und Niederbieber führten").
Ihm folgte DOROW und 1864 im Auftrage Napoleons Ill. der französische
Oberst de LOCQUEYSSIE auf der Suche nach Casar’s Rheinübergängen
mit Nachgrabungen bei Weissenturm.
H. MULLER- Wiirzburg, B. J. 1845, Heft 7, verlegt hierher den
') A. RIESE, Das Rheinische Germanien in der antiken Literatur.
+) A. RIESE, a. a. O.
*) Vergl. Dr. ESSER, B. J. 1882, Sendenich, keltish Santiniacum.
+) Hier habe ich im November 1909 spätrömische Skelettgraber in Tuffstein-
särgen getroffen.
5) v. STRAMBERG, Rhein. Antiquarius, Bd. 2, 2.
e) HOFFMANN, Die Zerstörung der Römerstädte zwischen Lahn und Wied,
Neuwied 1823.
5] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 37
Sieg Cäsars über die Usipeten und Tencterer, sowie seine Rheiniiber-
gänge').
F. RITTER, B. J. 1866, Heft 39: „Das Römerlager auf der linken
und rechten Rheinseite des Tales von Neuwied“ will hierher das grosse
Lager verlegen, in dem 69 n. Chr. unter den beiden Legionen IV und
XXII in Obergermanien die Unruhen gegen Galba ausbrachen.
O. DAHM, B. J. 1897, Heft 101, möchte den Raubzug der Chatten
(50 n. Chr.) nach Obergermanien unter Pomponius nach dem Neuwieder
Becken gerichtet sehen.
Endlich die schier zahllosen Streitfragen über die Rheinübergänge
Cäsars.
Jedenfalls mit Recht folgem F. WIESELER und A. REIN, B. J. 1864,
Heft 37: „Die Bedeutung der Lage nahe der Grenze Ober- und Unter-
germaniens, an der Mündung einer mit Villen seitwärts reich bevor-
zugten Strasse nach Trier, die wahrscheinlich die Pulsader des Verkehrs
zwischen Gallien und dem Rheine war, lassen es hinreichend begründet
erscheinen, wenn der Vereinsvorstand diesem Gebiet seine Aufmerksam-
keit zuwandte“. Das ist auch sowohl seitens des Vereinsvorstandes,
wie seitens des Bonner Provinzialmuseums, berufener Altertumsforscher
und Privater gewissenhaft befolgt worden. Auch die Geologie befasste
sich seit von DECHEN’s Zeiten eingehend mit dem Studium der For-
mationen und der Lagerungen des Beckens. Unterstützt und gefördert
wurden diese Arbeiten durch die infolge der regen Bautätigkeit der
letzten vierzig Jahre und der aufblühenden Industrie überall entstehen-
den Anlagen von Bau-, Kies-, Sand- und Tongruben, sowie die Aus-
beutung der Bimssandfelder und der Lössablagerungen für die Stein-
industrie. Bei diesen Arbeiten wurden nicht nur wertvolle geologische
Aufschlüsse bis zu fast 40 m Tiefe gewonnen, die uns ein Bild des
Aufbaues der Gegend bieten, sondern auch neben fränkischen und
römischen Siedlungen und Gräberfeldern eine Menge vorrömischer Wohn-
und Grabstätten, selbst paläolithische Funde und Diluvialreste aufge-
deckt, durch deren Beobachtung wir in der Lage sind, uns ein fast
lückenloses Bild der kulturgescichtlichen Entwicklung des Beckens zu
machen.
Geologisches.
Die Entstehung des Neuwieder Beckens führt Professor Erich
KAISER-Giessen auf tektonische Vorgänge zurück, die wahrscheinlich in
jungmiozäner Zeit zur Vertiefung des grössten Teiles führten und wahr-
scheinlih auch noch in diluvialer Zeit nachgeklungen haben. Seine
') „Die Taten Cäsars bei Koblenz“ und in dem Werke „Marken des Vater-
landes“.
38 A. Giinther. [6
Entstehung hangt also nicht mit der Vertiefung des Rheinbettes selbst
zusammen, sondern sie ist in ihrer Anlage wenigstens viel älter ').
„An der geologischen Zusammensetzung des Beckens nehmen
devonische, tertiäre, diluviale und alluviale Bildungen, sowie von Ge-
steinen eruptiver und vulkanischer Entstehung Diabas, Basaltlava, Bims-
stein und basaltischer Tuff teil“ ?). Die vulkanischen Eruptionen werden
in den Lavaausbrüchen der Tertiärzeit, in den Bimssand- und Tuffaus-
würfen mit Sicherheit dem Ende der Diluvialzeit zuzurechnen sein. Das
Liegende der Formationen bilden die Devonshichten und zwar untere
Devonschichten, die von Koblenz die allgemeine Bezeichnung „Koblenz-
Schichten“ führen. In diese Schiefer- und Grauwackenschichten ist der
Rhein eingeschnitten und da das Einschneiden nicht stetig, sondern mit
Ruhepausen erfolgte, so ist an den Flanken des Tales ein System
mehrerer Terrassen entstanden, deren Oberflächen in den verschiedenen
Höhen mit den Schotterablagerungen des Flusses bedeckt sind. Diese
Terrassen werden wieder von den Tälern der Nebenflüsse und Bache
durchschnitten, die sich in ähnliher Weise eingerissen haben, und wo-
bei wir an dem Unterlauf der Mosel gleiche Terrassenbildungen fest-
stellen können. Die Zahl und Höhen der Terrassen werden von den
Geologen verschieden aufgefasst. So unterscheidet STEINMANN vier
Diluvialterrassen: eine Niederterrasse, eine Mittelterrasse, eine Hoch-
terrasse und den auf dem Plateau lagernden Deckenschotter.
Nach FENTEN °) werden die Höhen dieser Terrassen im Becken
auf 73 bez. 86 bez. 122 bez. 200 m im Durchschnitt anzunehmen sein.
Nach E. KAISER“) lassen sich auf einem Niveau von 210—270 m
über NN. die Reste einer Hochterrasse feststellen, zu deren Seiten das
Gebirge in Höhen von über 300-350 m ansteigt. Es dürfte diese
Terrasse einem Rheinlaufe in pliozäner Zeit entsprechen, wie die
Schotterablagerungen ausweisen. Fast die ganze Masse derselben be-
steht aus wenig-, meist nur kantengerundeten Bruchstücken von Milch-
quarzen, zu denen eigenartig verkieselte, oolithartige Gesteine (Kiesel-
oolithe) und Hornsteine, vereinzelt auch Grauwacke und Sandsteine des
Devons, selten Basalt, hinzutreten. Die neben dem Quarz vorkommende
Hauptmasse des Cesteins besteht aus den Kieseloolithen, deren Her-
kunft noch nicht sicher gestellt ist. Die grosse Verbreitung deutet auf
Vorgänge hin, bei denen ein Gestein, das auf den Abhangen des Rhei-
1) E. KAISER, Vortrag auf dem 14. Deutschen Geographen-Tag, Köln 1903.
2) Em. KAYSER, BI. Koblenz.
‘) Jos. FENTEN: Untersuchungen über Diluvium am Niederrhein. Verhdl. des
Naturhist. Ver. der preuss. Rheinlande und Westfalens.
*) E. KAISER: Pliozäne Quarzschotter im Rheingebiet zwischen Mosel und
Niederrheinischer Bucht, Berlin 1907. |
7) Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 39
nischen Schiefergebirges in grösserem Umfange gelagert haben muss,
in grossem Masstabe der Abtragung zum Opfer fiel. Entsprechend der
weiteren Erosion des Flusstales und den stetig anhaltenden Abschwem-
mungen finden sich Reste dieser Gesteine auch auf den folgenden
Terrassen und im heutigen Rheinbett vor. Nach der Verbreitung der
Kieseloolithschotter, auf der linken Rheinseite bei Waldesch, Cobern,
Oberliitzingen, Waldorf, auf der rechten Rheinseite am Geyer Kopf usw.
bei Arzheim, am Dachsberg bei Immendorf, bei Hillschied, Höhr, Gren-
hausen, Nauort, Stromberg, im Heimbacher Wald, am Burghof usw.,
biegt der in betracht kommende jungtertiäre Stromlauf etwas nach Osten
aus. Sein Eintritt in das Becken lag in der Gegend von Koblenz, sein
Austritt an der Andernacher Pforte ').
Unter den Diluvialterrassen sind zu unterscheiden: Eine Haupt-
terrasse in 160—200 m Höhenlage. Über dieser sind keine diluvialen
Rheinschotterablagerungen mehr vorhanden. Sie ist im ganzen Becken
am deutlichsten ausgebildet. Ihr gehören die Höhen von der Lahn bis
zur Sayn und von hier über Melsbah und am Nordrande mit der
Andernacher Pforte schliessend, auf der rechten Rheinseite an. Auf der
linken Rheinseite die Höhen des Koblenzer Stadtwaldes, die Metter-
nih-Rübenaher Höhen usw. bis zum Kranenberg. Mehrere Mittel-
terrassen von 70—140 m Höhe: die unterste (IV) bei 70 m, die Ill.
bei 95—100 m, die Il. bei 120 m, die I. in 140 m Höhe, alle mehr
oder weniger scharf ausgeprägt auf der einen oder anderen Seite des
Rheintales ?).
Das Liegende aller Terrassen bilden die steilgestellten Schichten
des Unterdevons und in geringem Masse die Ton- und Geröllschichten
des Tertiars. Das Material des Hauptterrassenschotters ist ein sehr
buntes: vorherrschend weisse Milchquarze, zumeist den Erzgängen des
Rhein-Schiefergebirges entstammend, daneben Kieselsciefer, Eisenkiesel,
Quarzite, Tonsciefer, Basalt, Trachit und viele andere Gesteine. Neben
den Kieselschiefern sind die zwar spärlichen, meist auch stark zersetzten
Porphyre und Melaphyre des Lahn- und Nahegebietes, sowie vereinzelte
Granite und Gneise für die abgelagerten Schotter charakteristisch. Die
Geschiebe von Eruptivgesteinen unterscheiden hauptsächlich diese Schotter
von den Ablagerungen der höheren Terrassen.
') E. MORDZIOL: Uber das jüngere Tertiär und das Diluvium des redts-
rheinischen Teiles des Neuwieder Beckens. Jahrb. der Kgl. Pr. Geol. Landes-Anstalt,
Berlin, 1908.
?) FLIEGEL: Pliozäne Quarzschotter in der Niederrhein. Bucht. Jahrb. der
Kgl. Pr. Geol. L.-A., Berlin 1907 schliesst: Die diluviale Hauptterrasse ist das
Äquivalent der Haupteiszeit. Die Kieseloolithstufe hat pliozänes Alter. Kiese und
Sande sind fluviatiler Entstehung, die Tone eine Süsswasserbildung.
40 A. Günther. [8
In den Schottern der unteren Terrassen sind sowohl die rheinischen
Devongesteine und zwar in überwiegender Menge, als auch von ausser-
halb hergebrachte Gerölle vertreten. Beachtenswert ist in den tieferen
Terrassen die Zunahme der Eruptivgesteine und die Abnahme der
Quarzgeschiebe !).
Endlich wird noch eine Niederterrasse auf zirka 65 m Höhe an-
zunehmen sein, die früher als Alluvialterrasse angesehen wurde, in der
der Rhein und auch die Mosel scharf abgesetzte Spuren früherer Fluss-
arme hinterlassen haben. Sie bildet die Talebene, aus der sich viel-
fah schildförmige Erhöhungen erheben, die wohl frühere Inseln im
Strombett darstellen. Dieser Niederterrasse gehören auch die Inseln
im jetzigen Stromlaufe an.
Neben den diluvialen Schotterablagerungen spielen eine grosse
Rolle in der Oberflachengestaltung die Ablagerungen von Löss und
Bimssand, die meist die ersteren überdecken und die Terrassenbildung
verschleiern. Der Löss beginnt auf der Niederterrasse bei etwa 68 m
über NN.*) und steigt bis über 300 m. Nach der STEINMANN’schen
Trennung in älteren und jüngeren Löss lagert der erstere von der 120 m
Terrasse an aufwärts, die unteren Terrassen sind von jüngeren und
dejektivem Löss bedeckt, der aber auch über die höhere Terrasse hinauf-
geht. Die Bildung des Lösses wird im allgemeinen ins letzte Inter-
glazial- bezw. die letzte Eiszeit gesetzt. WIEGERS *) hält es für wohl
denkbar, dass der ältere Löss in engerer Verbindung mit der Bildungs-
zeit der Mittelterrasse (der vorletzten Eiszeit) steht. Jedenfalls liegt
ein weiter Zeitraum zwischen der Ablagerung des älteren und der des
jüngeren Lösses, wie die starke Verlehmungsrinde des ersteren und die
oft in langen Bänken und Schichten abgelagerten Kalkkonkretionen
(Lösskindel) beweisen. Im älteren Löss können wir Bänke von etwa
1 m Länge und 20 bis 25 cm Stärke, oder Kindel bis zu Kopfgrösse in
den Lössablagerungen der Tongruben von Mülheim und Kärlih be-
obachten. Die Sohle (Diluvialkies) lagert hier auf etwa 170 m über
NN., die Machtigkeit des älteren Lösses beträgt 4—5 m. In dem bis
auf etwa 10 m Höhe auflagernden jüngeren Löss finden sich ver-
schiedentlih Kindelzonen mannigfachster Gestaltungen von 2—4 cm
') E. KAISER, Die Ausbildung des Rheintales usw. Vortrag 1903.
2) Festgestellt bei den Ablagerungen am Kaiserin Augusta-Ring und an der
Laubach, oberhalb des Schützenhofes bei Koblenz. Hier findet sich auf dem Kies
und Sand Löss mit den charakteristischen Schnecken und der Neigung zu senkrechter
Spaltung vor, der in Säure stark aufbraust und vom Bimssand in primärer Lagerung
überdeckt wird.
3) Fr. WIEGERS, Die diluvialen Kulturstätten Norddeutschlands, Prähistor.
Zeitschr. 1909, I. Bd., Heft 1.
9] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 41
Grösse bis zu über Faustgrösse. In dem jüngeren Loss der Kärlicher
Tongrube zeigen sich ausserdem zwei Streifen vulkanischer Auswiirfe
eingelagert. Der untere zirka 40 cm stark unmittelbar auf dem älteren
Löss in Britzstreifen und Bimssand, abgerollte Lösskindel bis Faust-
grösse führend. Der obere etwa 1,70 m über ersterem in 40 cm Stärke
beginnend, steigt wechsellagernd mit Löss bis etwa 1 '/} m Höhe an und
führt aufwärts bis auf etwa 4 m unter Oberfläche. Die Oberfläche selbst
wird von einer 1,10 m hohen Bimssanddecke mit Britzstreifen und 60 cm
Humuserde gebildet'). Wir sehen also hier einen Bimssandauswurf
während der Lössbildung. Ein ähnlicher Fall ist auch auf der Nieder-
terrasse bei Rhens festzustellen, wo unter der Lössablagerung ein
mächtiger Tuffauswurf ansteigt). Gute Aufschlüsse über die Lössab-
lagerungen bieten ferner die vielen zum Zwecke der Ziegelfabrikation
angelegten Lössgruben auf den verschiedensten Stellen und Höhen des
Beckens. Sehr wichtig für die Formations- und Entstehungsgeschichte
des Lösses scheinen mir die Gruben von Wegelau und von Friedhofen in
Metternich. Die erstere liegt in ungefähr 150 m Abstand von der Mosel
am Abhange des Kümmelberges nach Osten auf einer Diluvialdecke an
etwa 78 m über NN., die Friedhofensche Grube in nur 1 km Abstand
westlich von dieser auf 117 m Höhe über NN. an der Landstrasse nach
Bassenheim. Der Höhenunterschied der Grubensohlen beträgt also rund
40 m. Trotzdem sind sich aber die Profile der Lössablagerung voll-
ständig gleih. Bei beiden sehen wir über der Grubensohle etwa 1 m
starke schwarzbraune Schichten, unterlagert von zwei Reihen Kalkkon-
kretionen bis zu Faustgrösse, rotbraunem Lehm und hellgrauem Löss,
überlagert von Kiesstreifen und kleinen Kalkkonkretionen. Diese untere
Lage dürfte eine Abschwemmung älteren Lösses sein und der Rekurrenz-
zone STEINMANNs entsprechen, besonders da sih auch Kies und
Quarzitablagerungen der näheren Umgebung darauf finden. In der
auflagernden und bis zu 29 m Höhe über dem Kies ansteigenden jüngeren
Lössablagerung finden sich, dem Berggehänge entsprechend, 3— 4 licht-
braune Streifen vor, die auf der Unterseite von kleinen Lösskindeln,
auf der Oberfläche von Kiesstreifen begleitet sind und alten zeitweisen
Oberflächen entsprechen. Der Löss ist an beiden Stellen so recht im
Windschatten des Berges gelagert, das eine Mal nach Osten und Norden,
das andere Mal nach Westen und Norden abfallend ?). Wenn überhaupt
Beweise für die äolische Bildung des Lösses nötig sein sollten, könnten
sie schon aus den Einlagerungen des Bimssandes im Löss bei Kärlich
1) Eigene Feststellung. Bisher nicht veröffentliht. Vergl. audi MORDZIOL
a. a. O.
2) Näheres A. GUNTHER, Palaolithische Fundstellen im Löss bei Koblenz.
B. J. Heft 116, 1907.
42 A. Günther. [10
und aus der gleichen Faziesbildung auf so bedeutenden Höhenunter-
schieden bei so kurzer Entfernung in den Lössgruben von Metternich
gezogen werden.
Bei Rhens, etwa 2 Stunden oberhalb Koblenz, am Rhein, lagert
der Löss auf etwa 77 m über NN. auf den diluvialen Flussablagerungen
und bis zu 20 m Höhe ansteigend'). Es ist durchweg jüngerer Löss,
in den unteren Schichten stark von Schieferschmitzen durchzogen, die
sowohl nach Süden (rheinaufwärts) als nah Osten (quer zum Rhein)
abfallende Richtung zeigen. Die Schieferschmitzen entsprechen hier dem
anstehenden Gestein der nächsten Nachbarschaft, wie bei Metternich die
Kies- und Quarzitschichten aus der näheren Umgebung herrühren. Ausser
dem Vorkommen einer Tuffablagerung über dem Kies möchte ich auch
der Zwischenlagerung von braunroten und weissen Sandschichten nach
dem Rhein zu erwähnen, die an die Sandablagerungen im Thüringer
Loss erinnern dürften”). Der auflagernde Löss ist ziemlich reiner,
graugelber, sandiger Staublöss.
In Koblenz-Moselweiss, gegenüber der Wegelau’shen Grube in
Metternich, lagert der Löss in der Schmitzer’schen Grube auf etwa 105 m
Sohlenhöhe über NN. auf Grauwackenfels- und Geröllunterlage. Es ist
hier, wie in der etwa 500 m südwestlich gelegenen Grube von Pies &
Lettow, jüngerer Löss mit interessanten Zwischenlagerungen (Linsen)
von tertiärem Ton.
In den Gruben der rechten Rheinseite bei Niederberg auf etwa
155 bis 172 m Sohlenhöhe traf ich bisher nur jüngeren Löss, der auf
Grauwackenfels lagernd, etwa 4 m hoch mit Kies gemischt, von einer
60 m hohen Kiesschicht durchzogen, noch 3 bis 4 m hoch graugelben
Staublöss aufwies. |
Auf der unteren Mittelterrasse und der Niederterrasse in der Ebene
lagert der jüngere Löss in 4 bez. 2 m Stärke dem Diluvialkies auf und
wird mehrfach von Kiesstreifen durchzogen.
Der auf allen Terrassen vorkommende, den Löss und die Schotter
überlagernde Bimssand ?) scheint einen einheitlihen Ursprung in dem
Krater des Laacher Sees zu besitzen. Er ist jünger als die Niederterrasse,
auf der er die erwähnten Erhebungen (Inseln) bedeckt, während die
alten Rheinläufe frei von ihm sind, da er hier von dem Wasser fort-
geführt sein wird. Wo er in stehendes Wasser fiel, verdichtete
er sich zu den sog. Engerser Britzsteinen, die seit fast zwei Jahrhun-
1) A.GÜNTHER, a. a. O.
7) WIEGERS, a. a. O.
*) Vergl. Behlen. Das Alter und die Lagerung des Westerwälder Bimssandes
und sein rheinischer Ursprung. Jahrb. des Nassauischen Vereins fiir Naturkunde.
Wiesbaden 1905.
11] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 43
derten im (Gebiet des Beckens zu Bauarbeiten Verwendung fanden.
Im übrigen passt er sich meist der Gestaltung des Untergrundes an
und kommt bis zu 5 m Schichtenhöhe vor. Als Luftsediment nieder-
gefallen, besitzt er eine weite Verbreitung, über ein von Mayen im
Westen bis Marburg im Osten reichendes, etwa 2200 qkm grosses Gebiet.
Die Lagerung ist durchweg primär, wie sich aus den überall vorkom-
menden parallel verlaufenden Britzstreifen ') ergibt.
Neben der Ausbeutung der Tongruben für industrielle Zwecke und
der Lössablagerungen zur Herstellung von Ziegeln, ist die Fabrikation
der sog. Schwemmsteine aus Bimssand und Kalk (seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts) der bekannteste Erwerbszweig im Neuwieder
Becken. Jährlih werden hier etwa 150 Millionen Schwemmsteine her-
gestellt, davon etwa 80 Millionen auf der linken Rheinseite. Zur Her-
stellung von 4!js Millionen Steinen ist durchschnittlich die Ausbeutung
von 1 Morgen (ca. 25'/2 ar) erforderlich.
‘Wie überall, so sind auch im Gebiete des Beckens die Flussterrassen
wichtig für die Besiedelungsgeschichte. Entsprechend der Befreiung des
Landes vom Wasser müssen wir die ältesten Spuren des Daseins der
Wirbeltiere und des Menschen auf den höchsten Terrassen suchen.
Hierbei leistet uns die primäre Ablagerung der Bimssanddecke insofern
gute Dienste, als sie schon von vornherein eine sichere (Grenze zwischen
Diluvium und Alluvium, zwischen der paläolithischen und der neoli-
thischen Zeit bildet. Was an Kulturresten dieser Zeiten unterhalb der
geschlossenen Bimssanddecke liegt, können wir unbestritten für paläo-
lithisch, was oberhalb derselben und in sie eingebettet liegt, müssen
wir für neolithisch halten.
Diluviale Fauna.
In den Lössablagerungen wurden bisher vielfah die Reste dilu-
vialer Tiere angetroffen. So erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Schmitzer-
schen Grube bei Moselweiss und aus einer Grube bei Vallendar je einen
Schädel des Moschusochsen (ovibos moschatus) ?), aus ersterer ferner
Reste von Rhinozeros, Equus, Cervus tarandus und Elephas primigenius °),
aus der Wegelau’schen Grube (früher Peters) bei Metternich Reste von `
Bos, Rhinozeros, Cervus tarandus und elaphus, Felis spelaea und an-
scheinend auch von Cervus alces, vom seltenen Höhlentiger einen halben
Unterkiefer 2). Leider fehlt es bei diesen älteren Angaben an der
1) Schlamm- oder Tuffstreifen, von ital. „breccie“ abgeleitet.
2) Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preuss. Rheinlande und
Westfalens, 1879 und 1884.
3) Ebenda 1881.
‘) Ebenda 1882.
44 A. Günther. [12
stratigraphishen Feststellung der Fundschichten und der genaueren
Beobachtung der Fundumstände.
Selbst erhielt ih aus den Lössablagerungen und konnte durch
eigene Beobachtung oder durch unmittelbare Nachfrage bei den Arbeitern
feststellen:
Aus der Peters’schen Grube bei Rhens-Brey:
Unterkiefer, viele Zähne, Schenkelknochen usw., von Rhinozeros
antiquitatis, Schädelstücke und Geweihteile von Cervus elaphus, Reiss-
zahn von Bären usw. aus den unteren Schichten bis zu 2 m Höhe über
der Grubensohle (ca. 77 m über NN.) ');
aus den Ziegeleien Schmitzer und Pies & Lettow in Koblenz-Mosel-
weiss: Reste von Cervus elaphus und Equus caballus (etwa 105 m
über NN.);
aus der Wegelauschen Grube in Metternich: Zähne und Knochenreste
von Elephas primigenius und Rhinoceros ant., Unterkiefer und Knochen
von Cervus elaphus, Hornzapfen von Bos primigenius, Kieferteile, Zähne
und Knochen von Equus caballus, alle in den unteren Schichten bis
auf etwa 3 m Höhe über der Grubensohle (etwa 78 m über NN.);
aus dem Steinbruch der Ww. Eiden in Metternich in dem Gerölle
über dem Quarzit auf etwa 140 m Höhe einen Schenkelknochen von
Rhinoceros antiqu., der nach Professor POHLIG-Bonn die Spuren der
Benagung durch eine Höhlenhyäne zeigt;
aus der Lössgrube Friedhofen & Co. in Metternih: Schädel von
Rhinozeros antiqu., Zähne von Elephas primig., Reste von Pferd und
Hirsch usw. aus den unteren Schichten des jüngeren Lösses bis etwa
2! m über Grubensohle (117 m über NN.);
bei dem Bau der Wasserleitung in Metternich bei der Anlage der
Brunnenstube an der Wolkener Strasse (1908) auf 170 m einen Stoss-
zahn von Mammut von 1,30 m Länge;
aus der Ludwigschen Tongrube bei Mülheim: über der Kiessohle
auf 174 m Höhe einen linken oberen Molar von Elephas primig.
trogontherii *), sowie einen mächtigen Schenkelknochen und Zähne vom
Pferd, (hier also unter der Kalkkonkretionsschicht des älteren Löss);
aus der Grube der Kärlicher Tonwerke, (Sohle auf etwa 170 m),
im älteren Löss: an der Sohle bezw. im Kies die Spitze eines Eck-
zahnes vom Hippopotamus (?), an der Oberfläche Oberkieferteile vom
') Die angegebenen Höhenzahlen beziehen sich überall auf die Sohle der
Grube, bez. die diluviale Kiesablagerung.
2) POHLIG, Monatsberichte der Deutschen geol. Gesellschaft, Bd. 61, Jahr-
gang 1909, Nr. 5.
13] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 45
Hirsch (?), aus dem jüngeren Löss über der eingelagerten Tuffschicht:
Unterkiefer und Zähne, sowie Fussgelenkteile vom Pferd ').
Endlich begegnen wir aber auch in den Lössablagerungen den ersten
Spuren mensdhlichen Daseins im Gebiet des Beckens.
Ältere Steinzeit.
Bereits 1882 erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Peterschen (jetzt
Wegelau) Grube bei Metternich Feuersteinwerkzeuge, denen er aber keine
besondere Beachtung widmete °), auch glaubte er an dem Schädel des
Moschusochsen von Moselweiss von Menschenhand herrührende Ein-
schnitte zu sehen °).
Von befreundeter Seite auf das Vorkommen von Feuersteinwerk-
zeugen und Brandschichten in den Lössablagerungen der Peters (Wege-
lau)schen Grube in Metternich aufmerksam gemacht, verlegte ich mich,
ohne die SCHAAFFHAUSENscen Mitteilungen vorher zu kennen, seit
1903 auf die Suche nach solchen und hatte bisher folgende Ergebnisse:
1. Karlich bei Koblenz.
Aurignacien bez. Solutréen.
Als alteste Spuren des Menschen aus dem Cebiete des Beckens
fanden sich in der Kärliher Tongrube in den Jahren 1909 und 1910
im jüngeren Löss über der Tuffeinlagerung, also auf etwa 172 m
über NN. die nachstehend abgebildeten Silexstücke (Abb. 1):
Fig. 1 u. 1a. Roh zugeschlagenes kratzerartiges Stück ohne merk-
bare Randretuschen.
Fig. 2 u. 2a. Kratzerartiges Stück mit Randbearbeitung.
Fig. 3 u. 3a. Flacher Schaber mit Randbearbeitung.
Fig. 4 u. 4a. Atypisches Stück Feuerstein ohne besondere Be-
arbeitungsspuren von dreikantigem Querschnitt.
Die Stücke dürften m. E. dem frühen Aurignacien zuzuteilen sein *).
2. Metternich bei Koblenz.
a) Grube Wegelau, früher Peters”).
Nach den Angaben des seit mehr als 25 Jahren dort beschäf-
tigten Vorarbeiters Zimmermann, von dem ich wie auch von einigen
anderen Herren eine Anzahl dort gefundener Silexwerkzeuge erhielt,
1) Die Fundstücke befinden sich in den Museen des Kunst-, Kunstgewerbe-
und Altertums-Vereins und des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Koblenz.
2) Verhdl. d. naturwissenschaftl. Vereins der preuss. Rheinl. u. Westf. 1882.
3) Ebenda 1879.
*) Noch nicht veröffentlicht.
5) B. J., Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker - Versammlung,
Köln (1907). l
46 A. Giinther. [14
sollten sich diese Stücke etwa 5 m über der Sohle, mitten im Löss,
auf einem etwa 20 m breiten von Osten nach Westen ziehenden
Streifen finden, auch habe er dort häufig etwa 4 m breite und 15 bis
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Bu. a
Abb. 1. Silexwerkzeuge des Aurignacien aus den Tongruben zu Kärlich bei Koblenz. */, nat. Gr.
20 cm hohe Feuerstellen aus zusammengesetzten Steinen mit Asche
und angebrannten und gespaltenen Tierknochen angetroffen, bei denen
sih die meisten Feuersteinwerkzeuge gefunden hätten. Bei den von
mir selbst angestellten Nachgrabungen fanden sich die Angaben des
Zimmermann inbezug auf die Höhe vollständig bestätigt. Auf etwa
84,60 m über NN. (in dem zweitunteren lichtbraunen Streifen) traf ich
auf einen Tarsus und Zähne von Cervus elaphus; auf eine bearbeitete Platte
von Quarzit, die wohl als Unterlage für die Spaltung von Knochen, oder
für die Bearbeitung von Werkzeugen gedient haben mag, auf das schön
bearbeitete Messer und einige Feuersteinabsplisse. Brandstellen habe
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15] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 47
ich bisher nicht gefunden, doch habe ich keine Veranlassung die sich
sonst als zuverlassig erwiesenen Angaben des Zimmermann zu bezweifeln.
Die beigefügten Abbildungen (Taf. V, VI) mit den von Dr. R.R.SCHMIDT-
Tübingen freundlichst beigegebenen Bestimmungen dürften die haupt-
sächlichsten Fundstücke näher erläutern. Hervorgehoben sei neben dem
bereits erwähnten Messer der schöne Klopf- oder Schlagstein und die
grosse Klinge mit Kratzerende.
b) Grube Gebr. Friedhofen.
Die Grube Friedhofen bietet in dem untern Profil (nordöstl.) das
getreue Spiegelbild der Wegelau’schen, trotz des bedeutenden Höhen-
unterschiedes. Auch hier sollen sich, nach Angabe des Vorarbeiters
Höfer in etwa 4 m Höhe über der Grubensohle öfters Feuerstein-
werkzeuge gefunden haben, doch konnte ich erst im Jahre 1908 das
erste Stück, einen dreikantigen, ziemlich atypischen Feuerstein mit Rand-
bearbeitung, erhalten (Taf. VI).
3. Rhens bei Koblenz.
In der Sammlung des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertumsvereins
Koblenz fand ich eine Anzahl Feuersteinartefakte vor, die um etwa 1898
in der Lössgrube des Architekten Jul. Peters (früher Besitzer der Wegelau-
schen Grube in Metternich) gefunden worden waren. Bei meinen Nach-
forschungen dort konnte ich durch eigene Nachgrabungen die Fundstelle
nicht ermitteln, doch scheint mir auf Grund der Aussagen der verschiedenen
Arbeiter, die mir vereinzelt und in verschiedenen Jahren einige Feuer-
steinwerkzeuge abgaben, sicher zu sein, dass sie in etwa 1 m über
Grubensohle liegen mag, also auf etwa 78—80 m über NN.
Hervorzuheben dürften sein die grosse Klinge mit Kratzerende, der
Randschärfer und das von SCHMIDT Feuersteinkern (Nucleus) benannte
Stück. Letzteres möchte ich aber wegen der zahlreihen kleinen Aus-
splitterungen auf dem abgerundeten Ende eher als einen zwischen Daumen,
Mittel- und Zeigefinger zu fassenden Schlagstein für die Nachbearbeitung
der Silexwerkzeuge ansehen (Taf. VII, VIII).
Ich habe s. Z.') die Funde von Metternich und Rhens für Solutreen
gehalten, wegen ihrer Lagerung inmitten des Löss, dabei aber auf die
Ähnlichkeit der Formen mit dem Magdalénien hingewiesen. R.R.SCHMIDT-
Tübingen erklärt sie für jüngeres Aurignacien °), während Fr. WIEGERS?)
sie für Magdalenien bestimmen will und dabei Bezug nimmt auf Funde
im Löss des Wagram bei Gobelsburg durch Obermaier. Möglicherweise
)B. J., Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker-Versammlung
in Köln.
2) R. R. SCHMIDT, Das Aurignacien in Deutschland, „Mannus“ I. Heft 1/2.
23) F. WIEGERS, a. a. O.
48 A. Giinther. [16
wird auch dies noch zum Aurignacien, wie die ursprünglich für Magda-
lenien angesehene Stücke von WILLENDORF'). Die Lössablagerungen,
Fundumstände und Fauna stimmen ganz mit den Ausführungen SZOM-
BATHY’s über diese Fundstelle auf der XL. allgem. Versammlung der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Posen überein.
Magdalénien.
Eine sichere und ausgeprägte Station des Magdalénien ist die von
SCHAAFFHAUSEN und KONEN im Jahre 1883 aufgedeckte Nieder-
lassung auf dem Mar-
tinsberg bei An-
dernach. Die Fund-
stelle liegt auf etwa
81,45 m über NN,,
unter einer etwa 4 m
starken Bimssanddecke
auf der verlehmten
Oberfläche des jünge-
ren Löss (vergleiche
WIEGERS, a. a. O.).
Sie unterscheidet sich
also hierdurh schon
von den oben ange-
führten Fundstellen,
die mitten im Löss
bei Metternih 7—8 m
unter der Bimssand-
decke lagern. Auch die
Fauna ist verschieden:
Rhinozeros und Mam-
mut fehlen, bezeich-
nend sind Renntier,
Polarfuchs,Schneehuhn
Abb. 2. u. a.; häufig fanden
Steingeräte aus dem Magdalénien von Andernach, Martinsberg. sich Reste von Pferd,
ja nat. Gr
Ren und Urstier. Von
den sehr zahlreichen Steinwerkzeugen sind kaum 10° aus Feuer-
stein, nur ganz vereinzelte aus Hornstein und Kieselschiefer, die grosse
Mehrzahl aber aus oligozänem Quarzit hergestellt. Am häufigsten sind
darunter die klingenförmigen Schaber, Stichel, einfache Messerklingen
1) es d. Deutschen Gesellschaft für Anthropologie usw. 40. Jahrg.
1909, Heft 9/12.
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17] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 49
und mikrolithische Werkzeuge (Abb. 2). Am meisten bezeichnend für
die Kulturreste sind die interessanten Schnitzwerke. So ist die Krone
eines Renntiergeweihstückes zu
einem Vogelkopf geschnitzt,
das wohl als Messergriff diente
(Abb. 3, Fig. 1). Mit Wider-
haken versehene Harpunen
sind aus Knochen geschnitzt
(Abb. 3, Fig. 2), Bohrer aus
Horn hergestellt (Abbild. 3,
Fig. 5). Bemerkenswert ist
eine Nadel aus Bein, der ein
dünner Rdohrenknochen als
Büchse dient (Abb. 3, Fig. 3).
Als Schmuck finden sich durh- app. 3.
Knochenwerkzeuge aus den Magdalénien
bohrte Zähne, die als An- "°C Nach Bonner Jahrbücher, Heft 86.)
hängsel benutzt wurden, Stücke
Rötel dienten wohl zur Bemalung der Haut ').
Jüngere Steinzeit.
Zwischen Paläolithikum und Neolithikum findet der letzte Bims-
sandauswurf des Laacher See -Vulkanes statt. Die schnell verwitternde
Decke des Bimssandes bildete bald einen fruchtbaren und leicht zu
bearbeitenden Ackerboden, der den neolithishen Menschen wohl früh
zur Gründung von Siedlungen anzog. Diesen begegnen wir in der
fruchtbaren Talebene der linken Rheinseite auf den mit Bimssand be-
deckten alten Strominseln, wie auf den angrenzenden Höhen. Fast
alle in Südwest-Deutschland bekannten Kulturgruppen der jüngeren
Steinzeit finden sich hier vertreten.
Untergrombacher Periode.
Am bekanntesten ist hierunter die vom Bonner Provinzialmuseum
unter örtlicher Leitung von LEHNER und KÖNEN aufgedeckte gross-
artige Festungsanlage inmitten des Beckens, zwischen Urmitz und
Weissenturm, die zunächst von ihrem Entdecker, Const. KÖNEN, und
vielen anderen, wegen der kriegstechnisch hervorragenden Graben- und
Wallanlagen und der grossen Ausdehnung für die „magnae munitiones“
Caesars bei seinem letzten Rheinübergang gehalten wurde’). Die
—
1) KONEN, Gefässkunde der vorröm. röm., und frank. Zeit in den Rheinlanden.
1895, S. 9 und SCHAAFFHAUSEN, B. J. 86, die vorgeschichtlihe Ansiedlung in
Andernach.
2) Bonner Jahrb., Heft 104.
Mannus. Bd. Il, 4
50 ` A. Günther. [18
Ausschachtung der Gräben und die Untersuchung des Füllgrundes, sowie
die dabei gemachten Gefäss- und Scherbenfunde ergaben aber zur
sicheren Gewissheit, dass es sich hier um ein Werk der jüngeren Stein-
zeit und zwar der Untergrombacher Periode handelt”). Die mit der
Nordseite an den Rhein gelehnte, etwa halbkreisförmige Anlage hat von
Osten nach Westen eine Ausdehnung von 1216 m, von Süden nach
Norden eine solche von 743 m, sie bedeckt also eine Fläche von etwa
90 ha. Breite Doppelgräben, hinter denen sich Palisadenwände und
vielleicht auch ein Wallaufwurf erhoben, wehrten die Angriffe von der
Landseite aus ab. Der äussere Graben besass etwa 7'/2 m, der innere
etwa 8'2 m Breite, die Tiefe mag 3—4 m betragen haben. Zahlreiche
Schlupfpforten, die Haupttore und etwaige Ausfallpforten waren durch
zweckdienliche Verschanzungen geschützt. Die weite Ausdehnung der
Anlage kann auf eine zahlreiche Bevölkerung schliessen lassen, die ent-
weder im Innern der Festung hauste, oder im Notfalle hier Schutz suchte,
denn die über 3 km lange Verteidigungslinie bedurfte einer entsprechenden
Anzahl wehrfähiger Männer.
Von den aufgefundenen Gefässen sind zu erwähnen: Glockenbecher
der Untergrombacher Periode, dickwandig mit Quarzkörnchen - Bei-
mischung im Ton, ‘etwa 16—25 cm hoch (Abb. 4, Fig. 1), ein grosser
2 Mies — u 83
~ 7s 2 P
Abb. 4. Gefässe aus der Festungsanlage bei Urmitz.
1—4. Untergrombacher Typus; 5, 6. Rössen-Niersteiner Typus. (Nach Bonner Jahrbücher 110.)
rundbauchiger Topf mit hohem, durch 6 Reihen Fingereindrücke ver-
zierten Hals, etwa 34 cm hoch (Abb. 4, Fig. 3), glockenförmige Schüssel
mit leicht geschweiftem spitz zulaufendem Rand, gut geglättet, mit
4 Griffwarzen, 26 cm Durchm. am Rand, 18 cm hoch (Abb. 4, Fig. 2),
2) Bonner Jahrb., Heft 110. H. LEHNER, Ausgrabungs- und Fundberichte
des Prov.-Museums in Bonn.
19] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 51
ein grösseres eiförmiges Tongefäss mit ziemlich enger Mündung, leder-
farben, glatt, mit 4 grossen senkrechten Schnurösen am Bauch und
10 kleineren um die Schulter, 63 cm hoch, war mit der Schüssel (Abb. 4,
Fig. 2) überdeckt (Abb. 4, Fig. 4). :
Ausser weiteren Scherben und Gefässen dieser Periode auch
solhe, die der Rössener Keramik angehören dürften (z. B. Fig. 5 und
6, Abb. 4).
An Werkzeugen finden sich nur solche von Stein, keine von Bronze.
Es sei hier auch der der gleichen Zeit entstammenden, in den
Jahren 1908 und 1909 vom Mayener Geschichts- und Altertumsverein
und dem Bonner Provinzial-Museum aufgedeckten Festungsanlage bei
Mayen gedacht, die zwar nicht gerade zum Gebiete des Beckens gehört,
immerhin aber mit ihm in kulturgeschichtlicher Verbindung gestanden
haben wird. Diese zwischen Ostbahnhof und dem Katzenbergerweg
belegene Anlage stellt sich als ein Areal von 360 zu 225 m dar und
ist von zwei Befestigungsringen umgeben. Der äussere, ein 2,65 bis
4 m breiter Sohlgraben, hinter dem sich der Erdwall erhob, dahinter
als zweiter, vom Graben unabhängiger Ring, eine Palisadenwand in etwa
19 bis 30 m Abstand vom Graben. Wie bei Urmitz fallen auch hier
die zahlreihen Tore auf, deren hier elf in durchscnittlih 60 bis
70 m Abstand voneinander festgestellt wurden. Auf der Südostseite
verringerte sich der Abstand bei drei Toren auf 37 und 31 m, im
Nordosten sind aber zwei Tore 134 m voneinander entfernt. Die Durch-
lässe an den Toren sind durch ein System von senkrecht stehenden
dicken Pfosten und liegenden Baumstämmen geschützt. Wohngruben
wurden nur ausserhalb der Befestigung und zwischen dem Graben und
der Palisade, nicht aber im Innern der Festung festgestellt. Die kera-
mischen Funde und die Steinwerkzeuge entsprechen ganz denen von
Urmitz ').
Rössen-Niersteiner Gruppe und Bandkeramik.
In dem Berichte, Bonner Jahrb., Heft 110, S. 135, vermisste
LEHNER das Vorkommen bandkeramisher Funde in der Umgebung
der Urmitzer Festung. Diese Lücke war aber bereits ausgefüllt durch
meine inzwischen erfolgte Entdeckung von Wohnplätzen dieser Zeit am
Jägerhaus, Gemeinde Mülheim, etwa eine Stunde von der Festung ent-
fernt (Taf. IX), und auch durch verschiedene Gefässe und Scherben aus
der Festung selbst: Kugeltöpfe mit gekerbtem Rand und Scherben eines
Gefässes mit schraffierter Dreieckverzierung, von dem etwa die Hälfte
in den Besitz des Prähist. Museums in Köln gelangt ist (vgl. Abb. 4,
Fig. 5 und 6). Das letztere besitzt auch zwei Gefasse mit Spiral-
) HAGEN, Führer durch das Museum des Mayener usw. Vereins, 1909.
4*
52 A. Giinther. [20
mäander-Verzierung aus der näheren Umgebung des Beckens, dem
Orte Kretz b. Kruft.
Am Jägerhaus fand ich in den Jahren 1903 und 1904 erst ver-
einzelt die Scherben eines schwarzen Bechers mit langausgezogenem
Dreiecksornament und Griff-
warzen (Abb. 5), (ähnlich dem
Gefäss aus der Steetener Höhle
im Wiesbadener Museum), eine
grosse Schnuröse und einen
gekerbten Henkel (Abbild. 8,
Fig. 2). Dann im Dezember
1904 auf einer etwa 4 m breiten
Aschenschicht etwa 1,20 m unter
der Bodenoberfläche zwei mit
grossen Steinen überdeckte
Scherbenhaufen, die eine Menge verzierter und einfacher glatter Scher-
ben, Schnurösen und Randstücke enthielten. Es lassen sich hieraus
nach dem Stoff und der Bearbeitung vier Gruppen von Gefassen unter-
scheiden:
1. Grosse Gefasse, anscheinend Kugeltöpfe von roher Arbeit und
ungleichmässiger Wandstärke, die zwischen 9 und 15 mm schwankt, die
Innenseite schwarz gedämpft, die Aussenflächen schwarz oder mit schwarz-
grauem oder gelbem Tonüberzug (bis zu 2'/2 mm Stärke) versehen. Der
Ton weist starke Beimischung grober Quarzstückhen auf. Die Schnur-
ösen sind nicht gross, roh hergestellt, senkrecht stehend mit horizon-
taler Durchbohrung. Der Rand ist glatt oder gekerbt. Als Schmuck
finden sich auf einzelnen Scherben leichte Fingereindrücke in horizon-
talen Reihen (Abb. 6).
2. Grosse Gefässe, anscheinend Kugeltöpfe mit schlankem Hals,
diinnwandiger und von besserer Arbeit als bei Gruppe 1. Die Innen-
seite schwarz gedämpft, die Aussenflache grau bez. graugelb. Der Ton
zeigt eine mässige Beimischung ziemlich feingeriebener Quarzstückchen.
Der Rand ist glatt oder gekerbt, die Schnurösen senkrecht mit horizon-
taler Durchbohrung. Als Verzierung finden sich auf einigen Scherben
Horizontalreihen von paarweisen Fingereindrücken, anscheinend zwischen
den Spitzen vom Daumen und Zeigefinger gebildet, „gepitscht“ (Abb. 7,
Fig. 1 und 2). |
3. Grosse Gefässe, z. T. von mäctigem Umfang, fast bis 1 m
Durchm., deren Scherbenstücke kaum eine Rundung aufweisen. Sehr
hart gebrannt, innen geglättet und gedämpft; aussen sauber geglättet
oder glatt poliert, grauschwarz oder weissgrau. Wandstärke 13 mm.
Ton mit geringer Beimischung kleiner Quarzstückchen. Zu dieser Ge-
Abb. 5. Jägerhaus bei Mülheim.
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21] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 53
fässart scheint auch der gekerbte Henkel bez. Schnuröse zu gehören.
Im übrigen sind die Schnurösen klein und rundlich, an vielen Gefassen
wohl in grösserer Zahl, bez. in verschiedenen Reihen angebracht
(Abb. 8, Fig. 1 und 2).
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Abb. 9. 1—14. Rössen-Niersteiner Scherben vom Jägerhaus bei Mülheim.
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54 A. Giinther. [22
4. Ziergefässe in verschiedenen Grössen mit glatten und polierten
Aussenflächen, scharf eingeschnittenen und eingeritzten Ornamenten mit
weisser Kalkfüllung. Vorwiegend grau oder schwarz, aber auch in
gelbem Ton oder mit schön roter Politur, fast möchte man sagen Glasur
(Abb. 9, Fig. 1—14).
Ein schönes Stück stellt die Scherbe von Hals und Schulter eines
grossen Gefässes dar; um die Schulter scharf eingeschnittene Winkel-
band-Gurte, unterbrochen von Griffwarzen; am Halsansatz fünf abge-
setzte Gurtlinien, der Halsteil durch gequaderte Pfosten mit Kopfbändern
metopenartig gegliedert, die Felder mit unregelmässigen Linien (gras-
artiges Pflanzenornament) bedeckt, alle Linien und die Felder mit
weisser Paste ausgefüllt, die Tonflächen schwarz-poliert (Abb. 9, Fig. 1).
Die rotpolierten Scherben (Abb. 9, Fig. 2) gehören einem Ge-
fässe mit langausgezogenem, durch abgesetzte Striche gefülltem Dreieck-
ornament an. Auch hier sind die Linien in weisser Paste gefüllt. Ähn-
liches Ornament findet sich auch auf grossen schwarzen Gefässcherben
(Fig. 3 und 4). Die kleineren Gefässe weisen mannigfaltigen Schmuck
mit Winkelband, Doppelstichmuster usw. auf. Einige Randstücke zeigen
den charakteristishen Schmuck des Winkelbandes auf der Innenseite
(Abb. 9, Fig. 5). Die Linien sind oder waren fast ausschliesslich mit
weisser Kalkpaste gefüllt. Form und Technik dieser Gruppe entsprechen
durchaus den von KOEHL veröffentlichten Funden bei Worms ').
Abb. 10. Abb. 11.
Aus Heerdgrube I vom Jagerhaus bei Mülheim. Aus Herdgrube II vom Jägerhaus bei Mülheim.
Im April 1907 wurden von den Arbeitern zwei Herdgruben, in
etwa 20 m Abstand voneinander, aufgedeckt. Die eine enthielt: einen
grossen Kugeltopf mit 4 runden Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa
25 cm Durchm. und 23 cm hoch (Abb. 10, Fig. 1), einen Kugeltopf
mit 4 gekerbten Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa 20 cm Durchm.
') Festschrift zur 34. allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen
Gesellschaft in Worms, 1903.
23] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 55
und 19!» cm hoch (Abb. 10, Fig. 2), eine Scherbe mit kräftig ein-
geschnittenem Winkelbandmuster, eine andere mit Stichmuster, eine
rundlihe Schnuröse, eine Anzahl leichtgebrannter Lehmstücke (wohl
vom Estrih) und ein Rindszahn.
Die andere enthielt: zwei kleinere Kugeltöpfe mit glattem Rand und
Griffwarzen von 15 bz. 16 cm Durchm. und 11 bz. 13 cm Höhe (Abb. 11,
Fig. 1 und 2); dann die Hälfte eines kugelförmigen schwarzen Gefasses
von guter Arbeit mit Schnurösen von etwa 30 cm Durchm. (Abb. 11, Fig. 3),
das Stück eines Mahlsteines aus Quarzit, 2 Bröckchen weisses Quarz (das
zerkleinert dem Ton der Gefässe beigemischt wurde) und einen Zahn
und Knocenstückhen vom Rind (?). Bei dieser Grube konnte ih noch
einen Durchmesser von etwa 2 m nach unten trichterförmig verlaufend
feststellen, die Sohle lag etwa 70 cm unter der Oberfläche, auf einer
8 cm starken Bretzschicht.
Die weiteren Fundstücke bis heute, die zerstreut auf dem Felde
gemacht wurden, bestehen in einem etwa halbkugelförmigen lederfarbenen
Kumpen von 15 cm Durchm. und 7'/2 cm Höhe (Abb. 12), Scherben
und Schnurösen von Gefässen, Reibsteinen aus Diabas-Diorit usw.
Erwähnenswert ist die Randscherbe eines anscheinend zylindri-
sehen braunen (Gefässes mit quergestellter Schnuröse, die vielleicht
der Spiral- Mäander- Keramik zugeteilt werden kann (Abb. 13), und
eine kleine schwarze Scherbe mit Ornament des Gross-Gartacher Typus
(Abb. 14).
Abb. 12-14. Jägerhaus bei Mülheim.
Ein bei Rübenah im Jahre 1908 bei Anlage der Wasserleitung
gemachter Fund einer Anzahl Feuersteinmesser von 6'.—10 cm
Länge und 2 bis 2'/2 cm Breite (Abb. 15) wird nach einer in der Nähe
gefundenen Gefass-Scherbe mit Griffwarze und Dreieckornament ebenfalls
der Rössen-Niersteiner Gruppe zuzuteilen sein. Man könnte versucht
sein, diese nur durch Abschlagen vom Knollen hergestellten, dünnwan-
digen, haarscharfen Absplisse ohne jede Retushe und Nacharbeit für
jüngeres Paläolithikum zu halten, wenn nicht hier die Einlagerung in den
Bimssand (1,50 m tief) sie dem Neolithikum tiberwiese. Auch die
mehrfach bei Weissenturm und Urmitz, wie auf der Kartause angetroffenen
geschliffenen Meissel aus Kieselschiefer dürften hierher gehören.
56 A. Giinther. [24
Schnurkeramik.
In einzelnen Funden ist die Schnurkeramik, bisher aber nur in der
Ebene der linken Rheinseite vertreten.
Ausser einigen in Privatbesitz (s. Z. Dr. PICK in Koblenz) gelangten
Stücken, wurden Gefässe und Scherben dieser Periode mitten in dem
Gebiet und in der Nähe
der Festung bei den Gra-
bungen des Provinzial-
museums gefunden. Ein
9 cm hoher lederfarbener
Becher mit 4 Reihen
echter Schnurverzierung
(Abb. 16, Fig. 1); ein rauh-
wandiger brauner Becher,
dessen Rand fehlt, mit
6 Reihen echter Schnur-
verzierung, jetzt 12'/z cm
hoch (Abb. 16, Fig. 2) und
Scherben mit 10 Reihen
echter Schnurverzierung
am oberen Teil, darunter
drei im Zickzack laufende
Schnurreihen (H. LEH-
NER, B. J., Heft 110).
Nach der Aussage eines
sehr glaubwürdigen Herrn,
der als Bauaufseher bei
dem Neubau der Eisen-
Abb. 15. Feuersteinmesser von Rübenad. !/a nat. Gr. bahnbrücke auf der Insel
Oberwerth beschäftigt
war, sollen dort mehrfach sehr schön facettierte Hämmer und auch
Hockergräber gefunden worden sein, die wir dieser oder der folgenden
Periode zuzuschreiben haben würden ').
Glockenbecherkeramik (Zonenbecher).
In ähnlicher Weise wie die Schnurkeramik findet sih auch die
Glockenbecherkeramik im Gebiete des Beckens verbreitet.
Ihr gehört der von SCHAAFFHAUSEN im Bonner Jahrb., Heft 86
!) Die Funde sind, wie das leider häufig oder fast in der Regel bei Staats-
bauten vorkommt, verschleudert und vergessen, nur ganz spärlihe und keine
bestimmbaren Steinstücke, ich glaube zusammen 2 Stück, finden sich hiervon im
Bonner Prov.-Museum.
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25] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 57
veröffentlichte Becher an, allerdings nicht wie er annimmt, in dem Bims-
sandausbruch verschüttet, sondern in späterer Zeit in den Boden gelangt.
Im Gebiet der Festung wurden Bruchstücke von Gefassen gefunden
(wie Abb. 17, Fig. 1).
Mehrere geschweifte Becher mit eingeritzten und einpunktierten
Zonenmustern stammen aus der Nähe der Festung (Abb. 17, Fig. 1 u. 2).
Bei Andernah wurde ein (Abb. 17, Fig. 3) ähnlicher Becher von
16 cm Höhe und bei Miesenheim, am Rande des Beckens, eine Schüssel
Abb.16. Schnurkeramik aus Urmitz, Festungsanlage
(Nach Bonner Jahrbücher 110.)
Abb. 17. Glockenbecherkeramik.
(Nach Bonner Jahrbücher 110.)
Abb. 18. Jägerhaus bei Mülheim.
mit lederartig geglätteter Oberfläche von 10 cm Höhe und 19'/ cm
Durchm. gefunden (Abb. 17, Fig. 4).
Am Jägerhaus fand sich eine Scherbe (Abb. 18) anscheinend vom
Rande eines Napfes.
Auffallend mag es erscheinen, dass bisher Funde der Steinzeiten
von der rechten Rheinseite des Beckens fast unbekannt sind. Wie
SCHMIDT auf die fast gleichartige Erscheinung des Aurignacien in der
Steetener Höhle bei Limburg a. d. Lahn und von Metternich und
Rhens hinweist, so möchte ich auf die Verwandtschaft der Rössen-Nier-
steiner Becher von Steeten und vom Jägerhaus hindeuten, Vorkommnisse,
die sich auch bei den Kulturgrenzen späterer Zeiten wiederholen.
Von Steinwerkzeugen der rechten Rheinseite des Beckens ist mir
bisher nur ein Hammer aus dem Walde bei Vallendar und ein angeblich
an der Lahnmündung im Rhein gebaggerter Hammer, beide gelocht
bekannt. Jedenfalls werden aber auch hier sich wohl die Lücken all-
mählich füllen. EN (Schluss folgt.)
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. I. Zaf. V.
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Aurignacien-Werkzeuge von Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau. '/s nat. Gr.
A. Giinther, Neuwieder Becken. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. Taf. VI.
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ae WT. 2 T E t,
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+
Bernstein
Stuckchen
Bearbeitete
Feuersteinsplitter
Aurignacien-Werkzeuge aus Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau; links unten Friedhofen.
‘le nat. Gr.
A. Giinther, Neuwieder Becken. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg.
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Digitized by Google
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. IL. Taf. FH,
Ahsplıss
Klinge mit ‘ (Pseut omousterien)
J
Kratzerende —
Poliedrischer
i ertigung von _ wre Stichel
Retouchen F : -
Aurignacien-Werkzeuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. '/s nat. Gr.
A. Günther, Neuwieder Becken. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte, Bd. II. Taf. VIII.
77 u ee
4
=
ie
u.
Feuersteinkern
Nucleus)
Aurignacien-Werkzeuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. '/s nat. Gr.
A. Günther, Neuwieder Becken. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. Tay. IX:
Rössen-Niersteiner Keramik vom Jägerhaus bei Mülheim.
A. Günther, Neuwieder Becken. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Der Ursprung der Urfinnen und Urindoger-
manen und ihre Ausbreitung nach Osten.
Vortrag gehalten am 18. Juli 1908
von Gustaf Kossinna.
3. Nordindogermanen und Südindogermanen (Fortsetzung).
Mit 71 Textabbildungen und Tafel X (Karte).
V.
Nordindogermanen in Osteuropa.
Die farbenfrohe Kultur der osteuropäischen bemalten Spiral-
keramik erfreute sich keines dauernden friedlichen Daseins, sie bricht
vielmehr ab, ohne in dem besprochenen Gebiete eine Fortentwickelung
oder ein allmähliches Absterben oder ein Aufgehen in neuen, vielleicht
weniger vorgeschrittenen Kulturformen zu finden. Es kam über sie ein
„starker, böser Feind“ in der Gestalt des nordindogermanischen Bruder-
volks. Und damit gelangen wir zu der letzten Betrachtung dieses Vor-
trages, die dem Vordringen der Nordindogermanen nach Osten
gewidmet ist.
Bevor wir die nordindogermanishe Besiedlung Ostdeutschlands
darstellen, wollen wir einen kurzen Blick werfen auf den Anteil, den
die Südindogermanen an diesem Gebiete hatten, grösstenteils früher
hatten, als die Nordindogermanen diesen Gegenden sich zuwandten.
Auf drei Wegen dringt die Donaukultur der Südindogermanen
nordwärts nach Mitteldeutschland und in verlorenen Auslaufern sogar
bis nach Norddeutschland vor. Im Westen öffnet ihr die Rheinstrasse
den Weg bis ins Neuwieder Becken; als Aussenposten gehört hierzu
die Lüttiher Gruppe (Mannus I, 51). Von Thüringen aus bildet die
Saale und von deren Mündung ab die Mittelelbe die Einfallsstrasse der
Donaukultur. Einige Besiedlung aus der Stufe der Stichreihenkeramik
60 Gustaf Kossinna. [59
weist das Gebiet zwischen Harz und Saale auf, eine reiche aus der
Stufe der Spiralkeramik (Kreise Bernburg, Aschersleben, Halberstadt,
Oschersleben), ebenso auch die Südhälfte von Braunschweig. Die nörd-
lichsten Punkte der Spiralkeramik sind: an der Saale Kalbe a. S. und
im Elbgebiet Hundisburg und Alvensleben im Kreise Neuhaldensleben,
während die Stichreihenkeramik hier nur in Hundisburg vertreten ist.
Im Königreich Sachsen erreicht diese Kultur nirgendwo ganz die
Nordgrenze des Landes und erst die Oder führt sie weiter nordwärts.
Für Schlesien kommt zunächst der Jordansmühler Typus in Be-
tracht (Mannus I, 225 f.). Zu den kürzlih von SEGER behandelten
Fundplatzen von Ottitz, Kr. Ratibor, Pannwitz, Kr. Trebnitz, Jordans-
mühl, Kr. Nimptsh, Brockau, Gräbschen und Woischwitz, Kr. Breslau
kommt jetzt der erste niederschlesishe mit den Skelettgräbern von
Schrepau, Kr. Glogau, die unter anderem ein herrliches Pilzgefäss ge-
liefert haben, das senkrechte Bänder von Quadraten in Rollstempel-
ausführung aufweist. Von der Stichreihenkeramik konnte ich schon 1902
mitteilen, dass sie im Kreise Glogau ihren Nordpunkt hat (Priedemost).
Zu SEGERSs neuerdings mitgeteilten Funden von Deutsch Breile, Kuhnau,
Jordansmühl, Gr. Tschansch, Stabelwitz, Bschanz ist der schon vor
langen Jahren von MERTINS veröffentlichte von Olbersdorf, Kr. Franken-
stein nachzutragen und noch Gleinitz, Kr. Nimptsch, sowie als Vertreter
der Keramik von Butmir (lange, mit Punktstich gefüllte Zickzackbänder)
der niederschlesische Platz Mertschütz, Kr. Liegnitz, anzuschliessen. Für
die Spiralkeramik endlich ist ausser dem auch hierbei vertretenen Jor-
dansmühl noch Stolz, Kr. Frankenstein, zu nennen.
Weit ab von Schlesien, an der
unteren Oder, erscheint dann das
Grab von Schöningsburg, Kr. Pyritz,
mit Spondylusmuscheln und Stich-
reihenkeramik, die ih schon 1902
mit der schlesischen Gruppe in Ver-
#74 25 RY bindung brachte und neuerdings durch
: RT ta das Zwischenglied des Stichreihen-
En er kumpfes von Kl. Rietz, Kr. Beeskow
| (Mannus l, 234), enger verknüpfen
konnte.
In anderer, geradezu nördlicher
Abb. 1. t/a. Richtung geht dieser schlesishe Ein-
Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen. Grab 5. fl F i | K Sch
(Nach Zeitschr. f. Ethnol. 1905, 904, 8.) uss, wenn wir In Iwno, Ar. me
bin, Pr. Posen (Mannus |, 234),
einen solchen Stichreihenkumpf antreffen, hier jedoch mit 2 Halsösen
versehen, in der Art der nordischen Kugelamphoren (Abb. 1). Hier-
v
e -
he WB Ay ah
Digitized by Google
60] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 61
her können wir auch zwei ganze, aus einem Kieslager stammende,
also wohl einem vergangenen Skelett gehörige, durdhbohrte Spondylus-
schalen von Montwy, Kr. Strelno, rechnen, die ih im Bromberger
Museum entdeckte.
Der nordöstlichste Vertreter der Donaukultur überhaupt ist endlich
ein kleiner Kugelnapf aus Graudenz, verziert durch Knöpfe und ver-
bindenden Doppelvoluten mit Führungslinie. Dieses Gefässchen ist —
bis nach Quedlinburg verschlagen worden, wohin es durch den ver-
storbenen Oberbürgermeister BRECHT gelangte, der persönliche Be-
ziehungen zu Graudenz besass, wie ich seinerzeit aus seinem eigenen
Munde noch erfahren habe, als er es mir zeigte.
Soviel über die Siedelungsspuren der Südindogermanen im mitt-
leren und nördlichen Ostdeutschland, das dann bald von den Nord-
indogermanen voll in Besitz genommen wird.
Es wurde schon vorher (Mannus I, 231) angedeutet, dass die land-
läufige Meinung, nach der die Oder die Ostgrenze der Megalithgräber
bedeute, unrichtig ist. Freilich oberirdische Steingräber sind oder waren
östlih der Oder selten. Da man aber sonst überall auch die unter-
irdischen neolithischen Steinkammern und Steinkisten als jüngere Er-
scheinungsformen der Megalithgräber mit in Betracht zieht, so wäre es
widersprudhsvoll, in Ostdeutschland anders zu verfahren. Wie sich nun
die nordische Megalithkeramik in mehreren Phasen von Dänemark und
dem Unterelbgebiet nach Osten allmählich ausbreitet, wie ich zeigen
werde, so ist es auch mit den ihr zukommenden Grabformen der Fall.
Ich kann hierbei zwei oder mit Anschluss der schnurkeramischen
Erscheinungen drei sich folgende grosse Züge feststellen, in denen
die nordisch-norddeutsche Bevölkerung Ostdeutschland, Polen und Süd-
russland besiedelt (vgl. die Karte Taf. X).
Der erste dieser Züge wird bezeichnet durch die Erscheinung
von nordwestdeutsch-dänischen Kragenflaschchen und Trichterrandbechern,
denen sich im weiteren Verlauf noch Mondhenkelkriige von dem grossen
nordböhmischen Typus gesellen, die man bisher gewöhnlich, doch mit
Unrecht der frühesten Bronzezeit zugeteilt hat.
Die Kragenflaschchen sind zu Hause in dem Megalithgräber-
bereih von Holland, Hannover, Oldenburg, Westfalen, Schleswig-Hol-
stein, Dänemark, ausserdem durch vereinzelt ausgesandte Kolonien
westwärts gebracht nach der Bretagne, Dep. Finistère (Kerandréze)
und Morbihan (Lann-Blaén) (Abb. 2, 3), südwärts nach der baye-
rischen Pfalz (Eyersheim, Gem. Weisenheim a. S.), Nordhessen
(Züschen, Kr. Fritzlar), Westthüringen (Nägelstedt, Kr. Langensalza),
ostwärts nach Vorpommern (Grabfund von Zarrentin bei Loitz, Kr.
62 Gustaf Kossinna. [61
Grimmen). Sie fehlen einerseits in Mecklenburg, andererseits in Hinter-
pommern, Brandenburg, Westpreussen, erscheinen aber wieder in Posen
(Lutynia, Kr. Pleschen!) und in Preussisch und Österreichisch Schlesien,
Abb. 2. Abb. 3. Etwa 'h. Abb. 4. 'J/s.
Kerandréze, Finistére Lann-Blaén, Morbihan ; Megalith- Helldorf, Kr. Kolmar in Posen.
(nach Du Chatellier). grab (nach Du Chatellier).
wo zu den bisher bekannten beiden Grabfunden von Jordansmühl (No. 20
und 28) und den Exemplaren von Badewitz, Kr. Leobschütz, von
Kathrein bei Troppau und von einem unbekannten schlesischen Fundort
noch Bruchstücke hinzukommen, die im Jahre 1906 aus Wohngruben
zu Nosswitz bei Glogau aufgedeckt wurden in Gemeinschaft einerseits
mit spiralkeramischen Scherben, andererseits mit Bruchstücken von
Trichterrandbechern und -schalen, kleinen doppelkonischen Hängegefässen
der nordischen Ganggräberzeit und anderen Gefiassen, die in auffallendster
Weise an die zahlreichen schönen Gefasse erinnern, die das Stralsunder
Museum aus einem Torfmoor von Gingst auf Rügen seit 1890 besitzt.
Weiter kommt dazu ein im Römisch-Germanischen Zentralmuseum zu
Mainz befindliches Stück aus dem schlesischen Kreise Ohlau, das SEGER
unbekannt geblieben ist und dessen Abbildung ich der Liebenswürdig-
keit Karl SCHUMACHERs verdanke (Abb. 5). Endlich erscheinen
Kragenflaschchen in Westgalizien zu Zastow bei Krakau (Abb. 9), in
Ostpolen zu Nalenczow bei Lublin (Abb. 8).
In Jordansmühl, Kreis Nimptsch, treten sie innerhalb eines grossen
bandkeramischen Gräberfeldes in zwei auch nach ihrer baulichen Her-
richtung „nordisch“ gearteten Gräbern auf zusammen mit Gefässen von
1) Dazu kommt jetzt noch das Stük der Sammlung in Samotschin aus Hell-
dorf (früher Heliodorowo), Kr. Kolmar i. Posen: E. BLUME, Ausstellung im Kaiser-
Friedrih-Museum ; Vor- und frihgeschichtliche Altertümer aus dem Gebiet der Provinz
Posen. Posen 1909. No. 610 nebst Abbildung, die hier wiederholt wird (Abb. 4 s. o.).
62] Der Ursprung d. Urfinnen u. d, Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 63
Abb. 6. Grab 28; unterste Reihe: Grab 20,
teils 'js, teils !/ıa.
Abb. 5.
Kreis Ohlau, Schlesien; 12 cm hoch.
Abb. 7. Grab 28. 1:40.
Jordansmühl, Kr. Nimptsch, Schlesien.
(Nach Archiv f. Anthrop. N. F. V. Taf. XII nebst Fig. 25).
Abb. 9. Lelowice,
Gouv. Kielce, Polen:
Trichterrandbecer;
Abb. 10. Zastow hei
Krakau:
Mondhenkelkrug,
Kragenflasche mit
Füsschen
(nach Wiadom. num.
arch. IV).
Abb. 8. Nalenczow, Gouv. Lublin, Polen (nach Swiatowit 1905).
2 Kugelamphoren, 3 Kragenflaschchen, 1 Trichterbecher (Rest),
2 ostdeutsche Streithämmer, 3 Feuersteingeräte, 2 Bernsteinperlen.
64 Gustaf Kossinna. [63
norddeutschem Typus, darunter einem Henkelkrug, einem Trichterrand-
becher, einer ähnlich gestalteten Schale, sowie drei Ringperlen aus Bern-
stein (Abb. 6, 7). — In den vierzehn mit Steinauslegung und teilweise auch
mit Steinplattenumzäunung versehenen Gräbern von Nalenczow (Abb. 8)
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Abb. 11—15. Trichterrandbecher.
Oben: Molzow, Mecklenburg (nach Beltz); Warmhof bei Mewe, Westpreussen;
unten: Denghoog, Sylt (nach Mestorf, Vorg. Alt. 147); Neuenfeldt, Kr. Prenzlau, Uckermark
(nach Schumann, Steinzeitgräber, Taf. 42); Tannhofen, Kr. Hohensalza, Prov. Posen
(Bromberger Jahrbuch 1891).
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Abb. 16, 17. '/s. Trichterrandschalen.
Gingst, Kr. Rügen (Zs. f. Ethn. 1896, 352, Abb. 6). 17. Satzkorn, Kr, Osthavelland (nach Brunner,
steinzeitl. Keramik, Abb. 6).
bei Lublin gesellen sich den Kragenfläshchen (3), genau wie im vor-
pommerschen Zarrentin, Bruchstücke von Trichterrandbechern (2), eiförmig
gestreckte Kugelamphoren mit kleinem Standfuss und vereinzelten lang
herablaufenden senkrechten Ornamentbändern, wie sie in Vorpommern
vorkommen, grosse durchlochte Steinhämmer mit Halbkugelnacken und
weit ausladender Schneide von ostdeutsch-nordisch-österreichischem Typus
(Kupferform), endlich Bernsteinperlen. Der Bernstein ist hier, in Jordans-
mühl und sonst oft ein sicheres Zeichen nordindogermanischer Bevölkerung,
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64] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 65
denn nur bei dieser wird er allenthalben angetroffen, niemals aber bei
der Donaukultur, wo sie auch immer auftreten mag. Wenn M. MUCH
ihn auch der ostgalizischen bemalten Keramik zuteilt, so ist diese Meinung
nur die Frucht einer allzu flüchtigen Literaturbenutzung. Ebenso irrt
GÖTZE, der ein Bernsteinamulet von Bernburg arktischer Kultur mit dem
berühmten, durch reichsten Spondylusschmuck ausgezeichneten band-
keramischen Grabfund grundlos vereinigt (s. Mannus I, 40 und Taf. X, 5).
Nicht so sprunghaft, sondern in zusammenhängender Ausbreitung
lassen sich die mit den Kragenflaschchen gesellten Trichterrandbecher
sowie Trichterrandschalen nach Osten hin verfolgen. Ebenso häufig wie
in Nordwestdeutschland (Abb. 13) und Dänemark, ja wohl noch häufiger
erscheint diese Form in Mecklenburg (Abb. 11), auf Rügen, in Vor- und
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Abb. 18. Kaldus, Kr. Kulm, Westpreussen (nach Skizze, vom Westpr. Prov.-Mus. freundlich geliefert).
a) Ansicht. b) Innenverzierung des Randes.
Hinterpommern (Abb. 16) und in der nördlihen Mark (Abb. 17), be-
sonders im Kreis Prenzlau (Hammelstall, Neuenfeldt: Abb. 14, Shmiede-
berg), weiter in Westpreussen (Warm-
hof, Kr. Marienwerder: Abb. 12,
Kaldus, Kr. Kulm: Abb. 18), Posen
(KI. Krebbel, Kr. Schwerin; Tar-
kowo - Tannhofen Kr. Hohensalza :
Abb. 15), Schlesien (Nosswitz;
Gräbschen und Hartlieb, Kr. Breslau ;
Jordansmühl (Abb. 6) und Trebnig,
5 RB Abb. 19. !/ı. Dobieszewko, Kr. Schubin,
Kr. Nimptsch), ın Südpolen (Lelo- Prov. Posen. K. Fr. Mus. Posen.
wice, Bez. Miehow [Abb. 9]), sehr
zahlreich namentlich im Gouvernement Kielce, hier wieder besonders im
Bez. Stopnica, weit spärliher im Osten des Gouvernements Radom.
Mannus. Bd. Il. 5
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66 Gustaf Kossinna. [65
Hierher zu stellen sind auch randlose Schalen, die unter der Miindung
die typische Strichzonen- und Zickzacklinienverzierung tragen, die zwei-
mal im Kreise Schubin, Reg.-Bez. Bromberg erscheinen (Abb. 19). In
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Abb. 20 a, b. Trzebcz, Kr. Kulm, Prov. Westpreussen: Steinkreise mit Trilithen.
a) Durchschnitt A—B, b) Grundriss (nach Roznik Tow. n. Torunsk I, Taf. III, 1. 2).
Abb. 21. Odry, Kr. Konitz. Prov. Westpreussen.
Trilithen.
(Rocznik Tow. n. Torunsk I, Taf. Il, 7).
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66] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 67
Vorpommern (Zarrentin), Schlesien (Nosswitz, Jordansmühl) und Polen
(Nalenczow) sind sie vereinigt mit Kragenflaschchen, in Galizien und
Polen auh mit Mondhenkelkrügen von dem in Nordböhmen
(s. Mannus I, 197 nebst Abb. 12) so stark vertretenen Typus, deren
Henkel hoch geschwungen sind und von einer tiefen Mittelfurche aus
flügelartig beiderseits sich stark verbreitern: so zu Zastow bei Krakau
(Abb. 10), sowie zu dem schon genannten Lelowice.
Das Auftreten der Kugelamphoren in Nalenczow, dem äussersten
Ostpunkte des ersten Zuges, ist zugleich das erste Zeichen für das Ein-
treffen des zweiten Zuges nordischer Bevölkerung in Ostpolen. Ging
der erste Zug von Meclenburg über Pommern nach Westpreussen,
dann südwärts über Posen nach Schlesien und von dort ostwärts durch
Westgalizien die Weichsel abwärts nach Südpolen, so schwenkt der
zweite Zug vom südlichen Westpreussen nach Kujawien ab und hält
sich dauernd im Gebiete der Weichsel, der er aufwärts bis Sandomir
folgt. Hier treffen sich beide Züge und die Grabfunde von Nalenczow
bezeugen die Cleichzeitigkeit der Erscheinungen beider Züge am End-
punkte des ersten Zuges, wie die Ansiedlungsfunde von Krebbel, Kr.
Schwerin in Posen und noch weiter westlih der Grabfund aus der
Steinkammer von Zarrentin, Kr. Grimmen, dies für den Ausgangspunkt
tun. Dann rückt aber nur die Bevölkerung des zweiten Zuges, entweder
allein oder vielleicht noch im Verein mit jüngeren Entwickelungen des
ersten Zuges weiter über Ostgalizien, Podolien bis zur Ukraine, um in der
Nähe von Kiew zu endigen. Hauptkennzeichen dieses zweiten Zuges
sind Megalithgräber, die dem ersten Zuge ganz abgehen, oder die
Keramik der Kugelamphoren oder beides vereinigt. Die Form dieser
östlichen Megalithgräber ist zum Teil dieselbe wie westlich der Oder, also
rechteckige unterirdische Steinblockkammern oder Steinplattenkisten. In
Westpreussen finden sich einige Male mehrfache Steinkreise, die drei hoch-
stehende Steine (Trilithen) umschliessen (Abb. 20, 21). Am zahlreichsten
aber begegnet die schon bei Greifswald einmal (Schmiedkow) erscheinende,
sonst in Hinterpommern, Westpreussen, Posen und besonders in Kuja-
wien häufige Form der sogenannten ‘kujawischen’ Gräber. Langgezogene,
spitzdreieckige, schmale Hügel mit gleichlaufender Steinumfassung ent-
halten am breiteren Kopfende eine in der Längsrichtung des Hügels sich
erstreckende, teils überirdische, teils unterirdische Steinkammer mit Skelett-
bestattung (Abb. 22) und Beigaben aus der Kultur der Kugelamphoren.
Ein klassisches Beispiel ist eines der vier durch v. ERCKERT 1879
veröffentlichten Gräber von Janischewek bei Lubraniec, dessen steinum-
fasster Hügel hundert Schritt lang war, während die Kammer 1 !j2 m Länge,
1 m Breite mass (Abb. 23). Weiter östlich treten an die Stelle dieser
Megalithgräber einfache unterirdische Steinkisten, so zu Smoszewo und
5%
68 | Gustaf Kossinna. [67
Abb. 22. Chotel, Gouv. Kalisch, Polen: Abb. 23. Janischewek, Russ. Kujawien: Grab |
‘Kujawisches’ Grab (nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1879, 428).
(nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 317).
~
Abb. 24—26. Kugelamphoren. Abb. 27, etwa '/:. Megalithamphore.
24 ('..). Succow, Kr. Saatzig, Hinterpommern Kulmsee, Kr. Thorn, Westpreussen
(nach Balt. Stud. 46, Taf. I, 33); (nach Conwentz, d. westpr. Prov. Mus.
25 ('/:). Gr. Rambin, Kr. Belgard, Hinterpommern 1880 —1905, Taf. 43).
(nach Walter, Lemckefestschrift, Abb. 12);
26 ('s). Zechlau, Kr. Schlochau, Westpreussen
(nach Kasiski, Beschr. d. vat. Alt. Taf. IV, 64).
Szeromin, Kr. Plonsk (Abb. 37), Gouvernement Warschau, zu Zurawniki,
Bez. Sandomir, Gouvernement Kielce und öfter in diesem Kreise, dann
auch in den Gouvernements Siedlce und Lublin, namentlich aber in
Ostgalizien, wo ich die Fundorte Beremiany, Czarnokonce, Kociubince,
Kuszilowce, Rakowkant, Uwisla, Czernelica nebst Graniczesti und Unter-
horodnik in der Bukowina nenne. Die jüngste Art nordischer Begräb-
nisse findet sich naturgemäss auf dem östlichsten Teile des Zuges, in
Russland: das sind einfache, ungeschützte Hockerbestattungen in Erd-
hügeln (Kurganen). Wolhynien bietet beide Grabarten, aber mehr Stein-
kisten als Kurganhocker, Podolien nur noch eine bekannte Steinkiste
(Bez. Kamieniec Podolski), sonst durchweg Kurganhocker, und ebenso
die Ukraine.
Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw 69
68]
Das Leitgefäss, die nordostdeutshe Kugelamphore, hat sich be-
kanntlichh in Vorpommern und Nordbrandenburg aus der älteren Mega-
lithamphore Dänemarks und Schleswig-Holsteins entwickelt. Östlich der
Oder geht ihre und ihrer Begleitgefässe Verbreitung durch die Neumark
Hinterpommern (Succow: Abb. 24, Gr. Rambin: Abb. 25), West-
preussen (Zechlau: Abb. 26, Kulmsee: Abb. 27, Nawra: Abb. 46),
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Formen von Begleitgefässen der Kugelamphoren. Abb. 29. '«.
I. Krebbel, Kr. Schwerin, Prov. Posen. Schnurverzierter
Krug mit Doppelhenkel (Nachr. ü. d. Alt. 1892, 66).
Abb. 28. 's.
Köben, Kr. Steinau, Niederschlesien
(nach Nachr. ü. d. Alt. 1899, 82).
Janischewek, Russ. Kujawien, Grab 1 (nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1883, Taf. VII)
Abb. 30. '/s.
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Abb. 34. Losiatyn,
Gouv. Kiew; Hügelgrab
Abb. 31. Wies Koscielna, Abb. 32. Branica, Abb. 33.
Russ. Kujawien Suchowolska, Gouv. Kociubince, Ostgalizien ;
Siedlce, Polen; Steinkistengrab (nach Zbior wiadom.
(nach Kohn-Mehlis i, 102). Krakau XIII, Taf. II, 7).
(nach Verh. d. Berl.
anthr. Ges. 1883, 434). Steinkammergrab
(n. Kohn-Mehlis 1,92\.
Abb. 29, Birnbaum, Gr. Koluda, Rzeszynek, Pad-
Posen (Kl. Krebbel:
niewo, Pakosch, Szczonowo) nach Kujawien, wo neben Faliszewo, Tymin
Wies Koscielna (Abb. 31) und Malishewo das schon genannte Grab |
70 Gustaf Kossinna. | [69
von Janischewek besonders schöne Stücke geliefert hat (Abb. 30).
Seltener sind sie weiter aufwärts der Weichsel in den (ouverne-
ments Warschau (Szeromin: Abb. 38), Kielce (Winiary: Abb. 47,
Zlota: Abb. 35, 36), Siedlce (Branica-Suchowolska: Abb. 32) und
Abb. 35, 36. Zlota, Gouv. Kielce, Polen (nach Materyaly antrop-archeol. Krakau. IX, Taf. 1X).
Lublin (Drzewce, Nalenczow: Abb. 8), sowie in Galizien am Bug
(Sobiecin), werden aber in den ostgalizischen Steinkisten der Land-
schaft Pokutien wiederum recht zahlreih (Abb. 33), um dann in Wol- ©
hynien (Leposowka, Zalu%a), Podolien (Nowa Sieniawa: Abb. 50) und
in der Ukraine (Losiatyn: hier mit weisser Einlage verziert (Abb. 34),
und Kiew) sich mehr und mehr zu verlieren. Eigen ist diesen östlichen
Kugelamphoren eine weit öftere Bewahrung eines kleinen flachen
Standbodens und ein öfteres Auftreten der Vierzahl der Ösen, als
beides westlich der Oder der Fall ist (hier z. B. in Gingst auf Rügen;
Lebehn, Kr. Randow, Vorpommern; Ketzin a. d. Havel, Elbekosteletz
in Böhmen), sowie Vorliebe für das auch an den Trichterbechern ständige
und bei den östlihen Kugelamphoren schon von Hinterpommern an
auftretende Halsornament der einfachen oder mehrfachen Strichzonen,
die durch eine Zickzacklinie entweder auseinandergehalten oder unten
abgeschlossen werden können. Der Auffassung GÖTZES, dass diese
Halsstrihzonen der Kugelamphoren durch Übertragung des Schulter-
fransenornaments auf den Hals entstanden seien, kann ich somit nicht
beistimmen.
Eine zweite Art Gefässe zeigt uns ein Megalithgrab des Gouver-
nements Warschau, das bereits genannte von Szeromin (Abb. 38): den
Becher. Er hat Stichverzierungslinien am Halse und zwei oder vier
Osen am Halsansatz ganz wie der Trichterrandbecher, nur ist der hier
schräge, weit ausladende gerade Hals bei unserem Becher kürzer, steiler,
zudem oft geschweift geworden. Auch der scharfe Absatz zwischen
Bauch und Halsansatz weicht einem mehr geschweiften, S-förmig ge-
70) Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 7]
rundeten Profil. Und solche Becher erscheinen zahlreih schon an der
unteren Oder in Pommern, in der Uckermark (Abb. 39, 40) und Neu-
mark. Bald erhalten sie dort statt der Stichreihen am Halse ebensoviel
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Abb 37, 38. Szeromin, Bez. Pultusk, Gouv. Warschau:
Steinkiste: 2 vierdsige Becher, Kugelamphorenbruchstück, 2 Feuersteinbeile (eines gebändert)
(nach ‘Swiatowit’ 1906, Taf. VI).
Schnurlinien, oder auch es lebt an ihnen die Zickzacklinie des Trichter-
bechers fort als Halszickzackband.. Wenn wir noch die allmähliche
starke Verbreiterung der ganzen Gestalt des Becers, namentlich
des Unterteils, hinzunehmen, so haben
wir damit alle Elemente beisammen, die
für die hauptsächlichste Gefässgattung der
von mir als „Oderschnurkeramik“ be-
zeichneten Kultur massgebend sind. Ausser-
ordentlich beliebt ist bei diesen Bechern PRA
der Griffzapfen, einer oder zwei, statt Abb. 39, 40.
der Henkel oder Ösen, recht häufig finden Aakil Ky. Prenzlau Uckermark,
sich auch jene plastischen Henkelfortsätze, _Steinzeitur a Uckerm Tal 38).
kreisförmige oder winklige, dievielfach schon
in der Megalithkeramik und bei den Kugelamphoren erscheinen (Abb. 42),
speziell auch bei den Trichterrandbechern, so in Mecklenburg (Molzow:
Abb. 11), Provinz Sachsen (Halberstadt: Abb. 41, Bitterfeld), Schlesien
(Jordansmühl: Abb. 6), Polen (Nalenczow: Abb. 8). Und in derselben
Weise, wie bei der Oderschnurkeramik, geht auch bei der Schnurkeramik
des Elb-Saalegebietes der Schnurbecher aus dem Becher der nordischen
Megalithkeramik hervor, und zwar weniger aus der bekannten älteren Form,
als vielmehr aus der jüngeren hoch und schlank ausgezogenen, die in
ganz Nordwestdeutschland vorkommt, und im zweiten Teile meines Vor-
trages ausführlich behandelt worden ist (Mannus I, 232, Taf. XXII).
Damit haben wir schon den dritten Zug nordindogermanischer
Bevölkerung nach Polen und Südrussland berührt, der im wesentlichen
durch die Ausbreitung der ostdeutschen Schnurkeramik charakteri-
72 Gustaf Kossinna. [71
siert wird. Da die Besiedlung innerhalb dieser Kulturgruppe in den frag-
lichen Gebieten, besonders auch in Südrussland, nicht nur wesentlich
dichter, sondern auch noch weiter südöstlich vorgeschoben erscheint, als
Abb. 41. Abb. 42.
Halberstadt, Spiegelsberger Weg. Hundisburg, Kr Neuhaldensleben.
Mus. Halberstadt. Sammlung Neuhaldensleben.
das selbst beim zweiten Zuge der Fall ist, so haben wir es nicht nur mit
einem natürlichen Anwachsen, sondern wohl auch mit Nachschüben der
Bevölkerung aus Norddeutschland zu tun. Und zwar entwickelt sich
dieser dritte Zug anfangs ungefähr im Geleise des ersten Zuges, in West-
preussen, Nordposen, Schlesien, bis zu dessen Endpunkt an der oberen
Weichsel, folgt dann aber weiter dem östlicheren Teile des zweiten Zuges
bis an den Dniepr, den er sogar noch überschreitet. Die Oderschnur-
keramik ist ja nicht nur an der unteren Oder entwickelt, sondern mit
Überspringung des leeren Mittellaufs des Flusses auch auf dem linken
Ufer der oberen Oder in Nieder- und Mittelschlesien, besonders dicht
in der weiteren Umgebung von Breslau. Vom Odergebiet gehört nur
das Tal der Lausitzer Neisse nicht zur Kultur der Oderschnurkeramik
sondern zur Elbschnurkeramik, wie das Skelettgrab von Strega, Kr.
Guben, zeigt. Die schlesishe Schnurkeramik hat von der unteren
Oder her den Schnurbecher meist in der Form des Zapfenbechers, so-
wie den Henkeltopf übernommen, dagegen in Gemeinschaft mit dem
benachbarten Böhmen, die, mit einer Ausnahme aus der Provinz (Znin:
Abb. 43), in Norddeutschland fehlende Form des hohen, schlauch-
förmigen Kruges aufzuweisen (Abb. 44). Ausserdem hat aber Schlesien,
nicht von der unteren Oder her, sondern von Jütland über Westpreussen
und Posen (Abb. 45) den sogenannten Blumentopfbecher erhalten, wohl
als einen späteren Äbleger aus der Megalithkeramik, die ihn ja besitzt und
72) Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 73
auch dem Latdorf-Bernburger Typus überwiesen hat (Abb. 46). Schnur-
becher, Blumentopfbecer und Henkeltopf wandern nun von Schlesien weiter
nach Galizien, nicht aber der böhmisch-schlesische Krug: ein Zeichen, dass
die jetzt in Schlesien heimisch gewordenen nordischen Bevölkerungs-
Abb. 43. "V/s. Abb. 44. ‘Js. Gnichwitz, Kr. Breslau
Znin, Westabhang, Prov. Posen. (nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, Taf. VI, 12).
massen an der Weiterwanderung nach Osten sich nicht beteiligt haben,
sondern dass diese von weiteren nordischen Nadhschiiben vollzogen
worden ist. An der oberen Weichsel trifft der schnurkeramische Zug
auf den zweiten, den Weichselzug, und übernimmt nun Einwirkungen
Syn masse à
= Sara
«Seeencanc STELLT
Abb. 45. "Ie. Abb. 46. ‘Is.
Kaiserswalde, Kr. Wirsitz, Puschwitz, Kr. Neumarkt, Schlesien,
Prov. Posen. aus Skelettgrab (nach Nachr. ü. d. Altert. 1899, 82).
von diesem, vor allem eine jüngere Art der Kugelamphore, die
‘Schnurkugelamphore’, und zwar in so geringer Abwandlung der Form,
dass man oft nur durch die Begleitfunde über den Gesamtcharakter
der Kultur aufgeklärt wird. Denn die Anwendung des Schnurmusters
allein entscheidet hier noch keineswegs, wie ja auch die westlichen,
typisch „reinen“ Kugelamphoren nebst ihren Begleitgefässen in Nord-
und Mitteldeutschland öfters schon als Ersatz für die mühsame
und zeitraubende Herstellung der Furchen in Sticharbeit die einfache
und leicht zu bewirkende Anwendung des Schnurmusters aufweisen.
Höchst merkwürdig ist nun eine Umkehrung dieses Verhältnisses, die
74 Gustaf Kossinna. [73
dadurch sehr häufig eintritt, dass man die Eigenart des Schnurmusters
wiederum durch Stichtechnik darzustellen versucht hat: die allermüh-
samste Arbeit. Nur für diese Fälle dürfte der heute oft missbrauchlich
angewandte Terminus „falsches“ oder „imitiertes“ Schnurmuster, den
manche Forscher trotz seines ehrwürdigen Alters schon ganz haben aus-
merzen wollen, auch künftighin mit Recht anzuwenden sein. Auch in
Sachsen-Thüringen ist ja eine bestimmte Abart der Schnuramphoren
sicher aus den Kugelamphoren hervorgegangen, zum mindesten in der
Form stärkstens durch sie beeinflusst worden. Solch eine Schnurkugel-
amphore findet sich schon in Westpreussen aus einem Steinkistengrabe
Abb. 47, 48. ‘Ja. Schnurkugelamphoren.
47. Nawa, Kr. Thorn, Westpreussen. 48. Winiary, Bez. Sandomir, Polen.
Archäologisches Museum der Universität Krakau.
zu Nawra, Kr. Thorn (Abb. 47), ebenso an der oberen Weichsel zu Wengrcze
bei Krakau zusammen mit einem zylindrischen Becher in einem Monolith-
grabe, weiter zu Winiary, Bez. Sandomir (Abb. 48)'), und nahebei in dem
interessanten Skelettgräberfelde mit Steinkisten von Zlota, desselben
Bezirks, hier mehrmals gesellt mit einer jüngeren schnurverzierten Form
des Mondhenkelkruges (Abb. 49, 50), einem Nachkommen dieses Typus
vom ersten Besiedelungszuge. Im Ornamentmuster degeneriert, dazu ösen-
los, wie übrigens zuweilen auch im Westen — man vergleiche Lebehn (Vor-
pommern) und Dedelow Grab V (Kr. Prenzlau, Uckermark) und das
einhenklige Stück aus Hindenburg in der Altmark — erscheint dagegen
eine solche Schnuramphore von Sieniawa am San in Galizien, sowie
1) Für die Erlaubnis, Photographien der beiden Gefässe von Nawra und
Winiary veröffentlihen zu dürfen, bin ich Herrn Universitätsprofessor Dr.
BIENKOWSKI in Krakau zu Dank verpflichtet.
BE Bu |
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74] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 75
eine andersartige aus dem 6. Hügel des Gräberfeldes von Jackowica,
Bez. Lipowec im Gouvernement Kiew. Die in der Form noch „reine“
Kugelamphore mit Strichzonen und eingestochenem Zickzackhalsband
aus Nowa Sieniawa in Podolien fand sich bezeichnenderweise in Ge-
sellschaft eines schnurverzierten Blumentopfbechers (Abb. 51).
Abb. 49, 50. Abb. 51. Nowa
Ziota, Gouv. Kielce, Polen Sicniawa, Podolien.
(nach Materyaly IX, Taf. VIII). (Zbior wiad. XIII, a2 ff.).
Sehr auffallend ist das Auftreten einer anscheinend echt thüringi-
schen Schnuramphore mit zwei symmetrisch verteilten Henkeln an der
Mitte des Kugelbauches in einem Hocker-
kurgan zu Siwki, Bez. Ostrog in Wolhynien 7
(Abb. 52,2) und kaum anders erklärbar, \ 3 ssai
als durch eine wenn auch geringfügige | ./ 742
Beteiligung der thüringisch-sächsischen Be-
völkerung, etwa von der Oberlausitz her
(Bautzen), an diesem Auswanderungszuge.
Es sei hier auch wieder auf das einmalige
Auftreten dieser Amphorenform in der
Ansiedlung der: Wertebahöhle bei Bilcze
in Ostgalizien mit bemalter Keramik hin-
gewiesen (Mannus I, 228).
Zur Charakterisierung der polnisch-
russischen Schnurkeramik seien noch
einige Momente hervorgehoben. Erstens
tritt sie in Polen wohl noch hie und da Abb. 52. 1-3.
A a i ö oe Siwki, Kr. Ostrog, Wolhynien.
in Steinkisten auf, wie zu Rosiejew, | 2 _ Hügel I; a a ir
Bez. Pinczow, und in Zlota, Bez. Sandomir, (Zbior wiad III. Taf. 1V).
beide im Gouvernement Kielce, doch nie in
Galizien: ein Verhältnis, das die früheren Verschiedenheiten des Oder-
und des Weichselzuges, d. h. des ersten und des zweiten Zuges fort-
setzt. Nicht selten begegnet auf dem ganzen dritten Zuge das zuerst
von H. SCHUMANN als Typus erkannte Einzelsteingrab, GÖTZES
76 Gustaf Kossinna. [75
'Monolithgrab‘, ein Erdgrab, das von einem einzigen grossen Steinblock
überdeckt ist. Zweitens ist nicht ohne Wichtigkeit das Vorkommen von
meist je zwei knöchernen Gürtelplatten entweder geschweift
trapezförmiger oder halbovaler Gestalt mit eingegrabener Verzierung:
solhe findet man in den Steinkistengräbern Polens und Ostgaliziens
vom zweiten Zuge, also im Verein mit Kugelamphoren (Nowy Dwor,
Uwisla: Abb. 53, Czarnokonce); aber auch in dem schnurkeramischen
Gräberfeld von Zlota, Bez. Sandomir, das wir als Zeugnis für Kultur-
übergänge schon oben (S. 74) gekennzeichnet haben. Merkwürdig ist
das Vorkommen ähnlicher Gürtelplatten in der bemalten Keramik Ost-
galiziens, aber auch in Siebenbürgen (Mannus I, 228). Ähnliche Agraffen
fanden sich aber auch bei dem untersten Hocker des berühmten Grab-
hügels zu Wiskiauten, Kr. Fischhausen in Ostpreussen (Abb. 54), und
mit letztern genau übereinstimmende wiederum bei einem schnurkera-
mischen Hocker zu Lobositz a. d. Elbe in Böhmen (Abb. 55).
Abb. 53. Uwisla, Ostgalizien. Abb. 54. ù Abb. 55.
Verzierte Knochenplatten u. 1 Silex- Wiskiauten, Kr. Fischhausen, Lobositz a. E., Böhmen
messer aus Steinkistengrab (nach Ostpreussen (nach Heydeck: (nach Mitt. d. Wiener anthrop.
Zbior wiadom. Krakau XV, Taf. I). Prussia-Berichte, H. 18, S. 48). Ges. 1895, 45, Abb. 67).
Alle drei Züge werden verbunden durch gleichmässiges Auftreten
des Bernsteins. Vom ersten Zuge wissen wir es schon. Der zweite
Zug beginnt mit mehrfachen Bernsteinbeigaben in Hinterpommern: Insel
Gristow, Kr. Kammin, Podejuch bei Damm, Gross-Rambin, Kr. Belgard,
Büddow, Kr. Dramburg; führt sie ebenso in Westpreussen: Gr. Leistenau,
Kr. Graudenz; Trzebcz, Kr. Kulm; Guttowo, Kr. Strassburg und in Posen:
Gr. Morin, Kr. Hohensalza; Rzeczynek, Kr. Strelno; aber auch in Polen:
Janischewek, Andzin (?), Nowy Dwor, Redzinskie bei Kochany, südöstlich
von Warschau; endlich in Ostgalizien: Kociubince. Der schnurkeramische
Zug weist folgende Bernsteingrabfunde auf: Buchholz, Kr. Greifenhagen
Ni nit 70 Ah \/
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76] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 77
und Gramenz, Kr. Neustettin in Pommern; Zechow, Kr. Landsberg in der
Neumark; Iwno, Kr. Schubin in Posen; Kl. Babenz, Kr. Rosenberg in
Westpreussen; Wuttrienen, Kr. Allenstein in Ostpreussen; Breslau;
Wengrzce bei Krakau, Zlota, Bez. Sandomir und Chorostkow in Ost-
Abb. 56-58. Zlota, Gouv. Kielce, Polen.
Tongefässe mit Verzierung in Schnurwellenlinien (nach Materyaly IX, Taf. III, 1; X, 1, 2).
galizien. Aus West- und Südrussland dagegen habe ich keine steinzeit-
lichen Bernsteinfunde feststellen können.
Als Merkwürdigkeit der schnurkeramischen Gräber aus dem Ge-
biet der Bezirke Stopnica, Sandomir und ihrer Nachbarschaft im Gou-
vernement Kielce sei die überaus beliebte, wenn auch nicht allein
herrschende Gestaltung der Schnurabdrüke auf den (efässen in
Form von Wellenlinien hervorgehoben. Natürlich kann man hierin
kein Vorahnen des mittelalterlichen wendischen Wellenornaments an-
nehmen, wie polnische Forscher sich gerne einreden möchten; viel-
mehr liegt hier nur eine einseitige Bevorzugung eines der wie die
übrigen Muster aus der norddeutschen Megalithkeramik stammenden
und z. B. in Oldenburg, im Hannöverschen und in Holstein (Abb. 59) er-
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Abb. 59. "Ile. Abb. 60. ‘V/s.
Bordesholm, Holstein. Pfahlbau Robenhausen, Schweiz
(Mestorf, Vorg. Alt. 136.) (nach Forrer, Urgesch. d. Europ., Taf. 73, 15).
scheinenden Ziermotive vor. Dieses Muster ist von hier aus mit den
oft erwähnten schlanken, zur Schnurkeramik überleitenden Bechern über
Süddeutschland bis in die Schweiz (Abb. 60) gewandert. Und in Nord-
ostdeutschland hat es der dritte Zug ebenso nach Westpreussen, wo es in
18 Gustaf Kossinna. [77
Tolkemit, Kr. Elbing, und Rutzau, Kr. Putzig, ganz üblich ist, auch in
Golotty, Kr. Kulm, erscheint, wie nach Westgalizien und Südwestpolen
gebracht, während es dem zweiten Zuge, der Kultur der Kugelamphoren,
die gradliniges, aber auch kreisförmiges Schnurmuster kennt (Blecken-
dorf, Kr. Wanzleben, Pr. Sachsen ; Köben, Kr. Steinau, Schlesien [Abb. 28]),
fremd war und daher in Nord- und Mittelpolen ausbleiben musste. An und
für sich ist der Übergang von Zickzacklinien in Wellenlinien überhaupt
nichts Merkwürdiges, sondern eine in manchen Kulturen auftretende
Erscheinung. |
Noch eigenartigeres bieten die Hügelgräberfelder dieser Kultur in der
Ukraine, namentlich das umfangreiche von Jackowica, Kr. Lipowec, sowie
auch noch im Gouvernement Poltawa östlih des Dniepr. Hier treffen
wir die Schnurbecher noch mit stark verjüngtem, oft fast spitzem Unter-
teil an, das, wie auch die Halsverzierung, noch lebhaft an ihren Ursprung
aus den Trichterhalsbechern gemahnt (Abb. 61, 66). Auffallend sind weiter
Abb. 61-63. Jackowica, Gouv. Kiew; Hügelgräber.
61: Hügel 48; 62: Hügel 61; 63: Hügel 56.
(Swiatowit VI, Taf. I, 1; Taf. V; Taf. Il, 4.)
dreierlei Schmuckformen: wie so häufig bei der thüringischen und böhmi-
schen schnurkeramischen Kultur, aber auch bei der Schnurkeramik der
unteren Oder, z. B. in einem Frauengrab mit rotgefärbten Skelettknochen
zu Charlottenhoh, Kr. Prenzlau, erscheinen auch hier zu langen Bändern auf-
gereihte, durhbohrte Hunde- und Wolfzähne, die als Hals- und Gürtel-
gehänge getragen wurden, so im Bezirk Lipowec zu Nowosiolka, Hügel
22 und 24, und Jackowica, Hügel 30 (Abb. 64), ebenso zu Kobrynowa bei
Swenigrodki an zwei rotgefärbten weiblichen Skeletten (Abb. 65). Diese
beiden Skelette wiesen zugleich den zweiten auffälligen Schmuck dieser
Gegend auf, nämlih Knochennadeln mit einem Doppelhammerkopf,
der einer Amazonenaxt ähnlih sieht und, wie MAJEWSKI] meint,
dieser geheiligten Form vielleicht nachgebildet ist. Die Nadeln waren
78] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 79
durh eine Kette knöcherner Ringperlhen mit der Hüfte der be-
treffenden Frau verbunden gewesen (Abb. 65). Solche Doppelhammer-
nadeln fanden sich noch zu Nowosiolka, Hügel 26 (Abb. 66), und in der
Aber
Abb. 64. Abb. 65. Kobrynowa, Gouv Kiew, Hügel I: 2 rotgefärbte
Jackowica: Hügel 30. weibl. Skelette mit je 1 knöchernen Doppelhammerkopfnadel
(Swiatowit VI, 22, Fig. 27.) und Knochenperlenkette. — Ryzanowka, Gouv. Kiew: strich-
verzierter kl. Tonbecher nebst a eee aus Hügel V
(nach Zbior wiadom. Krakau, BD. XII, Taf. X; VIII, 4, 6).
Nähe von Jackowica zu Iwachny, Hügel 72, beide Male im Verein mit
Metallobjekten, die als Bronze bezeichnet werden. Die dritte Art Schmuck
sind Hängespiralen, wie sie aus Kupfer zweimal im 60. Hügel von
Jackowica (Abb. 66) und angeblich aus Bronze zu Ryzanowka bei Swenig-
Abb. 66. a) Jackowica : spitzer Becher und Feuersteinbeil: Hügel 41; durchbohrtes Steinplättchen:
Hügel 45: Kupferhängespiralen: Hügel 60; 4 Becherchen: Hügel 60, 49, 43, 65.
b) Nowosiolka: Knochennadel mit Doppelhammerkopf. (Swiatowit VI, Taf. III, IV.)
rodki in Hügel V angetroffen worden sind (Abb. 65). Die Hänge-
spiralen Südrusslands bilden eine Art freilich nur landschaftlicher, nicht
auch zeitliher Brücke zwischen den Hängespiralen von Siebenbürgen
80 Gustaf Kossinna. (79
und den weit jiingeren des Kaukasus und sind beim Suchen nach einer
Verbindung der beiden Gebiete von der bisherigen Spezialforschung
übersehen worden. Auffällig häufig treten in dieser Kultur trefflich
geschliffene schöne grosse Schaftlochhämmer (Abb. 67) von der Art auf,
men Ler
Abb. 67. Jackowica: Hiigel 29. (Swiatowit VI, 10, Fig. 9.)
wie sie in Mitteleuropa häufig sind, sowie namentlich die charakteristischen
feinpolierten diknackigen Silexbeile (Abb. 66) von rein nordischem
Gepräge, die der Bandkeramik gänzlich abgehen, wie denn überhaupt ge-
schliffene Silexgeräte auch bei der südrussischen bemalten Spiralkeramik
zu grossen Seltenheiten gehören. Dass auch andere nordische Silexgeräte
— ich nenne nur die eigenartigen gekrümmten Sägen oder halbmond-
förmigen Sichelmesser — sich häufig in Polen, West- und Südrussland
im Geleise der drei beschriebenen nordischen Auswandererzüge finden,
darüber habe ich schon früher Andeutungen gemacht (Mannus I, S. 228 ff.).
Wir befinden uns bei der südrussischen Schnurkeramik in der Zeit
und dem Gebiete der rotgefärbten Skelette;' in Kobrynowa sind
nicht nur die beiden genannten weiblichen, sondern alle fünfzehn Skelette
rot gefärbt, in Nowosiolka die Skelette aus Hügel 10 und 24, in Jackowica
aus Hügel 36, 41, 52 und sonst. Aus Losiatyn liegt der Inhalt eines
Grabes mit rotgefärbten Menschenknochen in der Sammlung der Krakauer
Akademie und im Czartoryski-Museum zu Lemberg ein rotgefärbter
Schädel, der im podolischen Bezirk Jampol 1896 gefunden worden ist.
Auch hierzu finden wir eine Parallele bei der Oderschnurkeramik
und zwar in einem Familiengrabe von Charlottenhöh, Kr. Prenzlau,
wo innerhalb einer starken Steinsetzung drei Hockerskelette sich vor-
fanden, Mann, Frau und Kind; das Skelett der Frau war, wie schon
oben bemerkt worden ist, gänzlich rot gefärbt, offenbar durch Überguss
einer Rötelbrühe oder Überstreuung trockenen Eisenockers, wie die
russischen Gelehrten jetzt festgestellt haben, auf die noch unverweste
Leiche, was vielleiht eine Art Konservierung sein sollte. Nach der
Häufigkeit der südrussischen Übung eines solchen Gebrauchs wird man
allerdings anzunehmen haben, dass bei dem Charlottenhöher Falle eine
Rücwirkung der Kolonialkultur Südrusslands auf die Heimatkultur
an der unteren Oder vorliege. Abgesehen von paläolithischen Paral-
80] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw, J
lelen, wie sie bei Brünn und Mentone und frühestneolithischen, wie
sie in Maz d’Azil und in der Ofnethdhle bei Nördlingen vorliegen,
aber zeitlih eben nicht hierher gehören, ist sonst nur noch ein gleich-
zeitiger Fall aus der sogenannten aeneolithishen Epoche Italiens be-
kannt, wo aus Remedello dieselbe Art rotgefärbter Skelette mit Stein-
und Kupferbeigaben durh COLINI beschrieben worden ist.
Hier ist der Ort, wo noch eine, die einzige mir bekannte Exklave
dieser Kultur im Küstengebiet des Schwarzen Meeres anzuschliessen ist,
die Kurgane von Bjeloserskaja, an der Strasse von Nikolajew nach
Cherson, 10 km von diesem Orte entfernt. Auch hier treffen wir die
rotgefärbten Skelette, echte Hocker in flache Mulden gebettet, mit aus-
gesprochenen Langschädeln, denen gesdhliffene Steingeräte, Knochen-
geräte und Tongefässe beigegeben sind. (Schluss folgt.)
Anhang: Fundstatistik.
-— 0
Mit dem Erweise der drei nordischen Züge nach Südosteuropa
habe ich eine ausführlichere Darstellung dessen gegeben, was ich in skizzen-
hafter Kürze und nur durch Stichproben belegt, dem mir damals zur
Verfügung stehenden Raume entsprechend, bereits 1902 mitteilen konnte.
Dieser Erweis ist dann bekanntlih von Otto SCHRADER in ebenso
kenntnis- wie gewissenloser Weise entstellt und so seinen Lesern ver-
mittelt worden. SCHRADER ist hier bei der Gehässigkeit von Moriz
HORNES in die Schule gegangen, der es ja in seiner dem ‘Globus’ auf-
gedrangten Anzeige meiner Indogermanen-Frage fertig gebracht hat, seine
Leser zu täuschen, dass er ihnen vorredet, mit einer Nadel führte ich
die Indogermanen von Mitteleuropa nach Italien. Ähnlich sagte dann
der als gewandter, aber unkritischer Kompilator HORNES auch sonst
geistesverwandte SCHRADER, mit einer Kugelamphore führte ich die
Indogermanen bis an den Dnjepr. Um den furchtbaren Unsinn — milde
beurteilt — einer solchen Auffassung gründlich an den Pranger zu stellen,
habe ih mich nah dem Wunsch meiner Freunde und der Zuhörer meines
Vortrages von 1908 entschlossen, den gesamten Fundstoff, natürlich in denk-
bar gedrängtester Fassung, hier als Erläuterung der beigefügten Karte anzu-
schliessen. Es werden dabei an 370 Fundplätze (nicht etwa Gräber, ge-
schweige denn Gefasse) herangezogen, worunter sich solche, wie z.B. Jacko-
wica, mit über 40 Gräbern befinden! Aber da im Dnjeprgebiet nach wie vor
die Ausdehnung dieser Steinzeitsiedlungen ihr Ende hat, somag SCHRADER
Mannus. Bd. Il. 6
82 Gustaf Kossinna. [81
ruhig weiter bei seiner Meinung bleiben, dass ih mit einem Gefasse
die Indogermanen dorthin führe, denn schliesslich muss eben eines immer
das letzte sein. SCHRADER, unbeholfen, ja hilflos in der Beurteilung
solcher Fragen der Völkerausbreitung, die doch zu seinem eigentlichen
Handwerk gehören sollten, kann sich freilih eine Ausbreitung nicht
anders vorstellen, als dass sie stets eine bandwurmartig zusammen-
hängende Kette von Besiedlungen schaffen müsste. Und so ver-
langt er törichterweise, dass ich die indogermanische Kultur Südruss-
lands ununterbrochen weiter bis nach Indien nachweise, wobei es ihm
gleichgiltig ist, ob diese Gebiete archäologisch schon erforscht worden
sind oder nicht. Er hat offenbar noch nie von Zügen über weite Flächen
hinweg unmittelbar nach fernen Ländern gehört, deren archäologischer
Niederschlag natürlich sich ganz anders darstellen muss, als seine Weis-
heit es sich träumen lässt. Doch seit der neuesten Auflage von „Sprach-
vergleichung und Urgeschichte“ scheidet dieser Gelehrte für mich über-
haupt aus der Reihe derer aus, die in der Frage der Urheimat und der
Ausbreitung der Indogermanen eine beachtenswerte Stimme in die Wag-
schale zu legen haben.
Im einzelnen sei bemerkt, dass die Zuteilung der verzierten Scher-
ben, wenn die Form der Gefässe nicht erkennbar ist, in manchen Qe-
bieten ihre Schwierigkeit hat. So kann man in Westpreussen und Nord-
posen zuweilen schwankend sein, ob solche Scherben zu Trichterrand-
bechern des ersten Zuges oder zu Kugelamphoren des zweiten Zuges
gehören. Ebenso ist dies an der oberen Weichsel bis zur Einmündung
des San herab der Fall, wo das Hinzutreten der Schnurverzierung und
der Keramik vom Stile Zlota die Sachlage noch verwickelter gestaltet.
Bei den wie es scheint ganz gleichzeitig sich vollziehenden ersten beiden
Zügen ist in zweifelhaften Fällen die Grabform für mich entscheidend,
indem Steingräber stets zum zweiten Zuge, steinlose oder mit geringem
Steinschutz versehene Gräber aber zum ersten gestellt worden sind.
Nordische Gefässformen, die nicht der Kulturgruppe der Kugelamphoren,
einschliesslih der zugehörigen Begleitgefässe, zufallen, habe ich in den
ersten Zug aufgenommen; ebenso offenkundig spätneolithishe Flach-
gräber ohne Steinschutz, auch wenn sie nicht ausgesprochen zur Kultur
der Schnurkeramik gehören, in den dritten Zug eingereiht. So ist nur
sehr weniges von wichtigeren Funden wegen unklarer Kulturbeziehungen
unberücksichtigt geblieben, so z. B. die merkwürdigen Skelettgräber von
Smolong, Kr. Stargard i. Wpr., bei denen sich Halsgehänge fanden
aus Zähnen vom Ur, Wisent, Edelhirsch und Wildpferdfohlen (XV. amtl.
Bericht des Westpreuss. Prov.-Mus. f. 1894, S. 24 f.).
Die Aufzählung bringt die einschlägigen Erscheinungen vom Oder-
gebiet an ostwärts, in Hinterpommern, in der Neumark, in West- und
82] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 83
Ostpreussen auch für die Teile, die über die Grenzen des Kartenbildes
hinaus liegen: überall nur die ganz sicheren und klaren Funde. Für
den Kundigen brauche ich nicht erst hervorzuheben, dass die Feststellung
der Fundorte schon für Galizien und mehr noch für Polen eine müh-
selige und überaus zeitraubende Arbeit war, dass aber für Russland
auch die Heranziehung der grössten erreichbaren Spezialkarten russischer
Arbeit trotz aller darangesetzten Augeniiberanstrengung schliesslich ver-
geblich war.
Die Numerierung der Fundorte erstreckt sich nur auf die in der
Karte vertretenen Plätze, die dort dieselben Nummern führen.
I. Zug.
Brandenburg.
Frankfurt a. O. (?): Senkrecht gefurchter Bauch eines nordwestdeutschen
Megalithbechers und vierfiissige kl. Schale mit Tiefstichverzierung. — Samm-
lung des Universitätsprofessors Joh. Chrph. BEKMANN in Frankfurt a. O.
(+ 1717). — Städt. Mus. Braunschweig.
N
Hinterpommern.
Kr. Kammin:
Insel Gristow: Skelettgrab, Boden eines Tongefässes (hierher?), zwei Stein-
äxte, zwei Steinmesser, Bernstein. — WALTER, Lemckefestschrift S. 10,
Nr. 36. — Mus. Stettin 156.
Kr. Greifenhagen:
Sinzlow: Ansiedlung; Scherben mit Strichzonen und Tannenzweigornament.
— WALTER, Prähistor. Funde Stettin 1889, Nr. 168. — Mus. Stettin.
Kr. Saatzig:
Nörenberg: Grab, Scherben mit Tannenzweigornament. — WALTER, ebd.
Nr. 59.
| Westpreussen.
Kr. Dirschau:
1. Burgwall Shliewen: ein Scherben. — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig
für 1907, S. 20, Fig. 9 (CONWENTZ).
Kr. Stuhm:
2. Weissenberg: Ansiedlung, Scherben. — Mittlg. d. Coppern. Vereins f.
Wiss. u. K. zu Thorn Heft 15, März 1907, Nr. 1, S. 8 f. (DORR). — Mus.
Elbing.
Kr. Marienwerder:
3. Warmhof bei Mewe: Trichterrandbecher (s. oben S. 64, Abb. 12, die ich
E. BLUME verdanke). — Sammlg. FIBELKORN in Warmhof.
Kr. Kulm:
4. Lorenzberg bei Kaldus: Trichterrandbecher, ganz und in Scherben (s. oben
S. 65, Abb. 18). — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig f. 1905, S. 16
(CONWENTZ).
5. Golotty: Scherben mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Roczniki tow.
nauk. Toruniu 15, 1908, S. 169 ff., Abb. 5—13 (CHMIELECKI).
6*
84 Gustaf Kossinna. [83
Kr. Thorn:
Wibsch: = Golotty (ebd. Abb. 1,2).
6. Kulmsee: = Golotty (ebd. Abb. 3.4).
Ostpreussen.
Kr. Allenstein:
7. Wuttrienen: Flachgrab, 2 Feuersteinbeile, Bernsteinperle, Scherben
mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Sitz.-Ber. d. Phys.-ök. Ges. Königsberg
1877, 265 (TISCHLER); Phot. Album der Berl. Ausstellung 1880, Sect. l,
Taf V.; KLEBS, Bernsteinshmuck 43, Taf. XI, 6. — Prov.-Mus. Königsberg.
| Posen.
Kr. Schwerin:
Kl. Krebbel: Ansiedlung, Trichterrandbecher, Doppelhenkelkrug der Kultur
der Kugelamphoren, Hirschgeweihhacke. — Nachr. a. d. Alt. 1892, 66 (WEIGEL).
— Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Kolmar.
8. Helldorf (früher Heliodorowo): Kragenflasche (s. oben S. 62, Anm., Abb. 4).
Kr. Schubin:
9. Dobieszewko: Schale mit 2 benachbarten Osen, auf der Gegenseite ein
senkrechtes Band, Tannenzweigmuster (s. oben S. 65, Abb. 19). — K. Frdr.-
Mus. Posen.
10. Slupy: eine gleihe Schale. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Hohensalza:
Jesuiterbruch: Verzierte Randscherben von Trichterrandbechern. —
Mannus I, 138 (BLUME). — K. Frdr.-Mus. Posen.
11. Kolonie Tannhofen (früher Tarkowo): Wohnstätte, Trichterrandbecher nebst
Randscherben (s. oben S. 64, Abb. 15). — Jahrb. d. Histor. Ges. f. d. Netze-
distrikt, Bromberg 1891, Tafel, Abb. 2. Mittlg. d. Coppern. Ver. f. Wiss. u. K.
zu Thorn, Heft 16, Dez. 1908, Nr. 4, 5.62 ff. (SEMRAU). — Mus. Bromberg.
Kr. Strelno:
12. Königsbrunn, Burgwall: Randscherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges.
1897, 172 (LEHMANN-NITSCHE).
Montwy: Scherben. — Mus. Bromberg.
Kr. Wongrowitz :
13. Czeschewo: Gefäss, Strichzonen und Zickzacklinie. — K. Frdr.-Mus. Posen.
Kr. Obornik:
14. Objezierze: Schale mit Fingernageleindrüken und vier Buckeln auf der
Schulter. — BLUME, Ausstlg. Posen 1909, Nachtrag S. 98, Nr. 1517 mit Abb.
Kr. Kosten:
15. Granowko: Randscherben mit Strihzonen. — K. Friedr.-Mus. Posen 1901,
128 (Sig. KOEHLER).
16. Godsiszewo-Kokorzyn: Vorratsgefäss mit 5 Schnurösen unter dem kurzen
Hals, 53 cm hoch. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1107.
Kr. Pleschen:
17.Lutynia: Kragenflashe. - Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131 (SEGER). —
Poln. Mus. Posen.
84] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 85
Schlesien.
Kr. Glogau:
18. Nosswitz: Wohnstätten (s. oben.S. 62). — Mus. Breslau.
Kr. Neumarkt:
19.Landau: Ansiedlung, 4 Gefässe im Charakter der Megalith-Keramik; Nr. 1
in der Form = BELTZ, Vorgesch. Altert. Meclenbg. 1910, Taf. 16, 146. —
Beiträge z. Urgesch. Schlesiens 1906. III, 44 f. (RICHTER). — Mus. Breslau.
Kr. Breslau:
20.Gräbschen: Scherben von Tei ietennabechern: — Mus. Breslau.
21.Hartlieb: Ansiedlung, 2 Trichterrandbecher. — Mus. Breslau.
Kr. Nimptsc: |
22.Jordansmühl: (s. oben S. 62 ff. und Abb. 6, 7); dazu Grab 33, auch von
nordischem Charakter. — Archiv f. Anthr. N. F. V, S. 129 ff. Taf. VI. VIII (SEGER).
23. Trebnig: 1 Trichterrandbecher und andere Gefässe von nordischem Charakter.
— Scles. Vorzeit VI, 65 f. 1894 (SEGER). —- : Mus. Breslau.
Kr. Ohlau:
24.2: Kragenflasche (s. oben S. 62 f., Abb. 5). — Röm. German. Zentralmus.
Mainz.
Kr. Leobschiitz:
25. Badewitz: Kragenflasche. — Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131, Fig. 27 (SEGER).
Mus. Breslau.
Kr. Troppau:
26.Katharein: Ansiedlung, Kragenflasche. — Mittlg. d. prähist. Konmission:
Wien I, 408, Fig. 2 (HÖRNES).
West-Galizien.
Bez. Chrzanow:
27.Lipowiec: Scherben mit Stichzhnen und Meisselstichreihen, — Akad. Krakau.
Bez. Krakau:
28. Zastow (nordöstlich von Krakau): Ansiedlung oder Grab, Kragenflaschchen,
Mondhenkelkrug, Streithammer aus Serpentin vom ostdeutsch-schwedischen
Typus (s. oben S. 63, Abb. 10). — Wiadom. numizmat. arch. IV, 313. Krakau
1901 (DEMETRYKIEWICZ). — Univers. Krakau.
30.Karniow, östl. von Krakau: Mondhenkelkrug, gef. 1858. — Wiad. num.
arch., a. a. O. — Akad. Krakau.
Polen.
Gouv. Kielce:
Bez. Olkusz:
29. Jerzmanowic bei Oicow, Kr. Cianowice: Trichterrandbecher-Keramik. —
F. ROMER: die Knochenhéhlen von Oicow in Polen. Cassel 1883. Taf. VI. 4.
(Palaeontographica XIX, 4).
Oicow, Kr. Cianowice: Randscherben mit Zickzacklinie und senkrechten
Leiterbandern. — Materyaly antrop.-archeol. i. etnogr. 1901. Il. 52 ff.
(SZARNOWSKI).
Bez. Miechow:
31. Tomas zow bei Proszowic, Kr. Wawrzynczyce: Trichterrandbecher-Keramik. -—
Wiad, num. arch., a. a. O. — Univers. Krakau. Nr. 8546, 8650.
86 Gustaf Kossinna. [85
32.Mieroszow: Trichterrandbeher. — Materyaly Ill, 55 (WAWRZENIECKI).
33.Radziemice, Kr. Lentkowice: Trichterrandbecher-Keramik. — SWIATOWIT
1900. II, 84 (MAJEWSKI).
34.Lelowice, Kr. Paleczince: (s. oben S. 65 ff. u. Abb. 9). — Wiad. num. arch.
a. a. O. — Akad. Krakau.
Bez. Stopnica:
35. Jastrzembiec, Kr. Stopnica: Randscherben mit Strichzonen. — SWIATOWIT
I. Taf. V oben (MAJEWKSI).
36. Gora, Kr. Lubnice: ein Randscherben. — SWIATOWIT 11, Taf. VII (MAJEWSKI).
37.Grabowa, Kr. Lubnice: Strihzonenscherben. -— SWIATOWIT Il, Taf. V
(MAJEWSKI).
Ossowka, Kr. Szydlow: Randscherben. — MAJEWSKI, Przedhistoryczne
narzendzia krzemienne, zebrane pod wsia Ossowka. Warszawa 1895, Taf.
XXI, 11, 12, 13.
Gouv. Radom:
Bez. Radom:
39. Zawady, Kr. Jedlinsk; Scherben von Trichterrandbechern. — Materyaly X, 50.
Taf. XIX (WAWRZENIECKI). — Akad. Krakau.
Gouv. Lublin: i
Bez. Nowo-Aleksandrija.
40.Nalenczow, Kr. Wamwolnica: (s. oben S. 63f., Abb. 8, vgl. unten Zug Il,
Nr. 85.) — SWIATOWIT 1905, VI, 84 ff. (WIERCIENSKI).
Gouv. Warschau:
Bez. Wloclawek:
41. Potok, Kr. Smilowice: gef. 1880, Randscherben mit Strichzonen u. a. —
Univers. Krakau.
Gouv. Plock:
Bez. Lipno.
42.Pokrzywnik, Kr. Skempe: Scherben wie Potok Nr. 35. — Univ. Krakau.
Ostgalizien.
Bzhmsch. Cieszanow:
Bez. Cieszanow:
Ruda Rozaniecka: 1 unverzierter Triciterrandbecher, Scherben eines zweiten
Gefässes, dicknackiges Feuersteinbeil. — Mitteilungen d. Wien. anthr. Ges. 1884,
Verh. 111 (WATTMANN, SZOMBATHY); M. MUCH, Kunsthistor. Atlas. Wien
1889. Taf. VII. — Privatbesitz.
II. Zug.
Brandenburg.
Kr. West-Sternberg:
Sonnenburg-Säpzig: Unterirdische Steinkiste, 3 Skelette, Feuersteinbeil,
Tonring. — Kat.d. prähist. Ausst. 1880, S. 84, 8; Phot. Album ders. Ausst. IV, 8.
Säpzig: Unterirdische Steinkammer, 5 Skelette, 5 Feuersteinbeile. — Kat. d.
prähist. Ausst. 1880, S. 105 ff. — Mus. Miincheberg i. d. Mark.
Kr. Züllichau: ;
(?): 3 Gefässe vom Bernburger Typus. — BRUNNER, Steinzeitlihe Keramik in
d. M. Brandenburg, Fig. 29, 64, 65. — Märk. Mus. Berlin.
86] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 87
Kr. Landsberg a. W.:
Lipke: Sehr grosses, stark gebauchtes Tongefäss mit schmalstem Boden, auf
den Schultern mit einem System von je 3 nasenartigen Wulsten besetzt. —
Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Königsberg i. N.:
Alt-Reetz: Scherben mit Ornament in der Art der Kugelamphoren. —
BRUNNER, a. a. O. Fig. 74. — Mark. Mus. Berlin.
Eichhorn bei Grüneberg: Oblonges Steinkammergrab (,„Steinkeller“), Südseite
offen. — BEKMANN, Hist. Beschreibung d. Chur- und Mark-Brandenburg,
Brl. 1750, I, 359 Taf. I, Abb. V.
Zellin a. Oder: Steinsetzung, darin Wetzstein, „Behaustein“ (= Steinbeil),
„durchbohrte Kugel“ (= Keulenkopf). — BEKMANN, a. a. ©. I, 411, Taf. XII,
Abb. 5/6.
Kr. Soldin: |
Rostin: 10—11 sog. Hünenbetten. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 303
(VOSS).
Kr. Friedeberg i. N.:
Alt-Friedrihsdorf: ein aus grossen Steinen gebautes Hünengrab. — Akten
d. Kgl. Mus. f. Völk. Berlin 878, 97.
Hinterpommern.
Kr. Kammin:
Klemmen: Hünenbett, Sherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 73 (VOSS).
Kr. Greifenhagen:
Marwitz: Steinkiste mit „Urnen“, 2 Steinbeile. — WALTER, Prähistor. Funde,
Nr. 186.
Neumark: 3 „Hünengräber“; in einem von ihnen eine Steinkiste mit Hocker.
— WALTER, a. a. O., Nr. 151.
Kr. Saatzig:
Alt-Damerow a. d. Ihna b. Stargard: Kujawische und länglich viereckige Gräber.
— WALTER, a. a. O., Nr. 74.
Borkenstein: Kujawisches Grab. — WALTER, a. a. O., Nr. 75.
Silber: Kujawisches Grab im Hügel. — Mündl. Mittlg. STUBENRAUCHs.
Stargard i. P.: 1. Megalithkammer in viereckiger Steinsetzung. — BEKMANN,
a. a. O., Taf. Ill, Nr. II.
2. 2 hochhalsige Amphoren vom ältesten Bernburger Typus, reichst verziert.
— WALTER, Lemcke -Festschrift S. 10, Abb. 40, 41. — Mus. f. Volk. Berlin.
Streckenthin: zerstörte Steinkammer unter grossem Hügel, Skelett, Gefässe
(verloren), Beil, Speerspitze und Messer aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. V.
1901, 18 f. Abb. 1—11] (STUBENRAUCH). -- Privatbesitz.
Succow: Kugelamphore, gefunden im Torfmoor (s. oben S. 68, Abb. 24). —
Balt. Studien Bd. 46, 1896, Taf. 1, 33 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke-
festschrift S. 3, Abb. 2. — Mus. Stettin.
Kr. Pyritz:
1. Kujawische Gräber:
Brietzig: 11, dabei 6 rundliche Steingräber. — WALTER, Prähistor.
Funde Nr. 141.
88 Gustaf Kossinna. [87
Dobberphul: 2. — WALTER Nr. 93.
Dölitz: 3, nebst 2 Steinkammergräbern. — WALTER Nr. 95; Balt. Stud.
1902, N. F. VI, 173 f. (WALTER).
lsinger: 2. — WALTER Nr. 164.
Kloxin: 5. — WALTER Nr. 136.
Klützow: „Hünengrab“, Feuersteinbeil. — Balt. Stud. 1904. N. F. VIII,
108 (STUBENRAUCH). -— Mus. Stettin.
Kossin: 5. - WALTER Nr. 140.
Krüssow: 2. — WALTER Nr. 100.
Lettnin: 15. — WALTER Nr. 142.
Mützelburg: 24. — WALTER Nr. 140.
Plönzig: mehrere. — R. HOLSTEN, d. Verkehrsverhältnisse im Pyritzer
Weizacker in vorgeschichtlicher Zeit. Pyritz 1909, S. 9.
Prillwitz: 10. — WALTER Nr. 139.
Pumptow: mehrere. — WALTER Nr. 96.
Sabow: 1 (?). -- WALTER Nr. 163.
Sallentin: mehrere. — WALTER Nr. 99,
Schöningsburg: Kujawisches Doppelgrab, 80 Schritt lange Steinum-
fassungen. — Balt. Studien Bd. 46, 1896. Taf. I, 3 (STUBENRAUCH);
WALTER Nr. 123.
2. Steingräber mit länglich viereckigen Steinumfassungen:
Blumberg: 1. — WALTER Nr. 96.
Falkenberg: 4. — WALTER Nr. 92.
Fürstensee: 4. — WALTER Nr. 122.
Jagow: 1. — WALTER Nr. 120.
Schwodhow: 1. — WALTER Nr. 159.
Warsin: 5. — WALTER Nr. 121.
Wartenberg: 1. — WALTER Nr. 165. — Ausserdem 1 Steinkiste mit
Lanzenspitze, Beil, Sage (?) aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. VIII.
1904, 156 (WALTER).
Woitfik: 4. — WALTER Nr. 38.
Kr. Naugard:
Farbezin: zerstörte unterirdische Steinkiste, Scherbenreste, Beil und Messer
aus Feuerstein. — Pomm. Monatsbl. 1897, 66 ff., Abb. S. 72 f. (STUBEN-
RAUCH). — Mus. Stettin.
Kr. Schivelbein:
Schlénwitz: 2 Steinsetzungen, je 100 Schritt lang. — BEKMANN, a. a. O.
S. 365, Taf. IV, Fig. I und Il.
Kr. Belgard:
43.Gr. Rambin: Steinkiste in Hügel, 5 Hocker, 1 Feuersteinmeissel, Bern-
steinperle, 5 Kugelamphoren (s. oben S. 68, Abb. 25), Eberschädel. —
Balt. Studien, Bd. 46, Taf. I, 15, 20, 32 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke-
festschrift S. 4 f., Abb. 8 -12. — Mus. Stettin.
Kr. Bublitz:
44. Oberfier: Steingraber, ein Schädel. — Jahresber. d. Ges. f. pomm. Gesch.
Ill, 50 u. IV, 23; Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 488 f. (SCHUMANN). —
Mus. Stettin.
88] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 89
Kr. Neu - Stettin:
45. Persanzig, Mühle: 4 Steinzeitgräber, Steinhimmer. — KASISKI, Beschreibung
d. vaterl. Altert. im Neustettiner u. Schlochauer Kreise. Danzig 1881. S. 51,
55, 57 f., 74 ff. (Hügel 11, 16, 33; ,Hiinengrab”).
46.Schönthal: Steinplattenkiste in Hügel, Skelett, 2 Feuersteinbeile, Feuer-
steinlanzenspitze. — KASISKI, a. a. O. S. 87.
47.Müncowshof: Steinkistengrab, Feuersteinbeil, Feuersteinlanzenspitze. —
Kat. der Berl. Ausst. 467, 4. 13.
Kr. Stolp:
Lupow: kujawische Gräber. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 304 (VOSS).
Pottangow: kujawisches Grab mit Hügel. — Mündl. Mittlg. STUBENRAUCH's.
Westpreussen.
Kr. Schlochau: |
48.Zechlau: Monolithgrab in Hügel, Kugelamphore (s. oben S. 68, Abb. 26).
— KASISKI, a. a. O. S. 45 f., Taf. IV, 64. — Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Konitz:
49.Luttom: 8 m weite Steinkreise ohne Mittelstein. — Bericht d. Prov.-Mus.
Danzig f. 1894, S. 25 (CONWENTZ).
50.Cissewie: Steinkreise. — Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1890, S. 10 f.
(CONWENTZ).
51.Odry: 9 Steinkreise und 11 Gruppen Trilithen (1874) (s. oben S. 66 f., Abb. 21).
— Schriften d. Danz. Naturf.-Ges. N. F. Ill, 3, S. 16 (LISSAUER).
52.Bösenfleischh: Grosser Steinkreis. — Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marien-
werder II, 77, Nr. 4 (HIRSCHFELD).
Kr. Pr. Stargard:
53.Starschiska: Steinkreise um grösseren Mittelpfeiler, Tongefässe u.a. —
Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marienwerder 1877, 11, 81 (HIRSCHFELD); LISSAUER,
Denkmäler S. 42, Nr. 9.
54.Ossowo: Steinkreis. — OSSOWSKI, Carte archéol. S. 81, Nr. 11.
Kr. Karthaus:
Seefeld: Steinkreise um Trilithen herum. — Preuss. Prov.-Blätter 1852, I, 136
(FOERSTEMANN); LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 8.
Kr. Schwetz:
Dulzig: Ansiedlung, Scherben (hierher?), Steingeräte. -- 29. amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1908, 22 (CONWENTZ).
Kr. Marienburg:
56.Liebenthal: Steinkistengrab, Leichenbrand, Tongefässe, Steinmeissel, 2 Stein-
hämmer. — Sitzber. d. Danz. anthr. Ges., 7. Dez. 1881 (FLOEGEL); Verh. d.
Berl. anthr. Ges. 1892, 153 (Olshausen). — Mus. Danzig.
Kr. Elbing:
Katznase: Verzierte Scherben. — Mittlg. d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K. zu Thorn,
März 1907, Heft 15, Nr. 1, S. 8 f., Abb. 35—43. (DORR). — Mus. Elbing.
Reimannsfelde: Verzierte Scherben. — Ebda. Abb. 28-34.
Kr. Stuhm:
55. Weissenberg (vgl. oben Zug I Nr. 2): Verzierte Scherben. -- Ebda.
Abb. 44 - 48.
90 Gustaf Kossinna. [89
Kr. Graudenz:
57. Gross-Leistenau: Unterirdishe Steinkiste, 7 Gefässe (verloren), Beil
aus gebändertem Feuerstein, 4 Bernsteinperlen, 1 Bernsteinlinse. —
Schriften d. Phys.-ökon. Ges. Königsberg 1883, 24, 104 f. (TISCHLER). —
Prov.-Mus. Königsberg i. Pr.
Kr. Briesen i. Westpr.:
58.Briesen i. Westpr.: 2 Skelette in Steinumfassung, 2 grosse Feuerstein-
messer, 1 Schädel, brachycephal (82, 8). — Kat. d. präh. Ausst. Berlin 1880,
413, 467. — Prov.-Mus. Königsberg i. Pr. °
Kr. Strasburg i. Westpr.:
59.Mszanno, Scöngrund: Steinkiste, 2 gebanderte Feuersteinbeile. —
OSSOWSKI, Monuments préh. de l'anc. Pologne 1881, I, 2, 60; Zbior wiad.
V. 3, 4.
Guttowo: Monolithgrab unter gewaltigem erratishen Bloc, Skelett, vierösige
kl. Amphore (oder Becher?) mit Strichzonen und Zickzaclinien, Bernstein-
röhrenperlen. — 29. amtl. Beriht d. Mus. Danzig f. 1908, S. 22, Abb. 3
(CONWENTZ).
Kr. Kulm:
60.Gelens: Kujawische Gräber, Feuersteinbeil. — Sitz.-Ber. Danz. anthr. Ges.
12. Nov. 1884 (v. WINTER).
Dolken: Ansiedlung, Scherben (hierher ?), Steingeräte. — 29. amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1908, S. 22 (CONWENTZ).
61. Trzebcz: 3 Steinkreise um 3 Mittelsteine (s. oben S. 66 f., Abb. 20a, b), reich
verziertes Gefäss, Reibestein, 4 Bernsteinröhrenperlen. — Zeitschr. d.
hist. V. f. Marienwerder, 1877, II], 82; OSSOWSKI, Monuments prehist. de
anc. Pologne I, 3, 1885, Taf. 32, 33; Rocznik tow. nauk. Toruniu I, 1 ff.; Taf.
II, 111, (OSSOWSKI); KLEBS, Bernsteinshmuck S. 48. — Poln. Mus. Thorn.
62.Scharnese: Wohnstätte, reich verzierte Scherben. — Amtl. Bericht d.
Prov.-Mus. Danzig f. 1902, 23; 1903, 24 (CONWENTZ).
Uszczerberg bei Kulm: Verzierte Scherben. — Mus. Magdeburg (Smlg.
BAUER).
Kr. Thorn:
63. Nawra: Steinkiste mit Kugelamphore (s. oben S. 69. 74, Abb.47).— OSSOWSKI,
Carte archeol. S. 67, Nr. 216. — Univ. Krakau Nr. 622.
64.Kulmsee: Ansiedlung, Kugelamphore (s. oben S. 68 f., Abb. 27). — XXII.
Amtl. Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1901, 28 (CONWENTZ); CONWENTZ,
d. westpreuss. Prov.-Mus. Taf. 43, 2.
Prov. Posen.
Kr. Birnbaum:
Birnbaum: Kugelamphore. — Blume, Katalog Ausst. Posen 1909 Nachtr.
S. 171. — Mus. f. Volk. Berlin, | d 2077.
Kr. Schwerin:
Kl. Krebbel (vgl. oben Zug I S. 84): Ansiedlung (s. oben S. 65. 67.69, Abb. 29),
schnurverzierter Krug mit 2 nahegestellten grossen Henkeln (Begleitgefäss der
Kugelamphoren), Trichterrandbecher, Hirschgeweihhake. — Nadr. ti. d. Alt.
1892, 66, Fig. 1 (WEIGEL); Zeitschr. f. Ethnol. 1902, 173, Abb. 18 (KOSSINNA).
— Mus. f. Völk. Berlin.
90] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 91
Kr. Wirsitz:
65.Eihħenhagen: 1. Steingrab mit Skelett, 2. Steinkammer, darunter ge-
strecktes Skelett, Scherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 435,
(VIRCHOW).
66.Weissenhöhe: Steinkammer mit Skelett, 4 Feuersteinbeile. — Dieselb.
Verh. 1876, 219, Nr. 3. — Mus. f. Völk. Berlin (Smlg. CRUGER).
Kr. Obomik:
67.Objezierze: „Bedectes Steingrab mit Urnen“, Feuersteinbeil. — Kat. d.
präh. Ausst., Berlin 1880, S. 389, Nr. 12. — (Smig. WITT).
Objezierze-Kowalewko: Steinkiste mit Skelett. — BLUME, Kat. usw.
Nachtrag S. 94, Nr. 1381.
68.Lulin: „Schöne Gefässe“*, Feuersteinbeil, Steinaxt (hierher ?). — W.
SCHWARTZ, Materialien. Progr. Posen 1875. -- Poln. Mus. Posen (?).
Schlesien.
Kr. Steinau:
69. Kében: Grosse Steinsetzung mit Leichenbrand; weitmundiger, grosser Napf,
(Begleitgefäss der Kugelamphoren) (s. oben S. 69, Abb. 28). — Nachr. f. d.
Alt. 1899, 82 (BRUNNER). — Mus. f. Völk. Berlin.
Prov. Posen.
Kr. Znin: |
70. Znin: Steingrab, 4 Gefässe. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1685.
Kr. Mogilno:
71.Schlabau (früher Slaboszewo): 2 kujawische Megalithgräber, Tongefässe,
Feuersteinbeile, Diorithammer, Geweihmeissel, viel Menschen- und Tierknochen.
— Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1879, 225 ff. (W. SCHWARTZ). — Poln. Mus.
Posen.
72.Padniewo: Kugelamphore, Scherben. — Poln. Mus. Posen.
Pakosdı: Verzierte Scherben einer Kugelamphore (gef. 1910). — K. Friedr.
Mus. Posen.
Kr. Hohensalza:
13. Gr. Koluda: Doppelhenkelkrug = KI. Krebbel (s. S. 90). -— Pos. arch.
Mitt. I, 61. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Strelno:
74.Rzeszynek: A. B. Kujawisches Grab, 2 Skelette, Kugelamphore; C. Hügel:
Kugelamphore, Begleitnapf, Becher; E. Steinkammer, Skelett, 2 Feuersteinbeile,
1 davon gebändert, grosse durchlochhte Bernsteinlinse, Eberzahn. — Pos.
arch. Mitt. I, 36, Taf. XIII, XIV (v. LEBLINSKI); KOEHLER u. ERZEPKI,
Posener Album I, Taf V. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Jarotschin:
15.Szczonowo bei Pogorzelice: degenerierte Kugelamphore. — K. Friedr.-
Mus. Posen.
Polen:
Gouv. Warschau:
Bez. Nieszawa:
76.Radziejewo, Kr. Byton: Kujawische Gräber. — KOHN und MEHLIS, Ma-
terialien I, 107.
92 Gustaf Kossinna. [91
77. Wies Koscielna, Kr. Osienciny: Kugelamphore (s. oben S. 69, Abb. 31.) —
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 434 (VIRCHOW); Zeitschr. f. Ethnol. 1902,
173, Abb. 18 (KOSSINNA). — Univ. Krakau.
78.Pscinno, Kr. Byton: Kujawische Gräber mit Skeletten, Scherben. — Schriften,
d. Danz. Naturf.-Ges. III, Bd. 2, Heft 9, (SCHARLOCK).
79.F aliszewo, Kr. Byton: Kujawisches Grab, Scherben vom Kugelamphorenstil,
Feuersteinbeil. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 325, Fig. 4, 5. (v. ERCKERT,
VIRCHOW).
80.Czarnocice, Kr. Byton: mehrere kujawische Graber, Skelette, verzierte
Scherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 329 (v. ERCKERT).
81.Swierczynek, Kr. Czamanin: viele kujawische Gräber; eines untersucht:
Skelett, verzierte Scherben, Feuersteinbeil, Rindknochen. — Dieslb. Verh.
S. 328.
82.Swierczyn, Kr. Czamanin: 2 kujawische Gräber. — Dieslb. Verh. S. 316.
84.Wicerzbinek, Kr.Boguszyce: viele kujawische Gräber; eines enthielt 4 Skelette,
Scherben, Knochengerat, weibliher Shädel mit Index 84,9! — Dieslb.
Verh. S. 326 ff.
Bez. Wloclawek:
83. Janischewek, Kr. Piaski: 4 kujawische Gräber, Grab 1: (s. oben S. 67f.,
Abb. 23), Skelett, 2 Kugelamphoren, 1 vierösige Amphore mit Standboden,
1 zugehöriger Napf (s. oben S.69f., Abb. 30), durhlohte Bernsteinscheibe,
verziertes Falzbein (Geweih); in einem der Gräber kleiner Kupferdolch. —-
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1879, 428 f.; 1883, 430 f., Taf. VII (v. ERCKERT,
VIRCHOW).
Gouv. Kalisch:
Bez. Kolo:
85. Tymin, Kr. Izbica: 5 kujawische Gräber, Scherben von Kugelamphoren, ge-
bändertes Feuersteinbeil, Scleifstein. — Verh. der Berl. anthr. Ges. 1880,
330, Fig. 6 (v. ERCKERT, VIRCHOW).
86.Chotel, Kr. Izbica: kujawisches Grab (s. oben S. 68, Abb. 22), mehrere Ton-
gefässe (zerfallen), 2 gebänderte Feuersteinbeile, Skeletteile. — Dieslb. Verh.
S. 317, 326.
Gouv. Warschau:
Bez. Wloclawek:
87. Zurawice, Kr. Pyszkowo: kujawisches Grab, Skelettknodien, „sehr geschickt
gemadhtes“ Gefäss. — KOHN und MEHLIS I, 93 f.
Gouv. Plokk:
Bez. Lipno:
88. Maliszewo, Kr. Bobrowniki: Bauch einer Kugelamphore. — Univ. Krakau.
Gouv. Warschau:
Bez. Plonsk:
89.Szeromin, Kr. Wojty Zamoscie: (s. oben S. 68. 70 f., Abb. 37, 38) Steinkiste,
aufgedeckt 1882, Kugelamphorenrest, 2 vierösige Becher, 2 Feuersteinbeile
(eines gebändert) -— SWIATOWIT 1906, VII, 44, Taf. VI (RUTKOWSKI).
90.Smoszewo a. Weichsel, Kr. Wychodz: Steinkiste (s. oben S. 67) in Hügel,
Becher = Szeromin, mit dreifachem Zickzackband zwischen zwei Strichzonen.
— OSSOWSKI, O Ceramice Domowej w okresie grobow kamiennych
skrzynkowych, Krakau 1891, S. 11 ff., Fig. 2-5. — Akad. Krakau.
92] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 93
91.Andzin, Kr. Blendowko: Runder „Steinkeller“ mit Skelett und Bern-
stein(?)-Perlen. — KOHN und MEHLIS I, 89.
Bez. Pultusk:
93.Lelewo a. d. Wkra, Kr. Czaijki: „Steinkeller“ aus Steinplatten auf Hügel,
Durchm. 4 m. — KOHN und MEHLIS, 1, 88.
Bez. Warschau:
Pencice, Kr. Pruszow: Skelett auf Feldsteinen. — KOHN und MEHLIS I, 87.
94.Nowy Dwor a. d. Weichsel: Steinkiste, 1890 von SAMOKWASSOW auf-
gedeckt, 8 Skelette, Feuersteinbeile, knöcderne verzierte Gürtelplatte
(= Uwisla), mehrere Dutzend Bernsteinperlen. — Bulletin de la Soc.
d’anthropol. de Paris, 1895, S. 132 (ZABOROWSKI).
Bez. Nowominsk:
Redzynskie, Kr. Iwowe, nahe am Swider: Feuersteinwerkstätte (hierher ?),
durchbohrte Bernsteinlinse. — KOHN und MEHLIS I, 167 Abbildung
(PRZYBOROWSK)).
Gouv. Lomza:
Bez. Lomza:
Piantnica, Kr. Drozdowo: „Steinkeller“ mit Skelett. — KOHN und
MEHLIS 1, 87 f.
Gouv. Lublin:
Bez. Nowo Aleksandrija:
95.Drzewce, Kr. Wamwolnica: Steinkammer in Hügel, ,5—7 Urnen zerstört“,
die grösste wahrscheinlich eine Kugelamphore, angeblih mit „Asche und
Knochen“, 1 Feuersteinbeil. — KOHN und MEHLIS |, 95 f.
96.Nalenczow, Kr. Wamwolnica (vgl. oben Zug l, Nr. 40): 14 Gräber (s. oben
S. 65 f., Abb. 8), Skelette, Kragenflashen, Amphoren, Trichterrandbecher,
Feuersteinspäne, Knochengeräte, Knochen- und Bernsteinperlen, 2 ost-
deutsche Streithämmer. — SWIATOWIT 1905, VI, 81 f. (WIERCIENSKI).
Gouv. Kielce:
Bez. Sandomir:
97.Garbowa, Kr. Dwikosy: Unterirdisches Megalithgrab, Feuersteinbeile, Feuer-
steindolch, Feuersteinmesser; daneben Skelett in Feldsteinpakung. — KOHN
und MEHLIS I, 85 f.
98.Winiary, Kr. Dwikosy: Kugelamphore (s. oben S. 70. 74. Abb. 48). — Vel.
Materyaly III, 87 ff. (DEMETRYKIEWICZ). — Univ. Krakau.
99.Zlota, Kr. Lamborzec: Steinkisten mit Hockern, 101 Gefässe, Amphoren,
Becher, Henkeltöpfe, Mondhenkeltöpfe, Schalen, Feuersteinbeile, Streithammer
(s. oben S. 70. 74 ff., Abb. 35, 36, 49, 50, 56, 57, 58). In einem unveröffent-
lichten Grabe grosse knécherne Gürtelplatte, Halsgehänge aus knöchernen
Nacbildungen von Hundezähnen, kleinste Knochenperlchen, 2 kleine Bern-
steinperlen mit A-Bohrung. — Materyaly antropol.-archeol. i etnogr.
Krakau 1906. IX, 1 ff., Taf. I- X. (HADACZEK). — Dzieduszycki-Mus. Lemberg.
Bez. Opatow:
100.Stodoly, Kr. Woyciechowice: Unterirdisches Megalithgrab. — KOHN und
MEHLIS I, 87 f.
04 Gustaf Kossinna. [93
Bez. Pinczow:
101.Zurawniki, Kr. Zlota: Steinkammer mit Skelett und Steinbeil (1817). —
KOHN und MEHLIS I, 93.
102.Rosiejow, Kr. Drozejowice: 3 Steinkistengräber, Nr. 1 mit Skelett, Nr. 3 mit
verzierten Scherben (wie Nr. 99 Zlota). — Materyaly antrop.-archeol. X, 75 ff.,
Fig. 4, u. Taf. XVIII, 9 (WAWRZENIECKI).
103.? Gruszewo bei Proszowice: Gräber = Nr. 90.
Bez. Radzyn:
104. Branica-Suchowolska: 2 Steinkammern, in der ersten ein Feuerstein-
messer, in der zweiten (s. oben S. 69 f., Abb. 32), 2 Kugelamphoren, 1 vier-
ösige Amphore mit Standboden, 1 weiteres Gefäss, 1 Feuersteinmesser. —
KOHN und MEHLIS I, 91 ff.
105. Okalew, Kr. Licia Wolka: 1. ,Steinkeller*, Skelettknochen, Feuersteinbeile,
Tongefässe, 2. ein anderes Megalithgrab. — KOHN und MEHLIS I, 90 f.
Ost-Galizien:
Bzhptmsch. Jaroslau a. San:
Bez. Jaroslau:
106.Sobiecin: 2 unverzierte Kugelamphoren, viele Steinhämmer, viele polierte
Tonschieferbeile, nur 2 kleine Feuersteinmeissel. — Dzieduszycki - Mus.
Lemberg.
Bzhmsch. Zaleszczyki:
Bez. Tluste:
107.Beremiany: Steinkammer (1827) aus 6 Platten unter grossem Hügel,
5 Skelette nebst Feuersteinbeilen, Scherben (auch Schnurornament). — KOHN
und MEHLIS I, 98 f. -- Akad. Krakau.
108.Kuszylowce: Steinplattengräber, Kugelamphore mit Winkelstich und Schnur-
ornament, 3 Feuersteinschaber. — Akad. Krakau.
Bzhmsch. Husiatyn:
Bez. Kopyczince:
109. Uwisla: Steinplattenkisten ohne Hügel; 1 Kiste mit kurzköpfigem Hocker,
1 Feuersteinmesser, verzierte knöcherne Gürtelplatten (s. oben S. 76,
Abb. 53), 1 Tongefäss; zu Füssen 2 zusammengeschobene Skelette, langköpfig,
mit je 1 Kugelamphore. — Zbior wiad. 1891, XV, 19 ff. Fig. 6, 7, u. Taf. I
(OSSOWSKI).
110.Kociubince: 1. Steinkammer unter Hügel, 2 sitzende Skelette, 2 Kugel-
amphoren (s. oben S. 68f., Abb. 33), durhlohte B erns tein linse, Tonperle,
3 Feuersteinbeile; nahebei 3 Skelette (1 Hocker), 2. Monolithgrab mit
Skelett. — Zbior wiad. 1877, I, 24 ff., Taf. I (KIRKOR); Schädel: ebd. I, 55,
ff. (KOPERNICKI); KOHN und MEHLIS I, 99. — Akad. Krakau.
111.Rakowkant: Steinkiste (1866), Feuersteinbeil, Streithammer. — Zbior wiad.
1891, XV, 28 Taf. II, 1/2 (OSSOWSKI).
Bez. Husiatyn:
112.Czarnokonce: Steinkiste, Kugelamphore, verzierte knécherne Gürtel-
platten, Feuersteinmesser. — Zbior wiad. 1878, Il, 5 f. (KIRKOR); 1891, XV,
25 f., Fig. 8 (OSSOWSKI). — Akad. Krakau.
94] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 05
Bzhmsch. Horodenka:
Bez. Horodenka:
113. Czernelica, poln. Czarnolice: Steinkiste wie Nr. 99 Kociubince. —
Slowansky Sbornik 1881, I, 25 (KIRKOR). — Freundlihe Mittlg. von
L. NIEDERLE. Da die Zeitschrift in Deutschland nicht aufzutreiben ist, setze
ich die Übersetzung der einschlägigen Stelle aus dem Aufsatze von A. KIRKOR
„Vorgeshichtlihe Gräber und Grabhügel in Polen, Litauen und Russland“
hierher: „Im Laufe der Forschung gelang es mir nod, in Gernokonce, Se-
menowo, Beremiany und Kušilovce solche Steingräber zu entdecken, die in
Bauart und Inventar dieselben waren und immer zwei Skelette enthielten.
Mit dem Grabe von Kociubince, Beremiany, Chorostkowo und Zielince haben
wir jetzt [d. h. 1881] 8 Steingräber aus der neolithischen Zeit, alle im gali-
zishen Podolien. Dazu hat noh H. PRZYBYSLAWSKI ein Grab derselben
Gattung in Czarnolice in Pokutien gefunden. In Beremiany werden jähr-
lih solche aufgedeckt; mir gelang es nur eines zu erforschen.“
Bukowina:
Bez. Radautz:
114. Unterhorodnik: Hügel mit Steinkiste und Skelett. —- Jahrb. d. Bukowiner
Landesmus. Ill, 22 (SZOMBATHY).
Bez. Sereth:
115.Graniczestie, Jankulberg (1872): Steinplattengrab, 2 Skelette übereinander,
zwischen den Beinen des grösseren 2 Tongefässe, rechts ein Achatbeil und
eine Holzkeule. — Mittlg. der Centr.-Commiss. Wien 1881, VII, S. LXXX,
Not. 49. — Mus. Czernowitz.
Wolhynien:
Bez. Kremenec:
116.Lepesovka: Steinkiste mit flachbodiger Kugelamphore (Abb. 68). —
Petersburger Izvestija arch. komm. 1909, H. 29, S. 54 (SPICYN). — Freund.
Mittlg. von L. NIEDERLE.
Bez. Ostrog:
117. Zaluza: Hügel (1869) mit sitzendem Hocker, eine rohe Kugelamphore mit
Schragstrichhalsband neben Schädel, Feuersteinmesser. — KOHN und MEHLIS I,
293 ff. (Abbildung ungenau). — Akad. Krakau.
118. Radzimin: Steinkiste. — Trudy des XI. russ. arch. Kongresses, Kiew 1899,
S. 145 f. (ANTONOWITSCH).
119. Okniny: Steinkiste. — Ebd.
120. Stadniki: Steinkiste. — Ebd.
121. Nowomalin: Steinkiste. — Ebd.
122. Berchow: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Nowogradwolynski :
123. Ostroschka: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Owrutsch :
124. Sbranki: Steinkiste. — Ebd.
125. Dowgenitschki: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Shitomir:
126. Dawidowka: Steinkiste. — Ebd.
127.Goros&ki: Steinkiste. — Ebd. Abb. 68. Lepesovka, Wolhynien. ''..
06 Gustaf Kossinna. [95
Podolien.
Bez. Kamenec Podolski:
? („neuerdings“): Steinkiste, Skelett „mit streng nordischem Schädel“, 3 Feuer-
steinstücke. — Angeblich Zbior wiad. XIX, welcher Band aber nicht existiert;
Bull. de la Soc. d’anthrop. de Paris 1895, 132 (ZABOROWSKI).
Bez. Litin:
128. Nowa Sieniawa: (1884) Kugelamphore, Scherben, Blumentopfbecher mit
Schnurornament (s. oben S. 75, Abb. 51). — Zbior wiad. 1889, XIII, 42 ff.,
Fig. 1—3 (NEYMAN); L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449,
Abb. 1, 2.
Ukraine.
Bez. Wassilkow:
129. Losiatyn: Flacher Hügel, Skelett im gewachsenen Boden, Kugelamphore
(s. oben S. 69 f., Abb. 34), mit weiss eingelegten Strichzonen. — Zbior wiad.
1889, XIII, 12 ff., Taf. I, 1, H, 4--7, (OSSOWSKI); L. NIEDERLE, a. a. O.
451, Abb. 1. — Akad. Krakau.
Bez. Kiew:
130.Kiewer Gegend (?): Kugelamphore mit senkrechten Bauchbändern, wie
zu Gingst auf Rügen, Rand fortgebrohen. -— Collection KHANENKO,
Antiquites de la region du Dnjepr, Bd. I, Taf. V, 8.
Nicht im einzelnen gehe ich auf die reich entwickelte ukermärkiscde
Abteilung der Oderschnurkeramik ein, da man sie in SCHUMANN’s ‘Stein-
gräbern der Uckermark’ ausführlich behandelt findet: Einzelgräber und ganze
Gräberfelder bietet der Kreis Prenzlau an den Fundplätzen von Bandelow,
Bagemühl, Basedow, Charlottenhöh (s. oben S. 80), Hammelstall (s. oben S. 71,
Abb. 39, 40), Jagow, Moor, Neuenfeldt, Shönwerder, Sternhagen, Stramehl, Woll-
schow; — der Kreis Angermünde in Hohensathen, Liepe, Lunow, Pinnow. —
Anzureihen wäre hier noch ein solcher Fund, ein Becher mit horizontalem
Tannenzweigornament am Halse, aus Alt-Barnim, Kr. Ober-Barnim;
Sammlung G. A. WIRTH in Letschin- Oderbruch.
IH. Zug.
Brandenburg.
Kr. Königsberg i.N.
Königsberg i. N.: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. O.
Fig. 44. — Mus. f. Völk., Berlin.
Königsberg-Rollberg: Flachgrab, Leichenbrand (?), Zapfenbecher mit Schnur-
verzierung, undurchbohrter Streithammer. — Verhandl. d. Berl. Anthr. Ges.
1892, 181 (GÖTZE); 1908, 772 Anm. (HINDENBURG); GÖTZE, Vorgeschichte
der Neumark, Fig. 7; BRUNNER a. a. O., Fig. 50. — Mus. f. Völk., Berlin.
Küstrin: Scherben mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. O., Fig. 75. —
Mus. f. Völk., Berlin.
Warnitz: Flachgrab, Leichenbrand (?), 2 rohe Becher, schöner Streithammer. —
Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 178 (GÖTZE); BRUNNER a. a. O., Fig. 45, 46.
-— Mus. f. Völk., Berlin.
96] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 97
Kr. Soldin:
Kraazen: Hügel mit linkseitig liegendem Hocker, Feuersteinmesser, Knochen-
gerät. — Kat. d. präh. Ausst. 1880, Berlin, S. 84 f. No. 3, Phot. Album
Sect. IV, Taf. 8.
Kr. Landsberg:
Zechow: Flachgräber, 2 Skelette, Feuersteinbeil, 2 Schmalmeissel, Bernstein-
perle, Schweinegebiss. — GÖTZE, a. a. O., Fig. 10, 11; — BRUNNER, a. a. O.,
S. 53, No. 40. — Mus. f. Völk., Berlin.
Kr. Züllichau:
K alzig: Gräber mit Schnurkeramik, Leichenbrand (?). — Ausgrabung M. SCHULTZE
in Bromberg (1909).
Vorpommern.
Kr. Demmin:
Axelshof: „Hünengrab von Steinen*,'Schnurbecher, Feuersteinlanzenspitze. —
Balt. Studien 1904, N. F. VIII, 109, Taf. II, IV (STUBENRAUCH). — Mus.
Stettin.
Kr. Randow:
Duchow: Hügel, Schnurbecher, 2 Feuersteinbeile, Feuersteindolch, Messer und
Dioritbeil. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 181 (GOTZE); WALTER,
Lemckefestschrift, Abb. 24; Balt. Studien. 1896. XLVI, Taf. I, 34 (STUBEN-
RAUCH). — Mus. Stettin.
Glasow: Flachgräber, 3 Skelette, Feuersteinmesserhen. — Verhandl. d. Berl.
anthr. Ges. 1891, 467 (SCHUMANN). — Mus. Stettin.
Kasekow: Flachgrab mit Skelett, Becher der Schnurkeramik, 2 Näpfe, Feuer-
steinmesser, Feuersteinbeil. — WALTER, Lemckefestschrift, Abb. 15--17;
Schädel: Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 487 (SCHUMANN). — Mus. Stettin.
Podejuch: „Steinkaveln“ Schnurbecher, Bernstein scheibe, Feuersteinlanzen-
spitze, Dioritbeil. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 180 (GÖTZE);
WALTER, a. a. O., Abb. 21. — Mus. Stettin.
Schönow: Schnurbecher, Einzelfund. — WALTER, a. a. O., Abb. 13. — Mus. Stettin.
Hinterpommern.
Kr. Stettin:
Stettin unterhalb Bellevue: Skelett mit „Kette von steinzeitlihen Perlen“. —
Balt. Stud. 46, 1896, S. 229 f. (WALTER). — Mus. Stettin.
Kr. Greifenhagen:
Buchholz: 7 Gefasse u. a. — Pomm. Monatsbl. 1904, 1 ff. (STUBENRAUCH); Balt.
Stud. 1907, N. F. XI, 216; 1908, N. F. XII, 215 (WALTER). — Mus. Stettin.
Finkenwalde bei Altdamm: 1. Grab mit Steinpackung, 3 Gefässe mit Schnur-
verzierung (darunter 1 Schnurbecher), 3 Feuersteinbeile. — WALTER, Lemcke-
festschrift S. 10; Balt. Stud. 1907, N. F. XI, 216 (WALTER). — Mus. Stettin.
2. Steingrab (?) („uralter Backofen“), Feuersteinbeil. -- Balt. Stud. 1909, N. F.
XII, 205 (WALTER). — Mus. Stettin.
Dobberphul: Schnurbecher und -Napf. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,
181 (GOTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 25, 26. — Mus. Stettin.
Kl. Mölln: Schnurscherben. — Balt. Studien XLVI, 229 (WALTER). — Mus. Stettin.
Mannus. Bd. Il. 7
08 Gustaf Kossinna. [97
Marwitz: Burgwall: 2 Becher der Schnurkeramik: (1 Zapfenbecher). — Pomm.
Monatsbl. 1890, 78; WALTER, a. a. O., Abb. 19/20. — Mus. Stettin.
Rörcen: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — Mus. f. Völk., Berlin.
Sinzlow: (vergl. oben Zug 1) Moorfund: Zapfenbecher. — WALTER, a. a. O.,
Abb. 14. — Mus. Stettin.
Vogelsang, Mühle: Schnursherben. — WALTER, Lemcke-Festschr. S. 12. —
Mus. Stettin.
Kr. Pyritz:
Lettnin: Grab, 3 Becher mit Schnurverzierung. — Pomm. Monatsbl. 1890,
149, 152, Abb. 1—3 (LEMCKE); WALTER, a. a. O., Abb. 18; Balt. Studien
XLIV, 356 (WALTER). — Mus. Stettin; Sml. MICHAELIS, Lettnin.
Kr. Saatzig:
Wulkow: „Hünengrab“, Schnurbeher. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,
181 (GÖTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 23. -- Mus. Stettin.
Kr. Kolberg:
Prettmin: Schnurscherben. — Ber. d. Pi». -ök. Ges. Königsberg i. P. 1883, 112
(TISCHLER). — Mus. Stettin.
Kr. Lauenburg:
Lauenburg: Schnurbeher. — WALTER, a. a. O., Abb. 22. — Mus. Stettin.
Kr. Neustettin:
1. Gramenz: Sitzender Hocker mit Bernsteinhalskette. — Balt. Studien XX,
Heft 2, 13.
Westpreussen.
Kr. Neustadt:
Amalienfelde: Schnursherben. — LISSAUER, Dkm. 45. — Mus. Danzig.
Oxthöft, Heiliger Berg: Zylindrisher Zapfenbecher mit Schnurverzierung,
Schnurscherben. - - LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 15; Amtl. Bericht d. Mus.
Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ); Abb.: Westpr. Wandtafel I.
Kr. Putzig:
Rutzau: Grosser Ansiedlungsplatz („Küchenabfallhaufen“): Schnurscherben u. a.
(s. oben S. 78), — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1894, 22; 1896, 32 (CON-
WENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-Museum 1880—1905, Taf. 42.
Kr. Konitz:
2. Gr. Paglau: kl. Becher mit Schnuröse u. a. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig
f. 1898, 36: 1899, 28 (CONWENTZ).
Kr. Tuchel:
3. Kelpin: Ansiedlung, Schnurscherben, Steingeräte u. a. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1898, 35 f. 1901, 28 (CONWENTZ).
Kr. Flatow:
4. Forsthaus Neuhof bei Vandsburg: Skelettgrab 70 cm tief, zylindrischer
Zapfenbecher mit Schnurwindungen in Schraubenlinie. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig 1896, 33 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-
Mus. usw., Taf. 43, 1.
98] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 99
Kr. Schwetz:
5. Topolno: Grube, tulpenartiger Becher mit eingeschweiftem Zapfen und
ähnlicher zapfenloser Becher als Deckel. — Nachr. ü. d. A. 1902, 5 ff. (GÖTZE).
— Mus. f. Völk., Berlin.
Kr. Elbing:
Tolkemit: „Küchenabfallhaufen“, Schnurscherben und vieles andere (s. oben
S. 77). — Photogr. Album Ausst. Berlin 1880, Sect. I, Taf. IV, Nr. 162;
Schriften d. Phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 28 ff. (TISCHLER); amtl. Bericht
d. Mus. Danzig f. 1898, 34 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-
Mus., Taf. 41; Mittlg. d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K. zu Thorn, Heft 15, März
1907, Nr. 1, S. 2 ff., Abb. 1-27 (DORR). — Prov.-Mus. Königsberg; Mus.
Danzig.
Kr. Stuhm:
6. Weissenberg (vgl. Zug I, Nr. 2; II. Nr. 55): Ansiedlung, Schnurscherben,
Steingeräte. — Schriften der phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 22 (TISCHLER);
amtl. Bericht d. Mus. Danzig für 1895, 34 (CONWENTZ). — Prov.- Mus.
Königsberg; Mus. Danzig.
Willenberg: Wohnstätte, Schnurscerben, Steingeräte. — TISCHLER, a. a. O. 22;
LISSAUER, Dkm. S. 36, Nr. 14. — Prov.-Mus. Königsberg; Mus. Danzig.
7. Neumark: Wohnstätte, Schnurscherben. — TISCHLER, a. a. O. 23. —
Prov.-Mus. Königsberg.
8. Nikolaiken: = 3aa Neumark.
Kr. Rosenberg:
9. Riesenburg: 2 Skelettgräber in Lehmmulde, elliptisher Doppelhammer,
Schmalmeissel. — LISSAUER, Dkm. S. 35. — Mus. Danzig.
10. Kl. Babenz: Grabhügel I, gestrecktes Skelett, Scherben, Streitaxt, grosse
Bernsteinperle. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1903, 24 f. (CON-
WENTZ); CONWENTZ, d. westpr. Prov.-Museum, Taf. 45.
Kr. Graudenz:
11. Orle: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ).
Kr. Kulm:
12. Golotty: Scherben mit Wellenschnurorna-
ment (s. oben S. 78). — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1892, 16 f.; 1897, 27; 1898,
35 (CONWENTZ).
Kr. Thorn:
13. Birglau: Henkelbecherchen (Abb. 69), „Ein
dergleihen Töpfchen von grauem Thon von
der natürlich grösze wie abgebildet ist bey
Birglau im Sande von einem jungen ge-
funden worden, allein es war nichts darinnen, Abb. 69. '/
es kann auch ein Thränen Töpfgen gewesen _Birglau, Kr. Thorn, Westpreussen.
seyn allein solches ist ungewisz. 1780.“ —
Thorner Ratsarchiv XIII, 60. — Die Abbildung verdanke ich der Freundlich-
keit des Herrn Prof. SEMRAU in Thorn.
14. Renczkau: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1898, 36
(CONWENTZ).
7*
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100 Gustaf Kossinna. [99
Ostpreussen.
Kr. Osterode:
15. Gilgenburg: 2 Skelette, Monolithgrab (1 Kopfindex 79), 2 Eberzähne, ein
Tongefäss (hierher ?). — Schriften d. phys.-ök. Ges. Königsberg 18, 265;
23, 26 (TISCHLER); Schädel: 10, 144 ff. (v. WITTICH). — Prov.- Mus.
Königsberg.
Kr. Neidenburg:
16. Kownatken-See: Pfahlbau (?), auch Schnurscherben. — Kat. d. Prussia-
Mus. 1906, I, 71, Nr. 272 (KEMKE).
Kr. Heiligenbeil :
Bal ga: Hügelgrab, Streithammer, Dioritmeissel, Feuersteinmesser. — LISSAUER,
Dkm. S. 39. — Pruss.-Mus. Königsberg.
Kr. Braunsberg:
Sankau: Wohnstätte mit Schnurscherben - TISCHLER, a. a. O. 22. — Prov.-
Mus. Königsberg.
Kr. Fischhausen:
Wiskiauten, im Wäldden Kaup: Hügel mit 2 Hockern übereinander, darüber
1 frühbronzezeitiiches Skelett, zu oberst ein Grab der Latene-Zeit; unterer
Hocker (Kopfindex 63,1) mit 2 verzierten, je 4mal durchbohrten knöchernen
Gürtelplatten und 1 Feuersteinlanzenspitze (s. oben S. 76, Abb. 54), oberer
Hocker (Kopfindex 68,8) mit Porphyrhammer, Feuersteinmesser, Knochen-
nadel. — Prussia-Berichte 1892/3, S. 46 ff., mit Abb. (HEYDECK); Kat. d.
Prussia-Mus. 1906, I, Nr. 135 ff. (KEMKE).
Rossitten: Skelettgrab, Streithammer, Feuersteinmesser, Knochennadel, Bern-
steinring, Imatrastein, versteinerte Koralle. — Kat. d. präh. Ausst. Berlin
1880. S. 413, Nr. 164 (TISCHLER). — Prov.-Mus. Königsberg.
Kr. Memel:
Pillkoppen-Nidden: Scherbenstelle, geschweifter Becher mit horizontalen
Schnittlinien und Tannenzweigmuster. — Schriften d. phys.-ök. Ges., Sitz.-Ber.
1883, 24, 112, Fig. 9 (TISCHLER).
Posen.
Kr. Birnbaum:
Grabitz: 2 Skelette unter Steinpflaster (hierher ?). — Kais. Friedr.-Mus. Posen.
— Frdl. Mittlg. von E. BLUME. 17. IV. 1910.
Kr. Wirsitz:
17. Kaiserswalde: Blumentopfbecher mit Schnurornament (s. oben S. 72 f.,
Abb. 45), Streithammer. — E. BLUME, Kat. Ausst. Posen 1909, S. 61; Nr. 620,
621 Abb.
18. Weissenhöhe (vgl. oben Zug II, Nr. 66): Becher = Nr. 8 Kaiserswalde.
— Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 436 f., Taf. VIII, 1 (VIRCHOW). —
Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Filehne:
19. Rosko: Randscherben eines Schnurbechers. — Kais. Friedr.-Mus. Posen
1896: 141.
100] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 101
Kr. Schubin:
20.1 wno: 8 Gräber (— Nr. 5 Topolno) in unregelmässiger Steinpackung, tulpen-
förmige Becher, Henkeltopf mit Schnurornament, vierfiissige Schalen, Bern-
steinperle, zweiösiges Gefäss mit Doppelstichreihen, Steingerät. — Zeitschr.
f. Ethnologie 1905, 899 ff. (BRUNNER); Mannus I, S. 235, Abb. 9, 10;
Il, S. 59, Abb. 1 (KOSSINNA).
Kr. Znin:
21.Znin (vgl. oben Zug Il, Nr. 70), Abhang
westlich der Stadt: Schlauchförmiger Henkel-
krug, der einzige Vertreter dieses Typus
nördlih von Sclesien (s. oben S. 72 f.,
Abb. 43), mit „nachgeahmter“ Schnurver-
zierung, nebst einem grösseren Gefäss. —
E. BLUME, Kat. d. Ausst. Posen 1909,
Nachtrag S. 172, Nr. 752 Abb.
Znin, Höhe westlih der Stadt: Henkeltopf
mit 3 Paar hängenden Wulsten und wulst- Abb. 70. '/2.
artig verlängerten Henkelrändern. — E. DEON FIN: Eosen;
BLUME, a. a. O., Nr. 753, mit Abb. (Abb. 70).
Znin: Henkeltopf mit „nachgeahmter“ Schnurverzierung. — Kais. Friedr.-Mus.
Posen 1906: 448.
Kr. Hohensalza:
22.Gr. Morin: Hügel mit 4 Skeletten; 1. Skelett (Kopfindex 66,5) mit Diorit-
streithammer, durchbohrter Bernsteinlinse; 2. Skelett mit Diorithammer.
— Zeitschr. f. Ethnologie 1878, 126, Taf. II; Schädel: Taf. IV, 8 (LISSAUER);
LISSAUER, Dkm. S. 26. — Mus. Danzig.
23.Radewitz (früher Radajewitz): Sandhügel mit Skelett, 20 Feuersteinpfeil-
spitzen, Kupferdraht. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1876, 215; LISSAUER,
Dkm. S. 26, Nr. 15. — Poln. Museum Posen (?).
24.Parchanie, Parzelle: vierösiger Schnur-
becher (Abb. 71). — Mannus II (unten):
M. SCHULTZE, Mus.-Ber. Bromberg Nr.
70, 4, Abb. 15. — Mus. Bromberg.
25.Lassek-Lusan: Schnurscherben. -—-
Kais. Friedr.-Mus. Posen.
Kr. Strelno:
_ 26.Rzeszynek (vgl. oben Zug II, Nr. 74):
Schnurscherben. — Kaiser Friedr.-Mı:s.
Posen.
Kr. Mogilno:
27.Mogilno: Tongefässe (wie?), Steinaxt,
Steinbeil (hierher ?). -- LISSAUER, Dkm.
S. 28, Nr. 19. — Poln. Mus. Posen (dort
nicht zu finden).
Abb. 71.
Parchanie, Kr. Hohensalza, Prov. Posen.
Sclesien.
Kr. Glogau:
28.Glogischdorf: Schnurscherben. — Mus. Breslau,
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102 Gustaf Kossinna. ; [101
29.Glogau, Schiessplatz: Schnurbecher. — Kais. Friedr.-Mus. Posen.
30.Woischau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Sprottau:
31.Reuthau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Steinau:
32.Kreischau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Neumarkt:
33. Breitenau: Schnurverzierter Henkeltopf, Blumentopfbecher mit horizontalem
Tannenzweigmuster, Feuersteinbeil. — Mus. Breslau.
34.Rackschiitz: Hügel, Skeletteile, roher Becher, 2 Feuersteinbeile. — MER-
TINS, Die hauptsädl. prähistor. Denkmäler Schlesiens 1891, Taf. I, 12—14.
— Mus. Breslau.
35. Pus chwitz: Skelettgrab, Blumentopfbecher mit Schnurverzierung in Schrauben-
linien (s. oben S. 73, Abb. 46). — Nachr. ü. d. Alt. 1899, 81 f. Abb. (BRUNNER);
MERTINS, Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens. Abb. 68. — Mus. f.
Volk. Berlin.
Kr. Breslau:
36.Kl. Gandau: Schnurbecher mit Zapfen. — MERTINS, Denkmäler, Taf. I, 23;
MERTINS, Wegweiser, Abb. 64. — Mus. Breslau.
37.Auf dem Friebeberg: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. Ur-
gesch. Schles. Il, 37, Fig. 31 (SEGER); MERTINS, Wegweiser, Abb. 69. —
Mus. Breslau.
38.Breslau, Gabitzweg: Schlauchkrüge, doppelkonische Krüge, Henkeltöpfe,
Napf mit „Lobositzer* Henkel, Schale mit massivem Fuss, Serpentinhammer
vom Zobtentypus. — Mus. Breslau.
39, Woischwitz: Schlauhförmiger Krug u. a. — Mus. Breslau.
40.Gr. Tshansk: 1 Schnurbecher. — Mus. Breslau.
41.Tinz: Schnurkeramik. — SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. II, 36, Anm. 1.
— Mus. Breslau.
42.Kleinburg: Schnurker-mik. — SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. Il, 36,
Anm. 1. — Mus. Breslau.
43. Gnichwitz: Schlauchförmiger Krug, weiss eingelegt (s. oben S. 72 f., Abb. 44).
— Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, 282 f., Taf. VI, 12 (VIRCHOW).
44.Guhrwitz: Skelettreste, Henkelkrug (1894); Hocker, Streithammer vom
Zobtentypus (1900). — Schles. Vorz. VI, 171, vgl. VI, 63 (SEGER); MERTINS,
Wegweiser, Abb. 65. — Mus. Breslau.
45.Poln. Peterwitz: 2 schlauchformige Krüge, Blumentopfbecher mit Schnur-
ornament, ein zweiter mit Tannenzweigornament, vierfiissiges Tontischchen,
3 Streithammer, Steinbeil, Feuersteinlanzenspitze. -— Schles. Vorz. VII, 239
(SEGER); Zeitschr. f. Ethnologie 1902, S. 174, Abb. 20, 21 (KOSSINNA):
MERTINS, Wegweiser, Abb. 66. — Mus. Breslau.
46.Wilkowitz: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. sn: Scles. Il,
37, Fig. 29 (SEGER). — Mus. Breslau.
47.Guckelwitz: Grosser Henkelkrug mit SR ER — Mus. Breslau.
48. Albrechtsdorf: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
49.Puschkowa: Kleiner Henkelkrug mit Schnurmusterzickzac in Cardiumtechnik.
— Mus. Breslau.
102] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 103
Kr. Nimptsc:
50.Rankau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
51.Karzen: Skelette, Tongefäss (hierher?) — Schles. Vorz. V, 16 (SEGER).
— Mus. Breslau.
52. Jordansmühl (vgl. oben Zug l, Nr. 22): Wohngrube 35, Schnurscerben ;
„zerstörtes Grab“ mit verziertem Henkelkrug. — Archiv f. Anthr. N. F. V,
S. 133 f., Abb. 29-33 (SEGER). — Mus. Breslau.
Kuhnau: Schnurscherben. — SEGER, a. a. O., S. 141, Taf. X, 12. — Mus.
Breslau.
Kr. Strehlen:
53.Peterwitz: Skelettgräber, 2 schlauhförmige Krüge, Henkeltopf, Schale. —
Schles. Vorz. VII, 550 f. (SEGER). — Mus. Breslau.
Kr. Ohlau:
54.Marschwitz: Grosses Skelettgräberfeld. — Beitr. zur Urgesch. Schles. 1904.
Il, S. 27 ff. (SEGER). — Mus. Breslau; Mus. f. Völk. Berlin.
55.Ohlau: Schlauhförmiger Krug. — Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Gross Strehlitz:
56.Blottnitz: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Leobschütz:
57.Bieskau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Grottkau:
Lobedan: Skelettgräber, Beile, Hammer, Feuersteinlanzenspitze (hierher ?).
— Scles. Vorz. VII, 545. — Mus. Breslau.
West-Galizien.
Bzhmscht. Krakau:
Bez. Krakau:
58. Grembalow: Hocker (1897) mit Tongefäss, Feuersteinbeil, Diorithammer,
knécherner Glatter, Eberzahn. — Materyaly antrop.-archeol. i. etnogr. 1898,
Ill, 91 (DEMETRYKIEWICZ). — Akad. Krakau.
59.Wengrcze: Monolithgrab (1880), Skelett, Feuersteinbeil, kl. Hammer,
2 Morserbecher mit Stichpunktverzierungen in der Art der Schnurbecher, eine
Amphore, schnurverziert und weiss eingelegt, durhlohte Bernstein scheibe.
— Zbior wiad. V, 9, Taf. I (KIRKOR); Wiadom. numizmat.-archeol. 1890. I,
17 ff. (OSSOWSKI); Gr. Abb. eines Mörsers: Materyaly 1898. III, 88, Fig. 4
(DEMETRYKIEWICZ). — Akad. Krakau.
60.Batowice: Gehenkelter Blumentopfbecher mit 3x4 Schnurlinien (vgl. Zbior
wiad. XIV. Taf. 1). — Wiadom. numizm.-arch., a. a. O. (OSSOWSKI). —
Univ. Krakau.
61.Krzeslawice: Hocker. — Materyaly 1898, III, 90 (DEMETRYKIEWICZ).
Polen.
Gouv. Kielce:
Bez. Miechow:
62.Piotrkowice, Kr. Koniusza: Skelettgrab (?), schnurverzierte Amphore
ohne Henkel, Feuersteinbeil. — Akad. Krakau.
63. Smrokow b. Prandocin, Kr. Miechow: Skelett (?), grosse, glatte, vierösige
Amphore mit zwei umlaufenden gekerbten Horizontalwulsten, — Akad. Krakau.
104 Gustaf Kossinna. [103
64.Wenzerow, Kr. Kacice: Skelettgrab, Blumentopfbeher mit etwas umge-
legtem Rand, schnurverziert, Feuersteingeräte. — Materyaly 1903. VI, 40 f.
(WAWRZENIECKI). — Akad. Krakau.
65.Gruszow, Kr. Palecznica: Becher in Form der Schnurbedher mit Punkt-
stihreihe, Feuersteinbeil, kl. Hammer, langer Knochenmeissel. — Materyaly
1904. VII, 158 f., Taf. 13, 1—4 (WAWRZENIECKI). — Akad. Krakau.
Bez. Pinczow:
66.Czarkowa, Kr. Korczyn: Kl. Becher mit Horizontalschnurlinien. — Univ.
Krakau.
67.Kobylnica wolowska, Kr. Zagosc? oder Topola?: Schnurscherben. —
Univ. Krakau.
Bez. Stopnica:
68.Dzieslawice, Kr. Stopnica: Schnurscherben mit Wellenlinien. — Swiatowit
Il, 44 ff. Taf. X—XII; V, 4 ff. (MAJEWSKI).
69. Jastrzembiek, Kr. Stopnica (vergl. Zug I, Nr. 35): Schnurscherben. —
Swiat. 1899, I, 38 ff. Taf. IV (MAJEWSKI).
Janina, Kr. Szczytniki: Schnurscherben, auch mit Wellenlinien, Amphorenrest
( Zlota). — Swiat. 1901, III, 72 ff., Fig. 30, 31; Taf. XIV; 1904, V, 4, Abb. 1
(MAJEWSKI).
Badrzychowice, Kr. Grotniki: Schnurwellen. — Zs. f. Ethnol. 1906, 222
(MAJEWSKI).
Niecieslawice, Kr. Tuczempy: Schnurwellen. — Swiat. 1904, V, 6, Abb. 6
(MAJEWSKI).
70.Gora, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 36): Schnurscherben mit Wellenlinien.
— Swiat. 1900, Il, 43, Taf. VII (MAJEWSKI).
Borki, Kr. Lubnice: Schnurwellen. — Swiat. 1904, S. 4, Abb. 2 (MAJEWSKI).
71.Grabowa, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 37): Schöne Gefässe mit Schnur-
verzierung, auch Wellenlinien. - Swiat. 1900, II, 29 ff., Abb. 25, 26 und Taf. IV.
VI (MAJEWSKI); 1904, V, 4, Abb. 3 (MAJEWSKI).
72.Borszymow, Kr. Olesnica: Schnurscherben. — Swiat. 1901, III, 144
(MAJEWSKI).
Beszowa, Kr. Olesnica: Schnurwellennapf. -— Swiat. 1905, VI, 150, Abb. 69
(MAJEWSKI).
Gouv. Radom:
Bez. Sandomir:
73. Zlota, Kr. Lamborzec (vergl. oben Zug Il, Nr. 99): Schnuramphoren, Schnur-
becher, Schalen mit Schnurwellen, Henkeltopf mit Schnurlinien. — (s. oben
S. 77, Abb. 56, 57, 58).
Bez. Opatow:
74.Stodoly, Kr. Wojciechowice (vergl. oben Zug Il, Nr. 100): Gehenkelter
Schnurscherben. — Akad. Krakau.
Bez. Rozwadow:
75.Zaleszany, Kr. Tarnobrzeg: Schnurscherben. — Materyaly 1897, II, 147,
Fig. 13 (DEMETRYKIEWICZ).
Bez. Radom:
76.Stromiec&ka Wola, Kr. Stromiec: Schnurscherben, Feuersteinpfeilspitze. —
Materyaly X, 53, Taf. XVIII, 3, 4 (WAWRCENIECKI).
104] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 105
77.Bierwieka Wolka, Kr. Jedlinsk: Schnurscherben. — WAWRCENIECKI,
a. a. O., Abb. 10—12. :
78. Zawady, Kr. Jedlinsk (vergl. oben Zug I, Nr. 39): Schnurscherben. — WAWR-
CENIECKI, a. a. O., Taf. XIX, 7, 9.
Gouv. Pietrokow:
Bez. Brzeziny: |
79. Kemblin, Kr. Biala: Schnurscherben. — DEMETRYKIEWICZ, Wykopalisko z
Keblin usw., Taf. I, 30, 31 (Sonderdruk aus: Wiadom.-numizmat.-archeol.
Nr. 62, 1905.)
Bez. Rawa:
80. Byszewice, Kr. Regnow: Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly 1901,
V, 43 (WAWRCENIECKI).
Gouv. Lublin:
Bez. Lublin:
81.Chodel, Kr. Chodel: Schnurscherben, Scherben mit Bogenstichreihen und
gestempelten Strichzonen (wie Zlota), Feuersteinmesser. — Akad. Krakau.
Ostgalizien.
Bzhmsch. Lancut:
Bez. Lezajsk:
82.Lezajsk: Scherben, Feuersteingeräte. — Zbior. wiad. 1881. VI, Taf. VIIA,
4—10 (ZIEMIECKI).
Bzhmsch. Jaroslau:
Bez. Sieniawa:
83. Sieniawa: Henkellose Amphore mit Schnurlinien nebst Beil. — Zbior. wiad.
1881. VI, 52 ff., Taf. VI, 1 a,b. (ZIEMIECKI). — Mus. Czartoryski Krakau.
84.Morawsko: Geschweifter Becher mit horizontalen Tannenzweigmuster-
bandern. — Akad. Krakau.
Bzhmsch. Przemysl:
Bez. Przemysl:
85.Orzechowce: Hocker (1886), links am Kopf Feuersteinbeil, bei den Hüften
2 Schaber und ein Knochenspatel, am linken Fuss eine Steinaxt. — Materyaly
1898. II, 79 (DEMETRYKIEWICZ).
86.Siedliska: Hocker (1886), Schnurbecherrest, 2 winzigste Näpfchen, Eber-
zahn, Porphyrhammer, Feuersteinbeile. - DEMETRYKIEWICZ, a. a. O. IH,
76 ff. — Univ. Krakau.
Bzhmsch. MosSciska:
Bez. Mosciska:
87.Balice: 19 Grabhügel, gestreckte Skelette, „abnorm lang“.
Hügel IV: Henkeltopf 180 „mit einem ganz primitiven Schnurornament ver-
sehen“; Hügel V: Skelett in Holzversteifung; Hügel VI: Feuersteinsäge,
-messer, Streithammer; Hügel VII: Skelett, dreiösige Amphore 181 zwischen
den Füssen, Feuersteinbeil, -schaber, -pfeilspitzen; Hügel XIV: Zylinderbecher
mit Schnurverzierung; Hügel XVI: viel Steingeräte, Kugelgefäss enghalsig,
„mit 3 durchlochten Knopfhenkeln“, Schale 183; Hügel XIX: Topf mit Zick-
zackband am Halse, darin verschiedene Getreidearten. — Jahrb. d. Centr.-
Comm. Wien 1903. I, 141 ff. (v. CHIZZOLA).
106 Gustaf Kossinna. [105
Bzhmsch. Drohobycz:
Bez. Drohobycz:
88. Wacowice: Hocker in Hügel, Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly
1897 II, 126, Fig. 3; 1898 Ill, 85, Fig. 3 (DEMETRYKIEWICZ).
Bzhmsch. Sokal:
Bez. Sokal:
89.Zawisznia am Bug: Henkelloses Kugelgefäss mit ausladendem Rand und
drei Doppelschnurlinien. ~- Mus. Dzieduszycki Lemberg.
90.Starogrod: Ansiedlung, Schnurscherben. — Mus. == 81.
Bzhmsch. Husiatyn:
Bez. Kopyczynce:
91.Chorostkow: Hügel bei Uwisla mit Skelett und zylindrishem Henkel-
becher mit 8 Doppelschnurlinien, gr. durhbohrte Bernsteinlinse. — Zbior
wiad. 1890, XIV, 40 ff., Taf. I, 6-8 (OSSOWSKI).
Bukowina.
Bez. Radautz:
92.Unterhorodnik (vgl. oben Zug II, Nr. 114): 1. Hügel I der vierten
Gruppe, im Zentrum neolithishes Brandgrab, schöner Steinhammer, Arm-
schutzplatte mit 4 Durchbohrungen aus geschliffenem Stein, 2 Silexlamell-
bruchstücke. — Einen halben Meter höher ein starker Hocker nebst Scherben.
2. Hügel III der dritten Gruppe neolith. Brandgräber, Scherben, 2 Feuer-
steinspäne. — Jahrb. d. Bukowinaer Landesmus. 1894 Il, 9 f.; 1895 III, 22
(SZOMBATHY).
Wolhynien.
Bez. Ostrog:
93. Siwki: Skelettgräber. Hügel I: Skelett, Schnuramphore, Becher mit ge-
kerbtem Halswulst neben dem Kopf, Feuersteinmesser in l. Hand; Hügel Ill:
doppelkonishes Gefäss mit ausladendem Rand, Oberteil schräg gefurcht
(s. oben S. 75, Abb. 52). — Zbior wiad. 1879 Ill, 62 ff., Taf. IV, 1--3 (RAD-
ZIMINSKI); Trudy d. 9. russ. arch. Kongresses, Wilna 1893 II, 79 ff.
(RADZIMINSKI).
94.Radzimin (vgl. oben Zug II, Nr. 118): Gleiche Hügelgräber wie Nr. 85
Siwki. — Dieselbe Literatur Taf. IV, 4 6; Schadel: Zbior wiad. 1877. I,
48 ff., Taf. I (KOPERNICKI).
Podolien.
Bez. Kamenec Podolski:
95.Zawadyniec: Hügel, Skelett I: Tongefäss mit Messer und Eisenrötel;
Skelett II: Feuersteinpfeilspitzen, Steingeräte. — Zbior wiad. 1890 XIV, 8 (7).
Bez. Jampol:
96. (?) (1896) Rotgefärbter Schädel (s. oben S. 80). — Mus. Dzieduszycki Lemberg.
Bez. Litin:
97.Nowa Sieniawa: (vgl. oben Zug Il, Nr. 128; s. oben S. 75, Abb. 51).
106]
Bez.
98.
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 107
Ukraine.
Gouv. Kiew:
Lipowic:
Nowosiolka: Skelettgräber in Hügeln (1-27), Hügel X: Rotgefärbtes
99.
100.
101.
Bez.
102.
103.
Bez.
104.
Bez.
105.
106.
107.
Skelett, Feuersteinbeil (Abb. 104). — Swiatowit 1904. V, 75 (BYDLOWSKI);
Hügel XXII: Schnurgefäss und Halsband aus Hundezähnen (Abb. 3);
Hügel XXIV: Rotgefärbtes Skelett, Becher mit gekerbtem Rand, (Abb. 4),
Hundezahnhalsband (Abb. 5);
Hügel XXV: Derselbe Becher (Abb. 6);
Hügel XXVI: Tongefäss, Knochennadel mit Doppelhammerkopf (Abb. 7; s. oben
S. 78 f., Abb. 66), dabei angeblih Bronze;
Hügel XXVII: Tongefäss, Steinring (Abb. 8). — Swiat. 1905. VI, 2 (BYDLOWSKI).
Jackowica: 43 Hügelgräber: (28—71) (s. oben S. 78 ff., Abb. 61—64, 66, 67).
— Swiat. 1905, VI, 8 ff. (BYDLOWSKI); Schädel (Kopfindices: 67,92; 73,16;
77,30): ebd. 73 ff. (STOLYHWO).
Iwachny bei Jackowica: 2 Hügel (72, 73) (s. oben S. 79). — Swiat. 1905,
VI, 8 ff. (BYDLOWSKI).
Podwysokie bei Jackowica: 3 Hügel (74--76): Schnurkeramik. — Swiat.
1905, VI, 27 ff. (BYDLOWSKI).
Swenigrodki:
Ryzanowka: Hügel V: 1. Zentralbodengrab mit Hocker, 2. Seitwärts ein ge-
strecktes Skelett, je ein Tongefäss r. u. l. der Oberschenkel, das eine mit
abwechselnd gerichteten Schrägstrichen bedeckt (s. oben S. 79, Abb. 65), eine
Bronzehängespirale.e — Zbior wiad. 1888, XII, 30 ff., Taf. VII, VIII
(OSSOWSKI).
Kobrynowa: Hügel I (1887): 15 rotgefärbte Skelette in 12 mit Lehm ausge-
schlagenen Gruben, Tonschale, 2 Knochennadeln mit Doppelhammerkopf
(s. oben S. 78f., Abb. 65), Halsband von Wolfzähnen, 2 Doppelketten aus
Knochenperlen; Scädelindices: weiblih, Grab Il - 70,27; IH -- 73,74;
XII == 64,06; männlih Grab VII - 67,87. — Zbior wiad. 1888, XII, 58 ff.,
Taf. IX, X (OSSOWSKI). -- Akad. Krakau (ein Grab).
Kiew:
Gatnoje (1874): Drei Gruppen von drei, drei und zwei Skeleiten, Tonge-
fässe, auch mit Schnurverzierung, Feuersteinmeissel, Mahlstein u. a. —
Zapiski imper. russ. arheolog. obstestva. St. Petersburg 1899, Bd. XI, S. 248;
L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449, Abb. 10.
Wassilkow:
Losiatyn (vgl. oben. Zug II, Nr. 129): Grab mit rotgefärbten Knochen
Feuersteinspanstük (Grabung OSSOWSKI). -- Akad. Krakau.
Stretiwka, nahe dem Dnjepr südl. von Kiew: 4 Hügel. 1. Hügel 7 Gefässe
(Becher dar Schnurkeramik), um kalzinierte Knochen herum, 5 Feuerstein-
beile, 3 Hammer; 3. Hügel: rechtsseitig Jiegender Hocker, Feuersteinlanzen-
spitze; 4. Hügel: Hocker. — Materyaly Ukrainsko-Ruskoje etnologie, Lem-
berg 1900, Ill, 1 ff, Sommaire S. 10 m. Abb. (VOLKOW); L. NIEDERLE,
a. a. O., Abb. 3—6.
Stanislawki am Ros: Hockergrab als Zentralbodengrab unter flachem
Hügel. — Zbior wiad. 1889, XIII, 6 ff., Taf. I, Abb. 4, 5 (OSSOWSKI).
108 Gustaf Kossinna: Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. [107
Gouv. Poltawa:
Bez. Solotonosh:
108.Kelebord: Spitzbecher mit Schnurverzierung ( - Jackowica). — Collection
KHANENKO, Antiquites de la region du Dnjepr I, Taf. V, 10.
Gouv. Cherson:
109.Bjeloserskaja: Hügelgräber, rotgefärbte langschädlige Skelette mit Stein-
geräten und Tongefässen. — Trudy d. 8. russ. archaeol. Kongresses, Moskau
1890, Bd. III (SKADOWSKY). |
(Diese wichtige Abhandlung konnte ich mir leider noch nicht übersetzen lassen).
Gouv. Jekaterinoslaw:
Nah CHOINOWSKY sollen auch im Kurgan Saur bei Werdine Dnie-
prowsk, Gouv. Jekaterinoslaw, rotgefärbte Skelette aufgedeckt worden sein.
Bei Abschluss der Korrektur erhalte ich durch freundl. Mitteilung von A. GÖTZE
folgende Fundnachrichten, die er von seiner Reise nach Südrussland heim-
gebracht hat:
Jekaterinoslaw, Potemkingarten: Ansiedlung mit Schnurscherben. — Mus.
Jekaterinoslaw.
Chutor Blagadatny, Gouv. Jekaterinoslaw: 4 rotgefärbte Skelette, ein kleiner
geschweifter Becher, eine knöcherne Doppelhammerkopfnadel mit reich ver-
ziertem Schaft (Ausgrabung EWARNITZKY, 1905). — Mus. Jekaterinoslaw.
Gouv. Astrachan:
Remontnoje: knécherne Doppelhammerkopfnadel mit reich verziertem Schaft.
— Ottet imperatorskoj archeologic. kommissii 1904, St. Petersburg 1907,
S. 133.
Gouv. Taurien:
1 gleihe Nadel. — Th. BRAUN, Compte rendu des fouilles faites dans le Gouv.
de Tauride en 1898 (Izvestija imperat. archeolog. kommissii Heft 19, St. Peters-
burg 1906, S. 87, Abb. 16).
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Ba. II. Taf. X.
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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen und ihre Ausbreitung nach Osten. I, Maßstab 1: 2,500.000.
20 50 A Se n,n. ie Curt Dock, yGodrte e
Kilometer
Ein
schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit )
von O. Frödin, Stockholm.
Mit 80 Abbildungen im Text.
Der westliche Teil von Östergötland ist seit alters ein wichtiges
Kulturland gewesen, und dass es sich schon zur Steinzeit so verhalten
hat, davon zeugt die grosse Anzahl von Funden aus dieser Zeit, die
bisher gemacht worden sind und noch fortwährend zutage treten.
Als einer der merkwürdigsten verdient hier angeführt zu werden der
im Jahre 1904 bei Äby Fyrbondegard im Kirchspiel Ödeshög gemachte
Fund von „grossen Spaltern“ nebst anderen Feuersteingeräten und Ab-
fallstücken, der offenbar von einem Wohnplatz herrihrt*). Er beweist,
dass bereits in der älteren nordischen Steinzeit, der Zeit der dänischen
Muschelhaufen, diese durch die Natur so begünstigte Gegend von
Menschen in Besitz genommen war.
Etwa 6 km weiter gegen Norden bei Broby im Kirchspiel Vestra
Tollstad, nahe bei Alvastra wurde im Jahre 1908 in einem Moor eine
Anzahl Gegenstände vorgefunden, die bei dem Besuche, den aus diesem
Anlass der Amanuensis B. SCHNITTGER im Auftrag des Reichsantiquars
auf dem Platze machte, zu der Annahme führten, dass es sich hier um
einen steinzeitlichen Wohnplatz handele’). Eine genauere Untersuchung
war indes damals wegen der weit fortgeschrittenen Jahreszeit nicht
möglich, sondern musste bis auf weiteres aufgeschoben werden.
Die im Sommer 1909 begonnene Untersuchung hat ein besonders
merkwürdiges Ergebnis geliefert. Daher dürfte eine vorläufige Mitteilung
berechtigt sein, um so mehr als die Ausgrabung sicherlih sehr umfassend
wird und der zusammenfassende Bericht hierüber darum nicht so schnell
zu erwarten ist.
1) Soeben gedruckt in „Fornvännen“ 1910. Herausgegeben von der König-
lihen Akademie der schönen Wissenschaften, Geschichte und Altertumskunde in
Stockholm. Übersetzung von Ernst SNETHLAGE, revidiert von G. KOSSINNA.
2) T. J. ARNE, Ett fynd från den äldre stenåldern i Östergötland, Ymer 1905,
S. 119 f. und Meddelanden frän Östergötlands Fornminnesförening 1905, S. 31 f.
*) B. SCCHNITTGER), Mossfynd från stenåldern vid Alvastra, Meddelanden
frän Östergötlands Fornminnesförening 1908, S. 33 ff.
110 O. Frédin. [2
Der Fundplatz (Abb. 1) ist etwa 400 m ONO von der Eisenbahn-
station Alvastra gelegen, etwa 200 m O vom Eisenbahnhotel und ge-
nau NO vom Landweg nach Heda und Rök, in einem von der Gemar-
kung Broby abgesonderten Bezirk, der jetzt als Acker dient, aber in
Veltersee Täkernsee
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Abb. 1. Ausdehnung des Dagsmoores (Dagsmosse) —. Lage des Wohnplatzes (bei ()).
Nach der Generalstabskarte Blatt Hjo 1 : 100.000.
naher Zukunft seiner Bebauung entgegensieht. Zu diesem Zweck ist er
durch eine Anzahl von Ost nach West gehender wieder zugedeckter
Gräben drainiert worden, bei deren Herstellung man die oben genannten
Funde gemacht hat.
Das Gelände, das gegen Norden und Westen schwach abschüssig
ist, besteht aus Moorboden, da das grosse Dagsmoor (Dagsmosse) '),
das im Nordosten vom Takernsee begrenzt ist, sich mit einer etwa
500 m breiten Zunge hierher erstreckt, deren äusserste Spitze 900 m
südlih von der Eisenbahnstation gelegen ist (Abb. 2).
Im Norden von dem nördlichsten der soeben erwähnten Gräben
1) Das Moor umfasst etwa 900 Hektar.
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3] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 111
lauft in einem Abstand von 13 m ein mit diesem im grossen und
ganzen paralleler offener Graben, bei dessen Reinigung man gleichfalls
auf eine Anzahl Gegenstände gestossen ist. Zwischen diesen beiden
Gräben und auf den Schmalseiten von ihnen begrenzt ist ein 4 m
breiter Schacht ausgehoben worden, dessen Länge von Norden nach Süden
also 13 m ausmacht (Abb. 3).
Unter einem 1 bis 1,1 m mächtigen Lager von Sumpftorf, der
reih an Phragmites ist, wurde eine in ihrem oberen Teil noch mit
Torf gemischte, aber abwärts allmählich mehr homogen werdende, 0,2 bis
0,35 m dicke Kulturschicht bloss gelegt, welche die für solche Bildungen
gewöhnliche Zusammensetzung aufwies. Es muss hinzugefügt werden,
dass der unterste Teil des Torflagers ebenso wie der oberste Teil der
Kulturschicht (bis zu einer Tiefe von einigen cm) in auffallendem Grade
mit Zweigen, Pflöcken und Wurzeln, grösseren wie kleineren Borken-
stücken (Birke und Kiefer) durchsetzt ist, dass daneben auch ein und
der andere Baumstumpf (Erle) auftritt, und der Torf nicht unbedeutend mit
Amblystegium gemischt ist. Dieses Lager, das sich also zwischen dem
Torf und der Kulturschicht in inniger Verbindung mit beiden befindet
und auf dessen Erklärung ich später zurückkomme, misst in der Dicke
0,1 bis 0,15 m.
Nachdem die Kulturschicht durchgegraben war, zeigte es sich, dass
sie auf einem Boden von Stämmen ruhte (Abb. 3 im Vordergrund),
unter dem ein graugelber Kalkmoder folgt. Was diesen und die
darunter folgende Schicht betrifft, so weise ich auf Dr. L. von POST's
Darstellung weiter unten hin.
Wohl das Wichtigste bei dem Wohnplatz ist seine Lage in dem
gegenwärtigen Moor und die dank dessen konservierender Eigenschaften
erhaltenen Hausreste, merkwürdig insofern, als hier zum erstenmal in
Skandinavien die weniger widerstandsfähigen Teile einer Steinzeit-
wohnung der Nachwelt als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung
bewahrt worden sind. Leider musste, gerade als der Boden beinahe
von seiner Kulturschicht befreit worden war, die Untersuchung für dies
Jahr abgebrochen werden, weil der Herbstregen schon begann und
Anstalten auf der Stelle getroffen werden mussten, um die empfind-
lihen Holzreste auf dem Boden des Schachtes gegen die Winterkälte
und Niederschläge zu schützen. Es geschah das auf die Weise, dass
sie mit Sackleinwand bedeckt wurden, hierüber eine dicke Lage Stroh,
hierüber eine solche von Tannenreisig und zu oberst ein Dach von
Brettern gelegt wurde. Erst im kommenden Sommer kann also dieser
Teil der Anlage vollständig und im einzelnen klargelegt werden, und
für jetzt beschränke ich mich darauf, einige allgemeine Beobachtungen
darzulegen.
112 O. Frédin. [4
Der Boden, der im grossen und ganzen horizontal 1,25 bis 1,35 m
tief unter der Oberfläche des Moores liegt, besteht aus bis 0,2 m dicken
Stämmen von Birken und Kiefern, Kante auf Kante gelegt und schräg
gegen die Längsrichtung des Schachtes. Dass sie nicht unmittelbar der
Abnutzung ausgesetzt gewesen sind, geht daraus hervor, dass die Borke
noch teilweise daran sitzt'). Wie weit der Boden sich erstreckt, kann
noch nicht bestimmt werden, da er sich auf den vier Seiten des Schachtes
fortsetzt, aber der Umstand, dass er den ganzen, 52 qm grossen aus-
Abb. 2. Landschaft gesehen vom Omberg;
gegrabenen Umkreis einnimmt, deutet auf jeden Fall darauf hin, dass
hier eine besonders bedeutende Anlage vorliegt. Vielleicht sind die
noch verborgenen Teile nicht die geringsten; denn dass es sich so
gefügt haben sollte, dass der im Verhältnis zur Breite recht lange
Schacht mitten in der alten Wohnstätte ausgehoben worden ist, ist
kaum anzunehmen.
Hier und da wurden kleine Pfähle von etwa 0,05 m Durchmesser
beobachtet, in Reihen geordnet, die mit den Stämmen parallel laufen.
Nach oben zu sind sie am Boden oder einige dm darüber abgebrochen,
während das untere, zugespitzte Ende entweder eingekeilt zwischen den
Stämmen sitzt, oder sich 0,1 bis 0,2 m unter diesen befindet. Nach
allem zu schliessen sind sie die Reste von Dachstützen.
Die Konstruktion des Daches kann gegenwärtig nicht bestimmt wer-
den. Man kann annehmen, dass es mit Häuten, Stroh, Schilf, Borke, Reisig-
geflecht oder dergleichen gedeckt war, und es ist möglich, dass hieraus
ein Teil der oben genannten borken- und zweigreihen Schicht besteht,
') Vergl. die später erwähnten Spuren von Reisigbetten auf dem Boden.
5] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 113
die zwischen der Torf- und der Kulturschicht liegt und in beide
hineinragt.
Auf dem Boden wurden sieben Herde gefunden (sechs sind auf
Abb. 3 sichtbar), von denen drei nur teilweise ausgegraben worden
sind, da die Grenze des Schachtes gerade über sie hinweggeht '). Während
einer von den Herden (Abb. 3 am weitesten nach links im Hintergrunde,
ebenfalls in Abb. 4 a oben in der linken Ecke sichtbar) von einer ein-
zigen, ovalen Kalksteinplatte, 0,58X0,42 m gross, gebildet wird, sind
Phot. d. Verf
der Wohnplatz bei X, ganz links der Täkernsee.
die übrigen aus einer Mehrzahl von oft durch Brand bröckligen
Steinen hergestellt und in der Form mehr oder minder unregelmässig.
Der am sorgfältigsten gebaute (Abbildung 4, ebenfalls sichtbar auf
Abb. 3 mitten im Hintergrund), der 1,65 m in der Länge und 0,9 m in
der Breite misst, besteht eigentlih aus zwei Teilen, erstens einem
ziemlich ovalen Kreis von 1,15 m Länge, hergestellt aus Kalksteinsplittern
und kleineren Rollsteinen von Granit oder Gneis, die sämtlich eine
durch die Hitze auseinander gesprengte Kalksteinplatte umschliessen —
also dem eigentlichen Platz für das Feuer —, dann aus der seitwärts
hiervon aus teilweise auf die Kante gestellten Steinen gebauten „Grube“,
in die man Glut und Asche fegte. Rund um die Herde ist übrigens
der Boden oft bedeutend verkohlt.
Von den sieben Herden liegen zwei (Abb. 3 unten rechts) Kante
an Kante miteinander und auf beträctlih ungleihem Niveau; man
kann daher für diese einen deutlichen Altersunterschied feststellen.
1) Ein Teil abgesondert liegender Steine — hauptsächlich im südlichen Teil
des Schachtes — sind wahrscheinlich als Reste aufgegebener Herde zu betrachten,
in welchem Falle die Anzahl also noch grösser gewesen ware.
Mannus. Bd. Il. 8
[6
O. Frödin.
114
Schacht von Süden gesehen; bei X Herde, bei + der Sitzplatz.
“ x
u s
A
= -æ
Phot. d. Vert.
7] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 115
Phot, d. Verf.
Abb. 4a. Herd.
Dagegen ist dies bei den übrigen nicht der Fall, sondern diese sind,
nach allem zu urteilen, gleichzeitig angelegt. Es dürfte im Zusammen-
hang hiermit die Frage zu stellen sein, inwiefern sie irgend eine Art
von Raumeinteilung darstellen. SE
Unmöglich ist ja ein solches Ver-
hältnis nicht, aber da keine Spur
von Wänden beobachtet werden
konnte, und da die verstreut liegen-
den Funde auch keine Stütze für
eine derartige Vermutung abgeben,
so bin ich bis auf weiteres wenig-
stens zu der Annahme geneigt,
dass der jetzt untersuchte Teil
des Hauses einen einzigen grossen
Raum gebildet hat. Die Mög- ':
lichkeit ist ja jederzeit vorhanden, y
dass er mittelst Häute oder der-
gleichen abgeteilt wurde, aber
eine solche Anordnung dürfte kaum
mit Bestimmtheit nachgewiesen
werden können. Jedenfalls haben
zwei von den Herden, der auf
Abb. 4 wiedergegebene und der
oben genannte aus einer einzigen
Platte bestehende, ein und demselben Raum zugehört, da sie in einem
Abstand von nur 0,9 m voneinander gelegen sind; im übrigen wechselt
der Abstand zwischen 2,5 und 3 m.
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| ix N (ex R
Wie
179
Abb. 4b. Grundriss desselben Herdes; die Zahlen geben
die Tiefe unter der Oberfläche des Moores in cm an.
8*
116 O. Frödin. [8
Zu der Einrichtung des Hauses gehört ferner ein Sitzplatz (Abb. 3),
der aus einem länglichen Stein (Granit), 0,6 m lang, 0,3 m breit und
hoch, besteht und zwischen zwei von den Herden und in einem Abstand
von etwa 1,2 m von dem nächsten aufgestellt ist. Während die Seiten
übrigens eine von Natur ebene, schwach konvexe Oberfläche aufweisen,
hat die Oberseite sichtbarlih von Menschenhand und mit Absicht eine
etwas nach innen geschweifte Form erhalten'). Dass der „Stuhl“ oft
auch als „Tisch“ gedient hat, ist naturgemäss anzunehmen.
0,9 m von dem Herd (Abb. 4) liegt ein anderer, auf der Abbildung
jedoch nicht sichtbarer Stein, gleichfalls langlich, aber kleiner, 0,45 m
lang und 0,35 m breit. Anzunehmen ist, er habe dieselbe Bestimmung
gehabt, aber die Oberseite weist keine absichtlihe Bearbeitung auf,
sondern hat ihre natürliche schwach konvexe Oberfläche.
Hier und da kann man in der Kulturshicht Äste und feinere
Zweige beobachten, deutliche Überbleibsel von Reisigbetten, die auf den
Boden gelegt waren.
Von der grössten Bedeutung für unsere Auffassung von dem
Charakter der Anlage ist die Frage nach der Beschaffenheit des Unter-
grundes. Wie oben erwähnt ist, folgt unmittelbar unter dem Boden
des Schachtes ein graugelber loser Kalkmoder, der folglih den Erd-
boden ausmacht, der sich rund um das Gebäude ausbreitete. Wie dieser
Erdboden in Wirklichkeit sich zeigte, darüber sind die geologischen
Sachkundigen — indem sie sich auf Vergleihe mit neuen Bildungen
derselben Art stützen — imstande, uns eine vollkommen sichere Ant-
wort zu geben: er hat (siehe unten) „aus einer lockeren, geneigten,
von Quellfluten beständig überrieselten Moderfläche bestanden, dünn
bewachsen mit Schilf (Phragmites communis) und Binsenschneide
(Cladium Mariscus)“, so locker, dass sie ,eine gehende Person
nicht getragen hat“. Aber ein Erdboden von dieser losen Beschaffenheit
hat fiiglich nicht die höchst bedeutende Last tragen können, die von dem
ansehnlichen Gebäude mit seinen Herden, seiner Kulturschicht und seinen
Bewohnern gebildet wurde, sondern eine weitere Stütze muss voraus-
gesetzt werden; dies um so mehr als der Boden nicht überall unmittel-
bar auf dem Moder ruht. Bei Bohrungen im südlichen Teil des Schachtes
hat sich nämlich gezeigt, dass hier zwishen dem Boden und dem
Moder eine etwa 0,05 m dicke Kulturschicht auftritt. Sie ist also recht
unbedeutend, zeigt aber dennoch, dass ein gleich grosser, leerer Raum
sich einstmals unter diesem Teil des Hauses befunden hat, ein leerer Raum,
der sich allmählich mit Kulturresten gefüllt hat. Diese sind entweder
1) Die Oberflähe ist zu rauh, als dass der Stein als Mühlstein hätte ver-
wendet werden können.
9] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 117
durch die Risse im Fussboden herabgefallen, oder nach aussen vor die
Wohnstätte fortgeworfen und von den Quellfluten, die unter dem Fuss-
boden dahinrieselten, dorthin geführt worden.
Das Gebäude muss also daneben von Pfählen getragen
worden sein. Und solche sind auch an der einzigen Stelle, wo dies
möglich war, festgestellt worden, d. h. dort, wo der unter dem Boden
liegende Moder in grösserer Ausdehnung bloss gelegt worden ist ').
Man darf hier nicht vergessen, dass die Untersuchung abgebrochen
werden musste, gerade als der Boden frei gelegt worden war, aber an
einer Stelle — wo der oben erwähnte offene Graben weiter geht —
ist dieser bis in den Moder hinein durchschnitten worden, und hier
finden sich auch drei Pfähle in ihrer ursprünglichen Lage. Diese Pfähle,
von etwa 0,1 m Durchmesser, sind bis zu einer noch nicht festge-
stellten, aber jedenfalls ganz beträchtlichen Tiefe herabgetrieben worden,
während deren obere Enden an der Unterseite des Bodens endigen und
dort anstossen. Die Einzelheiten der Konstruktion, die vielleicht hier
vorhanden waren, sind natürlicherweise verloren gegangen.
Der ganze Charakter des Wohnplatzes von Alvastra stellt ihn zu
der grossen Gruppe der Pfahlbauten, dies Wort in seiner weiteren
Bedeutung genommen, wonach es nicht bloss auf Pfählen draussen im
Wasser aufgeführte Häuser, wie die mitteleuropäischen Dörfer in der
jüngeren Steinzeit und Bronzezeit, sondern jede Anlage umfasst, die
durch ihre Lage in einem unzugänglichen Sumpf gegen Angriffe geschützt
ist und hierdurc ihren Zweck als Verteidigungsanlage erfüllt. Derselben
Auffassung folgt Sophus MÜLLER, wenn er in seiner Urgeschichte
Europas’), Seite 98 f., bei der Behandlung der Pfahlbauten Mittel-
europas sowohl von „Wasserpfahlbauten“ als auch von „Hütten auf
Moorgrund“, Anlagen „in Wasser oder auf unzugänglihem Grunde“
(„auf feuchtem und weichem Grunde“) spricht’). Noch weiter geht
FORRER *), der zu den Pfahlbauten auch die „Flosspfahlbauten“ rechnet,
1) Dass man mittels Bohrung auf senkrecht stehende Pfähle treffen könnte,
ist natürliherweise höchst unwahrscheinlich.
2) Strassburg 1905.
3) Beispiele für Anlagen der letzteren Art sind solhe „Packwerkbauten“, wie
die bei Wauwyl und Niederwyl in der Schweiz sowie Schussenried in Württemberg
(Robert MUNRO, Lake-Dwellings of Europe, London 1890, S. 78 f., 118 ff. und
147 ff., wo sich auch ausführlihe Literaturnachweise finden). Von hier ist der
Weg nicht weit zu den einer späteren Zeit angehörigen irischen und schottischen
„Crannogs“, die am ehesten als künstliche Inseln, die in Seen oder Mooren angelegt
waren, zu betrachten sind.
4) Robert FORRER, Urgeschichte des Europäers, Stuttgart 1908, S. 166. — Die
Angabe dieses Verf. (S. 169) über steinzeitlihe Pfahlbauten im Maribosee in Däne-
mark hat sich nicht bestätigt (vergl. Sophus MÜLLER, Nord. Altertumsk., Strass-
burg 1897, I, S. 20).
118 O. Frédin. [10
wie z. B. die Flösse des Wohnplatzes im Maglemoor. Das am meisten
Charakteristische für diese Wohnplatze ist, wie gesagt, ihre gegen An-
griffe geschützte Lage, und in dieser Hinsicht muss man sagen, dass
gerade die in den Mooren angelegten am besten ihren Zweck erfüllten.
Einem über dem Wasser aufgeführten Hause konnte sich ja ein Feind
im Boote nahen, zu denen im Moor dagegen konnte man weder rudern
noch gehen, und die Stege, die, wie man sich denken muss, die Ver-
bindung der Bewohner mit dem Lande vermittelt haben, konnten ja
zur Nachtzeit oder im Fall eines Angriffes leicht und schnell ungangbar
gemacht werden.
Bei Alvastra hat man sich natürlih auch solcher Stege bedient.
Es ist daher durchaus nicht überraschend, dass sih Spuren davon
gefunden haben, bisher an zwei Stellen, 40 und 50 m westlich von
dem Schacht, teils in dem offenen Graben, teils in einem kleineren
Probeschacht. Bei den zukünftigen Untersuchungen dürfte ihre Bauart
näher erkannt werden.
Gerade diese Eigenschaft des Wohnplatzes als Verteidigungsanlage
gibt uns Aufklärung über die Ursache, weshalb er einstmals aufgegeben
wurde. Oft hat man bei den Pfahlbauten der Alpengegenden beobachten
können, dass sie durch Feuer verheert worden sind. So verhält es
sih hier nicht. Keine Spur irgend welcher Art deutet darauf hin,
dass das Haus verbrannt oder durch irgend eine andere Katastrophe
der Verwüstung ausgesetzt worden ist. Statt dessen kann man mit der
grössten Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es die langsam, aber sicher
wirkende Kraft der Natur war, die den Ausschlag gab, in diesem Falle
die stufenweis vor sih gehende Klimaveränderung, wovon u. a. unsere
Torfmoore und auch das Dagsmoor (s. unten) Zeugnis ablegen. Das
Ergebnis dieser Änderung war das warme und trockene Klima der sub-
borealen Zeit. Infolgedessen begannen die Quellfluten, die das Gelände
rings um den Pfahlbau bewässerten, an Wirksamkeit abzunehmen und
der Pflanzenwudhs zu gleicher Zeit auf den Moderboden hinauszuwandern.
Hierdurh wurde es sowohl für Menschen wie Tiere möglich, ihn zu
betreten. Aber weil die Anlage so ihre hauptsäclichste Bedeutung,
nämlich einen sicheren Zufluchtsort für die Bewohner abzugeben, verlor,
wurden diese gezwungen aufzubrechen und sich nach einem geschützteren
Platz zu begeben. |
Da das Gebäude schliesslich vermodert war, bildete der Rest nur
eine schwache Erhöhung, etwas trockener als der Erdboden, der sie
umgab. Hier wanderte nun eine weniger wasserliebende Pflanzenwelt
ein, wie Ellernbüshe und sogar einige Ellernbäume, die ihrerseits
wieder von der überhandnehmenden Torfbildung erstickt wurden. In
jedem Jahr, das verging, legte sich eine neue Torfschicht auf die alte,
11] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
bis schliesslih jede Spur menschlicher Wirk-
samkeit verwischt wurde. Aber tief unten
im Moore lag wohl geschützt das Material,
das einst über das hier Jahrtausende vor
unseren Tagen herrschende Leben Licht ver-
breiten sollte.
x
Ih habe den grossen Vorzug gehabt,
die für die Kenntnis der dort vor Zeiten
herrschenden Naturverhältnisse so bedeu-
tungsvollen geologischen Lokaluntersuchungen
Dr. LENNART v. POST überlassen zu können,
der sih zur Erforschung der Entwicklungs-
geschichte des Täkernsees und Dagmoores
gerade in der Gegend aufhielt. Der Bericht,
den Dr. v. POST hierüber gibt, und auf
den ich im vorhergehenden bei verschiedenen
Gelegenheiten hingewiesen habe, lautet:
„Der Pfahlbau bei Alvastra ist nicht wie
seine bekannten schweizerischen Gegenstücke
ausserhalb der Ufer eines Sees aufgeführt
gewesen. Die aus Kalktuff, Kalkgyttja (Kalk-
moder), Wiesenkalk und Torf bestehende
hügelförmige Ablagerung, worin seine Reste
angetroffen werden, gehört nämlich ihrer
Entstehung nach nicht zusammen mit dem
naheliegenden Moor Dagsmosse — dem von
Torfbildungen ausgefüllten südwestlichen
Teile des Täkernseebeckens —, sondern ge-
hört zu dem mit den nordskandinavischen
„backmyrar“ verwandten, in Schweden bis
jetzt wenig beobachteten, aber in Nord-
deutschland wohl bekannten Typus von Torf-
ablagerungen, die „Quellmoore“ genannt
werden. Die Hauptzüge der Schichtenfolge
des Alvastra - Quellmoores sind von unten
gerechnet (Abb. 5):
Kalktuff auf einer aus sandiger
Moräne und sehr losem Ton bestehenden,
stark wasserführenden Unterlage; Machtig-
keit bis 4 m;
NV
Pfahlbau
- Niveau
Tukerns nat.
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Hochw.
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QOD RNA AAAS
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Mineralboden
(H:L = 5:11)
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MEN
Kalktuf
Von L. v. Post.
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Abb. 5. Radialschnitt durch das Quellmoor bei Alvastra.
Cladium- Torf
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Kalkgyttja
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119
120 O. Frédin. [12
Cladiumtorf, besonders oben mehr oder minder mit Qyttja
vermischt; bildet in der Regel eine zusammenhängende 2 zu 3 dm —
1 m mächtige Decke über dem Kalktuff, aber ist hier und dort auf-
gelöst in grössere oder kleinere, unregelmässig liegende, linsenförmige
Partien;
Kalkgyttja, hier und dort mit Rändern von Kalktuff und Cladium-
torf, sowie überall mit einzelnen, bis zerstreuten Rhizomen von Cladium
und Phragmites;
Sumpftorf mit Phragmites und einzelnen Ellernstubben,
1—1,3 m mächtig. |
Alle diese Schichten fallen nach Süden, Westen und Norden hin
ab, d.h. von dem Moränenhügel bei Broby strahlenförmig gegen das
ooo
Phot. v. J, E. Ljungquist.
Abb. 6. Wiesenkalkboden in Mästermyr auf_ Gotland.
Dagsmoor hin. Die Grenzlinie zwischen der Kalkgyttja und dem Torf, die
sich überall scharf abhebt und in dem aufgenommenen Profile fast
gradlinig ist, hat ebenso wie die gegenwärtige Torfoberflache ein Gefälle
von ungefähr 1 zu 50. Der Ausläufer des Torfes auf dem Brobyhügel
liegt 6,2 m und die Torfoberflähe bei dem Pfahlbauplatz 3,9 m über
der höchsten Strandlinie des Täkernsees, der Pfahlbau-Fussboden selbst
im Mittel 2,6 m über dem genannten Niveau.
Die Altertiimer sind sämtlih auf der Grenzlinie zwischen der
Kalkgyttja und dem Torf oder richtiger in der obersten Schicht des
ersteren angetroffen worden. Der Erdboden, worauf der Pfahlbau auf-
13] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 121
geführt war, hat aus einem lockeren, geneigten, von Quellfluten be-
ständig überrieselten Moderflache bestanden, dünn bewachsen mit Schilf
(Phragmites communis) und Binsenschneide (Cladium Mariscus).
und am nächsten vergleichbar dem auf Abb. 6 wiedergegebenen (vergl.
| Phot, v, J. E, Ljungquist,
Abb. 7. Trockengelegter Wiesenkalkboden mit Scirpus und Phragmites
bestanden. Der Boden bei dem Pfahlbau ist wahrsceinlich niemals so
trocken gewesen, wie es das Bild zeigt.
Abb. 7). Der Pfahlbau ist hier noch besser geschützt gewesen, als wenn
er in einem See gestanden hatte. Die lose Moderoberflache hat eine
gehende Person nicht getragen, und wegen der geringen Tiefe des Wassers
(einige wenige cm) konnte sie auch nicht mit einem Boot befahren
werden. Die einzige Möglichkeit, das etwa 100 m vom damaligen Lande
gelegene Gebäude zu erreichen, war dies auf hinausgeschobenen Stegen
zu tun, von denen auch bereits Überreste angetroffen sind. Ein vor-
trefflicher natürliher Schutz also gegen Angriffe jeder Art von Feinden,
Menschen wie Tieren.
Es ist augenscheinlich, dass der Wohnplatz im Zusammenhang mit
der Entstehung der Torfdecke über dem Kalkmoder aufgegeben worden
ist. Ohne Zweifel ist auch gerade das Auftreten einer zusammenhängen-
den Pflanzendecke rings um das Gebäude der Umstand gewesen, der
die Bewohner veranlasste, einen neuen Wohnplatz aufzusuchen. Denn hier-
durch hat der Platz seine wichtigste schützende Eigenschaft verloren: seine
Unzuganglichkeit. Auf der neugebildeten festen Wurzeldecke des Sumpfes
haben nämlich Menschen wie Tiere mit Leichtigkeit zu dem vorher voll-
kommen unerreichbaren Gebäude wandern können.
122 O. Frédin. (14
Das augenscheinlich überall gleichzeitige Auftreten einer geschlos-
senen Pflanzendecke auf der Kalkgyttja bei Broby ist ohne Zweifel
hervorgerufen worden durch verminderten Wasserzufluss in den Quellen,
aus deren Wasser sich die Gyttja abgesetzt hatte. Für eine ähnliche Aus-
trocknung liefert auch die Entwicklung des Täkernsees und des Dags-
moores ein deutliches Zeugnis. Zu einem gewissen Zeitpunkt, nach
allem zu urteilen ungefähr gleichzeitig mit dem Abnehmen der Broby-
quellen, fing nämlich ein allmähliges Fallen des Wasserstandes im Täkern-
see an, das zuletzt das Niedrigwasser derselben bis zu 1,9 m unter dem
natürlichen Hochwasserniveau senkte. Grosse Teile vom Dagsmoor wurden
von starkem Walde (zuerst Laubbäumen, später Kiefernwalde) über-
zogen, von dessen früherem Dasein ein ausgebreitetes und wohl aus-
gebildetes Stubbenlager ein unzweideutiges Zeugnis ablegt. (Das Dags-
moor war schon zur Zeit des Pfahlbaues ungefähr in seinem jetzigen
Umfang vorhanden und war in seinem pflanzenphysiognomischen Cha-
rakter ein Cladium-Carex-Sumpf von demselben Typus wie z. B.
die gotländishen Sümpfe.) Die subboreale Zeit — in Skandinavien
der trockenste und wärmste Zeitraum der Alluvialzeit — war eingetreten,
und unter der Einwirkung ihres Klimas sanken die Wasserflächen der Seen,
die vorher nassen Torfmoore bekleideten sich mit Wald, und die Quellen
wurden schwäcer. Alle diese Veränderungen trafen aber nicht nur um
den Täkernsee ein, sondern die Spuren derselben sind im ganzen süd-
lichen Skandinavien beobachtet worden; und, wie oben gezeigt, erstreckte
die Klimaveränderung ihre Wirkungen auch auf die Bebauung, indem die
Aufgabe des Wohnplatzes bei Alvastra ohne Zweifel darin ihre tiefste
Ursache hatte“.
Von dem Kulturstandpunkt, auf dem die Bewohner standen, liefern
uns die in der Kulturschicht angetroffenen Altertiimer') ein besonders
gutes Bild, das überdem — dank den ungewöhnlich günstigen Konser-
vierungsverhältnissen auf dem Platze — teilweise ganz überraschende
Einzelheiten biete. Mit Rücksicht auf die nur vorläufige Natur dieser
Mitteilungen kann indessen der Bericht über das reichhaltige Material
für jetzt nur in der Form einer kurzgefassten Fundbeschreibung erstattet
werden, wobei die Vergleihe mit dem übrigen in- und ausländischen
Material auf das mögliche Mindestmass beschränkt werden.
Von gesdhliffenen Beilen und Meisseln aus Feuerstein liegt
eine Menge von Splittern und Stückchen vor, die in den Fällen, wo sie
1) Sie haben im Historischen Staatsmuseum die Inventarnummer 13 929.
15] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 123
Aufschliisse über den Typus geben, zeigen, dass dieser vierseitig und,
näher bestimmt, dicknackig gewesen ist.
Im Verhältnis zum Feuerstein hat der Grünstein offenbar eine
vergleichsweise bedeutendere Rolle als Rohstoff gespielt, ganz natürlich
übrigens in Gegenden wie diese, wo der erstere in natürlichem Zustande
nicht vorkommt, sondern hat eingeführt werden müssen. Die sechs
Beile aus Grünstein'), die gefunden und von denen drei abgebildet
worden sind (Abb. 8—10, s. auch Abb. 32), sind typologisch recht schwer
zu bestimmen aus dem runde, weil die Gesteinsart — nach dem
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Abb. 8—10. Beile aus Grünstein. Alvastra '..
Gutachten des Dr. A. GAVELIN „ein sehr umgewandelter schiefriger Grün-
stein“ — in durchaus ungewöhnlih hohem Grade angegriffen und durch
die Feuchtigkeit der Torferde aufgelöst ist. Daher sind die Kanten
in den meisten Fällen abgerundet worden, und die charakteristischen
Einzelheiten sind verloren gegangen; besonders gilt
dies von dem Nackenteil. Die Form ist jedoch deut-
lih (wie auf Abb. 8 und 9) vierseitig, und augen-
scheinlich ist der Typus gleich den eben genannten
Feuersteinbeilen dicknackig gewesen. Die Axt Abb.10, 4.41. Axt mit Schaft-
die eine Queraxt ist, ist deutlich dicknackig aber loc. Alvastra '/.
mit einem mehr ovalen Durchschnitt.
Dieselbe verwitterte Oberfläche zeigen die Äxte mit Schaftlod,
die in sieben mehr oder minder fragmentarischen Stücken vorliegen.
Die Axt Abb. 11, die mit ihrem quergestellten dünnen Nacken von
ganz ungewöhnlicher Form ist, ist möglicherweise eine Queraxt gewesen;
!) Eines von ihnen besteht nur aus einem Fragment (Bahnteil).
124 O. Frédin. [16
das doppelkonische Loch ist auffallend klein (der kleinste Durchmesser
9mm) und dürfte schwerlich irgend eine praktische Bedeutung gehabt haben.
Die übrigen sechs Äxte mit Schaftloch sind alle von doppel-
schneidiger Form (Abb. 12—17, s. auch Abb. 32), ein Typus, dessen
Abb. 12-17. Doppelschneidige Schaftlochäxte. Alvastra '/ı.
Vorkommen hier von grösstem Interesse ist, unter anderm auch aus
dem Grunde, weil er auf den Wohnplätzen vergleichsweise selten beob-
achtet worden ist. In Schweden ist er demgemäss nur an zwei Fund-
orten angetroffen worden, beide Male in einem Exemplar, nämlich bei
Gullrum und am Ausfluss des Ringsees') und auf den dänischen
Wohnplätzen wird er gleichfalls sehr selten getroffen. Um so charakteri-
stischer ist der Typus dagegen für die dänischen (besonders seeländischen)
Ganggräber, woneben er bekanntlih in einer grossen Zahl zufälliger
Funde, nicht am wenigsten in Schweden, vorliegt. Aus Östergötland
kenne ich ihn jedoch nur in drei Exemplaren ?), warum sein Auftreten
bei Alvastra um so bemerkenswerter ist’). _
1) Vergl. Oscar ALMGREN, Uppländska stenäldersboplatser, Fornvännen 1906,
oy 111%
2) Stat. Hist. Mus. 9170:570 (Kirchspiel Kisa), 9374 (Hults bruk, Kirchspiel
Kvillinge) und 9170:571 (unbekannten Fundorts).
3) Hierzu kommen ferner die im folgenden erwähnten.
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17] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 125
Diese Äxte entsprechen, wo sie typologisch näher bestimmbar
sind, am meisten der Form bei MÜLLER, Ordning 94 '), also dem etwas
fortgeschrittenen Typus mit dem weiter oben gegen die Bahn hin an-
gebrachten Schaftloh. In vier Fällen sind sie unvollendet geblieben.
Bei der Axt Abb. 14 fehlt das Schaftloch, und die Äxte Abb. 12, 13 u. 15
sind, bevor das Durchbohren angefangen wurde, auseinander gebrochen
und als wertlos fortgeworfen worden”). Wie das Verhältnis bei dem
Exemplar Abb. 16 gewesen ist, ist unsicher; jedenfalls ist die Axt
Abb. 17 die einzige, von der man mit Gewissheit sagen kann, dass
sie in Gebrauch gewesen ist.
Der Feuerstein ist natürlih auch zur Anwendung gekommen als
Rohstoff für verschiedene kleinere Gerätschaften. Am zahlreichsten sind
Schaber, die in 35 Exemplaren vorliegen, davon 11 Spanschaber
— 9 mit konvexer Schneide an einem Ende (Abb. 18 u. 19), 1 mit
Ten
Å
Abb. 24.
Querschneidige Pfeilspitze aus
Feuerstein. Alvastra. '/ı.
Abb. 25 und 26.
Bohrer aus Feuerstein.
Abb. 18—23. Schaber aus Feuerstein. Alvastra. *. Alvastra. 7).
ebensolcher Schneide an beiden Enden (Abb. 21), 1 mit mehr grader
Schneide an einem Ende (Abb. 20) — und 15 Scheibenschaber
unter denen 4 runde wie Abb. 23, 2 rundlih drei- und vierkantige
. (Abb. 22), der Rest unregelmässig oder fragmentarisch *); die übrigen
—
1) Sophus MÜLLER, Ordning af Danmarks Oldsager, Stenalderen, Kopen-
hagen 1888.
2) Eigentümlich genug sind die Exemplare Abb. 12 u. 13 der Lange nach
geborsten, was augenscheinlich darauf beruht, dass die Schiefrigkeit des Steines
in dieser Fläche liegt.
8) Einer der Scheibenschaber ist „wahrscheinlich aus Kristianstadfeuerstein“
gemacht (nach der Bestimmung von Dozent Dr. C. WIMAN, Uppsala).
126 O. Frédin. [18
9 Schaber sind aus unregelmässigen Splittern verfertigt. Es muss
darauf hingewiesen werden, dass mehrere von den Schabern (z. B. Abb.19
u. 22) eine geschliffene Fläche aufweisen, woraus hervorgeht, dass sie
aus Splittern von Beilen gemacht sind; man hat offenbar möglichst
lange das kostbare Feuersteinmaterial ausnützen wollen.
Die Pfeilspitzen, die in acht Exemplaren angetroffen wurden,
sind in sieben Fällen querschneidig (Fig. 24), von dem Typus bei
MULLER, Ordning 17, während die achte ein Spanpfeil mit Schaft-
zunge!) ist von dem Typus bei MÜLLER, Ordning 174. Während
der letztere Typus im ganzen nordischen Gebiet vorkommt, ist der
erstere aus dem östlichen Schweden bis jetzt nicht bekannt gewesen.
Daher ist das Vorkommen des Typus bei Alvastra von Interesse.
Schliesslih müssen zwei Bohrer erwähnt werden (Abb. 25 u. 26),
sowie ein Spanmesser (Abb. 27) von dem Typus bei MULLER, Ord-
ning 143. Gewöhnlihe Feuersteinspäne sind ausserdem in grosser
Anzahl gefunden worden, obwohl von geringer Grösse (der längste
7,5 cm lang).
Zum Zuhauen der Steinwerkzeuge hat man sich der Klopfsteine
bedient, die bis zur Anzahl von etwa 50 angetroffen worden sind. Es
sind von Natur mehr oder minder abgerundete Steine von Quarzit mit
Schlagmarken an den Enden oder auf den mehr vorspringenden Teilen,
bisweilen über den grösseren Teil der Oberflähe hin (Abb. 28) *).
Abb. 27. Messer aus Feuerstein. Abb. 28 und 29.
Alvastra. °/s. Klopfsteine aus Quarzit. Alvastra. '/s.
Einer von ihnen (Abb. 29) ist ausserdem mit drei eingeschlagenen
Vertiefungen versehen, sicherlih, um besser mit den Fingern an-
gefasst werden zu können; irgend ein Anlass scheint dagegen nicht vor-
handen zu sein, sie mit den schalenförmigen Vertiefungen zu vergleichen,
die sich bisweilen gerade auf dergleichen kleineren Steinen angebracht
1) Bruchstück (Zungenende).
*) Dass sie auch in anderen Fällen den Dienst als Hammer versehen haben,
muss man natürlich als gegeben annehmen.
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19] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 127
finden (MÜLLER, Ordning 200), und denen jetzt allgemein eine religiöse
Bedeutung beigelegt wird ').
Eine gleiche eingeschlagene Vertiefung findet sih auf einem an-
deren in der Kulturschicht angetroffenen Stein (Abb. a Dieser be-
steht aus einer 18,8 cm langen, e TEE
15,7 cm breiten und 6,3 cm
dicken, unregelmässig vierkantigen
Grünsteinplatte mit Spuren von
grober Zuhauung längs der Kanten.
Mitten auf der einen Fladhseite
ist die ovale, 6,5 cm lange, ties
4,5 cm breite und 1,6 cm tiefe
Vertiefung angebracht. Der Stein
lag mit dieser Seite nach oben
in dem untersten Teil der Kultur-
schicht (Abb. 31).
Die Frage ist nun, WOZU Abb. 30. Stein m. schalenförmiger Vertiefung. Alvastra. '/s.
dieser Stein angewandt worden ist.
Wäre er mit mehreren dergleichen Vertiefungen versehen worden, so
scheint es mir, dass man voll berechtigt worden, ihnen dieselbe religiöse
i
ES SA
Abb. 31. Bei X der Stein Abb. 30, bei + zwei Klopfsteine. Alvastra.
Phot. d. Verf,
Bedeutung zuzuschreiben, die oben kurz berührt ist, und ihn gleidh-
zustellen z. B. mit dem in dem Ganggrab bei Lundby in Westergötland
1) Ein Stein dieser letzteren Art ist vielleicht der auf dem Wohnplatz bei
Mjölkbo in Uppland gefundene (ALMGREN, a. a. O., S. 109, Abb. 32); gegen die Er-
klärung als Klopfstein spricht der Umstand, dass sich gar keine Spuren von Schlagmarken
auf ihm findet.
128 O. Frédin. [20
von MONTELIUS im Jahre 1884 angetroffenen Stein'), d. h. ihn als
einen Opferstein zu erklären. Nun muss man gleichfalls in Betracht
ziehen, dass er sehr wohl einem rein praktischen Zwecke gedient haben
kann, z. B. als Unterlage für eine der Stützen, die das Dach getragen.
In solhem Falle hätte diese mit dem unteren Ende in der kleinen
Vertiefung geruht. Eine andere Erklärung dürfte indessen eine noch
grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben. In der Kulturshicht kommen
grosse Massen von zerquetschten Nusschalen vor; Haselnüsse sind also
eine sehr beliebte Speise gewesen. Knackte man nun die Nüsse zwischen
zwei Steinen auf, so konnte es leicht geschehen, dass die Kerne fort-
sprangen; legte man sie hingegen in eine kleine Schale, wie die hier
vorliegende, so konnte man sie ohne Gefahr mit einem Klopfstein, wie
den oben beschriebenen, zerquetschen. Zwei solche Klopfsteine lagen
gerade bei dem Stein, in nur 15 cm Abstand von ihm und in derselben
Tiefe (Abb. 31), ein Umstand, der, wie es mir scheint, in gewissem
Grade für die Erklärung der Bestimmung des Steines, die hier versucht
ist, spricht.
Zum Schleifen den Steinwerkzeuge hat man Scleifsteine von
Sandstein und Quarzit angewandt, die in recht grosser Anzahl
Phot, d. Verf.
Abb. 32. Bei X zwei doppelschneidige Schaftlochäxte (= Abb. 12 und 14), bei + zwei Beile
aus Grünstein (das grösste = Abb. 9), bei © Schleifstein aus Quarzit; alle in situ. Unten links ein
Teil des Herdes Abb. 4. Alvastra.
angetroffen sind, obwohl zumeist in Bruchstücken. Als Zeugnis für
die Anfertigung der Werkzeuge liegt ferner eine Menge Abfall von
Feuerstein und noch mehr von Grünstein und anderen Steinarten vor.
1) Oscar MONTELIUS, Kulturgeschichte Schwedens, Leipzig 1906, S. 55.
21] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 129
Man hat also seine Waffen und Geräte auf dem Platze ver-
fertigt (Abb. 32). | |
Im Gegensatz zu den Äxten aus Grünstein sind alle Gegen-
stände aus Knochen und Horn besonders gut erhalten. Dieses
so überraschende Verhalten findet indessen seine Erklärung. Man hat
nämlich die grosse Rolle dargetan, die der Kalkgehalt des Bodens bei
der Erhaltung der Skeletteile spielt, insofern in kalkarmen Gegenden diese
mehr oder minder von den Humussäuren aufgelöst werden, während
letztere in kalkreiheren Erdschichten gebunden und hierdurch unschädlich
gemacht werden'). Es ist also dem glücklihen Umstande, dass der Fund- .
platz in einer kalkreichen Gegend gelegen ist, zu verdanken, dass die
hier angetroffenen Knochen- und Horngeräte so ausserordentlich gut kon-
serviert sind, in ihrem Aussehen oft am nächsten an poliertes Maha-
goni erinnernd.
Von den Knochenwerkzeugen sind die Pfriemen die zahlreichsten
(Abb. 33—41). Die Bruchstiicke eingerechnet, sind sie in 39 Exemplaren
vorhanden, wechselnd in der Länge zwischen 3,5 cm und 15,3 cm.
Von diesen 39 sind 18 hinsichtlich des Materials bestimmbar?), wobei
es sich zeigt, dass 6 verfertigt sind aus Knochen der Ziege (Kahn-
bein, Abb. 39 und 40), 4 des Schhafes (2 vom Schienbein, Abb. 36 u.
37, 2 vom Kahnbein, Abb. 38), 1 des Schafes oder der Ziege (Schien-
bein, Abb. 33), 1 des Schweines (Wadenbein, Abb. 34) sowie 6 des Hasen
(4 vom Schienbein, Abb. 35, 1 von der Speiche, 1 vom Ellbogenbein).
Abgesehen von der grossen Bedeutung, die diese Bestimmungen haben
durch die Aufklärungen, die sie über die Haustiere der Bevölkerung
geben, sind sie von Interesse bei einem Vergleich mit den Beobachtungen,
die man in Dänemark über die Knochenpfriemen der Steinzeit gemacht
hat’).
Es hat sich dort gezeigt, dass diese in der älteren (nordischen) Stein-
zeit in überwiegendem Masse aus dem Kahnbein des Rehes angefertigt
worden sind, und zwar in der Weise, dass das untere Ende des Knochens
entfernt wurde, während das obere erhalten blieb, um als Kopf zu
dienen. In der jüngeren Steinzeit dagegen hat man in gleich über-
!) Gunnar ANDERSSON, Studier öfver Finlands torfmossar och fossila kvar-
tärflora, Bulletin de la comm. geol. de Finlande, Nr. 8, S. 142. — Rutger SERNANDER,
Einige Vertebratenfunde aus schwedischen Torfmooren, Bulletin of the Geol. Inst. of
Upsala, Nr. 10, Bd. V, Teil 2, 1909, S. 232 f.
2?) Die zoologische Bestimmung dieser und der folgenden Altertiimer ist gütig
ausgeführt von Kandidat L. HEDELL, Uppsala.
3) A. P. MADSEN, Sophus MÜLLER u. a., Affaldsdynger fra Stenalderen
i Danmark, Kopenhagen 1900, S. 60 ff. und 140 ff. — Aarböger f. nord. Oldkyndig-
hed 1888, S. 262 ff., und 1903, S. 236 ff. x
Mannus. Bd. Il. 9
130 O. Frédin. [22
wiegendem Masse das Kahnbein des Schafes benutzt, aber man hat
dabei den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, indem man das obere
Ende entfernte und das untere behielt, dessen beide Gelenkrollen einen
vorzüglichen Kopf für die beiden Pfriemen bildeten, die man dadurch
erhielt, dass man den Knochen der Länge nach in zwei Hälften spaltete.
Was nun die Pfriemen des Alvastrafundes betrifft, so sind auch
diese öfter aus den Knochen von Haustieren, als denen wilder Tiere
33 34 35 36 37 38 39 40 41
Abb. 33—41. Knochenpfriemen. Alvastra. '/s.
angefertigt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die Ziege hier eine
grössere Rolle als in Dänemark gespielt zu haben scheint'). Aber der
für die jüngere Steinzeit typische Knochenpfriem ist bei Alvastra nur in
sechs Exemplaren vorhanden (Abb. 39); die übrigen sind mehr oder minder
abweichend. In einem Falle ist der Knochen nicht in der oben an-
gegebenen Weise der Länge nach geteilt, sondern die beiden Gelenkrollen
bilden den Kopf des Pfriemens (Abb. 38); in einem anderen Falle besteht
dieser aus dem oberen Ende des Knochens (Abb. 40), also ein für
die ältere Steinzeit charakteristischer Zug, der jedoch auch einige Male
auf den Wohnplätzen der jüngeren Steinzeit in Dänemark beobachtet
ist *). Ferner hat man in drei Fällen das Schienbein des Schafes oder der
1) Vergl. Aarböger 1888, S. 264.
2) Affaldsdynger, S. 168.
23] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 131
Ziege benutzt (Abb. 33, 36, 37), einen in der jüngeren Steinzeit in Däne-
mark zu diesem Zweck höchst selten angewandten Knochen (nur zwei
Beispiele dürften davon bekannt sein)'). Von ihnen ist der Pfriemen
Abb. 33 durch den Einschnitt bemerkenswert, mit dem er versehen
ist, offenbar, damit er hierdurch sicherer geführt würde; bei dem Ein-
schnitt mit dem äussersten Glied des Zeigefingers gefasst liegt er besonders
fest in der Hand. Schliesslich sind sechs Pfriemen aus Knochen des Hasen
verfertigt, davon in vier Fällen wiederum aus dem Schienbein (Abb. 35);
nach der mir zugänglichen Literatur zu urteilen, dürfte dies das erste
Mal sein, dass man beobachtet, dass der Hase Material für steinzeitliche
Pfriemen geliefert hat.
Meissel sind in fünf Exemplaren angetroffen worden (Abb. 42),
davon vier aus Knochen (in zwei Fällen dem Kahnbein vom Edelhirsch);
Abb. 42. Knochenmeissel. Abb. 43. Meissel aus Hirschhorn. Abb. 44. Gerät aus Hirschhorn.
Alvastra. '/z Alvastra. "is. Alvastra. tas.
der fünfte ist ein vorzüglih schöner und wohlerhaltener Meissel aus
Hirschhorn (Abb. 43).
Ein anderes Gerät aus Hirschhorn (Abb. 44) besteht aus
einer abgebrochenen oder vielleiht eher abgehauenen Hornspitze, die
sehr an einen Schlagstock (s. S. 146 f.) erinnert, aber die für dieses Werk-
zeug charakteristische abgeschnittene Spitze nicht besitzt. Statt dessen
') Affaldsdynger, S. 153 f.
9*
132 O. Frödin. (24
ist sie von der Spitze an ein gut Stück aufwärts in hohem Masse ver-
schlissen und ausserdem am dicken Ende an der Stelle, wo die Hand
sie umfasst hat, blankgeschliffen; nach allem zu urteilen, ist sie viel in
Gebrauch gewesen, vielleicht als Saumglätter oder bei der Anfertigung
von Tongefässen (auch in solchem Falle als „Glätter“).
Einige weitere Knochen- und Hornfragmente weisen Spuren von
Bearbeitung auf; über ihre Bestimmung kann jedoch für jetzt nichts
gesagt werden.
Auh Schmuckstücke kommen in mehreren Arten vor. Die
gewöhnlichsten scheinen aus Zähnen gearbeitete Anhänger ge-
wesen zu sein, die in einer Anzahl von 11 Stück gefunden sind, von
48 (7/2) 49 (*/2)
50 (111)
Abb. 45. Knochenperle. Abb. 46. Knochenperle. Abb. 47. Knochenperle.
Alvastra. */a. Lundby, Luttra Knaggegarden, Abb. 48- 50. Anhänger aus
Westergötland. */s. Westergötland. 7/2. Zahnen gearbeitet. Alvastra.
denen acht aus Vorderzähnen des Schweines (vermutlih Wildschwein,
Abb. 48) gefertigt sind, einer aus einem Stück eines Backenzahnes
gleichfalls vom Schwein, sowie zwei aus Vorderzähnen des Elches (Abb.
49u.50). Siesind also zu gleicher Zeit als Jagdtrophäen getragen worden.
Alle sind mit einer rings um das Wurzelende eingeschnittenen Furche
versehen, ein selten beobachtetes Verfahren (Gullrum'), Stora Förvar
auf Stora Karlsö, Äloppe?), Ertebdlle*)) im Vergleich mit dem in der
Steinzeit gewöhnlichen, nämlich der Durchbohrung des Wurzelendes.
Als Perle ist sicherlich auch der abgenutzte, an beiden Enden ab-
geschnittene Rdhrenknochen (Abb. 45) verwandt worden. Solche sind
bisher angetroffen worden bei Hemmor und Gullrum auf Gotland (auf
beiden Stellen in 2 Ex.), in der Karlsögrotte (1 Ex.), in dem vorher
1) Hans HANSSON, En stenäldersboplats pa Gotland, Sv. Fornminnes-
föreningens Tidskrift, X, S. 13.
*) ALMGREN, a. a. O., S. 111.
3) Affaldsdynger, S. 70.
25] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 133
erwähnten Ganggrab bei Lundby, Kirchspiel Lundby, Westergötland
(1 Ex., Abb. 46; St. H. M. 7494 B), in einem Ganggrab bei Luttra
Knaggegärden, Kirchspiel Luttra, Westergötland (1 Ex., verziert: Abb. 47;
St. H. M. 3165)') sowie auf dem Wohnplatz beim Ausfluss des Ring-
sees, Schonen (1 Ex.)*). In Norwegen ist der Typus nur einmal ge-
funden worden, in dem der älteren (nordischen) Steinzeit angehören-
den „Kjöckenmödding“ bei Viste auf Jaderen*), in Dänemark dagegen
in mehreren Fällen +), und weiter nach Süden ist er gleichfalls bekannt,
z. B. aus mitteleuropäischen Pfahlbauten ê). Fast ohne Ausnahme gehört
er also der jüngeren Steinzeit an), und unmöglich ist es nicht, dass er
— wenigstens in Dänemark und Südschweden — als eine in Knochen
ausgeführte Nachbildung der röhrenförmigen Lin.
Bernsteinperlen (MULLER, Ordning 254) igs 2
zu betrachten ist, insofern etwas voll kommen &
analoges mit der kleinen in einem Ganggrab
bei Frugärden nahe Falköpinggefundenen Perle
aus Knochen, die als Vorbild eine Bernstein-
perle in Form einer doppelschneidigen Axt
gehabt hat’). Ein Beispiel für dasselbe
Verfahren — nämlich ein kostbares Material
durh ein minder schwer erreichbares zu Abb. 51. Bernsteinperle. Alvastra. 'jı.
ersetzen — bieten übrigens die nicht unge-
wöhnlichen, in Knochen ausgeführten Imitationen von Zähnen, die als
Anhänger getragen wurden ’).
Besonders merkwürdig ist der Fund einer Bernsteinperle in
Form einer doppelschneidigen Axt“), die in Abb. 51 wiedergegeben ist.
1) Antiqvarisk Tidskrift f. Sverige, I, S. 263.
» C. D. REVENTLOW, Ringsjöfynden, Ymer 1905, S. 158.
3) A. W. BRÖGGER, Vistefundet, Stavanger 1908, S. 61.
1) A. P. MADSEN, Gravhöje og Gravfund fra Stenalderen i Danmark, Det
östl. Danmark, Kopenhagen 1896, Taf. 21, Abb. k (Ganggrab, Aarby, Seeland) und
Taf. 27, Abb. n (Ganggrab, Bidstrup, Seeland). — Afbildninger af danske Oldsager
og Mindesmerker, Steenalderen, Kopenhagen 1868, Taf. 16, Abb. 8 (Ganggrab, Stege,
Möen) und Taf. 17, Abb. 12, verziert (Ganggrab, Borreby, Seeland; vergl. den in
demselben Grabe gefundenen Gegenstand aus Knochen, Abb. 11, mit den beiden
zylindrischen Knochenstiicken aus dem Ganggrabe bei Mysinge auf Öland, T. J. ARNE,
Stenäldersundersökningar, II, Fornvännen 1909, S. 94). — MÜLLER, Ordning 249.
8) FORRER, a. a. O., S. 196, Abb. 130 u. 131.
©) Vergl. hiermit die im Maglemoor angetroffenen Hornstiicke (Georg F. L.
SARAUW, En Stenalders Boplads i Maglemose ved Mullerup, Aarböger 1903, S. 269 f.).
1) MONTELIUS, a. a. O., S. 22. — Vergl. hiermit das bei Äloppe gefundene
axtförmige Schmuckstück aus Ton (Almgren, a. a. O., S. 111).
8) Wegen der symbolischen Bedeutung der Form verweise ich auf MONTELIUS,
a. a. O., S. 55 f, und Sophus MÜLLER, Nord. Altertumskunde, I, S. 152.
134 O. Frédin. [26
Das schöne, vorzüglich erhaltene Stück ist bereits in der Steinzeit am
Loch entzwei gebrochen, aber durch das Bohren je eines neuen Loches
in jedem der beiden Stücke hat man die beiden Hälften wieder zu-
sammenbinden und so den sicherlih hoch geschätzten Schmuck von
neuem verwendbar machen können. Dies ist das erste Mal, wo ein
Gegenstand aus Bernstein auf einem Wohnplatz aus der Steinzeit in
Schweden angetroffen worden ist, und gleichfalls der erste Bernstein-
fund aus der Steinzeit in Östergötland. Überhaupt sind solche Funde
sehr selten im östlichen Schweden; es sind nur zwei bisher gemacht
worden. Der eine besteht aus einer runden, ganz dicken, in der Mitte durch-
bohrten Scheibe, gefunden bei Sundsholm, Kirchspiel Gladhammar, SW von
Westervik (St. H. M. 12558), der andere aus einer Anzahl Perlen aus dem
oben genannten Ganggrab bei Mysinge im Kirchspiel Resmo auf Öland').
Im westlichen Schweden dagegen hat man öfter Perlen aus diesem
Material gefunden, und besonders haben die Steinzeitgräber Westergöt-
lands eine grosse Anzahl geliefert. Bei diesem Verhältnis kann man
mit der grössten Gewissheit annehmen, dass die Verbindungen, die die
hier vorliegende Perle von Dänemark, dem Heimatland des Rohstoffes,
nach Östergötland geführt haben, nicht längs den Küsten von Blekinge
und Smaland, sondern über Westergötland gegangen sind?). Es muss
im Auge behalten werden, dass Alvastra nur sieben Meilen von Schwedens
grösstem Bernsteinzentrum, Falbygden, abliegt.
In seiner Art einzig dastehend ist der Holzhaken Abb. 52, das
erste Holzgerät aus der Steinzeit Schwedens, das bei einer wissen-
schaftlichen Untersuchung angetroffen worden ist?). Der kleine Haken,
der besonders gut geschnitten und glatt geputzt ist, ist oben abgebrochen,
und auch an der Aussenseite, etwas über dem Anfang der Umbiegung,
kann man eine Bruchflähe beobachten, die möglicherweise darauf hin-
deutet, dass der Haken ursprünglich ein Doppelhaken gewesen ist. Aus
den Pfahlbauten der Alpengegenden kennt man gleichfalls Haken aus Holz.
Dass nicht mehr Holzgeräte angetroffen worden sind, beruht ohne
Zweifel darauf, dass die Untersuchung bis jetzt nur die auf dem
Boden liegende Kulturschicht umfasst hat, und dass die in dieser etwa
befindlihen Holzsachen bereits in der Zeit, da das Haus bewohnt war,
schnell vermorscht und nachher durch das ständige Darauftreten, dem
sie ausgesetzt waren, zermalmt worden sind. Dass es sich wirklich so ver-
halten hat, wird überdies durch die Fundstelle des Holzhakens be-
') ARNE, a. a. O, S. 93 f.
2) Mit vollem Recht hat A. W. BROGGER (,,Den arktiske stenalder i Norge“,
Christiania 1909, S. 205 f.) es fiir wahrscheinlich gehalten, dass diese Verbindungen
unmittelbar von Jutland über das Kattegatt bis zur Mündung der Götaelf gegangen sind.
3) Er wurde von Dr. O. ALMGREN bei einem Besuch des Platzes gefunden.
27] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 135
stätigt, da dieser zwischen zwei Bodenbalken gefunden wurde, wo er
natürlich wohl geschützt gelegen hat. Unter dem Boden, sowie im
Moder ausserhalb des Hauses sind ganz gewiss noch ein ganz Teil
Sachen sowohl aus Holz als aus anderem noch empfindlicheren Material
zu finden.
Auch die Keramik ist aus denselben Ursachen, die eben berührt
sind, sehr schlecht vertreten. Allerdings sind die Bruchstücke von Ton-
gefässen recht zahlreich, aber in den meisten Fällen ganz klein — so
unbedeutend, dass sie keine Andeutung über die Form des Gefasses
geben —, und ausserdem mehr oder minder von der Feuchtigkeit der
Abb. 52. Haken aus Holz. 53
Alvastra. '}ı. Abb. 53 und 54. Tongefässcherben. Alvastra. */s.
Torferde aufgelöst. Aus diesem Grunde ist die Masse dem Aussehen
nach schlechter gebrannt, gröber und mehr mit Sand gemischt, als sie
sicherlich ursprünglich gewesen ist. Wenn Verzierung vorkommt, besteht
sie gewöhnlich aus grösseren oder kleineren Grübchen, rund oder un-
regelmässig, in einem Falle vereinigt mit wagerechten Zickzacklinien
(Abb. 53). Eine andere Scherbe ist mit ähnlichen Zickzacklinien
in senkrechter Stellung verziert (Abb. 54). Auf diesen beiden Scherben
ist ausserdem die Oberseite der Kante mit Strichen verziert. Ich
komme unten auf die Keramik zurück.
Eine sowohl in der Steinzeit als noch weit später gewöhnliche
Art, sih Feuer zu verschaffen, bestand darin, dass man Feuerstein
gegen Schwefelkies schlug, wobei der auf solche Weise erhaltene Funke
in Berührung mit Zunder gebraht wurde. Durch SARAUW’s Unter-
suchung!) wissen wir, wie im südlichen Skandinavien und ebenso in
den Ländern im Süden und Westen schon in der jüngeren Steinzeit die
hierzu verwendeten Feuersteinstücke eine diesem Zweck besser angepasste
Form erhielten; man benutzte vorzugsweise einen — ziemlich dicken —
1) Georg F. L. SARAUW, Le feu et son emploi dans le Nord de l'Europe
aux temps préhistoriques et protohistoriques, Annales du XX. Congres archéologique
et historique de Belgique (Gent 1907) I, S. 196 ff.
136 O. Frédin. [28
Feuersteinspan, der durch Retuschierung längs der Kanten geebnet
wurde, um bequemer in der Hand gehalten werden zu können. Die
abgerundeten Enden wurden durch den Gebrauch mehr
Cy oder minder abgenutzt, bisweilen überall blank ge-
ES i schliffen. Diese Feuerschlagsteine sind vor kurzem auch
= in Norwegen') nachgewiesen worden, und im südlichen
| Schweden sind sie ebenfalls, sowohl in Gräbern wie auf
Wohnplätzen, angetroffen worden. So z. B. ist der auf
Abb. 55 abgebildete in einer Steinkiste bei Ökull,
Kirchspiel Lundby, Westergötland gefunden worden
(St. H. M. 6163).
Was den Schwefelkies betrifft, so erfordert er zu
seiner Erhaltung sehr günstige Verhältnisse, aber dessen
ungeachtet ist er gleichfalls einige Male angetroffen
worden, z. B. auf dem Wohnplatz bei Gullrum?) und
in einer Steinkiste im Kirchspiel Söndrum, Halland °).
Bei Alvastra hat man dieselbe Methode ange-
Abb. 55.
Feuerschlagstein aus wandt, um Feuer zu schlagen, doch etwas verändert
Feuerstein. Ökull,
Westergötland. "ı. mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse. Der Feuer-
stein war ja hier eine kostbare Ware, die sich auf
den Bahnen des Handels hier herauf ihren Weg suchte, und die man
daher für solche Geräte vorbehalten musste, die mit grösserem Recht
Anspruch auf ein derartiges erstklassiges Material machen konnten. Das
Feuerzeug dagegen war damals wie in unseren Tagen ein für das täg-
lihe Leben notwendiger Artikel, der vor allem leicht zu beschaffen sein
musste. Da galt es also den Feuerstein durch ein anderes Material
zu ersetzen, das sich in der Gegend vorfand und in möglichst hohem
Grade dieselben Eigenschaften besass, durch eine Steinart mithin, die
nach ihrer mineralogishen Zusammensetzung am meisten mit dem
Feuerstein übereinstimmte. Und einen solchen Stoff erhielt man in
dem Quarzit‘). Dieser stand zur Verfügung z. B. auf der aus Kies und
Sand bestehenden Anhöhe einige 100 m westwärts oder weiter unten am
Strand des Wetternsees, an beiden Stellen in Form von rund geschliffenen
Kieseln. Durch einfaches Zuhauen gab man diesen Kieselsteinen eine
ihrem Gebrauchszweck mehr angepasste und handlichere Form. Sie sind
gewöhnlich länglich und laufen dann sehr oft in eine Spitze aus — der
') Haakon SCHETELIG, Pierres à Feu Neolithiques de la Norvège, Bergens
Museums Aarbog 1908, Nr. 9.
2) HANSSON, a. a. O., S. 14.
3) T. J. ARNE, Stenäldersundersökningar, Fornvännen 1907, S. 144.
t) An Stelle des Quarzit hat man in einzelnen Fällen den Bergfeldkiesel
(nach d. Gutachten von Dr. A. GAVELIN), Quarz und Porphyr angewandt.
29] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 137
ohne Vergleich gewöhnlichste Typus (Abb. 57) — einige Male in zwei
Spitzen; seltener sind sie dreieckig mit drei Spitzen (Abb. 56).
Oft ist die ursprüngliche, vom Wasser glatt geschliffene Oberfläche des
Steines nicht gänzlich entfernt (Abb. 56). Wie bei den zum Feuer-
Abb. 56 und 57. Feuerschlagsteine aus Quarzit. Alvastra. "z.
schlagen benutzten Feuersteinen sind auch bei diesen Steinen die
Spitzen durch den Gebrauh mehr oder minder abgerundet und ab-
genutzt. Diese — übrigens früher nicht beobachtete — Art von Alter-
tümern liegt, die Bruchstücke eingerechnet, in der bedeutenden Anzahl
von etwa 150 Exemplaren vor.
Dass diese Steine wirklich zu dem eben genannten Zweck gedient
haben, darüber dürfte nicht der mindeste Zweifel herrshen. Schon
im Anfang der Untersuchung setzte es mich in Erstaunen, dass sie in
Abb. 58. Abb. 59.
Schwefelkieskugel. Alvastra. !/¢. Zunderschwamm. Alvastra. '‘/s.
einer die übrigen Sachen so übersteigenden Anzahl auftraten, ein Um-
stand, der an und für sich vermuten liess, dass hier ein auf den täglichen
Lebensbedarf bezügliches Gerät vorlag. Deswegen, und da andere zum
Feuerschlagen geeignete Geräte nicht vorkamen, lag es nahe, in ihnen
Steine zum Feuerschlagen zu sehen, um so mehr als ein paar Stücke
Schwefelkies bald darauf angetroffen wurden. Die Bestätigung fand
sich schliesslich, als ein solcher Stein und ein Stück Schwefelkies zu-
138 0. Frödin. — [30
sammenliegend, dicht bei einander, gefunden wurden; später wurde
noch ein Feuersclagstein Kante an Kante mit einem Stück Schwefel-
kies liegend angetroffen.
Solche Stücke Schwefelkies liegen in zehn Exemplaren vor und
bestehen aus runden Kugeln (Abb. 58) oder Bruchstücken davon. Als
Folge der Stösse gegen den Stein sind die Kristalle an der Oberfläche
mehr oder minder zerquetscht.
Wie oben erwähnt, wurde der Funken mittels Zunder aufgefangen.
Auch solcher ist angetroffen. Das auf Abb. 59 wiedergegebene Stück
besteht nämlich — nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. LAGERHEIM —
aus echtem Zunderschwamm (Polyporus fomentarius (L)
Fr.). Nach dem glatten Aussehen der Brudhflache zu urteilen, hat man
mit einem schneidenden Gerät — also absichtlid’ — den Schwamm
von dem Baumstamm, auf dem er gewachsen ist, gelöst; dass er zu-
fällig in die Kulturschicht sollte gekommen sein, dürfte aus diesem
Grunde als ausgeschlossen anzusehen sein. Es muss hinzugefügt werden,
dass er gefunden wurde zwischen dem oben erwähnten Sitzplatz und
dem diesem zunächst gelegenen Herde, in einem Abstand von 0,5 m
von dem ersteren und umgeben von etwa 20 Feuerschlagsteinen, von
denen 10 in ungefähr derselben Tiefe in der Kulturschicht lagen.
In Schweden ist der Feuerschhwamm nur ein Mal früher auf einem
steinzeitlihen Wohnplatz beobachtet worden; SERNANDER erwähnt
nämlich ein Bruchstück von Polyporus cfr. igniarius Fr. vom Wohn-
platz im Bare Moor, Kirchspiel Svalöf, Schonen'). In Dänemark ist er
an zwei Orten gefunden (der eine ist das Maglemoor), auch hier ist es
Polyporus igniarius’”). Aus Deutschland kennt man ihn gleichfalls
und noch mehr von den mitteleuropäischen Pfahlbauten (Polyporus
igniarius in allen Fällen, wo die Art angegeben ist’). Es verdient
Beachtung, dass die bei Alvastra gefundene Art der echte Zunder-
schwamm ist, der den besten Zunder liefert.
* *
%*
') Geol. Föreningens Förhandlingar, Bd. 30 (1908), S. 391.
23) SARAUW, Aarböger 1903, S. 193 f.
3) Oswald HEER, Die Pflanzen der Pfahlbauten, Zürich 1865, S. 42 (Sonder-
druck aus dem Neujahrsblatt der Naturforsch. Gesellschaft auf das Jahr 1866). --
Dozent Dr. Th. WULFF hat eben hervorgehoben, dass „HEER von den schweize-
rischen und norditalishen Pfahlbauten angibt, dass er fast regelmässig Zunder-
schwamm angetroffen habe, doch nach HEER’s Schilderung einer anderen, schlech-
teren Art (Polyporus igniarius), soweit man sich auf HEER’s Bestimmung ver-
lassen kann. Ausserdem hat HEER in einigen Pfahlbauten einen anderen Schwamm
angetroffen, Daedalea quercina, der ebenfalls in Schweden vorkommt, aber
einen weit schlechteren Zunder liefert, als die beiden genannten Polyporus - Arten“.
31] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 139
Das in der Kulturshicht angetroffene, bedeutende Knocen-
material ist vorläufig von Dozent Dr. A. PIRA untersucht worden,
der hierüber folgendes gütigst mitteilt:
` „Die Knochensammlung besteht aus Bruchstücken von Skelett-
resten, zum grössten Teil nur aus Knochensplittern; ganze, lange
Knochen von Extremitäten kommen im Funde fast gar nicht vor, sondern
diese sind entweder zermalmt oder abgeschlagen; ein Teil ist der Länge
nach gespalten. Ebenso sind die Schädel zersplittert, so dass sich in
dem Funde einzelne Zähne in ziemlicher Menge vorfinden, während
nur eine sehr geringe Anzahl Zahnreihen vorkommen. Manche von
den Knochenstücken weisen Spuren von Feuer auf, einige auch Merk-
male von scharfen Instrumenten.
Folgende Säugetiere finden sich in dem Funde vertreten:
Schwein, zahlreih. Ein grosser Teil der Knochenstiicke vom
Schwein deutet auf grosse, kräftige Tiere hin, besonders einige hintere
Backzähne sowie Eckzähne von Ebern, die dieselben Grössen zeigen
wie die entsprechenden Teile bei den Schädeln des Wildschweins aus
den Torfmooren Schonens; diese Bruchstücke dürften sih vom Wild-
schwein herleiten. Andererseits finden sih in der Knochensammlung
Zähne von kleineren Grössenverhältnissen, die sehr wohl von der
kleinen zahmen Schweinerasse stammen können, die sih in den
oberen Lagern in der Grotte von Stora Karlsö und später in Funden
weitab gegen das 17. Jahrhundert vorfindet ').
Doc will ich betreffs dieser Zähne darauf aufmerksam machen,
dass sie nicht so beschaffen sind, dass sie den vollen Beweis für die
Anwesenheit des zahmen Schweines im Alvastrafunde liefern, obwohl
sie mir dafür zu sprechen scheinen.
Rind, zahlreih. Ein Teil der Skelettreste und Zähne vom Rind
scheinen von grossen Tieren herzustammen, aber andererseits deutet
manches darauf hin, dass sich kleineres Rindvieh bei dem Wohnplatz
vorgefunden hat, so besonders eine Zahnreihe in dem Viereck H8b, be-
stehend aus den fünf hintersten Backzähnen im Oberkiefer, die hier
zusammen 98 mm in der Länge messen, während das entsprechende
Mass bei einem grossen Kuhschädel 115 mm ist. Die grossen massiven
Skelettreste aus einer so entfernten Zeit legen den Gedanken an den
einst in Schweden wild lebenden Urstier (Bos primigenius) nahe,
besonders wenn man bedenkt, dass, falls das Steinzeitvolk bei Alvastra
zahmes Rindvieh gehabt hat, dieses von kleinem Wuchs gewesen sein
müsste, entsprechend dem Verhalten der primitiven Rindviehrassen im
t) PIRA, Studien zur Geschichte der Schweinerassen, insbesondere derjenigen
Schwedens, S. 371 ff. (Zoologishe Jahrbücher, Suppl. X, Heft 2, 1909.)
140 O. Frödin. [32
allgemeinen. Nun kann man zugeben, dass sich ja auch Andeutungen
von kleineren Tieren vorfinden, aber was das obengenannte Kieferbruch-
stük von H8b betrifft, so muss von ihm bemerkt werden, dass die
hochgradige Abnutzung der Zähne beweist, dass es von einem sehr
alten Tier herrührt, ein Umstand, der nah RÜTIMEYER und anderen,
die sich mit Untersuchungen von Skelettresten aus Wohnplätzen be-
schäftigt haben, dafür spricht, dass hier das Überbleibsel eines wilden
Tieres vorliegen kann. Einen direkten Ausspruch darüber, inwie-
weit das Rindvieh bei Alvastra wild oder zahm gewesen ist,
traue ih mir jedoch nicht zu tun; die Möglichkeit wird ja stets
vorhanden sein, dass sich im Funde Überbleibsel von zahmen
wie wilden Tieren finden.
Schafoder Ziege. Bruchstücke von diesen Tieren sind sehr dürftig
und bestehen nur in einem Backzahn vom Oberkiefer, einem Backzahn
vom Unterkiefer sowie einem Bruchstück vom Unterkiefer mit allen sechs
Backzähnen. (S. unten.)
Eld. Zähne.
Edelhirsch. Brucstücke vom Mittelfussknochen.
Reh. Ein Unterkieferstück mit den fünf vordersten Backzähnen
sowie der untere Teil eines Mittelfussknochens.
Marder. Zwei Unterkieferstücke.
Dacs. Ziemlich zahlreich.
Canis. Zwei Mittelfussknochen und ein Zehenglied entsprechen
ihrer Grösse nach denselben Teilen beim Wolf, wogegen zwei Eckzähne
vom Öberkiefer von einem mittelgrossen Hund herzurühren scheinen.
Bär. Der horizontale Teil einer linken Unterkieferhalfte; alle Zähne
ausser dem nächst vordersten Backzahn sind ausgefallen“.
Bei der Untersuchung der Knochenwerkzeuge hat es sich, wie oben
ausgeführt ist, gezeigt, dass sowohl das Schaf als auch die Ziege
sowie ausserdem der Hase vorkommen ').
Auch einige Fishknocden liegen vor, darunter, nach der Be-
stimmung von Kandidat HEDELL, Knochen vom Hecht. Aus der
geringen Anzahl geht hervor, dass der Fisch eine höchst unbedeutende
Rolle im Haushalt gespielt hat, eine Erscheinung, die — im Verein
!) Zusammen mit den Tierknochen wurden im nördlichsten Teil des Schachtes
einige zerstreute Menschenknochen angetroffen, nämlich (nach PIRA): ein oben ab-
gebrochener Oberarmknochen und ein unten abgebrochener Ellbogenknocen, beide
von der rechten Seite und wahrscheinlich von demselben Individuum, ein Brudstück
vom Wadenbein, sowie ein Sprungbein; die langen Knochen sind abgebrochen,
aber nicht der Länge nach gespalten. Irgend ein Anlass für die Annahme, dass
diese Knochen von etwas anderem, als von zerstörten Gräbern herrühren, lässt sich
bis jetzt nicht finden. |
33] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 141
mit der Abwesenheit von Angelhaken — in ihrer Weise bestätigt, was
die geologishe Untersuchung bereits nachgewiesen hat, nämlich dass
der Wohnplatz weit ab vom offenen Wasser gelegen war.
Durch ältere Funde wissen wir, dass unsere gewöhnlichen Haus-
tiere im südlichen Schweden sich bereits in der jüngeren Steinzeit vor-
fanden. Es ist daher nicht überraschend, dass in der Fauna von Alvastra
Schaf und Ziege, Schwein (wahrscheinlich), Rind (möglicherweise)
und Hund (mutmasslih) vorkommen. Was den letztgenannten be-
trifft, so werden die fortgesetzten Untersuchungen sicherlich endgültig
auch die Anwesenheit dieses ältesten Haustieres des Menschen fest-
stellen; jedenfalls scheint der Hund eine vergleichsweise untergeordnete
Rolle gespielt zu haben, zumal da solche Merkmale, deren Ursprung
im Nagen des Hundes gesucht werden kann, selten an den Tierknochen
vorkommen.
* %*%
*
Das Steinzeitvolk bei Alvastra hat nicht nur von Fleisch, sondern
auch von Pflanzenkost gelebt. Bereits im vorhergehenden ist in anderem
Zusammenhang dargestellt, dass Haselnüsse offenbar eine sehr be-
liebte Speise ausgemacht haben.
Man hat ausserdem Ackerbau getrieben. An einigen Stellen in
der Kulturschichht, in der Nähe von ein paar Herden, aber auch
zwischen den Kulturresten unter dem Boden am südlichen Ende des
Schachtes '), wurde nämlich ein Teil verkohlter Getreidekörner (Abb. 60)
angetroffen, die ich den grossen Vorzug hatte, Professor Dr. N. Hj. NILS-
SON zu Swalöf zur Untersuchung übergeben zu können. Es hat sich
dabei gezeigt, dass es Körner der sechszeiligen Gerste sind und
„mehr als wahrscheinlich von Hordeum hexastichum“; eigentümlich
ist, dass die Acheln fast vollständig verloren gegangen sind, „während“,
wie Professor NILSSON schreibt, ‚der Kern selbst mit seinem dünn-
wandigen und mit Stärke gefüllten Parenchym so er-
staunlich gut erhalten ist. Ich habe z. B. darin deut- 7 Q %
lih sowohl die Membranen als auch einzelne erkenn-
bare Stärkekörner gesehen. Doch ist anzunehmen,
dass die Körner auf dem Fundplatz noch von den deisee (Hordeum
Schalen umschlossen gewesen sind, obwohl diese bei Be
der Verkohlung sich losgelöst haben und wegen ihrer i i
Dünnheit zerfallen sind. Dies wird sich bei der Fortsetzung der Gra-
bungen wohl feststellen lassen.“
Durch einige im südlihen Skandinavien gemachte Funde wissen
1) Die hier gefundenen Körner wurden bei Bohrungen angetroffen (s. S. 116).
142 O. Frédin. [34
wir, dass man in der jüngeren Steinzeit Ackerbau hier getrieben
und dabei Weizen und (erste angebaut hat'); die Alvastraunter-
suchung hat nun den ersten unmittelbaren Beweis geliefert, dass es —
wenigstens betreffs der letzteren Getreideart — auch in Östergötland der
Fall gewesen ist. Dass die Art gerade H. hexastichum ist, ist eine
besonders wichtige Tatsache, da diese vermutlich die älteste angebaute
ist. Sie wurde z. B. von dem Volke der Pfahlbauten Mitteleuropas
angebaut?). Sie befindet sich jetzt noch in Kultur z. B. in dem nörd-
lichsten und innersten Lappland.
Wie ersichtlih, hat die Ausgrabung manche unerwartete Sachen
zutage gefördert. Am merkwürdigsten dürften doch die verkohlten
Äpfel sein, die an mehreren Stellen, teils im unteren Teil der Kultur-
schicht, teils auf dem Boden selbst zwischen den Bodenbalken ange-
troffen wuden. Dozent Dr. Th. WULFF, der sie einer eingehenden Unter-
suchung unterworfen hat, hat hierüber folgendes Gutachten abgegeben:
„Das Material besteht aus verkohlten Stücken von Apfelfrüchten,
teils kleinere Bruchstücke, teils halbierte Früchte (Abb. 61). Sie sind
Abb. 61. Verkohlte Apfelstücke. Alvastra. '':. Gezeichnet von Fräulein Rosenius.
a. Halbierter Apfel von dem grösseren Typus. b, c. Kleinere Apfelstücke mit den Pergamentwänden
und den Samen der Kernhäuser in situ. d, e. Halbierte Äpfel von dem kleineren Typus. Man be-
achte die eingerollten Kanten der Äpfel a, d, e, die andeuten, dass sie vor der Verkohlung an der Luft
gedörrt worden sind.
so gut erhalten, dass Fruchtschale, Fruchtfleisch, Kernhaus mit seinen
Pergamentwänden sowie der Same deutlich unterschieden werden können.
Die Samen scheinen voll entwickelt und die Früchte also in völlig reifem
Zustande eingesammelt worden zu sein. Stiele fehlen, aber Reste des
Kelches (die „Fliege“) können in einigen Fällen beobachtet werden.
Man gewinnt durchaus die Auffassung, dass die Früchte mit Ab-
sicht zerschnitten worden sind, wahrscheinlich um gedörrt zu werden und
1) Georg F. L. SARAUW, De ældste Spor af Sedearternes Dyrkning i Sverige,
Förhandlingar vid det 15de skandinav. naturforskaremötet i Stockholm 1898, S. 293 ff.
7) HEER, a. a. O. S. 12 ff. — Georg BUSCHAN, Vorgeschichtliche Botanik,
Breslau 1895, S. 38 ff.
35] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 143
als Wintervorrat zu dienen. In den meisten Fallen sind die Apfel der
Lange nach geteilt worden, nur in ein oder zwei Fallen queriiber.
Das Kernhaus ist niemals entfernt worden, sondern findet sich noch
bei allen Apfeln vor. Man gewinnt die Auffassung, dass die Apfel ge-
dörrt worden sind, ehe sie verkohlten. An den am besten erhaltenen
Apfelstücken findet man nämlich deutliche Zeichen, dass das Fruchtfleisch
und die Schale vor der Verkohlung auf dieselbe Weise eingeschrumpft
sind, wie die Frucht beim Dörren an der Luft einschrumpft. Die
Frucht, die in frischem Zustande verkohlt ist, behält nach der Ver-
kohlung eine glatte Schnittflache und eine glatte Schale bei.
Alle hier soeben angeführten Beobachtungen sind fast Punkt für
Punkt dieselben, wie sie Oswald HEER!) als bezeihnende Merkmale
bei den Apfelfunden in den schweizerischen und norditalischen Pfahl-
bauten gefunden hat.
Von den aus Alvastra zur Untersuchung mir übergebenen Apfel-
stücken haben sieben eine zuverlässige Messung gestattet. Dabei sind
folgende Masse festgestellt worden:
Breite X Länge
1. 22 mm X 23 mm
2. 24 , KVB ,
3. 22.. X20 =
4. 24 , X20 ,
5. 24 , X25 ,
6. 32 , X28 ,
7. 34 , X30 „
Hieraus geht ja deutlich hervor, dass von den gemessenen Äpfeln
die fünf ersten (Nr. 1—5) einem kleineren Typus (Mitteldimen-
sionen: 23,2 X 22,2 mm), die beiden letzten (Nr. 6 u. 7) dagegen einer
etwas grösseren Klasse (Mitteldimensionen: 33 X 29 mm) angehören.
Es ist dabei von einem gewissen Interesse, dass HEER?) unter
den Äpfeln aus den von ihm untersuchten Pfahlbaufundorten gleichfalls
zwei Typen hat ausscheiden können (Abb. 62):
a) Den kleinen Holzapfel mit einer Länge von 15—24 mm
und einer Breite von 18—27 mm;
b) Den grösseren, runden Pfahlbauapfel mit einer Länge
von 29—32 mm und einer Breite bis zu 36 mm.
Von den Äpfeln aus Alvastra schliessen sich also Nr. 1—5 an den
kleineren Apfeltypus HEER’s an, während Nr. 6 und 7 deutlich inner-
halb der Grenzen des grösseren Pfahlbauapfels HEER’s fallen.
144 O. Frédin. [36
HEER hat in diesem grösseren Pfahlbauapfel, der in notorischen
Steinzeitschichten angetroffen ist, einen Beginn des Obstbaues sehen
wollen, weil dieser grössere Äpfel grössere, fleischigere, mehr veredelte
Abb. 62 Fra®te€ und Kerne in schweizerischen Pfahlbauten aus der Steinzeit gefunden.
(Nach Osw. HEER.)
1--4. Holzäpfel: a, b. Kerne, c. Stiel. 5, 6. Kultivierte Äpfel. 7. Holzbirne. 8a. Erdbeersame, vergrössert.
8b. Wasser-Ranunkel, vergrössert. 9. Same der Himbcere, viermal vergréssert. 10. Same der Brom-
beere, vergrössert. 11. Kern der Weinbeere: a, b. nat. Gr., c. vergrössert. 12. Cornel (Cornus mas).
13. Felsenkirshe (Prunus mahaleb): a, b. von Castione bei Parma, c, d. von Robenhausen. 14. Ahl-
kirshe (Prunus Padus): a, b. mit rundem Stein von Robenhausen, c. mit länglihem Stein von
Concise. 15. Schlehenstein (Prunus spinosa). 16. Pflaumenstein (Prunus insititia): a. Bauch-
seite, b. Breitseite, c. Rudsenfurdye. 17, 18. Kirschensteine (Prunus avium).
Früchte zeigt gegenüber denen, die für gewöhnlich den wilden Apfelbaum
kennzeichnen. Selbst wenn man vielleicht nicht voll berechtigt ist, von
dem Vorkommen dieses grösseren Apfeltypus auf einen primitiven,
neolithishen Obstbau zu schliessen, so ist es jedenfalls deutlich, dass
das Steinzeitvolk in der Schweiz sowohl wie bei Alvastra beim Ein-
sammeln seiner Holzapfelvorräte die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen
verhältnismässig grossfrüchtiger Formen des wilden Apfelbaumes ge-
richtet hat.
Sehr möglich ist es ja, dass das Steinzeitvolk in der Nähe seines
Wohnplatzes die mehr grossfrüchtigen Individuen des wilden Apfelbaumes,
die es auf seinen Fahrten in den Wäldern entdeckt, eingepflanzt hat.
Dadurch würde es ja um so bequemer, die Ernte für den Winterbedarf
einzusammeln. In solchem Falle würden wir es hier mit den ersten
Versuchen des Obstbaues in Schweden zu tun haben.
Aus Skandinavien ist, so viel ich weiss, dieser Fund von Apfel-
37] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 145
friichhten der erste in seiner Art'). Dann kommt der Zeit nach ein Fund
von 3 Stück Holzäpfeln in einem Grabe aus der Bronzezeit in Däne-
mark ?). Diese Äpfel gehörten zu demselben Grössentypus wie HEER’s
kleinerer Pfahlbauapfel.
Von vorgeschichtlichen Apfelfunden in Skandinavien haben wir dem-
nächst die reichen Vorräte zu verzeichnen, die in dem norwegischen
Wikingerschiff von Oseberg angetroffen wurden °). Diese norwegischen
Äpfel aus der Eisenzeit gehörten sämtlich unserem oben beschriebenen
kleineren Typus an und hatten im Durchschnitt eine Länge von 23 mm
gegen eine Breite von 20 mm”. —
Dass Dozent WULFF also dartun kann, dass man die Äpfel für
den Winterbedarf eingesammelt und gedörrt hat, ist an und für sich
ein äusserst wichtiges Ergebnis seiner Untersuchung, die uns unerwartet
eine kleine Einzelheit aus der Haushaltung und dem täglihen Leben
des Steinzeitvolkes enthüllt.
Was dagegen die Frage betrifft, in wie weit die grössere Apfel-
varietät als ein Kulturerzeugnis zu betrachten ist, will ich daran erinnern,
dass, seitdem HEER zuerst diese Ansicht ausgesprochen hat, sie auch
von anderen Fachmännern angenommen worden ist), worauf sie ganz
allgemein in den archäologischen Kreisen gutgeheissen wurde. Aus Dozent
WULFF’s Gutachten geht nun hervor, dass die Sache keineswegs un-
bestreitbar ist; es ist also der Forschung der Zukunft vorbehalten, diese
sowohl vom botanischen wie archäologischen Gesichtspunkt gleich wichtige
Frage ins reine zu bringen. Dagegen hält, wie es scheint, Dozent WULFF
die Möglichkeit keineswegs für ausgeschlossen, dass das Steinzeitvolk
in der Nähe seiner Wohnplätze verhältnismässig grossfrüctige wilde
Apfelbäume eingepflanzt hat, in welhem Falle man also dennoch be-
rechtigt sein würde, von einem Anfang des Obstbaues bereits in der Stein-
zeit zu reden. Es kann da von archäologischer Seite hervorgehoben
werden, dass der höhere Kulturstandpunkt und die sesshaftere Lebensweise,
die ein wenn auch primitiver Obstbau voraussetzen muss z. B. im Ver-
gleih mit dem Getreidebau, sowohl bei dem Pfahlbauvolk der Alpen
als bei den Bewohnern des Pfahlbaues bei Alvastra vorhanden war.
1) REVENTLOW erwähnt (a. a. O., S. 160) aus dem Wohnplatz beim Ausfluss
des Ringsees eine Gefassscherbe, an deren Innenseite „zwischen anderen Speise-
resten eine Fruchtschale festsitzt, die einem Apfelkern angehört zu haben scheint“.
Die Bestimmung ist also unsicher. (FRODIN.)
*) Vilhelm BOYE, Fund af Egekister fra Bronzealderen i Danmark, Kopen-
hagen 1896, Taf. 15, Abb. B2.
3) Jens HOLMBOE, Studier over norske planters historie, Nyt. Magazin for
Naturvidenskaberne, Bd. 44 (Kristiania 1906), S. 35 f. Grosse Mengen Holzapfel
wurden hier angetroffen „teils in einer Kiste bei dem Mast im Südende der Grab-
kammer und teils in zwei Bütten in dem oben genannten Schlitten.“
*) Vergl. z. B. BUSCHAN, a. a. O., S. 169 ff.
Mannus. Bd. II. 10
146 O. Frödin. [38
Ih habe schliesslih in grösster Kürze über die Funde zu be-
richten, die auf dem Platze vor dem Anfang der Ausgrabungen gemacht
worden sind, weil sie unter anderem unsere Auffassung von der Aus-
dehnung der Anlage vervollständigen.
Beim Reinigen des Grabens, der längs der nördlichen, kurzen Seite
des Schachtes hinläuft, sind in dessen Fortsetzung gegen Westen längs
einer Strecke von etwa 30 m folgende Gegenstände angetroffen worden:
Abb. 63. Doppelschneidige Schaftlochaxt. Abb. 64. Gerät aus Hirsch- Abb. 65. Schlagstock aus
Alvastra. '.». horn. Alvastra. '«. Hirschhorn. Alvastra. 's.
1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 63), sehr verwittert,
das Schaftloch nicht angefangen;
2 Beile aus Griinstein, sehr verwittert, das eine jedoch mit
deutlihen Schmalseiten;
1 „Schlagstock“ aus Hirschhorn (Abb. 65);
1 Gerät aus Hirschhorn (Abb. 64), bestehend aus einer ab-
geschnittenen Hornspitze, infolge des Gebrauchs überall glatt abgenutzt,
möglicherweise zu demselben Zweck bestimmt wie das Gerät Abb. 44;
Tongefassscherben, davon drei verziert, eine mit Zickzac-
linien in senkrechter Stellung (vergl. Abb. 54), die beiden anderen mit
Eindrücken in Doppelstih (Abb. 66);
1 Bruchstück vom menschlichhen Wadenbein;
Tierknocen.
Von Interesse ist es, hier den „Schlagstock“ (MÜLLER, Ordning 40)
zu finden. Dieses Gerät, das zur feineren Bearbeitung des Feuer-
steins benutzt wurde, liegt aus Schweden sonst nur aus Schonen vor’).
') Bror SCHNITTGER, Förhistoriska flintgrufvor och kulturlager vid Kvarnby
och S. Sallerup i Skane, Antikvarisk Tidskrift, 19, S. 11 f.
39] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. i 147
Das bei Alvastra angetroffene Exemplar weist gerade das charakteristische
Merkmal seiner Anwendung auf, die kleine Absplitterung an der Innen-
seite der Spitze.
An der Kante des Grabens habe ich ausserdem Spuren eines
menschlichen Skeletts aufgefunden, das, wenn die Ausgrabung
Abb. 66. Tongefässcherbe. Abb. 67. Doppelschneidige Schaftlochaxt.
Alvastra. */s. Alvastra. '/s.
wieder beginnt, freigelegt werden wird. Dass hier ein mit dem Wohn-
platz gleichzeitiges Grab vorliegt, ist keinem Zweifel unterworfen.
69 71
Abb. 68 u. 69. Schaber aus Feuerstein. Abb. 70 u. 71. Knochenmeissel.
Alvastra. °». Alvastra. '».
In einem von dem Graben einige Meter gegen Süden gezogenen
Graben, etwa 10 m westlich von dem grossen Schacht, sind ein ganz
Teil Funde ans Licht gekommen:
10*
148 O. Frédin. [40
1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 67), unvollendet,
das Schaftloch nicht angefangen ;
8 Bruchstücke von geschliffenen Beilen oder Meisseln aus
Feuerstein;
4 Spanschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in Abb. 68
wiedergegeben;
4 Scheibenschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in
Abb. 69 wiedergegeben;
1 unregelmässiger Schaber aus Feuerstein;
1 Spanpfeil mit Schaftzunge, das Zungenende, (Abb. 72),
vom Typus MULLER, Ordning 174;
etwa 30 Späne und Scherben aus Feuerstein;
2 Meissel aus Knochen (Abb. 70 u. 71), der eine (Abb. 70)
aus dem Kahnbein des Edelhirsces verfertigt;
8 Feuerschlagsteine aus Quarzit, ganz oder in Brud-
stücken;
1 Stük Schwefelkies;
einige Tongefassscherben, davon eine mit senkrechten Zick-
zacklinien im Verein mit runden Griibchen verziert, die Oberseite der
Mündungskante schraggestrichelt (Abb. 73);
Abb. 72. Abb. 73. Abb. 74.
Spanpfeil aus Feuerstein. Tonpefässcherbe. Doppelschneidige Schaftlochaxt.
Alvastra. */s. Alvastra. "ja Alvastra. "Js.
1 verkohlter Apfel von dem oben beschriebenen kleineren Typus;
Tierknocden, darunter vom Schwein, Rind, Edelhirsd,
Dachs und Canis (wahrsceinlih sowohl vom Wolf wie Hund).
Als der längs der südlichen, kurzen Seite des Schachtes sich hin- |
ziehende Drainierungsgraben aufgenommen wurde, traf man in einem
Abstand von etwa 7 m westlih vom Schacht auf folgende Gegenstände
(St. H. M. 13572) '):
') Betreffs dieser und der folgenden Funde vergl. SCHNITTGER’s zuerst
angef. Arbeit, S. 34.
41] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 149
1 sehr verwittertes Bruchstiik einer dop pelschneidigen Schaft-
lochaxt (Abb. 74), das Schaftloch nicht angefangen.
1 kleines Bruchstiick eines gescliffenen Beiles oder Meissels
aus Feuerstein;
1 diknackiges Beil aus Griinstein (Abb. 75), gut gearbeitet
und geschliffen, (in Privatbesitz);
1 Beil aus Grünstein mit Schmalseiten, verwittert, das Bahn-
teil abgeschlagen;
1 Beil aus Quarzit, angefertigt aus einem zufälligen, von einem
Kiesel abgeschlagenen, grösseren Splitter, die Schneide geschliffen;
1 Spanschaber aus Feuerstein mit konvexer Schabeschneide
an dem einen Ende;
1 Feuerschlagstein aus Quarzit;
1 abgeschlagener Schleifstein aus Sandstein mit abge-
schliffener Oberfläche auf zwei Seiten;
Steinabfall;
1 Schädel (die Kalotte) sowie 2 Zähne vom Mensmen, der
Schädel dolichocephal, von einem vermutlich männlichen, etwa 40 jähr.
Individuum ');
1 kleiner Ekzahn vom Schwein mit Spuren von Bearbeitung;
Knochen von Säugetieren;
Haselnussscalen.
Daneben hatte man Kohlen, mürbe gebrannte Steine und „Baum-
stiimpfe* beobachtet; die letzteren sind offenbar Reste von einem
Hause, die ersteren ebenso wahrsceinlih die Überbleibsel eines
Herdes. Der Menschenschädel nebst den Zähnen deutet darauf hin,
dass auf dem Platze sich ausserdem ein Grab befindet.
Etwa 20 m weiter westwärts wurden beim Ziehen eines anderen
Drainierungsgrabens angetroffen:
1 diknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 77), die Schmal-
seiten ungesdhliffen, (St. H. M. 13540);
1 diknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 76), Querbeil,
die Schmalseiten ungesdhliffen, (in Privatbesitz);
1 grosser Ekzahn vom Schwein (St. H. M. 13540).
Soweit es hat ermittelt werden können, sind alle jetzt erwähnten
Gegenstände ungefähr in der Grenzlinie zwishen dem Torf und dem
Kalkmoder angetroffen und also gleichzeitig mit den bei der Ausgrabung
gemachten Funden.
1) Nach dem Gutachten von Dr. G. BACKMAN.
%* *
*
150 O. Frédin. [42
Dass der Wohnplatz bei Alvastra der jiingeren Steinzeit und,
näher bestimmt, ihrem späteren Teil, angehört, ist offenbar. Indessen
dürfte es angezeigt sein zu untersuchen, in wie weit in dem reichen
Abb. 75. 76 77
Grünsteinbeil. Alvastra. '/». Abb. 76 u. 77. Feuersteinbeile. Alvastra. ‘/s.
Fundmaterial sih Typen finden, die eine noch schärfere Datierung
möglich machen.
Es sind da drei Formen von Altertümern, die in erster Reihe
genannt werden müssen, die doppelschneidigen Schaftlochäxte, die
Spanpfeile und die Bernsteinperle; aus einer grossen Anzahl Funde
sowohl aus Schweden wie aus Dänemark ist nämlich mit voller Ge-
wissheit hervorgegangen, dass diese der Periode der Ganggraber an-
gehören. In diese Periode, die nach der Chronologie von MONTELIUS
die Zeit etwa 2500—2000 v. Chr. umfasst, haben wir also den Alvastra-
wohnplatz zu datieren.
Fin für die Zeit der Ganggraber am meisten charakteristischer
Zug ist, was Schweden betrifft, der Kulturdualismus, der sich geltend
macht, der deutliche Gegensatz zwischen der südskandinavischen Kultur
einerseits und andererseits derjenigen Kultur, die von den ostschwe-
dishen Wohnplätzen vertreten wird. Man kann nun fragen, welche
Stellung das Alvastralokal zu diesen beiden Kulturen einnimmt.
Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Es sind nicht nur die einzelnen
Formen der Altertiimer, die in den meisten Fällen, wo sie zur Lösung
der Frage beitragen können, nach Süden und Westen weisen; die ver-
schiedenen Axttypen, die Pfeilspitzen und, wie bereits hervorgehoben
wurde, die kleine Bernsteinperle zeigen in ihrer Art, dass die Bewohner des
43] Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 151
Wohnplatzes ihre nächsten Verwandten in dem Volke hatten, das seine
Toten in den Ganggrabern Westergötlands begrub. Von noch grösserer
Bedeutung ist jedoch das allgemeine Kulturbild, das der Wohnplatz
aufweist. Wenn man ihn z. B. mit dem zur ostschwedischen Gruppe
gehörenden Wohnplatz bei Säter’) im Kirchspiel Kvarsebo, ebenfalls
in Östergötland, vergleicht, so ist der Gegensatz auffallend, und doch sind
es nur 12 Meilen, welche die beiden Lokale voneinander trennen: bei
Sater eine Bevölkerung von Jägern und Fischern, bei Alvastra dagegen
Ackerbau und Haustiere mit dem höheren Grad von Sesshaftigkeit, der
hieraus folgt.
Es ist also typisch südskandinavische Kultur, die uns bei Alvastra
begegnet?). Doc hat, wie es in der Natur der Sache liegt, die nahe
Nachbarschaft zu dem ostschwedishen Kulturgebiet nicht unterlassen,
Spuren ihrer Einwirkung zu liefern*). Ich habe im Vorhergehenden
bei der Schilderung der Tongefässreste die Aufmerksamkeit auf einige
Scherben gelenkt, die mit senkrechten Zickzaclinien, in wagerechten
Bändern geordnet, verziert sind, darunter in einem Fall im Verein mit
78 (';,) 79 (3) x 80 (*'s)
Abb. 78—80. Tongefässcherben aus Säter, Aloppe und Gullrum.
grossen runden Grübchen (Abb. 54 u. 73). Gerade dieses Verzierungsmotiv
ist eins der am meisten charakteristischen für die Keramik auf den ost-
schwedishen Wohnplätzen (Abb. 78—80) und danach weiter ostwärts.
Die auf diese Weise verzierten Scherben sind nur in einer Anzahl
von drei Stück vertreten, weshalb man ihnen keine zu grosse Wichtigkeit
1) O(scar) A(LMGREN), Stenäldersboplatsen vid Braviken, Meddelanden fran
Östergötlands Fornminnesförening 1906, S. 23 ff., und Fornvännen 1906, S. 118.
7) Vergl. Oscar MONTELIUS, Östergötland under hednatiden, Svenska Forn-
minnesföreningens Tidskrift, XII, S. 312.
3) Einer der Schaber ist, wie oben erwähnt wurde, wahrscheinlich aus der im
nordöstlichen Schonen heimischen, dunkelfarbigen und hellgetüpfelten Feuersteinart,
die Kristianstadfeuerstein genannt zu werden pflegt, verfertigt. In solchem Falle ist
das Material sicherlich den Küsten Blekinges und Smälands bis hinauf nach Östergöt-
land gefolgt, wo es früher gerade auf dem Wohnplatz bei Säter angetroffen worden
ist. (ALMGREN, a. a. O., S. 27 u, 29.)
152 O. Frédin: Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. [44
beimessen darf; das Auftreten des Motives kann ja auf zufälliger Ein-
fuhr beruhen. Im übrigen ist, wie gesagt, die Keramik besonders nichts-
sagend. Sollte indessen aus den fortgesetzten Untersuchungen hervor-
gehen, dass sie einen mehr durchgehenden Einfluss vom Osten her
aufweist, so könnte die Erklärung vielleicht darin zu suchen sein, dass
die Anfertigung der Tongefässe sicherlich etwas war, was den Sklaven
und Frauen zukam. Und ganz gewiss stammten diese zum grossen
Teil aus der Küstenbevölkerung im Osten. Denn nimmt man an, dass
die beiden Kulturen getragen wurden sei es von getrennten Rassen oder
Stämmen, sei es nur von verschiedenen Volksklassen, also einer Ober-
klasse und einem „Proletariat“, so muss man Streitigkeiten und Reibe-
reien zwischen ihnen voraussetzen. Vielleiht war dies gerade der
Grund, warum das Steinzeitvolk bei Alvastra sich mit solcher Sorgfalt
gegen Angriffe zu schützen suchte. Vielleicht ist die Art der Anlage
— der Pfahlbau — dadurch bedingt, dass wir uns hier in einem Grenz-
gebiet zweier Kulturen befinden. Wenn dem so ist, würden wir damit
eine Erklärung für das eigentümliche Verhältnis erhalten, dass Wohn-
plätze dieser Gattung nicht in dem eigentlichen südskandinavischen Kultur-
gebiet, besonders Schonen-Dänemark, angetroffen worden sind.
Wie es scheint, sind es Fragen von wesentlicher Bedeutung für
unsere ganze Auffassung von der Kultur der Zeit der Ganggräber, die
hiermit berührt worden sind. In dem jetzigen Stadium der Ausgrabung
dürfte es jedoch angezeigt sein, nicht näher auf diese Fragen einzu-
gehen, sondern das Ergebnis der fortgesetzten Untersuchungen abzu-
warten. Da der Schacht des Jahres 1909 nur 52 qm umfasst, während
das ganze Gebiet des Überbleibsel menschlicher Wirksamkeit zu ent-
halten scheint, schätzungsweise berechnet auf 2000 bis 3000 qm hinauf-
geht, so ist es nicht zu kühn zu hoffen, dass das Moor bei Alvastra
uns ferner noch manchen unerwarteten Beitrag zu unserer Kenntnis vom
Leben in Schweden in jenen entlegenen Zeiten liefern wird.
Il. Mitteilungen.
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
Von Ulrich Berner, Berlin.
Um den überaus verwickelten und schwierigen Problemen, die die
historische Rassentheorie bietet, erfolgreih beikommen zu können, ist
es unumgänglich nötig, die grundlegenden Begriffe klar zu erfassen.
In seinem Aufsatz „Rassereinheit und Kultur“ (Mannus I, 3/4),
scheint mir Herr Dr. SCHNEIDER dem Wesen des Begriffes „Rasse“
keineswegs gerecht geworden zu sein. In der Tat werden ganz allge-
mein unter Rasse zwei verschiedene Begriffe, ein historisch politischer
und ein naturwissenschaftlicher verstanden, die aber nicht miteinander
zu verbinden, sondern zur Vermeidung der grössten Verwirrung auf das
strengste zu sondern sind. Im Grunde hat nur der zweite innere Be-
rechtigung; denn der zunächst zoologisch-naturwissenschaftliche Begriff
Rasse wurde in voreiliger und falscher Weise auf historischer und poli-
tischer Grundlage auf den Menschen übertragen. Später, als die junge
Wissenschaft der Anthropologie sich genügend entwickelt hatte, wurde
auf rein naturwissenschaftlicher Grundlage ein neuer von dem vorigen
völlig geschiedener anthropologisher Begriff der Menschenrassen auf-
gestellt.
Ganz allgemein ist die Ansicht verbreitet, jede Völkergruppe
oder auch jedes Volk!) bilde eine physische (anthropologische) Ein-
heit, also eine eigene Rasse. In Europa z. B. gäbe es entweder eine
deutsche, französische, italienische, russische, bulgarische oder aber eine
germanische, keltische, lateinische, slawische usw. Rasse. Bei anthropo-
logischen Untersuchungen stellt sih aber heraus, dass die einzelnen
europäischen Völker sich stets aus 2—3 streng geschiedenen Rassen
zusammensetzen und zwar stets aus denselben ?). Ich möchte hier wieder-
geben, was TOPINARD auf dem 10. internationalen Anthropologen-
kongress 1889 zu Paris gesagt hat?): „Lassen Sie mich Ihnen eine der
1) Wie ungeklärt und verworren die Anschauungen sind, kann man auch aus
folgendem erkennen. Gar zu oft findet man etwa Semiten und (Germanen,
Deutsche und Slawen gegenübergestellt, wo doch nur semitisch und indogermanisc,
slawisch und germanisch gleichwertige und ohne weiteres vergleichbare Begriffe sind.
2) Ich sehe hier vollkommen von einer eventuellen 4. Rasse ab, über die sich
die Ansichten noch nicht genügend geklärt haben, und die auch das Gesamtbild nicht
wesentlich verändern würde.
3) Compte rendu S. 391.
154 Ulrich Berner. [2
sichersten Tatsachen der allgemeinen Anthropologie, die man nicht oft
genug wiederholen kann, ins Gedächtnis zurückrufen. Das ist, dass der
Begriff Rasse mit dem des Volkstums nicht das mindeste zu tun hat;
dass alle Völker Europas ungefähr aus denselben Rassenbestand-
teilen, nur in verschiedenen Mischungsverhältnissen zu-
sammengesetzt sind; dass, wenn man die Dinge von einer höheren
Warte betrachtet, es eigentlich nur drei grosse Rassen in unserem Welt-
teil gibt, eine, die im Norden vorherrscht, hochgewachsen, hellfarbig
und langköpfig; eine andere, hauptsachlih im Süden, im Umkreis des
Mittelmeeres, auf den Inseln und Halbinseln vertreten, schwarzhaarig,
klein, aber ebenfalls langköpfig; die dritte zwischen beiden und
rundköpfig, vom Grundstock in Frankreich, oder vielleicht in Keltiberien,
sih durch Süddeutschland, die Alpenländer, Böhmen und die Karpaten
bis nach Russland erstreckend. Die europäischen Völker sind nichts
als Mischungen dieser drei Rassen, erzeugt durch die geschichtlichen
Wanderungen und im Grunde nur politische Verbände, Gesellschaften
auf Gegenseitigkeit“. Hierzu wäre vielleicht nur zu bemerken, dass man
den Grundstock und das Zentrum verhältnismässig grösster Reinheit der
letzten Rasse nicht nach Keltiberien, freilich auch nidit wie WILSER ')
nach Russland, sondern etwa in die Alpenlande (daher der Name
„alpine“ Rasse) zu verlegen hat; doch ist dies nur von nebensächlicher
Bedeutung.
Die Deutschen z. B. sind eine Mischung zwischen den nordischen
Langschädeln und den alpinen Kurzshädeln und zwar so, dass in
Norddeutschland die nordische, in Süddeutschland die alpine Rasse über-
wiegt. Natürlich gehen diese beiden Extreme ganz allmählich in-
einander über. In Frankreich kommt dazu im Süden noch die dritte,
die mittelländische (mediterrane) Rasse, die in Deutschland keine nennens-
werte Rolle spielt. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Italien. Hier
findet sich, wie die Untersuchungen von LIVI zeigen, im Norden ein
Grundstock von überwiegend alpinen, im Süden von überwiegend medi-
terranen Leuten (zwischen beiden natürlich eine Ubergangszone). Dazu
kommt noch von Norden nach Süden abnehmend ein numerisch geringer
Einschlag vom nordischen Typus. Aus dem Gesagten erhellt, dass man
Volk und Rasse auf das strengste trennen muss und es auf keinen
Fall angeht, von einer germanischen, slawischen, deutschen oder sonstigen
Rasse zu reden‘). Eine Völkermischung braucht also noch lange keine
Rassenmischung zu bedingen.
1) WILSER: Die Germanen. 1904. S. 70.71. Das ganze betreffende Kapitel
ist zur Lektüre sehr zu empfehlen.
?) Dieselben drei Rassen finden sich aber auch ausserhalb Europas sowohl
bei indogermanischen wie andern Völkern. Nach den Untersuchungen von Prof.
v. LUSCHAN wissen wir über Vorderasien folgendes: Am numerisc zahlreichsten ist hier
ein dem sogenannten alpinen zwar nicht vollkommen entsprechender aber doch sehr
nahestehender Typ, der sog. alarodishe, dem auch die Hauptmasse der heutigen
Juden und Armenier angehört. In geringem Grade ist er vermischt mit einer
zweiten Rasse, die mit der europäischen mediterranen mehr oder minder völlig
identisch ist und die unter anderem in ziemlicher Reinheit in Zentralarabien vor-
kommt. Ausserdem finden wir in Vorderasien einen schwankenden Prozentsatz
blonder Leute (bis über 10 °/o), die einen Einschlag nordischer Rasse bedeuten, der
wohl besonders stark in einigen Gegenden des Kaukasus, vielleicht auch bei
Kurden ist.
3] Rasse, Rassenmischung und Begabung. 155
Will man aber doch von der Rasse eines Volkes reden, so könnte
. man von zwei Gesichtspunkten ausgehen, die man aber logischerweise
nicht zusammenwerfen darf. Entweder bezeichnet man die gegen-
wärtig numerisch ganz überwiegend vorherrshende Rasse als „die
Rasse“ des betreffenden Volkes, oder man geht auf den Urzustand
zurück. Im ersten Falle muss man zwischen Völkern und Völkergruppen
unterscheiden. Bei Völkergruppen wie Germanen, Slawen, Kelten,
Romanen ist ein derartiges Überwiegen einer Rasse kaum zu beobachten
und auch bei den Völkern nur in Ausnahmefällen. In diesem Fall
kann es aber ganz leicht geschehen, dass die Völkergruppen auseinander
gerissen werden und dass Völker, die sprachlih und volklich nichts
Gemeinsames haben, zusammenkommen wie etwa Juden und Armenier.
Nun könnte der Einwand gemacht werden, dass z. B. die Germanen,
wenn auch heute nicht mehr, so doch in der Vorzeit von einem ein-
heitlichen, und zwar wie wir sagen würden, vom nordischen Typus waren.
Geht man aber bei Slawen, Kelten, ja bei allen indogermanischen Völkern
genügend weit in die Vergangenheit zurück, in eine Zeit, wo sie noch
nicht mit fremdem Blute gemischt waren, so wird man hier dasselbe
bemerken. Von einem Gegensatz zwischen Urkelten und Urgermanen usw.
ist demnach also auch nichts zu bemerken. Freilich kann man, wenngleich
zahlreihe Gelehrte auch in der Vergangenheit jeden Zusammenhang
zwischen indogermanischer Sprache und indogermanischem Urvolk einer-
seits und nordeuropäischer Rasse anderseits leugnen, im Anschluss an
andere Forscher Urbeziehungen zwischen beiden annehmen. Auch sonst
halte ich einen Urzusammenhang zwischen den ganz grossen Sprach-
stimmen und einzelnen Rassen für ziemlich wahrscheinlich ‘).
Wohlgemerkt ist heute und überhaupt in historischer Zeit die
Mischung durchgängig soweit fortgeschritten, dass der Begriff „indo-
germanisch“ ein rein sprachlicher ist, und eine indogermanische Rasse
nicht mehr vorhanden ist. Den Ausdruck urindogermanische Rasse würde
ich, freilich nur um irgend welchen Verwirrungen vorzubeugen, auch für
die Urzeit zu vermeiden suchen. Ich möchte hier diese Frage nicht
weiter besprechen und will nur bemerken, dass, wenn unsere letzte
Ansicht zu recht besteht, selbstverstandlich alle brünetten Elemente
1) Ich möchte hier als Beispiel die Malayen im weiteren Sinne anführen.
Bekanntlich sind auch die Malayen nicht von einheitlicher Rasse, sondern eine ganze
Anzahl davon ist an der anthropologischen Zusammensetzung der malayisch redenden
Völker beteiligt. Von einer malayishen Rasse schlechthin zu reden, ist also ein
Unding. Freilich hat für mich ein Urzusammenhang zwischen der einen dieser Rassen,
die auch besonders in Polynesien ziemlich rein auftritt, und der urmalayischen Sprache
eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Mehr zu sagen, scheint mir vorläufig recht unvor-
sichtig. Desgleichen scheint mir ein Urzusammenhang zwischen der zentralarabischen
langschädlig - geradnasigen Rasse und den Ursemiten nicht so ohne weiteres von der
Hand zu weisen. Soviel steht jedenfalls vollkommen fest, dass die heute bei den
Juden, überhaupt allen Nordsemiten, bei weitem vorherrschende alarodische Rasse
mit gebogener Nase und kurzem Schädel zu Beginn historisher Zeit mehr oder
minder ausserhalb des semitishen Völker- und Sprachenkreises stand. Warnen
aber möchte ich davor, alle diese hypothetischen Zusammenhänge zwischen einzelnen
Rassen und Sprachstämmen allgemein als etwas Sicheres zu betrachten, und selbst
im günstigsten Falle ist es in historischer Zeit keineswegs erlaubt, die Begriffe
Rasse und Sprache bezw. Volk zu identifizieren,
156 Ulrich Berner. [4
Europas in der Urzeit, heute bis auf spärliche Reste verloren gegangene
nicht indogermanische Sprachen gesprochen haben müssen.
Wie wir gesehen haben, ist also der geschichtlihe Rassenbegriff
mehr oder minder zerfallen, und es bleibt nur der naturwissenschaftliche
übrig, der für die historische Praxis nichts mit dem andern gemein hat.
Wenn nun freilich auch in rasselich nicht einheitlichen Völkern bestimmte
Charaktereigenschaften als herrschende auftreten, so handelt es sich hier
um nicht rassenhafte Erscheinungen, die wohl durch die Wirkungen des
gleichen Milieus hervorgerufen werden, das auch eine bestimmte Tradi-
tion erzeugen kann. Diese Erscheinungen der Tradition können wohl
durch Jahrhunderte und länger erkennbar sein, aber sie können auch
irgendwie unterbrochen werden und sind nicht wie Rasseneigentümlich-
keiten auch ohne Gleichbleiben des Milieus vererbbar. Doch davon
weiter unten.
Wenden wir uns nun dem naturwissenschaftlihen Rassenbegriff
zu. Herr Dr. SCHNEIDER sagt vom Werden der Menschenrassen:
„Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden der Tierzüchter
bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tierrassen“. Ich möchte
mir die Frage erlauben, von wem? Vielleicht vom Herrn CHAMBER-
LAIN? Von den Anthropologen, die bei dieser Frage doch wohl in
erster Linie mitzureden haben, jedenfalls nicht. Ist es unter Umständen
schon nicht ungefährlich, ohne weiteres Analogieschliisse von Tieren auf
die Menschen zu ziehen, so ist dies bei Haustieren in noch viel höherem
Masse der Fall. Besonders bei dem schwierigen Problem der Rassen-
bildung. Denn bei den Haustieren herrschen geradezu widernatürliche
Verhältnisse in der Auslese, während beim Menschen wie bei den wilden
Tieren die Natur nur in ganz allgemeiner Richtung eine Auslese und
damit eine neue Rassen- und Artbildung vornimmt. Seine Ursache hat
dieser Irrtum wohl mit in dem Umstande, dass der Ausdruck Rasse
beim Menschen recht unglücklich gewählt ist. Er kommt nur bei Haus-
tieren und Menschen vor. Bei jenen ist er gleihbedeutend mit „variatio“.
Ob nun die sogenannten Menscenrassen besser als „species“ (Arten)
oder vielleiht auch als „gute Arten“ zu bezeichnen sind, will ich als
ziemlich müssige Frage hier nicht näher erörtern; soviel aber steht fest,
dass sie etwas ganz anderes sind als die Haustierrassen, und ebenso
ist auch ihre Entstehungsgeschichte ganz verschieden. Bei den Haus-
tieren ist es dem Züchter möglich, durh Mischung zweier Rassen und
durch Auslese eine der zahlreichen möglichen Mischformen zu einer neuen
Rasse fortzuzüchten, indem er rucksichtslos alle Individuen mit auftre-
tenden Atavismen ausmerzt, die ihm nicht passen, oder sie an der Fort-
pflanzung verhindert. Anders bei wilden Tieren und Menschen. Hier
ist eine vorhergehende Mischung der Bildung neuer Formen in der
Regel hinderlich, indem die auftretenden neuen Merkmale nur verwischt
werden. Der Idealzustand für eine Fortentwickelung ist möglichste Art-
oder Rassenreinheit; denn die Natur, deren Auslese nur in ganz all-
gemeiner Richtung wirkt, kann ein Auseinanderfallen der Mischung in
die einzelnen Komponenten nicht verhindern.
Für die historische Rassentheorie ist übrigens die Entstehungs-
geschichte der Rassen eine weniger bedeutende Frage; denn es ist eins
der sichersten Ergebnisse der Anthropologie, dass die Rassen in histori-
5] Rasse, Rassenmischung und Begabung. 157
scher Zeit völlig konstant sind, d.h. zu Anfang der historischen Zeit
sind alle jetzt bestehenden Menschenrassen schon in genau derselben
Ausbildung vorhanden gewesen wie heute. In historischer Zeit haben
nur Mischungen, aber keinerlei Reinzüchtungen stattgefunden. Denn
wir sehen, dass auch in sehr langer Zeit nie eine vollkommene Mischung
eintritt, dass stets eine gewisse Anzahl mehr oder minder reinrassiger
Individuen beider Komponenten bestehen bleibt. Von den Mischlingen
wird ein Teil mehr die Merkmale der einen, ein anderer mehr die der
andern Rasse zeigen, während endlich ein dritter Teil im Masse halb
und halb die Kennzeichen der beiden Rassen vereinigen wird. Bei einer
Verbindung mischrassiger Individuen können aber die Nachkommen
bekannterweise wieder vollkommen der einen oder der andern reinen
Rasse zuneigen.
Ausserordentlih interessant sind die Beobachtungen Prof. v.
LUSCHANS über die griehische Bevölkerung in Adalia. Obwohl hier
seit Jahrhunderten die Griechen bei einer nicht übermässigen Personen-
zahl nur untereinander heiraten, kommen doc bei ihnen noch ganz
deutlih erkennbar zwei verschiedene Rassen vor. Oft trifft man in
derselben Familie unter Geschwistern extrem lange wie auch extrem kurze
Schädel an. Ähnlich weisen die Mikronesier von Nauru, die sich aus der
hellen, schlichthaarigen, kurzschädligen polynesisch-malayischen und der
dunklen, kraushaarig-langschädligen melanesishen Rasse zusammen-
setzen, rund je '/; mehr oder minder reine Vertreter der beiden Rassen
auf, während nur ein weiteres Drittel ausgesprochenen Mischcharakter
zeigt. Dies ist um so bemerkenswerter, als bei der geringen Einwohner-
zahl der kleinen Insel verhältnismässig eine recht starke Inzucht statt-
gefunden hat.
Ähnlich, wenn auch nicht so deutlich, liegen die Verhältnisse in
allen andern Gegenden, so auch in Deutschland, wo wir immer noch
ganz deutlih die beiden Typen der nordeuropäischen und der alpinen
Rasse unterscheiden können. l
Sehen wir nun zu, was sich ergibt, wenn auf eine solche Rassen-
mischung ein auslesender Faktor einwirkt. Wir können beim Menschen
besonders zwei Arten der Auslese feststellen, die sogenannte klimatische
und die sexuelle. Man kann deutlich beobachten, dass eine rasseum-
bildende Kraft der klimatischen Auslese in historischer Zeit nicht
zukommt. Die betreffenden Rassenelemente können wohl in einem für
sie ungeeigneten Klima zugrunde gehen, aber die Rassen scheinen in
der Urzeit sich so gefestigt zu haben, dass eine Umänderung ihnen jetzt
unmöglich ist. Betrachtet man eine Gesellschaft, die für das betreffende
Klima geeignete und ungeeignete Rassenelemente enthält, so sieht man
deutlich, dass bei Rassenmischung nie eine homogene Masse entsteht,
sondern die beiden Elemente mehr oder minder wieder auseinander-
fallen. In diesem Falle tritt eine natürlihe Wiederreinzüchtung des
geeigneten durch allmähliche Vernichtung des ungeeigneten Rassenele-
mentes ein’). Untersucht man das Verhalten der Mulatten in tropi-
schen und nichttropischen Gegenden, so bekommt man äusserst lehr-
reihe Resultate. In Westindien will man bemerkt haben, dass die
') Siehe Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 1909, Il. S. 271 ff.
158 Ulrich Berner. [6
Mulatten bei Fortpflanzung untereinander immer dunkler würden und
sich allmählih immer mehr dem reinen Negertyp näherten. Unter den
Mulatten wird es immer hellere, europäerähnliche und dunklere, neger-
ähnliche Individuen geben. Jenen wird stets eine hervorragende Emp-
fänglichkeit für Tropenkrankheiten anhaften, und so wird mit der Zeit
auch hier rein äusserlich eine Ausmerzung der helleren Elemente und
eine allmähliche Reinzucht auf die Negerrasse erfolgen.
Genau umgekehrt liegen die Verhältnisse im Orient. Hier hat
nachweislich seit Jahrtausenden eine Einfuhr von Negerelementen in
teilweise nicht unbeträchtlihen Mengen stattgefunden. Gleichwohl findet
man nur dann Individuen mit negroiden Merkmalen, wenn unter den
Vorfahren nachweislich in den allerletzten Generationen Neger gewesen
sind. Hier nämlich, in Vorderasien, ist das Klima für Neger und negroide
Mischlinge noch zu rauh, und so tritt sehr rasch, vor allem durch Schwind-
sucht, eine Eliminierung der schwarzen Elemente ein. Hierzu möchte
ih noch bemerken, dass in diesem Falle die „weisse“ Bevölkerung als
eine Einheit gefasst werden musste, die sie ja tatsächlich nicht ist, und
dass ferner an Stelle des direkten Aussterbens auch eine Aufhebung
oder doch Herabminderung der Fruchtbarkeit treten kann.
Aber auch die einzelnen europäischen Rassen scheinen nicht die-
selben Lebensbedingungen zu haben. Der nordeuropäishe Typ z. B.
findet in Südeuropa wohl nicht mehr günstige Lebensbedingungen und
ist im Laufe der Jahrhunderte einer klimatischen Auslese zugunsten der
brünetten Elemente erlegen. So haben z.B. die Griechen im Altertum
in hervorragendem Masse nordische Rassenelemente enthalten '), die jetzt
fast völlig verschwunden sind.
Eine sexuelle Auslese findet dann statt, wenn irgend welche körper-
lihen Eigenschaften zum Schönheitsideal und deren Träger infolge-
dessen bei der Fortpflanzung bevorzugt werden. Wenn nun die Merkmale
einer der Mischungsrassen Ideal werden, so muss auch hier eine all-
mähliche Reinzüchtung auf die betreffende Rasse stattfinden. Die Fest-
zuchtung eines Mischtyps ist aber auch auf diesem Wege nicht beobachtet
worden.
Die Rassenbildung der Urzeit muss durch diese oder irgend eine
andere Auslese bewirkt sein. Selbstverständlih kann niemand sagen,
wie der Vorgang im einzelnen zu denken ist. Man kann z. B. von der
Entstehungsgeschichte der nordeuropäischen Rasse nur im allgemeinen
sagen, eine reine, brünette, langschädlige Rasse oder ein Teil von ihr
ist in einem milden, neblig kühlen Klima, das das Pigment unnötig
machte, im Laufe biologisch-geologisher Epochen durch auslesende Be-
günstigung der zufällig Pigmentlosen zu der heutigen blonden, blauäugigen
Form herangezüctet worden.
Nachdem wir so dem Wesen der Rasse etwas näher gekommen
sind, wollen wir auf die Frage eingehen, ob Mischung einen günstigen
oder ungünstigen Einfluss auf die Kulturentwicklung hat. Zu diesem
Behuf ist es unumgänglich nötig, vorher der Frage nach der verschiedenen
geistigen Veranlagung der einzelnen Rassen näher zu treten.
1) Auch das griechische Schönheitsideal scheint besondere Beziehungen zum
nordeuropäischen Typ gehabt zu haben.
7] Rasse, Rassenmischung und Begabung. 159
Die Frage ist in den Grundziigen noch sehr ungeklärt, und bei
Beurteilung gewonnener Forschungsresultate ist demnach die grösste
Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Anderseits sind diejenigen Herren’),
die von vornherein, zum Teil vielleicht aus politischer Voreingenommen-
heit, eine verschiedene Begabung der einzelnen Menschenrassen als un-
möglich hinstellen, durchaus zurückzuweisen. Bei den einzelnen Tier-
arten nimmt niemand Anstoss, eine höhere oder niedere Intelligenz,
ja sogar ausgesprochene Temperamente anzunehmen; weshalb soll: dies
beim Menschen von vornherein nicht im Bereich des Möglichen liegen ?
Ich kann hier in aller Kürze nicht auf die verschiedenen Methoden
rassetheoretisher und der damit verbundenen sozialanthropologischen
Forschung genauer eingehen, ich möchte aber einige beachtenswerte
Gesichtspunkte hervorheben. Klar ist, dass man unterscheiden muss
zwischen der zeitweiligen Kulturhöhe und der Kulturbegabung. Man
darf also nicht ohne weiteres aus dem Vergleiche der zufällig gleich-
zeitigen Kulturhöhe zweier Rassen für alle Zeiten gültige Schlüsse
ziehen. Ferner ist zu unterscheiden zwischen Temperament einer Rasse
und allgemeiner Begabung und Intelligenz derselben. Versciedenheiten
in erster Hinsicht brauchen noch lange keine in zweiter zur Folge zu haben.
Rassenpsychologischen Untersuchungen darf man natürlich nicht einzelne
Individuen zugrunde legen, sondern es sind grössere Durchschnittswerte
zu nehmen; denn in einer geistig hochstehenden Rasse wird es auch
minder begabte Individuen geben und umgekehrt. In der gut veranlagten
Rasse werden sich aber mehr intelligente und weniger geistig tiefstehende
Elemente finden als bei der schlecht veranlagten Rasse. Selbstver-
ständlich darf man die Psychologie der Völker, über die ja schon ziem-
lich viel geschrieben worden ist, nicht mit einer Rassenpsychologie ver-
wechseln. Wenn wir bei Völkern, die sich aus ganz verschiedenen Rassen
zusammensetzen, einen mehr oder minder einheitlichen Charakter finden,
während andere Völker gleicher Rassenzusammensetzung ganz ver-
schiedene Charaktere aufweisen, so ist dies etwas ausserhalb des Rassen-
haften liegendes, das durch die Wirkungen des Milieus bedingt ist.
Dass hier das Rassenhafte nicht hineinzuspielen braucht, geht auch
daraus hervor, dass man auch innerhalb der einzelnen Völker bei den
einzelnen Stämmen besondere Eigentümlichkeiten feststellen kann, wo
an anthropologische Unterschiede nicht zu denken ist. Charakterunter-
schiede zwischen Nord- und Süddeutschen liessen sich ja wohl auf
Rassenunterschiede zurückführen. Wie aber soll dies z. B. bei den
rasselich fast gleihen Schwaben und Bayern der Fall sein? Wir sehen
ja auch, wie solche Charaktereigentümlichkeiten im Laufe von wenigen
Jahrhunderten entstehen können wie z. B. bei den Einwohnern des
preussischen Staates, während doc alles Rassenhafte in historischer
Zeit konstant ist. Freilih hat Dr. SCHNEIDER, entsprechend seiner
falschen Auffassung des Rassenbegriffes, solche völkisc - politischen
Charaktereigenschaften für rassenhafte angesehen. Aber abgesehen von
diesen bleibt vielleiht beim Temperament, sicher aber bei der allge-
meinen Begabung noch etwas für die wirkliche Rasse übrig.
Ausserordentlich kompliziert werden die Dinge durch den Umstand,
1) z. B. FINOT, Das Rassenvorurteil 1906.
160 Ulrich Berner. [8 -
dass es reine Rassen in grösserer Ausbreitung nicht mehr gibt. Wir
kommen hiermit auf das eigentlihe von Dr. SCHNEIDER berührte
Gebiet von den schädlichen oder günstigen Wirkungen der Mischung auf
die Kultur. Es scheint mir noch gar nicht so ausgemacht, dass Rassen-
mischung in der Regel einen Kulturaufschwung im Gefolge hat’).
Jedenfalls wären darüber noch eingehende Untersuchungen anzustellen.
So müssten z. B. in Nordamerika danach die Mulatten usw. diejenigen
sein, die sich durch eine besonders hohe Kulturbegabung auszeichnen
im Gegensatz zu den Negern einerseits und den Weissen anderseits.
Nun gibt es tatsächlih unter den Mischlingen eine ganze Anzahl be-
kannter, ja berühmter Männer, während unter den reinen nordamerika-
nischen Negern solhe kaum vorkommen’). Eine höhere Begabung der
Mischlinge als der Weissen anzunehmen, schlägt aber allen Tatsachen
ins Gesicht. Mit Recht sagt H. FEHLINGER®): „B. F. Washington und
W. E. B. Dubois sind die bedeutendsten lebenden Vertreter der farbigen
Rasse; in gleihem Masse befähigte Weisse fallen unter der Masse ihrer
Volksgenossen gar nicht auf, weil ihre Zahl zu gross ist“. Diese Ver-
hältnisse zeigen uns, dass die Mulatten in ihrer Begabung zwischen
ihren beiden Stammrassen stehen. Ganz klar sind hier der Hauptmasse
nach die Kulturleistungen der Mulatten der oder den weissen Rassen
zuzuschreiben. Auch sonst kann man den Anteil der einzelnen Rassen
an der Kulturleistung der Völker sehr gut erkennen durch die anthro-
pologische Betrachtung der Genies. In mancher Hinsicht vorbildlich
sind hier die Arbeiten von WOLTMANN über die italienischen Genies *).
Wenn auh WOLTMANN unbedingt zu weit gegangen ist und sehr vieles
zur nordeuropäischen Rasse gerechnet hat, was gar nicht dazu gehört,
so ergibt sich doch, dass die nordishe Rasse einen ganz erheblichen,
über den numerischen Anteil bei weitem hinausgehenden Einfluss auf die
Genieerzeugung und damit auf die Kulturbildung Italiens gehabt hat,
während die mediterrane Rasse in dieser Hinsicht fast gar keine Rolle
gespielt hat). Freilich gibt es eine germanische Rasse ja ebensowenig
wie eine italienische, aber WOLTMANN meint stets da, wo er im anthro-
pologishen Teil seines Buches von Germanen redet, Angehörige der
nordeuropäischen Rasse.
Wenn ich auch den Fanatikern der reinen Rasse nicht folgen kann, so
kann ich auch nicht einsehen, wieso Mischung immer von günstigen Folgen
begleitet sein muss. In Afrika hat man mit der Mischung oft recht
1) Wie schon erwähnt, kann Völkermischung auch Rassenmischung im Gefolge’
haben, braucht es aber nicht.
2) Von den nordamerikanishen Farbigen sind nur etwa drei Viertel rein-
blütige Neger, während der Rest verschieden starke Prozentsätze weissen Blutes
enthält. Auch die beiden weiter unten erwähnten Männer gehören nur zu den
Farbigen, nicht zu den reinen Negern.
8) FEHLINGER, Die Neger in den Vereinigten Staaten. Politish-Anthropo-
logishe Revue VI, S. 379.
*) WOLTMANN, Die Germanen und die Renaissance in Italien. Leipzig 1905.
Ähnlich: Die Germanen in Frankreih. Jena 1907.
5) Nicht anschliessen kann ih mih WOLTMANN bei der alpinen Rasse, die
er zugunsten der nordischen sehr zurückgesctzt hat, die aber in der Tat ebenfalls
einen hervorragenden Anteil bei der anthropologischen Zusammensetzung der Genies
ausmacht.
9] Rasse, Rassenmischung und Begabung. 161
traurige Erfahrungen gemacht, obwohl hier das ungiinstige soziale Milieu
berücksichtigt werden muss. Mein subjektives Empfinden — von mehr
zu reden würde ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht empfehlen —
geht dahin, dass Rassenmischung ohne weiteres gar keine besonderen
Folgen hat. Die Kulturbegabung der Mischung ist etwa das arithmetische
Mittel der Begabung der beiden Mischungskomponenten. Dementsprechend
ist gegen die Vermischung zweier geistig gleichstehenden Rassen aus
kulturellen Gründen nichts einzuwenden, wohl aber gegen die einer gut
und einer schlecht begabten Rasse. Die Mischung wird im Durchschnitt
über dem Niveau der einen, aber stets auch unter dem der andern
stehen.
Sollte man aber in der Geschichte bemerken, dass auf Zeiten mit
starker Rassenmischung Perioden besonderer Kulturentfaltung folgen, so
ist noch eins zu bedenken. Die Rassenmischung wird meist hervor-
gebracht durch grosse politishe Umwandlungen. Diese treten aber
besonders dann auf, wenn aus irgend welchen Gründen die allgemeinen
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Niedergange begriffen sind.
Dies ändert sich natürlich mit einem Schlage, wenn etwa fremde Er-
oberer, seien sie derselben oder einer fremden Rasse, die auf einer
andern Kulturstufe stehen, hereinbrehen. So kann rein äusserlich nicht
durch Mischung, sondern durch deren Vorbedingungen eine Gesundung
der Kulturgrundlage stattfinden.
Soviel glaube ih aber nach allem als ziemlich sicher hinstellen
zu können, dass wir in diesem wie im vorigen Punkte auf keinen Fall
weiter kommen durch theoretische Spekulation, die sich auf subjektives
Empfinden griindet, sondern nur durch praktische Detailarbeit, zu der
schon einige, im einzelnen zwar manchmal nicht ganz einwandfreie, aber
doch recht löblihe Ansätze vorhanden sind.
Das eine scheint mir Dr. Schneiders Aufsatz deutlich gezeigt zu
haben, dass man die Probleme der historischen Rassentheorie ebenso-
wenig unter Vernachlässigung und Ausscheidung der Anthropologie er-
folgreich erforschen kann, wie man ihnen unter Ausscheidung der Ge-
schichte von rein naturwissenschaftlihem Standpunkt gerecht zu werden
vermag.
Mannus. Bd. Il. 11
Die deutsche Rassenforschung und ihre
Auspragung in Dr. Ludwig Woltmann.
Eine Entgegnung auf Dr. Hermann Schneiders Artikel im Mannus I, 247 ff.
Von Th. Bieder, Hamburg.
Rassenfragen stellen noch heute eines der umstrittensten Gebiete
dar, und kaum auf einem anderen setzt sich der Forscher so leicht dem
Vorwurfe des Dilettantismus aus wie gerade auf diesem. Es ist mit
Sicherheit anzunehmen, dass, wenn irgend ein sich mit Rassenfragen
beschäftigender Artikel erscheint, in dem Leserkreise grosse Parteien für
und gegen ihn entstehen, denn die einzelnen Rasselehren sind zu sehr
divergierend und führen teilweise sogar zur Verneinung aller qualitativen
Rassenunterschiede. Selbst die einfahe Frage: „Was heisst Rasse?“
erfährt die verschiedenartigsten Beantwortungen. Dennoch enthalten die
Rassenfragen nicht nur ein Stück, sondern eine ganze Weltanschauung,
hat doch auch Prof. KAINDL') ein der Rassenforschung nahe verwandtes
Gebiet, die Ethnologie, „die Philosophie der Zukunft“ genannt. Die
verschiedenartigen Weltanschauungen mögen denn auch wohl in erster
Linie für die verschiedenartige Wertung der Rassentheorien mitbestim-
mend sein. Dennoch wäre es wertvoll, wenn die Rassenfragen endlich
einmal, wie es doch für einen Zweig der Naturwissenschaft selbstver-
ständlich sein müsste, auf eine allgemein anerkannte wissenschaftliche
Norm gebracht werden könnten.
Wie wenig das bis jetzt der Fall ist, zeigt Dr. Hermann
SCHNEIDERS Artikel über „Rassereinheit und Kultur“ (Mannus,
Bd. I, Heft 34). Der erste Absatz mit interessanten Bemerkungen über
den zeitlosen qualitativen Rassenbegriff wird S. 250, Abs. 1 vollständig
aufgehoben und ist darum zunächst irreleitend. Der qualitative Inhalt
der zeitlosen Rassenformelin soll möglichst über Bord geworfen werden,
weil diese nach des Verfassers Ansicht Ausfluss der Nationaleitelkeit und
des Rassenhasses sind. Das ist eine Ansicht, die dem auf dem Gebiete
der Rassenfrage doch wohl überwundenen Jean FINOT bedenklich
nahe kommt. Dr. SCHNEIDER stellt denn auh im Schlusse die For-
derung auf, alles in der Rassentheorie auf quantitative und sonst kon-
trollierbare Elemente zurückzuführen. In der Ferne aber sieht er neue,
höhere und reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters, ohne diese
') Die Volkskunde, ihre Bedeutung, ihre Ziele und ihre Methode, Leipzig und
Wien, 1903.
2] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 163
doch, wie er es m. E. hätte tun müssen, auf bestimmte Formeln bringen
zu können. Es mag schliesslich unentschieden bleiben, ob der biologische
Rassenbegriff überhaupt von dem qualitativen zu trennen ist und ob
Dr. SCHNEIDER sich nicht in der „Perspektive“ irrt, wenn er in dem
biologischen Rassenbegriff einen Anbau zum qualitativen erblickt. Die
Gegenwart zeichnet sich ja durch eine „reinlihe Scheidung“ der Begriffe
aus; in der Rassenkunde früherer Zeiten fliessen aber die Begriffe in-
einander, weil die kulturelle Entwickelung einer Rasse zugleih aus
dem Milieu ihrer Entstehung und ihren Lebensbedingungen erklärt
wurde, und es ist nicht immer leicht zu sagen, ob irgend eine Ausse-
rung nur dem qualitativen oder nur dem biologischen Rassenbegriffe
zugute kommt. Schliesslih wird die Qualität doch nur durch die
Intensität des in einzelnen Rassen lodernden und Kultur fördernden
Lebensfeuers bestimmt und ist somit dem biologishen Momente
wohl gleichzusetzen.
Herr Dr. SCHNEIDER hätte, wie gesagt, die nach seiner Meinung
in der Ferne heraufdämmernden qualitativen Rassenbegriffe formulieren
und namentlih Dr. Ludwig WOLTMANN nennen müssen, gegen den
sich eigentlich die Absage an die heute bestehenden qualitativen Rassen-
begriffe richtet. Mit besonderer Deutlichkeit geht dies aus den Worten
hervor: „Der spätrömishe Bewohner Italiens wird durch germanische
Elemente zum Italiener der Renaissance. Es liegt sehr nahe, die
neuen Leistungen einfach als Leistungen der neuen Ankömmlinge zu
buchen und zu vergessen, dass diese für sich allein, rein, trotzdem es
ihnen nicht an Zeit und Anregung von den Kulturländern her gefehlt haben
kann, nichts erhebliches für die Kultur geleistet haben. Der voreilige
Schluss muss aber aufgegeben werden; es gibt kulturelle Leistungen
der italienischen Rasse, aber keine der Germanen in dem Italien der
Renaissance.“
Die hier zitierte Stelle ist aus lauter irrigen Änsichten zusammen-
gesetzt. Dass die reinen, unvermischten Germanen nichts für die Kultur
geleistet haben sollen, ist eine so ungeheuerlihe Behauptung, dass
man sich wundert, sie in einer Zeitschrift für Vorgeschichte anzutreffen,
denn mehr als jedes anderes Fach sollte gerade die Vorgeschichte die
Nebel verscheuchen, die noch immer die germanische, und damit unsere
Vorzeit und Kulturfähigkeit verdecken. Ich verweise hier besonders auf
Dr. WOLTMANNS Artikel „Die Bedeutung des Milieus für die Rassen-
entfaltung“ (Politisch-anthropologische Revue, Januar 1906), und weil
man leicht einwerfen könnte, dass niemand Richter in eigener Sache sein
kann, auf den Artikel von Dr. Max KEMMERICH „Der Kulturwert der
Germanen“ im 2. Bande (1906) der von Dr. Ulrih SCHMID heraus-
gegebenen „Walhalla“. Die Bezeichnung „italienische Rasse“ kennzeichnet
des Verfassers eigentümliche Ansicht von der Entstehung der Rassen.
In dem vor bald zwei Jahrzehnten erschienenen „Tuisko-Land“ von
Dr. Ernst KRAUSE wird gleich im 1. Kapitel die „indogermanische
Rasse“ — auch diese Bezeichnung hat Dr. SCHNEIDER aufgenommen —
als Trugbild dargestellt, aber mit bewundernswerter Regelmässigkeit kehren
längst als Irrtümer erkannte Sätze neu drapiert in unserer Literatur wieder.
Übrigens darf nicht verkannt werden, dass gerade in der Frage nach
dem Ursprunge der italienischen Renaissance die Meinungen ungeheuer
11*
164 Th. Bieder. [3
weit auseinandergehen. So schreibt z. B. Dr. Karl VOSSLER in der
1900 in der „Sammlung Göschen“ erschienenen Italienischen Literatur-
geschichte: „Im 14. Jahrhundert beginnt jene gewaltige und segensreiche
Reaktion italienischen Geistes und lateinischer Traditionen gegen die
Infiltrierung mittelalterlih-germanischer Elemente. Diese grosse geistige
Bewegung, die noch heute nicht ihren Abschluss erreicht haben dürfte,
nennt der Italiener die Wiedergeburt, il Rinascimento; wir Deutschen
aber — als möchte uns eine aufrichtige Übersetzung des Wortes be-
schämen — haben sie Renaissance getauft“. Man sieht, es sind bei
dieser Frage alle Schattierungen vertreten; darüber aber, welche der
verschiedenartigen Änsichten den Sturm der Zeiten überdauern wird,
werden diejenigen keinen Zweifel hegen, die der „Politisch-anthropo-
logischen Revue“ innerlich nahe stehen.
Für einen Rassenforscher unserer Tage wäre es m. E. eine dank-
bare Aufgabe, das, was an Rassenideen aller Art bei uns vorhanden
ist, zu sichten und das Stichhaltige gut zu fundieren. Daraus kann die
Wissenschaft mehr Nutzen ziehen, als durch neue ,Anbauten“. Und
einer solchen Arbeit müsste das Studium der Entwicklung heimischer
Rassenforschung die gesunde Grundlage liefern. Wie wenig diese Ent-
wicklung bisher beachtet wurde, geht daraus hervor, dass man fast überall
in GOBINEAU den Begründer der Rassenlehre erblikt. Daran sind
bis jetzt noch alle Gegner heimischer Rassenforschung, wie Prof. Dr.
Ludwig STEIN und Jean FINOT gescheitert, und auch Dr. Albrecht
WIRTH ist diesem Schicksale nicht entgangen '). GOBINEAU hat weder
den Begriff „Rasse“ noch hat er den qualitativen Unterschied der Menschen-
rassen entdeckt, wenngleich nicht verkannt werden darf, dass er es war,
der in den weitesten Kreisen Interesse und Verständnis für diese
Fragen weckte.
Vielleicht ist ein kurzer Auszug aus der Geschichte der deutschen
Rassenforshung vor GOBINEAU an dieser Stelle nicht unangebracht.
Im Zeitalter BLUMENBACHS hielt man die weisse Rasse für die
Urrasse und alle farbigen Rassen für Differenzierungen aus derselben.
Auc der bekannte Entomologe Joh. Chr. FABRICIUS trat dieser An-
sicht in seinen „Betrachtungen über die allgemeinen Einrichtungen in
der Natur“ (Hamburg, 1781) bei; er hielt es auch für wahrscheinlich,
„dass die Mohren durch eine wirkliche Vermischung des weissen Menschen
mit den Affen entstanden seien. .... Ausser dem Vaterlande der
Affen, Afrika, finden wir keine Mohren. Amerika, ob es gleich den-
selbigen Himmelsstrich, dieselbige Hitze hat, bringt demohngeachtet
keine Mohren hervor, vermutlich weil es keine Affen hat“.
Henrih STEFFENS, Anthropologie, 2. Bd., Breslau 1822,
1) Das Juli-Heft 1909 der Politisch-anthropol. Revue brachte einen Auszug
aus einem in den Alldeutschen Blättern veröffentlichten Aufsatze Dr. Albrecht
WIRTHS, in dem es unter anderem heisst: „Dichtung und Wissenschaft mag sich
mit Rassenfragen beschäftigen — und es gibt kaum ein anziehenderes, dank-
bareres Gebiet — aber die Staatskunst kann auch hier nur mit Gegebenem rechnen.
Mit Gobineau begann es. Nicht mit dem Wiedererwecken, mit der Rettung eines
Deutschen. Mit einem Ausländer.“
Davon trifft nur zu, dass die Staatskunst mit den Rassenfragen nichts anzu- _
fangen weiss, und das ist sehr betrübend, weil der Degeneration dadurch Vorschub
geleistet wird.
4] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 165
S. 367: „Es ist entschieden, dass die empirische Naturwissenschaft ge-
nötigt ist, mehre menschliche Stämme anzunehmen, die eine ursprüng-
liche Grundverschiedenheit des Geschlechts. Alle geschichtliche Entwick-
lung — die mit Bewusstsein zurückgehende Erinnerung des Geschlechts
— trifft diese Urverschiedenheit als ihr Fundament. Sie gehört nicht
zu den Verwandlungen, deren Ursahe wir durh Wahrnehmung zu
verfolgen im stande sind. Eben das Unveränderliche bildet die soge-
nannten Rassen. . . . Was auf andere Weise, durch äussere Einflüsse
des Klimas, durch veränderte Lebensart, eine Veränderung der Form
hervorruft, eine einmal daseiende abweichen lässt, heisst Schlag,
Varietät, nicht Rasse. Die Rassen können sich also allerdings ver-
ändern; aber das Eigentümlihe der Rassen kann anders, als durch
Mittelzeugungen, nie aufgehoben werden.“
Prof. J. M. LEUPOLDT, Die gesamte Anthropologie neu begründet
durch allgemeine Biosophie und als zeitgemässe Grundlage der Medizin
im Geiste germanisch-dristlicher Wissenschaft, Erlangen, 1834, 2 Bde.:
„Das weiblihe Geschlecht der occidentalischen Rasse ist den der Viel-
weiberei ergebenen Orientalen gar willkommen, hat aber wohl auch
durch seine Nachkommenschaft gar viel dazu beigetragen, dass ein be-
deutender Teil der übrigen verweichlichten und schwelgerischen Asiaten
nicht schon viel weiter herabgekommen ist. Dadurch hat sich
zugleih die Ur-, Stamm- oder Zentral-Rasse eben auch als Mutter
und Lebenskraft für einen Teil der anderen bewiesen. ... In der
Erdgegend, welche die Rasse inne hat, lebte daher das Volk, welches
durch das ganze Altertum unter allen Völkern die reinste und kräftigste
Religion bewahrte, die Hebräer; aus ihr, besonders nördlicher her,
kamen die weissen und weisen ersten Erzieher und Bildner
roher und zugleich dunkel gefärbter Völker verschiedener
anderer Erdgegenden.... Es hat sih also auch in dieser
edleren Beziehung diese Rasse als Lebenskraft des Mensch-
heitsorganismus erwiesen.“
Wolfgang MENZEL, Geist der Geschichte, Stuttgart, 1835:
„Streng genommen gibt es nur zwei einander absolut entgegengesetzte
Menschenrassen, die schwarze und die weisse. Die Weissen aber sind
offenbar Kinder des Nordens unter dem Einfluss des grossen
Fixsternhimmels, unter dem Gesetz einer höheren Weltordnung,
begabt mit einem Geist und Streben, die über das gemeine Natur-
gesetz hinausgehen, und die, weit entfernt, sich der rohen Naturgewalt
zu unterwerfen, vielmehr die ganze Geschichte hindurch die Befreiung
von dieser Gewalt bezweckt haben. Die Schwarzen dagegen sind
Kinder des Südens unter dem Einfluss der Sonne, gebannt in den
Tierkreis, der die Erde umgürtet, und ewig befangen in dem tierischen
Bedürfnis, ohne freies Selbstbewusstsein, ohne historische Erinnerung,
ohne ein Ziel des Strebens, nur dem nächsten Tage lebend.“
Ferner: „Es fragt sih nun, ob künftig . . . eine allgemeine Ver-
mischung, wie in Amerika, entstehen wird? oder ob in diesen drei Welt-
teilen (Asien, Afrika und Australien) eine Reaktion der farbigen Urvölker
gegen die weissen Kolonisten eintreten wird? und ob im letztern Fall
jene farbigen Rassen wie bisher in ihrer Verstockung verharren, oder
ob sie aus freien Stücken das Christentum und die europäische Zivili-
166 Th. Bieder. | 5
sation annehmen werden? Es wäre ein ungeheueres Phänomen
in der Welt-Geschichte, wenn die starre Rinde jener alten
Völker plötzlich auftaute, und wenn sie, die sihseitsecds
Jahrtausenden gleich geblieben, plötzlich wie durch einen
Zauberstab mit dem Geist der weissenRassebeseeltwürden.“
Theodor ROHMER, Deutschlands Beruf in der Gegenwart und
Zukunft, Zürich und Winterthur, 1841: „So viel zeigt uns alle Geschichte,
dass das Volk an sich verganglich, verdnderlich ist, während
die Race, der Typus unwandelbar und ewig dauert. Araber,
Juden, Mongolen, Neger haben bestanden und werden bestehen, solang
es Geschichte gibt; Romer, Griechen, Franzosen, Russen, Deutsche fallen
dem Untergang anheim, um so schneller, je weniger sie den Typus
ihrer ganzen Rasse, um so langsamer, je mehr sie ihn darstellen.
1843 begann Gustav KLEMM die „Allgemeine Kulturgeschichte
der Menschheit“, in der er das Menschengeschlecht in aktive und passive
Rassen teilte.
Wilhelm LINDENSCHMIT, Die Rätsel der Vorwelt, oder sind
die Deutschen eingewandert? Mainz, 1846: „Die Germanen brachten
eine Anzahl der wichtigsten Güter der Jetztwelt als ihren Einstand in
die Weltgeschichte, und zwar nicht etwa unter Anleitung der über-
kommenen Kultur wie andere Völker, sondern als ein freies, ange-
borenes Geschenk ihres Naturells.“
Wilhelm LINDENSCHMIT, Bruder des Direktors des Mainzer
Zentral-Museums Ludwig LINDENSCHMIT, gehört eigentlih in die
Reihe der modernsten Forscher. Seine Ansicht, dass die weisse ger-
manische Rasse ursprünglih über ganz Europa verbreitet und durch
den Zuzug fremder Rassen auf die Mitte des nördlichen Europa be-
schränkt wurde, stimmt völlig mit Dr. WOLTMANNS Lehre überein,
und sie ist auch noch jüngst nach dem Berichte der Germanisch-roma-
nischen Monatsschrift (Dez. 1909) in dem Vortrage S. FEISTS „Europa
im Lichte der Vorgeschichte“ (50. Versammlung deutscher Philologen
und Schulmänner in Graz, 27. Sept. bis 1. Okt. 09) zum Ausdruck ge-
bracht worden.
Dr. Ernst KAPP, Philosophische oder vergleichende allgemeine
Erdkunde, 2 Bde., Braunschweig, 1845: Die kaukasishe Rasse
ist vor den übrigen, deren Einseitigkeiteninihrharmonismh
sih ausgleichen, so bevorzugt, dass sie allein bis auf den
heutigen Tag die geschichtsfahige gewesen ist.
Eduard ARND, Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung
des französischen Volkes, 3 Bde., 1844!46: „In den Teilen der römischen
Welt, welhe die germanischen Eroberer nur vorübergehend betraten,
oder auf die sie mehr ihre äusseren Einrichtungen als ihre Gesinnungen
übertrugen, blieb diese, jetzt nicht nur jedes höheren Zieles entbehrende,
sondern auch von aller Wahrheit und Wirklichkeit getrennte Richtung,
die Form über den Gehalt, den Schein über das Wesen zu stellen,
lebendig und wurde sogar der unterscheidende Charakter der Völker
lateinischen und germanischen Ursprungs. ... Noch heute liegt die
wahre Kraft Frankreichs mehr im Norden als im Süden. In der Bretagne,
der Normandie, in Lothringen und Champagne ist mehr Kraft und
Tüchtigkeit als in der Gascogne, Languedoc und der Provence zu finden“.
6] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 167
Dem Verfasser galt „Deutschland mit Recht als das Herz Europas,
dessen Blut einst alle übrigen Glieder des europäischen Körpers belebt
hat und in dessen lebenswarmer Tiefe es noch heute am reinsten
strömt.“ Die gleihe Ansicht vertrat E. M. ARNDT in seinem 1843
erschienenen „Versuch in vergleichender Volkergeschichte. “
Carl Gustav CARUS liess 1849 zur Jahrhundertfeier des Ge-
burtstags Goethes eine Schrift „Uber die ungleiche Befähigung der
verschiedenen Menschheitsstäimme für höhere geistige Entwicklung“ er-
scheinen, in der er das Menschengeshleht in „Tag- und Nacht-
Völker“ teilte.
Karl HAGEN, Zur vergleichenden Staatskunde (drei Artikel in
Kolatscheks Deutscher Monatsschrift, 1850) unter Berufung auf KLEMM:
„Schöpferische geistige Kraft ist am meisten bei den Germanen
anzutreffen, sowohl an Tiefe als an Umfang: sie haben auf allen Ge-
bieten menschlicher Tätigkeit sich versucht und hier das Grösste ge-
leistet... . Die Germanen haben wohl eine entschiedene Nationalität,
aber sie tritt nicht gerade schroff hervor, weil sie das Talent besitzen,
die Eigentümlichkeit anderer Stämme zu verstehen und zu begreifen,
sie in ihrem eigentlihen Wesen aufzufassen, mit einem Worte, sie
objektiv zu betrachten. Durch dieses Talent sind sie vorzugsweise
der universelle Stamm, derjenige, der dazu berufen ist, auf der
Warte der Weltgeschichte zu stehen. .. . Die Germanen, als in der
Mitte stehend, geographisch wie geistig, sind das vermittelnde und ver-
mischende Element, und zwar nach allen Richtungen hin.“
Erst 1853 erschienen die beiden ersten Bände des „Essai sur
l'inégalité des races humaines“ von Gobineau.
Dieser Auszug macht natürlich auf Vollständigkeit keinen Anspruch
und die als besonders markant zitierten Stellen sollen nur zu weiterem
Studium der betreffenden Autoren anregen.
Wie verhält sih nun Dr. WOLTMANNS Rassentheorie zu den
hier gegebenen Belegen? Ich erblike in ihr die konsequenteste
Ausprägung der schon lange vor Gobineau bei uns heimischen
Rassenideen und glaube schon deshalb, ihr „Stichhaltigkeit“ zusprechen
zu können. Ernst zu nehmende Gegner konnte Dr. WOLTMANN nur
bei den Vertretern der Sprachwissenschaft finden, und auh Dr. WOLT-
MANN sehr nahe stehende Forscher wie Dr. L. WILSER +) haben etymo-
logishe Fehlschlüsse in seinen Schriften zugeben müssen. Der Gehalt
seiner Rassenlehre wird aber dadurch nicht getroffen. Sie lautet in
drei Kernsätzen zusammengefasst:
1. Der Norden Europas ist als Urquell der weissen Rasse mit
dem Germanentum als dem Zentralvolke anzusehen,
2. von der Heimat des Germanentums aus haben, untrennbar mit
der Rasse verbunden, europäishe Kultur und Gesittung ihren
Ausgang genommen,
3. Mischungen zwischen Germanen und anderen Völkern haben
letzteren zu erhöhter Kulturtätigkeit verholfen.
Der erste Punkt hat sich als Hauptgrundlage für die Erforschung
der Vorgeschichte Europas, ja der alten Welt insgesamt, erwiesen. Diese
1) S. „Rassentheorien“*, Stuttgart, Streker & Schröder, 1908.
168 Th. Bieder: Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung usw. [7
Lehre ist nicht erst durh LATHAM und BENFEY vertreten worden,
ich habe sie in fast ununterbrochener Kette bis ins 18. Jahrhundert
zurückverfolgen können. Durch sie gewinnt unser geschichtliches Bild
eine Zentrierung, die bis jetzt, wie es scheint, noch nicht zum Abschlusse
gekommen ist.
Punkt 2 ist besonders wichtig für die Beurteilung der vorgeschicht-
lichen Kulturstufen, der Wanderungen der Ornamente usw.
Im dritten Punkte endlih nähert sih Dr. WOLTMANN Karl
HAGEN (1850) und anderen der erwähnten Rasseforsher vor 1850
und entfernt sih von Dr. Hermann SCHNEIDER, denn gegenüber
der von Dr. SCHNEIDER geäusserten Ansicht, dass „man Rasse als
das Ergebnis einer Mischung nicht allzu ferner Verwandter mit folgen-
der Reinzüchtung ansehen kann, dass man sich aber darüber klar sein
muss, dass wohl die Mischung, aber nicht die Reinzüchtung schöpferische
Kulturleistungen bedingt“, muss es als ein höheres Stadium der Er-
kenntnis angesehen werden, wenn die Germanen als das ver-
mischende Element angesprochen werden, weil dabei doch Aktivität
und Kulturförderung nach einer bestimmten Richtung hin vorausgesetzt
werden. Dr. SCHNEIDERS Ansicht über Reinziichtung und Mischung,
die, wie erwähnt, durch die Vorgeschichte hinlänglich widerlegt werden
dürfte, berührt sich vielfah mit Heinrih DRIESMANS. Auch in
dem Punkte, dass Dr. SCHNEIDER befiirchtet, die Rassenbegabung
könnte leicht ein Faulbett statt eines fördernden Durchgangsfaktors
werden. Gerade diese Seite hat Heinrih DRIESMANS pradtvoll
herausgearbeitet, wenn seine Rassentheorie auch nicht sonderlich hoch-
steht. DRIESMANS gehört nicht zu den „ruhigen“ Schriftstellern, er
setzt, wie man zu sagen pflegt, viele Lichter auf, leuchtet aber gerade
so in manche Ecken und Winkel hinein, „vor denen jeder gern vorüber-
schleicht“. Dass die besondere Rassenbegabung ihre besondere Ver-
pflichtungen und zwar in jeder Beziehung mit sich bringt, ist also ein
Gedanke, der mich mit Herrn Dr. SCHNEIDER eint.
Zum Homo Aurignacensis
von Gustaf Kossinna.
Mit Tafel XI.
Uber den Homo Aurignacensis von Combe Capelle habe ich unter
Vorführung von Lichtbildern und Erläuterungen, die. sich die Mitteilungen
der Zeitungen zu nutze gemacht hatten, bereits Anfang November vorigen
Jahres in meinem Kolleg über das indogermanische Urvolk und bald
darauf (18. November) in der ersten Wintersitzung unserer Berliner
Zweiggesellschaft gesprochen. Durch diesen neuen und nach allen Rich-
tungen ausgezeichneten Vertreter einer Rasse, von der wir in den Ske-
letten von Galley-Hill und namentlih von Brünn, Franz-Josephstrasse,
schon so gut charakterisierte, von KLAATSCH klar beschriebene Belege
besassen, wurde ich in meiner im Kolleg schon seit Jahren aus-
gesprochenen Ansicht bestärkt, dass wir es hier mit jener Rasse zu tun
haben, die ihre reinsten Ableger in der nordishen Rasse der neoli-
thischen Indogermanen Mittel- und Nordeuropas hinterlassen hat, wenn
auch andersartige Beimischungen innerhalb dieser nordischen Rasse un-
verkennbar sind, wie ich (1908) und dann SCHLIZ ja gezeigt haben.
Wenn ich gerade in diesem Punkte der Ableitung der nordischen Rasse
von einer oder von mehreren Rassen des Paläolithikums bei meinem
Vortrage über den Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen 1908,
wo ich diese Frage übrigens nur in einer Zeile gestreift habe (Mannus 1,51),
zu der landläufigen Ansicht zurückgekehrt war, wonach die nordische Rasse
von der Cro-Magnon-Rasse herstammen soll, so beruhte dieses Schwanken
nur auf der Erwägung, dass wir von der Aurignac-Rasse noch keinen
Vertreter besitzen, oder wenigstens bis jetzt mit Sicherheit kennen, der
jünger ist als das Zeitalter des Aurignacien: sie fehlt uns noch aus dem
Solutréen und Magdalénien, wohl auch aus dem Frühneolithikum, wäh-
rend vom Cro-Magnon -Typus Belege bis ins Magdalénien herab bekannt
waren. Und somit fehlte vorläufig die verbindende Brücke der Fort-
pflanzung zwischen dem Menschen von Brünn aus dem Aurignacien
und dem Nordeuropäer des beginnenden Jungneolithikums: eine Lücke,
die mir als Archäologen sehr bedenklich vorkam. Denn auf dem archäo-
logischen Gebiete mit seiner soviel reicheren Stoffüberlieferung würde
mir eine solche Lücke die Möglichkeit einer Ableitung einfach unmöglich
machen. Die Anthropologen sind jedoch, entsprechend der soviel geringeren
Menge ihres Materials, in ihren methodischen Ansprüchen weniger streng.
KLAATSCH versicherte mir, dass ihm diese Uberlieferungskluft wenig
170 Gustaf Kossinna. [2
Bedenken mache. Da man auf eine Ergänzung fehlender Funde des
Menschen aus diesen Zeiten mit Sicherheit rechnen kann, so ist wohl
auch auf Erscheinen jüngerer Belege des Aurignacien zu hoffen, und
somit kann ich meine alte Ansicht: nordeuropäishe Rasse — Brünn
nunmehr in der erweiterten Fassung Aurignac-Rasse unbedenklich
wieder aufnehmen. Denn der Herleitung vom Cro-Magnon -Typus
widerspricht ganz entschieden die Breite der unteren Gesichtspartie
des Cro-Magnon, worin dieser ein Element des NESnOcHalyp in sich
aufgenommen zu haben scheint.
Soweit meine ersten Erwägungen. Nun erschien als erste ein-
gehendere Mitteilung der Aufsatz von G. WILKE (Mannus I, 252 ff.),
der kurz vor KLAATSCH an der Fundstelle des Skeletts gegraben
hatte. Ich beabsichtigte WILKEs Aufsatz eine Tafel beizugeben, was
sich aber nicht ermöglichen liess. Erst jetzt kann ich mit Einwilligung
des Herrn O. HAUSER diese Absicht ausführen (Tafel XI). Einer be-
sonderen Erklärung der Tafel bedarf es nicht, da in dem Aufsatz von
WILKE alles nötige dazu bereits bemerkt worden ist.
Aus WILKE’s Mitteilung wurde bekannt, dass KLAATSCH den
Cro-Magnon -Typus für einen Nachkommen des Aurignacensis erklärt
hat, freilich für keinen reinen, sondern für einen mit einigen Elementen
des Neandertaltypus versetzten. Das machte mich stutzig. Damit war
die Frage des Nebeneinanderlebens der verschiedenen paläolithischen
Rassen angeschnitten. In dieser Beziehung hatte ich bisher die Ansicht
vertreten und gelehrt, dass innerhalb des späten Moustérien und Aurignacien
tatsächlih eine länger dauernde Berührung der Neandertalrasse mit
Jungdiluvialrassen (Cro Magnon, Grimaldi) stattgefunden habe, denn
die neanderthaloiden Skelette von Spy waren nach den geologischen
Untersuchungen RUTOT'’s ins mittlere Aurignacien zu setzen und der
Neandertaler selbst nach Ausweis der Artefakte in die gleiche Periode
wie Spy. Andrerseits ist es über allem Zweifel erhaben, dass die drei
Menschen aus dem Cro-Magnon-Abri ebenfalls aus dem mittleren Aurig-
nacien stammen, aus derselben Schicht, der auch diejenigen Vertreter
des Cro-Magnon-Typus angehören, die unmittelbar über den Negroiden
der Grimaldihöhle bei Monaco lagerten.
Zu diesen drei Rassen des Aurignacien kommt nun als vierte der
Aurignacensis Hauseri, der nah HAUSER freilich aus dem unteren
Aurignacien stammen soll. Somit wäre also sein frühestes Erscheinen
nur um eine Aurignacienstufe älter gegenüber dem des Cro-Magnon-
Menschen und ebenso gering wäre der Zeitraum bemessen für
die Mischung des Aurignacensis mit dem aussterbenden Neandertaler
zur Erzielung des Cro-Magnon-Menschen. Ich sah mich also innerlich
gezwungen, durch eine ganz kurze Anmerkung zu WILKE’s Aufsatz auf
das Alter der verschiedenen Skelettfunde hinzuweisen und damit für
jeden Kundigen die Schwierigkeiten der Frage hervorzuheben, die allein
schon in der Zeitstellung der vorhandenen Zeugnisse liegen.
Ih hob zunächst den Fund des weiblichen Skelettes von Moustier
hervor, das RIVIERE schon so lange aufgedeckt und MANOUVRIER immer
noch nicht veröffentlicht hat, und von dem nur bekannt ist, dass es nicht
dem Neandertaltypus angehört. Ich legte ihm also vermutungsweise
Aurignac-Charakter bei. Herr HAUSER, dem diese Konkurrenz zu
3] Zum Homo Aurignacensis. 171
seinem Mousteriensis offenbar sehr unlieb ist, schrieb mir in dem ihm
eigenen Lapidarstil: „kann nur mittelalterliche Nachbestattung sein,
eventuell ein verscharrter Leichnam“. RIVIERE hält jedoh an der
Echtheit, d. h. am paläolithishen Charakter seines Fundes fest. Da
indes, wie mir RUTOT freundlich mitteilt, nicht nur BOULE, sondern
auch die RIVIÈRE befreundeten Fachleute von der „Echtheit“ dieses
Skelettes nicht überzeugt sind, muss dieser Fund bis auf weiteres von
wissenschaftlicher Verwertung ausgeschlossen werden.
Aufrecht zu erhalten sind aber die von mir gleichfalls schon als
Konkurrenten des Aurignacensis erwähnten beiden von DUPONT in der
Höhle zu Hastiére gefundenen Unterkiefer, die RUTOT allerneuestens
dem Aurignac-Typus zuzählt'). Zu streichen dagegen ist das weiter
von mir dort namhafte Schädeldah von Engis, das ih nah RUTOT’s
früherer Bestimmung dem untern Aurignacien zuteilte. Da dieser berühmte
Fund SCHMERLING'’s bei den Forschungen von SCHLIZ eine Rolle spielt
und ganz neuerdings wieder von KLAATSCH?) stark herangezogen
worden ist, so muss hier mit Nachdruck auf die Mitteilung RUTOT’s
(a. a. O. 226) hingewiesen werden, wonach dieser Forscher nach ein-
gehender Untersuchung des Schädelrestes und der Fundstelle zu der
Ansiht FRAIPONT’s, des leider nun verstorbenen ausgezeichneten
Anthropologen, sich bekehrt hat, dass hier ein neolithischer Fund vor-
liege und bei der Betrachtung der paläolithischen Rassen also ganz
auszuscheiden habe.
Voll aufrecht erhalten muss ich jedoch die letzten Zeilen meiner
Anmerkung, wonach die Cro-Magnon-Skelette genau ebenso alt seien,
wie der Aurignacensis Hauseri, d. h. also, dass beides dem mittleren
Aurignacien angehört. Auch diese Behauptung muss Herrn HAUSER
sehr unangenehm sein, denn er schrieb mir hierüber wörtlih: „Cro-
Magnon ist nicht Aurignacien; das zeigt schon ein kurzer Blick auf
die Schädel von Cro-Magnon und Combe Capelle und die Stratigraphie
von Cro-Magnon. Sehen Sie sich die Originale bitte an, dann müssen
Sie wahrscheinlich Ihren Irrtum anerkennen!“ Nun mit wissenschaftlicher
Erörterung haben diese Worte wohl nicht viel gemein und ich würde
ihnen keine Bedeutung zugemessen haben, wenn nicht bei KLAATSCH
als Antwort auf meinen Einwurf über das Älter des Cro-Magnon in der
seinem Berliner Vortrag folgenden Diskussion ein Echo der HAUSER'schen
Ansicht mir entgegen geklungen hätte.
Man weiss ja, dass KLAATSCH von den Errungenschaften der
heutigen Diluvialarhäologie und ihrer weitgehenden Periodenteilung
nicht viel hält. „Das überzeugt mich nicht“, hat man oft von ihm ge-
hört. Er hält sih nach wie vor an die beiden gegensätzlichen Diluvial-
faunen als Haupteinteilungsprinzip. Aber es ist wohl zu bezweifeln,
dass er Zeit gefunden hat, sich in die neueren Ergebnisse der Diluvial-
archäologie so zu vertiefen, dass seiner Ablehnung besonderer Wert bei-
gemessen werden könnte. Ich habe es mit Staunen und Freude begrüsst,
1) A. RUTOT: Coup d’oeil synthétique sur l’époque des Cavernes. Bulletin
de la soc. belge de géol. 1909, XXIII, 272.
2) Vortrag in der Berliner anthrop. Gesellschaft vom 19. 4. 1910.
172 Gustaf Kossinna. | [4
dass er sich offenbar unter HAUSER’s günstigem Einflusse zur An-
erkennung des Aurignacien verstanden hat.
Hinsichtlih der Cro-Magnon-Skelette sprach er sich abfällig über
das Bestreben aus, einer andern Periode sie zuzuweisen, als der Ent-
decker getan habe, also als dem Magdalenien. Er leugnete sogar die
Möglichkeit der Nachprüfung jener Funde an Ort und Stelle. Danach
sind ihm also die in jeder Beziehung zuverlässigen und abschliessenden
Untersuchungen, die BREUIL zu verschiedenen Zeiten an der Fundstelle
gemacht hat, ganz unbekannt geblieben. Nachdem dort zuerst RIVIÈRE
.gegraben, haben dann BREUIL und PEYRONY gearbeitet. BREUIL hat
bekanntlich die Fundstelle LARTET’s wieder entdeckt und bei der Zuriick-
weisung der falschen Deutungen MASSENAT's, GIROD’s und A. de
MORTILLET's in der Frage des höheren Alters des Aurignacien oder
des Solutreen festgestellt, dass in dem Abri ausschliesslih mittleres
Aurignacien vorkommt'!). Damit ist diese Angelegenheit für mich
erledigt.
Aber für die Fundstelle des Aurignacensis nimmt HAUSER nach
dem durch KLAATSCH vorgeführten geologishen Schichten-Profil die
Bezeichnung ‘unteres Aurignacien’ in Anspruch. In demselben Abri auf
der Bergspitze Combe Capelle hatten schon im Sommer 1907 mehrere
Laien und Forscher gegraben, wovon KLAATSCH nichts zu wissen
schien. BREUIL und BOUYSSONIE haben dort auf der linken Seite
unabhängig von einander, aber völlig übereinstimmend die Schichtenfolge
in der Tiefe mit dem mittleren Aurignacien begonnen, kennen
also weder das Moustérien, noch das untere Aurignacien HAUSER’s.
Da sie im übrigen aber dieselbe Zahl und Folge der Schichten wieder-
geben wie HAUSER, so ist mir das ein Beweis, dass HAUSER, selbst
wenn er das Skelett mehr nach der rechten Seite hin gefunden haben
sollte, sich bei der Beurteilung der Schichten in einem Irrtum be-
findet. Abbe BREUIL hatte die Freundlichkeit, mir auch brieflich zu
bestätigen, dass an seiner Fundstelle von einer Moustérienschicht nicht
die Rede sein könne.
Diese Ergebnisse sind nicht ganz gleichgiltig, denn sie führten
mich zu der Ansicht, dass wir nunmehr an dem Punkte sind, für ein
Zusammenleben von Neandertalrasse und sogenannter jüngerdiluvialer
Rasse, sei es Cro-Magnon oder Aurignacensis, kein unmittelbares
Zeugnis zu haben, seitdem die bisher einzigen ins mittlere Aurignacien
datierten Vertreter der Neandertalrasse, die Skelette von Spy, nad
jetzt übereinstimmendem Urteile von FRAIPONT und RUTOT (a. a. O.
235 ff.) vielmehr ins untere Aurignacien hinabzurücken sind. Das ist
aber nur der augenblicklihe Stand der Zeugnisse. Ich weiss nicht, ob
ich so indiskret sein darf, zu verraten, dass RUTOT über kurz oder
lang zeigen will, dass bereits in der Chellesperiode sowohl der Typus
des Aurignacensis wie des Cro-Magnon-Menschen in Frankreich ge-
funden und nur als solhe bisher nicht erkannt worden sind: den Be-
weis hierfür müssen wir freilich erst abwarten.
Indirekte Beweise für ein Zusammenleben der Neandertalrasse
und der höhern Diluvialrassen liegen allerdings bereits vor, wenn die
1) H. BREUIL: La question aurignacienne (Revue Préhistorique 1907, 209 ff.);
l’Aurignacien présolutréen (ebd. 1909, Nr. 8 und 9 [Sonderdruck S. 21 ff.]).
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. Tafel XI.
wrr
Abb. 2.
Abb. 3.
Kossinna, Zum Homo Aurignacensis. Curt Kabitzsch (MiStuber'H Verlag), / Würzburg.
Digitized by Google
5] Zum Homo Aurignacensis. 173
Ansicht von KLAATSCH, wie ich glaube, richtig ist, dass der Neander-
taler Mensch etwas im Cro-Magnon-Menschen ‘und noch mehr in Teilen
nordischer Bevölkerung sein Blut vererbt hat. Ein direkter Beweis fir |
ein altes Zusammenleben der beiden Rassen ist aber soeben wieder
gegeben durch die von KLAATSCH in seinem Berliner Vortrag gemeldete
Tatsache — die übrigens shon RUTOT kurz angedeutet hatte —, dass
zu Krapina Skeletteile beider Rassen, des Neandertalers wie des .
Aurignacensis, gemischt vorgekommen sind, und dass hier wahrscheinlich
ein Kampfplatz beider Rassen entdeckt worden ist.
Wenn KLAATSCH die Aurignacrasse mit Recht aus Asien ein-
wandern lässt, so wäre es ja allerdings nicht wunderbar, wenn die bis.
jetzt frühesten Zusammenstösse beider Rassen in Osteuropa stattgefunden
hätten. Denn die Fundstätte von Krapina wird man trotz RUTOT, der
sie ins untere Aurignacien verlegt, wohl besser dem Moustérien, wie
bisher, belassen. ‘Ich hebe aber nochmals hervor, dass durch diese Auf-
fassung von Krapina das bis jetzt einzige Zeugnis für die Gleichzeitigkeit
jener Rassen geliefert wird, und dass für Westeuropa. die Gleichzeitig-
keit durh direkte Zeugnisse bis jetzt nicht erhärtet worden ist. Hier
reicht die Neandertalrasse bis ins untere Aurignacien herab, die Aurignac-
und Cro-Magnon-Rasse beginnt aber erst im mittleren Aurignacien.
Was endlich die Verbindung der Neandertalmenschen mit der An-
tiquus- Fauna und die Parallelisierung mit den Gorilloiden und heutiger
afrikanischer, an heisses Klima gewöhnten Tierwelt und dem gegenüber die
Verbindung des Aurignacensis mit der pelzgeschützten Mammutfauna
und den kalten Gebieten Nord- und Mittelasiens angeht, so schliesse
ich hieran die Mitteilung, dass ich auf meiner vorjährigen Studienreise in
Südosteuropa im Museum zu Lemberg ein Rhinozeros tichorinus mit
vollständiger Erhaltung der Weichteile sah, die jedoch des nah KLAATSCH
zu erwartenden Pelzkleides gänzlich entbehrten. Erhalten waren
nicht nur beide Hörner, auch schon eine Seltenheit, sondern auch das Ohr,
die Zehen, Haar und Haut, während man bisher nur einen einzigen
mangelhaft erhaltenen Kopf dieses Tieres aus Ostsibirien in Petersburg
‚aufbewahrt. Der Fundort ist Starunia, Bezirk Bohorodczany in Ost-
galizien. Verdankt wird dieser einzigartig gute Erhaltungszustand der
Lagerung im Erdwachs, das 5 m über dem Rhinozeros auch ein vollständig
erhaltenes, leider zerbrohenes Mammut barg, dabei ein Stück diluvialen
Holzes und viele Pflanzen und Früchte. Der Direktor des Dzieduszycki-
` Museums, Prof. LOMNICKI, überreichte mir freundlichst seine vorläufigen
Berichte über diese glänzenden Funde vom Herbst 1906:
1. Uber den Mammuts- und Rhinozerosfund in Starunia.
2. Die Mollusken in pleistocänen Ton des Mammutschadtes in
Starunia. Lemberg 1907 und 1908 (aus der polnischen Zeitschrift
„Kosmos“ Jahrg. 32 und 33, mit deutschem Auszuge).
Eine ausführliche Veröffentlichung wird vorbereitet.
Bei der Gelegenheit füge ih noch hinzu — wenn es auch zu un-
serem Thema keine Beziehung hat —, dass ich in der trefflihen Sammlung
des Herrn J. A. JIRA in Podbaba bei Prag ein vollständig erhaltenes
Skelett des Rhinozeros tichorinus sah, in dessen Innerem sich das Skelett
eines Rhinozeros-Embryo befand.
Tardenoisien in Ostthuringen.
Von Alfred Auerbad, Gera.
Mit 9 Textabbildungen.
Gelegentlich der Vorarbeiten für eine Neuaufstellung der vorge-
schichtlichen Abteilung des Städtischen Museums zu Gera ergab eine
genaue Prüfung des magazinierten Materials eine Anzahl früher nicht
beachteter Stücke, die für die Vorgeschichte Ostthüringens von Wichtigkeit
sind. Neben sicher bearbeiteten Knochen aus der Lindentaler Hyänen-
höhle, die bis jetzt in den Publikationen über dieselbe noch keine Be-
rücksichtigung gefunden haben, sind es hauptsächlich Feuersteinwerkzeuge
vom Typus der Mikrolithe, deren Existenz in unserer Gegend bisher voll-
ständig übersehen worden ist. Sie stammen aus dem Orlagau und vom
Gipfel des Pfortener Berges bei Gera.
Im Jahre 1884 grub Herr Robert EISEL aus Gera eine Höhle im Zech-
stein und die sie von dem Talhange abschliessende wallartige Erhöhung
am oberen rechten Rande des steilen Mullentales bei Döbritz im Orla-
gau aus, die er als die „Wüste Scheuer“ bezeichnete. Das bereits früher
durchwühlte Höhleninnere lieferte ihm Knochenreste von 25 Tieren der
Diluvialzeit, unter denen auch Rhinozeros, Mammut und Wildpferd be-
stimmbar waren, und zirka 100 Feuersteinsplitter, der Abschlusswall von
solchen fast 200 Stücke, einen Bronzeringrest und einen Scherben mit
slawischem Wellenornament. EISEL berichtete über diese seine Ausgrabung
in der Berliner Zeitschrift für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte,
Band 18, 1886, S. (50)— (52). Wir finden an dieser Fundstelle die
Reste verschiedener Perioden von der Diluvialzeit bis herauf zur sla-
wischen Zeit zusammenliegend ; die mehrfachen früheren Umwühlungen
der Fundstelle nah „Schätzen“ haben freilich alle und jede Schichten-
folge unrettbar vernichtet. Es gelang mir, die Bestände des Städtischen
Museums zu Gera an Feuersteinsplittern von dieser Stelle gelegentlich
verschiedener Exkursionen noch zu vermehren.
Herr Dr. Richard LOTH aus Erfurt sammelte 1886, wie er in seiner
Abhandlung: „Spuren vorgeschichtlicher Ansiedelungen in der Umgegend
von Pössneck“ berichtet, dort ebenfalls über 100 Feuersteinsplitter „von
sehr verschiedener Grösse. Neben grösseren Knollen finden sich cha-
rakteristische messerförmige Splitter von 3—4 cm Länge und 1 cm
Breite mit muscheligem Bruch und dreieckigem Querschnitt vor. Ändere
haben eine pfeilartige Form, die meisten sind kleiner ohne charakteristische
Formen“. Daneben erwähnt er noch den Fund eines 6 cm langen, an
einer Seite eigentümlich künstlich ausgezackten Geweihstiickchens.
2] i Tardenoisien in Ostthüringen. 175
Feuersteinsplitter von dieser Fundstelle finden sich ausserdem auf-
bewahrt in den städtishen Museen zu Pössneck und Saalfeld, die ich
leider einer genaueren Durchsicht nicht unterziehen konnte.
Eine sorgfältige Sichtung unseres Geraer Materials nun liess mich
bald eine Anzahl Stücke erkennen, deren Habitus sie der Epoche des
Tardenoisien zuwies. Es sind dies Stiicke der typischen Triangulärform
(Abb. 1—3). Ausserdem sind charakteristisch Messerchen mit abge-
drücktem Rücken, eine Klinge mit Kerbe und Stichel mit Mittelspitzen.
6 7 &
Abb. 1—3 Döbritz, 4—5 Schwarzbach, 6 -9 Pfortner Berg bei Gera.
Herr Dr. R. R. SCHMIDT in Tübingen hatte die Güte, das Material
nochmals genau zu prüfen und bestätigte seine Zugehörigkeit zum Tarde-
nosien. Auch machte er darauf aufmerksam, dass auf Grund der Funde
in dem ursprünglichen Profile des Höhlenbodens drei Schichten vorhanden
gewesen sein müssen, von denen die untere die Reste der diluvialen
Tierwelt, die darüberliegende die Feuersteingeräte vom Ende des Paläo-
lithikums und die obere die Fundstücke der vorgeschichtlihen Metall-
zeiten geliefert haben.
Die Tatsache, dass Funde der Epoche des Tardenoisien aus Ost-
thüringen bisher noch nirgends in der Literatur erwähnt worden sind,
veranlasste mich zu einer genaueren Prüfung der Angelegenheit. Im
Städtischen Museum zu Saalfeld konnte ich leider die hier liegenden
zahlreichen Bestände an Feuersteinsachen von den verschiedensten Fund-
orten aus der Umgegend nicht eingehend genug daraufhin durchprüfen,
ob Material der jungpaläolithischen Epochen, besonders des Tardenosien,
darunter vertreten sei.
In der Sammlung des Herrn Kassierers KALDEBORN in Unter-
wellenborn sah ich zehn zum Teil sehr schöne Messerchen mit abge-
drücktem Rücken, die vom Besitzer auf dem Dobritzhügel zwischen
Unterwellenborn und Kleinkamsdorf gefunden worden sind. Trotzdem
gerade diese Formen in mehreren Epochen des Paläolithikums auftreten,
möcte ich doch auch hier, durch die Lage des Fundortes veranlasst,
die Zugehörigkeit zum Tardenoisien voraussetzen. Vielleicht bestätigen
noch einige glücklihe Funde von Typen diese Annahme.
176 Alfred Auerbach: Tardenoisien in Ostthtiringen. [3
Auch liegen in der Sammlung des Herrn Lehrers A. MULLER in
Niederrossla bei Apolda, früher in Schwarzbach bei Triptis, vier Stück
vom Tardenoisientypus, die vom Schindel- und Gickelsberge, östlich des
zuletzt genannten Ortes, herstammen (Abb. 4, 5).
Der Gipfel des Pfortener Berges südlich von Gera, an der Ein-
mündung des (essentales in das Elstertal, lieferte schon früher und
bis in die neueste Zeit herein eine Menge Feuersteinsplitter vom früh-
neolithischen Typus. Unter ihnen konnten neben einseitig bearbeiteten
Stücken, wie sie teilweise schon im Jungpaläolithikum vorkommen, auch
typische Stücke der Tardenoisienmikrolithik festgestellt werden (Abb. 6
bis 9). Die charakteristishe Lage an der Talmündung und die Ge-
staltung des Fundortes, bei dem wagereht aus dem Boden hervor-
ragende Zechsteinbänke als natürlihe Tische zur Feuersteinbearbeitung
einluden, haben mich schon vor Jahren die Stelle als Lagerplatz von
Jägerhorden ansprechen lassen, die hier die aus dem nahen Diluvium
stammenden Feuersteinknollen für ihre Zwecke hergerichtet haben.
Den an dieser Stelle zu beobachtenden äusseren Merkmalen nach-
gehend, konnte ich bereits vor einer Reihe von Jahren nordöstlich von
Gera am Nordwesthange des Steinertsberges eine ähnliche Lagerstätte
feststellen, die zahlreiche Feuersteinsplitter, ein Fragment eines ge-
schliffenen Steinbeils aus Diabas und Reste aus den vorgeschichtlichen
Metallzeiten geliefert hat. Unter diesem Materiale wurden bis jetzt zwei
Reste von Feuersteinmesserhen von etwa 9 mm Länge und 4'/2 mm
grösster Breite mit deutlih abgedrücktem Rücken und _ retuschierten
Enden aufgefunden, die dem Tardenoisien zuzuweisen sein dürften.
Sind es also auch zunächst nur wenige Stellen, an denen die
Epoce des Tardenoisien in Ostthüringen bis jetzt nachgewiesen werden
konnte, die kleinen unscheinbaren, sie charakterisierenden Feuerstein-
splitterchen fanden eben bis jetzt bei den Sammlern noch zu wenig
Beachtung, so bin ich doch der festen Überzeugung, dass sich die Zahl
der Fundstellen wesentlich erhöhen wird, wenn man auc bei uns dem
Materiale dieser Kulturepoche grössere Aufmerksamkeit schenkt und
ihm auch hier nachzugehen verstehen lernt.
Zwei Zonenbemer aus Urmitz.
Von A. Günther, Koblenz-L.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Zur Zonenbandkeramik (Glockenbecher) kann ich als Nachtrag zu
meiner ,Vorgeschichte des Neuwieder Beckens“ (Mannus Il, 32 ff.),
nunmehr über zwei eigene Erwerbungen aus Urmitz berichten.
Im April d. J. erwarb ich von einem Arbeiter in Mülheim ein
schwarzes Becherchen (Abb. 1). Dasselbe war so mit Lehm beschmiert
und von unscheinbarem Äusseren, dass es dem Auge eines
kurz vorher nach Altertiimern fragenden Händlers entgangen
war. Es ist von roher Arbeit, der Ton stark mit Quarz-
körnchen gemischt und gedämpft. Die Form erinnert fast
an rohe fränkische Arbeit: mit den Fingern ausgearbeitete
Fussplatte, rundbauchige Wandung und leicht ausladender
Rand. Die Ornamente, 6 horizontale Gurtlinien und ein
umlaufendes Band abwärtshängender Dreiecke, scheinen
mit Rädchen eingeritzt zu sein. Die Höhe beträgt
8'2 cm; die Fussplatte hat 5 cm, der Rand 7'/2 cm Durchmesser.
4 x Vite ‚or Nun...
e wù Pd
e
Abb. 1.
Urmitz. "Js.
Abb. 2.
Am 1. Mai d. J. wurde auf einer Sandgrube in der Nähe des
Ketticher Weges und in etwa 9 cm Abstand von dem westlichen äusseren
Graben der Steinzeitfestung, deren Graben- und Palisadenrandprofil
Mannus. Bd. Il. 12
178 A. Giinther: Zwei Zonenbecher aus Urmitz. [2
hier nochmals und zwar an einer Ausgangsstelle freigelegt war, ein
aus Steinplatten hergerichtetes Grab aufgedekt. Einige Tage nachher
zeigte mir ein Vorarbeiter die Stelle und erklärte mir den Aufbau des
Grabes, das aus fünf grossen 10—15 cm starken Schieferbruchstein-
platten von je 0,95—1,0 m Länge und 40—50 cm Breite zusammen-
gesetzt war (Abb. 2). Ausser einigen Knochenresten, darunter Teilen
vom Schädel, die aber sofort ganz zerfallen seien, habe sich nichts vor-
gefunden. Der Arbeiter, von dem ich wenige Tage später das Tonge-
fäss (Abb. 3) erwarb, bestätigte im allgemeinen die Angaben des Vor-
arbeiters, das Gefäss habe aber unter der
Steindeckung gestanden, während der Schä-
del und die Knochenreste sich fast ausser-
ar = halb befunden hätten. Das Gefäss ist von
er gr ~ sehr guter Erhaltung und sauberer Arbeit;
ga Een Da > innen und aussen mit rotgelbem Ton-
are sae abs oe überzug versehen, der zwischen den Orna-
+ soe: >, mentbändern geglättet erscheint. Die ganze
= Aussenwandung ist mit Zonenbändern be-
deckt, deren Einfassungslinien mit Rädchen
eingeritzt zu sein scheinen. Unmittelbar
über der Bauchkante zieht sich ein Fries
kleiner eingeritzter Rechtecke hin. Der
Boden, 7 cm Durchmesser, ist glatt, der
nach aussen leicht ausladende abgerundete
Rand hat einen Durchmesser von 19 cm;
a DNNE A die Höhe beträgt 21'/2 cm. Da der Ar-
beiter, von dem ich das Becherchen (Abb. 1)
erhalten habe, früher auf derselben Bimssandgrube arbeitete, so scheinen
beide Gefässe von der gleichen Fundstelle zu sein.
Beide befinden sich jetzt in der Sammlung des hiesigen Vereins.
Anmerkung. Wir haben es bei dem grösseren Becher (Abb. 3) zwar mit
einem Zonenbecer, nicht aber mit einem Glockenbecher von dem bekannten
west-, süd- und mitteleuropäischen Typus zu tun, die jüngst GROSSLER und
SCHUMACHER behandelt haben. Der Form nach gehört dieses Gefäss zu jenen
spätneolithishen Bechern, die ich 1909 (Mannus I, 232, vgl. 267, 272 Anm. und
Tafel XXII) besprochen habe, die wohl Zonenornament aufweisen, aber doch aus
den nordwestdeutschen Megalithgräberbechern sich entwickelt haben. Das Erscheinen
des Bechers in einem Steinplattengrab liefert ein neues Moment für die Richtigkeit
meiner Änsiht. Nah GROSSLER’s Vorgang wird man jene internationale Form
künftig am besten ausschliesslich als Glodkenbecher bezeichnen, jene nur in West-
deutschland (nebst England und sehr selten auch Nordfrankreich) einheimische Form
aber Zonenbecher nennen. Das Zonenornament allein kennzeichnet eben nicht
genügend. G. K.
Zur Geschichte der Sichel.
Von A. Bezzenberger.
Mit 3 Abbildungen im Text.
In dem durch Hubert SCHMIDTs Güte mir zugegangenen glänzenden
lI. Teil der ,,Archeological excavations in Anau and Old Merv“ ist eine
Kupfer-Sichel veröffentlicht (Pl. 39, Fig. 3, S. 154, Fig. 274), über die
der Genannte folgendes sagt: „lt differs in its form from all European
types of sickles.... The characteristics of the sickle of Anau are the
smooth surface of the blade and the form of the tang or haft, the end
of which is bent backward. The same peculiarities | find, in contrast
to the European types of the bronze period, only on the sickles from
Troja which belong to a hoard of the VI city“ (S. 182).
Eine genau entsprechende europäische Form kann auch ich nicht
nachweisen. Wohl aber kenne ich mehrere Sicheln aus Südwest-
Europa — ob Bronze, wie ich glaube, oder Kupfer habe ich nicht fest-
stellen können —, die dadurch, dass ihr Schaftende aufgebogen ist, mit
der Sichel von Anau verwandt sind. Es sind dies:
Abb. 1, 9—10 cm lang im
Museum von Nimes.
Abb. 2, 13 cm lang, im Museu
ethnol. in Lissabon aus Praganca,
Estremadura, nebst einem zweiten
Exemplar dieses Typus aus Estrema-
dura. Im hinteren Rande des ab- Abb. 1.
gebildeten Stücks eine runde Ver-
tiefung, die nicht durchgeht und ein blosser Gussfehler sein kann.
Es scheint mir klar zu sein, und das überflüssige Loch im Blatt
von Abb. 2 bestätigt es, dass diese Sicheln auf der primitiven, voll-
: kommen ebenen Sichel
beruhen, wie sie PINZA
Monumenti antichi XI,
Taf. XVII, Fig. 3 bietet,
und die mit Nägeln am
Holzgriff befestigt wurde.
Sie ist mir in Sardinien
in zwei Exemplaren in
Abb. 2. Cagliari und einem in
Sassari begegnet, die zwar
sämtlich von unbekannter Herkunft sind, aber als sardinische Formen
durch die von PINZA ebenda Sp. 168 veröffentlichte Gussform aus
Sardara erwiesen werden.
12*
180 A. Bezzenberger: Zur Geschichte der Sichel. [2
Eine andere unmittelbare Entwickelung dieser primitiven Form
bilden die sibirischen Kupfersicheln MARTIN L’äge du bronze an musée
de Minoussinsk Pl. 10 (Fig. 14 scheint hinten aufgebogen zu sein), an
ai welche die Sichel von Arnimsheim
(Mitteil. des uckermärk. Geschichts-
vereins Í, 7 unter 14) sich anzureihen
scheint. Mittelbar aber lassen sich
aus solchen einfachen Sichelblättern
auch die „faucilles à bouton aplati“
Abb. 3. und damit die Knopfsicheln überhaupt
ableiten: die Umbiegung von Abb. 1
und 2 wurde zunächst im Guss nachgeahmt und dann konisch zu-
sammengezogen.
Als Nachtrag zu H. SCHMIDTs Aufsatz, Zs. f. Ethnol. XXXVI, 416
und meiner eigenen, wie es scheint, noch nicht bemerkten Behandlung
der Bronzesicheln (Bronze- Analysen S. 28) gebe ich schliesslich
Abb. 3, entsprechend zwei Sicheln aus Mertola, Alemtejo, im
Museu ethnol. in Lissabon. Länge 16,5 cm. Die Unterseite ist glatt.
Kantower Funde.
Mit Tafel XII—XVI.
Von Karl Waase, Mittelschullehrer in Neu-Ruppin.
I. Das Flachgräberfeld bei Kantow.
Westlich von Neu-Ruppin und fast nördlich von Wildberg liegt das
Dorf Kantow. Im Norden dieses Ortes breitet sih ein ziemlih um-
fangreiches, bis jetzt ganz unbekannt gewesenes Flachgräberfeld aus.
Unser genauer Lageplan auf Tafel XII zeigt dasselbe in 1, 2 ist der Ort
Kantow, 3 die neue Chaussee nach Lögow und 4 die nach Gottberg.
5 und 6 sind Wirtschaftswege, 5 führt nah Blankenberg und 6 nach
Paalzow.
Der Besitzer des Gräberfeldes ist Herr Ortsvorsteher WITTKOPF
in Kantow. Er erzählt, dass ihm das Feld schon manches Fuder Steine
geliefert habe. Beim Ackern wäre er häufig auf Steinhaufen gestossen.
Diese sind ausgerodet worden, auf jedem Flecke sei in der Regel eine
Kastenkarre voll gewesen. Meist seien auch Topfscherben mit dazwischen
gewesen. Ein paarmal wären auch ganze Töpfe mit zutage gefördert wor-
den. Der Besitzer des Nachbarfeldes Herr Amtmann BERLIN (siehe,
„Lageplan“, Tafel XII 8) teilt mit, dass auch bei ihm Steinhaufen gefun-
den sind. Einmal ist ein grosser Topf mit Deckel herausgehoben und
vom Inspektor mitgenommen worden. Uber den Verbleib ist nichts
mehr ausfindig zu machen.
In dem Besitz des Herm WITTKOPF befanden sich noch 2 Grab-
reste. Es sind teilweis zerstörte Urnen, mit Asche und Knochen gefüllt.
Beigaben hatten die Gefässe nicht enthalten. Beide Urnen konnten fast
ganz wieder zusammen gestellt werden. Das eine Gefäss ist 15cm hoch.
Der untere Durchmesser beträgt 7, der mittlere 17 und der obere 15 cm.
Den Hals zieren zwei schwach gebogene Henkel. Um das untere Hals-
ende verläuft ein Band aus drei parallelen Linien. An demselben
hängen Bändergruppen, die ebenfalls aus drei Parallelen zusammenge-
setzt sind. Abbildung Tafel XII, A. Das zweite Gefass ist eine doppel-
konishe Ume. Sie ist wie die erste aus hellbraunem Ton, der an man-
chen Stellen graue Farbe hat, gefertigt. Das Gefäss ist geglättet und
unverziert. Unterer Durchmesser 10 cm, mittlerer 26, oberer 20, Höhe
ungefähr 20 cm. Die Urne war ebenfalls mit Brandknochen angefüllt.
Tafel XII, B.
Auf Grund des vorstehenden Materials und der oben angeführten
Berichte beschloss ich, das Feld systematisch abzugraben. Wir began-
182 Karl Waase. [2
nen Anfang August 1909 und deckten im ganzen dreissig Gräber auf. Der
Urnenfriedhof befindet sich auf einer schwachen, immerhin doch deut-
lih aus der Landschaft heraustretenden Erhebung. Die Flachgräber
lagen sämtlih auf dem Hange nach Südosten. Die Urnen standen
alle in Steinpackungen in einer durchscnittlihen Tiefe von 40—50 cm.
Eine regelmässige Anordnung der Gräber liess sich noch genau festlegen,
trotzdem bereits sehr viele durch Steineroden zerstört waren. Wir wer-
den die Anordnung der Gräber weiter unten genauer besprechen. Die
meisten Gräber enthielten nur eine Urne, die in der Regel mit einer
Schale, des öfteren auch nur mit Steinen bedekt war. Sämtliche
Gefässe waren durch die schweren Steinpackungen gesprengt und nur
mit vieler Mühe liess sich ein Teil derselben wieder zusammensetzen.
Das gesamte Fundmaterial befindet sich zurzeit in den Händen des Ver-
fassers und soll dem zukünftigen Heimatmuseum der Grafschaft Ruppin
einverleibt werden.
Wir geben nun zunäcst eine kurze Beschreibung der Gräber mit
ihrem Inventar.
8. August 1909.
Grab 1. Zwischen einer regellosen Steinpackung aus Feldsteinen
fanden sich einige Scherben von bräunlich gebranntem Tone vor. Die
Urnenreste hatten im Innern schwärzlihe Farbe. Sie liessen auf ein
sehr roh bearbeitetes Gefäss schliessen, waren äusserst glimmerreich,
innen geglättet und aussen rauh. Das Grab lag ungefähr 40 cm tief
unter der Erdoberflähe. Es war zweifellos durch die Feldarbeit oder
durch Steineroden früher gestört worden. Aschenreste liessen sich
nicht mehr feststellen.
Grab 2. Dasselbe lag 2 kleine Schritte von dem ersten entfernt.
In 40 cm Tiefe befand sich zwischen einer ziemlich grossen Steinpackung
ein tonnenartiges, schwach. ausgebauchtes Gefäss.. Um dasselbe lager-
ten kleine Feldsteine, grössere lagen ausserhalb. Einen idealen Durch-
schnitt dieses Flachgrabes bilden wir auf Tafel XII in C ab. Es gelang,
die Urne freizulegen. Wir veranschaulihen das geöffnete Grab auf
Tafel XIII oben links. Der photographische Apparat ist schräg von oben
in die Erdgrube gerichtet. Der dunkle Schattenriss des Grabgefässes
tritt deutlich hervor. Die Feldsteine, welche die Packung bildeten, er-
blicken wir oben auf dem Bilde. Das Gefäss war über die Hälfte mit
Leichenbrand, der ziemlich grosse Knochenreste enthielt, gefüllt. Eine
Beigabe war nicht zu ermitteln, ebenso fehlten die Beigefässe. Leider
war die Urne durch den Steindruck so zersprengt worden, dass sie nicht
ganz geborgen werden konnte, sie zerbröckelte in unzählige Stückchen.
Der obere und untere Durchmesser betrugen ungefähr 12 cm, die Höhe
20 cm. Innen war das Grabgefäss geglättet, aussen absichtlich rauh
gemacht. Ornamente und Henkel fehlen. Der Halsrand ist schwach
nach aussen zurückgebogen. Ein Deckelgefäss war nicht vorhanden.
Der äusserst glimmer- und quarzreihe Ton hatte graue Farbe, diese
ging an der Aussenseite ins Rötlihe über. Die Rekonstruktion des
Gefässes zeigt Tafel XII in D.
Grab 3. In gleicher Entfernung wie 1 von 2 lag 3. Das Grab
war früher schon geöffnet worden und nur noch wenige Steine deuteten
auf die einstige Anwesenheit eines solchen hin,
3] Kantower Funde. 183
Grab 4. Das Grab zeichnete sich durch eine Steinpackung von
ungeheuer grossen Feldsteinen aus. Uber den Gefassen lagerte ein
solher von über 150 Pfund Schwere, infolgedessen waren diese gänz-
lich zerquetscht und die Scherben verstreut. Leichenbrand wurde reich-
lich zutage gefördert, doch fehlten auch hierin wieder jegliche Beigaben
von Metall. Es enthielt ein grosses und ein kleines Henkelgefäss. Das
grosse war das Äschengefäss. Tonstruktur wie bei Grabgefäss 2. Der
Henkel ist kurz gebogen. Abbildung eines Henkelstückes von vorn und
von der Seite auf Tafel XII in E und F ('/z nat. Gr.). Das kleine Gefäss
war das Beigefäss. Es ist aus fein geschlemmtem Ton gefertigt. Es
hatte vermutlih die Form eines einhenkligen, tassenartigen Topfes.
Die bauchige Erweiterung zierten senkrechte Furchungen. (Brucdstüc
Tafel XII, G.) Die Lage der vier Gräber zueinander vergegenwärtigt
das Bild auf Tafel XII] in der Mitte. Jeder der vier Schüler steht an
einer Grabstelle.
11. August 1909.
Grab 5. Zwischen schwerer Steinpackung fanden sih in 50 cm
Tiefe ein total zerdrücktes doppelkonisches Gefäss mit äusserst grobem
Leichenbrand wiederum ohne jegliche Beigaben von Metall oder Stein.
Daneben stand, ebenfalls vollständig zersprengt ein Beigefäss, welches
einen Bodendurchmesser von 5 und eine Höhe von 9 cm hatte. Die
vielen Fragmente dieses Gefässes lassen die Rekonstruktion zu, die
Tafel XII in H zeigt. Der Beigabe fehlte jede Ornamentik. Am Halse
befinden sich zwei kleine Henkel. |
Grab 6. Die wenigen Feldsteine, die beim Blosslegen auftraten,
deuteten schon darauf hin, dass das Grab früher gestört worden war.
Es fanden sich Reste eines geglätteten, hellbraunen Gefässes ohne
Ornamentik. Die Fragmente lagen über den Steinen.
12. August 1909.
Grab 7. Ungefähr 10 mittelgrosse Feldsteine, keine Urnen- und
Brandspuren. Gestört. (Nach Aussage des Besitzers sind in der Gegend,
in der wir augenblicklich graben, von ihm zahlreiche Steinhaufen aus-
gegraben worden.)
Grab 8 Wie 7.
Grab 9. Wie 7.
Grab 10. In 55 cm Tiefe befand sich eine sehr umfangreiche
Steinpackung. Die Feldsteine waren von beträchttlicher Grösse, sie um-
gaben 3 Gefässe, die wiederum total zerweicht und durch Steinmassen
zerdrückt waren, immerhin liess sich ein Bild von ihnen gewinnen. Das
Hauptgefäss war von ganz bedeutender Ausdehnung. Es hatte einen
grössten Durchmesser von fast 40 cm und eine Höhe von 28 cm. Es
war dickwandig, innen geglättet, aussen sehr rauh. Es erweckt den
Eindruck, als ob die rauhen Erhebungen auf der Aussenseite durch
Streichen mit den Fingern erzeugt worden wären. Cefasstiicke, bei denen
das besonders hervortritt, zeigt Tafel XIII oben rechts. Henkel fehlten,
der Ton hatte aussen gelbbraune und im Innern schwarzliche Farbe. Die
Urne war mit sehr viel Brandresten angefüllt. Unsere Hoffnung hier endlich
einmal eine Metallbeigabe zu finden, um einen chronologischen Anhalt
zu haben, erfüllte sich nicht. Das rekonstruierte Gefäss zeigt Tafel XII, J.
184 Karl Waase. [4
Neben der Graburne fanden sich Reste eines geglatteten Henkel-
kruges. Wir illustrieren ein Halsstück mit ansitzendem Henkelreste auf
Tafel XIl in K. Ausserdem fanden sich Fragmente eines zweiten Bei-
gefässes, dasselbe muss ungefähr die Gestalt des Beigefässes von Grab
5 (Tafel XII, H) gehabt haben. Es unterscheidet sich von ihm durch die
Ornamentik. Am Halsrand und ebenso an der sehr starken Ausbauchung
der Beigabe verlaufen Systeme von vier parallelen Furchungen. Bruch-
stück Tafel XII L. Das Aschengefäss war mit einer henkellosen Schüssel
bedeckt. Sie war aussen und innen geglättet und hatte hellgelbe Farbe.
Ihr Rand ist etwas eingezogen. Rekonstruktion Tafel XII M.
Grab 11 bis 16. Sämtlih in 40 bis 50 cm Tiefe.
14. August 1909.
Grab 11. Das in kleiner Steinpackung liegende Grab enthielt
eine mit einem Deckel versehene Urne. Sie zeigt äusserst rohe Bear-
beitung. Die Aussenseite ist sehr stark gerauht, der Ton glimmer- und
quarzreich, die Farbe desselben teilweise rot. Bodendurchmesser 11 cm,
oberer Durchmesser fast ebensogross, Höhe ungefähr 20 cm. Das frei-
gelegte Gefäss nach Entfernung des Deckels zeigt Tafel XIII unten links.
Die Urne war über die Hälfte mit grobem Leichenbrand angefüllt, ihm
fehlten metallishe Beigaben, doch fanden sich Reste eines kleinen
Beigefässes vor. Dieses war am Halse mit Horizontalfurchen verziert.
Bruchstiick siehe Tafel XII N. Struktur, Form und Grösse dieser Grab-
urne erinnern an Crabgefass 2. Ausserst gute Bearbeitung zeigt das
Deckelgefäss. Es ist eine flache, mit einem Henkel versehene Schale,
welche aus sehr fein geshlemmtem Ton angefertigt ist. Sie hat hell-
braune Farbe, die an manchen Stellen ins. Rötlihe und Ockergelbe
übergeht. Die Schale ist mit parallelen Liniensystemen verziert, diese
verlaufen strahlenartig fast vom Halsrande bis zum Boden. Am Hals-
rande befindet sich eine horizontal verlaufende Liniengruppe. Der Henkel
selbst zeigt kurze Linieneindrüke. Die Ornamente sind mit einem
vierzinkigen Instrument in den Ton eingeritzt worden. Das (efäss
konnte fast vollständig wieder hergestellt werden. Der Bodendurch-
messer beträgt 9, der obere Durchmesser 28, die Höhe 12 cm. Die
Abbildung der Schale finden wir auf Tafel XII in O. P gibt ein Bruch-
stuck aus der Nähe des Bodens, Q ein Randstück und R den unteren
Teil des Henkels im Bilde wieder.
Grab 12. In einer ziemlich umfangreichen Steinpackung stand
ein zerquetschtes Tonnengefäss von der Gestalt, wie es Tafel XIV in A
vergegenwartigt. Der Bodendurchmesser betrug 12 cm. Das einge-
schnittene Ornament besteht aus unregelmässigen Vierecken, welche
durchkreuzt werden. Einen Scherben in !j» nat. Grösse veranschaulicht
XIV B. Die Urne hatte dunkelbraune Färbung. Eine Eigentümlichkeit
zeigten die Bruchstücke. Sie spalteten sih der Länge nach, so, dass
sich der Ton im Innern der Scherben auseinander gab. Das vorstehende
Grabgefäss gleicht in allen Stücken der sich im Königlichen Museum zu
Berlin befindlihen Tonurne von Zecdhlin - Östprignitz. (Vergleiche: die
vor- und frühgescichtlihen Denkmäler des Kreises Ostprignitz. Von
Direktorial - Assistent Dr. GOTZE. 1907. Seite 67, Abb. 37.) Auf den
Aschenresten, die ziemlich grosse Stücke angekohlter Knochen enthielten,
stand ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Beigefäss von hellbrauner,
5] Kantower Funde. 185
mehr ockergelber Farbe. Es ist fast ganz erhalten, hat 2'/2 cm unteren,
4° cm oberen Durchmesser und 4'/2cm Höhe. Die Henkel sind durch
zwei Löcher in das Gefäss gesteckt und innen ist der Tonstreifen nieten-
artig angedrückt worden. Die aussen geglättete Tränenschale ist mit
Gruppen von drei parallelen Linien verziert, die senkreht vom Hals
nach dem Boden verlaufen (Abb. XIV C). Metallbeigaben waren trotz
des eifrigsten Durchsuchens des Grabes auch hier nicht zu finden.
15. August 1909.
Grab 13. Zwischen der Steinpackung lag stark zerdriickt ein
doppelkonishes Gefäss, welches henkellos, unverziert und mit einer
Tonschüssel als Deckel versehen war. Urne und Deckel sind mittelbraun
gefärbt, von feinerem Ton wie 11 und 12 angefertigt und aussen und
innen geglättet. Der Leichenbrand ist nicht so grob wie bei 11. Re-
konstruktion siehe Tafel XIV D. Beigaben fehlten.
17. August 1909.
Grab 14. Das vorliegende Grab ist gestört worden, doch zeigten
sich eine Reihe von Scherben mit einem aus vier nebeneinander laufenden
parallelen Furchen zusammengesetzten Ornament. Dieses erinnert an
Grab 10, Tafel XII L. Ein Bruchstiick bildet Tafel XIV in E ab.
Grab 15. Das Grabgefass hat tonnenförmige Gestalt gehabt.
Oberer Rand etwas eingezogen. Aussenseite rotbraun gefärbt und mit
grobem Sande gerauht. Innenseite geglättet und von schwarzbrauner
Farbe. Urme stark zerstört. Zwischen den Brandresten befand sich
ein dreieckiger Feuersteinsplitter, der sehr gut bearbeitet ist. Wir er-
blicken ihn auf Tafel XIV in F von der Vorder-, in G von der Rückseite
und in H im Durchschnitt, alles in natürliher Grösse. Die Rundung
ist glatt abgeschliffen und scharfkantig.
Grab 16. Das durch die Steinpackung zertrümmerte Aschengefass
war schwach ausgebaucht, der Halsrand etwas nach aussen gebogen. Die
Urne zeichnet sich vor allen andern durch ihre Dickwandigkeit aus.
Die Aussenseite ist sehr rauh, nur am Halsrande etwas glatter. Rekon-
struktion siehe Tafel XIV J. Wir haben das erste Grab vor uns, das
eine Beigabe von Metall enthielt. Zwischen den Brandresten lag eine
Bronzepinzette mit tiefdunkelgrün glanzender Patina. XIV, K veranschau-
licht den senkrechten Durchschnitt und XIV L die Vorderansicht dieser
Beigabe in natiirlidver Grösse. Am unsteren breiten Ende der Pinzette
befinden sich auf jeder Seite zwei Löcher, in der Mitte ist eine durch
einen spitzen Gegenstand hervorgerufene Erhöhung angebracht.
19. August 1909.
Grab 17. In 47 cm Tiefe lag eine ziemlich umfangreiche, aus
fast gleichgrossen Feldsteinen bestehende Steinpackung. Zwischen der-
selben befand sich ein doppelkonisches, mit 2 Henkeln und einem hohen
Hals versehenes Gefäss. Die Rekonstruktion dieses Grabes zeigt Tafel
XIV in M. Die Ausdehnung der Urne war eine ziemlich umfangreiche.
Höhe ungefähr 36 cm, unterer Durchmesser 12, mittlerer und grösster
36, Durchmesser von Henkel zu Henkel 16, oberer fast 12 cm. Die
Aussenfläche des Gefässes war vom Boden bis zum grössten Durchmesser
gerauht, über demselben geglättet. Die Urne war so zerbrechlich, dass
der obere Teil bis zu den Henkeln in kleinen Stücken, der Teil zwischen
Halsende und grösstem Durchmesser in etwas grösseren Stücken ab-
186 Karl Waase. [6
bröcelte; der untere Teil zeigte mehr Festigkeit. Wir erblicken ihn auf
Tafel XIII unten rechts alleinstehend, darüber in seiner weiteren Umgebung.
Die Urne war mit einem schüsselartigen Deckelgefäss, welches unver-
ziert war und 12 cm Bodendurchmesser hatte, verschlossen. In dem
Grabgefäss befand sich sehr grober Leichenbrand, dem jede Spur von
Beigaben fehlte. Die bei Grab 12 erwähnten „Vor- und frühgescicht-
lihen Denkmäler des Kreises Ostprignitz“ bringen auf Seite 51 die
Abbildung eines ganz ähnlichen, mit einem Deckel versehenen Grab-
gefässes von Kehrberg, südlih von Pritzwalk. Diese Fundstätte liegt
etwa 25 km westnordwestlih vom Kantower Flachgräberfelde.
24. August 1909.
Grab 18. Gestört, der grösste Teil der Steinpackung ist her-
ausgenommen worden, zwischen wenigen Feldsteinen lagen Reste eines
aussen rauhen Gefasses, das vermutlih Tonnenform hatte.
Grab 19 ist ebenfalls gestört worden. Zwischen einzelnen Stei-
nen fanden sich Scherben mit Strichverzierungen. Die Strichornamente
kreuzen sich und bilden Rhomben. Ein Gefassbruchstiick gibt Tafel XIV
in N wieder.
26. August 1909.
Grab 20. Die Steinpackung ist entfernt worden. Einzelne Reste
eines kleinen Beigefässes wurden zutage gefördert. Der Ton hat innen
graue, aussen rötliche Färbung.
Grab 21. Zwischen einer umfangreichen Steinpackung fanden sich
die stark zertriimmerten Reste eines aussen und innen geglatteten dop-
pelkonischen Gefässes. Form und Beschaffenheit der Urne erinnern an
Graburne 19.
Grab 22 enthielt eine in einer Steinpackung stehende und mit
einem Deckel verschlossene Aschenurne. Die Aufnahme auf Tafel XV
oben links zeigt die Urne nach Entfernung des Decels und der Stein-
packung. Sie ist fast bis zum Halsrand mit grobem Leichenbrand
gefüllt, in diesem befanden sich keine Beigaben. Auf Tafel XV oben
rechts erblicken wir die Urne nach Entfernung der Knochenasche. Das
Gefäss hat doppelkonishe Form. Der untere Durchmesser beträgt 9,
der mittlere und grösste 25, der obere 19 und die Höhe 18 cm. Die
Urne hat graubraune Farbe, sie ist aussen und innen geglättet (Taf. XIV O).
Der Deckel hatte Schüsselform. Er war mit einem Henkel versehen.
Der Ton besass aussen rauhe Beschaffenheit (Abb. siehe Tafel XIV in P).
Im Innern ist das Deckgefäss geglättet und mit Furchenverzierungen ver-
sehen. Am Schüsselrande verlaufen drei Furchenkreise, auf dem Boden
vier, sie sind jedenfalls durch Fingereindrücke erzeugt worden. Tafel XIV
illustriert in Q ein Randstück und in R das Bodenstück.
Grab 23. Gestört. Zwischen wenigen Steinen traten einzelne
Scherben auf. Diese sind stark geglättet und innen von gelbbrauner,
aussen von glänzend schwarzer Farbe.
7. September 1909.
Grab 24. Gestört. Zwischen regelloser Steinpackung Reste eines
unverzierten Gefässes, darunter ein hellbraunes, geglättetes Henkelstück.
9. September 1909.
Grab 25. Gestört. Reste eines dickwandigen braunen Gefasses
aus grobem Ton, sowie Teile eines verzierten Beigefässes fanden sich
7) Kantower Funde. 187
vor. Die Scherben des letzteren haben gelbrote Farbe. Ornament
und Struktur erinnern an Tafel XII L, Grab 10.
10. September 1909.
Grab 26. Zwischen der gestörten, nur noch aus wenig Steinen
bestehenden Packung lagen Fragmente einer äusserst dickwandigen,
aussen rauhen, innen geglätteten, rotgebrannten Urne. Dicke der Scher-
ben 14/2 cm.
11. September 1909.
Grab 27. In der Steinpackung stand eine unbedeckelte Urne aus
äusserst porösem, bröckligen Ton. Sie hatte doppelkonishe Form.
Sie weicht von den bisher erwähnten doppelkonischen Gefässen dadurch
ab, dass Hals und Fuss etwas abgesetzt sind. Den Halsrand zieren
vier Horizontalfurhen. Bodendurchmesser 10, oberer Durchmesser 12,
Höhe 16 cm. Die geglättete Aussenseite hat gelbbraune, die ebenso
beschaffene Innenseite graue Farbe. Abbildung Tafel XIV S. Im Innern
der Urne stand auf den Brandresten eine einhenklige, tassenartige
Tränenschale. Sie ist schwach geglättet, hat graubraune Farbe und
keine Verzierungen. Bodendurchmesser 5,3, oberer Durchmesser 10,
Höhe am Henkel 5'/2, an der dem Henkel gegenüber liegenden Seite
4'lz cm. Tafel XIV T. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bronzener
Knopf, flach gewölbt, mit Öse an der unteren Fläche, ähnlich wie bei
unseren Militärknöpfen. Derartige Knöpfe sind auch in Hallstatt gefunden
worden. Unser Gewandknopf gleicht ferner den drei Knöpfen aus dem
Grabfund bei Willenberg, Kreis Stuhm. Vergleiche hierüber: Alter-
tümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreussen und den angren-
zenden Gebieten von Dr. A. LISSAUER. I. Seite 19, Tafel X, 10 bis
12. — Den in Kantow gefundenen Knopf bilden wir auf Tafel XIV in U
von der Oberseite, in V von der Unterseite und in W von der Seite
ab. (Natürlihe Grösse) Den Unterteil der Graburne zeigt nach
Entfernung der Packung und des Leichenbrandes die Photographie auf
Tafel XV in der Mitte links.
17. September 1909.
Grab 28. Zwischen der Steinpackung a in 45 cm Tiefe ein
verdeckeltes Tonnengefäss, das fast ganz mit grobem Leichenbrand
gefüllt war. Unter diesem befand sich der Teil einer Muscelschale
(Malermuschel?). Der Ton von Urne und Deckel hatte schokoladenbraune
Farbe. Beide Gefässe sind aus grobem Ton gefertigt, die Aussen- und
Innenseiten sind schwach geglättet. Grössenverhältnisse: Urne: 16 cm
unterer, 15 cm oberer Durchmesser, 17 cm Höhe. Deckschiissel: Un-
terer Durchmesser 12, oberer 20, Höhe 6'/2 cm. Abbildung Tafel XIV X.
Grab 29. In der zusammengestürzten Steinpackung lag ein voll-
ständig zerdrücktes, dickwandiges Tonnengefass. Der Ton war beider-
seitig geglättet und hatte innen braune, aussen rote Farbe. Ausserdem
waren Fragmente eines mit Horizontalfurchen verzierten Beigefässes zu
finden. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bearbeitetes Stück Feuer-
stein; es ist am Rande äusserst scharf und sehr spitz. Tafel XIV Y
Vorderseite, Z Rückseite in natürliher Grösse. Ausserdem lagen zwischen
dem Leichenbrand vier verschiedene Gefässhenkel, die in keinerlei Be-
ziehung zu den Grabgefassen stehen, so dass man annehmen muss, dass
sie als Beigabe mit in das Grab gegeben worden sind.
188 | Karl Waase. [8
20. September 1909. l
Grab 30. In einer grossen Steinpackung stand ein dickwandiges
Tonnengefäss von Form, Struktur und ungefährer Grösse der Graburne 2.
Interessant sind die Fragmente eines zierlichen, äusserst dünnwandigen
Beigefässes. Die Scherben desselben sind auf beiden Seiten gut ge-
glättet und von glänzend rotbrauner Farbe. Im Innern der Scherben hat
der Ton schwarze Farbe. Rekonstruktion des Beigefässes Tafel XVI A.
26. September 1909.
Die Umgebung des Flachgräberfeldes wurde an diesem Tage genau
abgesucht, es fanden sich hier und da einzelne Scherben, die an der
Oberfläche lagen und jedenfalls durch Tiefpflügen dahingekommen sind.
Eine Untersuchung des Ackers mit der Sonde ergab, dass überall noch
Steinpackungen in der Erde lagern, das Flachgräberfeld ist ungefähr
viermal so gross als das abgegrabene Gebiet.
9. Oktober 1909.
Nachdem die Arbeiten des schlechten Wetters wegen eingestellt
werden mussten, galt es noch, die genaue Lage der Grabung festzulegen.
Sie vergegenwärtigt Skizze II auf Tafel XVI. Vom Wegweiser Blanken-
berg-Paalzow geht man den Paalzower Weg 118 Schritte aufwärts
und kommt so ungefähr in die Mitte zwishen Baum 10 und 11. Von
diesem Punkte wenden wir uns 10 Schritte in den Acer hinein und
stossen hier auf das abgegrabene (Gebiet, welches 25 Schritte lang und
15 breit ist.
Rückblick.
A. Die Anlage des Flachgräberfriedhofs.
Wenn wir einen Blick auf Tafel XVI, Skizze Ill werfen, so tritt uns
die regelmässige Lage der einzelnen Gräber zueinander deutlich vor
Augen. Die Gräber sind reihenweise angeordnet, sie liegen dicht bei-
einander, 13/2, höchstens 2 m voneinander entfernt. Wir können auf
unserem abgegrabenen Gebiet deutlih 8 Grabreihen, die von Westen
nach Osten verlaufen, erkennen.
Reihe 1: Grab 29 und 30.
Reihe 2: Grab 25.
Reihe 3: Grab 22 und 23.
Reihe 4: Grab 8, 1, 2, 3, 10, 16 und 21.
Reihe 5: Grab 9, 4, 12, 11, 5, 17, 18 und 20.
Reihe 6: Grab 13, 27 und 24.
Reihe 7: Grab 19, 6, 15, 14, 26 und 28.
Reihe 8: Grab 7.
Fast vollständig sind Reihe 4 und 5 erhalten, es fehlt in jeder
nur ein Grab. In den übrigen Reihen sind in früherer Zeit sehr viele
Gräber beim Steinroden entfernt worden, infolgedessen die zahlreichen
Lücken. Wenn die 25 Schritte lange und 15 Schritte breite abgegrabene
Fläche vollständig ungestört geblieben wäre, so hätte sie ungefähr 70
Gräber enthalten müssen. Die angrenzenden, noch undurchforschten
Gebiete des Flachgräberfeldes sind nach Aussage des Besitzers noch
9] Kantower Funde. 189
mehr zerstört worden, da man auf ihnen häufig Rüben- und Kartoffelmieten
angelegt hat und bei dieser Arbeit die Steinpackungen entfernt worden
sind. — Alle Urnen lagerten in fast gleicher Tiefe, die am flachsten
liegenden 40, die. am tiefsten stehenden 55 cm. Steinpackungen hatten
alle Gräber, desgleihen Aschenurnen, ohne Urne frei im Boden ver-
grabene Brandknochen waren nicht zu finden.
B. Keramik.
Die keramischen Erzeugnisse unserer Fundstätte zeigen grosse
Einheitlichkeit. Bei den Aschenurnen können wir deutlih zwei Typen
unterscheiden, nämlich das tonnenförmige, eigentlih mehr kesselartige
oder terrinenförmige und das doppelkonische Gefäss. Der erste Typus
tritt in den Gräbern 2, 4, 11, 12, 15, 16, 18, 28, 29 und 30 auf.
Die meisten dieser Grabgefässe sind aussen absichtlich gerauht, einzelne
schwach geglättet; sie haben fast alle einen steilen Hals auf mehr oder
weniger abgerundet abschliessenden Bauche. Nur ein einziges trägt
Verzierungen (Grab 12, Tafel XIV A). Die doppelkonishe Form haben
die Aschenurnen der Gräber 5, 10, 13, 17, 21, 22 und 27, ausserdem
eines der vor Beginn der Grabungen in früherer Zeit gefundenen Gefasse.
Sämtliche Graburnen der vorliegenden Art sind geglättet und aus feinerem
Material angefertigt als der erste Typus. Von der rein doppelkonischen
Form weichen die Gefässe 17 und 27 ab. Das erstere hat einen Hals,
an dessen unterem Rande zwei Henkel stehen, das letztere trägt am
etwas abgesetzten Halse ein horizontales Band mit vier parallelen Linien.
Den übrigen Graburnen fehlt die Ornamentik.
Das von Herrn WITTKOPF früher aufgedeckte Grabgefäss Tafel XII A
weicht von den beiden Grabgefässformen bedeutend ab. Wir haben es hier
mit einem schön ornamentierten, zweihenkligen Schüsselgefäss zu tun.
Die Deckelgefässe der Urnen sind in der Mehrzahl henkellose
und unverzierte Schüsseln, 10, 13, 17 und 28. Einzelne sind mit einem
Henkel versehen (11 und 22) und schön verziert (11).
Die Beigefässe sind sämtlich aus feinem Material hergestellt und
sorgfältiger bearbeitet worden, wie die Aschengefasse. Sie sind teilweise
äusserst dünnwandig, in der Regel aussen und innen gut geglättet und
meist mit Horizontalfurchen verziert. Wir begegnen der einhenkligen,
tassenartigen Tränenschale (4, 27), dem kleinen zweihenkligen ausge-
bauchten Gefässe (5, 10, 12, 30) und dem einhenkligen krugartigen
Topf (10).
Die Henkel sind meist kurz gebogen und so klein, dass man nicht
mit einem Finger hindurch greifen kann. Die Beigefässe sind durch-
weg gehenkelt, seltener tritt der Henkel bei den Grab- und Deckel-
gefässen auf. Gehenkeltes Grabgefäss: Tafel XII A, Henkeldeckschüsseln:
11 und 22, Beigefässe mit Henkeln: 4, 5, 10, 12, 27 und 30.
Als Ornament treten eingeritzte Linien auf, dieselben können regel-
mässig (Grab 19) oder unregelmässig (Grab 12) das ganze (efäss
bedecken. Liniensysteme, die aus drei oder vier nebeneinander laufen-
den Parallelen bestehen, sind in gewissen Gruppierungen (Strichgruppen-
verzierungen) am Gefass angebracht (Tafel XI] A, Grab: 27, 11, 12, 10
und 4). Endlich finden sich auch ganz flache, ohne erkennbare Kanten,
also mit ganz allmählihem Übergang, wahrscheinlih mit einem Finger
490 Karl Waase. [10
in die Wandung eingedrückte, horizontal herumlaufende Furchen oder
Kanneluren (Deckschüssel von Grab 22).
Das Material der Tonnengefässe besteht meist aus blättriger,
magerer und bröckliger Tonmasse, mit viel Glimmer und Quarzstiicken.
Die übrigen keramischen Erzeugnisse sind aus feinerem, dichterem,
jedenfalls geschlemmtem Tone hergestellt.
C. Beigaben.
Was die Beigaben im Kantower Flachgräberfelde betrifft, so lässt
sich eine auffallende Armut an solchen, anderen Gräberfeldern gegen-
über, konstatieren. Man kann allerdings nie wissen, wieviel von ver-
gänglichen Stoffen, wie Zeug, Holz, Leder etc., von denen wir jetzt gar
keine Ahnung haben, den Toten mit in das Grab gegeben wurden;
dass das der Fall war, ist sehr wahrsceinlih. Der Mangel an un-
vergänglichen Beigaben macht sich an unserer Fundstätte ausserordent-
lih fühlbar. Von Metallsachen wurden nur die Bronze-Pinzette aus
Grab 16 und der bronzene Gewandknopf aus Grab 27 zutage gefördert.
Von Steinbeigaben fanden wir die beiden gut bearbeiteten Silexspitzen
in den Gräbern 15 und 29. Hiermit sind die Metall- und Steinbeigaben
des Gräberfeldes erschöpft.
Von tierischen Resten wäre das Stück Muschelschale aus Grab 28
zu erwähnen.
D. Zeitstellung des Kantower (Gräberfeldes.
Die sämtlichen Gräber unserer Fundstätte entstammen fraglos ein
und derselben Periode, dafür spricht die regelmässige Anlage des Fried-
hofs. Sämtlihe Gräber lagerten fast in gleicher Tiefe und gleicher
Entfernung. Wenn wir die Ausbeute unseres Begräbnisplatzes mit den
Funden anderer Gräberfelder vergleichen, so finden wir manche Ahn-
lichkeiten. Doppelkonishe Aschenurnen von fast demselben Typus wie
hier zeigen die Gräberfelder von Päpersberg bei Geesthacht, von Horst
in den Vierlanden, von Stocksee (Hamburger Museum). Das letzte
Grabfeld hat auch einhenklige, tassenartige Beigefässe, wie wir einem
solhen in Grab 27 begegneten. In Herzenberg bei Waldhusen fand
man ähnliche doppelkonische Gefässe mit ungehenkeltem schüsselartigen
Decgefäss. (Siehe: Museum zu Lübeck, Vorgeschichtlihe Zeit, Abtei-
lungsbuchstabe V, Joh 6.) Die Tinsdahler Grabfunde weisen eine ganze
Reihe von ähnlichen keramischen Erzeugnissen auf wie unser Gebiet
(Museum vaterländischer Altertiimer in Kiel, Saal 6, Schrank 11 und
12). Die Funde vom Urnenfriedhof Horsdorf, sowie aus Eutin, Plöner-
strasse zeigen ebenfalls nahe Verwandtschaft mit den unsrigen. (Museum
zu Eutin.) Die sämtlichen vergleichsweise angeführten Funde sind der
vorrömischen, meist der Bronzezeit zugeschrieben, ebenso die bei den
einzelnen Gräbern schon herangezogenen Fundstücke.
Wenn wir noch einmal einen Blick auf Abschnitt „B. Keramik
des Kantower Flachgräberfeldes“ werfen, so finden wir, dass die Ge-
fasse an die Formen des bekannten Urnengräberfeldes von Oderberg-
Bralitz im Uckermärkishen Museum zu Prenzlau erinnern. Die dort
freigelegten Gräber zeigen als Gefässtypen „terrinenförmige Urnen,
doppelkonische Gefässe, kleinere Gefässe mit Strichgruppenverzierung
11] Kantower Funde. 191
und zwei Osen, einhenklige Kriige und Tassen, Napfe und Schiisseln
mit Schnurösen, die oft als Deckel für die Urnen benutzt werden“.
Dieselben Typen treten uns in Kantow entgegen.
Die Funde von Oderberg-Bralitz gehören der jüngeren Bronzezeit
(4. und 5. Periode) an. Sie sind vermutlih von einem sprachlich fast
ganz verschollenen Stamme der Thraker hinterlassen worden. Univ.-
Professor Dr. KOSSINNA legt den nordwestlih von den Karpaten
sitzenden Stämmen den Namen „Karpodaken“ bei. Diese wohnten auch
in dem südlichen Teile der Provinz Brandenburg, die südöstliche Ucker-
mark wurde noch von ihnen berührt. Etwa nördlih von Aller und
Ohre, Magdeburg, Spandau, Eberswalde, Angermünde und Schwedt
sassen die (Germanen. Wir haben auch hier in Kantow zweifellos eine
germanische Begräbnisstätte vor uns. Unverkennbar ist aber der Ein-
fluss des südöstlichen, karpodakischen Nachbargebietes auf die Kultur
der germanischen Bevölkerung von Kantow. Wie weit Periode IV (1200
bis 1000 v. Chr.) oder Periode V (1000-800) in Betracht kommt
(oder ob beide), ist bei den geringfügigen Beigaben schwer zu sagen.
Offenbar aber ist das Kantower Flachgräberfeld der jüngeren
Bronzezeit zuzuweisen und seine Entstehung (nach dem heutigen Stande
` der Wissenschaft) in die Jahre 1200—800 vor Chr. zu verlegen.
ll. Weitere Grabfunde von Kantow.
Nach dem Bericht der Ortseinwohner sind in früherer Zeit an
zwei anderen Stellen der Flur Gräber aufgedeckt worden. Ein Nadh-
suchen am 10. Oktober 09 an den beiden erwähnten Stellen hatte keinen
Erfolg, doch verdienen die glaubwürdigen Mitteilungen über beide Grab-
funde wiedergegeben zu werden.
1 km südöstlich vom Flachgräberfelde befindet sich eine flache Erhe-
bung. Sie ist auf Tafel XVI in Skizze | mit 2 bezeichnet. Dort ist man
vor mehreren Jahren (genau nicht mehr festzustellen) im Felde auf
eine Menge Steine gestossen. Diese hat der Besitzer (Amtmann BERLIN)
abfahren lassen. Es waren im ganzen sieben Fuder. Unter den Stein-
massen soll ein ziemlich grosses mensdhliches Skelett gelegen haben. Ob
Beigaben gefunden worden sind, ist heute leider nicht mehr zu ermitteln.
Recht glaubwürdig klingt der zweite Bericht. Eines der ältesten
Gemeindemitglieder erzählt, dass er im Jahre 1879 beim Steineroden
nach Kerzlin zu, nahe bei der Schreimühle (siehe Tafel XVI, Skizze I 3)
auf drei richtige lange Steinkisten, die aus Steinplatten zusammenge-
stellt und mit Lehm verklebt gewesen wären, gestossen sei. In diesen
Kisten hätten Knochen gelegen, in einer auh „Grünspanzeug“. Er
kann sich noch genau auf zwei Gegenstände besinnen, das eine Stück
hat wie ein „Szepter“ ausgesehen und hat am Griff oben zwei Spiralen
gehabt. Das andere Stück sei schüsselartig, aber durchbrochen ge-
wesen, der Boden ist aber nicht flach, sondern zugespitzt gewesen.
Die Sachen haben schönen grünen Glanz gehabt, sie sind den Kindern
zum Spielen gegeben worden, wo sie dann hingekommen sind, weiss
er nicht.
Wir haben es hier zweifellos mit Steinkistengräbern aus der Bronze-
zeit zu tun. Das ,Szepter“ war sicher ein Bronzeschwert mit zwei
Spiralen am Griff (Jüngere Bronzezeit. Altere Hallstattperiode).
192 Karl Waase. (12
HI. Kantower Einzelfunde.
Von Einzelfunden war trotz fleissigen Suchens nichts zu entdecken.
In den Händen der Einwohner fanden sich wenige Stücke, die im fol-
genden beschrieben werden sollen. Ungefähr 900 Schritte östlich vom
Gräberfeld beginnt das Luch. Hier fand man beim Torfstechen auf
dem Gebiete des Ortvorstehers WITTKOPF eine sehr gut erhaltene
bronzene Gewandnadel. Diese ist nicht mit grüner Patina überzogen,
sondern hat goldgelbe Farbe (Moorpatina). Sie besteht aus zwei Teilen,
nämlich aus einer 13 cm langen Nadel und einem gebogenen Bronze-
blechstreifen, der gestreckt 12 cm lang ist. Derselbe ist an beiden Enden
drahtartig zusammengesclagen. Die spitzen Enden sind zu Haken um-
gewandelt. Der eine greift in das Loch der Nadel, der andere umklammert
die letztere, dadurch erhält die Gewandspange Armbrustform. Tafel XV
zeigt in der Mitte die Nadel, darunter die Spange und unten rechts beide
Teile zusammen. Wir bilden ausserdem die gebogene Spange mit ihrer
genauen Ornamentik in natürlicher Grösse ausgestreckt auf Tafel XVI in B
ab (Fundstelle der Nadel: Tafel XVI, Skizze I, 4). Unter dem am Rande:
des Bronzebleches entlang laufenden, aus senkrechten, parallelen, kurzen
Strihen bestehenden Ornament zieht sich eine Verzierung aus neben-
einander gereihten Halbmonden hin, an der einen Seite sind es 23, an
der andern 25 derartiger Eindrüce').
Als zweiter Einzelfund ist ein tönerner Spinnwirtel aus der Flur
Kantow zu erwähnen. Genaue Fundstelle nicht mehr bekannt. (rösster
Durchmesser 3 cm, Höhe 1,6 cm. Er ist abwechselnd mit tief ein-
geschnitzten und mit ganz dünnen Horizontalkreisen verziert. Abb.
Tafel XVI in C.
Ein weiterer interessanter Einzelfund ist beim Grabenauswerfen
von Wiesenwärter Granzow-Wildberg in der Flur Kantow zutage be-
fördert worden. Es ist ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Bronze-
gefäss ohne Patina. Höhe 5 cm, grösster Durchmesser 4,5, oberer
Durchmesser 2,3 cm. Abbildung: Tafel XV unten rechts. Das Fund-
stück befindet sich jetzt in der Privatsammlung des Herrn Rektor
BARTELT-Neu-Ruppin?).
1) Diese Fibel ist zweifellos der interessanteste Fund von Kantow, denn sie
gehört zu jenen seltenen Urtypen dieses Schmuckgerätes, die noch der 2. Periode
der Bronzezeit angehören. Charakterisiert wird sie vor den gleichzeitigen ähnlichen
Typen durch das altertümlihe Fehlen der Spiralsheiben an den Bügelenden, den
breitbandförmigen, gepunzten Bügel und den noch sehr wenig entwickelten Nadel-
kopf. Entsprechende Stücke sind mir nur bekannt aus Mecklenburg-Strelitz (Prags-
dorf; Mölln bei Neubrandenburg), Mecklenburg-Schwerin (Vietlübbe), Prov. Sachsen
(Neuhaldensleben), Prov. Hannover (Dornrade b. Bremervörde), Schleswig-Holstein
(Vaale 2; Krooksberg auf Sylt), Jütland (Thisted Amt 2; Aarhus Amt 2), Schweden
(Vestergötland). G. K.
2) Derartige mittelalterlihe „Bronzegefässchen“ trifft man in fast allen vor-
geschichtlichen Sammlungen an. Ich kenne solche aus den Museen zu Berlin
(Mus. f. Völkerk., 4 Exemplare: Berlin, Luckau u. a.; vgl. Bastian & Voss, Bronze-
schwerter Taf. IV, 12; — Märk. Mus.: Hohennauen), Friesack i.d. Mark, Gr. Kühnau,
Leipzig, Halle (Rogätz: vgl. Schultheiss, Wolmirstedt, Taf. VIII, 24), Quedlinburg,
Neuhaldensleben, Jena (Weimar), Münster i. W., Bonn (Köln); ebenso aus Privat-
sammlungen (Rimpau in Anderbek; Cämmerer in Arnstadt; Schloss Pförten bei
Sorau: Niederlaus. Mitt. Ill, 49, Taf. 2,7; Richly, Depotfunde in Böhmen, Taf. IV).
Etwas anderer Art scheint das Deckeldéschen zu sein, das angeblih aus Grab 26
des a ha ca bei Gorzewice, Kr. Samter in Posen, stammt (Schwartz,
Materialien, 2. Nachtrag, Taf. Il, 3) und jetzt verschollen ist. G. K.
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. Taf. AH.
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, Die Lage des Kantower
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Das Flachgräberfeld bei Kantow.
A und B. Früher gefundene Gefässe. C. Durchschnitt von Grab 2. D. Rekonstruktion der Graburne von Grab 2.
E, F und G. Fragmente von Grab 4. H. Beigefäss aus Grab 5. J Aschenurne, K und L Beigefässreste, M Dedckschale aus Grab 10.
N Fragment des Beigefässes, O Deckschale, P, Q und R Reste derselben aus Grab 11.
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Waase, Kantower Funde. Curt. Kabitesth (acy Stuer Verlag), Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift fiir Vorgeschichte Bd. II. TGF. ATI.
Das Flachgraberfeld von Kantow.
Oben links: Grab 2 geöffnet. In der Mitte links: Lage der Gräber 1 bis 4 zueinander. Unten links: Teil von Grab 11.
Oben rechts: Reste des Gefässes von Grab 10. Rechts in der Mitte und unten: Grab 17;
Waase, Kantower Funde. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. Taf. XIV.
Das Flachgräberfeld von Kantow.
A. Urne aus Grab 12, B. Bruchstüc derselben, C. Beigefäss aus Grab 12. — D. Grab 13. — E. Bruchstiidk aus Grab 14.
F, G und H. Beigabe aus Grab 15. — J. Urne aus Grab 16, K und L. Beigabe aus 16. — M. Grab 17. — N. Bruchstük aus
Grab 19. — O. Urne, P. Dekscüssel, Q und R. Bruchstücke derselben aus Grab 22. — S. Urne, T. Beigefäss, U, V und W
Beigabe aus Grab 27. — X. Grabgefäss und Deckel aus Grab 28. — Y und Z. Beigabe aus Grab 29.
Waase, Kantower Funde. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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93
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. Taf. XV.
Oben links: Grab 22, oben rechts: die leere Graburne 22. — In der Mitte links: Grab 27. — Rechts: Nadel, Bügel und die ganze Fibel.
Einzelfund aus dem Dorfstich. — Unten links: Rückensäge aus einer Herdgrube. — Unten rechts: Kleines Bronzegefäss. Einzelfund.
Waase, Kantower Funde. (lime cKabiteschht (A tahes Verlag), Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. | Taf. XVI.
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I. Kantow und Umgebung. ll. Die genaue Lage der Grabung.
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Ill. Die Lage der einzelnen Graber zueinander.
A. Beigefäss aus Grab 30. B. Bügel der Gewandnadel in nat. Gr. C. Spinnwirtel, Einzelfund.
Waase, Kantower Funde. Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg.
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13] Kantower Funde. 193
IV. Herdgrubenfunde in der Kantower Flur.
Am 8. September 1909 fanden wir in der hart am Dorfe liegen-
den Sandgrube (Tafel XVI, Skizze I, 5) des Herrn Ortsvorstehers WITT-
KOPF mehrere freigelegte Herdgruben. In einer derselben lagen Scherben,
die von verschiedenen Gefässen herrührten, ohne Verzierung waren und
aus sehr grobkörnigem Material bestanden. Ausserdem befand sich
darin ein gut bearbeitetes halbmondförmiges Messer (Rückensäge, aus
Feuerstein von nur 6 cm Länge. Die etwas verkleinerte Abbildung
zeigt Tafel XV unten links.
Vergleihe hiermit die Funde des neolithischen Grabfeldes von
Ostorf bei Schwerin. (Siehe: Archiv für Anthropologie, Band VII der
neuen Folge, Heft 4, Seite 271, Tafel XI, Abb. 5.)
In einer Sandgrube in der Nähe der Schrei-Mühle (Tafel XVI,
Skizze I, 6) wurden am 10. Oktober 09 ebenfalls Herdgruben aufge-
deckt. In diesen fanden wir ausser einigen grobkörnigen Scherben ohne
Ornamentik nichts Bemerkenswertes.
V. Schlusswort.
Der Verfasser kann diese Arbeit nicht abschliessen, ohne dankbar
derer zu gedenken, die ihm bei den Ausgrabungen mit Rat und Tat
zur Seite standen. Es gebührt zunächst Dank den Herren Besitzern,
die mir in freundlichster Weise das Betreten und Graben auf ihren Grund-
stücken gestatteten, besonders dem Herrn Ortsvorsteher WITTKOPF.
Ganz hervorragend hat sich Herr stud. theol. HARRICH-Greifswald bei
den Ausgrabungen verdient gemacht. Genannter Herr stand mir bei
den Arbeiten stets hilfsbereit bei und grub auch vielfach selbst mit
Gewissenhaftigkeit und Erfolg. Ohne seine tatkräftige Hilfe wären die
Kantower Arbeiten in diesem Jahre schwerlich so weit vorgeschritten.
Auch der Herren Gutsbesitzer GOTTSCHALK, Rittergutsbesitzer BERLIN
und stud. ing. MOSOLF muss ich mich an dieser Stelle dankend erinnern.
Es wäre höchst wünschenswert, wenn man an allen Orten auf der-
artige freundliche Unterstützungen rechnen könnte, die deutsche Vorge-
schichte käme dadurch ein gut Stück weiter.
Mannus. Bd. Il. 13
Neue Funde
der Laténe-Zeit aus dem Kreise Teltow.
Von Dr. Walther Hindenburg, prakt. Arzt in Grossbeeren.
Mit 21 Textabbildungen.
Südwestlih von Grossbeeren, 1,25 km von der Mitte des Dorfes,
dem früheren Chausseehause, grub ich im Jahre 1903 auf einem Acker
des Bauerngutsbesitzers Friedrih Rathenow, wo vor Jahrzehnten bei
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Abb. 1. Grossbecren. '/« | Fr
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Ausrodung eines Waldes, von \ „ee pA za JOM OS
dem jetzt nur noch geringe Reste : ‚700 77: N
unter der Bezeichnung „die 08 06 jr aN
S chinderfichten“ bestehen, zahl- az EN
reiche Urnen zerstört sein sollen. Y% Figs i ‘
Ausser vielen Scherben fand 950” Ss N
ih etwa 0,5 m tief Teile yk
eines grossen Napfes (Abb. 1, : AS KS
Wiederaufbau), der in schrager & TKS
Lage mit Leichenbrand neben SERS
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einer Steinpackung lag (Durch-
messer der Offnung 29 cm, des
Bodens 11 cm, Hohe 13 cm).
Er besteht aus rötlichgelbem
Ton mit Beimengung von
Glimmer- und Quarzstückchen.
Die Innenflache ist glatt, die
Aussenfläche mit Kammstrich-
verzierung versehen. Die Strich-
gruppen verlaufen oben und
Abb. 2.
2] Neue Funde der Laténe-Zeit aus dem Kreise Teltow. 195
unten mehr horizontal, im übrigen kreuz und quer (Nachahmung eines
geflochtenen Korbes).
1905 stiess ich etwa 200 m weiter nordöstlich auf eine ergiebigere
Stelle beim Suchen nach einer angeblich vor 40—50 Jahren gefundenen
und vom Finder wieder vergrabenen grossen tönernen Urne mit Leichen-
brand und einem Paar Sporen (?). Die Stelle war nicht wiederzufinden,
weil dort Wege und Grenzen bei der Anlage von Rieselfeldern verlegt waren.
Abb. 3. Grossbeeren. '/,.
Aber ich fand dicht dabei an der östlichen
Böschung eines dem Bauerngutsbesitzer August Abb. 4. Grossbeeren.
Paul gehörigen Privatweges (Abb. 2) oberfläch-
lich die Hälfte einer kleinen Urne und in unmittelbarer Nähe, mitten auf dem
5 Schritte breiten Wege, eine zerbrochene, umgestülpte Urne und an
deren Boden eine gekröpfte eiserne, 64 mm lange Nadel mit konischem
Kopf (Abb. 3). Nun wurde der Weg einfach rigolt, und es kamen dann
zutage 2 Urnen ohne Beigaben, einige Schritte weiter bergan einige
Scherben und Teile einer eisernen Laténe-Fibel, endlich noch 11 Schritte
weiter eine Gruppe von 6 (efässen (Abb. 4). Sie waren sämtlich
mit Deckeln versehen, auf der einen ruhte ausserdem ein 9 kg schwerer
plankonvexer Deckstein. Nirgends fanden sich hier oder in der nächsten
Umgebung Steinpackungen. Diese Gefässe wurden bandagiert und später
zu Hause mit grösster Vorsicht untersucht. Trotzdem zerbrachen die meisten
Deckel, welche in strengen Wintern der Frost mürbe gemacht hatte,
und 3 von den Urnen, die durch Baumwurzeln zersprengt waren. Nr. 4
enthielt nur Leichenbrand, keine Beigaben, der Deckel zerbrach; die
Urne ist terrinenförmig (Höhe 19,5 cm, Durchmesser der Öffnung 20,75 cm,
des Bodens 11,75 cm, grösster Durchmesser 26 cm) mit einem eng-
Abb. 5. Grossbeeren.
durchbohrten Henkel. Urne Nr. 5 war auch ohne Beigaben, von bröckligem,
rötlichem Ton; der Deckel hatte einen Henkel. Nr. 6 enthielt eine
gekröpfte eiserne Nadel von 112 mm Länge mit schaufelförmigem Kopf
(Abb. 5); der napfförmige Deckel blieb erhalten, die bauchige Urne
zerbrach; sie trug auf der glatten Aussenflache ein Ornament: eine
Doppelreihe eckiger Einstiche über dem Absatz zwischen Hals und Bauch
und hängende Dreiecke aus ebensolchen Doppelreihen unter dem Absatz
13*
196 Walther Hindenburg. [3
(Abb. 6). Nr. 7 und 9, bauchige Gefässe, und ihre Deckel gingen in
Trümmer, in der einen lag ein eiserner Gürtelhaken und eine eiserne
Nähnadel mit Ohr. Nr. 8 ist ein hoher schlanker Topf von gelbröt-
lihem Ton mit groben Beimengungen (25,5 : 16: 11,5 : 20,25 cm); der
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Abb. 6. Grossbeeren.
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Hals ist glatt, durch einen Absatz vom Unter-
teil getrennt, der mit Kammstrich verziert und
mit 8 vertikalen und einem auf der Konvexi-
tät verlaufenden horizontalen halbfingerbreiten
glatten Streifen versehen ist; am Absatz sass ein Abb. 7. Grossbeeren; etwa ‘Js.
Henkel (Abb. 7). Auch hier ist offenbar ein Korb
in Ton nachgeahmt worden; die glatten Streifen sind die Spanten, der
Kammstrich das Flechtwerk. Die Urne enthielt ausser einer eisernen
Nähnadel mit Ohr 8 bron-
zene, westgermanische Se-
gelohrringe. Mir istübrigens
die Achtzahl bei derartigen
Ohrringen auch sonst, näm-
lih in Löwenbrudh, be-
gegnet. Von den Ringen
waren 2 mit bröckligen weis-
sen (vielleiht Knochen-)
Perlen, die übrigen mit
teils blauen, teils rötlich-
braunen Glasperlen ver-
sehen. Der Deckel trägt
Kammstrichverzierung.
Auf dem Felde west-
lih von dem mit solchem
Erfolge durchsuchten Wege
fand ich dann in den fol-
senden Jahren noch 6 meist
zerstörte Urnen mit Eisen-
sürtelhaken und einem
Stück eines Bronzegürtel-
Abb. 8. Grossbeeren. hakens. Eine in der Haupt-
sache erhaltene, auffallend
grosse (> 34: ca. 17:13:32), bauchige Urne von geschwärztem Ton mit
geglätteter Oberfläche hatte 4 halbmondförmige Henkel und am Schul-
terteil über denselben ein mit wenig Sorgfalt eingeritztes Ornament;
zwischen 2 horizontalen, etwa 3 cm voneinander entfernten Rinnen ver-
En
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4] Neue Funde der Laténe-Zeit aus dem Kreise Teltow. 197
läuft eine Zickzacklinie, die stellenweise von einer zweiten gekreuzt wird.
Die so entstehenden Dreiecke und Vierecke sind meist mit punktförmigen
Abb. 9. Grossbeeren. ?/s
und länglihen Einstichen ausgefüllt
(Abb. 8). Die Urne enthielt eine
wundervoll erhaltene Mittel-Laténe-
Fibel aus Eisen (Abb. 9). Abb. 10. Grossbeeren.
Auf dem nächsten südwestlichen
Parallelwege stand ganz vereinzelt auf 2 platten Steinchen eine Tasse
mit breitem Henkel; die untere Hälfte ist mit seichten, kleinfinger-
breiten, schrägen, von links oben nach rechts
unten gerichteten, die obere über dem Umbruch
mit 3 horizontalen gleichen Rinnen versehen (Abb.10).
Das Gefäss enthielt geringe Reste vom Leichen-
brande eines Kindes. Ich will nicht mit Sicherheit
behaupten, dass diese Urne von Lausitzer Cha-
rakter der Laténe-Zeit angehört.
Weitere Grabungen waren bis jetzt ergebnislos. Das im übrigen
zerstörte Gräberfeld war offenbar nicht gross, lange nicht so gross wie
das bei Löwenbruc, das tausende
von Urnen enthalten hat.
Spuren eines kleinen zer-
störten Laténe-Graberfeldes habe
ih 1905 auch auf dem Krekel-
oder Judenberge bei Ruhlsdorf
entdeckt. Einige gerettete Scher-
ben zeigen hängende Dreiecke
(Abb. 11), andere eine Art Korb- ?
muster (Abb. 12). Ebendaher Abb. 12. Ruhlsdorf. "/s
stammt ein gegossenes draht-
förmiges 3,5 mm dickes Stück Bronze mit Gusszapfen.
Endlich habe ich Laténe-Graber 1907 bei Jütchendorf festgestellt,
Abb. 11. Ruhlsdorf. '/ıo
Abb 13. Jütchendorf. '/z Abb. 14. Jütchendorf. ?°'s
südlich der Landbrücke zwischen dem Siethener und dem Grobener See,
diht an der Chaussee Siethen-Jütchendorf. Bei Erdarbeiten wurden
198 Walther Hindenburg. [5
dort 4 Urnen mit Leichenbrand gefunden. Die eine, leider zerbrochene,
ist von rotem Ton, aussen geschwärzt und geglättet, stark profiliert;
sie ist, was sehr bemerkenswert ist, auf der Töpferscheibe gearbeitet
(Abb. 13). Solche Gefässe kommen bei uns in der Laténezeit äusserst
selten vor. Ich hielt die Urne für viel jünger, für zufällig dort bei
Latene-Sachen vergraben; Herr Professor KOSSINNA machte mich erst
Abb. 15. Jütchendorf. '/s.
auf die Zeitstellung und auf die Bedeutung des Fundes aufmerksam.
Mit den Scherben dieses Gefässes wurden ausser einem Teile einer
eisernen Fibel mit geknicktem Bügel (Abb. 14) Bruchstücke eines
dreigliedrigen Gürtelhakens
aus Bronze mit 7 Längs-
rippen gefunden (Abb. 15).
Derartige Gürtelhaken sind
nah den Untersuchungen
KOSSINNAS (Über verzierte nn a a
Eisenlanzenspitzen als Kenn- Abb. 16. Löwenbruc. 1's.
zeihen der Ostgermanen.
Zeitschr. f. Ethn. 1905) ostgermanish und bisher nur auf ostgerma-
nischem (Gebiet gefunden. Die westlichsten bisher bekannten Fundorte
liegen ziemlich genau an der Oder von Pommern bis Schlesien. Ausser
dem Stück von Jütchendorf be-
sitze ih noch ein zweites aus
Lowenbruch mit 1 Mittelrippe
und einem Zickzackornament in
Tremolierstich in den beiden Fel-
dern (Abb. 16), und einem dritten
Exemplare scheint mir ein Bruch-
stück aus Bochow, Kreis Zauch-
Belzig, im Königlihen Museum
Abb. 17. Löwenbruch. für Völkerkunde anzugehören
(Nr. I. f. 512), das genau wie
das bekannte Stück aus Hohenwutzow mit 2 sich kreuzenden Zickzack-
bändern in Tremolierstich verziert ist. Somit ist die Westgrenze für
diese Gürtelhaken weit in westgermanisches, durch Segelohrringe be-
zeugtes Gebiet hinausgerückt.
Nun gibt es noch eine andere Art Gürtelhaken, die den Ost-
germanen eigentiimlich ist und für die KOSSINNA in der erwähnten
Arbeit fast die gleihe Westgrenze gezogen hat, nämlich zweiteilige
Scharniergürtelhaken aus Eisen. Auch von diesen ist in Löwenbrucd
wenigstens ein halbes Exemplar gefunden worden (Abb. 17). Es
6] Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow. 199
gehört zu einem reich ausgestatteten Frauengrabe mit einer 70 cm
langen zusammengebogenen eisernen Schmucknadel mit Bronzekopf und
4 Ringwülsten, ferner einer schwalbenschwanzförmigen Gürtelplatte mit
2 durch Ösen befestigten beweglich gewesenen Ringen, sodann einem
Abb. 18—20. Löwenbrud. 7/3
eisernen Gürtelhaken mit 2 eingenieteten Knöpfen und paarweise angeord-
neten Punktkreisen, weiter einer Nadel von Eisen mit löffelartigem
Kopf mit eingenietetem Bronzestück, grossen Segelohrringen mit getrie-
benem Ornament, von denen
Bruchstücke und 2 Glasperlen
erhalten sind, ferner zerschmol-
zenem Bronzeblech, eisernen
Ringen, zum Teil mit Ohr,
und in Spuren erhaltenen Ketten
| teils von Eisen, teils von Bronze,
Abb. 21. Löwenbruch. */3 endlich einer Bronzefibel, von
der sih nur Spirale und
Nadel vorfanden. Die Urne ist nicht erhalten’).
Von Löwenbruc erwähne ich zum Schluss zwei schöne und bemer-
kenswerte Stücke, nämlih einen mit halbkreisförmigen Eindrücken
verzierten Spinnwirtel, das Ornament ist auf beiden Seiten verschieden
(Abb. 18—20), und eine Früh-Latene-Fibel aus Bronze (Abb. 21).
) Anmerkung. Die beiden dreiteiligen, verzierten Bronzegürtelhaken von
Jütchendorf (Abb. 15) und Löwenbruch (Abb. 16) stehe ich nicht an, als solche an-
zuerkennen: es werden vermutlich ostgermanische Importstüke sein. Dagegen
dürfte das Eisengerät von Léwenbruch (Abb. 17) kaum zu einem ostgermanischen
Charniergürtelhaken gehört haben, da solhe „Krampen“ oder wie man sonst diesen
Gegenstand nennen mag, auch in der Kaiserzeit, sogar in der späteren Kaiserzeit
mir begegnet sind, wo doch an Gürtelhaken längst nicht mehr zu denken ist. G. K.
Spelz- und Alemannengrenze.
Von Privatdozent Dr. Ernst H. L. Krause, Strassburg i. E.
Unlängst habe ich im Mannus (s. S. 254 dieses Bds.) GRADMANNS
Hypothese vom alemannischen Ursprung des Spelzbaues abgelehnt,
konnte aber für das auffällige Zusammentreffen der Stammes- und der
Wirtschaftsgrenze keine befriedigende anderweite Erklärung geben. In-
zwischen habe ich sie gefunden.
Die ins Alpenvorland einrückenden Alemannen assen Hafer. Be-
weise dafür findet man in einer Arbeit Th. SCHLATTERS im Jahres-
bericht der St. Gallishen Naturwissenscaftlichen Gesellschaft 1893 4.
Als das Volk am Anfange des 8. Jahrhunderts katholisch geworden war,
musste es, soweit das Klima dies zuliess, weisses Korn und Reben
bauen. Weissbrot und Wein gebrauchte man unbedingt zur Eucharistie
und zum Lebensunterhalt der Mönche. Der Weizen der alten Raeter
war Binkelweizen, derselbe den man in vorgeschictlihem Zustande
als kleinen Pfahlbauweizen und in der Botanik als Triticum compactum
bezeichnet. Er wurde im 19. Jahrhundert noch von Steiermark bis
zum Jura an vielen Orten gebaut. Er ist ein Sommerkorn und lässt
sich in dem grössten Teile des Alemannenlandes im Winterfelde nicht
halten. Da nun die Alemannen den Anbau des Hafers nicht mit einem
Male aufgaben, und da sih Hafer und Sommerweizen unter damaligen
Verhältnissen nicht in rationeller Wirtschaft vereinigen liessen, mussten
die am Weisskorn interessierten Klöster sih nach einer brauchbaren
Wintersaat umsehen. Eine solche war der Spelz. Er war schon in der
Bronzezeit in der Westschweiz gewesen und dort niemals ausgestorben;
im 19. Jahrhundert baute man ihn noch im Chamonixtale. Spelz, Hafer,
Brache wurde also die neue Fruchtfolge der Alemannen, die, nachdem
das Haferessen aus der Mode kam, in Zweifelderwirtschaft überging.
Die östlihen Nachbaren der Alemannen in Bayern sind wahrscheinlich
Roggenesser gewesen, die nahmen also einfach den Weizen ins Sommer-
feld. Das Bistum Strassburg hat ein so gutes Klima, dass auf den
meisten Fluren der alte gallorömische Winterweizen gedeiht. Dort wurde
Weizen, Hafer, Brache die alemannische Fruchtfolge, die auch hier strich-
weise in Zweifelderwirtschaft übergeht. Also aus dem alten Haferbau
der Alemannen und den klimatischen Bedingungen des Weizenbaus er-
klärt es sich, dass im Süden und Osten die Alemannengrenze eine
Spelzgrenze wurde. Die Westgrenze des Spelzes ist im wesentlichen
die lokale Ostgrenze des Winterweizens. Dass der Spelzbau nicht auch
in die klimatisch schlechtgestellten Dörfer des Strassburger Sprengels
kam, liegt wohl daran, dass man ohne diesen Weizen genug hatte und
nicht zweierlei Mühlen bauen wollte. Denn Spelz erfordert besondere
Mühlen.
Zur Wochengottervase
vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis
(Mannus Il, 1 ff.).
Von Gustaf Kossinna.
Mit 5 Text-Abbildungen.
Der erstmalige Fund einer belgischen Wochengottervase als Bei-
gabe eines germanischen Grabes des 3. Jahrhunderts nach Chr. —
denn nur als Grabbeigabe wird man bei unbefangener Betrachtung, die
sich frei hält von hyperkritischer Tüftelei, nach Lage der Fundumstände
das Gefäss anzusehen haben — dieser Fund, sage ich, war so über-
raschend, dass er mich anregte, den Darstellungen gallischer Religions-
vorstellungen auf germanishem Boden überhaupt nachzugehen und sie
im Zusammenhange unserer Berliner Zweiggesellschaft vorzuführen, was
durch einen von zahlreichen Lichtbildern begleiteten längeren Vortrag in
der Maisitzung geschah. Einiges davon sei hier in kürzestem Auszuge
mitgeteilt.
Es wurde dabei ausgegangen von dem unerfreulichen Zustande
der gegenwärtigen Forschung auf dem Gebiete des Wiederaufbaues der
altgermanischen Religion, wo sich die beiden jetzt herrschenden Methoden
in gegenseitiger Abneigung den Rücken kehren. Die ältere, literarisch-
sprachwissenschaftlihe Methode, die nur ausländische Quellen befragt,
hat nach der zweitgenannten Richtung hin so ziemlich Fiasko gemacht,
wenn wir von der Erschliessung des Himmelsgottes absehen, deren Be-
rechtigung freilich auch angezweifelt worden ist, jedoch mit Unrecht, da
hier die andere, jüngere Methode, die Befragung der einheimischen
Quellen, jene Erschliessung bestätigt. Diese zweite noch zukunfts-
reiche Methode, die sich auf feste Denkmäler und auf lebendige Volks-
überlieferung stützt, darf aber gewiss auch nicht blind mechanisch be-
trieben werden, wenn sie nicht ebenso zu schweren Irrtümern führen soll.
Das könnte eintreten, wenn man Denkmäler, die aus der Fremde ein-
geführt sind, als vollgiltige Zeugnisse für heimisches Volksbewusstsein
gelten liesse. Solch ein allgemeines Verkennen des Ursprungs von
Denkmälern oder Zweifel über ihre eigentlihe Herkunft sind jetzt
glücklicherweise nur noch in seltensten Fällen vorhanden. Schlimmer
ist es, wenn ein einheimischer Künstler aus der Fremde gekommene
Kunstgegenstände nachbildet und so fremden religiösen Vorstellungen
den Schein einheimischer Geltung verschafft. Diesen teils fremden, teils
202 Gustaf Kossinna. [2
fremdartigen Denkmälern mit Darstellungen aus dem Gebiete gallischer
Religion gilt unser Interesse.
Bei den Galliern hat, wie bei den Germanen, der ehemals höchste
Gott, der Himmelsgott (germ.* Tiwaz), einen Teil seines Wirkungsbereichs
sich noc erhalten, namentlich in Südgallien, dem spät eroberten Kolonial-
lande der in Nordfrankreih heimischen Gallier. Das ist die Pluto-
Serapis-Erscheinung des Dispater, von dem, wie Cäsar mitteilt, alle
Gallier abzustammen sich rühmten. Ihn kennzeichnet ausser seiner
streng gallischen Volkstracht der in der Linken gehaltene langschäftige
Hammer, das alte Attribut des Himmelsgottes, der Blitz, mit dem er
gegen das eherne Himmelsgewölbe schlägt, so dass es dröhnt und
‘donnert’. Darum heisst er in linksrheinishen Bildnissen Sucellus,
‘Schlager’.
Zu Cäsars Zeiten war aber der Hauptgott der Gallier nach seiner
Angabe Merkur, eine Bezeichnung, die die Romer auch demjenigen unter
den germanischen Göttern beilegen, der in jüngerer Zeit statt des alten
Himmelsgottes Tius den Gotterthron einnimmt (Wodan). Daneben
hätten die Gallier Apollo, Mars, Jupiter nebst Minerva verehrt. Durch
den Dichter Lucan erfahren wir die Namen der vornehmsten gallischen
Gotterdreiheit: Esus, Teutates, Taranis. Durch den Scholiasten zu
Lucan erfahren wir weiter, dass sich hinter dem Donnergott Taranis
Cäsars Jupiter verbergen muss. Der gallische Hauptgott Esus wird mit
dem Merkur gleichzusetzen sein, der unter der römischen Herrschaft
namentlich in Ostgallien von allen Göttern die weitaus meisten Bild-
werke erhalten hat. Teutates dagegen ist der gallishe Mars.
Der bekannte, 1760 entdeckte Schifferaltar von Notre Dame zu
Paris zeigt ausser ‘Esus’ (— Merkur) und ‘Jovis’ ( Taranis) den
‘Volcanus’ statt des Mars als Vertretung der dritten Gottheit in der
gallischen Hauptgöttertriade (== Teutates). Wie aber das Scholion zu
Lucan sowohl bei der Auslegung des Esus wie bei der des Teutates in
doppelter Weise schwankt, indem beide sowohl mit Merkur als mit Mars
gleichgesetzt werden, so zeigen, wie wir später sehen werden, zu-
weilen auch die Denkmäler diese offenbar im tatsächlihen Schwanken
der volkstümlichen gallishen Auslegung begründete Unsicherheit.
Der gallishe Merkur ist nicht wie der klassische jugendlich und
unbeweibt, sondern vollbärtig, stets mit dem gallishen Geldbeutel
in der Hand und von Rosmerta begleitet. Eigentümlic ist den gallischen
Göttern der aus der Zeit der Freiheit des Volkes stammende volkstüm-
lihe Halsschmuck, der Laténe-Halsring, mit Kugel- oder Halb-
kugelenden, den zu tragen im Volke selbst unter römischer Herrschaft
nicht mehr üblich war.
In Ostgallien sind weiter zuhause Bildwerke gallisher Götter-
dreiheiten, deren Hauptglied zuweilen als dreiköpfig wiedergegeben
wird, entsprechend dem griechischen Hermes.
Ein solcher ‘Tricephalus’ befindet sich als Relief auf dem 1871
beim Neubau des Pariser Hospitals aufgefundenen Steinaltar, der eine
allegorische Darstellung des von Kaiser Tiberius nach einem Aufstande
entwaffneten und befriedeten Galliens aufweist. E. KRUGER hat diesen
Altar neuerdings als einen hohen Pfeiler, den eine Statue des römischen
Mars bekrönte, rekonstruieren und nun den Tricephalus statt mit Merkur
3] Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 203
hier vielmehr mit Mars gleichsetzen wollen‘). Allein das ist nicht zwingend,
da hier der gallische Hauptgott Merkur als Repräsentant des gallischen
Volkes und als Zeuge des ehrlichen Friedensschlusses sehr wohl am
Platze ist, ohne damit als Dublette des bekrönenden römischen Mars
gedacht worden zu sein.
Die Tricephalusbilder und ebenso die Reliefs des gehörnten
Gottes Cernunnos zeigen uns aber neben dem gallishen Torques
und vielfach gallisher Tracht auch noch die altgallishe Eigenart des
Sitzens mit untergeschlagenen Beinen, die Verwendung des Torques auch
als Weihgabe, die dem Götterbildnis irgendwo angehängt wird, die Bei-
gabe einer Widderkopfschlange oder eines blossen Widderkopfes und
ebenso eines Stieres oder eines blossen Stierkopfes.
Endlich ist hier noch der häufigen Darstellung des gallischen
Sonnengottes, des Jupiters mit dem Rade, das aber ein Sonnenrad
ist, zu erwähnen.
In Dänemark, und zwar aus Fünen und Seeland, besitzen wir eine An-
zahl von Bronzekesseln etwa aus dem letzten Jahrhundert vor Chr.,
teilweise mit Eisenrand und eisernen Henkelringen, die auf der Aussen- wie
auf der Innenseite Platten mit figürlihem Bildwerk in Hochrelief zeigen,
teils gegossene Bronze-Tierbilder, teils getriebene Menschenmasken.
Die Masken sind durch die Halsringe als solche gallischer Gottheiten
gekennzeichnet. Die Eigenart der Gesichter, die auffallend breit und
kräftig sind, die grosse Nase, die hohe Oberlippe, der gekniffene Mund,
oft mit herabgezogenen Mundwinkeln, das lange Kinn, die eigentümliche
Haarbehandlung, die nur geringe Andeutung des Ohres, die Form der
Augen mit linsenförmigem stark hervortretendem Augapfel, der durch
Einsatz blauen Glasflusses hergestellt ist, schliesslich der leere Ausdruck
des Gesichts: alles das kehrt auf einer grossen Anzahl vereinzelt gleich-
falls in Dänemark, zum grössten Teile aber in Frankreich zum Vorscein
gekommener Bronzefigürchen, Bronze- und Silberköpfe und -masken wieder.
Sehr eigenartig ist die zum gallischen Porträtstil gehörige geringe Länge
(Tiefe) des Kopfes, der auch in voller Darstellung hinter der Scheitel-
höhe eine plötzlich abfallende, nur schwach gewölbte Hinterwand zeigt.
Das Haar fliesst seltener vom Mittelscheitel aus geteilt in langen, glatten
Strähnen herab, die in einer Locke aufgerollt enden; meist ist es nur
vorn um das Gesicht herum angebracht, wie ein Kranz, der aus einer
langen Reihe von spiraligen Lockenknäueln besteht.
Genau solche Köpfe finden wir nun auch in grösster Zahl an dem
berühmten 1891 in Gundestrup nahe am Limfjord in Jütland ent-
deckten Silberkessel desselben Typus, wie die ebengenannten insel-
dänischen.
Dieser Kessel trägt als breite Randzierde innen 5 länglih redt-
eckige, aussen dagegen 8 quadratische Silberplatten, alle sehr reich mit
religiösen Darstellungen in getriebenem Relief geshmückt. Von den
8 Aussenplatten fehlt eine; die vorhandenen 7 zeigen durchweg Götter-
köpfe von dem geschilderten gallischen Typus: 2 weibliche, 4 männliche,
1) E. KRÜGER, Deux monuments du Dieu tricéphale gaulois (Extr. du Con-
gres de la Federation archéologique et historique en Belgique XXI e session)
Liege 1909.
204 Gustaf Kossinna. [4
sowie eine Götterdreiheit mit dem Kopfe einer Göttin als Hauptdar-
stellung und je einem kleineren Gotte zu beiden Seiten. Es ist also
recht ungenau, wenn Soph. MÜLLER davon spricht, dass Köpfe von
3 Göttinnen und 4 Göttern abgebildet worden waren und ganz unsicher,
wenn man um der Symmetrie willen annimmt, die fehlende 8. Platte
hätte den Kopf einer Göttin getragen und es hätte immer ein weib-
licher mit einem männlichen Kopfe abgewechselt. Vielmehr wissen wir
nichts über die Reihenfolge der einzelnen Platten.
Die Innenplatten enthalten sehr reichlich gallische Elemente; am
meisten wohl die erste (MÜLLER Nr. VI), die einen Aufzug von Kriegern
zu Fuss und zu Pferde zur Feier eines Menschenopfers schildert. Die Reiter
tragen Helme sowie Helmzierden in Gestalt von Ebern, Vögeln, Rädern.
Das ist durchaus gallish. Wenn bei den Germanen der Hörnerhelm
schon in der Bronzezeit nachgewiesen ist, so beweist das bei der so
grossen Seltenheit, man kann fast sagen, bei dem Fehlen germanischer
Helme vor der Merowingerzeit herzlich wenig. Eberhelme kennen die Ger-
manen vor der Merowingerzeit überhaupt nicht. Ganz dasselbe gilt von
den Sätteln, von den Blashörnern mit Schallöffnung in Gestalt von Tier-
köpfen, von dem zopfartigen Haarshmuck des Priesters, dem man den
Kriegerzopf gallisher Miinzbilder annähern kann.
Platte VIII zeigt einen Gott mit dem Sonnenrad, begleitet von
Greifen, also wohl den Sonnengott; Platte IX den vollständigen ge-
hörnten Cernunnos mit der Widderkopfschlange, daneben einen Hirsch,
der auch auf dem Relief von Rheims dem Cernunnos zugesellt ist. —
Platte X zeigt wiederum eine Kulthandlung: ein Jüngling weist nach
dem Sonnenrad in der Hand eines Gottes; dabei befindet sich wieder
die Schlange und der Greif.
Die Götterköpfe der Aussenplatten sind riesengross, nackt, mit den
Torques geschmückt und, soweit sie männlih sind, durchweg bärtig,
während die menschlihen Männer durchweg unbärtig erscheinen. Die
Attribute der 7 Gottheiten sind für uns zu wenig verständlich, als dass
wir danach die Gottheiten mit bestimmten Namen bezeichnen könnten.
Eine Ausnahme macht allein die auf Platte XII, 1 sehr kenntlich dar-
gestellte Liebesgöttin, die Venus. Es ist ein recht naheliegender Ge-
danke, in den 7 Gottheiten die 7 Wochengötter, die Planeten, wieder-
zuerkennen, wobei es zweifelhaft bleibt, ob die (öttertriade mitzurechnen
ist oder etwa ausserhalb der Reihe steht und dem etwa auf der ver-
lorenen Platte dargestellten Gott den Platz einzuräumen hat. Die
Liebesgöttin ist dann natürlich der Freitag, die zweite weibliche Gottheit
der Montag, die Triade, wie wir noch sehen werden — falls sie mitzu-
rechnen ist —, Dienstag, Mittwoch oder Sonnabend; die vier Götter waren
dann die übrigen vier Wochentage.
Dann kann aber der Kessel nicht, wie von der Mehrzahl der
Forscher angenommen worden ist, dem 1. Jahrh. nach Chr., noch weniger
natürlih dem 1. Jahrh. vor Chr. angehört haben, denn vor 200 nach Chr.
ist an Wochengötterdarstellungen nicht zu denken. Abzulehnen ist aber
auch die Datierung Salomon REINACHs, der den Kessel ins 5. Jahrh.
nach Chr. oder noch später versetzt. Als Kuriosum sei noch erwähnt,
dass LOESCHCKE in Bonn den Gundestruper Kessel nach einer ver-
meintlichen Parallele, die er bei dem Maskenschmuck des berühmten
5] Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 205
gallischen Grabes von Waldalgesheim gefunden haben will, dem 4. oder
3. Jahrh. vor Chr. zuscreibt. Diese Meinung verrät jene lächerliche
Unkenntnis der vorgeschichtlihen Kultur West- und Mitteleuropas, die
so bezeichnend ist als berechtigte Eigentiimlichkeit für jene westdeutsche
Gruppe klassischer Archäologen, die die Wissenschaft der Prähistorie
erst zu dem Range einer wirklichen Wissenschaft zu erheben sich allein
für berufen halten, in Wahrheit aber sie nur als melkende Kuh aus-
nützen wollen.
Die Reiter von Gundestrup tragen Sporen: die ältesten europäischen
Sporen erscheinen aber bei Galliern und Germanen und zwar erst kurz
vor Chr. Geburt. Ganz ähnliches gilt von der Form des Schildes, die
auch nicht älter ist als das 1. Jahrh. vor Chr. Ferner sagt die Ver-
wendung des Silbers in soldhen Mengen, wie bei unserem Kessel, schon
ganz allein dem Kundigen genug. Bei den Germanen fehlt das Silber
vor der Zeit des Augustus so gut wie vollständig und bei den Kelten
findet es nur wenig früher eine seltene und äusserst sparsame Ver-
wendung im Kleinshmuc (Fibeln).
Nach alledem ist mir das 2.—3. Jahrhundert nach Chr.
als Entstehungszeit des Silberkessels sehr wahrscheinlich.
Seine Motive stammen teils aus Gallien, teils aus dem klassischen
Süden. Seine vollendete Technik weist nicht ohne weiteres nach Gallien;
der naive, unbeholfene Stil legt eher nahe, an einheimisch-germanische
Nachbildung fremder Vorbilder zu denken. Wir können das um so
eher glauben, als die Gestalten zweier gallischer Götter, der gehörnte
Cernunnos und der Dreikopf, auf dem zweiten der Tondernschen
Goldhörner (Gallehus), dem von 1734, das sicher ein germanischer
Künstler angefertigt hat, wiederkehren.
Um das 2. bis 3. Jahrhundert sehen wir gerade in Ostfrankreich und
im rheinisch-süddeutschen Keltengebiete Steinaltäre mit Darstellungen
der Planetengötter als eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Parallel mit
diesen Ältären gehen im belgischen Gebiete die Planetenvasen, gleidh-
falls des 3. Jahrhunderts, wie sie schon Sal. REINACH richtig datiert
hat, ehe die endgiltig zeitbestimmenden Gräber vom Fliegenberg ent-
deckt worden waren. Diese Vasen zeigen die Wochengötterköpfe genau
mit demselben eigentümlich gallischen Porträt, das wir nun schon ge-
nügend kennen; ausserdem ist einer der Götterköpfe stets als Trice-
phalus gestaltet. Am bekanntesten ist die in der Revolutionszeit in
Nordfrankreich entdeckte sog. Vase von Bavai (Mannus, Bd. Il, Taf. III),
sicher eine Planetenvase trotz der Ableugnung von Sal. REINACH, der
im Tricephalus nur den Merkur sehen will'), während er bei richtiger
Anordnung der Bildnisse, an de: zu zweifeln sonst koin Grund vorliegt,
hier vielmehr den Mars vertreten muss. Dass der Mittelkopf des Trice-
phalus hier ausnahmsweise 2 hörnerartige Auswüchse zeigt, verwertet
Sal. REINACH für seine Deutung des Tricephalus als Merkur, indem
a: a. Reste der Merkurflügel hier erhalten sieht. Zwingend ist
as nit.
Eine andere schöne Wochengöttervase stammt aus Jupille bei
1) Sal. REINACH: Revue de l'histoire des religions 1909, 57 ff.; wiederab-
gedruckt in dess. Vfs.: Cultes, mythes et religions T. Ill, 170 ff.
206 Gustaf Kossinna. [6
Lüttih (Mannus Bd. II, Taf. IV): bei ihr ist leider ein Götterbildnis
abgeblattert. Wenn an dieser Stelle der sonst übliche Tricephalus sich
befand und die Reihe der Planeten richtig eingehalten ist, müsste der
Tricephalus hier den Saturnus bedeuten. Zu diesem aber hat der Trice-
phalus trotz DEMARTEAU, der hierzu viel Phantastisches und noch mehr
Falsches vorbringt'), keine andere Beziehung, als die sehr entfernte,
dass die Römer die Wochentagzählung damals mit Saturn begannen
und somit dieser Planet eine Art Vorrangstellung einnahm, die in einer
Vertretung durch den Tricephalus angedeutet werden sollte.
Ein im Museum zu Mons befindliches Vasenfragment mit dem
Tricephalus, aus der Umgegend Mons in Belgien, sei hier als Er-
gänzung wiedergegeben (Abb. 1).
Die neue Vase vom Fliegenberg hat nur 6 Götterköpfe. Trotz-
dem wird niemand bezweifeln, dass in ihr derselbe Vasentypus vorliegt,
wie bei den oben genannten Planetenvasen. Leider sind einige Köpfe
bis zur Unkenntlichkeit zerstört;
doch ist gerade der Tricephalus
ziemlich gut erhalten.
Was zunächst die Zeit an-
langt, so war mir sofort die Da-
tierung ins 3. . Jahrhundert nach
Chr. klar und wurde immer zweifel-
loser, je mehr Abbildungen von
Grabbeigaben und sonstigen Fun-
den dieser Ortlichkeit mir Herr
RADEMACHER übersandte. Zu-
nächst gehört dieser Zeit ein in
den Wohnstätten gefundenes sog.
„Eisendepot“ an (oben S. 2 f.).
Dies beweist der Schildbuckel S. 3
Abb. 5, der oberhalb des Randes
nicht, wie gewöhnlich, streng zy-
Abb. 1. Tricephalus der Gesichtsvase von Mons lindrisch aufsteigt , sondern in
(Belgien), (nach Rev. archéol. 1593, 1, 266 f.). sehr merklich nach innen ge-
| schweifter Einwölbung, wie ich
sie nur an ganz spätkaiserzeitlihen Stücken des 3.—4. Jahrhunderts
kenne, die zum Merowingertypus überleiten.
Die eisernen Eimerbeschläge, an denen der bewegliche Eisenbügel
befestigt war, je 2 von verschiedener Art (Abb. 2, 3), zeigen in dem
einen Typus die bekannte spätkaiserzeitlihe Form mit gespaltenen
Enden (Abb. 2).
Es folgen die drei Gräber, sämtlich derselben Zeit angehörig.
Grab l: Die beiden von RADEMACHER erwähnten, völlig gleich-
gestalteten sog. Bronzemesser sind natürlih die beiden Klingen einer
verzierten Bronzeschere gewesen, wie sie seit Beginn der Kaiserzeit
in germanischen Gräbern häufig anzutreffen sind. Nur eine Spezial-
behandlung sämtlicher derartiger Stücke könnte ermitteln, ob in der
Verzierungsweise zeitlihe Unterschiede erkennbar sind, die eine Zu-
') J. E. DEMARTEAU, le vase planétaire de Jupille (Mélanges Godefroid
Kurth. T. II Liège 1908).
7] Zur Wocengöttervase vom
weisung in die früh- und spät-
römische Kaiserzeit gestatten.
Hier erübrigt sich dies, da die
germanishe Urne selbst un-
zweifelhaft spätkaiserzeitlich ist.
Mit dieser Urne zusam-
men ist ein bauchiger Becher
gefunden worden, von dem
ih aus Abbildung und Be-
schreibung nicht entnehmen
kann, ob er römische oder
germanishe Arbeit ist. Für
mich hat das letztere grössere
Wahrscheinlichkeit, sicher ist
seine Verwandtschaft mit ge-
wissen spätrömischen Formen.
Wir werden daher, wenn wir
ohne vorgefasste Meinung an
die Sache herantreten, auch der
mitgefundenen Vase mit den
Götterköpfen dasselbe Alter
unbedenklich zuschreiben kön-
nen, ja zuschreiben müssen.
Die von KRUGER dagegen
geltend gemachten Einwen-
dungen sind ganz unsicherer
Natur und können nicht im
geringsten überzeugen.
Auch Grab II und Ill ge-
hören ohne Widerrede ins 3.
Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 207
Abb. 2 und 3. Eimerbeschläge.
Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis, Rheinlande.
Jahrhundert. Der mit eingefurchten Rankenlinien verzierte eiförmige
Abb. 4. 1/3.
Abb, S "le
Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis, Grab 3. Oxtedt bei Cuxhaven (nach Rautenberg).
908 Gustaf Kossinna: Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg usw. (8
Becher provinzialrömischer Arbeit (Abb. 4) hat seine Parallele in einem
germanischen Grabe derselben Spätzeit aus Oxstedt bei Cuxhaven
(Abb. 5), wo ein solcher Becher in Gemeinschaft eines kleineren ähn-
lihen und zweier Bronzebeschlage eines Holzeimers von der oben ab-
gebildeten Form (Abb. 2) gefunden worden ist ').
Das merkwürdige Schwert (S. 16 Abb. 13) verrät durch den
gegenüber der kurzen Klinge riesenhaft langen Griff seinen ungermani-
schen, provinzialrömischen Ursprung.
Schliesslich noch ein Wort über die Deutung der 6 (Götterköpfe
der Kölner Vase. Es fragt sich, welcher Planet oder welcher Wocen-
tagsgott hier übergangen worden ist (O). Zunächst sei die Stellung des
Tricephalus innerhalb der Reihe der männlichen (|) und weiblichen (—)
Köpfe bei den andern behandelten Vasen übersichtlich vorgeführt:
= —
| 1. Bavai 2. Jupille! 3. Fliegenberg |
Di. | Tricephalus | a) Tric. b) ? 'c) Nimbus! Mars
M.| |... | © | | © | Trie | Merkur
“Do! J PO E l o | — | | | Jupiter
Fei — | — | — | Nimbus} — | Venus —
ie | f(T.) ? | Tric. | 2° | Saturn
So! 110] —-() | O | So
M.| — | — Nimbus — ey Luna
Wendet man eines dieser beiden Schemata, sei es das von Bavai
oder das von Jupille, auf die Fliegenberger Vase an, so ist das Ergebnis
sehr unbefriedigend. Beim Schema Bavai (a) Tricephalus : — Dienstag)
müsste der Donnerstag (Jupiter) übergangen (O), der Sonntag (Sol) aber
durch eine Göttin, umgekehrt der Montag (Luna) durch den hervor-
ragenden männlichen Nimbusgott wiedergegeben worden sein. Und beim
Schema Jupille (b) Tricephalus — Saturn) müsste der Donnerstag (Jupiter)
weiblich dargestellt worden sein, der Nimbusgott aber die Venus be-
deuten. Das alles ist unmöglih. Ein voller Sinn wird aber erreicht,
wenn wir den Tricephalus mit REINACH als Merkur auffassen (Mitt-
wodh =c), dann würde der Nimbusgott vorzüglich passen zum Vertreter des
Mars-Teutates, Jupiter und beide Göttinnen erhalten ihre richtige Stellung,
Saturn ist ein völlig zerstörter Kopf und Sol ist übergangen worden.
Wir sehen also jetzt, was es auf sich hat, wenn ich oben sagte, dass
die Denkmäler ein Schwanken der gallishen Auslegung für Merkur und
Mars selbst zu bestätigen scheinen.
1) E. RAUTENBERG, Römische und germanische Altertiimer aus dem Amte
Ritzcebüttel und aus Altenwalde, S. 10 ff., Taf. II, 1—3a. Jahrb. der Hamburg.
wissensch. Anstalten IV, 1887.
II. Aus Museen und Vereinen.
Vorgeschichtliche Funde und Unter-
suchungen in Mecklenburg. 1907 bis 1909.
Von Robert Beltz, Schwerin.
Mit 9 Textabbildungen.
Die Ergebnisse, welche die letzten Jahre uns gebracht haben, be-
ruhen im wesentlichen auf zufälligen Beobachtungen, die bei der Boden-
kultur gemacht sind und den daran anschliessenden Untersuchungen ;
diese mussten sich im allgemeinen mit der Feststellung des Tatbestandes
und der Bergung von Fundstücken begnügen, die den Charakter der
Fundstelle belegen. Grössere Unternehmungen haben wir, zumal die
vorhandenen Mittel und Arbeitskräfte durch die Herstellung eines um-
fassenden Katalogwerkes in Anspruch genommen waren, nicht in die
Hand nehmen können. Auch in jenen bescheidenen Grenzen aber haben
sich die Grundzüge der Besiedelungsgeschichte des Landes, wie sie Ref.
z. B. auf der Anthropologenversammlung in Halle (Korrespondenzbl. 1901,
S. 10 ff.) formuliert hat, ganz wesentlich vertiefen lassen, -und die
Zahl von gegen 100, meist neu bekannt gewordenen Stellen, über die wir
zu berichten haben, bedeutet nicht nur eine statistische Bereicherung.
1. Steinzeit. Dass unsere bisherige Statistik selbst bei den auf-
fallendsten Denkmälern der Vorzeit, den Megalithgräbern, noch unvoll-
ständig ist, zeigt eine Beobachtung von Pennewitt bei Warin, wo aus
einem wüsten, bis dahin unbeachtet gebliebenen Steinhaufen sich ein
schönes und typisches Hünengrab herausschälen liess: 5, bezw. 4 Trag-
steine an den Längsseiten, 2 an den Schmalseiten, 4 (ursprünglich 5)
Decksteine, Länge (NO.-SW.) 9,60, Breite 3,20 m; die Fugen zwischen
den Steinen ausgefüllt mit flahen Keilsteinen und Lehm; die Grab-
kammern ausgenommen, wohl erhalten aber der Grund, bestehend aus
Lehmdiele mit den üblichen geglühten Feuersteinen; darauf zwei Brand-
stellen. — Die Megalithgräber stellen im nordischen Steinzeitgebiet nicht
die einzige Grabform dar; aber über ihr Verhältnis zu den ebenfalls
vertretenen Flachgräbern ist noch keine Sicherheit erzielt; es ist klar,
dass die Form des Flachgrabes allein nichts sagt: gerade in Mecklenburg
haben wir in den bedeutungsvollen Ostorfer Gräbern zweifellose Gleich-
zeitigkeit mit der Megalithkultur (Archiv. f. Anthrop. VII. 1909, S. 268),
aber somatische Verschiedenheit der Bestatteten (SCHLIZ ebenda S. 275).
Eine andere Gruppe von Flachgräbern hebt sich dagegen auch durch
ihre Ausstattung (Dolchklingen) von den Megalithgrabern ab und wird
allgemein als jünger betrachtet. Diese Gräber westlih von Mecklenburg,
Mannus. Bd. II. 14
210 III. Aus Museen und Vereinen.
in Jütland und Schleswig-Holstein, einerseits, östlich, z. B. in der Ucker-
mark, anderseits längst bekannt, wollten bisher nicht recht kommen, und
wir begrüssen es, dass jetzt in Kl. Methling bei Gnoien einige geborgen
sind, die in der Anlage und Ausstattung der vierten Gruppe der jütischen
Einzelgräber Sophus MULLERS genau entsprechen, leider auch, wie
diese, ohne bestimmbare Gebeinreste. Ein Flachgrab von Friedrichsdorf
bei Neubukow enthielt nur wenig charakteristische Scherben und Stein-
messer. — Steinzeitlihe Wohn- oder Herdgruben sind aufgedeckt bei
Güstrow (kleine runde Brandstellen auf einem Steinpflaster mit unschein-
barer Megalithkeramik, auffallend wenig Tierknochen), und Selpin b. Tessin
(interessante Anlage, Rechteck von 2,50 und 1,25 m, gepflastert, mit verein-
zelten Scherben und Lehmbewurfstücken, daran anschliessend, quadratisch
von etwa 1,25 m, eine Herdstelle mit Tierknochen, Scherben, Steinmessern).
— Aud für die Pfahlbauten hat sich mancherlei ergeben. Es ist ja be-
kannt, dass die ersten deutschen Pfahlbauten in Mecklenburg, bei Gägelow
und Wismar, entdeckt sind, schon 1863, dass aber infolge von Fälschungen,
die bei der Ablieferung der Fundstücke vorgekommen waren, der ganze Pfahl-
bau von Wismar in Verdacht gezogen und überhaupt ausgeschaltet wurde;
noch S. MÜLLER konnte (Nordische Altertumskunde I, S. 202) schreiben :
„von den eigentümlichen (steinzeitlichen) Pfahlbauten ist in Skandinavien
und überhaupt in Nordeuropa keine Spur entdeckt worden“. In Wirk-
lichkeit ist der Wismarsche Pfahlbau so authentisch wie überhaupt eine
nach damaligem Betriebe untersuchte Station und hat vor dem Auftreten
des Fälschers und auch, nachdem dieser unschädlich gemacht war, dieselben
Fundstücke ergeben. Eine Anzahl besonders schöner und belegender
Stücke, der bekannten Äxte, Meissel, Keile, waren in Wismar in den Händen
- eines der ersten Untersucher geblieben und sind nunmehr auch der
Schweriner Sammlung zugeflossen. — Auch an einer zweiten älter be-
kannten Stelle, von Bülow bei Rehna,
wo aus guten Gründen ein Pfahlbau
vermutet wurde (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64,
S. 154), der aber infolge ungünstiger
Wasserverhaltnisse sich der Untersuch-
ung entzogen hat, sind bei Torfarbeiten
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, Reibsteine,
Feuersteingeräte neu aufgetaucht und
geborgen. — Ebenso stiess man in
Stove b. Neubukow bei Aushebung des
Torfgrundes zwecksÄnlage einesKarpfen-
teiches auf in dem Boden stehende
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, an Alter-
tümern ist eine durchbohrte Grünstein-
axt und eine ungeschliffene Feuersteinaxt
(dicknakig) der Schweriner Sammlung
Abb. 1. zugegangen. — Die Bedeutung der recht
häufigen Steinfunde in den Mooren muss
ja meist zweifelhaft bleiben, so auch eines Fundes von Liessow b. Brüel, von
wo ebenfalls eine durchbohrte Grünsteinaxt und eine dicknackige Feuer-
steinaxt eingeliefert sind. — Interessant ist der Fund eines Tragtopfes
von Bernitt b. Bützow, welcher 5 m tief in shwerem Lehm in quelligem
HI. Aus Museen und Vereinen. 211
Boden mit zwei anderen (verworfenen) gefunden ist, wohl ein Brunnen-
fund (Abb. -1).
Sehr zahlreichh sind dann die Beobachtungen von Feuerstein-
werkstatten, wie sie besonders auf sandigen Kuppen in der Nahe
von Wasserbecken oder Wasserläufen allgemein auftreten. Genauere
Untersuchungen haben ja nur wenige erhalten, und eine Sonderung des
massenhaften Materials ist noch nicht in Ängriff genommen. Immerhin
haben sich an einigen Stellen des Landes Lokalforscher gefunden, die
ihre Gegend regelreht absuchen und durch deren Beobachtungen sich
auch die Individualität der einzelnen Plätze ergibt. Das gilt besonders
für die Umgegend von Schwerin, Waren, Teterow, Neubukow, Ribnitz.
Bei sorgsamerer Untersuhung haben sih meist auch Brandstellen
und Scherben ergeben, aber stets so vereinzelte, dass sie nur auf ge-
legentlihe Benutzung der Stelle zurückgehen können. Bei Schwerin
zieht sich ein Kranz von steinzeitlichen Werkstellen um die Seeufer und
über ihre Inseln, ähnlih bei Waren an der Müritz und in der Neu-
bukower Gegend, die an steinzeitlihen Funden überhaupt die reichste
des Landes ist. Ein Eingehen auf die einzelnen Stellen erübrigt sich
hier (über die Wustrow-Niehagener s. Mannus I, S. 258), ebenso wie
eine speziellere Behandlung der Einzelfunde. Einen sehr erfreulichen
Zuwachs stellt die Erwerbung einer grossen Sammlung von Stein-
geräten dar, die auf der Feldmark eines Gutes, Kl.-Pritz bei Stern-
berg, allmählich gefunden waren und auch einige seltenere Typen gut
repräsentieren.
2. Ältere Bronzezeit. Bei dem grossen Reichtum des Landes
an Bronzen war es befremdlich, dass dasselbe für die Gräber der älteren
Stufen fast völlig versagte. Für Montelius I war überhaupt nur ein
Grabfund (Warrenzin; Mecklb. Jahrb. 67, S. 194) bekannt. Jetzt kommt
(durch private Untersuchung) wenigstens noch einer dazu. Bei Hohen-
Niendorf bei Kröpelin stiess man im flachen Boden (wenigstens ohne
erkennbaren Hügel) auf einen flachen Stein, der von kleineren gehalten
wurde; Gebeine sind darunter nicht beobachtet, doch war der Raum
gross genug, um einen Körper zu bergen, und die Gegenstände lagen
in ihm verteilt; es waren: eine „langgestielte Randaxt“ von dem Typ
LISSAUER, Ztschr. f. Ethnol. 1904, S. 548, 21, bisher in Mecklenburg
fremd, 19 cm lang; zwei einfache, spitz zugehende Ringe von 8 cm
Weite; eine Nadel, deren Kopf leider fehlt. —
Ahnlich ist Montelius I] auffallend schwach vertreten; in der Schweriner
Sammlung kommen auf 233 als Montelius Ill charakterisierbare Gräber
nur 20 Montelius ll. Daran ändern auch die neuen Funde nichts. Vier-
zehn Gräber sind durch Untersuchungen oder Funde neu bekannt ge-
worden; davon gehören zwei in M. Il, neun in M. Ill, drei sind un-
sicher. Dazu entstammen die M. II-Funde, eine Absatzaxt nordischen
Typs (LISSAUER, a. a. O. 1905, S. 799, wie sie neuerdings HAHNE aus
einem hannoverschen Grabe im Jahrb. d. Prov. Mus. 1909, T. XIII., 2
gegeben hat), von Zülow b. Schwerin; und die Nadel einer Fibel etwa
wie S. MULLER Ordning 11 von Gr. Bengerstorf bei Boizenburg, zer-
störten Gräbern, auf deren Anlage nicht geachtet ist. — Die M. ll-
Funde sind natürlich im wesentlichen den stattlihen Hügelgräbern (sog.
„Kegelgräbern“) entnommen. Die erste Stelle gebührt einem Grabe
14*
912 III. Aus Museen und Vereinen.
von Dorf Poltnitz bei Neustadt, das gerade fiir die eigentiimlich
mecklenburgische Richtung in M. Ill ausserordentlich charakteristisch ist:
ein Hügel aus Sand aufgeschichtet von ungefähr 3 m Höhe und 24 m
Durchmesser, früher von einem Steinkranze umgeben, bei dessen Ent-
fernung zahlreiche Urnen zerstört sind. Auf dem Urboden zwei Graber:
1. im nördlichen Teile auf Steinpflaster westlich gerichtet; die Lage der
Beerdigten (denn es ist ein Frauengrab) war durch die Beigaben,
die alle an ihrer Stelle lagen, deutlich bestimmbar. Holzspuren, die
am Kopf- und Fussende stärker, in der Mitte schwächer waren, führen
auf die Beisetzung in einem Totenbaume, Zeugreste an den Bronzen,
besonders am Halse auf ein wollenes Gewand. Die Bronzen waren:
am Kopfende kleine Spiralröllchen und ein Spiralring, wohl Haarschmuck,
in der Halsgegend eine Halsberge (- BELTZ, Vorg. Altert. von Meck-
lenburg-Schwerin ') 30, 75) und ein gewundener Ring, auf der Brust
eine grosse Bandfibel mecklenburgishen Typs (-- VAM 29, 66), in der
Gegend der Hande (Arme gestreckt zur Seite vorausgesetzt), je ein Hand-
ring, an der rechten Seite auch ein spiraliger Fingerring mit Platten, an den
Fussgelenken vier Ringe, davon zwei sog. Handbergen ( - VAM 32, 67), die
ja auch sonst als Knöchelringe nachgewiesen sind, alles sicher weibliche Aus-
stattung; 2. im südlichen Teile des Hügels ein zweiter Grabraum, nach Nor-
den mit einer Steinmauer aus CGranitblocken abgegrenzt; an Fundstiicken
nur ein Messer und eine Pinzette; wohl ein Mannergrab. Uber beiden
Gräbern Steinkegel, die fast bis an die Spitze des Hügels reichten; der ganze
Hügel oben in geringer Tiefe mit einer pflasterartigen Steinüberdeckung
abgeschlossen. Die Erde des Auftrags war durchsetzt mit Kohlen und
einzelnen Scherben; an mehreren Stellen, besonders in dem Raume
zwischen den beiden Gräbern, fanden sich auch Brandstellen, wohl von
Zeremonialfeuern, die bei der Anlage des Grabes brannten; hoch im
Steinkegel der ersten Bestattung kleine Spiralröllchen, oberhalb der
zweiten im Erdmantel zwei Gürtelknöpfe, beides wohl nachtragliche Bei-
gaben („Opfer“) an die Bestatteten. — Nahe der Oberfläche ohne Stein-
schutz auf Steinpflaster ein Skelett ow. gelagert, zu Füssen Reste eines
Tongefässes, welches bronzezeitlich sein kann; sonst ist über die zeit-
lihe Stellung dieses Grabes nichts zu sagen. Beachtenswert ist in
dem Poltnitzer Grab, das Verhältnis der männlichen und der weib-
lihen Bestattung. Manner- und Frauengräber in demselben Hügel
sind ja in unseren grösseren Hügelgräbern die Regel, auch die reichere
Ausstattung der Frauengräber ist das gewöhnliche (Beispiele in Fried-
richsruhe, Stülow usw., s. Jahrb. 67, u. s.). Recht auffallend war es
dabei, dass wiederholt der Mann beerdigt, die Frau verbrannt war;
man darf aber doch diese Beobachtung nicht verallgemeinern: zu Bei-
spielen der letzten Jahre von Stülow b. Doberan, Granzin b. Lübz,
Bredentin b. Güstrow, wo die Frau reich geschmückt in gleicher Be-
stattungsart dem Manne beigegeben war, kommt jetzt Poltnitz; mit be-
sonders drastischer Betonung der Hochschätzung der Frau, denn während
sonst überall dem Manne mindestens sein Schwert mitgegeben ist, muss
er sich hier mit den notwendigsten Toiletterequisiten Pinzette und Rasier-
messer begnügen, selbst seine Gürtelknöpfe hat man ihm erst nachtrag-
lich zugestellt. —
') Im folgenden als VAM zitiert.
Ill. Aus Museen und Vereinen. 213
Nicht weit von Poltnitz liegen auf dem Felde von Karrenzin bei
Neustadt eine Reihe von Grabhügeln, von denen drei allmählich soweit
niedergeackert sind, dass der Inhalt zutage getreten ist: ein gewundener
Halsring, zwei Handringe, eine Fibel, ein Spiralring, meist nur in Resten,
und zwei Bernsteinperlen sind geborgen. — Ein sehr schönes Ergebnis
hatte dann auch die Ausgrabung eines Kegelgrabes von Güstrow, wo in
dem Priemerwalde (Buchenwald auf Lehmboden) nicht weniger als 29,
soweit äusserlich erkennbar, sämtlich gut erhaltene Grabhügel dieser Art
sich befinden. Das ausgegrabene hatte 2 m Höhe, 12'/2 m Durchmesser
und war aufgetragen aus shwerem Lehm; in der Mitte unter einer etwa
3,50 m langen, 1 m breiten, 30 cm hohen Steinüberdeckung der ost-
westlich gerichtete Grabraum, in dem unverbrannte Gebeine und an einer
Stelle, offenbar zusammen verpackt, folgende Bronzen: Meissel von
13,8 cm Länge, Messer mit durchbrochenem Griff, Messerklinge ohne
Griff, Pfriemen mit Horngriff, nadelförmiges Gerät, Pinzette, Nadel
mit Kugelkopf, kleine Fibel mit gestrecktem Bügel (= VAM 29, 68),
alle Gegenstände auffallend zart, interessant durch die seltene Zu-
sammenstellung. —
Geringer war die Ausbeute in dem grossen „Hopfenberge“ von
Penzin bei Biitzow, einem aus schwerem Lehmmergel aufgeschichteten
Hügel, wo Ref. shon ;
wiederholt gegraben
hat, und in dem eine
Anzahl Körpergräber,
sehr schön aus Stein-
platten gebaut oder
mit einigen Steinlagen
überdeckt, aber mit
sehr geringfügigem Ín-
halt, vereinzelt im
Berge zerstreut, zum
Teil übereinander, lie-
gen. — Niederge-
ackerten und auf
diese Weise zerstörten
Gräbern entstammt
ein Griffzungenschwert
(= VAM 24, 16)
und eine Lanzenspitze
(= VAM 25, 26)
von Suckow b. Par-
chim und ein pracht-
voller Torques mit umgerollten Enden von Leizen bei Röbel (Abb. 2).
Einige Ausgrabungen sind ergebnislos an Fundstücken verlaufen;
zwei sehr deutliche und nur oberflächlich berührte Hügel von Sternkrug bei
Grevesmühlen und Kogel bei Wittenburg ergaben keine erkennbare Crab-
anlage; ähnlich ein Grab von Dammereez bei Boizenburg, das nach aussen
durch eine Steinumfassung von 23—26 m Durchmesser abgeschlossen
war und im Innern eine mächtige, kreisrunde, sehr gut gebaute Stein-
packung von 10 m Durchmesser enthielt, aber keine Grabausstattung
aufwies. —
214 Ill. Aus Museen und Vereinen.
Das Hügelgrab dominiert in der älteren Bronzezeit so, dass andere
Grabformen dagegen verschwinden; doch deuteten schon frühere (vgl.
Mecklbg. Jahrb. 67, S. 152) Beobachtungen darauf hin, dass wir auch
in der älteren Bronzezeit Gräber im natürlihen Boden entweder ohne
jede Erdüberhäufung (also Flachgräber) oder doch mit nur geringem
Aufwurf anzunehmen haben. Ein neuer Fall liegt vor in einem Grabe
von Rachow bei Güstrow, wo in ganz ebenem Boden 50 cm tief ein
Grab in der Form des Körpergrabes, aber mit Leichenbrand (eine vom
Ende von M. Ill ja wohl bekannte Erscheinung) angetroffen ist. Inhalt
zerbrannte Reste eines Halsringes und zweier Bernsteinperlen.
An Fundstücken, die nicht Gräbern entstammen haben wir aus
dieser Zeit nur einen Moorfund erhalten, gemacht bei Dargun in den
Kl. Rosinwiesen, die schon lange durch Steinfunde und steinzeitliche
Keramik pfahlbauverdachtig sind (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64, S. 156):
einen bronzenen Pfriemen und ein bronzenes Spiralarmband einfachster
Art, die beide ganz wohl in M. I gehören können und bei denen ein
Zusammenvorkommen mit Steingeräten nicht befremden würde.
3. Jüngere Bronzezeit. Nach wie vor unser Schmerzenskind,
das sich hartnäckig der ersehnten Gliederung widersetzt; es ist bisher
unmöglich gewesen, die keramischen Funde und damit die Grabfelder
auf die in Frage kommenden Perioden M. IV, V, VI aufzuteilen. Der
Mangel an entscheidenden Metall-Beigaben einerseits, die Gleichmässig-
keit der meist wenig charakterisierten und langlebigen Tongefässtypen
anderseits sind noch nicht überwunden. Wir besitzen kein einziges
Grab, von dem wir behaupten können, dass es unter M. IV fällt. Dabei
mehrt sich die Zahl der Gräber stetig; und auch ein sicher nicht be-
deutungsloser Unterschied an Grabformen tritt schärfer hervor, deren
wesentlihe wir als Urnenhügel, Hügelgrab und Urnenfeld bezeichnen.
Ein Urnenhügel ist ausgegraben bei Pampin bei Grabow, von den
beträchtlihen Ausmessungen von 3,30 m Höhe und 20 bis 22 m
Durchmesser. Das Innere bestand ganz aus Steinen, z. T. Steinpackungen,
welche die Grabräume gebildet hatten (14 konnten festgestellt werden),
z. T. Steinhäufungen, die über diesen lagerten; die ersteren waren
sämtlich zusammen gesunken und ergaben kein konstruierbares Bild.
Sie hatten auch die Urnen meist zur Unkenntlichkeit zerdrückt. Die
bestimmbaren erinnern an älterbronzezeitlihe Typen (VAM S. 191,
1.a. b.2 b) und die geringfügigen Bronzebeigaben (tordierter Hand-
ring, Nadel) sagen nichts; sicher ist also die Stellung des Hügels nicht,
doch finden wir Analogien zu der Grabanlage erst in der jüngeren
Bronzezeit. — In unmittelbarer Nähe des Pampiner Hügels liegen eine
Anzahl sehr ähnlicher, von denen einer früher gute M. II- Funde er-
geben hat; zwischen diesen Hügeln finden sich schwächere Bodener-
hebungen mit Urnen, die z. T. den bekannten jungbronzezeitlichen Typ
des weitbauchigen hohen Topfes (VAM S. 258, 12) haben, ein Zusammen-
liegen von älter- und jüngerbronzezeitlichen Gräbern, wie es in Mecklen-
burg in zahlreichen Fällen beobachtet ist. — Einfacherer Art waren
Urnenhügel oder Hügelgräber von Granzin bei Hagenow, wo in dem
Toddiner Forst eine grosse Anzahl von 1 bis 1,5 Meter Höhe und 5 bis
6 Meter Durchmesser liegen, die stets mehrere (bis 12) Urnen-
stellungen ergaben, in Steinverpackung ohne erkennbare Ordnung im
III. Aus Museen und Vereinen. 215
Hügel verteilt, leider infolge des Baumwuchses und früherer Störung
im Zustande hoffnungsloser Zertrümmerung. — Im allgemeinen dienen
Hügelgräber zur Bergung einer oder doch nur weniger Urnen; es
sind noch nicht viele untersucht, neu bekannt geworden eine Gruppe
von Alt-Farpen bei Wismar. — Starker dagegen als wir früher annah-
men, treten jetzt die jungbronzezeitlihen Urnenfelder bezw. Urnen-
gräber (denn einige scheinen wirklich vereinzelt zu sein) hervor; bei
nicht genauer untersuchten muss ja die Abgrenzung vom Hügelgrabe
zweifelhaft bleiben, bei der grossen Mehrzahl der aufzuzählenden aber
ist es zweifellos, dass sie den eisenzeitlichen Urnenfeldern völlig gleichen.
Auch in der Lage auf flahen Kuppen in der Nähe von Wasser, der
Bergung, dem Schwanken der Anordnung (gruppenweise Stellung der
Urnen und Reihen wechseln oft auf demselben Grabfelde) ist das Bild
dasselbe; nur die durchgehende sorgsame Behandlung der gereinigten
und vollständig gesammelten Gebeine ist ein charakteristisch jungbronze-
zeitlicher Zug. Die folgende Aufzählung bestätigt die ältere Beobach-
tung, dass das Urnenfeld im wesentlihen den südlicheren Strichen des
Landes angehört: im Norden nur Neubukow, Friedrichsdorf bei Neu-
bukow und Damm bei Dargun, im Nordwesten Dassow (sehr schöne
kleine Steinkammer tief im Boden, zu der Urne ein Beigefäss), in der
Mitte Kl. Schwiesow bei Güstrow und Plauerhagen bei Plau, beide sehr
ausgedehnt, Grubenhagen bei Teterow, im Südwesten Kogel bei
Wittenburg, Woez bei Wittenburg, im Süden Ortkrug bei Schwerin,
Hagenow VII, Kummer bei Ludwigslust, Goehlen bei Ludwigslust, Tuck-
hude bei Neustadt, Suckow bei Parchim, Granzin bei Lübz, Hinrichshof
bei Röbel. Die Ausstattung ist stets unbedeutend und nichtssagend,
die Urnen meist von wenig ausgeprägtem Typ. Ein besonderes Inter-
esse nehmen in Anspruch nur Tuckhude durch die ungewöhnliche Fein-
heit seiner an ältere Lausitzer Produkte erinnernden Gefasse und beson-
ders Goehlen: die Urnen die bekannten mit scharfem Umbruch (VAM
S. 258, 1—4) oder weithalsige Töpfe mit scharfem Absatz (ebd. S. 259,
13—16), z. T. mit einfachen Strichverzierungen; aber in geringer Ent-
fernung von den Urnen (etwa 20 m) fand sich in derselben Tiefe
wie diese und in derselben Verpackung mit kleinen Steinplatten ein
Depotfund von Bronzen (Hängegefäss, zwei getriebene Tassen, drei
getriebene flache Schmuckscheiben, Nierenring, alles in der Art M. V),
dessen Zusammenhang mit dem Urnenfelde nach den Lagerungsverhält-
nissen kaum abzuweisen ist, m. W. das erste Mal, dass Grabfeld und
Depotfund in Verbindung zu bringen sind, sicher ein starkes Gewicht
für die Annahme, dass die Depotfunde als „Selbstausstattung für ein
künftiges Leben“ einen Ersatz der zurückgedrängten Sitte der Grab-
ausstattung darstellen.
Von anderweitigen Funden hat die Sammlung sich eines hervorragen-
den Stückes zu erfreuen, eines beiRothenmoor b. Malchin in einem Moore
gefundenen Bronzeschwertes (Abb. 3). Das Stück ist nicht unbekannt,
wenn auch bisher wenig beachtet, indem es lange Jahre als Leihgabe im
Stralsunder Museum gelegen hat. Von dort ist es nunmehr mit freund-
lichstem Entgegenkommen seiner Heimat zurückgegeben. Es ist ein sehr
guter Vertreter des jüngeren nordischen Bronzeschwerttyps (MÜLLER,
Ordning 171), der ein vortrefflihes Paradigma für die typologische
216 Ill. Aus Museen und Vereinen.
Betrachtungsweise abgibt und in diesem Sinne auch von
MONTELIUS gern benutzt wird (z. B. Ältere Kulturperioden,
S. 42); dass aber diese Entwickelung sich nicht spontan voll-
zogen hat, sondern unter Einwirkung des Antennenschwerttpys,
zeigt sih an dem besprochenen Stück deutlih; die Form
ergibt die Abbildung, der Griff ist mit Goldblech belegt.
Länge 84 cm. Die Sammlung besass bisher nur ein gleiches
Schwert, ebenfalls Moorfund (von Lüssow bei Güstrow) und
ein Miniaturschwert dieses Typs (VAM 35, 9).
4. Ältere Eisenzeit. Bei der Verschwommenheit
unserer jüngstbronzezeitlichen Erscheinungen ist eine Grenz-
linie zur älteren Eisenzeit bisher nicht zu fixieren gewesen,
und es mögen manche der oben als jungbronzezeitlich be-
zeichneten Urnenfelder sich später einmal als ältereisenzeitlich
darstellen. Mit eigenartiger Keramik setzt die älteste Eisen-
zeit hier sicher nicht ein. Immerhin heben sich einige Vor-
Latene-Erscheinungen jetzt deutliher ab. Für eine ältere
Gruppe kann der ,unechte Torques“ als Leitform dienen;
ein neues Grab der Art (Hügelgrab!) ergab Sülten bei Staven-
hagen. Sodann ist ein sehr interessanter Vertreter der
„Jastorfer“ Stufe aufgetaucht, das erste ergiebigere und
deutlich redende im Lande; dasselbe liegt bei Mühlen-Eichsen
bei Gadebusch. Anlage die üblihe: hoch gelegenes, sandiges
Gelände am Abhang zu einem Bach; die Urnen waren fast
ausnahmslos stark verpackt, z. T. unter zusammenhängenden
Dämmen; Erderhöhungen über den Gräbern waren nirgends
zu erkennen. Urne und Metallgeräte entsprechen genau den
von SCHWANTES, Präh. Zeitschr. I, S. 141 aufgeführten.
Chronologisch wichtig in diesem Ensemble ist eine Arm-
brustfibel mit breitem Bügel und freiem Schlusstück der
viel besprochenen „Kaulwitzer“ Art (OLSHAUSEN, Zeit-
schr. f. Ethn. 1902, Verh. S. 205); eigenartig ist auch die
Gestaltung von Flügelnadeln (SCHWANTES 17 u. a.), die
z. T. in barockgrossen Formen auftreten und auch durch eine
zweite Nadel zu Fibeln umgewandelt sind, eine Konstruktion,
wie sie ja auch die Nadel von Heitbrack bei SCHWANTES
21 zeist. Der Streifen an der Elbe, auf dem diese für die
norddeutshe Vorgeschichte so wichtige Gruppe auftritt, ver-
breitert sih durch das Mühlen-Eichsener Feld noch etwas
nach Norden. — Auf demselben Felde sind nun auch, leider
nicht von sachkundiger Hand gehoben, sechs frührömische
Bandfibeln (zwei Bronze, vier Eisen) von der Form Alm-
gren 37 u. ä. gefunden; ein zeitliher Zusammenhang mit
den oben besprochenen Altsachen ist nicht denkbar; doch
ist ein grosser Teil der Funde und damit sehr viele Urnen
unbeachtet zerstreut (die ersten Funde wurden bei einem
Chausseebau gemacht) und die Möglichkeit der kontinuier-
lihen Benutzung nicht abzuweisen.
Die Masse unserer ältereisenzeitlihen Urnenfelder ge-
hört einer weiteren Stufe an, die im allgemeinen den ost-
III. Aus Museen und Vereinen. 217
hannoverischen Gräbern der SCHWANTESscen Stufen IIc und Ill ent-
spricht; eine scharfe Abgrenzung der Keramik nach oben und unten
ist noch nicht angängig, denn es liegt wirklich nicht so, dass „der Töpfe
für die Wissenschaft genug gesammelt“ seien (Mannus I, S. 224), und die
Metallbeigaben versagen. Sichtlih bestehen auch lokale Unterschiede;
die Umenfelder der östlichen Landesteile scheinen eine Sondergruppe zu
bilden. In der Grabform tritt die Vorliebe für Abdeckung einer Anzahl
von Urnen mit gemeinsamer Steindecke hervor; überhaupt überwiegt die
gruppenweise Stellung vor der reihenweisen durchaus. Die Urnentypen
sind die VAM 47, 40. 48, 42. 43, 47. 49, 49. 50, 60. 51, 63 gegebenen.
Wir begnügen uns mit einer Aufzählung der neu bekannt gewordenen:
Reppenhagen bei Grevesmühlen, Lankow bei Schwerin, Badow bei Witten-
burg, Toddin bei Hagenow, Conow bei Dömitz (besonders reich und
charakteristisch), Malliss bei Dömitz, Semmerin bei Grabow, Kluess bei
Güstrow, Gr.-Roge bei Teterow, Dargun (das dritte Grabfeld dieser
Stufe auf derselben Feldmark), Finkenthal bei Dargun, Neu-Nantrow
bei Neubukow (interessant durch seine Lage auf einem hohen Berge),
Selpin bei Tessin, Neu-Wenden bei Tessin, Nütschow bei Sülze.
Klar tritt dann der Schlussabschnitt hervor, ebenfalls Urnenfelder
mit massenhaften Urnen, nun aber in geringem Steinschutz, meist dicht
zusammengedrängt. Die Urnenformen sind die stark profilierte hohe
Schale (hochliegende grösste Weite, kleine Standfläche), fast stets schwarz
und gut gearbeitet (VAM 51, 65. 66) und der rundlihe Topf (VAM 51,
67), mit diskretem Ornament gekreuzter Linien mit Punktsaum u. ä. In
diesen Feldern liegt der Übergang zu der frührömischen Periode. Mäander,
auch schon Bandfibeln treten gelegentlih auf. Ein guter Vertreter ist
bei Püttelkow bei Wittenburg aufgedeckt, ebenfalls das dritte ältereisen-
zeitliche Urnenfeld auf einer Feldmark.
5. Frührömisce Eisenzeit. Die wichtigste Bereicherung stellt
ein Feld von Rachow bei Güstrow dar, welches von der Spät-Latene- zur
frührömischen Zeit hinüberführt und auch durch seine Lage (es ist das
erste grössere im östlichen Landesteile ausgebeutete) bedeutungsvoll
wird. Schon die Anlage war originell: Reihen, aber nicht gleichmässig
über die grosse Fläche, die mit Grabanlagen besetzt ist, verteilt;
zum ersten Male in Mecklenburg wirkliche Brandgräber und eine inter-
essante Zwischenform von diesen zum Urnengrabe, indem die Beisetzung
der Gebeine (ohne Reinigung) und die Mehrzahl der Beigaben in einer
(meist feinen schwarzen) Urne vorgenommen, aber um diese oder auch
über sie Brandmasse geschüttet wurde, in dieser Masse vereinzelte Geräte
und mehrfach einfache braune Tongefässe (wie Abb. 7), eine singuläre
Erscheinung, da grössere Beigefässe der hiesigen Eisenzeit in ihrem
ganzen Verlauf sonst fremd sind. Die Urnenformen (Abb. 4. 5. 6. 7)
stellen alle Ubergangsstufen von der Laténe-Situla zur frührömischen
Schale dar und auch die Ornamentik (ausgezogene Mäander und Roll-
stempelmäander) geht denselben Weg. Die Ausstattung enthält in ge-
ringerem Masse Waffen (Lanzenspitzen, Schildbeschläge, keine Schwerter),
besonders aber Messer und Fibeln von der Spat-Laténe-Rahmenfibel bis
zu den Bandfibeln (A. 27. 37 usw.). — Etwas jünger ist ein Feld von
Todendorf bei Teterow, nicht weit von Rachow entfernt.
Aus der kleinen Gruppe der Gräber mit „römischen“ Inventar, den
918 III. Aus Museen und Vereinen.
sog. „Römergräbern“, hat das bei weitem wichtigste, das von Hagenow,
wiederum bedeutungsvolle Funde ergeben: 1,30 m tief frei im Boden
mehrere einfache Bronzegefässe mit Eisenhenkel, darin reiche kriegerische
Ausstattung, worunter (das erste Mal) sich auch eine Ringbrünne be-
findet. Eine schmerzliche Erwerbung stellt eine schöne römische Kasse-
Abb. 6.
rolle mit Fabrikstempel VE.... dar, von Brunow bei Grabow, denn
es ist der letzte, durch Zufall bewahrte Rest eines grossen vor Jahren
gemachten und verworfenen Grabfundes, von dem nur der Bericht zu
erhalten war, dass das Grab aus grossen Steinen gebildet gewesen sei
und eine grosse Zahl Bronzen und Gläser enthalten habe.
6. Spätrömische und nachrémismce Zeit. Die wenig er-
forschte Periode erhellt sich jetzt in einigen reichen und guten Feldern,
besonders wie schon früher mit Konzentration im westlichen Landesteile,
der Elbe zu. Es sind Urnenstellungen ohne Steinschutz, dicht zusammen,
wohl ausnahmslos in Reihen, die Urnen neben den flachen Schalen
mit Streifen und Rosettenverzierung, getriebenen Leisten u. a. der ein-
fache braune Topf (Beispiel von Verklas Abb. 8). Es handelt sich um
Grabfelder von Verklas bei Dömitz, Hagenow (das achte Grabfeld auf
dieser an Gräbern reichsten Feldmark des Landes, mit ungewöhnlich
jungen Typen, z. B. Spangenfibeln) Friedrichsruhe bei Krivitz und
Liessow bei Brüel; im Osten nur Gorschendorf bei Malchin.
7. Wendische Zeit: Neben den steinzeitlichen Werkstätten sind
die wendische Wohngruben die am häufigsten neu auftretenden Fund-
statten. Sie scheinen wirklich ziemlich gleichmässig über das ganze Land
verbreitet zu sein. Allgemeines Interesse bietet keine der neu verzeich-
a
m n L A l Y
Digitized by NI W
Ill. Aus Museen und Vereinen. 219
neten; eine Beobachtung, die ich bisher noch nicht gemacht habe, war
in einer Wohngrube von Bellin bei Krakow das Vorkommen zer-
schlagener Pferdeknochen, nach denen also auch das Pferd zur Nahrung
gedient hat. Ebenso ergaben wen- |
dische Skelettgräber, in allen dieses-
mal vorliegenden Fällen ohne Bei-
mengung von Leichenbrand, von
Hagenow, Penzin bei Bützow, Bellin
bei Krakow (auf derselben Fläche
wie die Wohngruben), Cammin bei
Laage, Alt-Bukow bei Neubukow und
Stove bei Neubukow keine neuen
Züge; wohl aber fand sich in einem
solchen von Gorschendorf bei Malchin
zum ersten Male ein Schwert (Eisen
mit Silberbelag am Griffe Abb. 9);
fremdartig ist auch eine Skelett-
Bestattung in einem Hiigel bei Neu- Abb. 8.
Wendorf bei Tessin;.es liegen dort
eine Anzahl Hiigel, die dem Aussehen und früheren Funden nach jung-
bronzezeitlich sein müssen; auf der Sohle eines*derselben 1,60 tief lag
aber nw.-so. gestreckt ein Skelett, das durch® Scherbenbeigaben als
rare |
A,
r R ieee e
. — T af =
— <.
Abb. 9.
wendisch gesichert ist, an der rechten Seite mit Holzspuren und einem
zur Unkenntlichkeit verrosteten Eisenstück, anscheinend Lanze mit Schaft;
das Grab ist wohl als Nachbestattung in einem jungbronzezeitlichen
Hügel anzusehen. (Wobei aber zu bemerken, dass wendische Hügel-
gräber doch auch vorkommen; wir haben Beispiele von Damm bei Dargun
und Sülten bei Stavenhagen, beide Male ausschliesslih mit Leichen-
brand, also wie in den s. Z. stark hervorgehobenen vom Wadhiiner Busch.)
— An Einzelfunden sei ein shöner Einbaum aus einem Tannen-
stamm von 4,5 Meter Länge erwähnt, von Kastorf bei Stavenhagen,
der in einem mit ausserordentlih starken wendischen Kulturresten
besetzten Seegelände (zwei Burgwälle, eine befestigte Insel, ein Skelett-
gräberfeld liegen dicht zusammen, Brückenfundamente führen von der
Insel zum Ufer) gefunden ist und dadurch seinen wendischen Ursprung
wenigstens wahrscheinlich macht.
Uber die wichtigste Untersuchung aus wendischer Zeit auf mecklen-
burgishem Boden, die Untersuchung des Geländes, wo die Tempel-
stätte Rethra vermutet wird, sei auf die betreffenden Berichte
stens in der Zeitschrift für Ethnologie verwiesen.
| Bericht
über Neu-Eingänge des Jahres 1909 in der
vorgeschichtlichen Sammlung im Museum
der historischen Gesellschaft zu Bromberg.
Von M. Schultze, Bromberg.
Mit 20 Textabbildungen ').
Im Laufe des verflossenen Arbeitsjahres wurde die vorgeschicht-
lihe Sammlung der historischen Gesellschaft einer durchgreifenden Neu-
ordnung unterzogen. Es handelte sich in erster Linie darum, die Be-
stände chronologisch und kulturell auf Grund der neuesten wissen-
schaftlihen Ergebnisse zu gruppieren. Die hervortretenden grossen
Kulturgruppen wurden nach den Forschungen Prof. KOSSINNA’s ethno-
graphisch bezeichnet. Bei der Aufstellung musste vor allen Dingen der
bescheidene und bereits allein für die vorgeschichtlihe Sammlung in
gar keiner Weise mehr ausreichende Raum in Betracht gezogen werden.
Jedoch blieben manche Misstände unbeseitbar. Uberhaupt ist die
Raumfrage augenblicklich eine Lebensfrage für ein weiteres gedeihliches
wissenschaftlihes Weitersammeln der Gesellschaft. Daher ist es um
so mehr zu begrüssen, dass die Stadt der historischen Gesellschaft die
Überlassung der ganzen Nonnenkirhe in absehbarer Zeit in Aussicht
gestellt hat. Erst dann wird es sich ermöglichen lassen, auch ein den
Laien belehrendes und befriedigendes Bild unserer heimatlichen Vor-
geschichte zu geben, und "damit würde bei dem hier erfreulicherweise
immer reger werdenden Interesse an der Erforschung unserer heimatlichen
Vorgeschichte nur einem dringenden Bedürfnisse nachgekommen sein. Von
den zahlreihen Neu-Eingängen sind eine Anzahl bislang nur leihweise
übergeben. Dieselben sind als Leihgaben gekennzeichnet. Es steht
jedoch zu erwarten, dass ein grosser Teil derselben dauerndes Eigentum
der Gesellshaft wird. Zum Schluss ist es mir noch ein Bedürfnis,
Herrn Prof. Dr. Erih SCHMIDT auch an dieser Stelle meinen Dank
auszusprechen für die weitsichtige und tatkräftige Unterstützung, die er
mir anlässlich der Neuordnung unserer Sammlung angedeihen liess.
') Die Zeichnungen zu 13c und 46 sind von Herrn Bibliotheksassistent
BOEHLKE angefertigt worden.
I.
1.
ll.
. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
III. Aus Museen und Vereinen. 221
Vorindogermanische Kulturstufen. (Ancylus-Zeit.)
Thure bei Netzwalde, Kreis Schubin. Abbild. 1.
Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener,
teilweise abgenutzter Schneide.
Beim Ausheben von Torf in Tiefe von 15 m gefunden. E. J. 2145.
G. v. Ober-Bürgermeister Knobloch, Bromberg.
Abb. 3. '/s
. Domin. Latkowo, Kreis Hohensalza. Abbild. 2.
Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener
Schneide, 1,50 m in gewachsener kalkhaltiger Tonschicht gefunden.
E. J. 2079, G. v. Landschaftsrat v. Busse, auf Latkowo.
. Gegend von Marzenin, Kreis Witkowo. Abbild. 3.
Wurfspeerspitze. E. J. 2083,
durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
Indogermanische Kulturstufen. (Neolithische Zeit.)
a) Steinhammer mit breitem Kopf und dicht unterhalb des Bohr-
loches befindliher Schneide. Die eine Bohrbahn zeigt ungenau
angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2029 a.
b) Kahnförmiger Axthammer mit etwas überhängender Schneide.
E. J. 2030,
“ a) durch Rittergutsbesitzer Schwarz, b) durch Gutsverwalter Kölpin.
. Kiesgrube Broniewo, Kreis Hohensalza.
a) Schneidenteil eines Steinhammers. E. J. 2049.
b) 2 Bruchstücke von dickwandigem rötlichbraunem Tongefäss mit
dickem breitem ösenförmigen Henkel. E. J. 2131,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
. Broniewo, Kreis Hohensalza.
Bohrzapfen einer Steinaxt. Die dazu gehörige Axt wurde zer-
schlagen. E. J. 2059.
. Gniewkowitz Abbau, Kreis Hohensalza.
Dicknackiges Steinbeil, Schneidenteil stark beschädigt. E. J. 2050.
222
©
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
Ill. Aus Museen und Vereinen.
Eigenheim (Gonsk), Kreis Hohensalza.
a) Axthammer mit Mittelgrat auf der einen Bohrbahn und über-
hängender Schneide, am Bohrloc verbreitert. E. J. 2051. S. Katal.
des Prussia-Mus. Teil I, Fig. 9.
b) Kleines Einsatzbeil. E. J. 2052.
Nr. 6—8 durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Bismarckstreu, Kreis Hohensalza.
a) Dicknackiges Beil. E. J. 2121,
b) kleines Einsatzbeil. E. J. 2122,
von Schmied Rodewald daselbst käuflich erworben.
Ostburg (Wonorze), Kr. Hohensalza.
Steinaxt von dreiseitigem Grundriss. Die eine Bohrbahn zeigt
ungenau angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2082.
durch Woinke, Hohensalza. — Leihgabe.
Daheim, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstück mit je paarweise nebeneinander gestelltem Leiter-
ornament verziert, das nach unten durch kurze Vertikalstriche ab-
gegrenzt wird. E. J. 2130,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Gondes, Kreis Bromberg.
a) Steinaxt mit stark abgeniitztem unteren Teil. E. J. 2077.
b) Kopfteil einer Steinaxt. E. J. 2078,
c) dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2076,
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg.
Brahnau, Kreis Bromberg.
a) Schaber und Späne von Feuerstein, von denen einige Feuer-
einwirkung zeigen — sowie Bruchstücke von Gefassen in aus-
gewehten Sanddünen gesammelt. E. J. 2183 a—c. Einzelne
Bruchstücke gehören dem Mittelalter an.
Durh M. Schultze, Bromberg.
b) 2 Bruchstücke von Gefässen mit Schnurverzierung, sowie ein
prismatischer Feuersteinspan,
c) 5 Bruchstücke, 2 mit Griffansatz, 1 mit Griffzapfen, mit Gruppen
seichter vertikaler Striche verziert, die von einer horizontalen
Reihe von Punkteinstichen begrenzt sind. Abbild. 4. E. J. 2182.
b und c durch Dr. Kothe, Berlin. —
Leihgabe.
Weissenhöhe, Kreis Wirsitz.
a) dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2074, \
durch Dr. Brunk, Nakel.
b) Feuersteinkernstück. E. J. 2167,
durh Hauptlehrer Mathwig, Weissen-
höhe.
Dreidorf, Kreis Wirsitz.
Bruchstück einer Steinaxt E. J. 2169,
durch Qutsbesitzer Stockmann, Dreidorf.
Hedwigshorst, Kreis Schubin.
Axthammer von Stein mit ebenen Bohr- Abb, 4
bahnen und gewolbten Seitenflachen.
E. J. 2175, durch Baurat Schulz, Schneidemühl.
Ill. Aus Museen und Vereinen. 993
17. Kahlstädt, Kreis Kolmar.
Steinaxt, Ober- und Unter-Seite eingesenkt. E. J. 2166,
durch Lehrer Liick, Lindenwerder.
18. Radschin, Kreis Kolmar.
Steinaxt (Pflugschar?). Der Kopfteil zeigt ein altes Bohrloch.
E. J. 2161,
durch Lehrer Kretschmann — Leihgabe.
19. Liepe, Kreis Kolmar.
Dicknackiges Steinbeil. E. J. 2176,
durch Baurat Schulz, Schneidemühl.
20. Schönlanke, Kreis Czarnikau.
Dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2085,
Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
21. Gostyn, Kreis Gostyn, Reg.-Bez. Posen. Abbild. 5.
Axthammer von Stein mit ebener unterer Bohr-
bahn, die obere gewölbt, Schneide überhängend.
Der Kopf springt nach vorn etwas vor. E. J. 2028.
In einem Torfmoor gefunden.
Durch Dr. Kothe, Berlin aus der Sammlung des
verstorbenen Friedrih Franc v. Liechtenstein.
— Leihgabe.
22. Birglau bei Thorn, Prov. Westpr.
Steinaxt von Sseitigem Grundriss. E. J. 2087.
Dieser Typus gehört jedoch wahrscheinlich bereits
der Bronzezeit (thrakische Kulturgruppe) an.
23. Buchtafort bei Thorn, Prov. Westpr.
Steinaxt. E. J. 2086.
24. Umgegend von Thorn, Prov. Westpr.
Melonenförmiger Keulenkopf. E. J. 2084.
Die Nr. 22—24 durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
Älteste Bronzezeit; Periode I des Montelius.
25. Kreis Schwetz? Prov. Westpr.
a) Randbeil, entspriht dem norddeutshen Typus der Randaxte.
E. J. 2034.
durch Th. Schemel in Crone a. Br. — Leihgabe,
b) Randbeil von gleihem Typus. E. J. 2035,
durch Adolf Kolwitz, Bromberg, — Leihgabe.
26. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza').
Inhalt zweier reich ausgestatteter Graber. S. dazu auch Korre-
spondenz-Bl. der D. anthrop. Ges. 09, Heft 9/12, p. 100.
Grab 1. E. J. 2029 e—n,
Grab 2. E. J. 2029 o,
durch die Herren Rittergutsbes. Schwarz, Regierungsrat Sckerl und
Gutsverwalter Kölpin. Die im Besitze des Regierungsrates Sckerl
befindliihen Bronzen sind bedauerliher Weise nur leihweise
übergeben.
1) Die beiden Gräber scheinen nicht gleichaltrig zu sein und können keines-
falls beide in Per. I der Bronzezeit gesetzt werden. G. R
224
27.
28.
29.
50.
31.
III. Aus Museen und Vereinen.
Ill. Thrakische Kulturgruppen. Mittlere Stufe.
Kreis Schwetz? Prov. Westpr.
Bronzene Lanzenspitze. E. J. 2036. Abbild. 6
durch Adolf Kolwitz, Bromberg. Leihgabe.
Wresdhin, Kreis Filehne.
(vgl. dazu Ausstellungskatalog des K.-F.-M. in Posen, Posen 09,
Nr. 507—511) auch Nachtrag unter Wreschin. POPES
a) 91 Tongefässe, Bruchstück einer 5 seitigen Stein-
axt neben einer Urne gefunden. 2 Käsesteine
(tonnenförmig), 1 Bronzenadel mit annähernd
kugelformigen in der Mitte durch 2 Einfurchungen
gegliedertem Kopf, 2 Vasenkopfnadeln (Bronze),
2 kleine Bronzeringe (kreisförmig), einer davon
geschlossen, 2 Bronzeschlacken. E. J. 2118.
b) 39 Gefässe, 2 Käsesteine und 3 Eiersteine (die-
selben lagen zusammen in einer zerstörten Urne),
ein Gefässbruchstük. E. J. 2119.
c) Inhalt 3er Gräber. Fo. Nowakscher Wald, östlich
von obiger Fundstelle.
Grab 1. Urne und 7 Beigefässe, 2 davon nicht
erhalten. In der Urne lag 1 Bronzenadel mit
doppelkonishem Kopf, 2 Spiralanhänger, 2 kleine
Bronzezylinder, 1 kleine Tonperle.
Grab 2. Urne mit 4 Beigefässen. In der Urne
ein Angelhaken.
Grab 3. Urne mit 6 Gefässen. In der Urne 1 Vasenkopfnadel
(Bronze) und 2 kleine Bronzestiicke. Neben diesem Grab fand
sich ein Bruchstüc einer 5 seitigen Steinaxt. E. J. 2119.
a—c Privatsammlung Wolff (Oberleutnant und kgl. Distrikts-
kommissar in Filehne) zur dauernden Aufstellung übergeben.
d) 13 leihweise übergebene Gefässe vom gleichen Gräberfeld im
Besitze des Bergrates Ertel, Hohensalza wurden auf Verlangen
zurückgegeben. E. J. 2117.
Rosko Annavorwerk, Kreis Filehne.
5 Tongefässe, Areal des Ansiedlers Lüders. E. J. 2120,
durch Distriktskommissar Wolff, Filehne. Privat-Sammlg. Wolff.
Seeort (Alt Witkowitz), Kreis Kolmar.
Vergl. dazu Ausstellungskatalog des K. F. M., Posen 1909, S. 110 f.,
Nr. 1721 —50.
25 Tongefässe, 14 kleine Tonperlen, Bruchstüc eines Rasiermessers,
Bruchstück einer kleinen Bronzeknopfsichel, 2 kleine spiralig ge-
wundene Bronzeringe (2 Windungen), 1 Vasenkopfnadel (Bronze),
1 Nadel mit Stempelkopf und gegliedertem Hals (Bronze), 4 Käse-
steine (einer tonnenförmig und einer prismatisch geformt). E.J.2103,
durch Lehrer Lück in Essen a. Ruhr. — Leihgabe.
Brahnau, Kreis Bromberg.
Ein nur teilweise erhaltenes Gefass. F. J. 2073,
durch Arbeiter Schmidt, Bromberg.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
41.
Ill. Aus Museen und Vereinen. 225
Gegend der unteren Netze.
Bronzenadel mit grossem spiralig aufgerolltem Kopf. E. J. 2038,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
Gegend von Thorn, Prov. Westpr.
Bronzehohlbeil. E. J. 2088,
durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
IV. Ostgermanische Kulturgruppen.
a) Älteste Eisenzeit bis zur Laténe-Zeit.
Rabenhorst, Kreis Bromberg. |
a) Aus einem Steinkistengrab 1 Bronzeohrring, 3 Bruchstücke eines
eisernen Ohrringes mit aufgezogenen Perlen. E. J. 2157.
b) Aus einem weiteren Grabe Gefässbruchstücke, dieselben zeigen
Verzierung mit hängenden Bogen. E. J. 2158,
Fo. von a und b Propsteiland,
durch Gutsbesitzer Steller, Rabenhorst.
Trischin? Kreis Bromberg. Abbild. 7.
Urne mit Resten des Leichenbrandes. Der
Gefässkörper ist mit vertikalen und horizon-
talen Furchen gitterartig verziert. E. J. 2037,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. —
Leihgabe. Ä
Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
Urne mit Deckel. E. J. 2029 i,
durch Rittergutsbesitzer Schwarz.
Birkenbrud, Kreis Wirsitz.
1 Urne gefunden auf dortiger Feldmark.
E. J. 2184,
durch Gemeindevorsteher Bethke.
Iwno, Kreis Schubin.
Gefässbruchstücke aus einem zerstörten Grabe. E. J. 2146,
durch M. Schultze, Bromberg.
Es handelt sih um das gleiche Graberfeld wie Zeitschr. f. Ethnol.
1905, S. 899. Es sind hier durch Erdarbeiten anscheinend 20
Gräber, darunter auch Glockengräber zerstört worden. Das Gräber-
feld enthält demnach Gräber aus 2 verschiedenen Perioden.
Eckartsfelde, Kreis Znin.
Bruchstük mit dem Gesichtsteil einer Gesichtsurne mit Nasen-
löchern. Die Augen weiss inkrustiert. E. J. 2159,
durch Dr. Küster, Exin.
Ein Teil der Bruchstücke befindet sih noch im Besitze des Dr.
Küster.
. Studsin. Kreis Kolmar.
2 Urnen mit Resten des Leichenbrandes, eine mit Deckel. E. J. 2180
durch Kauf von Besitzer Gatzke, Studsin.
Schwetz, Prov. Westpr.
2 Gefässe, Bruchstücke von Gefässen und Beigaben von Eisen
und Bronze. E. J. 2179,
durch Buchdruckereibesitzer Büchner, Schwetz.
Mannus. Bd. Il. 15
226
42.
43.
III. Aus Museen und Vereinen.
b) Laténe-Zeit.
Latkowo, Kreis Hohensalza. Abbild. 8.
Kleine Schale mit abge-
setztem Rand, halb er-
halten, mit schwacher
Bodendelle. Die Gefäss-
schulter umzieht ein Band
kleinerschräger Eindrücke,
nach oben und. unten
durh eine schmale Ein-
furchung abgegrenzt. Der
Unterteil des Gefasses
ist durch breitere, nach
dem Boden zu radial ver- |- a
laufende Furchen verziert. Abb. 8. "/s Abb 9. '/
E.J. 2067,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
Usch, Kreis Kolmar.
Eiserne Lanzenspitze. E. J. 2040,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
c) Rémische Kaiserzeit.
. Ostburg (Wonorce), Kreis Hohensalza.
4 römische Münzen. E. J. 2172'),
durch Kauf erworben.
Abb. 10. th
45. Latkowo, Kreis Hohensalza.
—— [2
a) 2 Denare des Kaisers Trajan. E. J. 2114 und 2115,
b) römische Salbenflashe (Glas). E. J. 2101. Abbild. 9.
c) Tontasse mit Henkel und 1 Tongefäss S. Zeitschr. f. Ethnol. 05,
S. 394. Abbild. 3. E. J. 2063 u. 64. Abbild. 10, 11.
a—c durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
') Durch Herrn Dr. Regling, Berlin, freundlichst bestimmt: 2 Denare des
Kaisers Trajan, Cohen? No. 404 und 405; Denar des Kaisers Hadrian, Cohen?
No. 874; Hadrianus, Grossbronze Cohen? No. 817. SOE DORAN ODER
46.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
/ Teil des Ringes ist mit dünnem Silberdraht
IHI. Aus Museen und Vereinen. 227
Domin. Broch bei Flatow, Prov. Westpr.
Silberner Ring, das eine Ende ist breit ge-
hämmert und zu einer Ose umgebogen. Ein
umwickelt. E. J. 21741) Abb..12,
durch Oberbiirgermeister Knobloch. — Leih-
gabe.
V. Slawische Periode.
Latkowo, Kreis Hohensalza.
a) Gefässbruhstüke und Tierknochen aus einer Siedelung.
E. J. 2126,
durch Herrn Landschaftsrat v. Busse, Latkowo,
b) bearbeitete Geweihsprosse. E. J. 2070,
durch Landschaftsrat v. Busse.
. Nieder-Strelitz bei Fordon, Kreis Bromberg.
Gefässbruchstücke von einer slavischen Siedelung, Areal des Be-
sitzers Kunkel. E. J. 2104,
durch M. Schultze, Bromberg.
Kruschwitz, Kreis Strelno.
Ein Schlittknochen. E. J. 2039,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
Wolsko, Kreis Wirsitz.
4 Gefassbrudhstiicke und*ein Bewurfstück, vom Burgwall daselbst.
E. J. 2164,
durch Hauptlehrer Mathwig, Weissenhöhe.
Bismarckstreu, Kreis Hohensalza
Gefässbruchstücke, einige bereits aus dem Mittelalter. Areal des
Schmiedes Rodewald. E. J. 2140,
durch M. Schultze, Bromberg.
Funde aus verschiedenen Perioden.
Latkowo, Kreis Hohensalza.
a) Gefässbruchstücke von 3 verschiedenen Fundplätzen daselbst.
E. J. 2062,
durch Landschaftsrat v. Busse u. M. Schultze, Bromberg,
b) 3 Bruchstücke von 2 schwach versilberten Kupferschalen. E. J. 2065,
c) Reibstein und Mahlstein. E. J. 2171,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
Jacewo, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstücke. Acker des Ansiedlers Wendt 2135 und E. J. 2162
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
. Broniewo (Kiesgrube), Kreis Hohensalza.
Konischer durchbohrter Bernsteinknopf. E. J. 2137,
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
') Die Zeitbestimmung ist unsicher. Vielleicht gehört der Ring bereits in
die folgende Periode.
15*
228
55
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
Ill. Aus Museen und Vereinen.
Elsenheim (Wilkostowo), Kreis Hohensalza.
Bernsteinanhänger, neolithish ? E. J. 2136,
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
Eichenhagen, Kreis Wirsitz.
Bernsteinperle, römische Kaiserzeit? E. J. 2168,
durch Lehrer Nicolaus, Eichenhagen.
Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
a) Tonschale. E. J. 2031,
durch Lehrer Becker, Hohensalza,
b) Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E.J.
2029 e,
durch Rittergutsbesitzer Schwarz,
c) Holzkohle und Tongebilde, anscheinend aus einer zerstörten
Wohngrube. E. J. 2160,
durh M. Schultze, Bromberg.
Gniewkowitz, Kreis Hohensalza.
3 Spinnwirtel. E. J. 2054.56,
Spinnwirtel aus Stein. E. J. 2057,
Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E. J. 2053.
Daheim, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstük. E. J. 2130,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Bismarckstreu, Kreis Hohensalza.
Bruchstück einer Lanzenspitze. E. J. 2139,
durch Schmied Rodewald daselbst.
Gondes, Kreis Bromberg.
Tonring (als Gefässuntersatz?) E. J. 2112,
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg.
Rosko, Kreis Filehne.
Mahlstein, gefunden auf einem Steinhaufen, Areal des Besitzers
Mathwig. E. J. 2152.
Privatsammlung Wolff Filehne.
Crone a. Br., Kreis Bromberg.
Mahlstein aus einem Grabe in Schiffssetzung auf dem Iwickischen
Vorwerk. Im Grabe soll eine Urne gewesen sein, die nicht er-
halten wurde. E. J. 2148.
G. v. Theodor Schemel in Crone a. Br.
QGulcz Abbau, Kreis Filehne.
2 Mühlsteine. E. J. 2150—2151,
Privatsammlung Wolff, Filehne.
Jacewo, Kreis Hohensalza.
1 Reibstein. E. J. 2044,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Insel Ostrowek im Goplo See, Kreis Strelno.
Reibstein. E. J. 2149,
durch Brauereibesitzer Schemel in Crone a. Br.
67.
68.
69.
70.
ni
Ill. Aus Museen und Vereinen. 299
Schädel und Knochenreste aus zeitlich nicht sicher
bestimmbaren Gräbern.
Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
a) Schädel mit Unterkiefer. E. J. 2029 f,
b) defekter Schädel nebst Unterkiefer. E. J. 2029 h,
c) Bruchstücke eines menschlihen Schädels. E. J. 2029 g,
a—c durch Rittergutsbesitzer Schwarz auf Schadlowitz.
Die Schädel stammen von dem gleichen Felde wie Fund Nr. 26,
doc lassen sie sich nicht sicher datieren.
Broniewo bei Güldenhof, Kreis Hohensalza.
a) Schädel. E. J. 2032,
durch die Knabenmittelschule in Hohensalza,
b) Schädel. E. J. 2033,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Diese Schädel stammen von dem gleichen Gräberfeld, von dem
früher Geräte und Schmucksachen der neolithischen Zeit aus
Geweih und Knocen eingeliefert wurden, sind auch wahr-
scheinlich mit diesen Funden gleichzeitig anzusetzen; s. auch
Nr. 5 a und b ferner Korrespondenzbl. der D. Ges. f. Anthrop.
Jahrg. 09, Heft 9/12, p. 100.
Latkowo, Kreis Hohensalza.
Bruchstücke eines menschlichen Schädels sowie Knochenreste aus
einem Grabe. E. J. 2125.
Das Skelett lag zwischen 4 Steinen von je ca. 'j m Höhe. Der
Durchmesser des Grabes betrug ca. *jı m. Nach Angabe des Finders
Herrn Landschaftsrates v. Busse soll es in zusammengezogener
Stellung gelegen haben,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
Sammlung des Freiherrn v. Schlichting aufWierzbiczany,
Kreis Hohensalza. — Leihgabe.
Indogermanisce Zeit.
. Axthammer mit schräg zulaufendem Bahnende. E. J. 2090.
. Streithammer mit halbkugelförmig abgesetztem Kopf, am Bohrloch
verbreitert, Schneidenteil überhängend. Die obere Bohrbahn mit
3 Vertikal-Furchen und unterhalb des Kopfes mit 2 Horizontal-
Furchen verziert. E. J. 2089. Abbild. 13.
. Lanzenspitze aus Feuerstein. E. J. 2099. Abbild. 14.
. Schnurbecher mit 11 zeiliger Schnurverzierung unterhalb des Randes
und 4 wagerecht durchbohrten Osen. E. J. 2091. Abbild. 15.
Römische Kaiserzeit.
. 2 Henkeltassen. E. J. 2092 und 2093. Abbild. 16, 17.
. 1 schwarzer Becher. E. J. 2095. Abbild. 18.
Gegenstände verschiedener Perioden.
. Fingerring. Abbild. 19.
Gemme (Alsenpaste), darauf ein Reiter mit Pferd? eingeritzt —
in Bronzefassung, wohl provinzialrömische Arbeit.
230 III. Aus Museen und Vereinen.
Abb. 14. '/s.
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Abb. 19. 1"/s.
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III. Aus Museen und Vereinen. 231
8. Nadel aus Bronze. Oberer Teil des Nadelschaftes vierkantig, mit
eingravierten Quer- und Schräg-Linien verziert — in eine Ose aus-
gehend mit kleinem Ring, an dem ein halbmondförmiger Anhänger,
mit 2 Reihen eingehämmerter Punkte verziert. An beiden Enden
desselben hängt gleichfalls an Ringen 1 kleinerer unverzierter
halbmondförmiger Anhänger. E. J. 2100. Abbild. 20.
9. Ein Reibstein. E. J. 2096.
Sämtliche Gegenstände mit Ausnahme von Nr. 8 in Parchanie
Parzelle auf dem Windmühlenberg gefunden.
Fo. von der Nadel Nr. 8 hinter dem Park von Wierzbiczany in
den Uberresten einer zerstörten Aschenurne. (Mitteil. des Herrn v.
Schlichting.)
71. Sammlung des Oberlehrers Rohloff in Weissenfels a.S.
E. J. 2155. Leihgabe.
Die Gegenstände sind sämtlich von Schulkindern innerhalb des
Schulbezirkes Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza, gesammelt. Der
Schulbezirk Jesuiterbruch umfasst die Gemeinden: Jesuiterbrud,
Kaczkower Neudorf (heute Neulinden) und 3 Gehöfte der Ge-
meinde Klein Glinno (heute Bismarckstreu). (Bericht des Ober-
lehrers Rohloff.) Die Stücke gehören der Hauptmasse nach in die
indogermanisce Zeit.
1. 2 Beile mit Schäftungsrillen. Nr. 34 u. 36.
2. 1 Beil mit Schäftungsabsatz. Nr. 35.
3. Steinaxt (Pflugschar ?). Nr. 37.
4. 2 Kopfteile von Steinäxten. Nr. 47 u. 48.
5. Schneidenteil eines Steinhammers. Nr. 46.
6. Beile von spitzovalem Querschnitt. Nr. 3 u. 23.
7. 1 Feuersteinbeil von spitzovalem Querschnitt. Fo. Jesuiterbruch.
Nr. 4.
8. Steinbeil von ovalem Querschnitt. Nr. 22.
9. 2 Steinbeile. Nr. 21, 33.
0. Kleines Einsatzbeil, eine Seite eben. Nr. 8.
1. 11 dicknackige Beile verschiedener Grösse, zum Teil mit be-
schädigter Schneide. Nr. 9—11, 14 u. 15, 17, 19, 20, 28, 29, 32.
12. 3 dicknackige Beile. Fo. K. Neudorf. Nr. 12, Jesuiterbruch.
Nr. 16 u. 18.
13. Dicknackiges Beil aus Feuerstein. Nr. 7.
14. 2 kleine dicknackige Beile aus Feuerstein. Fo. K. Neudorf. Nr. 5.
Jesuiterbruch. Nr. 6.
15. 6 dicknackige Beile von beinahe rechteckigem Grundriss. Nr. 13,
26, 30, 31. Jesuiterbruch. Nr. 24. Kl. Glinno. Nr. 27.
16. 9 Schneidenteilbruchstücke dicknackiger Beile. Nr. 1, 2, 38, 40,
41, 43—45. Fo. K. Neudorf. Nr. 42.
17. 2 Bruchstücke mit bogenförmiger Schneide. Nr. 39. Fo. K. Neu-
dorf. Nr. 25.
18. 1 Schaber und 5 prismatische Feuersteinspäne. Nr. 57.
19. Keulenkopf, in Form einer flach gedrückten Kugel, mit flacher
peripherisch eingeschnittener Rinne, an den Polen schwach erhöht.
Fo. Kl. Glinno. Nr. 49.
232 III. Aus Museen und Vereinen.
20. Kupferflachbeil. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 51.
21. Stein prismatisher Form. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 50.
72. Sammlung des Hauptlehrers Lück, Margonin.
E. J. 2177. Unter Vorbehalt des Eigentumsrechts übergeben.
1. Sagemühle, Kr. Kolmar.
Schneidenteilbruchstück eines grösseren Steinbeiles von ovalem
Querschnitt.
2. Sulaszewo, Kr. Kolmar.
Schneidenteilbruchstüc eines dicknackigen Beiles mit bogenförmiger
Schneide.
3. Seeort (Alt-Wittkowitz), Kr. Kolmar.
Etwas beschädigte Steinaxt von Sseitigem Grundriss,
16 Gefässe, sowie mehrere Bruchstücke von Gefässen, vergl. dazu
auh Nr. 30. Es handelt sih um Funde von dem gleichen
Gräberfeld.
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Ausflug nach Seddin.
Am Sonntag, den 20. Juni 1909, unternahm die Zweiggesellschaft Berlin unter
Führung des 1. Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA einen Ausflug nach
Perleberg und dem Königsgrabe bei Seddin in der Prignitz.
Mit dem fahrplanmässigen D-Zuge fuhren die Teilnehmer der Wanderfahrt
zunächst nach Wittenberge und von dort nach kurzem Aufenthalte über Perleberg
weiter nach Rohlsdorf, wo Rendant RATIG aus Perleberg die Führung übernahm.
Vom Bahnhof Rohlsdorf begab man sich zunächst nach Kreuzburg, einem alten
Runddorfe am Ufer der Stepnitz. In der Mitte des Dorfes liegt auf einer Erhöhung
die einfache Fachwerkkirche ohne Turm, in der sich einige Heiligenfiguren aus
dem 15. und drei Leuchter und ein Kelch aus dem 17. Jahrhundert befinden, neben
der Kirche steht der hölzerne Glockenschuppen mit zwei Glocken aus dem
Jahre 1846, die das Wappen der Edlen Gänse von Putlitz tragen. Von Kreuzburg
ging es in nördlicher Richtung auf das Gehöft Kahlhorst zu, in dessen Um-
gegend mehrere Steingräber liegen. Eins von diesen, das Rendant Ratig
untersucht und dem er verschiedene Waffen und Gerätschaften aus Bronze ent-
nommen hat, wurde besichtigt, dann wanderte man nach dem nördlich von Kahl-
horst belegenen Seddiner Grabhügel. Eine Höhe von 11 m, ein unterer Durch-
messer von 70 --80 m und ein Umfang von etwa 300 Schritt lassen das Königs-
grab bei Seddin alle bisher in Norddeutschland bekannten vorgeschichtlichen
Grabstätten an Grösse übertreffen. Die Sage behauptete, in dem Hinzberge,
III. Aus Museen und Vereinen. 233
wie der Hügel auch genannt wurde, sei der König Hinz, ähnlich wie in der Attila-
sage, in einem dreifachen Sarge, in einem steinernen, kupfernen und goldenen
Sarge beigesetzt worden, während die beiden südlich bei Kahlhorst gelegenen Grab-
hügel seinen Ring und seine Schatztruhe enthalten sollten. Trotzdem Jahrtausende
seit der Bestattung vergangen sind und die Bevölkerung mehrmals in der Prignitz
gewechselt hat, blieb die Sage von dem Königsgrabe im Volke erhalten, und viele
Schatzgräber haben es seit Jahrhunderten versucht, den goldenen Sarg des Riesen-
königs und die im Grabe verborgenen Schätze zu heben, aber alle Nachgrabungen
hatten bei dem gewaltigen Umfange des Grabhügels keinen Erfolg, zumal die
Grabungen in der Mitte des Hügels vorgenommen wurden, während die Grab-
kammer, wie bei vielen vorgeschichtlichen Gräbern, seitlich mehr nach Süden hin
liegt. Ganz zufällig stiessen im September 1899 Arbeiter beim Abtragen der Feld-
steine, die nebst den mit Lehm gemischten Sandmassen den Inhalt des künstlich
aufgeschütteten Hügels bilden, auf eine grössere Steinplatte und auf die dahinter
liegende Grabkammer. Ihr Inhalt wurde auf Veranlassung des Rechtsanwalts
HEINEMANN am 20. September 1899 von der Pflegschaft des Märkischen Museums
geborgen und nach Berlin ins Museum gebracht.
Die Grabkammer ist in dem Zustande, wie sie gefunden wurde, belassen
worden, der Eingang ist, nachdem die Regierung der Provinz Brandenburg den
Hügel käuflich erworben hat, durch eine Aufmauerung von Steinen geschützt wor-
den, um ein Herabrutschen der Sandmassen zu verhindern; ausserdem schliesst
eine eiserne Gittertiir die Grabkammer gegen unbefugtes Betreten ab. Durch eine
schmale Öffnung steigt man etwa einen halben Meter hinab und befindet sich nun
in einem kleinen Raume, dessen Höhe in der Mitte 1,60 m und an den Seiten
1 m beträgt, während der Durchmesser der neunseitigen Grabkammer zwischen
1,96 und 2,12 m schwankt. Die Seiten der Kammer werden von neun glatten Stein-
platten gebildet, die in polygoner Grundrissform aneinander gesetzt sind und 1 m
über die Sohle der Kammer emporragen, während sie 1 m tief in den Sandboden ein-
gesenkt sind. Die Decke des Grabgewölbes wird durch zwei Reihen über die
Seitenwände vorstehender Steinplatten gebildet und ist durch eine darübergelegte
Platte geschlossen, wodurch eine Wölbung entsteht, wie sie bei den mykenischen
Kuppelgräben vorkommt. Die senkrechten Steinplatten waren bei der Aufdeckung des
Grabes mit einem Bewurf von fettem Lehm bedeckt, auf den Malereien in Form
von zwei parallelen, am oberen Rande umlaufenden Streifen mit troddelartigen An-
hängseln aufgetragen waren '). Jetzt ist diese Bemalung zum grössten Teil ver-
schwunden, da sich viele Besucher Teile des Lehmbewurfs als Andenken mitge-
nommen haben. In dieser Grabkammer standen eine grosse Ton-Urne und in
dieser ein Bronzegefäss von doppelkonischer Gestalt mit Bronze-Deckel, das den
Leichenbrand einer männlichen Person und verschiedene Beigaben aus Bronze
enthielt, so eine Bronzeschale, Hals- und Fingerring, Messer und Hohlbeil, und vier
Tongefässe mit Leichenbrand und allerhand Beigaben; neben der grossen Urne
steckte ein 50 cm langes Bronzeschwert mit dem Griffe im Boden. Es handelt sich,
wie die Grösse der Anlage und die Kostbarkeit der Beigaben zeigt, um angesehene
Toten, vermutlich ein germanisches Fürstenpaar.
Was die Beisetzung betrifft, so könnte man an eine Art Mausoleum denken,
t) Bei einem Besuch der Grabkammer am 7. Oktober 1900 fand ich noch beträchtliche Spuren
der Wandmalerei, und zwar war die gegen 1 m hohe Seitenwand an einer Stelle durch drei tiefrote
parallcle Streifen, die je 12 cm breit waren, verziert. Der unterste Streifen war vom Boden der Grab-
kammer 18 cm entfernt, der Zwischenraum zwischen dem 1. und 2. Streifen betrug gleichfalls 18 cm,
der zwischen dem 2. und 3, Streifen 13 cm. Albrecht.
234 III. Aus Museen und Vereinen.
in dem die Personen, deren Asche gefunden worden ist, nacheinander beigesetzt
wurden. Wahrscheinlicher ist allerdings die Annahme, dass bei der Verbrennung
der Leiche des Fürsten die Gattin und Leute aus dem Gefolge sich dem Flammen-
tode weihten, eine Sitte, die in jener Zeit bei den Germanen und auch bei den
Italikern verbreitet war, und dass die Bestattung der im Seddiner Grabe ruhenden
Toten zu gleicher Zeit erfolgt ist, nachdem die Verbrennung im Beisein einer
grossen Volksmenge erfolgt war, die zur feierlichen Bestattung herbeigeströmt war.
Von den Stammgenossen des dahingeschiedenen Fürsten wird dann auch die
Aufschüttung des gegen 30800 Kubikmeter Sand und Lehm nebst Feldsteinen ent-
haltenden Hügels vorgenommen worden sein. Rings um den Grabhügel wurde ein
Bannkreis von grossen Findlingsblöcken gelegt, der zum grössten Teil heute noch
erhalten ist.
Vor dem Eingang zur Grabkammer wies Prof. Dr. KOSSINNA auf die Be-
deutung der im Königsgrabe gemachten Funde und auf die Stellung, die die Prignitz
durch ihre Fundstätten in der Vorgeschichte der Provinz Brandenburg einnimmt,
hin (s. unten). Nach der Besichtigung des Königsgrabes wanderten die Teil-
nehmer des Ausfluges nach dem Dorfe Seddin und dann weiter durch den
schönen Park des Rittergutes Wolfshagen, das dem Baron von Putlitz gehört,
nach dem Bahnhof bei Gross-Pankow, von wo die Rückfahrt nach Perleberg er-
folgte. Hier wurden bei einem Rundgange durch die Stadt die städtische Alter-
tumssammlung im Rathause, die alte Backsteinkirche, der Roland auf dem Markte
und verschiedene Giebelhäuser mit Holzschnitzereien besichtigt. Zum Schluss folgte
man einer Einladung des Rendanten RATIG, um dessen reichhaltige Sammlung von
vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Gegenständen in Augenschein zu nehmen.
Dr. Gustav Albrecht.
Ansprache über die
„Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz in der Vorzeit“
von Qustaf Kossinna.
Mit 6 Textabbildungen und Tafel XVII.
Wenn wir den ersten Ausflug unserer Gesellschaft in den äussersten Nord-
westwinkel der Mark Brandenburg gerichtet haben, so leitete mich dabei der Ge-
danke, unsere Mitglieder vor das berühmteste Denkmal der ganzen brandenburgischen
Vorgeschichte und gleichzeitig in eine Landschaft zu führen, die sich in vorgeschidht-
licher Zeit ganz eigenartig entwickelt hat.
Die Prignitz nimmt innerhalb der Mark Brandenburg, ja selbst innerhalb des
nordwestlichen Gebietes der Mark, das in der Vorzeit stets ein ziemlich einheit-
lich gleichartiges Kulturantlitz zeigt, doch eine Sondereinstellung ein, insofern sie
sich vollständig dem benachbarten Meclenburg anschliesst.
Sdion in der Steinzeit ist das der Fall, denn in der Westhälfte der Mark
ist die Prignitz die einzige Stelle, wo wir Megalithgräber vorfinden, die nordwärts
in Mecklenburg ausserordentlich zahlreich auftreten, nah Süden zu aber gänz-
lich fehlen.
Diese Übereinstimmungen werden noch sprechender innerhalb der Bronze-
zeit. Zunächst negativer Art, insofern in beiden Gebieten die Frühperiode, in-
sonderheit die zweite Hälfte der ersten Periode und auch die zweite Periode der
Bronzezeit fast ganz ausfällt. Nur die Ostprignitz besitzt in Gräbern von
Ill. Aus Museen und Vereinen. 235
Schabernack bei Meyenburg und Maulbeerwalde bei Wittstock geringe Zeugnisse
einer dünnen Besiedlung während der zweiten Periode.
Hervorragend vertreten in Kultur und Besiedlung ist dagegen, genau wie in
Mecklenburg, die dritte Periode der Bronzezeit: das bezeugt die unerschöpfliche Zahl
Abb. 1. Seddin, Westprignitz.
Erste Aufnahme der Kammer des Königsgrabes.
der „Kegelgräber“, jene hohen Erdhügel die im Innern oft einen Steinkern bergend,
eine oder mehrere Körperbestattungen enthalten, aber gleichzeitig auch schon
Leichenbrandgräber desselben Alters — diese oft als Frauengräber neben männ-
lihen Bestattungsgräbern. Die volle Konsequenz des neuen Glaubens, der in dem
neuen Ritus des Leichenbrandes sich kund tut und von der Voraussetzung ausgeht,
dass das Fortleben der Seele des Toten nicht mehr an die Unversehrtheit seines
Körpers gebunden sei, sondern dass sie gereinigt durch die Verbrennung des
Körpers fortan ein ruhiges Sonderdasein weiterführe, wurde wohl von den karpo-
dishen Stämmen Ostdeutschlands gezogen, noch nicht aber von den Germanen, die
wahrscheinlich von jenen Karpodaken die strenge Durchführung des Leichenbrandes
sich aneigneten: die Konsequenz nämlich, nunmehr die Beigaben, die den
Bedürfnissen des Leibes im Jenseits dienen sollten, den Toten nicht mehr mit-
zugeben.
936 III. Aus Museen und Vereinen.
Der Typus dieser Gräber der dritten Periode liegt in herrlicher Vertretung
vor, meist aus der Ostprignitz, so zu Schabernack und Kl. Pankow (M. f. Völk.),
Weitgendorf, Vehlow, Dannenwalde (Märk. Mus.). Die Frauengräber enthalten breite,
gerippte und spiralverzierte Halskragen, schwere quergefurchte Armringe, mit schrägen
Strichbändern verzierte Armbänder, lange vielgewundene Zylinderspiralen für den
Unterarm, prachtvolle, grosse spiralverzierte Gürtelscheiben mit Mittelspitze, kleinere
pyramidale Tutuli, Doppelknöpfe, am Fussende die grossen reichverzierten Bänder
mit doppelten Spiralscheibenendigungen (sog. Armbergen), Gewandnadeln (Fibeln),
endlich Goldshmuck (Fingerspiralen). Die Männergräber enthalten ein Schwert,
Abb. 2. Seddin, Westprignitz.
Schluchtweg zum Eingangsloch des Königsgrabes.
Ca
einen Dolch, eine Lanzenspitze (auch von Feuerstein), Pfeilspitzen (Feuerstein und
Bronze), einen Goldarmring oder eine goldene Fingerspirale. |
Aber in der jüngeren Bronzezeit (Periode IV und V) erweist sich die Prignitz
als reicher denn Mecklenburg; während nämlich jetzt in Mecklenburg die Besiedlung
auf lange hin andauernd immer dünner wird, ist das in der Prignitz nicht der Fall.
Das zeigen die ungemein reichen Grabfunde von Seddin und Wolfshagen in
der Westprignitz, ebenso aber solhe der Ostprignitz (Beveringen, Gr. Pankow,
Mertensdorf usw.). Aus Sukow besitzen wir eine jener kunstvollen, herrlich ver-
zierten mit Goldschmuck gefüllten Bronzedosen, wie sie die Frauen damals am
Gürtel trugen, ähnlih den silbernen Geldtaschen der heutigen Damenwelt. Die
Grabform ist jetzt die kleine Steinplattenkiste in kleineren Hügeln, die Graburne
zuweilen eine rechteckige oder ovale Schachtelurne mit zugehörigem engschliessen-
den Deckel, sehr selten eine sog. Hausurne (Seddin, Gandow).
In diese Zeit gehört auch unser Seddiner Königsgrab, das im Gegen-
satz zu der jetzt üblichen Bestattungsweise und zu einer Reihe benachbarter kleiner
III. Aus Museen und Vereinen. 937
Hügelgräber gleicher Zeit ausnahmsweise noch die riesenhaften Formen der mittleren
Bronzezeithügel fortfiihrt. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Urgrab des
Hügels einer älteren Zeit angehört und noch unberührt in der Tiefe des Hügels
ruht. Die Abbildungen werden zum grössten Teil dem freundlichen Entgegenkommen
des Herrn Druckereibesitzers Grunick in Perleberg verdankt, der drei Clichés seiner
Schrift „Das Königsgrab von Seddin bei Perleberg“ geliehen hat: Taf. XVII, Abb. 1
zeigt die Ansicht des Hügels von Südwest, Textabb. 1 die durch den gestützten
Stein noch verschlossene Grabkammer, wie sie bei Ankunft der Kommission am
Abb. 3. Seddin, Westprignitz.
Königsgrab, Tür vor dem Kammerloch.
20. Sept. 1899 sich darstellte; Taf. XVII, Abb. 2 die Hauptfundstücke des Grabes.
Textabb. 2 gibt nach einer von unserem Mitgliede Herrn Rendant RATIG in Perle-
berg gemachten Aufnahme eine Ansicht von der durch Grabung hergestellten
Schlucht, die auf die Grabkammer führte, wobei ersichtlich ist, wie viel höher über
dem Wege und leichter zugänglich anfangs das Eingangsloh gelegen hat. Sehr
bald müssen aber Erdmassen in die Schlucht herabgestürzt sein, infolgedessen
im Jahre 1900 der Eingang durch Mauerwerk geschützt, mit Eisengitter überdeckt und
durch eine eiserne Türe verschlossen wurde. Durch den Nachsturz der Erdmassen
liegt seitdem der Schluchtweg hoch über der Kammeröffnung (Abb. 3), durch die
man in das Grab herunterrutschen muss. Abb. 4 zeigt nach einer Skizze unseres
Mitgliedes R. MIELKE den Grundriss der im Innern neuneckigen Kammer, Abb. 5
die Innenansicht der Kammer und Abb. 6 gibt, gleichfalls nach MIELKE, eine Probe
der dreistreifigen roten Wandmalerei, deren Muster nach den wenigen erhaltenen Resten
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238 Ill. Aus Museen und Vereinen.
sehr verschiedenartig gestaltet gewesen sein muss. Es erscheint unbegreiflich, wie
dieser Innenschmuck von der Leitung des Märkischen Museum nach der Entdeckung
nicht sofort genau aufgenommen und bei seiner bröckeligen Beschaffenheit von der
Wand abgelöst und ins Museum übergeführt werden konnte.
Was die Zeit der Beisetzung in der Grabkammer anlangt, so habe ich mich
vor Jahren, wie in dem Grunick’schen Heftchen erwähnt ist, für das 10. Jahrhundert
ausgesprochen, d. h. für die Übergangszeit von der IV. in die V. Periode der Bronze-
\
)
Ja
Abb. 4. Seddin, Westprignitz. Abb. 5. Seddin, Westprignitz.
Königsgrab, Kammergrundriss. Königsgrab, Innenansicht der Kammer.
Abb. 6. Seddin, Westprignitz. Königsgrab, Bemalte Mörtelstücke der Kammerwand.
zeit. Die Beigaben, die in ihrem Charakter einem Teil der früher schon aus andern
Hügelgräbern der Seddiner Gegend gewonnenen Fundstiicken aufs genaueste ent-
sprechen (Mus. f. Völkk., Berlin), fallen aber durchaus in die V. Periode und nicht
einmal in den frühesten Abschnitt dieser Periode. Das Bronzeschwert mit dem
charakteristisch germanischen Knauf von nierenförmiger Gestalt (No. 1), das Rasier-
messer mit punziertem Schiffsornament, dessen Griff die frei aufgewickelte Drahtspiral-
scheibe in ihrer jüngsten Gestaltung zeigt (Nr. 5), die reichverzierte Bartzange (No. 11),
das ebenso reichverzierte, lanzettartige Instrument für ärztlihe oder Toilettenzwecke
(No. 15), der im Henkel der gegossenen Bronzetasse hängende Armring mit
Petschaftenden (No. 13), das Messer mit hochgebogener Spitze und ringförmigen
Griffen (No. 9), das kleine Tüllenquerbeil (No. 3), der Miniaturtüllenmeissel (No. 7),
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. Far. wh EL
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Abb. 1. Seddin, Westprignitz. Ansicht des Königsgrabes von Südwest.
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Abb. 2. Seddin, Westprignitz. Hauptfundstücke des Königsgrabes.
1. Königstonurne; 2. gedrehter Halsring; 3. Tüllenquerbeil; 4. Doppelknopf; 5. Rasiermesser;
6. Königsbronzeurne; 7. Tüllenmeisselchen; 8. Doppelknopf; 9. Messer; 10. Schwert; 11. Bartzange ;
12. Knebel; 13. gegossene Bronzetasse mit eingehängtem Armring; 14. getriebenes Bronzeschalchen; 15. Lanzette.
Kossinna, Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz. Curt Kabitzsch (.\. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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HI. Aus Museen und Vereinen. 239
die Doppelknöpfe (No. 4 u. 8), der Knebel (No. 12), alles spricht für Periode V.
Dahin weist auch der dünne geriefelte Halsring mit Hakenenden (No. 2). Es ist ein
sogenannter Wendelring ältester Form mit ganz dünndrahtigem Körper. Da er aber
nicht, wie am ersten Anfang dieses Typus, nur einmaligen Wecdsel, sondern bereits `
dreimaligen aufweist, so kann er nicht am Beginn der V. Periode hergestellt sein,
deren Verlauf wir jetzt in die Zeit von 900—700 vor Chr. legen. Dieser Ring bestimmt
als die Zeit des Grabes also etwa das Jahr 800 vor Chr. Wir lernen somit, dass
grosse, getriebene italische Bronzegefässe, wie das Seddiner (No. 6), nicht nur in
der IV., sondern auch noch in der V. Periode nordischer Bronzezeit gang und gäbe
waren. Nicht den geringsten Anstoss erregen die beiden eisernen Nadeln aus der
Urne der Königin (gedeckeltes Gefäss hinter No. 12), obwohl eine von ihnen als
Nähnadel sicher nicht zum Schmuck diente, wozu ja das neue Metall in der aller-
ersten Zeit allein Verwendung fand, sondern ein Werkzeug war. Aber allenthalben
bieten die norddeutschen Gräber der V. Bronzezeitperiode bereits eine andere
Art eiserner Werkzeuge, nämlich Eisenmesser (Brandenburg, Mecklenburg, Schleswig-
Holstein). Es fehlen allerdings die einheimischen Eisenwaffen noch vollständig ').
Schliesslich sei noch die Frage erörtert, ob man von der Prignitz sagen kann,
sie mache in der ganzen Vorzeit einen „etwas hinterwäldlerischen Eindruck“, wie
A. GÖTZE in seiner Statistik der vor- und frühgeschichtlihen Denkmäler der Ost-
prignitz (Berlin 1907) von letztgenanntem Gebiet behauptet hat. Die einem solchen
Urteil zu Grunde liegende Anschauung über die Vorzeit Mittel- und Nordeuropas,
wo es ausser den Fürstensitzen überhaupt keine Handelszentren und also auch
keine kulturell rückständigen Gegenden gab und geben konnte, scheint an sich un-
berechtigt. Für die Prignitz kann man während der Bronzezeit aber leicht eher
das Gegenteil von Götzes Behauptung nachweisen. Denn kein Land Mittel-
europas stand damals derart mit dem Süden, mit Italien in Ver-
bindung, wie eben die Prignitz. Das zeigt besonders der Bezug italischer
getriebener Bronzegeräte, meist Gefässe. Schon in der dritten Periode der Bronze-
zeit, d. h. so früh wie nur irgendwo anders, haben wir die italische Bronzetasse
aus einem der Grabhügel von Weitgendorf; in die vierte Periode fallen die beiden
getriebenen Bronzeschilde aus Herzsprung. Zu Wolfshagen fand sich eine gehäm-
merte Bronzetasse mit getriebenen Buckeln in Form konzentrischer Kreise (Per. IV),
weiter zwei getriebene gebuckelte Blechdeckel zu Bronzegefässen (die Bestimmung
dieser Stücke war bisher stets eine irrige); zu Retzin kam gleichfalls eine getriebene
Tasse zum Vorschein; aus Wendisch- Warnow ist ein gedrehter Bronzehenkel zu
einem grossen, italischen Bronzegefäss erhalten. Aus Seddin haben wir ausser dem
grossen, getriebenen Grabgefäss je zwei kleine getriebene Schalen des Königsgrabes zu
verzeichnen, ausserdem ein getriebenes Gefäss aus den Gräbern, deren Inhalt das
Berliner Museum für Völkerkunde beherbergt. Selbst noch aus der frühesten Eisen-
zeit dauert dieser Import an, wie eine weitgerippte Ciste mit losen Bügeln aus
Schabernackk beweist. Und auch Gold ist genug in der Prignitz vorhanden. Ich
nenne jetzt nur noch den Grabhügel zu Kemnitz bei Pritzwalk, der „den goldnen
Sarg des Hünenkönigs* beherbergte, aus dem ein goldner Armring, ein Bronze-
schwert, dessen Griff mit Goldzierat bekleidet war, u. a. zum Vorschein kam.
Innerhalb der reinen Bronzezeit besitzt die Prignitz also 13 italische getrie-
bene Geräte aus 7 Fundorten. Diesem Reichtum kommt nur Mecklenburg, ein
!) Wenn MONTELIUS nach Balt. Stud. Bd. 28 und 33 nun seit 25 Jahren stets von neuem die
Angabe wiederholt, zu Billerbeck Kr. Pyritz in Pommern seien zwei Antennenschwerter mit Eisenklingen
gefunden worden, so muss hier kräftig darauf hingewiesen werden, dass STUBENRAUCH, Pomm,
Monatsbl. 1892, 51 und in endgiltiger Fassung, Balt. Stud. 1904, 121 ff. diese falsche Angabe richtig ge-
stellt hat.
240 Il. Aus Museen und Vereinen.
Land weit grösser als die Prignitz, nahe mit 10 Fundorten solcher Bronzen aus der
reinen Bronzezeit. Aus der gesamten Mark Brandenburg ausserhalb der Prignitz
sind noch 10 derartige Fundorte bekannt; aus der gesamten Prov. Sachsen aber
nur 5, aus Pommern nur 4, aus Schlesien 3, aus Kgr. Sachsen 3, aus Hannover,
Thüringen, Westpreussen nur je 1. Frankreich und England haben fast gar keine
solche italishen Importen; wohl aber Dänemark und Südschweden. Damit ist wohl
gezeigt, dass die Prignitz kein Land von Hinterwäldlern war, sicher nicht innerhalb
der Bronzezeit.
Sitzungsbericdte.
In der 5. Sitzung des ersten Vereinsjahres, die am 18. November
1909 im Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende,
Universitäts-Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 12. November 1909 verstorbenen
Mitgliedes, des Sanitätsrats Dr. Hugo SCHUMANN in Löcnitz, der sich hervorragende
Verdienste um die Vorgeschichte Pommerns und der Uckermark erworben hat. Er
veröffentlichte eine Reihe von Berichten über Ausgrabungen und vorgeschichtliche
Funde in Pommern und in der Mark Brandenburg, so über das „Gräberfeld in
Oderberg-Bralitz“, und verschiedene Einzelschriften, wie ,Vorgeschichtliche Bezieh-
ungen der Uckermark während der Stein- und Bronzezeit“ und „Steinzeitgräber der
Ucermark“ und förderte unter anderen die Gründung und Einrichtung des Ucker-
märkischen Museums in Prenzlau (vergl. KOSSINNA, Mannus I, 324 ff.).
Nachdem Dr. KIEKEBUSCH einen Bericht ttber die Hauptversammlung der
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte in Hannover vom 6.—9. August und über
die Ausfliige in die Liineburger Heide und den Teutoburger Wald gegeben und die
Aufnahme durch die Behörden und die Museums-Verwaltung in Hannover rühmend
hervorgehoben hatte, sprach Prof. KOSSINNA über den neuesten Skelettfund, den
der Schweizer Forscher Otto HAUSER im Verein mit Prof. KLAATSCH vor kurzem
auf der Höhe Combe Capelle bei Montferrand in der Dordogne gemadt hat. Das
vollständig erhaltene Skelett lag in halber Hockerstellung im Sande, umgeben von
Silexbeigaben und von durchbohrten Muscheln; der Leichnam war also in einem
rituellen Grabe beigesetzt, ein Beweis, dass schon in der Zeit des Aurignacien, der
dieser Grabfund angehört, der Gedanke an die Unsterblichkeit vorhanden war. Der
Schädel des neuen Skelettfundes erinnert nur wenig an den Neandertalmenschen,
weicht namentlich in der Stirn-, Nasen-, Kiefer- und Kinnbildung von diesem ab und
gehört nah den Untersuchungen von KLAATSCH einer zweiten diluvialen Rasse, der
Aurignac-Rasse an, die in der Schädelbildung bereits einen modernen Eindruck
macht und der Hauptvorläufer der neolithishen nordischen Rasse ist, der die In-
dogermanen angehören. Auf die Zeit der Aurignacien deuten auch die Silexbei-
gaben hin. Der neue Fund wurde in verschiedenen Lichtbildern vorgeführt, ferner
zum Vergleihe der von KLAATSCH rekonstruierte Schädel des Neandertalers und
der des Grabfundes von Le Moustier, der im vergangenen Jahre von HAUSER ge-
hoben wurde (vergl. jetzt WILKE, Mannus I, 252 ff; KOSSINNA, Mannus Il, 169 ff.).
Im Anschluss an den Vortrag bemerkte Prof. LEHMANN-HAUPT, dass die
Beisetzung in Hockerstellung nah DIETERICH’s Ansicht darum gewählt worden sei,
weil sie an die Embryolage im Mutterleibe und an die Rückkehr des Menschen in
den Schoss der Mutter Erde erinnere. Herr MIELKE bemerkte, dass diese be-
denklihe Erklärung DIETERICH’s nichts weniger als neu sei.
III. Aus Museen und Vereinen. 241
Über Gräberfunde aus der Laténe-Zeit in der Gegend von Grossbeeren und
Ludwigsfelde berichtete Dr. HINDENBURG unter Vorlegung verschiedener Fundstücke.
Der Vortragende hat an verschiedenen Stellen südwestlih von Grossbeeren
(Kr. Teltow), so bei den Schinderfichten und an einem Wege 200 m nördlich davon,
vorgeschichtliche Grabstätten und kleinere Gräberfelder aufgefunden, in denen Ton-
gefässe mannigfacher Formen mit Kammstrichverzierung im blossen Sande standen,
ferner Grabstätten bei Löwenbrud, Ludwigsfelde, Siethen und Jütgen-
dorf, die sämtlih der Laténe-Zeit angehören, ausserdem hier und da auch
Spuren von Wohnstätten, die aber erst genauer untersucht werden müssen, um
festzustellen, ob sie gleichfalls der Latene-Zeit angehören. Die Beigaben bestanden
in eisernen Nähnadeln, gekröpften Nadeln, eisernen Gürtelhaltern mit Stichorna-
menten und Segelohrringen mit und ohne Glasperlen. Von den vier bei Jütgendorf
gefundenen Tongefässen war eine Urne, wie Prof. KOSSINNA festgestellt hatte, auf
der Drehscheibe hergestellt, eines der überaus seltenen Exemplare der Art in der
märkischen Latene-Zeit (näheres jetzt Mannus Il, 192 ff.).
Zur Vorlage gelangten ferner eine grössere Anzahl von photographischen
Aufnahmen niedersächsischer Hünengräber, die MULLER-BRAUEL in Zeven gemacht
hat und die verkäuflih sind, und das Prachtwerk über die vorgeschichtlichen
Wandmalereien in der Altamira-Hohle bei Santander in Spanien, das im Auftrage
des Fürsten von Monaco von CARTAILHAC und BREUIL verfasst worden ist. Von
dem reich illustrierten Werke, das paläolithische Zeichnungen des Wisents, des Ebers,
des Pferdes, der Hirschkuh und anderer Tiere enthält, ist der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte ein Exemplar von dem Fürsten geschenkt worden, wofür der Vor-
sitzende, Prof. KOSSINNA, in warmen Worten den ehrerbietigsten Dank der Ge-
sellschaft aussprach. Dr. A. KIEKEBUSCH gab die nötigen Erklärungen zu den mittelst
Projektionsapparat vorgeführten farbigen Abbildungen des Werkes.
Den Hauptvortrag des Abends hielt Privatdozent Dr. F. SOLGER über die klima-
tischen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit. Der Redner ging davon aus,
dass das Wort „Klima“ eigentlich Neigung bedeutet und ursprünglich die Abhängigkeit
der klimatischen Verhältnisse von der Höhe der Sonne über dem Horizonte ausdrückt,
die durch die geographische Breite bedingt ist. Tatsächlich hängt das Klima aber von
vielen anderen Umständen ab, insbesondere sind die klimatischen Änderungen seit
der Eizseit nicht die Folge von Änderungen der geographischen Breite. Die Annahme,
dass zur Eiszeit der Nordpol im nordatlantishen Ozean gelegen habe, ist zurück-
zuweisen. Auch die megalithischen Steinsetzungen, die nach den Sonnenaufgangs-
punkten zur Sommer- und Wintersonnenwende ausgerichtet sind, zeigen, dass zu
ihrer Zeit die Sonnenhöhen der betreffenden Orte gleich den heutigen waren. Die
Änderungen des Klimas seit der Eiszeit müssen wir lediglih als eine Folge davon
betrachten, dass die allgemeine, wohl auf kosmische Ursachen zurückgehende Ab-
kühlung der Eiszeit verschwand und damit auch die Klimawirkungen, die durch das
Vorhandensein der grossen Eismassen mittelbar hervorgerufen worden waren. Die
wesentlichste dieser Wirkungen war die Bildung eines Systems von Winden, die von
dem diluvialen Inlandeise in das Vorland hinauswehten und, da sie trocken waren,
hier ein wüstenartiges Klima erzeugten, dessen Vorhandensein durch die Talformen
Norddeutschlands und die zahlreichen Dünenbildungen in jener Zeit erwiesen ist.
An den Wüstengürtel schloss sich südlich ein steppenartiges Gelände und erst jen-
seits dieser zweiten Zone begann der Wald. Mit dem Rückzuge des Eises wurden
auch die vom Eise her wehenden Winde schwächer, die Wüstenzone verschwand, der
Wald rückte näher an den Eisrand und heutzutage ist die nördlihe Grenze des
Waldes auf der Erde bis an den Tundragürtel der Polarregion hinaufgeschoben. Im
Mannus. Bd. Il. 16
949 Ill. Aus Museen und Vereinen.
ganzen genommen erscheint auf diesem Hintergrunde die Geschichte des Menschen
in Nordeuropa folgendermassen: Der Mensch lebte an der Grenze von Wald und Steppe,
in Mittel- und Westeuropa. Mit dem Zurückweichen des Eises und dem Vorrücen
des Waldes folgte er dem Waldrand nach Norden, hat aber durch den Übergang
zum Landbau die Ausbreitung des Waldes in Nordeuropa stellenweise zurückgehalten.
Denn auch zu Tacitus Zeiten beziehen sich die Nachrichten von den ausgedehnten
Wäldern Deutschlands in erster Linie auf die nordwestdeutschen Moore und die
waldigen Gebirge. Die unwegsamen, fast ununterbrochenen Waldungen Ostelbiens
in der Slawenzeit hängen aber wohl damit zusammen, dass die Wenden das Land
hatten verwildern lassen, und das Klima wird während dieser ganzen Zeit von dem
heutigen kaum verschieden gewesen sein.
# *
In der 1. Sitzung des 2. Vereinsjahres, die am 29. Januar 1910 im
Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende, Univ.-
Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 17. Dezember 1909 verstorbenen Gelehrten
Matthäus MUCH, den er als den hervorragendsten Prähistoriker Österreichs be-
zeichnete und dessen Werken er Worte der Anerkennung widmete (vgl. unten S. 274).
— Darauf fand die Neuwahl des Vorstandes statt, bei der die vorjährigen Mitglieder
mit Ausnahme von Dr. A. KIEKEBUSCH wiedergewählt wurden. Der Vorstand be-
steht aus den Herren Univ.-Professor Dr. G. KOSSINNA (1. Vorsitzender), General
z. D. LIEBMANN (2. Vorsitzender), Kgl. Archivrat Dr. G. SCHUSTER (3. Vorsitzen-
der), Städt. Bibliothekar Dr. G. ALBRECHT (1. Schriftführer), Sekretär SNETHLAGE
(2. Schriftführer), Bezirksgeologe Dr. KORN (3. Schriftführer) und Zahnarzt O.
SEEMANN (Schatzmeister).
Zur Vorlage gelangten folgende Werke: Jul. AILIO, Die steinzeitlihen Wohn-
plätze in Finland (Helsingfors 1909), J. L. PIC (Prag), Aphorismen über Ethno-
graphie und Kunstgewerbe in der prähistorishen Archäologie (Prag 1910), BIEDER,
Beiträge zur Geschichte der Rassenforschungen und der Theorie der Germanen- |
heimat (Hildburghausen 1909), A. RUTOT, Coup d'oeil synthétique sur l'époque
des cavernes (Brüssel 1909) und einige Veröffentlihungen der Gobineau-Ge-
sellschaft, mit der die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte in Schriftenaustausch
getreten ist, namentlich das nach Form und Inhalt gleich ausgezeichnete neue Werk
des Vorsitzenden dieser Gesellschaft, Prof. Ludwig SCHEMANN (Freiburg): Gobi-
neaus Rassenwerk (Stuttgart 1910).
Im Anschluss an die in der Novembersitzung vorgelegten Laténe-Funde aus
dem Kreise Teltow sprach Prof. Dr. KOSSINNA über Gedrehte Gefässe und
Mäandergefässe der Laténe-Zeit, um unter Vorführung zahlreicher Ge-
fässformen in Lichtbildern den Nachweis zu führen, dass mit der Drehscheibe her-
gestellte Gefässe in Mitteleuropa bereits in der frühen Latene-Zeit im Gebrauch
gewesen sind. Die Drehscheibe war in Ägypten schon um 3000 v. Chr. bekannt,
und gedrehte Gefässe finden sich in Troja in den Schichten der zweiten Stadt und
in Kreta in der dritten frühminoischen Zeit, also in der frühesten Bronzeperiode. Durch
die Griechen wurde die Kenntnis der Drehscheibe und der mit dieser hergestellten
Tongefässe dem übrigen Europa übermittelt, und bereits im 5. Jahrhundert n. Chr.
finden sich gedrehte Gefässe in Frankreich und in Süddeutschland. Der Vortragende
zeigte Beispiele solcher Gefässe mit langem Hals und friesartigen Verzierungen
aus Bayern, andere mit starker Bauchung und mit Riefen, dann eimerartige Ge-
fässe mit vorstehendem Rand und solche von doppelkonischer Gestalt mit Wülsten,
die aus keltischen Skelettgräbern stammen und den Beigaben nach teils der ersten,
III. Aus Museen und Vereinen. 243
teils der mittleren Periode der Laténezeit angehören, ferner Abbildungen
von glänzend schwarzen und dünnwandigen Gefässen mit Wulsten um den Hals,
die aus germanischen Brandgräbern herrühren und der mittleren und späten
Lat&nezeit zuzurechnen sind. Diese Gefässe, die sämtlih auf der Drehscheibe
hergestellt wurden, stammen aus Niederbayern, Rheinhessen, Thüringen
(Riethnordhausen, Möritzsch und Klein-Korbetha), Sachsen (Pegau, Cröbern und
Torgau) und Brandenburg (Jütgendorf, Wagenitz und Friesack) und zeigen, dass
der Gebrauch der gedrehten Gefässe sich schon in der mittleren Laténezeit aus
den keltishen Ländern in die von Germanen bewohnten Gebiete verbreitet hat.
Die Kenntnis der Drehscheibe wurde den Germanen vielleicht durch kel-
tishe Frauen, mit denen sie ein Ehebündnis eingingen oder die sie als Skla-
vinnen besassen, übermittelt, und so finden sich gedrehte Gefässe auch in Gegenden,
die niemals von Kelten bewohnt gewesen sind. Auf ungedrehten, glänzendschwarzen
germanischen Gefässen vom Ausgange der Latenezeit, die den gedrehten Gefässen
der Laténezeit sehr ähnlich sehen, finden sih häufig Mäanderverzierungen,
und zwar in primitiver Form, mit der Hand eingeritzt, als Strichmäander mit Punkt-
verzierung zu beiden Seiten, erst später, in der Kaiserzeit, tritt auf diesen schwärz-
lihen Gefässen der mit dem Rädchen hergestellte Mäander auf. Durch Vergleichung
der verschiedensten Typen hat Prof. KOSSINNA festgestellt, dass in der Kaiserzeit
die Strihmäanderverzierung nur noch auf den ostgermanischen (efässen vor-
kommt, in reicher Entwicklung, während der Rädchenmäander sich ausschliesslich
auf den gleichzeitigen Gefässen der Westgermanen findet.
Den zweiten Vortrag des Abends hielt Schriftsteller Robert MIELKE über die
Vorläufer der europäischen Hausformen. In einer Reihe von Lichtbildern
zeigte der Vortragende zunächst die Haupttypen des deutschen Bauernhauses und
erläuterte daran die Ergebnisse der Bauernhausforschung. Als das hervorragendste
Ergebnis dieser Studien kann es gelten, dass nunmehr festgestellt ist, dass das
Altsachsenhaus, jenes weitverbreitete Wohnhaus mit seiner grossen Diele,
bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. in seiner typischen Form vorhanden gewesen ist.
In seinen Formen schliesst es sich eng an das bereits früher festgestellte Dach-
haus an, als dessen Heimat MIELKE unbedingt ein Ebenenland (Norddeutschland,
Schonen) annimmt. Die Frage, wie sich die Entwicklung im einzelnen gestaltet hat,
erläuterte der Vortragende an einer grossen Zahl von Beobachtungen aus Nieder-
deutschland. Es ergab sich, dass das Dach in seiner Gesamtheit emporgehoben
wurde, hauptsächlich aber durch die innere Konstruktion des Säulengerüstes. Da-
neben aber zeigte sich auch, dass das altnordische Haus mit seiner Halle und
Vorhalle in engster Verbindung mit dieser Entwicklung blieb. Die Vorstadien dieser
Entwicklung lassen sich noch heute in der Provinz Hannover an vielen Beispielen
nachweisen. Ein ausgebildetes Antenhaus, ähnlih der Urform des griehischen
Tempels, fand MIELKE auch in Littauen. Diesem Dachhaus gegenüber stellte der
Vortragende das Wandhaus, das in Deutschland hauptsächlich von der ober-
deutshen Hausform getragen wird. Als ein Ergebnis der Mittelmeerkultur lassen
sich die Anfänge eines solchen Hauses bis in die Steinzeit zurückverfolgen, wie die
vorgeschichtlihen Funde in Stützheim, Gross-Gartach, Niederwyl, Schussenried,
Untergrombach usw. erkennen lassen. Zunäcst ist die Form noch schwankend,
denn es tritt teils als Rundhaus, teils als sehr unregelmässig gebautes Viereckhaus
auf, vielfach findet sih aber auch die Form des grossen Haupthauses mit verschie-
denen Nebenhäusern. Als innere Kräfte für die Gestaltung beider Urtypen nahm
der Vortragende die individualistishe und kommunalistische Lebensauffassung der
nordeuropäischen bezw. der Mittelmeer-Vélker in Anspruch. Als ältestes Beispiel
16*
244 If]. Aus Museen und Vereinen.
führte er das vorminoische Ovalhaus von Chamaizi Siteia auf Kreta an.
Aus dem Schwanken der Form des Hauses in Deutschland löst sich das oberdeutsche
Haus erst durch die Anwendung der Blockbautechnik los. Eines der ältesten
Beispiele offenbart die Latene-Pfahlbausiedlung von Donja Dolina in Bosnien.
Dazu kam die Ausbildung der mit dem Rundbau verbundenen Herdanlage; sie be-
wirkte einerseits eine höhere Wohnkultur, andererseits die Ausbildung von Einzel-
häusern für jeden landwirtschaftlihen Betrieb. Die Ansichten MIELKE’s, der sich
dann eingehend mit dem Vorhallenhause beschäftigte, stehen mit den Ergebnissen
der jüngsten Ausgrabungen auf der Römerschanze und bei Buch im Einklange und
machen es wahrscheinlich, dass das typische Vorhallenhaus, von dem man in Skan-
dinavien, in Deutschland und im ganzen östlihen und südöstlichen Europa Beispiele
aus vorgeschichtlichhen Ansiedlungen und in gegenwärtigen Hausformen hat, die erste
entwickelte Stufe auf Deutschlands Boden war. l
Im Anschluss an diesen Vortrag berichtete Dr. A. KIEKEBUSCH über seine
neuesten Ausgrabungen beim Dorfe Buch, nördlich von Berlin, wo er die Über-
reste eines vorgesdhicdtlihen Wohnhauses aus der Bronzezeit auf-
gedeckt hat. Die Fundstelle liegt nordwestlich von dem genannten Dorfe nah dem
Forsthause zu, wo seit einiger Zeit Erdarbeiten für den Bau der 4. städtischen
Irrenanstalt vorgenommen werden. Bei der Freilegung der Stelle stiessen die Arbeiter
auf eine Brandschicht, auf verschiedene geschwärzte Überreste von Holzteilen und
auf Urnenscherben, worauf die Verwaltung des Märkishen Museums benachrichtigt
wurde. Diese entsandte den Ordner der prähistorischen Abteilung zur näheren
Untersuchung nach Buch, und letzterer stellte bald fest, dass die kleinen schwarzen
Stellen Überreste von Pfosten eines vorgeschicdhtlihen Hauses seien. Die in
ziemlich gerader Linie neben einander angelegten Pfostenlöcder, von denen
einige spärliche Reste von verkohlten Holzteilen enthalten, umscliessen einen vier-
eckigen Raum von 6,60 m Länge und 3 m Breite, in dem Dr. KIEKEBUSCH den
Grundriss einesvorgeshidtlihen Wohnhauses erkannt hat. Während
die Pfostenreihe auf drei Seiten eine einfache ist, hat man auf der Ostseite des
Hauses eine doppelte Reihe blossgelegt, die ungefähr 50 cm von einander ent-
fernt ist. Der durch die doppelte Pfostenreihe eingeschlossene Nebenraum ent-
spricht vermutlih dem noch heute bei norwegischen Häusern üblichen Anbau, dem
sogen. „Svalegang“ und diente wohl zum Fortstellen von Geräten und dergl. Zur
Herstellung der Wände zwischen den Pfosten werden die vorgeshictlihen Bewohner
des Hauses vermutlich Flechtwerk von Zweigen verwendet haben, über das sie Felle
oder Haute von Tieren spannten oder das sie mit Lehm bewarfen, doch haben sich
bisher Spuren davon nicht gefunden. Der Eingang des Hauses befand sih an der
Südseite, wo die Türpfosten und die Brandshicht der dazwischen befindlichen
Holztür festgestellt wurden. Ausserdem lag an dieser Seite eine Vorhalle, wie sich
aus der Anordnung zweier im Innern befindlihen Pfosten ergibt. Die Herd-
stelle befindet sich ebenfalls im Innern des Hauses an der Nordseite und be-
steht in einer Grube, in der einige kleinere Steine, Gefasscherben und Knochen-
reste lagen. Das vorgeshidtlidhe Hallenhaus bei Buch zeigt im Grundriss
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem im vergangenen Jahre von SCHUCHARDT auf
der Römerschanze entdeckten Hause und dürfte nach den in seiner Umgebung ge-
fundenen Gefasscherben der jüngeren Bronzezeit (etwa 1000 bis 800 v. Chr.) angehören.
Durch die neuen Funde in Buch und auf der Rémersdhanze, so führte der
Vortragende aus, sei mehr Klarheit in die Wohnungsverhältnisse der vorgeschicht-
lichen Zeit gekommen. Man habe wohl gewusst, dass die Bewohner Südeuropas in der
paläolithishen Zeit in Höhlen und, wie aus Felsenzeichnungen ersichtlich ist, in
III. Aus Museen und Vereinen. 945
Zelten von Tierfellen gewohnt und dass die Menschen der neolithishen Zeit in
Wohngruben, wie sie im Elsass, im Rheinland und in Böhmen erhalten sind, ge-
haust haben, aber man nahm bisher mit Sophus MÜLLER an, dass diese gruben-
artigen Hüttenanlagen der jüngeren Steinzeit und die ovalen Lehmhütten, die sich
in ganz Europa finden, bis in die Völkerwanderungszeit hinein in Nordeuropa die
Wohnstatten der vorgeschichtlihen Bevölkerung gebildet hätten. Dies ist ein Irrtum,
wie die erwähnten Funde deutlich erkennen lassen. Sie zeigen, dass das in Italien
und im östlichen Südeuropa seit dem Beginn der Bronzezeit übliche Hallenhaus mit
rechteckigem Grundriss und mit einer Vorhalle an der Schmalseite bereits in der
jüngeren Bronzezeit auch in Nordeuropa bekannt und gebräudlih war. Was die
theoretische Forschung schon längst behauptet hat, wird durch die neuen Funde
bestätigt und der von Sophus MÜLLER vertretenen Ansicht über das Verhältnis der
nordischen zur mykenischen Kultur, soweit sie sich auf die Wohnplätze im Norden
bezieht, jede Grundlage entzogen. Schliesslih kann es unter Umständen möglich
sein, durch die über die Wohnplätze gelagerte Brandschicht zwei Bauperioden zu
unterscheiden und dadurch Licht zu bringen in die Chronologie des sogenannten
Lausitzer Typus.
In der anschliessenden Diskussion bemerkt Prof. GÖTZE, dass viereckige
Hausgrundrisse, wie sie jetzt von Buch und der Römerschanze gemeldet werden,
in der Mark schon vor Jahren beobachtet worden seien und zwar bei Zauchel und
Niederjeser, beide im Kreise Sorau. Nach BÖTTCHER’s Bericht (Niederlausitzer
Mitteilungen Bd. Il, Heft 4, 1892, S. 275 ff.) handelt es sich An erstgenanntem Ort
um Wohnungen in Form von Redtecken von 4—5 m Länge; sie bestanden aus
etwa 15 cm starken Lehmwänden, die an armstarke hölzerne, in die Erde ge-
schlagene Stöcke von aussen geklebt waren. Die Wohnungen von Niederjeser waren
in gleiher Weise aus 5—7 cm starken Lehmwänden errichtet, die auf der Innen-
seite mit geschälten armstarken Holzpfosten, auf der Aussenseite mit ungescälten
oder doch sehr roh behauenen Balken verkleidet waren. Auch Kochherde aus
Steinen werden erwähnt. Die Anlagen werden von BÖTTCHER in die Hallstallzeit
datiert. Dr. Gustav Albrecht.
%
In der 2. Sitzung des 2. Vereinsjahrs, die am 9. März 1910 im Vortrags-
saale des Märkischen Museums stattfand, teilte der 1. Vorsitzende, Universitäts-
Professor Dr. G. KOSSINNA, mit, dass die 2. Hauptversammlung der deutschen
Gesellschaft für Vorgeschichte vom 1. bis 3. August in Erfurt stattfinden würde
und dass sich daran Ausflüge nach Weimar-Ehringsdorf, Dermbach, Fladungen und
Römhild anschliessen würden. Die Teilnehmer der Tagung würden Gelegenheit
haben, den Durchschnitt eines Schlackenwalles bei Hetschburg und eine Reihe
keltischer Befestigungsanlagen auf den Höhen der Vorderrhön zu sehen.
Der Vorsitzende gedachte darauf des am 4. Februar 1910 verstorbenen Mit-
gliedes, Professor Dr. GRÖSSLER, in Eisleben, eines der Mitgründer der Hauptge-
sellschaft, deren Namen schon der erste Aufruf gebracht habe, und hob rühmend
seine erfolgreiche Tätigkeit auf vorgeschichtlichem Gebiete hervor, die er durch
Untersuchungen der Gräberfelder des Mansfelder Seekreises, der Gräber bei Burg-
scheidungen und des Helmsdorfer Fürstengrabes und durch Veröffentlichungen
über diese Forschungen in der Hallischen Jahresschrift für sächsisch-thüringische
Vorgeschichte bewiesen habe. GRÖSSLER hat auch reichhaltige Sammlungen
vorgeschichtlicher Gegenstände hinterlassen, die zurzeit in beschränkten Räumen
in den beiden Lutherhäusern in Eisleben untergebracht sind, und es wäre zu
246 III. Aus Museen und Vereinen.
wünschen, dass der Magistrat dieser Stadt für eine würdige Aufbewahrung dieser
wertvollen Sammlungen in einem städtischen Museum sorgte (vgl. unten S. 278).
Den Vortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr. Georg WILKE aus
Chemnitz über „Südwesteuropäische Megalithkultur und ihre Be-
ziehungen zum Orient“, in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder
eine Übersicht über die im Westen und Süden Europas, an der afrikanischen
Nordküste und in Kleinasien vorhandenen Megalithbauten gab und an der Hand
der einzelnen Funde die Beziehungen der westländischen Kultur zur orientalischen
erläuterte. Als älteste Megalithbauten sind die Steingräber ansusehen, die aus
3 bis 5 im Kreise gelagerten Steinen und einer Deckplatte bestehen und sich in
Frankreich, Portugal und Spanien sowie auf den Inseln des Mittelmeeres und an
der Küste Afrikas finden, während die Dolmen mit kurzem Gang und vorgesetztem
Eingangsstein schon eine weitere Entwicklung der Megalithkultur kennzeichnen.
Zu einer höheren Kulturstufe sind die Ganggräber zu rechnen, Grabstätten,
die aus einer aus Steinplatten oder grossen Blöcken gebildeten Grabkammer be-
stehen, zu der ein längerer, gleichfalls aus Steinen gebildeter Gang führt, und
ebenso die Ganggräber, bei denen an die Hauptkammer Nebenkammern angesetzt
sind, so dass der Grundriss zuweilen ein Kreuz oder noch kompliziertere Figuren
bildet. Noch jüngeren Ursprungs sind die Steingräber, bei denen durch über-
kragende Steine ein falsches Gewölbe gebildet wird, wie sie sich ausser auf
der Pyrenäenhalbinsel in der Bretagne, in Phrygien und in Mykenä finden. Jünger.
als diese megalithischen Bauten sind dann die vertieften Steingräber, zu
denen ein Gang abwärts führt, der zuweilen mit Stufen versehen ist, oder bei
denen der hinabführende Gang senkrecht steht und mit der Grabkammer durch
einen wagerechten Stollen verbunden ist. Solche Grabbauten finden sich ausser in
Frankreich, Spanien und auf den Inseln des Mittelmeeres auch in Ägypten, Klein-
asien, Persien und anderen Ländern des Orients, und da hier fast ausschliesslich
die fertigen Schachtgräber vorkommen, während in Westeuropa neben diesen die
Anfangsstadien der vertieften Grabanlage sich vorfinden, so kann man annehmen,
dass die Verbreitung dieser Megalithbauten von Westen her über
die Mittelmeerländer nach dem Orient erfolgt ist, zumal die Ent-
wicklung nur von den horizontalen zu den senkrechten Formen vor sich gegangen
sein kann.
Bei manchen Dolmen zeigt eine der Steinplatten ein künstlich eingefügtes
rundes Loch, das sogenannte Giebelloch, doch hat sich diese Besondernheit
nicht in Spanien, sondern, ausser in den östlichen Ländern, wie in Kleinasien und
auf den Inseln des Mittelmeeres, nur in Frankreich und dem nordischen Ver-
breitungsgebiet der Steingräber gefunden. Eine andere bemerkenswerte Erscheinung
bilden die Megalithbauten mit schalenförmigen Vertiefungen auf der Ober- oder
Unterfläche des Decksteines, die sich im Norden, in Spanien und Frankreich, aber
auch im Osten bis nach Japan finden, und ebenso die in englischen Megalith-
gräbern vorkommenden Steinschalen, die auch in Palästina bekannt sind und
lebhaft an gewisse von SCHLIEMANN in Troja gefundene Tonschalen erinnern.
Im Innern der Megalithgräber sind vielfach auch Steinpfeiler oder Holzsäulen als
Stützen verwendet worden, so in Spanien, und die Konstruktion dieser Säulen ist
die gleiche wie bei den Mykenischen Säulen.
Die megalithischen Grabbauten sind den menschlichen Wohnstätten nach-
gebildet. Es sind sowohl vorgeschichtliche Hütten bekannt, zu deren Wohnraum ein
offener oder ein bedeckter Gang führt, als auch Wohnplätze aus historischer Zeit, so
die der Phrygier und Armenier, die nach VITRUVS Schilderung eine ähnliche
Ill. Aus Museen und Vereinen. 247
Anlage zeigen, und noch heute findet man bei den Lappen-Gammen und den
Höhlenwohnungen der spanischen Bergstämme diesen Gang vor dem Wohnraume.
Den Erbauern der Megalithgräber scheint demnach der Gedanke vorgeschwebt zu
haben, dem Toten eine Wohnung zu bieten, wie er sie bei Lebzeiten gehabt hatte.
In Verbindung mit den Steingräbern standen andere megalithische Bauten,
wie die Menhirs, die Alignements und die Cromlechs, die als Kultstätten dienten
und sich nicht nur in England, Frankreich, Spanien und anderen Ländern des
südlichen Europas, sondern auch im Orient zahlreich finden, auch sie scheinen
ihre Verbreitung vom Westen aus gefunden zu haben. Die Menhirs sind frei-
stehende Steine bis 22 Meter Höhe und 1 bis 5 Meter Dicke. Sie sind in der
älteren Zeit meist roh und plump, in der Bronzezeit dagegen sorgfältig bearbeitet.
Sie kommen ausser in Nord- und Mitteleuropa in Nordfrankreich, Spanien und
Portugal, ferner in Afrika, Palästina und im Orient vor. Zuweilen sind sie
wie die Giebelsteine der Dolmen durchbohrt, so auf Cypern, und oft stehen sie
in langen Reihen nebeneinander und bilden die sogenannten Steinalleen oder
Alignements, wie in der Bretagne und an einzelnen Punkten des Orientes.
Eine andere Gruppe megalithischer Denkmäler sind die Steinkreise oder
Cromlechs, die in England, Spanien, Nordafrika, Palästina und Ägypten vor-
kommen und zu denen im Prinzip auch der bekannte Plattenring von Mykenä
gerechnet werden muss. Sie sind als Kultstätten zu betrachten und nach bestimmten
Verbältnissen, die zum Sonnenkult in Beziehung stehen, erbaut. Zu den berühm-
testen Cromlechs gehört das Stonehenge bei Salisbury im südwestlichen England.
Der Vortragende ging dann näher auf den Inhalt der megalithischen Graber
ein und zeigte, dass sich hiernach, ausser der noch vorausgehenden Periode der
Muschelhaufen,vierKulturepochenderneolithischen Zeit unterscheiden
lassen. Die älteste dürfte bis in das 5. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück-
reichen. Ihr gehören die kleinsten und primitivsten Dolmen in Westeuropa, deren
Inhalt rohe Erzeugnisse einer unentwickelten Keramik, Gefässe aus schlechtge-
schlämmtem Ton mit Fingernägel-Verzierungen und ohne Henkel bilden. Daneben
finden sich grob gearbeitete Feuersteingeräte, Knochenpfriemen und Amulettbeile.
In die zweite Kulturepoche gehören die grösseren Ganggräber, die feiner
gearbeitete Tongefässe und sorgfältiger hergestellte Silexgeräte, wie Pfeile und
Speerspitzen enthalten, ferner Schieferplattenamulette mit und ohne Verzierungen
und die sogenannten Krummstäbe, die vermutlich Häuptlingsabzeichen sind. Die
dritte Entwicklungsstufe der neolithischen Zeit bezeichnen die Gräber, in denen
Glockenbechergefässe mit Zickzackverzierung, eigenartige Steinäxte und Marmor-
zylinder gefunden worden sind. Die Gräber der vierten Epoche zeichnen sich
durch einen gewissen Luxus aus: die sorgfältig hergestellten Tongefässe sind be-
malt und mit Tierdarstellungen geschmückt, die Waffen und Geräte aus Feuer- .
stein sauber gearbeitet und poliert und neben Gebrauchsgegenständen finden sich
zahlreiche Schmucksachen aus Stein, Knochen und Muschelschalen.
Bemerkenswert sind die in nordportugiesischen Dolmen der ältesten Kategorie
und in anderen iberischen Begräbnisstätten aufgefundenen Schriftzeichen, die
einmal mit den in Kreta, Cypern und auf trojanischen Spinnwirteln vorkommenden
Schriftzeichen eine grosse Übereinstimmung erkennen lassen, anderseits aber auch
den auf bemalten Kieseln und Renntierstäben des westeuropäischen Asylien be-
obachteten piktographischen Zeichen in überraschender Weise ähneln. Da sich
ausser diesen schriftartigen Zeichen auch noch zahlreiche andere archäologische
Parallelen zwischen der südwesteuropäischen Megalith-Kultur und dem Orient
nachweisen lassen, so muss in neolithischer Zeit eine enge Verbindung zwischen
248 IV. Biicherbesprechungen.
beiden Kulturgebieten bestanden haben und zwar muss angesichts des höheren
Alters der westeuropäischen Funde die Kulturströmung in den älteren Abschnitten
in der Hauptsache von West nach Ost stattgefunden haben, während am Schlusse
des Neolithikums das Verhältnis sich umkehrt. Dr. G. ALBRECHT.
IV. Bücher- Besprechungen.
Gustav Schwantes, Aus Deutschlands Urgeschichte. Leipzig, 1908. Quelle & Meyer.
IV, 183 S. 1,80 M.
In einer Sammlung naturwissenschaftlicher Schriften ist das vorstehende kleine
Werk erschienen. Es beabsichtigt, „der Jugend und weiteren Kreisen des Volkes
eine erste Einführung in die Urgeschichte unseres Vaterlandes in die Hand geben
zu können“; es will also eine bisher schmerzlih empfundene Lücke in der archäo-
logischen Literatur ausfüllen. Fehlte es doch trotz der bedeutenden Fortschritte
unserer Wissenschaft in den letzten Jahren an einem Werk, das die Ergebnisse der
Forschung in schlihter Weise den Kreisen der Laien vortrug.
Die Lösung der Aufgabe, die der Verfasser sich gestellt hat, ist ihm im Wesent-
lichen gelungen. Er ist bestrebt, dem Leser die materielle Kultur in ihrem Werden
vor Augen zu führen, und ihm ein Bild von dem Leben in der Vorzeit zu ent-
werfen. In anschauliher Weise wird Kunst und Handwerk, Leben und Treiben,
religiöse Vorstellungen und Sorge um die Toten geschildert. Man sieht den Menschen
in seiner Behausung, wie er Geräte herstellt und Gefässe fertigt, man begleitet
ihn auf die Jagd und beobachtet ihn beim Bestellen des Feldes.
Die Bedeutung des Werkes wird dadurch nicht geschmälert, dass es als erstes
seiner Art mancher Verbesserungen bedarf. So wirkt es störend, dass bei der Behandlung
der jüngeren Steinzeit der Einfluss des Orients auf das Abendland zu stark in den Vorder-
grund tritt. Der Verfasser lehnt sich dabei eng an MONTELIUS und S. MÜLLER an, und
leitet Megalithgräber, Glockenbecher u. a. m. von den südöstlichen Kulturlandern ab.
Wohl spricht er den Nordländern „eine gewisse Selbständigkeit in der Erfindung und
besonders der Weiterentwicklung der südlichen Einflüsse“ nicht ab, aber er hätte diese
den fremden Einflüssen gegenüber auch wirklich genügend betonen müssen! So,
- fürchte ich, bekommt der Leser von den neolithischen Kulturen Nordeuropas ein
ganz falsches Bild, zumal Verf. von einem „barbarischen Europa in der Stein- und
Bronzezeit“ redet. Ferner ist die häufige Wiederkehr des Ausdruckes „Barbaren“
selbst noch bei Behandlung der römischen Kaiserzeit etwas auffallend, wo doch
ausdrücklich die „eigenen Kulturen der geistig hoch veranlagten Nordvölker“ hervor-
gehoben werden.
Erläutert werden die Ausführungen des Verfassers durch 170 meist der Fach-
literatur entnommene Abbildungen, die recht sorgfältig ausgewählt sind und den
Text in treffliher Weise ergänzen. Vielleicht ist es möglich, einige von ihnen bei
einer späteren Auflage durch deutlichere zu ersetzen. So kommen in den Figuren
55 und 57 die Verzierungsmuster der Gefässe nicht zur Geltung, wie man überhaupt
die Abbildung wirklich schöner neolithischer Keramik vergeblich sucht.
IV. Bücherbesprechungen. 949
Ethnologishe Probleme hat der Verfasser nicht angeschnitten, wie er auch
auf eine Ausarbeitung von Kulturgruppen völlig verzichtet. Und zwar mit gutem
Recht; denn derartige Fragen gehören nicht in ein Buch hinein, das zur Einführung
dienen soll. l
Das geringe Verständnis weiterer Kreise für Vorgeschichte liegt einerseits
an der unzweckmässigen Aufstellung des Materials in den meisten Museen, sodann
aber auh an dem Fehlen “einer geeigneten Einführung. Es ist zu hoffen, dass
das vorliegende Werk denen, die Interesse für die Vorzeit haben, ein erster Weg-
weiser sein und sie anregen wird zu tieferem Eindringen in die vorgeschichtliche
Wissenschaft: dann hat es seinen Zweck erfüllt.
Delitzsch. Ernst Wahle.
Th. Bieder, Beiträge zur Geschichte der Rassenforshung und der Theorie der
Germanenheimat. Leipzig. Thüringische Verlagsanstalt 1909. Beiträge zur Rassen-
kunde. Heft 7.
Der Verfasser hat in seiner überaus fleissigen Arbeit dem Mangel an einer
historischen Übersicht über die genannten Forschungsgebiete einigermassen abzu-
helfen gesucht durch Zusammenstellung der „Ansichten und Erfahrungen einiger
Urgeschichtsforsher, deren Namen und Meinungen in den einschlägigen Werken
entweder gar nicht oder doch nur oberflächlich berührt werden.“
Die Literatur über die historische Rassentheorie (speziell diese meint der
Verfasser unter Rassenforschung) schwillt ja immer mehr an, und kaum ein Jahr
vergeht, in dem nicht mehrere dicke Bücher und eine grosse Anzahl längerer und
kürzerer Aufsätze darüber veröffentliht würden. Leider muss man sagen, dass bei
der grossen Mehrheit der Druck ohne Schaden hätte unterbleiben können. Zu
einem besseren Verständnis der zunächst unglaublichen Fehler, Unrichtigkeiten und
Begriffsverwirrungen kommt man nun durch Betrachtung der früheren fast ver-
gessenen und unbekannten Vorläufer der Rassentheorie, mit denen die heutigen
dilettantischen Aussenseiter rassentheoretischer Forschung oft sogar in Einzelheiten
übereinstimmen, wenn auch eine unmittelbare Beeinflussung ausgeschlossen ist.
Natürlich können wir, die wir an die exakte und ins einzelne gehende Methode der
modernen Urgeschichtsforschuug gewöhnt sind, an den ganz allgemeinen Gründen
und Beweisführungen voriger Jahrhunderte an und für sich nur in bedingtem Masse
Geschmack finden; selbstverständlich aber bleibt dadurch der geschichtliche Wert der
Arbeit unberührt.
Berlin. Ulrih Berner.
0. Schötensack, Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von
Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen. Leipzig, 1908,
Verlag Engelmann.
Die bedeutenden Aufschlüsse, die der Heidelberger Kiefer in morphologischer
Beziehung brachte, veranlasst mich heute noch, auf Wunsch des „Mannus“, eine
kurze Besprechung nachzuholen, zumal diese Entdeckung über alles gegenwärtig
aktuelle hinaus ihre hervorragende Bedeutung beibehält. Eröffnet dieser Fund
doch für alle Kreise, die sich um die Paläanthropologie gruppieren, neue Perspektiven.
SCHÖTENSACK hat schon vor 20 Jahren seine Aufmerksamkeit dem Diluvium
von Mauer zugewandt; dadurch war von vornherein einer etwaigen Verschleude-
rung von Funden vorgebeugt, eine Massnahme, die sich nicht als unangebracht
250 lV. Biicherbesprechungen.
erweisen sollte: denn am 21. Oktober 1907 ward ein Unterkiefer als das älteste
organische Relikt des Menschen aus den Diluvialsanden von Mauer geborgen.
Das Profil der Fundstatte, etwas vereinfacht, ist folgendes:
Jüngerer Löss . . . en ee ae ee N:
Älterer Löss, resp. Sandlöss be et 4,18 ,
Sand, Geröllshicht mit Eisttansportblöcken. und Unio:
resten, Letten und Geröll wechselnd .... . . 715,
Fetter Letten. . . Ge BE aa we ee DS
Wechselnd Sand und wen a Gongs eh SR. ca Gk. eae co Se. TOD a
Sand... . » 3,13 4
Fundsdhidt: Geröllschicht mit dunnen leteniigen . 0,10 ,
Sand durchzogen von einer Geröllschicht mit weissem
Jura und Unio . . . 0,87 ,
Das geologische Alter dieser fossilführenden Sande ind durch Tiere wie
Rhinoceros etruscus, Equus stenonis, Elephas antiquus, Ursus Deningeri, Bison
priscus, Cervus capreolus, Cervus elaphus, Cervus latifrons usw. als altdiluvial
bestimmt.
Die bisher sehr verschiedene Zuteilung, welche die Sande von Mauer er-
fahren haben, zeigt, wie schwierig es ist, auf paläontologischer Basis den Alters-
beweis durchzuführen. Das faunistishe Kolorit lässt Beziehungen zu der Forest
bed- und der Mosbacher Fauna erkennen.
Die Paläontologie und vergleichende Stratigraphie weist den Homo Heidel-
bergensis als ältestes menschliches Fossil an den Ausgangspunkt unserer gesamten
paläanthropologishen Fundgruppen. Dieses wird bestätigt durch die morphologische
Stellung, die der Heidelberger Kiefer unter den letzteren einnimmt. Die anato-
mische Untersuchung der Mandibula stützt sich auf die morphologische Methode von
H. KLAATSCH. Die spezifische massige Ausbildung des Kiefers lässt zunächst keinen
Vergleich mit den prähistorishen Gruppen zu. „Angenommen, nur ein Fragment
wäre gefunden ohne Zähne, so würde es nicht möglich sein, dieses als menschlich zu
diagnostizieren. Mit gutem Grunde würde man bei einem Teile der Symphysenregion
die Zugehörigkeit zu einem Anthropoiden, etwa von gorilloidem Habitus, vermuten,
und bei einem Bruchstücke des Ramus ascendens an eine grosse Gibbonvarietat
denken“. Auffallend ist das vollkommene Fehlen des Kinnvorsprungs, ein Charak-
teristikum, das noch in weit verstärkterem Masse hervortritt, als dies bei den bisher
vorliegenden Kiefern des Diluvialmenschen der Fall ist. Gewaltige Dimensionen
zeigen der Unterkieferkörper und die Äste.
Die wichtigsten Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit dieses Fossils zur Species
„Homo“ licgen in der Ausbildung des wohl erhaltenen Gebisses. Die Zähne ragen
nicht über die Variationsbreite des rezenten Menschen heraus, sie tragen zur Evidenz
den Stempel „Mensch“. Um so markanter kommt daher die Disharmonie der kleinen
Zähne und des gewaltigen Kiefergeriistes zum Ausdruck. Die Canini stehen im
Einklang mit den niedrigen Zähnen, sie sind nicht stärker entwickelt, wie es etwa bei
einem primitiveren Gliede der menschlichen Vorfahrenreihe anzunehmen wäre. Auch
der dritte Molar zeigt keine übermässige kräftige Entwicklung. Für einen vierten
Molar wäre noch bequem Raum geschaffen. Die Pulpahöhlen sind geräumiger als
diejenigen bei den rezenten Europäcrn kindlichen Alters. „Es liegt auf der Hand,
dass wir es bei dem Homo Heidelbergensis mit der Fortführung eines Merkmals
zu tun haben, das heute für den Jugendzustand von Europäern typisch ist. Damit
soll nicht eine sekundäre Ausprägung eines infantilen Charakters behauptet werden,
sondern die Persistenz eines primitiven Charakters überhaupt, wie er in der Stam-
IV. Biicherbesprechungen. 251
mesgeschichte des Primatengebisses als notwendiges Durchgangsstadium angenommen
werden muss“. Die relativ dünne Wandung der Zähne, die eine den Höckerbil-
dungen entsprechende Faltung und Biegung erhielt, ist gleichfalls auf diesen Fort-
bildungsprozess zurückzuführen. „Kein Anthropoidenstadium kann hier voraus-
gegangen sein. Wir haben es hier vielmehr mit einem uralten, gemeinsamen Ur-
zustand zu tun, wie er auch dem der Anthropoiden vorausgegangen sein muss“.
Ein Vergleich der Heidelberger Mandibula mit den paläolithischen Unterkiefern be-
stätigt, dass das Heidelberger Fossil bis in die Einzelheiten einem Vorfahrenstadium
desjenigen von Spy I. entspricht, damit kommen wir auf seine zentrale Stellung als
präneandertaler Typus zurück. „Die Mandibula des Homo Heidelbergensis lässt den
Urzustand erkennen, welcher den gemeinsamen Vorfahren der Menschheit und der
Menschenaffen zukam. Der Fund bedeutet den weitesten Vorstoss abwärts in die
Morphogenese des Menschenskelettes, den wir bis heute zu verzeichnen haben“.
Unsere Frage nach der Kultur des Homo Heidelbergensis bleibt vorerst offen.
Weder bearbeitete Tierknochen noch Silices konnten nachgewiesen werden.
Das SCHÖTENSACK’sche Werk hat eine geschmacvolle Ausstattung erfahren
und wird begleitet von einer wertvollen Tafelserie, die ausser sieben photo-
graphischen Wiedergaben des Kiefers, Ansichten der Réntgendurchstrahlung, Ab-
bildungen der Tierwelt von Mauer und des Profils umfasst.
Tübingen. Rob. Rud. Schmidt.
Forrer, Dr. Robert, Keltishe Numismatik der Rhein- und Donaulande. Mit
555 Münzabbildungen, 48 Tafeln und Karten. Strassburg, Karl J. Trübner. 1908.
24 M.
FORRERS „Keltishe Numismatik“ behandelt die Münzprägung der keltischen
und germanischen Völker vorzugsweise in den Rhein- und Donaulanden, in der
Zeit, bevor diese Gebiete dem römischen Reiche einverleibt wurden. Voran geht:
ein systematischer Teil, der in die Geschichte der Disziplin einführt, die Entlehnung
fremder Typen und ihre allmähliche Weiterbildung, Münzmetall und Miinztechnik
behandelt. Auch später kommen noch einige Kapitel, die mehr systematischen
Inhalts sind (z. B. 31, 32, 46). Es folgt der beschreibende Teil, der das erhaltene
Münzmaterial vorführt und örtlihe und zeitliche Zuteilung sowie die Fragen der
Typen und der Währung behandelt. Spanien beginnt, dann folgt das eigentliche
Gallien; von nun an gibt das jeweilige Vorbild die Disposition ab: Nachahmungen
nach Münzen von Rhoda, Emporiae, Massilia, Tarent usw., nach römisch-republi-
kanischen Denaren und Kaisermünzen. Dann geht es zu den Nachahmungen nach
mazedonischen und anderen nordgriehischen Silbermünzen: Philipp ll., Patraos,
Audoleon, Alexander lll., Philipp IIl., Lysimachos, Thasos, Maroneia usw.; endlich
folgen die „Regenbogenschüsselhen“ und die weitverzweigte Gruppe von Gold-
münzen nach Philipps II. Muster. Ein allgemeiner Abschnitt über die Lehren, die
aus der Verbreitung der einzelnen Vorbilder für die Wege und Wandlungen der
Kultur sich ergeben, ein paar Nachtragskapitel, zwei Exkurse über die besonderen
Münzverhältnisse der Schweiz und den grossen Goldmünzfund von Tayac-Libourne,
in dem FORRER ein Überbleibsel aus dem Kimbernzuge erblickt (vgl. dagegen
jetzt BLANCHET: Revue des études anciennes 1910, S. 21 ff.), sowie die Register
bilden den Schluss. Textabbildungen in reicher Fülle, leider technisch oft nicht auf
der Höhe, illustrieren das Ganze und werden zum Schluss nochmals auf 48 Tafeln
wiederholt.
Für die vorgeschichtlihhe Forschung in Deutschland spielen die römischen
Münzen, besonders die der Kaiserzeit, bekanntlich eine nicht unbedeutende Rolle
252 IV. Biicherbesprechungen.
als eines der Mittel zur Datierung von Fundgenossen, von Schichten und Siedelungen.
Weit minder bedeutsam ist in diesem Zusammenhange die Rolle der keltisch-ger-
manischen Münzen, einmal weil sie nur in einem kleineren Teile Reichsdeutschlands
vorkommen, vor allem aber einfach deshalb, weil sie selbst einer sicheren Datierung fast
stets ermangeln: nie tragen sie wirkliche Jahreszahlen, historisch bekannte Personen
kommen auf ihnen nur selten, Namen datierbarer staatlicher Verbände fast nie vor;
Münzen, deren Typen oder Aufschriften sich auf bestimmte historische Ereignisse be-
ziehen, fehlen hier so gut wie ganz; endlich und vor allem versagt aber hier auch der
Stil als Datierungsmittel fast völlig: die Typen sind meist nicht originell erfunden, sondern
fremden nachgeahmt, und nur die grössere oder geringere Stümperhaftigkeit der
Entlehnung scheint die Möglichkeit, eine relative Chronologie aufzustellen, zu ge-
währen; aber auch diese Möglichkeit wird hinfällig, da für grössere Barbarei oft
nicht ein weiterer zeitliher Abstand von der Vorlage, sondern die Tatsache die
Ursache ist, dass es sich um Nachahmungen nach Nachahmungen handelt, wie Ver-
fasser das mehrfach treffend betont. Im wesentlichen dieselben Gründe, vor allem
das fast völlige Fehlen von Orts- und Landesnamen, erschweren auch die örtliche
Zuteilung dieser keltisch-germanischen Prägungen, für die wir schliesslich fast nur
auf Fundnotizen angewiesen sind. Alle diese Schwierigkeiten und dazu der uner-
freuliche Stil der Münzen haben es mit sich gebracht, dass die Forschung hier sehr
vernachlässigt ist, und darum ist jedes Werk, welches das alte Material wiederum
durcharbeitet und ordnet sowie neues zur Stelle schafft, dankbar zu begrüssen.
So also auch das FORRERsche.
Besondere Anerkennung verdient FORRER namentlih dafür, dass er den
wenigst bebauten Teil der keltischen Münzforschung, nämlich das sog. ostkeltische
Gebiet, sich hat besonders angelegen sein lassen, und die Abschnitte über jene
grossen Silberstücke nach dem Muster Philipps II. und ihre Deszendenten bis hinab
zu den Häuptlingsmünzen eines Biatec, Adnamat usw., ihre örtliche und zeitliche
Verbreitung, die Entwicklung und Umbildung ihrer Typen sind eine in jeder Be-
ziehung gelungene Leistung. Mancherlei Mängel, wie allzukühner Flug der Phantasie
bei Ausbeutung numismatischer Tatsachen zu historischen Schlüssen, Störungen der
Disposition, nichtausreichende Ausschöpfung der übrigen Literatur, nachlässige Zitier-
methode, die ihm anhaften, sind schon an anderer Stelle (Römisch-germanisches
Korrespondenzblatt 2, 1909, S. 27 ff., vgl. auch KUBITSCHEK in der Wiener numis-
matischen Zeitschrift 42, 1909, S. 267 ff.) besprochen worden.
Berlin. Kurt Regling.
Carl Blasel, Die Wanderziige der Langobarden. Ein Beitrag zur Geschichte und
Geographie der Völkerwanderungszeit. Breslau 1909, Müller & Seiffert. XIX,
133 S. 8°.
Da wir cine Fülle von Abhandlungen älteren und jüngeren Datums über die
Langobarden besitzen, so ist die Arbeit von BLASEL schon wegen der eingehend
behandelten Literatur in geschichtliher Übersicht sehr willkommen. Der Verfasser
will, gestützt auf die Vorarbeiten, vom historishen Standpunkte seine Aufgabe
lösen. „Wo andere Fachwissenschaften, wie Archäologie, Ethnographie, Rechts- und
Sprachwissenschaft in Frage kommen, da soll des Verfassers Urteil schweigen, und
nur die gesicherten Ergebnisse derselben sollen referierend zur Darstellung kommen
und zum weiteren Ausbau dienen.“
Der Vorgeschichtswissenschaft jedoch hätte schon in der Untersuchung der Ur-
heimat der Langobarden ein grösserer Raum gewährt werden, ja sogar die Ent-
IV. Bücherbesprechungen. 253
scheidung zufallen müssen. Der Verfasser aber tut kurz die Ansichten derer ab,
welche die Heimat der Indogermanen oder Germanen im Norden Europas suchen.
Auch durfte er nicht die Forschungen von MONTELIUS zusammenstellen mit der
phantasievollen Arbeit des OLAF RUDBECK aus dem Jahre 1675, der den plato-
nischen Mythus von der Insel Atlantis auf Skandinavien beziehend, die Asen, Giganten,
Amazonen, Goten, Langobarden usw. von da stammen lässt. Hätte der Verfasser
die gesicherten Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von KOSSINNA sich
zu eigen gemacht, nach denen die Goten aus Skandinavien eingewandert sind, dann
würde er auch nicht so hart über JORDANES geurteilt haben, dem er Unverfroren-
heit in der Erfindung der Ursitze seines Volkes vorwirft.
Die Nachrichten der antiken Schriftsteller über die Heimat der Langobarden
vereinigt der Verfasser mit denen der langobardischen Geschichte, indem er den
Nachweis zu bringen sucht, dass auch Scathanavia des Fredegar, Scadana in der
Origo gentis Langobardorum und Scatenauge im Chronicon Gothanum die Gegend
an der Unterelbe bezeichnet. Erst PAULUS DIACONUS habe fälschlih unter dem
Einflusse von PLINIUS und JORDANES die für ihn unverständliche Bezeichnung
Scadana auf die Halbinsel Skandinavien übertragen.
Als Zeitpunkt der Auswanderung aus der Heimat bestimmt der Verfasser die
Wende des 4. oder den Anfang des 5. Jahrhunderts. Doc die Erwägung, dass die
Langobarden in das ostelbische Land gezogen sind, als dieses von den ostgermani- `
schen Stämmen aufgegeben war, da das kleine Volk seinen Weg nicht mit Waffen-
gewalt erzwingen konnte, ist nicht stichhaltig. Denn die Ostgermanen hatten sich
nach den Forschungen von KOSSINNA in jenen Gegenden nicht so weit nach Westen
ausgedehnt, dass sie die Langobarden an der Ubersiedlung in das Gebiet rechts
der Elbe hätten hindern können.
Bei der Behandlung der Wanderstationen der Langobarden zieht der Ver-
fasser auch archäologische Funde heran. Doc die Schalenurnen des 3. und 4. Jahr-
hunderts, die in Böhmen und im Waagtale vorkommen, und die er mit WEIGEL
für die Langobarden in Anspruch nimmt, gehören allen Westgermanen an. Aber
auch die Funde von Tonscherben des Darzauer Gefasstiles im Waagtale beweisen
den dortigen Aufenthalt der Langobarden nicht, da der Typus der Maänderurnen
nach KOSSINNA nur bis zum Anfang des dritten Jahrhunderts sich findet und nicht
auf die Langobarden beschränkt ist. Nach den in der Wandersage genannten
Stationen nimmt der Verfasser an, dass die Langobarden vom Bardengau über die
Elbe zogen, dem Laufe des Stromes nach Süden folgten und dann nach Schlesien
abbogen; von dort wanderten sie nach Böhmen und 488 in das Rugiland.
Es hätte hier erwähnt werden müssen, dass noch in späterer Zeit nördlich
der Alpen Langobarden sassen; denn nach der Nachricht des Johannes von
Ephesus, auf die KOSSINNA in der Zeitschrift für deutsches Altertum Band 35
S. 264 aufmerksam gemacht hat, standen unter Justinian im Perserkriege des
Jahres 575 60000 Langobarden, die offenbar die Hilfstruppen sind, die nach
EUAGRIUS jenseit der Alpen ausgehoben worden waren.
Mit Recht verweist der Verfasser den Zusammenstoss der Langobarden mit
den Amazonen in das Bereich der Fabel. Daran schliesst er eine Geschichte der
Amazonensage, weil noch kürzlih WESTBERG versucht hatte, die Amazonen als
historisches Volk nachzuweisen.
In den drei letzten Kapiteln behandelt BLASEL den Zug der Langobarden
vom Rugiland über das „Feld“ nach Pannonien, die langobardischen Quellen und
die verschiedenen Deutungen des Langobardennamens.
Berlin. Walther Sulz.
954 IV. Bücherbesprechungen.
Robert Gradmann, Der Getreidebau im deutschen und römischen Alter-
tum. Beiträge zur Verbreitungsgeschichte der Kulturgewächse. Jena. 1909. 111 S. 8°.
GRADMANN hat früher (Württ. Jahrb. für Statistik und Landeskunde 1902)
nachzuweisen versucht, dass der Spelz ein altes und eigenes Kulturgut der Ale-
mannen sei. Eigentlih niemand war mit seinen Schlussfolgerungen einverstanden,
aber es liess sich wenig gegen sie vorbringen. Erst HOOPS (Waldbäume und Kultur-
pflanzen) stellte die Tatsachen zusammen, die der GRADMANNscen Annahme ent-
gegenstanden. Er ging sogar weiter und meinte beweisen zu können, dass der
Spelz dasselbe sei wie das römische Far. Hierzu nimmt GRADMANN jetzt aufs
neue Stellung, und in dem vorliegenden Buche ist dem Spelz mehr Raum gewidmet
als allem anderen Getreide zusammen. Wie ein Motiv hört man überall aus der Dar-
stellung heraus, dass die Germanen keine einzige Getreideart den Römern zu ver-
danken haben. Andrerseits wird der römische Ursprung des deutschen Gartenbaues
voll anerkannt. Es ist GRADMANN gelungen, nachzuweisen, dass die Berichte aus
dem orientalishen und klassischen Altertum, die man früher auf Spelz bezogen
hat, zum grossen Teile Emmer betreffen, und dass der Rest, soweit es sich
nicht um Einkorn handelt, zweifelhaft bleibt. Für den ganzen Orient und Ost-
europa lässt sich jetzt mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass man dort niemals
Spelz gekannt hat, für Italien ist das gleiche wenigstens möglich. Prähistorisch ist
Spelz aus der Bronzezeit der Westschweiz nachgewiesen. In der Literatur erscheint
er 301 n. Chr., und zwar zugleich als scandula und spelta und zusammen mit Roggen
und Hafer. Im frühen Mittelalter hat man dies Getreide in Südwestdeutscland,
dem Mosellande und Nordostfrankreich gebaut, die gegenwärtigen Anbaugebiete sind
Südwestdeutschland, Belgien, Dauphiné und Nordspanien, und zwar hier nach Will-
komm (Vegetationsverh. d. iber. Halbinsel) besonders Asturien, nicht „Gallaecien“,
wie GRADMANN S. 100 vorträgt. Die Grenze des Hauptspelzgebietes in Südwest-
deutschland fällt im Mittelalter wie noch jetzt auf weiten Strecken in auffälliger
Weise zusammen mit den Grenzen der alemannischen Siedelung. Den Ausnahmen
gesteht GRADMANN wenig Bedeutung zu, während HOOPS gerade diese hervor-
gehoben hatte. Wie wäre es, wenn man einmal die alten Spelzkulturen mit den
Sprengelgrenzen von Basel, Augsburg, Eichstätt, Speier und Trier verglihe? Es
scheint ja, als seien diese Sprengelgrenzen identisch mit Bezirksgrenzen der aus-
gehenden römischen Kaiserzeit. Die auffälligste spelzfreie Exklave des alemannischen
Siedelungsgebietes ist jedenfalls das Bistum Strassburg, von Basel her reicht der
Spelz in GRADMANNS Nachweisen bis Colmar, von Speyer her bis Hatten. Das
mittelrheinishe Gebiet betrachtet GRADMANN übrigens nicht mehr als alemannisch;
die meines Wissens kaum bestrittene Tatsache, dass die deutsche Sprachgrenze im
Bezirk Lothringen, die keine Spelzgrenze ist, eine alte Alemannengrenze sei, wird
nicht erörtert. Die Spelzkultur im Bistum Trier wird mit der belgischen zusammen
als altkeltisch angenommen. Der Ursprung des Spelzes erscheint nun ganz dunkel.
Aus den vorgeschictlihen Funden ergibt sich, dass er in der Schweiz lange war,
bevor die Alemannen kamen, und in deren vorgeschichtlihen Wohnsitzen ist keine
Spur von Spelzbau erkennbar. Der von GRADMANN angedeutete Ursprung dieses
Getreides aus einer vorgeschichtlihen deutschen Steppe ist unannehmbar. Denn
soweit wir die postglazialen Felder auf Grund von Fossilien und Relikten im Geiste
wiederherstellen können, müssen sie in Fauna und Flora durchaus einen russisch-
sibirishen Charakter gehabt haben — und dort im Osten wird ja gerade jede Spur
von Spelz vermisst. Dieser muss demnach wohl westeuropäisch sein. Ich méchte
darauf hinweisen, dass in südfranzösishen Fruchtäkern zuweilen Bastarde entstehen
zwischen dem Weizen und einem Unkraute namens Aegilops. Nach Rückreuzungen
IV. Biicherbesprechungen. 255
mit Weizen entsprangen in Kulturversuchen aus solchen Bastarden samenbeständige
Rassen eines minderwertigen, in manchen Merkmalen spelzähnlichen Getreides
(Aegilops speltaeformis). Auch Bastarde zwischen verschiedenen Arten dreschbaren
Weizens haben in mehreren Fällen Spelzmerkmale gezeigt. (Vgl. Solms, Weizen
und Tulpe, wo die betr. Literatur zusammengestellt ist.)
Ausser dem Spelz behandelt GRADMANN nur noch den Emmer etwas aus-
führliher (10 Seiten). Er legt grosses Gewicht darauf, dass dessen wilde Stamm-
form in Palästina entdeckt sei. Aber wie will man in jenem Lande einem wilden
Weizen ansehen, dass seine Ahnen nicht verwilderte Kulturpflanzen waren? Im
Strassburger botanischen Garten trieb dieser angebliche Urweizen (Triticum dicoc-
coides) aus ein und demselben Stocke so verschiedenartige Halme, wie man es bei
einem spezifisch reinen Grase nicht für möglich halten sollte. Obwohl so die Basis
der GRADMANNschen Ausführungen eine ganz unsichere wird, muss doch anerkannt
werden, dass die olyra der alten Ägypter, das Kussemet des Alten Testaments und
manche altgriechische zeia zum Emmer gehören. Dass auch das römische far Emmer
sei, lässt sich nicht so sicher beweisen. Von far gab es nämlich verschiedene Arten
(Columella VI), und wenn auch die meisten Emmer waren, könnten andere doch
Spelz gewesen sein. Nach Arcangeli Compendio della flora Italiana (1882) wäre
Emmer in Italien jetzt ohne Vulgärnamen, während der Spelz „Grano-Farro“ hiesse.
Die Abstammung des Weizens vom Emmer ist recht unwahrscheinlich, da
beider Bastarde grossenteils unfruchtbar ausfallen (s. die Quellen bei Solms a. a. O.).
Den bei Cato und Columella stark hervortretenden Unterschied von triticum und
siligo hat GRADMANN nicht erörtert.
Uber das paläolithische Getreide, das GRADMANN mehrfach erwähnt, habe
ih mich schon bei Besprehung des HOOPSschen Buches (Gött. gel. Anz. 1906,
S. 939) sehr skeptisch geäussert. Inzwischen habe ich von gut unterrichteter Seite
erfahren, dass diese Funde in Frankreich nie ernst genommen, aber aus persönlichen
Riicksichten nicht kritisch beleuchtet wurden.
Der Hafer ist nah GRADMANN möglicherweise ein Parvenü aus dem Stande
der Unkräuter. Wenn in schlechten Jahren auf den Saatfeldern nichts stand als
Avena fatua, musste man notgedrungen diesen essen, gewöhnte sih an ihn und
zog ihn schliesslich des sicheren Ertrages wegen dem alten Getreide vor.
Strassburg i. E. Ernst H. L. Krause.
Carl Schuchhardt als römisch-germanischer Forscher’).
Unter allen meinen Gegnern ist SCHUCHHARDT wohl der rührigste. Noch
1902 soll er freilich nach der Mitteilung KOEPPS in der Zeitschr. f. Vaterländ.
Gesch. und Altert. zu Münster 60, S. 2 ausgesprochen haben, er „verschmähe“ es,
„sich auf Diskussionen“ mit mir „ferner einzulassen‘; natürlich, denn Lorbeeren
waren für ihn hierbei nicht zu pflücken. Das hielt ihn aber doch nicht ab, nun-
mehr in seinen vielen Vorträgen, Aufsätzen und Kritiken — denn auch das gehört
heutzutage zur wissenschaftlichen Methode — fortwährend versteckt oder offen
mn nn
') Um den Vorgeschichtsforschern einen Überblick über die Streitfragen der römisch-germanischen
Forschung zu geben, auf die sich die ‘Erklärung’ (Mannus I, 326) und die ‘Entgegnung’ (Mannus II, 265 ff.)
unseres Mitgliedes Direktor Prof. Dr, KNOKE gegen die auf die Leichtgläubigkeit der Leser spekulierenden
Anwürfe Carl SCHUCHHARDT’s beziehen, sei hier auf die Schlaglichter hingewiesen, die KNOKE bereits
in seiner Schrift „Eine Eisenschmelze im Habichtswalde tei Stift Leeden, Berlin 1901*. S. 14—26 auf
diese Dinge im allgemeinen und auf die wissenschaftlich - sittliche Persönlichkeit SCHUCHHARDT’s im
besonderen geworfen hat. — Was hier oben zur Würdigung SCHUCHHARDT’s mitgeteilt wird, ist ein
Wiederabdruck aus KNOKE’s späterer Schrift: Neue Beiträge zu einer Geschichte der Römerkriege in
Deutschland. Berlin 1907. S. 46 ff. Der Herausgeber.
256 IV. Bücherberprechungen.
sich in Ausfallen gegen mich zu ergehen. Darum erscheint es angebracht, di.e
Tätigkeit diesesManneseinmal in etwashelleres Licht zuriicken.
Bekannt machte sich SCHUCHHARDT zuerst durch die Entdeckung
römischer Kastelle im Hannoverschen. Dahin gehörte die Aseburg, der Schulten-
hof zu Rüssel und die Wekenborg an der Hase, ferner die Wittekindsburg bei
Rulle und die Heisterburg bei Deister. Ja dieses Gebirge sollte nach ihm gar mit
einer grösseren Menge römischer Kastelle ausgestattet worden sein. Scherben, die
er in den Burgen vorgefunden hatte, sollten „zweifellos römischer Import“ sein.
„Weisse Topfware und gar mit Bemalung, so meinte er, sei sowohl für altgerma-
nische wie für mittelalterliche Fundstätten bei uns ganz unerhört‘“. Auch die ,,dick-
wandige dunkele Topfware‘“ musste nach ihm der römischen Zeit zugewiesen werden.
Ja sie sollte „künftighin als ein wichtiges Datierungsmittel für andere Fundstätten
verwendet werden“. Weitgehende Folgerungen für die Wissenschaft wurden dem-
nach an seine Entdeckungen geknüpft.
Es war nur schade, dass alle diese Kombinationen sich gar bald als
trügerisch erwiesen. Konst. KOENEN deckte nämlich eine karolingische
Töpferwerkstatt bei dem Orte Pingsdorf mit denselben rotbemalten Scherben auf
und damit brach das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen.
Diese Erfahrung wäre nun freilich wohl geeignet gewesen,
SCHUCHHARDT zu einiger Bescheidenheit zu führen. Doch würde
das nicht seinerÄrtentsprochen haben. Erwusste vielmehr sich
baldzuhelfenundmachteausderVerlegenheiteineTugend,indem
erohne weiteres aufdem Bremer Philologentage sich nunmehr
dahin äusserte, „man“ habe zwar jeneBurgen bisher für römisch
gehalten oder, wieersich aneineranderen Stelle ausdrückt, sie
seien „bisher fast immer als römisch angesprochen“, er könne
jedoch nunmehrbeweisen, dass siekarolingisch seien. Er zeigte
alsokeineSpurvonReue,sondernrechneteessichobendreinnoch
zum Verdienst an, die Ergebnisse der Wissenschaft berichtigt zu
haben. Dass er es aber selbst gewesen, durch den der Irrtum in
die Welt gekommen war, das wurde wohlweislich von dem Vor-
tragenden verschwiegen.
Zum zweiten Male wurde unser Forscher als Beurteiler des Varuslagers
im Habichtswalde viel erwähnt. Wir haben bereits dargelegt, wie er dieses Lager
anfangs als eine Forstanlage ausgab'), dann aber JOSTES Recht gab, indem nun-
mehr — was ihm früher entgangen war — die Umwallung „durchaus den Charakter
der bäuerlichen Zuschlagswälle“ haben sollte”), und wie er endlich wieder RITTER-
U KNOKES. 15: Die üblen Erfahrungen, die die Herren machten, begannen sogleich mit der Veröffent-
lichung des Herrn SCHUCHHARDT. So hiess es S. 196: „Das Profil des äusseren Rings zeigt keinen regel-
mässigen Wall und Graben, wie er alten Befestigungen immer eigen ist*, eine Bemerkung, die geradezu laienhaft
erscheinen musste, und wohin das Urteil: „dieganze äussere Umwallung muss ich daher für eine Wallhecke
halten, die von der Forstverwaltung angelegt ist* führen musste, sollte sich bald zeigen. Dazu die vielen
unrichtigen Behauptungen im einzelnen. Eine Erwiderung, die ich noch in demselben Bande der „Mitteilungen“
drucken lassen durfte, konnte denn auch mit den Worten schliessen: „Das Ergebnis dieser Ausführungen ...
ist demnach, dass keine der gegen mich vorgebrachten Behauptungen des Herrn SCHUCHHARDT den
Tatsachen entspricht und dass ebenso sein Urteil über den Ursprung oder den Zweck des Werkes sicher
zu verwerfen ist.*
4) KNOKE, S. 17: Ganz sicher schien sich SCHUCHHARDT bei seiner Behauptung, das dort befind-
liche Lager sei von einem Förster hergestellt, doch nicht zu fühlen. Denn als Professor JOSTES aus Münster
herausgebracht haben wollte, die Anlage heisse im Munde des Volkes „Schulte Loosen Toslag* und sei von ihrem
Besitzer bei Gelegenheit der Markenteilung i. J. 1668 angelegt, da erklärte er in den Mitteilungen der
Westfal. Altertums-Kommission 1S.41 scfort, jetzt erst sei mein Varuslager endgültig aus der Welt geschafft.
„Denn, so sagte er, dass eine Sache nicht römisch sein kann, beweist man erst vollgültig, wenn man
dartut, was sie denn wirklich ist.* Aber nicht bloss das, nein auf der Bremer Philologenversammlung
IV. Bücherbesprechungen. 257
LING beipflichtete, nach dessen Urteilsspruch die Befestigung in das Mittelalter
zu verlegen sei'). Dies alles seiner Gewohnheit gemäss jedesmal mit einer
Sicherheit, als könnte es gar nichtanders sein. Wir haben ferner dar-
gelegt, wie SCHUCHHARDT trotz des römischen Charakters der Befestigungen,
trotz der Funde prähistorischer Scherben, die in den Lagergräben lagen, und trotz
der wichtigen Altertümer römischer Zeit, die sonst noch in und bei den von mir
entdeckten Lagerstätten ausgehoben wurden, alle diese Römerlager kurzerhand als
Bauernwälle ausgab und noch immer ausgibt. Wer so leichtfertig urteilt,
verdientnichtmehr denNameneineswissenschaftlichen Mannes.
In der Wissenschaft steht als Tugend obenan die Wahrheits-
liebe. Wie kann man aber da noch von Wahrheit reden, wo ein
KritikerfortwahrendeinemAutoretwasunterschiebt,wasernicht
behauptet hat. Ja was soll man dazu sagen, dass er, nachdem ihm
in einer einzigen Kritik achtzehn Unwahrheiten nachgewiesen
worden waren, hinterher abermals vermittelst falscher Wieder-
gabe des Gesagten den Vorwurfder Unwahrheit auf den Gegner
zurückzuschieben suchte?
Und dabei hat ein solcherMann dann noch den Mut, in einer
Versammlung von Philologen einen Vortrag zu halten und zum
Schluss zu sagen: „lch würde sehr glücklich sein, wenn Sie daraus die An-
regung entnehmen möchten, an der grossen Aufgabe in irgend einer Weise mitzu-
wirken, sei es durch eigene Beobachtung und Forschung, sei es durch Einführung
der Jugend in eine vernünftige und sachliche Betrachtung dieser Dinge, die, dilet-
tantisch gehandhabt, freilich die Phantasie auf schlimme Abwege führen und auch
einen ordentlichen Mann zum Narren haben können, wissenschaftlich aber, d. h.
gründlich und mit Selbstzucht betrieben, den schönsten Erfolg versprechen“.
In der Tat, hier gilt der Spruch: „Spottet sein selbst und
weiss nicht, wie“.
Völlig unwahr ist es auch, wenn SCHUCHHARDT in demselben Vortrage
gegen mich S. 20 äussert: „Alles was sonst behauptet ist von Varus- und Cäcina-
lagern, von Moorbrücken und Brandhügeln muss glatt gestrichen werden. Es stammt
von Leuten, die... . fast immer befangen in dem Bestreben einer bestimmten
Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen, nicht den Überblick ge-
wannen um zu sehen, wie trügerisch es ist, aus irgend einer einzelnen Überein-
stimmung zwischen Schriftsteller und Gelände grosse Schlüsse zu ziehen“. Denn
es handelt sich bei allen meinen Untersuchungen niemals um eine Neigung für
diese oder jene Gegend -— sind mir diese doch fast alle erst auf meinen Unter-
suchungsreisen bekannt geworden --, niemals um eine einzelne Übereinstimmung,
behauptete er nunmehr, als hätte er nie etwas anderes gesagt, die äussere Umwallung habe „durchaus den
Charakter der bäuerlichen Zuschlagswälle, d. h. der Walle, welche die Bauern bei der Markenteilung um
den ihnen zugeschlagenen Teil anlegten*. Auch ptlichtete er JOSTES darin bei, dass die innere Befestigung
lediglich eine Eichenschonung sei. Die porta principalis dextra aber sei nichts weiter als eine „Sägestätte“.
Das sei das „traurige Ende eines glänzenden Namens“, das uns wohl „zur Vorsicht mahnen* müsse.
Ja er gefiel sich nachträglich so sehr in dieser Anschauung, dass er die von mir gefundenen
römischen Befestigungen, mochten sie im Habichtswalde oJer bei Iburg oder bei den pontes longi liegen,
von nun an überhaupt als ,Bauernwalle* ausgab.
1) KNOKE,S. 19: SCHUCHHARDT aber atmete wieder erleichterfauf und schrieb frohlockend in
der Deutschen Literaturzeitung 1901 Nr. 51/52: „Broschüre über Broschüre stopft KNOKE in sein Danaiden-
fass, das Varuslager im Habichtswalde, ohne doch dem armen Ding einen Boden verschaffen zu können. . .
Wir wollen heute dies alles ruhig über uns ergehen lassen; es ist eine alte deutsche Rechtswohltat, dass, wer
einen Prozess verloren hat, eine Weile ungestört schimpfen darf.* Dass, indem er RITTERLING’s Urteil
gelten liess, freilich auch Schulte Loosens Toslag wieder preisgegeben war, bereitete ihm selbstverständ-
lich keine Schmerzen.
Mannus. Bd. II. 17
258 IV. Bücherbesprechungen.
sondern um eine Summe von Beweismitteln, die den verschiedensten Zweigen un-
serer Wissenschaft entnommen sind, die jedoch zu ubersehen meinem Gegner
offenbar die Fahigkeit abgeht.
Wie unüberlegt der Versuch SCHUCHHARDT’s, den von mir entdeckten
Moorbrucken den römischen Ursprung abzustreiten, unternommen wurde, habe ich
bereits weiter oben nachgewiesen'). Denn auch hierüber wusste er sich zu äussern,
obwohl er selbst zugestehen musste, dass er der Aufdeckung einer Moorbrücke
niemals beigewohnt habe.
Ebenso willerauch Philologe sein. Drum weiss er es besser als
die ersten Tacituserklärer, was die Worte in Ann. I, 63: mox reducto ad Amisiam
exercitu bedeuten und folgert aus dieser Kenntnis heraus, dass die pontes longi
„auf der Strecke Rheine-Xanthen zu suchen“ seien. Ebenso weiss er, dass Ann. Il,
7 vermöge „einer stilistischen Laune, wie sie bei Tacitus so häufig und gerade so
amüsant‘ seien, mit dem castellum Lupiae flumini adpositum Aliso bezeichnet
worden sei.
Eine besondere Kunstfertigkeit entwickelt er bei seinem „Bestreben einer
bestimmten Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen“, wenn er uns
beweisen will, dass die Grotenburg bei Detmold der Ort sei, der dem Teutoburger
Walde den Namen gegeben habe. Nach ihm ist nämlich Teutoburg die „Volksburg“,
und er tat sich einst viel darauf zu gute, herausgebracht zu haben, dass sie die
einzige Volksburg in jenem ganzen Gebirgsstriche sei. Anderseits sei sie die
Teutoburg, weil der Berg, auf dem sie liege, noch im ganzen Mittelalter „der Teut“
geheissen habe.
Dass diese Behauptung unrichtig ist, wurde bereits an anderer Stelle nach-
gewiesen, und es muss auf schärfste gerügt werden, dass sie trotzdem immer von
neuem wiederholt wird. Hier aberist es geradezu ein Unsinn, wenn
nach seinerAnnahmeder erste Teildes Wortes Teutoburg das eine
Mal soviel wie,Volk“ und das andere Mal wieder einen „Berg“ be-
deuten soll, als wenn das beides miteinander möglich wäre.
Dass die Versuche, seiner Teutoburg-Hypothese durch Funde von Altertümern
eine Stütze zu verleihen, völlig scheitern mussten, war für Kundige nicht über-
raschend. Noch in dem Berichte über die Fortschritte der römisch-germanischen
Forschung i. J. 1904 waren freilich diese Untersuchungen als besonders wichtig
im voraus angekündigt worden. Aber die Hoffnung SCHUCHHARDT?’s, die Ver-
sammlung von Altertumsfreunden, die um Ostern 1906 in Detmold tagte, mit diesen
entscheidenden Ergebnissen zu überraschen, ging nicht in Erfüllung. „Trotz
wochenlanger Bemühungen haben wir“ — so klagt er — der Grotenburg „bisher
nur ein einziges Feuerstein-Messerchen abringen können“, Diese Angabe steht
freilich im Widerspruch mit dem im Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in
1 KNOKE, S. 16: Dem Museumsdirektor CONWENTZ in Danzig war es gelungen, an der Grenze
zwischen Ost- und Westpreussen einige Moorbrücken aufzudecken, über die er eine besondere Schrift herausgab.
Dass diese nicht römischen Ursprungs sein konnten, lag auf der Hand. Aber es war auch von PREJAWA und
mir nie behauptet worden, dass alle in den Mooren Nordwestdeutschlands gefundenen Brücken römisch seien;
wir hatten vielmehr zwischen prähistorischen, römischen und mittelalterlichen längst unterschieden. Nun
- zeigten die in Preussen ans Tageslicht gekommenen Brücken eine völlig andere Technik, als die von uns
für römisch ausgegebenen, und CONWENTZ selbst war es gar nicht in den Sinn gekommen, diesen
Unterschied zu leugnen. Gleichwohl wurde sofort von SCHUCHHARDT und seinem Anhang in die Welt
hinein gerufen, nunmehr sei es aus mit meinen Römerbrücken bei Mchrholz-Brägel; denn CONWENTZ
habe ganz gleiche fern im Osten, wohin die Römer nie gekommen seien, aufgefunden,
Man hätte mit demselben Recht behaupten können, es gebe bei uns keine römischen Gefässe, weil
in Deutschland auch solche aus vorrömischen Zeiten aufgefunden worden seien. Nicht bloss auf den
Unterschied der einen wie der anderen Moorübergänge konnte indessen hingewiesen werden, sondern es
zeigte sich, dass die bei Mehrholz aufgedeckten auch denjenigen entsprachen, die G. WOLFF am Limes
ausgegraben hatte, cine Tatsache, die freilich regelmässig totgeschwiegen wurde,
IV. Bücherbesprechungen. 259
Niedersachsen VII S. 74 gegebenen Fundbericht, nach dem innerhalb der Groten-
burg als gesamtes Inventar zwei Steinbeile und ein gemutmasster Schleifstein auf-
gefunden wurden, während das Feuerstein-Messerchen dem kleinen Hiinenringe
unterhalb der Grotenburg angehört, und es ist bezeichnend, dass im Gedächtnis
unseres Forschers die beiden Ringe sich so bald vertauschen konnten. Aber auch
nach dem von SCHUCHHARDT selbst gelieferten Fundbericht weist die Anlage
der Grotenburg auf die Steinzeit zurück, ist in späteren Jahren unbenutzt geblieben
und hat darum mit einer germanischen Volksburg römischer Zeit nichts zu tun.
Inder Scherbenkunde war SCHUCHHARDT stets ein unzuver-
lässigerBeurteiler. Deswegen wird man ihm auch keineswegs ohne weiteres folgen
dürfen, wenn er neuerdings wieder ganze Kulturen bald der römischen, bald der
sächsischen, bald der karolingischen Periode zuschreibt. Noch viel weniger
aber kann man den Ergebnissen seiner Forschung zustimmen,
wenn er mit der grösstenSicherheit die eine Burg als sächsisch,
die andere als frankisch anspricht. Was kann es z.B. beweisen, wenn er
in dieser oder jener seiner Burgen karolingisches Geschirr antrifft? Das Vorkommen
solcher Scherben lässt doch höchstens den Schluss zu, dass die Burg zu spät-
fränkischen Zeiten noch benutzt wurde. Ihr Ursprung kann aber darum recht
wohl in ältere Zeit zurückgehen. Denn dass man an der Stelle alter Burgen später
neue baute, ist nicht nur an sich durchaus natürlich, sondern diese Tatsache wird
uns durch historische Nachrichten obendrein bestätigt.
Ausserdem ist es für die Bestimmung der Burgen doch entscheidend, an
welcher Stelle und in welcher Tiefe, ob auf dem gewachsenen Boden oder in der
Kulturerde die Altertümer aufgefunden wurden. Darüber aber erfahren wir in den
Fundberichten SCHUCHHARDT’s selten etwas. Die Fundumstände sind auch
wohl nicht immer genügend kontrolliert worden, da er bei seinen Ausgrabungen
regelmässig eine grössere Anzahl Arbeiter zu beschäftigen pflegt, deren Tätigkeit
im einzelnen zu überwachen natürlich gar nicht möglich ist.
Wie trügerisch die Kombinationen auf den fraglichen Gebieten sind, zeigt
sich im folgenden. SCHUCHHARDT tat sich vor kurzem viel darauf zu gute,
den sog. karolingischen Burgtypus nachgewiesen zu haben. Wie Burgscheidungen,
auf das er sich beruft, so seien bei uns viele fränkische Burgen angelegt: „birn-
förmig von einem Bergkopfe herumziehend und der Bergkopf mit besonderem
Ringe umgeben“, nämlich die Babilonie bei Lübbecke, die Burg auf dem Reren-
berge usw. So äusserte sich SCHUCHHARDT in dem Atlas vorgesch. Bef. in
Niedersachsen VII S. 58, und es war für ihn eine besondere Genugtuung, dass
RÜBEL aus Dortmund auf Grund seiner archivalischen Studien zu demselben Er-
gebnisse gelangt sei.
Nun hat sich aber in der Babilonie bisher kein Gegenstand gefunden, der
uns gestattete, sie als fränkisch zu bezeichnen. Die Ausgrabungen, die neuerdings
daselbst angestellt wurden, haben vielmehr das Gegenteil von dem erwiesen, was
SCHUCHHARDT und mit ihm RÜBEL als sichere Ergebnisse ihrer Untersuchungen
uns hinzustellen unternahmen. Oberlehrer LANGEWIESCHE aus Bünde, der
unter Beihilfe SCHUCHHARDT’s die Ausgrabungen vorgenommen hat, fasst in
dem 20. Jahresbericht des historischen Vereins zu Bielefeld 1906 S. 64 nach dem
ihm von Professor Dr. SCHUMACHER aus Mainz zugegangenen Urteil, dem sich
übrigens auch SCHUCHHARDT gefügt hat, das Ergebnis mit den Worten zu-
sammen: „Mit Sicherheit geht aus alledem hervor, dass die Burg auf der Babilonie
weder von den Römern (was übrigens auch wohl kein Sachverständiger behauptet hatte),
noch von Franken angelegt ist, denn von beiden fand sich dort keine Spur, sondern
17*
260 IV. Biicherbesprechungen.
mit ihren gewaltigen Grössenverhältnissen ist sie eine Volksburg für die Bewohner
der heimischen Gegend gewesen und hat als solche bis zur karolingischen Zeit
bestanden, wie die zahlreichen Funde heimischer Ware beweisen.“
Damit ist denn auch ein Argument gefallen, das ebenfalls in der Feststellung
karolingischer Burgen eine gewisse Rolle spielte. Zu ihrem Typus sollten nämlich
die in Kalk gelegten Mauersteine gehören. Nun hat sich aber herausgestellt, dass
auch in die oberste Wallanlage der soeben besprochenen Babilonie eine Mauer
mit Kalkmörtel eingebaut war, und SCHUCHHARDT muss selbst zugeben, dass
diese vorfränkischen Ursprungs sei.
Also mit dem karolingischen Burgtypus ist es wiederum
nichts. Es geht damit ebenso wie mit dem von SCHUCHHARDT
einst erfundenen römischen Kastelltypus an der Hase, und wir
sind genötigt, trotz oder vielmehr wegen seiner Forschungen mit
unseren Untersuchungen über alte Burgen wieder von vorn anzu-
fangen.
Auch die Heisterburg, die nach SCHUCHHARDT karolingisch sein sollte,
hat diesen Anspruch fallen lassen müssen, seitdem man im dortigen Mauermörtel
eine Münze Konstantins des Grossen aufgefunden hat.
Es wäre übrigens auch unbegreiflich, wenn alle von SCHUCHHARDT als
karolingisch ausgegebenen Burgen diesen Namen verdienten. Liegen sie doch
meist auf Bergen im Versteck der Wälder. Das ist nicht die Art, wie ein eroberndes
Volk Befestigungen anlegt. Vielmehr pflegen die im fremden Lande vordringenden
Eroberer sich vorerst der Heerstrassen zu bemächtigen und durch Stationen diese
zu befestigen. So haben es die Römer einst gemacht, und so macht man es noch
jetzt in Afrika. Jene von SCHUCHHARDT zu karolingischen Anlagen gestempelten
Burgen werden also ursprünglich Zufluchtsstätten der heimischen Bevölkerung
gewesen sein. Dass die Heerstrassen von Karl dem Grossen befestigt wurden, ist
ja allerdings der richtige, wenn auch keineswegs neue Gedanke, der den Unter-
suchungen RÜBELS zugrunde liegt. Aber man zwängt mit Gewalt die vorhandenen
Wallbefestigungen in dieses System hinein, wenn RÜBEL nebst anderen Verkehrt-
heiten seiner Schrift von der Burg auf dem Rerenberge behauptet, sie beherrsche
die Strasse von Iburg nach Osnabrück, während sie in Wirklichkeit weitab von
diesem Wege sich ebenfalls im tiefen Waldversteck befindet.
Aber SCHUCHHARDT wird nicht müde, neue Typen aus-
findig zu machen. So sollen mit einem Male alle Ringwälle bei
uns zu Lande sächsisch sein. Indessen was in der Düsselburg bei Rehburg
ans Tageslicht gekommen ist, widerspricht gleich wieder dieser Anschauung. Denn
ganz ahgesehen davon, dass die Bestimmung der daselbst gefundenen Scherben
auf Willkür beruht — sagt SCHUCHHARDT doch selbst in seinem Ausgrabungs-
bericht, dass sie am Rhein gefunden der römischen Periode zugerechnet werden
würden — ist vor dem Hauptwalle noch ein das Ganze einschliessender Steinwall
zum Vorschein gekommen, der jedenfalls auf eine viel frühere Zeit zurückzuführen
ist. Damit in Übereinstimmung steht, dass unlängst in und vor der Düsselburg
auch Steinwaffen — und zwar nicht bloss, wie SCHUCHHARDT behauptet, Feuer-
stein-Messerchen — ausgehoben worden sind. Es spricht also alles dafür, dass
die Düsselburg uralt ist und auch zur Römerzeit, ganz wie ich es in meinen
»Kriegszugen des Germanicus* angenommen hatte, bereits bestanden hat. Auch
die Ringwälle sind also bei uns zu Lande nicht samt und sonders als sächsisch
anzusprechen.
IV. Bücherbesprechungen. 261
Nach SCHUCHHARDT sollen die Sachsen von Holstein aus als eroberndes
Volk vorgedrungen sein, und sie sollen von der Elbmtindung her allmählich bis
zum Mittelgebirge sich verbreitet haben. Was sich daher an Ringwällen oder
Scherben aus den Ländern ihrer Herrschaft findet, bezeichnet er ohne weiteres
als sächsisch, d. h. als den Nachlass der Eroberer. Aber gesetzt, die Ansicht von
dem einwandernden Volke wäre richtig, was sie gewiss nicht ist, wie kann man
gleich behaupten, dass alles, was an Topfwaren aus jenen Zeiten stammt, von
Sachsen herrührt? Die Eroberer könnten doch immer nur einen geringen Teil der
Volksmasse ausgemacht haben, und es ist unmöglich, anzunehmen, dass die ganze
übrige Bevölkerung seit der Unterwerfung ihres Landes nur noch sächsische
Töpfe herstellte oder sich sächsischen Fabrikates bediente, während in den ver-
schiedenen Landesteilen sich die heimischen Dialekte erhielten, ebenso die übrigen
Lebensgewohnheiten, wie wir noch jetzt sehen können, die Art der Siedelungen,
den Bau der Häuser, die Anlage der Gehöfte überall verschieden waren. Will
man von einer sächsischen Periode der Keramik sprechen, so kann damit immer
nur ein Zeitverhältnis bezeichnet werden, nicht aber die Kultur eines bestimmten
Stammes. Ist dies aber der Fall, so erhalten wir gar keine Möglichkeit, aus den
Funden von Scherben den Nachweis zu erbringen, dass diese oder jene Burg, diese
oder jene Siedelung von Sachsen herrührt.
Und nun widerlegt sich die Hypothese SCHUCHHARDT’s weiter durch
die Tatsache, dass die Ringwälle keineswegs auf die Gegenden beschränkt geblieben
sind, die als sächsisches Gebiet angesprochen werden könnten. Sie sind vielmehr
auch östlich der Elbe, im Brandenburgischen und besonders in der Lausitz, massen-
haft aufgefunden worden. Diese sind nun aber zum grossen Teil slawischen
Ursprungs. Das gibt auch Sch. zu. Aber wenn er sich darauf beruft, es seien
unter ihnen auch manche aus vorslawischer Zeit, so allein in der Lausitz 14 solcher
Art nachgewiesen worden, wie kann man da behaupten, es kämen für sie als
Erbauer „allein“ die Sachsen „in betracht“? In vorslawischen Zeiten haben ja
ganz andere Stämme dort gesessen, und erst in den Zeiten Ottos d. Gr. drangen
die Sachsen in jene slawischen Gebiete ein.
Die hier besprochene Hypothese hat SCHUCHHARDT 1906 in einer Ver-
sammlung des Philologenvereins der Provinz Hannover vorgetragen, und nach
dem gedruckten Bericht „lebhaftesten Beifall“ für seinen Vortrag geerntet. Wir
wollen annehmen, dass dieser Beifall ihm aus Höflichkeit gespendet worden ist,
können aber die Ansicht doch nicht unterdrücken, dass es nicht zum Ansehen
des Gelehrtenstandes beiträgt, wenn einem Dilettanten von dem
Charakter SCHUCHHARDT’s Gelegenheit geboten wird, unter
Ausfällen auf Mitglieder des Vereins so, wie geschehen, seine
Ware an den Mann zu bringen.
‘° SCHUCHHARDT meint in dem mehr erwähnten Atlas VII, S. 57, die ganze
Beurteilung der alten Befestigungen bei uns zu Lande habe bisher unter dem
Fehler gelitten, dass wir sie durchweg auf ein viel zu hohes Alter schätzten,
während die meisten früh- und manche sogar hoch-mittelalterlich seien. Die
Untersuchungen SCHUCHHARDT’s haben nicht dazu geführt, die meisten der
genannten Wälle des hohen Alters zu berauben. Vielmehr ist anzunehmen, dass
ein guter Teil derselben trotz sog. sächsischer und karolingischer Scherben in
prähistorischen Zeiten schon als heimische Zufluchtsstätten dienten.
So fällt denn auch die dritte Berühmtheit unseres Forschers
wiederum in sich zusammen.
262 IV. Biicherbesprechungen.
Die vierte Berühmtheit gewann SCHUCHHARDT durch die
Auffindung des Kastells Aliso an der Lippe. Bekanntlich wurde er von
der Westfälischen Altertumskommission, die sich in Münster gebildet hatte, in
Dienst genommen, um die römische Befestigung auf dem Annaberge bei Haltern,
die der Oberstleutnant Schmidt bereits sechzig Jahre früher festgestellt hatte,
nachzupriifen. Kaum aber hatte er, nach einigen vergeblichen Versuchen, die
Spur derselben wieder aufgefunden, so trat er auch schon mit der Behauptung
vor die Welt, er habe auf dem Annaberge das Kastell Aliso entdeckt.
Dann aber wurden östlich des genannten Berges neue Befestigungen aus-
gegraben, die die dabei beteiligten Archäologen ihrerseits wieder als Aliso aus-
zugeben für angemessen hielten, und wirklich entsprachen sie mehr als jene den
gegebenen Bedingungen. SCHUCHHARDT aber wollte sich den Ruhm
eines Alisoentdeckers nicht entgehen lassen, und so stellte er
nunmehr die Behauptung auf, alles, wasan römischen Verschan-
zungen in der Nähe von Haltern gefunden werde, gehöre ein-
schliesslich des Annaberger Lagers zu dem vielbesprochenen
Kastell. Der Annaberg sei „das Kastell, die Citadelle geblieben, das Winter
und Sommer gehalten wurde, während die untere Anlage dem Aufmarsch und der
Verproviantierung diente“.
Sprachen nun freilich von vorn herein manche triftige Gründe gegen die
Ansetzung Alisos bei Haltern überhaupt, so wurde diese hinfällig durch die Wahr-
nehmung, dass unterhalb der grösseren Befestigungen zwischen dem Annaberge
und der Stadt der Graben eines grossen Feldlagers zum Vorschein kam, das, wie
man behauptet, nach den daselbst gemachten Funden ebenfalls einst von den
Römern längere Zeit besetzt gehalten wurde. Denn war das richtig, so konnten
die dortigen Kastellanlagen um so weniger Aliso sein, als dieses Kastell bereits
auf ihrem ersten Zuge in die Gegend als älteste dauernde Befestigung von den
Römern hergerichtet worden war.
Doch SCHUCHHARDT wusste alsbald von neuem sich zu helfen. Das
Feldlager sollte nunmehr auf dem Vormarsche des Drusus i. J. 11 angelegt worden
sein. Nachher, auf dem Rückzuge „stationierte er eine Truppenabteilung am Platze
— vielleicht in dem Annaberglager — um an der Stelle des alten Feldlagers nun
ein festes Kastell zu errichten“. Dieses sollte also jetzt Aliso sein,
Spitzgräben, die ausserdem noch unter der Stadt Haltern und östlich von ihr
aufgefunden wurden, hält er diesmal, obwohl römische Altertümer in den Gräben
nicht gesehen wurden, nicht für Bauernwälle, sondern gleichfalls für römische
Lagerbefestigungen, wie sie etwa Germanicus i. J. 16 n. Chr. für seine sechs Legio-
nen nötig hatte. So vereinigen sich denn alle Strahlen der Geschichte in dem
einen Punkte Haltern.
Ein wichtiger Grund der für die Verlegung Alisos nach Haltern entscheiden
sollte, war für SCHUCHHARDT die Voraussetzung, dass Aliso das einzige Kastell
gewesen sei, das von den Römern an der Lippe hergerichtet wurde. Hatte ich
jedoch schon früher diese Annahme als eine durchaus unwahrscheinliche und die
weitere Forschung lähmende bezeichnet, so wurde sie durch die Tatsache hinfällig,
dass es vor kurzem dem Pastor PREIN gelang, bei Oberaden westlich von Hamm
ein neues Kastell zu entdecken. Ja diese Befestigung entspricht in der Tat allen
Anforderungen, die man an Aliso nach Lage und Beschaffenheit zu stellen hat, und
kann überdies in der Ortsbezeichnung Elsey eine Übereinstimmung mit dem Namen
IV. Bücherbesprechungen. 263
Aliso aufweisen, während eine derartige Ubereinstimmmung bei Haltern ver-
misst wird ').
Das Kastell bei Oberaden, das ganz wie geschaffen war, um von sicherer
Stellung aus die feindlichen Sugambrer und Cherusker in Schach zu halten, besitzt
eine Grösse von mehr als 30 ha und wird durch einen Graben von etwa 5 m Breite
und 2'/; m Tiefe geschützt. Gewaltige Pfostenlöcher, die aufgedeckt wurden, be-
weisen, dass die Wälle durch Palisaden und Holzwände einst gesichert waren. Es
ist die grösste aller römischen Befestigungen, die bisher an der Lippe nachgewiesen
worden sind.
Trotz aller dieser Tatsachen bleibt jedoch SCHUCHHARDT dabei, dass das
Aliso nur bei Haltern gelegen haben könne. Warum? Erstens soll das Lager von
Oberaden mit seinen 30 ha zu gross für ein Kastell sein; es soll vielmehr eben
wegen dieser Grösse dem alten Feldlager bei Haltern entsprechen. Früher war
SCHUCHHARDT freilich anderer Ansicht, denn im Jahre 1991 verkündigte er in
einer seiner vielen Wanderreden, das Kastell von Haltern habe einen
Umfang von 700:750 Seitenlänge, d. i. einen Raum von mehr als 52 ha, und bei
dieser „grossen Ausdehnung der Anlagen sei an der Benennung Aliso nicht
mehr zu zweifeln.“ Doch was macht sich SCHUCHHARDT aus der-
gleichen Widersprüchen?
Dass Aliso „die bedeutendste Festung der Römer in Niedergermanien. war“,
gibt SCHUCHHARDT auch jetzt noch zu. So wird denn behauptet, die Anlage
von Oberaden sei gar kein Kastell, sondern nur ein Marschlager gewesen. Das
gehe auch daraus hervor, dass es nur einen Graben habe, während das grosse
Kastell bei Haltern deren zwei besitze. Auch dieser Einwand ist jedoch nicht
stichhaltig, und zwar am wenigsten im Munde SCHUCHHARDT’s, der s. Z. die
Anlage auf dem Annaberge für Aliso ausgab und auch jetzt noch an ihrer Eigen-
schaft als Kastell festhält, trotzdem dass sie ebenfalls nur einen, und zwar einen
viel schwächeren Graben aufweist.
Nun spricht aber das Vorhandensein eines einfachen Grabens viel eher für
Aliso. Denn bedenken wir wohl, dass dies die älteste Befestigung der Römer an
der Lippe war und dass man sich mit ihrer Herstellung, weil sie während des
Rückzuges im Jahre 11 erfolgte, ganz gewiss beeilt haben wird, während man für
die Anlagen bei Haltern sich später Zeit nehmen konnte. Hierzu kommt, dass
auch bei den Drususkastellen am Rhein der einfache Graben Verwendung fand.
Insbesondere ist er bei Urmitz nachgewiesen worden, und wenn SCHUCHHARDT
meint, der einfache Graben komme nur bei kleinen Kastellen vor, so beruht auch
diese Behauptung lediglich auf unbegründeter Vermutung. Der einfache Graben
ist also kein Beweis gegen Aliso, sondern eher noch dafür.
Nach SCHUCHHARDT soll auch in der Art der Befestigung das Lager von
Oberaden dem alten Feldlager bei Haltern gleichen. Das ist jedoch nicht richtig,
denn einmal fehlt in jenem Feldlager jede Spur einer Palisadenbefestigung, während
bei Oberaden bedeutende Pfostenlöcher dafür nachgewiesen worden sind. Sodann
ist aber auch das Profil der Gräben hier und dort verschieden. Bei Oberaden ist
der Graben durchschnittlich 5m breit und 2!/s m tief. Der Graben des Feldlagers
1) Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass die Schrift, der diese Charakteristik SCHUCH-
HARDTS entnommen ist, aus dem Jahre 1907 stammt und daher nur den Stand der Forschung dieses
Jahres wiederspiegeln kann. Inzwischen sind die Ansichten über Oberaden, Haltern und beider Verhalt-
nis zu Aliso wiederum andere geworden: wir wissen da überhaupt nichts sicheres. Aber hier kommt es
ja weniger auf rein sachliche Belehrung, als darauf an, die wissenschaftliche Rolle SCHUCHHARDTS
auch in dieser Frage bis zum Jahre 1907 klar zu beleuchten. Der Herausgeber.
964 | IV. Biicherbesprechungen.
misst dagegen in seiner Breite kaum 3 m und in seiner Tiefe nur 1'js m, das ist
denn doch ein grosser Unterschied.
Weiter schliessen die Massen von Altertümern, insbesondere von Amphoren-
scherben die Annahme einer Feldbefestigung bei Oberaden völlig aus. So viele
Gegenstände konnten unmöglich in einem einfachen Marschlager verloren gehen,
selbst wenn man die Ausflucht, die SCHUCHHARDT sich gestattet, gelten
lassen wollte, dass man nämlich nicht wissen könne, „ob Tage, ob Wochen, ob
eine ganze Campagne“ das Oberadener Lager benutzt worden sei. Amphoren mit
ihrem schweren Gewicht hat man auf einfachen Märschen sicherlich nicht mit-
genommen. Was aber besonders von Belang ist, das sind die vielen hölzernen
Speere, die sog. pila muralia, die man in dem Festungsgraben liegend aufgefunden
hat und die es beweisen, dass die Verschanzung eine schwere Belagerung aus-
gehalten haben muss. Von einem Marschlager kann demnach unmöglich die
Rede sein,
Aber SCHUCHHARDT hat schliesslich noch ein Beweismittel gegen Ober-
aden ins Feld geführt. Er beruft sich nämlich darauf, dass Aliso i. J. 9 n. Chr.
eine völlige Zerstörung und nachher eine Wiederherstellung erfahren habe. Diese
beiden Bauperioden seien denn auch wirklich an dem Kastell bei Haltern nach-
gewiesen, während es sich bei Oberaden um eine einmalige Anlage handle.
Nun ist freilich nicht abzuschen, inwiefern bei Haltern die zweite Anlage
eine völlige Zerstörung der ersten zur Voraussetzung haben soll. Denn es ist
wohl zu beachten, dass man bei der späteren Erweiterung der ursprünglichen An-
lage auf drei Seiten den alten Graben auch für das neue Werk ohne weiteres be-
nutzt hat. Der alte Graben muss also wenigstens zur Zeit, als das zweite Werk
geschaffen wurde, in ziemlich unversehrtem Zustande gewesen sein; denn einen
verfallenen Graben kann man unmöglich wieder ausbessern.
Aber die ganze Auffassung von der Zerstörung Alisos und seiner späteren
Wiederherstellung — etwa unter Germanicus — beruht auf einer falschen Aus-
legung unserer schriftstellerischen Quellen. Das ist von mir bereits in den „Kriegs-
zugen des Germanicus“ S. 304 ff. nachgewiesen worden. Hier ist namentlich ge-
zeigt worden, dass in dem Bericht des Cassius Dio und seines Epitomators Zonaras,
die ausführlichere Kunde von der Belagerung der Römer in Aliso und dem Abzuge
aus der Festung geben, ein Widerspruch entstehen würde, wenn wir annehmen
wollten, es sei die gesamte Mannschaft abgezogen. Die Bemerkung des Zonaras,
dass das Kastell von zahlreichen Bogenschützen verteidigt wurde, dass aber zur
Bedeckung der Abziehenden, die z. T. aus Weibern und Kindern bestanden, nur
wenige Soldaten mitgingen, beweist hinlänglich, dass diese nur einen Teil der bis-
herigen Besatzung ausgemacht haben können. Entscheidend ist auch, dass es bei
Cassius Dio ausdrücklich heisst, die Germanen hätten alle festen Plätze in ihrem
Lande mit Ausnahme eines einzigen, nämlich Alisos, erobert; diesen aber hätten
sie nicht nehmen können. Denn der Schriftsteller gebraucht hier die Form des
Aorists, der niemals zur Bezeichnung eines zeitweiligen Verhältnisses dient, son-
dern immer nur eine abschliessliche Bedeutung hat. Fs heisst im Texte: AA
oùô éxeivo yeıswonodu 7Ovvydysav — „aber. auch dieses vermochten sie nicht
einzunehmen“. Die Form iduvidiyaav beweist also, dass die Germanen das Kastell
überhaupt in jenem Kriege nicht eingenommen haben. Hätte der Schriftsteller
sagen wollen, sie hätten es anfangs nicht gekonnt, später hätten sie es aber in dem
Kriege doch erobert, so hätte er sich der Form „ööv«rro bedienen müssen. Die
Griechen sind in der Wahl der Tempora immer sehr genau gewesen. Man zeige
mir eine einzige Stelle aus ihren Schriften, an der eine Verwechslung von Imper-
IV. Bücherbesprechungen. 265
fektum und Aoristus vorkommt. Es gibt keine. Nur unsere modernen
Kastellforscher haben das Recht, sich über diese Kleinigkeit hin-
wegzusetzen.
Nun heisst es freilich bei Zonaras weiter: „Als aber niemand ihnen Hilfe
brachte und sie von Hungersnot bedrängt wurden, warteten sie eine unwetterliche
Nacht ab und zogen aus.” Aber der Schriftsteller setzt gleich hinzu: „Es waren
dies aber nur wenige Soldaten, dagegen viele Unbewaffnete.*“ Die Hauptmasse der
Verteidiger blieb demnach in der Befestigung zurück.
Auch VELLEIUS bestätigt demnach lediglich, dass Aliso von den Deutschen
im Winter 9/10 n. Chr. nicht erobert worden ist.
Hiermit fällt aber auch der letzte Einwand, der von SCHUCHHARDT gegen
die Verlegung Alisos nach Oberaden erhoben worden ist.
Aus diesem Verhältnis soll jedoch keineswegs gefolgert werden, dass die
erwähnte Festung niemals eine bauliche Veränderung erfahren habe. Im Gegenteil
würde es durchaus verständlich sein, wenn das Kastell anfangs in kleinerem
Umfange hergestellt worden wäre und alsdann bei gesteigerter Bedeutung eine
Erweiterung erfahren hätte. Ob dies wirklich der Fall gewesen ist, muss die
Zukunft lehren. Ja es bestätigt sich, dass etwa 200 m östlich des Westgrabens
mit diesem parallel ein älterer Graben angelegt worden ist, sodass die Grösse
des ursprünglichen Kastelles der von PREIN gegebenen Zeichnung entsprechen
würde, so ist hiergegen natürlich nicht das Geringste einzuwenden.
Bis jetzt spricht also alles für die Verlegung Alisos nach Oberaden und
nichts dagegen. Darum wird es auch wohl richtig sein, dass dort das berühmte
Kastell gelegen hat.
So müssen wir es denn erleben, dass auch der vierte Ruhmeskranz,
den SCHUCHHARDT sich um sein Haupt gewunden hat, verwelkt
dahinsinkt, und es bleiben ihm nur noch seine technischen Verdienste, die er bei
seinen Ausgrabungen sich erworben hat und die ihm nicht bestritten werden sollen.
Es war für mich notwendig, diese Gegenstände blosszulegen, um zu zeigen,
wie dilettantisch,ja wie leichtfertig gewisse Zweige der Forschung
gegenwärtig noch immer bei uns behandelt werden.
Das würde nun an sich noch kein so grosses Unglück sein, wenn es nicht
die Träger jener Afterwissenschaft verstanden hätten, durch
Wanderreden,durch die Presse ihren Aufstellungen einen weiten
Absatz zu verschaffen, ja dadurch, dass sie als Vorstände wissenschaftlicher
Vereinigungen auftraten, ihren Meinungen sozusagen einen offiziellen Stempel auf-
zudrücken. Fr. Knoke.
Entgegnung. |
In der Prähistorischen Zeitschrift I, S. 417 ff. behandelt SCHUCHHARDT unter
besonderer Berücksichtigung meiner Person die Frage nach der Lage des Teutoburger
Schlachtfeldes und gibt hierbei seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass die Ver-
fasser der aus Anlass der Schlachtfeier i. J. 1909 erschienenen Festschriften sämtlich
„wieder in die Detmolder Gegend zurückgekehrt“ seien, während ich allein die
Katastrophe in das Osnabrücker Land verlegte.
Die Behauptung ist nicht ganz richtig. BENEKE z. B., dem NÖTHE zustimmt,
hat die Hülsenbecksche Hypothese vom Arnsberger Walde wieder aufgenommen. Doch
266 IV. Bücherbesprechungen.
sehen wir von dieser ab, so ist es nicht weiter auffallend, dass diejenigen Schrift-
steller, die den Festteilnehmern in Detmold eine Freude bereiten wollten, die Schlacht
daselbst erfolgen liessen. Die Wissenschaft hat von ihnen keinen Nutzen gehabt.
Für jeden, der die Sache ernstlich prüft, ist vielmehr die Detmoldhypothese ein für
allemal abgetan.
Übrigens war es nicht MÜLLER von Sondermühlen, der zuerst die Walstatt
in dem Osnabrücker Berglande annahm. Schon früher ist das durh MÖSER und
J. E. STÜVE geschehen. Doch ist es falsch, einfach von der Osnabrücker These zu
sprechen und hierunter alles zusammenzufassen, was von MÖSER an bis heute zu-
gunsten dieser Gegend geschrieben worden ist. Denn das Osnabrücker Bergland
ist sehr ausgedehnt und die gemeinten Theorien weichen z. T. erheblich voneinander
ab, und insbesondere steht meine Aufstellung den übrigen gegenüber durchaus
selbständig da.
Auch hat sich die Überzeugung nicht „mehr und mehr Bahn gebrochen“, dass
die bei Barenau gefundenen Münzen anders als durch die Hinterlassenschaft gefallener
Soldaten erklärt werden könnten. Wer die Fundumstände aufmerksam beachtet,
kann eben zu keiner anderen Überzeugung gelangen. Allerdings passt die dortige
Gegend nicht zu der Schlacht v. J. 9, desto besser aber zu der v. J. 15 nach Chr.
Missverständlich ist die Bemerkung SCHUCHHARDT'’s, ih wolle die Varus-
schlacht im Osnabrückischen belassen, weil ich u. a. dort das erste und zweite
Varuslager wiedergefunden zu haben glaubte. Ich habe vielmehr aus der Über-
einstimmung der örtlichen Verhältnisse mit den schriftstellerischen Quellen bereits
i. J. 1886 eine solche Folgerung gezogen und würde an dieser Meinung festhalten,
auch wenn ich nachträglich gar keine Römerspur daselbst aufgefunden hätte.
SCH. hätte es jedoch unterlassen sollen, das Lager bei Iburg dadurch zu
verdachtigen, dass er wieder von einer Reihe von Feldwällen spricht, wie sie die
Bauern der Gegend herzustellen pflegten. Denn der geringe, im Walde noch vor-
handene Rest eines Erdwalles hat mich keineswegs zu meiner Meinung veranlasst;
vielmehr liegen die Spuren des Wallgrabens unter der Erde im Acer, und der
Beweis, dass es sich um eine römische Lagerstätte handelt, ist durch die dort ge-
fundenen Altertümer gegeben.
Ebenso töricht ist es, von einem Bauernwalle vor den „pontes longi“ zu
sprechen, nachdem sich, wie SCH. wissen sollte, in der Spitze des dortigen Lager-
grabens Scherben römischer Zeit gefunden haben.
Und nun das Lager im Habichtswalde. SCH. meint: Als ich i. J. 1896 diese
Lagerbefestigung aufgefunden hatte, sei es während der Herrschaft der Hölzermann-
schen Hypothese „geradezu gegeben gewesen, die neue Befestigung für römisch zu
halten“ dann muss man sich aber wundern, wie SCH. damals dazu kam, sie für
die Anlage eines modernen Försters auszugeben.
Überhaupt aber hat SCH. in der Deutung dieser Befestigung wiederholt ge-
wechselt. Kaum hatte er sein erstes Urteil abgegeben, so erklärte er sih auch schon
für die Ansicht des Professors JOSTES, der sie in die Zeit der Markenteilung (1668)
verlegen wollte. Dann wieder sollte RITTERLING endgültig recht haben, der meinte,
sie gehöre in das Mittelalter. Jetzt aber bleibt er trotz aller Gegenbeweise dabei,
die Anlage sei eine Curtis aus der Zeit Karls d. Gr. Warum? Zuerst hiess es, die
dort gefundenen Scherben seien sicher karolingish. Dann wieder beschränkte SCH.
dieses Urteil auf ein paar Scherben, die ausserhalb des Lagers aufgefunden worden
waren, und jetzt erfahren wir abermals, dass alles „was von wirklich bestimmbarem
Material aus der Befestigung ihm vor Augen gekommen sei, entschieden karolingisch“
IV. Bücherbesprechungen. 267
sei. Nicht eine einzige sicher römische Scherbe hätte ich bisher daselbst gefunden.
Es ist Zeit, dass mit diesem Märchen endlich aufgeräumt wird.
Dass die eisernen Geräte, insbesondere die im Lager aufgefundene Schnell-
wage, ebenso das Bleigewicht einer Schnellwage nicht römisch seien, diesen Nadh-
weis hat bis jetzt noch niemand erbringen können. Was jedoch die Scherben be-
trifft, so brauche ich das Urteil KOENENS nicht zu wiederholen. Ih kann mich
noch auf andere Autoritäten berufen, so auf KOSSINNA, ANTHES, G. WOLFF und
LÖSCHCKE. Sie alle bezeugen, dass unter den Altertümern solche
sich befinden, die siher römish sind. Geheimrat LÖSCHCKE sagte
mir z. B. wörtlih: „Das ist unbedingt römisc.“ Andere Scherben sind als
Latène -Ware frithrémischer Zeit erkannt. Das ist auch das Urteil SCHUMACHERS,
der übrigens verschiedenen der Altertümer den römischen Ursprung nicht abspricht.
Kein einziger von allen Arhäologen ausser SCH. hat es aber ge-
wagt, irgend einen der Gegenstände für karolingisch auszugeben.
Dagegen hat SCH. den Mut, zu behaupten, die Beurteiler hätten nur aus
Höflichkeit mir gesagt, „dies und jenes Stück sehe sehr römish aus“. Er scheint
demnach von der Wahrheitsliebe unserer ersten Archäologen eine eigentümliche
Vorstellung zu haben. Doch das mag er mit jenen Herren selbst ausmachen.
Dass das im Lager gefundene Inventar nicht karolingischen Ursprungs sein
kann, ist augenfällig. Wäre es der Fall, so. müsste doch irgend ein Stück unter
den vielen hundert Scherben sich befinden, das für jene Zeit typisch wäre, und das
umsomehr, als nicht weit von jenem Lager ausserhalb des Waldes wirklich eine
karolingische Wohnstätte von mir aufgefunden wurde, die lediglih Scherben dieser
Zeit zutage gefördert hat. Von allen solchen Gegenständen findet sich jedoch im
Lager des Habichtswaldes keine Spur, während umgekehrt auch eine einzige sicher
römische Scherbe für die Datierung der Befestigung bestimmend sein muss.
Dass aber römisches Lagerinventar sowie die mit ihm zusammen gefundene
Latene-Ware nicht anders als durch römische Soldaten in den Wald gelangt sein
können, liegt auf der Hand; dann aber kann es bei Berücksichtigung der Örtlichkeit
und der Beschaffenheit der Anlage sich doch nur um das zweite Varuslager aus der
Schlacht im Teutoburger Walde handeln.
Die Beweise, die SCH. für die Detmolder Gegend geltend macht, fallen da-
gegen samt und sonders in sih zusammen. So soll Strabon erzählt haben, die
Katastrophe habe sich im Cheruskerlande ereignet. Dieser Schriftsteller spricht
aber im Gegenteil von den Cheruskern und ihren Bundesgenossen, in deren
Lande sie sich zugetragen habe. Der Beweis ist also hinfällig, so oft er auch
wiederholt werden mag.
Die Worte des Tacitus Ann. I, 60: ‘ad ultimos Bructerorum’ übersetzt SCH.:
„bis in den letzten Winkel des Bruktererlandes“, und natürlich findet dann der arglose
Leser diesen spitzen Winkel zwischen den Quellen der Ems und Lippe nahe dem
Lippischen Walde wieder. Aber Tacitus wird doch das Wort ‘ultimos’ in demselben
Sinne wie die übrigen römischen Schriftsteller gebraucht haben. Bei diesen be-
zeichnet es aber, wenn es auf Völker angewandt wird, stets diejenigen, die von Rom
am weitesten entfernt wohnten, und das waren unter den Brukterern die am weitesten
nordöstlich wohnenden.
An der Lippequelle soll sih Germanicus i. J. 15 auf einmal, d. h. also
unerwartet ganz nahe der Stätte des Teutoburger Waldes befunden haben. Dass
er vor der Eröffnung des grossen Feldzuges i. J. 15 bereits, als er Segestes entsetzte,
in jener Gegend sich aufgehalten haben muss, wird hierbei leider nicht beachtet.
268 IV. Bücherbesprechungen.
Der Ausdruck ‘Teutoburgiensis saltus’ meint SCH., setze eine Teutoburg, d. i.
eine Volksburg voraus. Das ist indessen keineswegs der Fall. Vielmehr ist die von
mir gegebene Erklärung „Dütegebirge“, die auch den Beifall angesehener Germa-
nisten gefunden hat, bis jetzt noch nicht widerlegt. Bei der grossen Menge von
Volksburgen, die es überall in Deutschland gab, wäre auch der Ausdruck „Volksburgs-
gebirge“ recht unpassend gewesen. Dazu kommt, dass die auf der Grotenburg vor-
handene Steinschiittung durchaus nicht mit Sicherheit als die Überreste einer Be-
festigung anzusehen sind.
Nicht entschieden genug kann es gerügt werden, wenn SCH. immer wieder
behauptet, die Grotenburg habe im Mittelalter „Teut“ geheissen. Das war nicht
der Fall. Nur ein Gchöft am Fusse jenes Berges hies ‘to dem Toyte’. Das ist aber
sprachlich sowohl wie sachlich etwas anderes, ganz abgeschen davon, dass es eine
Ungereimtheit ist, das Wort Teut das eine Mal als Berg, das andere Mal aber
wieder als Volk wie in Theotmalli zu erklären.
Es ist bis jetzt noch nicht möglich gewesen, die Berichte unserer Quellen auch
nur im entferntesten mit der Detmolder Gegend zu vereinigen, wie denn auch alle
Grabungen daselbst nichts genützt haben. Aber man hat sih nun einmal daran
gewöhnt, das Schlachtfeld dort zu wähnen, und so greift man auf eine missverstan-
dene Stelle des Florus zurück und beruft sih auf RANKE, der der Meinung war,
die Römer seien durch Armin in ihrem Sommerlager überfallen worden. Dann war
man allerdings an eine bestimmte Ortlichkeit nicht mehr gebunden, zumal wenn
man sich über die schriftstellerishe Mitteilung, dass dieses Sommerlager an der
Weser aufgeschlagen wurde, leichten Sinns hinwegsetzte.
Es ist hier nicht der Ort, das Verkehrte der RANKE’schen Hypothese, an die
der berühmte Geschichtsforscher übrigens selbst nicht recht geglaubt hat, des weiteren
nachzuweisen. SCH. irrt aber, wenn er meint, mit ihr vertrügen sich auch Vellejus
sowie Tacitus. Im Gegenteil sagt Vellejus, das römische Heer sei von Wäldern und
Sümpfen eingeschlossen gewesen, als es überfallen wurde (inclusus silvis, paludibus,
insidiis). In solh einer Gegend wurde jedoch sicherlich das Sommerlager nicht
aufgeschlagen. Tacitus aber wollte an der bekannten Stelle Ann. I, 61, wo er von
der Errichtung zweier Lager nach einander redet, nur die Vorstellung von den Be-
gebenheiten der Schlacht selbst in dem Leser hervorrufen. Für diesen aber hatte
es kein Interesse, zu erfahren, dass das Sommerlager der drei Legionen, was sich
ja von selbst verstand, wirklih von dem gesamten Heere hergerichtet worden war.
Nicht minder führt die Erklärung, die SCH. von den Worten ‘tres vacuas
legiones’ (Ann. II, 46) gibt, in die Irre. ‘Vacuas’ soll „dienstfrei“ heissen. Was das
Wort bedeutet, erfahren wir aus Hist. IV, 47: proinde arriperent vacui occupatos,
integri fessos, oder Agr. 37: Britanni, qui adhuc pugnae expertes summa collium
insederant et paucitatem nostrorum vacui spernebant degredi paulatim et circumire
terga vincentium coeperant. So auch Caes. b. c. I, 82,4: Tertia (acies) vacabat, ad
incursum atque impetum militum relicta. ‘Vacuus’ bezeichnet also eine für den
Kampf günstige Lage der Soldaten, und das Heer des Varus kann daher unmög-
lih mit diesem Ausdruck bezeichnet werden. Für vacuas ist also vagas, d.i. „in
Unordnung einherziehend“ an der angeführten Stelle zu lesen. Auch die Stelle
Veget. III, 10 spricht nicht für die gegnerische Ansicht, denn sie handelt von dem
Heere auf dem Marsche.
Es wäre endlich an der Zeit, dass diejenigen, die mit der Sprache unserer
klassischen Schriftsteller nicht recht verfraut sind, sich in der Frage nach der Lage
des Teutoburger Schlachtfeldes einer grösseren Zurückhaltung befleissigten. Wir
V. Nachrichten. 269
kommen nun einmal ohne eine richtige Interpretation unserer Schriftsteller zu keinem
befriedigenden Ergebnis.
Ich habe hier nur diejenigen Beweismittel, die SCH. zugunsten der Det-
moldhypothese vorträgt, zurückzuweisen für nötig gehalten. Dass auch aus vielen
anderen Gründen diese Hypothese unhaltbar ist, glaube ich anderswo genügend dar-
getan zu haben.
Osnabrück. | Dr. Knoke.
V. Nachrichten.
Die Vorgeschichte in der französischen Deputiertenkammer.
In der französischen Deputiertenkammer kam in der Sitzung vom 28. Januar
1910 bei der Aufstellung des Budgets des beaux arts auch das Kapitel der nationalen
Museen zur Erledigung. Bei dieser Gelegenheit hat der Abgeordnete des Marne-
departements Dr. PECHADRE die Wünsche der französischen Vorgeschichtsforscher
ausgesprochen und für die Erfüllung dieser Wünsche ist noch besonders eifrig der
ehemalige Präsident der Societe prehistorique de France Dr. BAUDON eingetreten.
Der Bericht über diese Sitzung scheint auch für Deutschlands Vorgeschichtsforscher
einiges Interesse zu besitzen, denn man erfährt aus ihm, wie die Franzosen die
Wissenschaft der Vorgeschichte weiter auszubilden und unter das Volk zu bringen
gedenken. Es tritt ferner in dieser Debatte ein von der Regierungsseite sehr scharf
betonter Gegensatz hervor zwischen den wirklich wissenschaftlichen Vorgeschichts-
forschern, die die Regierung gern unterstützen will, und denjenigen, die ohne
genügende Vorbildung nur aus Liebhaberei sich mit der Vorgeschichte beschäftigen
und dann bald grosse Entdeckungen gemacht zu haben glauben. Die Übersetzung
folgt mit einigen Kürzungen dem in L'homme préhistorique 1910, No. 3, S. 86 ff.
aus dem Journal officiel vom 28. Januar teilweise nachgedruckten amtlichen Sitzungs-
berichte der Deputiertenkammer. Hugo Moetefindt.
Kapitel 35. Nationale Museen.
Herr PECHADRE: Ich möchte den Herrn Unterstaatssekretär an eine Unter-
redung erinnern, die ich vor kurzem mit ihm über die Aufbewahrung der vor-
geschichtlichen Altertümer gehabt habe, und auch der Kammer einige Anregungen
über diese interessante Frage geben. Die Mehrzahl unserer vorgeschichtlichen
Sammlungen befindet sich gegenwärtig im Museum von Saint Germain. Sie stehen
dort etwas zusammengedrängt da und erdrückt durch die den Hauptreichtum dieses
wichtigen Museums bildenden gallisch-römischen Sammlungen. Von einem Ge-
danken, dem Museum von Saint Germain auch nur eins von den in ihm aufbewahrten
Fundstücken zu nehmen, kann natürlich keine Rede sein. Die Société préhistorique,
deren Wünsche ich hier ausspreche, meint, dass zwecks Anregung der Vorgeschichts-
forscher und zwecks Entwicklung der Vorgeschichte als Lehrfach viel auf die
Schaffung eines vorgeschichtlichen Studienmuseums im Mittelpunkte von Paris
ankommen würde, und hiermit würde man dem Wunsche einer grossen Anzahl der
sich für diese fesselnde und fruchtbare Wissenschaft interessierenden Forscher und
Sammler Frankreichs und des Auslandes entgegenkommen. Dieses Museum würde
dann in seine Sammlungen nicht nur Funde aus der Vorgeschichte Frankreichs,
970 V. Nachrichten.
sondern aus der ganzen Welt aufnehmen. Seltsam ist es, dass es in Frankreich
noch kein einziges Spezialmuseum für Vorgeschichte gibt, trotzdem die Wissenschaft
der Vorgeschichte im hohen Grade eine französische ist. In Frankreich, in Aude,
in dem von Ihnen, Herr Unterstaatssekretär vertretenen Departement machte
TOURNAL zum ersten Male im Jahre 1828 auf die Spuren einer vorgeschichtlichen
Werktätigkeit in den Höhlen aufmerksam. Ebenfalls in Frankreich, im Sommetal,
hat BOUCHER DE PERTHES um 1840 die Aufmerksamkeit der ganzen Gelehrten-
welt auf in Sandgruben gefundene Steinartefakte gelenkt.
In einem vor dem anthropologischen Verein in Göttingen vorgetragenen
Bericht über eine Studienreise sprach Professor VERWORN von dem Reichtum
Frankreichs an prähistorischen Funden. Besonders redete er von der Station Les
Eyzies im Vezeretale, die er als Paradies der Vorgeschichtsforscher schilderte.
Dabei sprach VERWORN seine Verwunderung über unsere Gleichgiltigkeit solchen
Schätzen gegenüber aus’).
Unsere Pflicht ist es, diesen Reichtum zu erhalten, ihn in unseren Museen
aufzubewahren und jederzeit zu verhindern, dass er ins Ausland gehe, dass er in
alle Winde zerstreut werde.
Wir verwenden reiche Geldmittel für die Entdeckung und das Studium der
Altertümer Ägyptens, Persiens und Griechenlands. Ich will mich nicht darüber
beklagen, aber vielleicht wäre es doch möglich auch ein kleines Opfer für das
Studium der Vorzeit unseres eigenen Landes zu bringen. Viele ergebene und
uneigennützige Forscher, deren Eifer und Tatkraft alle Anerkennung verdient, haben
sich der Erforschung der Vorzeit gewidmet.
Daher scheint es mir nützlich, nein dringend notwendig, in Paris selbst eine
Einrichtung zu schaffen, die allen auf diesem Gebiete tätigen Gelehrten Genüge
leistet. Wenn einmal dieses Spezialmuseum durch Ihre fürsorgliche Tätigkeit ge-
schaffen ist, dann werde ich bitten, nein, wir werden dann bitten, wir, nämlich
Herr BAUDON und ich, da Herr BAUDON an diesen Fragen in gleicher Weise wie
ich selbst interessiert ist, dann werden also wir den Unterrichtsminister um die
Errichtung eines Speziallehrstuhles für Vorgeschichte bitten. Dieser Lehrstuhl soll
dann einem allseitig anerkannten Vorgeschichtsforscher anvertraut werden und die
Vorträge dieses Lehrstuhlinhabers sollen sich nicht nur an die Interessenten, sondern
an alle wenden.
Man darf nicht vergessen, dass die Vorgeschichte, wie schon ihr Name an-
deutet, nichts mit geschriebenen Urkunden zu tun hat. Erst durch eine lange Reihe
von äusserst klugen Herleitungen und scharfsinnigen Erklärungen ist man dazu
gelangt, so weit zurückliegende, teilweise mit den Uranfängen der Menschheit selbst
verschmelzende Zeiten vor unserm Auge zu rekonstruieren.
Meiner Meinung nach würden wir alle einig sein, wenn ich Ihnen gesagt
hätte, dass ich weder eine Verbesserung noch eine neue Vorlage fordere. Einzig
und allein bitte ich die Kammer und den Herrn Unterstaatssekretär ihr Wohlwollen
und ihre Fürsorge diesen wirklich Interesse verdienenden Fragen zuzuwenden.
Den Herrn Unterstaatssekretär bitte ich dringend um geneigte Befolgung meiner
Vorschläge und um Erfüllung der Bitten und Forderungen der Société préhistorique
de France. (Allgemeine Zustimmung.)
° Herr Generalberichterstatter: Jedermann kann nur den Ausführungen
1) Sitzungsberichte des Göttinger anthropologischen Vereins. Bericht über die Sitzung vom
24. November 1907, abgedruckt im Korrespondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie
39, 1908, S. 13. Anm. des Übcrsetzers.
V. Nachrichten. 971
des Herrn PECHADRE beipflichten unter dem Drucke der Notwendigkeit einer
gleichzeitigen Reform des Unterrichts und der prähistorischen Museen. Unser Herr
Kollege wird mir jedoch die Bemerkung gestatten, dass die Vorgeschichte nicht die
Kunst fördert, sondern nur die allgemeine Bildung. Ein Lehrstuhl für Vorgeschichte
hat mit der Kunst nur eine sehr entfernte Beziehung, und Museen für Vorgeschichte
haben, das werden Sie mir zugeben, ebenfalls nicht minder indirekte Beziehungen
mit der Kunst. Mit diesem Vorbehalt bin ich zur Erklärung bereit, dass man Ihren
Ausführungen notwendigerweise Rechnung tragen und auf diesem Forschungsgebiete
Verbesserungen ausführen muss. Auf keinen Fall darf man jedoch glauben, dass
auf diesem Gebiete noch nie etwas getan sei, ebenso wenig die Männer vergessen,
die sich schon lange der Vorgeschichte widmen, und die Stiftungen, die mit dieser
Aufgabe betraut sind. Z.B. darf man da das Museum für Naturgeschichte nicht
vergessen, an dem der im prähistorischem Gebiete tüchtigste und in der ganzen
Welt angesehene Professor BOULE lehrt. (Allgemeine Zustimmung.)
Ohne Zweifel kann und muss der Staat wissenschaftliche Lehrstühle, wissen-
schaftliche und Kunstmuseen schaffen. Man darf ihm jedoch nicht mit der Bitte
kommen, sie auch denen, die sich nur aus Liebhaberei mit ihnen beschäftigen, zu
öffnen. Sie dürfen einzig und allein wahrer Wissenschaft gewidmet sein, wahrhaft
wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen, ähnlichen Arbeiten wie denen
des Professors BOULE, zum Beispiel den erst vor kurzem ausgeführten Grabungen
in der Coréze, die einen besonderen vorgeschichtlichen Menschentypus, der dem
uns bei unseren gegenwärtigen Lebensbedingungen begreiflich erscheinenden weit
vorausgegangen zu sein scheint, ans Tageslicht geschafft haben. Schliesslich darf
man wahrer Wissenschaft nicht schaden durch Begünstigung dessen, was doch weiter
nichts als Lieblingsbeschäftigung ist, und noch dazu eine Lieblingsbeschäftigung, die
durch Privatmittel unterstützt werden kann. (Allgemeine Zustimmung.)
Herr BAUDON: Ich schliesse mich der Bitte meines Freundes Herrn
PECHADRE an den Unterstaatssekretär um Gewährung eines Asyls für die Vor-
geschichtsforscher an und ich spreche als ehemaliger Präsident der Societe
préhistorique de France, mit der ich noch immer zusammenarbeite.
Die Vorgeschichtsforscher suchen in der Tiefe der Erde den Ursprung des
Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Sie haben wichtige und hoch-
interessante Sammlungen zusammengebracht, und diese Sammlungen können jetzt
keinen Schutzort finden. Im Museum von Saint Germain kann man sie nicht auf-
stellen, da dieses nur für unsere Nationalaltertümer bestimmt ist. Dem Museum
für Naturgeschichte kann man sie aber auch nicht geben, denn dort mangelt es
an Platz. Die dortigen Sammlungen sind ausserdem schlecht geordnet. Ich will
in keiner Weise Herrn BOULE, dessen Bedeutung ich anerkenne und schätze,
einen Vorwurf machen. Was die Sammlungen anbelangt, so kann man sie aus
Mangel an Platz für die Glasschränke nicht aufstellen. Ich kenne Sammlungen,
z.B. die des Herrn Marquis von VIBRAYE, die man nur auf Leitern besichtigen
kann. Unter solchen Umständen ist ihr Studium vollkommen unmöglich.
Der Herr Generalberichterstatter: Die Staatshaushaltskommission
hat 100000 Fr. jährlich mehr für Einrichtungen am Museum für Naturgeschichte
bewilligt, die eine bessere Aufstellung der Sammlungen ermöglichen.
Herr BAUDON: Noch einmal erkenne ich hier die Bedeutung des Herrn
BOULE an, dessen Person mit dieser ganzen Frage nichts zu tun hat. Es ist
vollkommen wahr, dass es gegenwärtig in Paris kein Studienmuseum für Vor-
geschichte gibt. Privatleute wollen gern Sammlungen stiften und können es
nicht, da sie wissen, dass die wissenschaftliche Aufstellung dieser Sammlungen
972 V. Nachrichten.
unmöglich ist. Wie mein Freund, Herr PECHADRE, richtig bemerkte, ist die
Wissenschaft der Vorgeschichte eine hervorragend französische Wissenschaft. Be-
sonders nach den hervorragenden Entdeckungen von BOUCHER DE PERTHES in
den Alluvialschichten der Somme ist sie durch einen unserer ehemaligen Kollegen
Gabriel de MORTILLET, dessen Namen Sie sicher kennen, geschaffen worden.
Wir besitzen in Frankreich wunderbare Fundstellen. Die Grotten der Dordogne,
Charente haben ausserordentlich merkwürdige Funde der Vorzeit geliefert. Aber
diese Dokumente stehen nicht einzig da. Die Geschichte der Menschen kann sich
nur auf Vergleiche gründen. Die wichtigsten Fundstätten liegen wohl in Frankreich;
man muss jedoch auch die im Auslande, in Afrika, in Asien und in Amerika ans
Tageslicht gebrachten Funde studieren. Wenn wir die Urgeschichte des Menschen
uns rekonstruieren wollen, dann brauchen wir Material, das solche vergleichenden
Studien zulässt. Ich bitte daher den Herrn Unterstaatssekretär um gute Aufstellung
der Sammlungen, die wie gesagt, von ihren Eigentümern gern dem Staate zum
Geschenk gegeben werden, und ich werde ihn, da wie ich hoffe, bald im grossen
Seminar von Saint Sulpice leere Räume vorhanden sein werden, um Bereitstellung
einiger Räume bitten zur Schaffung eines Museums für vorgeschichtliche Studien,
das gleichzeitig ein Museum für Jedermann sein soll, nicht allein für die Fachleute,
wie der Herr Berichterstatter der Budgetkommission soeben betont hat, sondern
auch für die Öffentlichkeit, und ich werde ihn bitten, den Vorgeschichtsforschern
ein Gebäude anzuweisen, das ihnen eine Aufstellung ihrer Sammlungen erlaubt.
Ich bitte ferner den Herrn Minister um einen Hörsaal für Vorgeschichte, um es
den Gelehrten zu überlassen, diese in allgemein wissenschaftlicher wie auch ganz
besonders in philosophischer Beziehung so wertvolle Wissenschaft zu verbreiten.
(Allgemeine Zustimmung.)
Der Herr Unterstaatssekretär: Unsere Kollegen wissen, mit welchem
Interesse der Unterstaatssekretär in seinem Schutz, ich will nicht sagen die Wissen-
schaft, denn ich habe nicht die Wissenschaft zu schützen — das ist ja Aufgabe des
Unterrichtsministers — sondern die Kunst genommen hat. Wir begegnen in unsern
Felsenhöhlen Beispielen der künstlerischen Vorstellung der ersten Menschen und
beim Betrachten des Natursinnes, mit dem diese Urmenschen ihre ersten Ein-
drücke von der Aussenwelt nachgezeichnet haben, geraten wir in Versuchung, diese
Zeichnungen als Modelle für unsere Schule hinzustellen. (Lebhafte Zustimmung.)
Unter diesem Gesichtspunkte befassen wir uns mit der Vorgeschichte. Wir
haben auch eine Pflicht, und zwar die des Aufkaufens des diese herrlichen Fund-
stellen einschliessenden Geländes. Ich werde nochmals mit dem Herrn Minister
des Unterrichts und der Kunst diese wichtige Frage prüfen. Wenn wir den Sammlern
vorgeschichtlicher Kunst im neuen Luxembourg-Museum einige Säle einräumen
können, werden wir es sehr gern tun. Ich bin jedoch der Ansicht, dass es infolge
des Aufschwunges, den die vorgeschichtliche Wissenschaft genommen hat, unum-
gänglich ist, im Museum für Naturgeschichte, im Museum von Saint Germain oder
sonst irgendwo ein weitausgedchntes Museum für Vorgeschichte zu schaffen. (Leb-
hafte Zustimmung.)
Herr Generalberichterstatter: Ich bin folgender Ansicht: Wir empfehlen
Herrn Unterstaatssekretär die Erledigung dieser Vorgeschichtsfragen und bitten ihn,
die nötige Hilfe bei der Ausbreitung der Wissenschaft der Vorgeschichte zu leisten.
Ich bitte ihn jedoch, sich nur an wirkliche Gelehrte zu wenden und sich zu hüten
den Forschungen derer, die sich nur aus Liebhaberei mit der Vorgeschichte be-
fassen, den Stempel des Staates aufzudrücken.
V. Nachrichten. 273
Herr PECHADRE: Die letzten Worte des Herrn Generalberichterstatters setzen
mich in Erstaunen; ich habe für eine gerechte Sache gesprochen....
Herr Generalberichterstatter: Ich habe nur betont, dass man einer-
seits diejenigen, die wirklich wissenschaftlich arbeiten und die infolgedessen unter-
stützt werden müssen, und anderseits aber die, welche ohne genügende Vorbildung
in der Meinung sind, grosse Entdeckungen gemacht zu haben, wohl unterscheiden
muss. Vor den letzteren wird sich der Staat in acht nehmen müssen.
Herr BAUDON: Ich will hier nicht darüber sprechen, ob die Vorgeschichte
nur Wissenschaft oder ob sie gleichzeitig auch Kunstwissenschaft ist. Fest steht,
dass man in den Höhlen auch Wunderwerke gefunden hat, die uns die Uranfänge
der Kunst erkennen lassen. Bei der Urgeschichte des Menschen ist beides zu-
sammen ein Begriff; es ist vollkommen unmöglich, die Urgeschichte auf ihrer ersten
Entwicklungsstufe derartig zu zergliedern.
Ich danke Herrn Unterstaatssekretär für alles, das er zur Erhaltung der vor-
geschichtlichen Denkmäler getan hat. Er hat die Kommission für die vorgeschicht-
lichen Denkmäler geschaffen, die uns die Erhaltung und Klassifizierung von 9000
in Frankreich unbekannten vorgeschichtlichen Denkmälern ermöglichen wird. Er
wird gleichfalls die Grotten klassifizieren lassen, damit man die dort aufgefundenen
Skulpturen und Gravierungen, die oft wegen ihrer Zeichnung und Formenreinheit
bewundernswert sind, sammeln und erhalten kann. Die Erfüllung unserer jetzigen
Bitten ist aber dringend notwendig. Die Wissenschaft der Vorgeschichte muss ver-
breitet werden, und zum Zwecke dieser Verbreitung fordern wir die Schaffung
eines Hörsaales und eines alle Gebiete dieser interessanten Wissenschaft umfassen-
den Spezialmuseums. (Lebhafte Zustimmung.)
Herr LEFAS: Seit langer Zeit existiert schon ein derartiger Lehrstuhl für
Altertümer an der Ecole du Louvre. Dieser Lehrstuhl ist augenblicklich mit dem
Konservator des historischen Museums von Saint Germain, Salomon REINACH, be-
setzt; sein Vorgänger war Alexandre BERTRAND. Beide Gelehrte scheinen be-
sonders für das Lehrfach, um das es sich hier handelt, befähigt zu sein.
Herr BAUDON: Es handelt sich eigentlich sozusagen gar nicht um einen
Lehrstuhl. Derartige wichtige Fragen können wir nicht in der Sitzung erledigen.
Herr SEMBAT: Unser Freund Herr BAUDON hat vollkommen der Wahrheit
gemäss geredet. Nicht vor der Kammer können derartige Fragen verhandelt
werden. Jeder Vorbeschluss muss vielmehr vermieden werden. Man darf nicht
sagen: Wir schaffen hier den Lehrstuhl, während im Zuschauerraum schon gehört
wird, dass man ihm dem oder dem Gelehrten geben wird. In dieser Hinsicht
darf nichts bindend sein und hierin stimme ich vollkommen mit Herrn General-
berichterstatter überein. Tatsächlich gibt es doch auch ausser den Männern, die
sich dem Vorgeschichtsstudium gewidmet haben und denen jedermann Achtung er-
weist, auch noch junge Leute, die Karriere gemacht haben, die auch Rang und
Würde haben und die auch bekannt geworden sind. Die Rechte dieser müssen
unter allen Umständen gewahrt bleiben. Am Museum von Saint Germain gibt es
Männer, deren Namen ich hier gar nicht nennen will, da sie in der Gelehrtenwelt
guten Klang genug besitzen.
Man muss jedoch verstehen, dass die Kammer ein für allemal darauf ver-
zichtet hat, irgend jemand auf eine abgetane Weise in ein Amt einzuführen, dass
es selbstverständlich ist, dass, wenn wir erst einen Lehrstuhl für dieses Fach ge-
schaffen haben, einzig und allein die Verwaltung nach Befragung der Universität
den Inhaber dieses Lehrstuhles bestellen darf. (Lebhafte Zustimmung.)
Herr PECHADRE: Es wird gut sein, wenn ich hier, um jeden Irrtum zu ver-
Mannus, Bd. II. 18
974 V. Nachrichten.
meiden, mich genauer ausspreche. Herr SEMBAT hat soeben die Frage der
Schaffung eines Lehrstuhles verhandelt. Soweit sind wir noch gar nicht. Ich habe
von einer derartigen Schaffung gesprochen als von etwas erst in Aussicht genom-
menem. Vor der Schaffung eines derartigen Lehrstuhles muss meiner
Ansicht nach erst ein dem Lehrstuhlinhaber zwecks Demonstrationen
zur Verfiigung stehendes Spezialmuseum geschaffen werden. Man
muss doch der Reihe nach vorgehen! Wenn erst dies Spezialmuseum geschaffen
ist, dann kann über die Frage der Errichtung eines Lehrstuhles verhandelt werden.
Augenblicklich bleibt unsere Debatte noch zwecklos. Bilden Sie, Herr Unterstaats-
sekretär, bitte zuerst im Seminar von Sulpice oder anderswo die Studiensammlung,
von der ich soeben gesprochen habe, dann werden wir uns mit der Errichtung
eines Lehrstuhles, dessen Bedürfnis sehr lebhaft empfunden wird, zu beschäftigen
haben. (Allgemeine, lebhafte Zustimmung.)
* *
+
Diese letzten Bemerkungen des Herrn PÉCHADRE treffen den Nagel auf
den Kopf. Wie in Frankreich, so könnte auch anderwärts die Regierung es sich
gesagt sein lassen, dass zu einem Lehrstuhl für Vorgeschichte unbedingt ein grosses
Lehrmuseum gehört, über das der Inhaber des Lehrstuhles frei verfügen muss.
Statt dessen zieht man es in Preussen vor, beide Ämter, dieses Lehrfach und die
Museumsverwaltung, in gegensätzliche Stellung zueinander zu bringen, vor allem da-
durch, dass man es fertig bekommen hat, an die Spitze des grössten Museums
einen Mann zu stellen, dem vor der Berufung die Vorgeschichte ein fremdes Ge-
biet war, und der in den zwei Jahren seiner neuen Tätigkeit gezeigt hat, dass kaum
Hoffnung besteht, er werde auf dem Gebiete jemals zu einem Kenner werden.
G. K.
Unser Mitglied O. HAUSER hat, wie im vorigen Jahre, so auch jetzt unsere
Gesellschaft nach Les Eyzies eingeladen zum Besuch seines Ausgrabungsgebietes,
das in den verschiedenen Tälern der Dordogne jetzt an 30 Niederlassungen aus
paläolithischer Zeit aufweist, die leicht zugänglich gemacht worden sind durch Ein-
stellung eines Automobils. Zu den bisher hier erschlossenen Kulturstufen vom
Acheuléen bis Magdalénien gesellt sih nunmehr als älteste eine Schicht mit dem
RUTOTschen Strépyien. Sein kleines Museum hat HAUSER vergrössert. Inter-
essenten erteilt er gern jede nähere Auskunft.
%* %*
Todesfälle.
Am 17. Dezember 1909 starb zu Wien nach langem Leiden Regierungsrat
Dr. Matthäus MUCH, der bekannte, hochgeschatzte Altmeister der österreichischen
Vorgeschichtsforschung, geboren am 10. Oktober 1832 zu Göpfritz in Niederösterreich.
Ursprünglich Jurist und im Staatsdienst wurde er 1858 durch den Übergang einer
Wiener Zitherfabrik in seinen Besitz genötigt, Geschäftsmann zu werden. Als
solcher leistete er Vorzüglihes und sah sich zugleih in die Möglichkeit versetzt,
in eindringender Weise vaterlandischen Studien auf germanistischem, bald auch auf
V. Nachrichten. 975
vorgeschichtlich archäologishem Gebiete nachzugehen. Auf seine germanistischen
Anfänge sah er selbst später als gereifter Forscher wie auf dilettantischhe Versuche
herab und doch glückte ihm schon damals mancher gute Fund: so, wenn er lange
vor MERINGER und RAUTENBERG unser ‘Wand’ mit gotisch ‘vandus’ — „Rute“
gleichsetzte und so auf das ‘geflochtene’ Haus kam. Vor allem waren es die ur-
alten Erdbefestigungen und vorgeschichtlihen Ansiedlungen in Niederösterreich,
denen er seine Untersuchungen wid-
mete und die ihn andauernd, bis
an sein Lebensende hin, zu Publi-
kationen veranlassten.
Ein zweites Gebiet seiner
Forschung waren die österreichischen
Pfahlbauten, namentlih die des
Mondsees, deren Reste er seit 1872
Jahrzehnte lang mit verbesserten
Methoden in so gründlicher Sorg-
falt ans Tageslicht brachte, dass ihm
die Bergung zahlreicher Holzgeräte,
Speisereste, Getreidemengen u. a.
glückte, was den Erforschern der
anderen österreichischen Pfahlbauten
nicht gelungen war. Eine vortreff-
lihe Stütze war ihm hierbei sein
Sohn Rudolf, jetzt Universitätspro-
fessor in Wien, unser Mitglied.
Diese wichtigen und reichen Funde,
insonderheit die Kupfergeräte, ver-
anlassten ihn, der Frage des vor-
geschichtlihen Kupferbergbaus und P
einer vor der Bronzezeit liegenden, Dr. Matthäus Much
besonderen Kupferperiode sein an- 10. 10. 1852 — 17. 12. 1909.
dauerndes Interesse zuzuwenden,
aus dem dann sein erstes und wohl bleibend wichtigstes Werk entstand: „Die Kupfer-
zeit in. Europa und ihr Verhältnis zur Kultur der Indogermanen“ (Wien 1886,
?2 Jena 1893). Unbestritten bleibt sein Verdienst hier als einer der ersten klarer
gesehen und diesen neuen Erkenntnissen und Anschauungen durch treffliche Dar-
stellung wenigstens in der Hauptsache zum Siege verholfen zu haben. Es war ein
Genuss, diesem Forscher zu lauschen und ihm zu folgen, als er 1905 im Anschluss
an die Wiener Tagung die Anthropologen in beneidenswerter Frishe zu dem auf
der Mitterbergalp gelegenen, von ihm so oft untersuchten, vorgeschichtlihen Kupfer-
bergwerk führte. Im Sommer 1908 begann er von neuem auf dem Mitterberge zu
graben und noch wenige Monate vor seinem Tode überdachte er auf dem Kranken-
bette neue Ausgrabungen an jener geliebten Stätte.
An dritter Stelle untersuchte er die niederösterreihischen Hügelgräber und
förderte dabei eine überraschende Menge herrlicher Fundstücke, die einen Glanz-
punkt seiner ohnehin auf allen Gebieten grossartigen Sammlung zur Vorgeschichte
Österreichs bilden, einer Sammlung von einem Umfange und einer Bedeutung, der
sih m. W. keine andere eines Privatmannes entfernt an die Seite stellen kann.
Wer diese Sammlung in der Penzingerstrasse studiert hat, wird den Eindruck mit-
genommen haben, als habe er ein unter peinlichster Aufsicht stehendes Staats-
museum besichtigt. 18*
>
276 V. Nachrichten.
Den in dem Werke über die Kupferzeit nur angedeuteten Zusammenhang
dieser Epoche mit der Zeit der Ausbreitung der Indogermanen verfolgte er nach
allen Seiten weiter in seinem Buch „Die Heimat der Indogermanen im Lichte der
vorgeschichtlihen Forschung“ (Jena 1901, * 1904). Hier schieden sich unsere Wege,
wobei — wenn ich von allem Persönlichen absehe — die Methode seiner Forschung
mein Hauptanstoss war. MUCH untersuchte nicht die einzelnen Kulturen Europas
als Ganzes und im Einzelnen, um sie dann zu vergleichen, ihr Abhängigkeits-
verhältnis klarzulegen und daraus den Gang der Ausbreitung der Indogermanen
abzulesen, sondern sah von vornherein fast ganz Europa als indogermanisch an und
wollte dies nachweisen, indem er den Stoff weder chronologisch, noch räumlich,
sondern nach Kategorien einteilte. In der zweiten Auflage des Werkes besserte
und vermehrte er die Darstellung wohl in Einzelheiten, die ich angegriffen hatte,
er vermied es aber — und das war eine Schwäche seines wissenschaftlihen Cha-
rakters — auch nur die leiseste Spur einer Kenntnis meiner gegen ihn erhobenen
und jetzt allgemeinvals zutreffend anerkannten methodischen Forderungen zu zeigen.
— Vortrefflih war dann aber wieder sein letztes Werk „Trugspiegelung orienta-
lischer Kultur in den vorgeschichtlichen Zeitaltern Mittel- und Nordeuropas“ (Jena 1903),
worin er den völlig verstiegenen Ideen Sophus MÜLLER’s über die Abhängigkeit
unserer Gebiete vom Süden und Südosten und der infolge hiervon durh MÜLLER
geradezu ins Ungeheuerliche verzerrten Chronologie der Vorgeschichte Europas mit
Entschiedenheit und Glück entgegentrat.
Zuletzt sei noch der unermüdlichen Arbeit gedacht, die MUCH seit 1877 in
der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale leistete, wobei
als Früchte zugleich die Wandtafel „Vor- und frithgeschichtlichhe Altertümer aus
Österreich-Ungarn“ (Wien 1894) und vor allem der für jeden Forscher unentbehrliche
„Kunsthistorishe Atlas“ Bd. I (Wien 1889) reiften.
MUCH war ein durch und durch nationaler Mann, ohne dass er diese Seite
seines Charakters irgendwie in den Vordergrund schob. Seine von vaterländischem
Hauch durchwehten Ansprachen auf den Versammlungen der Deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft werden jedem unvergesslich sein, der sie mit anzuhören die
Freude hatte.
Ehre dem Andenken dieses deutschen Mannes und dieses Forschers.
Am 4. Februar d. J. vershied nach kaum dreitägiger Krankheit an leichter
Lungenentzündung nebst zutretender Herzshwäche unser Mitglied Professor Dr.
Hermann GRÖSSLER zu Eisleben, wo er seit 40 Jahren gewohnt und gewirkt
hatte, in noch nicht vollendetem 70. Lebensjahre. — Dieser Verlust berührt unsere
Gesellschaft schwer, denn einmal ist mit GRÖSSLER einer jener 63 Männer dahin-
gegangen, die ich 1908 in meinem Aufruf zur Gründung unserer Gesellschaft als
erstangeschlossene mitbegründende Mitglieder aufführen konnte, und dann hoffte
ich gerade von ihm erfolgreiche Mitwirkung bei unserer Erfurter Tagung. Nahm er
doch in Nordthüringen als arbeitender Mittelpunkt dieselbe führende Stellung ein,
wie unser Mitglied Geheimrat ZSCHIESCHE seit Jahrzehnten und hoffentlih noch
für lange in Südthüringen. Noch kurz vor seinem Tode war seine, in der Stoff-
sammlung wieder ungemein reiche, dabei kenntnisreiche und förderlihe Schrift über
die Glokenbeder Thüringens erschienen. Ich konnte ihn im Januar noch
auf einige Lücken aufmerksam machen und sofort war er entschlossen, dem Werke
einen Nachtrag folgen zu lassen, eine Aufgabe, die nunmehr anderen Kräften zufällt.
V. Nachrichten. 277
GROSSLER, geboren am 2. April 1840 zu Naumburg a. d. Saale, promovierte
1870 zu Jena und wirkte von 1871—1905 am Gymnasium zu Eisleben. Von Hause
aus Geschichtsforscher hatte er die Erforschung der Geschichte seiner Heimatprovinz
und darin besonders die des Mansfelder Landes zu seiner Lebensarbeit erkoren und
eine schier unübersehbare Fülle von Beiträgen in allen geschichtlichhen Zeitschriften
des thüringisch-sächsischen Gebietes, ebenso auch Einzelschriften hierüber sind Zeug-
nisse seiner Gelehrtenarbeit. Daneben
noch die Vorgeschichte zu treiben hatte
er erst vor etwa 12 Jahren begonnen, zu-
nächst durch eifrige, wissenschaftlich zu-
verlässige Ausgrabungen, dann auch in
umfangreichen Veröffentlihungen aus
seinem Arbeitsgebiete. Seit seiner Pen-
sionierung (1905) nahm die Vorgeschichts-
forschung sogar weitaus die erste Stelle
in seinen Betätigungen ein. Er wurde
immer mehr auch auf diesem Gebiete
Fachmann und gleichzeitig begünstigte
ihn das Glück, indem ihm vergönnt war,
das in Fachkreisen ganz Europas schnell
berühmt gewordene „Fürstengrab“ im
Gr. Galgenberg bei Helmsdorf aus der
Frühperiode der Bronzezeit, mit seinem
Holzsarg in Form eines Dachhauses und
dem prachtvollen Goldschhmuck, in aus-
gezeichneter Weise auszugraben und zu
beschreiben (1907). Sein Mansfelder =
Gebiet ist ja für die jungneolithischen und OLE Be ao
altbronzezeitlihen Kulturperioden viel-
leicht das ergiebigste in ganz Europa und erfordert wegen der durch den Bergbau ver-
anlassten anhaltend starken Erdbewegungen geradezu die dauernde Anwesenheit
eines besonderen Konservators für Vorgeschichte. Diesen Posten der Überwachung
des Geländes versah GRÖSSLER ohne Entgelt mit einer rastlosen Liebe und einem
Feuereifer, dass er rasch alle thüringischen Forscher überflügelte und an ihre Spitze
trat, sowohl in der Spatenforschung (wobei er an unserm Mitgliede Herrn Rent-
meister KUNTZE in Burgscheidungen einen erfahrenen und verständnisvollen Helfer
fand), als in rascher und geschickter, dabei sorgsam fleissiger Veröffentlichung seiner
Ergebnisse. Nehmen wir nur seine grösseren Publikationen
1. Vorgeschichtlihe Gräber und Funde im Amtsbezirk Burgscheidungen
a. d. Unstrut, Kr. Querfurt:
a) Mitteilungen des Provinzial-Museums zu Halle a. S. II. 70—104, 1900.
b) Jahresschrift I. 1902, S. 88—115.
c) š II. 1904. S. 107—128.
2. Geschlossene vorgeschichtlihe Funde aus den Kreisen Mansfeld, Querfurt,
Sangershausen:
a) Jahresschrift I. 1902, S. 125— 244.
b) s I. 1904, S. 97-—106.
3. Das Fürstengrab im Grossen Galgenhügel am Paulsschachte bei Helmsdorf
(Mans. Seekreis) :
Jahresschrift VI. 1907, 1- 87.
278 V. Nachrichten.
4. Vorgeschichtlihe Funde aus der jüngeren Steinzeit vom Hüttenberg .....
unweit Gr. Örner, (Mansf. Gebirgskreis):
Jahresschrift VII. 1908, 95—134.
5. Die Tongefässe der Glockenbecherkultur und ihre Verbreitung in Thüringen:
Jahresschrift VIII. 1909, 1—86,
sowie einige kleinere aus den von ihm 1887 geschaffenen und geleiteten ,Mans-
felder Blättern“ hinzu, so hat er allein auf dem Gebiete der Vorgeschichte in neun-
jähriger Tätigkeit an 500—600 Druckseiten veröffentlicht.
Seine letzte Schrift, die erst nach seinem Tode erschien, war das diesjährige,
34. Neujahrsblatt der Hallischen Historishen Kommission „Vom Einzelhof bis zum
Stadtkreis“. Als Mitglied und seit 1893 als zweiter Vorsitzender dieser Kommission
gehörte er auch dem Verwaltungsausschuss des Hallischen Provinzialmuseums an.
Trotz seiner wissenschaftlichen Erfolge gelang es ihm nicht, bei der Stadtver-
waltung in Eisleben irgend welche nennenswerte Unterstützung durchzusetzen, um
die wertvollen Fundstücke des Landes, die in den beiden Lutherhäusern der Stadt
Eisleben eine ganz kümmerliche Unterkunft gefunden haben, in einem würdigen
oder auch nur anständigen Museumsbau in wissenschaftlich zureichender Weise dem
Publikum und den Gelehrten zur Anschauung zu bringen. So ist das Werk dieses
Mannes trotz aller Hingabe unvollendet geblieben; sein Tod hat in den wissenschaft-
lihen Betrieb seines Heimatlandes eine klaffende Lücke gerissen, die zunächst
sicher unausgefüllt bleiben wird. Sein Wirken aber wird unvergessen bleiben.
Am 2. Februar d. J. starb zu Berlin der Anatom Universitats-Professor Geh.
Medizinalrat Dr. med. et phil. Wilhelm KRAUSE, in unseren Kreisen bekannt durch
seine Abhandlung „Über den niedersächsishen Schädeltypus“ in der Schrift von
I. H. MÜLLER „Die Reihengräber zu Rosdorf“ bei Göttingen (Hannover 1878) und
andere Schriften derselben Gattung.
Am 23. Februar d. J. starb unser Mitglied Rittergutsbesitzer P. R. CREDNER
in Grossgörshen bei Merseburg; ebenso haben wir den Tod unseres Mitgliedes
Hans von ADELSON, Dircktors der Union in Berlin, zu beklagen.
Am 25. Februar d. J. verschied infolge von Magenblutung unser Mitglied
Medizinalrat Dr. August HEDINGER in Stuttgart, ein auf dem Gebiete der Anthropo-
logie und namentlich der Vorgeschichte überaus eifriger Forscher, der von 1896 bis
1904 den Vorsitz im Wiirttembergischen Anthropologischen Verein führte und als
solcher in Vorträgen aus den verschiedensten Gebieten der Vorgeschichte, meist mit
weiten Perspektiven, in seinem Heimatland sehr anregend gewirkt hat. Mehrfach
hat er auch Ausgrabungen unternommen, so in Hügelgräbern der Schwäbischen Alp
und Tirols, über die er auch Berichte verfasst hat. Ausser grösseren Abhandlungen,
die meist im Archiv für Anthropologie erschienen sind, sei als selbständige Schrift
genannt „Die vorgescichtlichen Bernsteinartefakte und ihre Herkunft“ (Strassburg 1903),
worin er die bisher anstandslos anerkannte Helm’sche Methode der chemischen
Untersuchung des Bernsteins auf Säure hin und die Schlüsse auf nordische Herkunft
der durch ein gewisses Mass von Bernsteinsäure gekennzeichneten Artefakte angriff,
ohne jedoch Klarheit in diese Fragen bringen zu können.
V. Nachrichten. 979
Am 23. Marz d. J. starb der belgische Anthropologe Jullien FRAIPONT, der
sich einen berühmten Namen gemacht hat durch seine ausgezeichnete Untersuchung
der Skelette von Spy, worin er trotz R. VIRCHOW’s einflussreicher, aber schädlicher
Autorität den rassenhaften Charakter der neandertaloiden Eigenschaften glänzend
erwies. |
Nadhträglich sei noch dem bereits am 15. November 1909, leider viel zu jung
gestorbenen, ausgezeichneten, gedankenreichen, schwedischen Forscher Knut STJERNA,
Dozent für Vorgeschichte an der Universität Upsala, ein Nachruf gewidmet. Geboren
am 14. März 1874 zu Malmö, studierte er in Lund Geschichte und Kunstgeschichte
und fand bei der Vertiefung in die Probleme des Beowulfepos durch Heran-
ziehung von Vedels grossem Werk über die Vorgeschichte Bornholms die Brüce
zur Vorgeschichte, der er sich nun ganz widmete, wobei jedoch Beowulf wie auch
Bornholm weiter im Mittelpunkt seiner Forschung blieben. Den Wechsel von zu-
und abnehmender, ja völlig fehlender Bevölkerung auf dieser Insel seit 700 vor Chr.
bis zum Ende der heidnischen Zeit stellte er in seiner trefflihen Doktorarbeit
„Bidrag till Bornholms Befolkningshistoria“ (1905) dar, worin er ganz in meiner
Weise, aber bei der Beschränkung auf ein kleinstes Gebiet zugleich in entsprechend
genauester Kleinforschung ethnologishe Vorgeschichte und Besiedelungsgeschichte
trieb, mit dem einen Hauptergebnis, dass die Insel von 300 nach Chr. ab völlig
verödet und erst um 550 wieder neu besiedelt wird und zwar vom östlichen Schweden
aus. Äusserst wertvoll sind dann die archäologischen Untersuchungen zu Beowulf,
die nur die Zeit des sechsten Jahrhunderts nach Christus als Datierungsmöglichkeit
für den Inhalt des Epos offen lassen: Helme und Schwerter 1903; der Drachen-
schatz 1906; Skölds Hintritt 1905 (behandelt Bootbestattungen = Charonsfahrten) ;
Bodenaltertümer 1908 (behandelt männliche Doppelgräber von Brüdern oder Mildh-
briidern); Moorfunde und Walhall 1906 (Moorfunde nicht Weihgaben an Götter,
sondern an die Geister der Erschlagenen); Schweden und Gauten 1905. Diese
letzte bedeutende Abhandlung zeigt, wie die Gauten, die sich an der germanischen
Völkerwanderung stark beteiligten, so zahlreich nach Mitteleuropa abwanderten, dass
die geschwäcdten Reste des Volkes dem Ansturm der nördlihen Schweden nicht
mehr gewachsen waren und in Öster-Götland und Öland während des fünften Jahr-
hunderts von jenen unterjocht wurden. So erklärt sich der plötzlihe Abbruch des
Goldzustroms aus Byzanz nah Öland um 500, während er nach Bornholm und
Gotland bis um 550 andauert, ein Zeichen, dass dort erst 50 Jahre später die
Schwedenherrschaft einsetzt, was ja schon die Untersuchung über Bornholm gezeigt
hatte. Die Bevölkerungsgeshichte Ölands zu schreiben war eine Aufgabe, der
STJERNA demnächst sih widmen wollte: dazu ist er leider nicht mehr gekommen.
Das alles hatte er unter drückendsten Verhältnissen in einer Doppelstellung als
Landesarciv-Assistent zu Lund und gleichzeitig als Journalist zu Malmö geschaffen.
Archäologische Reisen durch ganz Europa kamen zu alledem dazu. Erst 1906 wurde
er, nachdem Almgren seine privaten Vorlesungen in Upsala aufgegeben hatte, als
festangestellter Dozent für Vorgeschichte an die dortige Universität berufen. Er
hat dort eine hervorragende Tätigkeit entwickelt und seinen Schülern äusserst
nachhaltige Anregungen mitgegeben. Ein schon länger drohendes Herzleiden be-
endete dann im November 1909 ganz plötzlich dieses arbeits- und erfolgreiche
Gelehrtenleben, das noch zahlreichste Früchte wissenschaftliher Erkenntnis reifen
zu lassen versprochen hatte. Gustaf Kossinna.
280 V. Nachrichten.
Ernennungen.
Unser Dritter Vorsitzender Provinzialkonservator und Direktor des Provinzial-
museums Dr. J. REIMERS in Hannover ist am 1. April in den Ruhestand getreten
und nach Charlottenburg übergesiedelt. Wir wünschen dem verehrten Mitarbeiter und
Gönner unserer Gesellschaft einen langewährenden gesegneten Lebensabend und
hoffen fernerhin auf seine erprobte Hilfe in Rat und Tat. — An seine Stelle ist
der bisherige Direktor des Landesmuseums in Münster (Westfalen), Dr. BRUNING,
nach Hannover berufen worden.
Unser Schriftführer Privatdozent für Geologie Dr. WÜST in Halle ist zum
ausserordentlihen Professor an der Universität zu Kiel ernannt worden.
Unser Ausschussmitglied Dr. Hans HAHNE, Privatdozent für vorgeschichtliche
Archäologie an der Kgl. Technischen Hochschule zu Hannover, der seit 1907 als
wissenschaftliher Hilfsarbeiter am dortigen Provinzialmuseum tätig war, ist am
1. April d. J. zum Direktorialassistent an diesem Museum ernannt und mit der
Leitung der vorgeschichtlihen und ethnographischen Sammlungen betraut worden.
Unser Mitglied, der Konservator am Nationalmuseum in Stockholm, Dr. Oskar
ALMGREN, ist als etatsmässiger Dozent für vorgeschichtliche Archäologie an die Uni-
versität Upsala gegangen, wo er die durch den Tod von Dr. Knut STJERNA (s.
oben S. 279) entstandene Lücke ausfüllt.
Unser Ausschussmitglied Professor Dr. OHNESORGE in Liibeck hat sich
wegen andauernder Kränklichkeit genötigt gesehen, sein Ehrenamt niederzulegen;
an seine Stelle ist unser rühriger Mitarbeiter Adam GÜNTHER, Vorstand des
städtischen Tiefbauamts in Koblenz, getreten.
Mit Beginn dieses Jahres hat das Amt als unser 1. Schriftführer der städtische
Bibliothekar Dr. Gustav ALBRECHT in Charlottenburg, Wallstr. 52 übernommen. --
Unser Schatzmeister Dr. O. BORDES wohnt jetzt BerlinW., Nürnbergerstr. Nr. 8.
Unsere Gesellschaft ist in das Jahr 1910 mit 333 Mitgliedern hinein-
gesteuert und hat sich seitdem langsam, aber andauernd vermehrt, so dass wir
jetzt 350 Mitglieder zählen, darunter 50 Institute und Vereine, in folgender land-
schaftlicher Verteilung:
Mitglieder, davon Institute oder Vereine
Berlin we u... 0 we oe at TO, ec
Norddeutschland östlih der Elbe 65 .... 9
Nordwestdeutschland . . . . . 74... +. 1
Sachsen-Thiiringen . .... 64 .... 11
Siiddeutschland . 32.% 5
Österreich-Ungarn . 21 3
Schweiz 3 1
Skandinavien 9 2
Finnland 4 1
Belgien . 2 —
Frankreich . 4 1
Spanien J —
China 1 —
350 50
V. Nachrichten. 281
Tagungen.
21.—27. August: 6. Congrès préhistorique de France in Tours (Indre et Loire).
7.—8. September: Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts-
und Altertumsvereine in Posen.
18.—24. September: 82. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in
Königsberg i. Pr.
29.—30. September: 11. Tag für Denkmalpflege in Danzig.
Zweite Tagung für Vorgeschichte.
Erfurt, 31. Juli— 3. August 1910.
Die diesjährige zweite Hauptversammlung der deutschen Gesell-
schaft für Vorgesdhidhte wird in Erfurt stattfinden, nachdem von dort im
Einvernehmen mit dem Magistrat eine Einladung seitens des Vereins für die Geschichte
und Altertumskunde von Erfurt und der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften
daselbst ergangen ist.
Das Bureau befindet sich in den für die Tagung freundlichst zur Verfügung
gestellten Räumen der Gesellschaft Ressource (Klostergang), und ist vom
31. Juli nachmittags 4 Uhr an geöffnet. In der Ressource finden auch die Vorstands-
und Ausschussitzungen, die Begrüssung am 31. Juli abends, die wissenschaftlichen
Vorträge, die gemeinscaftlihen Mittagsmahlzeiten und der Bierabend der Stadt
Erfurt statt.
Als Beitrag zu den Unkosten werden von jedem Teilnehmer an der Ver-
sammlung 5 Mark, für eine Damenkarte und eine Studentenkarte 2 Mark erhoben.
Für die Beteiligung an den gemeinschaftlihen Mahlzeiten, den Ausflügen und dem
Bierabend liegen im Bureau Listen auf. Wegen der nötigen Vorbereitungen ist
vorherige Einzeichnung unbedingt notwendig.
Gasthöfe: Erfurter Hof (Zimmer von 2,50 M. an): Silber (Zimmer
von 2,50 M.), beide diht am Bahnhof; Europäischer Hof, Casinostr.
(Zimmer von 2,50 M.); Centralhotel, Bahnhofstr. (Zimmer von 2,00 M.);
ebenso in den nachstehenden Hotels: Ritter, Johannesstr.; Weisses Ross,
Krämpferstr.; Preussischer Hof, Trommsdorffstr.; nahe der Post; Park-
hotel, Epinaystr.; Reichshof, Bahnhofstr. — Wegen des regen Fremden-
verkehrs im Sommer ist vorherige Bestellung der Zimmer geboten.
Die Teilnehmer werden gebeten, sich direkt mit den Hotels in Verbindung
zu setzen.
Der Ortsausschuss. Der Vorstand der Gesellschaft.
Prof. Dr. Biereye, Universitätsprofessor Dr. G. Kossinna,
Direktor des Königl. Gymnasiums. 1. Vorsitzender.
Gensel, Dr.Overmann, Schréer, Städt. Bibliothekar Dr. G. Albrecht,
Stadtrat. Stadtarchivar. Justizrat. 1. Schriftführer.
Prof. Dr. Stange, Teichfischer,
Städt. Bibliothekar. Kaufmann.
Dr. Zschiesche,
Geh. San.-Rat.
Dr. O. Bordes,
Schatzmeister.
982 V. Nachrichten.
Tagungsplan.
Sonnabend, den 30. Juli: Vortagung in Magdeburg.
Nachmittag 4'/4 Uhr: Besichtigung der von Dr. HAHNE neugeordneten vor-
geschichtlichen Abteilung des städtischen Museums für Natur- und
Heimatkunde (Domplatz 5). Führung: Dr. HAHNE. — Darauf Spazier-
gang in der Stadt. —
Abends: Gemeinsames Abendessen (kalt) in der Klause des Kiinstlervereins.
Sonntag, den 31. Juli.
Nachm. 5 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzung in der Ressource in Erfurt
(Klostergang).
Abends 8 Uhr: Begriissung und geselliges Beisammensein ebendort.
Montag, den 1. August.
Vorm. 9 Uhr: Eröffnungsvortrag des 1. Vorsitzenden Univ.-Professor Dr. G.
Kossinna. — Begriissungsreden.
Vorm. 11—11'/2 Uhr: Frühstücspause.
Vorm. 11?/3--2 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Nachm. 2—3'/; Uhr: Gemeinscaftliches einfaches Mittagessen.
Nachm. 3'/2—S5'/, Uhr: Wissenscaftliche Vorträge.
Nachm. 6?! Abfahrt mit der Eisenbahn nah Bischleben (Fahrzeit 8 Minuten;
Doppelkarte Erfurt—Bischleben). — Besuch der Burg (vorgeschichtliche
Befestigung) bei Möbisberg (15--20 Min. Weg), dann gemeinschaftliches
Beisammensein im Gasthof „Zur Forelle“ in Möbisberg. Rückfahrt
nach Erfurt von Bischleben 107°.
Dienstag, den 2. August.
Vorm. 8 Uhr: Geschäftssitzung. Jahresbericht des Vorstandes, Bericht des
Schatzmeisters und dessen Entlastung. — Antrag des Schatzmeisters auf
Satzungsänderung: Erhöhung des Jahresbeitrags der Mitglieder.
Vorm. 9 Uhr: Wissenschaftliche Vortrage.
Vorm. 11—11'/e Uhr: Frühstückspause.
Vorm. 11'/2—1'/2 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Nachm. 1'/s—3 Uhr: Gemeinschaftliches einfaches Mittagessen.
Nachm. 3—5 Uhr: Wissenschaftliche Vortrage.
Von 5 Uhr ab: Rundgang durch die Stadt (Führung: Prof. Dr. Biereye
und Dr. Overmann) und Besuch des Städt. Museums usw. (Führung:
Dr. Zschiesche).
Abends 8 Uhr pünktlih: Bierabend der Stadt Erfurt in der Ressource (die
ersten vier Reden sind vergeben).
Wissenschaftliche Vorträge.
1. Eröffnungsvortrag des Ersten Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. G. KOSSINNA (Ber-
lin): DieFrauinderVorgeschicdteMitteleuropas (mit Lichtbildern).
2. Zweiter Vorsitzender Geheimrat Univ.-Professor Dr. A. BEZZENBERGER
(Königsberg i. Pr.): Ältere und jüngere Steinzeit in Ostpreussen.
3. Schriftführer Generaloberarzt Dr. G. WILKE (Chemnitz): Thema vorbehalten.
4. Ausschussmitglied Oberbautechniker GUNTHER (Koblenz): Die Bronzezeit
im Neuwieder Becken (mit Demonstrationen).
5. Ausschussmitglied Privatdozent Direktorialassistent Dr. H. HAHNE (Hannover):
Die Moorleichen der Provinz Hannover (mit Lichtbildern).
6. Ausschussmitglied Dr. Rob. R. SCHMIDT (Tübingen): Das Altpaläolithikum
Deutschlands und seine Parallelen mit Westeuropa.
V. Nachrichten. 983
7. Paul BERGER (Merseburg): Demonstrationen interessanter Fundstiicke seiner
Sammlung.
8. Univ.-Prof. Dr. FLEISCHER (Berlin): Die Stellung Inner-Kleinasiens
zu den Indogermanen um das Jahr 1000 v. Chr.
9. Prof. Dr. PFAU (Rochlitz): Feuersteinwerkstätten aus der Roch-
litzer Gegend (mit Demonstrationen).
10. Ernst WAHLE (Delitzsh): Ein Fall von Skelettbestattung und ein
neolithishes Totenopfer aus dem Mansfeldischen (mit Demon-
strationen).
11. Geheimrat Dr. ZSCHIESCHE (Erfurt): Vorgeschichhte von Erfurt;
Demonstration seiner vorgeschichtlihen Sammlung.
Mittwoch, den 3. August.
Ausflug. Abfahrt von Erfurt nah Weimar vorm. 8' Uhr, (Fahrkarte
Erfurt—Hetschburg).
Erste Gruppe: Besichtigung des Steinbruchs in Ehringsdorf (paläo-
lithishe Fundstätte). —
Zweite Gruppe: Besuch des Städt. Museums unter Führung des
Herrn Kustos A. MÜLLER. — Punkt 12 Uhr: Gemeinscaftlihes ein-
faches Mittagessen im Hotel „Kaiserin Augusta“, dicht am Bahnhof.
Nachm. 1'° Uhr: Weiterfahrt nah Hetschburg vom Thüringer Bahn-
hof aus. Besuch des Schlackenwalles auf der Martinskirche,
event. auch der Budhfartsburg bei Buchfart. Gemeinschaftliches
Zusammensein in Budhfart oder Hetschburg. Rückfahrt von Hetschburg 8 +°.
Etwaige Änderungen in dem Programm werden in dem Bureau durch An-
schlag bekannt gemacht.
Donnerstag, den 4. August bis Sonntag, den 7. August.
Viertägiger Ausflug nach den vorgeschichhtlihen Burgen des Feldatals
und der Steinsburg (Kleiner Gleichberg) bei Römhild.
Anmeldungen an Herrn Geheimen Sanitätsrat Dr. ZSCHIESCHE in Erfurt, Walk-
mühlstrasse. Abschluss der Teilnehmerliste am 1. August abends.
Donnerstag, den 4. August.
Abfahrt von Erfurt 7°° Uhr früh mit der Eisenbahn nach Vacha, Ankunft
dort 11'* mittags, Mittagessen im Gasthof „Zum Adler“ in Vacha. —
Besteigung des *Öchsen (630 m — 1'/ Stunde) und Besichtigung der
vorgeschichhtlichhen Wälle (2 Stunden). Rundblick vom Aussichtsturm
auf die Rhön. — Vesper in Völkershausen. — Abstieg nach Dietlas
(1 Stunde). Abfahrt von Dietlas 9 Uhr abends mit der Eisenbahn nach
Dermbacd, Ankunft dort 9°! Uhr abends. — Nachtquartier in Derm-
bach im Hotel Sachsischer Hof.
Freitag, den 5. August.
Vorm. 7'/2 Uhr: Besteigung des *Beyer (710 m — 1'/2 Stunde). Besich-
tigung der Wälle, Ackerterrassen, Wohnpodien und Hügelgräber (2 !/2 Stunde).
— Abstieg nah Dermbac (1 Stunde). Mittagessen in Dermbach; darauf
Besichtigung der Sammlung des Herrn Apotheker KELLER.
Nachm. 4*° Abfahrt von Dermbach mit der Eisenbahn nah Kaltennord-
heim, Ankunft dort 5? nahm. — *Wagenfahrt über den Stellberg
nah Fladungen. Bei rechtzeitiger Ankunft in *Fladungen Besichtigung
der mittelalterlihen Ringmauer.
Nachtquartier in Fladungen im Hotel „Zur Post“.
984 V. Nachrichten.
Sonnabend, den 6. August.
Vorm. 77° Uhr: Abfahrt von Fladungen mit der Eisenbahn über Mellrichstadt—
Rentwertshausen nah Römhild, Ankunft dort 10°° vorm.
Besichtigung der BONSACK’shen Sammlung von Steinsburgfunden, der
Kirche mit einem Bronzeguss des Peter Vischer und verschiedener alter
Bauten. — Mittagessen in Römhild. —
Nachmittags: Wanderung über die Alteburg (Wallburg) und gegebenen-
falls den Grossen Gleichberg (Ringwall) nah dem Waldhaus
(2 bezw. 4 Stunden).
Nachtquartier im Waldhaus Waidmannsruh.
Sonntag, den 7. August.
"Vormittags: Besichtigung der *Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg
in Gemeinschaft mit dem Hennebergischen Altertumsforschenden Verein
aus Meiningen.
Nachmittags: Beendigung des Ausflugs.
Rückreise über Römhild oder Hildburghausen.
Abfahrt vom Waldhaus mit Wagen nach beiden Richtungen um 5 Uhr
nahm. Abgang der Züge von Römhild 6'° abends, von Hildburghausen
in der Richtung nach Meiningen 6°° abends, von Hildburghausen nach
Koburg 8%’ abends.
Bei längerem Aufenthalt auf der Steinsburg mit ihren einzigartigen
ausgedehnten Steinmauern, Gräbern und Wohnungen und mit ihrem
grossartigen Panorama über die Gebirgsketten des Thüringer Waldes, des
Frankenwaldes und der Rhön nochmals Nachtquartier auf dem Waldhaus und
Rückreise am 8. August.
Von den
Festschriften der ersten Hauptversammlung zu Hannover
sind noch Exemplare auf gewöhnlihem buchhändlerishen Wege zu
beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Ey in Hannover,
Georgstr. 47, und zwar:
1. Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover.
7 Bogen 4°, 6 Tafeln. Mk. 2.—
2. Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge-
schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin
zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 8, Mk. —.25
3. Grabungen des Museumsvereins für das Fursten-
tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau.
9 S. 80, 2 Tafeln. Mk. —.25
I. Mitteilungen.
Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
Vortrag gehalten in der Sitzung der
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vom 18. November 1909.
Von Universitätsprofessor Dr. Friedrich Solger, Peking.
Mit 5 Text-Abbildungen.
Wenn ich als Geologe hier im Kreise einer Gesellschaft fiir Vor-
geschichte spreche, so leite ich die Berechtigung daraus ab, dass wir
uns von dem Werden unserer Vorfahren und Vorgänger auf dem Heimat-
boden keine Meinung bilden können, wenn wir nicht auch den Natur-
hintergrund kennen, von dem sich diese Entwicklung abhebt, die klima-
tischen Bedingungen, unter denen der Mensch in Norddeutschland lebte,
seit das Land von dem Eise frei gegeben wurde für die Besitznahme
durch den Menschen. Wir werden dabei sehen, dass der Rückzug des
Eises dem Menschen nicht nur die Möglichkeit gab, sich hier anzusiedeln,
sondern dass er ihn geradezu dazu zwang. Das ergibt sich aus einer
Betrachtung der klimatischen Wandlungen, die Norddeutschland seit der
Eiszeit durchgemacht hat, und wir wollen uns darauf beschränken, die-
jenigen Wandlungen hervorzuheben, die auf die Entwicklung der Menschen
von merklihem Einflusse gewesen sein können. Das Wort „Klima“
gehört zu denen, deren Fremdwortnatur uns längst hat vergessen lassen,
was sie eigentlich bedeuten. Es heisst zunächst nur „Neigung“, und
seinen heutigen Sinn erhielt es, weil man die klimatischen Unterschiede
auf die verschiedene Neigung zurückführte, die die Sonnenstrahlen unter
verschiedener geographischer Breite gegenüber dem Horizont besitzen.
Diese Unterschiede haben nun zwar unzweifelhaft eine grosse Bedeutung
für das Klima, aber sie beherrschen es nicht. Die mannigfaltigen Klima-
schwankungen, die Norddeutschland seit der Eiszeit durchgemadt hat,
sind jedenfalls nicht auf Änderungen der geographischen Breite zuriick-
zuführen. Zwar hat man die Eiszeit selbst dadurch erklären wollen,
dass man annahm, damals habe der Nordpol im Gebiete des heutigen
nordatlantischen Ozeans gelegen und da Europa infolgedessen eine höhere
geographische Breite gehabt hätte, sei sein Klima ein kälteres gewesen.
Diese Erklärung der Eiszeit ist aber aufgegeben worden, weil sie die
allgemeine Erniedrigung der Temperatur auf der ganzen Erde nicht er-
Mannus, Bd. Il, Heft 4. 19
286 Friedrich Solger. (2
klärt, die wir aus den überall auftretenden Gletscherspuren schliessen
müssen. Auch physikalisch ist keine Ursache anzugeben, die imstande
wäre, eine solche Verschiebung des Pols in den jüngsten geologischen
Zeiten herbeizuführen, zumal grössere Gebirgsbildungen seitdem nicht
mehr stattgefunden haben.
Wir müssen vielmehr annehmen, dass unsere Heimat während der
Eiszeit bereits unter demselben Breitengrad lag wie heute. Das be-
zeugen auch die ältesten Kalendarien, die uns in den Menhiren der
Bretagne erhalten sind und von denen im ersten Hefte des Mannus
Herr DEVOIR !) berichtete. Den interessanten Mitteilungen, die dort
gegeben sind, möchte ich noch einige Bemerkungen hinzufügen.
Die Steinreihen der Bretagne und Englands sind so angeordnet,
dass sie im allgemeinen die Richtung vom Sonnenaufgangspunkt bei
Sommersonnenwende zum Sonnenuntergangspunkt bei Wintersonnen-
wende und die vom Sonnenuntergangspunkt bei Sommersonnenwende
zum Sonnenaufgangspunkt bei Wintersonnenwende bezeichnen.
Daneben kommen auch Reihen vor, die auf die Sonnenauf- und
Untergangspunkte bei Tag- und Nachtgleiche zu gerichtet sind. Die Auf-
und Untergangspunkte bei Sonnenwende sind von der geographischen
Breite abhängig, aus den betreffenden Steinreihen geht hervor, dass
die Breite damals gleich der heutigen war. Dann muss in Norddeutsch-
land das Gleiche der Fall gewesen sein. Endlich finden sich noch
gewisse Mittelrichtungen, die einerseits den Aufgangspunkt vom 6. Mai,
der gleich dem vom 8. August ist, mit dem Untergangspunkt vom 4. Februar,
bezw. 8. November, verbinden, andererseits den Aufgangspunkt vom 4. Fe-
bruar (8. November) mit dem Untergangspunkt vom 6. Mai (8. August).
Diese Zwischendaten sind von LOCKYER gedeutet worden als die
Mitten der Hauptabscnitte des landwirtschaftlihen Jahres für unser
Klima: Anfang November Anfang der Saat, Anfang Februar Beginn des
Aufspriessens, Anfang Mai Beginn der Blütezeit, Anfang August Beginn
der Reife. Hieraus einen Schluss auf das damalige Klima zu ziehen,
möchte ich aber entschieden warnen; denn die genannten Zeitpunkte
erklären sich viel einfacher und ungezwungener aus der Halbierung der
Zeit zwischen den Sonnenwenden und den Tag- und Nachtgleichen.
Das Jahr war durch die Sonnenwenden in zwei gleiche Teile geteilt,
durch die Tag- und Nachtgleichen wurde jedes dieser Halbjahre wieder
halbiert, durch die Einfügung jener Zwischenrichtungen entstehen acht
gleihe Abschnitte innerhalb des Jahres. Diese Einteilung lag in jedem
Klima gleih nahe. Andererseits brauchte man keine Steinreihen auf-
zurichten, um zu wissen, wann die Saat aus dem Boden kam.
Für das Klima finden wir also aus diesen Steinreihen keinen
Anhalt. Zur Erforschung der Wandlungen, die es durchgemacht hat, sind
wir vielmehr auf rein geologische und biologische Anzeichen hingewiesen.
Als sicherer Anfangszustand, von dem wir hier ausgehen wollen, bietet
sih uns die Eiszeit, während deren die Mitteltemperatur Norddeutsch-
lands um ungefähr 4° niedriger gewesen sein muss als heute. Die
Frage, die uns nun beschäftigen soll, ist die, wie das eiszeitliche Klima
überging in das jetzige.
') A. DEVOIR, Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. Mannus Bd. I, S. 71 ff.
3] Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 287
Wir fragen zunächst: Welches Klima herrshte am Rande des
diluvialen Eises? Dass es etwas kälter war als heute, bezeugt die da-
malige Verbreitung der Gletscher, die heute auf die Hochgebirgsgegenden
Skandinaviens beschränkt sind. Aus derselben Tatsache hat man auch
auf ein feuchteres Klima schliessen zu dürfen geglaubt, aber die nähere
Forschung ergibt das Gegenteil. Schon vor einem Menschenalter wies
NEHRING!) darauf hin, dass das Vorkommen von Steppentieren in
interglazialen Ablagerungen von Braunschweig ein Steppenklima nahe
dem Eisrande erforderte. Das Gleiche ging aus dem Auftreten des
Lösses hervor, nahdem Von RICHTHOFEN seine Entstehung aus
Staub, den der Wind mitführte, nachgewiesen hatte. In der Tat müssen
wir jetzt annehmen, dass das Klima am Rande des Eises ein sehr
— r —— — —E VER
Abb. 1. Rückzug des diluvialen Eises aus Norddeutschland.
Die dicken schwarzen Linien bedeuten Stillstandslagen des Eisrandes, die unterbrochenen Linien geben
die allgemeine Richtung anderer Eisrandlagen wieder, soweit sie sich bisher haben ermitteln lassen.
Masstab 1 : 6 000 000.
trockenes war, und wir sind auch über die meteorologischen Voraus-
setzungen unterrichtet, die das verursachten. JENTZSCH, WEBER, VAHL
u. a., unterstützt durch die Erfahrungen der letzten Südpolarexpeditionen,
haben darauf hingewiesen, dass sich, über den riesigen Eismassen des
diluvialen Inlandeises dauernd ein Überschuss von kalter und darum
schwerer Luft ansammeln musste, der ein dauerndes Abstrémen nach
dem Eisrande zur Folge hatte. Daher herrschten in der unmittelbaren
Umgebung des Eises Winde, die aus dem kalten Eisgebiet in das wärmere
Vorland hinausbliesen und die JENTZSCH als „Eiswinde“ bezeichnet hat.
1) NEHRING, Uber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, unter beson-
derer Beriicksichtigung ihrer Fauna. Berlin 1890.
19*
288 Friedrich Solger. (4
Das Eis hat sich aus Norddeutschland in der Hauptsache gegen Nordosten
zurückgezogen (Abb. 1), wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe‘).
Wir sollten also Nordostwinde am damaligen Eisrande erwarten. Die
von jenen erzeugten Dünenbildungen zeigen aber, dass es Ostwinde,
vielleicht sogar Ostsüdostwinde waren. Das rührt daher, dass durch die
Erddrehung auf der nördlichen Halbkugel alle Winde im Sinne des Uhr-
zeigers abgelenkt werden. Diese Ostwinde, die aus einem kalten Gebiete
kamen, enthielten demgemäss sehr wenig Feuchtigkeit. Da sie sich in
dem eisfreien Vorlande erwärmen mussten, trockneten sie noch mehr
aus und bewirkten, dass hier die Pflanzenwelt zunächst nicht aufkommen
konnte. Mit dem kahlen trocknen Boden trieb der Wind sein Spiel,
er häufte den Sand zu Dünen auf, den Staub trug er hinüber in die
angrenzenden Gegenden, in denen wenigstens Steppengräser fortkamen.
Hier blieb der Staub in den Grashalmen hängen, und es entstand der
Lössboden, der die Magdeburger Börde z. B. zu einer so fruchtbaren
Rübengegend macht und in dem wir die Reste zahlreicher Steppentiere
finden. Erst jenseits dieser Steppenzone dürfen wir die damalige
Waldgrenze annehmen.
Dass tatsächlih in der Nähe des Eises zunächst eine wüstenartige
Zone vorhanden gewesen sein muss, das geht auch aus der Oberflachen-
gestaltung unserer Mittelgebirge hervor, die ja während der Hauptver-
eisungszeit diesem Randgebiete angehörten. Die Bergformen Thüringens
sowohl wie der Sächsischen Schweiz sind nur zu verstehen, wenn man
davon ausgeht, dass sie in einem dürren Klima entstanden, in dem die
Wirkung des Windes die des Wassers überwog. Um das an einem
möglichst bekannten Beispiel klar zu machen, wähle ich die Umgebung
von Jena, z. B. das Gembdental mit dem Jenzig und den Kernbergen, die
seine Gehänge bilden (Abb. 2). Wir haben hier ein breites und tiefes Tal
Laden FE
SEs
Abb. 2. Blick vom Landgrafenberg bei Jena auf Jenzig und das Gembdental.
Beispiel von Oberflächenformen,
die ihre wesentliche Ausbildung in der diluvialen Trockenperiode erhielten.
vor uns, das in seiner ersten Anlage unzweifelhaft auf die nagende
Tätigkeit des Wassers zurückzuführen ist. Hätte diese Wasserwirkung
ungehindert angedauert, dann müssten ganz in derselben Weise wie aus
der Zerschneidung des Saaletalgehänges das Gembdental hervorgegangen
1) SOLGER, Über den Rückzug des diluvialen Inlandeises aus dem mittleren
Norddeutschland. Mon.-Ber. d. Dtsch. Geol. Ges. Bd. 60 (1908) S. 215 ff.
5] Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 289
war, auch die Gehänge dieses Tales weiter durch Wasserrisse zerschnitten
worden sein, und wir müssten eine Zerlegung der ganzen Hochfläche in
ein Gewirr von einzelnen Spigen und sternförmig auseinander gehenden
Graten erwarten. Statt dessen sehen wir zu beiden Seiten des Gemb-
dentales je eine fast ganz glatte Felswand. Eine so gleichmässige Ab-
tragung des Gehänges, wie sie zur Erzeugung solcher Formen nötig ist,
kann nur der Wind bewirken, und damit er wirken kann, muss die
Pflanzenwelt bedeutungslos gewesen sein. Heute ist diese letztere es,
die jede Abtragung durch den Wind so gut wie ganz verhindert, weil
sich bei der allgemeinen Pflanzenbedeckung einerseits kein Staub bilden
kann, mit dessen Körnern der Wind den Boden abschleifen könnte, und
weil andererseits dieser Boden selbst, wo er locker ist, durch die Bewach-
sung davor geschützt wird, vom Winde fortgeblasen zu werden. Ganz
ähnliche Schlüsse gestatten die Formen des Königsteins, Liliensteins,
der Kaiserkrone u. a. in der Sächsischen Schweiz’).
Wir müssen uns also während der Eiszeit vor dem Eisrande
drei aufeinander folgende Klimazonen vorstellen: zunächst Wüste,
dann Steppe, dann Wald (Abb. 3). Heute gehört Nordeuropa, soweit
der Mensch das Pflanzenkleid nicht völlig umgeändert hat, dem Waldgebiet
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Abb. 3. Klimazonen in der Nähe des diluvialen Inlandeises.
an bis in die hohen Breiten hinauf, in denen die Julitemperatur unter
10° sinkt. Von da ab fehlt der Baumwuchs, und so breitet sich die
Tundra mit ihren niedrigen Moos- und Heidepolstern aus. Dann folgt
das arktische Eis, das heute jedoch wenigstens an der Nordgrenze Europas
keine Gletscher enthält, sondern lediglich Meereseis ist (Abb. 4). Nur in Grön-
Tundra Ersmeer
p-e
Abb. 4. Klimazonen in ‘der Nähe des heutigen arktischen Eises.
land und auf den arktischen Inseln finden wir innerhalb dieser Zone auch
Gletsher. Heute besteht also die Reihenfolge der alten Klimazonen
nicht mehr, sondern statt dessen die Aufeinanderfolge: Eis, Tundra, Wald.
Hier sind der Einfachheit wegen für die einzelnen Klimate die
Bodenbedeckungen gesetzt, die aus jenen folgten, und in denen sih am
klarsten die Lebensbedingungen ausdrücken, die jedes der verschiedenen
Klimate für den Menschen bot. Es möge auch für das Folgende diese
Abweichung von der streng logishen Ausdrucksweise gestattet sein, da sie
1) Während der Niederschrift dieses Aufsatzes ist eine Arbeit von Dr. E. OBST
erschienen (Die Oberflächengestaltung der schlesish-böhmischen Kreideablagerungen,
Hamburg 1909), worin die grosse Bedeuturg der trockenen Ostwindperiode auch für
die Entstehung der schlesischen Bergformen dargetan wird.
200 Friedrich Solger. [6
die Anschaulichkeit erhöht und ohne Gefahr ist, so lange wir uns
ihrer bewusst bleiben.
Manche Tiere, die heute in der Tundra und nahe ihrer Grenze
leben, sind während der Eiszeit auch bei uns vorgekommen, so das Renntier
und der Lemming. NEHRING unterschied deshalb seiner Zeit zwischen
dem Rande des Eises und dem Steppengürtel eine Tundrazone. Indessen
ist es mehr als zweifelhaft, ob wir dabei an eine Tundra im Sinne der
heutigen denken dürfen. Die Tundra ist mit der Steppe nur insofern
verwandt als beide des Baumwuchses entbehren. Aber bei beiden
beruht dies auf ganz verschiedenen Ursachen. Die Steppe ist zu trocken,
die Tundra zu kalt. Der Boden der Steppe besteht aus Löss, d. h. Staub-
ablagerungen, deren Entstehung eine benachbarte Wüste zur Voraus-
setzung hat. Der Boden der Tundra enthält Humusbildungen, er stellt
sich somit nicht als eine arktishe Steppe, sondern als eine arktische
Heide dar. Irgend eine heideartige Pflanzenformation war aber zwischen
der Diluvialwüste und -Steppe durch die Trockenheit ausgeschlossen.
Wenn sich heute gewisse Tiere, die damals bei uns lebten, in der
Steppe wiederfinden, andere dagegen in der Tundra, so müssen wir
bedenken, dass es ein Klima, wie das diluviale Klima Norddeutschlands,
heute überhaupt nicht mehr gibt. Steppen sind heute auf niedrigere Breiten,
also auf Gegenden von höherer Mittelwärme beschränkt. Tiere, die in
so warmen Gegenden nicht leben konnten, mussten sich in die Tundra
wohl oder übel zurückziehen, auch wenn sie sich dabei an eine andere
Pflanzenkost gewöhnen mussten. So dürfen wir aus dem Auftreten
des Renntiers und des Lemmings nicht auf echte Tundra, sondern nur
auf kalte Steppen schliessen. Dann erscheint aber auch grössere Vor-
siht geboten, ehe man aus einem Wechsel von „Tundratieren“ und
„Steppentieren“ an einem Fundpunkt einen Wechsel zwischen kühlerem
und wärmerem Klima herleitet. Wenn unsere Anschauungen über die
Dürrezonen vor dem Eisrande richtig sind, dann würde eine Erwärmung,
die naturgemäss zum Zuriickweichen des Fises führen musste, vor allem
eine Verschiebung des Wüsten- und des Steppengürtels zur Folge ge-
habt haben, da diese gemeinsam mit dem Eise zurückweichen mussten.
Man müsste dann also einen Wechsel zwischen Steppe und Wald finden.
Das ist auch an manchen Stellen der Fall, und dort ist ein Klimawechsel
sicher. Aber innerhalb der Steppe, deren Breite wir allerdings nicht
kennen, zwei Zonen anzunehmen, die den Tundratieren und den Steppen-
tieren entsprächen, ist zu gewagt, als dass man es ohne andere sicherere
Anzeichen tun dürfte. Wenn wir uns erinnern, dass man allgemein
zwischen der Eiszeit und unserem heutigen Klima nur einen mittleren
Temperaturunterschied von 4° annimmt, dann werden wir zweifelhaft
sein, ob man innerhalb des doch nur in der Nähe des Eises möglichen
Steppengürtels so grosse Wärmeunterschiede annehmen darf, dass zwei
ganz verschiedene Tiergemeinschaften dadurch voneinander getrennt
wurden. Gerade für die Urgeschichtsforshung möchte ich also davor
warnen, aus solchen Anzeichen allein auf Klimaänderungen zu schliessen.
Die Tiergeographie wird nun, nachdem wir die klimatischen Verhältnisse
am Eisrande näher kennen, als es zu NEHRINGS Zeiten möglich war,
von neuem zu der Frage Stellung nehmen müssen, ihr Ergebnis bleibt
abzuwarten,
7] Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 291
Mit dem Zurückweichen des Eises wurde die Luftmasse, die über
ihm abgekühlt werden konnte, immer geringer, und damit musste der
Einfluss der Eiswinde immer mehr eingeschränkt werden. Wüste und
Steppe wurden nicht nur dabei nach Norden gedrängt, sondern sie ver-
loren überhaupt an Boden, und diesen Boden eroberte der Wald.
Zwischen Wald und Eis blieb schliesslich nur das Gebiet frei, in dem
die Kälte an sich keinen rechten Pflanzenwuchs aufkommen liess. Da-
bei müssen wir in Betracht ziehen, dass der Wald mit dem Rückzug
des Eises in Gebiete mit immer kürzer werdendem Sommer vordrang.
Die Bedeutung dieses Vorganges für den Menschen werden wir noch
zu berücksichtigen haben. Hier wollen wir uns zuerst der Frage zu-
wenden, wie das Klima Norddeutschlands sich nach dem Verschwinden
des Dürregürtels am Eisrande weiter entwickelt hat. Wir teilen die Zeit
nach dem Rückzuge des Eises aus unserer engeren Heimat gewöhnlich
ein in die Yoldia-, Ancylus- und Litorinazeit, der wir die Mya- oder
geologische Jetztzeit folgen lassen. Diese Einteilung ist nicht von kli-
matischen Wandlungen non: sondern von Veränderungen der
Umrisse von Meer und Land, die hauptsächlih die skandinavischen
Küsten betrafen. Die Ostsee, die in der Yoldiazeit mit dem Polarmeer
in Verbindung stand, ist in der Zeit des Ancylussees ein abgeschlossener
Siisswassersee, dessen Küsten sich in der Litorinazeit senken und eine
offene Verbindung mit der Nordsee entstehen lassen. Gewiss werden
diese Wandlungen nicht ohne Einfluss auf das Klima gewesen sein,
aber in Norddeutschland selbst sind klimatische Schwankungen von
irgend wie erheblichem Betrage während dieser Zeit nicht nachzuweisen.
ir können nur ein allmähliches Feuchterwerden und dann Wärmer-
werden des Klimas erkennen. Die ersten Moore, also die ersten Zeichen
der zunehmenden Feuchtigkeit, schreibt DEECKE in Pommern wohl
mit Recht der Ancyluszeit zu. Wir finden in ihren ältesten Schichten
gewisse Pflanzen, die wir als Glazialpflanzen zu bezeichnen gewöhnt
sind. Wir kennen sie heute teils von der alpinen, teils von der ark-
tischen Baumgrenze her, wie Dryas octopetala und die Zwergbirke,
Betula nana. Doch findet sich die Zwergbirke auch auf Hocimooren
der Jetztzeit bei uns. Es scheint sich also weniger darum zu handeln,
dass diese Pflanzen an eine niedere Temperatur gebunden wären, als
. dass sie sich vielmehr auf den Rand des von Pflanzen besiedelbaren
Gebietes beschränken müssen, weil sie in dessen biologisch günstigeren
Teilen von lebenskräftigeren Arten verdrängt werden. Wir werden aus
ihrem Vorkommen also nur den Schluss ziehen dürfen, dass um diese
Zeit die Waldgrenze etwa durch Norddeutschland ging, wahrscheinlich
noch umgeben von einem nicht unbedeutenden Steppensaum. Die später
auftretenden Pflanzen weichen nicht merklich von unseren heufigen ab.
Für Skandinavien hat man eine Reihe von Klimaperioden aus dem Auf-
treten von Baumschichten in Mooren zwischen baumlosem Torfe unter-
schieden. In den grossen norddeutschen Mooren lässt sih das nicht
durchführen. Wir finden zwar in den nordwestdeutschen Mooren zwischen
einem älteren und jüngeren Moostorf eine Heidetorfschicht mit Zer-
setzungserscheinungen, die auf grössere Trockenheit schliessen lassen.
Selbst wenn wir darin aber eine Klimaänderung widergespiegelt sehen
wollen, würde deren Betrag nicht grösser zu sein brauchen als etwa
292 Friedrich Solger. [8
der Untershied zwischen dem Klima von Hannover und Posen, also
für den Menschen nicht von merklihem Einfluss gewesen sein. Auch
die Unterscheidung einer Kiefer-, Eichen- und Buchenzeit ist, wenn man
ihre Verschiedenheiten auf dem Gebiet des Klimas suchen will, nicht
hinreichend begründet. Dass ein Waldbaum den anderen ablöst, kann
bei den kurzen Zeiträumen, um die es sich hier handelt, sehr wohl die
Folge einer gewissen Bodenmüdigkeit sein, indem unter den obwalten-
den Klimaverhältnissen eine bestimmte Waldart den Boden in einer
für sie ungünstigen Richtung verändert. Es entsteht dann eben nicht
sofort eine dauernde Pflanzenformation, sondern die Baumarten lösen
sich solange ab, bis schliesslih ein Baum Besitz von dem Lande er-
greift, der den Boden nicht ermüdet. Dieser wird dann auch nicht ver-
drängt werden. Das scheint mit dem letzten der genannten Bäume, der
Buche, der Fall zu sein, sie beeinflusst den Boden in einer für sie
selbst günstigen Weise, weshalb sie auch wohl als „Mutter des Waldes“
gerühmt worden ist. Nur in zu feuchten Gebieten wird der Wald mit
der Zeit überhaupt verdrängt durch Bildung von Hochmoor. So waren
die grossen Moorgebiete Nordwestdeutshlands nach der Eiszeit alle
bewaldet. Die Baumstümpfe finden sich unter der Torfschicht noch heute.
Jetzt ist durch die grössere Luftfeuchtigkeit und die grösseren Nieder-
schlagsmengen eine regionale Humusbildung eingeleitet, es ist ein Hoch-
moor entstanden. Aber der Schluss ware falsh, dass während des
Gedeihens der Bäume, deren Reste sich jetzt in den unteren Torf-
schichten finden, ein trockneres Klima notwendig hätte herrschen müssen.
Die ersten Bäume siedelten sich hier allerdings an, nachdem vorher
sicher ein trockneres Klima geherrscht hatte. Aber während ihrer An-
wesenheit bis zu ihrem Untergange braucht eine weitere Zunahme der
Feuchtigkeit nicht eingetreten zu sein. Es entwickelten sich nur all-
mählich unter der Herrschaft des neuen Klimas die Verhältnisse, die
die Bäume vertrieben, vor allem eine immer steigende Bedeckung des
Bodens mit Humusablagerungen, die den Bäumen die Luft für die
Wurzeln entzogen.
Wir haben also keine Ursache, nach dem Einrücken des Waldes in
das norddeutshe Flachland noch Klimaschwankungen von solcher Be-
deutung anzunehmen, dass sie für den Menschen merklich andere
Daseinsbedingungen geschaffen hätten. Dass kleine Schwankungen ein-
getreten sind, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen, kennen wir solche
doch aus historischer Zeit. BRUCKNER!) hat darauf hingewiesen, dass
sich etwa alle 35 Jahre Perioden grösserer und geringerer Niederschläge
abzuwechseln pflegen, die auch einen Unterschied in der mittleren Jahres-
wärme zeigen. Eine solche Periode prägt sich z. B. recht deutlich in
dem Wasserstande der Elbe während des letzten Jahrhunderts aus (Abb. 5).
Ebenso scheinen Schwankungen von mehrhundertjähriger Dauer
aus den Veränderungen der Hochgebirgsgletscher gefolgert werden zu
müssen. Doc sind diese Veränderungen alle nicht von solcher Grösse,
dass sie sich in den Daseinsbedingungen des Menschen wiederspiegeln
könnten. Nur insofern wäre ein Einfluss nicht unmöglich, als eine Reihe
von Jahren oder Jahrzehnten, die dem Pflanzenwuchs besonders günstig
1) BRUCKNER, Klimaschwankungen seit 1700. Wien 1890.
9) Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. _ 293
waren, vielleicht eine stärkere Vermehrung des Volkes herbeiführten oder
doch bewirkten, dass der Bevölkerungszuwachs längere Zeit hindurch
noch seine Nahrung fand. Beim Einsetzen schlechterer Klimaverhältnisse
mögen sich die Erträge vermindert haben, jener Zuwachs wurde nun
8 Š N
g 3 Š Š 2 Š Š
Abb. 5. Schwankungen des mittleren jährlichen Wasserstandes am Elbpegel
zu Sandau 1820 - 1895 (Summenlinie). Nach den amtlichen Elbstromwerken.
Höhenmasstab : 1 : 150.
Die Summenlinie gibt nicht die Wasserstände selbst an, sondern die Summe der Abweichungen vom
Mittelwert seit 1820. Da hierdurch abweichende Wasserstände einzelner Jahre zurücktreten gegenüber
länger dauernden, so eignet sich die Darstellung besonders für die Veranschaulichung grösserer Perioden
in den Pegelschwankurgen Die hohen Wasserstände um 1820, 1855, 1890 und die niedrigen in den
Zwischenzeiten treten scharf hervor. (Summa 1835/36 = 26,2 mm).
als Übervölkerung empfunden, und die Folge war eine Auswanderung.
So lassen sich die einzelnen Wellen der von den Ufern der Ostsee
ausgehenden Völkerwanderungen vielleicht mit Klimaschwankungen in
Verbindung bringen. Indessen gehört der Nachweis solchen Einflusses
nicht in das Gebiet des Geologen, sondern des Urgeschichtsforschers.
Als Geologe wollte ich nur auf die Möglichkeit aufmerksam machen.
Von ungeheurem Einfluss auf den Menschen musste dagegen das
Vorrücken des Waldes sein und das Zurückweichen des Steppenlandes;
denn an dieses war der Mensch ursprünglich gebunden. Den Menschen
als ein kletterndes Baumwesen aufzufassen, wie es KLAATSCH versucht
hat, geht nicht an und ist von anatomischer Seite bereits widerlegt
worden. Der Wald war dem alten Deutschen noch immer das Heilige,
das Unnahbare, nicht das Lebensgebiet. Unsere Getreidearten sind
Steppenpflanzen, und wir müssen den Menschen auffassen als einen
Bewohner der Steppe, allenfalls des Waldrandes, der mit seinem
einfachsten Landbau sicher auf die Steppe angewiesen war. So musste
er auch mit dem Waldrande nach Norden rücken, und so musste er
andererseits mit dem Verschwinden der Steppe dazu gedrängt werden,
sich künstliche Steppen zu erzeugen, den Wald auszuroden. Diese Not-
wendigkeit kann für ihn erst eingetreten sein, als das Eis erheblich
zusammen geschmolzen war und damit auch die Breite des Steppengürtels
entsprechend abgenommen hatte. Wir können uns deshalb wohl denken,
dass der aus Mitteleuropa vor dem Walde her wandernde Mensch bis
an die Gestade der Ostsee gekommen sein mag. Erst von hier ab
wird sich die allmähliche Verengerung des Steppengebietes fühlbar ge-
macht haben. Damit musste ein neues Entwicklungsmoment gegeben
sein, zugleich aber auch ein Stillstand der Wanderung. Wollten diese
Menschen sich weiter ausbreiten, dann mussten sie gegen den Wald
vordringen nach Süden. Beide Ursachen zusammengenommen dürfen
wir wohl als den tieferen Untergrund ansehen dafür, dass die Umgebung
der Ostsee die Wiege des Indogermanentums wurde.
Das Dreiperiodensystem.
Ein Jubiläumsbeitrag zur Geschichte der prähistorischen
Forschung.
Von Hugo Mötefindt, Wernigerode a. H.
_— mn
Über die erste Aufstellung des Dreiperiodensystems herrschen auch
heute noch in den Forscherkreisen sehr verschiedene Ansichten; man
schwankt vielfach, wem man die Entdeckung zuschreiben soll. Die grund-
legenden Arbeiten der damaligen Forscher sind meistens sehr schwer
zu bekommen. Da nun vollends seit der ersten Aufstellung des Drei-
periodensystems 75 Jahre verflossen sind und somit die prähistorische
Wissenschaft auf eine 75jahrige wissenschaftliche Tätigkeit zurückblickt,
so stelle ich hier die Ergebnisse meiner Nachforschungen über die erste
Aufstellung des Dreiperiodensystems zu folgendem Jubiläumsbeitrag zur
Geschichte der prähistorishen Wissenschaft zusammen’).
Die ehrwürdigen Denkmäler der vorgeschichtlichen Zeit, welche die
Oberfläche der Erde verbirgt, haben zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit
der Menschen auf sich gelenkt. Durch viele Jahrhunderte lässt sich dieses
Interesse für die vorgeschichtlihen Altertiimer zurückverfolgen. Lange
aber währte es, bis man in diesen Ältertümern einen Nutzen für die
Geschichte erkannte. Schon um 1520 brachte man dem Herzog Heinrich
dem Friedfertigen von Mecklenburg ausgegrabene Urnen, und der das
Altertum in hohem Masse schätzende und schützende Herzog fing an,
die Urnen zu sammeln, die älteste mir bekannte Sammlung von vorge-
schichtlichen Altertiimern. Eine Beschreibung der im Laufe der Zeit
wieder verschollenen Funde von des Herzogs antiquarischem Rat Nikolaus
Marschalkus THURIUS ist uns erhalten *). Derartige über Funde aus dieser
1) Übersicht über die in Frage kommende Literatur:
VIRCHOW, R., Priorität der Lehre von den drei archäologischen Perioden. Verhandl.
der Berliner anthr. Gesellschaft 1885, S. 263—267. Ferner zu vergleichen:
Verhandl. 1881, S. 220 und Verhandl. 1885, S. 409.
RAUTENBERG, E., Beitrag zu den Erörterungen über den Prioritätsstreit in Betreff der
Entdeckung der prähistorishen Kulturperioden. Verhandl. 1885, S. 551 — 553.
UNDSET, Zur Geschichte der Lehre von den drei Perioden. Verhandl. 1886, S. 18—22,
u Hans, Zur Geschichte des Dreiperiodensystems. Verhandl. 1886,
. 557 — 367.
MULLER, Sophus, Nordische Altertumskunde I, S. 217 ff.
2) LISCH, Friderico-Francisceum S. 15.
2) Das Dreiperiodensystem. 295
Zeit uns erhaltenen Nachrichten bilden jedoch nur vereinzelte Erschei-
nungen. Die meisten Funde sind ohne jede Nachricht verschwunden.
Unachtsamkeit und Unkenntnis, Kriegsstürme und politische Kämpfe im
Vaterlande drängten in den folgenden Jahren die Bemühungen für Kunst
und Wissenschaft in den Hintergrund. Erst im achtzehnten Jahrhundert
veranlassten wieder zufällige Entdeckungen von Grabaltertümern unmittel-
bare Untersuchungen der alten Grabhügel, welhe man bis dahin als
Denkmäler der heidnischen Zeit aus abergläubischer Furcht gemieden
hatte. Diese Untersuchungen, oft schon mit Sorgfalt und Umsicht aus-
geführt, brachten manch wertvolles Fundstück zutage. Die Funde wurden
jedoch unter die Kuriositäten der fürstlichen Kunstkabinette und Antiken-
sammlungen zerstreut und sind teilweise im Laufe der Zeit verschollen
oder erst in bedeutend späterer Zeit mühsam wieder zusammengestellt
und der Forschung zugänglich gemacht. Eine umfangreiche Literatur hat
sich schon damals aus den Ausgrabungsberichten und Fundbeschreibungen
gebildet.
Mit tiefergehenden Untersuchungen allgemeinerer Natur befasste
man sich erst im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts, als infolge der
Freiheitskriege ein reges allgemeineres Interesse in weiteren Kreisen für
die Geschichte des Vaterlandes und besonders durch die Wirksamkeit der
Gebrüder GRIMM für die deutsche Altertumskunde herrschte. Eine Pflege-
stätte dieses Interesses bildete sich bald in den zahlreichen damals ge-
gründeten, zum grössten Teil noch jetzt bestehenden Gescichtsvereinen,
von denen ich hier nur erwähne den thüringisch-sächsischen Verein für Er-
forschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denk-
mäler, gegründet 1820, den Verein für mecklenburgische Geschichte und
Altertumskunde, gegründet 1835 und den altmärkischen Verein für vater-
ländische Geschichte und Industrie, gegründet am 13. Juli 1836, die sich
alle mit Feuereifer der Sammlung und Ausgrabung von vorgeschichtlichen
Altertümern hingaben. Auch viele Fürsten bekundeten reges Interesse
für die Altertumsforschung. Wieder war es besonders ein Grossherzog
von Mecklenburg, Friedrich Franz, der nicht bloss eifrig für die Ver-
mehrung seiner Sammlung bestrebt war, sondern dessen Bestrebungen
der Altertumsforschung überhaupt zugute kamen. Durch seine Unter-
stützung wurde ein für die damalige Zeit epochemachendes Werk, das
„Friderico-Francisceum oder grossherzogliche Altertümersammlung aus
der altgermanischen und slavischen Zeit Mecklenburgs“, 6 Hefte Abbil-
dungen und ein Band Text, angeregt und ermöglicht; die Herausgabe
verzögerte sich jedoch lange Zeit durch Tod der Bearbeiter und wurde
erst 1837 durch LISCH vollendet. Wie sehr sich die Altertiimer des
fürstlihen Schutzes dieses Herrschers erfreuten, mögen nachfolgende,
öffentlih bekannt gemachte Verordnungen beweisen, die zugleich
wertvolle Beiträge zur Geschichte der Gesetzgebung über die Grabalter-
tümer sein dürften. Interessant ist für uns besonders die zweite Ver-
ordnung, da in ihr die Gesetzgebung der damaligen Zeit noch weiter
gegangen ist, als man heute überhaupt strebt: Nicht nur alle neuen
Funde sollen an eine öffentlihe Sammlung abgeliefert werden, sondern
überhaupt alle im Privatbesitz befindlichen Altertümer. Damit wird zum
ersten Male der Grundsatz aufgestellt, gegen den immer noch so viel
gesündigt wird und der doch endlih bald überall begriffen werden
206 Hugo Mötefindt. (3
könnte: „Urgeshichtlihe Dokumente dürfen nicht in Privat-
sammlungen verschwinden“. Daher mögen diese Gesetze auch
hier noch einmal folgen.
Friedrih Franz von G. G. H. z. M. usw.
Wir befehlen euch, alle Pachter und Dorfschaften in dem euch anvertrauten
Amte dahin anzuweisen, dass sie keine anscheinend heidnischen Gräber berühren,
um Steine auszugraben. Ihr selbst aber habt an Uns unmittelbar ein Verzeichnis
einzusenden, wie viele heidnishe Gräber im Amte befindlich sind, und auf welchen
Feldmarken selbige sich befinden. An dem geschieht Unser gnädiger Wille und
Meinung. Gegeben auf Unserer Vestung Schwerin, den 13. April 1804.
Friedrih Franz, H. z. M.
An alle Beamte.
Friedrih Franz v. G. G. H. z. M. usw.
Da Wir die Absiht haben, Unser Antikenkabinett zu erweitern, so würden
Wir es mit gnädigstem Dank erkennen, wenn jeder Gutsbesitzer in Unsern Landen
Uns höchst unmittelbar aus Gefälligkeit anzeigen wollte, wie viele heidnische Gräber,
die unbegraben sind, er auf seinem Gute oder auf seinen Gütern habe, damit Wir
auf unsere Kosten und unter Aufsicht des von Uns zu diesem Geschäft bestimmten
Hauptmanns Zinck an den anzuzeigenden Orten graben lassen können. Wir lassen
dies zur öffentlihen Bekanntmachung gelangen. Gegeben auf Unserer Vestung
Schwerin, den 13. April 1804. Friedrich Franz, H. z. M.').
ll.
Friedrich Franz v. G. G. Gr. H. v. M. usw.
Wir befehlen in Erweiterung Unseres Verbots vom 13. April 1804 wegen Auf-
grabens heidnischer Gräber euch hierdurch:
1. Den Pächtern und Dorfschaften in den euch untergebenen Ämtern bei
scharfer Ahndung aufzugeben, sich aller Beschädigung der Gräber und Denkmäler
der Vorzeit, niht weniger aller Zerstörung derselben, zu Abhülfe wirtschaftlicher
und baulicher Bedürfnisse zu enthalten, so wie selbst strenge darauf zu wachen,
dass ohne eingeholte Unsere besondere unmittelbare Erlaubnis diesem nicht ent-
gegengehandelt werde.
2. Alle früher oder künftig zufällig gefundenen, in Privathänden befindlichen
Altertümer von den Domainaleingesessenen einzufordern und dieselben mit einem
möglichst genauen Bericht über Fundort und Fundart an Unsere Altertumssammlung
in Ludwigslust einzusenden.
Übrigens soll den Besitzern solcher Altertümer zwar eine Entschädigung für
die durch die Ablieferung versäumte Zeit nach Tagelohn sowie durch Erstattung des
Metallwertes, wenn es begehrt werden sollte, zugestanden werden, jedoch habt ihr
eure Amtsuntergebenen in vorkommenden Fällen über den hödst geringen Geld-
wert der meisten Ältertümer angemessen zu belehren. An dem geschieht Unser
gnädigster Wille und Meinung. Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin am
11. Dezember 1836. Friedrich Franz. L. H. von Plessen.
An alle Beamte.
——— =
Friedrih Franz v. G. G. Gr. H. z. M. usw.
Fügen, mit respektiver Entbietung Unseres gnädigsten Grusses, allen Obrig-
keiten Unserer Ritter- und Landschaft und überhaupt allen Unseren Untertanen
und Landeseingesessenen hiermit zu wissen: wie Wir bei der hohen wissenschaft-
lihen Bedeutung und der Ehrwürdigkeit der Gräber der Vorzeit und der in ihnen
1) SCHRODERs neueste mecklenburgische Gesetzsammlung II, 2, Seite 336.
LISCH, Friderico-Francisceum S. 7 ff.
4) Das Dreiperiodensystem. 297
gefundenen Altertümer Unser Verbot wegen Aufgrabens heidnischer Gräber in
Unsern Domainen vom 13. April 1804 durch vorstehende Verordnung zu erweisen
geruht haben, und Wir es mit dem gnädigsten Danke erkennen würden, wenn auch
die auf den ritterschaftlihen und städtischen Grundstücken befindlichen alten Grab-
stätten nicht anders als etwa zu wissenschaftlihen Zwecken geöffnet würden, auch
dafür Sorge getragen werden wollte, dass alle auf diesen Besitzungen zufällig ge-
fundenen oder sonst im Besitze von Privaten befindlichen Altertümer an eine der
öffentlichen Altertumssammlungen abgegeben werden, da alle Erfahrungen den end-
lihen ea von Gegenständen des Altertums im Privatbesitze gelehrt haben.
Wir lassen dies durch Unser Wochenblatt zur öffentlihen Bekanntmachung gelangen.
Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin, am 16. Dezember 1836.
Friedrich Franz. L. H. v. Plessen’).
Trotz aller Bemühungen um die deutsche Altertumskunde konnte
diese Wissenschaft zu keiner Sicherheit in ihren Resultaten gelangen.
Nach dem Muster der Antikenkabinette sammelte und beschrieb man
gewöhnlich nur einzelne Stücke; auch ging man von vorgefassten Mei-
nungen aus und wollte mit einzeln gefundenen Altertümern historische
Thesen beweisen. Endlich beschrieb man auch mehr als dass man Ab-
bildungen veröffentlichte. In den Sammlungen wurden alle Funde aus-
einandergerissen, alle Stücke nach ihrer Form oder nach ihrem Material
geordnet ‘).
Nach und nach, besonders seit dem Wiedererwachen der Liebe zur
vaterlandischen Geschichte fing man allmählih an diesen Altertiimern
eine historische Seite abzugewinnen. Natürlich waren die übereilt aus
ihnen gezogenen Folgerungen anfangs sehr einseitig. So wollte man
damals, ohne dass man grössere Gebiete überschauen konnte, die Alter-
tümer bestimmten Völkern zuschreiben: das Eisen hielt man für slawisch;
die Bronze sollte nach der Ansicht der einen Forscher von den Römern
herrühren, nach andern ein Kennzeichen der Germanen sein, und wieder
andere schrieben sie den Kelten zu, denen überhaupt fast alles, was älter
als römisch war, angehören sollte. Um auch ein anderes von den vielen
Beispielen der damaligen Forschungsmethoden anzuführen, erwähne ich
folgendes: Als 1750 bei Göhlitzsh, Kr. Merseburg, ein Steinkisten-
grab entdeckt wurde, dessen Wandsteine in ihrer ganzen Ausdehnung
mit eingeritzten, rot ausgemalten geometrischen Ornamenten bedeckt
waren und ausserdem einige andere Einritzungen, die als Darstellungen
von Bogen, Köcher usw. gedeutet sind, zeigten, da wurde das Grab
ohne weiteres einem Heerführer des Attila zugeschrieben °).
» Lange Zeit hat es gedauert, bis man sich von dieser einseitigen und
oberflächlichen, nur auf einen kleinen Gesichtskreis beschränkten Forschung
abwandte. Als man dann aber anfing, die Ergebnisse der Ausgrabungen in
verschiedenen Gegenden zusammenzustellen, da fand man, dass gewisse
Formen der Hügel mit ihrem Inhalt im wesentlichen sich überall wieder-
holten, fand aber auch, dass in gewissen Gegenden abweichende Formen
vorkamen. Da in Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland histo-
risch nachweisbar nie Slawen gewohnt haben, so legte man die dortigen
1) LISCH, Friderico-Francisceum S. 8 ff.
») Man sieht: „Einst alles wie heut’ !“
3) ROSENKRANZ’ Neue Zeitschr. für die Geschichte der germ. Völker, I. Band,
Heft 3, 1832, S. 53—68, Tafel 1 und II; weitere Literatur in GÖTZE- HOFER-
ZSCHIESCHE, die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens, S. 11.
298 Hugo Mötefindt. [5
Forschungsresultate zu Grunde und schloss, dass alle die Grabhügel,
die in ihrer Bauart und ihrem Inhalt mit denen, die sich dort fanden,
übereinstimmten, germanischen Ursprungs sein müssten. Man gewann
dadurch einen beinahe sicheren Haltepunkt und versuchte eine Einteilung
der Gräber nach ihrer äusseren Form, wobei der Inhalt erst in zweiter
Linie in Betracht kam.
Der erste mir bekannte Altertumsforsher, der die Gräber
nach der äusseren Form einteilte, zwar nur die Hügelgräber, und
daraus dann auf die Zeit, aus der sie herrühren, schliessen wollte, war
der Justiziarius JASSPERSON in Oestergarde in Schleswig'). Er unter-
scheidet zwei Arten von Gräbern: Hünenbetten von länglich-runder Form,
aus Steinblöcken aufgeführt, und Erdhügel in halbkugel- oder backofen-
förmiger Gestalt mit verschiedener innerer Einrichtung. Dann trat 1835
der Salzwedeler Rektor DANNEIL mit einer auf Grund von reichlich 100
von ihm selbst veranstalteten Ausgrabungen aufgestellten Einteilung
hervor, in der DANNEIL dadurch, dass er die Funde selbst mehr berück-
sichtigte, zum ersten Male das Dreiperiodensystem mit Beweisen ver-
öffentlichte. Ehe wir aber DANNEILs Einteilung betrachten, müssen wir
uns der Vorgeschichte des Dreiperiodensystems selbst zuwenden.
Schon in allen Zeiten hatten besonders erleuchtete Köpfe der
Wissenschaft etwas von einer Dreiteilung der vorgeschichtlichen Zeit ge-
ahnt. So findet sich eine Bemerkung über die drei Zeitalter schon im
Altertume bei dem römischen Dichter LUKRETIUS, der von 98—55
v. Chr. Geb. lebte; in seinem unvollendet hinterlassenen Lehrgedicht
„De natura rerum“ findet sich nämlich Vers 1282 —1285 folgende Stelle:
»Arma antiqua manus, ungues, dentesque fuerunt,
Et lapides, et item sylvarum fragmina rami,
Posterius ferri vis est aerisque reperta;
Sed prius aeris erat quam ferri cognitus usus“.
Auf deutsh: In der Urzeit bildeten Hände, Nägel und Zähne, Steine
und Baumzweige die Waffen; dann kamen das Eisen und die Bronze,
aber zuerst die Bronze, denn die Verwendung des Eisens wurde erst
später erkannt.
Erst viele Jahrhunderte später taucht dann die Vorstellung von
den drei Zeitaltern wieder auf, und zwar ist es diesmal ein Franzose,
A. H. GOGUET, der sich in seinem 1758 erschienenen Werke „L'Origine
des lois, des arts et des sciences“ folgendermassen?) darüber aus-
spricht: „Toute l'antiquité s'accorde à dire qu'il a été un temps où le
monde était privé de l'usage des métaux“ und?) „L'usage du cuivre a
précédé celui du fer“. GOGUETs Auffassung gewann jedoch keine An-
hänger. „Bei den Archäologen der folgenden Zeit trifft man höchstens
ein paar unbestimmte und ganz schwankende Ausserungen über das
Verhältnis zwischen Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Und doch war
GOGUETs Werk nicht vergessen; noch 1820 erschien es in sechster
Ausgabe“ *).
1) In: KRUSE, Deutsche Altertümer, Band 3, Heft 1, 1828, S. 41 ff.
2) Band I, Buch Il, Kap. IV, S. 133.
3) A. a. O. S. 149.
4) Soph. MULLER, Nordische Altertumskunde |, 232.
(6 Das Dreiperiodensystem. 299
Ein halbes Jahrhundert nah GOGUETS Aufstellung finden wir wieder
eine Notiz über die drei Zeiten, und zwar bei dem dänischen Geschichts-
forsher Vedel SIMONSEN, der in seiner „Udsigt over National-
historiens äldste og märkeligste Perioder“ (Übersicht über die ältesten
und denkwürdigsten Perioden der Nationalgeschichte) im ersten, 1813
erschienenen Bande folgendermassen darüber schreibt: „Die Waffen
und Werkzeuge der alten Skandinavier waren zuerst aus Stein und Holz;
später lernten sie das Kupfer bearbeiten, und, wie es scheint, zuletzt
das Eisen. Ihre Kulturgeschichte könnte hiernach in eine Stein-, eine
Kupfer- und eine Eisenzeit eingeteilt werden“ '). Diese Ausserung des
Dreiperiodensystems ist dadurch merkwürdig, dass sie den Perioden
zum ersten Male besondere Namen gibt. Man hat Vedel SIMONSEN
daraufhin als den Begründer des Dreiperiodensystems bezeichnet; aber
auch er brachte keine Beweise für die Richtigkeit seiner Thesen vor
und so kann man ihn nicht als Gründer bezeichnen. „Es war eben
damals in den gelehrten Kreisen Dänemarks eine allzubekannte Sache,
dass es eine alte Theorie über eine solche Aufeinanderfolge der grossen
Kulturperioden gab. Sie galt für nicht vielmehr als eine Hypothese,
die sich nicht näher beweisen liess, und über deren Bedeutung man
sich nicht recht klar war. Der Gedanke an sich konnte jedenfalls keinen
Anspruch auf besonderen Wert erheben, denn er war uralt, und Be-
weise fehlten bis dahin. In einer solchen Sache aber ist der
Beweis alles“ *). e
Bald darauf kommt eine neue Ausserung: Im Jahre 1832 erschien
in Deutschland der erste Teil einer Geschichte des schwedischen Volkes,
von einem Schweden, Prof. GEIJER in Upsala verfasst, in der es
S. 109 heisst: „Die Waffen und die Wikingerflotten zeigen uns früh
den Gebrauch des Eisens; noch ältere Waffen sind aus Kupfer oder
einem mit Kupfer gemischten Metalle, die ältesten von Stein.“ Das
Werk Geigers war keine unbedeutende Publikation. Es gehört in die grosse
Sammlung von geschichtlihen Werken, die von HEEREN und UCKERT
gegründet worden ist. Dass es in Deutschland nicht unbeachtet ge-
blieben ist, geht schon daraus hervor, dass jener erste Teil von LISCH
im Texte des Friderico-Francisceums mehrere Male zitiert wird.
Soweit in kurzem die Vorgeschichte des Systems bis zu dem im
Jahre 1836 erfolgten Auftreten DANNEILs. DANNEIL war es vorbehalten,
die wissenschaftlihe Grundlage des Systems zu bringen, denn bisher
war die Aufeinanderfolge der drei Zeiten nur ein einfacher Ausdruck
ohne jeden Beweis, der daher für die Wissenschaft ein totes Wort
bleiben musste.
DANNEILs Ausgrabungen in der Altmark fangen 1824 °) an. Seine
ersten Ausgrabungsberichte finden sich in KRUSEs Deutschen Altertiimern*)
1) Der Zusatz ,wie es scheint“ findet sich bei MULLER a. a. O. S. 233 und
UNDSET a. a. O. S. 20, wahrend ihn HILDEBRAND a. a. O. S. 361 nicht mit anfiihrt.
Das Werk selbst hat mir nicht vorgelegen und daher kann ich nicht entscheiden,
ob sich dieser Passus im Originaltexte vorfindet oder nicht.
7) MÜLLER a. a. O. S. 233.
3) Nicht wie HILDEBRAND a. a. O. S. 358 angibt, 1829.
4) DANNEIL, Erster Bericht über mehrere bei Salzwedel gefundene Altertiimer
KRUSE, Deutsche Altertümer 1, Heft 5, S. 48—66. — Zweiter Beriht. KRUSE II,
Heft 2, S. 48-63.
300 Hugo Mötefindt. (7
und in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-
antiquarischer Forschung !). Seit 1825—1838 hat DANNEIL an die General-
intendantur der Königl. Museen in Berlin mit den Fundgegenständen
leider nicht gedruckte Ausgrabungsberichte eingesandt. Diese Berichte,
die wohl in Berlin noch zu finden sind, könnten die Lücken in
DANNEILs literarischer Wirksamkeit, soweit sie gedruckt vorliegt, viel-
leicht ausfüllen. Die Hauptergebnisse seiner Ausgrabungen endlich finden
sich zusammengefasst in seinem „Generalbericht“ è).
DANNEIL teilt in seinem Generalbericht die ihm bekannten vor-
geschichtlichen Gräber der Altmark in drei Klassen ein: in Hünen-
gräber, in Gräber von Backofen- oder Kugelsegmentform und in Gräber
ohne künstlihe Erhöhungen, oder in „urgermanische, germanische und
wendische“. Für die zweite Form wählt DANNEIL später die sich auch
durch die Kürze empfehlende Bezeichnung „Kegelgräber“, nachdem
LISCH in Schwerin die Resultate seiner Forschung veröffentlicht und
für diese Klasse die Bezeichnung Kegelgräber gewählt hatte *).
Die erste Klasse, die Hünengräber, gliedert DANNEIL wieder in
3—4 Arten; diese Gliederung stützt sic: nur auf Ausserlichkeiten in
dem Bau der Gräber und kommt deshalb hier nicht in Betracht. Die
Ausbeute, welche ihm die Gräber seiner ersten Klasse gaben, ist
DANNEILs Ansicht nach unbedeutend. „Einzelne Scherben von tönernen
Gefässen, sehr selten eine ganze mit Sand gefüllte Urne, einzelne Streit-
hämmer und keil- oder meisselförmige Geräte aus Feuerstein oder
anderm Gesteine von verschiedener Grösse, das ist das wenige, was
man für die Kosten hat.“
Die Gräber rühren seiner Ansicht nach aus einer Zeit her, in der
der Mensch noch keine Metalle bearbeiten konnte; dass aber die stei-
nernen Geräte die ersten sind, welche die anhebende Zivilisation fertigt,
lehrten ihm die Vergleiche mit den Bewohnern der Südsee. Auf Grund
genauer Forschung kann er darum die Behauptung, dass sich Eisen in
diesen Hünengräbern vorfinden solle, verwerfen. „Mit meinen Forschungen
stimmen die Resultate überein, die in Schweden, Dänemark, Mecklen-
burg und Holland von andern gewonnen sind. Die Altertumsforscher
in Skandinavien und in Holland leugnen das Vorkommen des Eisens
und des Metalls überhaupt in diesen Gräbern. Herr LISCH hingegen
sagt, Eisen komme in den mecklenburger Hünengräber nicht selten
vor; es ist zu bedauern, dass derselbe nicht die nähern Umstände
angegeben hat, unter denen Eisen gefunden ist. Nach meiner vollsten
Überzeugung gehört das gefundene Eisen nicht den Hünengräbern, sondern
einer späteren Zeit an, wie eine von mir in diesem Jahre veranstaltete
Nachgrabung beweist“. „Nach den Ausgrabungen von Mellin, Thüritz
1) Zwei Berichte über die Ausgrabungen bei Güssefeld in der Altmark. Neue
Mitteilungen II, 1835, Heft 1, S. 108 - 128.
2) Generalbericht über Aufgrabungen in der Umgegend von Salzwedel von
Professor DANNEIL zu Salzwedel. Abgeschlossen und datiert vom 20 September 1835,
veröffentlicht in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-anti-
quarischer Forschungen. 2. Band, 1836, Heft 3:4, S. 544, und in etwas veränderter
Form im ersten Jahresberihte des altmärkischen Vereins für vaterländishe Ge-
schichte und Industrie. 1838, S. 31.
5) Zweiter Jahresbericht des altmärkischen Vereins f. v. G. u. J. 1839, S. 82.
8) Das Dreiperiodensystem. 301
und Klein-Möhringen scheint notwendig angenommen werden zu müssen,
dass die Slawen sich zuweilen schon vorhandener deutscher Begräbnis-
plätze zur Bestattung ihrer Urnen bedienten und dann lässt es sich auch
erklären, wie im Mecklenburgischen in Hünengräbern Eisen vorkommen
konnte. Auch die sibirischen Völkerschaften sollen, wie Lisch behauptet,
noch jetzt in und an alten Grabhügeln ihre Toten bestatten. Man
sollte hierauf bei den Ausgrabungen sorgfältig achten, damit nicht später
von den Slawen in germanischen Gräbern beigesetzte Urnen mit deren
Inhalt für germanisch gehalten werden, was leicht zu Verwirrungen
führen kann“.
Seine zweite Klasse, die Kegelgräber, zergliedert er in zwei Unter-
abteilungen, wieder nach dem Bau der Hügel, doch auch ihr Inhalt wird
als Unterscheidungsmal berücksichtigt. „Die Geräte, welche sich in den
Urnen der ersten Abteilung finden, bestehen aus einer verschiedenen
Mischung des Zinnes, in der Regel Erz genannt; Eisen kommt nicht
vor, wenigstens äusserst selten, und wo es gefunden ist, mag es wohl
aus Umen genommen sein, die später von den Slawen in den vorhan-
denen Hügeln beigesetzt wurden“. In der zweiten Unterabteilung tritt
Eisen gemeinschaftlich mit dem Erze auf. „Darum müssen diese Gräber
notwendigerweise einer späteren Zeit als die der ersten angehören“.
Diese Unterabteilung bildet für ihn den Übergang zur Eisenzeit, zu den
Gräbern ohne künstliche Erhöhung, die er den Wenden zuteilt, seiner
dritten Hauptklasse, der Eisenperiode. Man sieht also, dass schon 1835
von Danneil eine Einteilung aufgestellt ist, die von der Form der Gräber
ausgehend zu einer Unterscheidung nach dem vorwiegenden Gebrauch
des Steins, der Bronze und des Eisens gelangt, die, wenn sie die
Perioden auch noch nicht mit bestimmten Namen bezeichnet, im Grunde
das Dreiperiodensystem darbietet.
Etwas später als DANNEIL stellte der um die mecklenburgische
Altertumsforschung hochverdiente Archivar LISCH eine Einteilung der
Gräber auf, zuerst 1837 in seinen „Andeutungen über die altgerma-
nischen und slavischen Grabaltertümer Meclenburgs und die norddeutschen
Grabaltertümer aus der vorchristlichen Zeit überhaupt“ !) und dann kurz
darauf im „Friderico-Francisceum“ 1837. In seinen Andeutungen teilt
LISCH die Altertiimer in drei Klassen ein; die Einteilung des Friderico-
Francisceums, in der er in der Einteilung nach der äussern Grabform
weitergeht und so acht Klassen herauskonstruiert, ist viel zu gekünstelt,
als dass sie eine eingehende Beachtung verdient. Für unsere Betrachtung
wertvoll ist dagegen die erste Einteilung.
I. Klasse: Germanen- oder Kegelgräber. „Was in diesen Gräbern
den Toten mitgegeben wurde, zeichnet sich zunächst nach dem Material
aus. Vorherrschend ist überall Bronze in den schönsten Farben, nach
chemischen Untersuchungen ungefähr aus 85°. Kupfer und 15°% Zinn
bestehend, jedoch in abweichenden Mischungen, nach der Bestimmung
des Gerätes sorgfältig berechnet. Alle Gegenstände aus Erz scheinen
gegossen zu sein. Alle sind stark vom Rost angegriffen oder mit den
herrlichsten, glänzendsten edlen Rost bedeckt, wenn sie nicht im Moor
!) Auch abgedruckt im Freimüthigen Abendblatt 1837, Nr. 943 und 944 und
im Il. Jahresbericht des Meclenburgischen Vereins S. 146.
Mannus, Bd. Il, Heft 4. 20
302 Hugo Mötefindt. [9
gefunden sind, welches Sachen aus Bronze Jahrtausende lang völlig
unversehrt und wie neu erhält. Zum Schmuck findet sich öfter reines
Gold. Eisen ist bisher in keinem Kegelgrab bemerkt, jedoch an ein-
zelnen gefundenen Gegenständen, wiewohl höchst selten beobachtet.
Silber ist nie gefunden. Bernstein ist nicht selten, Glasflüsse sind
zweifelhaft.“
Seine zweite Klasse bilden die Slawengräber: „Das Material, aus
dem die meisten Sachen gefertigt sind, ist Eisen; Bronze tritt in den
Hintergrund, nur einzelne Gegenstände sind aus Erz gefertigt, z. B.
kleine Ringe, Knöpfe, Schnallen, Nadeln, moderne Stopfnadeln, kleine
Brusthefteln mit gebogenen Bügeln, und einer kleinen, dünnen Nadel,
während alle diese Gegenstände auch aus Eisen neben andern derselben
Art aus Erz vorkommen. Gold ist nie bemerkt, Silber findet sich häufig
bei allen Gegenständen, die auch aus Erz vorkommen“.
Eine dritte Klasse endlich bilden die Hünengräber, über die er
1837 schreibt: „Nach den Funden hat man die Hünengräber einer ur-
alten Zeit zugeschrieben, in welcher der Gebrauch der Metalle noch
nicht bekannt war. Aber es ist unleugnbar, dass in Mecklenburg in
denselben auch Spuren von Eisen vorkommen; gewöhnlich ist dieses
Metall vergangen, aber man hat auch einzelne Geräte noch ziemlich
gut erhalten aus ihnen hervorgeholt, wie Ringe, Streithämmer und
dergleihen. Die holländischen Forscher leugnen zwar das Vorkommen
von Eisen in den Hünengräbern, aber es lassen sich sichere Auf-
grabungen in Mecklenburg nicht wegleugnen. Das Vorkommen des
Eisens setzt die Bestimmung der Hünengräber einen Augenblick in
Zweifel, aber ein Hinblick auf die geographische Verbreitung derselbsn
gibt zur weiteren Forschung Mut. Die Hünengräber finden sich näm-
lih in allen den Gegenden, in welchen die germanischen Kegelgräber
vorkommen: in Norddeutschland, in den Niederlanden, in Nordfrank-
reich, in Britannien und in Skandinavien, also am häufigsten in den
Ländern, wohin die Slawen nie gedrungen sind. Man ist also ge-
zwungen, sie einer nichtslawischen Bevölkerung zuzuschreiben, und will
man nicht annehmen, dass die Germanen im Laufe der Zeit gewaltige
Rücschritte gemacht haben, so ist man veranlasst die Hünengräber
einer alten germanischen Zeit anzuweisen, gewiss einer Zeit, welche
der voraufging, in der die Kegelgräber erbaut wurden, aus denen
römischer Einfluss nur zu klar hervorleuchtet. Auffallend bleibt aller-
dings die Zurückdrängung des Eisens durch das römische Erz; aber
der Mangel an Technik zur vollkommenen Bearbeitung des Eisens
mag wohl Veranlassung zur allgemeinen Aufnahme der schönen, brauch-
baren und edlen Kupferkomposition durch die Bekanntschaft mit den
Römern geworden sein. Auch kommen allerdings Beispiele von dem
fortgesetzten Gebrauche des Eisens in Kegelgräbern vor“. Hierzu gibt
LISCH aber noch eine Anmerkung, und zwar nur in dem spätesten Ab-
druck seiner „Andeutungen“, in den Jahrbüchern des mecklenburgischen
Vereins: „Das auffallende Vorkommen von Eisen in den Hünengräbern,
welches jedoch nur hin und wieder bemerkt ist, ist unbestreitbar. Es
ist bisher jedoch nur in Hünengräbern derjenigen Länder beobachtet,
in welchen einst Wenden gesessen haben. Auch Professor Direktor
DANNEIL zu Salzwedel hat in geringer Tiefe Urnen mit eisernen Gerat-
10] Das Dreiperiodensystem. 303
schaften in Hünengräbern gefunden. Dieser Forscher hat daher die
richtige und schöne Ansicht gefasst, dass in jüngeren Zeiten oft Slawen
in Hünengräbern beigesetzt worden seien, und man also in uralten
Gräbern neben der alten noch eine spätere, eine zweite Begrabung
habe. Es ist eine interessante Beleuchtung über das Vorkommen von
Eisen in Hünengräbern von DANNEIL zu erwarten“ ').
Wenn LISCH nun späterhin behauptet hat?), dass er das Drei-
periodensystem schon 1837 im Friderico-Francisceum ausgesprochen
habe, so ist es dort, wie ich glaube gezeigt zu haben, nur in einem
Entwicklungsstadium erst angedeutet, aber noch lange nicht klar vor-
handen. Wenn LISCH dann aber den Beweis für die Richtigkeit seiner
Behauptung darauf gründet, das er „diese Ansichten (das ist das Drei-
periodensystem) nach der schwierigen und langwierigen Entdeckung der
damals noch unbekannten Eisenzeit aus der Brandzeit, auf die es bei
der Erkenntnis der Perioden vorzugsweise ankommt, da sich die bei
den anderen Perioden von selbst leicht herausstellten, schon 1837 aus-
gesprochen habe“, so ist dieser Anspruc jedenfalls irrig. Eine Eisen-
periode zu entdecken, ist ja nie in Frage gekommen, denn eine solche
war ja von Anfang an aus der Geschichte bekannt. Den Kernpunkt der
Kampfe bildete vielmehr die Erkenntnis der Bronzezeit, und selbst die
entschiedensten Gegner des Systems gingen nicht weiter als bis zu der
Leugnung der reinen Bronzezeit. Gerade dadurch, dass die nordischen
Archäologen in der Ausdehnung der reinen Bronzezeit zu weit gegangen
waren, entstanden dem Dreiperiodensystem so viele Gegner.
Die erste Stelle, an der man das Dreiperiodensystem bei LISCH nach
weisen kann, datiert vielmehr erst von 1839. In einer Anmerkung zu
einem Ausgrabungsbericht in den Jahresberichten des mecklenburgischen
Vereins °) spricht er sich folgendermassen aus: „Das Hauptkennzeichen
für die Zeit, aus der die Urnen stammen, bleibt der Inhalt der Urnen.
Mag man auch die Urnen nach verschiedenen Ansichten andern Völkern
zuschreiben, so bleibt doch der Unterschied zwischen Stein-, Bronze-
und Eisenzeit im Norden Deutschlands unbestreitbar“. Man kann also
nicht umhin, LISCH wenigstens die Priorität des Systems abzusprechen,
und ich glaube, dass man dadurch seine hohen Verdienste um die Alter-
tumskunde nicht mindert. Unbestreitbar dagegen bleibt es, dass er völlig
selbständig zu gleichen Forschungsresultaten wie DANNEIL gelangt ist,
völlig unabhängig auh von THOMSEN, von „den Dänen“, wie er
selbst sagt*) „mit deren Forschungen ich zu der Zeit der Aufstellung
des Systems völlig unbekannt war“.
Wenden wir uns jetzt der Altertumsforschung in den nordischen
Ländern zu. In den nordischen Ländern hatte das Interesse der Nation
von jeher die Sammlung von Altertümer betrieben und schon seit 1666
bestand in Stockholm eine grosse Altertiimersammlung. Aber trotzdem
1) Erfolgt im ersten Jahresbericht des altmärkischen Vereins für vaterland.
Gesch. u. Industrie. 1838, S. 44.
*) Jahrbücher des Ver. für Mecklenburgishe Geschichte 1865, 30, S. 7 und
in einem von RAUTENBERG in den Verhandl. der Berliner anthropolog. Gesellschaft
1886, S. 551 ff. publizierten Briefe.
*) IV, 1839, S. 44.
4) Jahrbücher des Mecklenburger Vereins 30, 1865, S. 7.
20*
304 Hugo Mötefindt. [11
versuchte man erst in gleicher Zeit wie in Deutschland auch im Norden
von der Altertiimerkunde zur Altertumsforschung überzugehen. Die
führende Rolle in den dortigen Bestrebungen übernahm die „königliche
Gesellschaft für nordishe Altertumskunde“ in Kopenhagen.
1816 gelangte an die Spitze des in Kopenhagen seit 1807 be-
stehenden Museums ein junger, tüchtiger, für die Altertumskunde mit
warmem Interesse und grosser Begabung versehener Mann, Chr. THOMSEN,
von dem man ein Jahr später schreiben konnte: „In sieben Königreichen
ist kein zweiter zu finden, der diesen Posten gleich ihm ausfüllte; die
Sammlung der Altertiimer ist durch seinen Fleiss und seine beispiel-
lose Sorgfalt auf mehr als alterum tantum gewachsen, und von ihm auf
die netteste und geschmackvollste Weise geordnet worden“ ').
Gerade diese Ordnung ist es, die THOMSEN beriihmt gemacht hat.
Nach und nach reifte in THOMSEN bei der Anordnung der zahlreich auf-
gespeicherten Schätze des grossen Kopenhagener Museums der Gedanke
von den drei Zeitaltern und ein wirkliches Verständnis der vielen ver-
schiedenartigen Altertiimer, die das Museum bereits damals enthielt.
Vieles ist über diese allmahliche Entwicklung in THOMSEN schon ver-
öffentlicht worden. In seinem nur mündlich geäusserten Plan von 1830 lässt
sich diese Teilung schon erkennen. Obwohl THOMSEN seine Gedanken
noch nicht schriftlich niedergelegt hatte, fanden sie doch bereits damals
anderwärts willigen Eingang. Wie der nachmalige schwedische Reichs-
antiquar Bror Emil HILDEBRAND bei der Ordnung der Sammlungen in
Lund und Stockholm das neue System befolgte, so wurde es auch der
Ordnung des Museums von Christiania zu Grunde gelegt, als Prof. Rudolf
KEYSER, dem THOMSEN seine Ideen entwickelt hatte, die Leitung des-
selben im Jahre 1828 übernahm; und wenn GEIJER in seiner „Geschichte
des schwedischen Volkes“ 1832 den Gedanken der Dreiteilung deutlich
ausspricht, so kann auch, nachdem darauf aufmerksam gemacht ist’),
dass GEIJER in Kopenhagen geweilt hat und dort in nahe Beziehung
zu THOMSEN gekommen ist, darüber wohl kein Zweifel bestehen, dass
diese literarische Ausserung auf THOMSEN zurückgeführt werden muss.
Doch THOMSEN muss seiner Sache immerhin noch nicht ganz sicher
gewesen sein, denn in seiner ersten Arbeit, die bezeichnenderweise
keinen Verfassernamen trägt, erschienen 1832 in der Nordisk Tidksrift
for Oldkyndighed (Nordische Zeitschrift für Altertumskunde), wird das
Dreiteilungssystem noch gar nicht angedeutet, nicht einmal der Ausdruck
„Steinzeit“ wird gebraucht; es heisst ganz einfach: „Die Steinsachen
sind sicher diejenigen von unseren Altertiimern, welche dem fernsten
Zeitabschnitte angehören.“
Dieser Aufsatz ist auch enthalten in den 1835 von derselben Ge-
sellschaft herausgegebenen, jedoch nicht in den Buchhandel gebrachten
„Historisch-antiquarishen Mitteilungen“, eine Auswahl der hauptsach-
lichsten antiquarishen Aufsätze aus den beiden ersten Bänden der
„Nordisk Tidskrift for Oldkyndighed“ in deutscher Sprache; aber auch
hier bietet der anonyme Aufsatz zwar die auf der Hand liegende Zu-
sammenfassung der Steingeräte und die Verweisung derselben in das
1) MULLER a. a. O. S. 219.
7) MULLER a. a. O. S. 222.
12) Das Dreiperiodensystem. 305
„fernste Zeitalter“ (S. 63 ff.), aber keinerlei Andeutung einer weiteren Ein-
teilung nach den hauptsächlich in Gebrauch befindlichen Metallen, und doch
ist gerade diese Auswahl ebenso wie der ein Jahr später erschienene Leit-
faden zu dem Zwecke veranstaltet worden, den deutschen Altertumsforschern
vom Stande dieser Wissenschaft im skandinavischen Norden Kunde zu geben,
und als Geschenk an die deutschen Altertumsforscher verteilt. Ware
demnach THOMSENs System damals schon zur Veröffentlichung reif ge-
wesen, so würde man wohl kaum darauf verzichtet haben, es wenig-
stens andeutungsweise zu erwähnen. So wird sich die Sache auch in
Wirklichkeit verhalten: Er hat es geahnt, gefühlt, aber es war ihm noch
zu unbewiesen, und da er ein äusserst vorsichtiger Mann und überaus
bedachtsam gegenüber wissenschaftlihen Theorien war, hat er bis 1836
nicht gewagt es zu veröffentlichen. Erst 1836 trug er der Öffentlichkeit
das Dreiperiodensystem vor, aber wieder anonym, mit den Benennungen
„Steinalter, Bronzealter, Eisenalter* in der kleinen Schrift „Ledetraad
for nordisk Oldkyndighed“ '). Auch er gab hier zuerst eine Einteilung
nach der äusseren Form der Grabhügel; daneben hatte er noch eine
zweite Einteilung, die er als „die verschiedenen Perioden“ bezeichnet,
„in welche die heidnischen Altertiimer gesetzt werden können“. Als
solche gab er an eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit. Neben
dieser wichtigen Einteilung hatte er aber auch noch eine dritte aus
der Vergleichung die Zierrate gewonnen. Für jedes der drei prähistori-
schen Zeitalter stellte er eine Reihe von Verzierungen auf, die charakte-
ristisch sein sollten.
Den Urheber eines Systems mit Sicherheit nachzuweisen, ist fast
nie leicht, ganz abgesehen von der persönlichen Gereiztheit, von den
nationalen Vorurteilen, die gar zu gern einer derartigen Diskussion einen
unangenehmen Charakter aufdrücken. Als Begründer eines wissen-
schaftlichen Systems kann ich nur den anerkennen, der das System nicht
nur klar auffasst, sondern mitsamt den Beweisen veröffentlicht;
ob er es von andern geliehen, kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Denn
die Erfahrung lehrt uns, dass fast niemals eine epochemachende Ent-
deckung vollkommen neu ist; der kritischen Forschung unserer Zeit ge-
lingt es fast immer nachzuweisen, dass jeder Urheber einen oder
mehrere Vorläufer gehabt hat. Vorläufer nenne ich diejenigen, die das
System entweder geahnt oder es vielleicht ganz klar, allerdings ohne
Beweise vorzubringen, ausgesprochen haben; die Ansichten dieser Vor-
läufer sind meistens mit ihnen selbst vergangen; was sie geredet haben,
ist bald verschollen, weil sie keine Jünger gefunden haben. Dazu
kommt noch, dass ein System nicht immer auf einen einzigen Urheber
zurückzuleiten ist. Perioden kommen vor, da, infolge einer durchge-
machten Entwicklung die Luft — wenn ich so sagen darf — von den
Keimen der neuen Entdeckung gesättigt ist, — bald hier, bald da wird
1) Deutsche Ausgabe: Leitfaden zur nordishen Altertumskunde, heraus-
gegeben von der königlichen Gesellschaft für nordische Altertumskunde in Kopen-
hagen 1837. II. Abschnitt (S. 25 ff.): Über Denkmäler und Altertümer aus der
Vorzeit. Da die Vorrede ausdrücklich das Datum des November 1837 trägt, so wird
wohl kaum anzunehmen sein, dass der Leitfaden vor dem Jahre 1838 in Deutsch-
land bekannt geworden ist. — Englische Übersetzung durch Lord ELLESMERE
unter dem Titel: A Guide to Northern Antiquities 1848.
306 Hugo Mötefindt. {13
die neue Lehre ausgesprochen. Man kann Begriinder eines Systems
innerhalb eines gewissen Gebiets sein, allein von allen denjenigen, die
das System mit Kraft und Klarheit gepredigt haben, kann man doch
meistens einen ausscheiden, der, sobald man nicht das einzelne Gebiet,
sondern die ganze gelehrte Welt betrachtet, als der erste Urheber an-
zusehen ist. Es ist oft schwierig, die verschiedenen Anspriiche gegen-
einander gewissenhaft abzuwägen, besonders schwierig aber in unserm
Falle.
Suchen wir in diesem Falle jetzt zum Resultate zu gelangen, so
ergibt sich folgende Reihenfolge für die Begründer des Dreiperiodensystems,
nach der Zeit der Veröffentlihungihrergrundlegenden Arbeiten
geordnet: DANNEIL, THOMSEN, LISCH. Scheiden wir LISCH anfangs
aus und suchen wir zwischen DANNEIL und THOMSEN zu entsceiden,
dann werden wir folgendes finden: Zwischen beiden besteht ein grosser,
wichtiger Unterschied: ein Forscher, der durch eigene Prüfung der Fund-
verhältnisse, durch persönlich vorgenommene Ausgrabungen die Wissen-
schaft fördern will, im Gegensatz zu einem Museumsdirektor, der seine
Museumsräume fast nie verlässt und der sich nur auf die Fundangaben
verlassen muss, die ihm bei der UÜberreihung der Funde von den
Findern gemacht werden. Dieser Punkt ist bisher noch nie berüc-
sichtigt worden, meiner Ansicht nach aber äusserst wichtig. Denn ich
glaube DANNEIL nicht nur den Vorzug einräumen zu müssen, dass er
seine Entdeckung zeitlich als erster veröffentlicht hat, sondern vor allem
auch den, dass er die Dreiteilung besser beweisen konnte als THOMSEN.
Denn THOMSEN musste sich auf die Angaben derer verlassen, die Ge-
legenheitsfunde dem Museum überwiesen, DANNEIL dagegen konnte sich
auf eigene Beobachtungen stützen, und dass solche eigenen Beobachtungen
wertvoller sind als die Berichte von andern Leuten, die zufällig auf
einen Fund gestossen sind, wird mir wohl jeder unbedingt zugeben.
Ferner hat DANNEILs „Generalbericht“ vor THOMSEN s Arbeit den grossen
Vorteil, dass DANNEIL bei seiner Arbeit die Ergebnisse seiner vielen
Ausgrabungen als Beweise für die Richtigkeit seiner Aufstellung der
drei Perioden zusammengestellt hat, während THOMSEN Beweise
überhaupt nicht veröffentliht hat. Wollte man also streng
nach dem oben angeführten Grundsatz verfahren, dann müsste THOMSEN
mit seinen Ansprüchen sofort zurüctreten; ein solches Verfahren würde
aber eine grosse Ungerechtigkeit gegen THOMSEN bedeuten, denn auch
seine Wirksamkeit hat bedeutende Vorzüge, die ich weiter unten er-
örtern werde. Hier möchte ich nur noch kurz bemerken, dass THOMSEN
meiner Änsiht nach auch nie hätte beweisen können, dass Eisen,
das in Hünengräbern gefunden sein sollte, aus Nachbestattungen her-
rühren müsse, während DANNEIL es durch seine Beobachtungen bei
den Ausgrabungen klarstellen konnte. Und wer die vielen erbitterten
Kämpfe gerade um diesen Punkt kennt, der wird mit Recht annehmen,
dass dieser Vorzug DANNEILs schwerwiegend ist. Für THOMSEN erwuchs
aus dieser Museumstätigkeit ein grosser Vorteil: Er konnte in seinem
Museum jedem, der hierzu nach Kopenhagen kam, seine Beweisgründe
für die Richtigkeit seiner Dreiteilung der vorgeschichtlihen Zeiten vor
Augen bringen und er konnte vor allen Dingen durh die Anordnung
des Museums seiner Zeit dies sehen lehren. Daher kann man wohl
14] Das Dreiperiodensystem. 307
sagen, dass er sich das Urheberrecht an der Dreiteilung der vorgeschicht-
lichen. Zeiten mehr durch die im Laufe der folgenden dreissig Jahren
entfalteten Wirksamkeit im Museum als durch seine kleinen Abhand-
lungen gesichert habe.
Aber auch auf einen Punkt möchte ih hier noch hinweisen:
DANNEILs und LISCHs Ergebnisse wurden in Deutschland noch lange Zeit
nicht beachtet und weiter verfolgt, wie auch das von ihnen gegebene
Beispiel, systematische Untersuchungen vorzunehmen, nur sehr wenig
Nachahmung fand. THOMSENs Aufsatz dagegen wurde in weiten Kreisen
bekannt; sein Ordnungssystem war, wie oben erwähnt, schon vorher
sowohl von dem schwedischen wie von dem norwegischen Reichsmuseum
angenommen worden. Und das Kopenhagener Museum, wo er seine Lehre
zuerst erkannt und praktisch dargestellt hatte, erwuchs unter seinen Händen
zu dem ersten Institut seiner Art in Europa; um ihn und sein Museum
entstand eine Schule von Altertumsforschern und eine archäologische
Literatur, die in weiten Kreisen in Europa bekannt wurde und anregend
wirkte. Und überall, wo nur das Dreiperiodensystem angenommen oder
angefochten wurde, war es gewöhnlich, leider auch in Deutschland, an
THOMSENs Namen geknüpft. DANNEIL dagegen lebte in einem kleinen
Kreise; der archäologischen Forschung konnte er nur seine Mussestunden
widmen, und seine Schriften erschienen in streng wissenschaftlichen Zeit-
schriften. Soweit ich die Verhältnisse beurteilen kann, hat er für die
Verbreitung seines Systems nichts tun können; kein einziger Jünger,
der sein System aufnahm und weiterführte, ist nachgewiesen worden.
So ist denn gekommen, dass man THOMSEN immer vor DANNEIL
als den Begründer des Dreiperiodensystems genannt hat, dass man den
Salzwedeler DANNEIL gar nicht beachtet und mit seinen gewiss ebenso
berechtigten Ansprüchen nicht gewürdigt hat. Wir Deutsche haben aber
jedenfalls keinen Grund, das Dreiperiodensystem als das „nordische“
zu bezeichnen, wie es LINDENSCHMIT immer getan hat, denn was deutsche
Forscher zuerst veröffentliht haben, kann man auch als deutsche Ent-
deckung bezeichnen. Auch haben nicht etwa die Dänen das Dreiperioden-
system am eifrigsten verfochten und am zähesten aufrecht gehalten.
Keiner hat es vielmehr so gut verstanden, alles in diese Schablone ein-
zufügen wie LISCH; darum schrieb VIRCHOW LISCH neben dem ersten
Entdecker DANNEIL in Salzwedel die Vaterschaft des Systems zu.
Es war gewiss viel erreicht, als man aus der stammenden Betrach-
tung dieser unbekannten und durch kein schriftlihes Zeugnis aufge-
klärten Objekte lediglih durch Beobachtung und Vergleichung zu dieser
kulturgeschichtlichen Unterscheidung gelangt war, welche für die Chrono-
logie massgebend sein musste. Mochten diesen Erkenntnissen auch noch
viele Vorstellungen anhaften, die bei genauerer Bekanntschaft mit den
Dingen fallen mussten, so spricht doch für das Naturgemässe der Drei-
teilung der Umstand, dass sie von den drei damals berufensten Forschern
beinahe zu gleicher Zeit ausgesprochen wurde, und zwar ist jeder dieser
Forscher aus eigener Überzeugung zu dieser Änsicht gekommen, wie
DANNEIL später einmal ausdrücklich betont ').
1) J. Jahresbericht d. A. V. f. v. G. u. I. 1838. S. 35.
308 Hugo Mötefindt: Das Dreiperiodensystem. (15
Fiinfundsiebzig Jahre sind somit verflossen, seit der Grundstein
zur wissenschaftlichen Vorgeschichtsforschung in Deutschland gelegt wurde.
Lange Zeit hat es freilich noch gedauert, bis die allgemeine Anerkennung
des Dreiperiodensystems erfolgte. Besonders VIRCHOW hielt auf Grund
seiner Beobachtungen das Dreiperiodensystem aufrecht. LINDENSCHMIT
und HOSTMANN dagegen zählten zu den eifrigsten Gegnern und suchten
es über den Haufen zu werfen. Trotzdem muss selbst LINDENSCHMIT
zugeben, dass die Aufstellung des Dreiperiodensystems „eine wichtige
Phase in der Forschungsentwicklung“ bedeute, die erste und dadurch,
dass sie grundlegend war, die wichtigste. Unsere heutige wissenschaft-
liche Forschung hat freilich längst eine noch viel weitgehende Perioden-
einteilung gefunden, und doch „verschmelzen alle diese Perioden ineinander
gleich den Farben des Sonnenspektrums, dessen Skala trotz der unmerk-
lihen Übergänge ebenso unangefochten bleiben muss wie das prähistorische
Dreiperiodensystem“. Abschliessen möchte ich nun unsere Betrachtung
mit den Worten DANNEILSs, die er seiner Einteilung vorausschickt und
die für unsere heutigen Forscher gewiss auch noch beherzigenswert sind:
„Lassen wir uns nicht abhalten, tätig zu sein, wenn wir
auch das Ganze noc nicht überschauen können; wir ar-
beiten ja in so vielen Dingen für unsere Nachwelt, und
auch der Greis freut sih am Ende seiner Tage, wenn er
ein junges Bäumcen pflanzt, an dem erst seine Kinder
und Enkel Frucht sehen werden’.
Zum Dreiperiodensystem.
Von Gustaf Kossinna.
Den vorstehenden Aufsatz des Herrn MOTEFINDT über die erste
Aufstellung des Dreiperiodensystems habe ich dem Mannus gem einver-
leibt, obgleich ich selbst vor schon fast zwanzig Jahren eine ähnliche, bis-
her noch ungedructe Arbeit über das Dreiperiodensystem abgefasst
hatte, die aber nicht nur die Anfänge behandelt, sondern eine volle
Geschichte des Systems bietet bis zu seinem endgiltigen Siege im
Jahre 1892. Damals erschien wie ein letzter Keulenschlag gegen die
kurzsichtigen Gegner des Systems Otto OLSHAUSENs Kritik des
Werkes von L. BECK, Geschichte des Eisens'), und namentlich seine
Abhandlung über „die angeblihen Funde von Eisen in steinzeitlichen
Gräbern“ *). Gleichzeitig brachte das populäre Werk von M. HORNES:
Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissen-
schaft, Wien 1892, eine Art Kodifikation der Geschichte des „Bronze-
kulturkampfes“, die ebenfalls einen gewissen Abschluss dieser Streit-
fragen bedeutete’). So legte der damalige Stand der Wissenschaft es
mir nahe, über alle Einzelheiten der Entwicklung des Streites aus den
Originalquellen selbst genaueste Aufklärung mir zu verschaffen. Ist
meine Arbeit durch ihre zeitlich weiter gezogenen Grenzen naturgemäss
viel umfangreicher, als die MOTEFINDTs, so hat letztere ihren enger
umgrenzten Stoff wiederum ausführlicher ausbreiten können.
Es war mir eine Freude, zu sehen, wie in allen wesentlichen
Punkten und namentlih in der von Sophus MÜLLER so sehr ab-
weichenden Bewertung des deutschen Forschungsanteils die Ansichten
MÖTEFINDTs mit den meinigen übereinstimmen, zuweilen dermassen,
dass wir unseren Gedanken fast in demselben Wortlaut Ausdruck ge-
geben haben. Zunächst noch ein paar Nachtrage zu MOTEFINDT. In
der Literaturangabe (S. 294, Anm. 1) wäre hinzuzufügen:
1) Zschr. f. Ethnologie 1892, 129 ff.
2) Verhandl. d. Berlin. anthropol. Ges. 1893, 89 ff.
2) Dass zuweilen immer wieder noch Leute auftreten, die sich mit der Tat-
sache einer einstigen reinen Bronzezeit nicht zu befreunden vermögen, zeigt ein
Artikel in der Wochenschrift „Umschau“ 1906, Nr. 12, mit dem Titel: „Gab es ein
Bronzealter?“ Der Verfasser antwortet auf seine Frage verneinend, weil die Siegel-
steine der mykenischen Schachtgräber (also reiner Bronzezeit) aus so hartem Ge-
stein geschnitten wären (Sardonix, Amethyst), dass sie ohne Stahlwerkzeuge nicht
hätten bearbeitet werden können.
310 Gustaf Kossinna | (2
M. HORNES, Gescichte und Kritik der drei prähistorischen Kultur-
perioden (Mitteil. der anthropol. Ges. zu Wien 23, [71—78]).
O. MONTELIUS, Det nordiska Treperiodssystemet. En historik.
(Svenska Fornminnesföreningens Tidskrift 1905. XII, 185—211).
MONTELIUS nennt das System „nordisch“, wie man das heute
noch in Skandinavien und in früheren Jahrzehnten auch in Deutschland,
jedoch nur bei den Gegnern des Systems, zu tun pflegte. MONTELIUS
scheint hier das Wort ,nordisch“ in anderem engerem Sinne anzu-
wenden, als er es sonst, wie er stets betont, tut. Sonst galt ihm als
„nordisch“ stets der ganze Ostseeumkreis, also nicht nur Skandinavien
und Dänemark, sondern auch die deutschen Ostseegebiete, das ganze
nach meiner Bestimmung, der sich, wie ich aus einem Berliner Vortrag
vom Oktober 1910 ersehen habe, nun auh MONTELIUS ansdhliesst,
seit der Bronzezeit germanische Land. In dieser Schrift aber kann
„nordish“ nur gleich „skandinavisch nebst dänisch“ gemeint sein, da
MONTELIUS des grossen Anteils deutscher Forschung an der Entdek-
kung und Aufstellung des Systems völlig geschweigt. Im übrigen er-
innert MONTELIUS daran, dass vor GOGUET bereits deutsche, dänische
und schwedische Gelehrte durch neue Erdfunde dazu bewogen wurden,
die Lehre von den drei Zeitaltern von neuem aufzustellen: Joh. Dan.
MAJOR 1692; Joh. Georg v. ECKHARDT etwa 1720; Olof RUDBECK
1698; Tyge ROTHE 1750. Hinzuzufügen wäre hier noch der Name des
Schlesiers BUSCHING (Abriss der deutschen Altertumskunde 1824, S. 11).
Was Vedel SIMONSENs Ausserung über die von ihm bereits
klar benannten drei Zeitalter angeht (oben S. 299 u. Anm. 1), so hat
bekanntlich als Erster MONTELIUS auf sie hingewiesen '). Bei MON-
TELIUS steht wie im Original: „wie es scheint, zuletzt das Eisen“.
Von allen Gelehrten, die nah MONTELIUS diese Stelle besprechen,
scheint nur UNDSET das Werk SIMONSENs wirklich in die Hand ge-
nommen zu haben.
Völlig eins bin ih mit MOTEFINDT besonders in der Hodh-
schätzung DANNEILs. Lange bevor man in Dänemark wissenschaftliche
Ausgrabungen machte, geschah das in Deutschland, namentlich in
Mecklenburg und in Salzwedel. So kam es, dass THOMSEN das
Dreiperiodensystem aus unkontrollierbaren Fundeingängen zuerst nur
intuitiv erraten, dann bekannt gemacht und schliesslich erst nachträglich
durch systematische Grabungen zu begründen versucht hat. Umgekehrt
hat DANNEIL erst Jahrzehnte lang solhe Grabungen angestellt und
dann das System — vor THOMSEN — sogleich mit seinen Beweisen
veröffentliht. Nur ein solcher Forscher konnte zu der damals genial
zu nennenden Erkenntnis kommen, wie oft jüngere Nachbestattungen
in alten Hügelgräbern die Ursache sind, dass für Unkundige das Aus-
grabungsbild getrübt wird. Dadurch, dass DANNEIL mit der Einteilung
nach den drei Hauptstoffen die Einteilung nach Gräberarten verband,
zwei Prinzipien, die THOMSEN später noch in zwei Reihen unver-
mittelt und ohne gegenseitige Beziehung nebeneinander laufen liess,
1) O. MONTELIUS, Sveriges Forntid. Text I. Stenåldern. Stockholm 1874,
S. 20, wo aber SIMONSEN I, 2, S. 73 falsch zitiert ist, während die Worte vielmehr
S. 76, Anm. 1, zu finden sind.
3] Zum Dreiperiodensystem. 311
dadurch wurde seine Einteilung freilich weniger elementar, sie war nicht
so splitternackt wie die Thomsensche. Es fehlte ihr der Charakter der
leicht fasslichen, allgemein giltigen Formel und so konnte sie für erste
nicht so wirksam werden, selbst wenn sie bekannter geworden wäre,
als es den Forschungen eines in ein abgelegenes Landstädtchen ge-
bannten, wissenschaftlich vereinsamten Gelehrten damals möglich war.
Darum war diese Einteilung aber, wie jeder zugeben muss, der nicht
wie Sophus MÜLLER die Ehre eines seiner Vorgänger unter allen Um-
ständen besonders zu erhöhen sich für verpflichtet hält, wissenschaftlich
viel weiter vorgeschritten und tiefer als die bloss nach den Stoffen vor-
genommene THOMSENs.
Und noch eins ist gegen die dänische Behandlung der Bronze-
alterfrage zu erinnern. Auf die dänische Forschung fällt späterhin ein
grosser Teil der Schuld an den trostlos lange, länger als ein halbes
Jahrhundert, sich hinziehenden Streitigkeiten über das Bestehen eines
Bronzealters. Diese Schuld war die späte Ansetzung des Bronzealters
in eine Zeit, in der, wie jeder deutsche Historiker schon vor hundert
Jahren wusste, die Germanen nach dem Zeugnisse der antiken Schrift-
steller hauptsächlich Eisengeräte besassen. Es war eine nachhaltige
und empfindliche Schädigung unserer Wissenschaft, dass man in Däne-
mark nur aus dem Grunde, dass die Hinterlassenschaft des Bronze-
alters ein so erdrückendes Übergewicht besass gegen diejenige aus der
Eisenzeit, an jener verkehrten Ansicht so lange festhielt. Dehnte doch
WORSAAE die Bronzezeit 1843 bis ins 9. Jahrhundert nach Chr. aus,
1865 noch bis ins 3. Jahrhundert nach Chr., ebenso ENGELHARDT, der
trefflihe Erforscher der grossen spätrömischen Moorfunde in Schleswig,
noh im Jahre 1878. Demgegenüber war es ein bedeutender Fort-
schritt der Wissenschaft auf deutscher Seite, dass LISCH seine bisher
als Wendenfriedhöfe bezeichneten Urnengräberfelder frührömischer Zeit
schon 1865 als germanische Friedhöfe des 1. und 2. Jahrhunderts nach
Chr. erkannte, worin ihm dann um 1870 herum MONTELIUS und WOR-
SAAE folgten. Ebenso war es LISCH, der schon 1863 auf der Braun-
schweiger Versammlung des Gesamtvereins der Geschichtsvereine mit
Ba: Intuition erkannte, dass das Bronzezeitgrab von Peckatel bei
enzlin in Mecklenburg wegen der meerblauen Perlen, die es enthielt,
aus der Zeit um 1000 vor Chr. stamme, wobei er von unserer heutigen
Ansetzung der dritten Bronzezeitperiode, in die das Grab fällt, nur um
etwa 300 Jahre abgewichen ist.
Um noch einmal kurz zusammenzufassen, es waren wesentlich
zweierlei Gründe, die es verhinderten, dass die in den dreissiger Jahren
des vorigen Jahrhunderts der dänischen überlegene norddeutsche Wissen-
schaft nicht die europäische Anerkennung fand:
Erstens: die mangelnde staatlihe Organisation und
mangelnde finanzielle Unterstützung, Dinge, an denen unsere
Wissenschaft in Deutschland auch heute noch schwer zu leiden hat.
Zweitens: der Mangel an zusammenfassender aufklären-
der Literatur, die in Kopenhagen sehr bald durch den trefflichen
WORSAAE einsetzte und die auch in Skandinavien nicht fehlte. Auch dieser
Mangel ist bei uns bis heute leider nur wenig gebessert. Aber es
312 Gustaf Kossinna: Zum Dreiperiodensystem. (4
wird wohl bald wieder eine Zeit kommen, in der die Steinzeit, paläo-
lithische, wie neolithische, nicht mehr eine solche Alleinherrschaft in
unserer Forschung behaupten wird, wie es jetzt geschieht, und wo
wieder, wie vor Jahrzehnten, der Bronzezeit ein erhöhtes Interesse und
Studium sich zuwenden wird. Ehe dieses nicht in umfassendem Masse
eintritt, was ich innig wünsche, werden Franzosen, Engländer und
Italiener bei Ausdrücken wie ,nordisch-germanische Vorzeit“, nament-
lih aber „nordishe Bronzekultur* nach wie vor nur an Skandinavien
und Dänemark, niemals an das gleichberechtigte und ebenbürtige nord-
deutsche Ostseegebiet denken.
Bronzegefass oder Stockknopf?
Von Dr. K. H. Jacob, Leipzig.
Mit 2 Textabbildungen.
Im letzten Hefte des Mannus erwähnt K. WAASE als besonders
interessanten Fund der Ruppiner Gegend ein Bronzegefäss mit zwei
Henkeln. G. KOSSINNA gibt in einer Anmerkung eine Übersicht über
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Abb. 1. Bronzeknopf, Leipzig.
verschiedene Fundorte derartiger Bronzegefässchen, die er hier als
mittelalterlih bezeichnet. Auch das Leipziger Museum für Völkerkunde
hat in seiner vorgeschichtlichen Abteilung unter seinem alten Bestand ein
solches Bronzegefäss, das in Leipzig gefunden wurde (Abb. 1). Bei der In-
ventarisierung bezweifelte ich jedoch seinen vorgeschichtlichen Charakter,
da mir eine Deutung als Stockknauf viel wahrscheinlicher erschien. Alle
diese Bronzegefässe sind ja weder in einem Grabfunde, noch in Depot-
funden, noch direkt in Ansiedelungen aufgetreten. Es sind eben Einzel-
+
/
314 K. H. Jacob: Bronzegefäss oder Stockknopf? | [2
funde. Ich war nun bemüht, auf alten Kostümbildern womöglich eine
Darstellung eines Stockes mit einem solchen Knauf zu finden. Ich fand
sie in Hirth’s Kulturhistorischem Bilderbuch 6. Band auf einem Stich von
B. Picart, La fortune des actions vom Jahre 1731 (Abb. 2). Ich glaube,
in diesem Stock ein Exemplar gefunden zu haben, der einen Knauf
von der Gestalt unserer Bronzegefässchen trägt. Der Stock selbst
wurde nicht am Knauf, sondern an der oberen Stockhälfte umfasst; die
beiden Ösen dienten, wie die Abbildung zeigt, zum Durchziehen bunter
Bänder. Wir hätten also die Bronzegefässchen als Stockknäufe aus
dem Anfang des 18. Jahrhunderts zu deuten. Ähnliche Stöcke, aller-
dings ohne, höchstens mit einer einzigen Ose werden zu Anfang des
19. Jahrhunderts wieder Mode und jetzt zu Beginn des 20. Jahr-
hunderts finden wir ähnliche Formen, bei denen aber die Osen ver-
schwunden sind und an ihre Stelle meist eine Durchbohrung zum
Durchziehen eines Kettchens auftritt.
Il Aus Museen und Vereinen.
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Sitzungsbericht.
In dem Bericht über den ungemein interessanten Vortrag des
Herrn Generaloberarzt Dr. G. WILKE über „südwesteuropäische Megalith-
kultur und ihre Beziehungen zum Orient“ (Mannus Il, 246 ff.) fehlte
leider ein Hinweis auf die anschliessende sehr angeregte Diskussion,
an der sich ausser dem Vorsitzenden, Univ.-Professor Dr. KOSSINNA
und dem Vortragenden noch die Herren Ernst WAHLE und Professor
Dr. OLSHAUSEN beteiligten. OLSHAUSENSs Mitteilungen über den sog.
ligurischen Bernstein in Südfrankreich erscheinen so wichtig, dass wir
seinen ganzen Diskussionsbeitrag hier nachholen.
Hr. O. OLSHAUSEN: 1. Auch im Norden lässt sich eine Stein-
kammer mit sog. falshem Gewölbe nacweisen, nämlih in dem
„Königsgrab“ zu Seddin in der Prignitz. Ih machte diese Wahr-
nehmung im Juli 1901 an Ort und Stelle; im gleichen Jahre hatte aber
auch schon Hr. E. FRIEDEL diese eigentümliche Gewölbe-Konstruktion
hervorgehoben in der Festschrift: Das Märkische Provinzial-Museum der
Stadtgemeinde Berlin von 1874—1899, Berlin 1901, S. 23 ff., doch gibt
die kleine Skizze der Kammer auf S. 34 keine richtige Vorstellung der
Sachlage. Der im Mannus 1910, S. 232 ff. abgedruckte Bericht über
den Ausflug unserer Gesellschaft nah Seddin im Jahre 1909 schildert
zwar richtig die Art des Gewölbes, erschien aber erst nach dem Vor-
trage des Herrn WILKE.
2. Die von dem Herrn Vortragenden berührte Verwendung von Kuh-
dünger zuBrennzwecken war wahrsceinlich auch bei den Chauken
an der Nordseeküste üblih; denn das bei Plinius, nat hist. 16, 4 er-
wähnte, an der Luft getrocknete „lutum“, womit sie ihre Speisen und
sich selbst erwärmten, ist höchst wahrscheinlich Kuhdünger, wie er noch
bis in unsere Tage auf den uneingedeichten Halligen in gleicher Weise
verwendet wurde und vielleiht noch wird. Allerdings widerspricht dem
die Angabe des Plinius 16, 3: non pecudem his habere, non lacte ali
ut finitimis; aber wenngleich Plinius sonst die Lebensweise der Chauken
überaus treffend schildert, hege ih doch bezüglich dieser Angabe Zweifel;
denn heute ist ja, weil in dem den Meeresfluten ausgesetzten niedrigen
316 ll. Aus Museen und Vereinen.
Marschländern nur Gras wächst, Viehzucht die Bedingung für die Exi-
stenz der dortigen Bevölkerung, da der Fischfang, wie jetzt, so auch
ausweislih meiner Grabungen auf Aurrum in alter Zeit nur geringe
Bedeutung gehabt zu haben scheint. Sollte aber Plinius doch bezüg-
lich des Mangels an Vieh Recht haben, so würde man bei lutum an
den sog. Seetorf oder Darg denken müssen, welcher auch bis in
die neueste Zeit an der Küste gegraben wurde und erst jetzt durch
Einfuhr von Kohle verdrängt ist.
3. Den ligurischen Bernstein anlangend, werde ich demnächst
in einer grösseren Abhandlung erweisen, dass es sich dabei nicht um
fossiles Harz aus dem heutigen italienischen Ligurien, oder wie HELBIG
wollte, um Material aus dem Apennin handelte, sondern um solches aus
dem südöstlichen Frankreich, wo zu beiden Seiten der Rhone eine An-
zahl Fundstätten derartiger Harze sich nachweisen lassen, die zum Teil
wenigstens noch vor kurzem wirklich ausgebeutet wurden.
In der 3. Sitzung des 2. Vereinsjahres der Zweiggesellschaft
Berlin, die am 28. Mai 1910 im Hörsaale des Königl. Instituts für
Meereskunde stattfand, gedachte der Vorsitzende, Univ. - Professor
Dr. G. KOSSINNA, des Brüsseler Gelehrten Julien FRAIPONT, der
am 23. März verstarb und sich auf dem Gebiete der Skelettforschung
einen bedeutenden Namen errungen hat, des schwedischen Prähistorikers
Knut STJERNA, der am 11. November 1909 verschied und als Schüler
von MONTELIUS seine Hauptstudien auf die vor- und frühgeschichtliche
Besiedlung der Insel Bornholm, auf die archäologische Erläuterung des
Epos Beowulf und die Vorgeschichte Gotlands gerichtet hat, und des
württembergischen Forschers, Geheimen Medizinalrats Dr. HEDINGER,
der am 24. Februar 1910 das Zeitliche segnete und lange Zeit als Vor-
sitzender des württembergischen archäologischen Vereins auf dem Qe-
biete der Vorgeschichte, u. a. bei der Untersuchung der Bernsteinfunde
tätig war (vgl. jetzt die Nekrologe: oben S. 278f.).
Der Vorsitzende teilte dann mit, dass die Zweiggesellschaft am
18. und 19. Juni einen Ausflug in den neumärkischen Kreis Soldin nach
Berlinhen zur Besichtigung von Ausgrabungen des Prof. GÖTZE bei
Rahmhitte unternehmen werde, die ein sehr interessantes grosses
Gräberfeld mit ostgermanischen Brandgruben der Kaiserzeit nebst Ver-
brennungsplätzen zutage gefördert haben, legte darauf die u
von L. REINHARDT „Die älteste menschliche Bevölkerung zur Eiszeit un
ihre Herkunft nach den neuesten Skelettfunden‘, das Werk von Professor
Ludwig SCHEMANN ,,Gobineau und die deutsche Kultur“, das von
Max Freiherrn GEYER VON SCHWAPPENBURG und Peter GÖSSLER
über „Hügelgräber im Illertal bei Tannheim‘ und das hochbedeut-
same reichillustrierte Katalogwerk von Robert BELTZ über „Die
vorgeschichtlichen Altertiimer im Grossherzogtum Meclenburg-Schwerin“
vor. Zur Vorlage gelangten durch den Vorsitzenden ferner: ein Feuer-
steinbeil aus der Litorinazeit, das in der Nähe von Wilsnack
Il. Aus Museen und Vereinen. 317
(Prignitz) gefunden worden ist, das erste derartige aus der Provinz
Brandenburg, und ein Scolith aus der Gegend von Friesack (West-
havelland), der das Aussehen eines hölzernen (eichenen) Spatens
hat und als solcher angesprochen worden ist. Nach Prof. POTONIE
werden die parallel laufenden Furchen in dem vorgelegten Stück von
manchen Paläontologen als Wurmgänge angesehen, was wenig Wahr-
scheinlichkeit hat, während Mitglied ALTRICHTER sie als Überreste von
versteinerten Gräsern ansieht.
Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA hielt dann einen Lichtbilder-Vortrag über
Gallische Gottheiten und ihre Darstellung in germanischen
Funden. Was die antike Überlieferung uns von der Götterverehrung
der Gallier zu berichten weiss, ist nicht viel, und das geringe Material
ist vielfach entstellt durch die bei Griehen und Römern übliche Um-
deutung der fremden Gottheiten in nationale, so dass wir meist nicht
einmal den einheimischen Namen der gallischen Götter erfahren, sondern
nur die Namen der diesen Göttern mehr oder weniger entsprechenden
griechischen oder römischen Gottheiten, die nach der Ähnlichkeit der
Attribute oder nach der Ähnlichkeit des Wirkungskreises der beider-
seitigen Götter gewählt waren. Einige Nachrichten erhalten wir aus
Cäsars Beschreibung des Gallischen Krieges, der im zweiten Teil seines
Werkes vergleichende Kulturschilderungen über Gallier und Germanen
gibt. Als höchsten Gott der Gallier nennt er den Merkur, von dem
diese die meisten Bildwerke hätten; er sei der Erfinder aller Künste,
der Begleiter auf der Reise und der Beschützer von Handel und Wandel.
Ferner verehrten die Gallier nach Cäsars Angaben den Apollo als
Gott der Heilkunst, den Mars als Kriegsgott, den Jupiter als Herrscher
im Himmel und die Minerva als Beschützerin der weiblichen Arbeiten
und Künste. Zieht man die erhaltenen Denkmäler und Inschriften zu.
Rate, so ergibt sich, dass sie sämtlich erst aus der Zeit der römischen
Herrschaft stammen. . Die älteren Bilder können also nur aus Holz
gewesen sein, wie denn die Darstellung der Götter in Menschengestalt
überall, auch bei den Criechen, aus der Gestaltung eines einfachen
Holzpfahles hervorgegangen ist. Von den gallishen Bildwerken
stellen die meisten den Merkur dar (31 Bronzestatuetten im Musée
St. Germain en Laye, ebensoviel in Lyon), er erscheint bärtig und mit
einem Geldbeutel ausgestattet; als Begleiterin gesellt sich zu ihm die
Göttin Rosmerta. Merkur hat auf den Bildwerken 16 verschiedene Bei-
namen, Apollo 8, der Kriegsgott Mars 38, während Jupiter und Minerva
nur je 4 Beinamen haben. Uber die gallishen Namen dieser auf den
Bildwerken dargestellten Gottheiten erfährt man Näheres aus den
Scholien zu dem Epos „Pharsalia“ des römischen Dichters Lucan,
der von Menschenopfern erzählt, die den drei gallischen Göttern Teu-
tates, Esus und Taranis dargebraht wurden. Die Scholien er-
klären Taranis (= Thonar, Donnergott) durch Jupiter, während sie sowohl
Teutates als Esus teils als Merkur, teils als Mars auffassen, woraus
hervorgeht, dass diese beiden gallischen Gottheiten viel Verwandtes mit
einander gehabt haben müssen. Nach den neuesten Untersuchungen
ist Esus, der als Baumfäller dargestellt wird, der höchste Gott und,
wie Merkur, der Beschützer der Schiffahrt. Er erscheint auf einem
Altar der Schiffergilde in Paris in Gemeinschaft mit Jupiter und Vul-
Mannus, Bd. Il, Heft 4. 21
318 III. Biicherbesprechungen.
canus, und da ersterer als Taranis erklart wird, so muss Vulkan gleich-
bedeutend mit Teutates sein. Ausserdem erscheint auf dem genannten
Altar ein Stier mit drei Kranichen, sämtlich heilige Tiere, die auf gal-
lischen Bildwerken häufig wiederkehren. In Südgallien sind eine Reihe
von Statuen aufgefunden worden, die einen bärtigen Gott in gallischer
Tracht mit langärmeligem Rock, Hosen und Schuhen darstellen; dies
ist Dispater, der Himmelsgott (germ. Tiwas), von dem nach Cäsar
alle Gallier abstammten. Er ist der Vorgänger des Merkur, der an
seine Stelle getreten ist, und hat als Attribut der höchsten Gewalt in
der linken Hand den langschäftigen Donnerhammer und in der rechten
eine Vase als Zeichen der Fruchtbarkeit. Als Begleiterin dieses Gottes,
der den Beinamen Sucellus (Schläger) führt, erscheint die Göttin Nan-
tosvelta, über deren Bedeutung noch nichts festgestellt ist. In Ost-
gallien sind Denkmäler gefunden worden, die eine dreiköpfige Gottheit
zeigen, die manchmal von zwei anderen Göttern begleitet ist, dies ist
Merkur-Esus, der hier die oberste Götterdreiheit verkörpert. Wichtig
sind ferner für unser Thema die Darstellungen des gehörnten gallischen
Gottes Cernunnos und des gallishen Jupiters mit dem Sonnen-
rade. Ausser auf Steindenkmälern finden sich Darstellungen gallischer
Gottheiten auf grossen Bronzekesseln, so dem Rynkebykessel, die
sämtlich in Dänemark gefunden worden sind, aber gallischer Import zu
sein scheinen. Der Vortragende ging dann auf germanishe Nadbil-
dungen solcher gallischer Götterfiguren und G6tterkopfe näher ein und
behandelte ausführlih den berühmten Silberkessel von Gundes-
trup am Limfjord in Jütland, den er dem 2.-—3. Jahrh. nach Chr. zu-
schreibt und in dessen sieben (ötterköpfen er eine Darstellung der
Wochengötter sieht. Zum Schluss behandelte Prof. KOSSINNA die
Darstellung des zweiten Goldhorns von Tondern und die ganze
Reihe der Wochengotter- oder Planetenvasen, von denen die
neueste in einem Germanengrabe bei Troisdorf, Siegkreis, 1909 von
Rademacher gefunden worden ist. (Eine Veröffentlichung des zweiten
Teiles dieses Vortrages, soweit die germanishen Funde in Betracht
kommen, brachte bereits der Mannus Il, 201—208 „Zur Wochengötter-
vase vom Fliegenberge“ usw.). Dr. G. Albrecht.
III. Bücher-Besprechungen.
Ludwig Schemann, Gobineaus Rassenwerk. Aktenstücke und Betrachtungen
zur Geschichte und Kritik des Essai sur l'inégalité des races humaines. Stutt-
gart, Fr. Frommann, 1910, XXVIII und 544 S., ungeb. Mk. 10,50.
Über den Parteien muss stehen, wer in dem heissen Kampfe um den Wert
und den Gehalt der Rassentheorien eine vermittelnde Rolle spielen will. Freilich
braucht es sich dabei niht um Kompromisse zu handeln, die der ernsten Behand-
lung einer Theorie nur shaden können, wohl aber um die Fähigkeit des Autors,
Ill. Bücherbesprechungen. 319
aus allen verschiedenen, äusserlich vielleicht sogar gegensätzlihen, Meinungen den
lebensfähigen und darum berechtigten Gehalt herauszulösen und ihn als treibende
Kraft mit in den Dienst der Gegenwart zu stellen.
Dem vorliegenden Werke des Freiburger Professors Dr. L. SCHEMANN darf
eine so hervorragende Rolle und also auch ein bevorzugter Platz in unserer rassen-
kundlichen Literatur zuerkannt werden. Aber nur dadurch, dass der Verfasser weit
über Gobineaus Lebenskreis hinausgriff, dass er die ganze rassengeschichtliche Ent-
wickelung bis zur vorläufigen Vollendung in Dr. Ludwig WOLTMANN umspannte,
konnte er seine ebenso interessante wie höchst verdienstvolle Aufgabe lösen.
Natürlih musste SCHEMANN dabei auch die Entwickelung vor Gobineau berück-
sichtigen, doch schrumpft diese bei ihm erheblih zusammen. S. 509 wird aller-
dings der S. 300 fallen gelassene Faden wieder aufgenommen durch Mitteilung der
schönen Worte L. von RANKEs aus der Einleitung der 1824 erschienenen „Geschichten
der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535*. Wie viel an wert-
vollen Rassenideen schon lange vor Gobineau bei uns vorhanden war, habe
ih 1909 in meinen „Beiträgen zur Geschichte der Rassenforschung“ nadh-
gewiesen. Vielleiht darf man sagen, dass in dem Zeitalter des schwersten
politischen Druckes unter anderem auch die Sehnsucht nach einem universalen Aus-
druck der Rassenideen lebendig war. Es ist kein blosser Zufall, dass vor 1848 die
Rassenfragen, wohl auch in anthropologishen Werken, am intensivsten aber im
Rahmen politischer Erörterungen besprochen wurden, ebensowenig wie es Zufall
ist, dass in der ersten Germanisten-Versammlung, die im September 1846 zu
Frankfurt a. M. unter Jakob GRIMMs Vorsitze stattfand, die Behandlung der
schhleswig-holsteinischen Angelegenheit den ersten Punkt der Tagesordnung
bildete. — Diesen universalen Ausdruck gefunden zu haben, ist zweifellos
Gobineaus Verdienst, das ihm kein moderner Rassenforsher absprechen darf.
Wenn dennoch heute Stimmen der Kritik am Werke Gobineaus laut werden, so ist
zu bedenken, dass ein halbes Jahrhundert wissenschaftliher Entwickelung der
Gegenwart selbstverständlih Anlass zu Auseinandersetzungen mit Gobineau geben
musste, wobei freilich nicht verschwiegen werden darf, dass manche dieser Kritiken
schon vor Jahrzehnten hätten ausgesprochen werden können. Durch sie wird jedoch
“ mehr die Schale als der Kern des Gobineau’schen Rassenwerkes getroffen.
Gegen zweierlei möchte ich einen bescheidenen Einwand erheben: 1. dass
SCHEMANN in Gobineau den Vater des Rassengedankens sieht, „namentlich, wenn
wir den Schwerpunkt hierbei auf den Ungleichheitsgedanken legen“, 2. dass Gobineau
gegen berechtigte Einwände allzusehr in Schutz genommen wird. Auch durch Ver-
gleiche mit anderen Forschern. LEIBNIZ z. B. hätte meines Erachtens eine ganz
andere Note verdient als die — es ist die einzige Bemerkung über ihn! —, dass
„ihm die Ausgleihung mit den biblishen Lehren auf Schritt und Tritt am
Herzen lag“.
Das sind indessen im Verhältnis zum Ganzen nur Kleinigkeiten, die aber bei
der bekannten Uberempfindlichkeit unserer Rassengegner doch leicht zu unlieb-
samen und für die R ssenforschung wenig erspriesslihen Auslegungen führen
können. Aus dem Bestreben SCHEMANNs, in der Rassengeschichte möglichst viele
Erscheinungen auf Gobineau als den Ausgangspunkt und später die Zentrale einer
grossen Bewegung zurückzuführen, wird die ursprünglihe Absicht des Verfassers
erkennbar, eine „einfache historische Einleitung zu Gobineaus Rassenwerk“ zu
liefern. Aus der älteren Arbeit wuchs jedoch die neue hervor, die einen Kompro-
miss zwischen einer „Geschichte des Rassengedankens“ und einer Gobineau-Bio-
graphie darstellt. Diese vorläufige Lösung einer Riesenaufgabe muss als äusserst
21*
320 If]. Bücherbesprechungen.
glücklich bezeichnet werden. Mit einer Liebe ohne gleichen hat der Verfasser sich
des Stoffes bemachtigt. So zahlreihe Hinweise auf Gobineaus Werk sich auch in
neueren Arbeiten finden, das ist doch nicht in Abrede zu stellen, dass über Gobi-
neaus Leben selbst und die grosse Mannigfaltigkeit seines Arbeitsgebietes nicht
allzuviel bekannt war. Auf alles dieses fällt durh Schemanns Buch hellstes Licht.
Der Verfasser bringt nicht nur ein erstaunlich reiches Material zum Beweise für
die weitverzweigten Beziehungen Gobineaus zu berühmten Zeitgenossen, zum Teil
solchen, bei denen man, wie etwa bei Wilh. von HUMBOLDT, eine Berührung mit
Rassenfragen kaum vermutet hätte; erliefert auch aus Gobineaus kleineren Arbeiten
und teilweise nachgelassenen Schriften höchst wertvolle Ergänzungen zum Rassen-
werk selbst, die hoffentlich bald als selbständige Publikationen in deutscher Über-
setzung dem grösseren Werke folgen. Zweifellos werden sie weite Kreise inter-
essieren und viel zur Popularisierung Gobineaus beitragen, bilden sie doch zum Teil
den Übergang von dem grösseren Rassenwerke zu L. WOLTMANNs Schriften über
den germanischen Einfluss in Italien und Frankreich.
Von den Zeitgenossen Gobineaus wären — ausser den von SCHEMANN er-
wähnten — noch zu nennen: Wolfgang MENZEL, E. v. WIETERSHEIM, P. A. F. GERARD
und Dr. Alexander von PEEZ. Letztgenannter hat schon 1856 in einer im „Deutschen
Museum“ veröffentlichten Artikel-Serie Gobineaus Wort von der „race régulatrice“
im gewissen Sinne vorweggenommen, indem er die Überzeugung aussprach, dass
in allen Völkerbewegungen und Veiänderungen „die Rasse das erstentscdei-
dende Prinzip sei.“
Besondere Anerkennung verdient endlih, dass SCHEMANN den Rassen-
forschern der Gegenwart im höchsten Sinne gerecht wird. Er hat damit der Rassen-
lehre ein starkes Bollwerk gegen feindliche Angriffe errichtet. Die Form, in der
der Verfasser die Gegenwart behandelt, dürfte vielleicht die nicht selten persönlich
zugespitzten Gegensätze zwischen den einzelnen Forschern mildern. Auch hier sei
mir erlaubt, zwei Namen als Ergänzungen zu nennen: nach der mehr wissen-
schaftlichen Seite hin Eugen DÜHRING, nach der mehr praktischen Emil PILZ, der in
seiner 1903 erschienenen „Bodenständigen Pädagogik“ den Regenerations-
gedanken zur Aufnahme in den Schullehrplan empfohlen hat. PILZ hat das
schöne Wort geprägt: „Alles, was ihr wollt, das eure Vorfahren getan haben
möchten, um Rassetiichtigkeit zu erzielen, das tut euren Nachkommen auch.‘ Das
ist doch wohl das Ziel der Rassentheorien, dass sie schliessliih von der Wissen-
schaft ins Leben selbst führen.
SCHEMANNs Bud, durch warmen Ton ausgezeichnet, stellt sich in den Dienst
sowohl der Wissenschaft als auch des Lebens an sich, und so darf man auch den
— leider nicht für die allernächste Zukunft — in Aussicht gestellten Veröffent-
lihungen des Verfassers mit freudiger Spannung entgegensehen.
Hamburg. Th. Bieder.
0. Dörrenberg, Römerspuren und Römerkriege im nordwestlihen Deutschland
nach einem im Dezember 1894 gehaltenen Vortrage nebst einem Anhange: „Die
Stämme der Germanen“. Leipzig. Kommissions-Verlag der Dieterich’schen Ver-
lagsbuchhandlung Theodor Weider, 1909. Xl und 258 Seiten, eine Tabelle und
13 Tafeln. Geheftet 12,50 M, gebunden 14 A.
Schon häufig haben Forscher die Römerspuren und Römerkriege im nord-
westlichen Deutschland behandelt, doch ohne zu gesicherten, allgemein anerkannten
Ergebnissen zu gelangen. So bietet auch der erste Teil von DÖRRENBERGs Werk,
Ill. Bücherbesprechungen. 321
der mit einigen Anderungen einen Vortrag aus dem Jahre 1894 wiedergibt, nur
einen Überblick darüber, wie weit die Forschungen nach des Verfassers Ansicht da-
mals gediehen waren, ohne jeden Ausblick auf die grossen seit jener Zeit besonders
durch Grabungen erzielten Fortschritte auf diesem Gebiete. Der Verfasser ist sich
freilich bewusst, auf wie unsicherem Boden er sich bewegt. Mit Recht betont er,
dass man auf die Spatenforschung weitere Hoffnungen setzen müsse, da nur Funde
endgiltigen Nachweis erbringen könnten. Aus dem Inhalte mag erwähnt werden,
dass DÖRRENBERG Aliso im Winkel zwischen Alme, Lippe und Pader, das Varus-
schlachtfeld am Fusse der Grotenburg, Idistaviso südlich der Porta Westfalica und
den Angrivarierwall in der Gegend des Steinhuder Meeres annimmt.
Diesen Ausführungen schliesst sich als Anhang | eine Quellenübersicht zu
den Römerkriegen in Nordwestdeutschland, meist in der Übersetzung von HORKEL, an.
Der wichtigste Teil der Arbeit ist jedoch der zweite Anhang, dem der Ver-
fasser die Überschrift „Die Stämme der Germanen“ gegeben hat. Dieser Anhang
nimmt den grösseren Teil des Buches ein, wobei ein Verzeichnis mit genauen In-
haltsangaben der einzelnen Abschnitte den Überblick wesentlich erleichtert. Zunächst
gibt der Verfasser die Entwicklung des Grundeigentums und der Stände, der Ver-
fassung und des Gerichtswesens bei den Germanen. Darauf behandelt er die
charakteristischen Besonderheiten der drei „Urnationen“ der Germanen, der Ingävonen,
Istävonen und Sweben.
Der Verfasser führt aus: Bei den Chatten — diese sind nah DÖRRENBERG
Repräsentanten der Sweben, was ein bedauerlicher Irrtum ist — finden wir 4 Ur-
gaue, die in etwa 10 Hundertschaften geteilt sind, von denen jede aus etwa 12 Zehn-
schaften besteht. Die Zehnschaft ist wahrscheinlich aus drei Dörfern von je 4 Ur-
hufen gebildet. Aus den Gewannen des Dorfes Maden ist der swebische Morgen
von 25'/s bis 25!', a, bestehend aus 2 Elementarflächen, „Forlingen“, abzuleiten.
Die Istävonengaue sind nach dem Hundertschaftssystem zusammengesetzt.
Der charakteristishe Morgen ist 30': a gross, in 4 Forlinge geteilt. Bei den
ingävonischen Friesen zerfällt der Grossgau in 4 Schultheissenschaften, jede von
diesen in 3 Asegenbezirke; diese wieder bestehen aus je 4 Bauerschaften.
Das Normaldorf der Ingävonen ist aus 3 Hufen gebildet. Der ingävonische
Morgen von 0,46 bis 0,47 ha setzt sih aus 4 Forlingen zusammen. Zahlreiche
Kartentafeln dienen zur Illustration dieser Ausführungen.
Den vom Verfasser aufgestellten Stammeszusammenhängen kann man leider
nur zu oft nicht beistimmen. Besonders ist der folgende Abschnitt, der die Vor-
geschichte der Germanen und Slawen behandelt, nicht frei von Ansichten, die heute
unhaltbar sind. Zum Schlusse behandelt der Verfasser die deutschen Stämme des
Mittelalters, wobei er besonders die Einflüsse der drei „Urnationen“ in Verfassung
und Siedelung nachweist.
Minden. Walther Schulz.
Joseph Déchelette, Manuel d'archéologie préhistorique, celtique et gallo-romaine.
I. Archéologie prehistorique, XIX u. 746 S. Paris 1908.
Bei der archäologischen Würdigung eines Gebietes ist eine möglichst genaue
Kenntnis auch der Nachbarprovinzen unerlässlih. Dankbar wird der Forscher ein
Handbuch begrüssen, mit dessen Hilfe er sich schnell und unter Umgehung zeit-
raubenden Suchens in der Literatur in den Stoff eines fremden Landes einarbeitet.
Namentlich der deutschen Archäologie, welche bei ihren Arbeiten sich von fremden
Kulturen allseitig umgeben sieht, müssen derartige Werke besonders willkommen sein.
322 If]. Bücherbesprechungen.
Von diesen Gesichtspunkten aus gebithrt Herrn DECHELETTE der Dank auch der
deutschen Archäologen. Sein treffliher erster Band des „Manuel d’archeologie“
wird jedem von ihnen zu einem unentbehrlichen Handbuch. Er umfasst bei aller Be-
tonung der gesamteuropäischen Verhältnisse im allgemeinen, im besonderen natur-
gemäss die Vorgeschichte Frankreichs, und zwar in der Steinzeit, und behandelt
nach einer einleitenden Definition der Prähistorie und ihren Methoden, sowie einem
Überblik über die Geschichte der Vorgeschichtswissenschaft die Entwicklung des
Menschen auf allen Gebieten, wie auch die naturwissenscaftlihen Hilfswissen-
schaften von den Eolithen an bis zum Spätneolithikum. Nicht weniger als 249 Ab-
bildungen erhöhen den Wert des Buches ebenso wie 2 bibliographische Listen,
welche die Höhlen Frankreichs, soweit sie bearbeitete Knochen oder verzierten
Schmuck geliefert haben, und die französishen neolithischen Stationen, nach
Departements geordnet, verzeichnen. Ein umfangreiches Register ermöglicht ein
schnelles Unterrichten über einen bestimmten Stoff oder eine gewisse Gegend.
Das Paläolithikum Europas ist mit einer musterhaften Gründlichkeit und Viel-
seitigkeit dargestellt, die das bekannte Werk von G. u. A. de MORTILLET und nament-
lich das jüngere, aber Riickschritte gegen MORTILLET aufweisende von M. HÖRNES
(Der diluviale Mensch in Europa, Braunschweig 1903) entbehrlih macht. Demjenigen,
der tiefer in den Stoff eindringen will, bietet das Werk mit seinen vielen Quellen-
angaben einen wertvollen Ausgangspunkt.
Bei einem eingehenderen Studium des Vollneolithikums konnte sich jedoch
Ref. des Eindruckes nicht erwehren, dass der Verfasser sich zu sehr in den Einzel-
heiten verliert, statt eine grosszügige Übersicht zu geben. Er erdrüct dort mit
- Material, ohne dass der Leser Klarheit über den Gesamtcharakter erhält. Es be-
deutet dies einen empfindlichen Nachteil, der gerade der Möglichkeit eines schnellen
Unterrichtens, wie es in dem Abschnitt über das Paläolithikum so gut möglich ist,
hindernd entgegentritt. Es mag dieser Mangel zum Teil darin beruhen, dass das
französische Jungneolithikum wenig entwickelt ist; doch sei bemerkt, dass z. B. das
beachtenswerte Vorkommen von Kragenflaschen in Frankreich auch nicht mit einem
Worte gewiirdigt wird. Bei der Behandlung des keramischen Materials stiitzt sich
DECHELETTE im wesentlihen auf A. GOTZE und P. REINECKE. Es dürfte auffallen,
dass bei dieser Gelegenheit der Name KOSSINNA nicht genannt wird, wie auch der
Verfasser mit den Ideen dieses Begriinders der neuen deutschen Forschungsweise
überhaupt nicht vertraut zu sein scheint. Es muss allerdings zugegeben werden,
dass es — wenigstens vorläufig noch — für ausländische Forscher schwer ist, diese
ethnologishe Methode kennen zu lernen; das ablehnende Verhalten der Skandi-
navier hiergegen dürfte im wesentlichen nur auf Unkenntnis des Materials zurück-
zuführen sein. Einige Vertrautheit mit unseren neolithishen Kulturen hätte eine
Scheidung des französischen Materials nach Kulturgruppen immerhin ermöglicht
(vergl. Mannus I, 1909, S. 51).
Aber abgesehen davon bietet das Werk eine wertvolle Bereicherung unserer
Literatur. Es ist nicht nur ein Lehrbuch und der Ausgangspunkt für den Forscher,
sondern auch eine schöne Darstellung für das weitere Publikum.
Delitzsch. Ernst Wahle.
Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Illustrierter Führer durch
die Prähistorische Abteilung. Herausgegeben von der Direktion. Preis 25 Pf.
Leipzig 1910.
Wer in den letzten drei Jahren das Leipziger Museum für Völkerkunde be-
IV. Nachrichten. 323
suchte, konnte mit Freuden feststellen, dass der Vorgeschichte jetzt allmählih auch
hier etwas mehr Platz an der Sonne eingeräumt wurde. Besonderen Dank ver-
dient die Direktion dafür, dass sie nach dem vollendeten Ausbau der wohlgeordneten
vorgeschichtlichen Abteilung dem grossen Publikum für den Besuch auch einen ge-
druckten „Führer“ mitgibt, der im Ganzen als trefflich gelungen bezeichnet werden
- kann, obwohl er anscheinend von einem Ethnologen verfasst worden ist. Dieser
Umstand erklärt aber vielleicht auch, weshalb er eine Reihe Mängel zeigt, auf die
im folgenden hingewiesen werden soll, niht um zu tadeln, sondern um eine Ver-
besserung zu erreichen.
Sehr praktisch erscheint die Beigabe einer Tabelle der absoluten Chronologie
der Vorgeschichte ; nur die Periodisierung der Bronzezeit ist darin verfehlt. Die
Aunetitzer Periode fällt um 2000 herum und reicht höchstens bis 1800. Die folgen-
den Perioden, die ih Ib und II nenne, sind im Königreih Sachsen nicht vertreten,
eine von mir festgestellte und schon vor einem Jahrzehnt bekannt gemachte überaus
wichtige Tatsache, die durch Schiebungen in der Periodenfassung nicht verwischt werden
darf. Ältester Lausitzer Typus, z. B. Buckelurnen, entspricht, wie ich gleichfalls längst
festgestellt habe, erst der Periode Ill a, also etwa der Zeit von 1400 ab. — Dass
die Bevölkerung des gesamten Diluviums mit seinen so heterogenen Rassen das
ungeteilte indogermanische Urvolk darstelle, scheint mir eine recht unklare Vor-
stellung. — Laienhafte „Ansichten“, wie die von SCHUCHHARDT, wonach die sächsische
Bevölkerung der Bronzezeit Semnonen gewesen wären, dürften einem Laienpublikum
nicht als Wissenschaft vorgesetzt werden. — Die JACOBsce Ansicht, die gedrehten
Tongefässe der thüringisch-sächsischen Latene-Kultur seien Importware [woher 7],
habe ich schon im Mannus I, 159, vergl. Il, 242 f. abgelehnt. — Bösartiger ist, was
über den Vettersfelder Goldfund, der wieder in die Völkerwanderungszeit gesetzt wird,
hier zu lesen ist. — Beseitigt werden muss auch der Schnitzer über den grossen
schlesischen Spiralhelm aus gedrehtem Bronzestab, der auf Taf. 8 abgebildet worden
ist: er gehört nicht der Bronzezeit an, sondern, wie ostpreussische Skelettgräber-
funde gezeigt haben, der frühesten Deutschordenszeit in Preussen und ist wohl ein
Halskragen.
Aufgefallen ist mir, dass für das auf Taf. 3 Nr. 4 abgebildete Gefäss, eine
Amphora mit Schnittverzierung (Fischgrätenmuster), aus ‘Cröbern’ stammen soll,
während in Näbes Schrift über die steinzeitlihe Besiedlung der Leipziger Gegend
S. 8, Abb. 18 für dasselbe Gefäss ‘Gr. Dalzig’ als Fundort genannt wird.
G. Kossinna.
IV. Nachrichten.
Der neue französische Gesetzesentwurf über archäologische
und paläontologische Ausgrabungen.
Dem Herausgeber ist als Mitglied der Société Préhistorique Française eine
„dringliche Mitteilung“ des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft zugegangen, worin
der Text des Gesetzesentwurfs zur Kenntnis gebracht wird, den die Regierung bei der
Deputiertenkammer eingebracht hat, eines Entwurfs, den diese Mitteilung als
„äusserst gefährlih für die Interessen der Wissenschaft be-
zeichnet“. G. K.
—
324 IV. Nachrichten.
Deputiertenkammer').
10. Legislaturperiode.
Ausserordentliche Sitzung von 1910.
Zusatz zum Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 1910.
Gesetzesentwurf über archéologische und paläontologishe Aus-
grabungen.
Überreiht im Namen des Präsidenten der französischen Republik Armand
Fallières durch den Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus
Aristide Briand und den Minister des Unterrichts und der Künste Gaston
Doumergue.
Darlegung der Gründe.
Der Schutz des geschichtlihen Erbes Frankreichs in dem ganzen Umfange
aller Äusserungen von Kunst und Leben, selbst der weitest zurückliegenden, gehört
zu den ständigen Aufgaben der Regierung. Die meisten europäischen Regierungen
haben heute Gesetze, die eine Zerstreuung und Zerstörung von Schätzen, deren
Vorhandensein mit dem Ursprunge der Nation eng verknüpft ist, verhindern. Ein
solches Gesetz fehlt uns aber noch. Das Gesetz vom 30. März 1887 über die Er-
haltung der historischen Denkmäler berücksichtigt die paläontologischen und archäo-
logischen Ausgrabungen nicht, die zwecks Aufbaus der Aufeinanderfolge der Typen
unserer Rasse und zur Erforschung der ältesten Erzeugnisse ihrer Tätigkeit unter-
nommen werden. Wenn man weiss, welche leidenschaftlihen Nachforschungen, welche
heftigen Rivalitäten die Vorgeschichte in unserer Zeit erregt, dann wird man die
Gefahren einer Freiheit ohre Grenzen verstehen können, die keinen Unterschied
macht zwischen den Gelehrten, welche die kostbaren Zeugen der Vergangenheit
zum „Sprechen“ bringen können, und den „Raubgräbern“, die deren Spuren für
immer zerstören.
Vorkommnisse der jüngsten Zeit haben die Aufmerksamkeit der Regierung
auf dieses Gebiet gelenkt. In einer von unseren an vorgeschichtlihhen Fundstellen
reichsten Landschaften konnten auf zu diesem Zweck zeitweilig gemieteten Privat-
grundstücken Ausgrabungen vorgenommen werden, ohne dass irgend eine Kontrolle
ausgeübt wurde. Die Funde wurden ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Wertes
ausserhalb Frankreichs zerstreut, zum Vorteil ausländisher Sammler und Händler.
Daher sind wir des Besitzes von in unseren eigenen Landschaften gehobenen, für das
Studium unserer Vorgeschichte äusserst wichtigen Funden verlustig gegangen, und
die meisten derartigen Fundstücke sind für immer der wissenschaftlihen Unter-
suchung entzogen.
Derartige Missbrauche haben eine nur zu berechtigte Bewegung hervorgerufen:
Die Akademie der Wissenschaften, das Comité des travaux historiques, die Société
d’Anthropologie haben den Schutz eines neuen Gesetzes gefordert. Die Admini-
stration des beaux arts, von der der Schutz der vorgeschichtlihhen Denkmäler aus-
geht, hat die Vorbereitung dieses Gesetzes einer Kommission übertragen, in die
sie nicht nur Gelehrte berufen hat, die durch ihre Arbeiten dafür besonders
bestimmt sind, sondern auch Juristen, deren Mitarbeit unumgänglich not-
wendig erschien.
Der vorliegende Gesetzesentwurf sucht zwei Seiten gerecht zu werden: Einer-
seits richtet er die Überwachung der von Privatleuten unternommenen Ausgrabungen
') Übersetzung von H. MÖTEFINDT, Wernigerode a. H.
IV. Nachrichten. 325
ein und behält sogar der Regierung das Recht vor, wenn das wissenschaftliche Inter-
esse es erfordert, an die Stelle des Ausgräbers zu treten. Andrerseits aber um-
gibt er diese Massnahmen mit allen dem Privateigentum schuldigen Sicherungen
und will keineswegs den Geist der freien Forschung und der individuellen Iniative,
der ein kostbares Pfand der fruchtbarsten Entdeckungen ist, an seiner Entfaltung
hindern.
Die Regierung wird übrigens das Gesetz, um das sie nachsucht, nur selten
anzuwenden brauchen. Die meisten Ausgrabungen werden durch die Persönlichkeit
ihrer Unternehmer jeder Überwachung enthoben. Für die übrigen wird man kein
neues Beamtenheer zu schaffen brauchen: Die Regierung findet bei den Spezial-
forschern, bei den Gesellschaften un! bei der Inspection de l'Instruction publique
et des beaux Arts jede nötige Unterstützung.
Diese Ausführungen zeigen klar genug den Geist, der den Gesetzesentwurf
geschaffen hat, so dass wir ihn jetzt einzeln kurz betrachten wollen:
Ausgrabungen können ohne vorgängige Bevollmachtigung angefangen werden.
Eine einfache Mitteilung, die es der Regierung anheimstellt, ihre Überwachung zu
beginnen, genügt. In letzterem Falle besitzt der Uberwacher der Arbeiten kein
Recht einzugreifen. Jede Entscheidung hängt vielmehr von dem zuständigen Minister
ab. Die der Regierung über das Privateigentum oder über im Privatbesitz befind-
lihe Fundstücke gegebenen Rechte werden beschränkt durch die Verpflichtung: die
Fristen genau zu wahren, zur Erfüllung der Verpflichtungen anzuhalten, Spezial-
kommissionen zu befragen und angemessene Entschädigungen festzusetzen. Erst
beim Verkauf ins Ausland von Fundstücken aus Ausgrabungen, die ohne Vollmacht
unternommen sind, hat der Staat das Recht des Einspruch.
Unter diesem wichtigen Vorbehalt ist der Schutz der Ausgrabungen tatsächlich
gesichert durch die Massregel, dass es der Regierung immer überlassen bleibt, durch
das Recht, einem unfähigen „Ausgräber“ die Grabung zu verbieten, ferner durch
das Recht der Zurückforderung von Fundstücken, die eine Aufnahme in die öffent-
lihen Sammlungen verdienen und durch das Recht, dass sie den Grund und Boden
von Fundstellen nach Abschätzung enteignen kann.
Es muss jedoch bemerkt werden, dass die geschilderten Massregeln sich nur
auf den Urheber der ersten Mittei.ung über die Ausgrabung beziehen, ganz gleich,
ob er Eigentümer oder Nicdhteigentümer des Grund und Bodens ist, ob er Verträge
mit dritten Personen abgeschlossen hat oder nicht. Ebenso kennt die Regierung,
wenn sie amtlich Grabungen vornimmt, der Einfachheit halber zur Festsetzung der
Entschädigung nur den Eigentümer.
Das sind die Massregeln, die wir zur Annahme vorschlagen. Ohne ernie
Eingriff in die bürgerlihen Rechte, ohne die Iniative zu vermindern, die immer
hochgehalten zu werden verdient, werden sie der französischen Wissenschaft diese
kostbaren Urkunden erhalten, diese unersetzlihen Archive, die täglih dem Erd-
boden entrissen werden, die aber neues Licht auf den Ursprung unseres Volkes
und auf den Ursprung der Menschheit werfen.
Im Folgenden legen wir den Gesetzesentwurf vor:
Gesetzesentwurf.
Der Präsident der französischen Republik bestimmt:
Der Gesetzesentwurf, dessen Inhalt folgt, wird der Deputiertenkammer über-
reicht durch den Präsidenten des Staatsrats, durch den Minister des Innern und des
Kultus, durch den Minister des Unterrichts und der Künste und diese sind mit der
Darlegung seiner Beweggründe und mit der Beantwortung von Anfragen in der
Diskussion beauftragt.
326 IV. Nachrichten.
l.
Die Überwachung der Ausgrabungen durch die Regierung.
§ 1. Jede Gesellschaft, jede Vereinigung und jeder Privatmann, der archäo-
logische oder paläontologishe Ausgrabungen auf ihm gehörigen Grund und Boden
oder auf dem Grund und Boden eines anderen vornehmen will, muss der Präfektur
des Departements mitteilen, auf wessen Grund und Boden diese Ausgrabungen
vorgenommen werden sollen.
Die Ausgrabungen dürfen erst einen Monat nach dem Tage der Einregistrie-
rung der Mitteilung im Generalsekretariat, von der dem Einsender der Mitteilung
sofort eine Empfangsbescheinigung auszustellen ist, beginnen, wofern nicht eine
besondere Erlaubnis vorliegt. |
§ 2. Die Mitteilung soll ferner Angaben über die ungefähre Grösse und
über die ungefähr berechnete Dauer der geplanten Arbeiten enthalten. Die Mit-
teilung wird schleunigst von dem Präfekten an den zuständigen Minister weiter-
gegeben.
Dieser hat das Recht, die Arbeiten durch jede mit den nötigen Kenntnissen
versehene Person, die er zu diesem Zweck auswählt und deren Ernennung dem
Einsender der Mitteilung auf amtlihem Wege mitzuteilen ist, besichtigen und über-
wachen zu lassen.
Der vom Minister mit der Überwachung Beauftragte darf jederzeit das Grund-
stück, auf dem die Ausgrabungen vorgenommen werden, betreten, den Aufbewahrungs-
ort der Fundstücke besichtigen und im Notfalle fordern, dass die Fundstücke: ihm
übergeben werden.
§ 3. Falls sich aus der Überwachung ergibt, dass die Fortsetzung der Aus-
grabungen unter den bisherigen Bedingungen Fundstüke uud Denkmäler, deren
Erhaltung für die Paläontologie und Archäologie wichtig ist, schwer schädigen würde,
so fordert der Uberwachende den Leiter der Ausgrabungen durch ein amtliches
Schriftstück unter Darlegung der Gründe auf, die Grabungen in anderer Weise
auszuführen.
Sobald dieses Schriftstück erfolglos bleibt, kann der Uberwachende den zu-
ständigen Minister ersuchen, die Aufhebung der Grabungen anzuordnen und durch
die Regierung das Recht der Ausgrabung ausüben zu lassen, unter dem Vorbehalt
und unter den in den §§ 7, 8 und 9 vorgesehenen Bedingungen. Diese Massregel
ist dem Leiter der Ausgrabungen mitzuteilen. Die Aufhebung der Arbeiten durch
den Minister kann aber nur dann erfolgen, wenn die Regierung die Ausgrabungen
amtlich fortzusetzen beabsichtigt. Die Grabungen müssen aufhören, sobald der
Leiter der bisherigen Grabungen von dieser Massnahme in Kenntnis gesetzt ist.
Das bindende Verbot der Ausgrabungen darf drei Monate nicht überschreiten.
Wenn nach Ablauf der Frist keine Entscheidung getroffen ist, die dem Staate die
Grabungen sofort fortzusetzen erlaubt, dann darf der Unternehmer die unter-
brochenen Arbeiten wieder aufnehmen und die Bestimmungen des vorliegenden §
sind dann nicht mehr anwendbar. Die Grabungen bleiben aber immer der
Überwachung und ihren Folgen unterworfen.
Während der Aufhebung der Arbeiten hat der Minister das Recht, an Ort
und Stelle nach Benachrichtigung des Leiters der Ausgrabungen und nachdem er
ihn zur Teilnahme eingeladen hat, jede Erkundigung vornehmen zu lassen und das
Gelände, bei dem es für nötig gehalten wird ‚besichtigen zu lassen.
§ 4. Der zuständige Minister kann im Namen der Regierung und im Inter-
esse der öffentlihen Sammlungen Fundstücke, die von Ausgrabungen, wie sie in
den vorhergehenden §§ näher bezeichnet sind, herrühren, in Anspruch nehmen.
IV. Nachrichten. 327
Diese Einforderung muss während der Ausübung der Ausgrabungsarbeiten statt-
finden. Sie erfolgt mittels Schriftstückes, welches das Fundstück genau bezeichnet
und das dem Leiter der Ausgrabungen mit Unterschrift des Ministers zugeht in
den nächsten vierzig Tagen, seit der Überwachende der Grabungen oder der Maire
der Commune, gemäss § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887, Kenntnis von dem
Funde erhalten hat. Vom Datum des Schriftstückes ab ist das Fundstück unver-
äusserlich, bis es auf seinen Wert abgeschatzt ist und der Minister unter folgenden
Bedingungen es in seinen Besitz genommen hat:
Die vom Staate zu zahlende Entschädigung wird dem Werte des Fundstückes
entsprechend in Ermanglung gütliher Übereinkunft durch zwei Sachverständige fest-
gesetzt, von denen der eine vom Minister, der andere vom Leiter der Ausgrabung
gewählt wird. Können beide Sachverständige sich nicht einigen, dann hängt die
Entscheidung von einem von ihnen gewählten Schiedsrichter ab. Falls die eine
Partei keinen Sachverständigen aufstellt oder die Sachverständigen sich über die
Wahl eines Schiedsrichters nicht haben einigen können, dann wird der Schiedsrichter
vom ersten Präsidenten des Cour d’appel de la circonscription ernannt. Das
Schiedsrichteramt kann in jedem Falle auch einer Kommission von Schiedsrichtern
übertragen werden. Die Kosten fallen immer der Staatskasse zur Last.
Von dem Tage ab, an dem der Wert des Fundstückes festgesetzt ist, hat der
Minister eine dreimonatlihe Frist, um von den gekauften Fundstücken gegen
Quittung der erfolgten Bezahlung Besitz zu ergreifen.
Verstreicht diese Frist, dann erhält der Besitzer freie Verfügung über seine
Fundstücke zurück.
Die dem Werte des Fundstückes entsprechende Entschädigung zahlt die Re-
gierung nur dem Leiter der Ausgrabungen, der gemäss § 1 die Mitteilung gemacht
hat, ohne jegliche Rücksicht auf Verpflichtungen, die auf letzteren fallen könnten,
z. B. hinsichtlich der Eigentümer von Grund und Boden, oder dritter Personen, für
die er allein aufzukommen hat.
§ 5. Im Falle der Anwendung des vorhergehenden § ist der Einsender der
Mitteilung der Regierung allein verantwortlich. Verträge zwischen dem Leiter der
Ausgrabung und dritten Personen sind der Regierung nicht im Wege und können
sie bei der Ausübung der ihr zukommenden Rechte nicht hindern. Die Regierung
kann durch derartige Verträge auch nicht zur Zahlung von anderen Entschädigungen
gezwungen werden als diejenigen, die ihr auf Grund des vorliegenden Gesetzes
zufallen.
§ 6. Unabhängig von der Anwendung auf Ausgrabung infolge der Aus-
führung der vorhergehenden Bestimmungen geniesst die Regierung ein allgemeines
Recht auf Vorkauf zu gleichen Preisen bei allen archäologischen oder paläonto-
logischen Fundstücken, die aus in Frankreich unternommenen Ausgrabungen her-
rühren, sobald ihre Besitzer sie ins Ausland verkaufen wollen.
Die Veräusserung eines derartigen Fundstückes zu Gunsten einer Gesellschaft
oder eines ausländischen Privatmannes muss infolgedessen zuvor der Präfektur des
Departements, wo das Fundstück aufbewahrt wird, angezeigt werden, und die beab-
sichtigten Verkaufsbedingungen angegeben werden. Der Verkauf darf nicht eher
abgeschlossen werden, als der zuständige Minister in einer dreimonatlichen Frist
vom Tage der Mitteilung ab gerechnet, keinen Gebrauch von dem der Regierung
zustehenden Recht des Vorkaufs gemacht hat.
Der Vorkauf zu gleihem Preise beschränkt sih nur auf die Gegenstände,
die nicht besonders nah $ 4 durch den Staat zurückgekauft werden.
328 IV. Nachrichten.
II.
Grabungen, die amtlich von der Regierung vorgenommen werden.
§ 7. Im Interesse der Archäologie oder Paläontologie darf die durch den zu-
ständigen Minister verkörperte Regierung amtlich auf ihr nicht gehörigem Grund
und Boden Ausgrabungen vornehmen lassen, unter der Bedingung, dass es sich nicht
um zu Grundstücken gehöriges, eingezäuntes Land handelt. Jedoch kann die Re-
gierung in Anwendung von § 3 des vorliegenden Gesetzes schon begonnene Aus-
grabungen auf derartigem Lande fortsetzen.
8 8. Die von der Regierung kraft § 7 vorgenommenen Ausgrabungen müssen,
sei es, dass die Regierung die Iniative ergreift, oder dass sie die Grabungen
eines anderen Forschers fortsetzt, durch einen dem Eigentümer oder gegebenenfalls
dem Leiter der Ausgrabungen zugehenden Beschluss angezeigt werden. Dieser
Beschluss tritt in Kraft, sobald der Eigentümer in einer einmonatlichen Frist seine
Zustimmung abgegeben oder keinen Widerspruch erhoben hat. Der gleiche Beschluss
ist auch im Falle des § 3 demjenigen mitzuteilen, von dem die Regierung die Nach-
richt über die Ausgrabungen erhielt.
Das ministerielle Schreiben ist von den nötigen Grundrissen zur Bestimmung
der Wichtigkeit und der Entwicklung der Arbeiten zu begleiten. Es setzt gleichfalls
die Frist fest, innerhalb der sie ausgeführt werden sollen. Die Grundrisse und die in
Vorschlag genommene Zeit sind dem Leiter der Grabungen bekannt zu geben.
Die Bekanntmachung ist in der Gemeinde anzuschlagen und in zwei Zeitungen
des Departements zu veröffentlichen.
Wenn sich in der Folgezeit die Notwendigkeit einer Vergrösserung der Arbeiten
über die ursprünglich vorgesehenen Grundrisse hinaus und eine Notwendigkeit der
Verlängerung der Zeit ergibt, ist eine neue ministerielle Bekanntmachung zu er-
teilen und gleichfalls bekannt zu geben.
§ 9. Falls die Ansichten über die Festsetzung der Entschädigungen, die dem
Eigentümer des Grund und Bodens für die Ausübung des Rechts der Grabung von
der Regierung gezahlt werden müssen, auseinandergehen, ist die Regierung ver-
pflichtet, ihm einen Grundzins zu zahlen, der gleichzeitig den Schaden, den das
Land durch die Umwühlung erlitten hat, und die freie Verfügung über die Fund-
stücke der Grabung aufwiegt. Es muss ferner den Entschädigungen, die der Eigen-
tümer selbst noch schuldig ist, und ferner allen denen, die Ansprüche auf Zinsen
von dem Lande geltend machen, oder anderen derartigen Ansprüchen Rechnung ge-
tragen werden, vorausgesetzt, dass diese rechtzeitig angemeldet werden.
Die Höhe dieses Grundzinses und gegebenenfalls seine Verteilung werden
vom Tribunal civil festgesetzt und zwar durch die Spezialkommission, die durch
Gesetz vom 21. Mai 1836 über die Vizinalwege eingesetzt ist. Jede von beiden
Parteien hat das Recht, in diese Kommission einen Sachverständigen zu senden,
der an der Entscheidung teilnimmt. Die Interessen derjenigen, die Entschädigungen
zu fordern haben, werden durch den Eigentümer vertreten, und er ist auch allein
verantwortlich, wenn er ihre Ansprüche bekanntzugeben unterlassen hat.
Kein besonderer Schadenersatz ist zu zahlen, wenn die Regierung gemäss
§ 3 die Ausgrabungen, die ein anderer angefangen hat, fortsetzt.
§ 10. Auf Bericht des Präfekten kann der zuständige Minister gleichfalls die
Enteignung von Grund und Boden vornehmen, auf dem Ruinen, Inschriften, Natur-
denkmäler oder Denkmäler der Archäologie oder Paläontologie vorhanden sind.
Die Enteignung erfolgt im ganzen oder teilweise gemäss den Bestimmungen
des Gesetzes vom 3. Mai 1891.
IV. Nachrichten. 329
Ill.
Strafen.
§ 11. Die Ubertretungen des vorliegenden Gesetzes werden mit einer Geld-
strafe von 200—1000 Francs bestraft. Der § 463 des Strafgesetzbuches ist auf sie
anwendbar.
Diese Strafen können eintreten, wenn Arbeiten in Verletzung des § 3 aus-
geführt sind oder wenn über Fundstücke entgegen den Vorschriften der §§ 4—6
verfügt worden ist, oder im Falle von Beschädigungen.
IV.
Allgemeine Bestimmungen.
§ 12. Die Verfügungen des § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887 werden
nicht aufgehoben.
i Die anderen Verfügungen dieses Gesetzes sind ohne Rücksicht auf die im
Vorigen mitgeteilten Bestimmungen anzuwenden auf Gelände oder auf Fundstätten,
die Ruinen, Inschriften, Fundgegenstände oder Naturdenkmäler von archäologishem
oder paläontologishem Interesse enthalten.
§ 13. Die Grundrisse, Protokolle, Zeugnisse, amtlichen Bekanntmachungen,
Gutachten, Verträge, Quittungen und andere kraft dieses Gesetzes entstehenden
Akten werden durch Stempel beglaubigt und einregistriert, wenn ihre förmliche
Einregistrierung notwendig erscheint.
§ 14. Eine Verordnung der Regierung wird die Ausführungsmassregeln
dieses vorliegenden Gesetzes bestimmen. 7
Das Gesetz findet wie die übrigen Massregeln der Regierung seine Anwen-
dung in Algerien, in den Kolonien und, falls es nötig ist, in den Ländern des
Protektorats, unter den gleihen Bedingungen und gemäss den durch die Ver-
ordnung festgesetzten Formen.
Gegeben zu Paris am 25. Oktober 1910.
Unterzeichnet vom Präsidenten der Republik A. Fallières, durch den
Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus Aristide Briand
und durch den Minister des Unterrichts Gaston Doumerque.
Sollte dieser Gesetzentwurf von der französishen Kammer angenommen
werden, so würde allerdings jede Freiheit für Ausgrabungen unterbunden, jedes,
doch so notwendige, selbständige Vorgehen auf diesem Gebiete der Forschung lahm
gelegt sein. Darum haben sich die hauptsächlich hier in Betraht kommenden
Instanzen, die Société Préhistorique de France und die Société d’Anthropologie de
Paris, denen sich vielleiht noch die Société de Geologie anschliessen wird, zu
gemeinsamem, einmütigen Einspruch gegen diesen Gesetzentwurf zusammengetan,
um damit, wenn möglich, zu verhindern, dass er eine unabänderliche Tatsache würde.
Durch die Freundlichkeit unseres französischen Korrespondenten bin -idh in
der Lage, den Wortlaut des Einspruchsbeschlusses der Société Préhistorique de France
hier mitteilen zu können. Es heisst da:
„In Anbetracht, dass die heutige Gesetzgebung durch das Gesetz vom 30. März
1884 bereits vollkommen gerüstet ist, die Erhaltung derjenigen archäologischen
Gegenstände zu sichern, die für unser Vaterland einen besonderen Wert besitzen;
dass es äusserst gefährlih wäre, den Eifer der freien Ausgräber anzutasten,
die unsere nationalen Sammlungen tagtäglih durch edelmütigste Schenkungen
bereichern;
330 IV. Nachrichten.
dass die schönsten Entdeckungen und die wichtigsten Sammlungen unserer
Museen jenen bescheidenen Gelehrten verdankt werden, unter nur Namen wie
Boucher de Perthes, Piette, Emile Riviere, Marquis de Vibraye, Frederic Moreau,
Baron de Baye, J. Mila, d’Acy, u.s.w. erwähnt zu werden brauchen;
dass, wenn man gewissen allerneusten Klagen Genugtuung geben zu müssen
glaubt, es auf alle Fälle genügt, den Artikel 14 des Gesetzes vom 14. März 1887
durch folgende Zustände zu vervollständigen:
1. Kein archäologischer oder paläontologischer Gegenstand, der einen nationalen
Wert besitzt, darf ohne besondere Genehmigung des zuständigen Ministers die
französische Grenze überschreiten;
2. Im Falle eines Verkaufs wichtiger archäologischer oder paläontologischer
Gegenstände kann der Staat ein Vorkaufsrecht ausüben;
3. Jeder Fremde, der Ausgrabungen vorzunehmen wünscht, muss die mini-
sterielle Genehmigung nachsuchen;
erhebt die Société P. de France Einspruchh... .“ ae
Todesfalle.
Heinrich Zimmer.
e Am 29. Juli 1910 starb nach langem Leiden zu Hahnenklee im Harz, woselbst
er nach eigenem Wunsche auch in die Erde gebettet ist, unser berühmtes Mitglied,
der bedeutendste Vertreter der keltischen Sprac-, Literatur- und Sagenforschung
der Berliner Universitätsprofessor und Akademiker, Geheimrat Dr. Heinrih ZIMMER
(geb. 11. Dez. 1856). Ursprünglich Germanist, dann Indogermanist und Sanskritist
— ich erinnere an sein bekanntestes Jugendwerk „Altindisches Leben“ (1879) —
war er in seiner Forschung sehr bald ausschliesslich Keltist geworden. Mit bewun-
dernswerter Energie und mit grösstem Erfolge bemachtigte er sich der keltischen
Literaturgeschichte, besonders der Heldensage und dadurch gewann er mit der
frühen Kulturgeschichte Galliens und Irlands nahe Fühlung. Eine auch für
unsere Bestrebungen wichtige Schrift, seine akademishe Abhandlung über den
gallo-römischen Weinhandel habe ich schon in der Maisitzung des Jahres 1909 der
Berliner Zweiggesellschaft vorgelegt (Mannus li, 306). Eine Fortsetzung dieser
schönen Studien „über direkte Handelsbeziehungen Westgalliens mit Irland im
Altertum“ ist nach seinem Tode, gleichfalls in den Sittungsberichten der Berliner
Akademie, erschienen. Ich hebe darin besonders No. 5 hervor, der dem „west-
europäisch-irishen Handelsverkehr im 1. Jahrh. vor Chr.“, namentlih dem Zinn-
handel gewidmet ist. Hoffentlih kann auch noch die 6. Studie über den phönizischen
Handel nach Irland druckfertig gemacht werden, während wir wohl auf die weiter
vorbereiteten beiden Reihen über die Einwanderung der Kelten nach den britischen
Inseln und über ihre vorkeltishen Bewohner wehmütig Verzicht leisten müssen,
Bei diesen Forschungen musste ZIMMER naturgemass auch der vorgeschichtlihen
Archäologie näher treten und bei seinen weiteren Studien wäre er sicher in ein
noch engeres Verhältnis zu unseren Arbeiten gekommen. Wir betrauern in ihm
eines der Mitglieder, die freudigen Herzens an der Begründung unserer Gesellschaft
sich beteiligten.
IV. Nachrichten. 331
Emil Torger.
Am 3. August 1910 starb unser Mitglied Zahnarzt Emil TORGER aus Halberstadt
während eines Erholungsaufenthalts zu Maltsh in Schlesien. Er war der Leiter
der vorgeschichtlihen Abteilung des 1905 eröffneten Stadtmuseums in Halberstadt
und hat sich ebenso um die Begründung wie um die Vermehrung der ihm unter-
stellten Abteilung die ausgezeichnetsten Verdienste erworben. Andauernd hielt er
mich durch eingehende Berichte über seine Ausgrabungen auf dem Laufenden und
diese Treue übertrug er auch auf unsere Gesellschaft, deren Hauptversammlung er
für 1910 gern in Halberstadt vorbereitet hätte, ein Wunsch, dem ich bei dem Wett-
bewerb anderer überlegener Ortschaften nachzugeben freilich nicht in der Lage war.
Heinrich Kofler.
Am 25. November 1910 verschied zu Darmstadt Hofrat Heinrih KOFLFR, der Leiter
der vorgeschichtlichen Kabinettssammlung in Darmstadt, die der Verstorbene durch zahl-
reiche Ausgrabungen vermehrt hat, unter denen die der Hügelgräber in der Koberstadt
und im Kranichsteiner Park aus den Jahren 1890—1901 sehr bekannt wurden, da
sich an ihnen der Grossherzog von Hessen, der Kaiser von Russland und zahlreiche
andere allerhöchste Herrschaften zu beteiligen pflegten. Veröffentliht sind die
Untersuchungen dieser meist in der älteren Bronzezeit errichteten, hauptsächlich
aber in der älteren Hallstattzeit zu Nachbestattungen benutzten Grabhügel in den
Quartalsblättern des Historischen Vereins für das Grossherzogtum Hessen (1890,
dann N. F. Bd. I, ID), und im Archiv für hessishe Geschichte und Altertumskunde
- (Bd. Ill, 2). An lettgenannter Stelle finden sich auch die wichtigen Arbeiten über
die „Befestigungen der Hallstattzeit in der Koberstadt‘‘, sowie über die „Ausbreitung
der Latene-Kultur in Hessen“ (Archiv Bd. Ill 1, nebst 2 Karten), eine Ergänzung zu
seiner „Archäologischen Karte von Hessen", die 1890 und 1899 im 1. und 2. Bande
des hessischen Archivs erschienen war und alle hessischen Funde bis zum Jahre
1895 verzeichnet.
—[nn ee a
Angelo Mosso.
Am 24. November, wenige Tage nach seiner Ernennung zum Mitgliede der
Berliner Akademie der Wissenschaften, starb in seiner Vaterstadt Turin der berühmte
Physiologe Angelo MOSSO. Geboren am 31. Mai 1846, wurde er nach beendigtem
Studium in Leipzig ein Schüler des grossen Physiologen Karl LUDWIG und stets
hat er in seinen Forschungen die Lebhaftigkeit südländischer Phantasie mit der
glänzenden Methodik deutschen Geistes erfolgreih vereinigt. Seine hervor-
ragende Darstellungsgabe trug ihm in seinem Vaterlande den Beinamen des
‘physiologo poeta’ ein. Allgemein bekannt sind seine bedeutenden Werke über
den Kreislauf des Blutes im Gehirn (1881), die Temperatur des Gehirns
(1894), die Furcht (1889), die Ermüdung (1892). In den letten Jahrzehnten war
sein Hauptstudium die Beeinflussung der Körperfunktionen durch den Aufenthalt
im Hochgebirge (Der Mensch in den Hochalpen, 1899), ein Studium, dem das von
ihm ins Leben gerufene internationale Laboratorium auf dem Monte Rosa, das
„Institut Mosso“, ausschliesslich gewidmet ist. Seit 5 Jahren litt MOSSO an der
Krankheit, der er jetzt erlegen ist und gegen die er in den leten Jahren durch
lange Erholungsreisen im Mittelmeer, zuerst auf Sizilien, dann auf den griehischen
Inseln und bis nach Kleinasien hin anzukämpfen suchte. Unterwegs betätigte er
sich eifrigst an vorgeschichtlihen Ausgrabungen, besonders auf Kreta, wo er im
Verein mit der unter HALBHERR stehenden italienischen Mission in Phaistos die
332 IV. Nachrichten.
neolithische Schicht aufdeckte (Monumenti antichi 19, 1908). Gleichzeitig veröffent-
lichte er Studien über „weibliche Idole und Tierfiguren neolithischer Zeit“ (Memorie
d. R. Accad. di Torino 58, 1907), „Fischwirbel und menschliche Oberschenkelknochen
als Amulette“ (Atti der Turiner Akademie 42, 1907), „Vorgeshictliche Schädel vom
Forum Romanum" (Not. degli Scavi 1905). In umfassender Weise untersuchte er
die primitiven Metallgeräte der frühminoischen Periode Kretas mittels chemischer
Analyse und stellte dadurch fest, dass diese Kultur (wie also auch die parallel
laufende ältere Kykladenkultur, nebst Troja Il) in der Hauptsache eine reine
Kupferzeit gewesen sei (so dass also die neuestens von H. SCHMIDT versuchte
Parallelsetzung dieser Zeit mit mitteleuropäisch Aunetitz von vornherein verfehlt war).
Auch zeigte er, dass auf Kreta (Chrysocamino bei Gurnia) der Kupferbergbau weit
älter gewesen sei, als auf Cypern, wie auch die primitiven Kupferbarren von Hagia
Triada bewiesen (,Die ältesten Waffen von Kupfer und Bronze“, Memorie d. R.
Accad. d. Lincei (5) 12, 1908). Weitere Ausgrabungen veranstaltete er dann auf
Sizilien in der Nähe von Girgenti (Memorie der Turiner Akademie 59, 1908 und
Monumenti antichi 18. 19, 1908. 1909). Diese zahlreihen und trefflihen Einzel-
schriften, bei denen man wenig daran erinnert wird, dass sie von einem blossen Lieb-
haber herrühren, verarbeitete er alsbald in eine Reihe von Werken von so reizvoller
Darstellung und so reicher, gutgewählter Bildausstattung, dass man sie mit wahrem
Genuss liest.
Als solhe sind zu nennen:
The palaces of Crete and their builders. London 1907 (von diesem Werke
ist mir nur die bekanntere englische Ausgabe zugänglich gewesen).
La Preistoria. I. Escursioni vel Mediterraneo e gli scavi di Creta. Milano 1907
(eine 2. Auflage mit 3 neugeschriebenen Kapiteln hat MOSSO
bereits 1909 angekiindigt).
ll. Le origini della civiltà mediterranea. Milano 1910.
lil. (noch nicht erschienen) Gli Italiani dell’ eta della pietra
alla prime colonie elleniche.
Die Tatsache, dass im italienischen Volke, selbst Oberitaliens, der Rasse nach
verhältnismässig nur noc geringe Bestandteile indogermanischen Geblütes sich
erhalten haben, zeigt sich unbewusst in den mangelnden Sympathien Italiens für
Mittel- und Nordeuropa, bei Angelo MOSSO aber, der soviele Skelette minoischer
Zeit untersucht hat, bewusst in der satten Befriedigung, mit der er in allen seinen
Schriften als Schlusseffekt die hinreichend bekannte Tatsache auseinandersetzt, dass
die Träger minoischer Kultur keine Indogermanen gewesen wären, womit er dann
die doch recht fragwürdige, wenn heute auch stark verbreitete Anschauung verbindet,
die heutige europäische Kultur beruhe auf der kretisch-mykenischen.
G. KR.
Der Vorsitzende Universitätsprofessor Dr. Gustaf KOSSINNA, ebenso unser
Mitglied Universitätsprofessor Dr. Oskar FLEISCHER wurden zu Auswärtigen Mit-
gliedern der „Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt“ ernannt.
Unser Mitglied, der wissenschaftliche Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrih-Museum
zu Posen, Erih BLUME, hat am 14. Oktober bei der philosophischen Fakultät der
Universität zu Berlin durch eine ausgezeichnete Dissertation „Die Germanischen
Stämme und die Kulturen zwischen Oder und Passarge zur römischen Kaiserzeit“
IV. Nachrichten. 333
die Doktorwürde erlangt. Von der Dissertation liegen nur die ersten vier Kapitel
gedruckt vor. Das ganze umfangreiche Werk wird als 3. Band der Forschungen zur
Früh- und Vorgeschichte Europas, herausgegeben von Professor Dr. Gustaf
KOSSINNA, erscheinen.
Am 1. Januar 1911 wurde Dr. Erih BLUME, bisher wissenscaftlicher Hilfs-
arbeiter beim Kaiser-Friedrih-Museum in Posen, als Direktorialassistent eben-
daselbst angestellt.
Das neu zu begründende grosse Paläontologishe Institut in Paris,
genauer „Institut für Paläontologie des Menschen“, wofür Fürst Albert von Monako
dem französischen Unterrichtsministerium 1'/s Millionen Franken zur Verfügung
gestellt hat, wird geleitet werden von einem Verwaltungsrat, einem Arbeitsausschuss
und mehreren Arbeitskräften. Dem Verwaltungsrat gehören ausser dem Fürsten
selbst an: die Staatsräte DISLERE und E. MEYER, die Professoren am Pariser
‘Museum’ BOULE (Paläontologe) und VERNEAU (Anthropologe), ferner Salomon
REINACH, Conservator in St. Germain en Laye und Geheimrat Louis MAYER in
Monako. Zum Direktor des Instituts ist BOULE ernannt worden, zu Professoren
des Instituts Professor H. BREUIL aus Freiburg (Schweiz) für vorgeschichtliche
Ethnographie und Privatdozent Dr. H. OBERMAIER aus Wien für Geologie als
Hilfswissenschaft der Vorgeschichte.
Nachtrag zu S. 332: ANGELO MOSSO.
Sofort sei hier noch nachgetragen, dass der 2. Band des Werkes La Preistoria
von A. MOSSO soeben in englischer Übersetzung erschienen ist unter dem Titel:
The dawn of mediterranean civilization, translated by M. HARRISON. London 1910.
Mit Beginn des Jahres ist das Amt unseres Schatzmeisters aus
den Händen des Herrn Dr. BORDES in die des Herrn Ernst
SNETHLAGE in Berlin, Quitzowstr. 123 übergegangen. Bei allen
Verhandlungen über Geldsachen innerhalb der Gesellschaft wolle
man sich nicht, wie es noch immer durchgängig, aber missbräuchlich
gescaieht, an den Vorsitzenden, sondern stets an den Schatzmeister
wenden. Ausserdem machen wir auch hier auf beiliegenden Streifen aufmerk-
sam, der die künftige Art der Einziehung der Mitgliederbeiträge bekannt gibt.
Die dritte Hauptversammiung der Gesellschaft wird laut Beschluss des
Ausschusses vom 31. Juli 1910 Anfang August 1911 zu Koblenz stattfinden.
Leiter des Ortsausschusses ist unser Ausschussmitglied Adam GUNTHER, Vor-
steher des Städtischen Tiefbauamtes in Koblenz-Lützel, Triererstr. 122.
Mannus, Bd. Il. Heft 4. 22
Deutsche Gesellschaft fur Vorgeschichte
1. Januar 1911.
Vorstand. |
Kossinna, 1. Vorsitzender Albrecht, 1. Schriftführer
Bezzenberger, 2. R Wilke, 2. s
Reimers, 3. 7 Wüst, 3. »
Snethlage, Schatzmeister.
Ausschuss.
1.—7. die Mitglieder des Vorstandes.
8. Eichhorn, Jena. | 12. Höfer, Wernigerode.
9. Feyerabend, Görlitz. | 13. Rademamer, Köln.
10. Günther, Koblenz-Lützel. 14. Shmidt, R. R., Tübingen.
11. Hahne, Hans, Hannover. | 15. Walter, Stettin.
Mitglieder.
A. Lebenslängliche.
S. Kgl. Hoheit Ernst August, Herzog von Cumberland, Gmunden (1909).
*1) Vom Rath, Emil, Geh. Kommerzien-Rat, Köln (1909).
B. Jahrlich zahlende.
3. *Albrecht, Gustav, Dr. phil, Städtisher Bibliothekar, Charlottenburg,
Wallstrasse 511] (1909).
4. Almgren, Oskar, Dr., Dozent an der Universität, Upsala (1909).
5. Altertümersammlung, Städtische, Göttingen (1909).
6. Altertumsgesellschaft, Graudenzer, Graudenz (1909).
7. Altertumsgesellshaft Prussia, Königsberg i. Pr. (1910).
8
9
0
we a
. Altertumsverein, Sclesischer, Breslau (1909).
. Altrichter, Karl, Rechnungsrat, Niederschönhausen b. Berlin, Blücherstr. 25 (1909).
. Armstrong, E. C. R., Assistant of Irish Antiquities Department, Dublin,
National-Museum (1911).
11. Arne, T. J., Assistent am Mus. vaterl. Altert.. Stockholm (1909).
12. Asmus, Rudolf, Dr. med., Teterow i. M. (1909.)
13. Auerbach, Alfred, Rektor, Vorstand d. Städt. Mus., Gera (Reuss) (1909).
14. Baldes, Prof., Birkenfeld (Fürstentum) (1909).
15. *Baum, Albert, Museumsdirektor, Dortmund (1909).
16. Baumann-Seyd, Frau A., Hamburg, Jordanstr. 36 (1910).
17. Baumert, Paul, stud. phil., Spandau, Potsdamerstr. 29 (1909).
1) Ein Stern * bezeichnet die Gründer der Gesellschaft.
Mitgliederverzeichnis. 335
. *Baumert, Prof. Dr., Bromberg (1909).
. Beaupre, Jules, comte, Nancy, rue de Serres 2 (1909).
. Behm, Sanitätsrat Dr. med., Berlin NW. 6, Luisenplatz 6 (1909).
. *Belck, Waldemar, Dr. phil., Frankfurt a. M., Baumweg 62 (1909).
. *Beltz, Robert, Prof. Dr., Museumsvorstand, Schwerin i. M. (1909).
. Berent, Anna, Schmargendorf, Spandauerstr. 1a (1909).
. Bergen, v., Frau, Magdeburg, Lennestr. 11 (1909).
. Berger, Paul, Merseburg, obere Bergstr. 5 (1909).
. Béringuier, Richard, Amtsgerichtsrat Dr., Berlin W. 62, Nettelbeckstr. 21 (1909).
. Berner, Ulrich, stud. phil., Berlin NW. 5, Stephanstr. 4 (1909).
. *Bezzenberger, Adalbert, Geh.-R, Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Steind.
Wall '/2 (1909).
. Bibliothek, Kgl. öff., Dresden (1909).
. Bibra, Freiherr v., Major a. D., Hannover, Jungfernplan 10 (1909).
. *Bieder, Theodor, Hamburg-Eilbeck, Eilbecktal 54 (1909).
. Blanckenhorn, Max,Prof.Dr., Berlin-Halensee, Joachim-Friedrichstr. 57 (1909).
. Blasius, Wilhelm, Geh. Hofrat Prof. Dr., Braunschweig (1909).
. *Blume, Erich, Dr., Mus.-Assist., Posen, Ritterstr. 9 Il (1909).
. *Blume, Karl, Rentier, Steglitz, Fichtestr. 11 (1909).
. *Bodenstab, E., Apotheker, Neu-Haldensleben (1909).
. *Borchling, Konrad, Professor am Kolonialinstitut Dr., Hamburg (1909).
. *Bordes, Otto, Dr., Zahnarzt, Berlin W., Nürnbergerstr. 8 (1909).
. Bork, Ferdinand, Oberlehrer, Königsberg i. Pr., Tiergartenstr. 1 (1909).
. Boseck, Karl, Dr. med., prakt. Arzt, Stolp (Pomm.), Blücherpl. 9 (1909).
. *Bracht, Eugen, Geh.-R. Prof., Dresden, Franklinstr. 3b (1909).
. Brandenburg, Erich, Dr., Konstantinopel, Poste allemande (1909).
. Brandes, Hotelbesitzer, „Deutsches Haus“, Bergen b. Celle (1999).
. Bredow, Karl Frh. von, Hauptm. a. D., Rittergutsbesitzer, Dom. Vietznitz bei
Friesack (1910).
. Bünte, W., Dr., Zeven (Hannover) (1909).
. *Busse, Hermann, Rentier, Woltersdorfer Schleuse b. Berlin (1909).
. Busse, v., Landschaftsrat, Latkowo b. Hohensalza (1909).
. Cämmerer, Prof. Dr., Arnstadt i. Th. (1909).
. Carstenn, Edward, Dr., Elbing, Spiringstr. 301 (1909).
. Cederhvarf, B., Mag. phil., Helsingfors, Skatuddsg. 1 (1909).
. Červinka, J. L., Ingenieur, Kojetein (Mähren) (1909).
. Déchelette, Joseph, Conservateur du Musée, Roanne (Loire), Frank-
reich (1909).
. Demetrykiewicz, Wladimir, Prof. Dr., Krakau, Smolenskgasse 19 (1909).
. Diels, Paul, Univ.-Prof. Dr., Prag-Smichow, 741, Kreuzherrng. 1 (1909).
. Dorr, R., Prof. Dr., Elbing, Inn. Mühlendamm 34 (1909).
. Drevin, Apotheker, Halle a. S., Wielandstr. 12 II (1909).
. Dublange, pharmacien, Le Fleix (Dordogne) Frankreich (1910).
. *Eichhorn, Gustav, Dr. med., Mus.-Konservator, Jena (1909).
. Exsteens, Louis, Brüssel, rue de Loxum 21 (1909).
. Ey, Ludwig, Buchhändler, Hannover, Langelaube (1909).
. Faden, Eberhard, stud. phil., Berlin, Stephanstr. 35 (1909).
. “Feist, Sigmund, Dr., Berlin N. 54, Weinbergsweg 13 (1909).
. *Feyerabend, Lucwig, Mus.-Dir., Görlitz (1909).
. Fiddike, Dr. med., Freienwalde a. O. (1909).
22*
336
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
Mitgliederverzeichnis.
. *Fischer, Rih., Hamburg 20, Eppendorfer Landstr. 130 (1909).
. Fischer, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Freiburg i. Br. (1909).
. FishervonMollard, Hauptm. d. Res., Dominium Gora, Kr. Jarotschin (1909).
. Fleischer, Oskar, Univ.-Prof., Berlin W., Motzstr. 17 (1909).
. Florshütz, Prof. Dr., Gotha (1909).
.*Forrer, Robert, Dr., Strassburg i. E., Universitätsstr. 3 (1909).
. Förster, Max, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Sedanstr. 4 (1909).
. Franck, Ernst, Frankfurt a. M., Marschnerstr. 2 (1909).
.*Franke, Ernst, Rittergutsbesitzer, Rohrsheim b. Halberstadt (1909).
. Freystedt, Alvin, Landesbauinspektor, Posen, Königsplatz 6 III (1909).
. Friedemann, Traugott, Oberlehrer, Einbeck (1911).
. Fritze, Oberbaurat, Meiningen (1910).
. Frödin, Otto, Dr., Alvastra (Schweden) (1909).
. *Fuhse, Mus.-Direktor Dr., Braunschweig (1909).
. *Gädcke, Karl, Prof., Salzwedel (1909).
. Genthe, Theod., Dr., Berlin-Wilmersdorf, Kaiser Allee, Ecke Güntzelstr. (1909),
. Gesellschaft, Deutsche f. Kunst u. Wissensch., Abt. f. Geschichte, (Hist. Ges.
f. d. Netzedistr.) Bromberg (1909).
. Gesellschaft, Naturhistorishe, Nürnberg (1909).
. Gesellschaft, Oberlausitzer, f. Anthropologie und Urgeschichte, Bautzen (1909).
. Gibasiewicz, Pfarrer, Siedlemin, Post Golina (Kr. Jarotschin) (1909).
. Girke, Georg, stud. phil., Berlin, Potsdamerstr. 117 (1909).
. Goecke, Theodor, Landes-Baurat, Prov. Konservator, Professor, Berlin W. 10,
Königin Augustastr. 1911 (1909).
. Götze, Alfred, Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde, Steglitzerstr. 42 (1909).
. Goldmann, Karl Eduard, Kaufmann, Neutomischel (Posen) (1909).
. Goldsche, Gustav, Stadtältester, Friesack (Mark) (1909).
. Goury, Georges, Conservateur au Muvee Lorrain, Nancy, rue des Tier-
celins 5 (1909).
. Graef, Josef, Juwelier, Kronstadt (Siebenbürgen), Pürzengasse (1910).
. Graefe, Holm, Ingenieur, Hannover-Linden, Davenstedterstr. 3I (1909).
. Graf, C. Eberhard, stud. phil., Berlin-Steglitz, Peschkestr. 16 (1909).
. Guébhard, A., Professor Dr., Präsident der Société Préhistorique de France,
Paris V, Rue de l'abbé de l'épée 4 (1909).
.*Günther, A. Vorsteher des Städt. Tiefbauamtes, Coblenz-Lützel, Trierer-
strasse 122 (1909).
. Gutmann, K., Schulvorsteher, Mülhausen i. E., Barfüsserstr. 14 (1909).
. *Haake, Dr. med., Braunschweig, Friedrich Wilhelmstr. 7 (1909).
. H a ke, Theodor, Eisenbahnbauinspektor a. D., Osnabrück, Heinrichstr. 471 (1909).
. Hackman, A, Dr., Helsingfors, Fredsgatan 13 (1909).
100.
*Hagen, v.d, Joachim Otto, Rittergutsbesitzer, Schmiedeberg bei Greiffen-
berg (Uckermark) (1909).
Hahne, Bertha, Frau Kommerzienrat, Hannover, Jägerstr. 7 (1909).
*Hahne, Hans, Privatdozent Dr., Direktorialassistent am Provinzialmuseum,
Hannover, Jägerstr. 8 (1909).
Hampel, Erich, Dr. med., Bernburg, Kaiserstr. 11a (1909).
Harte, Philipp, Reg.-Assessor Dr., Guben, Haugstr. 13 (1909).
Hartwich, Dr. med., Havelberg (1909).
Hauser, O., Archäologe, Basel (1909).
Heintzel, G., Dr., Chemiker, Lüneburg (1909).
Mitgliederverzeichnis. 337
. Heller, Major, Inf.-Regt. 158, Paderborn (1909).
. Hellmich, M., Kgl. Landmesser, Breslau V, Brandenburgerstr. 25 (1909).
. Hennig, F., Erfurt, Nonnenrain 11 (1910).
. Herrmann, Karl, Lehrer, Naumburg (Saale) (1909).
. Hess v. Wichdorff, Hans, Dr., Kgl. Geologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909).
. Hildebrand, Pfarrer, Leuthen bei Kottbus (1909).
. *Hindenburg, Dr. med., Grossbeeren (1909).
. Hintze, Georg, Friesak (Mark) (1910).
. *Hintze, Robert, Dr., prakt. Arzt, Rheinsberg (Mark), Am Markt 6 (1909).
. Hirsch, Dr., Rechtsanwalt, Halle a. S., Händelstr. 20 (1909).
. Hobus, Felix, Pastor, Dechsel, Kr. Landsberg a. W. (1909).
.*Höfer, Paul, Prof., Dr., Blankenburg a. H. (1909).
. Höfer, Lehrer, Römhild (Sachs.-M.) (1910).
. Hofbibliothek, Grossherzoglihe, Darmstadt (1909).
. Hoops, Joh., Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Klingenteich 13 (1909).
. Horvath, Dr. med., Hzl. Coburgisher Herrschaftsarzt, Vereskö Gömör
-
(Ungarn) (1909).
. Hungerland, Lektor, Dr., Lund (1909).
. Institut f. Geschichte d. Medizin an der Universität Leipzig, Leipzig (1909).
. Institut für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, Leipzig (1910).
.*Jäkel, Otto, Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909).
. Jaffe, S., Kgl. Okonomierat, Sandfort b. Osnabrück (1909).
. Jahn, Martin, stud. hist., Berlin, Lortzingstr. 38 (1909).
. Jekelius, Erich, stud. theol., Kronstadt, Schwarzgasse 17 (1909).
. *Jentsch, Hugo, Prof. Dr., Guben (1909).
. Jira, Josef Anton, Podbaba bei Prag, Villa Majorka (1909).
. Kabitzsch, Curt, Verlagsbuchhandler, Würzburg (1909).
. Kade, Apotheker, Römhild i. Th. (1909).
. Kaiser Friedrih-Museum, Posen (1909).
. Kallius, Erich, Univ.-Prof. Dr., Greifswald, Karlsplatz 17 (1909).
. Keller, Apotheker, Dermbach (S.-Meiningen) (1910).
. Kellner, Heinrich, Rentner, Köln, Gereonstr. 17—19 (1909).
. “Kiekebusch, Alb., Dr. Madchenschullehrer, Berlin-Karlshorst, Prinz Oskar-
strasse 7 (1909).
. Kimakowicz, v., Mus.-Direktor, Hermannstadt (Siebenbürgen) (1909).
. Kitzler, G. E., Redakteur der „Mark“, Berlin, Lausitzerstr. 8 (1909).
. Klaatsch, Hermann, Univ.-Prof. Dr., Breslau, Anatomie (1910).
. Kleist, Otto, Apothekenbesitzer, Friesack (Mark) (1910).
. Klepp, Hans, Potsdam, Brandenburgerstr. 48 (1909).
. Klingholz, F., Professor, Hannover, Geibelstr. 13 A (1909).
. Klittke, M., Mittelschullehrer, Frankfurt a. O. (1909).
. Knoke, Friedrich, Prof. Dr., Gymn.-Direktor, Osnabrück, Rats-Gymnasium (1909).
. Koch, Julius, Dr., Realgymnas.-Direktor, Berlin-Grunewald (1910).
. Korn, Joh., Dr. phil., Bezirksgeologe, Berlin-Wilmersdorf, Bingerstr. 87 (1909).
.*Kossinna, Gustaf, Univ.-Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde 3, Karlstr. 10 (1909).
. Kossinna, Richard, Justizrat, Nordhausen a. H. (1909).
. Krause, Hans, Dr., Döbeln (Sachsen), Schillerstr. 1211 (1909).
. Krause, Paul Gust., Dr., Landesgeologe, Berlin, Invalidenstr. 44 (1909).
. Krauth, Prof. Dr., Erfurt, Klingenstr. 3 (1910).
. Krehan, Rechnungsamtmann, Buttstädt (S.-Weimar) (1910).
338 Mitgliederverzeichnis.
156. Kreismuseum, Oberharzer, Zellerfeld (1909).
157. Kreismuseum, Hadersleben (Schleswig) (1910).
158. *Kropp, Philipp, Jena, Forstweg 31 (1909).
159. Kümpel, C., Technikumslehrer, Hildburghausen (1910).
160. Kuntze, Rentmeister, Burgscheidungen bei Tröbsdorf, Kr. Querfurt (1909).
161. Kunze, K., Prof. Dr., Bibliotheksdirektor, Hannover, Am Archiv 1 (1909).
162. Lampe, Karl, stud. hist., Jena, Jahnstr. 19 pt. (1909).
163. Lampe, W., Lehrer, Harriehausen bei Gandersheim (1910).
164. Lamprecht, Kgl. Rektor, Kaufbeuren (1909).
165. Landes- und Stadtbibliothek, Düsseldorf (1909).
166. Landesdirektorium, Hannover (1909).
167. Landesmuseum, Schweizerisches, Zürich (1909).
168. Landesverein, Hannoverischer, für Vorgeschichte, Hannover (1910).
169. *Langerhans, Wilhelm, Landgerichtsrat, Berlin W. 15, Kaiser Allee 221 (1909).
170. *Lehmann-Haupt, Carl Fr., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Marburgerstr. 6 (1909).
171. *Lemcke, Hugo, Geh. R. Prof. Dr., Stettin, Kantstr. 9 (1909).
172. Lieb mann, Rudolf, Generalz.D., Charlottenburg, Wilmersdorferstr. 102/3 (1909).
173. *Lienau, M.M., Abt.-Vorstand am Museum, Lüneburg, Villa Waldesruh (1909).
174. Lillge, F., Dr., Oberlehrer, Bremen, Mathildestr. 31 (1909).
175. Lilliendahl, F., Kommerzienrat, Neudietendorf b. Erfurt (1910).
176. Lüders, Dr. med., prakt. Arzt, Neustadt b. P., Kr. Neutomischel (1909).
177. Lühmann, H., Oberlehrer, Braunschweig (1909).
178. Lütc&ke, Heinr., Dr. phil., Charlottenburg, Bismarckstr. 63 (1909).
179. Magistrat der Stadt Kottbus, Kottbus (1909).
180. Magistrat der Res.-Stadt Hannover, Hannover (1909).
181. *Malachowski, Frau Reg.-Baumeister, Charlottenburg, Lietzenseeufer 11 (1909).
182. Mankiewicz, Zahnarzt, Graz, Burgring 10 (1910).
183. Martens, Heinr., Hotelbesitzer, Bergen b. Celle (1909).
184. *Martin, J., Mus.-Dir. Prof. Dr., Oldenburg (Grossh.) (1909).
185. Massenbad, Frh. von, Geh. Reg.-Rat, vortr. Rat im Landw. Minist., Berlin-
Wilmersdorf, Xantenerstr. 4 II (1909).
186. Matern, Erich, Dr. med., prakt. Arzt, Berlin NW., Turmstr. 66 (1909).
187. Mente, Kantor, Lüchow, Hannover (1909).
188. Meyer, Major und Ingenieuroffizier am Platz, Marienburg, Wpr. (1909).
189. Meyer, C. H., Fabrikbesitzer, Bergen b. Celle (1909).
190. *Meyer, Rich. M., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Vossstr. 16 (1909).
191. Michaelis, Georg, Dr., Berlin W. 15, Knesebeckstr. 44 (1909).
192. Michaelsen, Militärbauinspektor, Frankfurt a. M., Unterlindau 56 II (1909).
193. *Mielke, Robert, Zeichenlehrer, Charlottenburg, Rönnestr. 18 (1909).
194. Milleker, Felix, Musealkustos, Werschetz (Ungarn) (1909).
195. Miske, Kalman, Freih. von, Köszeg (Günz) (Ungarn) (1909).
196. *Möller, Armin, Museumskustos, Weimar, Städt. Museum (1909).
197. Mötefindt, H., Wernigerode, Karlstr. 2 (1910).
198. Mogk, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Grimmaischestre 32 (1909).
199. Mohrbutter, Alfred, Professor, Berlin W., Kaiserallee 180 (1910).
200. Mohrmann, Prof. a. d. technischhen Hochschule, Hannover, Herrenhäuser
Kirchweg 17 (1909).
201. Montelius, Oskar, Dr., Reichsantiquar, Stockholm (1909).
202. Morgenstern-Museum, Städtisches, Geestemünde (1909).
203. Much, Rud., Univ.-Prof Dr., Wien, Penzingerstr. 82 (1910).
204.
205.
206.
207.
208.
209.
210.
211.
212.
213.
214.
215.
216.
217.
218.
219.
220.
221.
222.
223.
224.
225.
226.
227.
228.
229.
230.
231.
232.
233.
234.
235.
236.
237.
238.
239.
240.
241.
242.
243.
244.
245.
246.
247.
248.
249.
250.
251.
Mitgliederverzeichnis. 339
Mühlke, K., Geh. Baurat, Berlin W. 62, Lutherstr. 18 II (1909).
Müller, O., Apotheker, Friesack (Mark) (1910).
Müller-Brauel, Hans, Schriftsteller, Zeven, Haus Sachsenheim (1909).
Museenvereinigung f. vorgeschichtl. Landesforschung. i. d. P. Hannover. (1909).
Museum, Bergens, Bergen (Norwegen) (1909).
Museum, Städtisches, Braunschweig, Steintorwall 14 (1909).
Museum, Vaterländisches, Celle (1909).
Museum f. Heimatlihe Geschichte und Altertumskunde der Provinz Sachsen,
Halle a. S., Domstr. 5 (1909).
Museum, Historisches, des Staates, Helsingfors (Finnland) (1909).
Museum, Schleswig-Holstein., Vaterl. Altertümer, Kiel (1909).
Museum, Städtisches, für Völkerkunde, Leipzig (1909).
Museum für Natur- und Heimatkunde, Magdeburg (1909).
Museum, Szekely Nemzety, Sepsi-Szent-György (Ungarn) (1909).
Museum, Stavanger, Stavanger (Norwegen) (1910).
Museumsgesellscaft, Teplitz-Schönau (Böhmen) (1910).
Museumsverein Goslar, Goslar (1909).
Museumsverein Harburg (Elbe) (1909).
Museumsverein f. d. Fürstentum Lüneburg, Lüneburg (1909).
Museumsverein f. d. Reg.-Bez. Osnabrück, Osnabrück (1909).
Museumsverein Pettau, Pettau, Steiermark (1909).
Museumsverein, Altmärkischer, Stendal (1909).
Näbe, F. Max, Leipzig-Gohlis, Luisenstr. 24 (1909).
Nationalmuseum, Kopenhagen (1909).
Niedner, Felix, Prof. Dr., Charlottenburg, Schlossstr. 23 (1910).
Obermaier, Hugo, Dr. Privatdozent der Urgesch. des Menschen, Wien Ill,
Rennweg 31 (1909)
Olbrict, Konrad, Dr., Geologe, Lüneburg, Wilsenbrucherweg 1 (1909).
Olshausen, Otto, Prof. Dr., Berlin SW., Anhaltstr. 5 (1909).
Osborne, Wilh., Rentier, München, Kaulbachstr. 93 (1909).
Paape, Dr. Prof., Berlin-Schöneberg, Meiningerstr. 3 (1909).
Palliardi, K. K. Notar, Mährish-Budwitz (Mähren) (1910).
*Pastor, Willy, Schriftsteller, Berlin-Wilmersdorf, Gasteinerstr. 4/5 (1909).
*Peiser, Felix, Univ.-Prov. Dr., Königsberg i. Pr., Goltz-Allee 11 (1909).
Peschel, E., Lehrer, Niinchritz, Bez. Dresden (1910).
Pfau, C., Prof. Dr., Rochlitz (Sachsen) (1909).
Pfeiffer, Ludwig, Geh. Medizinalrat Dr., Weimar (1909).
Pollmann, Lehrer, Diesten b. Sülze (Kr. Celle) (1909).
Polthier, O., Professor, Wittstock (Dosse) (1909).
Pötters, Karl, Mag.-Sekretär, Charlottenburg, Pestalozzistr. 42 (1909).
Preuss, Eugen, Bankier, Berlin NW., Flensburgerstr. 2 (1909).
Provinzialmuseum, Hannover (1909).
Queisner, Hugo, Dr. med., Bromberg, Töpferstr. 14 (1909).
*Rademacder, Carl, Rektor, Vorst. d. prähist. Mus., Köln, Zugweg 44 (1909).
Ratig, Wilhelm, Rendant, Perleberg (1909).
Rauch, W., Inspektor, Helmsdorf, Mansf. Seekreis (1909).
Rehlen, W., Magistratsrat, Nürnberg (1909).
*Reimers, l., Mus.-Dir. a. D. Dr., Charlottenburg, Lietzenseeufer 8 (1909).
Reisch el, G., Prof. Dr., Hannover, Ifflandstr. 11 (1909).
Reiss, Eugen, Privatier, Berlin, Lindenstr. 112 (1909).
340
252.
253.
254.
255.
256.
257.
258.
259.
260.
261.
262.
263.
264.
265.
266.
267.
268.
269.
270.
271.
272.
273.
274.
275.
276.
277.
278.
279.
280.
281.
282.
283.
284.
285.
286.
287.
288.
289.
290.
291.
292.
293.
294.
295.
296.
297.
298.
299.
300.
Mitgliederverzeichnis.
Rieken, Käthe, Frau Dr., Kottbus, Bahnhofstr. 72 (1909).
Riemsdineider, Buchdrucereibesitzer, Hannover, Knochenhauerstr. (1909).
*Rimpau, Rittergutsbesitzer, Anderbe&k, Kr. Oschersleben (1909).
Römer-Museum, Hildesheim (1909).
Römstedt, Präzeptor, Bergen b. Celle (1909).
*Roethe, Gustav, Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Berlin-Westend, Ahorn-Allee 39 (1909).
Roggenkamp, Hans, Turnlehrer, Eschwege (1909).
Ross, Hochschulprofessor, Hannover, Geibelstr. 25 (1909).
Rossbach, Gustav, Dr. med., Lichtenfels (1909).
Rücdardt, G., Rittergutsbesitzer, Schackenhof b. Bischofswerda (1910).
Rutot, A, Convervateur, Brüssel, Rue de la Loi 177 (1909).
Sammlung, Städtische naturwissensch., Chemnitz (Stadtmuseum) (1909).
Sammlungen, Grossherzogl. Badische, Karlsruhe, Baden (1909).
Scheidemandel, Dr. med., Hofrat, Nürnberg (1909).
Scelzig, Elisabeth, Hermsdorf (Mark), Schulenburgstr. 2 (1909).
Schemann, Ludwig, Prof. Dr., Freiburg i.B., Maximilianstr. 22 (1910).
Schetelig, Haakon, Dr., Museumskonservator, Bergen (Norwegen), Bergens
Museum (1909).
*S chliz, Alfred, Dr. med., Hofrat, Heilbronn (1909).
Schmidt, Dr. med., Oberarzt, Städt. Anstalten, Wuhlgarten bei Berlin (1910).
Schmidt, Rob. R., Dr., Tübingen, Geolog. Institut (1909).
*Schmidt, Erich, Prof. Dr., Bromberg (1909).
Schmidt, Heinrich, Dr., Univ.-Prof., Debreczin (Ungarn), Bethlen Utca 12 (1909).
Schmidt, Hermann, Oberlehrer, Löbau i. S., Eichelg. 1 (1909).
Schnittger, Bror, Museumsassistent, Stockholm 15, National-Museum (1909).
*Schétensack, Otto, Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Blumenstr. 1 (1909).
Schröder, A., Verlagsbuchhandler (Strecker & Schröder), Stuttgart (1909).
Schröder, Arno, Pfarrer, Hainihen b. Dornburg a. S. (1909).
Schröder, Edward, Geh -R., Univ.-Prof. Dr., Göttingen (1909).
Schröder, H., Landesgeologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909).
Schubandt, A. Privatlehrer, Burg bei Magdeburg (1909).
*Scdhultze, M, Prediger, Fahrenwalde bei Brüssow (1909).
Schultze, Vict., Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909).
Schulz, Walther, stud. hist., Minden i. W., Rodenbeckerstr. 44 (1909).
*Schulze-Veltrup, Prof. Dr., Berlin NW. 23, Lessingstr. 30 (1909).
Schumann, Gottlieb, Erfurt, Regierungsstr. 39 (1910).
*5 huster, Georg, Archivrat Dr., Berlin-Halensee, Halberstädterstr. 2 (1909).
Schütte, Karl, Berlin W. 66, Leipzigerstr. 13 (1909).
Schwantes, G. Lehrer, Hamburg, Grindelberg 7a (1909).
Schwarz, E., Lehrer, Berlin N., Kastanien-Allee 100 (1910).
Sckerl, Regierungs- und Baurat, Bromberg, Johannisstr. 18 (1910).
Seelmann, Hans, Dr. med., Dessau, Kavalierstr. (1909).
*Seemann, Otto, Zahnarzt, Berlin, Schönhauser Allee 177 (1909).
Seesselberg, F., Professor, Friedenau-Berlin, Kaiser Allee 108 (1909).
*Seger, Hans, Prof. Dr., Privatdozent, Mus.-Dir., Breslau, Viktoriastr. 117 (1909).
Sellmann, Lehrer, Mühlhausen i. Th. (1909).
Seminar, Germanisches, der Universität Berlin (1911).
*Siebs, Theodor, Univ.-Prof. Dr., Breslau XIII, Hohenzollernstr. 53 (1909).
Siedentopf, Dr. med., Magdeburg (1909).
*Sieglin, Wilhelm, Univ.-Prof. Dr., Berlin-Steglitz, Kaiser Wilhelmstr. 6 (1909).
Mitgliederverzeichnis. 341
. Sievert, Heinrich, Gutsbesitzer, Sciwanebeck, Kr. Oschersleben (1909).
. Siret, Luis, Ingenieur, Cuevas de Vera, Prov. Almeria, Spanien (1909).
. *Snethlage, Ernst, Sekretär, Berlin NW, Quitzowstr. 123 (1909).
. Solger, Friedrich, Dr., Univ.-Prof., Peking (China) (1909).
. *Sprater, Fr., Dr., Konservator des Historischen Museums, Speier (1909).
. Stadtbibliothek, Hannover, Friedrichstr. 16 (1909).
. Staffel, San.-Rat Dr., Chemnitz, Langestr. 19 (1909).
. Stieda, L., Geh. R. Univ.-Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Schützenstr. 1 (1909).
. Stimming, R., prakt. Arzt, Gr. Wusterwitz b. Brandenburg (1909).
. Streitberg, Wilhelm, Univ.-Prof., Dr., München, Isabellastr. 31 II (1909).
. Tallgren, A.M., Magister phil., Helsingfors (Finnland), Histor. Museum des
Staates (1909).
. Tatarinoff, E., Prof. Dr. Direktor d. Hist. Museums, Solothurn (Schweiz) (1909).
. Teutsch, Julius, Mus.-Vorstand, Kronstadt - Brasso (Siebenbürgen), Ross-
markt 4 (1909).
. Troitzsch, Reinhard, Lehrer, Berlin N. 28, Granseerstr. 7 (1909).
. Universitätsbibliothek, Königliche, Greifswald (1909).
. Universitätsbibliothek, Königliche, Tübingen (1909).
. Vasvarmegyei Kultur-egycsület, Szombathely (Ungarn) (1909).
. Vater, Lehrer, Schkeuditz b. Halle a. S. (1910).
. Verein für Geschichte und Altertümer, Stade (1909).
. Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Erturt (1909).
. Verein für Heimatkunde, Kottbus, Gymnasialstr. No. 8 (1909).
. Verein für Heimatkunde für den Kreis Lebus, Müncheberg (Mark) (1909).
. Vorwerg, Hauptmann a. D., Warmbrunn (1909).
. Waase, Karl, Mittelschullehrer, Neu-Ruppin, Möhringstr. 2 (1909).
. Wacenroder, Dr. phil., Hannover, Prov.-Museum (1909).
. Wahle, Ernst, stud. hist., Charlottenburg, Goethestr. 31 IH (1909).
. “Walter, E, Prof. Dr., Stettin, Friedrich Karlstr. 4 (1909).
. Walther, Heinrich, Dr., Landwirtschaftslehrer, Chemnitz, Lotharstr. 911 (1909).
. Walther, Max, Architekt, Berlin W. 57, Göbenstr. 2 (1909).
. Weise, Julius, Prof. Dr., Amalienau b. Königsberg i. Pr., Harbrückerstr. 12 (1909).
. Wels, Postassistent, Friesack (Mark) (1910).
. Welter, Timotheus, Kaiserl. Notar, Metz, Priesterstr. 17 (1909).
. Wernert, Paul, stud. rer. nat., Tübingen (Geol. Institut) (1909).
. Wiegand, Karl, Zollassistent, Leipzig, Gustav Adolfstr. 42 IIl (1909).
. Wilke, Max, Dr., Kreisschulinspektor, Zeitz (1909).
. *Wilke, Georg, Dr. Generaloberarzt, Chemnitz, Heinrich Beckstr. 56 (1909).
. Wilke, Karl, Architekt, Berlin, Grossbeerenstr. 74 (1910).
. Winkler, Albert, stud. hist., Charlottenburg, Neue Kantstr. 32 (1909).
. Winkelmann, Fr., Dr., Eichstätt (Bayern) (1911).
. Witz, Oberleutnant, Ingolstadt, k. bayr. Hauptlaboratorium (1911).
. Wolff, Kgl. Distriktskommissar, Filehne (1909).
. Wolff, Karl Felix, Schriftsteller, Bozen (1909).
. Wossidlo, Ridh., Prof. Dr., Waren (Meckl.) (1909).
. Wüst, Ewald, Univ.-Prof. Dr., Kiel (1909).
. Zedhlin, Konrad, Mus.-Konservator, Salzwedel (1909).
. *Zschiesce, Paul, Geh. San.-R. Dr., Erfurt, Walkmühlstr. 6 (1909).
. Zschiesche, Amtsrichter, Kölleda, Thüringen (1910).
Sachregister.
Abfallgruben, german., a. d. Kaiser-
zeit 1.
Absatzaxt 2ll.
Absplisse von Feuerstein Tafel VII, 46.
Ackerbau im schwed. Steinzeitalter 141.
v. Adelson-Berlin 7 278.
Albano, bronzezeitlihe Gräber 23, 30.
Albrecdt-Charlottenburg, 1. Schrift-
führer der D. G. f. V. 280.
Albrechtsdorf (Kr. Breslau), Schnur-
scherben 102.
Alemannen 200.
Almgren-Stocholm an die Universitat
. Upsala berufen 230.
Aloppe (Schweden), Tierzähne als
Anhänger 132.
— Keramik 151.
Alsengemme 229.
Altäre mit Darstellungen der Planeten-
götter 209.
Alt-Barnim (Kr.
neolith. Becher 86.
Alt-Bukow (Mecklenburg), wendische
Skelettgräber 219.
Alt-Damerow (Kr. Saatzig), Hiinen-
graber 87.
Alt-Farpen bei Wismar, bronzezeit-
lihe Hügelgräber 215.
Alt-Friedrihsdorf (Kr.
berg i. N.), Hünengrab 387.
Alt-Reetz (Kr. Königsberg i. N.),
neolith. Scherben 87.
Alvastra (Schweden), Pfahlbau 109.
Alvensleben (Kr. Neuhaldensleben),
Spiralkeramik 60.
Amalienfelde (Kr. Neustadt,Westpr.),
Schnurscherben 98.
Amethyst 309.
Amulet aus Bernstein 65.
Ancyluszeitliche Funde a. d. Prov.
Posen 221.
Andernad, Glockenbecher 57.
— älteste Nennung des Namens 35.
— s. Neuwieder Becken.
Anhänger 224
— aus Bernstein 228.
— aus Zähnen gearbeitet 132.
Ansiedlungen, s. Wohnstätten.
Ober - Barnim),
Friede-
Anthropologishes zur neolith.
Bevölkerung Mecklenburgs 209.
Apfel als Kulturerzeugnis 145.
Apfelfunde in Skandinavien und
Mitteleuropa 142, 143, 148.
Arktische Kultur in Bernburg 65.
Armbergen 23b.
Armbrustfibel 216.
Armringe s. Ringe.
Armschutzplatte aus Stein 105.
Arnimsheim (Ucermark), Sichel 180.
Aurignacien v. Karlich b. Koblenz 45.
— Metternich b. K. 45.
— Rhens b. K. 47.
Aurignac-Rasse 169, 170. 171, 173,
240.
Ausgrabungen, Gesetzesentwurf üb.
A. in Frankreich 323.
Axelshof (Kr. Demmin), neolith. Grab
97.
Äxte, aus Stein 83, 91, 99, 101, 105,
123, 210, 221, 222, 228, 231.
— doppelschneidig 124, 146, 148, 149,
150.
-- bronzezeitlih 223, 224, 232.
— s. Absatzaxt, Randaxt.
Axthämmer aus Stein 221,
229
222, 223,
Badewitz (Kr.
flasche 62, 85.
Badow b. Wittenburg, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Balga (Kr. Heiligenbeil), neolith. Grab
100.
Leobschitz), Kragen-
Bandfibeln von Bronze 212. 216, 217.
Bandkeramik im Rheinland 51.
— Lüttiher Gruppe 59.
— nördlich vom deutschen Mittelgebirge
60, 62, 65.
Bär, diluvial, i. Neuwied. Becken 44.
Barenknomen a. e. Pfahlbau 140.
Bartmannskrige 10.
Bavai, Wocengöttervase von 6, 205.
Becher, kaiserzeitlih 5, 12, 207, 208.
— v. Rössener T pus 52.
— s. Blumentopfbecher, Glockenbecher,
Schnurkeramik, Trichterrandbecher,
Zonenbemer.
‚Sachregister.
Befestigung s. Urmitz.
— s. Mayen.
Beile 87, 94, 97, 101, 102, 103, 105,
221, 222, 223, 231, 232.
— aus Achat 95.
— aus Diabas 176.
— aus Grinstein 123, 146, 149.
— aus Feuerstein 80, 84, 86, 87, 88,
89, 90, 91, 92, 93, 94, 97, 102, 103,
104, 105, 107, 122, 148. 149, 316.
— aus gebändertem Feuerstein 90, 92.
— aus Quarzit 149.
— mit Schäftungsabsatz oder Rillen 231.
— s. Hohlbeil.
Belgien, Heimat der Wochengotter-
vasen 11.
— Bandkeramik in 59.
— paläolith. Skelette 170.
Bellin (Meclenburg), slawische Wohn-
grube 218.
— Skelettgräber 219.
Bemalte Keramik Osteuropas 59.
— ohne Bernstein 65.
— mit knöcdernen Giirtelplatten 76.
— gesdhliff. Silexgeräte b. d. 80.
Bernburg, Bernsteinamulet 65.
— bandkeram. Grabfund 65.
Bernburger Typus 73, 86, 87.
Bernitt (Meclenburg), neolith. Ge-
fäss 210.
Bernstein, Einfuhrware in Alvastra
(Schweden) 134.
— in Kegelgräbern 302.
— ligurischer 316.
— a. e. diluv. Fundstelle, Taf. VI.
— mit den Nord-Indogermanen nad
Osten gehend 76.
— sicheres Zeichen nordindogerman.
Bevölkerung 64.
Bernsteinamulet 65.
Bernsteinfunde in Schweden 134.
Bernsteinknopf 227.
Bernsteinperlen 133, 150,
214, 223.
Bernsteinshmuck 64, 83, 84, 88, 90,
91, 92, 93, 94, 97, 98, 99, 100, 101,
103, 106.
Beschlage mit Tragringen 2, 3.
— von Holzgefässen 3, 208.
Betten aus Reisig 116.
213,
Beveringen (Ostprignitz), bronze-
zeitl. Funde 236.
Bieskau (Kr. Leobschiitz), Schnur-
scherben 103.
Bimssandablagerungen im Neu-
wieder Becken 40, 42, 49.
Birglau b. Thorn, Steinaxt 223.
— (Kr. Thorn), neolith. Gefäss 99.
Birnbaum, Kugelamphore 69, 90.
Birkenbru ch (Kr. Wirsitz), eizenzeitl.
Urne 225.
Bismarckstreu (Kr.
Steingeräte 222.
Hohensalza),
|
|
|
343
Bismardstreu (Kr. Hohensalza),
slaw. Keramik 227.
— Lanzenbrudstück 228.
— s. Jesuiterbruch.
Bitterfeld, Trichterrandbecher 71.
Blec&kendorf (Kr. Wanzleben), neo-
lith. Fund 78.
Blottnitz (Kr.Grossstrehlitz), Schnur-
scherben 103.
Blumberg (Kr. Pyritz), Megalith-
grab 88.
Blume-Posen, Promotion zum Dr.
phil. 332.
Blumentopfbemer d. ostdeutsch.
Schnurkeramik 72, 96, 98, 100, 102,
103, 104, 105.
Bodow (Kr. Zauc-Belzig), dreiglied-
riger Gürtelhaken 19%.
Böhmen, neolith. Funde 70, 72, 76.
Bohrer a.d. Magdalénien 49.
— aus Feuerstein 126.
Bordes-Berlin, Schatzmeister der
D.G. f. V., Änderung der Adresse 2x0.
Bordesholm (Holstein), Schnur-
becher 77.
Borkenstein (Kr. Saatzig), Kujav.
Grab 87.
Bos, diluvial i. Neuwied. Becken 43,
44, 48.
Bösenfleish (Kr. Konitz), Stein-
kreis 89.
Brahnau (Kr. Bromberg), neolith.
Funde 222. >
—- — bronzezeitl. Gefäss 224.
Brandgräber, slawische 219.
Brandgruben 316.
Brandstellen paläolithische 46.
— i. e. Megalithgrab 209.
— auf Feuersteinwerkstatten 211.
Braunsdweig, Bandkeramik in 60.
Bredentin (Mecklenburg), bronze-
zeitl. Hügelgrab 212.
Breitenau (Kr. Neumarkt), Schnur-
keramik 102.
Brennmaterial der Germanen 315.
Breslau, neolith. Funde 77, 102.
Briesen (Westpr.), neolith. Gräber 90.
Brietzig (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 87.
Broch b. Flatow (Westpr.), silberner
Ring 227.
Brockau (Kr. Breslau), Jordansmühler
Typus 60.
Broniewo(Kr.Hohensalza). Schädel 229.
— — neolith. Funde 221.
— — Bernsteinknopf 227.
Bronze, Herkunft der 297.
Bronze in neolith. Gräbern 107.
Bronzeciste 239.
Bronzedosen s. Hängegefässe.
Bronzegefässe,mittelalterl. 192,313.
— italische in Norddeutschland 239, 240.
— jüngerbronzezeitlih 215, 238, 23%.
— kaiserzeitlih 218.
344
Bronzegefässe i. d. Prignitz 239.
— Blechdeckel dazu 239.
Bronzegefäss-Reste 4, 5, 16.
Bronzekessel aus Dänemark 203, 318.
BronzesMmlacken 224.
Bronzetasse 238.
Bronzezeit, Graber
28, 29.
— im Kgr. Sachsen 323.
— Steingeräte a. d. 236.
-- s. Hammer.
-— ostpreussisches Skelettgrab 100.
— rheinische Keramik 2.
— Funde von Kantow (Kr. Ruppin) 181.
— erstes Auftreten von Eisen in der 239.
— neue Funde in Mecklenburg 211.
Steinäxte a. d. 2 3, 224.
neue Funde a. d. Prov. Posen 223.
— in der Prignitz 234.
Brückenfundamente a. slawischer
Zeit 219.
Brüning - Münster,
Hannover 2x0.
Brünn, paläolith. Skelett 81, 169.
Brünne 218.
Brunnenfund 211.
Brunow b. Grabow, Kasserolle 21%.
Bschanz (Schlesien), Stichreihenkera-
mik 60.
Buch b. Berlin, bronzezeitlihe Haus-
reste 244.
Buchholz (Kr. Greifenhagen), neolith.
Grab 76, 97.
Bucdtafort b. Thorn, Steinaxt 223.
Büddow (Kr. Dramburg), Bernstein-
beigabe 76.
Bügelfibel a. d. Kaiserzeit 4.
Bülow (Medlenburg), neolith. Pfahl-
bau 210.
Burgwälle 83, 84, 98, 219, 227.
Biisching und das Dreiperioden-
system 310.
in Italien 23,
nach
berufen
Cäsars Rheinübergänge 36, 37.
Cammin (Mecklenburg), wendische
Skelettgraber 219.
Cissewie (Kr. Konitz). Steinkreise 9.
Ciste aus Bronze 239.
Charlottenhöh(Kr.Prenzlau),schnur-
keram. Grab 78, 80.
Combe Capelle (Frankreich), Skelett-
fund 169, 171, 240.
Conow b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Credner-Grossgörschen f 278.
Cröbern b. Leipzig, Amphora 323.
— gedrehte Gefässe 243.
Cro-Magnon, Skelette von 170, 171,
172.
Cro-Magnon-Rasse 169, 170, 172,
173.
Crone (Kr. Bromberg), Mahlstein aus
e. Grabe 222.
Sachregister.
Czescmewo (Kr. Wongrowitz), neolith.
Gefass 84.
Dachkonstruktion e. Pfahlbaues 112.
Dachsknomen a.e. Pfahlbau 140, 148.
Dachstiitzen a e. Pfahlbau l1lz.
Dagsmoor (Alvastra), Zusammen-
setzung 111.
— Entstehungsgeschichte 119.
Daheim (Kr. Hohensalza), Gefassbruch-
stiicke 222, 228.
Damm (Mecklenburg), wendische Hügel-
graber 219.
— — bronzezeitlicher
215.
Dammereez b. Boitzenburg, Grab-
hügel 213.
Dänemark, doppelschneidige Äxte 124.
— neolith. Knochenpfriemen 129.
— Trichterrandbecher 6.
— Kragenflaschen 6l.
— bronzezeitl. Fibel 192.
— Bronzekessel 318.
Danneil-Salzwedel und das Drei-
periodensystem 298, 2399 — 301, 306
307, 310.
Dannenwalde (Prignitz), bronzezeitl.
Grab 236.
Dargun (Mecklenburg), eisenzeitlicher
Urnenfriedhof 217.
— — Depotfund 214.
Dassow (Mecklenburg),
Flachgrab 215.
Deckel für Bronzegefässe 239.
Deckplatte auf einer latenezeitlichen
Urne 195.
Dedelow (Kreis Prenzlau),
amphore 74.
Denkmalschutz, vorgeschichtlicher 295.
Depotfunde von Eisengeräten 2, 206.
— bronzezeitlihe 214, 215.
— allgemeines 215.
— s. Moorfunde.
Deutsch Breile (Sclesien), Stich-
reihenkeramik 60.
Deutsche Gesellschaft fiirVorgeschichte,
Mitgliederzahl 280.
— Veränderungen in der Besetzung der
Ehrenämter 280.
— Einladung zur 2. Tagung in Erfurt 280.
— Vorstand der Zweiggesellschaft Ber-
lin 242.
Diele, s. Estrich.
— s. Lehmdiele.
Dobberphul (Kr. Greifenhagen), neo-
lithische Gefässe 97.
— (Kr. Pyritz), kujawische Graber 88.
Dobieszewko (Kr. Schubin), Mega-
lithkeramik 66, 84.
Döbritz (Orlagau), Höhle mit Fauna
und Feuersteinsplittern 174.
Dobritzhügel (Ostthüringen), Tar-
denoisien 170.
Urnenfriedhof
bronzezeitl.
Kugel-
Sachregister. 345
Dolce aus Feuerstein 93, 97, 209.
— aus Bronze 236.
Dölitz (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Dolken (Kr. Kulm), neolith. Ansiede-
lung 90.
Donaukultur in Mittel- und Nord-
deutschland 59.
— nordöstlichster Vertreter 61.
Doppelaxtförmige Bernsteinperle
133.
Doppelhammer 99.
Doppelknöpfe 236, 239.
Doppelschneidige ÄxteinSchweden
und Dänemark 124.
Dorf Poltnitz (Mecklenburg), bronze-
zeitl. Hügelgrab 212.
Dornrade (Kr Bremervörde), bronze-
zeit]. Fibel 192.
Drehscheibe, auf der, gearbeitete
Gefässe 198, 242, 323.
— s. Wochengöttervasen.
Dreidorf (Kr. Wirsitz), Steingerät 222.
Dreiperiodensystem 294, 309.
Ducow (Kr. Randow), neolith. Grab 97.
Dulzig (Kr. Schwetz), neolith. Siede-
lung 89.
Dünen, Entstehung der 288.
Eberschädel als Grabbeigabe 88.
Eberzähne 91, 100, 103, 105.
Eckartsfelde (Kr. Znin), Bruchstücke
einer Gesichtsurne 225
Eckhardt und das Dreiperioden-
system 310.
Edelhirsch knocden als Gerätmaterial
131, 143
— a. e. Pfahlbau 140, 148.
Eichenhagen (Kr. Wirsitz), Bernstein-
perle 223.
—- — neolith. Grab 91.
Eichhorn (Kr. Königsberg i. N.), Stein-
kammer 87.
Eiersteine 224.
Eigenheim (Kr. Hohensalza), Stein-
gerät 222.
Eimerhenkel 3, 206.
Einbaum 219.
Einladung zum Besuch des Hauser’-
schen Ausgrabungsgebietes in der
Dordogne 274.
Einzelsteingrab 75.
— s. Monolithgräber.
Eisen 297.
— in Hünengräbern 300, 301, 302.
— fehlt in Kegelgräbern 302.
— in spätbronzezeitl. Gräbern 239.
Eiszeit, Erklärung der 255.
— Klima während der 286, 287.
Elbekosteletz (Böhmen), Kugel-
amphore 70.
Elchzahne als Anhänger 132, 140.
Elephas primig. i. Neuwied. Becken
43, 44. |
Elsenheim (Kr. Hohensalza), Bern-
steinanhänger 222.
Engelhardt und die bronzezeitliche
Chronologie 311.
Engis, Schädeldah von 171.
England, Skelett von Galley Hill 169.
Erfurt, Zweite Tagung für Vorge-
schichte 1910, 281.
Ertebölle (Schweden), Tierzähne als
Anhänger 132.
Estrich in einer Wohngrube 55.
Eyersheim (Rheinpfalz), Kragenfla-
schen 61.
Falkenberg (Kr. Pyritz), Megalith-
gräber 883.
Falzbein aus Geweih 92.
re (Kr. Naugard), neolith. Grab
Fauna, diluviale, im Neuwieder Becken
43.
-- des Magdalénien von Andernach 48.
— und paläolith. Menschenrassen 173.
— ostthüringischer Tardenoisien-Fund-
stellen 174.
— neolithische, Südschwedens 129, 131,
139. 141.
— interglaziale u. postglaziale, inNord-
deutschland 287, 290.
Federzangen aus Bronze 185, 190,
212, 213, 238.
Feuerschlagsteine 135, 148, 149.
Feuerschwamm im vorgesch. Europa
138.
Feuerstein, gebändert 90, 92.
— Einfuhrware in Alvastra 123, 126.
Feuersteinbearbeitung, Unter-
lage dazu 46.
Feuersteingeräte, nordische, in
Osteuropa 80.
Feuersteinkern a. d. Aurignacien
47.
Feuersteinsäge 88, 105, 193.
Feuersteinspäne 126, 148, 222.
— zum Feuermachen 136.
Feuersteinsplitter, bearbeitet 185,
187, 190.
Feuersteinwerkstätten 9. 211.
Feuerstellen, paläolithische 46.
Fibeln, bronzezeitlihe 192, 213, 236.
— — aus Italien 26, 28.
— latenezeitlihe 197, 198, 199, 217.
— kaiserzeitliche 3, 4, 16.
— s. Bandfibel, Bügelfibel, Scheiben-
fibel, Spangenfibel.
Fibelnadel von Bronze 211.
Fingerspiralen 236. `
Fingerring mit Gemme 229.
Finkenthal (Mecklenburg), eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Finkenwalde (Kr. Greifenhagen),
neolith. Graber 97.
346
Fischhknochen a. e. Pfahlbau 140.
Flaschchen aus Glas, kaiserzeitlich 5.
Flasche aus Glas, römisch 226.
Fleischer-Berlin, Ernennung zum Mit-
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt
332.
Flora des Pfahlbau-Untergrundes von
Alvastra 121.
Flosspfahlbauten 117.
Flügelnadeln 216 |
Flurnamen in der Überlieferung fort-
lebend 36.
Fraipont-Brüssel } 279, 316.
Frankfurt a. O. (?), Megalithkeramik
83.
Frankreich, Kragenflaschen in 61.
— Rassen in 154.
— paläolith. Skelettfunde 169, 170, 171,
172, 173, 241.
— Bernstein in F. anstehend 316.
— Sicel 179.
— Gesetzesentwurf über Ausgrabungen
323.
— s. Maz d’Azil, Mentone.
Friebeberg (Kr. Breslau),
Gräber 102. l
Friedrich Franz von Mecklenburg als
Förderer der Vorgeschichte 295.
Friedricisdorf b Neubukow (Mecklen-
burg), neolith. Flachgrab 210.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Friedrihsruhe(Mecdlenburg), bronze-
zeitl. Hügelgrab 212.
— — völkerwanderungszeitl.
friedhof 218.
Friesad (Mark), Scolith von 317.
— — gedrehtes Gefäss 243.
Fuchs, s. Polarfuchs.
Fürstensee (Kr. Pyritz),
gräber 8.
Fussurne, german ‚a. d. Kaiserzeit 2.
neolith.
Urnen-
Megalith-
Gägelow (Mecklenburg), neolith. Pfahl-
bau 210.
Galizien, neolith. Funde (Statistik)
85, 86, 94, 95, 103, 105, 106.
-- Kujawische Gräber 68.
— Kragenflaschen 62.
— Kugelamphoren 70.
--- Mondhenkelkrüge 67.
— Schnurkeramik 73, 74, 75, 77, 78.
— Rhinozeros-Fund 173.
Galley-Hill (England), paläolithisches
Skelett 169.
Gallishe Elemente a. d. Kessel von
Gundestrup 2u4.
— Gottheiten 317.
Gandow (Prignitz), Hausurne 236.
Gefässe, auf Drehscheibe gearbeitet 10.
— aus Holz 3, 20%.
- s. Bronzegefässe, Bronzeciste.
Geijer und das Dreiperiodensystem 299.
Sachregister.
Gelens (Kr. Kulm), kujaw. Gräber 90.
Geologie des Neuwieder Beckens 37.
— der römischen Campagna 19.
— und Vorgeschichtsforschung 23, 26,
29, 30, 31.
Gera (Thüringen) s. Pfortener Berg,
Steinertsberg.
Gerste a. e. steinzeitl. Pfahlbau 141,
142.
Gesetzesentwurf über Ausgrabungen
in Frankreich 323.
Gesichtsurne 225.
Gesichtsvasen s. Wocengöttervasen.
Gestempelte Verzierungen 105.
Getreide a. e. neolith. Grab 105.
- i. d. Steinzeit Schwedens 142.
— bei den Alemannen 2v0.
Getreidekörner a. e. Pfahlbau 141.
Geweih, Äxte aus 221.
— bearbeitet 227.
— s. Hirschhorn.
Gewölbe, falsche 315.
Giebelloch bei Dolmen 246.
Gilgenburg (Kr. Osterode), neolith.
Gräber 100.
Gingst (Riigen), Megalithkeramik 62,
65, 70.
Glas in Kegelgräbern 302, 311.
Glasflasche 226.
Glasgefässe 218.
GlasowtKr.Randow), neolith. Graber 97.
Glasperlen s. Perlen.
Glasschlacke 4, 5.
Glatter aus Knochen 103.
— aus Geweih 132.
Gleinitz (Kr. Nimptsch), Stichreihen-
keramik 60.
Glocke s. Schelle.
Glokenbecder 57, 178.
Glockengräber 225.
Glogau, Schnurbecher 102.
Glogischdorf (Kr. Glogau), Schnur-
scherben 101.
Gnichwitz (Kr. Breslau), schlauchförm.
Krug 72, 102.
Gniewkowitz (Kr. Hohensalza), versch.
Funde 228.
— Abbau (Kr. Hohensalza), Steinbeil
221:
Godsiszewo-Kokorzyn, neolith.Vor-
ratsgefäss 84.
Goguet und das Dreiperiodensystem
298, 310.
Göhlen b. Ludwigslust,
Urnenfriedhof 215.
Göhlitzsch, (Kr. Merseburg),
kistengrab 297.
Goldarmring 236.
Goldfund von Vettersfelde 323.
Goldhörner von Tondern 205, 318.
Goldschhmudck 236, 239.
Golotty (Kr. Kulm), neolith. Scherben
73, 83, 99.
bronzezeitl.
Stein-
Sachregister.
Gondes (Kr.Bromberg), Steingeräte 222.
— Tonring 228.
Gorsmendorf b Maldin, völkerwan-
derungszeitl. Urnenfriedhof 218.
— — wendische Skelettgräber 219.
Gorzewice (Kr. Samter), kl. Deckel-
dose v Bronze 192.
Gostyn (Prov.Posen), Axthammer 223.
Götterbilder auf Gesichtsvasen 5, 12.
— auf Bronzekesseln 204, 318.
— bei den Galliern 317.
— nachgeahmt von den Germanen 318.
Gottheiten der Gallier 13, 202, 317.
Grab in Schiffssetzung 228.
Gräber auf einem steinzeitl. Wohn-
platz 147, 149.
— frithestneolithische 81.
— siehe Brandgräber. Monolithgräber,
Schachtgraber, Schiffssetzung.
Grabformen, neolithische, in Mecklen-
burg 209.
— jüngerbronzezeitl.,i. Mecklenburg 214.
Grabitz (Kr. Birnbaum), neolith Ske-
lette 100.
Grabschen (Kr. Breslau), Trichterrand-
becher 65, 85.
— — Jordansmühler Typus 60.
Gramenz (Kr. Neustettin),
Grab 77, 93.
Granowko (Kr. Kosten), neolithische
Scherben 84.
Granzin b. Hagenow, Urnenhügel 214.
— bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
— bronzezeitl. Hügelgrab 212.
Graudenz, bandkeram. Kugelnapf 61.
Griffzungenschwert 213.
Grimaldirasse 170.
Gristow (Kr. Kammin), neolith Grab
76, 83.
Grossbeeren (Kr. Teltow),
zeitl. Brandgräber 194, 241.
Gr. Bengerstorf (Mecklenburg), Fibel-
nadel 211.
Gross-Dalzig b. Leipzig, Amphora 323.
Gr. Koluda (Kr. Hohensalza), neolith.
Doppelhenkelkrug 69, 91.
Gr. Leistenau (Kr. Graudenz), neolith.
Grab 76, 90.
Grössler-Eisleben + 245, 276.
Gr. Morin (Kr Hohensalza), neolith.
Gräber 76, 101.
Gr. Paglau (Kr. Konitz), neolithischer
Becher 98.
Gr. Pankow (Ostprignitz), bronzezeitl.
Funde 236.
Gr. Rambin (Kr. Belgard), Bernstein-
beigabe 76.
— — Steinkiste mit
69, 88.
Gr. Roge b. Teterow, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Gr. Tshansc (Kr. Breslau), Schnur.
becher 102.
neolith.
laténe-
Kugelamphoren
347
Gr. Tschansch (Kr. Breslau),
reihenkeramik 60.
Grubenhageg b. Teterow, bronzezeitl.
Urnenfriednof 215.
Grünstein, Geräte aus
148, 149.
Guckelwitz (Kr. Breslau), neolithische
Keramik 102.
Guhrwitz (Kr. Breslau), neolith. Ske-
lette 102.
Gulcz-Abbau (Kr. Filehne), 2 Mühl-
steine 228.
Gullrum (Gotland), neolith. Fundplatz
124, 132, 136, 151.
Gundestrup, Silberkessel 203, 318.
Ginther-Koblenz gewahlt in den Aus-
schuss der D.G.f V. 280.
Gürtelhaken aus Eisen 196, 199.
— zweitl. Scharniergürtelhaken 198, 199.
— aus Bronze 196.
— dreigliedrig 198, 199.
— ostgerman. Form 198.
Gürtelplatte von Schwalbenschwanz-
form 199.
Gürtelplatten aus Knochen 76, 93,
94, 1U0.
Gürtelscheiben 236.
Güstrow (Meclenburg),
Wohnstellen 210.
— Kegelgrab 213.
Guttowo (Kr Strassburg), neolith. Grab
76, 90.
Stich-
123, 146,
neolithische
Hacken aus Hirschgeweih 84, 90.
Hafer Nahrung der Alemannen 200.
a NOS bronzezeitl. Urnenfriedhof
£ld.
-- kaiserzeitl. Funde 218.
— völkerwanderungszeitlicher
friedhof 218.
— wendische Skelettgräber 219.
Hahne-Hannover, ernannt zum Direk-
torialassistent am Prov. Mus. das.
2X0.
Haken aus Holz 134
Halberstadt, Trichterrandbecher 71.
Hallstattzeitl. Gefässe 2.
Halsbergen von Bronze 212, 236.
Halsring, (latenezeitlich) auf gallischen
Götterbildern 202.
Halsringe von Bronze 213, 214, 239.
Halsketten von Tierzähnen s. Zähne.
Halskragen 323.
Hammelstall (Kr. Prenzlau), Trichter-
randbecher 60.
-— -- schnurverz. Becher 71.
Hämmer 5%.
— von einem Relief 8, 9.
— von ostdeutsch-schwedishem Typus
8&5, 98,
— aus Stein 89, 91, 94, 96, 100, 101,
102, 103, 104, 105, 106, 107, 221,
229, 231.
Urnen-
348
Hammer, bronzezeitlich 223, 224, 232.
— mit Halbkugelnacen 64.
— d. Schnurkeramik i. d. Ukraine 80.
— fazettiert 56.
Handbergen von Bronze 212.
Handel, s. Feuerstein.
— s. Bernstein.
Hängegefässe von Bronze 215, 236.
Hängespiralen aus Kupfer 79.
Hartlieb (Kr. Breslau), Trichterrand-
becher 65, 85.
Harpunen a. d. Magdalénien 49.
Haselnüsse a. e. Pfahlbau 128, 141,
149.
Hasenknocen als Gerätmaterial 129,
131, 140.
Hastiere (Frankreich), paläolith. Unter-
kiefer 171.
Hausbau, s. Wohnstätten
Hauser-Les Eyzies, Einladung zum
Besuch des Ausgrabungsgebietes 274.
Hausformen 243.
Haustiere im schwed. Neolithikum
129, 139, 141.
Hausurnen, allgemeines 24.
— deutsche 236.
— italische 23, 24, 25.
— Zeitstellung 26.
Hechtknomen a. e. Pfahlbau 140.
Hedinger- Stuttgart } 278, 316.
Hedwigshorst (Kr. Schubin), Axt-
hammer 222.
Heidnische Zeit Preussens, Fund a. d.
323.
Heitbrac (Hannover), Nadel 216.
Helldorf (Kr Kolmar i P), Kragen-
flasche 62, 84.
Helm bei den Germanen 204.
— aus Bronze 323
Helme gallisher Art 204.
Herd a. e. Pfahlbau 149.
Herde aus Stein 113.
Herdgruben, germanische, a.d. Kaiser-
zeit 1.
Herdpflaster in Wohn-
gruben 1.
Herzsprung (Prignitz), Bronzeschilde
239.
german.
Hindenburg (Altmark), einhenklige
Kugelamphore 74.
Hinrichshof (Mecklenburg), bronze-
zeitl. Urnenfriedhof 215.
Hirsch, diluvial, i. Neuwieder Becken
43, 44, 45, 46.
— s. Edelhirsch.
Hirshhorn-Geräte 131, 146.
Hockerbestattung, allgemeines 240.
Hockerbestattungen in Südrussland
63, 81.
Hockergräber, neolithische 56.
— s. Skelettgräber.
Hockerstellung eines paläolith. Ske-
lettes 240.
Sachregister.
Hörnes und das Dreiperiodensystem
309, 310.
Hohen - Niendorf (Mecklenburg),
bronzezeitl. Grabfund 211.
Hohenwutzow, dreigliederiger Gürtel-
haken 198.
Hohlbeile von Bronze 225, 238.
Höhlenhyäne 44.
Höhlentiger, diluvial i.
Becken 43.
Hohlmeissel 238.
Holzgefässe 3, 208.
Holzgerät, s. Haken.
Holzkeule 95.
Holzspuren in Gräbern 212, 219
Holzversteifung i. e. Grabe 105.
Homo Aurignacensis 169, 170, 172.
Hörner bei den Germanen 104.
— aus Gold 205, 318.
Hornstein verwendet im Magdalénien
Neuwieder
48.
Hostmann und das Dreiperioden-
system 308.
Hügelgräber, neolithische, 87, 88, 89,
92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 102, 105,
106, 107.
— bronzezeitlihe 211—215,
239.
— fritheisenzeitliche 216.
— wendische 219.
Higclarabertelden neolith. i. d.
Ukraine 78.
Hundeknochena.e. Pfahlbau 140, 148.
Hundezähne als Halsband 107.
Hundisburg (Kr. Neuhaldensleben),
Bandkeramik 60.
— -~ Kugelamphore 71.
Hünengräber, s. Megalithgräber.
Hyäne, diluvial, i. Neuwied. Becken 44
235, 236,
Imatrastein 100.
Indogermanen 99.
— Nordindogermanen in Osteuropa 6l.
— Südindogermanen in Mittel- und
Norddeutschland 99.
— Bernstein sicheres Zeichen für Nord-,
— Ableitung aus paläolithischen Ras-
sen 169.
Indogermanenzüge nach Osteuropa
61.
— Zuzug von Sadsen-Thüringen 75.
Inkrustierte Keramik 54, 70, 96, 102,
103, 225.
Isinger (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Italien, bronzezeitl. Funde 23, 28, 29.
— vulkan. Ausbrüce i.d. Campagna 22,
23, 26, 30.
— Rassen in Italien 154.
— s. Albano.
— s. Remedello.
— s. Sardinien.
Sachregister. 349
Iwno (Kr. Schubin), Stihreihenkumpf 60.
— Schnurkeramik 77.
— Gräber 101.
— eisenzeitl. Keramik 225.
Jacewo (Kr. Hohensalza), Gefassbruch-
stücke 227.
— Reibstein 228.
Jägerhaus bei Mühlheim, Rössener
Wohnplätze 51, 57.
— Glocenbecerkeramik 57.
Jagow (Kr. Pyritz), Megalithgrab 88.
Jassperson, Justiziarius in Schles-
wig 298.
Jesuiterbruch (Kr. Hohensalza), Me-
galithkeramik 84.
— Kupferbeil 232.
— (Schulbezirk, Kr. Hohensalza), Stein-
geräte 23l.
Jordansmühl (Kr. Nimptsch), Band-
keramik 60.
— Megalithkeramik 62, 65, 67, 71, 85.
— Schnurkeramik 103.
Jordansmühler Typus 60.
Jupille, Wochengöttervase von 6, 205.
Jütchendorf (Kreis Teltow), latene-
zeitl. Urnengräber 197, 241, 243.
Kahlhorst (Ostprignitz), bronzezeitl.
Grab 232.
Kahlstädt (Kr. Kolmar i. P.), Steinaxt
223.
Kaiserswalde (Kr. Wirsitz), schnur-
verz. Becher 72, 100.
Kaiserzeit, german. Graber 1, 316.
— Depotfund von Eisensachen 2.
— neue Funde aus Mecklenburg 217.
— neue Funde aus Posen 226, 229.
Kalbe a. S., Spiralkeramik 60.
Kaldus (Kr. Kulm), Trichterrandbecher
65
Kalender der Steinzeit 286.
Kalzig (Kr.Züllichau), neolith.Gräber 97.
Kamm aus Knochen 4, 16.
Kammstridhverzierung 194, 196.
Kantow (Kreis Ruppin), bronzezeitl.
Funde 181.
Kärlich b. Koblenz, Aurignacien 49.
Karpodaken 191, 235.
K arpodakis che Funde a d Prov. Posen
224.
Karrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl.
Grabhügel 213.
Kartause b. Koblenz, Steinmeissel 55.
Karzen (Kr. Nimptsch), neolith. Gräber
103.
Kasekow (Kr. Randow), neolith. Grab
97.
Käsesteine 224.
Kasserolle 218.
Kastorf b. Stavenhagen, Einbaum 219.
Kathrein b. Troppau, Kragenflasche
62, 85.
Mannus, Bd. Il, Heft 4.
Katznase (Kr. Elbing), neolith. Scher-
ben 89.
Kegelgräber 300, 301.
— s. Hügelgräber.
Kehrberg (Ostprignitz), bronzezeitl.
Gefäss 186.
Keile aus Stein 210.
Kelpin (Kr. Tuchel), neolith. Siede-
lung 98.
Kemnitz (Prignitz), bronzezeitl. Grab-
hiigel 239.
Keramik, bemalte, in Osteuropa 59.
— — ohne Bernstein 65.
— — mit knöchernen Gürtelplatten 76.
— — gesdhiiff. Silexgeräte b. d. 80.
— inkrustierte 54.
— mittelalterlihe 227.
Keramische Tednik 10.
— s. Drehscheibe.
Ketten, latènezeitlih 199.
Ketzin a. H., Kugelamphore 70.
Keulenköpfe 87, 223, 231.
Kieselschiefer verwendet im Magda-
lénien 48.
Kleidung 212.
KI. Babenz (Kr. Rosenberg), neolith.
Grab 77, 99.
Kleinburg (Kr. Breslau), Schnurkera-
mik 102.
Kl. Gandau (Kr. Breslau), Schnur-
becher 102.
Kleinkamsdorf s. Dobritzhügel.
Kl.Korbetha (Kr. Merseburg), gedrehte
Gefässe 243.
Kl. Krebbel (Kr. Schwerin), Trichter-
randbecher 65, 84, 90.
— Kugelamphorenkeramik §7, 69, 84, 90.
Kl. Methling b. Gnoien, neolith. Flach-
graber 210.
Kl. Mölln (Kr. Greifenhagen), Schnur-
scherben 97.
Kl.Pankow (Prignitz), bronzezeitl. Grab
236.
Kl. Pritz (Meclenburg), Steingeräte 211.
Kl. Rietz (Kr. Beeskow), Stichreihen-
kumpf 60.
Kl. Shwiesow b. Güstrow, bronze-
zeitl. Urnenfriedhof 215.
Klemmen (Kr. Kammin), Hünenbett 87.
Klima der subborealen Zeit 118, 122.
— der Nacheiszeit 241.
— Norddeutsclands seit derEiszeit 285.
Klingen mit Kratzerende a. d. Aurig-
nacien 47.
— a.d. Magdalénien 48.
Klingenabsplisse a. d. Aurignacien
Taf. V, VI, VII.
Klopfstein a. d. Aurignacien 47.
— von Quarzit 126.
Kloxin (Kr. Pyritz), kujav. Graber 88.
Kluess b. Güstrow, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Klützow (Kr. Pyritz), neolith. Grab 88.
23
350
Knebel aus Bronze 239.
Knochengeräte 92, 93, 97, 129, 148.
Knochenmaterial a. e. schwed. Pfahl-
bau 139, 148.
Knocdennadeln 100.
— mit Doppelhammerkopf 78,79, 107, 108.
Knochenperlen 79, 93, 107, 132.
Knocenspatel 105.
Knochenwerkzeuge a. d. Magdale-
nien 49.
Knoke-Osnabrük gegen Schuchhardt
265. .
Knöpfe aus Bronze 187, 190, 212.
— aus Bernstein 227.
Köben (Kr. Steinau), neolith.Grab 78,91.
Koblenz, älteste Nennungen des Na-
mens 35.
— s. Neuwieder Becken.
Kofler- Darmstadt + 331.
Kogel b. Wittenburg, Hügelgrab 213.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Königsberg i.N., Zapfenbecher 96.
Königsberg-Rollberg i.N., neolith.
Grab 96.
Königsbrunn (Kr. Strelno), neolith.
Scherben 84.
Koralle IluO.
Kossin (Kr Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Kossinna-Berlin, Ernennung zum Mit-
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt 332.
Kownatken-See (Kr. Neidenburg),
Schnurscherben 10V.
Kraazen (Kr Soldin), neolith. Grab 97.
Kragenflaschen s. Megalithkeramik.
Krapina (Kroatien), paläolith. Skelett-
teile 173.
Kratzer des Aurignacien 45.
Krause-Berlin + 27%.
Kreischau(Kr.Steinau), Sdinurscherben
102.
Kretz (Rheinland), Bandkeram. Ge-
fässe òl.
Kropfnadeln aus Eisen 19.
Krüge, schlauchförmige 72.
Kruschwitz (Kr. Strelno), Schlittkno-
chen 227.
Krüssow (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Kücdenabfallhaufen 98, 99.
Kugelamphore, Entstehung 69.
— s. Schnurkugelamphore.
Kugelamphoren, östlich der Oder 64,
67, 69, 87, 88, 89, YU, 91, 92, 93, 94,
95, 96.
— westlich der Oder 71, 73.
Kuhnau (Kr. Nimptsch), Schnurscherben
103.
-— — Stichreihenkeramik 60.
Kujawische Graber 67, 68, 87, 88, 89,
y0, 91, 92.
Kulmsee (Kr. Thorn), neolith. Scherben
84.
— — Megalithamphore 69, 90.
Sachregister.
Kummer bei Ludwigslust, bronzezeitl.
Urnenfriedhof 215.
Kupfer in neolith. Gräbern 79, 81, 92,
101, 107.
Kupferbeil 232.
Kupferdolch 92.
Kupferschalen, schwad versilbert 227.
Kupfersicheln 179, 180.
Kurzschadel s. Schädel.
Küstrin, schnurverz. Scherben 96.
Landau (Kr.
keramik 85.
Landschaftscharakter Norddeutsch-
lands während der Eiszeit und Nach-
eiszeit 289.
Langschädel s. Schädel.
Lankow b. Schwerin, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Lanze, italische Miniaturnachbildung 26.
Lanzenspitzen 228.
— aus Eisen 4, 14, 217, 219, 226.
-- aus Bronze 213, 224, 236.
— aus Feuerstein &7, &8, 89, 97, 100,
102, 103, 107, 229, 236.
— aus Knochen 221.
Lanzettartiges Bronzegerät 238.
Lassek-Luban (Kr. Posen - West),
Schnurscherben 101.
Latenezeit, Grab 100.
— gedrehte Gefässe und Maanderge-
gefässe 242.
— Grabfund a. d. Rheinland 1.
— Funde a. d. Kreise Teltow 194.
— abgedrehtes Gefäss 19%.
— Funde in Mecklenburg 216.
— Funde in Posen 22h.
Latkowo (Kr. Hohensalza), latenezeitl.
Gefäss 226.
-- — kaiserzeitl. Funde 226.
— — slawishe Funde 227.
— — versch. Funde 227.
— — Skelettreste 229.
— -- Axt aus Geweih 221.
Lauenburg (Pommern), Schnurbecher
YX,
Lausitzer Typus, Anklange in Meck-
lenburg 215, 323
Lebehn (Kr. Randow), Kugelamphore
Tv, 74.
Lehmdiele i. e. Megalithgrab 209.
Leichenbrand, Entstehung des Ritus
239.
— in neolith. Gräbern 89, 91, 96, 97,
106, 107.
— in slawischen Gräbern 219.
Leipzig, „Bronzegefäss“ aus 313.
Leizen (Meclenburg), Halsring 213.
Lemming 290.
Lettnin (Kr. Pyritz), neolith. Gräber
8s, 98.
Liebenthal (Kr. Marienburg), neolith.
Grab 89.
Neumarkt), Megalith-
Sachregister. 351
Liepe (Kr. Kolmar). Steinbeil 223.
Liessow (Mecklenburg), Steinäxte 210.
— — völkerwanderungszeitl. Urnen-
friedhof 218.
Limes, das Neuwieder Becken einbe-
ziehend 35.
Lindenschmit und das Dreiperioden-
system 307, 308.
Lindentaler Hyänenhöhle, bearbei-
tete Knochen 174.
Lipke (Kr. Landsberg a. W.), neolith.
Gefäss 87.
Lisch in Schwerin und das Dreiperioden-
system 3U1, 302, 363, 306, 307, 311.
Litorinazeitliche Funde 316.
Lobedan (Kr. Grottkau), neolithische
Gräber 103.
Lobositz a. E. (Böhmen), Schnur-
keramik 76.
Lorenzberg (Kr. Kulm), Trichterrand-
becher 83.
Löss 287, 2x8, 290.
Lössablagerungen im Neuwieder
Becken 40.
Löwe, diluvial, im Neuwied. Becken 43.
Löwenbrud (Kr. Teltow), latenezeitl.
Funde 198, 241.
Lucretius unddas Dreiperiodensystem
298.
Ludwigsfelde (Kr. Teltow), latène-
zeitl. Funde 241.
Lulin (Kr. Obornik), neolith. Funde 91.
Lupow (Kr. Stolp), kujaw. Gräber 89.
Lüssow b. Güstrow, Bronzeschwert 216
Luttom Kr. Konitz), Steinkreise 89.
Lutynia (Kr. Pleschen), Kragenflasche
62, 84.
Mäandergefässe 217, 243.
Mäanderverzierung 217.
Magdalénien nicht in Metternich und
Rhens 47.
— von Andernach 48.
Mahlsteine 107, 227, 22x.
Major und das Dreiperiodensystem 310.
Malliss b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Mammut, diluvial,i.Neuwied.Becken 44.
— fehlt im Magdalenien von Ander-
nach 48.
— in Ostthüringen 174.
Marderknocden a. e. Pfahlbau 140.
Marschwitz (Kr. Ohlau), neolith. Ske-
lettgraberfeld 103.
Marwitz (Kr. Greifenhagen), schnur-
verz. Becher 93.
— — neolith. Grab 87.
Marzenin (Kr. Witkowo), Wurfspeer-
spitze 221.
Maulbeerwalde (Ostprignitz), früh-
bronzezeitl. Grab 235.
Mayen (Eifel), neolith. Festung 51.
Maz d’Azil, frühestneolithishe Be-
stattung 81.
Mecklenburg, frei von Kragenflaschen
62
— Trichterrandbecher 65.
— Funde u. Untersuchungen in 209,
Megalitheraber 127, 134, 150, 300, 302.
ihre Ostgrenze 61.
— in der Mark Brandenburg 234.
—- Hauptkennzeichen des 2. indogerman.
Zuges nach Osteuropa 67.
— östlich der Oder 87, 8z, 89, 90, 91, 92,
93, 94.
in Mecklenburg 209.
Megalithkeramik in Ostdeutschland
OI ff., 83, 85.
Megalithkultur, südwesteuropäische
246.
Meissel aus Feuerstein 94, 97, 107, 122,
14%, 149.
— aus Knochen und Hirschhorn 91,
104, 131, 148.
— aus Stein 89, 99, 100, 210.
— aus Bronze 213.
— aus Kieselschiefer 55.
— s. Hohlmeissel 238.
Menhirs 247.
Menschenfigur aus Ton 26.
Menschenknomen a. e. Pfahlbau
140, 146.
Menschenmasken auf
Bronzekesseln 203.
Mentone, palaeolith. Grab 81.
Mertensdorf (Ostprignitz), bronze-
zeitl. Funde 236.
Mertschiitz (Kr. Liegnitz), Bandkera-
mik 60.
Messer aus Feuerstein 55, 83, 87, 88,
90, 93. 94, 95, 97, 100, 105, 106, 126, 193,
210, 231.
— aus Bronze 4, 5, 206,212, 218, 224,238.
— — italisch 26.
— aus Eisen 2, 217, 239.
— des Aurignacien Taf. V, VI, 46, 47,48.
Messergriff aus Rengeweih geschnitzt
49.
Metternich b. Koblenz, Aurignacien
49, 47, 57.
Miesenheim b. Koblenz, Schüssel der
Glockenbecherkultur 57.
Mikrolithische Werkzeuge a. d.Magda-
lénien 49.
— Feuersteinwerkzeuge s. Tardenoisen.
Miniaturwaffen 26, 216.
Mittelalterliche Bronzegefässe 192.
— Keramik 227.
Mitteleuropa, Gerste im steinzeit-
lichen 142.
Mogilno, neolith. Funde 101.
Mölln (Mecklenburg-Strelitz), bronze-
zeitl. Fibel 192.
Molzow (Meclenburg), Trichterrand-
becher 65, 67.
dänischen
23*
352 Sachregister.
Mondhenkelkrüge östlih der Oder
61, 67, 74, 85.
Monolithgräber 76, 89, 90, 94,100, 103.
Mons (Belgien), Vasenfragment mit
Tricephalus 206.
Montelius und das Dreiperioden-
system 310.
Montwy (Kr. Strelno), neolith. Scherben
84
— — Spondylusschalen 61.
Moor s. Dagsmoor, Quellmoor.
Moorfunde, bronzezeitl. 214, 215, 216.
Möritzsch (Kr. Merseburg), gedrehte
Gefässe 243.
Mosc&husocdse, diluvial 43, 45.
Mosso, Angelo f 331.
Moustier, Skelett von 170.
Mühlen-Eicsen b. Gadebusch, eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 216.
Mühlsteine 228.
Mszanno (Kr. Strasburg, Westpr.), neo-
lith. Grab 90.
Much-Wien + 212, 274.
Müller, S., und das Dreiperioden-
system 309.
Miinchowshof (Kr. Neustettin), neo-
lith. Grab 89.
Münzen, römische 1, 226.
Muschelschale als Grabbeigabe 187,
190.
— s. Spondylusmuscheln.
Muschelschmudck, paläolithisch 240.
Mützelburg (Kr. Pyritz), kujawische
Gräber XX.
Mysinge (Öland), Bernsteinperlen 134.
Nacbestattungen in älteren Grä-
bern 301, 303, 310.
Nadel a. d. Magdalénien 49.
Nadeln von Eisen 199, 239.
— von Bronze 211, 213, 214, 224, 231.
— s. Kropfnadeln.
— s. Nähnadeln.
— s. Vasenkopfnadeln.
Nägelstedt (Kr. Langensalza), Kragen-
flaschen 6l.
Nähnadeln aus Eisen 196.
Naturwissenscaft in der Vorge-
schichtsforschung 285.
Nawra (Kr. Thorn), Schnurkugelam-
phore 69, 74, 90.
Neandertalrasse 170, 172, 173.
Neolithisce, (frithest-) Bestattungen
sl.
Netzsenker aus Ton 228.
Neubukow (Mecklenburg), Feuerstein-
werkstätten 211.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Neuenfeldt (Kr. Prenzlau), Trichter-
randbecher 65.
Neuhaldensleben, bronzezeitl. Fibel
192.
Neuhof (Kr. Flatow), neolith. Grab 93.
Neulinden(Kr.Hohensalza),s.Jesuiter-
bruch.
Neumark (Kr. Stuhm), neolith. Siede-
lung 99.
— (Kr. Greifenhagen), Hünengräber 87.
Neu-Nantrow (Mecklenburg), eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 217.
Neu-Wenden (Mecklenburg), eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 217.
Neu-Wendorf (Mecklenburg), slaw.
Hügelgrab 219.
Neuwieder Becken, VERRENISBEOREN:
phische Bedeutung 34.
— Entstehungsgeschichte 37.
— Diluviale Fauna 43.
Niederjeser (Kr. Sorau), Hausreste
245.
Nieder-Strelitz (Kr. Bromberg), slaw.
Siedelung 227.
Nierenring 215.
Nikolaiken (Kr. Stuhm), s. Neumark.
Nilpferd, diluvial, i. Neuwied.Becken 44.
Nimbus auf einer Wochengottervase
7, 9.
Nörenberg (Kr. Saatzig), neolith. Grab
83
Nosswitz (Kr. Glogau), neolith. Funde
62, 65, 67, 85.
Nucleus 222.
— a. d. Aurignacien 47.
Nütshow (Mecklenburg), eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
le (Kr. Bublitz), neolith. Gräber
85.
Oberwerth b. Koblenz, neol. Funde 56.
Objezierze (Kr. Obornik), neolithische
Schale 4.
— — neolith. Grab 91.
Objezierze-Kowalewko (Kr. Obor-
nik), neolith. Grab 91.
Obstbau, in der Vorgesch. Schwedens
144.
Oderschnurkeramik 71, 72, 80.
— uckermarkische Y6.
Odry (Kr. Konitz), Steinkreise und
Trilithen 89.
Ofnethöhle, frühestneolithishe Be-
stattungen Sl.
Ohlau (Kreis), Kragenflasche 62, 85.
— schlauchförmiger Krug 103.
Ohnesorge- Lübeck tritt a. d. Aus-
schuss der D.G. f. V. 280.
Ohrringe 225.
— s. Segelohrringe.
Ökull (Schweden). Feuerschlagstein 136.
Olbersdorf (Kr. Frankenstein), Stich-
rethenkeramik 60.
Olshausen und das Dreiperioden-
system 309.
Opfer 212.
Opferstein 12%.
Ordenszeit Preussens, Fund a. d. »23.
Sachregister.
Orle (Kr. Graudenz), Schnurscherben
99.
Ortkrug b. Schwerin, bronzezeitlicher
Urnenfriedhof 215.
Ossowo (Kr. Pr. Stargard), Steinkreis
89.
Ostburg (Kr. Hohensalza), Steinaxt
222.
— — röm. Münzen 226.
Österreich, paläolith. Funde 47, 48,
173.
Ostgermanische Funde a. d. Prov.
Posen 225.
Ostgermanischer Mäander 243.
Ostorf b. Schwerin, neolith. Flachgraber
209.
Ostrowek (Kr. Strelno), Reibstein 228.
Ostsee, ihre Geschictte seit der Eis-
zeit 291.
Ottitz (Kr.
Typus 60.
Oxhöft (Kr. Neustadt, Westpr.), neolith.
Funde 98.
Oxstedt b. Cuxhaven, kaiserzeitlicher
Becher 20%.
Ratibor), Jordansmühler
Padniewo (Kr.Mogilno), Kugelamphore
69
PakoschiKr.Mogilno), Kugelamphore 69.
Paläolithische Bestattungen mit rot-
gefärbten Skeletten 81.
— Rassen und Skelettfunde 169.
— Funde a. d. Neuwieder Becken 45.
Pampin b. Grabow, Urnenhügel 214.
Pannwitz (Kr. Trebnitz), Jordansmüh-
ler Typus 60.
Panzer 218.
Parchanie (Kr. Hohensalza), Schnur-
becher 101, 229.
— — vorgesch. Funde 229, 231.
Peckatel (Mecklenburg), Grabfund 311.
Pegau (Sachsen), gedrehte Gefässe 243.
Pennewitt b. Warin, Megalithgrab 209.
Penzin(Mecklenburg), bronzezeitl.Grab-
hügel 213.
— — slawische Skelettgräber 219.
Perlen aus Bernstein 153, 150, 213,
214, 228.
— aus Glas 196, 199, 311.
— aus Knocden 132.
— aus Ton 224.
an Ohrringen 196, 199, 225.
Perlenketten 97, 98, 107.
Persanzig (Kr. Neustettin),
Gräber 89.
Peterwitz (Kr. Strehlen), schnurkeram.
Gräber 103.
Pfahlbauten, steinzeitlich 100, 109, 210.
— Definition der Bezeichnung 117.
PfahlbaukulturinUrmitzu.Mayen 49.
Pfeilspitzen aus Feuerstein 101, 104,
105, 106, 126, 236.
neolith.
355
Pfeilspitzen aus Bronze 236.
— s. Spanpfeil.
Pferd, diluvial, i. Neuwieder Becken 43,
44, 45, 48.
Pferdeknocen a. e. Wohngrube 219.
Pflugschar 223, 231.
Pfortener Berg bei Gera, Tardenoi-
sien 176.
Pfriemen aus Bronze 214.
— — mit Horngriff 213.
— aus Knocden 129.
Pillkoppen-Nidden
neolith. Funde 100.
Pilzgefäss des Jordansmühler Typus
60.
Pinzette s. Federzange.
Planetenvasen s. Wochengöttervasen.
Plastik, gallische, der Spätlatenezeit
203.
— s. Vogelkopf.
Plastische Darstellung v. Menschen 26.
Plauerhagen b. Plau, bronzezeitl. Ur-
nenfriedhof 215.
Plönzig (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Podejuc (Kr. Randow), neolith. Grab
76, 97.
Polarfuchs im Magdalénien von An-
dernadh 48.
Poln. Peterwitz (Kr. Breslau), neolith.
Funde 102.
Péssneck (Thüringen),
splitter von 174.
Pottangow (Kr. Stolp), kujaw. Grab 89.
Pragsdorf(Meclenburg-Strelitz), bron-
(Kr. Memel),
Feuerstein -
zezeitl. Fibel 192.
Prettmin(Kr. Kolberg), Schnurscherben
98.
Priedemost (Kr. Glogau), Stichreihen-
keramik 60.
Prignitz, kulturgeschictl. Stellung in
der Vorzeit 234.
Prillwitz (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Pumptow (Kr. Pyritz), kujaw. Graber 8%.
Puschkowa (Kr. Breslau), neolith. Ge-
fass 102.
Puschwitz (Kr. Neumarkt), Blumentopf-
becher 73, 101.
Püttelkow b. Wittenburg, eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Quarz a. e. Wohngrube 55.
Quarzit verwendet im Magdalénien 49.
— zum Feuerschlagen 136, 14x, 149.
— als Gerätmaterial 149.
— Mahlstein aus 55.
Quarzitplatte, bearbeitet 46.
Quellmoor von Alvastra 119.
Queraxt aus Grünstein 123.
Querschneidige Pfeilspitzen 126.
Rabenhorst (Kr. Bromberg), Funde
aus Steinkistengräbern 225.
354 Sachregister.
Rachow b. Güstrow, bronzezeitl. Flach-
grab 214
— spätlatene- und kaiserzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Rackschiitz (Kr. Neumarkt), neolith.
Grab 102.
Radewitz (Kr. Hohensalza), neolith.
Grab 101.
Radschin (Kr. Kolmar), Steinaxt 223.
Rahmhütte (Kr. Soldin), Brandgruben
316
Randäxte 211, 223.
Randscärfer a. d. Aurignacien 47,
Tafel VII.
Rankau (Kr. Nimptsch), Schnurscherben
103.
Rasiermesser s. Messer.
Rasse, Wesen des Begriffes 152.
Rassen, die, Europas 154.
-- paläolithische, in Europa 169.
Rassenforshung, Geschichte der
deutschen, vor Gobineau 164.
Rassenmishung und Kulturauf-
schwung 160, 162.
Rehknocen als Gerätmaterial 129.
— a. e. Pfahlbau 140.
Reibstein 17, 90, 210, 227, 228, 231.
Reimannsfelde (Kr. Elbing), neolith.
Scherben 89.
Reimers-Hannover tritt in den Ruhe-
stand 280.
Religion, derzeit. Zustand der Er-
forschung altgermanischer 201.
Remedello (Italien), rotgefärbte Ske-
lette 81.
Renntier 290.
— im Magdalénien von Andernach 48.
Renntiergeweih, geschnitzt 49.
Renczkau (Kr. Thorn), Schnurscherben
99.
Renthau (Kr.Sprottau), Shnurscherben
102.
Reppenhagen b.Grevesmihlen, eisen-
zeit]. Urnenfriedhof 217.
Rethra(Mecklenburg), Tempelstatte 219.
Retzin (Prignitz), Bronzetasse 239.
Rhein b. d. Lahnmiindung, steinerner
Hammer 5%.
Rheinübergänge Cäsars 36, 37.
— in späterer Zeit 35.
Rhens b. Koblenz, Aurignacien 47, 57.
Rhinozeros in Ostthiiringen 174.
— im Neuwied. Becken 43, 44.
— fehlt im Andernacher Magdalénien 48.
— Funde in Galizien und Böhmen 173.
Ribnitz(Meclenburg), Feuersteinwerk-
stätten 211.
Riesenburg (Kr. Rosenberg), neolith.
Gräber 49.
Riethnordhausen (Kr. Sangerhausen),
gedrehte Gefässe 243.
Rinderknocena.e. Pfahlbau 139, 148.
— a. e. Wohngrube 55.
Rinderknocden als Grabbeigabe 92.
Rindszahn a. e Wohngrube 5a.
Ringe aus Bronze 4, 174, 211, 212,
213, 214, 224, 236, 248, 239.
— aus Gold 236.
— aus Silber 227.
— aus Stein 107.
-- aus Ton 86, 228.
— s. Fingerring. Nierenring.
Ringbrünne 218.
Ringsee (Schweden), doppelschneidige
Axt 174.
Robenhausen (Schweiz), schnurverz.
Scherben 77. `
Rollstempelmäander 217.
Rom, Gräber unter dem Forum 23.
Römerstrassen 3.
Roérchen (Kr. Greifenhagen), Zapfen-
béecher 98.
Rosko (Kr. Filehne), Schnurscherben
100.
— — Mahlstein 228.
Rosko Annavorwerk (Kr. Filehne),
bronzezeitl. Keramik 224.
Rössen-Niersteiner Keramik im
Neuwieder Becken 51.
— von Steeten a. L. 57.
Rossitten (Kr. Fishhausen), neolith.
Grab 100.
Rostin (Kr. Soldin), Hünenbetten 87.
Rötel a.e. paläolith. Station 49.
-- a. e. neolith. Grab 106.
Rotgefärbte Skelettknochen 78,80, 81.
Rothe und das Dreiperiodensystem 310.
Rothenmoor b. Maldin, Bronze-
schwert 215.
Rübenac Rheinland), Feuerstein-
messer ð.
Rudbeck und das Dreiperiodensystem
310.
Ruhlsdorf (Kr. Teltow), latenezeitl.
Brandgräber 197.
Rundschaber s. Scheibenschaber.
Russland, Vorrücken der Nordindo-
germanen in 6l.
— bemalte Spiralkeramik 59.
— neolithische indogermanische Funde
(Statistik) 85—86, 91—94, 96, 103
—105, 106—108.
Rutzau (Kr. Putzig), neolith. Siedelung
TX, 98.
Rynkebykessel aus Dänemark 318.
Rzeczynek (Kr. Strelno), neolithische
Funde 69, 76, 91, 101.
Sabow (Kr. Pyritz), kujaw. Grab 88.
Säge aus Feuerstein 83, 105, 193.
a mung (Kr. Kolmar), Steinbeil
Sallentin (Kr. Pyritz),kujaw. Gräber 88.
Sammlungen vorgeschichtlichher Alter-
tümer, alte 244, 303.
Sachregister.
Sankau (Kr. Braunsberg), neolithische
Siedelung 100.
Säpzig ıKr. West-Sternberg), neolith.
Steinkammer &6.
Sardinien, Sicheln 179.
Sardonix 309
Sattel. der, bei den Germanen 204.
Sater (Schweden), steinzeitl. Wohnplatz
151.
Satzkorn (Kr. Osthavelland), Trichter-
randschale 65.
Schaber 105.
— des Aurignacien Tafel VII, 45.
— aus dem Magdalénien 4%.
— aus Feuerstein 94, 105, 125, 148,
222, 231. |
— s. Spannschaber.
Schabernac (Ostprignitz), frühbronze-
zeitl. Grab 235.
— — bronzezeitl Grab 236.
— — Bronzeciste 239.
Schachtgraber, mykenische 309.
Schädel 229.
— neolithische 8%, 90, 92, 94, 96, 100,
101, 107, 108.
— rotgefärbt 106.
— Kurzschädel 154.
— Langscädel 31, 154.
Scädelbestattung 95.
Schafknochen als Gerätmaterial 129,
130.
— a. e. Pfahlbau 140.
Schalensteine 126.
Scharnese (Kr. Kulm), neolith. Wohn-
statte 90.
Sceibenfibel 14.
Sceibenschaber aus Feuerstein 125,
14x.
Sche lle mit Klöppel 2, 3.
Schere aus Bronze 206.
— von Eisen 4, 16.
one auf Rasiermesser
38.
Schiffssetzung 228.
Schilde, ihre Form auf d. Kessel von
Gundestrup 205.
— bronzezeitlihe 239.
— italishe Miniaturnachbildung 26.
Schildbeschlage 217.
Schildbuckel, kaiserzeitlich 2, 3, 206.
Schlabau (Kr. Mogilno), kujav. Graber
91.
Schlagsteine a. d. Aurignacien 47.
Schlagstods aus Hirschhorn 146.
Schleifstein 92, 129.
— aus Sandstein 149.
Sciliewen (Kr. Dirschau), neolithische
Scherben 83.
Sclittknodhen 227.
Sclönwitz (Kr. Schivelbein), 2 neolith.
Steinsetzungen 88.
Sclüssel, kaiserzeitlich 2.
355
Schmiedeberg (Kr. Prenzlau), Trichter-
randbecher 69.
Schmiedkow b. Greifswald, Megalith-
grab 67.
Schmucksceiben von Bronze 215.
Schmuckstücke, neolithishe 132.
— paläolithische 49.
Schneehuhn im Magdalénien
Andernach 48.
Schnuramphoren, Entstehung 74.
Schnurbeder. Entwicklung aus dem
Trichterrandbecher 70, 71.
Schnurkeramik i.NeuwiederBecken56.
— polnisch-russische Gruppe 75.
— — verziert mit Wellenlinien 77.
— östlih der Oder 71—80, 96—108,
222, 229.
Schnurkugelamphore 73
Schöningsburg (Kr. Pyritz), kujaw.
Doppelgrab 88.
— — Stichreihenkeramik 60.
Schönlanke (Kr. Czarnikau), Feuer-
steinbeil 223.
Schönow (Kr. Randow). Schhnurbecher 97.
Schönthal (Kr. Neustettin), neolith.
Grab 9.
Schrepau (Kr. Glogau), Jordansmühler
Typus 60.
Scriftzeihen
Dolmen 248.
Schuchhardt als römisch-germanischer
Forscher 255.
Schumann-Löcnitz t 240.
Schwarzbach b. Triptis (Ostthüringen),
Tardenoisien 17h.
Schweden, steinzeitl. Pfahlbau 109.
— ältersteinzeitl. Spalter 109.
— doppelschneidige Äxte 124.
— Knocenperlen u. Tierzahnanhänger
132.
— Bernstein zum ersten Mal a. e. Wohn-
platz 134
— Geräte zur Feuererzeugung 135, 148.
— steinzeitl. Ackerbau 141.
— Kulturdualismus z. Zt. der Gang-
gräber 150.
— bronzezeitl. Fibel 192.
Schwefelkies zum Feuermacen 135,
136, 137, 138, 148.
Schweinegebiss 97.
Schweineknomen als Gerätmaterial
129.
— a. e. Pfahlbau 139, 148, 149.
Schweinezähne, bearbeitet 132, 149.
Schweiz, s. Robenhausen.
Schwerin, Feuersteinwerkstatten 211.
Schwerter, Miniaturnachbildungen 26,
216.
— auf dem Urnenfriedhof v. Rackow
b. Güstrow fehlend 217.
— aus Eisen mit Silberbelag 219.
— aus Eisen 2, 4, 16, 208.
— aus Bronze 191, 215, 216, 236, 238, 339.
von
aus siidwesteurop.
396
Scwetz, eisenzeitl. Keramik 225.
— (Kreis), 2 Randäxte 223.
— — Lanzenspitze 224.
Schwochow (Kr. Pyritz), Megalithgrab
88.
Scolith von Friesak 317.
Seddin (Westprignitz), Königsgrab 232,
236, 239, 315.
— — Hügelgräber 236, 238, 239.
— — Hausurne 236.
Seefeld (Kr. Karthaus), Steinkreise
und Trilithen 89.
Seeort(Kr. Kolmar), Funde a.e.bronze-
zeitl. Urnenfriedhof 224, 232.
Segelohrringe 196, 199.
Selpin (Mecklenburg), neolith. Wohn-
grube 210.
— — eisenzeitl. Urnenfriedhof 217.
Semmerin b. Grabow, eisenzeitlicher
Urnenfriedhof 217.
Sibirische Kupfersicheln 180.
Sichel, zur Geschichte der 179.
— aus Kupfer 179, 180.
— aus Bronze 224.
— Entwicklung der Knopfsichel 180.
Siegelsteine 309.
Siethen (Kr. Teltow), laténezeitliche
Funde 241.
Silber, Häufigkeit bei Germanen und
Kelten 205.
— fehlt in Kegelgräbern 302.
— Fibel aus 4, 16.
Silber (Kr. Saatzig), kujaw. Grab 87.
Silberbelag auf ein. eis Schwert 219.
Silberkesselvon Gundestrup 203, 318.
— — Alter und Herkunft 205.
Silberklümpcden, kaiserzeitlich 4, 5.
Silberner Ring 227.
Simonsen (Vedel) und das Dreiperio-
densystem 299, 310.
Sinzlow (Kr. Greifenhagen), neolith.
Siedelung 83.
— — Zapfenbecher 98.
Sitzplatz a. e. Pfahlbau 116.
Skelette unter Steinpackung 191.
— rotgefärbt 78, 80, 81, 107, 108.
— sitzend bestattet 94, 95, 98.
— slawische 219.
— übereinander bestattet 95.
Skelettgräber, neolithische 83 ff.
— bronzezeitlihe 191, 211.
— slawische 219.
— s. Graber.
Skelettreste a. d. Prov. Posen 229.
— a. e. Pfahlbau 147, 149.
Sklaven 152, 243.
Slawische Funde, neue aus Meclen-
burg 218.
— a. d. Prov. Posen 227.
Slawischer Gefässrest 174.
Slupy (Kr. Schubin), Megalithkeramik N4.
Smolong (Kr.Stargard i.Wpr.), neolith.
Skelettgräber 82.
Sachregister.
Solutréen von Kärlich b. Koblenz 45.
Söndrum (Schweden), Schwefelkies a.
e. Steinkiste 136.
Sonnenburg-Säpzig(Kr.West-Stern-
berg), neolith. Steinkiste 86
Spalter, steinzeitlich 109.
Spangenfibeln 218.
Spanien-Portugal, Sicheln 179, 180.
Spanmesser aus Feuerstein 106, 126,
231.
Spanpfeil mitSchaftzunge 126, 148, 150.
Spanschaber aus Feuerstein 125, 148,
149.
Speerspitzen s. Lanzenspitzen.
Spelz 200.
Spinnwirtel 4, 15, 192, 199, 228.
Spiralanhänger 224.
Spiralen 236.
Spiralkeramik, bemalte in Osteuropa
59.
— -— ohne Bernstein 65.
— — mit knöcdernen Giirtelplatten 76.
— — mit gesdhliff. Silexgeräten 80.
— im Harzvorland 60.
— in Schlesien 60, 62.
Spiral-Mäanderkeramika.d.Rhein-
land 51.
Spiralringe von Bronze 212, 213, 214.
— von Gold 236.
Spiralrölldhen von Bronze 212.
Spondylusmusceln 60, 61, 60.
Sporen in vorgesch. Zeit 205.
Spy (Belgien), paläolith.Skelette 170,172.
Stäbchen aus Bronze, ornamentiert 4.
Stabelwitz (Schlesien), Stichreihen-
keramik 60.
Standesunterschiede i. d. Steinzeit
Schwedens 152
Stargardi.P, Gefässe v. Bernb. Typus
87.
— Megalithgrab 87.
Starschiska (Kr. Pr. Stargard), Stein-
kreise 89.
Starunia(Ostgalizien),Rhinozeros-Fund
Steeten a.L., Rössen-Niersteiner Ke-
ramik 57.
SteetenerHöhle a.L., Aurignacien 57.
Stjerna-Upsala + 279, 316.
Steinalleen 247.
Steindämme über Urnen 216, 217.
Steine als Unterlage einer Urne 197.
Steinertsberg bei Gera, Tardenoisien
176.
Steingeräte in bronzezeitl. Funden
236.
— s. Hämmer.
Steinkammergräber 86, 87, 85,91,93,
94, 315.
Steinkistengrab aus Urmitz, neoli-
thisch 177.
Steinkistengräber, neolithische 86,
87, 88, 89, 90, Y1, 92, 93, 94, 95.
Sachregister. 357
Steinkistengräber, bronzezeitliche
191, 236.
— ostgermanische 225.
Steinkranz um bronzezeitl. Hügel 212,
213.
Steinkreise 67, 89, 90, 247.
Steinpackung mit Skelett 191.
— laténezeitlich 194.
Steinpackungen, Urnen in 182—188,
214, 215, 216.
Steinzeit, Pfahlbau 109.
— in Südrussland 59 ff.
— Bestattungsformen in Meclenburg
209.
— neue Funde a.d. Prov.Posen 221, 229,
231, 232.
— Spalter 109.
— jüngere im Neuwieder Becken 49.
— Herdgruben 193, 210.
Steppenfauna s. Fauna.
Sternkrug b. Grevesmühlen, Hügel-
grab 213.
Stempelverzierungen 7, 9.
Stettin, neolith. Grab 97.
Stichel a.d. Aurignacien Taf. V, VII.
— a. d. Magdalénien 48.
Stihreihenkeramik nördlih vom
deutschen Mittelgebirge 60.
Stjerna-Upsala } 279.
— sein Nachfolger im Amt 281.
Stockknöpfe aus Bronze 313.
Stolz (Kr. Frankenstein), Spiralkeramik
60.
Stora Förvar (Schweden), Tierzähne
als Anhänger 132.
— Schweineknochen 139.
Stove (Mecklenburg), neolith. Pfahlbau
210.
— — wendische Skelettgräber 219.
Strassenzüge, vorrömisce 35.
Streckenthin (Kr. Saatzig), neolith.
Stgingrab 87.
Strega (Kr. Guben), schnurkeram. Grab
12.
Studsin (Kreis Kolmar), eisenzeitliche
Keramik 225.
Stuhl s. Sitzplatz.
Stülow (Meclenburg), bronzezeitliche
Hügelgräber 212.
a, reale Zeit in Skandinavien 118,
22.
Succow (Kr. Saatzig), Kugelamphore
69, 87.
Sucow (Prignitz), Depotfund 236.
— b. Parchim, Griffzungenschwert und
Lanzenspitze 213.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Sulaszewo (kr.Kolmar), Steinbeil 232.
Sülten b. Stavenhagen, früheisenzeitl.
Hügelgrab 216.
~~ — wendische Hügelgräber 219.
Sundsholm (Schweden), Bernstein-
scheibe 134.
Sylt, Denghoog, Trichterrandbecher 65.
— bronzezeitl. Fibel 192.
Szczonowo (Kr. Jarotschin), Kugel-
amphore 69, 91.
Tagung der D.G.f.V. in Erfurt, August
1910 2x1.
Tagungen im Jahre 1910 281.
Tannenzweigornament 83. 84.
Tannhofen (Kr. Hohensalza), Trichter-
randbecher 65, &4.
Tardenoisien in Ostthüringen 174.
Tassen, in Bronze getrieben 215.
Tempelstätte von Rethra 219.
Terni (Italien), bronzezeitl. Graber 28
29, 30.
Terrassen an Rhein und Mosel 38.
Teterow (Mecklenburg), Feuerstein-
werkstatten 211.
Thomsen in Kopenhagen und das Drei-
periodensystem 304—306, 307, 310.
Thorn, Keulenkopf 223.
— bronzenes Hohlbeil 225.
Thure (Kr. Schubin), Axt aus Ge-
weih 221.
Thüringen, Tardenoisen in 174.
Tierbilder auf dänischen Bronze-
kesseln 203.
Tierknochen als Grabbeigaben 55,
88, 92, 97, 139, 148.
Tiger, diluvial, i. Neuwied. Becken 43.
Tinz (Kr. Breslau), Schnurkeramik 102.
Toddin b. Hagenow, eisenzeitl. Urnen-
friedhof 217.
Todendorf b. Teterow, kaiserzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Tolkemit (Kr. Elbing), Küchenabfall-
haufen 78, 99.
Tondern, Goldhörner 205, 318.
Tonperlen 94, 224.
Topolno (Kr. Schwetz), neolith. Ge-
fässe 99.
Torgau, gedrehte Gefässe 243.
Torger-Halberstadt + 331.
Torques s. Halsring, Ring.
Totenbaum 212. N
Trebnig (Kr. Nimptsh), Megalith-
keramik 65, 85.
Tricephalus auf Gesichtsvasen 5, 13,
205, 206.
— auf Steindenkmälern 13, 202.
— von Mons (Belgien) 206.
Trichhterrandbemer u. -schalen öst-
lich der Oder 61, 64, 65.
— in Deutschland 65.
— Weiterbildung zum schnurkeramischen
71.
Trilithen in Westpreussen 67, 89.
Trischin (Kr. Bromberg), eisenzeitl.
Gefäss 225.
Troisdorf (Reg.-Bez. Köln), german.
Gräber 1, 201, 318.
Trzebcz (Kr. Kulm), Steinkreise 76, 90.
358
Tuckhude (Mecklenburg), bronzezeitl.
Urnenfriedhof 215.
Tüllenbeil s. Hohlbeil.
Tüllenmeissel s. Hohlmeissel.
Tutuli 236.
Überlieferung alter Flurnamen 36.
Uckermärkische Schnurkeramik 96.
Undset u. das Dreiperiodensystem 310.
Untergrombamer Kultur in Urmitz
und Mayen 49.
Unterwellenborn s. Dobritzhügel.
Urmitz b. Koblenz, neolith. Festung 49.
— Meissel a. Kieselschiefer 55.
— Schnurkeramik 56.
— Glockenbecher 57.
— Zonenbecher 177.
Urnenfelder, bronzezeitlihe in Meck-
lenburg 215.
-- eisenzeitlihe in Mecklenburg 216.
— völkerwanderungszeitlihe in Med-
lenburg 21%.
— bronzezeitl. in Posen 224.
— eisenzeitl. in Posen 225.
— von Kantow (Kr. Ruppin) 181.
Usch (Kr.Kolmar), eis. Lanzenspitze 226.
Ustrinen s. Verbrennungsplatze.
Uszczerberg (Kr. Kulm), neolithische
Scherben 90.
Vaale (Schleswig-Holstein), bronze-
zeit]. Fibel 192.
Vallendarb Koblenz, Steinhammer 57.
Vasen mit Götterköpfen 6.
Vasenkopfnadeln 224.
Vehlow :Prignitz),bronzezeitl. Grab 236.
Verbrennungsplätze 316.
Verklas b. Dömitz, völkerwanderungs-
zeitl. Urnenfriedhof 21%.
Vettersfelde, (Lausitz), Goldfund 323.
Virchow und das Dreiperiodensystem
308.
Vietlübbe (Meclenburg-Schwerin),
bronzezeitl. Fibel 192.
Vogelkopf ausRengeweih geschnitzt 49.
Vogelsang (Kr. Greifenhagen), Schnur-
scherben 98.
Völkerwanderungszeit, neue Funde
aus Mecklenburg 218, 323.
Vorgeschichte und Naturwissenschaft
255.
Vorgeschichte in der französischen
Deputiertenkammer 269.
Vorgeschichtliche Denkmäler, Ein-
teilungen in früherer Zeit 300, 301,
302.
Vorgeschichtsforschung und Geo-
logie 23, 26, 29, 30, 31.
— zur Geschichte der 294.
Vorgeschichtswissenschaft, die
deutsche im 19. Jahrhundert 311.
Vorratsgefäss, neolithisch 84.
Sachregister.
Vulkanische Ausbriiche i. d. Cam-
pagna in histor. Zeit 22.
— in vorhistor. Zeit 23, 26, 30.
Wachliner Bush (Mecklenburg), sla-
wishe Gräber 219.
Wagenitz (Kr. Westhavelland), gedreh-
tes Gefäss 243.
Wagram (Österreich), Lössstationen 47.
Waldalgesheim, Maskenshmuck von
205.
Wände i. e. Pfahlbau fehlend 115.
Waren (Mecklenburg), Feuersteinwerk-
statten 211.
Warmhof (Kr. Marienwerder), Trichter-
randbecher 65, &3.
Warnitz (Kr. Königsberg i.N.), neolith.
Grab 97.
Warrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl.
Grabfund 211.
Warsin (Kr. Pyritz), Megalithgräber 88.
Wartenberg (Kr. Pyritz), neolithische
Gräber 88.
Weissenberg (Kr. Stuhm), neolith.
Scherben 83, 59, 99.
Weissenhöhe (kr. Wirsitz), neolith.
Becher 100.
— — neolith. Steinkammer 91.
— — Steingeräte 222.
Weissenturmb.Koblenz, Stein-Meissel
Oo,
Weitgendorf (Prignitz),
Grab 236, 239.
Weizen 142, 200.
Wellenlinien, Schnurabdrücke als 77,
99, 104.
Wellenornament auf slaw. Scherben
174.
Wendelringe, bronzezeitlich 239.
Wendish-Warnow (Prignitz), Bronze-
henkel 239.
Westgermanischer Mäander gtd.
Wetzstein &7.
Wibsch Kr. Thorn), neolith.Scherben 84.
Wierzbiczany (Kr. Hohensalza), Bron-
zenadel 231.
Wildpferd in Ostthüringen 174.
Wilkowitz(kr.Breslau), neolith. Funde
102.
Willenberg (Kr.Stuhm), neolith. Siede-
lung 99.
— — Grabfund 187.
Willendorf (Österreich), paläolithische
Funde 48.
Wilsnack Prignitz), Feuersteinbeil 316.
Wirtschaftsstufen in der Steinzeit
Schwedens 151.
Wiskiauten (Kr. Fischhausen), neolith.
Grab 76, 100.
Wismar, neolith. Pfahlbau 210.
Wochengottervasen a. d. Kaiserzeit
5, 205. °
— Technik 10.
bronzezeitl.
Sachregister. 359
Wocdengöttervasen, Herkunft aus
Belgien 11
— Zeitstellung 11.
Wochengottervase von Troisdorf
(Rheinland: 6. 201, 206, 318.
Wochengottheiten auf Vasen dar-
gestellt 6, 318.
— ihre Deutung 12, 208.
Woezb. Wittenburg, bronzezeitl. Urnen-
friedhof 215.
Wohnstätten 228, 241.
— älterneolithische 109.
— neolithische &3, 84, 85, 89, 90, 98, 99,
100, 106, 107, 193, 210.
— bronzezeitlihe 244, 245.
—- slawische 218, 219, 227.
— s. Herdgruben, Pfahlbau.
Woischau (Kr. Glogau), Schnurscher-
ben 102.
Woischwitz (Kr. Breslau), Jordans-
mühler Typus 60.
— — schlauchférm. Krug 102.
Wolfshagen (Westprignitz), bronze-
zeit]. Funde 236, 239.
Wollenes Gewand 212.
Wolsko (Kr. Wirsitz), slaw. Funde 227.
Woitfik (Kr. Pyritz), Megalithgräber
88.
Wolfknocen a. e. Pfahlbau 140, 148.
Wolfzähne als Halsband 107.
Worsaae und das Dreiperiodensystem
311.
Woydahl (Kr. Hohensalza), Stein-
hämmer 221.
— — bronzezeitl. Gräber 223.
— — eisenzeitl. Funde 225.
— — versch. Funde 228.
— — Skelettreste 229.
Wrescin (Kr. Filehne), Funde von e.
bronzezeitl. Urnenfriedhof 224.
Wulkow (Kr. Saatzig), neolith. Grab
98.
Wüst-Halle, ernannt zum a. o. Pro-
fessor in Kiel 2x0.
Wustrow-Niehagen (Mecklenburg),
neolith. Funde 211
Wuttrienen (Kr. Allenstein), neolith.
Grab 77, 84.
Zähne als Anhänger 49, 78, 82, 122.
— in Knochen nachgeahmt 93, 133.
— als Halsband 107.
Zapfenbecher s. Schnurbecher.
Zarrentin (Kr Grimmen), Megalith-
keramik 61, 64, 67.
— — Kugelamphore 67.
Zaucel (Kr. Sorau), Hausreste 245.
Zeclau (Kr. Schlochau), Kugelamphore
a. e. Grab 69, 89.
Zechlin (Ostprignitz), bronzezeitliches
Gefäss 184.
Zechow (Kr. Landsberg), neolith. Grä-
ber 77, 97.
Zellin a Königsberg i. N.), neolith.
Grab 8
a ee 212.
Zeugreste 212.
Ziegenknocen.als Gerätmaterial 129,
130, 131.
— a. e. Pfahlbau 140.
Zimmer-Berlin ¢ 330.
Zonenbecder 178.
— aus Urmitz 177. |
Znin, schlauhförm. Krug 72.
— neolith. Steingrab 91.
— Gräber 101.
Züllichau (Kreis), Keramik von Bern-
burger Typus 86.
Zülow b. Schwerin, Absatzaxt 211.
Zunder 138.
en (Kr. Fritzlar), Kragenflaschen
Zn der aus Bronze 224.
Zylinderspiralen 236.
Bücher-Besprechungen.
Bieder, Th., Beiträge zur Geschichte der Rassenforschung und der Theorie
der Germanenheinat Leipzig 1909 (Berner) booa Dei
Blasel, C., Die Wanderzüge der Langobarden, Breslau 1909 (Schulz)
Déchelette, J., Manuel d'archéologie préhistorique, celtique et gallo-romaine.
I. Archéologie préhistorique, Paris 1908 (Wahle)
Dörrenberg, O., Römerspuren und Römerkriege im nordwestlichen Deutsch-
land, Leipzig 1909 (Schulz)
Forrer, R., Keltishe Numismatik der Rhein- wd Donaulande Strassburg 1908
(Regling) . . 2... 2 en MP ge? ge
Gradmann, R., Der Getreidebau im deutschen und römischen oe Jena
1909 (Krause)
Schemann, L., Gobineaus Rassenwerk, En 1910 Sieden
Schoetensack, O., Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden
von Mauer bei Heidelberg, Leipzig 1908 (Schmidt)
Schwantes, G., Aus Deutschlands Urgeschichte, Leipzig 1908 (use
Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Ilustrierter Führer durch
die Prähistorische Abteilung, Leipzig 1910 (Kossinna)
Seite
Verzeichnis der Abbildungen
im Text und auf den Tafeln.
(Chronologisch geordnet.)
Seite, Taf.
1. Paläolithisches.
Deutschland.
AurignacienvonKärlich bei Koblenz 46
— von Metternich bei Koblenz. V, VI
— von Rhens bei Koblenz VI, VIH
Magdalénien von Andernah . 48, 49
Frankreich.
Homo Aurignacensis, Skelett in situ
und Schädel . . . 2.2... XI
2. Frithneolithisches.
Deutschland.
Axt aus Geweih von Netzwalde,
Kr. Shubin . . . 221
— vonDomin.Latkowo, Kr. Hohen-
salza . . 221
Wurfspeerspitze v von Marenzin, Kr.
Witkowo . . . 221
Tardenoisien aus Ostthüringen 175
3. Jüngerneolithische Zeit.
Karte der östlichen Ausbreitung der
Indogermanen in neolithischer
Zeilen ei ee Je. oh
Deutschland.
Keramik von Urmitz . 50, 57, 177, 178
Keramik vom Jägerhaus bei Mühl-
heim . . 52,58, 54, 55, 57, IX
Feuersteinmesser von Rübenah . 56
Glockenbecherkeramik . . .. 9
Gefäss von Iwno, Kr. Shubin . 60
Kragenflashe von Helldorf, Kr.
Kolmar . . . 62
— - ad. Kreise Ohlau we 63
Seite, Taf.
Grab von Jordansmühl . . . 63
8 deutsche Trichterrandbecher . 64, 65
SchalevonDobieszewko,Kr.Schubin 65
Steinkreis von Trzebcz, Kr. Kulm 66
Trilithen von Odry, Kr. Konitz . 66
Ostdeutsche Kugelamphoren . . 68
Megalithamphore von Kulmsee, Kr.
Thorn . . . 68
Amphore von Köben, Kr. Steinau 69
Doppelhenkelkrug von Kl. Krebbel,
Kr. Schwerin. . . . . 69
Keramik von Hammelstall, Kr.
Prenzlau . . 71
Trichterrandbecher von Halberstadt 72
Amphore von Hundisburg, Kr. Neu-
haldensleben. . . 12
Ostdeutsche schlauchförmige Krüge
und Blumentopfbecher . . 13
Schnurkugelamphore von Nawra,
Kr. Thorn. . 74
Knochenplatte von Wiskiauten, Kr.
Fischhausen . . 76
Gefäss von Bordesholm (Holstein) 17
Henkelbecher v. Birglau, Kr. Thorn 99
Gefäss von Znin (Prov. Posen) . 101
— von Parchanie, Kr. Hohensalza 101
Silexmesser v. Kantow (Kr. Ruppin) XV
Amphore von Bernitt b. Bützow 210
Gefässcherben von Brahnau, Kr.
Bromberg . ; deh Sat oe: SS
Axthammer von Gostyn ent ves eo
Steingeräte und Becher von Wierz-
biczany, Kr. Hohensalza. . . 230
Schweden.
Pfahlbau von Alvastra; Lageplan 110
— Ansicht des Geländes 112—113
— — des untersuchten Teiles . 114
— Ein Herd . . . 115
— Beile und Äxte 123, 124, 125, 146,
147, 148, 150
125, 126, 147
|
Silexgeräte
362 Verzeichnis der Abbildungen.
Seite, Taf.
— Klopfsteine . . . 126, 127, 137
— Knocengeräte 130, 131, 132, 146, 147,
148
— Anhänger aus Zähnen . . . 132
— Bernsteinperle . . . . . . 183
-— Haken aus Holz . . 135
— Keramik . 135, 147, 148
— Schwefelkies u. Zundershwamm 137
— Gerste u. Apfelreste . 141, 142
Knochenperle von Lundby, Wester-
götland . 132
— von Luttra Knaggegärden, We-
stergötland . 132
Schlagstein von Ökull, "Westergöt-
land . 136
Gefässcherben von Säter, Äloppe
und Gullrum . . .. 151
Russland.
Grabfund von Nalenczow, Gouv.
Lublin . 2. ..... . . B
— von Lelowice, Gouv. Kielce 63
Kujawisches Grab von Chotel, Gouv.
Kalisch a ce : f 68
— — von Jänischewek an eh 68, 69
Osteuropdische Kugelamphoren 69, 70
Grabfund von Seen Gouv.
Warschau . . . 71
Schnurkugelamphore von Winiary,
Bez. Sandomir . . q4
Keramik von Zlota, Gouv. Kielce 75, Ti
— von Nowa Sieniawa, Podolien 75
— von Siwki, Wolhynien . . 75
Funde von Jackowica, Gouv. Kiew
79, 80
— von Kobrynowa, Gouv. Kiew 79
— von Nowosiolka, Gouv. Kiew 79
Gefäss von Lepesocka, Wolhynien 95
Österreich.
Knochenplatte von Lobositz . . 76
Knochenplatten und Silexmesser
aus Ostgalizien . . . . . 76
Schweiz.
Gefadsscherben von Robenhausen 77
Früchte und Kerne aus Pfahlbauten 144
Frankreich.
2 Kragenflaschen aus Finistere u. l
Morbihan . . ..... .~ 62
4. Bronzezeit.
Deutschland.
Tongefässe vom ILIEBENDETE bei
Troisdorf io eo
Seite, Taf.
Kantow, Kr. Ruppin, Gräber in
situ und Funde . XN—XVI
Gedrehter Halsring von Leizen
(Mecklenburg) . 213
Schwert von Rothenmoorb.Malchin 215
Lanzenspitze a. d. Kreise Schwetz 224
Königsgrab v. Seddin (Westprignitz) |
— Ansicht des Hiigels . . . XVII
— — der Grabkammer . 235, 237
— Eingang zum Grab . . . . 236
— Innenansicht der Kammer .. 238
— Fund ........ XVII
Italien.
Hausurnen : 2 23, 24, 25
Bronzefibel von Albano ur ak 25
Bronzemesser ebendaher . . . 25
Miniatur-Schild ebendaher . . . 25
— -Lanze ebendaher . . . .. 3
— -Schwert ebendaher . . . . 2)
Tonbild von Albano . .... 26
Gräber von Terni . . . 28, 30
Fibel und Ringe ebendaher . . 29
Frankreich.
Sichel im Museum Nimes . . . 179
Pyrenäen-Halbinsel.
Sichel aus Praganca, Estremadura 179
— aus Mertola, Alemtejo . . . 180
5. Vorrömisce Eisenzeit.
Deutschland.
Tongefäss vom Fliegenberg bei
Troisdorf
Grossbeeren, Kr. Teltow j Tage-
plan Be 194, 195
— — Keramik i “194, 196, 197
— — Nadeln und Fibeln . 195, 197
Gefässcherben von Ruhlsdorf, Kr.
Teltow . . 197
Funde von Jütchendorf, Kr. Tel-
tow . . . 197, 198
— von Löwenbruch, Kr: Teltow 198, 199
Gefässe von Rachow b. Güstrow 218
Gefäss von Trischin ?, Kr.Bromberg 225
Schale vonLatkowo, Kr.Hohensalza 226
6. Römische Kaiserzeit.
Deutschland.
Fliegenberg b. Troisdorf, Tongefässe
2, 16, 207, I, H
— — Scildbucel . a, a 3
— — Bronzefibel . .... . 3
— — Speerspitzen ..... 4
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite, Taf.
Fliegenberg bei Troisdorf
—- Bronzemesser .
— Verzierung eines Gefässes
— Spinnwirtel ; '
— Schere .
— Schwert (?)
— Eimerbescläge
Funde von Latkowo, Kr. Hohensalza
Becher von Oxstedt bei Cuxhaven
Darstellung eines Hammers auf
einem Relief. .
SilbernerRingvon Domin. Broch bei
Flatow .
Keramik von Wierzbiezany, Kr.
Hohensalza
Fingerring mit Gemme
Frankreich.
Vase von Bavay
IE Ed td
Belgien.
Vase von Jupille
Tricephalus der Gesichtsvase von
Mons : 2.2
IV
206
7. Völkerwanderungszeit.
Deutschland.
Gefäss von Verklas (Mecklenburg)
8. Mittelalter.
Wendismes.
Eisenschwert von Gorschendorf b.
Malkdhin . '
219
219
363
i Seite, Taf.
Spätere Zeit.
„Bronzegefäss“ XV
„Bronzeknopf“ 313
9. Geographisches und
Geologisches.
Karte eines Teiles von Mittelitalien
Karte von Terni und der Gegend
östlih davon .
Querschnitt durch das Quellmoor
von Alvastra i ;
Wiesenkalkboden auf Gatland
Trockengelegter Wiesenkalkboden
Karte des Riickzuges des diluvialen
Eises aus Norddeutschland
Blick vom Landgrafenberg b. Jena
Klimazonen in der Nähe des dilu-
vialen Inlandeises .
— in der Nähe des heutigen ark-
tischen Eises
Kurve der Schwankungen des mittl.
jährl. Wasserstandes am Elb-
pegel zu Sandau
10. Bildnisse.
Matthäus Much .
Hermann Grössler .
11. Verschiedenes.
Bronzene Nadel von IN,
Kr. Hohensalza . .
Kavalier des 18. Jahrhunderts
20)
27
119
120
121
287
288
289
289
Digitized by Google
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