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Full text of "Mannus 1 (1909) und 2 (1910)"

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Band I. 




Heft 1/2. 


MANNUS 


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Zeitschrift für Vbi^gcsdiichtc 

Or^an der Deutschen Gesellschaft 
für "Vorgeschichte 

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herausge^eben von % . 

Professor DlGustaf Kossinna 


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WÜRJüBURG 
Curt Kabifzsdi (AStubersVeriag) 


1909. 


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Inhalts-Verzeichnis des 1/2. (Doppel-) Heftes. 

Geleitwort. 

Gründungsbericht und 

Satzungen der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte. 


I. Abhandlungen: 

Koiitnna G., (Berlin). Der Ursprung der Urflnnen und der Ürindogermanen 
und Ihre Ausbreitung nach dem Osten. I. Urfinnen und Nordindogermanen. 
Mit 25 Textabbildungen und 11 Tafeln. 

Hontelins O., (Stockholm). Das Sonnenrad und das christliehe Kreuz. I. Mit 
40 Abbildungen im Text. 

Hevelr A., (Brest). Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. Mit 4 Textabbildungen 
und 8 Tafeln. 

Bademacher C., (Köln). Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegen¬ 
berge bei Troisdorf, Siegkreis, Reg -Bez. Köln. Mit 4 Textabbildungen und 
1 Tafel. 

Schmidt K. K., (Tübingen). Das Aurignaelen in Deutschland. Vergleichende 
Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum. Mit 3 Tafeln. 


II. Mitteilungen: 

Goetzc A., (Berlin). Ostgotlsehe Helme und symbolische Zeichen. Mit 4 Text¬ 
abbildungen und 1 Tafel. 

Hess von WlchdorfT H., (Berlin). Ober die ersten Anfänge vorgeschichtlicher 
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte der 
vorgeschichtlichen Wissenschaft. 

Kossinna G.. (Berlin). Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld der Latöne- 
Zeit (?) in Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710. Hit I Text¬ 
abbildung. 

^ III. Aus Museen und Vereinen: 

Kiekebuach A., (Berlin). Die vorgeschichtliche Abteilung des Märkischen Museums 
der Stadt Berlin. Mit 5 Textabbildungen. 

Blume B., (Posen). Aus der Provinz Posen. Erwerbung des Kaiser Friedrich-Museums 
zu Posen vom Juli—Dezember 1908. 

Deutsche Gesellschaft Naturw.-Abt. in Posen. Vortrag: Blume, die chronologische 
und die ethnographische Methode der vorgeschichtlichen Forschung. 


Socidtd pr£historique de France. 

Sitzungsberichte der Berliner Zweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vor¬ 
geschichte 1—3. 

IV. Bücherbesprechungen.,^. 


V. Nachrichten. (Mit 1 Tafel). 

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Bezugsbedingungen: 

„Mannus“, Zeitschrift für Vorgeschichte 

erscheint in 

awangleaer Folge, jährlich etwa 3-4 Hefte, die zusammen einen Band 
von ca. 20 Druckbogen mit ebensoviel Tafeln und reichlichen Textlllustratlonen 
bilden. Kimgelne Hefte sind nicht känfflich. 


Abonnementspreis pro Jahr M. 16 .—. 

Manuskripte sind an den Herausgeber Professor Dr. Gustaf Kossinna, Gross-Lichter- 
felde, Karlstr. 10 einzusenden, Illustrationsmaterial in reproduktionsfähiger Ausführung 
erbeten. Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch 30 Separata unberechnet. 





Zum Geleit. 

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Mit dem vorliegenden Hefte der „Zeitschrift für Vor¬ 
geschichte“ tritt zum ersten Male ein Organ an die 
Öffentlichkeit, das aus dem Zusammenschluss der deutschen 
Vertreter der Vorgeschichtsforschung als erste Frucht er¬ 
wachsen ist und hinfort für die Fachleute der Ort sein soll, 
wo alle ihre Äusserungen von mehr als lokaler oder eng 
landschaftlicher Bedeutung vereinigt werden sollen. Von 
keiner anderen Erwägung gingen wir bei der Gründung der 
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte aus, als von der 
Erkenntnis der Notwendigkeit, unserer Wissenschaft, deren 
Kundgebungen und Taten bisher nach allen Windrichtungen 
hin zerflatterten, endlich auch in Deutschland einen solchen 
allgemeinen Sprechsaal zu schaffen, wo alle diejenigen ihrer 
Jünger ihre Stimme erheben könnten und erheben sollten, 
die etwas in höherem Sinne Förderliches und für jeden 
Fachmann unentbehrlich Neues mitzuteilen haben. 

Wir folgen hiermit nur dem vor fünf Jahren so glänzend 
gegebenen Beispiele unserer französischen Fachgenossen, 
sowie der Belgier, denen sich im vorigen Jahre Engländer 
und Schweizer angeschlossen haben. 

So wenig die Pflege der Vorgeschichte in Deutschland 
nachsteht dem Stande dieser Wissenschaft in den genannten 
Ländern, so wenig darf uns die frohe Zuversicht fehlen 
auf ein gleich glückliches Gedeihen unserer Gesellschaft 
und unserer Zeitschrift, wie es die ausländischen Gesell¬ 
schaften und ihre Organe über Erwarten zu erleben die 
Freude hatten. 

Mannus. Bd 1, H 1. 1 



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Zum Geleit. 


Uber die Einzelheiten, die bei der Gründung der Gesellschaft 
und der Zeitschrift in Frage gekommen sind, bringt der im Eingänge des 
Heftes wieder abgedruckte Bericht über die gründende Versammlung die 
nötigste Aufklärung. Hier sei daraus nur kurz wiederholt, dass ein 
Bedürfnis nach einer selbständigen Gesellschaft vorgeschichtlicher Fach¬ 
leute bei uns schon seit Jahrzehnten sich fühlbar machte, seit 1900 
ständig beraten wurde und im Herbst vorigen Jahres endlich seine 
Befriedigung fand, so dass am 3. Januar d. J. die formelle Begründung 
der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vollzogen werden konnte. 

Unser Ziel geht einmal dahin, durch Veranstaltung von wissen¬ 
schaftlichen Sitzungen in Haupt- wie in Zweigversammlungen dauernde 
Anregungen zu bieten, geistigen Austausch und persönlichen Zusammen¬ 
schluss herbeizuführen. 

Unser Hauptziel liegt jedoch in der Schöpfung einer Zeitschrift, 
deren Aufgabe es ist, sowohl den wissenschaftlichen Kleinbetrieb 
zu pflegen durch Einrichtung eines Nachrichtendienstes und durch Berichte 
über wichtige Vorgänge und Arbeiten auf allen Gebieten unserer Wissen¬ 
schaft, als auch den höheren Anforderungen der Wissenschaft gerecht 
zu werden durch Darbietung gewählter grösserer und kleinerer Original¬ 
arbeiten. Nach Raum und Zeit soll hier die ganze Vorgeschichte des 
europäisch-vorderasiatischen Kulturkreises nach Möglichkeit gleichmässig 
berücksichtigt und zur Bearbeitung empfohlen werden. 

Tüchtigen Leistungen des Auslandes, in erster Linie solchen 
unserer zahlreichen ausländischen Mitglieder, stehen, wie gleich das erste 
Heft zeigt, unsere Blätter ebenso offen, wie deutschen Arbeiten; doch 
muss mit Rücksicht auf jenen Teil unserer Mitglieder und Leser, die 
ausschliesslich unsere Landessprache lesen, für Arbeiten in fremder Sprache 
die Übersetzung ins Deutsche eintreten. 

Die Anordnung der Zeitschrift wird sich demnach so gestalten, 
dass an der Spitze eines jeden Heftes eine Reihe von längeren Ab¬ 
handlungen steht, dann kleinere Mitteilungen, eine Abteilung „Aus 
Museen und Vereinen“, sowie Besprechungen von Werken folgen, 
endlich Nachrichten den Beschluss machen. Natürlich lässt sich diese 
Einrichtung erst allmählich bei fortschreitender Organisation ebenmässig 
durchführen. 

Und nun noch ein Wort über den Namen der Zeitschrift, der ich den 
Obertitel Mannus gegeben habe. Derartige Übernamen für Zeitschriften 
und Sammlungen von Werken, die manchen vielleicht altmodisch an¬ 
muten und ans 18. Jahrhundert erinnern, sind in neuerer Zeit immer 
häufiger in Aufnahme gekommen, weil sie von grossem praktischen Vor¬ 
teil sind wegen der bequemen, sichern und von Missverständnissen freien 

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Zum Geleit. 


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Art ihres Zitierens, während ein langatmiger Titel innerhalb des engeren 
Kreises intimer Fachleute in der Schrift sehr bald eine feste Abkürzung 
annimmt, die jedem Neuling wie Laien ein Rätsel aufgibt. Darum be¬ 
standen oder bestehen noch Zeitschriftentitel wie „Euphorion“, „Klio“, 
„Merrmon“. 

Und bedarf es noch vieler Worte, es zu rechtfertigen, dass nicht 
ein farbloses antikes Wort gewählt wurde, sondern eben „Mannus“? 
Mannus war, wie Tacitus in dem berühmten zweiten Kapitel seiner 
Germania mitteilt, nach der germanischen Anthropogonie und 
Ethnogonie der Sohn des erdgeborenen Tuisto, jenes zweigeschlechtigen 
Urwesens, dem der nordische Ymir und der indische Yama entspricht, 
und war zugleich der erste Nann, der Menschenvater, gleichsam der 
Urmensch und zwar der indogermanische, wie auch in der indischen 
Mythologie Manus, der Bruder des ebengenannten Yama, der erste Sterb¬ 
liche ist. Unser Wort „Mensch“ ist ja nur eine adjektivische Ableitung 
von „Mann“, eigentlich also der „Männische“. 

So eignet sich „Mannus“ vorzüglich als Name einer deutschen Zeit¬ 
schrift für Vorgeschichte, weit besser als etwa „Anthropos“, der Mensch 
schlechthin, wie bekanntlich eine andere Zeitschrift sich nennt. 

Wir Vorgeschichtsforscher suchen hinter den äusserlich nur zu oft so 
unscheinbaren, für den Fachmann aber doch so unendlich beredten Resten 
der Vorzeit stets den Menschen selbst zu entdecken und womöglich auch 
die Volksgemeinschaft, der er angehört. Keine Volksgemeinschaft ist 
aber für unsere Vorgeschichte von grösserer Wichtigkeit, als die indo¬ 
germanische, und innerhalb dieser nehmen wiederum ein erhöhtes Interesse 
in Anspruch, nicht an sich, sondern wegen ihrer geschichtlichen Kultur¬ 
mission die sogenannten Centum-Völker, d. h. die Nordindogermanen. 

Ihr Typus ist aber am reinsten bewahrt bei den Germanen. Es 
lag darum nahe, eine der schönsten und sprechendsten Verkörperungen 
dieses Typus, die Büste des in kräftigster Jugendblüte prangenden Germanen 
des Berliner Museums, der früher unter dem Namen des Kaisers 
Victorinus ging, als Abbild unseres Mannus zur Titelvignette zu wählen. 

So mögen denn, die Wünsche und die Zuversicht, womit 
wir dieses erste Heft in die Weite senden, in dieselben Worte 
zusammengefasst werden, die den Ausklang der „Gründenden 
Versammlung“ der Gesellschaft bildeten: „Setjen wir die 
Vorgeschichte in den Sattel; reiten wird sie schon können!“ 

Grosslichterfelde West, Karlstrasse 10, 1. Mai 1909. 

G. K. 

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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


Verhandlungsbericht der gründenden Versammlung 

am 3. Januar 1909 im Vortragssaal des Märkischen Museums. 

(Dauer der Sitzung 11—2 Uhr, 43 Anwesende.) 

I. Prof. Dr. Kossinna begrüsst die Versammlung mit folgenden Worten: 

„Hochverehrte Herren! 

So ist denn die für uns grosse Stunde gekommen, wo Sie die 
Vorgeschichte durch neue Organisationen als befreit von allen 
fesselnden Banden, als selbstbewussten Vollbürger unter den ihr 
nahestehenden Wissenschaften endlich erklären sollen. Sie alle, 
die Sie hergekommen sind, haben schon durch Ihr Erscheinen 
bezeugt, dass Sie in diesem Streben mit mir einig sind. Schon 
für diesen Beweis Ihres Vertrauens bin ich Ihnen zu tiefem Dank 
verpflichtet. Ich bin mir voll bewusst, wie viel ich von Ihnen 
verlangt habe, wenn ich verlangte, dass Sie gerade jetzt kom¬ 
men sollen. Waren doch für die Auswärtigen nicht nur die ge¬ 
wöhnlichen Unbequemlichkeiten einer weiteren Reise zu über¬ 
winden, sondern diesmal kam noch der Kampf mit hartem Wind 
und Wetter, mit Frost und Schnee hinzu. Und fast noch schlimmer 
ist die Wahl des Tages am Jahresbeginn, wo fast jedermann durch 
gehäufte Amtsgeschäfte an seinen Wohnsitz gebunden ist, wo auch 
die Einheimischen vielfach durch den Besuch lieber Gäste ans 
Haus gefesselt werden. Man sagte dieser Versammlung darum 
ein sicheres Fiasko voraus, und es wurde der Wunsch laut, dass 
ich aus eigener Machtvollkommenheit die Gesellschaft für ge¬ 
gründet erklären und als Vorsitzender mir einen Schriftführer 
küren, alle genaueren Festlegungen aber der sommerlichen Haupt¬ 
versammlung überlassen sollte. Auf diesen Wunsch glaubte ich 
nicht eingehen zu dürfen. Denn eine formelle Gründung schien 
mir unter allen Umständen notwendig, und wenn sie nur durch 
zehn Anwesende vorgenommen werden sollte. Denn an der Form 
hängt hier alles. Wie der deutsche Kaiser des Mittelalters trotz 
einstimmiger Wahl nicht Kaiser war, wenn es ihm nicht gelang, 
die Reichskleinodien in seinen Besitz zu bringen, so wären auch 
wir noch keine regelrechte, allgemein anzuerkennende Gesell¬ 
schaft geworden durch den blossen Willen der Mitglieder. Es 
muss auch hier die rechtliche Form hinzukommen, um die Grün- 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


düng als vollkommen erscheinen zu lassen. Nur so werden wir 
eine Macht sein, die verhandeln kann, die den jetzt überall 
gärenden Elementen der Nachbarwissenschaften als Rech¬ 
nungsfaktor erscheinen wird; nur so können wir nach 
Auseinandersetzung mit den unser Eigenleben hemmenden 
Nachbarorganisationen, nach reinlicher Scheidung vonihnen, 
dazu kommen, einen ehrenvollen Frieden zu schliessen, 
zum Zwecke gleichberechtigter, einträchtiger Arbeit. Denn 
das ist ja unser Ziel von vornherein gewesen; nicht Krieg 
ist unsere Losung, sondern durch Kampf zum Frieden, zu 
fruchtbarer Arbeit im Geiste unserer Wissenschaft *)• 
Darum müssen Sie heute unsere Organisation schaffen, und 
darum mussten Sie herkommen. Sie alle, hochverehrte Kollegen 
und Freunde unserer Wissenschaft, die Sie das in schöner Einig¬ 
keit und unter Zurückstellung aller Sonderwünsche und aller 
Einzelheiten, die bei der Gründung nicht unmittelbar in Frage 
kommen, heute bewirken wollen, Sie alle begrüsse ich in herz¬ 
lichster Dankbarkeit und hebe zum Schluss noch mit Freude 
hervor, dass ich in Ihren Reihen auch manches noch jugendliche 
Gesicht leuchten sehe, eine Tatsache, die bei früheren Versamm¬ 
lungen von Vorgeschichtsforschern schwerlich zu beobachten ge¬ 
wesen wäre. Es ist mir das ein gutes Vorzeichen, dass, wie 
unsere noch so junge Wissenschaft einer reichen Zukunft entgegen¬ 
sieht, so auch unsere Gesellschaft die Jugend und damit die Zu¬ 
kunft für sich hat." 

Hierauf schlägt Prof. Dr. Kossinna als 1. Vorsitzenden der 
heutigen Sitzung Herrn Prof. Dr. Lehmann-Haupt-Berlin vor, der 
zusammen mit Herrn Dr. Hahne-Hannover als 2. Vorsitzenden, 
sowie den Herren Mielke-Berlin und Blume-Posen die Leitung 
der Tagung übernimmt. 

II. Prof. Lehmann-Haupt legt eine Tagesordnung vor, welche 
genehmigt wird. Sie enthält folgende Punkte: 

1. Verlesung eines Aufrufes, worin die Grundsätze zum Ausdruck 
gebracht werden, die der zu gründenden Gesellschaft als Richt¬ 
schnur ihrer Arbeit vorgeschlagen werden sollen. 

2. Verlesung der vorläufigen Satzungen. 

3. Vorschläge zur Wahl des Ausschusses und Vorstandes der 
der Gesellschaft. 

4. Verhandlungen. 

III. Dr. Hahne verliest den Aufruf, dem er als Einleitung die fol¬ 
genden Worte vorausschickte: 

„M. H.! Dieser Aufruf soll sogleich eine Antwort sein auf viele 
bereits ausgesprochene und noch unausgesprochene Fragen grund¬ 
sätzlicher Art, die mit der Gründung der „Deutschen Gesellschaft 


*) Deshalb wird sich unser freier, nur wissenschaftlichen Bedürf¬ 
nissen entsprungener und wissenschaftlichen Zwecken dienender Zusammenschluss 
auch bewähren, trotz der jüngsten gegen uns gerichteten „Verbände“, die aus dem 
Zustande unerer Wissenschaft eine Machtfrage machen, wobei dann die Vorge¬ 
schichtsforschung „nicht frei“ sein kann — in unserem Sinne. G. K. 


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Gründungs-Versammlung. 


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für Vorgeschichte" im Zusammenhänge stehen, und wir hoffen, 
dass dadurch die heutigen Verhandlungen vereinfacht werden 
möchten zugunsten ihres Hauptzweckes, die Gesellschaft als 
gegründet zu erklären." 

„Die Grundsätze des Aufrufes sowie die Ihnen alsbald vorzu¬ 
legenden Satzungen und Wahlvorschläge stellen zugleich das Er¬ 
gebnis einer sechsstündigen vertraulichen Vorberatung dar, die 
gestern im Kreise von 13 Vertretern und Förderern der europäisch¬ 
vorderasiatischen Vorgeschichtsforschung stattgefunden hat, deren 
Namen sich übrigens grösstenteils in der Vorschlagsliste für die 
Ausschusswahl finden". 


Aufruf. 

Die Vorgeschichtsforschung ist im letzten Jahrzehnt auch in 
Deutschland eine selbständige Wissenschaft geworden; ihre Interessen 
können daher nicht mehr nur nebenher durch Organisationen vertreten 
werden, die andere Hauptzwecke verfolgen; — sie muss eine selbständige 
Organisation haben. 

Herr Professor Dr. Kossinna hat es für seine, ihm als erstem Inhaber 
eines deutschen Lehrstuhles für Vorgeschichte vorgeschriebene Pflicht er¬ 
achtet, neben den idealen auch die praktischen Ziele unserer Wissen¬ 
schaft zu verfolgen 1 ). Mit der Gründung einer „Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte“ und eines selbständigen Fachorganes glaubt er und 
mit ihm an 200 Vertreter und Freunde der Vorgeschichte, die letzte 
Weihe zu der Mündigkeitserklärung der Vorgeschichtsforschung für 
Deutschland vollziehen zu können. 

Wir bitten Sie also, in der heutigen Sitzung vor allem Ihre Zu¬ 
stimmung dazu zu geben, dass die „Deutsche Gesellschaft für Vorge¬ 
schichte“ als gegründet erklärt wird. 

Es schweben natürlich noch viele einzelne Fragen, worüber die¬ 
jenigen, die künftig die Gesellschaft vertreten und die Hauptarbeit leisten 
sollen, sich einigen müssen. 

Das ist jedoch nebensächlich gegenüber dem Hauptzweck der 
heutigen Versammlung: unseren Zusammenschluss vor aller Welt zu 
erklären. Deshalb bitten wir Sie dringend, lassen Sie uns alle Fragen, 
die die Ausgestaltung und das Arbeitsprogramm der Gesellschaft be¬ 
treffen, auf künftige Sitzungen verschieben. Vorstand und Ausschuss 
werden dann alle Schwierigkeiten viel leichter lösen, als es eine Grün¬ 
dungsversammlung vermag. 

Die Satzungen, die wir ausgearbeitet haben, zeigen die grund¬ 
legenden Absichten und Ansichten über das, was wir wollen. Wie wir 
es erreichen können, darüber wird noch vielfach zu beraten sein. 


*) Wir würden es begrüssen, wenn ein zweiter, ebenfalls schon lange erstrebter 
Zusammenschluss zustande käme, nämlich aller Museen, welche die Vorgeschichte 
pflegen, und Hand in Hand mit uns die rein praktische Seite unserer Forschung 
betrieben: möchte doch die durch persönliche Zwistigkeiten immer stärker ein¬ 
reissende Zersplitterung unserer Kräfte bald Platz machen einer grossen, ein¬ 
heitlichen, jede besonnene ideale Konkurrenz sichernden Organisation unserer 
Wissenschaft, G. K, 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


Was wir jetzt ausführen wollen mit der Gründung der „Deutschen 
Gesellschaft für Vorgeschichte“, ist ein ganz alter Plan, der unter ver¬ 
schiedenen Formen schon oft erwogen ist, aber nie ausgeführt wurde 
aus Mangel an einer kräftigen Initiative. 

Aus ihrer ungünstigen, ja bedrängten Lage kann unsere Wissen¬ 
schaft nur ein energischer Schritt herausführen: das ist nach unserer 
Meinung die Gründung einer „Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte“. 

Die Vereinigung der Kräfte als Gegengewicht gegen die 
alte Zersplitterung ist unser Ziel. Möchte vor allem persön¬ 
liche Uneinigkeit in idealen oder praktischen Fragen zugunsten 
der Sache zurückgedrängt werden durch weiterblickende Be¬ 
sonnenheit, die der Begeisterung für die gemeinsame Arbeit 
zur Seite stehen muss, damit etwas Ganzes geleistet werde. 

Wir bieten die Hand jeder Organisation, jedem Institut, 
allen Persönlichkeiten und allen Wissenschaften, die in ernster 
Arbeit dazu mithelfen wollen, dass sich die Vorgeschichte einen 
Platz an der Sonne erobert. 

Der Aufruf wird mit lebhaftem Beifall aufgenommen und soll 
nach dem späteren Beschluss der Gesellschaft (s. S. 11) 
dem ersten rein persönlichen Aufruf Prof. Kossinnas zur 
Gründung der Gesellschaft als die erste offizielle Äusse¬ 
rung der Gesellschaft folgen 1 ). 


l ) Mein erster Aufruf war in der Tat ganz persönlich gehalten und auch 
von mir ganz allein unterzeichnet worden, da es zu umständlich gewesen wäre, 
einen aller Beteiligten genehmen Aufruf zustande zu bringen. Absichtlich wurden 
darum die Namen derjenigen, die sich bei der zu gründenden Gesellschaft als 
Mitglieder angesagt hatten, auf eine besondere Blattseite gerückt und sie selbst 
eben nur als Mitglieder bezeichnet („als Mitglieder sind beigetreten“). Unverständ¬ 
lich ist es mir daher, wie dennoch eine Unzufriedenheii einiger weniger dieser 
Herren entstehen konnte, die in Verkennung meiner klaren Worte gemeint haben, 
diese ihre Namen vielmehr als Unterschriften meines Aufrufs auffassen zu müssen. 
Mein erster Aufruf war, wie ich es in der Eröffnungsansprache (oben S. 6) ange¬ 
deutet habe, ein Kampfesaufruf, der natürlich Schärfen nicht vermeiden konnte, 
sollte endlich einmal die Wahrheit gesagt werden. „Fanfaren klingen niemals 
liebenswürdig“, so charakterisierte Willy Pastor meinen Aufruf ganz richtig. Nur 
diejenigen werden freilich diese Schärfen verstehen, die da wissen, wie viele Hinder¬ 
nisse die oft recht persönlichen Beweggründen entsprungene gegnerische Haltung 
der von mir bezeichneten Kreise unserer aufstrebenden Wissenschaft bereitet hat. 
Meine Freunde und Fachgenossen sind über meine aus dieser Kampfesstimmung 
hervorgegangene Äusserungen hinweggegangen, die unter meiner Fürsprache bereits 
in der gründenden Versammlung durch einen neuen Aufruf ersetzt worden sind. 
Die zürnende Berliner anthropologische Gesellschaft hat eine im versöhnlichen Geiste 
gehaltene Erklärung von mir, die ich ihr alsbald nach unserer Gründung zugehen 
liess, angenommen (Zeitschrift für Ethnologie 1909, S. 117). — Aus einer Stelle 
meines Aufrufes, die sich gegen Übergriffe gewisser Vertreter der Römerforschung 
wendet, hat man in Westdeutschland vielfach einen Angriff gegen die Römisch¬ 
germanische Kommission in Frankfurt a. M. herauslesen wollen. Darauf kann ich nur 
erwidern, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, die Wirksamkeit dieser Kom¬ 
mission und besonders ihres trefflichen Leiters Dragendorff, mit dem ich fort¬ 
dauernd in Verbindung stehe, in die Erörterung zu ziehen: somit sind alle Ver¬ 
dächtigungen nach dieser Richtung hin völlig hinfällig. Unversöhnten Gegnern sei 
hier gesagt, dass es nicht in meiner Absicht lag, irgendwen zu kränken, und wenn 
dies irgendwo doch so — unrichtig — empfunden worden sein sollte, so tut mir dieses 
aufrichtig leid. G. K. 


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Gründungs-Versammlung. 


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IV. Herr Mielke verliest die vorläufigen Satzungen. 

V. Prof. Lehmann-Haupt verliest die Vorschlagsliste für die Wahl 
des Ausschusses und des Vorstandes der Gesellschaft und weist 
darauf hin, dass sie der derzeitigen örtlichen Verteilung der Mit¬ 
glieder der Gesellschaft (siehe VII b) entspreche. 

VI. Eine Anwesenheitsliste wird aufgestellt. 

VII. Die nunmehr eröffneten Verhandlungen beginnen damit, dass: 

a) sich die Versammlung einstimmig mit dem Inhalt des Auf¬ 
rufes einverstanden erklärt unter Zufügung einiger gering¬ 
fügiger Zusätze, und dass 

b) Prof. Dr. Kossinna auf Wunsch weitere Angaben über die 
Anzahl der angemeldeten Mitglieder und deren Verteilung gibt. 

Prof. Dr. Kossinna: „Es wird Sie interessieren, zu hören, wie 
sich unsere Mitglieder, rund 200, über Deutschland und über Europa 
verteilen. 1 ) 

Das Deutsche Reich teilt sich unter diesem Gesichtspunkte in 
fünf Gebiete: 

1. Berlin, die stärkste Gruppe, zählt 55 Mitglieder. 

2. Nordostdeutschland, westlich bis zur Elbe, ohne Berlin 
und den Anteil des Königreichs Sachsen: 45 Mitglieder. Somit 
gehört die Hälfte unserer Mitglieder in das Gebiet östlich 
der Elbe. 

3. N or d we std eu tsch 1 a nd: 33 Mitglieder. 

4. Sachsen-Thüringen: 31 Mitglieder. 

5. Süddeutschland: 19 Mitglieder. 

Aus dem deutschen Sprachgebiet sind weiter zu nennen: 
Österreich-Ungarn: 6 Mitglieder; Schweiz: 3 Mitglieder; ferner 
Dänemark: 1 und Schweden: 3 Mitglieder; endlich Belgien: 2 
und Frankreich: 1 Mitglied; bemerkenswert ist, dass die Vorstände 
von Vereinen und Instituten einen starken Anteil unserer Mitglieder 
ausmachen: im Nordosten sind es 23 unter 45; im Nordwesten 
23 unter 33, in Sachsen-Thüringen 20 unter 31, im Süden 10 
unter 19, im Auslande 12 unter 16, insgesamt also 88 unter 144.“ 
Anmerkung: Da der Aufruf auf die Geschichte des Gründungs¬ 
planes nicht näher eingeht und diese Geschichte nur dem kleinen 
Kreise wirklicher Fachleute bekannt ist, erscheint es angemessen, 
die einschlägigen Sätze aus einer Mitteilung von Prof. Dr. Kos¬ 
sinna bei Eröffnung der vorberatenden Vertreterversammlung hier 
einzuschalten: 

„Als Einleitung zu den Satzungsverhandlungen darf ich wohl 
einige ganz kurze Ausführungen machen über die früheren Ver¬ 
suche, die Vorgeschichte selbständig zu organisieren, die ja leider 
alle gescheitert sind. Vor Jahrzehnten schon wollten die Vorge- 


! ) Dass innerhalb unserer Gesellschaft Kleinmut nicht am Platze ist, mag 
die Tatsache zeigen, dass wir trotz aller systematisch betriebenen Versuche der 
Gegenseite, unsere Mitglieder abspenstig zu machen was freilich nur in den 
allerseltensten Fällen gelungen ist —, wir uns jetzt auf 242 Mitglieder vermehrt 
haben; die neuen Zugänge liegen hauptsächlich in Nordost, Berlin, Nordwest und 
im Auslande. G. K. 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


schichtsforscher innerhalb der Berliner Anthropologischen Ge¬ 
sellschaft eigene Fachsitzungen veranstalten; allein die Sache fiel 
ins Wasser, vielleicht mehr aus persönlichen als aus sachlichen 
Gründen. Später hat der verstorbene Direktor Voss den Plan 
gehabt, ausserhalb der anthropologischen Gesellschaften die 
Vorgeschichtsforscher zu einigen um einen festen Kern, den die 
zahlreichen mitteldeutschen Forscher und Museen, namentlich in 
der Provinz Sachsen und Thüringen, bilden sollten. Aber auch 
diesem Plane fehlte ein umsichtiger und kraftvoller Führer der 
Bewegung. Seit der Hallischen Anthropologenversammlung von 
1900, wobei die Angelegenheit von neuem als dringlich bezeichnet 
und vertraulich durchgesprochen wurde, lag die Frage der Ge¬ 
samtorganisation der Vorgeschichte geradezu in der Luft. 
Und doch geschah nichts. Wie man vorzugehen habe, wurde 
ernstlicher nur erwogen in dem kleinen Kreise, den meine ersten 
Schüler und Zuhörer um mich bildeten. Unter ihnen war es be¬ 
sonders Herr Dr. Hahne, der sich meinen Bestrebungen zur Ver¬ 
fügung stellte und sogar selbständig wirkte. Diese Besprechungen 
und Agitationen waren schon 1905 und besonders 1906 in vollem 
Gange. Als Beweis hiefür lese ich ihnen eine Stelle vor aus 
einem Aufsatze Hahnes in Tilles „Deutschen Geschichtsblättern" 
Jahrgang 1906, Band 8, Seite 56: „Hoffentlich werden die Be¬ 
strebungen, gerade die der deutschen vaterländischen vorge¬ 
schichtlichen Forschung gewidmeten Sammlungen durch zusam- 
menschliessende Organisation zu heben, bald von Erfolg sein". 

> 1907 ging Herr Dr. Hahne nach Hannover ans Provinzialmuseum 

und damit fing unser Plan an, greifbare Formen anzunehmen. 
Mit der Vollendung der Neuordnung der vorgeschichtlichen Ab¬ 
teilung dieses Museums, die zu Weihnachten 1907 von Dr. Hahne 
erhofft wurde, glaubten wir die Gründung einer Gesellschaft für 
Vorgeschichte verbinden zu können. Aber die Gründung musste 
hinausgeschoben werden wegen widriger Verhältnisse im Privat¬ 
leben der Nächstbeteiligten und weil auch die Neuordnung in 
Hannover nur langsam vorrücken konnte. So kam das Jahr 1908, 
und ich beschloss nun, dem langen Zögern ein Ende zu machen 
und ganz allein die Sache in die Hand zu nehmen. So ist denn, 
nach Rücksprache mit befreundeten Fachgenossen im Sommer 
1908, die Sache im Herbst fertig geworden. Natürlich steht uns 
nach wie vor die Frage der Gesellschaft an erster Stelle. Aber 
eine wissenschaftliche Gesellschaft ohne Zeitschrift ist ein Unding. 
Darum war von jeher der Plan der Zeitschrift ein un¬ 
erlässlicher Bestandteil unserer Gründung“ *). 

VIII. Beratung der Satzungen: 

A. Nach sehr eingehenden Erörterungen werden die §§1,3, 4, 

5, 6, 7, 8, 9, 10 und 12 mit unwesentlichen Änderungen an- 

• 

*) Auch an dieser Stelle verwahren wir uns nachdrücklich gegen alle mit 
den Tatsachen in Widerspruch befindlichen Unterstellungen und Deuteleien, wie sie 
von bekannter Seite her bei der Agitation gegen unseren Zusammenschluss fort¬ 
dauernd verbreitet werden! G, K. 


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Gründungs-Versammlung. 


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genommen. Bei Besprechung der §§ 5 und 6 wurde nament¬ 
lich betont, dass der Geschäftsordnung des Vorstandes bezw. 
Ausschusses vieles anheim gestellt werden solle, was die 
Regelung der Beziehungen zu anderen Organisationen usw., 
sowie innere Fragen der Gesellschaft betrifft. 

B. § 2 wurde in der Form eines Antrages des Herrn Prof. Peiser- 
Königsberg in die Satzungen aufgenommen; § 11 in der 
ursprünglichen Fassung mit geringen Veränderungen. 

Die §§ 2 und 11, die wegen ihres inneren Zusammenhanges 
gemeinsam besprochen wurden, gaben Veranlassung zu folgenden 
grundsätzlichen Darlegungen seitens der Versammlung: 

1. Der zu Beginn der Sitzung verlesene Aufruf soll als erste 
offizielle Äusserung der Gesellschaft sobald als möglich ge¬ 
druckt und versandt werden, zugleich mit den endgiltigen 
Satzungen der Gesellschaft und dem Bericht über die grün¬ 
dende Versammlung. 

2. Anerkannt werden die Dezentralisationsbestrebungen, die sich 
in den vorgelegten Satzungen und dem Aufruf ausdrücken, 
und es gelangen die Wünsche und Ansichten der Versamm¬ 
lung über das Verhältnis zu alten und neuen Vereinigungen 
für Vorgeschichte in folgendem Hinweis zum Ausdruck: 

Die Satzungen der Gesellschaft enthalten den Wunsch und 
die Möglichkeit, dass alle Vereinigungen, Institute usw. für 
Vorgeschichtsforschung, unbeschadet ihrer besonderen und 
örtlichen Bestrebungen, Mitglied der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte werden können. Die Deutsche Gesell¬ 
schaft für Vorgeschichte will die Ergebnisse der Einzelarbeit 
auf allen wissenschaftlichen Gebieten, soweit sie der Förde¬ 
rung der europäisch-vorderasiatischen Vorgeschichtswissen¬ 
schaft dienen, zusammenfassen. Diesem Zweck dient vor 
allem die Zeitschrift der Gesellschaft. 

3. Berlin ist aus naheliegenden praktischen Gründen zum Sitz 
der Gesellschaft gewählt worden; die Vertretung der Inter¬ 
essen der Berliner Mitglieder soll einer Berliner Ortsgruppe 
zufallen. 

IX. Der Vorsitzende der Gründungsversammlung, Herr Prof. Lehmann- 
Haupt, erklärt nach Annahme der Satzungen (s. S. 14) die Deutsche 
Gesellschaft für Vorgeschichte für gegründet und spricht ihr die 
ersten Glückwünsche aus. 

X. Die Wahl des Ausschusses wird in Übereinstimmung mit der vor¬ 
gelegten Wahlliste einstimmig durch Zuruf vollzogen. Die erst¬ 
malige Wahl des satzungsgemäss vom Ausschuss zu wählenden 
Vorstandes wird seitens der gründenden Versammlung durch An¬ 
nahme der zur Tagesordnung vorgelegten Vorstandsliste vollzogen. 
Die anwesenden Mitglieder des somit gewählten Ausschusses und 
Vorstandes nehmen die Wahl an. 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


In den Ausschuss der Gesellschaft wurden gewählt: 
Geheimrat Prof. Dr. Adalbert Bezzenberger— Königs¬ 
berg i. Pr., 

Univ.-Professor für vergleichende Sprachwissenschaft, Vor¬ 
sitzender der Altertumsgesellschaft Prussia. 

Dr. med. Gustaf Eichhorn — Jena, 

Konservator des Germanischen Museums. 
Museumsdirektor Feyerabend — Görlitz. 

Dr. Hans Hahne — Hannover, 

Vorsteher der vorgeschichtlichen Abteilung des Provinzial¬ 
museums, Privatdozent für vorgeschichtliche Archäologie an 
der Technischen Hochschule. 

Prof. Dr. Paul Höfer — Wernigerode am Harz, 

Vorsteher des Fürst-Otto-Museums. 

Dr. Albert Kiekebusch — Berlin-Karlhorst, 

Ordner der vorgeschichtlichen Abteilung des „Märkischen 
Museums". 

Prof. Dr. Gustaf Kossinna — Berlin-Gr.-Lichterfelde-West, 
Univ.-Professor für deutsche Archäologie. 

Prof. Dr. Karl Lehmann-Haupt—Berlin, 

Univ.-Professer für alte Geschichte. 

Obersekretär Hermann Maurer—Berlin. 

Prof. Dr. Ohnesorge — Lübeck. 

Rektor Karl Rademacher — Köln, 

Vorsteher des „Prähistorischen Museums". 

Dr. J. Reimers — Hannover, 

Provinzialkonservator, Direktor des Provinzialmuseums. 
Prof. Dr. Walter — Stettin. 

Generaloberarzt Dr. Georg Wilke — Chemnitz. 

Dr. Ewald Wüst — Halle a. S., 

Privatdozent für Geologie und Paläontologie an der Universität. 
In den Vorstand wurden gewählt. 

1. Vorsitzender: Prof. Dr. Kossinna — Berlin. 

2. Vorsitzender: Geheimrat Prof. Dr. Bezzenberger, 

Königsberg i. Pr. 

3. Vorsitzender: Museumsdirektor Dr. Reimers — Hannover. 

1. Schriftführer: Dr. Kiekebusch — Berlin. 

2. Schriftführer: Generaloberarzt Dr. Wilke — Chemnitz. 

3. Schriftführer: Privatdoz. Dr. Wüst — Halle a. S. 
Schatzmeister: Obersekretär Maurer Berlin. 

XI. Prof. Dr. Ohnesorge-Lübeck dankt im Namen der Anwesenden 
Herrn Prof. Lehmann-Haupt als dem Leiter der heutigen Ver¬ 
sammlung und Herrn Prof. Dr. Kossinna, dessen tatkräftigen und 
unermüdlichen Werbungen es zugeschrieben werden müsse, dass 
die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zur 
Tat geworden sei. 

XII. Schlusswort des Herrn Prof. Dr. Kossinna: 

„M. H! Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Erscheinen und Ihre 
verständnisvolle und einträchtige Mithilfe bei den ersten Anfängen 


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Gründungs-Versammlung. 


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einer eigenen Arbeitsorganisation unserer Wissenschaft. Ich muss 
ein Wort Bismarcks mit geringer Änderung hier anwenden: 
„Setzen wir die Vorgeschichte in den Sattel! Reiten wird sie 
schon können!“ Und nun zum Schluss ein Heil der Vorgeschichte 
und allen, die es gut mit ihr meinen“. 

Nach Schluss der Sitzung fand im Ratskeller ein gemeinschaft¬ 
liches Mahl statt, an dem sich 25 Mitglieder beteiligten und bei 
dem zu dem erwünschten Ausbau persönlicher Beziehungen viel¬ 
versprechende Anfänge gemacht wurden. 

An Seine Majestät den Deutschen Kaiser wurde folgendes 
Huldigungstelegramm gesandt: 

An des Kaisers und Königs Majestät! 

Die in Berlin aus allen deutschen Gauen versammelten 
Vertreter der Vorgeschichtsforschung, die soeben die 
„Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte“ gegründet 
haben mit dem Ziel, die Anfänge europäischer Kultur 
aufzuhellen, bitten, Ew. Majestät als dem erhabenen 
Förderer aller Wissenschaften ihre ehrfurchtsvolle 
Huldigung darbringen zu dürfen. 

I. A: Der Vorsitzende 

Universitätsprofessor Dr. Gustaf Kossinna, Berlin. 

Am nächsten Tage lief beim 1. Vorsitzenden folgendes Tele¬ 
gramm ein: 

Herrn Prof. Dr. Kossinna, Gr. Lichterfelde, Karlstr. 10. 

Seine Majestät der Kaiser und König lassen für die 
Meldung von der Gründung der „Deutschen Gesell¬ 
schaft für Vorgeschichte“ und den Huldigungsgruss 
danken. 

Auf Allerhöchsten Befehl 
der Geheime Kabinettsrat von Valentini. 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte 


Satzungen. 

I. Name, Zweck, Sitz und Geschäftsjahr der Gesellschaft. 

§ 1 . 

Die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte bezweckt den Zu¬ 
sammenschluss der Vertreter und Freunde der Vorgeschichte zur 
Wahrnehmung aller Interessen der Vorgeschichte: Pflege vorgeschicht¬ 
licher Forschung, Verbreitung vorgeschichtlicher Kenntnisse, Schutz 
vorgeschichtlicher Denkmäler und Verhinderung des Raubbaues. 

§ 2 . 

Um diesen Zweck zu erreichen, tritt die Gesellschaft in enge 
Verbindung mit den Provinzial- und Lokalvereinen für Vorgeschichte 
und regt dort, wo Mangel an solchen empfunden wird, zu Neugrün¬ 
dungen an. Als eigenes Arbeitsgebiet behält sie sich die Veranstaltung 
der Hauptversammlung und die Herausgabe einer Zeitschrift vor. 

§ 3. 

Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Berlin. 

§ 4. 

Das Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr. 

II. Organisation. 

§ 5. 

An der Spitze der Gesellschaft steht ein Vorstand von 7 Mit¬ 
gliedern: 3 Vorsitzende, 3 Schriftführer und 1 Schatzmeister. Dieser 
Vorstand wird bei Gelegenheit der Hauptversammlung durch den Aus¬ 
schuss aus dessen Mitte auf 3 Jahre gewählt und hat innerhalb der 
Wahlperiode das Recht der Zuwahl. Der Vorstand gibt sich eine 
Geschäftsordnung. 


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Satzungen. 


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§ 6 . 

Der Ausschuss, der aus 15 Mitgliedern besteht, wird durch die 
Hauptversammlung auf Grund einer vom Vorstande vorzulegenden Liste 
von 30 Namen auf 3 Jahre gewählt und ergänzt sich innerhalb der 
Wahlperiode durch Zuwahl. 


§ 7. 

Die Mitgliedschaft wird durch Anmeldung beim Vorstande unter 
Berufung auf zwei Mitglieder nachgesucht. Über die Aufnahme ent¬ 
scheidet der Vorstand. Die Ernennung zu korrespondierenden und 
Ehren-Mitgliedern erfolgt auf Antrag des Vorstandes durch den Ausschuss. 


§ 8 . 


Die Mitgliedschaft erlischt: 

a) durch Austritt, der schriftlich vor Schluss des Geschäfts¬ 
jahres erklärt werden muss, 

b) durch Ausschliessung mittelst einer Mehrheit von */s des 
Ausschusses. 


III. Beitragszahlung. 

§ 9. 

Jedes Mitglied zahlt einen Jahresbeitrag von 10 Mark und erhält 
dafür die Zeitschrift der Gesellschaft. Durch Zahlung eines einmaligen 
Beitrages von 300 Mark wird die immerwährende Mitgliedschaft erworben. 


IV. Hauptversammlung. 

§ 10 . 

Alljährlich findet eine Hauptversammlung statt, die den Jahres¬ 
bericht des Vorstandes entgegennimmt und dem Schatzmeister Ent¬ 
lastung erteilt. 

Den Ort der Hauptversammlung bestimmt der Ausschuss. 


V. Zweiggesellschaften. 

§ 11 . 

Vereinigungen von Mitgliedern der „Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte“ zu Zweiggesellschaften haben das Recht, sich eigene 
Satzungen zu geben, die jedoch nicht in Widerspruch zu den Satzungen 
der Hauptgesellschaft stehen dürfen. 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 


Satzungsänderungen und Auflösung. 

§ 12 . 

Eine Änderung der Satzungen oder die Auflösung der Gesellschaft 
kann nur durch die Hauptversammlung, die in letzterem Falle auch 
über das Gesellschaftsvermögen entscheidet, mit Dreiviertel-Mehrheit 
vorgenommen werden. Anträge müssen dem Vorstande 8 Wochen 
vorher eingereicht und in ihrem Wortlaute den Mitgliedern mit der 
Einladung zur Hauptversammlung zugestellt werden. 

Der Vorstand: 

I. A. 

Univ.-Prof. Dr. Gustaf Kossinna 
I. Vorsitzender. 




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Per Ursprung der Urfinnen und der Urindoger- 
manen und ihre Ausbreitung nach dem Osten. 

Vortrag gehalten am 18. Juli 1908 

von Gustaf Kossinna. 

1. Urfinnen und Nordindogermanen. 

Mit 25 Textabbildungen und 11 Tafeln. 

Vorbemerkung: Es lag ursprünglich in meiner Absicht, diesen Vortrag 
mit Ausfüllung der vorhandenen mittleren Lücke und genauen Literaturangaben 
gesondert herauszugeben. Da aber zunächst mehrmonatige Reisen, dann die Grün¬ 
dung und nun fortgesetzt cie weitere Organisation der Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte mich vollkommen in Beschlag nehmen, wollte ich nicht länger zögern, 
die schriftliche Unterlage meines Vortrages, wie sie im Juli vorigen Jahres ab¬ 
gefasst war, weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was mir von vielen Seiten 
dringend empfohlen worden ist. Es sei hier gleich bemerkt, dass dieser Vortrag 
Anschauungen wiedergibt, wie ich sie grösstenteils, beispielsweise über die Ancylus- 
kultur und ihre Herleitung aus dem Magdalenien Westeuropas bereits in meinen Vor¬ 
lesungen über die Steinzeit in den Wintersemestern 1904/5 und 1906/7, sowie über das 
indogermanische Urvolk im Wintersemester 1905/6 und nur zu einem kleineren 
Teile erst in einer Wiederholung dieses letzten Kollegs im Wintersemester 1907/8 
ausgesprochen habe. — Diese Bemerkung erscheint darum besonders notwendig, 
weil zufällig gerade bald nach meinem Vortrage eine ganze Reihe einschlägiger 
Arbeiten erschienen sind, die ich, selbst wenn ich ihnen in keinem Punkte zu 
folgen imstande wäre, nicht in die Erörterung ziehen könnte, ohne das Gefüge 
meiner Darstellung sei es auch nur durch Erweiterung ganz wesentlich zu ändern. 
Am wenigsten gilt dies von den in der Mainzer Zeitschrift Jahrg. III. 1908 er¬ 
schienenen Kompilationen über die frühneolithische Zeit in Deutschland, die den 
von mir mitgeteilten Tatsachen und Anschauungen weder etwas hinzuzutun noch 
etwas abzutragen geeignet ist. — Dagegen berührt sich mit meinen Anschauungen 
und Ergebnissen, wenn auch keineswegs in den ethnologischen Hauptsachen, wo wir 
sehr auseinandergehen, so doch in zahlreichen . Einzelheiten archäologischer 
Forschung die durchaus gediegene Arbeit von Wilke über „Neolithische Keramik 
und Arierproblem“ (Archiv f. Anthropologie 1909). Dasselbe Heft des Archivs bringt 
zwei Arbeiten zur Anthropologie des neolithischen Mitteleuropa, deren Ergebnisse 
ich durchaus anerkenne und vielleicht ohne grössere Schwierigkeit in meinen 
Vortrag hätte hinarbeiten können, wenn mir die nötige Müsse zu Gebote gestanden 
hätte; es sind das die Abhandlungen von O. Reche, Zur Anthropologie der jüngeren 
Steinzeit in Schlesien und Böhmen, und von A. Schliz, Die vorgeschichtlichen 
Mannus. Bd. I. 2 


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Gustaf Kossinna. 


[2 


Schädeltypen der deutschen Länder in ihren Beziehungen zu den einzelnen Kultur¬ 
kreisen der Urgeschichte. Namentlich die letztere ist von einschneidender Bedeutung 
durch die Bestätigung, die nun von der anthropologischen Seite her meine schon 1902 
rein auf kultureller Grundlage vorgenommene Zuweisung der Bevölkerung des 
Rössener Stiles zur nordischen Gruppe, dagegen der bis dahin von anderen mit 
ihr gleichgestellten Bevölkerung des Grossgartacher Stiles, wie auch des Hinkel¬ 
steinstiles und ganz natürlich der Spiralkeramik zur donauländischen Gruppe er¬ 
fährt. Überhaupt wird Schlizens anthropologischer Nachweis, dass die archäo¬ 
logisch festgestellten Kulturkreise nicht in beliebiger Weite und Form 
ausgespreitete Kulturteppiche sind, sondern, wie es von mir zuerst und stetig auf¬ 
gefasst worden ist, wirklich getragen waren von wohlcharakterisierten 
Volksstäm m en m it bestimmtem s o m a t i s c h - a n t h ro p o 1 og i sc h e m Ha¬ 
bitus, der kleinen, aber um so anmasslicheren Schreiergruppe der „Nicht¬ 
ethnologen“ unter den Vorgeschichtsforschern hoffentlich wenigstens für einige Zeit 
einen wohltätigen Dämpfer aufsetzen und ihnen endlich die ernste Frage nahelegen, 
ob ihr verständnisloses Abweisen der ethnologischen Gesichtspunkte auf einem 
eigensinnigen blossen Nichtwollen oder vielleicht auf einem durch mangelhaftes 
Erkennen hervorgerufenen Nichtkönnen beruht. 

Trotzdem ist es besser, dass mein Vortrag die ihm ursprünglich geliehene 
Gestalt beibehalten hat, damit man den Anteil der verschiedenen Forschungsweisen 
an den gesicherten Ergebnissen der jetzigen Behandlung der indogermanischen 
Frage klarer erkennen kann. Im übrigen habe ich nur selten einmal auf diese 
oder jene allerneueste, im Texte noch nicht benutzte Literaturerscheinung, die 
nur für Einzelfragen von Bedeutung ist, anmerkungsweise hingewiesen. 


Als ich zuerst meine Absicht kund gab, heute über die Indoger¬ 
manen zu sprechen, begegnete ich der erschrockenen Frage, ob ich 
denn den ganzen Stoff behandeln wollte. Nun, ich kann Sie be¬ 
ruhigen , das will ich nicht, weil dazu die Vorlesung eines ganzen 
Wintersemesters nicht ausreichen würde. So kompliziert ist die „in¬ 
dogermanische Frage“ hauptsächlich dadurch, dass erst eine Unmenge 
„Vorfragen“ aus allen möglichen Wissenschaften ins Reine zu bringen 
sind. Die Erledigung dieser Vorfragen nahm in meinem schon mehrere 
Male gelesenen Kolleg über die indogermanische Urzeit stets soviel 
Zeit in Anspruch, dass ich die Entstehung und Ausbreitung der Indo¬ 
germanen selbst nur in einem kurzen Anhang behandeln konnte. Diese 
Vorfragen lasse ich heute beiseite, muss aber, um Verständnis zu 
finden, für einige dieser Fragen meinen festen Standpunkt genau kund tun. 

Zunächst über die indogermanische Ursprache. Da war es vor 
einiger Zeit Mode — heute ist es Gott sei Dank wieder nicht mehr so 
der Fall —, sich in hyperkritischen Zweifeln zu gefallen, ob es eine solche 


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3] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. J Q 


Ursprache überhaupt gegeben habe. Selbst Sprachforscher und Sprachver- 
gleicher machten die Mode mit und sprachen mit überlegener Selbstironie 
von der nur hypothetisch angesetzten Ursprache als einem Phantom, dessen 
Wiederaufbau nur den Zweck habe, zu den ältesten erreichbaren Sprach- 
formen der Einzelsprachen zu gelangen und diese zu erklären. Sie 
spotteten so ihrer selbst und wussten nicht wie. Aber es waren das 
solche Sprachforscher, die nur am grünen Tisch arbeiteten, ohne ge¬ 
nügend Geschichte und Volksforschung zu kennen. Die Realforscher 
unter den Sprachgelehrten haben diese, wie alle ungesunde Hyper¬ 
kritik, im Grunde ganz unwissenschaftliche Mode abgetan oder nie 
mitgemacht, aber bei Naturforschern findet man sie auch heute immer 
noch. 

Wenn es also eine indogermanische Ursprache für mich unter allen 
Umständen gegeben hat, dann natürlich auch ein indogermanisches 
Urvolk. Der Zweifel hieran entspringt einem beinah noch unklareren 
Denken, als der Zweifel an der Ursprache. Denn eine lebendige 
Sprache ohne scharf umrissenes Volk, das sie spricht, ist ein Unding. 

Dieses Volk muss wie alle Völker ursprünglich auf einem ver¬ 
hältnismässig engen Raume gewohnt haben, wo es eben entstanden ist. 
In so ausgedehnten Räumen, wie etwa das ganze Flachland von Nord¬ 
frankreich durch Norddeutschland und Mittelrussland bis zum Ural hin, 
wo in früheren und jetzigen Zeiten einige, freilich wenige Sprach¬ 
forscher, aber auch ein Mann wie Ratzel die Urheimat der Indoger¬ 
manen sahen und sehen — in solchen Räumen entsteht kein Volk — 
ganz abgesehen davon, dass schon die archäologischen Verhältnisse 
gerade diese Annahme ganz unmöglich erscheinen lassen. 

Also ein Urvolk mit einer indogermanischen Ursprache 
auf nicht zu grossem Raume. 

Und dies Urvolk hatte auch einen bestimmten Typus, wie das 
zwar nicht bei einem modernen Volk, wohl aber bei einem Urvolk nur 
natürlich ist. Wenn Sie also wollen, setzen Sie hier meinetwegen auch 
das verpönte Wort „Rasse“ ein. Der bekannte Spott über das „kurz¬ 
köpfige Wörterbuch“ als Gegenstück zur „indogermanischen Rasse“ 
schreckt mich so wenig, dass er vielmehr nicht den geringsten Eindruck 
auf mich macht. Selbstverständlich warne ich die Anfänger in der 
Vorgeschichte stets vor der Verwechslung der Begriffe „Volk“ und 
„Rasse“. Hier liegt die Sache aber denn doch anders; man darf auch 
hier nicht Prinzipienreiterei treiben, sondern muss daran denken, dass, 
je weiter wir in die Vorzeit zurückgehen, desto mehr die den Be¬ 
griffen „Rasse“ und „Volk“ zugrunde liegenden Tatsachenunterschiede 
schwinden, so dass schliesslich beide Begriffe zusammenfallen. Hier 

2 * 


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Gustaf Kossinna. 


[4 


haben wir einfach die geschichtlichen Tatsachen sprechen zu lassen. 
Die ältesten Geschichtsquellen und Denkmäler, und auf die ältesten 
kommt es allein an, bezeugen die Indogermanen ausnahmslos als 
hochgewachsen und mit heller Komplexion; die Gräberfunde fügen dazu 
die Langköpfigkeit und drittens spricht die Häufigkeit der Vereinigung 
gerade dieser drei Merkmale in einem und demselben Typus bei den 
heutigen Völkern derjenigen Länder, die für die Urheimat der Indo¬ 
germanen in Betracht kommen, d. h. also Europa ohne die drei süd¬ 
lichen Halbinseln und ohne Osteuropa oder Nordosteuropa, für jenen 
Typus als indogermanischen Typus, der also dasselbe ist, was wir heute 
den nordischen oder nordeuropäischen Typus nennen. Diese vier Dinge, 
d. h. indogermanische Ursprache, indogermanisches Urvolk, kleinerer 
Urraum als Urheimat und nordischer Typus der Indogermanen, sind 
heute für mich indiskutabel, da ich ein ungeheueres Material in Be¬ 
wegung setzen müsste, um die Gründe hierfür vorzuführen. 

Um den Ursprung der Indogermanen zu ermitteln, ist es also 
nach meiner Ansicht nur nötig, die früheste Verbreitung des nordischen 
Typus in Europa zu ermitteln. Das war auch schon mein Standpunkt, 
als ich im Jahre 1902 meine archäologische Beleuchtung der indoger¬ 
manischen Frage in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlichte. Leider 
hat mich damals noch die anthropologische Forschung im Stich ge¬ 
lassen, so dass ich in einem sehr wichtigen Punkte zu einem Fehl¬ 
schlüsse kam. 

Ich hatte damals als erster die grosse Zweiteilung der nord- und 
mitteleuropäischen Steinzeitkultur erkannt und bekannt gemacht: auf der 
einen Seite in Skandinavien und Norddeutschland die nordische Kultur mit 
Ausläufern nach Mitteldeutschland und später von hier nach Nord¬ 
österreich, Süddeutschland und der Schweiz, auf der andern Seite im 
ganzen Donaugebiet die sogenannte bandkeramische Kultur, die um¬ 
gekehrt ihre Ausläufer nordwärts nach Mitteldeutschland sendet: zwei 
enorme Gegensätze. Man hat später an gewisser Stelle diese bedeut¬ 
same Klärung ignorieren zu dürfen geglaubt, um überflüssigerweise 
weiter gegen die alte, zu enggefasste Einteilung der Neolithik in Band- 
und Schnurkeramik kämpfen zu können. Es sind dabei neue Ein¬ 
teilungsversuche gemacht worden, es ist von alteuropäischem Horizontal- 
und Vertikalsystem im Gegensatz zum freien Dekorationssystem geredet 
worden. Ein anderer jemand hat statt dessen die Schlagworte „Um¬ 
lauf- und Rahmenstil“ erfunden. Beide aber glaubten mit diesen 
nach ganz einseitigen Gesichtspunkten ausgedachten Scheidungen meine 
auf dem gesamten hinterlassenen Kulturmaterial aufgebauten ethno¬ 
logischen Anschauungen widerlegt zu haben, zeigten aber dadurch nur, 


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5] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 21 


wie wenigen heute immer noch die Fähigkeit zu eindringender ethno¬ 
logisch-archäologischer Erkenntnis gegeben ist. 

Nun schien es damals nach freilich nicht fachmännisch geführten 
Untersuchungen so, als wiesen die mitteldeutschen Ausläufer der 
Bandkeramik in Rheinhessen und in der Pfalz denjenigen anthropolo¬ 
gischen Typus auf, den man den mittelländischen nennt. Und auch 
über die Jordansmühler Skelette ging mir von Breslau aus das Urteil 
zu, sie wären einer kleinwüchsigen, langschädeligen Rasse ange¬ 
hörig. So war es nicht wunderbar, dass ich mich dahin entschied, in 
dem grossen, scheinbar auch anthropologisch bestätigten Gegensatz 
jener beiden Kulturen zugleich den von Indogermanen und Nichtindo¬ 
germanen ausgedrückt zu sehen. 

Seitdem sind nun namentlich durch Paul Bartels (1904) und 
Schliz (1906) treffliche anthropologische Untersuchungen gerade der 
Träger der Donaukultur gemacht worden und haben gezeigt, dass diese 
Stämme gleichfalls, nicht nur in Lengyel, was längst bekannt und von 
mir gebührend hervorgehoben worden war, sondern durchweg einen 
wenn auch wohl nicht völlig nordischen, so doch mit dem nordischen 
nächstverwandten Typus aufweisen. Die vereinzelten Gräber dieser 
Kultur, die in Nordfrankreich begegnen, die hunderte von Gräbern am 
Rhein und Neckar, die wenigen aus Thüringen bekannten, die zahlreichen 
aus Schlesien, endlich die wegen des dort fast allein herrschenden 
Leichenbrands wieder nur in geringerer Zahl beobachteten Skelette aus 
Ostgalizien und vom Dnjepr, sie alle auf dieser weiten Strecke zeigen 
ohne Ausnahme denselben einheitlichen langschädeligen Typus, der sich 
nur durch überall feinere Formen von der eigentlich nordischen Abart 
zu unterscheiden scheint. Und genau so besitzen die unzähligen 
Gräber der nordindogermanischen Schnurkeramiker ausnahmslos den 
einheitlichen gröberen, nordischen Typus mit extremer Dolichocephalie, 
wie er übrigens in Skandinavien keineswegs in dieser Einheitlichkeit an¬ 
zutreffen ist. Damit war meine frühere Ansicht unhaltbar geworden. 

Ich muss aus diesen anthropologischen Gründen jetzt also er¬ 
klären: sowohl die Träger der nordischen Kultur sind Indogermanen, 
wie die Träger der Donaukultur. Der von mir erkannte Gegensatz 
dieser beiden Kulturen, dem sich alle einzelnen neolithischen Kultur¬ 
gruppen nur als verschiedene Erscheinungsformen oder jüngere Ent¬ 
wickelungen ünterordnen, bleibt aber natürlich bestehen, und wir haben 
also damit jetzt schon eine N o r d g r u p p e und eine Südgruppe der 
Indogermanen zu unterscheiden. Ich will gleich jetzt erklären, dass 
für mich kein Zweifel besteht, dass diese beiden Gruppen dieselben 
Urgruppen sind, die die Sprachforschung ermittelt hat, die sie aber 


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Gustaf Kossinna. 


[6 


anders benennt, nämlich West- und Ostindogermanen nach den ge¬ 
schichtlichen Sitzen jener Gruppen. Zur Ostgruppe rechnet die Sprach¬ 
forschung die Arier in Asien und von den europäischen Stämmen die 
Slawoletten und die thrakische Völkerfamilie, zu der auch die Armenier 
in Kleinasien gehören. Deren Ahnen sind nun meine Südindogermanen, 
die Donauleute der Bandkeramik. 

Alle anderen europäischen Indogermanen, also Germanen, Kelten, 
Illyrier, Italiker, Griechen, heissen sprachlich Westindogermanen; deren 
Vorfahren sind nach meiner Ansicht die Träger der nordischen Kultur, 
meine Nordindogermanen. Doch damit kommen wir schon zur Aus¬ 
breitung der Indogermanen. 

Zuerst müssen wir aber noch dem Ursprung der Indogermanen 
weiter nachgehen. 

Ein so ungeheueres Gebiet, von Skandinavien und vom Rhein bis 
zum unteren Dnjepr, kann natürlich nicht als die Urheimat der Indo¬ 
germanen angesehen werden, zumal wir hier schon zwei ganz differen¬ 
zierte Kulturgebiete haben. Mein Vaterland muss „kleiner" sein oder 
gewesen sein, sagt der Urindogermane. Die Frage ist also: lag der 
Entstehungsherd der Indogermanen im Donaugebiet bei den Südindo¬ 
germanen, oder an der Ostsee bei den Nordindogermanen, oder in 
keinem dieser beiden Gebiete, sondern an einer dritten Stelle? 

Hier müssen wir die Siedlungsarchäologie befragen, wie ich sie 
seit Jahrzehnten betreibe. Die Grundsätze sind sehr einfach: zeigt ein 
Gebiet in einer Periode mehr oder weniger starke Besiedlung, in der 
folgenden, d. h. unmittelbar anschliessenden, aber starke Abnahme 
der Siedlungen oder gar Leere, so ist eine Abwanderung der Bevölke¬ 
rung anzusetzen. Wohin die Bevölkerung abgewandert ist, lässt sich 
nur dann mit voller Sicherheit feststellen, wenn wir Anzeichen einer 
Fortsetzung, d. h. meist einer jüngeren Entwickelung der besonderen 
Kultur der Auswanderer in einem neuen Lande feststellen können. 
Andernfalls aber sind wir auf Mutmassungen oder Wahrscheinlichkeiten 
angewiesen. Umgekehrt liegen Zuwanderungen vor, wenn ein dünn¬ 
bevölkertes Gebiet ganz plötzlich starke Besiedlung aufweist. 

In der neolithischen Epoche sehe ich nun keine Möglichkeit, im 
eigentlichen Gebiete der Indogermanen einen Ausgangspunkt des indo¬ 
germanischen Typus zu finden. Sein Ursprung muss weit älter sein. 
Man hat zwar sehr naturwissenschaftlich sein wollen und gesagt: da, 
wo die stärkste Verbreitung einer Art ist, muss auch ihre Heimat 
liegen, so will es die Botanik. Und daher soll der nordische Typus 
nur aus Skandinavien stammen können. Aber der Mensch ist eben 
keine Pflanze, und so gilt auch jener botanische Grundsatz für die 


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7] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 23 


Menschengeschichte nicht. Denn sonst müssten wir am Ende die Ur¬ 
heimat der Angelsachsen nicht an der deutschen Nordseeküste, sondern 
vielmehr in Nordamerika suchen. So allgemeine Grundsätze sind über¬ 
haupt für alle geschichtliche Forschung eine bedenkliche, ja gefährliche 
Sache. Diese soll vielmehr jedesmal die besonderen Tatsachen unter¬ 
suchen und dann mit umfassendem Wissen und gesundem Menschen¬ 
verstand ihre Schlüsse daraus ziehen. Darum bin ich auch nie ein 
Anhänger der skandinavischen Urheimattheorie gewesen. Der nor¬ 
dische Typus muss weit älteren Ursprungs sein, als dass er aus Skan¬ 
dinavien stammen könnte: er muss in der Diluvialzeit seine Wurzeln haben. 

Wendet man die siedlungsarchäologischen Grundsätze auf die paläo- 
lithische Epoche an, so ergibt sich, wie das auch sonst schon an¬ 
erkannt ist, dass die dünne Bevölkerung von Mittel- und Südost¬ 
europa während der Zwischeneiszeiten von dem dichtest bevölkerten 
Frankreich ausgegangen ist und beim Herannahen jeder neuen Ver¬ 
gletscherung den ungünstigen Wirkungen des Klimas durch Rückwan¬ 
derung nach Westeuropa sich wieder entzogen hat. Ebenso ist es all¬ 
gemein anerkannt, dass die frühneolithische Langkopfrasse von der fran¬ 
zösischen Cro-Magnonrasse abstammen muss; denn sie hat keine andern 
ihr noch näher stehenden unmittelbaren Vorgänger. Es fragt sich nun, 
wann sind diese langschädeligen Neolithiker von Frankreich nach Mittel¬ 
und Nordeuropa ausgewandert? 

So lange ich die Nordindogermanen für die einzige Indoger¬ 
manen-Gruppe hielt, war die Sache einfacher. Jetzt kommen aber 
die Südindogermanen dazu, und da muss ich sagen, ich kann die früheste 
Kultur der Südindogermanen nicht von derjenigen der Nordindogermanen 
ableiten, ebensowenig aber umgekehrt die der Nordindogermanen von der 
der Südindogermanen. Beide Kulturen entstammen also einem fremden 
Gebiete, das in der Hauptsache ein und dasselbe Gebiet gewesen sein muss. 

Untersuchen wir zuerst die nordischen Verhältnisse, weil diese 
früher zu beginnen scheinen. 


I. 

Sieht man ab von der geringfügigen Hinterlassenschaft des 
paläolithischen Menschen, die sich hauptsächlich an einigen Punkten in 
der Umgebung Berlins, bei Eberswalde, bei Edingen in Pommern, bei 
Lübeck und vielleicht auch bei Labiau und Rossitten in Ostpreussen vor¬ 
finden, so wird die früheste Besiedelung, die wir in Norddeutschland 
und Skandinavien feststellen können, durch Geräte bezeugt, die aus 
dem Geweih des von Süden dorthin vereinzelt vorgedrungenen dilu¬ 
vialen Rens hergestellt sind: es handelt sich hierbei nach den bisherigen, 
leider noch gar zu unvollständigen Materialuntersuchungen neben einigen 


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Gustaf Kossinna. 


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rundschaftigen Fischharpunen mit beiderseitigem Widerhaken (Taf. IV, 5), 
die dem Havellande entstammen (Privatbesitz), namentlich um mehrere 
Schaftstangen zu grossen Hacken, Äxten oder vielleicht Würdezeichen aus 
dem zusammenhängenden Gebiete von Schleswig-Holstein, Jütland und 
Fünen, sowie um einen Setzkeil aus Prenzlau (Taf. I, 2, 3). Alle diese 
Geweihstangen weisen eine rundliche Durchbohrung auf, die bei entspre¬ 
chenden Geräten des obersten Magdalenien niemals vorkommt, wenn auch 
die Durchbohrung des Rengeweihes als solche dem Magdalenien wohlbe¬ 
kannt war, wie die sogenannten Kommandostäbe zeigen. Das Fehlen des 



Abb. 1. Typen des Tardenoisien 
(M. Hörnes, d. diluv. Mensch S. 94 Fig. 37). 


diluvialen Rens überall im eigentlichen Frühneolithikum, sein spärliches 
Auftreten in Skandinavien überhaupt, wo es nur im südlichsten Teile 
von Schweden vereinzelt festgestellt werden konnte, beweisen, dass die 
fraglichen Geräte in eine unmittelbar an das Magdalenien anschliessende 
Periode zu setzen sind, d. h. in diejenige Epoche der geologischen 
Entwicklung des Ostseebeckens, die von den schwedischen Eiszeit¬ 
forschern (de Geer) nach einer charakteristischen arktischen Muschel 
die Yoldia-Periode, nach der Verteilung von Wasser und Land 
aber die Eismeer-Periode der Ostsee genannt wird (Karte Taf. 1,1) und von 
mir seit Jahren in die Epoche nach Schluss des Bühlstadiums der 
Alpengletscher Pencks, das wiederum mit der vierten nordischen Dilu¬ 
vialeiszeit (ungerechnet die tertiäre Günzeiszeit) gleichzeitig ist, ge¬ 
setzt wird. 

Auf welchem Wege wir von diesen Frühzeugen des neolithischen 
Menschen ohne Sprünge weiter zu den reichbezeugten Siedelungen des 


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9] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 25 


eigentlichen Frühneolithikums innerhalb der Ancylus- und Litorina-Pe- 
riode der Ostsee gelangen, darüber gewinnen wir einige chronologische 
Sicherheit nur durch den Vergleich des Nordens mit dem Westen 
Europas, ln Frankreich und Belgien, den klassischen Ländern für alle 
Fragendes Paläolithikums, sind auch die Übergänge ausdemPaläolithikum 
ins Frühneolithikum und die ersten Stufen dieser letztgenannten Epoche 
neuerdings lückenlos und völlig klar aufgedeckt worden. Rutot hat 
schon mehrfach auf die im obersten Magdalenien eingestreut vorkom¬ 
menden Formen einer mikrolithischen Kultur aufmerksam gemacht, d. h. 
Formen von Miniatur-Silexgeräten, die nur mittelst einer Schäftung in 
Gebrauch genommen werden konnten. Diese Art von Geräten des aus¬ 
gehenden Paläolithikums ist die Vorstufe zu der frühstneolithischen Kul¬ 
turstufe des Tardenoisien, benannt nach dem französischen Fundort 
Fere-en-Tardenois (Aisne), worin jene Formen selbständig werden, d. h. 
nunmehr ausschliesslich auftreten (Abb. 1). Denn nicht nur Pfeilspitzen, 
wie man früher annahm, sondern alle für den damaligen Menschen not¬ 
wendigen Geräte enthält das Tardenoisien: Beile, Messer, Schaber, 
Hobel, Bohrer, und die Mehrzahl dieser Stücke zeigt die kleine, eigen¬ 
tümliche, drei- bis viereckige, sogenannte „geometrische" Gestalt. Auch 
in Norddeutschland gibt es zahlreiche Wohnstätten mit einer solchen 
Kulturhinterlassenschaft, die man früher Feuersteinwerkstätten nannte. 
Ich erwähne nur die im Berliner Museum für Völkerkunde vorhandenen 
Proben aus solchen Wohnstätten des Havel- und Spreegebietes, wie 
Kladow und Schmöckwitz, ferner solche aus der Lüneburger Heide. 

Während das Tardenoisien keinen Abbruch der Kultur, sondern 
eine, wenn auch einseitige Weiterbildung seiner Vorstufe darstellt, folgt 
ihm in Belgien und Nordfrankreich, teilweise auch in Mittelfrankreich, 
sowie im ganzen Dordognegebiet eine Kultur mit völlig andersartigem, 
archaischem Charakter, bei der die Silexgeräte — überwiegend Hohl¬ 
schaber, während Pfeilspitzen unbekannt sind — wieder in ganz früh¬ 
diluvial - eolithischer Weise mittels eines als Retoucheur dienenden 
rohen Silexknollens nur ganz grob handlich zugehauen werden und 
allein die „pics" genannten Schlägel, selten und noch unvollkommen 
auch die „Spalter“ (tranchets) eine beabsichtigte Form erhalten. Rutot 
schreibt diese Kultur einem fremden Barbarenvolke zu, dessen Ein¬ 
bruch den Untergang der vorgeschrittenen Kulturstufe des Tardenoisien 
herbeigeführt habe. Ich denke weniger an den Einbruch einer fremden 
Bevölkerung, für die ein Ursprungsgebiet nicht zu ermitteln ist, als 
vielmehr an das Emporkommen einer bestimmten Rasse, nämlich der 
kurzköpfigen, gegenüber der bisher in Alleinherrschaft befindlichen Cro- 
Magnon-Rasse. Rutot hat 1905 diese Kultur nach einem Hauptfundorte, 
Flenu bei Mons in Belgien, das Flenusien (Taf. II) genannt. Dieser 


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Gustaf Kossinna. 


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Stufe entspricht in Norddeutschland diejenige makroHthische Silexkultur, 
die wir in ein frühes Stadium der Ancylus-Periode der Ostsee setzen 



Abb. 2. Ostseegebiet in der Ancylus-Periode 
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden. Taf. 5). 


müssen, d. h. jener Periode, in der die Ostsee infolge starker Land¬ 
hebung namentlich im Süden des Beckens einen geschlossenen Binnensee 
bildete, ein Süsswasserbecken mit Süsswassermollusken, wie die Ancylus- 
Schnecke (Karte s. Abb. 2). Eine Fundstätte solcher Silexgeräte ist vor 


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11] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 27 


kurzem am Rande eines Moores bei Kalbe a. d. Milde in der Altmark aufge¬ 
deckt und beschrieben worden (Taf. 111), während jenes Moor selbst vor 
Jahrzehnten schon treffliche Vertreter eines etwas jüngeren Stadiums der 
Ancylus-Kultur herausgegeben hat. Fällt die Yoldia - Periode aller¬ 
mindestens zehntausend Jahre vor Christus, so wird die Ancylus- 
Periode, die dem Gschnitz-Stadium der Alpeneiszeiten Pencks ent¬ 
spricht, wie die anschliessende Litorina-Periode dem Stadium der 
Daun-Moränen parallel geht, um 8000 vor Christus oder noch früher 
anzusetzen sein. 

Während der voll entwickelten Ancylus-Periode, d. h. jenes 
Stadiums dieser Periode, da statt der Birken- und Zitterpappelbestände 
schon Kiefernflora und etwa das heutige Klima in Dänemark herrschte, 
ist in Norddeutschland von Hannover bis Ostpreussen, in Dänemark, 
in Südschweden nordwärts bis zur Seensenke und in den baltischen 
Provinzen eine Kultur sehr reich vertreten, die weniger durch Silex¬ 
geräte als durch Geräte aus Knochen und Geweih charakterisiert wird. 
Unvergänglich wird Georg Sarauws Verdienst bleiben, der aus dem 
bisherigen unklaren Gewirr frühstneolithischer Erscheinungen diese Stufe 
sauber herausgeschält und ebenso klar als erschöpfend im Jahre 1903 
dargestellt hat 1 ). Elch und Urstier sind jetzt im ganzen Umkreise die 
bedeutungsvollsten Tiere im Leben des Menschen und für Dänemark 
durchaus zeitbestimmend. Offenkundigst weist diese Kultur auf das 
Magdalenien Süd- und Mittelfrankreichs, Belgiens und des Oberrhein¬ 
gebietes als ihren Vorgänger hin. So finden sich jetzt zahlreiche Typen, 
die während des Magdalenien aus Rengeweih hergestellt wurden, ent¬ 
weder in derselben oder in weitergebildeter Form wieder, aber nun¬ 
mehr aus Knochen und Geweih vom Elch und Edelhirsch, zuweilen 
vom Urstier, wozu sich weiter die Verwendung der Wildschweinshauer 
gesellt. Um nur einige jener Übereinstimmungen hervorzuheben, wobei 
ich das auch hier ergiebige Gebiet der Steingeräte übergehe, nenne ich 

') Anmerkung. Die seit April 1908 tätige neue Direktion der „Prähisto¬ 
rischen Abteilung des Kgl. Museums für Völkerkunde in Berlin“, d. h. Carl Schuch¬ 
hardt, hat mit der Einrichtung einer im August fertig gewordenen „Sonderaus¬ 
stellung“ ihre Wirksamkeit begonnen. Schuchhardt selbst hat jedoch hieran keinen 
Anteil genommen, sondern die neue Aufstellung im Museum einem seiner Assistenten 
überlassen. Wenn der „berufenste Vertreter“ der Vorgeschichte Norddeutschlands, 
wie er sich selbst nennt, an diese Aufgabe sich nicht herangewagt hat, wird er 
seine Gründe hierzu gehabt haben, und jeder Kenner wird diese weise Vorsicht 
billigen. Bei dieser Sachlage sollte Schuchhardt aber auch alle Belobigungen des 
geistigen Eigentums Schmidts (Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen, 
Berlin, Oktober 1908) den Kennern überlassen. Dass diese Ausstellung ihrem Ver¬ 
fertiger als Gipfelpunkt in der Entwickelung der heutigen Vorgeschichte erscheint, 
darüber werden sich die Fachleute nicht wundern, wenn sie selbst auch der An- 


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Schaftröhrenäxte mit schräg geschnittener Schneidenfläche aus dem Mittel- 
fussknochen des Urstieres (Abb. 3), wie sie in gleicher Weise das Magda- 
lenien der Freudenthaler Höhle bei Schaffhausen lieferte (Abb. 4). Ebenso 



Abb. 3. '/« Schaftröhrenaxt, 

Magiemose, Seeland 
(Aarböger f. nord. oldk. 1903, 222). 


Abb. 5. Vi EUbogenknochen- 
dolch, Magiemose 
(Aarböger f. n. o. 1903, 232). 


traten die jetzt häufigeren Dolche, die aus dem Ellbogenknochen vom Elch 
oder Edelhirsch geschnitten wurden (Abb. 5), wie schon in der früheren 
Diluvialzeit, so auch in der Rentierzeit Frankreichs auf, wo der EU- 

sicht sein sollten, dass der schöne und umfangreiche Denkmälervorrat nicht ent¬ 
fernt genügend in seinen grossen Zusammenhängen beherrscht und dargestellt 
worden ist, so dass das Ganze einen durchaus unbefriedigenden Eindruck hinter¬ 
lässt und trotz der Auswahl im Grunde noch eine „rudis indigestaque moles“ 
bleibt, auch in den Einzelheiten nicht ohne böse Fehler. Gefreut hat es mich aber, 
dass Schmidt jetzt gelernt hat, dass die ältesten ostdeutschen Buckelurnen nun 
doch nicht in die früheste Bronzezeit gehören, wie er vor einigen Jahren sehr 
bestimmt mich belehren wollte. Dass ich gerade an dieser Stelle auf die Sonder¬ 
ausstellung hinweisen muss, daran ist eine der schlimmsten Sünden im Steinzeit¬ 
saal schuld, wo ebenso wie in dem „Führer“ nicht die geringste Kenntnis vom Be¬ 
stehen der Ancylus-Kultur wahrzunehmen ist. Und dies ist um so belastender, als 
gerade das Berliner Museum, besonders infolge der hervorragenden Stellung der 
Mark Brandenburg innerhalb dieser Epoche, wohl das an einschlägigen Denkmälern 
reichste ist: diese Denkmäler sind nun sämtlich in der Versenkung verschwunden! 


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13 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 29 


bogenknochen des Bären hiefür verwendet wurde. Von den für die 
Ancyluszeit besonders charakteristischen Fischharpunen finden sich so¬ 
wohl die rundschaftigen mit ein- oder seltener beiderseitigen Wider¬ 
haken aus Elchgeweih (Taf. IV, 5, 6, 2f), als die flachen vierkantigen, 
aus Rippen hergestellten, die spiessartig meist nur einen Endwiderhaken 
besitzen (Taf. IV, 2e), endlich auch die einseitig dicht gekerbten (Taf. IV, 2g) 
genau so im Magdalenien aus Rengeweih und Renknochen hergestellt; 
die einseitig dicht gekerbten z. B. im Kesslerloch bei Thaingen (Taf. IV, 3). 
Dagegen werden die breiten, flachen Hirschgeweihharpunen mit ein- 
oder doppelseitigen Widerhaken und steter Schaftlochbohrung, die für 
das durchaus nur westeuropäische Asylien (Tourassien) in Südfrank¬ 
reich, Oberitalien, Schottland und für die Anfänge der Schweizer Pfahl¬ 
bauten charakteristisch sind (Taf. IV, 7), durch einen Fund aus dem 
Kieler Hafen bei Ellerbek (Taf. IV, 8), d$r ein versprengtes Exemplar 
dieser Art aufweist, mit dem gesamten Asylien in eine jüngere Epoche 
gerückt, die einem frühen Stadium der Litorina-Periode parallel läuft. 
Zuweilen zeigen die Ancylus-Harpunen Ornamente, und zwar derselben 
Art wie die paläolithischen, so ein Zickzackband, das auch sonst in der 
Ancyluszeit häufig ist, schon in der Yoldia-Periode (Taf. I, 2 Mitte) 
und ebenso bei paläolithischen Harpunen und anderen Knochen¬ 
geräten, z. B. aus dem Kesslerloch, auftritt. Oder es erscheinen 
naturalistische Tierdarstellungen, so auf einer Harpune von der Ost¬ 
seeinsel Langeland (Taf. IV, I), auch dieses durchaus im Stile des 
Magdalenien. 

Dem Typus der mit eingebohrtem Schaftloch versehenen Hirsch¬ 
geweihhacken (Taf. V, 1—3) entsprechen im Magdalenien solche ohne 
Durchbohrung. Auch diese Geräte zeigen in der Ancylus-Periode zuweilen 
reiche Verzierungen in dem genannten, an französischen Rengeweihstücken 
so häufigen Stile (Taf. VI, 1). Dem einfachen gesellt sich das mehrfache 
Zickzack band, ferner Winkelreihen, Wellenlinien, Längslinien, die mit einem 
Saume kurzer, schräg oder senkrecht gestellter Querstrichelchen oder 
kleiner Keile versehen sind, Dreieck- und Rautengruppen u. a. Ein her¬ 
vorragendes Stück ist ein durchbohrter, feinpolierter Geweihschaft aus 
Kl.-Machnow, Kr. Teltow, nahe Berlin, bei dem diese stark eingetieften Ver¬ 
zierungen, die zumeist ein „ausgespartes Zickzackband“ freilassen, mit 
schwarzer Birkenteerharzmasse emailliert sind (Taf. V, 4, 5). Ähnliches 
Emailmuster weist eine prächtige Harpune von Peitschendorf, Kr. Sens- 
burg in Ostpreussen, auf (Taf. IV, 4). Eine andere Geweihhacke, wahr¬ 
scheinlich aus Elchgeweih, die zu Ystad in Schonen gefunden wurde, 
zeigt neben einem schraffierten Rautenmuster, das keineswegs, wie 
Almgren meint, auf jüngerneolithischen Ursprung hinweist, auf beiden 
Seiten die trefflich eingeritzte Darstellung eines Hirsches oder Rehs 


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14 ] 


(Taf. VI, 2). Besonders reich an geometrischen Verzierungen sind die 
früher als Saumglätter bezeichneten, jetzt als Abhäute- oder Schuppen¬ 
messer gedeuteten, falzbeinartigen, zugespitzten, stets mit einem Anhänge¬ 
loch versehenen Platten aus Edelhirschknochen, die gleichfalls eine 
Erbschaft der Rentierzeit sind, damals aus Rengeweih geschnitten. Schöne 
Beispiele hiefür lieferten das Havelland (Fernewerder Taf. VI, 4), Hol¬ 
stein (Travenort Taf. VI, 3), Dänemark. 

Wie die Harpune, so gehen auch ihre siegreichen Nebenbuhler, 
die Angelhaken, auf Vorbilder und Anfänge des südfranzösischen Magda- 
lenien zurück, wo sie stets einästig gebildet sind, während sie in der 
Ancylus- wie auch in der folgenden Litorina-Periode schon die heutige 
zweiästige Form haben, doch stets mit glatter Spitze, noch ohne den 
in jüngerneolithischer Zeit aufgekommenen Widerhaken (Taf. VI, 5, 6). 
Dasselbe gilt endlich auch von den an beiden Enden filetnadelartig mit 
zwei Spitzen versehenen Netzknüpfern. 

Westwärts der deutschholländischen Grenze lassen sich die Er¬ 
scheinungen der Ancyluskultur durch Holland, Belgien und Nordfrank¬ 
reich bis an die Seine hin verfolgen, indessen doch nur spärlich, so dass 
man sagen muss, diese Kultur entspricht im ganzen einem älteren 
Einfluss, der von dem Magdalenien Süd- und Mittelfrankreichs sowie 
des Ober-Rheintals, keineswegs aber etwa Österreichs ausgeht. Da 
nun dieser Einfluss in ein so gut wie leeres Land kam, so ist es 
klar, dass er sich deckt mit einer Besiedelung gleichen Ursprungs und 
gleicher Richtung. 

Gegenüber dieser mehr auf Südfrankreich zurückweisenden Ein¬ 
wanderung der Leute der Ancyluskultur, zu der sich allerdings gleich¬ 
zeitig Einwanderungen der Leute des mehr nordfranzösischen und belgischen 
Flenusien gesellen, erscheint die weitere Fortsetzung der Ancylus-Kultur 
im Ostseegebiet ausschliesslich auf neue Einwirkungen und Einwanderungen 
aus Nordfrankreich und Belgien zurückzugehen. Gewaltige Landsen¬ 
kungen im Ostseegebiet führen die klimatisch auffallend milde, durch 
Eichenwaldflora gekennzeichnete Litorina-Periode herbei, so genannt 
wiederum nach einer charakteristischen Schnecke dieses Brackwasser¬ 
stadiums der Ostsee (Karte: Abb. 6). Die Kultur dieser Zeit, allbekannt 
als die der ältesten dänischen Muschelhaufen, ist eine Tochter des franzö¬ 
sisch-belgischen Campignien, oder nach Rutot besser Campignyien ge¬ 
schrieben, das wiederum nichts ist als eine in Stoffauswahl und Formgebung 
der Geräte verfeinerte Stufe des alten Flenusien, mit dem es nicht nur im 
Hennegau (Mons), sondern auch anderwärts überaus häufig an den¬ 
selben Fundstätten vereinigt angetroffen wurde. Die Spitzhacken oder 
Schlägel (pics) des Flenusien leben hier weiter, die dort begonnene 


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15] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 31 


Ausbildung der Form der grossen annähernd dreieckigen „Spalter" mit 
jener charakteristischen, durch einen einzigen Hieb zugeschlagenen, 
schiefen, langen Schneide ist jetzt vollendet und wird ganz besonders 



MO*» 


Abb. 6. Ostseegebiet in der Litorina-Periode 
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf. 6). 

bevorzugt (Abb. 7 links). Einen sehr bemerkenswerten Fortschritt bedeutet 
die erste Anfertigung von Tongefässen in zunächst noch rohen Formen, wie 
sie im Asylien, Campignyien und in der Litorina-Kultur (Abb. 8 a) gleich- 


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17] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 33 


zeitig auftritt. Die fast völlige Übereinstimmung jener Schlägel des Campi- 
gnyien mit den Beilen der Muschelhaufen (Abb. 8b), jener „tranchets" mit 
den „Spaltern" (Abb. 8c), der beiderseitigen Spitzen, Bohrer (Abb. 7 
rechts unten; 8d), Rund- und Löffelschaber (Abb. 7 rechts), der „Papagei¬ 
schnäbel" genannten Werkzeuge (Abb. 7 ganz rechts oben), der Sägen, der 
Scheibenkernsteine, Wurfsteine sichern die Annahme einer Einwanderung 
neuer Bevölkerungsnachschübe längs den Küsten der Nordsee von Westen 
nach Osten, und ihre Spuren erscheinen am Südrande der Nordsee nur 
darum ausgelöscht, weil hier bis heute fortdauernde Landverluste den 
Strand der Litorina-Zeit mit Meeresflut bedeckt haben. Ob die oberitalieni¬ 
schen Erscheinungen des Campignyien gleichfalls auf Einwanderung aus 
Nordfrankreich beruhen, wie ich glauben möchte, kann nur durch genaue 
Erforschung der dort unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden 
Kulturperioden, also der Bevölkerungszusammenhänge ermittelt werden, 
wie wir das an der Ostsee zu tun in der Lage sind. 

Während die Ancylus-Kultur gebunden scheint besonders an 
stehende Binnengewässer, ist die Litorina-Kultur, abgesehen von Einzel¬ 
erscheinungen in Polen, wesentlich auf die Küstengebiete beschränkt. 
Sie erscheint in Schleswig-Holstein, Rügen und Vorpommern, östlich 
nicht über Greifswald hinaus, in ganz Dänemark, Schonen und Südnor¬ 
wegen. Aus dem grössten Teile der Länder am Süd- und Ostrande 
des Ostseebeckens hat sich also eine Abwanderung der Bevölkerung 
der Ancylus-Periode vollzogen, nach Osteuropa, wie wir später sehen 
werden. In Norwegen wird diese Epoche fast ausschliesslich durch eine 
Kultur vertreten, in der die Beile vom Nöstvettypus das Hauptcharakte¬ 
ristikum abgeben, ein Typus, der in seinem zuerst, obwohl nur selten 
noch, rhombischen, dann dreieckigen, endlich trapezförmigen Querschnitt 
durchaus den echten Litorina-Silexbeilen (pics) gleicht (Taf. VII, 1—4), 
allein wegen des in Norwegen mangelnden Rohstoffes nicht aus Silex 
hergestellt ist, sondern aus einem möglichst ähnlichen, d. h. harten, 
feinkörnigen Eruptivgestein oder vielfach Hornblende, die sich in der 
Art der damaligen Silextechnik grob zuschlagen Hessen 1 ). 

Die Erkenntnis, dass die Wohnplätze, die jene Beile vom Nöstvet¬ 
typus bergen, ebenso wie die dänischen Muschelhaufen durchaus dem 
Verlauf der weit über dem heutigen Küstensaume liegenden Strandlinien 

*) Bald nachdem ich diesen Vortrag gehalten hatte, erschien eine Schrift 
von A. W. Brögger: Vistefundet, En aeldre Sfenalders Kjökkenmödding fra Jaederen. 
Stavanger 1908, worin Viste in Jaederen als erster Wohnplatz Norwegens be¬ 
schrieben wird, der, abgesehen von dem stärkeren Hervortreten der Erbschaft aus 
der Ancylus-Zeit, mit der dänischen Kultur der Muschelhaufen in Stoff und Ge¬ 
staltung völlig identischen Inhalt birgt. 

Mannus. Bd. I. 3 


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der Litorina-Zeit folgen, dass diese Ansiedelungen aus der Zeit bis zum 
Maximum der Litorina-Senkung stammen, dass endlich dieses Maximum 
nach dem Zusammenstimmen der geologischen und archäologischen 
Berechnung mit grosser Sicherheit um die Zeit von 5000 vor Chr. zu 
setzen ist, — diese Erkenntnisse verdanken wir den jüngsten trefflichen 
Forschungen der beiden Norweger Brögger, Vater und Sohn, des Geo¬ 
logen und des Archäologen. 

Allein, welche Beziehungen liegen hier vor zur indogermanischen 
Frage? Sind diese Frühneolithiker überhaupt Indogermanen? Sind es 
Langköpfe? Müssen es nicht Langköpfe sein, wenn sie von der 
Magdalenien-Bevölkerung Frankreichs und Belgiens abstammen sollen? 

Mit dreifachem Nein beantworte ich diese Fragen. Im Jung- 
paläolithikum Belgiens und des östlichen Nord- und Mittelfrankreichs 
gab es auch eine Kurzkopfrasse, die man nach dem Fundorte 
Grenelle bei Paris oder weniger gut nach dem belgischen Fundort mehr 
mesocephaler Schädel Furfooz benannt hat, eine wahrscheinlich ein¬ 
heimische Rasse, mag sie nun, wie man neuerdings gemeint hat, von 
einem Zweig der Neandertalrasse abstammen oder nicht, mithin völlig 
zu scheiden von den aus Vorder- oder Mittelasien eingewanderten 
Kurzkopfkolonien, deren Ergebnis die sogenannte alpine Rasse ist. 
Desgleichen haben wir in der neolithischen Zeit Frankreichs einen 
starken Prozentsatz Kurzschädel festzustellen, 146 21,2°/o nach der 

letzten Berechnung Salmons von 1895, neben weiteren 145 21,1 °/o 

mesocephaler Schädel gegenüber 397 57,70°/o Langschädel. Leider 

hat die französische Forschung nicht feststellen können, welchen ge¬ 
nauer umschriebenen Kulturen diese neolithischen Kurzschädel Frank¬ 
reichs angehören, die sich von Belgien durch ganz Ostfrankreich bis 
nach dem Mittelmeer erstrecken mit besonders starken Anhäufungen 
im Seinegebiet (Pariser Becken) und an der unteren Rhone. 

Allein in Deutschland sind alle Schädel, die wir mit Bestimmtheit 
der frühneolithischen Periode zuschreiben müssen, ausnahmslos Kurz¬ 
schädel. So aus der Ancylus-Periode die Schädel von Kl. Machnow, Kr. 
Teltow, Spandau (Kopfindex 88,4), Plau in Mecklenburg (Kopfindex 
82), ferner die zahlreichen uralten sogenannten Torfschädel, ich nenne 
die aus Trampe, Kr. Prenzlau (84,1) und Leipzig und die mecklen¬ 
burgischen, über die sich Ludwig Brückner ausgelassen hat, wie die 
aus Dömitz (79,8) und Gnewezin (80). Nicht anschliessen darf man 
hier die in ihrer Zeitstellung nicht gesicherten kurzköpfigen Skelette 
aus dem Rinnekains in Livland, einem Hügel, aus dem zwar reiche 
Fundstücke eines gleich zu besprechenden jüngeren Ausläufers der 
Ancylus-Kultur gehoben, allein auch Gräber der Eisenzeit festgestellt 


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19] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw, 


worden sind. Aus der Litorina-Zeit kennen wir leider nur sehr wenige, 
dazu nicht einmal fachmännisch gehobene Skelette, was wohl der einzige 
Punkt ist, den man an der sonst die höchsten wissenschaftlichen An¬ 
forderungen befriedigenden neueren Untersuchung ., . 
einer Reihe dänischer Muschelhaufen bemängeln kann. 

Die jütländischen Skelette von Ertebölle wie von 

Aamölle (Abb. 9) sind beide gross und kräftig, aber 

über die Schädelbildung ist nichts Sicheres festzu- ffi] 

stellen möglich gewesen. Hier treten ergänzend um- 

gekehrt westeuropäische Tatsachen in die Lücke: 

die Skelette der beim bergmännischen Gewinn der L p j 

Silexknollen aus unterirdischen Kreideschichten durch 

Einsturzmassen verschütteten Arbeiter, wie sie in 

Belgien schon vor langem zu Obourg (Abb. 10), ganz ^ ; 

neuerdings auch zu Strepy entdeckt worden sind, von r 

1,55 m und 1,70 m Länge, die Schädel kurz, der von 


Abb. 10. Bergmannsskelett. Obourg, Belgien (nach A. Rutot: Bull, de la soc. d’anthrop. de Bruxelles. XXIV. PI. I), 


Schon die eigentliche Litorina-Kultur besitzt, wie die zeitlichen 
westeuropäischen Entsprechungen, das Asylien und Campignyien, die 
ersten Anfänge einer neuen Technik der Steinbearbeitung, indem sie 


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Gustaf Kossinna. 


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die Kunst des Schleifens von Knochen und Geweih auf weiche, grob¬ 
körnige Eruptivgesteine, den Grünstein, überträgt. Doch wird zunächst 
nicht die ganze Oberfläche der Steingeräte geschliffen, sondern nur die 
Schneide, wie das schon bei der Hälfte der alttypischen, d. h. drei¬ 
eckigen Nöstvetbeile zu beobachten ist, bei den jüngeren trapezförmigen 
aber, sowie bei den ihnen parallel laufenden südschwedischen Beilen 
des Limnhamntypus (Taf. VIII, 1) durchweg der Fall ist. Damit 
kommen wir in die Periode, in der das trapezoide Nöstvetbeil in 
die völlig internationale Form des stumpfnackigen, allseitig runden 
„Walzenbeils“ (Taf. VIII, 2, 3) übergeht, das in England wie in 
Frankreich und sogar in Nordafrika erscheint, innerhalb Mittel- und 
Nordeuropas aber wesentlich nur in Skandinavien und Nordost¬ 
deutschland , auffallend häufig in der Mark Brandenburg, der nebst 
Ostpreussen stärkestbevölkerten Gegend der Ancylus-Kultur, wo dieses 
Beil also gewissermassen ein späterer, spärlicher Ersatz für die 
fehlende Litorina-Kultur ist. Eigentümlich ist ihm, dass seine ziem¬ 
lich glatte Aussenfläche nicht durch Zuhauen, sondern durch allmäh¬ 
liches, mühsames Abstossen geformt wird. In Norwegen findet sich 
das Walzenbeil noch ganz wie die Litorina-Kultur durchaus gebunden 
an eine Küstenbevölkerung. Es erscheint zudem im Vereine mit einem 
anderen Beiltypus, den ich nur als eine jüngere Erscheinungsform des 
grossen Litorinaspalters ansehen kann, allerdings nicht eines solchen aus 
Feuerstein (Silex), sondern eines aus weicherem Gestein, wie er in 
Norwegen vorkommt, aber mit derselben charakteristischen, einseitig 
angeschärften schiefen Schneide, die nunmehr allerdings nicht mehr 
zugeschlagen, sondern angeschliffen wird. Es ist die von Brögger ge¬ 
kennzeichnete und Vespestadtypus (vgl. Abb. 11 ganz unten rechts) 
genannte Form [aus Elchgeweih vorgebildet schon während der Lito- 
rinazeit in dem vorerwähnten (S. 33 Anm.) wichtigen Wohnplatz von 
Viste in jaederen]. 

Eine wichtige Fundstelle dieser früharktischen Kultur, wie 
ich diese Erscheinungen in Skandinavien nennen will, ist ein Wohnplatz 
von Gullrum auf Gotland, der ausserdem ein gleichzeitiges Skelettgrab 
barg. Hier traf man einmal Harpunen, Spitzen, Meissei, Messer und 
Pfriemen aus Elchknochen oder Elchgeweih als Erbschaft der Ancylus- 
Zeit, sowie das eigentümliche Knochenkämmchen der Litorina-Art, 
daneben aber zugleich jungneolithische, mit Widerhaken versehene 
Angelhaken, eine entwickeltere, reichverzierte Keramik, das nur an der 
Schneide geschliffene Grünstein - Walzenbeil, das ganz geschliffene 
Vespestadbeil, endlich — für die Zeitbestimmung dieses Fundes be¬ 
deutungsvoll — aus Dänemark oder Schonen eingeführte geschlagene 
Silexbeile (Abb. 11). 


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21] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 37 

Diese an grösseren Wohnplätzen in Skandinavien erst selten 
angetroffene, in Einzelfunden aber ausserordentlich stark und von 
Dänemark nordwärts bis Lappland und Finnmarken immer zahlreicher 
und dichter auftretende 
arktische Kultur ist ja 
ihrem Hauptinhalte nach 
längst bekannt und 1874 
auf dem internationalen 
Prähistorikerkongress zu 
Stockholm von A. Rygh 
für Norwegen und von 
O. Montelius für Schwe¬ 
den ausführlich be¬ 
schrieben und durch 
Abbildungen erläutert 
worden. Eine grosse 
Rolle spielen hier neben 
den weichsteinigen Ves- 
pestadbeilendieüberden 
ganzen Körper hin ge¬ 
schliffenen Schiefergeräte: Hohlmeissel, Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen 
(Taf. IX, 1, 2). Die Schieferspitzen hat A. W. Brögger wohl mit Recht als 
schon in der Ancylus-Zeit beginnenden Ersatz der frühneolithischen 
Knochenspitzen aufgefasst. Eine zweite Klasse sind die Geräte aus Elch¬ 
geweih, die in der südskandinavischen gleichzeitigen Kultur fehlen, wie 
Harpunen, Angelhaken, Kämme, Löffel. Dazu kommen noch, wie an 
den Wohnstätten auf der norwegischen Insel Kjelmes am Varangerfjord 
(Taf. IX, 3—5), Geräte aus Rengeweih derselben Form, wie die ge¬ 
nannten Elchgeweihgeräte; sie können natürlich nicht von dem längst 
ausgestorbenen Diluvialren Südschwedens stammen, sondern nur von 
der abweichenden, aus Sibirien neu eingewanderten Art des „grön¬ 
ländischen“ Rens. 

Eine ähnliche, vielfach gleichartige arktische Kultur herrscht nun¬ 
mehr auch in Finnland, wo Silex äusserst selten und nur in spät¬ 
nordischen Formen eingeführt wurde, für die einheimischen geschliffenen 
Geräte aber, wie arktische Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen, Meissei 
und Hacken ausschliesslich Grünstein, Sandstein oder Hornblende Ver¬ 
wendung fand (Taf. IX, 6—14). Dass die arktische Kultur in dieser Form 
bis ans Ende der neolithischen Zeit dauerte, zeigen eigenartig durch¬ 
lochte Axthämmer mit herausstehenden Knollen, eine Art Kommandoäxte 
(Taf. IX, 12), wie sie ausserhalb Finnlands zuweilen auch in Skandinavien 
Vorkommen (einmal auch in Brandenburg), ferner durchlochte Axt- 



Abb. 11. Wohnplatzfunde, Gullrum, Gotland 
(nach Svenska fornminnes fören. Tidskr. 1897. X). 


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38 


Gustaf Kossinna. 


[22 


hämmer mit plastischem Tierkopfende (Taf. IX, 11). Auch hier Ton- 
gefässe mit halbkugelförmigem Boden, weiter Öffnung und denselben 




Abb. 12. Finnland (nach A. Hackman, 
die Bronzezeit Finnlands Fig. 3). 


Abb. 13. Finnland (nach A. Hackman, 
die Bronzezeit Finnlands Fig. 4). 



eigenartigen Verzierungen wie in Skandinavien, wobei das Grubenorna¬ 
ment in Horizontalreihen abwechselt mit Zonen von dichtgestellten in 

Schnitt ausgeführtenTannen- 
zweigornamentreihen oder 
von schräggerichteten Punkt¬ 
stichreihen (Abb. 12. 13), 
welch letzteres Ornament 
(z. B. zu Aloppe in Uppland) 
Almgren, vielleicht mit Recht, 
von einem ähnlichen Muster 
der südskandinavischen 
Ganggräber-Keramik herlei¬ 
ten will. Diese Verzierung 
der Tongefässe geht weiter 
über Finnland südwärts nach 
Livland, wo der Rinnekains 
eine solche Keramik auf¬ 
weist, und ostwärts nach 
dem Ladoga- und Onega- 

Abb. 14. Ilmensee (nach Archiv f. Anthrop. N. F. 111. Taf. XV). See Und durchs ganze nörd¬ 
liche und mittlere Russland 
bis zur Wolga, hier besonders stark in den Gouvernements Jaroslaw 
und Wladimir vertreten. 


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Nicht ohne Bedeutung ist es, dass solch ein Gefäss vom Ilmensee 
(Abb. 14) die punktierte Darstellung einer nackten Frau nebst Vierfüssern 


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23] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 39 


aufweist. Wird diese Art der Kunstübung der Menschendarstellung 
in der arktischen Kultur selten angetroffen, so ist um so häufiger die 
Tierzeichnung. Und während die Menschendarstellung, wie auch ander¬ 
wärts zu allen Zeiten schon oft an primitiver Kunstübung beobachtet 
worden ist, wenig gelungen und unbeholfen erscheint, wird die Tierwelt 
in bewunderungswürdiger Naturtreue wiedergegeben, vor allem dasjenige 
Tier, das dem Frühneolithiker seit der Ancylus-Zeit als einziges Haus¬ 
tier stündlich vor Augen war, der Hund. Und zwar muss der Hund 
seinem Aussehen nach von der Art der nordischen Spitze gewesen sein, 
wie ihn jetzt noch die nordischen Fischer- und Jägernomaden, auch 
die Eskimos, die alle ja auch sonst die Ancylus-Kultur in erstaunlicher 
Treue bis heute bewahrt haben, als Haustier züchten. Solch eine 
Hundekopfskulptur mit hochstehenden Ohren, als Gegenstück zu einem 
Menschenkopf an dem anderen Ende, ziert den erwähnten Kamm von 
Gullrum (oben S. 36 f.; Taf. X, 1). Der Fundort Aloppe lieferte zwei 
prächtige, naturalistisch gebildete kleine Elche aus gebranntem Ton 
(Taf. X, 3, 4). Aus einem Moore bei Falköping in Vestergötland stammt 
ein kleiner Bernsteinhängeschmuck in Gestalt eines bärtigen Menschen¬ 
kopfes mit Stirnbinde, dessen tiefe Augenhöhlen zu beiden Seiten der 
balkenförmigen Nase nach einer guten Bemerkung Almgrens ganz auf¬ 
fallend den Menschenkopf des Gullrumer Elchknochenkammes wieder¬ 
holen (Taf. X, 2). Und genau so gestaltet ist das Gesicht eines Bernstein¬ 
hängestückes aus Finnland (Taf. IX, 15) und sind weiter die Gesichter der 
bekannten steinzeitlichen Bernsteinamulettfiguren, die bei Schwarzort 
nächst Memel aus dem Grunde des Kurischen Haffes (Taf. XI, 1—6) 
ausgebaggert worden sind: wichtige Fingerzeige für die feinere Chrono¬ 
logie und die engeren Kulturzusammenhänge im Beginn der jünger- 
neolithischen Zeit l ). Das ostpreussische Bernsteinland hat ja auch 


’) Während der Korrektur kann ich noch auf die neueste Arbeit des unge¬ 
mein rührigen norwegischen Steinzeitforschers A. W. Brögger wenigstens kurz hin- 
weisen : Et norsk ravfund fra stenalderen: Bergens Museums Aarbog 1908. No. 11. 
Es handelt sich um einen neuen und zwar erst den zweiten bedeutenderen stein¬ 
zeitlichen Bernsteinfund Norwegens, aus Linnes, Amt Süddrontheim, wie der frühere 
von Gustafson veröffentlichte aus Herö im Romsdal ein Moorfund arktischer Kultur, 
dessen Herkunft über Schweden (Gotland?) aus Ostpreussen gezeigt wird. Be¬ 
sonderes Gewicht wird auf den Nachweis gelegt, das die gesamte arktische Kultur 
Norwegens aus dem östlichen Schweden und weiter aus den baltischen Provinzen 
Russlands nebst Ostpreussen herübergekommen sei, ein Nachweis, der, selbst wenn 
er sich voll aufrecht erhalten lassen sollte, für die ethnologische Frage und für 
meine hier dargelegten Ansichten überhaupt von untergeordneter Bedeutung wäre. 
Vollere Aufklärung auf diesem Gebiete wird voraussichtlich das zusammenfassende 
Werk Bröggers über die arktische Kultur bringen. 


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40 


Gustaf Kossinna. 


[24 


nach Westen über Norddeutschland manche seiner figürlichen Gebilde 
entsandt, so die bekannten drei Tierfiguren aus Bernstein, den Eber 
von Danzig, den Bären von Stolp in Hinterpommern und den Bären 
oder das Pferd von Woldenberg Kr. Friedeberg in der Neumark, aber 
auch das in diesem Zusammenhang noch nie genannte kleine Menschen¬ 
bild (Taf. X, 5) von Bernburg (Anhalt), das natürlich nichts mit dem in 
seiner Nachbarschaft aufgedeckten spiralkeramischen Grabfund zu tun hat, 
sondern in den Kreis dieser ostpreussischen, arktischen Idole gehört, 
worüber im zweiten Teile dieses Vortrages noch zu r^en sein wird. 
An irgend einen direkten Zusammenhang zwischen der figuralen Skulptur 
der arktischen Kultur und derjenigen des donauländischen und süd¬ 
russischen Kulturkreises der Bandkeramik zu denken, ist für einen 
Kenner der Steinzeitkultur Mittel- und Südosteuropas eine bare Un¬ 
möglichkeit. Dieser Gedanke Almgrens und anderer vor wie nach ihm 
war wirklich kein glücklicher. 

Die weitere Ausbreitung eines jüngeren Stadiums der arktischen 
Kultur, das man natürlich nicht vorschnell mit der Ancylus-Kultur gleich¬ 
setzen darf, über Finnland nach Russland hinein, bezeugen ausser der 
eben berührten Keramik die gleichfalls schon genannten Schaftlochhämmer 
aus Finnland und Russisch Karelien mit jenem Tierkopfende, das wiederum 
nichts anderes darstellt, als den Kopf des arktischen Spitzhundes 
(Taf. IX, 11 ; XI, 10), ein Fortleben des in der arktischen Kultur Skandi¬ 
naviens so zahlreich an Schiefermessern erscheinenden Hundekopfgriffes, 
dessen allmählich bis zur Unkenntlichkeit vorschreitende Degenerierung 
Almgren in eine typologische Reihe gebracht (Taf. XI, 8). Zu den 
Seltenheiten gehört ein Axthammer aus Finnland in Widderkopfgestalt 
(Taf. XI, 2). 

In denselben Kreis gehören die Knochenschnitzereien, Menschen- 
und Tierbilder, die Inostranzeff aus der neolithischen Station des La¬ 
dogasees veröffentlicht hat (Taf. X, 6, 7), endlich in weiterer Ferne die 
merkwürdigen schon stark degenerierten Silexbilder aus Wolosowo im 
Gouvernement Wladimir (Taf. X, 8—11) und andere ostrussische Funde 
gleicher Art. Von entscheidender Bedeutung ist es, dass die einzigen 
gesicherten Schädel dieser Funde, die von Wolosowo, einer kurzköpfigen 
Rasse angehören. 

Noch weiter darüber hinaus bis ins Jenisseigebiet nach Ostsibirien 
führen uns die Gräber mit Skeletten einer kurzköpfigen, doch nicht 
mongolisch gestalteten Menschenart, mit Knochen- und Stein-, aber auch 
schon Kupfergeräten, die an der BasaYkha bei Krasnojarsk aufgedeckt 
wurden, vor allem das Grab eines Schamanen, dem ein plump ge¬ 
schnitztes knöchernes Menschenidol und neben anderen Tierskulpturen 


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25 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 41 


die ausserordentlich naturgetreuen Bilder einer Elchkuh und eines Elch¬ 
kalbes, aus Elchgeweih geschnitzt, beigegeben waren (Taf. XI, 9). Viel¬ 
leicht schliesst sich hieran als letztes Glied dieser langgezogenen Kette 
von Kulturwanderungen am äussersten Meere die Steinzeit der Aino¬ 
stämme. 

Das blosse Vorkommen von Muschelhaufen, die nach Münsterbergs 
Angabe (Japanische Kunstgeschichte I, 70) im Süden des Ainolandes 
älter sein sollen, als im Norden, fällt für unsere Frage kaum ins Gewicht. 
Die ihnen zugehörige Keramik zeigt Mattenabdruck. Eher wären hier 
die bekleideten tönernen Menschenfiguren heranzuziehen, während Tier¬ 
figuren gerade sehr selten sind. Völlige Übereinstimmung zeigen nur 
die von N. G. Munro in seinem soeben erschienenen „Prehistoric Japan“ 
(Yokohama 1908) auf drei Tafeln abgebildeten neolithischen Fischhar¬ 
punen aus Hirschgeweih. Wibling hat bereits vor einem Jahrzehnt die 
arktische Keramik Schwedens und die entsprechende Russlands mit der 
von ihm als sehr ähnlich befundenen der Alaska-Eskimos verglichen, 
die er in Berlin gesehen hat. Allein die mir von Seler aufgewiesenen 
ganz rohen Tongefässe der Ingalik haben trotz der am Halse befind¬ 
lichen Reihe tiefeingedrückter Gruben (keine Grübchen) nicht die ge¬ 
ringste Ähnlichkeit mit arktischer Keramik, wohl aber stimmen die 
Schieferpfeilspitzen und die holzgeschafteten Schiefermesser der Männer 
in auffallendster Weise mit den gleichen Schiefergeräten der arktischen 
Kultur. Diese arktische Kultur nun mit Wibling eine „mongolische“ zu 
nennen, wäre sehr voreilig. Was es mit der von Wibling behaupteten 
Übereinstimmung der Steingeräte der Blekingschen Küstenfunde ark¬ 
tischer Kultur mit den Geräten der Steinzeitleute am Amur auf sich 
habe, konnte ich jetzt, wo die sibirische Sammlung des Berliner 
Museums für den Umzug verpackt ist, nicht ermitteln. 

Dass diese Kulturwanderungen zugleich ein Zeichen, weil eine 
Folge der Ausbreitung eines Stammes sind und zwar eines der grössten 
Stämme der altweltlichen Menschheit, der Finno-Ugrier, steht 
für mich ausser Frage. Aber noch haben wir ein neues, sprechendes 
Zeugnis für dieses Kulturgebiet und die Anfänge jenes Hauptstammes 
zu behandeln, das sind die Felsenzeichnungen. Allbekannt sind ja jene 
skandinavischen Hällristningar, die in unzähligen Wiederholungen einen 
kleinen Kreis von Stoffen vorführen und sich nicht genug erschöpfen 
können an Sonnenrädern und Fusssohlen, an kleineren und grösseren 
bemannten Ruderschiffen, auch wohl an kindlich unbeholfen dargestellten 
Tieren, wie Rindern und Pferden, sowie an Menschen. Das Bohuslän 
und die Smalene sind das Hauptgebiet dieser eigenartigen zu Beginn 
der Bronzezeit einsetzenden Zeichnungen, doch reichen sie in minder 


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Gustaf Kossinna. 


[26 


zahlreicher Verbreitung noch weiter nordwärts, in Schweden bis Upp- 
land, in Norwegen bis zum Drontheimfjord. Diese Zeichnungen tragen 
südskandinavischen Charakter. Ganz anderer Art sind die zum Teil 
erst im letzten Jahrzehnt durch den Norweger Lossius und den Schweden 
Hallström bekannt gewordenen nordskandinavischen Felsenzeichnungen: 
sie gehören der arktischen Kultur an. Ihre Anzahl ist vorläufig noch 
gering, zehn im ganzen, von denen drei auf das schwedische Jämtland, 



Abb. 15. Gebiet arktischer Felsenzeichnungen (1—10) und Felsenmalereien (11—13) in Skandinavien 

(nach .Fornvännen“ 1907, 161). 


die übrigen auf Norwegen fallen und hier vom Drontheimfjord im Land¬ 
inneren nordwärts bis zu dem Ofotenfjord Vorkommen. Ausserdem 
finden sich auf der schwedischen Seite 1 ) noch drei Felsenmalereien, zwei 
in Jämtland und eine in Härjedalen (vgl. die Karte: Abb. 15). Sie 
steigen empor bis zu Höhen von über 500 m wie zu Landverk im 
Jämtlande; einige liegen jedoch so tief, dass sie wohl unterhalb der 
Strandlinie der Litorinasenkung sich befinden, also erst der jüngerneo- 
lithischen Zeit angehören können. 

') In dem soeben (April 1909) mir zugegangenen ersten Hefte des diesjährigen 
„Fornvännen“ S. 55 f. zieht Hallström auch eine norwegische, schon 1878 veröffent¬ 
lichte arktische Felsenmalerei ans Licht, von Hindhammern in Nordmöre. 


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27 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 43 


Sie bieten keine religiösen Darstellungen, keine Genreszenen, keine 
Geschichtsdarstellungen, wie die Wikingerkriegszüge über See auf den 
südskandinavischen, germanischen Felsenritzungen, sondern lediglich 
Wildtiere des Hochlandes, den 
Bären, den Elch, das Ren in 
meist wunderbar naturalistischer 
Vollendung der Umrisse, gegen 
die jene südskandinavischen 
Tierdarstellungen armselige 
Stümperei sind. Wir haben 
hier in ausgesprochener Weise 
an einer und derselben Stelle 
die Gegensätze nebeneinander: 
auf der einen Seite das primi¬ 
tive, allein von der grossen 
Stärke der Erinnerung geleitete, 
vom Denken aber unbeirrte 
Schaffen einer direkt aus der 
Natur schöpfenden Jägerkunst, 
auf der anderen Seite das in 
hohem Masse durch star¬ 
kes seelisches Innenleben 
und gedankliche Vorstel¬ 
lungen beeinflusste Bilden 
der mehr aus fernerer 
blässerer Erinnerung 
schaffenden Phantasie des 
kultivierten, an das Haus 
gebundenen Ackerbauers 
und Viehzüchters; Gegen¬ 
sätze, die man neuerdings 
unter die Schlagworte 
„physioplastische“ und 
„idioplastische“ Kunst ge¬ 
bracht hat. 

Wiedergegeben seien 
hier zunächst die bei¬ 
den Zeichnungen von 
Landverk in Jämtland 
(Karte Nr. 3, Abb. 16.17) 
und von Böla im Dront- 

heimfjord (Karte Nr. 6, Abb. 19. 20. Böla (nach „Fornvännen“ 1908, 70f ). 





Abb. 16. 17. Landverk (nach .Fornvännen* 1907, 186, 187). 



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Gustaf Kossinna. 


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Abb. 18—20). Das leider stark abgewaschene Bild von Landverk 
zeigt einen Elch, dem nachstellend ein Bär folgt. Störend an der 





Abb. 21. Bardal (nach .Fornvännen* 1908, 63). 


strengen Profilauffassung ist nach Hallströms richtiger Bemerkung nur 
die Wiedergabe je zweier Ohren, bei denen übrigens auch die Ohr¬ 
muschel angedeutet ist, statt eines einzigen. In Böla, wo bis 1897 

der nördlichste bekannte 
Fundort der Felsenzeich¬ 
nungen lag, befindet sich 
an einer senkrechten Wand 
neben einem kleinen 
Wasserfall ein sehr schön 
naturalistisches Bild eines 
Rens mit ganz eigenartig 
gestaltetem Geweih, wie 
Abb. 22 . Bardal (nach „FomvÄnnen - 1908 , 65). es aber nach der beige¬ 

gebenen Zeichnung eines 



lebendigen Renochsen auch heute noch in der Natur vorkommt. 


Eine der schönsten und zugleich die bedeutsamste ist die ark¬ 
tische Felsenzeichnung von Bardal am Drontheimfjord, die nur 40 m über 
dem Meere angebracht ist (Karte Nr. 5, Abb. 21. 22). Dort befinden sich 


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29J Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 45 


zwei vollständige und mehrere angefangene treffliche Elchbilder, jedes 
3 m lang, 2 m hoch, und gleichzeitig ist die Klippe in einer Länge von 
fast 30 m und einer Breite bis 10 m mit Schälchenvertiefungen, Fuss- 
sohlen, Menschenfiguren, an fünfzig Tieren und hundert Schiffen über- 



Abb. 23. (Nach Congrfes international d’anthrop. et d’arch^ol. VII. Stockholm 1874, T. I, 192). 


zeichnet, von denen eines 4,3 m Länge und 89 Mann Besatzung auf¬ 
weist: dies alles in südskandinavischem Stile. Dass diese letzteren 
jünger, die arktischen Zeichnungen viel älter sind, also weit hinein in 
die jüngere Steinzeit reichen, hat schon Lossius erkannt und Hallström 
neuerdings sicher erwiesen durch die Beobachtung, dass einerseits die 
feineren Linien der Elchumrisse zwar von den breiten, tiefen Rinnen 


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46 Gustaf Kossinna. [30 

der Schiffslinien durchbrochen werden, nicht aber von den ebenso 
breiten Naturfurchen der Klippe, durch die jene Elchumrisslinien, statt 
sie zu überspringen, vielmehr ohne Unterbrechung hindurchlaufen. 

Eine erwünschte Bestätigung des hier behandelten grossen kul¬ 
turell-ethnographischen Zusammenhanges für den ferneren Osten bieten 
die von Aspelin veröffentlichten Felsenzeichnungen vom Onega, denen 
sich wiederum völlig übereinstimmende aus dem Sibirischen anschliessen. 



• = N'östvettypus und arktisch, 

S = Seefinnen \ im 16. Jahr 

L = Lappensicdelungen j hundert, 
x = Finnen-Ortsnamen. 



Verbreitung der Kurzköpfe in Norwegen 
(nach A. M. Hansen, Landnlm i Norge 
Tf. VI. VII). 


Es ist sehr bedauerlich, dass die von Savenkow bewirkten Auf¬ 
nahmen der Felsenzeichnungen aus dem Jenisseigebiet, die nach seinem 
Urteil eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den Schöpfungen des Künstlers 
von der BasaYkha (oben S. 40) besitzen, vor ihrer Veröffentlichung 
ihm abhanden gekommen sind und darum zum Vergleich hier nicht 
näher herangezogen werden können. 

In wie ausgedehntem Masse die Feststellung der Hinterlassenschaft 
der arktischen Kultur in Skandinavien heute gegenüber dem Stande 
vom Jahre 1874 gewachsen ist, zeigt ein Vergleich der älteren Ver¬ 
breitungskarte von A. Rygh (Abb. 23) mit der neueren von A. M. Hansen, 
jenem gedankenreichen, aber in archäologischen, geologischen und 


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31] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 47 


anthropologischen Fragen vielfach auf unsolidem Boden stehenden Ver¬ 
fasser des Werkes „Landnam i Norge“. Dieser Unterschied bleibt 
wirksam, auch wenn man die zuerst von Hansen als notwendig erkannte 
Einbeziehung der frühneolithischen Siedlungen in die Entwickelung der 
arktischen Kultur als stärksten Zunahmefaktor bei dieser Vergleichung 
ausser Spiel lässt (Abb. 24). 

Setzt man weiter die Verteilung der arktischen Kultur über die 
Küstengebiete Norwegens und die gleichmässige Gebundenheit der 
Litorina-Kultur an die Küstengegend in Vergleich mit der Verbreitung 
der ebenso auf die Küstengebiete beschränkten, aber hier sehr stark 
überwiegenden heutigen norwegischen Kurzkopfbevölkerung, wie dies 
gleichfalls Hansen auf Grund der Untersuchungen von Arbo und Larssen 
getan hat, so ist der innere Zusammenhang dieser Tatsachen un¬ 
verkennbar (Abb. 25). 

Der anthropologische Typus der skandinavischen Kurzköpfe ist in 
der Hauptsache umschrieben durch die Eigenschaften: blond, blauäugig, 
hochgewachsen. Dazu treten weiter die Merkmale einer schräggewölbten 
Stirn und stark vortretender Brauenbögen. Vor allem aber ist wichtig, 
dass die Kurzköpfigkeit nicht hervorragend erscheint, sondern den Index 
80 zeigt oder wenig darüber. Somit haben wir es mit einem Typus 
zu tun, der dem dänischen Steinzeittypus von Borreby entspricht, und 
sogar schon bei den Skeletten der Muschelhaufen, wie wir gesehen 
haben, vorzuliegen scheint. Und auch Schweden bietet heute in seinem 
südlichsten und östlichsten Gebiete, also gerade dort, wo einst die 
Ancylus- und Litorina-Kultur stark vertreten war, verhältnismässig nicht 
unbedeutende Zahlen dieses hellerfarbigen hochgewachsenen Kurzkopfes: 
erreicht doch nach den Untersuchungen von Gustaf Retzius (1902) 
Schonen mit etwa 19°/o Kurzköpfen fast die Zahlen von Westerbotten, 
während Uppland mit 21 °/o nur wenig hinter Lappland mit 23,6 zurück¬ 
steht. Dagegen ist Mittelschweden ein breites Band stärkster Lang- 
köpfigkeit, die in Södermannland nur 5°/o, in Dalsland gar nur 4,86 °/o 
Kurzköpfe neben sich hat. 

In Dänemark muss dieser Kurzkopftypus noch viel allgemeiner sein, 
wenn man die neuerdings von H. P. Steensby für Nordfünen, Anholt und 
Westjütland, von L. Ribbing für Bornholm gewonnenen Ergebnisse auf 
das ganze Land übertragen darf, was nach einer soeben erschienenen 
Darstellung von Sören Hansen zulässig erscheint. Es stimmt dazu, 
dass auch die vorerwähnten belgischen Bergmannsskelette eine mäs- 
sige Kurzköpfigkeit aufweisen. 

Um also aus all diesen archäologischen und anthropologischen 
Erkenntnissen meinen Schluss zu ziehen, so bin ich der Ansicht, dass 


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Gustaf Kossinna. 


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eine Bevölkerung vom Borrebytypus — vielleicht neben einer stark kurz¬ 
köpfigen, die zugleich von kurzem Wüchse war — seit dem Ende des 
Magdalenien in allen Stadien der frühneolithischen Epoche von Frank¬ 
reich, Belgien und dem Oberrhein nach Norddeutschland, Dänemark 
und Südskandinavien gewandert ist und hier die ausgehende paläoli- 
thische Kultur in teilweise neuen Formen weitergebildet hat. Diese 
Bevölkerung muss schon am Schlüsse der Ancylus-Zeit aus Mittel¬ 
schweden und aus dem ganzen östlichen Norddeutschland und den 
baltischen Provinzen ausgewandert und, wie ich glaube, nach Osten 
gezogen sein, da einmal die Litorina-Kultur hier so gut wie unvertreten 
bleibt, dann vor allem aber gerade in diesen Gebieten später und bis 
heute noch der ausgesprochen langschädelige nordische Typus in grös¬ 
serer Reinheit und Stärke vertreten ist. Innerhalb der baltischen 
Provinzen birgt nur der Rinnekains in Livland noch die mit finnischer 
Keramik ausgestattete jüngerarktische Kultur. Dass aber auch auf 
Livland dann der Indogermane seinen Fuss gesetzt hat, zeigt eines 
der bis jetzt noch so seltenen neolithischen Gräber des Ostbaltikums, 
das 1904 zu Woisek Kr. Fellin aufgedeckt worden ist und nach 
R. Weinberg einem extremen Langschädel von rund 67 Längen¬ 
breitenindex zugehörte. Am Ausgang der neolithischen Zeit hat die 
arktische Bevölkerung dann Finnland, das Ladoga-, Onega- und 
Wolga-Gebiet besiedelt. Das mittlere bis untere Wolgagebiet und 
weiter westlich das Land bis in die Nähe des mittleren Dnjeprs 
müssen die Gegenden gewesen sein, wo die Finnen bereits am Ende 
der neolithischen Zeit eine in der finnischen Sprache als Nieder¬ 
schlag noch heute fortbestehende Kultureinwirkung durch die am 
Dnjepr sesshaften Arier erlebt haben, bevor diese nach Asien ab- 
wanderten. ln ähnlicher Weise, wie später die Indogermanen, hat die 
arktische Bevölkerung endlich auch grosse Teile von Asien bis nach 
Ostsibirien und möglicherweise sogar Nordjapan hin mit ihrer Kultur 
und Sprache belegt, um hier jedoch, wiederum ähnlich wie die Arier, 
aber auch wie die Indogermanen Ost- und Südeuropas, dem Blute nach 
von der einheimischen Bevölkerung früher oder später absorbiert zu 
werden. Daher die körperliche Verschiedenheit des in den nördlichen 
Breiten Europas und Asiens weit auseinandergezogenen finno-ugrischen 
Stammes, dessen fremde Rassenbestandteile trotz finnischer Sprache 
uns schon im germanischen Norden durch die Lappen so klar vor Augen 
geführt werden. 

Ist meine Herleitung der finnischen Urbevölkerung richtig, dann 
fallen auch alle die schweren Bedenken fort und werden alle die 
Winkelzüge derjenigen Sprachforscher unnötig, die von der auch mir 
über allem Zweifel sicheren Urverwandtschaft des finnischen und des 


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33] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 4Ö 


indogermanischen Sprachstammes überzeugt sind, aber nun darum, wie 
O. Schräder, — freilich ohne eine Spur sonstiger inneren Nötigung, ja 
Berechtigung — die indogermanische Urheimat möglichst nahe an die 
europäisch-asiatische Grenze zu rücken bestrebt sind. Die gemeinsame 
oder wenigstens nahe benachbarte Urheimat beider Ursprachen in 
Frankreich würde alles genügend erklären. Während nun aus Nord¬ 
deutschland, den baltischen Provinzen und Mittelschweden die arktisch¬ 
finnische Bevölkerung zeitig abrückte, war ihr in Dänemark, Südschweden 
und Norwegen bei dem späteren Eindringen einer neuen überlegenen 
Bevölkerung ein Ausweichen und Abwandern nach aussen hin nicht 
möglich oder dieses trat wenigstens nicht ein, wie die heutigen anthro¬ 
pologischen Verhältnisse beweisen. Die Urbevölkerung wurde hier 
gegen Ende der neolithischen Zeit von den neuen südwärts hergekom¬ 
menen Eindringlingen unterworfen und verlor den Besitz der eigenen 
altererbten Kultur, von der innerhalb der skandinavischen Bronzezeit 
oder gleichzeitig mit ihr sich nicht mehr die geringsten Spuren finden. 
Es ist daher durchaus irrig, mit Montelius von der arktischen Kultur 
als von einer „lappischen“ Kultur zu reden, die seit der Steinzeit her 
in Skandinavien alle Perioden bis auf unsere Tage überdauert haben 
soll, selbst wenn wir nicht wüssten, wie spät die heutigen Lappen 
in Skandinavien eingewandert sind. 


II. 

Wie die Verschmelzung der arktischen und der skandinavisch-indo¬ 
germanischen Bevölkerung in eine in gewissem Sinne neue, die skandina¬ 
visch-germanische, sich vollzogen hat, ist schwer zu sagen. Kleine, aller¬ 
dings doch recht unsichere archäologische Anzeichen einer Vermischung 
könnten vielleicht schon Wohnstättenfunde in Jaederen (Vespestad, Hole¬ 
heien) und Uppland (Aloppe) und ein Skelettgrab in Gotland (Gothem) 
andeuten, woselbst unter hauptsächlich arktischen Steingeräten auch 
eine geringe Anzahl südskandinavischer Silexgeräte erschienen. Allein 
man muss annehmen, dass die Indogermanen durch strenge Vermeidung 
der Ehegemeinschaft mit Arktiern ihren rein nordischen Typus lange 
bewahrt haben. Als unterworfene, versklavte Leute konnte die arktische 
Bevölkerung weder im Staats- noch im Kriegsleben eine Rolle spielen, 
kam daher auch beim Aussenden eines ver sacrum der jungen Mann¬ 
schaften von Skandinavien nach Süden, d. h. nach Deutschland, wenig 
in Betracht. Beweis ist die anthropologisch unvergleichlich rein nordisch 
gestaltete Bevölkerung, die von Norddeutschland aus während der Stein¬ 
zeit das mittlere und südliche Mitteleuropa besetzte und ebenso die¬ 
jenige Bevölkerung, die von Dänemark und Schleswig-Holstein aus im 

Mannus. Bd. I. 4 


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50 


Gustaf Kossinna. 


[34 


Laufe der zweiten Bronzezeitperiode Nordwestdeutschland, insonderheit 
Hannover und Oldenburg, während der dritten Bronzezeitperiode aber 
Nordostdeutschland, insonderheit Mecklenburg,Vorpommern, Nordsachsen, 
Nordbrandenburg besiedelte und hierdurch zum erstenmale und dauernd 
mit dem germanisch zu nennenden Teilvolke des indogermanischen 
Stammes besetzte, mit jenem Volke, das damals sicher schon rein ger¬ 
manisch sprach, d. h. eine Sprache, die längst mit dem Vollzug der so¬ 
genannten germanischen Lautverschiebung nach allen Richtungen hin 
gleichmässig begonnen haben musste. 

Doch wir sprachen schon von den Gegensätzen der arktisch-finnischen 
und südskandinavisch-indogermanischen Kultur und Bevölkerung, ohne 
vorher die Anfänge und die Herkunft der letzten untersucht zu haben. Wir 
sahen, dass die internationale Form des stumpfnackigen Walzenbeils 
(Taf. VIII, 2) an der Ostsee ein kennzeichnender Bestandteil der späteren 
Litorina- und der arktischen Kultur wurde und als solcher in Skandinavien 
an eine Küstenbevölkerung gebunden war. Wie überall, wo es erscheint, 
geht dieses Walzenbeil gewissermassen durch Plattdrücken allmählich 
und in unzähligen Übergängen in das jüngere, mehr abgeflachte Walzen¬ 
beil (Taf. VIII, 3) und weiter in das zuerst noch etwas rundliche, dann flach 
und flacher gestaltete, gleichfalls internationale spitznackige Beil über 
(Taf. VIII, 4). Dieses Spitzbeil kommt nun nie in arktischen Funden 
oder auf arktischem Gebiete vor. In Norwegen gehört es im Gegen¬ 
satz zu seinem Vorgänger, dem Walzenbeil, durchaus einer binnen- 
ländisehen, auf Ackerbau und Viehzucht gestellten Bevölkerung an. 
Es erscheint weiter nicht nur in Silex, sondern in geschliffenem Silex, 
geschliffen zuerst nur an der Schneide, dann über den ganzen Körper 
hin. Das sind aber Erscheinungen, die der arktischen Kultur gänzlich 
fremd sind. Mit grosser Sicherheit setze ich daher die Anfänge der 
indogermanischen Einwanderung in die Periode des spitznackigen Beils, 
die zugleich die Anfänge eines Ackerhackbaues und der Viehzucht mit¬ 
bringt. Aber woher? Aus Mitteleuropa kaum, denn ausser der arktisch¬ 
finnischen Bevölkerung Norddeutschlands hat dort in frühneolithischer 
Zeit (und von dort weiter bis in die spätneolithische Zeit hinein) nur 
noch die Pfahlbautenbevölkerung gesessen, in der Schweiz, im oberen 
Rheingebiet bis nach Andernach abwärts und in Württemberg [ ), mit der 


*) In dem Augenblick, da ich das Imprimatur erteile, erhalte ich durch meinen 
Freund A. Schliz eine Abhandlung über ‘neolithische Landsiedlungen der Pfahlbau¬ 
zeit 1 im Neckargebiet (Röm.-germ. Korrespondenzblatt 1909, 17 ff.). Ferner entnehme 
ich einer Bemerkung C. Rademachers (s. unten S. 83), dass nunmehr diese Kultur 
nordwärts sogar schon bis Scheuerbusch bei Wahn, Kr. Mühlheim a. Rh., von ihm 
festgestellt worden ist. 


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35] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogenr.anen u. ihre Ausbreitung usw. 51 

Kultur des sogenannten Michelsberger Typus, mit riesenhaften Erd¬ 
festungen und nachweislich mit einer anthropologisch vom nordischen 
Typus durchaus abweichenden, also nicht indogermanischen Bevölkerung. 
Es steht uns als Ursprungsland des indogermanischen Typus, der ja 
vom Cro-Magnontypus abzuleiten ist, gegenwärtig nur Frankreich zu 
Gebote. Und dort liegen die Siedelungsverhältnisse der neolithischen 
Zeit so, dass die Archäologie geradezu einen massenhaften Auszug der 
Bevölkerung zu Beginn der spätneolithischen Zeit verlangt, jener Zeit, 
da einmal das aus dem Walzenbeil durch Abflachung entstandene zwei¬ 
flächige, im Durchschnitt spitzovale, im Umriss dreieckige spitznackige 
Beil weiterhin durch Herausbildung von immer deutlicher werdenden 
Schmalseiten in das im Durchschnitt nunmehr vierseitige Spitzbeil über¬ 
geht, dann ebenso auch das durch Verbreiterung des Nackens entstandene 
zweiflächige, im Durchschnitt spitzovale ,,breitnackige“ Beil durch dieselbe 
Herausbildung von Schmalseiten zum vierseitigen sogenannten „dünn¬ 
nackigen“ Beil wird. Dieses letztgenannte Beil ist bekanntlich dasjenige, 
in dessen Epoche in Mittel- und Nordeuropa die Anfänge der durch 
reiche Entwickelung der Keramik gekennzeichneten jungneolithischen 
Gräberepoche heraufgeführt werden. Da trifft es sich eigenartig, dass 
in Frankreich diese eben erwähnten Beilformen die dortige Beilent¬ 
wickelung neolithischer Zeit abschliessen, die jüngeren in Mittel- und 
Nordeuropa entwickelten Beilformen wie vor allem das dicknackige 
Beil, das eigentliche Beil der Gräberepoche, dagegen dort völlig fehlen. 
Man könnte nun versucht sein, dem ja immer sehr bedenklichen, um 
nicht zu sagen verzweifelten Auswegsgedanken Raum zu geben, es habe 
dort eine sogenannte Uberdauer der älteren Formen stattgehabt bis ans 
Ende der neolithischen Zeit. Aber eine solche Annahme wird ad ab¬ 
surdum geführt durch die zweite, mit jener ersten in schönem Einklang 
befindliche Tatsache, dass in Frankreich mit Ausnahme des Pyrenäen¬ 
gebietes und des Dolmengebietes der Bretagne auch jede nennenswerte 
neolithische Keramik völlig fehlt, wie ich nicht nur aus dem Studium 
der Literatur versichern kann, sondern auch in den französischen Museen 
bestätigt gefunden habe. Denn die sehr spärlichen nordfranzösischen 
Erscheinungen von Bandkeramik des Stichreihen- und des Spiral¬ 
musterstils sind klärlich nicht der Ausgangspunkt der mitteleuropäischen 
Bandkeramik, sondern versprengte Ausläufer des mittelrheinischen oder 
eher noch des Lütticher Gebietes dieser Kultur, des sogenannten 
Omalien Rutots. Die am Ausgang der neolithischen Epoche stehende, 
kupferzeitliche Dolmenkeramik der Zonenbecher Frankreichs aber, noch 
dazu aus Kurzkopfbegräbnissen, ist erst recht kein geeigneter Ersatz 
für das Fehlen sonstiger reicherer neolithischer Keramik und noch 
weniger ein Ausgangspunkt der mittel- und nordeuropäischen jünger- 

4 * 


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52 Gustaf Kossinna: Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen usw. [36 


neolithischen Kultur gewesen. In dem fast völligen Abbruch der jünger- 
neolithischen Kultur Frankreichs gerade an dem Punkte, wo in Mittel¬ 
und Nordeuropa in zwei Gebieten eine grossartige Entwickelung von rasch 
sich folgenden Kulturen beginnt, sehe ich allerdings eine volle Be¬ 
stätigung meines von vornherein gefassten Gedankens, dass der Ursprung 
dieser Bevölkerung am letzten Ende in Westeuropa, insonderheit in 
Frankreich, liegen müsse. (Fortsetzung folgt.) 


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Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /. 


3. Rengcweihhacke, 
Prenzlau, Brandenburg (nach Arch 
d. Brandenburgs 10 Taf. 111, 1). 


1. Ostseegebiet in der Yoldia-Periode (nach 
de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf 3). 


2 . Durchlochte Rengeweihschäfte, Dänemark (Aarb. f. n. oldk. 1896, 305). 


Kossinna, Der 

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und Urindogermancn. 


Curt Kabitzsch (A. Stüber’s -Verlag), Würzburg 

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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Dd. I. Taf. II. 



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Silexgeräte des Flenusien, Flenu (Belgien). 

Beil; 2. Messer; 3. Spalter; 4. Hobel; 5 Hohlhobel; 6. Hohlschaber; 7. Bohrer; 8. Hobel; 9. Schaber; 10. Wurfstein. Gebrauchskanten überall unten, nur bei No. 2 und 9 rechts. 




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Mannus, Zeitschri) 




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"/• 5. 

Hirschgeweihhacken. 1—3 Typen. 4, 5 KI. Machnow bei Berlin. 5. abgerollte Verzierung (nach Globus 84, 108). 
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verlag), Wurzburg. 


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Mantius, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1. 


Taf. VI. 



5. 6. Angelhaken aus Elchgeweih: Gollwitz, Kr. Zauch-Belzig, 
Brandenburg; Reddies, Kr. Rummelsburg, Hinterpommern. 


^ - -^ 

4. V« Fernewerder, Kr. Westhavelland (Nachrichten ü. d. Alt. 1902, 31). 

Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1. 


Taf. Vll. 




Entwickelung des Nöstvetbeiltypus. 

1. Litorinabeil. 2. Nöstvetbeil mit rhombischem, 3. mit dreieckigem, 4. mit trapezförmigem Querschnitt 
(nach A. W. Brögger, öxer av Nöstvettypen Taf. X; IV; V; III, 5). 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf. VIII. 





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1—4 = '/■• 

Vom Nöstvetbeil zum Spitzbeil. 

1. Limnhamntypus; 2. rundes Walzenbeil; 3. abgeplattetes Walzenbeil; 4. gewölbtes spitznackiges Beil. 
(I. 2. 3. nach A. W. Brögger, öxer av Nöstvettypen, Taf. VIII, 13; IX; VIII, 14. — 4. nach W. C. Brögger 
Strandliniens beliggenhed under stenalderen I. d. s. Norge. Taf. VII). 



Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würiburg. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf IX. 


Arktische Kultur Norwegens (1—5) und Finnlands (6—15). 

(1.-5. nach Congrfes internat. d'anthrop. & d’archcol. pr6h. Stockholm 1874, 5. 183 ff.; 6.—15. nach Hackman: Fennia 17, No. 31, 5. 3, 5). 


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und riiulogcrmancn. 


Curt Kabitzscb (A. Stubcrlfc'JYdrkljgj Würzburg. 

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6. 7. Knochen: Ladogasee. 


9—11. Silexfiguren: Wolosova 


Arktische Skulptur aus Skandinavien, Norddeutschland, Russland. 

!•—4., 9.—11. nach Almgren, Nordiska stenaldersskulpturer (Fornvännen 1907, Fig. 1—3. 9. 21—26). 


Ko ssin na, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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-6. Bernsteinamulette; Schwarzort, Ostpreussen 


Schiefermesser; Schwedisch Norrland 


9. Sibirien. 


10. Russisch Karelien, Finnland 


Figürliche Skulpturen arktischer Kultur 

6. nach R. Klebs, d. Bernsteinschmuck der Steinzeit v. Schwarzort Taf. IX; 7. nach Ailio: Journ. d. 1. soc. finno-ougr. XXIII 
8. nach O. Almgren: Fornvännen 1907, 116; 9. nach Congrfes intcrnat. d’archöologic XI. Moscou 1892 II, 330; 

10. nach Congrfes internat. d'anthrop. et d’archlol. VII. Stockholm 1874, T. X, 290. 

Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogcrmanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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Das Sonnenrad und das christliche Kreuz \ 

Von 

Oskar Montelius. 

Mit 72 Textabbildungen. 


I. 

In einem vor wenigen Jahren veröffentlichten Aufsatz 2 ) habe ich 
nachgewiesen, dass das Rad eines der Symbole der Sonne und des 
Sonnengottes war, dass dieses Symbol bereits lange vor dem Auftreten 
des Christentums dazu angewendet wurde, um die Göttlichkeit zu be¬ 
zeichnen, und dass es in der christlichen Kirche von der ältesten Zeit 
her dieselbe heilige Bedeutung gehabt hat. 

Da die wirklichen Räder hier auf Erden im Anfang aus vollen 
Scheiben bestanden, also ohne irgend welche Speichen, war ihre Ähnlich¬ 
keit mit dem am Himmel dahinrollenden Sonnenrade in der Form grösser, 
als zu der Zeit, da die Wagenräder Speichen bekamen. Lange Zeit war 
die Anzahl der letzteren nur vier, wurde alsdann zuerst auf sechs und 
weiterhin auf acht vermehrt, welche Anzahl erst in vergleichsweise 
später Zeit überschritten wurde. Daher wurde auch das himmlische 
Rad bald mit.vier, bald mit sechs oder acht Speichen dargestellt. 

Wir werden nun sehen, wie das Radsymbol im Laufe der Jahr¬ 
tausende so grossen Veränderungen unterlag, dass alle, die mit der Ent¬ 
wickelungsgeschichte dieses Zeichens nicht vertraut sind, nicht ahnen 
können, dass die Gestalt, worin das Zeichen sich schliesslich zeigt, 
durch eine allmählich sich vollziehende Veränderung aus der ursprüng¬ 
lichen Form hervorgegangen ist. Dies gilt nicht bloss von dem vier- 
speichigen Rade, sondern ebenso von dem Rade mit sechs oder acht 
Speichen. 

') Übersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von 
G. Kossinna. 

*) Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher und christlicher Zeit 
(Prometheus. Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie 
und Wissenschaft herausgegeben von Dr. Otto N. Witt. XVI. Jahrgang. Berlin 1904/1905 
No. 16-18). 


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54 


Oskar Montelius. 


[2 


Der scheinbar unwichtige Umstand, dass so lange Zeit Räder 
mit nur vier Speichen an Wagen benutzt wurden, hat ganz unerwartete 
Folgen gehabt, wie die nun folgende Darstellung der Entwickelung des 
vierspeichigen Radsymbols zeigen wird. 



Fig. 1. Konsekrationskreuz Fig. 2. Grabstein, 

(Wandmalerei zur Einweihung Schottland, 

der Kirche), Schweden. 



Fig. 3. Konsekrationskreuz, 
Schweden. 


Wir erinnern uns, wie man in älterer Zeit bei diesem Symbol oft 
nicht nur den Radreifen und die Speichen, sondern auch das für die 
Achse vorgesehene Loch in der Mitte wiedergab. Es war indes weit 



j 


Fig. 4. Mosaik. Markuskirche, Venedig. 


leichter, nur den Reifen und die Speichen abzubilden. Daher fehlt 
auch gewöhnlich das Loch in der Mitte. Bisweilen sieht man die Ritze 
zwischen dem Reifen und dem äusseren Ende der Speichen, aber ge¬ 
wöhnlich ist sie nicht angegeben. 


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3] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


55 


Ursprünglich sind die Speichen, wie beim wirklichen Rade, ziemlich 
schmal und überall fast gleichbreit. Allmählich nehmen sie jedoch an 
Breite zu, wobei sie im Anfang noch überall fast gleich breit sind 



Fig. 5. Konsekrations¬ 
kreuz, Schweden. 


Fig. 6. Haustein, 
Dänemark. 


Fig. 7. An einem Kapitäl, 
Markuskirche, Venedig. 




(Fig. 1), schliesslich aber werden sie am äusseren Ende stark aus¬ 
geschweift (Fig. 2—4 und 6). 

Lange bildeten Reifen und Speichen ein Ganzes. Allmählich 
wurde jedoch die Vereinigung zwischen ihnen aufgelöst. Die vier 
Speichen lösen sich vom Reifen, so dass sie innerhalb desselben frei 



Fig. 8. Steinsarkophag, Ravenna. 


schweben. Die Enden der Speichen sind entweder abgerundet, so dass 
sie der Innenkante des Reifens folgen, oder nach innen geschweift, 
wie bei Fig. 5, oder sie haben auch andere Formen. 

Der Zwischenraum zwischen Reifen und Speichenenden ist ge¬ 
wöhnlich ganz schmal, wird aber zuweilen breiter. Dann sind einige 
Male die vier Speichen nicht von gleicher Länge, sondern eine von 


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56 


Oskar Montelius. 


[4 


ihnen, die nach unten gerichtete, wird allmählich länger (Fig. 7—9). 
So sieht man unter den Mosaikbildern, welche die Apsis der berühmten 
Kirche San Apollinare in Classe bei Ravenna schmücken, das in Fig. 9 
wiedergegebene: ein Kreuz, das am unteren Teil viel länger ist als am 
oberen, zeigt sich von einem Reifen umgeben; aber der Zwischenraum 
zwischen beiden Teilen ist so gross, dass das Kreuz überall frei steht. 

Das Kreuz kann sogar so lang sein, dass es sich bis unterhalb 
des Reifens erstreckt. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür haben wir 



Fig 9. Mosaik, Ravenna. 


in dem in Fig. 13 abgebildeten Kapitäl aus der Kirche San Clemente 
in Rom. 

Manchmal hat der Radreifen, wie in dem zuletzt angeführten 
Falle, seinen ursprünglichen Charakter verloren. Nicht selten ist er zu 
einem Blattkranz geworden, wie in Fig. 8, 10 und 11. 

Wir erinnern uns, dass man bereits frühzeitig, lange vor dem 
Auftreten des Christentums, zwischen den vier Speichen des Sonnen¬ 
rades Strahlen einsetzte, die offenbarten, dass das Rad ein Abbild der 
strahlenden Sonne war. Solche Strahlen sieht man auch in der christ¬ 
lichen Zeit nicht selten, sowohl in der Kreuzesglorie hinter dem Haupte 
Christi — wozu ein Beispiel in dem früheren Aufsatz angeführt wurde — 
als auch in anderen Fällen. Fig. 10 und 12 zeigen gleicharmige Kreuze, 
die zwischen den Kreuzarmen Strahlen haben; das erstere ist nicht von 
einem gewöhnlichen Radreifen umgeben, sondern von einem Blattkranz. 


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58 


Oskar Montelius. 


[6 


Während die Speichen sich in der Weise, wie wir es eben kennen 
gelernt haben, veränderten, war der Radreifen lange erhalten geblieben, 
entweder in seiner ursprünglichen Form, oder in der Umwandlung zu 
einem Blattkranz. Andererseits kommt es vor, dass, während die 
Speichen in der Breite zunehmen, der Reifen immer schmaler wird, 
so dass er schliesslich fast verschwindet. Dies ist der Fall bei den 
Originalen zu Fig. 4 und 6. In der ersteren Figur wird der Kranz nur 
von einer schmalen Linie gebildet, während die Speichen sehr breit 



Fig. 13. Kapital, Rom. 


sind. Besser als eine lange Abhandlung beweist dies, dass wir hier 
wirklich ein ursprüngliches Rad vor uns haben, dessen vier Speichen 
im Begriff sind sich aus dem Radreifen zu lösen und ein gleicharmiges 
Kreuz zu bilden, und dass es nicht ein Kreuz ist, das von einem Ringe 
umgeben wird. 

Schliesslich sieht man überhaupt keinen Ring mehr. Nur die 
vier Speichen bleiben übrig, indem sie ein gleicharmiges Kreuz 
bilden. 

Dieses Kreuz, das unter dem Namen des griechischen bekannt 
ist — zum Unterschied von dem ungleicharmigen lateinischen Kreuz —, 
hat manchmal Arme mit breiten abgerundeten Enden, ein Andenken 


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7] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


59 


an die Zeit, da es ein Teil des Rades war und die Enden der Speichen 
sich nach dem Radreifen formten. 

Diese Form haben ein paar Kreuze, die aus christlichen Gräbern 
auf Björkö im Mälarsee, dem durch Ansgars Lebensbeschreibung be- 



Fig. 14. Silberkreuz, Björkö. Fig 15. Eingehauenes Kreuz im alten Altartisch. 

Dreifaltigkeitskirche, Uppsala. 



rühmten Birka, herstammen (Fig. 14), und einige andere schwedische 
Kreuze aus dem älteren Teile unserer christlichen Zeit. 

Oft haben die Enden indessen andere Formen (Fig. 15). 

Sehr lehrreich ist ein Vergleich zwischen den beiden in Fig. 16 
und 18 abgebildeten Symbolen, beide um 1500 an französischen 
Kirchenglocken angebracht. Die erstere Figur zeigt ein vierspeichiges 
Rad auf einem hohen Fuss, die letztere ein gleicharmiges Kreuz auf 
solchem Fusse. Die Arme des Kreuzes sind auf ganz dieselbe Weise 
abgerundet wie die gegen .den Radreifen stossenden Speichenenden. 


* 


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Oskar Montelius. 


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Das gleicharmige, sogenannte griechische Kreuz hat 
also ursprünglich nichts mit dem Kreuze Christi zu tun, 
ein Verhältnis, das um so mehr besondere Aufmerksamkeit verdient, 
als diese Kreuzform äusserst verbreitet gewesen ist und noch ist, nicht 



Fig. 19. Langobardisches Goldkreuz, Italien. 



nur in der griechischen, d. h. der morgenländischen, sondern auch 
gerade in der abendländischen Kirche. 

Die Kreuze, die in Mittel- und Südeuropa in den Gräbern ger¬ 
manischer Völker aus der Zeit kurz nach ihrer Annahme des Christen¬ 



tums angetroffen werden, haben diese Form (Fig. 19), und dieselbe 
Form haben die Kreuze auf den schwedischen Runensteinen aus der 
Übergangszeit zwischen Heidentum und Christentum (Fig. 20). 

Dass dieses Symbol oder richtiger das vierspeichige Rad wirklich 
zu jenen Zeiten als ein Kreuz aufgefasst worden ist, wird in unzweifel- 


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9] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


61 


hafter Weise dadurch bewiesen, dass man auf manchen zu derselben 
Zeit geprägten Münzen, die innerhalb der Inschrift ein Rad mit vier 
Speichen zeigen, das lateinische Wort crux (Kreuz) zwischen diesen 
Speichen liest (Fig. 17). 

Obwohl das griechische Kreuz in seiner ältesten Form, mit vier 
gleich langen Teilen, sich überhaupt nicht für die Kreuzigung eignet, 
findet man doch, unter anderem aus den ersten christlichen Zeiten im 
skandinavischen Norden, mehrere als Schmuck getragene Silberkruzifixe 
von dieser Form, wie das aus den ältesten christlichen Gräbern auf 



Fig. 23. Silberkruzifix, Schweden. 



Fig. 24. Silberkruzifix, Gotland. 


Björkö stammende Original von Fig. 21 und die Fig. 22—24 abgebil¬ 
deten Kreuze. Wie bei manchen anderen griechischen Kreuzen hat 
der untere Teil, falls er auch nicht ebenso gross ist, wie die beiden 
Seitenarme, so doch durchaus dieselbe, oder mindestens nahezu dieselbe 
Länge, wie der obere Teil; die zwei wagerechten Arme können etwas 
kürzer sein. Bald ist Christus mit deutlich angegebenen Nägeln, die 
durch die Hände gehen, am Kreuze befestigt (Fig. 23), bald ist er 
daran festgebunden (Fig. 24). 

Aus dem früheren Aufsatz erinnern wir uns, dass das vierspeichige 
Rad bisweilen auf einem Stabe getragen wird. Auf dieselbe Weise 
wird auch das gleicharmige Kreuz getragen. 

In der Mitte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung sehen 
wir ein solches auf einem Stabe sitzende Kreuz oft zur Darstellung 


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62 


Oskar Montelius. 


[10 


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Christi angewendet. So ist es unter anderem der Fall auf einem um 
550 für den Erzbischof von Ravenna verfertigten prächtigen Thron, der 
mit künstlerisch geschnitzten Elfenbeinplatten bedeckt ist. Eine dieser 
Platten (Fig. 25) stellt den Augenblick bei der Hochzeit von Kana dar, 
da Christus das Wasser in Wein verwandelt. Er trägt in seiner linken 



Fig. 25. Elfenbein, Ravenna. Fig. 26. Taufstein, Schweden. 


Hand ein kleines fast gleicharmiges Kreuz, das auf einem Stabe be¬ 
festigt ist. 

Bereits zu jenen Zeiten hatte man wohl vergessen, dass dieses 
Zeichen eigentlich ein Sinnbild seiner Göttlichkeit war. Es gab nur an, 
wer der Abgebildete war. 

Zu derselben Zeit, wie auch in der Kunst späterer Zeiten, sieht 
man ein solches, auf einer langen Stange getragenes, gewöhnlich gleich¬ 
armiges Kreuz gleichfalls in der Hand Johannes des Täufers, wie auf 
dem Fig. 27 wiedergegebenen, im fünften Jahrhundert ausgeführten 
Mosaikbild, welches die Wölbung im Baptisterium von San Giovanni zu 
Ravenna schmückt. In diesem Falle kann das Kreuz selbstverständlich 
keine Beziehung auf eine Kreuzigung haben, da ja Johannes den Tod 
nicht auf diese Weise erlitten hat. Wir haben hier deutlich das aus 
uralter Zeit herstammende Zeichen für die Göttlichkeit, oder wohl in 
diesem Falle vielmehr für eine göttliche Sendung. 


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11] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


63 


Bei Kenntnis dieses Verhältnisses können wir ohne Schwierigkeit 
die auf den ersten Blick eigentümliche Erscheinung erklären, dass man 
bisweilen ein kleines Kreuz in der Weise angebracht findet, wie auf 
dem Fig. 23 abgebildeten, bei Alt-Uppsala gefundenen Kruzifix aus 
Silber, das als Schmuck getragen wurde. Das Haupt des Gekreuzigten 
ist von einem Heiligenschein umgeben, der zwar durch den langdauernden 
Gebrauch sehr abgenutzt worden ist, aber wahrscheinlich ein gewöhn¬ 
licher Heiligenschein ist, nicht eine Kreuzglorie. Über dem Haupte 
sehen wir ein kleines, fast gleicharmiges Kreuz und darüber die Hand 


Fig. 27. Mosaikbild, Ravenna. 



Gottvaters mit zwei ausgestreckten Fingern, das Zeichen des Segens. 
Dieses Kreuz verhält sich zu der ganzen Darstellung ganz ebenso wie 
die in dem früheren Aufsatz erwähnte Kreuzglorie. Wie diese kann es 
keine Beziehung auf die Kreuzigung selbst haben, weil es ja deutlich 
genug ist, dass der Abgebildete gekreuzigt ist. Aber es war von Wich¬ 
tigkeit, anzugeben, wer der Gekreuzigte ist. Diese Aufgabe hatte das 
auf unzähligen Kruzifixen hinter dem Haupte Christi sitzende vier- 
speichige Rad, das Kreuzglorie genannt zu werden pflegt; und dieselbe 
Aufgabe hatte das über seinem Haupte auf dem Kruzifix Fig. 23 dar¬ 
gestellte Kreuz. 

Da man des Zeichens ursprüngliche Bedeutung vergessen hatte, 
war man sich nicht bewusst, dass man sowohl mit der Kreuzglorie als 
mit dem kleinen Kreuze tatsächlich die Göttlichkeit des Gekreuzigten 
angab. 


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64 


Oskar Montelius. 


[12 


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Ein kleines gleicharmiges Kreuz ist in gleichem Sinne sichtbar 
über dem Haupte Christi auf dem Fig. 24 wiedergegebenen Silber¬ 
kruzifix. Es lag in einem auf Gotland gefundenen Silberschatz, der 
gemäss dem Zeugnis der Münzen im Anfang des 11. Jahrhunderts 
vergraben wurde. 

Manchmal sieht man auch hinter dem Haupte des Gekreuzigten 
statt der Kreuzglorie ein Kreuz, ohne dass ein Ring es umgibt. Das 
ist der Fall bei dem Fig. 26 wiedergegebenen Christusbilde auf einem 
schwedischen Taufstein aus dem Anfang des Mittelalters; natürlich sind 
nur drei von den vier Armen sichtbar. Der Umstand, dass das Kreuz 
hier den Platz der Kreuzglorie, das heisst des Rades, einnimmt, ist ein 



Fig. 28. Silbernes Ellakreuz, Schweden. 


Fig. 29. Silbernes Ellakreuz, Schweden. 


interessanter Beweis — wenn noch ein weiterer Beweis erforderlich 
wäre — für die Entwickelung des gleicharmigen Kreuzes aus dem Rade. 

Infolge der Neigung an den einmal angenommenen Formen fest¬ 
zuhalten, die stets alles kennzeichnet, was mit Religion zu tun hat, 
leben die älteren Formen beständig fort an der Seite der jüngeren: 
das Rad mit den vier schmaleren oder breiteren Speichen — entweder 
hängen diese mit dem Radreifen zusammen oder haben sich von ihm 
gelöst — kann also Vorkommen, und kommt in der Tat allgemein noch 
zu der Zeit vor, da das von dem Reifen ganz befreite, gleicharmige 
Kreuz bereits längst in Gebrauch war. So haben die sogenannten 
„Eliakreuze", die in sehr später Zeit in Schweden verfertigt wurden, 
um Heilung von Krankheiten zu schaffen, bald die Form eines Rades 
mit vier am Ende breiteren Speichen (Fig. 28), bald das Aussehen, wie 
es Fig. 29 zeigt, mit einem kleinen gleicharmigen Kreuze, viel kleiner 
als der Kreis, der es umgibt. 

Es kommt eben darauf an, dass man grosse Zeiträume überschaut, 
um einen richtigen Überblick über die in Frage stehende Entwickelung 
zu gewinnen. 


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13] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


65 


Noch notwendiger wird dies aus einem anderen Grunde. Lange 
bevor die Entwickelung des Radsymbols, die wir soeben mit besonderer 
Beziehung auf die christliche Kirche geschildert haben, innerhalb dieser 
Kirche — manche hundert Jahre nach dem Anfang unserer Zeitrech¬ 
nung — dazu geführt hatte, dass das gleicharmige Kreuz auftritt, ohne 
von einem Kranze umgeben zu sein, gab es nämlich bereits ein heiliges 
Zeichen von ganz ebenderselben Form. 

Dieses unerwartete Verhältnis findet seine Erklärung darin, dass 
das gleicharmige Kreuz 
bereits lange vor dem 
Auftreten des Christen¬ 
tums ein Symbol der 
Göttlichkeit war. 

Ganz regelrecht steht 
dies in Zusammenhang mit 
dem in hohem Grade merk¬ 
würdigen Umstand, dass die- pig. 30. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.). Assyrien, 
selbe Entwickelung des 
gleicharmigen Kreuzes 
aus demRade, die wir so¬ 
eben innerhalb der christ¬ 
lichen Kirche kennen ge¬ 
lernthaben, auch bereits 
lange vor Christi Geburt 
vor sich gegangen ist. 

In dem früheren Aufsatze 
sahen wir, dass die assyrischen Könige im neunten Jahrhundert vor 
unserer Zeitrechnung oft mit einem Halsschmuck dargestellt sind, der 
von den Symbolen der Sonne, des Mondes und des Istarsternes ge¬ 
bildet wird (Fig. 30). Das Zeichen der Sonne ist das vierspeichige Rad. 
Bisweilen sieht man aber an Stelle dieses Rades ein gleicharmiges 
Kreuz, ganz gleich den vier Speichen des Rades (Fig. 31). Diese Speichen 
haben sich also aus dem Radreifen auf vollkommen dieselbe Art ge¬ 
löst, wie wir das Verhältnis in der christlichen Zeit gefunden haben. 

Manchmal trägt der assyrische König um den Hals nur das Bild 
der Sonne, ein gleicharmiges Kreuz, so gleich dem christlichen Kreuze, 
dass man an dessen hohes Alter nicht glauben sollte, wenn es nicht 
über allen Zweifel erhaben wäre, wie bei der Frage nach dem Original 
zu Fig. 32, das sich aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor 
Chr. herschreibt. 

Gleicharmige Kreuze von derselben Form, wie die christlichen, 

Mannus. Bd. 1. 5 



Fig. 31. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien. 



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66 


Oskar Montelius. 


[14 


sieht man auf vielen asiatischen Abbildungen aus dem letzten vor¬ 
christlichen Jahrtausend und noch früher. 

Auf ägyptischen Denkmälern aus der Zeit Ramses des Grossen, 
also aus dem letzten Teile des zweiten Jahrtausends, tragen einige 



Fig. 32. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien. 


Gefangene, die sich durch ihre charakteristischen Gesichtszüge und ihre 
eigentümliche Tracht als Semiten erweisen, solche Kreuze um den 



Fig. 33. Münze aus Phönizien Fig. 34. Münze des Kaisers 
(Anfang des 3. Jahrh. n. Chr.). Konstantin d. Gr. 



Fig. 35. Münze des Kaisers 
Maxentius (Anfang des 4. Jahrh.). 


Hals. Andere dergleichen Kreuze kommen auf Siegelzylindern mit 
babylonischer Keilschrift vor, bald vor einem anbetenden Manne, bald 
über einem sitzenden Gotte. 

Es kann somit kein Erstaunen erregen, dass solche gleicharmige 


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15 ] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


67 


Kreuze ebenso auf Sachen aus der römischen Kaiserzeit zu sehen sind, 
über deren heidnischen Ursprung kein Zweifel herrscht. Auf Münzen, 
die in Phönizien unter der Regierung des Caracalla geprägt sind, findet 
man solche Kreuze über den Häuptern der Dioskuren (Fig. 33). Auf 
einer für Maxentius, den Gegenkaiser Konstantins des Grossen, also 
um 300 geprägten Münze sieht man ein solches Kreuz an dem Giebel 
eines heidnischen Tempels (Fig. 35). 

Ein solches Kreuz sieht man auch auf einer Münze mit dem 
Namen der Stiefmutter Konstantins, der Kaiserin Theodora; aber es ist 
ungewiss, ob die mit ihrem Namen geprägte Münze als heidnisch oder 
christlich betrachtet werden muss. Dieselbe Ungewissheit herrscht auch 
in bezug auf das Kreuz von ganz derselben Form, das auf Münzen 
mit dem Namen der wirklichen Mutter Konstantins, der Kaiserin Helena, 
vorkommt. 

Heidnisch ist dagegen offenbar das Kreuz von derselben Form, 
das auf der Fig. 34 wiedergegebenen Rückseite einer eigenen Münze 
Konstantins angebracht ist. Man hat wenigstens allen Anlass anzunehmen, 
dass sie geprägt wurde, bevor er Christ wurde! die Rückseite der 
Münze zeigt nämlich, wie aus der Inschrift hervorgeht, das Bild des 
Sonnengottes mit einer kleinen strahlenden Sonne auf der einen und 
einem kleinen gleicharmigen Kreuze auf der anderen Seite. 

Auf alle Fälle sind all diese Kreuze vollkommen gleich den 
christlichen, die zu derselben Zeit abgebildet worden sind. 

Andererseits ist das Kreuz, das man auf der zuletzt genannten 
Münze an der einen Seite des Sonnengottes sieht, etwas ganz anderes, 
als das Zeichen, das Konstantin vor dem entscheidenden Kampfe mit 
Maxentius erschienen sein soll — das Zeichen, in dem der Sieg ersterem 
verheissen wurde. Dieses Zeichen, das auf vielen von Konstantin nach 
seinem Siege geschlagenen Münzen dargestellt ist, war weder ein 
griechisches noch ein lateinisches Kreuz. Es war eine Form des sechs- 
speichigen Sonnenrades, worin, wie man, unbekannt mit der wirklichen 
Geschichte des Symbols, glaubte, die zwei 
ersten Buchstaben des griechisch geschrie¬ 
benen Namens Christi sich fänden. 

Mehrere Abbildungen in den römischen 
Katakomben und anderwärts zeigen, dass die 
ersten christlichen Jahrhunderte neben dem 
gleicharmigen Kreuze, wie wir es jetzt be- Hakenkreuz. Runenstein,Schweden, 
trachtet haben, auch noch ein ähnliches 

Symbol benutzten, das unter dem Namen „Hakenkreuz" bekannt ist 
und nicht selten mit seinem indischen Namen „Swastika" benannt 

5* 



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68 


Oskar Montelius. 


[16 


wird (Fig. 36). Es ist ein gleicharmiges Kreuz, aber mit rechtwinkelig 
umgebogenen Enden. 

Auch dieses Symbol ist uralt. Aber während das oben besprochene 
gleicharmige Kreuz mit geraden Enden ursprünglich bei den semitischen 
Völkern vorkommt, gehört das Hakenkreuz eigentlich den indogermani- 



E;COEM‘CALLISTI 


L -pi IVCII^AIA/^C/ 

FACU.EKCQEM-CYRIACAE 


Fig. 38. Hakenkreuz und 
vierspeichiges Rad, Stein 
aus den Calixtuskatakomben. 


Fig. 39. Hakenkreuz und Inschrift, 
Stein aus den römischen Katakomben. 


sehen Völkern an. Bei ihnen kann dieses Symbol sehr frühzeitig, be¬ 
reits im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt nachgewiesen werden. 



Fig. 40. Hakenkreuz auf dem Gewand eines Totengräbers. 
Wandmalerei, Katakomben, Rom. 


Es kommt aber auch in den darauf folgenden Zeiten in Griechenland 
und Italien wie anderwärts vor. 

Beim Auftreten des Christentums war somit dieses Zeichen, gleich- 


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17 ] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


69 


wie das Rad und das gleicharmige Kreuz, seit uralten Zeiten ein 
heiliges Symbol und wurde als solches von den Christen, wie wir aus 
den römischen Katakomben ersehen, angenommen (Fig. 38—40). 

Bei den heidnischen Schweden war das Hakenkreuz in den Jahr¬ 
hunderten, die dort der Predigt des Christentums zunächst vorangingen, 
wohl bekannt. Es ist daher leicht erklärlich, dass manche von den 
Kreuzen der Runensteine ein Hakenkreuz in der Mitte aufweisen, wie 
bei Fig. 37. (Fortsetzung folgt.) 


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Urzeitliche Astronomie in Westeuropa 

Von Commandant Alf. Devoir in Brest. 

Mit 4 Textabbildungen und 3 Tafeln. 


Die Altertumsforscher haben sich seit langer Zeit vorwiegend mit 
der Bestimmung der megalithischen Bauwerke beschäftigt; da Dolmen 
und Hügel als Grabbauten angesehen wurden, richtete sich ihre Auf¬ 
merksamkeit auf die Gruppen von Menhirs und besonders auf die Stein¬ 
reihen. 

Gabriel de Mortillet spricht sich in „Le Prehistorique“ folgender- 
massen aus: „Man hat ganz zu Anfang die Steinreihen als Friedhöfe 
angesehen, doch haben die Grabungen diese Vermutung nicht bestätigt. 
Man hat Versammlungsplätze öffentlichen, politischen und religiösen 
Charakters daraus gemacht. Nichts stützt diese Vermutung; im Gegenteil 
scheint die schmale und langgestreckte Form der Steinreihen dem zu 
widersprechen. Die Steinreihen waren wahrscheinlich eine Art Archive; 
jeder aufgerichtete Stein erinnert an eine Tat, eine Person oder einen 
bestimmten Zeitpunkt". 

Diese Ansicht, die der gelehrte Altertumsforscher als die „ver¬ 
nünftigste Erklärung“ hinstellt, befriedigt den Geist nicht mehr als die¬ 
jenigen, die er verurteilt. 

Nach Sir John Lubbock dienten die grossen englischen „Crom- 
lechs“ vielleicht als Tempel, doch spricht er nicht über die Bestimmung 
der Steinreihen. Ein Altertumsforscher aus Morbihan (Bretagne), 
Herr Gaillard, der in Plouharnel Carnac wohnte und die Denkmäler 
dieser Gegend genau kannte, kam auf den Gedanken, dass die Stein¬ 
reihen astronomische Merkzeichen waren; ungenaue Beobachtungen 
erlaubten es ihm aber nicht, aus diesem glücklichen Gedanken die 
Folgerungen zu ziehen, die er im Keime enthielt; er gelangte vielmehr 
zu einer verwickelten Gedankenreihe, die einige ungewisse Hypothesen 
erforderte. 

J ) Aus der französischen Handschrift übersetzt von Ernst Wahle, revi¬ 
diert von G. Kossinna. 


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72 


Alf. Devoir. 


[2 


Herr Gaillard versuchte es übrigens nicht, zu verallgemeinern, und 
er sprach dies sehr unumwunden in seiner Abhandlung aus, die in der 
Zeitschrift „Les Sciences appliquees" veröffentlicht ist: „Ich behandle 
nur die Steinreihen von Morbihan, und es war meine Absicht, aus¬ 
schliesslich diese zu erklären" 1 ). 

Genauere, in der Betragne und in England angestellte Beobachtungen 
erlauben uns heute, die Frage umfassender zu behandeln. 

Einige Monate vor der Veröffentlichung der Arbeit Gaillards hatte 
ich in Gemeinschaft mit meinem Freunde, dem Gendarmerie-Hauptmann 
Grossin, eine Erforschung der megalithischen Denkmäler der Umgegend 
von Brest begonnen; wir waren durch die Tatsache in Erstaunen ge¬ 
setzt worden, dass eine bestimmte Anzahl Menhirs und Dolmen parallele 
Reihen bildeten, die deutlich von Osten nach Westen ausgerichtet 
waren, und wir dachten, dies wäre die Hauptrichtung, die von den 
vorgeschichtlichen Baumeistern eingehalten worden sei. 

Das war aber nur ein kleiner Teil des Rätsels. 

Weitere Untersuchungen, die Aufnahme von Denkmälern, die uns 
im Jahre 1895 unbekannt waren, riefen mir Feststellungen ins Gedächtnis 
zurück, die ich einige Jahre früher in dem westlichen Teil des Bezirkes 
Lorient gemacht hatte. Die Menhirs im Departement Finistere, die 
bedeutend weniger zahlreich sind als die von Carnac und Erdeven, 
unterscheiden sich von den unserigen durch gewöhnlich weit beträcht¬ 
lichere Abmessungen; während die in der Umgegend von Carnac be¬ 
nutzten Blöcke unbearbeitet und von unregelmässiger Form sind, trifft 
man in der Nordwestecke von Finistere wahre Obelisken, deren ebene 
oder abgerundete Flächen nicht nur aus dem gröbsten herausgearbeitet, 
sondern sorgfältig zugerichtet sind; allein schon der zerbrochene Riese 
von Locmariaker kann von dieser ausgezeichneten Arbeit der vor¬ 
geschichtlichen Steinmetzen eine Vorstellung geben. 

Ich habe es nicht nötig gehabt, wie Herr Gaillard, Zuflucht zu 
nehmen zur Bestimmung von Standpunkten des Beschauers und zu 
Menhir-Indexen; die Richtlinien, die von den mitunter einander ziemlich 
nahen, mitunter mehrere hundert Meter von einander entfernten Menhirs 
abgesteckt werden, geben die unmittelbare Lösung in einem der 
wichtigsten Fälle. 

Für die hervorragendsten Denkmälergruppen ist die abgesteckte Rich¬ 
tung diejenige des Aufgangspunktes der Sonne zur Sommersonnenwende, 

') Sir Norman Lockyer nennt in seinem Werke Stonehenge and other stone 
monuments (London 1906) S. 97 diese Abhandlung von F. Gaillard: L’Astronomie 
Prehistorique und die Zeitschrift, in der sie erschienen ist: Les Sciences populaires, 
revue mensuelle internationale (Paris, 15 Rue Lebrun). Kossinna. 


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3] 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 


73 


oder umgekehrt die des Untergangspunktes zur Wintersonnenwende; 
mit anderen Worten: der vorgeschichtliche Beobachter, der sich an 
einem Endpunkte der Reihe aufhielt, sah zur Zeit der Sonnenwende 
die Sonne an dem andren Endpunkte auf- oder untergehen. 

Er war also in der Lage, seinem Stamm mitzuteilen, dass man 
den kürzesten oder den längsten Tag des Jahres hatte. 

Auf diese Weise wurde in unsern Gegenden die erste Art der 
Zeitmessung ausgeführt. 

Die Richtigkeit dieser Beobachtungen sollte bald bekräftigt werden; 
im Jahre 1901 kam der bedeutende englische Astronom Sir Norman 
Lockyer, der soeben das Denkmal von Stonehenge hinsichtlich der 
Richtlinien studiert hatte, zu denselben Schlüssen, und stellte in einem 
von der Royal Society herausgegebenen Bericht fest, dass die Achse 
dieses Denkmales nach dem Aufgangspunkt der Sonne zur Sommer¬ 
sonnenwende gerichtet sei 1 ). 

Der Unterschied zwischen der in England aufgenommenen Richt¬ 
linie und derjenigen, die ich in unserm Finistere festgelegt hatte, ent¬ 
sprach genau dem Unterschied der geographischen Breiten der beiden 
Länder; der Beweis war also geliefert. 

Sobald ich die Abhandlung Sir Norman Lockyers kennen lernte, 
teilte ich ihm die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen mit; sie 
sind der Gegenstand von Erörterungen in der englischen Zeitschrift 
„Nature“ gewesen. Zahlreiche seit dieser Zeit gemachte Messungen 
haben den Wert des Vorhergehenden nur bekräftigt; sie haben gezeigt, 
dass die vorgeschichtlichen Menschen auch — jedoch seltener — die 
Linie Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende — Sonnenuntergang zur 
Sommersonnenwende absteckten. 

Es muss hervorgehoben werden, dass die Bestimmung der zur 
Sonnenwende gehörigen Richtlinien sehr genau ist, dagegen sind die 
auf die Nachtgleiche bezüglichen Richtungen ziemlich schlecht ausge¬ 
richtet. Diese Tatsache ist nichts Auffallendes, wenn man erwägt, dass 
in der Nähe der Sonnenwende die Auf- und Untergangspunkte sich 
sehr wenig von Tag zu Tag verändern, während zur Zeit der Nacht¬ 
gleiche der Unterschied sehr gross ist. 

Die auf die Sonnenwenden bezüglichen Beobachtungen sind wahr¬ 
scheinlich die ältesten; nachdem die astronomischen Zauberer Beginn 
und Ende der längsten und der kürzesten Tage durch Merkzeichen 
festgelegt hatten, bestimmten sie die Dauer des Halbjahres, das sie 
mittels der auf die Tag- und Nachtgleiche bezüglichen Merkzeichen 
in zwei Vierteljahre weiter teilten. 

*) Vgl. Proceedings of the Royal Society (London), Vol. 69, 137 ff. Kossinna. 


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74 


Alf. Devoir. 


[4 


Diese ureinfache Zeitmessung musste noch vervollkommnet werden. 

Ich hatte — und dieselbe Beobachtung ist in England gemacht 
worden — das Vorhandensein einer dritten Richtlinie beobachtet, oder 
vielmehr zweier in bestimmtem Verhältnis zur Ost-Westlinie stehenden, 
symmetrisch verlaufenden Richtlinien. 

Sir Norman Lockyer hat den Zweck der einander entsprechenden 
Absteckungen, die zwischen den auf die Sonnenwenden und die Tag- 
und Nachtgleichen bezüglichen Richtungen liegen und von ersteren 
um einen für ein- und dieselbe Breite unveränderlichen Winkel abweicht, 
vollkommen bestimmt. 

Sie legen die Richtung fest, in der man den Sonnenaufgang zu 
Zeiten sah, die von den Tag- und Nachtgleichen und von der einen 
oder anderen Sonnenwende gleich weit entfernt sind, und erlaubten 
infolgedessen die Einteilung des Jahres in acht untereinander augen¬ 
scheinlich gleiche Teile. 

Im Norden und Westen von Finistere sind die Zwischenrichtungen 
allgemein durch die Absteckung einer auf die Sonnenwendepunkte be¬ 
züglichen Richtlinie abgeschnitten; ihre Absteckung lässt ausserordentlich 
wenig von der Ungenauigkeit der Absteckung der Tag- und Nachtgleiche 
merken. 

Um alles mitzuteilen, was mit den grossen, vielgestaltigen Denk¬ 
mälern in Beziehung steht, bleibt nur noch übrig zu sagen, dass jede 
Ausdehnung in die Breite im allgemeinen in einer senkrechten Linie 
oder in Parallelen zur Grundrichtung erfolgt, die ihrerseits die Richtung 
nach dem Tag- und Nachtgleichenpunkt, nach dem Sonnenwendepunkt, 
oder die Zwischenrichtung sein kann. 

Die zugehörigen Azimute sind für die Breite von Brest: von 
Norden 54° und 66° nach Osten, oder symmetrisch von Süden 66° 
und 54° nach Osten. Die Azimute der Sonnenwendpunkte und der 
Zwischenrichtungen nähern sich offenbar dem Meridian, wenn die 
geographische Breite grösser wird. 

Diese einfachen Feststellungen lassen sich gleichmässig gut auf 
die grossen Menhirreihen der Gegend von Morbihan anwenden, wenn 
man die in der Schrift des Herrn Gaillard eingeschalteten Pläne für 
genau hält. So beziehen sich die Steinreihen von Ste. Barbe und 
S. Pierre Quiberon auf den Sonnenaufgang in gleichem Abstand von 
der Herbst- Tag- und Nachtgleiche und der Wintersonnenwende, oder 
auf den entsprechenden Untergang; diejenigen von Erdeven bestimmen 
den Aufgangspunkt der Sonne zur sommerlichen Zwischenzeit. Le Menec 
und Kerlescant bezeichnen die auf die Tag- und Nachtgleiche bezügliche 
Linie, während Kermario und Le Menec-vihan die Richtung des Sonnen- 


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5] 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 


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76 


Alf. Devoir. 


[6 


Überlegenheit mancher Stammesglieder musste die geistige Auslese, die 
die Baumeister-Astronomen bildeten, unbedingt die Leitung des Stammes 
in die Hand bekommen. 

ln der Tat können es nur durchaus hierarchisch gegliederte Ver¬ 
bände dahin bringen, so mächtige Bauwerke wie die Steinreihen von 
Carnac, wie gewisse Cromlechs in Finistere oder England zu vollenden. 
Hunderter von Armen, die einem einzigen Haupt gehorchten, bedurfte 
es, um die gewaltigen Dolmen von Locmariaker zu bauen, um die 
granitenen Obelisken der Umgebung von Brest aufzurichten, von denen 
manche ein Gewicht von mehr als 50 Tonnen besitzen. 

Und man ist aufs höchste erstaunt, wenn man bedenkt, dass 
einer von ihnen, der Menhir von Melon, — das wichtigste Merkzeichen 
einer auf den Aufgangspunkt der Sonne zur Zeit der Sonnenwende 
bezüglichen Richtung—, dessen Gewicht nicht unter 14,000 kg beträgt, 
so aufgerichtet worden ist, dass zwei seiner ebenen und parallelen 
Flächen auch parallel zur astronomischen Richtlinie sind, die 1500 m 
davon entfernt durch eine Reihe von drei Menhiren festgelegt ist. Die 
vier Blöcke sind genau in einer geraden Linie aufgestellt (Taf. XII, 1, 2). 

Die Aufrichtung von neuen Denkmälern (Taf. XII, 3, 4; XIII, 1,2; 
Abb. 2, 3), die Anstellung von Beobachtungen an den Hauptzeitpunkten 

des Jahres waren wahrschein¬ 
lich die Gelegenheit zu Ver¬ 
sammlungen und auch zu 
Festen, in deren Verlauf die 
neolithischen Ackerbauer die 
Grösse der Werke feierten, die 
von ihnen oder ihren Vorfahren 
vollendet worden waren, und 
ihre unterwürfige Frömmigkeit 
schrieb ohne Zweifel das Ver¬ 
dienst der Einrichtung allein 
dem übernatürlichen Können 
der Zauberer zu. 

Haben wir nicht vor vier 
Jahren gesehen, dass die See¬ 
leute von Nippon ihren Sieg 
allein den göttlichen Vorfahren 
des Mikado zuschrieben? 

Mein trefflicher Freund Le Rouzie, dessen Arbeiten für die Archäo¬ 
logie der Gegend von Carnac so wertvoll sind, hat schon lange den 

Gedanken ausgesprochen, dass man mitten in den Steinreihen astrono- 



Abb. 2. St. Denec. 


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7] 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 


77 


misch-religiöse Feste feierte; die früher gemachten Beobachtungen be¬ 
kräftigen diese Meinung in einzigartiger Weise. 

Die Sonnwendfeuer erinnern noch jetzt an diese Jahrtausende 
alten Bräuche; bei den Steinreihen von Erdeven, die nach dem Zwischen¬ 
aufgangspunkt der Sonne im Sommer ausgerichtet sind, haben die 
Neolithiker am 6. Mai jeden Jahres das Blühen feiern können und 
vielleicht auch die Arbeit. 

Seit dieser Zeit würde dieser Brauch nur um sechs Tage vorgerückt 
sein. Wenn man alle die Feste prüft, die von dem römischen Heiden¬ 
tum in den katholischen Kirchenbrauch übergegangen sind, würde man 
sehr viele Überbleibsel wiederfinden, die auf die vorgeschichtlichen 
Zeiten zurückweisen; daher ist auch oft das Kreuz auf dem Menhir 
angebracht, und der Fromme kniet in unsern Tagen an demselben Ort 
nieder, wo vor 5000 Jahren der Fromme betete (Taf. XIII, 3). 

Das enthüllen uns plumpe Blöcke, die auf unserm Boden von 
Menschen aufgerichtet sind, deren Namen wir niemals erfahren werden. 

ln der Heide tauchte eine vielleicht weniger gelehrte, aber nicht 
weniger alte Astronomie als die der Chaldaer auf, und wir ahnen, 
welches der geistige und wirtschaftliche Zustand unserer fernen Vor¬ 
fahren sein konnte. 

Eine Welt, von der man glauben konnte, dass sie auf ewig ver¬ 
schwunden ist, steigt aus der Nacht der Vergangenheit hervor: in ihren 
seit 40 oder 60 Jahrhunderten verschlossenen Grabkammern haben uns 
die Dolmen und Grabhügel den Schmuck und die Waffen verstorbener 
Geschlechter bewahrt; ihr Denken selbst stellt uns in seiner erhabensten 
Form die Einfachheit der plumpen Denkmäler vor, die sie gebaut haben. 

In welche Vorzeit versetzt uns diese allein auf der Sonnen¬ 
beobachtung begründete Astronomie, wenn wir bedenken, dass alle 
südasiatischen oder arischen Völkerschaften seit etwa 40 Jahrhunderten 
im Besitze eines Mondkalenders sind! 

In bestimmten Fällen werden uns die Denkmäler selbst sagen, zu 
welcher Zeit sie aufgerichtet worden sind. 

Die astronomischen Richtlinien, welche die vorgeschichtlichen 
Zauberer festzulegen suchten, sind in der Tat langsamen Veränderungen 
unterworfen, die selbst die Folge von der vorrückenden Bewegung der 
Nachtgleichen sind. 

Diese Unterschiede können der Berechnung unterworfen werden, 
deren Ergebnisse, verglichen mit den im Gelände gemachten Beobach¬ 
tungen, wertvolle Abschätzungen erlauben. 

Auf diese Weise schreibt Sir Norman Lockyer, der die Hypothese 


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78 


Alf. Devoir. 


[8 


einer von den Architekten von Stonehenge gut ausgeführten Absteckung 
vertritt, diesem Denkmal ein Alter von 36 Jahrhunderten zu. 

Die grossen Menhire von Finistere können zur gleichen Zeit auf¬ 
gerichtet worden sein, das heisst mitten in der Kultur der Bronze 
(Morgien)*). 

Der kühne Versuch des berühmten Astronomen zeigt, welch un¬ 
geheures Feld sich vor der Altertumskunde der Gegenwart eröffnet; 

das Studium der „monumen¬ 
talen" Zeitrechnung steckt noch 
in den Kinderschuhen. 

Wieviel an megalithischen 
Resten noch reiche Gegenden 
sind im Gegensatz zu den 
wenigen in der Bretagne und 
auf der anderen Seite des 
Ärmelkanals erforschten Qua¬ 
dratkilometern entweder noch 
unerforscht oder ungenügend 
untersucht. 

Wenn man ehedem Menhirs ' 
und Dolmen als allein stehende, 
von einander unabhängige Denk¬ 
mäler hat ansehen können, so 
hat eine derartige Auffassung 
heute keine Geltung mehr. Wir 
müssen in jedem von ihnen 
eines der Glieder einer zu¬ 
sammengehörenden Gruppe 
sehen, von der uns ein Rest 
erhalten ist oder hat verschwinden können, einen der Ringe einer mehr 
oder weniger ausgedehnten Kette, die vom Menschen und von den Un¬ 
bilden der Witterung mehr oder weniger zerstört worden ist. 

Es ist also wichtig, die Lage aller noch vorhandenen Denkmäler 
genau zu bestimmen, mögen sie in gutem Zustande oder verfallen sein; 
dagegen sind Verzeichnisse oder Kataloge mit unbestimmten Angaben, 
deren einige vorhanden sind, nunmehr vollständig ungenügend. 

Was die heutige Wissenschaft nötig hat, was wir denen vererben 
müssen, die nach uns kommen, das sind topographische Verzeichnisse 



*) Nach der durch 0. Montelius begründeten Chronologie wäre das Jahr 1700 
vor Chr. gegen Ende der ersten Periode der reinen Bronzezeit zu setzen. Kossinna. 


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9] 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 


79 


in grossem Massstabe, die durch die Ergebnisse astronomischer 
Forschungen vervollständigt werden. 

Die Kenntnis der auf die Sonne bezüglichen Richtungen ist übrigens 
in hohem Masse dazu angetan, die Arbeit der Forscher zu erleichtern; 
cten Kompass in der Hand müssen sie, von einem bekannten Denkmal aus¬ 
gehend, diejenigen aufsuchen, die sie noch nicht kennen; dieser Methode 
verdanke ich zu wiederholten Malen ausgezeichnete Ergebnisse. 

Die Zukunft wird — zweifellos besser als wir es können — die 
neuen Zeugnisse verwerten, die von sorgfältig ausgeführten Erkundungen 
geliefert würden; solch ein auf der Erde liegender Block, den heut¬ 
zutage der Archäologe verachtet, würde ein wertvolles Anzeichen sein, 
wenn seine Lage auf einer abgesteckten Linie ihn zu einem unbestreit¬ 
baren Denkmalrest macht, der seinerseits dazu angetan ist, neue Ent¬ 
deckungen einzuleiten. 

Aber die Arbeit, kartographisch unsere vorgeschichtlichen Denk¬ 
mäler systematisch aufzunehmen, ist schwer; um sie gut auszuführen, 
wird es vieler Zeit und vielen guten Willens bedürfen. 

Werden diejenigen, die sich dem widmen werden, in einigen Jahren 
alle noch heute vorhandenen Denkmäler auffinden? 

Das Gegenteil ist leider weit wahrscheinlicher: Die Ausbreitung 
der Feldbestellung hat schon zahllose vorgeschichtliche Denkmäler ver¬ 
schwinden lassen; der Bau von neuen Dörfern, das Anlegen von Ein¬ 
friedigungen in gewissen Gegenden, wo der Besitz sehr zerstückelt ist, 
haben ähnliche Folgen gehabt; in der Bretagne besonders sind die 
niedrigen, die Felder begrenzenden Mauern aus der Geschichte der 
Vergangenheit hergestellt. 

Zweifellos ist es in vielen anderen Ländern ebenso. 

Es würde ein grossartiges Werk sein, in dem Geist der Landleute 
die Achtung vor diesen kostbaren Überresten zu wecken; gewiss müssen 
die Archäologen sich damit befassen, aber sie würden dieser Aufgabe 
nicht gewachsen sein. 

Sie brauchen hingebungsvolle Mitarbeiter, die dem Landmann 
näher stehen, als es bei ihnen der Fall ist, um das gute Wort überall 
da durchdringen zu lassen, wo vorgeschichtliche Überreste vorhanden 
sind, — und wenige Gegenden in Europa *) sind vollständig frei von 
solchen (Taf. XIV). 

J ) Zahlreiche Menhire des sächsischen und böhmischen Gebietes sind er¬ 
wähnt bei G. Wilke: Neolithische Keramik und Arierproblem (Archiv f. Anthropologie 
1909, N. F. VII, 300 Anm.); einige böhmische bei Piö, Cechy predhistoricke I, 67 ff.; 
die 22 thüringischen jetzt in dem Werke: Vor- und frühgeschichtliche Altertümer 
Thüringens von A. Götze, P. Höfer, P. Zschiesche. Würzburg 1909. Kossinna. 


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80 


Alf. Devoir. 


[10 


Nach Massgabe der Ausdehnung der zu erkundenden Gebiete 
müssen diese Mitarbeiter zahlreich sein; sie müssen Ausdauer besitzen, 
um eine Arbeit von mitunter langer Dauer zu einem guten Ende zu 
führen. 

Für eine solche Aufgabe sind die Lehrer von Natur bestimmt; 
mögen sie die Kinder lehren, dass einst — vor sehr langer Zeit — 
Menschen diese jetzt vom Schweiss ihrer Eltern benetzten Ländereien 
bebauten, dass diese Menschen nicht zu schreiben verstanden, aber 
dass sie, um ihre ländlichen Arbeiten zu regeln, um die Zeit zu messen 
und sich der denkwürdigen Ereignisse zu erinnern, in den Boden grosse 
Steinblöcke setzten. 

Mögen sie ihnen sagen, dass diese vor Zeiten aufgerichteten Steine 
nicht zerstört, sondern gleich den Feenhöhlen, den Zwergenhäusern, 
Tempeln und Grabstätten der Menschen vergangener Zeiten sorgfältig 
erhalten werden müssen. 

Später werden sie ihnen sagen, was diese Menschen waren, oder 
wenigstens, was wir davon wissen, und der gute, dem Kinde anvertraute 
Same wird gedeihen für die ganze Umgebung. 

Auf diese Weise werden die alten Denkmäler, nunmehr besser 
gekannt von denen, die bei ihnen wohnen, vor der Zerstörung bewahrt 
bleiben; die erste Ursache so vieler unwiederbringlicher Verluste ist in 
der Tat nur die Unwissenheit. 

Alberne Legenden haben bis auf heute viele Landleute davon ab¬ 
gehalten, sich für die Spuren der Vergangenheit zu interessieren, die 
zumeist als Werke bösartiger Geister hingestellt werden, deren Macht 
die Zeit nicht vollständig gebrochen hat. 

Wenn die Landleute lernen, dass man diese Denkmäler ihren Vor¬ 
fahren verdankt, und welches ihre Bestimmung war, dann werden sie 
die ersten sein, die ihnen die Erhaltung sichern. 

Jedoch nur der Lehrer kann der Verbreiter dieser Elementar¬ 
kenntnisse, der unentbehrliche Vermittler zwischen der archäologischen 
Wissenschaft und der ländlichen Bevölkerung sein. 

Für jeden von uns ist es also Pflicht, mit den Lehrern, unseren 
natürlichen Mitarbeitern, in den Flecken oder Dörfern ihres Bezirkes 
Beziehungen anzuknüpfen und ihr Interesse für unsere Arbeiten zu 
wecken: wie viele von ihnen werden, fern von den Zerstreuungen der 
Stadt, glücklich sein, in den archäologischen Forschungen ein Mittel zu 
finden, sich in ihrer Mussezeit zu beschäftigen, und gleichzeitig ein 
wirklich nützliches und wissenschaftliches Werk zu tun, dem auch die 
Geistlichen der verschiedenen Bekenntnisse ihre Mitarbeit widmen 
könnten. 


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11] 


Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. 


81 


Es ist hier natürlich notwendig, einer mehr glühenden als aufge¬ 
klärten Begeisterung entgegenzutreten; Aufgabe der organisierten archäo¬ 
logischen Gesellschaften und ebenso der Staatsgewalt ist es, hier eine 
Bremse anzulegen, und jede Schädigung der Denkmäler zu verhindern. 

Wenn ihre Erhaltung jeden guten Willen für sich hat, müssen die 
Forschungen und Untersuchungen einer strengen gesetzlichen Regelung 


Schema einer megalithischen Gruppe nach den Arbeiten von Sir N. Lockyer und Comm. Devoir 


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48“ 30' nördliche Breite. 
Abb 4. 


unterworfen werden; zu viel Schätze können bei Gelegenheit einer 
schlecht geleiteten Ausgrabung verschwinden. 

Zum Aufsuchen der Denkmäler nach einfachen, hier angegebenen 
Regeln muss die Archäologie alle diejenigen auffordern, die sich dem 
Studium der vorgeschichtlichen Vergangenheit widmen wollen. 

Viele würden augenscheinlich mehr Interesse daran haben, 
Grabungen auszuführen, Sammlungen zu vergrössern: ganz recht, aber 
wir müssen nicht nur für uns selbst, sondern auch für diejenigen arbeiten, 
die nach uns kommen. 

Das Aufsuchen der megalithischen Architekturreste erscheint auf 

M annus. Bd. I. 6 


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82 Alf. Devoir: Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. [12 

den ersten Blick eine wenig verführerische Arbeit; vernünftig unter¬ 
nommen, mit dem Kompass in der Hand, wird sie dagegen Leiden¬ 
schaft erwecken in jedem, der sich ihr ernsthaft widmet, weil sie von 
nun an auf Grundlagen ruht, deren festes Gefüge sechzig Jahrhunderte 
nicht erschüttert haben. 

Unsere Zeit wird ihre Aufgabe gut erfüllt haben, wenn es ihr ge¬ 
lingt, die Bausteine für die zukünftige Wissenschaft vorzubereiten und 
zu erhalten. 

In dieser Richtung müssen ohne Zeitverlust und in völliger Über¬ 
einstimmung alle diejenigen arbeiten, die es sich Mühe kosten lassen, 
in den „megalithischen Gebieten“ die Kenntnis der menschlichen Ver¬ 
gangenheit vorwärts zu bringen. 


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4. Kergadion. 


Menhire der Bretagne. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


3. Kergadion. 


Devoir, Urzeitlicbe Astronomie. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /. 


Ta/. XII 


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Mattnus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd . /. 


Taf XIII. 


1. Kcrivoul. 


2. Kerivoul. 


3. Bar ar Lann (Portsalle). 

Menhire und Dolmen der Bretagne. 


D^voir, Urzeitlicbe Astronomie. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), W-rzburg. 


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Mannns, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1. 


Taf XIV. 




2. Grösserer HUnenstein 3. Kleinerer Hünenstein 

bei Benzingerode am Harz. 


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Deyoir, Urzeitll 


Menhire in Mitteldeutschland. 

Curt K&biRöüilC 55*** QfWWE IWVY 




























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Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit 

am Fliegenberge 

bei Troisdorf, Siegkreis, Reg.-Bez. Köln. 

Von 

C. Rademacher. 

Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel. 

Es ist bekannt, dass zu beiden Seiten des Niederrheins, auf den 
letzten Ausläufern des Gebirges, sich zahlreiche Gräberfelder befinden, 
die zu verschiedenen Zeiten teilweise untersucht und mehr oder weniger 
wissenschaftlich beschrieben worden sind 1 ). Eine zusammenhängende, 
abschliessende Arbeit über die ganze Frage der niederrheinischen Grab¬ 
hügel steht noch aus. Die letzte zusammenfassende Arbeit von 
A. Kiekebusch 2 ) weist den Grabhügeln einen Zeitraum von der Hall¬ 
statt- bis zum Ende der Kaiserzeit zu. Kiekebusch glaubt ferner, dass 
Germanen während dieser ganzen Zeit am Niederrhein gesessen haben. 

Ganz gelöst ist diese Frage noch nicht, denn man hatte bis heran 
noch keine einzige Wohnstättenanlage in dem ganzen Gebiete aufgedeckt. 

Um so erwünschter war es, dass die Untersuchungen des Bericht¬ 
erstatters in den zwei letzten Jahren am Niederrhein, und zwar in un¬ 
mittelbarer Nähe der Stadt Köln, nicht weniger als vier Wohnstätten¬ 
anlagen ergaben. Zwei dieser Anlagen reichen nun in eine frühere 
Zeit zurück, während die andern mehr oder weniger mit den Grab¬ 
hügeln in Verbindung zu setzen sind. 

Die erste Anlage befindet sich im Scheuerbusch bei Wahn, Kr. 
Mühlheim a. Rh., auf dem Gräberfelde, das von der Hallstattzeit bis in 
die Kaiserzeit hinabreicht 3 ). Es sind dort steinzeitliche Hausanlagen 
zum Vorschein gekommen mit einem Inventar 4 ), das der Untergrombacher 

*) Die einschlägigen Veröffentlichungen des Berichterstatters befinden sich 
in den „Bonner Jahrbüchern“ Band 105; „Nachrichten über deutsche Altertums¬ 
funde“ Jahrgang 1893, 94, 95, 96, 97, 98. 99. 

2 ) Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im Spiegel der 
Hügelgräber des Niederrheins von Dr. A. Kiekebusch. Berliner Dissertation 1908. 

*) Vergl. den Aufsatz des Berichterstatters in dem Berichte über die Prä¬ 
historiker-Versammlung in Köln am 23.—31. Juli 1907. S. 126 ff. 

4 ) Funde im prähistorischen Museum zu Köln. 

6 * 


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84 


C. Rademacher. 


[2 


Periode entspricht, eine Periode, die durch Direktor Lehner bei Urmitz 
und Mayen ebenfalls festgestellt wurde. 

Die zweite derartige Anlage liegt auf der Höhe des Vorgebirges 
bei Bonn. Daselbst befindet sich ein kleines Hügelfeld, das der 
ältesten Bronzezeit (Montelius I) zum Teil angehört, wie das eine 
Bronzeaxt 1 ) mit einem triangulären Dolche beweisen. Das Inventar 
einer Wohnstätte auf dem Terrain dieses Begräbnisplatzes ergab eine 
Keramik, die dem Übergange der Steinzeit zur Bronzezeit entspricht, 
das Bruchstück eines Zonenbechers 2 ) kam an der Stelle zum Vorschein. 
In der Ebene zwischen Rhein und dem Vorgebirge, man könnte fast 
sagen am Fusse jener Höhen, welche die eben erwähnten Grabhügel 
tragen, waren Scherben gefunden worden, die den grossen, dick¬ 
wandigen Gefässen*) mit langem, zylinderförmigem Halse und fast 
wagerechtem Rande angehören, die man bis vor kurzem der jüngsten 
Bronzezeit, nach Reineckes Vorgang jedoch der älteren Hallstattzeit 
zuschreibt. Die Auffindung dieser Scherben, welche zum ersten Male 
die ältere Hallstattzeit, und zwar in unverkennbarer Übereinstimmung 
mit süddeutschen Formen, für den Niederrhein festlegt, gab Veranlas¬ 
sung, dort Grabungen vorzunehmen. Es kamen hier mehrere Wohn- 
gruben zum Vorschein, die jedoch der La Tenezeit zuzuweisen sind, 
was die Übereinstimmung mit typischen La Tenezeitlichen Funden in 
Kessenich bei Bonn beweist. 

Die vierte Wohnstättenanlage ward in dem Walde bei Troisdorf 
am Fliegenberg 4 ) entdeckt. Hier sind eingehendere Untersuchungen 
bereits angestellt, über die in folgendem weiter berichtet werden soll. 

Der Fliegenberg ist einer der letzten Erhebungen der bergischen 
Höhen zwischen Siegburg und Troisdorf. Die ganze Gegend ist sehr 
reich an Grabhügeln. So befinden sich ausgedehnte Gräberfelder bei 
Siegburg, Niederpleiss, Caldauen, Schreck, Altenrath und, kaum 1 km 
vom Fliegenberge selbst, am Ravensberg. Die Funde von dem Be¬ 
gräbnisplatz am Ravensberg beweisen das Hinaufreichen desselben in 
die Hallstattzeit (viele Graphiturnen, konische Halsbildung u. a. m.) 

Der Fliegenberg senkt sich terrassenförmig der Rheinseite zu und 
endigt in einer sehr wasserreichen, sumpfigen Niederung. Nach der ent- 

] ) Funde im prähistorischen Museum zu Köln. 

2 ) Im präh. Museum zu Köln. 

3 ) Viele derartige grosse Urnen befinden sich im Museum zu Giessen und 
im Museum zu Frankfurt. 

4 ) Es yrar zuerst die Bezeichnung „am dicken Stein“ gewählt. Weil dieser 
Stein aber durch das Quarzitbrechen längst verschwunden ist, erscheint der Name 
des Berges, an dessen Fusse die Anlage sich befindet, angemessener. 


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3] 


Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 


85 


gegengesetzten Seite verbindet ein Bergsattel den Fliegenberg mit dem 
Güldenberg und dem Lohmarer Berg; ersterer ist die grösste Erhebung 
der Gegend, welche dieselbe in weitem Umkreise beherrscht. Zunächst 
am Fliegenberg erhebt sich der Güldenberg, der nach einer Seite steil 



Lageplan der Grabung am 17.-20. IX. und 1. —5. X. 1907. Fliegenberg bei Troisdorf. 

Abb. 1. 


zum Aggerflusse abfällt. Üppige Wiesen breiten sich dicht an den 
Berg hinan. Der Güldenberg ist mit einem Walle gekrönt, der das ganze 
Plateau umschliesst in Form eines unregelmässigen Vierecks (s. Abb. 1). 
Nicht weit von dieser Wallanlage liegen drei vereinzelte Grabhügel. 

Man sieht, alle Vorbedingungen für eine prähistorische Dorfanlage 
sind hier gegeben: Wasserreichtum, terrassenförmiges Absenken des 
Gebirges für den Ackerbau, geschützte Lage (nach der Rheinseite un¬ 
durchdringlicher Sumpf, nach der anderen der Aggerfluss) dazu uner¬ 
messliche Wälder für die Jagd. So wird es uns auch erklärlich, dass 
wir schon für eine frühe Besiedelung der Gegend deutliche Spuren 
antreffen. Hierzu gehören zahlreiche mikrolithische Geräte, dem Tar- 
denoisien angehörig, eine Werkstätte zur Herstellung von Steingeräten 
aus dem dort anstehenden Material (feiner Quarzit), und endlich zwei 
grosse Vorratsgefässe *), die der jüngsten Bronzezeit zuzuschreiben sind. 


*) Alle hier genannten Funde befinden sich im Museum zu Köln. 


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86 


C. Rademacher. 


[4 


Der Fliegenberg und überhaupt die ganze Gegend sind mit allu¬ 
vialem Sande bedeckt, worunter Lager von Ton sich befinden. In 
diesem Ton liegt nesterweise Quarzit, der in grossen Blöcken, stellen¬ 
weise wenigstens, auch bis auf die Oberfläche tritt. Dieser Quarzit 
wird gegenwärtig ausgebeutet, und bei diesen Arbeiten kamen vereinzelte 
dunklere Stellen mit Scherben und dgl. zum Vorschein. Dieser Um¬ 
stand war Veranlassung, dass von seiten des Kölner Museums hier 
Ausgrabungen vorgenommen wurden, welche um so erwünschter waren, 



Grabung 1. Fliegenberg bei Troisdorf- 17. — 20. IX. 1907; 1- X. 1907. Wohngrube I. Baumloch 1 u. 2 

Abb. 2. 

da die Scherben, von denen vorhin die Rede war, nicht mit der Keramik 
der nahen Begräbnisplätze übereinstimmten und auch recht zahlreiche 
Bruchstücke römischer Provenienz sich vorfanden. 

Die erste Grabung fand auf dem vorhin beschriebenen Hang nicht 
weit von der unteren Grenze statt. Zwei nebeneinander liegende kreis¬ 
runde Gruben, deren sich auf dem Hange eine ganze Anzahl befinden, 
wurden angeschnitten. Es galt zunächst festzustellen, ob diese Gruben 
als Wohngruben oder als Baumlöcher anzusprechen seien. Da wieder¬ 
holt kleine Scherben prähistorischen Charakters dicht neben und in 
den Gruben aufgehoben waren, schien die Meinung, dass wir es mit 
Wohngruben zu tun hätten, nicht aussichtslos. Durch einen 19 m 
langen Graben wurden die beiden Löcher seitlich angeschnitten, ln 
durchschnittlich 75—80 cm Tiefe zeigte sich der Urboden, sehr heller 
trockener Sand, in dem stellenweise Eiseninfiltrationen harte, etwas 
dunklere Stellen hervorgebracht haben. Einzelne Scherben, darunter 


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88 


C. Rademacher. 


[6 


Bei der Grabung 4 wurde eine Stelle innerhalb eines kleinen 
Wallvierecks gewählt (vgl. Abb. 1 links). Dieses Wallviereck mit einer Seite 
fast dicht an einen Weiher stossend, ist ganz geebnet. Ein kleiner Graben 
und ein dementsprechender Wall umgibt die Stelle. Ein Durchschnitt des 
Walles erzielte kein Resultat. Das Wallviereck ist durch zahlreiche 
Kaninchen-Gänge ausgezeichnet; bei ihrem Wühlen hatten die Tiere 
einzelne Scherben ans Tageslicht gebracht. Bei diesem Kaninchenbau 
wurde die Untersuchung begonnen. Bald stellte sich ein Dunklerwerden 



Grabung 4. Fliegenberg bei Troisdorf. 3.-4. X. 1907. Wohngrube II. 
Masstab 1:1 SO. 

Abb. 3. 


des Bodens ein; ganze Massen von Scherben kamen zutage, und in Tiefe 
von 1,25 m wurde der etwas muldenförmige Boden einer Wohngrube fest¬ 
gestellt (Abb. 3). Die Kulturschicht hatte wieder eine Mächtigkeit von 
40 cm, doch setzten sich die Scherben auch über die Oberfläche der 
dunklen Schicht in ziemlicher Menge fort. Unter der Kulturschicht 
fand sich ein aus faust- und handgrossen Steinen hergestelltes Pflaster 
(tief 110—115 cm), das etwa 1 qm bedeckte. Überdeckt war dieses 
Pflaster von einem hellgrauen, feinkörnigen Sande, der grösstenteils 
aus Asche bestand. Kohlenspuren auf den Steinen, das rotgebrannte 
Aussehen derselben ergaben mit Sicherheit, dass dieses Pflaster als 
Herd benutzt wurde. Die Steine waren flache Flussgeschiebe aus der 
nahen Agger. In dem Pflaster, am östlichen Rande der Grube gelegen, 
fand sich ein römischer Scherben der mittleren Kaiserzeit und ein Glas¬ 
stück, im westlichen Teile einige Knochen und ein Pferdezahn. 

Die Bodenverhältnisse dieser Wohnstätte waren gleich denen der 
ersten Grube, sehr heller Urboden (Sand), ziemlich schwarze Kultur¬ 
schicht, darüber eine braune, nicht sehr dunkle Oberschicht. Beim 


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7] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 89 

Weitergraben a — a , ß—ß fand sich je ein Bruchstück eines Mühlsteines, 
ausserhalb der Wohngrube. 

Die Querschnitte a — er, ß — ß sind zu beachten; sie sind ziemlich 
genau, da bei dieser Grube die Dichtigkeit der Kulturschicht am 
stärksten war. Die eine Kurve a—cc gibt den mittleren Durchmesser 
an; die zweite ß — ß liegt mehr nach dem südöstlichen Rande hin. 
Bei Vergleichung der beiden Querschnitte ergab sich, dass nur eine 
runde Form der Grubenwand beide Kurven ganz in ihrer Fläche auf- 



ürabung 5. Fliegenberg bei Troisdorf. 4. X. 1907. Wohngrube III. Baumloch 4. 

liasstab 1:150. 

Abb. 4. 


zunehmen vermag. Es ist dies ein direkter Anhalt für die runde Form 
der Wohngrube. 

Die folgende Grabung, nicht weit von der bei der ersten Grabung 
entdeckten Wohngrube, begann, wie aus Abbildung 4 ersichtlich ist, 
mit einem Durchschnitt durch eine nunmehr als Baumloch erkannte 
Grube. Der Durchschnitt bestätigte das bei den früheren Grabungen 
gewonnene Ergebnis. Da sich an einer Stelle Scherben zeigten, auch 
der Boden eine etwas dunklere Färbung annahm, wurde der Graben 
NW—SO fortgesetzt. In den ersten 4—5 m wurde ein Tiefergehen der 
dunklen, auf den ursprünglichen Boden aufgelagerten Schicht (von 
55 cm—110 cm) festgestellt. Dann stieg der helle Sand wieder auf 
80 cm, um von da ab langsam bei fortwährend dunkler und härter 
werdender Erde auf 110 und endlich auf 120 cm Tiefe zu sinken. 
Hier war also eine dritte Wohngrube mit einer vorgelagerten Neben¬ 
grube festgestellt. 

Die Wohngrube III (siehe Abb.) hatte dieselbe Anlage wie Wohn- 


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90 


C. Rademacher. 


[8 


grübe I und II, nur war die Kulturschicht bei Grube III viel weniger 
durch Kultureinwirkungen gefärbt, auch das Scherbenmaterial erreichte 
nur die Hälfte der Ausbeute von Grube I und II. Dass die Grube aber 
dennoch als Wohngrube anzusprechen ist, beweist die Feuerungsanlage 
an der süd-östlichen Seite. 0,5 m von der Mitte der Grube entfernt 
fanden sich drei in einer Linie aufgestellte, ziemlich derbe, mehr als 
kopfgrosse Quarzitblöcke, die von dem ursprünglichen Boden der Hütte 
25—30 cm aufragten. Hinter diesen, also nach dem südöstlichen 
Rande, zeigte sich eine starke Brandschicht mit sehr viel Kohle und 
Asche. Diese Feuerstelle, die eines Pflasters entbehrte, vielmehr direkt 
auf dem Sande angelegt war, hatte 1 qm Flächenraum. Die drei 
Quarzitsteine haben offenbar als Abschluss des Feuerraumes gegen den 
übrigen Teil des Raumes gedient. Beim Entfernen der Steine behufs 
Untersuchung des unter ihnen befindlichen Bodens fanden sich unter 
den Steinen römische und germanische Scherben vor. 

Eine bemerkenswerte Stelle ist noch bei d im Profil ß—y (siehe 
Abb.). Hier senkte sich die Kulturschicht bis auf 150 cm, also noch 
25 cm unter dem sonstigen Boden der Grube. Es muss sich demge¬ 
mäss hier eine Vertiefung befunden haben, Funde wurden in dieser 
Vertiefung nicht gemacht. 

Eine sechste Grabung (s. Abb. 1) wurde an einem Hügel westlich 
der ersten und fünften Grabung vorgenommen, die kein Ergebnis lieferte. 
Die siebente Grabung erstreckte sich wiederum auf einem länglichen, 
natürlichen Hügel, etwa 15 m Länge, 90 m Breite, 0,80 m Höhe. Ein 
grosser Kreuzgraben lieferte einige Scherben, einen kleinen Bronzering 
von 25 mm Durchmesser und eine kleine römische Münze, sog. Tetri- 
kus. Eine Wohnstättenanlage konnte hier jedoch nicht festgestellt werden. 

Die letzte Grabung fand an einem Punkte statt, dessen Umgebung 
durch Abräumungsarbeiten für die Quarzitgrube sehr stark durchwühlt 
und teilweise abgetragen oder mit grossen Abraummassen bedeckt war. 
An dieser Stelle waren Mengen von Scherben, kleine Bronzestücke, 
unbearbeitete Feuersteinstücke zum Vorscheine gekommen. Nur ein 
kleiner Teil des Platzes war unversehrt geblieben und auf diesen be¬ 
schränkte sich die Grabung. Etwa 80 cm unter der Oberfläche steht 
der helle, unversehrte Sand an. Darüber beginnt eine dunkelbraune 
Erdschicht, die sich ungeändert bis unter die Humusdecke an der 
Oberfläche hinaufzieht. In dieser braunen Schicht ziemlich viele 
Scherben, römische und germanische, auch einige grobe Feuerstein¬ 
stücke. Zu bemerken ist hier, dass von Arbeitern in der Nähe dieser 
Stelle ein Feuersteinmesser gefunden war, 8 cm lang, 2,5 cm breit, mit 
gut retouchierten Schneiden. Eine Menge flacher, rotgebrannter Fluss- 


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9 ] 


Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 


91 


geschiebe kamen zum Vorschein, die einem Herdpflaster angehört haben; 
leider war dieses durch die Arbeiten zerstört, so dass nichts Genaueres 
darüber mitgeteilt werden kann. 

Als die ganze Kulturschicht ausgeräumt und untersucht worden 
war, wurden die Grabungen im klaren, unversehrten Sande fortgesetzt, 
und zwar nach Westen. Scherben kamen längst keine mehr zum Vor¬ 
schein, dafür jedoch eine Anzahl sehr kleiner Feuersteinstücke, meist 
eclats; einzelne mussten als Spitzen angesprochen werden, darunter 
eine sehr fein gearbeitete, überall retouchierte sog. Diederspitze und 
noch ein Schaber von der Grösse eines kleinen Fingernagels. Auch 
ein Nukleus für die kleinen Geräte fand sich vor und ein etwas 
grösserer Schaber aus Quarzit. 

Diese Fundstücke, mikrolithischer Art, haben offenbar mit den 
Wohngruben und ihrem Inhalte nichts zu tun. Sie sind wohl dem Tarde- 
noisien zuzuschreiben und, wie Dr. Hahne mitteilt, dem Funden zu 
vergleichen, die auch in der Lüneburger Heide Vorkommen. 


II. 

Das Fundmaterial. 

Nach Beendigung der Grabung sind von den Arbeitern der Quar¬ 
zitgruben noch mancherlei Funde in dunklen Kulturschichten gemacht 
worden, um deren Bergung und Überweisung an das Kölner Prä¬ 
historische Museum Herr Hauptlehrer C. Breuer in Altenrath grosse 
Verdienste sich erworben hat. Es ist Pflicht des Berichterstatters, dem 
Herrn auch an dieser Stelle den besten Dank auszusprechen. Da die 
oben erwähnten dunkleren Kulturschichten meist als Wohn- oder Abfall¬ 
gruben anzusehen sind und das Material vollständig mit dem durch 
die systematischen Grabungen gewonnenen übereinstimmt, so möge eine 
kurze Zusammenstellung der Funde hier folgen (vgl. Tafel XV). 

Funde von Eisen: Ziehmesser, Meissei, Glocke (Abbildung), kleinere 
Eisenstücke unbekannter Verwendung. 

Bronze: Kannenbeschlag (Abbildung), Bronzering, Bronzeblech, Aucissa- 
Fibel (Abbildung). 

Münzen: Augustus - Münze mit Nachstempel, Tetrikus-Münze, Denar 
des Posthumus. 

Mühlsteine: Zwei ganz erhaltene, in der bekannten runden Form der 
römischen Handmühlsteine mit Loch, mehrere Bruchstücke, 
darunter einer mit tiefen, bogenförmig gezogenen Rillen. 


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C. Rademacher. 


[10 


Spinnwirtel: Zwei flache, zwei konisch geformte, einer frgm. ohne 
Ornamente. 

Feuerstein: Messer, 8 cm lang, mehrer kleine Feuersteinstücke zum 
Feuerschlagen. 

Poliersteine aus schwarzem Kieselschiefer. 

Hausverputz: Lehmbrocken der Wände und aus Kalkmörtel hergestellter 
feiner Verputz. 

Formen: Eine massive Tonform zur Herstellung der Gefässe. 

Perlen: Frgm. blaue Glasperle. 

Glas: Einige Bruchstücke römischen Glases. 

Römische Gefässe: Scherben von Sigillata-Gefässen mittlerer Kaiserzeit 
(Abbildung), Scherben von Kochtöpfen mit umgebogenem 
Rande (Abbildung), Henkel und Bruchstücke grosser Am¬ 
phoren, Henkel von zweihenkeligen Gefässen, Scherben von 
grösseren und kleineren Gefässen mit profiliertem Rande, 
einige mit eingeritztem Wellenornament. 

Germanische Gefässe: Meist nicht mit Drehscheibe hergestellt. Es 
ergeben sich Gefässe aller Art, Gefässe mit Fuss, Gefässe 
mit scharf abgesetzter Bauchwand, zahlreiche Gefässe (weit 
über 50) mit einfachem Randprofil, meist nur kleine Rand¬ 
leiste aussen. 

Die Farbe der einheimischen Gefässe ist bald schwarz, bald 
schokoladebraun, bald gelb, bald braun, einzelne von sehr 
feiner Arbeit. 

Unter den Ornamenten tritt verhältnismässig oft die Verzierung 
durch Fingernageleindrücke auf und zwar nicht selten in komplizierter 
Form in der Weise, dass jedes Ornament durch zwei Eindrücke her¬ 
gestellt erscheint, einmal nach rechts, das andere Mal nach links 
gebogen. Meist sind es die kleineren Gefässe mit scharf abgesetzter 
Bauchwand, deren Unterteil diese Verzierung aufweist. Auch auf dem 
Rande tritt deren Fingernagelornament auf, bei einigen Gefässen um¬ 
zieht ein Band solcher Eindrücke die weiteste Stelle der Bauchwand. 

Mit dem Fingernagelornament verbunden tritt auch das Ausstechen 
kleiner Flächen in dreieckähnlicher Form auf. Zunächst gibt es Gefässe, 
auf denen letztere Verzierung allein angewandt worden ist, daneben 
aber auch solche, auf denen beide Ornamentarten zusammen Vorkommen. 
Die Gefässwand ist in Felder zerlegt; abwechselnd ornamentierte man 
nur ein Feld mit dem Fingernagel, das andere Mal zog man vertikale 
Furchen, die dann mit Ausstich verziert wurden (Abbildung). Ein drittes 
Ornament ist eine kleine rundliche Vertiefung, sehr fein und zart an- 


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11 ] 


Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 


93 


gebracht in winkelbandähnlicher Form. Die Winkelbänder treten durch 
Linien, welche die Punzen umziehen, scharf hervor (Abbildung). 

Ein weiteres Ornament entsteht durch das Herausarbeiten kleiner 
Nupfen und Warzen, die, in verschiedener Höhe herausmodelliert, in 
grosser Anzahl die Gefässwand bedecken. Oft ist auch durch Furchen 
oder herausmodellierte dünne Stäbchen die Gefässwand abgeteilt, und 
die Nupfen und Warzen füllen die Abteilungen aus. 

Endlich ist die Kammstrichverzierung zu erwähnen, die entweder 
über der ganzen Gefässwand für sich angebracht ist, oder aber in 
Verbindung mit polierten, mehr oder weniger breiten vertieften, vertikalen 
Streifen. 

Ein Vergleich des gesamten Fundmaterials mit dem der benach¬ 
barten sehr zahlreichen Hügelgräber, auch mit dem des nur 1 km vom 
Fliegenberge entfernten Begräbnisplatzes am Ravensberg, beweist sofort 
die grosse Verschiedenheit. Die einheimische Keramik vom Fliegen¬ 
berge in Form und Ornamentierung ist mit der vom Ravensberge 
nicht gleichzeitig. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es 
am Fliegenberge mit einer germanischen Dorfanlage der Kaiserzeit 
(also nach 50 n. Chr.) zu tun haben, das beweisen die Münzen, die 
Sigillata, die Formen der römischen Gefässe*)• Können wir so die 
Dorfanlage nicht mit den naheliegenden Begräbnisplätzen in Verbindung 
bringen, so tritt sehr auffallend die Übereinstimmung mit den Funden 
zutage, die 1899 von Prof. Gundermann im Giessener Stadtwalde ge¬ 
macht worden sind und die sich nunmehr im Museum zu Giessen be¬ 
finden. Hier finden wir dieselben Ornamente in Nupfen und Warzen, in 
Kreisen und Kammstrichen wie am Fliegenberge, hier finden wir dieselben 
Formen der Gefässe. Zahlreiche Fussurnen sind dort bei Giessen gefunden, 
es war ein Begräbnisplatz ohne Grabhügel. Die Übereinstimmung ist so 
gross, dass die Scherben eines Gefässbodens von Giessen, den Herr 
Hauptmann Kramer mit anderen Scherben dem Kölner Museum freund- 
lichst überliess, mit einem vom Fliegenberge vollständig übereinstimmt. 
Es ist dies ein Gefässboden, der in Giessen und am Fliegenberge innen 
zu einer kegelförmigen Spitze herausgearbeitet ist, ein Vorkommnis, 
das auf keiner Graburne bis jetzt beobachtet werden konnte (Abbil¬ 
dung von Giessen und Fliegenberg). Hat nun der Giessener Begräb¬ 
nisplatz, dessen Keramik mit der der Dorfanlage am Fliegenberge über- 

*) Die provinzialrömischen Teile des Fundes gehören, soweit sie ohne 
Kenntnis der Originale bestimmbar sind, in die frührömische Zeit (vgl. Aucissa- 
fibel), die germanischen dagegen, die der Vf. ganz richtig mit den Funden aus 
Giessen vergleicht, mindestens grösstenteils erst ins 3. Jahrh. nach Chr., was be¬ 
sonders das Warzenornament der Tongefässe dartut. G. K. 


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94 


C. Rademacher. 


[12 


einstimmt, als Graburnen nur jene oben erwähnten Fussurnen, so 
müssen wir unbedingt auch von dem Begräbnisplatze, der zu der Dorf¬ 
anlage des Fliegenberges gehört, ähnliche oder dieselben Fussurnen 
erwarten. 

Im Jahre 1882 hatte der Berichterstatter von einem Arbeiter in 
den Quarzitgruben eine Graburne gekauft, die in demselben Jahre dort 
gefunden worden war. Der Mann hat die Stelle damals mir gezeigt. 
Bei dieser Urne, so erzählte der Arbeiter, habe ein ,,roter Deckel mit 
ausgearbeiteten Figuren“ gelegen. Dieser Deckel war verloren gegangen, 
so dass ich ihn nicht zu Gesicht bekommen habe. 1883 vertauschte ich 
die Urne vom Fliegenberge Herrn Geheimrat Finkelnburg in Godesberg, 
ich habe sie seit der Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen, hatte aber 
wohl noch in der Erinnerung, dass die Form nicht mit den bekannten 
Urnenformen der Gegend übereinstimmte. Die neuesten Ausgrabungen 
am Fliegenberge, die Übereinstimmung des Fundmaterials mit Giessen, 
brachte mir jene Urne lebhaft in die Erinnerung. Herr Prof. Wiede¬ 
mann in Bonn, Schwiegersohn des Herrn Geh. Rat Finkelnburg, hatte die 
Freundlichkeit, die Urne dem Kölner Museum zu schenken; es war 
eine Fussurne, genau wie die vom Giessener Stadtwalde (Abbildung). 
Bei den Giessener Graburnen sind Sigillatagefässe in grösserer Anzahl 
gefunden worden, und so wird auch der ,,rote Deckel“, von welchem der 
Arbeiter sprach, eine solche Sigillata-Schale gewesen sein. Hoffentlich 
gelingt es, den Friedhof zu der Ansiedelung aufzufinden. Aber auch 
jetzt schon haben wir den Beweis, dass neben unseren Hügelgräbern 
sich Grabfelder am Niederrhein befinden, die, ohne Hügel errichtet, 
eine andere Kultur zeigen, als die in den bekannten Grabhügeln. 

Es ist das erstemal in hiesiger Gegend, dass eine germanische 
Dorfanlage der Kaiserzeit festgestellt werden konnte. Noch nicht über 
alle Fragen der Hausanlage sind wir unterrichtet, weitere Ausgrabungen 
werden hierüber Aufklärung geben. 

Für die gesamte Beurteilung der niederrheinischen Hügelgräber 
sind die Funde am Fliegenberge aber jetzt schon von grosser Bedeutung. 


Nachtrag. 

Gerade in den Tagen der Korrektur der vorstehenden Mitteilungen 
sind von dem Berichterstatter neue Ausgrabungen am Fliegenberge 
vorgenommen worden, über die an dieser Stelle einige kurze Bemerkungen 
beigefügt werden müssen. 

Zunächst konnte noch eine Wohnstättenanlage (Grabung 10 siehe 
Abb. 1), aufgefunden werden, welche neue Gesichtspunkte der Beurteilung 


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13) 


Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 


95 


nicht ergab, nur fehlen die römischen Scherben hier vollständig. Sehr wichtig 
sind aber Gräberfunde, etwa 300 m von der 1. Grabung entfernt (siehe 
Abb. 1), Gräber, die mit der Dorfanlage unbedingt zusammen hängen. 
Unter den Funden sind an erster Stelle zu bemerken: ein Gefäss 
gallisch-römischer Herkunft mit 6 Gesichtern auf der Bauch¬ 
wand, die 6 keltische Gottheiten darstellen, darunter eine Gottheit mit 3 
Gesichtern, ein Gesicht en face, die beiden andern im Profil darge¬ 
stellt; ein römisches Gefäss, mit Rillen und S-förmigem Halse, ein 
germanisches Gefäss mit eingeschnittenen Rillen und winkelförmig 
gegeneinander gelegten Strichgruppen, mit kleinen Punzen und Warzen, 
Bruchstücke eines grossen Bronzegefässes, geschmolzenes Silber, zwei 
Bronzemesser mit Ornamentation, eine Lanzenspitze, eine Eisenfibel mit 
gebogenem Bügel, eine Scheibenfibel mit Feder, Bruchstücke einfacher 
Gefässe und geschmolzenes Glas, einer Flasche wahrscheinlich angehörig. 

Dieser Fund beweist aufs neue die Wichtigkeit der Niederlassung. 
Eine eingehende Publikation wird im 2. Hefte des „Mannus“ erfolgen. 


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Afanuus, Zeitschrift für Vorgeschichte J3d. J . Tafel XV* 



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Radcmacher, Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge. 















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Das Aurignacien in Deutschland. 

Vergleichende Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum 

von Rob. Rud. Schmidt-Tübingen. 

Mit 3 Tafeln. 

In meinem Aufbau der jungpaläolithischen Kulturen Deutschlands 1 ), 
den ich auf Grund neuer Funde und Untersuchungen diluvialer Wohn- 
plätze festlegte, habe ich bereits kurz auf die Vertretung des Aurignacien 
in Deutschland hingewiesen. Die Zahl der Funde erlaubt es heute 
durch unmittelbare Gegenüberstellung, durch eine vergleichende 
Stratigraphie der Fundplätze, die Elemente dieser Kultur für Deutsch¬ 
land eingehender zu untersuchen. 

Die Frage nach dem Aurignacien, der Vorsolutre-Epoche, die sich 
zwischen der primitiven Kultur des Spätmousterien und der Kultur der 
Lorbeerblattspitzen des Frühsolutreen einschaltet, ist in den letzten 
Jahren neu belebt worden. 

Unter den ersten Forschern, welche die Zusammenhänge der eis¬ 
zeitlichen Spuren des Menschen, den natürlichen Kulturaufbau zu ent¬ 
schleiern suchten, war Lartet, welcher dem Jungpaläolithikum zwei 
verschiedene Gruppen zuteilte. Er unterschied eine ältere Gruppe von 
Aurignac, Chateiperron und Gorge d’Enfer, der er eine zweite jüngere 
Gruppe mit dem Magdalenien von La Madeleine und dem Solutreen 
von Laugerie-Haute voranstellte. 

Das System Mortillets, das hauptsächlich auf einer Morphologie 
der Industrien basierte, bot dem Vorsolutreen keinen Raum und man 
verlor diese grundsätzlichen Unterschiede der Lartetschen Einteilung 
aus dem Auge, indem man bemüht war, nach Möglichkeit den lücken¬ 
haften Aufbau Mortillets auszuflicken. Einen von diesen systematischen 
Zielen unabhängigen Weg betrat Dupont, dessen Forschungen in bel¬ 
gischen Höhlen eine schärfere Horizontierung und Wechsel des archäo¬ 
logischen Inventars erkennen lassen. Erst neue Nährstoffe, die der 
Frage nach dem Vorsolutreen durch die jüngeren kritischen Forschungen 
und Ausgrabungen Breuils, Cartailhacs, Peyronys, Bardons, Bouyssonies 

*) R. R. Schmidt, Die späteiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland. Korresp. 
Blatt d. deutsch, anthrop. Ges. 1908. 

M a n n u s. Bd. I. 7 


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Rob. Rud. Schmidt. 


[2 


u. a. zugeführt wurden, machten sie wieder lebenskräftig. Ein ent¬ 
scheidender Schritt war hier die vergleichende stratigraphische Studie 
H. Breuils 1 ), der die Typenreihe der einzelnen Aurignacienhorizonte 
festlegte. Breuil unterscheidet besonders auf Grund der Funde von 
Spy, Trou Magrite und Goyet in Belgien, Solutre, Brassempouy, Pair- 
non-Pair, Arcy-sur-Cure, Le Trilobite, La Ferrassie und Cro-Magnon 
drei Niveaus. 

I. Das untere Niveau, charakterisiert durch die Funde von 
Brassempouy, La Ferrassie, Abri Audit und Pont Neuf, weist noch eine 
Anzahl von Formen des Spät-Mousterien auf, kennzeichnet sich aber 
vor allem durch die Spitzen vom Typus Chateiperron, eine gekrümmte 
Spitze mit einem retuschierten Rande. Hierzu gesellen sich schon 
breitflache Klingen, grobe Werkzeuge aus Knochen und Horn, schaufel¬ 
förmig zugeschärfte Knochensplitter und Pfriemen. 

II. Vielgestaltiger ist das Inventar des mittleren Aurignacien, das 
an zahlreichen Fundplätzen vertreten ist, wie in Cro-Magnon, La Fer¬ 
rassie, Tarte, Aurignac, Les Cottes und in mustergültiger Weise von 
Bardon und Bouyssonie in La Comba-del-Bouitou untersucht und 
charakterisiert wurde. Im Vordergründe stehen Leitformen wie der 
Kielkratzer, ein hochdicker nukleusförmiger Kratzer von meist nur 
2—4 cm im Durchmesser 2 ). Als gleichwertige Leitform ist die 
Spitze von Aurignac ihm an die Seite zu stellen, eine flache oder 
halbrunde Knochenspitze, die an ihrer abgerundeten Basis mit einer 
engen Querspalte versehen ist, jedoch kommen auch solche ohne ge¬ 
spaltene Basis vor. Häufig sind die Messer mit tiefen Kerben und 
Einbuchtungen versehen, die sich entweder unmittelbar gegenüberliegen 
und so eine Taille erzeugen oder an ihren Rändern eine Serie schräg 
gegenüberliegender Wechselbuchten tragen. Weniger zahlreich, beson¬ 
ders selten an der Basis des mittleren Aurignacien (Bouitou, unteres 
Niveau) sind die Stichel. Das erste Erscheinen des Bogenstichels, ein 
kurzer plumper Stichel, der durch länglich abgesprengte Lamellen 
bogenförmig zugespitzt ist, fällt noch in das mittlere Aurignacien. 
Neben diesem werden Stichel an feineren Klingen und Klingenkratzern 
angebracht. 

III. Das jüngste obere Aurignacien, das grundlegend in La Font 
Robert, La Gravette und Le Trilobite vertreten, vernachlässigt bereits die 

*) H. Breuil, La question Aurignacienne, Revue prehistorique 1907, Nr. 6 und 
7; und Les gisements Presolutreens du type d’Aurignac, XIIle Congres d’Anthro- 
pologie et d’Archeologie prehistoriques, Monaco 1906. 

2 ) Seine verschiedenen Variationen gehen aus der Studie Bardons und 
Bouyssonies, Grattoir carene et ses ddrivds (Revue de l’ecolc d’Anthropologie 1906) 
hervor. 


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3 ] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


99 


feinere Retuschierung der Klingenränder. Den Kielkratzer behält dasselbe 
noch bei, der sich von seinem massiven Vorläufer durch kleinere Typen 
unterscheidet. Erst zur vollen Geltung gelangt der Bogenstichel, nicht 
minder typisch sind der Eckstichel mit terminaler Endretusche, prisma¬ 
tische und polyedrische Kernstichel. In die gleiche Typenreihe setzt 
Breuil den Typus von La Gravette, eine spitze Klinge mit einer abge¬ 
stumpften Schneide, dessen Bedeutung als Leitform aber dadurch 
herabgemindert wird, dass dieser selbst noch im Solutreen wiederkehrt. 
Überhaupt enthält das ausgehende Aurignacien Westeuropas bereits eine 
Anzahl von Prototypen des Solutreen (wie La Font-Robert). 

Rutots Feststellungen für das belgische Aurignacien 1 ) beruhen 
im wesentlichen auf den bereits erwähnten Forschungen Duponts. Als 
unteres Aurignacien bezeichnet Rutot das belgische Niveau von Hastiere, 
das indessen noch das vervollkommnete Mousterien von La Quina ent¬ 
hält und somit noch in den Kulturkreis des ausgehenden Mousterien 
fällt. Nach Rutots Annahme aber entspricht der Horizont von La Quina 
dem Breuilschen Horizont der Chateiperronleitformen, denen er nur 
eine lokale Bedeutung zuschreibt. Somit bliebe für das belgische 
Aurignacien nur noch ein mittleres Aurignacien, das belgische Niveau 
von Montaigle, das mit dem Niveau von Cro-Magnon und Gorge d’Enfer 
sich deckt und ein oberes Aurignacien, das belgische Niveau von Trou 
Magrite, bestehen, das dem Niveau von La Font-Robert entspricht und 
wie dieses bereits die Vorboten der Solutreenindustrie aufweist. 

In Osteuropa ist die Aurignacienkultur in typischer Weise in 
Krems und Willendorf vertreten und von Obermaier in den Funden am 
Wagramdurchbruch des Kamp (Niederösterreich) nachgewiesen worden“). 
Überall zeigt sich hier, dass das Aurignacien dem jüngeren Löss an¬ 
gehört, der nach Obermaiers Feststellung für Niederösterreich und 
Mähren die Kulturen des Aurignacien, Solutreen und Magdalenien ein- 
schliesst. Inwiefern diese Feststellung sich bestätigt, werden wir aus 
den deutschen Funden ersehen können. 

Für die Stratigraphie und Typologie des Aurignacien in Deutsch¬ 
land sind vor allem die drei Fundplätze Sirgenstein (Schwäb. Alb), 
Ofnet (bei Nördlingen) und Wildscheuer bei Steeden a. d. Lahn grund¬ 
legend, über die ich bereits in einigen kurzen Fundberichten meiner 

*) Rutot, Le Presolutreen ou Aurignacien en Belgique, Congres prehistorique 
de France 1907. Ders. Mousterien et Aurignacien, Bulletin de l’Academie royale 
de Belgique 1908. 

*) Obermaier, Die am Wagramdurchbruch des Kamp gelegenen niederösterr. 
Quartärfunde, Jahrb. f. Altertumskunde, Zentralkommission f. Kunst- und histor. 
Denkmale, Bd. II. 1908. 

7* 


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100 


Rob. Rud. Schmidt. 


[4 


Ausgrabungen der Jahre 1905—08 Mitteilung gemacht habe 1 ), während 
eine eingehende Bearbeitung in meiner Gesamtarbeit über das deutsche 
Paläolithikum Aufnahme findet. 

Sirgenstein. (Schwab. Alb). 

Die Funde im Sirgenstein, die zum ersten Male für Deutschland 
den Beweis erbracht haben, dass eine Entwicklung der jungdiluvialen 
Kulturen sich auch für unsere Gebiete bestätigte, kommen in erster Linie 
für unsere Aurignacienfrage in Betracht. Der Sirgenstein (Schwäb. Alb), 
eine geräumige Jurahöhle, leicht zugänglich und wohnlich, mit einer 
breiten davor liegenden Terrasse, Hess drei Hauptablagerungen unter¬ 
scheiden, deren mittlere durch zwei Nagetierschichten von einer unteren 
und oberen Hauptablagerung geschieden wurde. Diese drei Haupt¬ 
ablagerungen haben einen gleichzeitigen, markant sich vollziehenden 
Wechsel in der Beschaffenheit der Bodenablagerung, der Tierwelt, wie 
auch des Nutzinventars des Menschen gemeinsam. Aber die schneller 
fortschreitende industrielle Entwicklung überholt den faunistisch klima¬ 
tischen Wechsel, der in diesen drei grösseren Ablagerungen zum Aus¬ 
druck kommt und so zeigen sich innerhalb dieser mehrere weitere 
archäologische Schichten, die sich durch die verschiedenen übereinander 
lagernden Herdstellen der Höhle und Terrasse deutlicher kennzeichnen. 

Die älteste Diluvialablagerung, die unmittelbar auf einem Tertiär 
ruht, zeigt in ihrer unteren Lage ein primitives Mousterien, während 
der obere Horizont ein vervollkommnetes Mousterien enthält, das uns 
in klassischer Weise in dem Mousterien perfectionne von La Quina, 
dem belgischen Horizont von Hastiere, entgegentritt. Dieser Horizont 
zeichnet sich im Sirgenstein durch eine Reihe prächtig retuschierter 
zugeschlagener Schaber vom Typus La Quina, zahlreiche Handspitzen, 
ein auf beiden Flächen bearbeiteter Doppelschaber in Fäustelform, 
Knochenunterlagen (Compresseur) u. a. aus, während er jeglicher An¬ 
zeichen einer typischen Aurignacienindustrie entbehrt. Unter der Tier¬ 
welt dieser Schicht finden wir die grosse ausgestorbene Diluvialfauna, 
Mammut, Rhinozeros, aber auch Wildpferd, Ren u. a. Auffallend ist hier 
das starke Überwiegen des Höhlenbären. 

Mit dem Ausgang des La Quina-Horizontes kündet sich eine klima¬ 
tische Schwankung an, die der kleinen Nagetierwelt der Tundra vorüber¬ 
gehend günstige Lebensverhältnisse gewährte. Die Nagetierschicht, welche 

') R. R. Schmidt, Die neuen paläolithischen Kulturstätten der Schwäb. Alb, 
Arch. f. Anthr. 1908; die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Bericht des natur- 
hist. Ver. f. Schwaben und Neuburg, Augsburg 1908; Die späteiszeitlichen Kultur¬ 
epochen in Deutschland, Korrespondenzbl. f. Anthr. 1908. 


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5] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


101 


über dem La Quina-Horizont lagert, ist sowohl im Sirgenstein, wie in Ofnet 
und Wildscheuer nur wenige Zentimeter stark. Für uns ist dieselbe aber von 
besonderer stratigraphischer Bedeutung. Mit Abschluss des feuchtkalten 
Klimas bricht ein vollkommener Wechsel in der industriellen Tätigkeit 
sich Bahn. Die Mousterienindustrie tritt mehr und mehr zurück, die 
Bearbeitung der prismatischen Klingen und der organischen Substanz 
gelangt in den Vordergrund, als Elemente der jungpaläolithischen Industrie. 

In der mittleren Diluvialablagerung, die das Aurignacien enthielt, 
Hessen sich drei archäologisch verschiedene Horizonte dieser Kultur 
feststellen, die ich hier mit Früh- (Unteres), Hoch- (Mittleres) und 
Spät- (Oberes) Aurignacien bezeichne. 

Das Frühaurignacien. Die Hauptmasse der Steinwerkzeuge 
gehört auch hier noch der Moustiertechnik an. Den prismatischen Klingen 
mangelt noch die typische Retusche des Aurignacien, während die 
Ränder zahlreiche Aussplitterungen tragen, so dass sie zuweilen tief aus¬ 
gekerbt sind. Die Klingen haben nur flüchtig zugeschlagene Kratzer¬ 
enden und gleichen vollkommen den Stücken, welche sich in dem 
tieferen Aurignacienniveau der Ofnet und Bocksteinhöhle fanden. Häufiger 
sind kurzdicke Absplisse mit Kratzerenden (Fig. 4, Taf. XVI), die wohl 
als Vorläufer der eigentlichen Tart£kratzer oder Kielkratzer anzusehen sind. 
Wohl weist dieses Niveau eine Reihe zugespitzter Klingen auf, die jedoch 
nicht mit dem Typus von Chateiperron übereinstimmen. Die geschliffenen 
Knochenwerkzeuge wie Pfriemen sind kantig und uneben zugeschärft, 
Merkmale, die gleichfalls die älteren Stücke des Bocksteinaurignacien 
zeigen werden. 

Das Hochaurignacien des Sirgensteins bietet einen reicheren 
Typenschatz, hinter dem die dekadente Moustierindustrie mehr noch 
als in dem vorhergehenden Frühaurignacien zurücktritt. Die Aurignacien- 
retusche ist bestrebt, alle Ecken und Kanten abzustumpfen und zu 
runden. So entsteht eine Reihe symmetrischer Formen, längliche oder 
spitzovale Kratzer (Fig. 6, Taf. XVI), Doppelkratzer und blattspitzen¬ 
förmige Geräte. Vielfach sind an den Klingen ein oder mehrere Nutz¬ 
buchten angebracht. 

Für die volle Übereinstimmung mit dem westeuropäischen mittleren 
Aurignacien spricht vor allem eine Serie typischer Kielkratzer (Fig. 9a, 
Taf. XVII von oben gesehen, Fig. 9b Seitenansicht), wie sie in West¬ 
europa in Spy, Tarte, Brassempouy, Cro Magnon, La Ferrassie, 
Pont Neuf, Bouitou, Les Cottes, Trilobite, im Osten in Krems, Willen¬ 
dorf u. a. wiederkehren. Einige mehr längliche und kleinere Kiel¬ 
kratzer fanden sich an der oberen Grenze dieser Schicht. Selten sind 
noch die Stichel, die an dicken blattförmigen Absplissen und an den 
Kanten der Klingen und Klingenkratzer auftreten, dagegen fehlt dem 


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102 


Rob. Rud. Schmidt. 


[6 


mittleren Sirgensteinaurignacien noch der Bogenstichel. Zu dem weniger 
typischen Hausrat sind hier noch Klingen mit Aussplitterungen, sog. 
Steinmeissei, Bohrer u. a. zu erwähnen, die aber auch in den übrigen 
Aurignacienhorizonten wiederkehren. Weit zurück treten im Verhältnis 
zu den zahlreichen Steingeräten des Sirgenstein-Hochaurignacien die 
Knochenwerkzeuge; im Vordergründe stehen hier eine Anzahl von 
Qlättern, die aus den Rippen grösserer Tiere (Bär, Pferd etc.) ver¬ 
fertigt sind, ferner zugespitzte Elfenbeinsplitter, Wurfspeerspitzen und 
Pfriemen aus Knochen und Horn, Kernstücke von Mammutstosszähnen 
mit sog. Jagdmarken u. a. m. Der gleichen Fundschicht gehört auch 
eine der Form nach mit der Aurignacienspitze übereinstimmende Spitze 
ohne gespaltene Basis an. Alle Knochenartefakte sind hier vollkom¬ 
mener geschliffen als diejenigen der unteren Aurignacienschicht. 

Einige grundsätzliche Unterschiede weist das jüngste, folgende 
Spätaurignacien des Sirgensteins auf. Zunächst lässt die grosse 
Masse der Steinmanufaktur die sorgfältige Retuschierung, welche dem 
mittleren Horizont ihren besonderen Stempel aufprägt, vermissen. Die 
Klingenabsplisse sind durchschnittlich kleiner und dünner, so dass eine 
Reihe kleinerer, einfacher und doppelter Kratzer hier vorwalten. Noch 
einige kleinere Exemplare des Kielkratzers (Fig. 13a, b, Taf. XVIII) ent¬ 
stammen dem Spätaurignacien. Mehr stratigraphische Bedeutung kommt 
hier wohl den zahlreicheren Stichelvarietäten zu, von denen der Bogen¬ 
stichel (Fig. 17, Taf. XVII), der hier sowohl wie in der Bocksteinhöhle 
ausschliesslich einem späteren Aurignacien zufällt. Häufiger sind kurz¬ 
dicke Kantenstichel (Fig. 21 a, b, Taf. XVIII) und polyedrische Stichel, 
wie auch dünne Eckstichel mit terminaler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII). 
Hier haben wir das erste Auftreten kleiner spitz zuretuschierter Klingen, 
deren eine Schneide abgestumpft ist, die Breuil mit dem Namen Typus 
de la Gravette (Fig. 22a, b, Taf. XVIII) belegt und als Leitform des 
ausgehenden Aurignacien bezeichnet. Diese Form erlöscht aber noch 
nicht mit dem Aurignacien, kehrt im Solutreen des Sirgenstein wieder 
und lässt sich morphologisch bis in das Spätmagdalenien verfolgen. Ein 
gleiches gilt von den Stielklingen. Auffälliger erscheinen mir einige 
breitere dünne Klingen mit Stielansätzen und der gekrümmte Bohrer 
(Fig. 15, Taf. XVIII), die ich nur in unserem Spätaurignacien bisher ange¬ 
troffen habe. Die Knochenwerkzeuge des Sirgenstein-Spätaurignacien 
zeigen keine wesentlichen Unterschiede von denen des vorangehenden 
Hochaurignacien auf. Auch diesem Niveau sind wie in dem Früh- und 
Hochaurignacien immer noch eine grössere Anzahl schlecht ausgeprägter 
Moustiertypen beigesellt, anscheinend jedoch nur an Fundplätzen, wo 
grössere Werkstätten sich vorfinden. Bemerkenswert ist, dass eine Reihe 
solcher Moustierstücke eine zweite Retuschierung erfahren, die eine 


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7 ] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


103 


völlig verschiedene Patina aufweist; also von verschiedenen Generationen 
benutzt wurden. An einem Fundplatze wie der Sirgenstein, wo einzelne 
Schichten zuweilen mit Silexstücken übersät waren, ist es nicht zu 
verwundern, wenn hin und wieder einige Stücke an die Oberfläche ge¬ 
rieten, von neuen Ansiedlern verwendet und nach ihrer Weise verbessert 
wurden. 

Das Sirgenstein - Aurignacien erhält ein besonderes faunistisches 
Gepräge durch das auf dieses Niveau beschränkte, wenn auch seltene 
Vorkommen der Höhlenhyäne und des Höhlenlöwen. Das Ren ist 
in der Ablagerung des Früh- und Hochaurignacien weit seltener, und 
die nordischen Nager, sowie das Moor- und Alpenschneehuhn fehlen. 
Ein wärmeres kontinentales Steppenklima scheint auf das Kältemaximum 
der unteren Nagetierschicht gefolgt zu sein. Unter der bereits im 
Mousterien vorhandenen Fauna tritt besonders das Wildpferd zahlreich 
hervor; Höhlenbär, Mammut und Rhinozeros begegnen wir fast in gleicher 
Stärke. Hier reihen sich u. a. noch Edelhirsch, Wildkatze, Caniden 
und Ovis argaloides an. 

Die Sirgensteinstratigraphie weist über dem Aurignacien eine 
weitere Folge zweier Kulturepochen auf, eines Solutreen und eines 
älteren Magdalenien. 

Die Ofnethöhle (Bayr. Ries). 

Bereits in den Jahren 1875 bis 1876 nahm O. Fraas 1 ) eine Grabung 
in der grösseren Ofnethöhle vor. Die Aufmerksamkeit, die seither auf 
die Ofnet gelenkt wurde, förderte nicht gerade unsere Kenntnisse von 
den eiszeitlichen Kulturen, denn dieser nach dem Sirgenstein reichste 
diluviale Fundplatz Deutschlands wurde durch Raubbau fast völlig er¬ 
schöpft. Das Material, das in den verschiedenen Museen und Privat¬ 
sammlungen verstreut lag, überzeugte mich, dass in der Ofnet ein Auf¬ 
bau von mehreren Kulturen vorliegen müsse, der uns wichtige 
Aufschlüsse über die Folge und Entwicklung der jungpaläolithischen 
Kulturen versprach. In den Jahren 1907, besonders im Herbst 1908, 
nahm ich umfassende Ausgrabungen vor, in der Hoffnung noch un¬ 
gestörte Lagerungen zu finden, die eine stratigraphische Feststel¬ 
lung erlauben könnten. Diese Hoffnung wurde in gewissem Sinne 
übertroffen. Unter einem gewaltigen, unmittelbar unter dem Höhlen¬ 
eingang lagernden, zimmergrossen Felsblock, den ich sprengen liess, 
baute sich zunächst eine 90 cm mächtige alluviale Schicht auf, mit den 
Einschlüssen der Metallzeiten und der jungsteinzeitlichen Kultur. In 
einer Tiefe von 1 m zeigte sich eine nur wenige Zentimeter starke 
rötlichbraune Schichtung mit zahlreichen Ockerstückchen und kleinen 

*) O. Fraas, Korresp.-Blatt f. Anthr. 1876 S. 57. 


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Rob. Rud. Schmidt. 


[8 


Feuersteinmessern, die sich zu zwei muldenförmigen Vertiefungen er¬ 
weiterte und an dieser Stelle zwei kreisförmige Schädelbestattungen in 
Ocker aufwies. Der grössere Bestattungskreis enthielt 27, der kleinere 
6 mit mannigfachen Schmuckbeigaben ausgestattete Schädel, die zahl¬ 
reichsten fossilen Menschenreste, welche uns aus jener Epoche erhalten 
blieben. Die Tierwelt dieser Schicht verweist uns an das Ende des 
Diluviums, an die Schwelle der heutigen geologischen Ära. Der hier 
stattgehabte Ritus ist ein spät-paläolithischer Brauch, die Schmuck¬ 
beigaben und Steinwerkzeuge weisen deutlicher auf das Azilien-Tarde- 
noisien des aussterbenden Paläolithikums. Dieser Ablagerung folgen in 
weiterer Tiefe ein wohl ausgeprägtes Spätmagdalenien, ein typisches 
Solutreen und Aurignacien. Ich kann mich hier auf eine kurze Auf¬ 
zählung des Aurignacieninventars beschränken, da ich diesen Fund unter 
dem gleichen Gesichtspunkte bereits in meinem Bericht über die vor¬ 
geschichtlichen Kulturen der Ofnet 1 ) erwähnt habe und eine erschöpfendere 
Mitteilung hierüber in Vorbereitung ist, die in meiner Gesamtarbeit über 
die paläolithischen Kulturen Deutschlands Aufnahme findet. 

Für das Vorhandensein eines Frühaurignacien sprechen auch 
hier tiefausgekerbte und ausgesplitterte Klingen mit nur flüchtig zuge¬ 
schlagenen Kratzerenden (Fig. 5, Taf. XVI), denen die feinere Aurig- 
nacienretusche noch mangelt. Eine stärkere Betonung findet diese 
Epoche durch den Typus von Chateiperron (Fig. 3, Taf. XVI). Andrer¬ 
seits aber fehlt das reichere Moustierinventar, welches diese Epoche 
im Sirgenstein auszeichnet. 

Die Anzeichen eines vollentwickelten Hochaurignacien künden 
die verschiedenen Kratzervarietäten mit typischer Aurignacienretusche 
und symmetrische Werkzeugformen, darunter Klingen mit einfachen 
und doppelten Kratzerenden, ferner einige coche-grattoirs (Fig. 10a, 
Taf. XVII, Vorderansicht, Fig. 10 b, Rückansicht), Bohrer u. a. Ein 
bei meinen Ausgrabungen Vorgefundener Kielkratzer und eine unter dem 
Material des Stuttgarter Naturalienkabinetts befindliche Aurignacien- 
knochenspitze mit gespaltener Basis verweisen noch stärker auf die 
Vertretung eines Hochaurignacien in der Ofnet. 

Einige flüchtig retuschierte Klingen, die ich in einem höheren 
Niveau der Aurignacienschicht vorfand, sowie Kratzer, Stichel, atypische 
Kielkratzer, Nukleuskratzer, Messer mit stielförmigen Ansätzen, Pfriemen 
aus Knochen gehören wahrscheinlich bereits einem jüngeren, einem 
Spät-Aurignacien an. Dagegen fehlen diesem Niveau die spitzen 
Klingen vom Typus Gravette, sowie der Bogenstichel und gekrümmte 
Bohrer, die das jüngere Aurignacien vom Sirgenstein auszeichnen. 

*) R. R. Schmidt, Die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Ber. d. naturw. 
Ver. Schwaben u. Neuburg, Augsburg 19C8. 


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9] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


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Charakteristisch treten die klimatischen Verhältnisse hervor, 
welche zur Zeit des Aurignacien bestanden. Eine dünne, durch 
nur wenige Nagetiere angedeutete Ablagerung zeichnet auch hier die 
untere faunistische Grenze, über der sich das Aurignacien aufbaut. 
Auch die Stratigraphie der Ofnet bestätigt, wie bereits in meinem 
Fundbericht mitgeteilt worden ist: Das Aurignacien der Ofnet fällt in 
die Epoche einer etwas wärmeren, klimatischen Schwankung, die eine 
reichere Anwesenheit der südlichen Spezies, wie der hier so zahlreich 
vertretenen Hyäne und das vereinzelte Vorkommen des Höhlenlöwen 
gestattete, während die hochnordische Tierwelt, wie das Ren äusserst 
selten erscheint und die klimatisch empfindsamere arktische KJeinfauna 
fast gänzlich zurückgedrängt wird. Eine auffallendere Erscheinung im 
faunistischen Gepräge des Aurignacienzeitalters der Ofnet ist das massen¬ 
hafte Vorkommen und Überwiegen des Wildpferdes, des Hauptnahrungs¬ 
tieres des Altsteinzeitmenschen, dessen zahlreichste Reste gerade dieser 
Epoche angehören, während den übrigen Diluvialschichten kaum ein 
Zehntel des Pferdekonsums zufällt. Das gleiche Vorwiegen des Wild¬ 
pferdes im Aurignacienzeitalter bestätigten ja bereits die Funde im 
Sirgenstein u. a. Noch drastischer geht die „Blüteperiode" des Wild¬ 
pferdes aus dem Aurignacien des französischen Fundplatzes Solutre 
hervor, das durch ein mächtiges Knochenlager dieser Einhufer charak¬ 
terisiert wird. Unter der übrigen Tierwelt der Aurignacienschicht finden 
wir die Zähne und aufgeschlagenen Knochen des Mammuts, des woll- 
haarigen Rhinozeros, des Höhlenbären, des Bison, des Riesenhirsches 
und der verschiedenen Caniden. 

Die Stratigraphie beider nur wenige Meter voneinander getrennter 
Ofnethöhlen ist vollkommen die gleiche. In beiden wird das Aurignacien 
überlagert durch ein typisches älteres Solutreen, die Kultur der Lorbeer¬ 
blattspitzen, wodurch zugleich mit Evidenz die Folge von Aurignacien, 
Solutreen und Magdalenien für Mitteleuropa nachgewiesen wird, eine 
Folge, die von Girod und A. de Mortillet durch die irrtümliche Auslegung 
der Cro-Magnon-Stratigraphie für Westeuropa bisher bestritten wurde. 

Die Bocksteinhöhle. (Schwäb. Alb.) 

Ein Aurignacien, das uns gleichfalls einigen Einblick in seine 
Entwicklung gewährt, lieferten die 1883—84 von Bürger und Losch 
gemachten Funde in der Bocksteinhöhle des kleinen höhlenreichen 
Halbtrockentales der Lone (Schwäb. Alb). Bürger l ) unterscheidet zwei 

*) Bürger, Der Bockstein, XXIII. Versamml. d. d. anthr. Ges. zu Ulm 1892, 
Verein für Kunst u. Altertümer in Ulm und Oberschwaben. — Die Bocksteinfunde 
befinden sich im Altertumsmuseum in Ulm, im Naturalienkabinett, in der Alter¬ 
tumssammlung und in der Privatsammlung Hedinger in Stuttgart, sowie in anderen 
Sammlungen. Der Rest der Sammlung, den Bürger, der indessen verstorben ist, 
behielt, ist nicht mehr zu ermitteln. 


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Rob. Rud. Schmidt. 


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Hauptkulturschichten. Die obere Kulturschicht, welche die meisten 
Funde lieferte, war 26—30 cm mächtig. Eine 0,50 bis 1 m starke 
lehmige Zwischenablagerung, die nur sehr wenige Einschlüsse enthielt, 
trennte diese von einer zweiten unteren Kulturschicht, die in einer 
Gesamttiefe von 1,90 m etwa eine Stärke von 40—60 cm hatte und 
bis auf den lebendigen Felsgrund der Grotte herabreichte. Der einheitliche 
Charakter der unteren Schicht blieb dank ihrer tiefen und getrennten 
Lage am stärksten gesichert. Dagegen ist bei der oberen Kulturschicht 
weder eine scharfe Trennung von der Humusablagerung beobachtet, 
noch innerhalb dieser an einer Horizontierung festgehalten worden, so 
dass Neolithikum, Spätmagdalenien und Spätaurignacien in eine Reihe 
gestellt werden. Ein Übelstand mag zu dieser Vermischung der Kul¬ 
turen beigetragen haben, denn die jungfräuliche Unberührtheit, die 
Bürger seiner Fundstätte nachrühmt, traf nicht zu. Eine Kindesmörderin 
wurde, wie sich nachträglich durch amtliche Überlieferung nachweisen 
liess, dort bestattet, um deren diluviales Alter damals ein heftiger 
Streit entbrannte. 

Die untere Kulturschicht enthielt, wie sich aus Bürgers In¬ 
ventarisierung ergiebt, grosse, breite, im Profil leicht gebogene Klingen, 
deren Ränder unregelmässig retuschiert und mit zahlreichen Aus¬ 
splitterungen versehen sind. Die Enden der Klingen tragen nicht die 
sorgfältige Rundung des fortgeschrittenen Aurignacien. Für eine archai¬ 
sierende Technik spricht auch ein kleiner mandelförmiger Keil (Fig. 2, 
Taf. XVI), der über eine Fläche hin retuschiert ist, wie solche noch dem 
Spätmousterien, aber auch dem frühen Aurignacien beigesellt sind. 
Mehrere längliche Kiesel, die in diesem Horizont angetroffen wurden, 
dienten als Unterlage zur Werkzeugherstellung (compresseur). Ganz 
der Technik eines frühen und mittleren Aurignacien entsprechen schaufel¬ 
förmig zugeschärfte breite Elfenbeinsplitter, ein grober grosser Pfriemen 
(Fig. 1, Taf. XVI), sowie kleinere, alle aber ausgezeichnet durch eine 
gleiche typische, noch unvollkommene Schleiftechnik, d. h. die Stücke 
sind kantig, die Spitze läuft nicht gleichmässig geglättet aus und 
trägt konzentrische Vertiefungen und Unebenheiten. Es sind die frühen 
Versuche einer noch nicht lang erworbenen technischen Errungenschaft 
(desgl. Sirgenstein). Von einer etwas vollkommeneren Technik zeugt 
ein 25 cm langer, aus einer Rippe verfertigter Glätter, dessen Enden 
gerundet, wie sie meist im Hoch- und Spätaurignacien sich finden. 
Die Knochenartefakte der unteren Bocksteinkulturschicht sind wesentlich 
dunkler gefärbt und zeigen eine weiter fortgeschrittene Fossilisation als 
diejenige der oberen Kulturschicht. 

Die Industrie der oberen Kulturschicht kennzeichnet sich 
durch eine Anzahl typischer kurzdicker Bogenstichel (burin busque), 


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11] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


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Eck-Stichel mit transversaler Endretusche, kleiner Kernstichel und kurzer 
einfacher Schaber; dem gleichen Niveau gehört nach Bürgers Inventari- 
sferung eine prachtvolle Aurignacienknochenspitze mit gespaltener Basis 
(Fig. 8 a und b, Taf. XVII) an, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach 
dem tieferen Aurignacienniveau entstammt *), ferner ein Pfriemen mit 
Kopf aus dem Metacarpale des Rens, wie ich solche in der oberen 
Aurignacienschicht der Wildscheuer gewann. (Ein vollkommen gleiches 
Stück, als sei es aus derselben Hand hervorgegangen, fand ich in der 
eine halbe Stunde vom Bockstein entfernten Höhle des Hohlesteins des 
gleichen Tales, unterhalb einer mächtigen Nagetierschicht). In das 
gleiche obere Aurignacien der Bocksteinhöhle gehören eine Anzahl fein¬ 
gerundeter und polierter kleiner Pfriemen; sie sprechen für eine viel 
grössere technische Vollkommenheit als die Knochenwerkzeuge der 
unteren Aurignacienschicht. Noch ein anderer wesentlicher Unterschied 
besteht darin, dass zu den Artefakten aus organischer Substanz der 
unteren Kulturschicht fast ausschliesslich Elfenbein, zu denen der 
oberen Kulturschicht Horn und Knochen verwendet wurden. Unter den 
Schmuckstücken der oberen Kulturschicht befindet sich ein aus Rentier¬ 
geweih verfertigter geschliffener Anhänger und ein durchbohrter Bären¬ 
zahn, wie Bürger einen solchen auch der unteren Kulturschicht zuweist. 

Die Verschiedenartigkeit der Tierwelt dieser beiden Kulturschichten 
giebt sich nach Bürger darin zu erkennen, dass nur der unteren Kultur¬ 
schicht, die nach meiner Feststellung die Einschlüsse eines frühen bis 
mittleren Aurignacien enthält, die Relikte des Höhlenlöwen, des Riesen¬ 
hirsches und zugleich die zahlreichsten der Hyäne angehören, die auch 
in der oberen Kulturschicht (des Spätaurignacien) wiederkehrt. 

Die übrige Diluvialfauna wie Höhlenbär, Wildpferd und Ren kommt 
in beiden Kulturschichten vor. Das Mammut, Rhinozeros und Bison 
fehlen nach Bürgers Horizontierung dem oberen Niveau. Dieser Tat¬ 
sache ist wohl nur die Bedeutung eines Lokalkolorits beizumessen. 

Die obere Kulturschicht Bürgers enthielt aber sowohl die Tierwelt 
als die archäologischen Einschlüsse zweier chronologisch weit getrennter 
Epochen: des Spätaurignacien und davon gut zu unterscheiden Arbeiten 
eines Spätmagdalenien, das nicht allzu reichlich aber typisch ver¬ 
treten ist. Wir können also bei der Vermischung dieser beiden Kultur¬ 
ablagerungen faunistisch kein sicheres Bild für das jüngere Aurignacien 
mehr gewinnen. 

Im Sommer vergangenen Jahres, wo ich eine systematische 

l ) Der dem Stücke anhaftende Boden ist nicht hellgelb, wie derjenige den 
oberen Kulturschicht, sondern rotbraun wie die Ablagerung der unteren 
Kulturschicht. 


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Rob. Rud. Schmidt. 


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Durchforschung der Höhlen des kleinen weltabgeschiedenen Lonetales 
vornahm, überzeugte ich mich, dass der Fundplatz bis auf den Fels¬ 
boden der Grotte ausgegraben war. Ein grösserer, vor der Grottb 
gezogener Graben zeigte unter der 1 m mächtigen Schuttablagerung früherer 
Ausgrabungen die alte Humusdecke in einer Stärke von 53 cm, darunter 
eine dünne graue blättrige Erdschicht von wenigen Zentimetern, mit 
einigen keramischen Einschlüssen der jüngeren Steinzeit. Weniger 
deutlich vollzog sich der Wechsel zu einer hellgraugelben Ablagerung, 
deren oberer etwa 15 cm mächtiger Teil feinsandiger, der tiefere, etwa 
20 cm starke Teil lehmiger war und durch zahlreiche Brandstreifen und 
Knochenkohlen sich abhob. Den wenigen Knochenresten, die ich in 
der letzteren Schicht vorfand, haftete das gleiche Medium an, das sich 
auch noch an einigen Artefakten der von Bürger beschriebenen Stücke 
aus dem oberen Niveau befindet. Nicht nur aus Analogie, sondern 
auch aus diesen stratigraphischen Feststellungen lassen sich hier also 
zwei Niveaus festlegen. Das obere würde hiernach dem Spätmagda- 
lenien, das untere dem Spätaurignacien entsprechen. Während ich 
unterhalb dieser Ablagerung eine nur durch einige Knochenfragmente 
ausgezeichnete dunkelgelbe, lehmige Zwischenablagerung von etwa 1 m 
Mächtigkeit antraf, die auch Bürger erwähnt, zeichnete sich die unterste 
Kulturschicht durch ihre dunkelgelb- bis rotbraune Färbung aus, 
in der ich vorwiegend grössere Knochenstücke von Mammut, Rhino¬ 
zeros, Wildpferd u. a. vorfand, die hier bis auf eine Gesamttiefe von 
3,40 m und bis zu dem Felsboden herabreichten. Nagetierschichten 
konnte ich nicht beobachten und keine weitere Horizontierung der 
archäologischen Einschlüsse feststellen. Dazu mangelte es an Fund¬ 
stücken. Von meiner früher geäusserten Annahme, dass sich auch ein 
Solutreen unter den Bocksteinfunden befinde, muss ich nach dieser 
erneuten Nachprüfung abstehen. Die 

Wildscheuer bei Steeden an der Lahn 1 ) 
ist schon seit 1820 als prähistorische Wohnstätte bekannt. Von ihr 
drang einer der ersten schwachen Lichtstrahlen in die Dämmerung 
urgeschichtlicher Forschung. 1874 nahm Oberst Cohausen 2 ) eine 
grössere Ausräumung der Höhle vor und hinterliess darüber einige 
Aufzeichnungen und Angaben über die Fundtiefe der augenfälligsten 
Stücke. Behlen 3 ), der 1905 abermals eine Grabung vornahm, wandte 

*) R. R. Schmidt, Die späteiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland und 
Die neuen paläolithischen Funde, Korrespondenzbl. f. Anthrop. 1908. 

*) Cohausen, Die Höhlen und die Wallburg bei Steeden a. d. Lahn, Ann. d. 
Ver. f. Nass. Altertumskunde XV, 1879, S. 223. 

3 ) Behlen, Eine neue Nachgrabung vor der Steedener Höhle Wildscheuer, 
Ann. d. Ver. f. Nass, Altertumsk, Bd. 35, S. 29, 1905. 


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Rob. Rud. Schmidt. 


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Stimmung mit den westlichen Funden diese Epoche. Zwei durchbohrte 
Pferdezähne, zwei gleichfalls durchbohrte Geschiebesteine als Anhänger, 
eine durchlochte Lyditperle, drei Korallen und ein unbearbeitetes Bern¬ 
steinstück sind aus den Aurignacienschichten; ob sie indessen der 
oberen oder der unteren Aurignacienschicht entstammen, lässt sich 
aus den Cohausenschen Notizen nicht mehr feststellen. 

Für das faunistische Gepräge trifft im wesentlichen das zu, was 
bereits für das Sirgenstein- und Ofnetaurignacien gilt. Wärmere Spezies, 
deren bereits das spätere Jungpaläolithikum entbehrt, charakterisieren 
diese Epoche. Die Hyäne ist auf die untere Aurignacienschicht, also 
das Hochaurignacien, beschränkt, wo auch die arktische Mikrofauna 
gänzlich fehlt. Auffallend selten ist das Ren im Vergleich zu seinem 
massenhaften Vorkommen in der Magdalenienschicht. Höhlenbär, Mam¬ 
mut, Rhinozeros tichorhinus, Wildpferd sind in beiden Aurignacien¬ 
schichten vertreten, zahlreich jedoch nur das Wildpferd. 

Der Hohlefels bei Schelklingen 1 ) 

ist eine geräumige Nachbarhöhle des Sirgenstein, im Achtale der Blau- 
beurer Alb, ein gewaltiger Höhlenbärschlupf, der schon in den 70er 
Jahren durch O. Fraas teilweise ausgegraben wurde, von Lokal-Forschern 
aber auf der Suche nach Höhlenbärresten gänzlich durchwühlt wurde, 
so dass eine nachträgliche stratigraphische Feststellung aussichtslos ist. 
Die Funde sind nicht reich. Eine schichtengemässe Untersuchung lag 
den Anforderungen der damaligen urgeschichtlichen Forschung noch 
fern. Das Material enthält vorwiegend ein typisches Spätmagdalenien. 
Einige grössere Klingen und Kratzer, sowie ein massiver Glätter (Fig. 12, 
Taf. XVIII), gehören wahrscheinlich einem späten Aurignacien an. Die 
Tierwelt ist im wesentlichen die gleiche wie diejenige des Sirgensteins. 

Das Buchenloch (Eifel). 

Ein Künstler, der der urgeschichtlichen Forschung ein lebhaftes 
Interesse entgegenbringt, Maler Eugen Bracht, nahm auf der Suche 
nach den Spuren des steinzeitlichen Menschen eine Durchforschung 
dieser im romantischen Kylltal gelegenen Höhle bei Gerolstein vor, deren 
Ergebnisse er in einer ausführlichen Monogrophie niedergelegt hat 2 ). Die 
Funde sind indessen nicht so zahlreich, dass sie unsere Frage neu 
beleuchten könnten. Bracht unterscheidet eine moderne Ablagerung 
mit römischen Gefässscherben, eine Zwischenablagerung mit zahlreichen 
Resten einer arktischen Nagetierwelt (der oberen Nagetierschicht Sirgen¬ 
stein, Ofnet, Wildscheuer entsprechend), die nur am Eingang der Höhle 

*) O. Fraas, Die Funde im Hohlefels bei Schelklingen. Württ. Jahreshefte 1872. 

*) Eugen Bracht, Die Ausgrabung des Buchenlochs, Festschr. z. XIV. Vers. d. 
Anthr. Ges. in Trier 1883. 


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15 ] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


111 


zu erkennen war, und eine darunter befindliche diluviale Kulturschicht. 
Die diluviale Besiedlung der Höhle fällt in eine faunistische Ära, die 
durch Mammut, Rhinozeros, Ren, Wildpferd, Bison priscus und Höhlen¬ 
bär ausgezeichnet wird. Unter den Silexartefakten sind eine Moustier- 
spitze, ein Klingenabspliss mit Aussplitterung (lame esquille) und einige 
Stücke, die nur wenige Gebrauchsspuren aufweisen. Das Trierer Pro¬ 
vinzialmuseum besitzt einige Knochenartefakte, darunter ein Fragment 
eines Glätters, der aus einem Rippenstück verfertigt ist, und zwei zuge¬ 
schliffene Elfenbeinsplitter, wovon der eine spitz, der andere breit aus¬ 
läuft, alle ausgezeichnet durch kantige Schleifflächen, wie sie die älteren 
Aurignacienstücke des Sirgensteins und der Bocksteinhöhle aufweisen. 
Diese Stücke gehören auf Grund analogen Vorkommens dem Früh- 
Aurignacien an, das hier möglicherweise von einem Mousterien unter¬ 
lagert ward. 

Die Lössfunde und paläolithischen Funde aus dem 

offenen Diluvium. 

Zeugen die Höhlenablagerungen für mitteleuropäische Verhältnisse 
von einem gewissen Reichtum technischer Erzeugnisse des Aurigna- 
cienzeitalters, so sind die Funde aus dem offenen Diluvium überaus 
spärlich zu nennen. 

Es ist die verdienstvolle Arbeit Obermaiers, die österreichischen 
Lössfunde vom Standpunkt der modernen diluvialarchäologischen 
Forschung aus neu beleuchtet zu haben und jener einseitigen Beurteilung 
entgegen getreten zu sein, die von rein glacial-geologischem Gesichts¬ 
punkte aus die Funde beliebigen archäologischen Epochen zuteilt, 
in gänzlicher Unvertrautheit mit der Technik und den Leitformen der 
einzelnen Kulturen. So war es auch bisher in Deutschland als fest¬ 
stehende Tatsache betrachtet worden, dass alle im jüngeren Löss be¬ 
findlichen Kulturreste ins Solutreen gehören. Indessen weisen die 
Lössfunde auch in Deutschland nach meinen letzten archäologischen 
Feststellungen, ausser dem typischen Solutreen, alle Kulturphasen des 
Jungpaläolithikum auf, sowohl Aurignacien wie Magdalenien. 

Metternich (Rheinland). 

Der am besten erforschte Aurignacienlössfund liegt unweit jenes 
Gebietes, das bereits eine Wohnstätte der Aurignacienleute der Wild¬ 
scheuer aufweist. Die paläolithische Fundstelle bei Metternich (Re¬ 
gierungsbezirk Coblenz), lenkte bereits vor drei Jahrzehnten die Auf¬ 
merksamkeit einzelner Forscher auf sich, und A. Schaffhausen hat in 
den Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preuss. Rheinlande 
und Westfalens der Jahre 1879—83 öfters über diese Funde Bericht 
erstattet, ohne dass ihnen das weitere Interesse der Fachgelehrten 


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Rob. Rud. Schmidt. 


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bisher zugewandt wurde. Sichere Aufschlüsse gewannen wir erst in 
den letzten Jahren durch die Beobachtungen Günthers, der, gestützt 
auf eigene Nachgrabungen, sowohl die eigentliche Kulturschicht fest¬ 
stellte, wie auch genaue Mitteilungen über die Fauna und archäolo¬ 
gischen Einschlüsse machte 1 ). Ich beschränke mich deshalb auf eine 
archäologische Betrachtung dieser Funde, in denen Günther ein Solu- 
treen vermutet. Die meisten Artefakte bestehen aus einer Reihe mittel¬ 
grosser und kleiner Klingenabsplisse, die kleinsten unter ihnen sind völlig 
unretuschiert geblieben und nur als ein Abfallsprodukt zu betrachten. 
Typischer hingegen sind längliche polyedrische (Fig. 19 a und b, 
Taf. XVIII) und kürzere nukleusförmige Stichel, wie sich solche unter 
der Sammlung Günthers und unter den früheren Funden des Bonner 
Provinzialmuseums befinden. Diese sind als typische Formen des Spät- 
aurignacien anzusehen und kehren zur gleichen Epoche im Sirgenstein, 
Bockstein u. a. wieder. Bemerkenswert ist noch ein prächtiger Klopfer, 
wie er nicht gerade ausschliesslich aber doch häufig im oberen Aurigna- 
cien des Westens (Trilobit u. a.) vorkommt. Die Tierwelt ist nicht 
vollzählig vertreten, enthält aber die wesentliche Fauna des älteren 
Jungpaläolithikum: Mammut, Rhinozeros tich., Edelhirsch, Bos primi- 
genius und Wildpferd. 

Rhens (Rheinld.). 

Noch besser kennzeichnet seine chronologische Zugehörigkeit der 
einige Kilometer von Metternich entfernte Lössfund von Rhens, wenn 
auch seine Stratigraphie und Tierwelt zurzeit noch nicht vollkommen 
erforscht ist. Die Stücke decken sich im wesentlichen mit denjenigen 
von Metternich. Hier haben wir ausser einer Reihe von Klingenab- 
splissen, die keiner weiteren Bearbeitung unterzogen sind, einen grossen 
Klingenkratzer (Fig. 11, Taf. XVIII) mit einer Retuschierung, wie sie 
übereinstimmend die Aurignacienstücke der Wildscheuer tragen. Ferner 
einen typischen polyedrischen Stichel und einen Bogenstichel (Fig. 18, 
Taf. XVII). 

Thiede (bei Wolfenbüttel). 

Von den weiteren Funden aus dem offenen Diluvium, welche 
paläolithische Artifakte lieferten, kommt das von Nehring untersuchte 
Thiede 2 ) in Betracht, dessen paläolithischer Fundhorizont faunistisch 
in das Bereich des älteren Jungpaläolithikum gehört. Es liegen in¬ 
dessen nur einige retuschierte Klingenabsplisse vor, sodass die Zuteilung 

‘) Günther, Paläolithische Fundstellen im Löss bei Coblenz, Bonner Jahr¬ 
bücher Heft 116, 1907 und im Bericht über die Prähistoriker-Versammlung 1907 
in Köln. 

*) Nehring, Die quartären Faunen von Thiede und Westeregcln nebst Spuren 
des vorgeschichtlichen Menschen (Arch. f. Anthr. 10 u. 11). 


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Das Aurignacien in Deutschland. 


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zum Aurignacien nicht weiter nachweisbar ist. Die Gleichaltrigkeit der 
Funde in der Wildscheuer und derer von Thiede und Westeregeln hat, 
auf faunistische Basis gestützt, schon Nehring richtig erkannt. 

Auch den Taubach-Weimar-Ehringsdorf-Funden wird durch die 
jüngsten Forschungen Hahnes ein Aurignacieninventar zugeschrieben 1 ). 
Der Gedanke, dass zur gleichen industriellen Epoche in den Distrikten 
Norddeutschlands und denen Mittel- und Süddeutschlands zwei ver¬ 
schiedene Tierwelten parallel gehen, ist vielleicht vom geologischen Stand¬ 
punkt aus diskutierbar, allein wir müssen feststellen, dass typische Leitfor¬ 
men des Aurignacien bisher wenigstens fehlen. Von allen Taubach-Weimar- 
Ehringsdorf-Stücken, welche mir bisher in öffentlichen und privaten Samm¬ 
lungen zugänglich waren, sowie aus bisher erschienenen Publikationen und 
Abbildungen ist mir nicht ein Stück bekannt, das mit Sicherheit 
dem Aurignacien zuzuschreiben wäre. Ein dem grattoir carene als 
„nahestehend“ angesprochener kahnförmiger Schaber 2 ) dürfte wohl kaum 
eine Ähnlichkeit mit diesem Typus aufweisen (vergleiche die Typen¬ 
reihe von Bouitou u. a.). Die Bearbeitung sämtlicher Stücke steht 
durchaus im Einklang mit der Technik des Acheuleen und Mousterien. 
Die typische Aurignacienretusche mangelt gänzlich. Mehr Aufschlüsse 
gewähren vielleicht die jüngsten Funde, von denen Hahne in der Zeit¬ 
schrift für Ethnologie (Heft 5, 1908) berichtet und worunter falzbein¬ 
artige Glätter und ein dem Typus Pointe ä la Gravette nahestehende 
Spitze erwähnt werden. 

Fasse ich die Resultate, die einer vergleichenden Stratigraphie 
dieser Fundplätze zugrunde liegen, zusammen, so ergeben sich folgende 
Schlussfolgerungen: 

Das Aurignacien erfährt durch die Ablagerung einer arktischen 
Kleinfauna, die untere Nagetierschicht, die den La Quina-Horizont des 
ausgehenden Mousterien begrenzt, zunächst eine scharfe Trennung, die 
sich übereinstimmend in den Funden des Sirgensteins, der Ofnet und 
Wildscheuer findet. 

Die Industrie des Früh-Aurignacien, die aus dem Sirgenstein, 
der Ofnet, dem Bockstein und dem Buchenloch hervorgeht, zeigt einer¬ 
seits noch eine stärkere Abhängigkeit von der primitiven Moustiertechnik, 
vereint aber andererseits schon in sich die wesentlichen Züge der neuen 
jungpaläolithischen Technik. Die typischen Leitformen des vorge¬ 
schrittenen Aurignacien wie Kielkratzer, Aurignacienspitze und Bogen¬ 
stichel fehlen noch gänzlich. Die Randschärfung der im Profil leicht 

*) Hahne und Wüst, Die paläolithischen Fundschichten und Funde der Gegend 
von Weimar. Zentralbl. f. Min. 1908. 

a ) Fig. 7. S. 206 der Hahneschen Abhandlung. 

Mannus. Bd. 1. 8 


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Rob. Rud. Schmidt. 


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gebogenen Klingen ist noch eine unvollkommene, die Retusche ist un¬ 
regelmässig über die tief ausgekerbten und ausgesplitterten Klingen¬ 
ränder verteilt (Fig. 5, Taf. XVI). Nur selten tragen die Klingen flüchtig 
zugeschlagene Kratzerenden (Fig. 4 und 5, Taf. XVI). Feinsymmetrische 
Formen finden wir noch nicht. Kurze dickprismatische Kratzer (Fig. 4, 
Taf. XVI) mögen als Vorläufer des eigentlichen Kielkratzers des Hoch- 
aurignacien anzusehen sein. Der Typus von Chateiperron (Fig. 3, 
Taf. XVI) zeigt eine geringe Verbreitung und kommt nur in der Ofnet 
vor. An die altpaläolithische Industrie sich anlehnende kleine mandel¬ 
förmige Keile (Fig. 2, Taf. XVI) sind wie dem Spätmousterien so auch 
dem Frühaurignacien (Bockstein) nicht fremd. Eine spezifische noch 
in ihrer ersten Entwickelung beharrende Technik weist die Bearbeitung 
der organischen Substanz auf. Die groben Pfriemen (ohne Kopf) 
(Fig. 1, Taf. XVI) und die schaufelförmig zugeschärften Knochen und 
Elfenbeinsplitter sind durch kantige oder unebene Schleifflächen aus¬ 
gezeichnet (Sirgenstein, Bockstein, Buchenloch). Die dekorative Aus¬ 
schmückung der Knochengeräte setzt im Frühaurignacien noch nicht 
ein, auch findet die Jagdtrophäe als Schmuck noch keine Verwendung. 
Für den Gebrauch von Farbstoffen spricht das Vorkommen des Ockers 
schon mit dem Beginn des Spät-Mousterien im Sirgenstein. Ebenso 
lassen mannigfache ortsfremde Mineralien und Gesteine auf einen be¬ 
reits schon früher entwickelten Sammeltrieb schliessen. Die indu¬ 
striellen Charakteristika des Frühaurignacien der erwähnten Fundplätze 
sind im wesentlichen die gleichen, die uns in dem unteren Aurignacien- 
Niveau des Abri Audit, von Chateiperron, Roche au Loup, Pont Neuf 
u. a. entgegentreten. 

Die technisch-stilistischen Eigenschaften des Hoch-Aurignacien 
werden durch die Fundplätze Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer und Bock¬ 
stein beleuchtet, deren Inventar durch eine gleiche Typenreihe, durch 
gleiche technische Konventionen scharf hervortritt. Die unregelmässige 
Retuschierung des Frühaurignacien wird abgelöst durch eine sorgfältige, 
tiefkannelierende Randschärfung, die sogenannte Aurignacienretusche. 
Die Hochaurignacienarbeit ist leicht kenntlich durch ihre tiefkannelierende 
Retusche, die zuweilen einreihig die ganzen Ränder der prismatischen 
Klingen, häufiger mehrreihig die halbe Oberfläche der Artefakte über¬ 
zieht oder die Basis der mehr dickprismatischen Klingen durch läng¬ 
lich schmale Lamellen kielförmig abstumpft. (Fig. 6, Taf. XVI). Diese 
Bearbeitung hat eine Reihe symmetrischer Formen zur Folge. Es ist, 
als sei mit der Epoche der Rundfiguren auch ein stärkeres Symmetrie¬ 
gefühl erwacht, das selbst in den mitteleuropäischen Werkstätten an 
dem Nutzinventar der Aurignacienleute zum Durchbruch kommt, die 
nicht den vollen Anteil haben an jener hohen künstlerischen Entwick- 


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19] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


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lung, von der uns die Höhlen Spaniens und Südfrankreichs künden. 
Vielfache Anbringung kleiner Buchten an grösseren und kleineren 
Klingen (Fig. 10 a, b, Taf. XVII) und Klingenkratzern ist vor allem dem 
Hochaurignacien eigen. Der Kielkratzer (Fig. 9a, b, Taf. XVII) steht 
im Vordergründe der Typenreihe und zeigt seine grösste Frequenz im 
Hochaurignacien (Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer). Die Aurignacien- 
spitze (Fig. 8a, b, Taf. XVII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein) scheint, 
soweit hier feststellbar, ausschliesslich diesem Niveau anzugehören. 
Die Stichel zeigen noch nicht jene Variation und Häufigkeit, die ihnen 
im Spätaurignacien zukommt, meist kehren sie an dicken, blattförmigen 
Absplissen wieder. Der Eckstichel taucht schon im Hochaurignacien 
auf, dagegen liegt nur aus dem späten Hochaurignacien der Wildscheuer 
ein Bogenstichel vor, ein Typus der mehr auf das Spätaurignacien be¬ 
schränkt zu sein scheint. Die Bearbeitung der organischen Substanz 
gelangt zur volleren Entwicklung. Ausser der Spitze von Aurignac ist 
einer der verbreitetsten Typen der grosse Knochenpfriemen mit Kopf, 
der meist aus der Metacarpale des Pferdes und Rens hergestellt wird 
(Wildscheuer, Bockstein, Hohlestein). Grössere und kleinere Glätter, 
Falzbeine (Fig. 7, Taf. XVII) und Wurfspeerspitzen aus Elfenbein und 
Knochen, geglättete und an der Basis gerundete Elfenbeinsplitter, die 
teilweise mit Kerben, den sogenannten Jagdmarken versehen sind, gehören 
zu den Arbeiten der Hochaurignacienleute. Alle Stücke weisen glatte 
Schleifflächen oder gleichmässig zulaufende und gerundete Spitzen auf 
und unterscheiden sich dadurch merklich von der plumperen Ware und 
unvollkommenen Technik des vorausgegangenen Frühaurignacien. Das 
Hochaurignacien Deutschlands steht mit seinen technischen Eigenschaften 
in Übereinstimmung mit dem mittleren Aurignacien von La Ferrasie, 
Cro-Magnon, Tarte, Aurignac, Les Cottes, Bouitou, dem belgischen 
Niveau von Montaigle und dem mittelosteuropäischen Aurignacien von 
Krems. 

Das Spät-Aurignacien, das durch die jüngste Aurignacienschicht 
des Sirgenstein, der Ofnet, der Wildscheuer, des Bockstein, ferner durch 
die Funde im Hohlefels und den Lössfunden von Metternich und Rhens 
charakterisiert wird, hat teils noch die rudimentären Züge der vergangenen 
Epoche, teils schon die Charaktere des späteren Jungpaläolithikum. 
Das Inventar der Spätaurignacienschichten ist stets weniger reichhaltig 
als dasjenige des Hochaurignacien. In seinem Gesamtmaterial lässt das 
ausgehende Aurignacien bereits den Verlust der typischen Aurignacien- 
retusche erkennen. Damit treten auch die symmetrischen Formen mehr 
und mehr zurück. Die Klingen sind durchweg kleiner und dünner und 
nähern sich der Industrie des späten Jungpaläolithikum, während die 
Moustierabsplisse ausser in dem Spätaurignacien des Sirgenstein nicht 
. 8 * 


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116 


Rob. Rud. Schmidt. 


[20 


wiederkehren. Die Kielkratzer sind seltener und kleiner (Fig. 13, Taf. XVIII). 
Reichere Variationen zeigen nun die Stichel. Der Bogenstichel (Fig. 
17, 18, Taf. XVII Sirgenstein, Bockstein), dessen erstes vereinzeltes Er¬ 
scheinen bereits in das Hoch-Aurignacien fällt, ist jetzt etwas häufiger. 
Zahlreicher ist der an dünnen Klingen angebrachte Eckstichel mit termi¬ 
naler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein, 
Metternich). Fast ausschliesslich diesem Niveau ist der kurze nucleus- 
förmige Kantenstichel (Fig. 21, Taf. XVIII, Sirgenstein, Bockstein u. a.) 
eigen; der mehr längliche polyederische Stichel (Fig. 19, Taf. XVIII), der 
einem Nucleus für sehr schmale längliche Klingen gleicht (Metternich, 
Rhens), ist nur in dem Spätaurignacien anzutreffen und auch in Westeuropa 
auf die jüngsten Ablagerung des Aurignacien beschränkt (z. B. Laussei, 
Dordogne). Einen gewissen chronologischen Anhaltspunkt gewährt unter 
den Bohrertypen des Spätaurignacien der gekrümmte Bohrer (Fig. 15, 
16, Taf. XVIII, Sirgenstein, Wildscheuer) und nur den Gerätschaften des 
Spätaurignacien fand ich dünne, breite Klingen mit Stielansätzen (Fig. 
14, Taf. XVIII) beigesellt (Sirgenstein, Ofnet, Bockstein, Wildscheuer). 
Die Spitze von Gravette (Fig. 22, Taf. XVIII), kommt dem Spätaurig¬ 
nacien des Sirgenstein und der Wildscheuer zu, besitzt hingegen nicht 
die Bedeutung einer Leitform, da sie auch in der späteren Epoche des 
Solutreen wiederkehrt. Ganz fehlen die Stielklingen, die das Spät- 
Aurignacien von La Font-Robert auszeichnen, die hingegen auch dem 
Solutreen und Magdalenien eigen sind. Die Knochengeräte weisen keine 
wesentlichen Unterschiede gegenüber denen des Hoch-Aurignacien auf. 
Zu Pfriemen wird ein kleineres Material bevorzugt, ebenso sind die 
grösseren Glättwerkzeuge seltener. Die Verwendung des Elfenbeins 
tritt mehr zurück, während Artefakte aus Horn und Knochen vorwiegen. 
Die technisch-stilistischen Eigenschaften dieser Epoche sind im wesent¬ 
lichen analog dem oberen Aurignacien von La Gravette und Le Trilobite, 
während es die Prototypen des Solutreen von La Font-Robert und des 
belgischen oberen Aurignacien-Niveau von Trou Magrite entbehrt. 

Im engsten Zusammenhang mit dem Streben nach Symmetrie, 
nach einem gewissen Formideal, das an den Gerätschaften des Paläo- 
lithen des entwickelteren Aurignacien, des Hoch- und Spätaurignacien, 
zum Ausdruck kommt, steht ein neues Element: der Sinn für den 
Körperschmuck. Das erste Glied in dieser Entwickelungsreihe scheint 
die Jagdtrophäe einzunehmen, denn aus den tieferen Ablagerungen des 
Hochaurignacien liegen durchbohrte Tierzähne des Höhlenbären und 
des Wildpferdes und ein durchbohrter Anhänger aus Rentiergeweih vor. 
Es fehlen hingegen die eigentlichen Kommandostäbe, deren Prototypen 
bereits im Aurignacien Westeuropas erscheinen. Aber noch mit dem 
Hochaurignacien gesellt sich zu dem erwähnten animalischen Schmuck 


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21] 


Das Aurignacien in Deutschland. 


117 


der Schmuck aus durchbohrten Geschiebesteinen, Perlen, Gagat u. a. 
Zur Ausschmückung der Geräte finden die einfachsten geometrischen 
Ornamente Anwendung, das Rautenornament (Fig. 7, Taf. XVIII) im späten 
Hoch-Aurignacien, das Wolfszahnornament im Spätaurignacien. Be¬ 
schränkt sich die Kunst des Aurignacienmenschen unserer Gebiete auf 
diese schwachen Andeutungen, die dem Inventar der Aurignacien- 
schichten der Wildscheuer entstammen, so versagt die Plastik wie die 
parietale Kunst, deren Anfänge im Westen Europas bis in das Aurignacien 
zurückzuführen sind, anscheinend gänzlich. 

Die Aurignacienindustrie aber, die hier eine in allen ihren wesent¬ 
lichen Punkten übereinstimmende Typenfolge aufweist, bestätigt auch 
trotz des Ausfalls einer höher entwickelten Kunst, eine Verbindung der 
Kulturzentren West- und Mitteleuropas. Die Einflüsse des Aurignacien 
finden wir selbst in Italien wieder und ihre Kulturgrenze reicht weit 
über Europa hinaus. Geringere Anhaltspunkte haben wir über die 
Existenz und Verbreitung der Rassen des Aurignacienzeitalters. Das 
Aurignacien Westeuropas weist in Spy (zwischen dem Niveau von Hastiere 
und dem typischen Aurignacienniveau) einerseits noch den Neandertal- 
typus auf, während die Aurignacienleute von Mentone der kunstbe¬ 
gabten Grimaldi-Rasse angehören, die auch als die ersten Vorläufer der 
spätpaläolithischen rituellen Bestattung anzusehen sind. Aus unserem 
Gebiete liegen menschliche Reste des Aurignacien nur aus dem Sirgen- 
stein vor, einige Zähne, die unmittelbar über einer mächtigen Brand¬ 
schicht im unteren Teile des Aurignacien lagerten; sie zeigen keine 
neandertaloiden Merkmale. 

Von allgemeiner Gültigkeit für das innerhalb meines Untersuchungs¬ 
gebietes fallende Mittel- und Süddeutschland dürfte die faunistische 
Horizontierung und scharfe geologische Abgrenzung sein, welche aus 
dieser durch mehrere Funde belegten Stratigraphie des älteren Jung- 
palaeolithikum hervorgeht. Das Aurignacien Deutschlands ist ausge¬ 
zeichnet durch ein wärmeres kontinentales Steppenklima. Die ver¬ 
gleichende Stratigraphie der Profile zeigt, dass jene Periode als eine 
etwas wärmere klimatische (postglaciale) Schwankung aufzufassen ist, die 
zwischen zwei Kältemaxima eines feuchtkalten Tundraklimas (der oberen 
und unteren Nagetierschicht) fällt. Im Zusammenhang mit der wär¬ 
meren Klimaphase steht die stete Anwesenheit der südlicheren Spezies 
wie Höhlenhyäne und Höhlenlöwe, welche hier ausschliesslich diesem 
Zeitabschnitt des Jungpaläolithikum angehören, während die subarktische 
Kleinfauma gänzlich fehlt und das Ren sich vor allem selten in den unteren 
Aurignacienschichten findet. Eine Statistik der Tierwelt des Jung¬ 
paläolithikum Deutschlands ergibt ferner, dass die zahlreichsten Relikte 
des Wildpferdes dem Aurignacien zufallen, dessen Blüteperiode gleich- 


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Rob. Rud. Schmidt. 


[22 


falls aus dem westeuropäischen späten Aurignacien hervorgeht, das in seiner 
Faunenreihe ein je nach seiner geographischen Lage sehr verschiedenes 
Colorit zeigt. Auch das Mammut ist in dem Aurignacien unseres 
Untersuchungsgebietes noch häufiger als im späteren Jungpaläolithikum. 
In den Höhengebieten Süddeutschlands ist der Höhlenbär besonders 
in dem frühen Aurignacien sehr zahlreich. Zu der übrigen Tierwelt 
gehören das wollhaarige Rinozeros, Bison, Riesenhirsch, Edelhirsch, die 
Caniden, Wildkatze, Ovis argaloides u. a. 

Während nun die Höhlen Mittel- und Süddeutschlands alle Zeit¬ 
abschnitte enthalten, liegt aus dem Löss bisher kein älteres Auri¬ 
gnacien vor. 

Die wichtigsten Profile, die ich durch eigne Ausgrabung oder nach¬ 
trägliche Untersuchung selbst feststellen konnte, gebe ich zum Vergleich 
in schematischer Darstellung hier wieder. 


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Schematische Darstellung der Profile zum Vergleich. 



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Erklärung zu Tafeln XVI-XVIII. 1 ) 

R. R. Schmidt, das Aurignacien in Deutschland. 


Früh-Aurignacien. 

Tafel XVI, Fig. 1 Grober Pfriemen, Bockstein, Untere Kulturschicht. 

Tafel XVI, Fig. 2 Mandelförmiger Keil, Bockstein, Untere Kulturschicht. 

Tafel XVI, Fig. 3 Chatelperronspitje, Ofnet, Untere Aurignacienschicht. 

Tafel XVI, Fig. 4 Kurzer dicker Abspliss mit zugeschlagenem Kratjerende, Sirgen- 
stein, Untere Aurignacienschicht. 

Tafel XVI, Fig. 5 Klinge mit unregelmässig retuschierten und ausgekerbten Rändern, 
Ofnet, Untere Aurignacienschicht. 

Hoch-Aurignacien. 

Tafel XVI, Fig. 6 Länglich ovaler Krater mit typischer Retusche des Hochaurignacien, 
Sirgenstein, Mittlere Aurignacienschicht. 

Tafel XVII, Fig. 7 Falzbeinförmiges Elfenbeinartefakt mit Rautenverzierung, Wild¬ 
scheuer, Untere Aurignacienschicht. 

Tafel XVII, Fig. 8 Aurignacienknochenspitje, Bockstein, Obere Kulturschicht. 

Tafel XVII, Fig. 9a Kielkratjer, von oben gesehen, 9b Seitenansicht, Sirgenstein, 
Mittlere Aurignacienschicht. 

Tafel XVII, Fig. 10 Klingenabspliss mit Buchten, Ofnet, Aurignacienschicht. 

Spät-Aurignacier». 

Tafel XVIII, Fig. 11 Klingenkrafcer, Rhens, Lössschicht. 

Tafel XVIII, Fig. 12 Fragment eines Glätters, Hohlefels-Schelklingen. 

Tafel XVIII, Fig. 13 Kleinere Kielkratjer, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 

Tafel XVIII, Fig. 14 Klingen mit Stielansa^, Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht. 
Tafel XVIII, Fig. 15 Gekrümmter Bohrer Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 
Tafel XVIII, Fig. 16 Desgl. Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht. 

Tafel XVII, Fig. 17 Bogenstichel, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 

Tafel XVII, Fig. 18 Desgl. Rhens, Lössschicht. 

Tafel XVIII, Fig. 19 Länglicher polyedrischer Stichel, Metternich, Löss. 

Tafel XVIII, Fig. 20 Stichel mit terminaler Endretusche, Sirgenstein, Obere Aurig¬ 
nacienschicht. 

Tafel XVIII, Fig. 21 Kurzer kernförmiger Kantenstichel, Sirgenstein, Obere Aurig¬ 
nacienschicht. 

Tafel XVIII, Fig. 22 Gravettespifce, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht. 


! ) Alle Figuren sind in natürlicher Grösse. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf XVI. 



Fig. 4. 


Fig. 5. 


Fig. 6. 


DigitizüftflSÖ^ 


in Deutschland. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 

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Fig. 1. 






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Schmidt, Das 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf. XVIII. 



Fig 15. 

Schmidt, Das Anrignacien in 

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Fig. 16. 


n Deutschland. 





Fig. 13 a. 



Fig. 13 b. 




Fig. 19 b. 



Fig. 21b. Fig. 22. 

Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verjag), Würzburg. 

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II. Mitteilungen 


Ostgotische Helme und symbolische 

Zeichen. 

Von Professor Dr. Alfred Götze in Berlin. 

(Vorgetragen in der Sitzung der „Berliner Zweiggesellschaft für Vorgeschichte“ 

vom 22. April d. J.) 

Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel. 


Bei den Vorarbeiten für die Fortsetzung der „Germanischen Funde 
aus der Völkerwanderungszeit", deren zweiter Band 1 ) ostgotische 
Diademe und Helme behandeln soll, hat sich eine Anzahl interessanter 
Probleme ergeben, von denen ich hier einige Punkte vorläufig kurz 
hervorheben möchte, deren ausführliche Behandlung aber der genannten 
Veröffentlichung Vorbehalten bleibt. 

Über die Herkunft der sechs- bezw. vierteiligen Spangenhelme 
der Merovingerzeit ist 
trotz mehrfachen Erörte¬ 
rungen noch nichts einiger- 
massen Sicheres ermittelt 
worden. Namentlich ist 
es bisher noch fraglich 
geblieben, wie sich der 
Typus entwickelt hat 
und auf welche Vor¬ 
läufer er zurückgeht; all¬ 
gemeine Vergleiche mit 
orientalischen Helmen 
führen nicht zum Ziel. 

Wenn es nach dem Ent¬ 
wicklungsgang, den die 
germanische Kunst der 
Völkerwanderungszeit im 
allgemeinen genommen 
hat, von vornherein wahr¬ 
scheinlich ist, dass man 
die Vorläufer der Spangenhelme im ostgotischen Kulturkreise Südruss¬ 
lands zu suchen hat, fehlte es doch bisher an einschlägigem Fundmaterial. 

l ) Erster Band: Gotische Schnallen. Berlin 1907. 



Abb. 1. Ostgotischer Helm aus Südrussland. 


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122 


Alfred Götze. 


[2 


Diesem Mangel ist nun durch einige neuerdings bekannt gewordene 
Helme ostgotischer Herkunft abgeholfen worden, in denen ich die Vor¬ 
läufer der Spangenhelme sehen möchte (Abb. 1). Sie bestehen aus 
vier dreieckigen Eisenplatten, die an den Rändern zusammengenietet 
sind. Zu beiden Seiten befindet sich je ein Loch zur Befestigung des 
Kinnriemens (oder der Wangenklappen?). Spuren im Eisenrost, in einem 
Falle sogar Überreste eines gepressten Silberbandes lassen erkennen, 
dass den unteren Rand ein umgelegter Ornamentstreifen zierte. Wenn 
auch die Unterschiede zwischen diesen Helmen und den Spangenhelmen 
nicht übersehen werden dürfen, sind sie, was das Wesentliche der Kon¬ 
struktion anlangt, jedoch derart, dass die ostgotischen Helme die ver¬ 
nünftige konstruktive Vorstufe für die eigentlich widersinnige Konstruk- 




Abb. 2. Schnalle aus 
der Gegend von 
Kertsch. 


Abb. 3. Zeichen von den Runcn- 
specren von Müncheberg 
und Kowel. 


Abb. 4. Südrussische Zeichen. 


tion der Spangenhelme bilden. Man kann sich den Entwicklungsgang 
wohl so vorstellen, dass die Nietränder zunächst durch Ornamentbänder 
verdeckt wurden, dass letztere immer festere Struktur und konstruktive 
Bedeutung erlangten, wodurch schliesslich die Nietung der Eisenplatten 
aneinander überflüssig wurde und so letztere in ihrer Form degene¬ 
rierten. 

Ob der ostgotische Helmtypus das originale Ergebnis aus Zweck 
und Technik ist, was wegen der einfachen Form und Technik nicht 
unmöglich erscheint, oder ob schon bestehende Helmtypen mitgewirkt 
haben, lässt sich noch nicht mit Sicherheit nachweisen. In letzterem 
Fall kommt der bosporanische Kulturkreis in Betracht, wo ähn¬ 
liches vorliegt. Namentlich handelt es sich um Wandmalereien und 
Reliefs, auf denen ganz ähnlich geformte Helme dargestellt sind. Bei 
den engen Beziehungen zwischen der bosporanischen und goti¬ 
schen Kultur würde es wenigstens durchaus nicht auffallen, wenn 
ausser manchem anderen Kulturgut auch der Helmtypus von den Goten 
übernommen worden wäre. Diesen Beziehungen will ich hier nicht 
weiter nachgehen, sondern sie nur durch ein Beispiel illustrieren. Im 
bosporanischen Kulturkreis kommen eigentümliche Zeichen zahlreich 
vor, die an Gebrauchsgegenständen, Tongefässen, Waffen, Schmuck- 


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Marums, Zeitschrift für Vorgeschichte Bei. I. Tafel XIX. 



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Bosporanische Grabsteinplatte aus Südrussland. 











3] 


Ostgotische Helme und symbolische Zeichen. 


123 


Sachen, besonders an Schnallen (s. Abb. 2), ferner auch auf Grab¬ 
steinen und sonstigen Skulpturen (s. Tafel XIX, Herr Mavrogordato war 
so liebenswürdig, mir die Photographie zur Publikation zu überlassen) 
angebracht sind. Sie kommen ferner vor in Funden, die schon gotische 
Elemente aufweisen, sie müssen also den Goten bekannt gewesen sein; 
die Chronologie bereitet keine Schwierigkeiten, da sie sich noch im 3. Jahrh. 
n. Chr. nachweisen lassen. Han trifft sie schliesslich in den ver¬ 
schiedensten Varianten zusammen mit anderen Zeichen an, die in der 
Form zwar etwas abweichen, aber doch noch unverkennbar verwandt sind. 

Hier kommen wir an eine Stelle, wo Bosporanisch-Gotisches mit 
Skythischem zusammentrifft. Auch die skythische Kultur kennt eigen¬ 
artige Zeichen, die den bosporanisch-gotischen verwandt sind. Hierauf 
und auf die sonstigen Zusammenhänge skythischer und gotischer Kultur 
(den Nachweis eines direkten Zusammenhanges werde ich an anderer 
Stelle bringen) will ich aber hier nicht eingehen, sondern nur noch 
kurz auf die Beziehungen obiger Zeichen zu den bekannten Runen¬ 
speerspitzen von Müncheberg und Kowel hinweisen. 

Auf beiden befinden sich ausser der Runeninschrift allerhand 
Zeichen, die teils, wie Triquetrum und Suastika, allgemein verbreitet 
sind, teils aber bisher sonst unbekannt waren (Abb. 3). 

In den oben erwähnten südrussischen Zeichen, die sich an die 
bosporanischen anschliessen, treten nun Vergleichsstücke zu den Runen¬ 
speer-Zeichen auf (Abb. 4). Die Übereinstimmung im konkreten Bei¬ 
spiel ist zwar nicht vollkommen; wenn man aber den Stil der in den 
verschiedenartigsten Formen auftretenden südrussischen Zeichen, von 
denen hier nur einige Proben gegeben sind *), in ihrer Gesamtheit über¬ 
sieht, kann man nicht im Zweifel sein, dass hier ein Zusammenhang 
mit jenen der Runenspeerspitzen vorliegt. 

Das Hakenkreuz Abb. 4 c erscheint als eine Zusammensetzung 
aus zwei Zeichen der Form 3b; es kommt übrigens in ganz identischer 
Form auf einem Eisenmesser aus dem Gräberfelde der römischen 
Kaiserzeit von Fohrde, Kr. Westhavelland, vor. Die „Mondsichel" der 
beiden Runenspeere ist in Südrussland auf einen altarartigen Bau ge¬ 
setzt, wie es dort mit jenen Zeichen gern geschieht. 

Es erhebt sich nun die Frage: sind die Runenspeere in ihrem 
Fundgebiete oder in Südrussland hergestellt? In ersterem Fall ergibt 
sich ein starker Einfluss der südrussisch-gotischen Kultur auf die nord¬ 
ostgermanische. Im zweiten Fall tritt sofort die schwerwiegende Frage 
nach der Herkunft der Runen überhaupt in den Vordergrund, für deren 
südlichen Ursprung man die angedeuteten Verhältnisse mit in Anspruch 
nehmen kann. 


*) Ich hoffe, das mir vorliegende reiche Material, das ich zum Teil Herrn 
Mavrogordato verdanke, zum Teil auf meiner vorjährigen Reise in Südrussland ge¬ 
sammelt habe, bald veröffentlichen zu können. 


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Über die ersten Anfänge vorgeschichtlicher 
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. 

Ein Beitrag zur Geschichte der prähistorischen Wissenschaft. 

Von Dr. Hans Hess von Wichdorff in Berlin. 


Ein eigenartiges Schicksal hat es gewollt, dass die beiden be¬ 
deutendsten Geologen im Ausgange des Mittelalters — Georg Agricola 
und Petrus Albinus — trotz ihrer umfangreichen und eingehenden 
Kenntnisse sich von den mittelalterlichen Anschauungen über das Wesen 
und die Entstehung der Versteinerungen nicht loszureissen vermochten. 
Noch ein Jahrhundert später erblickte man allgemein in den zahlreichen 
fossilen Pflanzen- und Tierresten, die in den verschiedenen geologischen 
Formationen als Zeugen vergangener Erdepochen und ihres organischen 
Lebens inneliegen, merkwürdige Zufallsgebilde oder, wie man sie nannte, 
„lusus naturae". Um so auffälliger ist es daher, dass beide Forscher 
auf vorgeschichtlichem Gebiete, dessen Objekte in jener Zeit in ganz 
gleicher Weise abergläubische Deutung erfuhren, bahnbrechend für die 
modernen Anschauungen wirkten. 

Mit welcher Zähigkeit man damals, hauptsächlich wohl aus reli¬ 
giösen Bedenken, trotz besserer Erkenntnis die alten negierenden An¬ 
sichten über vorgeschichtliche Urnenfunde zu vertreten pflegte, zeigt am 
besten Johannes Matthesius in seiner Bergpostille (Sarepta con- 
cione XV x ): 

„Ein wunderlich ding ist es gleichwol / das so mancherley form an 
„denselben Töpffen sein / das auch keiner dem andern gleich ist / vnd 
„das sie vnter der Erden weich sein / wie die Corelien im Wasser / vnd 
„an der Lufft hart werden. Item das in einem jeden Topff was sonder- 
„lichs lieget. Ich hab ein wundschaffen Ringlein an einer Greffin ge- 
„sehen / von Gold / Silber vnd Kupffer / sehr artig gewunden / das hat 
„man in einem solchen Erdtopff gefunden. Man disputirt wol / es sey 
„etwan an dem ort ein Begrebnus gewesen / darinnen man todter Leut 
„Asche i wie in den alten Vrn oder Trentöpfflein / darein man der 
„weinenden Zeeren gefasset habe. Aber weil man die Töpffe nur in 
„Meyen grebt / da sie sich selber verrathen / vnd als were die Erden 
„schwanger / einen Hübel machen / darnach sich die so ihnen nach 
„gehen / richten / las ichs natürliche vngemachte/vnd von 
„Gott vnd der natur gewirckte Töpffe sein." 


l ) Zitiert bei Petr. Albinus „Meyssnische Bergchronika“ pg. 179. 


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2] Über die ersten Anfänge vorgeschichtlicher Erkenntnis im Ausgange usw. \ 25 


Der abergläubische Sinn des gemeinen Mannes aber hing an der 
uralten Überlieferung, wonach die vorgeschichtlichen Gefässe das Geschirr 
der sagenhaften früheren Zwergbevölkerung, die als Pygmäen die Höhlen 
des Landes einst bewohnt haben sollten, dargestellt hätten; man nannte 
sie daher gewöhnlich auch Zwergtöpfe. Der erste Mann, der mutig 
eine neue Anschauung vertrat, war der ausgezeichnete Geologe und 
beste Bergwerkskenner seiner Zeit, der Arzt Georg Agricola, der zuerst 
in Joachimsthal, später bis an sein Lebensende in Chemnitz ansässig 
war. Agricola wies nach, dass die Erdtöpfe tatsächlich die Urnen seien, 
in denen die frühere heidnische Bevölkerung des Landes ihrer Sitte 
nach die Asche der verbrannten Toten beigesetzt habe. 

Im 3. Anhang des 7. Buches seines im Jahre 1546 erschienenen 
Werkes „De natura fossilium“ gibt Georg Agricola seine Ansichten über 
vorgeschichtliche Fundgegenstände folgendermassen wieder (nach der deut¬ 
schen Übersetzung des Bergmeisters Ernst Lehmann, Freiberg 1810): 

„Man hat innerhalb der Erde thönerne Gefässe mit engem Halse, 
„weitem Bauche, mit 1,2 bis 3 Henkeln, zuweilen sogar mit einem 
„Deckel, angetroffen. Sie werden an mehreren Orten ausgegraben, be¬ 
sonders bey dem sächsischen Dorfe Fertesleben, einem Matthias Schulen- 
„burg gehörig, in einem Weinberge; ferner bey Lübben in der Nieder- 
„lausitz, 10 000 Schritt von Luckau; weiter auf dem Seeberge in 
„Thüringen, 1 bis 2 Schleuderwürfe weit von Steinburg. Der unwissende 
„Haufe in Sachsen und in der Niederlausitz glaubt, dass sich diese 
„Flaschen innerhalb der Erde erzeugt haben; der thüringische, dass 
„sich ihrer die Affen bedient haben, welche ehemals den ausgehöhlten 
„Seeberg bewohnet. Bey Lichte betrachtet sind es Urnen, worin die 
„alten Germanen, dem Christenthume noch nicht zugewandt, die Asche 
„der verbrannten Leichname aufbewahrten. In allen diesen bedeckten 
„Gefässen findet man Asche, manchmal auch Kohlen, ja sogar Ringe." 

Petrus Albinus, Agricolas geistvoller Nachfolger, hat in seinen 
historischen und bergbaugeschichtlichen Werken sich zu der gleichen 
Meinung bekannt und zugleich mit besonderem Interesse die Kenntnis 
der vorgeschichtlichen Dinge befördert. Er war wohl auch der erste 
deutsche Forscher, der eine systematische vorgeschichtliche Aus¬ 
grabung veranstaltete, um gewisse vorgeschichtliche Fragen zu lösen. 
Sein Ausgrabungsbericht, vermutlich der älteste erhaltene, lautet folgen¬ 
dermassen: 

„Derwegen ich mich im Jar 1587 im Herbst / die warheit zu 
„erkündigen / selbs vnterstanden etliche solcher Hügel / so nicht fern 
„von dem Städtlein Zanaw / bey dem Dorff B ergzana w / auff vnd 
„durchgraben zu lassen / da ich denn in des meisten theils solche Reyen 
„oder Circkel von grossen Feldtsteinen / vnd im mittelsten Circkel die 
„Vrnas mancherley form / aber weil sie vielleicht von der vietrifft vnd 
„wind am Sande sehr entblöset / meistes theils zubrochen vnd voll Sande 
„oder Erden gefunden / darneben gleichwol in etlichen Aschen / Beyn 
„vnd Kohlen gewesen. Dieses aber ist sonderlich zumercken / das ich 
„kleine Näplein dabey gefunden / fast in der form / wie man die Käss- 
„näplein macht / doch vnten kewlich / auff deren jeden an einer seiten 
„ein Löchlein mit einem Daumen eingedruckt / das mans desto besser 
„dabey halten mögen / Solche haben ich vnd Magister Osswaldus Vogel / 


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126 Hans Hess von Wichdorff: Über die ersten Anfänge usw. [3 

„Superintendens zur Zanaw / mein lieber Gevatter vnd vertrawter Freund / 
„für die jenigen Vrnulas angesehen / darein man die Trenen der wei¬ 
senden, so vorzeiten zu den exequiis oder bestetigung der verstorbenen / 
„mit Gelde sein gedinget worden / gesamlet. Werden von etlichen Plen- 
„disteria genennet. 

„In dem grösten Hübel oder Berg aber so fast mitten vnter den 
„andern / deren in 16 oder mehr gewesen / funden wir erstlich eins 
„Lachters tieff / ein gantz Menschen Gebein in der Ordnung / wie das 
„Cadauer war begraben worden / an welchem die schinbein grosserer 
„lenge / auch die Kinbacken noch gar voll frischer weisser Zeen. Vnter 
„welche noch eins Lachters tieff etliche grosse Feldwacken lagen / mit 
„breite Steinen bedackt / da zwischen ein grosser hauffen gar schöne 
„weisgrawlichte Aschen / welche etwas fette anzugreiffen gewesen. Aus 
„welchen allen so viel zu sehen ! das es Begrebnussen der Heyden sein. — 
„Ich las es derwegen dabey bleiben / das es urnae mortuorum sein". 

Albinus erwähnt in seiner „Meissnischen Bergchronika 1 ) M ferner 
eine grosse Anzahl vorgeschichtlicher Fundorte, deren Namen mit ihren 
entsprechenden heutigen Bezeichnungen ich hier folgen lasse: 

a) Clöden und Schmiedeberg, zwischen Torgau und Wittenberg rechts 
und links der Elbe gelegen (Provinz Sachsen). 

b) Caschenberg bei Senftenberg Coschenberg bei Senftenberg (Nieder¬ 
lausitz). 

c) Tribel am Buchholtzerberg = Triebei bei Sorau (Niederlausitz), 
Buchholz Nachbardorf. 

d) Luben zwee Meilen von Luccaw = Lübben bei Luckau (Niederlausitz). 

e) Guckelberg */* Meile von Sagen in Schlesien = bei Sagan in Schlesien. 

f) Zwischen Bergsdorff vnd Greus = zw. Bergisdorf und Greisitz bei 
Sagan. 

g) Nicht näher bezeichneter Ort zwischen Bober und Neisse in 
Schlesien. 

h) Fertesleben in einem Weinberg ein halbe meil vom Schlos Schricka 
= Farsleben bei Schricke unweit Wolmirstädt bei Magdeburg. 

i) Reinisch Zabern = Dorf Rheinzabern (Pfalz). 

k) Im Land zu Hessen bey Giesa im Dorff Dudershoffen = Duden¬ 
hofen bei Giessen (Hessen). 

l) Zanaw und Wergzanaw = Zahna und Marzahna bei Wittenberg 
(Prov. Sachsen). 

m) Guben (Niederlausitz). 

l ) Petrus Albinus, Meissnische Bergk Chronica. Dresden 1590. Seite 177—180. 


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Vergessener Bericht über ein Urnen¬ 
gräberfeld der Latene-Zeit (?) in Ermsleben, 
Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710. 

Von Gustaf Kossinna. 

Mit 1 Textabbildung. 


Paul Christ. Hoepfneri, scholae senat. Halberstad. Con-Rect., Ger¬ 
mania antiqua oder kurtze Fragen von denen alten Gebräuchen der 
Teutschen bis auf den ersten Teutschen Käyser Carolum den Grossen 
aus den bewerthesten Auctoribus, soviel davon vorhanden, zusammen 
gefasset. Halle im Magdeb. a. 1711. [Vorrede Blatt b9—b 11 ]. 



„Es haben auch erst neulich bey Ausgang des 1710ten und Ein¬ 
gang des 1711 ten Jahres einige solche Todten-Töpfe in und ausser 
Ermsleben sich hervorgetan . . . Und ist also glaubähnlich, dass diese 
Todten-Töpfe von den alten Teutfchen in dem Heidenthum herrühren, 
und über 1000. Jahre alt sind. Deren sind etliche in dem Orte selbst, 
bey Gelegenheit eines neuerbauten Hauses gefunden: etliche aber ausser 
demselben an einem Wassergraben, da das von den nahe gelegenen 
Bergen herabschissende Regenwasser unter die Erde nach gerade weg- 
gespület, dass sie oben nachgefallen, wodurch diese Todten-Töpfe un- 


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128 Gustaf Kossinna: Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld usw. [2 


gefähr sind entdecket worden, davon itzt gedachter Herr Past. prim, und 
Inspect. Reimann viele Scherben, aber auch unterschiedliche ganze Töpfe 
bekommen hat, welche Er in Kupfer hiervor stechen lassen [vgl. Abbildung]. 
Es sind aber deren einige von groben Thon fast einen Finger dicke, andere 
aber dünner, und sind inwendig roth, wie ein gemeiner Thon gestalt: 
oder sie sind in der Mitte schwartz und ausswendig und inwendig roth. 
Andere sind ganz zart, wie Serpentin, und schwartz, deren etliche etwas 
dicker, etliche aber gantz dünne, und schön gläntzen, wenn sie von der 
anklebenden Erde gesäubert werden. Ihre Gestalt ist gar unterschiedlich, 
denn einige gehen unten spitz zu: einige sind breit und mit einem 
dicken Bauche. Der Hals ist bey den gröberen lang, bey den subtilem 
kleiner, oder es ist gar nur ein kleiner Rand herum. Die Groben sind 
mit vielen Finger Knippen herum gezeichnet, oder auch mit vielen kleinen 
Strichen. Die subtilen sind oft ganz bloss, oder haben in der Mitte 
einen oder mehr Reifen herum; oder sind mit viel andern Strichen und 
Puncten bezeichnet. An den groben sind mehrenteils eine oder zwo 
gebogene Henge oder Handhaben oder nur grosse Puckeln oder Hacken 
von Thon: an den subtilen sihet man dergleichen nicht. Es sind auch 
auf etlichen Deckel gewesen, die aber aus Unverstand und Unvorsichtig¬ 
keit entzwey gestossen. Insgemein sind sie theils grösser, theils kleiner, 
darunter ein klein schwartzer wie ein Suppen-Töpchen vor die Kinder, 
wobey auch ein k[l]einer Löffel ist von eben der Materie, der vielleicht 
den Todten solte dienen die Speise damit zu nehmen. Wie man denn 
weiss, dass man den Todten allerley Geräthe habe mit gegeben, so sie 
in diesem Leben gebrauchet, dass sie selbiger auch in jenem Leben 
sich bedienen können, und daneben ihnen Essen und Trinken ins Grab 
gesetzet, wie Micrael. praefat. part. 2. lib. 3 bezeuget. Und Herr 
Schottel, Von der Teutschen Hauptsprache lib. 5 Tract. 6. p. 1287 
meldet dieses: Ich weiss, dass noch vor wenig Jahren verstopfte Gläser 
mit schönen Bier gefüllet, aus der Erden, da man sie vor vielen Jahren 
den Todten zu gut hineingesetzt, gegraben seyn, und solch ein Glass 
ist mir einmahl in D. Christoph. Albini Medici Stetinensis Hause ge- 
zeiget, welches zum Gedächtnis aufgehoben war. Mit welchen Worten 
ich diese Vorrede schliesse und dem geneigten Leser gegenwärtiges 
Werkchen bestens recommendire, nicht als etwas Vollkommenes, sondern 
als einen Anfang und Anleitung die Antiquitäten unsers Vater¬ 
landes mehr und mehr aufzusuchen, damit wir nicht hospites 
in patria seyn mögen, da andere Völker ihre Alterthümer so 
sorgfältig zu untersuchen bemüht sind, und wir uns in den 
vorigen Zeiten mehr um andere, als um uns selbst beküm¬ 
mert haben. 

Er lebe wohl!!!" [nämlich: der geneigte Leser.] 

Man sieht: „Einst alles wie Heut’!“. 


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J 



III. Aus Museen und Vereinen 


Vorbemerkung. Diese Abteilung unserer Zeitschrift, die bei 
dem ersten Versuche noch recht unvollkommen oder wenigstens unvoll¬ 
ständig erscheint, soll künftig möglichst reichhaltig ausgebaut werden. 
Dazu ist natürlich die Mitarbeit aller interessierten Museen und ge¬ 
lehrten Gesellschaften und Vereine unseres Faches allererste und not¬ 
wendigste Vorbedingung. Vor allem werden hierdurch diejenigen 
Museen und Vereine, die wir zu unseren Mitgliedern 
zählen, ebenso aber auch alle diejenigen, deren mass¬ 
gebende Vorstände oder Vorstandsmitglieder unserer Ge¬ 
sellschaft angehören, aufgefordert, ungesäumt an die Arbeit zu 
gehen und baldmöglichst — so dass das nächste Heft des ,Mannus‘ 
schon die Früchte dieser Arbeit darbieten kann — Berichte über 
wichtige Vorgänge, Tätigkeiten und Veränderungen ihres 
Bereiches abzufassen und dem Herausgeber unaufgefordert 
einzusenden. Besonders wichtig erscheinen ganz knapp gehaltene 
und durch genaue chronologische Bestimmung und Verweisung 
auf bekannte Typen und bekannte Abbildungen verdeutlichte 
Berichte über die Funde der letzten Zeit, denen passend einige Abbildungen 
wichtiger Stücke beizugeben wären, ln vielen Punkten ist hier der Be¬ 
richt über das Posener Kaiser-Friedrich-Museum von Erich Blume ge¬ 
radezu vorbildlich. Strenge, knappe Sachlichkeit ist Haupterfordernis. 

Eingeleitet wird diese Abteilung durch einen Bericht über die 
Neuordnung der Vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums, 
die durch den Neubau des Museums herbeigeführt worden ist. Die 
ursprüngliche Absicht der Verwaltung dieses Museums war es, die Neu¬ 
ordnung wiederum nach dem verfehlten, von mir seit Jahrzehnten be¬ 
kämpften und jetzt sogar auch von dem Kgl. Museum für Völkerkunde 
in Berlin aufgegebenen Prinzip der örtlichen Herkunft der Gegen¬ 
stände vorzunehmen. Noch in zwölfter Stunde aber gelang es mir 
glücklicherweise, die massgebenden Stimmen nach der Richtung zu 
beeinflussen, dass ein System der Aufstellung zu bevorzugen sei, 
das bei einheitlichem Material das chronologische Prinzip zugrunde 
legt, beim Auftreten verschiedener Kulturgebiete aber zunächst die 
Kulturgruppen und dann erst das chronologische Moment berück¬ 
sichtigt. Seit langem vertrete ich dieses gemischte System, dem 
ich in der Literatur oder in der Praxis sonst noch nicht begegnet 
bin, als das einzige mir brauchbar erscheinende. Ich halte um so mehr 
an diesem meinem Prinzipe fest, als nunmehr an der sog. »Aus¬ 
stellung* der Prähistorischen Abteilung des Kgl. Museums 
für Völkerkunde in Berlin jedem fachmännischen Beur¬ 
teiler klar geworden sein muss, zu welchen Ungeheuer¬ 
lichkeiten unklaren Wirrwarrs man gelangt bei einem 
Versuche einer völlig starren Durchführung des chrono- 

Mannus. Bd. I. 9 


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130 


III. Aus Museen und Vereinen. 


logischen Prinzips — sei es auch nur in der unvollkom¬ 
menen Zergliederung der Perioden, wie sie das Berliner 
Kgl. Museum aufweist — an einem Materiale, das über eine 
solche Menge miteinander völlig unverwandter Kulturen 
sich ausdehnt. 

Die Hauptsache war aber, dass ich es durchsetzte, dass die Neu¬ 
ordnung des Märkischen Museums nur einem wissenschaftlich 
geschulten Fachmanne anvertraut werden dürfte. Die Leistungen 
des Herrn Dr. Kiekebusch hierbei haben gezeigt, was alles unter diesen 
Umständen für die Wissenschaft, wie noch mehr für das grössere 
Publikum zu erreichen ist. G. K. 

Die vorgeschichtliche Abteilung des 
Märkischen Museums der Stadt Berlin. 

Von Dr. A. Kiekebusch. 

Mit 5 Textabbildungen. 

Das Märkische Museum ist im Jahre 1874 vom Stadtrat E. Friedei 
gegründet worden. Anlass zur Gründung der vorgeschichtlichen Abteilung 
selbst gab der Bronzedepotfund aus der Wuhlheide bei Cöpenick 1 ). 
Die Gegenstände dieses Fundes tragen noch heute die Nummern 1—7. 
Die neueste im laufenden Jahre eingetragene Nummer des Verzeichnisses 
ist 24164. Diese Ziffer kennzeichnet zur Genüge die Arbeit dreier 
kurzer Jahrzehnte. Der bei weitem grösste Teil der Sammlung ist 
durch die Rührigkeit E. Friedeis, der vom Kustos Buchholz unterstützt 
wurde, in den Besitz des Museums gelangt. Zwei Vorzüge zeichneten 
die vorgeschichtliche Abteilung des Märkischen Museums aus, wie sie 
mir im Dezember 1907 auf die Empfehlung meines Universitätslehrers 
Prof. Dr. Kossinna hin zur Neuordnung und Aufstellung in den neuen 
Räumen übergeben wurde, Vorzüge, die den Gründern und Verwaltern 
des Museums gewiss ein ehrenvolles Zeugnis ausstellen. 

Einmal ist bei der Sammlung der Altertümer nie darauf gesehen 
worden, dass nur Paradestücke ins Museum kämen. Alles, was an vor¬ 
geschichtlichen Altertümern im märkischen Boden gefunden wurde, das 
hat man wohlverwahrt. Wertlose vorgeschichtliche Alter¬ 
tümer gibt es nicht. Diese uns heute in Fleisch und Blut über¬ 
gegangene Binsenwahrheit ist in früheren Jahrzehnten selbst von Fach¬ 
leuten selten richtig erkannt worden ' 2 )- Gerade die wenig anspruchsvollen 
Altertümer haben sich aber für die Wissenschaft als recht fruchtbar 
erwiesen, und bei der Behandlung der in heutiger Zeit auf der Tages¬ 
ordnung stehenden Fragen, wie z. B. der durch Ausgrabung der „Römer¬ 
schanze" bei Nedlitz unweit Potsdam wieder aufgerollten Frage nach 
der Chronologie der märkischen Burgwälle 3 ) werden die zahlreichen 

! ) Zeitschr. für Ethnologie II. 1870. S. 171. 

2 ) Vgl. dazu: A. Kiekebusch: Einfluss der röm. Kultur auf die germanische usw. 
Stuttgart 1908. Strecker u. Schröder. S. 3 f. 

3 ) Zeitschr. f. Ethn. XLI. 1909. S. 127 ff. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Scherben des Märkischen Museums noch ein ernstes Wort mitzureden 
haben. Auch auf „neue Formen“ wurde im Märkischen Museum nicht 
einzig und allein gesehen. Ein Provinzialmuseum hat unbedingt die 
Aufgabe — soweit sie ihm von einzelnen Lokalmuseen nicht abgenommen 
wird — alles zu sammeln, was auf die Vorzeit der Provinz nur irgend¬ 
welches Licht wirft. Für die Beurteilung der Besiedlungsverhältnisse 
in einer bestimmten Zeit ist es z. B. von unermesslichem Werte, zu 
wissen, wie häufig die einzelnen Formen wiederkehren. Ein Zentral¬ 
museum mag sich vor Dubletten fürchten. Das Provinzialmuseum hat 
seinem ganzen Charakter nach dazu keine Ursache. Jedenfalls liegt 
aber in diesem Unterschiede auch eine der Möglichkeiten, die Interessen¬ 
sphären beider für die Zukunft in friedlicher Weise abzugrenzen. 

Ein zweiter Vorzug der Sammlung des Märkischen Museums hat 
mir die Arbeit wesentlich erleichtert. Die Identifizierung der einzelnen 
Gegenstände erforderte wenig Zeit. Die Nummer war auf jedem Stück 
selber angegeben, nicht etwa auf einem Zettel. Ersteres ist aber un¬ 
bedingt erforderlich, um unzählige Irrtümer zu vermeiden. Im andern 
Falle richtet jeder Umzug nie wieder gut zu machende Verwirrung an. 
Auch grosse Museen könnten davon einiges erzählen. Man braucht des¬ 
wegen die Altertümer nicht zu verunstalten. Die Nummer allein an 
wenig auffallender Stelle genügt vollkommen. Wer sie sucht, 
wird sie schon finden. 

Auf Vollkommenheit hat natürlich auch die vorgeschichtliche Samm¬ 
lung des Märkischen Museums nie Anspruch erhoben. Die Funde sind 
fast ausschliesslich Einzel- oder Depotfunde oder Proben aus Gräber¬ 
feldern, Burgwällen u. dergl. Zusammenhängende Funde aus Gräber¬ 
feldern, die vom ersten bis zum letzten Grabe untersucht worden 
wären, fehlen fast ganz. Für die wirklich wissenschaftliche Erforschung 
der Vorzeit sind sie aber unentbehrlich. So bleibt der Zukunft noch 
eine grosse, schöne Aufgabe. Bisher fehlte es der Museumsverwaltung 
an Mitteln, um umfangreichere Ausgrabungen vornehmen zu können. 

Die äusseren Schicksale der Sammlungen des Märkischen Museums 
waren ja bisher eine ununterbrochene Leidensgeschichte. Im Laufe 
weniger Jahrzehnte mehrfache Umzüge. Und unzulänglich waren die 
Räume immer. Da entschieden sich denn die städtischen Behörden zu 
einem Neubau. Seit dem Juni 1908 ist der vom Stadtbaurat Ludwig 
Hoffmann geschaffene Prachtbau vollendet. Für die vorgeschichtliche 
Sammlung war das Erdgeschoss bestimmt. Sieben Räume von ver¬ 
schiedener Grösse standen zur Verfügung, und in diesen Räumen war 
bereits eine beschränkte Zahl von Schaukästen vorhanden. Diese Be¬ 
schränkung kam meinen Ansichten und Absichten durchaus entgegen. 
Vom ersten Augenblicke an war ich mir darüber klar, dass die vorge¬ 
schichtlichen Altertümer geschieden werden müssen in eine Schau¬ 
sammlung, die in erster Linie der grossen Zahl der Museumsbesucher 
dient, und eine Studiensammlung für die Fachgelehrten. 

Für das grosse Publikum haben die fast zahllosen Tongefässe 
und Steinbeile, wie sie sich immer und immer wiederholen, gar keinen 
Sinn. Die meisten Besucher gehen an den aufgehäuften Schäften ge¬ 
dankenlos vorüber, staunen allenfalls diese Massen an, suchen im besten 
Falle die Altertümer der eigenen, engeren Heimat auf und verlassen 

9* 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


das Museum, ohne etwas gelernt zu haben. Ermüdet oder sogar — 
gelangweilt kehren die meisten einem vorgeschichtlichen Museum den 
Rücken. Daher kommt es auch, dass selbst die Gebildeten fast ohne 
Ausnahme von der heimischen Vorzeit nichts, geradezu gar nichts 
wissen. Auch die ausgezeichnete vorgeschichtliche Abteilung des König¬ 
lichen Museums für Völkerkunde war bis dahin immer nur für die Ge¬ 
lehrten da. 

Von vornherein hatte ich mir die Aufgabe gestellt: Wer in Zukunft 
die Schausammlung der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen 
Museums besucht, soll im Laufe von etwa zwei Stunden einen Über¬ 
blick über die märkische Vorgeschichte gewinnen von der Eiszeit her 
bis zur Germanisierung und Christianisierung der Mark im 12. Jahr¬ 
hundert. 

Dieser Forderung mussten sich alle anderen Wünsche beugen. 
Man sage nicht, dieser Standpunkt, der das grosse Publikum so stark 
berücksichtigt, wäre nicht wissenschaftlich. „Für das Volk ist das Beste 
gerade gut genug." Wer aber endlich der Prähistorie ihren Platz an 
der Sonne erobern will, muss auch für die Verbreitung vorgeschichtlicher 
Kenntnisse sorgen. Das ist bisher von den meisten Museen versäumt worden. 
Die Wissenschaft kommt bei diesem Standpunkt durchaus nicht 
zu kurz. — Selbstverständlich war mirs, dass die Schausammlung 
chronologisch und nach Kulturen geordnet werden musste. Unmöglich 
kann man einen Überblick gewinnen, wenn man in jedem Saale Hinter¬ 
lassenschaften aus allen Perioden findet. Über die Notwendigkeit der 
chronologischen Aufstellung brauche ich hier weiter kein Wort zu ver¬ 
lieren. Schwerlich würde ich den Mut gefunden haben, mich vor den 
Lesern dieser Zeitschrift zu rechtfertigen, wenn es mir nicht gelungen 
wäre, die chronologische Anordnung durchsetzen zu können. Dass mir 
in dieser Beziehung völlig freie Hand gelassen wurde, verdanke ich dem 
Vorsitzenden der Direktion, Bürgermeister Dr. G. Reicke. In Berlin 
war bis dahin keine vorgeschichtliche Sammlung chronologisch geordnet. 
Die prähistorische Abteilung des Königl. Museums für Völkerkunde trat 
dann gelegentlich des Historikerkongresses mit einer chronologisch geord¬ 
neten Ausstellung an die Öffentlichkeit. 

Die 7 Räume der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen 
Museums liegen zu ebener Erde (Abb. 1). „Für sie wurde ein schlichter, 
schwerer Eindruck erstrebt. Die Behandlung aller Vitrinen und Schränke 
sowie aller Holzteile mit Verwendung von Holznägeln zeigt einen 
derben ursprünglichen Charakter. Auch die Fussböden wurden in diesem 
Sinne gebildet 1 )“. Der Vorraum nahm 3 Einbäume auf. Ihnen gegen¬ 
über habe ich 6 grosse Tongefässe aufgestellt, die zugleich je eine der 
6 Perioden der märkischen Vorgeschichte vertreten. Neben diesen wie 
neben allen anderen Gegenständen der ganzen Abteilung liegt je ein 
mit leicht lesbarer Schrift bedruckter Zettel, der ausser 
der Bezeichnung des Gegenstandes stets Fundort und 
Nummer (für wissenschaftlich interessierte Besucher) sowie eine 
ganz kurze Beschreibung trägt nebstAngabe derZeit, aus 


! ) Ludw. Hoffmann: Neubauten der Stadt Berlin. Bd. VIII. Mark. Mus. Mit 
50 Tafeln. Berlin 1909. E Wasmuth. S. VIII. 


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111. Aus Museen und Vereinen. 


133 


welcher der Fund stammt. Ausserdem ist in jedem Saale 
eine kleine Holztafel angebracht worden, auf welcher die 
Zeitdauer der betreffenden Periode angegeben ist, z. B. 
Saal VI: „Jüngere Bronzezeit 1200—800 v. Chr.“; Saal VIII: „Latene- 
Zeit 500—1 v. Chr.“ 



Abb. 1. Grundriss der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums. 


Unter den vorgeschichtlichen Altertümern gibt es bekanntlich viele, 
die auch das Auge jedes Kunstfreundes erfreuen. Es ist darauf gesehen 
worden, dass die Gediegenheit und Schönheit vieler Funde ins rechte 
Licht gerückt wurde. Doch ist selbstverständlich um des schönen Ein¬ 
druckes willen niemals ein Gegenstand an einen falschen Platz gestellt 
worden. Strenge Wissenschaftlichkeit war höchstes Prinzip. Die Prä¬ 
historie will ja nicht nur Kunstgeschichte — sie will mehr, sie will 
Kulturgeschichte sein. 

Bezüglich der Tongefässe kam es mir mehr auf Echtheit als auf 
Abrundung an. Solche, von denen nur Scherben vorhanden waren, 
wurden selbstverständlich zusammengesetzt, niemals aber „ergänzt“ und 
noch viel weniger etwa mit der Bürste bearbeitet, um ihnen einen Glanz 
zu geben, den sie niemals besessen haben. 

Als Hintergrund für die Tongefässe und als Untergrund für grössere 
Bronzen und für Eisen hat sich der grobe graue Rupfen meiner An- 


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134 


III. Aus Museen und Vereinen. 



Abb. 2. 1 Periode der Bronzezeit. 

Etwa 2000—1600 vor Chr. */*> nat. Gr. 
Schwertstab von Metzelthin, Kr. Ruppin. 
Kupferdoppelaxt: Petersberg b. Halle a S. 
Kupferbeil, Nattwerder, Kr. Ost-Havelland. 
Bronzenadcln mit schräg durchbohrtem 
Kugelkopf: a) Paplitz, Kr. Jerichow 11, 
b) Hohenkränig, Kr. Königsberg i. N. 
Rollennadel, Ahrcndsdorf, Kr. Teltow, 
Bronzedepotfund, Wustermark, Kr. Ost- 
Havelland. 2 Armringe, Schönwerder, Kr. 
Prenzlau. 2 Ösenringe, Kr. Soldin. Hals¬ 
ring und Spirale, Rehnitzer Bruch, Kr. 
Soldin. Bronzemeissei a) Blankensee, Kr. 
Templin, b) Lunow, Kr. Angermünde. 
Armspirale, Neu-Ruppin. Manschetten¬ 
armband, Westhavelland. Langgestielte 
Randäxte von Kläden, Kr. Stendal. 

2 Schwertstabklingen von Gr.Schwechten, 
Kr. Stendal. Bronzedolch von Lüben, 
Westpreussen. In der Mitte: Entwicklungs¬ 
reihe der Bronzebeile (Flach-, Rand- und 
älteste Form der Absatzaxt). 


sicht nach durchaus bewährt. Als Unter¬ 
grund für Silberfunde wurde ein etwas 
feineres Gewebe mit entsprechender Tönung 
gewählt. Sammet blieb völlig ausge¬ 
schlossen; auch das Aufziehen auf Papp¬ 
kartons ist gänzlich vermieden worden. 

Wenn die Schausammlung des Märk. 
Museums auch nur eine Auswahl der vor¬ 
geschichtlichen Funde aufweist, so wird 
dem Besucher doch nichts Wesentliches 
entzogen. 

Der Steinzeitsaal enthält neben einer 
Sammlung von Harpunen, Hirschgeweih¬ 
hacken, Beiltypen, Lanzen- und Pfeil¬ 
spitzen, Messern und Meissein die jedem 
Vorgeschichtsforscher bekannten Tonge- 
fässe aus der unterirdischen Steinkiste von 
Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow 1 ), und 
Steinzeitfunde von Liepe, Kr. Änger- 
münde 2 ), Bandelow, Kr. Prenzlau')» 
Schönwerder, Kr. Prenzlau 4 ), Sternhagen, 
Kr. Prenzlau 5 ) u. a. Aus der ersten 
Bronzeperiode habe ich eine ganze Tür¬ 
vitrine belegen können, die fast sämtliche 
Typen jener Zeit enthält (Abb. 2). Der 
Depotfund von Mittenwalde, Kr. Teltow 6 ), 
aus der zweiten Periode der Bronzezeit ist 
ja von Kossinna ans Licht gezogen und in 
seiner Bedeutung genügend gewürdigt wor¬ 
den (Abb. 3). Die Depotfunde von Spind- 
lersfeld bei Cöpenick 7 ), Vehlow (Prignitz) 
und die wissenschaftlich hochbedeutsamen 
Funde aus den Hügelgräbern von Weit¬ 
gendorf 8 ) vertreten u. a. die dritte Periode. 
Der Saal der jüngeren Bronzezeit ent¬ 
hält z. B. den Depotfund von Biesenbrow 
und das berühmte Königsgrab von Seddin, 
bekanntlich das Glanzstück des Märki¬ 
schen Museums. In Saal VII ist die Lau¬ 
sitzer Keramik aufgestellt, als Vertreterin 
der von Kossinna so genannten Kultur 


*) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (151). Brunner: Steinzeitl. Keramik in der Mark 
Brdbg. Braunschweig 1898. S. 4 ff. Abb. S. 5. 

а ) Zeitschr. f. Ethn. XII. S. (227) ff. 1880. XXII. S. (367) ff. 1890. XXIV. S. (180) 
1892. Brunner : S. 18 (Abb.) 

3 ) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (180) 1892. Brunner: S. 17. Fig. 48. 

4 ) Z. f. E. XXIV S. (181). 1892. Brunner: Fig. 47. S. 17. 

5 ) Z. f. E. XXIV S. (181). 1892. Brunner: S. 17. Fig. 49. 

б ) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. 1902 S. 209. 

7 ) Z. f. E. XXIV. S. (427) 1892. XXXIV S. (261) 1903. Brandenburgia (Monats¬ 
hefte) I. S. 28 u. 37 f. Abb. Tafel. 

8 ) A. Götze: Kunstdenkmäler der Provinz Brdbg. I. 2. S. 64 f. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


135 


der Karpo-Daker. Derselben Kultur gehört auch das von mir erst im 
Februar 1908 ausgegrabene Buckelurnengrab von Hasenfelde bei Fürsten¬ 
walde an, das genau so aufgestellt wurde, wie ich es gefunden habe 
(Abb. 4). Der grosse Saal enthält die Altertümer der Latene-Zeit und 
der römischen Kaiserzeit, 
neben den chronologisch 
geordneten Fibeltypen 
meist Funde aus den 
eisenzeitlichen Gräberfel¬ 
dern der Mark. Bemer¬ 
kenswert sind namentlich 
die in besonderen Vitrinen 
untergebrachten Mäander¬ 
urnen nebst Beigaben von 
Buchow und Fohrde aus 
dem Havellande, vonSee- 
low, Kr. Lebus und von 
Milow, Kr. Westprignitz. 

— Der letzte Saal birgt 
Funde aus der Wenden¬ 
zeit (6. bis 12. Jahrh.). 

Neben Altertümern aus 
wendischen Ansiedlungen 
und Burgwällen (Tonge- 
fässen, Scherben mit 
charakteristischen Verzie¬ 
rungen, Schlittknochen, 

Schläfenringen usw.) sind 
hier die hervorragenden 
Hacksilberfunde *) von 
Leissow, Niederlandin, Gralow, Tempelhof und Sonnenwalde ausgestellt. 

Die notwendige Ergänzung der Schausammlung ist die Stu¬ 
diensammlung. Sie ist in 2 Geschossen des grossen Turmes unter¬ 
gebracht. Jedes Geschoss hat eine Grundfläche von etwa 115 qm. Das 
untere enthält 16 Glasschränke (4 zweitürige, 8 dreitürige und 4 vier¬ 
türige). Es sind das die Schränke, die zum alten Bestände des Museums 
gehören. Der Raum wird erleuchtet durch 28 Glühbirnen (jede 16 kerzig, 
110 Volt). Das obere Geschoss ist rings an den Wänden mit 2,20 m 
hohen neuen Schränken versehen (18 zweitürige und 1 eintüriger; 
Kiefer; grau; Wasserbeize). In der Mitte des Raumes stehen für Aus¬ 
lagen u.a. 2 Tische (1,20 -.3 m) und an den beiden Fenstern sind kleinere 
Arbeitstische angebracht, die durch je eine Glühbirne noch besonders 
beleuchtet werden können. Der ganze Raum wird erhellt durch 4 Os¬ 
ramlampen (jede 100 kerzig, 110 Volt). Zum Anbringen von Hand¬ 
lampen dienen 7 Steckkontakte. — Die Funde der Studiensammlung 
sind nach Landschaften, Kreisen und Ortschaften geordnet, um ein 
schnelles Auffinden der einzelnen Nummern zu ermöglichen. Auch jeder 

*) Vgl. Hervorragende Kunst- und Altertumsgegenstände des Mark. Mus. in 
Berlin. Heft I. 1896. Mertens & Cie. 



Abb. 3. Bronzefund von Mittenwalde, Kr. Teltow. 

2. Periode der Bronzezeit. 

Etwa 1600- 1400 vor Chr. 

2 Dolchklingen, 1 Randaxt, 1 dickwanzige Bronzepinzette, 
1 Bronzenadel und 1 Bronzesichel. 

Im Saal V der vorgcsch. Abt. d. Märk. Museums. 

'/» nat. Gr. 


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136 


III. Aus Museen und Vereinen. 


fremde Forscher, der zu Studienzwecken das Mark. Museum besucht, 
würde sich bei der ausgezeichneten Beleuchtung und der verhältnis¬ 
mässig weitläufigen Aufstellung sofort zurechtfinden. Die Sammlung 
stellt nicht — wie so oft sonst — ein in Kisten und Kästen verpacktes 
Magazin dar, sondern eine wirklich zu Studienzwecken übersichtlich ge¬ 
ordnete „Studiensammlung“. Die Arbeiten in dieser Abteilung sind 
noch nicht beendet. Jeder Besucher dürfte aber schon den richtigen 
Eindruck erhalten von der Reichhaltigkeit der vorgeschichtlichen Schätze 
des Museums. Die Gefässe von Billendorf und Jessen-Jüritz aus dem 
Kreise Sorau nehmen je allein einen viertürigen Schrank in Anspruch. 
Im oberen Stockwerk sind die Altertümer aus dem Frankfurter Bezirke 


Abb. 4. Buckelurnengrab von Hasenfelde, Kr. Lebus. 
Ausgegraben am 28. Febr. 1908. 

Aufgestellt im Saal VIII der vorgesch. Abt. des Mark. Museums. 
1 i« nat. Gr. 



untergebracht, im unteren die aus dem Potsdamer und dazu die aus 
der Ältmark, aus Schleswig - Holstein, Pommern, Posen und dem 
Rheinlande. 

Ziel ist, dass der Forscher in Zukunft — dazu gehört 
natürlich noch viel Arbeit — nicht nur die Funde selbst, son¬ 
dern bei jedem Funde auch die entsprechende Literatur 
verzeichnet findet. 

Ich bin niemals im Zweifel darüber gewesen, dass der im Märk. 
Museum eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist. Wer sich sonst 
noch davon überzeugen will, der beobachte das Publikum in der Schau¬ 
sammlung. Die allermeisten gehen nicht mehr verständnislos und ge¬ 
dankenlos durch die Säle. Sie studieren fast jeden Zettel, werden 
durch die Beschreibung aufmerksam auf die Eigentümlichkeiten der 
einzelnen Funde und nehmen wirklich etwas mit. Probe auf das 
Exempel war es mir, dass einige Berichterstatter, die von der Vorge¬ 
schichte bisher nichts verstanden — ein einziger Schnitzer verrät ja oft 
den Laien —, an der Hand meiner Zettel und des von mir verfassten 
kleinen „Führers“ einen ganz brauchbaren Überblick über die märkische 
Vorgeschichte geschrieben haben. Sie haben sich also durchgefunden. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


137 


Das war der Zweck der Schausammlung. Manches muss noch vervoll¬ 
kommnet werden; durch Hinzufügung einzelner Zeichnungen (z. B. Dar¬ 
stellung eines germanischen Kriegers der Völkerwanderungszeit im vollen 
Waffenschmuck oder der Frauenkleidung während der Bronzezeit u. dgl.) 
wird vieles noch anschaulicher werden. 

Der ganz kurz gefasste „Führer“ gibt selbstverständlich nur die 
allernotwendigsten Fingerzeige. Die genaue Einführung und Erklärung 
muss einem umfangreicheren „Führer durch die vorgeschichtliche Abteilung 
des Märkischen Museums“ Vorbehalten sein. 



Abb. 5. Bronze-Wendelring von Fehrbcllin (Osthavelland). 
Im Saal VI der vorgesch. Abt. des Märk. Museums. 

V» nat. Gr. 


Aus der Provinz Posen. 

Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen, 
vom Juli bis Dezember 1908, 
mitgeteilt von Erich Blume, Posen. 


Zugrunde gelegt ist der Aufzählung eine Einteilung nach den deutlich 
hervortretenden grossen Kulturgruppen, die auf Grund der Kossinnaschen 
Forschungen ethnographisch benannt werden. Die allerältesten vorindo¬ 
germanischen Kulturstufen sind in der Provinz überhaupt nur sehr schwach 
vertreten. G. v. = geschenkt von; Grf. Gräberfeld; fr. = früher*; 
Slg. = Sammlung. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


I. Indogermanische Zeit 

(Steinzeitliche Gräberperiode und Periode I der Bronzezeit). 

1. Golencin, Kr. Posen-Ost: Auf den Höhen am Bogdankatal: 
Prismatische Messer und Schneide eines Beiles aus Feuerstein u. a. 
(auch jüngere Perioden sind in zahlreichen Scherben von verschie¬ 
denen Fundstellen vertreten). — G. v. Sammlungsaufseher Thamm 
und wissenschaftl. Hilfsarbeiter Blume-Posen. 

2. Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza: aus der Grünfliessniederung: 
Randscherben mit hängenden kurzen Linien am Rande, offenbar 
von einem Trichterrandbecher, u. a. — G. v. Distriktskommissar 
Schober-Roneck. 

3. Kischewo, Kr. Obornik: Steinbeil. G. v. Lehrer Gruhn-K. 

4. Kokorzyn, Kr. Kosten: (Ziegelei): Bei einer amtlichen Aus¬ 
grabung (vgl. Nr. 36) fanden sich Scherben und ein Tonwirtel aus 
der Steinzeit. 

5. Lassek-Luban, Kr. Posen-West: in ausgewehten Sanddünen 
der „Wüste" an der Warthe: Steinzeitliche Siedlungsstelle mit 
massenhaften Abfällen von der Feuersteinbearbeitung, Scherben, 
Bewurfstücken u. dergl. Teilweise sind noch bestimmte rundliche 
Plätze mit besonders dichtliegenden Resten zu erkennen, offen¬ 
bar ehemalige Hüttenböden. Ins Museum gelangten zahlreiche 
Funde: Prismatische Messer, Pfeilspitzen (meist mit eingewölbter 
Basis) u. a. Geräte aus Feuerstein, meist kleine, selten grössere 
Stücke: wie eine Lanzenspitze, ein dicknackiges Beil aus Feuerstein, 
von Steinbeilen treten besonders die Arbeitsbeile mit abgesetzten 
Nacken hervor. Scherben mit Schnurverzierung (unecht), häufiger 
grössere Stücke von Gefässen mit Wülsten dicht unter dem Rande, 
die manchmal Fingernägeleindrücke aufweisen, Griffzapfen und 
-warzen u. a. 

G. v. Lehrer Vorwerk-Luban und Sammlungsaufseher Thamm-Posen. 

6. Neugedank, Kr. Obornik: Steinaxt. G. v. Lehrer Gruhn-K. 

7. Rad lau (Grenze von Kazmierz) Kr. Samter: Schneidenteil einer 
Steinaxt u. a. G. v. Distriktskommissar Münster-K. 

8. Südhof, Kr. Grätz: dicknackiges Feuersteinbeil. G. v. Schäfer 
Siedler-Dombrowo b. Eichenhorst. 

9. Szczodrowo, Kr. Kosten: dünnackiges Jadeitbeil. G. v. Ritter¬ 
gutsbesitzer Lehmann-Nitsche-Chelmno b. P. 

10. Szczodrowo, Kr. Kosten: Schneidenteil einer Steinaxt. 

11. Szczodrowo, Kr. Kosten: Bronzedepotfund der Periode I 
(2 Halsringe mit Usenenden, 4 grosse ovale offne Armringe), vgl. 
Prähistorische Blätter 1894 (VI), 20 ff. Taf. IV—VI. Nachrichten 
über deutsche Altertumsfunde 1892, 50. Montelius, Die Chronologie 
der ältesten Bronzezeit. S. 37 Nr. 5. — Nr. 10 und 11 G. v. Pro¬ 
fessor Lehmann-Nitsche, La Plata. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


139 


II. Thrakische (Karpodakische) Kulturgruppen. 

(Älteste Stufe Zeit der Buckelurnen; mittlere Stufe Periode III—IV, 
jüngste Stufe Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit). 

Mittlere Stufe (ca. 1300—900 v. Chr.). 

12. Bomblin II, Kr. Obornik: 7 Tongefässe, 1 Bronzenadel von 
einem Gräberfeld. G. v. Lehrer Gruhn-Kischewo. 

13. Czempin, Kr. Kosten: Scherben. — G. v. f Gerichtsvoll¬ 
zieher a. D. Grams-Posen. 

14. Fol Ist ein, Kr. Filehne: 2 Tongefässe. G. v. Lehrer Hantke-F. 

15. Miala, Kr. Filehne: 18 Tongefässe, 1 ‘Käsestein’ von einem 
Gräberfeld. G. v. Lehrer Bartoschek-M. 

Jüngste Stufe (ca. 900—500 v. Chr.). 

16. Brodowo, Kr. Schroda: 3 Tongefässe. Slg. Kozubski. 

17. Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda: Keramik, Bronzen (Arm¬ 
ringe, Nadeln u. a.), Eisenbeigaben, Perlen aus der Slg. Kozubski. 
— Etwa 20 Gräber wurden auf demselben grossen Gräberfelde im 
Juli amtlich ausgegraben. 

18. Kazmierz, Kr. Samter. Amtliche Ausgrabung auf einem schon 
zerstörten Gräberfeld. (Anm. Es handelt sich um ein anderes als 
das von Schwartz, Materialien zur vorgeschichtlichen Kartographie 
der Provinz Posen, Nachtrag I, 7 f., II, 6 ff., III, 6 f., IV, 3 f. be¬ 
handelte bekannte Gräberfeld, das auf dem zum Rittergute Neu¬ 
dorf (früher Kazmierz) gehörenden Vorwerk Gorzewice liegt und 
richtiger unter diesem Namen geführt wird. 

19. Markenfelde (fr. Markowice), Kr. Schroda: 2 Tongefässe 
von einem Gräberfeld. Slg. Kozubski. 

20. Pierschno, Kr. Schrimm: Keramik von einem Grf. Slg. Kozubski. 

21. Roneck, Kr. Hohensalza: Zipfelschale und verzierter Rand¬ 
scherben. G. v. Distriktskommissar Schober-R. 

22. Schroda: Tongefäss von einem Grf. G. v. Fuhrwerksbesitzer 
Wilhelm Schmidt-Schr. 

23. Wlostowo, Kr. Schroda: Keramik und Beigaben von einem Grf. 
(vgl. Nr. 39). Slg. Kozubski. 

24. Ki sehe wo, Kr. Obornik: 2 gr. fast gleiche geschlossene, hohle 
Nierenringe aus Bronze mit vertieften sich schneidenden Linien und 
Hoftüpfeln verziert (Periode VI), an verschiedenen Stellen einzeln 
gefunden. G. v. Lehrer Gruhn-K. 

III. Germanische Kulturgruppen. 

(Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit im Norden. Latene- 
und römische Kaiserzeit fast in der ganzen Provinz). 

a) Ältere Stufen der Latenezeit (ca. 500—150 v. Chr.). 

25. Chlewisk, Kr. Samter: Urne und Henkelgefäss aus zerstörter 
Steinkiste. 

26. Golencin, Kr. Posen-Ost: 4 Gräber (davon 3 eingepackte Stein¬ 
kisten) amtlich ausgegraben. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


27. Kirchl ich-Murzynowo, Kr. Schroda: Henkelgefäss. G. v. 
Lehrer Englert-K.-M. 

28. Königsrode (fr. Krolikowo), Kr. Schubin: Urnen und Beigefässe 
aus einem Steinkistengrab. G. v. Gutsverwalter Plümicke-K. 

29. Neu-Paulsdorf (fr. Polskawies), Kr. Gnesen: Urne mit zwei 
Henkeln aus einem Steinpackungsgrabe (?) — G. v. Distrikts¬ 
kommissar v. Ramsau-Kletzko. 

30. Nochau,Kr. Schrimm: Keramik und Beigaben. G. v. Domänen¬ 
pächter L. Kinder-N. 

31. Radosiew, Kr. Czarnikau: 3 Tongefässe aus einer Steinkiste. 
G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke. 

32. Rzadkowo, Kr. Kolmar: Keramik und Beigaben aus Stein¬ 
kistengräbern. G. von Lehrer Wienke-Rz. 

33. Walkowitz, Kr. Czarnikau: Urne aus einer eingepackten Stein¬ 
kiste. G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke. 

b) Jüngste Stufe der Latenezeit (Reinecke D. Tischler A 
150—1 v. Chr.) und römische Kaiserzeit (1—400 n. Chr.). 

34. Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda (sicher? vgl. auch Nr. 39): 
2 br. Latenefibelbruchstücke; ein Fibelbruchstück der älteren Kaiser¬ 
zeit (Slg. Kozubski). 

35. Kischewo, Kr. Obornik: Vasenförmiges Tongefäss und Schale, 
offener drahtförmiger Bronzearmring. G. v. Lehrer Gruhn-K. 

36. Kokorzyn, Kr. Kosten (Ziegelei). Amtliche Ausgrabung von 
9 Gräbern der älteren Kaiserzeit mit Beigaben (3 Brandgruben, 
5 Urnen mit dunkler oder Branderde, davon 1 mit Waffen, 1 Urne 
in reinem Sande mit Waffen). — Verzierter Scherben g. v. Ritt¬ 
meister a. D. Hildebrand-K. 

37. Nochau, Kr. Schrimm: Scherben mit Branderdebelag, u. a. 
Randscherben mit Henkel (D. A.), Mäanderscherben; Lanzenspitze 
und -schuh mit Feuerpatina. (Anm.: Ausserdem wurde eine ver¬ 
rostete eiserne Lanzenspitze und ein Schädel aus einem Skelett¬ 
grabe geschenkt, dessen Zeitstellung nicht sicher scheint). G. von 
Domänenpächter Kinder-N. 

38. Siedlemin, Kr. Jarotschin. Funde aus einem Hügelgrab der 
Kaiserzeit! G. von Pfarrer Gibasiewicz-S. 

39. Wlostowo, Kr. Schroda: eiserne Beigaben (Schere, Messer u. a.) 
aus Urnen. Slg. Kozubski. 

IV. Slawische Periode (ca. 800—1200 n. Chr.). 

40. Bielawy, Kr. Grätz: Tongefäss mit Wellenlinie verziert, aus 
dem See. G. von Professor Lehmann-Nitsche, La Plata. 

41. Golina, Kr. Jarotschin: Scherben vom Ringwall. — G. von 
Pfarrer Gibasiewicz-S. 

42. Montschnik, Kr. Schroda: Scherben, Knochen, Schläfenring 
von einem Siedlungsplatz neben dem Kirchhof. 

43. Posen: Scherben, gef. bei Kanalisierungsarbeiten in der Nähe 
des Doms (ausgehende slawische Zeit). G. der Stadt Posen. 

44. — Tongefässe derselben Zeit, gef. beim Abbruch des alten jüdischen 
Tempels. G. der jüdischen Gemeinde zu Posen. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Deutsche Gesellschaft, 
Naturwissenschaftliche Abteilung, in Posen. 


Am 17. März fand in der Königlichen Akademie zu Posen 
die monatliche Versammlung der Natur wissenschaftlichen Ab¬ 
teilung der Deutschen Gesellschaft statt. Erich Blume, wissen¬ 
schaftlicher Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrich-Museum ergriff das Wort zu 
einem Vortrag über: „Die chronologische und die ethnographische Methode 
der vorgeschichtlichen Forschung". Nach einem kurzen Überblick über die 
Entwickelung der Vorgeschichtswissenschaft aus der Volkssage heraus bis in 
die Gegenwart, wurden die beiden in den letzten Jahrzehnten geschaffenen 
Hauptmethoden: die chronologische, die auf eine zeitliche Anordnung zielt, 
und die ethnographische, die sich mit der Aufstellung der geographisch ver¬ 
teilten Kulturgruppen, deren Verschiebung und stammeskundlicher Deutung 
befasst, an Lichtbildern erläutert. Die chronologische Methode wurde einge¬ 
führt von Oskar Montelius in seinem schwedischen Werke ‘Om tidsbestämning 
inom bronsiildern* (Stockholm 1885, Preis 6 Kr.), später für andere 
Perioden weiter angewandt und schliesslich deutsch dargestellt von dem¬ 
selben Verfasser: „Die älteren Kulturperioden im Orient und Europa. 
Die Methode." Stockholm 1903. Auf der Grundlage einer möglichst ge¬ 
nauen relativen Chronologie arbeitet die ethnographische Methode. Sie 
wurde durch Aufstellung der Kulturgruppen in Ostpreussen von Otto 
Tischler (Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft 1890, 97 ff.) 
in einer gewissen Hinsicht vorbereitet und dann vornehmlich durch die 
Verbindung von Ergebnissen der sprachwissenschaftlich - historischen 
Stammeskunde mit den archäologischen Erkenntnissen von Gustaf Kossinna 
auf sichere Grundlage gestellt in einem Vortrage auf dem Kasseler 
Anthropologenkongresse von 1895 über die vorgeschichtliche Ausbreitung 
der Germanen. Praktisch wurde diese Richtung weitergeführt in seinen 
Arbeiten: Die indogermanische Frage archäologisch beantwortet (Zeit¬ 
schrift für Ethnologie 1902, 161 ff.); Über verzierte Eisenlanzenspitzen 
als Kennzeichen der Ostgermanen — ebenda 1905 — und in kleineren 
Aufsätzen. Durch eigene Studien gewonnene Beispiele für diese Methode 
brachte der Vortragende aus den Provinzen Ost- und Westpreussen vor, 
wo die germanische Stammesgeschichte zur römischen Kaiserzeit schon 
besonders gut geklärt werden kann. Mit dieser Methode mündet die 
Vorgeschichtsforschung in die Geschichte ein. Andererseits arbeitet sie 
Hand in Hand mit den Naturwissenschaften, besonders der Anthropo¬ 
logie und Geologie: für die Feststellung der Anfänge der menschlichen 
Kultur. Im weitesten Sinne des Wortes ist sie Kulturwissenschaft, die 
Betrachtungsart der Gerätformen und Verzierungen bringt sie in Be¬ 
ziehung zu der Kunstgeschichte, und mit der sprachwissenschaftlichen 
Altertumskunde muss sie Zusammengehen zur Ermittlung der Träger 
der verschiedenen Kulturgebiete. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Societe prehistorique de France. 


Unser Mitglied Dr. A. Guebhard, Vorsitzender der Societe 
prehistorique de France, hat eine bemerkenswerte Ansprache gehalten, 
bei der Gelegenheit, als er am 28. Januar d. J. vom Präsidentenstuhl 
Besitz ergriff. Eine Stelle daraus ist auch für unsere Gesellschaft von 
hohem Interesse. 

Der Redner beklagt es, dass die menschliche Gedankenkapsel, die 
seit der Zeit des Homo Mousteriensis so beträchtliche Erweiterungen 
gewonnen habe, doch nicht unbegrenzt ausdehnbar sei und darum, wenn 
sie gefüllt sei, sich erst von Altem entlasten müsse, um Neues auf¬ 
nehmen zu können. 

„Das ist es/' so sagt er, „was immer weitere wissenschaftliche 
Spezialisierungen notwendig macht. Und ist nicht aus einer solchen 
Spezialisierung nach dem unabwendbaren Gesetz der Arbeitsteilung auch 
unsere französische Gesellschaft für Vorgeschichte geboren worden, 
die durch Spaltung entstandene Tochter der hochehrwürdigen Pariser 
anthropologischen Gesellschaft, die noch ganz ausser Atem ist (ebrouee) 
über diese unerwartete Parthenogenesis, aber glücklicherweise zurück¬ 
gekommen ist von ihrer ersten Anwandlung, das Kind zu verschlingen, 
um ihm die Mutter zu erhalten? Mutter und Kind befinden sich wohl. 
Warum sollte sich also erstere, die schon gross ist und täglich grösser 
wird, erschrecken, wenn sie sieht, dass auch letzterer gross wird. 
Den Beweis, dass hier nur ein notwendiges und durch den Lauf der 
Dinge gegebenes Ereignis eingetreten ist, liefert die Tatsache, dass ein 
gleiches in allen Ländern sidi wiederholt. Ganz neuerdings sind in 
England, für sein Ostgebiet, ebenso in der Schweiz Gesellschaften für 
Vorgeschichte gegründet worden unter dem Vorsitz hervorragender Ge¬ 
lehrter, die wir zu unseren Mitgliedern zu zählen die Ehre haben, so 
Herrn Dr. Allen Sturge und Herrn Wiedmer-Stern, den Direktor 
des historischen Museums zu Bern, „des Historischen" wohlgemerkt! 
Noch bemerkenswerter ist es, dass durch eine eigenartige Umkehr der 
Dinge die neue Schweizer Gesellschaft satzungsgemäss in ihr Bereich 
einbezieht Anthropologie und Ethnologie, die ihrerseits eines besonderen 
Gesellschaftsmittelpunktes ermangeln, und das in einem Lande, wo sie 
trotzdem zahlreiche Anhänger besitzen! In Deutschland besteht die 
Teilung seit lange 1 ). Solche Teilungen sind aber Vervielfältigungen. 


*) Dies ist leider ein Irrtum des hochverehrten Herrn Redners, dem er, wie 
er mir schreibt, durch den Umstand verfallen ist, dass ich selbst 1907 dem 3. fran¬ 
zösischen Prähistorischen Congress zu Autun, wo ich andauernd den anregenden 
Verkehr des Herrn Guebhard, des Präsidenten jenes Congresses, zu geniessen 
die Ehre hatte, als Vertreter der Deutschen anthropologischen Gesellschaft beiwohnte, 


Go igle 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


143 


Und die Mittelpunkte wissenschaftlicher Tätigkeit vervielfältigen, heisst 
alle Wissenschaften stärken, denn schliesslich zieht jede von ihnen 
früher oder später ihren Vorteil aus den Fortschritten al 1er andern. 

Könnten doch die törichten Eifersüchteleien ihre Ohnmacht ein- 
sehen und vor der vollendeten Tatsache sich beugen! Alle haben Platz 
an der Sonne; und noch niemals haben Verfolgungen oder gegen¬ 
seitige Bekämpfungen von Sekten den Enderfolg einer lebensfähigen 
Religion hintangehalten. Oder ist etwa die Religion etwas Schöneres 
als die Wissenschaft? Bleiben wir der unsrigen treu und öffnen wir 
weit die Pforten des Tempels allen Adepten. Das Gotteshaus zu 
schliessen ist gut für Zeiten der Gefahr. Aber wenn einmal der Kampf 
ums Dasein gewonnen ist, was haben dann die priesterlichen Ver¬ 
wünschungen noch für einen Sinn? Lasst zu uns kommen gross und 
klein; wir werden uns mit Macht verdoppeln, wenn wir sowohl unseren 
inneren Wert als unsere Zahl verdoppeln. 

Der Bekehrungseifer ist immer noch das beste Merkmal der Über¬ 
zeugung; ein Glaube, der nicht agitiert, hat keine Wirksamkeit. Jedes 
Mitglied muss in seinem Kreise agitieren für die Gesamtheit durch 
tätiges Werben von Beitrittserklärungen, die man nicht ab warten darf, 
sondern bei jeder Gelegenheit anzuregen verstehen muss. ..." 

Da können wir nur sagen: tout comme chez nous. Auch für 
uns gilt in hohem Masse die letzte Mahnung, Mitglieder zu werben. 
Nur eine grosse Zahl von Mitgliedern kann die Gesellschaft gegen 
alle Wechselfälle und äussere Angriffe dauernd schützen. Die fran¬ 
zösische Gesellschaft besteht seit 1904, also 5 Jahre lang und hat es 
auf nahezu 350 Mitglieder gebracht. Aber dort sind wenigstens die 
Prähistoriker einig; wären wir deutsche Prähistoriker ganz einig, würden 
wir schon beim ersten Zusammenschluss 350 Mitglieder gezählt haben. So 
aber sind wir erst 250, wir müssen jedoch mit aller Macht dahin 
streben, schon im ersten Jahre wenigstens auf 300 zu kommen. — 
Dann der andere Punkt: wenn in Frankreich — und ich weiss es 
durch meinen Freund Rutot auch für Belgien — nach 5 Jahren die ge¬ 
nannten Prähistoriker noch mit einer so starken Feindschaft der Anthro¬ 
pologischen Gesellschaft zu kämpfen haben, wie obige Ansprache zeigt, 
so brauchen wir über unser jetziges unerquickliches Verhältnis zur Ber¬ 
liner und zur Deutschen Anthropologischen Gesellschaft wahrhaftig nicht 
zu unglücklich zu sein; wir werden gewiss, wenn auch nicht 50 Jahre 
lang, wie Moltke es nach 1870 für das Deutsche Reich voraussagte, 
so doch eine Reihe von Jahren noch Gewehr bei Fuss stehen müssen, 
um uns gegen die eifersüchtigen Unterdrückungsbestrebungen der älteren 
Gesellschaften zu wehren. G. K. 

die Herr Guebhard in derselben Rolle eines vermeintlichen Verfechters der Vorge¬ 
schichtsforschung gegenüber den Übergriffen der vorwiegend anthropologisch und 
ethnologisch interessierten Berliner anthropologischen Gesellschaft sich dachte, die 
in Paris die dortige Societe prehistorique de France gegen die ältere Societe 
d’anthropologie de Paris einnimmt. G. K. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 

Zweiggesellschaft Berlin. 

Die Gründung der Zweiggesellschaft der Berliner Gruppe der Deutschen 
Gesellschaft für Vorgeschichte erfolgte am 3. Januar 1909 in unmittel¬ 
barem Anschlüsse an die Gründung der Hauptgesellschaft. Der auf ein 
Jahr gewählte Vorstand besteht aus den drei Vorsitzenden: Universitäts¬ 
professor Dr. Gustaf Kossinna, General z. D. Rudolf Lieb mann 
Exz., Archivrat Dr. Georg Schuster, aus den drei Schriftführern: 
Dr. Albert Kiekebusch, Dr. Gustav Al brecht, Bezirksgeologe Dr. 
Joh. Korn und dem Schatzmeister: Zahnarzt Otto Seemann-Berlin, 
Schönhauser Allee 177. Der Jahresbeitrag ist vorläufig auf 3 Mark fest¬ 
gesetzt worden, für Studierende der Berliner Hochschulen auf 1 Mark. 


Sitzungsberichte. 

Die 1. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am 
13. Februar im Vortragssaale des Märkischen Museums am Mär¬ 
kischen Platz statt. 

Der erste Vorsitzende, Universitäts-Prof. Dr. Kossinna, eröffnete 
die gut besuchte Versammlung mit einem kurzen Hinweis auf die Ziele 
und Bestrebungen der Hauptgesellschaft und legte dar, dass es die Auf¬ 
gabe der Zweiggesellschaften sei, die Kenntnis von den Ergebnissen der 
vorgeschichtlichen Forschung in den weitesten Kreisen des Volkes zu 
verbreiten. Zu diesem Zwecke würde die Zweiggesellschaft Berlin in 
jedem Monat eine öffentliche Sitzung mit Vorträgen und Vorlagen ver¬ 
anstalten und zu geeigneter Zeit Ausflüge zur Besichtigung vorgeschicht¬ 
licher Fundstätten unternehmen. 

Prof. Kossinna hielt dann einen Vortrag „Germanen-Darstel- 
lungen in der antiken Sku lptur", in dem er unter Vorführung 
zahlreicher Lichtbilder einen Überblick über die der Nachwelt erhaltenen 
römischen Bildwerke, auf denen Germanen dargestellt sind, gab und 
seinen Zuhörern vorführte, welche Körperbeschaffenheit die alten Ger¬ 
manen zeigten, wie sie sich kleideten und was ihr Tun und Treiben war 
in dem Augenblicke, der vom Künstler für die Darstellung gewählt wurde. 

Nach den Berichten der römischen Historiker erschienen die 
Germanen den Römern als eine durchaus eigenartige, reine und nur 
sich selbst gleiche Rasse, deren auffallend hoher und dabei schlanker 
Wuchs, deren grosse Körperkraft und selbstbewusste, stolze Haltung die 
Bewunderung der römischen Eroberer erregte. Die zweite hervor¬ 
stechende Eigenschaft des germanischen Typus, die den Römern auffiel, 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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ist die sogenannte helle Komplexion, zu der eine weisse und zugleich 
rosige Gesichtsfarbe, überhaupt durchsichtige Helle der gesamten Haut, 
blaue, scharfblickende Augen und eine Fülle blonden Gelocks gehören. 
Angaben über die Kopf- und Gesichtsbildung fehlen allerdings bei den 
alten Historikern, aber zur Vollendung des germanischen Typus treten 
hier die Grabfunde ein, denen wir entnehmen, dass Langgesichtigkeit 
und Langköpfigkeit bei den Germanen durchaus vorherrschen. Zu dem 
langen oder besser hohen, schmalen und kräftig profilierten Gesicht ge¬ 
hören eine längliche, schmale, feine Nase, die entweder gerade oder 
hakenförmig als Adlernase gestaltet ist, zurücktretende Jochbeine mit 
senkrecht gestellter Wangenplatte, stark hervortretende Augenbrauen 
und eine breite, flache und hohe, aber nicht gerade steile, sondern 
mehr allmählich aufgewölbte Stirn. Ferner ist die Kieferpartie sehr 
kräftig entwickelt, mit Neigung zu schräg nach vorn gerichteter Stellung 
des Vordergebisses, und der Langschädel erscheint nicht eiförmig, sondern 
ellipsoid, d. h. mit etwas breiterem Stirnteil im Verhältnis zum Hinter¬ 
haupt, dieses aber ist vom übrigen Schädel kuppelartig abgesetzt und 
nach hinten und unten stark hinausgezogen. 

Aus den Berichten der römischen Schriftsteller und den Ergeb¬ 
nissen der heutigen archäologischen Grabforschung ergibt sich, dass man 
es bei den alten Germanen überwiegend mit der nordeuropäischen hellen 
Langkopf-Rasse zu tun hat, und die plastischen Denkmäler bestätigen 
dies in jeder Weise. Aus der ältesten Zeit, in der die Römer mit den 
Germanen bekannt wurden, aus dem Kimbern- und Teutonenkriege (um 
100 v. Chr.) und den Kriegszügen Cäsars gegen die Sweben (um 
50 v. Chr.) sind keine bildlichen Darstellungen erhalten, erst aus der 
Zeit des Augustus, als der Kaisersohn Tiberius mit einer Flotte bis 
zur Nordspitze Jütlands vordrang und die Elbe bis Magdeburg hinauf¬ 
fuhr. Die von ihm unterworfenen Germanenstämme mussten Gesandte 
nach Rom schicken, die an seinem Triumphzuge teilnahmen, und eine 
Darstellung von Szenen dieses Triumphs findet sich auf der Gemma 
Augustea, einer Onyx-Kamee in Wien, auf der auch ein Germanenpaar 
erscheint, der Mann mit lockigem Haupthaar, Vollbart und wildem Auf¬ 
blick, mit nacktem Oberkörper, Hosen und Schuhen, die Frau in trau¬ 
ernder Haltung mit in den Händen gestütztem Kopfe und in faltiger 
Gewandung. Der Unterschied des germanischen Typus von dem auf 
der Gemme ebenfalls dargestellten Typus der Skordisken oder Kelto- 
illyrier, die mit dem Torques geschmückt sind und sklavische Unter¬ 
würfigkeit zeigen, tritt scharf hervor. Eine gleichzeitige Darstellung von 
drei germanischen Männern mit je einem Kinde und einer Frau, die 
bittflehend wahrscheinlich durch Tiberius dem Augustus vorgeführt werden, 
zeigt die Augustusschale, die 1895 bei Boscoreale gefunden worden 
ist, und mehrere Gesichtstypen germanischer Krieger erscheinen auf der 
Sardonixkamee von Belgrad, auf der der thrakische Lehnskönig 
Rhoemetalkes über die am Boden liegenden Daker fortsprengt. Alle 
diese Gestalten sind von hohem Wüchse, vollbärtig und mit stolzem 
Gesichtsausdruck, mit nacktem Oberkörper, Hosen und Schuhen dar¬ 
gestellt, einige tragen den viereckigen Kriegsmantel, der auf der rechten 
Schulter mit einer Fibel befestigt wurde, die auf dieser Darstellung 
allerdings durch einen Knopf ersetzt ist. 

Mannus- Bd. I. 10 


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146 


III. Aus Museen und Vereinen. 


Die Eigenart der germanischen Bekleidung zeigen auch eine Reihe 
von Bronzefigürchen, die von der Verzierung römischer Pferde- 
pektoralien herstammen und Nachbildungen grösserer Skulpturen sind, 
einige derselben lassen auch die charakteristische Haartracht der Ger¬ 
manen erkennen, das schräg über den Kopf gekämmte und vorn rechts 
in einen Knoten zusammengedrehte Haar, von der auch Tacitus be¬ 
richtet. Diese Haartracht tritt dem Beschauer ferner auf den Grab¬ 
steinen römischer Soldaten, die am Rhein aufgefunden worden sind, 
entgegen. Auf diesen in den Museen zu Mainz, Worms, Bonn und 
Wiesbaden aufgestellten Grabsteinen sprengt der römische Reiter meist 
über einen am Boden liegenden Germanen, der mit Hose und Schuhen, 
mit nacktem Oberkörper und Haarknoten dargestellt ist, hinweg. Auf 
einem Wormser Grabstein sind auch zwei unterworfene Germanen dar¬ 
gestellt. 

Aus der Zeit des Kaisers Vespasian sind Reste einer Säulenhalle 
erhalten, die den Innenhof des Prätoriums im Mainzer Legionslager 
umzog und auf deren Säulensockeln der Kampf der Römer gegen die 
feindlichen Chatten dargestellt war. Man findet auf den erhaltenen 
Platten marschierende und kämpfende Legionssoldaten und eine trauernde 
Germania (oder Chattia), in der bekannten Trauerstellung mit aufge¬ 
stütztem Haupt. Aus der Zeit Domitians, unter dem der römische 
Grenzwall (limes) begonnen wurde, sind Münzen mit der Darstellung 
der Germania capta, einer trauernden weiblichen Gestalt, und eines 
Germanen mit vorn und hinten herabhängendem Mantel bemerkenswert. 
Dieser Mantel, der abweichend von sonstigen Darstellungen ein Loch 
zum Durchstecken des Kopfes hat, findet sich ferner auf einem Triumphal¬ 
relief im Vatikan, das einen Germanenjüngling mit edlem Gesicht und 
starkem Gelock zeigt, doch verrät diese Darstellung auch griechische Ein¬ 
flüsse, die in einigen Abweichungen in der Bekleidung (nackte Beine 
und Füsse) hervortreten. 

Eine Reihe von Darstellungen germanischer Volkstypen enthält die 
Trajanssäule in Rom, die der siegreiche Kaiser nach den Kriegen 
gegen die Daker (101—107 n. Chr.) errichten liess. Man erblickt hier 
eine dakische Gesandtschaft, die von bastarnischen Kriegern geleitet 
wird, eine bastarnische Gesandtschaft, Fürsten und Priester, Kampf¬ 
szenen u. a., und auf diesen Skulpturen erscheinen die germanischen 
Männer in gefranstem Mantel, langen Hosen, die durch einen Gurt zu¬ 
sammengehalten werden, und Halbschuhen; das dichte Haupthaar ist 
nach vorn gekämmt und dort in einem Knoten zusammengebunden. 
Noch reichhaltiger sind die Darstellungen germanischer Typen der 
Markussäule auf der Piazza Colonna in Rom, die zur Erinnerung an 
die Kämpfe Marc Aurels gegen die Markomannen und Quaden (171 
bis 175 n. Chr.) errichtet ist. Auf den nicht sehr gut erhaltenen Reliefs 
erblickt man u. a. germanische Schleuderer (Quaden), die dem Kaiser 
den Übergang über einen Fluss wehren, die Verteidigung eines Gebirgs¬ 
passes durch die Quaden gegen römische Auxiliartruppen, die Zerstörung 
eines langobardischen Dorfes durch die Römer, einen gefangenen Fürsten 
der Langobarden vor dem Kaiser, Edlinge der Waristen, die einen Schwur 
leisten, Gruppen von Wandalen und Astingen, die Verteidigung einer 
germanischen Feste durch markomannische Krieger, die Hinrichtung von 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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aufständischen Markomannen und verschiedene Szenen aus dem Kriege 
gegen die Markomannen. Die Darstellungen sind in bezug auf die 
Tracht der germanischen Männer und Frauen, auf die Bauart der Häuser 
und der Befestigungen, auf manche Sitten und Gebräuche, auf die Kampfes¬ 
weise u. a. von hoher Bedeutung, um so mehr als wir über den Ver¬ 
lauf der Feldzüge durch römische Schriftsteller unterrichtet sind, wodurch 
auch manche Reliefs, so die Gefangennahme des Quadenkönigs Ariogaisus, 
ihre Erklärung finden. 

Typen des bereits erwähnten germanischen Stammes der Bastarnen 
zeigen die Zinnen und Metopenbilder des Siegesdenkmals von 
Adamklissi, das zur Erinnerung an die Siege des Krassus in der 
Dobrudscha errichtet wurde (29 vor Chr.). Die auf diesem Denkmal darge¬ 
stellten Männer sind schlank und breitschulterig, haben ausdrucksvolleZüge 
und tragen ein enganliegendes Wams mit aufgelegtem Pelzkragen, lange 
Hosen, die zum Teil in Streifen zusammengenäht um die Beine gelegt sind, 
und das Haar in einem rechtsseitigen Knoten zusammengedreht. An der 
Statue der sogenannten Thusnelda in Florenz, die als eine trauernde Ger¬ 
mania aufzufassen ist, zeigte der Vortragende, dass sich bei diesem 
Bildwerk in Gewandung und Haltung hellenistische Einflüsse geltend ge¬ 
macht haben, wie sie auch bei dem Tropaeon von Adamklissi zu spüren 
sind. Zum Schlüsse ging der Vortragende auf die Darstellungen germa¬ 
nischer Krieger und Volkstypen in der modernen Kunst ein, wie sie uns 
auf Gemälden, Sockelreliefs und Wandfriesen entgegentreten, und be¬ 
merkte, dass die hier allgemein übliche Darstellung der Germanen in unbe¬ 
kleidetem Zustande völlig phantastisch sei. Die Nacktdarstellungen 
auf neueren Bildwerken im Gegensatz zu den bekleideten Figuren der 
antiken Skulpturen gehen nach Ansicht des Vortragenden auf die Kupfer 
in dem Werke Clüvers über das alte Germanien (1631) zurück, aus 
dem sie in die Titelkupfer und Vignetten der Druckwerke des 18. Jahr¬ 
hunderts übernommen wurden. Die moderne Kunst hat diese Nackt¬ 
darstellungen der Germanen ohne Berücksichtigung der antiken Bild¬ 
werke und Nachrichten beibehalten. 

Die 2. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am 
18. März unter Vorsitz des Prof. Dr. Kossinna im Vortragssaale des 
Märkischen Museums statt. 

Der Vorsitzende machte zunächst Mitteilung, dass die Mitglieder¬ 
zahl der Gesellschaft erheblich gewachsen sei und dass eine ganze Reihe 
von Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben eingelaufen seien, worin 
die Absender ihrer Freude über die Gründung der Gesellschaft und 
ihrer Übereinstimmung mit ihren Zielen und Bestrebungen Ausdruck 
verleihen. Darauf wurden die Satzungen der Zweiggesellschaft Berlin 
vorgelegt und einstimmig von der Versammlung angenommen. 

Nunmehr teilte der Vorsitzende mit, dass ein Mitglied der Gesell¬ 
schaft, der bekannte Archäologe O. Hauser in Basel, der in einem 
interessanten Fundgebiete des Diluvialmenschen, im Vezere-Tale in 
der Dordogne, schon lange tätig ist, die Mitglieder der Gesellschaft für 
Vorgeschichte einlade, die dortigen Fundstätten zu besichtigen (vgl. „Nach¬ 
richten")» und fügte hinzu, dass er den Besuch nur dringend empfehlen 
könne, da er selbst im vergangenen Sommer dort gewesen sei und 
der Aufdeckung des jugendlichen Skeletts in der unteren Grotte von 

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III. Aus Museen und Vereinen. 


Le Moustier durch Prof. Klaatsch beigewohnt habe. Das Skelett und 
namentlich der Schädel sei als der beste und zugleich früheste Ver¬ 
treter der bis vor kurzem als älteste Ausprägungsform des Menschen 
geltenden Neandertalrasse zu betrachten, und ihm gleichgeartet sei ein bald 
darauf im benachbarten Correze-Departement zu La Chapel le aux Saints 
gefundenes Skelett desselben Typus mit besonders gut erhaltenem 
Schädel. Gegen Ende des Februar sind bei Clermont sur Oise in 
einer Art Höhle, deren Wände vom Wasser zernagt waren, menschliche 
Gebeine gefunden worden, von denen ein Oberschenkel und ein Kiefer 
mit sehr grossen Backzähnen am besten erhalten sind, doch steht die 
wissenschaftliche Untersuchung noch aus. Der Vorsitzende knüpfte daran 
Mitteilungen über den Fund des Homo Heidelbergensis, des ältesten 
jetzt bekannten Menschenrestes in den altdiluvialen Sanden beim Dorfe 
Mauer, südöstlich von Heidelberg, und über die Untersuchung des 
Unterkiefers durch Schoetensack und Klaatsch und stellt einen Vortrag 
von Dr. Korn über diesen Gegenstand in Aussicht. 

Zur Vorlage gelangten zwei Werke von Mitgliedern der Gesell¬ 
schaft, von Geheimrat L. Pfeiffer (Weimar) über die Skelettreste des 
Menschen und die bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thü¬ 
ringens (vgl. unten S. 157) und von Dr. G. Eichhorn „Die paläo- 
lithischen Funde von Taubach in den Museen zu Jena und Weimar“, 
ein Prachtwerk von 39 Quarttafeln mit 272 photographischen Ab¬ 
bildungen und zahlreichen Federzeichnungen, das als Festschrift zum 
350jährigen Jubiläum der Universität Jena erschienen ist (vgl. unten 
S. 156). Ausserdem teilte Prof. Kossinna mit, dass das Mitglied Frhr. 
Kalman von Miske in Güns (Ungarn) den ersten Band seines reich 
illustrierten Prachtwerkes über die „Prähistorische Ansiedlung bei Velem 
St. Veit“ der Bibliothek der Gesellschaft zum Geschenk gemacht habe. 

Dr. A. Kiekebusch sprach über die Chronologie, die Kul¬ 
tur und die Bevölkerung der märkischen Bronzezeit (2000 
bis 500 v. Chr.) unter besonderer Berücksichtigung der Funde des 
Märkischen Museums und gab seinen Zuhörern durch den reichen Inhalt 
des Vortrags und durch eine Fülle von Lichtbildern ein Bild von den 
Gewohnheiten und dem Leben der Bewohner der Mark und der Ost¬ 
seeländer zur Bronzezeit, von ihren Waffen, ihrer Kleidung und ihren 
Hausgeräten, sowie von der Bestattung und der religiösen Anschauung 
der damaligen Zeit. 

Zunächst liess der Vortragende die zahlreich erschienenen An¬ 
wesenden einen Einblick tun in die Art und Weise, wie die Prähisto¬ 
riker allmählich Ordnung in die mannigfachen Funde der Vorzeit ge¬ 
bracht haben und wie besonders der Schwede Montelius durch syste¬ 
matische Vergleichung von Tausenden von Fundobjekten eine genaue 
Typologie und Chronologie geschaffen hat, die es ermöglicht, innerhalb 
der grossen vorgeschichtlichen Zeitabschnitte — Stein-, Bronze- und 
Eisenzeit — ziemlich genau abgegrenzte Unterabteilungen festzulegen. 
So haben die Prähistoriker schon früh beispielsweise durch die Be¬ 
obachtung, dass sich Bronzesachen mit Spiral Ornamenten meist in 
Skelettgräbern und solche mit Drachenornamenten stets in 
Brandgräbern vorfanden, festgestellt, dass man zwei Hauptperioden 
der Bronzezeit zu unterscheiden habe, und durch die weitere Beobach- 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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tung, dass die Skelettgräber in einer unteren Kulturschicht lagen, während 
die Brandgräber sich darüber befanden, zuweilen in einem und dem¬ 
selben Grabhügel, haben die vorgeschichtlichen Forscher erkannt, dass 
die Skelettgräber in diesen Fällen älter als die Brandgräber, also auch 
die Gegenstände mit Spiralornamenten älter als die mit den Drachen¬ 
ornamenten sind. In Weiterführung dieser Erkenntnis konnte Montelius 
für ganze Reihen von Bronzegegenständen, beispielsweise für Bronze¬ 
schwerter und Bronzezeitfibeln, eine ziemlich sichere Zeitfolge 
feststellen. 

Der Vortragende zeigt diese Art Ermittelung der Chronologie ge¬ 
nauer an den verschiedenen Arten der Beile. Die ältesten Formen der 
Bronzebeile lehnen sich an die der Steinbeile an, sie sind glatt und 
sassen infolgedessen bei der Schäftung nicht fest. Um ihnen mehr 
Halt zu geben, wurden die Bronzebeile mit kleinen Rändern versehen, 
die nach und nach erhöht wurden und dann auch einen mittleren 
Quersteg („Absatz“) erhielten. Die Rand- und Absatzbeile sind also 
jüngeren Datums als die glatten Beile, und ihnen folgen die Tüllen¬ 
beile, deren Einrichtung noch grösseren Halt bei der Schäftung gewährt. 
Nach diesen vier Beiltypen hat man die Chronologie der gesamten 
Bronzezeit bestimmt, indem man für jede. Periode 200 Jahre ansetzte 
und für die älteste Periode 400 Jahre annahm. Durch Vergleichung 
mit ägyptischen und griechischen Funden, deren Zeitbestimmung ziem¬ 
lich sicher ist, kam man dazu, den Beginn der Bronzezeit um das 
Jahr 2000 v. Chr. Geburt anzusetzen, und erhielt so für die älteste 
Periode der Bronzezeit den Abschnitt 2000 bis 1600 v. Chr., für die 
folgenden 1600—1400, 1400-1200, 1200—1000 und 1000—800 v. Chr., 
denen sich eine Übergangszeit zum Eisen von 800—500 v. Chr. an- 
schliesst. Die Typologie der Beile wird durch die der Schwerter und 
Fibeln und durch die Formen der Gefässe des sogenannten Lau¬ 
sitzer Typus kontrolliert, und durch fortgesetzte Vergleichung der Fund¬ 
stücke ist es gelungen, eine genaue Chronologie der älteren und 
jüngeren Bronzezeit und dementsprechend der anderen vorgeschichtlichen 
Zeitabschnitte festzustellen. Die älteren Gefässformen des Lausitzer 
Typus gehören z. B. in die dritte Periode der Bronzezeit, die jüngeren 
in die frühere Eisenzeit von 800—500 v. Chr. Geb., und durch Ver¬ 
gleichung mit ägyptischen, kleinasiatischen und kretischen Funden war 
es möglich, festzustellen, dass die älteste Bronzezeit im nördlichen 
Europa gleichzeitig mit der 12. Dynastie in Ägypten, mit der mittelmino- 
ischen Zeit auf Kreta, mit den Funden der zweiten trojanischen Schicht 
und der Zeit des Chammurabi (1958—1916 v. Chr.) ist, während die 
dritte Periode der Bronzezeit (1400—1200 v. Chr.) mit dem neuen 
Reich der 18.—20. Dynastie (1580—1100) und der sechsten Schicht von 
Troja (1500—1200), also mit dem Trojanischen Krieg gleichzeitig ist. 

Diese Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung hat Ed. Meyer 
in seiner neuen Bearbeitung der „Geschichte des Altertums“ bereits 
verwertet, und es ist zu erwarten, dass die Historiker mehr als bisher 
die Feststellungen der Vorgeschichte in den Kreis ihrer Betrachtungen 
ziehen werden. Der Vortragende ging nun auf die verschiedene Zu¬ 
sammensetzung der Bronze, die ein wesentliches Hilfsmittel bei Fest¬ 
stellung des Alters bildet, auf ihre Herstellung und auf die Herkunft 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


der Bronzegegenstände ein und zeigte, dass die nördlichen Bronzeleute 
ihre Sachen gegossen haben, wie aus Funden von Gussformen und 
Bronzesachen mit Gussnaht hervorgeht, während die südlichen sie auch 
gehämmert haben, woraus sich mannigfache Schlüsse über die Herkunft 
einzelner Fundgegenstände ziehen lassen. Aus Darstellungen auf Bronze¬ 
waffen und Bronzegeräten, sowie aus den nordischen Felsenbildern lässt 
sich erkennen, dass die Bewohner der Mark und der norddeutschen 
Tiefebene Ackerbau und Viehzucht trieben, dass sie das Pferd als Zugtier 
benutzten und den Hund, das Schaf und den Ochsen kannten, dass sie 
der Jagd auf Hirsche, Bären und Auerochsen nachgingen und auf Kähnen 
mit Angel Fischfang trieben. Die Gräberfunde, namentlich solche aus 
Eichensärgen, geben uns Aufschluss über die Art der Kleidung der 
Bronzezeitleute, und die Art der Bestattung, sowie die Beigaben lassen 
erkennen, wie die Bewohner des nördlichen Deutschland zur Bronze¬ 
zeit über das Leben nach dem Tode dachten, welche Ansichten sie über 
Religion, Sitte und geselliges Leben hatten und in welchem Masse bei 
ihnen abergläubische Vorstellungen entwickelt waren. 

Unter Benutzung von zahlreichen Lichtbildern machte der Redner 
Mitteilungen über Kleidung, Waffen und Hausgeräte der Bewohner 
der Mark und Norddeutschlands zur Bronzezeit, über ihr Leben und 
Treiben, über Ackerbau, Viehzucht und Jagd, über die verschiedene Art 
der Bestattung, über Religion und Kultus und schloss mit einer Vor¬ 
führung der im Märkischen Museum befindlichen Funde aus der Bronze¬ 
zeit, die erkennen Hessen, dass bereits eine umfangreiche Kultur in der 
Mark vorhanden gewesen ist. 

3. Sitzung am 22. April 1909. In der Aprilversammlung teilte 
der 1. Vorsitzende, Prof. Dr. Kossinna mit, dass die Hauptgesellfchaft 
Frl. Prof. Johanna Mestorf zum 80. Geburtstage beglückwünscht 
und sie zum Ehrenmitgliede ernannt habe. Frl. Mestorf hat die Ehren¬ 
mitgliedschaft dankend angenommen. Eine Abbildung des künstlerisch 
ausgeführten Diploms, das der Jubilarin von der Deutschen Gesellschaft 
überreicht worden ist, wird im 1. Hefte der Zeitschrift der Gesellschaft 
veröffentlicht werden (vgl. unten S. 165). Dieses Heft soll Ende Mai 
erscheinen und wird viele reich illustrierte Abhandlungen von namhaften 
Prähistorikern enthalten. Der Vorsitzende teilte ferner mit, dass ver¬ 
schiedene auswärtige Gelehrte aus Norwegen, Finnland und Frankreich, 
darunter der Vorsitzende der Societe prehistorique de France, Prof. 
Dr. Guebhard, der Deutschen Gesellschaft beigetreten seien. Prof. Kossinna 
machte einige Mitteilungen über die französische Gesellschaft, die 1904 ge¬ 
gründet worden ist und bereits 350 Mitglieder zählt, und führte mehrere 
Stellen aus der Antrittsrede des Vorsitzenden Prof. Guebhard an, die mit der 
Mahnung schliesst, man solle beständig Mitglieder werben, eine Mahnung, 
die auch für die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte beachtenswert 
ist, da diese erst 250 Mitglieder zählt und noch sehr viele Mitglieder 
gebrauchen kann. (Näheres vgl. unter dieser Abteilung, oben S. 142 f.). 

Zur Vorlage gelangten einige Veröffentlichungen des Leipziger 
Museums für Völkerkunde, so die Abhandlungen von Näbe über die 
steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend, eine reich illustrierte 
inhaltreiche Darstellung, und von Jacob über die Latene-Funde der 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Leipziger Gegend, die manches neue Material, so über feintönige, ge¬ 
drehte Latene-Gefässe, bringt, ferner eine Arbeit des Generaloberarztes 
Dr. Wilke über die neolithische Keramik und das Arierproblem, eine 
Abhandlung von Montelius über die Chronologie des britischen 
Bronzezeitalters und von dem Norweger Schetelig über die kreuz¬ 
förmigen Fibeln Norwegens aus der Merowingerzeit (350—550 n.,Chr.), 
letztere beide Arbeiten in englischer Sprache und mit zahlreichen Ab¬ 
bildungen, und schliesslich das bedeutsame Werk über die vor- und 
frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens von Göfee, Höfer und 
Zschiesche, das die Ergebnisse einer 14jährigen Forschungstätigkeit 
enthält und als das Muster einer vorgeschichtlichen Landesdarstellung 
zu bezeichnen ist. (Näheres hierüber, wie über die Werke von Näbe 
und Jacob s. unter ,,IV. Bücherbesprechungen“, unten S. 154 ff.). 

Prof. Dr. Götze machte darauf eine vorläufige Mitteilung über 
die Fortsetzung seiner „germanischen Funde aus der Völker¬ 
wanderungszeit“. Dem ersten Bande, der „gotische Schnallen“ 
behandelt, soll jetzt eine Bearbeitung der ostgotischen Diademe 
und Helme folgen. Das Fundmaterial ist, der Kostbarkeit und Selten¬ 
heit dieser Gegenstände entsprechend, nicht umfangreich, aber um so 
wichtiger. Das gilt namentlich von den Helmen, die als ein Prototyp 
der germanischen Spangenhelme der Merowingerzeit gelten können und 
deren Ursprung bisher noch nicht genügend geklärt war. Während man 
bei letzteren das Spangengerüst als das Wesentliche und die füllenden 
Eisenplatten als das Sekundäre anzusehen pflegte, zeigte die Urform 
das umgekehrte Verhältnis. Die gotischen Helme sind aus vier drei¬ 
eckigen Eisenplatten zusammengenietet; Überreste und Spuren von Or¬ 
namentbändern erinnern an das angesetzte Ornamentband der Spangen¬ 
helme. Der gotische Charakter der Eisenhelme wird wahrscheinlich 
gemacht durch ihr Verhältnis zu entsprechenden Funden aus dem Bos- 
poranischen Reiche. In Lichtbildern zeigte Prof. Gööe die im Museum 
für Völkerkunde befindlichen Diademe und Spangenhelme und einige 
in Südrussland vor kurzem gefundene gotische Eisenhelme und führte 
die auf russischen Grabsteinen und in den Katakomben von Kertsch 
befindlichen Darstellungen von Kriegern mit Plattenhelmen vor. Den 
Schluss bildeten Bemerkungen des Vortragenden über das Verhältnis 
der gotischen Kunst zur bosporanischen und skythischen und besonders 
über eigenartige Monogramme. (Näheres s. unter „Mitteilungen“, oben 
S. 121 ff..) — Den Hauptvortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr. 
Georg Wilke aus Chemnitz über „Entstehung und Heimatland 
der Spirale und ethnische Stellung der Spira 1-Mäander¬ 
keramik“ unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder. Unter den ver¬ 
schiedenartigen Verzierungssystemen in der neolithischen Keramik hat keine 
der wissenschaftlichen Erklärung so grosse Schwierigkeiten bereitet wie die 
Spiral-Mäander-Verzierung, die namentlich in Bosnien und Siebenbürgen 
in geradezu erstaunlicher Fülle und Mannigfaltigkeit vorkommt. Solange 
die mykenische Herkunft der neolithischen Spirale ein vielfach ver¬ 
breitetes Dogma war, suchte man die Herkunft und die Entwickelung 
der Spiralornamente aus Vorbildern der Natur zu erklären; ganz anders 
gestaltete sich aber diese Frage, als festgestellt worden war, dass die 
neolithische Keramik weit älter als die mykenische Kultur 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


ist und dass die neolithische Spirale ihre Vorläufer in der 
älteren Steinzeit hat. 

Es lag nun der Gedanke sehr nahe, die neolithische mit der paläo- 
lithischen Spirale in Verbindung zu bringen, wie dies auch Much in 
seinem Buche über die Urheimat der Indogermanen mit gewissem Vor¬ 
behalt und neuerdings Grössler in Eisleben in entschiedener Weise 
getan haben, aber Wilke hält einen solchen Zusammenhang für völlig 
ausgeschlossen, weil einmal ein ungeheurer Zeitraum die Spirale der 
älteren und der jüngeren Steinzeit trennt und zweitens die neolithische 
Spirale nicht an der Spifee der vier bandkeramischen Stilformen des 
Neolithikums steht, sondern erst in einem sehr späten Abschnitte des¬ 
selben auftritt. Ihr voraus gingen Jahrtausende, in denen sich die 
Ornamentik der Gefässe auf die einfachsten geometrischen Elemente 
beschränkte, und es ist nicht anzunehmen, dass eine so schwierige 
Dekorations weise, wie es die Spiral Verzierung ist, jahr¬ 
tausendelang gewissermassen im Bewusstsein des Volkes 
geschlummert habe und plötzlich ohne jede erkennbare 
Anregung von selbst zu neuem Leben erwacht sei, um in 
raschem Siegeszuge das ganze südliche Mitteleuropa zu 
erobern. Es spricht auch nach Wilkes Ansicht nichts dafür, dass die 
Spirale oder die Spiral-Mäanderdekoration den Vorbildern aus der Natur 
nachgebildet sei, vielmehr ist der älteste Kunststil ein rein geome¬ 
trischer, und selbst die figürlichen Darstellungen und die Gesichts¬ 
formen auf Gefässen haben sich durch rein ornamentale Umbildung 
gegebener geometrischer Formen entwickelt. Der Vortragende zeigte 
dies an mehreren Beispielen von Gesichtsgefässen aus Mitteldeutsch¬ 
land, die eine gewisse Verwandtschaft mit denen der dänischen Gang¬ 
gräber erkennen lassen, und bemerkte dann, dass das Entwickelungs¬ 
verhältnis zwischen neolithischer Ornamentik und figürlicher Darstellung 
noch deutlicher als in der Plastik sich in der zeichnenden Kunst aus¬ 
präge, wo zuerst geometrische Ornamente erscheinen, aus denen sich 
dann Tier- und Menschendarstellungen entwickeln. Im Anschluss an 
diese Bemerkungen führte Wilke aus, dass die Spiral-Mäander- 
Verzierung auch nicht auf bloss spekulativem Wege durch einfache 
Synthese, wie man die Muster der vorangegangenen Stilart erhielt, ent¬ 
standen sein kann, sondern dass die komplizierten und recht mannig¬ 
faltigen Formen dieser Ornamentik sich an bestimmte mathe¬ 
matische Vorbilder angelehnt haben müssen. Für die Mäander¬ 
verzierungen finden sich derartige Vorbilder in den Schöpfungen der 
Flecht- und Webekunst aller Völker, und selbst konzentrische Kreise 
und Voluten, die als Muster für Spiralverzierungen dienen können, 
kommen dort vor. All die Zickzacklinien und Winkelbänder, die Doppel¬ 
haken und Dreiecksreihen, die schräggestellten Quadrate und Rhomben, 
die sich auf den neolithischen Gefässen finden, sind als Nachahmungen 
von Flechtmustern anzusehen, und aus der Verschiebung solcher 
Flechtmuster ergeben sich wieder die mannigfachen mäandrischen Figuren, 
die auf den Gefässen der neolithischen Bandkeramik Vorkommen. Diese 
Verschiebung der Flecht- und Webemuster kann von dem ausübenden 
Künstler sowohl absichtlich wie unbewusst und versehentlich geschehen 
sein, während sie andererseits ihre Entstehung einem Zufall bei der 


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Ausbesserung von mit geometrischen Figuren verzierten Kleidungsstücken, 
beim Faltenwurf des Gewandes oder beim Rollen von Matten und an¬ 
deren Stoffen verdanken kann. 

Der Einfluss der Flecht- und Webetechnik auf die Keramik spiegelt 
sich schon in den vorausgegangenen Kunstperioden wieder und durch 
die Natur des Geflechtes war der Weg vorgezeichnet, den der Kunststil 
einschlagen musste. Durch verschiedene Gruppierung der senkrecht oder 
schräg stehenden Flecht- oder Gewebestreifen kam man notgedrungen 
zu rein geometrischen Figuren und durch verschiedene Anordnung dieser 
Figuren ergaben sich mannigfache Variationen, die dann zu verschiedenen 
nach Zeit und Ort wechselnden Stilformen führen mussten. An einer 
grossen Reihe von Beispielen erläuterte Dr. Wilke die Übereinstim¬ 
mung der Mäanderornamente auf den neolithischen Gefässen mit 
den Mustern auf Flechtwerken und gewebten Stoffen und zeigte dann, 
dass auch die Spiralornamente unter ähnlichen Einwirkungen ent¬ 
standen seien, und zwar durch die Verschiebung mehrerer Gruppen von 
Kreisen, die entweder konzentrisch angeordnet und nebeneinander gestellt 
waren oder in gleicher Anordnung sich schnitten. Die Vorführung einer 
grossen Zahl von Gefässen aus Bosnien und aus Siebenbürgen mit 
Spiral- und Volutenverzierungen und der von Wilke dazu entworfenen 
Zeichnungen verschiebbarer Kreissysteme liess die Richtigkeit der 
vom Vortragenden ausgesprochenen Ansicht erkennen. 

Im weiteren Verlaufe seines Vortrags machte Dr. Wilke noch inter¬ 
essante Angaben über die Heimat der Spiral-Mäander-Ornamentik, 
die er in das Gebiet der upteren Donau verlegt, und über ihr 
Alter, für das er nach den neuesten Untersuchungen das dritte 
Viertel des dritten Jahrtausends ansetzt. Much sucht die 
Heimat der Spiral-Mäander-Ornamentik im Harz- und Saalegebiet, von 
wo sie sich den Wanderungen der Indogermanen entsprechend fächer¬ 
förmig ausgebreitet haben sollte, um schliesslich im südöstlichen Mittel¬ 
europa durch Aufnahme neuer technischer Elemente zu höchster Voll¬ 
kommenheit zu gelangen. Gerade die entgegengesetzte Verbreitung 
haben Kossin na und H. Schmidt angenommen, die beide die Ge¬ 
burtsstätte der Spirale nach Südosten verlegten und in der mittel- und 
westdeutschen Bandkeramik lediglich eine Ausstrahlung jener hochent¬ 
wickelten, nach Kossinnas jetziger Anschauung ostindogermanischen 
Kultur erblickten. Auch Wilke ist aus chronologischen Erwägungen, 
wie aus technischen Gründen zu der gleichen Auffassung gelangt. Die 
Heimat der SpirahMäander-Dekoration muss dort gesucht werden, wo 
man sie am einfachsten, den mathematischen Konstruktionsfiguren am 
meisten entsprechend antrifft und wo die Voraussetzungen zu ihrer 
Entwickelung, d. h. konzentrische Kreise und Vierecke bereits bekannt 
waren. Beide Voraussetzungen trafen bisher nur für das untere 
Donaugebiet zu. 

Nicht minder schwerwiegend sind die chronologischen Tat¬ 
sachen. Nach H. Schmidts Untersuchungen ergibt sich, dass alles, 
was im südöstlichen Europa neolithisch ist, älter sein muss als Troja II. 
Sind Dörpfelds Berechnungen richtig, so muss die Spiral - Mäander- 
Dekoration des unteren Donaugebiets in die Mitte des 3. Jahr¬ 
tausends v. Chr. Geb. zurückverlegt werden, und zwar ziemlich weit, 


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IV. Bücherbesprechungen. 


da sie nicht einmal am Schlüsse der südosteuropäischen Steinzeit liegt. 
Die Gräber des Rössener Typus sind, wie auch das Vorkommen des 
Leichenbrandes wahrscheinlich macht, in den Anfang der 2. Hälfte des 
3. Jahrtausends anzusetzen, und dementsprechend würde das erste Er¬ 
scheinen der Spiral-Mäander-Keramik in Mitteldeutschland daher aller- 
frühestens in das 3. Viertel des 3. Jahrtausends, und selbst wenn man 
ein teilweises zeitliches Zusammenfallen mit der Rössener Periode zu¬ 
lässt, kaum in die Mitte des 3. Jahrtausends zu verlegen sein, d. h. 
später als im unteren Donaugebiete. Die Heimat der Spiral-Mäander- 
Dekoration kann also nicht, wie Grössler neuerdings behauptete, in 
Mitteldeutschland zu suchen sein, sondern liegt im unteren Donau¬ 
gebiet. Dr. Gustav Albrecht. 


IV. Bücher-Besprechungen. 


A. Götze, P. Höfer, P. Zschiesche, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer 
Thüringens, im Aufträge Thüringischer Geschichtsvereine und wissenschaftlicher 
Korporationen mit Unterstützung der Staatsregierungen von Preussen, Sachsen- 
Weimar, Sachsen - Koburg - Gotha, Schwarzburg - Rudolstadt und Schwarzburg- 
Sondershausen. Mit 24 Lichtdrucktafeln und einer archäologischen Karte. 
Würzburg, Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag) 1909. XLI, 466 S. 

Seit Lissauer in seinen „Prähistorischen Denkmälern Westpreussens“ eine 
knapp gehaltene und doch reiche Vorgeschichte dieses Landes nebst einer nach Voll¬ 
ständigkeit strebenden kritischen Statistik der Funde herausgab, ist mehr als zwei 
Jahrzehnte lang für kein anderes Land eine derartige Darstellung versucht worden. 
Nun erhalten wir endlich die erste würdige, den Ungeheuern Fortschritt unserer 
Wissenschaft seit 1887 klar wiederspiegelnde Nachfolge in einer Bearbeitung des 
durch seinen Siedlungsreichtum wie durch die Mannigfaltigkeit der sich ablösenden 
Kulturschichten gleich einzigartigen Thüringer Landes. Vierzehn Jahre hindurch 
haben, in oft entsagungsvoller Hingabe, drei unserer trefflichsten Vorgeschichts¬ 
forscher daran gearbeitet, zugleich die besten Kenner thüringischer Kultur: mit 
einem stattlichen Bande haben sie uns nun beschenkt, der eine neue Epoche 
thüringischer Forschung heraufzuführen bestimmt ist. 

Thüringen ist hier gefasst als das Land zwischen Werra und Saale, begrenzt 
durch den Kamm des Thüringer Waldes im Süden, durch den Südrand des Harzes 
im Norden. Dass somit das geschlossene, besonders nach Osten hin siedlungs- 
massig scharf abgegrenzte Kulturgebiet des Saalebeckens von der nordsüdlich ver¬ 
laufenden östlichen Kartengrenzc mitten durchgeschnitten wurde, ist ein schwerer 
Übelstand, wie die Bearbeiter selbst erkannt haben, Hess sich aber, nachdem ein¬ 
mal der Kartenumriss bestimmt war, aus technischen Gründen nicht mehr ändern. 
Die drei Bearbeiter haben den Stoff in der Weise untereinander verteilt, dass 
Höfer (Wernigerode) den an den Harz stossenden Nordteil, Zschiesche (Erfurt) das 
Kernstück des Landes, Götze (Berlin) die Flussgebiete der Saale und der Werra 
in Arbeit nahmen. Zschiesche eröffnet die Darstellung mit einer Mitteilung der 
massgebenden Gesichtspunkte im Plane des Werkes und schildert sein Werden 


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IV. Bücherbesprechungen. 


155 


(S. I—VII). Darauf folgt eine Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte Thüringens 
von Götze (S. IX—XLI), dann die Statistik der Funde von allen dreien Verfassern 
(S. 1—393), dazu Nachträge von Höfer (S. 394—400), endlich ein überaus sorgsam 
gearbeitetes und übersichtlich gestaltetes Literaturverzeichnis von Höfer. Die von 
Götze auf 24 Tafeln angeordneten 379 Abbildungen, ein unentbehrlicher Bestandteil 
des Ganzen, machen den prächtig ausgefallenen Beschluss des Werkes, dessen 
gesamter Inhalt bestehend in mehr als 10000 Nummern auf der im Massstab 
von 1:100000 ausgeführten Karte nach einem gut gewählten Zeichen- und Farben¬ 
system, das in Zukunft hoffentlich überall festgehalten werden wird, eingetragen 
worden ist und hier mit einem einzigen, wenn auch nicht gerade kurz zu be- 
messenden Blick überschaut werden kann. 

Ungünstig erscheint nur die Anwendung der kaum hervortretenden schwarzen 
Farbe, die für chronologisch unbestimmbare Eintragungen gewählt ist, auch zur Be¬ 
zeichnung der Menhirs, deren Anzahl 23 betragen soll, aber deren Standorte allein 
von der Karte her ohne Durchnahme des gesamten Textteiles nur sehr schwer zu 
ermitteln sein dürfte, zumal auch ein Sachregister fehlt, während ein Ortsregister 
beigegeben worden ist. 

Bei der Anordnung der Fundstatistik ist der geographische Gesichtspunkt 
der ausschlaggebende, insofern die Kreiseinteilung zugrunde liegt, innerhalb der 
Kreise die Ortschaften in alphabetischer Reihe behandelt worden sind und die 
Chronologie der Funde erst als letztes Einteilungsprinzip gilt. Ich würde statt 
dessen lieber, wie es bei Lissauer und auch in Höfers Literaturverzeichnis geschehen 
ist, das chronologische Moment an erster Stelle berücksichtigt haben, wodurch weit 
eher ein gewisser Überblick über die Kulturentwicklung zu erreichen gewesen 
wäre. Aber vielleicht waren in diesem Punkte den Verfassern von den unter¬ 
stützenden Lokalvereinen hindernde Verpflichtungen auferlegt worden. Voll¬ 
ständigkeit ist natürlich nach Möglichkeit angestrebt worden; aber dass ausser den 
sogleich beigegebenen Höferschen Nachträgen sehr bald eine weit grössere Nachlese, 
vielleicht sogar genügender Stoff für einen eigenen Nachtragsband sich ansammeln 
wird, scheint nach einer Bemerkung Zschiesches von den Verfassern selbst ange¬ 
nommen zu werden. Wir möchten das als erste Frucht der Anregungen erhoffen, 
die von dem Werke zweifellos ausgehen werden. Um ein paar nur zufällig auf- 
gestossene Lücken zu nennen, so weise ich darauf hin, dass unter dem Stichwort 
„Merseburg“ bei Aufführung der Skelettgräber der Schnurkeramik ein im Britischen 
Museum befindlicher hoher Schnurbecher zu erwähnen war, der nach der Abbildung 
im Bronzezeitführer des Britischen Museums (Tf. VI, 8) dem Wernigeröder Exem¬ 
plar eines Merseburger Schnurbecher sehr ähnlich sieht. Die schöne Merse¬ 
burger Amphore des Berliner Museums aber ist abgebildet in Henne am Rhyns 
deutscher Kulturgeschichte l 2 S. 7 Fig. 37, einem Werke, von dessen zahlreichen 
Abbildungen aus dem Berliner Museum kaum einer unser Prähistoriker Kenntnis 
zu haben scheint. Aus den vielen im Dunkel verborgenen Privatsammlungen seien 
hier die Beigaben aus schnurkeramischen Skelettgräbern von der Zuckerfabrik in 
Artern an der Unstrut genannt, die im Besitze unseres Vorstandsmitgliedes Dr. Gustav 
Albrecht in Charlottenburg sich befinden. Ferner verweise ich auf die Allstedter 
Funde von Dr. Hans Hahne in Hannover. Um auch von ältester Literatur etwas 
nachzutragen, so sei der mit Abbildungen versehene Bericht über Ausgrabung eines 
Urnengräberfeldes bei Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, hervorgeholt, den der 
Halberstädter Konrektor Paul Christ. Hopfner in seiner „Germania antiqua“ 
(Halle 1711) bringt (neuer Abdruck oben S. 127 f.). 

Eine treffliche Arbeit ist Götzes Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte 


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IV. Bücherbesprechungen. 


des Gebietes. Wer berücksichtigt, wie exponiert die Stellung gerade dieses Gelehrten 
im Kampfe der wissenschaftlichen Meinungen, namentlich in allen Fragen der 
Steinzeitkultur, im letzten Jahrzehnt gewesen ist, wird nicht ohne hohe Anerkennung 
seine streng objektive, alle strittigen Fragen fast zu sehr vermeidende Darstellung 
aufnehmen. Zu begrüssen ist es auch, dass sich Götze rückhaltlos zu der Berech¬ 
tigung und Notwendigkeit der Frage nach den Volksgemeinschaften, die hinter den 
Funden stehen, bekennt. Einspruch erheben muss ich hier nur gegen die von ihm 
etzt wiederholte, wenn auch mit Fragezeichen versehene Vermutung, dass das von 
Norddeutschland nach Thüringen eindringende Volk der Kugelamphoren bereits die 
Germanen wären. Wer die ganze Folge der früheren und späteren Völkerbewegungen 
in ganz Mitteleuropa überschaut bis zur endgiltigen germanischen Eroberung 
Thüringens in der frühen Latenezeit — im letzten Punkte stimmt mir ja auch Götze 
zu —, kann in der Bevölkerung der Kugelamphoren, die ja nur bis in den 
Anfang der Bronzezeit in Mitteleuropa fortlebt, um dann völlig auszuwandern, nur 
Nordindogermanen, nicht aber bereits Germanen sehen. Mit vollem Recht erhofft 
der Verfasser, nicht nur für Anfänger und Interessenten eine geeignete Einführung 
in die thüringische Vorgeschichte darzubieten, sondern auch dem kundigsten Fach¬ 
mann ein gutes Hilfsmittel für Forschung und Darstellung und auch manchen 
trefflichen Wink gegeben zu haben. 

Wir wünschen dem Werk einen schönen, raschen Erfolg, den es verdient, 
auf dass wir eine baldige, auf den doppelten Umfang vermehrte Auflage erleben, 
die dann auch die Behandlung des gesamten Saalegebietes miteinschliessen möge. 

G. Kos s inn a. 

Eichhorn, Dr. Gustav, Die paläolithischen Funde von Taubach in den Museen 
zu Jena und Weimar. Mit 39 Tafeln und 301 Abbildungen. Jena, Gustav Fischer 1909. 

Wenn man die Funde von Taubach-Ehringsdorf der letzten drei Jahre schon 
vor dem Beschluss der Veröffentlichung des vorliegenden Tafelwerkes — es ist eine 
Festschrift zum 350 jährigen Jubiläum der Universität Jena — gemacht hätte, dann 
wäre vielleicht die Abbildung vieler Silexstücke unterblieben. Der Verfasser weiss 
das ganz gut, er sagte sich aber offenbar, wie nützlich es sei, wenn endlich ein¬ 
mal der Allgemeinheit in musterhaften, einwandfreien Abbildungen zugänglich 
gemacht würde, was man bisher als menschliche Artefakte der ältesten paläo¬ 
lithischen Station in Deutschland ansehen musste. 

„Bei einem Versuch, die Taubacher Steinwerkzeuge nach einem bestimmten 
System zu ordnen, das sich auf die Formen derselben aufbaut, stösst man auf 
Schwierigkeiten, da viele Stücke durchaus charakterlos sind und nicht hier oder 
dort untergebracht werden können. Verhältnismässig viel Spitzen gibt es, flache 
blattförmige sowohl, wie lange, schmale, dreikantige und dicke. Demnächst sind 
klingenförmige zu nennen, im Querschnitt drei- oder vierkantig, ferner scheiben¬ 
förmige, im Querschnitt flache und dicke. Da unter den Taubacher Formen typische 
Formen fehlen, ist auch die speziellere Zeitstellung innerhalb des Paläolithikums 
schwierig“. So der Verfasser. Jetzt liegt die Sache anders. So lange kein gründ¬ 
licher Gegenbeweis für die Annahme der Gleichaltrigkeit von Taubach und 
Ehringsdorf erbracht wird, müssen wir Taubach dem spätesten Mousterien oder 
dem Aurignacien zuweisen. Das konnte Verworn schon vor Jahren auf Grund 
der in dem Eichhornschen Atlas auf 35 prächtigen Tafeln dargestellten Funde 
aussprechen, ehe noch die neuen wirklich typischen, tadellos retuschierten Spitzen 
und Doppelspitzen gefunden waren. Die allgemeine Form, die Ausbrechungen, 
die Absplitterungen und die Retuschen geben zu denken; Eichhorn hat nun ein- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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fach alle alten Stücke abgebildet: 251 photographische Aufnahmen von Steinen 
und 21 von Knochen, Prachtleistungen der Ateliers von Zeiss-Jena, auf zusam¬ 
men 39 Quarttafeln, denen vielfach saubere Federzeichnungen der charakteristischen 
Stücke zur Klärung der verschiedenartigen Randbeeinflussung gegenübergestellt 
sind, sollen den Leser selbst entscheiden lassen. Diese Klärung des photo¬ 
graphischen Lichtdruckes durch Zeichnung müsste bei so diffizilen Sachen eigentlich 
Regel werden. Herr Eichhorn hat freilich zur Ausführung dieser idealen Ver¬ 
öffentlichungsart einen splendiden Verleger gefunden. Wegen seiner Idee ist der 
Verfasser sehr zu loben und seines Fleisses wegen — er hat all die sau¬ 
beren Federzeichnungen selbst gemacht — nicht minder. Der Text beschränkt 
sich auf die Beschreibung der wichtigsten Stücke gleich unterhalb der Zeichnungen, 
auf 2 Seiten Vorwort und auf 8 Seiten Allgemeines; Kritik sollte in der Haupt¬ 
sache vermieden werden, und das war bei dem vorzüglichen Abbildungsmaterial 
ganz richtig. 

Weimar. A. Möller. 


Pfeiffer, Dr. L., Geh. Med. Rat, Über die Skelettreste des Menschen und die 
bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thüringens. Sonderabdruck aus 
Korrespondenz-Blätter des Allgem. ärztl. Vereins von Thüringen. Weimar 1909. 
29 S. 8°. 

Angeregt wurde die Arbeit durch neu gefundene bearbeitete Knochen aus 
den Travertinen von Ehringsdorf sowie durch die Bekanntschaft mit Hunderten von 
rohen neolithischen „Steinbeilen“ und Knocheninstrumenten aus Schweizer 
Pfahlbauten, die nicht ohne weiteres — wie die Beile — als Werkzeuge zum Hauen 
und Schlagen angesehen werden können. Daraufhin prüft der Verfasser die schon 
bekannten Funde aus dem Ilmtal und der Hyänenhöhle zu Gera und stellt den 
bisherigen Verwendungsannahmen neue entgegen, die wesentlich auf die Gerberei 
hinauslaufen. Wie Mason in seinem Werke „Aboriginal skin dressing“ an hundert Bei¬ 
spielen die mannigfachsten Geräte aus Holz, Knochen, Horn und Stein in ihrer 
Verwendung bei der Verarbeitung von Tierhäuten, Därmen und Sehnen beschreibt, 
so glaubt Pfeiffer in den zylindrischen Knochenabschnitten, den flachen, ganz 
wechselvoll gestalteten Knochenplatten, den schmalen meisseiartigen Artefakten, 
den Pfriemen, zugespitzten Geweihsprossen und den ausgekerbten Metakarpal¬ 
knochen der paläolithischen Stationen Thüringens Werkzeuge zur Herstellung von 
Leder, Riemen usw r . zu erblicken. Die oft auffällig abgenutzten Gelenkpfannen der 
Schulterblätter, und der seit Portis als Trinkgefässe angesprochenen Beckenknochen 
muss er deshalb nach amerikanischen Vorbildern als Fellschaber erklären. Die Kerben 
und Kritzel auf dem bekanntesten Beispiele, dem „Becher“ aus Taubach im Städt. Mu¬ 
seum zu Weimar, führen ihn zur Anwendung der grösseren Knochen als Hacke¬ 
bretter, Ambosse, d. h. Unterlagen oder Stützflächen für das z. B. zuzuspitzende 
Holzstück, von denen Weimar aus La Micoque eine ganze Reihe besitzt und denen 
sich diejenigen aus Ehringsdorf (Fig. 21, 22 und 24) ganz gut anschliessen würden. 
Tragen die in Fig. 12 und 13 abgebildeten Stücke wirklich absichtliche Gravierungen, 
dann wären nach der französischen Chronologie die Funde der Hyänenhöhle nicht 
einheitlich. Der Wellenlinie in Fig. 25 setzt der Verfasser mit Recht das war¬ 
nende? bei. — Die kleine Arbeit sollte eine Zusammenfassung der bearbeiteten 
paläolithischen Knochen geben; man hätte dann aber auch auch das Hildesheimer 
Museum und das fragliche walzenförmige Spongiosastück aus Jena berücksichtigen 
müssen. Die auf den letzten Seiten der anregungsreichen Schrift gebotene Ex- 


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kursion in die Praxis der primitiven Gerberei (mit eigenen Versuchen) könnte zu 
weiteren Experimenten veranlassen und dann sicherlich manche prüfungswerte 
Gesichtspunkte zur Beurteilung der Verwendungsweise prähistorischer Geräte über¬ 
haupt liefern. Der Systematik, Chronologie und Typologie will die Arbeit nicht 
dienen; aber die Ansichten über den materiellen Besitzstand des Paläolithikums 
dürften durch derartige kulturgeschichtlich-technische Betrachtungsweisen erweitert 
werden. 

Weimar. A. Möller. 

F. Max Näbe, Die steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend unter beson¬ 
derer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde. M. 6 Taf., 2 Karten und 121 Abb. 
im Text (Veröffentlichungen des Städtischen Mus. f. Völkerk. zu Leipzig H. 3). 
Leipzig 1908. 58 S. 4°. 

/ 

Es gibt im Königreich Sachsen wenige Gebiete, die aus neolithischer Zeit ein so 
reiches Material geliefert haben, wie die Leipziger Tiefebene. Die Zahl der Einzel¬ 
funde von Steingeräten beträgt hier allein über 2000. Besondere Erwähnung ver¬ 
dient darunter eine Zahl nordischer Feuersteinbeile und Dolche, die nur durch 
Import in unsere Gegend gelangt sein können. Bemerkenswert sind die in der 
ältern Literatur verstreuten Nachrichten über angebliche Pfahlbauten, von denen 
an drei Stellen Reste gefunden worden sein sollen. Leider hat sich mit Ausnahme 
von der 1873 beim Bau des Elster - Saale-Kanales aufgedeckten Anlage von Funden 
nichts erhalten und auch von dieser sind nur einige Steingeräte übriggeblieben, während 
die Gefässreste verloren gegangen sind. Von Grabfunden sind ausser zahlreichen 
einzelnen Gefässen mit Schnurverzierung und zwei Kugelamphoren, die wohl trotz 
des Fehlens von Skelettresten als Grabbeigaben aufzufassen sind, besonders hervor¬ 
zuheben zwei grössere Gräberfelder bei Cröbern und Miltitz und mehrere Hügel¬ 
gräber in Bienitz, sämtlich der Zeit der Schnurkeramik angehörig. Ausserdem fanden 
sich noch zwei Hockergräber in Altranstädt und eines in Günthersdorf, deren 
keramisches Inventar nach Deichmüller in den Aunetitzer Gräbern von Wiederau, 
Pegau, Riesa, Döbeln und Meissen Analogien hat. Von Wohnstättenfunden ist 
besonders bemerkenswert eine Siedlung bei Möritzsch. Der Umstand, dass sich 
hier nur Scherben mit Winkel- und Stichbandkeramik fanden, Spiralbänder - Ke¬ 
ramik dagegen völlig fehlte, bildet einen neuen Beleg für die von mir an anderer 
Stelle aufgestellten These, dass wie am Rhein so auch in Mitteldeutschland diese 
verschiedenen Stilarten zeitlich zu trennen sind. Das gleiche gilt von der grossen 
Station von Eutritzsch (über 200 Herdstellen!), wo in den westlichen Herdgruben 
nur Stich- und Winkelbandkeramik, in den östlichen nur Spiralbänder - Keramik, 
in den in der Mitte gelegenen beide Typen gemischt vertreten waren. Zu 
bedauern ist nur, dass diese grosse und interessante Siedelung nicht, wie ich es s. Z. 
dem Grassi-Museum vorschlug, systematisch untersucht worden ist, da eine metho¬ 
dische Ausgrabung, wie sie sich ein Privatmann in Anbetracht der hohen Kosten 
nur ausnahmsweise leisten kann, neben sonstigen wichtigen Ergebnissen gewiss 
auch Gelegenheit zu eventuellen stratigraphischen Beobachtungen geboten haben 
würde. Bemerkt sei noch, dass sich in dieser Siedlung 8 m von eine Herdstelle 
entfernt zwei als liegende Hocker beigesetzte Erwachsene — freilich ohne Beigaben — 
fanden, während in Möritzsch in einer Herdstelle selbst aus dem Boden ein Kinder¬ 
skelett, gleichfalls liegender Hocker, aufgedeckt wurde. Übrigens bildet die Beisetzung 
innerhalb der Wohnung durchaus nicht ein vereinzeltes Vorkommnis, wie Herr Näbe 
annimmt. Weitere Beispiele kenne ich von Stützheim i. E., Michelsberg b. Unter¬ 
grombach in Baden, im Mansfelder Seekreis, Gross Tschernosek und Lobositz a. E. in 


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Böhmen und besonders aus Griechenland, so Akropolis in Athen; Eleusis; Therikos; 
Orchomenos (Bulle, Orchomenos S. 68), wo sich die Erinnerung an diese uralte 
Bestattungssitte bis in die klassische Zeit erhalten hat. Ebenso ist Bestattung 
in Wohnungen neuerdings auch in Thanech und Megiddo in Palästina festgestellt 
worden. -- Wenn auch die Schlussfolgerungen des Verf. bei Fachleuten auf 
manchen Widerspruch stossen und insbesondere die Anschauungen über die 
Schnurkeramik keine Zustimmung finden werden, so bildet doch die vorliegende 
Publikation, die weiten Kreisen das in vielen Privat- und öffentlichen Sammlungen 
verstreute Material zugängig macht, eine sehr willkommene Gabe, deren Wert 
durch die zahlreichen guten Abbildungen und die vorzüglichen, kostspieligen Tafeln 
noch besonders erhöht wird. 

Chemnitz. Georg Wilke. 

Karl Jacob, Die La Töne-Funde der Leipziger Gegend. Ein Beitrag zur vor¬ 
geschichtlichen Eisenzeit der Leipziger Tieflandsbucht. Mit 29 Tafeln und 1 Fund¬ 
karte. Sonderabdruck aus dem Jahrbuche des Städtischen Museums für Völker¬ 
kunde zu Leipzig. Band II 1907. Leipzig 1908. 41 S. 4°. 

Gleichzeitig mit der Darstellung der Steinzeit der weiteren Leipziger Umgebung 
durch M. Näbe bietet das Leipziger Museum für Völkerkunde in dankenswertester 
Weise eine solche der Latene-Periode durch den neugewonnenen Fachmann für die 
vorgeschichtliche Abteilung. Mit dieser Erstlingsarbeit, die bescheidenerweise nur 
das bisher, meist durch Zufallsfunde gewonnene Material vereinigt vorführen und 
damit zu systematischen Nachgrabungen und eindringenderer Forschung anregen will 
führt sich Jacob auf vorteilhafte Art in den Kreis der Vorgeschichtsforscher ein. 

Zunächst werden die Grabfunde vorgeführt in einer Ausdehnung, die nord¬ 
wärts bis Delitzsch (Schenkenberg und Löbtau), südwärts an der Elster bis Pegau 
und Zeitz, westwärts in den Kreis Merseburg hinein bis zur Saale (KI. Corbetha) 
sich erstreckt, deren reichster Mittelpunkt aber die Leipziger Gegend und namentlich 
Leipzig-Süd (Connewitz) bildet. Daran schliesst sich eine Beschreibung dreier Wohn¬ 
stättenfunde und den Beschluss machen allgemeine Folgerungen und Betrachtungen. 
Neben wenigen bereits anderwärts gegebenen Veröffentlichungen, die hier teils ein¬ 
fach wiederholt, teils erweitert vorgeführt werden, wie die Hallischen Funde des 
Gräberfelds von Kl. Corbetha, Kr. Merseburg, oder die Dresdener aus Pegau, wird 
in der Hauptsache neues Material geboten, das bisher nur denjenigen wenigen 
Forschern bekannt war, die eingehendere Studien in den Museen und Privatsamm¬ 
lungen der Gegend gemacht haben. Namentlich seien die schönen Funde der seit 
ihrem Verkauf an das Berliner Museum für Völkerkunde unzugänglich gewordenen 
Sammlung Reichsgerichtsrat Langerhans (Leipzig-Arndtstrasse, Connewitz, Cröbern: 
diese reichen Gräberfunde aus Cröbern sind von Jacob nicht einmal erwähnt worden) 
und die ebenso wertvolle, nunmehr dem Leipziger Museum als Leihgabe übergebene 
Sammlung des Pfarrers Rosenthal in Probstheida (Gräberfeld Cröbern). 

Ausserordentlich stark vertreten, ganz wie in Thüringen, sind auch in den 
Leipziger Funden die feintonigen, dünnwandigen, schwarzgeschmauchten, gedrehten 
Tongefässe, ein Erbteil der soeben von den Germanen hier verdrängten keltischen 
Bevölkerung. Ganz ausgeschlossen erscheint es, dass diese von Jacob als ‘terra nigra' 
bezeichnete Ware, deren Verbreitung von Dresden nach Rheinhessen den Weg der 
Ausbreitung der herminonischen Germanen über die keltischen Sitze der Latene- 
Zeit in Mitteldeutschland wiederspiegelt — wie ich bereits 1907 gezeigt habe —, 
als Importware aus keltischen Ländern anzusehen wäre, wie Jacob meint, der die 
Feststellung dieser frühesten germanischen Drehscheibenarbeit zudem fälschlich für 


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IV. Bücherbesprechungen. 


eine neue Entdeckung hält. An Import, jedoch nur aus dem Saale-Elstergebiet her, 
könnte man vielleicht bei den wenigen Stücken dieser Art denken, die bis jetzt aus 
dem nordöstlichen Anhalt und der westlichen Mark Brandenburg zutage gekommen 
sind. Eingehender dies Thema zu erörtern, muss ich einer besonderen Darstellung 
Vorbehalten. — Ungenügend sind die chronologischen Bestimmungen, die noch ganz 
im alten Tischlerschen Fahrwasser laufen, trotzdem Jacob von den neuern genaueren 
Untersuchungen dieser Fragen Kenntnis hat. Ein weiterer Mangel ist die Unbe¬ 
kanntschaft mit den Ergebnissen meiner Mäanderverzierungsforschung, infolgedessen 
Erzeugnisse kaiserzeitlicher Rädchentechnik der Latene-Zeit zugeschrieben werden. 
Ganz irre gegangen ist der Verf. bei den Grabfunden von Möritzsch, Kreis Merseburg, 
die übrigens, soweit sie der Sammlung Waase-Neuruppin angehören, sehr unvoll¬ 
ständig mitgeteilt sind, wie ich aus einem mir vorliegenden Manuskript des Herrn 
Waase ersehe. Aber ohnehin ist klar, dass neben offenkundigen Latene-Gräbern, 
aus denen z. B. die Urne Taf. III 19 stammt, ebenso sicher kaiserzeitliche und zwar 
nicht solche aus der früheren Kaiserzeit dort aufgedeckt sind, aus denen z. B. die 
Fussurne Taf. III 20 herrührt, die keineswegs, wie Jacob meint, eine Latöne-Form 
darstellt, ebensowenig wie das Taf. III 21 abgebildete Bruchstück eines tönernen 
Beigefässes, das mit Reihen von aufgesetzten Buckelchen verziert ist, die Bronze- 
gefässnietköpfe nachahmen, sowie mit je einem in die Henkelösen eingehängten 
Tonringe, auf die Hallstattkultur zurückweist, wie Jacob denkt, sondern ganz 
charakteristische Merkmale der späteren Kaiserzeit besitzt. 

Den weiteren Arbeiten des Verfassers sehen wir mit Interesse entgegen. 

G. K o s s i n n a. 

Erich Blume, Verzeichnis der Sammlungen des Uckermärkischen Museums- und Ge¬ 
schichtsvereins in Prenzlau. Im Aufträge des Vorstandes bearbeitet. Prenzlau 1909 
(1908). 103 S. 8°. Mit 125 Abb. 

Vorbedingung für das schnelle und nachhaltige Aufblühen der Vorgeschichts¬ 
wissenschaft in den skandinavischen Ländern seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
war nicht sowohl die Menge der Funde, als vielmehr ihre gute Ordnung in den 
Museen und deren mustergiltige Veröffentlichungen, die für die weitere Verarbeitung 
des Fundmatcriales eine feste Basis gaben. — Auch in Mitteleuropa, besonders in 
Deutschland hat eine rege, stellenweise begeisterte Sammeltätigkeit im vorigen 
Jahrhundert reiche Schätje aufgehäuft, aber sie sind bis heute in wörtlichem Sinne un¬ 
übersehbar, da nur von wenigen Sammelstellen für die Dauer brauchbare Ver¬ 
öffentlichungen ausgingen und gar Sammlungs-Verzeichnisse und Führer, die wirk¬ 
lich führen, dem Laien wie dem Forscher fast gänzlich fehlen! Jetzt kommt ein 
solcher nun aus dem kleinen Prenzlauer Museum, dessen Name für den Prä¬ 
historiker guten Klang hat durch Schumann-Miecks Uckermärkische Megalith-Gräber¬ 
forschung, das Urnenfeld von Oderberg-Bralitj, sowie manche Leckerbissen, wie die 
Depotfunde von Arnimshain und Alexanderhof und das prächtige Grab von Damme. — 

Dass aber noch viele andere Schätze in dem Prenzlauer Museum, das seit 
1899 in der umgebauten Heiligengeisthospitalkirche untergebracht ist, „schlummerten“, 
zeigt uns Blumes Sammelverzeichnis. Ein erfreuliches Büchlein, von dem man wirklich 
„etwas hat“! Erstens und vor allem eine wissenschaftliche Materialsammlung, die 
selbständigen Wert beanspruchen kann; als Führer und kritisches Verzeichnis 
kommt es seiner Pflicht weit mehr nach als irgend eine demselben Zweck dienende 
Schrift nicht nur in Deutschland. 

Vorgeschichtliche Museen sind in Deutschland zumeist noch eine Welt in der 
man sich langweilt. Man sieht doch aber am Prenzlauer Verzeichnis, dass es möglich 


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ist, eine auch dem Laien zusagende Einführung in die vorgeschichtlichen Funde zu geben; 
allerdings muss sie ein Fachmann herrichten: die Sammlung und den Führer da¬ 
zu ! Das ist das Geheimnis, das unsere vielen, vielfach hochwertvollen deutschen 
vorgeschichtlichen Sammlungen seither meist auf dem Niveau unfruchtbarer Sammel¬ 
stellen hält: das Fehlen fachmännischer Leiter oder Bearbeiter! Blume ist Kossinna- 
schüler, also gewöhnt an strengkritisches Arbeiten, das aber von weiteren Gesichts¬ 
punkten beherrscht wird. Das Prenzlauer „Verzeichnis“ ist eine der ersten Nutzan¬ 
wendungen der Studien der jungen Berliner Schule für Vorgeschichte! Es steckt 
mehr Arbeit in solch einer Schrift, als man denkt. Ehrliche und strenge Arbeit am 
Material ist aber der einzige Schlüssel für die Erschliessung der Vorzeit! Das Prenz¬ 
lauer Verzeichnis ist nach folgender Disposition verfasst: 

I. Vorrede und Vorwort betr. die Geschichte des Museums und der vorge¬ 
schichtlichen Forschung in der Uckermark. 

II. Die vorgeschichtlichen Altertümer eingeteilt (und aufgestellt) in die Ab¬ 
schnitte: Steinzeit, Bronzezeit, Latene-Zeit, röm. Kaiserzeit und slawische Zeit. Jedem 
Abschnitt ist ein knapper und doch alles Wesentliche bringender Überblick über die ucker¬ 
märkischen Verhältnisse der betreffenden Zeit vorangestellt. Die Ergebnisse der Kossin¬ 
naschen Arbeiten liegen den Ausführungen zugrunde. Diese 5 Kapitel bilden zusammen 
einen für Laien und Forscher sehr brauchbaren Abriss der uckermärkischen Vor¬ 
geschichte, reich illustriert durch die Abbildungen charakteristischer Funde aus dem 
Museum. Aus der Übergangszeit vom Quartär zur geologischen Jetzt¬ 
zeit (Ancylus- und Litorinazeit der Ostsee entsprechend) stammen die ältesten sicheren 
Funde menschlicher Kulturreste: ziemlich spärliche und nicht sehr charakte¬ 
ristische Einzelfunde von einfachen Stein- und Knochengeräten. Der jüngeren 
Steinzeit gehören u. a. Einzelfunde der ältesten Beiltypen an, Vorläufer 
der in den Gräbern der Blütezeit gefundenen. Während der neolithischen „Gräber¬ 
zeit“ gehört die Uckermark völlig in den nordeuropäischen Kulturkreis, 
den die Tiefstichkeramik kennzeichnet und der uns für das Quellgebiet 
der Indogermanenauswanderungen gilt. Vom Kreise der Nachbarkulturen erreichen 
nur wenige Importe (bandkeramische Steingeräte) die Uckermark. Für alle charakte¬ 
ristischen Erscheinungen der norddeutschen Megalithgräberzeit bietet das Land und 
das Museum viele Beispiele. 

In der Bronzezeit liegt die Uckermark bis auf ein kleines Gebiet im Süd¬ 
osten ganz im Bereich der nordeuropäischen Gruppe, die die germanische 
zu nennen ist, da sich schon aus ihr ohne Unterbrechung die frühgeschichtliche Kultur 
der Germanen herleitet. Jener, Südostwinkel fällt seit der III. Periode der 
Bronzezeit ins Gebiet der weitausgedehnten ungarisch-ostdeutschen Gruppe (der „kar- 
podakischen“ nach Kossinna. Zeitschrift f. Ethnol. 1902). Das Urnenfeld von Oder- 
berg-Bralitj ist ein Beispiel der älteren karpodakischen Gräberfelder; die jüngeren 
sind spärlich vertreten. 

Völlig westgermanischen Typus haben die uckermärkischen Funde der 
Latenezeit bis auf wenige ostgermanische Einstreuungen im Kreise Anger¬ 
münde. Der Norden des Kreises Prenzlau zeigt während der Latenezeit engere 
Beziehungen zu Pommern (Urnen in Steinpackung, darüber Brandschüttung) gegen¬ 
über den andern Kreisen, die sich den andern Nachbarn anschliessen (Urnen in 
freier Erde oder in Steinpackung, aber ohne Brandschüttung). In der älteren Kaiser¬ 
zeit (I.—II. Jhdt. n. Chr) bleibt die Uckermark dem westgermanischen Kulturgebiet 
zugehörig; in der späteren (III. —IV. Jhdt.) wird sie ostgermanisch offenbar durch 
Verschiebungen der Bevölkerung. Sichere Unterlagen für Nennung von Stammes¬ 
namen fehlen noch für die Uckermark in diesen Jahrhunderten. Im V. Jahrhundert 
M a n n u s. Bd. I, 11 


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V. Nachrichten. 


verliert die Uckermark, wie ganz Ostdeutschland, ihre Bevölkerung und damit 
die Möglichkeit vorgeschichtlicher Funde. Die Zeit der slawischen Besiedelung 
trägt die gleichartigen Züge von ganz Norddeutschland. Die spärlichen geschicht¬ 
lichen Nachrichten der Frühzeit treffen die Uckermark erst sehr spät, erst nach 
der im XII. Jahrhundert vollendeten Zurückeroberung Ostdeutschlands durch 
die Deutschen. 

Wir wünschen dem Katalog schnelle Neuauflage, auch schon deshalb, weil 
dann vielleicht Glanzpapiertafeln die grossenteils mangelhaften Textdrucke ersetzen 
könnten! Ein uckermärkisches Fundortsverzeichnis und ein solches der grossen und 
kleinen vorgeschichtlichen Sammlungen innerhalb der Uckermark und endlich eine 
Literaturübersicht, uckermärkische Vorgeschichte betreffend, sind Zugaben, die künftig 
in keinem derartigen Führer fehlen sollen. 

Der geschichtliche Teil des Museums ist Inhalt des zweiten, weniger ein¬ 
gehend bearbeiteten Abschnittes des Verzeichnisses. Ein Gobelin aus Hindenburg 
und die Reste des Prenzlauer Rolands verdienen hier besondere Beachtung. 

Hannover. H. Hahne. 


V. Nachrichten. 


Der Nordwestdeutsche Verband für Altertumsforschung 

in Kassel. 

Bei der Tagung des N o r d we st d e uts chen Verbandes in Kassel vom 
13.—15. April d. Js. wurden die Verhältnisse und Vorgänge mehrfach zur 
Sprache gebracht, die sich seit der Gründung und dem ersten Auftreten 
unserer Gesellschaft entwickelt haben. Da diese Dinge doch einmal im Zu¬ 
sammenhang besprochen werden müssen, ist an dieser Stelle hierfür vielleicht die 
beste Gelegenheit gegeben. 

Dass der Zusammenschluss der deutschen Vorgeschichts¬ 
forscher und - Freundein unsern Kreisen nachweislich seit Jahren geplant ist, 
darüber spricht der Bericht der gründenden Versammlung (s. oben S. 9f.). Von den 
Vorgeschichtsforschung treibenden Museen innerhalb Preussens 
waren ausserdem seit Jahren energische Bestrebungen ausgegangen, eine Museen¬ 
vereinigung zu schaffen zu gemeinsamer Arbeit an der vorgeschichtlichen 
Forschung, besonders um die leidige Frage der Ausgrabungskompetenzen, sowie 
die der einheitlichen musealen Verwertung und der so notwendigen Förderung der 
wissenschaftlichen Veröffentlichung der Funde zu lösen. 

D i e s e s Unternehmen scheiterte an der mangelnden Einigkeit und besonders 
daran, dass das „ Zentralmuseum “ in Berlin während des Interregnums nach 
Voss’ Tode nicht in der geeigneten Weise seine Stellung und Tätigkeit in diesem 
Zusammenschluss durch einen genügend bevollmächtigten Vertreter übernehmen 
konnte. 

In Bayern haben die gleichzeitig einsetzenden gleichartigen Bestrebungen 
unterdessen zu einer höchst erfreulichen Organisation geführt, in Preussen nur in 
der Provinz Hannover. 


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V. Nachrichten. 


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Während diese Bestrebungen, die preussischen Musee n zusammen- 
zuschliessen also vorläufig ruhten, setzten nun desto energischer unsere Bemü¬ 
hungen ein, den andern Teil der als notwendig erkannten Organisation der deutschen 
Vorgeschichtsforschung zu erledigen, den freien Zusammenschluss derEinzel- 
personen, Vereinigungen und Institute in Deutschland, die Vorge¬ 
schichtsforschung treiben wollen, und sie führten zur Gründung unserer 
Deutschen Gesellschaft fürVorgeschichte, die also von vornherein 
als ein Korrelat zu der erhofften Museenvereinigung gedacht war! 

War für den vor allem praktische Ziele verfolgenden Museenzusammen¬ 
schluss das Z e nt r a 1 m u s e u m in Berlin der gegebene Kristallisationspunkt, 
zunächst wenigstens für Preussen, so war es für eine deutsche Gesellschaft 
für Vorgeschichte doch natürlich der Zusammenschluss der Fachleute unter 
Vorsitz des Vertreters des ersten deutschen Lehrstuhles für deutsche Vorge¬ 
schichte. 

Der grosse sofortige Erfolg des Rufes zur Gründung unserer Gesellschaft 
beweist genügend, dass diese unsere Überlegungen richtig waren. 

Die somit auf einen richtigen und sichtlich erfolgreichen Weg gebrachte 
Entwickelung der O rga nisations bestreb ungen wurden aber gestört durch 
zwei Dinge: kaum zu entwirrende Fäden persönlicher guter und schlechter 
Beziehungen „der Tonangebenden in der Wissenschaft“ mit ihren Folgen, den 
dazugehörigen polemischen Auseinandersetzungen, verschleierten das 
Bild des Vorganges der „Befreiung der deutschen Vorgeschichtsforschung“ in den 
Augen mancher Kreise; und leider bekam unsere Gesellschaft durch die Form 
eines zu heftigen Ausbruchs dieser Unterströmungen bei ihrer Begründung den 
Ans c h e in e i ner „p i e t ä tl o s e n“ Sezession d e r V org es c h ich t s w is s e n- 
schaft aus dem Schoss aller der wissenschaftlichen Gesellschaften und Verbände, 
die bisher den in Deutschland solange unmündig gebliebenen (bzw. für unmündig 
gehaltenen) Forschungszweig bemuttert (bzw. bevormundet) hatten und naturgemäss 
nicht glauben möchten, dass er zum Aschenbrödel geworden war, seit seine Be¬ 
handlung nicht mehr entsprach seiner wachsenden Bedeutung. Nachträgliche 
Einrichtung von „prähistorischen Fachsitzungen“ seitens jener Gesellschaften und 
ähnliches sollen unsern bereits vollzogenen freien Zusammenschluss als unnötig 
erscheinen lassen. Auf Grund dieser Vorgänge konnte ein zweites verwirren¬ 
des Moment erstarken. Von der vorgeschichtlichen Abteilung der Berliner 
Museen ist nämlich statt der erwarteten Verfolgung des alten Programms des 
Museenzusammenschlusses, von dem u. a. auch das Wiedererstehen der 
leider eingegangenen „Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ in grösserem Stile 
erhofft wurde, der Plan ausgegangen, eine Zeitschrift herauszugeben, der neuerdings 
die Aufgabe gestellt ist „die Gesamtinteressen der deutschen vorgeschichtlichen For¬ 
schung zu pflegen“ und „der gesamtdeutschen Forschung auch die Zusammenhänge mit 
den weiter entfernten Kulturen zu vermitteln“ (Ankündigung vom 13. IV. 1909). An sich 
brauchte dieses Programm, das fast wörtlich dem unserer Gesell¬ 
schaft und ihrer Zeitschrift entspricht, ja nur eine „ideale Konkurrenz“ 
zu bedeuten, wenn nicht die Entwicklung dieses Unternehmens anderes gezeigt 
hätte! Für das Zustandekommen dieser Berliner Zeitschrift wurde von vornherein 
die Hilfe g era d e d e rj e ni ge n an Altertumsforschungen interessierten Gruppen 
beansprucht, die sich durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vor¬ 
geschichte unangenehm überrascht oder mit mehr oder weniger Recht benach¬ 
teiligt oder v e rl c t zt fühlten und trotz aller unserer Bemühungen unversöhnlich 
geblieben sind. In diesen Kreisen ist durch die Begründung der neuen 

11 * 


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V. Nachrichten. 


BerlinerZeitschrift aus der Reaktion gegen den Kossinnaschen Aufruf eine Agi¬ 
tation gegen unsere Gesellschaft geschaffen, zu deren Kristallisationspunkt 
die Bemühung um das Zustandekommen der neuen Zeitschrift gemacht wurde. 
Über die Erwägungen, die zur Gründung unserer Gesellschaft geführt haben und 
über deren Ziele werden höchst missverständliche „Aufklärungen“ ge¬ 
geben, die gelegentlich ans Komische streifen! Die Deutsche Gesellschaft für 
Vorgeschichte wird bald als „eine Art grosser Heimatbund“ hingestellt im Gegen¬ 
satz zu den Altertumsverbänden, „die wissenschaftliche Forschung treiben, aber 
keine Volksfeste veranstalten wollen“ (Äusserung in Kassel), bald als blosses Mittel 
zur Begründung unserer Zeitschrift und als Konkurrenzunternehmen (!) gegen das 
vermeintlich legitimere der Berliner Zentrale. 

Der eigenen Unternehmung der Berliner Zentrale wird dagegen nachgerühmt, 
dass sie „in erfreulichster Weise alles (sic) vereinigt, was sich in Deutschland 
bisher schon mit Altertumsforschung beschäftigte“, und dass sie „auf sicherem 
Boden stehe“. Durch diese und ähnliche Darlegungenwirdfürweniger 
eingeweihte Kreise unsere Gesellschaft und ihre Ziele in ein völlig 
falsches Licht gesetzt, zumal da die betreffenden Darstellungen 
vo n e i n e r Se i t e au sg e h e n , h i nte r d e r e i n e staatliche Beihilfe steht! 
Und deshalb ist jene Agitation, die an sich ja nur als Intermezzo bis zur allgemeinen 
Aufklärung aufzufassen wäre, geeignet, aus Sachen der wissenschaftlichen Arbeit 
eine M a ch tf r a g e, g eha nd h a b t v on Ei nzel n e n, zu machen. Diese Erkenntnis 
fand nun gerade auch während der Kasseler Tagung Ausdruck, deren Verhand¬ 
lungen und vielfache private Auseinandersetzungen über das Thema aber schliess- 
lich doch einen erfreulichen Eindruck hinterliessen; denn mit aller Ent¬ 
schiedenheit trat trotz des Aufwallens gegenteiliger Ansichten die Tatsache hervor» 
dass in den Schlachtruf gegen uns keineswegs die G e sa m t h e i t d e r 
nordwestdeutschen Altertumsforscher einstimmt. Unzweideutig fand auch 
offiziell die Ansicht Ausdruck, dass der Zusammenschluss zur Deutschen Gesell¬ 
schaft für Vorgeschichte einen erfreulichen Schritt vorwärts für unsere Wissen¬ 
schaft bedeute. Von berufenster Seite wurden die persönlichen Beiklänge 
der Verhandlungen a 1 s das Unwesentliche abgelehnt. Viele und berufene 
Persönlichkeiten, auch aus dem nordwestdeutschen Gebiete, sind zugleich Mitglied 
und Mitarbeiter unserer Gesellschaft und anderer Verbände, die durch die jüngsten 
Vorgänge fast in scheinbar unversöhnlichen Gegensatz zu uns getrieben worden 
wären; sehr angesehene und vornehme Vereine und Institute, die an der Förderung 
der deutschen Vorgeschichtsforschung beteiligt sind, haben, z. T. in vorurteils¬ 
freier Weise mit dem Ausdruck der Freude über unsere endlich erfolgte Organi¬ 
sation der deutschen Vorgeschichtsforschung unsere Zeitschrift bereits bestellt 
und wollen auch die geplante Berliner Zeitschrift unterstützen, 
in der Hoffnung auf zwiefache Anregung, infolge der zu erwartenden 
Äusserung verschiedener Standpunkte in den „konkurrierenden beiden vorgeschicht¬ 
lichen Organen, und in der Erwartung, dass künftig beide Unternehmungen fried¬ 
lich nebeneinander gehen werden. Zwar wird von den „Gegnern“ geflissent¬ 
lich stets nur Kossinnas erster „Kampfruf“ als Unterlage für die 
Ausein andersetzungen über die Begleiterscheinungen unserer Organisation 
benutzt, und die offiziellen Äusserungen unsererGesellscha ft im Bericht 
über die Gründungsversammlung übergangen, zwar überwuchern die per¬ 
sönlichen Empfindungen und Rücksichten vielfach noch die sachlichen, 
aber trotzdem kommen überall mehr und mehr Vertreter des weiter¬ 
blickenden Standpunktes zum Wort; und sie gaben auch auf der Kasseler 


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V. Nachrichten. 


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Tagung — auch offiziell in der Vertreterversammlung — ihrer Ansicht energisch 
Ausdruck. Dadurch ist auch z. B. der höchst modern anmutende Vorschlag 
ei nes Boykottes der Konkurrenz, d. h. unserer Gesellschaft und Zeitschrift 
vereitelt worden, der in den Kreisen des „Paktes“ zur Gründung der Berliner 
Zeitschrift seit einiger Zeit propagiert war. Interessant ist, dass der Vorschlag 
motiviert wurde mit der Behauptung, der Stoff für vorgeschichtliche Veröffentlich¬ 
ungen reiche nicht aus für zwei Zeitschriften! 

Nun, das von der grossen Mehrheit der Vorgeschichtsforscher und -Freunde 
gewünschte schnelle und frohe Aufblühen u n s e r er W i ss e n s c h a ft wird 
nicht abhängen von pränumerando geführtem Streit, es wird ausgehen von den 
Stellen, wo stille tüchtige Arbeit geleistet werden wird, und dafür ist eine 
klare Organisation der Arbeit auf dem Gesa mtgebiet der deutschen 
Vorgeschichtsforschung eine unentbehrliche Unterlage. Hoffentlich wird 
sie bald in der oben eingangs skizzierten Richtung durchgeführt: gegründet auf 
die natürliche Bedingung der Arbeitsteilung, nicht mehr verwirrt durch 
Vo rg ä n g e u n d B e s t r e b u n g e n , dieden Forderungen u nserer Wissen¬ 
schaft fernstehen. H. Hahne. 

Das Gesetz über prähistorische Ausgrabungen. Wie die „Inf.“ von 
unterrichteter Seite erfährt, ist der Gesetzentwurf „Zum Schutz von frühgeschicht¬ 
lichen Denkmälern usw.“ dem Preussischen Staatsministerium zugegangen. Das 
Gesetz bezweckt den nötigen Schutz gegen Raubgräbereien sicher zu stellen. 
Praktisch hat sich herausgestellt, dass in erster Linie Volksschullehrer, Händler und ge¬ 
legentlich auch Offiziere (meist im Manöver) sich mit der Ausgrabung von Funden 
dieser Art beschäftigen. Man will eine AnzeigepflichtbeidenBezirksregierun- 
gen einführen. Hierdurch soll erreicht werden, dass das Auffinden und Ausgraben 
frühgeschichtlicher Funde den Stellen überlassen bleibt, die sich bisher wissen¬ 
schaftlich damit befasst haben und sie der Öffentlichkeit zugängig machen können. 
In erster Linie ist hierbei an die Museen gedacht; Bezirksregierungen und 
Provinzialkonservatoren kommen hierfür nicht in Betracht. Der Entwurf wird in 
dieser Tagung nicht mehr den Landtag beschäftigen, sondern es ist anzunehmen, 
dass nach Beschluss des Staatsministeriums kommissarische Beratungen über ihn 
stattfinden werden. 

Frl. Professor Johanna Mestorf ist am 1. April d. J. aus dem Amte als 
Direktor des Schleswig-Holsteinischen Museums vaterländischer Altertümer in Kiel 
geschieden, das sie als Nachfolgerin von Professor Dr. Handelmann seit 1891 be¬ 
kleidet hat, nachdem sie schon seit 1873 als Kustos an dieser Anstalt gewirkt hatte. 
Der Kaiser hat ihr aus diesem Anlass in Anerkennung ihrer ebenso unermüdlichen 
als segensreichen Tätigkeit sein Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift verliehen. 

Als Nachfolger von Frl. Prof. Mestorf wurde der seit 1899 am Kieler Museum 
wirkende Kustos Dr. phil. Friedrich Knorr aus Eutin zum Direktor des Museums 
vaterländischer Altertümer ernannt. 

Am 17. April beging Frl. Professor Mestorf in Kiel ihren achtzigsten Ge¬ 
burtstag. Unsere Gesellschaft hat sie aus diesem Anlass nach einstimmigem Be¬ 
schluss des Ausschusses zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt und ihr dies in einem 
künstlerisch ausgestatteten Diplom kund getan, das kennen zu lernen unsere Mit¬ 
glieder interessieren wird. Wir haben diesem Hefte daher auf Tafel XX eine ver¬ 
kleinerte Nachbildung beigegeben, die natürlich die Farben des Landschaftsbildes des 
Originals, worin der Fachmann die Steinkammer von Albertsdorf auf Fehmarn so¬ 
gleich erkennen wird, nicht wiedergibt. 


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V. Nachrichten. 


Todesfall. Am 15. Mai d. J. hat der Tod zum ersten Male eine Lücke in 
unsere Gesellschaft gerissen, leider eine sehr fühlbare, indem er den im besten 
Mannesalter stehenden Oberlehrer am Gymnasium zum hl. Geist, Professor Dr. 
Oskar M e rtins, einen Schulkameraden des Herausgebers dieser Zeitschrift aus 
den 1870er Jahren zu Tilsit, von einem langdauernden Nierenleiden erlöste. 
Obwohl von Hause aus Philologe, hat sich Mertins schon frühzeitig in das Fach 
der Vorgeschichte eingearbeitet und dabei auch der notwendigen Hilfen der Natur¬ 
wissenschaft sich voll bemächtigt. Schon 1891 zeigte er in der kleinen Schrift „Die 
hauptsächlichsten prähistorischen Denkmäler Schlesiens“ eine nicht gewöhnliche Be¬ 
herrschung dieses Gebietes. Es folgte dann eine längere Reihe tief eindringender 
Spezialabhandlungen zur Vorgeschichte Schlesiens, die er im 6. und 7. Band der 
Zeitschrift „Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild“, später in den „Beiträgen zur Ur¬ 
geschichte Schlesiens“ erscheinen liess, so über die Spuren des Diluvialmenschen, 
Depotfunde der Bronzezeit, Kupfer- und Bronzefunde, die Urnen-Gräberfelder der 
Bronzezeit, endlich über Steinzeitliche Werkzeuge und Waffen in Schlesien. Sein reiches 
Wissen fasste er dann 1906 zusammen in dem ganz vortrefflichen „Wegweiser durch 
die Urgeschichte Schlesiens“, der binnen Jahresfrist in neuer Auflage erscheinen 
musste. Die deutsche Vorgeschichte und besonders die schlesische verliert in 
Mertins eine hervorragende Kraft, die um so schwerer zu ersetzen sein wird, als 
in Schlesien vorderhand noch kein Nachwuchs an Jüngern unserer Wissenschaft 
herangezogen worden zu sein scheint. G. K. 

Einladung des Herrn O. Hauser nach Les Eyzies (vgl. oben S. 147). 

Les Eyzies, 17. II. 09. 

An die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte Berlin. 

Hochgeehrte Herren! 

Es stehen während der diesjährigen Ausgrabungskampagne (Januar bis 
November 1909) Stationen des Acheuleen, Mousterien, Aurignacien (inferieur und 
superieur), Solutreen und Magdalenien zur Ausgrabung. Aller Voraussicht nach 
werden meinen Arbeiten nicht nur durch das französische Unterrichtsministerium 
etwelche Schwierigkeiten in Zukunft bereitet, sondern es werden auch die Grabungen 
in den Stationen des Acheuleen, Mousterien, Aurignacien und Solutreen im Ver¬ 
laufe des Sommers ohnehin beendet sein. Ich gedenke jedoch, soweit es die Pacht¬ 
verhältnisse der einzelnen Lokalitäten erlauben, aus jeder Epoche und Station je 
ein Profil intakt zu belassen, um den Besuchern des Vezöretales das Studium der 
einzelnen Perioden in situ zu ermöglichen. 

In Vorbereitung liegt eine übersichtliche Beschreibung der Stationen 1—45 
(La Micoque, Laugerie, Les Eyzies, Le Moustier, Longueroche) mit Typentafeln, 
Profilen, Ansichten und einem für die Besucher handlichen Übersichtsplan. 

Ich gestatte mir, den verehrlichen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für 
Vorgeschichte einen Besuch der klassischen Stätten der Dordogne wärmstens zu 
empfehlen. 

Da die Unterkunftsverhältnisse im Dorfe Les Eyzies trotj allen unseren Be¬ 
mühungen immer noch sehr mangelhafte sind, wurden in meinem Standquartier, 
der idyllisch gelegenen Laugerie Haute, 3 gute Zimmer mit 4—5 Betten zur gefl. 
Benütjung bereit gestellt. Die Küche ist tadellos reinlich und schweizerisch geführt. 
Bei gutem Wetter kann das Essen im Freien auf einer neuaufgeführten Terrasse 
eingenommen werden. Ferner steht den geehrten Besuchern mein neuerrichtetes 
Bureau sowohl zum Aufenthalt wie auch zum Studium der dort aufgestellten Typen¬ 
sammlung, aus allen von mir ausgegrabenen Stationen, der Pläne und Photo¬ 
graphien zur Verfügung. Fuhrwerke ebenfalls in der Laugerie Haute. 


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Bequemste Reiseroute: Paris Quai d’Orsay (ab vormittags 10 16 ), Limoges 
(an 4 25 ab 5 00 ), Perigueux (an 6 M abends). Empfehlenswertes Hotel in Perigueux: 
Hotel Messageries. Zu allen weiteren Auskünften bin ich immer gerne bereit. 

In vorzüglicher Hochachtung zeichnet ergebenst 
O. Hauser. 

Kongresse. 

Der diesjährige, 5., „Congres Pr öhistoriq ue de France“ wird vom 
26.— 31. Juli zu Beauvais (Oise) abgehalten. 

Die ersten drei Tage sind für die wissenschaftlichen Verhandlungen und 
lokalen Besichtigungen, die letzten drei Tage für wissenschaftliche Ausflüge bestimmt, 
wobei besonders Besichtigungen von Dolmen und Menhirs vorgesehen sind. Der 
Kongress ist diesmal verbunden mit einer Ausstellung für allgemeine Vorgeschichte 
und einer zweiten für die Vorgeschichte des Oise-Departements. 

Ein Besuch der stets vorzüglich vorbereiteten und geleiteten französischen Prä¬ 
historikerkongresse ist sehr lohnend. Der Beitrag für die Teilnehmer ist 12 Franken, 
einzusenden an M. Louis Giraux, Tresorier, 9 bis Avenue Victor-Hugo, in Saint- 
Mande (Seine). 

Am 31. Juli d. J. beginnt der belgische Congres archeologique et 
historique zu Lüttich; Beitrag 10 Franken oder mit Verzicht auf die Publikation 
5 Franken, einzusenden an Messieurs les Secretaires Generaux des Kongresses in 
Lüttich, Rue Fabry 14. 

Die diesjährige Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen 
Geschichts- und Altertumsvereine wird vom 9. —11. Septbr. in Worms tagen. 

Nachdem das Provinzialmuseum in Hannover durch seinen Direktor, unser 
Vorstandsmitglied, Herrn Dr. J. Reimers, an die Deutsche Gesellschaft 
für Vorgeschichte die freundliche Einladung hat ergehen lassen, ihre dies¬ 
jährige Hauptversammlung in Hannover abzuhalten, hat der Ausschuss 
unserer Gesellschaft einstimmig beschlossen, dieser Einladung Folge zu leisten. 
Für die Tagung ist die Zeit vom 7. bis 9. August angesetzt worden. Die König¬ 
liche Technische Hochschule zu Hannover hat die Güte gehabt, Vortrags- und Aus¬ 
stellungsräume zur Verfügung zu stellen. 

Folgender Tagesplan ist in Aussicht genommen worden: 

Freitag den 6. August 

Nachm. 6 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzungen. 

w 8 „ Begrüssung und geselliges Beisammensein. 

Sonnabend den 7. Aug]ust 

Vormittags: Sitzung und Vorträge. 

Mittags 12 Uhr: Wiedereröffnung der neugeordneten Vorgeschichtlichen 
Abteilung des Provinzialmuseums und Führung durch diese. 

Sonntag den 8. August 

Ausflug in eine für die vorgeschichtliche Forschung wichtige Gegend 
(Fallingbostel, Umgebung von Bergen bei Celle). 

Montag den 9. August 

Sitzungen und Vorträge. 

Gemeinsame Mahlzeiten, Führungen und besondere Vorträge in den Museen 
und andern wissenschaftlichen Anstalten Hannovers sind in Aussicht ge¬ 
nommen, ebenso Sonderausstellungen aus dem Gebiete der Vorge¬ 
schichtsforschung. 


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V. Nachrichten. 


An den Schluss der Hauptversammlung knüpft sich ein Ausflug in den 
Teutoburger Wald zum Besuch der Schlachtfelder der Römerkriege, insonderheit 
der Varusschlacht als Gedenkfeier zum 1900jährigen Jubiläum dieser Schlacht. 
Unser Mitglied, Herr Professor Dr. Knoke in Osnabrück, hat die Führung übernommen. 

Hieran schliesst sich weiter, falls eine Beteiligung von mindestens 6 Herren 
stattfindet, ein diluvialarchäologischer Ausflug, dessen Führung unser 
Mitglied Herr Dr. Rob. Rud. Schmidt in Tübingen übernehmen wird: be¬ 
sichtigt werden die von Herrn Schmidt neuaufgestellten Funde aus Andernach und 
den westfälischen Höhlen (Bonner Prov. Mus.), die Diluvialfunde in Wiesbaden 
(Steeden a. d. Lahn!), Stuttgart (Schussenquelle! im Naturalienkabinett; ausser¬ 
dem die von Schmidt neu eingerichtete paläolithische Sammlung des Altertums¬ 
museums), Tübingen (ausserordentlich reiche neue paläolithische Sammlung des 
Geologischen Instituts), endlich auf etwaigen Wunsch noch Ulm (Bocksteinhöhlen¬ 
funde). Den Beschluss macht die Besichtigung eines diluvialen Profils der neuen 
Ausgrabungen von v. Koken u. Schmidt in der Schwäbischen Alb. 

An Vorträgen sind bereits angemeldet: 

1. Univ.-Professor Dr. Gustaf Kossinna (Berlin): Über vorgeschichtlichen Handel 
in Mitteleuropa (mit Lichtbildern), Eröffnungsvortrag. 

2. Geheimrat Univ.-Professor Dr. Adalbert Bezzenberger (Königsberg i. Pr.): 
Thema Vorbehalten. 

3. Direktor Dr. J. Reimers (Hannover): Beziehungen zwischen Vorgeschichts¬ 
forschung und Denkmalpflege. 

4. Dr. A. Kiekebusch (Berlin): Bronzezeitfunde des Märkischen Museums in Berlin. 

5. Generaloberarzt Dr. Georg Wilke (Chemnitz): Spiral-Mäanderkeramik und 
Gefässmalerei. 

6. Privatdozenten Dr. Ewald Wüst (Halle a. S.) und Dr. Hans Hahne (Hannover): 
Der gegenwärtige Stand der Paläolithikumforschung besonders im Hinblick auf 
die Erforschung des Ilmtal-Paläolithikum (Weimar-Ehringsdorf-Taubach). Hier¬ 
mit ist verbunden eine Sonder-Ausstellung von paläolithischen Funden aus 
Westeuropa und dem Ilmtal. 

7. Privatdozent Dr. Hans Hahne: Einführung in die neugeordnete Vorgeschicht¬ 
liche Abteilung des Provinzialmuseums mit besonderen Ausführungen über 
einige wichtige Fundgruppen. 

8. Dr. Ol bricht (Lüneburg): Das Klima der postbaltischen Zeit und die vorge¬ 
schichtliche Chronologie. 

9. Dr. Rob. Rud. Schmidt (Tübingen): Die spätpaläolithischen Bestattungen in 
der Ofnet. 

10. Hochschulprofessor B. Sch ul z (Hannover): Das Theoderichgrabmal in Ravenna 
und seine Probleme. 

Eine Anzahl weiterer Vorträge steht noch in Aussicht. 

Eine Anmeldung fernerer Vorträge bei der Hauptversammlung kann nur 
dann auf Berücksichtigung rechnen, wenn sie spätestens bis Ende Juni beim 
Unterzeichneten erfolgt ist. Gustaf Kossinna. 

Zum Schatzmeister unserer Haupt-Gesellschaft ist nach einer Zeit inter¬ 
imistischer Verwaltung dieses Amtes Herr Dr. Gustav Albrecht-Charlotten- 
burg, Rönnestr. 18, gewählt worden. An ihn sind von nun an alle Zahlungen für 
die Hauptgesellschaft zu richten. 


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M^'inas, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf. XX. 



Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verlag), Würzburg, 


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M 












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Heft 3/4. 








B - Zeitschrift für Vorgeschichte 

Organ der Deutschen Gesellschaft 
für \forgeschichte 

. herausgegeben von 

M Professor Df Gustaf Kossinna 


WÜRZBURG 
Curt Kabitzsch (AStub er’s Verlag) 




• • t »X' V 




n 


Inhalts-Verzeichnis des 3/4. (Doppel-) Heftes. 

I. Abhandlungen: 

Montelius, 0., (Stockholm), Das Sonnenrad und das christliche Kreuz II. (Fort 
Setzung und Schluss.) Mit 32 Textabbildungen. 

Weinzierl, R. R. von, (Teplitz-Schönau), Übersieht über die Forschungsergeb¬ 
nisse ln Nordböhmen. Mit 32 Textabbildungen und 1 Portrat. 

RIeken, K., (Kottbus), Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 

Aus der städt. Abteilung des Niediriauutzer Museums für Altertumskunde in 
Kottbus N.-L. Mit 11 Textabbildungen und 1 Tafel. 

Roeslnna, G., (Berlin), Der Ursprung der Urflnnen und Urindogermanen und 
Ihre Ausbreitung nach Osten. II. Nordindogermanen und Südindogermanen 
Mit 22 Textabbildungen und 13 Tafeln. 

II. Mitteilungen: ' 

Schneider, H., (Leipzig), Rassereinheit und Kultur. 

Wilke, 0., (Chemnitz), Der neue Skelettrund des Homo Aurlgnacensls Hauserl 
Mit 1 Textabbildung. 

Beltz, R., (Schwerin), Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg. 
Mit 2 Textabbildungen und 1 Tafel. * 

MUller-Brauel, H., (Zeven), Der „Haxenberg" am Wege Brauel-OfiTensen, Kr. 

Zeven. Ern steinzeitlicher Grabhügel. Fundbericht von 1891. Mit 16 Text¬ 
abbildungen und 1 Tafel. 

Waase, K., (Neu-Ruppin), Mörltzsaher Funde. Urnengräberfunde aus der Leipziger 
Tieflandbucht. Mit 2 Tafeln. * 

Hekler, fl., (Budapest), Eine neue Bronzebüste eines Germanen. Mit 1 Text¬ 
abbildung. 

Schmidt. H., (Löbau), Ergebnis meiner Wallforschung auf dem Breitenberge bei 
Striegau in Schlesien. Mit 2 Textabbildungen. 

Voges, Th., Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim, 

III. Aus Museen und Vereinen«: 

Günther, Ä„ (Coblenz), Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertum- 
Vereins für den Regierungsbezirk Coblenz. ’ \ 

Rademacher, C., (Köln), Prähistorisches Museum zu Köln. 

Fuhse, F., (Braunschweig), Städtisches Museum Braunschweig. Mit 3 Textab¬ 
bildungen. > • 

Blume, E., (Posen), Aus der Provinz Posen. Erwerbungen des Kaiser Friedrich 
Museums zu Posen vom Januar bis Juni 1909. Mit 3 Textabbildungen. 

Sitzungsberichte der Berliner Zweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vor* 
geschichte. 

IV. Bücherbesprechungen. 

V. Nachrichten (Mit 3 Porträts). 


Bezugsbedingungen : 

„Mannus“, Zeitschrift für Vorgeschichte 

erscheint in 

swangloser Folge« jährlich etwa 3— 4 Hefte, die zusammen einen Band 
von ca. 20 Druckbogen mit ebensoviel Tafeln und reichlichen Tex Illustrationen 
ergeben. Einzelne Hefte sind nicht käuflich. 

Abonnementspreis pro Jahr Af. 16 .—. 

Manuskripte sind an den Herausgeber Professor Dr. Gustaf Kosslnna, Gross-Lichter- 
relae, Karlstr. 10 einzusenden, Illustrationsmaterial in reproduktionsfähiger Ausfahrung 
erbeten. Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch 30 Sonderdrucke unberechnet. 



Titel, Inhalt und Register zum vollständigen I. Band wird dem 1. Heft 
des neuen II. Bandes beiliegen. Der Verlag lässt ferner eine geschmackvolle 
Einbanddecke hersteilen, weiche zum Preise von Mk. 1.— bezogen werden kann. 





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*30 


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L Abhandlungen. 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz X) . 

Von 

Oskar Montelius. 

Mit 72 Textabbildungen. 


II. 

Im Vorhergehenden haben wir gesehen, dass sowohl das vier- 
speichige Rad wie das gleicharmige Kreuz oft oben an einem Stabe ge¬ 
tragen wurde. So sind beide auch auf Grabsteinen abgebildet. 

Wir werden zuerst die Grabsteine betrachten, bei denen das auf 
einem Stabe getragene vierspeichige Rad eingeritzt oder im Relief dar¬ 
gestellt ist. 

Auf dem Fig. 41 abgebildeten Steine ist das Rad deutlich ange¬ 
geben, indem die inneren Konturen des Radreifens auch an den Enden 
der Speichen zu sehen sind. Hier sind die Speichen ganz schmal und 
gegen die Enden nicht erweitert. Fig. 42 zeigt einen Grabstein mit 
einem ähnlichen Rade; der Unterschied ist eigentlich nur der, dass die 
Speichen gegen die Enden hin bedeutend breiter werden. 

Einige Male, so auf dem Fig. 43 wiedergegebenen Steine, sitzt 
über dem Rade eine Flagge mit einem kleinen Kreuz zu oberst: der 
Anfang zu der unter anderem aus dem Wappen Gotlands wohlbekannten 
„Kreuzesfahne", die in diesem Wappen von dem Lamme getragen wird. 

In den eben angeführten Fällen ist das Rad deutlich und hat noch 
keine Veränderung erlitten. Der Radreifen ist leicht erkennbar und 
überall von gleicher Beschaffenheit, die Speichen gehen nicht weiter, 
als bis an den Reifen. 

Andere Grabsteine weisen ganz abweichende Bilder auf. Die 
Speichen sind nicht, wie in älterer Zeit, überall gleich breit; sie haben 
ausserdem so an Länge zugenommen, dass sie über den Reifen hinaus¬ 
gehen, indem sie auf ihm liegen und ihn teilweise decken. Dieser 
selbst bleibt auch nicht ohne Änderung. Fig. 45 zeigt, wie er zwischen 

l ) Übersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von 
Q. Kossinna. 

Mannus. Bd. I, H. 3. 12 


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170 


Oskar Montelius. 


[19 


den Speichen sehr schmal ist. Hierdurch und durch die veränderte 
Form der Speichen werden vier kleine Rundteile gebildet. 



Fig. 41. 

Grabstein, Dänemark. 



Fig. 44. 

Grabstein, Dänemark. 





Fig. 43. 

, Grabstein, Dänemark. 



Fig. 46. 

Grabstein, Schottland. 


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Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


Eine Querlinie zwischen der Oberkante des Stabes und dem unteren 
Ende der abwärts gewendeten Speiche macht es deutlich, dass wir in 




Fig. 48. Grabstein, Dänemark. 


Fig. 47. Grabstein, Schottland. 

Fig. 45 wirklich ein Rad mit vier ungefähr gleich langen Speichen vor uns haben, 
das auf einem Stabe sitzt, und nicht ein lateinisches Kreuz mit einem Ring 
Die vier eben erwähnten Rundteile fin¬ 
den sich auf den beiden Figuren 46 und 47 
wieder, obwohl der Radreifen auf dem ersteren 
Steine seinen ursprünglichen Charakter gänz¬ 
lich verloren hat und auf dem letzteren so 
gut wie vollständig verschwunden ist. Auf dem 
ersteren findet sich nicht mehr irgendwelche 
Scheidelinie zwischen Stab und Rad. Auf dem 
letzteren Steine ist kein Stab gezeichnet, 
woher das Ganze sich jetzt als ein gleich¬ 
armiges Kreuz darstellt. 

Auch auf dem Fig. 48 wiedergegebenen 
Grabstein, der auf einem dänischen Kirch¬ 
hofe errichtet worden ist, hat der Radreifen 
seine ursprüngliche Gestalt verloren; er ist 
nicht mehr kreisförmig. 

Der Radreifen kann auch auf eine andere Art seine eigentliche 
Bedeutung verlieren. Wenn er klein wird und gleichzeitig die Speichen 
lang, so entsteht eine solche Form, wie sie Fig. 44 zeigt. 


Fig. 49. Grabstein, Schottland, 


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172 


Oskar Montelius. 


[21 


Auf dem Grabstein Fig. 49 ist der Reifen auch fast gänzlich ver¬ 
schwunden. Die vier stark ausgeschweiften Enden der Speichen sind 
jedoch auf die Art, wie wir es früher kennen gelernt haben (Fig. 14 
und 18) abgerundet, so dass ihre Aussenkonturen einen beinahe voll¬ 
ständigen Kreis bilden. Der obere Teil des Grabsteins ist fast halb¬ 
kreisförmig abgerundet gewesen. 

Dieser Stein zeigt also in der Tat ein an einem Stabe getragenes, 
gleicharmiges Kreuz, nicht ein Rad. 



loJ 

Fig. 50. 

Grabstein, Schonen. 





Fig. 51. 

Grabstein, Westergötland. 



Fig. 52. 

Grabstein, Westergötland. 


Viele andere Grabsteine tragen die Zeichnung eines gleicharmigen, 
auf einem langen Stabe sitzenden Kreuzes. 

Fig. 50 zeigt ein solches Kreuz, dessen Arme in abgerundete 
Enden auslaufen, wie bei Fig. 14. Sie haben also die Form, wie die 
Speichen in manchen Rädern, kurz bevor die ersteren frei von dem 
Radreifen wurden. Fig. 51 und 52 geben Kreuze wieder, deren Arme 
in breite, gradlinige Enden auslaufen. 

* * 

* 

Andere Grabsteine haben selbst die Form eines schmaleren oder 
breiteren, oft ganz hohen Unterteils, das obenauf ein vierspeichiges 
Rad trägt. 


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22] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


173 


Die Speichen oder Kreuzarme hören entweder, wie es bei einem 
Rade natürlich ist, an der Innenkante des Radreifens auf (Fig. 53); 
eine deutliche Linie scheidet sie von dem Kranze. Oder sie reichen 
auch ein kürzeres oder längeres Stück über diese hinaus (Fig. 54—59). 
Dass der Teil des Steines, der das Rad trägt, gewöhnlich bedeutend 
breiter ist, als die abwärts gerichtete Speiche, findet seine Erklärung 
in der Natur des Stoffs, weil das Grabmal zu schwach geworden wäre, 
wenn man nicht diese Vorsichtsmassregeln ergriffen hätte. Der Teil 
der drei oberen Speichen, der innerhalb des Radreifens sitzt, ist 
dagegen lange von derselben Breite, wie derjenige, der sich ausserhalb 
des Reifens fortsetzt (Fig. 55), aber späterhin wird auch der äussere Teil 
dieser Speichen bedeutend breiter als der innere (Fig. 54). Selten ist 
jedoch der Unterschied so gross, wie auf dem Fig. 59 abgebildeten Steine. 

Gewöhnlich bilden die Zwischenräume zwischen den Speichen und 
dem Radreifen vier deutliche Öffnungen. Einige Male ist dies jedoch 
nicht der Fall: Das Rad, sowohl der Reifen als auch die Speichen, sind 
nur eingeritzt oder im Relief angegeben, obgleich der Stein dieselbe 
Form hat, wie die vorher erwähnten (Fig. 61 und 62). 

Allmählich wird der Reifen immer undeutlicher, so dass seine 
Spur mit Schwierigkeit und nur durch einen Vergleich mit den älteren 
Formen aufgefunden werden kann. Manchmal sieht man weder Reifen 
noch Speichen — das heisst denjenigen Teil der letzteren, der inner¬ 
halb des Reifens gesessen hat —, aber die Kontur des Steines ist die¬ 
selbe, wie bei denen, die nach oben hin in ein vierspeichiges Rad mit 
weit überschiessenden Speichen endigen (Fig. 64). Bisweilen kann in 
diesem Falle, wie ein eigentümliches Andenken an den Ursprung der 
Form, ein Kreis auf dem Steine eingeritzt sein, obgleich keine Speichen 
innerhalb desselben angedeutet sind (Fig. 63). 

Bei Figur 60 ist der Radreifen verschwunden, aber die Enden der 
Speichen haben die abgerundete Form beibehalten, die sie hatten, als 
sie vom Reifen umschlossen waren. 

Solche Kreuze, wie sie auf den Figuren 41—64 abgebildet sind, 
kommen allgemein auf den britischen Inseln vor. Sie finden sich auch 
in mehreren anderen Ländern, unter anderem in Norwegen und Schweden, 
besonders auf Gotland. 

Die Form hat, auch in ganz ursprünglicher Gestalt, bis in die 
späteste Zeit fortgelebt. Auf vielen schwedischen Kirchhöfen sieht man 
solche Kreuze von Holz oder Eisen, wie sie in Fig. 65 und 66 abge¬ 
bildet sind. Bei diesen Kreuzen ist gewöhnlich der untere Teil ebenso 
schmal, wie die Speichen, weil in diesen Fällen der Stoff kein Hinder¬ 
nis für eine Bewahrung der ursprünglichen Formen in den Weg legte. 

* * 

# 


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174 


Oskar Montelius. 


[23 


Im 2. und 3. Kapitel des ersten Buchs Mose wird der Garten in 
Eden geschildert und darin erzählt, wie mitten im Garten „der Baum 
des Erkenntnisses des Guten und Bösen“ stand. Da Adam troö des 
Verbotes von der Frucht des Baumes ass — dass es ein Apfel ge¬ 
wesen wäre, wird nicht gesagt — wurde er aus dem Paradiese ver¬ 
trieben, auf dass er nicht desgleichen nehmen sollte von „dem Baume 
des Lebens“ und essen und leben ewiglich; und ein Engel wurde mit 



einem blossen, gezückten Schwerte gesetzt, um den Weg zu dem Baume 
des Lebens zu bewachen. 

Nach den Ausdrücken in diesem Bericht scheint es so, als ob es 
zwei verschiedene Bäume gewesen sind. Aber es spricht viel dafür, 
dass der Baum des Erkenntnisses und der Baum des Lebens ein und 
derselbe gewesen ist, eine Ansicht, die auch im Mittelalter die gewöhn¬ 
liche war. 

Der Bericht im ersten Buch Mose steht offenbar in Zusammen¬ 
hang einerseits mit dem heiligen Baum, der in der Religion und Kunst 
Indiens und Assyriens eine so grosse Rolle gespielt hat, und anderer¬ 
seits mit der Vorstellung, von der sich Spuren bei mehreren Völkern 


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24] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


175 


finden, von einer Frucht, deren Genuss ewiges Leben gäbe. So glaubte 
der Parse, dass die Somapflanze ewiges Leben und der Saft der 
Zypresse „Erkenntnis“ gäbe. Auch die Edda erzählt ja davon, wie 
Walhallas Götter ihre Jugend nur so lange bewahrten, als sie von Iduns 
Äpfeln assen. 

Bereits seit den ältesten Zeiten der christlichen Kirche wurde der 
Baum des Lebens im Paradiese als Vorbild des Kreuzes aufgefasst, 



Fig. 55. Steinkreuz, Gotland. 


und das Kreuz wurde sowohl in der morgenländischen wie der abend¬ 
ländischen Kirche als ein Baum des Lebens inmitten des Paradieses 
gepriesen. In der Kunst des Mittelalters wurde daher das Kreuz oft 
als Baum des Lebens dargestellt. 

So verhält es sich mit den in Fig. 67 und 68 abgebildeten Grab¬ 
steinen, wo wir ein gleicharmiges Kreuz oben auf einem Baume sehen. 
Dieser ist stark stilisiert, wie es gewöhnlich der Fall ist bei Abbildungen 
vom Baume des Lebens. Auf dem Stein Fig. 52 ist derselbe Gedanke 
dadurch ausgedrückt, dass auf jeder Seite des Stabes, der das Kreuz 
trägt, ein Blatt hervorgesprossen ist. Die Fig. 69 und 70 abgebildeten 
Steine sind mit einem gleicharmigen, von einem Stabe getragenen, sehr 
blattreichen Kreuze geschmückt, das ganz einem Baume mit grosser, 


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176 


Oskar Montelius. 


[25 



reich belaubter Krone ähnelt. Bei der zuletzt genannten Figur sieht 

man am Schnittpunkte der Kreuzesarme ein solches Hakenkreuz, wie 

sie oben Fig. 36 — 40 wiedergegeben sind. 

# * 

* 

ln seiner grossen Arbeit über die christliche Kunst l ) sagt Garucci: 
„Das Kreuzsymbol, das „gleicharmiges“ und „griechisches“ Kreuz ge- 


Fig. 56. Steinkreuz (vom Jahre 1361), bei Wisby. 

nannt zu werden pflegt, hat durchaus keine Ähnlichkeit mit dem Kreuz, 
wie es für Hinrichtungen angewendet wurde, sei es bei Römern oder 
Griechen oder gar im Orient. Die Völker des Altertums haben es als 
Zeichen der Erlösung benutzt, man weiss nicht auf Grund welcher Über¬ 
lieferung“. 

Die Erklärung dessen, was Garucci dunkel scheint, ist im vor¬ 
hergehenden gegeben: Das gleicharmige Kreuz ist nichts anderes, als 
die bereits in vorchristlicher Zeit aus dem Sonnenrade gelösten vier 
Speichen, und das Kreuz bezeichnet daher wie das Rad zuerst den Sonnen- 

1 ) R. Garucci, Storia della arte cristiana. Prato 1881. I, 155. 


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26] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


177 


gott und sodann das Göttliche als solches. Es hat diese Bedeutung, 
weil das Rad, wie wir gesehen haben, ursprünglich ein Bild der 
Sonne war. 

Aus dem Aufsatz über „Das Rad als ein religiöses Sinnbild in 
vorchristlicher und christlicher Zeit“ erinnern wir uns, wie man bisweilen 

zwischen den Speichen 
Strahlen sieht, und 
dies nicht nur in der 
ältesten vorchristlichen, 
sondern auch in der 
christlichen Zeit. Zwi¬ 
schen den Speichen in 
dem hinter Christi 
Haupt sichtbaren Rade, 
welches Kreuzglorie ge¬ 
nannt zu werden pflegt 
— das Zeichen für 
seine Göttlichkeit — 
sieht man nicht selten 
solche Strahlen, und 
einige Male wird das 
ganze Rad durch eine 
strahlende Sonne er¬ 
setzt. 

Da das gleicharmige 
Kreuz aus dem vier- 
speichigen Rade ent¬ 
standen ist, sollte es al¬ 
so nicht Erstaunen her- 
vorrufen,wenn auch die¬ 
ses Kreuz als eineSonne 
aufgefasst wurde. Es 
wäre das um so weniger überraschend, als Christus, der ja durch das 
Kreuz repräsentiert wird, selbst auf manche Art in Gedanken mit der 
Sonne zusammengestellt wird. 

Vor dem Christentum hatte man im Süden wie im Norden zu 
Weihnachten, der Zeit der Wintersonnenwende, die Geburt der Sonne 
gefeiert. Kurz nach dem Siege des Christentums durch Konstantin be¬ 
gann man, zuerst in der abendländischen und etwas später in der 
morgenländischen Kirche, den 25. Dezember als Christi Geburtstag zu 
feiern, den Tag, da „die wahre Sonne“, „die Sonne der Gerechtigkeit“ 
auf die Welt gekommen war. Man konnte das um so leichter tun, als 




Fig. 58. 

Steinkreuz, Schottland. 


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178 


Oskar Montelius. 


[27 


keine von den Büchern des neuen Testaments etwas über die Jahres¬ 
zeit erwähnt, da Christus geboren wurde. 

Man kann sagen, dass die Evangelien selber zu einer solchen 
Gleichstellung von Christus mit der Sonne berechtigen durch die Er¬ 
zählung von seiner Verklärung, da „sein Angesicht leuchtete wie die 
Sonne, und seine Kleider wurden weiss, als ein Licht", um die Worte 
des Matthäi-Evangeliums zu gebrauchen. 

Im Zusammenhang hiermit müssen wir uns erinnern, dass auch 
bei Jehovah sich gewisse Züge finden, die an den Sonnengott erinnern, 
ein Umstand der um so weniger überraschend ist, als die Juden ja auf 
allen Seiten von Völkern umgeben waren, die den Sonnengott anbeteten. 

So lesen wir im zweiten Buch Mose, 19. Kapitel, beim Bericht über 
die Gesetzgebung auf dem Sinai, wie der Herr vom Berge herabstieg im Feuer. 



Fig. 59. Steinkreuz, Gotland. 


Und im ersten Buch der Könige 18. Kapitel wurde vom Wett¬ 
kampf des Elias mit den Baalspriestern berichtet, um zu sehen, wessen 
Gott, Jehovah oder der heidnische Sonnengott Baal, „mit Feuer ant¬ 
worten" würde. Baal sandte kein Feuer zu seinem Altar, aber auf 
des Elias Altar „fiel das Feuer des Herrn herab und verbrannte das 
Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der 
Grube“. 


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28] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz, 


179 


In der Kunst der christlichen Kirche zeigt sich auch vielfach, wie 
tief eingewurzelt der Gedanke an einen Zusammenhang zwischen der 
Sonne und der Gottheit ist oder wie natürlich der Gedanke ist. 



Fig. 60. Steinkreuz Schottland. Fig. 62. Steinkreuz, Gotland. Fig. 61. Steinkreuz, Dänemark. 



Fig. 63. Steinkreuz, Gotland. 


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180 


Oskar Montelius. 


[29 



In manchen Kirchen sieht man über dem Altar eine strahlende 
Sonne mit oder ohne den Namen Jehovas oder dem Auge Gottes in 
der Mitte. 

Bei manchen Monstranzen strahlt eine Sonne von der Hostie, dem 

Leibe Christi, aus, 
wenn sie vor der knie¬ 
beugenden Gemeinde 
in die Höhe gehoben 
wird (Fig. 71). 

Von manchem Kreuz 
gehen Sonnenstrahlen 
aus, wie auf dem 
Fig. 72 abgebildeten. 
Diese Figur ist einer 
schwedischen Zeitung 
aus dem Jahre 1903 
entlehnt, wo sie als 
Vignette über einer Pre¬ 
digt angewendet wurde. 
Durch einen eigentüm¬ 
lichen Zufall — oder 
richtiger auf Grund eines 
tieferen Zusammen¬ 
hanges , dessen der 
Zeichner sich nicht be¬ 
wusst war, — ist hier 
die von dem Kreuze 
ausstrahlende Sonne 
mit dem Namen des 
Wochentages zusam¬ 
mengestellt, der ehe¬ 
mals der Tag der Sonne 
war und jetzt der Tag 
des Herrn ist. 

Hiermit will ich na¬ 
türlich nicht sagen, dass 
die Christen noch in 
unseren Tagen in ihrem 
Sonnengott sehen. In ihrem Versuch, sich das vor Augen 
zu stellen, was von keiner Menschenhand gezeichnet werden kann, be¬ 
nutzen sie als Symbol der Gottheit das Höchste, das Strahlendste, was 
Menschenauge gesehen — die Sonne. 


Fig. 64. Steinkreuz, Gotland. 


Fig. 65. 

Holzkreuz, Gotland. 


Eisenkreuz (v. 


1747), Jämtland. 


einen 


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30] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


181 


Als Symbol des Göttlichen ist die Sonne ja besonders passend 
auch aus dem Grunde, weil alles Leben hier auf Erden auf der Sonne 
beruht. Wenn die Sonne nicht mehr ihr Licht über uns leuchten Hesse, 
nicht mehr ihr Antlitz uns zuwendete, dann wäre die Erde und alles, 
was auf ihr kreucht und fleugt, tot. 

Dies wissen wir. Den Völkern des Altertums war das richtige 
Verhältnis zwischen der Sonne und der Erde noch nicht bekannt, und 



x.»w 


Fig. 67. Grabstein, Westergötiand. Fig. 68. Grabstein, Westergötland. 

dessenungeachtet beteten sie allgemein den Sonnengott als den vor¬ 
nehmsten aller Götter an. 

Bei dem nahen Zusammenhang, der zwischen der vorchristlichen 
und christlichen Zeit, zwischen vorchristlicher und christlicher Religion 
sich findet, ist es natürlich, dass vieles im christlichen Kultus — obwohl 
die Christen unserer Tage sich dessen nicht bewusst sind — bei näherer 
Forschung als eng verknüpft mit längst verflossenen Zeiten sich er¬ 
weisen wird. 

Eins von den Gliedern in der Kette, die uns und unsere Religion 


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182 


Oskar Montelius. 


[31 


mit unseren Vorfahren und deren Religion seit Jahrtausenden verknüpft, 
ist das von uns eben betrachtete: die aus dem Sonnenrade gelösten vier 
Speichen, das gleicharmige Kreuz. 

Da das griechische Kreuz in so nahem Zusammenhänge mit der 
Sonne steht, wie es nach dem, was wir im Vorhergehenden gefunden 

haben, der Fall ist, und da der Halb¬ 
mond das heilige Zeichen der Moham¬ 
medaner ist, so liegt es auf der Hand, 
auf das bemerkenswerte Verhältnis hin¬ 
zuweisen, dass, wenn Christen und Mo¬ 
hammedaner, wie es oft geschah, gegen¬ 
einander kämpften, die ersteren in der 
Tat das Symbol der Sonne, die letz¬ 
teren das des Mondes auf ihren 

Fahnen führten. 

* * 

* 

Während beinahe zweier Jahr¬ 
tausende haben die christlichen Völker 
in dem vierspeichigen Rad und im Kreuz 
ihr heiligstes Symbol gesehen, ein Sym¬ 
bol, das seine unerhört grosse Bedeu¬ 
tung dadurch erhielt, dass man in seiner 
Form das Kreuz Christi wiederge¬ 
geben sah. 

Nunmehr wissen wir jedoch, dass 
dies ein Irrtum ist. 

Die Kreuze, welche die Römer und 
andere Völker zu Christi Zeit bei der 
Hinrichtung von Sklaven und groben 
Missetätern anwandten, hatten nicht die¬ 
selbe Form wie das griechische Kreuz. 
Sie hatten auch nicht dieselbe Form 
wie das lateinische Kreuz. 

Aus den Berichten im Neuen Testament erhalten wir allerdings 
keine nähere Beschreibung von der Form des Kreuzes, und die Worte, 
die im griechischen Text und in der lateinischen Übersetzung über das 
Kreuz gebraucht werden, geben ebensowenig irgend welche Aufklärung über 
die Form. Das griechische Wort staurös bedeutet nämlich Pfahl, und die 
ursprüngliche Bedeutung vom lateinischen crux — das englische cross, das 
schwedische kors, das deutsche Kreuz — ist nur Folterwerkzeug '). 

*) Daremberg und Saglio, Dictionnaire des antiquites grecques et romaines. 
Paris 1881. I 8 , 1574. 



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32] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


183 



Aber wenn die Schriftsteller aus den ersten christlichen Jahr¬ 
hunderten von der Form des Kreuzes sprechen, nennen sie es T-förmig. 
Auch die älteste Abbildung, die wir von Christi Kreuz haben, zeigt uns 
dieses in der Form eines 
T ohne irgend eine 
über das Querholz hi¬ 
nausgehende Verlänge¬ 
rung des Stammes des 
Kreuzes. 

Möglicherweise er¬ 
halte ich künftig einmal 
Gelegenheit, näheres 
über diese interessante 
Frage im „Mannus“ mit¬ 
zuteilen. Da wird es 
sich auch erweisen, teils 
dass ein Gottessymbol 
von derselben Form wie 
das lateinische Kreuz, 
mit sehr langem Unter¬ 
teil, bereits vor dem Auf¬ 
treten des Christentums 
bestand, ebenso wie wir 
gefunden haben, dass es 
auch mit dem griechi¬ 
schen Kreuz der Fall 

gewesen ist, teils dass 
das Kreuz, an dem der 
sterbende oder verschie¬ 
dene Christus seit an¬ 
derthalb Jahrtausenden 
gewöhnlich abgebildet 
ist, seine Form erhalten 
hat unter dem Einfluss 
von Symbolen für die 
Gottheit, die wir jetzt 

kennen gelernt haben. 

Da das gleicharmige Kreuz von der grossen Bedeutung gewesen 
ist, die wir alle kennen, so können wir nun den Sinn der Worte 
verstehen, die im Anfang der ersten Abteilung dieses Aufsatzes geäussert 
wurden: „der scheinbar unwichtige Umstand, dass das Rad mit nur 

vier Speichen so lange Zeit an den Wagen benutzt wurde, hat sehr 


Fig. 70. Grabstein (v. J. 1316), Gotland. 


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184 


Oskar Montelius. 


[33 



unerwartete Folgen gehabt“. Wenn die gewöhnlichen Räder vier Speichen 
nicht während so langer Zeit gehabt hätten, dass man sich auch das 

Sonnenrad allgemein als vier- 

t speichig vorstellte, so wäre aller 

Wahrscheinlichkeit nach das 
gleicharmige griechische 
1/j / Kreuz niemals entstanden. 


tatsächlich seinen Ur¬ 
sprung in vorchristlicher 
Zeit. 

Dies im ernsten Augen¬ 
blick überraschende Ergebnis 
darf indessen nicht unsere Ver¬ 
wunderung erwecken. Als das 
Christentum entstand, waren 
diejenigen, die Christen wurden, 
mit den heiligen Sinnbildern 
vertraut, die ihre Vorfahren seit 
Jahrtausenden mit Ehrfurcht 
betrachtet hatten. Zu diesen 
Sinnbildern gehörte das Rad, 
das gleicharmige Kreuz und das 
Kreuz mit langem Unterteil. Da 
war es natürlich, dass diese 
Zeichen, in denen die Christen 
nur Symbole des Göttlichen, 
nicht irgend eines heidnischen 
Gottes im Gegensatz zu dem 
christlichen, sahen, von den 
Christen als Symbole für ihren 
Gott und seinen Sohn ange¬ 
wendet wurden. 

Dass diese Symbole bei 
den Christen die Bedeutung bekamen, die sie jetzt haben, darf noch 
weniger Verwunderung erwecken. 


Monstranz. 


Wir wissen, wie oft es vorkommt, dass man, wenn die wirkliche 


Geschichte und wirkliche Bedeutung eines Gegenstandes oder einer Er- 



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34] 


Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


185 


scheinung unbekannt ist, eine Erklärung derselben gibt, die wohl be¬ 
rechtigt scheinen kann, tatsächlich aber durchaus unrichtig ist. Wenn es 
sich um die Frage nach der Bedeutung eines der Sprache ursprünglich 
fremden Wortes handelt, nennt man eine solche Erklärung „volksety¬ 
mologisch". Auch auf anderen Gebieten als dem sprachlichen, nicht zum 
mindesten auf dem, das in Zusammenhang mit der Religion steht, 
begegnen wir gleichen Erscheinungen. 

Eine solche ist, um ein Beispiel anzuführen, die Erklärung, die 
man von der Richtung der christlichen Kirchen gegeben hat. Man sieht, 



Fig. 72. Vignette zu einer Sonntagsbetrachtung. 


dass die Kirchen in der Richtung von Westen nach Osten gebaut werden, 
mit dem Altar gegen Osten, und man glaubt, dies beruhe darauf, dass 
der Altar in der christlichen Kirche gegen Jerusalem gerichtet sein soll 
in derselben Weise, wie der vornehmste Platz in der mohammedanischen 
Moschee die Richtung gegen Mekka angeben soll. Diese Erklärung 
lässt sich gut an, ist aber unrichtig, was unter anderem daraus hervor¬ 
geht, dass auch die während der ersten Jahrhunderte des Christentums 
gebauten Kirchen, deren Ruinen im nördlichen Syrien liegen, ihre Altäre 
im Osten haben, obwohl ein jeder in jenen Gegenden wohl wusste, 
dass das nicht besonders weit abliegende Jerusalem im Süden lag. 
Die richtige Erklärung ist, dass der Altar in der christlichen Kirche gleich¬ 
wie in manchem vorchristlichen Tempel deshalb nach Osten gerichtet sein 
soll, weil die Sonne im Osten aufgeht. Von alters her hatte man die 
Vorstellung, dass, wenn man sich gegen Osten wände, man sich gegen 
die Sonne, gegen Gott wände. 

Dieselbe Bewandtnis hat es mit der richtigen Bedeutung der Sym¬ 
bole, die wir eben betrachtet haben. Man wusste, dass sie heilige, 
von den Vätern ererbte Sinnbilder waren, und man kam dazu, die Er- 
Mannus. Bd. I. H. 3. 13 


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186 


Oskar Montelius: Das Sonnenrad und das christliche Kreuz. 


[35 


klärung für ihre Heiligkeit darin zu sehen, dass sie Abbilder des Kreuzes 
waren, an dem Christus einen qualvollen Tod erlitten hatte. Tatsächlich 
stammen sie von so uralten Zeiten her, dass die Überlieferung ihrer 
richtigen Bedeutung in Vergessenheit geraten ist. 

Sie waren nicht Sinnbilder von Christi Erniedrigung 
und seinem Tod als ein Missetäter. 

Sie waren Sinnbilder seiner Gottheit. 


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Übersicht über die Forschungsergebnisse 
in Nordböhmen 1 ). 

Von Inspektor R. R. von Weinzierl, Teplitz-Schönau (f). 

Mit 32 Textabbildungen. 


Das nördliche, wie auch das nordwestliche Böhmen ist von grosser 
Bedeutung in bezug auf die Urgeschichte des Landes selbst, das 
vermöge seiner zentralen Lage in Europa ein für die Erforschung der 
vorgeschichtlichen Kulturen wichtiger Terrainabschnitt des Kontinentes, der 
von den frühesten Zeiten an von Handelswegen durchquert war, Funde 
aller Kulturabschnitte in sich birgt. 

Der autochthone Bewohner hatte sich zunächst zwischen dem Erz- 
und Mittelgebirge festgesetzt und von da fächerartig über die Nord¬ 
hälfte Böhmens verbreitet, so dass insbesondere der Elbe-, Eger- und 
Bielalauf mit seinen fruchtbaren Niederungen dem Neolithen alles bot, 
was er für sich und seine Viehherden und zu einer friedlichen 
kulturellen Entwicklung benötigte. 

Das Ende des Neolithikums ist gegeben durch das Einsetzen der 
Metallzeit. Die östlichen, westlichen und auch die vom Süden aus 
dem Donaugebiete Böhmen überflutenden Einflüsse der Bronzekultur 

*) Der vorliegenden letzten Abhandlung des hochverdienten böhmischen 
Forschers wurde die Aufnahme in den „Mannus“ nicht versagt, obwohl der vor¬ 
zeitige Tod des Verfassers es leider unmöglich gemacht hat, durch weitere Ver¬ 
handlungen seine Zustimmung zu den sachlich notwendigsten Änderungen seiner 
Auffassung und Darstellung zu erlangen. Dahin gehören die verfehlten Ansätze 
der absoluten Chronologie, die besonders bei den Zahlen der Lateneperioden zu 
Tage treten (S. 204), für die Bronzezeit aber vom Herausgeber teilweise eingerenkt 
werden mussten, ferner der Gedanke, das die feinere Ware der Zonenbecher süd¬ 
licher Import sei (S. 194), namentlich aber die unglückliche Verschmelzung der 
keltischen Bojer und ihrer Nachfolger, der swebischen Markomannen, zu dem rein 
erdachten Stamme der Keltogermanen, denen eine einheitliche, allerdings sich 
stark abwandelnde Kultur zugeschrieben wird, neben der in Böhmen noch eine 
geschlossene spezifisch römische Kultur einhergehen soll, wie andererseits die 
Markomannen vieles schon rein Slawische zugeteilt erhalten, und manches andere, 
das der Kundige alsbald erkennen wird. G. K. 

13* 


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188 


R. R. von Weinzierl. 


[2 


ergeben ein neues Bild der besiedelten Fläche. Es zeigt sich genau, 
dass nunmehr mit Ausnahme der Randgebirge und deren Innerland- 
Ausläufer unser heutiges Böhmen bis auf wenig Terrainabschnitte be¬ 
völkert war. . 

Durch vielfache neue Handelsbeziehungen entstehen neue Handels¬ 
strassen, die von einem Kulturzentrum zum anderen führen. Schon in 

der neolithischen Kulturepoche 
können wir vom ursprünglichen 
Sitze des Steinzeitmenschen aus 
eine breite Kulturstrasse der Biela- 
Eger aufwärts bis Saaz, von da 
über Schlan nach den Zentrum 
Böhmens und schliesslich dem 
Osten zu feststellen. Von Mähren 
aus ist in dieser Kulturepoche 
zunächst eine Rückstauung nach 
dem Westen fühlbar. In der 
Bronzezeit macht sich die Ein¬ 
bruchstelle von Taus und jene im 
äussersten Süden, sowie jene im 
nordöstlichen Böhmen geltend; 
letztere bildet den Eingang der 
Lausitzer Kultur. 

Die Hallstattkultur betritt 
vom Osten und Süden her die 
gebahnten Wege ihrer Vorläufe¬ 
rinnen, worauf die Latene-Kultur 
bei Taus einbricht und der grossen 
Kulturstrasse Beraun abwärts fol¬ 
gend zunächst in dem mächtigen 
Kulturzentrum von Stradonitz einen Stützpunkt findet, dann nordwärts 
wendend sich bis in das nördliche Böhmen ergiesst und den durch 
die südwärts gerichteten Ausströmung der Steinzeitkultur eröffneten 
primären Handelswegen nach Norden zu folgend bis in die Gegend von 
Auscha fühlbar wird. 

Vom Rhein her folgt der Latene- über Nordbayern die römische 
Kultur, fränkische Kaufleute dringen bis an die Elbe resp. Biela vor 
und in der Zeit der Völkerwanderung, die keinen Hiatus für Böhmen 
bildet, bringt das Gewoge der ruhelosen Zeit noch andere Kultur¬ 
momente nach Böhmen. Böhmen ist mehr denn je ein Durchzugsland 
geworden, insbesondere der nördliche Teil, wo alle Kulturmomente in 
den mächtig entwickelten Kulturzentren ihre Einflüsse zur nachwirkenden 



Robert Ritter von Weinzierl, 
geb. 1855. t 9. Juni 1909. 


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3] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


189 


Geltung brachten, so dass wir sagen können, dieser Abschnitt bildet 
eigentlich eine breite, das Land durchquerende Handelsstrasse. 

Die letzten Reste der sesshaften Kelto-Germanen verschwinden, 
das Hin- und Hergewoge der Völkerwanderungszeit verwischt immer mehr 



Fig. 1 a. Stier- oder Votivgefäss von Ribeian. Seitenansicht. 


das deutliche Bild der kulturellen Entwicklung der einstigen Bewohner 
der fruchtbaren Wasserläufe, das Bild wird immer unklarer, bis dann 
mit dem Erscheinen der Slawen im VII. Jahrh. nach Ch. die Geschichte 
des Landes, wenn auch nicht deutlich, so doch greifbarer wird. 

Aus diesen ganz flüchtigen Andeutungen geht vor allem hervor, dass 
die Urgeschichte des Landes von besonderem Interesse und von hoher 
Bedeutung ist und vielfach den Fusspunkt zu fortgesetzten Studien bildet. 

Aus diesem Grunde wurde massgebenden Ortes Bedacht darauf 
genommen, die Forschungen eingehend durchzuführen, diese fachlichen 
Arbeiten zu unterstützen und in jeder Beziehung zu fördern, um einen 


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190 


R. R. v. Weinzierl. 


[4 


vollständigen Überblick über die kulturelle Entwicklung zu gewinnen. 
Gleichzeitig wurde die Wichtigkeit eines urgeschichtlichen Zentralmuseums 
für das nördliche resp. nordwestliche Böhmen ins Auge gefasst. 

Zu diesem Behufe hat die Gesellschaft zur Förderung Deutscher 

Wissenschaft, Kunst und 
Literatur in Böhmen zu 
Prag die altehrwürdige 
Thermenstadt Teplitz- 
Schönau für die Errich¬ 
tung dieses Zentralin¬ 
stitutes ausersehen, ins¬ 
besondere aus dem 
Grunde auch, weil seine 
Lage im dichtbevölkerten 
deutschen Landesteile, 
inmitten vieler vorge¬ 
schichtlicher Kulturzen 
tren, dazu berechtigt. 

Im Jahre 1901 
wurde das prähistorische 
Inspektorat für die deut¬ 
schen Landesteile auf 
Antrag oben genannter 
Gesellschaft errichtet mit 
dem Sitze in Teplitz- 
Schönau und vom Lan- 
desausschusse bestätigt. 
Mit diesem Momente 
wurde eine Organisation 
der Forschungsarbeiter 
durchgeführt. Ein Fund- 
und Fundorte-Kataster, 
genaue Kartierungen der auch wenig bedeutenden Fundorte, Pläne und 
sonst noch notwendige Karten bilden heute bereits für die Urgeschichts¬ 
forschung einen bedeutenden wissenschaftlichen Schatz. Die Samm¬ 
lungen des Museums wurden fortab derart ausgestaltet, dass sie nunmehr 
schon eine reichliche Übersicht geben über die kulturelle Entwicklung 
des autochthonen Bewohners bis zur Slaweneinwanderung. Die Be¬ 
stände des Zentralinstitutes zählen heute mehr als 20000 Inv.-Nummern; 
dieselben geben Zeugnis von einer jahrelangen, eindringenden Forschungs¬ 
arbeit, die bis nun zu folgenden Ergebnissen geführt hat. 

Der autochthone Bewohner unseres Durchforschungsgebietes trägt 



Fig- 1 b. Stier- oder Votivgef&ss von Ribcian. Vorderansicht. 


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5 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


191 


in bezug auf seine Schädelbildung jene Kriterien an sich, die zu der 
Annahme berechtigen, ihn als nordische Rasse anzusprechen l ). Dieser 
Neolith überschritt, von Norden herabziehend, das Erzgebirgsmassiv 
nördlich des Teplitzer Bek- 
kens, besiedelte nun zu¬ 
nächst das ganze Becken 
zwischen dem Erz- und 
Mittelgebirge. Die zahlrei¬ 
chen Siedelungen und Be¬ 
gräbnisplätze weisen auf eine 
dichte Besiedelung hin. Die 
keramischen Erzeugnisse 
(Fig. 1 a, b), die Verzierungs¬ 
motive (Fig. 2, 3) und die 
Technik, sowie die Stein¬ 
werkzeuge und Waffen (Fig. 4) 
lassen uns einen geschlos¬ 
senen Kulturkreis erkennen, 
der seiner Typen wegen als der der Bandkeramik bekannt ist. Selten 
nur kommen einfach mit dunkler Erdfarbe bemalte Gefässe vor. Die 
bis jetzt vereinzelt gefundenen Bestattungen zeigen noch keinen ausge¬ 
sprochenen Totenkultus, wiewohl man bereits mehr als eine Andeutung 
des sogenannten liegenden Hockers vorfindet. Etappenweise rückt der 
Besiedler gegen Westen, Süden und Osten vor 2 ). Am Ende der älteren 
Kulturphase der jüngeren Steinzeit macht sich eine Rückstauung von 
Osten her merkbar, die uns wohl auch die Bemalung des Gefässes der 
Kulturzentren der Bandkeramik aus Mähren bringt. Am Ende dieses 
Kulturabschnittes macht sich, jedoch nur vereinzelt, der Rössener 
Typus geltend und wird nicht allein im nördlichen Böhmen, sondern 
bis in das Zentrum Böhmens hinein, besonders aber an der Elbe gefunden. 

Noch vor dem Erlöschen der Bandkeramik setzt von Norden her, 
mit dieser parallel gehend, die Schnurkeramik ein und zwar in vehe¬ 
menter Weise, so dass es den Anschein hat, als ob die ältere Kultur¬ 
phase mit einem Male verwischt worden wäre. Es entstehen an den 
alten Kulturpfaden und Handelswegen neue Kulturzentren, besonders 
in der Elbegegend, wo nicht allein Gräbergruppen, sondern grössere 


*) Reche O., Zur Anthropologie d. jung. Steinzeit in Schlesien und Böhmen. 
(Archiv f. Anthropologie N. F. Bd. VII, Heft 2/3). Braunschweig 1908. 

Schliz A., Die vorgesch. Schädeltypen der deutschen Länder in ihrer 
Beziehung zu d. einz. Kulturkreisen der Urgeschichte. (Ebenda Heft 4). 

*) Weinzierl R. v., Die jüng. Steinzeit in Böhmen. Mit einer Karte. Prag 1895. 



Fig. 2. Bandkeramisches Gefäss von Lobositz. 


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R. R. v. Weinzierl. 


[6 


Friedhöfe teils bereits durchforscht, teils wenigstens angeschnitten wor¬ 
den sind l ). 

Die Keramik der jüngeren Kulturphase des Neolithikums bringt 
uns neue Typen (Fig. 5, 6, 7, 8), neue Verzierungsmotive (Fig. 9) und 





Fig. 3. Bandkeramische Nutzgefässe von Karbitz-Herbitz. 


endlich auch eine wesentlich verschiedene Technik; dazu gehören präg¬ 
nante Formen der Steinwaffen und -Geräte (Fig. 10), vielfach anderer 
Hausrat und dgl. m. Die Bestattung der Toten wird streng rituell 
durchgeführt. Sehr selten kommen sitzende, in der Regel liegende 
Hocker vor. Am Ende dieses Kulturabschnittes kommen vereinzelt auch 
Verbrennungen und Schädelbegräbnisse vor. Einzelne Momente berech¬ 
tigen wohl auch zu der Annahme, dass die Anthropophagie in vereinzelten 

*) Leitmeritz, Lobositz, Gross-Tschernosek: Weinzierl R. v., Der prähistor. 
Wohnplatz und die Begräbnisstätte auf d. Lösskuppe südöstlich v. Lobositz. Mit 
27 Fig. (Zeitschr. f. Ethnol. 1895). 

Neue Funde auf d. Lösskuppe. Mit 7 Illustr. (Verh. d. Berl. Anthrop. Ges. 
1897, 42). 

Eine neolith. Ansiedelung d. Übergangszeit bei Lobositz. Mit 7 Fig. (Zeitschr. 
f. Ethnol. 1894). 

Eine neolith. Ansiedlung oberh. Kl.-Tschernosek. Mit 8 Illustr. (Verh. der 
Berl. Anthrop. Ges. 1895, 684). 

Die neolith. Ansiedelung bei Gr. - Tschernosek a. Elbe. Mit 81 Illustr. (Mitt. 
d. Anthrop. Ges. Wien 1895). 


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7 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


193 


Fällen noch geübt wurde. Die Trepanation (Fig. 11) kommt mit echter 
Schnurkeramik vor. 

In dieser Kulturphase scheint, am Ende derselben, eine robustere 
nordische Rasse den autochthonen Bewohner gewaltsam unterjocht zu 



Würm «i • > 51 


Fig. 4. Pflugschar von Obernitz. 

haben. Das Studium der zahlreichen dolichocephalen Schädel der 
neolithischen Kulturepoche, die die Sammlung des Zentralinstitutes 



Fig. 5. Grabgefässe zweier neolithischer Hockerbestattungen von Gr. Tschernosek. 

enthält, zeitigt diese Annahmen gegenüber jenen der älteren Kultur¬ 
phase *). 

Am Ende dieses Kulturabschnittes kommt, freilich nur vereinzelt, 
*) Reche, a. a. O. 


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R. R. v. Weinzierl. 


[8 


immer aber noch mit echter Schnurverzierung, das Ansa-lunata-Gefäss 
(Fig. 12) vor und schliesslich der glockenförmige Becher (Zonenbecher) 



Fig. 6. Kugelamphore von Billn. 


Fig. 7. Kugelamphore von Prosmik a. E. 



Fig. 8. Typen des schnurkeramischen Kulturkreises von Lobositz und Umgebung. 


und in seinem Gefolge die ornamentierte breit- und flachrandige Schüssel. 
Diese südliche Importware, die ihren Weg über Mähren nach Böhmen 
genommen hat, ist bis in das nordwestliche Böhmen verbreitet. Es 


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9 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


195 


werden auch lokale Nachahmungen gefunden, die aber gegenüber der 
schönen Importware eine recht primäre Mache aufweisen. 

Eine ganze Reihe der in schnurkeramischen Skelettgräbern ge¬ 
fundenen glockenförmigen Becher, sowie Fragmente solcher aus neoli- 
thischen Kulturschichten lassen uns diese Keramik gegenüber anderen 
Fundberichten noch als neolithisch ansprechen; diese reicht in die 
frühmetallische Zeit hinein *). 

Am Ende des Neolithikums tritt, besonders in den Gräbern, die 



Fig. 9. Schnurkeramische Becher aus dem Elbegebiet. 



sogenannte Pseudoschnur auf (Fig. 13, 14, 15), ein Verzierungsmotiv, 
das die echten Schnurabdrücke ersetzen sollte. 

In den Gräbern finden wir, freilich nur selten, Bernstein und Gold, 
letzteres gleichzeitig mit Kupfer. Besonders der Bernstein und auch 
der importierte Feuerstein zeigen uns, dass Handelsverbindungen mit dem 
Norden, der früheren Heimat unseres Neolithen, fort bestanden haben. 

Noch ehe die Bronze Böhmen überschwemmte, hatte das Kupfer 
in den Steinzeitsiedlungen Eingang gefunden. In Gräbern mit echter 
Schnurkeramik finden wir Ohr- oder Fingerschmuck aus Kupfer 2 ). 

Das Ende der jüngeren Steinzeit können wir für Böhmen mit 
dem Jahre 3000 vor Chr. festsetzen. (? G. K.) 


1 ) Weinzierl R. v., Importierte neolith. Keramik in Böhmen (Prähistor. 
Blätter VIII). 

2 ) Gross-Tschernosek a. Elbe. 


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R. R. v. Weinzierl. 


[10 


Nit dem Eingänge des Kupfers merken wir bereits deutliche Form¬ 
veränderungen an den Gefässen (Fig. 16), Veränderungen, die durch 
metallzeitige Vorbilder bedingt sind. 

In den Steinzeitgräbern, besonders des Elbegebietes, finden wir 
eine ganze Reihe von Formen der sepulchralen Gefässe, die sich im 
Laufe der Zeit verändert haben gegenüber den primären Typen, und 
diese veränderten Formen erhalten im Beginne der Metallzeit eine 
weitere Änderung in der Profilierung, der Henkelgestalt und den Or- 



Fig. 10. Seltene Form einer gelochten Steinaxt und Steinmesser. Grabfund von Kraiditz. 


namentmotiven. In einzelnen Kulturzentren wirken stärkere Einflüsse 
auf bestimmte Formen ein, so dass endlich in der ältesten Bronzezeit 
sich ein scheinbar neuer Formenkreis ausgestaltet hat, der nach seinem 
Fundorte der Aunetitzer Typus (Fig. 17) genannt wurde. Wir können 
diese neuen Formen zurückleiten bis zu den Grabinventaren der Elbe¬ 
gegend *), die zeitlich sehr weit von einander abstehen. Die sogenannten 
Aunetitzer Gräber enthalten noch liegende Hocker und bei diesen finden 
wir ein Metallinventar, das reine Typen dieser Kulturphase zeigt, 
so die dreieckigen Dolche (Fig. 18), die säbelförmige Nadel mit dem 
verkehrt kegelförmigen Kopfe, auf dem eine Öse aufsitzt, die einfachen 
Flachbeile u. a. 

’) Gross-Tschernosek, Lobositz. 


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11 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


197 


Wir wissen wohl, wann die Kupferzeit einsetzt, doch können wir 
weder deren Ende, noch einen Übergang zur Bronzezeit feststellen. 
Es liegen uns nur wenige Kupferfunde vor und zwar Beile, die ihrer 
Form nach auf die Schmalbeile der Steinzeit hinverweisen. Der in den 



Fig. 11. Linksseitige Schläfenbeintrepanation von Bilin. 


Fig. 12. Ansa-Iunata-Gefässe von Gr. Tschernosek. 





schnurkeramischen Gräbern gefundene Schmuck (Fig. 19) besteht aus 
Ringen, die aus schwachem Drahte einfach zusammengebogen sind, 
ln den Muschel- und Zahngehängen finden wir kleine kugelige Kupfer¬ 
perlen. 


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R. R. v. Weinzierl. 


[12 


Naturgemäss sind die Kupfersachen in der Frühbronzezeit ein¬ 
geschmolzen worden, daher zum grössten Teile verschwunden. 

In der ältesten Bronzezeit blieb der Totenkultus derselbe wie in 
der Steinzeit. Der Schädeltypus verändert sich wesentlich, neigt der 



Fig. 13. Spät-schnurkeramische Formen aus dem nordwestlichen Böhmen. 




Fig. 14. Amphore mit Pseudoschnurornament von Lobositz. Fig. 15. Neolithische Amphore von Hostomitz. 


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13 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


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Mesocephalie zu, wiewohl noch typische Langschädel Vorkommen. Die 
Untersuchung der menschlichen Reste ergab eine Mischrasse. Etwa 
um 1300 vor Chr. setzt mit aller Vehemenz die Lausitzer Kultur 
ein und verwischt in der ganzen Nordhälfte Böhmens die bestandene 
Kultur. Bis zum Jahre 1000 vor Chr. besteht ein anthropologischer 
Hiatus. Die Toten werden verbrannt, die Asche und die zerkleinerten 
Knochen werden in Urnen beigesetzt. Es entstehen sogenannte Urnen¬ 
friedhöfe, von welchen jene von Libochowan, Wesseln und Rosawitz 
an der Elbe, von Ratsch im Mittelgebirge die bedeutendsten sind. 
Nur wenige Bronzen, meist angeschmolzene, werden in der Totenasche 



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Fig. 16. Spät-neolithische Grabgefässe von Teplitz-Schönau. 


gefunden. Die neue Kultur hat sich in den grossen Kulturzentren 
festgesetzt. 

Im nördlichen und nordwestlichen Böhmen haben wir es mit 
einer reinen Lausitzer Kultur zu tun, die sich wiederum in den einzelnen 
Zentren zunächst autochthon, später durch verschiedene neue Einflüsse 
weiter entwickelt hat. 

In dem ersten Abschnitte der Bronzezeit wurde Böhmen, besonders 
der nördliche Teil, von der pannonischen Kultur überflutet, auch die 
entferntesten und einzelnen Niederlassungen fand der von Osten kom¬ 
mende Händler. Es entstand ein regelrechter Handel. 

Beschädigte und gebrochene Stücke wurden in ganze umgesetzt, 
die Gusstechnik fand ihren Eingang. 


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200 


R. R. v. Weinzierl. 


[14 


Eine grosse Zahl von Depotfunden, zahlreiche verbrauchte Guss¬ 
formen (Fig. 20), die in den bronzezeitigen Kulturschichten und Gruben 
gefunden werden, und schliesslich zahlreich gefundene, ganze Bronze¬ 
objekte (Fig. 21,22), sowie die reichen Grabinventare beweisen einen 
recht ansehnlichen Metallreichtum. Bedeutende Goldfunde, reicher Bern¬ 
steinschmuck ver¬ 
weisen uns wieder¬ 
um auf weit ver¬ 
zweigte Handelsver¬ 
bindungen mit dem 
Norden und Osten. 
Der Lausitzer Kultur 
entspricht ein ganz 
neuer, geschlosse¬ 
ner Formenkreis von 
Gefässen mit neuen 
Verzierungsmotiven. 
Von der einfachen 
doppelkonischen 
Urne an bis zum 
Etagengefäss finden 
wir nur wenig An¬ 
klänge an alte, be¬ 
kannte Formen (Fig. 
23). Der sogenannte 
schlesische Typus 
hat im nördlichen 
Fig. 17 . Grosses Vorratsgefäss von stankowitz. Böhmen keinen Ein¬ 

gang gefunden. Wir 

können in den einzelnen Varianten nur den Göritzer und Billendorfer 
Typus 1 ) unterscheiden; die vom Westen und Süden nach Böhmen ein¬ 
dringende Hügelgräberkultur ist im Nordwesten und Norden Böhmens 
nicht fühlbar geworden. Nördlich der Eger sind auch bis jetzt noch keine 
Hügelgräber gefunden worden. Etwa um das Jahr 1000 v. Chr. machten 
sich in den Lausitzer Kultur-Zentren neue kulturelle Momente geltend. 
Neue Gefässtypen und das Eisen werden in den Urnengräbern mit Leichen¬ 
brand gefunden. Die Früh-Hallstattkultur dringt über Süd- und Südwest¬ 
böhmen bis nach Norden vor. Sehr lehrreich sind beispielsweise die Urnen¬ 
gräber von Libochowan. Es wurden ungestörte Grabinventare gehoben, 

2 ) Voss A., Keramische Stilarten der Provinz Brandenburg und benachbarter 
Gebiete. Mit zahlr. Textillustr. (Zeitschr. f. Ethnologie, Berlin 1903). Nach Voss 
handelt es sich im nördl. Böhmen nur um den Lausitzer Typus „im engeren Sinne“. 



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15] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


201 


in denen neben den typischen Lausitzer typische Hallstattformen 
(Fig. 24) standen und neben Bronze auch Eisen gefunden wurde. 
Diese Übergangsgräber zeigen so recht die Verschmelzung der Kulturen, 
ln der weiteren Reihenfolge wurden wiederholt Brandgräber mit reinen 
Hallstattformen (Fig. 25) 

gefunden, die sich mit der ~ 

Hügelgräberkeramik um Pil¬ 
sen vollkommen decken. In 
fast allen kleineren Siede¬ 
lungen der Lausitzer Kultur 
werden, wenn auch verein¬ 
zelt, Anklänge an die Hall¬ 
stattkultur gefunden. 

Weiterhin auch bringen 
uns die überlagernden Kul¬ 
turschichten die Gewissheit, 
dass die Hallstattkultur eine 
lange Spanne Zeit andauerte. 

In einzelnen Urnenfriedhöfen 
finden wie lokalentwickelte, 
neue Formen, rote bemalte 
Grabgefässe und die der 
Ansiedelung entsprechenden 
Kulturgruben enthalten einen 
typischen Hausrat dieser 
Kultur. 

Auch aus diesem Kul¬ 
turabschnitte kennen wir 
keine Hügelgräber aus dem 
nordwestlichen und nörd¬ 
lichen Böhmen (Fig. 26). 

Um das Jahr 400 v. 

Chr. setzt, bei Taus ein¬ 
brechend, die Frühlatene-Kultur ein; es dauerte eine geraume Zeit, bevor 
im nördlichen und nordwestlichen Böhmen sich die kelto-germanische 
Besiedlung vollzogen hatte *)• Die Kelten, ein kriegerisches Volk von hoher 
Kultur, nahmen alle Elemente der besiedelten Terrainabschnitte und 
Kulturzentren in sich auf und beherrschten das in Besitz genommene 
Land. Ihre hohe kulturelle Stellung, ihre soldatische Organisation gab 


*) Weinzierl R. v., Das Latene-Grabfeld von Langugest bei Bilin. Mit 
zahlr. Textillustr. und 13 Lichtdrucktafeln. Brschw. 1899. 

Mannus. Bd. I. H 3. 14 




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Fig. 18. Kupferdolche von Gr. Tschernitz. 


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203 



Gussplatten von Schiessglock. 


es Moment 
von der 


Fig. 21. Bronzezeitfunde aus dem nordwestlichen Böhmen. 


Töpferdrehscheibe, doch sind, alter 
gefässe in der Hand geformt 
besonders aber die sepulchralen 


Geflogenheit gemäss, die Gebrauchs¬ 
worden, während feinere Schalen, 
Gefässe auf der Scheibe, meist mit 

14* 


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204 


R. R. v. Weinzierl. 


[18 


feiner Profilierung und Gliederung des Halses erzeugt wurden. Diese 
verweisen auf die klassische Kultur der Rheinprovinzen, von wo die 
römische Kultur in stetem Kontakte mit unseren Keltensiedlungen 
fortab blieb. 

Die zahlreichen Kleinfunde der Latene-Kulturgruben zeigen uns, 

dass der Bewohner nicht 
allein ein gewandter Töpfer 
und Schmied war, sondern 
auch alle anderen Handwerke 
verstand und sich auch in 
jeder Richtung hin künstle¬ 
risch betätigte. Die Textil¬ 
reste der Langugester Gräber, 
fein und grob gewebte, wie 
auch gemusterte Kleiderreste 
aus Pflanzenfasern, führen 
uns den Kelten als geübten 
Weber vor Augen. 

Die Wohnungen, und 
dies vorweg die unter dem 
Bodenniveau versenkten Win¬ 
terhütten, sind trotz der hoch¬ 
stehenden Kultur noch ebenso 
primitiv zu denken, wie sie 
in der Steinzeit waren. 

Die Frühlatene-Kultur 
macht sich durchgreifend über 
den ganzen Landesteil gel¬ 
tend; so finden wir in den 
Inventaren von 114 Gräbern 
von Langugest nur bei we¬ 
nigen Bestattungen Anklänge 

Fig. 22. FrQhbronzezeitige Gewandnadeln von Kl. Tschernitz. w... i » .% 

an die Mittel-Latene, nur 
einige Mittel-Latene-Typen 
unter den Fibeln aus Eisen. Der schwere Fussschmuck der Frauen¬ 
gräber, die grossen Buckel-Scharnier-Ringe, gehören der Frühlatenekultur 
ebenso an wie den beiden folgenden Abschnitten. 

Die Frühlatene-Kultur gehört dem Zeitabschnitte von 200 bis 
50 vor Chr., die Mittellatene von 50 vor bis 50 nach Chr. und die Spät- 
latene jener von 50—200 nach Chr. an. 

Die Mittellatene-Kultur war nicht durchgreifend, die Typen der¬ 
selben bleiben eingestreut zwischen denen des ersten Abschnittes. Die 



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19] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


205 



Fig. 23 Grosses bronzezeitiges Nutzgef&ss von Stankowitz. 



Fig. 24. Urnengrab mit Leichenbrand von Libochowan. 


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206 


R. R. v. Weinzierl. 


[20 


Spätlatene-Kultur dagegen ist schärfer gekennzeichnet in der Keramik 
und den Metallfunden durch zahlreiche Anklänge an die römische Kultur. 



Fig. 26. Bronzeschwert, eiserne Lanzenspitzen, Bronzegeräte und Waffen von Hostomitz. 


In den Kulturgruben dieses Abschnittes werden vielfach klassische Im¬ 
porte gefunden, unter denen Fragmente von Terra-sigillata-Gefässen 
zu erwähnen sind. Römisch-provinziale Formen werden vielfach ge- 


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21 ] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


207 


funden 1 ). Wurde bisher ausschliesslich die Bestattung des Toten ge¬ 
übt, so findet im 2. Jahrh. nach Chr. bereits die Verbrennung Eingang. 



Fig. 27. Früh-Latfenegrabfunde von Liquitz. 


Die Urnen (Fig. 30) dieser Gräber 
zeigen einen durchaus klassischen Typus. 
Waffen und Schmuck werden insgesamt 
der Haupturne, welche die Reste des 
Verbrannten enthält, beigegeben und 
unter dem Bodenniveau versenkt. 

Das Latene-Volk, das sich am 
Ende des 3. Jahrh. v. Chr. auch auf der 
Prohner Anhöhe (südlich von Langugest) 
und südlich von Dux bis Hostomitz an¬ 
siedelte, benützte die heisse Therme 
der sogenannten Riesenquelle bei Dux, 
die dort mächtig zutage trat. Die baden- 



*) Ein Silber - Denarfund (numi serrati) von Liebshausen in Verbindung mit 
römischen Armbrustfibeln lässt die Vergrabungszeit dieses Gelddepots im 2. Jahrh. 
nach Chr. feststellen. 


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208 


R. R. v. Weinzierl. 


[22 


den opferten Schmuckstücke, meist Fibeln und Ringe aus Bronze. Bei der 
Teufung (1882) der im Jahre 1879 nach dem Döllinger-Einbruche ver¬ 
schwundenen Quelle wurden mehrere Tausend dieser Schmuckstücke zutage 



Fig. 29. Glasarmring von Neusattel. 



Fig. 30. Grabgefäss von Twerschitz. 


gefördert. Die grosse Zahl der prächtigen Latene-Fibeln gehört einem 
einzigen Typus, dem Frühlatene-Typus an. Bei der Teufung der im Zu¬ 
sammenhänge stehenden Urquelle von Teplitz im Jahre 1879 wurde 


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23] 


Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen. 


209 



eine grosse Zahl von römischen Denaren und auch Schmuckstücke im 
Quellenschlamme gefunden. Auch einige keltische Münzen wurden ge¬ 
hoben. Die Römer gehören der Zeit 
von 83 vor bis 313 nach Chr. an. Die 
Fibeln sind prägnante Formen des 2. 

Jahrh. nach Chr. Die Kelten benützten 
offenbar die beiden Thermen schon zu 
Heilzwecken und opferten zum Danke 
der Quellengöttin. Die Riesenquelle 
bei Dux scheint wegen des massenhaft 
geopferten Frauenschmuckes vorweg ein 
Frauenbad gewesen zu sein. 

Vom 3. Jahrh. an verflacht sich 
die Kultur der sesshaften Kelto-Ger- 
manen. Das beginnende Gewirr der 
Völkerwanderung verhindert jedes kul¬ 
turelle Aufstreben. Die Markomannen¬ 
kultur ist im Niedergang begriffen; die 
fortwährende Kampfesbereitschaft im 
Gewoge dieser ruhelosen Zeit lässt 
auch die verschiedenen kulturellen Ein¬ 
flüsse, die der Westen brachte, in den 
einzelnen Siedelungen nicht zur Geltung 
kommen. Die Merowingisch-Fränkische 
Kultur, die bis hierher vordringt, hinter¬ 
lässt im 4. und 5. Jahrh. ihre deutlichen 
Spuren in den gehobenen Grabinven- 
taren des Elbegebietes (Fig. 31, 32). 

Ein typisch quadischer Urnenfund ist 
aus dem Westen Böhmens bekannt und 
steht eben so vereinzelt da wie der 
Goldfund von Schellenken bei Dux aus 
dem 6. Jahrhundert. 

Die Markomannenkultur sinkt auf 
eine Tiefe, die charakterisiert ist durch Fiß * 31 FrÄnkisches Mannesgrab von Prosmik. 

eine ganz plumpe Keramik, wohl auf 

der Drehscheibe erzeugt, doch von einer rohen Masse. Der hartge¬ 
brannte Scherben zeigt im allgemeinen nur eine einfache Profilierung. 
Das Verzierungsmotiv ist ein durch ein kammartiges Instrument einge¬ 
ritztes, vielfaches Wellenband. 

Schmucklos sind die Gräber der Bestatteten. Das Eisen spielt 
im Hausrat und als Waffe die Hauptrolle. Messer, Scheeren, Waffen 


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210 R. R- v. Weinzierl: Übersicht über die Forschungsergebnisse usw. 


[24 


und sonstige Geräte erinnern mit ihren praktischen Formen an jene der 
Spätlatene, an die nach unseren Siedlungen gebrachten römischen Formen, 
die durch Jahrhunderte im Gebrauche waren, da sie den praktischen Be¬ 
dürfnissen der Zeiten entsprachen. Alle anderen kulturellen Momente 
fanden keinen Aufschwung in der Zeit der Völkerwanderung mehr. 

Die Reste der einst dichten Bevölkerung wehrten sich gegen fremde 
Eindringlinge hinter angelegten Wällen, die an den grossen Kultur- 

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Fig. 32. Inventar des Grabes Fig. 31. 

Strassen die Anhöhen krönten. Hier in diesem zusammengepferchten 
Gemeinwesen gab es keine freie kulturelle Betätigung, und nur die 
Nahrungssorge liess die Männer ausziehen in die Wälder, während 
andere die Zugänge bewachten. 

Im 7. Jahrhundert wandern die Slawen in Böhmen ein und 
dringen allmählich bis ins nördliche und nordwestliche Böhmen vor. Die 
Gräber ihrer Bestattungen enthalten eine ebenso rohe Keramik, wie sie 
den Markomannen wenig besser eigen war. Arm an Formen und von 
schlechter Masse sind die Urnen der Slawen-Gräber, aus stark glimmer¬ 
haltigem Tone auf der Scheibe erzeugt. Diese und die Gebrauchs- 
Keramik unterscheiden sich wesentlich von jenen der Markomannen. 

Der Schmuck der Gräber entbehrt jeder Mannigfaltigkeit. Stiel¬ 
runde Ringe mit S-förmigem Ende von verschiedener Grösse, aus 
Bronze, Silber, selten aus Gold, vielfach nur mit Silber und Gold 
plattiert waren in die Haarzöpfe der Schläfen eingeflochten. 

Der Schädeltypus gehört vorweg einer brachycephalen Rasse an. 

In der ersten Herzogszeit finden wir bereits Denare in den Gräbern. 




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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus 

der Bronzezeit. 

Aus der städtischen Abteilung des Niederlausitzer Museums für Alter¬ 
tumskunde in Kottbus. N. L. 

Von Frau Kaethe Rieken, Kottbus. 

Mit 11 Textabbildungen und 1 Tafel. 


Auf Anregung des Magistrats der Stadt Kottbus N. L. und durch 
Bewilligung der erforderlichen Gelder seitens des Stadtverordneten¬ 
kollegiums wurde mir die Möglichkeit gegeben, im Verlauf von drei 
Jahren planmässig ein grosses Urnengräberfeld auf einem Höhenrücken 
in der Nähe der Sachsendorfer Wiesen zwischen den Dörfern Sachsen¬ 
dorf und Klein Gaglow aufzudecken und seine reichen Schätze, nach 
ihrer Zusammengehörigkeit in der Erde grabweise zusammengehalten, 
der städtischen archäologischen Sammlung einzuverleiben. Die bis jetzt 
gehobenen Gräber enthalten Tongefässe und Beigaben aus der Zeit der 
Buckelurnen bis zu denen aus der jüngeren Bronzezeit. 

Bei der Ausgrabung wurde Graben an Graben auf 1—2 m Tiefe 
gezogen, häufig durch den Ortstein hindurch. So war es möglich, dass 
nur verstreute kleine Gegenstände übersehen werden konnten. Die 
Arbeiter hörten mit ihrem Graben auf, sowie sie auf etwas anderes 
stiessen als Sand, und nunmehr begann meine Feinarbeit in der Erde 
mit Löffel und Pinsel zur Freilegung des Fundes, damit das Gesamt¬ 
bild vor Entfernung der Gegenstände aus ihrem Lager mit Zeichenstift 
und photographischer Platte fixiert werden konnte. 

Aus dem später zu gebenden umfassenden Fundbericht müssen 
einige Nummern vorweg genommen werden, weil ein durch günstige 
Umstände unversehrt gebliebener Inhalt zu zeigen scheint, wie die Ein¬ 
äscherung der Verstorbenen seitens der Stammesgenossen technisch 
vorgenommen wurde. 

Unsere Archäologie arbeitet im Vergleich zu den 
Summen, die für Grabungen im Orient zur Verfügung ge¬ 
stellt werden, im engeren Vaterlande mit sehr kleinen 
Mitteln, wodurch die Ausführbarkeit beabsichtigter plan- 


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Kaethe Rieken. 


[2 


massiger Ausgrabungen in der Regel ein Wunsch bleibt. 
So mag die Tatsache verständlich werden, dass wissenschaftlich verwertbare 
Holzbrandstätten kaum gefunden zu sein scheinen, jedenfalls nicht be¬ 
schrieben sind, dass wir bisher keine Vorstellung über die Ausführung 
der Einäscherung vor der Wikingerzeit haben, trotzdem die Funde ein¬ 
geäscherter kleinster Kinder wie Erwachsener erstaunlich gross ist. Er¬ 
klärlich wird die Seltenheit des Findens von Ustrinen weiter dadurch, 
dass jede eine Dauereinrichtung war zur Benutzung bei eintretenden 
Todesfällen, d. h. dass nicht für jede fernere Leiche ein neuer Brand¬ 
platz genommen wurde, sowie dass die Glut oberirdisch, wenn auch 
wahrscheinlich in künstlichen Mulden, loderte, dass die Kohlen ober¬ 
irdisch liegen blieben und ihre Reste der zersetzenden Wirkung der 
Witterung, der Vegetation und der nivellierenden Tätigkeit der Beacke- 
rung preisgegeben wurden. Ihre Spuren scheinen gleich denen der 
Wohnstätten, soweit diese auf festem Boden, nicht im Wasser, errichtet 
waren, grossenteils durch jene Faktoren verwischt zu sein, aber erhalten 
geblieben sein können sie dort, wo lockerer Boden vom Winde auf¬ 
gewirbelt, von Regenbächen bewegt, sie alsbald ausreichend bedeckte. 

Folgende bekannte Tatsachen fanden sich auf dem Klein Gaglower 
Gräberfelde wieder vor: 

1. Die grossen Holzkohlenfunde, die auf angeglühter Erde und 
um erhitzt gewesene Steine lagerten, enthielten niemals Spuren von 
Knochenresten. 

2. In den Gefässen mit Knochenasche fanden sich niemals (bezw. 
nur selten angedeutet) Spuren von Holzbrand. 

3. Die Metallbeigaben zeigen vorwiegend die Einwirkung schmel¬ 
zender Hitze und sind zum Teil innig mit Knochen verbacken, in Zahn¬ 
lücken eingeschmolzen; Glas und Goldschmuck ist zum Teil in Tropfen¬ 
form verändert. 

4. Mit wenigen Ausnahmen sind in den Knochenurnen die Reste 
derart angeordnet, dass die Kopfknochen oben liegen, darunter die 
Armknochen und Rippen, zwischen ihnen häufig eine braunschwarze 
Masse (Rest der inneren Organe?) und im unteren Drittel des Gefässes 
Becken und Beinknochen. 

5. Die Tongefässe der Gräber sind mit wenigen Ausnahmen einer 
Überhitzung nicht ausgesetzt gewesen, d. h. nicht blasig aufgetrieben 
oder angekohlt. 

Ohne weiteres ist aus diesen Tatsachen zu folgern, dass: 

1. Die Leiche in gestreckter Körperlage eingeäschert wurde, da 
andernfalls der unter 4 angegebene strenge Aufbau in dem Aschen- 
gefäss nicht oder nur unter schwerer Mühe ausführbar gewesen wäre, 


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3] 


Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


213 


2. die Leiche bekleidet und ausgestattet mit Schmuckbesitz ohne 
Entfernung von Weichteilen dem Feuer zur Vernichtung übergeben wurde 
(Verschmelzung der Metallgegenstände mit den Knochen, zerschmolzener 
Glasschmuck, mehrfacher Fund von Ton- und Glasperlen), 

3. eine unmittelbare Berührung der Leiche mit dem Scheiter¬ 
haufenholz verhindert sein musste, so dass nur die Flamme des Holz- 
stosses und die strahlende Hitze den Körper berührte und ihn ein¬ 
äscherte. 

Die planmässige Durchforschung des Klein Gaglower Gräberfeldes 
hat, wie mir scheint, den Anfang des Aufschlusses darüber gegeben, 
wieweit die Technik zur Einäscherung vorgeschritten war. Für die dazu 
erforderliche Menge Holz gibt einen gewissen Anhalt die Arbeit von 
Olshausen „Die Leichenverbrennung in Japan“ (Zeitschrift für Ethnologie, 
40. Jahrgang 1908, Seite 100). 

Darnach war zur Einäscherung der sitzenden Leiche in 7—10 Stunden 
bis 75 kg Tannen- oder Fichtenholz erforderlich, auch weniger, je nach 
Beschaffenheit der Leiche (mager, fett, wassersüchtig usw.). 

Auf dem vorgenannten Friedhof sind von mir 182 Fundstätten 
gehoben, z. Teil Gräber, z. Teil Steinsetzungen ohne Spuren eines 
Inhalts, darunter die in folgenden Zeilen bekannt gegebenen drei Stätten, 
die den Eindruck erwecken, dass auf ihnen die Flamme den Körper 
vernichtet haben kann. — Sie führen auf dem Grabplan die Ziffern 
88, 100, 118 a und 118 b und lagen inmitten des Urnenfeldes. No. 100 
und 118 lagen nahe zusammen. 

No. 88. 0,70 m unter dem Bodenniveau zeigte sich eine zusammen¬ 
hängende Schicht von Holzbrand in einer Ausdehnung von 9 m O. W. 
zu 6 m N. S. Sein Kern bestand aus einem unregelmässig umrandeten 
Steinbau, 2,50 m O. W. und 3 m N. S. im Durchmesser haltend, mit 
einer Tiefe von 0,45 bis 0,50 m (hierzu Skizze 1). Die N. S. Aus- 



ffolzbrand 


Skizze 1. Längsschnitt der Brandstätte (88). 

dehnung des Holzbrandes war leider von den Arbeitern in nicht mehr 
genau festzustellender Ausdehnung verkürzt, so dass die erhaltene 
Breite mit 6 m für den Befundbericht vielleicht zu eng bemessen ist. 
Der mit dem Spachtel durchgearbeitete Holzbrand enthielt weder Ton- 


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Kaethe Rieken. 


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Scherben noch Knochensplitter. Er bildete ein längliches Oval, das in 
einer Mulde ruhte. Von den dünnen, etwa 5—10 cm dicken Rändern 
aus verdickte er sich schnell zum Steinbau hin auf 40—50 cm Dicke, 
hatte hier also die Tiefe desselben und war ihm innig angelagert. Mit 

dem Steinbau bildete der Holz- 
brand ungefähr eine gleichmässige 
Oberfläche, d. h. das Dickenwachs¬ 
tum erfolgte von der Peripherie 
an abfallend in die Tiefe, mit 
andern Worten, Holzbrand wie 
Steinbau lagen in einer künstlich 
angelegten Mulde. 

Der Steinbau, 40—50 cm 
0 % tief, zeigte gleich dem Holzbrand 
ovale, aber durch verschiedene 
Dicke der Steine bedingte unregel¬ 
mässig umrandete Form (Skizze2). 

Seine Oberfläche war aus¬ 
gesprochen muldenförmig gestaltet 
(Skizze 3). 

Die Seiten bildeten Steine 
von 30—40 cm Durchmesser, den 
Grund nach dem Innern zu etwas 
kleinere, auf denen solche von 
Faustdicke ruhten. Alle Lücken füllte feiner aber nicht durch Hitze 
verbackener Sand, d. h. dieser hatte die Lücken erst nach aufgegebener 
Benutzung ausgefüllt; denn 
sämtliche Steine, einschliesslich 
der inneren, waren mürbe, 
bröckelten, zerfielen z. T. beim 
Aufheben und waren ausnahms¬ 
los geschwärzt, soweit sie ein¬ 
ander nicht berührten, d. h. sie waren alle der sprengenden Feuerein¬ 
wirkung ausgesetzt gewesen und der russenden Flamme. Zwischen den 
Steinen lagen vereinzelte Holzkohlenreste und wenige Tonscherben ver¬ 
schiedener Herkunft; deren Wandstärke und Oberflächenausführung Hessen 
auf Abstammung von verschiedenen Gefässen schliessen. 

Die seitliche, von der Tiefe ausgehende Verjüngung des Holz¬ 
brandes zur Oberfläche (Skizze 1), die erst in einer Tiefe von 0,70 m 
unter dem heutigen Bodenniveau begann, Hess unzweideutig die Anlage 
in einer künstlich hergestellten Bodenmulde erkennen, die aber noch 
weit über den Umfang des Holzbrandes hinausgegangen sein wird, 


4 


S. 

Skizze 2. Oberfl&chenansicht des Steiniagers. 
Nr. 88. Brandplatz (3 m : 2,50 m). 



Skizze 3. 


Querschnitt des Steinlagers bei a (Nr. 88). 
(2,50 m). 


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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


215 


andernfalls das ganze Feld in der Zeit von rund 3000 Jahren sich 
um 70 cm hätte gehoben haben müssen, wogegen die geringe Tiefe 
der tatsächlichen Gräber spricht. Die Ausfüllung der Mulde konnte 
leicht erfolgen durch den sehr lockeren Flugsand, vorausgesetzt, dass 
er dem Winde frei ausgesetzt war, also die Fläche baumfrei war. 

Die locker gefügten Steine waren wahrscheinlich der Rost, auf dem 
die Leiche ruhte; sie bildeten eine lückenreiche Unterlage für den Körper, 
der damit überall von der zerstörenden Glut erreicht werden konnte, 
ohne dass Berührung mit dem Holzstoss nötig war, die obendrein 
noch durch die muldenförmige Anordnung des Leichenlagers (Skizze 3) 
erschwert wurde. Die Anlage der Ustrine in einer künstlich geschaffenen 
tiefen Mulde geschah wohl im Interesse der Holzersparnis. Es wurde 
damit ein langsameres Feuern möglich; die entfachte Glut konzentrierte 
sich mehr, als wenn der Holzstoss der unberechenbaren Wirkung des 
Windes frei ausgesetzt gewesen wäre, auf den zu vernichtenden Körper : 
das Ergebnis einer feinsinnigen Beobachtungsgabe. Unter Voraussetzung 
der Richtigkeit der Annahme vielfacher Benutzung desselben Brand¬ 
platzes zur Einäscherung darf man aus der Mürbheit auch der inneren 
Steine folgern, dass die Lücken zwischen den Steinen aus Erfahrung 
bewusst erhalten blieben. Dann muss die Brandstätte z. Zt. der Ruhe 
vor Versandung durch irgend eine Art der Überdeckung geschützt ge¬ 
wesen sein. 

Nr. 100. Anders gebaut war die Holzbrandstätte No. 100 (Skizze 4, 5). 
In der Tiefe von 0,70 m unter der heutigen Bodenoberfläche lag in Aus¬ 



dehnung von 1,30 m O.W. zu 1,80 m N. S. eine Schicht grosser, etwa 1 Ztr. 
schwerer geschwärzter und bröckelnder Steine, deren Lücken ausgefüllt 
waren mit an der Oberfläche hart geschmolzenem Sande. Er war z. T. 
innig mit den Steinen verklebt. Auf ihnen war kein Holzbrand, bzw. 
nur Spuren davon zu sehen. Die Steinblöcke lagerten auf der an 
dieser Stelle auffallend harten Ortsteinschicht. In gerader Fortsetzung 
der N. S. Länge, unterbrochen durch Holzbrand und diesen begrenzend, 
lag in 1 V 2 m Entfernung vom Südende des Steinbaues ein Haufen 
nicht geglüht gewesener, wenn auch an der Holzkohlenseite angeschwärzter, 
mannskopf grosser Steine in einer Tiefe von etwa 0,40 m unter der 
Bodenoberfläche. Jener grosse Steinbau war allseitig umgeben von 


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Kaethe Rieken. 


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Holzbrand. Er begann im N. O. und W. etwa 20 cm unter dem Boden¬ 
niveau in einer Mächtigkeit von 9 cm, um bald nach der Tiefe zu auf 
70 cm anzuschwellen, hart an dem Steinbau wieder nur etwa 20 cm 
Dicke zu zeigen, die bestehen blieb bis zum Steinhaufen am S. Ende. 

Die Ausdehnung der ganzen Brand¬ 
stätte betrug 6,30 m 0. W. und 
7 m N. S. Die Länge des Stein¬ 
baus mit 1,80 m erscheint kurz für 
Einäscherung einer Leiche, aber 
nach der wechselnden Mächtigkeit 
der Holzkohlen zu urteilen wurde 
der Holzstoss in voller Stärke nicht 
wie bei No. 88 hart an dem Toten¬ 
lager errichtet, sondern in einiger 
Entfernung. So glaube ich die ge¬ 
ringe Mächtigkeit der Kohlenschicht 
in der Nähe der Blöcke erklären 
zu dürfen. — Auch bei dieser An¬ 
ordnung konnte die Hitze allein 
einwirken, ohne dass die Gefahr 
der Vermischung der Holzkohlen 
mit der Leichenasche drohte. Der Holzstoss war in seiner vollen Stärke 
nur auf der O. N. W. Seite, d. h. hufeisenförmig aufgetürmt (Skizze 6), 
während an der S. Seite die geringe Stärke des Holzbrandes von 0,20 m 
auf geringere Mächtigkeit des Holzstosses schliessen lässt. 



Skizze 6. Querschnitt durch Nr. 100 im nördl. Drittel des Steinlagers. 
Holzbrand u. Steinlager = 6,30 m. Steinlager = 1,30 m. 


Die Vergleichung beider Brandplätze lässt vermuten, dass zwischen 
der Benutzung von 88 und 100 Jahrhunderte Zeitraum liegen, was dem 
Zeitunterschiede zwischen den beigesetzten Gefässen und den Beigaben 
wohl entsprechen würde. 

No. 118 a. 40 cm unter der Bodenoberfläche stösst man auf ein 
80 cm starkes Lager wohlgeordneter, locker gelegter grosser Steinblöcke. 
Der Bau zeigt die Masse 2,10 m O. W. und 1,20 m N. S. 

Die Lücken zwischen den oberen Steinen sind ausgefüllt mit nur 
z. T. hart gebranntem Sande. Auf den Steinen wenig, rings um die¬ 
selben viel Holzbrand; auf dem Lager einige Scherben von Tongefässen, 



Holzbrand 6,30 (OW) und 7 m (NS) 
Steinlager 1,80 (NS) und 1,30 (OW). 


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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


217 


etwas Knochensplitter. Rings um den Steinbau ist Sand bis zu 
einiger, nicht bestimmbarer Tiefe, vermischt mit wenig Holzbrand, im 
Umkreise von etwa 1 l /s m auffallend hart und fest verbacken. Die 
Steinblöcke der Aussenwand wie der Oberfläche waren mürbe, zerfielen 
beim Fortnehmen, während die des Innern ihre natürliche Härte be- 
sassen. Auch die Grundsteine der Seitenflächen bröckelten nicht. Im 
Gegensatz zu der Brandstätte 88* und 100 fehlte hier eine unzerstörte 
Holzbrandschicht. Jene hartgebrannte Sandschicht deutete darauf hin, 
dass auf ihr bedeutende Glut gelodert hatte. 

No. 118 b. Es ist nicht unmöglich, dass zu 118 a eine Holzkohlen¬ 
schicht 45 cm unter der Bodenoberfläche, von 118 a etwa 2—3 m ent¬ 
fernt, gehört. Der Holzbrand war diffus vermischt mit kleinen mürben 
Steinen und Steinsplittern und lagerte in 60—90 cm Dicke, 45 cm Breite, 
80 cm Länge ungeregelt oval gestaltet, auf lockerem, nicht hart ge¬ 
branntem Sande. Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, 
dass der Holzbrand von der Einäscherungsstätte entfernt wurde um Platz 
zu schaffen für einen neuen Holzstoss zwecks weiterer Einäscherung 
und vielleicht in einiger Entfernung vergraben wurde oder auch auf die 
damalige Oberfläche des Geländes geschüttet wurde. Wahrscheinlich 
ersteres, wenn man berücksichtigt, dass in No. 100 der Brand an der 
Nordseite in einer Tiefe von etwa 20 cm begann. Die Stichhaltigkeit 
dieser Annahme vorausgesetzt, wären damit die dunklen, für mich bis 
zur Auffindung der vorliegenden Holzbrandstätten unerklärbaren mehr¬ 
fachen Holzbrandfunde auf dem Kl. Gaglower Gräberfelde wie ander¬ 
wärts z. B. auch auf derp Gräberfeld in Tauer (Niederlausitzer Mittei¬ 
lungen Bd. IX. S. 91) erklärt, d. h. als Aschplätze. — Die Bestätigung 
können nur weitere Funde von Brandplätzen mit Steinkern geben. 

Die soeben beschriebenen Brandplätze wurden inmitten des Brand¬ 
gräberfeldes gefunden und wiesen, da die nähere Umgebung auffällig 
frei von Gräbern war, daraufhin, dass sie zu ihm in Beziehung stehen. — 
Die Annahme, dass die Brandstätten Opferaltäre für die Götter dar¬ 
stellten, ist nicht unbedingt abzulehnen, und trotz Fehlens jeglicher Hin¬ 
deutung muss man auch diesen Gedanken festhalten, da wir ausser 
der länglichen Anordnung und zureichenden Grösse keinen Beweis für 
die Auffassung gefunden haben, dass die Brandstätten zur Einäscherung 
der Leichen dienten. — Es ist auffallend, dass weder Knochensplitter, 
noch Metall oder andere Fragmente von den der Leiche beigegebenen 
Gegenständen in den Steinlücken gefunden wurden. Freilich geschah 
das Calcinieren der Knochen, d. h. die Zerstörung des Organischen, 
nicht vollständig. Die schwarze Färbung in manchen grossen Röhren¬ 
knochen, braunrote, getrocknete Gewebreste in der Innenseite mancher 
Schädelkapselfragmente und die durch den Befund nachweisbare staub- 

Mannus. Bd. I. H. 3/4. 15 


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Kaethe Rieken. 


[8 


förmige Veraschung erst innerhalb jener Knochenurnen, die durch guten 
Verschluss vor Eindringen von Wurzeln und Sand geschützt waren, — so 
dass das Gefäss halbgefüllt sich ganz leicht anfühlt — und der Inhalt wie 
Asche deuten darauf hin, dass die Fortsetzung der Veraschung erst im 
Gefäss durch jene kleinsten Lebewesen vor sich ging, die ihre Nahrung 
in organischen Stoffen, nicht in mineralischen Kalksalzen finden. 
Immerhin sollte man vermuten, dass trotzdem einzelne Reste sich in 
den sandgefüllten Lücken der Steinsetzung gefunden hätten. Die Unter¬ 
suchung des Sandes auf Phosphorsäure, die einen Hinweis bei positivem 
Ausfall hätte geben können, wenn die Reste einstmals vorhanden waren, 
unterblieb leider. Auf diese Unterlassung wurde ich erst aufmerksam 
durch das freundliche Interesse, das Herr Professor Dr. Goetze-Berlin 
meiner Arbeit entgegenbrachte. 

Theoretisch ist diese Möglichkeit der Einäscherung von Leichen 
auf den beschriebenen Brandplätzen nicht von der Hand zu weisen, 
wenn wir daran denken, dass unsere Soldaten beim Abkochen im Felde 
ihre Speisen einschliesslich Frischfleisch nicht im Feuer, sondern hinter 
dem Feuer, d. h. in der Richtung: Wind, Feuer, Kochgeschirr in einer 
kleinen Mulde kochen und Frischfleisch in l J% bis 3 /4 Stunden gar be¬ 
kommen. Das Kochgeschirr ist zwar geschlossen, aber der an seiner 
Oberfläche verkohlende Leichnam ist auch ein geschlossener wasser¬ 
reicher Körper, dessen Inhalt durch Feuer in Kochen gerät, dessen 
Aussenfläche nach Verdunstung des Wassers zunächst mumifiziert ist und 
verschliessend wirkt, so dass die Flüssigkeit im Innern alsbald ins 
Sieden geraten und verdunsten kann aus den durch Platzen entstehenden 
Rissen, Sprüngen und den natürlichen Öffnungen, worauf nach Verar¬ 
mung an Wasser der weitere Prozess des Verkohlens, Veraschens und 
schliesslich auch Calcinierens der Knochen nicht mehr schwer ist. Dass 
die Hitze in der Umgebung der Steine, die sich dem Leichnam mitteilte, 
eine gewaltige gewesen sein muss, zeigt die Mürbheit selbst 1 Ztr. 
schwerer Steine bis zum Kern. 

Die zur Einäscherung erforderliche Zeit kann nur eine Versuchs¬ 
reihe ergeben. Konnte die Vernichtung des Körpers auf jenen Brand¬ 
plätzen stattfinden, dann ist entweder allsogleich ein den Steinbau 
überragender grosser Holzstoss um den auf jenem lagernden Leichnam 
errichtet, oder es ist nach Bedarf Holz nachgeschichtet worden bis zur 
dauernden Höhe des Steinlagers. Letzteres Verfahren hat die grössere 
Wahrscheinlichkeit für sich; denn dann konnten Flamme und besonders 
strahlende Hitze, dauernd in der Mulde zusammengehalten, gleichmässig 
auf den Leichnam einwirken bei zweckentsprechend sparsamem Holz¬ 
verbrauch, und so fände auch die Anlage eines erhöhten Steinlagers 
für Aufbahrung der Leiche ihre praktische Erklärung, d. h. Hochlagerung 


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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


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derselben auf porösem Ruhebett zur Benutzung der nach oben mittwärts 
und durch Lücken strahlenden Hitze. 

Die beschriebenen Funde lassen erkennen, dass sie die erhaltenen 
Reste eines Krematoriums oder auch einer Kultstätte sind, die durch 
natürliche günstige Bedingungen ihr Aussehen annähernd unzerstört aus 
der Zeit ihrer Entstehung bis zur Auffindung bewahrt hatten. Ihre 
Veröffentlichung kann daher berechtigt erscheinen. 

Die Bekanntgabe nachfolgender Funde mit den Brandstätten erfolgt 
dagegen nur in der Absicht, dass sie wegen ihrer Eigentümlichkeit und 
etwaigen Zusammengehörigkeit mit den Brandstätten in der Literatur 
niedergelegt sind zu späterer Bewertung beim Auffinden ähnlicher 
menschlicher Bauwerke. Eine auch nur annähernd sichere Deutung der 
Art der Verwendung ist zurzeit unmöglich. 

Als der Magistrat der Stadt Kottbus wusste, dass in seinem Ge¬ 
lände Gräber aus alten Zeiten ruhten, wurde mir der Auftrag, den 
Inhalt des Feldes zu retten. Voraussetzungslos fing ich in der annähernd 
bestimmten geographischen Mitte des Feldes an und stiess auf die 
Funde 1.2. 3. 4. durch Anlage eines Grabens in W. 0. Richtung und 
bis zur Tiefe der Ortsteinschicht 1—2 m tief. Sie erhielten erst eine 
gewisse Bedeutung bei der Durchsicht der von Anfang an angelegten 
Karte, die gleich dem Felde in Quadrate von 10,0 m:10,0 m Seitenlänge 
eingeteilt wurde. Die Funde 1. 2. 3. 4. wurden Spätsommer 1906 gehoben, 
die Brandstätte 88 Oktober 1907. Erst ihr Zusammenliegen auf der 
Karte führte zu dem Gedanken, dass diese Nummern aktuell zusammen¬ 
gehören können, um so mehr, als Karte und Aufzeichnungen ergeben, 
dass erstens ausser in der Nähe der Brandstätten keine ähnlichen Ge¬ 
bilde vorhanden waren und zweitens die Urnen in 0,35 m Tiefe oder 
weniger lagerten, während die Oberfläche des Steinkerns der Brand¬ 
stätten erst in 0,70 m Tiefe sich zeigte gleich der nachstehend be¬ 
schriebener Bauwerke. 

Fund 1 (Skizze Nr. 7). In einer Tiefe von 0,70 m kommt in 
weissem Sande ein 1,90 m (N. S.) langes, 0,60 m (O. W.) breites 
lückenhaftes Lager faust- bis mannskopfgrosser Steine (16—20 Stück) 
zutage. 

Es wird umgeben in 0,30—0,60 m Entfernung (je nachdem in 
diesem Lager offenbar durch Entfernung von Blöcken in früheren Zeiten 
Lücken entstanden sind) in demselben Niveau von einem Oval eng 
aneinander gelagerter kleinerer bis grösserer, etwa faustgrosser Steine, 
das am S. Ende einen etwa 0,50 m hohen Berg faustgrosser Steine 
einkreist, dem am N. Ende zwei ebensolche Haufen auswärts angelagert 
sind. Ein locker gepflastertes Oval vielleicht kindskopfgrosser Steine 
umgibt das erste in einer Entfernung von 0,60 — 0,80 m und ist an 

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der N. O. und N. W. Seite markiert durch je einen mannskopfgrossen 
Block. Auf dem einen fand sich etwa ein teelöffelgrosser Rest 
Knochenasche (?) und eine Spur Holzbrand. Irgendwelchen Inhalt 
barg die Fundstätte ausser den Steinen nicht. 



Fund 2 (Skizze 8). Dem Funde 1 parallel in 2 m Entfernung nach 
O., in derselben Bodentiefe gelagert, ruht ein offensichtlich verwüstetes 
Lager Steine mit 2,10 m (N. S.) Länge und 0,50 bis 0,80 (O. W.) Breite. 
Am S. Ende etwa faustgross, bilden sie hier eine dreifache Schicht, 
während das N. Ende nur noch zwei übermannskopfgrosse Steine 
aufweist. Etwa in der Mitte zwischen beiden Enden liegen verstreut 6 
mannskopfgrosse Steine. Ein geschlossenes Oval dicht aneinander ge- 


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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


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reihter, taubenei- bis faustgrosser Steine umringt das Lager in einer 
Entfernung von 0,50—0,80 m. — Offenbar zwecks Erzielung gleicher 
Höhe sind an den Stellen, an denen kleinere Steine verwendet wurden, 
diese bis zur Dicke der grösseren gehäuft. Nur das N. Ende ist her¬ 



vorragend. Es ist hergestellt aus drei sich berührenden Steinen, von 
denen der mittlere rund und mannskopfgross ist, die zwei seitlichen 
am Fusse flach, sonst gerundet sind. Der Ostseite des Steinovals 
angelagert ist eine 2 m lange, 0,70—1,0 m breite, 0,02—0,1 m mächtige 
Schicht Holzbrand, in der sich durch Brand gelockerte kleine Stein¬ 
platten und fragliche Knochenreste finden. 

Fund 3 (Skizze 9). In 3 m Entfernung nach O. von Fund 2, 
diesem parallel mit geringer südlicher Verschiebung gelagert kommen ver¬ 
einzelte grosse Steine zutage, die zwei grössten mit dem Durchmesser 


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Kaethe Rieken. 


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21 :33:17 cm bezw. 34:24 cm. — Für sich betrachtet hatte dieser Fund 
gar keine Bedeutung, aber 0,28 m unter ihm und von ihm getrennt durch 
eine 0,28 m dicke Sandschicht fand sich ein locker gelegtes Oval faust¬ 
grosser und kleinerer Steine mit 
einer Länge von 1,80 m (N. S.) 
zur Breite von 0,85 m (O. W.). 
Dieses Pflaster, in der Skizze 
punktiert gezeichnet, war fast 
lückenlos erhalten und in der¬ 
selben Höhe, in 0,10 m Entfernung 
umgeben von einem stellenweise 
unterbrochenen Oval von 1—2 
dicht aneinander gelegter faust¬ 
grosser Steine. Der eine jener 
grösserer Blöcke lag ausserhalb 
der Grenzen des tieferen Bau¬ 
werks. 

Fund 4 (Skizze 10). In 
2 m Entfernung von No. 3 zeigt 
sich nach Beseitigung der Sand¬ 
massen, in derselben Tiefe wie 
bei den vorangehenden, folgen¬ 
des Bild. 

Ein nur noch in wenigen Steinen erhaltenes Steinoval von 1 m 
(N. S.) Länge und 0,50 m (O. W ) Breite (Steine mannsfaustgross) 
umgibt in einer Entfernung von 0,33 m 
ein Kreis kindsfaustgrosser Kiesel. Am 
Südende berührt der Ring jenes lücken¬ 
hafte Lager. An der N. W. Seite ist 
der Kreis durch einen grossen Stein 
unterbrochen, der mit drei kleineren 
eine Nische bildet, in welcher sich 
Holzbrand ohne Knochensplitter mit 
V* Fuss Tiefe, 1 Fuss Länge und 
Breite findet. Die diese Nische bil¬ 
denden Steine sind intensiv geschwärzt. 

Fund 88 lag im S. von Fund 1. 

2. 3. 4. mit etwa 5 m Abstand. 

Stehen diese Funde in aktueller Abhängigkeit zueinander, dann darf 
gefolgert werden, dass für No. 88, dessen Sohle im Gebiet des Stein¬ 
kerns um etwa 0,50 m tiefer lag, als 0,70 m unter dem Bodenniveau, 
eine künstliche Bodenmulde aus Zweckmässigkeitsgründen angelegt wurde, 




Skizze 9 (Fund 3). Vergr. 200: 1. 


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13 ] 


Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. 


223 


eine Annahme, zu der bereits die muldenförmige Gestalt des Holzbrandes 
berechtigte. — Nehmen wir die Tiefe der Gräber hinzu (in Frage 
kommen als nächst gelagerte die Funde: 19. 7. 8. 17. 18. 85. 84. 90. 
89. 150. 151. 149. 153. 152. 82. 81. 80. 79. 83. 86. 87. 91. 62. 45. 



Fund 108 und 109. 


53. 60. 20. 5.), die fast durchweg 0,35 m und weniger betrug, so darf 
man, wenn die Funde 1. 2. 3. 4. in Verbindung mit Fund 88 stehen, und 
alle fünf dem Leichenkult dienten, annehmen, dass diese Stätte ins¬ 
gesamt in einer künstlichen Mulde angelegt wurde, nicht in einer 
natürlichen! Denn der lockere Sand des Gräberfeldes duldet eine er¬ 
hebliche Niveauverschiedenheit auf kleinem Terrain so wenig, dass ich 
bei meiner Grabarbeit besondere Funde, die ich andern Forschern in 
ihrer Lage zeigen wollte, kaum für wenige Tage konservieren konnte. 
Der Flugsand deckte den Fund alsbald zu. — Aus dieser elementaren 
Tätigkeit des Flugsandes darf man schliessen, dass die Wächter der 
Stätten Vorrichtungen kannten, etwa in Gestalt von dichten Umzäu¬ 
nungen, eine Versandung zu verhindern. Denn wie früher erwähnt, 
die Brandstätten sind fraglos in mehrfachem Gebrauch gewesen und 
ihre Konservierung war beabsichtigt und notwendig. 

Fund 108 und 109, Steinsetzungen, sind in photographischer Nach¬ 
bildung beigegeben. Sie lagen von 100 (Skizze 5) bis 6 m entfernt in 
0,70 m Tiefe. Die Urnengräber 96. 97. 99. 103. 104. 106. 107. 114. 


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224 Kaethe Rieken: Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. [14 

103., die später bekannt gegeben werden, ruhten 0,35 m tief und 
weniger. 

Fund 116 und 117 in der Nähe von 118 a und 118 b waren 
Urnengräber. Die planmässige Ausgrabung dieses Feldes 
hat mir erneuert den Beweis geliefert, dass das Gräber¬ 
suchen mit der Sonde gleichkommt einer Vernichtung 
von sich ergänzenden Urkunden. Der Töpfe sind für die 
Wissenschaft genug gesammelt. Die keramischen Feinheiten 
der Töpfe und die Beigaben können für ihre kulturelle Bewertung 
aufklärende Ergänzung nur bekommen durch planmässige Ergänzung 
des Inhalts ganzer Gräberfelder, nicht einzelner Gräber. 

Im Einzelgrabe ruht ein Moment, im Gräberfelde mit 
seiner 1 okalen Umgebung eine Summe von Momenten, die 
Geschichte von zusammengehörenden Generationen. 

Anmerkung. Während der Drucklegung vorstehenden Fundberichtes über¬ 
sendet Herr Prof. Dr. Schuchhardt mir seine Arbeit: „Verbrennungsstätten beim 
Darzauer Urnenfriedhofe“ Zeitschrift des Histor. Ver. für Niedersachsen 1906. Die¬ 
selbe enthält reichen Literaturnachweis über vorliegende Materie und beschreibt das 
Einäscherungsverfahren vor 1650—1900 Jahren, d. h. aus einer etwa 1'/* Jahrtausende 
später liegenden Zeit als die oben behandelte. Der Unterschied zwischen den 
späteren und früheren Methoden liegt darin, dass auf den Darzauer Verbrennungs¬ 
stätten abgedecktes, schwälendes Feuer die Leiche vernichtete, auf den Gaglower 
Krematorien (wenn man diese als Leichenbrandplätje gelten lassen will) die frei¬ 
lodernde Flamme. Fortschritte in der technischen Beherrschung des Feuers d. h. 
seiner wirksamen Glut mögen langsam das aesthetische Gefühl für eine Änderung 
der Verbrennung beeinflusst haben. Die in offenem Feuer verbrennende Leiche 
mit den anfänglichen Bewegungen einzelner Teile, je nachdem die Glut den einen 
Teil früher austrocknete als den andern, mag die Empfindung des Grauenvollen 
wachgerufen haben. Die wirtschaftliche Frage nach sparsameren Holzverbrauch wird 
bei dem Reichtum an Wald zu damaliger Zeit kaum die Ursache zur Änderung der 
Technik gewesen sein. 

Ebenfalls während der Drucklegung übersendet mir Herr Professor 
Kossinna die Arbeit: Schliz „Der Entwicklungsgang der Erd- und Feuerbe¬ 
stattung usw.“ 6. Heft des Historischen Vereins Heilbronn, 1900. Der Unterschied 
im Verbrennungsmodus Heilbronn gegen den von Gaglow ist gross! Dort Ein¬ 
äscherung des Körpers unter Bedeckung mit Brennmaterial (wie es scheint), hier 
sorgfältiges Fernhalten desselben von der Leiche, deren Vernichtung allein durch 
die strahlende Hitze, — dort Vernachlässigung der Asche der einzelnen Leiche, hier 
pietätvolles Sammeln derselben und Ausstattung des Grabes mit Lebensmitteln 
und Beigabe von Schmuck- und Gebrauchs- bezw. auch Lieblingsgegenständen, — 
dafür dort Anhäufung des Leichenbrand haltenden Brennmaterials aus vielen Ein¬ 
äscherungen zu einem Hügel (der Rest oder der Anfang der Pietät gegen den Ver¬ 
storbenen?), hier Vernachlässigung des Brennmaterials, das keine Leichenreste 
enthielt und am geeigneten Platz vergraben oder einfach verschüttet wurde — 
dort ein Aufbau aus aneinanderpassenden, kantigen Steinen zur Errichtung des 
Crematoriums, hier Aufbau des Leichenlagers aus unbearbeiteten Findlingen, ent¬ 
sprechend dem Fehlen anstehenden Gesteins in unsrer Gegend, obwohl die 
Sprengung der Steine auch den hiesigen Bronzezeitmenschen bekannt war, wie 
einzelne Gräber beweisen, deren Grenzen aus in Bogenform gesprengten Granit¬ 
stücken bestehen. — 

Das sind bedeutsame Differenzen in der Ideenwelt der früheren Bewohner 
jener Gegenden, die, räumlich weit getrennt, gleichzeitig vor der Sonne ihr Dasein 
führten. — 


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Der Ursprung der Urfinnen und llrindoger- 
manen und ihre Ausbreitung nach Osten. 

Vortrag gehalten am 18. Juli 1908 

von Gustaf Kossinna. 


2. Nordindogermanen und Südindogermanen. 

Mit 22 Textabbildungen und 13 Tafeln. 

Vorbemerkung. 15. X. 09. Wie für das erste, so gilt auch für 
dieses zweite Drittel meines Vortrages, dass die ihm zugrunde liegende 
Niederschrift hier in derjenigen Fassung erscheint und erscheinen muss, 
die sie vor anderthalb Jahren erhalten hat, obwohl gerade die in Kapitel III 
berührten Probleme jetzt noch mehr als damals zu näherer Erörterung 
anreizen: leider aber mangelt es mir dafür z. Z. ganz an der nötigen 
Müsse. Es ist das um so bedauerlicher, als ich sogleich nach der 
Tagung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zu Hannover eine 
Studienreise von anderthalb Monaten durch Österreich-Ungarn nebst 
Rumänien, Bukowina, Galizien unternahm, die mir für diesen damals 
bereits gedruckten zweiten Teil, wie auch für den noch ungedruckten 
Schlussteil einen reichen Schatz neuen Stoffes und neuer Ergebnisse 
einbrachte, die eine zeitraubende Umarbeitung der Darstellung künftig 
notwendig machen werden. Jetzt nur einige kurze Bemerkungen. 

Da der Jordansmühler Typus herangezogen wird (S. 235), so muss 
ich hervorheben, dass nicht nur, wie bereits Seger in seiner Behandlung 
der schlesischen Steinzeit bemerkt hat, für die hochfüssigen Pilzgefässe 
und die entsprechenden fusslosen Näpfe in Nord-Böhmen, Mähren 
(Brünner Gegend) und Ungarn zahlreiche Parallelerscheinungen sich 
finden, sondern dass in der Umgebung Prags die Jordansmühler Keramik 
vollzählig vertreten ist, also mit Einschluss jener so eigenartig verzierten 
charakteristischen Henkelkrüge, die Seger für ureigensten, sonst nirgends 
sich wiederholenden Besitz des Gebietes zwischen Zobten und Oder 
erklärt hat. Doch sind es in Böhmen nicht Doppelhenkel-, sondern 
Einhenkelkrüge, wie sie in gleicher Form, wenn auch abweichender 


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Gustaf Kossinna. 


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Verzierung™ der Pfahlbau im Laibacher Moor geliefert hat. In einem 
Falle finden sich innerhalb einer Kulturschicht mit Spiralkeramik 
neben drei Skelettbestattungen der Spiralkeramik zwei Jordansmühler 
Brandgräber so eingeschlossen, dass sie eine später eingetretene Störung 
der zusammenhängenden spiralkeramischen Kulturschicht zu sein scheinen 
(Abb. 1, 2). Einen endgiltigen Schluss auf die Zeitfolge beider Kulturen 
möchte ich hieraus noch nicht wagen. 

Auffällig ist zugleich der Ritus der Brandbestattung, der innerhalb 
der Donaukultur, wenn man von den in der Kulturstellung unsicheren 



Abb. 1. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung A. J. Jfra zu Podbaba. 



Abb. 2. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung A. J. Jfra zu Podbaba. 

1. 2. 5. 6. 7. 10. 11. Podbaba Reiser, Sandgrube mit 2 BrandgrÄbern; 12. Kulturgrube mit Spiralkeramik 
gemischt; 13. Kulturschicht mit Spiralkeramik gemischt. 

4. 8; 15. Podbaba Meilbedc, 2 Kulturgruben. 

9. 14. Weleslawin, 2 Kulturgruben; 14 gemischt mit Spiralkeramik. 16. Scharkatal, Burgwall, Kulturschicht. 
3. Gr. Holletitz, Bez. Saaz: zusammen tnit Spiralkeramik. — 17. Ungarn. 

Brandgräbern mit Steinchenhalsbändern der Hanauer Gegend (ob Gross- 
gartacher oder Rössener Stil?) absieht, hier zum ersten Male festge¬ 
stellt worden ist; ebenso die verhältnismässig grosse Zahl der so sel¬ 
tenen Skelettgräber der Spiral- und Stichreihenkeramik in der Nähe 


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39] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 227 


von Prag (Podbaba 4, Bubentsch 2, Weleslawin bei Wokowitz 1, Jeneralka 
im Scharkatale 1). 

Alle diese wichtigen Funde konnte ich in der ausgezeichneten, an 
tadellos erhaltenen Objekten und selbst an erlesenen Kabinetstücken 
überreichen Privatsammlung des Herrn Jos. Ant. Jira zu Podbaba 
studieren. Es wäre für das Weiterblühen der archäologischen Vorge¬ 
schichtsforschung Böhmens von besonderem Vorteile, wenn diesem ebenso 
fleissigen und gewissenhaften, als bescheiden im Hintergründe ver¬ 
bleibenden, überaus interessierten Arbeiter endlich ein geeigneter Wir¬ 
kungskreis auf diesem Gebiete in seinem Lande eröffnet würde. 

Noch wichtigere, ja einschneidende Ergebnisse brachte das Studium 
der osteuropäischen bemalten Keramik der Steinzeit. Zunächst für ihr 
Verbreitungsgebiet. Professor Hadaczek schätzt, wie er mir mitteilte, die 
Zahl der Ansiedlungsplätze dieser Kultur allein in Ostgalizien auf die 
gewaltige Höhe von etwa 200. Trembowla ist der Nordpunkt am Sered, 
welcher Fluss übrigens nicht so strenge die Westgrenze dieser Kultur 
bezeichnet, wie es bisher schien. Ausser dem S. 239 erwähnten 
Koczylowce ist noch Zerwanica westlicher gelegen; der äusserste West¬ 
punkt rückt jetzt bis nach Jezupol bei Halicz, nördlich von Stanislau. 
Dagegen muss ich den Fundort Mokrzyszow an der Weichsel in der 
Gegend von Tarnobrzeg, den man wegen eines einzigen, 3 cm hohen, 
auch bei Kohn & Mehlis, Materialien I, 238 Fig. 105 abgebildeten, 
spiralig weiss und rot bemalten Gefässchens heranziehen könnte, nach¬ 
dem ich das winzige Original in der Krakauer Akademie gesehen habe, 
in Übereinstimmung mit Professor Demetrykiewicz unberücksichtigt lassen: 
es ist klingend hart gebrannt und stand in einer grossen Urne, die ich 
dem 4. Jahrhundert nach Chr. zuschreiben möchte. 

Von grösster Wichtigkeit sind dann die Beobachtungen über die 
Siedelungsanlagen, die mir sowohl von Hadaczek in Lemberg, der in 
Koszylowce umfassend gegraben hat, als auch von Demetrykiewicz in 
Krakau mitgeteilt wurden, der einmal die Ausgrabungen Ossowskis in 
Bilcze Zlota nachgeprüft und weitergeführt, sodann in Wasylkowce durch 
neue Grabungen sich klare Anschauungen verschafft hat. Danach be¬ 
ruhen Ossowskis Angaben über seine Ziegelgräber mit 
Leichenbrandurnen durchweg auf Täuschung: was er sah, 
sind lediglich Hüttenreste; dieangeblich nur symbolische 
Beisetzung geringfügiger Knochenreste vom Leichenbrande 
ist falsche Deutung tatsächlicher Funde von verbrannten 
Tierknochen. Sehr verdächtig erscheinen hiernach auch die wundersamen 
Leichenbrandbegräbnisse in unterirdischen Gemächern mit bemalten Wänden 
in Südrussland, wie in Petreny: Chwoikos und v. Sterns Grabungen 
bedürfen in diesem wichtigen Punkte entschieden einer strengen Nach- 


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Gustaf Kossinna. 


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Prüfung. Jedenfalls ziehe ich jetzt schon alle meine Folgerungen über 
die osteuropäische Heimat des steinzeitlichen Leichenbrandes vollkommen 
zurück. Auch in der bei Bilcze gelegenen Qipshöhle Werteba liegen 
keine Gräber vor: die dort zerstreut vorkommenden Skelette sind die 
Reste der Opfer des Einsturzes von Teilen der Höhle gewesen, die 
von Bergarbeitern herrühren mögen. Anthropologisch sind diese Skelette, 
die der Kultur der bemalten Keramik angehören, darum natürlich nicht 
minder wertvoll. Eine Publikation der gesamten einzigartigen Bilcze- 
Werteba-Funde, auch der Skelette, die übrigens nach der Versicheruung 
von Demetrykiewicz von der Krakauer Akademie in die Wege geleitet 
wird, würde einem wahren Bedürfnisse der Wissenschaft abhelfen. 

Darunter befindet oder leider befand sich auch ein jetzt nur noch 
in Abbildung vorhandenes Gefässchen mit Farbmasse, die zum Bemalen 
der Gefässe diente. Verhältnismässig häufig begegnet hier Tiermalerei 
(Stier, Pferd [?], Hirsch, Eichhörnchen), selten auch Menschenmalerei, 
wie einmal auch in Koszylowce, einer Ansiedlung, in der Hadaczek eine 
jüngere, mehr entwickelte Phase erkennen möchte. Beide Fundstätten 
lieferten eigentümliche rechteckige, verzierte, knöcherne Gürtelplatten, 
die an die im Schlussabschnitt zu besprechenden geschweift trapez¬ 
förmigen Stücke gleicher Bestimmung innerhalb der schnurkeramischen 
Kultur stark erinnern, ebenso wie ein in der Form völlig vereinzelt da¬ 
stehendes bemaltes Gefäss von Bilcze genau die Gestalt der in Galizien 
ja auch auftretenden schnurkeramischen Amphoren besitzt. Anscheinend 
liegen hier chronologische Hinweise vor. Andererseits kommen in der 
bemalten Keramik Osteuropas (aber auch in Siebenbürgen) horizontale 
Umkränzungen des Gefässhalses mit plastischen Nietköpfen vor, wie sie 
Köhl im Niersteiner Typus aufgewiesen hat. — Ein sitzendes Menschen¬ 
idol von Horodnica mit Vereinigung beider Beine zeigt übrigens, dass 
der von Chwoiko aufgestellte Unterschied der Beinbildung bei stehenden 
und sitzenden Idolen nicht überall gilt. 

Was die lediglich mit eingeritzter Verzierung bedeckten Gefässe 
und Scherben angeht, so finden sie sich nach Demetrykiewicz und 
Hadaczek überall vereint mit der bemalten Keramik, nach Demetrykiewicz 
zu etwa ein Drittel des Anteiles der bemalten Keramik: das entspricht 
also dem Stil II von Chwoiko. 

Geradezu erstaunlich ist in Ostgalizien und in der Bukowina der 
Reichtum an Silexgeräten gegenüber ihrem Mangel oder verschwindend 
geringen Auftreten in Bessarabien und Südrussland: ein Umstand, der 
mit der Fülle des Rohmateriales am Fuss der Nordkarpaten zu¬ 
sammenhängt. Und zwar erscheint der Silex in Ostgalizien, z. B. bei 
Nizniow, wie auch in Wolhynien eingebettet in Kreideablagerungen, in 
Westgalizien aber in Jura. Neben massenhaften grossen Nuclei und 


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41] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 229 


Schabern sind es hauptsächlich die riesigen, etwas gebogenen Späne 
(Prismenmesser), die Erstaunen erwecken und an die frühneolithischen 
oder spätpaläolithischen gleichen Stücke von Pressigny gemahnen. Es 
scheinen auch grosse Silexbeile vollkommen nordischer Form dieser 
Kultur anzugehören, wie wenigstens Chwoiko in seltenen Fällen für das 
Dnieprgebiet festgestellt hat, Hadaczek aber für Ostgalizien als ganz 
gewöhnlich annimmt. Auch aus Kukuteni sah ich in Bukarest eine An¬ 
zahl derselben. Die gewaltigen Massen dieser Stücke in meisterhafter 
Ausführung, die man in den Lemberger und Krakauer Sammlungen als 
Einzelfunde und besonders aus grossen ‘Silexwerkstätten* aufgehäuft 
sieht, bin ich allerdings geneigt, den eingedrungenen nordischen Kulturen 
zuzuweisen, wie auch Demetrykiewicz will. Namentlich scheint das der 
Fall zu sein mit den zahllosen herrlichen, grossen Säge- oder Sichel¬ 
messern, die allerdings seltener in den rein nordischen, symmetrischen 
Formen erscheinen, als gerade in einer unnordischen Form mit einem 
spitzen und einem breiten, gerade abgeschnittenen Ende (Abb. 3): eine 



Abb. 3. Silex-Sägemesser aus Sieniawa am San. 
(nach Zbiör wiadomo&ci VI. Krakau 1882. Taf. VI, 17). 


Form, die auffallenderweise innerhalb der von der osteuropäischen so 
merklich abweichenden siebenbürgischen bemalten Keramik in der Um¬ 
gebung von Kronstadt sehr häufig aus Sandstein nachgebildet erscheint, 
nur einmal aus Silex (Steinbruchhügel und Schneckenberg). Selbst¬ 
verständlich handelt es sich bei allen galizischen und wolhynischen Silex¬ 
geräten niemals um nordischen Import, auch wo sie hier in nordischen 
Kulturen auftreten. Das wird nicht nur durch die teilweise eigenartigen 
Formen, sondern auch durch das Rohmaterial erwiesen. Schon seit 
vielen Jahren spürte ich der Herkunft der in ganz Ostdeutschland nicht 
seltenen, stets meisterhaft geschliffenen Silexbeile nach, die jene reizvolle, 
achatähnliche Maserung aufweisen (Abb. 4—6), ohne etwas Sicheres darüber 
ermitteln zu können. In Ostgalizien ist aber dieses Rätsel leicht gelöst, 
wie eine flüchtige Durchsicht des Dzieduszycki-Museums Jedermann 
sogleich belehren wird. Ostgalizien ist das Ursprungsland des 


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gebänderten Silex und der daraus gefertigten schönen Werkzeuge. 
Von hier aus sind jene Beile über Ostdeutschland bis nach Vorpommern 
(Hinrichshagen), Westhavelland (Kl.-Kreutz), Anhalt (Coswig), Merse¬ 
burg (Schkopau) verhandelt worden. Da nun die langen Schaber und 



Abb. 4—6. Gebänderter Silex aus der Prov. Posen, Kaiser-Frfedrlch-Museum in Posen. 
4. Kl. Drensen, Kr. Filehne; 5. Biskupin, Kr. Znin; 6. Jankowo, Kr. Mogilno. 


die kolossalen Spanmesser, die sicher einheimische Arbeit sind, zum 
Teil auch die Maserung besitzen, so zu Wierzbowiec bei Trembowla 
am Sered und zu Horodnica, so ist jeder Zweifel an meiner Auffassung 
ausgeschlossen. 

III. 

Nordindogermanen und Südindogermanen in Mitteleuropa. 

Nachdem wir so ermittelt zu haben glauben, dass in jener Über¬ 
gangszeit von der älterneolithischen zur jüngerneolithischen Periode, die 
durch die älteste, dem Walzenbeile noch nicht zu fern stehende Form 
des spitznackigen Beiles bezeichnet wird, der nordeuropäische Zweig 
der Indogermanen aus Frankreich nach Norddeutschland und Südskan¬ 
dinavien eingewandert ist, hat es keine Schwierigkeit, seine weitere Ent¬ 
wickelung zu verfolgen. Die Zeit des ,spitznackigen 1 Beiles ist zugleich 
diejenige des wie jenes im Querschnitt spitzovalen ,breitnackigen 4 Beiles, 
das dem spitznackigen nicht nachfolgt, sondern neben ihm hergeht, denn 
beide Formen nehmen allmählich die Entwickelung der scharfen Seiten¬ 
ränder zu dünnen Schmalseiten vor. Ich kann daher das breitnackige 
Beil nicht mit Sophus Müller aus dem spitznackigen herleiten, sondern 
führe es auf das ihm ähnlich gestaltete Litorinabeil zurück. Nur das breit- 


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43] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 231 


nackige Beil entwickelt sich andauernd weiter, zuerst durch Ausbildung 
von Schmalseiten zu dem ,dünnnackigen‘, dann durch Verdickung des 
Rückens (Bahnendes, Nackens), zu dem ,dicknackigen 1 Beile, das in 
der Metallzeit fortlebt. Mit der Schöpfung des dünnnackigen, meist über 
den ganzen Körper hin geschliffenen Beiles sind wir bereits in die 
Epoche der Megalithgräber der nordischen Indogermanen eingetreten, wo zu¬ 
erst die kleinen Dolmen, danach die grossen rechteckigen Hünenbetten und 
Ganggräber erscheinen, schliesslich die ganz unterirdischen Steinkammern 
und die kleineren Steinkisten folgen. Wir haben mehrere Versuche, 
das Gebiet dieser Steingräber Norddeutschlands kartographisch darzu¬ 
stellen: leider sind aber alle, auch der letzte von Meitzen, sehr unvoll¬ 
kommen, da die Grenzen des Gebietes nach Süden wie nach Osten 
überall erheblich zu eng gezogen sind. 

Im Verlaufe dieser Entwickelung, die bis zur Form der einfachen, 
steinschutzlosen Flachgräber führt, findet ein immer weiteres Vordringen 
der Nordindogermanen nach Mitteldeutschland statt, endlich sogar nach 
Süddeutschland, nach der Schweiz und nach Österreich bis fast ans 
Donauufer hin, ja auch gewisse Entwickelungen der österreichischen 
Alpenländer und selbst Ungarns-Siebenbürgens scheinen nordische Ab¬ 
leger zu sein. Die nicht geringe Reihe von selbständigen Kulturen, die 
die Nordindogermanen hierbei aus dem ursprünglichen Kerne der Mega¬ 
lithgräberkultur hervorgehen lassen, nämlich zunächst die Ausgestaltung 
des Nierstein-Rössener Stiles, der in zwei Strömungen südwärts geht, 
einmal von Westhannover an den Mittelrhein und unteren Main und 
Neckar, das andere Mal zwischen Harz und Elbe nebst Saale nach 
Thüringen; zweitens diejenige Vertretung der Megalithgräberkultur in Mittel¬ 
deutschland, die an der Elbe und am Harz im Latdorfer (Bernburger) 
Typus zu neuer Eigenart auswächst; drittens die Kultur der Kugel¬ 
amphoren, die gleichzeitig mit dem Latdorfer Typus zwischen Elbe und 
Oder in Westpommern und Nordbrandenburg zur Blüte gelangt und von 
hier aus auf dem einen, südwestlich gerichteten Zuge an die Elbe, die Elbe 
aufwärts bis Böhmen, ebenso die Saale aufwärts und bis ins westliche 
Thüringen sich verbreitet; endlich viertens den jüngsten Sprössling, 
die Elb-Saale-Schnurkeramik, bei deren Geburt norddeutscher, Lat¬ 
dorfer und Kugelamphorenstil in gleicher Weise Gevatter gestanden 
haben — das ausführlich zu erörtern sollte ursprünglich das Kernstück 
meines Vortrages werden. Allein die Überfülle des Stoffes zwang mich 
zur Beschränkung — und so will ich die Darlegung dieses Kapitels 
der Ausbreitung der Indogermanen, zumal ich damit bereits 1902 einen 
ersten Versuch gemacht habe, für ein anderes Mal zurückstellen. 

Einen kartographischen Niederschlag der genannten nordindoger¬ 
manischen Kulturen hat noch niemand angefertigt. Wer die unlängst 


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von Schliz herausgegebene Karte der Verbreitung der in Süddeutschland 
nachgewiesenen steinzeitlichen Kulturen ansieht, wird dort von den 
norddeutschen Kulturen nur die jüngste derselben, die schnurkeramische, 
berücksichtigt finden, wenn auch längst nicht in ihrer vollen Ausdehnung. 
Man muss innerhalb des erstaunlich weiten Bezirkes dieser Kultur zwei 
mehr durch die Gleichzeitigkeit ihres Daseins, als durch ihre innere 
Übereinstimmung verbundene Gebiete scheiden. Im Osten entwickelte 
sich der eine Zweig, den ich die Oderschnurkeramik nenne und auf den 
ich später noch näher eingehe, im Westen der andersartige Zweig des 
Elb-Saalegebietes in der Provinz und dem Königreich Sachsen, sowie 
in Thüringen. Die thüringische Abteilung dieser Kultur entsendet Kolo¬ 
nien nach Nordböhmen und Mähren, nach Kurhessen, Nassau, Hessen- 
Darmstadt, weiter nach Baden und der Schweiz, endlich von hier wieder 
ostwärts nach Württemberg nebst Bayern. Sehr augenfällig ist im 
untersten Maingebiet und in ganz Süddeutschland ein starker direkter 
Einfluss von einer späten Phase der nordwestdeutschen Megalithkeramik 
her, der jene schwach S förmig geschweifte, aber auffallend hoch 
aufstrebende Becherform der Megalithgräberkultur dorthin bringt, bei 
der meist der ganze Körper des Gefässes mit dichtgestellten Zonen 
von Tannenzweigornament (Sparrenmuster) oder von ähnlichen Mustern 
bedeckt ist, während die nur spärlich und in kleiner, verkümmerter 
Gestalt auftretende schnurkeramische Amphore durch thüringische Ein¬ 
flüsse herangeführt wird. Charakteristisch für diesen Becher ist ein 
schmaler, oft zugleich vom Bauch scharf abgesetzter Standfuss, der 
dem thüringischen Typus durchaus fehlt: dort ist der Boden des Bechers die 
Standfläche des breiten Bauches. Es ist das eine Form, die von manchen 
Forschern, namentlich von Soph. Müller und leider auch von Montelius, ganz 
falsch beurteilt wird, indem sie ohne allen triftigen Grund als eine „südliche“ 
Form dargestellt wird. Solche hohen Becher mit verjüngtem Fuss 
erscheinen häufiger in Holstein, im Hannoverschen, in Westfalen, am 
Niederrhein und in Holland, dann in dem beregten hessen-nassauischen 
und süddeutschen Gebiet (Taf. XXII, 1—8). Es ist das zugleich die Form, 
mit der die Nordindogermanen Nordwestdeutschlands und Hollands in 
der Kupferperiode der Steinzeit nach England ziehen, wo die Lang¬ 
schädelgräber in Langhügeln ihnen angehören und zugleich der Bern¬ 
stein jetzt häufiger sich zeigt, während im Laufe der Bronzezeit hier 
wiederum eine kurzköpfige Bevölkerung mehr und mehr in den Vor¬ 
dergrund tritt (Taf. XXII, 9—11). 

In Süddeutschland und Nordösterreich erfüllt die Kultur der Schnur¬ 
keramik Gebiete, die vorher von einer durchaus andersartigen Kultur 
eingenommen waren, nämlich von der bandkeramischen oder Donaukultur. 

Wohl nicht mit Unrecht hat man die ersten Anfänge und Siede- 


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45] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 233 


lungen der Donaukultur an die mittlere Donau verlegt, in die aus¬ 
gedehnten Lössgebiete an der ungarischen Donau-Theissebene, nebst 
Siebenbürgen, Serbien, Bosnien, Niederösterreich, Mähren. Hier 
finden wir die dichteste Besiedelung, die reichste Entwickelung und, 
wie es scheint, auch die frühesten, primitivsten Erscheinungen dieser 
Kultur d. h. diejenigen, die der Entwickelung der Stichreihenkeramik 
und des mit ihr gleichzeitigen Hinkelsteintypus vorausliegen. Von hier 
aus gehen auch in späterer Zeit Anregungen künstlerischer Art aus, wie 
die aus dem Muster von Systemen konzentrischer Kreise und ineinan¬ 
dergesetzter Vierecke auf dem Wege der »Verschiebung* entwickelte 
Spiral-Mäander-Verzierung, die nach Wilkes für mich überzeugendem 
Nachweis je weiter hinauf nach der oberen Donau und dem Mittelrhein 
hin, desto mehr als nur halb verstandene Nachahmung der fertigen 
östlichen Muster übernommen und weitergegeben und zudem hier fast 
nur in den allereinfachsten Gestaltungen ausgeführt wird 1 ). 

Man muss danach das Gebiet der oberen Donau bis zum Rhein 
und das Rheingebiet für die verhältnismässig späte Epoche der Spiral- 
Mäanderkeramik als ein Kolonialgebiet jenes österreich-ungarischen Kern¬ 
landes ansehen. Ein zweites Kolonialgebiet waren die mitteldeutschen 
Länder Schlesien, Böhmen, Sachsen, Thüringen; ein drittes, wenn auch 
kulturell stark abweichendes, war Südosteuropa. 

Es entsteht jetzt die Frage, wann diese Donaukultur einsetzt im 
Verhältnis zu den Anfängen der nordisch-indogermanischen Besiedelung. 
Sieht man auch hier die Steingeräte als Leitmotive an, so ist zunächst 
zu bemerken, dass die anscheinend frühesten derartigen Werkzeuge der 
Donaukultur gekennzeichnet werden durch eine eigentümliche untere Ab¬ 
plattung, die den ganzen Gerätkörper entlang läuft; ich meine, die all¬ 
bekannten sogenannten hochgewölbten ,Hobel*, in Plättbolzenform, doch 
mit ,aufgewippter Nase* (Schneide), denen sich (später?) die ähnlich be¬ 
handelten »flachen Hacken* gesellen. Der hochgewölbte Hobel hat nun 
eine Form, die ihrer ganzen Art nach nicht gut aus einem anderen Vor¬ 
gänger abgeleitet werden kann, als aus dem Walzenbeil, und zwar durch 
seitliche Zusammendrückung und einseitige untere Abplattung. Er müsste 

l ) Inzwischen hat H. Grössler (Eisleben) in seiner Abhandlung: „Die Ent¬ 
stehung der Spiral- und Mäanderverzierung, ihr Alter und ihr Ursprungsland“ 
(Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüring. Länder 1908 VII, 124 ff.) 
diesen Ursprung ins Saalegebiet verlegt. So geschickt Grössler auch seine Gegner 
bekämpft, ich kann mich doch zu seiner Ansicht nicht bekennen, weil damit der Ur¬ 
sprung dieser über so grosse Weiten verbreiteten Kultur gerade in einem äusseren 
Grenzgebiet angenommen wird. Auch stehen die von ihm nachgewiesenen Fälle 
des Vorkommens konzentrischer Kreise in Thüringen zu vereinzelt da gegenüber der 
Fülle der Erscheinungen im östlicheren Donaugebiet. 

Mannus. Bd. 1. H. 3/4. 16 


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Gustaf Kossinna. 


[46 


dann einer verhältnismässig frühen Zeit angehören und damit könnte 
gut stimmen, das er typisch ist in der rheinhessischen Hinkelsteinkultur, 
der ältesten Vertretung der dortigen Donaukultur, die nach meiner An¬ 
sicht von der nordischen Rössener Kultur und Bevölkerung überdeckt 
wird, bald aber im Grossgartacher Stil eine eigenartige Mischung her¬ 
vorbringt, bei der die Urbevölkerung nach Ausweis der Anthropologie 
wieder Oberwasser gewinnt, um dann in der Spiralkeramik ganz zur Herr¬ 
schaft zu gelangen und erst von der nordischen Kultur der Schnurkeramik 
im Verein mit der Zonenbecherkultur völlig verdrängt zu werden. Schwierig¬ 
keiten macht allerdings die Tatsache, dass die mitteldeutsche Stichreihen¬ 
keramik, zu der ja im weiteren Sinne auch der Hinkelsteintypus gehört, 
in Zeiten fällt, die wir nicht für relativ früh anzusehen haben. Hier 
haben wir nämlich den seltenen, bisher noch gar nicht ausgenutzten Fall, 
dass wir nordische und Donaukultur in Vergleich setzen können. In Ost¬ 
deutschland ist zweimal zu beobachten, wie sogenannte Kümpfe der Stich¬ 
reihenkeramik (Abb. 8) mit nordischer Keramik in demselben Grabe vereinigt 
sind: zu Kl. Rietz, K. Beeskow-Storkow,(Flachgrab in Steinkiste) mit Kugel¬ 
amphoren, die schon Schnurornament aufweisen (Abb. 7), und zu Iwno, 



Abb. 7, 8. Steinkistengrab von Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow, Prov. Brandenburg. 
7. Kugelamphoren und weitmundige Näpfe. 8. Stichreihenkumpf. 


Kr. Schubin, mit in nordischen Gräbern, die in den Kreis der ostdeutschen 
Schnurkeramik gehören (Abb. 9), mindestens mit dieser gleichalterig sind, 
ausserdem Gefässe von einer Form enthalten, die sich sehr stark den 
Zonenbechern nähert (Abb. 10). Im westlicheren Mitteldeutschland, an der 
Saale sehen wir weiter, dass die böhmisch-thüringische Stichreihenkeramik 
durch Formenaustausch sich als gleichaltrig mit den Anfängen des 
Latdorf-Bernburger Typus erweist, wie ich das ein andermal zeigen 
werde. Soviel scheint dadurch festzustehen, dass der Hinkelsteintypus und 
die Stichreihenkeramik kaum so alt sein können, als die frühesten Erschei- 


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47] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 235 

nungen der nordwestdeutsch-dänischen Dolmenkeramik, die aber wiederum 
in ostdeutschen Ausläufern, wie wir sehen werden, sich als gleichalterig 
erweist mit dem Jordansmühler Typus in Schlesien, einer Kulturgruppe, 
die etwa dasselbe Alter haben wird, wie die Stichreihenkeramik. 

Wie weit das reine 
spitznackige Beil inner¬ 
halb oder wenigstens in 


l /3. Etwa 1 / 2 . 

Abb. 9. 10. Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen. 

dem Gebiete der Donaukultur vorkommt, entzieht sich noch meiner 
genauen Kenntnis, allein zu Butmir bei Sarajewo, einer Station, deren 
Anfänge für besonders altertümlich gelten — vielleicht mit Unrecht —, 
erscheint neben dem echten hochgewölbten Hobel das Spitzbeil, allerdings 
gleichfalls schon mit der charakteristischen unteren Abflachung. [Das 
echte Spitzbeil fehlt im Osten. Korrekturnote] 1 )' 

Alles in allem werden wir vorläufig wohl nicht zu arg in die Irre 
gehen, wenn wir annehmen, dass die ersten Anfänge der südindogerma¬ 
nischen Siedelungen an der Donau nicht allzuviel später fallen, als die 
der Nordindogermanen an der Ostsee. Wir haben danach anzunehmen, 
dass am Schlüsse der mittelneolithischen Epoche, genauer um die Zeit 
des Gebrauchs des spitznackigen und des gleichzeitigen breitnackigen Beiles, 

*) Inzwischen ist im August 1908 zu Frankfurt a. M. diese Spezialfrage für 
Süddeutschland von A. Schliz in einem Vortrage behandelt worden, dem ich jedoch 
nach vielen Richtungen hin, in Chronologie, wie in Beurteilung der Kultur¬ 
zusammenhänge meine Zustimmung versagen muss, wie ich das in Frankfurt so¬ 
gleich betont habe (Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 
1908, 92 ff.). Dass der Pfahlbaukultur der Typus des spitznackigen Beiles zukomme, 
kann ich sehr wohl unterschreiben; dieser Kultur gehört aber nur ein kleines Gebiet 
n i chtindogermanischer Bevölkerung. Für die südindogermanischen Gebiete ist die 
Frage also noch weiter zu verfolgen. 

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Gustaf Kossinna. 


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aus dem bald das dünnnackige hervorging, die Auswanderung der Indo¬ 
germanen aus Westeuropa ziemlich gleichzeitig nach zwei Richtungen 
stattgefunden hat. Dann hätten wir hier eine merkwürdige Parallele 
zu den beiden ebenfalls gleichzeitig — um 400 vor Chr. — vollzogenen 
grossen gallischen Auswanderungen aus Frankreich, genauer aus Nord¬ 
frankreich, des Bellovesus-Zuges nach den südeuropäischen Halbinseln, 
des Sigovesus-Zuges nach dem Ostalpengebiet. 


IV. 

Südindogermanen in Osteuropa. 

Wir haben soeben den Ursprung der Nord- und der Südindoger¬ 
manen uns klar zu machen gesucht und wenden uns nunmehr dem 
anderen im Thema angekündigten Hauptpunkte zu, der östlichen 
Ausbreitung. 

Auch hier werden wir naturgemäss zu einer Zweiteilung des Stoffes 
gezwungen, entsprechend der uranfänglichen Zweiteilung der Indoger¬ 
manen. Doch wenden wir uns diesmal 
zuerst den Südindogermanen zu und 
zwar dem östlichen Ausläufer der Donau¬ 
kultur, der ausserhalb der Karpaten, jener 
bedeutungsvollen ursprünglichen Ost- und 
Südostgrenze des Stammgebietes dieser 
Kultur, seine Stätte gefunden hat und 
bisher in den Kreisen der deutschen Vor¬ 
geschichtsforscher doch noch wenig ein¬ 
gehender gewürdigt worden ist, obwohl 
er in einzelnen Teilen, wie namentlich 
aus Ostgalizien, schon vor mehr denn 
dreissig Jahren aufgedeckt worden ist. 

Es ist dies jene neben Wohnstätten fast ausschliesslich aus Leichen¬ 
brandgräbern mit bewundernswerter bemalter Spiralkeramik gekennzeich¬ 
nete Kultur, die ausser dem östlichen Teile von Galizien die Bukowina, 
Rumänien, Bessarabien und Südrussland bis an den Dniepr nebst einer 
Exklave auf der Krim einnimmt. Ein gutes Beispiel für Ostgalizien 
bilden die von Ossowski in einer Reihe von Arbeiten veröffentlichten 
reichen Grabanlagen von Bilcze Zlota: Urnengräber in „Ziegel¬ 
packung“ (Abb. 11), bei denen die eigentliche Urne sich darstellt ent¬ 
weder als grosses birnenförmiges, nur auf dem Oberteile der Aussen- 
seite bemaltes Gefäss mit zugespitztem Fusse und engem, kurzem 
Halse — dem eine stets nur auf der Innenseite bemalte Schale als 
Deckel aufsitzen kann (Abb. 12 a, b und Tafel XXIII, 10, 11) —, oder 



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49] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 237 


geringe Spuren des 
Leichenbrandes, der 
nur in symbolischer 
Andeutung beige- 

Abb. 12 a—c. Bilcze Zlota Grab 8 (nach Ossowski). , /8. Setzt wird (Abb. 11). 

Unter den Beigaben 

fallen auf kleinere hochgestreckte doppelkonische Qefässe (Taf. XXIII, 8. 9), 
ferner halbkugelförmige Schalen mit scharf abgesetztem, sehr stark aus¬ 
ladendem Rande, die wegen ihrer Form von russischen Forschern 
„Schwedenhelme" genannt worden sind (Taf. XXIII, 7; XXX unterste Reihe; 
XXXI ebenso). Diese Schalen tragen die Bemalung stets nur auf dem 
äusseren Kugelboden, müssen daher ursprünglich als hochangebrachte 
Hängegefässe gedacht worden sein, wenn sie nicht vielmehr, was wahr¬ 
scheinlicher ist, als Deckel der grossen Urnen ge¬ 
dient haben. Die merkwürdigste Beigabe sind 
eine Art doppeltrichterförmige Pokalgefässe mit 
oberer und unterer Schale und mittlerer Er- 
^ _ Weiterung, doch ohne Boden, 

also ganz hohl, von den klein- 
sten bis zu den grössten For- 
* men (30 cm hoch in Bilcze). 
Man hat sie, da sie meist in 

Abb. 13. Latdorfer Trommel. Abb. ,7Toperngudter' Zwillingsform, durch Stäbe drei- 

Schkopau, Kr. Merseburg. d. Tripoljekultur, Dniepr- f ac h miteinander verbunden, 
gegend (nach Chwoiko). 

auftreten, Opernguckergefässe 
genannt und als Untersätze für Schalen gedeutet (Abb. 12c und Taf. XXIII, 5; 
XXX oberste; XXXI unterste Reihe). Meiner Ansicht nach sind sie als 
Trommeln aufzufassen ganz wie die seit langem bekannten ähnlichen 


Abb. 13. Latdorfer Trommel, 
Schkopau, Kr. Merseburg. 


Abb. 14. „Operngucker" 
d. Tripoljekultur, Dniepr- 
gegend (nach Chwoiko). 


auch als grosses Gefäss in griechischer Kraterform mit scharf abgesetztem 
oder gleitend übergehendem weit ausladenden und umgebogenen Halse 
(Taf. XXIII, 1.6; XXIV, 7. 11. 12). Zuweilen auf die Kante gestellt und 
durch die Packung in dieser Form gehalten, birgt diese Urne allerdings bloss 


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Gustaf Kossinna. 


[50 


Tongeräte des Latdorfer (Bernburger) Stils (Abb. 13. 14), die an¬ 
scheinend auch der Form nach in einem Zusammenhänge mit diesen 
spiral verzierten Trommeln stehen *), wobei es nur noch nicht klar 
ist, von welchem dieser beiden Gebiete die Beeinflussung auf das 
andere ausgegangen ist, da wir eben über Zeitverhältnis der nordischen 
Kulturen zu den Donaukulturen, insbesondere zur bemalten Keramik 
noch zu wenig haben ermitteln können (s. S. 228. 234). In der 
Malerei erscheinen nicht nur Bänder von meist sehr stark dege¬ 
nerierten Spiralen, die auch in einen geschlossenen Kreis, eine Rad¬ 
figur oder einen Stern (Taf. XXIV, 1. 8. 9. 11. 12) sich wandeln können, 
sondern als Zwickelfüllung auch unvollkommene Tier- und sogar Menschen¬ 
figuren (Abb. 15. 16; Taf. XXVI; XXVIII rechts) 2 ). 

Ständige Merkmale dieser Kultur sind tönerne Frauenidole, das 
Symbol der Fruchtbarkeitsgöttin (Taf. XXIX), und tönerne Tierbilder, die 
das im Haushalt der Donaukultur wichtigste Haustier, das Rind (Taf. XXIII, 
18. 19) und andere Haustiere versinnbildlichen. Nur selten erscheinen 
Mannesidole, bei denen ausser der Geschlechtsbezeichnung ein von der 
rechten Schulter nach der linken Hüfte über den Leib laufendes Band 
dargestellt und stets nur ein Ohr, das linke, durchbohrt ist, während 
bei den Frauenidolen beide Ohrmuscheln zur Aufnahme von Hänge¬ 
schmuck eingerichtet sind (Abb. 17 a—c; d). 

Horodnica ist das einzige Gräberfeld, und die bei Bilcze gelegene 
Höhle Werteba die einzige Wohnstätte dieser Kultur in Ostgalizien, die 
eine grössere Anzahl von Menschenskeletten geliefert hat: alles aus- 

*) Hinweisen möchte ich hier wenigstens auf die aus dem nordischen Stil 
stark herausfallenden Verzierungsweisen des Zahnrads und des Malteserkreuzes, die 
beide im Latdorfer Stil, namentlich aber bei den Latdorfer Trommeln häufiger Vor¬ 
kommen, das Malteserkreuz auch auf Gefässen, wie der Schale vom Schöffenberg 
bei Oberwiederstedt (Mansfelder Seekreis), der Halsamphore von Elbekosteletz, 
Gefässresten von Prerow und vom Schlaner Berg, diese drei in Böhmen. Dieselbe 
Kreuzverzierung, nicht eingetieft nach nordischer Art, aber gemalt und zwar stets 
schwarz, findet sich nun recht häufig auf Böden kleinerer Schalen der bemalten 
Keramik. Das Zahnradmotiv scheint allerdings mehr auf den Mondseetypus hin¬ 
zuweisen. 

2 ) Als westliche Parallele hierzu bringt H. Grössler eine an genannter Stelle 
(S. 233 Anm.) veröffentlichte mehrfache Ritzung eines klar als solcher erkennbaren 
Auerhahnes auf einem Gefässe von Gr. Oerner, Mansfelder Gebirgskreis. Allein es 
will mir scheinen, als ob das Gefäss trotz aller Fundverhältnisse nach Form (Schalen¬ 
form) und plastischer Verzierung (senkrechte Bauchwülste) vielmehr in die spätere 
Kaiserzeit (3. Jhr. nach Chr.) gehört und eine Parallele ist zu dem benachbarten 
gleichalterigen Gefäss von Stimnitz Kr. Querfurt, das eine ganz ähnliche Vogel¬ 
ritzung mit Grübchenumsäumung aufweist und nach seiner Form und den in die 
drei Henkel eingehängten Tonringen unbedingt kaiserzeitlich ist (abgebildet: Album 
der Berliner prähistor. Ausstellung 1880 Sect. V, Taf. 17). 


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51] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 239 



gesprochene Langschädel, die aber noch einer näheren wissenschaftlichen 
Charakterisierung entbehren. 

Um manche neue Züge bereichert wurde unsere Kenntnis dieser 
Kultur durch die Ausgrabungen R. Kaindls in Schipenitz in der Buko¬ 
wina 1 ) > namentlich aber durch die Aufdeckung der 
interessanten, kompliziert gebauten Grabstätten von 
Petreny bei Bilzi in Bessarabien, die v. Stern auf 
dem archäologischen Kongress zu Jekatarinoslaw ein¬ 
gehend dargestellt hat(Taf.XXIII-XXVI). Noch reicher 
ist diese Kultur in Podolien entwickelt, wo die archäo¬ 
logische Karte von Th. Volkow vor wenigen Jahren 


Abb. 15. Grosses birnenförmiges Gefäss mit Tier- Abb. 16. Menschenmalerei auf Scherben 

malerei, gefüllt mit angebrannten Weizenkörnern. der Tripoljekultur, Dnieprgebiet (nach Chwoiko). 
Podolien. 


noch gar keine einschlägigen Funde kannte (Taf. XXXIV), und vor allem im 
Dnieprgebiet. Hier ist im Gouvernement Kiew, ein wenig auch noch in die 
Gouvernements Cherson und Tschernigow hinein, besonders durch Chwoikos 
mehr als zehnjährige unermüdliche und mit glänzendem Erfolge aus¬ 
geführte Grabungen fast eine neue Urzeitwelt entstanden. In der rus¬ 
sischen, wie fremden Literatur wird diese ukrainische Steinzeitkultur 


l ) Neuestens hat dieser Forscher eine weitere Veröffentlichung einschlägiger 
Art über eine Wohnstätte in Koszylowce bei Tluste in Ostgalizien gemacht, die ich 
dem Stil II der Tripoljekultur gleichsetze, den wir sogleich kennen lernen werden 
(Tierkopfhenkel an Gefässen, Form der weiblichen Idole). 


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Gustaf Kossinna. 


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nach einem der ergiebigsten Fundorte Tripolje-Kultur genannt. Chwoiko, 
der 1899 beim Kiewer Kongresse die erste grössere Ausstellung und 



Abb. 17 a—d. Steinzeitliche Frauenidole (a-c) und Mannesidol (d). Podolien. 


Veröffentlichung dieser Kultur veranstaltete, vermag neuestens drei Stil¬ 
perioden innerhalb dieser Kultur zu unterscheiden. 

Stil I, der älteste, ist ausschliesslich vertreten in Wohngruben 

(Semljanki) der Kyrillus- 
strasse in Kiew (Abb. 18). 
Dies sind etwa 40 cm 
tief ausgeschachtete Plätze 
von runder bis rechteckiger 
Form im Verhältnis von 
4:5 m, in deren Mitte 
eine Feuerherdstelle ein¬ 
getieft ist, die mit Speise¬ 
resten, wie Muscheln und 
Tierknochen, mit Scher¬ 
ben , kleineren glatten 
Beilen aus Elch- oder 
Hirschgeweih ohne charakteristische Form, selten mit kleinen rohen 
Silexgeräten, wie Schabern und Messern, sehr selten kleinsten Silex- 



Abb. 18. Steinzeitliche Wohngrube der Kyrillusstrasse in Kiew 
(nach Chwoiko). 


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53] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 241 


heilen angefüllt ist (Abb. 19). Durchaus fehlen Pfeilspitzen, grössere 
Steinbeile sowie Schaftlochhämmer; zuweilen birgt die Grube ein ge¬ 
krümmt liegendes Skelett. Die verhältnismässig rohen Scherben sind 
in ganz einfacher Weise durch Einritzung von punktierten und einfach 
oder mehrfach gestrichelten Linien, von Tannenzweigmustern und alter¬ 
nierenden Zickzackstrichbändern verziert (Taf. XXXII, 1). 

In Stil II (früher Stil B genannt), der wie Stil III ausschliesslich 
in den „Ploschtschadki“ genannten Familiengräbern, jenen mit Holz¬ 
konstruktionen gestützten, innen aus¬ 
gemalten Lehmbauten (Taf. XXVII), vor¬ 
kommt, treffen wir manche der schon 
aus Petreny bekannten Tongefässformen 
(Abb. 20 und Taf. XXVIII), wie die kra¬ 
terförmigen mit hohlgewölbtem Bauch, 
eingezogenem Halse und ausladendem 
Rande, am Oberteil mit eingeritzter 
Verzierung oder mit Tierkopfreliefs 
(Taf. XXIII, 13.14). Dazu kommen soge¬ 
nannte „Fassurnen“ in doppelkonischer, 
rundlicher Wölbung, fast ohne Hals und 
Rand, mit ein bis drei Reihen um¬ 
laufender Öhre unterhalb der schmalen 
Öffnung, am Oberteile mit eingeritztem 
Tannenzweigmuster (Abb. 20 unterste 
Reihe). Eigenartig sind die kleinen 
„Wasserschöpfer“, trichterförmige Schäl¬ 
chen mit eingezogener Wandwölbung 
und wulstartig verdicktem Standboden 

(Abb. 20 oberste Reihe). Ausser dem Tannenzweigmuster und anderen 
Motiven des ersten Stils werden jetzt Sterne, kleine Kreise, Kreuze, 
konzentrische Halbkreise eingeritzt; dazu kommt noch die Bemalung mit 
schwarz gesäumten Spiralbändern auf hell- oder dunkelbraunem Grund 
(Taf. XXXII, 2). Die entweder stehend mit Vereinigung der Beine in 
einen Stumpf oder sitzend mit Sonderung der Beine dargestellten 
weiblichen Idole zeigen nach Art des steatopygen Schönheitsideals 
starke Betonung des Geschlechtscharakters an Brüsten und zuweilen 
auch Geschlechtsteilen, übertrieben gross dargestellte Gesässe, gewaltige 
durchbohrte Ohren, herausgetriebene Nasen, gut bezeichnete Augen: im 
Ganzen, wenn die Mundbezeichnung fehlt, eine Art Eulenkopf (Taf. XXIX). 

Dem Stil III (früher Stil A genannt) eigenen die reichst aus¬ 
geführten Spiralmuster, Wellenlinien, Wellenbänder, Systeme konzen¬ 
trischer Kreise, geritzt und weiss eingelegt, dazu der Gefässgrund mit 





Abb. 19. Stein-, Knochen- und Geweihgeräte 
der frühesten Tripolje-Kultur (nach Chwoiko). 


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Gustaf Kossinna. 


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Buntmalerei bedeckt (Taf. XXXII, 3; XXXIII). Der Grundton ist vorherrschend 
zimmetbraun; die Buntmalerei verwendet die Farben weiss, rot, orange, 
schwarz, gelblich, hell- und dunkelbraun bis violett. Waren die Gefässe des 



Abb. 20. Gefässtypen des Stils II der Tripolje-Kultur (nach Chwoiko). 

II. Stils schon eine feine Tonware zu nennen, so erreicht jetzt die 
Feinheit der Tonschlemmung, die Sauberkeit der Form, oft auch die grosse 
Dünnheit der Qefässwandung den Gipfel und alles das ohne Anwendung 


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55] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 243 

der Drehscheibe (Taf. XXX. XXXI). Von hervorragendem Formensinn zeugt 
die Umgestaltung der grossen kurzhalsigen Birnenurne zur vollen hals¬ 
losen Bombenform mit engster Mündung, eine Form, die vor kurzem 
von gewisser Seite fälschlich als 
hingestellt wurde (Taf. XXXI Mitte). 

In diese Periode gehören die schon 
genannten glockenförmigen „ Schwe¬ 
denhelme" , äusserst geschmackvoll 
gefärbt und geritzt (Taf. XXX; XXXI 
unterste Reihen), ebenso die Trommeln 
(„Operngucker“), die entweder in 
zimmetbraunem Überzug ein gefurchtes 
Muster aufweisen, oder weiss bemalt 
sind mit schwarz oder dunkelbrauner 
Umrisssäumung (Taf. XXX. XXXI). Zu 
nennen sind weiter kleine glatte Halbkugelterrinen, auf zwei bis drei 
Füsschen stehend und mit ein bis drei Reihen von Öhren unter dem 
abgesetzten kurzen Halse (Taf. XXXI, oberste Reihe Mitte), endlich noch 

die aus Stil II bekannten, 
flüchtig gearbeiteten klei¬ 
nen T richterhalsschalen, 
die jetzt auch zimmetfarbig 
und mit gefurchtem Muster 
verziert, sowie mit zwei 
zipfelartig abwärts gerich¬ 
teten Öhrzapfen versehen 
sind (ebenda rechts und 
links). • Auch weibliche 
Tonfiguren leben noch 
fort, doch zu schemati¬ 
schen, kreuzförmigen Ge¬ 
staltungen entartet, die an 
dem ornamentierten bein¬ 
losen weiblichen Leibe Kopf und Arme nur als Stümpfe andeuten und somit 
den aegaeischen Brettidolen sich nähern (Taf. XXIII, 15.16; XXIX, 23. 26). 
Gemalte Tier- und Menschenbilder scheinen dem II. und III. Stile ge¬ 
meinsam zu sein. Statt der plastischen Tierköpfe als Vasenschmuck des 
II. Stils erscheinen jetzt dreieckig oder herzförmig gebildete Menschen¬ 
gesichter (Abb. 21). Nur in Stil III begegnen durchlochte Steinhämmer, 
sowie eine kleinere Anzahl flacher Kupferbeile nebst einem grossen 
kupfernen Doppelaxthammer, der auf der einen Seite als Beil, auf der 
anderen als gekrümmte Spitzhacke gebildet ist (Abb. 22, Mitte unten). 



Abb. 22. Geräte aus Stein, Knochen, Geweih, Kupfer der 
Tripolje-Kultur (nach Chwoiko). 


eine Urform der Bandkeramik 



Abb. 21. Gefässscherben mit plastischen 
Menschengesichtern des Stils 111 der Trlpolje- 
Kultur (nach Chwoiko). 


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Gustaf Kossinna. 


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Skelettfunde sind neben den fast durchgängigen Leichenbrandgräbern 
äusserst selten; neuerdings hat Chwoiko ihren Anteil auf zwei bis drei 
vom Hundert abgeschätzt. Nach brieflicher Mitteilung sind diese Skelette 
stets langschädelig mit einem Kopf-Index von 72—74. 

Die West- und Südgrenze der Tripolje-Kultur (Taf. XXXIV) bildet in 
Ostgalizien zunächst der Sered, ein von Norden in den obersten Dniestr 
fallender linker Nebenfluss 1 ), dann läuft die Linie nach Horodnica am Süd¬ 
ufer des Dniestr, springt südwärts über an den Prut nach Schipenitz bei 
Tschernowitz in der Bukowina, geht an diesem Flusse weiter bis Kuku- 
teni bei Jassy in Rumänien, dann über Petreny bei Bilzi in Bessarabien, 
durchquert den mittleren Dniestr bei Soroki, dann den Bug in der Nähe 
von Haissin in Podolien, um bei Uman die Westgrenze des Gouver¬ 
nements Kiew zu überschreiten, bei Kolnibolota an der Sinjucha das 
Gouvernement Cherson zu berühren, über Swenigorodki dem Ros sich 
zuzuwenden, diesem bis zu seiner Mündung in den Dniepr bei Kanew 
zu folgen und endlich jenseits des Dniepr im Kreise Oster des Gouver¬ 
nements Tschernigow zu endigen. 

Ein Blick auf die geologisch-klimatologische oder pflanzengeo¬ 
graphische Karte Russlands zeigt, dass diese ältesten Siedelungen des 
neolithischen Menschen, gerade wie die wenigen paläolithischen Stationen 
Südrusslands, südwärts durchaus innerhalb des Gebietes der Schwarzen 
Erde bleiben und von der Nordgrenze der eigentlichen Steppe sich noch 
erheblich fernhalten, eine Tatsache, die auch dann nicht einzuschränken 
wäre, wenn es mit der Exklave der Tripoljekultur an der Krimküste, 
von der Furtwängler Mitteilung gemacht hat, seine Richtigkeit hat, da 
ja die Südküste der Krim nicht zum Steppengebiet gehört. In der 
eigentlichen Steppe konnte naturgemäss weder in paläolithischer noch in 
neolithischer Zeit der Mensch dauernd bestehen; wenigstens sind dort 
keine Spuren von Ansiedelungen oder Gräbern angetroffen worden, die 
über die Zeit des Skytheneinfalls, also um 800 vor Chr., hinausgehen. 
Es bedarf daher keiner langen kritischen Erörterung, um das Ungereimte 
der nun Jahrzehnte lang wiederholten Behauptung Otto Schräders dar¬ 
zutun, die südrussische Steppe sei nicht nur das eigentliche Geburtsland 
der Indogermanen, sondern auch diejenige Urheimat, von der aus sie 
über Europa und Asien sich verteilt hätten. 

Man geht nicht zu weit, wenn man alles, was die Sprachforschung 
bisher gerade über diese Urheimat ermittelt zu haben glaubt — welche 
Ansicht auch immer man hier nachprüft —, in Bausch und Bogen als 
hinfälliges Kartenhaus bezeichnet. Die gesamte sprachvergleichende 


') Nur der oben (S. 239 Anm.) genannte neue Fundplatz Koszylowce liegt 
noch weiter westlich. 


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57] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 245 

Paläontologie geht auch heute noch vorschnell, ja unbesonnen auf ein 
Endziel aus, das erst über weite Zwischenstationen vielleicht einmal 
von ihr erreicht werden kann. Sie will sogleich die Kultur der noch 
ungeteilten Urindogermanen durch blosse, noch dazu ganz unsystematisch 
betriebene Wortvergleichungen herausdestillieren, ohne zu beachten, 
dass schon mehrere Jahrtausende vor Christus es hier so enorme 
Gegensätze gibt, wie nordische Kultur und Donaukultur, Gegensätze, 
wie sie auch durch die Sprachforschung ermittelt worden sind, was ich 
oben schon erwähnt habe, ohne dass diese aber aus ihrer Erkenntnis 
die nötige Schlussfolgerung für ein methodisches Erschliessen der 
Urzeit gezogen hat. Methodisch würde sie vorgehen, wenn sie auf 
sprachlichem Wege zuerst einmal erschliessen wollte: erstens die gemein¬ 
same Kultur der Nordindogermanen oder Centum-Völker, zweitens die 
gemeinsame Kultur der Südindogermanen oder Satem-Völker. Dann 
erst Hessen sich innerhalb jeder dieser Gruppen alter Kulturbesitz und 
späte Kulturübertragung sicherer auseinanderhalten. (Forts, folgt.) 


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i«yr*rmfftyfi 


Taf XXII. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Abb. 9. i/3- Andernach a. Rhein 
(nach Bonner Jahrb. 92 Taf. II 10) 


Abb. 7. */6. Blömkeberg b. Bielefeld, 
Westfalen (Mus. Bielefeld). 


Abb. 8. */5. Kaaks b. Itzehoe, Holstein 
(nach Alt. u. heidn. Vorz. V, 49). 


Abb. 13. 14. Gegend von Overzaal, Twente; 
Borger bei Assen, Drente (nach Holwerda, 
Nederlands vroegste beschaving Taf. I, '1.12). 


<Abb. 10. Etwa 1 / 5 . 
Unteres Nahetal. 


Abb. 11. Vs. Abb. 12. 1/5. 

Holzheim bei Giessen. Hebenkies bei Wiesbaden. 
(10—12 nach Alt. u. h. Vorz. V, 49). 


Abb. 15. Holderness Etwa 1 / 5 . 2 /« 

’ (nach Greenwell, Abb. 16. 17. Wiltshire, England; Fifeshire, Schottland 

British Barrows). (nach Archaelogia LXI, Taf. X und S. 111). 

Spätneolithische Tonbedier Nordwestdeutschlands, Hollands, Englands und Schottlands. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


(Kossinna, Der Ursprung der Urfinncn und Urindogermancn. 


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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 




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Manniis , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /. 


Taf. XXV. 



Grosses Gefäss der bemalten Spiralkeramik aus Petreny, Bessarabien. 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. 

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Curt Kabitzsrh (A. Stuber's Verlag', Wiirzburg. 

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PR1NCET0N UNiVERSITY 









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Mannus y Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf XXVI. 



Grosses Gefäss der bemalten Spiralkeramik mit Menschendarstellung aus Petreny, Bessarabien. 


Kosiinna, Der Ursprung der Urfinnnn und Urindogermanen. 

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Curt Kabit/M'h (A. Stuber’s Verlag). Würzburg. 

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Original frn-m 

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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf XXVII. 





n 





Wohnplätze der Tripoljekultur Stil III bei Tscherbanjewka 

(nach Chwoiko). 


Kossinna, Der 

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(Sprung der U|finn 


finnen und Urindogermanen. 


Curt Kabitzsch (A. 


, Würzburg. 


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Tönerne Frauenidole der Tripoljekultur Stil II und III. 


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ncn und Urindogermancn. 


Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag) Würiburg. 

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PRINCETON UNIVERSITY 


Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogennanen. Curt Kabitisch (A. Stüber’. Verlag), Wünburg. 











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Mantius , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. L Taf. XXXII. 



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Kossinn a, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg 






















































































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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXXIII. 




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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 

































































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Mannus , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. L Taf XXXIV. 



Koisinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 






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II. Mitteilungen 


Rassereinheit und Kultur. 

Von Privatdozent Dr. Hermann Schneider, Leipzig. 


In dem landläufigen Rassenbegriff sind zwei Elemente verschiedener 
Herkunft zu scheiden, ein biologisches und ein kulturgeschichtliches. Der 
ältere kulturgeschichtliche Faktor ist eine Gleichsetzung der wesentlichen 
Leistungen und Eigentümlichkeiten einer Kultur oder mehrerer Kulturen 
mit einem bestimmten, historisch gegebenen Bestandteil des Volkes oder 
der Völker, die die betreffende Kultur besitzen. Wo Germanen auf- 
treten, entwickelt sich ein glänzendes Rittertum, eine Kunst voll naiver 
Innerlichkeit, eine Weltanschauung voll tiefer Mystik; wo Semiten er¬ 
scheinen, herrschen anmassende Pfaffen und harte Geldmenschen, die 
Kunst stirbt ab, die Weltanschauung predigt herrische hartherzige Götter, 
die durch Opfer und Demut in guter Laune erhalten werden müssen. 
Psychologisch gewandt erhalten wir den ritterlichen, naiven und tiefsin¬ 
nigen Germanen einerseits und den anmassenden und doch kriechenden, 
kunstfeindlichen und fanatischen Semiten andererseits. Die „reine Rasse" 
ist der unveränderliche Kern, der sich in allerlei äusserlich herangebrachtem 
Stoff immer in derselben Weise ausprägt; von ihr stammen alle eigen¬ 
artigen und wertvollen Kulturleistungen; sie ruhen samt und sonders 
in ihr als Keime von dem Moment der Rassenbildung an. Der Rasse¬ 
begriff ist in diesem Sinn ein zeitloser Begriff, etwas vollkommen Un¬ 
veränderliches; wenn die reine Rasse in andere Völker aufgeht, lässt 
sich ihr Geist als das einzig produktive in diesen nachweisen bis die 
Rasse vollkommen zerstört ist und mit ihr die Produktivität des neu 
entstandenen Gemisches. 

Diesem zeitlosen qualitativen Rassebegriff hat die biologisch und 
entwicklungsgeschichtlich interessierte neuere Forschung einen naturwissen¬ 
schaftlichen und genetischen Anbau gegeben. Die Rasse bleibt dabei 
unveränderlich, aber sie erhält eine Entstehungsgeschichte, wir fragen 
überall nach dem Werden, also muss auch das Werden der Rasse unter¬ 
sucht sein. Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden 
der Tierzüchter bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tier¬ 
rassen. Neue Rassen erhält der Züchter durch Auswahl, Kreuzung nicht 
allzu entfernter Verwandter und durch Reinzüchtung. Also entstehen 
Menschenrassen durch ein glückliches Zusammentreffen guter Elemente, 


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248 


Hermann Schneider. 


[2 


das die Auswahl ersetzt, durch ihre Mischung und durch ihre Isolation, 
die zur Reinzüchtung führen muss. Durch diese Erweiterung ist der alte 
Rassebegriff, ohne irgend etwas von seinen Vorzügen einzubüssen, be¬ 
deutend verschönt und modernisiert; er hat etwas Darwinistisches in 
sich aufgenommen. 

Leider haben aber Anbauten immer etwas Missliches. Wenn 
Mischung und Reinzüchtung geeigneter Elemente neue produktive Rassen 
schaffen, dann ist nicht zu verstehen, warum diese reinen Rassen, wenn 
sie sich mit bestehenden Völkern mischen, nicht zu neuen noch produk¬ 
tiveren Rassen werden können, sondern „sich auflösen“ „degenerieren“. 
Hier wissen wir nun einmal sicher, das ein Element der Mischung 
„edel“ ist, wir beobachten Mischung und manchmal auch eine lange 
Reinzüchtung, aber die Produktivität versiegt. Die Einführung des Ent¬ 
wicklungsbegriffs erschüttert den älteren Teil des Rassenbegriffs. Früher 
waren die Rassen einfach da, „geschaffen“, wenn man will; da gab es 
kein Fragen, warum sie so aussahen, warum sie alle aus der Urzeit 
stammten; in der Urzeit lag eben die Schöpfung. Wenn aber Rasse ein 
Produkt einer Mischung und Reinzüchtung edler Elemente ist, warum ist 
dann die Mischung in der Urzeit „Rasse“, in historischer Zeit „Mischmasch“? 

Es gibt keine andere Möglichkeit, als konsequent zu sein und zu 
sagen: Rasse ist immer, in der Urzeit wie heute, jedes dauernde 
Ergebnis einer Mischung und Reinzüchtung, das in der Ausbildung von 
körperlichen oder geistigen Zügen gleicher Art bei einer grossen Zahl 
von Individuen besteht und sie im Vergleich mit Verwandten als eine 
besondere Gruppe hervortreten lässt. Rasseneigenart, nationale Eigen¬ 
art, Stammeseigenart und Familieneigenart sind auf ein und dieselbe 
Weise entstanden: nur die Grösse der Gruppen macht den Unterschied, 
ln diesem Sinn kann ich von einigen der heutigen Nationen, die aus 
der Völkerwanderung hervorgegangen sind als Rassen reden; Rassen 
sind die Enderzeugnisse jeder Völkermischung; der Ägypter und Baby¬ 
lonier der persischen Zeit hat Anspruch auf diese Bezeichnung, wie der 
um 3000 v. Chr.; auch er ist das körperlich und geistig eigenartige 
Ergebnis einer Mischung und fortgesetzten relativen Isolation, einer 
anderen, vielleicht komplizierteren Mischung, einer weniger strengen Iso¬ 
lation, als seine Urahnen, aber eine „Rasse“, wie sie. 

Nun ist freilich der Ägypter und Babylonier der persischen Zeit 
kulturell unfruchtbar, der der Urzeit dagegen höchst schöpferisch. 
Sehen wir aber genau zu, so ist in Ägypten nicht eine fertig eintretende 
ägyptische Rasse kulturell fruchtbar, sondern etwas Werdendes, ein Ge¬ 
misch aus drei als Rassen wohlcharakterisierten Elemente, einem libyschen, 
einem semitischen und einem negroiden; unter unsern Augen treten 
diese Bestandteile zu einem neuen zusammen und dann erst setzt mit 
der Wucht einer Explosion die Kulturentwickelung ein; im Verhältnis 
der fortschreitenden Verschmelzung der Teile, der Reinzüchtung der 
neuen eigentlich ägyptischen Rasse, versiegt die kulturelle Produktivität. 
Dasselbe scheint für Babylon zu gelten; die grossen kulturellen Leistungen 
sind nicht sumerisch, noch semitisch, sondern das Erzeugnis der Mischung 
von Sumerern und Semiten zu einer neuen babylonischen Rasse, die 
im Mass ihrer Vollendung unfruchtbar zur Kulturneuschöpfung wird. 

Wenn wir nun auf die Bildung unseres Rassebegriffs zurückgehen 


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3] 


Rassereinheit und Kultur. 


249 


und besonders die Erfahrungen der Züchter ins Auge fassen, die auf 
ihn übertragen sind, finden wir, dass eigentlich nie etwas anderes zu 
erwarten war. Der Züchter will bestimmte neue körperliche oder geistige 
Eigenschaften in seiner neuen Rasse haben, darum wählt er aus und 
mischt; er will diese Eigenschaften dauernd haben, darum züchtet er 
sein Produkt rein. Das Neue, „Höhere“, die Leistung, der Fortschritt, 
entsteht nur durch Auswahl und Mischung; die Reinzüchtung hebt jede 
weitere Neuschöpfung auf, hemmt die Produktion, führt zur Konstanz, 
zum Stillstand. Die Mischung der verwandten, aber verschiedenen Ele¬ 
mente gibt neue schöpferische Möglichkeiten; die Reinzüchtung hebt 
diese Möglichkeiten grösstenteils wieder auf. 

Man kann in einem Bild das Verhältnis der Rassenmischung zur 
Kultur so ausdrücken, dass man sagt: Wo verschiedene Elemente zu 
einer Mischung zusammentreten, erfolgt ein Ausgleich, der im Beginn 
der Mischung mit der grössten Energie angestrebt wird und am Schluss 
in einem Gleichgewicht vollendet ist. Reine Rassen sind im Gleichge¬ 
wicht; sie stellen einen Endzustand dar, sind kulturell unfruchtbar. 
Treten sie mit anderen zusammen, so erfolgt eine Gleichgewichtsstörung, 
die der Differenz bez. der Spannung proportional ist; die reinen Rassen 
verlieren ihre Reinheit, „lösen sich auf“, und schaffen nun eine Kultur¬ 
arbeit, die der Spannung entspricht und sich mit der Spannung im Lauf 
des Ausgleichs vermindert; schliesslich ist die neue Rasse fertig, rein¬ 
gezüchtet, wenn keine äussere Störung eintritt, und damit kulturell ent¬ 
wickelt, aber zu neuen schöpferischen Leistungen unfähig geworden. 

Man kann als „Rasse“ auch weiterhin das Ergebnis einer Mischung 
nicht allzu ferner Verwandter mit folgender Reinzüchtung ansehen, muss 
sich aber darüber klar sein, dass wohl die Mischung, nicht aber die 
Reinzüchtung schöpferische Kulturleistungen bedingt, ja, dass die fort¬ 
schreitende Reinheit das Aufhören schöpferischer Kulturtaten bedeutet, 
Gleichgewicht, ein Höchstmass der Kulturbreite, nicht der Kulturhöhe. 
Die Rassereinheit ist so weit entfernt, eine Anwartschaft auf schöpferische 
Kulturleistungen zu geben, dass man geradezu sagen kann, dass Rasse¬ 
reinheit und schöpferische Begabung sich ausschliessen. 

Daraus folgt ohne weiteres, dass es nicht angeht, Kulturleistungen, 
die eben nur bei Mischung von mehreren Rassenelementen entstehen 
können, einem dieser Elemente zuzuschreiben und so eine Rassen¬ 
begabung zu konstruieren. Die Verführung zu falschen Schlüssen dieser 
Art liegt natürlich darin begründet, dass Kulturrassen, die dem Gleich¬ 
gewicht nahe, also kulturell unproduktiv sind, beim Eintritt einer neuen 
reinen Rasse wieder schöpferisch werden können; der babylonische 
Sumerosemit kommt zu neuen Fortschritten durch das Eintreten kana- 
anäischer und später chaldäischer Semiten; der spätrömische Bewohner 
Italiens wird durch germanische Elemente zum Italiener der Renaissance. 
Es liegt sehr nahe, die neuen Leistungen einfach als Leistungen der 
neuen Ankömmlinge zu buchen und zu vergessen, dass diese für sich 
allein, rein, trotzdem es ihnen nicht an Zeit und Anregung von den 
Kulturländern her gefehlt haben kann, nichts erhebliches für die Kultur 
geleistet haben. Der voreilige Schluss muss aber aufgegeben werden; 
es gibt kulturelle Leistungen der italienischen Rasse, aber keine der 
Germanen in dem Italien der Renaissance. 

Mann us. Bd. I. H. 3/4. 17 


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250 


Hermann Schneider. 


[4 


Damit fällt aber fast der ganze qualitative Inhalt der zeitlosen 
Rassenformeln zu Boden. Viel geht dabei nicht verloren; die Rassen¬ 
formeln dieser Art, kulturgeschichtlich und psychologisch, sind so ärmlich 
und so deutlich Schöpfungen der Rassen- und Nationaleitelkeit, sowie 
des Rassen- und Nationalhasses, dass man nur eine innige Genug¬ 
tuung empfinden kann, wenn sie ausgemerzt werden. 

Die Frage ist nur, was an ihre Stelle zu treten hat. Am besten 
wird man den Ausdruck Rasse beschränken auf Völker uns unbekannter 
Mischung, die nach einer langen Reinzüchtung als körperliche Typen 
differenziert in die Geschichte und damit in andere Mischungen ein- 
treten. Die Ergebnisse dieser neuen Mischungen, die logisch nicht von 
den Rassen zu trennen sind, könnten Völker, Nationen heissen. Es 
gäbe also eine indogermanische, semitische, sumerische Rasse, aber keine 
ägyptische, babylonische etc. Dabei muss im Bewusstsein gehalten 
werden, dass diese Trennung nur eine willkürlich vorgenommene Ver¬ 
einfachung zu besserer Verständigung ist, dass die „Rassen“ nichts sind 
als Endzustände älterer unbekannter Mischungen gleicher Art, wie die, 
in die sie selbst eintreten. Dass normalerweise die Völker und Nationen 
Europas und Vorderasiens nicht so ausgeprägte Typen darzustellen 
scheinen, als die Rassen der Germanen, Semiten, Hethiter usw. erklärt 
sich daraus, dass 1. zur Zeit der Ausbildung dieser Rassen Europa 
und Vorderasien relativ leer, die Isolation vollkommener war, 2. daraus, 
dass primitive Völker gleichartiger aussehen und 3. daraus, dass die 
heutigen Nationen aus diesen älteren Rassen entstanden, ihre Mischung, 
also auch körperlich einen Ausgleich bilden. 

Treten verschiedene Rassen oder Völker zusammen, so entsteht 
eine Mischung; ihr Ergebnis ist ein körperlicher und geistiger Ausgleich, 
ein neues Volk und eine neue Kultur. Beide entstehen nur nach und 
nach, im Verhältnis der fortschreitenden Mischung; daraus erklärt sich, 
dass die neuen Kulturleistungen erst einige hundert Jahre nach der 
ersten Mischung erscheinen. Die neu entstehende Kultur kann einen 
Fortschritt über alles bis dahin in dem Weltteil oder in der Menschheit 
geleistete darstellen, oder nur eine Ausbreitung älterer Leistungen auf 
eine grössere Zahl sein. Die ersten Leistungen sind auffälliger und 
wichtiger für den Fortschritt der Menschheit, deshalb bisher allein be¬ 
rücksichtigt worden. 

Welche Faktoren bestimmen die Höhe der Kulturleistung eines 
Volkes? Da käme zunächst die Verschiedenheit der beiden oder mehreren 
Mischungsbestandteile in Betracht, als verschiedene Kulturhöhe und als 
verschiedene Eigenart. Die erste bestimmt die Menge des nachzu¬ 
lernenden, die zweite die Zahl neuer Möglichkeiten; beide ergeben die 
Grösse der „Spannung“. Ist die Differenz der Kulturhöhe sehr gross, 
so wird die Wahrscheinlichkeit einer Übergipfelung durch die primitivere 
Rasse sinken; ist sie sehr klein, so wird es ebenso sein. Die Wahr¬ 
scheinlichkeit, dass die Eigenart der Rassentypen sehr verschieden ist, 
besteht namentlich in der Zeit dünner Bevölkerung der Erde und 
weiter Wanderungen; sie nimmt mit wachsender Bevölkerungsdichte und 
wachsender Mischung aller vorhandenen Rassen bis zur völligen Er¬ 
schöpfung ab. 

Neben diesem Verhältnis der Mischungsbestandteile zueinander 


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51 


Rassereinheit und Kultur. 


251 


kommt in jedem Fall in Rechnung der Ort der Herkunft und der der 
Mischung der Bestandteile, d. h. der der Kulturentwicklung. Rassen, 
die Gegenden entstammen, welche, wie der Norden oder die Steppe, 
die Spannkraft im Kampf ums Dasein entwickeln und üben, werden in 
weichen Klimaten, in Ruhe und Überfluss grosse Kraftüberschüsse auf 
Kulturleistungen wenden können. In reichen Ländern, womöglich noch 
in leicht zu schliessenden Grenzen, wird die Entfaltung aller Keime, aber 
auch die Erschlaffung leicht eintreten; von der Natur weniger begünstigte 
Gebiete werden vielleicht gelegentlich noch höhere Kulturleistungen 
sehen, weil sie ihre Bewohner elastisch erhalten; die jüdische, die 
japanische und die mitteleuropäischen Kulturen sind Beispiele dafür, 
doch scheint eine gewisse Entwicklungshöhe in benachbarten reicheren 
Gegenden und deren Einfluss auf das ärmere Land dafür Voraus¬ 
setzung zu sein. 

Die absolute Höhe der kulturellen Entwicklung im Mischungs- und 
Entwicklungsgebiet ist endlich für die erreichte Kulturhöhe in jedem 
einzelnen Fall ausserordentlich wichtig; was die neueintretende Rasse 
an Kultur vorfindet, ist massgebend für das, was sie erreicht. Offenbar 
gibt es gewisse Punkte in der Kulturentwicklung der Menschheit, deren 
Erreichung dem Glücklichen mühelos, fast mechanisch selbstverständlich 
ganz neue Gebiete erschliesst; ein solcher Punkt ist die Entbindung 
einer Lautschrift. Andere Punkte sind ungünstig und fesseln gewisser- 
massen den neu eintretenden. Jedenfalls kann man aus der vorliegenden 
Grösse der kulturellen Leistung nicht ohne weiteres auf Begabungs¬ 
unterschiede schliessen; auch hier spielt das Glück eine Rolle. 

Schliesslich bleibt als Restfaktor bei Berechnung der erreichbaren 
Kulturhöhe einer Rassenmischnng die Begabung der Mischungsbestandteile. 
Sie lässt sich nicht ausschalten und soll nicht ausgeschaltet werden. Nur 
die voreilige, wissenschaftlich unfruchtbare und schädliche Bildung quali¬ 
tativer Rasseformeln soll vermieden werden; wir können das nicht anders, 
als indem wir alles irgend mögliche auf quantitative und sonst kontrollier¬ 
bare Elemente zurückführen; sonst wird die „Begabung“, die ja eigentlich 
nur tautologisch „erklärt“, ein Faulbett, statt eines fördernden Durchgangs¬ 
faktors. Was an qualitativen Elementen sich dem Schema der Entwicklungs¬ 
stufen der Menschheit, wie allen Erklärungen durch quantitative und 
der Rolle der Quantität in der Naturwissenschaft analoge Hilfsmittel 
entzieht, das soll Begabungsfaktor der in die jeweilige Mischung eintreten¬ 
den Rassenelemente sein. So sehen wir in der Ferne neue, höhere und 
reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters. Hoffen wir, dass mit 
ihnen niemals in Begeisterung und Hass soviel Unfug getrieben wird, 
wie mit ihren heutigen Ahnen. 


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Der neue Skelettfund 
des Homo Aurignacensis Hauseri. 

Von Georg Wilke, Chemnitz. 

Mit 1 Textabbildung. 


Wie den Lesern des Mannus schon aus den Tageszeitungen be¬ 
kannt sein wird, hat sich dem Homo Mousteriensis Hauseri, dessen 
Auffindung und Hebung im August vorigen Jahres mit Recht ein so 
allgemeines Aufsehen erregte, ein neuer, gleichfalls einer sehr frühen 
Periode des Paläolithikum angehörender Skelettfund zugesellt, dessen 
Aufdeckung wiederum den in grosszügigster Weise und nach streng 
wissenschaftlichen Gesichtspunkten geleiteten Ausgrabungsarbeiten des 
Herrn 0. Hauser zu danken ist. 

Die Fundstelle liegt aber diesmal nicht in Le Moustier, sondern 
etwa 40 km südlich davon auf der einsamen Berghöhe von Combe 
Capelle, unweit des alten Städtchens Montferrand, das sich mit seinen 
alten Burgruinen malerisch über dem Tale der Couze erhebt. Wie bei 
allen paläolithischen Fundstellen in den Dordogne, so handelt es sich 
auch hier um einen abri sous röche, wie wir ihnen in den Tälern der 
Vezere und Lorreze und ihren Nebenflüssen in so grosser Zahl be¬ 
gegnen, und zwar ist Combe Capelle noch insofern von besonderem 
Interesse, als hier vier verschiedene Kulturschichten von etwa 0,2 bis 
0,5 m Dicke, getrennt durch sterile Zwischenschichten von x / 3 — l / 2 rn, 
übereinander gelagert sind. 

Die unterste Schicht, ein Aurignacien inferieur, unterscheidet sich 
hinsichtlich der in ihr eingeschlossenen Kulturreste nur wenig von der 
ihr unmittelbar vorausgehenden Periode, dem Mousterien superieur, 
wie wir sie von der klassischen Fundstelle, der oberen Grotte oder 
Terrasse von Le Moustier kennen. Wie hier, so steht auch im Aurignacien 
inferieur von Combe Capelle das Feuersteingerät im allgemeinen auf 
einer ziemlich tiefen Stufe und ist noch wenig differenziert. Die bei 
weitem meisten Stücke, denen man begegnet, sind einfache Feuerstein¬ 
schaber (racloirs) mit ziemlich groben Randretuschen. Nur selten er¬ 
scheinen feinere Messer und Bohrer oder sorgfältiger bearbeitete Kratzer 
(grattoirs) mit den charakteristischen feinretuschierten Bögen. 

Erst in der zweiten Schicht von unten, dem Aurignacien moyen, 
wird das Feuersteingerät mannichfaltiger und die Bearbeitung eine feinere. 
Die für das Mousterien charakteristischen Typen verschwinden vollständig 


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2] 


Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 


253 


und neue Formen stellen sich ein, unter denen die eigentümlichen pyra¬ 
midenförmigen grattoirs Tarte und schöne regelmässige viereckige Doppel¬ 
kratzer mit bogenförmigen Schmalkanten und sehr sorgfältig ausgeführten 
Randretuschen besonders charakteristisch sind. 

Noch mehr differenziert erscheint das Feuersteingerät in der dritten 
Schicht, dem Aurignacien superieur wo wir zum ersten Male jene präch¬ 
tigen messerartigen Feuersteinklingen mit zierlichem Griff und ausser¬ 
ordentlich feinen Retuschen antreffen (pointes ä cran) und auch schon 
eleganteren Schmuckgeräten aus Knochen oder Rengeweih begegnen. 

In der vierten Schicht von Combe Capelle, die bereits einem 
reinen Solutreen angehört, erreicht diese Kultur ihre höchste Entwicke¬ 
lung. Die schon in der dritten Ablagerung vereinzelt vorkommenden 
pointes ä cran sind hier von einer erstaunenswerten Eleganz und Fein¬ 
heit, und nicht weniger die jetzt zum ersten Male auftretenden pointes 
en feuille de laurier, die loorbeerblattartigen Klingen, die den schönsten 
Lanzenblättern aus der Blütezeit der dänischen Feuersteinindustrie kaum 
nachstehen dürften. Daneben erscheinen, wie schon in der vorigen 
Periode zahlreiche penjoirs und burins, kleine Pfeilspitzen und lange 
schmale drei- oder vierkantige, oft sehr fein retuschierte Späne oder 
Stäbchen, die wenigstens zum Teil jedenfalls als Angelhaken gedient 
haben mögen, teilweise wohl auch zur Bearbeitung von feinen Holz- 
und Knochenwerkzeugen benutzt wurden. 

Interessant ist die Tatsache, dass sich bestimmte Gerätetypen, wie 
dies auch anderwärts beobachtet wird, ja bis zu einem gewissen Grade 
schon in La Micoque der Fall ist, immer nesterweise beisammen finden. 
Man darf daraus wohl schliessen, dass schon in jenen fernen Zeiten 
eine gewisse Arbeitsteilung bestand und dass namentlich die Herstellung 
der feineren Werkzeuge wie der pointes ä cran und der Lorbeerblatt¬ 
spitzen gewerbsmässig von darin besonders geschulten und kunstgeübten 
Meistern betrieben wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf 
einen Irrtum hinweisen, dem man sehr häufig begegnet: Wenn auch die 
Zahl der Feuersteingeräte in allen abris eine ganz ungeheuere ist und 
selbst auch die schöneren Stücke in Fragmenten noch ziem¬ 
lich häufig Vorkommen, so bilden doch vollständig intakte 
Exemplare eine grosse Seltenheit. Während der zwei Tage, 
an denen wir trotz der drückenden Sonnenglut in Combe 
Capelle mit wahrem Bienenfleiss arbeiteten — ausser Herrn 
Hauser und mir noch zwei Arbeiter — kam nur eine einzige 
vollständig erhaltene und in jeder Beziehung tadellose pointe 
ä cran zum Vorschein. Ausser dieser fand ich selbst noch in 
der zweitobersten Schicht ein sehr zierliches Stück mit ausser- Abb. i. ■/, 
ordentlich zarten Retuschen an der inneren Stilseite (Abb. 1), zierliche 
das mir Herr Hauser, wie alles übrige, was ich in Combe Capelle mitTehr feinen 
und den sonstigen Stationen persönlich ausgegraben habe, 2 R sdiid!t C von 
zu überlassen, die grosse Freundlichkeit hatte. Und wie in oben. 
Combe Capelle erging es uns auch in Longueroche, Le 
Moustier und La Micoque. Wirklich schöne und typische Stücke, wie 
sie für Museumszwecke geeignet sind, fanden sich auch hier nur sehr 
dünn gesät. Soviel über das Milieu. 

Die Aufdeckung des Skelettes, das in der untersten Schicht lag, 



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Georg Wilke. 


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erfolgte am 26. August, nur wenige Tage nach meinem Besuch von 
Combe Capelle. „Sie müssen dem Menschen geradezu an den Hühner¬ 
augen herumgekrabbelt haben. — Pech“ so lautete die vorläufige kurze 
Notiz, die mir Herr Hauser in der ersten Freude über seinen neuen 
Fund zukommen liess. Bei der neuen Grabung stiess man in der völlig 
intakten Schicht — eine breccienartige, aus zahllosen Feuersteingeräten 
und Knochenresten, durch Sand und Kalk zusammengekittete Masse — 
zunächst auf die Oberfläche eines Schädels und bei weiterer Freilegung 
auf eine Reihe sorgfältig durchbohrter Schneckengehäuse, die Reste eines 
Kolliers, das man dem Toten in das Grab mitgegeben hatte. 

Wie im vorigen Jahre bei der Auffindung des Homo Mousteriensis, 
so stellte Herr Hauser auch dieses Mal die Grabungen vorläufig ein, 
um die weitere Hebung und Bergung Herrn Professor Klaatsch zu über¬ 
lassen, den er telegraphisch von dem neuen Skelettfunde in Kenntnis 
gesetzt hatte. Man muss die Fundstelle selbst gesehen und selbst 
dort gegraben haben, um die enormen Schwierigkeiten voll würdigen 
zu können, die das Herauspräparieren der morschen und gebrechlichen 
Skelettreste aus dem harten Kalksteine verursacht haben muss. Aber 
die mühsame Arbeit ward reichlich belohnt. Denn es gelang nicht nur 
den Schädel, der trotz des riesigen, viele Jahrzehntausende auf ihm 
lastenden Druckes und trotz einer frischen Verletzung bei seiner Auf¬ 
findung im ganzen leidlich erhalten war, glücklich zu bergen, sondern 
auch das übrige Skelett zeigte sich bis auf einige Hand- und Fuss- 
wurzelknochen völlig intakt. 

Besonders interessant war die Lage des Skelettes, das in einer 
künstlichen, den Körperformen sorgfältig angepassten Bodenvertiefung 
deponiert war. Der Körper war etwas nach rechts geneigt, die Beine 
stark gegen den Leib angezogen, sodass wir es hier bereits mit einer 
echten „Hockerbestattung“ zu tun haben, wie sie in den späteren Perioden 
bis zum Schlüsse der jüngeren Steinzeit fast überall in Europa geübt 
wurde und im Kaukasus selbst noch in den älteren Abschnitten der 
Hallstattzeit gebräuchlich war. 

Über die Kulturperiode, der das Skelett von Montferrand angehört, 
haben die Grabbeigaben, die über der Brust und neben den Händen 
und Füssen lagen, hinreichend Aufschluss gegeben. Es sind dies typische 
Geräte des entwickelten Aurignacien und es kann daher keinem Zweifel 
unterliegen, dass wir es hier mit einem Vertreter dieser Stufe zu tun 
haben. Wenn sich ausserdem auch noch neben und zwischen den Teilen 
des Skeletts verschiedenerlei charakteristische Mousteriengeräte fanden, 
so erklärt sich dies eben dadurch, dass man bei der Anlegung des 
Grabes zufällig in die alte Kulturschicht gelangt war. Zu dieser Alters¬ 
bestimmung passt wohl auch am besten das prächtige Muschelkollier, 
da meines Wissens im Aurignacien inferieur durchbohrte Muscheln bis¬ 
her noch nicht beobachtet worden sind. 

Welcher Rasse gehörte nun dieser Homo Aurignacensis Hauseri, 
wie er nach der Kulturperiode und seinem Entdecker benannt werden 
soll, an? Solange nur ein kleiner Teil des Schädels aufgedeckt und die 
Beigaben noch nicht freigelegt waren, durfte man das Skelett in Anbe¬ 
tracht seiner Lage in der untersten Kulturschicht auf diese Periode be¬ 
ziehen und es lag daher die Vermutung nahe, dass wir es hier mit 


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4] 


Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 


255 


einem Verwandten des im vorigen Jahre freigelegten Homo Mousteriensis 
Hauseri, also einem neuen Vertreter der Neandertalrasse oder wenigstens 
einem Abkömmling von ihr zu tun haben würden. Diese Vermutung 
hat sich indes nicht bestätigt. Nach zahlreichen Photographien und den 
brieflichen Mitteilungen, die ich darüber von den Herren Klaatsch und 
Hauser erhalten habe und nach einem Vortrag, den ersterer am 13. 10. im 
Verein für Erdkunde in Leipzig gehalten hat, handelt es sich hier vielmehr 
um eine völlig verschiedenartige Rasse. Im Gegensatz zu dem Moustier- 
schädel, der mit seinen stark entwickelten Augenbrauenbögen, seiner 
ausserordentlich niedrigen fliehenden Stirn, der starken Einschnürung 
der Schläfenbeinpartien, der hochgradigen Prognathie, der Form des 
Unterkiefers und vor allem dem negativen Kinn noch stark pithekoide 
und negroide Merkmale darbietet, haben wir es beim Homo Aurig¬ 
nacensis mit einem weit höher stehenden Menschentypus mit schön 
gewölbtem Schädel zu tun, der hinter dem des heutigen Europäers 
kaum wesentlich zurücksteht. Seine nächsten Verwandten bilden viel¬ 
mehr die Schädel von Brüx und Brünn in Mähren und der von Galley 
Hill, die sämtlich mit dem von Combe Capelle die ganz auffallende 
Länge und Schmalheit und die hochgewölbte Stirn gemein haben und 
ihm auch in der Bildung der Augenbrauenbögen und der Nasenwurzel 
gleichen. Auch die, freilich nur spärlichen sonstigen Skelettreste von 
Galley Hill — Unterkiefer und Gliedmassen — stimmen mit dem Homo 
Aurignacensis durchaus überein. Insbesondere sind beide durch das 
neutrale Kinn charakterisiert. Endlich gehört dieser Rasse auch noch 
das Skelett von Chancelade (Dordogne) an, das freilich einer viel 
jüngeren geologischen und Kulturperiode entstammt, nämlich dem 
Magdalenien. Dieses Skelett, das vor zwanzig Jahren von dem Kon¬ 
servator des Museums in Perigueux, Dr. Feaux, gehoben und von 
Professor Testus in Lyon sehr eingehend untersucht und beschrieben 
worden ist, hat mit dem Menschen von Combe Capelle nicht nur die 
Schädelform, sondern auch den sonstigen Skelettbau gemein. Insbe¬ 
sondere zeichnen sich beide durch die verhältnismässige Kürze von Arm 
und Bein und durch das Grössenverhältnis zwischen den oberen und 
unteren Abschnitten der Beine und Arme aus. In beiden Fällen haben 
die Unterschenkel fast dieselbe Länge wie die Oberschenkel und ebenso 
stimmt der Vorderarm fast genau mit dem Oberarm überein. 

Dieses eigentümliche Grössenverhältnis, das wir in ganz ähnlicher 
Weise auch bei den Negern und Australiern beobachten, bildet den 
Hauptunterschied gegenüber den schlanken hochgewachsenen CroMagnon- 
leuten, die im übrigen, insbesondere in der Schädelbildung eine ganz 
überraschende Übereinstimmung mit der Aurignacgruppe zeigen und 
nach Auffassung des Herrn Klaatsch als unmittelbare Abkömmlinge von 
ihnen zu gelten haben. Hat sich dann weiter aus der Cro Magnon- 
Klasse der europäische Menschentypus entwickelt, so bildet also der 
Homo Aurignacensis den eigentlichen Stammvater unseres Geschlechtes. 

Wo haben wir den Ausgangspunkt dieses neuen Menschentypus 
zu suchen? Auch diese Frage wurde von Herrn Klaatsch in seinem 
Leipziger Vortrage ziemlich eingehend behandelt. Während die Neander¬ 
talrasse, wie sie am vollkommensten durch den Homo Mousteriensis 
Hauseri repräsentiert wird, ganz unverkennbare negroide Merkmale dar- 


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256 


Georg Wilke. 


[5 


bietet und übereinstimmend mit diesen somatischen Beziehungen zu¬ 
sammen mit einer ausgesprochenen afrikanischen Fauna, dem Elephas 
antiquus u. s. f. erscheint, weist die Fauna, die mit dem Aurignac¬ 
menschen auftritt, der Elephas primigenius, die Nagetierformen u. a. m. 
auf Asien hin. Freilich bildet auch Asien nur das Durchgangsland. 
Denn die eigentliche Heimat lag weiter südlich in Australien, dessen 
Bevölkerung nicht nur mit der Aurignacrasse sondern selbst noch mit 
dem heutigen Europäer manche Züge gemein hat. Während den Europäer, 
sagt Herr Klaatsch, sowohl die Negerbevölkerung Afrikas, wie die mongo- 
loide Bevölkerung Asiens und des malayischen Gebietes vollständig fremd 
anmuten, fühlt er sich zum Australier wie zu einem ihm viel näher stehenden 
Menschentypus hingezogen. In der Tat waren unter den von Herrn Prof. 
Klaatsch skioskopisch vorgeführten Australierköpfen nicht wenige, die man 
auf den ersten Blick recht wohl für altgermanische Erscheinungen halten 
könnte und selbst einige sprachliche Beziehungen glaubt Herr Klaatsch 
wie er mir nach Schluss des Vortrages persönlich mitteilte, vermuten 
zu dürfen. So kennt das Australische die Dualbildung und auch laut¬ 
lich finden sich namentlich mit dem Lateinischen gewisse Überein¬ 
stimmungen. Mehr Gewicht, als auf diese wohl mehr auf Zufall be¬ 
ruhenden sprachlichen Übereinstimmungen möchte ich auf gewisse 
Kulturparallelen zwischen den heutigen Australiern und den Aurignac- 
und Cro-Magnonleuten legen, auf die Herr Klaatsch in seinem Vortrage 
gleichfalls hinwies. So findet sich die Hockerstellung, wie wir sie oben 
bei dem Skelett von Combe Capelle kennen gelernt hatten auch bei 
den australischen Mumien. Mit den bekannten Höhlenzeichnungen der Cro 
Magnon-Leute in der Dordogne lassen sich recht wohl die australischen 
Felsenzeichnungen vergleichen, die wie jene oft sehr naturalistisch aus¬ 
geführt sind und meist Darstellungen der heimischen Fauna bilden. 
Die Reihe kleiner Striche, die sich bogenförmig über den Leib der Venus 
von Brassempouy hinzieht und für die man bisher keine befriedigende 
Erklärung hatte *)> hat eine überraschende Ähnlichkeit mit den gleichfalls 
reihenförmig angeordneten Hautnarben, mit denen sich die modernen 
Australierinnen ihren Körper verschönern, und schliesslich sprechen 
einige Umstände insbesondere die Bildung des Fusses und gewisse 
Feuersteingeräte dafür, dass auch die Art des Erkletterns der Bäume 
mittelst der grossen Zehe, die in eingeschlagene Löcher eingesetzt wird, 
bei den Aurignac-Menschen die gleiche war, wie noch heute bei den 
Australiern. 

Als die Aurignacrasse in Europa einzog, fand sie die Neandertal- 
rasse bereits vor, die damals über einen grossen Teil des europäischen 
Kontinentes verstreut war. Selbstverständlich wird es dabei nicht an 
harten Kämpfen gefehlt haben, denn man kann sich nur schwer vor¬ 
stellen, dass zwei so grundverschiedene Rassen, wie es die Neandertal- 
Moustier und Aurignac-Galley Hill-Menschen waren, auf die Dauer 
hätten friedlich neben- und untereinander wohnen können. Auf diese 

*) Mortillet, Musee prehist. pl. XXVII 230 will in diesen Strichen die 
Darstellung eines Gürtels erkennen, doch spricht dagegen schon der Verlauf der 
Strichreihe, die etwa einem Pfeilbogen gleicht. Hätte der paläolithische Künstler 
einen Gürtel darstellen wollen, so würde er wohl sicher die Linie horizontal um 
den Leib geführt haben. 


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6] 


Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri. 


257 


Rassenkämpfe ist wohl auch das Verschwinden des Neandertaltypus 
zurückzuführen, sei es, dass die Vertreter dieser Rasse allmählich der 
Vernichtung anheimfielen, oder dass sie den neuen Ankömmlingen 
weichend in andere Länder abzogen. Immerhin müssen beide Rassen 
doch noch längere Zeit nebeneinander existiert haben, da sowohl für 
das im vorigen Jahre aufgedeckte Skelett von La Chapelle-aux Saints, 
Dep. Correze als die Reste von Spy, die beide dem Neandertaltypus an¬ 
gehören das jung-diluviale Alter durch das Vorkommen reichlicher Mam¬ 
mut- und Rentierfunde einwandfrei festgestellt ist. Dann aber wird 
man auch mit der Möglichkeit wiederholter Blutmischungen rechnen 
müssen, deren Folgeerscheinungen sogar noch in der Gegenwart sich 
geltend machen mögen. 


Anmerkung. Hier ist der Hinweis wohl nicht unangebracht, dass das vor 
Jahrzehnten in Le Moustier ganz nahe der Fundstelle des Hauserschen Homo 
Mousteriensis von Riviere aufgedeckte Skelett einer Frau, das leider noch immer 
nicht veröffentlicht worden ist, nicht den Neandertaltypus zeigt, also wohl nur der 
Aurignacrasse angehören kann und dann, weil aus dem Mousterien stammend, ein 
noch älterer Vertreter der hochstirnigen Aurignacrasse wäre als das Skelett vom 
Combe Capelle, ebenso auch die beiden von Dupont in der Höhle zu Hastiere gefun¬ 
denen Unterkiefer mit ausgebildetem Kinnhöcker, also wohl „positivem“, mindestens 
„neutralem“ Kinn nach Klaatschens neuester Terminologie, und das bekannte von 
Schmerling entdeckte Schädeldach von Engis (unteres Aurignacien), während der 
Alte von Cro-Magnon, der Urvertreter der jungdiluvialen Cro-Magnon-Rasse, be¬ 
kanntlich dem mittleren Aurignacien entstammt, also genau ebenso alt ist, wie der 
Hocker von Combe Capelle. G. K. 


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Einige seltenere steinzeitliche Funde 
aus Mecklenburg. 

Von R. Beltz, Schwerin. 

Mit 2 Textabbildungen und 1 Tafel. 


1. Als ergiebigste steinzeitliche Siedelung des Landes hat sich 
immer mehr die Fundstelle von Wustrow - Niehagen erwiesen, gelegen 
auf der schmalen Halbinsel Fischland zwischen Ostsee und Saaler 
Bodden. Seit 1898 ausgebeutet (vgl. Mecklb. Jahrb. 64 S. 68 und 106) 
hat sie eine Unzahl von Stücken ergeben, deren Hauptmasse sich in 
der Sammlung ihres glücklichen Entdeckers, des Herrn Dr. med. Lettow 
in Wustrow befindet. Die Lagerungsverhältnisse sind sehr einfach: 
am steilen Abbruchufer über etwa 2 km hin bis etwa 800 m land¬ 
einwärts liegen auf einer starken Schicht festen Ortsteins (Aus¬ 
scheidungsprodukt der früheren Heidesandoberfläche) die Gegenstände 
unter einer bedeutenden, vom Winde stark beeinflussten Schicht Blei¬ 
sandes und Flugsandes. Unter dem Ortstein lagert gelber Geschiebe¬ 
mergel. Zur Beurteilung der Stelle ist festzuhalten, dass die ganze 
Küste sich in Abbruch befindet und der Landverlust am Fischlande 
jetzt jährlich noch etwa 0,5 m beträgt, früher natürlich mehr, vor un¬ 
gefähr 4000 Jahren also, zur Steinzeit, die ganze Stelle weit von der 
See, vier bis fünf Kilometer gering gerechnet, entfernt lag. Auch 
andere Momente weisen dahin, dass die ausserordentlich starke Be¬ 
siedelung des Fischlandes (und des Darsses) dem Bodden, nicht der 
See nachgegangen ist. —Auf der Stelle der Wustrow-Niehagener Siedelung 
ist nun ein Stück aufgetreten, das durch Form und Lagerung aus dem 
Kreise der anderen herausfällt. Der (Taf. XXXV 1 a, b) in zwei Ansichten 
abgebildete „Faustkeil" von (jüngerem) St. Acheul-Typ ist nach der 
bestimmten Angabe des langjährigen und geübten Erforschers der Stelle, 
des Dr. Lettow nicht auf der Ortsteinschicht, sondern unter der¬ 
selben im Diluvialmergel gefunden, in der Lehmwand des Hohen 
Ufers. Er besteht aus schwarzem Feuerstein, hat zum Teil noch die 
Kruste, 10 cm Länge, 7 cm Breite, die Seiten leicht gewölbt, eine mit 
Rückenkante; er ist gearbeitet in bekannter altpaläolithischer Technik, ohne 
Retouchen, zeigt auch keine Rollspuren. Das Stück sei hier verzeichnet 
als einer der sehr wenigen Belege für eine ältere nordisch-norddeutsche 
Paläolithik; zu einer Einreihung in ein geologisch-chronologisches Schema 
genügen die Angaben natürlich nicht. — Hinzugefügt sei ein zweites 
Stück von derselben Fundstelle, über dessen Lagerung leider kein Bericht 
vorliegt, ein stumpfspitziger Bohrer altpaläolithischer Form, 13 cm lang, 


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1 



2] 


Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg. 


259 


oben der natürliche Stein mit seiner alten Kruste (Taf. XXXV, 2). ln 
der Lettowschen Sammlung sind alle Übergangsformen zu den feineren 
scharfspitzigen neolithischen Bohrern vorhanden, und das Vorkommen 
eines derben, altertümlich anmutenden Exemplars in neolithischer Um¬ 
gebung würde nichts Befremdliches haben, hat übrigens auch in ähn¬ 
lichen Stücken aus Feuersteinwerkstätten in der Schweriner Sammlung 
(Arendsee b. Kröpelin, Büttelkow b. Kröpelin) seine Parallelen. 

2. ln der sicher neolithischen Fundschicht von Wustrow-Niehagen 
finden sich auch Bohrer von einem älteren (Kjökkenmöddings-)Habitus 
(das auf Taf. XXXV, 3 abgebildete Stück 9 cm lang), vielfach, und auch 
sonst tritt diese alte Stufe recht stark hervor, in Spaltern (das auf 
Taf. XXXV, 4 befindliche Stück 7 cm lang), Äxten usw. Ein recht 
hübsches Beispiel für den Übergang der Kjökkenmöddingsaxt zu der 
„spitznackigen“ neolithischen gibt das in Abb. 5 wiedergegebene Stück 
(10 cm lang). — Die Masse der Funde ist echt neolithisch, doch ist 
es recht auffallend, dass unter der kaum übersehbaren Fülle von 
Gegenständen einige Gruppen fast ganz ausfallen. So sind Kernsteine 
und grössere, prismatische Messer direkt selten, dagegen überwiegen die 
kleinen zierlichen Geräte (kleinste Messer, Nadeln, besonders die Pfeil¬ 
spitzen, unter denen allein 300 querschneidige usw.) in einem Masse, 
wie an keiner zweiten Stelle des Landes. (Aus Pommern erinnert das 
Ensemble der Feuersteinmanufaktur von Scholpin b. Stolp sehr an das 
Wustrower.) Eine Besonderheit bilden flache runde Scheiben mit ge¬ 
dengelten Rändern, die man an einer Stelle in Masse aufgelesen hat; 
der Durchmesser beträgt 1,2 bis 4 cm, die Oberfläche ist oft die des 
natürlichen Steines, oft aber auch sehr fein geschliffen; bei fünf ist deut¬ 
lich erkennbar, wie sie aus geschliffenen Keilen zurechtgearbeitet sind. 
Bei der Mehrzahl der geschliffenen versagt die Erklärung dieser ‘petits 
disques’ als Rundschaber, zumal auch die Schmalseite nicht wie bei den 
Schabern abgeschrägt, sondern scharf gerade abschneidend gebildet ist. 
Man hat sie in Wustrow als Amulette bezeichnet und speziell als 
einen Ersatz der runden, durch Trepanation dem Schädel entnommen 
Knochenplättchen französischer Gräber. In der Form ähneln sie diesen 
in der Tat sehr. Wir geben als Beispiele einen grösseren derberen 
Schaber von 4 cm und ein „Amulett“ sorgsamster Herstellung von 2 cm 
Durchmesser (Taf. XXXV, 6, 7). Eine fernere Besonderheit ist ein kleines 
Tongebilde (Abb. 8), stark gebrannt, aus grauer Masse, 4,7 cm lang, 
ein Unterarm mit geballter Faust, auf der die Finger durch feine Striche 
angegeben sind. Sonst tritt Keramisches leider nicht besonders hervor. 
Die zahlreichen Scherben sind klein, mit Tupfenband, Kerbenband, Band¬ 
reihen in Glockenbechergeschmack usw.; etwas bessere Specimina sind 
in das Berliner Völkermuseum gelangt. — Die nordischen neolithischen 
Feuersteintypen finden sich vollzählig, wenn auch die durchgebildeten 
Formen der Klingen und Sägen mangeln. Aus anderem Gestein die üb¬ 
lichen Quetschmühlen, Reibsteine, Schleifsteine, während Äxte usw. sehr 
zurücktreten: ausser einigen Bruchstücken nur zwei durchbohrte Äxte 
aus Gneis und zwei undurchbohrte. 

Eine hübsche Ergänzung zu der grossen Wustrow-Niehagener 
Stelle bieten zwei in geringer Entfernung (1 bezw. 2 km) ebenfalls 
auf sandigem Kuppen liegende Feuersteinschlagstätten bei Alt- 


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260 


R. Beltz. 


[3 


ha gen und Ahrenshoop, deren Untersuchung sich Herr Lehrer 
Mät in Wustrow angenommen hat und die ebenfalls ein recht beträcht¬ 
liches Material ergeben haben. Der Charakter aller Stellen ist ver¬ 
schieden: in Althagen überwiegen grössere, gut gearbeitete Messer, 
Kernsteine usw., Ahrenshoop zeichnet sich durch prächtige Feuerstein¬ 
keile aus usw. Sodann sind noch im Bodden bei niedrigem Wasser¬ 
stande an zwei Stellen, bei Niehagen und bei Barnstorf Steingeräte, 



Abb. 2. Abb. 1. 

Selpin bei Tessin. 


Tierknochen usw. unter Umständen beobachtet worden, die auf Pfahl¬ 
bausiedelungen deuten. — Die Siedelungsverhältnisse des Fischlandes 
laden zu einer monographischen Behandlung ein; es wäre eine dankbare 
Aufgabe, auch von allgemeinerer Bedeutung, festzulegen, wie sich diese 
verschiedenen Lokalitäten, die doch Sondercharaktere zeigen, zueinander 
verhalten, besonders auch ihr zeitliches Verhältnis zu bestimmen. Mit 
der Heranziehung der zahlreichen norddeutschen Feuersteinwerkstellen 
zu einer Gruppierung der Typen und Chronologisierung der Typen¬ 
komplexe ist ja noch nicht einmal der Anfang gemacht worden. 

3. Bei Gelegenheit der sorgsameren Absuchung und Untersuchung 


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Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf XXXV. 


-V 


Wustrow-Niehagen. 

Beltz, Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 


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4] 


Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg. 


261 


einer Feldmark, des Gutes Selpin bei Tessin haben sich auch zwei 
ungewöhnliche Steingeräte ergeben: 1. Einer der bekannten Kj ökken- 
möddingspalter(7cm lang), in echter alter grossflächiger Technik her¬ 
gestellt, merkwürdig dadurch, dass die Schneide geschliffen ist (Abb. 1). 
In den ergiebigeren neolithischen Stationen finden sich Gegenstände 
älteren Typs und älterer Technik regelmässig, und mit der Erklärung, 
dass es sich da um Relikte einer früheren Kultur handelt, kommen wir 
nicht aus. Es sind vielmehr alte Typen neben den späteren die 
ganze Steinzeit hindurch hergestellt, gelegentlich auch, wie an unserem 
Beispiel, mit der jüngeren Technik; übrigens fanden sich in Wustrow- 
Niehagen auch geschliffene quersqhneidige Pfeilspitzen. 2. Ein Feuer- 
steinmeissel einfachster Form (10 cm lang), hergestellt aus einer leicht 
gewölbten, nur 1 cm dicken Platte, deren obere Seite die natürliche 
Kruste und deren untere (konkave) Seite einen alten Bruch hatte; alle 
vier Seiten sind durch Schliff etwas geglättet, am meisten die rundlich 
geformte Spitze; mir in dieser Art sonst nicht bekannt (Abb. 2). 


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Der „Hexenberg“ 

am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 

Ein steinzeitlicher Grabhügel. Fundbericht von 1891. 

Mit 16 Textabbildungen und 1 Tafel, nach Zeichnungen des Verfassers. 
Von Hans Müller-Brauel, Haus Sachsenheim bei Zeven. 


Ziemlich in der Mitte zwischen den Dörfern Brauel und Offensen 
ergiesst sich die Mede, ein kleiner Bach, in die Oste. Von hier ab an 
bildet die (alte) Oste ein Wiesental, auf beiden Seiten ist sie dann von 
Heidehöhen eingeschlossen. Auf diesen Höhen liegen südlich der Oste, 
unmittelbar am alten Osteufer, fünf grosse und mittelgrosse Grabhügel 


dicht beieinander in einer Reihe. 
Alle zeigen die Spuren früherer 
Grabungen und ich vermute stark, 
dass dies die Hügel sind, die im 
Jahre 1696 der Konsistorialrat 
Spilker untersucht hat und wo¬ 
rüber er in seiner Schrift: „Disser- 
tatio tumulum cum urnis aliquot in 
Duc. Bremensi inventis..“ berichtet 
hat. Er fand darin verzierte Urnen, 
Metallgeräte, Zangen und einen 
Pferdezahn. Die Urnen und Bei¬ 
gaben befanden sich, siehe Wäch¬ 
ters Angabe, 1841 noch auf der 
Stadtbibliothek in Stade; ich habe 
nicht erfahren können, wo sie 
heute sind. 

Ewa 200 Schritte weiter süd¬ 
lich liegen abermals vier Grab¬ 
hügel, zum Teil sehr grosse, dicht 
beisammen. Der grösste führt im 
Volksmunde den Namen „Uhlen- 



Abb. 1. 2. Beile aus Feuerstein. Uhlenberg. */* nat. Gr. 


berg" (das umliegende Feld führt heute noch den Namen Uhlenkamp, 
früher lag hier ein alter Kiefernwald, dessen letzte Reste ich noch 
kannte). — Den Uhlenberg habe ich 1891 untersucht, er sollte eben¬ 
falls wegen Steingewinnung zerstört werden. Das Grab lag auf dem 
Urboden, in etwa 2 m Tiefe, unter dem Scheitelpunkt des Hügels. An 


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Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven, 


Beigaben fanden sich: zwei sehr schöne, gut geschliffene Steinbeile aus 
hellem Feuerstein (Abb. 1. 2), ein ungewöhnlich schöner, schiffsboot¬ 
förmiger Hammer aus einer stark glimmerhaltigen Gesteinsart (Abb. 3), 
ein vasenförmiges Tongefäss mit Bindfadenverzierung (Abb. 4) und 


Abb. 3. Steinhammer. Uhlenberg. '/* nat. Grösse. 

zwei rohe Feuersteinmesser (Abb. 5. 6). Letztere lagen wohl in einer 
Tiefe, in nächster Nähe, aber nicht unmittelbar mit den Fundsachen zu¬ 
sammen. Von dem erwähnten Hammer Hess sich der Holzstiel bis auf 

f9 eine Länge von 40 cm in der feucht-moorigen 

Erde verfolgen, aber mehr nur als dunkler, 
modriger Strich in der Erdmasse; Stückchen 
aufzuheben war nicht mehr möglich. Nahe dem 
Grabe lag eine grosse Menge verkohlter Eicheln. 
Sie müssen schon bei der Bestattung hinein¬ 
gelegt sein; ein späteres Hineinkommen in 
diese Tiefe erscheint ausgeschlossen, denn es 
liess sich genau erkennen, dass kein Mauseloch 
oder etwas ähnliches von der Fundstelle ab 
nach oben führte, oder auch je nach oben oder 
der Seite geführt hatte — die Schichtung des 
Hügels, aus Heidesoden, war überall deutlich 
erkennbar und intakt erhalten. Sie lagen süd¬ 
lich von der Fundstelle. Erwähnt sei, dass ich 
in ganz gleichen und gleichzeitigen Grabhügeln 
des öfteren südlich der Grabstelle, in gleicher Tiefe lose hingeschüttet 
einen Haufen Holzkohlen fand. 

Auf dem zweiten, halb zerstörten Hügel fand ich vor langen 
Jahren ein kleines Feuersteinmesserchen und eine Ur- 
nenscherbe, die der Bronzezeit angehört. Dieser 
Hügel ist früher durch den Tierarzt Ehlers- 
Soltau geöffnet worden, nach Leutebericht soll j, f 

er hier einen Steinhammer gefunden haben. JE K iE 

Der dritte, nicht sehr hohe, aber dafür sehr 

umfangreiche Hügel zeigte viele Spuren früherer | 0^$} 

Grabungen. Bei der von mir angestellten Unter¬ 
suchung ergab er ein Brand-Bohlengrab; die 
Schicht liess sich, deutlich erkennbar, auf eine 
Länge von drei Metern verfolgen, bei rund 
50 cm Breite; irgendwelche Beigaben fanden sich nicht vor. 

Der vierte Hügel, sehr zergraben, flach, niedrig, umfangreich, ist bisher 
nicht von mir untersucht worden, dürfte aber bei seinem Zustande kaum 
noch irgendwelche Funde ergeben. Auf dem bedeutend höheren Heide- 


Abb. 4. Tongefäss mit Bindfaden¬ 
verzierung. Uhlenberg. 1 5 nat. Gr. 


Abb. 5. 6. Feuersteinmesser. 
Uhlenberg. '/* nat. Gr. 


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264 


Hans Müller-Brauel. 


[3 


rücken auf der Nordseite der Oste liegen insgesamt 10 mehr oder 
minder grosse Grabhügel nahe beisammen, hart an einem alten Strassen- 
zuge. Zweimal kehrt unter diesen die Form der sog. Zwillingshügel wieder. 
Zwei Hügel sind inzwischen durch den jetzt genau darüber führenden Dorf¬ 
weg Brauel-Offensen eingeebnet und verschwunden. Aus einem dieser 
Hügel stammt ein Steinbeil, das ich zurückkaufte (Abbild. 7). Nach Unter¬ 
suchung des Herrn Dr. Gottsche-Hamburg besteht es 
aus einer feinen dichten Dyabasart. Von dem zweiten 
nun eingeebneten Hügel war vor Jahren noch eine 
kleine Anhöhe erhalten; als ich diese untersuchte, fand 
sich eine Steinpflasterung von etwa 1 Quadratmeter 
Grösse, an Fundgegenständen aber nichts mehr. 

Die weiter ab nach Westen liegenden Hügel, dar¬ 
unter ein Zwillingshügel, werden z. Z. eingeebnet; bis 
jetzt ist eine kleine rotgelbe Scherbe zum Vorschein 
gekommen, die ersichtlich einem steinzeitlichen vasen¬ 
förmigen Gefäss angehört. 

Der grösste der Hügel nördlich der Oste, einer der 
grössten überhaupt im Kreise Zeven führt im Volksmunde 
den Namen „Hexenberg“. Er liegt in nächster Nähe 
der beiden ganz abgetragenen Hügel, bildet den süd¬ 
lichen Anfang einer aus noch drei Hügeln bestehenden Gräberreihe, 
welche in gerader Richtung nach Norden führt. Alle diese sind recht 
klein, niedrig und stark zergraben. 

Der Hexenberg sollte 
vom Besitzer Herbst 1890 
aufgegraben werden zwecks 
Gewinnung von Steinen. 

Da erbat ich mir vorher 
die Erlaubnis einer Unter¬ 
suchung gegen Zusicherung, 
alle Steine sorgsam aus¬ 
zulesen. Diese Untersuch¬ 
ung hat höchst interessante 
und wichtige Resultate ge¬ 
bracht, deshalb sei ein¬ 
gehender darüber berichtet. 

Äusserer Befund. 

Der Hügel war vor 
Beginn der Ausgrabung 
ziemlich kreisrund, seinUm- 
fang betrug reichlich 100 

Schritt, sein Durchmesser, hüünu o 

Richtung Süden - Norden Der Hexenberg vor der Aufgrabung mit den Löchern. 

18 ! /2 m, Richtung Osten- 

Westen 20 m, die Höhe, vom Urboden gemessen, gut 3,50 m; er war 
ganz mit Heide bewachsen. Auf seiner Oberfläche zeigte er an neun 
Stellen die Spuren früherer Grabungen, wirklich tief war aber nur der, 
auf der Abbildung 8 mit a bezeichnete Einschnitt, der eine Tiefe von 




Abbild. 7. Hügel, 
nahe beim Hexenberg. 
*/• nat. Grösse. 


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4] 


Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 


265 


ca. 1,25 m erreicht hatte. Wahrscheinlich war hier eine, sich in hiesigen 
Hügeln oft findende Nachbestattung einer Urne, die stets dann in Steinen 
gepackt war, gefunden und dann, in der Annahme, weitere Steine berge 
der Hügel nun nicht, die Grabung eingestellt worden. Bei b fand sich 
eine Scherbe der Latene-Zeit; im Verlaufe der Arbeit wurden an dieser 
Stelle Urnenscherben, Knochen und kleine Eisenbruchstücke gefunden. 
Hier handelte es sich ebenfalls um eine von Steinsuchern zerstörte Nach¬ 
bestattung. Der mit c bezeichnete Einschnitt war ganz neueren Datums 
und von einem alten Schäfer gemacht, der daselbst nach seiner eigenen 
Aussage „einen Topf mit Geld hatte leuchten sehen“, dann aber beim 
Nachgraben nichts gefunden, auch nichts vorgeschichtliches zerstört hatte. 

Ganz oben, im Gipfel des Hügels, fand sich eine arg zertrümmerte 
Urne,* dicht unter der Oberfläche. Sie enthielt eigentümlicherweise keine 
Knochen, sondern ausschliesslich Holzkohle; nach Bestimmung des Herrn 
Dr. Voigt, Assistenten am Hamburger Botanischen Museum, sind es 
Tannenholzkohlen. Die Urne war umstellt mit fünf mässig grossen 
Handsteinen, erhalten ist sie nicht, da der Scherben durch Frostein¬ 
wirkung vollständig zermürbt war. 

Aufbau des Hügels. 

Eigentümlich war der Aufbau des Hügels, sowohl in Hinsicht auf 
grössere und kleinere Steinpackungen als namentlich in bezug auf die 
Erdmasse. Wie aus Abbildung 9 
ersichtlich — die Abbildung 
zeigt die sämtlichen Steinpak- 
kungen des Hügels von oben 
aus gesehen, keine reichte über 
1 m tief hinunter — war der 
Fuss des Hügels von einem 
Kranz von Steinpackungen ein¬ 
gefasst, die aber nicht zusam¬ 
menhingen. Sie bestanden, wie 
überhaupt alle Steinpackungen 
des Hügels, aus nur kopfgrossen 
Steinen. Auch der Mantel des 
Hügels enthielt oft dicht unter 
der Oberfläche viele Stein¬ 
packungen, die aber bis auf 
eine derselben, ohne jeden In¬ 
halt waren. Diese 
eine enthielt in schö¬ 
ner Packung ein 

“ nuviiu. 7. 

kleines, ziemlich roh Hexenberg, die Steinpackungen von oben gesehen. 

geschlagenes Messer 

aus Feuerstein, das ersichtlich in der Mitte der Packung ein- 
Abb. io.‘/tGr. gelegt war (Abbild. 10). 

Feuerstein 5 I n Abbildung 11 ist die Erdschichtung des Hügels dar- 

Heienberg. gestellt. Schon zu Anfang der Ausgrabung — ich wähle 
Für sich in stets den Weg, die Erdmasse eines Hügels ganz von der 
s?einsetzung n Stelle zu bewegen — zeigte sich eine recht regelmässige 

Mannus. Bd. I. H. 3/4. 18 




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266 


Hans Müller-Brauel. 


[5 


Schichtung der Erdmassen. Die Lagerung des schwarzgrauweisslichen 
Sandes (nur auf der Westseite zeigte sich ein Strich harten schwarzen 
Ockers) wurde in Abständen von 4—10 cm von schwarzen, etwa 3 bis 
6 mm dicken Linien durchzogen, nur der Scheitel des Hügels war bis 



Abbild. 11. Hexenberg. Durchschnitt. 


auf eine Tiefe von durchgängig 70 cm ohne diese Linien. Hier hatten 
augenscheinlich Frost und Regen verwitternd eingewirkt. Vom Urboden 
ab wurden an allen Seiten durchgängig 45 solcher Schichten gezählt, 
Schichten, die sich gebildet hatten durch Vermoderung pflanzlicher Stoffe. 

Hier darf man nun wohl bestimmt annehmen, dass die zum Auf¬ 
bau des Hügels verwandte Erde in Körben, oder noch richtiger vielleicht 
in grossen Soden einst zusammengetragen wurde. Da das Zusammen¬ 
tragen in Körben eigentlich lose Erde voraussetzt, die dann ja bei vor¬ 
wärtsschreitender Erbauung zusammengetreten wäre, und nicht in dieser 
Regelmässigkeit die Schichtung bewahrt haben würde, so darf eine Er¬ 
bauung aus abgerissenen oder abgestochenen Soden mit Sicherheit vor¬ 
ausgesetzt werden. Wer einmal Gelegenheit hatte, in früheren Jahren 
eine sog. Miete, wie sie der Landmann errichtete aus Dünger und Heide¬ 
soden, zu sehen und deren Schichtung beachtet hat, wird diesem zu¬ 
stimmen. Nur so konnte auch hier bei einer solchen Schichtung der 
einzelnen Soden sich diese Lagerung bilden. Übrigens spricht noch ein 
weiterer Umstand dafür: die Beschaffenheit mancher Stellen, ja manch¬ 
mal einzelner Soden, die in weissgrauem Sande sonst lagen, war mehr 
oder minder torfartig und entsprach ganz der Oberfläche des nur etwa 
1000 Schritt entfernten „Düngelmoores“. 

Hauptgrab. 

Nicht ganz in der Mitte des Hügels, etwas nach der Ostseite hin, 
in 3 m Tiefe, war das Hauptgrab. Allem Anscheine nach war der Tote 
unverbrannt beigesetzt worden. Es konnten zwar keine Skelettreste 
mehr gehoben werden, aber eine weisslich graue, schmierig fette Erd¬ 
schicht bezeichnete in dem dort moorigen Boden doch noch mit einiger 
Sicherheit die einstige Lage der Leiche. Weiter muss sie einst, der 
Lage der Beigaben nach, in der Längsrichtung Süden-Norden, mit dem 
Kopfe nach Norden beigesetzt sein. Über dieser Leichenrestschicht 
hatten die vorhin beschriebenen dünnen schwarzen Schichtstreifen eine 
bedeutend grössere Dicke, ebenso am Kopf- und Fussende, wo diese 
Streifen, deutlich erkennbar, senkrecht liefen. 

Man wird sich demnach die Bestattung wie folgt vorzustellen haben: 

Auf dem Urboden legte man die Leiche mit sämtlichen Beigaben 
nieder. Dann stellte man besonders grosse Heidesoden um 
dieselbe herum, Steine wurden dazu nicht verwandt; darauf erfolgte 
der Aufbau des ganzen Hügels in der oben weiter beschriebenen Weise. 


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6] 


Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 


267 


Beigaben. 

Als Beigaben fanden sich folgende Gegenstände. An der Ost¬ 
seite des Kopfes ein grosser schwerer Schleifstein aus rotem Granit. 
Die Schleifbahn ist nicht besonders glatt, nur recht wenig hohl ge¬ 
schliffen, also nur kurze Zeit benutzt. Die Ecken des Schleifsteins sind 
teilweise, ebenso wie die Seiten, künstlich abgerundet; dadurch hat der 
Stein eine etwas ovale Form bekommen. Die Länge ist 34 cm, die 
Breite 28 cm. Es könnte erwogen werden, ob nicht der Stein nur zur 
Herstellung des weiter gefundenen Hammers verwandt sei, dann weiter 
nicht benutzt wurde, oder nicht weiter benutzt werden durfte, weil zur 
Herstellung einer Totenbeigabe verwendet, und so in dasselbe Grab 
gelegt wurde. 

An der Westseite des Kopfes stand ein arg zerdrücktes grosses 
Tongefäss (Abbild. 12), mit drei grossen Henkeln. Diese waren der 


Abbild. 12. 


Abbild. 13. 


Tongefäss mit 3 Henkeln. 
Hexenberg. */.. 


Vasenförmiges Tongefäss. 
Hexenberg. l Ji. 




Leiche zugekehrt, also handgerecht für den Liegenden zum Anfassen. 
Das Gefäss ist von einer ganz ungewöhnlichen und sehr seltenen Form, 
kleiner Fuss, weiter Bauch, eingezogener enger Hals. Der Bodendurch¬ 
messer beträgt 9,4, die obere Halsöffnung 14,5, die Höhe 33, der 
Bauchumfang dabei jedoch 91 cm. Die Wandstärke beträgt oben 0,8 
bis 1 cm. Eigentümlicherweise sitzen die drei Henkel einmal auf der 
grössten Bauchbiegung, dann auf einer Hälfte des Gefässes. Die Ver¬ 
zierung weicht völlig von anderen steinzeitlichen Gefässen ab; um den 
Hals des Gefässes bis hinab auf die Bauchbiegung läuft ein Ornament, 
das man als umgekehrte Tannenbäume bezeichnen könnte. Es wieder¬ 
holt sich siebenmal. Auf den Henkeln verläuft eine leichte Rille, die 
wohl durch Fingerstriche hergestellt ist. 


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268 


Hans Müller-Brauel. 


[7 


Mir ist nirgendwo, namentlich nicht mit reinen Steinzeitfunden, ein 
ähnliches Gefäss bekannt geworden J ). 

Besser gearbeitet und gewohnter in der Form ist das zweite vasen¬ 
förmige Gefäss von 24,2 cm Höhe. Es stand an der Ostseite der 
Leiche, 85 cm südlicher. Ist das grosse Gefäss aus grobem, dunkel¬ 
braunen Ton gearbeitet, so dieses aus feinerem gelbroten, der aber 
recht schlecht gebrannt ist. Diesem Umstande ist wohl die schlechte 
Erhaltung zuzuschreiben, — bei der Auffindung war das Gefäss nur ein 

feuchter zermatschter Tonklumpen, erst in 
wochenlangem Suchen gelang der, dann frei¬ 
lich sichere Aufbau des Gefässes. Der Boden¬ 
durchmesser beträgt 7 cm, die obere Öffnung 
18 cm. Als Verzierung sind am oberen 
Rande fünf Reihen Striche eingedrückt; Ab¬ 
bildung 13 zeigt das Gefäss in x /s Grösse, 
Abbildung 14 gibt ein Randstück in natür¬ 
licher Grösse. Gefässe dieser Art und Form 
Abbild. 14. */« Gr. sind in Nordhannover ziemlich häufig ge¬ 

funden, in meiner eigenen Sammlung be¬ 
wahre ich allein aus engem Bezirk fünf heile und Reste von etwa 
ebensovielen, in der Sammlung des Provinzialmuseums stehen zwei, 
von Friedrich Tewes ausgegrabene, aus Hohenaverbergen bei Verden. 
Soweit meine Beobachtungen reichen sind sie fast immer in stein - 
losen Hügelgräbern gefunden, Hügel, die sich durch ihre Grösse und 
oft kegelförmige Gestalt auszeichnen. Bei diesem Gefäss sind die Ver¬ 
zierungen mit einem Stempel oder einem Holzstäbchen in den noch 
feuchten Ton eingedrückt und zwar besteht jeder Strich, wie aus Ab¬ 
bildung 14 hervorgeht, aus zwei, vor, bezw. ineinander gemachten Ein¬ 
drückungen 2 ). 

Diesem Gefäss gegenüber auf der Westseite des Körpers lag der 
in Abbildung 15 gegebene schöne Steinhammer. Nach Untersuchung des 

*) Das Gefäss hat die Form der in Mitteldeutschland so häufigen schnur¬ 
keramischen Amphore, der ja auch die senkrecht gerillten Henkelösen auf der 
Bauchmitte eigentümlich sind und das senkrechte Fischgrätenornament des Ober¬ 
teils, wie bei dem Originale der Abbildung 12 (das nicht mit dem überall aus gleich¬ 
langen Sparren bestehenden Tannenzweigmuster zu vermengen ist), wenigstens 
nicht unbekannt ist (Langenbogen: ‘Merkbuch’des Berliner Museums 2 Taf. II, 18; 
Burgscheidungen: Mitt. a. d. Pr. Mus. Halle II, Taf. IV, 21; Einsdorf: Vorg. Altert, 
d. Pr. Sachsen II, Abb. 57; Grossumstadt: Prähistor. Bll. 1895, Taf. I, 7). Merk¬ 
würdig ist ja die Dreizahl der Henkelösen, die in den rein nordischen Kulturen 
vermieden wird und höchstens in der Weise, wie bei der Amphore vom Hexenberg, 
erscheint, dass die drei Ösen nicht symmetrisch in der Form eines gleichschenkeligen 
Dreiecks verteilt, sondern auf die eine Hälfte des Gefässes beschränkt sind, so 
auch bei einer der schnurkeramischen Amphoren von Einsdorf (Vorg. Altert, d. Pr. 
Sachsen II, Abb. 54). G. K. 

2 ) Dieser hohe Becher mit verjüngtem, abgesetzten Fusse vom Hexenberg 
gehört ebenso wie der vom Uhlenberg (Abb. 4) zu der in diesem Hefte des 
‘Mannus’ von mir behandelten grossen Klasse spätneolithischer Gefässe Nordwest¬ 
deutschlands, die wir einerseits in den schnurkeramischen Gräbern von Hessen- 
Nassau, Hessen-Darmstadt und Südwestdeutschland wiederfinden und die anderer¬ 
seits sich in England und Schottland weiter entwickeln (Mannus I, 232 und 
Taf. XXII). G. K. 



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8 ] 


Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 


269 


Herrn Dr. Gottsche-Hamburg ist er aus einem sehr schönen, dichten, 
kristallinischen Hornblendegestein, das etwas Schwefelkies enthält, ange¬ 
fertigt. Die Länge des Hammers beträgt 13,5, die Dicke, im Bohrloch 
gemessen 3,9, die grösste Breite 
an der Schneide 4,7 cm. Die 
Durchbohrung ist unten und 
oben genau gleichweit, kreis¬ 
rund, mit einem Durchmesser 
von 23 mm, der Rand zu beiden 
Seiten des Bohrloches ist 13, 
resp. 14 mm stark. Die Bohrung 
selber ist sehr glatt und sauber, Abbild. 15. Hammer: Hexenberg. •/. Gr. 
nur einige schwache Rillen 

sind im Innern bemerkbar. Zu beiden Seiten des Bohrloches zeigt 
der Hammer einen feinen, etwa halb durchgehenden alten Sprung. Bei 
der Auffindung war er so weich, dass er mit einem Messer hätte ge¬ 
schnitten werden können, eine unbedeutende Verletzung rührt von einem 
Spatenstiche her. Die untere Seite war bei der Auffindung mit einer 
ziemlich dicken rostbraunen Erdkruste bedeckt, die ich zunächst für zer¬ 
gangenes Eisen hielt. Nach Untersuchung des Herrn Dr. Gottsche war 
es aber eine Art Alaunerde, die sich am Gestein infolge der Zersetzung 
des darin enthaltenen Schwefelkieses gebildet hat. 

Zwischen diesen beiden Fundstücken, etwas höher, also ver¬ 
mutungsweise im Gürtel oder auf der Brust lag das unter Abbildung 16 
gegebene, 14,2 cm lange und etwa 2 cm breite Messer aus graublauem 
Feuerstein. Beide Seiten sind in ihrer ganzen Länge durch je einen 
Schlag hergestellt, die scharfen Kanten zeigen nur wenige und kleine 
Scharten, viel benutzt kann es demnach nicht sein. 

Weitere Beigaben fanden sich trotz genauer Untersuchung 
nicht vor. 

Ehe ich nun an die Frage der Zeitstellung des Hügels 
gehe, möchte ich hier einer Anzahl interessanter Feuerstein¬ 
splitter und Feuersteingeräte gedenken, die sich zerstreut in der 
Erdmasse des Hügels fanden. 

Schon zu Anfang der Ausgrabung zeigten sich hie und da, 
in loser Erde, auffallend viele Feuersteinsplitter, bald einfache 
Sprengstücke und natürliche Knollen, dann aber auch solche, die 
unzweifelhafte Spuren von Bearbeitung trugen. Um völlig sicher 
zu gehen, liess ich jeden auftauchenden Feuersteinsplitter, 
ganz gleich ob Natur- oder Kunstprodukt, aufsammeln. Eine 
nachherige Sortierung der ganzen Masse, wohl an drei Kilo, 
ergab 30—40 Stücke, die entweder sichere Spuren einer Be¬ 
arbeitung zeigten, oder aber als Geräte oder als misslungene 
Geräte mit einiger Sicherheit anzusprechen sind. Auf der bei¬ 
gegebenen Tafel (Taf. XXXVI) habe ich die grössere Anzahl 
dieser Stücke abgebildet. Gefunden sind sie durchgängig in 
einer Tiefe von etwa 1,50 m unter der Oberfläche. 

Ein Versuch, die Stücke nach Formen zu sortieren, zwecks 
besserer Auswahl der abzubildenden Stücke, ergab, wenn man 
will, folgende Formenreihen: 



Abb. 16. 1 laG r. 
Hexenberg. 
Messer. 



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270 


Hans Müller-Brauel. 


[9 


1. Nummer 1—4, rohe Feuersteinstücke, mit sicheren Spuren der 
Bearbeitung; 1—3 messerförmig. Zum Teil ist noch die ursprüngliche 
Kalkkruste des Feuersteines erhalten. 

2. Nummer 5, Schaber aus weissgrauem Feuerstein, mit scharfer, 
dünner Schneide. 

3. Nummer 6—18, Messerchen oder Pfeilspitzen. Nummer 8 ist 
im Feuer gewesen und ganz weiss gebrannt, es lag in 1,40 m Tiefe. 

4. Nummer 18—22. Bei diesen Stücken könnte man glauben, 
unvollendete Pfeilspitzen mit breiter Querschneide vor sich zu haben. 
Gemeinsam ist ihnen allen eine obere dünne scharfe Kante, und ein 
unteres dickes Ansatzende. Die Schlagmarken auf der Unterseite sind 
immer deutlich vorhanden. 

5. Nummer 23, ein Feuersteinstück, das teilweise noch die Kalk¬ 
kruste hat. Untere Seite grob abgesprungen, mit deutlicher Schlagmarke, 
obere Seite hat ebenfalls deutliche Bearbeitung. Ob beabsichtigt war, 
daraus eine blattförmige Lanzenspitze herzustellen? 

6. Nummer 24 und 25. Beide Stücke sind sicher als kleine Keile 
aufzufassen. Fig. 25 auf Unterseite glatt (schief rund abgesprungen), 
zeigt nur an der Schneide daselbst Schlagmarken. Die obere Seite 
ist, wie Abbildung erkennen lässt, ganz bearbeitet. 

7. Nummer 28—38. Eine Anzahl Splitter, Knollen, usw. teilweise 
mit sicheren Spuren von Bearbeitung. 

Mir schienen diese Stücke so wichtig, dass ich die hauptsächlichsten 
derselben hier auf der beigegebenen Tafel in Abbildung gebe. Ich be¬ 
gnüge mich mit der Feststellung, dass alle Stücke in der losen Erde 
des Hügelaufbaues gefunden sind. Meiner Ansicht nach dürften wir in 
diesen Stücken Gebrauchsgegenstände vor uns haben, die zu Mahlzeiten 
während der Arbeiten des Hügelaufbaues benutzt wurden. In sehr kurzer 
Zeit zurechtgeschlagen wurden sie entweder nach Gebrauch als wertlos 
hingeworfen und kamen so in den Hügel, oder aber man könnte denken, 
es seien diese Stücke nun durch den Umstand, dass sie zu Mahlzeiten 
benutzt wurden, die einem Toten galten, für anderweitige Benutzung 
nicht mehr in Frage gekommen —also Zeugnisse des Totenkults im weiteren 
Sinne. Vielleicht kann man ja noch einen Schritt weiter gehen. Ich 
habe oben weiter absichtlich betont, dass einmal der Schleifstein, als 
auch Hammer und Messer aus dem Grabe sehr wenig oder gar nicht 
benutzt seien im praktischen Leben. Es könnten aber diese Stücke 
ebensogut Dinge sein, die von vornherein nur als Grabbeigaben hergestellt 
wurden. Nun sind unter den verschiedenen Knollen und Messerchen 
solche, die der Farbe nach sehr gut aus demselben Feuersteinknollen 
hergestellt sein können, als das Messer, das dem Toten mitgegeben 
wurde. Die Stücke haben dieselbe weisslich graublaue Farbe und zeigen 
im Bruch und Sprung die gleichen Eigenheiten, Eigenschaften, die unter 
diesen Umständen vielleicht doch mehr als zufällig sind. Auch stände 
ja der Annahme, dass man die Reste des Knollens, aus dem das Mes¬ 
ser geschlagen war, nachher über den Totenhügel ausgestreut hätte, nichts 
an sich entgegen. Ein Aneinanderfügen aller bei der Arbeit zurück¬ 
gelegten Stücke blieb freilich ergebnislos. Für eine Verwendung unserer 
Stücke bei Totenmahlzeiten dürfte m. E. das eine im Feuer gewesene 
Feuersteinmesserchen sprechen. Auch der Umstand, dass in der Erd- 


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10] 


Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven. 


271 


masse des Hügels, und zwar in solcher Tiefe und in unberührten 
Schichten, dass ein späteres zufälliges Hineinkommen als ausgeschlossen 
gelten kann, sich Kohlen fanden, dürfte für abgehaltene Totenschmau¬ 
sereien sprechen. Die Kohlen sind nach Untersuchung im Laboratorium 
des Botanischen Museums Hamburg Eschenholzkohlen — bemerkt sei, 
dass heute hier in unseren Dörfern die Esche verhältnismässig recht 
selten ist. 

Aus der Gesamtmasse dieser roh geschlagenen Feuersteingeräte 
dürfte aber der Schluss zu ziehen sein, dass solche ziemlich rohen und 
einen hochaltertümlichen Eindruck machenden Stücke noch in verhältnis¬ 
mässig später Zeit—wie wir gleich sehen werden— gearbeitet wurden. 
Wohnstätten, in denen also ein solche Ware vorherrschend ist, dürfen 
deshalb nicht ohne weiteres der urältesten Zeit zugewiesen werden 1 ). 

Erinnern will ich hier nur noch daran, dass sich roh geschlagene 
Feuersteingeräte oft in Grabhügeln der älteren und auch noch vereinzelt 
in denen der jüngeren Bronzezeit finden. Ja, in sächsischen Urnen, 
Völkerwanderungszeit, finden sie sich noch recht häufig. In dem von 
mir entdeckten und ausgegrabenen Urnenfriedhofe dieser Zeit zu Hees¬ 
lingen, Kreis Zeven, der 70 Gefässe und viele zerstörte lieferte, lag 
in über 40 Urnen ein roh geschlagenes Messerchen oder anderes Stück 
aus Feuerstein. Merkwürdigerweise zeigte bei diesem Friedhofe ein fein 
und spitz zugeschlagenes Messerchen oben in loser Erde meist die dar¬ 
unter in der Tiefe sitzende Urne mit ziemlicher Sicherheit an: es 
machte den Eindruck, als ob bei der Bestattung etwa ein Pfeil über der 
beigesetzten Urne in den Boden gesteckt sei. 

Für die Frage der Zeitstellung des Hügels ist natürlich 
nur das Hauptgrab mit den beschriebenen Beigaben massgebend, und 
hierunter besonders die Tongefässe. Form und Verzierung des vasen¬ 
förmigen Gefässes kennen wir hier aus Steindenkmälern, die der jüngeren 
Steinzeit angehören — aus dem zerstörten Steindenkmale zu Godenstedt, 
Kreis Zeven (das nur seiner Decksteine beraubt war, als ich zugezogen 
wurde), hob ich neben Beilen und Dolchen von Feuerstein, neben Bern¬ 
steinperlen und schön ornamentierten charakteristischen Scherben dieser 
Periode ein Gefäss, das diesem hier sehr ähnlich ist, wenn auch die 
Ornamentik noch den älteren steinzeitlichen Gefässen etwas näher steht. 

Die übrigen Gefässe dieser Form, die ich aus Grabhügeln hie¬ 
siger Gegend hob, zeigen bis auf zwei, die reines Bindfadenornament 
haben, gleiche Verzierungsweise. Die damit zusammen gehobenen Bei¬ 
gaben sind aber ganz gleichartig; mit den Gefässen mit Bindfadenver¬ 
zierung wurden je zwei Hämmer, zwei Beile und ein kleines unverziertes 
Näpfchen gefunden, mit den übrigen Gefässen je ein Beil, ein Messer und 
einmal ein Dolch von Feuerstein. In Oldendorf, Kreis Zeven, woher 
ich nur eine einzige Scherbe eines solchen Gefässes aus einem dort 
zerstörten Hügelgrabe erhielt, soll ein Bronzebeil damit zusammen ge¬ 
funden sein; mit völliger Sicherheit ist aber dieser Fund als ein Fund 

*) Der Verfasser hat die Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen, dass diese 
m. E.-sicher älterneolithischen Feuersteingeräte bereits Jahrtausende in der Erde 
sich befanden, als sie zusammen mit den sie umschliessenden Heidesoden oder 
mit der lose aufgetragenen Erde beim Aufbau des Hügels zufällig mitverwendet 
wurden. G. K. 


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272 Hans Müller-Brauel: Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen usw. [11 


nicht zu belegen, umsomehr, da das Beil an einen wandernden Händler 
verkauft wurde und so nicht erhalten blieb. 

Jedenfalls aber dürften diese Gräber und namentlich auch der hier 
beschriebene „Hexenberg“ bei Brauel-Offensen, ziemlich an das Ende 
der jüngeren Steinzeit zu setzen sein 1 ). 

Sagen möchte ich noch, dass diese Hügel mit beschriebenem Grab¬ 
inventar hier wenigstens immer ohne Steinbau im Innern sind, sich oft 
in der nächsten Nähe eines noch vorhandenen oder vorhanden gewesenen 
Steindenkmals finden und zwischen Elbe und Weser ziemlich häufig sind, 
in einzelnen Gegenden, so nach der Elbe zu, sogar als sehr häufig 
vorkommend bezeichnet werden müssen. Immer zeichnen sie sich aus 
durch ihre bedeutende Grösse und auch von weitem schon durch ihre 
bestimmte mehr kegelförmige Gestalt gegenüber den mehr runden brust¬ 
gewölbten bronzezeitlichen Hügeln. 

J ) Der Ausdruck ‘ziemlich an das Ende der jüngeren Steinzeit’ ist sehr glück¬ 
lich gewählt, denn so spät auch diese Gräber mit den schlanken Fussbechern fallen 
— dass sie nicht die allerletzte Phase der spätneolithischen Periode darstellen, 
beweist die Parallele mit den jütischen ‘Einzelgräbern’, die nach S. Müller die 
sich ablösenden Stufen der Untergräber, Bodengräber, Obergräber und Oberstgräber 
A, B aufweisen, von denen die letztgenannten Oberstgräber schon gleichzeitig mit 
den frühstbronzezeitlichen Gräbern vom Aunetitz-Leubinger Typus sein dürften. 
Der schöne Streithammer vom Uhlenberg (Abb. 3), der dem Typus 77 in Soph. 
Müllers Ordning, Stenalderen, entspricht, zeigt, dass das zugehörige Grab der Stufe 
der frühesten jütischen Bodengräber entspricht (Aarböger f. nord. oldk. 1898, 230 ff.). 

G. K. 


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HW 


Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag), Würzburg 

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am Wege Brauel-Offenzen, 






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Möritzscher Funde. 


Urnengräberfunde aus der Leipziger Tieflandbucht. 
Mit 2 Tafeln. 

Von Karl Waase, Neu-Ruppin. 


In Heft 1/2 des „Mannus" bespricht Herr Professor Dr. Kossinna 
auf Seite 159 und 160 „Die La Tene-Funde der Leipziger Gegend" von 
Karl Jacob. Am Ende der Besprechung werden auf Seite 160 auch 
einzelne Fundstücke meiner Privatsammlung erwähnt. In der obigen 
Schrift ist nur ein Teil meiner Funde angeführt worden, da aber die 
gesamten, zum Teil recht interessanten Gegenstände meines Privat¬ 
besitzes für die Allgemeinheit von Interesse sein dürften, so möchte 
ich dieselben im folgenden der Öffentlichkeit übergeben. 

Annähernd in der Mitte der Chaussee Leipzig-Merseburg liegt 
1 km nördlich von der Landstrasse das Örtchen Möritzsch, Kr. Merse¬ 
burg. Das Gebiet zwischen Dorf und Chaussee wird im Volksmunde 
„Tiefenbreite" genannt. In dieser Feldbreite zieht sich eine Mulde 
(Tiefe) entlang, die von Grossdölzig aus bis nach Günthersdorf zu ver¬ 
folgen ist. Die Mulde ist äusserst reich an vorgeschichtlichen Funden 
aller Zeiten. (Vergleiche neben der Jacobschen Schrift auch die Arbeit 
von F. Max Näbe, Die steinzeitliche Besiedelung der Leipziger Gegend 
unter besonderer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde, besprochen im 
Mannus I, 158). 

An einer Stelle der Tiefenbreite, der jetzigen Horburger Gemeinde¬ 
sandgrube (500 m südlich von Möritzsch), befindet sich eine Begräb¬ 
nisstätte. Vor ungefähr neun Jahren wurde diese Grube das erste Mal 
geöffnet; dabei stiess man auf eine Anzahl Urnen, die leider fast alle 
vernichtet wurden. Nur ein kläglicher Rest fand Schutz im Hallischen 
Provinzialmuseum (durch Herrn Kantor Nothnagel-Horburg). Das von 
Jacob auf Seite 24 erwähnte Gefäss gehört jedenfalls zu diesem Rest. 

Im Frühjahre 1906 wurde das letzte Stück der Sandgrube abge¬ 
tragen. Am 8. Februar fand man drei Gefässe. Sie standen in einer 
Tiefe von 80 cm direkt auf den Sandsedimenten. Zwei davon sind lei¬ 
der vollständig zerstückelt und ihre Scherben verstreut worden, eine 
Urne dagegen ist zur grossen Hälfte und mit Inhalt erhalten geblieben. 
Ihr oberer Rand hat einen Durchmesser von 19 cm. Diese Weite be- 


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274 


Karl Waase. 


[2 


hält der Hals ungefähr 4 cm bei, dann erweitert er sich kaum merk¬ 
lich , um sich nach unten halbkugelig zu schliessen. Die Qesamthöhe 
beträgt ungefähr 12 cm. Das Äussere zeigt nichts Hervorzuhebendes. 
Das Innere war noch zur Hälfte mit Asche und Knochenresten gefüllt, 
unter den letzteren befanden sich viele Schädel- und Rippenteile, auch 
Röhrenknochen (Tibia und Ulna-Reste). Tafel XXXVII, 1 a stellt das 
rekonstruierte Gefäss dar. Der Ton hat grau-braune Farbe, die Aussen- 
seite ist stark geglättet. 

Die beiden anderen Gefässe scheinen keine Leichenreste enthalten 
zu haben, sie bildeten vielleicht Beigaben. — Höchst interessant sind 
die Fragmente der einen Urne. Zwei grosse und eine Reihe kleinerer 
Scherben befinden sich in meinen Händen. Tafel XXXVII zeigt in 1 b und 
1 c die Details der beiden grossen Bruchstücke (1 b siehe auch Jacob, 
Tafel III, 21). Die Scherben genügen, um ein Bild der ganzen Urne 
zu geben. In ihren Massen ist sie ungefähr dem obenbeschriebenen 
Grabgefässe gleichgekommen. Ihre Ausführung beweist eine hochent¬ 
wickelte Keramik. Das Gefäss hat Schüsselform. Der obere Rand 
ist glatt, nach aussen abgeschrägt und hier mit einem kleinen Wulst 
versehen. Der Hals der Urne, der oben seinen grössten Durchmesser 
hat und nach innen etwas eingezogen ist, hat eine Höhe von 6 cm. 
Er ist mit schön geschwungenen Henkeln verziert. In jedem derselben 
hängt ein festgebrannter tönerner Ring. Der Scherben Tafel XXXVII 
1 b gibt uns auch Aufschluss, wie der Tonring im Henkel befestigt wurde. 
Zunächst brannte man die Ringe, dann wurde das Gefäss aus weichem 
Ton geknetet, hierauf wurden die Henkel geformt und nachdem man 
in jeden derselben einen Ring gehängt hatte, steckte man den Henkel 
durch zwei Löcher in das Gefäss. Innen am Halse drückte man die 
Tonstreifen nietenartig fest, und nun wurde der so fertiggestellte Topf 
gebrannt. Am oberen Halsrande ist rechts und links vom Henkel je 
eine knopfartige Verzierung angebracht. Von jedem Knopfe geht senk¬ 
recht nach unten bis zum Halsende ein perlschnurartiges, aus vier kleinen 
Kreisen bestehendes Ornament. Der untere Halsrand ist mit einem 
aus ebensolchen Kreisen bestehenden Bande umgeben, sämtliche Kreise 
sind kongruent, sie sind mit einem dünnen Schilfstengel oder starken 
Grashalme eingedrückt worden. Vom Halsende aus wendet sich die 
Wand des Gefässes in einem stumpfen Winkel nach aussen, um sich 
dann schnell in kleinerem Winkel nach unten zu schliessen und dem 
Ganzen einen tellerartigen Abschluss zu geben. Nach den vorhandenen 
Bruchstücken ist es am wahrscheinlichsten, dass das Gefäss die Form 
gehabt hat, welche die Rekonstruktion in Tafel XXXVII, 1 d wiedergibt. 
Karl Jacob bezeichnet das Gefäss als „die Nachbildung eines (hall- 
stätter?) Bronzegefässes“, Kossinna schreibt ihm „charakteristische Merk¬ 
male der späteren Kaiserzeit" zu und nimmt nach mündlicher Mittei¬ 
lung mit Sicherheit das einstige Vorhandensein dreier Henkel an. 

Die Fragmente der zweiten Beigabe weisen auf ein Tonnengefäss 
hin. Wir veranschaulichen auf Tafel XXXVII drei der grösseren Scherben in 
1 e, 1 f und 1 g, sowie die Rekonstruktion des Gefässes in 1 h. Diese 
Urne ist mit Strichornamenten, die parallel mit der Grundfläche gehen 
und jedenfalls durch Fingernageleindrücke hervorgerufen worden sind, 
verziert. Beigaben konnten bei dem bis jetzt beschriebenen Grab 1 


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3] 


Möritzscher Funde. 


275 


nicht ermittelt werden, in der Nähe wurden zwei bearbeitete Feuerstein¬ 
stücke (Schaber) gefunden, die wohl kaum zu dem Grabe gehören 
dürften. 

Den Inhalt von Grab 2 stellt die Abbildung 2a auf Tafel XXXVII dar. 
Das Grabgefäss ist eine Fussurne aus glattem, graubraunen Ton. Sie 
stand unverpackt in 90 cm Tiefe auf den Sandschichten. Der obere 
Durchmesser beträgt 17, der Fussdurchmesser 4 */*» die Höhe 13 cm. 
Die Urne fiel, wie die folgenden alle, beim Heben auseinander und 
musste aus vielen Stücken zusammen geleimt werden. Das Innere war 
bis an den oberen Rand mit grobem Leichenbrand gefüllt. Zwischen 
den Leichenresten lagen drei Stücke von Bronzebeigaben. Zwei Teile 
gehören zusammen; sie haben, wie mir Herr Professor Kossinna mit¬ 
geteilt hat, zu einer Schildfessel gehört*). Der grössere Teil ist mit 
einem aufgenieteten Bronzekegel und mit Kreisen verziert. Wir bilden 
ihn von oben und von der Seite gesehen in natürlicher Grösse ab 
(Tafel XXXVII, 2 b und 2 c), ebenso das kleinere Stück (2 d). Die 
dritte Bronzebeigabe ist ein Kettenrest. In einem Ringe befinden sich 
drei Glieder. Tafel XXXVII, 2e zeigt ein Glied von hinten, 2f von vorn und 
2 g das ganze Stück in natürlicher Grösse. Nicht weit von dieser Urne 
lag in gleicher Tiefe der Fussrest eines zweiten Gefässes mit breiterer 
Basis (Tafel XXXVII, 2 h). Das Grab wurde am 12. Februar 1906 auf¬ 
gedeckt. 

Grab 3 veranschaulicht Tafel XXXVIII, 3 a. Das schüsselförmige 
Gefäss ist aussen stark geglättet und schwarz gefärbt. Den Hals zieren vier 
Horizontalfurchen, durch diese entstehen zwei wulstige Ringe. Bei einer 
Höhe von 16 cm beträgt der obere Durchmesser 26 und der grösste 
Umfang 88 cm. Zwischen dem groben Leichenbrand fand sich ein 
Eisenbeigabenrest, derselbe rührt anscheinend von einer Fibel her. Er 
ist insofern interessant, als sich am Eisen, da, wo sich die Spirale der 
Fibel befindet, das Stück einer Muschelschale als Verzierung angebracht 
ist. Tafel XXXVIII, 3 b und 3 c illustrieren die Beigabe von der Vorder- und 
Rückseite in natürlicher Grösse. Das Grab wurde am 26. Februar 1906 
in 1 m Tiefe aufgedeckt. Professor Kossinna bezeichnet diesen Fund 
als „offenkundiges Latene-Grab“. 

Grab 4 und 5. Am 4. März desselben Jahres stiess man in 
einer Tiefe von 1,10 m auf zwei nebeneinanderstehende Graburnen. 
Dieselben sind aussen mittelbraun, innen hellbraun gefärbt, aussen stark 
gerauht, innen geglättet. Das erste Gefäss zerbröckelte trotz der an¬ 
gewandten grössten Vorsicht beim Ausheben so sehr, dass nur zwei 
Bodenreste geborgen werden konnten (Tafel XXXVIII, 4 a und 4 b). 
Das Grab 5 konnte einigermassen erhalten werden (Tafel XXXVIII, 5 a). Die 
Urne hat folgende Dimensionen: Oberer Durchmesser 22 Vs, grösster 
25, unterer 12 V* cm, Höhe 15 cm. Die Leichenreste beider Gefässe 
sind äusserst roh gebrannt. Grab 4 hatte als Beigabe den Rest einer 
eisernen Fibel. Tafel XXXVIII, Figur 4c und 4d bildet diesen in natürlicher 


! ) Schildfesseln mit solchen fingerhutförmigen Bronzenietköpfen gehören haupt¬ 
sächlich dem 2. Jahrh. nach Chr. an, erscheinen aber au di schon am Ende des 
1. Jahrh., ebenso noch am Beginne des 3. Jahrh. Dieses Grab braucht also nicht 
wesentlich älter zu sein, als Grab 1. G. K. 


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276 


Karl Waase: Möritzscher Funde. 


[4 


Grösse in Vorder- und Rückansicht ab. Im fünften Grabe befand sich 
ein schön erhaltener eiserner Gürtelhaken; von dem dazu gehörigen 
Ringe war nichts zu entdecken (Tafel XXXVIII, Figur 5 b nat. Grösse). 
Beide Urnen enthielten neben der Eisenbeigabe je einen Scherben mit 
gleicher Bogenverzierung. Sie stammen jedenfalls von einem Gefäss 
(Tafel XXXVIII, 4e und 5 c). Die Ornamentik erinnert an das von 
K. Jacob auf Tafel XXI abgebildete Gefäss. 

Die späteren Funde von Möritzsch sind in die von Jacob ange¬ 
führten Privatsammlungen übergegangen. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Taf XXXVII. 


Waase, Möritzscher Funde. 


Curt Kabitzsch (A, Stuber’s Verlag) Würzburg. 


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Taf. XXXVIII. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. 


Waase, Möritzscher Funde. 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag) Würzburg. 


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Eine neue Bronzebüste eines Germanen. 

Von Anton H ekler, Budapest. 

Mit 1 Abbildung im Text. 


Die beistehend in natürlicher Grösse abgebildete Bronzebüste 
stammt aus O-Szöny (Brigetio) und befindet sich gegenwärtig im Be¬ 
sitze des Herrn A. Milch in Komorn (Komärom, Ungarn), wo ich sie 
im Frühjahr dieses Jahres mit anderen Kleinbronzen zusammen in Müsse 



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278 


Anton Hekler. 


[2 


studieren konnte. Ich kann es nicht versäumen, dem Besitzer für seine 
Liberalität und für die gütigst erteilte Erlaubnis der Publikation auch 
an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen. 

Die Büste, welche die ganze Brustpartie und die beiden Schultern 
einschliesst, ragt aus einem breiten Blattkelch empor. Schon die Durch¬ 
bildung der dargestellten Körperteile weist auf einen älteren Mann von 
sehnig hagerer Struktur: der Brustkorb ist mager, eingefallen und die 
Schultern fallen vom Nacken steil herab. Auf diesem Oberleib sitzt 
ein bärtiger Kopf mit länglichem Gesicht, dessen ruhig kontemplativer 
Ausdruck eine klare Intelligenz und ein objektives Anschauungsvermögen 
zu verraten scheint. Die Haare sind am Hinterkopf kurz geschnitten r 
am Oberkopf dagegen lang wachsen gelassen. Dieses lange Haar ist 
von hinten flach anliegend nach der rechten Seite herübergekämmt und 
über der Schläfe zu einem dicken wulstigen Knoten geschlungen. Das 
ist die charakteristische Haartracht der Germanen, wie man sie aus den 
Schriftquellen erschlossen und auch in unserem Denkmälervorrat durch 
viele Beispiele belegt vorgefunden hat. Da das einschlägige Material 
vor kurzem in den Bonner Jahrbüchern (1909, Heft 118, 1 S. 63 ff.) 
von A. von Salis eingehend und mit reichen literarischen Hinweisen 
besprochen wurde, so glaube ich mich hier nur auf das Notwendigste 
beschränken zu müssen. 

Ganz frappant ist die Analogie unseres Germanenkopfes mit den 
Germanendarstellungen am Tropaion von Adamklissi I ). Diese Verwandt¬ 
schaft im Ausdrucke und in der Durchbildung sowie die Art der Arbeit 
führt mich darauf, die Büste in das 1. Jh. nach Chr. zu datieren. Die 
grosse Büstenform ist kein Hindernis für diese Ansetzung in die frühe 
Kaiserzeit. Für die grosse Büstenform, die aus dem Blattkelch empor¬ 
taucht, haben wir ja schon aus claudischer Zeit in der bekannten sog. Kiytia 
den schlagendsten, sicheren Beleg 2 ). Überhaupt führt die genaue Durch¬ 
forschung der römischen Büsten immer mehr zu der Erkenntnis, dass 
die grosse Büstenform nicht erst in der trajanisch-hadrianischen Epoche 
entstanden ist. Die künstlerische Vorstellung, die Büste aus einem 
Blattkelche emportauchen zu lassen, konnte nur in der hellenistischen 
Zeit entstehen. Sie ist ein reizvoller Spross jener künstlerischen Richtung, 
die mit kühner, erfinderischer Phantasie menschliche und tierische Formen 
mit pflanzlichen Motiven im Bilde organisch zu verbinden versuchte und 
die dann in den pompejanischen Wandmalereien mit tollem Übermut 
eine ganze Welt der Unmöglichkeiten dem Betrachter entgegenführt 3 ). 
Die Büste, die unten mit einem Blattkelch ansetzt, ist in der Kunst der 
römischen Kaiserzeit reichlich verwendet worden. Ich begnüge mich mit 
dem Hinweis auf einige Beispiele: Kopenhagen, Ny-Carlsberg Glyptothek 
Nr. 664 (Domitian) und Nr. 671 (Trajan; hier ist am Büstenfuss ein 
Akanthuskelch angebracht) usw. 

Unsere Büste kann als ein neuerlicher Beleg dafür betrachtet wer¬ 
den, welch starke Anziehungskraft das Erfassen fremder Völkertypen 
für die römischen Künstler gehabt hat. Dieses lebhafte Interesse für 

') Furtwängler: Das Tropaion von Adamklissi T. VI, 1. 

2 ) C. Smith: Catalogue of sculpture No. 1874 PI. XIV. 

3 ) Für alles Nähere kann ich auf meine Ausführungen im Jahrbuch des kais. 
deutschen arch. Instituts 190J S. 28 ff. verweisen. 


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3] 


Eine neue Bronzebüste eines Germanen. 


279 


die charakteristischen physischen und psychischen Eigenschaften fremder 
Völkerschaften haben die Römer als eine glänzende Erbschaft der helle¬ 
nistischen Kunst übernommen. Allein auch dafür ist unser Germanen" 
bildnis ein schöner Beweis, dass sie dieselbe Aufgabe mit einer von der 
griechischen völlig verschiedenen Auffassung zu lösen verstanden haben. 
Haben wir in der einzigen erhaltenen hellenistischen Germanendarstellung 
eine leidenschaftliche, überaus aktiv-pathetische Natur vor uns, so liegt 
andererseits bei den Germanenbildnissen der römischen Kunst das Haupt¬ 
gewicht in der klaren Akzentuierung eines ernsten, ruhigen, ethisch¬ 
kontemplativen Daseins. Mit diesem Gegensätze haben wir den funda¬ 
mentalen Unterschied berührt, der überhaupt das hellenistische und das 
römische Porträt voneinander trennt. Darauf näher einzugehen soll 
indes einer anderen Gelegenheit Vorbehalten werden. 


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Ergebnis meiner Wallforschung auf dem 
Breitenberge bei Striegau in Schlesien. 

Von Oberlehrer Hermann Schmidt in Löbau i. S. 

Mit 2 Textabbildungen. 


Gelegentlich meines Ferienaufenthaltes in Striegau stellte ich mir 
Michaelis 1906 die Aufgabe, den vorgeschichtlichen Wall auf dem Breiten¬ 
berge bei Striegau zu untersuchen. Die Erlaubnis zum Graben wurde 
mir unter der Bedingung erteilt, dass ich etwaige wichtige Funde ab¬ 
liefern solle. 

Aus der Broschüre „Die Striegauer Berge in naturwissenschaftlicher 
und geschichtlicher Beziehung von J. Zimmermann“ (Striegau 1892), 
sowie aus Behla: „Die Rundwälle im östlichen Deutschland“, Seite 167, 
entnahm ich, dass schon oft in dem Walle geforscht wurde, und durch 
den Werkmeister des Basaltsteinbruches, Herrn Rohner, erfuhr ich, dass 
im Jahre vorher Herren vom Schlesischen Altertumsverein in Breslau 
im Walle gruben und etliche Kisten mit gefundenen Scherben mitnahmen. 

Der südliche Teil des Walles ist durch die Basalt-Steinbrucharbeiten 
längst verschwunden; die übrigen Teile werden infolge der Erweiterung 
des Steinbruches voraussichtlich demselben Schicksal verfallen. Die 
Länge des westlichen Wallarmes betrug (1906) 135 m, die des östlichen 
Armes nur noch 120 m. (Abb. 1.) 

Zufolge der Abtragungsarbeiten seitens der Steinbrecher zeigte 
der westliche Arm eine scharfabgestochene, senkrechte Schnittwand 
von 1,85 m Höhe. Sie ähnelte vollständig den Schnittflächen, die sich 
mir in den gewöhnlichen slawischen Erdwällen (ohne Schlacken) in der 
Oberlausitz boten. Die Scherben darin trugen als Verzierung die sla¬ 
wische Wellenlinie. Recht deutlich zeigte sich das Kopfende eines ver¬ 
kohlten, 28 cm im Durchmesser haltenden Baumstammes, der in der 
Längsrichtung des Walles lag. 

In dem bereits abgetragenen, zu beiden Seiten des Walles hin¬ 
geworfenem Erdreich lagen zwischen slawischen Scherben auch solche 
aus vorslawischer Zeit. 

Interessanter erschien mir der östliche Wallarm, in dessen Nähe 
einzelne Schlacken verstreut waren. Weil ich hier keine deutliche 
Schnittwand vorfand, grub ich mit Hilfe meines Schwiegersohnes (Prä- 
parandenlehrer Fritz Pollack) eifrig an vier Tagen einen senkrechten 
Querschnitt bis auf den Grund und zeichnete ihn genau nach Mass ab. 


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2] 


Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau, 


281 



Grundriss des slawischen Walles auf dem Breitenberge bei Striegau in Schlesien. 

Nach einer Zeichnung von Fritz Pollack. 

Masstab 1 : 1000. 


Die Schnittfläche hatte eine Länge von 7 m und eine Höhe von 1,20 m. 
(Abb. 2.) 

I. Was ich in diesem Wallarme fand. 

1. Auf dem Grunde, also auf dem gewachsenen Boden unterhalb 
des eigentlichen Walles, lagen in einer Schicht von ca. 15 cm einzelne 

Mannus. Bd. I. H. 3,4 19 


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282 


Hermann Schmidt. 


[3 


Scherben ohne Verzierung aus vo rslawischer Zeit. (Abb. 2.) An einer 
Stelle befanden sich ziemlich viel beisammen. Leichenbrand und andere 
Funde beobachtete ich darin nicht. 

2. Die darüberliegende, meist lockere, 20 bis 25 cm starke Erd¬ 
schicht enthielt Asche, etliche Scherben aus slawischer Zeit, ziemlich viel 
Knochen und ein 7 cm langes Bruchstück eines eisernen Messers (an 
das Schlesische Altertumsmuseum in Breslau abgeliefert), ln dieser 
Erdschicht zeigte sich schräg nach aussen eine runde, 18 cm im Durch¬ 
messer haltende Höhlung, die ich für einen Fuchsgang hielt. 

3. Über dieser zweiten Schicht erhob sich der eigentliche Schlacken¬ 
wall, der ganz ähnlich aufgebaut worden ist, wie man seine slawischen 
Namensvetter in der Oberlausitz errichtete. Die Basalt-Schlacken lagen 
in der Mitte des Walles und zogen sich in der Längsrichtung hin. 

Unter den Schlacken lagerten grössere, flache Steine, die mit 
einer ca. 10 cm starken Schicht dunkler Asche bedeckt waren. Die 
unversehrte Schlackenschicht hatte unten eine Breite von 1,50 m und 
eine Höhe von ca. 60 cm. Im oberen Teile waren die Schlacken 
verwühlt. 

Rechts von der Schlackenschicht zeigte sich mit ihr in gleicher 
Höhe sehr deutlich ein senkrechter, 60 cm breiter Streifen von rotge¬ 
glühter Erde nebst kleinen, ebenfalls rotgeglühten Steinen. Noch weiter 
rechts (nach aussen zu), bestand der Wall nur aus aufgeschüttetem, 
totem Erdreich, ähnlich wie in den Schlackenwällen der Oberlausitz. 
Als ich jedoch an dieser Stelle noch mehr vom Walle abstach, um einen 
vollständigen Querschnitt zu erhalten, stiess ich — was ich nicht er¬ 
wartet hatte — auf weissgeglühte Erde, über der in aschenreicher Erde 
ein 50 cm langes, 6 cm starkes, rundes Stück Kohle lag. Daneben 
und darüber kam noch verschiedenes verkohltes Holz zum Vorschein. 

Links von der Schlackenschicht suchte ich vergeblich die rotge¬ 
glühte Erde, wie sie sonst in senkrechtem Streifen zu beiden Seiten 
der Schlacken vorkommt. Dafür befand sich dort schräg nach oben (in 
der Richtung zum Wallkessel) ein Streifen teils weissgeglühter, teils 
rotgeglühter Erde nebst einzelnen geglühten Steinen. Weiter links 
folgte unter der inneren Wallböschung, und zwar unter grösseren Steinen, 
eine mit Asche und Kohle durchsetzte Erdschicht, die viel Knochen und 
Scherben mit der slawischen Wellenlinie enthielt, wie dies bei den 
Oberlausitzer slawischen Wällen überall zutage tritt. Auffallend waren 
einzelne Schlacken, die in der unteren Hälfte der innern Wallböschung 
mehr oberflächlich lagerten. 

Im oberen Teile war der Wall in seiner ganzen Breite 20 bis 
30 cm tief zerstört. 

Anmerkung. Weder im westlichen, noch im östlichen Wallarme war eine 
Spur von einer einst freistehenden, aus Holz errichteten, mit Erde und Steinen 
ausgefüllten sogenannten „gallischen Mauer“ zu sehen, wie solche in neuerer Zeit — 
glücklicherweise nur von sehr vereinzelten Forschern — von allen Wällen, ins¬ 
besondere auch von den verschlackten, generalisierend angenommen wird. Wer 
jahrelang mit Hacke und Spaten unbeeinflusst in den slawischen Wällen eingehend 
• geforscht und das Innere derselben mit seinen meistens recht massigen Erd- und 

Steinanhäufungen nebst den Kulturniederschlägen (Knochen, Scherben, Pflaster, 
Estrich etc.) kennen gelernt hat, der wird sich wohl niemals zu dieser Ansicht be¬ 
kehren lassen. Ganz abgesehen davon, dass den Slawen im 6. Jahrhundert es 
noch am Geschick und am Handwerkszeuge mangeln mochte, um gezimmerte Ge- 


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4] 


Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau. 


283 


rüste aufzuführen, kann ich mir nicht denken, 
dass eine aus Holzbalken hergestellte, mit 
Querriegeln versehene, mit Erde und Steinen 
ausgesetzte, mehrere Meter starke „Mauer“ (?) 
durch und durch brennt und dabei so intensiv 
glüht, dass die im Innern liegenden Steine 
schmelzen und verschlacken. Und wenn dies 
wunderbarerweise dennoch geschähe, wie er¬ 
klärt sich alsdann die rotgeglühte Erde zu 
beiden Seiten der Schlackenschicht ? 

II. Meine Ansicht über diese 
vorgeschichtliche Stätte. 

1. Die Benutzung des Berges in 
vorslawischer Zeit. 

Die früher auf dem Breitenberge 
gefundenen Bronzegegenstände: Pfeil¬ 
spitze, Nadel, Bruchstück eines Ringes 
und Beil (Pollack: „Das prähistorische 
Gewand des Breitenberges bei Striegau“. 
— Striegau 1906 —, S. 7), sowie haupt¬ 
sächlich die in der untersten Erdschicht 
gehobenen Scherben aus vorslawischer 
Zeit beweisen sicher, dass der Breite¬ 
berg schon vor den Slawen benutzt 
wurde. Ob hier eine Siedelung war, 
wie auf dem Löbauer Berge in der 
Oberlausitz, oder ob man nur auf der 
Höhe die Toten bestattete, vermag ich 
vorläufig nicht zu beurteilen. Die unter 
dem Walle in der untersten Erdschicht 
vielfach vorkommenden Scherben ohne 
Leichenbrand lassen mich allerdings an¬ 
nehmen, der Berg habe in v o r slawischer 
Zeit als Wohnstätte gedient. Die Toten 
würde man in diesem Falle am Ab¬ 
hange des Berges bestattet haben, was 
eine Notiz im Zimmermann (Seite 18) 
bestätigen könnte, welche lautet: „dass 
vor zwei Jahren (d. i. 1754) an dem 
sogenannten Breiten Berge, bei Ge¬ 
legenheit einiger daselbst entdeckter 
Urnen“. 

Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, 
dass man auf dem Berge wohnte und 
zugleich auf ihm die Toten begrub. 
Durch Nachgraben im Wallkessel dürfte 
man aber schwerlich hierüber Aufschluss 
finden, weil durch die spätere Benutzung 
des Berges die Humusschicht vollständig 
durchwühlt sein mag. 


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Masstab 1 : 




284 


Hermann Schmidt. 


[5 


Anders verhält es sich mit der untersten Schicht unter dem Wall¬ 
ringe, wo die Erde noch unversehrt liegt, wenigstens soweit sie nicht 
durch die Slawen beim Bau des Walles durchgraben wurde. Auf diese 
Stelle müssen die Forscher ihr Augenmerk richten, wenn volle Klarheit 
erlangt werden soll. 

Durch einen Steinwall scheint die Siedelung in vorslawischer Zeit 
nicht befestigt gewesen zu sein, wie Mertins in seinem Wegweiser durch 
die Urgeschichte Schlesiens, S. 73, annimmt; denn Spuren davon zeigten 
sich an den beiden Schnittflächen nicht. 

2. Die Benutzung des Berges in slawischer Zeit. 

Die überall im eigentlichen Wall ringe gehobenen Scherben mit 
der typischen Wellenlinie, das Bruchstück eines im unteren Teile des 
Walles gefundenen eisernen Messers und der ganze Aufbau des Walles 
bezeugen sicher, dass diese Anlage eine von den Slawen errichtete, 
befestigte Siedelung war, die durch Feuer zerstört wurde. 

Wie ich bereits im 2. Bande (1. und 2. Heft) der Jahreshefte der 
Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz dar¬ 
gelegt habe, denke ich mir die Entstehung einer solchen slawischen 
Wohnungsanlage folgendermassen: 

Nachdem während der Völkerwanderung die hier sesshaften Stämme 
die Gegend verlassen hatten, zogen gegen die Mitte des ersten christ¬ 
lichen Jahrtausends slawische Familien, bez. Sippen aus den ausge¬ 
dehnten Ebenen Russlands truppweise mit ihrem Vieh in das leer¬ 
gewordene oder höchstens nur noch sehr schwach bewohnte Gebiet ein. 

Hatte eine Familie oder eine Sippe einen ihr zusagenden, erha¬ 
benen, von der Natur geschützten Punkt, wie den Breitenberg, als 
Wohnplatz erkoren, so baute sie am Rande der Höhe ihre einfachen 
Hütten aus Holzstangen und Baumstämmen, zuweilen mit Lehmbewurf. 
Zum Schutze gegen die Winterkälte schüttete sie an die hintere Wand, 
wie auch zu beiden Seiten, soviel Erde und Steine auf, dass die Hütte 
davon nicht nur überragt, sondern sogar bedeckt wurde. So glich die 
Wohnung einem höhlenartigen Raume, in welchem die Insassen während 
des Winters vor Kälte und bei Regenwetter vor Nässe vollen Schutz 
fanden. 

In gleicher Weise errichtete man daneben Ställe für das Vieh und 
die Räume zur Aufbewahrung der Vorräte an Getreide, Stroh usw. 
Zum Schutze gegen Wind und gegen feindliche Überfälle wurde der 
Wall noch kreis- oder hufeisenartig fortgesetzt und nach und nach er¬ 
höht, so dass die Hütten nebst Ställen, Schuppen und Scheunen nach 
aussen gänzlich geschützt waren. (Weil die Erde aus der nächsten 
Umgebung genommen wurde, so ist es nicht ausgeschlossen, dass mit 
dem Erdreich auf dem Breitenberge auch Scherben aus vorslawischer 
Zeit in die Umwallung gerieten. Deshalb ist es leicht möglich, dass 
einzelne vorslawische Gefässfragmente neben solchen aus slawischer 
Zeit in den oberen Teilen des Walles gefunden werden.) 

So glich auf primitive Weise die Anlage einem abgeschlossenen 
grossen Bauernhöfe oder einem Rittergute mit seinen Wohnhäusern, 
Wirtschaftsgebäuden, Hofmauern und Toren. 


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6] 


Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau. 


285 


Immerhin musste eine solche Höhlenwohnung auf dem Breiten¬ 
berge ziemlich feucht sein, weil man zur Umwallung keinen trockenen 
Lehm verwenden konnte, der die Feuchtigkeit nicht durchgelassen hätte. 

Aber man verstand es, sich dadurch zu helfen, dass man das zum 
Walle verwendete Gestein und Erdreich teilweise ausglühte. 

Ob man dies in einem offenen Graben in der Längsrichtung des 
Walles hinter den eigentlichen Wohnräumen durch jenes Verfahren er¬ 
reichte, wie ich es im ,,Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft 
f. Anthr., Ethn. u. Urgesch.“, XXXVII. Jahrg., No. 9/11 (1906) — und 
in „Die vorgeschichtlichen Rundwälle in der Amtshauptmannschaft 
Löbau i. S.“ beschrieb, oder ob die Austrocknung (Verschlackung) da¬ 
durch erzielt wurde, dass man im Graben abwechselnd viel kleines 
Holz und Steine sehr locker schichtete, mit Erde bedeckte und das 
Holz entzündete — ähnlich, wie Mauersteine aus Lehm in einer Feld¬ 
ziegelei gebrannt werden — will ich dahingestellt sein lassen. 

Auf jeden Fall geschah die beabsichtigte Ausglühung zwischen 
Erdwänden, denn sonst würde die zu beiden Seiten der Schlacken¬ 
schicht lagernde Erde mit den Steinen nicht rot geglüht sein, und die 
Intensität der Farbe würde nicht allmählich abnehmen, je weiter das 
Erdreich von den Schlacken entfernt liegt. 

In dieser Beziehung unterscheidet sich der zum Teil verschlackte 
Wall auf dem Breitenberge durch nichts von den Schlackenwällen der 
Oberlausitz (Schmidt: „Die vorgeschichtlichen Rundwälle in der Amts¬ 
hauptmannschaft Löbau i. (S.“ Löbau, Olivas Buchhandlung 1909; und 
Jahreshefte der Ges. f. Anthr. und Urgesch. der Oberlausitz, Bd. II, 
S. 165—241.) 

Wäre die Anlage auf dem Breitenberge nicht in späterer Zeit 
wiederholt benutzt und dadurch an der Oberfläche durchwühlt worden, 
so würde man sich von der Richtigkeit meiner Behauptung leicht über¬ 
zeugen können. 

Nun aber ist die obere rote Schicht längst vernichtet, und sogar 
der obere Teil der Schlackenschicht ist auseinander geworfen worden. 
Deshalb wundert es mich nicht, wenn es bei Zimmermann auf Seite 19 
heisst: „Die angeschmolzenen Steine liegen nicht schichten- und reihen¬ 
weise, wie bei einer Mauer, sondern sind ganz regellos im Walle auf¬ 
gehäuft“. 

Bei weiterem Abbau des verschlackten Teiles wird der aufmerk¬ 
same Beobachter die geglühte Erde zu beiden Seiten der unver¬ 
sehrten Schlackenschicht leicht finden. 

Dass an dem Querschnitt, den ich grub, das geglühte Erdreich 
links nicht senkrecht stand, sondern sich nach oben schräg zum Wall¬ 
kessel zog, erkläre ich mir so: bei der Einäscherung des Wohnraumes 
gab die schwache Wand zwischen Hütte und Schlackenschicht nach und 
neigte sich nebst den Schlacken in der Richtung zum Wallkessel. 

Die zutageliegenden Schlacken an der inneren Wallböschung sind 
keinesfalls an der Stelle entstanden, wo sie jetzt liegen, sondern sind 
von der Wallkrone aus dorthin verwühlt worden. 

In den Wällen der Oberlausitz fand ich, dass sich die Wohnräume 
stets nur an die innere Seite des Wallringes lehnten; auf dem Breiten¬ 
berge scheint jedoch — wenigstens an der Stelle, wo ich rechts von 


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Hermann Schmidt. 


[7 


der Schlackenmauer auf Asche, Kohle und weissgeglühte Erde stiess — 
ein Wohnraum auch nach aussen gelegen zu haben. 

Die Herdfeuer brannten in den slawischen Wällen im Freien, in 
der Mitte des Wallraumes, wo man für gewöhnlich die Scherben der 
beim Kochen zerbrochenen Gefässe in grosser Zahl findet. Weil auf 
dem Breitenberge an denselben Stellen wahrscheinlich schon in vor¬ 
slawischer Zeit gekocht wurde, so ist es selbstverständlich, dass hier 
vor slawische und slawische Scherben durcheinander gefunden werden. 

Das Wasser entnahmen die Burgwallbewohner einer brunnen¬ 
artigen Vertiefung, die sie an der tiefsten Stelle des Wallkessels in den 
Felsen gruben. Auf dem Breitenberge ist dieses tiefe Wasserloch bereits 
vor einer Reihe von Jahren dem Steinbruche zum Opfer gefallen, wie 
mir ein Herr aus Striegau mitteilte, und wie es Zimmermann auf Seite 31 
andeutet. 

Zimmermann berichtet auf Seite 19 seiner Broschüre, dass im 
Walle zwei gut erhaltene kleine Näpfchen gefunden wurden, wovon das 
eine zur Hälfte mit angebrannten Gerstenkörnern gefüllt war. Hieraus 
ist zu schliessen, dass die slawischen Bewohner des Breitenberges 
Ackerbau trieben, wie dies von den Burgwallbewohnern der Oberlausitz 
zufolge der wiederholten Getreidefunde bekannt ist. 

Als der Breiteberg im Laufe der Zeit durch das Anwachsen der 
Sippe nicht mehr genügenden Platz bot, verliessen einzelne Familien 
den Wall und bauten sich im Tale an einem Fusse an, woselbst sie 
ihrer Hauptbeschäftigung, der Viehzucht und dem Ackerbau, bequemer 
nachgehen konnten, und als durch Zufall oder in kriegerischer Zeit die 
hölzernen Wohnungen im Walle niederbrannten, verliessen auch die an¬ 
deren Wallinsassen den erhabenen Ort und siedelten sich ebenfalls im 
Tale an, wodurch allmählich die slawischen Dörfer entstanden. 

Infolge des Feuers stürzten die mit Erdreich bedeckten höhlen¬ 
artigen Hütten im Walle ein. Erde, Steine, Kohle und Asche bedeckten 
nun die eingeäscherte Wohnstätte. 

Alles, was sie an Wirtschaftsniederschlägen verwahrte, erhielt sich 
unter der trockenen Erdschicht auf dem Grunde des Walles, weshalb 
bei vorsichtigem Abtragen des aufgeschütteten Wallringes unter der 
inneren Wallböschung nicht nur Scherben und Knochen, sondern auch 
eiserne Geräte, Spinnwirtel etc. gefunden werden dürften. 

Beim bisherigen Abtragen des Walles mag schon mancher eiserner 
Gegenstand achtlos weggeschaufelt worden sein, weil man ihn mit seinem 
gelbbraunen, dicken Oxydüberzuge für geglühten Lehm hielt. Wollten 
doch die beiden Herren, welche zugegen waren, als ich das Bruchstück 
eines eisernen Messers fand, durchaus nicht glauben, dass es Eisen sei. 
Um sie von meinem Funde zu überzeugen, blieb mir weiter nichts 
übrig, als den Rost an der einen Stelle vorsichtig bis auf den eisernen 
Kern abzuschaben. 

Wie ich von den Burgwällen der Oberlausitz annehme, dass sie 
in der Zeit vom 6. bis 8. Jahrhundert erbaut und benutzt wurden, so 
bin ich auch betreffs des Walles auf dem Breitenberge der Ansicht, 
dass seine Errichtung und Benutzung in diesen Zeitraum fällt. 

Ist meine Annahme richtig, dass sich die Slawen bei ihrer Ein¬ 
wanderung befestigte Wohnungen auf Höhen anlegten und erst später 


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8] 


Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau. 


287 


von dort aus die Täler an den Flussläufen besiedelten, so haben wir 
reichlich Stoff, um uns ein Bild von dem Kulturzustande während der 
ersten Jahrhunderte der rein slawischen Besiedelung Schlesiens (und 
der Oberlausitz) zeichnen zu können und sind nicht mehr auf Vermu¬ 
tungen angewiesen, wie Mertins (Seite 126) schreibt. 

3. Die Benutzung des Berges im Mittelalter. 

Auch im Mittelalter scheint der Breiteberg als Wohnplatz gedient 
zu haben; denn die auf dem Berge gehobenen, im Breslauer Alter¬ 
tumsmuseum aufbewahrten Eisensachen deuten darauf hin, wie Axt, 
Sporn, Pfeilspitze und Stück eines Hufeisens (Pollack, S. 8). 

Ebenso bieten die von Zimmermann (S. 19) erwähnten Brakteaten, 
sowie die meissnischen und böhmischen Groschen Belege dafür. 

Obgleich ich keine Scherben aus dieser Zeit hob, so ist doch nicht 
ausgeschlossen, dass solche schon gefunden wurden oder noch zum 
Vorschein kommen werden. 

(Die von Zimmermann (S. 19) angeführten menschlichen Skelette 
nebst den eisernen Lanzenspitzen geben keinen Anhalt für die Zeit¬ 
bestimmung, weil die genaue Angabe der Fundstelle nicht bekannt ist). 

4. Die Benutzung des Berges in späterer Zeit. 

Der Breiteberg hat nicht nur in vorgeschichtlicher Zeit und während 
des Mittelalters eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen ausge¬ 
übt, sondern er lockte auch in späterer Zeit die Bürger Striegaus herbei. 

Befand sich doch — nach dem Berichte Zimmermanns (Seite 30) — 
im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts auf ihm eine kleine Bergrestau¬ 
ration in Gestalt eines Sommerhauses nebst einer Kegelbahn und 
Lindenallee. 

Für den gewissenhaften Forscher ist es nicht unwesentlich, dass 
er auch davon Kenntnis nimmt, weil ihn sonst etwaige Funde von 
Resten jener Anlage zu falschen Schlüssen verleiten können. 

Ergebnissätze. 

1. Schon in vorslawischer Zeit wurde der Breiteberg benutzt und 
zwar allem Anscheine nach als Wohnplatz. (Von einer Umwallung aus 
jener Zeit ist keine Spur vorhanden.) 

2. Um die Mitte des ersten christl. Jahrtausends erwählten die 
zuerst in Schlesien eingewanderten Slawen den Berg als Wohnstätte, 
bauten auf ihm am Rande ihre höhlenartigen Erdhütten und errichteten 
dadurch den Wall, den sie teilweise verschlackten, um trockene Wohn- 
räume zu erhalten. 

3. Auch im Mittelalter scheint der Berg bewohnt gewesen zu sein, 
weil aus jener Zeit Eisensachen und Münzen gehoben wurden. 

4. Am Anfänge des 19. Jahrhunderts befand sich auf ihm eine 
kleine Bergrestauration nebst einer Kegelbahn und einer Lindenallee. 

-Auf jeden Fall bietet der Breiteberg für den Altertumsforscher ein 

äusserst interessantes Arbeitsfeld, und es ist erfreulich, zu hören, dass 
sich die Direktion des Schlesischen Altertumsvereins die weitere Er¬ 
forschung dieser vorgeschichtlichen Stätte zur besonderen Aufgabe ge¬ 
stellt hat. 


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Vorgeschichte 

des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 

Von Th. Voges, Wolfenbüttel. 


Nicht Klosterurkunden und Stiftschroniken, auch nicht Orts- und 
Flurnamen bilden die einzigen Quellen für die älteste Geschichte unserer 
Dörfer, bedeutsamer noch sind die vorgeschichtlichen Altertümer, die 
der Boden getreulich bewahrt hat, die Steingeräte und Bronzesachen, vor 
allen die schlichten Urnen mit ihren Beigaben. Alles dies sind zwar un¬ 
scheinbare und geringfügige Gegenstände, aber als gleichzeitige und un¬ 
anfechtbare Zeugen für uralte Siedelungen unersetzlich. Längst haben 
darum diese Reste aus der Vorzeit Beachtung gefunden, und mancher 
eifrige Sammler hat wertvolle Schätze zusammengebracht. Wenige Orte 
gibt es im braunschweigischen Lande, die, was die Zahl der vorgeschicht¬ 
lichen Funde anbetrifft, sich mit Beierstedt messen können. Dies Dorf, 
zum Amte Schöningen gehörig, liegt am südlichen Fusse des Heeseberges, 
und seine Feldmark erstreckt sich bis zum Grossen Bruche hin, das von 
der Ilse und Oker bis zur Bode reicht. Nicht die Stätten, die bereits 
in vorkarolingischer Zeit genannt werden, wie Ohrum und Schöningen, auch 
nicht die Dörfer, deren Name allein schon auf die uralte Zeit hinweist, 
wie Wittmar oder Salzdahlum, haben solchen Reichtum an vorgeschicht¬ 
lichen Fundstücken aufzuweisen wie Beierstedt, und selbst die Orte, 
deren Feldmarken längst als ergiebige Sammelstätten solcher Sachen 
gelten, wie Lelm, Halchter und Lauingen, bleiben doch in dieser Beziehung 
weit hinter Beierstedt zurück. Es ist das Verdienst des Herrn A. Vasel, 
dass sein Heimatdorf heute so bedeutsam dasteht. Zu Ende des Jahres 
1888, als er neben Kunstwerken und Altertümern auch vorgeschichtliche 
Gegenstände zu sammeln begann, waren solche wohl aus den benachbarten 
Dörfern Watenstedt und Jerxheim bekannt, von der Beierstedter Flur 
war bis dahin nur eine Steinaxt und eine römische Emailperle vorhanden. 
Doch wussten sich die älteren Bewohner dort noch zu erinnern, dass 
in den sechziger Jahren beim Rübeneinmieten auf einem Acker west¬ 
lich vom Dorfe ein Steinkistengrab entdeckt worden war. Innen lag ein 
Skelett, neben welchem einige Tongefässe standen, auch zwei Stein¬ 
geräte waren beigegeben; ausserdem soll noch ein Bronzeschwert mit 
im Grabe gelegen haben. Niemand wusste freilich, wo diese Sachen 
geblieben waren, niemand sonst kannte Steingeräte oder Bronzesachen. 


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2] 


Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 


289 


Das wurde nun bald anders, als Herr Vasel sein Augenmerk auch auf 
dieses Gebiet lenkte. Heute liegen in seinen Schränken wohl an 70 
Steingeräte, die auf Beierstedter Feldmark aufgenommen wurden. An 
Einzelfunden aus Bronze sind freilich nur 3 Stück vorhanden, wie ja 
denn im nordharzischen Hügellande die Metallsachen überall in der 
Minderheit bleiben. Dazu kamen nun aber sehr bald die für die Kultur¬ 
geschichte des Landes so wichtigen Gräber mit ihrem Tongeschirr, ihren 
Bronze-, Eisen- und Glasbeigaben. An drei Stellen in der Nähe des 
Dorfes sind Skelettgräber der frühen Bronzezeit aufgedeckt oder doch 
wenigstens gespürt worden. Auf dem Sandberge, östlich vom Orte, liegt 
ein Plan des Herrn Vasel. Hier wurde in einem Steinlager neben 
einem Skelett eine Säbelnadel und ein offenes Manschettenarmband 
aufgenommen, dazu fand sich hier ein zierliches Henkelgefäss, eine Tasse 
vom Aunjetitzer Typus. Die zweite Stelle liegt westlich vom Dorfe auf 
dem Kleinen Höckels, das Ackerstück heisst „Am Holzwege“ und gehört 
dem Ackermann Herrn W. Lohl. Auch hier kamen drei Gefässe zutage, 
die dem genannten Formenkreise angehören. Die dritte Stelle liegt im 
Westen nahe am Dorfe und zugleich an der Soltau, das Feld heisst 
„Im Möhlensdale“; sein Besitzer ist der Ackermann Herr H. Giltner. 
Es lieferte eine Tasse, wiederum von Aunjetitzer Art. 

Aus der Hallstattzeit stammt dann das Urnenfeld, das westlich 
vom Dorfe auf dem Groten Höckels liegt, einer Erhebung, die jetzt 
Kleiberg, ehemals aber auch Hakelberg genannt wurde. Der Plan ge¬ 
hört dem Ackermann Herrn Fr. Siemann. Der Friedhof hier erstreckt 
sich von Süden nach Norden in einer Länge von etwa 66 m; er ist unge¬ 
fähr 30 Ar gross und enthielt 68 Gräber, deren weitaus grösste Zahl 
aus Steinkisten mit Steinpackung nach Art der Gräber von Villanova 
und Bismantova bestand. Es wurden aus ihnen etwa 75 Gefässe nebst 
Schmucknadeln, Armringen, Messern aus Bronze erhoben; Eisen war 
nur ganz wenig vorhanden, dagegen fanden sich Perlen in nicht geringer 
Zahl. Wahrscheinlich ist dies Gräberfeld noch grösser, denn 30 Schritte 
westlich wurde später noch eine Kiste mit Steinpackung entdeckt, die 
eine doppelt gehenkelte Urne enthielt*). 

Ausser den Steinkisten auf dem Groten Höckels haben sich 
auffallenderweise auch Gräber an solchen Orten gefunden, wo man 
solche gar nicht vermutete. Oben auf dem Heese stand im Abraume 
des Müllerschen Steinbruches ein grosser Topf, in dem sich ein Napf 
befand, der wiederum einen kleinen Becher umschloss. Es sind dies 
Gefässe der Hallstattzeit, wahrscheinlich war es eine Urne mit Bei- 
gefässen. 

Ausserdem wurde altes, zerbrochenes Geschirr gefunden unten auf 
dem Haferkampe, einem Plane, dicht vor den Wiesen des Grossen 
Bruches, der ehemals sumpfiges Gelände war. Erhalten ist ein flacher 
Napf, der jedoch zu wenig ausgesprochene Merkmale hat, um ihn einer 
bestimmten Zeit zuweisen zu können. Gewiss hat auch hier eine Sie- 

! ) Einige Urnen und Beigefässe nebst Bronze- und Eisenbeigaben sind ab¬ 
gebildet in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Jahr¬ 
gang XXVII (1894) Tafel I—IV. Die Fundstücke hat Herr A. Vasel dem Herzogi. 
Museum zu Braunschweig überwiesen. 


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290 


Th. Voges. 


[3 


delung bestanden. Was den Beierstedter Funden einen ganz besonderen 
Wert verleiht, ist dies. Die Gräber, die man auf den Feldmarken 
anderer Dörfer unseres Landes geöffnet hat, stammen — auch selbst 
wenn sie in grösserer Zahl vorhanden sind — immer nur aus einer 
einzigen Periode; so gehören die Urnen von Lauingen nur der Latene- 
Zeit an, während das Gräberfeld von Lelm-Räbke in das dritte und 
vierte nachchristliche Jahrhundert gewiesen werden muss. Die Funde 
von Beierstedt dagegen stammen, wie schon angedeutet wurde, aus ver¬ 
schiedenen Zeiten. Die zahlreichen Steingeräte sind meist neolithisch, 
und da sie sich auf der ganzen Feldflur zerstreut vorfanden, so darf 
man wohl daraus schliessen, dass die Leute der Steinzeit noch keine 
geschlossene Ortschaft bewohnten, sondern dass ihre Koten vereinzelt 
hier und da lagen. So wird es auch noch in der frühen Bronzezeit 
gewesen sein, da ja, wie bereits bemerkt, die Gräber sich an drei ver¬ 
schiedenen Stellen befanden, deren Entfernung voneinander die An¬ 
nahme eines gemeinsamen Friedhofes ausschliesst. So beträgt der 
Zwischenraum zwischen den Gräbern auf dem Sandberge und dem am 
Holzwege 1340 m, und dieses ist von der Fundstelle auf dem Giltnerschen 
Acker an der Soltau ungefähr 240 m entfernt. Dagegen liegen die 
68 Gräber auf dem Groten Höckels so dicht beisammen, dass sie einen 
gemeinsamen Friedhof gebildet haben, und dieses Gräberfeld legt den 
Gedanken nahe, dass unweit dieser Stätte schon zur Hallstattzeit ein 
Dorf mit aneinander geschlossenen Höfen bestanden hat. Es kann kaum 
ein Zweifel darüber sein, dass diejenigen, deren Brandreste hier Grab 
an Grab beigesetzt sind, auch im Leben nachbarlich beieinander ge¬ 
wohnt haben, Hof an Hof. Und bei der geringen Entfernung dieses 
Gräberfeldes vom letzten Gehöfte des Dorfes — es sind 397,5 m — 
ist anzunehmen, dass dies Hallstatt-Dorf da gelegen hat, wo heute 
Beierstedt liegt. Die Stätte war mit Umsicht gewählt und bot den 
Siedlern mancherlei Vorteile. Im Rücken erhob sich der Hees, der 
ehemals wohl bewaldet war, wie es andere benachbarte Höhen noch 
jetzt sind 1 ). An seinen Abhängen breiteten sich fruchtbare Ackerflächen 
aus, und Quellen lieferten für Menschen und Vieh Wasser 2 ). Anger 
und Weiden, die sich zur Niederung hinabzogen, boten den Herden 
gute Weide. In zahlreichen Windungen zog die Soltau dahin, und das 
sumpfige Gelände dieses Baches war in Verbindung mit dem nahen 
Bruche ein wirksamer Schutz gegen plötzliche Überfälle von Süden her. 
Wie dies Hallstattdorf hiess, weiss niemand, sein Name ist für immer 
verschollen; auch Spuren und Anzeichen der einstigen Bewohnung haben 
sich nicht erhalten, kein Herd, kein Küchengeschirr, kein Hausgerät. 

0 Dass der Hees früher mit Gehölz bedeckt war, darf vielleicht schon aus 
dem Namen geschlossen werden; von Leo, Müllenhoff und Walther wird das Wort 
als Wald. Busch und Gestrüpp erklärt. R. Andree, Braunschweiger Volkskunde 2 , 
S. 99. Übrigens trug der Hees ums Jahr 1803 noch Buschwerk. Hassel u. Bege, 
Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg II, 86. Dagegen hat 
der Holzweg westlich vom Dorfe damit nichts zu tun; den Weg benutzen die Beier¬ 
stedter, wenn sie aus dem Eime Holz holen wollen. 

*) Früher entsprang eine Quelle am Südabhange des Heeseberges, deren 
Wasser durch das Dorf floss. Um das Jahr 1850 gab es im Orte selbst, so vor dem 
Vaselschen Hofe, noch mehrere Quellen. Eine speiste den Teich, der im Südosten 
des Dorfes lag. 


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4] 


Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 


291 


Der Grund und Boden, wo die alten Koten gestanden, ist ja auch nicht 
in Ruhe geblieben, Brandschutt hat ihn überlagert, und Keller wurden 
angelegt. 

Ausser dem Dorfe mit seinen dicht aneinander gerückten Höfen 
mögen wohl vereinzelt hier und da sowohl in der Höhe am Berge, wie 
in der Tiefe am Bruche noch Siedelungen vorhanden gewesen sein, wie 
die Funde auf dem Heese und auf dem Haferkampe anzudeuten scheinen. 

Wie lange dies Hallstattdorf an der Soltau bestanden hat und ob 
es noch in den folgenden vorgeschichtlichen Zeiträumen bewohnt ge¬ 
wesen ist, wissen wir nicht, wenigstens vorläufig nicht. Der Friedhof 
auf dem Groten Höckels hat nur Altertümer, die der Hallstattzeit an¬ 
gehören, Latene-Sachen fehlen. Solche sind weder hier noch sonst wo 
auf der Feldmark gefunden. Sind die Bewohner ausgewandert, oder 
haben sie die Brandreste ihrer Toten anderwärts eingesenkt? Sind die 
Gräber aus den folgenden Perioden, wie ja so häufig geschehen ist und 
noch immer geschieht, zerstört oder stecken sie noch irgendwo verborgen 
in der Erde? Wenn aber auch die nächstfolgenden Zeiten stumm und 
leer sind, so ist doch schwerlich die Stätte unbewohnt geblieben. Kärg¬ 
liche Anzeichen liegen vor, dass in römischer Zeit doch hier Siedelungen 
vorhanden waren. So wurde auf dem Giltnerschen Acker, wo das 
Henkeltöpfchen der frühen Bronzezeit gelegen hatte, der Fuss eines 
römischen Bronzegefässes oder eines Kandelabers gefunden, und auf 
den Feldern lagen hier und da zerstreut Glas- und Emailperlen aus 
römischen Fabriken. Ferner fanden sich wiederholt Wirtel, deren 
Form ebenfalls auf die römische Kaiserzeit hinweist. Aus der Völker¬ 
wanderungszeit und den letzten Jahrhunderten vor dem grossen Sachsen¬ 
kampfe ist dann gar nichts mehr vorhanden, kein Geschirr, keine Fibel, 
keine Waffe. 

Plötzlich, ohne dass vorher der Name des Dorfes in Chroniken 
und Annalen genannt wird, taucht in den klösterlichen Urkunden der 
Name Begerstede auf; es ist eins der bedeutsamsten Dokumente, 
worin er zuerst verzeichnet ist. Die Markgräfin Gertrud, die Brunonin, 
stiftete 1115 das Ägidienkloster zu Braunschweig und begabte es u. a. 
mit zehn Hufen in Begerstede 1 ). Zwölf Jahre später wird es aber¬ 
mals und zwar villa Beyerstede genannt 2 ). Wenngleich nun erst 
damals das Vorhandensein von Beierstedt urkundlich bezeugt wird, so 
ist es doch als Dorf gleichen Namens weit älter. Nach Arnold stammen 
die Orte, die auf -statt ausgehen, aus dem 5. bis 8. Jahrhundert 3 ). 
Ein Mann, dessen Name Begheri oder ähnlich lautete, erscheint als 
sein Gründer oder — wie man jetzt wohl richtiger sagen muss — als 
der Wiederhersteller des Dorfes. Wer vor etwa einem Menschenalter 
die Geschichte von Beierstedt in der Art der früheren Ortschroniken hätte 
schreiben wollen, würde gewiss mit dem Jahre 1115, allenfalls mit 
der Gründung der Dörfer, deren Namen auf -stedt ausgehen, ange- 


*) Urkunde des Kaisers Lothar vom Jahre 1134. Orig. Guelficae II, 519. 

2 ) Urkunde Herzog Heinrich des Löwen für das Kloster Riddagshausen. — 
Ich verdanke diese Nachricht gütiger Mitteilung des Herrn Geheimen Archivrates 
Zimmermann. 

3 ) W. Arnold, Studien zur Deutschen Kulturgeschichte. S. 71. 


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Th. Voges. 


[5 


fangen haben; heute müsste der Verfasser nicht nur die Gründungszeit 
dieser Siedelungen, also die letzten vier Jahrhunderte der vorgeschicht¬ 
lichen Zeit ins Auge fassen, wiewohl ja ausser dem Ortsnamen nichts 
weiter vorliegt, sondern auch, trotz der noch vorhandenen Lücken, bis in die 
Bronze- und Steinzeit zurückgehen. Somit würde die Geschichte des 
Dorfes keine acht Jahrhunderte, sondern fast 4000 Jahre umfassen. 
Dabei unterliegt es kaum einem Zweifel, dass die Zwischenräume in 
der Besiedelungszeit, die jetzt noch stumm und leer sind, dereinst zum 
Reden gebracht werden. Sind ja doch erst etwa 20 Jahre vergangen, 
seitdem hier gesucht und geforscht wird, und darum darf man wohl 
hoffen, dass diese Lücken bei einiger Aufmerksamkeit noch ausgefüllt 
werden. Sollten sich aber wirklich die Gräber der Latene-Zeit und der 
römischen Periode nicht mehr nachweisen lassen, so ist das Fehlen 
dieser Altertümer noch immer kein Beweis für die Verödung des Dorfes 
und für die Wüstenei seiner Feldmark. Aus der Völkerwanderungszeit 
sowohl wie auch aus der altsächsischen Zeit kann, wie bemerkt, auch 
nichts aufgewiesen werden, trotzdem doch nach der Ortsnamenforschung 
das Dorf damals schon bestand. Aber auch selbst für den Fall, dass 
die Bewohner auszogen, um sich anderswo neue, bessere Wohnsitze 
zu suchen, dass sie mitgerissen wurden von der Wanderlust, die Ge¬ 
schlechter und Stämme ergriff, so werden die verlassenen Koten nicht 
lange leer gestanden haben. Soweit der Blick zurückgeht in die Ge¬ 
schichte des Vaterlandes: zu allen Zeiten sind die Gaue bevölkert ge¬ 
wesen, und der Landhunger hat es nicht dazu kommen lassen, dass 
das mit Mühe urbar gemachte Land wieder vom Walde in Besitz ge¬ 
nommen wurde; neue Einwanderer haben die ehedem bewohnten Stätten 
aufgesucht und sich die Arbeit ihrer Vorgänger zu nutze gemacht. 

So steht also das Dorf, das von jenem Begeri nicht gegründet, 
sondern nur nach ihm genannt wurde, nicht auf neuem von ihm und 
seinen Leuten der Waldwildnis abgerungenem Boden, es war vielmehr altes 
Kulturland, das sie bebauten. Diese Erscheinung trifft aber auch noch bei 
anderen Orten zu, die auf -stedt ausgehen. Von braunschweigischen Orten 
mögen hier nur Watenstedt und Emmerstedt genannt sein. Ein Gleiches 
gilt von Silstedt bei Wernigerode, von Ober-Wiederstedt im Mansfelder 
Gebirgskreise und von Nienhagen, dem alten Bode-Sargstedt an der 
Holzemme *). 

Viele der bei diesen auf -stedt ausgehenden Dörfern gefundenen 
Gegenstände sind nicht das Ergebnis planmässiger Ausgrabungen, sondern 
nur durch Zufall ans Licht gekommen. Wenn aber dereinst in und bei 
den Dörfern, wo sonst wohl Scherben vorgeschichtlicher Gefässe gespürt 
wurden, sorgfältige Nachforschungen angestellt werden, so wird sich in 
noch mehr Fällen zeigen, dass auch noch andere dieser auf -stedt aus¬ 
gehenden Orte keineswegs Anlagen auf eben erst gerodetem Waldlande 
sind, sondern im längst offenen Gelände liegen. Auch die Dörfer, deren 
Name ein -heim, -um usw. enthält, sind weit älter, als man gewöhnlich 
annimmt. Er ist genau so, wie bei vielen Leben- und Büttel-Dörfern, 
die durchaus nicht die ersten und ältesten Ansiedelungen an der Stätte 

*) Über Nienhagen vergl. meinen Aufsatz in der Jahresschrift für die Vorge¬ 
schichte der sächsisch.-thüring. Länder VII (1908) S. 17. 


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6] 


Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim. 


293 


sind, die jetzt ihren Namen trägt. Jene Fremdlinge, deren Name noch 
im Bestimmungsworte der Dorfnamen steckt, haben ihre Häuser auf 
den Schutthaufen verlassener Koten errichtet, sie haben den Boden bebaut, 
der längst gerodet war 1 ). Die Siedelungskunde darf also nicht mit der 
Frage nach der Bedeutung des Ortsnamens und der Zeit seines Auf¬ 
tretens einsetzen, sondern muss mit der Erforschung der vorgeschicht¬ 
lichen Grabstätten beginnen; sie soll nicht nur die ältesten Namensformen 
aus Chroniken und Pergamenten aufsuchen, sondern die noch viel älteren 
Urkunden, nämlich die Urnenfriedhöfe, aufdecken, und so das Vorhanden¬ 
sein von Dörfern nachweisen, deren Name freilich verklungen und un¬ 
wiederbringlich verloren ist. 


*) Th. Voges, Vorgeschichtliche Siedelungen im nordharzischen Hügellande. 
Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig (VI) 1907. S. 9. 27. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe- 
und Altertumsvereins 
für den Regierungsbezirk Coblenz. 

Von A. Günther, Coblenz. 


Das Museum des Vereins befand sich bisher in dem der Stadt 
gehörigen alten Schöffenhause, einem architektonisch merkwürdigen Ge¬ 
bäude, dessen zwar schöne und stimmungsvolle Räume aber seit langem 
für die Unterbringung der Sammlungen nicht mehr ausreichten. Schon 
seit Jahren hatte daher der Verein sein Augenmerk auf die Erlangung 
weiterer Räume in dem anstossenden alten Kaufhause gerichtet, das 
durch die Errichtung eines Neubaues für das dort untergebrachte städtische 
Realgymnasium im Jahre 1907 frei wurde. Dank der Unterstützung 
bewährter Gönner und dem Entgegenkommen der Stadtverwaltung wur¬ 
den ihm für seine Zwecke die Erdgeschossräume und die darunter 
liegende grosse gewölbte Halle überlassen. Letztere, zurzeit noch an¬ 
derweitig benutzt, wird jedoch erst im nächsten Frühjahr dem Verein 
übergeben werden können und soll dann zur endgiltigen und ausschliess¬ 
lichen Unterbringung der Altertumssammlungen dienen. 

Es galt also im Berichtsjahre zunächst die Erdgeschossräume den 
Zwecken des Vereins dienstbar zu machen. Ursprünglich bildeten diese 
Räume einen einzigen Saal von etwa 25 m Länge und 13 m Tiefe, 
dessen Decke von zwei mächtigen Steinpfeilern mit Eichenholzbügen ge¬ 
tragen wurde, durch Einziehen von Wänden aber in eine Anzahl Räume 
getrennt war. Das Gebäude selbst wird schon im Jahre 1388 als das 
sogenannte „Neuwehuys“, „ein gestolze gemacht“ erwähnt und diente 
für öffentliche Zwecke als Kauf- und Versammlungshaus. Seit dem 
Jahre 1480 sollte es nur noch dem Handel mit wollenen Tüchern und 
Körnerwaren dienen, während für leinene Tücher, für die Aufstellung 
der städtischen Wage, für Flachs- und Fettwaren ein anderes Kaufhaus 
gebaut wurde. Von vornherein war es aber auch die „gewöhnliche Ge¬ 
richtsstätte“, wo die Schöffen ihre Sitzungen abhielten und ihr Urteil 
sprachen 1 ). 

*) Archivrat Richter in der Cobl. Zeitung vom 3. März 1905. 


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UI. Aus Museen und Vereinen. 


295 


Als Wahrzeichen der Stadt ist an dem Turme unter der Uhr ein 
bärtiger Ritterkopf, „der Mann vom Kaufhaus“, angebracht, der nach 
der Pendelbewegung die Augen rollt und mit jedem Stundenschlage den 
Mund aufsperrt und die Zunge streckt. Für das Schöffengericht wurde 
1530, unter Kurfürst Richard v. Greiffenklau, ein besonderes Bauwerk, 
das bisher vom Verein benutzte Schöffenhaus, aufgeführt, ein noch in 
spätgotischem Charakter mit Renaissance-Anklängen errichtetes Gebäude 
mit schönen Netzgewölben und prachtvollem Erker. 

Dieses Gebäude hatte im Jahre 1889 der um seine Vaterstadt 
hochverdiente Ehrenbürger, Herr Geheimer Kommerzienrat Jul. Wegeier, 
langjähriger Vorsitzender und Ehrenmitglied des Vereins, auf seine 
Kosten instand setzen und für die Zwecke des letzteren herrichten lassen. 
Jetzt übernahm er in ebenso hochherziger und freigebiger Weise auch 
die Wiederherstellung des Saales im alten Kaufhause, die in gediegenster 
Weise zur Ausführung gelangte. Der Verein glaubte sich daher und 
für seine so oft bewiesene tatkräftige Unterstützung zu ganz besonderer 
Dankbarkeit verpflichtet und versuchte dieser durch Beschaffung und 
Anbringung einer vom Bildhauer Wildermann in Cöln gefertigten Bronze¬ 
plakette mit dem Bildnis des Herrn Geheimrats in dem neuen Saale 
dauernden Ausdruck zu geben. 

Die Eröffnung des Saales fand in feierlicher Weise am 16. Mai d. J. 
in Gegenwart der Vertreter der Stadtverwaltung und vieler Mitglieder 
des Vereins statt. Der stellvertretende Vorsitzende, Herr Stadtbaurat 
Maeckler behandelte in einer längeren Festrede die Geschichte des Vereins, 
der im Jahre 1908 auf eine 25 jährige erfolgreiche Tätigkeit zurück¬ 
blicken konnte 1 ). Hieran schloss sich ein Rundgang durch die Samm¬ 
lungen unter Führung des Unterzeichneten. 

Zurzeit ist die Einteilung und Benutzung der Räume folgende: 

Im Erdgeschoss des Schöffenhauses: Im vorderen Raume die ethno¬ 
logische Sammlung des *J" Admirals Deinhard (Geschenk des Geheimen 
Kommerzienrat Wegeier), nebst einer Ausstellung mittelalterlicher und 
neuzeitlicher Keramik von Coblenz und Umgebung; 

im hinteren Zimmer: Bibliothek und Vorstandszimmer. 

In den beiden Räumen des Obergeschosses: Kunstgewerbliche 
Gegenstände verschiedener Zeitalter und Länder und Römische Funde 
der Umgebung von Coblenz: Cobern-Gondorf, Urmitz, Andernach, 
Plaidt und aus den Limes-Kastellen Heddesdorf und Niederberg. 

In dem neuen Saale des Kaufhauses ist die Nordseite für die 
Ausstellung von Gemälde- und Kunstwerken Vorbehalten, auf der Süd¬ 
seite sind einstweilen die vorgeschichtlichen, römischen und fränkischen 
Fundstücke aus Coblenz und der näheren Umgebung ausgestellt. Ausser¬ 
dem birgt der Kellerraum des Schöffenhauses eine Anzahl römischer Skulp¬ 
turen, Meilensteine und Reste der römischen Moselbrücke aus Coblenz. 

Das Museum erfreute sich eines anhaltend guten Besuches und 
erwarb sich, da es seine Sammeltätigkeit in bezug auf Altertümer auf 
die engere Umgebung, also Stadt- und Landkreis Coblenz, beschränkt 


*) Als Festgabe aus diesem Anlasse wurde den Mitgliedern das fast aus¬ 
schliesslich von Angehörigen des Vereins bearbeitete Heft „Coblenz“ des Rheinischen 
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz überreicht. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


und ein möglichst vollständiges Bild der kulturgeschichtlichen Entwicke¬ 
lung der engeren Heimat zu geben bemüht ist, in weiteren Kreisen 
Anerkennung und Unterstützung. So wurden ihm mit freundlicher Hilfe 
des Herrn Qymnasialdirektor Dr. Weidgen die bisher im Königlichen 
Gymnasium aufbewahrten alten Skulpturen aus Coblenz, darunter das 
bekannte Grabmal des Vebeius oder Ubceius und der den Kreuzweg¬ 
göttern Quadriviis gewidmete Stein des Publicanen C. Crisp. Cladaeus 
überwiesen; die Gemeinde Arzheim stellte einen Grabfund der letzten 
Latene-Zeit, bestehend in mehreren Tongefässen, Eisenschwert, Lanze, 
Eisenfibel und einfachem Bronzereif mit dicker Glasperle zur Verfügung; 
aus Vallendar erhielt es mehrere Hallstatt-Gefässe, aus dem Coblenzer 
Stadtwald eine Urne der jüngeren Bronzezeit mit Scherben anderer 
Gefässe und den Resten eines Bronze-Armringes, von Herrn Apotheker 
Kiefer zwei römische Urnen (Ende des I. Jahrhd.) von seiner Baustelle 
am Moselweisser Weg; von den Erben des verstorbenen Herrn Ge¬ 
heimrat Mütze mehrere bronzezeitliche Gefässe aus Rhens, römische 
Funde aus Urmitz usw. 

Aber auch finanzieller Unterstützung erfreute sich das Museum 
und freiwillige Beiträge seiner Mitglieder ermöglichten nicht nur den 
Erwerb weiterer Fundstücke, sondern auch die Übernahme der lokal¬ 
geschichtlich wertvollen und reichhaltigen Güntherschen Sammlung, wo¬ 
durch es seinem gesteckten Ziele der Altertumssammlung wesentlich 
näher rückte. 

Die Altertumssammlung umfasst nunmehr folgende Gruppen: 

Paläolithische Zeit: 

Diluviale Tierreste aus Metternich und Rhens, u. a. Mammutzähne, 
Schädel, Unterkiefer und Zähne von Rhinozeros antiqu., Reste von 
Cervus elaphus, Bos primig., Equus caball. foss. usw. 

Aurignacien: Silexartefakte und Steingeräte aus Metternich und 
Rhens (veröfftl.: Günther in Bonner Jahrbücher Heft 116 und R. R. Schmidt 
im „Mannus“ Heft 1/2), sowie Silexartefakte aus der Friedhofenschen 
Lössgrube in Metternich und aus Kärlich. 

Magdalenien: Silexartefakte und Knochenstücke vom Martinsberg 
b. Andernach. 

Neolithische Zeit: 

Silexartefakte (10 Klingen) aus Rübenach bei Coblenz, geschliffene 
Steinmeissei von der Kartause (Coblenz), Urmitz u. a. 0., ein facettierter 
Hammer der Schnurkeramik von Boppard, Steinwerkzeuge von Metter¬ 
nich usw. 

Gefässe und Scherben, darunter reich verzierte Stücke, der jüngeren 
Winkelbandkeramik nebst einzelnen Scherben der Grossgartacher, der 
Spiral-Mäander- und der Zonenkeramik aus Wohngruben am Jägerhaus 
b. Urmitz (Veröffentlichung demnächst). 

Bronzezeit: 

Grab- und Einzelfunde von Gefässen und Schmuckstücken ver¬ 
schiedener Perioden vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl. Günther 
in Bonner Jahrb. Heft 110). 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


297 


Grab- und Einzelfunde aus Metternich b. Coblenz, Rhens, Rübenach, 
Urmitz, Kartause-Coblenz und Coblenzer Stadtwald. 

Hallstatt-Zeit: 

Fundstücke einer Hallstatt-Wohngrube in Coblenz-Lützel (veröfftl. 
Günther im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11), desgl. 
von der Petersschen Ziegelei in Rhens; Grab- und Einzelfunde aus 
Urmitz, Vallendar und Sayn. 

Latene-Zeit: 

Ältere Latene-Zeit: 

Grab- und Einzelfunde vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl. 
Günther, Bonner Jahrbücher Heft 110), Grabfundevon Coblenz-Neuen- 
dorf und Pfaffendorf bei Coblenz, 1 Flaschenurne aus Coblenz. 

Mittlere Latene-Zeit: 

Grabfund aus dem Coblenzer Stadtwald. 

Jüngere Latene-Zeit: 

Grabfunde aus dem Coblenzer Stadtwald (z. Teil veröfftl. Günther 
im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11) und dem Arz- 
heimer Gemeindewald. 

Römische Zeit: 

Die Fundstücke des frührömischen Gräberfeldes bei Coblenz- 
Neuendorf (veröfftl. Günther, Bonner Jahrb. Heft 107). 

Desgl. des Trevererdorfes im Coblenzer Stadtwald (veröfftl. 
Bodewig in Westd. Zeitschrift XIX). 

Desgl. eines frührömischen Gräberfeldes vom Kaiserin Augusta-Ring 
in Coblenz (erwähnt in Bodewig, Das römische Coblenz, Westd. Zeit¬ 
schrift XVII, III und im Korrespbl. ders. XX, 7 und 8). 

Desgl. eines Gräberfeldes des I.—IV. Jahrhd. von der Löhrstrasse 
zu Coblenz (zum Teil veröfftl. ebenda). 

Desgl. eines spätrömischen Gräberfeldes am Markenbildchenweg 
zu Coblenz (desgl.). 

Fundstücke aus der Altstadt zu Coblenz (desgl.). 

Sechs römische Meilensteine vom Engelsweg (jetzt Römerstrasse) 
zu Coblenz, darunter drei mit ziemlich vollständigen Inschriften von 
Claudius (44 n. Chr.), Traian (98 n. Chr.) und wahrscheinlich Nerva 
(97 n. Chr.), (veröfftl. von Günther in den Coblenzer Tagesblättern und 
Lehner im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. XVIII, Nr. 4 und 5). 

Römische Skulpturen und Inschriftsteine aus Coblenz und aus der 
römischen Moselbrücke daselbst (zum Teil in: Bodewig, das römische 
Coblenz, Westd. Zeitschr. XVII, III). • 

Fundstücke des I.—IV. Jahrhunderts aus Cobern-Gondorf, Urmitz, 
Andernach und Plaidt. 

Fundstücke aus den Limes-Kastellen Neuwied-Heddersdorf und 
Niederberg (z. T. im grossen Limeswerk (ORL), Kastell Niederberg). 

Fränkische Zeit: 

Grabfunde aus Coblenz, Metternich, Urmitz, Sackenheimer Hof 
b. Bassenheim. Rhens, Sebastian Engers und Mülhofen. 

Mann us Bd. I. H. 3/4. 20 


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298 


III. Aus Museen und Vereinen. 


Hieran schliesst sich die reiche Sammlung von Erzeugnissen des 
Mittelalters und der Neuzeit. 

Von den Arbeiten und Erwerbungen des Vereins aus den 
letzten Monaten sind zu erwähnen: 

Die Aufdeckung der römischen Stadtmauer und Kulturschichten bei 
dem Neubau des Hauses Altenhof 3 in Coblenz, 

die Aufdeckung weiterer Teile der Römischen Heerstrasse am 
alten Engelsweg, wobei auch der von Eltester (Bonner Jahrb. Heft 52, 
1872) erwähnte Seitenkanal wieder festgestellt wurde, 

die Aufdeckung eines Römischen Töpferofens in Niederberg (ver- 
öfftl. Günther im Röm.-Germ. Korrespbl. Jahrg. II, Nr. 5, 1909), 

die Aufdeckung mehrerer Gräber der Antoninen-Zeit in Arenberg 
b. Ehrenbreitstein, 

der Erwerb einiger fränkischer Gefässe aus Urmitz. 


Prähistorisches Museum zu Köln. 

Von C. Rademacher, Köln. 


Das Städtische prähistorische Museum zu Köln, begründet von der 
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, wurde im August 1907 eröffnet. 
Die Eröffnung war verbunden mit einem prähistorischen Kongress 1 ), zu 
dem namhafte Forscher des ln- und Auslandes erschienen waren. Seit 
der Eröffnung haben sich die Sammlungen bedeutend vermehrt, sodass 
an dieser Stelle einiges darüber mitgeteilt werden mag. Das Museum 
selbst, in den Räumen des „Bayenthurmes“ untergebracht, besteht aus 
drei übereinander liegenden geräumigen Sälen. Der untere Saal enthält 
nur Diluvialfunde Westeuropas, der zweite Übergangsperioden zur jüngeren 
Steinzeit, die jüngere Steinzeit und die Bronzezeit, der dritte Saal endlich 
Hallstatt- und Latenezeit sowie römische Kaiserzeit. 

Was die Vermehrung der paläolithischen Periode angeht, so sei 
an erster Stelle hier erwähnt, dass bei der Eröffnung des Museums 
eine Sonderausstellung von Funden aus La Micoque und La Grange aus 
dem Vezeretale in dem Museum zur Aufstellung gelangt war, die 
berechtigterweise die Aufmerksamkeit der Forscher wachrief. Als eine 
hochherzige Schenkung des Förderers unseres Museums, des Geheimen 
Kommerzienrates Herrn E. v. Rath, ist diese Sammlung in den Besitz 
des Museums übergegangen. Das Kölner Museum besitzt nunmehr die 
reichhaltigste und wichtigste Sammlung von La Micoque, jener bekannten 
Acheuleen-Mousterien-Station, die sich durch die wunderbare Feinheit 
der Objekte und ihre einzige, elfenbeinartige Patina auszeichnet. Die 


*) Der Bericht über die Verhandlungen des Kongresses, herausgegeben von der 
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, ist vor kurzem erschienen, 179 S. gr. 8 mit 
193 Ab. u. 5 Tafeln. Preis 3,50 Mk. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


299 


zierlichen und feinen Keile vom Acheultypus sind in den verschiedenen 
Formen und Grössen vorhanden und fast alle, wie auch die übrigen 
Mousterientypen, von einer wunderbaren Sorgfalt der Bearbeitung. Die 
Magdalenien-Station La Grange weist neben zahlreichen typischen Ge¬ 
räten dieser Periode einzelne hervorragende Werkzeuge auf, die eine 
doppelte Bestimmung hatten. Unter den Knochen- und Hornwerkzeugen 
ist bemerkenswert ein Doppelpfriem mit halbkreisförmigem Handgriff, 
Amulette, verzierte Knochen und endlich eine sog. Lampe, die nicht 
weit von dieser Station, bei La Marsaille, gefunden worden ist. 

Aus Chelles und Acheul selbst wurden typische und atypische Stücke 
erworben, daneben auch Chelles-Keile aus Italien. Prof. Schweinfurth 
stiftete eine umfangreiche Sammlung paläolithischer und eolithischer Werk¬ 
zeuge aus Ägypten (Theben), welche die Übereinstimmung dieser primi¬ 
tiven Kulturen für Westeuropa und Afrika aufs deutlichste zur Anschauung 
bringen. Das Mousterien der Krapinahöhle ist vertreten durch eine 
Kollektion typischer Steingeräte und menschlicher Skeletteile, deren 
Abgüsse der verdienstvolle Forscher der Krapinahöhle, Prof. Gorjanovic- 
Kramberger in Agram, als Geschenk dem Museum überwies. Auch 
die vorhandenen Sammlungen des Solutreen und Magdalenien fanden 
durch geschlossene Funde reiche Vermehrung, sodass nunmehr die ge¬ 
samte paläolithische Abteilung in einer gewissen Vollständigkeit und 
Reichhaltigkeit vorhanden ist und einen Überblick über die Kulturent¬ 
wickelung während des Diluviums gestattet, und das nicht nur durch 
eine sog. Typensammlung, sondern hauptsächlich durch zusammen¬ 
hängende, geschlossene Funde. 

Die Übergangsperioden zur jüngeren Steinzeit konnten durch die 
Bemühungen des Museums auch im Rheinlande festgestellt werden. 
Das aus den Schriften Rutots bekannte Flenusien, charakterisiert durch 
die eolithenartige Bearbeitung des Silex, wurde in Muffet bei Aachen 
entdeckt. Da Rutot eine Kollektion des belgischen Flenusien dem 
Museum stiftete, ermöglicht die Zusammenstellung ein Urteil über die 
Übereinstimmung der beiden Fundplätze. Auf dem Lousberge bei Aachen 
fand sich eine Campignien-Station. Die Wohnstätten haben auf dem 
Plateau des Berges gelegen. Durch Abschwemmungen sind zahlreiche 
Silexstücke, darunter typische Geräte, an die Abhänge des Berges 
gerollt, wo sie 1908 entdeckt worden sind. Typische Gratbeilformen 
vermischt mit solchen, die bereits an das eigentliche Beil des Neolithi¬ 
kums erinnern, obschon die Polierung noch vollständig fehlt, beweisen, 
dass die Station einer Zeit angehört haben muss, die dem polierten 
Beile direkt voranging. 

Die Tardenoisienindustrie mit ihren mikrolithischen Geräten konnte 
in der Umgegend von Köln (Troisdorf) festgestellt werden. Dieder¬ 
spitzen, Schaber und andere kleine Geräte sind 1908 daselbst gefunden. 
Zum Vergleich wurden französische Tardenoisiengeräte aus verschiedenen 
Fundorten erworben. Das Robenhausien von Spiennes in Belgien ist 
durch eine reiche Auswahl vertreten, die neben Kratzern, Schabern, 
Bohrern, die Entwickelung des polierten Beiles aus dem Gratbeil vor¬ 
führt. Bemerkenswert sind grosse Schlägel aus Feuerstein, gefunden in 
dem Bergwerk zu Spiennes, wo die Neolithiker ihren Feuerstein gewannen. 
Bekannt ist die Station ja besonders durch den Umstand geworden, 

20 * 


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dass Skelette der alten neolithischen Feuerstein - Bergleute hier zutage 
gekommen sind. (Vergl. Rutots Schrift hierüber und ‘Mannus’ 1, 35.) 
Interessant ist eine Erwerbung aus den russischen neolithischen Stationen 
mit denselben Formen der Feuersteingeräte und einer Keramik, die als 
Ornamente tief eingedrückte, kreisförmige Stempelverzierung aufweist. 
Auch die Sammlung der rheinischen polierten Steingeräte fand eine be¬ 
merkenswerte Ergänzung durch eine Anzahl fein polierter, zum Teil 
durchbohrter Äxte und Hämmer aus der Gegend des Niederrheins, die 
als Einzelfunde von dem Museum erworben werden konnten. Pfeil¬ 
spitzen, Schaber und Messer des Neolithikums fanden sich an ver¬ 
schiedenen Orten. 

Für die Keramik des rheinischen Neolithikums sind bedeutsam 
die Funde von dem Gräberfelde bei Kretz am Laacher See, welche die 
Firma Zervas Söhne in Köln dem Museum überwies. Es sind zierliche, 
der bandkeramischen Stufe angehörige Gefässe teils mit Winkelband, 
teils mit Spiralverzierung. Ein kleines Gefäss verdient besondere 
Beachtung. Es trägt an dem S-förmigen Halse eine Anzahl Warzen, 
die als Band das Gefäss umgeben. Dem Künstler muss der Ursprung 
und die Bedeutung dieser Warzen, die eine Nachahmung der Brust¬ 
warzen darstellen, noch geläufig gewesen sein, denn zwei solcher Warzen, 
nebeneinander gestellt, ganz ausser der Reihe, beweisen dies aufs 
deutlichste. 

In der Nähe von Köln, bei Wahn, konnte 1907 eine steinzeitliche 
Station, der Untergrombacher Periode angehörig, entdeckt werden, die 
bereits charakteristische Funde lieferte. Die vollständige Erforschung 
steht noch aus. 

Die Sammlungen aus der Bronzezeit fanden sehr zahlreiche Ver¬ 
mehrung, zunächst durch Bronzefunde aus dem Bieler See samt der 
dazu gehörigen Keramik und der Aufstellung eines grossen Modelles 
eines bronzezeitlichen Pfahlbaudorfes, das der Verein der Kölner Alter¬ 
tumsfreunde dem Museum stiftete. Ungarn ist in den Erwerbungen 
des letzten Jahres durch einen reichen Bronzedepotfund, wie durch eine 
Anzahl der bekannten Kupferäxte vertreten, desgleichen konnten einige 
zierliche Becher, alle incrustiert, erworben werden. Die rheinischen 
Bronzeäxte wurden durch eine ganze Anzahl vermehrt, meist Geschenke 
von Gönnern. Vor allem ist hier ein Grabfund aus einem Hügel bei 
Köln zu erwähnen, der neben einem triangulären Dolche eine seltene 
Form der Axt aufweist. Es ist eine Absatzaxt mit rundem, langaus¬ 
gezogenem Mittelstück, durch eingeschlagene Ornamente reich verziert. 
Eine ähnliche Axt ist bisher in den Rheinlanden und auch in Deutsch¬ 
land nicht gefunden, wie das Prof. Lissauer einige Tage vor seinem 
Tode noch dem Berichterstatter mitteilte. Auch eine prächtige Radnadel 
aus der Gegend des Laacher Sees gelangte in das Museum. Zum Ver¬ 
ständnis des Publikums dienen das Modell einer Bohrmaschine zur 
Durchlochung der Steingeräte, das Modell eines Pfahlbauwebstuhles 
und zwei spätbronzezeitliche Gräber, welch letztere in einer Nische 
des 2. Saales Aufstellung gefunden haben. 

Eine andere Nische enthält einen vollständig aufgebauten Grab¬ 
hügel, wie sie zu Tausenden an beiden Seiten des Niederrheines sich 
vorfinden. Das Grab ist aus der Hallstattzeit und leitet zu dem 


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dritten Saal über, der die Funde aus den Grabhügeln des Niederrheines 
enthält. Seit der Eröffnung ist dieser Saal neugeordnet und die Samm¬ 
lung sehr vermehrt worden. Das Gebiet zwischen Sieg und Wupper ist 
nunmehr mit einer gewissen Vollständigkeit vertreten. Von allen Be¬ 
gräbnisplätzen zwischen Sieg und Wupper ist eine grosse Anzahl Grabfunde 
zu einem Gesamtbilde vereinigt, alles nach Gräbern sorgfältig geordnet. 
Jedes Grab ist abgeteilt und enthält eine Grabskizze, die den Hügel 
und seinen Inhalt zur Darstellung bringt. Nunmehr gelingt es auch 
hier, an die Zeitstellung der Funde heranzutreten. 

Schon bei der Eröffnung des Museums waren Funde von einer 
germanischen Niederlassung auf dem Fliegenberge bei Troisdorf vor¬ 
handen. Die Untersuchungen über die ja im 1. Hefte des „Mannus“ 
Bericht erstattet worden ist, werden fortgesetzt. Es ist eine Nieder¬ 
lassung der römischen Kaiserzeit, die bis ins 4. Jahrhundert sich ver¬ 
folgen lässt. Auch die Gräber dieser Niederlassung sind gefunden, 
reich ausgestattet mit Silberfibeln, Bronze-Scherben, römischen Gefässen, 
germanischen Urnen, darunter auch die belgische Gesichtsvase mit 
den sechs Götterbildnissen. Ein genauer Bericht hierüber wird dem¬ 
nächst folgen. Diese Gräber sind ohne Hügel. Im Scheuerbusche bei 
Wahn konnten ebenfalls Gräber der römischen Kaiserzeit festgestellt 
werden, meist zerbrochene Gefässe germanischer oder römischer Prove¬ 
nienz, übereinstimmend mit den Funden in Giessen. Bei Cleve ward 
Ähnliches in diesem Jahre beobachtet. Dort im Walde bei Moyland 
finden sich eine Anzahl Gräberfelder mit ganz verschiedenem Charakter. 
Eines mit Graburnen, wie sie in niederrheinischen Hügeln typisch sind, 
andere mit Scherben, darunter vielfach solche römischer Herkunft, 
zahlreiche Brandasche, zerstreute Knochen, ganz kleine Hügel. In den 
Grabhügeln zwischen Sieg und Wupper, wie sie im Kölner Museum 
ausgestellt sind, findet sich dagegen nur einmal eine Spur römischer 
Beimischung (Wahn). Die genauen Ergebnisse werden ebenfalls dem¬ 
nächst veröffentlicht werden. 


Städtisches Museum, Braunschweig. 

Neue Erwerbungen mitgeteilt von F. Fuhse. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 


Für die vorgeschichtliche Abteilung wurde im Geschäftsjahr 1908/09 
die Sammlung des Oberrealschullehrers Krone erworben: Funde von 
neolithischen (bes. bandkeramischen) Siedelungen bei Hessen a. Fallstein, 
Halchter und Ohrum am Oder, Gr. Vahlberg und Wittmar an der Asse; 
Latene: Leiferde, Kr. Wolfenbüttel, Wasbüttel; Völkerwanderung: Osel, 
Wolfenbüttel, Harzbüttel. — An Einzelfunden der Sammlung Krone sind 
zu erwähnen: 98 Steinwaffen (axte und Hämmer aus verschiedenen Ge- 


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steinsarten) von der Feldmark Räbke am Elm. Der Reichtum an Stein¬ 
waffen auf dieser kleinen Feldmark war ein ganz ausserordentlicher. Fast 
alle öffentlichen und Privatsammlungen unseres Landes besitzen von 
dort eine grössere Anzahl von Steingeräten. — Vom Ösel stammt ein 
Instrument von weissem Feuerstein, das als Urtypus des Töpfer¬ 
rädchens zu betrachten ist (s. Abbildung 1 in nat. Gr.). Man kann 
mit ihm nicht nur in Ton, sondern auch in Holz und Leder bequem ein 
aus Punkten sich zusammensetzendes Ornament eindrücken. — Bronze¬ 
absatzäxte aus Helmstedt, Wendeburg und vom Regenstein. Tüllenaxt 
mit ausladender Schneide aus Helmstedt. — Ringförmige blaue Glas¬ 
perle mit vier gelben Augenringen aus Warberg, ähnlich Piß-Dedhelette, 
Le Hradischt de Stradonitz PL VI, 44. 



Abb. 2 a b. 1 / 3 . 
Roskilde, Seeland. 


Se. Hoheit der Herzog-Regent überwies eine grosse und aus¬ 
gezeichnete Sammlung dänischer Steinwaffen und Werkzeuge, darunter 
die seltene ‘Flügelaxt’ von Roskilde, 18 cm lang (Abb. 2), nebst einigen 
Bronzeschwertern und Äxten. 

Hr. Oberlehrer Hahne III schenkte eine kleine Axt aus grauem 
Stein und einen bearbeiteten Feuersteinsplitter aus dem Forstbezirke 
Wolfstal bei Stiege im Harz. Bisher waren aus jener Gegend vorgeschicht¬ 
liche Gegenstände nicht bekannt. 


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Aus der Provinz Posen. 

Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen 
vom Januar bis Juni 1909 
mitgeteilt von Erich Blume. 


Zur Einteilung der Funde werde ich fortan die fünf kulturell¬ 
chronologischen Gruppen wählen, die ich in dem Bericht über die Neu¬ 
ordnung der vorgesAichtlichen Abteilung, erschienen in dem Verzeichnis 
über die vorgeschichtliche Sonderausstellung, dargelegt habe: 

Ausstellung im Kaiser-Friedrich-Museum 
vor- und frühgeschichtliche Altertümer 
aus dem Gebiet der Provinz Posen. Posen 1909. 

Im Folgenden werden nur die Erwerbungen aufgeführt, die in jenem 
Verzeichnis nicht behandelt sind. 

Abkürzungen: G. = Geschenk; Kr. = Kreis; Grf. = Gräberfeld; 
Brz. = Bronzezeit; v. = von; fr. = früher. 

II. Indogermanische Zeit. 

1. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 177/178. Steinaxt¬ 
hammer; Grundriss Spitzoval, dessen eines Ende quer abgeschnitten 
ist; Bohrloch konisch; gef. im Sommer 1898. — G. der kgl. Wasser¬ 
bauinspektion Czarnikau. 

2. Golencin, Kr. Posen-Ost. Funde von einem steinzeitlichen 
Siedlungsplatz (Splitter, Spanmesser, Pfeilspitzen aus Feuerstein; 
Reibsteine, Schleifsteinbruchstück, Scherben u. a.) auf den Höhen 
am Bogdankatal. Vgl. Mannus I, 138, Nr. 1. — Gesammelt u. gesch. 
von Sammlungsaufseher Thamm, Posen. 

3. Nifke, Kr. Schrimm. Funde von einer steinzeitl. Siedlungs¬ 
stelle auf Sanddünen an der Wartheniederung, offenbar denen 
von Lassek-Luban, Kr. Posen-West (Mannus, I, 138, Nr. 5) zeit¬ 
lich parallel. — Am 20. VI. gefunden vom Verfasser. 

III. Thrakische (karpodakisdhe) Kulturgruppen. 

4. Czarnikau. Zwei Tongefässe, eines noch mit Leichenbrandresten, 
und Scherben von wenigstens fünf andern (Brz. 4); gef. „bei den 
Durchsticharbeiten in Station 162(3 der Netze in der Wiese der 
katholischen Pfarrgemeinde Cz. w — G. d. kgl. Wasserbauinspektion 
Czarnikau. 

5. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 176/7: Steinaxthammer 
von fünfeckigem Grundriss; Bohrloch konisch; auf einer Seite Spur 
einer falsch angesetzten Hohlbohrung. Gef. im Nov. 1898 beim 
Baggern. — G. wie Nr. 4. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


6. Chojno, Kr. Rawitsch. Vom Grf. in der Grz^ba (vgl. Ausst. 
Nr. 241—435 u. a.) Tongefässe und Metallbeigaben aus einem 
Grabfund und viele Scherben aus zerstörten Gräbern (Brz. 5; 
älteste Eisenz.). — Amtliche Untersuchung am 2. VI. 

7. Sulmirschütz (Sulmierzyce), Kr. Adelnau. JFlur Zalesie (ndl. 
v. S.) Verzierter graphitierter Scherben von einem Grf. (jgst. Stufe). 
Vom selben Grf. stammen die beiden Tongefässe Posener archäo¬ 
logische Mitteilungen I, Taf. VII, 16 und VIII, 5 (Text S. 23 f.), 
die also auch örtlich mit den kaiserzeitlichen Funden nichts zu tun 
haben. Diese sind südlich von S. gehoben worden (Flur Wielki zal). 
— Mitteilung und Geschenk von Pfarrer Gibasiewicz, Siedlemin 1 ). 

IV. Germanische Kulturgruppen. 

8. Tongefäss, wohl aus der Umgebung von Czarnikau, dessen Fund¬ 
ort aber nicht feststeht; eingeliefert mit Nr. 4. Vgl. Abb.: es er¬ 
innert sehr an westgermanische Lateneformen in Profil wie Ver¬ 
zierungen (wagerechte Linie auf der Schulter, darüber 20 alternierend 



Nr. 8. i/6. Nr. 10. 1 / 3 . 


schräggestellte Strichgruppen bis zum Halsansatz; herab von ihr 
laufen 16 senkrechte Linien in ungleichen Zwischenräumen. Das 
Tongefäss steht m. W. in der Provinz Posen vereinzelt da. — 
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau. 

9. Kokorzyn, Kr. Kosten. Ziegelei. Tongefäss und Bruchstücke 
einer Lanzenspitze und eines Messers aus Eisen, zusammen gefunden 
auf dem Grf. der römischen Kz. Vgl. Mannus I, 140, Nr. 36 und 
Ausstellung Nr. 2051 und 2463—2482. — G. v. Rittmeister Hilde¬ 
brand, K. 


‘) Herr Pfarrer Gibasiewicz besitzt von dem Gräberfeld 
Zalesie noch eine wie die oben genannten Gefässe von ihm 
selbst gefundene kleine Bronzeschnalle, die hier abgebildet ist. 
Sie hat einen eingliedrigen -ovalen Rahmen und rechteckige, 
nicht sehr sauber gearbeitete Riemenkappe. Der Dorn zeigt 
eine abwärts gebogene Spitze und an der Wurzel eine recht¬ 
eckige Erhöhung, die mit einer Rille verziert ist und zu beiden 
Seiten von dieser mit Linien. Das Stück gehört der jüngeren 
Kaiserzeit an, etwa der Tischlerschen Periode D, und ist eines 
der wenigen dieser Zeit aus der Provinz Posen (vgl. Ausstellung 
im Kaiser-Friedrich-Museum S. 18). 



Zu Nr. 7. */i. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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10. Posen, Stadt (Oberwilda). Kleines Tongefäss mit fast zylindrischer 
Wandung und dickem ausladenden Rande, zugedeckt mit alt aus¬ 
gebrochenem Tongefässboden, gef. zwischen Scherben in einer 
Brandgrube nahe der Grenze von Dembsen, Kr. Posen-West, beim 
Bahnbau. Es enthält noch Branderde und Leichenbrandreste. 
Abb. (Latenezeit). — G. d. kgl. Eisenbahnbauabteilung für den 
Umbau des Bahnhofs Posen. 

11. Spiegel (fr. Oporzyn), Kr. Wongrowitz. Unterteil einer Urne 
aus einem Steinkistengrabe. Vgl. Ausst. Nr. 734—736. — G. v. 
Lehrer Kliemke, Sp. 

Unbestimmt. 

12. Bei Czarnikau aus der Netze: 5 hohe gerundet pyramidenförmige, 
oben wagerecht durchbohrte Netzsenker. Beschnittenes Hirschgeweih. 
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 

Zweiggesellschaft Berlin. 

Sitzungsbericht. 

In der 4. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin am 22. Mai 1909 im Vor¬ 
tragssaale des Märkischen Museums legte der 1. Vorsitzende, Universitäts-Professor 
Dr. G. Kossinna, verschiedene neu erschienene Werke vor, so die von E. H o 11 a c k 
im Aufträge des Provinzialverbandes bearbeitete Vorgeschichtliche Über¬ 
sichtskarte von Ostpreussen nebst dem die „Erläuterungen“ enthalten¬ 
den Textbande, eine Arbeit, die sämtliche neueren Forschungen zu verwerten sucht, 
ferner eine Abhandlung des Dorpater Gelehrten R. Hausmann, die als Fortsetzung 
zu dem Kataloge der grossen archäologischen Ausstellung zu Riga vom Jahre 1896 
eine „Übersicht über die archäologische Forschung in den Ost¬ 
seeprovinzen im letzten Jahrzehnt“ gibt, und schliesslich das zweibändige 
überreich illustrierte Werk von O. v. Hovorka und A. Kronfeld „Vergleichende 
Volksmedizin“, in dem sich neben volkskundlichen und kulturgeschichtlichen 
Abhandlungen auch viele den Prähistoriker interessierende Mitteilungen, so über 
Beigaben in Grabstätten, Amulette und andere Arten von Abwehrmitteln, Dämonen¬ 
glauben u. a. finden. 

Der vom 1. Vorsitzenden gleichfalls vorgelegte, von J. Heierli verfasste 
1. Jahresbericht der Schweiz. Gesellschaft für Urgeschichte enthält 
einen Überblick über die Entstehung und die Geschichte der Gesellschaft und über 
die in den Jahren 1907—1908 in der Schweiz gemachten vorgeschichtlichen Funde 
und lässt ersehen, dass die Gesellschaft eine Zentralisierung der vorgeschichtlichen 
Funde und die Gründung eines schweizerischen Archivs für Vorgeschichte als 
Grundlage für eine künftige Vorgeschichtliche Karte der Schweiz anstrebt. Ferner 
gelangten zur Vorlage mehrere Abhandlungen von Rutot über den Unterkiefer des 


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111. Aus Museen und Vereinen. 


Homo Heidelbergensis, über die Hauserschen Skelettfunde von Moustier und 
über die Eolithenfrage, eine Arbeit von Schierholz über die Örtlichkeit der 
Varusschlacht und eine Abhandlung von Stuhl (Würzburg) über das altrömische 
Arvallied, endlich einige akademische Abhandlungen des hervorragendsten Keltisten, 
unseres Mitgliedes Heinrich Zimmer „über direkte Handelsverbindungen 
Westgalliens mit Irland im Altertum und frühen Mittelalter“, 
worin besonders die Mitteilungen über den Weinhandel der gallorömischen Zeit 
von höchstem Interesse sind. 

Prof. K o s s i n n a teilte darauf mit, dass ein Mitglied der Gesellschaft, 
Prof. Dr. O. Mertins in Breslau, gestorben sei, ein verdienstvoller Prähistoriker, 
der zahlreiche Abhandlungen über die Vorgeschichte Schlesiens, besonders aus 
der Bronzezeit, und 1906 einen „Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens* 
verfasst habe (s. S. 166 u. 322). Ausserdem gelangte die Einladung der Verwaltung 
des Provinzial-Museums in Hannover zum Besuch der vorgeschichtlichen 
Ausstellung, die anlässlich der H a u p tv er s a m m 1 u n g der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte veranstaltet wird, zur Verlesung. Prof. Dr. Kossinna und 
Privatdozent Dr. Hahne knüpften daran nähere Mitteilungen über das Programm 
der vom 6.-9. August 1909 in Hannover stattfindenden Hauptversammlung. 

Zur Vorbereitung auf den im Juni geplanten Ausflug nach Seddin hielt 
Dr. A. Kiekebusch einen kurzen Vortrag über das Königsgrab bei Seddin, 
in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder ausführliche Angaben über die 
Örtlichkeit, über die Grössenverhältnisse des Grabhügels und der Grabkammer, 
über die dort gemachten Funde und über die mit dem Hügel verknüpften Sagen, 
sowie über einige benachbarte Hügelgräber machte. 

Schriftsteller Willi Pastor behandelte darauf in einem Lichtbilder-Vortrag 
das „Problem der Troj abu rgen“, in dem er die Bedeutung dieser Stein¬ 
setzungen als Kultstätten des Sonnendienstes nachzuweisen suchte, eine Ansicht, 
die bereits Ernst Krause in seinem Werke über die „Trojaburgen Nordeuropas“ 
(1893) ausgesprochen hat. Der Vortragende ging von dem in der Frühlingszeit 
von den Kindern eifrig betriebenen Spiele „Himmel und Hölle“ aus und zeigte, 
dass der mit Kreide auf das Strassenpflaster gezeichnete Spiralgang mit den Zahlen 
1—12 und den Feldern „Himmel“ und „Hölle“ eine Nachbildung der Labyrinthwege 
der Trojaburgen sei. Dieses Kinderspiel weise auf ein früheres Volksfest zurück, 
das wiederum seine Entstehung einem uralten Kultgebrauche verdanke. 

In Wisby auf der Insel Gotland benutzen die Kinder beim „Trojaspiel“, das 
unserem „Himmel-und-Hölle-Spiel“ verwandt ist, die sogenannte „Trojaburg“, 
ein eigenartiges Gebilde aus Findlingsblöcken mit labyrinthisch verschlungenen 
Gängen, die von den Spielenden durchlaufen werden, mit dem Zweck, als Erster 
den Ausgang wieder zu erreichen. Diese Steinsetzung ist uralt, wie die in den 
Erdboden halb eingesunkenen erratischen Blöcke erkennen lassen, ausserdem deuten 
verschiedene Sagen von der Entstehung der Trojaburg auf ihr hohes Alter hin. 
Von Kindern ist die Steinsetzung nicht erbaut worden, dagegen spricht die Grösse 
einzelner Blöcke, vielmehr ist sie von Erwachsenen angelegt, und zwar, wie aus 
älteren Darstellungen hervorzugehen scheint, zur Veranstaltung von Volks¬ 
festen. In Gotland selbst hat sich hiervon nichts erhalten, nur das „Trojarennen* 
der Kinder ist als Nachklang eines früheren Volksfestes zu betrachten, aber aus 
der Darstellung einer Trojaburg in einer Klosterhandschrift des 12. Jahrhunderts, 
aus labyrinthischen Zeichnungen auf kretischen Münzen des 4. vorchristlichen Jahr- 
hunderts und aus der figurenreichen Darstellung des Tonkruges von Traglia- 
tella, der dem etruskischen Kulturkreise des 7. Jahrhunderts vor Christi Geburt 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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angehört, ersieht man, dass die »Trojaburgen“ im Mittelalter und bereits im Alter¬ 
tum bekannt waren und zur Veranstaltung von Volksfesten oder Festspielen benutzt 
wurden. Für die letzte Annahme ist die Darstellung auf dem Kruge von Traglia- 
tella von Bedeutung: sie zeigt den aufrechtstehenden Grundriss einer Trojaburg, 
ähnlich der noch erhaltenen Steinsetzung in Wisby, und vor dem Ausgange zwei 
Berittene, die soeben die labyrinthisch verschlungenen Gänge verlassen haben, 
während vor den Reitern eine Gestalt mit einer Keule und vor dieser sieben Jüng¬ 
linge im Tanzschritt einherschreiten, die mit Speeren und einem Schilde, auf dem 
der Sonneneber dargestellt ist, bewaffnet sind. Der erwähnte Grundriss ist durch 
das in runenähnlicher, rückläufiger Schrift eingeritzte Wort „Truia" als Trojaburg 
gekennzeichnet. Man hat es hier mit einer Darstellung zu tun aus einer Zeit, als 
die Trojaburgen noch Festspielplätze für Erwachsene waren. 

Der Reigen, der auf dem genannten Kruge dargestellt ist, dürfte das gleiche 
sein, was spätere Zeiten mit dem Namen „ludus Trojae“ bezeichnen, und da bei 
diesen Spielen, wie Vergil berichtet, Figuren geritten wurden, die den Linien des 
kretischen Labyrinths entsprachen, so haben sie, wie die Darstellungen auf kretischen 
Münzen zeigen, in Beziehung zur Trojaburg gestanden. Welchen Charakter diese 
Festspiele trugen, lässt sich aus anderen Darstellungen des Tragliatella-Kruges er¬ 
sehen, wo die Beischrift einer weiblichen Figur „mi Velena“, „ich bin Helena“ 
zeigt, dass der Inhalt des Spiels der Helena- bezw. der Trojasage entnommen 
worden ist, und da diese Sage als Erzählung von den Schicksalen der entführten, 
gefangenen und schliesslich wieder befreiten Sonnenfrau gedeutet wird, so 
haben die Trojaspiele sicherlich in Beziehung zum Sonnenkult gestanden. Wie die 
weibliche Gestalt auf dem TragliateHa-Kruge die jungfräuliche Sonne bezeichnet, so 
ist die erwähnte keulentragende Gestalt als Vertreter des Wintergottes anzusprechen, 
man hat es also in der Darstellung mit dem Kampfe des Winters gegen die Sonne 
und mit dem Siege des wiedererwachenden Frühlings zu tun. Denselben Gedanken 
sollten auch die Trojaspiele zum Ausdruck bringen, und wenn man erwägt, 
dass in älteren Berichten mitgeteilt wird, durch die Volksfeste bei den Trojaburgen 
und ähnlichen Steinsetzungen sei in England und in der Mark Brandenburg das 
Wiedererwachen der Frühlingssonne gefeiert worden, wenn man daran denkt, dass 
das „Himmel-und-Hölle-Spiel“ unserer Kinder im Mai und Juni, in den Tagen des 
beginnenden Frühlings, der wiedererwachten Sonne ausgeübt wird, so dürfte es 
keinem Zweifel unterliegen, dass die Trojaspiele und mit ihnen in noch höherem 
Grade die Trojaburgen in Beziehung zum Sonnenkult gestanden haben. 

Es fragt sich nun, aus welchen religiösen Bräuchen heraus die Trojaspiele 
entstanden sind, und wie man dazu kam, diesen Festen solche merkwürdig ver¬ 
schlungenen Gebilde, wie es die Trojaburgen sind, zugrunde zu legen. Für die 
Beantwortung dieser Frage ist von grosser Wichtigkeit ein Volksglaube, der sich, 
wie Willi Pastor erwähnte, mit einer erstaunlichen Zähigkeit noch heute hier 
und da in Schweden erhalten hat, der Glaube, dass man mit den Troja¬ 
burgen „Wetter machen“ könne. Das Landvolk glaubt, dass man einen 
Sturm herauf- oder herabbeschwören, dass man die Sonne erscheinen oder ver¬ 
schwinden lassen kann, je nachdem man die Gänge der Trojaburg nach der einen 
oder nach der anderen Richtung hin durchläuft, und diese Anschauung deckt sich 
gewissermassen mit dem, was einige antike Autoren von alten heiligen Reigen be¬ 
richten, nämlich, dass die Teilnehmer die Dinge bezauberten oder entzauberten, 
je nachdem ihr Reigen dem rechts oder links stehenden Anführer folgte. Liegt 
dieser letzten Anschauung eine altgermanische Kultvorschrift, die der Rechts¬ 
umwandlung aller Heiligtümer, die dreimal mit der Sonne umgangen werden 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


mussten, zugrunde, so tritt uns in der Benutzung der Trojaburgen zum Beschwören 
oder Bezaubern der Sonne die Weltanschauung der noch auf schamanistischer 
Stufe stehenden Völker entgegen, der Gedanke, dass man die Dinge durch 
ihr Ebenbild bezaubern könne, ein Gedanke, der noch heute im Zauber¬ 
glauben der Naturvölker, im Votiv- und Amulettaberglauben einen Ausdruck findet. 
Im Labyrinth der Trojaburgen hat man versucht, die Sonnenlaufbahn nachzu¬ 
bilden, und glaubte, mit diesen Gebilden über die Sonne selbst 
Macht zu gewinnen. 

Das kunstvoll verschlungene Gebilde einer Trojaburg, wie man sie z. B. bei 
Wisby findet, kann aber nicht die älteste Gestalt dieser Stätten eines ganz ursprüng¬ 
lichen Sonnendienstes gewesen sein, und in der Tat finden sich einfachere Gebilde, 
so eine Trojaburg auf der Insel Wier im hohen Norden, bei der konzentrische 
Kreise mit wechselnden Ausgängen einen Gang umschliessen, der zu einer ganz 
einfach spiraligen Anlage führt! Einfache Spiralen oder ein System konzen¬ 
trischer Kreise sind es auch, die uns auf alten Darstellungen der Trojaburgen, auf 
den englischen Bildsteinen, auf den Schwellensteinen der nordischen Ganggräber 
und in den Figuren des „Himmel- und Hölle-Spiels“ entgegentreten, und sie sind 
nach Pastors Ansicht auch die ursprünglichste Form der Trojaburgen gewesen. 
Und diese Form weist zugleich auf das Urs prungsland der Trojaburgen, auf den 
skandinavischen Norden hin. Hier bietet die Sonnenlaufbahn tatsächlich 
das Bild einer sich verjüngenden Spirale oder enger werdender konzentrischer 
Kreise dar, und diese Sonnenlaufbahn, die immer wieder beobachtet wurde, hat 
ein noch schamanistisch geschulter Geist in den Steinsetzungen der Trojaburgen 
nachzubilden versucht. Vom Norden aus haben sich die Trojaburgen über ganz 
Europa ausgebreitet, ihr Verbreitungsgebiet reicht vom nördlichen Eismeer bis in 
das Mittelmeergebiet und von Island bis tief nach Russland hinein. Bei all diesen 
Trojaburgen ist die Spirallaufbahn der Sonne als Grundgedanke der An¬ 
lage benutzt worden, und wenn sie auch, wie bei der Trojaburg in Wisby, bis 
zur Unkenntlichkeit entstellt scheint, so liegt dies an dem Standpunkt des Beobach¬ 
ters, denn in Südschweden und weiterhin nach Süden ist die Spirallaufbahn der 
hochnordischen Sonne immer weniger erkennbar. Die schräg gegen die Erde stehende 
Sonne beschreibt hier Halbbogen von Osten über Süden nach Westen, die sich 
gegen die Sonnenwende des Sommers zu verjüngen, gegen die des Winters erweitern f 
und diese verschiedenen Halbbogen finden sich in den genau orientierten Gängen 
der Trojaburg von Wisby, wie Willi Pastor durch mehrfache Beobachtungen fest¬ 
gestellt hat, wiedergegeben. 

Dass die Spiralen allein oder in Verbindung mit konzentrischen Kreisen 
das heilige Sonnenzeichen des Nordens waren, ist aus verschiedenen Dar¬ 
stellungen auf vorgeschichtlichen Kultdenkmälern ersichtlich, so aus den Zeichnungen 
auf der Scheibe des Sonnenwagens von Trundholm auf Seeland, der aus der älteren 
Bronzezeit stammt, so aus den Spiralfiguren über der Eingangspforte und auf den 
Schwellensteinen irischer und skandinavischer Ganggräber und aus den mannigfach 
verschlungenen Spiralornamenten auf Gegenständen aus der jüngeren Bronzezeit. 

Diese Zeichnungen und flächenhaften Darstellungen der Sonnenscheibe und 
ihrer spiraligen Laufbahn gehören sämtlich jüngeren Kulturperioden an, in älteren 
Zeiten versuchte man die Sonnenlaufbahn plastisch nachzubilden, und als Er¬ 
gebnis dieser Kultur- und Kunstrichtung sind die sogenannten „Wallburgen“ 
anzusehen, die als Hügel von beträchtlicher Höhe entweder von einem zur Spitze 
aufsteigenden spiraligen Gange umgeben oder in kreisförmigen Terrassen abgestuft 
sind. Diese Hügel haben nicht, wie vielfach angenommen worden ist, zu Vertei- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


309 


digungszwecken gedient, sondern waren Kultstätten, und zwar Stätten des 
Sonnenkults, der von jeher die germanische Weltanschauung beherrscht hat. 
Man sollte die Hügel deshalb, wie Pastor vorschlägt, mit dem Namen „Wal¬ 
burgen“ bezeichnen, um im Anklingen an verwandte Worte, wie Walhall, Walküre, 
Walstatt, auf ihre einstige Bestimmung als Kultstätten hinzuweisen. In einigen 
Gegenden hat sich der Name „Walburg“, „Walsburg“ oder „der Wal“ tatsächlich 
erhalten, und der frühere Brauch, um die Osterzeit nach diesen Hügeln „walpern“ 
zu gehen und auf der Höhe das Osterfeuer anzuzünden, deutet auf die ursprüng¬ 
liche Bestimmung der „Walburgen“ als Stätten des Sonnenkults hin. Dass 
auf diesen Hügeln auch Steinaltäre errichtet waren, zeigt eine den Walburgen ähn¬ 
liche Terrassenanlage in Frankreich im Departement de l'Aveyron, auf deren Höhe 
sich eine Dolmenanlage erhebt, und Pastor ist der Ansicht, dass nur ein Teil der 
Dolmen als Gräber anzusehen ist, und dass andere, die frei zutage liegen und 
von vierfachen Steinkreisen umgeben sind wie in Schweden, ebenso zahlreiche 
Menhirs und Cromlechs als Altäre und Heiligtümer anzusprechen sind, und zwar 
als Kultstätten des Sonnendienstes, wie Stonehenge und ähnliche Steinsetzungen, 
die in das Kultgebiet der Trojaburgen einzureihen sind. 

An den Vortrag schloss sich eine längere Besprechung, in der die Ansichten 
Pastors von verschiedenen Seiten in einzelnen Punkten angefochten wurden, 
ausserdem kamen einige Beispiele von Steinsetzungen, die den Trojaburgen ver¬ 
wandt sein dürften, zur Erwähnung. So wies Geheimrat Mühlke auf eine mittel¬ 
alterliche Steinsetzung in der Nähe von Ton dem, die „Treu bürg“ genannt, 
hin, Rektor Monke auf den Wunderkreis oder Irrgarten auf dem Haus¬ 
berge bei Eberswalde, der noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts als 800 
Schritt lange Laufbahn vorhanden war, auf den „J ecketanz“ bei Ahrensfelde 
(Kr. Lebus) und auf „Behrend Kirchhof“ in der Schorfheide bei Joachims¬ 
tal, Redakteur Scheuermann auf Hügelwälle im Eisass, die den Trojaburgen 
gleichen und auf denen noch heute Sonnenwendfeuer angezündet werden, und 
Direktor Feyerabend auf Schalensteine mit Näpfchen und konzentrischen Kreisen 
in der Nähe von Grabsteinen in der sächsischen Oberlausitz. An der Diskussion 
beteiligten sich ferner Privatdozent Dr. Hahne, Dr. A. Kiekebusch und Prof. 
Dr. Kossinna. Dr. G. Alb recht. 


IV. Bücher - Besprechungen. 


Robert Forrer, Reallexikon der prähistorischen, klassischen und frühchristlichen 
Altertümer. — Mit 3000 Abbildungen. Verlag von W. Spemann in Berlin und 
Stuttgart. — Gr. 8°. VIII u. 943 S. — Preis gebd. 28 Mk. 

Robert Forrer, Urgeschichte des Europäers von der Menschwerdung bis zum An¬ 
bruche der Geschichte. — Mit mehr als 1500 Abbildungen. Stuttgart, Verlag von 
W. Spemann. (Spemanns Compendien 2). — Kl. 8°. VIII u. 584 S. — Preis 
gebd. 6 Mk. 

Die beiden Nachschlagewerke für vorgeschichtliche Archäologie, die zu Weih¬ 
nachten 1907 fast gleichzeitig erschienen, bekunden schon im Titel verschiedene Ziele. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


Julie Schlemm will in ihrem „Wörterbuch zur Vorgeschichte“ (Berlin 1908) ein 
„Hilfsmittel beim Studium vorgeschichtlicher Altertümer von der paläolithischen Zeit 
bis zum Anfänge der provinzialrömischen Kultur“ schaffen, indem sie vornehmlich 
die in der Literatur auftauchenden Benennungen der Fundtypen sehr fleissig zu¬ 
sammenträgt, ohne aber kritisch zu sichten, und oft unter Ausserachtlassung gerade 
des Wesentlichen. 

Ganz anders Robert Forrers Reallexikon! Von den drei darin vereinigten 
Stoffgebieten kommen hier nur die prähistorischen Altertümer in Frage; doch wird 
manchem Forscher in diesem Fache die Mitgabe der klassischen und frühchristlichen 
Artikel willkommen sein, gerade wenn er diesen Zweigen ferner steht. 

Forrer geht neben der Berücksichtigung häufiger genannter Fundplätze, die 
kurz durch Wort und Bild erläutert werden (z. B. Oberflacht, Rondsen), mehr darauf 
aus, sich dem stofflich Wesentlichen zuzuwenden, und behandelt so die Gerätgruppen 
(z. B. Äxte, Schwerter), die Zeitstufen, und eine Reihe von Realien, die in der 
Fachliteratur meist nur eine untergeordnete Rolle spielen und selten ausführlicher 
bearbeitet werden. Hierhin gehören die Abschnitte über Arbeitsstoffe der Vorzeit, 
Flora, Fauna, zum Nahrungswesen, zur Kleidung, Bauten, Handel und Verkehr u. a., 
Abschnitte, bei denen oft die Verbindung mit der klassischen Archäologie fruchtbar 
wird. Man wird sie besonders freudig begrüssen, mag auch manchmal eine lücken¬ 
hafte Materialsammlung und die Spärlichkeit der Literaturangaben gerade hier un¬ 
angenehm empfunden werden. Aber Forrer erfrischt durch die Eigenschaft, aus 
eigner Anschauung darzustellen, und durch selbständige Verarbeitung des vorhandenen 
Materials, die oft neue Gesichtspunkte einträgt. 

Es liegt in der Natur eines Forschers, der nicht bloss aufspeichert, sondern 
auch verarbeitet, über die Gruppierung des Einzelmaterials hinaus zur zusammen¬ 
fassenden Darstellung zu gelangen. So Hess Forrer seinem Reallexikon alsbald die 
„Urgeschichte des Europäers“ folgen, die er selbst im Vorwort als Zusammenfassung 
aus dem Reallexikon charakterisiert. Allerdings verdiente sie mehr den Namen 
einer Kulturgeschichte, denn die Entwicklung der Kultur tritt in besonders reichem 
Masse hervor. Mehr als 1500 Abbildungen die zumeist den 3000 des Reallexikons 
entnommen sind, erläutern den Text und machen dieses wie jenes Werk schon 
allein recht wertvoll, da sie oft neue noch nicht bekannte Gegenstände wiedergeben ! ). 

Eine auf streng methodischer Grundlage ruhende Chronologie und auf dieser 
wiederum aufgebaute Ethnographie liegt ihm ferner, und doch werden auch nur 
auf diesem Wege die höchsten Ziele einer Kulturgeschichte erreicht werden, die die 
Entstehung und Wanderung kultureller Errungenschaften und die stammestümliche 
Eigenart der Kultur zur Aufgabe hat. 

Das Werk entgeht auch dem Umstande nicht, der Vorzug wie Nachteil aller 
bisher erschienenen Gesamtdarstellungen wie der von Hoernes 2 ), Dechelette 3 ) ist, 
und den auch Sophus Müllers Urgeschichte Europas unter einer Gruppierung des 
Stoffes nach grossen Kulturgebieten nur äusserlich verdeckt: nämlich dass sie immer 
nur ein engeres Gebiet genauer beherrschen, das ihren Kern bildet. 

Eine auf gleichmässiger systematischer Grundlage zu schreibende Übersicht 
über Europa ist auch für einen heute kaum mehr möglich, es sei denn, dass ihm 

*) Als recht störend empfindet man in beiden Werken, dass die auf Text¬ 
seiten aus den Abbildungen zusammengestellten Tafeln nach eigner Numerierung 
(die überhaupt überflüssig ist) zitiert werden anstatt nach den Seitenzahlen, wo¬ 
durch gewöhnlich ein mehrfaches Hin- und Herblättern erforderlich wird. 

*) Urgeschichte des Menschen 1892; Urgeschichte der Menschheit. 3. Aufl. 1905 
(Slg. Göschen Nr. 42). 

a ) Manuel d’Archeologie prehistorique celtique et Gallo-romaine. I. Paris 1908. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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für die einzelnen Länder gründliche Vorarbeiten zu Gebote stehen. Wohl wäre eine 
solche Darstellung besonders für Mitteleuropa sehr erwünscht. Ein Hand in Hand 
Arbeiten mehrerer an einer solchen Aufgabe ist weit weniger denkbar, als an einem 
Nachschlagebuch. Dafür möchte man es aber empfehlen, wenn man auch Forrers 
Bedenken teilt (S. VIII), ist erst einmal ein Grundplan gegeben. Man wünschte 
sich für die Gegenwart ein Werk, dass nach Forrerschen Gesichtspunkten mit einer 
Materialsammlung nach Schlemmscher Art arbeitet, mag es immerhin umfangreicher 
werden. 

Die Zukunft aber wird einmal ein Sachwörterbuch der Altertumskunde er¬ 
heischen, das die Realien der Bodenfunde verbindet mit den auf sprachwissenschaft¬ 
lichem Wege gewonnenen. Noch stehen wir hier in den allerersten Anfängen. 
Auf germanistischer Grundlage begann Moriz Heyne mit den 5 Büchern deutscher 
Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert. 
Hoops’ »Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertume“ bilden ein 
anderes Beispiel. Unter Heranziehung volkskundlicher Forschung gelangt Rudolf 
Meringer in seinen Arbeiten über „Wörter und Sachen“ in den Indogermanischen 
Forschungen Bd. XVI—XXI und als Fortsetzung davon in der kulturhistorischen 
Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung „Wörter und Sachen“ zu wertvollen Er¬ 
gebnissen. Leider scheint diese vielversprechende neue Forschung, die gerade für die 
indogermanische Altertumskunde unentbehrliche Fühlung mit der vorgeschichtlichen 
Archäologie noch nicht gewonnen zu haben. Und doch gehört auch diese Ver¬ 
bindung zur ganzen Erfassung des Zieles. In dieser Richtung ist auch das Real¬ 
lexikon späterer Zeit zu erwarten; wie es andererseits einmal kein Sprach Wörterbuch 
geben wird, das ohne Abbildungen zu denken wäre, es genüge denn allereinfachsten 
Übersetzungszwecken. 

Posen. Erich Blume. 

Emil Hollack, Vorgeschichtliche Übersichtskarte von Ostpreussen. — Erläuterungen 
zur vorgeschichtlichen Übersichtskarte. Glogau-Berlin, Carl Flemming. 1908. 

Gleichzeitig mit den badischen und thüringischen Inventarwerken erscheint 
ein in Anlage und Ziel verwandtes von Ostpreussen, ein höchst wertvoller Gewinn 
für die prähistorische Forschung, der es das gewaltige, in seiner Art ja ganz einzige 
ostpreussische Material übersichtlich und zum Teil überhaupt erst zugänglich macht. 
Die Aufgabe ist in die Hände eines Forschers gelegt, dessen Arbeitsfeld im wesent¬ 
lichen die Durcharbeitung des Landes, besonders in unerschlossenen Strichen, nach 
seinen vorgeschichtlichen Bodenschätzen gewesen ist; er kann uns daher vieles 
Neue und Selbstgewonnene bieten, und es ist begreiflich, wenn dieses subjektive 
Element in dem Werke stark hervortritt; allerdings nicht immer zu seinem Vorteil. 

So befremdet es zunächst gleich an der Karte, dass Verfasser sich seine 
eigene ziemlich krause Terminologie gesucht hat, während man sich in Archäologen¬ 
kreisen doch längst an die Zeichen und Farben der Stockholmer Verständigung ge¬ 
wöhnt hat und diese in den anderen Inventarwerken zu gründe gelegt sind und 
sich bewährt haben. Im übrigen ist die Karte (1:300000) einfach gehalten, 
aber übersichtlich und praktisch leicht verwendbar (zur Nachahmung zu empfehlen 
z. B. die Einteilung in Übersichtsvierecke), mehr als die ja sehr viel genauere, 
aber dadurch unhandliche Thüringer. Wir vermissen die Angaben der Höhenzüge 
oder Höhenschichten, deren Bedeutung für Besiedelungsdaten auf der west- 
preussischen und mecklenburgischen so deutlich hervortritt. Die Kreise sind ab- 
gegrenzt, doch fehlen leider die in dem Buche viel angewandten Landschaftsnamen 
(Masuren usw.), deren Kenntnis Verfasser doch nicht allgemein voraussetzen darf, 


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IV. Bücherbesprechungen. 


zumal sie durchaus nicht gleichmässig gebraucht werden. Auch im Text war eine 
kurze Charakteristik der landschaftlichen Verhältnisse und der siedelungsgeschicht- 
liehen Bedingungen geboten. — Wenn das gesamte Material auf einer Karte ver¬ 
einigt ist, so ist dagegen hier nichts zu sagen (im allgemeinen würde Referent 
eine Scheidung nach Perioden oder, wenn man eine grosse Karte haben will, Über¬ 
sichtskarten für die einzelnen Perioden in der Art von Lissauers westpreussischer 
Karte vorziehen), da die grosse Masse der ostpreussischen Funde in eine Periode 
(Hollacks „weitere Eisenzeit“) fällt. Auch ist durchaus zu billigen, wenn die Einzel¬ 
funde im allgemeinen auf der Karte nicht aufgenommen sind (im Text wären sie 
willkommen gewesen). 

Das Werk beginnt mit einer „Einführung in das Studium der Karte“, in der 
eine Übersicht über den Gang der Vorgeschichte gegeben und das chronologische 
Schema begründet wird, das der Terminologie der Karte zu gründe liegt. Der 
Verfasser hat sich damit auf ein Gebiet begeben, das ihm sichtlich nicht liegt, 
und die (auch stilistisch nicht einwandfreie) Darstellung besteht im wesentlichen aus 
einem Referat der bisherigen Formulierungen, besonders Tischlers, Kemkes, Bezzen- 
bergers und einer — wenig glücklichen — Kombination derselben ohne eigenen 
Standpunkt. Völlig wehrlos steht H. besonders der Chronologie gegenüber, trotz 
des naiven Versuchs, sich durch Synchronismen weiterzubringen (Steinzeit = Salomos 
Tempelbau, 21. Dynastie usw.; ältere Bronzezeit = Lykurg, erste Olympiade; jüngere 
Bronzezeit = attischer Seebund, Censoren in Rom usw.). Welche Jahrhunderte 
z. B. eigentlich der älteren Bronzezeit zugeschrieben werden, wird aus der Darstellung 
S. XXXVI kein Mensch entnehmen können, da Verfasser sich einverstanden erklärt 
sowohl mit Bezzenberger, der die untere Grenze um 800, als mit Tischler, der einmal 
— in unglücklicher Stunde — die Rantauer Funde um das 8. bis 7. Jahrh. vor Chr. 
angesetzt hatte, Funde einer Stufe, die doch noch in den früheren Abschnitt 
(Montelius III) der in Ostpreussen „ältere Bronzezeit“ genannten Periode fallen 
und die ganze Entwicklungsreihe Montelius IV/V noch vor sich haben müssen. — 
Die Gruppierung der Funde geschieht nach dem Schema: Steinzeit (ohne weitere 
Gliederung); ältere Bronzezeit, unter welchem Namen man in Ostpreussen (Kemke, 
Prussia-Katalog 1) die Perioden M. I—V zusammenzufassen pflegt; jüngere Bronze¬ 
zeit (== M . VI, jüngste Hallstatt, älteste Latöne-Stufen); erste Eisenzeit (jüngere 
Latöne-Stufen), weitere Eisenzeit. Die einzelnen Abschnitte werden nach Grabformen, 
Verbreitung, Gerättypen charakterisiert, etwas ungleichmässig (bei der ersten Eisen¬ 
zeit fehlt die Typenbeschreibung überhaupt!), aber sonst korrekt. Schmerzlich ver¬ 
misst man nur eine Abbildung der Typen, wie sie doch alle verwandten Inventar¬ 
werke gegeben haben und wie sie hier bei der ganz singulären und überreichen 
Erscheinungswelt der ostpreussischen Eisenzeit dem Fernerstehenden unentbehrlich 
ist. Zum Teil kann der klare und übersichtliche Prussia-Katalog aushelfen; doch 
steht ja die Neubearbeituug des zweiten Teiles noch aus. — Das Schwergewicht 
liegt natürlich auf dem Abschnitte über die „weitere Eisenzeit“, deren ungeheures 
Material nach der Art der Gräberfelder, den Tischler -Bezzenbergerschen Typen¬ 
gruppen B—H nebst den dabei hervortretenden „Kulturkreisen“ (was H. dar¬ 
unter versteht, ist mir nicht ganz klar geworden) und der Verteilung über das 
Land gesichtet wird. Nach dem Auftreten eines Typs der Gruppen B usw. ist dann 
im Text und auf der Karte das Grabfeld den betreffenden Gruppen zugeschrieben; 
das führt mehrfach irre, wenn vereinzelte an dem Orte gefundene Stücke als 
gleichberechtigt mit der Masse der Fundstücke behandelt werden und so aus der 
Beschreibung nicht hervorgeht, welchem Abschnitte das Feld im wesentlichen an¬ 
gehört. — Unentbehrlich für das Verständnis solcher Inventare ist auch eine Über- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


313 


sicht über den archäologischen Betrieb der betreffenden Landschaft. Jeder Forscher 
weiss, dass es durchaus nicht gleichgiltig ist, von wem ein Denkmal untersucht 
ist, und dass die grössere oder geringere Menge von Fundstellen in einer Gegend 
zum grossen Teile davon abhängt, ob sich ein geschickter Erforscher gefunden hat 
oder nicht, ln dem vorliegenden Werke fehlt selbst bei der Einzelbeschreibung 
meist der Name des Untersuchers, das Jahr der Bergung usw., sodass nicht immer 
ersichtlich ist, ob es sich um Zufallsfunde oder systematische Ausgrabung handelt, 
ob die Stelle erschöpft ist, das sichtliche Denkmal noch besteht usw. 

Den Hauptteil nimmt das „Verzeichnis und nähere Charakteristik der vor¬ 
geschichtlichen Gräber und sonstigen Plätze“ ein. In ihm liegt die eigentliche Arbeit 
und der Wert des Werkes. Die Ordnung ist alphabetisch, eine systematische Über¬ 
sicht ist am Schluss gegeben. Die Anordnung ist klar, reiche Literaturnachweise 
vorhanden. Referent hat Gelegenheit gehabt, das Verzeichnis bei einem Studium 
der Sammlung zu benutzen, und es praktisch und zuverlässig gefunden. Hier er¬ 
füllt das Werk seinen Zweck voll, und wir schulden dem Verfasser rückhaltlosen 
Dank für die entsagungsvolle Arbeit, deren Umfang nur der zu schätzen pflegt, 
der selbst in ähnlicher Weise tätig gewesen ist. 

Schwerin. R. Beltz. 


Karl Schirmeisen, Die arischen Göttergestalten. Allgemein verständliche Unter¬ 
suchungen über ihre Abstammung und Entstehungszeit. — Brünn, K. Winiker. 
1909. — 336 S. 

Seiner vor fünf Jahren erschienenen mythologisch - prähistorischen Studie 
über „die Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“ (Brünn 1904) hat 
K. Schirmeisen nun ein nicht minder originelles Werk folgen lassen. Seine ein¬ 
gehenden Untersuchungen über die arischen Göttergestalten gründen sich wohl auf 
den Inhalt des Rigveda und Awesta; in der Deutung der vedisch-awestischen Texte 
folgt jedoch der Autor keineswegs den bereits von Anderen ausgetretenen Pfaden, 
sondern schlägt vielfach neue Wege ein, ohne sich jedoch zu verhehlen, dass ein¬ 
zelne derselben später möglicherweise als Irrwege erkannt werden könnten. In der 
gehaltvollen Einleitung (dem ersten der acht Abschnitte, in die das Werk geteilt 
ist) bespricht Schirmeisen zunächst das „Endziel ,der mythologischen Forschung“. 
Er fasst die Göttergestalten als „ein Produkt zahlreicher Faktoren, einen Nieder¬ 
schlag der verschiedensten Erkenntnisse und Erfahrungen der Völker“ auf und sieht 
in der Mythologie neben der vorgeschichtlichen Forschung und der Ethnologie „das 
beste Hilfsmittel zur Erschliessung der menschlichen Urgeschichte“. Schon in der 
oben zitierten Schrift über die „Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“ 
hat der Autor dargelegt, dass jede einzelne Gottheit „das getreue Spiegelbild der 
materiellen, geistigen und sittlichen Kultur des Volkes ist, von dem sie geschaffen 
wurde“ und dass sich in jeder Göttergestalt .,die natürliche Beschaffenheit ihres 
Entstehungsgebietes wiederspiegeln“ müsse. Diesen gewiss ganz einwandfreien 
Standpunkt nimmt der Verfasser nun auch bei seinen neuen Untersuchungen ein 
und sucht aus den Attributen, den Fähigkeiten und Gewohnheiten, die in den 
Mythen den einzelnen Göttern zugeschrieben werden, einen Schluss auf die Ent¬ 
stehungszeit der letzteren zu ziehen, indem er an dem Gedanken festhält, dass die 
Ausgestaltung der Gottesidee schon mit den ersten Anfängen der menschlichen 
Geistesentwicklung begonnen hat und dass jede wesentliche Veränderung in den 
Kulturzuständen die Tendenz erkennen lässt, eine neue Gottheit zur Herrschaft zu 
bringen. Auch die Entstehung neuer Berufsstände führte zur Entstehung 
Mannus. Bd. I. H. 3 4. 21 


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IV. Bücherbesprechungen. 


neuer Göttergestalten, wie denn auch der Einfluss von Völkerwanderungen und 
Rassenmischungen auf die Entstehung neuer Götter nicht gering zu achten ist. 

So kommt der Autor zu dem Schlüsse, dass die Gottheit der paläolithischen 
Menschen eine noch nicht geschlechtlich differenzierte Feuergottheit, 
die älteste Religion demgemäss ein absoluter Monotheismus gewesen sein 
muss. In der mesolithischen Zeit trat eine Wassergottheit auf, neben der auch 
Sonne und Mond — „wahrscheinlich als die Sprösslinge der alten Feuergottheit“ 
— verehrt wurden. In den nördlicheren Gebieten erscheint die Sonne als weibliche 
der Mond als männliche Gottheit; die Mondgottheit stellt der Autor als Haupt¬ 
gottheit des Mesolithikums hin. In der neolithischen Zeit spielen bereits zwei 
Hauptgottheiten — eine ältere südlichen und eine jüngere nördlichen Ursprungs — 
eine Rolle. Neben dem „Vater Himmel“ und der „Mutter Erde“ erscheint nach 
und nach eine „bäuerliche Gewittergottheit“, in den nördlicheren Gebieten wahr¬ 
scheinlich auch eine „Göttin der Morgen- und Frühlingsröte“. In das Neolithikum 
fällt auch die erste Zusammenstellung von Gottheiten zu einer „Jahreszeitendreiheit“ 
sowie eine gewisse Kenntnis des Sternenhimmels. In der älteren Metallzeit (dem 
„Dolchzeitalter“) treten insbesondere die Frühlingsgottheiten hervor, während 
die kulturell so wichtige jüngere Metallzeit (das „Schwertzeitalter“) die Entstehung 
neuer Göttergestalten, beziehungsweise die Umgestaltung der älteren Gottheiten im 
wesentlichen zum Abschluss bringt. Ein wichtiges Kapitel, das an die schwierigsten 
Probleme der Urgeschichtsforschung rührt, behandelt die „Einflüsse der Rasse¬ 
mischungen und Völkerwanderungen“, ein weiterer, sehr interessanter Abschnitt die 
„Entstehung des Zodiakus“. 

Der zweite Hauptabschnitt behandelt „die alten Feuergottheiten“; die Titel 
der übrigen Hauptabschnitte lauten: „Der lichte, strahlende Himmelsgott und seine 
abgeleiteten Formen“. — „Die Planetengottheiten“. — „Die Gewittergottheiten“. — 
„Die Helfer der Gewittergottheiten“. — „Frühlingsgöttinnen“. — „Die Gottheiten 
der dritten Jahreszeit und ihr Gefolge“. 

Auf weitere Einzelheiten kann bei dem überreichen Inhalte des Werkes an 
dieser Stelle nicht eingegangen werden. Nur an einem Beispiele möge die Art 
und Weise, wie der Autor aus der von ihm eingehend studierten vedisch-awestischen 
Literatur seine Schlüsse zieht, mit wenigen Worten dargelegt werden: Die Wirk¬ 
samkeit Vrtras und die Flucht Agnis werden mit der Eiszeit identifiziert. 
Indras Sieg über Vrtra repräsentiert die Nacheiszeit. Der winterliche Charakter 
Varunas deutet auf eine vorneolithische Entstehung; er ist offenbar eine 
Weiterentwicklung des eiszeitlichen Feuergottes Tvashtr. Da der Schleuderstein 
fast die einzige Waffe Indras ist, so fällt die Entstehung dieses mit Thor-Donar 
identischen Gottes in das Neolithikum. Ähnlich fällt die Entstehungszeit Mithras 
(= Merkur) in die ältere Metallzeit, da unter den Waffen dieses Frühlingsgottes 
das Schwert fehlt. Das Endergebnis aller dieser Untersuchungen ist, dass im 
vedischen Olymp die Mythologien dreier Völkergruppen vereinigt sind; es waren 
dies wahrscheinlich Germanen, nördliche Mischvölker und Iranier. 

Brünn. Prof. A. Rzehak. 

Albert Kiekebusch, Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im 
Spiegel der Hügelgräber des Niederrheins nebst einem Anhang: Die absolute 
Chronologie der Augenfibel. Inaug.-Dissert. Berlin 1908. (Auch u. d. T.: Studien 
und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde. III. Stuttgart, Strecker & Schröder. 
3,- M.). 

Die erste Doktordissertation an der Berliner Philosophischen Fakultät über 
ein Thema der vorgeschichtlichen Archäologie müsste in dieser Zeitschrift erwähnt 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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werden, auch wenn ihr Inhalt weniger bedeutsam wäre, als derjenige der oben 
genannten Abhandlung. Herr Kiekebusch hat zum Erweise seiner erfolgreichen 
Studien ein Thema grossen Umfangs und historischer Wichtigkeit gewählt, das 
Thema vom Einfluss der römischen Kultur auf die Germanen mit der Einschränkung 
auf die Germanen am Niederrhein. Es ist selbstverständlich, dass der von dem 
hohen Werte seiner Wissenschaft und seines Studiums erfüllte Archäologe dieses 
Thema nur auf dem Wege der Archäologie behandelt, und dass er zunächst es be¬ 
gründet, warum nur das Studium des Bodenmaterials, und zwar nach den neueren 
Fortschritten in Typologie und Chronologie, in der Ausgrabungstechnik und in der 
Sorgfalt der Beobachtung, imstande ist, die Aufgabe zu bewältigen. 

Schon in diesem einleitenden Teile ahnen wir etwas von den Hindernissen 
einer solchen Untersuchung gerade im Gebiete des Niederrheins, wenn wir hören, 
dass bei Ausgrabungen der früheren Jahrzehnte die „barbarischen“ Altertümer acht¬ 
los oder verächtlich beiseite geworfen worden sind (S. 3). 

Mit Recht wird in weiteren vorbereitenden Abschnitten auf die frühere Über¬ 
schätzung des römischen Kultureinflusses bei gänzlicher Unterschätzung der boden¬ 
ständigen germanischen Kultur und auf die Überwindung des letzteren Vorurteils hin¬ 
gewiesen; dabei auch manche Fehler früherer archäologischer Ansichten erörtert, die 
durch mangelhafte Unterscheidung der verschiedenen Perioden römischer Beein¬ 
flussung oder auch durch Verwechselung von Handelsbeziehungen mit Beeinflussung 
der Lebensart und des Handwerks herbeigeführt wurden. Hierher gehören auch 
fehlerhafte Einschätzungen von gutgearbeiteten Geräten (Fibeln, Gefässen), die 
man für römisch beeinflusst hielt, während die betreffende Industrie ihre Anregungen 
von viel älteren südlichen Einflüssen empfangen hatte. Verfasser stellt die Forderung 
auf, dass Einwirkung römischer Waren auf germanische Produktion nur dann be¬ 
hauptet werden darf, wenn die römischen Vorbilder aufgezeigt werden können, 
nach denen gearbeitet worden ist (S. 9). Er scheint zwar diesen trefflichen Grund¬ 
satz bald darauf zu vergessen (S. 11), wenn er versichert, dass in der späteren 
Kaiserzeit die Einwirkung römischer Arbeit auf germanische Technik sich mit Sicher¬ 
heit beobachten lässt, ohne uns ein einziges Beispiel von Vorbild und Nachbildungen 
zu nennen; aber wir bemerken später, dass er die Durchführung seines Themas 
auf das dritte und vierte Jahrhundert überhaupt nicht ausgedehnt, also diesen 
wichtigen Teil der Untersuchung wohl auf spätere Zeit verschoben hat. Verfasser 
beginnt den ersten Hauptteil mit Charakteristik seiner Quellen (Ausgrabungs¬ 
berichte, Museen), um dann die Chronologie oder besser Einteilung der römischen 
Kaiserzeit zu begründen und darauf die provinzialrömische Kultur auf Grund der 
Hauptfundstellen (Haltern, Hofheim) und der darauf bezüglichen Literatur zu be¬ 
schreiben. 

Diese beiden Abschnitte, überschrieben „Die Chronologie der römischen Kaiser¬ 
zeit“ und „Provinzialrömische Kultur“ enthalten m. E. den besten Teil der Abhand¬ 
lung, eine gut begründete Einteilung der römischen Kaiserzeit in drei Perioden mit 
Übergangszeiten und eine treffliche, in Kürze belehrende Beschreibung der römischen 
Kulturreste am Rhein während der ersten Periode. — 

Hätte K. sein Thema vollständig durchführen („bewältigen“) wollen, so hätte 
er in ähnlicher Weise wie die erste auch noch die zweite und die dritte Periode 
schildern müssen. Denn wer den Einfluss der römischen auf die germanische Kultur 
darstellen will, muss zuerst die römische, dann die germanische, dann die Spuren 
und Beweise der Beeinflussung letzterer durch erstere darstellen. In einer Disser¬ 
tation war dies offenbar nicht möglich; Verfasser hat sich deshalb auf Abschnitte 
beschränkt; für die zweite Periode der kaiserzeitlichen Kultur verweist er auf den 

21 * 


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IV. Bücherbesprechungen. 


Limes und seine Kastelle; für die dritte Periode unterbleibt auch ein solcher Hin¬ 
weis. Eine Rechtfertigung dieses abgekürzten Verfahrens liegt ja nahe, aber Ver¬ 
fasser hätte doch nicht unterlassen sollen, auf die Lücke aufmerksam zu machen. 

Der zweite Hauptteil umfasst folgerichtig die germanische Kultur am Nieder¬ 
rhein und zwar unter der Überschrift „Die niederrheinischen Hügelgräber“. In der 
Tat enthalten diese zahlreichen Hügelgräber das Material zur Beurteilung der ger¬ 
manischen Kultur; und wohl deshalb, weil man nur aus ihrem Inhalt den etwaigen 
römischen Einfluss zu erkennen vermag, ist auch das (kurze) Kapitel vom römischen 
Einfluss unter diese Überschrift mit aufgenommen. Dieses Kapitel S. 64—66 müssen 
wir also als den logisch zu erwartenden dritten Teil der Untersuchung gelten lassen. 

Diese Hügelgräber nun sollen am Niederrhein ein ganz besonders schweres 
Rätsel aufgeben. Sie sollen nach bisherigen Beurteilungen einer verblassten Hall¬ 
stattkultur angehören, von dem Einfluss der Latene-Kultur sollen sie keine Spuren 
zeigen; germanische Gräber der Latene-Zeit und der Kaiserzeit hat man vergeblich 
gesucht; es soll also am Niederrhein eine Lücke geklafft haben, „die fast tausend 
Jahre umfasste“ (S. 28). 

Der Verfasser löst schliesslich durch eingehendes Studium des Materials und 
der Ausgrabungsberichte die Schwierigkeit mit der Erkenntnis, dass der Inhalt 
der Hügelgräber Beziehungen sowohl zur Hallstattzeit als auch zur Latene-Zeit und 
zur römischen Kaiserzeit aufweist, dass die Gräberfelder also die ganze Zeit von 
der Hallstattkultur bis zur Periode der römischen Herrschaft am Rhein ausfüllen, 
und dass demnach am Niederrhein jene verblasste Hallstattkultur bis in die Römer¬ 
zeit fortbestanden hat. Diese Erkenntnis ist gewiss eine verdienstvolle Leistung 
und die darauf verwandte Mühe alles Lobes wert. — 

Aber eine Verwunderung überkommt uns darüber, wie es möglich gewesen 
ist, dass diese Erkenntnis am Niederrhein solange gefehlt hat, dass man so lange 
hin- und hergeraten hat, bis man gegen alle Behauptungen misstrauisch geworden 
ist. Sollte hierin eine Erklärung oder Entschuldigung für die Erscheinung liegen, 
dass die Römerforschung am Rhein sich so lange geringschätzig gegen die deutsche 
Vorgeschichtsforschung verhalten hat? 

Die Tatsache, dass die Urnengräber und Urnenfriedhöfe seit der späteren 
Bronzezeit oder jüngeren Hallstattzeit bis in die Völkerwanderungszeit in der Anlage 
und Bestattungsweise einander sehr ähnlich sind, ist bei uns und in ganz Nord¬ 
deutschland ebenso zu konstatieren, wie am Niederrhein, aber darum sie als „ein¬ 
heitlich“ zu bezeichnen oder „als ein untrennbares Ganzes zu betrachten“ würde 
recht bedenklich sein und das Urteil verwirren. Auch bei uns sind die Beigaben 
aus diesen Zeiten meist recht dürftig, aber doch ist eine Unterscheidung möglich 
geworden dadurch, dass man die durch Beigaben oder Fundgemeinschaft datierten 
Gefässe dazu benutzte, um die gleichartigen Gefässe, wenn sie auch ohne Beigaben 
Vorkommen, mit zu datieren. Die Typen sind ja ungemein weit verbreitet. Aus 
der S. 36-39 gegebenen Beschreibung der niederrheinischen Grabhügel-Keramik 
glaube ich viele alte Bekannte zu erkennen, deren Periode bei uns längst bestimmt 
ist, besonders auch viele der Latenezeit angehörige. Man vergleiche z. B. die mit 
schönem hallstättischen Schrägrand versehenen Gefässe, die in Latene - Gräbern 
Mecklenburgs gefunden sind; die rauh gemachten mit glattem Rand oder auch mit 
senkrechten glatten Streifen (also rauhen Feldern), die auf der Wandtafel der Pro¬ 
vinz Sachsen als Latene-Typen gezeichnet sind; die mit mehrzinkigem Instrument 
flechtwerkartig verzierten der Latene- und der Kaiserzeit; die vielen terrinenför¬ 
migen, wie die bei Koenen vom Urnenfriedhofe der Golzheimer Heide bei Düssel¬ 
dorf gezeichnete (Taf. XIX, 2), deren so viele bei uns aus Gräbern der Kaiserzeit 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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bekannt sind, — und man wird, wie ich, auf den Gedanken kommen, dass die Ver¬ 
legenheit wegen der klaffenden Lücke nicht einzutreten brauchte, wenn die Finder 
oder Verwalter der rheinischen Urnenschätze ihre Blicke weniger nach Westen und 
Süden, als nach Osten und Norden gerichtet hätten, wo ja doch die Verbindungen 
der bis zum Rhein vorgedrungenen Germanen liegen mussten. 

Ein anderer Grund der eingetretenen Ratlosigkeit scheint mir aber auch in 
einer gewissen summarischen Art der Ausgrabungen zu liegen. Wenn nicht jedes 
Grab für sich als geschlossener Fund behandelt, sondern die Ausbeute ganzer 
Felder durcheinander gebracht ist, kann man natürlich nicht die Zeitfolge in der 
Besetzung eines grossen Feldes beobachten und der Inhalt eines zufällig datierten 
Grabes kann nicht zur Datierung vieler anderer verwendet werden. Aus der sum¬ 
marischen Behandlungsweise, die Kiekebusch der als „untrennbar Ganzes“ be¬ 
trachteten Gräbermasse angedeihen lässt, glaube ich auf summarische Ausgrabungen 
schliessen zu müssen, würde aber solche nicht mit der Meinung entschuldigen 
können, dass die richtige Ausgrabungsmethode erst in den letzten zehn Jahren 
gefunden sei (S. 14 und 37), da Hostmann schon 1874 gezeigt hatte, wie man ein 
Urnenfeld (Darzau) ausgraben und beschreiben muss; — von vielen späteren Bei¬ 
spielen nicht zu reden. — Unbegreiflich ist es ferner, dass so viele Ausgrabungs¬ 
funde „verschollen“, dass andere nur oberflächlich beschrieben sind. Möchten doch 
endlich die Grundsätze überall begriffen werden: „Wer nicht berichtet, soll auch 
nicht ausgraben“ und „Urgeschichtliche Dokumente dürfen nicht in Privatzimmern 
verschwinden“. 

Nachdem Kiekebusch einen zusammenhängenden Kulturzustand der Be¬ 
wohner des Niederrheins vom 8. Jahrhundert bis in die Kaiserzeit nachgewiesen 
hat, kann er zur ethnologischen Bestimmung übergehen und hat gewiss recht, wenn 
er die ganze in den Hügelbrandgräbern bezeugte Kultur für eine germanische hält, 
zumal im benachbarten Treverergebiet die Kelten bis zur Mitte der Latönezeit durch 
Skelettgräber und anders geartete Keramik charakterisiert sind. Die germanische 
Zugehörigkeit hätte m. E. auch positiv erwiesen werden können durch den Ver¬ 
gleich mit den germanischen Urnenfeldern Norddeutschlands, wie denn auch die 
eigentümlich „verblasste“ Beschaffenheit der Hallstatt- und der Latene-Typen in 
den niederrheinischen Hügelgräbern m. E. nur dadurch erklärt werden kann, dass 
die Bevölkerung jene Hallstättischcn und Latene-Einflüsse nicht direkt vom rheini¬ 
schen Süden empfangen hat, wo ihre Feinde sassen, sondern aus ihrer östlichen 
Heimat mitgebracht oder von ihren östlichen Verwandten überkommen hat, zu 
denen jene Einflüsse von Böhmen (Boii) her und auf dem Elb- und Saalewege 
gelangt waren. 

Zuletzt wendet sich der Verfasser dem römischen Einfluss zu. Während bei 
den Germanen, die der römischen Machtsphäre unterworfen waren, am Oberrhein, 
Mittelrhein und im Mosellande dieser Einfluss am dortigen Fundmaterial sehr ge¬ 
nau erkannt und sein Fortschritt verfolgt werden kann, lehren die niederrheinischen 
Hügelgräber, dass die freien Germanen sich während der frühen und mittleren 
Kaiserzeit dem römischen Einfluss unzugänglich verhalten haben. Dass in der 
späten Kaiserzeit (3.-4. Jahrhundert) sich die Sache anders verhält, und hier sich 
römische Einwirkungen auf Technik und Leben der Eingeborenen beweisen lassen, 
wird nicht ausgeführt. Ob die Hügelgräber nicht bis in diese Periode reichen? 1 ) 

Als Anhang gibt Verfasser noch eine dankenswerte und nützliche Unter¬ 
suchung über die absolute Chronologie der Augenfibel, die auf Grund der Funde 

’) Nach der Veröffentlichung von Rademacher in H. 1/2 dieser Zeitschrift S. 94 scheint die späte 
Kaiserzeit in Flachgräbern bestattet zu haben. 


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V. Nachrichten. 


und Beobachtungen in Haltern, Neuss, Hofheim, Urmitz, Andernach zu dem Ziele 
führt, dass vier Entwickelungsstufen zu unterscheiden sind, die innerhalb der ersten 
50 Jahre unserer Zeitrechnung sich vollzogen haben. Die germanische Herkunft 
dieser Fibel ist schon von Almgren erkannt worden. Aber die wichtige von Kiekebusch 
festgestellte Tatsache, dass das Prototyp und die erste Entwickelung desselben nur 
in Böhmen häufiger auftreten, scheint mir einen nicht zu unterschätzenden Hin¬ 
weis auf das Land und das Volk zu enthalten, von dem die germanischen 
Techniker jener Zeit ihre wichtigsten Anregungen empfingen. 

Wernigerode. Paul Höfer. 


V. Nachrichten. 


Grabhügel bei Lissdorf nahe Eckartsberga, 

Kreis Naumburg. 

Anfang September d. J. wurde in Flur Lissdorf bei Eckartsberga ein Stein¬ 
kistengrab aufgedeckt. Der Gutsbesitzer Bornschein wollte einen Teil des Hügels 
abtragen, um ihn mit Feldfrüchten bestellen zu können. Dabei stiess er auf eine 
Steinplatte, einen der gewaltigen Decksteine des Grabes. Beim Abheben liess man 
sie unvorsichtigerweise ins Grab fallen, wodurch die in der Kiste stehenden Ge- 
fässe vollständig zertrümmert wurden. Als ich am 11. September die Grabstätte 
untersuchte, hatten Unberufene in dem Grabe gewühlt und die vorhanden gewesenen 
Scherben, durchbohrte Tierzähne, Menschenknochen usw. achtlos beiseite geworfen. 
Bis zur Hälfte war jetzt das Grab mit Erde angefüllt, trotzdem es ursprünglich keine 
enthielt. Ungefähr von 4 bis 5 Menschen fanden sich Knochenreste vor, sodass 
ich zu dem Schlüsse kam, dass hier Nachbestattungen stattgefunden haben mussten. 
Bei meiner Untersuchung beobachtete ich zunächst Reste einer Steinpackung über 
der Steinkiste. Darunter fand ich im Niveau der Deckplatten eine flachgewölbte 
Steindeckung von keilförmigen Steinen, die mit Gipsmörtel unter sich und mit dem 
dahinterliegenden noch vorhandenen Deckstein verbunden waren. Als ich auch diese 
Steinpackung entfernt hatte, kam die genannte 1,85 m lange und 0,20 m dicke Stein¬ 
platte zutage, die den hinteren Teil des Grabes bedeckte. Somit füllte die mit 
Gipsmörtel verbundene Steindeckung eine Lücke zwischen den zwei grossen Deck¬ 
platten aus. 

Am 14. September setzte Herr stud. phil. et archaeol. Hagemann, der am 11. 
September auch zugegen war, die Ausgrabung fort. Nach kurzem Bemühen fand sich 
meine Vermutung bezüglich der Nachbestattungen bestätigt; denn an der östlichen 
Schmalseite der Kiste befand sich ein quadratischer Eingang von 0,55 m Seitenlänge, 
durch den die Leichen in der Steinzeit nachbestattet worden sind. 

Um den Zugang zu dieser Tür, die mit Steinplatten zugesetzt war, zu er¬ 
reichen, war ein Weg angelegt. In der Breite des Grabes führte der gepflasterte, 
rechts und links mit Steinplatten eingefasste Weg, sich nach aussen zu immer ver¬ 
breiternd, rampenartig auf die Oberfläche des Hügels. In und neben dem rampen¬ 
artigen Zugänge befanden sich bronzezeitliche Nachbestattungen. Eigenartig war 
die Beisetzung dieser Toten: Nachdem man die über einer Steinsetzung aufgetragene 
Humuserde, ungefähr 0,75 m mächtig, abgetragen, stiess man nach Wegnahme der 


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V. Nachrichten. 


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Steine auf einen seitlich liegenden Hocker, der, mit dem Gesicht nach Osten ge¬ 
wandt, begraben worden war. Als Beigabe fand man Scherben einer Tonschale. 
So setzte sich die Ausgrabung von oben nach unten zu fort, fünf Skelette zutage 
fördernd, die schichtenweise, mit zwischenliegender Steinpackung übereinander be¬ 
stattet worden waren. Als ich am Nachmittag eintraf, konnte ich die fünfte Leiche 
blosslegen, die leider fast ganz aufgelöst war. Als Beigabe fand ich Trümmer eines 
schwarzen Gefässes mit ausgeschweiftem Rande. Eine Rekonstruktion war ausge¬ 
schlossen. Trümmer von mehreren Gefässen, die eine Zusammensetzung nur teil¬ 
weise ermöglichen lassen, wurden in ziemlicher Anzahl gefunden. Als hauptsäch¬ 
lichste Fundobjekte sind zu nennen: 1. eine 10 cm lange Bronzenadel mit annähernd 
kugelförmigem Kopf; 2. die Hälfte einer Brillenspirale von 5- 6 cm im Durchmesser; 
3. Teil eines Ringes aus Bronzedraht, spiralförmig gewunden; 4. kleine Röllchen 
und Perlen ebenfalls aus Bronze, die, auf eine Schnur gereiht, als Halskette Ver¬ 
wendung gefunden haben mögen. Die Knochenteile lagen teilweise ungeordnet 
durcheinander. Trotzdem die meisten Gefässe in kleinen „Steinkistchen“ mit Deck¬ 
platte beigesetzt waren, ist doch kein einziges vollständig aufgehoben worden. — 
Beim Ausräumen des steinzeitlichen Grabes fand man in der östlichen, linken Ecke, 
nahe an der Tür, mit Erde, Menschen- und Tierknochen vermengt, einen 10 cm 
langen Knochenpfriemen. Sonst ist trotz sorgfältiger Untersuchung in der Kiste 
nichts von uns aufgefunden worden. — Die Grabanlage befindet sich ungefähr 20 
bis 25 Minuten vom Dorf entfernt und liegt nördlich vom Ort auf einer Anhöhe, 
die teils mit Buschholz bewachsen, teils der Landwirtschaft nutzbar gemacht worden 
ist. Der sanftgewölbte Hügel erstreckt sich von Westen nach Osten und zeigt 
mehrere Erhöhungen, die vermuten lassen, dass noch mehrere Gräber vorhanden 
sind. Die Ausdehnungen der bis jetzt aufgedeckten Grabanlage sind folgende: Die 
Steinkiste misst in ihrer ganzen Länge, von Westen nach Osten 2,40 m und in der 
Breite 1,40 m. Sie ist mit schönen Kalksteinplatten ausgesetzt, die ganz regel¬ 
mässig aneinandergefügt und mit Gipsmörtel verbunden sind. Die Tiefe des Grabes 
beträgt 1,05 m, von der Sohle des Grabes bis zur Oberfläche des Hügels 1,80 m. 
Einschliesslich der bronzezeitlichen Nebenbestattung ist die Grabanlage 3,80 m lang. 
Der Hügel selbst ist ungefähr 40 m lang und 18 m breit. Die Höhe lässt sich 
leider schwer bestimmen, da man schon früher die gute, aufgetragene Humuserde 
behufs Feldregulierung sich zunutze gemacht hat. Was die weiteren Grabungen 
noch erschliessen werden, bleibt der Zukunft Vorbehalten. Die wenigen Fundgegen¬ 
stände sind in den Besitz des Herrn Student Hagemann übergegangen. 

Naumburg a. S., 10. X. 09. Lehrer Carl Herrmann. 


Einzigartige Steinzeitfunde bei Alvastra. 

Ein Pfahlbau zum ersten Mal in Skandinavien gefunden. 

Viertausendjährige Äpfel, Weizenkörner und Holzgeräte. 

Eine in ihrer Art einzigstehende Ausgrabung ist während des September 
für Rechnung der Stockholmer Kgl. Akademie der schönen Wissenschaften, Ge¬ 
schichte und Altertümer von Dr. Frödin östlich vom Omberg gleich bei der Eisen¬ 
bahnstation Alvastra gemacht worden. 


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V. Nachrichten. 


Im vorigen Jahre wurden hier einige Gerätfunde gemacht, die darauf hin¬ 
deuteten, dass das grosse Moor, das sich dort befindet, Reste eines alten Wohn- 
platzes bärge. Bei seinen Untersuchungen hat Dr. Frödin nicht nur diese Annahme 
bekräftigt gefunden, sondern zugleich die äusserst interessante Entdeckung gemacht, 
dass wir es hier mit Überresten eines Pfahlbaues zu tun haben, des ersten, der 
in Nord-Europa gefunden wurde. Aus dem konservierenden Kalkmoor sind weiter 
Waffen und Geräte aus Stein, Flint, Knochen, Horn und sogar aus Holz ausge¬ 
graben, und ausserdem verkohlte Äpfel und Weizenkörner — alles nach ganz zu¬ 
verlässiger wissenschaftlicher Datierung wohl 4000 Jahre alt. Mehr kann man 
nächstes Jahr zu finden hoffen, wenn die Ausgrabungen fortgesetzt werden; unter 
anderem bleibt noch zu untersuchen, welche Form und Konstruktion der gefundene 
Pfahlbau gehabt hat. 

Dr. Frödin, der kürzlich von seinen Grabungen nach Stockholm zurückgekehrt 
ist, hat in „Dagens Nyheter“ einige Mitteilungen über den bemerkenswerten Fund 
gemacht. 

Der Fundplatz liegt gerade an der Kante des Dags-Moores, gleich östlich vom 
Eisenbahnhotel in Alvastra. Als der Besitzer im vorigen Sommer mit Deicharbeiten 
beschäftigt war, wurden die ersten Funde gemacht: Nusschalen, Steinwaffen usw., 
die zu den wissenschaftlichen Ausgrabungen dieses Sommers Veranlassung gaben. 
Dr. Frödin liess einen metertiefen Graben auf 56 Quadratmeter ausheben, und hier 
auf dem Boden des Grabens fand er eine Kulturschicht von ein Drittel Meter 
Mächtigkeit. Unter dieser Schicht stiess er auf einen Fussboden (Plattform) von 
Kiefern- und Birken-Stämmen, die meisten ausgezeichnet gut erhalten, die Birken¬ 
stämme noch mit der teilweise übrig gebliebenen weissen Rinde. Der Fussboden 
erstreckte sich über eine Fläche von mehr als 50 Quadratmeter hinein unter die 
Torfschicht zu beiden Seiten des Grabens und ruhte auf Pfählen von ungefähr 
10 cm Durchmesser. Hier war also die Plattform eines Pfahlbaus, des einzigen 
bisher nicht nur in Skandinavien sondern in ganz Nord-Europa gefundenen '). 

In den Alpengegenden hat man Reste alter Pfahlbauten gefunden, aber ob¬ 
wohl augenscheinlich nach demselben Prinzip gebaut, unterscheidet sich doch der 
in Alvastra ausgegrabene von diesen mitteleuropäischen Pfahlbauten. Eine geo¬ 
logische Untersuchung, vorgenommen von Dr. L. von Post, hat nämlich an die Hand 
gegeben, dass der schwedische Pfahlbau nicht wie die Schweizer im See selbst ge¬ 
standen, sondern in einem Morast auf dem schwach abfallenden Strande. Die Platt¬ 
form hat teils auf den Pfählen geruht, teils auf dem Morastboden selbst, und das 
Wasser ist unter dem Gebäude in ebenmässigem Laufe durchgeflossen. Hier waren 
die Bewohner geschützt gegen Überfälle sowohl von der Land- als der Seeseite, 
geschützt durch den unpassierbaren Morast. Selbst kamen sie hinüber auf schmalen 
Stegen, von denen man auch einige Spuren gefunden hat. 

Wie gross der alte Pfahlbau gewesen ist, kann erst die fortgesetzte Ausgrabung 
zeigen. Es ist möglich, dass man andere ähnliche Bauten in der Nähe findet — 
das ist sogar wahrscheinlich, da weder die schweizer Pfahlhäuser noch die Land- 
wohnplätze, die man in Schweden angetroffen hat, vereinzelt liegen, sondern zu 
mehreren vereint. Übrigens ist der gefundene Pfahlbau kein „Einfamilienhaus“ 
gewesen. Auf der Plattform liegen nämlich mehrere Herde, 6 auf der bisher aus- 
gegrabenen Fläche. Die Stämme in ihrer Umgebung sind von der Hitze verkohlt 

’) Um hier kein Missverständnis aufkommcn zu lassen, sei daran erinnert, dass in Norddeutsch¬ 
land, so in Mecklenburg (Wismar u. a.). Posen (Czeszewo) und mehrfach im südlichen Ostpreussen 
(Masuren), steinzeitliche Pfahlbauten aufgedeckt und ausgebeutet worden sind. G. K. 


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V. Nachrichten. 


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und die Steinplatten gesprungen. Eine Raumeinteilung hat es offenbar nicht ge¬ 
geben, die Herde liegen so nahe aneinander, dass die Wände verkohlt waren. 
Wahrscheinlich hat ein grosses Dach von Fellen oder von Zweigen und, Torf sich 
über die ganze Plattform erstreckt. — Dr. Frödin hat Reste der schmalen Streben 
gefunden. 

Über der Plattform lag, wie schon erwähnt, eine 30 cm dicke Schicht von 
Abfällen, die verschiedene interessante Sachen enthielt. Es fanden sich dort Waffen 
aus Stein und Flint, Pfriemen und Meissei aus Knochen und Horn, ausserordentlich 
gut erhalten im Sumpfwasser, das den Stein angegriffen, das Knochengerät aber 
konserviert hat. Es fanden sich dort Scherben von Tongefässen, Wildschweinszähne, 
die offenbar als Zierat gebraucht sind, Knochen in Menge von Wildschweinen und 
Edelhirschen, an denen also kein Mangel war, Nussschalen in Massen. Man fand 
auch verkohlte Weizenkörner und verkohlte Äpfel — ein Teil von ihnen liegt jetzt 
unter Glas im Nationalmuseum, und das verdienen sie, denn wohl hat das Stein¬ 
museum verschiedene alte Raritäten, aber 4000-jährige Äpfel hat es bisher nicht 
beherbergt. So alt sind sie indes. Der Wohnplatz gehört nämlich in die Gang¬ 
gräberzeit, einem späteren Teil der Steinzeit ungefähr vom Jahre 2500 bis zum 
Jahre 2000 v. Chr. 

Man hat wohl gewusst, dass der Weizen schon zu der Zeit bekannt war, man 
weiss es aus Abdrücken in gefundenen Tongefässen, aber dies ist Originalweizen 
von vor mindestens 4000 Jahren, und das ist etwas Neues. Ebenso einzigstehend 
sind die Äpfel, der erste Fund seiner Art in Skandinavien. Vermutlich hätten die 
jetzt verkohlten Äpfel keinen Preis auf der Herbstausstellung des Pomologischen 
Vereins bekommen, sie sind wohl recht und schlecht Sauerobst gewesen, aber den 
Ostgötern der Steinzeit haben sie auf alle Fälle ebensogut geschmeckt wie die Nüsse. 
Weder botanisch noch zoologisch ist der Fund übrigens bis jetzt bearbeitet. 

In einer Spalte zwischen zwei Stämmen fand sich schliesslich ein kleiner sehr 
gut gearbeiteter Holz(angel)haken, das erste erhaltene Holzgerät, das in Schweden 
aus so alten Zeiten gefunden ist. Nächstes Jahr, wenn Dr. Frödin mit der Unter¬ 
suchung des vom wissenschaftlichen Standpunkt Interessantesten, nämlich der Kon¬ 
struktion des Hauses, fortfährt, hofft er unter der Plattform im Schutz der Stämme 
noch mehr merkwürdige Dinge in dem prächtigen Kalkmoor zu finden, vielleicht 
geradezu Kleidungsreste. 

Das schon Gefundene zeugt ausser davon, dass die Gegend schon zu der 
Zeit reich und fruchtbar war und dass sie mit Menschen bevölkert war, die in Pfahl¬ 
hütten wohnten, auch davon, dass die Bevölkerung in Handelsverbindung mit anderen 
Völkern gestanden hat. Die Flintgeräte beweisen das — aller Flint ist ja impor¬ 
tiert — aber auch eine schöne Bernsteinperle in Form einer Doppelaxt, dem Symbol 
der Gottheit. 


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V. Nachrichten. 


Todesfälle. 

Nachträglich bringen wir ein Bild des ersten uns durch den Tod geraubten 
Mitgliedes, Professor Dr. Oskar Mertins in Breslau, dessen Bedeutung für 

unsere Wissenschaft im „Mannus“ S. 166 
bereits skizziert worden ist. 


Am 5. Juni d. J. starb der Kgl. 
Rumänische Hofgoldschmied Paul 
Teige zu Berlin, bekannt durch die 
zahlreichen trefflichen Nachbildungen 
vorgeschichtlicher Gold- und Silberfunde, 
z. B. von Vettersfelde, Sackrau, Pe- 
troassa, Wittislingen, Hiddensö, deren 
hauptsächlichste er in der Schrift 
„Prähistorische Goldfunde in gesetzlich 
geschützten Nachbildungen“ in Wort und 
Bild behandelt hat. 


Am 9. Juni verschied plötzlich 
zu Freiburg i. S. unser Mitglied, der 
Kustos des Teplitzer Museums, k. k. 
Konservator Robert Karl Ritter 
von Weinzierl. Er war geboren 
1855 zu Weissaugezd in Böhmen, stu¬ 
dierte an der Prager Technischen Hoch¬ 
schule und an der dortigen Universität, 
wurde Sekretär der Prager Physiokra- 
tischen Gesellschaft und betrieb neben¬ 
bei aufs eifrigste das Studium der Vorgeschichte, die er durch fortgesetzte Aus¬ 
grabungen in Nordböhmen auch praktisch förderte. Seine zahlreichen Schriften zur 
Vorgeschichte, mit denen er seit 1894 hervortrat, finden sich fast alle genannt in 
der „Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen“ (Mannus S. 187 bis 
210), die sein Schwanengesang werden sollte. Wegen seiner erfolgreichen Arbeiten 
wurde er 1897 zum k. k. Konservator ernannt und 1899 als Kustos des von ihm 
geschaffenen Zentralmuseums für Nordböhmen bestellt, das er in trefflichster Weise 
einrichtete, verwaltete und vermehrte und dessen Schätze er in den „Tätigkeitsberichten“ 
der wissenschaftlichen Welt auch literarisch eröffnete. Der neuen tatkräftigen Be¬ 
wegung, die zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte führte, 
schloss er sich alsbald freudigen Herzens an und sogleich stellte er seine letzte 
obengenannte Abhandlung, worin er ein Fazit seiner Lebensarbeit zieht, dem ‘Mannus’ 
zur Verfügung. So schien es angebracht, dieser Abhandlung zugleich sein körper¬ 
liches Bild mitzugeben (S. 188). Möge dem nunmehr verwaisten reichen Museum 
zu Teplitz bald ein Leiter erstehen, der mit gleicher Inbrunst, Tatkraft und Ge¬ 
schicklichkeit der Verwaltung und Mehrung seiner Schätze sich weiht. 



Prof. Dr. Oskar Mertins, 

geb. zu Pillau in Ostpreussen 17. 6. 1858, 
gest. zu Breslau 14. 5. 1909. 


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V. Nachrichten. 


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Am 20. Juli entschlief in Kiel unser erstes und einziges Ehrenmitglied 
Fräulein Professor Dr. med. Johanna Mestorf, Direktor des Schleswig-Hol¬ 
steinischen Museums vaterländischer Altertümer 
a. D. Noch zum 17. April, ihrem 80. Geburts¬ 
tage, hatte ich ihr zugleich mit dem im ersten 
Mannushefte wiedergegebenen Ehrendiplom den 
Wunsch der Gesellschaft übermittelt, sie noch 
lange Jahre die unserige nennen zu dürfen. 

Die Erfüllung dieses Wunsches blieb uns versagt. 

Seit ihrem 70. Geburtstage, 1899, ist 
J. Mestorf fortgesetzt der Gegenstand so zahl¬ 
reicher Ehrungen und infolgedessen so zahlreicher 
öffentlicher Besprechungen gewesen, dass ihr 
äusserer Lebenslauf in weiteren Kreisen bekannt 
sein dürfte. 

Geboren am 17. April 1829 zu Bramstedt 
in Holstein als Tochter eines Arztes nahm sie 
während der 50 er Jahre des vorigen Jahrhunderts 
längeren Aufenthalt in Schweden, was für die Heranbildung ihier archäologischen 
Neigungen und ihrer Begeisterung zu heimatlicher Altertumsforschung von ent¬ 
scheidender Bedeutung wurde. Seit 1859 lag sie in Hamburg antiquarischen Studien 
ob, die sie seit 1865 zunächst zu Übersetzungen skandinavischer Werke führte, wie 
Nilssons „Ureinwohner“, Wibergs, Hildebrands, Worsaaes, Undsets, Soph. Müllers 
und Montelius’ einschlägige Schriften, denen in den letzten Lebensjahren noch 
Salins „Germanische Tierornamentik“ (1904) sich anschloss. 

Bald aber folgten eigene wissenschaftliche Schöpfungen, beginnend 1868 mit 
den „Bildern aus der Vorzeit Schleswig-Holsteins“. Reicher wurde diese selb¬ 
ständige Tätigkeit, nachdem sie 1873 zum Kustos des Schleswig-Holsteinischen Mu¬ 
seums vaterländischer Altertümer ernannt und 1877 der „Anthropologische Verein 
in Schleswig-Holstein“ gegründet worden war. Ihre beiden Werke „Vorgeschicht¬ 
liche Altertümer aus Schleswig-Holstein“ (1885) und „Urnenfriedhöfe in Schleswig- 
Holstein“ (1886) sind die Quellen, aus denen jeder Forscher zunächst schöpft, wenn 
er eine Belehrung über die Vorgeschichte Schleswig-Holsteins sucht. Dazu kam die 
lange Reihe wertvoller Abhandlungen in den „Mitteilungen des Anthropologischen 
Vereins“ (seit 1888) und in den „Berichten“ des Museums, besonders nachdem sie 
1891 als Nachfolger Prof. Handelmanns an die Spitze dieser Anstalt gerückt war. 
Hervorgehoben seien hierunter ihre Arbeiten über „Steinaltergräber ohne Stein¬ 
kammer unter Bodenniveau“ (1892, 1899), „holsteinische Gürtel“ (1897), „Glas¬ 
perlen aus Frauengräbern der Bronzezeit“ (1900), „Danewerk und Heithabu“ (1901), 
„Wohnstätten der älteren neolithischen Periode in der Kieler Föhrde“ (1904), 
„Moorleichen“ (1900, 1907). 

Ihr Hauptwerk jedoch, womit sie sich ein dauerndes Denkmal gesetzt hat, ist 
das musterhaft eingerichtete, geordnete, verwaltete Museum selbst. Hierin konnte 
sie ihrem Jugendideal, die ihr in Schweden vertraut gewordene, damals der deut¬ 
schen so weit überlegene skandinavische Methode der archäologischen Forschung in 
Deutschland anerkannt und geübt zu wissen, so recht von Herzen nachgehen, und 
dies zumal im Dienste ihres engeren Heimatlandes, dem sie über alle Massen an¬ 
hing. Sie war ein erbitterter Feind aller Zentralisation von Berlin her und sah in 
den allerneuesten Personaländerungen an der Berliner Zentralstelle, wie sie mir 
in einem langen, ernsten Briefe gestand, nach allen Richtungen eine Gefahr für 



Professor Dr. Johanna Mestorf. 
17. 4. 1829 - 20. 7. 1909. 


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V. Nachrichten. 


den gedeihlichen Fortschritt der Vorgeschichtsforschung. Noch ganz kürzlich schrieb 
sie mir, dass „nach ihren Erfahrungen die Lokalforschung von höchstem Werte“ sei, 
„vorausgesetzt, dass sie nicht dilettantisch betrieben, sondern von wohlgeschulten 
Kräften nach strenger Methode vollzogen wird. Diese werden der Deutschen Gesell¬ 
schaft für Vorgeschichte nicht fehlen und da dürfen wir von ihrer ernsten Arbeit 
die schönsten Erfolge erhoffen“. 

Noch von ihrem Sterbelager aus Hess sie es mich wissen, „dass sie die ihr 
erwiesene Ehre“ (der Ernennung zum Ehrenmitgliede) „stets besonders dankbar 
empfunden hat“. 

Nicht das geringste Verdienst J. Mestorfs besteht darin, dass sie es verstanden 
hat, die richtigen Kräfte zu ihrer Unterstützung im Museumsdienste heranzuziehen 
und durch wissenschaftlich wie praktisch gleich gut geschulte Mitarbeiter und Nach¬ 
folger für die in der Museumsverwaltung so notwendige Bewahrung der Überlie¬ 
ferung zu sorgen. 


Ende Juli starb plötzlich unser Mitglied der Schriftsteller Wilhelm Keetz 
in Hitzacker (Prov. Hannover), der sich manches Verdienst um die Vorgeschichte 
seiner engeren Heimat erworben hat. 



Am 12. November verschied zu 
Löcknitz bei Stettin nach langem, schweren 
Leiden unser Mitglied Sanitätsrat Hugo 
Schumann. 

Geboren am 2. März 1853 als 
Pfarrerssohn zu Untersiemau bei Koburg, 
mit 16 Jahren ganz verwaist, studierte er 
in Jena und Leipzig, um 1878 nach früher 
Heirat in Löcknitz als Arzt sich niederzu¬ 
lassen. Der Mangel geistiger Anregungen 
in dem kleinen Orte trieb ihn zum Studium 
der Geschichte, dann bald der Vorgeschichte 
seines neuen Heimatlandes, der er trotz 
schwerer Landpraxis alle freie Zeit, meist 
Nachtstunden widmete. Die erste Frucht 
dieser Studien war 1886 die Schrift über 
„Die Burgwälle des Randowtales“ (Balt. 
Stud. 37). In raschem Zuge bemächtigte 
er sich der Kenntnis der Hauptperioden 
der pommersch-nordbrandenburgischenVor- 
geschichte und vertiefte diese Kenntnis be¬ 
ständig, wie seine andauernden Veröffent¬ 
lichungen neuer Funde bewiesen. Seine 
„Urnenfriedhöfe in Pommern“ von 1889 
(Balt. Stud. 39) haben die wissenschaft¬ 
liche Sicherung vergänglichen Materials ge¬ 
bracht und können darum nie völlig ver¬ 
alten. Ausser den „Baltischen Studien“ 
brachten die „Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft“ und die 
„Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ zahlreichste Aufsätze von ihm. 


Sanitätsrat Hugo Schumann. 
2. 3. 1853. — 12. 11. 1909. 


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V. Nachrichten. 


325 


Beiträge zur Kenntnis der Steinzeit lieferte er durch Behandlung der Stein¬ 
kistengräber von Blumberg (1888), Lebehn (1889), Retzin (1896), Hammelstall (1902); 
der Flachgräber von Glasow, Casekow, Oberfier (1891), Stramehl (1894), Char- 
lottenhöh (1899); der Steingerätdepots von Bagemühl (1888), Brüssow (1890), 
Randowtal (1895); sowie der Tongefässverzierungsarten (1891). 

Der Bronzezeit gewidmet sind seine Abhandlungen über den Bronzedolch von 
Magnushof (1902) aus Per. I; die Funde Clempenow (1897), Peenefluss (1897), 
Arnimshain, Crüssow, Rosow (1901). aus Per. II; Angermünde (1901), aus Per. III; 
Hörnchentutuli (1890), Alt-Storkow (1891), Schwennenz (1894), Nassenheide (1900), 
aus Per. IV; Goldarmringe (1888), Hanshagen (1898), Vietkow (1900) aus Per. V. 

Der frühesten Eisenzeit gehören an die Schriften: Die pommerschen Hohl¬ 
wülste (1892) und „Die Waffen und Schmucksachen Pommerns zur Zeit des Latöne- 
Einflusses, ihr Charakter und ihre Herkunft“ (Lemckefestschrift 1898). 

Sehr wichtig sind seine Veröffentlichungen über germanische Gräber aus 
früh- und spätrömischer Kaiserzeit, wie die von Obliwitz (1891), Zirzlaff (1892); — 
Borkenhagen, Falkenberg, Redel (1892- 94), Bodenhagen (Baumsarg 1899), Hohen- 
selchow (1902); sowie aus merowingischer Zeit von Friedefeld (1898). 

Reichhaltig waren auch seine Äusserungen über wendische Skelettgräber: 
Ramin (1898), Boeck, Bagemühl (1890), Wollin (1891, 1892,1894), Friedefeld (1893); 
über Hacksilberfunde schrieb er 1902; über ein karolingisches Gefäss 1901. 

Bei den Skelettgräbern der Steinzeit, wie der römischen Kaiserzeit und der 
wendischen Epoche widmete er der anthropologischen Untersuchung der menschlichen 
Reste stets die grösste Sorgfalt, was nicht dankbar genug anerkannt werden kann. 

Von selbständigen Werken seien noch die Festschrift der Pommerschen Ge¬ 
sellschaft für Geschichte und Altertumskunde an die Berliner anthropologische Ge¬ 
sellschaft genannt: Der Bronzefund von Hökendorf (Stettin 1894), besonders aber 
seine nützliche Zusammenfassung „Die Kultur Pommerns in vorgeschichtlicher Zeit“ 
(Balt. Stud. 46, 1896). 

In den letzten Jahren seines Wirkens widmete er sich unter dem Einfluss 
seines Prenzlauer Freundes A. Mi eck, des verdienstvollen Schöpfers des schönen 
Prenzlauer Museums, ganz der Erforschung der Uckermark. In diese Epoche fällt 
sein kleiner Vortrag über die „Vorgeschichtlichen Beziehungen der Uckermark während 
der Stein- und Bronzezeit“ (Prenzlau 1899), die mit A. Mi eck gemeinschaftlich 
verfasste Schrift „Das Gräberfeld bei Oderberg-Bralitz“ (Prenzlau 1901) und nament¬ 
lich sein umfangreiches und reifstes Werk „Die Steinzeitgräber der Uckermark“ 
(Prenzlau 1904), worin er für die richtigere Beurteilung der Gräberepochen und 
Kulturgebiete der Steinzeit Norddeutschlands Anerkennenswertes geleistet hat. Leider 
bedeutet dies Werk nicht nur den Höhepunkt, sondern auch den Endpunkt seines 
wissenschaftlichen Schaffens. In den letzten fünf Jahren lähmte ein Herzleiden 
seine Arbeitskraft und verhinderte jegliche wissenschaftliche Tätigkeit. 

Erstaunlich reichhaltig und vielseitig war die Arbeit dieses Mannes, der, ob¬ 
wohl Privatmann, in den letzten zwanzig Jahren fast allein die Vorgeschichte 
Pommerns in Verwaltung genommen hatte. Ehre seinem Andenken! Man er¬ 
schrickt vor dem Gedanken, dass Pommern, dieses herrliche, unerschöpflich reiche 
Fundgebiet der Vorzeit, etwa auch den Segen der Arbeit dieses Thüringers hätte 
entbehren müssen und fragt sich, wie lange das jetzige völlige Darniederliegen der 
Sorge um die Vorgeschichte dieses Landes denn noch andauern soll! Ist niemand 
in Pommern da, der mit gleichem Eifer und gleidier Versenkung sich seiner Heimat 


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326 


V. Nachrichten. 


widmen oder wenigstens einen lauten Mahnruf ins Land erschallen lässt, nachdem 
Stettin und Stralsund gleichmässig verödet erscheinen? Oder wird wieder alles 
Heil von dem Herrn Minister in Berlin erwartet? 


Am 3. Dezember entschlief zu Bergquell-Frauendorf nach langem, schweren 
Leiden unser Mitglied der Geheime Sanitätsrat Dr. Wilhelm Zenker, Leiter 
eines Sanatoriums, im 71. Lebensjahre. Auf archäologischem Gebiete hatte er, wie 
in Frankreich Thieullen, die Neigung in Steinen, die Naturgebilde waren, mensch¬ 
liche Artefakte zu erkennen. _ 


Erklärung. 

Heft 1 der „Prähistorischen Zeitschrift“ S.101 behauptet Direktor Schuch ha rdt, 
in der Versammlung des Nordwestdeutschen Verbandes, die am 19. April 1909 in 
Cassel tagte, sei „festgestellt“, dass die von mir im Lager des Habichtswaldes ge¬ 
fundenen Scherben „nicht römisch“ seien. Diese Behauptung entspricht 
nicht der Wahrheit. Vielmehr haben diejenigen Herren, die sich die Scherben 
ansahen, das Vorgezeigte teils als wirklich römische, teils als möglicherweise römische, 
teils als Latöne-Ware anerkannt, und diejenigen, die das nicht vermochten, wussten 
überhaupt nicht, was sie damit anfangen sollten. Kein einziger der Herren 
aber hat sich dem Urteil Schuchhardts, dass sie karolingisch seien, 
angeschlossen. 

Osnabrück. Dr. F. Knoke. 

Berichtigung. 

Mannus Heft 1/2 S. 134 ist unter Abb. 2 die Bezeichnung „Nachbildung“ hin¬ 
zuzufügen bei folgenden Stücken: Schwertstab von Metzelthin (Original in Privat¬ 
besitz), Randbeile von Kläden, Schwertstabklingen von Gr. Schwechten, Dolch von 
Lüben. — S. 135 muss es unter Abb. 3 heissen: dickwangige Pinzette. 

Unsere Gesellschaft, die am 3. Januar mit 199 Mitgliedern begründet 
wurde, beim Erscheinen des ersten Mannus-Heftes (Juni) auf 250, bei der Haupt¬ 
versammlung in Hannover (August) auf 280 Mitglieder angewachsen war, zählt 
deren gegenwärtig (Dezember) 330 . 

Am Gründungstage wurde Herr Geheimer Kommerzienrat vom Rath in Köln 
lebenslängliches Mitglied, im Dezember hat Seine Königliche Hoheit der 
H e r zo g vo n C u m b e r la n d , Herzog zu Braunschweig und Lüneburg 
die immerwährende Mitgliedschaft erworben. 

Innerhalb des Ausschusses ist an Stelle des ausgeschiedenen Universitäts¬ 
professors Dr. Lehmann-Haupt das rührige Mitglied Privatdozent Dr. Rob. Rud. 
Schmidt in Tübingen gewählt worden. — Das Amt des Schatzmeisters der Haupt¬ 
gesellschaft hat an Stelle von Dr. Albrecht-Charlottenburg, der aus Gesundheits¬ 
rücksichten sein Amt niederzulegen sich gezwungen sah, Zahnarzt Dr. Bordes in 
Berlin W. Schillstr. 10 übernommen. 


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V. Nachrichten. 


327 


Die Festschriften der Hauptversammlung zu Hannover 

sind, soweit der Vorrat reicht, auf gewöhnlichem buchhändlerischen 
Wege zu beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Ey 
in Hannover, Georgstr. 47, und zwar: 

1. Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover. 

7 Bogen 4°, 6 Tafeln. Mk. 2.— 

2. Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge¬ 

schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen 
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin 
zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von 
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 8°. Mk. —.25 

3. Grabungen des Museumsvereins für das Fürsten¬ 

tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau. 
9 S. 80, 2 Tafeln. Mk. —.25 


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MANNUS 



Zeitschrift für Vorgeschichte 

Organ der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte 

:: herausgegeben von :: 

Professor Dr. Gustaf Kossinna 


II. Band 


WÜRZBURG 

Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag) 
1910 




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Inhalts -Verzeichnis 


Seite 

Vorstand und Ausschuss.*.280 

Verzeichnis der Mitglieder.334 


Al brecht, G.: Sitzungsberichte der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte, 

Zweiggesellschaft Berlin. 232, 240 

Auerbach, A.: Tardenoisien in Ostthüringen.174 

Beltz, R.: Vorgeschichtliche Funde und Untersuchungen in Mecklenburg. 1907 

bis 1909 . 209 

Berner, U.: Rasse, Rassenmischung und Begabung.153 

B ezzen berge r, A.: Zur Geschichte der Sichel.179 

Bieder, Th.: Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. Ludwig 

Woltmann.162 

Frödin, O.: Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.109 

Günther, A.: Zur Entstehungs- und Besiedelungsgeschichte des Neuwieder 

Beckens. 1.33 

Günther, A.: Zwei Zonenbecher aus Urmitz.177 

Hindenburg, W.: Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow . 194 

Jacob, K. H.: Bronzegefäss oder Stockknopf?.313 

Knoke, F.: Carl Schuchhardt als römisch-germanischer Forscher.255 

Knoke, F : Entgegnung.265 

Kossinna, G: Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen und ihre 

Ausbreitung nach Osten. III. Nordindogermanen und Südindogermanen. 59 

Anhang: Fundstatistik.81 

Kossinna, G.: Zum Homo Aurignacensis.169 

Kossinna, G.: Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis 201 
Kossinna, G.: Die kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz in der Vorzeit 234 
Kossinna, G.: Gedrehte Gefässe und Mäandergefässe der Latene-Zeit . . 242 

Kossinna, G.: Zum Dreiperiodensystem.309 

Kossinna, G: Gallische Gottheiten und ihre Darstellung in germanischen 

Funden.317 

Kossinna, G.: Der neue französische Gesetzesentwurf über archäologische 

und päläontologische Ausgrabungen.323 

Kossinna, G.: Todesfälle. 274, 330 

Krause, E : Spelz- und Alemannengrenze.200 

Mielke, R.: Die Vorläufer der europäischen Hausformen.243 

Moetefindt, H.: Die Vorgeschichte in der französischen Deputiertenkammer 269 
Moetefindt, H.: Das Dreiperiodensystem. Ein Jubiläumsbeitrag zurGeschichte 

der prähistorischen Forschung. ... 294 


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IV 


Inhalts-Verzeichnis. 


Seite 


Montelius, O : Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren 19 
Ols hausen, O.: Kuhdünger oder Seetang alsBrennmaterial bei den Germanen 315 

Über der sogen, ligurischen Bernstein in Südfrankreich.316 

Rademacher, C.: Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei 

Troisdorf . 1 

Schultze, M.: Bericht über Neu-Eingänge des Jahres 1909 in der vorgeschicht¬ 
lichen Sammlung im Museum der historischen Gesellschaft zu Bromberg 220 
Solger, F.: Die klimatischen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit 241 

Solger, F.: Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.285 

Waase, K.: Kantower Funde.181 

Wilke, G.: Südwesteuropäische Megalithkultur und ihre Beziehungen zum 

Orient. 246, 315 


Sachregister.342 

Bücherbesprechungen.360 

Verzeichnis der Abbildungen im Text und auf den Tafeln.361 


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I. Abhandlungen. 


Germanische Gräber der Kaiserzeit am 
Fliegenberge bei Troisdorf, Siegkreis, 
Reg.-Bez. Köln. 

Von C. Rademacher, Köln. 

Mit 14 Textabbildungen und 4 Tafeln. 


Im Mannus, Band I, ist von dem Berichterstatter eine germanische 
Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf nach dem 
gegenwärtigen Stande der Ausgrabungen behandelt worden. Wie aus 
der Nachschrift zu jener Arbeit ersichtlich ist, gelangte während der 
Korrektur ein Grabfund vom Fliegenberg in den Besitz des Kölner 
Prähistorischen Museums, der seine Zugehörigkeit zu der erwähnten 
Dorfanlage als sehr wahrscheinlich erscheinen Hess. Seit der Zeit sind 
noch weitere Funde daselbst gemacht worden, so dass eine Zusammen¬ 
fassung und wissenschaftliche Beleuchtung der Funde geboten erscheint. 

Über die Örtlichkeit ist im Mannus I, Seite 84 und 85, das 
Notwendige gesagt worden. Die systematische Ausgrabung der Wohn¬ 
stätten wurde im Westen des Terrains, man kann sagen auf der letzten 
Terrasse des Geländes, nach der sumpfigen Niederung zu, vorgenom¬ 
men. Beim Abtragen der sandigen Oberfläche zur Gewinnung der 
Quarzite sind ausserdem mehr östlich, vereinzelt Herdpflaster, sowie 
Funde, bestehend aus Scherben, Eisen- und Bronzesachen, Münzen 
(Augustus, Postumus, Tetricus) zum Vorschein gekommen, entweder 
als Einzelfunde, oder als Inhalt von Herd- bezw. Abfallgruben. Ein 
vereinzelter Grabfund (Abb. 1) zeigte sich in diesem Gebiete, eine 
Urne mit Leichenbrand und einzelnen Resten der dazu gehörigen 
Schale. Sonstige Beigaben sind den Arbeitern nicht aufgefallen. Das 
Gefäss, 25 cm hoch, 21 cm Durchmesser, ist wenig bauchig, der Rand 
überkragend, Hals S-förmig; auf der Bauchwand ein Band von wenig 

Mannus. ßd. II. M. 1. 1 


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2 


C. Rademacher. 


(2 



eingedrückten, durch gerade Linien schraffierten Dreiecken. Es ist der 
Lat£nezeit zuzurechnen. Weiter entdeckten die Arbeiter nicht allzu¬ 
tief in der Erde einen mächtigen Scherbenhaufen, von sehr dickwan¬ 
digen Gefässen herstammend. Aus diesen 

# Scherben Hess sich eine vollständige, grosse 

Urne von 54 cm Durchmesser und 44 cm 
Höhe zusammensetzen. Der Oberteil des 
Bauches ist durch wenig eingedrückte Linien 
verziert. Von einem zweiten Gefäss, das 
als ein Vorratsgefäss angesprochen werden 
muss, wurde nur der Oberteil zusammen¬ 
gesetzt, der mit einem Leistenband verziert 
ist. Der Durchmesser dieses Gefässes beträgt 
an der Öffnung 62 cm, die Höhe hat minde¬ 
stens 100 cm. Diese Gefässe (Abb. 2 u. 3) 
gehören dem Ende der Bronzezeit, Anfang 
Abb. i. der Hallstattzeit an, ein Beweis, dass 

mehrere Perioden am Fliegenberge ver¬ 
treten sind, auch die Kaiserzeit, vgl. die Fussurne (Abb. 4) Mannus I. 
Der dritte Fund, ebenfalls von den Arbeitern beim Abdecken gemacht, 
führt uns auch in die Kaiserzeit zurück. Es ist ein Eisenfund, der nach 
allem zu urteilen, wohl ein Depotfund gewesen sein muss. 


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3] 


Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 


3 


11. Eimerhenkel. 12. Beschlagstücke eines Holzgefässes. 13. Nagel. 
14. Verschiedene kleinere Eisensachen. 15. Bronzefibel. 

Nach dem Berichte der Arbeiter lag der Schildbuckel zu oberst, 
er wurde deshalb mit der Hacke zertrümmert. Der Schildbuckel ist 
halbkugelförmig und gleicht den germa- 
nischen des 3. Jahrh. 1 ) (Abb. 5). Die vier 
Beschläge mit den Tragringen bilden zwei 
gleiche Paare, von denen das eine etwas 
massiver ist. * Der Durchmesser der Ringe 
beträgt 10 cm. Nach der Stellung der 
Beschläge, die bei allen etwas gebogen 
ist, müssen dieselben an einem rund¬ 
lichen oder gebogenen Gefässe, einer Tonne 
etwa, befestigt gewesen sein. Die Dicke 
dieses Gefässes ist aus den Nieten zu 
ermessen, sie hat 1 cm betragen. Die 
Schelle gleicht den römischen und der¬ 
jenigen, die als Einzelfund vordem in 
demselben Gelände zum Vorschein kam 
(Mannus, Band I). Von der Bronzefibel 
ist der Bügel nur erhalten. Es ist eine 
provinzialrömische Fibel der Rheinprovinzen; Almgren, Taf. I, Fig. 16 
(Abb. 6). Wir haben es anscheinend mit einem Depotfund zu tun, in 
dem jemand seine Habe an eisernen Geräten, unbearbeitetem und altem 
Eisen, das zu jener Zeit gewiss noch einen ziemlichen Wert besass, 
bei einem drohenden Überfall vergraben hat. Solcher eisernen Depot¬ 
funde sind aus Deutschland eine ganze Reihe bekannt. 

Der späteren Kaiserzeit gehören dann 
auch die Funde an, die uns jetzt beschäftigen 
werden. Im Nordosten von den untersuchten 
und im Mannus, Band I, beschriebenen Wohn¬ 
stättenanlagen , steigt das Gelände rasch an. 
Es war mit Kiefern bestanden und ist jetzt 
eine ziemliche Strecke hindurch der Quarzit¬ 
gewinnung wegen durchwühlt. Dieses abgetragene Terrain liegt etwas 
parallel zu den vorhin erwähnten Grabungen. Hier sind, wie das später 
in Erfahrung gebracht werden konnte, verschiedentlich Gefässe und 
Scherben zum Vorschein gekommen, die aber samt und sonders nicht 
beachtet und mit dem Abraum verschüttet wurden. Erst durch die 
letzten Nachforschungen waren die Arbeiter aufmerksam geworden, und 


') Vgl. KOSS1NNA: Zeitschr. f. Ethnologie 1905, S. 381. 

1 * 



Abb 6 Na*. Or. 



Abb. 5. V» nat. Or. 


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4 


C. Rademacher. 


14 


als wieder (1909) eine dunkle Stelle in dem hellen Sande mit Scherben 
durchsetzt sich zeigte, wusste ein Arbeiter aus Altenrath den gesamten 
Inhalt dieser dunklen Schicht zu sammeln, der dann in den Besitz des 
Museums überging. Der Inhalt bestand: 

1. aus einer kleinen, schwärzlichen Urne mit Leichenbrand, darin 
nach Angabe der Arbeiter 2 Bronzemesser, ein kleiner Bronzering, ein 
geschmolzenes Silberklümpchen und Glasschlacke, eine eiserne Bügelfibel, 

2. den Scherben zweier Gefässe, 

3. Bronzescherben. 

Das Ganze, mit Brandasche umgeben, gehörte wieder nach dem 
Urteile des Arbeiters zusammen. Es könnte demgemäss der Inhalt 
eines Grabes gewesen sein. Die Nachgrabungen in der Nähe dieser Stelle 
legten den Rest eines zweiten Grabes bloss, hier fanden sich Scherben 
eines dickwandigen nichtrömischen Gefässes; eine Fibel mit Bronze¬ 
platte (Bruchstück), eine Speerspitze, wozu später noch eine zweite 

sich gesellte (Abb. 7), und ein Eisengerät, 
unbestimmbarer Verwendung. In der Rich¬ 
tung des ersten Grabes, etwa 5—10 m von 
diesem entfernt, wurde dann das 3. Grab 
entdeckt, dessen ganze Anlage erhalten und 
genau beobachtet werden konnte. In dem 
hellen Sand war eine 90 cm tiefe, 50—60 cm 
breite Grube eingeschnitten. Auf dem Boden 
stand die Brandurne, schwärzlich, mit Knochen 
gefüllt. Auf den Knochen ein Spinnwirtel, 
neben derselben, parallel mit der Spitze eine 
26 cm grosse eiserne Schere, über der Urne 
Scherben eines Gefässes, die ganze Ver¬ 
tiefung mit Brandasche ausgefüllt, in der sich 
nodi folgende Gegenstände vorfanden: Scher¬ 
ben eines zweiten Gefässes, Reste eines mit 
Kreisen verzierten Knochenkammes, Bruch¬ 
stücke einer Silberfibel (Bügel fehlt); zahlreiche Scherben eines Bronze- 
gefässes, ein plumper Bronzering, ein ornamentiertes kleines Bronze¬ 
stäbchen, verschlackte Bronze, und der Schere gegenüberstehend, ein 
grosses eisernes Schwert (?) mit un verhältnismässig langem Griff. Der 
Knopf des Griffes war ziemlich nahe unter der Oberfläche. 

Da bei diesen Grabfunden sehr wichtige Gefässe zum Vorschein gekom¬ 
men sind, ist es nötig, auf den Inhalt der einzelnen Gräber näher einzugehen. 

I. Grab. 

Die kleine schwarze Urne (Taf. I, Fig. 1), die den Leichenbrand ent¬ 
hielt, ist germanischer Arbeit. Der Rand steht schräg, zwei Furchen am 



Abb. 7. */« lut. Gr. 


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5] 


Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 


5 


Halse, drei am Unterteile des Bauches. Zwischen diesen Furchen ein 
Band von 6 sanft vorspringenden Nupfen. Die drei unteren Furchen 
sind in verschiedenen Zwischenräumen angebracht, der letztere ist breiter, 
und hier findet sich ein System von schräg aneinander gelegten, parallelen 
Strichgruppen. Das eine der beiden Bronzemesser war im Leichenbrand 
gewesen und hatte sehr gelitten; so viel war aber noch zu erkennen, 
dass es genau dem andern, sehr wohl erhaltenen gleich war. Dieses 
Messer (Abb. 8), 7^2 cm lang 
mit 1 cm langem Stiel, ist ziem¬ 
lich reich auf beiden Seiten 
ziseliert, die eine Seite durch 
kleine Halbkreise, vom Rücken 
des Messers ausgehend, aus 
kleinen, gestrichelten Linien 
hergestellt. Der Raum zwischen 
diesen hängenden Halbkreisen 
ist mit kleinen Kreisen aus¬ 
gefüllt. Die andere Seite des 
Messers ist ebenfalls durch 
Rillen und Kreise verziert. An der Stelle wo Messer und Stiel sich 
treffen, ist der Rücken durch parallele Einschnitte und halbkugelförmige 
Ausschnitte gekennzeichnet. Die Glasschlacke gehört anscheinend einem 
kleinen Fläschchen an, über dessen Form indes nichts zu sagen ist. 
Das letztere gilt auch von den sehr verschlackten und kleinen Bronze¬ 
resten, auch sie lassen kein Urteil über die Gestalt der Gefässe zu. 
Mit der Silberschlacke ist dasselbe der Fall. 

Zu dieser Graburne gehören nun, nach Aussage des Arbeiters, die 
Scherben zweier Gefässe, die sich zusammensetzen Hessen. Es ist ein 
18 cm hoher, ziemlich bauchiger Becher (Taf. I, Fig. 2) mit horizontalen 
Strichverzierungen. Hals und Fuss sind S-förmig geschwungen, und 
gleicht derselbe in etwa den Bechern der späteren Kaiserzeit, auf denen 
sich vielfach die bekannten weissen Inschriften: ‘bibe’, ‘amo te’ und dgl. 
finden. Wir werden später bei der Frage nach der Zeitstellung des 
Grabes auf denselben noch zurückkommen müssen. 

Von dem zweiten Gefässe, das in lauter kleinen Stücken sich 
vorfand, sammelte der Arbeiter 100 Scherben. Leider bilden diese 
nicht die vollständige Vase, doch ist so viel erhalten, dass sie im Römisch- 
Germanischen Zentral - Museum zu Mainz zusammengesetzt werden 
konnte. Es ist eine Gesichtsvase, die 6 Götterbildnisse auf der Bauch¬ 
wand enthält (Taf. I, Fig. 3, 4; il, Fig. 3, 4). Eine dieser Darstellungen 
ist ein sogenannter Triceps, das mittlere Gesicht en face, die beiden 
anderen im Profil darstellend. 



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6 


C. Rademacher. 


[6 


Solcher Vasen mit Götterköpfen sind mehrere bekannt. Eine be¬ 
findet sich im Cabinet des Medailles zu Paris, eine zweite im Museum 
zu Lüttich. BABELON, der den Katalog der Pariser Sammlung 
herausgegeben hat, bezeichnet die Darstellungen als Wochengottheiten. 
Er wurde wohl durch die Siebenzahl der Bildnisse dazu geführt. BABELON 
schreibt: „La panse est ornöe de sept bustes, les divinites gauloises de la 
semaine; Tun d’eux a trois tetes barbues, celle du centre munie de petits 
cornes. Trouve ä Bavay (Nord) au siede dernier.“ Die Anordnung der 
Bildnisse auf dieser Vase ist wie folgt: Gott (tricöphale), dann zwei 
Götter, darauf eine Göttin, wieder zwei Götter und zuletzt eine Göttin. 
Die Götter sind alle bärtig dargestellt. Wir haben also 5 Götter- und 
2 Göttinnenbildnisse. (Siehe Tafel 111.) 

Das Lütticher Exemplar ist in Jupille bei Lüttich gefunden (Taf. IV). 
Es hat eine Höhe von 35 cm, die Grösse der Bildnisse beträgt 12 cm. 
6 Bildnisse sind erhalten, das 7. fehlt; nach der Ansicht des Prof. 
DEMARTEAU, der diese Vase beschrieben hat, fehlt der Tricephalus, 
der hier abgeblättert ist. Die Anordnung auf der Lütticher Vase 
ist folgende: Tricephalus (fehlend), ein bärtiger Gott, eine Göttin, drei 
bärtige Götter, eine Göttin, also wiederum wie in Paris 5 Götter und 
2 Göttinnen. 

Auf dem Kölner Exemplar ist, wie schon bemerkt, die dreiköpfige 
Gottheit vorhanden (Taf. II, Fig. 3). Diesem folgt ein bärtiges Götterbildnis, 
von dem allerdings nur das bärtige Kinn und die rechte Seite des Mundes 
mit Bart erhalten ist. Das an dieser Stelle angebrachte Fragment mit den 
kleinen Haarandeutungen ist nach meiner Überzeugung hier unrichtig ange¬ 
bracht. Die Götterbildnisse der Kölner Vase haben diese kleinen Lockenan¬ 
deutungen nicht, wohl das eine erhaltene Bild einer Göttin. Der an 
diese Stelle aufgeklebte Rest hat demgemäss zu einer zweiten weiblichen 
Gottheit gehört. Als dritte Figur haben wir eine Göttin mit Lockenhaar, 
von dem vierten Bildnis ist nichts erhalten, von dem 5. nur die rechte 
Stirn mit Augenbraue, sowie der Hals und die Andeutung der Gewandung, 
der 6. Kopf ist wohl erhalten, ein bärtiger Gott. 

Die sieben Köpfe der Pariser und Lütticher Vase haben nach oben 
keinen Abschluss, nur über den Köpfen zweier Götter der Lütticher be¬ 
merken wir kleine wenig eingedrückte Kreise, in welchen DEMARTEAU 
„nuages“ sieht, „qui commencent ä s’en rouler“. Auf jeden Fall sind 
diese beiden Köpfe hierdurch von den anderen ausgezeichnet. 

Die Kölner Vase hat einen vollständigen Abschluss der Bildnisse 
in einem Ornament, das zu der ganzen übrigen, weiter unten zu be¬ 
handelnden Ornamentation der Vase passt. Sehr wohl erhalten finden 
sich über 5 Köpfen bogenförmige, rundliche Tonwülste aufgelegt, welche 


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7 ] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 7 

die Bildnisse sehr vorteilhaft abschliessen. Dieses Band ist regelmässig 
mit je 5 Eindrücken, aus parallelen Linien bestehend, versehen. Über einem 
Kopf, und zwar dem bärtigen Götterkopf, links neben dem Tricephalus 
fehlt dieses Abschlussband (Taf. II, Fig. 4). Dadurch wird der Kopf von 
den übrigen herausgehoben und an die erste Stelle gerückt. Dieser 
Eindruck wird noch verstärkt durch eine besondere Eigentümlichkeit. 
Ein nach der Mitte zu sich vergrössernder Tonwulst, unmittelbar an den 
Kopf gelegt, mit diesem zu einem organischen Ganzen verbunden, ist 
durch 12 runde Stempeleindrücke verziert, die tief hinunter fast das 
ganze Gesicht einrahmem Als Lichtschein, „Nimbus“, müssen wir diese 
Auszeichnung ansehen. Ähnlich ist auch die Umrahmung des leider nicht 
ganz erhaltenen Göttinnenkopfes. Diese beiden Bildnisse stehen ein¬ 
ander gegenüber. Ausser diesem Abschluss über den Köpfen ist die 
Kölner Vase vor den beiden obengenannten in Paris und Lüttich, noch 
durch eine reiche Reliefverzierung der Zwischenräumeausgezeichnet, welche 
die Verbindung der Bildnisse zu einem harmonischen Ganzen bewirkt. 
Diese Verbindungsornamente sind an und für sich schon wichtig, dann 
aber gibt die Art und Weise ihrer Behandlung uns manchen wertvollen 
Fingerzeig über die Art der Herstellung dieser Gefässe. Es mögen des¬ 
halb die Zwischenornamente einzeln vorgeführt werden. 

1. Zwischen dem Kopf mit Nimbus und dem Tricephalus. Zu¬ 
nächst ist ein bogenförmiger, hängender Wulst angebracht, der in 
Höhe des Scheitels des Nimbus mit dem Bogen als Abschluss über dem 
Tricephalus verbindet. An diesen Wulst ist in der Mitte ein verti¬ 
kales Band angebracht, das sich bis zum Abschluss der Gewanddar¬ 
stellung herunterzieht, sich aber dort in zwei fast wagerecht aufgelegte 
Arme teilt. Am Ende ist ein Stempelornament angebracht. Dieser ver¬ 
tikale Streifen findet seine Fortsetzung über dem Verbindungsbogen 
durch einen 2 cm langen, nach beiden Seiten halbkreisförmigen ausge¬ 
schnittenen Bogen, mit zwei Stempeleindrücken wie unten verziert. 
Über diesem ganzen Zwischenornament, etwas nach links, das grosse 
Kreisornament. 

2. Zwischen dem Tricephalus und der folgenden, bärtigen Gott¬ 
heit, von der nur das Kinn und die eine Seite des Mundes erhalten 
ist (Taf. II, Fig. 3). Dasselbe Ornament wie bei 1, nur sind diesmal zwei 
gerade, etwas nach aufwärts gebogene Linien als Verbindung zwischen den 
Köpfen angebracht. Das obere aufgesetzte Stück des vertikalen Randes 
erscheint hier sehr deutlich nicht als ein einfacher Wulst, sondern als 
ein etwas breites, fast schwertgriffartiges Ornament. Drei Stempelein¬ 
drücke oben; auf dem Verbindungswulst dieselben unten, also wie 1. 
Das grosse Kreisornament wiederum nicht in gerader Linie über dem 
Ganzen angebracht, sondern wie bei 1 etwas nach links. Dieses ganze 


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8 


C. Rademacher. 


[8 


Zwischenornament erhält besondere Wichtigkeit, da es vollständig er¬ 
halten ist. 

3. Zwischen der fragmentierten bärtigen Gottheit und der Göttin. 
Fast genau wie bei 2, nur ist der schwertgriffartige Aufsatz hier noch 
breiter und mit zwei Stempeleindrücken in horizontaler Linie versehen. 
Sonst Stempel wie bei 2. Wiederum das grosse Kreisornament auf der 
Vase etwas nach links. 

4. Zwischen der Göttin und dem fehlenden Bildnis. Dieses 
Zwischenornament ist bis auf einen kleinen unteren Teil ergänzt. Bemer¬ 
kenswert, dass der unterste Stempeleindruck sich vor der Stelle befin¬ 
det, an der das Band sich teilt. Das grosse Kreisornament etwas 
links wie bei den vorhergehenden. 

5. Zwischen dem fehlenden Bildnis und dem sehr fragmentierten 
erhaltenen. Es ist genau in der Art wie 1, auch die Stempeleindrücke 
sind an derselben Stelle. Hier das grosse Kreisornament gerade über dem 
Band, sodass die vier Stempeleindrücke in derselben Vertikalen liegen. 

6. Zwischen der letzten fragmentierten Gottheit und dem Bildnis 
mit dem Nimbus. Die Verbindungslinie ist hier genau wagerecht, der 
mittlere Stempeleindruck wie bei 2 und 3. Der obere Kreis in dersel¬ 
ben Weise wie 5 auf derselben Vertikalen. 

Wie man sieht, sind die aufgelegten Zwischenornamente bei aller 
Gleichartigkeit im einzeln etwas verschieden. Da nicht anzunehmen ist, 
dass jeder kleinen Veränderung der Ornamente eine bestimmte Absicht 
zugrunde gelegen haben kann, so können wir in diesen kleinen Ver¬ 
schiedenheiten, die sich besonders in der Lage der eingedrückten Kreis¬ 
ornamente kund gibt, nur ein freies Spiel des Töpfers sehen. Nach der 
Grösse der Entfernung der Bildnisse, dieselbe ist nicht überall die 
gleiche, brachte er nach eigenem Ermessen sein Ornament an und drückte 
die Stempel dorthin, wie es ihm nach Lage und Laune angemessen 
erschien. Ein handwerksmässiger Betrieb, der solche Vasen in grösserer 
Anzahl herstellte, geht daraus hervor. 

Wie aus dem Angeführten, sowie aus den Abbildungen der Kölner 
Vase ersichtlich, lässt das aufgelegte Ornament zwischen den Götter¬ 
bildnissen die Vermutung zu, dass diesem Ornamente ein besonderes 
Motiv zu Grunde gelegen haben kann. Zunächst hat der Oberteil ein 
fa^t schneidgriffähnliches Aussehen; das Ende des Ornamentes, nach 
dem Boden des Gefässes zu, teilt sich in zwei kleine Arme, so dass 
ein hammerähnliches Gebilde entsteht (Abb. 9). Abb. 10 ist die Dar¬ 
stellung eines Hammers auf einem Bas-Relief im Museum zu Strass¬ 
burg *). Dasselbe stellt einen Götterkopf dar, der die geflügelte 

’) Veröffentlicht in der Schrift: „Deux Monuments du dieu Triccphale gaulois" 
von E. KRÜGER. 


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9 ) 


Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 


9 


Mütze des Merkur trägt, während die Hand den Hammer des Dispater- 
Silvanus schwingt. Dieser Hammer mit seinem verdickten Mittelteile 
gleicht sehr dem Ornament auf der Kölner Vase. Die Verdickung ist 
hier durch das an der Stelle angebrachte Ornament angedeutet. 




Eine Bemerkung noch über die runden 5tempeleindrücke, die 
mit demselben Motiv, bald grösser, bald kleiner oft auf der Kölner 
Vase angebracht sind. Zunächst die 6 grossen Kreise dicht am Halse 
der Vase zwischen den Bildnissen. Ihr Durchmesser beträgt 2 cm, 
ein vertiefter Kreis ist angebracht, der einen Kreisring der Oberfläche 
einschliesst. Dieser Kreisring ist durch eine mittlere, ziemlich tiefe Ver¬ 
tiefung und eine äussere, nicht so tief eingedrückte Vertiefung gebildet. 
Mitten in der Vertiefung sitzt ein ganz kleines kugelförmiges Gebilde. 
So kehrt dieses Ornament auf den Zwischenverzierungen, dem Nimbus, 
auf den Köpfen selbst an Stelle des Haupthaares wieder. Ähnliche 
runde Kreiseindrücke finden sich, wie schon bemerkt, auch auf der Pariser 
Vase. Sie füllen, zu je 2 oder je 3 in gleicher Grösse angebracht, 
die Zwischenräume der Götterköpfe aus. Bei der Lütticher Vase haben 
wir nur je einen reliefartig aufgelegten Kreis, an derselben Stelle, wo 
die grossen Stempel der Kölner Vase sich befinden. DEMARTEAU sagt 
hierüber: „Chaque figure du vase de Jupille est accompagnee d’un an- 
neau; c’est l’orbis ou circulus, qui designe soit la revolution de l’astre 
soit la zone oü il paraTt attache et se meut perpetuellement“. Andere Or¬ 
namente fehlen, ausser den bereits erwähnten „nuages“ über zwei Götter¬ 
köpfen. Bei der Pariser Vase sind die Kopfhaare aller Bildnisse durch 
ähnliche kleine Eindrücke hergestellt, die meist ein spiralförmiges 
Ornament hervorbringen; dasselbe ist auf der Lütticher Vase der Fall. 
Die Kinn-, Backen- und Lippenbärte dieser Götter, auch des Tricephalus 
der Pariser Vase, zeigen dasselbe Motiv, ebenso sind drei Bärte der 
Lütticher Vase behandelt. Zwei Bärte der Pariser Vase sind durch 
Striche angedeutet, ebenso auf der Lütticher Vase. Die Kölner Vase 


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10 


C. Rademacher. 


[10 


hat drei erhaltene Bärte, sie sind sämtlich durch Striche hergestellt, 
auch der Bart des dreiköpfigen Gottes, während die Kopfhaare der 
Götterbildnisse sämtlich durch die rundert Stempeleindrücke hervor¬ 
gebracht sind. Die Locken der weiblichen Gottheit sind durch kleine 
parallele Halbkreise angedeutet. Man sieht, bei aller Gleichartigkeit im 
ganzen doch mannigfache Verschiedenheit im einzelnen. Zu erwähnen 
sind hier noch die beiden runden aufgelegten Kreise auf dem Haupte 
des Tricephalus der Pariser Vase, die als Andeutungen von Hörnern 
oder Flügeln gelten können. Ob der Kölner Tricephalus diese An¬ 
deutungen auch gehabt hat, kann nicht festgestellt werden, da diese 
Stelle des Kopfes fehlt. 

Nicht unwichtig ist auch noch zu erwähnen, dass die Pariser und 
Kölner Vase am Unterteile gleichsam als Abschluss der Götterdarstel¬ 
lungen zunächst zwei Rillen haben, umlaufend um das ganze Gefäss, dicht 
beieinander, diesen folgt, mehr nach unten angebracht, eine dritte Rille. 

Das Fehlen von ganzen Gesichtern und Gesichtsteilen auf der Kölner 
Vase lässt über die Art der Herstellung deutliche Schlüsse zu. Der 
Töpfer hat zunächst die Vase auf der Drehscheibe gearbeitet, dann wurde 
dieselbe sorgfältig geglättet und ihr ein feines, hellederfarbiges Aussehen 
gegeben. Die Gesichter sind zunächst in besonderen Formen hergestellt 
und zwar als eine dünne flache Scheibe. Die noch weiche Vase nahm 
der Künstler dann zur Hand, trieb an der Stelle, wo er die Bildnisse 
anbringen wollte, die Wand heraus und klebte dann den Kopf auf, einen 
nach dem andern. Sodann brachte er die Tonbänder an und griff 
zuletzt zu seinem Stempel, mit dem er die Haare, den Nimbus und 
die übrigen Ornamente herstellte. Man wird bei dieser Art der Technik 
unwillkürlich an die mittelalterliche Steinzeugfabrikation erinnert, wie sie 
uns aus den Erzeugnissen von Höhr-Grenzhausen, Siegburg, Köln, Frechen 
und Raeren bekannt ist. Auch hier geschah die Anbringung der Orna¬ 
mente, Wappen, Figuren und szenischen Darstellungen in der Weise, 
dass man in einer Tonform dieselben zuerst presste und dann auf den im 
übrigen fertig vorbereiteten Krug auftrug. Auch sei hier gleich bemerkt, 
dass nach einer anderen Hinsicht hin dieser Vergleich nicht ohne Be¬ 
deutung ist. Aus Siegburg und den übrigen mittelalterlichen Töpferorten 
sind eine grosse Anzahl von bauchigen Gefässen bekannt, die alle 
einen bärtigen Mann an der dem Henkel gegenüberstehenden Seite 
haben. Der Kopf dieses Mannes schneidet mit dem Rande des Gefässes 
ab. Man nennt diese Krüge „Bartmannskrüge“. Die Bärte sind oft lang, 
oft kurz und man wird an die bärtigen Gottheiten der Vasen in Köln, 
Paris und Lüttich erinnert, und das umsomehr, weil das Museum in 
Lüttich ein Gefäss besitzt, mit einem solchen „Bartmann“, dessen Kopf 
mit dem Rande des Gefässes ebenfalls abschneidet. Dieses Gefäss hat 


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11] Germanische Gräber der Kaiserzeit am FJiegenberge bei Troisdorf. 11 


denselben Fundort wie die Vase mit den Qötterköpfen und ist nord¬ 
gallische, also belgische Arbeit. 

Was nun die Frage nach dem Fabrikationsorte der Vasen angeht, 
so werden wir in Nordgallien, also in Belgien, die Werkstätten zu 
suchen haben. Die Übereinstimmung der drei Vasen ist eine überaus 
grosse, ebenso die Technik, so dass wir zu diesem Schlüsse berechtigt 
sind. Alle Fäden weisen nach Belgien 1 ), wo auch ähnliche Vasen mehrfadt 
zum Vorschein gekommen sind, so in Aiseau, Elouges, Schalkhoven, 
Tongres, Ombret, Vodec^e, also in den Tälern der Maas und Sambre. 
Hier in Belgien und am Niederrhein hat während der römischen Herr¬ 
schaft eine bedeutende Töpferkunst geblüht, und es ist gewiss mehr 
als Zufall, dass die wichtigsten Töpferorte des Mittelalters wieder am 
Niederrhein sich finden und hier im 15. und 16. Jahrhundert zu einer 
so hohen Blüte sich emporschwangen. 

Die Auffindung der belgorömischen Gesichtsvase in einer ger¬ 
manischen Ansiedelung auf dem rechten Rheinufer spricht für rege 
Beziehungen zwischen diesen Landschaften. Für die Beurteilung dieser 
Beziehungen wäre eine Datierung der Gesichtsvasen sehr erwünscht. 
Salomon REINACH *) verlegt die Herstellung der Gesichtsvasen in die 
spätere Kaiserzeit, das 3. Jahrhundert etwa. Demgegenüber hat 
Direktor KRÜGER 3 ) in Trier die Ansicht vertreten, dem 1. Jahrhundert 
und zwar etwa der Zeit des Tiberius gehörte das Pariser Gefäss an. 
KRÜGER 4 ) hält diese Periode auch für die Kölner Vase zu Rechte und 
glaubt aus der sorgfältigen Behandlung des Tones, der sauberen Ausführung 
der Vase selbst und den aufgelegten Tonbändern, die noch an spätes 
Latene erinnerten, sowie den Abschlussrillen am Unterteile des 3auches 
der Vase, diesen Schluss ziehen zu können. Die Fundumstände der 
Kölner Vase geben keinen einwandfreien Aufschluss über diese Frage. 
Das 2. und 3. Grab, wie das später noch dargestellt werden wird, ge¬ 
hören dem 3. Jahrhundert an. Darüber kann kein Zweifel bestehen. 
Die Leichenbrandurne des ersten Grabes ist in dieselbe Zeit zu versetzen. 
Gehören nun der Becher und die Gesichtsvase zu diesem Grabe, so 
müssen sie auch der Zeit angehören. Das Urteil des Arbeiters spricht 
dafür, da nach seiner Meinung die Scherben der beiden Gefässe neben 
der Knochenurne von ihm aufgehoben worden sind. Weiterhin hat das 
3. Grab 3 Gefässe, das erste hätte, wenn wir die drei Gefässe desselben 
als zusammengehörig betrachten, auch die Dreizahl gehabt. Diese 
Dreizahl ist aus vielen Gräbern bekannt. Es ist allerdings die Möglich- 

l ) Vergleiche DEMARTEAU: Le vase plandtaire de Jupille. 

*) Salomon REINACH: Cultes, mythes et religions. 

3 ) E. KRÜGER: a. a. O. 

4 ) Persönliche Besprechung mit dem Berichterstatter. 


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T 


12 C. Rademacher. [12 

keit nicht ausser Acht zu lassen, dass die Scherben des Bechers und 
der Gesichtsvase einem sehr viel früheren Grabe angehört haben und 
dass dieses Grab bei der Neuanlage zerstört worden ist. Die Ansiede¬ 
lung am Fliegenberge hat ja, wie schon eingangs ausgeführt worden 
ist, lange bestanden. Münzen der ersten Kaiserzeit wurden gefunden 
und in den Wohnstätten Scherben römischer Art, von denen einzelne 
in das erste Jahrhundert unbedingt zurückreichen (Siehe die Tafel 
Mannus 1). Somit würde nach dieser Richtung hin mit der Möglichkeit 
einer früheren Datierung zu rechnen sein. Auch der Becher trägt ver¬ 
schiedene Symptome, die einer früheren Datierung nicht im Wege 
stehen, ja dieselbe nach der Auffassung KRÜGERS wahrscheinlich 
machen. Zunächst mutet er unter den bekannten Bechern, die ihm 
gleichen, fremd an. Es ist bis jetzt kein derartiges Gefäss in den 
römischen Gräbern der Kölner Gegend gefunden worden. Es könnte 
nach KRÜGERS 1 ) Urteil wohl das Prototyp der etwars bauchigen, aber 
schlankeren Becher abgeben, die im 3. Jahrhundert mit den Inschriften 
sehr bekannt sind. Dazu stimme auch die Behandlung der Standfläche, 
des Fusses, die im Innern einen ziemlich hohen Kreis aufweist, der 
bei dem späterem Becher nicht mehr vorkomme. Ein abschliessendes 
Urteil ist demgemäss über die Datierung vorerst nicht zu fällen, obschon 
es die meiste Wahrscheinlichkeit hat, dass die Gesichtsvase zu dem 1. Grabe 
gehört und also der späteren Kaiserzeit zuzurechnen ist. 

Auch Sinn^ und Zweck der Gesichtsvasen, welchem Kultus sie ge¬ 
widmet sind, ist zweifelhaft. Es liegt auf der Hand, dass wir es bei 
diesen Vasen mit Götterköpfen, mit Götterdarstellungen zu tun haben, 
welchen eine bestimmte Vorstellung zugrunde liegt. Schon der Tricephalus, 
eine aus dem Altertum bekannte Götterdarstellung, würde dies beweisen. 
Aber auch nach dieser Hinsicht gehen die Urteile sehr auseinander. 
BABELON 2 ) bezeichnet die Darstellungen auf der Pariser Vase als 
Planetengottheiten, dazu stimmt die Siebenzahl. DEMARTEAU 8 ) hat 
für diese und die Lütticher Vase dasselbe Urteil. Er zieht zum Beweise 
ein goldenes Armband im Cabinet des medailles zu Paris herbei, das aus 
Syrien stammt, aber griechische Arbeit ist, mit sieben Götterköpfen, welche 
die sieben Planeten der Alten darstellen und deren Name in griechischer 
Sprache jedem Bildnis beigefügt sind. DEMARTEAU ist der Ansicht, 
wenn man die beiden Gegenstände im Cabinet des medailles, das gol¬ 
dene Armband und die Tonvase mit den übrigen Götterbildnissen studiert 
hätte, würden alle diese Vasen längst ihre genügende Erklärung gefunden 


*) Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter. 

*) In dem Führer zu dem Cabinet des Mddaillcs. 

a ) In der erwähnten Schrift: Le vase plandtaire de Jupille. 


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13] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 13 


haben. Salomon REINACH ist der Meinung 1 ), dass die Vase und das 
Armband keine Beziehungen zueinander haben. Er hat die Identifi¬ 
zierung 2 ) der dreiköpfigen Gottheit besonders bearbeitet und sieht in ihm 
einen gallischen Merkur. Er hat nachgewiesen, dass in Frankreich eine 
Anzahl Steindenkmäler zum Vorschein gekommen sind, die eine bärtige, 
dreiköpfige Gottheit darstellen, stets in derselben Anordnung, wie wir 
sie bei der Kölner und Pariser Vase kennen gelernt haben. Durch die 
sonstigen Attribute des Tricephalus, den Bock zu den Füssen, die Flügel 
bezw. Hörner, die auch anerkannte Merkurstatuen aufweisen, sei die 
Identifizierung des Tricephalus mit dem gallischen Merkur bewiesen. 
Nach CAESAR stellten die damaligen Gallier schon von allen Gott¬ 
heiten den Merkur am häufigsten dar, „plurima simulacra* sagt er von 
ihm. Die Verehrung Merkurs war am meisten verbreitet. In Griechenland 
wurde Hekate mit 3 Köpfen abgebildet, Hermes im 6. Jahrhundert v. Chr. 
dreiköpfig und bärtig an den Kreuzwegen aufgestellt. Durch griechischen 
Einfluss, so nimmt REINACH an, hatten die Gallier aus den südlichen 
Kolonien diesen dreiköpfigen Gott übernommen. Durch LUCAN sind 
uns die Namen von drei gallischen Gottheiten überliefert. Teutates, 
Esus, Taranus. Esus ist nach der Meinung des französischen Gelehrten 
Merkur. Anderer Auffassung ist KRÜGER in seiner schon wiederholt 
angeführten Schrift über die Pariser Vase. Er sieht in der dreiköpfigen 
Gottheit Mars. Die Art der Gewandung dieses Bildes, die einem 
Panzer ähnlich sei, gab ihm Veranlassung zu dieser Annahme, die 
noch durch einzelne kleine Umstände, die Striche über den Augen¬ 
brauen, die Dreizahl der runden Stempeleindrücke zu beiden Seiten 
des Kopfes und die kleinen runden Wülste in den Haaren ihm gestützt 
erscheint. Der Töpfer habe diesen Kopf als den ersten darstellen wollen, 
der erste Gott sei jedoch der Mars. KRÜGER identifiziert nun die 
Köpfe der Pariser Vase, mit dem Tricephalus angefangen: Mars, Merkur, 
Jupiter, Venus, Saturn, Sol, Luna. DEMARTEAU glaubt das fehlende 
Bildnis der Lütticher Vase stelle einen dreiköpfigen Gott dar, und zwar 
sei dies der Saturn; dann folgen Sol, Luna, Mars, Merkur, Jupiter, 
Venus. Er hält die Vase für einen Ausfluss der aus dem Orient ge¬ 
kommenen und während der römischen Kaiserzeit immer stärker auf¬ 
tretenden magischen Kunst der Astrologie, die ja noch zu Zeiten des 
Augustinus, wie aus seinen „Confessiones“ zur Genüge her vorgeht, eine 
so grosse Rolle spielte, um dann später im Mittelalter zu neuem Leben 
zu erstehen. 

Die Dreiköpfigkeit des Saturn, der derselbe sei, wie im XVII. 


*) Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter. 
? ) In der Schrift: Cultes, mythes et religions. 


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14 


C. Rademacher. 


[14 


Jahrhundert bei den Astrologen Saturnus Tergeminus, erklärt DEM ARTEAU 
aus dem Umstande, dass ihn die alten Astronomen mit Ihren unvoll¬ 
kommenen Instrumenten dreifach gesehen, also als eine Dreiheit, und 
diese Dreiheit sei in der dreiköpfigen Darstellung zum Ausdruck ge¬ 
kommen. Er sagt ferner: „Ces grands bols, cadeaux de l’amitte, ötaient 
destines ä paräitre au jours de fetes: Funde merum Genio*. Zur guten 
Vordeutung hätte man die astrologischen Gottheiten samt und sonders 
auf diese Art der Gefässe angebracht. Da der astrologische Kult erst in 
der späteren Kaiserzeit recht in Blüte kam, dürfte hierin auch ein Be¬ 
weis gefunden sein, dass die Datierung nicht allzufrüh angenommen 
werden kann, dass also die Kölner Gesichtsvase mit dem Becher nicht 
den Rest eines früheren Begräbnisses darstellt, sondern zu den anderen 
Funden gehört, mit diesen einen Grabinhalt bedeutet. Dies ist um so 
wahrscheinlicher, da der bald darauf in der Nähe gefundene 2. und 3. 
Grabinhalt, wie wir gleich sehen werden, in die spätere Kaiserzeit zu 
setzen ist. 

Fassen wir das Ganze kurz zusammen, so ergeben sich folgende 
Tatsachen: 

1. Die Kölner Vase hat mit denen in Paris und Lüttich sehr viele 
Übereinstimmungen. 

2. Auf allen Vasen sind Götterbildnisse dargestellt, die nicht mit 
Sicherheit zu identifizieren sind. 

3. Die Identifizierung der dreiköpfigen Gottheit ist ebenso unsicher, 
da Merkur, Saturn und Mars von verschiedenen Forschern unter 
dem Tricephalus begriffen werden. Dies mag darin seinen Grund 
haben, dass die Götterindividualitäten in Gallien durch den rö¬ 
mischen Einfluss schwankend geworden waren. 

4. Die Annahme, dass wir es mit Planetengottheiten oder Vater¬ 
gottheiten auf den Vasen zu tun haben, hat vieles für sich, 
wenngleich die Sechszahl der Kölner Vase dem zu wieder¬ 
sprechen scheint. Man könnte allerdings annehmen, dass hier 
eine Gottheit durch Zufall ausgelassen sei. 

5. Die Vasen weisen auf Belgien als das Ursprungsland. 

6. Als Zeit der Herstellung ist die mittlere oder spätere römische 
Kaiserzeit anzusehen. 

2. Grab. 

Das zweite Grab, das unvollständig gehoben ist, enthält ausser 
Scherben nicht römischen Charakters zwei Lanzenspitzen aus Eisen, eine 
Scheibenfibel und ein Eisengerät. Die Lanzenspitzen (vergl. Abb. 7) 
gehören der germanischen Kultur an. 

3. Grab. 

Über die Anlage des Grabes Seite 3. 


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PR1NCET0N UNt VFRSyr^ ^ f 



15] Germanisdie Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 


15 


Die Urne (Taf. II, Fig. 1) mit den Knochenresten ist 20 cm hoch, 
ohne Drehscheibe gearbeitet, plump, wenig geglättet. Der Rand ist ver¬ 
dickt und nach unten mit Fingernageleindrücken verziert. Dieses Ornament 
kehrt auf dem Bauche in doppelter Reihe wieder. Das zweite Gefäss 
(Taf. I, Fig. 5) hat den Typus der Fussbecher, der Fuss fehlt allerdings. Es 
hat eine Höhe von 11 cm und 17 cm Durchmesser. Wie bei den Fuss- 
bechern sitzt der senkrechte Hals auf einem wenig gebogenen Bauche, 
die weiteste Stelle ist nur einige cm von dem Beginne des Randes 
entfernt. Der Rand ist etwas verdickt. Diese Rand- und Halsbildung 
zeigen eine grosse Anzahl von Scherben, die in den Wohnstätten 
des Fliegenberges gefunden worden sind, und hierdurch ist wohl be¬ 
wiesen, dass die Gräber zu den Wohnstättenanlagen gehören. Auch die 
Randbildung der Urne kehrt in Funden der Wohngruben wieder, ebenso 
die Ornamentierung durch Fingernageleindrücke; diese bilden ja, nach 
den bis jetzt gemachten Funden, in allen möglichen Variationen ange¬ 
wandt, die hauptsächlichste Art der Orna- 
mentation. Auf dem Knocheninhalte der 
Urne lag der Spinnwirtel (Abb. 11). Der 
Bauch des kleinen fussurnenähnlichen, auf 
der Drehscheibe gearbeiteten Gefässes ist 
nun durch Ornamente verziert, die aus 
sehr kleinen, sanft eingedrückten Ver¬ 
tiefungen bestehen. Einige Male finden 
sich je drei solcher Punkte in Form eines 
Dreieckes angebracht, öfter jedoch sind die 
Punkte dicht aneinandergedrückt, so dass die Gestalt eines gleicharmigen 
Kreuzes entsteht. Die Endpunkte des Kreuzes sind meist etwas ver¬ 
stärkt eingedrückt. 



Wie in dem Fundbericht erwähnt, 
lagen über der Knochenurne Scherben 
eines Gefässes, die nur zum Teil im 
Feuer gewesen sind und sich deshalb 
wieder zu einem Ganzen zusammensetzen 
Hessen. Es ist ein römisches Gefäss 
(Taf. II, Fig. 2) mit einer künstlichen 
Färbung, die demselben das Aussehen 
eines Sigillatagefässes gibt. Das Gefäss ist 18 cm hoch; Durchmessen 
des Randes 11 cm, des Bauches 15 cm. Es hat eine etwas ellipsen¬ 
förmige, bauchige Gestalt; Hals und Fuss sind ziemlich gleichmässig 
eingezogen. Der ganze Bauch, nach Rand und Fuss durch schmale 
Rillen abgegrenzt, ist mit zierlichen Ornamenten versehen. Spiral- 
und volutenförmig ziehen sich äusserst geschmackvolle Linien, fein und 


25 cm 



Abb. 1Z. V» b. nat. Gr. 


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L. 


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16 


C. Rademacher. 


[16 


sauber ausgeführt, um die ganze Bauchwand. Die Linien endigen in 
Palmetten, deren Spitzen bald nach eben, bald nach unten gerichtet 
sind. Durch kleinere Palmetten sind die freibleibenden Zwischenräume 
ausgefüllt. Die Palmetten sind eingeschliffen oder eingeschnitten und 
verraten eine sehr geschickte Hand. Auch dieses Qefäss ist in das 
3. Jahrhundert zu setzen. Die übrigen Beigaben des Grabes sind be¬ 
reis aufgezählt. Die Schere (Abb. 12), eine sog. Schafschere, ist 20 cm 
gross und wohl erhalten. Von dem Knochenkamm waren nur geringe 
Reste vorhanden, er hatte den Leichenbrand durchgemacht. Von den 
Zähnen sind nur einzelne Ansätze zu erkennen; bemerkt sei, dass Bronze¬ 
nieten die Griffplatten Zusammenhalten. Von der Silberfibel, die genau 
der Almgren (Taf. V, Fig. 101) gleicht und in den römischen Rhein¬ 
provinzen auch schon gefunden, ist nur der Nadelhalter da. Die Bronze- 

k- ßj cm -* 



Abb. 13. 


I 



reste gehören einem weitbauchigen Gefässe an, weitere Reste sind nicht 
zu bestimmen und geben keine Anhaltspunkte. Das Schwert (?) (Abb. 13), 

ebenfalls im Leichenbrand gewesen, zeigt 
an einzelnen Stellen den bekannten Edel¬ 
rost, andere Stellen waren blasig und 
aufgetrieben, so dass eine Behandlung 
nötig erschien. Es ist 65 cm lang, 
daran gehen 27 cm für den Griff ab. 
Die Breite der Klinge beträgt 5,5 cm. 
Der Typus dieses Schwertes ähnelt in 
etwa den Schwertern der Völkerwan¬ 
derungszeit. Der ganze übrige Befund 
der Grabbeigaben und ebenso der Fibel¬ 
rest sprechen für eine spätere Periode 
der römischen Kaiserzeit. 

Nach Auffindung dieser Gräber wur¬ 
den die Ausgrabungen in dem eingangs 
Abb. N. geschilderten Terrain der Wohnstätten fort¬ 

gesetzt. Der erste grosse Versuchs¬ 
graben lieferte keine weiteren Anhaltspunkte, doch kam im hellen 
Sande, 60 cm tief, mit der Öffnung nach unten stehend ein plumpes 


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■••.W •- 


17] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 17 

Gefäss (Abb. 14) zum Vorschein, Höhe 39 cm, Durchmesser an 
der Öffnung 25 cm. Das dickwandige, rauhe Gefäss verjüngt sich stark 
nach unten und hat einen gewölbten Boden. Die Innenseite ist ge¬ 
schwärzt; der Topf scheint als Kochgefäss benutzt worden zu sein. 
Das Gefäss war im klaren reinen Sande eingebettet, ohne jede weiteren 
Beigaben, es erinnert dadurch an das ebenfalls mit der Öffnung nach unten 
gerichtete, im Bimssand über der Magdalenien-Ansiedelung bei Andernach 
am Martinsberg gefundene Gefäss, das SCHAAFFHAUSEN in seiner 
Publikation der Martinsberger Ansiedelung veröffentlicht hat. 

Durch weitere Grabungen wurde eine neue Wohnstätte aufgedeckt, 
die keine neuen Aufschlüsse ergab. Scherben germanischen Charakters 
kamen zum Vorschein, darunter einer mit reicher Ornamentation, aus 
eingeschnittenen Rillen und kleinen Kreisen bestehend. Auch ein flacher 
Reibstein wurde gefunden. 

Zum Schlüsse sei herzlicher Dank dem Herrn ausgesprochen, 
durch dessen Unterstützung die Ausgrabungen und Ankäufe für das 
Museum ermöglicht worden sind. Sie sind geeignet, neues Licht zu 
bringen über die germanisch-römische Kultur, wie sie in germanischen 
Ansiedelungen der späteren Kaiserzeit auf dem rechten Rheinufer ge¬ 
herrscht hat. — 


Mannus. Bil II. M. I. 


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Naturrevolutionen in Mittel-Italien 
vor dreitausend Jahren 1 ^ 

Von Oscar Montelius. 

Mit 20 Textabbildungen. 


Unter den Tausenden von Pilgern, die in unseren Tagen aus allen 
Ländern, protestantischen sowohl wie katholischen, nach Rom wallfahrten, 
um die wunderbare Stadt und ihre schöne Umgebung kennen zu lernen, 
gibt es wohl nicht viele, die es versäumen die Albanerberge zu besuchen. 
Hier lag einmal Alba Longa, die Stadt, die man als Roms Mutter be¬ 
trachtete; hier begegnen uns die Namen Frascati und Tusculum, Genzano 
und Castel Gandolfo, wo sich Papst Pio Nono so wohl fühlte, ehe die 
Fiktion von seiner Gefangenschaft im Vatikan erfunden wurde. 

Genzano, wie Frascati berühmt wegen seines Weines, liegt an dem 
schönen, von einer prächtigen Vegetation umgebenen Lago di Nemi, 
von dem schon Ovid sang. Der Nemi-See ist, wie viele andere in 
Mittel-Italien, fast rund. Lange braucht man ihn und seine steilen Ufer 
nicht zu betraditen, um sich klar zu werden, dass er ein erloschener, mit 
Wasser gefüllter Krater ist. 

Nicht weniger als fünfzehn Krater, die von vulkanischer Tätigkeit 
einst in der Vorzeit zeugen, und von denen die meisten wassererfüllt 
sind, liegen rings um die römische Campagne (Abb. 1). 

Um nur einige von ihnen zu nennen, so haben wir südlich oder 
genauer südöstlich von Rom den Lago di Albano, ganz nahe an dem 
eben erwähnten Lago di Nemi gelegen, und nördlich von Rom zuerst 
den Lago di Bracciano, dann den Lago di Vico, und noch weiter hin 
den grossen Lago di Bolsena. In den Lago di Vico springt der Monte 
di Venere vor, dessen Name daran erinnert, dass auf dem Berge einst 
eine weibliche Gottheit verehrt wurde. 

Alle diese Krater sind seit lange in Seen verwandelt. In anderen 
ist keine solche Wasseransammlung entstanden. Der alte Kraterboden 

') Übersetzung aus dem Schwedischen von Albert WINCKLER, revidiert von 
Gustaf KOSSINNA. 

2 * 


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Abb. 1. Ein Tel! von Mittel-Italien. 






















3] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 21 

liegt da trocken, natürlich sehr verändert seit der Zeit, wo der Vulkan 
in Tätigkeit war. 

Ein solcher „trockener“ Krater ist das kesselförmige Tal, das bei 
dem durch seine schattenreichen Haine berühmten Ariccia liegt, und 
das bekannt ist unter dem Namen Valle Ariccia, gewöhnlich verkürzt 
zu Vallericcia. 

Der Monte Cavo ist ein anderer Krater derselben Art, rund und 
gross. An seinem Rand liegt das wegen seiner reinen Luft und seiner 
schönen Lage bekannte Rocca di Papa, wo die Römer während der 
Sommerhitze Kühlung suchen. 

Ganz oben auf dem Monte Cavo, oder Mons Albanus, wie die 
Römer den Berg nannten, lag in alten Zeiten der Tempel des Jupiter 
Latialis, und noch ist der mit flachen Steinen belegte heilige Weg merk¬ 
würdig gut erhalten, auf dem einmal die Prozessionen von Rom und 
ganz Latium hinauf zum Tempel zogen. Wo dieser stand, liegt jetzt ein 
Kloster, von dem man eine herrliche Aussicht über Land und Meer ge- 
niesst. Bei wirklich klarem Wetter kann man von hier bis hin zu den 
höchsten Bergspitzen des fern gelegenen Sardinien sehen. 

Vallericcia und Monte Cavo liegen ganz nahe am Lago di Albano 
und Lago di Nemi. In unmittelbarer Nähe beieinander haben wir hier 
somit nicht weniger als vier Krater, zwei leere und zwei mit Wasser 
gefüllte. 

Alle diese jetzt erloschenen Krater rings um die römische Cam- 
pagna beweisen, dass es eine Zeit gab, wo es in der Umgegend Roms 
ebenso unruhig war wie heutzutage in der Umgegend Neapels und an 
der Strasse von Messina. 

Alle Tätigkeit der unterirdischen Kräfte ist jedoch nicht vorüber 
in den Gegenden um die ewige Stadt. Noch nimmt man diese Tätig¬ 
keit hier und da auf der Campagna wahr. 

Wer von Rom nach Tivoli gefahren ist, entsinnt sich sicher, welche 
Gefühle man hat, wenn man sich der alten Brücke nähert, die über den 
Teverone führt, unterhalb der Hadrians-Villa. Wenn man hier rastet, 
um sich in einer am Wege gelegenen Osteria mit einem Glase Wein 
zu erfrischen, wird das Behagen etwas durch einen starken Schwefel¬ 
geruch beeinträchtigt, doch gewöhnt man sich bald daran. Der Schwefel¬ 
geruch kommt von den drei kleinen in der Nähe gelegenen Solfatara- 
Seen, den Aquae Albulae, wie sie in alten Tagen hiessen. 

Bei Viterbo, nördlich von Rom, gibt es auch warme Schwefelquellen, 
und an mehreren anderen Stellen in der Nähe von Rom trifft man 
Quellen, die gleichfalls im Zusammenhang mit den vulkanischen Kräften 
stehen. 

Hier wie bei dem westlich von Neapel liegenden, fast erloschenen 


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22 


Oscar Montelius. 


[4 


Krater, der auch unter dem Namen Solfatara bekannt ist, ist der Schwefel 
eine Erinnerung daran, dass die vulkanische Tätigkeit nicht ganz und 
gar zu Ende ist. 

Zu Zeiten, die nicht so weit zurückliegen, als dass die Geschichte 
die Erinnerung an das, was damals geschah, nicht bewahrt hätte, ist 
die Tätigkeit in der Umgegend Roms weit bedeutender gewesen, als 
die meisten sich jetzt vorstellen. So erzählt Livius im 31. Kapitel des 
ersten Buches seiner Römischen Geschichte, wie unter der Regierung 
des Königs Tullus Hostilius „an den König und den Senat die Meldung 
kam, dass es auf dem Albaner Berge Steine geregnet hätte. Da dies 
kaum glaublich erschien, wurden einige Personen abgesandt, um das 
Wunderzeichen in Augenschein zu nehmen, und vor ihren Augen fielen 
haufenweise Steine vom Himmel, nicht anders als wenn der Wind Hagel¬ 
wirbel auf die Erde hinabtreibt“. Aus diesem Anlass veranstalteten 
die Römer ein neuntägiges Opferfest. Livius fügt hinzu, „dass der 
Brauch beibehalten wurde, ein neuntägiges Opferfest zu veranstalten so 
oft ein solches Wunderzeichen gemeldet wurde“. 

Dies traf nicht so selten ein, auch in verhältnismässig später Zeit. 
Unter dem Jahre 341 vor Chr. Geb. berichtet Livius im 28. Kapitel 
des 7. Buches von einem Wunderzeichen „gleich dem, das in der Vor¬ 
zeit auf dem Albaner Berge gesehen worden; denn es regnete Steine 
und mitten am Tage schien sich nächtliche Dunkelheit auszubreiten. 
Die heiligen Bücher wurden um Rat befragt, und wegen der allgemein 
herrschenden Furcht beschloss der Senat, dass ein Diktator zur Veran¬ 
staltung von Betfesten ernannt werden sollte. Nicht allein alle römischen 
Mitbürger, sondern auch die angrenzenden Völker wurden ermahnt, dies 
Betfest zu begehen, und es wurde bestimmt, an welchem Tag es von 
einem jeden gefeiert werden sollte“. 

Aus den über solche merkwürdigen Ereignisse von den Priestern 
besonders geführten Aufzeichnungen teilt derselbe Verfasser für noch 
spätere Zeiten gleiche Berichte mit. Für die Jahre 216—167 vor Chr., 
also für die verhältnismässig kurze Zeit von nur 50 Jahren, sind nicht 
weniger als zehn Ausbrüche in Latium von Livius erwähnt. 

• * 

* 

Diese schriftlichen Aufklärungen über die vulkanischen Ausbrüche 
in der Gegend Roms gehen indes nicht weiter zurück als etwa zwei 
und ein halbes Jahrtausend. Tullus Hostilius sollte ja um die Mitte 
des siebenten Jahrhunderts vor Beginn unserer Zeitrechnung gelebt haben. 

Aus anderen Aufschlüssen als den schriftlichen erfahren wir, dass 
solche Ausbrüche in den Albaner Bergen mehrere Jahrhunderte früher 
stattgefunden haben und dass sie sehr bedeutend gewesen sind. 


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5] 


Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 


23 


Zwischen Castel Gandolfo und Albano wurden vor ungefähr neunzig 
Jahren einige sehr alte Gräber aufgedeckt, die verbrannte Knochen, in 
Tongefässen aufbewahrt, enthielten und die in einem gelblichen vulka¬ 
nischen Sand unter einer 0,50—1 m dicken Schicht von „Peperino“ an¬ 
getroffen wurden. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man in Latium eine 
Gesteinsart, gebildet aus Steinchen und vulkanischer Asche, die im Wasser 
aufgeschlemmt gewesen und dann erhärtet ist. Auch nach dem Jahre 1817, 
wo man auf die ersten Gräber hier aufmerksam wurde, sind bei ver¬ 
schiedenen Gelegenheiten solche Gräber angetroffen worden. 

Der Sand, in dem die Graburnen niedergesetzt sind, rührt natür¬ 
lich von vulkanischen Ausbrüchen her, die älter sind als die Zeit, wo 
die Gräber hier gegraben wurden. Aber von der darüberliegenden 
Peperino-Schicht hat man bei genauen Untersuchungen gefunden, dass 
sie jünger ist als die Gräber. Es hat sich nämlich gezeigt, dass man 
sich nicht durch den Peperino gehauen hat, um die Graburnen in die 
Erde zu bringen, sondern dass diese bereits an Ort und Stelle sich 
befanden, als der Ausbruch eintrat, durch den die später zu Peperino 
erhärteten Massen herausgeschleudert wurden. 

Die im Jahre 1817 aufgedeckten Gräber erregten grosses Aufsehen, 
teils weil man glaubte das Gräberfeld von Alba Longa aufgedeckt zu 
haben, teils weil viele der hier gefundenen Tongefässe von eigentüm¬ 
licher Art waren. Sie haben die Form von Hütten und werden deshalb 
„Hausumen“ genannt (Abb. 2 und 3). 



Abb. 2. Hausurne. Albano. Abb. 3. Die Hausurne Abb. 2 von oben gesehen. 


Solche Hausurnen sind nunmehr nicht nur aus der Umgebung Albanos 
sondern auch von anderen Teilen Mittel-Italiens bekannt. Mehrere sind 
aus den wichtigen Gräbern unter dem Forum in Rom zutage gebracht, 


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24 


Oscar Montelius. 


[6 


von denen ich vor ein paar Jahren in einer schwedischen Zeitschrift 
gesprochen habe. „Die eigentümliche Form dieser Grabgefässe“, sage 
ich dort 1 ), „steht im Zusammenhang mit dem Brauch mancher Völker, 
den Verstorbenen eine Ruhestätte zu bereiten, die der Wohnung gleicht, 
in der sie gelebt haben. Als man begonnen hatte, die Toten zu ver- 



Abb. 4. Hausurne. Mittel-Italien. Abb. 5. Hausurne. Mittel-Italien. 



brennen, anstatt sie unverbrannt zu beerdigen, war es natürlich, dass 
das Grab auf andere Weise eingerichtet wurde als früher. Man konnte 
nicht gut eine Handvoll verbrannte Knochen in eine grosse Grabkammer 

legen, man konnte aber — und 
in Mittel-Italien wurde das Brauch 
— sie in ein Tongefäss von un¬ 
gefähr derselben Form legen wie 
die Hütte, in der die Toten ge¬ 
lebt hatten“. 

Diese Hausurnen zeigen, 
dass die Hütte gewöhnlich läng¬ 
lichrund war (Abb. 2—6), bis¬ 
weilen jedoch ist die Form deut¬ 
lich viereckig (Abb. 7 und 8). Die 
Dachbedeckung wird auf ihrem 
Platz durch Stangen festgehalten, 
gleich denen, die zu demselben 
Zweck an Gebäuden in späteren 
Zeiten angewandt wurden. Im Dach 
befindet sich ein Rauchloch. Eine viereckige Tür führt in die Hütte 
hinein und manchmal sieht man ein Fenster derselben Form in der 
Wand (Abb. 6). Nicht selten sind die Pfosten nachgebildet, die vor 
der Tür standen und oben ein kleines Dach trugen, so dass das Ganze 


Abb. 6. Hausurne mit Fenster. Mittel-Italien. 


*) „Neuigkeiten aus dem alten Rom“ („Nordisk Tidskrift“, 1907, S. 125). 


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7] 


Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 


25 



Abb. 7 und 8. Vierseitige Hausurnc, von zwei Seiten gesehen. Mittel-Italien. 





Abb. 9. Bronzefibel. Albano. 


Abb. 10. Bronzemesser. Albano. 


eine Art Vorhalle bildete; auf der Hausurne sind diese Pfosten natürlich 
auf die beiden Seiten der Tür gestellt, nicht wie am Original mitten vor 
diese, da sie dann nicht 
hätte geöffnet werden 
können (Abb. 5). ’ 

Von besonderer 
Bedeutung für die Zeit¬ 
bestimmung der in der 
Nähe von Albano unter 
der Peperinoschicht 
aufgedeckten Gräber 
wie so vieler anderer 
Funde sind die aus 
den Gräbern entnom¬ 
menen Bronzehefteln, 
die sogenannten Fibeln. 

Ein Studium der Ver¬ 
änderungen, die diese 
nützlichen Schmuck¬ 
sachen durchgemacht 
haben, hat es ermög¬ 
licht den Entwicklungs¬ 
gang im Einzelnen fest¬ 
zustellen, der von der 
ältesten Form, ganz 
gleich den heutigen 
Sicherheitsnadeln, zu 


Abb. 11. Miniatur-Schild von Bronze. Albano. 


Abb. 12. Miniaturlanze von Bronze. Albano. 


Abb. 13. 

Miniatur-Schwert 
von Bronze. Albano. 


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26 


Oscar Montelius. 


[8 


solchen Formen geführt hat, wie die Abb. 9 und 19 zeigen. Die Scheibe, 
an der die Spitze der Nadel ruht, war zu Anfang klein und von einem 
schmalen in mehreren Windungen spiralförmig gelegten Bronzedraht ge¬ 
bildet. Allmählich wurde die Scheibe grösser und gleichzeitig die Spiral¬ 
windungen breiter und geringer an Zahl. Noch später findet sich nur noch 
ein unbedeutendes, und schliesslich gar kein Überbleibsel von der Spiral¬ 
form der Scheibe. Zu einem ziemlich späten Stadium dieser Entwicklung 
gehören die in den Albanogräbern gefundenen Fibeln (Abb. 9). 

Dies zeigt, dass die fraglichen Gräber sich aus der fünften der 
Perioden herschreiben, in die ich die Bronzezeit Italiens eingeteilt habe. 
Zu demselben Ergebnis führt eine Prüfung aller anderen aus diesen 

Gräbern stammenden Sachen, 
unter denen wir besonders be¬ 
achten müssen die Waffen und 
Werkzeuge von Bronze, teils 
wirkliche Messer (Abb. 10), 
teils Miniaturnachbildungen von 
Schild, Lanze und Schwert 
(Abb. 11—13). Anstatt im 
Grabe, das selbst eine Minia¬ 
turabbildung der Hütte war, 
in der der Verstorbene gelebt 
hatte, wirkliche Waffen nieder¬ 
zulegen, legte man symbolische 
Abbildungen von solchen dort¬ 
hin. In einigen Gräbern fand 
man auch kleine, plump aus¬ 
geführte Tonbilder, die aller Wahrscheinlichkeit nach bestimmt waren, 
die Personen vorzustellen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben 
(Abb. 14 und 15). 

Die fünfte Periode, der letzte Teil der Bronzezeit in Italien, ent¬ 
spricht nun dem 12. Jahrhundert vor Christi Geburt. Während dieses 
Jahrhunderts wurden also die Gräber bei Albano gegraben, und erst 
nachdem sie angelegt waren, fand der vulkanische Ausbruch statt, durch 
den sie mit der Peperinoschicht bedeckt wurden. 

Obwohl es möglich ist, dass Gräber einer etwas späteren Zeit als 
der eben genannten unter dem Peperino angetroffen worden sind, ist 
es höchst wahrscheinlich, dass keine viel jüngeren Gräber dort gefunden 
sind, und dass somit der in Rede stehende Ausbruch ungefähr 1100 Jahre 
oder im elften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, also ungefähr 
3000 Jahre vor unseren Tagen stattgefunden hat. 

* * 

* 



Abb. Hund 15. Tonbild von zwei Seiten gesehen. Albano. 


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9] 


Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren 


27 






















28 


Oscar Montelius. 


[10 


Auch andere Funde geben uns bemerkenswerte Aufschlüsse von 
einer gewaltigen Naturrevolution, die zu ungefähr derselben Zeit in 
einer anderen Gegend Mittel-Italiens vor sich gegangen ist, die auch 
nicht besonders weit von Rom liegt. 

An einem von Osten in die Tiber mündenden Nebenfluss Nera 
liegt die Stadt Temi, berühmt wegen des in der Nähe befindlichen 
Wasserfalls Ja caduta delle marmore". Ganz nahe bei Temi, auf einem 



® 1 »*e 0 _l_2_3_ < _5 b. 

Abb. 17 und 18. Durchschnitt der Schichten bei Temi. 

Abb. 17 1 Grab in dem oberen Gr&berfelde. — Abb. 18: Grab in dem unteren Gräberfelde. 


Platz, wo ein Eisenwerk, Acciaieria, angelegt worden ist, hat man Gräber 
von hohem Alter gefunden (Abb. 16). 

Obwohl der Abstand zwischen Albano und Temi in der Luftlinie 
noch nicht hundert km beträgt, hatte man an der letzteren Stelle die 
Sitte die Toten unverbrannt zu bestatten, zu der Zeit, als die Bewohner 
der Albanerberge ihre Toten verbrannten. Auch in anderer Hinsicht 
war die Begräbnisart an beiden Stellen verschieden. 

Bei Temi grub man in den Boden eine Grube, in die die Leiche 
gelegt wurde, dann wurde über diese ein Haufen von Steinen geworfen, 
der ungefähr bis zur Erdoberfläche reichte. Auf der Mitte des Haufens 
wurde ein Stein aufgerichtet, der über der Erde sichtbar war und die 
Lage des Grabes angab (Abb. 18). 

Die Gräber enthalten Waffen von Bronze, sowie Schmuckstücke 
und Tongefässe, die es unzweifelhaft machen, dass sie sich aus dem 
11. Jahrhundert vor Chr. herschreiben. Die Fibeln (Abb. 19) sind etwas, 
aber nicht erheblich jünger als die in den oben besprochenen Albano- 
Gräbem üblichen. 

Eine nähere Untersuchung sowohl der archäologischen wie der 
geologischen Verhältnisse hat indessen zu sehr interessanten Ergeb¬ 
nissen geführt. 


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J 













• V • ' J ' 1 . ■ 


11] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren, 29 

Auf einer Lehmschicht — die, die man unten in Abb. 18 sieht — 
hatte sich im Laufe der Jahre oder der Jahrhunderte eine dicke Schicht 
Humus gebildet. Die jetzt besprochenen Gräber sind, wie wir bei einem 
Blick auf die eben angeführte Abbildung erkennen, durch den Humus 
in den Lehm hinabgegraben. 

Später hat sich eine neue mächtige Lehmschicht an der Stelle 
abgesetzt und das ganze Grabfeld bedeckt, sodass die Oberfläche des 



Bodens, in dem die Gräber angelegt waren, ungefähr 3 Meter unter der 
jetzigen Erdoberfläche liegt. 

Besondere Aufmerksamkeit verdient nun der Umstand, dass man 
zu einer Zeit, als die Bodenoberfläche ungefähr 1,50 Meter höher lag 
als die Oberfläche der Humusschicht, durch die die ursprünglichen Gräber 
gegraben wurden, von neuem hier begraben hat (Abb. 17). Die späteren 
Gräber, die anderthalb Meter höher als die früheren liegen und gleich¬ 
falls unverbrannte Leichen enthalten, sind gewöhnlich von einem Stein¬ 
kreis umgeben, dessen Oberkante wahrscheinlich über der Erdoberfläche 
sichtbar war (Abb. 20). 

In diesen oberen Gräbern finden sich Bronzewaffen, Schmucksachen 
und Tongefässe derselben Art wie in den unteren. Und bei einer 
näheren Prüfung der Fibeln wie der übrigen Funde in allen diesen 
Gräbern bin ich zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die 
ältesten Gräber in der oberen Schicht so gut wie vollständig gleich¬ 
zeitig mit den jüngsten Gräbern in der unteren Schicht sind. Be¬ 
sondere Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, dass ein solcher 
Steinkreis um das Grab, wie er eben besprochen wurde, auch in der 
unteren Schicht angetroffen wurde. 

Man hat also begonnen in der oberen Schicht zu begraben, un¬ 
mittelbar nachdem man das alte Gräberfeld hat aufgeben müssen. 

Das ist aber gleichbedeutend mit der besonders merkwürdigen 
Tatsache, dass die gewaltige Lehmmasse von ungefähr anderthalb Meter, 


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30 


Oscar Montelius. 


[12 


die das alte Gräberfeld bedeckt, und in der das neue Gräberfeld ange¬ 
legt wurde, sich in einer sehr kurzen Zeit gebildet haben muss, 
vielleicht in einem einzigen Jahr, und sicher im Verlauf von einigen 
wenigen Jahren. 

Die gleichfalls ungefähr anderthalb Meter dicke Schicht von Lehm 
und Humus, die über dem oberen Gräberfeld liegt, kann dagegen all¬ 
mählich hinzugekommen sein. Ungefähr 3000 Jahre sind nämlich ver- 



Abb. 20. Grab von einem Steinkreise umgeben, im oberen Gräberfelde. Terni. 


flössen, seit man begann das obere Gräberfeld zu benutzen, was ja im 
11. Jahrhundert vor Chr. Geb. geschah. 

Die Tatsache aber, dass eine so mächtige Lehmschicht, wie die, 
in der das obere Gräberfeld liegt, sich in der kurzen Zeit, die ich eben 
nannte, gebildet hat, setzt eine ausserordentlich starke Überschüttung 
voraus, verursacht entweder durch ein Erdbeben, einen vulkanischen 
Ausbruch oder eine andere ähnliche Ursache. 

Und besondere Aufmerksamkeit scheint es mir zu verdienen, dass 
die Naturrevolution, deren Spur wir bei Terni finden, ungefähr gleich¬ 
zeitig gewesen sein muss mit der, da die Albanogräber mit Peperino 
bedeckt wurden. Die jüngsten Gräber auf der letzteren Stelle sind näm¬ 
lich nicht viel älter als die ältesten Gräber in dem oberen Gräberfeld 
bei Terni. Auch wenn es dasselbe zerstörende Naturereignis gewesen 
ist, das wir auf den beiden eben genannten Stellen kennen gelernt 
haben, wäre ja ein solcher kleiner Zeitunterschied zu erwarten, denn die 
Gräber bei Albano waren schon vorhanden, als der Ausbruch geschah, 


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13 ] 


Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 


31 


und die Gräber bei Terni kamen erst hinzu, nachdem dies stattge¬ 
funden hatte und man wieder zu ruhigen Verhältnissen gekommen war. 

Wir können die Zeit, wo die Überschüttung bei Terni stattfand, 
näher bestimmen, als die wo der Peperino sich über das Gräberfeld bei 
Albano legte. Bei Terni wissen wir nämlich, was die jüngsten Gräber 
in der unteren Schicht und die ältesten Gräber in der oberen Schicht 
enthalten. Bei Albano haben wir nur einen Terminus post quem: wir 
wissen, dass Gräber des 12. vorchristlichen Jahrhunderts dort vorhanden 
waren, als der Ausbruch stattfand, aber, wie ich schon bemerkte, wissen 
wir nicht, ob möglicherweise einige von den Gräbern, die vom Peperino 
bedeckt wurden, etwas jünger, vom Anfang des 11. Jahrhunderts waren. 

Um Missverständnisse zu vermeiden, darf ich vielleicht, obgleich 
es wohl unnötig sein dürfte, ausdrücklich betonen, dass ich mich nicht 
darüber äussern will, wie weit wir es mit ein und derselben oder mit 
zwei nahezu gleichzeitigen Naturumwälzungen zu tun haben. Soweit ich 
sehen kann, ist das erstere fast ebenso wahrscheinlich wie das letztere. 

Es verdient hierbei besonders erwähnt zu werden, dass einer der 
Flüsse, deren Wasser bei Terni übergetreten ist, in den Bergen östlich 
und nicht sehr weit von Albano entspringt. 

* • * 

Was ich mit dieser Mitteilung bezwecke, ist darzulegen, wie man 
mit Hilfe einiger interessanter Funde hat beweisen können, dass mächtige, 
vermutlich sehr verheerende Naturrevolutionen, ähnlich denen, die sich 
vor kurzem an der Strasse von Messina ereigneten, in Mittel-Italien vor 
dreitausend Jahren verspürt wurden. 

Zu Beginn unserer Zeitrechnung, kurz ehe Pompeii und Herculanum 
durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört wurden, hatten die meisten ver¬ 
gessen, dass dieser Berg ein Vulkan ist, da er seit langem nicht in 
Tätigkeit gewesen war. Er sah damals ebenso unschuldig aus, wie heute 
die erloschenen Krater rings um die Campagna. 

Ich hoffe, dass die, welche jetzt zwischen den Albanerbergen oder 
an den alten Vulkanen nördlich des Tiber wohnen, nicht eines Tages 
die furchtbare Bekanntschaft mit den im Erdinnern schlummernden Kräften 
machen werden, die die Bewohner der beiden eben genannten Städte 
am Vesuv einstmals machen mussten. 


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Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte 
des Neuwieder Beckens. 

Von A. Günther, Koblenz-L. 

Mit 18 Textabbildungen und Tafel V—IX. 


Das enge, zu beiden Seiten von steil ansteigenden Bergen ein¬ 
gefasste Rheintal zwischen Bingen und Bonn, der sog. Mittelrhein, er¬ 
weitert sich fast genau in der Mitte dieser etwa 120 km langen Strecke 
bei Koblenz zu einer „seeartig ausgebreiteten Niederung, die nur noch 
auf der Ostseite durch ein massig hohes und steiles, ältere Gebirgs- 
schichten entblössendes Gehänge begrenzt wird, während ihr westlicher 
Rand von niedrigen, sanft abfallenden Höhen gebildet wird, die nur an 
wenigen Stellen das im übrigen unter einer mächtigen Decke diluvialer 
und vulkanischer Ablagerungen verborgene devonische Gebirge zutage 
treten lassen“ 1 ). 

Oberhalb der Moselmündung beginnt eine weite beckenartige Ein¬ 
senkung innerhalb des Gebirges, die rheinabwärts bis Andernach reichend, 
unter dem Namen des „Neuwieder Beckens“ bekannt ist. Drei rheinische 
Gebirgszüge bilden die Umfassung des Beckens: Im Süden der zwischen 
Rhein und Mosel gelagerte Ausläufer des Hunsrücken mit dem Plateau 
der Kartause (etwa 180 m über NN.) und dem Kühkopf (385 m 
über NN.); im Osten der Westerwald mit der Montabaurer Höhe 
(540 m über NN.); im Westen und nördlich die flachabfallenden Ab¬ 
hänge der Eifel, in deren Hintergrund kegelartig die alten Vulkanberge 
des Maifeldes und des Laacher Sees aufsteigen. 

Zwei bedeutende Nebenflüsse des Rheines und drei starke Bäche 
münden in dem Becken ein. Auf der rechten Seite die Lahn, der 
Saynbach und die Wied; auf der linken Seite die Mosel, die schon 
bei Güls das Becken betritt, und die Nette. Drei weitere Bäche der 

') Em. KAYSER, Erläuterungen zur geolog. Spezialkarte von Preussen usw., 
Blatt Koblenz, 1892. 

M annus. Bd. 11. 3 


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34 


A. Günther. 


(2 


linken Seite, der von Rübenach kommende Bubenheimer, der Mül- 
heimer und der Kärlicher Bach versiegen in den Feldern bei ihrem 
Eintritt in die Rheinebene. • 

Vom Fusse der Kartause bis Andernach, auf einer Strecke von 
etwa 18 km. erweitert sich das linke Rheinufer bis auf etwa 3 km, das 

rechte Rheinufer von Bendorf bis zur Wied auf etwa 7 km Breite; die 

", 

Bodenoberfläche auf durchweg 65 bis 71 m über NN. liegend. 

Gleichsam die Eingänge des Beckens bewachend, liegt südlich, in 
den Winkel zwischen Rhein und Mosel gebettet und um den Gebirgs- 
fuss rhein- und moselaufwärts sich hinziehend, Koblenz, am nördlichen 
Ende, dem steilansteigenden Kranenberg sich anschmiegend, Andernach; 
beide nicht nur Gründungen der ältesten geschichtlichen Zeiten in den 
Rheinlanden, sondern bis in die ältesten vorgeschichtlichen Zeiten hinauf¬ 
ragende Stätten menschlicher Siedlungen und Kultur. Und ebenso wie 
diese beiden Städte, weist auch das ganze Becken, sowohl in der 
Niederung* wie auf den begrenzenden Höhen eine stetig andauernde 
Besiedelung von der Urzeit bis zur Gegenwart auf, es ist geradezu ein 
Sammel- und Brennpunkt im Völkerleben *)> ein Kulturzentrum am 
Mittelrhein gewesen. 

Topographisch schildert in ganz vorzüglicher Weise von COHAUSEN*) 
die Gegend: 

„Hier bietet das Rheintal den Hochlanden, die es trennt, vier 
geneigte Bahnen, die sanft zum Ufer hinableiten. Von Süden senkt 
sich der Hunsrücken über das Tafelgelände der Kartaus zum Zusammen¬ 
fluss von Rhein und Mosel; im Westen flacht sich die Eifel und die 
Pellenz in Meilenbreite zum Rheintal ab. Gegen Norden führt eine 
sanfte Berglehne über Heddesdorf und Rockenfeld zu den Höhen, 
welche das Rheinufer bis zum Siebengebirge begleiten, und endlich wird 
der im Osten liegende Westerwald auf einer ebenso sanften Rampe 
über Heddesdorf, Niederbieber, Melsbach, Rengsdorf nach Altenkirchen 
erstiegen. Keine andere Nebenstrasse führt aus dem Rheintal und 
selbst diese nach Norden, Osten und Süden gerichteten Strassen führen 
über Gelände, das von beiden Seiten durch Talschluchten auf eine ge¬ 
ringe Breite eingeengt ist.“ 

Das in solcher Weise ein breites Eingangstor zum Rheintal bil¬ 
dende und für grössere Völker- und Heeresscharen den Verkehr zwischen 
den beiden Stromufern vermittelnde Becken, dem die Mosei auch noch 
den Wasserweg aus Gallien zuführte, muss sowohl in der Kriegs- wie 
in der Kulturgeschichte der Rheinlande eine wichtige und hervorragende 


') NISSEN, Bonner Jahrb. Heft 104. 

’) v. COHAUSEN, Bonner Jahrb. Heft 47 (1869). 


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3] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 35 


Rolle gespielt haben. Aus der Kriegsgeschichte der letzten Jahrhunderte 
sind die mehrfachen Rheinübergänge der Spanier, Deutschen und 
Franzosen bekannt. 1620 überschritt Spinola, 1637 Jan von Werth 
den Rhein bei Engers, 1672 Turenne bei Neuwied, ebenso verschiedene 
Male die Franzosen 1793—1797 und die Österreicher bei Vallendar, 
St. Priest 1813 oberhalb Koblenz 1 ). Dem Verkehr dienten eine ganze 
Reihe alter von Hunsrück und Eifel kommender Strassenzüge, die in 
ihrem oberen Verlaufe durch die Begleitung zahlreicher Hügelgräber als 
vorrömische zu erkennen sind, darunter der wichtige Handelsweg Ander¬ 
nach—Mayen—Trier mit den über Ochtendung und Saffig-Weissenturm 
und über Bassenheim—Rübenach—Kaltenengers abzweigenden Neben¬ 
strassen. Bei Koblenz lief die Hunsrückstrasse aus, während die von 
Mainz nach Köln führende Strasse die Rheinorte des Beckens verband 
und auch die erwähnten Querstrassen aufnahm. Letztere fanden aber 
auch und jedenfalls sicher in der römischen Zeit ihre Fortsetzung auf 
dem rechten Rheinufer. 

Mit Recht folgert Professor SCHNEIDER in einer Fussnote zu 
E. aus’m WEERTH: „Römerstrassen“ im Bonn. Jahrb. Heft 66, 1879, 
dass die Bedeutung der Lokalität durch die Doppelstrasse (bez. die 
Strassenarme Bassenheim und Ochtendung) noch mehr hervortrete, wie 
auch aus'm WEERTH selbst in dem erwähnten Aufsatz für diese Strassen 
entweder eine Einmündung in die dem Strom parallel laufende Ufer¬ 
strasse, oder den Anschluss an die Schiffahrt und ihre Hafenplätze, 
oder endlich die Weiterführung jener Verkehrslinien auf dem rechten 
Rheinufer annehmen zu müssen glaubt. . 

Den Wert, den die Römer auf den Besitz und die Behauptung 
des Beckens legten, erkennen wir aus seiner Einbeziehung in den Schutz 
des rechtsrheinischen Limes, der von der Lahn bei Ems ab in nur etwa 
6 — 8 km Abstand (Luftlinie) vom Rheine sich bis Rheinbrohl-Hönningen 
hinzieht. Ebenso durch die spätrömischen Festungs- und Verteidigungs¬ 
anlagen auf dem linken Rheinufer, die den Besitz des Beckens bis zum 
Ende der Römerherrschaft am Rhein bezw. in Deutschland wahrten. 

Aber trotz all dieser Umstände überliefert die alte Geschichte 
nichts von den Ereignissen, die sich hier abgespielt haben müssen und 
auch Cäsar, dessen Rheinübergänge unter richtiger Würdigung der 
lokalen Verhältnisse und der Völkergrenzen wohl nur in diese Gegend 
gesetzt werden können, unterlässt ihre Schilderung und nähere Angaben 
bei der sonst so eingehenden Darstellung seiner Brückenbauten. Selbst 
die beiden Endpunkte Koblenz und Andernach, als Städte römischen 
Ursprunges, finden nur selten Erwähnung bei den Alten. So finden wir 


1 ) V. COHAUSEN, Bonner Jahrb. 1869, Heft 47. 



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A. Günther. 


(4 


Koblenz: „Confluentes“ zuerst bei Suetonius im »Leben des Caligula“. 
Es wird später genannt im Itmerarium Antonini und auf dem Meilen¬ 
stein von Tongern (3. bis 4. Jahrhundert), ferner bei Ammianus Marcel¬ 
linus (356 n. Chr.) und endlich in der Notitia dignitatum imperii occi- 
dentis (um 400 n. Chr.) *). Andernach begegnet uns als „Antunnaco“ 
im Itinerarium Antonini und auf der PEUTINQER’schen Tafel, als „An- 
tennacum“ bei Ammianus und als „Antonaco“ in der Notitia dignitatum*). 

Neben diesen spärlichen geschichtlichen Angaben bewahrte aber 
die Überlieferung im Volke manche Kunde von verschwundenen Städten, 
Siedlungen und Befestigungen. So soll auf dem linken Rheinufer zwischen 
Koblenz und Andernach eine grosse Stadt „Reichental“ gelegen haben, 
deren Namen noch in der Flurbezeichnung erhalten ist. Gegenüber im 
Reiler Feld suchte man an der Stelle des 1680 eingegangenen Dorfes Reil 
ein Riol oder das Rigodulum des Ammianus. Bei Rübenach glaubt man 
heute noch an eine grosse gallisch-römische Stadt „Säntenich“ 3 ) und 
eine Ortschaft „Zaunheim" 4 ), beide als Gemarkungsnamen fortlebend 
und als Fundorte von Altertümern bekannt. Urmitz und Engers haben 
ihre Bezeichnungen: „Am Schloss“, Vallendar, Weitersburg, Niederberg 
und Niederbieber ihre „Alte Burg“, Kalten-Engers einen „Leutekirchhof“ 
und die Heerstatt, Wallersheim einen „Rennmorgen“, Neuendorf einen 
„Heerweg“, Kärlich eine Heeresgasse, Koblenz einen „Tummelberg" 
(von Tumulus^ Grabhügel) 5 ) und eine „Schwedenschanze“ usw. Auf der 
rechten Seite findet sich häufig die Bezeichnung Heidengraben, Pfahl, 
Rennweg usw. 

Seit CLÜVER’s (1616) und RElFFENBERG’s (1684) Zeiten wurden 
an diese Traditionen viele Vermutungen angeknüpft und Versuche ange¬ 
stellt, sie mit historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Auf 
sie gestützt und durch zufällige Funde begünstigt, begann HOFFMANN 
von 1791 an seine Nachgrabungen bei Weissenturm und Neuwied, die zur 
Feststellung römischer Kastelle bei Heddesdorf und Niederbieber führten 0 ). 
Ihm folgte DOROW und 1864 im Aufträge Napoleons III. der französische 
Oberst de LOCQUEYSSIE auf der Suche nach Cäsar’s Rheinübergängen 
mit Nachgrabungen bei Weissenturm. 

H. MÜLLER-Würzburg, B. J. 1845, Heft 7, verlegt hierher den 


') A. RIESE, Das Rheinische Germanien in der antiken Literatur. 
a ) A. RIESE, a. a. O. 

3 ) Vergl. Dr. ESSER, B. J. 1882, Sendenich, keltisch —-Santiniacum. 

4 ) Hier habe ich im November 1909 spätrömische Skelettgräber in Tuffstein¬ 
särgen getroffen. 

®) v. STRAMBERG, Rhein. Antiquarius, Bd. 2, 2. 

*) HOFFMANN, Die Zerstörung der Römerstädte zwischen Lahn und Wied, 
Neuwied 1823. 


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5] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 37 

Sieg Cäsars über die Usipeten und Tencterer, sowie seine Rheinüber¬ 
gänge 1 ). 

F. RITTER, B. J. 1866, Heft 39: »Das Römerlager auf der linken 
und rechten Rheinseite des Tales von Neuwied“ will hierher das grosse 
Lager verlegen, in dem 69 n. Chr. unter den beiden Legionen IV und 
XXII in Obergermanien die Unruhen gegen Galba ausbrachen. 

O. DAHM, B. J. 1897, Heft 101, möchte den Raubzug der Chatten 
(50 n. Chr.) nach Obergermanien unter Pomponius nach dem Neuwieder 
Becken gerichtet sehen. 

Endlich die schier zahllosen Streitfragen über die Rheinübergänge 
Cäsars. 

Jedenfalls mit Recht folgern F. WIESELER und A. REIN, B. J. 1864, 
Heft 37: „Die Bedeutung der Lage nahe der Grenze Ober- und Unter- 
germaniens, an der Mündung einer mit Villen seitwärts reich bevor¬ 
zugten Strasse nach Trier, die wahrscheinlich die Pulsader des Verkehrs 
zwischen Gallien und dem Rheine war, lassen es hinreichend begründet 
erscheirten, wenn der Vereinsvorstand diesem Gebiet seine Aufmerksam¬ 
keit zuwandte“. Das ist auch sowohl seitens des Vereinsvorstandes, 
wie seitens des Bonner Provinzialmuseums, berufener Altertumsforscher 
und Privater gewissenhaft befolgt worden. Auch die Geologie befasste 
sich seit von DECHEN’s Zeiten eingehend mit dem Studium der For¬ 
mationen und der Lagerungen des Beckens. Unterstützt und gefördert 
wurden diese Arbeiten durch die infolge der regen Bautätigkeit der 
letzten vierzig Jahre und der aufblühenden Industrie überall entstehen¬ 
den Anlagen von Bau-, Kies-, Sand- und Tongruben, sowie die Aus¬ 
beutung der Bimssandfelder und der Lössablagerungen für die Stein¬ 
industrie. Bei diesen Arbeiten wurden nicht nur wertvolle geologische 
Aufschlüsse bis zu fast 40 m Tiefe gewonnen, die uns ein Bild des 
Aufbaues der Gegend bieten, sondern auch neben fränkischen und 
römischen Siedlungen und Gräberfeldern eine Menge vorrömischer Wohn- 
und Grabstätten, selbst paläolithische Funde und Diluvialreste aufge- 
dedct, durch deren Beobachtung wir in der Lage sind, uns ein fast 
lückenloses Bild der kulturgeschichtlichen Entwicklung des Beckens zu 
machen. 

Geologisches. 

Die Entstehung des Neuwieder Beckens führt Professor Erich 
KAISER-Giessen auf tektonische Vorgänge zurück, die wahrscheinlich in 
jungmiozäner Zeit zur Vertiefung des grössten Teiles führten und wahr¬ 
scheinlich auch noch in diluvialer Zeit rwichgeklungen haben. Seine 

*) „Die Taten Cäsars bei Koblenz“ und in dem Werke „Marken des Vater¬ 
landes“. 


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A. Günther. 


[6 


Entstehung hängt also nicht mit der Vertiefung des Rheinbettes selbst 
zusammen, sondern sie ist in ihrer Anlage wenigstens viel älter ‘). 

„An der geologischen Zusammensetzung des Beckens nehmen 
devonische, tertiäre, diluviale und alluviale Bildungen, sowie von Ge¬ 
steinen eruptiver und vulkanischer Entstehung Diabas, Basaltlava, Bims¬ 
stein und basaltischer Tuff teil“ 2 ). Die vulkanischen Eruptionen werden 
in den Lavaausbrüchen der Tertiärzeit, in den Bimssand- und Tuffaus- 
würfen mit Sicherheit dem Ende der Diluvialzeit zuzurechnen sein. Das 
Liegende der Formationen bilden die Devonschichten und zwar untere 
Devonschichten, die von Koblenz die allgemeine Bezeichnung „Koblenz- 
Schichten“ führen. In diese Schiefer- und Grauwackenschichten ist der 
Rhein eingeschnitten und da das Einschneiden nicht stetig, sondern mit 
Ruhepausen erfolgte, so ist an den Flanken des Tales ein System 
mehrerer Terrassen entstanden, deren Oberflächen in den verschiedenen 
Höhen mit den Schotterablagerungen des Flusses bedeckt sind. Diese 
Terrassen werden wieder von den Tälern der Nebenflüsse und Bäche 
durchschnitten, die sich in ähnlicher Weise eingerissen haben, und wo¬ 
bei wir an dem Unterlauf der Mosel gleiche Terrassenbildungen fest¬ 
stellen können. Die Zahl und Höhen der Terrassen werden von den 
Geologen verschieden aufgefasst. So unterscheidet STEINMANN vier 
Diluvialterrassen: eine Niederterrasse, eine Mittelterrasse, eine Hoch¬ 
terrasse und den auf dem Plateau lagernden Deckenschotter. 

Nach FENTEN 3 ) werden die Höhen dieser Terrassen im Becken 
auf 73 bez. 86 bez. 122 bez. 200 m im Durchschnitt anzunehmen sein. 

Nach E. KAISER 4 ) lassen sich auf einem Niveau von 210—270 m 
über NN. die Reste einer Hochterrasse feststellen, zu deren Seiten das 
Gebirge in Höhen von über 300 — 350 m ansteigt. Es dürfte diese 
Terrasse einem Rheinlaufe in pliozäner Zeit entsprechen, wie die 
Schotterablagerungen ausweisen. Fast die ganze Masse derselben be¬ 
steht aus wenig-, meist nur kantengerundeten Bruchstücken von Milch¬ 
quarzen, zu denen eigenartig verkieselte, oolithartige Gesteine (Kiesel- 
oolithe) und Hornsteine, vereinzelt auch Grauwacke und Sandsteine des 
Devons, selten Basalt, hinzutreten. Die neben dem Quarz vorkommende 
Hauptmasse des Gesteins besteht aus den Kieseloolithen, deren Her¬ 
kunft noch nicht sicher gestellt ist. Die grosse Verbreitung deutet auf 
Vorgänge hin, bei denen ein Gestein, das auf den Abhängen des Rhei- 

! ) E. KAISER, Vortrag auf dem 14. Deutschen Geographen-Tag, Köln 1903. 

*) Em. KAYSER, Bl. Koblenz. 

3 ) Jos. FENTEN: Untersuchungen über Diluvium am Niederrhein. Verhdl. des 
Naturhist. Ver. der preuss. Rheinlande und Westfalens. 

4 ) E. KAISER: Pliozäne Quarzschotter iip Rheingebiet zwischen Mosel und 
Niederrheinischer Bucht, Berlin 1907. 


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7] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 39 

nischen Schiefergebirges in grösserem Umfange gelagert haben muss, 
in grossem Masstabe der Abtragung zum Opfer fiel. Entsprechend der 
weiteren Erosion des Flusstales und den stetig anhaltenden Abschwem¬ 
mungen finden sich Reste dieser Gesteine auch auf den folgenden 
Terrassen und im heutigen Rheinbett vor. Nach der Verbreitung der 
Kieseloolithschotter, auf der linken Rheinseite bei Waldesch, Cobern, 
Oberlützingen, Waldorf, auf der rechten Rheinseite am Geyer Kopf usw. 
bei Arzheim, am Dachsberg bei Immendorf, bei Hillschied, Höhr, Gren- 
hausen, Nauort, Stromberg, im Heimbacher Wald, am Burghof usw., 
biegt der in betracht kommende jungtertiäre Stromlauf etwas nach Osten 
aus. Sein Eintritt in das Becken lag in der Gegend von Koblenz, sein 
Austritt an der Andernacher Pforte 1 ). 

Unter den Diluvialterrassen sind zu unterscheiden: Eine Haupt¬ 
terrasse in 160—200 m Höhenlage. Über dieser sind keine diluvialen 
Rheinschotterablagerungen mehr vorhanden. Sie ist im ganzen Becken 
am deutlichsten ausgebildet. Ihr gehören die Höhen von der Lahn bis 
zur Sayn und von hier über Melsbach und am Nordrande mit der 
Andernacher Pforte schliessend, auf der rechten Rheinseite an. Auf der 
linken Rheinseite die Höhen des Koblenzer Stadtwaldes, die Metter- 
nich-Rübenacher Höhen usw. bis zum Kranenberg. Mehrere Mittel¬ 
terrassen von 70—140 m Höhe: die unterste (IV) bei 70 m, die III. 
bei 95—100 m, die II. bei 120 m, die I. in 140 m Höhe, alle mehr 
oder weniger scharf ausgeprägt auf der einen oder anderen Seite des 
Rheintales '). 

Das Liegende aller Terrassen bilden die steilgestellten Schichten 
des Unterdevons und in geringem Masse die Ton- und Geröllschichten 
des Tertiärs. Das Material des Hauptterrassenschotters ist ein sehr 
buntes: vorherrschend weisse Milchquarze, zumeist den Erzgängen des 
Rhein-Schiefergebirges entstammend, daneben Kieselschiefer, Eisenkiesel, 
Quarzite, Tonschiefer, Basalt, Trachit und viele andere Gesteine. Neben 
den Kieselschiefern sind die zwar spärlichen, meist auch stark zersetzten 
Porphyre und Melaphyre des Lahn- und Nahegebietes, sowie vereinzelte 
Granite und Gneise für die abgelagerten Schotter charakteristisch. Die 
Geschiebe von Eruptivgesteinen unterscheiden hauptsächlich diese Schotter 
von den Ablagerungen der höheren Terrassen. 

') E. MORDZIOL: Über das jüngere Tertiär und das Diluvium des rechts¬ 
rheinischen Teiles des Neuwieder Beckens. Jahrb. der Kgl. Pr. Geol. Landes-Anstalt, 
Berlin, 1908. 

0 FLIEGEL: Pliozäne Quarzschotter in der Niederrhein. Bucht. Jahrb. der 
Kgl. Pr. Geol. L.-A., Berlin 1907 schliesst: Die diluviale Hauptterrasse ist das 
Äquivalent der Haupteiszeit. Die Kieseloolithstufe hat pliozänes Alter. Kiese und 
Sande sind fluviatiler Entstehung, die Tone eine Süsswasserbildung. 


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[8 


In den Schottern der unteren Terrassen sind sowohl die rheinischen 
Devongesteine und zwar in überwiegender Menge, als auch von ausser¬ 
halb hergebrachte Gerolle vertreten. Beachtenswert ist in den tieferen 
Terrassen die. Zunahme der Eruptivgesteine und die Abnahme der 
Quarzgeschiebe l ). 

Endlich wird noch eine Niederterrasse auf zirka 65 m Höhe an¬ 
zunehmen sein, die früher als Alluvialterrasse angesehen wurde, in der 
der Rhein und auch die Mosel scharf abgesetzte Spuren früherer Fluss¬ 
arme hinterlassen haben. Sie bildet die Talebene, aus der sich viel¬ 
fach schildförmige Erhöhungen erheben, die wohl frühere Inseln im 
Strombett darstellen. Dieser Niederterrasse gehören auch die Inseln 
im jetzigen Stromlaufe an. 

Neben den diluvialen Schotterablagerungen spielen eine grosse 
Rolle in der Oberflächengestaltung die Ablagerungen von Löss und 
Bimssand, die meist die ersteren überdecken und die Terrassenbildung 
verschleiern. Der Löss beginnt auf der Niederterrasse bei etwa 68 m 
über NN. 8 ) und steigt bis über 300 m. Nach der STEINMANN’schen 
Trennung in älteren und jüngeren Löss lagert der erstere von der 120 m 
Terrasse an aufwärts, die unteren Terrassen sind von jüngeren und 
dejektivem Löss bedeckt, der aber auch über die höhere Terrasse hinauf¬ 
geht. Die Bildung des Lösses wird im allgemeinen ins letzte Inter¬ 
glazial- bezw. die letzte Eiszeit gesetzt. WIEGERS 3 ) hält es für wohl 
denkbar, dass der ältere Löss in engerer Verbindung mit der Bildungs¬ 
zeit der Mittelterrasse (der vorletzten Eiszeit) steht. Jedenfalls liegt 
ein weiter Zeitraum zwischen der Ablagerung des älteren und der des 
jüngeren Lösses, wie die starke Verlehmungsrinde des ersteren und die 
oft in langen Bänken und Schichten abgelagerten Kalkkonkretionen 
(Lösskindel) beweisen. Im älteren Löss können wir Bänke von etwa 
1 m Länge und 20 bis 25 cm Stärke, oder Kindel bis zu Kopfgrösse in 
den Lössablagerungen der Tongruben von Mülheim und Kärlich be¬ 
obachten. Die Sohle (Diluvialkies) lagert hier auf etwa 170 m über 
NN., die Mächtigkeit des älteren Lösses beträgt 4 — 5 m. In dem bis 
auf etwa 10 m Höhe auflagernden jüngeren Löss finden sich ver¬ 
schiedentlich Kindelzonen mannigfachster Gestaltungen von 2 — 4 cm 


*) E. KAISER, Die Ausbildung des Rheintales usw. Vortrag 1903. 

Ä ) Festgestellt bei den Ablagerungen am Kaiserin Augusta-Ring und an der 
Laubach, oberhalb des Schützenhofes bei Koblenz. Hier findet sich auf dem Kies 
und Sand Löss mit den charakteristischen Schnecken und der Neigung zu senkrechter 
Spaltung vor, der in Säure stark aufbraust und vom Bimssand in primärer Lagerung 
überdeckt wird. 

8 ) Fr. WIEGERS, Die diluvialen Kulturstätten Norddeutschlands, Prähistor. 
Zeitschr. 1909, 1. Bd., Heft 1. 


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9] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 41 

Grosse bis zu über Faustgrösse. In dem jüngeren Löss der Kärlicher 
Tongrube zeigen sich ausserdem zwei Streifen vulkanischer Auswürfe 
eingelagert. Der untere zirka 40 cm stark unmittelbar auf dem älteren 
Löss in Britzstreifen und Bimssand, abgerollte Lösskindel bis Faust¬ 
grösse führend. Der obere etwa 1,70 m über ersterem in 40 cm Stärke 
beginnend, steigt wechsellagernd mit Löss bis etwa 1 V* m Höhe an und 
führt aufwärts bis auf etwa 4 m unter Oberfläche. Die Oberfläche selbst 
wird von einer 1,10m hohen Bimssanddecke mit Britzstreifen und 60 cm 
Humuserde gebildet l ). Wir sehen also hier einen Bimssandauswurf 
während der Lössbildung. Ein ähnlicher Fall ist auch auf der Nieder¬ 
terrasse bei Rhens festzustellen, wo unter der Lössablagerung ein 
mächtiger Tuffauswurf ansteigt 1 ). Gute Aufschlüsse über die Lössab¬ 
lagerungen bieten ferner die vielen zum Zwecke der Ziegelfabrikation 
angelegten Lössgruben auf den verschiedenste*! Stellen und Höhen des 
Beckens. Sehr wichtig für die Formations- und Entstehungsgeschichte 
des Lösses scheinen mir die Gruben von Wegelau und von Friedhofen in 
Metternich. Die erstere liegt in ungefähr 150 m Abstand von der Mosel 
am Abhange des Kümmelberges nach Osten auf einer Diluvialdecke an 
etwa 78 m über NN., die Friedhofensche Grube in nur. 1 km Abstand 
westlich von dieser auf 117 m Höhe über NN. an der Landstrasse nach 
Bassenheim. Der Höhenunterschied der Grubensohlen beträgt also rund 
40 m. Trotzdem sind sich aber die Profile der Lössablagerung voll¬ 
ständig gleich. Bei beiden sehen wir über der Grubensohle etwa 1 m 
starke schwarzbraune Schichten, unterlagert von zwei Reihen Kalkkon¬ 
kretionen bis zu Faustgrösse, rotbraunem Lehm und hellgrauem Löss, 
überlagert von Kiesstreifen und kleinen Kalkkonkretionen. Diese untere 
Lage dürfte eine Abschwemmung älteren Lösses sein und der Rekurrenz- 
zone STEINMANNs entsprechen, besonders da sich auch Kies und 
Quarzitablagerungen der näheren Umgebung darauf finden. In der 
auflagernden und bis zu 29 m Höhe über dem Kies ansteigenden jüngeren 
Lössablagerung finden sich, dem Berggehänge entsprechend, 3 — 4 licht¬ 
braune Streifen vor, die auf der Unterseite von kleinen Lösskindein, 
auf der Oberfläche von Kiesstreifen begleitet sind und alten zeitweisen 
Oberflächen entsprechen. Der Löss ist an beiden Stellen so recht im 
Windschatten des Berges gelagert, das eine Mal nach Osten und Norden, 
das andere Mal nach Westen und Norden abfallend *). Wenn überhaupt 
Beweise für die äolische Bildung des Lösses nötig sein sollten, könnten 
sie schon aus den Einlagerungen des Bimssandes im Löss bei Kärlich 

’) Eigene Feststellung. Bisher nicht veröffentlicht. Vergl. auch MORDZIOL 
a. a. O. 

’) Näheres A. GÜNTHER, Paläolithische Fundstellen im Löss bei Koblenz. 
B. J. Heft 116, 1907. 


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[10 


und aus der gleichen Faziesbildung auf so bedeutenden Höhenunter¬ 
schieden bei so kurzer Entfernung in den Lössgruben von Metternich 
gezogen werden. 

Bei Rhens, etwa 2 Stunden oberhalb Koblenz, am Rhein, lagert 
der Löss auf etwa 77 m über NN. auf den dtfuvialen Flussablagerungen 
und bis zu 20 m Höhe ansteigend *). Es ist durchweg jüngerer Löss, 
in den unteren Schichten stark von Schieferschmitzen durchzogen, die 
sowohl nach Süden (rheinaufwärts) als nach Osten (quer zum Rhein) 
abfallende Richtung zeigen. Die Schieferschmitzen entsprechen hier dem 
anstehenden Gestein der nächsten Nachbarschaft, wie bei Metternich die 
Kies- und Quarzitschichten aus der näheren Umgebung herrühren. Ausser 
dem Vorkommen einer Tuffablagerung über dem Kies möchte ich auch 
der Zwischenlagerung von braunroten und weissen Sandschichten nach 
dem Rhein zu erwähnen, die an die Sandablagerungen im Thüringer 
Löss erinnern dürften 2 ). Der auflagernde Löss ist ziemlich reiner, 
graugelber, sandiger Staublöss. 

In Koblenz-Moselweiss, gegenüber der Wegelau'schen Grube in 
Metternich, lagert der Löss in der Schmitzer’schen Grube auf etwa 105 rn 
Sohlenhöhe über NN. auf Grauwackenfels- und Geröllunterlage. Es ist 
hier, wie in der etwa 500 m südwestlich gelegenen Grube von Pies & 
Lettow, jüngerer Löss mit interessanten Zwischenlagerungen (Linsen) 
von tertiärem Ton. 

In den Gruben der rechten Rheinseite bei Niederberg auf etwa 
155 bis 172 m Sohlenhöhe traf ich bisher nur jüngeren Löss, der auf 
Grauwackenfels lagernd, etwa 4 m hoch mit Kies gemischt, von einer 
60 m hohen Kiesschicht durchzogen, noch 3 bis 4 m hoch graugelben 
Staublöss aufwies. 

Auf der unteren Mittelterrasse und der Niederterrasse in der Ebene 
lagert der jüngere Löss in 4 bez. 2 m Stärke dem Diluvialkies auf und 
wird mehrfach von Kiesstreifen durchzogen. 

Der auf allen Terrassen vorkommende, den Löss und die Schotter 
überlagernde Bimssand 3 ) scheint einen einheitlichen Ursprung in dem 
Krater des Laacher Sees zu besitzen. Er ist jünger als die Niederterrasse, 
auf der er die erwähnten Erhebungen (Inseln) bedeckt, während die 
alten Rheinläufe frei von ihm sind, da er hier von dem Wasser fort¬ 
geführt sein wird. Wo er in stehendes Wasser fiel, verdichtete 
er sich zu den sog. Engerser Britzsteinen, die seit fast zwei Jahrhun- 

>) A. GÜNTHER, a. a. O. 

*) WIEGERS, a. a. O. 

3 ) Vergl. Behlen. Das Alter und die Lagerung des Westerwälder Bimssandes 
und sein rheinischer Ursprung. Jahrb. des Nassauischen Vereins für Naturkunde. 
Wiesbaden 1905. 


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11] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 43 


derten im Gebiet des Beckens zu Bauarbeiten Verwendung fanden. 
Im übrigen passt er sich meist der Gestaltung des Untergrundes an 
und kommt bis zu 5 m Schichtenhöhe vor. Als Luftsediment nieder¬ 
gefallen, besitzt er eine weite Verbreitung, über ein von Mayen im 
Westen bis Marburg im Osten reichendes, etwa 2200 qkm grosses Gebiet. 
Die Lagerung ist durchweg primär, wie sich aus den überall vorkom¬ 
menden parallel verlaufenden Britzstreifen l ) ergibt. 

Neben der Ausbeutung der Tongruben für industrielle Zwecke und 
der Lössablagerungen zur Herstellung von Ziegeln, ist die Fabrikation 
der sog. Schwemmsteine aus Bimssand und Kalk (seit der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts) der bekannteste Erwerbszweig im Neuwieder 
Becken. Jährlich werden hier etwa 150 Millionen Schwemmsteine her¬ 
gestellt, davon etwa 80 Millionen auf der linken Rheinseite. Zur Her¬ 
stellung von 4 1 /2 Millionen Steinen ist durchschnittlich die Ausbeutung 
von 1 Morgen (ca. 25 ! /a ar) erforderlich. 

Wie überall, so sind auch im Gebiete des Beckens die Flussterrassen 
wichtig für die Besiedelungsgeschichte. Entsprechend der Befreiung des 
Landes vom Wasser müssen wir die ältesten Spuren des Daseins der 
Wirbeltiere und des Menschen auf den höchsten Terrassen suchen. 
Hierbei leistet uns die primäre Ablagerung der Bimssanddecke insofern 
gute Dienste, als sie schon von vornherein eine sichere Grenze zwischen 
Diluvium und Alluvium, zwischen der paläolithischen und der neoli- 
thischen Zeit bildet. Was an Kulturresten dieser Zeiten unterhalb der 
geschlossenen Bimssanddecke liegt, können wir unbestritten für paläo- 
lithisch, was oberhalb derselben und in sie eingebettet liegt, müssen 
wir für neolithisch halten. 

Diluviale Fauna. 

In den Lössablagerungen wurden bisher vielfach die Reste dilu¬ 
vialer Tiere angetroffen. So erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Schmitzer- 
schen Grube bei Moselweiss und aus einer Grube bei Vallendar je einen 
Schädel des Moschusochsen (ovibos moschatus) *), aus ersterer ferner 
Reste von Rhinozeros, Equus, Cervus tarandus und Elephas primigenius 3 ), 
aus der Wegelau'schen Grube (früher Peters) bei Metternich Reste von 
Bos, Rhinozeros, Cervus tarandus und elaphus, Felis spelaea und an¬ 
scheinend auch von Cervus alces, vom seltenen Höhlentiger einen halben 
Unterkiefer 4 ). Leider fehlt es bei diesen älteren Angaben an der 


! ) Schlamm- oder Tuffstreifen, von ital. „breccie* abgeleitet. 
a ) Verhandlungen des naturhistorisdien Vereins der preuss. Rheinlande und 
Westfalens, 1879 und 1884. 

*) Ebenda 1881. 

4 ) Ebenda 1882. 


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[12 


stratigraphischen Feststellung der Fundschichten und der genaueren 
Beobachtung der Fundumstände. 

Selbst erhielt ich aus den Lössablagerungen und konnte durch 
eigene Beobachtung oder durch unmittelbare Nachfrage bei den Arbeitern 
feststellen: 

Aus der Peters’schen Grube bei Rhens-Brey: 

Unterkiefer, viele Zähne, Schenkelknochen usw., von Rhinozeros 
antiquitatis, Schädelstücke und Geweihteile von Cervus elaphus, Reiss¬ 
zahn von Bären usw. aus den unteren Schichten bis zu 2 m Höhe über 
der Grubensohle (ca. 77 m über NN.) 1 ); 

aus den Ziegeleien Schmitzer und Pies & Lettow in Koblenz-Mosel- 
weiss: Reste von Cervus elaphus und Equus caballus (etwa 105 m 
über NN.); 

aus der Wegelauschen Grube in Metternich: Zähne und Knochenreste 
von Elephas primigenius und Rhinoceros ant., Unterkiefer und Knochen 
von Cervus elaphus, Homzapfen von Bos primigenius, Kieferteile, Zähne 
und Knochen von Equus caballus, alle in den unteren Schichten bis 
auf etwa 3 m Höhe über der Grubensohle (etwa 78 m über NN.); 

aus dem Steinbruch der Ww. Eiden in Metternich in dem Gerolle 
über dem Quarzit auf etwa 140 m Höhe einen Schenkelknochen von 
Rhinoceros antiqu., der nach Professor POHLIG-Bonn die Spuren der 
Benagung durch eine Höhlenhyäne zeigt; 

aus der Lössgrube Friedhofen & Co. in Metternich: Schädel von 
Rhinozeros antiqu., Zähne von Elephas primig., Reste von Pferd und 
Hirsch usw. aus den unteren Schichten des jüngeren Lösses bis etwa 
2 1 /a m über Grubensohle (117 m über NN.); 

bei dem Bau der Wasserleitung in Metternich bei der Anlage der 
Brunnenstube an der Wolkener Strasse (1908) auf 170 m einen Stoss- 
zahn von Mammut von 1,30 m Länge; 

aus der Ludwigschen Tongrube bei Mülheim: über der Kiessohle 
auf 174 m Höhe einen linken oberen Molar von Elephas primig. 
trogontherii *), sowie einen mächtigen Schenkelknochen und Zähne vom 
Pferd, (hier also unter der Kalkkonkretionsschicht des älteren Löss); 

aus der Grube der Kärlicher Tonwerke, (Sohle auf etwa 170 m), 
im älteren Löss: an der Sohle bezw. im Kies die Spitze eines Eck¬ 
zahnes vom Hippopotamus (?), an der Oberfläche Oberkieferteile vom 


') Die angegebenen Höhenzahlen beziehen sich überall auf die Sohle der 
Grube, bez. die diluviale Kiesablagerung. 

*) POHLIG, Monatsberichte der Deutschen geol. Gesellschaft, Bd. 61, Jahr¬ 
gang 1909, Nr. 5. 


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13] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 45 


Hirsch (?), aus dem jüngeren Löss über der eingelagerten Tuffschicht: 
Unterkiefer und Zähne, sowie Fussgelenkteile vom Pferd 1 ). 

Endlich begegnen wir aber auch in den Lössablagerungen den ersten 
Spuren menschlichen Daseins im Gebiet des Beckens. 

Ältere Steinzeit. 

Bereits 1882 erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Peterschen (jetzt 
Wegelau) Grube bei Metternich Feuersteinwerkzeuge, denen er aber keine 
besondere Beachtung widmete 2 ), auch glaubte er an dem Schädel des 
Moschusochsen von Moselweiss von Menschenhand herrührende Ein¬ 
schnitte zu sehen 3 ). 

Von befreundeter Seite auf das Vorkommen von Feuersteinwerk¬ 
zeugen und Brandschichten in den Lössablagerungen der Peters (Wege- 
lau)schen Grube in Metternich aufmerksam gemacht, verlegte ich mich, 
ohne die SCHAAFFHAUSENschen Mitteilungen vorher zu kennen, seit 
1903 auf die Suche nach solchen und hatte bisher folgende Ergebnisse: 

1. Kärlich bei Koblenz. 

Aurignacien bez. Solutreen. 

Als älteste Spuren des Menschen aus dem Gebiete des Beckens 
fanden sich in der Kärlicher Tongrube in den Jahren 1909 und 1910 
im jüngeren Löss über der Tuffeinlagerung, also auf etwa 172 m 
über NN. die nachstehend abgebildeten Silexstücke (Abb. 1): 

Fig. 1 u. 1 a. Roh zugeschlagenes kratzerartiges Stück ohne merk¬ 
bare Randretuschen. 

Fig. 2 u. 2 a. Kratzerartiges Stück mit Randbearbeitung. 

Fig. 3 u. 3 a. Flacher Schaber mit Randbearbeitung. 

Fig. 4 u. 4 a. Atypisches Stück Feuerstein ohne besondere Be¬ 
arbeitungsspuren von dreikantigem Querschnitt. 

Die Stücke dürften m. E. dem frühen Aurignacien zuzuteilen sein l ). 

2. Metternich bei Koblenz. 

a) Grube Wegelau, früher Peters 5 ). 

Nach den Angaben des seit mehr als 25 Jahren dort beschäf¬ 
tigten Vorarbeiters Zimmermann, von dem ich wie auch von einigen 
anderen Herren eine Anzahl dort gefundener Silexwerkzeuge erhielt, 

! ) Die Fundstücke befinden sich in den Museen des Kunst-, Kunstgewerbe- 
und Altertums-Vereins und des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Koblenz. 

a ) Verhdl. d. naturwissenschaftl. Vereins der preuss. Rheinl. u. Westf. 1882. 

3 ) Ebenda 1879. 

4 ) Noch nicht veröffentlicht. 

5 ) B. J. Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker - Versammlung, 
Köln (1907). 


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A. Gttnther. 


[14 


sollten sich diese Stücke etwa 5 m über der Sohle, mitten im Löss, 
auf einem etwa 20 m breiten von Osten nach Westen ziehenden 
Streifen finden, auch habe er dort häufig etwa 4 m breite und 15 bis 



Abb. 1. Silexwerkzeuge des Auiignacien aus den Tongruben zu KBrlich bei Koblenz. '/, nat. Gr. 

20 cm hohe Feuerstellen aus zusammengesetzten Steinen mit Asche 
und angebrannten und gespaltenen Tierknochen angetroffen, bei denen 
sich die meisten Feuersteinwerkzeuge gefunden hätten. Bei den Von 
mir selbst angestellten Nachgrabungen fanden sich die Angaben des 
Zimmermann inbezug auf die Höhe vollständig bestätigt. Auf etwa 
84,60 m über NN. (in dem zweitunteren lichtbraunen Streifen) traf ich 
auf einen Tarsus und Zähne von Cervus elaphus; auf eine bearbeitete Platte 
von Quarzit, die wohl als Unterlage für die Spaltung von Knochen, oder 
für die Bearbeitung von Werkzeugen gedient haben mag, auf das schön 
bearbeitete Messer und einige Feuersteinabsplisse. Brandstellen habe 


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—. __ 





15] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 47 

ich bisher nicht gefunden, doch habe ich keine Veranlassung die sich* 
sonst als zuverlässig erwiesenen Angaben des Zimmermann zu bezweifeln. 
Die beigefügten Abbildungen (Taf. V, VI) mit den von Dr. R. R.SCHMIDT- 
Tübingen freundlichst beigegebenen Bestimmungen dürften die haupt¬ 
sächlichsten Fundstücke näher erläutern. Hervorgehoben sei neben dem 
bereits erwähnten Messer der schöne Klopf- oder Schlagstein und die 
grosse Klinge mit Kratzerende. 

b) Grube Gebr. Friedhofen. 

Die Grube Friedhofen bietet in dem untern Profil (nordöstl.) das 
getreue Spiegelbild der Wegelau sehen, trotz des bedeutenden Höhen¬ 
unterschiedes. Auch hier sollen sich, nach Angabe des Vorarbeiters 
Höfer in etwa 4 m Höhe über der Grubensohle öfters Feuerstein¬ 
werkzeuge gefunden haben, doch konnte ich erst im Jahre 1908 das 
erste Stück, einen dreikantigen, ziemlich atypischen Feuerstein mit Rand¬ 
bearbeitung, erhalten (Taf. VI). 

3. Rhens bei Koblenz. 

In der Sammlung des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertumsvereins 
Koblenz fand ich eine Anzahl Feuersteinartefakte vor, die um etwa 1898 
in der Lössgrube des Architekten Jul. Peters (früher Besitzer der Wegelau- 
schen Grube in Metternich) gefunden worden waren. Bei meinen Nach¬ 
forschungen dort konnte ich durch eigene Nachgrabungen die Fundstelle 
nicht ermitteln, doch scheint mir auf Grund der Aussagen der verschiedenen 
Arbeiter, die mir vereinzelt und in verschiedenen Jahren einige Feuer¬ 
steinwerkzeuge abgaben, sicher zu sein, dass sie in etwa 1 m über 
Grubensohle liegen mag, also auf etwa 78 — 80 m über NN. 

Hervorzuheben dürften sein die grosse Klinge mit Kratzerende, der 
Randschärfer und das von SCHMIDT Feuersteinkem (Nucleus) benannte 
Stück. Letzteres möchte ich aber wegen der zahlreichen kleinen Aus¬ 
splitterungen auf dem abgerundeten Ende eher als einen zwischen Daumen, 
Mittel- und Zeigefinger zu fassenden Schlagstein für die Nachbearbeitung 
der Silexwerkzeuge ansehen (Taf. VII, VIII). 

Ich habe s. Z. 1 ) die Funde von Metternich und Rhens für Solutreen 
gehalten, wegen ihrer Lagerung inmitten des Löss, dabei aber auf die 
Ähnlichkeit der Formen mit dem Magdalenien hingewiesen. R. R.SCHMIDT- 
Tübingen erklärt sie für jüngeres Aurignacien 2 ), während Fr. WIEGERS 3 ) 
sie für Magdalenien bestimmen will und dabei Bezug nimmt auf Funde 
im Löss des Wagram bei Gobelsburg durch Obermaier. Möglicherweise 


') B. J., Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker-Versammlung 
in Köln. 

J ) R. R. SCHMIDT, Das Aurignacien in Deutschland, „Mannus“ 1. Heft 1/2. 

*) F. WIEGERS, a. a. O. 


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48 


A. Günther. 


[16 


wird auch dies noch zum Aurignacien, wie die ursprünglich für Magda¬ 
lenien angesehene Stücke von WILLENDORF 1 ). Die Lössablagerungen, 
Fundumstände und Fauna stimmen ganz mit den Ausführungen SZOM- 
BATHY’s über diese Fundstelle auf der XL. allgem. Versammlung der 
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Posen überein. 

Magdalenien. 

Eine sichere und ausgeprägte Station des Magdalenien ist die von 
SCHAAFFHAUSEN und KÖNEN im Jahre 1883 aufgedeckte Nieder¬ 
lassung auf dem Mar¬ 
tinsberg bei An¬ 
dernach. Die Fund¬ 
stelle liegt auf etwa 
81,45 m über NN., 
unter einer etwa 4 m 
starken Bimssanddecke 
auf der verlehmten 
Oberfläche des jünge¬ 
ren Löss (vergleiche 
WIEGERS, a. a. O.). 
Sie unterscheidet sich 
also hierdurch schon 
von den oben ange¬ 
führten Fundstellen, 
die mitten im Löss 
bei Metternich 7—8 m 
unter der Bimssand¬ 
decke lagern. Auch die 
Fauna ist verschieden: 
Rhinozeros und Mam¬ 
mut fehlen, bezeich¬ 
nend sind Renntier, 
Polarfuchs,Schneehuhn 
u. a.; häufig fanden 
sich Reste von Pferd, 
Ren und Urstier. Von 
den sehr zahlreichen Steinwerkzeugen sind kaum 10 °/o aus Feuer¬ 
stein, nur ganz vereinzelte aus Hornstein und Kieselschiefer, die grosse 
Mehrzahl aber aus oligozänem Quarzit hergestellt. Am häufigsten sind 
darunter die klingenförmigen Schaber, Stichel, einfache Messerklingen 

l ) Korrespondenzblatt d. Deutschen Gesellschaft für Anthropologie usw. 40. Jahrg. 
1909, Heft 9/12. 



Abb. 2. 

Steingeräte aus dem Magdalenien von Andernach. Martinsberg. 
*/• nat. Gr. 


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17] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 49 


und mikrolithische Werkzeuge (Abb. 2). Am meisten bezeichnend für 
die Kulturreste sind die interessanten Schnitzwerke. So ist die Krone 


eines Renntiergeweihstückes zu 
einem Vogelkopf geschnitzt, 
das wohl als Messergriff diente 
(Abb. 3, Fig. 1). Mit Wider¬ 
haken versehene Harpunen 
sind aus Knochen geschnitzt 
(Abb. 3, Fig. 2), Bohrer aus 
Horn hergestellt (Abbild. ?, 

Fig. 5). Bemerkenswert ist 
eine Nadel aus Bein, der ein 
dünner Röhrenknochen als 
Büchse dient (Abb. 3, Fig. 3). 

Als Schmuck finden sich durch¬ 
bohrte Zähne, die als An¬ 
hängsel benutzt wurden, Stücke 
Rötel dienten wohl zur Bemalung der Haut l ) 


rJL/ 



Abb. 3. Knochenwerkzeuge aus den Magdatenlen 
von Andernach, Martinsberg. '/« nat. Gr. 
(Nach Bonner Jahrbücher, Heft 86.) 


Jüngere Steinzeit. 

Zwischen Paläolithikum und Neolithikum findet der letzte Bims- 
sandauswurf des Laacher See-Vulkanes statt. Die schnell verwitternde 
Decke des Bimssandes bildete bald einen fruchtbaren und leicht zu 
bearbeitenden Ackerboden, der den neolithischen Menschen wohl früh 
zur Gründung von Siedlungen anzog. Diesen begegnen wir in der 
fruchtbaren Talebene der linken Rheinseite auf den mit Bimssand be¬ 
deckten alten Strominseln, wie auf den angrenzenden Höhen. Fast 
alle in Südwest-Deutschländ bekannten Kulturgruppen der jüngeren 
Steinzeit finden sich hier vertreten. 

Untergrombacher Periode. 

Am bekanntesten ist hierunter die vom Bonner Provinzialmuseum 
unter örtlicher Leitung von LEHNER und KÖNEN aufgedeckte gross¬ 
artige Festungsanlage inmitten des Beckens, zwischen Urmitz und 
Weissenturm, die zunächst von ihrem Entdecker, Const. KÖNEN, und 
vielen anderen, wegen der kriegstechnisch hervorragenden Graben- und 
Wallanlagen und der grossen Ausdehnung für die „magnae munitiones" 
Caesars bei seinem letzten Rheinübergang gehalten wurde 2 ). Die 


') KÖNEN, Gefässkunde der vorröm. röm., und fränk. Zeit in den Rheinlanden. 
1895, S. 9 und SCHAAFFHAUSEN, B. J. 86, die vorgeschichtliche Ansiedlung in 
Andernach. 

*) Bonner Jahrb., Heft 104. 

Mann us. Bd. II. 4 


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50 


A. Günther. 


[18 


Ausschachtung der Gräben und die Untersuchung des Füllgrundes, sowie 
die dabei gemachten Gefäss- und Scherbenfunde ergaben aber zur 
sicheren Gewissheit, dass es sich hier um ein Werk der jüngeren Stein¬ 
zeit und zwar der Untergrombacher Periode handelt 2 ). Die mit der 
• Nordseite an den Rhein gelehnte, etwa halbkreisförmige Anlage hat von 
Osten nach Westen eine Ausdehnung von 1216 m, von Süden nach 
Norden eine solche von 743 m, sie bedeckt also eine Fläche von etwa 
90 ha. Breite Doppelgräben, hinter denen sich Palisadenwände und 
vielleicht auch ein Wallaufwurf erhoben, wehrten die Angriffe von der 
Landseite aus ab. Der äussere Graben besass etwa 7^2 m, der innere 
etwa 8 7t m Breite, die Tiefe mag 3—4 m betragen haben. Zahlreiche 
Schlupfpforten, die Haupttore und etwaige Ausfallpforten waren durch 
zweckdienliche Verschanzungen geschützt. Die weite Ausdehnung der 
Anlage kann auf eine zahlreiche Bevölkerung schliessen lassen, die ent¬ 
weder im Innern der Festung hauste, oder im Notfälle hier Schutz suchte, 
denn die über 3 km lange Verteidigungslinie bedurfte einer entsprechenden 
Anzahl wehrfähiger Männer. 

Von den aufgefundenen Gefässen sind zu erwähnen: Glockenbecher 
der Untergrombacher Periode, dickwandig mit Quarzkörnchen - Bei¬ 
mischung im Ton, etwa 16—25 cm hoch (Abb. 4, Fig. 1), ein grosser 



Abb. 4. Gefässe aus der Festungsanlage bei Urmitz. 

1—4. Untergrombacher Typus; 5, 6. Rössen-Niersteiner Typus. (Nach Bonner Jahrbücher 110.) 

rundbauchiger Topf mit hohem, durch 6 Reihen Fingereindrücke ver¬ 
zierten Hals, etwa 34 cm hoch (Abb. 4, Fig. 3), glockenförmige Schüssel 
mit leicht geschweiftem spitz zulaufendem Rand, gut geglättet, mit 
4 Griffwarzen, 26 cm Durchm. am Rand, 18 cm hoch (Abb. 4, Fig. 2), 

*) Bonner Jahrb., Heft 110. H. LEHNER, Ausgrabungs- und Fundberichte 
des Prov.-Museums in Bonn. 


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19] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Bechens. 5] 

ein grösseres eiförmiges Tongefäss mit ziemlich enger Mündung, leder- 
farben, glatt, mit 4 grossen senkrechten Schnurösen am Bauch und 
10 kleineren um die Schulter, 63 cm hoch, war mit der Schüssel (Abb. 4, 
Fig. 2) überdeckt (Abb. 4, Fig. 4). 

Ausser weiteren Scherben und Gefässen dieser Periode auch 
solche, die der Rössener Keramik angehören dürften (z. B. Fig. 5 und 
6, Abb. 4). 

An Werkzeugen finden sich nur solche von Stein, keine von Bronze. 

Es sei hier auch der der gleichen Zeit entstammenden, in den 
Jahren 1908 und 1909 vom Mayener Geschichts- und Altertumsverein 
und dem Bonner Provinzial-Museum aufgedeckten Festungsanlage bei 
Mayen gedacht, die zwar nicht gerade zum Gebiete des Beckens gehört, 
immerhin aber mit ihm in kulturgeschichtlicher Verbindung gestanden 
haben wird. Diese zwischen Ostbahnhof und dem Katzenbergerweg 
belegene Anlage stellt sich als ein Areal von 360 zu 225 m dar und 
ist von zwei Befestigungsringen umgeben. Der äussere, ein 2,65 bis 
4 m breiter Sohlgraben, hinter dem sich der Erdwall erhob, dahinter 
als zweiter, vom Graben unabhängiger Ring, eine Palisadenwand in etwa 
19 bis 30 m Abstand vom Graben. Wie bei Urmitz fallen auch hier 
die zahlreichen Tore auf, deren hier elf in durchschnittlich 60 bis 
70 m Abstand voneinander festgestellt wurden. Auf der Südostseite 
verringerte sich der Abstand bei drei Toren auf 37 und 31 m, im 
Nordosten sind aber zwei Tore 134 m voneinander entfernt. Die Durch¬ 
lässe an den Toren sind durch ein System von senkrecht stehenden 
dicken Pfosten und liegenden Baumstämmen .geschützt. Wohngruben 
wurden nur ausserhalb der Befestigung und zwischen dem Graben und 
der Palisade, nicht aber im Innern der Festung festgestellt. Die kera¬ 
mischen Funde und die Steinwerkzeuge entsprechen ganz denen von 
Urmitz *) 

Rössen-Niersteiner Gruppe und Bandkeramik. 

In dem Berichte, Bonner Jahrb., Heft 110, S. 135, vermisste 
LEHNER das Vorkommen bandkeramischer Funde in der Umgebung 
der Urmitzer Festung. Diese Lücke war aber bereits ausgefüllt durch 
meine inzwischen erfolgte Entdeckung von Wohnplätzen dieser Zeit am 
Jägerhaus, Gemeinde Mülheim, etwa eine Stunde von der Festung ent¬ 
fernt (Taf. IX), und auch durch verschiedene Gefässe und Scherben aus 
der Festung selbst: Kugeltöpfe mit gekerbtem Rand und Scherben eines 
Gefässes mit schraffierter Dreieckverzierung, von dem etwa die Hälfte 
in den Besitz des Prähist. Museums in Köln gelangt ist (vgl. Abb. 4, 
Fig. 5 und 6). Das letztere besitzt auch zwei Gefässe mit Spiral- 

') HAGEN, Führer durch das Museum des Mayener usw. Vereins, 1909. 

4* 


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52 


A. Günther. 


[20 


mäander-Verzierung aus der näheren Umgebung des Bethens, dem 
Orte Kretz b. Kruft. 

Am Jägerhaus fand ich in den Jahren 1903 und 1904 erst ver¬ 
einzelt die Scherben eines schwarzen Bechers mit langausgezogenem 

.-. Dreiecksornament und Griff- 

^ warzer. (Abb. 5), (ähnlich dem 

■ Gefäss aus der Steetener Höhle 

_~TT__ w im Wiesbadener Museum), eine 

m grosse Schnuröse und einen 

yuLrm\|| roll MmhBBw | gekerbten Henkel (Abbild. 8, 

vSc^VvVM VIImtSiffauJ V Fig. 2). Dann im Dezember 

* 1904 auf einer etwa 4 m breiten 

Aschenschicht etwa 1,20 m unter 

Abb. 5. Jägerhau» bei Mülheim. der Bodenoberfläche Zwei mit 

grossen Steinen überdeckte 

Scherbenhaufen, die eine Menge verzierter und einfacher glatter Scher¬ 
ben, Schnurösen und Randstücke enthielten. Es lassen sich hieraus 
nach dem Stoff und der Bearbeitung vier Gruppen von Gefässen unter¬ 
scheiden: 


1. Grosse Gefässe, anscheinend Kugeltöpfe von roher Arbeit und 
ungleichmässiger Wandstärke, die zwischen 9 und 15 mm schwankt, die 
Innenseite schwarz gedämpft, die Aussenflächen schwarz oder mit schwarz- 
grauem oder gelbem Tonüberzug (bis zu 2 1 /* mm Stärke) versehen. Der 
Ton weist starke Beimischung grober Quarzstückchen auf. Die Schnur¬ 
ösen sind nicht gross, roh hergestellt, senkrecht stehend mit horizon¬ 
taler Durchbohrung. Der Rand ist glatt oder gekerbt. Als Schmuck 
finden sich auf einzelnen Scherben leichte Fingereindrücke in horizon¬ 
talen Reihen (Abb. 6). 

2. Grosse Gefässe, anscheinend Kugeltöpfe mit schlankem Hals, 
dünnwandiger und von besserer Arbeit als bei Gruppe 1. Die Innen¬ 
seite schwarz gedämpft, die Aussenfläche grau bez. graugelb. Der Ton 
zeigt eine mässige Beimischung ziemlich feingeriebener Quarzstückchen. 
Der Rand ist glatt oder gekerbt, die Schnurösen senkrecht mit horizon-' 
taler Durchbohrung. Als Verzierung finden sich auf einigen Scherben 
Horizontalreihen von paarweisen Fingereindrücken, anscheinend zwischen 
den Spitzen vom Daumen und Zeigefinger gebildet, „gepitscht* (Abb. 7, 
Fig. 1 und 2). 

3. Grosse Gefässe, z. T. von mächtigem Umfang, fast bis 1 m 
Durchm., deren Scherbenstücke kaum eine Rundung aufweisen. Sehr 
hart gebrannt, innen geglättet und gedämpft; aussen sauber geglättet 
oder glatt poliert, grauschwarz oder weissgrau. Wandstärke 13 mm. 
Ton mit geringer Beimischung kleiner Quarzstückchen. Zu dieser Ge- 


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IC—r*»-- 


21] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 53 

fässart scheint auch der gekerbte Henkel bez. Schnuröse zu gehören. 
Im übrigen sind die Schnurösen klein und rundlich, an vielen Qefässen 
wohl in grösserer Zahl, bez. in verschiedenen Reihen angebracht 
(Abb. 8, Fig. 1 und 2). 



Abb. 9. 1—14. Rössen-Niersteiner Scherben vom JAgerhaus bei Mülheim. 


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54 


A. Günther. 


[22 


4. Ziergefässe in verschiedenen Grössen mit glatten und polierten 
Aussenflächen, scharf eingeschnittenen und eingeritzten Ornamenten mit 
weisser Kalkfüllung. Vorwiegend grau oder schwarz, aber auch in 
gelbem Ton oder mit schön roter Politur, fast möchte man sagen Glasur 
(Abb. 9, Fig. 1—14). 

Ein schönes Stück stellt die Scherbe von Hals und Schulter eines 
grossen Gefässes dar; um die Schulter scharf eingeschnittene Winkel¬ 
band-Gurte, unterbrochen von Griffwarzen; am Halsansatz fünf abge¬ 
setzte Gurtlinien, der Halsteil durch gequaderte Pfosten mit Kopfbändern 
metopenartig gegliedert, die Felder mit unregelmässigen Linien (gras¬ 
artiges Pflanzenornament) bedeckt, alle Linien und die Felder mit 
weisser Paste ausgefüllt, die Tonflächen schwarz-poliert (Abb. 9, Fig. 1). 

Die rotpolierten Scherben (Abb. 9, Fig. 2) gehören einem Ge- 
fässe mit langausgezogenem, durch abgesetzte Striche gefülltem Dreieck¬ 
ornament an. Auch hier sind die Linien in weisser Paste gefüllt. Ähn¬ 
liches Ornament findet sich auch auf grossen schwarzen Gefässcherben 
(Fig. 3 und 4). Die kleineren Gefässe weisen mannigfaltigen Schmuck 
mit Winkelband, Doppelstichmuster usw. auf. Einige Randstücke zeigen 
den charakteristischen Schmuck des Winkelbandes auf der Innenseite 
(Abb. 9, Fig. 5). Die Linien sind oder waren fast ausschliesslich mit 
weisser Kalkpaste gefüllt. Form und Technik dieser Gruppe entsprechen 
durchaus den von KOEHL veröffentlichten Funden bei Worms l ). 


3 



Im April 1907 wurden von den Arbeitern zwei Herdgruben, in 
etwa 20 m Abstand voneinander, aufgedeckt. Die eine enthielt: einen 
grossen Kugeltopf mit 4 runden Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa 
25 cm Durchm. und 23 cm hoch (Abb. 10, Fig. 1), einen Kugeltopf 
mit 4 gekerbten Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa 20 cm Durchm. 


') Festschrift zur 34. allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen 
Gesellschaft in Worms, 1903. 


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23] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschidite des Neuwieder Beckens. 55 

und 197* cm hoch (Abb. 10, Fig. 2), eine Scherbe mit kräftig ein¬ 
geschnittenem Winkelbandmuster, eine andere mit Stichmuster, eine 
rundliche Schnuröse, eine Anzahl leichtgebrannter Lehmstücke (wohl 
vom Estrich) und ein Rindszahn. 

Die andere enthielt: zwei kleinere Kugeltöpfe mit glattem Rand und 
Griffwarzen von 15 bz. 16 cm Durchm. und 11 bz. 13 cm Höhe (Abb. 11, 
Fig. 1 und 2); dann die Hälfte eines kugelförmigen schwarzen Gefässes 
von guter Arbeit mit Schnurösen von etwa 30 cm Durchm. (Abb. 1 1 , Fig. 3), 
das Stück eines Mahlsteines aus Quarzit, 2 Bröckchen weisses Quarz (das 
zerkleinert dem Ton der Gefässe beigemischt wurde) und einen Zahn 
und Knochenstückchen vom Rind (?). Bei dieser Grube konnte ich noch 
einen Durchmesser von etwa 2 m nach unten trichterförmig verlaufend 
feststellen, die Sohle lag etwa 70 cm unter der Oberfläche, auf einer 
8 cm starken Bretzschicht. 

Die weiteren Fundstücke bis heute, die zerstreut auf dem Felde 
gemacht wurden, bestehen in einem etwa halbkugelförmigen lederfarbenen 
Kumpen von 15 cm Durchm. und 7 7* cm Höhe (Abb. 12), Scherben 
und Schnurösen von Gefässen, Reibsteinen aus Diabas-Diorit usw. 

Erwähnenswert ist die Randscherbe eines anscheinend zylindri¬ 
schen braunen Gefässes mit quergestellter Schnuröse, die vielleicht 
der Spiral - Mäander - Keramik zugeteilt werden kann (Abb. 13j, und 
eine kleine schwarze Scherbe mit Ornament des Gross-Gartacher Typus 
(Abb. 14). 



Abb. 12-14. Jägerhaus bei MQlhelm. 


Ein bei Rübenach im Jahre 1908 bei Anlage der Wasserleitung 
gemachter Fund einer Anzahl Feuersteinmesser von 67* —10 cm 
Länge und 2 bis 27* cm Breite (Abb. 15) wird nach einer in der Nähe 
gefundenen Gefäss-Scherbe mit Griffwarze und Dreieckornament ebenfalls 
der Rössen-Niersteiner Gruppe zuzuteilen sein. Man könnte versucht 
sein, diese nur durch Abschlagen vom Knollen hergestellten, dünnwan¬ 
digen, haarscharfen Absplisse ohne jede Retusche und Nacharbeit für 
jüngeres Paläolithikum zu halten, wenn nicht hier die Einlagerung in den 
Bimssand (1,50 m tief) sie dem Neolithikum überwiese. Auch die 
mehrfach bei Weissenturm und Urmitz, wie auf der Kartause angetrottenen 
geschliffenen Meissei aus Kieselschiefer dürften hierher pehören. 


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X 


A. Günther. 


[24 


Schnurkeramik. 

In einzelnen Funden ist die Schnurkeramik, bisher aber nur in der 
Ebene der linken Rheinseite vertreten. 

Ausser einigen in Privatbesitz (s. Z. Dr. PICK in Koblenz) gelangten 
Stücken, wurden Gefässe und Scherben dieser Periode mitten in dem 

Gebiet und in der Nähe 
der Festung bei den Gra¬ 
bungen des Provinzial¬ 
museums gefunden. Ein 
9 cm hoher lederfarbener 
Becher mit 4 Reihen 
echter Schnurverzierung 
(Abb. 16, Fig. 1); ein rauh- 
wandiger brauner Becher, 
dessen Rand fehlt, mit 
6 Reihen echter Schnur¬ 
verzierung, jetzt 12 1 /* cm 
hoch (Abb. 16, Fig. 2) und 
Scherben mit 10 Reihen 
echter Schnurverzierung 
am oberen Teil, darunter 
drei im Zickzack laufende 
Schnurreihen (H. LEH- 
NER, B. J., Heft 110). 
Nach der Aussage eines 
sehr glaubwürdigen Herrn, 
der als Bauaufseher bei 
dem Neubau der Eisen¬ 
bahnbrücke auf der Insel 
Oberwerth beschäftigt 
war, sollen dort mehrfach sehr schön facettierte Hämmer und auch 
Hockergräber gefunden worden sein, die wir dieser oder der folgenden 
Periode zuzuschreiben haben würden ! ). 

Glockenbecherkeramik (Zonenbecher). 

In ähnlicher Weise wie die Schnurkeramik findet sich auch die 
Glockenbecherkeramik im Gebiete des Beckens verbreitet. 

Ihr gehört der von SCHAAFFHAUSEN im Bonner Jahrb., Heft 86 



Abb. 15. Feuerstclnmesser von Rübenach. »/* nat. Gr. 


*) Die Funde sind, wie das leider häufig oder fast in der Regel bei Staats¬ 
bauten vorkommt, verschleudert und vergessen, nur ganz spärliche und keine 
bestimmbaren Steinstücke, ich glaube zusammen 2 Stück, finden sich hiervon im 
Bonner Prov.-Museum. 


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25] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 57 


veröffentlichte Becher an, allerdings nicht wie er annimmt, in dem Bims¬ 
sandausbruch verschüttet, sondern in späterer Zeit in den Boden gelangt. 
Im Gebiet der Festung wurden Bruchstücke von Gefässen gefunden 
(wie Abb. 17, Fig. 1). 

Mehrere geschweifte Becher mit eingeritzten und einpunktierten 
Zonenmustern stammen aus der Nähe der Festung (Abb. 17, Fig. 1 u. 2). 

Bei Andernach wurde ein (Abb. 17, Fig. 3) ähnlicher Becher von 
16 cm Höhe und bei Miesenheim, am Rande des Beckens, eine Schüssel 



2 



Abb. 16. Schnurkeramik aus Urmitz. Festungsanlagc 
(Nach Bonner Jahrbücher 110.) 



Abb. 18. Jägerhaus bei Mülheim. 



Abb. 17 Glockenbecherkeramik. 
(Nach Bonner Jahrbücher 110.) 


mit lederartig geglätteter Oberfläche von 10 cm Höhe und 19 1 /* cm 
Durchm. gefunden (Abb. 17, Fig. 4). 

Am Jägerhaus fand sich eine Scherbe (Abb. 18) anscheinend vom 
Rande eines Napfes. 

Auffallend mag es erscheinen, dass bisher Funde der Steinzeiten 
von der rechten Rheinseite des Beckens fast unbekannt sind. Wie 
SCHMIDT auf die fast gleichartige Erscheinung des Aurignacien in der 
Steetener Höhle bei Limburg a. d. Lahn und von Metternich und 
Rhens hinweist, so möchte ich auf die Verwandtschaft der Rössen-Nier¬ 
steiner Becher von Steeten und vom Jägerhaus hindeuten, Vorkommnisse, 
die sich auch bei den Kulturgrenzen späterer Zeiten wiederholen. 

Von Steinwerkzeugen der rechten Rheinseite des Beckens ist mir 
bisher nur ein Hammer aus dem Walde bei Vallendar und ein angeblich 
an der Lahnmündung im Rhein gebaggerter Hammer, beide gelocht 
bekannt. Jedenfalls werden aber auch hier sich wohl die Lücken all¬ 
mählich füllen. (Schluss folgt.) 


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Der Ursprung der Urfinnen und Urindoger- 
manen und ihre Ausbreitung nach Osten. 

Vortrag gehalten am 18. Juli 1908 

von Gustaf Kossinna. 


3. Nordindogermanen und Südindogermanen (Fortsetzung). 

Mit 71 Textabbildungen und Tafel X (Karte). 


V. 

Nordindogermanen in Osteuropa. 

Die farbenfrohe Kultur der osteuropäischen bemalten Spiral- 
keramik erfreute sich keines dauernden friedlichen Daseins, sie bricht 
vielmehr ab, ohne in dem besprochenen Gebiete eine Fortentwickelung 
oder ein allmähliches Absterben oder ein Aüfgehen in neuen, vielleicht 
weniger vorgeschrittenen Kulturformen zu finden. Es kam über sie ein 
„starker, böser Feind" in der Gestalt des nordindogermanischen Bruder¬ 
volks. Und damit gelangen wir zu der letzten Betrachtung dieses Vor¬ 
trages, die dem Vordringen der Nordindogermanen nach Osten 
gewidmet ist. 

Bevor wir die nordindogermanische Besiedlung Ostdeutschlands 
darstellen, wollen wir einen kurzen Blick werfen auf den Anteil, den 
die Südindogermanen an dieserp Gebiete hatten, grösstenteils früher 
hatten, als die Nordindogermanen diesen Gegenden sich zuwandten. 

Auf drei Wegen dringt die Donaukultur der Südindogermanen 
nordwärts nach Mitteldeutschland und in verlorenen Ausläufern sogar 
bis nach Norddeutschland vor. Im Westen öffnet ihr die Rheinstrasse 
den Weg bis ins Neuwieder Becken; als Aussenposten gehört hierzu 
die Lütticher Gruppe (Mannus I, 51). Von Thüringen aus bildet die 
Saale und von deren Mündung ab die Mittelelbe die Einfallsstrasse der 
Donaukultur. Einige Besiedlung aus der Stufe der Stichreihenkeramik 


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weist das Gebiet zwischen Harz und Saale auf, eine reiche aus der 
Stufe der Spiralkeramik (Kreise Bernburg, Aschersleben, Halberstadt, 
Oschersleben), ebenso auch die Südhälfte von Braunschweig. Die nörd¬ 
lichsten Punkte der Spiralkeramik sind: an der Saale Kalbe a. S. und 
im Elbgebiet Hundisburg und Alvensleben im Kreise Neuhaldensleben, 
während die Stichreihenkeramik hier nur in Hundisburg vertreten ist. 

Im Königreich Sachsen erreicht diese Kultur nirgendwo ganz die 
Nordgrenze des Landes und erst die Oder führt sie weiter nordwärts. 

Für Schlesien kommt zunächst der Jordansmühler Typus in Be¬ 
tracht (Mannus I, 225 f.). Zu den kürzlich von SEGER behandelten 
Fundplätzen von Ottitz, Kr. Ratibor, Pannwitz, Kr. Trebnitz, Jordans¬ 
mühl, Kr. Nimptsch, Brockau, Gräbschen und Woischwitz, Kr. Breslau 
kommt jetzt der erste niederschlesische mit den Skelettgräbem von 
Schrepau, Kr. Glogau, die unter anderem ein herrliches Pilzgefäss ge¬ 
liefert haben, das senkrechte Bänder von Quadraten in Rollstempel¬ 
ausführung aufweist. Von der Stichreihenkeramik konnte ich schon 1902 
mitteilen, dass sie im Kreise Glogau ihren Nordpunkt hat (Priedemost). 
Zu SEGERs neuerdings mitgeteilten Funden von Deutsch Breile, Kuhnau, 
Jordansmühl, Gr. Tschansch, Stabeiwitz, Bschanz ist der schon vor 
langen Jahren von MERTINS veröffentlichte von Olbersdorf, Kr. Franken¬ 
stein nachzutragen und noch Gleinitz, Kr. Nimptsch, sowie als Vertreter 
der Keramik von Butmir (lange, mit Punktstich gefüllte Zickzackbänder) 
der niederschlesische Platz Mertschütz, Kr. Liegnitz, anzuschliessen. Für 
die Spiralkeramik endlich ist ausser dem auch hierbei vertretenen Jor¬ 
dansmühl noch Stolz, Kr. Frankenstein, zu nennen. 

Weit ab von Schlesien, an der 
unteren Oder, erscheint dann das 
Grab von Schöningsburg, Kr. Pyritz, 
mit Spondylusmuscheln und Stich¬ 
reihenkeramik, die ich schon 1902 
mit der schlesischen Gruppe in Ver¬ 
bindung brachte und neuerdings durch 
das Zwischenglied des Stichreihen¬ 
kumpfes von KL Rietz, Kr. Beeskow 
(Mannus 1, 234), enger verknüpfen 
konnte. 

ln anderer, geradezu nördlicher 
Richtung geht dieser schlesische Ein¬ 
fluss, wenn wir in Iwno, Kr. Schu¬ 
bin , Pr. Posen (Mannus 1, 234), 
einen solchen Stichreihenkumpf antreffen, hier jedoch mit 2 Halsösen 
versehen, in der Art der nordischen Kugelamphoren (Abb. 1), Hier- 



Abb. 1. »/»• 

Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen. Grab 5. 
(Nach Zeitschr. f. Ethnol. 1905, 904, 8.) 


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her können wir auch zwei ganze, aus einem Kieslager stammende, 
also wohl einem vergangenen Skelett gehörige, durchbohrte Spondylus- 
schalen von Montwy, Kr. Strelno, rechnen, die ich im Bromberger 
Museum entdeckte. 

Der nordöstlichste Vertreter der Donaukultur überhaupt ist endlich 
ein kleiner Kugelnapf aus Graudenz, verziert durch Knöpfe und ver¬ 
bindenden Doppelvoluten mit Führungslinie. Dieses Gefässchen ist 
bis nach Quedlinburg verschlagen worden, wohin es durch den ver¬ 
storbenen Oberbürgermeister BRECHT gelangte, der persönliche Be¬ 
ziehungen zu Graudenz besass, wie ich seinerzeit aus seinem eigenen 
Munde noch erfahren habe, als er es mir zeigte. 

Soviel über die Siedelungsspuren der Südindogermanen im mitt¬ 
leren und nördlichen Ostdeutschland, das dann bald von den Nord¬ 
indogermanen voll in Besitz genommen wird. 

Es wurde schon vorher (Mannus 1, 231) angedeutet, dass die land¬ 
läufige Meinung, nach der die Oder die Ostgrenze der Megalithgräber 
bedeute, unrichtig ist. Freilich oberirdische Steingräber sind oder waren 
östlich der Oder selten. Da man aber sonst überall auch die unter¬ 
irdischen neolithischen Steinkammern und Steinkisten als jüngere Er¬ 
scheinungsformen der Megalithgräber mit in Betracht zieht, so wäre es 
widerspruchsvoll, in Ostdeutschland anders zu verfahren. Wie sich nun 
die nordische Megalithkeramik in mehreren Phasen von Dänemark und 
dem Unterelbgebiet nach Osten allmählich ausbreitet, wie ich zeigen 
werde, so ist es auch mit den ihr zukommenden Grabformen der Fall. 

Ich kann hierbei zwei oder mit Anschluss der schnurkeramischen 
Erscheinungen drei sich folgende grosse Züge feststellen, in denen 
die nordisch-norddeutsche Bevölkerung Ostdeutschland, Polen und Süd¬ 
russland besiedelt (vgl. die Karte Taf. X). 

Der erste dieser Züge wird bezeichnet durch die Erscheinung 
von nordwestdeutsch-dänischen Kragenfläschchen und Trichterrandbechern, 
denen sich im weiteren Verlauf noch Mondhenkelkrüge von dem grossen 
nordböhmischen Typus gesellen, die man bisher gewöhnlich, doch mit 
Unrecht der frühesten Bronzezeit zugeteilt hat. 

Die-Kragenfläschchen sind zu Hause in dem Megalithgräber¬ 
bereich von Holland, Hannover, Oldenburg, Westfalen, Schleswig-Hol¬ 
stein, Dänemark, ausserdem durch vereinzelt ausgesandte Kolonien 
westwärts gebracht nach der Bretagne, Dep. Finistere (Kerandreze) 
und Morbihan (Lann-Blaen) (Abb. 2, 3), südwärts nach der baye¬ 
rischen Pfalz (Eyersheim, Gern. Weisenheim a. S.), Nordhessen 
(Züschen, Kr. Fritzlar), Westthüringen (Nägelstedt, Kr. Langensalza), 
ostwärts nach Vorpommern (Grabfund von Zarrentin bei Loitz, Kr. 


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Grimmen). Sie fehlen einerseits in Mecklenburg, andererseits in Hinter¬ 
pommern, Brandenburg, Westpreussen, erscheinen aber wieder in Posen 
(Lutynia, Kr. Pieschen 1 ) und in Preussisch und Österreichisch Schlesien, 



Abb. 2. 

Kerandrfeze, Finistfere 
(nach Du Chatellier). 



Abb. 3. Etwa '/*• 
Lann-Blaen, Morbihan; Megalith- 
grab (nach Du Chatellier). 


Abb. 4. '/*. 

Heildorf, Kr. Kolmar in Posen. 



wo zu den bisher bekannten beiden Grabfunden von Jordansmühl (No. 20 
und 28) und den Exemplaren von Badewitz, Kr. Leobschütz, von 
Kathrein bei Troppau und von einem unbekannten schlesischen Fundort 
noch Bruchstücke hinzukommen, die im Jahre 1906 aus Wohngruben 
zu Nosswitz bei Glogau aufgedeckt wurden in Gemeinschaft einerseits 
mit spiralkeramischen Scherben, andererseits mit Bruchstücken von 
Trichterrandbechern und -schalen, kleinen doppelkonischen Hängegefässen 
der nordischen Ganggräberzeit und anderen Gefässen, die in auffallendster 
Weise an die zahlreichen schönen Gefässe erinnern, die das Stralsunder 
Museum aus einem Torfmoor von Gingst auf Rügen seit 1890 besitzt. 
Weiter kommt dazu ein im Römisch-Germanischen Zentralmuseum zu 
Mainz befindliches Stück aus dem schlesischen Kreise Ohlau, das SEGER 
unbekannt geblieben ist und dessen Abbildung ich der Liebenswürdig¬ 
keit Karl SCHUMACHERs verdanke (Abb. 5). Endlich erscheinen 
Kragenfläschchen in Westgalizien zu Zastow bei Krakau (Abb. 9), in 
Ostpolen zu Nalenczow bei Lublin (Abb. 8). 

In Jordansmühl, Kreis Nimptsch, treten sie innerhalb eines grossen 
bandkeramischen Gräberfeldes in zwei auch nach ihrer baulichen Her¬ 
richtung „nordisch" gearteten Gräbern auf zusammen mit Gefässen von 


l ) Dazu kommt jetzt noch das Stück der Sammlung in Samotschin aus Hell¬ 
dorf (früher Heliodorowo), Kr. Kolmar i. Posen: E. BLUME, Ausstellung im Kaiser- 
Friedrich-Museum; Vor- und frühgeschichtliche Altertümer aus dem Gebiet der Provinz 
Posen. Posen 1909. No. 510 nebst Abbildung, die hier wiederholt wird (Abb. 4 s. o.). 


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Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 63 



Abb. 7. Grab 28. 1.40. 

JordansmQM, Kr. Nimptsch, Schlesien. 

(Nach Archiv f. Anthrop. N. F. V. Taf. XII nebst Fig. 25). 



Abb. 8. Nalenczow, Gouv. Lublin, Polen (nach Swiatowlt 1905). 

2 Kugelamphoren, 3 Kragenfläschchen, 1 Trichterbecher (Rest), 

2 ostdeutsche Streithämmer, 3 Feuersteingeräte, 2 Bemstelnperlen. 





Abb. 9. Lelowice, 
Gouv. Kielce, Polen: 
Trichterrandbecher; 
Abb. 10. Zastow bei 
Krakau: 

Mondhenkelkrug, 
Kragenflasche mit 
Füsschen 

(nach Wiadom. num. 
arch. IV). 



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norddeutschem Typus, darunter einem Henkelkrug, einem Trichterrand¬ 
becher, einer ähnlich gestalteten Schale, sowie drei Ringperlen aus Bern¬ 
stein (Abb. 6, 7). — In den vierzehn mit Steinauslegung und teilweise auch 
mit Steinplattenumzäunung versehenen Gräbern von Nalenczow (Abb. 8) 



Abb. 11—15. Trichterrandbecher. 

Oben: Molzow, Mecklenburg (nach Beltz); Warmhof bei Mewe, Westpreussen; 
unten: Denflhoog, Sylt (nach Mestorf, Vorg. Alt. 147); Neuenfeldt, Kr. Prenzlau, Uckermark 
(nach Schumann, Steinzcitgräber, Taf. 42); Tannhofen, Kr. hohensalza, Prov. Posen 
(Bromberger Jahrbuch 1891). 



Abb. 16, 17. */«. Trichterrandschalen. 

Gingst, Kr. Rügen (Zs. f. Ethn. 1896, 552, Abb. 6). 17. Satzkorn, Kr. Osthavelland (nach Brunner, 

Steinzeit!. Keramik, Abb. 6). 



bei Lublin gesellen sich den Kragenfläschchen (3), genau wie im vor- 
pommerschen Zarrentin, Bruchstücke von Trichterrandbechern (2), eiförmig 
gestreckte Kugelamphoren mit kleinem Standfuss und vereinzelten lang 
herablaufenden senkrechten Ornamentbändern, wie sie in Vorpommern 
Vorkommen, grosse durchlochte Steinhämmer mit Halbkugelnacken und 
weit ausladender Schneide von ostdeutsch-nordisch-österreichischem Typus 
(Kupferform), endlich Bernsteinperlen. Der Bernstein ist hier, in Jordans¬ 
mühl und sonst oft ein sicheres Zeichen nordindogermanischer Bevölkerung, 


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64] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 65 


denn nur bei dieser wird er allenthalben angetroffen, niemals aber bei 
der Donaukultur, wo sie auch immer auftreten mag. Wenn M. MUCH 
ihn auch der ostgalizischen bemalten Keramik zuteilt, so ist diese Meinung 
nur die Frucht einer allzu flüchtigen Literaturbenutzung. Ebenso irrt 
GÖTZE, der ein Bernsteinamulet von Bernburg arktischer Kultur mit dem 
berühmten, durch reichsten Spondylusschmuck ausgezeichneten band¬ 
keramischen Grabfund grundlos vereinigt (s. Mannus I, 40 und Taf. X, 5). 

Nicht so sprunghaft, sondern in zusammenhängender Ausbreitung 
lassen sich die mit den Kragenfläschchen gesellten Trichterrandbecher 
sowie Trichterrandschalen nach Osten hin verfolgen. Ebenso häufig wie 
in Nordwestdeutschland (Abb. 13) und Dänemark, jawohl noch häufiger 
erscheint diese Form in Mecklenburg (Abb. 11), auf Rügen, in Vor- und 




Abb. 18. Kaldus, Kr. Kulm. Westpreus&en (nach Skizze, vom Westpr. Prov.-Mus. freundlich geliefert) 
a) Ansicht, b) Innenverzierung des Randes. 

Hinterpommern (Abb. 16) und in der nördlichen Mark (Abb. 17), be¬ 
sonders im Kreis Prenzlau (Hammelstall, Neuenfeldt: Abb. 14, Schmiede¬ 
berg), weiter in Westpreussen (Warm 
hof, Kr. Marienwerder: Abb. 12, 

Kaldus, Kr. Kulm: Abb. 18), Posen 
(Kl. Krebbel, Kr. Schwerin; Tai 
kowo - Tannhofen Kr. Hohensalza : 

Abb. 15), Schlesien (Nosswitz: 

Gräbschen und Hartlieb, Kr. Breslau; 

Jordansmühl (Abb. 6) und Trebnig, 

Kr. Nimptsch), in Südpolen (Lelo- 
wice, Bez. Miechow [Abb. 9]), sehr 
zahlreich namentlich im Gouvernement Kielce, hier wieder besonders im 
Bez. Stopnica, weit spärlicher im Osten des Gouvernements Radom. 

Mannus. Bd. 11. 5 




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Hierher zu stellen sind auch randlose Schalen, die unter der Mündung 
die typische Stridizonen- und Zickzacklinienverzierung tragen, die zwei¬ 
mal im Kreise Schubin, Reg.-Bez. Bromberg erscheinen (Abb. 19). In 



Abb. 20 a, b. Trzebcz, Kr. Kulm, Prov. Westpreussen: Steinkreise mit Trilithen. 
a) Durchschnitt A—B, b) Grundriss (nach Roznik Tow. n. Torunsk I, Taf. 111, ! 2). 



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66 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 67 


Vorpommern (Zarrentin), Schlesien (Nosswitz, Jordansmühl) und Polen 
(Nalenczow) sind sie vereinigt mit Kragenfläschchen, in Galizien und 
Polen auch mit Mondhenkelkrügen von dem in Nordböhmen 
(s. Mannus I, 197 nebst Abb. 12) so stark vertretenen Typus, deren 
Henkel hoch geschwungen sind und von einer tiefen Mittelfurche aus 
flügelartig beiderseits sich stark verbreitern: so zu Zastow bei Krakau 
(Abb. 10), sowie zu dem schon genannten Lelowice. 

Das Auftreten der Kugel^mphoren in Nalenczow, dem äussersten 
Ostpunkte des ersten Zuges, ist zugleich das erste Zeichen für das Ein¬ 
treffen des zweiten Zuges nordischer Bevölkerung in Ostpolen. Ging 
der erste Zug von Mecklenburg über Pommern nach Westpreussen, 
dann südwärts über Posen nach Schlesien und von dort ostwärts durch 
Westgalizien die Weichsel abwärts nach Südpolen, so schwenkt der 
zweite Zug vom südlichen Westpreussen nach Kujawien ab und hält 
sich dauernd im Gebiete der Weichsel, der er aufwärts bis Sandomir 
folgt. Hier treffen sich beide Züge und die Grabfunde von Nalenczow 
bezeugen die Gleichzeitigkeit der Erscheinungen beider Züge am End¬ 
punkte des ersten Zuges, wie die Ansiedlungsfunde von Krebbel, Kr. 
Schwerin in Posen und noch weiter westlich der Grabfund aus der 
Steinkammer von Zarrentin, Kr. Grimmen, dies für den Ausgangspunkt 
tun. Dann rückt aber nur die Bevölkerung des zweiten Zuges, entweder 
allein oder vielleicht noch im Verein mit jüngeren Entwickelungen des 
ersten Zuges weiter über Ostgalizien, Podolien bis zur Ukraine, um in der 
Nähe von Kiew zu endigen. Hauptkennzeichen dieses zweiten Zuges 
sind Megalithgräbcr, die dem ersten Zuge ganz abgehen, oder die 
Keramik der Kugelamphoren oder beides vereinigt. Die Form dieser 
östlichen Megalithgräber ist zum Teil dieselbe wie westlich der Oder, also 
rechteckige unterirdische Steinblockkammern oder Steinplattenkisten. In 
Westpreussen finden sich einige Male mehrfache Steinkreise, die drei hoch¬ 
stehende Steine (Trilithen) umschliessen (Abb. 20, 21). Am zahlreichsten 
aber begegnet die schon bei Greifswald einmal (Schmiedkow) erscheinende, 
sonst in Hinterpommern, Westpreussen, Posen und besonders in Kuja¬ 
wien häufige Form der sogenannten ‘kujawischen’ Gräber. Langgezogene, 
spitzdreieckige, schmale Hügel mit gleichlaufender Steinumfassung ent¬ 
halten am breiteren Kopfende eine in der Längsrichtung des Hügels sich 
erstreckende, teils überirdische, teils unterirdische Steinkammer mit Skelett¬ 
bestattung (Abb. 22) und Beigaben aus der Kultur der Kugelamphoren. 
Ein klassisches Beispiel ist eines der vier durch v. ERCKERT 1879 
veröffentlichten Gräber von Janischewek bei Lubraniec, dessen steinum¬ 
fasster Hügel hundert Schritt lang war, während die Kammer 1 l /a m Länge, 
1 m Breite mass (Abb. 23). Weiter östlich treten an die Stelle dieser 
Megalithgräber einfache unterirdische Steinkisten, so zu Smoszewo und 

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Abb 12. Chotel. Gouv. Knirsch, Polen Abb. 23. Janlschewek. Russ. Kujawien: Grab I 

‘Kujawisches* Grab (nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1579. 428) 

(nach Verh. d. Berl anthr. Ges. 1880, 317). 



Abb. 24—26. Kugelamphoren. 

24 (',*). Succow, Kr. Saatzlg, Hinterpommern 
(nach Balt. 5tud. 46. Taf. I, 33); 

25 (Vt). Gr. Rambin, Kr. Belgard, Hinterpommern 
(nach Walter, Lemckefestschrift, Abb. 12); 

26 (' s). Zechlau. Kr. Schlochau, Westpreussen 
(nach Kasiski, Beschr. d. vat Alt. Taf. IV, 64). 



Abb. 27, etwa Vj. Megalithamphore 
Kulmsee, Kr. Thorn, Westpreussen 
(nach Conwentz. d. westpr. Prov. Mus. 
1880 -1905, Taf. 43). 


Szeromin, Kr. Plonsk (Abb. 37), Gouvernement Warschau, zu Zurawniki, 
Bez. Sandomir, Gouvernement Kielce und öfter in diesem Kreise, dann 
auch in den Gouvernements Siedlce und Lublin, namentlich aber in 
Ostgalizien, wo ich die Fundorte Beremiany, Czarnokonce, Kociubince, 
Kuszilowce, Rakowkant, Uwisla, Czernelica nebst Graniczesti und Unter- 
horodnik in der Bukowina nenne. Die jüngste Art nordischer Begräb¬ 
nisse findet sich naturgemäss auf dem östlichsten Teile des Zuges, in 
Russland: das sind einfache, ungeschützte Hockerbestattungen in Erd¬ 
hügeln (Kurganen). Wolhynien bietet beide Grabarten, aber mehr Stein¬ 
kisten als Kurganhocker, Podolien nur noch eine bekannte Steinkiste 
(Bez. Kamieniec Podolski), sonst durchweg Kurganhocker, und ebenso 
die Ukraine. 


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Das Leitgefäss, die nordostdeutsche Kugelamphore, hat sich be¬ 
kanntlich in Vorpommern und Nordbrandenburg aus der älteren Mega¬ 
lithamphore Dänemarks und Schleswig-Holsteins entwickelt. Östlich der 
Oder geht ihre und ihrer Begleitgefässe Verbreitung durch die Neumark, 
Hinterpommern (Succow: Abb. 24, Gr. Rambin: Abb. 25), West- 
preussen (Zechlau: Abb. 26, Kulmsee: Abb. 27, Nawra: Abb. 46), 



Abb. 28. '/*• Formen von Begleitgefässen der Kugelamphoren. Abb. 29. '/«. 

Höben. Kr. Steinau. Niederschlesien Kl. Krebbel. Kr. Schwerin, Prov. Posen. Sdinurverxierter 

(nach Nachr. Q. d. Alt. 1899. 82). Krug mit Doppelhenkel (Nadir. Q. d. Ah. 1892,66). 



Abb. 30. '/•. Janischewck, Russ. Kujawlen, Grab 1 (nach Verh. d. Berl. anthr. Qcs. 1833, Tal. VD); 



Abb. 31. Wies Koscielna, Abb. 32. Branica, Abb. 33. 

Russ. Kujawicn Suchowolska. Gouv. Kociubince, Ostgalizien *, 

(nach Verh. d. Berl. Sicdlce. Polen; Steinkistengrab 

anthr. Ges. 1883 , 434). Steinkammergrab {nach Kohn-Mehlis I, 102). 

(n. Kohn-Mehlis 1,92). 



Abb. 34- Losiatyn, 
Gouv. Kiew; Hügelgrab 
(nach Zbior wiadom. 
Krakau XIII, Taf. II, 7). 


Posen (Kl. Krebbel: Abb. 29, Birnbaum, Gr. Koluda, Rzeszynek, Pad- 
niewo, Pakosch, Szczonowo) nach Kujawien, wo neben Faliszewo, Tymin, 
Wies Koscielna (Abb. 31) und Malischewo das schon genannte Grab I 


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von Janischewek besonders schöne Stücke geliefert hat (Abb. 30). 
Seltener sind sie weiter aufwärts der Weichsel in den Gouverne¬ 
ments Warschau (Szeromin: Abb. 38), Kielce (Winiary: Abb. 47, 
Zlota: Abb. 35, 36), Siedlce (Branica-Suchowolska: Abb. 32) und 



Abb. 35, 36. Zlota, Qouv. Kielce, Polen (nach Materyaly antrop-archeoi- Krakau. IX, Taf. IX). 


Lublin (Drzewce, Nalenczow: Abb. 8), sowie in Galizien am Bug 
(Sobiecin), werden aber in den ostgalizischen Steinkisten der Land¬ 
schaft Pokutien wiederum recht zahlreich (Abb. 33), um dann in Wol¬ 
hynien (Leposowka, Zaluza), Podolien (Nowa Sieniawa: Abb. 50) und 
in der Ukraine (Losiatyn: hier mit weisser Einlage verziert (Abb. 34), 
und Kiew) sich mehr und mehr zu verlieren. Eigen ist diesen östlichen 
Kugelamphoren eine weit öftere Bewahrung eines kleinen flachen 
Standbodens und ein öfteres Auftreten der Vierzahl der Ösen, als 
beides westlich der Oder der Fall ist (hier z. B. in Gingst auf Rügen; 
Lebehn, Kr. Randow, Vorpommern; Ketzin a. d. Havel, Elbekosteletz 
in Böhmen), sowie Vorliebe für das auch an den Trichterbechern ständige 
und bei den östlichen Kugelamphoren schon von Hinterpommern an 
auftretende Halsornament der einfachen oder mehrfachen Strichzonen, 
die durch eine Zickzacklinie entweder auseinandergehalten oder unten 
abgeschlossen werden können. Der Auffassung GÖTZES, dass diese 
Halsstrichzonen der Kugelamphoren durch Übertragung des Schulter¬ 
fransenornaments auf den Hals entstanden seien, kann ich somit nicht 
beistimmen. 

Eine zweite Art Gefässe zeigt uns ein Megalithgrab des Gouver¬ 
nements Warschau, das bereits genannte von Szeromin (Abb. 38): den 
Becher. Er hat Stichverzierungslinien am Halse und zwei oder vier 
Ösen am Halsansatz ganz wie der Trichterrandbecher, nur ist der hier 
schräge, weit ausladende gerade Hals bei unserem Becher kürzer, steiler, 
zudem oft geschweift geworden. Auch der scharfe Absatz zwischen 
Bauch und Halsansatz weicht einem mehr geschweiften, S-förmig ge- 


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rundeten Profil. Und solche Becher erscheinen zahlreich schon an der 
unteren Oder in Pommern, in der Uckermark (Abb. 39, 40) und Neu¬ 
mark. Bald erhalten sie dort statt der Stichreihen am Halse ebensoviel 



Abb 37, 33. Szeromin, Bez. Pultusk. Gouv. Warschau; 

Steinkiste: 2 vierösige Becher, Kugelamphorenbruchstück, 2 Feuersteinbeile (eines gebÄndert) 
(nach ‘Swiatowit* 1906, Taf. VI). 


Schnurlinien, oder auch es lebt an ihnen die Zickzacklinie des Trichter- 


wir noch die 
des Bechers, 


allmähliche 

namentlich 



Abb. 39. 40. 

39. stichverziert, 40. schnurverziert. '/•• 
Hammelstall, Kr. Prenzlau, Uckermark; 
Grab 2 und 3 (nach Schumann, 
Steinzeitgr. d. Uckerm. Taf. 38). 


bechers fort als Halszickzackband. Wenn 
starke Verbreiterung der ganzen Gestalt 
des Unterteils, hinzunehmen, so haben 
wir damit alle Elemente beisammen, die 
für die hauptsächlichste Gefässgattung der 
von mir als „Oderschnurkeramik“ be- 
zeichneten Kultur massgebend sind. Ausser¬ 
ordentlich beliebt ist bei diesen Bechern 
der Griffzapfen, einer oder zwei, statt 
der Henkel oder Ösen, recht häufig finden 
sich auch jene plastischen Henkelfortsätze, 
kreisförmige oder winklige, die vielfach schon 

in der Megalithkeramik und bei den Kugelamphoren erscheinen (Abb. 42), 
speziell auch bei den Trichterrandbechern, so in Mecklenburg (Molzow: 
Abb. 11), Provinz Sachsen (Halberstadt: Abb. 41, Bitterfeld), Schlesien 
(Jordansmühl: Abb. 6), Polen (Nalenczow: Abb. 8). Und in derselben 
Weise, wie bei der Oderschnurkeramik, geht auch bei der Schnurkeramik 
des Elb-Saalegebietes der Schnurbecher aus dem Becher der nordischen 
Megalithkeramik hervor, und zwar weniger aus der bekannten älteren Form, 
als vielmehr aus der jüngeren hoch und schlank ausgezogenen, die in 
ganz Nordwestdeutschland vorkommt, und im zweiten Teile meines Vor¬ 
trages ausführlich behandelt worden ist (Mannus I, 232, Taf. XXII). 

Damit haben wir schon den dritten Zug nordindogermanischer 
Bevölkerung nach Polen und Südrussland berührt, der im wesentlichen 
durch die Ausbreitung der ostdeutschen Schnurkeramik charakteri- 


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Gustaf Kossinna. 


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siert wird. Da die Besiedlung innerhalb dieser Kulturgruppe in den frag¬ 
lichen Gebieten, besonders auch in Südrussland, nicht nur wesentlich 
dichter, sondern auch noch weiter südöstlich vorgeschoben erscheint, als 


Abb. 42. 

Hundlsburg. Kr. Neuhaldensleben. 
Sammlung Neuhaldensleben. 

das selbst beim zweiten Zuge der Fall ist, so haben wir es nicht nur mit 
einem natürlichen Anwachsen, sondern wohl auch mit Nachschüben der 
Bevölkerung aus Norddeutschland zu tun. Und zwar entwickelt sich 
dieser dritte Zug anfangs ungefähr im Geleise des ersten Zuges, in West- 
preussen, Nordposen, Schlesien, bis zu dessen Endpunkt an der oberen 
Weichsel, folgt dann aber weiter dem östlicheren Teile des zweiten Zuges 
bis an den Dniepr, den er sogar noch überschreitet. Die Oderschnur¬ 
keramik ist ja nicht nur an der unteren Oder entwickelt, sondern mit 
Überspringung des leeren Mittellaufs des Flusses auch auf dem linken 
Ufer der oberen Oder in Nieder- und Mittelschlesien, besonders dicht 
in der weiteren Umgebung von Breslau. Vom Odergebiet gehört nur 
das Tal der Lausitzer Neisse nicht zur Kultur der Oderschnurkeramik 
sondern zur Elbschnurkeramik, wie das Skelettgrab von Strega, Kr. 
Guben, zeigt. Die schlesische Schnurkeramik hat von der unteren 
Oder her den Schnurbecher meist in der Form des Zapfenbechers, so¬ 
wie den Henkeltopf übernommen, dagegen in Gemeinschaft mit dem 
benachbarten Böhmen, die, mit einer Ausnahme aus der Provinz (Znin: 
Abb. 43), in Norddeutschland fehlende Form des hohen, schlauch¬ 
förmigen Kruges aufzuweisen (Abb. 44). Ausserdem hat aber Schlesien, 
nicht von der unteren Oder her, sondern von Jütland über Westpreussen 
und Posen (Abb. 45) den sogenannten Blumentopfbecher erhalten, wohl 
als einen späteren Abieger aus der Megalithkeramik, die ihn ja besitzt und 




Abb. 41. 

Halb er stadt. Spiegelsberger Weg. 
Mus. Halberstadt. 


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72] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 73 


auch dem Latdorf-Bernburger Typus überwiesen hat (Abb. 46). Schnur¬ 
becher, Blumentopfbecher und Henkeltopf wandern nun von Schlesien weiter 
nach Galizien, nicht aber der böhmisch-schlesische Krug: ein Zeichen, dass 
die jetzt in Schlesien heimisch gewordenen nordischen Bevölkerungs- 




Abb. 43. 1 >. 

Znin. Westabhang, Prov. Posen. 


Abb. 44. l U, Gnichwitz, Kr. Breslau* 

^nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, Taf. VI, 12). 




massen an der Weiterwanderung nach Osten sich nicht beteiligt haben, 
sondern dass diese von weiteren nordischen Nachschüben vollzogen 
worden ist An der oberen Weichsel trifft der schnurkeramische Zug 
auf den zweiten» den Weichselzug, und übernimmt nun Einwirkungen 



Abb. 45. v 
Kaiserswalde, Kr. Wirsitz, 
Prov. Posen. 



Abb. 46. 

Puschwitz, Kr. Neumarkt, Schlesien, 
aus Skelettgrab (nach Nachr. ü. d. Altert. 1899, 82). 


von diesem, vor allem eine jüngere Art der Kugelamphore, die 
‘Schnurkugelamphore’, und zwar in so geringer Abwandlung der Form, 
dass man oft nur durch die Begleitfunde über den Gesamtcharakter 
der Kultur aufgeklärt wird. Denn die Anwendung des Schnurmusters 
allein entscheidet hier noch keineswegs, wie ja auch die westlichen, 
typisch „reinen“ Kugelamphoren nebst ihren Begleitgefässen in Nord- 
und Mitteldeutschland öfters schon als Ersatz für die mühsame 
und zeitraubende Herstellung der Furchen in Sticharbeit die einfache 
und leicht zu bewirkende Anwendung des Schnurmusters aufweisen. 
Höchst merkwürdig ist nun eine Umkehrung dieses Verhältnisses, die 


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Gustaf Kossinna. 


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dadurch sehr häufig eintritt, dass man die Eigenart des Schnurmusters 
wiederum durch Stichtechnik darzustellen versucht hat: die allermüh¬ 
samste Arbeit. Nur für diese Fälle dürfte der heute oft missbräuchlich 
angewandte Terminus „falsches“ oder „imitiertes“ Schnurmuster, den 
manche Forscher trotz seines ehrwürdigen Alters schon ganz haben aus¬ 
merzen wollen, auch künftighin mit Recht anzuwenden sein. Auch in 
Sachsen-Thüringen ist ja eine bestimmte Abart der Schnuramphoren 
sicher aus den Kugelamphoren hervorgegangen, zum mindesten in der 
Form stärkstens durch sie beeinflusst worden. Solch eine Schnurkugel¬ 
amphore findet sich schon in Westpreussen aus einem Steinkistengrabe 



L____i ..-- _ 

Abb. 47, 48. */a. Schnurkugelamphoren. 

• 47. Nawa, Kr. Thorn, Westpreussen. 48. Winiary, Bez. Sandomir, Polen. 

Arch&ologisdies Museum der Universität Krakau. 


zu Nawra, Kr. Thorn (Abb. 47), ebenso an der oberen Weichsel zu Wengrcze 
bei Krakau zusammen mit einem zylindrischen Becher in einem Monolith¬ 
grabe, weiter zu Winiary, Bez. Sandomir (Abb. 48) l )> und nahebei in dem 
interessanten Skelettgräberfelde mit Steinkisten von Zlota, desselben 
Bezirks, hier mehrmals gesellt mit einer jüngeren schnurverzierten Form 
des Mondhenkelkruges (Abb. 49, 50), einem Nachkommen dieses Typus 
vom ersten Besiedelungszuge. Im Ornamentmuster degeneriert, dazu ösen¬ 
los, wie übrigens zuweilen auch im Westen — man vergleiche Lebehn (Vor¬ 
pommern) und Dedelow Grab V (Kr. Prenzlau, Uckermark) und das 
einhenklige Stück aus Hindenburg in der Altmark — erscheint dagegen 
eine solche Schnuramphore von Sieniawa am San in Galizien, sowie 


*) Für die Erlaubnis, Photographien der beiden Gefässe von Nawra und 
Winiary veröffentlichen zu dürfen, bin ich Herrn Universitätsprofessor Dr. 
BIENKOWSKI in Krakau zu Dank verpflichtet. 


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74] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 75 


eine andersartige aus dem 6. Hügel des Gräberfeldes von Jackowica, 
Bez. Lipowec im Gouvernement Kiew. Die in der Form noch »reine* 
Kugelamphore mit Strichzonen und eingestochenem Zickzackhalsband 
aus Nowa Sieniawa in Podolien fand sich bezeichnenderweise in Ge¬ 
sellschaft eines schnurverzierten Blumentopfbechers (Abb. 51). 



Abb. 49. 50 

Zlota, Gouv. Kiele*», Polen 
mach Materyaly IX, Taf. VIII). 


Abb. 51. Nowa 
Sieniawa, Podolien. 
(Zbior wiaö.XIII, 42 ff ). 



■:-m£ '■> 


Sehr auffallend ist das Auftreten einer anscheinend echt thüringi¬ 
schen Schnuramphore mit zwei symmetrisch verteilten Henkeln an der 
Mitte des Kugelbauches in einem Hocker- ^ 

kurgan zu Siwki, Bez. Ostrog in Wolhynien 'tä£S££ä*> / JsS& 

(Abb. 52,2) und kaum anders erklärbar, 
als durch eine wenn auch geringfügige t 
Beteiligung der thüringisch-sächsischen Be- 

völkerung, etwa von der Oberlausitz her ^ ^ Wr 

(Bautzen), an diesem Auswanderungszuge. 

Es sei hier auch wieder auf das einmalige * 

Auftreten dieser Amphorenform in der 
Ansiedlung der Wertebahöhle bei Bilcze 
in Ostgalizien mit bemalter Keramik hin¬ 
gewiesen (Mannus I, 228). 

Zur Charakterisierung der polnisch¬ 
russischen Schnurkeramik seien noch 
einige Momente hervorgehoben. Erstens 
tritt sie in Polen wohl noch hie und da 
in Steinkisten auf, wie zu Rosiejew, 

Bez. Pinczow, und in Zlota, Bez. Sandomir, 
beide im Gouvernement Kielce, doch nie in 
Galizien: ein Verhältnis, das die früheren Verschiedenheiten des Oder¬ 
und des Weichselzuges, d. h. des ersten und des zweiten Zuges fort¬ 
setzt. Nicht selten begegnet auf dem ganzen dritten Zuge das zuerst 
von H. SCHUMANN als Typus erkannte Einzelsteingrab, GÖTZES 


Abb. 52. 1-3. 

Siwki, Kr. Ostrog, Wolhynien. 
1,2 Hügel I; 3 Hügel III 
(Zbior wiaö III. Taf. IV). 


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Gustaf Kossinna. 


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’Monol ithgrab*, ein Erdgrab, das von einem einzigen grossen Steinblock 
überdeckt ist. Zweitens ist nicht ohne Wichtigkeit das Vorkommen von 
meist je zwei knöchernen Gürtelplatten entweder geschweift 
trapezförmiger oder halbovaler Gestalt mit eingegrabener Verzierung: 
solche findet man in den Steinkistengräbern Polens und Ostgaliziens 
vom zweiten Zuge, also im Verein mit Kugelamphoren (Nowy Dwor, 
Uwisla: Abb. 53, Czarnokonce); aber auch in dem schnurkeramischen 
Gräberfeld von Zlota, Bez. Sandomir, das wir als Zeugnis für Kultur¬ 
übergänge schon oben (S. 74) gekennzeichnet haben. Merkwürdig ist 
das Vorkommen ähnlicher Gürtelplatten in der bemalten Keramik Ost¬ 
galiziens, aber auch in Siebenbürgen (Mannus 1, 228). Ähnliche Agraffen 
fanden sich aber auch bei dem untersten Hocker des berühmten Grab¬ 
hügels zu Wiskiauten, Kr. Fischhausen in Ostpreussen (Abb. 54), und 
mit letztem genau übereinstimmende wiederum bei einem schnurkera¬ 
mischen Hocker zu Lobositz a. d, Elbe in Böhmen (Abb. 55). 



Abb. 53. Uwisla, Ostgalizien. Abb- 54. "/• 

Verzierte Knochenplatten u. l Silex- Wiskiauten, Kr. Fischhausen, 
messer aus Steinkistengrab (nach Ostpreussen (nach Heydeck: 
Zbicr wiaöom. Krakau XV, Tat. I). Prussia-Berichte, H. 18, S. 48). 




Lobositz a. E., Böhmen 
(nach Mitt. Ö. Wiener anthrop. 
Oes. 1895, 45, Abb. 67). 


Alle drei Züge werden verbunden durch gleichmässiges Auftreten 
des Bernsteins. Vom ersten Zuge wissen wir es schon. Der zweite 
Zug beginnt mit mehrfachen Bernsteinbeigaben in Hinterpommern: Insel 
Gristow, Kr. Kammin, Podejuch bei Damm, Gross-Rambin, Kr. Belgard, 
Büddow, Kr. Dramburg; führt sie ebenso in Westpreussen: Gr. Leistenau, 
Kr. Graudenz; Trzebcz, Kr. Kulm; Guttowo, Kr. Strassburg und in Posen: 
Gr. Morin, Kr. Hohensalza; Rzeczynek, Kr. Strelno; aber auch in Polen: 
Janischewek, Andzin (?), Nowy Dwor, Redzinskie bei Kochany, südöstlich 
von Warschau ; endlich in Ostgalizien: Kociubince. Der schnurkeramische 
Zug weist folgende Bernsteingrabfunde auf: Buchholz, Kr. Greifenhagen 


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76] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 77 


und Gramenz, Kr. Neustettin in Pommern; Zechow, Kr. Landsberg in der 
Neumark; Iwno, Kr. Schubin in Posen; Kl. Babenz, Kr. Rosenberg in 
Westpreussen; Wuttrienen, Kr. Allenstein in Ostpreussen; Breslau; 
Wengrzce bei Krakau, Zlota. Bez. Sandomir und Chorostkow in Ost- 



Abb 56 -58 Zlofa, Gouv Kielce, Polen. 

Tongefässe mit Verzierung in Schnurwellenlinien (nach Materyaly IX, Taf. III, 1; X, 1, 2). 


galizien. Aus West- und Südrussland dagegen habe ich keine steinzeit¬ 
lichen Bernsteinfunde feststellen können. 

Als Merkwürdigkeit der schnurkeramischen Gräber aus dem Ge¬ 
biet der Bezirke Stopnica, Sandomir und ihrer Nachbarschrft im Gou¬ 
vernement Kielce sei die überaus beliebte, wenn auch nicht allein 
herrschende Gestaltung der Schnurabdrücke auf den Gefässen in 
Form von Wellenlinien hervorgehoben. Natürlich kann man hierin 
kein Vorahnen des mittelalterlichen wendischen Wellenornaments an¬ 
nehmen, wie polnische Forscher sich gerne einreden möchten; viel¬ 
mehr liegt hier nur eine einseitige Bevorzugung eines der wie die 
übrigen Muster aus der norddeutschen Megalithkeramik stammenden 
und z. B. in Oldenburg, im Hannoverschen und in Holstein (Abb. 59) er- 




Abb. 59. */.. 

Bordcsholm, Holstein. 
(Mestorf, Vorg. Alt. 136.) 


Abb. 60. */.. 

Pfahlbau Robenhausen, Schweiz 
(nach Forrer, Urgesch. ö. Europ., Taf. 73, 15). 


scheinenden Ziermotive vor. Dieses Muster ist von hier aus mit den 
oft erwähnten schlanken, zur Schnurkeramik überleitenden Bechern über 
Süddeutschland bis in die Schweiz (Abb. 60) gewandert. Und in Nord¬ 
ostdeutschland hat es der dritte Zug ebenso nach Westpreussen, wo es in 


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Gustaf Kossinna. 


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Tolkemit, Kr. Elbing, und Rutzau, Kr. Putzig, ganz üblich ist, auch in 
Golotty, Kr. Kulm, erscheint, wie nach Westgalizien und Südwestpolen 
gebracht, während es dem zweiten Zuge, der Kultur der Kugelamphoren, 
die gradliniges, aber auch kreisförmiges Schnurmuster kennt (Blecken- 
dorf, Kr. Wanzleben, Pr. Sachsen; Koben, Kr. Steinau, Schlesien [Abb.28]), 
fremd war und daher in Nord- und Mittelpolen ausbleiben musste. An und 
für sich ist der Übergang von Zickzacklinien in Wellenlinien überhaupt 
nichts Merkwürdiges, sondern eine in manchen Kulturen auftretende 
Erscheinung. 

Noch eigenartigeres bieten die Hügelgräberfelder dieser Kultur in der 
Ukraine , namentlich das umfangreiche von Jackowica, Kr. Lipowec, sowie 
auch noch im Gouvernement Poltawa östlich des Dniepr. Hier treffen 
wir die Schnurbecher noch mit stark verjüngtem, oft fast spitzem Unter¬ 
teil an, das, wie auch die Halsverzierung, noch lebhaft an ihren Ursprung 
aus den Trichterhalsbechern gemahnt (Abb. 61, 66). Auffallend sind weiter 



Abb. 61 — 63. lackowica, Qouv. Kiew; Hügelgräber. 
61: Hügel 48; 62: Hügel 61; 63: Hügel 56. 
(Swiatowit VI, Taf. I, 1; Taf. V; Taf. II, 4.) 


dreierlei Schmuckformen: wie so häufig bei der thüringischen und böhmi¬ 
schen schnurkeramischen Kultur, aber auch bei der Schnurkeramik der 
unteren Oder, z. B. in einem Frauengrab mit rotgefärbten Skelettknochen 
zu Charlottenhöh, Kr. Prenzlau, erscheinen auch hier zu langen Bändern auf¬ 
gereihte, durchbohrte Hunde - und Wolf zähne, die als Hals- und Gürtel¬ 
gehänge getragen wurden, so im Bezirk Lipowec zu Nowosiolka, Hügel 
22 und 24, und Jackowica, Hügel 30 (Abb. 64), ebenso zu Kobrynowa bei 
Swenigrodki an zwei rotgefärbten weiblichen Skeletten (Abb. 65). Diese 
beiden Skelette wiesen zugleich den zweiten auffälligen Schmuck dieser 
Gegend auf, nämlich Knochennadeln mit einem Doppelhammerkopf, 
der einer Amazonenaxt ähnlich sieht und, wie MAJEWSKI meint, 
dieser geheiligten Form vielleicht nachgebildet ist. Die Nadeln waren 


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78] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 79 


durch eine Kette knöcherner Ringperlchen mit der Hüfte der be¬ 
treffenden Frau verbunden gewesen (Abb. 65). Solche Doppelhammer* 
nadeln fanden sich noch zu Nowosiolka, Hügel 26 (Abb. 66), -und in der 



Abb. 64. Abb. 6S. Kobrynowa, Gouv Kiew, Hügel 1: 2 rotgefärbte 

Jackowica: Hügel 30. weibl. Skelette mit je 1 knöchernen Doppelhammerkopfnaöel 

(Swiatowit VI, 22, Fig. 27.) und Knochenperlenkette- — Ryzanowka, Gouv. Kiew: strich¬ 

verzierter kl- Tonbecher nebst Bronzehängespirale aus Hügel V 
(nach Zbior wiaöom. Krakau, Bö- XII, Tat. X; VIII, 4, 6). 


Nähe von Jackowica zu Iwachny, Hügel 72, beide Male im Verein mit 
Metallobjekten, die als Bronze bezeichnet werden. Die dritte Art Schmuck 
sind Hängespiralen, wie sie aus Kupfer zweimal im 60. Hügel von 
Jackowica (Abb. 66) und angeblich aus Bronze zu Ryzanowka bei Swenig- 



Abb. 66. a) Jackowica: spitzer Becher und Feuersteinbeil: Hügel 41; durchbohrtes Steinplättchen: 
Hügel 45: Kupferhängespiralen: Hügel 60; 4 Becherchen: Hügel 60, 49, 43, 65. 
b) Nowosiolka: Knochennadel mit Doppelhammerkopf. (Swiatowit VI, Tat. III, IV.) 


rodki in Hügel V angetroffen worden sind (Abb. 65). Die Hänge¬ 
spiralen Südrusslands bilden eine Art freilich nur landschaftlicher, nicht 
auch zeitlicher Brücke zwischen den Hängespiralen von Siebenbürgen 



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Gustaf Kossinna. 


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und den weit jüngeren des Kaukasus und sind beim Suchen nach einer 
Verbindung der beiden Gebiete von der bisherigen Spezialforschung 
übersehen worden. Auffällig häufig treten in dieser Kultur trefflich 
geschliffene schöne grosse Schaftlochhämmer (Abb. 67) von der Art auf, 



Abb. 67. Jackowica: Hügel 29. (Swiatowit VI, 10, Fig. 9.) 


wie sie in Mitteleuropa häufig sind, sowie namentlich die charakteristischen 
feinpolierten dicknackigen Silexbeile (Abb. 66) von rein nordischem 
Gepräge, die der Bandkeramik gänzlich abgehen, wie denn überhaupt ge¬ 
schliffene Silexgeräte auch bei der südrussischen bemalten Spiralkeramik 
zu grossen Seltenheiten gehören. Dass auch andere nordische Silexgeräte 
— ich nenne nur die eigenartigen gekrümmten Sägen oder halbmond¬ 
förmigen Sichelmesser — sich häufig in Polen, West- und Südrussland 
im Geleise der drei beschriebenen nordischen Auswandererzüge finden, 
darüber habe ich schon früher Andeutungen gemacht (Mannus 1, S. 228 ff.). 

Wir befinden uns bei der südrussischen Schnurkeramik in der Zeit 
und dem Gebiete der rotgefärbten Skelette; in Kobrynowa sind 
nicht nur die beiden genannten weiblichen, sondern alle fünfzehn Skelette 
rot gefärbt, in Nowosiolka die Skelette aus Hügel 10 und 24, in Jackowica 
aus Hügel 36, 41, 52 und sonst. Aus Losiatyn liegt der Inhalt eines 
Grabes mit rotgefärbten Menschenknochen in der Sammlung der Krakauer 
Akademie und im Czartoryski-Museum zu Lemberg ein rotgefärbter 
Schädel, der im podolischen Bezirk Jampol 1896 gefunden worden ist. 
Auch hierzu finden wir eine Parallele bei der Oderschnurkeramik 
und zwar in einem Familiengrabe von Charlottenhöh, Kr. Prenzlau, 
wo innerhalb einer starken Steinsetzung drei Hockerskelette sich vor¬ 
fanden, Mann, Frau und Kind; das Skelett der Frau war, wie schon 
oben bemerkt worden ist, gänzlich rot gefärbt, offenbar durch Überguss 
einer Rötelbrühe oder Überstreuung trockenen Eisenockers, wie die 
russischen Gelehrten jetzt festgestellt haben, auf die noch unverweste 
Leiche, was vielleicht eine Art Konservierung sein sollte. Nach der 
Häufigkeit der südrussischen Übung eines solchen Gebrauchs wird man 
allerdings anzunehmen haben, dass bei dem Charlottenhöher Falle eine 
Rückwirkung der Kolonialkultur Südrusslands auf die Heimatkultur 
an der unteren Oder vorliege. Abgesehen von paläolithischen Paral- 


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80] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogcrmanen u. ihre Ausbreitung usw. 81 

leien, wie sie bei Brünn und Mentone und frühestneolithischen, wie 
sie in Maz d'Azil und in der Ofnethöhle bei Nördlingen vorliegen, 
aber zeitlich eben nicht hierher gehören, ist sonst nur noch ein gleich¬ 
zeitiger Fall aus der sogenannten aeneolithischen Epoche Italiens be¬ 
kannt, wo aus Remedello. dieselbe Art rotgefärbter Skelette mit Stein- 
und Kupferbeigaben durch COLINI beschrieben worden ist. 

Hier ist der Ort, wo noch eine, die einzige mir bekannte Exklave 
dieser Kultur im Küstengebiet des Schwarzen Meeres anzuschliessen ist, 
die Kurgane von Bjeloserskaja, an der Strasse von Nikolajew nach 
Cherson, 10 km von diesem Orte entfernt. Auch hier treffen wir die 
rotgefärbten Skelette, echte Hocker in flache Mulden gebettet, mit aus¬ 
gesprochenen Langschädeln, denen geschliffene Steingeräte, Knochen¬ 
geräte und Tongefässe beigegeben sind. (Schluss folgt.) 


Anhang; Fundstatistik. 

Mit dem Erweise der drei nordischen Züge nach Südosteuropa 
habe ich eine ausführlichere Darstellung dessen gegeben, was ich in skizzen¬ 
hafter Kürze und nur durch Stichproben belegt, dem mir damals zur 
Verfügung stehenden Raume entsprechend, bereits 1902 mitteilen konnte. 
Dieser Erweis ist dann bekanntlich von Otto SCHRÄDER in ebenso 
kenntnis- wie gewissenloser Weise entstellt und so seinen Lesern ver¬ 
mittelt worden. SCHRÄDER ist hier bei der Gehässigkeit von Moriz 
HORNES in die Schule gegangen, der es ja in seiner dem ‘Globus’ auf¬ 
gedrängten Anzeige meiner Indogermanen-Frage fertig gebracht hat, seine 
Leser zu täuschen, dass er ihnen vorredet, mit einer Nadel führte ich 
die Indogermanen von Mitteleuropa nach Italien. Ähnlich sagte dann 
der als gewandter, aber unkritischer Kompilator HORNES auch sonst 
geistesverwandte SCHRÄDER, mit einer Kugelamphore führte ich die 
Indogermanen bis an den Dnjepr. Um den furchtbaren Unsinn — milde 
beurteilt einer solchen Auffassung gründlich an den Pranger zu stellen, 
habe ich mich nach dem Wunsch meiner Freunde und der Zuhörer meines 
Vortrages von 1908 entschlossen, den gesamten Fundstoff, natürlich in denk¬ 
bar gedrängtester Fassung, hier als Erläuterung der beigefügten Karte anzu¬ 
schliessen. Es werden dabei an 370 Fundplätze (nicht etwa Gräber, ge¬ 
schweige denn Gefässe) herangezogen, worunter sich solche, wie z. B. Jacko- 
wica, mit über 40 Gräbern befinden! Aber da im Dnjeprgebiet nach wie vor 
die AusdehnungdieserSteinzeitsiedlungen ihr Ende hat, so mag SCHRÄDER 

Man uuä Bd. 11. 6 


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Gustaf Kossinna. 


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ruhig weiter bei seiner Meinung bleiben, dass ich mit einem Gefässe 
die Indogermanen dorthin führe, denn schliesslich muss eben eines immer 
das letzte sein. SCHRÄDER, unbeholfen, ja hilflos in der Beurteilung 
solcher Fragen der Völkerausbreitung, die doch zu seinem eigentlichen 
Handwerk gehören sollten, kann sich freilich eine Ausbreitung nicht 
anders vorstellen, als dass sie stets eine bandwurmartig zusammen¬ 
hängende Kette von Besiedlungen schaffen müsste. Und so ver¬ 
langt er törichterweise, dass ich die indogermanische Kultur Südruss¬ 
lands ununterbrochen weiter bis nach Indien nachweise, wobei es ihm 
gleichgiltig ist, ob diese Gebiete archäologisch schon erforscht worden 
sind oder nicht. Er hat offenbar noch nie von Zügen über weite Flächen 
hinweg unmittelbar nach fernen Ländern gehört, deren archäologischer 
Niederschlag natürlich sich ganz anders darstellen muss, als seine Weis¬ 
heit es sich träumen lässt. Doch seit der neuesten Auflage von „Sprach¬ 
vergleichung und Urgeschichte“ scheidet dieser Gelehrte für mich über¬ 
haupt aus der Reihe derer aus, die in der Frage der Urheimat und der 
Ausbreitung der Indpgermanen eine beachtenswerte Stimme in die Wag¬ 
schale zu legen haben. 

Im einzelnen sei bemerkt, dass die Zuteilung der verzierten Scher¬ 
ben, wenn die Form der Gefässe nicht erkennbar ist, in manchen Ge¬ 
bieten ihre Schwierigkeit hat. So kann man in Westpreussen und Nord¬ 
posen zuweilen schwankend sein, ob solche Scherben zu Trichterrand¬ 
bechern des ersten Zuges oder zu Kugelamphoren des zweiten Zuges 
gehören. Ebenso ist dies an der oberen Weichsel bis zur Einmündung 
des San herab der Fall, wo das Hinzutreten der Schnurverzierung und 
der Keramik vom Stile Zlota die Sachlage noch verwicheiter gestaltet. 
Bei den wie es scheint ganz gleichzeitig sich vollziehenden ersten beiden 
Zügen ist in zweifelhaften Fällen die Grabform für mich entscheidend, 
indem Steingräber stets zum zweiten Zuge, steinlose oder mit geringem 
Steinschutz versehene Gräber aber zum ersten gestellt worden sind. 
Nordische Gefässformen, die nicht der Kulturgruppe der Kugelamphoren, 
einschliesslich der zugehörigen Begleitgefässe, zufallen, habe ich in den 
ersten Zug aufgenommen; ebenso offenkundig spätneolithische Flach¬ 
gräber ohne Steinschutz, auch wenn sie nicht ausgesprochen zur Kultur 
der Schnurkeramik gehören, in den dritten Zug eingereiht. So ist nur 
sehr weniges von wichtigeren Funden wegen unklarer Kulturbeziehungen 
unberücksichtigt geblieben, so z. B. die merkwürdigen Skelettgräber von 
Smolong, Kr. Stargard i. Wpr., bei denen sich Halsgehänge fanden 
aus Zähnen vom Ur, Wisent, Edelhirsch und Wildpferdfohlen (XV. amtl. 
Bericht des Westpreuss. Prov.-Mus. f. 1894, S. 24 f.). 

Die Aufzählung bringt die einschlägigen Erscheinungen vom Oder¬ 
gebiet an ostwärts, in Hinterpommern, in der Neumark, in West- und 




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82] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


83 


Ostpreussen auch für die Teile, die über die Grenzen des Kartenbildes 
hinaus liegen: überall nur die ganz sicheren und klaren Funde. Für 
den Kundigen brauche ich nicht erst hervorzuheben, dass die Feststellung 
der Fundorte schon für Galizien und mehr noch für Polen eine müh- 
selige und überaus zeitraubende Arbeit war, dass aber für Russland 
auch die Heranziehung der grössten erreichbaren Spezialkarten russischer 
Arbeit trotz aller darangesetzten Augenüberanstrengung schliesslich ver¬ 
geblich war. 

Die Numerierung der Fundorte erstreckt sich nur auf die in der 
Karte vertretenen Plätze, die dort dieselben Nummern führen. 

I. Zug. 

Brandenburg. 

Frankfurt a. O. (?): Senkrecht gefurchter Bauch eines nordwestdeutschen 
Megalithbechers und vierfüssige kl. Schale mit Tiefstichverzierung. — Samm¬ 
lung des Universitätsprofessors Joh. Chrph. BEKMANN in Frankfurt a. O. 
(t 1717). — Stadt. Mus. Braunschweig. 

Hinterpommern. 

Kr. Kammin: 

Insel Gristow: Skelettgrab, Boden eines Tongefässes (hierher?), zwei Stein¬ 
äxte, zwei Steinmesser, Bernstein. — WALTER, Lemckefestschrift S. 10, 
Nr. 36. — Mus. Stettin 156. 

Kr. Greifenhagen: 

Sinzlow: Ansiedlung; Scherben mit Strichzonen und Tannenzweigornament. 
— WALTER, Prähistor. Funde Stettin 1889, Nr. 168. — Mus. Stettin. 

Kr. Saatzig : 

Nörenberg: Grab, Scherben mit Tannenzweigornament. — WALTER, ebd. 
Nr. 59. 

Westpreussen. 

Kr. Dirschau: 

1. Burgwall Schliewen: ein Scherben. — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig 
für 1907, S. 20, Fig. 9 (CONWENTZ). 

Kr. Stuhm: 

2. Weissenberg: Ansiedlung, Scherben. — Mittig, d. Coppern. Vereins f. 
Wiss. u. K. zu Thorn Heft 15, März 1907, Nr. 1, S. 8 f. (DORR). - Mus. 
Elbing. 

Kr. Marienwerder: 

3. Warmhof bei Mewe: Trichterrandbecher (s. oben S. 64, Abb. 12, die ich 
E. BLUME verdanke). - Sammlg. FIBELKORN in Warmhof. 

Kr. Kulm: 

4. Lorenzberg bei Kaldus: Trichterrandbecher, ganz und in Scherben (s. oben 

S. 65, Abb. 18). — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig f. 1905, S., 16 
(CONWENTZ). 

5. Golotty: Scherben mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Roczniki tow. 
nauk. Toruniu 15, 1908, S. 169 ff., Abb. 5-13 (CHMIELECKI). 

6 * 


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84 


Gustaf Kossinna. 


[83 


Kr. Thorn: 

Wibsch: = Golotty (ebd. Abb. 12). 

6. Kulmsee: = Golotty (ebd. Abb. 3/4). 

Ostpreussen. 

Kr. Allenstein: 

7. Wuttrienen: Flachgrab, 2 Feuersteinbeile, Bernstei n perle, Scherben 
mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Sitz.-Ber. d. Phys.-ök. Ges. Königsberg 
1877, 265 (TISCHLER); Phot. Album der Berl. Ausstellung 1880, Scct. 1, 
Taf V.; KLEBS, Bernsteinschmuck 43, Taf. XI, 6. — Prov.-Mus. Königsberg. 

Posen. 

Kr. Schwerin: 

Kl. Krebbel: Ansiedlung, Trichterrandbecher, Doppelhenkelkrug der Kultur 
der Kugelamphoren, Hirschgeweihhacke. — Nachr. a. d. Alt. 1892, 66 (WEIGEL). 
— Mus. f. Volk. Berlin. 

Kr. Kolmar. 

8. Helldorf (früher Heliodorowo): Kragenflasche (s. oben S. 62, Anm., Abb. 4). 
Kr. Schubin: 

9. Dobieszewko: Schale mit 2 benachbarten Ösen, auf der Gegenseite ein 
senkrechtes Band, Tannenzweigmuster (s. oben S. 65, Abb. 19). — K. Frdr.- 
Mus. Posen. 

10. Slupy: eine gleiche Schale. — Poln. Mus. Posen. 

Kr. Hohensalza: 

Jesuiterbruch: Verzierte Randscherben von Trichterrandbechern. — 
Mannus 1, 138 (BLUME). — K. Frdr.-Mus. Posen. 

11. Kolonie Tannhofen (früher Tarkowo): Wohnstätte, Trichterrandbecher nebst 
Randscherben (s. oben S. 64, Abb. 15). — Jahrb. d. Histor. Ges. f. d. Netze¬ 
distrikt, Bromberg 1891, Tafel, Abb. 2. Mittig, d. Coppern. Ver. f. Wiss. u. K. 
zu Thorn, Heft 16, Dez. 1908, Nr. 4, S. 62 ff. (SEMRAU). — Mus. Bromberg. 

Kr. Strelno: 

12. Königsbrunn, Burgwall: Randscherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 
1897, 172 (LEHMANN-NITSCHE). 

Montwy: Scherben. — Mus. Bromberg. 

Kr. Wongrowitz: 

13. Czeschewo: Gefäss, Strichzonen und Zickzacklinie. — K. Frdr.-Mus. Posen. 

Kr. Obornik: 

14. Objezierze: Schale mit Fingernageleindrücken und vier Buckeln auf der 
Schulter. — BLUME, Ausstlg. Posen 1909, Nachtrag S. 98, Nr. 1517 mit Abb. 

Kr. Kosten: 

15. Granowko: Randscherben mit Strichzonen. — K. Friedr.-Mus. Posen 1901, 
128 (Slg. KOEHLER). 

16. Godsiszewo-Kokorzyn: Vorratsgefäss mit 5 Schnurösen unter dem kurzen 
Hals, 53 cm hoch. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1107. 

Kr. Pieschen: 

17. Lutynia: Kragenflasche. —- Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131 (SEGER). — 
Poln. Mus. Posen. 


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84] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 85 

Schlesien. 

Kr. Glogau: 

18. Nosswitz: Wohnstätten (s. oben S. 62). — Mus. Breslau. 

Kr. Neumarkt: 

19. Landau: Ansiedlung, 4 Qefässe im Charakter der Megalith-Keramik; Nr. 1 
in der Form = BELTZ, Vorgesch. Altert. Mecklenbg. 1910, Taf. 16, 146. — 
Beiträge z. Urgesch. Schlesiens 1906. III, 44 f. (RICHTER). — Mus. Breslau. 

Kr. Breslau: 

20. Gräbschen: Scherben von Trichterrandbechern. — Mus. Breslau. 

21. Hartlieb: Ansiedlung, 2 Trichterrandbecher. — Mus. Breslau. 

Kr. Nimptsch: 

22. Jordansmühl: (s. oben S. 62 ff. und Abb. 6, 7); dazu Grab 33, auch von 
nordischem Charakter. - Archiv f. Anthr. N. F. V, S. 129 ff. Taf. VI. VIII (SEGER). 

23. Trebnig: 1 Trichterrandbecher und andere Gefässe von nordischem Charakter. 
— Schles. Vorzeit VI, 65 f. 1894 (SEGER). — Mus. Breslau. 

Kr. Ohlau: 

24. ?: Kragenflasche (s. oben S. 62 f., Abb. 5). — Röm. German. Zentralmus. 
Mainz. 

Kr. Leobschütz: 

25. Badewitz: Kragenflasche. — Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131, Fig. 27 (SEGER). 
Mus. Breslau. 

Kr. Troppau: 

26. Katharein: Ansiedlung, Kragenflasche. — Mittig, d. prähist. Kommission. 
Wien I, 408, Fig. 2 (HÖRNES). 

West-Galizien. 

Bez. Chrzanow: 

27. Lipowiec: Scherben mit Strichzonen und Meisseistichreihen. — Akad. Krakau. 

Bez. Krakau: 

28. Zastow (nordöstlich von Krakau): Ansiedlung oder Grab, Kragenfläschchen, 
Mondhenkelkrug, Streithammer aus Serpentin vom ostdeutsch-schwedischen 
Typus (s. oben S. 63, Abb. 10). — Wiadom. numizmat. arch. IV, 313. Krakau 
1901 (DEMETRYKIEW1CZ). — Univers. Krakau. 

30. Kami ow, östl. von Krakau: Mondhenkelkrug, gef. 1858. — Wiad. num. 
arch., a. a. O. — Akad. Krakau. 


Polen. 

Gouv. Kielce: 

Bez. Olkusz: 

29. Jerzma nowic bei Oicow, Kr. Cianowice: Trichterrandbecher-Keramik. — 
F. RÖMER: die Knochenhöhlen von Oicow in Polen. Cassel 1883. Taf. VI. 4. 
(Palaeontographica XIX, 4). 

Oicow, Kr. Cianowice: Randscherben mit Zickzacklinie und senkrechten 
Leiterbändern. — Materyaly antrop.-archeol. i. etnogr. 1901. 111. 52 ff. 
(SZARNOWSKI). 

Bez. Miechöw: 

31. T o m a s z o w bei Proszowic, Kr. Wawrzynczyce: Trichterrandbecher-Keramik. — 
Wiad. num. arch., a. a. O. — Univers. Krakau. Nr. 8546, 8650. 


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Gustaf Kossinna. 


[85 


32. Mieroszow: Trichterrandbecher. — Materyaly III, 55 (WAWRZENIECKI). 

33. Radziemice, Kr. Lentkowice: Trichterrandbecher-Keramik. — SWIATOWIT 
1900. II, 84 (MAJEWSKI). 

34. L e 1 o w i c e, Kr. Paleczince: (s. oben S. b5 ff. u. Abb. 9). — Wiad. num. arch. 
a. a. O. — Akad. Krakau. 

Bez. Stopnica: 

35. Jastrzembiec, Kr. Stopnica: Randscherben mit Strichzonen. — SWIATOWIT 
I. Taf. V oben (MAJEWKSI). 

36. Gora, Kr. Lubnice: ein Randscherben. — SWIATOWIT II, Taf. VII (MAJEWSKI). 

37. Grabowa, Kr. Lubnice: Strichzonenscherben. — SWIATOWIT II, Taf. V 
(MAJEWSKI). 

Ossowka, Kr. Szydlow: Randscherben. — MAJEWSKI, Przedhistoryczne 
narzendzia krzemienne, zebrane pod wsi% Ossowka. Warszawa 1895, Taf. 
XXI, 11, 12, 13. 

Gouv. Radom: 

Bez. Radom: 

39. Z a wady, Kr. Jedlinsk; Scherben von Trichterrandbechern. — Materyaly X, 50. 
Taf. XIX (WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau. 

Gouv. Lublin: 

Bez. Nowo-Aleksandrija. 

40. N al enczo w, Kr. Wamwolnica: (s. oben S. 63 f., Abb. 8, vgl. unten Zug II, 
Nr. 85.) - SWIATOWIT 1905, VI, 84 ff. (WIERCIENSKI). 

Gouv. Warschau: 

Bez. Wloclawek: 

41. Potok, Kr. Smilowice: gef. 1880, Randscherben mit Strichzonen u. a. — 
Univers. Krakau. 

Gouv. Plock: 

Bez. Lipno. 

42. Pokrzy wnik, Kr. Skempe: Scherben wie Potok Nr. 35. — Univ. Krakau. 

Ostgalizien. 

Bzhmsch. Cieszanow: 

Bez. Cieszanow: 

Ruda Rozaniecka: 1 unverzierter Trichter randbecher, Scherben eines zweiten 
Gefässes, dicknadciges Feuersteinbeil. — Mitteilungen d. Wien, anthr. Ges. 1884, 
Verh. 111 (WATTMANN, SZOMBATHY); M. MUCH, Kunsthistor. Atlas. Wien 
1889. Taf. VII. — Privatbesitz. 

II. Zug. 

Brandenburg. 

Kr. West-Sternberg: 

Sonnenburg-Säpzig: Unterirdische Steinkiste, 3 Skelette, Feuersteinbeil, 
Tonring. — Kat. d. prähist. Ausst. 1880, S. 84, 8; Phot. Album ders. Ausst. IV, 8. 
Säpzig: Unterirdische Steinkammer, 5 Skelette, 5 Feuersteinbeile. — Kat. d. 
prähist. Ausst. 1880, S. 105 ff. — Mus. Müncheberg i. d. Mark. 

Kr. Züllichau: 

(?): 3 Gefässe vom Bernburger Typus. — BRUNNER, Steinzeitliche Keramik in 
d. M. Brandenburg, Fig. 29, 64, 65. — Mark. Mus. Berlin. 


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Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


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Kr. Landsberg a. W.: 

Lipke: Sehr grosses, stark gebauchtes Tongefäss mit schmälstem Boden, auf 
den Schultern mit einem System v'orf je 3 nasenartigen Wülsten besetzt. — 
Mus. f. Völk. Berlin. 

Kr. Königsberg i. N.: 

Alt-Reetz: Scherben mit Ornament in der Art der Kugelamphoren. — 
BRUNNER, a. a. O. Fig. 74. — Mark. Mus. Berlin. 

Eichhorn bei Grüneberg: Oblonges Steinkammergrab („Steinkeller“), Südseite 
offen. — BEKMANN, Hist. Beschreibung d. Chur- und Mark-Brandenburg, 
Brl. 1750, I, 359 Taf. I, Abb. V. 

Zell in a. Oder: Steinsetzung, darin Wetzstein, »Behaustein“ (= Steinbeil), 
»durchbohrte Kugel“ (= Keulenkopf). - BEKMANN, a. a. O. I, 411, Taf. XII, 
Abb. 5/6. 

Kr. Soldin: 

Rostin: 10—11 sog. Hünenbetten. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 303 
(VOSS). 

Kr. Friedeberg i. N.: 

Alt-Friedrichsdorf: ein aus grossen Steinen gebautes Hünengrab. — Akten 
d. Kgl. Mus. f. Völk. Berlin 878, 97. 


Hinterpommern. 

Kr. Kammin: 

Klemmen: Hünenbett, Scherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 73 (VOSS). 

Kr. Greifenhagen: 

Marwitz: Steinkiste mit „Urnen“, 2 Steinbeile. — WALTER, Prähistor. Funde, 
Nr. 186. 

Neumark: 3 „Hünengräber“; in einem von ihnen eine Steinkiste mit Hocker. 
— WALTER, a. a. O., Nr. 151. 


Kr. Saatzig: 

Alt-Damerow a. d. Ihna b. Stargard: Kujawische und länglich viereckige Gräber. 
— WALTER, a. a. O., Nr. 74. 

Berkenstein: Kujawisches Grab. — WALTER, a. a. O., Nr. 75. 

Silber: Kujawisches Grab im Hügel. — Mündl. Mittig. STUBENRAUCHs. 
Stargard i. P.: 1. Megalithkammer in viereckiger Steinsetzung. — BEKMANN, 
a. a. O., Taf. III, Nr. III. 

2. 2 hochhalsige Amphoren vom ältesten Bernburger Typus, reichst verziert. 
— WALTER, Lemcke-Festschrift S. 10, Abb. 40, 41. — Mus. f. Völk. Berlin. 
Streckenthin: zerstörte Steinkammer unter grossem Hügel, Skelett, Gefässe 
(verloren), Beil, Speerspitze und Messer aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. V. 
1901, 18 f. Abb. I — III (STUBENRAUCH). — Privatbesitz. 

Succow: Kugelamphore, gefunden im Torfmoor (s. oben S. 68, Abb. 24). — 
Balt. Studien Bd. 46, 1896, Taf. I, 33 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke- 
festschrift S. 3, Abb. 2. — Mus. Stettin. 


Kr. Pyritz: 

1. Kujawische Gräber: 

Brietzig: 11, dabei 6 rundliche Steingräber. — WALTER, Prähistor. 
Funde Nr. 141. 


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Gustaf Kossinna. 


[87 


Dobberphul: 2. - WALTER Nr. 93. 

Dölitz: 3, nebst 2 Steinkammergräbern. — WALTER Nr. 95; Balt. Stud. 

1902, N. F. VI, 173 f. (WALTER). 

Isinger: 2. — WALTER Nr. 164. 

Kloxin: 5. - WALTER Nr. 136. 

Klützow: .Hünengrab*, Feuersteinbeil. — Balt. Stud. 1904. N. F. VIII, 
108 (STUBENRAUCH). - Mus. Stettin. 

Kossin: 5. - WALTER Nr. 140. 

Krüssow: 2. — WALTER Nr. 100. 

Lettnin: 15. - WALTER Nr. 142. 

Mützeiburg: 24. — WALTER Nr. 140. 

Plönzig: mehrere. — R. HOLSTEN, d. Verkehrsverhältnisse im Pyritzer 
Weizacker in vorgeschichtlicher Zeit. Pyritz 1909, S. 9. 

Prillwitz: 10. - WALTER Nr. 139. 

Pumptow: mehrere. — WALTER Nr. 96. 

Sabow: 1 (?). - WALTER Nr. 163. 

Sallentin: mehrere. — WALTER Nr. 99. 

Schöningsburg: Kujawisches Doppelgrab, 80 Schritt lange Steinum¬ 
fassungen. — Balt. Studien Bd. 46, 1896. Taf. I, 3 (STUBENRAUCH); 
WALTER Nr. 123. 

2. Steingräber mit länglich viereckigen Steinumfassungen: 

Blumberg: 1. - WALTER Nr. 96. 

Falkenberg: 4. — WALTER Nr. 92. 

Fürstensee: 4. — WALTER Nr. 122. 

Jagow: 1. - WALTER Nr. 120. 

Schwochow: 1. — WALTER Nr. 159. 

Warsin: 5. - WALTER Nr. 121. 

Wartenberg: 1. —- WALTER Nr. 165. — Ausserdem 1 Steinkiste mit 
Lanzenspitze, Beil, Säge (?) aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. VIII. 
1904, 156 (WALTER). 

Woitfidc: 4. - WALTER Nr. 38. 

Kr. Naugard: 

Farbezin: zerstörte unterirdische Steinkiste, Scherbenreste, Beil und Messer 
aus Feuerstein. — Pomm. Monatsbl. 1897, 66 ff., Abb. S. 72 f. (STUBEN¬ 
RAUCH). — Mus. Stettin. 

Kr. Schivelbein: 

Schlönwitz: 2 Steinsetzungen, je 100 Schritt lang. — BEKMANN. a. a. O. 
S. 365, Taf. IV, Fig. I und II. 

Kr. Belgard: 

43. Gr. Rambin: Steinkiste in Hügel, 5 Hocker, 1 Feuersteinmeissei, B ern¬ 
st einperle, 5 Kugelamphoren (s. oben S. 68, Abb. 25), Eberschädel. — 
Balt. Studien, Bd. 46, Taf. I, 15, 20, 32 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke- 
festschrift S. 4 f., Abb. 8—12. —* Mus. Stettin. 

Kr. Bublitz: 

44. Oberfier: Steingräber, ein Schädel. — Jahresber. d. Ges. f. pomm. Gesch. 
III, 50 u. IV, 23; Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 488 f. (SCHUMANN). - 
Mus. Stettin. 


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88] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


89 


Kr. Neu-Stettin: 

45. Persanzig, Mühle: 4Steinzeitgräber,Steinhämmer. — KASISKI,Beschreibung 
d. vaterl. Altert, im Neustettiner u. Schlochauer Kreise. Danzig 1881. S. 51, 
55, 57 f., 74 ff. (Hügel 11, 16, 33 j .Hünengrab“). 

46. Schönthal: Steinplattenkiste in Hügel, Skelett, 2 Feuersteinbeile, Feuer¬ 
steinlanzenspitze. — KASISKI, a. a. O. S. 87. 

47. Münchöwshof: Steinkistengrab, Feuersteinbeil, Feuersteinlanzenspitze. — 
Kat. der Berl. Ausst. 467, 4. 13. 

Kr. Stolp: 

Lupow: kujawische Gräber. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 304 (VOSS). 
Pottangow: kujawisches Grab mit Hügel. — Mündl. Mittig. STUBENRAUCH’s. 

Westpreussen. 

Kr. Schlochau: 

48. Zechlau: Monolithgrab in Hügel, Kugelamphore (s. oben S. 68, Abb. 26). 
— KASISKI, a. a. O. S. 45 f., Taf. IV, 64. — Mus. f. Volk. Berlin. 

Kr. Könitz: 

49. Luttom: 8 m weite Steinkreise ohne Mittelstein. — Bericht d. Prov.-Mus. 
Danzig f. 1894, S. 25 (CONWENTZ). 

50. Cissewie: Steinkreise. — Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1890, S. 10 f. 
(CONWENTZ). 

51. Odry: 9 Steinkreise und 11 Gruppen Trilithen (1874) (s. oben S. 66 f., Abb. 21). 
— Schriften d. Danz. Naturf.-Ges. N. F. III, 3, S. 16 (LISSAUER). 

52. Bösenfleisch: Grosser Steinkreis. — Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marien¬ 
werder II, 77, Nr. 4 (HIRSCHFELD). 

Kr. Pr. Stargard: 

53. Starschiska: Steinkreise um grösseren Mittelpfeiler, Tongefässe u. a. — 
Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marienwerder 1877, II, 81 (HIRSCHFELD); LISSAUER, 
Denkmäler S. 42, Nr. 9. 

54. Ossowo: Steinkreis. — OSSOWSKI, Carte archdol. S. 81, Nr. 11. 

Kr. Karthaus: 

Seefeld: Steinkreise um Trilithen herum. — Preuss. Prov.-Blätter 1852, 1,136 
(FOERSTEMANN); LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 8. 

Kr. Schwetz: 

Dulzig: Ansiedlung, Scherben (hierher?), Steingeräte. — 29. amtl. Bericht d. 
Mus. Danzig f. 1908, 22 (CONWENTZ). 

Kr. Marienburg: 

56. L i e b e n t h a 1: Steinkistengrab, Leichenbrand, Tongefässe, SteinmeissQl, 2 Stein¬ 
hämmer. — Sitzber. d. Danz. anthr. Ges., 7. Dez. 1881 (FLOEGEL); Verh. d. 
Berl. anthr. Ges. 1892, 153 (Olshausen). — Mus. Danzig. 

Kr. Elbing: 

Katznase: Verzierte Scherben. — Mittig, d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K. zu Thorn, 
März 1907, Heft 15, Nr. 1, S. 8 f., Abb. 35-43. (DORR). - Mus. Elbing. 
Reimannsfelde: Verzierte Scherben. — Ebda. Abb. 28-34. 

Kr. Stuhm: 

55. We iss e nb e rg (vgl. oben Zug I Nr. 2): Verzierte Scherben. — Ebda. 
Abb. 44 -48. 


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Gustaf Kossinna. 


[89 


Kr. Graudenz: 

57. Gross-Leistenau: Unterirdische Steinkiste, 7 Gefässe (verloren), Beil 
aus gebändertem Feuerstein, 4 Bernsteinperlen, 1 Bernstei nlinse. — 
Schriften d. Phys.,ökon. Ges. Königsberg 1883 , 24, 104 f. (TISCHLER).— 
Prov.-Mus. Königsberg i. Pr. 

Kr. Briesen i. Westpr.: 

58. B riesen i. Westpr.: 2 Skelette in Steinumfassung, 2 grosse Feuerstein¬ 
messer, 1 Schädel, brachycephal (82,8). — Kat. d. präh. Ausst. Berlin 1880, 
413, 467. — Prov.-Mus. Königsberg i. Pr. 

Kr. Strasburg i. Westpr.: 

59. Mszanno, Schöngrund: Steinkiste, 2 gebänderte Feuersteinbeile. — 
OSSOWSK1, Monuments prdh. de Tanc. Pologne 1881, I, 2, 60; Zbior wiad. 
V. 3, 4. 

Guttowo: Monolithgrab unter gewaltigem erratischen Block, Skelett, vierösige 
kl. Amphore (oder Becher?) mit Strichzonen und Zickzacklinien, Bernstein¬ 
röhrenperlen. — 29. amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1908, S. 22, Abb. 3 
(CONWENTZ). 

Kr. Kulm: 

60. G e 1 e n s: Kujawische Gräber, Feuersteinbeil. — Sitz.-Ber. Danz. anthr. Ges. 
12. Nov. 1884 (v. WINTER). 

Dolken: Ansiedlung, Scherben (hierher.?), Steingeräte. — 29. amtl. Bericht d. 
Mus. Danzig f. 1908, S. 22 (CONWENTZ). 

61. Trzebcz: 3 Steinkreise um 3 Mittelsteine (s. oben S. 66 f., Abb. 20a, b), reich 
verziertes Gefäss, Reibestein, 4 Bernsteinröhrenperlen. — Zeitschr. d. 
hist. V. f. Marienwerder, 1877, II, 82; OSSOWSKI, Monuments pr^hist. de 
l’anc. Pologne I, 3, 1885, Taf. 32, 33; Rocznik tow. nauk. Toruniu I, 1 ff.; Taf. 
II, III, (OSSOWSKI); KLEBS, Bernsteinschmuck S. 48. — Poln. Mus. Thorn. 

62.Scharnese: Wohnstätte, reich verzierte Scherben. — Amtl. Bericht d. 
Prov.-Mus. Danzig f. 1902, 23; 1903, 24 (CONWENTZ). 

Uszczerberg bei Kulm: Verzierte Scherben. — Mus. Magdeburg (Smlg. 
BAUER). 

Kr. Thorn: 

63. N a wra: Steinkiste mit Kugelamphore (s. oben S.69.74, Abb.47).— OSSOWSKI, 
Carte archeol. S. 67, Nr. 216. — Univ. Krakau Nr. 622. 

64. Kulmsee: Ansiedlung, Kugelamphore (s. oben S. 68 f., Abb. 27). — XXII. 
Amtl. Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1901, 28 (CONWENTZ); CONWENTZ, 
d. westpreuss. Prov.-Mus. Taf.. 43, 2. 

Prov. Posen. 

Kr. Birnbaum: 

Birnbaum: Kugelamphore. — Blume, Katalog Ausst. Posen 1909 Nachtr. 
S. 171. - Mus. f. Völk. Berlin, I d 2077. 

Kr. Schwerin: 

Kl. Krebbel (vgl. oben Zug I S. 84): Ansiedlung (s. oben S. 65. 67.69, Abb. 29), 
schnurverzierter Krug mit 2 nahegestellten grossen Henkeln (Begleitgefäss der 
Kugelamphoren), Trichterrandbecher, Hirschgeweihhacke. — Nachr. ü. d. Alt. 
1892,66, Fig. 1 (WEIGEL); Zeitschr. f. Ethnol. 1902, 173, Abb. 18 (KOSSINNA). 
— Mus. f. Volk, Berlin. 


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Original frorn 

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90] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


91 


Kr. Wirsitz: 

65. Eichenhagen: 1. Steingrab mit Skelett, 2. Steinkammer, darunter ge* 
strecktes Skelett, Scherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883 , 435, 
(V1RCHOW). 

66. Weissenhöhe: Steinkammer mit Skelett, 4 Feuersteinbeile. — Dieselb. 
Verh. 1876, 219, Nr. 3. - Mus. f. Völk. Berlin (Smlg. CRÜGER). 

Kr. Obomik: 

67. Objezierze: „Bedecktes Steingrab mit Urnen“, Feuersteinbeil. — Kat. d. 
präh. Ausst., Berlin 1880, S. 389, Nr. 12. — (Smlg. WITT). 
Objezierze-Kowalewko: Steinkiste mit Skelett. — BLUME, Kat usw. 
Nachtrag S. 94, Nr. 1381. 

68. Lulin: „Schöne Gefässe“, Feuersteinbeil, Steinaxt (hierher ?). — W. 
SCHWARTZ, Materialien. Progr. Posen 1875. — Poln. Mus. Posen (?). 

Schlesien. 

Kr. Steinau: 

69. Köben: Grosse Steinsetzung mit Leichenbrand; weitmundiger, grosser Napf, 
(Begleitgefäss der Kugelamphoren) (s. oben S. 69, Abb. 28). — Nadir, f. d. 
Alt. 1899, 82 (BRUNNER). - Mus. f. Völk. Berlin. 

Prov. Posen. 

Kr. Znin: 

70. Znin: Steingrab, 4 Gefässe. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1685. 

Kr. Mogilno: 

71.Schlabau (früher Slaboszewo): 2 kujawische Megalithgräber, Tongefässe, 
Feuersteinbeile, Diorithammer, Geweihmeissei, viel Menschen- und Tierknochen. 
— Verh. d. Bert anthr. Ges. 1879, 225 ff. (W. SCHWARTZ). — Poln. Mus. 
Posen. 

72. Padniewo: Kugelamphore, Scherben. — Poln. Mus. Posen. 

P<akosdt: Verzierte Scherben einer Kugelamphore (gef. 1910). — K. Friedr. 
Mus. Posen. 

Kr. Hohensalza: 

73. Gr. K o 1 u d a : Doppelhenkelkrug = Kl. Krebbel (s. S. 90). - Pos. arch. 

Mitt. I, 61. — Poln. Mus. Posen. 

Kr. Strelno: 

74. Rzeszy nek: A. B. Kujawisches Grab, 2 Skelette, Kugelamphore; C. Hügel: 
Kugelamphore, Begleitnapf, Becher; E. Steinkammer, Skelett, 2 Feuersteinbeile, 
1 davon gebändert, grosse durchlochte Bernsteinlinse, Eberzahn. — Pos. 
arch. Mitt. I, 36, Taf. XIII, XIV (v. LEBLINSKI); KOEHLER u. ERZEPKI, 
Posener Album I, Taf V. — Poln. Mus. Posen. 

Kr. Jarotschin: 

75. Szczonowo bei Pogorzelice: degenerierte Kugelamphore. — K. Friedr.- 
Mus. Posen. 


Gouv. Warschau: 

Bez. Nieszawa: 

76. R adziejevyo, Kr. Byton: 
terialien I, 107. 


Polen: 


Kujawische Gräber. — KOHN und MEHLIS, Ma- 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



92 


Gustaf Kossinna. 


[91 


77. Wies Koscielna, Kr. Osienciny: Kugelamphore (s. oben S. 69, Abb. 31.) — 
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 434 (VIRCHOW); Zeitschr. f. Ethnol. 1902, 
173, Abb. 18 (KOSSINNA). — Univ. Krakau. 

78. Pscinno, Kr. Byton: Kujawische Gräber mit Skeletten, Scherben. — Schriften, 
d. Danz. Naturf.-Ges. III, Bd. 2, Heft 9, (SCHARLOCK). 

79. F a 1 is ze wo, Kr. Byton: Kujawisches Grab, Scherben vom Kugelamphorenstil, 
Feuersteinbeil. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 325, Fig. 4, 5. (v. ERCKERT, 
VIRCHOW). 

80. Czarnocice, Kr. Byton: mehrere kujawische Gräber, Skelette, verzierte 
Scherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 329 (v. ERCKERT). 

81. Swierczynek, Kr. Czamanin: viele kujawische Gräber; eines untersucht: 
Skelett, verzierte Scherben, Feuersteinbeil, Rindknochen. — Dieslb. Verh. 
S. 328. 

82. Swierczy n, Kr. Czamanin: 2 kujawische Gräber. — Dieslb. Verh. S. 316. 

84. Wierzbinek, Kr.Boguszyce: viele kujawische Gräber; eines enthielt 4 Skelette, 
Scherben, Knochengerät, weiblicher Schädel mit Index 84,9! — Dieslb. 
Verh. S. 326 ff. 

Bez. Wloclawek: 

83. Janischewek, Kr. Piaski: 4 kujawische Gräber, Grab 1: (s. oben S. 67 f., 
Abb. 23), Skelett, 2 Kugelamphoren, 1 vierösige Amphore mit Standboden, 
1 zugehöriger Napf (s. oben S. 69 f., Abb. 30), durchlochte Bernsteinscheibe, 
verziertes Falzbein (Geweih); in einem der Gräber kleiner Kupferdolch. — 
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1879, 428 f.; 1883, 430 f., Taf. VII (v. ERCKERT, 
VIRCHOW). 

G o u v. K a 1 i s ch : 

Bez, Kolo: 

85. Tymin, Kr. Izbica: 5 kujawische Gräber, Scherben von Kugelamphoren, ge¬ 
bändertes Feuersteinbeil, Schleifstein. — Verh. der Berl. anthr. Ges. 1880, 
330, Fig. 6 (v. ERCKERT, VIRCHOW). 

86. Chotel, Kr. Izbica: kujawisches Grab (s. oben S. 68, Abb. 22), mehrere Ton- 
gefässe (zerfallen), 2 gebänderte Feuersteinbeile, Skeletteile. — Dieslb. Verh. 
S. 317, 326. 

Gouv. Warschau: 

Bez. Wloclawek: 

87. Zurawice, Kr. Pyszkowo: kujawisches Grab, Skelettknochen, »sehr geschickt 
gemachtes* Gefäss. — KOHN und MEHLIS I, 93 f. 

Gouv. Plock: 

Bez. Lipno: 

88. Maliszewo, Kr. Bobrowniki: Bauch einer Kugelamphore. — Univ. Krakau. 

Gouv. Warschau: 

Bez. Plonsk: 

89. Szeromin, Kr. Wojty Zamoscie: (s. oben S. 68. 70f., Abb. 37, 38) Steinkiste, 
aufgedeckt 1882, Kugelamphorenrest, 2 vierösige Becher, 2 Feuersteinbeile 
(eines gebändert) - SWIATOWIT 1906, VII, 44, Taf. VI (RUTKOWSKI). 

90. Smoszewo a. Weichsel, Kr. Wychodz: Steinkiste (s. oben S. 67) in Hügel, 
Becher = Szeromin, mit dreifachem Zickzackband zwischen zwei Strichzonen. 
— OSSOWSKI, O Ceramice Domowej w okresie grobow kamiennych 
skrzynkowych, Krakau 1891, S. 11 ff., Fig. 2—5. — Akad. Krakau. 


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92] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 93 

91.Andzin, Kr. Blendowko: Runder „Steinkeller“ mit Skelett und Bern¬ 
stein (?)-Perlen. - KOHN und MEHLIS 1, 89. 

Bez. Pultusk: 

93. Lelewo a. d. Wkra, Kr. Czaijki: „Steinkeller“ aus Steinplatten auf Hügel, 
Durchm. 4 m.- KOHN und MEHLIS, 1, 88. 

Bez. Warschau: 

Pencice, Kr. Pruszow: Skelett auf Feldsteinen. —KOHN und MEHLIS 1,87. 

94. Nowy Dwor a. d. Weichsel: Steinkiste, 1890 von SAMOKWASSOW auf¬ 
gedeckt, 8 Skelette, Feuersteinbeile, knöcherne verzierte Gürtelplatte 
(— Uwisla), mehrere Dutzend Berns tei n perlen. — Bulletin de la Soc. 
d'anthropol. de Paris, 1895, S. 132 (ZABOROWSKI). 

Bez. Nowominsk: 

R e d zy n s k i e, *Kr. Iwowe, nahe am Swider: Feuersteinwerkstätte (hierher?), 
durchbohrte B e r n s t e i n linse. — KOHN und MEHLIS I, 167 Abbildung 
(PRZYBOROWSKI). 

Gouv. Lomza: 

Bez. Lomza: 

Piantnica, Kr. Drozdowo: „Steinkeller“ mit Skelett. — KOHN und 
MEHLIS I, 87 f. 

Gouv. Lublin: 

Bez. Nowo Aleksandrija: 

95. Drzewce, Kr. Wamwolnica: Steinkammer in Hügel, „5—7 Urnen zerstört“, 
die grösste wahrscheinlich eine Kugelamphore, angeblich mit „Asche und 
Knochen“, 1 Feuersteinbeil. - KOHN und MEHLIS I, 95 f. 

96. Nalen czow, Kr. Wamwolnica (vgl. oben Zug I, Nr. 40): 14 Gräber (s. oben 
S. 63 f., Abb. 8), Skelette, Kragenflaschen, Amphoren, Trichterrandbecher, 
Feuersteinspäne, Knochengeräte, Knochen- und Bernsteinperlen, 2 ost¬ 
deutsche Streithämmer. - SWIATOWIT 1905, VI, 81 f. (WIERCIENSKI). 

Gouv. Kielce: 

Bez. Sandomir: 

97. Garbowa, Kr. Dwikosy: Unterirdisches Megalithgrab, Feuersteinbeile, Feuer¬ 
steindolch, Feuersteinmesser; daneben Skelett in Feldsteinpackung. — KOHN 
und MEHLIS I, 85 f. 

98. Winiary, Kr. Dwikosy: Kugelamphore (s. oben S. 70.74, Abb. 48). — Vgl. 
Materyaly III, 87 ff. (DEMETRYKIEWICZ). — Univ. Krakau. 

99. Z Iota, Kr. Lamborzec: Steinkisten mit Hockern, 101 Gefässe, Amphoren, 
Becher, Henkeltöpfe, Mondhenkeltöpfe, Schalen, Feuersteinbeile, Streithämmer 
(s. oben S. 70. 74 ff., Abb. 35, 36, 49, 50, 56, 57, 58). In einem unveröffent¬ 
lichten Grabe grosse knöcherne Gürtelplatte, Halsgehänge aus knöchernen 
Nachbildungen von Hundezähnen, kleinste Knochenperlchen, 2 kleine Bern- 
steinperlen mit A -Bohrung. — Materyaly antropol.-archeol. i etnogr. 
Krakau 1906. IX, 1 ff., Taf. I- X. (HADACZEK). — Dzieduszycki-Mus. Lemberg. 

Bez. Opatow: 

100. Stodoly, Kr. Woyciechowice: Unterirdisches Megalithgrab. — KOHN und 
MEHLIS I, 87 f. 


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f 




94 Gustaf Kossinna. [93 

Bez. Pinczow: 

101. Zurawniki, Kr. Zlota: Steinkammer mit Skelett und Steinbeil (1817). — 
KOHN und MEHLIS I, 93. 

102. Rosiejow, Kr. Drozejowice: 3 Steinkistengräber, Nr. 1 mit Skelett, Nr. 3 mit 
verzierten Scherben (wie Nr. 99 Zlota). — Materyaly antrop.-archeol. X, 75 ff., 
Fig. 4, u. Taf. XVIII, 9 (WAWRZEN1ECKI). 

103. 7 G r uszewo bei Proszowice: Gräber = Nr. 90. 

Bez. Radzyn: 

104. Branica-Suchowolska: 2 Steinkammern, in der ersten ein Feuerstein¬ 
messer, in der zweiten (s. oben S. 69 f., Abb. 32), 2 Kugelamphoren, 1 vier- 
ösige Amphore mit Standboden, 1 weiteres Gefäss, 1 Feuersteinmesser. — 
KOHN und MEHLIS I, 91 ff. 

105. Okalew, Kr. Licia Wolka: 1. „Steinkeller“, Skelettknochen, Feuersteinbeile, 
Tongefässe, 2. ein anderes Megalithgrab. — KOHN und MEHLIS I, 90 f. 


Ost-Gal 5 zien: 

Bzhptmsch. Jaroslau a. San: 

Bez. Jaroslau: 

106. Sobi eci n: 2 unverzierte Kugelamphoren, viele Steinhämmer, viele polierte 
Tonschieferbeile, nur 2 kleine Feuersteinmeissei. — Dzieduszycki - Mus. 
Lemberg. 

Bzhmsch. Zaleszczyki: 

Bez. Tluste: 

107. Beremiany: Steinkammer (1827) aus 6 Platten unter grossem Hügel, 
5 Skelette nebst Feuersteinbeilen, Scherben (auch Schnurornament). — KOHN 
und MEHLIS I, 98 f. — Akad. Krakau. 

108. Kuszylowce: Steinplattengräber, Kugelamphore mit Winkclstich und Schnur¬ 
ornament, 3 Feuersteinschaber. — Akad. Krakau. 

Bzhmsch. Husiatyn: 

Bez. Kopyczince: 

109. U wisla: Steinplattenkisten ohne Hügel; 1 Kiste mit kurzköpfigem Hocker, 
1 Feuersteinmesser, verzierte knöcherne Gürtelplatten (s. oben S. 76, 
Abb. 53), 1 Tongefäss; zu Füssen 2 zusammengeschobene Skelette, langköpfig, 
mit je 1 Kugelamphore. — Zbior wiad. 1891, XV, 19 ff. Fig. 6, 7, u. Taf. 1 
(OSSOWSKI). 

110. K ociubince: 1. Steinkammer unter Hügel, 2 sitzende Skelette, 2 Kugel¬ 
amphoren (s. oben S. 68 f., Abb. 33), durchlochte B e r ns tei n linse, Tonperle, 
3 Feuersteinbeile; nahebei 3 Skelette (1 Hocker), 2. Monolithgrab mit 
Skelett. — Zbior wiad. 1877, I, 24 ff., Taf. I (KIRKOR); Schädel: ebd. I, 55, 
ff. (KOPERNICKI); KOHN und MEHLIS I, 99. - Akad. Krakau. 

111. Rakowkant: Steinkiste (1866), Feuersteinbeil, Streithammer. — Zbior wiad. 
1891, XV, 28 Taf. II, 1/2 (OSSOWSKI). 

Bez. Husiatyn: 

112. Czarnokonce: Steinkiste, Kugelamphore, verzierte knöcherne Gürtel¬ 
platten, Feuersteinmesser. — Zbior wiad. 1878, 11, 5 f. (KIRKOR); 1891, XV- 
25 f., Fig. 8 (OSSOWSKI). - Akad. Krakau. 



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94] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


95 


Bzhmsch. Horodenka: 

Bez. Horodenka: 

113. Czernelica, poln. Czarnolice: Steinkiste wie Nr. 99 Kociubince. — 
Slowansky Sbornik 1881, I, 25 (KIRKOR). — Freundliche Mittig, von 
L. NIEDERLE. Da die Zeitschrift in Deutschland nicht aufzutreiben ist, setze 
ich die Übersetzung der einschlägigen Stelle aus dem Aufsatze von A. KIRKOR 
„Vorgeschichtliche Gräber und Grabhügel in Polen, Litauen und Russland“ 
hierher: „Im Laufe der Forschung gelang es mir noch, in Öernokonce, Se- 
menowo, Beremiany und Kusilovce solche Steingräbe zu entdecken, die in 
Bauart und Inventar dieselben waren und immer zwei Skelette enthielten. 
Mit dem Grabe von Kociubince, Beremiany, Chorostkowo und Zielince haben 
wir jetzt [d. h. 1881] 8 Steingräber aus der neolithischen Zeit, alle im gali- 
zischen Podolien. Dazu hat noch H. PRZYBYSLAWSKI ein Grab derselben 
Gattung in Czarnolice in Pokutien gefunden. In Beremiany werden jähr¬ 
lich solche aufgedeckt; mir gelang es nur eines zu erforschen.“ 

Bukowina: 

Bez. Radautz: 

114. Unterhorodnik: Hügel mit Steinkiste und Skelett. -• Jahrb. d. Bukowincr 
Landesmus. III, 22 (SZOMBATHY). 

Bez. Sereth: 

115. Graniczestie, Jankulberg (1872): Steinplattengrab, 2 Skelette übereinander, 
zwischen den Beinen des grösseren 2 Tongefässe, rechts ein Achatbeil und 
eine Holzkeule. — Mittig, der Centr.-Commiss. Wien 1881, VII, S. LXXX, 
Not. 49. — Mus. Czemowitz. 

Wolhynien: 

Bez. Kremenec: 

116. Lepesovka: Steinkiste mit fladibodiger Kugclamphorc (Abb. 68). — 
Petersburger Izvestija arch. komm. 1909, H. 29, S. 54 (SP1CYN). — Freundl. 
Mittig, von L. NIEDERLE. 

Bez. Ostrog: 

117. Zaluza: Hügel (1869) mit sitzendem Hocker, eine rohe Kugelamphore mit 
Schrägstrichhalsband neben Schädel, Feuersteinmesser. - KOHN und MEHLIS I, 
293 ff. (Abbildung ungenau). — Akad. Krakau. 

118. Radzimin: Steinkiste. — Trudy des XI. russ. arch. Kongresses, Kiew 1899, 
S. 145 f. (ANTONOWITSCH). 

119. Okniny: Steinkiste. — Ebd. 

120. Stadniki: Steinkiste. — Ebd. 

121 Nowomalin: Steinkiste. — Ebd. 

122. Berchow: Steinkiste. — Ebd. 

Bez. Nowogradwolynski: 

123. Ostroschka: Steinkiste. — Ebd. 

Bez. Owrutsch : 

124. Sbranki: Steinkiste. — Ebd 

125. Dowgenitschki: Steinkiste. — Ebd. 

Bez. Shitomir: 

126. Da widowka : Steinkiste. — Ebd. 

127. Gorosch ki: Steinkiste. — Ebd. 



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96 


Gustaf Kossinna. 


[95 


Podolien. 

Bez. Kamenec Podolski: 

? (»neuerdings"): Steinkiste, Skelett »mit streng nordischem Schädel", 3 Feuer¬ 
steinstücke. — Angeblich Zbior wiad. XIX, welcher Band aber nicht existiert; 
Bull, de la Soc. d’anthrop. de Paris 1895, 132 (ZABOROWSK1). 

Bez. Litin: 

128. Nowa Sieniawa: (1884) Kugelamphore, Scherben, Blumentopfbecher mit 
Schnurornament (s. oben S. 75, Abb. 51). — Zbior wiad. 1889, XIII, 42 ff., 
Fig. 1—3 (NEYMAN); L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449, 
Abb. 1, 2. 


Ukraine. 

Bez. Wassilkow: * 

129. Losiatyn: Flacher Hügel, Skelett im gewachsenen Boden, Kugelamphorc 
(s. oben S. 69 f., Abb. 34), mit weiss eingelegten Strichzonen. — Zbior wiad. 
1889, XIII, 12 ff., Taf. I, 1, II, 4-7, (OSSOWSKI); L. NIEDERL£, a. a. O. 
451, Abb. 1. — Akad. Krakau. 

Bez. Kiew: 

130. Kiewer Gegend (?): Kugelamphore mit senkrechten Bauchbändern, wie 
zu Gingst auf Rügen, Rand fortgebrochen. — Collection KHANENKO, 
Antiquites de la region du Dnjepr, Bd. 1, Taf. V, 8. 

Nicht im einzelnen gehe ich auf die reich entwickelte uckermärkische 
Abteilung der Oderschnurkeramik ein, da man sie in SCHUMANN’s ‘Stein¬ 
gräbern der Uckermark’ ausführlich behandelt findet: Einzelgräber und ganze 
Gräberfelder bietet der Kreis Prenzlau an den Fundplätzen von Bandelow, 
Bagemühl, Basedow, Charlottenhöh (s. oben S. 80), Hammelstall (s. oben S. 71, 
Abb. 39, 40), Jagow, Moor, Neuenfeldt, Schönwerder, Sternhagen, Stramehl, Woll- 
schow; — der Kreis Angermünde in Hohensathen, Liepe, Lunow, Pinnow. — 
Anzureihen wäre hier noch ein solcher Fund, ein Becher mit horizontalem 
Tannenzweigornament am Halse, aus Alt-Barnim, Kr. Ober-Barnim; 
Sammlung G. A, WIRTH in Letschin-Oderbruch. 


III. Zug. 

Brandenburg. 

Kr. Königsberg i. N. 

Königsberg i. N.: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. 0. 
Fig. 44. — Mus. f. Volk., Berlin. 

Königsberg-Rollberg: Flachgrab, Leichenbrand (?), Zapfenbecher mit Schnur¬ 
verzierung, undurdhbohrter Streithammer. — Verhandl. d. Berl. Anthr. Ges. 
1892, 181 (GÖTZE); 1908, 772 Anm. (HINDENBURG); GÖTZE, Vorgeschichte 
der Neumark, Fig. 7; BRUNNER a. a. O., Fig. 50. — Mus. f. Volk., Berlin. 
Küstrin: Scherben mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. O., Fig. 75. 
Mus. f. Völk., Berlin. 

Warnitz: Flachgrab, Leichenbrand (?), 2 rohe Becher, schöner Streithammer. 
Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,178 (GÖTZE); BRUNNER a. a. O., Fig. 45, 46. 
— Mus. f. Volk., Berlin. 


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Original fro-m 

PRIINCETON UNIVERSITY 



96) 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


97 


Kr. Soldin: 

Kraazen: Hügel mit linkseitig liegendem Hocker, Feuersteinmesser, Knochen¬ 
gerät. — Kat. d. präh. Ausst. 1880, Berlin, S. 84 f. No. 3, Phot. Album 
Sect. IV, Taf. 8. 

Kr. Landsberg: 

Zechow; Flachgräber, 2 Skelette, Feuersteinbeil, 2Schmalmeissel, Bernstein- 
perle, Schweinegebiss. — GÖTZE, a. a. O., Fig. 10, 11; — BRUNNER, a. a. O., 
S. 53, No. 40. — Mus. f. Volk., Berlin. 

Kr. Züllichau: 

K a 1 z i g: Gräber mit Schnurkeramik, Leichenbrand (?). — Ausgrabung M. SCHULTZE 
in Bromberg (1909). 


Vorpommern. 

Kr. Demmin: 

Axelshof: „Hünengrab von Steinen“, Schnurbecher, Feuersteinlanzenspitze. — 
Balt. Studien 1904, N. F. VIII, 109, Taf. II, IV (STUBENRAUCH). - Mus. 
Stettin. 

Kr. Randow: 

Duchow: Hügel, Schnurbecher, 2 Feuersteinbeile, Feuersteindolch, Messer und 
Dioritbeil. -r- Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 181 (GÖTZE); WALTER, 
Lemckefestschrift, Abb. 24; Balt. Studien. 1896. XLVI, Taf. I, 34 (STUBEN¬ 
RAUCH). — Mus. Stettin. 

Glasow: Flachgräber, 3 Skelette, Feuersteinmesserchen. — Verhandl. d. Berl. 

anthr. Ges. 1891, 467 (SCHUMANN). — Mus. Stettin. 

Kasekow: Flachgrab mit Skelett, Becher der Schnurkeramik, 2 Näpfe, Feuer¬ 
steinmesser, Feuersteinbeil. — WALTER, Lemckefestschrift, Abb. 15—17; 
Schädel: Verh. d. ^erl anthr. Ges. 1891, 487 (SCHUMANN). — Mus. Stettin. 
P o d e j u c h: „Steinkaveln“ Schnurbecher, Bernstein scheibe, Feuersteinlanzen¬ 
spitze, Dioritbeil. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 180 (GÖTZE); 
WALTER, a. a. O., Abb. 21. — Mus. Stettin. 

Schönow: Schnurbecher, Einzelfund. — WALTER, a. a. O., Abb. 13. — Mus. Stettin. 


Hinterpommern. 

Kr. Stettin: 

Stettin unterhalb Bellevue: Skelett mit „Kette von steinzeitlichen Perlen“. — 
Balt. Stud. 46, 1896, S. 229 f. (WALTER). — Mus. Stettin. 

Kr. Qreifenhagen: 

B u ch h o 1 z: 7 Gefässe u. a. — Pomm. Monatsbl. 1904,1 ff. (STUBENRAUCH); Balt. 

Stud. 1907, N. F. XI, 216; 1908, N. F. XII, 215 (WALTER). — Mus. Stettin. 
Finkenwalde bei Altdamm: 1. Grab mit Steinpackung, 3 Gefässe mit Schnur¬ 
verzierung (darunter 1 Schnurbecher), 3 Feuersteinbeile. — WALTER, Lemcke¬ 
festschrift S. 10; Balt. Stud. 1907, N. F. XI, 216 (WALTER). - Mus. Stettin. 
2. Steingrab (?) („uralter Backofen“), Feuersteinbeil. -- Balt. Stud. 1909, N. F. 
XIII, 205 (WALTER). — Mus. Stettin. 

Dobberphul: Schnurbecher und -Napf. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 
181 (GÖTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 25, 26. — Mus. Stettin. 

Kl. Mölln: Schnurscherben. — Balt.Studien XLVI, 229 (WALTER). — Mus. Stettin. 
Mannus, Bd. 11. 7 


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98 Gustaf Kossinna. [97 

Marwitz: Burgwall: 2 Becher der Schnurkeramik: (1 Zapfenbecher). — Pomm. 
Monatsbl. 1890, 78; WALTER, a. a. O., Abb. 19/20. — Mus. Stettin. 

Rörchen: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — Mus. f. Volk., Berlin. 

Sinzlow: (vergl. oben Zug I) Moorfund: Zapfenbecher. — WALTER, a. a. O., 
Abb. 14. —* Mus. Stettin. 

Vogelsang, Mühle: Schnurscherben. — WALTER, Lemcke-Festschr. S. 12. — 
Mus. Stettin. 

Kr. Pyritz: 

Lettnin: Grab, 3 Becher mit Schnurverzierung. — Pomm. Monatsbl. 1890, 
149, 152, Abb. 1-3 (LEMCKE); WALTER, a. a. O., Abb. 18; Balt. Studien 
XL1V, 356 (WALTER). - Mus. Stettin; Sml. MICHAELIS, Lettnin. 

Kr. Saatzig: 

Wulkow: „Hünengrab“, Schnurbecher. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 
181 (GÖTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 23. — Mus. Stettin. 

Kr. Kolberg: 

Prettmin: Schnurscherben. — Ber. d. phys.-ök. Ges. Königsberg i. P. 1883, 112 
(TISCHLER). - Mus. Stettin. 

Kr. Lauenburg: 

Lauenburg: Schnurbecher. — WALTER, a. a. O., Abb. 22. — Mus. Stettin. 

Kr. Neustettin: 

1. Gramenz: Sitzender Hocker mit Bernstein haiskette. — Balt. Studien XX, 
Heft 2, 13. 


Westpreussen. 


Kr. Neustadt: 

Amalienfelde: Schnurscherben. — LISSAUER, Dkm. 45. — Mus. Danzig. 
Oxthöft, Heiliger Berg: Zylindrischer Zapfenbecher mit Schnurverzierung, 
Schnurscherben. — LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 15; Amtl. Bericht d. Mus. 
Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ); Abb.: Westpr. Wandtafel I. 


Kr. Putzig: 

Rutzau: Grosser Ansiedlungsplatz („Küchenabfallhaufen“): Schnurscherben u. a. 
(s. oben S. 78), - Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1894, 22; 1896, 32 (CON¬ 
WENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-Museum 1880-1905, Taf. 42. 

Kr. Könitz: 

2. Gr. Paglau: kl. Becher mit Schnuröse u. a. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig 
f. 1898, 36; 1899, 28 (CONWENTZ). 

Kr. Tuchei: 

3. Kelpin: Ansiedlung, Schnurscherben, Steingeräte u. a. — Amtl. Bericht d. 
Mus. Danzig f. 1898. 35 f. 1901, 28 (CONWENTZ). 

Kr. Flatow: 

4. Forsthaus Neuhof bei Vandsburg: Skelettgrab 70 cm tief, zylindrischer 
Zapfenbecher mit Schnurwindungen in Schraubenlinie. — Amtl. Bericht d. 
Mus. Danzig 1896, 33 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.- 
Mus. usw., Taf. 43, 1. 


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98] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


99 


Kr. Schwetz: . ; 

5. Topolno: Grube, tulpenartiger Becher mit eingeächweiftem Zapfen und 
ähnlicher zapfenloser Becher 'als Deckel. — Nachr. ü. d. A. 1902, 5 ff. (GÖTZE). 
— Mus. f. Volk., Berlin. 

Kr. Elbing: 

Tolkemit: „Küchenabfallhaufen“, Schnurscherben und vieles andere (s. oben 
S. 77). — Photogr. Album Ausst. Berlin 1880, Sect. I, Taf. IV, Nr. 162; 
Schriften d. Phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 28 ff. (TISCHLER); amtl. Bericht 
d. Mus. Danzig f. 1898, 34 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.- 
Mus., Taf. 41; Mittig, d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K, zu Thorn, Heft 15, März 
1907, Nr. 1, S. 2 ff., Abb. 1-27 (DORR). — Prov.-Mus. Königsberg; Mus. 
Danzig. 

Kr. Stuhm: 

6. Weissenberg (vgl. Zug I, Nr. 2; II. Nr. 55): Ansiedlung, Schnurscherben, 
Steingeräte. — Schriften der phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 22 (TISCHLER); 
amtl. Bericht d. Mus. Danzig für 1895, 34 (CONWENTZ). — Prov.-Mus. 
Königsberg; Mus. Danzig. 

W i 11 e n b e r g : Wohnstätte, Schnurscherben, Steingeräte. — TISCHLER, a. a. O. 22; 
LISSAUER, Dkm. S. 36, Nr. 14. — Prov.-Mus. Königsberg; Mus. Danzig. 

7. Neumark: Wohnstätte, Schnurscherben. — TISCHLER, a. a. O. 23. — 
Prov.-Mus. Königsberg. 

8. Nikolaiken: = 3aa Neumark. 

Kr. Rosenberg: 

9. Riesenburg: 2 Skelettgräber in Lehmmulde, elliptischer Doppelhammer, 
Schmalmeissei. — LISSAUER, Dkm. S. 35. — Mus. Danzig. 

10. Kl. Babenz: Grabhügel I, gestrecktes Skelett, Scherben, Streitaxt, grosse 
Bernstein perle. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1903, 24 f. (CON¬ 
WENTZ); CONWENTZ, d. westpr. Prov.-Museum, Taf. 45. 

Kr. Graudenz: 

11. Orle: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d. 

Mus. Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ). 

Kr. Kulm: 

12. Golotty: Scherben mit Wellenschnurorna¬ 
ment (s. oben S. 78). — Amtl. Bericht d. 

Mus. Danzig f. 1892, 16 f.; 1897, 27; 1898, 

35 (CONWENTZ). 

Kr. Thorn : 

13. Birglau: Henkelbecherchen (Abb. 69), „Ein 
dergleichen Töpfchen von grauem Thon von 
der natürlich grösze wie abgebildet ist bey 
Birglau im Sande von einem jungen ge¬ 
funden worden, allein es war nichts darinnen, 
es kann auch ein Thränen Töpfgen gewesen 
seyn allein solches ist ungewisz. 1780.“ — 

Thorner Ratsarchiv XIII, 60. — Die Abbildung verdanke ich der Freundlich¬ 
keit des Herrn Prof. SEMRAU in Thorn. 

14. Renczkau: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1898 , 36 

(CONWENTZ). 

7* 



Abb. 69. '/,. 

Birglau, Kr. Thorn, Westpreussen. 


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100 


Gustaf Kossinna. 


f99 


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Ost preussen. 

Kr. Osterode: 

15. Gilgenburg: 2 Skelette, Monolithgrab (1 Kopfindex 79), 2 Eberzähne, ein 
Tongefäss (hierher?). — Schriften d. phys.-ök. Ges. Königsberg 18, 265; 
23, 26 (TISCHLER); Schädel: 10, 144 ff. (v. W1TTICH). — Prov.-Mus. 
Königsberg. 

Kr. Neidenburg: 

16. Kownatken-See: Wahlbau (?), auch Schnurscherben. — Kat d. Prussia- 
Mus. 1906, 1, 71, Nr. 272 (KEMKE). 

Kr. Heiligenbeil : 

B a 1 g a: Hügelgrab, Streithammer, Dioritmeissel, Feuersteinmesser. —* LISSAUER, 
Dkm. S. 39. — Pruss.-Mus. Königsberg. 

Kr. Braunsberg: 

San kau: Wohnstätte mit Schnurscherben — TISCHLER, a. a. O. 22. — Prov.- 
Mus. Königsberg. 

Kr. Fischhausen: 

Wiskiauten, im Wäldchen Kaup: Hügel mit 2 Hockern übereinander, darüber 
1 frühbronzezeitliches Skelett, zu oberst ein Grab der Latene-Zeit; unterer 
Hocker (Kopfindex 63,1) mit 2 verzierten, je 4mal durchbohrten knöchernen 
Gürtelplatten und 1 Feuersteinlanzenspitze (s. oben S. 76, Abb. 54), oberer 
Hocker (Kopfindex 68,8) mit Porphyrhammer, Feuersteinmesser, Knochen¬ 
nadel. — Prussia-Berichte 1892/3, S. 46 ff., mit Abb. (HEYDECK); Kat. d. 
Prussia-Mus. 1906, I, Nr. 135 ff. (KEMKE). 

Rossitten: Skelettgrab, Streithammer, Feuersteinmesser, Knochennadel, Bern¬ 
stein ring, Imatrastein, versteinerte Koralle. — Kat. d. präh. Ausst. Berlin 
1880. S. 413, Nr. 164 (TISCHLER). — Prov.-Mus. Königsberg. 

Kr. Memel: 

Pillkoppen-Nidden: Scherbenstelle, geschweifter Becher mit horizontalen 
Schnittlinien und Tannenzweigmuster. — Schriften d. phys.-ök. Ges., Sitz.-Ber. 
1883, 24, 112, Fig. 9 (TISCHLER). 

Posen. 

Kr. Birnbaum: 

Grabitz: 2 Skelette unter Steinpflaster (hierher?). — Kais. Friedr.-Mus. Posen. 
- Frdl. Mittig, von E. BLUME. 17. IV. 1910. 

Kr. Wirsitz: 

17. Kaiserswalde: Blumentopfbecher mit Schnurornament (s. oben S. 72 f., 
Abb. 45), Streithammer. — E. BLUME, Kat. Ausst. Posen 1909, S. 61; Nr. 620, 
621 Abb. 

18. Weissenhöhe (vgl. oben Zug II, Nr. 66): Becher = Nr. 8 Kaiserswalde. 
— Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 436 f. t Taf. VIII, 1 (VIRCHOW). — 
Mus. f. Volk. Berlin. 

Kr. Filehne: 

19. Ros ko: Randscherben eines Schnurbechers. — Kais. Friedr.-Mus. Posen 
1896: 141. 


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100] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


101 


Kr. Schubin: 

20.1 wno: 8 Gräber (= Nr. 5 Topolno) in unregelmässiger Steinpackung, tulpen¬ 
förmige Becher, Henkeltopf mit Schnurornament, vierfüssige Schalen, Bern¬ 
stein perle, zweiösiges Gefäss mit Doppelstichreihen, Steingerät. — Zeitschr. 
f. Ethnologie 1905 , 899 ff. (BRUNNER); Mannus I, S. 235* Abb. 9, 10; 
II, S. 59, Abb. 1 (KOSS1NNA). 

Kr. Znin: 

21. Znin (vgl. oben Zug II, Nr. 70), Abhang 
westlich der Stadt: Schlauchförmiger Henkel¬ 
krug, der einzige Vertreter dieses Typus 
nördlich von Schlesien (s. oben S. 72 f f , 

Abb. 43), mit „nachgeahmter“ Schnurver¬ 
zierung, nebst einem grösseren Gefäss. — 

E. BLUME, Kat. d. Ausst. Posen 1909, 

Nachtrag S. 172, Nr. 752 Abb. 

Znin, Höhe westlich der Stadt: Henkeltopf 
mit 3 Paar hängenden Wülsten und wulst¬ 
artig verlängerten Henkelrändern. — E. 

BLUME, a. a. O., Nr. 753, mit Abb. (Abb. 70). 

Znin: Henkeltopf mit „nachgeahmter“ Schnurverzierung. — Kais. Friedr.-Mus. 
Posen 1906: 448. 

Kr. Hohensalza: 

22. Gr. Morin: Hügel mit 4 Skeletten; 1. Skelett (Kopfindex 66,5) mit Diorit- 
streithammer, durchbohrter Bernstein linse; 2. Skelett mit Diorithammer. 
— Zeitschr. f. Ethnologie 1878, 126, Taf. II; Schädel: Taf. IV, 8 (L1SSAUER); 
LISSAUER, Dkm. S. 26. — Mus. Danzig. 

23. R a d e w i t z (früher Radajewitz): Sandhügel mit Skelett, 20 Feuersteinpfeil' 
spitzen, Kupf erdraht. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1876, 215; LISSAUER, 
Dkm. S. 26, Nr. 15. — Poln. Museum Posen (?). 

24. Parchanie, Parzelle: vierösigerSchnur¬ 
becher (Abb. 71). — Mannus II (unten): 

M. SCHULTZE, Mus.-Ber. Bromberg Nr. 

70, 4, Abb. 15. — Mus. Bromberg. 

25. Lassek-Lusan: Schnurscherben. 

Kais. Friedr.-Mus. Posen. 

Kr. Strelno: 

26. Rzeszynek (vgl. oben Zug II, Nr. 74): 

Schnurscherben. — Kaiser Friedr.-Mus. 

Posen. 

Kr. Mogilno: 

27. M o g i 1 n o: Tongefässe (wie ?), Steinaxt, 

Steinbeil (hierher?). — LISSAUER, Dkm. 

S. 28, Nr. 19. — Poln. Mus. Posen (dort 
nicht zu finden). 

Abb. 7t. 

Parchanie, Kr. Hohensalza, Prov. Posen. 




Abb. 70. */» 
Znin, Prov. Posen. 


Schlesien. 


Kr. Glogau: 

28. Glogischdorf: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 


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102 


Gustaf Kossinna. 


[101 


29. Glogau, Schiessplatz: Schnurbecher. — Kais. Friedr.-Mus. Posen. 

30. W o i s ch a u: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

Kr. Sprottau: 

31. Reuthau: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

Kr. Steinau: 

32. K r e i sch a u: Schnurscherben. — Mus. Breslau.. 

Kr. Neumarkt: 

33. Breitenau: Schnurverzierter Henkeltopf, Blumentopfbecher mit horizontalem 
Tannenzweigmuster, Feuersteinbeil. — Mus. Breslau. 

34. Rackschütz: Hügel, Skeletteile, roher Becher, 2 Feuersteinbeile. — MER- 
TINS, Die hauptsächl. prähistor. Denkmäler Schlesiens 1891, Taf. I, 12—14. 
— Mus. Breslau. 

35. P u s ch w i t z: Skelettgrab, Blumentopfbecher mit Schnurverzierung in Schrauben¬ 
linien (s. oben S. 73, Abb. 46). - Nachr. ü. d. Alt. 1899, 81 f. Abb. (BRUNNER); 
MERTINS, Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens. Abb. 68. — Mus. f. 
Volk. Berlin. 

Kr. Breslau: 

36. Kl. Gandau: Schnurbecher mit Zapfen. — MERTINS, Denkmäler, Taf. I, 23; 
MERTINS, Wegweiser, Abb. 64. — Mus. Breslau. 

37. Auf dem Friebeberg: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. Ur- 
gesch. Schles. II, 37, Fig. 31 (SEGER); MERTINS, Wegweiser, Abb. 69. — 
Mus. Breslau. 

38. Breslau, Gabitzweg: Schlauchkrüge, doppelkonische Krüge, Henkeltöpfe, 
Napf mit „Lobositzef“ Henkel, Schale mit massivem Fuss, Serpentinhammer 
vom Zobtentypus. — Mus. Breslau. 

39. Wo isch w i tz: Schlauchförmiger Krug u. a. — Mus. Breslau. 

40. Gr. Tschansch: 1 Schnurbecher. — Mus. Breslau. 

41. Tinz: Schnurkeramik. — SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. II, 36, Anm. 1. 
— Mus. Breslau. 

42. Klei nburg: Schnurkeramik. - SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. II, 36, 
Anm. 1. — Mus. Breslau. 

43. G n i ch w i t z: Schlauchförmiger Krug, weiss eingelegt (s. oben S. 72 f., Abb. 44). 
— Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, 282 f., Taf. VI, 12 (VIRCHOW). 

44. Guhrwitz: Skelettreste, Henkelkrug (1894); Hocker, Streithammer vom 
Zobtentypus (1900). — Schles. Vorz. VI, 171, vgl. VI, 63 (SEGER); MERTINS, 
Wegweiser, Abb. 65. — Mus. Breslau. 

45. Po ln. Peterwitz: 2 schlauchförmige Krüge, Blumentopfbecher mit Schnur¬ 
ornament, ein zweiter mit Tannenzweigornament, vierfüssiges Tontischchen, 
3 Streithämmer, Steinbeil, Feuersteinlanzenspitze. — Schles. Vorz. VII, 239 
(SEGER); Zeitschr. f. Ethnologie 1902, S. 174, Abb. 20, 21 (KOSSINNA); 
MERTINS, Wegweiser, Abb. 66. — Mus. Breslau. 

46. Wilkowitz: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. Urgesch. Schles. 11, 
37, Fig. 29 (SEGER). — Mus. Breslau. 

47. G u de e 1 w i tz: Grosser Henkelkrug mit Schnurverzierung. — Mus. Breslau. 

48. Al b rechts d o rf: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

49. Puschkowa: Kleiner Henkelkrug mit Schnurmusterzickzack in Cardiumtechnik. 
— Mus. Breslau. 


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102] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


103 


Kr. Nimptsch: 

50. Rankau: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

51. Karzen: Skelette, Tongefäss (hierher?) — Schles. Vorz. V, 16 (SEGER). 
— Mus. Breslau. 

52. Jordansmühl (vgl. ooen Zug I, Nr. 22): Wohngrube 35, Schnurscherben; 
„zerstörtes Grab“ mit verziertem Henkelkrug. — Archiv f. Anthr. N. F. V, 
S. 133 f., Abb. 29-33 (SEGER). — Mus. Breslau. 

Kuhnau: Schnurscherben. — SEGER, a. a. O., S. 141, Taf. X, 12. — Mus. 
Breslau. 

Kr. Strehlen: 

53. Peterwitz; Skelettgräber, 2 schlauchförmige Krüge, Henkeltopf, Schale. — 
Schles. Vorz. VII, 550 f. (SEGER). — Mus. Breslau. 

Kr. Ohlau: 

54. M a rsch w itz: Grosses Skelettgräberfeld. — Beitr. zur Urgcsch. Schles. 1904. 

II, S. 27 ff. (SEGER). — Mus. Breslau; Mus. f. Volk. Berlin. 

55. Ohlau: Schlauchförmiger Krug. — Mus. f. Volk. Berlin. 

Kr. Gross Strehlitz: 

56. B1 ottnitz: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

Kr. Leobschütz: 

57. Bi es kau: Schnurscherben. — Mus. Breslau. 

Kr. Grottkau: 

Lobe d an: Skelettgräber, Beile, Hämmer, Feuersteinlanzenspitze (hierher?). 
— Schles. Vorz. VII, 545. — Mus. Breslau. 

West-Galizien. 

Bzhmscht. Krakau: 

Bez. Krakau: 

58. Grembalow: Hocker (1897) mit Tongefäss, Feuersteinbeil, Diorithammer, 
knöcherner Glätter, Eberzahn. — Materyaly antrop.-archcol. i. etnogr. 1898, 

III, 91 (DEMETRYKIEWICZ). - Akad. Krakau. 

59. Wengrcze: Monolithgrab (1880), Skelett, Feuersteinbeil, kl. Hammer, 
2 Mörserbecher mit Stichpunktverzierungen in der Art der Schnurbecher, eine 
Amphore, schnurverziert und weiss eingelegt, durchlochte Bernstein scheibe. 
— Zbior wiad. V, 9, Taf. I (KIRKOR); Wiadom. numizmat.-archcol. 1890. I, 
17 ff. (OSSOWSKI); Gr. Abb. eines Mörsers: Materyaly 1898. III, 88, Fig. 4 
(DEMETRYKIEWICZ). - Akad. Krakau. 

60. Batowice: Gehenkelter Blumentopfbecher mit 3X4 Schnurlinien (vgl. Zbior 
wiad. XIV. Taf. I). — Wiadom. numizm.-arch., a. a. O. (OSSOWSKI). — 
Univ. Krakau. 

61. Krzesla wice: Hocker. — Materyaly 1898, III, 90 (DEMETRYKIEWICZ). 

Polen. 

Gouv. Kielce: 

Bez. Miechow: 

62. Piotrkowice, Kr. Koniusza: Skelettgrab (?), schnurverzierfe Amphore 
ohne Henkel, Feuersteinbeil. — Akad. Krakau. 

63. Smrokow b. Prandocin, Kr. Miechow: Skelett (?), grosse, glatte, vierösige 
Amphore mit zwei umlaufenden gekerbten Horizontalwulsten. — Akad. Krakau. 


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104 


Gustaf Kossinna. 


[103 


64. Wenzerow, Kr. Kacice: Skelettgrab, Blumentopfbecher mit etwas umge- 
legtem Rand, schnurverziert, Feuersteingeräte. —* Materyaly 1903. VI, 40 f. 
(WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau. 

65. Gruszow, Kr. Palecznica: Becher in Form der Schnurbecher mit Punkt- 
stichreihe, Feuersteinbeil, kl. Hammer, langer Knochenmeissel. — Materyaly 
1904. VII, 158 f., Taf. 13, 1-4 (WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau. 

Bez. Pinczow: 

66. Czarkowa, Kr. Korczyn: Kl. Becher mit Horizontalschnurlinien. — Univ. 
Krakau. 

67. Kobylnica wolowska, Kr. Zagosc? oder Topola?: Schnurscherben. — 
Univ. Krakau. 

Bez. Stopnica: 

68. Dzieslawice, Kr. Stopnica: Schnurscherben mit Wellenlinien. — Swiatowit 
II, 44 ff. Taf. X—XII; V, 4 ff. (MAJEWSKI). 

69. Jastrzembiek, Kr. Stopnica (vergl. Zug I, Nr. 35): Schnurscherben. — 
Swiat. 1899, I, 38 ff. Taf. IV (MAJEWSKI). 

Ja n i n a, Kr. Szczytniki: Schnurscherben, auch mit Wellenlinien, Amphorenrest 
0= Zlota). — Swiat. 1901, III, 72 ff., Fig. 30, 31; Taf. XIV; 1904, V, 4, Abb. 1 
(MAJEWSKI). 

Badrzychowice, Kr. Grotniki: Schnurwellen. — Zs. f. Ethnol. 1906, 222 
(MAJEWSKI). 

Niecieslawice, Kr.Tuczempy: Schnurwellen. — Swiat. 1904, V, 6, Abb. 6 
(MAJEWSKI). 

70. Gor a, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 36): Schnurscherben mit Wellenlinien. 
— Swiat. 1900, II, 43, Taf. VII (MAJEWSKI). 

Borki, Kr. Lubnice: Schnurwellen. — Swiat. 1904, S. 4, Abb. 2 (MAJEWSKI). 

71. Grabowa, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 37): Schöne Gefässe mit Schnur¬ 
verzierung, auch Wellenlinien. — Swiat. 1900, II, 29 ff., Abb. 25, 26 und Taf. IV. 
VI (MAJEWSKI); 1904, V, 4, Abb. 3 (MAJEWSKI). 

72. Borszymo w, Kr. Olesnica: Schnurscherben. — Swiat. 1901, III, 144 
(MAJEWSKI). 

Beszowa, Kr. Olesnica: Schnurwellennapf. — Swiat. 1905, VI, 150, Abb. 69 
(MAJEWSKI). 

Gouv. Radom: 

Bez. Sandomir: 

73. Zlota, Kr. Lamborzec (vergl. oben Zug II, Nr. 99): Schnuramphoren, Schnur¬ 
becher, Schalen mit Schnurwellen, Henkeltopf mit Schnurlinien. — (s. oben 
S. 77, Abb. 56, 57, 58). 

Bez. Opatow: 

74. Stodoly, Kr. Wojciechowice (vergl. obön Zug II, Nr. 100): Gehenkelter 
Schnurscherben. — Akad. Krakau. 

Bez. Rozwadow: 

75. Zaleszany, Kr. Tarnobrzeg: Schnurscherben. — Materyaly 1897, II, 147, 
Fig. 13 (DEMETRYKIEWICZ). 

Bez. Radom: 

76. Stromiecka Wola, Kr. Stromiec: Schnurscherben, Feuersteinpfeilspitze. — 
Materyaly X, 53, Taf. XVIII, 3, 4 (WAWRCENIECKI). 


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104 ] 


Der Ursprung der Urfinncn usw., Fundstatistik. 


105 


77. Bierwiecka Wolka, Kr. Jedlinsk: Schnurscherben. — WAWRCENIECKI, 
a. a. O., Abb. 10-12. 

78. Zawady, Kr. Jedlinsk (vergl. oben Zug I, Nr. 39)* Schnurscherben. — WAWR¬ 
CENIECKI, a. a. O., Taf. XIX, 7, 9. 

Gouv. Pietrokow: 

Bez. Brzeziny: 

79. Ke m bl in, Kr. Biala: Schnurscherben. — DEMETRYKIEWICZ, Wykopalisko z 
Keblin usw., Taf. I, 30, 31 (Sonderdruck aus: Wiadom.-numizmat.-archeol. 
Nr. 62, 1905.) 

Bez. Rawa: 

80. B y s z e w i c e, Kr. Regnow: Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly 1901, 
V, 43 (WAWRCENIECKI). 

Gouv. Lublin: 

Bez. Lublin: 

81. Chodel, Kr. Chodeh Schnurscherben, Scherben mit Bogenstichreihen und 
gestempelten Strichzonen (wie Zlota), Feuersteinmesser. — Akad. Krakau. 

Ostgalizien. 

Bzhmsch. Lancut: 

Bez. Lezajsk: 

82. Lezajsk: Scherben, Feuersteingeräte. — Zbior. wiad. 1881. VI, Taf. VIIA, 
4-10 (ZIEMIECKI). 

Bzhmsch. Ja ros lau: 

Bez. Sieniawa: 

83. Sienia wa: Henkellose Amphore mit Schnurlinien nebst Beil. — Zbior. wiad. 
1881. VI, 52 ff., Taf. VI, 1 a, b. (ZIEMIECKI). - Mus. Czartoryski Krakau. 

84. Morawsko: Geschweifter Becher mit horizontalen Tannenzweigmuster¬ 
bändern. — Akad. Krakau. 

Bzhmsch. Przemysl: 

Bez. Przemysl: 

85. Orzechowce: Hocker (1886), links am Kopf Feuersteinbeil, bei den Hüften 
2 Schaber und ein Knochenspatel, am linken Fuss eine Steinaxt. — Materyaly 
1898. III, 79 (DEMETRYKIEWICZ). 

86. Siedliska: Hocker (1886), Schnurbecherrest, 2 winzigste Näpfchen, Eber¬ 
zahn, Porphyrhammer, Feuersteinbeile. - DEMETRYKIEWICZ, a. a. O. III, 
76 ff. — Univ. Krakau. 

Bzhmsch. Moäciska: 

Bez. Mo&ciska: 

87. Balice: 19 Grabhügel, gestreckte Skelette, „abnorm lang“. 

Hügel IV: Henkeltopf 180 „mit einem ganz primitiven Schnurornament ver¬ 
sehen“; Hügel V: Skelett in Holzversteifung; Hügel VI: Feuersteinsäge, 
-messer, Streithammer; Hügel VII: Skelett, dreiösige Amphore 181 zwischen 
den Füssen, Feuersteinbeil, -schaber, -pfeilspitzen; Hügel XIV: Zylinderbecher 
mit Schnurverzierung; Hügel XVI: viel Steingeräte, Kugelgefäss enghalsig, 
„mit 3 durchlochten Knopfhenkeln“, Schale 183; Hügel XIX: Topf mit Zick¬ 
zackband am Halse, darin verschiedene Getreidearten. — Jahrb. d. Centr.- 
Comm. Wien 1903. I, 141 ff. (v. CHIZZOLA). 


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106 


Gustaf Kossinna. 


[105 


Bzhmsch. Drohobycz: 

Bez. Drohobycz: 

88. Wacowice: Hocker in Hügel, Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly 
1897 II, 126, Fig. 3; 1898 III, 85, Fig. 3 (DEMETRYKIEWICZ). 

Bzhmsch. S o k a 1: 

Bez. Sokal: 

89. Zawisznia am Bug: Henkelloses Kugelgefäss mit ausladendem Rand und 
drei Doppelschnurlinien. — Mus. Dzieduszycki Lemberg. 

90. Starogrod: Ansiedlung, Schnurscherben. — Mus. — 81. 

Bzhmsch. Husiatyn: 

Bez. Kopyczynce: 

91. Chorostkow: Hügel bei Uwisla mit Skelett und zylindrischem Henkel¬ 
becher mit 8 Doppelsdmurlinicn, gr. durchbohrte B e r n s t c i n linse. — Zbior 
wiad. 1890, XIV, 40 ff., Taf. I, 6-8 (OSSOWSKI). 

Bukowina. 

Bez. Radautz: 

92. U nte rh o ro d n i k (vgl. oben Zug II, Nr. 114): 1. Hügel I der vierten 
Gruppe, im Zentrum neolithisches Brand grab, schöner Steinhammer, Arm¬ 
schutzplatte mit 4 Durchbohrungen aus geschliffenem Stein, 2 Silexlamell- 
bruchstüdce. — Einen halben Meter höher ein starker Hocker nebst Scherben. 
2. Hügel III der dritten Gruppe neolith. Brandgräber, Scherben, 2 Feuer¬ 
sleinspäne. - Jahrb. d. Bukowinaer Landesmus. 1894 II, 9 f.; 1895 III, 22 
(SZOMBATHY). 


Wolhynien. 


Bez. Ostrog: 

93. Siwki: Skelettgräber. Hügel I: Skelett, Schnuramphore, Becher mit ge¬ 
kerbtem Halswulst neben dem Kopf, Feuersteinmesser in 1. Hand; Hügel III: 
doppclkonisches Gefäss mit ausladendem Rand, Oberteil schräg gefurcht 
(s. oben S. 75, Abb. 52). - Zbior wiad. 1879 III, 62 ff., Taf. IV, 1-3 (RAD- 
ZIMINSKI); Trudy d. 9. russ. arch. Kongresses, Wilna 1893 II, 79 ff. 
(RADZIMINSKI). 

94. Radzi min (vgl. oben Zug II, Nr. 118): Gleiche Hügelgräber wie Nr. 85 
Siwki. — Dieselbe Literatur Taf. IV, 4—6; Schädel: Zbior wiad. 1877. I, 
48 ff., Taf. I (KOPERNICKI). 


Podolien. 

Bez. Kamenec Podobki: 

95. Zawadyniec: Hügel, Skelett I: Tongefäss mit Messer und Eisenrötel; 
Skelett II: Feuersteinpfeilspitzen, Steingeräte. — Zbior wiad. 1890 XIV, 8 (?). 

Bez. Jampol: 

96. (?) (1896) Rotgefärbter Schädel (s. oben S. 80). — Mus. Dzieduszycki Lemberg. 

Bez. Litin: 

97. Nowa Sieniawa: (vgl. oben Zug II, Nr. 128; s. oben 5. 75, Abb. 51). 


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106] 


Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 


107 


Ukraine. 

Gouv. Kiew: 

Bez. Lipowic: 

98. Nowosiolka: Skelettgräber in Hügeln (1-27), Hügel X: Rotgefärbtes 
Skelett, Feuersteinbeil (Abb. 104). - Swiatowit 1904. V, 75 (BYDLOWSKI); 
Hügel XXII: Schnurgefäss und Halsband aus Hundezähnen (Abb. 3); 

Hügel XXIV: Rotgefärbtes Skelett, Becher mit gekerbtem Rand, (Abb. 4), 

Hundezahnhalsband (Abb. 5); 

Hügel XXV: Derselbe Becher (Abb. 6); 

Hügel XXVI: Tongefäss, Knochennadel mit Doppelhammerkopf (Abb. 7; s. oben 
S. 78 f., Abb. 66), dabei angeblich Bronze; 

Hügel XXVII: Tongefäss, Steinring (Abb. 8). - Swiat. 1905. VI, 2 (BYDLOWSKI). 

99. Ja c ko wi ca: 43 Hügelgräber: (28-71) (s. oben S. 78 ff., Abb. 61 -64, 66, 67). 
— Swiat. 1905, VI, 8 ff. (BYDLOWSKI); Schädel (Kopfindices: 67,92; 73,16; 
77,30): ebd. 73 ff. (STOLYHWO). 

100. Iw ach ny bei Jackowica: 2 Hügel (72, 73) (s. oben S. 79). — Swiat. 1905, 
VI, 8 ff. (BYDLOWSKI). 

101. Podwysokie bei Jadcowica: 3 Hügel (74—76): Schnurkeramik. — Swiat. 
1905, VI, 27 ff. (BYDLOWSKI). 

Bez. Swenigrodki: 

102. Ryza n owka: Hügel V: 1. Zentralbodengrab mit Hocker, 2. Seitwärts ein ge¬ 
strecktes Skelett, je ein Tongefäss r. u. 1. der Oberschenkel, das eine mit 
abwechselnd gerichteten Schrägstrichen bedeckt (s. oben S. 79, Abb. 65), eine 
B ro nz e hängespirale. — Zbior wiad. 1888, XII, 30 ff., Taf. VII, VIII 
(OSSOWSKI). 

103. Kob ryn o wa: Hügel I (1887): 15 rotgefärbte Skelette in 12 mit Lehm ausge¬ 
schlagenen Gruben, Tonschale, 2 Knochennadeln mit Doppelhammerkopf 
(s. oben S. 78 f., Abb. 65). Halsband von Wolfzähnen, 2 Doppelketten aus 
Knochenperlen; Schädelindices: weiblich, Grab II 70,27; III = 73,74; 
XII = 64,06; männlich Grab VII = 67,87. — Zbior wiad. 1888, XII, 58 ff., 
Taf. IX, X (OSSOWSKI). - Akad. Krakau (e i n Grab). 

Bez. Kiew: 

104. Gatno je (1874): Drei Gruppen von drei, drei und zwei Skeletten, Tonge- 
fässe, auch mit Schnurverzierung, Feuersteinmeissei, Mahlstein u. a. — 
Zapiski imper. russ. archeolog. obsßestva. St. Petersburg 1899, Bd. XI, S. 248; 
L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449, Abb. 10. 

Bez. Wassilkow: 

105. Losiatyn (vgl. oben Zug II, Nr. 129): Grab mit rotgefärbten Knochen 
Feuersteinspanstück (Grabung OSSOWSKI). -- Akad. Krakau. 

106. Streti wka, nahe dem Dnjepr südl. von Kiew: 4 Hügel. 1. Hügel 7 Gcfässe 
(Becher dar Schnurkeramik), um kalzinierte Knochen herum, 5 Feuerstein¬ 
beile, 3 Hämmer; 3. Hügel: rechtsseitig liegender Hocker, Feuersteinlanzen¬ 
spitze; 4. Hügel: Hocker. — Materyaly Ukrainsko-Ruskoje etnologie, Lem¬ 
berg 1900, III, 1 ff., Sommaire S. 10 m. Abb. (VOLKOW); L. NIEDERLE, 
a. a. O., Abb. 3 — 6. 

107. St a n is 1 a wk i am Ros: Hockergrab als Zentralbodengrab unter flachem 
Hügel. — Zbior wiad. 1889, XIII, 6 ff., Taf. I, Abb. 4, 5 (OSSOWSKI). 


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108 Gustaf Kossinna: Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. [107 

Gouv. Poltawa: 

Bez. Solotonosh: 

108. Kelebord: Spitzbecher mit Schnurverzierung (= Jackowica). — Collection 
KHANENKO, Antiquitds de la rdgion du Dnjepr I, Taf. V, 10. 

Gouv. Cherson: 

109. B jeloserska ja: Hügelgräber, rotgefärbte langschädlige Skelette mit Stein¬ 
geräten und Tongefässen. — Trudy d. 8. russ. archaeol. Kongresses, Moskau 
1890, Bd. III (SKADOWSKY). 

(Diese wichtige Abhandlung konnte ich mir leider noch nicht übersetzen lassen). 

Gouv. Jekaterinoslaw: 

Nach CHOINOWSKY sollen auch im Kurgan Saur bei Werchne Dnie- 
prowsk, Gouv. Jekaterinoslaw, rotgefärbte Skelette aufgedeckt worden sein. 

Bei Abschluss der Korrektur erhalte ich durch freundl. Mitteilung von A. GÖTZE 
folgende Fundnachrichten, die er von seiner Reise nach Südrussland heim¬ 
gebracht hat: 

Jekaterinoslaw, Potemkingarten: Ansiedlung mit Schnurscherben. — Mus. 
Jekaterinoslaw. 

Chutor Blagadatny, Gouv. Jekaterinoslaw: 4 rotgefärbte Skelette, ein kleiner 
geschweifter Becher, eine knöcherne Doppelhammerkopfnadel mit reich ver¬ 
ziertem Schaft (Ausgrabung EWARNITZKY, 1905). — Mus. Jekaterinoslaw. 

Gouv. Astrachan: 

Remontnoje: knöcherne Doppelhammerkopfnadel mit reich verziertem Schaft. 
— Otöet imperatorskoj archeologiö. kommissii 1904, St. Petersburg 1907, 
S. 133. 

Gouv. Taurien: 

1 gleiche Nadel. — Th. BRAUN, Compte rendu des fouilles faites dans le Gouv. 
de Tauride en 1898 (Izvestija imperat. archeolog. kommissii Heft 19, St. Peters¬ 
burg 1906, S. 87, Abb. 16). 


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Ein 

schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit 1 ) 

von O. Fr ödin, Stockholm. 

Mit 80 Abbildungen im Text. 


Der westliche Teil von Östergötland ist seit alters ein wichtiges 
Kulturland gewesen, und dass es sich schon zur Steinzeit so verhalten 
hat, davon zeugt die grosse Anzahl von Funden aus dieser Zeit, die 
bisher gemacht worden sind und noch fortwährend zutage treten. 
Als einer der merkwürdigsten verdient hier angeführt zu werden der 
im Jahre 1904 bei Aby Fyrbondegärd im Kirchspiel Ödeshög gemachte 
Fund von „grossen Spaltern" nebst anderen Feuersteingeräten und Ab¬ 
fallstücken, der offenbar von einem Wohnplatz herrührt 8 ). Er beweist, 
dass bereits in der älteren nordischen Steinzeit, der Zeit der dänischen 
Muschelhaufen, diese durch die Natur so begünstigte Gegend von 
Menschen in Besitz genommen war. 

Etwa 6 km weiter gegen Norden bei Broby im Kirchspiel Vestra 
Tollstad, nahe bei Alvastra wurde im Jahre 1908 in einem Moor eine 
Anzahl Gegenstände vorgefunden, die bei dem Besuche, den aus diesem 
Anlass der Amanuensis B. SCHNITTGER im Auftrag des Reichsantiquars 
auf dem Platze machte, zu der Annahme führten, dass es sich hier um 
einen steinzeitlichen Wohnplatz handele 3 ). Eine genauere Untersuchung 
war indes damals wegen der weit fortgeschrittenen Jahreszeit nicht 
möglich, sondern musste bis auf weiteres aufgeschoben werden. 

Die im Sommer 1909 begonnene Untersuchung hat ein besonders 
merkwürdiges Ergebnis geliefert. Daher dürfte eine vorläufige Mitteilung 
berechtigt sein, um so mehr als die Ausgrabung sicherlich sehr umfassend 
wird und der zusammenfassende Bericht hierüber darum nicht so schnell 
zu erwarten ist. 

') Soeben gedruckt in „Fornvännen“ 1910. Herausgegeben von der König¬ 
lichen Akademie der schönen Wissenschaften, Geschichte und Altertumskunde in 
Stockholm. Übersetzung von Ernst SNETHLAGE, revidiert von G. KOSSINNA. 

*) T. J. ARNE, Ett fynd Mn den äldre sten&ldern i Östergötland, Ymer 1905, 
S. 119 f. und Meddelanden Mn Östergötlands Fornminnesförening 1905, S. 31 f. 

*) B. S(CHNITTGER), Mossfynd Mn sten&ldern vid Alvastra, Meddelanden 
Mn Östergötlands Fornminnesförening 1908, S. 33 ff. 


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110 


0. Frödin. 


[2 


Der Fundplatz (Abb. 1) ist etwa 400 m ONO von der Eisenbahn¬ 
station Alvastra gelegen, etwa 200 m O vom Eisenbahnhotel und ge¬ 
nau NO vom Landweg* nach Heda und Rök, in einem von der Gemar¬ 
kung Broby abgesonderten Bezirk, der jetzt als Acker dient, aber in 


Yettrrsee Ttlkrrmee 



Abb. 1. Ausdehnung des Dagsmoores (Dagsmosse) —. Lage des Wohnplatzes (bei C0)- 
Nach der Generalstabskarte Blatt Hjo 1 s 100000. 


naher Zukunft seiner Bebauung entgegensieht. Zu diesem Zweck ist er 
durch eine Anzahl von Ost nach West gehender wieder zugedeckter 
Gräben drainiert worden, bei deren Herstellung man die oben genannten 
Funde gemacht hat. 

Das Gelände, das gegen Norden und Westen schwach abschüssig 
ist, besteht aus Moorboden, da das grosse Dagsmoor (Dagsmosse) 1 ), 
das im Nordosten vom Täkernsee begrenzt ist, sich mit einer etwa 
500 m breiten Zunge hierher erstreckt, deren äusserste Spitze 900 m 
südlich von der Eisenbahnstation gelegen ist (Abb. 2). 

Im Norden von dem nördlichsten der soeben erwähnten Gräben 


*) Das Moor umfasst etwa 900 Hektar. 


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3] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


111 


läuft in einem Abstand von 13 m ein mit diesem im grossen und 
ganzen paralleler offener Graben, bei dessen Reinigung man gleichfalls 
auf eine Anzahl Gegenstände gestossen ist. Zwischen diesen beiden 
Gräben und auf den Schmalseiten von ihnen begrenzt ist ein 4 m 
breiter Schacht ausgehoben worden, dessen Länge von Norden nach Süden 
also 13 m ausmacht (Abb. 3). 

Unter einem 1 bis 1,1 m mächtigen Lager von Sumpftorf, der 
reich an Phragmites ist, wurde eine in ihrem oberen Teil noch mit 
Torf gemischte, aber abwärts allmählich mehr homogen werdende, 0,2 bis 
0,35 m dicke Kulturschicht bloss gelegt, welche die für solche Bildungen 
gewöhnliche Zusammensetzung aufwies. Es muss hinzugefügt werden, 
dass der unterste Teil des Torflagers ebenso wie der oberste Teil der 
Kulturschicht (bis zu einer Tiefe von einigen cm) in auffallendem Grade 
mit Zweigen, Pflöcken und Wurzeln, grösseren wie kleineren Borken¬ 
stücken (Birke und Kiefer) durchsetzt ist, dass daneben auch ein. und 
der andere Baumstumpf (Erle) auftritt, und der Torf nicht unbedeutend mit 
Amblystegium gemischt ist. Dieses Lager, das sich also zwischen dem 
Torf und der Kulturschicht in inniger Verbindung mit beiden befindet 
und auf dessen Erklärung ich später zurückkomme, misst in der Dicke 
0,1 bis 0,15 m. 

Nachdem die Kulturschicht durchgegraben war, zeigte es sich, dass 
sie auf einem Boden von Stämmen ruhte (Abb. 3 im Vordergrund), 
unter dem ein graugelber Kalkmoder folgt. Was dieser und die 
darunter folgende Schicht betrifft, so weise ich auf Dr. L. von POST’s 
Darstellung weiter unten hin. 

Wohl das Wichtigste bei dem Wohnplatz ist seine Lage in dem 
gegenwärtigen Moor und die dank dessen konservierender Eigenschaften 
erhaltenen Hausreste, merkwürdig insofern, als hier zum erstenmal in 
Skandinavien die weniger widerstandsfähigen Teile einer Steinzeit¬ 
wohnung der Nachwelt als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung 
bewahrt worden sind. Leider musste, gerade als der Boden beinahe 
von seiner Kulturschicht befreit worden war, die Untersuchung für dies 
Jahr abgebrochen werden, weil der Herbstregen schon begann und 
Anstalten auf der Stelle getroffen werden mussten, um die empfind¬ 
lichen Holzreste auf dem Boden des Schachtes gegen die Winterkälte 
und Niederschläge zu schützen. Es geschah das auf die Weise, dass 
sie mit Sackleinwand bedeckt wurden, hierüber eine dicke Lage Stroh, 
hierüber eine solche von Tannenreisig und zu oberst ein Dach von 
Brettern gelegt wurde. Erst im kommenden Sommer kann also dieser 
Teil der Anlage vollständig und im einzelnen klargelegt werden, und 
für jetzt beschränke ich mich darauf, einige allgemeine Beobachtungen 
darzulegen. 


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112 


O. Frödin. 


[4 


Der Boden, der im grossen und ganzen horizontal 1,25 bis 1,35 m 
tief unter der Oberfläche des Moores liegt, besteht aus bis 0,2 m dicken 
Stämmen von Birken und Kiefern, Kante auf Kante gelegt und schräg 
gegen die Längsrichtung des Schachtes. Dass sie nicht unmittelbar der 
Abnutzung ausgesetzt gewesen sind, geht daraus hervor, dass die Borke 
noch teilweise daran sitzt 1 ). Wie weit der Boden sich erstreckt, kann 
noch nicht bestimmt werden, da er sich auf den vier Seiten des Schachtes 
fortsetzt, aber der Umstand, dass er den ganzen, 52 qm grossen aus- 



Abb. 2. Landschaft gesehen vom Omberg; 


gegrabenen Umkreis einnimmt, deutet auf jeden Fall darauf hin, dass 
hier eine besonders bedeutende Anlage vorliegt. Vielleicht sind die 
noch verborgenen Teile nicht die geringsten; denn dass es sich so 
gefügt haben sollte, dass der im Verhältnis zur Breite recht lange 
Schacht mitten in der alten Wohnstätte ausgehoben worden ist, ist 
kaum anzunehmen. 

Hier und da wurden kleine Pfähle von etwa 0,05 m Durchmesser 
beobachtet, in Reihen geordnet, die mit den Stämmen parallel laufen. 
Nach oben zu sind sie am Boden oder einige dm darüber abgebrochen, 
während das untere, zugespitzte Ende entweder eingekeilt zwischen den 
Stämmen sitzt, oder sich 0,1 bis 0,2 m unter diesen befindet. Nach 
allem zu schliessen sind sie die Reste von Dachstützen. 

Die Konstruktion des Daches kann gegenwärtig nicht bestimmt wer¬ 
den. Man kann annehmen, dass es mit Häuten, Stroh, Schilf, Borke, Reisig¬ 
geflecht oder dergleichen gedeckt war, und es ist möglich, dass hieraus 
ein Teil der oben genannten borken- und zweigreichen Schicht besteht, 

*) Vergl. die später erwähnten Spuren von Reisigbetten auf dem Boden. 


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5] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


113 


die zwischen der Torf- und der Kulturschicht liegt und in beide 
hineinragt. 

Auf dem Boden wurden sieben Herde gefunden (sechs sind auf 
Abb. 3 sichtbar), von denen drei nur teilweise ausgegraben worden 
sind, da die Grenze des Schachtes gerade über sie hinweggeht l )* Während 
einer von den Herden (Abb. 3 am weitesten nach links im Hintergründe, 
ebenfalls in Abb. 4 a oben in der linken Ecke sichtbar) von einer ein¬ 
zigen, ovalen Kalksteinplatte, 0,58X0,42 m gross, gebildet wird, sind 



Phot. d. V#r1 


der Wohnplatz bei X. ganz links der TSkemsee. 


die übrigen aus einer Mehrzahl von oft durch Brand bröckligen 
Steinen hergestellt und in der Form mehr oder minder unregelmässig. 
Der am sorgfältigsten gebaute (Abbildung 4, ebenfalls sichtbar auf 
Abb. 3 mitten im Hintergrund), der 1,65 m in der Länge und 0,9 m in 
der Breite misst, besteht eigentlich aus zwei Teilen, erstens einem 
ziemlich ovalen Kreis von 1,15 m Länge,, hergestellt aus Kalksteinsplittern 
und kleineren Rollsteinen von Granit oder Gneis, die sämtlich eine 
durch die Hitze auseinander gesprengte Kalksteinplatte umschliessen — 
also dem eigentlichen Platz für das Feuer —, dann aus der seitwärts 
hiervon aus teilweise auf die Kante gestellten Steinen gebauten „Grube“, 
in die man Glut und Asche fegte. Rund um die Herde ist übrigens 
der Boden oft bedeutend verkohlt. 

Von den sieben Herden liegen zwei (Abb. 3 unten rechts) Kante 
an Kante miteinander und auf beträchtlich ungleichem Niveau; man 
kann daher für diese einen deutlichen Altersunterschied feststellen. 


*) Ein Teil abgesondert liegender Steine — hauptsächlich im südlichen Teil 
des Schachtes — sind wahrscheinlich als Reste aufgegebener Herde zu betrachten, 
in welchem Falle die Anzahl also noch grösser gewesen wäre. 

Mannus. Bd. II. 8 


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7] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


115 



Abb. 4 a. Herd. 


Phot. d. *tr1. 


Dagegen ist dies bei den übrigen nicht der Fall, sondern diese sind, 
nach allem zu urteilen, gleichzeitig angelegt. Es dürfte im Zusammen¬ 
hang hiermit die Frage zu stellen sein, inwiefern sie irgend eine Art 
von Raumeinteilung darstellen. 

Unmöglich ist ja ein solches Ver¬ 
hältnis nicht, aber da keine Spur 
von Wänden beobachtet werden 
konnte, und da die verstreut liegen¬ 
den Funde auch keine Stütze für 
eine derartige Vermutung abgeben, 
so bin ich bis auf weiteres wenig¬ 
stens zu der Annahme geneigt, 
dass der jetzt untersuchte Teil 
des Hauses einen einzigen grossen 
Raum gebildet hat. Die Mög¬ 
lichkeit ist ja jederzeit vorhanden, 
dass er mittelst Häute oder der¬ 
gleichen abgeteilt wurde, aber 
eine solche Anordnung dürfte kaum 
mit Bestimmtheit nachgewiesen 
werden können. Jedenfalls haben 
zwei von den Herden, der auf 
Abb. 4 wiedergegebene und der 
oben genannte aus einer einzigen 

Platte bestehende, ein und demselben Raum zugehört, da sie in einem 
Abstand von nur 0,9 m voneinander gelegen sind; im übrigen wechselt 
der Abstand zwischen 2,5 und 3 m. 

8 * 



Abb. 4b. Grundriss desselben Herdes; die Zahlen geben 
die Tiefe unter der Oberfläche des Moores ln cm an. 


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116 


O. FrÖdin. 


[8 


Zu der Einrichtung des Hauses gehört ferner ein Sitzplatz (Abb. 3), 
der aus einem länglichen Stein (Granit), 0,6 m lang, 0,3 m breit und 
hoch, besteht und zwischen zwei von den Herden und in einem Abstand 
von etwa 1,2 m von dem nächsten aufgestellt ist. Während die Seiten 
übrigens eine von Natur ebene, schwach konvexe Qberfläche aufweisen, 
hat die Oberseite sichtbarlich von Menschenhand und mit Absicht eine 
etwas nach innen geschweifte Form erhalten 1 )- Dass der „Stuhl" oft 
auch als „Tisch* gedient hat, ist naturgemäss anzunehmen. 

0,9 m von dem Herd (Abb. 4) liegt ein anderer, auf der Abbildung 
jedoch nicht sichtbarer Stein, gleichfalls länglich, aber kleiner, 0,45 m 
lang und 0,35 m breit. Anzunehmen ist, er habe dieselbe Bestimmung 
gehabt, aber die Oberseite weist keine absichtliche Bearbeitung auf, 
sondern hat ihre natürliche schwach konvexe Oberfläche. 

Hier und da kann man in der Kulturschicht Äste und feinere 
Zweige beobachten, deutliche Überbleibsel von Reisigbetten, die auf den 
Boden gelegt waren. 

Von der grössten Bedeutung für unsere Auffassung von dem 
Charakter der Anlage ist die Frage nach der Beschaffenheit des Unter¬ 
grundes. Wie oben erwähnt ist, folgt unmittelbar unter dem Boden 
des Schachtes ein graugelber loser Kalkmoder, der folglich den Erd¬ 
boden ausmacht, der sich ründ um das Gebäude ausbreitete. Wie dieser 
Erdboden in Wirklichkeit sich zeigte, darüber sind die geologischen 
Sachkundigen — indem sie sich auf Vergleiche mit neuen Bildungen 
derselben Art stützen — imstande, uns eine vollkommen sichere Ant¬ 
wort zu geben: er hat (siehe unten) „aus einer lockeren, geneigten, 
von Quellfluten beständig überrieselten Moderfläche bestanden, dünn 
bewachsen mit Schilf (Phragmites communis) und Binsenschneide 
(Cladium Mariscus)", so locker, dass sie „eine gehende Person 
nicht getragen hat*. Aber ein Erdboden von dieser losen Beschaffenheit 
hat füglich nicht die höchst bedeutende Last tragen können, die von dem 
ansehnlichen Gebäude mit seinen Herden, seiner Kulturschicht und seinen 
Bewohnern gebildet wurde, sondern eine weitere Stütze muss voraus¬ 
gesetzt werden; dies um so mehr als der Boden nicht überall unmittel¬ 
bar auf dem Moder ruht. Bei Bohrungen im südlichen Teil des Schachtes 
hat sich nämlich gezeigt, dass hier zwischen dem Boden und dem 
Moder eine etwa 0,05 m dicke Kulturschicht auftritt. Sie ist also recht 
unbedeutend, zeigt aber dennoch, dass ein gleich grosser, leerer Raum 
sich einstmals unter diesem Teil des Hauses befunden hat, ein leerer Raum, 
der sich allmählich mit Kulturresten gefüllt hat. Diese sind entweder 


’) Die Oberfläche ist zu rauh, als dass der Stein als Mühlstein hatte ver¬ 
wendet werden können. 


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9] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


117 


durch die Risse im Fussboden herabgefallen, oder nach aussen vor die 
Wohnstätte fortgeworfen und von den Quellfluten, die unter dem Fuss¬ 
boden dahinrieselten, dorthin geführt worden. 

Das Gebäude muss also daneben vonPfählen getragen 
worden sein. Und solche sind auch an der einzigen Stelle, wo dies 
möglich war, festgestellt worden, d. h. dort, wo der unter dem Boden 
liegende Moder in grösserer Ausdehnung bloss gelegt worden ist 1 ). 
Man darf hier nicht vergessen, dass die Untersuchung abgebrochen 
werden musste, gerade als der Boden frei gelegt worden war, aber an 
einer Stelle — wo der oben erwähnte offene Graben weiter geht — 
ist dieser bis in den Moder hinein durchschnitten worden, und hier 
finden sich auch drei Pfähle in ihrer ursprünglichen Lage. Diese Pfähle, 
von etwa 0,1 m Durchmesser, sind bis zu einer noch nicht festge¬ 
stellten, aber jedenfalls ganz beträchtlichen Tiefe herabgetrieben worden, 
während deren obere Enden an der Unterseite des Bodens endigen und 
dort anstossen. Die Einzelheiten der Konstruktion, die vielleicht hier 
vorhanden waren, sind natürlicherweise verloren gegangen. 

Der ganze Charakter des Wohnplatzes von Alvastra stellt ihn zu 
der grossen Gruppe der Pfahlbauten, dies Wort in seiner weiteren 
Bedeutung genommen, wonach es nicht bloss auf Pfählen draussen im 
Wasser aufgeführte Häuser, wie die mitteleuropäischen Dörfer in der 
jüngeren Steinzeit und Bronzezeit, sondern jede Anlage umfasst, die 
durch ihre Lage in einem unzugänglichen Sumpf gegen Angriffe geschützt 
ist und hierdurch ihren Zweck als Verteidigungsanlage erfüllt. Derselben 
Auffassung folgt Sophus MÜLLER, wenn er in seiner Urgeschichte 
Europas 2 ), Seite 98 f., bei der Behandlung der Pfahlbauten Mittel¬ 
europas sowohl von „Wasserpfahlbauten" als auch von „Hütten auf 
Moorgrund“, Anlagen „in Wasser oder auf unzugänglichem Grunde" 
(„auf feuchtem und weichem Grunde“) spricht*). Noch weiter geht 
FORRER 4 ), der zu den Pfahlbauten auch die „Flosspfahlbauten" rechnet, 

') Dass man mittels Bohrung auf senkrecht stehende Pfähle treffen könnte, 
ist natürlicherweise höchst unwahrscheinlich. 

2 ) Strassburg 1905. 

3 ) Beispiele für Anlagen der letzteren Art sind solche „Packwerkbauten“, wie 
die bei Wauwyl und Niederwyl in der Schweiz sowie Schussenried in Württemberg 
(Robert MUNRO, Lake-Dwellings of Europe, London 1890, S. 78 f., 118 ff. und 
147 ff., wo sich auch ausführliche Literaturnachweise finden). Von hier ist der 
Weg nicht weit zu den einer späteren Zeit angehörigen irischen und schottischen 
„Crannogs“, die am ehesten als künstliche Inseln, die in Seen oder Mooren angelegt 
waren, zu betrachten sind. 

4 ) Robert FORRER, Urgeschichte des Europäers, Stuttgart 1908, S. 166. — Die 
Angabe dieses Verf. (S. 169) über steinzeitliche Pfahlbauten im Maribosee in Däne¬ 
mark hat sich nicht hestätigt (vergl. Sophus MÜLLER, Nord. Altertumsk., Strass¬ 
burg 1897, I, S. 20). 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



0. Frödin. 


[10 


115 

wie z. B. die Flösse des Wohnplatzes im Magiemoor. Das am meisten 
Charakteristische für diese Wohnplätze ist, wie gesagt, ihre gegen An¬ 
griffe geschützte Lage, und in dieser Hinsicht muss man sagen, dass 
gerade die in den Mooren angelegten am besten ihren Zweck erfüllten. 
Einem über dem Wasser aufgeführten Hause konnte sich ja ein Feind 
im Boote nahen, zu denen im Moor dagegen konnte man weder rudern 
noch gehen, und die Stege, die, wie man r\dt\ denken muss, die Ver¬ 
bindung der Bewohner mit dem Lande vermittelt haben, konnten ja 
zur Nachtzeit oder im Fall eines Angriffes leicht und schnell ungangbar 
gemacht werden. 

Bei Alvastra hat man sich natürlich auch solcher Stege bedient. 
Es ist daher durchaus nicht überraschend, dass sich Spuren davon 
gefunden haben, bisher an zwei Stellen, 40 und 50 m westlich von 
dem Schacht, teils in dem offenen Graben, teils in einem kleineren 
Probeschacht. Bei den zukünftigen Untersuchungen dürfte ihre Bauart 
näher erkannt werden. 

Gerade diese Eigenschaft des Wohnplatzes als Verteidigungsanlage 
gibt uns Aufklärung über die Ursache, weshalb er einstmals aufgegeben 
wurde. Oft hat man bei den Pfahlbauten der Alpengegenden beobachten 
können, dass sie durch Feuer verheert worden sind. So verhält es 
sich hier nicht. Keine Spur irgend welcher Art deutet darauf hin, 
dass das Haus verbrannt oder durch irgend eine andere Katastrophe 
der Verwüstung ausgesetzt worden ist. Statt dessen kann man mit der 
grössten Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es die langsam, aber sicher 
wirkende Kraft der Natur war, die den Ausschlag gab, in diesem Falle 
die stufenweis vor sich gehende Klimaveränderung, wovon u. a. unsere 
Torfmoore und auch das Dagsmoor (s. unten) Zeugnis ablegen. Das 
Ergebnis dieser Änderung war das warme und trockene Klima der sub- 
borealen Zeit. Infolgedessen begannen die Quellfluten, die das Gelände 
rings um den Pfahlbau bewässerten, an Wirksamkeit abzunehmen und 
der Pflanzenwuchs zu gleicher Zeit auf den Moderboden hinauszuwandern. 
Hierdurch wurde es sowohl für Menschen wie Tiere möglich, ihn zu 
betreten. Aber weil die Anlage so ihre hauptsächlichste Bedeutung, 
nämlich einen sicheren Zufluchtsort für die Bewohner abzugeben, verlor, 
wurden diese gezwungen aufzubrechen und sich nach einem geschützteren 
Platz zu begeben. 

Da das Gebäude schliesslich vermodert war, bildete der Rest nur 
eine schwache Erhöhung, etwas trockener als der Erdboden, der sie 
umgab. Hier wanderte nun eine weniger wasserliebende Pflanzenwelt 
ein, wie Eilernbüsche und sogar einige Ellembäume, die ihrerseits 
wieder von der überhandnehmenden Torfbildung erstickt wurden. In 
jedem Jahr, das verging, legte sich eine neue Torfschicht auf die alte, 


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PRINCETON UNJXEft 




Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit, 


bis schliesslich jede Spur menschlicher Wirk¬ 
samkeit verwischt wurde. Aber tief unten 
im Moore lag wohl geschützt das Material, 
das einst über das hier Jahrtausende vor 
unseren Tagen herrschende Leben Licht ver¬ 
breiten sollte. 


Ich habe den grossen Vorzug gehabt, 
die für die Kenntnis der dort vor Zeiten 
herrschenden Naturverhältnisse so bedeu¬ 
tungsvollen geologischen Lokaluntersuchungen 
Dr. LENNART v. POST überlassen zu können, 
der sich zur Erforschung der Entwicklungs¬ 
geschichte des Täkernsees und Dagmoores 
gerade in der Gegend aufhielt. Der Bericht, 
den Dr. v. POST hierüber gibt, und auf 
den ich im vorhergehenden bei verschiedenen 
Gelegenheiten hingewiesen habe, lautet: 

„Der Pfahlbau bei Alvastra ist nicht wie 
seine bekannten schweizerischen Gegenstücke 
ausserhalb der Ufer eines Sees aufgeführt 
gewesen. Die aus Kalktuff, Kalkgyttja (Kalk¬ 
moder), Wiesenkalk und Torf bestehende 
hügelförmige Ablagerung, worin seine Reste 
angetroffen werden, gehört nämlich ihrer 
Entstehung nach nicht zusammen mit dem | 

naheliegenden Moor Dagsmosse — dem von ^ 

T orfbildungen ausgefüllten südwestlichen 
Teile des Täkernseebeckens —, sondern ge¬ 
hört zu dem mit den nordskandinavischen 
„backmyrar“ verwandten, in Schweden bis 
jetzt wenig beobachteten, aber in Nord¬ 
deutschland wohl bekannten Typus von Torf¬ 
ablagerungen, die „Quellmoore“ genannt 
werden. Die Hauptzüge der Schichtenfolge i 

des Alvastra - Quellmoores sind von unten 
gerechnet (Abb. 5): 

Kalktuff auf einer aus sandiger s 

Moräne und sehr losem Ton bestehenden, 
stark wasserführender^- lh«rlage; Mächtig¬ 
keit bis 4 m; 


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PRINCETON UN1VERSITY 


Radialschnitt durch das Quellmoor bei Alvastra. Von 






120 


O. Frödin. 


[12 


Cladiumtorf, besonders oben mehr oder minder mit Gyttja 
vermischt; bildet in der Regel eine zusammenhängende 2 zu 3 dm — 
1 m mächtige Decke über dem Kalktuff, aber ist hier und dort auf¬ 
gelöst in grössere oder kleinere, unregelmässig liegende, linsenförmige 
Partien; 

Kalkgyttja, hier und dort mit Rändern von Kalktuff und C1 adium- 
torf, sowie überall mit einzelnen, bis zerstreuten Rhizomen von Cladium 
und Phragmites; 

Sumpftorf mit Phragmites und einzelnen Ellernstubben, 
1—1,3 m mächtig. 

Alle diese Schichten fallen nach Süden, Westen und Norden hin 
ab, d. h. von dem Moränenhügel bei Broby strahlenförmig gegen das 


* 



Pt*ot. v. J. E. t junfqulst. 

Abb. 6. Wiesenkalkboden in Mästermyr auf Gotland. 


Dagsmoor hin. Die Grenzlinie zwischen der Kalkgyttja und dem Torf, die 
sich überall scharf abhebt und in dem aufgenommenen Profile fast 
gradlinig ist, hat ebenso wie die gegenwärtige Torfoberfläche ein Gefälle 
von ungefähr 1 zu 50. Der Ausläufer des Torfes auf dem Brobyhügel 
liegt 6,2 m und die Torfoberfläche bei dem Pfahlbauplatz 3,9 m über 
der höchsten Strandlinie des Täkemsees, der Pfahlbau-Fussboden selbst 
im Mittel 2,6 m über dem genannten Niveau. 

Die Altertümer sind sämtlich auf der Grenzlinie zwischen der 
Kalkgyttja und dem Torf oder richtiger in der obersten Schicht des 
ersteren angetroffen worden. Der Erdboden, worauf der Pfahlbau auf- 


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13] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


121 


geführt war, hat aus einem lockeren, geneigten, von Quellfluten be¬ 
ständig überrieselten Moderfläche bestanden, dünn bewachsen mit Schilf 
(Phragmites communis) und Binsenschneide(CladiumMariscus) 
und am nächsten vergleichbar dem auf Abb. 6 wiedergegebenen (vergl. 




rÖjfiiL _ _ ■■■UPI . 

y. v ., V' I \ i r+' f , } > 

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Phot. v. J. t LiuM^wiat. 


Abb. 7. Trockcngelcgtcr Wiesenkalkboden mit Sfirpus und Phragmites 
bestanden. Der Boden bei dem Pfahlbau ist wahrscheinlich niemals so 
trocken gewesen, wie es das Bild zeigt. 


Abb. 7). Der Pfahlbau ist hier noch besser geschützt gewesen, als wenn 
er in einem See gestanden hätte. Die lose Moderoberfläche hat eine 
gehende Person nicht getragen, und wegen der geringen Tiefe des Wassers 
(einige wenige cm) konnte sie auch nicht mit einem Boot befahren 
werden. Die einzige Möglichkeit, das etwa 100 m vom damaligen Lande 
gelegene Gebäude zu erreichen, war dies auf hinausgeschobenen Stegen 
zu tun, von denen auch bereits Überreste angetroffen sind. Ein vor¬ 
trefflicher natürlicher Schutz also gegen Angriffe jeder Art von Feinden, 
Menschen wie Tieren. 

Es ist augenscheinlich, dass der Wohnplatz im Zusammenhang mit 
der Entstehung der Torfdecke über dem Kalkmoder aufgegeben worden 
ist. Ohne Zweifel ist auch gerade das Auftreten einer zusammenhängen¬ 
den Pflanzendecke rings um das Gebäude der Umstand gewesen, der 
die Bewohner veranlasste, einen neuen Wohnplatz aufzusuchen. Denn hier¬ 
durch hat der Platz seine wichtigste schützende Eigenschaft verloren: seine 
Unzugänglichkeit. Auf der neugebildeten festen Wurzeldecke des Sumpfes 
haben nämlich Menschen wie Tiere mit Leichtigkeit zu dem vorher voll¬ 
kommen unerreichbaren Gebäude wandern können. 


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122 


O. Frödin. 


[14 


Das augenscheinlich überall gleichzeitige Auftreten einer geschlos¬ 
senen Pflanzendecke auf der Kalkgyttja bei Broby ist ohne Zweifel 
hervorgerufen worden durch verminderten Wasserzufluss in den Quellen, 
aus deren Wasser sich die Gyttja abgesetzt hatte. Für eine ähnliche Aus¬ 
trocknung liefert auch die Entwicklung des Täkernsees und des Dags- 
moores ein deutliches Zeugnis. Zu einem gewissen Zeitpunkt, nach 
allem zu urteilen ungefähr gleichzeitig mit dem Abnehmen der Broby- 
quellen, fing nämlich ein allmähliges Fallen des Wasserstandes im Täkern- 
see an, das zuletzt das Niedrigwasser derselben bis zu 1,9 m unter dem 
natürlichen Hochwasserniveau senkte. Grosse Teile vom Dagsmoor wurden 
von starkem Walde (zuerst Laubbäumen, später Kiefernwalde) über¬ 
zogen, von dessen früherem Dasein ein ausgebreitetes und wohl aus¬ 
gebildetes Stubbenlager ein unzweideutiges Zeugnis ablegt. (Das Dags¬ 
moor war schon zur Zeit des Pfahlbaues ungefähr ih seinem jetzigen 
Umfang vorhanden und war in seinem pflanzenphysiognomischen Cha¬ 
rakter ein Cladium-Carex-Sumpf von demselben Typus wie z. B. 
die gotländischen Sümpfe.) Die subboreale Zeit— in Skandinavien 
der trockenste und wärmste Zeitraum der Alluvialzeit — war eingetreten, 
und unter der Einwirkung ihres Klimas sanken die Wasserflächen der Seen, 
die vorher nassen Torfmoore bekleideten sich mit Wald, und die Quellen 
wurden schwächer. Alle diese Veränderungen trafen aber nicht nur um 
den Täkernsee ein, sondern die Spuren derselben sihd im ganzen süd¬ 
lichen Skandinavien beobachtet worden; und, wie oben gezeigt, erstreckte 
die Klimaveränderung ihre Wirkungen auch auf die Bebauung, indem die 
Aufgabe des Wohnplatzes bei Alvastra ohne Zweifel darin ihre tiefste 
Ursache hatte*. 


* 


* 


* 


Von dem Kulturstandpunkt, auf dem die Bewohner standen, liefern 
uns die in de r Kulturschicht angetroffenen Altertümer 1 ) ein besonders 
gutes Bild, das überdem — dank den ungewöhnlich günstigen Konser¬ 
vierungsverhältnissen auf dem Platze — teilweise ganz überraschende 
Einzelheiten bietet. Mit Rücksicht auf die nur vorläufige Natur dieser 
Mitteilungen kann indessen der Bericht über das reichhaltige Material 
für jetzt nur in der Form einer kurzgefassten Fundbeschreibung erstattet 
werden, wobei die Vergleiche mit dem übrigen in- und ausländischen 
Material auf das mögliche Mindestmass beschränkt werden. 

Von geschliffenen Beilen und Meissein aus Feuerstein liegt 
eine Menge von Splittern und Stückchen vor, die in den Fällen, wo sie 

*) Sie haben im Historischen Staatsmuseum die Inventarnummer 13 929. 


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15] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


123 


Aufschlüsse über den Typus geben, zeigen, dass dieser vierseitig und, 
näher bestimmt, dick nackig gewesen ist. 

Im Verhältnis zum Feuerstein hat der Grünstein offenbar eine 
vergleichsweise bedeutendere Rolle als Rohstoff gespielt, ganz natürlich 
übrigens in Gegenden wie diese, wo der erstere in natürlichem Zustande 
nicht vorkommt, sondern hat eingeführt werden müssen. Die sechs 
Beile aus Grünstein 1 ), die gefunden und von denen drei abgebildet 
worden sind (Abb. 8—10, s. auch Abb. 32), sind typologisch recht schwer 
zu bestimmen aus dem Grunde, weil die Gesteinsart — nach dem 



Gutachten des Dr. A. GAVELIN »ein sehr umgewandelter schiefriger Grün¬ 
stein“— in durchaus ungewöhnlich hohem Grade angegriffen und durch 
die Feuchtigkeit der Torferde aufgelöst ist. Daher sind die Kanten 
in den meisten Fällen abgerundet worden, und die charakteristischen 
Einzelheiten sind verloren gegangen; besonders gilt 
dies von dem Nackenteil. Die Form ist jedoch deut¬ 
lich (wie auf Abb. 8 und 9) vierseitig, und augen¬ 
scheinlich ist der Typus gleich den eben genannten 
Feuersteinbeilen d i ck n a ck i g gewesen. Die Axt Abb. 10, 
die eine Queraxt ist, ist deutlich dicknackig aber 
mit einem mehr ovalen Durchschnitt. 

Dieselbe verwitterte Oberfläche zeigen die Äxte mit Schaftloch, 
die in sieben mehr oder minder fragmentarischen Stücken vorliegen. 
Die Axt Abb. 11, die mit ihrem quergestellten dünnen Nacken von 
ganz ungewöhnlicher Form ist, ist möglicherweise eine Queraxt gewesen; 



Abb. 11. Axt mit Schaft¬ 
loch. Alvastra '/»• 


! ) Eines von ihnen besteht nur aus einem Fragment (Bahnteil). 


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124 


O. Frödin. 


[16 


das doppelkonische Loch ist auffallend klein (der kleinste Durchmesser 
9 mm) und dürfte schwerlich irgend eine praktische Bedeutung gehabt haben. 

Die übrigen sechs Äxte mit Schaftloch sind alle von doppel- 
schneidiger Form (Abb. 12—17, s. auch Abb. 32), ein Typus, dessen 



Abb. 12-17. Doppelschncidige Schaftlochäxte. Alvastra '/•• 


Vorkommen hier von grösstem Interesse ist, unter anderm auch aus 
dem Grunde, weil er auf den Wohnplätzen vergleichsweise selten beob¬ 
achtet worden ist. In Schweden ist er demgemäss nur an zwei Fund¬ 
orten angetroffen worden, beide Male in einem Exemplar, nämlich bei 
Gullrum und am Ausfluss des Ringsees 1 ) und auf den dänischen 
Wohnplätzen wird er gleichfalls sehr selten getroffen. Um so charakteri¬ 
stischer ist der Typus dagegen für die dänischen (besonders seeländischen) 
Ganggräber, woneben er bekanntlich in einer grossen Zahl zufälliger 
Funde, nicht am wenigsten in Schweden, vorliegt. Aus Östergötland 
kenne ich ihn jedoch nur in drei Exemplaren 2 ), warum sein Auftreten 
bei Alvastra um so bemerkenswerter ist 3 ). 

l ) Vergl. Oscar ALMGREN, Uppländska stenäldersboplatser, Fornvännen 1906, 
S. 111 f. 

*) Stat. Hist. Mus. 9170:570 (Kirchspiel Kisa), 9374 (Hults bruk, Kirchspiel 
Kvillinge) und 9170:571 (unbekannten Fundorts). 

3 ) Hierzu kommen ferner die im folgenden erwähnten. 


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17] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


125 


Diese Äxte entsprechen, wo sie typologisch näher bestimmbar 
sind, am meisten der Form bei MÜLLER, Ordning 94*), also dem etwas 
fortgeschrittenen Typus mit dem weiter oben gegen die Bahn hin an¬ 
gebrachten Schaftloch. In vier Fällen sind sie unvollendet geblieben. 
Bei der Axt Abb. 14 fehlt das Schaftloch, und die Äxte Abb. 12, 13 u. 15 
sind, bevor das Durchbohren angefangen wurde, auseinander gebrochen 
und als wertlos fortgeworfen worden 2 ). Wie das Verhältnis bei dem 
Exemplar Abb. 16 gewesen ist, ist unsicher; jedenfalls ist die Axt 
Abb. 17 die einzige, von der man mit Gewissheit sagen kann, dass 
sie in Gebrauch gewesen ist. 

Der Feuerstein ist natürlich auch, zur Anwendung gekommen als 
Rohstoff für verschiedene kleinere Gerätschaften. Am zahlreichsten sind 
Schaber, die in 35 Exemplaren vorliegen, davon 11 Spanschaber 
— 9 mit konvexer Schneide an einem Ende (Abb. 18 u. 19), 1 mit 



ebensolcher Schneide an beiden Enden (Abb. 21), 1 mit mehr grader 
Schneide an einem Ende (Abb. 20) — und 15 Scheibenschaber 
unter denen 4 runde wie Abb. 23, 2 rundlich drei- und vierkantige 
(Abb. 22), der Rest unregelmässig oder fragmentarisch 3 ); die übrigen 

*) Sophus MÜLLER, Ordning af Danmarks Oldsager, Stenalderen, Kopen¬ 
hagen 1888. 

a ) Eigentümlich genug sind die Exemplare Abb. 12 u. 13 der Länge nach 
geborsten, was augenscheinlich darauf beruht, dass die Schiefrigkeit des Steines 
in dieser Fläche liegt. 

a ) Einer der Scheibenschaber ist „wahrscheinlich aus Kristianstadfeuerstein* 
gemacht (nach der Bestimmung von Dozent Dr. C. WIMAN, Uppsala). 


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126 


O. Frödin. 


[18 


9 Schaber sind aus unregelmässigen Splittern verfertigt. Es muss 
darauf hingewiesen werden, dass mehrere von den Schabern (z. B. Abb. 19 
u. 22) eine geschliffene Fläche aufweisen, woraus hervorgeht, dass sie 
aus Splittern von Beilen gemacht sind; man hat offenbar möglichst 
lange das kostbare Feuersteinmaterial ausnützen wollen. 

Die Pfeilspitzen, die in acht Exemplaren angetroffen wurden, 
sind in sieben Fällen querschneidig (Fig. 24), von dem Typus bei 
MÜLLER, Ordning 17, während die achte ein Spanpfeil mit Schaft¬ 
zunge 1 ) ist von dem Typus bei MÜLLER, Ordning 174. Während 
der letztere Typus im ganzen nordischen Gebiet vorkommt, ist der 
erstere aus dem östlichen Schweden bis jetzt nicht bekannt gewesen. 
Daher ist das Vorkommen des Typus bei Alvastra von Interesse. 

Schliesslich müssen zwei Bohrer erwähnt werden (Abb. 25 u. 26), 
sowie ein Spanmesser (Abb. 27) von dem Typus bei MÜLLER, Ord¬ 
ning 143. Gewöhnliche Feuersteinspäne sind ausserdem in grosser 
Anzahl gefunden worden, obwohl von geringer Grösse (der längste 
7,5 cm lang). 

Zum Zuhauen der Steinwerkzeuge hat man sich der Klopfsteine 
bedient, die bis zur Anzahl von etwa 50 angetroffen worden sind. Es 
sind von Natur mehr oder minder abgerundete Steine von Quarzit mit 
Schlagmarken an den Enden oder auf den mehr vorspringenden Teilen, 
bisweilen über den grösseren Teil der Oberfläche hin (Abb. 28) *). 



Abb. 27. Messer aus Feuerstein. Abb. 28 und 29. 

Alvastra. •/»• Klopfsteinc aus Quarzit. Alvastra. ’/»• 


Einer von ihnen (Abb. 29) ist ausserdem mit drei eingeschlagenen 
Vertiefungen versehen, sicherlich, um besser mit den Fingern an¬ 
gefasst werden zu können; irgend ein Anlass scheint dagegen nicht vor¬ 
handen zu sein, sie mit den schalenförmigen Vertiefungen zu vergleichen, 
die sich bisweilen gerade auf dergleichen kleineren Steinen angebracht 

1 ) Bruchstück (Zungenende). 

2 ) Dass sie auch in anderen Fällen den Dienst als Hammer versehen haben, 
muss man natürlich als gegeben annehmen. 


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19] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


127 


finden (MÜLLER, Ordning 200), und denen jetzt allgemein eine religiöse 
Bedeutung beigelegt wird *). 

Eine gleiche eingeschlagene Vertiefung findet sich auf einem an¬ 
deren in der Kulturschicht angetroffenen Stein (Abb. 30). Dieser be¬ 
steht aus einer 18,8 cm langen, 

15,7 cm breiten und 6,3 cm 
dicken, unregelmässig vierkantigen 
Grünsteinplatte mit Spuren von 
grober Zuhauung längs der Kanten. 

Mitten auf der einen Flachseite 
ist die ovale, 6,5 cm lange, 

4,5 cm breite und 1,6 cm tiefe 
Vertiefung angebracht. Der Stein 
lag mit dieser Seite nach oben 
in dem untersten Teil der Kultur¬ 
schicht (Abb. 31). 

Die Frage ist nun, WOZU Abb. 30. Stein m. schalenförmiger Vertiefung. Alvastra. 1 /* 
dieser Stein angewandt worden ist. 

Wäre er mit mehreren dergleichen Vertiefungen versehen worden, so 
scheint es mir, dass man voll berechtigt worden, ihnen dieselbe religiöse 



PM»I. 4. V«rf. 

Abb. 31. Bei X der Stein Abb. 30, bei zwei Klopfstei/te. Alvastra. 


Bedeutung zuzuschreiben, die oben kurz berührt ist, und ihn gleich¬ 
zustellen z. B. mit dem in dem Ganggrab bei Lundby in Westergötland 

l ) Ein Stein dieser letzteren Art ist vielleicht der auf dem Wohnplatz bei 
Mjölkbo in Uppland gefundene (ALMGREN, a. a. O., S. 109, Abb. 32); gegen die Er¬ 
klärung als Klopfstein spricht der Umstand, dass sich gar keine Spuren von Schlagmarken 
auf ihm findet. 



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O. FrSdin. 


[20 


von MONTELIUS im Jahre 1884 angetroffenen Stein 1 ), d. h. ihn als 
einen Opferstein zu erklären. Nun muss man gleichfalls in Betracht 
ziehen, dass er sehr wohl einem rein praktischen Zwecke gedient haben 
kann, z. B. als Unterlage für eine der Stützen, die das Dach getragen. 
In solchem Falle hätte diese mit dem unteren Ende in der kleinen 
Vertiefung geruht. Eine andere Erklärung dürfte indessen eine noch 
grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben. In der Kulturschicht kommen 
grosse Massen von zerquetschten Nusschalen vor; Haselnüsse sind also 
eine sehr beliebte Speise gewesen. Knackte man nun die Nüsse zwischen 
zwei Steinen auf, so konnte es leicht geschehen, dass die Kerne fort¬ 
sprangen; legte man sie hingegen in eine kleine Schale, wie die hier 
vorliegende, so konnte man sie ohne Gefahr mit einem Klopfstein, wie 
den oben beschriebenen, zerquetschen. Zwei solche Klopfsteine lagen 
gerade bei dem Stein, in nur 15 cm Abstand von ihm und in derselben 
Tiefe (Abb. 31), ein Umstand, der, wie es mir scheint, in gewissem 
Grade für die Erklärung der Bestimmung des Steines, die hier versucht 
ist, spricht. 

Zum Schleifen den Steinwerkzeuge hat man Schleifsteine von 
Sandstein und Quarzit angewandt, die in recht grosser Anzahl 



Phot. d. Vorf. 

Abb. 32. Bei X zwei doppclschncidige Schaftlochäxte (= Abb. 12 und 14), bei -f zwei Beile 
aus Grünstein (das grösste = Abb. 9). bei O Schleifstein aus Quarzit; alle in situ. Unten links ein 

Teil des Herdes Abb. 4. Alvastra. 


angetroffen sind, obwohl zumeist in Bruchstücken. Als Zeugnis für 
die Anfertigung der Werkzeuge liegt ferner eine Menge Abfall von 
Feuerstein und noch mehr von Grünstein und anderen Steinarten vor. 


*) Oscar MONTELIUS, Kulturgeschichte Schwedens, Leipzig 1906, S. 55. 


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21] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


129 


Man hat also seine Waffen und Geräte auf dem Platze ver¬ 
fertigt (Abb. 32). 

Im Gegensatz zu den Äxten aus Grünstein sind alle Gegen¬ 
stände aus Knochen und Horn besonders gut erhalten. Dieses 
so überraschende Verhalten findet indessen seine Erklärung. Man hat 
nämlich die grosse Rolle dargetan, die der Kalkgehalt des Bodens bei 
der Erhaltung der Skeletteile spielt, insofern in kalkarmen Gegenden diese 
mehr oder minder von den Humussäuren aufgelöst werden, während 
letztere in kalkreicheren Erdschichten gebunden und hierdurch unschädlich 
gemacht werden 1 ). Es ist also dem glücklichen Umstande, dass der Fund¬ 
platz in einer kalkreichen Gegend gelegen ist, zu verdanken, dass die 
hier angetroffenen Knochen- und Horngeräte so ausserordentlich gut kon¬ 
serviert sind, in ihrem Aussehen oft am nächsten an poliertes Maha¬ 
goni erinnernd. 

Von den Knochenwerkzeugen sind die Pfriemen die zahlreichsten 
(Abb. 33—41). Die Bruchstücke eingerechnet, sind sie in 39 Exemplaren 
vorhanden, wechselnd in der Länge zwischen 3,5 cm und 15,3 cm. 
Von diesen 39 sind 18 hinsichtlich des Materials bestimmbar*), wobei 
es sich zeigt, dass 6 verfertigt sind aus Knochen der Ziege (Kahn¬ 
bein, Abb. 39 und 40), 4 des Schafes (2 vom Schienbein, Abb. 36 u. 
37, 2 vom Kahnbein, Abb. 38), 1 des Schafes oder der Ziege (Schien¬ 
bein, Abb. 33), 1 des Schweines (Wadenbein, Abb.34) sowie ödes Hasen 
(4 vom Schienbein, Abb. 35, 1 von der Speiche, 1 vom Ellbogenbein). 
Abgesehen von der grossen Bedeutung, die diese Bestimmungen haben 
durch die Aufklärungen, die sie über die Haustiere der Bevölkerung 
geben, sind sie von Interesse bei einem Vergleich mit den Beobachtungen, 
die man in Dänemark über die Knochenpfriemen der Steinzeit gemacht 
hat 3 ). 

Es hat sich dort gezeigt, dass diese in der älteren (nordischen) Stein¬ 
zeit in überwiegendem Masse aus dem Kahnbein des Rehes angefertigt 
worden sind, und zwar in der Weise, dass das untere Ende des Knochens 
entfernt wurde, während das obere erhalten blieb, um als Kopf zu 
dienen. In der jüngeren Steinzeit dagegen hat man in gleich über- 


‘) Qunnar ANDERSSON, Studier öfver Finlands torfmossar och fossila kvar- 
färflora, Bulletin de la comm. gdol. de Finlande, Nr. 8, S. 142. — Rutger SERNANDER, 
Einige Vertebratenfunde aus schwedischen Torfmooren, Bulletin of the Geol. Inst, of 
Upsala, Nr. 10, Bd. V, Teil 2, 1903, S. 232 f. 

*) Die zoologische Bestimmung dieser und der folgenden Altertümer ist gütig 
ausgeführt von Kandidat L. HEDELL, Uppsala. 

3 ) A. P. MADSEN, Sophus MÜLLER u. a., Affaldsdynger fra Stenalderen 
i Danmark, Kopenhagen 1900, S. 60 ff. und 140 ff. — Aarböger f. nord. Oldkyndig- 
hed 1888, S. 262 ff„ und 1903, S. 236 ff. 

M annus- Bd. II. ® 


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130 


O. Frödin. 


[22 


wiegendem Masse das Kahnbein des Schafes benutzt, aber man hat 
dabei den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, indem man das obere 
Ende entfernte und das untere behielt, dessen beide Gelenkrollen einen 
vorzüglichen Kopf für die beiden Pfriemen bildeten, die man dadurch 
erhielt, dass man den Knochen der Länge nach in zwei Hälften spaltete. 

Was nun die Pfriemen des Alvastrafundes betrifft, so sind auch 
diese öfter aus den Knochen von Haustieren, als denen wilder Tiere 



33 34 35 36 37 38 39 40 41 


‘ Abb. 33—41. Knochenpfriemen. Alvastre. 


angefertigt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die Ziege hier eine 
grössere Rolle als in Dänemark gespielt zu haben scheint l ). Aber der 
für die jüngere Steinzeit typische Knochenpfriem ist bei Alvastra nur in 
sechs Exemplaren vorhanden (Abb. 39); die übrigen sind mehr oder minder 
abweichend, ln einem Falle ist der Knochen nicht in der oben an¬ 
gegebenen Weise der Länge nach geteilt, sondern die beiden Gelenkrollen 
bilden den Kopf des Pfriemens (Abb. 38); in einem anderen Falle besteht 
dieser aus dem oberen Ende des Knochens (Abb. 40), also ein für 
die ältere Steinzeit charakteristischer Zug, der jedoch auch einige Male 
auf den Wohnplätzen der jüngeren Steinzeit in Dänemark beobachtet 
ist*). Ferner hat man in drei Fällen das Schienbein des Schafes oder der 


l ) Vergl. Aarböger 1888, S. 264. 
*) Affaldsdynger, S. 168. 


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r *^ schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


131 



Ziege benutzt (/r® c 33, 36, 37), einen in der jüngeren Steinzeit in Däne¬ 
mark zu diesem*wWeck höchst selten angewandten Knochen (nur zwei 
Beispiele dürften davon bekannt sein) l ). Von ihnen ist der Pfriemen 
Abb. 33 durch den Einschnitt bemerkenswert, mit dem er versehen 
ist, offenbar, damit er hierdurch sicherer geführt würde; bei dem Ein¬ 
schnitt mit dem äussersten Glied des Zeigefingers gefasst liegt er besonders 
fest in der Hand. Schliesslich sind sechs Pfriemen aus Knochen des Hasen 
verfertigt, davon in vier Fällen wiederum aus dem Schienbein (Abb. 35); 
nach der mir zugänglichen Literatur zu urteilen, dürfte dies das erste 
Mal sein, dass man beobachtet, dass der Hase Material für steinzeitliche 
Pfriemen geliefert hat. 

Meissei sind in fünf Exemplaren angetroffen worden (Abb. 42), 
davon vier aus Knochen (in zwei Fällen dem Kahnbein vom Edelhirsch); 


Ger&t aus Hirschhorn. 
Aivastra. 


Abb. 43. Meissei aus Hirschhorn. Abb. 44. 
Aivastra. '/«• 


Abb. 42. Knochenmeissei. 
Aivastra. '/*• 


der fünfte ist ein vorzüglich schöner und wohlerhaltener Meissei aus 
Hirschhorn (Abb. 43). 

Ein anderes Gerät aus Hirschhorn (Abb. 44) besteht aus 
einer abgebrochenen oder vielleicht eher abgehauenen Hornspitze, die 
sehr an einen Schlagstock (s. S. 146 f.) erinnert, aber die für dieses Werk¬ 
zeug charakteristische abgeschnittene Spitze nicht besitzt. Statt dessen 


‘) Affaldsdynger, S. 153 f. 


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PRINCETON UN1VERSITY 



132 


O. Frödin. 


[24 


ist sie von der Spitze an ein gut Stück aufwärts inutzt^em Masse ver¬ 
schlissen und ausserdem am dicken Ende an der Stkim, wo die Hand 
sie umfasst hat, blankgeschliffen; nach allem zu urteilen, ist sie viel in 
Gebrauch gewesen, vielleicht als Saumglätter oder bei der Anfertigung 
von Tongefässen (auch in solchem Falle als „Glätter"). 

Einige weitere Knochen- und Hornfragmente weisen Spuren von 
Bearbeitung auf; über ihre Bestimmung kann jedoch für jetzt nichts 
gesagt werden. 

Auch Schmuckstücke kommen in mehreren Arten vor. Die 
gewöhnlichsten scheinen aus Zähnen gearbeitete Anhänger ge¬ 
wesen zu sein, die in einer Anzahl von 11 Stück gefunden sipd, von 



Alvastra. */». Lundby, • Luttra Knaggegärden, Abb. 48- 50. Anhänger aus 

Westergötland. */•• Westergötland. •/*. Zähnen gearbeitet. Alvastra. 


denen acht aus Vorderzähnen des Schweines (vermutlich Wildschwein, 
Abb. 48) gefertigt sind, einer aus einem Stück eines Backenzahnes 
gleichfalls vom Schwein, sowie zwei aus Vorderzähnen des Elches (Abb. 
49u.50). Sie sind also zu gleicher Zeit als Jagdtrophäen getragen worden. 
Alle sind mit einer rings um das Wurzelende eingeschnittenen Furche 
versehen, ein selten beobachtetes Verfahren (Gullrum l ); Stora Förvar 
auf Stora Karlsö, Äloppe 2 ), Ertebölle *)) im Vergleich mit dem in der 
Steinzeit gewöhnlichen, nämlich der Durchbohrung des Wurzelendes. 

Als Perle ist sicherlich auch der abgenutzte, an beiden Enden ab- 
geschnittene Röhrenknochen (Abb. 45) verwandt worden. Solche sind 
bisher angetroffen worden bei Hemmor und Gullrum auf Gotland (auf 
beiden Stellen in 2 Ex.), in der Karlsögrotte (1 Ex.), in dem vorher 


’) Hans HANSSON, En sten&ldersboplats 
foreningens Tidskrift, X, S. 13. 

*) ALMGREN, a. a. O., S. 111. 
s ) Affaldsdynger, S. 70. 







25] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


133 


erwähnten Ganggrab bei Lundby, Kirchspiel Lundby, Westergötland 
(1 Ex., Abb. 46; St. H. M. 7 494 B), in einem Ganggrab bei Luttra 
Knaggegärden, Kirchspiel Luttra, Westergötland (1 Ex., verziert: Abb. 47; 
St. H. M. 3165) 1 ) sowie auf dem Wohnplatz beim Ausfluss des Ring¬ 
sees, Schonen (1 Ex.) 2 ). In Norwegen ist der Typus nur einmal ge¬ 
funden worden, in dem der älteren (nordischen) Steinzeit angehören¬ 
den „Kjöckenmödding“ bei Viste auf Jäderen 3 ), in Dänemark dagegen 
in mehreren Fällen 4 ), und weiter nach Süden ist er gleichfalls bekannt, 
z. B. aus mitteleuropäischen Pfahlbauten 5 ). Fast ohne Ausnahme gehört 
er also der jüngeren Steinzeit an 6 ), und unmöglich ist es nicht, dass er 
— wenigstens in Dänemark und Südschweden — als eine in Knochen 
ausgeführte Nachbildung der röhrenförmigen 
Bernsteinperlen (MÜLLER, Ordning 254) 
zu betrachten ist, insofern etwas vollkommen 
analoges mit der kleinen in einem Ganggrab 
bei Frugärden nahe Falköpinggefundenen Perle 
aus Knochen, die als Vorbild eine Bernstein¬ 
perle in Form einer doppelschneidigen Axt 
gehabt hat 7 ). Ein Beispiel für dasselbe 
Verfahren — nämlich ein kostbares Material 
durch ein minder schwer erreichbares zu Abb. 51. Bernsteinperle. Alvastra. */»• 
ersetzen — bieten übrigens die nicht unge¬ 
wöhnlichen, in Knochen ausgeführten Imitationen von Zähnen, die als 
Anhänger getragen wurden 7 ). 

Besonders merkwürdig ist der Fund einer Bernsteinperle in 
Form einer doppelschneidigen Axt 8 ), die in Abb. 51 wiedergegeben ist. 

l ) Antiqvarisk Tidskrift f. Sverige, I, S. 263. 

C. D. REVENTLOW, Ringsjöfynden, Ymer 1905, S. 158. 

3 ) A. W. BRÖGGER, Vistefundet, Stavanger 1908, S. 61. 

4 ) A. P. MADSEN, Gravhöje og Gravfund fra Stenalderen i Danmark, Det 
östl. Danmark, Kopenhagen 1896, Taf. 21, Abb. k (Ganggrab, Aarby, Seeland) und 
Taf. 27, Abb. n (Ganggrab, Bidstrup, Seeland). — Afbildninger af danske Oldsager 
og Mindesmaerker, Steenalderen, Kopenhagen 1868, Taf. 16, Abb. 8 (Ganggrab, Stege, 

Möen) und Taf. 17, Abb. 12, verziert (Ganggrab, Borreby, Seeland; vergl. den in 
demselben Grabe gefundenen Gegenstand aus Knochen, Abb. 11, mit den beiden 
zylindrischen Knochenstücken aus dem Ganggrabe bei Mysinge auf Öland, T. J. ARNE, 
Sten&ldersundersökningar, II, Fornvännen 1909, S. 94). — MÜLLER, Ordning 249. 

6 ) FORRER, a. a. O., S. 196, Abb. 130 u. 131. 

®) Vergl. hiermit die im Magiemoor angetroffenen Hornstücke (Georg F. L. 
SARAUW, En Stenalders Boplads i Magiemose ved Mullerup, Aarböger 1903, S.269f.). 

7 ) MONTEL1US, a. a. O., S. 22. — Vergl. hiermit das bei A-loppe gefundene 
axtförmige Schmuckstück aus Ton (Almgren, a. a. O., S. 111). 

8 ) Wegen der symbolischen Bedeutung der Form verweise ich auf MONTEL1US, 
a. a. O., S. 55 f., und Sophus MÜLLER, Nord. Altertumskunde, I, S. 152. 



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134 


0. Frödin. 


[26 


Das schöne, vorzüglich erhaltene Stück ist bereits in der Steinzeit am 
Loch entzwei gebrochen, aber durch das Bohren je eines neuen Loches 
in jedem der beiden Stücke hat man die beiden Hälften wieder zu¬ 
sammenbinden und so den sicherlich hoch geschätzten Schmuck von 
neuem verwendbar machen können. Dies ist das erste Mal, wo ein 
Gegenstand aus Bernstein auf einem Wohnplatz aus der Steinzeit in 
Schweden angetroffen worden ist, und gleichfalls der erste Bemstein- 
fund aus der Steinzeit in Östergötland. Überhaupt sind solche Funde 
sehr selten im östlichen Schweden; es sind nur zwei bisher gemacht 
worden. Der eine besteht aus einer runden, ganz dicken, in der Mitte durch¬ 
bohrten Scheibe, gefunden bei Sundsholm, Kirchspiel Gladhammar, SW von 
Westervik (St. H. M. 12558), der andere aus einer Anzahl Perlen aus dem 
oben genannten Ganggrab bei Mysinge im Kirchspiel Resmo auf Öland 1 ). 
Im westlichen Schweden dagegen hat man öfter Perlen aus diesem 
Material gefunden, und besonders haben die Steinzeitgräber Westergöt- 
lands eine grosse Anzahl geliefert. Bei diesem Verhältnis kann man 
mit der grössten Gewissheit annehmen, dass die Verbindungen, die die 
hier vorliegende Perle von Dänemark, dem Heimatland des Rohstoffes, 
nach Östergötland geführt haben, nicht längs den Küsten von Blekinge 
und Smaland, sondern über Westergötland gegangen sind 2 ). Es muss 
im Auge behalten werden, dass Alvastra nur sieben Meilen von Schwedens 
grösstem Bernsteinzentrum, Falbygden, abliegt. 

In seiner Art einzig dastehend ist der Holzhaken Abb. 52, das 
erste Holzgerät aus der Steinzeit Schwedens, das bei einer wissen¬ 
schaftlichen Untersuchung angetroffen worden ist 8 ). Der kleine Haken, 
der besonders gut geschnitten und glatt geputzt ist, ist oben abgebrochen, 
und auch an der Aussenseite, etwas über dem Anfang der Umbiegung, 
kann man eine Bruchfläche beobachten, die möglicherweise darauf hin¬ 
deutet, dass der Haken ursprünglich ein Doppelhaken gewesen ist. Aus 
den Pfahlbauten der Alpengegenden kennt man gleichfalls Haken aus Holz. 

Dass nicht mehr Holzgeräte angetroffen worden sind, beruht ohne 
Zweifel darauf, dass die Untersuchung bis jetzt nur die auf dem 
Boden liegende Kulturschicht umfasst hat, und dass die in dieser etwa 
befindlichen Holzsachen bereits in der Zeit, da das Haus bewohnt war, 
schnell vermorscht und nachher durch das ständige Darauftreten, dem 
sie ausgesetzt waren, Zermalmt worden sind. Dass es sich wirklich so ver¬ 
halten hat, wird überdies durch die Fundstelle des Holzhakens be- 


! ) ARNE, a. a. O., S. 93 f. 

2 ) Mit vollem Recht hat A. W. BRÖQQER („Den arktiske stenalder i Norge*, 
Christiania 1909, S. 205 f.) es für wahrscheinlich gehalten, dass diese Verbindungen 
unmittelbar von Jütland über das Kattegatt bis zur Mündung der Götaelf gegangen sind. 
•) Er wurde von Dr. O. ALMGREN bei einem Besuch des Platzes gefunden. 


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27] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


135 


stätigt, da dieser zwischen zwei Bodenbalken gefunden wurde, wo er 
natürlich wohl geschützt gelegen hat. Unter dem Boden, sowie im 
Moder ausserhalb des Hauses sind ganz gewiss noch ein ganz Teil 
Sachen sowohl aus Holz als aus anderem noch empfindlicheren Material 
zu finden. 

Auch die Keramik ist aus denselben Ursachen, die eben berührt 
sind, sehr schlecht vertreten. Allerdings sind die Bruchstücke von Ton- 
gefässen recht zahlreich, aber in den meisten Fällen ganz klein — so 
unbedeutend, dass sie keine Andeutung über die Form des Gefässes 
geben —, und ausserdem mehr oder minder von der Feuchtigkeit der 



Abb. 52. Haken aus Holz. 5} 54 

Alvastra. '/•- Abb. 53 und 54. TongefÄsscherben. Alvastra. •/*. 


Torferde aufgelöst. Aus diesem Grunde ist die Masse dem Aussehen 
nach schlechter gebrannt, gröber und mehr mit Sand gemischt, als sie 
sicherlich ursprünglich gewesen ist. Wenn Verzierung vorkommt, besteht 
sie gewöhnlich aus grösseren oder kleineren Grübchen, rund oder un¬ 
regelmässig, in einem Falle vereinigt mit wagerechten Zickzacklinien 
(Abb. 53). Eine andere Scherbe ist mit ähnlichen Zickzacklinien 
in senkrechter Stellung verziert (Abb. 54). Auf diesen beiden Scherben 
ist ausserdem die Oberseite der Kante mit Strichen verziert. Ich 
komme unten auf die Keramik zurück. 

Eine sowohl in der Steinzeit als noch weit später gewöhnliche 
Art, sich Feuer zu verschaffen, bestand darin, dass man Feuerstein 
gegen Schwefelkies schlug, wobei der auf solche Weise erhaltene Funke 
in Berührung mit Zunder gebracht wurde. Durch SARAUW’s Unter¬ 
suchung l ) wissen wir, wie im südlichen Skandinavien und ebenso in 
den Ländern im Süden und Westen schon in der jüngeren Steinzeit die 
hierzu verwendeten Feuersteinstücke eine diesem Zweck besser angepasste 
Form erhielten; man benutzte vorzugsweise einen — ziemlich dicken — 

*) Georg F. L. SARAUW, Le feu et son emploi dans le Nord de l’Europe 
aux temps prdhistoriques et protohistoriques, Annales du XX. Congrfes archäologique 
et historique de Belgique (Gent 1907) I, S. 196 ff. 


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136 


O. Frödin. 


[28 


Feuersteinspan, der durch Retuschierung längs der Kanten geebnet 
wurde, um bequemer in der Hand gehalten werden zu können. Die 
abgerundeten Enden wurden durch den Gebrauch mehr 
oder minder abgenutzt, bisweilen überall blank ge¬ 
schliffen. Diese Feuerschlagsteine sind vor kurzem auch 
in Norwegen *) nachgewiesen worden, und im südlichen 
Schweden sind sie ebenfalls, sowohl in Gräbern wie auf 
Wohnplätzen, angetroffen worden. So z. B. ist der auf 
Abb. 55 abgebildete in einer Steinkiste bei Ökull, 
Kirchspiel Lundby, . Westergötland gefunden worden 
(St. H. M. 6163). 

Was den Schwefelkies betrifft, so erfordert er zu 
seiner Erhaltung sehr günstige Verhältnisse, aber dessen 
ungeachtet ist er gleichfalls einige Male angetroffen 
worden, z. B. auf dem Wohnplatz bei Gullrum*) und 
in einer Steinkiste im Kirchspiel Söndrum, Halland 3 ). 
Bei Alvastra hat man dieselbe Methode ange- 
f euerschiagstein aus wandt, um Feuer zu schlagen, doch etwas verändert 

Feuerstein, ökull, # 

Westergötland. >/i. mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse. Der Feuer¬ 
stein war ja hier eine kostbare Ware, die sich auf 

den Bahnen des Handels hier herauf ihren Weg suchte, und die man 

daher für solche Geräte Vorbehalten musste, die mit grösserem Recht 
Anspruch auf ein derartiges erstklassiges Material machen konnten. Das 
Feuerzeug dagegen war damals wie in unseren Tagen ein für das täg¬ 
liche Leben notwendiger Artikel, der vor allem leicht zu beschaffen sein 
musste. Da galt es also den Feuerstein durch ein anderes Material 

zu ersetzen, das sich in der Gegend vorfand und in möglichst hohem 

Grade dieselben Eigenschaften besass, durch eine Steinart mithin, die 
nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung am meisten mit dem 
Feuerstein übereinstimmte. Und einen solchen Stoff erhielt man in 
dem Quarzit 4 ). Dieser stand zur Verfügung z. B. auf der aus Kies und 
Sand bestehenden Anhöhe einige 100 m westwärts oder weiter unten am 
Strand des Wetternsees, an beiden Stellen in Form von rund geschliffenen 
Kieseln. Durch einfaches Zuhauen gab man .diesen Kieselsteinen,eine 
ihrem Gebrauchszweck mehr angepasste und handlichere Form. Sie sind 
gewöhnlich länglich und laufen dann sehr oft in eine Spitze aus — der 

*) Haakon SCHETELIG, Pierres ä Feu Ndolithiques de la Norvege, Bergens 
Museums Aarbog 1908, Nr. 9. 

*) HANSSON, a. a. O., S. 14. 

3 ) T. J. ARNE, Stenäldersundersökningar, Fornvännen 1907, S. 144. 

4 ) An Stelle des Quarzit hat man in einzelnen Fällen den Bergfeldkiesel 
(nach d. Gutachten von Dr. A. GAVELIN), Quarz und Porphyr angewandt. 



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29] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


137 


ohne Vergleich gewöhnlichste Typus (Abb. 57) — einige Male in zwei 
Spitzen; seltener sind sie dreieckig mit drei Spitzen (Abb. 56). 
Oft ist die ursprüngliche, vom Wasser glatt geschliffene Oberfläche des 
Steines nicht gänzlich entfernt (Abb. 56). Wie bei den zum Feuer- 



56 57 

Abb. 56 und 57. Feuerschlagsteine aus Quarzit. Alvastra. */»• 


schlagen benutzten Feuersteinen sind auch bei diesen Steinen die 
Spitzen durch den Gebrauch mehr oder minder abgerundet und ab¬ 
genutzt. Diese — übrigens früher nicht beobachtete — Art von Alter¬ 
tümern liegt, die Bruchstücke eingerechnet, in der bedeutenden Anzahl 
von etwa 150 Exemplaren vor. 

Dass diese Steine wirklich zu dem eben genannten Zweck gedient 
haben, darüber dürfte nicht der mindeste Zweifel herrschen. Schon 
im Anfang der Untersuchung setzte es mich in Erstaunen, dass sie in 



Abb. 58. Abb. 59. 

Schwefelkieskugel. Alvastra. */». Zunderschwamm. Alvastra. i/s. 

einer die übrigen Sachen so übersteigenden Anzahl auftraten, ein Um¬ 
stand, der an und für sich vermuten Hess, dass hier ein auf den täglichen 
Lebensbedarf bezügliches Gerät vorlag. Deswegen, und da andere zum 
Feuerschlagen geeignete Geräte nicht vorkamen, lag es nahe, in ihnen 
Steine zum Feuerschlagen zu sehen, um so mehr als ein paar Stücke 
Schwefelkies bald darauf angetroffen wurden. Die Bestätigung fand 
sich schliesslich, als ein solcher Stein und ein Stück Schwefelkies zu- 


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138 


O. Frödin. 


[30 


sammenliegend, dicht bei einander, gefunden wurden; später wurde 
noch ein Feuerschlagstein Kante an Kante mit einem Stück Schwefel¬ 
kies liegend angetroffen. 

Solche Stücke Schwefelkies liegen in zehn Exemplaren vor und 
bestehen aus runden Kugeln (Abb. 58) oder Bruchstücken davon. Als 
Folge der Stösse gegen den Stein sind die Kristalle an der Oberfläche 
mehr oder minder zerquetscht. 

Wie oben erwähnt, wurde der Funken mittels Zunder aufgefangen. 
Auch solcher ist angetroffen. Das auf Abb. 59 wiedergegebene Stück 
besteht nämlich — nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. LAGERHEIM — 
aus echtem Zunderschwamm (Polyporus fomentarius (L) 
Fr.). Nach dem glatten Aussehen der Bruchfläche zu urteilen, hat man 
mit einem schneidenden Gerät — also absichtlich — den Schwamm 
von dem Baumstamm, auf dem er gewachsen ist, gelöst; dass er zu¬ 
fällig in die Kulturschicht sollte gekommen sein, dürfte aus diesem 
Grunde als ausgeschlossen anzusehen sein. Es muss hinzugefügt werden, 
dass er gefunden wurde zwischen dem oben erwähnten Sitzplatz und 
dem diesem zunächst gelegenen Herde, in einem Abstand von 0,5 m 
von dem ersteren und umgeben von etwa 20 Feuerschlagsteinen, von 
denen 10 in ungefähr derselben Tiefe in der Kulturschicht lagen. 

ln Schweden ist der Feuerschwamm nur ein Mal früher auf einem 
steinzeitlichen Wohnplatz beobachtet worden; SERNANDER erwähnt 
nämlich ein Bruchstück von Polyporus cfr. igniarius Fr. vom Wohn¬ 
platz im Bare Moor, Kirchspiel Svalöf, Schonen 1 ), ln Dänemark ist er 
an zwei Orten gefunden (der eine ist das Magiemoor), auch hier ist es 
Polyporus igniarius*). Aus Deutschland kennt man ihn gleichfalls 
und noch mehr von den mitteleuropäischen Pfahlbauten (Polyporus 
igniarius in allen Fällen, wo die Art angegeben ist 3 ). Es verdient 
Beachtung, dass die bei Alvastra gefundene Art der echte Zunder¬ 
schwamm ist, der den besten Zunder liefert. 

* * 

» 


*) Geol. Föreningens Förhandlingar, Bd. 30 (1908), S. 391. 

*) SAR AUW, Aarböger 1903, S. 193 f. 

s ) Oswald HEER, Die Pflanzen der Pfahlbauten, Zürich 1865, S. 42 (Sonder¬ 
druck aus dem Neujahrsblatt der Naturforsch. Gesellschaft auf das Jahr 1866). — 
Dozent Dr. Th. WULFF hat eben hervorgehoben, dass „HEER von den schweize¬ 
rischen und norditalischen Pfahlbauten angibt, dass er fast regelmässig Zunder¬ 
schwamm angetroffen habe, doch nach HEER’s Schilderung einer anderen, schlech¬ 
teren Art (Polyporus igniarius), soweit man sich auf HEER’s Bestimmung ver¬ 
lassen kann. Ausserdem hat HEER in einigen Pfahlbauten einen anderen Schwamm 
angetroffen, Daedalea quercina, der ebenfalls in Schweden vorkommt, aber 
einen weit schlechteren Zunder liefert, als die beiden genannten Polyporus - Arten". 


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31] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


139 


Das in der Kulturschicht angetroffene, bedeutende Knochen- 
material ist vorläufig von Dozent Dr. A. PIRA untersucht worden, 
der hierüber folgendes gütigst mitteilt: 

„Die Knochensammlung besteht aus Bruchstücken von Skelett¬ 
resten, zum grössten Teil nur aus Knochensplittern; ganze, lange 
Knochen von Extremitäten kommen im Funde fast gar nicht vor, sondern 
diese sind entweder zermalmt oder abgeschlagen; ein Teil ist der Länge 
nach gespalten. Ebenso sind die Schädel zersplittert, so dass sich in 
dem Funde einzelne Zähne in ziemlicher Menge vorfinden, während 
nur eine sehr geringe Anzahl Zahnreihen Vorkommen. Manche von 
den Knochenstücken weisen Spuren von Feuer auf, einige auch Merk¬ 
male von scharfen Instrumenten. 

Folgende Säugetiere finden sich in dem Funde vertreten: 

Schwein, zahlreich. Ein grosser Teil der Knochenstücke vom 
Schwein deutet auf grosse, kräftige Tiere hin, besonders einige hintere 
Backzähne sowie Eckzähne von Ebern, die dieselben Grössen zeigen 
wie die entsprechenden Teile bei den Schädeln des Wildschweins aus 
den Torfmooren Schonens; diese Bruchstücke dürften sich vom Wild¬ 
schwein herleiten. Andererseits finden sich in der Knochensammlung 
Zähne von kleineren Grössenverhältnissen, die sehr wohl von der 
kleinen zahmen Schweinerasse stammen können, die sich in den 
oberen Lagern in der Grotte von Stora Karlsö und später in Funden 
weitab gegen das 17. Jahrhundert vorfindet 1 ). 

Doch will ich betreffs dieser Zähne darauf aufmerksam machen, 
dass sie nicht so beschaffen sind, dass sie den vollen Beweis für die 
Anwesenheit des zahmen Schweines im Alvastrafunde liefern, obwohl 
sie mir dafür zu sprechen scheinen. 

Rind, zahlreich. Ein Teil der Skelettreste und Zähne vom Rind 
scheinen von grossen Tieren herzustammen, aber andererseits deutet 
manches darauf hin, dass sich kleineres Rindvieh bei dem Wohnplatz 
vorgefunden hat, so besonders eine Zahnreihe in dem Viereck H8b, be¬ 
stehend aus den fünf hintersten Backzähnen im Oberkiefer, die hier 
zusammen 98 mm in der Länge messen, während das entsprechende 
Mass bei einem grossen Kuhschädel 115 mm ist. Die grossen massiven 
Skelettreste aus einer so entfernten Zeit legen den Gedanken an den 
einst in Schweden wild lebenden Urstier (Bos primigenius) nahe, 
besonders wenn man bedenkt, dass, falls das Steinzeitvolk bei Alvastra 
zahmes Rindvieh gehabt hat, dieses von kleinem Wuchs gewesen sein 
müsste, entsprechend dem Verhalten der primitiven Rindviehrassen im 


‘) PIRA, Studien zur Gesdhichte der Schweinerassen, insbesondere derjenigen 
Schwedens, S. 371 ff. (Zoologische Jahrbücher, Suppl. X, Heft 2, 1909.) 


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140 


O. Frödin. 


[32 


allgemeinen. Nun kann man zugeben, dass sich ja auch Andeutungen 
von kleineren Tieren vorfinden, aber was das obengenannte Kieferbruch¬ 
stück von H8b betrifft, so muss von ihm bemerkt werden, dass die 
hochgradige Abnutzung der Zähne beweist, dass es von einem sehr 
alten Tier herrührt, ein Umstand, der nach RÜTIMEYER und anderen, 
die sich mit Untersuchungen von Skelettresten aus Wohnplätzen be¬ 
schäftigt haben, dafür spricht, dass hier das Überbleibsel eines wilden 
Tieres vorliegen kann. Einen direkten Ausspruch darüber, inwie¬ 
weit das Rindvieh bei Alvastra wild oder zahm gewesen ist, 
traue ich mir jedoch nicht zu tun; die Möglichkeit wird ja stets 
vorhanden sein, dass sich im Funde Überbleibsel von zahmen 
wie wilden Tieren finden. 

Schaf oder Ziege. Bruchstücke von diesen Tieren sind sehr dürftig 
und bestehen nur in einem Backzahn vom Oberkiefer, einem Backzahn 
vom Unterkiefer sowie einem Bruchstück vom Unterkiefer mit allen sechs 
Backzähnen. (S. unten.) 

Elch. Zähne. 

Edelhirsch. Bruchstücke vom Mittelfussknochen. 

Reh. Ein Unterkieferstück mit den fünf vordersten Backzähnen 
sowie der untere Teil eines Mittelfussknochens. 

Marder. Zwei Unterkieferstücke. 

Dachs. Ziemlich zahlreich. 

Canis, Zwei Mittelfussknochen und ein Zehenglied entsprechen 
ihrer Grösse nach denselben Teilen beim Wolf, wogegen zwei Eckzähne 
vom Oberkiefer von einem mittelgrossen Hund herzurühren scheinen. 

Bär. Der horizontale Teil einer linken Unterkieferhälfte; alle Zähne 
ausser dem nächst vordersten Backzahn sind ausgefallen“. 

Bei der Untersuchung der Knochenwerkzeuge hat es sich, wie oben 
ausgeführt ist, gezeigt, dass sowohl das Schaf als auch die Ziege 
sowie ausserdem der Hase Vorkommen 1 ). 

Auch einige Fischknochen liegen vor, darunter, nach der Be¬ 
stimmung von Kandidat HEDELL, Knochen vom Hecht. Aus der 
geringen Anzahl geht hervor, dass der Fisch eine höchst unbedeutende 
Rolle im Haushalt gespielt hat, eine Erscheinung, die — im Verein 


*) Zusammen mit den Tierknochen wurden im nördlichsten Teil des Schachtes 
einige zerstreute Menschenknochen angetroffen, nämlich (nach PIRA): ein oben ab¬ 
gebrochener Oberarmknochen und ein unten abgebrochener Ellbogenknochen, beide 
von der rechten Seite und wahrscheinlich von demselben Individuum, ein Bruchstück 
vom Wadenbein, sowie ein Sprungbein; die langen Knochen sind abgebrochen, 
aber nicht der Länge nach gespalten. Irgend ein Anlass für die Annahme, dass 
diese Knochen von etwas anderem, als von zerstörten Gräbern herrühren, lässt sich 
bis jetzt nicht finden. 


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33] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


141 


mit der Abwesenheit von Angelhaken — in ihrer Weise bestätigt, was 
die geologische Untersuchung bereits nachgewiesen hat, nämlich dass 
der Wohnplatz weit ab vom offenen Wasser gelegen war. 

Durch ältere Funde wissen wir, dass unsere gewöhnlichen Haus¬ 
tiere im südlichen Schweden sich bereits in der jüngeren Steinzeit vor¬ 
fanden. Es ist daher nicht überraschend, dass in der Fauna von Alvastra 
Schaf und Ziege, Schwein (wahrscheinlich), Rind (möglicherweise) 
und Hund (mutmasslich) Vorkommen. Was den letztgenannten be¬ 
trifft, so werden die fortgesetzten Untersuchungen sicherlich endgültig 
auch die Anwesenheit dieses ältesten Haustieres des Menschen fest¬ 
stellen; jedenfalls scheint der Hund eine vergleichsweise untergeordnete 
Rolle gespielt zu haben, zumal da solche Merkmale, deren Ursprung 
im Nagen des Hundes gesucht werden kann, selten an den Tierknochen 
Vorkommen. 

* * 

* 

Das Steinzeitvolk bei Alvastra hat nicht nur von Fleisch, sondern 
auch von Pflanzenkost gelebt. Bereits im vorhergehenden ist in anderem 
Zusammenhang dargestellt, dass Haselnüsse offenbar eine sehr be¬ 
liebte Speise ausgemacht haben. 

Man hat ausserdem Ackerbau getrieben. An einigen Stellen in 
der Kulturschicht, in der Nähe von ein paar Herden, aber auch 
zwischen den Kulturresten unter dem Boden am südlichen Ende des 
Schachtes *), wurde nämlich ein Teil verkohlter Getreidekörner (Abb.60) 
angetroffen, die ich den grossen Vorzug hatte, Professor Dr. N. Hj. N1LS- 
SON zu Swalöf zur Untersuchung übergeben zu können. Es hat sich 
dabei gezeigt, dass es Körner der sechszeiligen Gerste sind und 
„mehr als wahrscheinlich von Hordeum hexastichum*; eigentümlich 
ist, dass die Acheln fast vollständig verloren gegangen sind, „während“, 
wie Professor N1LSSON schreibt, „der Kern selbst mit seinem dünn¬ 
wandigen und mit Stärke gefüllten Parenchym so er¬ 
staunlich gut erhalten ist. Ich habe z. B. darin deut¬ 
lich sowohl die Membranen als auch einzelne erkenn¬ 
bare Stärkekörner gesehen. Doch ist anzunehmen, 
dass die Körner auf dem Fundplatz noch von den GerstMHoideum 
Schalen umschlossen gewesen sind, obwohl diese bei he *AiJls££ um) ' 
der Verkohlung sich losgelöst haben und wegen ihrer Doppc,tc nat Gr * 
Dünnheit zerfallen sind. Dies wird sich bei der Fortsetzung der Gra¬ 
bungen wohl feststellen lassen.“ 

Durch einige im südlichen Skandinavien gemachte Funde wissen 

*) Die hier gefundenen Körner wurden bei Bohrungen angetroffen (s. S. 116). 



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PRINCETON UNIVERS1TY 



142 


O. Frödin. 


[34 


wir, dass man in der jüngeren Steinzeit Ackerbau hier getrieben 
und dabei Weizen und Gerste angebaut hat 1 ); die Alvastraunter- 
suchung hat nun den ersten unmittelbaren Beweis geliefert, dass es — 
wenigstens betreffs der letzteren Getreideart — auch in Östergötland der 
Fall gewesen ist. Dass die Art gerade H. hexastichum ist, ist eine 
besonders wichtige Tatsache, da diese vermutlich die älteste angebaute 
ist. Sie wurde z. B. von dem Volke der Pfahlbauten Mitteleuropas 
angebaut*). Sie befindet sich jetzt noch in Kultur z. B. in dem nörd¬ 
lichsten und innersten Lappland. 

Wie ersichtlich, hat die Ausgrabung manche unerwartete Sachen 
zutage gefördert. Am merkwürdigsten dürften doch die verkohlten 
Äpfel sein, die an mehreren Stellen, teils im unteren Teil der Kultur¬ 
schicht, teils auf dem Boden selbst zwischen den Bodenbalken ange¬ 
troffen wuden. Dozent Dr. Th. WULFF, der sie einer eingehenden Unter¬ 
suchung unterworfen hat, hat hierüber folgendes Gutachten abgegeben: 

»Das Material besteht aus verkohlten Stücken von Apfelfrüchten, 
teils kleinere Bruchstücke, teils halbierte Früchte (Abb. 61). Sie sind 



c 

Abb. 61. Verkohlte Apfelstücke. Alvastra. '/«• Gezeithnet von Fräulein Rosenius. 
a. Halbierter Apfel von dem grösseren Typus, b, c. Kleinere Apfelstüdce mit den Pergamentwänden 
und den Samen der Kernhäuser in situ, d, e. Halbierte Apfel von dem kleineren Typus. Man be¬ 
achte die eingerollten Kanten der Apfel a, d, e, die andeuten, dass sie vor der Verkohlung an der Luft 

gedörrt worden sind. 


so gut erhalten, dass Fruchtschale, Fruchtfleisch, Kernhaus mit seinen 
Pergamentwänden sowie der Same deutlich unterschieden werden können. 
Die Samen scheinen voll entwickelt und die Früchte also in völlig reifem 
Zustande eingesammelt worden zu sein. Stiele fehlen, aber Reste des 
Kelches (die „Fliege“)' können in einigen Fällen beobachtet werden. 
Man gewinnt durchaus die Auffassung, dass die Früchte mit Ab¬ 
sicht zerschnitten worden sind, wahrscheinlich um gedörrt zu werden und 

*) Georg F. L. SARAUW, De aeldste Spor af Saedearternes Dyrkning i Sverige, 
Förhandlingar vid det 15^« skandinav. naturforskaremötet i Stockholm 1898, S. 293 ff. 

*) HEER, a. a. O. S. 12 ff. — Georg BUSCHAN, Vorgeschichtliche Botanik, 
Breslau 1895, S. 38 ff. 


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PRINCETON UNSVERS, 


I 

isynmj 


35] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


143 


als Wintervorrat zu dienen. In den meisten Fällen sind die Äpfel der 
Länge nach geteilt worden, nur in ein oder zwei Fällen querüber. 
Das Kernhaus ist niemals entfernt worden, sondern findet sich noch 
bei allen Äpfeln vor. Man gewinnt die Auffassung, dass die Äpfel ge¬ 
dörrt worden sind, ehe sie verkohlten. An den am besten erhaltenen 
Apfelstücken findet man nämlich deutliche Zeichen, dass das Fruchtfleisch 
und die Schale vor der Verkohlung auf dieselbe Weise eingeschrumpft 
sind, wie die Frucht beim Dörren an der Luft einschrumpft. Die 
Frucht, die in frischem Zustande verkohlt ist, behält nach der Ver¬ 
kohlung eine glatte Schnittfläche und eine glatte Schale bei. 

Alle hier soeben angeführten Beobachtungen sind fast Punkt für 
Punkt dieselben, wie sie Oswald HEER*) als bezeichnende Merkmale 
bei den Apfelfunden in den schweizerischen und norditalischen Pfahl¬ 
bauten gefunden hat. 

Von den aus Alvastra zur Untersuchung mir übergebenen Apfel¬ 
stücken haben sieben eine zuverlässige Messung gestattet. Dabei sind 
folgende Masse festgestellt worden: 

Breite X Länge 


1. 

22 

mm X 23 

mm 

2. 

24 

„ X 23 

» 

3. 

22 

. X 20 

» 

4. 

24 

. X 20 

» 

5. 

24 

. X 25 

0 

6. 

32 

» X 28 

0 

7. 

34 

„ X 30 

0 


Hieraus geht ja deutlich hervor, dass von den gemessenen Äpfeln 
die fünf ersten (Nr. 1—5) einem kleineren Typus (Mitteldimen¬ 
sionen : 23,2 X 22,2 mm), die beiden letzten (Nr. 6 u. 7) dagegen einer 
etwas grösseren Klasse (Mitteldimensionen: 33X29 mm) angehören. 

Es ist dabei von einem gewissen Interesse, dass HEER 2 ) unter 
den Äpfeln aus den von ihm untersuchten Pfahlbaufundorten gleichfalls 
zwei Typen hat ausscheiden können (Abb. 62): 

a) Den kleinen Holzapfel mit einer Länge von 15—24 mm 
und einer Breite von 18—27 mm; 

b) Den grösseren, runden Pfahlbauapfel mit einer Länge 
von 29—32 mm und einer Breite bis zu 36 mm. 

Von den Äpfeln aus Alvastra schliessen sich also Nr. 1—5 an den 
kleineren Apfeltypus HEER’s an, während Nr. 6 und 7 deutlich inner¬ 
halb der Grenzen des grösseren Pfahlbauapfels HEER’s fallen. 

') A. a. O., S. 24 f. 

*) A a. O., S. 25. 


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PRINCETON UNfVERSITY 



144 


O. Frödin. 


[36 


HEER hat in diesem grösseren Pfahlbauapfel, der in notorischen 
Steinzeitschichten angetroffen ist, einen Beginn des Obstbaues sehen 
wollen, weil dieser grössere Apfel grössere, fleischigere, mehr veredelte 


l 


3 


5 


6 




w 10 ff? 


9 10 11 12 b U a 15 a 16 b c 7 

Abb. 62 FrQ^ te und Kerne in schweizerischen Pfahlbauten aus der Steinzeit gefunden. 

(Nach Osw. HEER.) 


1-4. Holzipfel: a, b. Kerne, c. Stiel. 5, 6. Kultivierte Apfel. 7. Holzbirne. 8a. Erdbeersame, vergrössert. 
8b. Wasser-Ranunkel, vergrössert. 9. Same der Himbeere, viermal vergrössert. 10. Same der Brom¬ 
beere, vergrössert. 11. Kern der Weinbeere: a. b. nat. Gr., c. vergrössert. 12. Cornel (Cornus mas). 
13. Felsenkirsche (Prunus mahaleb): a, b. von Castione bei Parma, c, d. von Robenhausen. 14. Ahl- 
kirsche (Prunus Padus): a, b. mit rundem Stein von Robenhausen, c. mit l&ngllchem Stein von 
Concise. 15. Schlehenstein (Prunus sp inosa). 16. Pflaumenstein (Prunus insititia): a. Bauch¬ 
seite, b. Breitseile, c. Rückenfurche. 17, 18. Kirschensteine (Prunus avium). 


Früchte zeigt gegenüber denen, die für gewöhnlich den wilden Apfelbaum 
kennzeichnen. Selbst wenn man vielleicht nicht voll berechtigt ist, von 
dem Vorkommen dieses grösseren Apfeltypus auf einen primitiven, 
neolithischen Obstbau zu schliessen, so ist es jedenfalls deutlich, dass 
das Steinzeitvolk in der Schweiz sowohl wie bei Alvastra beim Ein¬ 
sammeln seiner Holzapfelvorräte die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen 
verhältnismässig grossfrüchtiger Formen des wilden Apfelbaumes ge*- 
richtet hat. 

Sehr möglich ist es ja, dass das Steinzeitvolk in der Nähe seines 
Wohnplatzes die mehr grossfrüchtigen Individuen des wilden Apfelbaumes, 
die es auf seinen Fahrten in den Wäldern entdeckt, eingepflanzt hat. 
Dadurch würde es ja um so bequemer, die Ernte für den Winterbedarf 
einzusammeln. In solchem Falle würden wir es hier mit den ersten 
Versuchen des Obstbaues in Schweden zu tun haben. 

Aus Skandinavien ist, so viel ich weiss, dieser Fund von Apfel- 


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PRINCETON UNIVERS1TY 


37 ] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


145 


früchten der erste in seiner Art*)• Dann kommt der Zeit nach ein Fund 
von 3 Stück Holzäpfeln in einem Grabe aus der Bronzezeit in Däne¬ 
mark *). Diese Äpfel gehörten zu demselben Grössentypus wie HEER's 
kleinerer Pfahlbauapfel. 

Von vorgeschichtlichen Apfelfunden in Skandinavien haben wir dem¬ 
nächst die reichen Vorräte zu verzeichnen, die in dem norwegischen 
Wikingerschiff von Oseberg angetroffen wurden 3 ). Diese norwegischen 
Äpfel aus der Eisenzeit gehörten sämtlich unserem oben beschriebenen 
kleineren Typus an und hatten im Durchschnitt eine Länge von 23 mm 
gegen eine Breite von 20 mm". — 

Dass Dozent WULFF also dartun kann, dass man die Äpfel für 
den Winterbedarf eingesammelt und gedörrt hat, ist an und für sich 
ein äusserst wichtiges Ergebnis seiner Untersuchung, die uns unerwartet 
eine kleine Einzelheit aus der Haushaltung und dem täglichen Leben 
des Steinzeitvolkes enthüllt. 

Was dagegen die Frage betrifft, in wie weit die grössere Apfel¬ 
varietät als ein Kulturerzeugnis zu betrachten ist, will ich daran erinnern, 
dass, seitdem HEER zuerst diese Ansicht ausgesprochen hat, sie auch 
von anderen Fachmännern angenommen worden ist 4 ), worauf sie ganz 
allgemein in den archäologischen Kreisen gutgeheissen wurde. Aus Dozent 
WULFF’s Gutachten geht nun hervor, dass die Sache keineswegs un¬ 
bestreitbar ist; es ist also der Forschung der Zukunft Vorbehalten, diese 
sowohl vom botanischen wie archäologischen Gesichtspunkt gleich wichtige 
Frage ins reine zu bringen. Dagegen hält, wie es scheint, Dozent WULFF 
die Möglichkeit keineswegs für ausgeschlossen, dass das Steinzeitvolk 
in der Nähe seiner Wohnplätze verhältnismässig grossfrüchtige wilde 
Apfelbäume eingepflanzt hat, in welchem Falle man also dennoch be¬ 
rechtigt sein würde, von einem Anfang des Obstbaues bereits in der Stein¬ 
zeit zu reden. Es kann da von archäologischer Seite hervorgehoben 
werden, dass der höhere Kulturstandpunkt und die sesshaftere Lebensweise, 
die ein wenn auch primitiver Obstbau voraussetzen muss z. B. im Ver¬ 
gleich mit dem Getreidebau, sowohl bei dem Pfahlbauvolk der Alpen 
als bei den Bewohnern des Pfahlbaues bei Alvastra vorhanden war. 

l ) REVENTLOW erwähnt (a. a. 0., S. 160) aus dem Wohnplatz beim Ausfluss 
des Ringsees eine Gefässscherbe, an deren Innenseite „zwischen anderen Speise¬ 
resten eine Fruchtschale festsitzt, die einem Apfelkern angehört zu haben scheint*. 
Die Bestimmung ist also unsicher. (FRÖDIN.) 

*) Vilhelm BOYE, Fund af Egekister fra Bronzealderen i Danmark, Kopen¬ 
hagen 1896, Taf. 15, Abb. B2. 

8 ) Jens HOLMBOE, Studier over norske planters historie, Nyt Magazin for 
Naturvidenskaberne, Bd. 44 (Kristiania 1906), S. 35 f. Grosse Mengen Holzäpfel 
wurden hier angetroffen „teils in einer Kiste bei dem Mast im Südende der Grab¬ 
kammer und teils in zwei Bütten in dem oben genannten Schlitten.“ 

4 ) Vergl. z. B. BUSCHAN, a. a. O., S. 169 ff. 

Mmnus. Bd. I). 10 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



146 


0. Frödin. 


[38 


Ich habe schliesslich in grösster Kürze über die Funde zu be¬ 
richten, die auf dem Platze vor dem Anfang der Ausgrabungen gemacht 
worden sind, weil sie unter anderem unsere Auffassung von der Aus¬ 
dehnung der Anlage vervollständigen. 

Beim Reinigen des Grabens, der längs der nördlichen, kurzen Seite 
des Schachtes hinläuft, sind in dessen Fortsetzung gegen Westen längs 
einer Strecke von etwa 30 m folgende Gegenstände angetroffen worden: 



Abb. 63. Doppelschneidige Schaftlochaxt. Abb. 64. Gerät aus Hirsch- Abb. 65. Schlagstock aus 
Alvastra. 7*. horn. Alvastra. Hirschhorn. Alvastra. 1 $. 

1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 63), sehr verwittert, 
das Schaftloch nicht angefangen; 

2 Beile aus Grünstein, sehr verwittert, das eine jedoch mit 
deutlichen Schmalseiten; 

1 „Schlagstock" aus Hirschhorn (Abb. 65); 

1 Gerät aus Hirschhorn (Abb. 64), bestehend aus einer ab¬ 
geschnittenen Hornspitze, infolge des Gebrauchs überall glatt abgenutzt, 
möglicherweise zu demselben Zweck bestimmt wie das Gerät Abb. 44; 

Tongefässscherben, davon drei verziert, eine mit Zickzack¬ 
linien in senkrechter Stellung (vergl. Abb. 54), die beiden anderen mit 
Eindrücken in Doppelstich (Abb. 66); 

1 Bruchstück vom menschlichen Wadenbein; 

Tie rkn oche^n. 

Von Interesse ist es, hier den „Schlagstock" (MÜLLER, Ordning 40) 
zu finden. Dieses Gerät, das zur feineren Bearbeitung des Feuer¬ 
steins benutzt wurde, liegt aus Schweden sonst nur aus Schonen vor 1 ). 


’) Bror SCHNITTGER, Förhistoriska flintgrufvor och kulturlager viel Kvarnby 
och S. Sallerup i Skj\ne, Antikvarisk Tidskrift, 19, S. 11 f. 


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Gck >ale 




Original from 






Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit, 


Das bei Alvastra angetroffene Exemplar weist gerade das charakteristische 
Merkmal seiner Anwendung auf, die kleine Absplitterung an der Innen¬ 
seite der Spitze. 

An der Kante des Grabens habe ich ausserdem Spuren eines 
menschlichen Skeletts aufgefunden, das, wenn die Ausgrabung 


Abb. 67. Doppelschneidige Schaftlochaxt. 
Alvastra. '/*. 


Abb. 66. Tongefässcherbe. 
Alvastra. •/*. 


wieder beginnt, freigelegt werden wird. Dass hier ein mit dem Wohn 
platz gleichzeitiges Grab vorliegt, ist keinem Zweifel unterworfen. 


Abb. 70 u. 71. Knochenmeissei. 
Alvastra. '/». 


Abb. 68 u. 69. Schaber aus Feuerstein. 
Alvastra. •/*. 


In einem von dem Graben einige Meter gegen Süden gezogenen 
Graben, etwa 10 m westlich von dem grossen Schacht, sind ein ganz 
Teil Funde ans Licht gekommen: 


Original frnm 

PRINCETON UNIVERSITY 


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148 


0. Frödin. 


[40 


1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 67), unvollendet, 
das Schaftloch nicht angefangen; 

8 Bruchstücke von geschliffenen Beilen oder Meissein aus 
Feuerstein; 

4 Spanschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in Abb. 68 
wiedergegeben; 

4 .Scheibenschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in 
Abb. 69 wiedergegeben; 

1 unregelmässiger Schaber aus Feuerstein; 

1 Spanpfeil mit Schaftzunge, das Zungenende, (Abb. 72), 
vom Typus MÜLLER, Ordning 174; 

etwa 30 Späne und Scherben aus Feuerstein; 

2 Meissei aus Knochen (Abb. 70 u. 71), der eine (Abb. 70) 
aus dem Kahnbein des Edelhirsches verfertigt; 

8 Feuerschlagsteine aus Quarzit, ganz oder in Bruch¬ 
stücken ; 

1 Stück Schwefelkies; 

einige Tongefässscherben, davon eine mit senkrechten Zick¬ 
zacklinien im Verein mit runden Grübchen verziert, die Oberseite der 
Mündungskante schräggestrichelt (Abb. 73); 


A 



Abb. 72. 

Spanpfeil aus Feuerstein. 
Alvastra. */*. 


1 7ZZZ^ 



Abb. 73. 

Tongef&sscherbe. 
Alvastra. ■/«. 



Abb. 74. 

Doppelschneidige Schaftlochaxt. 
Alvastra. */•• 


1 verkohlter Apfel von dem oben beschriebenen kleineren Typus; 
Tierknochen, darunter vom Schwein, Rind, Edelhirsch, 
Dachs und Canis (wahrscheinlich sowohl vom Wolf wie Hund). 

Als der längs der südlichen, kurzen Seite des Schachtes sich hin¬ 
ziehende Drainierungsgraben aufgenommen wurde, traf man in einem 
Abstand von etwa 7 m westlich vom Schacht auf folgende Gegenstände 
(St. H. M. 13572) *): 


*) Betreffs dieser und der folgenden Funde vergl. SCHNITTGER’s zuerst 
angef. Arbeit, S. 34. 


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Original from 

PRINC ETON UN IVERSJfl^y^ 





41] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


149 


1 sehr verwittertes Bruchstück einer doppelschneidigen Schaft¬ 
lochaxt (Abb. 74), das Schaftloch nicht angefangen. 

1 kleines Bruchstück eines geschliffenen Beiles oder Meisseis 
aus Feuerstein; 

1 dicknackiges Beil aus Grünstein (Abb. 75), gut gearbeitet 
und geschliffen, (in Privatbesitz); 

1 Beil aus Grünstein mit Schmalseiten, verwittert, das Bahn¬ 
teil abgeschlagen; 

1 Beil aus Quarzit, angefertigt aus einem zufälligen, von einem 
Kiesel abgeschlagenen, grösseren Splitter, die Schneide geschliffen; 

1 Spanschaber aus Feuerstein mit konvexer Schabeschneide 
an dem einen Ende; 

1 Feuerschlagstein aus Quarzit; 

1 abgeschlagener Schleifstein aus Sandstein mit abge¬ 
schliffener Oberfläche auf zwei Seiten; 

Steinabfall; 

1 Schädel (die Kalotte) sowie 2 Zähne vom Menschen, der 
Schädel dolichocephal, von einem vermutlich männlichen, etwa 40jähr. 
Individuum *); 

1 kleiner Eckzahn vom Schwein mit Spuren von Bearbeitung; 

Knochen von Säugetieren; 

Haselnussschalen. 

Daneben hatte man Kohlen, mürbe gebrannte Steine und „Baum¬ 
stümpfe“ beobachtet; die letzteren sind offenbar Reste von einem 
Hause, die ersteren ebenso wahrscheinlich die Überbleibsel eines 
Herdes. Der Menschenschädel nebst den Zähnen deutet darauf hin, 
dass auf dem Platze sich ausserdem ein Grab befindet. 

Etwa 20 m weiter westwärts wurden beim Ziehen eines anderen 
Drainierungsgrabens angetroffen: 

1 dicknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 77), die Schmal¬ 
seiten ungeschliffen, (St. H. M. 13540); 

1 dicknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 76), Querbeil, 
die Schmalseiten ungeschliffen, (in Privatbesitz); 

1 grosser Eckzahn vom Schwein (St. H. M. 13540). 

Soweit es hat ermittelt werden können, sind alle jetzt erwähnten 
Gegenstände ungefähr in der Grenzlinie zwischen dem Torf und dem 
Kalkmoder angetroffen und also gleichzeitig mit den bei der Ausgrabung 
gemachten Funden. 

! ) Nach dem Gutachten von Dr. G. BACKMAN. 

* # 

* 


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Original fro-m 

PRINCETON UNIVERS1TY 



150 


O. Frödin. 


[42 


Dass der Wohnplatz bei Alvastra der jüngeren Steinzeit und, 
näher bestimmt, ihrem späteren Teil, angehört, ist offenbar. Indessen 
dürfte es angezeigt sein zu untersuchen, in wie weit in dem reichen 



. 76 77 

'/*. Abb. 76 u. 77. Feuersteinbeile. Alvastra. */•• 


Fundmaterial sich Typen finden, die eine noch schärfere Datierung 
möglich machen. 

Es sind da drei Formen von Altertümern, die in erster Reihe 
genannt werden müssen, die doppelschneidigen Schaftlochäxte, die 
Spanpfeile und die Bernsteinperle; aus einer grossen Anzahl Funde 
sowohl aus Schweden wie aus Dänemark ist nämlich mit voller Ge¬ 
wissheit hervorgegangen, dass diese der Periode der Ganggräber an¬ 
gehören. In diese Periode, die nach der Chronologie von MONTELIUS 
die Zeit etwa 2500—2000 v. Chr. umfasst, haben wir also den Alvastra- 
wohnplatz zu datieren. 

Ein für die Zeit der Ganggräber am meisten charakteristischer 
Zug ist, was Schweden betrifft, der Kulturdualismus, der sich geltend 
macht, der deutliche Gegensatz zwischen der südskandinavischen Kultur 
einerseits und andererseits derjenigen Kultur, die von den ostschwe¬ 
dischen Wohnplätzen vertreten wird. Man kann nun fragen, welche 
Stellung das Alvastralokal zu diesen beiden Kulturen einnimmt. 
Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Es sind nicht nur die einzelnen 
Formen der Altertümer, die in den meisten Fällen, wo sie zur Lösung 
der Frage beitragen können, nach Süden und Westen weisen; die ver¬ 
schiedenen Axttypen, die Pfeilspitzen und, wie bereits hervorgehoben 
wurde, die kleine Bemsteinperle zeigen in ihrer Art, dass die Bewohner des 



Abb. 75. 

GrUnsteinbeil. Alvastra. 


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Original fro-m 

PRINCETON UNtVERSITY 


43] 


Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. 


151 


Wohnplatzes ihre nächsten Verwandten in dem Volke hatten, das seine 
Toten in den Ganggräbern Westergötlands begrub. Von noch grösserer 
Bedeutung ist jedoch das allgemeine Kulturbild, das der Wohnplatz 
aufweist. Wenn man ihn z. B. mit dem zur ostschwedischen Gruppe 
gehörenden Wohnplatz bei Säter') im Kirchspiel Kvarsebo, ebenfalls 
in Östergötland, vergleicht, so ist der -Gegensatz auffallend, und doch sind 
es nur 12 Meilen, welche die beiden Lokale voneinander trennen: bei 
Säter eine Bevölkerung von Jägern und Fischern, bei Alvastra dagegen 
Ackerbau und Haustiere mit dem höheren Grad von Sesshaftigkeit, der 
hieraus folgt. 

Es ist also typisch südskandinavische Kultur, die uns bei Alvastra 
begegnet 8 ). Doch hat, wie es in der Natur der Sache liegt, die nahe 
Nachbarschaft zu dem ostschwedischen Kulturgebiet nicht unterlassen, 
Spuren ihrer Einwirkung zu liefern 3 ). Ich habe im Vorhergehenden 
bei der Schilderung der Tongefässreste die Aufmerksamkeit auf einige 
Scherben gelenkt, die mit senkrechten Zickzacklinien, in wagerechten 
Bändern geordnet, verziert sind, darunter in einem Fall im Verein mit 



78 (V.) 79 c 80 ('/,) 

Abb. 78—80. Tongefässcherben aus Säter, Aloppe und Gullrum. 


grossen runden Grübchen (Abb. 54 u. 73). Gerade dieses Verzierungsmotiv 
ist eins der am meisten charakteristischen für die Keramik auf den ost¬ 
schwedischen Wohnplätzen (Abb. 78—80) und danach weiter ostwärts. 

Die auf diese Weise verzierten Scherben sind nur in einer Anzahl 
von drei Stück vertreten, weshalb man ihnen keine zu grosse Wichtigkeit 


') O(scar) A(LMGREN), Sten&ldersboplatsen vid Bräviken, Meddelanden fr&n 
Östergötlands Fornminnesförening 1906, S. 23 ff., und Fornvännen 1906, S. 118. 

*) Vergl. Oscar MONTELIUS, Östergötland under hednatiden, Svenska Forn- 
minnesföreningens Tidskrift, XII, S. 312. 

3 ) Einer der Schaber ist, wie oben erwähnt wurde, wahrscheinlich aus der im 
nordöstlichen Schonen heimischen, dunkelfarbigen und hellgetüpfelten Feuersteinart, 
die Kristianstadfeuerstein genannt zu werden pflegt, verfertigt. In solchem Falle ist 
das Material sicherlich den Küsten Blekinges und Smälands bis hinauf nach Östergöt¬ 
land gefolgt, wo es früher gerade auf dem Wohnplatz bei Säter angetroffen worden 
ist. (ALMGREN, a. a. O., S. 27 u. 29.) 


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Original fro-m 

PRINCETON UNIVERS1TY 


tWi 




' •. • . /f" fV 


152 O. Frödin: Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. [44 

beimessen darf; das Auftreten des Motives kann ja auf zufälliger Ein¬ 
fuhr beruhen. Im übrigen ist, wie gesagt, die Keramik besonders nichts¬ 
sagend. Sollte indessen aus den fortgesetzten Untersuchungen hervor¬ 
gehen, dass sie einen mehr durchgehenden Einfluss vom Osten her 
aufweist, so könnte die Erklärung vielleicht darin zu suchen sein, dass 
die Anfertigung der Tongefässe sicherlich etwas war, was den Sklaven 
und Frauen zukam. Und ganz gewiss stammten diese zum grossen 
Teil aus der Küstenbevölkerung im Osten. Denn nimmt man an, dass 
die beiden Kulturen getragen wurden sei es von getrennten Rassen oder 
Stämmen, sei es nur von verschiedenen Volksklassen, also einer Ober¬ 
klasse und einem „Proletariat“, so muss man Streitigkeiten und Reibe¬ 
reien zwischen ihnen voraussetzen. Vielleicht war dies gerade der 
Grund, warum das Steinzeitvolk bei Alvastra sich mit solcher Sorgfalt 
gegen Angriffe zu schützen suchte. Vielleicht ist die Art der Anlage 
— der Pfahlbau — dadurch bedingt, dass wir uns hier in einem Grenz¬ 
gebiet zweier Kulturen befinden. Wenn dem so ist, würden wir damit 
eine Erklärung für das eigentümliche Verhältnis erhalten, dass Wohn- 
plätze dieser Gattung nicht in dem eigentlichen südskandinavischen Kultur-* 
gebiet, besonders Schonen-Dänemark, angetroffen worden sind. 

’ Wie es scheint, sind es Fragen von wesentlicher Bedeutung für 
unsere ganze Auffassung von der Kultur der Zeit der Ganggräber, die 
hiermit berührt worden sind. In dem jetzigen Stadium der Ausgrabung 
dürfte es jedoch angezeigt sein, nicht näher auf diese Fragen einzu¬ 
gehen, sondern das Ergebnis der fortgesetzten Untersuchungen abzu¬ 
warten. Da der Schacht des Jahres 1909 nur 52 qm umfasst, während 
das ganze Gebiet des Überbleibsel menschlicher Wirksamkeit zu ent¬ 
halten scheint, schätzungsweise berechnet auf 2000 bis 3000 qm hinauf¬ 
geht, so ist es nicht zu kühn zu hoffen, dass das Moor bei Alvastra 
uns ferner noch manchen unerwarteten Beitrag zu unserer Kenntnis vom 
Leben in Schweden in jenen entlegenen Zeiten liefern wird. 


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II. Mitteilungen. 

Rasse, Rassenmischung und Begabung. 

Von Ulrich Berner, Berlin. 


Um den überaus verwickelten und schwierigen Problemen, die die 
historische Rassentheorie bietet, erfolgreich beikommen zu können, ist 
es unumgänglich nötig, die grundlegenden Begriffe klar zu erfassen. 

ln seinem Aufsatz. „Rassereinheit und Kultur" (Mannus I, 3/4), 
scheint mir Herr Dr. SCHNEIDER dem Wesen des Begriffes „Rasse" 
keineswegs gerecht geworden zu sein. In der Tat werden ganz allge¬ 
mein unter Rasse zwei verschiedene Begriffe, ein historisch politischer 
und ein naturwissenschaftlicher verstanden, die aber nicht miteinander 
zu verbinden, sondern zur Vermeidung der grössten Verwirrung auf das 
strengste zu sondern sind. Im Grunde hat nur der zweite innere Be¬ 
rechtigung; denn der zunächst zoologisch-naturwissenschaftliche Begriff 
Rasse wurde in voreiliger und falscher Weise auf historischer und poli¬ 
tischer Grundlage auf den Menschen übertragen. Später, als die junge 
Wissenschaft der Anthropologie sich genügend entwickelt hatte, wurde 
auf rein naturwissenschaftlicher Grundlage ein neuer von dem vorigen 
völlig geschiedener anthropologischer Begriff der Menschenrassen auf- 
bestellt. 

Ganz allgemein ist die Ansicht verbreitet, jede Völkergruppe 
oder auch jedes Volk 1 ) bilde eine physische (anthropologische) Ein¬ 
heit, also eine eigene Rasse. In Europa z. B. gäbe es entweder eine 
deutsche, französische, italienische, russische, bulgarische oder aber eine 
germanische, keltische, lateinische, slawische usw. Rasse. Bei anthropo¬ 
logischen Untersuchungen stellt sich aber heraus, dass die einzelnen 
europäischen Völker sich stets aus 2—3 streng geschiedenen Rassen 
zusammensetzen und zwar stets aus denselben 2 ). Ich möchte hier wieder¬ 
geben, was TOPINARD auf dem 10. internationalen Anthropologen¬ 
kongress 1889 zu Paris gesagt hat 3 ): „Lassen Sie mich Ihnen eine der 

’) Wie ungeklärt und verworren die Anschauungen sind, kann man auch aus 
folgendem erkennen. Gar zu oft findet man etwa Semiten und Germanen, 
Deutsche und Slawen gegenübergestellt, wo doch nur semitisch und indogermanisch, 
slawisch und germanisch gleichwertige und ohne weiteres vergleichbare Begriffe sind. 

*) Ich sehe hier vollkommen von einer eventuellen 4. Rasse ab, über die sich 
die Ansichten noch nicht genügend geklärt haben, und die auch das Gesamtbild nicht 
wesentlich verändern würde. 

3 ) Compte rendu S. 391. 


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154 


Ulrich Berner. 


[2 


sichersten Tatsachen der allgemeinen Anthropologie, die man nicht oft 
genug wiederholen kann, ins Gedächtnis zurückrufen. Das ist, dass der 
Begriff Rasse mit dem des Volkstums nicht das mindeste zu tun hat; 
dass alle Völker Europas ungefähr aus denselben Rassenbestand¬ 
teilen, nur in verschiedenen Mischungsverhältnissen zu¬ 
sammengesetzt sind; dass, wenn man die Dinge von einer höheren 
Warte betrachtet, es eigentlich nur drei grosse Rassen in unserem Welt¬ 
teil gibt, eine, die im Norden vorherrscht, hochgewachsen, hellfarbig 
und langköpfig; eine andere, hauptsächlich im Süden, im Umkreis des 
Mittelmeeres, auf den Inseln und Halbinseln vertreten, schwarzhaarig, 
klein, aber ebenfalls langköpfig; die dritte zwischen beiden und 
rundköpfig, vom Grundstock in Frankreich, oder vielleicht in Keltiberien, 
sich durch Süddeutschland, die Alpenländer, Böhmen und die Karpaten 
bis nach Russland erstreckend. Die europäischen Völker sind nichts 
als Mischungen dieser drei Rassen, erzeugt durch die geschichtlichen 
Wanderungen und im Grunde nur politische Verbände, Gesellschaften 
auf Gegenseitigkeit“. Hierzu wäre vielleicht nur zu bemerken, dass man 
den Grundstock und das Zentrum verhältnismässig grösster Reinheit der 
letzten Rasse nicht nach Keltiberien, freilich auch nicht wie WILSER ! ) 
nach Russland, sondern etwa in die Alpenlande (daher der Name 
„alpine“ Rasse) zu verlegen hat; doch ist dies nur von nebensächlicher 
Bedeutung. 

Die Deutschen z. B. sind eine Mischung zwischen den nordischen 
Langschädeln und den alpinen Kurzschädeln und zwar so, dass in 
Norddeutschland die nordisdie, in Süddeutschland die alpine Rasse über¬ 
wiegt. Natürlich gehen diese beiden Extreme ganz allmählich in¬ 
einander über. In Frankreich kommt dazu im Süden noch die dritte, 
die mittelländische (mediterrane) Rasse, die in Deutschland keine nennens¬ 
werte Rolle spielt. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Italien. Hier 
findet sich, wie die Untersuchungen von LIVI zeigen, im Norden ein 
Grundstock von überwiegend alpinen, im Süden von überwiegend medi¬ 
terranen Leuten (zwischen beiden natürlich eine Übergangszone). Dazu 
kommt noch von Norden nach Süden abnehmend ein numerisch geringer 
Einschlag vom nordischen Typus. Aus dem Gesagten erhellt, dass man 
Volk und Rasse auf das strengste trennen muss und es auf keinen 
Fall angeht, von einer germanischen, slawischen, deutschen oder sonstigen 
Rasse zu reden 2 ). Eine Völkermischung braucht also noch lange keine 
Rassenmischung zu bedingen. 


*) WILSER: Die Germanen. 1904. S. 70 71. Das ganze betreffende Kapitel 
ist zur Lektüre sehr zu empfehlen. 

a ) Dieselben drei Rassen finden sich aber auch ausserhalb Europas sowohl 
bei indogermanischen wie andern Völkern. Nach den Untersuchungen von Prof, 
v. LUSCHAN wissen wir über Vorderasien folgendes: Am numerisch zahlreichsten ist hier 
ein dem sogenannten alpinen zwar nicht vollkommen entsprechender aber doch sehr 
nahestehender Typ, der sog. alarodische, dem auch die Hauptmasse der heutigen 
Juden und Armenier angehört. In geringem Grade ist er vermischt mit einer 
zweiten Rasse, die mit der europäischen mediterranen mehr oder minder völlig 
identisch ist und die unter anderem in ziemlicher Reinheit in Zentralarabien vor¬ 
kommt. Ausserdem finden wir in Vorderasien einen schwankenden Prozentsatz 
blonder Leute (bis über 10 °/o), die einen Einschlag nordischer Rasse bedeuten, der 
wohl besonders stark in einigen Gegenden des Kaukasus, vielleicht auch bei 
Kurden ist. 


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3 ] 


Rasse, Rassenmischung und Begabung. 


155 


Will man aber doch von der Rasse eines Volkes reden, so könnte 
man von zwei Gesichtspunkten ausgehen, die man aber logischerweise 
nicht zusammenwerfen darf. Entweder bezeichnet man die gegen¬ 
wärtig numerisch ganz überwiegend vorherrschende Rasse als „die 
Rasse“ des betreffenden Volkes, oder man geht auf den Urzustand 
zurück. Im ersten Falle muss man zwischen Völkern und Völkergruppen 
unterscheiden. Bei Völkergruppen wie Germanen, Slawen, Kelten, 
Romanen ist ein derartiges Überwiegen einer Rasse kaum zu beobachten 
und auch bei den Völkern nur in Ausnahmefällen. In diesem Fall 
kann es aber ganz leicht geschehen, dass die Völkergruppen auseinander 
gerissen werden und dass Völker, die sprachlich Und volklich nichts 
Gemeinsames haben, Zusammenkommen wie etwa Juden und Armenier. 

Nun könnte der Einwand gemacht werden, dass z. B. die Germanen, 
wenn auch heute nicht mehr, so doch in der Vorzeit von einem ein¬ 
heitlichen, und zwar wie wir sagen würden, vom nordischen Typus waren. 
Geht man aber bei Slawen, Kelten, ja bei allen indogermanischen Völkern 
genügend weit in die Vergangenheit zurück, in eine Zeit, wo sie noch 
nicht mit fremdem Blute gemischt waren, so wird man hier dasselbe 
bemerken. Von einem Gegensatz zwischen Urkelten und Urgermanen usw. 
ist demnach also auch nichts zu bemerken. Freilich kann man, wenngleich 
zahlreiche Gelehrte auch in der Vergangenheit jeden Zusammenhang 
zwischen indogermanischer Sprache und indogermanischem Urvolk einer¬ 
seits und nordeuropäischer Rasse anderseits leugnen, im Anschluss an 
andere Forscher Urbeziehungen zwischen beiden annehmen. Auch sons ( t 
hälte ich einen Urzusammenhang zwischen den ganz grossen Sprach- 
stämmen und einzelnen Rassen für ziemlich wahrscheinlich 1 ). 

Wohlgemerkt ist heute und überhaupt in historischer Zeit die 
Mischung durchgängig soweit fortgeschritten, dass der Begriff „indo¬ 
germanisch" ein rein sprachlicher ist, und eine indogermanische Rasse 
nicht mehr vorhanden ist. Den Ausdruck u rindogermanische Rasse würde 
ich, freilich nur um irgend welchen Verwirrungen vorzubeugen, auch für 
die Urzeit zu vermeiden suchen. Ich möchte hier diese Frage nicht 
weiter besprechen und will nur bemerken, dass, wenn unsere letzte 
Ansicht zu recht besteht, selbstverständlich alle brünetten Elemente 


*) Ich möchte hier als Beispiel die Malayen im weiteren Sinne anführen. 
Bekanntlich sind auch die Malayen nicht von einheitlicher Rasse, sondern eine ganze 
Anzahl davon ist an der anthropologischen Zusammensetzung der malayisch redenden 
Völker beteiligt. Von einer malayischen Rasse schlechthin zu reden, ist also ein 
Unding. Freilich hat für mich ein Urzusammenhang zwischen der einen dieser Rassen, 
die auch besonders in Polynesien ziemlich rein auftritt, und der urmalayischen Sprache 
eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Mehr zu sagen, scheint mir vorläufig recht unvor¬ 
sichtig. Desgleichen scheint mir ein Urzusammenhang zwischen der zentralarabischen 
langschädlig - geradnasigen Rasse und den Ursemiten nicht so ohne weiteres von der 
Hand zu weisen. Soviel steht jedenfalls vollkommen fest, dass die heute bei den 
Juden, überhaupt allen Nordsemiten, bei weitem vorherrschende alarodische Rasse 
mit gebogener Nase und kurzem Schädel zu Beginn historischer Zeit mehr oder 
minder ausserhalb des semitischen Völker- und Sprachenkreises stand. Warnen 
aber möchte ich davor, alle diese hypothetischen Zusammenhänge zwischen einzelnen 
Rassen und Sprachstämmen allgemein als etwas Sicheres zu betrachten, und selbst 
im günstigsten Falle ist es in historischer Zeit keineswegs erlaubt, die Begriffe 
Rasse und Sprache bezw. Volk zu identifizieren. 


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156 


Ulrich Berner. 


[4 


Europas in der Urzeit, heute bis auf spärliche Reste verloren gegangene 
nicht indogermanische Sprachen gesprochen haben müssen. 

Wie wir gesehen haben, ist also der geschichtliche Rassenbegriff 
mehr oder minder zerfallen, und es bleibt nur der naturwissenschaftliche 
übrig, der für die historische Praxis nichts mit dem andern gemein hat. 
Wenn nun freilich auch in rasselich nicht einheitlichen Völkern bestimmte 
Charaktereigenschaften als herrschende auftreten, so handelt es sich hier 
um nicht rassenhafte Erscheinungen, die wohl durch die Wirkungen des 
gleichen Milieus hervorgerufen werden, das auch eine bestimmte Tradi¬ 
tion erzeugen kann. Diese Erscheinungen der Tradition können wohl 
durch Jahrhunderte und länger erkennbar sein, aber sie können auch 
irgendwie unterbrochen werden und sind nicht wie Rasseneigentümlich¬ 
keiten auch ohne Gleichbleiben des Milieus vererbbar. Doch davon 
weiter unten. 

Wenden wir uns nun dem naturwissenschaftlichen Rassenbegriff 
zu. Herr Dr. SCHNEIDER sagt vom Werden der Menschenrassen: 
„Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden der Tierzüchter 
bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tierrassen". Ich möchte 
mir die Frage erlauben, von wem? Vielleicht vom Herrn CHAMBER- 
LAIN ? Von den Anthropologen, die bei dieser Frage doch wohl in 
erster Linie mitzureden haben, jedenfalls nicht. Ist es unter Umständen 
schon nicht ungefährlich, ohne weiteres Analogieschlüsse von Tieren auf 
die Menschen zu ziehen, so ist dies bei Haustieren in noch viel höherem 
Masse der Fall. Besonders bei dem schwierigen Problem der Rassen¬ 
bildung. Denn bei den Haustieren herrschen geradezu widernatürliche 
Verhältnisse in der Auslese, während beim Menschen wie bei den wilden 
Tieren die Natur nur in ganz allgemeiner Richtung eine Auslese und 
damit eine neue Rassen- und Artbildung vornimmt. Seine Ursache hat 
dieser Irrtum wohl mit in dem Umstande, dass der Ausdruck Rasse 
beim Menschen recht unglücklich gewählt ist. Er kommt nur bei Haus¬ 
tieren und Menschen vor. Bei jenen ist er gleichbedeutend mit „variatio“. 
Ob nun die sogenannten Menschenrassen besser als „species" (Arten) 
oder vielleicht auch als „gute Arten" zu bezeichnen sind, will ich als 
ziemlich müssige Frage hier nicht näher erörtern; soviel aber steht fest, 
dass sie etwas ganz anderes sind als die Haustierrassen, und ebenso 
ist auch ihre Entstehungsgeschichte ganz verschieden. Bei den Haus¬ 
tieren ist es dem Züchter möglich, durch Mischung zweier Rassen und 
durch Auslese eine der zahlreichen möglichen Mischformen zu einer neuen 
Rasse fortzuzüchten, indem er rücksichtslos alle Individuen mit auftre¬ 
tenden Atavismen ausmerzt, die ihm nicht passen, oder sie an der Fort¬ 
pflanzung verhindert. Anders bei wilden Tieren und Menschen. Hier 
ist eine vorhergehende Mischung der Bildung neuer Formen in der 
Regel hinderlich, indem die auftretenden neuen Merkmale nur verwischt 
werden. Der Idealzustand für eine Fortentwickelung ist möglichste Art¬ 
oder Rassenreinheit; denn die Natur, deren Auslese nur in ganz all¬ 
gemeiner Richtung wirkt, kann ein Auseinanderfallen der Mischung in 
die einzelnen Komponenten nicht verhindern. 

Für die historische Rassentheorie ist übrigens die Entstehungs¬ 
geschichte der Rassen eine weniger bedeutende Frage; denn es ist eins 
der sichersten Ergebnisse der Anthropologie, dass die Rassen in histori- 


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5] 


Rasse, Rassenmischung und Begabung. 


157 


scher Zeit völlig konstant sind, d. h. zu Anfang der historischen Zeit 
sind alle jetzt bestehenden Menschenrassen schon in genau derselben 
Ausbildung vorhanden gewesen wie heute, ln historischer Zeit haben 
nur Mischungen, aber keinerlei Reinzüchtungen stattgefunden. Denn 
wir sehen, dass auch in sehr langer Zeit nie eine vollkommene Mischung 
eintritt, dass stets eine gewisse Anzahl mehr oder minder reinrassiger 
Individuen beider Komponenten bestehen bleibt. Von den Mischlingen 
wird ein Teil mehr die Merkmale der einen, ein anderer mehr die der 
andern Rasse zeigen, während endlich ein dritter Teil im Masse halb 
und halb die Kennzeichen der beiden Rassen vereinigen wird. Bei einer 
Verbindung mischrassiger Individuen können aber die Nachkommen 
bekannterweise wieder vollkommen der einen oder der andern reinen 
Rasse zuneigen. 

Ausserordentlich interessant sind die Beobachtungen Prof. v. 
LUSCHANS über die griechische Bevölkerung in Adalia. Obwohl hier 
seit Jahrhunderten die Griechen bei einer nicht übermässigen Personen¬ 
zahl nur untereinander heiraten, kommen doch bei ihnen noch ganz 
deutlich erkennbar zwei verschiedene Rassen vor. Oft trifft man in 
derselben Familie unter Geschwistern extrem lange wie auch extrem kurze 
Schädel an. Ähnlich weisen die Mikronesier von Nauru, die sich aus der 
hellen, schlichthaarigen, kurzschädligen polynesisch malayischen und der 
dunklen, kraushaarig - langschädligen melanesischen Rasse zusammen¬ 
setzen, rund je V 3 mehr oder minder reine Vertreter der beiden Rassen 
auf, während nur ein weiteres Drittel ausgesprochenen Mischcharakter 
zeigt. Dies ist um so bemerkenswerter, als bei der geringen Einwohner¬ 
zahl der kleinen Insel verhältnismässig eine recht starke Inzucht statt¬ 
gefunden hat. 

Ähnlich, wenn auch nicht so deutlich, liegen die Verhältnisse in 
allen andern Gegenden, so auch in Deutschland, wo wir immer noch 
ganz deutlich die beiden Typen der nordeuropäischen und der alpinen 
Rasse unterscheiden können. 

Sehen wir nun zu, was sich ergibt, wenn auf eine solche Rassen¬ 
mischung ein auslesender Faktor einwirkt. Wir können beim Menschen 
besonders zwei Arten der Auslese feststellen, die sogenannte klimatische 
und die sexuelle. Man kann deutlich beobachten, dass eine rasseum- 
bildende Kraft der klimatischen Auslese in historischer Zeit nicht 
zukommt. Die betreffenden Rassenelemente können wohl in einem für 
sie ungeeigneten Klima zugrunde gehen, aber die Rassen scheinen in 
der Urzeit sich so gefestigt zu haben, dass eine Umänderung ihnen jetzt 
unmöglich ist. Betrachtet man eine Gesellschaft, die für das betreffende 
Klima geeignete und ungeeignete Rassenelemente enthält, so sieht man 
deutlich, dass bei Rassenmischung nie eine homogene Masse entsteht, 
sondern die beiden Elemente mehr oder minder wieder auseinander¬ 
fallen. In diesem Falle tritt eine natürliche Wiederreinzüchtung des 
geeigneten durch allmähliche Vernichtung des ungeeigneten Rassenele¬ 
mentes ein 1 ). Untersucht man das Verhalten der Mulatten in tropi¬ 
schen und nichttropischen Gegenden, so bekommt man äusserst lehr¬ 
reiche Resultate. In Westindien will man bemerkt haben, dass die 


*) Siehe Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologic 1909, II. S. 271 ff. 


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158 


Ulrich Berner. 


[6 


Mulatten bei Fortpflanzung untereinander immer dunkler würden und 
sich allmählich immer mehr dem reinen Negertyp näherten. Unter den 
Mulatten wird es immer hellere, europäerähnliche und dunklere, neger- 
ähnliche Individuen geben. Jenen wird stets eine hervorragende Emp¬ 
fänglichkeit für Tropenkrankheiten anhaften, und so wird mit der Zeit 
auch hier rein äusserlich eine Ausmerzung der helleren Elemente und 
eine allmähliche Reinzucht auf die Negerrasse erfolgen. 

Genau umgekehrt liegen die Verhältnisse im Orient. Hier hat 
nachweislich seit Jahrtausenden eine Einfuhr von Negerelementen in 
teilweise nicht unbeträchtlichen Mengen stattgefunden. Gleichwohl findet 
man nur dann Individuen mit negroiden Merkmalen, wenn unter den 
Vorfahren nachweislich in den allerletzten Generationen Neger gewesen 
sind. Hier nämlich, in Vorderasien, ist das Klima für Neger und negroide 
Mischlinge noch zu rauh, und so tritt sehr rasch, vor allem durch Schwind¬ 
sucht, eine Eliminierung der schwarzen Elemente ein. Hierzu möchte 
ich noch bemerken, dass in diesem Falle die „weisse“ Bevölkerung als 
eine Einheit gefasst werden musste, die sie ja tatsächlich nicht ist, und 
dass ferner an Stelle des direkten Aussterbens auch eine Aufhebung 
oder doch Herabminderung der Fruchtbarkeit treten kann. 

Aber auch die einzelnen europäischen Rassen scheinen nicht die¬ 
selben Lebensbedingungen zu haben. Der nordeuropäische Typ z. B. 
findet in Südeuropa wohl nicht mehr günstige Lebensbedingungen und 
ist im Laufe der Jahrhunderte einer klimatischen Auslese zugunsten der 
brünetten Elemente erlegen. So haben z. B. die Griechen im Altertum 
in hervorragendem Masse nordische Rassenelemente enthalten l ), die jetzt 
fast völlig verschwunden sind. 

Eine sexuelle Auslese findet dann statt, wenn irgend welche körper¬ 
lichen Eigenschaften zum Schönheitsideal und deren Träger infolge¬ 
dessen bei der Fortpflanzung bevorzugt werden. Wenn nun die Merkmale 
einer der Mischungsrassen Ideal werden, so muss auch hier eine all¬ 
mähliche Reinzüchtung auf die betreffende Rasse stattfinden. Die Fest¬ 
züchtung eines Mischtyps ist aber auch auf diesem Wege nicht beobachtet 
worden. 

Die Rassenbildung der Urzeit muss durch diese oder irgend eine 
andere Auslese bewirkt sein. Selbstverständlich kann niemand sagen, 
wie der Vorgang im einzelnen zu denken ist. Man kann z. B. von der 
Entstehungsgeschichte der nordeuropäischen Rasse nur im allgemeinen 
sagen, eine reine, brünette, langschädlige Rasse oder ein Teil von ihr 
ist in einem milden, neblig kühlen Klima, das das Pigment unnötig 
machte, im Laufe biologisch-geologischer Epochen durch auslesende Be¬ 
günstigung der zufällig Pigmentlosen zu der heutigen blonden, blauäugigen 
Form herangezüchtet worden. 

Nachdem wir so dem Wesen der Rasse etwas näher gekommen 
sind, wollen wir auf die Frage eingehen, ob Mischung einen günstigen 
oder ungünstigen Einfluss auf die Kulturentwicklung hat. Zu diesem 
Behuf ist es unumgänglich nötig, vorher der Frage nach der verschiedenen 
geistigen Veranlagung der einzelnen Rassen näher zu treten. 

*) Auch das griechische Schönheitsideal scheint besondere Beziehungen zum 
nordeuropäischen Typ gehabt zu haben. 


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7 ] 


Rasse, Rassenmischung und Begabung. 


159 


Die Frage ist in den Grundzügen noch sehr ungeklärt, und bei 
Beurteilung gewonnener Forschungsresultate ist demnach die grösste 
Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Anderseits sind diejenigen Herren 1 ), 
die von vornherein, zum Teil vielleicht aus politischer Voreingenommen¬ 
heit, eine verschiedene Begabung der einzelnen Menschenrassen als un¬ 
möglich hinstellen, durchaus zurückzuweisen. Bei den einzelnen Tier¬ 
arten nimmt niemand Anstoss, eine höhere oder niedere Intelligenz, 
ja sogar ausgesprochene Temperamente anzunehmen; weshalb soll dies 
beim Menschen von vornherein nicht im Bereich des Möglichen liegen? 

Ich kann hier in aller Kürze nicht auf die verschiedenen Methoden 
rassetheoretischer und der damit verbundenen sozialanthropologischen 
Forschung genauer eingehen, ich möchte aber einige beachtenswerte 
Gesichtspunkte hervorheben. Klar ist, dass man unterscheiden muss 
zwischen der zeitweiligen Kulturhöhe und der Kulturbegabung. Man 
darf also nicht ohne weiteres aus dem Vergleiche der zufällig gleich¬ 
zeitigen Kulturhöhe zweier Rassen für alle Zeiten gültige Schlüsse 
ziehen. Ferner ist zu unterscheiden zwischen Temperament einer Rasse 
und allgemeiner Begabung und Intelligenz derselben. Verschiedenheiten 
in erster Hinsicht brauchen noch lange keine in zweiter zur Folge zu haben. 
Rassenpsychologischen Untersuchungen darf man natürlich nicht einzelne 
Individuen zugrunde legen, sondern es sind grössere Durchschnittswerte 
zu nehmen; denn in einer geistig hochstehenden Rasse wird es auch 
minder begabte Individuen geben und umgekehrt. In der gut veranlagten 
Rasse werden sich aber mehr intelligente und weniger geistig tiefstehende 
Elemente finden als bei der schlecht veranlagten Rasse. Selbstver¬ 
ständlich darf man die Psychologie der Völker, über die ja schon ziem¬ 
lich viel geschrieben worden ist, nicht mit einer Rassenpsychologie ver¬ 
wechseln. Wenn wir bei Völkern, die sich aus ganz verschiedenen Rassen 
zusammensetzen, einen mehr oder minder einheitlichen Charakter finden, 
während andere Völker gleicher Rassenzusammensetzung ganz ver¬ 
schiedene Charaktere aufweisen, so ist dies etwas ausserhalb des Rassen¬ 
haften liegendes, das durch die Wirkungen des Milieus bedingt ist. 
Dass hier das Rassenhafte nicht hineinzuspielen braucht, geht auch 
daraus hervor, dass man auch innerhalb der einzelnen Völker bei den 
einzelnen Stämmen besondere Eigentümlichkeiten feststellen kann, wo 
an anthropologische Unterschiede nicht zu denken ist. Charakterunter¬ 
schiede zwischen Nord- und Süddeutschen Hessen sich ja wohl auf 
Rassenunterschiede zurückführen. Wie aber soll dies z. B. bei den 
rasselich fast gleichen Schwaben und Bayern der Fall sein? Wirsehen 
ja auch, wie solche Charaktereigentümlichkeiten im Laufe von wenigen 
Jahrhunderten entstehen können wie z. B. bei den Einwohnern des 
preussischen Staates, während doch alles Rassenhafte in historischer 
Zeit konstant ist. Freilich hat Dr. SCHNEIDER, entsprechend seiner 
falschen Auffassung des Rassenbegriffes, solche völkisch - politischen 
Charaktereigenschaften für rassenhafte angesehen. Aber abgesehen von 
diesen bleibt vielleicht beim Temperament, sicher aber bei der allge¬ 
meinen Begabung noch etwas für die wirkliche Rasse übrig. 

Ausserordentlich kompliziert werden die Dinge durch den Umstand, 


‘) z. B. FINOT, Das Rassenvorurteil 1906. 


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•—l't .■ 


160 Ulrich Berner. [8 

dass es reine Rassen in grösserer Ausbreitung nicht mehr gibt. Wir 
kommen hiermit auf das eigentliche von Dr. SCHNEIDER berührte 
Gebiet von den schädlichen oder günstigen Wirkungen der Mischung auf 
die Kultur. Es scheint mir noch gar nicht so ausgemacht, dass Rassen- 
mischung in der Regel einen Kulturaufschwung im Gefolge hat 1 2 * )- 
Jedenfalls wären darüber noch eingehende Untersuchungen anzustellen. 
So müssten z. B. in Nordamerika danach die Mulatten usw. diejenigen 
sein, die sich durch eine besonders hohe Kulturbegabung auszeichnen 
im Gegensatz zu den Negern einerseits und den Weissen anderseits. 
Nun gibt es tatsächlich unter den Mischlingen eine ganze Anzahl be¬ 
kannter, ja berühmter Männer, während unter den reinen nordamerika¬ 
nischen Negern solche kaum Vorkommen *). Eine höhere Begabung der 
Mischlinge als der Weissen anzunehmen, schlägt aber allen Tatsadien 
ins Gesicht. Mit Recht sagt H. FEHLINGER*): „B. F. Washington und 
W. E. B. Dubois sind die bedeutendsten lebenden Vertreter der farbigen 
Rasse; in gleichem Masse befähigte Weisse fallen unter der Masse ihrer 
Volksgenossen gar nicht auf, weil ihre Zahl zu gross ist". Diese Ver¬ 
hältnisse zeigen uns, dass die Mulatten in ihrer Begabung zwischen 
ihren beiden Stammrassen stehen. Ganz klar sind hier der Hauptmasse 
nach die Kulturleistungen der Mulatten der oder den weissen Rassen 
zuzuschreiben. Auch sonst kann man den Anteil der einzelnen Rassen 
an der Kulturleistung der Völker sehr gut erkennen durch die anthro¬ 
pologische Betrachtung der Genies. In mancher Hinsicht vorbildlich 
sind hier die Arbeiten von WOLTMANN über die italienischen Genies 4 ). 
Wenn auch WOLTMANN unbedingt zu weit gegangen ist und sehr vieles 
zur nordeuropäischen Rasse gerechnet hat, was gar nicht dazu gehört, 
so ergibt sich doch, dass die nordische Rasse einen ganz erheblichen, 
über den numerischen Anteil bei weitem hinausgehenden Einfluss auf die 
Genieerzeugung und damit auf die Kulturbildung Italiens gehabt hat, 
während die mediterrane Rasse in dieser Hinsicht fast gar keine Rolle 
gespielt hat 5 ). Freilich gibt es eine germanische Rasse ja ebensowenig 
wie eine italienische, aber WOLTMANN meint stets da, wo er im anthro¬ 
pologischen Teil seines Buches von Germanen redet, Angehörige der 
nordeuropäischen Rasse. 

Wenn ich auch den Fanatikern der reinen Rasse nicht folgen kann, so 
kann ich auch nicht einsehen, wieso Mischung immer von günstigen Folgen 
begleitet sein muss. In Afrika hat man mit der Mischung oft recht 

1 ) Wie schon erwähnt, kann Völkermischung auch Rassenmischung im Gefolge 
haben, braucht es aber nicht. 

2 ) Von den nordamerikanischen Farbigen sind nur etwa drei Viertel rein- 
bliitige Neger, während der Rest verschieden starke Prozentsätze weissen Blutes 
enthält. Auch die beiden weiter unten erwähnten Männer gehören nur zu den 
Farbigen, nicht zu den reinen Negern. 

*) FEHLINGER, Die Neger in.den Vereinigten Staaten. Politisch-Anthropo¬ 
logische Revue VI, S. 379. 

*) WOLTMANN, Die Germanen und die Renaissance in Italien. Leipzig 1905. 
Ähnlich: Die Germanen in Frankreich. Jena 1907. 

*) Nicht anschliessen kann ich mich WOLTMANN bei der alpinen Rasse, die 
er zugunsten der nordischen sehr zurüdegesetzt hat, die aber in der Tat ebenfalls 
einen hervorragenden Anteil bei der anthropologischen Zusammensetzung der Genies 
ausmacht. 




9] 


Rasse, Rassenmischung und Begabung. 


161 


traurige Erfahrungen gemacht, obwohl hier das ungünstige soziale Milieu 
berücksichtigt werden muss. Mein subjektives Empfinden — von mehr 
zu reden würde ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht empfehlen — 
geht dahin, dass Rassenmischung ohne weiteres gar keine besonderen 
Folgen hat. Die Kulturbegabung der Mischung ist etwa das arithmetische 
Mittel der Begabung der beiden Mischungskomponenten. Dementsprechend 
ist gegen die Vermischung zweier geistig gleichstehenden Rassen aus 
kulturellen Gründen nichts einzuwenden, wohl aber gegen die einer gut 
und einer schlecht begabten Rasse. Die Mischung wird im Durchschnitt 
über dem Niveau der einen, aber stets auch unter dem der andern 
stehen. 

Sollte man aber in der Geschichte bemerken, dass auf Zeiten mit 
starker Rassenmischung Perioden besonderer Kulturentfaltung folgen, so 
ist noch eins zu bedenken. Die Rassenmischung wird meist hervor¬ 
gebracht durch grosse politische Umwandlungen. Diese treten aber 
besonders dann auf, wenn aus irgend welchen Gründen die allgemeinen 
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Niedergange begriffen sind. 
Dies ändert sich natürlich mit einem Schlage, wenn etwa fremde Er¬ 
oberer, seien sie derselben oder einer fremden Rasse, die auf einer 
andern Kulturstufe stehen, hereinbrechen. So kann rein äusserlich nicht 
durch Mischung, sondern durch deren Vorbedingungen eine Gesundung 
der Kulturgrundlage stattfinden. 

Soviel glaube ich aber nach allem als ziemlich sicher hinstellen 
zu können, dass wir in diesem wie im vorigen Punkte auf keinen Fall 
weiter kommen durch theoretische Spekulation, die sich auf subjektives 
Empfinden gründet, sondern nur durch praktische Detailarbeit, zu der 
schon einige, im einzelnen zwar manchmal nicht ganz einwandfreie, aber 
doch recht löbliche Ansätze vorhanden sind. 

Das eine scheint mir Dr. Schneiders Aufsatz deutlich gezeigt zu 
haben, dass man die Probleme der historischen Rassentheorie ebenso¬ 
wenig unter Vernachlässigung und Ausscheidung der Anthropologie er¬ 
folgreich erforschen kann, wie man ihnen unter Ausscheidung der Ge¬ 
schichte von rein naturwissenschaftlichem Standpunkt gerecht zu werden 
vermag. 


Mannus. Bd. II. 


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Die deutsche Rassenforschung und ihre 
Ausprägung in Dr. Ludwig Woltmann. 

Eine Entgegnung auf Dr. Hermann Schneiders Artikel im Mannus I, 247 ff. 
Von Th. Bieder, Hamburg. 


Rassenfragen stellen noch heute eines der umstrittensten Gebiete 
dar, und kaum auf einem anderen setzt sich der Forscher so leicht dem 
Vorwurfe des Dilettantismus aus wie gerade auf diesem. Es ist mit 
Sicherheit anzunehmen, dass, wenn irgend ein sich mit Rassenfragen 
beschäftigender Artikel erscheint, in dem Leserkreise grosse Parteien für 
und gegen ihn entstehen, denn die einzelnen Rasselehren sind zu sehr 
divergierend und führen teilweise sogar zur Verneinung aller qualitativen 
Rassenunterschiede. Selbst die einfache Frage: „Was heisst Rasse?“ 
erfährt die verschiedenartigsten Beantwortungen. Dennoch enthalten die 
Rassenfragen nicht nur ein Stück, sondern eine ganze Weltanschauung, 
hat doch auch Prof. KAINDL l ) ein der Rassenforschung nahe verwandtes 
Gebiet, die Ethnologie, „die Philosophie der Zukunft“ genannt. Die 
verschiedenartigen Weltanschauungen mögen denn auch wohl in erster 
Linie für die verschiedenartige Wertung der Rassentheorien mitbestim¬ 
mend sein. Dennoch wäre es wertvoll, wenn die Rassenfragen endlich 
einmal, wie es doch für einen Zweig der Naturwissenschaft selbstver¬ 
ständlich sein müsste, auf eine allgemein anerkannte wissenschaftliche 
Norm gebracht werden könnten. 

Wie wenig das bis jetzt der Fall ist, zeigt Dr. Hermann 
SCHNEIDERS Artikel über „ Rasse rein heit und Kultur“ (Mannus, 
Bd. I, Heft 3 4). Der erste Absatz mit interessanten Bemerkungen über 
den zeitlosen qualitativen Rassenbegriff wird S. 250, Abs. 1 vollständig 
aufgehoben und ist darum zunächst irreleitend. Der qualitative Inhalt 
der zeitlosen Rassenformeln soll möglichst über Bord geworfen werden, 
weil diese nach des Verfassers Ansicht Ausfluss der Nationaleitelkeit und 
des Rassenhasses sind. Das ist eine Ansicht, die dem auf dem Gebiete 
der Rassenfrage doch wohl überwundenen Jean FINOT bedenklich 
nahe kommt. Dr. SCHNEIDER stellt denn auch im Schlüsse die For¬ 
derung auf, alles in der Rassentheorie auf quantitative und sonst kon¬ 
trollierbare Elemente zurückzuführen. In der Ferne aber sieht er neue, 
höhere und reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters, ohne diese 


*) Die Volkskunde, ihre Bedeutung, ihre Ziele und ihre Methode, Leipzig und 
Wien, 1903. 


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2] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 163 


doch, wie er es m. E. hätte tun müssen, auf bestimmte Formeln bringen 
zu können. Es mag schliesslich unentschieden bleiben, ob der biologische 
Rassenbegriff überhaupt von dem qualitativen zu trennen ist und ob 
Dr. SCHNEIDER sich nicht in der „Perspektive“ irrt, wenn er in dem 
biologischen Rassenbegriff einen Anbau zum qualitativen erblickt. Die 
Gegenwart zeichnet sich ja durch eine „reinliche Scheidung“ der Begriffe 
aus; in der Rassenkunde früherer Zeiten fliessen aber die Begriffe in¬ 
einander, weil die kulturelle Entwickelung einer Rasse zugleich aus 
dem Milieu ihrer Entstehung und ihren Lebensbedingungen erklärt 
wurde, und es ist nicht immer leicht zu sagen, ob irgend eine Äusse¬ 
rung nur dem qualitativen oder nur dem biologischen Rassenbegriffe 
zugute kommt. Schliesslich wird die Qualität doch nur durch die 
Intensität des in einzelnen Rassen lodernden und Kultur fördernden 
Lebensfeuers bestimmt und ist somit dem biologischen Momente 
wohl gleichzusetzen. 

Herr Dr. SCHNEIDER hätte, wie gesagt, die nach seiner Meinung 
in der Ferne heraufdämmernden qualitativen Rassenbegriffe formulieren 
und namentlich Dr. Ludwig WOLTMANN nennen müssen, gegen den 
sich eigentlich die Absage an die heute bestehenden qualitativen Rassen¬ 
begriffe richtet. Mit besonderer Deutlichkeit geht dies aus den Worten 
hervor: „Der spätrömische Bewohner Italiens wird durch germanische 
Elemente zum Italiener der Renaissance. Es liegt sehr nahe, die 
neuen Leistungen einfach als Leistungen der neuen Ankömmlinge zu 
buchen und zu vergessen, dass diese für sich allein, rein, trotzdem es 
ihnen nicht an Zeit und Anregung von den Kulturländern her gefehlt haben 
kann, nichts erhebliches für die Kultur geleistet haben. Der voreilige 
Schluss muss aber aufgegeben werden; es gibt kulturelle Leistungen 
der italienischen Rasse, aber keine der Germanen in dem Italien der 
Renaissance.“ 

Die hier zitierte Stelle ist aus lauter irrigen Ansichten zusammen¬ 
gesetzt. Dass die reinen, unvermischten Germanen nichts für die Kultur 
geleistet haben sollen, ist eine so ungeheuerliche Behauptung, dass 
man sich wundert, sie in einer Zeitschrift für Vorgeschichte anzutreffen, 
denn mehr als jedes anderes Fach sollte gerade die Vorgeschichte die 
Nebel verscheuchen, die noch immer die germanische, und damit unsere 
Vorzeit und Kulturfähigkeit verdecken. Ich verweise hier besonders auf 
Dr. WOLTMANNS Artikel „Die Bedeutung des Milieus für die Rassen¬ 
entfaltung" (Politisch-anthropologische Revue, Januar 1906), und weil 
man leicht einwerfen könnte, dass niemand Richter in eigener Sache sein 
kann, auf den Artikel von Dr. Max KEMMERICH „Der Kulturwert der 
Germanen“ im 2. Bande (1906) der von Dr. Ulrich SCHM1D heraus¬ 
gegebenen „Walhalla“. Die Bezeichnung „italienische Rasse“ kennzeichnet 
des Verfassers eigentümliche Ansicht von der Entstehung der Rassen. 
In dem vor bald zwei Jahrzehnten erschienenen „Tuisko-Land“ von 
Dr. Ernst KRAUSE wird gleich im 1. Kapitel die „indogermanische 
Rasse“ —auch diese Bezeichnung hat Dr. SCHNEIDER aufgenommen — 
als Trugbild dargestellt, aber mit bewundernswerter Regelmässigkeit kehren 
längst als Irrtümer erkannte Sätze neu drapiert in unserer Literatur wieder. 
Übrigens darf nicht verkannt werden, dass gerade in der Frage nach 
dem Ursprünge der italienischen Renaissance die Meinungen ungeheuer 

11 * 


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164 


Th. Bieder. 


[3 


weit auseinandergehen. So schreibt z. B. Dr. Karl VOSSLER in der 
1900 in der „Sammlung Göschen" erschienenen Italienischen Literatur¬ 
geschichte: „Im 14. Jahrhundert beginnt jene gewaltige und segensreiche 
Reaktion italienischen Geistes und lateinischer Traditionen gegen die 
Infiltrierung mittelalterlich-germanischer Elemente. Diese grosse geistige 
Bewegung, die noch heute nicht ihren Abschluss erreicht haben dürfte, 
nennt der Italiener die Wiedergeburt, il Rinascimento; wir Deutschen 
aber — als möchte uns eine aufrichtige Übersetzung des Wortes be¬ 
schämen — haben sie Renaissance getauft“. Man sieht, es sind bei 
dieser Frage alle Schattierungen vertreten; darüber aber, welche der 
verschiedenartigen Ansichten den Sturm der Zeiten überdauern wird, 
werden diejenigen keinen Zweifel hegen, die der „Politisch-anthropo¬ 
logischen Revue“ innerlich nahe stehen. 

Für einen Rassenforscher unserer Tage wäre es m. E. eine dank¬ 
bare Aufgabe, das, was an Rassenideen aller Art bei uns vorhanden 
ist, zu sichten und das Stichhaltige gut zu fundieren. Daraus kann die 
Wissenschaft mehr Nutzen ziehen, als durch neue „Anbauten“. Und 
einer solchen Arbeit müsste das Studium der Entwicklung heimischer 
Rassenforschung die gesunde Grundlage liefern. Wie wenig diese Ent¬ 
wicklung bisher beachtet wurde, geht daraus hervor, dass man fast überall 
in GOBINEAU den Begründer der Rassenlehre erblickt. Daran sind 
bis jetzt noch alle Gegner heimischer Rassenforschung, wie Prof. Dr. 
Ludwig STEIN und Jean F1NOT gescheitert, und auch Dr. Albrecht 
W1RTH ist diesem Schicksale nicht entgangen *). GOBINEAU hat weder 
den Begriff „Rasse“ noch hat er den qualitativen Unterschied der Menschen¬ 
rassen entdeckt, wenngleich nicht verkannt werden darf, dass e r es war, 
der in den weitesten Kreisen Interesse und Verständnis für diese 
Fragen weckte. 

Vielleicht ist ein kurzer Auszug aus der Geschichte der deutschen 
Rassenforschung vor GOBINEAU an dieser Stelle nicht unangebracht. 

Im Zeitalter BLUMENBACHS hielt man die weisse Rasse für die 
Urrasse und alle farbigen Rassen für Differenzierungen aus derselben. 
Auch der bekannte Entomologe Joh. Chr. FABRIC1US trat dieser An¬ 
sicht in seinen „Betrachtungen über die allgemeinen Einrichtungen in 
der Natur“ (Hamburg, 1781) bei; er hielt es auch für wahrscheinlich, 
„dass die Mohren durch eine wirkliche Vermischung des weissen Menschen 

mit den Affen entstanden seien.Ausser dem Vaterlande der 

Affen, Afrika, finden wir keine Mohren. Amerika, ob es gleich den- 
selbigen Himmelsstrich, dieselbige Hitze hat, bringt demohngeachtet 
keine Mohren hervor, vermutlich weil es keine Affen hat“. 

Henrich STEFFENS, Anthropologie, 2. Bd., Breslau 1822, 


') Das Juli-Heft 1909 der Politisch-anthropol. Revue brachte einen Auszug 
aus einem in den Alldeutschen Blättern veröffentlichten Aufsatze Dr. Albrecht 
WIRTHS, in dem es unter anderem heisst: „Dichtung und Wissenschaft mag sich 
mit Rassenfragen beschäftigen — und es gibt kaum ein anziehenderes, dank¬ 
bareres Gebiet — aber die Staatskunst kann auch hier nur mit Gegebenem rechnen. 
Mit Gobineau begann es. Nicht mit dem Wiedererwecken, mit der Rettung eines 
Deutschen. Mit einem Ausländer.“ 

Davon trifft nur zu, dass die Staatskunst mit den Rassenfragen nichts anzu¬ 
fangen weiss, und das ist sehr betrübend, weil der Degeneration dadurch Vorschub 
geleistet wird. 


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4 ] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 165 


S. 367: „Es ist entschieden, dass die empirische Naturwissenschaft ge¬ 
nötigtist, mehre menschliche Stämme anzunehmen, die eine ursprüng¬ 
liche Grundverschiedenheit des Geschlechts. Alle geschichtliche Entwick¬ 
lung — die mit Bewusstsein zurückgehende Erinnerung des Geschlechts 
— trifft diese Urverschiedenheit als ihr Fundament. Sie gehört nicht 
zu den Verwandlungen, deren Ursache wir durch Wahrnehmung zu 
verfolgen im stände sind. Eben das Unveränderliche bildet die soge¬ 
nannten Rassen. . . . Was auf andere Weise, durch äussere Einflüsse 
des Klimas, durch veränderte Lebensart, eine Veränderung der Form 
hervorruft, eine einmal daseiende abweichen lässt, heisst Schlag, 
Varietät, nicht Rasse. Die Rassen können sich also allerdings ver¬ 
ändern; aber das Eigentümliche der Rassen kann anders, als durch 
Mittelzeugungen, nie aufgehoben werden.“ 

Prof. J. M. LEUPOLDT, Die gesamte Anthropologie neu begründet 
durch allgemeine Biosophie und als zeitgemässe Grundlage der Medizin 
im Geiste germanisch-christlicher Wissenschaft, Erlangen, 1834, 2 Bde.: 
„Das weibliche Geschlecht der occidentalischen Rasse ist den der Viel¬ 
weiberei ergebenen Orientalen gar willkommen, hat aber wohl auch 
durch seine Nachkommenschaft gar viel dazu beigetragen, dass ein be¬ 
deutender Teil der übrigen verweichlichten und schwelgerischen Asiaten 
nicht schon viel weiter herabgekommen ist. Dadurch hat sich 
zugleich die Ur-, Stamm- oder Zentral-Rasse eben auch als Mutter 
und Lebenskraft für einen Teil der anderen bewiesen. ... In der 
Erdgegend, welche die *Rasse inne hat, lebte daher das Volk, welches 
durch das ganze Altertum unter allen Völkern die reinste und kräftigste 
Religion bewahrte, die Hebräer; aus ihr, besonders nördlicher her, 
kamen die weissen und weisen ersten Erzieher und Bildner 
roher und zugleich dunkel gefärbter Völker verschiedener 
anderer Erdgegenden. ... Es hat sich also auch in dieser 
edleren Beziehung diese Rasse als Lebenskraft des Mensch¬ 
heitsorganismus erwiesen.“ 

Wolfgang MENZEL, Geist der Geschichte, Stuttgart, 1835: 
„Streng genommen gibt es nur zwei einander absolut entgegengesetzte 
Menschenrassen, die schwarze und die weisse. Die Weissen aber sind 
offenbar Kinder des Nordens unter dem Einfluss des grossen 
Fixsternhimmels, unter dem Gesetz einer höheren Weltordnung, 
begabt mit einem Geist und Streben, die über das gemeine Natur¬ 
gesetz hinausgehen, und die, weit entfernt, sich der rohen Naturgewalt 
zu unterwerfen, vielmehr die ganze Geschichte hindurch die Befreiung 
von dieser Gewalt bezweckt haben. Die Schwarzen dagegen sind 
Kinder des Südens unter dem Einfluss der Sonne, gebannt in den 
Tierkreis, der die Erde umgürtet, und ewig befangen in dem tierischen 
Bedürfnis, ohne freies Selbstbewusstsein, ohne historische Erinnerung, 
ohne ein Ziel des Strebens, nur dem nächsten Tage lebend.“ 

Ferner: „Es fragt sich nun, ob künftig . . . eine allgemeine Ver¬ 
mischung, wie in Amerika, entstehen wird? oder ob in diesen drei Welt¬ 
teilen (Asien, Afrika und Australien) eine Reaktion der farbigen Urvölker 
gegen die weissen Kolonisten eintreten wird? und ob im letztem Fall 
jene farbigen Rassen wie bisher in ihrer Verstockung verharren, oder 
ob sie aus freien Stücken das Christentum und die europäische Zivili- 


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166 


Th. Bieder. 


[5 


sation annehmen werden? Es wäre ein ungeheueres Phänomen 
in der W elt-Geschichte, wenn die starre Rinde jener alten 
Völker plötzlich auftaute, und wenn sie, die sich seit sechs 
Jahrtausenden gleich geblieben, plötzlich wie durch einen 
ZauberstabmitdemGeistderweissenRassebeseeltwürden.“ 

Theodor ROHMER, Deutschlands Beruf in der Gegenwart und 
Zukunft, Zürich und Winterthur, 1841 : „So viel zeigt uns alle Geschichte, 
dass das Volk an sich vergänglich, veränderlich ist, während 
die Race, derTypus unwandelbar und ewig dauert. Araber, 
Juden, Mongolen, Neger haben bestanden und werden bestehen, solang 
es Geschichte gibt; Römer, Griechen, Franzosen, Russen, Deutsche fallen 
dem Untergang anheim, um so schneller, je weniger sie den Typus 
ihrer ganzen Rasse, um so langsamer, je mehr sie ihn darstellen. 

1843 begann Gustav KLEMM die „Allgemeine Kulturgeschichte 
der Menschheit“, in der er das Menschengeschlecht in aktive und passive 
Rassen teilte 

Wilhelm L1NDENSCHMIT, Die Rätsel der Vorwelt, oder sind 
die Deutschen eingewandert? Mainz, 1846: „Die Germanen brachten 
eine Anzahl der wichtigsten Güter der Jetztwelt als ihren Einstand in 
die Weltgeschichte, und zwar nicht etwa unter Anleitung der über¬ 
kommenen Kultur wie andere Völker, sondern als ein freies, ange¬ 
borenes Geschenk ihres Naturells.“ 

Wilhelm L1NDENSCHMIT, Bruder des Direktors des Mainzer 
Zentral-Museums Ludwig LINDENSCHMIT, gehört eigentlich in die 
Reihe der modernsten Forscher. Seine Ansicht, dass die weisse ger¬ 
manische Rasse ursprünglich über ganz Europa verbreitet und durch 
den Zuzug fremder Rassen auf die Mitte des nördlichen Europa be¬ 
schränkt wurde, stimmt völlig mit Dr. WOLTMANNS Lehre überein, 
und sie ist auch noch jüngst nach dem Berichte der Germanisch-roma¬ 
nischen Monatsschrift (Dez. 1909) in dem Vortrage S. FEISTS „Europa 
im Lichte der Vorgeschichte“ (50. Versammlung deutscher Philologen 
und Schulmänner in Graz, 27. Sept. bis 1. Okt. 09) zum Ausdruck ge¬ 
bracht worden. 

Dr. Ernst KAPP, Philosophische oder vergleichende allgemeine 
Erdkunde, 2 Bde., Braunschweig, 1845: Die kaukasische Rasse 
ist vor den übrigen, deren Einseitigkeiten in ihr harmonisch 
sich ausgleichen, so bevorzugt, dass sie allein bis auf den 
heutigen Tag die geschichtsfähige gewesen ist. 

Eduard ARND, Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung 
des französischen Volkes, 3 Bde., 1844/46: „In den Teilen der römischen 
Welt, welche die germanischen Eroberer nur vorübergehend betraten, 
oder auf die sie mehr ihre äusseren Einrichtungen als ihre Gesinnungen 
übertrugen, blieb diese, jetzt nicht nur jedes höheren Zieles entbehrende, 
sondern auch von aller Wahrheit und Wirklichkeit getrennte Richtung, 
die Form über den Gehalt, den Schein über das Wesen zu stellen, 
lebendig und wurde sogar der unterscheidende Charakter der Völker 
lateinischen und germanischen Ursprungs. . . . Noch heute liegt die 
wahre Kraft Frankreichs mehr im Norden als im Süden. In der Bretagne, 
der Normandie, in Lothringen und Champagne ist mehr Kraft und 
Tüchtigkeit als in der Gascogne, Languedoc und der Provence zu finden“. 


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6] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 167 


Dem Verfasser galt „Deutschland mit Recht als das Herz Europas, 
dessen Blut einst alle übrigen Glieder des europäischen Körpers belebt 
hat und in dessen lebenswarmer Tiefe es noch heute am reinsten 
strömt.“ Die gleiche Ansicht vertrat E. M. ARNDT in seinem 1843 
erschienenen „Versuch in vergleichender Völkergeschichte.“ 

Carl Gustav CARUS Hess 1849 zur Jahrhundertfeier des Ge¬ 
burtstags Goethes eine Schrift „Über die ungleiche Befähigung der 
verschiedenen Menschheitsstämme für höhere geistige Entwicklung“ er¬ 
scheinen, in der er das Menschengeschlecht in „Tag- und Nacht- 
Völker“ teilte. 

Karl HAGEN, Zur vergleichenden Staatskunde (drei Artikel in 
Kolatscheks Deutscher Monatsschrift, 1850) unter Berufung auf KLEMM: 

„Schöpferische geistige Kraft ist am meisten bei den Germanen 
anzutreffen, sowohl an Tiefe als an Umfang: sie haben auf allen Ge¬ 
bieten menschlicher Tätigkeit sich versucht und hier das Grösste ge¬ 
leistet. . . . Die Germanen haben wohl eine entschiedene Nationalität, 
aber sie tritt nicht gerade schroff hervor, weil sie das Talent besitzen, 
die Eigentümlichkeit anderer Stämme zu verstehen und zu begreifen, 
sie in ihrem eigentlichen Wesen aufzufässen, mit einem Worte, sie 
objektiv zu betrachten. Durch dieses Talent sind sie vorzugsweise 
der universelle Stamm, derjenige, der dazu berufen ist, auf der 
Warte der Weltgeschichte zu stehen. . . . Die Germanen, als in der 
Mitte stehend, geographisch wie geistig, sind das vermittelnde und ver¬ 
mischende Element, und zwar nach allen Richtungen hin.“ 

Erst 1853 erschienen die beiden ersten Bände des „Essai sur 
l’inegalite des races humaines“ von Gobineau. 

Dieser Auszug macht natürlich auf Vollständigkeit keinen Anspruch 
und die als besonders markant zitierten Stellen sollen nur zu weiterem 
Studium der betreffenden Autoren anregen. 

Wie verhält sich nun Dr. WOLTMANNS Rassentheorie zu den 
hier gegebenen Belegen? Ich erblicke in ihr die konsequenteste 
Ausprägung der schon lange vor Gobineau bei uns heimischen 
Rassenideen und glaube schon deshalb, ihr „Stichhaltigkeit“ zusprechen 
zu können. Ernst zu nehmende Gegner konnte Dr. WOLTMANN nur 
bei den Vertretern der Sprachwissenschaft finden, und auch Dr. WOLT¬ 
MANN sehr nahe stehende Forscher wie Dr. L. WILSER 1 ) haben etymo¬ 
logische Fehlschlüsse in seinen Schriften zugeben müssen. Der Gehalt 
seiner Rassenlehre wird aber dadurch nicht getroffen. Sie lautet in 
drei Kernsätzen zusammengefasst: 

1. Der Norden Europas ist als Urquell der weissen Rasse mit 
dem Germanentum als dem Zentralvolke anzusehen, 

2. von der Heimat des Germanentums aus haben, untrennbar mit 
der Rasse verbunden, europäische Kultur und Gesittung ihren 
Ausgang genommen, 

3. Mischungen zwischen Germanen und anderen Völkern haben 
letzteren zu erhöhter Kulturtätigkeit verholfen. 

Der erste Punkt hat sich als Hauptgrundlage für die Erforschung 
der Vorgeschichte Europas, ja der alten Welt insgesamt, erwiesen. Diese 

*) S. „Rassentheorien“, Stuttgart, Strecker & Schröder, 1908. 


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168 Th. Bieder: Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung usw. 


[7 


Lehre ist nicht erst durch LATHAM und BENFEY vertreten worden, 
ich habe sie in fast ununterbrochener Kette bis ins 18. Jahrhundert 
zurückverfolgen können. Durch sie gewinnt unser geschichtliches Bild 
eine Zentrierung, die bis jetzt, wie es scheint, noch nicht zum Abschlüsse 
gekommen ist. 

Punkt 2 ist besonders wichtig für die Beurteilung der vorgeschicht¬ 
lichen Kulturstufen, der Wanderungen der Ornamente usw. 

Im dritten Punkte endlich nähert sich Dr. WOLTMANN Karl 
HAGEN (1850) und anderen der erwähnten Rasseforscher vor 1850 
und entfernt sich von Dr. Hermann SCHNEIDER, denn gegenüber 
der von Dr. SCHNEIDER geäusserten Ansicht, dass „man Rasse als 
das Ergebnis einer Mischung nicht allzu ferner Verwandter mit folgen¬ 
der Reinzüchtung ansehen kann, dass man sich aber darüber klar sein 
muss, dass wohl die Mischung, aber nicht die Reinzüchtung schöpferische 
Kulturleistungen bedingt'*, muss es als ein höheres Stadium der Er¬ 
kenntnis angesehen werden, wenn die Germanen als das ver¬ 
mischende Element angesprochen werden, weil dabei doch Aktivität 
und Kulturförderung nach einer bestimmten Richtung hin vorausgesetzt 
werden. Dr. SCHNEIDERS Ansicht über Reinzüchtung und Mischung, 
die, wie erwähnt, durch die Vorgeschichte hinlänglich widerlegt werden 
dürfte, berührt sich vielfach mit Heinrich DRIESMANS. Auch in 
dem Punkte, dass Dr. SCHNEIDER befürchtet, die Rassenbegabung 
könnte leicht ein Faulbett statt eines fördernden Durchgangsfaktors 
werden. Gerade diese Seite hat Heinrich DRIESMANS prachtvoll 
herausgearbeitet, wenn seine Rassentheorie auch nicht sonderlich hoch¬ 
steht. DRIESMANS gehört nicht zu den „ruhigen" Schriftstellern, er 
setzt, wie man zu sagen pflegt, viele Lichter auf, leuchtet aber gerade 
so in manche Ecken und Winkel hinein, „vor denen jeder gern vorüber¬ 
schleicht". Dass die besondere Rassenbegabung ihre besondere Ver¬ 
pflichtungen und zwar in jeder Beziehung mit sich bringt, ist also ein 
Gedanke, der mich mit Herrn Dr. SCHNEIDER eint. 


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Zum Homo Aurignacensis 

von Gustaf Kossinna. 

Mit Tafel XI. 


Über den Homo Aurignacensis von Combe Capelle habe ich unter 
Vorführung von Lichtbildern und Erläuterungen, die sich die Mitteilungen 
der Zeitungen zu nutze gemacht hatten, bereits Anfang November vorigen 
Jahres in meinem Kolleg über das indogermanische Urvolk und bald 
darauf (18. November) in der ersten Wintersitzung unserer Berliner 
Zweiggesellschaft gesprochen. Durch diesen neuen und nach allen Rich¬ 
tungen ausgezeichneten Vertreter einer Rasse, von der wir in den Ske¬ 
letten von Galley-Hill und namentlich von Brünn, Franz-Josephstrasse, 
schon so gut charakterisierte, von KLAATSCH klar beschriebene Belege 
besassen, wurde ich in meiner im Kolleg schon seit Jahren aus¬ 
gesprochenen Ansicht bestärkt, dass wir es hier mit jener Rasse zu tun 
haben, die ihre reinsten Ableger in der nordischen Rasse der neoli- 
thischen Indogermanen Mittel- und Nordeuropas hinterlassen hat, wenn 
auch andersartige Beimischungen innerhalb dieser nordischen Rasse un¬ 
verkennbar sind, wie ich (1908) und dann SCHLIZ ja gezeigt haben. 
Wenn ich gerade in diesem Punkte der Ableitung der nordischen Rasse 
von einer oder von mehreren Rassen des Paläolithikums bei meinem 
Vortrage über den Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen 1908, 
wo ich diese Frage übrigens nur in einer Zeile gestreift habe (Mannus 1,51), 
zu der landläufigen Ansicht zurückgekehrt war, wonach die nordische Rasse 
von der Cro-Magnon-Rasse herstammen soll, so beruhte dieses Schwanken 
nur auf der Erwägung, dass wir von der Aurignac-Rasse noch keinen 
Vertreter besitzen, oder wenigstens bis jetzt mit Sicherheit kennen, der 
jünger ist als das Zeitalter des Aurignacien: sie fehlt uns noch aus dem 
Solutreen und Magdalenien, wohl auch aus dem Frühneolithikum, wäh¬ 
rend vom Cro-Magnon-Typus Belege bis ins Magdalenien herab bekannt 
waren. Und somit fehlte vorläufig die verbindende Brücke der Fort¬ 
pflanzung zwischen dem Menschen von Brünn aus dem Aurignacien 
und dem Nordeuropäer des beginnenden Jungneolithikums: eine Lücke, 
die mir als Archäologen sehr bedenklich vorkam. Denn auf dem archäo¬ 
logischen Gebiete mit seiner soviel reicheren Stoffüberlieferung würde 
mir eine solche Lücke die Möglichkeit einer Ableitung einfach unmöglich 
machen. Die Anthropologen sind jedoch, entsprechend der soviel geringeren 
Menge ihres Materials, in ihren methodischen Ansprüchen weniger streng. 
KLAATSCH versicherte mir, dass ihm diese Überlieferungskluft wenig 


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170 


Gustaf Kossinna. 


[2 


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Bedenken mache. Da man auf eine Ergänzung fehlender Funde des 
Menschen aus diesen Zeiten mit Sicherheit rechnen kann, so ist wohl 
auch auf Erscheinen jüngerer Belege des Aurignacien zu hoffen, und 
somit kann ich meine alte Ansicht: nordeuropäische Rasse Brünn 
nunmehr in der erweiterten Fassung Aurignac-Rasse unbedenklich 
wieder aufnehmen. Denn der Herleitung vom Cro - Magnon-Typus 
widerspricht ganz entschieden die Breite der unteren Gesichtspartie 
des Cro-Magnon, worin dieser ein Element des Neandertaltypus in sich 
aufgenommen zu haben scheint. 

Soweit meine ersten Erwägungen. Nun erschien als erste ein¬ 
gehendere Mitteilung der Aufsatz von G. WILKE (Mannus I, 252 ff.), 
der kurz vor KLAATSCH an der Fundstelle des Skeletts gegraben 
hatte. Ich beabsichtigte WILKEs Aufsatz eine Tafel beizugeben, was 
sich aber nicht ermöglichen liess. Erst jetzt kann ich mit Einwilligung 
des Herrn O. HAUSER diese Absicht ausführen (Tafel XI). Einer be¬ 
sonderen Erklärung der Tafel bedarf es nicht, da in dem Aufsatz von 
WILKE alles nötige dazu bereits bemerkt worden ist. 

Aus WILKE’s Mitteilung wurde bekannt, dass KLAATSCH den 
Cro-Magnon-Typus für einen Nachkommen des Aurignacensis erklärt 
hat, freilich für keinen reinen, sondern für einen mit einigen Elementen 
des Neandertaltypus versetzten. Das machte mich stutzig. Damit war 
die Frage des Nebeneinanderlebens der verschiedenen paläolithischen 
Rassen angeschnitten. In dieser Beziehung hatte ich bisher die Ansicht 
vertreten und gelehrt, dass innerhalb des späten Mousterien und Aurignacien 
tatsächlich eine länger dauernde Berührung der Neandertalrasse mit 
Jungdiluvialrassen (Cro Magnon, Grimaldi) stattgefunden habe, denn 
die neanderthaloiden Skelette von Spy waren nach den geologischen 
Untersuchungen RUTOT’s ins mittlere Aurignacien zu setzen und der 
Neandertaler selbst nach Ausweis der Artefakte in die gleiche Periode 
wie Spy. Andrerseits ist es über allem Zweifel erhaben, dass die drei 
Menschen aus dem Cro-Magnon-Abri ebenfalls aus dem mittleren Aurig¬ 
nacien stammen, aus derselben Schicht, der auch diejenigen Vertreter 
des Cro-Magnon-Typus angehören, die unmittelbar über den Negroiden 
der Grimaldihöhle bei Monaco lagerten. 

Zu diesen drei Rassen des Aurignacien kommt nun als vierte der 
Aurignacensis Hauseri, der nach HAUSER freilich aus dem unteren 
Aurignacien stammen soll. Somit wäre also sein frühestes Erscheinen 
nur um eine Aurignacienstufe älter gegenüber dem des Cro-Magnon- 
Menschen und ebenso gering wäre der Zeitraum bemessen für 
die Mischung des Aurignacensis mit dem aussterbenden Neandertaler 
zur Erzielung des Cro-Magnon-Menschen. Ich sah mich also innerlich 
gezwungen, durch eine ganz kurze Anmerkung zu WILKE’s Aufsatz auf 
das Alter der verschiedenen Skelettfunde hinzuweisen und damit für 
jeden Kundigen die Schwierigkeiten der Frage hervorzuheben, die allein 
schon in der Zeitstellung der vorhandenen Zeugnisse liegen. 

Ich hob zunächst den Fund des weiblichen Skelettes von Moustier 
hervor, das RIV1ERE schon so lange aufgedeckt und MANOUVRIER immer 
noch nicht veröffentlicht hat, und von dem nur bekannt ist, dass es nicht 
dem Neandertaltypus angehört. Ich legte ihm also vermutungsweise 
Aurignac-Charakter bei. Herr HAUSER, dem diese Konkurrenz zu 


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-EfUMCFTON. UNIVERSUM 



3] 


Zum Homo Aurignacensis. 


171 


seinem Mousteriensis offenbar sehr unlieb ist, schrieb mir in dem ihm 
eigenen Lapidarstil: „kann nur mittelalterliche Nachbestattung sein, 
eventuell ein verscharrter Leichnam". RIVIERE hält jedoch an der 
Echtheit, d. h. am paläolithischen Charakter seines Fundes fest. Da 
indes, wie mir RUTOT freundlich mitteilt, nicht nur BOULE, sondern 
auch die RIVIERE befreundeten Fachleute von der „Echtheit" dieses 
Skelettes nicht überzeugt sindT muss dieser Fund bis auf weiteres von 
wissenschaftlicher Verwertung ausgeschlossen werden. 

Aufrecht zu erhalten sind aber die von mir gleichfalls schon als 
Konkurrenten des Aurignacensis erwähnten beiden von DUPONT in der 
Höhle zu Hastiere gefundenen Unterkiefer, die RUTOT allerneuestens 
dem Aurignac-Typus zuzählt 1 ). Zu streichen dagegen ist das weiter 
von mir dort namhafte Schädeldach von Engis, das ich nach RUTOT’s 
früherer Bestimmung dem untern Aurignacien zuteilte. Da dieser berühmte 
Fund SCHMERLING’s bei den Forschungen von SCHL1Z eine Rolle spielt 
und ganz neuerdings wieder von KLAATSCH 2 ) stark herangezogen 
worden ist, so muss hier mit Nachdruck auf die Mitteilung RUTOT’s 
(a. a. O. 226) hingewiesen werden, wonach dieser Forscher nach ein¬ 
gehender Untersuchung des Schädelrestes und der Fundstelle zu der 
Ansicht FRAIPONT’s, des leider nun verstorbenen ausgezeichneten 
Anthropologen, sich bekehrt hat, dass hier ein neolithischer Fund vor¬ 
liege und bei der Betrachtung der paläolithischen Rassen also ganz 
auszuscheiden habe. 

Voll aufrecht erhalten muss ich jedoch die letzten Zeilen meiner 
Anmerkung, wonach die Cro-Magnon-Skelette genau ebenso alt seien, 
wie der Aurignacensis Hauseri, d. h. also, dass beides dem mittleren 
Aurignacien angehört. Auch diese Behauptung muss Herrn HAUSER 
sehr unangenehm sein, denn er schrieb mir hierüber wörtlich: „Cro- 
Magnon ist nicht Aurignacien; das zeigt schon ein kurzer Blick auf 
die Schädel von Cro-Magnon und Combe Capelle und die Stratigraphie 
von Cro-Magnon. Sehen Sie sich die Originale bitte an, dann müssen 
Sie wahrscheinlich Ihren Irrtum anerkennen!“ Nun mit wissenschaftlicher 
Erörterung haben diese Worte wohl nicht viel gemein und ich würde 
ihnen keine Bedeutung zugemessen haben, wenn nicht bei KLAATSCH 
als Antwort auf meinen Einwurf über das Alter des Cro-Magnon in der 
seinem Berliner Vortrag folgenden Diskussion ein Echo der HAUSER’schen 
Ansicht mir entgegen geklungen hätte. 

Man weiss ja, dass KLAATSCH von den Errungenschaften der 
heutigen Diluvialarchäologie und ihrer weitgehenden Periodenteilung 
nicht viel hält. „Das überzeugt mich nicht“, hat man oft von ihm ge¬ 
hört. Er hält sich nach wie vor an die beiden gegensätzlichen Diluvial¬ 
faunen als Haupteinteilungsprinzip. Aber es ist wohl zu bezweifeln, 
dass er Zeit gefunden hat, sich in die neueren Ergebnisse der Diluvial¬ 
archäologie so zu vertiefen, dass seiner Ablehnung besonderer Wert bei¬ 
gemessen werden könnte. Ich habe es mit Staunen und Freude begrüsst, 


*) A. RUTOT: Coup d’oeil synthetique sur l’epoque des Cavernes. Bulletin 
de la soc. beige de geol. 1909, XXIII, 272. 

*) Vortrag in der Berliner anthrop. Gesellschaft vom 19. 4. 1910. 


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172 


Gustaf Kossinna. 


[4 


dass er sich offenbar unter HAUSER’s günstigem Einflüsse zur An¬ 
erkennung des Aurignacien verstanden hat. 

Hinsichtlich der Cro-Magnon-Skelette sprach er sich abfällig über 
das Bestreben aus, einer andern Periode sie zuzuweisen, als der Ent¬ 
decker getan habe, also als dem Magdalenien. Er leugnete sogar die 
Möglichkeit der Nachprüfung jener Funde an Ort und Stelle. Danach 
sind ihm also die in jeder Beziehung zuverlässigen und abschliessenden 
Untersuchungen, die BREUIL zu verschiedenen Zeiten an der Fundstelle 
gemacht hat, ganz unbekannt geblieben. Nachdem dort zuerst RIVl^RE 
gegraben, haben dann BREUIL und PEYRONY gearbeitet. BREUIL hat 
bekanntlich die Fundstelle LARTET’s wieder entdeckt und bei der Zurück¬ 
weisung der falschen Deutungen MASSENAT’s, GIROD’s und A. de 
MORTILLET’s in der Frage des höheren Alters des Aurignacien oder 
des Solutreen festgestellt, dass in dem Abri ausschliesslich mittleres 
Aurignacien vorkommt 1 ). Damit ist diese Angelegenheit für mich 
erledigt. 

Aber für die Fundstelle des Aurignacensis nimmt HAUSER nach 
dem durch KLAATSCH vorgeführten geologischen Schichten-Profil die 
Bezeichnung ‘unteres Aurignacien’ in Anspruch. In demselben Abri auf 
der Bergspitze Combe Capelle hatten schon im Sommer 1907 mehrere 
Laien und Forscher gegraben, wovon KLAATSCH nichts zu wissen 
schien. BREUIL und BOUYSSONIE haben dort auf der linken Seite 
unabhängig von einander, aber völlig übereinstimmend die Schichtenfolge 
in der Tiefe mit dem mittleren Aurignacien begonnen, kennen 
also weder das Mousterien, noch das untere Aurignacien HAUSER’s. 
Da sie im übrigen aber dieselbe Zahl und Folge der Schichten wieder¬ 
geben wie HAUSER, so ist mir das ein Beweis, dass HAUSER, selbst 
wenn er das Skelett mehr nach der rechten Seite hin gefunden haben 
sollte, sich bei der Beurteilung der Schichten in einem Irrtum be¬ 
findet. Abbe BREUIL hatte die Freundlichkeit, mir auch brieflich zu 
bestätigen, dass an seiner Fundstelle von einer Mousterienschicht nicht 
die Rede sein könne. 

Diese Ergebnisse sind nicht ganz gleichgiltig, denn sie führten 
mich zu der Ansicht, dass wir nunmehr an dem Punkte sind, für ein 
Zusammenleben von Neandertalrasse und sogenannter jüngerdiluvialer 
Rasse, sei es Cro-Magnon oder Aurignacensis, kein unmittelbares 
Zeugnis zu haben, seitdem die bisher einzigen ins mittlere Aurignacien 
datierten Vertreter der Neandertalrasse, die Skelette von Spy, nach 
jetzt übereinstimmendem Urteile von FRAIPONT und RUTOT (a. a. O. 
235 ff.) vielmehr ins untere Aurignacien hinabzurücken sind. Das ist 
aber nur der augenblickliche Stand der Zeugnisse. Ich weiss nicht, ob 
ich so indiskret sein darf, zu verraten, dass RUTOT über kurz oder 
lang zeigen will, dass bereits in der Chellesperiode sowohl der Typus 
des Aurignacensis wie des Cro-Magnon-Menschen in Frankreich ge¬ 
funden und nur als solche bisher nicht erkannt worden sind: den Be¬ 
weis hierfür müssen wir freilich erst abwarten. 

Indirekte Beweise für ein Zusammenleben der Neandertalrasse 
und der hohem Diluvialrassen liegen allerdings bereits vor, wenn die 

*) H. BREUIL: La question aurignacienne (Revue Prehistorique 1907, 209 ff.); 
l'Aurignacien presolutreen (ebd. 1909, Nr. 8 und 9 [Sonderdruck S. 21 ff.]). 


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Original fro-m 

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5] 


Zum Homo Aurignacensis. 


173 


Ansicht von KLAATSCH, wie ich glaube, richtig ist, dass der Neander¬ 
taler Mensch etwas im Cro-Magnon-Menschen und noch mehr in Teilen 
nordischer Bevölkerung sein Blut vererbt hat. Ein direkter Beweis für 
ein altes Zusammenleben der beiden Rassen ist aber soeben wieder 
gegeben durch die von KLAATSCH in seinem Berliner Vortrag gemeldete 
Tatsache — die übrigens schon RUTOT kurz angedeutet hatte —, dass 
zu Krapina Skeletteile beider Rassen, des Neandertalers wie des 
Aurignacensis, gemischt vorgekommen sind, und dass hier wahrscheinlich 
ein Kampfplatz beider Rassen entdeckt worden ist. 

Wenn KLAATSCH die Aurignacrasse mit Recht aus Asien ein¬ 
wandern lässt, so wäre es ja allerdings nicht wunderbar, wenn die bis 
jetzt frühesten Zusammenstösse beider Rassen in Osteuropa stattgefunden 
hätten. Denn die Fundstätte von Krapina wird man trotz RUTOT, der 
sie ins untere Aurignacien verlegt, wohl besser dem Mousterien, wie 
bisher, belassen. Ich hebe aber nochmals hervor, dass durch diese Auf¬ 
fassung von Krapina das bis jetzt einzige Zeugnis für die Gleichzeitigkeit 
jener Rassen geliefert wird, und dass für Westeuropa die Gleichzeitig¬ 
keit durch direkte Zeugnisse bis jetzt nicht erhärtet worden ist. Hier 
reicht die Neandertalrasse bis ins untere Aurignacien herab, die Aurignac- 
und Cro-Magnon-Rasse beginnt aber erst im mittleren Aurignacien. 

Was endlich die Verbindung der Neandertalmenschen mit der An- 
tiquus- Fauna und die Parallelisierung mit den Gorilloiden und heutiger 
afrikanischer, an heisses Klima gewöhnten Tierwelt und dem gegenüber die 
Verbindung des Aurignacensis mit der pelzgeschützten Mammutfauna 
und den kalten Gebieten Nord- und Mittelasiens angeht, so schliesse 
ich hieran die Mitteilung, dass ich auf meiner vorjährigen Studienreise in 
Südosteuropa im Museum zu Lemberg ein Rhinozeros tichorinus mit 
vollständiger Erhaltung der Weichteile sah, die jedoch des nach KLAATSCH 
zu erwartenden Pelzkleides gänzlich entbehrten. Erhalten waren 
nicht nur beide Hörner, auch schon eine Seltenheit, sondern auch das Ohr, 
die Zehen, Haar und Haut, während man bisher nur einen einzigen 
mangelhaft erhaltenen Kopf dieses Tieres aus Ostsibirien in Petersburg 
aufbewahrt. Der Fundort ist Starunia, Bezirk Bohorodczany in Ost¬ 
galizien. Verdankt wird dieser einzigartig gute Erhaltungszustand der 
Lagerung im Erdwachs, das 5 m über dem Rhinozeros auch ein vollständig 
erhaltenes, leider zerbrochenes Mammut barg, dabei ein Stück diluvialen 
Holzes und viele Pflanzen und Früchte. Der Direktor des Dzieduszycki- 
Museums, Prof. LOMNICKI, überreichte mir freundlichst seine vorläufigen 
Berichte über diese glänzenden Funde vom Herbst 1906: 

1. Über den Mammuts- und Rhinozerosfund in Starunia. 

2. Die Mollusken in pleistocänen Ton des Mammutschachtes in 
Starunia. Lemberg 1907 und 1908 (aus der polnischen Zeitschrift 
„Kosmos“ Jahrg. 32 und 33, mit deutschem Auszuge). 

Eine ausführliche Veröffentlichung wird vorbereitet. 

Bei der Gelegenheit füge ich noch hinzu — wenn es auch zu un¬ 
serem Thema keine Beziehung hat —, dass ich in der trefflichen Sammlung 
des Herrn J. A. JIRA in Podbaba bei Prag ein vollständig erhaltenes 
Skelett des Rhinozeros tichorinus sah, in dessen Innerem sich das Skelett 
eines Rhinozeros-Embryo befand. 


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Tardenoisien in Ostthüringen. 

Von Alfred Auerbach, Gera. 

Mit 9 Textabbildungen. 


Gelegentlich der Vorarbeiten für eine Neuaufstellung der vorge¬ 
schichtlichen Abteilung des Städtischen Museums zu Gera ergab eine 
genaue Prüfung des magazinierten Materials eine Anzahl früher nicht 
beachteter Stücke, die für die Vorgeschichte Ostthüringens von Wichtigkeit 
sind. Neben sicher bearbeiteten Knochen aus der Lindentaler Hyänen¬ 
höhle, die bis jetzt in den Publikationen über dieselbe noch keine Be¬ 
rücksichtigung gefunden haben, sind es hauptsächlich Feuersteinwerkzeuge 
vom Typus der Mikrolithe, deren Existenz in unserer Gegend bisher voll¬ 
ständig übersehen worden ist. Sie stammen aus dem Orlagau und vom 
Gipfel des Pfortener Berges bei Gera. 

Im Jahre 1884 grub Herr Robert EISEL aus Gera eine Höhle im Zech¬ 
stein und die sie von dem Talhange abschliessende wallartige Erhöhung 
am oberen rechten Rande des steilen Mullentales bei Dobritz im Orla¬ 
gau aus, die er als die „Wüste Scheuer“ bezeichnete. Das bereits früher 
durchwühlte Höhleninnere lieferte ihm Knochenreste von 25 Tieren der 
Diluvialzeit, unter denen auch Rhinozeros, Mammut und Wildpferd be¬ 
stimmbar waren, und zirka 100 Feuersteinsplitter, der Abschlusswall von 
solchen fast 200 Stücke, einen Bronzeringrest und einen Scherben mit 
slawischem Wellenornament. EISEL berichtete über diese seine Ausgrabung 
in der Berliner Zeitschrift für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 
Band 18, 1886, S. (50) — (52). Wir finden an dieser Fundstelle die 
Reste verschiedener Perioden von der Diluvialzeit bis herauf zur sla¬ 
wischen Zeit zusammenliegend; die mehrfachen früheren Umwühlungen 
der Fundstelle nach „Schätzen“ haben freilich alle und jede Schichten¬ 
folge unrettbar vernichtet. Es gelang mir, die Bestände des Städtischen 
Museums zu Gera an Feuersteinsplittern von dieser Stelle gelegentlich 
verschiedener Exkursionen noch zu vermehren. 

Herr Dr. Richard LOTH aus Erfurt sammelte 1886, wie er in seiner 
Abhandlung: „Spuren vorgeschichtlicher Ansiedelungen in der Umgegend 
von Pössneck“ berichtet, dort ebenfalls über 100 Feuersteinsplitter „von 
sehr verschiedener Grösse. Neben grösseren Knollen finden sich cha¬ 
rakteristische messerförmige Splitter von 3 — 4 cm Länge und 1 cm 
Breite mit muscheligem Bruch und dreieckigem Querschnitt vor. Andere 
haben eine pfeilartige Form, die meisten sind kleiner ohne charakteristische 
Formen“. Daneben erwähnt er noch den Fund eines 6 cm langen, an 
einer Seite eigentümlich künstlich ausgezackten Geweihstückchens. 


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2] 


Tardenoisien in Ostthüringen. 


175 


Feuersteinsplitter von dieser Fundstelle finden sich ausserdem auf¬ 
bewahrt in den städtischen Museen zu Pössneck und Saalfeld, die ich 
leider einer genaueren Durchsicht nicht unterziehen konnte. 

Eine sorgfältige Sichtung unseres Geraer Materials nun liess mich 
bald eine Anzahl Stücke erkennen, deren Habitus sie der Epoche des 
Tardenoisien zuwies. Es sind dies Stücke der typischen Triangulärform 
(Abb. 1—3). Ausserdem sind charakteristisch Messerchen mit abge¬ 
drücktem Rücken, eine Klinge mit Kerbe und Stichel mit Mittelspitzen. 



/ 





6 



Abb. 1—3 Döbritz, 4—5 Schwarzbach, 6-9 Pförtner Berg bei Gera. 


Herr Dr. R. R. SCHMIDT in Tübingen hatte die Güte, das Material 
nochmals genau zu prüfen und bestätigte seine Zugehörigkeit zum Tarde- 
nosien. Auch machte er darauf aufmerksam, dass auf Grund der Funde 
in dem ursprünglichen Profile des Höhlenbodens drei Schichten vorhanden 
gewesen sein müssen, von denen die untere die Reste der diluvialen 
Tierwelt, die darüberliegende die Feuersteingeräte vom Ende des Paläo- 
lithikums und die obere die Fundstücke der vorgeschichtlichen Metall¬ 
zeiten geliefert haben. 

Die Tatsache, dass Funde der Epoche des Tardenoisien aus Ost¬ 
thüringen bisher noch nirgends in der Literatur erwähnt worden sind, 
veranlasste mich zu einer genaueren Prüfung der Angelegenheit. Im 
Städtischen Museum zu Saalfeld konnte ich leider die hier liegenden 
zahlreichen Bestände an Feuersteinsachen von den verschiedensten Fund¬ 
orten aus der Umgegend nicht eingehend genug daraufhin durchprüfen, 
ob Material der jungpaläolithischen Epochen, besonders des Tardenosien, 
darunter vertreten sei. 

In der Sammlung des Herrn Kassierers KALDEBORN in Unter¬ 
wellenborn sah ich zehn zum Teil sehr schöne Messerchen mit abge¬ 
drücktem Rücken, die vom Besitzer auf dem Dobritzhügel zwischen 
Unterwellenbom und Kleinkamsdorf gefunden worden sind. Trotzdem 
gerade diese Formen in mehreren Epochen des Paläolithikums auftreten, 
möchte ich doch auch hier, durch die Lage des Fundortes veranlasst, 
die Zugehörigkeit zum Tardenoisien voraussetzen. Vielleicht bestätigen 
noch einige glückliche Funde von Typen diese Annahme. 


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176 


Alfred Auerbach: Tardenoisien in Ostthüringen. 


[3 


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Auch liegen in der Sammlung des Herrn Lehrers A. MÜLLER in 
Niederrossla bei Apolda, früher in Schwarzbach bei Triptis, vier Stück 
vom Tardenoisientypus, die vom Schindel- und Gickelsberge, östlich des 
zuletzt genannten Ortes, herstammen (Abb. 4, 5). 

Der Gipfel des Pfortener Berges südlich von Gera, an der Ein¬ 
mündung des Gessentales in das Elstertal, lieferte schon früher und 
bis in die neueste Zeit herein eine Menge Feuersteinsplitter vom früh- 
neolithischen Typus. Unter ihnen konnten neben einseitig bearbeiteten 
Stücken, wie sie teilweise schon im Jungpaläolithikum Vorkommen, auch 
typische Stücke der Tardenoisienmikrolithik festgestellt werden (Abb. 6 
bis 9). Die charakteristische Lage an der Talmündung und die Ge¬ 
staltung des Fundortes, bei dem wagerecht aus dem Boden hervor¬ 
ragende Zechsteinbänke als natürliche Tische zur Feuersteinbearbeitung 
einluden, haben mich schon vor Jahren die Stelle als Lagerplatz von 
Jägerhorden ansprechen lassen, die hier die aus dem nahen Diluvium 
stammenden Feuersteinknollen für ihre Zwecke hergerichtet haben. 

Den an dieser Stelle zu beobachtenden äusseren Merkmalen nach¬ 
gehend, konnte ich bereits vor einer Reihe von Jahren nordöstlich von 
Gera am Nordwesthange des Steinertsberges eine ähnliche Lagerstätte 
feststellen, die zahlreiche Feuersteinsplitter, ein Fragment eines ge¬ 
schliffenen Steinbeils aus Diabas und Reste aus den vorgeschichtlichen 
Metallzeiten geliefert hat. Unter diesem Materiale wurden bis jetzt zwei 
Reste von Feuersteinmesserchen von etwa 9 mm Länge und 4 */* mm 
grösster Breite mit deutlich abgedrücktem Rücken und retuschierten 
Enden aufgefunden, die dem Tardenoisien zuzuweisen sein dürften. 

Sind es also auch zunächst nur wenige Stellen, an denen die 
Epoche des Tardenoisien in Ostthüringen bis jetzt nachgewiesen werden 
konnte, die kleinen unscheinbaren, sie charakterisierenden Feuerstein¬ 
splitterchen fanden eben bis jetzt bei . den Sammlern noch zu wenig 
Beachtung, so bin ich doch der festen Überzeugung, dass sich die Zahl 
der Fundstellen wesentlich erhöhen wird, wenn man auch bei uns dem 
Materiale dieser Kulturepoche grössere Aufmerksamkeit schenkt und 
ihm auch hier nachzugehen verstehen lernt. 


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PRtHeETOmJNIVERSn 



Zwei Zonenbecher aus Urmitz. 

Von A. Günther, Koblenz-L. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 


Zur Zonenbandkeramik (Glockenbecher) kann ich als Nachtrag zu 
meiner „Vorgeschichte des Neuwieder Beckens“ (Mannus II, 32 ff.), 
nunmehr über zwei eigene Erwerbungen aus Urmitz berichten. 

Im April d. J. erwarb ich von einem Arbeiter in Mülheim ein 
schwarzes Becherchen (Abb. 1). Dasselbe war so mit Lehm beschmiert 
und von unscheinbarem Äusseren, dass es dem Auge eines 
kurz vorher nach Altertümern fragenden Händlers entgangen 
war. Es ist von roher Arbeit, der Ton stark mit Quarz¬ 
körnchen gemischt und gedämpft. Die Form erinnert fast 
an rohe fränkische Arbeit: mit den Fingern ausgearbeitete 
Fussplatte, rundbauchige Wandung und leicht ausladender 
Rand. Die Ornamente, 6 horizontale Gurtlinien und ein 
umlaufendes Band abwärtshängender Dreiecke, scheinen l , /t 

mit Rädchen eingeritzt zu sein. Die Höhe beträgt 
8^2 cm; die Fussplatte hat 5 cm, der Rand 7*/*■ cm Durchmesser. 




Abb. 2. 

Am 1. Mai d. J. wurde auf einer Sandgrube in der Nähe des 
Ketticher Weges und in etwa 9 cm Abstand von dem westlichen äusseren 
Graben der Steinzeitfestung, deren Graben- und Palisadenrandprofil 

Mannus. Bd. II. 12 


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178 A. Günther: Zwei Zonenbecher aus Urmitz. [2 

hier nochmals und zwar an einer Ausgangsstelle freigelegt war, ein 
aus Steinplatten hergerichtetes Grab aufgedeckt. Einige Tage nachher 
zeigte mir ein Vorarbeiter die Stelle und erklärte mir den Aufbau des 
Grabes, das aus fünf grossen 10—15 cm starken Schieferbruchstein¬ 
platten von je 0,95—1,0 m Länge und 40—50 cm Breite zusammen¬ 
gesetzt war (Abb. 2). Ausser einigen Knochenresten, darunter Teilen 
vom Schädel, die aber sofort ganz zerfallen seien, habe sich nichts vor¬ 
gefunden. Der Arbeiter, von dem ich wenige Tage später das Tonge- 
fäss (Abb. 3) erwarb, bestätigte im allgemeinen die Angaben des Vor¬ 
arbeiters, das Gefäss habe aber unter der 
Steindeckung gestanden, während der Schä¬ 
del und die Knochenreste sich fast ausser¬ 
halb befunden hätten. Das Gefäss ist von 
sehr guter Erhaltung und sauberer Arbeit; 
innen und aussen mit rotgelbem Ton¬ 
überzug versehen, der zwischen den Orna¬ 
mentbändern geglättet erscheint. Die ganze 
Aussenwandung ist mit Zonenbändern be¬ 
deckt, deren Einfassungslinien mit Rädchen 
eingeritzt zu sein scheinen. Unmittelbar 
über der Bauchkante zieht sich ein Fries 
kleiner eingeritzter Rechtecke hin. Der 
Boden, 7 cm Durchmesser, ist glatt, der 
nach aussen leicht ausladende abgerundete 
Rand hat einen Durchmesser von 19 cm; 
die Höhe beträgt 21 x /a cm. Da der Ar¬ 
beiter, von dem ich das Becherchen (Abb. 1) 
erhalten habe, früher auf derselben Bimssandgrube arbeitete, so scheinen 
beide Gefässe von der gleichen Fundstelle zu sein. 

Beide befinden sich jetzt in der Sammlung des hiesigen Vereins. 

Anmerkung. Wir haben es bei dem grösseren Becher (Abb. 3) zwar mit 
einem Zonenbecher, nicht aber mit einem G 1 ocke nbecher von dem bekannten 
west-, süd- und mitteleuropäischen Typus zu tun, die jüngst GRÖSSLER und 
SCHUMACHER behandelt haben. Der Form nach gehört dieses Gefäss zu jenen 
spätneolithischen Bechern, die ich 1909 (Mannus I, 232, vgl. 267, 272 Anm. und 
Tafel XXII) besprochen habe, die wohl Zonenornament aufweisen, aber doch aus 
den nordwestdeutschen Megalithgräberbechern sich entwickelt haben. Das Erscheinen 
des Bechers in einem Steinplattengrab liefert ein neues Moment für die Richtigkeit 
meiner Ansicht. Nach GRÖSSLER’s Vorgang wird man jene internationale Form 
künftig am besten ausschliesslich als Glockenbecher bezeichnen, jene nur in West¬ 
deutschland (nebst England und sehr selten auch Nordfrankreich) einheimische Form 
aber Zonenbecher nennen. Das Zonenornament allein kennzeichnet eben nicht 
genügend. G. K. 



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Zur Geschichte der Sichel. 

Von A. Bezzenberger. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 


In dem durch Hubert SCHMIDTs Güte mir zugegangenen glänzenden 
II. Teil der „Archeological excavations in Anau and Old Merv“ ist eine 
Kupfer-Sichel veröffentlicht (PI. 39, Fig. 3, S. 154, Fig. 274), über die 
der Genannte folgendes sagt: „It differs in its form from all European 
types of sickles .... The characteristics of the sickle of Anau are the 
smooth surface of the blade and the form of the tang or haft, the end 
of which is bent backward. The same peculiarities I find, in contrast 
to the European types of the bronze period, only on the sickles from 
Troja which belong to a hoard of the VI city“ (S. 182). 

Eine genau entsprechende europäische Form kann auch ich nicht 
nachweisen. Wohl aber kenne ich mehrere Sicheln aus Südwest- 
Europa — ob Bronze, wie ich glaube, oder Kupfer habe ich nicht fest¬ 
stellen können —, die dadurch, dass ihr Schaftende aufgebogen ist, mit 
der Sichel von Anau verwandt sind. Es sind dies: 

Abb. 1, 9—10 cm lang im 
Museum von Nimes. 

Abb. 2, 13 cm lang, im Museu 
ethnol. in Lissabon aus Pragancja, 

Estremadura, nebst einem zweiten 
Exemplar dieses Typus aus Estrema¬ 
dura. Im hinteren Rande des ab¬ 
gebildeten Stücks eine runde Ver¬ 
tiefung, die nicht durchgeht und ein blosser Gussfehler sein kann. 

Es scheint mir klar zu sein, und das überflüssige Loch im Blatt 
von Abb. 2 bestätigt es, dass diese Sicheln auf der primitiven, voll¬ 
kommen ebenen Sichel 
beruhen, wie sie P1NZA 
Monumenti antichi XI, 
Taf. XVII, Fig. 3 bietet, 
und die mit Nägeln am 
Holzgriff befestigt wurde. 
Sie ist mir in Sardinien 
in zwei Exemplaren in 
Cagliari und einem in 
Sassari begegnet, die zwar 
sämtlich von unbekannter Herkunft sind, aber als sardinische Formen 
durch die von PINZA ebenda Sp. 168 veröffentlichte Gussform aus 
Sardara erwiesen werden. 

12 « 



Abb. 2. 



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180 


A. Bezzenberger: Zur Geschichte der Sichel. 


P 



Eine andere unmittelbare Entwickelung dieser primitiven Form 
bilden die sibirischen Kupfersicheln MARTIN L’äge du bronze an musee 
de Minoussinsk PI. 10 (Fig. 14 scheint hinten aufgebogen zu sein), an 



Abb. 3. 


welche die Sichel von Arnimsheim 
(Mitteil, des uckermärk. Geschichts¬ 
vereins I, 7 unter 14) sich anzureihen 
scheint. Mittelbar aber lassen sich 
aus solchen einfachen Sichelblättem 
auch die ,,faucilles ä bouton aplati“ 
und damit die Knopfsicheln überhaupt 
ableiten: die Umbiegung von Abb. 1 


und 2 wurde zunächst im Guss nachgeahmt und dann konisch zu¬ 


sammengezogen. 

Als Nachtrag zu H. SCHMIDTs Aufsatz, Zs. f. Ethnol. XXXVI, 416 
und meiner eigenen, wie es scheint, noch nicht bemerkten Behandlung 
der Bronzesicheln (Bronze-Analysen S. 28) gebe ich schliesslich 

Abb. 3, entsprechend zwei Sicheln aus Mertola, Alemtejo, im 
Museu ethnol. in Lissabon. Länge 16,5 cm. Die Unterseite ist glatt. 


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Kantower Funde. 

Mit Tafel XII—XVI. 

Von Karl Waasf, Mittelschullehrer in Neu-Ruppin. 


I. Das Flachgräberfeld bei Kantow. 

Westlich von Neu-Ruppin und fast nördlich von Wildberg liegt das 
Dorf Kantow. Im Norden dieses Ortes breitet sich ein ziemlich um¬ 
fangreiches, bis jetzt ganz unbekannt gewesenes Flachgräberfeld aus. 
Unser genauer Lageplan auf Tafel XII zeigt dasselbe in 1, 2 ist der Ort 
Kantow, 3 die neue Chaussee nach Lögow und 4 die nach Gottberg. 
5 und 6 sind Wirtschaftswege, 5 führt nach Blankenberg und 6 nach 
Paalzow. 

Der Besitzer des Gräberfeldes ist Herr Ortsvorsteher WITTKOPF 
in Kantow. Er erzählt, dass ihm das Feld schon manches Fuder Steine 
geliefert habe. Beim Ackern wäre er häufig auf Steinhaufen gestossen. 
Diese sind ausgerodet worden, auf jedem Flecke sei in der Regel eine 
Kastenkarre voll gewesen. Meist seien auch Topfscherben mit dazwischen 
gewesen. Ein paarmal wären auch ganze Töpfe mit zutage gefördert wor¬ 
den. Der Besitzer des Nachbarfeldes Herr Amtmann BERLIN (siehe, 
„Lageplan“, Tafel XII 8) teilt mit, dass auch bei ihm Steinhaufen gefun¬ 
den sind. Einmal ist ein grosser Topf mit Dedcel herausgehoben und 
vom Inspektor mitgenommen worden. Über den Verbleib ist nichts 
mehr ausfindig zu machen. 

In dem Besitz des Herrn WITTKOPF befanden sich noch 2 Grab¬ 
reste. Es sind teilweis zerstörte Urnen, mit Asche und Knochen gefüllt. 
Beigaben hatten die Gefässe nicht enthalten. Beide Urnen konnten fast 
ganz wieder zusammen gestellt werden. Das eine Gefäss ist 15 cm hoch. 
Der untere Durchmesser beträgt 7, der mittlere 17 und der obere 15 cm. 
Den Hals zieren zwei schwach gebogene Henkel. Um das untere Hals¬ 
ende verläuft ein Band aus drei parallelen Linien. An demselben 
hängen Bändergruppen, die ebenfalls aus drei Parallelen zusammenge¬ 
setzt sind. Abbildung Tafel XII, A. Das zweite Gefäss ist eine doppel¬ 
konische Urne. Sie ist wie die erste aus hellbraunem Ton, der an man¬ 
chen Stellen graue Farbe hat, gefertigt. Das Gefäss ist geglättet und 
unverziert. Unterer Durchmesser 10 cm, mittlerer 26, oherer 20, Höhe 
ungefähr 20 cm. Die Urne war ebenfalls mit Brandknochen angefüllt. 
Tafel XII, B. 

Auf Grund des vorstehenden Materials und der oben angeführten 
Berichte beschloss ich, das Feld systematisch abzugraben. Wir began- 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



182 


Karl Waase. 


[2 


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nen Anfang August 1909 und deckten im ganzen dreissig Gräber auf. Der 
Umenfriedhof befindet sich auf einer schwachen, immerhin doch deut¬ 
lich aus der Landschaft heraustretenden Erhebung. Die Flachgräber 
lagen sämtlich auf dem Hange nach Südosten. Die Urnen standen 
alle in Steinpackungen in einer durchschnittlichen Tiefe von 40—50 cm. 
Eine regelmässige Anordnung der Gräber Hess sich noch genau festlegen, 
trotzdem bereits sehr viele durch Steineroden zerstört waren. Wir wer¬ 
den die Anordnung der Gräber weiter unten genauer besprechen. Die 
meisten Gräber enthielten nur eine Urne, die in der Regel mit einer 
Schale, des öfteren auch nur mit Steinen bedeckt war. Sämtliche 
Gefässe waren durch die schweren Steinpackungen gesprengt und nur 
mit vieler Mühe Hess sich ein Teil derselben wieder zusammensetzen. 
Das gesamte Fundmaterial befindet sich zurzeit in den Händen des Ver¬ 
fassers und soll dem zukünftigen Heimatmuseum der Grafschaft Ruppin 
einverleibt werden. 

Wir geben nun zunächst eine kurze Beschreibung der Gräber mit 
ihrem Inventar. 

8. August 1909. 

Grab 1. Zwischen einer regellosen Steinpackung aus Feldsteinen 
fanden sich einige Scherben von bräunlich gebranntem Tone vor. Die 
Urnenreste hatten im Innern schwärzliche Farbe. Sie Hessen auf ein 
sehr roh bearbeitetes Gefäss schliessen, waren äusserst glimmerreich, 
innen geglättet und aussen rauh. Das Grab lag ungefähr 40 cm tief 
unter der Erdoberfläche. Es war zweifellos durch die Feldarbeit oder 
durch Steineroden früher gestört worden. Aschenreste Hessen sich 
nicht mehr feststellen. 

Grab 2. Dasselbe lag 2 kleine Schritte von dem ersten entfernt. 
In 40 cm Tiefe befand sich zwischen einer ziemlich grossen Steinpackung 
ein tonnenartiges, schwach ausgebauchtes Gefäss. Um dasselbe lager¬ 
ten kleine Feldsteine, grössere lagen ausserhalb. Einen idealen Durch¬ 
schnitt dieses Flachgrabes bilden wir auf Tafel XII in C ab. Es gelang, 
die Urne freizulegen. Wir veranschaulichen das geöffnete Grab auf 
Tafel XIII oben links. Der photographische Apparat ist schräg von oben 
in die Erdgrube gerichtet. Der dunkle Schattenriss des Grabgefässes 
tritt deutlich hervor. Die Feldsteine, welche die Packung bildeten, er¬ 
blicken wir oben auf dem Bilde. Das Gefäss war über die Hälfte mit 
Leichenbrand, der ziemlich grosse Knochenreste enthielt, gefüllt. Eine 
Beigabe war nicht zu ermitteln, ebenso fehlten die Beigefässe. Leider 
war die Urne durch den Steindruck so zersprengt worden, dass sie nicht 
ganz geborgen werden konnte, sie zerbröckelte in unzählige Stückchen. 
Der obere und untere Durchmesser betrugen ungefähr 12 cm, die Höhe 
20 cm. Innen war das Grabgefäss geglättet, aussen absichtlich rauh 
gemacht. Ornamente und Henkel fehlen. Der Halsrand ist schwach 
nach aussen zurückgebogen. Ein Deckelgefäss war nicht vorhanden. 
Der äusserst glimmer- und quarzreiche Ton hatte graue Farbe, diese 
ging an der Aussenseite ins Rötliche über. Die Rekonstruktion des 
Gefässes zeigt Tafel XII in D. 

Grab 3. In gleicher Entfernung wie 1 von 2 lag 3. Das Grab 
war früher schon geöffnet worden und nur noch wenige Steine deuteten 
auf die einstige Anwesenheit eines solchen hin. 


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PR1NCETON UNIVERS 



3] 


Kantower Funde. 


183 


Grab 4. Das Grab zeichnete sich durch eine Steinpackung von 
ungeheuer grossen Feldsteinen aus. Über den Gefässen lagerte ein 
solcher von über 150 Pfund Schwere, infolgedessen waren diese gänz¬ 
lich zerquetscht und die Scherben verstreut. Leichenbrand wurde reich¬ 
lich zutage gefördert, doch fehlten auch hierin wieder jegliche Beigaben 
von Metall. Es enthielt ein grosses und ein kleines Henkelgefäss. Das 
grosse war das Aschengefäss. Tonstruktur wie bei Grabgefäss 2. Der 
Henkel ist kurz gebogen. Abbildung eines Henkelstückes von vorn und 
von der Seite auf Tafel XII in E und F (*/* nat. Gr.). Das kleine Gefäss 
war das Beigefäss. Es ist aus fein geschlemmtem Ton gefertigt. Es 
hatte vermutlich die Form eines einhenkligen, tassenartigen Topfes. 
Die bauchige Erweiterung zierten senkrechte Furchungen. (Bruchstück 
Tafel XII, G.) Die Lage der vier Gräber zueinander vergegenwärtigt 
das Bild auf Tafel XIII in der Mitte. Jeder der vier Schüler steht an 
einer Grabstelle. 

11. August 1909. 

Grab 5. Zwischen schwerer Steinpackung fanden sich in 50 cm 
Tiefe ein total zerdrücktes doppelkonisches Gefäss mit äusserst grobem 
Leichenbrand wiederum ohne jegliche Beigaben von Metall oder Stein. 
Daneben stand, ebenfalls vollständig zersprengt ein Beigefäss, welches 
einen Bodendurchmesser von 5 und eine Höhe von 9 cm hatte. Die 
vielen Fragmente dieses Gefässes lassen die Rekonstruktion zu, die 
Tafel XII in H zeigt. Der Beigabe fehlte jede Ornamentik. Am Halse 
befinden sich zwei kleine Henkel. 

Grab 6. Die wenigen Feldsteine, die beim Blosslegen auftraten, 
deuteten schon darauf hin, dass das Grab früher gestört worden war. 
Es fanden sich Reste eines geglätteten, hellbraunen Gefässes ohne 
Ornamentik. Die Fragmente lagen über den Steinen. 

12. August 1909. 

Grab 7. Ungefähr 10 mittelgrosse Feldsteine, keine Urnen- und 
Brandspuren. Gestört. (Nach Aussage des Besitzers sind in der Gegend, 
in der wir augenblicklich graben, von ihm zahlreiche Steinhaufen aus¬ 
gegraben worden.) 

Grab 8. Wie 7. 

Grab 9. Wie 7. 

Grab 10. In 55 cm Tiefe befand sich eine sehr umfangreiche 
Steinpackung. Die Feldsteine waren von beträchtlicher Grösse, sie um¬ 
gaben 3 Gefässe, die wiederum total zerweicht und durch Steinmassen 
zerdrückt waren, immerhin Hess sich ein Bild von ihnen gewinnen. Das 
Hauptgefäss war von ganz bedeutender Ausdehnung. Es hatte einen 
grössten Durchmesser von fast 40 cm und eine Höhe von 28 cm. Es 
war dickwandig, innen geglättet, aussen sehr rauh. Es erweckt den 
Eindruck, als ob die rauhen Erhebungen auf der Aussenseite durch 
Streichen mit den Fingern erzeugt worden wären. Gefässtücke, bei denen 
das besonders hervortritt, zeigt Tafel XIII oben rechts. Henkel fehlten, 
der Ton hatte aussen gelbbraune und im Innern schwärzliche Farbe. Die 
Urne war mit sehr viel Brandresten angefüllt. Unsere Hoffnung hier endlich 
einmal eine Metallbeigabe zu finden, um einen chronologischen Anhalt 
zu haben, erfüllte sich nicht. Das rekonstruierte Gefäss zeigt Tafel XII, J. 


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Karl Waase. 


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Neben der Graburne fanden sich Reste eines geglätteten Henkel¬ 
kruges. Wir illustrieren ein Halsstück mit ansitzendem Henkelreste auf 
Tafel XII in K. Ausserdem fanden sich Fragmente eines zweiten Bei¬ 
gefässes, dasselbe muss ungefähr die Gestalt des Beigefässes von Grab 
5 (Tafel XII, H) gehabt haben. Es unterscheidet sich von ihm durch die 
Ornamentik. Am Halsrand und ebenso an der sehr starken Ausbauchung 
der Beigabe verlaufen Systeme von vier parallelen Furchungen. Bruch¬ 
stück Tafel XII L. Das Aschengefäss war mit einer henkellosen Schüssel 
bedeckt. Sie war aussen und innen geglättet und hatte hellgelbe Farbe. 
Ihr Rand ist etwas eingezogen. Rekonstruktion Tafel XII M. 

Grab 11 bis 16. Sämtlich in 40 bis 50 cm Tiefe. 

14. August 1909. 

Grab 11. Das in kleiner Steinpackung liegende Grab enthielt 
eine mit einem Deckel versehene Urne. Sie zeigt äusserst rohe Bear¬ 
beitung. Die Aussenseite ist sehr stark gerauht, der Ton glimmer- und 
quarzreich, die Farbe desselben teilweise rot. Bodendurchmesser 11 cm, 
oberer Durchmesser fast ebensogross, Höhe ungefähr 20 cm. Das frei¬ 
gelegte Gefäss nach Entfernung des Deckels zeigt Tafel XIII unten links. 
Die Urne war über die Hälfte mit grobem Leichenbrand angefüllt, ihm 
fehlten metallische Beigaben, doch fanden sich Reste eines kleinen 
Beigefässes vor. Dieses war am Halse mit Horizontalfurchen verziert. 
Bruchstück siehe Tafel XII N. Struktur, Form und Grösse dieser Grab¬ 
urne erinnern an Grabgefäss 2. Äusserst gute Bearbeitung zeigt das 
Deckelgefäss. Es ist eine flache, mit einem Henkel versehene Schale, 
welche aus sehr fein geschlemmtem Ton angefertigt ist. Sie hat hell¬ 
braune Farbe, die an manchen Stellen ins Rötliche und Ockergelbe 
übergeht. Die Schale ist mit parallelen Liniensystemen verziert, diese 
verlaufen strahlenartig fast vom Halsrande bis zum Boden. Am Hals¬ 
rande befindet sich eine horizontal verlaufende Liniengruppe. Der Henkel 
selbst zeigt kurze Linieneindrücke. Die Ornamente sind mit einem 
vierzinkigen Instrument in den Ton eingeritzt worden. Das Gefäss 
konnte fast vollständig wieder hergestellt werden. Der Bodendurch¬ 
messer beträgt 9, der obere Durchmesser 28, die Höhe 12 cm. Die 
Abbildung der Schale finden wir auf Tafel Xll in O. P gibt ein Bruch¬ 
stück aus der Nähe des Bodens, Q ein Randstück und R den unteren 
Teil des Henkels im Bilde wieder. 

Grab 12. In einer ziemlich umfangreichen Steinpackung stand 
ein zerquetschtes Tonnengefäss von der Gestalt, wie es Tafel XIV in A 
vergegenwärtigt. Der Bodendurchmesser betrug 12 cm. Das einge¬ 
schnittene Ornament besteht aus unregelmässigen Vierecken, welche 
durchkreuzt werden. Einen Scherben in */ 2 nat. Grösse veranschaulicht 
XIV B. Die Urne hatte dunkelbraune Färbung. Eine Eigentümlichkeit 
zeigten die Bruchstücke. Sie spalteten sich der Länge nach, so, dass 
sich der Ton im Innern der Scherben auseinander gab. Das vorstehende 
Grabgefäss gleicht in allen Stücken der sich im Königlichen Museum zu 
Berlin befindlichen Tonurne von Zechlin - Ostprignitz. (Vergleiche: die 
vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler des. Kreises Ostprignitz. Von 
Direktorial - Assistent Dr. GÖTZE. 1907. Seite 67, Abb. 37.) Auf den 
Aschenresten, die ziemlich grosse Stücke angekohlter Knochen enthielten, 
stand ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Beigefäss von hellbrauner, 


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5] 


Kantower Funde. 


185 


mehr ockergelber Farbe. Es ist fast ganz erhalten, hat 2 1 /* cm unteren, 
4 3 ,U cm oberen Durchmesser und 4 1 /* cm Höhe. Die Henkel sind durch 
zwei Löcher in das Gefäss gesteckt und innen ist der Tonstreifen nieten¬ 
artig angedrückt worden. Die aussen geglättete Tränenschale ist mit 
Gruppen von drei parallelen Linien verziert, die senkrecht vom Hals 
nach dem Boden verlaufen (Abb. XIV C). Metallbeigaben waren trotz 
des eifrigsten Durchsuchens des Grabes auch hier nicht zu finden. 

15. August 1909. 

Grab 13. Zwischen der Steinpackung lag stark zerdrückt ein 
doppelkonisches Gefäss, welches henkellos, unverziert und mit einer 
Tonschüssel als Deckel versehen war. Urne und Deckel sind mittelbraun 
gefärbt, von feinerem Ton wie 11 und 12 angefertigt und aussen und 
innen geglättet. Der Leichenbrand ist nicht so grob wie bei 11. Re¬ 
konstruktion siehe Tafel XIV D. Beigaben fehlten. 

17. August 1909. 

Grab 14. Das vorliegende Grab ist gestört worden, doch zeigten 
sich eine Reihe von Scherben mit einem aus vier nebeneinander laufenden 
parallelen Furchen zusammengesetzten Ornament. Dieses erinnert an 
Grab 10, Tafel XII L. Ein Bruchstück bildet Tafel XIV in E ab. 

Grab 15. Das Grabgefäss hat tonnenförmige Gestalt gehabt. 
Oberer Rand etwas eingezogen. Aussenseite rotbraun gefärbt und mit 
grobem Sande gerauht. Innenseite geglättet und von schwarzbrauner 
Farbe. ^ Urne stark zerstört. Zwischen den Brandresten befand sich 
ein dreieckiger Feuersteinsplitter, der sehr gut bearbeitet ist. Wir er¬ 
blicken ihn auf Tafel XIV in F von der Vorder-, in G von der Rückseite 
und in H im Durchschnitt, alles in natürlicher Grösse. Die Rundung 
ist glatt abgeschliffen und scharfkantig. 

Grab 16. Das durch die Steinpackung zertrümmerte Aschengefäss 
war schwach ausgebaucht, der Halsrand etwas nach aussen gebogen. Die 
Urne zeichnet sich vor allen andern durch ihre Dickwandigkeit aus. 
Die Aussenseite ist sehr rauh, nur am Halsrande etwas glätter. Rekon¬ 
struktion siehe Tafel XIV J. Wir haben das erste Grab vor uns, das 
eine Beigabe von Metall enthielt. Zwischen den Brandresten lag eine 
Bronzepinzette mit tiefdunkelgrün glänzender Patina. XIV, K veranschau¬ 
licht den senkrechten Durchschnitt und XIV L die Vorderansicht dieser 
Beigabe in natürlicher Grösse. Am unsteren breiten Ende der Pinzette 
befinden sich auf jeder Seite zwei Löcher, in der Mitte ist eine durch 
einen spitzen Gegenstand hervorgerufene Erhöhung angebracht. 

19. August 1909. 

Grab 17. In 47 cm Tiefe lag eine ziemlich umfangreiche, aus 
fast gleichgrossen Feldsteinen bestehende Steinpackung. Zwischen der¬ 
selben befand sich ein doppelkonisches, mit 2 Henkeln und einem hohen 
Hals versehenes Gefäss. Die Rekonstruktion dieses Grabes zeigt Tafel 
XIV in M. Die Ausdehnung der Urne war eine ziemlich umfangreiche. 
Höhe ungefähr 36 cm, unterer Durchmesser 12, mittlerer und grösster 
36, Durchmesser von Henkel zu Henkel 16, oberer fast 12 cm. Die 
Aussenfläche des Gefässes war vom Boden bis zum grössten Durchmesser 
gerauht, über demselben geglättet. Die IJrne war so zerbrechlich dass 
der obere Teil bis zu den Henkeln in kleinen Stücken, der Teil zwischen 
Halsende und grösstem Durchmesser in etwas grösseren Stücken ab- 


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Karl Waase. 


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bröckelte; der untere Teil zeigte mehr Festigkeit. Wir erblicken ihn auf 
Tafel XIII unten rechts alleinstehend, darüber in seiner weiteren Umgebung. 
Die Urne war mit einem schüsselartigen Deckelgefäss, welches unver- 
ziert war und 12 cm Bodendurchmesser hatte, verschlossen. In dem 
Grabgefäss befand sich sehr grober Leichenbrand, dem jede Spur von 
Beigaben fehlte. Die bei Grab 12 erwähnten „Vor- und frühgeschicht¬ 
lichen Denkmäler des Kreises Ostprignitz" bringen auf Seite 51 die 
Abbildung eines ganz ähnlichen, mit einem Deckel versehenen Grab- 
gefässes von Kehrberg, südlich von Pritzwalk. Diese Fundstätte liegt 
etwa 25 km westnordwestlich vom Kantower Flachgräberfelde. 

24. August 1909. 

Grab 18. Gestört, der grösste Teil der Steinpackung ist her¬ 
ausgenommen worden, zwischen wenigen Feldsteinen lagen Reste eines 
aussen rauhen Gefässes, das vermutlich Tonnenform hatte. 

Grab 19 ist ebenfalls gestört worden. Zwischen einzelnen Stei¬ 
nen fanden sich Scherben mit Strichverzierungen. Die Strichornamente 
kreuzen sich und bilden Rhomben. Ein Gefässbruchstück gibt Tafel XIV 
in N wieder 

26. August 1909. 

Grab 20. Die Steinpackung ist entfernt worden. Einzelne Reste 
eines kleinen Beigefässes wurden zutage gefördert. Der Ton hat innen 
graue, aussen rötliche Färbung. 

Grab 21. Zwischen einer umfangreichen Steinpackung fanden sich 
die stark zertrümmerten Reste eines aussen und innen geglätteten dop¬ 
pelkonischen Gefässes. Form und Beschaffenheit der Urne erinnern an 
Graburne 13. 

Grab 22 enthielt eine in einer Steinpackung stehende und mit 
einem Deckel verschlossene Aschenurne. Die Aufnahme auf Tafel XV 
oben links zeigt die Urne nach Entfernung des Deckels und der Stein¬ 
packung. Sie ist fast bis zum Halsrand mit grobem Leichenbrand 
gefüllt, in diesem befanden sich keine Beigaben. Auf Tafel XV oben 
rechts erblicken wir die Urne nach Entfernung der Knochenasche. Das 
Gefäss hat doppelkonische Form. Der untere Durchmesser beträgt 9, 
der mittlere und grösste 25, der obere 19 und die Höhe 18 cm. Die 
Urne hat graubraune Farbe, sie ist aussen und innen geglättet (Taf. XIV 0). 
Der Deckel hatte Schüsselform. Er war mit einem Henkel versehen. 
Der Ton besass aussen rauhe Beschaffenheit (Abb. siehe Tafel XIV in P). 
Im Innern ist das Deckgefäss geglättet und mit Furchenverzierungen ver¬ 
sehen. Am Schüsselrande verlaufen drei Furchenkreise, auf dem Boden 
vier, sie sind jedenfalls durch Fingereindrücke erzeugt worden. Tafel XIV 
illustriert in Q ein Randstück und in R das Bodenstück. 

Grab 23. Gestört. Zwischen wenigen Steinen traten einzelne 
Scherben auf. Diese sind stark geglättet und innen von gelbbrauner, 
aussen von glänzend schwarzer Farbe. 

7. September 1909. 

Grab 24. Gestört. Zwischen regelloser Steinpackung Reste eines 
unverzierten Gefässes, darunter ein hellbraunes, geglättetes Henkelstück. 

9. September 1909. 

Grab 25. Gestört. Reste eines didcwandigen braunen Gefässes 
aus grobem Ton, sowie Teile eines verzierten Beigefässes fanden sich 


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7 ] 

vor. Die Scherben des letzteren haben gelbrote Farbe. Ornament 
und Struktur erinnern an Tafel XII L, Grab 10. 

10. September 1909. 

Grab 26. Zwischen der gestörten, nur noch aus wenig Steinen 
bestehenden Packung lagen Fragmente einer äusserst dickwandigen, 
aussen rauhen, innen geglätteten, rotgebrannten Urne. Dicke der Scher¬ 
ben 1 V 2 cm. 

11. September 1909. 

Grab 27. In der Steinpackung stand eine unbedeckelte Urne aus 
äusserst porösem, bröckligen Ton. Sie hatte doppelkonische Form. 
Sie weicht von den bisher erwähnten doppelkonischen Gefässen dadurch 
ab, dass Hals und Fuss etwas abgesetzt sind. Den Halsrand zieren 
vier Horizontalfurchen. Bodendurchmesser 10 , oberer Durchmesser 12 , 
Höhe 16 cm. Die geglättete Aussenseite hat gelbbraune, die ebenso 
beschaffene Innenseite graue Farbe. Abbildung Tafel XIV S. Im Innern 
der Urne stand auf den Brandresten eine einhenklige, tassenartige 
Tränenschale. Sie ist schwach geglättet, hat graubraune Farbe und 
keine Verzierungen. Bodendurchmesser 5,3, oberer Durchmesser 10 , 
Höhe am Henkel 5 1 /*, an der dem Henkel gegenüber liegenden Seite 
4 1 /* cm. Tafel XIV T. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bronzener 
Knopf, flach gewölbt, mit Öse an der unteren Fläche, ähnlich wie bei 
unseren Militärknöpfen. Derartige Knöpfe sind auch in Hallstatt gefunden 
worden. Unser Gewandknopf gleicht ferner den drei Knöpfen aus dem 
Grabfund bei Willenberg, Kreis Stuhm. Vergleiche hierüber: Alter¬ 
tümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreussen und den angren¬ 
zenden Gebieten von Dr. A. LISSAUER. I. Seite 19, Tafel X, 10 bis 

12 . — Den in Kantow gefundenen Knopf bilden wir auf Tafel XIV in U 
von der Oberseite, in V von der Unterseite und in W von der Seite 
ab. (Natürliche Grösse.) Den Unterteil der Graburne zeigt nach 
Entfernung der Packung und des Leichenbrandes die Photographie auf 
Tafel XV in der Mitte links. 

17. September 1909. 

Grab 28. Zwischen der Steinpackung stand in 45 cm Tiefe ein 
verdeckeltes Tonnengefäss, das fast ganz mit grobem Leichenbrand 
gefüllt war. Unter diesem befand sich der Teil einer Muschelschale 
(Malermuschel?). Der Ton von Urne und Deckel hatte schokoladenbraune 
Farbe. Beide Gefässe sind aus grobem Ton gefertigt, die Aussen- und 
Innenseiten sind schwach geglättet. Grössenverhältnisse: Urne: 16 cm 
unterer, 15 cm oberer Durchmesser, 17 cm Höhe. Deckschüssel: Un¬ 
terer Durchmesser 12 , oberer 20 , Höhe 6^2 cm. Abbildung Tafel XIV X. 

Grab 29. In der zusammengestürzten Steinpackung lag ein voll¬ 
ständig zerdrücktes, dickwandiges Tonnengefäss. Der Ton war beider¬ 
seitig geglättet und hatte innen braune, aussen rote Farbe. Ausserdem 
waren Fragmente eines mit Horizontalfurchen verzierten Beigefässes zu 
finden. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bearbeitetes Stück Feuer¬ 
stein; es ist am Rande äusserst scharf und sehr spitz. Tafel XIV Y 
Vorderseite, Z Rückseite in natürlicher Grösse. Ausserdem lagen zwischen 
dem Leichenbrand vier verschiedene Gefässhenkel, die in keinerlei Be¬ 
ziehung zu den Grabgefässen stehen, so dass man annehmen muss, dass 
sie als Beigabe mit in das Grab gegeben worden sind. 


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Karl Waase. 


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20. September 1909. 

Grab 30. In einer grossen Steinpackung stand ein dickwandiges 
Tonnengefäss von Form, Struktur und ungefährer Grösse der Graburne 2. 
Interessant sind die Fragmente eines zierlichen, äusserst dünnwandigen 
Beigefässes. Die Scherben desselben sind auf beiden Seiten gut ge¬ 
glättet und von glänzend rotbrauner Farbe. Im Innern der Scherben hat 
der Ton schwarze Farbe. Rekonstruktion des Beigefässes Tafel XVI A. 

26. September 1909. 

Die Umgebung des Flachgräberfeldes wurde an diesem Tage genau 
abgesudit, es fanden sich hier und da einzelne Scherben, die an der 
Oberfläche lagen und jedenfalls durch Tiefpflügen dahingekommen sind. 
Eine Untersuchung des Ackers mit der Sonde ergab, dass überall noch 
Steinpackungen in der Erde lagern, das Flachgräberfeld ist ungefähr 
viermal so gross als das abgegrabene Gebiet. 

9. Oktober 1909. 

Nachdem die Arbeiten des schlechten Wetters wegen eingestellt 
werden mussten, galt es noch, die genaue Lage der Grabung festzulegen. 
Sie vergegenwärtigt Skizze II auf Tafel XVI. Vom Wegweiser Blanken¬ 
berg-Paalzow geht man den Paalzower Weg 118. Schritte aufwärts 
und kommt so ungefähr in die Mitte zwischen Baum 10 und 11. Von 
diesem Punkte wenden wir uns 10 Schritte in den Acker hinein und 
stossen hier auf das abgegrabene Gebiet, welches 25 Schritte lang und 
15 breit ist. 


Rückblick. 

A. Die Anlage des Flachgräberfriedhofs. 

Wenn wir einen Blick auf Tafel XVI, Skizze III werfen, so tritt uns 
die regelmässige Lage der einzelnen Gräber zueinander deutlich vor 
Augen. Die Gräber sind reihenweise angeordnet, sie liegen dicht bei¬ 
einander, 1 l /», höchstens 2 m voneinander entfernt. Wir können auf 
unserem abgegrabenen Gebiet deutlich 8 Grabreihen, die von Westen 
nach Osten verlaufen, erkennen. 

Reihe 1: Grab 29 und 30. 

Reihe 2: Grab 25. 

Reihe 3: Grab 22 und 23. 

Reihe 4: Grab 8, 1, 2, 3, 10, 16 und 21. 

Reihe 5: Grab 9, 4, 12, 11, 5, 17, 18 und 20. 

Reihe 6: Grab 13, 27 und 24. 

Reihe 7: Grab 19, 6, 15, 14, 26 und 28. 

Reihe 8: Grab 7. 

Fast vollständig sind Reihe 4 und 5 erhalten, es fehlt in jeder 
nur ein Grab. In den übrigen Reihen sind in früherer Zeit sehr viele 
Gräber beim Steinroden entfernt worden, infolgedessen die zahlreichen 
Lücken. Wenn die 25 Schritte lange und 15 Schritte breite abgegrabene 
Fläche vollständig ungestört geblieben wäre, so hätte sie ungefähr 70 
Gräber enthalten müssen. Die angrenzenden, noch undurchforschten 
Gebiete des Flachgräberfeldes sind nach Aussage des Besitzers noch 


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9] 


Kantower Funde. 


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mehr zerstört worden, da man auf ihnen häufig Rüben- und Kartoffelmieten 
angelegt hat und bei dieser Arbeit die Steinpackungen entfernt worden 
sind. — Alle Urnen lagerten in fast gleicher Tiefe, die am flachsten 
liegenden 40, die am tiefsten stehenden 55 cm. Steinpackungen hatten 
alle Gräber, desgleichen Aschenurnen, ohne Urne frei im Boden ver¬ 
grabene Brandknochen waren nicht zu finden. 

B. Keramik. 

Die keramischen Erzeugnisse unserer Fundstätte zeigen grosse 
Einheitlichkeit. Bei den Aschenurnen können wir deutlich zwei Typen 
unterscheiden, nämlich das tonnenförmige, eigentlich mehr kesselartige 
oder terrinenförmige und das doppelkonische Gefäss. Der erste Typus 
tritt in den Gräbern 2, 4, 11, 12, 15, 16, 18, 28, 29 und 30 auf. 
Die meisten dieser Grabgefässe sind aussen absichtlich gerauht, einzelne 
schwach geglättet; sie haben fast alle einen steilen Hals auf mehr oder 
weniger abgerundet abschliessenden Bauche. Nur ein einziges trägt 
Verzierungen (Grab 12, Tafel XIV A). Die doppelkonische Form haben 
die Aschenurnen der Gräber 5, 10, 13, 17, 21, 22 und 27, ausserdem 
eines der vor Beginn der Grabungen in früherer Zeit gefundenen Gefässe. 
Sämtliche Graburnen der vorliegenden Art sind geglättet und aus feinerem 
Material angefertigt als der erste Typus. Von der rein doppelkonischen 
Form weichen die Gefässe 17 und 27 ab. Das erstere hat einen Hals, 
an dessen unterem Rande zwei Henkel stehen, das letztere trägt am 
etwas abgesetzten Halse ein horizontales Band mit vier parallelen Linien. 
Den übrigen Graburnen fehlt die Ornamentik. 

Das von Herrn WITTKOPF früher aufgedeckte Grabgefäss Tafel XII A 
weicht von den beiden Grabgefässformen bedeutend ab. Wir haben es hier 
mit einem schön ornamentierten, zweihenkligen Schüsselgefäss zu tun. 

Die Deckelgefässe der Urnen sind in der Mehrzahl henkellose 
und unverzierte Schüsseln, 10, 13, 17 und 28. Einzelne sind mit einem 
Henkel versehen (11 und 22) und schön verziert (11). 

Die Beigefässe sind sämtlich aus feinem Material hergestellt und 
sorgfältiger bearbeitet worden, wie die Aschengefässe. Sie sind teilweise 
äusserst dünnwandig, in der Regel aussen und innen gut geglättet und 
meist mit Horizontalfurchen verziert. Wir begegnen der einhenkligen, 
tassenartigen Tränenschale (4, 27), dem kleinen zweihenkligen ausge¬ 
bauchten Gefässe (5, 10, 12, 30) und dem einhenkligen krugartigen 
Topf (10). 

Die Henkel sind meist kurz gebogen und so klein, dass man nicht 
mit einem Finger hindurch greifen kann. Die Beigefässe sind durch¬ 
weg gehenkelt, seltener tritt der Henkel bei den Grab- und Deckel- 
gefässen auf. Gehenkeltes Grabgefäss; Tafel XII A, Henkeldeckschüsseln: 
11 und 22, Beigefässe mit Henkeln: 4, 5, 10, 12, 27 und 30. 

Als Ornament treten eingeritzte Linien auf, dieselben können regel¬ 
mässig (Grab 19) oder unregelmässig (Grab 12) das ganze Gefäss 
bedecken. Liniensysteme, die aus drei oder vier nebeneinander laufen¬ 
den Parallelen bestehen, sind in gewissen Gruppierungen (Strichgruppen¬ 
verzierungen) am Gefäss angebracht (Tafel XII A, Grab: 27, 11, 12, 10 
und 4). Endlich finden sich auch ganz flache, ohne erkennbare Kanten, 
also mit ganz allmählichem Übergang, wahrscheinlich mit einem Finger 


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Karl Waase. 


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in die Wandung eingedrückte, horizontal herumlaufende Furchen oder 
Kanneluren (Deckschüssel von Grab 22). 

Das Material der Tonnengefässe besteht meist aus blättriger, 
magerer und bröckliger Tonmasse, mit viel Glimmer und Quarzstücken. 
Die übrigen keramischen Erzeugnisse sind aus feinerem, dichterem, 
jedenfalls geschlemmtem Tone hergestellt. 

C. Beigaben. 

Was die Beigaben im Kantower Flachgräberfelde betrifft, so lässt 
sich eine auffallende Armut an solchen, anderen Gräberfeldern gegen¬ 
über, konstatieren. Man kann allerdings nie wissen, wieviel von ver¬ 
gänglichen Stoffen, wie Zeug, Holz, Leder etc., von denen wir jetzt gar 
keine Ahnung haben, den Toten mit in das Grab gegeben wurden; 
dass das der Fall war, ist sehr wahrscheinlich. Der Mangel an un¬ 
vergänglichen Beigaben macht sich an unserer Fundstätte ausserordent¬ 
lich fühlbar. Von Metallsachen wurden nur die Bronze - Pinzette aus 
Grab 16 und der bronzene Gewandknopf aus Grab 27 zutage gefördert. 
Von Steinbeigaben fanden wir die beiden gut bearbeiteten Silexspitzen 
in den Gräbern 15 und 29. Hiermit sind die Metall- und Steinbeigaben 
des Gräberfeldes erschöpft. 

Von tierischen Resten wäre das Stück Muschelschale aus Grab 28 
zu erwähnen. 

D. Zeitstellung des Kantower Gräberfeldes. 

Die sämtlichen Gräber unserer Fundstätte entstammen fraglos ein 
und derselben Periode, dafür spricht die regelmässige Anlage des Fried¬ 
hofs. Sämtliche Gräber lagerten fast in gleicher Tiefe und gleicher 
Entfernung. Wenn wir die Ausbeute unseres Begräbnisplatzes mit den 
Funden anderer Gräberfelder vergleichen, so finden wir manche Ähn¬ 
lichkeiten. Doppelkonische Aschenumen von fast demselben Typus wie 
hier zeigen die Gräberfelder von Päpersberg bei Geesthacht, von Horst 
in den Vierlanden, von Stocksee (Hamburger Museum). Das letzte 
Grabfeld hat auch einhenklige, tassenartige Beigefässe, wie wir einem 
solchen in Grab 27 begegneten. In Herzenberg bei Waldhusen fand 
man ähnliche doppelkonische Gefässe mit ungehenkeltem schüsselartigen 
Deckgefäss. (Siehe: Museum zu Lübeck, Vorgeschichtliche Zeit, Abtei¬ 
lungsbuchstabe V, Joch 6.) Die Tinsdahler Grabfunde weisen eine ganze 
Reihe von ähnlichen keramischen Erzeugnissen auf wie unser Gebiet 
(Museum vaterländischer Altertümer in Kiel, Saal 6, Schrank 11 und 
12). Die Funde vom Urnenfriedhof Horsdorf, sowie aus Eutin, Plöner- 
strasse zeigen ebenfalls nahe Verwandtschaft mit den unsrigen. (Museum 
zu Eutin.) Die sämtlichen vergleichsweise angeführten Funde sind der 
vorrömischen, meist der Bronzezeit zugeschrieben, ebenso die bei den 
einzelnen Gräbern schon herangezogenen Fundstücke. 

Wenn wir noch einmal einen Blick auf Abschnitt „B. Keramik 
des Kantower Flachgräberfeldes“ werfen, so finden wir, dass die Ge¬ 
fässe an die Formen des bekannten Urnengräberfeldes von Oderberg- 
Bralitz im Uckermärkischen Museum zu Prenzlau erinnern. Die dort 
freigelegten Gräber zeigen als Gefässtypen „terrinenförmige Urnen, 
doppelkonische Gefässe, kleinere Gefässe mit Strichgruppenverzierung 


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Kantower Funde. 


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und zwei Ösen, einhenklige Krüge und Tassen, Näpfe und Schüsseln 
mit Schnurösen, die oft als Deckel für die Urnen benutzt werden“. 
Dieselben Typen treten uns in Kantow entgegen. 

Die Funde von Oderberg-Bralitz gehören der jüngeren Bronzezeit 
(4. und 5. Periode) an. Sie sind vermutlich *von einem sprachlich fast 
ganz verschollenen Stamme der Thraker hinterlassen worden. Univ.- 
Professor Dr. KOSS1NNA legt den nordwestlich von den Karpaten 
sitzenden Stämmen den Namen „Karpodaken“ bei. Diese wohnten auch 
in dem südlichen Teile der Provinz Brandenburg, die südöstliche Ucker¬ 
mark wurde noch von ihnen berührt. Etwa nördlich von Aller und 
Ohre, Magdeburg, Spandau, Eberswalde, Angermünde und Schwedt 
sassen die Germanen. Wir haben auch hier in Kantow zweifellos eine 
germanische Begräbnisstätte vor uns. Unverkennbar ist aber der Ein¬ 
fluss des südöstlichen, karpodakischen Nachbargebietes auf die Kultur 
der germanischen Bevölkerung von Kantow. Wie weit Periode IV (1200 
bis 1000 v. Chr.) oder Periode V (1000 — 800) in Betracht kommt 
(oder ob beide), ist bei den geringfügigen Beigaben schwer zu sagen. 

Offenbar aber ist das Kantower Flachgräberfeld der jüngeren 
Bronzezeit zuzuweisen und seine Entstehung (nach dem heutigen Stande 
der Wissenschaft) in die Jahre 1200—800 vor Chr. zu verlegen. 

II. Weitere Grabfunde von Kantow. 

Nach dem Bericht der Ortseinwohner sind in früherer Zeit an 
zwei anderen Stellen der Flur Gräber aufgedeckt worden. Ein Nach¬ 
suchen am 10. Oktober 09 an den beiden erwähnten Stellen hatte keinen 
Erfolg, doch verdienen die glaubwürdigen Mitteilungen über beide Grab¬ 
funde wiedergegeben zu werden. 

1 km südöstlich vom Flachgräberfelde befindet sich eine flache Erhe¬ 
bung. Sie ist auf Tafel XVI in Skizze I mit 2 bezeichnet. Dort ist man 
vor mehreren Jahren (genau nicht mehr festzustellen) im Felde auf 
eine Menge Steine gestossen. Diese hat der Besitzer (Amtmann BERLIN) 
abfahren lassen. Es waren im ganzen sieben Fuder. Unter den Stein¬ 
massen soll ein ziemlich grosses menschliches Skelett gelegen haben. Ob 
Beigaben gefunden worden sind, ist heute leider nicht mehr zu ermitteln. 

Recht glaubwürdig klingt der zweite Bericht. Eines der ältesten 
Gemeindemitglieder erzählt, dass er im Jahre 1879 beim Steineroden 
nach Kerzlin zu, nahe bei der Schreimühle (siehe Tafel XVI, Skizze I 3) 
auf drei richtige lange Steinkisten, die aus Steinplatten zusammenge¬ 
stellt und mit Lehm verklebt gewesen wären, gestossen sei. In diesen 
Kisten hätten Knochen gelegen, in einer auch „Grünspanzeug“. Er 
kann sich noch genau auf zwei Gegenstände besinnen, das eine Stück 
hat wie ein „Szepter“ ausgesehen und hat am Griff oben zwei Spiralen 
gehabt. Das andere Stück sei schüsselartig, aber durchbrochen ge¬ 
wesen, der Boden ist aber nicht flach, sondern zugespitzt gewesen. 
Die Sachen haben schönen grünen Glanz gehabt, sie sind den Kindern 
zum Spielen gegeben worden, wo sie dann hingekommen sind, . weiss 
er nicht. 

Wir haben es hier zweifellos mit Steinkistengräbern aus der Bronze¬ 
zeit zu tun. Das „Szepter“ war sicher ein Bronzeschwert mit zwei 
Spiralen am Griff (Jüngere Bronzezeit. Altere Hallstattperiode). 


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192 


Karl Waase. 


[12 


III. Kantower Einzelfunde. 

Von Einzelfunden war trotz fleissigen Suchens nichts zu entdecken. 
In den Händen der Einwohner fanden sich wenige Stücke, die im fol¬ 
genden beschrieben werden sollen. Ungefähr 900 Schritte östlich vom 
Gräberfeld beginnt das Luch. Hier fand man beim Torfstechen auf 
dem Gebiete des Ortvorstehers WITTKOPF eine sehr gut erhaltene 
bronzene Gewandnadel. Diese ist nicht mit grüner Patina überzogen, 
sondern hat goldgelbe Farbe (Moorpatina). Sie besteht aus zwei Teilen, 
nämlich aus einer 13 cm langen Nadel und einem gebogenen Bronze¬ 
blechstreifen, der gestreckt 12 cm lang ist. Derselbe ist an beiden Enden 
drahtartig zusammengeschlagen. Die spitzen Enden sind zu Haken um¬ 
gewandelt. Der eine greift in das Loch der Nadel, der andere umklammert 
die letztere, dadurch erhält die Gewandspange Armbrustform. Tafel XV 
zeigt in der Mitte die Nadel, darunter die Spange und unten rechts beide 
Teile zusammen. Wir bilden ausserdem die gebogene Spange mit ihrer 
genauen Ornamentik in natürlicher Grösse ausgestreckt auf Tafel XVI in B 
ab (Fundstelle der Nadel: Tafel XVI, Skizze I, 4). Unter dem am Rande 
des Bronzebleches entlang laufenden, aus senkrechten, parallelen, kurzen 
Strichen bestehenden Ornament zieht sich eine Verzierung aus neben¬ 
einander gereihten Halbmonden hin, an der einen Seite sind es 23, an 
der andern 25 derartiger Eindrücke 1 ). 

Als zweiter Einzelfund ist ein tönerner Spinnwirtel aus der Flur 
Kantow zu erwähnen. Genaue Fundstelle nicht mehr bekannt. Grösster 
Durchmesser 3 cm, Höhe 1,6 cm. Er ist abwechselnd mit tief ein¬ 
geschnitzten und mit ganz dünnen Horizontalkreisen verziert. Abb. 
Tafel XVI in C. 

Ein weiterer interessanter Einzelfund ist beim Grabenauswerfen 
von Wiesenwärter Granzow-Wildberg in der Flur Kantow zutage be¬ 
fördert worden. Es ist ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Bronze- 
gefäss ohne Patina. Höhe 5 cm, grösster Durchmesser 4,5, oberer 
Durchmesser 2,3 cm. Abbildung: Tafel XV unten rechts. Das Fund¬ 
stück befindet sich jetzt in der Privatsammlung des Herrn Rektor 
BARTELT-Neu-Ruppin 2 ). 

*) Diese Fibel ist zweifellos der interessanteste Fund von Kantow, denn sie 
gehört zu jenen seltenen Urtypen dieses Schmuckgerätes, die noch der 2. Periode 
der Bronzezeit angehören. Charakterisiert wird sie vor den gleichzeitigen ähnlichen 
Typen durch das altertümliche Fehlen der Spiralscheiben an den Bügelenden, den 
breitbandförmigen, gepunzten Bügel und den noch sehr wenig entwickelten Nadel¬ 
kopf. Entsprechende Stücke sind mir nur bekannt aus Mecklenburg-Strelitz (Prags¬ 
dorf; Mölln bei Neubrandenburg), Mecklenburg-Schwerin (Vietlübbe), Prov. Sachsen 
(Neuhaldensleben), Prov. Hannover (Dornrade b. Bremervörde), Schleswig-Holstein 
(Vaale 2; Krooksberg auf Sylt), Jütland (Thisted Amt 2; Aarhus Amt 2), Schweden 
(Vestergötland). G. K. 

2 ) Derartige mittelalterliche „Bronzegefässchen“ trifft man in fast allen vor¬ 
geschichtlichen Sammlungen an. Ich kenne solche aus den Museen zu Berlin 
(Mus. f. Völkerk., 4 Exemplare: Berlin, Luckau u. a.; vgl. Bastian & Voss, Bronze¬ 
schwerter Taf. IV 12; — Märk. Mus.: Hohennauen), Friesack i. d. Mark, Gr. Kühnau, 
Leipzig, Halle (Rogätz: vgl. Schultheiss, Wolmirstedt, Taf. VIII, 24), Quedlinburg, 
Neuhaldensleben, Jena (Weimar), Münster i. W., Bonn (Köln); ebenso aus Privat¬ 
sammlungen (Rimpau in Anderbeck; Cämmerer in Arnstadt; Schloss Pforten bei 
Sorau: Niederlaus. Mitt. III, 49, Taf. 2,7; Richly, Depotfunde in Böhmen, Taf. IV). 
Etwas anderer Art scheint das Deckeldöschen zu sein, das angeblich aus Grab 26 
des Hallstattgräberfeldes bei Gorzewice, Kr. Samter in Posen, stammt (Schwartz, 
Materialien, 2. Nachtrag, Taf. II, 3) und jetzt verschollen ist. G. K. 


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13] 


Kantower Funde. 


193 


IV, Herdgrubenfunde in der Kantower Flur. 

Am 8. September 1909 fanden wir in der hart am Dorfe liegen¬ 
den Sandgrube (Tafel XVI, Skizze 1, 5) des Herrn Ortsvorstehers WITT¬ 
KOPF mehrere freigelegte Herdgruben. In einer derselben lagen Scherben, 
die von verschiedenen Gefässen herrührten, ohne Verzierung waren und 
aus sehr grobkörnigem Material bestanden. Ausserdem befand sich 
darin ein gut bearbeitetes halbmondförmiges Messer (Rückensäge, aus 
Feuerstein von nur 6 cm Länge. Die etwas verkleinerte Abbildung 
zeigt Tafel XV unten links. 

Vergleiche hiermit die Funde des neolithischen Grabfeldes von 
Ostorf bei Schwerin. (Siehe: Archiv für Anthropologie, Band VII der 
neuen Folge, Heft 4, Seite 271, Tafel XI, Abb. 5.) 

In einer Sandgrube in der Nähe der Schrei-Mühle (Tafel XVI, 
Skizze I, 6) wurden am 10. Oktober 09 ebenfalls Herdgruben aufge¬ 
deckt. In diesen fanden wir ausser einigen grobkörnigen Scherben ohne 
Ornamentik nichts Bemerkenswertes. 

V. Schlusswort. 

Der Verfasser kann diese Arbeit nicht abschliessen, ohne dankbar 
derer zu gedenken, die ihm bei den Ausgrabungen mit Rat und Tat 
zur Seite standen. Es gebührt zunächst Dank den Herren Besitzern, 
die mir in freundlichster Weise das Betreten und Graben auf ihren Grund¬ 
stücken gestatteten, besonders dem Herrn Ortsvorsteher WITTKOPF. 
Ganz hervorragend hat sich Herr stud. theol. HARRICH-Greifswald bei 
den Ausgrabungen verdient gemacht. Genannter Herr stand mir bei 
den Arbeiten stets hilfsbereit bei und grub auch vielfach selbst mit 
Gewissenhaftigkeit und Erfolg. Ohne seine tatkräftige Hilfe wären die 
Kantower Arbeiten in diesem Jahre schwerlich so weit vorgeschritten. 
Auch der Herren Gutsbesitzer GOTTSCHALK, Rittergutsbesitzer BERLIN 
und stud. ing. MOSOLF muss ich mich an dieser Stelle dankend erinnern. 

Es wäre höchst wünschenswert, wenn man an allen Orten auf der¬ 
artige freundliche Unterstützungen rechnen könnte, die deutsche Vorge¬ 
schichte käme dadurch ein gut Stück weiter. 


M«nniis. Bd. II. 


13 


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Neue Funde 

der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow. 

Von Dr. Walther Hindenburg, prakt. Arzt in Grossbeeren. 

Mit 21 Textabbildungen. 


Südwestlich von Grossbeeren, 1,25 km von der Mitte des Dorfes, 
dem früheren Chausseehause, grub ich im Jahre 1903 auf einem Acker 
des Bauerngutsbesitzers Friedrich Rathenow, wo vor Jahrzehnten bei 



Abb. 1. Grossbeeren. '/• 


Ausrodung eines Waldes, von 
dem jetzt nur noch geringe Reste 
unter der Bezeichnung „die 
Schinderfichten“ bestehen, zahl¬ 
reiche Urnen zerstört sein sollen. 
Ausser vielen Scherben fand 
ich etwa 0,5 m tief Teile 
eines grossen Napfes (Abb. 1, 
Wiederaufbau), der in schräger 
Lage mit Leichenbrand neben 
einer Steinpackung lag (Durch¬ 
messer der Öffnung 29 cm, des 
Bodens 11 cm, Höhe 13 cm). 
Er besteht aus rötlichgelbem 
Ton mit Beimengung von 
Glimmer- und Quarzstückchen. 
Die Innenfläche ist glatt, die 
Aussenfläche mit Kammstrich¬ 
verzierung versehen. Die Strich¬ 
gruppen verlaufen oben und 



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2] 


Neue Funde der Latfene-Zeit aus dem Kreise Teltow. 


195 


unten mehr horizontal, im übrigen kreuz und quer (Nachahmung eines 
geflochtenen Korbes). 

1905 stiess ich etwa 200 m weiter nordöstlich auf eine ergiebigere 
Stelle beim Suchen nach einer angeblich vor 40—50 Jahren gefundenen 
und vom Finder wieder vergrabenen grossen tönernen Urne mit Leichen¬ 
brand und einem Paar Sporen (?). Die Stelle war nicht wiederzufinden, 
weil dort Wege und Grenzen bei der Anlage von Rieselfeldern verlegt waren. 



Aber ich fand dicht dabei an der östlichen ^—*—/ 

Böschung eines dem Bauerngutsbesitzer August Abb. 4. Grossbeeren. 

Paul gehörigen Privatweges (Abb. 2) oberfläch¬ 
lich die Hälfte einer kleinen Urne und in unmittelbarer Nähe, mitten auf dem 
5 Schritte breiten Wege, eine zerbrochene, umgestülpte Urne und an 
deren Boden eine gekröpfte eiserne, 64 mm lange Nadel mit kölnischem 
Kopf (Abb. 3). Nun wurde der Weg einfach rigolt, und es kamen dann 
zutage 2 Urnen ohne Beigaben, einige Schritte weiter bergan einige 
Scherben und Teile einer eisernen Latene-Fibel, endlich noch 11 Schritte 
weiter eine Gruppe von 6 Gefässen (Abb. 4). Sie waren sämtlich 
mit Deckeln versehen, auf der einen ruhte ausserdem ein 9 kg schwerer 
plankonvexer Deckstein. Nirgends fanden sich hier oder in der nächsten 
Umgebung Steinpackungen. Diese Gefässe wurden bandagiert und später 
zu Hause mit grösster Vorsicht untersucht. Trotzdem zerbrachen die meisten 
Deckel, welche in strengen Wintern der Frost mürbe gemacht hatte, 
und 3 Von den Urnen, die durch Baumwurzeln zersprengt waren. Nr. 4 
enthielt nur Leichenbrand, keine Beigaben, der Deckel zerbrach; die 
Urne ist terrinenförmig (Höhe 19,5 cm, Durchmesser der Öffnung 20,75 cm, 
des Bodens 11,75 cm, grösster Durchmesser 26 cm) mit einem eng- 



Abb. 5. Grossbeeren. 

lurchbohrten Henkel. Urne Nr. 5 war auch ohne Beigaben, von bröckligem, 
rötlichem Ton; der Deckel hatte einen Henkel. Nr. 6 enthielt eine 
gekröpfte eiserne Nadel von 112 mm Länge mit schaufelförmigem Kopf 
(Abb. 5); der napfförmige Deckel blieb erhalten, die bauchige Urne 
zerbrach; sie trug auf der glatten Aussenfläche ein Ornament: eine 
Doppelreihe eckiger Einstiche über dem Absatz zwischen Hals und Bauch 
und hängende Dreiecke aus ebensolchen Doppelreihen unter dem Absatz 

13* 


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Original frorn 

PRINCETON UNIVERS1TY 













Walther Hindenburg, 


(Abb. 6). Nr. 7 und 9, bauchige Gefässe, und ihre Deckel gingen in 
Trümmer, in der einen lag ein eiserner Gürtelhaken und eine eiserne 
Nähnadel mit Öhr. Nr. 8 ist ein hoher schlanker Topf von gelbröt¬ 
lichem Ton mit groben Beimengungen (25,5 s 16 :11,5 : 20,25 cm); der 


Abb. 6. Grossbeeren 


Hals ist glatt, durch einen Absatz vom Unter¬ 
teil getrennt, der mit Kammstrich verziert und 
mit 8 vertikalen und einem auf der Konvexi¬ 
tät verlaufenden horizontalen halbfingerbreiten 
glatten Streifen versehen ist; am Absatz sass ein 
Henkel (Abb. 7). Auch hier ist offenbar ein Korb 
in Ton nachgeahmt worden; die glatten Streifen sind die Spanten, der 
Kammstrich das Flechtwerk. Die Urne enthielt ausser einer eisernen 
___ Nähnadel mit Öhr 8 bron¬ 
zene, westgermanische Se¬ 
gelohrringe. Mir ist übrigens 
die Achtzahl bei derartigen 
Ohrringen auch sonst, näm¬ 
lich in Löwenbruch, be¬ 
gegnet. Von den Ringen 
waren 2 mit bröckligen weis- 
sen (vielleicht Knochen-) 
Perlen, die übrigen mit 
teils blauen, teils rötlich¬ 
braunen Glasperlen ver¬ 
sehen. Der Deckel trägt 
Kammstrichverzierung. 

Auf dem Felde west¬ 
lich von dem mit solchem 
Erfolge durchsuchten Wege 
fand ich dann in den fol¬ 
genden Jahren noch 6 meist 
zerstörte Urnen mit Eisen¬ 
gürtelhaken und einem 
Stück eines Bronzegürtel- 
Abb. 8. Grossbeeren. hakens. Eine in der Haupt* 

Sache erhaltene, auffallend 
grosse (> 34 : ca. 17 :13 : 32), bauchige Urne von geschwärztem Ton mit 
geglätteter Oberfläche hatte 4 halbmondförmige Henkel und am Schul¬ 
terteil über denselben ein mit wenig Sorgfalt eingeritztes Ornament; 
zwischen 2 horizontalen, etwa 3 cm voneinander entfernten Rinnen ver- 


Abb. 7. Grossbeeren; etwa V«- 


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Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow 


läuft eine Zickzacklinie, die stellenweise von einer zweiten gekreuzt wird. 
Die so entstehenden Dreiecke und Vierecke sind meist mit punktförmigen 


Abb. 9. Grossbccren 


und länglichen Einstichen ausgefüllt 
(Abb. 8). Die Urne enthielt eine 
wundervoll erhaltene Mittel-Latene- 
Fibel aus Eisen (Abb. 9). 

Auf dem nächsten südwestlichen 
Parallelwege stand ganz vereinzelt auf 2 platten Steinchen eine Tasse 
mit breitem Henkel; die untere Hälfte ist mit seichten, kleinfinger- 
— ^ breiten, schrägen, von links oben nach rechts 

fepnooooool unten gerichteten, die obere über dem Umbruch 

f mit 3 horizontalen gleichen Rinnen versehen (Abb. 10). 

Das Gefäss enthielt geringe Reste vom Leichen¬ 
brande eines Kindes. Ich will nicht mit Sicherheit 
behaupten, dass diese Urne von Lausitzer Cha¬ 
rakter der Latene-Zeit angehört. 

Weitere Grabungen waren bis jetzt ergebnislos. Das im übrigen 
zerstörte Gräberfeld war offenbar nicht gross, lange nicht so gross wie 
das bei Löwenbruch, das tausende 
von Urnen enthalten hat. 

Spuren eines kleinen zer¬ 
störten Latene-Gräberfeldes habe 
ich 1905 auch auf dem Krekel¬ 
oder Judenberge beiRuhlsdorf , 
entdeckt. Einige gerettete Scher¬ 
ben zeigen hängende Dreiecke 
(Abb. 11), andere eine Art Korb¬ 
muster (Abb. 12). Ebendaher 
stammt ein gegossenes draht¬ 
förmiges 3,5 mm dickes Stück Bronze mit Gusszapfen. 

Endlich habe ich Latene-Gräber 1907 bei Jütchendorf festgestellt, 


Abb. 10. Grossbccren 


Abb. 11. Ruhlsdorf. */ 1 , 


Abb 12 Ruhlsdorf 


Abb 13. Jütchendorf. */ 3 Abb. 14. Jütchendorf. ’/» 

südlich der Landbrücke zwischen dem Siethener und dem Gröbener See, 
dicht an der Chaussee Siethen-Jütchendorf. Bei Erdarbeiten wurden 


Original frnm 

PRINCETON UN1VERSITY 


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198 


Walther Hindenburg. 


[5 


dort 4 Urnen mit Leichenbrand gefunden. Die eine, leider zerbrochene, 
ist von rotem Ton, aussen geschwärzt und geglättet, stark profiliert; 
sie ist, was sehr bemerkenswert ist, auf der Töpferscheibe gearbeitet 
(Abb. 13). Solche Gefässe kommen bei uns in der Latenezeit äusserst 
selten vor. Ich hielt die Urne für viel jünger, für zufällig dort bei 
Latene-Sachen vergraben; Herr Professor KOSSINNA machte mich erst 



auf die Zeitstellung und auf die Bedeutung des Fundes aufmerksam. 
Mit den Scherben dieses Gefässes wurden ausser einem Teile einer 
eisernen Fibel mit geknicktem Bügel (Abb. 14) Bruchstücke eines 
dreigliedrigen Gürtelhakens 
aus Bronze mit 7 Längs¬ 
rippen gefunden (Abb. 15). 

Derartige Gürtelhaken sind 
nach den Untersuchungen 
KOSSINNAS (Über verzierte 
Eisenlanzenspitzen als Kenn¬ 
zeichen der Ostgermanen. 

Zeitschr. f. Ethn. 1905) ostgermanisch und bisher nur auf ostgerma¬ 
nischem Gebiet gefunden. Die westlichsten bisher bekannten Fundorte 
liegen ziemlich genau an der Oder von Pommern bis Schlesien. Ausser 

dem Stück von Jütchendorf be¬ 
sitze ich noch ein zweites aus 
Löwenbruch mit 1 Mittelrippe 
und einem Zickzackornament in 
Tremolierstich in den beiden Fel¬ 
dern (Abb. 16), und einem dritten 
Exemplare scheint mir ein Bruch¬ 
stück aus Bochow, Kreis Zauch- 
Belzig, im Königlichen Museum 
für Völkerkunde anzugehören 
(Nr. I. f. 512), das genau wie 
das bekannte Stück aus Hohenwutzow mit 2 sich kreuzenden Zickzack¬ 
bändern in Tremolierstich verziert ist. Somit ist die Westgrenze für 
diese Gürtelhaken weit in westgermanisches, durch Segelohrringe be¬ 
zeugtes Gebiet hinausgerückt. 

Nun gibt es noch eine andere Art Gürtelhaken, die den Ost¬ 
germanen eigentümlich ist und für die KOSSINNA in der erwähnten 
Arbeit fast die gleiche Westgrenze gezogen hat, nämlich zweiteilige 
Scharniergürtelhaken aus Eisen. Auch von diesen ist in Löwenbruch 
wenigstens ein halbes Exemplar gefunden worden (Abb. 17). Es 



Abb. 17. Löwenbruch. 



Abb. 16. Löwenbruch. ty». 


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Go. 



Original fro-m 

-PfWtCETON UMtVETt 




6] 


Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow. 


199 


gehört zu einem reich ausgestatteten Frauengrabe mit einer 70 cm 
langen zusammengebogenen eisernen Schmucknadel mit Bronzekopf und 
4 Ringwülsten, ferner einer schwalbenschwanzförmigen Gürtelplatte mit 
2 durch Ösen befestigten beweglich gewesenen Ringen, sodann einem 



Abb. 18—20. Löwenbruch. */j 


eisernen Gürtelhaken mit 2 eingenieteten Knöpfen und paarweise angeord¬ 
neten Punktkreisen, weiter einer Nadel von Eisen mit löffelartigem 
Kopf mit eingenietetem Bronzestück, grossen Segelohrringen mit getrie¬ 
benem Ornament, von denen 
Bruchstücke und 2 Glasperlen 
erhalten sind, ferner zerschmol¬ 
zenem Bronzeblech, eisernen 
Ringen, zum Teil mit Öhr, 
und in Spuren erhaltenen Ketten 
teils von Eisen, teils von Bronze, 
Abb. 21. Löwenbruch. f /j endlich einer Bronzefibel, von 

der sich nur Spirale und 
Nadel vorfanden. Die Urne ist nicht erhalten 1 ). 

Von Löwenbrudi erwähne ich zum Schluss zwei schöne und bemer¬ 
kenswerte Stücke, nämlich einen mit halbkreisförmigen Eindrücken 
verzierten Spinnwirtel, das Ornament ist auf beiden Seiten verschieden 
(Abb. 18—20), und eine Früh-Latfene-Fibel aus Bronze (Abb. 21). 



D Anmerkung. Die beiden dreiteiligen, verzierten Bronzegürtelhaken von 
Jütchendorf (Abb. 15) und Löwenbruch (Abb. 16) stehe ich nicht an, als solche an¬ 
zuerkennen: es werden vermutlich ostgermanische Importstücke sein. Dagegen 
dürfte das Eisengerät von Löwenbruch (Abb. 17) kaum zu einem ostgermanischen 
Charniergürtelhaken gehört haben, da solche „Krampen“ oder wie man sonst diesen 
Gegenstand nennen mag, auch in der Kaiserzeit, sogar in der späteren Kaiserzeit 
mir begegnet sind, wo doch an Gürtelhaken längst nicht mehr zu denken ist. G. K. 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



Spelz- und Alemannengrenze. 

Von Privatdozent Dr. Ernst H. L. Krause, Strassburg i. E. 


Unlängst habe ich im Mannus (s. S. 254 dieses Bds.) GRADMANNS 
Hypothese vom alemannischen Ursprung des Spelzbaues abgelehnt, 
konnte aber für das auffällige Zusammentreffen der Stammes- und der 
Wirtschaftsgrenze keine befriedigende anderweite Erklärung geben. In¬ 
zwischen habe ich sie gefunden. 

Die ins Alpenvorland einrückenden Alemannen assen Hafer Be¬ 
weise dafür findet man in einer Arbeit Th. SCHLATTERS im Jahres¬ 
bericht der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 1893/4. 
Als das Volk am Anfänge des 8. Jahrhunderts katholisch geworden war, 
musste es, soweit das Klima dies zuliess, weisses Korn und Reben 
bauen. Weissbrot und Wein gebrauchte man unbedingt zur Eucharistie 
und zum Lebensunterhalt der Mönche. Der Weizen der alten Raeter 
war Binkelweizen, derselbe den man in vorgeschichtlichem Zustande 
als kleinen Pfahlbauweizen und in der Botanik als Triticum compactum 
bezeichnet. Er wurde im 19. Jahrhundert noch von Steiermark bis 
zum Jura an vielen Orten gebaut. Er ist ein Sommerkorn und lässt 
sich in dem grössten Teile des Alemannenlandes im Winterfelde nicht 
halten. Da nun die Alemannen den Anbau des Hafers nicht mit einem 
Male aufgaben, und da sich Hafer und Sommerweizen unter damaligen 
Verhältnissen nicht in rationeller Wirtschaft vereinigen Hessen, mussten 
die am Weisskorn interessierten Klöster sich nach einer brauchbaren 
Wintersaat umsehen. Eine solche war der Spelz. Er war schon in der 
Bronzezeit in der Westschweiz gewesen und dort niemals ausgestorben; 
im 19. Jahrhundert baute man ihn noch im Chamonixtale. Spelz, Hafer, 
Brache wurde also die neue Fruchtfolge der Alemannen, die, nachdem 
das Haferessen aus der Mode kam, in Zweifelderwirtschaft überging. 
Die östlichen Nachbaren der Alemannen in Bayern sind wahrscheinlich 
Roggenesser gewesen, die nahmen also einfach den Weizen ins Sommer¬ 
feld. Das Bistum Strassburg hat ein so gutes Klima, dass auf den 
meisten Fluren der alte gallorömische Winterweizen gedeiht. Dort wurde 
Weizen, Hafer, Brache die alemannische Fruchtfolge, die auch hier strich¬ 
weise in Zweifelderwirtschaft übergeht. Also aus dem alten Haferbau 
der Alemannen und den klimatischen Bedingungen des Weizenbaus er¬ 
klärt es sich, dass im Süden und Osten die Alemannengrenze eine 
Spelzgrenze wurde. Die Westgrenze des Spelzes ist im wesentlichen 
die lokale Ostgrenze des Winterweizens. Dass der Spelzbau nicht auch 
in die klimatisch schlechtgestellten Dörfer des Strassburger Sprengels 
kam, liegt wohl daran, dass man ohne diesen Weizen genug hatte und 
nicht zweierlei Mühlen bauen wollte. Denn Spelz erfordert besondere 
Mühlen. 


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Gck igle 


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-PKFNUETO NUN IVER SHT 



Zur Wochengöttervase 
vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis 

(Mannus II, 1 ff.). 

Von Gustaf Kossinna. 

Mit 5 Text-Abbildungen. 


Der erstmalige Fund einer belgischen Wochengöttervase als Bei¬ 
gabe eines germanischen Grabes des 3. Jahrhunderts nach Chr. — 
denn nur als Grabbeigabe wird man bei unbefangener Betrachtung, die 
sich frei hält von hyperkritischer Tüftelei, nach Lage der Fundumstände 
das Gefäss anzusehen haben — dieser Fund, sage ich, war so über¬ 
raschend, dass er mich anregte, den Darstellungen gallischer Religions¬ 
vorstellungen auf germanischem Boden überhaupt nachzugehen und sie 
im Zusammenhänge unserer Berliner Zweigges^llschaft vorzuführen, was 
durch einen von zahlreichen Lichtbildern begleiteten längeren Vortrag in 
der Maisitzung geschah. Einiges davon sei hier in kürzestem Auszuge 
mitgeteilt. 

Es wurde dabei ausgegangen von dem unerfreulichen Zustande 
der gegenwärtigen Forschung auf dem Gebiete des Wiederaufbaues der 
altgermanischen Religion, wo sich die beiden jetzt herrschenden Methoden 
in gegenseitiger Abneigung den Rücken kehren. Die ältere, literarisch- 
sprachwissenschaftliche Methode, die nur ausländische Quellen befragt, 
hat nach der zweitgenannten Richtung hin so ziemlich Fiasko gemacht, 
wenn wir von der Erschliessung des Himmelsgottes absehen, deren Be¬ 
rechtigung freilich auch angezweifelt worden ist, jedoch mit Unrecht, da 
hier die andere, jüngere Methode, die Befragung der einheimischen 
Quellen, jene Erschliessung bestätigt. Diese zweite noch zukunfts¬ 
reiche Methode, die sich auf feste Denkmäler und auf lebendige Volks¬ 
überlieferung stützt, darf aber gewiss auch nicht blind mechanisch be¬ 
trieben werden, wenn sie nicht ebenso zu schweren Irrtümern führen soll. 
Das könnte eintreten, wenn man Denkmäler, die aus der Fremde ein¬ 
geführt sind, als vollgiltige Zeugnisse für heimisches Volksbewusstsein 
gelten liesse. Solch ein allgemeines Verkennen des Ursprungs von 
Denkmälern oder Zweifel über ihre eigentliche Herkunft sind jetzt 
glücklicherweise nur noch in seltensten Fällen vorhanden. Schlimmer 
ist es, wenn ein einheimischer Künstler aus der Fremde gekommene 
Kunstgegenstände nachbildet und so fremden religiösen Vorstellungen 
den Schein einheimischer Geltung verschafft. Diesen teils fremden, teils 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



202 


Gustaf Kossinna. 


[2 


fremdartigen Denkmälern mit Darstellungen aus dem Gebiete gallischer 
Religion gilt unser Interesse. 

Bei den Galliern hat, wie bei den Germanen, der ehemals höchste 
Gott, der Himmelsgott (germ.* Tiwaz), einen Teil seines Wirkungsbereichs 
sich noch erhalten, namentlich in Südgailien, dem spät eroberten Kolonial¬ 
lande der in Nordfrankreich heimischen Gallier. Das ist die Pluto- 
Serapis-Erscheinung des Dispater, von dem, wie Cäsar mitteilt, alle 
Gallier abzustammen sich rühmten. Ihn kennzeichnet ausser seiner 
streng gallischen Volkstracht der in der Linken gehaltene langschäftige 
Hammer, das alte Attribut des Himmelsgottes, der Blitz, mit dem er 
gegen das eherne Himmelsgewölbe schlägt, so dass es dröhnt und 
‘donnert*. Darum heisst er in linksrheinischen Bildnissen Sucellus, 
‘Schläger*. 

Zu Cäsars Zeiten war aber der Hauptgott der Gallier nach seiner 
Angabe Merkur, eine Bezeichnung, die die Römer auch demjenigen unter 
den germanischen Göttern beilegen, der in jüngerer Zeit statt des alten 
Himmelsgottes Tius den Götterthron einnimmt (Wodan). Daneben 
hätten die Gallier Apollo, Mars, Jupiter nebst Minerva verehrt. Durch 
den Dichter Lucan erfahren Wir die Namen der vornehmsten gallischen 
Götterdreiheit: Esus, Teutates, Taranis. Durch den Scholiasten zu 
Lucan erfahren wir weiter, dass sich hinter dem Donnergott Taranis 
Cäsars Jupiter verbergen muss. Der gallische Hauptgott Esus wird mit 
dem Merkur gleichzusetzen sein, der unter der römischen Herrschaft 
namentlich in Ostgallien von allen Göttern die weitaus meisten Bild¬ 
werke erhalten hat. Teutates dagegen ist der gallische Mars,. 

Der bekannte, 1760 entdeckte Schifferaltar von Notre Dame zu 
Paris zeigt ausser ‘Esus* (= Merkur) und ‘Jovis* (= Taranis) den 
‘Volcanus’ statt des Mars als Vertretung der dritten Gottheit in der 
gallischen Hauptgöttertriade (= Teutates). Wie aber das Scholion zu 
Lucan sowohl bei der Auslegung des Esus wie bei der des Teutates in 
doppelter Weise schwankt, indem beide sowohl mit Merkur als mit Mars 
gleichgesetzt werden, so zeigen, wie wir später sehen werden, zu¬ 
weilen auch die Denkmäler diese offenbar im tatsächlichen Schwanken 
der volkstümlichen gallischen Auslegung begründete Unsicherheit. 

Der gallische Merkur ist nicht wie der klassische jugendlich und 
unbeweibt, sondern voll bärtig, stets mit dem gallischen Geldbeutel 
in der Hand und von Rosmerta begleitet. Eigentümlich ist den gallischen 
Göttern der aus der Zeit der Freiheit des Volkes stammende volkstüm¬ 
liche Halsschmuck, der Latene-Halsring, mit Kugel- oder Halb¬ 
kugelenden, den zu tragen im Volke selbst unter römischer Herrschaft 
nicht mehr üblich war. 

In Ostgallien sind weiter zuhause Bildwerke gallischer Götter¬ 
dreiheiten, deren Hauptglied zuweilen als dreiköpfig wiedergegeben 
wird, entsprechend dem griechischen Hermes. 

Ein solcher ‘Tricephalus* befindet sich als Relief auf dem 1871 
beim Neubau des Pariser Hospitals aufgefundenen Steinaltar, der eine 
allegorische Darstellung des von Kaiser Tiberius nach einem Aufstande 
entwaffneten und befriedeten Galliens aufweist. E. KRÜGER hat diesen 
Altar neuerdings als einen hohen Pfeiler, den eine Statue des römischen 
Mars bekrönte, rekonstruieren und nun den Tricephalus statt mit Merkur 


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3] 


Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 203 


hier vielmehr mit Mars gleichsetzen wollen 1 ). Allein das ist nicht zwingend, 
da hier der gallische Hauptgott Merkur als Repräsentant des gallischen 
Volkes und als Zeuge des ehrlichen Friedensschlusses sehr wohl am 
Platze ist, ohne damit als Dublette des bekrönenden römischen Mars 
gedacht worden zu sein. 

Die Tricephalusbilder und ebenso die Reliefs des gehörnten 
Gottes Cernunnos zeigen uns aber neben dem gallischen Torques 
und vielfach gallischer Tracht auch noch die altgallische Eigenart des 
Sitzens mit untergeschlagenen Beinen, die Verwendung des Torques auch 
als Weihgabe, die dem Götterbildnis irgendwo angehängt wird, die Bei¬ 
gabe einer Widderkopfschlange oder eines blossen Widderkopfes und 
ebenso eines Stieres oder eines blossen Stierkopfes. 

Endlich ist hier noch der häufigen Darstellung des gallischen 
Sonnengottes, des Jupiters mit dem Rade, das aber ein Sonnenrad 
ist, zu erwähnen. 

In Dänemark, und zwar aus Fünen und Seeland, besitzen wir eine An¬ 
zahl von Bronze kesseln etwa aus dem letzten Jahrhundert vor Chr., 
teilweise mit Eisenrand und eisernen Henkelringen, die auf der Aussen- wie 
auf der Innenseite Platten mit figürlichem Bildwerk in Hochrelief zeigen, 
teils gegossene Bronze-Tierbilder, teils getriebene Menschenmasken. 
Die Masken sind durch die Halsringe als solche gallischer Gottheiten 
gekennzeichnet. Die Eigenart der Gesichter, die auffallend breit und 
kräftig sind, die grosse Nase, die hohe Oberlippe, der gekniffene Mund, 
oft mit herabgezogenen Mundwinkeln, das lange Kinn, die eigentümliche 
Haarbehandlung, die nur geringe Andeutung des Ohres, die Form der 
Augen mit linsenförmigem stark hervortretendem Augapfel, der durch 
Einsatz blauen Glasflusses hergestellt ist, schliesslich der leere Ausdruck 
des Gesichts: alles das kehrt auf einer grossen Anzahl vereinzelt gleich¬ 
falls in Dänemark, zum grössten Teile aber in Frankreich zum Vorschein 
gekommener Bronzefigürchen, Bronze- und Silberköpfe und -masken wieder. 
Sehr eigenartig ist die zum gallischen Porträtstil gehörige geringe Länge 
(Tiefe) des Kopfes, der auch in voller Darstellung hinter der Scheitel¬ 
höhe eine plötzlich abfallende, nur schwach gewölbte Hinterwand zeigt. 
Das Haar fliesst seltener vom Mittelscheitel aus geteilt in langen, glatten 
Strähnen herab, die in einer Locke aufgerollt enden; meist ist es nur 
vorn um das Gesicht herum angebracht, wie ein Kranz, der aus einer 
langen Reihe von spiraligen Lockenknäueln besteht. 

Genau solche Köpfe finden wir nun auch in grösster Zahl an dem 
berühmten 1891 in Gundestrup nahe am Limfjord in Jütland ent¬ 
deckten Silberkessel desselben Typus, wie die ebengenannten insel¬ 
dänischen. 

Dieser Kessel trägt als breite Randzierde innen 5 länglich recht¬ 
eckige, aussen dagegen 8 quadratische Silberplatten, alle sehr reich mit 
religiösen Darstellungen in getriebenem Relief geschmückt. Von den 
8 Aussenplatten fehlt eine; die vorhandenen 7 zeigen durchweg Götter¬ 
köpfe von dem geschilderten gallischen Typus: 2 weibliche, 4 männliche, 

') E. KRÜGER, Deux monuments du Dieu tricephalc gaulois (Extr. du Con- 
grös de la Federation archeologique et historique en Belgique XXI c session) 
Liöge 1909. 


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204 


Gustaf Kossinna. 


[4 


sowie eine Götterdreiheit mit dem Kopfe einer Göttin als Hauptdar¬ 
stellung und je einem kleineren Gotte zu beiden Seiten. Es ist also 
recht ungenau, wenn Soph. MÜLLER davon spricht, dass Köpfe von 
3 Göttinnen und 4 Göttern abgebildet worden waren und ganz unsicher, 
wenn man um der Symmetrie willen annimmt, die fehlende 8. Platte 
hätte den Kopf einer Göttin getragen und es hätte immer ein weib¬ 
licher mit einem männlichen Kopfe abgewechselt. Vielmehr wissen wir 
nichts über die Reihenfolge der einzelnen Platten. 

Die Innenplatten enthalten sehr reichlich gallische Elemente; am 
meisten wohl die erste (MÜLLER Nr. VI), die einen Aufzug von Kriegern 
zu Fuss und zu Pferde zur Feier eines Menschenopfers schildert. Die Reiter 
tragen Helme sowie Helmzierden in Gestalt von Ebern, Vögeln, Rädern. 
Das ist durchaus gallisch. Wenn bei den Germanen der Hörnerhelm 
schon in der Bronzezeit nachgewiesen ist, so beweist das bei der so 
grossen Seltenheit, man kann fast sagen, bei dem Fehlen germanischer 
Helme vor der Merowingerzeit herzlich wenig. Eberhelme kennen die Ger¬ 
manen vor der Merowingerzeit überhaupt nicht. Ganz dasselbe gilt von 
den Sätteln, von den Blashörnern mit Schallöffnung in Gestalt von Tier¬ 
köpfen, von dem zopfartigen Haarschmuck des Priesters, dem man den 
Kriegerzopf gallischer Münzbilder annähern kann. 

Platte VIII zeigt einen Gott mit dem Sonnenrad, begleitet von 
Greifen, also wohl den Sonnengott; Platte IX den vollständigen ge¬ 
hörnten Cernunnos mit der Widderkopfschlange, daneben einen Hirsch, 
der auch auf dem Relief von Rheims dem Cernunnos zugesellt ist. — 
Platte X zeigt wiederum eine Kulthandlung: ein Jüngling weist nach 
dem Sonnenrad in der Hand eines Gottes; dabei befindet sich wieder 
die Schlange und der Greif. 

Die Götterköpfe der Aussenplatten sind riesengross, nackt, mit den 
Torques geschmückt und, soweit sie männlich sind, durchweg bärtig, 
während die menschlichen Männer durchweg unbärtig erscheinen. Die 
Attribute der 7 Gottheiten sind für uns zu wenig verständlich, als dass 
wir danach die Gottheiten mit bestimmten Namen bezeichnen könnten. 
Eine Ausnahme macht allein die auf Platte XIII, 1 sehr kenntlich dar¬ 
gestellte Liebesgöttin, die Venus. Es ist ein recht naheliegender Ge¬ 
danke, in den 7 Gottheiten die 7 Wochengötter, die Planeten, wieder¬ 
zuerkennen, wobei es zweifelhaft bleibt, ob die Göttertriade mitzurechnen 
ist oder etwa ausserhalb der Reihe steht und dem etwa auf der ver¬ 
lorenen Platte dargestellten Gott den Platz einzuräumen hat. Die 
Liebesgöttin ist dann natürlich der Freitag, die zweite weibliche Gottheit 
der Montag, die Triade, wie wir noch- sehen werden — falls sie mitzu¬ 
rechnen ist —, Dienstag, Mittwoch oder Sonnabend; die vier Götter waren 
dann die übrigen vier Wochentage. 

Dann kann aber der Kessel nicht, wie von der Mehrzahl der 
Forscher angenommen worden ist, dem 1. Jahrh. nach Chr., noch weniger 
natürlich dem 1. Jahrh. vor Chr. angehört haben, denn vor 200 nach Chr. 
ist an Wochengötterdarstellungen nicht zu denken. Abzulehnen ist aber 
auch die Datierung Salomon REINACHs, der den Kessel ins 5. Jahrh. 
nach Chr. oder noch später versetzt. Als Kuriosum sei noch erwähnt, 
dass LOESCHCKE in Bonn den Gundestruper Kessel nach einer ver¬ 
meintlichen Parallele, die er bei dem Maskenschmuck des berühmten 


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PRINCETON-UNftfl 



5] Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 205 

gallischen Grabes von Waldalgesheim gefunden haben will, dem 4. oder 
3. Jahrh. vor Chr. zuschreibt. Diese Meinung verrät jene lächerliche 
Unkenntnis der vorgeschichtlichen Kultur West- und Mitteleuropas, die 
so bezeichnend ist als berechtigte Eigentümlichkeit für jene westdeutsche 
Gruppe klassischer Archäologen, die die Wissenschaft der Prähistorie 
erst zu dem Range einer wirklichen Wissenschaft zu erheben sich allein 
für berufen halten, in Wahrheit aber sie nur als melkende Kuh aus¬ 
nützen wollen. 

Die Reiter von Gundestrup tragen Sporen: die ältesten europäischen 
Sporen erscheinen aber bei Galliern und Germanen und zwar erst kurz 
vor Chr. Geburt. Ganz ähnliches gilt von der Form des Schildes, die 
auch nicht älter ist als das 1. Jahrh. vor Chr. Ferner sagt die Ver¬ 
wendung des Silbers in solchen Mengen, wie bei unserem Kessel, schon 
ganz allein dem Kundigen genug. Bei den Germanen fehlt das Silber 
vor der Zeit des Augustus so gut wie vollständig und bei den Kelten 
findet es nur wenig früher eine seltene und äusserst sparsame Ver¬ 
wendung im Kleinschmuck (Fibeln). 

Nach alledem ist mir das 2.— 3. Jahrhundert nach Chr. 
als Entstehungszeit des Silberkessels sehr wahrscheinlich. 
Seine Motive stammen teils aus Gallien, teils aus dem klassischen 
Süden. Seine vollendete Technik weist nicht ohne weiteres nach Gallien; 
der naive, unbeholfene Stil legt eher nahe, an einheimisch-germanische 
Nachbildung fremder Vorbilder zu denken. Wir können das um so 
eher glauben, als die Gestalten zweier gallischer Götter, der gehörnte 
Cernunnos und der Dreikopf, auf dem zweiten der Tondernschen 
Goldhörner (Gallehus), dem von 1734, das sicher ein germanischer 
Künstler angefertigt hat, wiederkehren. 

Um das 2. bis 3. Jahrhundert sehen wir gerade in Ostfrankreich und 
im rheinisch-süddeutschen Keltengebiete Steinaltäre mit Darstellungen 
der Planetengötter als eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Parallel mit 
diesen Altären gehen im belgischen Gebiete die Planetenvasen, gleich¬ 
falls des 3. Jahrhunderts, wie sie schon Sal. REINACH richtig datiert 
hat, ehe die endgiltig zeitbestimmenden Gräber vom Fliegenberg ent¬ 
deckt worden waren. Diese Vasen zeigen die Wochengötterköpfe genau 
mit demselben eigentümlich gallischen Porträt, das wir nun schon ge¬ 
nügend kennen; ausserdem ist einer der Götterköpfe stets als Trice- 
phalus gestaltet. Am bekanntesten ist die in der Revolutionszeit in 
Nordfrankreich entdeckte sog. Vase von Bavai (Mannus, Bd. II, Taf. 111), 
sicher eine Planetenvase trotz der Ableugnung von Sal. REINAGH, der 
im Tricephalus nur den Merkur sehen will l ), während er bei richtiger 
Anordnung der Bildnisse, an der zu zweifeln sonst koin Grund vorliegt, 
hier vielmehr den Mars vertreten muss. Dass der Mittelkopf des Trice¬ 
phalus hier ausnahmsweise 2 hörnerartige Auswüchse zeigt, verwertet 
Sal. REINACH für seine Deutung des Tricephalus als Merkur, indem 
er vielmehr Reste der Merkurflügel hier erhalten sieht. Zwingend ist 
das nicht. 

Eine andere schöne Wochengöttervase stammt aus Jupille bei 


0 Sal. REINACH? Revue de l’histoire des religions 1909, 57 ff.; wiederab- 
gedruckt in dess. Vfs.: Cultes, mythes et religions T. III, 170 ff. 


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206 


Gustaf Kossinna. 


[6 


Lüttich (Mannus Bd. II, Taf. IV): bei ihr ist leider ein Götterbildnis 
abgeblättert. Wenn an dieser Stelle der sonst übliche Tricephalus sich 
befand und die Reihe der Planeten richtig eingehalten ist, müsste der 
Tricephalus hier den Saturnus bedeuten. Zu diesem aber hat der Trice¬ 
phalus trotz DEMARTEAU, der hierzu viel Phantastisches und noch mehr 
Falsches vorbringt 1 ), keine andere Beziehung, als die sehr entfernte, 
dass die Römer die Wochentagzählung damals mit Saturn begannen 
und somit dieser Planet eine Art Vorrangstellung einnahm, die in einer 
Vertretung durch den Tricephalus angedeutet werden sollte. 

Ein im Museum zu Mons befindliches Vasenfragment mit dem 
Tricephalus, aus der Umgegend Mons in Belgien, sei hier als Er¬ 
gänzung wiedergegeben (Abb. 1). 

Die neue Vase vom Fliegenberg hat nur 6 Götterköpfe. Trotz¬ 
dem wird niemand bezweifeln, dass in ihr derselbe Vasentypus vorliegt, 
wie bei den oben genannten Planetenvasen. Leider sind einige Köpfe 

bis zur Unkenntlichkeit zerstört; 
doch ist gerade der Tricephalus 
ziemlich gut erhalten. 

Was zunächst die Zeit an¬ 
langt, so war mir sofort die Da¬ 
tierung ins 3. Jahrhundert nach 
Chr. klar und wurde immer zweifel¬ 
loser, je mehr Abbildungen von 
Grabbeigaben und sonstigen Fun¬ 
den dieser Örtlichkeit mir Herr 
RADEMACHER übersandte. Zu¬ 
nächst gehört dieser Zeit ein in 
den Wohnstätten gefundenes sog. 
„Eisendepot“ an (oben S. 2 f.). 
Dies beweist der Schildbuckel S. 3 
Abb. 5, der oberhalb des Randes 
nicht, wie gewöhnlich, streng zy¬ 
lindrisch aufsteigt, sondern in 
sehr merklich nach innen ge¬ 
schweifter Einwölbung, wie ich 
Stücken des 3.—4. Jahrhunderts 
kenne, die zum Merowingertypus überleiten. 

Die eisernen Eimerbeschläge, an denen der bewegliche Eisenbügel 
befestigt war, je 2 von verschiedener Art (Abb. 2, 3), zeigen in dem 
einen Typus die bekannte spätkaiserzeitliche Form mit gespaltenen 
Enden (Abb. 2). 

Es folgen die drei Gräber, sämtlich derselben Zeit angehörig. 
Grab i: Die beiden von RADEMACHER erwähnten, völlig gleich¬ 
gestalteten sog. Bronzemesser sind natürlich die beiden Klingen einer 
verzierten Bronzeschere gewesen, wie sie seit Beginn der Kaiserzeit 
in germanischen Gräbern häufig anzutreffen sind. Nur eine Spezial¬ 
behandlung sämtlicher derartiger Stücke könnte ermitteln, ob in der 
Verzierungsweise zeitliche Unterschiede erkennbar sind, die eine Zu- 

*) J. E. DEMARTEAU, le vase planetaire de Jupille (M^langes Godefroid 
Kurth. T. II Liege 1908). 


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Abb. 1. Tricephalus der Gesichtsvase von Mons 
(Belgien), (nach Rev. arch^ol. 1593, 1, 256 f.). 


sie nur an ganz spätkaiserzeitlichen 




Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis, 


Weisung in die früh- und spät¬ 
römische Kaiserzeit gestatten. —A. 

Hier erübrigt sich dies, da die ( 

germanische Urne selbst un- ff \\ 

zweifelhaft spätkaiserzeitlich ist. j j | n 

Nit dieser Urne zusam- rjj 

men ist ein bauchiger Becher ___ JJf 

gefunden worden, von dem v 

ich aus Abbildung und Be- 

Schreibung nicht entnehmen ß 

kann, ob er römische oder r — 

germanische Arbeit ist. Für Qp 

mich hat das letztere grössere 

Wahrscheinlichkeit, sicher ist ^^ 

seine Verwandtschaft mit ge- 

wissen spätrömischen Formen. jh/f 

Wir werden daher, wenn wir nf 

ohne vorgefasste Meinung an ll l| 

die Sache herantreten, auch der Vv JJ 

mitgefundenen Vase mit den. 

Götterköpfen dasselbe Alter 

unbedenklich zuschreiben kön- IvST 

nen, ja zuschreiben müssen. Fy 1 1 

Die von KRÜGER dagegen j ^ _ 

geltend gemachten Einwen- 
düngen sind ganz unsicherer 
Natur und können nicht im 

geringsten überzeugen Abb # und 3 EimerbesdllJge 

Auch Ürab 11 und 111 ge- Fliegenberg bei Troisdorf. Siegkreis. Rheinlande, 
hören ohne Widerrede ins 3. 

Jahrhundert. Der mit eingefurchten Rankeniinien verzierte eiförmige 


Abb. 5. '/♦. 

Ostedt bei Cuxhaven (nach Rautenberg). 


Abb. 4. i/s. 

Fliegenberg bei Troisdorf. Siegkreis. Grab 3. 


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208 


Gustaf Kossinna: Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg usw. 


[8 


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Becher provinzial römischer Arbeit (Abb. 4) hat seine Parallele in einem 
germanischen Grabe derselben Spätzeit aus Oxstedt bei Cuxhaven 
(Abb. 5), wo ein solcher Becher in Gemeinschaft eines kleineren ähn¬ 
lichen und zweier Bronzebeschläge eines Holzeimers von der oben ab¬ 
gebildeten Form (Abb. 2) gefunden worden ist 1 ). 

Das merkwürdige Schwert (S. 16 Abb. 13) verrät durch den 
gegenüber der kurzen Klinge riesenhaft langen Griff seinen ungermani¬ 
schen, provinzialrömischen Ursprung. 

Schliesslich noch ein Wort über die Deutung der 6 Götterköpfe 
der Kölner Vase. Es fragt sich, welcher Planet oder welcher Wochen¬ 
tagsgott hier übergangen worden ist (O). Zunächst sei die Stellung des 
Tricephalus innerhalb der Reihe der männlichen (|) und weiblichen (—) 
Köpfe bei den andern behandelten Vasen übersichtlich vorgeführt- 



1. Bavai 

* 

2. Jupille 3. Fliegenberg 

- 1 

Di. 

Tricephalus 

i 

a) Tric. 

b) ? 

c) Nimbus 

Mars 

Mi. 

| 

i 

| 

o 

Tric. 

Merkur 

Do. 

i 

i 

O 

— 

| 

Jupiter 

Fr. 

— 

— 

— 

Nimbus 

— 

Venus 

Sa. 

i 

(Tric. ?) 

? 

Tric. 

? 

Saturn 

So. 

i 

1 

-(!) 

| 

O 

Sol 

MoT 

— 

— 

Nimbus 

. 

— 

Luna 









Wendet man eines dieser beiden Schemata, sei es das von Bavai 
oder das von Jupille, auf die Fliegenberger Vase an, so ist das Ergebnis 
sehr unbefriedigend. Beim Schema Bavai (a) Tricephalus — Dienstag) 
müsste der Donnerstag (Jupiter) übergangen (O), der Sonntag (Sol) aber 
durch eine Göttin, umgekehrt der Montag (Luna) durch den hervor¬ 
ragenden männlichen Nimbusgott wiedergegeben worden sein. Und beim 
Schema Jupille (b) Tricephalus — Saturn) müsste der Donnerstag (Jupiter) 
weiblich dargestellt worden sein, der Nimbusgott aber die Venus be¬ 
deuten. Das alles ist unmöglich. Ein voller Sinn wird aber erreicht, 
wenn wir den Tricephalus mit REIN ACH als Merkur auffassen (Mitt¬ 
woch c), dann würde der Nimbusgott vorzüglich passen zum Vertreter des 
Mars-Teutates, Jupiter und beide Göttinnen erhalten ihre richtige Stellung, 
Saturn ist ein völlig zerstörter Kopf und Sol ist übergangen worden. 
Wir sehen also jetzt, was es auf sich hat, wenn ich oben sagte, dass 
die Denkmäler ein Schwanken der gallischen Auslegung für Merkur und 
Mars selbst zu bestätigen scheinen. 


’) E. RAUTENBERG, Römische und germanische Altertümer aus dem Amte 
Ritzebüttel und aus Altenwalde, S. 10 ff., Taf. 11, 1—3a. Jahrb. der Hamburg, 
wissensch. Anstalten IV, 1887. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


Vorgeschichtliche Funde und Unter¬ 
suchungen in Mecklenburg. 1907 bis 1909. 

Von Robert Beltz, Schwerin. 

Mit 9 Textabbildungen. 


Die Ergebnisse, welche die letzten Jahre uns gebracht haben, be¬ 
ruhen im wesentlichen auf zufälligen Beobachtungen, die bei der Boden¬ 
kultur gemacht sind und den daran anschliessenden Untersuchungen; 
diese mussten sich im allgemeinen mit der Feststellung des Tatbestandes 
und der Bergung von Fundstücken begnügen, die den Charakter der 
Fundstelle belegen. Grössere Unternehmungen haben wir, zumal die 
vorhandenen Mittel und Arbeitskräfte durch die Herstellung eines um¬ 
fassenden Katalogwerkes in Anspruch genommen waren, nicht in die 
Hand nehmen können. Auch in jenen bescheidenen Grenzen aber haben 
sich die Grundzüge der Besiedelungsgeschichte des Landes, wie sie Ref. 
z. B. auf der Anthropologenversammlung in Halle (Korrespondenzbl. 1901, 
S. 10 ff.) formuliert hat, ganz wesentlich vertiefen lassen, und die 
Zahl von gegen 100, meist neu bekannt gewordenen Stellen, über die wir 
zu berichten haben, bedeutet nicht nur eine statistische Bereicherung. 

1. Steinzeit. Dass unsere bisherige Statistik selbst bei den auf¬ 
fallendsten Denkmälern der Vorzeit, den Megalithgräbern, noch unvoll¬ 
ständig ist, zeigt eine Beobachtung von Pennewitt bei Warin, wo aus 
einem wüsten, bis dahin unbeachtet gebliebenen Steinhaufen sich ein 
schönes und typisches Hünengrab herausschälen liess: 5, bezw. 4 Trag¬ 
steine an den Längsseiten, 2 an den Schmalseiten, 4 (ursprünglich 5) 
Decksteine, Länge (NO.-SW.) 9,60, Breite 3,20 m; die Fugen zwischen 
den Steinen ausgefüllt mit flachen Keilsteinen und Lehm; die Grab¬ 
kammern ausgenommen, wohl erhalten aber der Grund, bestehend aus 
Lehmdiele mit den üblichen geglühten Feuersteinen; darauf zwei Brand¬ 
stellen. — Die Megalithgräber stellen im nordischen Steinzeitgebiet nicht 
die einzige Grabform dar;, aber über ihr Verhältnis zu den ebenfalls 
vertretenen Flachgräbern ist noch keine Sicherheit erzielt; es ist klar, 
dass die Form des Flachgrabes allein nichts sagt: gerade in Mecklenburg 
haben wir in den bedeutungsvollen Ostorfer Gräbern zweifellose Gleich¬ 
zeitigkeit mit der Megalithkultur (Archiv, f. Anthrop. VII. 1909, S. 268), 
aber somatische Verschiedenheit der Bestatteten (SCHLIZ ebenda S. 275). 
Eine andere Gruppe von Flachgräbern hebt sich dagegen auch durch 
ihre Ausstattung (Dolchklingen) von den Megalithgräbern ab und wird 
allgemein als jünger betrachtet. Diese Gräber westlich von Mecklenburg, 

Mannus. Bd. li. 14 


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210 


III. Aus Museen und Vereinen. 


in Jütland und Schleswig-Holstein, einerseits, östlich, z. B. in der Ucker¬ 
mark, anderseits längst bekannt, wollten bisher nicht recht kommen, und 
wir begrüssen es, dass jetzt in Kl. Methling bei Gnoien einige geborgen 
sind, die in der Anlage und Ausstattung der vierten Gruppe der jütischen 
Einzelgräber Sophus MÜLLERS genau entsprechen, leider auch, wie 
diese, ohne bestimmbare Gebeinreste. Ein Flachgrab von Friedrichsdorf 
bei Neubukow enthielt nur wenig charakteristische Scherben und Stein¬ 
messer. — Steinzeitliche Wohn- oder Herdgruben sind aufgedeckt bei 
Güstrow (kleine runde Brandstellen auf einem Steinpflaster mit unschein¬ 
barer Megalithkeramik, auffallend wenig Tierknochen), und Selpin b. Tessin 
(interessante Anlage, Rechteck von 2,50 und 1,25 m, gepflastert, mit verein¬ 
zelten Scherben und Lehmbewurfstücken, daran anschliessend, quadratisch 
von etwa 1,25 m, eine Herdstelle mit Tierknochen, Scherben, Steinmessern). 
— Auch für die Pfahlbauten hat sich mancherlei ergeben. Es ist ja be¬ 
kannt, dass die ersten deutschen Pfahlbauten in Mecklenburg, bei Gägelow 
und Wismar, entdeckt sind, schon 1863, dass aber infolge von Fälschungen, 
die bei der Ablieferung der Fundstücke vorgekommen waren, der ganze Pfahl¬ 
bau von Wismar in Verdacht gezogen und überhaupt ausgeschaltet wurde; 
noch S. MÜLLER konnte (Nordische Altertumskunde I, S. 202) schreiben: 
„von den eigentümlichen (steinzeitlichen) Pfahlbauten ist in Skandinavien 
und überhaupt in Nordeuropa keine Spur entdeckt worden". In Wirk¬ 
lichkeit ist der Wismarsche Pfahlbau so authentisch wie überhaupt eine 
nach damaligem Betriebe untersuchte Station und hat vor dem Auftreten 
des Fälschers und auch, nachdem dieser unschädlich gemacht war, dieselben 
Fundstücke ergeben. .Eine Anzahl besonders schöner und belegender 
Stücke, der bekannten Äxte, Meissei, Keile, waren in Wismar in den Händen 
eines der ersten Untersucher geblieben und sind nunmehr auch der 
Schweriner Sammlung zugeflossen. — Auch an einer zweiten älter be¬ 
kannten Stelle, von Bülow bei Rehna, 
wo aus guten Gründen ein Pfahlbau 
vermutet wurde (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64, 
S. 154), der aber infolge ungünstiger 
Wasserverhältnisse sich der Untersuch¬ 
ung entzogen hat, sind bei Torfarbeiten 
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, Reibsteine, 
Feuersteingeräte neu aufgetaucht und 
geborgen. — Ebenso stiess man in 
Stove b. Neubukow bei Aushebung des 
Torfgrundes zwecksAnlage eines Karpfen¬ 
teiches auf in dem Boden stehende 
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, an Alter¬ 
tümern ist eine durchbohrte Grünstein¬ 
axt und eine ungeschliffene Feuersteinaxt 
(dicknackig) der Schweriner Sammlung 
zugegangen. — Die Bedeutung der recht 
häufigen Steinfunde in den Mooren muss 
ja meist zweifelhaft bleiben, so auch eines Fundes von Liessow b. Brüel, von 
wo ebenfalls eine durchbohrte Grünsteinaxt und eine dicknackige Feuer¬ 
steinaxt eingeliefert sind. — Interessant ist der Fund eines Tragtopfes 
von Bernitt b. Bützow, welcher 5 m tief in schwerem Lehm in quelligem 



Abb. i. 


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PRINCETON UNIVERSUM 


III. Aus Museen und Vereinen. 


211 


Boden mit zwei anderen (verworfenen) gefunden ist, wohl ein Brunnen¬ 
fund (Abb. 1). 

Sehr zahlreich sind dann die Beobachtungen von Feuerstein¬ 
werkstätten, wie sie besonders auf sandigen Kuppen in der Nähe 
von Wasserbecken oder Wasserläufen allgemein auftreten. Genauere 
Untersuchungen haben ja nur wenige erhaLten, und eine Sonderung des 
massenhaften Materials ist noch nicht in Angriff genommen. Immerhin 
haben sich an einigen Stellen des Landes Lokalforscher gefunden, die 
ihre Gegend regelrecht absuchen und durch deren Beobachtungen sich 
auch die Individualität der einzelnen Plätze ergibt. Das gilt besonders 
für die Umgegend von Schwerin, Waren, Teterow, Neubukow, Ribnitz. 
Bei sorgsamerer Untersuchung haben sich meist auch Brandstellen 
und Scherben ergeben, aber stets so vereinzelte, dass sie nur auf ge¬ 
legentliche Benutzung der Stelle zurückgehen können. Bei Schwerin 
zieht sich ein Kranz von steinzeitlichen Werkstellen um die Seeufer und 
über ihre Inseln, ähnlich bei Waren an der Müritz und in der Neu- 
bukower Gegend, die an steinzeitlichen Funden überhaupt die reichste 
des Landes ist. Ein Eingehen auf die einzelnen Stellen erübrigt sich 
hier (über die Wustrow-Niehagener s. Mannus I, S. 258), ebenso wie 
eine speziellere Behandlung der Einzelfunde. Einen sehr erfreulichen 
Zuwachs stellt die Erwerbung einer grossen Sammlung von Stein¬ 
geräten dar, die auf der Feldmark eines Gutes, Kl.-Pritz bei Stern¬ 
berg, allmählich gefunden waren und auch einige seltenere Typen gut 
repräsentieren. 

2. Ältere Bronzezeit. Bei dem grossen Reichtum des Landes 
an Bronzen war es befremdlich, dass dasselbe für die Gräber der älteren 
Stufen fast völlig versagte. Für Montelius I war überhaupt nur ein 
Grabfund (Warrenzin; Mecklb. Jahrb. 67, S. 194) bekannt. Jetzt kommt 
(durch private Untersuchung) wenigstens noch einer dazu. Bei Hohen- 
Niendorf bei Kröpelin stiess man im flachen Boden (wenigstens ohne 
erkennbaren Hügel) auf einen flachen Stein, der von kleineren gehalten 
wurde; Gebeine sind darunter nicht beobachtet, doch war der Raum 
gross genug, um einen Körper zu bergen, und die Gegenstände lagen 
in ihm verteilt; es waren: eine „langgestielte Randaxt“ von dem Typ 
LISSAUER, Ztschr. f. Ethnol. 1904, S. 548, 21, bisher in Mecklenburg 
fremd, 19 cm lang; zwei einfache, spitz zugehende Ringe von 8 cm 
Weite; eine Nadel, deren Kopf leider fehlt. — 

Ähnlich ist Montelius II auffallend schwach vertreten; in der Schweriner 
Sammlung kommen auf 233 als Montelius III charakterisierbare Gräber 
nur 20 Montelius II. Daran ändern auch die neuen Funde nichts. Vier¬ 
zehn Gräber sind durch Untersuchungen oder Funde neu bekannt ge¬ 
worden; davon gehören zwei in M. II, neun in M. III, drei sind un¬ 
sicher. Dazu entstammen die M. II-Funde, eine Absatzaxt nordischen 
Typs (LISSAUER, a. a. O. 1905, S. 799, wie sie neuerdings HAHNE aus 
einem hannoverschen Grabe im Jahrb. d. Prov. Mus. 1909, T. XIII., 2 
gegeben hat), von Zülow b. Schwerin; und die Nadel einer Fibel etwa 
wie S. MÜLLER Ordning. 11 von Gr. Bengerstorf bei Boizenburg, zer¬ 
störten Gräbern, auf deren Anlage nicht geachtet ist. — Die M. 111- 
Funde sind natürlich im wesentlichen den stattlichen Hügelgräbern (sog. 
„Kegelgräbern“) entnommen. Die erste Stelle gebührt einem Grabe 

14 * 


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212 


III. Aus Museen und Vereinen. 


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von Dorf Poltnitz bei Neustadt, das gerade für die eigentümlich 
mecklenburgische Richtung in M. III ausserordentlich charakteristisch ist: 
ein Hügel aus Sand aufgeschichtet von ungefähr 3 m Höhe und 24 m 
Durchmesser, früher von einem Steinkranze umgeben, bei dessen Ent¬ 
fernung zahlreiche Urnen zerstört sind. Auf dem Urboden zwei Gräber: 
1. im nördlichen Teile auf Steinpflaster westlich gerichtet; die Lage der 
Beerdigten (denn es ist ein Frauengrab) war durch die Beigaben, 
die alle an ihrer Stelle lagen, deutlich bestimmbar. Holzspuren, die 
am Kopf- und Fussende stärker, in der Mitte schwächer waren, führen 
auf die Beisetzung in einem Totenbaume, Zeugreste an den Bronzen, 
besonders am Halse auf ein wollenes Gewand. Die Bronzen waren: 
am Kopfende kleine Spiralröllchen und ein Spiralring, wohl Haarschmuck, 
in der Halsgegend eine Halsberge (— BELTZ, Vorg. Altert, von Meck¬ 
lenburg-Schwerin 1 ) 30, 75) und ein gewundener Ring, auf der Brust 
eine grosse Bandfibel mecklenburgischen Typs (= VAM 29, 66), in der 
Gegend der Hände (Arme gestreckt zur Seite vorausgesetzt), je ein Hand¬ 
ring, an der rechten Seite auch ein spiraliger Fingerring mit Platten, an den 
Fussgelenken vier Ringe, davon zwei sog. Handbergen (= VAM 32, 67), die 
ja auch sonst als Knöchelringe nachgewiesen sind, alles sicher weibliche Aus¬ 
stattung; 2. im südlichen Teile des Hügels ein zweiter Grabraum, nach Nor¬ 
den mit einer Steinmauer aus Granitblöcken abgegrenzt; an Fundstücken 
nur ein Messer und eine Pinzette; wohl ein Männergrab. Über beiden 
Gräbern Steinkegel, die fast bis an die Spitze des Hügels reichten; der ganze 
Hügel oben in geringer Tiefe mit einer pflasterartigen Steinüberdeckung 
abgeschlossen. Die Erde des Auftrags war durchsetzt mit Kohlen und 
einzelnen Scherben; an mehreren Stellen, besonders in dem Raume 
zwischen den beiden Gräbern, fanden sich auch Brandstellen, wohl von 
Zeremonialfeuern, die bei der Anlage des Grabes brannten; hoch im 
Steinkegel der ersten Bestattung kleine Spiralröllchen, oberhalb der 
zweiten im Erdmantel zwei Gürtelknöpfe, beides wohl nachträgliche Bei¬ 
gaben („Opfer“) an die Bestatteten. — Nahe der Oberfläche ohne Stein¬ 
schutz auf Steinpflaster ein Skelett ow. gelagert, zu Füssen Reste eines 
Tongefässes, welches bronzezeitlich sein kann; sonst ist über die zeit¬ 
liche Stellung dieses Grabes nichts zu sagen. Beachtenswert ist in 
dem Poltnitzer Grab, das Verhältnis der männlichen und der weib¬ 
lichen Bestattung. Männer- und Frauengräber in demselben Hügel 
sind ja in unseren grösseren Hügelgräbern die Regel, auch die reichere 
Ausstattung der Frauengräber ist das gewöhnliche (Beispiele in Fried¬ 
richsruhe, Stülow usw., s. Jahrb. 67, u. s.). Recht auffallend war es 
dabei, dass wiederholt der Mann beerdigt, die Frau verbrannt war; 
man darf aber doch diese Beobachtung nicht verallgemeinern: zu Bei¬ 
spielen der letzten Jahre von Stülow b. Doberan, Granzin b. Lübz, 
Bredentin b. Güstrow, wo die Frau reich geschmückt in gleicher Be¬ 
stattungsart dem Manne beigegeben war, kommt jetzt Poltnitz; mit be¬ 
sonders drastischer Betonung der Hochschätzung der Frau* denn während 
sonst überall dem Manne mindestens sein Schwert mitgegeben ist, muss 
er sich hier mit den notwendigsten Toiletterequisiten Pinzette und Rasier¬ 
messer begnügen, selbst seine Gürtelknöpfe hat man ihm erst nachträg¬ 
lich zugestellt. — 

*) Im folgenden als VAM zitiert. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


213 


Nicht weit von Poltnitz liegen auf dem Felde von Karrenzin bei 
Neustadt eine Reihe von Grabhügeln, von denen drei allmählich soweit 
niedergeackert sind, dass der Inhalt zutage getreten ist: ein gewundener 
Halsring, zwei Handringe, eine Fibel, ein Spiralring, meist nur in Resten, 
und zwei Bernsteinperlen sind geborgen. — Ein sehr schönes Ergebnis 
hatte dann auch die Ausgrabung eines Kegelgrabes von Güstrow, wo in 
dem Priemerwalde (Buchenwald auf Lehmboden) nicht weniger als 29, 
soweit äusserlich erkennbar, sämtlich gut erhaltene Grabhügel dieser Art 
sich befinden. Das ausgegrabene hatte 2 m Höhe, 12 l /a m Durchmesser 
und war aufgetragen aus schwerem Lehm; in der .Mitte unter einer etwa 
3,50 m langen, 1 m breiten, 30 cm hohen Steinüberdeckung der ost¬ 
westlich gerichtete Grabraum, in dem unverbrannte Gebeine und an einer 
Stelle, offenbar zusammen verpackt, folgende Bronzen: Meissei von 
13,8 cm Länge, Messer mit durchbrochenem Griff, Messerklinge ohne 
Griff, Pfriemen mit Homgriff, nadelförmiges Gerät, Pinzette, Nadel 
mit Kugelkopf, kleine Fibel mit gestrecktem Bügel (= VAM 29, 68), 
alle Gegenstände auffallend zart, interessant durch die seltene Zu¬ 
sammenstellung. — 

Geringer war die Ausbeute in dem grossen »Hopfenberge“ von 
Penzin bei Bützow, einem aus schwerem Lehmmergel aufgeschichteten 
Hügel, wo Ref. schon 
wiederholt gegraben 
hat, und in dem eine 
Anzahl Körpergräber, 
sehr schön aus Stein¬ 
platten gebaut oder 
mit einigen Steinlagen 
überdeckt, aber mit 
sehr geringfügigem In¬ 
halt, vereinzelt im 
Berge zerstreut, zum 
Teil übereinander, De¬ 
gen. — Niederge¬ 
ackerten und auf 
diese Weise zerstörten 
Gräbern entstammt 
ein G riff zungenschwert 
(= VAM 24, 16) 
und eine Lanzenspitze 
(= VAM 25, 26) 
von Suckow b. Par- Abb 2. 

diim und ein pracht¬ 
voller Torques mit umgerollten Enden von Leizen bei Röbel (Abb. 2). 

Einige Ausgrabungen sind ergebnislos an Fundstücken verlaufen; 
zwei sehr deutliche und nur oberflächlich berührte Hügel von Sternkrug bei 
Grevesmühlen und Kogel bei Wittenburg ergaben keine erkennbare Grab¬ 
anlage; ähnlich ein Grab von Dammereez bei Boizenburg, das nach aussen 
durch eine Steinumfassung von 23—26 m Durchmesser abgeschlossen 
war und im Innern eine mächtige, kreisrunde, sehr gut gebaute Stein¬ 
packung von 10 m Durchmesser enthielt, aber keine Grabausstattung 
aufwies. — 



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214 


III. Aus Museen und Vereinen. 


Das Hügelgrab dominiert in der älteren Bronzezeit so, dass andere 
Grabformen dagegen verschwinden; doch deuteten schon frühere (vgl. 
Mecklbg. Jahrb. 67, S. 152) Beobachtungen darauf hin, dass wir auch 
in der älteren Bronzezeit Gräber im natürlichen Boden entweder ohne 
jede Erdüberhäufung (also Flachgräber) oder doch mit nur geringem 
Aufwurf anzunehmen haben. Ein neuer Fall liegt vor in einem Grabe 
von Rachow bei Güstrow, wo in ganz ebenem Boden 50 cm tief ein 
Grab in der Form des Körpergrabes, aber mit Leichenbrand (eine vom 
Ende von M. III ja wohl bekannte Erscheinung) angetroffen ist. Inhalt 
zerbrannte Reste eines Halsringes und zweier Bernsteinperlen. 

An Fundstücken, die nicht Gräbern entstammen haben wir aus 
dieser Zeit nur einen Moorfund erhalten, gemacht bei Dargun in den 
Kl. Rosinwiesen, die schon lange durch Steinfunde und steinzeitliche 
Keramik pfahlbauverdächtig sind (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64, S. 156): 
einen bronzenen Pfriemen und ein bronzenes Spiralarmband einfachster 
Art, die beide ganz wohl in M. I gehören können und bei denen ein 
Zusammenvorkommen mit Steingeräten nicht befremden würde. 

3. Jüngere Bronzezeit. Nach wie vor unser Schmerzenskind, 
das sich hartnäckig der ersehnten Gliederung widersetzt; es ist bisher 
unmöglich gewesen, die keramischen Funde und damit die Grabfelder 
auf die in Frage kommenden Perioden M. IV, V, VI aufzuteilen. Der 
Mangel an entscheidenden Metall-Beigaben einerseits, die Gleichmässig- 
keit der meist wenig charakterisierten und langlebigen Tongefässtypen 
anderseits sind noch nicht überwunden. Wir besitzen kein einziges 
Grab, von dem wir behaupten können, dass es unter M. IV fällt. Dabei 
mehrt sich die Zahl der Gräber stetig; und auch ein sicher nicht be¬ 
deutungsloser Unterschied an Grabformen tritt schärfer hervor, deren 
wesentliche wir als Urnenhügel, Hügelgrab und Umenfeld bezeichnen. 

Ein Urnenhügel ist ausgegraben bei Pampin bei Grabow, von den 
beträchtlichen Ausmessungen von 3,30 m Höhe und 20 bis 22 m 
Durchmesser. Das Innere bestand ganz aus Steinen, z. T. Steinpackungen, 
welche die Grabräume gebildet hatten (14 könnten festgestellt werden), 
z. T. Steinhäufungen, die über diesen lagerten; die ersteren waren 
sämtlich zusammen gesunken und ergaben kein konstruierbares Bild. 
Sie hatten auch die Urnen meist zur Unkenntlichkeit zerdrückt. Die 
bestimmbaren erinnern an älterbronzezeitliche Typen (VAM S. 191, 
1. a. b. 2 b) und die geringfügigen Bronzebeigaben (tordierter Hand¬ 
ring, Nadel) sagen nichts; sicher ist also die Stellung des Hügels nicht, 
doch finden wir Analogien zu der Grabanlage erst in der jüngeren 
Bronzezeit. — In unmittelbarer Nähe des Pampiner Hügels liegen eine 
Anzahl sehr ähnlicher, von denen einer früher gute M. III-Funde er¬ 
geben hat; zwischen diesen Hügeln finden sich schwächere Bodener¬ 
hebungen mit Urnen, die z. T. den bekannten jungbronzezeitlichen Typ 
des weitbauchigen hohen Topfes (VAM S. 258,12) haben, ein Zusammen¬ 
liegen von älter- und jüngerbronzezeitlichen Gräbern, wie es in Mecklen¬ 
burg in zahlreichen Fällen beobachtet ist. — Einfacherer Art waren 
Urnenhügel odei Hügelgräber von Granzin bei Hagenow, wo in dem 
Toddiner Forst eine grosse Anzahl von 1 bis 1,5 Meter Höhe und 5 bis 
6 Meter Durchmesser liegen, die stets mehrere (bis 12) Umen- 
stellungen ergaben, in Steinverpackung ohne erkennbare Ordnung im 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


215 


Hügel verteilt, leider infolge des Baumwuchses und früherer Störung 
im Zustande hoffnungsloser Zertrümmerung. — Im allgemeinen dienen 
Hügelgräber zur Bergung einer oder doch nur weniger Urnen; es 
sind noch nicht viele* untersucht, neu bekannt geworden eine Gruppe 
von Alt-Farpen bei Wismar. — Stärker dagegen als wir früher annah- 
men, treten jetzt die jungbronzezeitlichen Urnenfelder bezw. Urnen¬ 
gräber (denn einige scheinen wirklich vereinzelt zu sein) hervor; bei 
nicht genauer untersuchten muss ja die Abgrenzung vom Hügelgrabe 
zweifelhaft bleiben, bei der grossen Mehrzahl der aufzuzählenden aber 
ist es zweifellos, dass sie den eisenzeitlichen Urnenfeldern völlig gleichen. 
Auch in der Lage auf flachen Kuppen in der Nähe von Wasser, der 
Bergung, dem Schwanken der Anordnung (gruppenweise Stellung der 
Urnen und Reihen wechseln oft auf demselben Grabfelde) ist das Bild 
dasselbe; nur die durchgehende sorgsame Behandlung der gereinigten 
und vollständig gesammelten Gebeine ist ein charakteristisch jungbronze¬ 
zeitlicher Zug. Die folgende Aufzählung bestätigt die ältere Beobach¬ 
tung, dass das Urnenfeld im wesentlichen den südlicheren Strichen des 
Landes angehört: im Norden nur Neubukow, Friedrichsdorf bei Neu- 
bukow und Damm bei Dargun, im Nordwesten Dassow (sehr schöne 
kleine Steinkammer tief im Boden, zu der Urne ein Beigefäss), in der 
Mitte KL Schwiesow bei Güstrow und Plauerhagen bei Plau, beide sehr 
ausgedehnt, Grubenhagen bei Teterow, im Süd westen Kogel bei 
Wittenburg, Woez bei Wittenburg, im Süden Ortkrug bei Schwerin, 
Hagenow VII, Kummer bei Ludwigslust, Goehlen bei Ludwigslust, Tuck¬ 
hude bei Neustadt, Suckow bei Parchim, Granzin bei Lübz, Hinrichshof 
bei Röbel. Die Ausstattung ist stets unbedeutend und nichtssagend, 
die Urnen meist von wenig ausgeprägtem Typ. Ein besonderes Inter¬ 
esse nehmen in Anspruch nur Tuckhude durch die ungewöhnliche Fein¬ 
heit seiner an ältere Lausitzer Produkte erinnernden Gefässe und beson¬ 
ders Goehlen: die Urnen die bekannten mit scharfem Umbruch (VAM 
S. 258, 1—4) oder weithalsige Töpfe mit scharfem Absatz (ebd. S. 259, 
13—16), z. T. mit einfachen Strichverzierungen; aber in geringer Ent¬ 
fernung von den Urnen (etwa 20 m) fand sich in derselben Tiefe 
wie diese und in derselben Verpackung mit kleinen Steinplatten ein 
Depotfund von Bronzen (Hängegefäss, zwei getriebene Tassen, drei 
getriebene flache Schmuckscheiben, Nierenring, alles in der Art M. V), 
dessen Zusammenhang mit dem Urnenfelde nach den Lagerungsverhält¬ 
nissen kaum abzuweisen ist, m. W. das erste Mal, dass Grabfeld und 
Depotfund in Verbindung zu bringen sind, sicher ein starkes Gewicht 
für die Annahme, dass die Depotfunde als „Selbstausstattung für ein 
künftiges Leben" einen Ersatz der zurückgedrängten Sitte der Grab¬ 
ausstattung darstellen. 

Von anderweitigen Funden hat die Sammlung sich eines hervorragen¬ 
den Stückes zu erfreuen, eines bei Rothenmoor b. Malchin in einem Moore 
gefundenen Bronzeschwertes (Abb. 3). Das Stück ist nicht unbekannt, 
wenn auch bisher wenig beachtet, indem es lange Jahre als Leihgabe im 
Stralsunder Museum gelegen hat. Von dort ist es nunmehr mit freund¬ 
lichstem Entgegenkommen seiner Heimat zurückgegeben. Es ist ein sehr 
guter Vertreter des jüngeren nordischen Bronzeschwerttyps (MÜLLER, 
Ordning 171), der ein vortreffliches Paradigma für die typologische 


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216 


111. Aus Museen und Vereinen. 


Betrachtungsweise abgibt und in diesem Sinne auch von 
MONTELIUS gern benutzt wird (z. B. Ältere Kulturperioden, 
S. 42); dass aber diese Entwickelung sich nicht spontan voll¬ 
zogen hat, sondern unter Einwirkung des Antennenschwerttpys, 
zeigt sich an dem besprochenen Stück deutlich; die Form 
ergibt die Abbildung, der Griff ist mit Goldblech belegt. 
Länge 84 cm. Die Sammlung besass bisher nur ein gleiches 
Schwert, ebenfalls Moorfund (von Lüssow bei Güstrow) und 
ein Miniaturschwert dieses Typs (VAM 35, 9). 

4. Ältere Eisenzeit. Bei der Verschwommenheit 
unserer jüngstbronzezeitlichen Erscheinungen ist eine Grenz¬ 
linie zur älteren Eisenzeit bisher nicht zu fixieren gewesen, 
und es mögen manche der oben als jungbronzezeitlich be- 
zeichneten Urnenfelder sich später einmal als ältereisenzeitlich 
darstellen. Mit eigenartiger Keramik setzt die älteste Eisen¬ 
zeit hier sicher nicht ein. Immerhin heben sich einige Vor- 
Latene-Erscheinungen jetzt deutlicher ab. Für eine ältere 
Gruppe kann der „unechte Torques“ als Leitform dienen; 
ein neues Grab der Art (Hügelgrab!) ergab Sülten bei Staven- 
hagen. Sodann ist ein sehr interessanter Vertreter der 
„Jastorfer“ Stufe aufgetaucht, das erste ergiebigere und 
deutlich redende im Lande; dasselbe liegt bei Mühlen-Eichsen 
bei Gadebusch. Anlage die übliche: hoch gelegenes, sandiges 
Gelände am Abhang zu einem Bach; die Urnen waren fast 
ausnahmslos stark verpackt, z. T. unter, zusammenhängenden 
Dämmen; Erderhöhungen über den Gräbern waren nirgends 
zu erkennen. Urne und Metallgeräte entsprechen genau den 
von SCHWANTES, Präh. Zeitschr. I, S. 141 aufgeführten. 
Chronologisch wichtig in diesem Ensemble ist eine Arm¬ 
brustfibel mit breitem Bügel und freiem Schlusstück der 
viel besprochenen „Kaulwitzer“ Art (OLSHAUSEN, Zeit¬ 
schr. f. Ethn. 1902, Verh. S. 205); eigenartig ist auch die 
Gestaltung von Flügelnadeln (SCHWANTES 17 u. a.), die 
z. T. in barockgrossen Formen auftreten und auch durch eine 
zweite Nadel zu Fibeln umgewandelt sind, eine Konstruktion, 
wie sie ja auch die Nadel von Heitbrack bei SCHWANTES 
21 zeigt. Der Streifen an der Elbe, auf dem diese für die 
norddeutsche Vorgeschichte so wichtige Gruppe auftritt, ver¬ 
breitert sich durch das Mühlen-Eichsener Feld noch etwas 
nach Norden. — Auf demselben Felde sind nun auch, leider 
nicht von sachkundiger Hand gehoben, sechs frührömische 
Bandfibeln (zwei Bronze, vier Eisen) von der Form Alm- 
gren 37 u. ä. gefunden; ein zeitlicher Zusammenhang mit 
den oben besprochenen Altsachen ist nicht denkbar; doch 
ist ein grosser Teil der Funde und damit sehr viele Urnen 
unbeachtet zerstreut (die ersten Funde wurden bei einem 
Chausseebau gemacht) und die Möglichkeit der kontinuier¬ 
lichen Benutzung nicht abzuweisen. 

Die Masse unserer ältereisenzeitlichen Urnenfelder ge¬ 
hört einer weiteren Stufe an, die im allgemeinen den ost- 



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III. Aus Museen und Vereinen. 


217 


hannoverischen Gräbern der SCHWANTESschen Stufen IIc und III ent¬ 
spricht; eine scharfe Abgrenzung der Keramik nach oben und unten 
ist noch nicht angängig, denn es liegt wirklich nicht so, dass „der Töpfe 
für die Wissenschaft genug gesammelt“ seien (Mannus I, S. 224), und die 
Metallbeigaben versagen. Sichtlich bestehen auch lokale Unterschiede; 
die Umenfelder der östlichen Landesteile scheinen eine Sondergruppe zu 
bilden. In der Grabform tritt die Vorliebe für Abdeckung einer Anzahl 
von Urnen mit gemeinsamer Steindecke hervor; überhaupt überwiegt die 
gruppenweise Stellung vor der reihenweisen durchaus. Die Urnentypen 
sind die VAM 47, 40. 48, 42. 43, 47. 49, 49. 50, 60. 51, 63 gegebenen. 
Wir begnügen uns mit einer Aufzählung der neu bekannt gewordenen: 
Reppenhagen bei Grevesmühlen, Lankow bei Schwerin, Badow bei Witten¬ 
burg, Toddin bei Hagenow, Conow bei Dömitz (besonders reich und 
charakteristisch), Malliss bei Dömitz, Semmerin bei Grabow, Kluess bei 
Güstrow, Gr.-Roge bei Teterow, Dargun (das dritte Grabfeld dieser 
Stufe auf derselben Feldmark), Finkenthal bei Dargun, Neu-Nantrow 
bei Neubukow (interessant durch seine Lage auf einem hohen Berge), 
Selpin bei Tessin, Neu-Wenden bei Tessin, Nütschow bei Sülze. 

Klar tritt dann der Schlussabschnitt hervor, ebenfalls Urnenfelder 
mit massenhaften Urnen, nun aber in geringem Steinschutz, meist dicht 
zusammengedrängt. Die Urnenformen sind die stark profilierte hohe 
Schale (hochliegende grösste Weite, kleine Standfläche), fast stets schwarz 
und gut gearbeitet (VAM 51, 65. 66) und der rundliche Topf (VAM 51, 
67), mit diskretem Ornament gekreuzter Linien mit Punktsaum u. ä. In 
diesen Feldern liegt der Übergang zu der frührömischen Periode. Mäander, 
auch schon Bandfibeln treten gelegentlich auf. Ein guter Vertreter ist 
bei Püttelkow bei Wittenburg aufgedeckt, ebenfalls das dritte ältereisen- 
zeitliche Umenfeld auf einer Feldmark. 

5. Frührömische Eisenzeit. Die wichtigste Bereicherung stellt 
ein Feld von Rachow bei Güstrow dar, welches von der Spät-Latene- zur 
frührömischen Zeit hinüberführt und auch durch seine Lage (es ist das 
erste grössere im östlichen Landesteile ausgebeutete) bedeutungsvoll 
wird. Schon die Anlage war originell: Reihen, aber nicht gleichmässig 
über die grosse Fläche, die mit Grabanlagen besetzt ist, verteilt; 
zum ersten Male in Mecklenburg wirkliche Brandgräber und eine inter¬ 
essante Zwischenform von diesen zum Urnengrabe, indem die Beisetzung 
der Gebeine (ohne Reinigung) und die Mehrzahl der Beigaben in einer 
(meist feinen schwarzen) Urne vorgenommen, aber um diese oder auch 
über sie Brandmasse geschüttet wurde, in dieser Masse vereinzelte Geräte 
und mehrfach einfache braune Tongefässe (wie Abb. 7), eine singuläre 
Erscheinung, da grössere Beigefässe der hiesigen Eisenzeit in ihrem 
ganzen Verlauf sonst fremd sind. Die Urnenformen (Abb. 4. 5. 6. 7) 
stellen alle Übergangsstufen von der Latene-Situla zur frührömischen 
Schale dar und auch die Ornamentik (ausgezogene Mäander und Roll¬ 
stempelmäander) geht denselben Weg. Die Ausstattung enthält in ge¬ 
ringerem Masse Waffen (Lanzenspitzen, Schildbeschläge, keine Schwerter), 
besonders aber Messer und Fibeln von der Spät-Latene-Rahmenfibel bis 
zu den Bandfibeln (A. 27. 37 usw.). — Etwas jünger ist ein Feld von 
Todendorf bei Teterow, nicht weit von Rachow entfernt. 

Aus der kleinen Gruppe der Gräber mit „römischen“ Inventar, den 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


sog. „Römergräbem“, hat das bei weitem wichtigste, das von Hagenow, 
wiederum bedeutungsvolle Funde ergeben: 1,30 m tief frei im Boden 
mehrere einfache Bronzegefässe mit Eisenhenkel, darin reiche kriegerische 
Ausstattung, worunter (das erste Mal) sich auch eine Ringbrünne be¬ 
findet. Eine schmerzliche Erwerbung stellt eine schöne römische Kasse- 



Abb. 6 . Abb. 7. 


rolle mit Fabrikstempel VE.... dar, von Brunow bei Grabow, denn 
es ist der letzte, durch Zufall bewahrte Rest eines grossen vor Jahren 
gemachten und verworfenen Grabfundes, von dem nur der Bericht zu 
erhalten war, dass das Grab aus grossen Steinen gebildet gewesen sei 
und eine grosse Zahl Bronzen und Gläser enthalten habe. 

6. Spätrömische und nachrömische Zeit. Die wenig er¬ 
forschte Periode erhellt sich jetzt in einigen reichen und guten Feldern, 
besonders wie schon früher mit Konzentration im westlichen Landesteile, 
der Elbe zu. Es sind Urnenstellungen ohne Steinschutz, dicht zusammen, 
wohl ausnahmslos in Reihen, die Urnen neben den flachen Schalen 
mit Streifen und Rosettenverzierung, getriebenen Leisten u. a. der ein¬ 
fache braune Topf (Beispiel von. Verklas Abb. 8). Es handelt sich um 
Grabfelder von Verklas bei Dömitz, Hagenow (das achte Grabfeld auf 
dieser an Gräbern reichsten Feldmark des Landes, mit ungewöhnlich 
jungen Typen, z. B. Spangenfibeln) Friedrichsruhe bei Krivitz und 
Liessow bei Brüel; im Osten nur Gorschendorf bei Malchin. 

7. Wendische Zeit: Neben den steinzeitlichen Werkstätten sind 
die wendische Wohngruben die am häufigsten neu auftretenden Fund¬ 
stätten. Sie scheinen wirklich ziemlich gleichmässig über das ganze Land 
verbreitet zu sein. Allgemeines Interesse bietet keine der neu verzeich- 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


219 



neten; eine Beobachtung, die ich bisher noch nicht gemacht habe, war 
in einer Wohngrube von Bellin bei Krakow das Vorkommen zer¬ 
schlagener Pferdeknochen, nach denen also auch das Pferd zur Nahrung 
gedient hat. Ebenso ergaben wen¬ 
dische Skelettgräber, in allen dieses- 
mal vorliegenden Fällen ohne Bei¬ 
mengung von Leichenbrand, von 
Hagenow, Penzin bei Bützow, Bellin 
bei Krakow (auf derselben Fläche 
wie die Wohngruben), Cammin bei 
Laage, Alt-Bukow bei Neubukow und 
Stove bei Neubukow keine neuen 
Züge; wohl aber fand sich in einem 
solchen von Gorschendorf bei Malchin 
zum ersten Male ein Schwert (Eisen 
mit Silberbelag am Griffe Abb. 9); 
fremdartig ist auch eine Skelett- 
Bestattung in einem Hügel bei Neu- Abb. a 

Wendorf bei Tessin; es liegen dort 

eine Anzahl Hügel, die dem Aussehen und früheren Funden nach jung¬ 
bronzezeitlich sein müssen; auf der Sohle eines derselben 1,60 tief lag 
aber nw.-so. gestreckt ein Skelett, das durch Scherbenbeigaben als 



wendisch gesichert ist, an der rechten Seite mit Holzspuren und einem 
zur Unkenntlichkeit verrosteten Eisenstück, anscheinend Lanze mit Schaft; 
das Grab ist wohl als Nachbestattung in einem jungbronzezeitlichen 
Hügel anzusehen. (Wobei aber zu bemerken, dass wendische Hügel¬ 
gräber doch auch Vorkommen; wir haben Beispiele von Damm bei Dargun 
und Sülten bei Stavenhagen, beide Male ausschliesslich mit Leichen¬ 
brand, also wie in den s. Z. stark hervorgehobenen vom Wachliner Busch.) 
— An Einzelfunden sei ein schöner Einbau m aus einem Tannen¬ 
stamm von 4,5 Meter Länge erwähnt, von Kastorf bei Stavenhagen, 
der in einem mit ausserordentlich starken wendischen Kulturresten 
besetzten Seegelände (zwei Burgwälle, eine befestigte Insel, ein Skelett¬ 
gräberfeld liegen dicht zusammen, Brückenfundamente führen von der 
Insel zum Ufer) gefunden ist und dadurch seinen wendischen Ursprung 
wenigstens wahrscheinlich macht. 

Über die wichtigste Untersuchung aus wendischer Zeit auf mecklen¬ 
burgischem Boden, die Untersuchung des Geländes, wo die Tempel¬ 
stätte Rethra vermutet wird, sei auf die betreffenden Berichte 
Ostens in der Zeitschrift für Ethnologie verwiesen. 


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Bericht 

über Neu-Eingänge des Jahres 1909 in der 
vorgeschichtlichen Sammlung im Museum 
der historischen Gesellschaft zu Bromberg. 

Von M. Schultze, Bromberg. 

Mit 20 Textabbildungen *). 


Im Laufe des verflossenen Arbeitsjahres wurde die vorgeschicht¬ 
liche Sammlung der historischen Gesellschaft einer durchgreifenden Neu¬ 
ordnung unterzogen. Es handelte sich in erster Linie darum, die Be¬ 
stände chronologisch und kulturell auf Grund der neuesten wissen¬ 
schaftlichen Ergebnisse zu gruppieren. Die hervortretenden grossen 
Kulturgruppen wurden nach den Forschungen Prof. KOSSINNA’s ethno¬ 
graphisch bezeichnet. Bei der Aufstellung musste vor allen Dingen der 
bescheidene und bereits allein für die vorgeschichtliche Sammlung in 
gar keiner Weise mehr ausreichende Raum in Betracht gezogen werden. 
Jedoch blieben manche Misstände unbeseitbar. Überhaupt ist die 
Raumfrage augenblicklich eine Lebensfrage für ein weiteres gedeihliches 
wissenschaftliches Weitersammeln der Gesellschaft. Daher ist es um 
so mehr zu begrüssen, dass die Stadt der historischen Gesellschaft die 
Überlassung der ganzen Nonnenkirche in absehbarer Zeit in Aussicht 
gestellt hat. Erst dann wird es sich ermöglichen lassen, auch ein den 
Laien belehrendes und befriedigendes Bild unserer heimatlichen Vor¬ 
geschichte zu geben, und damit würde bei dem hier erfreulicherweise 
immer reger werdenden Interesse an der Erforschung unserer heimatlichen 
Vorgeschichte nur einem dringenden Bedürfnisse nachgekommen sein. Von 
den zahlreichen Neu-Eingängen sind eine Anzahl bislang nur leihweise 
übergeben. Dieselben sind als Leihgaben gekennzeichnet. Es steht 
jedoch zu erwarten, dass ein grosser Teil derselben dauerndes Eigentum 
der Gesellschaft wird. Zum Schluss ist es mir noch ein Bedürfnis, 
Herrn Prof. Dr. Erich SCHMIDT auch an dieser Stelle meinen Dank 
auszusprechen für die weitsichtige und tatkräftige Unterstützung, die er 
mir anlässlich der Neuordnung unserer Sammlung angedeihen Hess. 


*) Die Zeichnungen zu 13 c und 46 sind von Herrn Bibliotheksassistent 
BOEHLKE angefertigt worden. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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I. Vorindogermanische Kulturstufen. (Ancylus-Zeit.) 

1. Thure bei Netzwalde, Kreis Schubin. Abbild. 1. 

Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener, 
teilweise abgenutzter Schneide. 

Beim Ausheben von Torf in Tiefe von 15 m gefunden. E. J.2145. 
G. v. Ober-Bürgermeister Knobloch, Bromberg. 



Abb. 1. •/« Abb. 2. '/, 



Abb. 3. V» 


2. Domin. Latkowo, Kreis Hohensalza. Abbild. 2. 

Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener 
Schneide, 1,50 m in gewachsener kalkhaltiger Tonschicht gefunden. 
E. J. 2079, G. v. Landschaftsrat v. Busse, auf Latkowo. 

3. Gegend von Marzenin, Kreis Witkowo. Abbild. 3. 
Wurfspeerspitze. E. J. 2083, 

durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen. 

II. Indogermanische Kulturstufen. (Neolithische Zeit.) 

4. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza. 

a) Steinhammer mit breitem Kopf und dicht unterhalb des Bohr¬ 
loches befindlicher Schneide. Die eine Bohrbahn zeigt ungenau 
angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2029 a. 

b) Kahnförmiger Axthammer mit etwas überhängender Schneide. 
E. J. 2030, 

a) durch Rittergutsbesitzer Schwarz, b) durch Gutsverwalter Kölpin. 

5. Kiesgrube Broniewo, Kreis Hohensalza. 

a) Schneidenteil eines Steinhammers. E. J. 2049. 

b) 2 Bruchstücke von dickwandigem rötlichbraunem Tongefäss mit 
dickem breitem ösenförmigen Henkel. E. J. 2131, 

durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

6. Broniewo, Kreis Hohensalza. 

Bohrzapfen einer Steinaxt. Die dazu gehörige Axt wurde zer¬ 
schlagen. E. J. 2059. 

7. Gniewkowitz Abbau, Kreis Hohensalza. 

Dicknackiges Steinbeil, Schneidenteil stark beschädigt. E. J. 2050. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


8. Eigenheim (Gonsk), Kreis Hohensalza. 

a) Axthammer mit Mittelgrat auf der einen Bohrbahn und über¬ 
hängender Schneide, am Bohrloch verbreitert. E. J. 2051. S. Katal. 
des Prussia-Mus. Teil I, Fig. 9. 

b) Kleines Einsatzbeil. E. J. 2052. 

Nr. 6—8 durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

9. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza. 

a) Dicknackiges Beil. E. J. 2121, 

b) kleines Einsatzbeil. E. J. 2122, 

von Schmied Rodewald daselbst käuflich erworben. 

10. Ostburg (Wonorze), Kr. Hohensalza. 

Steinaxt von dreiseitigem Grundriss. Die eine Bohrbahn zeigt 
ungenau angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2082. 
durch Woinke, Hohensalza. — Leihgabe. 

11. Daheim, Kreis Hohensalza. 

Gefässbruchstück mit je paarweise nebeneinander gestelltem Leiter¬ 
ornament verziert, das nach unten durch kurze Vertikalstriche ab¬ 
gegrenzt wird. E. J. 2130, 
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

12. Göndes, Kreis Bromberg. 

a) Steinaxt mit stark abgenütztem unteren Teil. E. J. 2077. 

b) Kopfteil einer Steinaxt. E. J. 2078, 

c) dicknackiges Feuersteinbei). E. J. 2076, 
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg. 

13. Brahnau, Kreis Bromberg. 

a) Schaber und Späne von Feuerstein, von denen einige Feuer¬ 
einwirkung zeigen — sowie Bruchstücke von Gefässen in aus¬ 
gewehten Sanddünen gesammelt. E. J. 2183 a—c. Einzelne 
Bruchstücke gehören dem Mittelalter an. 

Durch M. Schultze, Bromberg. 

b) 2 Bruchstücke von Gefässen mit Schnurverzierung, sowie ein 
prismatischer Feuersteinspan, 

c) 5 Bruchstücke, 2 mit Griffansatz, 1 mit Griffzapfen, mit Gruppen 
seichter vertikaler Striche verziert, die von einer horizontalen 
Reihe von Punkteinstichen begrenzt sind. Abbild. 4. E. J. 2182. 
b und c durch Dr. Kothe, Berlin. — 

Leihgabe. 

14. Weissenhöhe, Kreis Wirsitz. 

a) dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2074, 
durch Dr. Brunk, Nakel. 

b) Feuersteinkernstück. E. J. 2167, 
durch Hauptlehrer Mathwig, Weissen¬ 
höhe. 

15. Dreidorf, Kreis Wirsitz. 

Bruchstück einer Steinaxt E. J. 2169, 
durch Gutsbesitzer Stockmann, Dreidorf. 

16. Hedwigshorst, Kreis Schubin. 

Axthammer von Stein mit ebenen Bohr¬ 
bahnen und gewölbten Seitenflächen. 

E. J. 2175, durch Baurat Schulz, Schneidemühl. 



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III. Aus Museen und Vereinen. 


223 


17. Kahlstädt, Kreis Kolmar. 

Steinaxt, Ober- und Unter-Seite eingesenkt. E. J. 2166, 
durch Lehrer Lück, Lindenwerder. 

18. Rad sch in, Kreis Kolmar. 

Steinaxt (Pflugschar?). Der Kopfteil zeigt ein altes Bohrloch. 
E. J. 2161, 


durch Lehrer Kretschmann — Leihgabe. 

19. Liepe, Kreis Kolmar. 

Dicknackiges Steinbeil. E. J. 2176, 
durch Baurat Schulz, Schneidemühl. 

20. Schönlanke, Kreis Czarnikau. 

Dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2085, 

Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen. 

21. Gostyn, Kreis Gostyn, Reg.-Bez. Posen. Abbild. 5. 
Axthammer von Stein mit ebener unterer Bohr¬ 
bahn, die obere gewölbt, Schneide überhängend. 

Der Kopf springt nach vorn etwas vor. E. J. 2028. 

In einem Torfmoor gefunden. 

Durch Dr. Kothe, Berlin aus der Sammlung des 
verstorbenen Friedrich Franc v. Liechtenstein. 

— Leihgabe. 

22. Birglau bei Thorn, Prov. Westpr. 

Steinaxt von 5 seitigem Grundriss. E. J. 2087. 

Dieser Typus gehört jedoch wahrscheinlich bereits 
der Bronzezeit (thrakische Kulturgruppe) an. 

23. Buchtafort bei Thorn, Prov. Westpr. 

Steinaxt. E. J. 2086. 

24. Umgegend von Thorn, Prov. Westpr. 

Melonenförmiger Keulenkopf. E. J. 2084. 

Die Nr. 22—24 durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen. 



Abb. 5. »;*. 


Älteste Bronzezeit; Periode I des Montelius. 

25. Kreis Schwetz? Prov. Westpr. 

a) Randbeil, entspricht dem norddeutschen Typus der Randäxte. 
E. J. 2034. 

durch Th. Schemel in Crone a. Br. — Leihgabe, 

b) Randbeil von gleichem Typus. E. J. 2035, 
durch Adolf Kolwitz, Bromberg, — Leihgabe. 

26. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza 1 ). 

Inhalt zweier reich ausgestatteter Gräber. S. dazu auch Korre- 
spondenz-Bl. der D. anthrop. Ges. 09, Heft 9/12, p. 100. 

Grab 1. E. J. 2029 e—n, 

Grab 2. E. J. 2029 o, 

durch die Herren Rittergutsbes. Schwarz, Regierungsrat Sckerl und 
Gutsverwalter Kölpin. Die im Besitze des Regierungsrates Sckerl 
befindlichen Bronzen sind bedauerlicher Weise nur leihweise 
übergeben. 


l ) Die beiden Gräber scheinen nicht gleichaltrig zu sein und können keines¬ 
falls beide in Per. I der Bronzezeit gesetzt werden. G. K. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


III. Thrakische Kulturgruppen. Mittlere Stufe. 


27. Kreis Schwetz? Prov. Westpr. 

Bronzene Lanzenspitze. E. J. 2036. Abbild. 6 
durch Adolf Kolwitz, Bromberg. Leihgabe. 

28. Wreschin, Kreis Filehne. 

(vgl. dazu Ausstellungskatalog des K.-F.-M. in Posen, Posen 09, 
Nr. 507—511) auch Nachtrag unter Wreschin. 

a) 91 Tongefässe, Bruchstück einer 5 seitigen Stein¬ 
axt neben einer Urne gefunden. 2 Käsesteine 
(tonnenförmig), 1 Bronzenadel mit annähernd 
kugelförmigen in der Mitte durch 2 Einfurchungen 
gegliedertem Kopf, 2 Vasenkopfnadeln (Bronze), 

2 kleine Bronzeringe (kreisförmig), einer davon 
geschlossen, 2 Bronzeschlacken. E. J. 2118. 

b) 39 Gefässe, 2 Käsesteine und 3 Eiersteine (die¬ 
selben lagen zusammen in einer zerstörten Urne), 
ein Gefässbruchstück. E. J. 2119. 

c) Inhalt 3 er Gräber. Fo. Nowakscher Wald, östlich 
von obiger Fundstelle. 

Grab 1. Urne und 7 Beigefässe, 2 davon nicht 
erhalten. In der Urne lag 1 Bronzenadel mit 
doppelkonischem Kopf, 2 Spiralanhänger, 2 kleine 
Bronzezylinder, 1 kleine Tonperle. 

Grab 2. Urne mit 4 Beigefässen. In der Urne 
ein Angelhaken. 

Grab 3. Urne mit 6 Gefässen. In der Urne 1 Vasenkopfnadel 
(Bronze) und 2 kleine Bronzestücke. Neben diesem Grab fand 
sich ein Bruchstück einer 5 seitigen Steinaxt. E. J. 2119. 
a—c Privatsammlung Wolff (Oberleutnant und kgl. Distrikts¬ 
kommissar in Filehne) zur dauernden Aufstellung übergeben. 

d) 13 leihweise übergebene Gefässe vom gleichen Gräberfeld im 
Besitze des Bergrates Ertel, Hohensalza wurden auf Verlangen 
zurückgegeben. E. J. 2117. 

29. Rosko Annavorwerk, Kreis Filehne. 

5 Tongefässe, Areal des Ansiedlers Lüders. E. J. 2120, 
durch Distriktskommissar Wolff, Filehne. Privat-Sammlg. Wolff. 

30. Seeort (Alt Witkowitz), Kreis Kolmar. 

Vergl. dazu Ausstellungskatalog des K. F. M., Posen 1909, S. 110 f., 
Nr. 1721—50. 

25 Tongefässe, 14 kleine Tonperlen, Bruchstück eines Rasiermessers, 
Bruchstück einer kleinen Bronzeknopfsichel, 2 kleine spiralig ge¬ 
wundene Bronzeringe (2 Windungen), 1 Vasenkopfnadel (Bronze), 
1 Nadel mit Stempelkopf und gegliedertem Hals (Bronze), 4 Käse¬ 
steine (einer tonnenförmig und einer prismatisch geformt). E.J.2103, 
durch Lehrer Lück in Essen a. Ruhr. — Leihgabe. 

31. Brahnau, Kreis Bromberg. 

Ein nur teilweise erhaltenes Gefäss. E. J. 2073, 
durch Arbeiter Schmidt, Bromberg. 



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III. Aus Museen und Vereinen. 


225 


32. Gegend der unteren Netze. 

Bronzenadel mit grossem spiralig aufgerolltem Kopf. E. J. 2038« 
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe. 

33. Gegend von Thorn, Prov. Westpr. 

Bronzehohlbeil. E. J. 2088, 

durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen. 

IV. Ostgermanische Kulturgruppen, 

a) Älteste Eisenzeit bis zur Lat&ne-Zeit. 

34. Rabenhorst, Kreis Bromberg. 

a) Aus einem Steinkistengrab 1 Bronzeohrring, 3 Bruchstücke eines 
eisernen Ohrringes mit aufgezogenen Perlen. E. J. 2157. 

b) Aus einem weiteren Grabe Gefässbruchstücke, dieselben zeigen 
Verzierung mit hängenden Bogen. E. J. 2158, 

Fo. von a und b Propsteiland, 
durch Gutsbesitzer Steller, Rabenhorst. 

35. T risch in? Kreis Bromberg. Abbild. 7. 

Urne mit Resten des Leichenbrandes. Der 
Gefässkörper ist mit vertikalen und horizon¬ 
talen Furchen gitterartig verziert. E. J. 2037 
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — 

Leihgabe. 

36. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza. 

Urne mit Deckel. E. J. 2029 i, 
durch Rittergutsbesitzer Schwarz. 

37. Birkenbruch, Kreis Wirsitz. 

1 Urne gefunden auf dortiger Feldmark. 

E. J. 2184, 

durch Gemeindevorsteher Bethke. 

38. Iwno, Kreis Schubin. 

Gefässbruchstücke aus einem zerstörten Grabe. E. J.2146, 
durch M.. Schuftze, Bromberg. 

Es handelt sich um das gleiche Gräberfeld wie Zeitschr. f. Ethnol. 
1905, S. 899. Es sind hier durch Erdarbeiten anscheinend 20 
Gräber, darunter auch Glockengräber zerstört worden. Das Gräber¬ 
feld enthält demnach Gräber aus 2 verschiedenen Perioden. 

39. Eckartsfelde, Kreis Znin. 

Bruchstück mit dem Gesichtsteil einer Gesichtsurne mit Nasen¬ 
löchern. Die Augen weiss inkrustiert. E. J. 2159, 
durch Dr. Küster, Exin. 

Ein Teil der Bruchstücke befindet sich noch im Besitze des Dr. 
Küster. 

40. Studsin. Kreis Kolmar. 

2 Urnen mit Resten des Leichenbrandes, eine mit Deckel. E. J. 2180 
durch Kauf von Besitzer Gatzke, Studsin. 

41. Sch wetz, Prov. Westpr. 

2 Gefässe, Bruchstücke von Gefässen und Beigaben von Eisen 

und Bronze. E J. 2179, 

durch Buchdruckereibesitzer Büchner, Schwetz. 

Mannus. Bd. II. 15 



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III. Aus Museen und Vereinen. 


b) Latene-Zeit. 

42. Lat ko wo, Kreis Hohensalza. Abbild. 8. 

Kleine Schale mit abge¬ 
setztem Rand, halb er¬ 
halten , mit schwacher 
Bodendelle. Die Gefäss- 
Schulter umzieht ein Band 
kleiner schräger Eindrücke, 
nach oben und unten 
durch eine schmale Ein¬ 
furchung abgegrenzt. Der 
Unterteil des Gefässes 
ist durch breitere, nach 
dem Boden zu radial ver¬ 
laufende Furchen verziert. 

E. J. 2067, 
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo. 

43. Usch, Kreis Kolmar. 

Eiserne Lanzenspitze. E. J. 2040, 

durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe. 



Abb 8. v. 



Abb 9. ■/* 


c) Römische Kaiserzeit. 

44. Ost bürg (Wono ree), Kreis Hohensalza. 

4 römische Münzen. E. J. 2172 1 )» 
durch Kauf erworben. 



Abb. 10 «/, Abb. 11. '/, 


45. Latkowo, Kreis Hohensalza. 

a) 2 Denare des Kaisers Trajan. E. J. 2114 und 2115, 

b) römische Salbenflasche (Glas). E. J. 2101. Abbild. 9. 

c) Tontasse mit Henkel und 1 Tongefäss S. Zeitschr. f. Ethnol. 05, 
S. 394. Abbild. 3. E. J. 2063 u. 64. Abbild. 10, 11. 

a—c durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo. 

’) Durch Herrn Dr. Regling, Berlin, freundlichst bestimmt: 2 Denare des 
Kaisers Trajan, Cohen 2 No. 404 und 405; Denar des Kaisers Hadrian, Cohen 1 - 
No. 874; Hadrianus, Grossbronze Cohen* No. 817. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 

46. Domin. Broch bei Flatow, Prov. Westpr. 

Silberner Ring, das eine Ende ist breit ge¬ 
hämmert und zu einer Ose umgebogen. Ein 
Teil des Ringes ist mit dünnem Silberdraht 
umwickelt. E. J. 2174 1 ) Abb. 12, 
durch Oberbürgermeister Knobloch. — Leih¬ 
gabe. 

V. Slawische Periode. 

48. Lat ko wo, Kreis Hohensalza. 

a) Gefässbruchstücke und Tierknochen aus 
E. J. 2126, 

durch Herrn Landschaftsrat v. Busse, Latkowo, 

b) bearbeitete Geweihsprosse. E. J. 2070, 
durch Landschaftsrat v. Busse. 

48. Nieder-Strelitz bei Fordon, Kreis Bromberg. 
Gefässbruchstücke von einer slavischen Siedelung, Areal de$ Be¬ 
sitzers Kunkel. E. J. 2104, 

durch N. Schultze, Bromberg. 

49. Kruschwitz, Kreis Strelno. 

Ein Schlittknochen. E. J. 2039, 

durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe. 

50. Wolsko, Kreis Wirsitz. 

4 Gefässbruchstücke und ein Bewurfstück, vom Burgwall daselbst. 
E. J. 2164, 

durch Hauptlehrer Mathwig, Weissenhöhe. 

51. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza 

Gefässbruchstücke, einige bereits aus dem Mittelalter. Areal des 
Schmiedes Rodewald. E. J. 2140, 
durch M. Schultze, Bromberg. 

Funde aus verschiedenen Perioden. 

52. Latkowo, Kreis Hohensalza. 

a) Gefässbruchstücke von 3 verschiedenen Fundplätzen daselbst. 
E. J. 2062, 

durch Landschaftsrat v. Busse u. M. Schultze, Bromberg, 

b) 3 Bruchstücke von 2 schwach versilberten Kupferschalen. E. J. 2065 

c) Reibstein und Mahlstein. E. J. 2171, 
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo. 

53. Jacewo, Kreis Hohensalza. 

Gefässbruchstücke. Acker des Ansiedlers Wendt 2135 und E. J. 2162 
durch Lehrer Schmitt, Jacewo. 

54. Broniewo (Kiesgrube), Kreis Hohensalza. 

Konischer durchbohrter Bernsteinknopf. E. J. 2137, 
durch Lehrer Schmitt, Jacewo. 


’) Die Zeitbestimmung ist unsicher. Vielleicht gehört der Ring bereits in 
die folgende Periode. 

15* 


227 



einer Siedelung. 


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228 


III. Aus Museen und Vereinen. 


55. Elsenheim (Wilkostowo), Kreis Hohensalza. 
Bernsteinanhänger, neolithisch? E. J. 2136, 
durch Lehrer Schmitt, Jacewo. 

56. Eichenhagen, Kreis Wirsitz. 

Bernsteinperle, römische Kaiserzeit? E. J. 2168, 
durch Lehrer Nicolaus, Eichenhagen. 

57. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza. 

a) Tonschale. E. J.2031, 

durch Lehrer Becker, Hohensalza, 

b) Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E. J. 
2029 e, 

durch Rittergutsbesitzer Schwarz, 

c) Holzkohle und Tongebilde, anscheinend aus einer zerstörten 
Wohngrube. E. J. 2160, 

durch M. Schultze, Bromberg. 

58. Qniewkowitz, Kreis Hohensalza. 

3 Spinnwirtel. E. J. 2054/56, 

Spinnwirtel aus Stein. E. J. 2057, 

Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E. J. 2053. 

59. Daheim, Kreis Hohensalza. 

Gefässbruchstück. E. J. 2130, 

durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

60. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza. 

Bruchstück einer Lanzenspitze. E. J. 2139, 
durch Schmied Rodewald daselbst. 

61. Gon des, Kreis Bromberg. 

Tonring (als Gefässuntersatz?) E. J. 2112, 
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg. 

62. Ros ko, Kreis Filehne. 

Mahlstein, gefunden auf einem Steinhaufen, Areal des Besitzers 
Mathwig. E. J. 2152. 

Privatsammlung Wolff Filehne. 

63. Crone a. Br., Kreis Bromberg. 

Mahlstein aus einem Grabe in Schiffssetzung auf dem Iwickischen 
Vorwerk. Im Grabe soll eine Urne gewesen sein, die nicht er¬ 
halten wurde. E. J. 2148. 

G. v. Theodor Schemel in Crone a. Br. 

64. Gulcz Abbau, Kreis Filehne. 

2 Mühlsteine. E. J. 2150-2151, 

Privatsammlung Wolff, Filehne. 

65. Jacewo, Kreis Hohensalza. 

1 Reibstein. E. J. 2044, 

durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

66. Insel Ostrowek im Goplo See, Kreis Strelno. 

Reibstein. E. J. 2149, 

durch Brauereibesitzer Schemel in Crone a. Br. 


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PRINCETON UNlVERSii; 



III. Aus Museen und Vereinen. 


229 


Schädel und Knochenreste aus zeitlich nicht sicher 
bestimmbaren Gräbern. 

67. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza. 

a) Schädel mit Unterkiefer. E. J. 2029 f, 

b) defekter Schädel nebst Unterkiefer. E. J. 2029 h, 

c) Bruchstücke eines menschlichen Schädels. E. J. 2029 g, 
a—c durch Rittergutsbesitzer Schwarz auf Schadlowitz. 

Die Schädel stammen von dem gleichen Felde wie Fund Nr. 26, 
doch lassen sie sich nicht sicher datieren. 

68. Broniewo bei Güldenhof, Kreis Hohensalza. 

a) Schädel. E. J. 2032, 

durch die. Knabenmittelschule in Hohensalza, 

b) Schädel. E. J. 2033, 

durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo. 

Diese Schädel stammen von dem gleichen Gräberfeld, von dem 
früher Geräte und Schmucksachen der neolithischen Zeit aus 
Geweih und Knochen eingeliefert wurden, sind auch wahr¬ 
scheinlich mit diesen Funden gleichzeitig anzusetzen; s. auch 
Nr. 5 a und b ferner Korrespondenzbl. der D. Ges. f. Anthrop. 
Jahrg. 09, Heft 9/12, p. 100. 

69. Lat ko wo, Kreis Hohensalza. 

Bruchstücke eines menschlichen Schädels sowie Knochenreste aus 
einem Grabe. E. J. 2125* 

Das Skelett lag zwischen 4 Steinen von je ca. '/* m Höhe. Der 
Durchmesser des Grabes betrug ca. 3 /4 m. Nach Angabe des Finders 
Herrn Landschaftsrates v. Busse soll es in zusammengezogener 
Stellung gelegen haben, 
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo. 

70. Sammlung des Freiherrn v. Schlichting auf Wierzbiczany, 

Kreis Hohensalza. — Leihgabe. 

Indogermanische Zeit. 

1. Axthammer mit schräg zulaufendem Bahnende. E. J. 2090. 

2. Streithammer mit halbkugelförmig abgesetztem Kopf, am Bohrloch 
verbreitert, Schneidenteil überhängend. Die obere Bohrbahn mit 
3 Vertikal-Furchen und unterhalb des Kopfes mit 2 Horizontal- 
Furchen verziert. E. J. 2089. Abbild. 13. 

3. Lanzenspitze aus Feuerstein. E. J. 2099. Abbild. 14. 

4. Schnurbecher mit 11 zeiliger Schnurverzierung unterhalb des Randes 
und 4 wagerecht durchbohrten Ösen. E. J. 2091. Abbild. 15. 

Römische Kaiserzeit. 

5. 2 Henkeltassen. E. J. 2092 und 2093. Abbild. 16, 17. 

6. 1 schwarzer Becher. E. J. 2095. Abbild. 18. 

Gegenstände verschiedener Perioden. 

7. Fingerring. Abbild. 19. 

Gemme (Alsenpaste), darauf ein Reiter mit Pferd? eingeritzt — 
in Bronzefassung, wohl provinzialrömische Arbeit. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 










III. Aus Museen und Vereinen. 


231 


8. Nadel aus Bronze. Oberer Teil des Nadelschaftes vierkantig, mit 
eingravierten Quer- und Schräg-Linien verziert — in eine Öse aus¬ 
gehend mit kleinem Ring, an dem ein halbmondförmiger Anhänger, 
mit 2 Reihen eingehämmerter Punkte verziert. An beiden Enden 
desselben hängt gleichfalls an Ringen 1 kleinerer unverzierter 
halbmondförmiger Anhänger. E. J. 2100. Abbild. 20. 

9. Ein Reibstein. E. J. 2096. 

Sämtliche Gegenstände mit Ausnahme von Nr. 8 in Parchanie 
Parzelle auf dem Windmühlenberg gefunden. 

Fo. von der Nadel Nr. 8 hinter dem Park von Wierzbiczany in 
den Überresten einer zerstörten Aschenurne. (Mitteil, des Herrn v. 
Schlichting.) 

71. Sammlung des Oberlehrers Rohloff in Weissenfels a. S. 

E. J. 2155. Leihgabe. 

Die Gegenstände sind sämtlich von Schulkindern innerhalb des 
Schulbezirkes Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza, gesammelt. Der 
Schulbezirk Jesuiterbruch umfasst die Gemeinden: Jesuiterbruch, 
Kaczkower Neudorf (heute Neu linden) und 3 Gehöfte der Ge¬ 
meinde Klein Glinno (heute Bismarckstreu). (Bericht des Ober¬ 
lehrers Rohloff.) Die Stücke gehören der Hauptmasse nach in die 
indogermanische Zeit. 

1. 2 Beile mit Schäftungsrillen. Nr. 34 u. 36. 

2. 1 Beil mit Schäftungsabsatz. Nr. 35. 

3. Steinaxt (Pflugschar?). Nr. 37. 

4. 2 Kopfteile von Steinäxten. Nr. 47 u. 48. 

5. Schneidenteil eines Steinhammers. Nr. 46. 

6. Beile von spitzovalem Querschnitt. Nr. 3. u. 23. 

7. 1 Feuersteinbeil v'm spitzovalem Querschnitt. Fo. Jesuiterbruch. 
Nr. 4. 

8. Steinbeil von ovalem Querschnitt. Nr. 22. 

9. 2 Steinbeile. Nr. 21, 33. 

10. Kleines Einsatzbeil, eine Seite eben. Nr. 8. 

11. 11 dicknackige Beile verschiedener Grösse, zum Teil mit be¬ 
schädigter Schneide. Nr. 9—11, 14 u. 15, 17, 19, 20, 28, 29, 32. 

12. 3 dicknackige Beile. Fo. K. Neudorf. Nr. 12, Jesuiterbruch. 
Nr. 16 u. 18. 

13. Dicknackiges Beil aus Feuerstein. Nr. 7. 

14. 2 kleine dicknackige Beile aus Feuerstein. Fo. K. Neudorf. Nr. 5. 
Jesuiterbruch. Nr. 6. 

15. 6 dicknackige Beile von beinahe rechteckigem Grundriss. Nr. 13, 
26, 30, 31. Jesuiterbruch. Nr. 24. Kl. Glinno. Nr. 27. 

16. 9 Schneidenteilbruchstücke dicknackiger Beile. Nr. 1, 2, 38, 40, 
41, 43—45. Fo. K. Neudorf. Nr. 42. 

17. 2 Bruchstücke mit bogenförmiger Schneide. Nr. 39. Fo. K. Neu¬ 
dorf. Nr. 25. 

18. 1 Schaber und 5 prismatische Feuersteinspäne. Nr. 57. 

19. Keulenkopf, in Form einer flach gedrückten Kugel, mit flacher 
peripherisch eingeschnittener Rinne, an den Polen schwach erhöht. 
Fo. Kl. Glinno. Nr. 49. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


20. Kupferflachbeil. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 51. 

21. Stein prismatischer Form. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 50. 

72. Sammlung des Hauptlehrers Lück, Margonin. 

E. J. 2177. Unter Vorbehalt des Eigentumsrechts übergeben. 

1. Sagemühle, Kr. Kolmar. 

Schneidenteilbruchstück eines grösseren Steinbeiles von ovalem 
Querschnitt. 

2. Sulaszewo, Kr. Kolmar. 

Schneidenteilbruchstück eines dicknackigen Beiles mit bogenförmiger 
Schneide. 

3. Seeort (Alt-Wittkowitz), Kr. Kolmar. 

Etwas beschädigte Steinaxt von 5seitigem Grundriss, 

16 Gefässe, sowie mehrere Bruchstücke von Gefässen, vergl. dazu 
auch Nr. 30. Es handelt sich um Funde von dem gleichen 
Gräberfeld. 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 

Zweiggesellschaft Berlin. 


Ausflug nach Seddin. 

Am Sonntag, den 20. Juni 1909, unternahm die Zweiggesellschaft Berlin unter 
Führung des 1. Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA einen Ausflug nach 
Perleberg und dem Königsgrabe bei Seddin in der Prignitz. 

Mit dem fahrplanmässigen D-Zuge fuhren die Teilnehmer der Wanderfahrt 
zunächst nach Wittenberge und von dort nach kurzem Aufenthalte über Perleberg 
weiter nach Rohlsdorf, wo Rendant RATIG aus Perleberg die Führung übernahm. 
Vom Bahnhof Rohlsdorf begab man sich zunächst nach Kreuzburg, einem alten 
Runddorfe am Ufer der Stepnitz. In der Mitte des Dorfes liegt auf einer Erhöhung 
die einfache Fachwerkkirche ohne Turm, in der sich einige Heiligenfiguren aus 
dem 15. und drei Leuchter und ein Kelch aus dem 17. Jahrhundert befinden, neben 
der Kirche steht der hölzerne Glockenschuppen mit zwei Glocken aus dem 
Jahre 1846, die das Wappen der Edlen Gänse von Putlitz tragen. Von Kreuzburg 
ging es in nördlicher Richtung auf das Gehöft Kahl hörst zu, in dessen Um¬ 
gegend mehrere Steingräber liegen. Eins von diesen, das Rendajit Ratig 
untersucht und dem er verschiedene Waffen und Gerätschaften aus Bronze ent¬ 
nommen hat, wurde besichtigt, dann wanderte man nach dem nördlich von Kahl¬ 
horst belegenen Seddiner Grabhügel. Eine Höhe von 11 m, ein unterer Durch¬ 
messer von 70—80 m und ein Umfang von etwa 300 Schritt lassen das Königs- 
grab bei Seddin alle bisher in Norddeutschland bekannten vorgeschichtlichen 
Grabstätten an Grösse übertreffen. Die Sage behauptete, in dem Hinzberge, 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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wie der Hügel auch genannt wurde, sei der König Hinz, ähnlich wie in der Attila¬ 
sage, in einem dreifachen Sarge, in einem steinernen, kupfernen und goldenen 
Sarge beigesetzt worden, während die beiden südlich bei Kahlhorst gelegenen Grab¬ 
hügel seinen Ring und seine Schatztruhe enthalten sollten. Trotzdem Jahrtausende 
seit der Bestattung vergangen sind und die Bevölkerung mehrmals in der Prignitz 
gewechselt hat, blieb die Sage von dem Königsgrabe im Volke erhalten, und viele 
Schatzgräber haben es seit Jahrhunderten versucht, den goldenen Sarg des Riesen¬ 
königs und die im Grabe verborgenen Schätze zu heben, aber alle Nachgrabungen 
hatten bei dem gewaltigen Umfange des Grabhügels keinen Erfolg, zumal die 
Grabungen in der Mitte des Hügels vorgenommen wurden, während die Grab¬ 
kammer, wie bei vielen vorgeschichtlichen Gräbern, seitlich mehr nach Süden hin 
liegt. Ganz zufällig stiessen im September 1899 Arbeiter beim Abtragen der Feld¬ 
steine, die nebst den mit Lehm gemischten Sandmassen den Inhalt des künstlich 
aufgeschütteten Hügels bilden, auf eine grössere Steinplatte und auf die dahinter 
liegende Grabkammer. Ihr Inhalt wurde auf Veranlassung des Rechtsanwalts 
HEINEMANN am 20. September 1899 von der Pflegschaft des Märkischen Museums 
geborgen und nach Berlin ins Museum gebracht. 

Die Grabkammer ist in dem Zustande, wie sie gefunden wurde, belassen 
worden, der Eingang ist, nachdem die Regierung der Provinz Brandenburg den 
Hügel käuflich erworben hat, durch eine Aufmauerung von Steinen geschützt wor¬ 
den, um ein Herabrutschen der Sandmassen zu verhindern; ausserdem schliesst 
eine eiserne Gittertür die Grabkammer gegen unbefugtes Betreten ab. Durch eine 
schmale Öffnung steigt man etwa einen halben Meter hinab und befindet sich nun 
in einem kleinen Raume, dessen Höhe in der Mitte 1,60 m und an den Seiten 
1 m beträgt, während der Durchmesser der neunseitigen Grabkammer zwischen 
1,96 und 2,12 m schwankt. Die Seiten der Kammer werden von neun glatten Stein¬ 
platten gebildet, die in polygoner Grundrissform aneinander gesetzt sind und 1 m 
über die Sohle der Kammer emporragen, während sie 1 m tief in den Sandboden ein¬ 
gesenkt sind. Die Decke des Grabgewölbes wird durch zwei Reihen über die 
Seitenwände vorstehender Steinplatten gebildet und ist durch eine darübergelegte 
Platte geschlossen, wodurch eine Wölbung entsteht, wie sie bei den mykenischen 
Kuppelgräben vorkommt. Die senkrechten Steinplatten waren bei der Aufdeckung des 
Grabes mit einem Bewurf von fettem Lehm bedeckt, auf den Malereien in Form 
von zwei parallelen, am oberen Rande umlaufenden Streifen mit troddelartigen An¬ 
hängseln aufgetragen waren J ). Jetzt ist diese Bemalung zum grössten Teil ver¬ 
schwunden, da sich viele Besucher Teile des Lehmbewurfs als Andenken mitge¬ 
nommen haben. In dieser Grabkammer standen eine grosse Ton-Urne und in 
dieser ein Bronzegefäss von doppelkonischer Gestalt mit Bronze-Deckel, das den 
Leichenbrand einer männlichen Person und verschiedene Beigaben aus Bronze 
enthielt, so eine Bronzeschale, Hals- und Fingerring, Messer und Hohlbeil, und vier 
Tongefässe mit Leichenbrand und allerhand Beigaben; neben der grossen Urne 
steckte ein 50 cm langes Bronzeschwert mit dem Griffe im Boden. Es handelt sich, 
wie die Grösse der Anlage und die Kostbarkeit der Beigaben zeigt, um angesehene 
Toten, vermutlich ein germanisches Fürstenpaar. 

Was die Beisetzung betrifft, so könnte man an eine Art Mausoleum denken, 

’) Bei einem Besuch der Grabkammer am 7. Oktober 1900 fand ich noch beträchtliche Spuren 
der Wandmalerei, und zwar .var die gegen 1 m hohe Seitenwand an einer Stelle durch drei tiefrote 
parallele Streifen, die je 12 cm breit waren, verziert. Der unterste Streifen war vom Boden der Grab¬ 
kammer 18 cm entfernt, der Zwischenraum zwischen dem 1. und 2. Streifen betrug gleichfalls 18 cm, 
der zwischen dem 2. und 3. Streifen 13 cm. Albrecht. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


in dem die Personen, deren Asche gefunden worden ist, nacheinander beigesetzt 
wurden. Wahrscheinlicher ist allerdings die Annahme, dass bei der Verbrennung 
der Leiche des Fürsten die Gattin und Leute aus dem Gefolge sich dem Flammen¬ 
tode weihten, eine Sitte, die in jener Zeit bei den Germanen und auch bei den 
Italikern verbreitet war, und dass die Bestattung der im Seddiner Grabe ruhenden 
Toten zu gleicher Zeit erfolgt ist, nachdem die Verbrennung im Beisein einer 
grossen Volksmenge erfolgt war, die zur feierlichen Bestattung herbeigeströmt war. 
Von den Stammgenossen des dahingeschiedenen Fürsten wird dann auch die 
Aufschüttung des gegen 30 800 Kubikmeter Sand und Lehm nebst Feldsteinen ent¬ 
haltenden Hügels vorgenommen worden sein. Rings um den Grabhügel wurde ein 
Bannkreis von grossen Findlingsblöcken gelegt, der zum grössten Teil heute noch 
erhalten ist. 

Vor dem Eingang zur Grabkammer wies Prof. Dr. KOSSINNA auf die Be¬ 
deutung der im Königsgrabe gemachten Funde und auf die Stellung, die die Prignitz 
durch ihre Fundstätten in der Vorgeschichte der Provinz Brandenburg einnimmt, 
hin (s. unten). Nach der Besichtigung des Königsgrabes wanderten die Teil¬ 
nehmer des Ausfluges nach dem Dorfe Seddin und dann weiter durch den 
schönen Park des Rittergutes Wolfshagen, das dem Baron von Putlitz gehört, 
nach dem Bahnhof bei Gross-Pankow, von wo die Rückfahrt nach Perleberg er¬ 
folgte. Hier wurden bei einem Rundgange durch die Stadt die städtische Alter¬ 
tumssammlung im Rathause, die alte Backsteinkirche, der Roland auf dem Markte 
und verschiedene Giebelhäuser mit Holzschnitzereien besichtigt. Zum Schluss folgte 
man einer Einladung des Rendanten RATIG, um dessen reichhaltige Sammlung von 
vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Gegenständen in Augenschein zu nehmen. 

Dr. Gustav Albrecht. 


Ansprache über die 

„Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz in der Vorzeit“ 

von Gustaf Kossinn a. 

Mit 6 Textabbildungen und Tafel XVII. 

Wenn wir den ersten Ausflug unserer Gesellschaft in den äussersten Nord¬ 
westwinkel der Mark Brandenburg gerichtet haben, so leitete mich dabei der Ge¬ 
danke, unsere Mitglieder vor das berühmteste Denkmal der ganzen brandenburgischen 
Vorgeschichte und gleichzeitig in eine Landschaft zu führen, die sich in vorgeschicht¬ 
licher Zeit ganz eigenartig entwickelt hat. 

Die Prignitz nimmt innerhalb der Mark Brandenburg, ja selbst innerhalb des 
nordwestlichen Gebietes der Mark, das in der Vorzeit stets ein ziemlich einheit¬ 
lich gleichartiges Kulturantlitz zeigt, doch eine Sondereinstellung ein, insofern sie 
sich vollständig dem benachbarten Mecklenburg anschliesst. 

Schon in der Steinzeit ist das der Fall, denn in der Westhälfte der Mark 
ist die Prignitz die einzige Stelle, wo wir Megalithgräber vorfinden, die nordwärts 
in Mecklenburg ausserordentlich zahlreich auftreten, nach Süden zu aber gänz¬ 
lich fehlen. 

Diese Übereinstimmungen werden noch sprechender innerhalb der Bronze¬ 
zeit. Zunächst negativer Art, insofern in beiden Gebieten die Frühperiode, in¬ 
sonderheit die zweite Hälfte der ersten Periode und auch die zweite Periode der 
Bronzezeit fast ganz ausfällt. Nur die Ostprignitz besitzt in Gräbern von 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Schabernack bei Meyenburg und Maulbeerwalde bei Wittstock geringe Zeugnisse 
einer dünnen Besiedlung während der zweiten Periode. 

Hervorragend vertreten in Kultur und Besiedlung ist dagegen, genau wie in 
Mecklenburg, die dritte Periode der Bronzezeit: das bezeugt die unerschöpfliche Zahl 



Abb. 1. Seddin, Westprignitz. 

Erste Aufnahme der Kammer des Königsgrabes. 


der „Kegelgräber“, jene hohen Erdhügel die im Innern oft einen Steinkern bergend, 
eine oder mehrere Körperbestattungen enthalten, aber gleichzeitig auch schon 
Leichenbrandgräber desselben Alters — diese oft als Frauengräber neben männ¬ 
lichen Bestattungsgräbern. Die volle Konsequenz des neuen Glaubens, der in dem 
neuen Ritus des Leichenbrandes sich kund tut und von der Voraussetzung ausgeht, 
dass das Fortleben der Seele des Toten nicht mehr an die Unversehrtheit seines 
Körpers gebunden sei, sondern dass sie gereinigt durch die Verbrennung des 
Körpers fortan ein ruhiges Sonderdasein weiterführe, wurde wohl von den karpo- 
dischen Stämmen Ostdeutschlands gezogen, noch nicht aber von den Germanen, die 
wahrscheinlich von jenen Karpodaken die strenge Durchführung des Leichenbrandes 
sich aneigneten: die Konsequenz nämlich, nunmehr die Beigaben, die den 
Bedürfnissen des Leibes im Jenseits dienen sollten, den Toten nicht mehr mit¬ 
zugeben. 


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236 III. Aus Museen und Vereinen. 

Der Typus dieser Gräber der dritten Periode liegt in herrlicher Vertretung 
vor, meist aus der Ostprignitz, so zu Schabernack und Kl. Pankow (M. f. Volk.), 
Weitgendorf, Vehlow, Dannenwalde (Mark. Mus.). Die Frauengräber enthalten breite, 
gerippte und spiralverzierte Halskragen, schwere quergefurchte Armringe, mit schrägen 
Strichbändern verzierte Armbänder, lange vielgewundene Zylinderspiralen für den 
Unterarm, prachtvolle, grosse spiralverzierte Gürtelscheiben mit Mittelspitze, kleinere 
pyramidale Tutuli, Doppelknöpfe, am Fussende die grossen reichverzierten Bänder 
mit doppelten Spiralscheibcnendigungen (sog. Armbergen), Gewandnadeln (Fibeln), 
endlich Goldschmuck (Fingerspiralon). Die Männergräber enthalten ein Schwert, 



Abb. 2. SedJin, Westprignitz- 
Schluchtweg zum Eingangsloch des Königsgrabes. 


einen Dolch, eine Lanzenspitze (auch von Feuerstein), Pfeilspitzen (Feuerstein und 
Bronze), einen Goldarmring oder eine goldene Fingerspirale. 

Aber in der jüngeren Bronzezeit (Periode IV und V) erweist sich die Prignitz 
als reicher denn Mecklenburg; während nämlich jetzt in Mecklenburg die Besiedlung 
auf lange hin andauernd immer dünner wird, ist das in der Prignitz nicht der Fall. 
Das zeigen die ungemein reichen Grabfunde von Seddin und Wolfshagen in 
der Westprignitz, ebenso aber solche der Ostprignitz (Beveringen, Gr. Pankow, 
Mertensdorf usw.). Aus Sukow besitzen wir eine jener kunstvollen, herrlich ver¬ 
zierten mit Goldschmuck gefüllten Bronzedosen, wie sie die Frauen damals am 
Gürtel trugen, ähnlich den silbernen Geldtaschen der heutigen Damenwelt. Die 
Grabform ist jetzt die kleine Steinplattenkiste in kleineren Hügeln, die Graburne 
zuweilen eine rechteckige oder ovale Schachtelurne mit zugehörigem engschliessen- 
den Deckel, sehr selten eine sog. Hausurne (Seddin, Gandow). 

ln diese Zeit gehört auch unser Seddiner Königsgrab, das im Gegen¬ 
satz zu der jetzt üblichen Bestattungsweise und zu einer Reihe benachbarter kleiner 





III. Aus Museen und Vereinen. 


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Hügelgräber gleicher Zeit ausnahmsweise noch die riesenhaften Formen der mittleren 
Bronzezeithügel fortführt. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Urgrab des 
Hügels einer älteren Zeit angehört und noch unberührt in der Tiefe des Hügels 
ruht. Die Abbildungen werden zum grössten Teil dem freundlichen Entgegenkommen 
des Herrn Druckereibesitzers Grunick in Perleberg verdankt, der drei Cliches seiner 
Schrift ,Das Königsgrab von Seddin bei Perleberg* geliehen hat: Taf. XVII, Abb. 1 
zeigt die Ansicht des Hügels von Südwest, Textabb. 1 die durch den gestützten 
Stein noch verschlossene Grabkammer, wie sie bei Ankunft der Kommission am 



Abb. 3. Seddin. Westprignilz. 

Königsgrab, Tür vor dem Kammerloch. 

20. Sept. 1899 sich darstellte; Taf. XVII, Abb, 2 die Hauptfundstücke des Grabes. 
Textabb. 2 gibt nach einer von unserem Mitgliede Herrn Rendant RATIG in Perle¬ 
berg gemachten Aufnahme eine Ansicht von der durch Grabung hergestellten 
Schlucht, die auf die Grabkammer führte, wobei ersichtlich ist, wie viel höher über 
dem Wege und leichter zugänglich anfangs das Eingangsloch gelegen hat. Sehr 
bald müssen aber Erdmassen in die Schlucht herabgestürzt sein, infolgedessen 
im Jahre 1900 der Eingang durch Mauerwerk geschützt, mit Eisengitter überdeckt und 
durch eine eiserne Türe verschlossen wurde. Durch den Nachsturz der Erdmassen 
liegt seitdem der Schluchtweg hoch über der Kammeröffnung (Abb. 3), durch die 
man in das Grab herunterrutschen muss. Abb. 4 zeigt nach einer Skizze unseres 
Mitgliedes R. MIELKE den Grundriss der im Innern neuneckigen Kammer, Abb. 5 
die Innenansicht der Kammer und Abb. 6 gibt, gleichfalls nach MIELKE, eine Probe 
der dreistreifigen roten Wandmalerei, deren Muster nach den wenigen erhaltenen Resten 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


sehr verschiedenartig gestaltet gewesen sein muss. Es erscheint unbegreiflich, wie 
dieser Innenschmuck von der Leitung des Märkischen Museum nach der Entdeckung 
nicht sofort genau aufgenommen und bei seiner bröckeligen Beschaffenheit von der 
Wand abgelöst und ins Museum übergeführt werden konnte. 

Was die Zeit der Beisetzung in der Grabkammer anlangt, so habe ich mich 
vor Jahren, wie in dem Grunicksehen Heftchen erwähnt ist, für das 10. Jahrhundert 
ausgesprochen, d. h. für die Übergangszeit von der IV. in die V. Periode der Bronze- 




Abb. 6. Seddin, Westprignitz. Königsgrab, Bemalte Mörtelstücke der Kammerwand. 

zeit. Die Beigaben, die in ihrem Charakter einem Teil der früher schon aus andern 
Hügelgräbern der Seddiner Gegend gewonnenen Fundstücken aufs genaueste ent¬ 
sprechen (Mus. f. Völkk., Berlin), fallen aber durchaus in die V. Periode und nicht 
einmal in den frühesten Abschnitt dieser Periode. Das Bronzeschwert mit dem 
charakteristisch germanischen Knauf von nierenförmiger Gestalt (No. 1), das Rasier¬ 
messer mit punziertem Schiffsornament, dessen Griff die frei aufgewickelte Drahtspiral¬ 
scheibe in ihrer jüngsten Gestaltung zeigt (Nr. 5), die reichverzierte Bartzange (No. 11), 
das ebenso reichverzierte, lanzettartige Instrument für ärztliche oder Toilettenzwecke 
(No. 15), der im Henkel der gegossenen Bronzetasse hängende Armring mit 
Petschaftenden (No. 13), das Messer mit hochgebogener Spitze und ringförmigen 
Griffen (No. 9), das kleine Tüllenquerbeil (No. 3), der Miniaturtüllenmeissel (No. 7), 


Gck igle 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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die Doppelknöpfe (No. 4 u. 8), der Knebel (No. 12), alles spricht für Periode V. 
Dahin weist auch der dünne geriefelte Halsring mit Hakenenden (No. 2). Es ist ein 
sogenannter Wendelring ältester Form mit ganz dünndrahtigem Körper. Da er aber 
nicht, wie am ersten Anfang dieses Typus, nur einmaligen Wechsel, sondern bereits 
dreimaligen aufweist, so kann er nicht am Beginn der V. Periode hergestellt sein, 
deren Verlauf wir jetzt in die Zeit von 900—700 vor Chr. legen. Dieser Ring bestimmt 
als die Zeit des Grabes also etwa das Jahr 800 vor Chr. Wir lernen somit, dass 
grosse, getriebene italische Bronzegefässe, wie das Seddiner (No. 6), nicht nur in 
der IV., sondern auch noch in der V. Periode nordischer Bronzezeit gang und gäbe 
waren. Nicht den geringsten Anstoss erregen die beiden eisernen Nadeln aus der 
Urne der Königin (gedeckeltes Gefäss hinter No. 12), obwohl eine von ihnen als 
Nähnadel sicher nicht zum Schmuck diente, wozu ja das neue Metall in der aller¬ 
ersten Zeit allein Verwendung fand, sondern ein Werkzeug war. Aber allenthalben 
bieten die norddeutschen Gräber der V. Bronzezeitperiode bereits eine andere 
Art eiserner Werkzeuge, nämlich Eisenmesser (Brandenburg, Mecklenburg, Schleswig- 
Holstein). Es fehlen allerdings die einheimischen Eisenwaffen noch vollständig *). 

Schliesslich sei noch die Frage erörtert, ob man von der Prignitz sagen kann, 
sie mache in der ganzen Vorzeit einen „etwas hinterwäldlerischen Eindruck“, wie 
A. GÖTZE in seiner Statistik der vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler de.* Ost- 
prignitz (Berlin 1907) von letztgenanntem Gebiet behauptet hat. Die einem solchen 
Urteil zu Grunde liegende Anschauung über die Vorzeit Mittel- und Nordeuropas, 
wo es ausser den Fürstensitzen überhaupt keine Handelszentren und also auch 
keine kulturell rückständigen Gegenden gab und geben konnte, scheint an sich un¬ 
berechtigt. Für die Prignitz kann man während der Bronzezeit aber leicht eher 
das Gegenteil von Götzes Behauptung nachweisen. Denn kein Land Mittel¬ 
europas stand damals derart mit dem Süden, mit Italien in Ver¬ 
bindung, wie eben die Prignitz. Das zeigt besonders der Bezug italischer 
getriebener Bronzegeräte, meist Gefässe. Schon in der dritten Periode der Bronze¬ 
zeit, d. h. so früh wie pur irgendwo anders, haben wir die italische Bronzetasse 
aus einem der Grabhügel von Weitgendorf; in die vierte Periode fallen die beiden 
getriebenen Bronzeschilde aus Herzsprung. Zu Wolfshagen fand sich eine gehäm¬ 
merte Bronzetasse mit getriebenen Buckeln in Form konzentrischer Kreise (Per. IV), 
weiter zwei getriebene gebuckelte Blechdeckel zu Bronzegefässen (die Bestimmung 
dieser Stücke war bisher stets eine irrige); zu Retzin kam gleichfalls eine getriebene 
Tasse zum Vorschein; aus Wendisch-Warnow ist ein gedrehter Bronzehenkel zu 
einem grossen, italischen Bronzegefäss erhalten. Aus Seddin haben wir ausser dem 
grosser., getriebenen Grabgefäss je zwei kleine getriebene Schalen des Königsgrabes zu 
verzeichnen, ausserdem ein getriebenes Gefäss aus den Gräbern, deren Inhalt das 
Berliner Museum für Völkerkunde beherbergt. Selbst noch aus der frühesten Eisen¬ 
zeit dauert dieser Import an, wie eine weitgerippte Ciste mit losen Bügeln aus 
Schabernack beweist. Und auch Gold ist genug in der Prignitz vorhanden. Ich 
nenne jetzt nur noch den Grabhügel zu Kemnitz bei Pritzwalk, der „den goldnen 
Sarg de? Hünenkönigs“ beherbergte, aus dem ein goldner Armring, ein Bronze¬ 
schwert, dessen Griff mit Goldzierat bekleidet war, u. a. zum Vorschein kam. 

Innerhalb der reinen Bronzezeit besitzt die Prignitz also 13 italische getrie¬ 
bene Geräte aus 7 Fundorten. Diesem Reichtum kommt nur Mecklenburg, ein 

’) Wenn MONTEL1US nach Balt. Stud. Bd. 28 und 33 nun seit 25 Jahren stets von neuem die 
Angabe wiederholt, zu Billerbedc Kr. Pyritz in Pommern seien zwei Antennenschwerter mit Eisenklingen 
gefunden worden, so muss hier kräftig darauf hingewiesen werden, dass STUBENRAUCH. Pomm. 
Monatsbl. 1892, 51 und in endgiltiger Fassung, Balt. Stud. 1904, 121 ff. diese falsche Angabe richtig ge¬ 
stellt hat. 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


Land weit grösser als die Prignitz, nahe mit 10 Fundorten solcher Bronzen aus der 
reinen Bronzezeit. Aus der gesamten Mark Brandenburg ausserhalb der Prignitz 
sind noch 10 derartige Fundorte bekannt; aus der gesamten Prov. Sachsen aber 
nur 5, aus Pommern nur 4, aus Schlesien 3, aus Kgr. Sachsen 3, aus Hannover, 
Thüringen, Westpreussen nur je 1. Frankreich und England haben fast gar keine 
solche italischen Importen; wohl aber Dänemark und Südschweden. Damit ist wohl 
gezeigt, dass die Prignitz kein Land von Hinterwäldlern war, sicher nicht innerhalb 
der Bronzezeit. 


Sitzungsberichte. 

In der 5« Sitzung des ersten Vereinsjahres, die am 18.November 
1909 im Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende, 
Universitäts-Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 12. November 1909 verstorbenen 
Mitgliedes, des Sanitätsrats Dr. Hugo SCHUMANN in Löcknitz, der sich hervorragende 
Verdienste um die Vorgeschichte Pommerns und der Uckermark erworben hat. Er 
veröffentlichte eine Reihe von Berichten über Ausgrabungen und vorgeschichtliche 
Funde in Pommern und in der Mark Brandenburg, so über das „Gräberfeld in 
Oderberg-Bralitz“, und verschiedene Einzelschriften, wie „Vorgeschichtliche Bezieh¬ 
ungen der Uckermark während der Stein- und Bronzezeit“ und „Steinzeitgräber der 
Uckermark“ und förderte unter anderen die Gründung und Einrichtung des Ucker¬ 
märkischen Museums in Prenzlau (vergl. KOSSINNA, Mannus I, 324 ff.). 

Nachdem Dr. KIEKEBUSCH einen Bericht über die Hauptversammlung der 
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte in Hannover vom 6.-9. August und über 
die Ausflüge in die Lüneburger Heide und den Teutoburger Wald gegeben und die 
Aufnahme durch die Behörden und die Museums-Verwaltung in Hannover rühmend 
hervorgehoben hatte, sprach Prof. KOSSINNA über den neuesten Skelettfund, den 
der Schweizer Forscher Otto HAUSER im Verein mit Prof. KLAATSCH vor kurzem 
auf der Höhe Combe Capelle bei Montferrand in der Dordogne gemacht hat. Das 
vollständig erhaltene Skelett lag in halber Hockerstellung im Sande, umgeben von 
Silexbeigaben und von durchbohrten Muscheln; der Leichnam war also in einem 
rituellen Grabe beigesetzt, ein Beweis, dass schon in der Zeit des Aurignacien, der 
dieser Grabfund angehört, der Gedanke an die Unsterblichkeit vorhanden war. Der 
Schädel des neuen Skelettfundes erinnert nur wenig an den Neandertalmenschen, 
weicht namentlich in der Stirn-, Nasen-, Kiefer- und Kinnbildung von diesem ab und 
gehört nach den Untersuchungen von KLAATSCH einer zweiten diluvialen Rasse, der 
Aurignac-Rasse an, die in der Schädelbildung bereits einen modernen Eindruck 
macht und der Hauptvorläufer der neolithischen nordischen Rasse ist, der die In¬ 
dogermanen angehören. Auf die Zeit der Aurignacien deuten auch die Silexbei¬ 
gaben hin. Der neue Fund wurde in verschiedenen Lichtbildern vorgeführt, ferner 
zum Vergleiche der von KLAATSCH rekonstruierte Schädel des Neandertalers und 
der des Grabfundes von Le Moustier, der im vergangenen Jahre von HAUSER ge¬ 
hoben wurde (vergl. jetzt WILKE, Mannus 1, 252 ff; KOSSINNA, Mannus II, 169 ff.). 

Im Anschluss an den Vortrag bemerkte Prof. LEHMANN-HAUPT, dass die 
Beisetzung in Hockerstellung nach DIETERICH's Ansicht darum gewählt worden sei, 
weil sie an die Embryolage im Mutterleibe und an die Rückkehr des Menschen in 
den Schoss der Mutter Erde erinnere. Herr MIELKE bemerkte, dass diese be¬ 
denkliche Erklärung DIETERICH’s nichts weniger als neu sei. 


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Über Gräberfunde aus der Latene-Zeit in der Gegend von Grossbeeren und 
Ludwigsfelde berichtete Dr. HINDENBURG unter Vorlegung verschiedener Fundstücke. 
Der Vortragende hat an verschiedenen Stellen südwestlich von Grossbeeren 
(Kr. Teltow), so bei den Schinderfichten und an einem Wege 200 m nördlich davon, 
vorgeschichtliche Grabstätten und kleinere Gräberfelder aufgefunden, in denen Ton- 
gefässe mannigfacher Formen mit Kammstrichverzierung im blossen Sande standen, 
ferner Grabstätten bei Löwenbruch, Ludwigsfelde, Siethen undJütgen- 
dorf, die sämtlich der Latfene-Zeit angehören, ausserdem hier und da auch 
Spuren von Wohnstätten, die aber erst genauer untersucht werden müssen, um 
festzustellen, ob sie gleichfalls der Latöne-Zeit angehören. Die Beigaben bestanden 
in eisernen Nähnadeln, gekröpften Nadeln, eisernen Gürtelhaltern mit Stichorna¬ 
menten und Segelohrringen mit und ohne Glasperlen. Von den vier bei Jütgendorf 
gefundenen Tongefässen war eine Urne, wie Prof. KOSSINNA festgestellt hatte, auf 
der Drehscheibe hergestellt, eines der überaus seltenen Exemplare der Art in der 
märkischen Latene-Zeit (näheres jetzt Mannus II, 192 ff<). 

Zur Vorlage gelangten ferner eine grössere Anzahl von photographischen 
Aufnahmen niedersächsischer Hünengräber, die MÜLLER-BRAUEL in Zeven gemacht 
hat und die verkäuflich sind, und das Prachtwerk über die vorgeschichtlichen 
Wandmalereien in der Altamira-Höhle bei Santander in Spanien, das im Aufträge 
des Fürsten von Monaco von CARTAILHAC und BREUIL verfasst worden ist. Von 
dem reich illustrierten Werke, das paläolithische Zeichnungen des Wisents, des Ebers, 
des Pferdes, der Hirschkuh und anderer Tiere enthält, ist der Deutschen Gesellschaft 
für Vorgeschichte ein Exemplar von dem Fürsten geschenkt worden, wofür der Vor¬ 
sitzende, Prof. KOSSINNA, in warmen Worten den ehrerbietigsten Dank der Ge¬ 
sellschaft aussprach. Dr. A. KIEKEBUSCH gab die nötigen Erklärungen zu den mittelst 
Projektionsapparat vorgeführten farbigen Abbildungen des Werkes. 

Den Hauptvortrag des Abends hielt Privatdozent Dr. F. SOLGER über die klima¬ 
tischen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit. Der Redner ging davon aus, 
dass das Wort „Klima“ eigentlich Neigung bedeutet und ursprünglich die Abhängigkeit 
der klimatischen Verhältnisse von der Höhe der Sonne über dem Horizonte ausdrückt, 
die durch die geographische Breite bedingt ist. Tatsächlich hängt das Klima aber von 
vielen anderen Umständen ab, insbesondere sind die klimatischen Änderungen seit 
der Eizseit nicht die Folge von Änderungen der geographischen Breite. Die Annahme, 
dass zur Eiszeit der Nordpol im nordatlantischen Ozean gelegen habe, ist zurück¬ 
zuweisen. Auch die megalithischen Steinsetzungen, die nach den Sonnenaufgangs¬ 
punkten zur Sommer- und Wintersonnenwende ausgerichtet sind, zeigen, dass zu 
ihrer Zeit die Sonnenhöhen der betreffenden Orte gleich den heutigen wären. Die 
Änderungen des Klimas seit der Eiszeit müssen wir lediglich als eine Folge davon 
betrachten, dass die allgemeine, wohl auf kosmische Ursachen zurückgehende Ab¬ 
kühlung der Eiszeit verschwand und damit auch die Klimawirkungen, die durch das 
Vorhandensein der grossen Eismassen mittelbar hervorgerufen worden waren. Die 
wesentlichste dieser Wirkungen war die Bildung eines Systems von Winden, die von 
dem diluvialen Inlandeise in das Vorland hinauswehten und, da sie trocken waren, 
hier ein wüstenartiges Klima erzeugten, dessen Vorhandensein durch die Talformen 
Norddeutschlands und die zahlreichen Dünenbildungen in jener Zeit erwiesen ist. 
An den Wüstengürtel schloss sich südlich ein steppenartiges Gelände und erst jen¬ 
seits dieser zweiten Zone begann der Wald. Mit. dem Rückzuge des Eises wurden 
auch die vom Eise her wehenden Winde schwächer, die Wüstenzone verschwand, der 
Wald rückte näher an den Eisrand und heutzutage ist die nördliche Grenze des 
Waldes auf der Erde bis an den Tundragürtel der Polarregion hinaufgeschoben. Im 
Mannus. Bd. II. 16 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


ganzen genommen erscheint auf diesem Hintergründe die Geschichte des Menschen 
in Nordeuropa folgendermassen: Der Mensch lebte an der Grenze von Wald und Steppe, 
in Mittel- und Westeuropa. Mit dem Zurückweichen des Eises und dem Vorrücken 
des Waldes folgte er dem Waldrand nach Norden, hat aber durch den Übergang 
zum Landbau die Ausbreitung des Waldes in Nordeuropa stellenweise zurückgehalten. 
Denn auch zu Tacitus Zeiten beziehen sich die Nachrichten von den ausgedehnten 
Wäldern Deutschlands in erster Linie auf die nordwestdeutschen Moore und die 
waldigen Gebirge. Die unwegsamen, fast ununterbrochenen Waldungen Osteibiens 
in der Slawenzeit hängen aber wohl damit zusammen, dass die Wenden das Land 
hatten verwildern lassen, und das Klima wird während dieser ganzen Zeit von dem 
heutigen kaum verschieden gewesen sein. 


In der 1. Sitzung des 2. Vereinsjahres, die am 29. Januar 1910 im 

Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende, Univ.- 
Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 17. Dezember 1909 verstorbenen Gelehrten 
Matthäus MUCH, den er als den hervorragendsten Prähistoriker Österreichs be- 
zeichncte und dessen Werken er Worte der Anerkennung widmete (vgl. unten S. 274). 
— Darauf fand die Neuwahl des Vorstandes statt, bei der die vorjährigen Mitglieder 
mit Ausnahme von Dr. A. KIEKEBUSCH wiedergewählt wurden. Der Vorstand be¬ 
steht aus den Herren Univ.-Professor Dr. G. KOSSINNA (1. Vorsitzender), General 
z. D. LIEBMANN (2. Vorsitzender), Kgl. Archivrat Dr. G. SCHUSTER (3. Vorsitzen¬ 
der), Städt. Bibliothekar Dr. G. ALBRECHT (1. Schriftführer), Sekretär SNETHLAGE 
(2. Schriftführer), Bezirksgeologe Dr. KORN (3. Schriftführer) und Zahnarzt O. 
SEEMANN (Schatzmeister). 

Zur Vorlage gelangten folgende Werke: Jul. AILIO, Die steinzeitlichen Wohn- 
plätze in Finland (Helsingfors 19C9), J. L. PIC (Prag), Aphorismen über Ethno¬ 
graphie und Kunstgewerbe in der prähistorischen Archäologie (Prag 1910), BIEDER, 
Beiträge zur Geschichte der Rassenforschungen und der Theorie der Germanen¬ 
heimat (Hildburghausen 1909), A. RUTOT, Coup d'oeil synthetique sur l'epoque 
des cavernes (Brüssel 1909) und einige Veröffentlichungen der Gobineau-Ge- 
s e 11 s ch a f t, mit der die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte in Schriftenaustausch 
getreten ist, namentlich das nach Form und Inhalt gleich ausgezeichnete neue Werk 
des Vorsitzenden dieser Gesellschaft, Prof. Ludwig SCHEMANN (Freiburg): Gobi- 
neaus Rassenwerk (Stuttgart 1910). 

Im Anschluss an die in der Novembersitzung vorgelegten Latene-Funde aus 
dem Kreise Teltow sprach Prof. Dr. KOSSINNA über Gedrehte Gefässe und 
Mäandergefässe der Latene-Zeit, um unter Vorführung zahlreicher Ge- 
fässformen in Lichtbildern den Nachweis zu führen, dass mit der Drehscheibe her¬ 
gestellte Gefässe in Mitteleuropa bereits in der frühen Latene-Zeit im Gebrauch 
gewesen sind. Die Drehscheibe war in Ägypten schon um 3000 v. Chr. bekannt, 
und gedrehte Gefässe finden sich in Troja in den Schichten der zweiten Stadt und 
in Kreta in der dritten frühminoischen Zeit, also in der frühesten Bronzeperiode. Durch 
die Griechen wurde die Kenntnis der Drehscheibe und der mit dieser hergestellten 
Tongefässe dem übrigen Europa übermittelt, und bereits im 5. Jahrhundert n. Chr. 
finden sich gedrehte Gefässe in Frankreich und in Süddeutschland. Der Vortragende 
zeigte Beispiele solcher Gefässe mit langem Hals und friesartigen Verzierungen 
aus Bayern, andere mit starker Bauchung und mit Riefen, dann eimerartige Ge¬ 
fässe mit vorstehendem Rand und solche von doppelkonischer Gestalt mit Wülsten, 
die aus keltischen Skelettgräbern stammen und den Beigaben nach teils der ersten, 




III. Aus Museen und Vereinen. 


243 


teils der mittleren Periode der L a t e n e z e i t angehören, ferner Abbildungen 
von glänzend schwarzen und dünnwandigen Gefässen mit Wülsten um den Hals, 
die aus germanischen Brandgräbern herrühren und der mit Heren und späten 
Latenezeit zuzurechnen sind. Diese Gefässe, die sämtlich auf der Drehscheibe 
hergestellt wurden, stammen aus Niederbayern, Rheinhessen, Thüringen 
(Riethnordhausen, Möritzsch und Klein-Korbetha), Sachsen (Pegau, Cröbern und 
Torgau) und Brandenburg (Jütgendorf, Wagenitz und Friesack) und zeigen, dass 
der Gebrauch der gedrehten Gefässe sich schon in der mittleren Latenezeit aus 
den keltischen Ländern in die von Germanen bewohnten Gebiete verbreitet hat. 
Die Kenntnis der Drehscheibe wurde den Germanen vielleicht durch kel¬ 
tische Frauen, mit denen sie ein Ehebündnis eingingen oder die sie als Skla¬ 
vinnen besassen, übermittelt, und so finden sich gedrehte Gefässe auch in Gegenden, 
die niemals von Kelten bewohnt gewesen sind. Auf unged rehte n, glänzendschwarzen 
germanischen Gefässen vom Ausgange der Latenezeit, die den gedrehten Gefässen 
der Latenezeit sehr ähnlich sehen, finden sich häufig Mäanderverzierungen, 
und zwar in primitiver Form, mit der Hand eingeritzt, als Strichmäander mit Punkt¬ 
verzierung zu beiden Seiten, erst später, in der Kaiserzeit, tritt auf diesen schwärz¬ 
lichen Gefässen der mit dem Rädchen hergestellte Mäander auf. Durch Vergleichung 
der verschiedensten Typen hat Prof. KOSS1NNA festgestellt, dass in der Kaiserzeit 
die Strichmäanderverzierung nur noch auf den ostgermanischen Gefässen vor¬ 
kommt, in reicher Entwicklung, während der Rädchenmäander sich ausschliesslich 
auf den gleichzeitigen Gefässen der Westgermanen findet. 

Den zweiten Vortrag des Abends hielt Schriftsteller Robert MIELKE über die 
Vorläufer der e u r o p ä i s che n H a u s f o r m e n. In einer Reihe von Lichtbildern 
zeigte der Vortragende zunächst die Haupttypen des deutschen Bauernhauses und 
erläuterte daran die Ergebnisse der Bauernhausforschung. Als das hervorragendste 
Ergebnis dieser Studien kann es gelten, dass nunmehr festgestellt ist, dass das 
Altsachsenhaus, jenes weitverbreitete Wohnhaus mit seiner grossen Diele, 
bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. in seiner typischen Form vorhanden gewesen ist. 
In seinen Formen schliesst es sich eng an das bereits früher festgestellte Dach¬ 
haus an, als dessen Heimat MIELKE unbedingt ein Ebenenland (Norddeutschland, 
Schonen) annimmt. Die Frage, wie sich die Entwicklung im einzelnen gestaltet hat, 
erläuterte der Vortragende an einer grossen Zahl von Beobachtungen aus Nieder¬ 
deutschland. Es ergab sich, dass das Dach in seiner Gesamtheit emporgehoben 
wurde, hauptsächlich aber durch die innere Konstruktion des Säulengerüstes. Da¬ 
neben aber zeigte sich auch, dass das altnordische Haus mit seiner Halle und 
Vorhalle in engster Verbindung mit dieser Entwicklung blieb. Die Vorstadien dieser 
Entwicklung lassen sich noch heute in der Provinz Hannover an vielen Beispielen 
nachweisen. Ein ausgebildetes Antenhaus, ähnlich der Urform des griechischen 
Tempels, fand MIELKE auch in Littauen. Diesem Dachhaus gegenüber stellte der 
Vortragende das Wandhaus, das in Deutschland hauptsächlich von der ober¬ 
deutschen Hausform getragen wird. Als ein Ergebnis der Mittelmeerkultur lassen 
sich die Anfänge eines solchen Hauses bis in die Steinzeit zurückverfolgen, wie die 
vorgeschichtlichen Funde in Stützheim, Gross-Gartach, Niederwyl, Schussenried, 
Untergrombach usw. erkennen lassen. Zunächst ist die Form noch schwankend, 
denn es tritt teils als Rundhaus, teils als sehr unregelmässig gebautes Viereckhaus 
auf, vielfach findet sich aber auch die Form des grossen Haupthauses mit verschie¬ 
denen Nebenhäusern. Als innere Kräfte für die Gestaltung beider Urtypen nahm 
der Vortragende die individualistische und kommunalistische Lebensauffassung der 
nordeuropäischen bezw. der Mittelmeer-Völker in Anspruch. Als ältestes Beispiel 

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III. Aus Museen und Vereinen. 


führte er das vorminoische Ovalhaus von Chamaizi Sitcia auf Kreta an. 
Aus dem Schwanken der Form des Hauses in Deutschland löst sich das oberdeutsche 
Haus erst durch die Anwendung der Blockbuutechnik los. Eines der ältesten 
Beispiele offenbart die Latene-Pfahlbausiedlung von Donja Dolina in Bosnien. 
Dazu kam die Ausbildung der mit dem Rundbau verbundenen Herdanlage; sie be¬ 
wirkte einerseits eine höhere Wohnkultur, andererseits die Ausbildung von Einzel¬ 
häusern für jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Die Ansichten MIELKE’s, der sich 
dann eingehend mit dem Vorhallenhause beschäftigte, stehen mit den Ergebnissen 
der jüngsten Ausgrabungen auf der Römerschanze und bei Buch im Einklänge und 
machen es wahrscheinlich, dass das typische Vorhallenhaus, von dem man in Skan¬ 
dinavien, in Deutschland und im ganzen östlichen und südöstlichen Europa Beispiele 
aus vorgeschichtlichen Ansiedlungen und in gegenwärtigen Hausformen hat, die erste 
entwickelte Stufe auf Deutschlands Boden war. 

Im Anschluss an diesen Vortrag berichtete Dr. A. KIEKEBUSCH über seine 
neuesten Ausgrabungen beim Dorfe Buch, nördlich von Berlin, wo er die Über¬ 
reste eines vorgeschichtlichen Wohnhauses aus der Bronzezeit auf- 
gedeckt hat. Die Fundstelle liegt nordwestlich von dem genannten Dorfe nach dem 
Forsthause zu, wo seit einiger Zeit Erdarbeiten für den Bau der 4. städtischen 
Irrenanstalt vorgenommen werden. Bei der Freilegung der Stelle stiessen die Arbeiter 
auf eine Brandschicht, auf verschiedene geschwärzte Überreste von Holzteilen und 
auf Urnenscherben, worauf die Verwaltung des Märkischen Museums benachrichtigt 
wurde. Diese entsandte den Ordner der prähistorischen Abteilung zur näheren 
Untersuchung nach Buch, und letzterer stellte bald fest, dass die kleinen schwarzen 
Stellen Überreste von Pfosten eines vorgeschichtlichen Hauses seien. Die in 
ziemlich gerader Linie neben einander angelegten Pfostenlöcher, von denen 
einige spärliche Reste von verkohlten Holzteilen enthalten, umschliessen einen vier¬ 
eckigen Raum von 6,60 m Länge und 3 m Breite, in dem Dr. KIEKEBUSCH den 
Grundriss eines vorgeschichtlichen Wohnhauses erkannt hat. Während 
die Pfostenreihe auf drei Seiten eine einfache ist, hat man auf der Ostseite des 
Hauses eine doppelte Reihe blossgelegt, die ungefähr 50 cm von einander ent¬ 
fernt ist. Der durch die doppelte Pfostenreihe eingeschlossene Nebenraum ent¬ 
spricht vermutlich dem noch heute bei norwegischen Häusern üblichen Anbau, dem 
sogen. „Svalegang* und diente wohl zum Fortstellen von Geräten und dergl. Zur 
Herstellung der Wände zwischen den Pfosten werden die vorgeschichtlichen Bewohner 
des Hauses vermutlich Flechtwerk von Zweigen verwendet haben, über das sie Felle 
oder Häute von Tieren spannten oder das sie mit Lehm bewarfen, doch haben sich 
bisher Spuren davon nicht gefunden. Der Eingang des Hauses befand sich an der 
Südseite, wo die Türpfosten und die Brandschicht der dazwischen befindlichen 
Holztür festgestellt wurden. Ausserdem lag an dieser Seite eine Vorhalle, wie sich 
aus der Anordnung zweier im Innern befindlichen Pfosten ergibt. Die Herd¬ 
stelle befindet sich ebenfalls im Innern des Hauses an der Nordseite und be¬ 
steht ln einer Grube, in der einige kleinere Steine, Gefässcherben und Knochen¬ 
reste lagen. Das vorgeschichtliche Hallenhaus bei Buch zeigt im Grundriss 
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem im vergangenen Jahre von SCHUCHARDT auf 
der Römerschanze entdeckten Hause und dürfte nach den in seiner Umgebung ge¬ 
fundenen Gefässcherben der jüngeren Bronzezeit (etwa 1000 bis 800 v. Chr.) angehören. 

Durch die neuen Funde in Buch und auf der Römerschanze, so führte der 
Vortragende aus, sei mehr Klarheit in die Wohnungsverhältnisse der vorgeschicht¬ 
lichen Zeit gekommen. Man habe wohl gewusst, dass die Bewohner Südeuropas in der 
paläolithisdhen Zeit in Höhlen und, wie aus Felsenzeichnungen ersichtlich ist» in 



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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Zelten von Tierfellen gewohnt und dass die Menschen der neolithischen Zeit in 
Wohngruben, wie sie im Eisass, im Rheinland und in Böhmen erhalten sind, ge¬ 
haust haben, aber man nahm bisher mit Sophus MÜLLER an, dass diese gruben¬ 
artigen Hüttenanlagen der jüngeren Steinzeit und die ovalen Lehmhütten, die sich 
in ganz Europa finden, bis in die Völkerwanderungszeit hinein in Nordeuropa die 
Wohnstätten der vorgeschichtlichen Bevölkerung gebildet hätten. Dies ist ein Irrtum, 
wie die erwähnten Funde deutlich erkennen lassen. Sie zeigen, dass das in Italien 
und im östlichen Südeuropa seit dem Beginn der Bronzezeit übliche Hallenhaus mit 
rechteckigem Grundriss und mit einer Vorhalle an der Schmalseite bereits in der 
jüngeren Bronzezeit auch in Nordeuropa bekannt und gebräuchlich war. Was die 
theoretische Forschung schon längst behauptet hat, wird durch die neuen Funde 
bestätigt und der von Sophus MÜLLER vertretenen Ansicht über das Verhältnis der 
nordischen zur mykenisdien Kultur, soweit sie sich auf die Wohnplätze im Norden 
bezieht, jede Grundlage entzogen. Schliesslich kann es unter Umständen möglich 
sein, durch die über die Wohnplätze gelagerte Brandschicht zwei Bauperioden zu 
unterscheiden und dadurch Licht zu bringen in die Chronologie des sogenannten 
Lausitzer Typus. 

In der anschliessenden Diskussion bemerkt Prof. GÖTZE, dass viereckige 
Hausgrundrisse, wie sie jetzt von Buch und der Römerschanze gemeldet werden, 
in der Mark schon vor Jahren beobachtet worden seien und zwar bei Zauchel und 
Niederjeser, beide im Kreise Sorau. Nach BÖTTCHER’s Bericht (Niederlausitzer 
Mitteilungen Bd. II, Heft 4, 1892, S. 275 ff.) handelt es sich an erstgenanntem Ort 
um Wohnungen in Form von Rechtecken von 4-5 m Länge; sie bestanden aus 
etwa 15 cm starken Lehmwänden, die an armstarke hölzerne, in die Erde ge¬ 
schlagene Stöcke von aussen geklebt waren. Die Wohnungen von Niederjeser waren 
in gleicher Weise aus 5—7 cm starken Lehmwänden errichtet, die auf der Innen¬ 
seite mit geschälten armstarken Holzpfosten, auf der Aussenseite mit ungeschälten 
oder doch sehr roh behauenen Balken verkleidet waren. Auch Kochherde aus 
Steinen werden erwähnt. Die Anlagen werden von BÖTTCHER in die Hallstallzeit 
datiert. Dr. Gustav Albrecht. 


In der 2. Sitzung des 2. Vereinsjahrs, die am 9. März 1910 im Vortrags¬ 
saale des Märkischen Museums stattfand, teilte der 1. Vorsitzende, Universitäts- 
Professor Dr. G. KOSSINNA, mit, dass die 2. Hauptversammlung der deutschen 
Gesellschaft für Vorgeschichte vom 1. bis 3. August in Erfurt stattfinden würde 
und dass sich daran Ausflüge nach Weimar-Ehringsdorf, Dermbach, Fladungen und 
Römhild anschliessen würden. Die Teilnehmer der Tagung würden Gelegenheit 
haben, den Durchschnitt eines Schlaclcenwalles bei Hetschburg und eine Reihe 
keltischer Befestigungsanlagen auf den Höhen der Vorderrhön zu sehen. 

Der Vorsitzende gedachte darauf des am 4. Februar 1910 verstorbenen Mit¬ 
gliedes, Professor Dr. GRÖSSLER, in Eisleben, eines der Mitgründer der Hauptge¬ 
sellschaft, deren Namen schon der erste Aufruf gebracht habe, und hob rühmend 
seine erfolgreiche Tätigkeit auf vorgeschichtlichem Gebiete hervor, die er durch 
Untersuchungen der Gräberfelder des Mansfelder Seekreises, der Gräber bei Burg¬ 
scheidungen und des Helmsdorfer Fürstengrabes und durch Veröffentlichungen 
über diese Forschungen in der Hallischen Jahresschrift für sächsisch-thüringische 
Vorgeschichte bewiesen habe. GRÖSSLER hat auch reichhaltige Sammlungen 
vorgeschichtlicher Gegenstände hinterlassen, die zurzeit in beschränkten Räumen 
in den beiden Lutherhäusern in Eisleben untergebracht sind, und es wäre zu 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


wünschen, dass der Magistrat dieser Stadt für eine würdige Aufbewahrung dieser 
wertvollen Sammlungen in einem städtischen Museum sorgte (vgl. unten S. 278). 

Den Vortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr. Georg WILKE aus 
Chemnitz über „Südwesteuropäische M egal it h k u ltu r und ihre Be¬ 
ziehungen zum Orient“, in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder 
eine Übersicht über die im Westen und Süden Europas, an der afrikanischen 
Nordküste und in Kleinasien vorhandenen Megalithbauten gab und an der Hand 
der einzelnen Funde die Beziehungen der westländischen Kultur zur orientalischen 
erläuterte. Als älteste Megalithbauten sind die Steingräber ansusehen, die aus 
3 bis 5 im Kreise gelagerten Steinen und einer Deckplatte bestehen und sich in 
Frankreich, Portugal und Spanien sowie auf den Inseln des Mittelmeeres und an 
der Küste Afrikas finden, während die Dolmen mit kurzem Gang und Vorgesetztem 
Eingangsstein schon eine weitere Entwicklung der Megalithkultur kennzeichnen. 
Zu einer höheren Kulturstufe sind die Ganggräber zu rechnen, Grabstätten, 
die aus einer aus Steinplatten oder grossen Blöcken gebildeten Grabkammer be¬ 
stehen, zu der ein längerer, gleichfalls aus Steinen gebildeter Gang führt, und 
ebenso die Ganggräber, bei denen an die Hauptkammer Nebenkammern angesetzt 
sind, so dass der Grundriss zuweilen ein Kreuz oder noch kompliziertere Figuren 
bildet. Noch jüngeren Ursprungs sind die Stein gräber, bei denen durch über¬ 
kragende Steine ein falsches Gewölbe gebildet wird, wie sie sich ausser auf 
der Pyrenäenhalbinsel in der Bretagne, in Phrygien und in Mykenä finden. Jünger 
als diese megalithischen Bauten sind dann die vertieften Stein gräber, zu 
denen ein Gang abwärts führt, der zuweilen mit Stufen versehen ist, oder bei 
denen der hinabführende Gang senkrecht steht und mit der Grabkammer durch 
einen wagerechten Stollen verbunden ist. Solche Grabbauten finden sich ausser in 
Frankreich, Spanien und auf den Inseln des Mittelmeeres auch in Ägypten, Klein¬ 
asien, Persien und anderen Ländern des Orients, und da hier fast ausschliesslich 
die fertigen Schachtgräber Vorkommen, während in Westeuropa neben diesen die 
Anfangsstadien der vertieften Grabanlage sich vorfinden, so kann man annehmen, 
dass die Verbreitung dieser Megalithbauten von Westen her über 
die Mittel meerländer nach dem Orient erfolgt ist, zumal die Ent¬ 
wicklung nur von den horizontalen zu den senkrechten Formen vor sich gegangen 
sein kann. 

Bei manchen Dolmen zeigt eine der Steinplatten ein künstlich eingefügtes 
rundes Loch, das sogenannte Giebel loch, doch hat sich diese Besondernheit 
nicht in Spanien, sondern, ausser in den östlichen Ländern, wie in Kleinasien und 
auf den Inseln des Mittelmeeres, nur in Frankreich und dem nordischen Ver¬ 
breitungsgebiet der Steingräber gefunden. Eine andere bemerkenswerte Erscheinung 
bilden die Megalithbauten mit schalenförmigen Vertiefungen auf der Ober- oder 
Unterfläche des Decksteines, die sich im Norden, in Spanien und Frankreich, aber 
auch im Osten bis nach Japan finden, und ebenso die in englischen Megalith¬ 
gräbern vorkommenden Steinschalen, die auch in Palästina bekannt sind und 
lebhaft an gewisse von SCHLIEMANN in Troja gefundene Tonschalen erinnern. 
Im Innern der Megalithgräber sind vielfach auch Steinpfeiler oder Holzsäulen als 
Stützen verwendet worden, so in Spknien, und die Konstruktion dieser Säulen ist 
die gleiche wie bei den Mykenischen Säulen. 

Die megalithischen Grabbauten sind den menschlichen Wohnstätten nach¬ 
gebildet. Es sind sowohl vorgeschichtliche Hütten bekannt, zu deren Wohnraum ein 
offener oder ein bedeckter Gang führt, als auch Wohnplätze aus historischer Zeit, so 
die der Phrygier und Armenier, die nach V1TRUVS Schilderung eine ähnliche 


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III. Aus Museen und Vereinen. 


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Anlage zeigen, und noch heute findet man bei den Lappen-Gammen und den 
Höhlenwohnungen der spanischen Bergstämme diesen Gang vor dem Wohnraume. 
Den Erbauern der Megalithgräber scheint demnach der Gedanke vorgeschwebt zu 
haben, dem Toten eine Wohnung zu bieten, wie er sie bei Lebzeiten gehabt hatte. 

In Verbindung mit den Steingräbern standen andere .megalithische Bauten, 
wie die Menhirs, die Alignements und die Cromlechs, die als Kultstätten dienten 
und sich nicht nur in England, Frankreich, Spanien und anderen Ländern des 
südlichen Europas, sondern auch im Orient zahlreich finden, auch sie scheinen 
ihre Verbreitung vom Westen aus gefunden zu haben. Die Menhirs sind frei¬ 
stehende Steine bis 22 Meter Höhe und 1 bis 5 Meter Dicke. Sie sind in der 
älteren Zeit meist roh und plump, in der Bronzezeit dagegen sorgfältig bearbeitet. 
Sie kommen ausser in Nord- und Mitteleuropa in Nordfrankreich, Spanien und 
Portugal, ferner in Afrika, Palästina und im Orient vor. Zuweilen sind sie 
wie die Giebelsteine der Dolmen durchbohrt, so auf Cypern, und oft stehen sie 
in langen Reihen nebeneinander und bilden die sogenannten Stein all een oder 
Alignements, wie in der Bretagne und an einzelnen Punkten des Orientes. 
Eine andere Gruppe megalithischer Denkmäler sind die Steinkreise oder 
Cromlechs, die in England, Spanien, Nordafrika, Palästina und Ägypten Vor¬ 
kommen und zu denen im Prinzip auch der bekannte Plattenring von Mykenä 
gerechnet werden muss. Sie sind als Kultstätten zu betrachten und nach bestimmten 
Verhältnissen, die zum Sonnenkult in Beziehung stehen, erbaut. Zu den berühm¬ 
testen Cromlechs gehört das Stonehenge bei Salisbury im südwestlichen England. 

Der Vortragende ging dann näher auf den Inhalt der megalithischen Gräber 
ein und zeigte, dass sich hiernach, ausser der noch vorausgehenden Periode der 
Muschelhaufen, v i e r Kulturepochen derneolithischen Zeit unterscheiden 
lassen. Die älteste dürfte bis in das 5. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück- 
reichen. Ihr gehören die kleinsten und primitivsten Dolmen in Westeuropa, deren 
Inhalt rohe Erzeugnisse einer unentwickelten Keramik, Gefässe aus schlechtge¬ 
schlämmtem Ton mit Fingernägel-Verzierungen und ohne Henkel bilden. Daneben 
finden sich grob gearbeitete Feuersteingeräte, Knochenpfriemen und Amulettbeile. 
In die zweite Kulturepoche gehören die grösseren Ganggräber, die feiner 
gearbeitete Tongefässe und sorgfältiger hergestellte Silexgeräte, wie Pfeile und 
Speerspitzen enthalten, ferner Schieferplattenamulette mit und ohne Verzierungen 
und die sogenannten Krummstäbe, die vermutlich Häuptlingsabzeichen sind. Die 
dritte Entwicklungsstufe der neolithischen Zeit bezeichnen die Gräber, in denen 
Glockenbechergefässe mit Zickzackverzierung, eigenartige Steinäxte und Marmor¬ 
zylinder gefunden worden sind. Die Gräber der vierten Epoche zeichnen sich 
durch einen gewissen Luxus aus: die sorgfältig hergestellten Tongefässe sind be¬ 
malt und mit Tierdarstellungen geschmückt, die Waffen und Geräte aus Feuer¬ 
stein sauber gearbeitet und poliert und neben Gebrauchsgegenständen finden sich 
zahlreiche Schmucksachen aus Stein, Knochen und Muschelschalen. 

Bemerkenswert sind die in nordportugiesischen Dolmen der ältesten Kategorie 
und in anderen iberischen Begräbnisstätten aufgefundenen Schrift Zeichen, die 
eirtmal mit den in Kreta, Cypern und auf trojanischen Spinnwirteln vorkommenden 
Schriftzeichen eine grosse Übereinstimmung erkennen lassen, anderseits aber auch 
den auf bemalten Kieseln und Renntierstäben des westeuropäischen Asylien be¬ 
obachteten piktographischen Zeichen in überraschender Weise ähneln. Da sich 
ausser diesen schriftartigen Zeichen auch noch zahlreiche andere archäologische 
Parallelen zwischen der südwesteuropäischen Megalith-Kultur und dem Orient 
nachweisen lassen, so muss in neolithischer Zeit eine enge Verbindung zwischen 


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IV. Bücherbesprechungen. 


beiden Kulturgebieten bestanden haben und zwar muss angesichts des höheren 
Alters der westeuropäischen Funde die Kulturströmung in den älteren Abschnitten 
in der Hauptsache von West nach Ost stattgefunden haben, während am Schlüsse 
des Neolithikums das Verhältnis sich umkehrt. Dr. G. ALBRECHT. 


IV. Bücher-Besprechungen. 


Gustav Schwantes, Aus Deutschlands Urgeschichte. Leipzig, 1908. Quelle & Meyer. 
IV, 183 S. 1,80 M. 

In einer Sammlung naturwissenschaftlicher Schriften ist das vorstehende kleine 
Werk erschienen. Es beabsichtigt, „der Jugend und weiteren Kreisen des Volkes 
eine erste Einführung in die Urgeschichte unseres Vaterlandes in die Hand geben 
zu können“; es will also eine bisher schmerzlich empfundene Lücke in der archäo¬ 
logischen Literatur ausfüllen. Fehlte es doch trotz der bedeutenden Fortschritte 
unserer Wissenschaft in den letzten Jahren an einem Werk, das die Ergebnisse der 
Forschung in schlichter Weise den Kreisen der Laien vortrug. 

Die Lösung der Aufgabe, die der Verfasser sich gestellt hat, ist ihm im Wesent¬ 
lichen gelungen. Er ist bestrebt, dem Leser die materielle Kultur in ihrem Werden 
vor Augen zu führen, und ihm ein Bild von dem Leben in der Vorzeit zu ent¬ 
werfen. In anschaulicher Weise wird Kunst und Handwerk, Leben und Treiben, 
religiöse Vorstellungen und Sorge um die Toten geschildert. Man sieht den Menschen 
in seiner Behausung, wie er Geräte herstellt und Gefässe fertigt, man begleitet 
ihn auf die Jagd und beobachtet ihn beim Bestellen des Feldes. 

Die Bedeutung des Werkes wird dadurch nicht geschmälert, dass es als erstes 
seiner Art mancher Verbesserungen bedarf. So wirkt es störend, dass bei der Behandlung 
der jüngeren Steinzeit der Einfluss des Orients auf das Abendland zu stark in den Vorder¬ 
grund tritt. Der Verfasser lehnt sich dabei eng an MONTELIUS und S. MÜLLER an, und 
leitet Megalithgräber, Glockenbecher u. a. m. von den südöstlichen Kulturländern ab. 
Wohl spricht er den Nordländern „eine gewisse Selbständigkeit in der Erfindung und 
besonders der Weiterentwicklung der südlichen Einflüsse“ nicht ab, aber er hätte diese 
den fremden Einflüssen gegenüber auch wirklich genügend betonen müssen! So, 
fürchte ich, bekommt der Leser von den neolithischen Kulturen Nordeuropas ein 
ganz falsches Bild, zumal Verf. von einem „barbarischen Europa in der Stein- und 
Bronzezeit“ redet. Ferner ist die häufige Wiederkehr des Ausdruckes „Barbaren“ 
selbst noch bei Behandlung der römischen Kaiserzeit etwas auffallend, wo doch 
ausdrücklich die „eigenen Kulturen der geistig hoch veranlagten Nordvölker“ hervor¬ 
gehoben werden. 

Erläutert werden die Ausführungen des Verfassers durch 170 meist der Fach¬ 
literatur entnommene Abbildungen, die recht sorgfältig ausgewählt sind und den 
Text in trefflicher Weise ergänzen. Vielleicht ist es möglich, einige von ihnen bei 
einer späteren Auflage durch deutlichere zu ersetzen. So kommen in den Figuren 


55 und 57 die Verzierungsmuster der Gefässe nicht zur Geltung, wie man überhaupt 
die Abbildung wirklich schöner neolithischer Keramik vergeblich sucht. 






IV. Bücherbesprechungen. 


249 


Ethnologische Probleme hat der Verfasser nicht angeschnitten, wie er auch 
auf eine Ausarbeitung von Kulturgruppen völlig verzichtet. Und zwar mit gutem 
Recht; denn derartige Fragen gehören nicht in ein Buch hinein, das zur Einführung 
dienen soll. 

Das geringe Verständnis weiterer Kreise für Vorgeschichte liegt einerseits 
an der unzweckmässigen Aufstellung des Materials in den meisten Museen, sodann 
aber auch an dem Fehlen einer geeigneten Einführung. Es ist zu hoffen, dass 
das vorliegende Werk denen, die Interesse für die Vorzeit haben, ein erster Weg¬ 
weiser sein und sie anregen wird zu tieferem Eindringen in die vorgeschichtliche 
Wissenschaft: dann hat es seinen Zweck erfüllt. 

Delitzsch. Ernst Wahle. 


Th. Bieder, Beiträge zur Geschichte der Rassenforschung und der Theorie der 
Germanenheimat. Leipzig. Thüringische Verlagsanstalt 1909. Beiträge zur Rassen¬ 
kunde. Heft 7. 

Der Verfasser hat in seiner überaus fleissigen Arbeit dem Mangel an einer 
historischen Übersicht über die genannten Forschungsgebiete einigermassen abzu¬ 
helfen gesucht durch Zusammenstellung der „Ansichten und Erfahrungen einiger 
Urgeschichtsforscher, deren Namen und Meinungen in den einschlägigen Werken 
entweder gar nicht oder doch nur oberflächlich berührt werden.“ 

Die Literatur über die historische Rassentheorie (speziell diese meint der 
Verfasser unter Rassenforschung) schwillt ja immer mehr an, und kaum ein Jahr 
vergeht, in dem nicht mehrere dicke Bücher und eine grosse Anzahl längerer und 
kürzerer Aufsätze darüber veröffentlicht würden. Leider muss man sagen, dass bei 
der grossen Mehrheit der Druck ohne Schaden hätte unterbleiben können. Zu 
einem besseren Verständnis der zunächst unglaublichen Fehler, Unrichtigkeiten und 
Begriffsverwirrungen kommt man nun durch Betrachtung der früheren fast ver¬ 
gessenen und unbekannten Vorläufer der Rassentheorie, mit denen die heutigen 
dilettantischen Aussenseiter rassentheoretischer Forschung oft sogar in Einzelheiten 
übereinstimmen, wenn auch eine unmittelbare Beeinflussung ausgeschlossen ist. 
Natürlich können wir, die wir an die exakte und ins einzelne gehende Methode der 
modernen Urgeschichtsforschuug gewöhnt sind, an den ganz allgemeinen Gründen 
und Beweisführungen voriger Jahrhunderte an und für sich nur in bedingtem Masse 
Geschmack finden; selbstverständlich aber bleibt dadurch der geschichtliche Wert der 
Arbeit unberührt. 

Berlin. Ulrich Berner. 


0. Schötensack, Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Senden von 
Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen. Leipzig, 1908, 
Verlag Engelmann. 

Die bedeutenden Aufschlüsse, die der Heidelberger Kiefer in morphologischer 
Beziehung brachte, veranlasst mich heute noch, auf Wunsch des „Mannus“, eine 
kurze Besprechung nachzuholen, zumal diese Entdeckung über alles gegenwärtig 
aktuelle hinaus ihre hervorragende Bedeutung beibehält. Eröffnet dieser Fund 
doch für alle Kreise, die sich um die Paläanthropologie gruppieren, neue Perspektiven. 

SCHÖTENSACK hat schon vor 20 Jahren seine Aufmerksamkeit dem Diluvium 
von Mauer zugewandt; dadurch war von vornherein einer etwaigen Verschleude¬ 
rung von Funden vorgebeugt, eine Massnahme, die sich nicht als unangebracht 


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250 IV. Bücherbesprechungen. 

erweisen sollte: denn am 21. Oktober 1907 ward ein Unterkiefer als das älteste 
organische Relikt des Menschen aus den Diluvialsanden von Mauer geborgen. 

Das Profil der Fundstätte, etwas vereinfacht, ist folgendes: 


Jüngerer Löss.5,74 m. 

Älterer Löss, resp. Sandlöss .4,18 * 

Sand, Geröllschicht mit Eistransportblöcken und Unio- 

resten, Letten und Geröll wechselnd.7,15 „ 

Fetter Letten . . ..2,25 „ 

Wechselnd Sand und Letten.1,65 w 

Sand. 3,13 „ 

Fundschicht: Geröllschicht mit dünnen Lettenlagen . 0,10 „ 

Sand durchzogen von einer Geröllschicht mit weissem 

Jura und Unio ..0,87 „ 


Das geologische Alter dieser fossilführenden Sande wird durch Tiere wie 
Rhinoceros etruscus, Equus stenonis, Elephas antiquus, Ursus Deningeri, Bison 
priscus, Cervus capreolus, Cervus elaphus, Cervus latifrons usw. als altdiluvial 
bestimmt. 

Die bisher sehr verschiedene Zuteilung, welche die Sande von Mauer er¬ 
fahren haben, zeigt, wie schwierig es ist, auf paläontologischer Basis den Alters¬ 
beweis durchzuführen. Das faunistische Kolorit lässt Beziehungen zu der Forest 
bed- und der Mosbacher Fauna erkennen. 

Die Paläontologie und vergleichende Stratigraphie weist den Homo Heidel- 
bergensis als ältestes menschliches Fossil an den Ausgangspunkt unserer gesamten 
paläanthropologischen Fundgruppen. Dieses wird bestätigt durch die morphologische 
Stellung, die der Heidelberger Kiefer unter den letzteren einnimmt. Die anato¬ 
mische Untersuchung der Mandibula stützt sich auf die morphologische Methode von 
H. KLAATSCH. Die spezifische massige Ausbildung des Kiefers lässt zunächst keinen 
Vergleich mit den prähistorischen Gruppen zu. „Angenommen, nur ein Fragment 
wäre gefunden ohne Zähne, so würde es nicht möglich sein, dieses als menschlich zu 
diagnostizieren. Mit gutem Grunde würde man bei einem Teile der Symphysenregion 
die Zugehörigkeit zu einem Anthropoiden, etwa von gorilloidem Habitus, vermuten, 
und bei einem Bruchstücke des Ramus ascendens an eine grosse Gibbonvarietät 
denken*. Auffallend ist das vollkommene Fehlen des Kinnvorsprungs, ein Charak¬ 
teristikum, das noch in weit verstärkterem Masse hervortritt, als dies bei den bisher 
vorliegenden Kiefern des Diluvialmenschen der Fall ist. Gewaltige Dimensionen 
zeigen der Unterkieferkörper und die Äste. 

Die wichtigsten Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit dieses Fossils zur Species 
„Homo“ liegen in der Ausbildung des wohl erhaltenen Gebisses. Die Zähne ragen 
nicht über die Variationsbreite des rezenten Menschen heraus, sie tragen zur Evidenz 
den Stempel „Mensch“. Um so markanter kommt daher die Disharmonie der kleinen 
Zähne und des gewaltigen Kiefergerüstes zum Ausdruck. Die Canini stehen im 
Einklang mit den niedrigen Zähnen, sie sind nicht stärker entwickelt, wie es etwa bei 
einem primitiveren Gliede der menschlichen Vorfahrenreihe anzunehmen wäre. Auch 
der dritte Molar zeigt keine übermässige kräftige Entwicklung. Für einen vierten 
Molar wäre noch bequem Raum geschaffen. Die Pulpahöhlen sind geräumiger als 
diejenigen bei den rezenten Europäern kindlichen Alters. „Es liegt auf der Hand, 
dass wir es bei dem Hom^ Heidelbergersis mit der Fortführung eines Merkmals 
zu tun haben, das heute für den Jugendzustand von Europäern typisch ist. Damit 
soll nicht eine sekundäre Ausprägung eines infantilen Charakters behauptet werden, 
sondern die Persistenz eines primitiven Charakters überhaupt, wie er in der Stam- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


251 


mesgeschichte des Primatengebisses als notwendiges Durchgangsstadium angenommen 
werden muss*. Die relativ dünne Wandung der Zähne, die eine den Höckerbil¬ 
dungen entsprechende Faltung und Biegung erhielt, ist gleichfalls auf diesen Fort¬ 
bildungsprozess zurückzuführen. .Kein Anthropoidenstadium kann hier voraus¬ 
gegangen sein. Wir haben es hier vielmehr mit einem uralten, gemeinsamen Ur¬ 
zustand zu tun, wie er auch dem der Anthropoiden vorausgegangen sein muss*. 
Ein Vergleich der Heidelberger Mandibula mit den paläolithischen Unterkiefern be¬ 
stätigt, dass das Heidelberger Fossil bis in die Einzelheiten einem Vorfahrenstadium 
desjenigen von Spy I. entspricht, damit kommen wir auf seine zentrale Stellung als 
präneandertaler Typus zurück. „Die Mandibula des Homo Heidelbergensis lässt den 
Urzustand erkennen, welcher den gemeinsamen Vorfahren der Menschheit und der 
Menschenaffen zukam. Der Fund bedeutet den weitesten Vorstoss abwärts in die 
Morphogenese des Menschenskelettes, den wir bis heute zu verzeichnen haben“. 

Unsere Frage nach der Kultur des Homo Heidelbergensis bleibt vorerst offen. 
Weder bearbeitete Tierknochen noch Silices konnten nachgewiesen werden. 

Das SCHÖTENSACK’sche Werk hat eine geschmackvolle Ausstattung erfahren 
und wird begleitet von einer wertvollen Tafelserie, die ausser sieben photo¬ 
graphischen Wiedergaben des Kiefers, Ansichten der Röntgendurchstrahlung, Ab¬ 
bildungen der Tierwelt von Mauer und des Profils umfasst. 

Tübingen. Rob. Rud. Schmidt. 

Forrer, Dp. Robert, Keltische Numismatik der Rhein- und Donaulande. Mit 

555 Münzabbildungen, 48 Tafeln und Karten. Strassburg, Karl J. Trübner. 1908. 

24 M. 

FORRERS „Keltische Numismatik“ behandelt die Münzprägung der keltischen 
und germanischen Völker vorzugsweise in den Rhein- und Donaulanden, in der 
Zeit, bevor diese Gebiete dem römischen Reiche einverleibt wurden. Voran geht 
ein systematischer Teil, der in die Geschichte der Disziplin einführt, die Entlehnung 
fremder Typen und ihre allmähliche Weiterbildung, Münzmetall und Münztechnik 
behandelt. Auch später kommen noch einige Kapitel, die mehr systematischen 
Inhalts sind (z. B. 31, 32, 46). Es folgt der beschreibende Teil, der das erhaltene 
Münzmaterial vorführt und örtliche und seitliche Zuteilung sowie die Fragen der 
Typen und der Währung behandelt. Spanien beginnt, dann folgt das eigentliche 
Gallien; von nun an gibt das jeweilige Vorbild die Disposition ab: Nachahmungen 
nach Münzen von Rhoda, Emporiae, Massilia, Tarent usw., nach römisch-republi¬ 
kanischen Denaren und Kaisermünzen. Dann geht es zu den Nachahmungen nach 
mazedonischen und anderen nordgriechischen Silbermünzen: Philipp II., Patraos, 
Audoleon, Alexander III., Philipp III., Lysimachos, Thasos, Maroneia usw.; endlich 
folgen die „Regenbogenschüsselchen“ und die weitverzweigte Gruppe von Gold¬ 
münzen nach Philipps II. Muster. Ein allgemeiner Abschnitt über die Lehren, die 
aus der Verbreitung der einzelnen Vorbilder für die Wege und Wandlungen der 
Kultur sich ergeben, ein paar Nachtragskapitel, zwei Exkurse über die besonderen 
Münzverhältnisse der Schweiz und den grossen Goldmünzfund von Tayac-Liboume, 
in dem FORRER ein Überbleibsel aus dem Kimbernzuge erblickt (vgl. dagegen 
jetzt BLANCHET: Revue des etudes anciennes 1910, S. 21 ff.), sowie die Register 
bilden den Schluss. Textabbildungen in reicher Fülle, leider technisch oft nicht auf 
der Höhe, illustrieren das Ganze und werden zum Schluss nochmals auf 48 Tafeln 
wiederholt. 

Für die vorgeschichtliche Forschung in Deutschland spielen die römischen 
Münzen, besonders die der Kaiserzeit, bekanntlich eine nicht unbedeutende Rolle 


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IV. Bücherbesprechungen. 


als eines der Mittel zur Datierung von Fundgenossen, von Schichten und Siedelungen. 
Weit minder bedeutsam ist in diesem Zusammenhänge die Rolle der keltisch-ger¬ 
manischen Münzen, einmal weil sie nur in einem kleineren Teile Reichsdeutschlands 
Vorkommen, vor allem aber einfach deshalb, weil sie selbst einer sicheren Datierung fast 
stets ermangeln: nie tragen sie wirkliche Jahreszahlen, historisch bekannte Personen 
kommen auf ihnen nur selten, Namen datierbarer staatlicher Verbände fast nie vor; 
Münzen, deren Typen oder Aufschriften sich auf bestimmte historische Ereignisse be¬ 
ziehen, fehlen hier so gut wie ganz; endlich und vor allem versagt aber hier auch der 
Stil als Datierungsmittel fast völlig: dieTypen sind meist nicht originell erfunden, sondern 
fremden nachgeahmt, und nur die grössere oder geringere Stümperhaftigkeit der 
Entlehnung scheint die Möglichkeit, eine relative Chronologie aufzustellen, zu ge¬ 
währen; aber auch diese Möglichkeit wird hinfällig, da für grössere Barbarei oft 
nicht ein weiterer zeitlicher Abstand von der Vorlage, sondern die Tatsache die 
Ursache ist, dass es sich um Nachahmungen nach Nachahmungen handelt, wie Ver¬ 
fasser das mehrfach treffend betont. Im wesentlichen dieselben Gründe, vor allem 
das fast völlige Fehlen von Orts- und Landesnamen, erschweren auch die örtliche 
Zuteilung dieser keltisch-germanischen Prägungen, für die wir schliesslich fast nur 
auf Fundnotizen angewiesen sind. Alle diese Schwierigkeiten und dazu der uner¬ 
freuliche Stil der Münzen haben es mit sich gebracht, dass die Forschung hier sehr 
vernachlässigt ist, und darum ist jedes Werk, welches das alte Material wiederum 
durcharbeitet und ordnet sowie neues zur Stelle schafft, dankbar zu begrüssen. 
So also auch das FORRERsche. 

Besondere Anerkennung verdient FORRER namentlich dafür, dass er den 
wenigst bebauten Teil der keltischen Münzforschung, nämlich das sog. ostkeltische 
Gebiet, sich hat besonders angelegen sein lassen, und die Abschnitte über jene 
grossen Silberstücke nach dem Muster Philipps II. und ihre Deszendenten bis hinab 
zu den Häuptlingsmünzen eines Biatec, Adnamat usw., ihre örtliche und zeitliche 
Verbreitung, die Entwicklung und Umbildung ihrer Typen sind eine in jeder Be¬ 
ziehung gelungene Leistung. Mancherlei Mängel, wie allzukühner Flug der Phantasie 
bei Ausbeutung numismatischer Tatsachen zu historischen Schlüssen, Störungen der 
Disposition, nichtausreichende Ausschöpfung der übrigen Literatur, nachlässige Zitier¬ 
methode, die ihm anhaften, sind schon an anderer Stelle (Römisch-germanisches 
Korrespondenzblatt 2, 1909, S. 27 ff., vgl. auch KUBITSCHEK in der Wiener numis¬ 
matischen Zeitschrift 42, 1909, S. 267 ff.) besprochen worden. 

Berlin. Kurt Regling. 


Carl Blasel, Die Wanderzüge der Langobarden. Ein Beitrag zur Geschichte und 
Geographie der Völkerwanderungszeit. Breslau 1909, Müller & Seiffert. XIX, 
133 S. 8°. 

Da wir eine Fülle von Abhandlungen älteren und jüngeren Datums über die 
Langobarden besitzen, so ist die Arbeit von BLASEL schon wegen der eingehend 
behandelten Literatur in geschichtlicher Übersicht sehr willkommen. Der Verfasser 
will, gestützt auf die Vorarbeiten, vom historischen Standpunkte seine Aufgabe 
lösen. „Wo andere Fachwissenschaften, wie Archäologie, Ethnographie, Rechts- und 
Sprachwissenschaft in Frage kommen, da soll des Verfassers Urteil schweigen, und 
nur die gesicherten Ergebnisse derselben sollen referierend zur Darstellung kommen 
und zum weiteren Ausbau dienen.“ 

Der Vorgeschichtswissenschaft jedoch hätte schon in der Untersuchung der Ur¬ 
heimat der Langobarden ein grösserer Raum gewährt werden, ja sogar die Ent- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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Scheidung zufallen müssen. Der Verfasser aber tut kurz die Ansichten derer ab, 
welche die Heimat der Indogermanen oder Germanen im Norden Europas suchen. 
Auch durfte er nicht die Forschungen von MONTELIUS zusammenstellen mit der 
phantasievollen Arbeit des OLAF RUDBECK aus dem Jahre 1675, der den plato¬ 
nischen Mythus von der Insel Atlantis auf Skandinavien beziehend, die Äsen, Giganten, 
Amazonen, Goten, Langobarden usw. von da stammen lässt. Hätte der Verfasser 
die gesicherten Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von KOSSINNA sich 
zu eigen gemacht, nach denen die Goten aus Skandinavien eingewandert sind, dann 
würde er auch nicht so hart über JORDANES geurteilt haben, dem er Unverfroren¬ 
heit in der Erfindung der Ursitze seines Volkes vorwirft. 

Die Nachrichten der antiken Schriftsteller über die Heimat der Langobarden 
vereinigt der Verfasser mit denen der langobardischen Geschichte, indem er den 
Nachweis zu bringen sucht, dass auch Scathanavia des Fredegar, Scadana in der 
Origo gentis Langobardorum und Scatenauge im Chronicon Gothanum die Gegend 
an der Unterelbe bezeichnet. Erst PAULUS DIACONUS habe fälschlich unter dem 
Einflüsse von PLINIUS und JORDANES die für ihn unverständliche Bezeichnung 
Scadana auf die Halbinsel Skandinavien übertragen. 

Als Zeitpunkt der Auswanderung aus der Heimat bestimmt der Verfasser die 
Wende des 4. oder den Anfang des 5. Jahrhunderts. Doch die Erwägung, dass die 
Langobarden in das ostelbische Land gezogen sind, als dieses von den ostgermani¬ 
schen Stämmen aufgegeben war, da das kleine Volk seinen Weg nicht mit Waffen¬ 
gewalt erzwingen konnte, ist nicht stichhaltig. Denn die Ostgermanen hatten sich 
nach den Forschungen von KOSSINNA in jenen Gegenden nicht so weit nach Westen 
ausgedehnt, dass sie die Langobarden an der Übersiedlung in das Gebiet rechts 
der Elbe hätten hindern können. 

Bei der Behandlung der Wanderstationen der Langobarden zieht der Ver¬ 
fasser auch archäologische Funde heran. Doch die Schalenurnen des 3. und 4. Jahr¬ 
hunderts, die in Böhmen und im Waagtale Vorkommen, und die er mit WEIGEL 
für die Langobarden in Anspruch nimmt, gehören allen Westgermanen an. Aber 
auch die Funde von Tonscherben des Darzauer Gefässtiles im Waagtale beweisen 
den dortigen Aufenthalt der Langobarden nicht, da der Typus der Maänderurnen 
nach KOSSINNA nur bis zum Anfang des dritten Jahrhunderts sich findet und nicht 
auf die Langobarden beschränkt ist. Nach den in der Wandersage genannten 
Stationen nimmt der Verfasser an, dass die Langobarden vom Bardengau über die 
Elbe zogen, dem Laufe des Stromes nach Süden folgten und dann nach Schlesien 
abbogen; von dort wanderten sie nach Böhmen und 488 in das Rugiland. 

Es hätte hier erwähnt werden müssen, dass noch in späterer Zeit nördlich 
der Alpen Langobarden sassen; denn nach der Nachricht des Johannes von 
Ephesus, auf die KOSSINNA in der Zeitschrift für deutsches Altertum Band 35 
S. 264 aufmerksam gemacht hat, standen unter Justinian im Perserkriege des 
Jahres 575 60000 Langobarden, die offenbar die Hilfstruppen sind, die nach 
EUAGRIUS jenseit der Alpen ausgehoben worden waren. 

Mit Recht verweist der Verfasser den Zusammenstoss der Langobarden mit 
den Amazonen in das Bereich der Fabel. Daran schliesst er eine Geschichte der 
Amazonensage, weil noch kürzlich WESTBERG versucht hatte, die Amazonen als 
historisches Volk nachzuweisen. 

In den drei letzten Kapiteln behandelt BLASEL den Zug der Langobarden 
vom Rugiland über das „Feld* nach Pannonien, die langobardischen Quellen und 
die verschiedenen Deutungen des Langobardennamens. 

Berlin. Walther Schulz. 


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Alter- 
S. 8°. 
^ 2 ) 


Robert Gradmann, Der Getreidebau im deutschen und römische 1 »^ 
tum. Beiträge zur Verbreitungsgeschichte der Kulturgewächse. Jena. 1909. 11* 
GRADMANN hat früher (Württ. Jahrb. für Statistik und Landeskunde 
nachzuweisen versucht, das der Spelz ein altes und eigenes Kulturgut der Alt. 
mannen sei. Eigentlich niemand war mit seinen Schlussfolgerungen einverstanden, 
aber es Hess sich wenig gegen sie Vorbringen. Erst HOOPS (Waldbäume und Kultur¬ 
pflanzen) stellte die Tatsachen zusammen, die der GRADMANNschen Annahme ent¬ 
gegenstanden. Er ging sogar weiter und meinte beweisen zu können, dass der 
Spelz dasselbe sei wie das römische Far. Hierzu nimmt GRADMANN jetzt aufs 
neue Stellung, und in dem vorliegenden Buche ist dem Spelz mehr Raum gewidmet 
als allem anderen Getreide zusammen. Wie ein Motiv hört man überall aus der Dar¬ 
stellung heraus, dass die Germanen 1 Ä ine einzige Getreideart den Römern zu ver¬ 
danken haben. Andrerseits wird der römische Ursprung des deutschen Gartenbaues 
voll anerkannt. Es ist GRADMANN gelungen, nachzuweisen, dass die Berichte aus 
dem orientalischen und klassischen Altertum, die man früher auf Spelz bezogen 
hat, zum grossen Teile Emmer betreffen, und dass der Rest, soweit es sich 
nicht um Einkorn handelt, zweifelhaft bleibt. Für den ganzen Orient und Ost¬ 
europa lässt sich jetzt mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass man dort niemals 
Spelz gekannt hat, für Italien ist das gleiche wenigstens möglich. Prähistorisch ist 
Spelz aus der Bronzezeit der Westschweiz nachgewiesen. In der Literatur erscheint 
er 301 n. Chr., und zwar zugleich als scandula und spelta und zusammen mit Roggen 
und Hafer. Im frühen Mittelalter hat man dies Getreide in Südwestdeutschland, 
dem Mosellande und Nordostfrankreich gebaut, die gegenwärtigen Anbaugebiete sind 
Südwestdeutschland, Belgien, Dauphind und Nordspanien, und zwar hier nach Will¬ 
komm (Vegetationsverh. d. iber. HalbinseJ) besonders Asturien, nicht „Gallaecien“, 
wie GRADMANN S. 100 vorträgt. Die Grenze des Hauptspelzgebietes in Südwest¬ 
deutschland fällt im Mittelalter wie noch jetzt auf weiten Strecken in auffälliger 
Weise zusammen mit den Grenzen der alemannischen Siedelung. Den Ausnahmen 
gesteht GRADMANN wenig Bedeutung zu, während HOOPS gerade diese hervor¬ 
gehoben hatte. Wie wäre es, wenn man einmal die alten Spelzkulturen mit den 
Sprengelgrenzen von Basel, Augsburg, Eichsta’tt, Speier und Trier vergliche? Es 
scheint ja, als seien diese Sprengelgrenzen identisch mit Bezirksgrenzen der aus¬ 
gehenden römischen Kaiserzeit. Die auffälligste spelzfreie Exklave des alemannischen 
Siedelungsgebietes ist jedenfalls das Bistum Strassburg, von Basel her reicht der 
Spelz in GRADMANNS Nachweisen bis Colmar, von Speyer her bis Hatten. Das 
mittelrheinische Gebiet betrachtet GRADMANN übrigens nicht mehr als alemannisch; 
die meines Wissens kaum bestrittene Tatsache, dass die deutsche Sprachgrenze im 
Bezirk Lothringen, die keine Spelzgrenze ist, eine alte Alemannengrenze sei, wird 
nicht erörtert. Die Spelzkultur im Bistum Trier wird mit der belgischen zusammen 
als altkeltisch angenommen. Der Ursprung des Spelzes erscheint nun ganz dunkel. 
Aus den vorgeschichtlichen Funden ergibt sich, dass er in der Schweiz lange war, 
bevor die Alemannen kamen, und in deren vorgeschichtlichen Wohnsitzen ist keine 
Spur von Spelzbau erkennbar. Der von GRADMANN angedeutete Ursprung dieses 
Getreides aus einer vorgeschichtlichen deutschen Steppe ist unannehmbar. Denn 
soweit wir die postglazialen Felder auf Grund von Fossilien und Relikten im Geiste 
wiederherstellen können, müssen sie in Fauna und Flora durchaus einen russisch¬ 
sibirischen Charakter gehabt haben — und dort im Osten wird ja gerade jede Spur 
von Spelz vermisst. Dieser muss demnach wohl westeuropäisch sein. Ich möchte 
darauf hinweisen, dass in südfranzösischen Fruchtäckern zuweilen Bastarde entstehen 
zwischen dem Weizen und einem Unkraute namens Aegilops. Nach Rückkreuzungen 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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mit Weizen entsprangen in Kulturversuchen aus solchen Bastarden samenbeständige 
Rassen eines minderwertigen, in manchen Merkmalen spelzähnlichen Getreides 
(Aegilops speltaeformis). Auch Bastarde zwischen verschiedenen Arten dreschbaren 
Weizens haben in mehreren Fällen Spelzmerkmale gezeigt. (Vgl. Solms, Weizen 
und Tulpe, wo die betr. Literatur zusammengestellt ist.) > 

Ausser dem Spelz behandelt GRADMANN nur noch den Emmer etwas aus¬ 
führlicher (10 Seiten). Er legt grosses Gewicht darauf, dass dessen wilde Stamm¬ 
form in Palästina entdeckt sei. Aber wie will man in jenem Lande einem wilden 
Weizen ansehen, dass seine Ahnen nicht verwilderte Kulturpflanzen waren? Im 
Strassburger botanischen Garten trieb dieser angebliche Urweizen (Triticum dicoc- 
coides) aus ein und demselben Stocke so verschiedenartige Halme, wie man es bei 
einem spezifisch reinen Grase nicht für möglich halten sollte. Obwohl so die Basis 
der GRADMANNschen Ausführungen eine ganz unsichere wird, muss doch anerkannt 
werden, dass die olyra der alten Ägypter, das Kussemet des Alten Testaments und 
manche altgriechische zeia zum Emmer gehören. Dass auch das römische far Emmer 
sei, lässt sich nicht so sicher beweisen. Von far gab es nämlich verschiedene Arten 
(Columella VI), und wenn auch die meisten Emmer waren, könnten andere doch 
Spelz gewesen sein. Nach Arcangeli Compendio della flora Italiana (1882) wäre 
Emmer in Italien jetzt ohne Vulgärnamen, während der Spe*z ,,Grano*Farro“ hiesse. 

Die Abstammung des Weizens vom Emmer ist recht unwahrscheinlich, da 
beider Bastarde grossenteils unfruchtbar ausfallen (s. die Quellen bei Solms a. a. O.). 
Den bei Cato und Columella stark hervortretenden Unterschied von triticum und 
siligo hat GRADMANN nicht erörtert. 

Über das paläolithische Getreide, das GRADMANN mehrfach erwähnt, habe 
ich mich schon bei Besprechung des HOOPSschen Buches (Gött. gel. Anz. 1906, 

S. 939) sehr skeptisch geäussert. Inzwischen habe ich von gut unterrichteter Seite 
erfahren, dass diese Funde in Frankreich nie ernst genommen, aber aus persönlichen 
Rücksichten nicht kritisch beleuchtet wurden. 

Der Hafer ist nach GRADMANN möglicherweise ein Parvenü aus dem Stande 
der Unkräuter. Wenn in schlechten Jahren auf den Saatfeldern nichts stand als 
Avena fatua, musste man notgedrungen diesen essen, gewöhnte sich an ihn und 
zog ihn schliesslich des sicheren Ertrages wegen dem alten Getreide vor. 

Strassburg i. E. Ernst H. L. Krause. 


Carl Schuchhardt als römisch-germanischer Forscher 1 ). 

Unter allen meinen Gegnern ist SCHUCHHARDT wohl der rührigste. Noch 
1902 soll er freilich nach der Mitteilung KOEPPS in der Zeitschr. f. Vaterländ. 
Gesch. und Altert, zu Münster 60, S. 2 ausgesprochen haben, er „verschmähe“ es, 
„sich auf Diskussionen“ mit mir „ferner einzulassen“; natürlich, denn Lorbeeren 
waren für ihn hierbei nicht zu pflücken. Das hielt ihn aber doch nicht ab, nun¬ 
mehr in seinen vielen Vorträgen, Aufsätzen und Kritiken — denn auch das gehört 
heutzutage zur wissenschaftlichen Methode — fortwährend versteckt oder offen 


') Um den Vorgeschichtsforschern einen Überblick über die Streitfragen der römisch-germanischen 
Forschung zu geben, auf die sich die'Erklärung* (Mannus 1,326) und die 'Entgegnung’ (Mannus II, 265 ff.) 
unseres Mitgliedes Direktor Prof. Dr. KNOKE gegen die auf die Leichtgläubigkeit der Leser spekulierenden 
Anwürfe Carl SCHUCHHARDT’s beziehen, sei hier auf die Schlaglichter hingewiesen, die KNOKE bereits 
in seiner Schrift «Eine Eisenschmelze im Habichtswalde bei Stift Leeden, Berlin 1901“. S. 14—26 auf 
diese Dinge im allgemeinen und auf die wissenschaftlich • sittliche Persönlichkeit SCHUCH HARDTs im 
besonderen geworfen hat. — Was hier oben zur Würdigung SCHUCHHARDT’s mitgeteiit wird, ist ein 
Wiederabdruck aus KNOKE's spaterer Schrift: Neue Beiträge zu einer Geschichte der Römerkriege in 
Deutschland Berlin 1907. S. 46 ff. Der Herausgeber. 


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IV. Bücherberprechungen. 


sich in Ausfällen gegen mich zu ergehen. Darum erscheint es angebracht, die 
Tätigkeit dieses Mannes einmal in etwas helleres Licht zu rücken. 

Bekannt machte sich SCHUCHHARDT zuerst durch die Entdeckung 
römischer Kastelle im Hannoverschen. Dahin gehörte die Aseburg, der Schulten¬ 
hof zu Rössel und die Wekenborg an der Hase, ferner die Wittekindsburg bei 
Rulle und die Heisterburg bei Deister. Ja dieses Gebirge sollte nach ihm gar mit 
einer grösseren Menge römischer Kastelle ausgestattet worden sein. Scherben, die 
er in den Burgen vorgefunden hatte, sollten „zweifellos römischer Import“ sein. 
„Weisse Topfware und gar mit Bemalung, so meinte er, sei sowohl für altgerma¬ 
nische wie für mittelalterliche Fundstätten bei uns ganz unerhört“. Auch die „dick¬ 
wandige dunkele Topfware“ musste nach ihm der römischen Zeit zugewiesen werden. 
Ja sie sollte „künftighin als ein wichtiges Datierungsmittel für andere Fundstätten 
verwendet werden“. Weitgehende Folgerungen für die Wissenschaft wurden dem¬ 
nach an seine Entdeckungen geknüpft. 

Es war nur schade, dass alle diese Kombinationen sich gar bald als 
trügerisch erwiesen. Konst. KOENEN deckte nämlich eine karolingische 
Töpferwerkstatt bei dem Orte Pingsdorf mi* denselben rotbemalten Scherben auf 
und damit brach das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen. 

Diese Erfahrung wäre nun freilich wohl geeignet gewesen, 
SCHUCHHARDT zu einiger Bescheidenheit zu führen. Doch würde 
das nicht seiner Art entsprochen haben. Er wusste vielmehr sich 
bald zuhelfen und machteausderVerlegenheiteineTugend,indem 
er ohne weiteres auf dem Bremer Philologentage sich nunmehr 
dahin äusserte, „man“ habe zwar jene Burgen bisher für römisch 
gehalten oder, wie er sich an einer anderen Stelle ausdrückt, sie 
seien „bisher fast immer als römisch angesprochen“, er könne 
jedoch nunmehr beweisen, dass sie karolingisch seien. Er zeigte 
alsokeineSpurvon Reue,sondern rechneteessich obendrein noch 
zum Verdienst an, die Ergebnisse der Wissenschaft berichtigt zu 
haben. Dass er es aber selbst gewesen, durch den der Irrtum in 
die Welt gekommen war, das wurde wohlweislich von dem Vor¬ 
tragenden verschwiegen. 

Zum zweiten Male wurde unser Forscher als Beurteiler des Varuslagers 
im Habichtswalde viel erwähnt. Wir haben bereits dargelegt, wie er dieses Lager 
anfangs als eine Forstanlage ausgab 1 ), dann aber JOSTES Recht gab, indem nun¬ 
mehr — was ihm früher entgangen war — die Umwallung „durchaus den Charakter 
der bäuerlichen Zuschlagswälle“ haben sollte 2 ), und wie er endlich wieder RITTER- 

') KNOKE S. 15: Die Üblen Erfahrungen, die die Herren machten, begannen sogleich mit der Veröffent¬ 
lichung des Herrn SCHUCHHARDT. So hiesa es S. 196: „Das Profil des iusseren Rings zeigt keinen regel- 
missigen Wall und Graben, wie er alten Befestigungen immer eigen ist", eine Bemerkung, die geradezu laienhaft 
erscheinen musste, und wobin das Urteil: „dieganze äussere Umwallung muss ich daher fQr eine Wallhecke 
halten, die von der Forstverwaltung angelegt ist" führen musste, sollte sich bald zeigen. Dazu die vielen 
unrichtigen Behauptungen im einzelnen. Eine Erwiderung, die ich noch in demselben Bande der „Mitteilungen* 
drucken lassen durfte, konnte denn auch mit den Worten Schlüssen: „Das Ergebnis dieser Ausführungen . . . 
ist demnach, dass keine der gegen mich vorgebrachten Behauptungen des Herrn SCHUCHHARDT den 
Tatsachen entspricht und dass ebenso sein Urteil über den Ursprung oder den Zweck des Werkes sicher 
zu verwerfen Ist." 

') KNOKE, S. 17: Ganz sicher schien sich SCHUCHHARDT bei seiner Behauptung, das dort befind¬ 
liche Lager sei von einem Förster hergestellt, doch nicht zu fühlen. Denn als Professor JOSTES aus Münster 
herausgebracht haben wollte, die Anlage heisse im Munde des Volkes „Schulte Loosen Toslag" und sei von ihrem 
Besitzer bei Gelegenheit der Markenteilung 1. J. 1668 angelegt, da erkürte er in den Mitteilungen der 
Weatfäl. Altertums-Kommission IS. 41 sofort, jetzt erst sei mein Vsruslager endgültig aus der Welt geschafft. 
„Denn, so sagte er, dass eine Sache nicht römisch sein kann, beweist man erst vollgültig, wenn man 
dsrtut, was sie denn wirklich ist." Aber nicht bloss das, nein auf der Bremer Pbilologtnversammlung 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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LING beipflichtete, nach dessen Urteilsspruch die Befestigung in das Mittelalter 
zu verlegen sei 1 ). Dies alles seiner Gewohnheit gemäss jedesmal mit einer 
Sicherheit, als könnte es gar nicht anders sein. Wir haben ferner dar¬ 
gelegt, wie SCHUCHHARDT trotz des römischen Charakters der Befestigungen, 
trotz der Funde prähistorischer Scherben, die in den Lagergräben lagen, und trotz 
der wichtigen Altertümer römischer Zeit, die sonst noch in und bei den von mir 
entdeckten Lagerstätten ausgehoben wurden, alle diese Römerlager kurzerhand als 
Bauernwälle ausgab und noch immer ausgibt. Wer so leichtfertig urteilt, 
verdientnichtmehr den Namen eines wissenschaftlichen Mannes. 

In der Wissenschaft steht als Tugend obenan die Wahrheits¬ 
liebe. Wie kann man aber da noch von Wahrheit reden, wo ein 
Kritikerfortwährend einemAutoretwasunterschiebt,wasernicht 
behauptet hat. Ja was soll man dazu sagen, dass er, nachdem ihm 
in einer einzigen Kritik achtzehn Unwahrheiten nachgewiesen 
worden waren, hinterher abermals vermittelst falscher Wieder¬ 
gabe des Gesagten den Vorwurf der Unwahrheit auf den Gegner 
zurückzuschieben suchte? 

Und dabei hat ein solcher Mann dann noch den Mut, in einer 
Versammlung von Philologen einen Vortrag zu halten und zum 
Schluss zu sagen: „Ich würde sehr glücklich sein, v.enn Sie daraus die An¬ 
regung entnehmen möchten, an der grossen Aufgabe in irgend einer Weise mitzu- 
wirken, sei es durch eigene Beobachtung und Forschung, sei es durch Einführung 
der Jugend in eine vernünftige und sachliche Betrachtung dieser Dinge, die, dilet¬ 
tantisch gehandhabt, freilich die Phantasie auf schlimme Abwege führen und auch 
einen ordentlichen Mann zum Narren haben können, wissenschaftlich aber, d. h. 
gründlich und mit Selbstzucht betrieben, den schönsten Erfolg versprechen“. 

In der Tat, hier gilt der Spruch: „Spottet sein selbst und 
weiss nicht, wie“. 

Völlig unwahr ist es auch, wenn SCHUCHHARDT in demselben Vortrage 
gegen mich S. 20 äussert: „Alles was sonst behauptet ist von Varus- und Cäcina- 
lagern, von Moorbrücken und Brandhügeln muss glatt gestrichen werden. Es stammt 
von Leuten, die ... . fast immer befangen in dem Bestreben einer bestimmten 
Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen, nicht den Überblick ge¬ 
wannen um zu sehen, wie trügerisch es ist, aus irgend einer einzelnen Überein¬ 
stimmung zwischen Schriftsteller und Gelände grosse Schlüsse zu ziehen“. Denn 
es handelt sich bei allen meinen Untersuchungen niemals um eine Neigung für 
diese oder jene Gegend — sind mir diese doch fast alle erst auf meinen Unter¬ 
suchungsreisen bekannt geworden —, niemals um eine einzelne Übereinstimmung, 


behauptete er nunmehr, als hätte er nie etwas anderes gesagt, die äussere Umwallung habe „durchaus den 
Charakter der bäuerlichen Zuschlagswälle, d. h. der Wälle, welche die Bauern bei der Markenteilung um 
den ihnen zugeschlagenen Teil anlegten*. Auch pflichtete er JOSTES darin bei, dass die innere Befestigung 
lediglich eine Eichenschonung sei. Die porta principalis dextra aber sei nichts weiter als eine „Sägestätte*. 
Das sei das „traurige Ende eines glänzenden Namens*, das uhs wohl „zur Vorsicht mahnen* müsse. 

Ja er gefiel sich nachträglich so sehr in dieser Anschauung, dass er die von mir gefundenen 
römischen Befestigungen, mochten sie im Habichtswalde oder bei Iburg oder bei den pontes longi liegen, 
von nun an überhaupt als „Bauernwälle* ausgab. 

KNOKE, S. 19: SCHUCH HARDT aber atmete wieder erleichtert auf und schrieb frohlockend in 
der Deutschen Literaturzeitung 1901 Nr. 51/52: „Broschüre über Broschüre stopft KNOKE in sein Danaiden¬ 
fass, das Varuslager im Habichtswalde, ohne doch dem armen Ding einen Boden verschaffen zu können. . . 
Wir wollen heute dies alles ruhig über uns ergehen lassen : es ist eine alte deutsche Rechtswohltat, dass, wer 
einen Prozess verloren hat, eine Weile ungestört schimpfen darf.“ Dass, indem er RITTERLING’s Urteil 
gelten liess, freilich auch Schulte Loosens Toslag wieder preisgegeben war, bereitete ihm selbstverständ¬ 
lich keine Schmerzen. 

Mannus. Bd. II. 17 


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IV, Bücherbesprechungen. 


sondern um eine Summe von Beweismitteln, die den verschiedensten Zweigen un¬ 
serer Wissenschaft entnommen sind, die Jedoch zu übersehen meinem Gegner 
offenbar die Fähigkeit abgeht. 

Wie unüberlegt der Versuch SCHUCHHARDT’s, den von mir entdeckten 
Moorbrücken den römischen Ursprung abzustreiten, unternommen wurde, habe ich 
bereits weiter oben nachgewiesen 1 ). Denn auch hierüber wusste er sich zu äussem, 
obwohl er selbst zugestehen musste, dass er der Aufdeckung einer Moorbrücke 
niemals beigewohnt habe. 

Ebenso will er auch Philologe sein. Drum weiss er es besser als 
die ersten Tacituserklärer, was die Worte in Ann. I, 63: mox reducto ad Amisiam 
exercitu bedeuten und folgert aus dieser Kenntnis heraus, dass die pontes longi 
„auf der Strecke Rheine-Xanthen zu suchen“ seien. Ebenso weiss er, dass Ann. II, 
7 vermöge „einer stilistischen Laune, wie sie bei Tacitus so häufig und gerade so 
amüsant“ seien, mit dem castellum Lupiae flumini adpositum Aliso bezeichnet 
worden sei. 

Eine besondere Kunstfertigkeit entwickelt er bei seinem „Bestreben einer 
bestimmten Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen“, wenn er uns 
beweisen will, dass die Grotenburg bei Detmold der Ort sei, der dem Teutoburger 
Walde den Namen gegeben habe. Nach ihm ist nämlich Teutoburg die „Volksburg“, 
und er tat sich einst viel darauf zu gute, herausgebracht zu haben, dass sie die 
einzige Volksburg in jenem ganzen Gebirgsstriche sei. Anderseits sei sie die 
Teutoburg, weil der Berg, auf dem sie liege, noch im ganzen Mittelalter „der Teut“ 
geheissen habe. 

Dass diese Behauptung unrichtig ist, wurde bereits an anderer Stelle nach¬ 
gewiesen, und es muss auf schärfste gerügt werden, dass sie trotzdem immer von 
neuem wiederheit wird. Hier aber ist es geradezu ein Unsinn, wenn 
nach seiner Annahme der erste Teil des Wortes Teutoburg das eine 
Mal soviel wie „Volk“ und das andere Mal wieder einen „Berg“ be¬ 
deuten soll, als wenn das beides mit einander möglich wäre. 

Dass die Versuche, seiner Teutoburg-Hypothese durch Funde von Altertümern 
eine Stütze zu verleihen, völlig scheitern mussten, war für Kundige nicht über¬ 
raschend. Noch in dem Berichte über die Fortschritte der römisch-germanischen 
Forschung i. J. 1904 waren freilich diese Untersuchungen als besonders wichtig 
im voraus angekündigt worden. Aber die Hoffnung SCHUCHHARDT's, die Ver¬ 
sammlung von Altertumsfreunden, die um Ostern 1906 in Detmold tagte, mit diesen 
entscheidenden Ergebnissen zu überraschen, ging nicht in Erfüllung. „Trotz 
wochenlanger Bemühungen haben wir“ — so klagt er — der Grotenburg „bisher 
nur ein einziges Feuerstein-Messerchen abringen können“. Diese Angabe steht 
freilich im Widerspruch mit dem im Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in 

'j KNOKE, S. 16: Dem Muaeumsdirektor CONWENTZ in Danzig war es gelungen, an der Grenze 
zwischen Ost- und Westpreussen einige Moorbriicken aufzudecken, über die er eine besondere Schrift herausgab. 
Dass diese nicht römischen Ursprungs sein konnten, lag auf der Hand. Aber es war auch von PREJAWA und 
mir nie behauptet worden, dass alle in den Mooren Nordwestdeutschlands gefundenen Brücken römisch seien; 
wir hatten vielmehr zwischen prähistorischen, römischen und mittelalterlichen längst unterschieden. Nun 
zeigten die in Preussen ans Tageslicht gekommenen Brücken eine völlig andere Technik, als die von uns 
für römisch ausgegebenen, und CONWENTZ selbst war es gar nicht in den Sinn gekommen, diesen 
Unterschied zu leugnen. Gleichwohl wurde sofort von SCHUCHHARDT udd seinem Anhang in die Welt 
hinein gerufen, nunmehr sei es aus mit meinen Römerbrücken hei Mehrholz-Brägel; denn CONWENTZ 
habe ganz gleiche fern im Osten, wohin die Römer nie gekommen seien, aufgefunden. 

Man hatte mit demselben Recht behaupten können, es gebe bei uns keine römischen Gefässe, weil 
in Deutschland auch solche aus vorrömischen Zeiten aufgefunden worden seien. Nicht bloss auf den 
Unterschied der einen wie der anderen Moorübergänge konnte indessen hingewiesen werden, sondern es 
zeigte sich, dass die bei Mehrbolz aufgedeckten auch denjenigen entsprachen, die G. WOLFF am Limes 
ausgegraben hatte, eine Tatsache, die freilich regelmässig totgeschwiegen wurde. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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Niedersachse;n VII S. 74 gegebenen Fundbericht, nach dem innerhalb der Groten- 
burg als gesamtes Inventar zwei Steinbeile und ein gemutmasster Schleifstein auf¬ 
gefunden wurden, während das Feuerstein-Messerchen dem kleinen Hünenringe 
unterhalb der Grotenburg angehört, und es ist bezeichnend, dass im Gedächtnis 
unseres Forschers die beiden Ringe sich so bald vertauschen konnten. Aber auch 
nach dem von SCHUCHHARDT selbst gelieferten Fundbericht weist die Anlage 
der Grotenburg auf die Steinzeit zurück, ist in späteren Jahren unbenutzt geblieben 
und hat darum mit einer germanischen Volksburg römischer Zeit nichts zu tun. 

In der S c h e r be n k u n d e war SCHUCHHARDT stets ein unzuver- 
lässigerBeurteiler. Deswegen wird man ihm auch keineswegs ohne weiteres folgen 
dürfen, wenn er neuerdings wieder ganze Kulturen bald der römischen, bald der 
sächsischen, bald der karolingischen Periode zuschreibt. Noch viel weniger 
aber kann man den Ergebnissen seiner Forschung zustimmen, 
wenn er mit der grössten Sicherheit die eine Burg als sächsisch, 
die andere als fränkisch anspricht. Was kann es z. B. beweisen, wenn er 
in dieser oder jener seiner Burgen karolingisches Geschirr antrifft? Das Vorkommen 
solcher Scherben lässt doch höchstens den Schluss zu, dass die Burg zu spät- 
fränkischen Zeiten noch benutzt wurde. Ihr Ursprung kann aber darum recht 
wohl in ältere Zeit zurückgehen. Denn dass man an der Stelle alter Burgen später 
neue baute, ist nicht nur an sich durchaus natürlich, sondern diese Tatsache wird 
uns durch historische Nachrichten obendrein bestätigt. 

Ausserdem ist es für die Bestimmung der Burgen doch entscheidend, an 
welcher Stelle und in welcher Tiefe, ob auf dem gewachsenen Boden oder in der 
Kulturerde die Altertümer aufgefunden wurden. Darüber aber erfahren wir in den 
Fundberichten SCHUCHHARDT’s selten etwas. Die Fundumstände sind 'auch 
wohl nicht immer genügend kontrolliert worden, da er bei seinen Ausgrabungen 
regelmässig eine grössere Anzahl Arbeiter zu beschäftigen pflegt, deren Tätigkeit 
im einzelnen zu überwachen natürlich gar nicht möglich ist. 

Wie trügerisch die Kombinationen auf den fraglichen Gebieten sind, zeigt 
sich im folgenden. SCHUCHHARDT tat sich vor kurzem viel darauf zu gute, 
den sog. karolingischen Burgtypus nachgewiesen zu haben. Wie Burgscheidungen, 
auf das er sich beruft, so seien bei uns viele fränkische Burgen angelegt: „bim¬ 
förmig von einem Bergkopfe herumziehend und der Bergkopf mit besonderem 
Ringe umgeben“, nämlich die Babilönie bei Lübbecke, die Burg auf dem Reren- 
berge usw. So äusserte sich SCHUCHHARDT in dem Atlas vorgesch. Bef. in 
Niedersachsen VII S. 58, und es war für ihn eine besondere Genugtuung, dass 
RÜBEL aus Dortmund auf Grund seiner archivajischen Studien zu demselben Er¬ 
gebnisse gelangt sei. 

Nun hat sich aber in der Babilönie bisher kein Gegenstand gefunden, der 
uns gestattete, sie als fränkisch zu bezeichnen. Die Ausgrabungen, die neuerdings 
daselbst angestellt wurden, haben vielmehr das Gegenteil von dem erwiesen, was 
SCHUCHHARDT und mit ihm RÜBEL als sichere Ergebnisse ihrer Untersuchungen 
uns hinzustellen unternahmen. Oberlehrer LANGEWIESCHE aus Bünde, der 
unter Beihilfe SCHUCHHARDT’s die Ausgrabungen vorgenommen hat, fasst in 
dem 20. Jahresbericht des historischen Vereins zu Bielefeld 1906 S. 64 nach dem 
ihm von Professor Dr. SCHUMACHER aus Mainz zugegangenen Urteil, dem sich 
übrigens auch SCHUCHHARDT gefügt hat, das Ergebnis mit den Worten zu¬ 
sammen: „Mit Sicherheit geht aus alledem hervor, dass die Burg auf der Babilönie 
weder von den Römern (was übrigens auch wohl kein Sachverständiger behauptet hatte), 
noch von Franken angelegt ist, denn von beiden fand sich dort keine Spur, sondern 

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IV. Bücherbesprechungen. 


mit ihren gewaltigen Grössenverhältnissen ist sie eine Volksburg für die Bewohner 
der heimischen Gegend gewesen und hat als solche bis zur karolingischen Zeit 
bestanden, wie die zahlreichen Funde heimischer Ware beweisen.“ 

Damit ist denn auch ein Argument gefallen, das ebenfalls in der Feststellung 
karolingischer Burgen eine gewisse Rolle spielte. Zu ihrem Typus sollten nämlich 
die in Kalk gelegten Mauersteine gehören. Nun hat sich aber herausgestellt, dass 
auch in die oberste Wallanlage der soeben besprochenen Babilonie eine Mauer 
mit Kalkmörtel eingebaut war, und SCHUCHHARDT muss selbst zugeben, dass 
diese vorfränkischen Ursprungs sei. 

Also mit dem karolingischen Burgtypus ist es wiederum 
nichts. Es geht damit ebenso wie mit dem von SCHUCHHARDT 
einst erfundenen römischen Kastelltypus an der Hase, und wir 
sind genötigt, trotz oder vielmehr wegen seiner Forschungen mit 
unseren Untersuchungen über alte Burgen wieder von vorn anzu¬ 
fangen. 

Auch die Heisterburg, die nach SCHUCHHARDT karolingisch sein sollte, 
hat diesen Anspruch fallen lassen müssen, seitdem man im dortigen Mauermörtel 
eine Münze Konstantins des Grossen aufgefunden hat. 

Es wäre übrigens auch unbegreiflich, wenn alle von SCHUCHHARDT als 
karolingisch ausgegebenen Burgen diesen Namen verdienten. Liegen sie doch 
meist auf Bergen im Versteck der Wälder. Das ist nicht die Art, wie ein eroberndes 
Volk Befestigungen anlegt. Vielmehr pflegen die im fremden Lande vordringenden 
Eroberer sich vorerst der Heerstrassen zu bemächtigen und durch Stationen diese 
zu befestigen. So haben es die Römer einst gemacht, und so macht man es noch 
jetzt in Afrika. Jene von SCHUCHHARDT zu karolingischen Anlagen gestempelten 
Burgen werden also ursprünglich Zufluchtsstätten der heimischen Bevölkerung 
gewesen sein. Dass die Heerstrassen von Karl dem Grossen befestigt wurden, ist 
ja allerdings der richtige, wenn auch keineswegs neue Gedanke, der den Unter¬ 
suchungen RÜBELS zugrunde liegt. Aber man zwängt mit Gewalt die vorhandenen 
Wallbefestigungen in dieses System hinein, wenn RÜBEL nebst anderen Verkehrt¬ 
heiten seiner Schrift von der Burg auf dem Rerenberge behauptet, sie beherrsche 
die Strasse von Iburg nach Osnabrück, während sie in Wirklichkeit weitab von 
diesem Wege sich ebenfalls im tiefen Waldversteck befindet. 

Aber SCHUCHHARDT wird nicht müde, neue Typen aus¬ 
findig zu machen. So sollen mit einem Male alle Ringwälle bei 
uns zu Lande sächsisch sein. Indessen was in der Düsseiburg bei Rehburg 
ans Tageslicht gekommen ist, widerspricht gleich wieder dieser Anschauung. Denn 
ganz abgesehen davon, dass die Bestimmung der daselbst gefundenen Scherben 
auf Willkür beruht — sagt SCHUCHHARDT doch selbst in seinem Ausgrabungs¬ 
bericht, dass sie am Rhein gefunden der römischen Periode zugerechnet werden 
würden — ist vor dem Hauptwalle noch ein das Ganze einschliessender Steinwall 
zum Vorschein gekommen, der jedenfalls auf eine viel frühere Zeit zurückzuführen 
ist. Damit in Übereinstimmung steht, dass unlängst in und vor der Düsseiburg 
auch Steinwaffen — und zwar nicht bloss, wie SCHUCHHARDT behauptet, Feuer- 
stein-Messerchen — ausgehoben worden sind. Es spricht also alles dafür, dass 
die Düsseiburg uralt ist und auch zur Römerzeit, ganz wie ich es in meinen 
„Kriegszügen des Germanicus“ angenommen hatte, bereits bestanden hat. Auch 
die Ringwälle sind also bei uns zu Lande nicht samt und sonders als sächsisch 
anzusprechen. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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Nach SCHUCHHARDT sollen die Sachsen von Holstein aus als eroberndes 
Volk vorgedrungen sein, und sie sollen von der Elbmündung her allmählich bis 
zum Mittelgebirge sich verbreitet haben. Was sich daher an Ringwällen oder 
Scherben aus den Ländern ihrer Herrschaft findet, bezeichnet er ohne weiteres 
als sächsisch, d. h. als den Nachlass der Eroberer. Aber gesetzt, die Ansicht von 
dem einwandernden Volke wäre richtig, was sie gewiss nicht ist, wie kann man 
gleich behaupten, dass alles, was an Topfwaren aus jenen Zeiten stammt, von 
Sachsen herrührt? Die Eroberer könnten doch immer nur einen geringen Teil der 
Volksmasse ausgemacht haben, und es ist unmöglich, anzunehmen, dass die ganze 
übrige Bevölkerung seit der Unterwerfung ihres Landes nur noch sächsische 
Töpfe herstellte oder sich sächsischen Fabrikates bediente, während in den ver¬ 
schiedenen Landesteilen sich die heimischen Dialekte erhielten, ebenso die übrigen 
Lebensgewohnheiten, wie wir noch jetzt sehen können, die Art der Siedelungen, 
den Bau der Häuser, die Anlage der Gehöfte überall verschieden waren. Will 
man von einer sächsischen Periode der Keramik sprechen, so kann damit immer 
nur ein Zeitverhältnis bezeichnet werden, nicht aber die Kultur eines bestimmten 
Stammes. Ist dies aber der Fall, so erhalten wir gar keine Möglichkeit, aus den 
Funden von Scherben den Nachweis zu erbringen, dass diese oder jene Burg, diese 
oder jene Siedelung von Sachsen herrührt. 

Und nun widerlegt sich die Hypothese SCHUCHHARDT’s weiter durch 
die Tatsache, dass die Ringwälle keineswegs auf die Gegenden beschränkt geblieben 
sind, die als sächsisches Gebiet angesprochen werden könnten. Sie sind vielmehr 
auch östlich der Elbe, im Brandenburgischen und besonders in der Lausitz, massen¬ 
haft aufgefunden worden. Diese sind nun aber zum grossen Teil slawischen 
Ursprungs. Das gibt auch Sch. zu. Aber wenn er sich darauf beruft, es seien 
unter ihnen auch manche aus vorslawischer Zeit, so allein in der Lausitz 14 solcher 
Art nachgewiesen worden, wie kann man da behaupten, es kämen für sie als 
Erbauer „allein“ die Sachsen „in betracht“? In vorslawischen Zeiten haben ja 
ganz andere Stämme dort gesessen, und erst in den Zeiten Ottos d. Gr. drangen 
die Sachsen in jene slawischen Gebiete ein. 

Die hier besprochene Hypothese hat SCHUCHHARDT 1906 in einer Ver¬ 
sammlung des Philologenvereins der Provinz Hannover vorgetragen, und nach 
dem gedruckten Bericht „lebhaftesten Beifall“ für seinen Vortrag geerntet. Wir 
wollen annehmen, dass dieser Beifall ihm aus Höflichkeit gespendet worden ist, 
können aber die Ansicht doch nicht unterdrücken, dass es nicht zum Ansehen 
des Gelehrtenstandes beiträgt, wenn einem Dilettanten von dem 
Charakter SCHUCHHARDT’s Gelegenheit geboten wird, unter 
Ausfällen auf Mitglieder des Vereins so, wie geschehen, seine 
Ware an den Mann zu bringen. 

SCHUCHHARDT meint in dem mehr erwähnten Atlas VII, S. 57, die ganze 
Beurteilung der alten Befestigungen bei uns zu Lande habe bisher unter dem 
Fehler gelitten, dass wir sie durchweg auf ein viel zu hohes Alter schätzten, 
während die meisten früh- und manche sogar hoch-mittelalterlich seien. Die 
Untersuchungen SCHUCHHARDT’s haben nicht dazu geführt, die meisten der 
genannten Wälle des hohen Alters zu berauben. Vielmehr ist anzunehmen, dass 
ein guter Teil derselben trotz sog. sächsischer und karolingischer Scherben in 
prähistorischen Zeiten schon als heimische Zufluchtsstätten dienten. 

So fällt denn auch die dritte Berühmtheit unseres Forschers 
wiederum in sich zusammen. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


Die vierte Berühmtheit gewann SCHUCH HARDT durch die 
Auffindung des Kastells Aliso an der Lippe. Bekanntlich wurde er von 
der Westfälischen Altertumskommission, die sich in Münster gebildet hatte, in 
Dienst genommen, um die römische Befestigung auf dem Annaberge bei Haltern, 
die der Oberstleutnant Schmidt bereits sechzig Jahre früher festgestellt hatte, 
nachzuprüfen. Kaum aber hatte er, nach einigen vergeblichen Versuchen, die 
Spur derselben wieder aufgefunden, so trat er auch schon mit der Behauptung 
vor die Welt, er habe auf dem Annaberge das Kastell Aliso entdeckt. 

Dann aber wurden östlich des genannten Berges neue Befestigungen aus¬ 
gegraben, die die dabei beteiligten Archäologen ihrerseits wieder als Aliso aus¬ 
zugeben für angemessen hielten, und wirklich entsprachen sie mehr als jene den 
gegebenen Bedingungen. SCHUCHHARDT aber wollte sich den Ruhm 
eines Alisoentdeckers nicht entgehen lassen, und so stellte er 
nunmehr die Behauptung auf, alles, was an römischen Verschan¬ 
zungen in der Nähe von Haltern gefunden werde, gehöre ein¬ 
schliesslich des Annaberger Lagers zu dem vielbesprochenen 
Kastell. Der Annaberg sei „das Kastell, die Citadelle geblieben, das Winter 
und Sommer gehalten wurde, während die untere Anlage dem Aufmarsch und der 
Verproviantierung diente“. 

Sprachen nun freilich von vorn herein manche triftige Gründe gegen die 
Ansetzung Alisos bei Haltern überhaupt, so wurde diese hinfällig durch die Wahr¬ 
nehmung, dass unterhalb der grösseren Befestigungen zwischen dem Annaberge 
und der Stadt der Graben eines grossen Feldlagers zum Vorschein kam, das, wie 
man behauptet, nach den daselbst gemachten Funden ebenfalls einst von den 
Römern längere Zeit besetzt gehalten wurde. Denn war das richtig, so konnten 
die dortigen Kastellanlagen um so weniger Aliso sein, als dieses Kastell bereits 
auf ihrem ersten Zuge in die Gegend als älteste dauernde Befestigung von den 
Römern hergerichtet worden war. 

Doch SCHUCHHARDT wusste alsbald von neuem sich zu helfen. Das 
Feldlager sollte nunmehr auf dem Vormarsche des Drusus i. J. 11 angelegt worden 
sein. Nachher, auf dem Rückzuge „stationierte er eine Truppenabteilung am Platze 
— vielleicht in dem Annaberglager — um an der Stelle des alten Feldlagers nun 
ein festes Kastell zu errichten“. Dieses sollte also jetzt Aliso sein. 
Spitzgräben, die ausserdem noch unter der Stadt Haltern und östlich von ihr 
aufgefunden wurden, hält er diesmal, obwohl römische Altertümer in den Gräben 
nicht gesehen wurden, nicht für Bauernwälle, sondern gleichfalls für römische 
Lagerbefestigungen, wie sie etwa Germanicus i. J. 16 n. Chr. für seine sechs Legio¬ 
nen nötig hatte. So vereinigen sich denn alle Strahlen der Geschichte in dem 
einen Punkte Haltern. 

Ein wichtiger Grund der für die Verlegung Alisos nach Haltern entscheiden 
sollte, war für SCHUCHHARDT die Voraussetzung, dass Aliso das einzige Kastell 
gewesen sei, das von den Römern an der Lippe hergerichtet wurde. Hatte ich 
jedoch schon früher diese Annahme als eine durchaus unwahrscheinliche und die 
weitere Forschung lähmende bezeichnet, so wurde sie durch die Tatsache hinfällig, 
dass es vor kurzem dem Pastor PREIN gelang, bei Oberaden westlich von Hamm 
ein neues Kastell zu entdecken. Ja diese Befestigung entspricht in der Tat allen 
Anforderungen, die man an Aliso nach Lage und Beschaffenheit zu stellen hat, und 
kann überdies in der Ortsbezeichnung Elsey eine Übereinstimmung mit dem Namen 


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IV. Bücherbesprechungen. 263 

Aliso aufweisen, während eine derartige Übereinstimmmung bei Haltern ver¬ 
misst wird *). 

Das Kastell bei Oberaden, das ganz wie geschaffen war, um von sicherer 
Stellung aus die feindlichen Sugambrer und Cherusker in Schach zu halten, besitzt 
eine Grösse von mehr als 30 ha und wird durch einen Graben von etwa 5 m Breite 
und 2 1 /* m Tiefe geschützt. Gewaltige Pfostenlöcher, die aufgedeckt wurden, be¬ 
weisen, dass die Wälle durch Palisaden und Holzwände einst gesichert waren. Es 
ist die grösste aller römischen Befestigungen, die bisher an der Lippe nachgewiesen 
worden sind. 

Trotz aller dieser Tatsachen bleibt jedoch SCHUCHHARDT dabei, dass das 
Aliso nur bei Haltern gelegen haben könne. Warum? Erstens soll das La^er von 
Oberaden mit seinen 30 ha zu gross für ein Kastell sein; es soll vielmehr eben 
wegen dieser Grösse dem alten Feldlager bei Haltern entsprechen. Früher war 
SCHUCHHARDT freilich anderer Ansicht, denn im Jahre 1901 verkündigte er in 
einer seiner vielen Wanderreden, das Kastell von Haltern habe einen 
Umfang von 700:750 Seitenlange, d. i. einen Raum von mehr als 52 ha, und bei 
dieser „grossen Ausdehnung der Anlagen sei an der Benennung Aliso nicht 
mehr zu zweifeln.“ Doch was macht sich SCHUCHHARDT aus der¬ 
gleichen Widersprüchen? 

Dass Aliso „die bedeutendste Festung der Römer in Niedergermanien war“, 
gibt SCHUCHHARDT auch jetzt noch zu. So wird denn behauptet, die Anlage 
von Oberaden sei gar kein Kastell, sondern nur ein Marschlager gewesen. Das 
gehe auch daraus hervor, dass es nur einen Graben habe, während das grosse 
Kastell bei Haltern deren zwei besitze. Auch dieser Einwand ist jedoch nicht 
stichhaltig, und zwar am wenigsten im Munde SCHUCHHARDT’s, der s. Z die 
Anlage auf dem Annaberge für Aliso ausgab und auch jetzt noch an ihrer Eigen¬ 
schaft als Kastell festhält, trotzdem dass sie ebenfalls nur einen, und zwar einen 
viel schwächeren Graben aufweist. 

Nun spricht aber das Vorhandensein eines einfachen Grabens viel eher für 
Aliso. Denn bedenken wir wohl, dass dies die älteste Befestigung der Römer an 
der Lippe war und dass man sich mit ihrer Herstellung, weil sie während des 
Rückzuges im Jahre 11 erfolgte, ganz gewiss beeilt haben wird, während man für 
die Anlagen bei Haltern sich später Zeit nehmen konnte. Hierzu kommt, dass 
auch bei den Drususkastellen am Rhein der einfache Graben Verwendung fand. 
Insbesondere ist er bei Urmitz nachgewiesen worden, und wenn SCHUCHHARDT 
meint, der einfache Graben komme nur bei kleinen Kastellen vor, so beruht auch 
diese Behauptung lediglich auf unbegründeter Vermutung. Der einfache Graben 
ist also kein Beweis gegen Aliso, sondern eher noch dafür. 

Nach SCHUCHHARDT soll auch in der Art der Befestigung das Lager von 
Oberaden dem alten Feldlager bei Haltern gleichen. Das ist jedoch nicht richtig, 
denn einmal fehlt in jenem Feldlager jede Spur einer Palisadenbefestigung, während 
bei Oberaden bedeutende Pfostenlöcher dafür nachgewiesen worden sind. Sodann 
ist aber auch das Profil der Gräben hier und dort verschieden. Bei Oberaden ist 
der Graben durchschnittlich 5 m breit und 2*/s m tief. Der Graben des Feldlagers 


’) Es sei hiei nochmils darauf hingewiesen, dass die Schrifr, der diese Charakteristik SCHUCH* 
HARDTS entnommen ist, aus dem Jahre 1907 stammt und daher nur den Stand der Forschung diese« 
Jahres wiederspiegeln kann. Inzwischen sind die Ansichten über Oberaden, Haltern und beider Verhklt* 
nis zu Aliso wiederum andere geworden: wir wissen da überhaupt nichts sicheres. Aber hier kommt es 
|a weniger auf rein sachliche Belehrung, als darauf an, die wissenschaftliche Rolle SCH'JCHHARDTS 
auch in dieser Frage bis zum Jahre 1907 klar zu beleuchten. Der Herausgeber, 


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264 


IV. Bücherbespredmngen. 


misst dagegen in seiner Breite kaum 3 m und in seiner Tiefe nur 1 , / 2 m, das ist 
denn doch ein grosser Unterschied. 

Weiter schliessen die Missen von Altertümern, insbesondere von Amphoren¬ 
scherben die Annahme einer Feldbefestigung bei Oberaden völlig aus. So viele 
Gegenstände konnten unmöglich in einem einfachen Marschlager verloren gehen, 
selbst wenn man die Ausflucht, die SCHUCHHARDT sich gestattet, gelten 
lassen wollte, dass man nämlich nicht wissen könne, „ob Tage, ob Wochen, ob 
eine ganze Campagne“ das Oberadener Lager benutzt worden sei. Amphoren mit 
ihrem schweren Gewicht hat man auf einfachen Märschen sicherlich nicht mit¬ 
genommen. Was aber besonders von Belang ist, das sind die vielen hölzernen 
Speere, die sog. pila muralia, die man in dem Festungsgraben liegend aufgefunden 
hat und die es beweisen, dass die Verschanzung eine schwere Belagerung aus¬ 
gehalten haben muss. Von einem Marschlager kann demnach unmöglich die 
Rede sein. 

Aber SCHUCHHARDT hat schliesslich noch ein Beweismittel gegen Ober¬ 
aden ins Feld geführt. Er beruft sich nämlich darauf, dass Aliso i. J. 9 n. Chr. 
eine völlige Zerstörung und nachher eine Wiederherstellung erfahren habe. Diese 
beiden Bauperioden seien denn auch wirklich an dem Kastell bei Haltern nach¬ 
gewiesen, während es sich bei Oberaden um eine einmalige Anlage handle. 

Nun ist freilich nicht abzusehen, inwiefern bei Haltern die zweite Anlage 
6ine völlige Zerstörung der ersten zur Voraussetzung haben soll. Denn es ist 
wohl zu beachten, dass man bei der späteren Erweiterung der ursprünglichen An¬ 
lage auf drei Seiten den alten Graben auch für das neue Werk ohne weiteres be- 
nutzt hat. Der alte Graben muss also wenigstens zur Zeit, als das zweite Werk 
geschaffen wurde, in ziemlich unversehrtem Zustande gewesen sein; denn einen 
verfallenen Graben kann man unmöglich wieder ausbessern. 

Aber die ganze Auffassung von der Zerstörung Alisos und seiner späteren 
Wiederherstellung — etwa unter Germanicus — beruht auf einer falschen Aus¬ 
legung unserer schriftstellerischen Quellen. Das ist von mir bereits in den „Kriegs¬ 
zügen des Germanicus“ S. 304 ff. nachgewiesen worden. Hier ist namentlich ge¬ 
zeigt worden, dass in dem Bericht des Cassius Dio und seines Epitomators Zonaras, 
die ausführlichere Kunde von der Belagerung der Römer in Aliso und dem Abzüge 
aus der Festung geben, ein Widerspruch entstehen würde, wenn wir annehmen 
wollten, es sei die gesamte Mannschaft abgezogen. Die Bemerkung des Zonaras, 
dass das Kastell von zahlreichen Bogenschützen verteidigt wurde, dass aber zur 
Bedeckung der Abziehenden, die z. T. aus Weibern und Kindern bestanden, nur 
wenige Soldaten mitgingen, beweist hinlänglich, dass diese nur einen Teil der bis¬ 
herigen Besatzung ausgemacht haben können. Entscheidend ist auch, dass es bei 
Cassius Dio ausdrücklich heisst, die Germanen hätten alle festen Plätze in ihrem 
Lande mit Ausnahme eines einzigen, nämlich Alisos, erobert; diesen aber hätten 
sie nicht nehmen können. Denn der Schriftsteller gebraucht hier die Form des 
Aorists, der niemals zur Bezeichnung eines zeitweiligen Verhältnisses dient, son¬ 
dern immer nur eine äbschliessliche Bedeutung hat. Es heisst im Texte: &AA' 
oö6 ixetvö yeLQoioao&at tjöwYi&rjcyav = „aber auch dieses vermochten sie nicht 
einzunehmen“. Die Form qdvp/fttjaav beweist also, dass die Germanen das Kastell 
überhaupt in jenem Kriege nicht eingenommen haben. Hätte der Schriftsteller 
sagen wollen, sie hätten es anfangs nicht gekonnt, später hätten sie es aber in dem 
Kriege doch erobert, so hätte er sich der Form ifiüvavzo bedienen müssen. Die 
Griechen sind in der Wahl der Tempora immer sehr genau gewesen. Man zeige 
mir eine einzige Stelle aus ihren Schriften, an der eine Verwechslung von Imper- 


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IV. Bücherbesprechungen. 


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fektum und Aoristus vorkommt. Es gibt keine. Nur unsere modernen 
Kastell forscher haben das Recht, sich über diese Kleinigkeit hin¬ 
wegzusetzen. 

Nun heisst es freilich bei Zonaras weiter: „Als aber niemand ihnen Hilfe 
brachte und sie von Hungersnot bedrängt wurden, warteten sie eine unwetterliche 
Nacht ab und zogen aus." Aber der Schriftsteller setzt gleich hinzu : „Es waren 
dies aber nur wenige Soldaten, dagegen viele Unbewaffnete.“ Die Hauptmasse der 
Verteidiger blieb demnach in der Befestigung zurück. 

Auch VELLEIUS bestätigt demnach lediglich, dass Aliso von den Deutschen 
im Winter 9/JO n. Chr. nicht erobert worden ist. 

Hiermit fällt aber auch der letzte Einwand, der von SCHUCHHARDT gegen 
die Verlegung Alisos nach Oberaden erhoben worden ist. 

Aus diesem Verhältnis soll jedoch keineswegs gefolgert werden, dass die 
erwähnte Festung niemals eine bauliche Veränderung erfahren habe. Im Gegenteil 
würde es durchaus verständlich sein, wenn das Kastell anfangs in kleinerem 
Umfange hergestellt worden wäre und alsdann bei gesteigerter Bedeutung eine 
Erweiterung erfahren hätte. Ob dies wirklich der Fall gewesen ist, muss die 
Zukunft lehren. Ja es bestätigt sich, dass etwa 200 m östlich des Westgrabens 
mit diesem parallel ein älterer Graben angelegt worden ist, sodass die Grösse 
des ursprünglichen Kastelles der von PREIN gegebenen Zeichnung entsprechen 
würde, so ist hiergegen natürlich nicht das Geringste einzuwenden. 

Bis jetzt spricht also alles für die Verlegung Alisos nach Oberaden und 
nichts dagegen. Darum wird es auch wohl richtig sein, dass dort das berühmte 
Kastell gelegen hat. 

So müssen wir es denn erleben, dass auch der vierte Ruhmeskranz, 
den SCHUCHHARDT sich um sein Haupt gewunden hat, verwelkt 
da hin sin kt, und es bleiben ihm nur noch seine technischen Verdienste, die er bei 
seinen Ausgrabungen sich erworben hat und die ihm nicht bestritten werden sollen. 

Es war für mich notwendig, diese Gegenstände blosszulegen, um zu zeigen, 
wie dilettantisch, ja wie leichtfertig ge wi sse Z w e ige derForschung 
gegenwärtig noch immer bei uns behandelt werden. 

Das würde nun an sich noch kein so grosses Unglück sein, wenn es nicht 
die Träger jener Afterwissenschaft verstanden hätten, durch 
Wanderreden,durch die Presse ihren Aufstellungen einen weiten 
Absatz zu verschaffen, ja dadurch, dass sie als Vorstände wissenschaftlicher 
Vereinigungen auftraten, ihren Meinungen sozusagen einen offiziellen Stempel auf¬ 
zudrücken. Fr. Knoke. 


Entgegnung. 


In der Prähistorischen Zeitschrift I, S. 417 ff. behandelt SCHUCHHARDT unter 
besonderer Berücksichtigung meiner Person die Frage nach der Lage des Teutoburger 
Schlachtfeldes und gibt hierbei seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass die Ver¬ 
fasser der aus Anlass der Schlachtfeier i. J. 1909 erschienenen Festschriften sämtlich 
»wieder in die Detmolder Gegend zurückgekehrt 0 seien, während ich allein die 
Katastrophe in das Osnabrücker Land verlegte. 

Die Behauptung ist nicht ganz richtig. BENEKE z. B., dem NÖTHE zustimmt, 
hat die Hülsenbecksche Hypothese vom Arnsberger Walde wieder aufgenommen. Doch 


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266 


IV. Bücherbesprechungen. 


sehen wir von dieser ab, so ist es nicht weiter auffallend, dass diejenigen Schrift¬ 
steller, die den Festteilnehmern in Detmold eine Freude bereiten wollten, die Schlacht 
daselbst erfolgen Hessen. Die Wissenschaft haf von ihnen keinen Nutzen gehabt. 
Für jeden, der die Sache ernstlich prüft, ist vielmehr die Detmoldhypothese ein für 
allemal abgetan. 

Übrigens war es nicht MÜLLER von Sondermühlen, der zuerst die Walstatt 
in dem Osnabrücker Berglande annahm. Schon früher ist das durch MÖSER und 
J. E. STÜVE geschehen. Doch ist es falsch, einfach von der Osnabrücker These zu 
sprechen und hierunter alles zusammenzufassen, was von MÖSER an bis heute zu¬ 
gunsten dieser Gegend geschrieben worden ist. Denn das Osnabrücker Bergland 
ist sehr ausgedehnt und die gemeinten Theorien weichen z. T. erheblich voneinander 
ab, und insbesondere steht meine Aufstellung den übrigen gegenüber durchaus 
selbständig da. 

Auch hat sich die Überzeugung nicht „mehr und mehr Bahn gebrochen“, dass 
die bei Barenau gefundenen Münzen anders als durch die Hinterlassenschaft gefallener 
Soldaten erklärt werden könnten. Wer die Fundumstände aufmerksam beachtet, 
kann eben zu keiner anderen Überzeugung gelangen. Allerdings passt die dortige 
Gegend nicht zu der Schlacht v. J. 9, desto besser aber zu der v. J. 15 nach Chr. 

Missverständlich ist die Bemerkung SCHUCHHARDT’s, ich wolle die Varus- 
schlachL im Osnabrückischen belassen, weil ich u. a. dort das erste und zweite 
Varuslager wiedergefunden zu haben glaubte. Ich habe vielmehr aus der Über¬ 
einstimmung der örtlichen Verhältnisse mit den schriftstellerischen Quellen bereits 
i. J. 1886 eine solche Folgerung gezogen und würde an dieser Meinung festhalten, 
auch wenn ich nachträglich gar keine Römerspur daselbst aufgefunden hätte. 

SCH. hätte es jedoch unterlassen sollen, das Lager bei Iburg dadurch zu 
verdächtigen, dass er wieder von einer Reihe von Feldwällen spricht, wie sie die 
Bauern der Gegend herzustellen pflegten. Denn der geringe, im Walde noch vor¬ 
handene Rest eines Erdwalles hat mich keineswegs zu meiner Meinung veranlasst; 
vielmehr liegen die Spuren des Wallgrabens unter der Erde im Acker, und der 
Beweis, dass es sich um eine römische Lagerstätte handelt, ist durch die dort ge¬ 
fundenen Altertümer gegeben. 

Ebenso töricht ist es, von einem Bauernwalle vor den „pontes longi“ zu 
sprechen, nachdem sich, wie SCH. wissen sollte, in der Spitze des dortigen Lager¬ 
grabens Scherben römischer Zeit gefunden haben. 

Und nun das Lager im Habichtswalde. SCH. meint: Als ich i. J. 1896 diese 
Lagerbefestigung aufgefunden hatte, sei es während der Herrschaft der Hölzermann- 
schen Hypothese „geradezu gegeben gewesen, die neue Befestigung für römisch zu 
halten“ dann muss man sich aber wundern, wie SCH. damals dazu kam, sie für 
die Anlage eines modernen Försters auszugeben. 

Überhaupt aber hat SCH. in der Deutung dieser Befestigung wiederholt ge¬ 
wechselt. Kaum hatte er sein erstes Urteil abgegeben, so erklärte er sich auch schon 
für die Ansicht des Professors JOSTES, der sie in die Zeit der Markenteilung (1668) 
verlegen wollte. Dann wieder sollte RITTERLING endgültig recht haben, der meinte, 
sie gehöre in das Mittelalter. Jetzt aber bleibt er trotz aller Gegenbeweise dabei, 
die Anlage sei eine Curtis aus der Zeit Karls d. Gr. Warufrn? Zuerst hiess es, die 
dort gefundenen Scherben seien sidher karolingisch. Dann wieder beschränkte SCH. 
dieses Urteil auf ein paar Scherben, die ausserhalb des Lagers aufgefunden worden 
waren, und jetzt erfahren wir abermals, dass alles „was von wirklich bestimmbarem 
Material aus der Befestigung ihm vor Augen gekommen sei, entschieden karolingisch“ 


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IV. Bücherbesprechungen. 267 

sei. Nicht eine einzige sicher römische Scherbe hätte ich bisher daselbst gefunden. 
Es ist Zeit, dass mit diesem Märchen endlich aufgeräumt wird. 

Dass die eisernen Geräte, insbesondere die im Lager aufgefundene Schnell¬ 
wage, ebenso das Bleigewicht einer Schnellwage nicht römisch seien, diesen Nach¬ 
weis hat bis jetzt noch niemand erbringen können. Was jedoch die Scherben be¬ 
trifft, so brauche ich das Urteil KOENENS nicht zu wiederholen. Ich kann mich 
noch auf andere Autoritäten berufen, so auf KOSSINNA, ANTHES, G. WOLFF und 
LÖSCHCKE. Sie alle b ezeugen, dass unter den Altertümern solche 
sich befinden, die sicher römisch sind. Geheimrat LÖSCHCKE sagte 
mir z. B. wörtlich: „Das ist unbedingt römisch.“ Andere Scherben sind als 
Latene-Ware frührömischer Zeit erkannt. Das ist auch das Urteil SCHUMACHERS, 
der übrigens verschiedenen der Altertümer den römischen Ursprung nicht abspricht. 
Kein einziger von allen Archäologen ausser SCH. hat es aber ge- 
wagt, irgend einen der Gegenstände für karolingisch auszugeben. 

Dagegen hat SCH. den Mut, zu behaupten, die Beurteiler hätten nur aus 
Höflichkeit mir gesagt, „dies und jenes Stück sehe sehr römisch aus“. Er scheint 
demnach von der Wahrheitsliebe unserer ersten Archäologen eine eigentümliche 
Vorstellung zu haben. Doch das mag er mit jenen Herren selbst ausmachen. 

Dass das im Lager gefundene Inventar nicht karolingischen Ursprungs sein 
kann, ist augenfällig. Wäre es der Fall, so müsste doch irgend ein Stück unter 
den vielen hundert Scherben sich befinden, das für jene Zeit typisch wäre, und das 
umsomehr, als nicht weit von jenem Lager ausserhalb des Waldes wirklich eine 
karolingische Wohnstätte von mir aufgefunden wurde, die lediglich Scherben dieser 
Zeit zutage gefördert hat. Von allen solchen Gegenständen findet sich jedoch im 
Lager des Habichtswaldes keine Spur, während umgekehrt auch eine einzige sicher 
römische Scherbe für die Datierung der Befestigung bestimmend sein muss. 

Dass aber römisches Lagerinventar sowie die mit ihm zusammen gefundene 
Latene-Ware nicht anders als durch römische Soldaten in den Wald gelangt sein 
können, liegt auf der Hand; dann aber kann es bei Berücksichtigung der Örtlichkeit 
und der Beschaffenheit der Anlage sich doch nur um das zweite Varuslager aus der 
Schlacht im Teutoburger Walde handeln. 

Die Beweise, die SCH. für die Detmolder Gegend geltend macht, fallen da¬ 
gegen samt und sonders in sich zusammen. So soll Strabon erzählt haben, die 
Katastrophe habe sich im Cheruskerlande ereignet. Dieser Schriftsteller spricht 
aber im Gegenteil von den Cheruskern und ihren»Bundesgenossen, in deren 
Lande sie sich zugetragen habe. Der Beweis ist also hinfällig, so oft er auch 
wiederholt werden mag. 

Die Worte des Tacitus Ann. I, 60: ‘ad Ultimos Bructerorum übersetzt SCH.: 
„bis in den letzten Winkel des Bruktererlandes“, und natürlich findet dann der arglose 
Leser diesen spitzen Winkel zwischen den Quellen der Ems und Lippe nahe dem 
Lippischen Walde wieder. Aber Tacitus wird doch das Wort ‘ultimos in demselben 
Sinne wie die übrigen römischen Schriftsteller gebraucht haben. Bei diesen be¬ 
zeichnet es aber, wenn es auf Völker angewandt wird, stets diejenigen, die von Rom 
am weitesten entfernt wohnten, und das waren unter den Brukterern die am weitesten 
nordöstlich wohnenden. 

An der Lippequelle soll sich Germanicus i. J. 15 auf einmal, d. h. also 
unerwartet ganz nahe der Stätte des Teutoburger Waldes befunden haben. Dass 
er vor der Eröffnung des grossen Feldzuges i. J. 15 bereits, als er Segestes entsetzte, 
in jener Gegend sich aufgehalten haben muss, wird hierbei leider nicht beachtet. 


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IV. Bücherbesprechungen. 


Der Ausdruck ‘Teutoburgiensis saltus’ meint SCH., setze eine Teutoburg, d. i. 
eine Volksburg voraus. Das ist indessen keineswegs der Fall. Vielmehr ist die von 
mir gegebene Erklärung „Dütegebirge“, die auch den Beifall angesehener Germa¬ 
nisten gefunden hat, bis jetzt noch nicht widerlegt. Bei der grossen Menge von 
Volksburgen, die es überall in Deutschland gab, wäre auch der Ausdruck „Volksburgs- 
gebirge“ recht unpassend gewesen. Dazu kommt, dass die auf der Grotenburg vor¬ 
handene Steinschüttung durchaus nicht mit Sicherheit als die Überreste einer Be¬ 
festigung anzusehen sind. 

Nicht entschieden genug kann es gerügt werden, wenn SCH*, immer wieder 
behauptet, die Grotenburg habe im Mittelalter „Teut“ geheisseh. Das war nicht 
der Fall. Nur ein Gehöft am Fusse jenes Berges hies ‘to dem Toyte’. Das ist aber 
sprachlich sowohl wie sachlich etwas anderes, ganz abgesehen davon, dass es eine 
Ungereimtheit ist, das Wort Teut das eine Mal als Berg, das andere Mal aber 
wieder als Volk wie in Theotmalli zu erklären. 

Es ist bis jetzt noch nicht möglich gewesen, die Berichte unserer Quellen auch 
nur im entferntesten mit der Detmolder Gegend zu vereinigen, wie denn auch alle 
Grabungen daselbst nichts genützt haben. Aber man hat sich nun einmal daran 
gewöhnt, das Schlachtfeld dort zu wähnen, und so greift man auf eine missverstan¬ 
dene Stelle des Florus zurück und beruft sich auf RANKE, der der Meinung war, 
die Römer seien durch Armin in ihrem Sommerlager überfallen worden. Dann war 
man allerdings an eine bestimmte Örtlichkeit nicht mehr gebunden, zumal wenn 
man sich über die schriftstellerische Mitteilung, dass dieses Sommerlager an der 
Weser aufgeschlagen wurde, leichten Sinns hinwegsetzte. 

Es ist hier nicht der Ort, das Verkehrte der RANKE’schen Hypothese, an die 
der berühmte Geschichtsforscher übrigens selbst nicht recht geglaubt hat, des weiteren 
nachzuweisen. SCH. irrt aber, wenn er meint, mit ihr vertrügen sich auch Vellejus 
sowie Tacitus. Im Gegenteil sagt Vellejus, das römische Heer sei von Wäldern und 
Sümpfen eingeschlossen gewesen, als es überfallen wurde (inclusus silvis, paludibus, 
insidiis). In solch einer Gegend wurde jedoch sicherlich das Sommerlager nicht 
aufgeschlagen. Tacitus aber wollte an der bekannten Stelle Ann. I, 61, wo er von 
der Errichtung zweier Lager nach einander redet, nur die Vorstellung von den Be¬ 
gebenheiten der Schlacht selbst in dem Leser hervorrufen. Für diesen aber hatte 
es kein Interesse, zu erfahren, dass das Sommerlager der drei Legionen, was sich 
ja von selbst verstand, wirklich von dem gesamten Heere hergerichtet worden war. 

Nicht minder führt die Erklärung, die SCH. von den Worten ‘tres vacuas 
legiones’ (Ann. II, 46) gibt, in die Irre. ‘Vacuas’ soll „dienstfrei“ heissen. Was das 
Wort bedeutet, erfahren wir aus Hist. IV, 47: proinde arriperent vacui occupatos, 
integri fessos, oder Agr. 37 j Britanni, qui adhuc pugnae expertes summa collium 
insederant et paucitatem nostrorum vacui spernebant degredi paulatim et circumire 
terga vincentium coeperant. So auch Caes. b. c. I, 82,4: Tertia (acies) vacabat, ad 
incürsum atque impetum militum relicta. ‘Vacuus’ bezeichnet also eine für den 
Kampf günstige Lage der Soldaten, und das Heer des Varus kann daher unmög¬ 
lich mit diesem Ausdruck bezeichnet werden. Für vacuas ist also vagas, d. i. „in 
Unordnung einherziohend“ an der angeführten Stelle zu lesen. Auch die Stelle 
Veget. III, 10 spricht nicht für die gegnerische Ansicht, denn sie handelt von dem 
Heere auf dem Marsche. 

Es wäre endlich an der Zeit, dass diejenigen, die mit der Sprache unserer 
klassischen Schriftsteller nicht recht vertraut sind, sich in der Frage nach der Lage 
des Teutoburger Schlachtfeldes einer grösseren Zurückhaltung befleissigten. Wir 


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V. Nachrichten. 


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kommen nun einmal ohne eine richtige Interpretation unserer Schriftsteller zu keinem 
befriedigenden Ergebnis. 

Ich habe hier nur diejenigen Beweismittel, die SCH. zugunsten der Det¬ 
moldhypothese vorträgt, zurückzuweisen für nötig gehalten. Dass auch aus vielen 
anderen Gründen diese Hypothese unhaltbar ist, glaube ich anderswo genügend dar¬ 
getan zu haben. 

Osnabrück. Dr. Knoke. 


V. Nachrichten. 


Die Vorgeschichte in der französischen Deputiertenkammer. 

In der französischen Deputiertenkammer kam in der Sitzung vom 28. Januar 
1910 bei der Aufstellung des Budgets des beaux arts auch das Kapitel der nationalen 
Museen zur Erledigung. Bei dieser Gelegenheit hat der Abgeordnete des Marne¬ 
departements Dr. PßCHADRE die Wünsche der französischen Vorgeschichtsforscher 
ausgesprochen und für die Erfüllung dieser Wünsche ist noch besonders eifrig der 
ehemalige Präsident der Societe prehistorique de France Dr. BAUDON eingetreten. 
Der Bericht über diese Sitzung scheint auch für Deutschlands Vorgeschichtsforscher 
einiges Interesse zu besitzen, denn man erfährt aus ihm, wie'die Franzosen die 
Wissenschaft der Vorgeschichte weiter auszubilden und unter das Volk zu bringen 
gedenken. Es tritt ferner in dieser Debatte ein von der Regierungsseite sehr scharf 
betonter Gegensatz hervor zwischen den wirklich wissenschaftlichen Vorgeschichts¬ 
forschern, die die Regierung gern unterstützen will, und denjenigen, die ohne 
genügende Vorbildung nur aus Liebhaberei sich mit der Vorgeschichte beschäftigen 
und dann bald grosse Entdeckungen gemacht zu haben glauben. Die Übersetzung 
folgt mit einigen Kürzungen dem in L’homme prehistorique 1910, No. 3, S. 86 ff. 
aus dem Journal officiel vom 28. Januar teilweise nachgedruckten amtlichen Sitzungs¬ 
berichte der Deputiertenkammer. Hugo Moetefindt. 

Kapitel 35. Nationale Museen. 

Her- P&CHADRE: Ich möchte den Herrn Unterstaatssekretär an eine Unter¬ 
redung erinnern, die ich vor kurzem mit ihm über die Aufbewahrung der vor¬ 
geschichtlichen Altertümer gehabt habe, und auch der Kammer einige Anregungen 
über diese interessante Frage geben. Die Mehrzahl unserer vorgeschichtlichen 
Sammlungen befindet sich gegenwärtig im Museum von Saint Germain, Sie stehen 
dort etwas zusammengedrängt da und erdrückt durch die den Hauptreichtum dieses 
wichtigen Museums bildenden gallisch-römischen Sammlungen. Von einem Ge¬ 
danken; dem Museum von Saint Germain auch nur eins von den in ihm aufbewahrten 
Fundstücken zu nehmen, kann natürlich keine Rede sein. Die Societe prehistorique, 
deren Wünsche ich hier ausspreche, meint, dass zwecks Anregung der Vorgeschichts¬ 
forscher und zwecks Entwicklung der Vorgeschichte als Lehrfach viel auf die 
Schaffung eines vorgeschichtlichen Studienmuseums im Mittelpunkte von Paris 
ankommen würde, und hiermit würde man dem Wunsche einer grossen Anzahl der 
sich für diese fesselnde und fruchtbare Wissenschaft interessierenden Forscher und 
Sammler Frankreichs und des Auslandes entgegenkommen. Dieses Museum würde 
dann in seine Sammlungen nicht nur Funde aus der Vorgeschichte Frankreichs, 


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V. Nachrichten. 


sondern aus der ganzen Welt aufnehmen. Seltsam ist es, dass es in Frankreich 
noch kein einziges Spezialmuseum für Vorgeschichte gibt, trotzdem die Wissenschaft 
der Vorgeschichte im hohen Grade eine französische ist. ln Frankreich, in Aude, 
in dem von Ihnen, Herr Unterstaatssekretär vertretenen Departement machte 
TOURNAL zum ersten Male im Jahre 1828 auf die Spuren einer vorgeschichtlichen 
Werktätigkeit in den Höhlen aufmerksam. Ebenfalls in Frankreich, im Sommetal, 
hat BOUCHER DE PERTHES um 1840 die Aufmerksamkeit der ganzen Gelehrten¬ 
welt auf in Sandgruben gefundene Steinartefakte gelenkt 

In einem vor dem anthropologischen Verein in Göttingen vorgetragenen 
Bericht über eine Studienreise sprach Professor VERWORN von dem Reichtum 
Frankreichs an prähistorischen Funden. Besonders redete er von der Station Les 
Eyzies im Vezöretale, die er als Paradies der Vorgeschichtsforscher schilderte. 
Dabei sprach VERWORN seine Verwunderung über unsere Gleichgiltigkeit solchen 
Schätzen gegenüber aus 1 )* 

Unsere Pflicht ist es, diesen Reichtum zu erhalten, ihn in unseren Museen 
aufzubewahren und jederzeit zu verhindern, dass er ins Ausland gehe, dass er in 
alle Winde zerstreut werde. 

Wir verwenden reiche Geldmittel für die Entdeckung und das Studium der 
Altertümer Ägyptens, Persiens und Griechenlands. Ich will mich nicht darüber 
beklagen, aber vielleicht wäre es doch möglich auch ein kleines Opfer für das 
Studium der Vorzeit unseres eigenen Landes zu bringen. Viele ergebene und 
uneigennützige Forscher, deren Eifer und Tatkraft alle Anerkennung verdient, haben 
sich der Erforschung der Vorzeit gewidmet. 

Daher scheint es mir nützlich, nein dringend notwendig, in Paris selbst eine 
Einrichtung zu schaffen, die allen auf diesem Gebiete tätigen Gelehrten Genüge 
leistet. Wenn einmal dieses Spezialmuseum durch Ihre fürsorgliche Tätigkeit ge¬ 
schaffen ist, dann werde ich bitten, nein, wir werden dann bitten, wir, nämlich 
Herr BAUDON und ich, da Herr BAUDON an diesen Fragen in gleicher Weise wie 
ich selbst interessiert ist, dann werden also wir den Unterrichtsminister um die 
Errichtung eines Speziallehrstuhles für Vorgeschichte bitten. Dieser Lehrstuhl soll 
dann einem allseitig anerkannten Vorgeschichtsforscher anvertraut werden und die 
Vorträge dieses Lehrstuhlinhabers sollen sich nicht nur an die Interessenten, sondern 
an alle wenden. 

Man darf nicht vergessen, dass die Vorgeschichte, wie schon ihr Name an¬ 
deutet, nichts mit geschriebenen Urkunden zu tun hat. Erst durch eine lange Reihe 
von äusserst klugen Hcrleitungen und scharfsinnigen Erklärungen ist man dazu 
gelangt, so weit zurückliegende, teilweise mit den Uranfängen der Menschheit selbst 
verschmelzende Zeiten vor unserm Auge zu rekonstruieren. 

Meiner Meinung nach würden wir alle einig sein, wenn ich Ihnen gesagt 
hätte, dass ich weder eine Verbesserung noch eine neue Vorlage fordere. Einzig 
und allein bitte ich die Kammer und den Herrn Unterstaatssekretär ihr Wohlwollen 
und ihre Fürsorge diesen wirklich Interesse verdienenden Fragen zuzuwenden. 
Den Herrn Unterstaatssekretär bitte ich dringend um geneigte Befolgung meiner 
Vorschläge und um Erfüllung der Bitten und Forderungen der Societd prehistorique 
de France. (Allgemeine Zustimmung.) 

Herr Generalberichterstatter: Jedermann kann nur den Ausführungen 

) Sitzungsberichte des Göttinger anthropologischen Vereins. Bericht über die Sitzung vom 
24. Kovcmbcr 1907, abgedrudet im Korrcspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie 
39. 1908. S. 13. Anm. des Übersetzers. 


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V. Nachrichten. 


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des Herrn PliCHADRE beipflichten unter dem Drucke der Notwendigkeit einer 
gleichzeitigen Reform des Unterrichts und der prähistorischen Museen. Unser Herr 
Kollege wird mir jedoch die Bemerkung gestatten, dass die Vorgeschichte nicht die 
Kunst fördert, sondern nur die allgemeine Bildung. Ein Lehrstuhl für Vorgeschichte 
hat mit der Kunst nur eine sehr entfernte Beziehung, und Museen für Vorgeschichte 
haben, das werden Sie mir zugeben, ebenfalls nicht minder indirekte Beziehungen 
mit der Kunst. Mit diesem Vorbehalt bin ich zur Erklärung bereit, dass man Ihren 
Ausführungen notwendigerweise Rechnung tragen und auf diesem Forschungsgebiete 
Verbesserungen ausführen muss. Auf keinen Fall darf man jedoch glauben, dass 
auf diesem Gebiete noch nie etwas getan sei, ebenso wenig die Männer vergessen, 
die sich schon lange der Vorgeschichte widmen, und die Stiftungen, die mit dieser 
Aufgabe betraut sind. Z. B. darf man da das Museum für Naturgeschichte nicht 
vergessen, an dem der im- prähistorischem Gebiete tüchtigste und in der ganzen 
Welt angesehene Professor BOULE lehrt. (Allgemeine Zustimmung.) 

Ohne Zweifel kann und muss der Staat wissenschaftliche Lehrstühle, wissen¬ 
schaftliche und Kunstmuseen schaffen. Man darf ihm jedoch nicht mit der Bitte 
kommen, sie auch denen, die sich nur aus Liebhaberei mit ihnen beschäftigen, zu 
öffnen. Sie dürfen einzig und allein wahrer Wissenschaft gewidmet sein, wahrhaft 
wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen, ähnlichen Arbeiten wie denen 
des Professors BOULE, zum Beispiel den erst vor kurzem ausgeführten Grabungen 
in der Coröze, die einen besonderen vorgeschichtlichen Menschentypus, der dem 
uns bei unseren gegenwärtigen Lebensbedingungen begreiflich erscheinenden weit 
vörausgegangen zu sein scheint, ans Tageslicht geschafft haben. Schliesslich darf 
man wahrer Wissenschaft nicht schaden durch Begünstigung dessen, was doch weiter 
nichts als Lieblingsbeschäftigung ist, und noch dazu eine Lieblingsbeschäftigung, die 
durch Privatmittel unterstützt werden kann. (Allgemeine Zustimmung.) 

Herr BAUDON: Ich schliesse mich der Bitte meines Freundes Herrn 
p£chadre an den Unterstaatssekretär um Gewährung eines Asyls für die Vor¬ 
geschichtsforscher an und ich spreche als ehemaliger Präsident der Socidtd 
prehistorique de France, mit der ich noch immer zusammenarbeite. 

Die Vorgeschichtsforscher suchen in der Tiefe der Erde den Ursprung des 
Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Sie haben wichtige und hoch¬ 
interessante Sammlungen zusammengebracht, und diese Sammlungen können jetzt 
keinen Schutzort finden. Im Museum von Saint Germain kann man sie nicht auf¬ 
stellen, da dieses nur für unsere Nationalaltertümer bestimmt ist. Dem Museum 
für Naturgeschichte kann man sie aber auch nicht geben, denn dort mangelt es 
an Platz. Die dortigen Sammlungen sind ausserdem schlecht geordnet. Ich will 
in keiner Weise Herrn BOULE, dessen Bedeutung ich anerkenne und schätze, 
einen Vorwurf machen. Was die Sammlungen anbelangt, so kann man sie aus 
Mangel an Platz für die Glasschränke nicht aufstellen. Ich kenne Sammlungen, 
z. B. die des Herrn Marquis von VIBRAYE, die man nur auf Leitern besichtigen 
kann. Unter solchen Umständen ist ihr Studium vollkommen unmöglich. 

Der Herr Generalberichterstatter: Die Staatshaushaltskommission 
hat 100000 Fr. jährlich mehr für Einrichtungen am Museum für Naturgeschichte 
bewilligt, die eine bessere Aufstellung der Sammlungen ermöglichen. 

Herr BAUDON: Noch einmal erkenne ich hier die Bedeutung des Herrn 
BOULE an, dessen Person mit dieser ganzen Frage nichts zu tun hat. Es ist 
vollkommen wahr, dass es gegenwärtig in Paris kein Studienmuseum für Vor¬ 
geschichte gib!. Privatleute wollen gern Sammlungen stiften und können es 
nicht, da sie wissen, dass die wissenschaftliche Aufstellung dieser Sammlungen 


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V. Nachrichten. 


unmöglich ist. Wie mein Freund, Herr P&CHADRE, richtig bemerkte, ist die 
Wissenschaft der Vorgeschichte eine hervorragend französische Wissenschaft. Be¬ 
sonders nach den hervorragenden Entdeckungen von BOUCHER DE PERTHES in 
den Alluvialschichten der Somme ist sie durch einen unserer ehemaligen Kollegen 
Gabriel de MORTILLET, dessen Namen Sie sicher kennen, geschaffen -worden. 
Wir besitzen in Frankreich wunderbare Fundstellen. Die Grotten der Dordogne, 
Charente haben ausserordentlich merkwürdige Funde der Vorzeit geliefert. Aber 
diese Dokumente stehen nicht einzig da. Die Geschichte der Menschen kann sich 
nur auf Vergleiche gründen. Die wichtigsten Fundstätten liegen wohl in Frankreich; 
man muss jedoch auch die im Auslande, in Afrika, in Asien und in Amerika ans 
Tageslicht gebrachten Funde studieren. Wenn wir die Urgeschichte des Menschen 
uns rekonstruieren wollen, dann brauchen wir Material, das solche vergleichenden 
Studien zulässt. Ich bitte daher den Herrn Unterstaatssekretär um gute Aufstellung 
der Sammlungen, die wie gesagt, von ihren Eigentümern gern dem Staate zum 
Geschenk gegeben werden, und ich werde ihn, da wie ich hoffe, bald im grossen 
Seminar von Saint Sulpice leere Räume vorhanden sein werden, um Bereitstellung 
einiger Räume bitten zur Schaffung eines Museums für vorgeschichtliche Studien, 
das gleichzeitig ein Museum für Jedermann sein soll, nicht allein für die Fachleute, 
wie der Herr Berichterstatter der Budgetkommission soeben betont hat, sondern 
auch für die Öffentlichkeit, und ich werde ihn bitten, den Vorgeschichtsforschern 
ein Gebäude anzuweisen, das ihnen eine Aufstellung ihrer Sammlungen erlaubt. 
Ich bitte ferner den Herrn Minister um einen Hörsaal für Vorgeschichte, um es 
den Gelehrten zu überlassen, diese in allgemein wissenschaftlicher wie auch ganz 
besonders in philosophischer Beziehung so wertvolle Wissenschaft zu verbreiten. 
(Allgemeine Zustimmung.) 

Der Herr Unterstaatssekretärs Unsere Kollegen wissen, mit welchem 
Interesse der Unterstaatssekretär in seinem Schutz, ich will nicht sagen die Wissen¬ 
schaft, denn ich habe nicht die Wissenschaft zu schützen — das ist ja Aufgabe des 
Unterrichtsministers — sondern die Kunst genommen hat. Wir begegnen in unsern 
Felsenhöhlen Beispielen der künstlerischen Vorstellung der ersten Menschen und 
beim Betrachten des Natursinnes, mit dem diese Urmenschen ihre ersten Ein¬ 
drücke von der Aussenwelt nachgezeichnet haben, geraten wir in Versuchung, diese 
Zeichnungen als Modelle für unsere Schule hinzustellen. (Lebhafte Zustimmung.) 

Unter diesem Gesichtspunkte befassen wir uns mit der Vorgeschichte. Wir 
haben auch eine Pflicht, und zwar die des Aufkaufens des diese herrlichen Fund¬ 
stellen einschliessenden Geländes. Ich werde nochmals mit dem Herrn Minister 
des Unterrichts und der Kunst diese wichtige Frage prüfen. Wenn wir den Sammlern 
vorgeschichtlicher Kunst im neuen Luxembourg-Museum einige Säle einräumen 
können, werden wir es sehr gern tun. Ich bin jedoch der Ansicht, dass es infolge 
des Aufschwunges, den die vorgeschichtliche Wissenschaft genommen hat, unum¬ 
gänglich ist, im Museum für Naturgeschichte, im Museum von Saint Germain oder 
sonst irgendwo ein weitausgedehntes Museum für Vorgeschichte zu schaffen. (Leb¬ 
hafte Zustimmung.) 

Herr Generalberichterstatter: Ich bin folgender Ansicht: Wir empfehlen 
Herrn Unterstaatssekretär die Erledigung dieser Vorgeschichtsfragen und bitten ihn, 
die nötige Hilfe bei der Ausbreitung der Wissenschaft der Vorgeschichte zu leisten. 
Ich bitte ihn jedoch, sich nur an wirkliche Gelehrte zu wenden und sich zu hüten 
den Forschungen derer, die sich nur aus Liebhaberei mit der Vorgeschichte be¬ 
fassen, den Stempel des Staates aufzudrücken. 


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PRINCETON. 




V. Nachrichten. 273 

Herr p£CHADRE: Die letzten Worte des Herrn Generalberichterstatters setzen 
mich in Erstaunen; ich habe für eine gerechte Sache gesprochen .... 

Herr Generalberichterstatter: Ich habe nur betont, dass man einer¬ 
seits diejenigen, die wirklich wissenschaftlich arbeiten und die infolgedessen unter¬ 
stützt werden müssen, und anderseits aber die, welche ohne genügende Vorbildung 
in der Meinung sind, grosse Entdeckungen gemacht zu haben, wohl unterscheiden 
muss. Vor den letzteren wird sich der Staat in acht nehmen müssen. 

Herr BAUDON: Ich will hier nicht darüber sprechen, ob die Vorgeschichte 
nur Wissenschaft oder ob sie gleichzeitig auch Kunstwissenschaft ist. Fest steht, 
dass man in den Höhlen auch Wunderwerke gefunden hat, die uns die Uranfänge 
der Kunst erkennen lassen. Bei der Urgeschichte des Menschen ist beides zu¬ 
sammen ein Begriff; es ist vollkommen unmöglich, die Urgeschichte auf ihrer ersten 
Entwicklungsstufe derartig zu zergliedern. 

Ich danke Herrn Unterstaatssekretär für alles, das er zur Erhaltung der vor¬ 
geschichtlichen Denkmäler getan hat. Er hat die Kommission für die vorgeschicht¬ 
lichen Denkmäler geschaffen, die uns die Erhaltung und Klassifizierung von 9000 
in Frankreich unbekannten vorgeschichtlichen Denkmälern ermöglichen wird. Er 
wird gleichfalls die Grotten klassifizieren lassen, damit man die dort aufgefundenen 
Skulpturen und Gravierungen, die oft wegen ihrer Zeichnung und Formenreinheit 
bewundernswert sind, sammeln und erhalten kann. Die Erfüllung unserer jetzigen 
Bitten ist aber dringend notwendig. Die Wissenschaft der Vorgeschichte muss ver¬ 
breitet werden, und zum Zwecke dieser Verbreitung fordern wir die Schaffung 
eines Hörsaales und eines alle Gebiete dieser interessanten Wissenschaft umfassen¬ 
den Spezialmuseums. (Lebhafte Zustimmung.) 

Herr LEFAS: Seit langer Zeit existiert schon ein derartiger Lehrstuhl für 
Altertümer an der dcole du Louvre. Dieser Lehrstuhl ist augenblicklich mit dem 
Konservator des historischen Museums von Saint Germain, Salomon REINACH, be¬ 
setzt; sein Vorgänger war Alexandre BERTRAND. Beide Gelehrte scheinen be¬ 
sonders für das Lehrfach, um das es sich hier handelt, befähigt zu sein. 

Herr BAUDON: Es handelt sich eigentlich sozusagen gar nicht um einen 
Lehrstuhl. Derartige wichtige Fragen können wir nicht in der Sitzung erledigen. 

Herr SEMBAT: Unser Freund Herr BAUDON hat vollkommen der Wahrheit 
gemäss geredet. Nicht vor der Kammer können derartige Fragen verhandelt 
werden. Jeder Vorbeschluss muss vielmehr vermieden werden. Man darf nicht 
sagen: Wir schaffen hier den Lehrstuhl, während im Zusohauerraum schon gehört 
wird, dass man ihm dem oder dem Gelehrten geben wird. In dieser Hinsicht 
darf nichts bindend sein und hierin stimme ich vollkommen mit Herrn General¬ 
berichterstatter überein. Tatsächlich gibt es doch auch ausser den Männern, die 
sich dem Vorgeschichtsstudium gewidmet haben und denen jedermann Achtung er¬ 
weist, auch noch junge Leute, die Karriere gemacht haben, die auch Rang und 
Würde haben und die auch bekannt geworden sind. Die Rechte dieser müssen 
unter allen Umständen gewahrt bleiben. Am Museum von Saint Germain gibt es 
Männer, deren Namen ich hier gar nicht nennen will, da sie in der Gelehrtenwelt 
guten Klang genug besitzen. 

Man muss jedoch verstehen, dass die Kammer ein für allemal darauf ver¬ 
zichtet hat, irgend jemand auf eine abgetane Weise in ein Amt einzuführen, dass 
es selbstverständlich ist, dass, wenn wir erst einen Lehrstuhl für dieses Fach ge¬ 
schaffen haben, einzig und allein die Verwaltung nach Befragung der Universität 
den Inhaber dieses Lehrstuhles bestellen darf. (Lebhafte Zustimmung.) 

Herr P&CHADRE: Es wird gut sein, wenn ich hier, um jeden Irrtum zu ver- 
Mannus, Bd. II. 18 


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274 


V. Nachrichten. 


meiden, mich genauer ausspreche. Herr SEMBAT hat soeben die Frage der 
Schaffung eines Lehrstuhles verhandelt. Soweit sind wir noch gar nicht. Ich habe 
von einer derartigen Schaffung gesprochen als von etwas erst in Aussicht genom¬ 
menem. Vor der Schaffung eines derartigen Lehrstuhles muss meiner 
Ansicht nach erst ein dem Lehrstuhlinhaber zwecks Demonstrationen 
zur Verfügung stehendes Spezialmuseum geschaffen werden. Man 
muss doch der Reihe nach vorgehen! Wenn erst dies Spezialmuseum geschaffen 
ist, dann kann über die Frage der Errichtung eines Lehrstuhles verhandelt werden. 
Augenblicklich bleibt unsere Debatte noch zwecklos. Bilden Sie, Herr Unterstaats¬ 
sekretär, bitte zuerst im Seminar von Sulpice oder anderswo die Studiensammlung, 
von der ich soeben gesprochen habe, dann werden wir uns mit der Errichtung 
eines Lehrstuhles, dessen Bedürfnis sehr lebhaft empfunden wird, zu beschäftigen 
haben. (Allgemeine, lebhafte Zustimmung.) 

* * 

» 

Diese letzten Bemerkungen des Herrn PfeCHADRE treffen den Nagel auf 
den Kopf. Wie in Frankreich, so könnte auch anderwärts die Regierung es sich 
gesagt sein lassen, dass zu einem Lehrstuhl für Vorgeschichte unbedingt ein grosses 
Lehrmuseum gehört, über das der Inhaber des Lehrstuhles frei verfügen muss. 
Statt dessen zieht man es in Preussen vor, beide Ämter, dieses Lehrfach und die 
Museumsverwaltung, in gegensätzliche Stellung zueinander zu bringen, vor allem da¬ 
durch, dass man es fertig bekommen hat, an die Spitze des grössten Museums 
eitlen Mann zu stellen, dem vor der Berufung die Vorgeschichte ein fremdes Ge¬ 
biet war, und der in den zwei Jahren seiner neuen Tätigkeit gezeigt hat, dass kaum 
Hoffnung besteht, er werde auf dem Gebiete jemals zu einem Kenner werden. 

G. K. 


Unser Mitglied O. HAUSER hat, wie im vorigen Jahre, so auch jetzt unsere 
Gesellschaft nach Les Eyzies eingeladen zum Besuch seines Ausgrabungsgebietes, 
das in den verschiedenen Tälern der Dordogne jetzt an 30 Niederlassungen aus 
paläolithischer Zeit aufweist, die leicht zugänglich gemacht worden sind durch Ein¬ 
stellung eines Automobils. Zu den bisher hier erschlossenen Kulturstufen vom 
Acheuleen bis Magdalenien gesellt sich nunmehr als älteste eine Schicht mit dem 
RUTOTschen Strdpyien. Sein kleines Museum hat HAUSER vergrössert. Inter¬ 
essenten erteilt er gern jede nähere Auskunft. 

«. « 

Todesfälle. 

Am 17. Dezember 1909 starb zu Wien nach langem Leiden Regierungsrat 
Dr. Matthäus MUCH, der bekannte, hochgeschätzte Altmeister der österreichischen 
Vorgeschichtsforschung, geboren am 10. Oktober 1832 zu Göpfritz in Niederösterreich. 
Ursprünglich Jurist und im Staatsdienst wurde er 1858 durch den Übergang einer 
Wiener Zitherfabrik in seinen Besitz genötigt, Geschäftsmann zu werden. Als 
solcher leistete er Vorzügliches und sah sich zugleich in die Möglichkeit versetzt, 
in eindringender Weise vaterländischen Studien auf germanistischem, bald auch auf 


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V. Nachrichten. 


275 


vorgeschichtlich archäologischem Gebiete nachzugehen. Auf seine germanistischen 
Anfänge sah er selbst später als gereifter Forscher wie auf dilettantische Versuche 
herab und doch glückte ihm schon damals mancher gute Funds so, wenn er lange 
vor MERINGER und RAUTENBERG unser ‘Wand’ mit gotisch ‘vandus’ = „Rute* 
gleichsetzte und so auf das geflochtene’ Haus kam. Vor allem waren es die ur¬ 
alten Erdbefestigungen und vorgeschichtlichen Ansiedlungen in Niederösterreich, 
denen er seine Untersuchungen wid¬ 
mete und die ihn andauernd, bis 
an sein Lebensende hin, zu Publi¬ 
kationen veranlassten. 

Ein zweites Gebiet seiner 
Forschung waren die österreichischen 
Pfahlbauten, namentlich die des 
Mondsees, deren Reste er seit 1872 
Jahrzehnte lang mit verbesserten 
Methoden in so gründlicher Sorg¬ 
falt ans Tageslicht brachte, dass ihm 
die Bergung zahlreicher Holzgeräte, 

Speisereste, Getreidemengen u. a. 
glückte, was den Erforschern der 
anderen österreichischen Pfahlbauten 
nicht gelungen war. Eine vortreff¬ 
liche Stütze war ihm hierbei sein 
Sohn Rudolf, jetzt Universitätspro¬ 
fessor in Wien, unser Mitglied. 

Diese wichtigen und reichen Funde, 
insonderheit die Kupfergeräte, ver¬ 
anlassten ihn, der Frage des vor¬ 
geschichtlichen Kupferbergbaus und 
einer vor der Bronzezeit liegenden, 
besonderen Kupferperiode sein an¬ 
dauerndes Interesse zuzuwenden, 
aus dem dann sein erstes und wohl bleibend wichtigstes Werk entstand: „Die Kupfer¬ 
zeit in Europa und ihr Verhältnis zur Kultur der Indogermanen“ (Wien 1886, 
* Jena 1893). Unbestritten bleibt sein Verdienst hier als einer der ersten klarer 
gesehen und diesen neuen Erkenntnissen und Anschauungen durch treffliche Dar¬ 
stellung wenigstens in der Hauptsache zum Siege verholfen zu haben. Es war ein 
Genuss, diesem Forscher zu lauschen und ihm zu folgen, als er 1905 im Anschluss 
an die Wiener Tagung die Anthropologen in beneidenswerter Frische zu dem auf 
der Mitterbergalp gelegenen, von ihm so oft untersuchten, vorgeschichtlichen Kupfer¬ 
bergwerk führte. Im Sommer 1908 begann er von neuem auf dem Mitterberge zu 
graben und noch wenige Monate vor seinem Tode überdachte er auf dem Kranken¬ 
bette neue Ausgrabungen an jener geliebten Stätte. 

An dritter Stelle untersuchte er die niederösterreichischen Hügelgräber und 
förderte dabei eine überraschende Menge herrlicher Fundstücke, die einen Glanz¬ 
punkt seiner ohnehin auf allen Gebieten grossartigen Sammlung zur Vorgeschichte 
Österreichs bilden, einer Sammlung von einem Umfange und einer Bedeutung, der 
sich m. W. keine andere eines Privatmannes entfernt an die Seite stellen kann, 
Wer diese Sammlung in der Penzingerstrasse studiert hat, wird den Eindruck mit¬ 
genommen haben, als habe er ein unter peinlichster Aufsicht stehendes Staats¬ 
museum besichtigt. 18 * 



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276 


V. Nachrichten. 


Den in dem Werke über die Kupferzeit nur angedeuteten Zusammenhang 
dieser Epoche mit der Zeit der Ausbreitung der Indogermanen verfolgte er nach 
allen Seiten weiter in seinem Buch „Die Heimat der Indogermanen im Lichte der 
vorgeschichtlichen Forschung“ (Jena 1901, 1 1904). Hier schieden sich unsere Wege, 
wobei — wenn ich von allem Persönlichen absehe — die Methode seiner Forschung 
mein Hauptanstoss war. MUCH untersuchte nicht die einzelnen Kulturen Europas 
als Ganzes und im Einzelnen, um sie dann zu vergleichen, ihr Abhängigkeits¬ 
verhältnis klarzulegen und daraus den Gang der Ausbreitung der Indogermanen 
abzulesen, sondern sah von vornherein fast ganz Europa als indogermanisch an und 
wollte dies nachweisen, indem er den Stoff weder chronologisch, noch räumlich, 
sondern nach Kategorien einteilte. In der zweiten Auflage des Werkes besserte 
und vermehrte er die Darstellung wohl in Einzelheiten, die ich angegriffen hatte, 
er vermied es aber — und das war eine Schwäche seines wissenschaftlichen Cha¬ 
rakters — auch nur die leiseste Spur einer Kenntnis meiner gegen ihn erhobenen 
und jetzt allgemein als zutreffend anerkannten methodischen Forderungen zu zeigen. 
— Vortrefflich war dann aber wieder sein letztes Werk „Trugspiegelung orienta¬ 
lischer Kultur in den vorgeschichtlichen Zeitaltern Mittel- und Nordeuropas“ (Jena 1903), 
worin er den völlig verstiegenen Ideen Sophus MÜLLER’s über die Abhängigkeit 
unserer Gebiete vom Süden und Südosten und der infolge hiervon durch MÜLLER 
geradezu ins Ungeheuerliche verzerrten Chronologie der Vorgeschichte Europas mit 
Entschiedenheit und Glück entgegentrat. 

Zuletzt sei noch der unermüdlichen Arbeit gedacht, die MUCH seit 1877 in 
der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale leistete, wobei 
als Früchte zugleich die Wandtafel „Vor-, und frühgeschichtliche Altertümer aus 
Österreich-Ungarn“ (Wien 1894) und vor allem der für jeden Forscher unentbehrliche 
„Kunsthistorische Atlas“ Bd. I (Wien 1889) reiften. 

MUCH war ein durch und durch nationaler Mann, ohne dass er diese Seite 
seines Charakters irgendwie in den Vordergrund schob. Seine von vaterländischem 
Hauch durchwehten Ansprachen auf den Versammlungen der Deutschen anthropo¬ 
logischen Gesellschaft werden jedem unvergesslich sein, der sie mit anzuhören die 
Freude hatte. 

Ehre dem Andenken dieses deutschen Mannes und dieses Forschers. 


Am 4. Februar d. J. verschied nach kaum dreitägiger Krankheit an leichter 
Lungenentzündung nebst zutretender Herzschwäche unser Mitglied Professor Dr. 
Hermann GRÖSSLER zu Eisleben, wo er seit 40 Jahren gewohnt und gewirkt 
hatte, in noch nicht vollendetem 70. Lebensjahre. — Dieser Verlust berührt unsere 
Gesellschaft schwer, denn einmal ist mit GRÖSSLER einer jener 63 Männer dahin¬ 
gegangen, die ich 1908 in meinem Aufruf zur Gründung unserer Gesellschaft als 
erstangeschlossene mitbegründende Mitglieder aufführen konnte, und dann hoffte 
ich gerade von ihm erfolgreiche Mitwirkung bei unserer Erfurter Tagung. Nahm er 
doch in Nordthüringen als arbeitender Mittelpunkt dieselbe führende Stellung ein, 
wie unser Mitglied Geheimrat ZSCHIESCHE seit Jahrzehnten und hoffentlich noch 
für lange in Südthüringen. Noch kurz vor seinem Tode war seine, in der Stoff¬ 
sammlung wieder ungemein reiche, dabei kenntnisreiche und förderliche Schrift über 
die Glockenbecher Thüringens erschienen. Ich konnte ihn im Januar noch 
auf einige Lücken aufmerksam machen und sofort war er entschlossen, dem Werke 
einen Nachtrag folgen zu lassen, eine Aufgabe, die nunmehr anderen Kräften zufällt. 


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V. Nachrichten. 


277 


GRÖSSLER, geboren am 2. April 1840 zu Naumburg a. d. Saale, promovierte 
1870 zu Jena und wirkte von 1871—1905 am Gymnasium zu Eisleben. Von Hause 
aus Geschichtsforscher hatte er die Erforschung der Geschichte seiner Heimatprovinz 
und darin besonders die des Mansfelder Landes zu seiner Lebensarbeit erkoren und 
eine schier unübersehbare Fülle von Beiträgen in allen geschichtlichen Zeitschriften 
des thüringisch'Sächsischen Gebietes, ebenso auch Einzelschritten hierüber sind Zeug¬ 
nisse seiner Gelehrtenarbeit. Daneben 
noch die Vorgeschichte zu treiben hatte 
er erst vor etwa 12 Jahren begonnen, zu¬ 
nächst durch eifrige, wissenschaftlich zu¬ 
verlässige Ausgrabungen, dann auch in 
umfangreichen Veröffentlichungen aus 
seinem Arbeitsgebiete. Seit seiner Pen¬ 
sionierung (1905) nahm die Vorgeschichts¬ 
forschung sogar weitaus die erste Stelle 
in seinen Betätigungen ein. Er wurde 
immer mehr auch auf diesem Gebiete 
Fachmann und gleichzeitig begünstigte 
ihn das Glück, indem ihm vergönnt war, 
das in Fachkreisen ganz Europas schnell 
berühmt gewordene „Fürstengrab“ im 
Gr. Galgenberg bei Helmsdorf aus der 
Frühperiode der Bronzezeit, mit seinem 
Holzsarg in Form eines Dachhauses und 
dem prachtvollen Goldschmuck, in aus¬ 
gezeichneter Weise auszugraben und zu 
beschreiben (1907). Sein Mansfelder 
Gebiet ist ja für die jungneolithischen und 
altbronzezeitlichen Kulturperioden viel¬ 
leicht das ergiebigste in ganz Europa und erfordert wegen der durch den Bergbau ver- 
anlassten anhaltend starken Erdbewegungen geradezu die dauernde Anwesenheit 
eines besonderen Konservators für Vorgeschichte. Diesen Posten der Überwachung 
des Geländes versah GRÖSSLER ohne Entgelt mit einer rastlosen Liebe und einem 
Feuereifer, dass er rasch alle thüringischen Forscher überflügelte und an ihre Spitze 
trat, sowohl in der Spatenforschung (wobei er an unserm Mitgliede Herrn Rent¬ 
meister KUNTZE in Burgscheidungen einen erfahrenen und verständnisvollen Helfer 
fand), als in rascher und geschickter, dabei sorgsam fleissiger Veröffentlichung seiner 
Ergebnisse. Nehmen wir nur seine grösseren Publikationen 

1. Vorgeschichtliche Gräber und Funde im Amtsbezirk Burgscheidungen 

a. d. Unstrut, Kr. Querfurt: 

a) Mitteilungen des Provinzial-Museums zu Halle a. S. II. 70—104, 1900. 

b) Jahresschrift I. 1902, S. 88—115. 

c) „ III. 1904. S. 107-128. 

2. Geschlossene vorgeschichtliche Funde aus den Kreisen Mansfeld, Querfurt, 

Sangershausen: 

a) Jahresschrift I. 1902, S. 125—244. 

b) „ III. 1904, S. 97-106. 

3. Das Fürstengrab im Grossen Galgenhügel am Paulsschachte bei Helmsdorf 

(Mans. Seekreis): 

Jahresschrift VI. 1907, 1- 87. 



Prof. Dr. Hermann Grössler 
2. 4. 1840 - 4. 2 1910. 




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V. Nachrichten. 


4. Vorgeschichtliche Funde aus der jüngeren Steinzeit vom Hüttenberg . . . . 

unweit Gn örner, (Mansf. Gebirgskreis): 

Jahresschrift VII. 1908, 95-134. 

5. Die Tongefässe der Glockenbecherkultur und ihre Verbreitung in Thüringens 
Jahresschrift VIII. 1909, 1-86, 

sowie einige kleinere aus den von ihm 1887 geschaffenen und geleiteten „Mans- 
felder Blättern“ hinzu, so hat er allein auf dem Gebiete der Vorgeschichte in neun¬ 
jähriger Tätigkeit an 500—600 Druckseiten veröffentlicht. 

Seine letzte Schrift, die erst nach seinem Tode erschien, war das diesjährige, 
34. Neujahrsblatt der Hallischen Historischen Kommission „Vom Einzelhof bis zum 
Stadtkreis“. Als Mitglied und seit 1893 als zweiter Vorsitzender dieser Kommission 
gehörte er auch dem Verwaltungsausschuss des Hallischen Provinzialmuseums an. 

Trotz seiner wissenschaftlichen Erfolge gelang es ihm nicht, bei der Stadtver¬ 
waltung in Eisleben irgend welche nennenswerte Unterstützung durchzusetzen, um 
die wertvollen Fundstücke des Landes, die in den beiden Lutherhäusern der Stadt 
Eisleben eine ganz kümmerliche Unterkunft gefunden haben, in einem würdigen 
oder auch nur anständigen Museumsbau in wissenschaftlich zureichender Weise dem 
Publikum und den Gelehrten zur Anschauung zu bringen. So ist das Werk dieses 
Mannes trotz aller Hingabe unvollendet geblieben; sein Tod hat in den wissenschaft¬ 
lichen Betrieb seines Heimatlandes eine klaffende Lücke gerissen, die zunächst 
sicher unäusgefüllt bleiben wird. Sein Wirken aber wird unvergessen bleiben. 


Am 2. Februar d. J. starb zu Berlin der Anatom Universitäts-Professor Geh, 
Medizinalrat Dr. med. et phil. Wilhelm KRAUSE, in unseren Kreisen bekannt durch 
seine Abhandlung „Über den niedersächsischen Schädeltypus“ in der Schrift von 
I. H. MÜLLER „Die Reihengräber zu Rosdorf“ bei Göttingen (Hannover 1878) und 
andere Schriften derselben Gattung. 


Am 23. Februar d. J. starb unser Mitglied Rittergutsbesitzer P. R. CREDNER 
in Grossgörschen bei Merseburg; ebenso haben wir den Tod unseres Mitgliedes 
Hans von ADELSON, Direktors der Union in Berlin, zu beklagen. 


Am 25. Februar d. J. verschied infolge von Magenblutung unser Mitglied 
Medizinalrat Dr. August HEDINGER in Stuttgart, ein auf dem Gebiete der Anthropo¬ 
logie und namentlich der Vorgeschichte überaus eifriger Forscher, der von 1896 bis 
1904 den Vorsitz im Württembergischen Anthropologischen Verein führte und als 
solcher in Vorträgen aus den verschiedensten Gebieten der Vorgeschichte, meist mit 
weiten Perspektiven, in seinem Heimatland sehr anregend gewirkt hat. Mehrfach 
hat er auch Ausgrabungen unternommen, so in Hügelgräbern der Schwäbischen Alp 
und Tirols, über die er auch Berichte verfasst hat. Ausser grösseren Abhandlungen, 
die meist im Archiv für Anthropologie erschienen sind, sei als selbständige Schrift 
genannt „Die vorgeschichtlichenBernstetnartefakte und ihre Herkunft“ (Strassburg 1903), 
worin er die bisher anstandslos anerkannte Helm’sche Methode der chemischen 
Untersuchung des Bernsteins auf Säure hin und die Schlüsse auf nordische Herkunft 
der durch ein gewisses Mass von Bernsteinsäure gekennzeichneten Artefakte angriff, 
ohne jedoch Klarheit in diese Fragen bringen zu können. 


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V. Nachrichten. 


279 


Am 23. März d. J. starb der belgische Anthropologe Jullien FRAIPONT, der 
sich einen berühmten Namen gemacht hat durch seine ausgezeichnete Untersuchung 
der Skelette von Spy, worin er trotz R. VIRCHOW’s einflussreicher, aber schädlicher 
Autorität den rassenhaften Charakter der neandertaloiden Eigenschaften glänzend 
erwies. 


Nachträglich sei noch dem bereits am 15. November 1909, leider viel zu jung 
gestorbenen, ausgezeichneten, gedankenreichen, schwedischen Forscher Knut STJERNA, 
Dozent für Vorgeschichte an der Universität Upsala, ein Nachruf gewidmet. Geboren 
am 14. März 1874 zu Malmö, studierte er in Lund Geschichte und Kunstgeschichte 
und fand bei der Vertiefung in die Probleme des Beowulfepos durch Heran¬ 
ziehung von Vedels grossem Werk über die Vorgeschichte Bornholms die Brücke 
zur Vorgeschichte, der er sich nun ganz widmete, wobei jedoch Beowulf wie auch 
Bornholm weiter im Mittelpunkt seiner Forschung blieben. Den Wechsel von zu- 
und abnehmender, ja völlig fehlender Bevölkerung auf dieser Insel seit 700 vor Chr. 
bis zum Ende der heidnischen Zeit stellte er in seiner trefflichen Doktorarbeit 
B Bidrag tili Bornholms Befolkningshistoria“ (1905) dar, worin er ganz in meiner 
Weise, aber bei der Beschränkung auf ein kleinstes Gebiet zugleich in entsprechend 
genauester Kleinforschung ethnologische Vorgeschichte und Besiedelungsgeschichte 
trieb, mit dem einen Hauptergebnis, dass die Insel von 300 nach Chr. ab völlig 
verödet und erst um 550 wieder neu besiedelt wird und zwar vom östlichen Schweden 
aus. Äusserst wertvoll sind dann die archäologischen Untersuchungen zu Beowulf, 
die nur die Zeit des sechsten Jahrhunderts nach Christus als Datierungsmöglichkeit 
für den Inhalt des Epos offen lassen: Helme und Schwerter 1903; der Drachen¬ 
schatz 1906; Skölds Hintritt 1905 (behandelt Bootbestattungen = Charonsfahrten); 
Bodenaitertümer 1908 (behandelt männliche Doppelgräber von Brüdern oder Milch¬ 
brüdern); Moorfunde und Walhall 1906 (Moorfunde nicht Weihgaben an Götter, 
sondern an die Geister der Erschlagenen); Schweden und Gauten 1905. Diese 
letzte bedeutende Abhandlung zeigt, wie die Gauten, die sich an der germanischen 
Völkerwanderung stark beteiligten, so zahlreich nach Mitteleuropa abwanderten, dass 
die geschwächten Reste des Volkes dem Ansturm der nördlichen Schweden nicht 
mehr gewachsen waren und in Öster-Götland und Öland während des fünften Jahr¬ 
hunderts von jenen unterjocht wurden. So erklärt sich der plötzliche Abbruch des 
Goldzustroms aus Byzanz nach Öland um 500, während er nach Bornholm und 
Gotland bis um 550 andauert, ein Zeichen, dass dort erst 50 Jahre später die 
Schwedenherrschaft einsetzt, was ja schon die Untersuchung über Bornholm gezeigt 
hatte. Die Bevölkerungsgeschichte Ölands zu schreiben war eine Aufgabe, der 
STJERNA demnächst sich widmen wollte: dazu ist er leider nicht mehr gekommen. 
Das alles hatte er unter drückendsten Verhältnissen in einer Doppelstellung als 
Landesarchiv-Assistent zu Lund und gleichzeitig als Journalist zu Malmö geschaffen. 
Archäologische Reisen durch ganz Europa kamen zu alledem dazu. Erst 1906 wurde 
er, nachdem Almgren seine privaten Vorlesungen in Upsala aufgegeben hatte, als 
festangestellter Dozent für Vorgeschichte an die dortige Universität berufen. Er 
hat dort eine hervorragende Tätigkeit entwickelt und seinen Schülern äusserst 
nachhaltige Anregungen mitgegeben. Ein schon länger drohendes Herzleiden be¬ 
endete dann im November 1909 ganz plötzlich dieses arbeits- und erfolgreiche 
Gelehrtenleben, das noch zahlreichste Früchte wissenschaftlicher Erkenntnis reifen 
zu lassen versprochen hatte. Gustaf Kossinna. 


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V. Nachrichten. 


Ernennungen. 

Unser Dritter Vorsitzender Provinzialkonservator und Direktor des Provinzial¬ 
museums Dr. J. REIMERS in Hannover ist am 1. April in den Ruhestand getreten 
und nach Charlottenburg übergesiedelt. Wir wünschen dem verehrten Mitarbeiter und 
Gönner unserer Gesellschaft einen langewährenden gesegneten Lebensabend und 
hoffen fernerhin auf seine erprobte Hilfe in Rat und Tat. — An seine Stelle ist 
der bisherige Direktor des Landesmuseums in Münster (Westfalen), Dr. BRÜNING, 
nach Hannover berufen worden. 

Unser Schriftführer Privatdozent für Geologie Dr. WÜST in Halle ist zum 
ausserordentlichen Professor an der Universität zu Kiel ernannt worden. 

Unser Ausschussmitglied Dr. Hans HAHNE, Privatdozent für vorgeschichtliche 
Archäologie an der Kgl Technischen Hochschule zu Hannover, der seit 1907 als 
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am dortigen Provinzialmuseum tätig war, ist am 
1. April d. J. zum Direktorialassistent an diesem Museum ernannt und mit der 
Leitung der vorgeschichtlichen und ethnographischen Sammlungen betraut worden. 

Unser Mitglied, der Konservator am Nationalmuseum in Stockholm, Dr. Oskar 
ALMGREN, ist als etatsmässiger Dozent für vorgeschichtliche Archäologie an die Uni¬ 
versität Upsala gegangen, wo er die durch den Tod von Dr. Knut STJERNA (s. 
oben S. 279) entstandene Lücke ausfüllt. 

Unser Ausschussmitglied Professor Dr. OHNESORGE in Lübeck hat sich 
wegen andauernder Kränklichkeit genötigt gesehen, sein Ehrenamt niederzulegen; 
an seine Stelle ist unser rühriger Mitarbeiter Adam GÜNTHER, Vorstand des 
städtischen Tiefbauamts in Koblenz, getreten. 

Mit Beginn dieses Jahres hat das Amt als unser 1. Schriftführer der städtische 
Bibliothekar Dr. Gustav ALBRECHT in Charlottenburg, Wallstr. 52 übernommen. — 
Unser Schatzmeister Dr. O. BORDES wohnt jetzt Berlin W., Nürnbergerstr. Nr. 8.. 


Unsere Gesellschaft ist in das Jahr t910 mit 333 Mitgliedern hinein¬ 
gesteuert und hat si<h seitdem langsam, aber andauernd vermehrt, so dass wir 
jetzt 850 Mitglieder zählen, darunter 50 Institute und Vereine, in folgender land¬ 
schaftlicher Verteilung: 

Mitglieder, davon Institute oder Vereine 


Berlin. 

. 70 . 

... — 

Norddeutschland östlich der Elbe 65 . 

... 9 

Nordwestdeutschland .... 

. 74 . 

... 17 

Sachsen-Thüringen .... 

. 64 . 

... 11 

Süddeutschland. 

. 32 . 

... 5 

Österreich-Ungarn. 

. 21 . 

... 3 

Schweiz. 

. 3 . 

... 1 

Skandinavien . . . . . . 

. 9 . 

... 2 

Finnland.. . 

. 4 . 

... 1 

Belgien. 

. 2 . 

... — 

Frankreich. 

. 4 . 

... 1 

Spanien. 

. 1 • 

... — 

China. 

. 1 . 

... — 


350 

50 


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V. Nachrichten. 


281 


Tagungen. 

21.—27. August! 6. Congrös pröhistorique de France in Tours (Indre et Loire). 
7.—8. September: Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- 
und Altertumsvereine in Posen. 

18.—24. September! 82. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Königsberg i. Pr. 

29.—30. September! 11. Tag für Denkmalpflege in Danzig. 


Zweite Tagung für Vorgeschichte. 

Erfurt, 31. Juli — 3. August 1910. 

Die diesjährige zweite Hauptversammlung der deutschen Gesell¬ 
schaft für Vorgeschichte wird in Erfurt stattfinden, nachdem von dort im 
Einvernehmen mit dem Magistrat eine Einladung seitens des Vereins für die Geschichte 
und Altertumskunde von Erfurt und der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften 
daselbst ergangen ist. 

Das Bureau befindet sich in den für die Tagung freundlichst zur Verfügung 
gestellten Räumen der Gesellschaft Ressource (Klostergang), und ist vom 
31. Juli nachmittags 4 Uhr an geöffnet. In der Ressource finden auch die Vorstands¬ 
und Ausschussitzungen, die Begrüssung am 31. Juli abends, die wissenschaftlichen 
Vorträge, die gemeinschaftlichen Mittagsmahlzeiten und der Bierabend der Stadt 
Erfurt statt. 

Als Beitrag zu den Unkosten werden von jedem Teilnehmer an der Ver¬ 
sammlung 5 Mark, für eine Damenkarte und eine Studentenkarte 2 Mark erhoben. 
Für die Beteiligung an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten, den Ausflügen und dem 
Bierabend liegen im Bureau Listen auf. Wegen der nötigen Vorbereitungen ist 
vorherige Einzeichnung unbedingt notwendig 

Gasthöfe ! Erfurter Hof (Zimmer von 2,50M. an): Silber (Zimmer 
von 2,50 M.), beide dicht am Bahnhof; Europäischer Hof, Casinostr. 
(Zimmer von 2,50 M.); Centralhotel, Bahnhofstr. (Zimmer von 2,00 M.)j 
ebenso in den nachstehenden Hotels: Ri11er, Johannesstr.; Weisses Ross, 
Krämpferstr.; PreussischerHof, Trommsdorffstr.; nahe der Post; Park- 
hotel, Epinaystr.; Reichshof, Bahnhofstr. — Wegen des regen Fremden¬ 
verkehrs im Sommer ist vorherige Bestellung der Zimmer geboten. 
Die Teilnehmer werden gebeten, sich direkt mit den Hotels in Verbindung 
zu setzen. 


Der Ortsausschuss. Der Vorstand der Gesellschaft. 


Prof. Dr. Biereye, 

Direktor des Königl. Gymnasiums. 

Gensei, Dr. Overmann, Schröer, 

Stadtrat. Stadtarchivar. Justizrat 

Prof. Dr. Stange, Teichfischer, 

Stadt Bibliothekar. Kaufmann. 

Dr. Zschiesche, 

Geh. San.'Rat 


Universitätsprofessor Dr. G. Kossinna, 
1. Vorsitzender. 

Stadt. Bibliothekar Dr. G. Albrecht, 

1. Schriftführer. 

Dr. O. Bordes, 

Schatzmeister. 


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282 


V. Nachrichten. 


Tagungsplan. 

Sonnabend, den 30. Juli* Vortagung in Magdeburg. 

Nachmittag 4 V* Uhr: Besichtigung der von Dr. HAHNE neugeordneten vor¬ 
geschichtlichen Abteilung des städtischen Museums für Natur- und 
Heimatkunde (Domplatz 5). Führung: Dr. HAHNE. — Darauf Spazier¬ 
gang in der Stadt. — 

Abends: Gemeinsames Abendessen (kalt) in der Klause des Künstlervereins. 

Sonntag, den 31. Juli. 

Nachm. 5 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzung in der Ressource in Erfurt 
(Klostergang). 

Abends 8 Uhr: Begrüssung und geselliges Beisammensein ebendort. 

Montag, den 1. August. 

Vorm. 9 Uhr: Eröffnungsvortrag des 1. Vorsitzenden Univ.-Professor Dr. G. 

Kossinna. — Begrüssungsreden. 

Vorm. 11—11V* Uhr: Frühstückspause. 

Vorm. 1t 1 /* —2 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge. 

Nachm. 2—3 l /i Uhr: Gemeinschaftliches einfaches Mittagessen. 

Nachm. 3 1 /*—5■/« Uhr: Wissenschaftliche Vorträge. 

Nachm. 6 ai Abfahrt mit der Eisenbahn nach Bischleben (Fahrzeit 8 Minuten; 
Doppelkarte Erfurt—Bischleben). — Besuch der Burg (vorgeschichtliche 
Befestigung) bei Möbisberg (15—20 Min. Weg), dann gemeinschaftliches 
Beisammensein im Gasthof »Zur Forelle“ in Möbisberg. Rückfahrt 
nach Erfurt von Bischleben 10**. 

Dienstag, den 2. August. 

Vorm. 8 Uhr: Geschäftssitzung. Jahresbericht des Vorstandes, Bericht des 
Schatzmeisters und dessen Entlastung. — Antrag des Schatzmeisters auf 
Satzungsänderung: Erhöhung des Jahresbeitrags der Mitglieder. 

Vorm. 9 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge. 

Vorm. 11—11 Vt Uhr: Frühstückspause. 

Vorm. 11 */*—1V* Uhr: Wissenschaftliche Vorträge. 

Nachm. 17i—3 Uhr: Gemeinschaftliches einfaches Mittagessen. 

Nachm. 3—5 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge. 

Von 5 Uhr ab: Rundgang durch die Stadt (Führung: Prof. Dr. Biereye 
und Dr. Overmann) und Besuch des Städt. Museums usw. (Führung: 
Dr. Zschiesche). 

Abends 8 Uhr pünktlich: Bierabend der Stadt Erfurt in der Ressource (die 
ersten vier Reden sind vergeben). 

Wissenschaftliche Vorträge. 

1. Eröffnungsvortrag des Ersten Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. G. KOSSINNA (Ber¬ 
lin) : Die Frau in derVorgeschichteMitteleuropas (mit Lichtbildern). 

2. Zweiter Vorsitzender Geheimrat Univ.-Professor Dr. A. BEZZENBERGER 
(Königsberg i. Pr.): Ältere und jüngere Steinzeit in Ostpreussen. 

3. Schriftführer Generaloberarzt Dr. G. WILKE (Chemnitz): Thema Vorbehalten. 

4. Ausschussmitglied Oberbautechniker GÜNTHER (Koblenz): Die Bronzezeit 
im Neuwieder Becken (mit Demonstrationen). 

5. Ausschussmitglied Privatdozent Direktorialassistent Dr. H. HAHNE (Hannover) s 
Die Moorleichen der Provinz Hannover (mit Lichtbildern). 

6. Ausschussmitglied Dr. Rob. R. SCHMIDT (Tübingen): Das Altpaiäolithikum 
Deutschlands und seine Parallelen mit Westeuropa. 


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■PRINCETON U N\V 



V. Nachrichten. 


283 


7. Paul BERGER (Merseburg): Demonstrationen interessanter Fundstüdce seiner 
Sammlung. 

8. Univ.-Prof. Dr. FLEISCHER (Berlin): DieStellung Inner-Kleinasiens 
zu den Indogermanen um das Jahr 1000 v. Chr. 

9. Prof. Dr. PFAU (Rochlitz): Feuersteinwerkstätten aus der Roch- 
litzer Gegend (mit Demonstrationen). 

10. Emst WAHLE (Delitzsch): Ein Fall von Skelettbestattung und ein 
neolithisches Totenopfer aus dem Mansfeldischen (mit Demon¬ 
strationen). 

11. Geheimrat Dr. ZSCHIESCHE (Erfurt): Vorgeschichte von Erfurt; 
Demonstration seiner vorgeschichtlichen Sammlung. 

Mittwoch, den 3* August. 

Ausflug. Abfahrt von Erfurt nach Weimar vorm. 8 13 Uhr, (Fahrkarte 
Erfurt—Hetschburg). 

Erste Gruppe: Besichtigung des Steinbruchs in Ehringsdorf (paläo- 
lithische Fundstätte). — 

Zweite Gruppe: Besuch des Städt. Museums unter Führung des 
Herrn Kustos A. MÜLLER. — Punkt 12 Uhr: Gemeinschaftliches ein¬ 
faches Mittagessen im Hotel „Kaiserin Augusta*, dicht am Bahnhof. 
Nachm. I 10 Uhr: Weiterfahrt nach Hetschburg vom Thüringer Bahn¬ 
hof aus. Besuch des Schlackenwalles auf der Martinskirche, 
event. auch der Buchfartsburg bei Buchfart. Gemeinschaftliches 
Zusammensein in Buchfart oder Hetschburg. Rückfahrt von Hetschburg 8 46 . 
Etwaige Änderungen in dem Programm werden in dem Bureau durch An¬ 
schlag bekannt gemacht. 

Donnerstag, den 4. August bis Sonntag, den 7. August. 

Viertägiger Ausflug nach den vorgeschichtlichen Burgen des Feldatals 
und der Steinsburg (Kleiner Gleichberg) bei Römhild. 

Anmeldungen an Herrn Geheimen Sanitätsrat Dr. ZSCHIESCHE in Erfurt, Walk¬ 
mühlstrasse. Abschluss der Teilnehmerliste am 1. August abends. 

Donnerstag, den 4. August. 

Abfahrt von Erfurt 7 66 Uhr früh mit der Eisenbahn nach Vacha, Ankunft 
dort 11 14 mittags, Mittagessen im Gasthof „Zum Adler“ in Vacha. — 
Besteigung des *öchsen (630 m — 1 V* Stunde) und Besichtigung der 
vorgeschichtlichen Wälle (2 Stunden). Rundblick vom Aussichtsturm 
auf die Rhön. — Vesper in Völkershausen. — Abstieg nach Dietlas 
(1 Stunde). Abfahrt von Dietlas 9 Uhr abends mit der Eisenbahn nach 
Dermbach, Ankunft dort 9 61 Uhr abends. — Nachtquartier in Derm¬ 
bach im Hotel Sächsischer Hof.. 

Freitag, den 5. August. 

Vorm. 7*/* Uhr: Besteigung des *Beyer (710 m — 1 */j Stunde). Besich¬ 
tigung der Wälle, Ackerterrassen, Wohnpodien und Hügelgräber (2 1 /* Stunde). 
— Abstieg nach Dermbach (1 Stunde). Mittagessen in Dermbach; darauf 
Besichtigung der Sammlung des Herrn Apotheker KELLER. 

Nachm. 4 49 Abfahrt von Dermbach mit der Eisenbahn nach Kaltennord¬ 
heim, Ankunft dort 5 29 nachm. — *Wagenfahrt über den Stellberg 
nach Fladungen. Bei rechtzeitiger Ankunft in ^Fladungen Besichtigung 
der mittelalterlichen Ringmauer. 

Nachtquartier in Fladungen im Hdtel „Zur Post“. 


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284 


V. Nachrichten. 


Sonnabend, den 6. August. 

Vorm. 7*° Uhr: Abfahrt von Fladungen mit der Eisenbahn über Mellrichstadt— 
Rentwertshausen nach Römhild, Ankunft dort IO* 5 vorm. 

Besichtigung der BONSACK’schen Sammlung von Steinsburgfunden, der 
Kirche mit einem Bronzeguss des Peter Vischer und verschiedener alter 
Bauten. — Mittagessen in Römhild. — 

Nachmittags: Wanderung über die Alteburg (Wallburg) und gegebenen¬ 
falls den Grossen Gleichberg (Ringwall) nach dem Wald haus 
(2 bezw. 4 Stunden). 

Nachtquartier im Waldhaus Waidmannsruh. 

Sonntag, den 7. August. 

Vormittags: Besichtigung der *Stelnsburg auf dem Kleinen Gleichberg 
in Gemeinschaft mit dem Hennebergischen Altertumsforschenden Verein 
aus Meiningen. 

Nachmittags: Beendigung des Ausflugs. 

Rückreise über Römhild oder Hildburghausen. 

Abfahrt vom Waldhaus mit Wagen nach beiden Richtungen um 5 Uhr 
nachm. Abgang der Züge von Römhild 6 10 abends, von Hildburghausen 
in der Richtung nach Meiningen 6 58 abends, von Hildburghausen nach 
Koburg 8 47 abends. 

Bei längerem Aufenthalt auf der Steinsburg mit ihren einzigartigen 
ausgedehnten Steinmauern, Gräbern und Wohnungen und mit ihrem 
grossartigen Panorama über die Gebirgsketten des Thüringer Waldes, des 
Frankenwaldes und der Rhön nochmals Nachtquartier auf dem Waldhaus und 
Rückreise am 8. August. 


Von den 

Festschriften der ersten Hauptversammlung zu Hannover 

sind noch Exemplare auf gewöhnlichem buchhändlerischen Wege zu 
beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Eyin Hannover, 
Georgstr. 47, und zwar: 

1. Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover. 

7 Bogen 4°, 6 Tafeln. Mk. 2.— 

2. Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge¬ 

schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen 
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin 
zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von 
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 8°. Mk. —.25 

3. Grabungen des Museumsvereins für das Fürsten¬ 

tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau. 
9 S. 8°, 2 Tafeln. Mk. —.25 


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I. Mitteilungen 


Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 

Vortrag gehalten in der Sitzung der 
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vom 18. November 1909. 

Von Universitätsprofessor Dr. Friedrich Solger, Peking. 

Mit 5 Text-Abbildungen. 


Wenn ich als Geologe hier im Kreise einer Gesellschaft für Vor¬ 
geschichte spreche, so leite ich die Berechtigung daraus ab, dass wir 
uns von dem Werden unserer Vorfahren und Vorgänger auf dem Heimat¬ 
boden keine Meinung bilden können, wenn wir nicht auch den Natur¬ 
hintergrund kennen, von dem sich diese Entwicklung abhebt, die klima¬ 
tischen Bedingungen, unter denen der Mensch in Norddeutschland lebte, 
seit das Land von dem Eise frei gegeben wurde für die Besitznahme 
durch den Menschen. Wir werden dabei sehen, dass der Rückzug des 
Eises dem Menschen nicht nur die Möglichkeit gab, sich hier anzusiedeln, 
sondern dass er ihn geradezu dazu zwang. Das ergibt sich aus einer 
Betrachtung der klimatischen Wandlungen, die Norddeutschland seit der 
Eiszeit durchgemacht hat, und wir wollen uns darauf beschränken, die¬ 
jenigen Wandlungen hervorzuheben, die auf die Entwicklung der Menschen 
von merklichem Einflüsse gewesen sein können. Das Wort „Klima" 
gehört zu denen, deren Fremdwortnatur uns längst hat vergessen lassen, 
was sie eigentlich bedeuten. Es heisst zunächst nur „Neigung", und 
seinen heutigen Sinn erhielt es, weil man die klimatischer. Unterschiede 
auf die verschiedene Neigung zurückführte, die die Sonnenstrahlen unter 
verschiedener geographischer Breite gegenüber dem Horizont besitzen. 
Diese Unterschiede haben nun zwar unzweifelhaft eine grosse Bedeutung 
für das Klima, aber sie beherrschen es nicht. Die mannigfaltigen Klima¬ 
schwankungen, die Norddeutschland seit der Eiszeit durchgemacht hat, 
sind jedenfalls nicht auf Änderungen der geographischen Breite zurück¬ 
zuführen. Zwar hat man die Eiszeit selbst dadurch erklären wollen, 
dass man annahm, damals habe der Nordpol im Gebiete des heutigen 
nordatlantischen Ozeans gelegen und da Europa infolgedessen eine höhere 
geographische Breite gehabt hätte, sei sein Klima ein kälteres gewesen. 
Diese Erklärung der Eiszeit ist aber aufgegeben worden, weil sie die 
allgemeine Erniedrigung der Temperatur auf der ganzen Erde nicht er- 

Mannus, Bd. II, Heft 4. 19 


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286 


Friedrich Solger. 


[2 


klärt, die wir aus den überall auftretenden Gletscherspuren schliessen 
müssen. Auch physikalisch ist keine Ursache anzugeben, die imstande 
wäre, eine solche Verschiebung des Pols in den jüngsten geologischen 
Zeiten herbeizuführen, zumal grössere Gebirgsbildungen seitdem nicht 
mehr stattgefunden haben. 

Wir müssen vielmehr annehmen, dass unsere Heimat während der 
Eiszeit bereits unter demselben Breitengrad lag wie heute. Das be¬ 
zeugen auch die ältesten Kalendarien, die uns in den Menhiren der 
Bretagne erhalten sind und von denen im ersten Hefte des Mannus 
Herr DEVOIR l ) berichtete. Den interessanten Mitteilungen, die dort 
gegeben sind, möchte ich noch einige Bemerkungen hinzufügen. 

Die Steinreihen der Bretagne und Englands sind so angeordnet, 
dass sie im allgemeinen die Richtung vom Sonnenaufgangspunkt bei 
Sommersonnenwende zum Sonnenuntergangspunkt bei Wintersonnen¬ 
wende und die vom Sonnenuntergangspunkt bei Sommersonnenwende 
zum Sonnenaufgangspunkt bei Wintersonnenwende bezeichnen. 

Daneben kommen auch Reihen vor, die auf die Sonnenauf- und 
Untergangspunkte bei Tag- und Nachtgleiche zu gerichtet sind. Die Auf- 
und Untergangspunkte bei Sonnenwende sind von der geographischen 
Breite abhängig, aus den betreffenden Steinreihen geht hervor, dass 
die Breite damals gleich der heutigen war. Dann muss in Norddeutsch¬ 
land das Gleiche der Fall gewesen sein. Endlich finden sich noch 
gewisse Mittelrichtungen, die einerseits den Aufgangspunkt vom 6. Mai, 
der gleich dem vom 8. August ist, mit dem Untergangspunkt vom 4. Februar, 
bezw. 8. November, verbinden, andererseits den Aufgangspunkt vom 4. Fe¬ 
bruar (8. November) mit dem Untergangspunkt vom 6. Mai (8. August). 
Diese Zwischendaten sind von LOCKYER gedeutet worden als die 
Mitten der Hauptabschnitte des landwirtschaftlichen Jahres für unser 
Klima: Anfang November Anfang der Saat, Anfang Februar Beginn des 
Aufspriessens, Anfang Mai Beginn der Blütezeit, Anfang August Beginn 
der Reife. Hieraus einen Schluss auf das damalige Klima zu ziehen, 
möchte ich aber entschieden warnen; denn die genannten Zeitpunkte 
erklären sich viel einfacher und ungezwungener aus der Halbierung der 
Zeit zwischen den Sonnenwenden und den Tag- und Nachtgleichen. 
Das Jahr war durch die Sonnenwenden in zwei gleiche Teile geteilt, 
durch die Tag- und Nachtgleichen wurde jedes dieser Halbjahre wieder 
halbiert, durch die Einfügung jener Zwischenrichtungen entstehen acht 
gleiche Abschnitte innerhalb des Jahres. Diese Einteilung lag in jedem 
Klima gleich nahe. Andererseits brauchte man keine Steinreihen auf¬ 
zurichten, um zu wissen, wann die Saat aus dem Boden kam. 

Für das Klima finden wir also aus diesen Steinreihen keinen 
Anhalt. Zur Erforschung der Wandlungen, die es durchgemacht hat, sind 
wir vielmehr auf rein geologische und biologische Anzeichen hingewiesen. 
Als sicherer Anfangszustand, von dem wir hier ausgehen wollen, bietet 
sich uns die Eiszeit, während deren die Mitteltemperatur Norddeutsch¬ 
lands um ungefähr 4° niedriger gewesen sein muss als heute. Die 
Frage, die uns nun beschäftigen soll, ist die, wie das eiszeitliche Klima 
überging in das jetzige. 

*) A. DEVOIR, Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. Mannus Bd. I, S. 71 ff. 


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3] 


Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 


287 


Wir fragen zunächst: Welches Klima herrschte am Rande des 
diluvialen Eises? Dass es etwas kälter war als heute, bezeugt die da¬ 
malige Verbreitung der Gletscher, die heute auf die Hochgebirgsgegenden 
Skandinaviens beschränkt sind. Aus derselben Tatsache hat man auch 
auf ein feuchteres Klima schliessen zu dürfen geglaubt, aber die nähere 
Forschung ergibt das Gegenteil. Schon vor einem Menschenalter wies 
NEHR1NG 1 ) darauf hin, dass das Vorkommen von Steppentieren in 
interglazialen Ablagerungen von Braunschweig ein Steppenklima nahe 
dem Eisrande erforderte. Das Gleiche ging aus dem Auftreten des 
Lösses hervor, nachdem Von RICHTHOFEN seine Entstehung aus 
Staub, den der Wind mitführte, nachgewiesen hatte. In der Tat müssen 
wir jetzt annehmen, dass das Klima am Rande des Eises ein sehr 



Abb. 1. Rückzug des diluvialen Eises aus Norddeutschland. 

Oie didcen schwarzen Linien bedeuten Stillstandslagen des Eisrandes, die unterbrochenen Linien geben 
die allgemeine Richtung anderer Eisrandlagen wieder, soweit sie sich bisher haben ermitteln lassen. 

Masstab 1 : 6 000 000. 


trockenes war, und wir sind auch über die meteorologischen Voraus¬ 
setzungen unterrichtet, die das verursachten. JENTZSCH, WEBER, VAHL 
u. a., unterstützt durch die Erfahrungen der letzten Südpolarexpeditionen, 
haben darauf hingewiesen, dass sich über den riesigen Eismassen des 
diluvialen Inlandeises dauernd ein Überschuss von kalter und darum 
schwerer Luft ansammeln musste, der ein dauerndes Abströmen nach 
dem Eisrande zur Folge hatte. Daher herrschten in der unmittelbaren 
Umgebung des Eises Winde, die aus dem kalten Eisgebiet in das wärmere 
Vorland hinausbliesen und die JENTZSCH als „Eiswinde“ bezeichnet hat. 


*) NEHRING, Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, unter beson¬ 
derer Berücksichtigung ihrer Fauna. Berlin 1890. 

19* 


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288 


Friedrich Solger. 


[4 


Das Eis hat sich aus Norddeutschland in der Hauptsache gegen Nordosten 
zurückgezogen (Abb. 1), wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe 1 ). 
Wir sollten also Nordostwinde am damaligen Eisrande erwarten. Die 
von jenen erzeugten Dünenbildungen zeigen aber, dass es Ostwinde, 
vielleicht sogar Ostsüdostwinde waren. Das rührt daher, dass durch die 
Erddrehung auf der nördlichen Halbkugel alle Winde im Sinne des Uhr¬ 
zeigers abgelenkt werden. Diese Ostwinde, die aus einem kalten Gebiete 
kamen, enthielten demgemäss sehr wenig Feuchtigkeit. Da sie sich in 
dem eisfreien Vorlande erwärmen mussten, trockneten sie noch mehr 
aus und bewirkten, dass hier die Pflanzenwelt zunächst nicht aufkommen 
konnte. Mit dem kahlen trocknen Boden trieb der Wind sein Spiel, 
er häufte den Sand zu Dünen auf, den Staub trug er hinüber in die 
angrenzenden Gegenden, in denen wenigstens Steppengräser fortkamen. 
Hier blieb der Staub in den Grashalmen hängen, und es entstand der 
Lössboden, der die Magdeburger Börde z. B. zu einer so fruchtbaren 
Rübengegend macht und in dem wir die Reste zahlreicher Steppentiere 
finden. Erst jenseits dieser Steppenzone dürfen wir die damalige 
Waldgrenze annehmen. 

Dass tatsächlich in der Nähe des Eises zunächst eine wüstenartige 
Zone vorhanden gewesen sein muss, das geht auch aus der Oberflächen¬ 
gestaltung unserer Mittelgebirge hervor, die ja während der Hauptver¬ 
eisungszeit diesem Randgebiete angehörten. Die Bergformen Thüringens 
sowohl wie der Sächsischen Schweiz sind nur zu verstehen, wenn man 
davon ausgeht, dass sie in einem dürren Klima entstanden, in dem die 
Wirkung des Windes die des Wassers überwog. Um das an einem 
möglichst bekannten Beispiel klar zu machen, wähle ich die Umgebung 
von Jena, z. B. das Gembdental mit dem Jenzig und den Kembergen, die 
seine Gehänge bilden (Abb. 2). Wir haben hier ein breites und tiefes Tal 



Abb. 2. Blick vom Landgrafenberg bei Jena auf Jenzig und das Gembdental. 

Beispiel von Oberflächenformen, 

die ihre wesentliche Ausbildung in der diluvialen Trodcenperiode erhielten. 


vor uns, das in seiner ersten Anlage unzweifelhaft auf die nagende 
Tätigkeit des Wassers zurückzuführen ist. Hätte diese Wasserwirkung 
ungehindert angedauert, dann müssten ganz in derselben Weise wie aus 
der Zerschneidung des Saaletalgehänges das Gembdental hervorgegangen 

J ) SOLGER, Über den Rückzug des diluvialen Inlandeises aus dem mittleren 
Norddeutschland. Mon.-Ber. d. Dtsch. Geol. Ges. Bd. 60 (1908) S. 215 ff. 


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5] 


Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 


289 


war, auch die Gehänge dieses Tales weiter durch Wasserrisse zerschnitten 
worden sein, und wir müssten eine Zerlegung der ganzen Hochfläche in 
ein Gewirr von einzelnen Spitjen und sternförmig auseinander gehenden 
Graten erwarten. Statt dessen sehen wir zu beiden Seiten des Gemb- 
dentales je eine fast ganz glatte Felswand. Eine so gleichmässige Ab¬ 
tragung des Gehänges, wie sie zur Erzeugung solcher Formen nötig ist, 
kann nur der Wind bewirken, und damit er wirken kann, muss die 
Pflanzenwelt bedeutungslos gewesen sein. Heute ist diese letztere es, 
die jede Abtragung durch den Wind so gut wie ganz verhindert, weil 
sich bei der allgemeinen Pflanzenbedeckung einerseits kein Staub bilden 
kann, mit dessen Körnern der Wind den Boden abschleifen könnte, und 
weil andererseits dieser Boden selbst, wo er locker ist, durch die Bewach¬ 
sung davor geschützt wird, vom Winde fortgeblasen zu werden. Ganz 
ähnliche Schlüsse gestatten die Formen des Königsteins, Liliensteins, 
der Kaiserkrone u. a. in der Sächsischen Schweiz 1 ). 

Wir müssen uns also während der Eiszeit vor dem Eisrande 
drei aufeinander folgende Klimazonen vorstellen: zunächst Wüste, 
dann Steppe, dann Wald (Abb. 3). Heute gehört Nordeuropa, soweit 
der Mensch das Pflanzenkleid nicht völlig umgeändert hat, dem Waldgebiet 


/n/*nd*is 



Abb. 3. Klimazonen in der Nähe des diluvialen Inlandeises. 


an bis in die hohen Breiten hinauf, in denen die Julitemperatur^unter 
10° sinkt. Von da ab fehlt der Baumwuchs, und so breitet sich die 
Tundra mit ihren niedrigen Moos- und Heidepolstern aus. Dann folgt 
das arktische Eis, das heute jedoch wenigstens an der Nordgrenze Europas 
keine Gletscher enthält, sondern lediglich Meereseis ist (Abb. 4). Nur in Grön- 


Wslct 



Abb. 4. Klimazonen in der Nähe des heutigen arktischen Eises. 


land und auf den arktischen Inseln finden wir innerhalb dieser Zone auch 
Gletscher. Heute besteht also die Reihenfolge der alten Klimazonen 
nicht mehr, sondern statt dessen die Aufeinanderfolge: Eis, Tundra, Wald. 

Hier sind der Einfachheit wegen für die einzelnen Klimate die 
Bodenbedeckungen gesetzt, die aus jenen folgten, und in denen sich am 
klarsten die Lebensbedingungen ausdrücken, die jedes der verschiedenen 
Klimate für den Menschen bot. Es möge auch für das Folgende diese 
Abweichung von der streng logischen Ausdrucksweise gestattet sein, da sie 

0 Während der Niederschrift dieses Aufsatzes ist eine Arbeit von Dr. E. OBST 
erschienen (Die Oberflächengestaltung der schlesisch-böhmischen Kreideablagerungen, 
Hamburg 1909), worin die grosse Bedeuturg der trockenen Ostwindperiode auch für 
die Entstehung der schlesischen Bergformen dargetan wird. 


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290 


Friedrich Solger. 


[6 


die Anschaulichkeit erhöht und ohne Gefahr ist, so lange wir uns 
ihrer bewusst bleiben. 

Manche Tiere, die heute in der Tundra und nahe ihrer Grenze 
leben, sind während der Eiszeit auch bei uns vorgekommen, so das Renntier 
und der Lemming. NEHRING unterschied deshalb seiner Zeit zwischen 
dem Rande des Eises und dem Steppengürtel eine Tundrazone. Indessen 
ist es mehr als zweifelhaft, ob wir dabei an eine Tundra im Sinne der 
heutigen denken dürfen. Die Tundra ist mit der Steppe nur insofern 
verwandt als beide des Baumwuchses entbehren. Aber bei beiden 
beruht dies auf ganz verschiedenen Ursachen. Die Steppe ist zu trocken, 
die Tundra zu kalt. Der Boden der Steppe besteht aus Löss, d. h. Staub¬ 
ablagerungen, deren Entstehung eine benachbarte Wüste zur Voraus¬ 
setzung hat. Der Boden der Tundra enthält Humusbildungen, er stellt 
sich somit nicht als eine arktische Steppe, sondern als eine arktische 
Heide dar. Irgend eine heideartige Pflanzenformation war aber zwischen 
der Diluvial wüste und -Steppe durch die Trockenheit ausgeschlossen. 

Wenn sich heute gewisse Tiere, die damals bei uns lebten, in der 
Steppe wiederfinden, andere dagegen in der Tundra, so müssen wir 
bedenken, dass es ein Klima, wie das diluviale Klima Norddeutschlands, 
heute überhaupt nicht mehr gibt. Steppen sind heute auf niedrigere Breiten, 
also auf Gegenden von höherer Mittelwärme beschränkt. Tiere, die in 
so warmen Gegenden nicht leben konnten, mussten sich in die Tundra 
wohl oder übel zurückziehen, auch wenn sie sich dabei an eine andere 
Pflanzenkost gewöhnen mussten. So dürfen wir aus dem Auftreten 
des Renntiers und des Lemmings nicht auf echte Tundra, sondern nur 
auf kalte Steppen schliessen. Dann erscheint aber auch grössere Vor¬ 
sicht geboten, ehe man aus einem Wechsel von „Tundratieren" und 
„Steppentieren“ an einem Fundpunkt einen Wechsel zwischen kühlerem 
und wärmerem Klima herleitet. Wenn unsere Anschauungen über die 
Dürrezonen vor dem Eisrande richtig sind, dann würde eine Erwärmung, 
die naturgemäss zum Zurückweichen des Eises führen musste, vor allem 
eine Verschiebung des Wüsten- und des Steppengürtels zur Folge ge¬ 
habt haben, da diese gemeinsam mit dem Eise zurückweichen mussten. 
Man müsste dann also einen Wechsel zwischen Steppe und Wald finden. 
Das ist auch an manchen Stellen der Fall, und dort ist ein Klimawechsel 
sicher. Aber innerhalb der Steppe, deren Breite wir allerdings nicht 
kennen, zwei Zonen anzunehmen, die den Tundratieren und den Steppen¬ 
tieren entsprächen, ist zu gewagt, als dass man es ohne andere sicherere 
Anzeichen tun dürfte. Wenn wir uns erinnern, dass man allgemein 
zwischen der Eiszeit und unserem heutigen Klima nur einen mittleren 
Temperaturunterschied von 4° annimmt, dann werden wir zweifelhaft 
sein, ob man innerhalb des doch nur in der Nähe des Eises möglichen 
Steppengürtels so grosse Wäfmeunterschiede annehmen darf, dass zwei 
ganz verschiedene Tiergemeinschaften dadurch voneinander getrennt 
wurden. Gerade für die Urgeschichtsforschung möchte ich also davor 
warnen, aus solchen Anzeichen allein auf Klimaänderungen zu schliessen. 
Die Tiergeographie wird nun, nachdem wir die klimatischen Verhältnisse 
am Eisrande näher kennen, als es zu NEHRINGS Zeiten möglich war, 
von neuem zu der Frage Stellung nehmen müssen, ihr Ergebnis bleibt 
abzuwarten. 


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FR I NC E TQN U fr ttV ERSFFY 



7] 


Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 


291 


Mit dem Zurückweichen des Eises wurde die Luftmasse, die über 
ihm abgekühlt werden konnte, immer geringer, und damit musste der 
Einfluss der Eiswinde immer mehr eingeschränkt werden. Wüste und 
Steppe wurden nicht nur dabei nach Norden gedrängt, sondern sie ver¬ 
loren überhaupt an Boden, und diesen Boden eroberte der Wald. 
Zwischen Wald und Eis blieb schliesslich nur das Gebiet frei, in dem 
die Kälte an sich keinen rechten Pflanzenwuchs aufkommen liess. Da¬ 
bei müssen wir in Betracht ziehen, dass der Wald mit dem Rückzug 
des Eises in Gebiete mit immer kürzer werdendem Sommer vordrang. 
Die Bedeutung dieses Vorganges für den Menschen werden wir noch 
zu berücksichtigen haben. Hier wollen wir uns zuerst der Frage zu¬ 
wenden, wie das Klima Norddeutschlands sich nach dem Verschwinden 
des Dürregürtels am Eisrande weiter entwickelt hat. Wir teilen die Zeit 
nach dem Rückzuge des Eises aus unserer engeren Heimat gewöhnlich 
ein in die Yoldia-, Ancylus- und Litorinazeit, der wir die Mya- oder 
geologische Jetztzeit folgen lassen. Diese Einteilung ist nicht von kli¬ 
matischen Wandlungen hergenommen, sondern von Veränderungen der 
Umrisse von Meer und Land, die hauptsächlich die skandinavischen 
Küsten betrafen. Die Ostsee, die in der Yoldiazeit mit dem Polarmeer 
in Verbindung stand, ist in der Zeit des Ancylussees ein abgeschlossener 
Süsswassersee, dessen Küsten sich in der Litorinazeit senken und eine 
offene Verbindung mit der Nordsee entstehen lassen. Gewiss werden 
diese Wandlungen nicht ohne Einfluss auf das Klima gewesen sein, 
aber in Norddeutschland selbst sind klimatische Schwankungen von 
irgend wie erheblichem Betrage während dieser Zeit nicht nachzuweisen. 
Wir können nur ein allmähliches Feuchterwerden und dann Wärmer¬ 
werden des Klimas erkennen. Die ersten Moore, also die ersten Zeichen 
der zunehmenden Feuchtigkeit, schreibt DEECKE in Pommern wohl 
mit Recht der Ancyluszeit zu. Wir finden in ihren ältesten Schichten 
gewisse Pflanzen, die wir als Glazialpflanzen zu bezeichnen gewöhnt 
sind. Wir kennen sie heute teils von der alpinen, teils von der ark¬ 
tischen Baumgrenze her, wie Dryas octopetala und die Zwergbirke, 
Betula nana. Doch findet sich die Zwergbirke auch auf Hochmooren 
der Jetztzeit bei uns. Es scheint sich also weniger darum zu handeln, 
dass diese Pflanzen an eine niedere Temperatur gebunden wären, als 
dass sie sich vielmehr auf den Rand des von Pflanzen besiedelbaren 
Gebietes beschränken müssen, weil sie in dessen biologisch günstigeren 
Teilen von lebenskräftigeren Arten verdrängt werden. Wir werden aus 
ihrem Vorkommen also nur den Schluss ziehen dürfen, dass um diese 
Zeit die Waldgrenze etwa durch Norddeutschland ging, wahrscheinlich 
noch umgeben von einem nicht unbedeutenden Steppensaum. Die später 
auftretenden Pflanzen weichen nicht merklich von unseren heutigen ab. 
Für Skandinavien hat man eine Reihe von Klimaperioden aus dem Auf¬ 
treten von Baumschichten in Mooren zwischen baumlosem Torfe unter¬ 
schieden. In den grossen norddeutschen Mooren lässt sich das nicht 
durchführen. Wir finden zwar in den nordwestdeutschen Mooren zwischen 
einem älteren und jüngeren Moostorf eine Heidetorfschicht mit Zer¬ 
setzungserscheinungen, die auf grössere Trockenheit schliessen lassen. 
Selbst wenn wir darin aber eine Klimaänderung widergespiegelt sehen 
wollen, würde deren Betrag nicht grösser zu sein brauchen als etwa 


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292 


Friedrich Solger. 


[8 


der Unterschied zwischen dem Klima von Hannover und Posen, also 
für den Menschen nicht von merklichem Einfluss gewesen sein. Auch 
die Unterscheidung einer Kiefer-, Eichen- und Buchenzeit ist, wenn man 
ihre Verschiedenheiten auf dem Gebiet des Klimas suchen will, nicht 
hinreichend begründet. Dass ein Waldbaum den anderen ablöst, kann 
bei den kurzen Zeiträumen, um die es sich hier handelt, sehr wohl die 
Folge einer gewissen Bodenmüdigkeit sein, indem unter den obwalten¬ 
den Klimaverhältnissen eine bestimmte Waldart den Boden in einer 
für sie ungünstigen Richtung verändert. Es entsteht dann eben nicht 
sofort eine dauernde Pflanzenformation, sondern die Baumarten lösen 
sich solange ab, bis schliesslich ein Baum Besitz von dem Lande er¬ 
greift, der den Boden nicht ermüdet. Dieser wird dann auch nicht ver¬ 
drängt werden. Das scheint mit dem letzten der genannten Bäume, der 
Buche, der Fall zu sein, sie beeinflusst den Boden in einer für sie 
selbst günstigen Weise, weshalb sie auch wohl als „Mutter des Waldes“ 
gerühmt worden ist. Nur in zu feuchten Gebieten wird der Wald mit 
der Zeit überhaupt verdrängt durch Bildung von Hochmoor. So waren 
die grossen Moorgebiete Nordwestdeutschlands nach der Eiszeit alle 
bewaldet. Die Baumstümpfe finden sich unter der Torfschicht noch heute. 
Jetzt ist durch die grössere Luftfeuchtigkeit und die grösseren Nieder¬ 
schlagsmengen eine regionale Humusbildung eingeleitet, es ist ein Hoch¬ 
moor entstanden. Aber der Schluss wäre falsch, dass während des 
Gedeihens der Bäume, deren Reste sich jetzt in den unteren Torf¬ 
schichten finden, ein trockneres Klima notwendig hätte herrschen müssen. 
Die ersten Bäume siedelten sich hier allerdings an, nachdem vorher 
sicher ein trockneres Klima geherrscht hatte. Aber während ihrer An¬ 
wesenheit bis zu ihrem Untergange braucht eine weitere Zunahme der 
Feuchtigkeit nicht eingetreten zu sein. Es entwickelten sich nur all¬ 
mählich unter der Herrschaft des neuen Klimas die Verhältnisse, die 
die Bäume vertrieben, vor allem eine immer steigende Bedeckung des 
Bodens mit Humusablagerungen, die den Bäumen die Luft für die 
Wurzeln entzogen. 

Wir haben also keine Ursache, nach dem Einrücken des Waldes in 
das norddeutsche Flachland noch Klimaschwankungen .von solcher Be¬ 
deutung anzunehmen, dass sie für den Menschen merklich andere 
Daseinsbedingungen geschaffen hätten. Dass kleine Schwankungen ein¬ 
getreten sind, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen, kennen wir solche 
doch aus historischer Zeit. BRÜCKNER l ) hat darauf hingewiesen, dass 
sich etwa alle 35 Jahre Perioden grösserer und geringerer Niederschläge 
abzuwechseln pflegen, die auch einen Unterschied in der mittleren Jahres¬ 
wärme zeigen. Eine solche Periode prägt sich z. B. recht deutlich in 
dem Wasserstande der Elbe während des letzten Jahrhunderts aus (Abb. 5). 

Ebenso scheinen Schwankungen von mehrhundertjähriger Dauer 
aus den Veränderungen der Hochgebirgsgletscher gefolgert werden zu 
müssen. Doch sind diese Veränderungen alle nicht von solcher Grösse, 
dass sie sich in den Daseinsbedingungen des Menschen wiederspiegeln 
könnten. Nur insofern wäre ein Einfluss nicht unmöglich, als eine Reihe 
von Jahren oder Jahrzehnten, die dem Pflanzenwuchs besonders günstig 


’) BRÜCKNER, Klimaschwankungen seit 1700. Wien 1890. 


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9] 


Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit. 


293 


waren, vielleicht eine stärkere Vermehrung des Volkes herbeiführten oder 
doch bewirkten, dass der Bevölkerungszuwachs längere Zeit hindurch 
noch seine Nahrung fand. Beim Einsetzen schlechterer Klimaverhältnisse 
mögen sich die Erträge vermindert haben, jener Zuwachs wurde nun 



Abb. 5. Schwankungen des mittleren jährlichen Wasserstandes am Elbpegel 
zu Sandau 1820- 1895 (Summenlinie). Nach den amtlichen Elbstromwerken. 

Höhenmasstäb: 1:150. 

Die Summenlinie gibt nicht die Wasserstände selbst an, sondern die Summe der Abweichungen vom 
Mittelwert seit 1820. Da hierdurch abweichende Wasserstände einzelner Jahre zurücktreten gegenüber 
länger dauernden, so eignet sich die Darstellung besonders für die Veranschaulichung grösserer Perioden 
in den Pegelschwankungen Die hohen Wasserstände um 1820, 1855, 1890 und die niedrigen in den 
Zwischenzeiten treten scharf hervor. (Summa 1835/36 = 26,2 mm). 


als Übervölkerung empfunden, und die Folge war eine Auswanderung. 
So lassen sich die einzelnen Wellen der von den Ufern der Ostsee 
ausgehenden Völkerwanderungen vielleicht mit Klimaschwankungen in 
Verbindung bringen. Indessen gehört der Nachweis solchen Einflusses 
nicht in das Gebiet des Geologen, sondern des Urgeschichtsforschers. 
Als Geologe wollte ich nur auf die Möglichkeit aufmerksam machen. 

Von ungeheurem Einfluss auf den Menschen musste dagegen das 
Vorrücken des Waldes sein und das Zurückweichen des Steppenlandes; 
denn an dieses war der Mensch ursprünglich gebunden. Den Menschen 
als ein kletterndes Baumwesen aufzufassen, wie es KLAATSCH versucht 
hat, geht nicht an und ist von anatomischer Seite bereits widerlegt 
worden. Der Wald war dem alten Deutschen noch immer das Heilige, 
das Unnahbare, nicht das Lebensgebiet. Unsere Getreidearten sind 
Steppenpflanzen, und wir müssen den Menschen auffassen als einen 
Bewohner der Steppe, allenfalls des Waldrandes, der mit seinem 
einfachsten Landbau sicher auf die Steppe angewiesen war. So musste 
er auch mit dem Waldrande nach Norden rücken, und so musste er 
andererseits mit dem Verschwinden der Steppe dazu gedrängt werden, 
sich künstliche Steppen zu erzeugen, den Wald auszuroden. Diese Not¬ 
wendigkeit kann für ihn erst eingetreten sein, als das Eis erheblich 
zusammen geschmolzen war und damit auch die Breite des Steppengürtels 
entsprechend abgenommen hatte. Wir können uns deshalb wohl denken, 
dass der aus Mitteleuropa vor dem Walde her wandernde Mensch bis 
an die Gestade der Ostsee gekommen sein mag. Erst von hier ab 
wird sich die allmähliche Verengerung des Steppengebietes fühlbar ge¬ 
macht haben. Damit musste ein neues Entwicklungsmoment gegeben 
sein, zugleich aber auch ein Stillstand der Wanderung. Wollten diese 
Menschen sich weiter ausbreiten, dann mussten sie gegen den Wald 
Vordringen nach Süden. Beide Ursachen zusammengenommen dürfen 
wir wohl als den tieferen Untergrund ansehen dafür, dass die Umgebung 
der Ostsee die Wiege des Indogermanentums wurde. 


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Das Dreiperiodensystem. 

Ein Jubiläumsbeitrag zur Geschichte der prähistorischen 

Forschung. 

Von Hugo Mötefindt, Wernigerode a. H. 


Über die erste Aufstellung des Dreiperiodensystems herrschen auch 
heute noch in den Forscherkreisen sehr verschiedene Ansichten; man 
schwankt vielfach, wem man die Entdeckung zuschreiben soll. Die grund¬ 
legenden Arbeiten der damaligen Forscher sind meistens sehr schwer 
zu bekommen. Da nun vollends seit der ersten Aufstellung des Drei¬ 
periodensystems 75 Jahre verflossen sind und somit die prähistorische 
Wissenschaft auf eine 75jährige wissenschaftliche Tätigkeit zurückblickt, 
so stelle ich hier die Ergebnisse meiner Nachforschungen über die erste 
Aufstellung des Dreiperiodensystems zu folgendem Jubiläumsbeitrag zur 
Geschichte der prähistorischen Wissenschaft zusammen 1 ). 

Die ehrwürdigen Denkmäler der vorgeschichtlichen Zeit, welche die 
Oberfläche der Erde verbirgt, haben zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit 
der Menschen auf sich gelenkt. Durch viele Jahrhunderte lässt sich dieses 
Interesse für die vorgeschichtlichen Altertümer zurückverfolgen. Lange 
aber währte es, bis man in diesen Altertümern einen Nutzen für die 
Geschichte erkannte. Schon um 1520 brachte man dem Herzog Heinrich 
dem Friedfertigen von Mecklenburg ausgegrabene Urnen, und der das 
Altertum in hohem Masse schätzende und schützende Herzog fing an, 
die Urnen zu sammeln, die älteste mir bekannte Sammlung von vorge¬ 
schichtlichen Altertümern. Eine Beschreibung der im Laufe der Zeit 
wieder verschollenen Funde von des Herzogs antiquarischem Rat Nikolaus 
Marschalkus THURIUS ist uns erhalten *). Derartige über Funde aus dieser 

*) Übersicht über die in Frage kommende Literatur: 

VIRCHOW, R., Priorität der Lehre von den drei archäologischen Perioden. Verhandl. 
der Berliner anthr. Gesellschaft 1885, S. 263—267. Ferner zu vergleichen: 
Verhandl. 1881, S. 220 und Verhandl. 1885, S. 409. 

RAUTENBERG, E., Beitrag zu den Erörterungen über den Prioritätsstreit in Betreff der 
Entdeckung der prähistorischen Kulturperioden. Verhandl. 1885, S. 551-553. 
UNDSET, Zur Geschichte der Lehre von den drei Perioden. Verhandl. 1886, S. 18—22. 
HILDEBRAND, Hans, Zur Geschichte des Dreiperiodensystems. Verhandl. 1886, 
S. 357-367. 

MÜLLER, Sophus, Nordische Altertumskunde l, S. 217 ff. 

2 ) LISCH, Friderico-Francisceum S. 15. 


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2] 


Das Dreiperiodensystem. 


295 


Zeit uns erhaltenen Nachrichten bilden jedoch nur vereinzelte Erschei¬ 
nungen. Die meisten Funde sind ohne jede Nachricht verschwunden. 
Unachtsamkeit und Unkenntnis, Kriegsstürme und politische Kämpfe im 
Vaterlande drängten in den folgenden Jahren die Bemühungen für Kunst 
und Wissenschaft in den Hintergrund. Erst im achtzehnten Jahrhundert 
veranlassten wieder zufällige Entdeckungen von Grabaltertümern unmittel¬ 
bare Untersuchungen der alten Grabhügel, welche man bis dahin als 
Denkmäler der heidnischen Zeit aus abergläubischer Furcht gemieden 
hatte. Diese Untersuchungen, oft schon mit Sorgfalt und Umsicht aus¬ 
geführt, brachten manch wertvolles Fundstück zutage. Die Funde wurden 
jedoch unter die Kuriositäten der fürstlichen Kunstkabinette und Antiken¬ 
sammlungen zerstreut und sind teilweise im Laufe der Zeit verschollen 
oder erst in bedeutend späterer Zeit mühsam wieder zusammengestellt 
und der Forschung zugänglich gemacht. Eine umfangreiche Literatur hat 
sich schon damals aus den Ausgrabungsberichten und Fundbeschreibungen 
gebildet. 

Mit tiefergehenden Untersuchungen allgemeinerer Natur befasste 
man sich erst im Anfänge des neunzehnten Jahrhunderts, als infolge der 
Freiheitskriege ein reges allgemeineres Interesse in weiteren Kreisen für 
die Geschichte des Vaterlandes und besonders durch die Wirksamkeit der 
Gebrüder GRIMM für die deutsche Altertumskunde herrschte. Eine Pflege¬ 
stätte dieses Interesses bildete sich bald in den zahlreichen damals ge¬ 
gründeten, zum grössten Teil noch jetzt bestehenden Geschichtsvereinen, 
von denen ich hier nur erwähne den thüringisch-sächsischen Verein für Er¬ 
forschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denk¬ 
mäler, gegründet 1820, den Verein für mecklenburgische Geschichte und 
Altertumskunde, gegründet 1835 und den altmärkischen Verein für vater¬ 
ländische Geschichte und Industrie, gegründet am 13. Juli 1836, die sich 
alle mit Feuereifer der Sammlung und Ausgrabung von vorgeschichtlichen 
Altertümern hingaben. Auch viele Fürsten bekundeten reges Interesse 
für die Altertumsforschung. Wieder war es besonders ein Grossherzog 
von Mecklenburg, Friedrich Franz, der nicht bloss eifrig für die Ver¬ 
mehrung seiner Sammlung bestrebt war, sondern dessen Bestrebungen 
der Altertumsforschung überhaupt zugute kamen. Durch seine Unter¬ 
stützung wurde ein für die damalige Zeit epochemachendes Werk, das 
„Friderico-Francisceum oder grossherzogliche Altertümersammlung aus 
der altgermanischen und slavischen Zeit Mecklenburgs", 6 Hefte Abbil¬ 
dungen und ein Band Text, angeregt und ermöglicht; die Herausgabe 
verzögerte sich jedoch lange Zeit durch Tod der Bearbeiter und wurde 
erst 1837 durch LISCH vollendet. Wie sehr sich die Altertümer des 
fürstlichen Schutzes dieses Herrschers erfreuten, mögen nachfolgende, 
öffentlich bekannt gemachte Verordnungen beweisen, die zugleich 
wertvolle Beiträge zur Geschichte der Gesetzgebung über die Grabalter¬ 
tümer sein dürften. Interessant ist für uns besonders die zweite Ver¬ 
ordnung, da in ihr die Gesetzgebung der damaligen Zeit noch weiter 
gegangen ist, als man heute überhaupt strebt: Nicht nur alle neuen 
Funde sollen an eine öffentliche Sammlung abgeliefert werden, sondern 
überhaupt alle im Privatbesitz befindlichen Altertümer. Damit wird zum 
ersten Male der Grundsatz aufgestellt, gegen den immer noch so viel 
gesündigt wird und der doch endlich bald überall begriffen werden 


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Hugo Mötefindt. 


[3 


könnte: „Urgeschichtliche Dokumente dürfen nicht in Privat¬ 
sammlungen verschwinden“. Daher mögen diese Gesetze auch 
hier noch einmal folgen. 


Friedrich Franz von G. G. H. z. M. usw. 

Wir befehlen euch, alle Pächter und Dorfschaffen in dem euch anvertrauten 
Amte dahin anzuweisen, dass sie keine anscheinend heidnischen Gräber berühren, 
um Steine auszugraben. Ihr selbst aber habt an Uns unmittelbar ein Verzeichnis 
einzusenden, wie viele heidnische Gräber im Amte befindlich sind, und auf welchen 
Feldmarken selbige sich befinden. An dem geschieht Unser gnädiger Wille und 
Meinung. Gegeben auf Unserer Vestung Schwerin, den 13. April 1804. 

Friedrich Franz, H. z. M. 

An alle Beamte. 


Friedrich Franz v. G. G. H. z. M. usw. 

Da Wir die Absicht haben, Unser Antikenkabinett zu erweitern, so würden 
Wir es mit gnädigstem Dank erkennen, wenn jeder Gutsbesitzer in Unsern Landen 
Uns höchst unmittelbar aus Gefälligkeit anzeigen wollte, wie viele heidnische Gräber, 
die unbegraben sind, er auf seinem Gute oder auf seinen Gütern habe, damit Wir 
auf unsere Kosten und unter Aufsicht des von Uns zu diesem Geschäft bestimmten 
Hauptmanns Zinck an den anzuzeigenden Orten graben lassen können. Wir lassen 
dies zur öffentlichen Bekanntmachung gelangen. Gegeben auf Unserer Vestung 
Schwerin, den 13. April 1804. Friedrich Franz, H. z. M. ! ). 


11 . 

Friedrich Franz v. G. G. Gr. H. v. M. usw. 

Wir befehlen in Erweiterung Unseres Verbots vom 13. April 1804 wegen Auf¬ 
grabens heidnischer Gräber euch hierdurch: 

1. Den Pächtern und Dorfschaften in den euch untergebenen Ämtern bei 
scharfer Ahndung aufzugeben, sich aller Beschädigung der Gräber und Denkmäler 
der Vorzeit, nicht weniger aller Zerstörung derselben, zu Abhülfe wirtschaftlicher 
und baulicher Bedürfnisse zu enthalten, so wie selbst strenge darauf zu wachen, 
dass ohne eingeholte Unsere besondere unmittelbare Erlaubnis diesem nicht ent¬ 
gegengehandelt werde. 

2. Alle früher oder künftig zufällig gefundenen, in Privathänden befindlichen 
Altertümer von den Domainaleingesessenen einzufordern und dieselben mit einem 
möglichst genauen Bericht über Fundort und Fundart an Unsere Altertumssammlung 
in Ludwigslust einzusenden. 

Übrigens soll den Besitzern solcher Altertümer zwar eine Entschädigung für 
die durch die Ablieferung versäumte Zeit nach Tagelohn sowie durch Erstattung des 
Metallwertes, wenn es begehrt werden sollte, zugestanden werden, jedoch habt ihr 
eure Amtsuntergebenen in vorkommenden Fällen über den höchst geringen Geld¬ 
wert der meisten Altertümer angemessen zu belehren. An dem geschieht Unser 
gnädigster Wille und Meinung. Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin am 
11. Dezember 1836. Friedrich Franz. L. H. von Plessen. 

An alle Beamte. 


Friedrich Franz v. G. G. Gr. H. z. M. usw. 

Fügen, mit respektiver Entbietung Unseres gnädigsten Grusses, allen Obrig¬ 
keiten Unserer Ritter- und Landschaft und überhaupt allen Unseren Untertanen 
und Landeseingesessenen hiermit zu wissen: wie Wir bei der hohen wissenschaft¬ 
lichen Bedeutung und der Ehrwürdigkeit der Gräber der Vorzeit und der in ihnen 


l ) SCHRÖDERS neueste mecklenburgische Gesetzsammlung II, 2, Seite 336. 
LISCH, Friderico-Francisceum S. 7 ff. 


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4] 


Das Dreiperiodensystem. 


297 


gefundenen Altertümer Unser Verbot wegen Aufgrabens heidnischer Gräber in 
Unsern Domainen vom 13. April 1804 durch vorstehende Verordnung zu erweisen 
geruht haben, und Wir es mit dem gnädigsten Danke erkennen würden, wenn auch 
die auf den ritterschaftlichen und städtischen Grundstücken befindlichen alten Grab¬ 
stätten nicht anders als etwa zu wissenschaftlichen Zwecken geöffnet würden, auch 
dafür Sorge getragen werden wollte, dass alle auf diesen Besitzungen zufällig ge¬ 
fundenen oder sonst im Besitze von Privaten befindlichen Altertümer an eine der 
öffentlichen Altertumssammlungen abgegeben werden, da alle Erfahrungen den end¬ 
lichen Untergang von Gegenständen des Altertums im Privatbesitze gelehrt haben. 
Wir lassen dies durch Unser Wochenblatt zur öffentlichen Bekanntmachung gelangen. 
Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin, am 16. Dezember 1836. 

Friedrich Franz. L. H. v. Plessen 1 )* 

Trotz aller Bemühungen um die deutsche Altertumskunde konnte 
diese Wissenschaft zu keiner Sicherheit in ihren Resultaten gelangen. 
Nach dem Muster der Antikenkabinette sammelte und beschrieb man 
gewöhnlich nur einzelne Stücke; auch ging man von vorgefassten Mei¬ 
nungen aus und wollte mit einzeln gefundenen Altertümern historische 
Thesen beweisen. Endlich beschrieb man auch mehr als dass man Ab¬ 
bildungen veröffentlichte. In den Sammlungen wurden alle Funde aus¬ 
einandergerissen, alle Stücke nach ihrer Form oder nach ihrem Material 
geordnet *). 

Nach und nach, besonders seit dem Wiedererwachen der Liebe zur 
vaterländischen Geschichte fing man allmählich an diesen Altertümern 
eine historische Seite abzugewinnen. Natürlich waren die übereilt aus 
ihnen gezogenen Folgerungen anfangs sehr einseitig. So wollte man 
damals, ohne dass man grössere Gebiete überschauen konnte, die Alter¬ 
tümer bestimmten Völkern zuschreiben: das Eisen hielt man für slawisch; 
die Bronze sollte nach der Ansicht der einen Forscher von den Römern 
herrühren, nach andern ein Kennzeichen der Germanen sein, und wieder 
andere schrieben sie den Kelten zu, denen überhaupt fast alles, was älter 
als römisch war, angehören sollte. Um auch ein anderes von den vielen 
Beispielen der damaligen Forschungsmethoden anzuführen, erwähne ich 
folgendes: Als 1750 bei Göhlitzsch, Kr. Merseburg, ein Steinkisten¬ 
grab entdeckt wurde, dessen Wandsteine in ihrer ganzen Ausdehnung 
mit eingeritzten, rot ausgemalten geometrischen Ornamenten bedeckt 
waren und ausserdem einige andere Einritzungen, die als Darstellungen 
von Bogen, Köcher usw. gedeutet sind, zeigten, da wurde das Grab 
ohne weiteres einem Heerführer des Attila zugeschrieben a ). 

Lange Zeit hat es gedauert, bis man sich von dieser einseitigen und 
oberflächlichen, nur auf einen kleinen Gesichtskreis beschränkten Forschung 
abwandte. Als man dann aber anfing, die Ergebnisse der Ausgrabungen in 
verschiedenen Gegenden zusammenzustellen, da fand man, dass gewisse 
Formen der Hügel mit ihrem Inhalt im wesentlichen sich überall wieder¬ 
holten, fand aber auch, dass in gewissen Gegenden abweichende Formen 
vorkamen. Da in Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland histo¬ 
risch nachweisbar nie Slawen gewohnt haben, so legte man die dortigen 


*) LISCH, Friderico-Francisceum S. 8 ff. 

2 ) Man sieht: „Einst alles wie heut’!“ 

3 ) ROSENKRANZ' Neue Zeitschr. für die Geschichte der germ. Völker, I. Band, 
Heft 3, 1832, S. 53—68, Taiel 1 und II; weitere Literatur in GÖTZE-HÖFER- 
ZSCHIESCHE, die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens, S. 11. 


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! 


298 Hugo Mötefindt. [5 

Forschungsresultate zu Grunde und schloss, dass alle die Grabhügel, 
die in ihrer Bauart und ihrem Inhalt mit denen, die sich dort fanden, 
übereinstimmten, germanischen Ursprungs sein müssten. Man gewann 
dadurch einen beinahe sicheren Haltepunkt und versuchte eine Einteilung 
der Gräber nach ihrer äusseren Form, wobei der Inhalt erst in zweiter 
Linie in Betracht kam. 

Der erste mir bekannte Altertumsforscher, der die Gräber 
nach der äusseren Form einteilte, zwar nur die Hügelgräber, und 
daraus dann auf die Zeit, aus der sie herrühren, schliessen wollte, war 
der Justiziarius JASSPERSON in Oestergarde in Schleswig 1 2 ). Er unter¬ 
scheidet zwei Arten von Gräbern: Hünenbetten von länglich-runder Form, 
aus Steinblöcken aufgeführt, und Erdhügel in halbkugel- oder backofen- 
förmiger Gestalt mit verschiedener innerer Einrichtung. Dann trat 1835 
der Salzwedeler Rektor DANNEIL mit einer auf Grund von reichlich 100 
von ihm selbst veranstalteten Ausgrabungen aufgestellten Einteilung 
hervor, in der DANNEIL dadurch, dass er die Funde selbst mehr berück¬ 
sichtigte, zum ersten Male das Dreiperiodensystem mit Beweisen ver¬ 
öffentlichte. Ehe wir aber DANNEILs Einteilung betrachten, müssen wir 
uns der Vorgeschichte des Dreiperiodensystems selbst zuwenden. 

Schon in allen Zeiten hatten besonders erleuchtete Köpfe der 
Wissenschaft etwas von einer Dreiteilung der vorgeschichtlichen Zeit ge¬ 
ahnt. So findet sich eine Bemerkung über die drei Zeitalter schon im 
Altertume bei dem römischen Dichter LUKRETIUS, der von 98—55 
v. Chr. Geb. lebte; in seinem unvollendet hinterlassenen Lehrgedicht 
„De natura rerum" findet sich nämlich Vers 1282—1285 folgende Stelle: 
„Arma antiqua manus, ungues, dentesque fuerunt, 

Et lapides, et item sylvarum fragmina rami, 

Posterius ferri vis est aerisque reperta; 

Sed prius aeris erat quam ferri cognitus usus". 

Auf deutsch: In der Urzeit bildeten Hände, Nägel und Zähne, Steine 
und Baumzweige die Waffen; dann kamen das Eisen und die Bronze, 
aber zuerst die Bronze, denn die Verwendung des Eisens wurde erst 
später erkannt. 

Erst viele Jahrhunderte später taucht dann die Vorstellung von 
den drei Zeitaltern wieder auf, und zwar ist es diesmal ein Franzose, 
A. H. GOGUET, der sich in seinem 1758 erschienenen Werke „L’Origine 
des lois, des arts et des Sciences" folgendermassen 8 ) darüber aus¬ 
spricht: „Toute l’antiquitö s’accorde ä dire qu'il a ete un temps oü le 
monde etait prive de l’usage des metaux" und 3 ) „L’usage du cuivre a 
precede celui du fer“. GOGUETs Auffassung gewann jedoch keine An¬ 
hänger. „Bei den Archäologen der folgenden Zeit trifft man höchstens 
ein paar unbestimmte und ganz schwankende Äusserungen über das 
Verhältnis zwischen Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Und doch war 
GOGUETs Werk nicht vergessen; noch 1820 erschien es in sechster 
Ausgabe" 4 ). 


1 ) In KRUSE, Deutsche Altertümer, Band 3, Heft 1, 1828, S. 41 ff. 

2 ) Band I, Buch II, Kap. IV, S. 133. 

3 ) A. a. O. S. 149. 

4 ) Soph. MÜLLER, Nordische Altertumskunde I, 232. 


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[6 


Das Dreiperiodensystem. 


299 


Ein halbes Jahrhundert nach GOGUETs Aufstellung finden wir wieder 
eine Notiz über die drei Zeiten, und zwar bei dem dänischen Geschichts¬ 
forscher Vedel SIMONSEN, der in seiner „Udsigt over National- 
historiens äldste og märkeligste Perioder“ (Übersicht über die ältesten 
und denkwürdigsten Perioden der Nationalgeschichte) im ersten, 1813 
erschienenen Bande folgendermassen darüber schreibt: „Die Waffen 
und Werkzeuge der alten Skandinavier waren zuerst aus Stein und Holz; 
später lernten sie das Kupfer bearbeiten, und, wie es scheint, zuletzt 
das Eisen. Ihre Kulturgeschichte könnte hiernach in eine Stein-, eine 
Kupfer- und eine Eisenzeit eingeteilt werden“ l ). Diese Äusserung des 
Dreiperiodensystems ist dadurch merkwürdig, dass sie den Perioden 
zum ersten Male besondere Namen gibt. Man hat Vedel SIMONSEN 
daraufhin als den Begründer des Dreiperiodensystems bezeichnet; aber 
auch er brachte keine Beweise für die Richtigkeit seiner Thesen vor 
und so kann man ihn nicht als Gründer bezeichnen. „Es war eben 
damals in den gelehrten Kreisen Dänemarks eine allzubekannte Sache, 
dass es eine alte Theorie über eine solche Aufeinanderfolge der grossen 
Kulturperioden gab. Sie galt für nicht vielmehr als eine Hypothese, 
die sich nicht näher beweisen Hess, und über deren Bedeutung man 
sich nicht recht klar war. Der Gedanke an sich konnte jedenfalls keinen 
Anspruch auf besonderen Wert erheben, denn er war uralt, und Be¬ 
weise fehlten bis dahin. In einer solchen Sache aber ist der 
Beweis alles“ *). 

Bald darauf kommt eine neue Äusserung: Im Jahre 1832 erschien 
in Deutschland der erste Teil einer Geschichte des schwedischen Volkes, 
von einem Schweden, Prof. GEIJER in Upsala verfasst, in der es 
S. 109 heisst: „Die Waffen und die Wikingerflotten zeigen uns früh 
den Gebrauch des Eisens; noch ältere Waffen sind aus Kupfer oder 
einem mit Kupfer gemischten Metalle, die ältesten von Stein.“ Das 
Werk Geigers war keine unbedeutende Publikation. Es gehört in die grosse 
Sammlung von geschichtlichen Werken, die von HEEREN und UCKERT 
gegründet worden ist. Dass es in Deutschland nicht unbeachtet ge¬ 
blieben ist, geht schon daraus hervor, dass jener erste Teil von LISCH 
im Texte des Friderico-Francisceums mehrere Male zitiert wird. 

Soweit in kurzem die Vorgeschichte des Systems bis zu dem im 
Jahre 1836 erfolgten Auftreten DANNEILs. DANNEIL war es Vorbehalten, 
die wissenschaftliche Grundlage des Systems zu bringen, denn bisher 
war die Aufeinanderfolge der drei Zeiten nur ein einfacher Ausdruck 
ohne jeden Beweis, der daher für die Wissenschaft ein totes Wort 
bleiben musste. 

DANNEILs Ausgrabungen in der Altmark fangen 1824 3 ) an. Seine 
ersten Ausgrabungsberichte finden sich in KRUSEs Deutschen Altertümern 4 ) 

*) Der Zusatz „wie es scheint“ findet sich bei MÜLLER a. a. O. S. 233 und 
UNDSET a. a. 0. S. 20, während ihn HILDEBRAND a. a. O. S. 361 nicht mit anführt. 
Das Werk selbst hat mir nicht Vorgelegen und daher kann ich nicht entscheiden, 
ob sich dieser Passus im Originaltexte vorfindet oder nicht. 

*) MÜLLER a. a. O. S. 233. 

3 ) Nicht wie HILDEBRAND a. a. O. S. 358 angibt, 1829. 

4 ) DANNEIL, Erster Bericht über mehrere bei Salzwedel gefundene Altertümer 
KRUSE, Deutsche Altertümer I, Heft 5, S. 48 — 66. — Zweiter Bericht. KRUSE II, 
Heft 2, S. 48-63. 


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300 


Hugo Mötefindt. 


[7 


und in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiete historisch¬ 
antiquarischer Forschung 1 ). Seit 1825—1838 hat DANNEIL an die General¬ 
intendantur der Königl. Museen in Berlin mit den Fundgegenständen 
leider nicht gedruckte Ausgrabungsberichte eingesandt. Diese Berichte, 
die wohl in Berlin noch zu finden sind, könnten die Lücken in 
DANNEILs literarischer Wirksamkeit, soweit sie gedruckt vorliegt, viel¬ 
leicht ausfüllen. Die Hauptergebnisse seiner Ausgrabungen endlich finden 
sich zusammengefasst in seinem „Generalbericht“ *). 

DANNEIL teilt in seinem Generalbericht die ihm bekannten vor¬ 
geschichtlichen Gräber der Altmark in drei Klassen ein: in Hünen¬ 
gräber, in Gräber von Backofen- oder Kugelsegmentform und in Gräber 
ohne künstliche Erhöhungen, oder in „urgermanische, germanische und 
wendische“. Für die zweite Form wählt DANNEIL später die sich auch 
durch die Kürze empfehlende Bezeichnung „Kegelgräber“, nachdem 
LISCH in Schwerin die Resultate seiner Forschung veröffentlicht und 
für diese Klasse die Bezeichnung Kegelgräber gewählt hatte a ). 

Die erste Klasse, die Hünengräber, gliedert DANNEIL wieder in 
3—4 Arten; diese Gliederung stützt sich nur auf Äusserlichkeiten in 
dem Bau der Gräber und kommt deshalb hier nicht in Betracht. Die 
Ausbeute, welche ihm die Gräber seiner ersten Klasse gaben, ist 
DANNEILs Ansicht nach unbedeutend. „Einzelne Scherben von tönernen 
Gefässen, sehr selten eine ganze mit Sand gefüllte Urne, einzelne Streit¬ 
hämmer und keil- oder meisseiförmige Geräte aus Feuerstein oder 
anderm Gesteine von verschiedener Grösse, das ist das wenige, was 
man für die Kosten hat.“ 

Die Gräber rühren seiner Ansicht nach aus einer Zeit her, in der 
der Mensch noch keine Metalle bearbeiten konnte; dass aber die stei¬ 
nernen Geräte die ersten sind, welche die anhebende Zivilisation fertigt, 
lehrten ihm die Vergleiche mit den Bewohnern der Südsee. Auf Grund 
genauer Forschung kann er darum die Behauptung, dass sich Eisen in 
diesen Hünengräbern vorfinden solle, verwerfen. „Mit meinen Forschungen 
stimmen die Resultate überein, die in Schweden, Dänemark, Mecklen¬ 
burg und Holland von andern gewonnen sind. Die Altertumsforscher 
in Skandinavien und in Holland leugnen das Vorkommen des Eisens 
und des Metalls überhaupt in diesen Gräbern. Herr LISCH hingegen 
sagt, Eisen komme in den mecklenburger Hünengräber nicht selten 
vor; es ist zu bedauern, dass derselbe nicht die nähern Umstände 
angegeben hat, unter denen Eisen gefunden ist. Nach meiner vollsten 
Überzeugung gehört das gefundene Eisen nicht den Hünengräbern, sondern 
einer späteren Zeit an, wie eine von mir in diesem Jahre veranstaltete 
Nachgrabung beweist“. „Nach den Ausgrabungen von Mellin, Thüritz 


*) Zwei Berichte über die Ausgrabungen bei Güssefeld in der Altmark. Neue 
Mitteilungen II, 1835, Heft 1, S. 108 -128. 

*) Generalbericht über Aufgrabungen in der Umgegend von Salzwedel von 
Professor DANN EIL zu Salzwedel. Abgeschlossen und datiert vom 20 September 1835, 
veröffentlicht in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-anti¬ 
quarischer Forschungen. 2. Band, 1836, Heft 3/4, S. 544, und in etwas veränderter 
Form im ersten Jahresberichte des alimärkischen Vereins für vaterländische Ge¬ 
schichte und Industrie. 1838, S. 31. 

3 ) Zweiter Jahresbericht des altmärkischen Vereins f. v. G. u. J. 1839, S. 82. 


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Das Dreiperiodensystem. 


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und Klein-Möhringen scheint notwendig angenommen werden zu müssen, 
dass die Slawen sich zuweilen schon vorhandener deutscher Begräbnis¬ 
plätze zur Bestattung ihrer Urnen bedienten und dann lässt es sich auch 
erklären, wie im Mecklenburgischen in Hünengräbern Eisen Vorkommen 
konnte. Auch die sibirischen Völkerschaften sollen, wie Lisch behauptet, 
noch jetzt in und an alten Grabhügeln ihre Toten bestatten. Man 
sollte hierauf bei den Ausgrabungen sorgfältig achten, damit nicht später 
von den Slawen in germanischen Gräbern beigesetzte Urnen mit deren 
Inhalt für germanisch gehalten werden, was leicht zu Verwirrungen 
führen kann“. 

Seine zweite Klasse, die Kegelgräber, zergliedert er in zwei Unter¬ 
abteilungen, wieder nach dem Bau der Hügel, doch auch ihr Inhalt wird 
als Ünterscheidungsmal berücksichtigt. „Die Geräte, welche sich in den 
Urnen der ersten Abteilung finden, bestehen aus einer verschiedenen 
Mischung des Zinnes, in der Regel Erz genannt; Eisen kommt nicht 
vor, wenigstens äusserst selten, und wo es gefunden ist, mag es wohl 
aus Urnen genommen sein, die später von den Slawen in den vorhan¬ 
denen Hügeln beigesetzt wurden“. In der zweiten Unterabteilung tritt 
Eisen gemeinschaftlich mit dem Erze auf. „Darum müssen diese Gräber 
notwendigerweise einer späteren Zeit als die der ersten angehören“. 
Diese Unterabteilung bildet für ihn den Übergang zur Eisenzeit, zu den 
Gräbern ohne künstliche Erhöhung, die er den Wenden zuteilt, seiner 
dritten Hauptklasse, der Eisenperiode. Man sieht also, dass schon 1835 
von Danneil eine Einteilung aufgestellt ist, die von der Form der Gräber 
ausgehend zu einer Unterscheidung nach dem vorwiegenden Gebrauch 
des Steins, der Bronze und des Eisens gelangt, die, wenn sie die 
Perioden auch noch nicht mit bestimmten Namen bezeichnet, im Grunde 
das Dreiperiodensystem darbietet. 

Etwas später als DANNEIL stellte der um die mecklenburgische 
Altertumsforschung hochverdiente Archivar LISCH eine Einteilung der 
Gräber auf, zuerst 1837 in seinen „Andeutungen über die altgerma¬ 
nischen und slavischen Grabaltertümer Mecklenburgs und die norddeutschen 
Grabaltertümer aus der vorchristlichen Zeit überhaupt“ *) und dann kurz 
darauf im „Friderico-Francisceum“ 1837. In seinen Andeutungen teilt 
LISCH die Altertümer in drei Klassen ein; die Einteilung des Friderico- 
Francisceums, in der er in der Einteilung nach der äussern Grabform 
weitergeht und so acht Klassen herauskonstruiert, ist viel zu gekünstelt, 
als dass sie eine eingehende Beachtung verdient. Für unsere Betrachtung 
wertvoll ist dagegen die erste Einteilung. 

I. Klasse: Germanen- oder Kegelgräber. „Was in diesen Gräbern 
den Toten mitgegeben wurde, zeichnet sich zunächst nach dem Material 
aus. Vorherrschend ist überall Bronze in den schönsten Farben, nach 
chemischen Untersuchungen ungefähr aus 85°/« Kupfer und 15°/« Zinn 
bestehend, jedoch in abweichenden Mischungen, nach der Bestimmung 
des Gerätes sorgfältig berechnet. Alle Gegenstände aus Erz scheinen 
gegossen zu sein. Alle sind stark vom Rost angegriffen oder mit den 
herrlichsten, glänzendsten edlen Rost bedeckt, wenn sie nicht im Moor 


') Auch abgedruckt im Freimüthigen Abendblatt 1837, Nr. 943 und 944 und 
im 11. Jahresbericht des Mecklenburgischen Vereins S. 146. 

Mannut, ßd. II. Heft 4. 20 


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302 Hugo Mötefindt. [9 

gefunden sind, welches Sachen aus Bronze Jahrtausende lang völlig 
unversehrt und wie neu erhält. Zum Schmucke findet sich öfter reines 
Gold. Eisen ist bisher in keinem Kegelgrab bemerkt, jedoch an ein¬ 
zelnen gefundenen Gegenständen, wiewohl höchst selten beobachtet. 
Silber ist nie gefunden. Bernstein ist nicht selten, Glasflüsse sind 
zweifelhaft.“ 

Seine zweite Klasse bilden die Slawengräber: „Das Material, aus 
dem die meisten Sachen gefertigt sind, ist Eisen; Bronze tritt in den 
Hintergrund, nur einzelne Gegenstände sind aus Erz gefertigt, z. B. 
kleine Ringe, Knöpfe, Schnallen, Nadeln, moderne Stopfnadeln, kleine 
Brusthefteln mit gebogenen Bügeln, und einer kleinen, dünnen Nadel, 
während alle diese Gegenstände auch aus Eisen neben andern derselben 
Art aus Erz Vorkommen. Gold ist nie bemerkt, Silber findet sich häufig 
bei allen Gegenständen, die auch aus Erz Vorkommen“. 

Eine dritte Klasse endlich bilden die Hünengräber, über die er 
1837 schreibt: „Nach den Funden hat man die Hünengräber einer ur¬ 
alten Zeit zugeschrieben, in welcher der Gebrauch der Metalle noch 
nicht bekannt war. Aber es ist unleugnbar, dass in Mecklenburg in 
denselben auch Spuren von Eisen Vorkommen; gewöhnlich ist dieses 
Metall vergangen, aber man hat auch einzelne Geräte noch ziemlich 
gut erhalten aus ihnen hervorgeholt, wie Ringe, Streithämmer und 
dergleichen. Die holländischen Forscher leugnen zwar das Vorkommen 
von Eisen in den Hünengräbern, aber es lassen sich sichere Auf¬ 
grabungen in Mecklenburg nicht wegleugnen. Das Vorkommen des 
Eisens setzt die Bestimmung der Hünengräber einen Augenblick in 
Zweifel, aber ein Hinblick auf die geographische Verbreitung derselbsn 
gibt zur weiteren Forschung Mut. Die Hünengräber finden sich näm¬ 
lich in allen den Gegenden, in welchen die germanischen Kegelgräber 
Vorkommen: in Norddeutschland, in den Niederlanden, in Nordfrank¬ 
reich, in Britannien und in Skandinavien, also am häufigsten in den 
Ländern, wohin die Slawen nie gedrungen sind. Man ist also ge¬ 
zwungen, sie einer nichtslawischen Bevölkerung zuzuschreiben, und will 
man nicht annehmen, dass die Germanen im Laufe der Zeit gewaltige 
Rückschritte gemacht haben, so ist man veranlasst die Hünengräber 
einer alten germanischen Zeit anzuweisen, gewiss einer Zeit, welche 
der voraufging, in der die Kegelgräber erbaut wurden, aus denen 
römischer Einfluss nur zu klar hervorleuchtet. Auffallend bleibt aller¬ 
dings die Zurückdrängung des Eisens durch das römische Erz; aber 
der Mangel an Technik zur vollkommenen Bearbeitung des Eisens 
mag wohl Veranlassung zur allgemeinen Aufnahme der schönen, brauch¬ 
baren und edlen Kupferkomposition durch die Bekanntschaft mit den 
Römern geworden sein. Auch kommen allerdings Beispiele von dem 
fortgesetzten Gebrauche des Eisens in Kegelgräbern vor“. Hierzu gibt 
LISCH aber noch eine Anmerkung, und zwar nur in dem spätesten Ab¬ 
druck seiner „Andeutungen“, in den Jahrbüchern des mecklenburgischen 
Vereins: „Das auffallende Vorkommen von Eisen in den Hünengräbern, 
welches jedoch nur hin und wieder bemerkt ist, ist unbestreitbar. Es 
ist bisher jedoch nur in Hünengräbern derjenigen Länder beobachtet, 
in welchen einst Wenden gesessen haben. Auch Professor Direktor 
DANNEIL zu Salzwedel hat in geringer Tiefe Urnen mit eisernen Gerät- 


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Das Dreiperiodensystem. 


303 


schäften in Hünengräbern gefunden. Dieser Forscher hat daher die 
richtige und schöne Ansicht gefasst, dass in jüngeren Zeiten oft Slawen 
in Hünengräbern beigesetzt worden seien, und man also in uralten 
Gräbern neben der alten noch eine spätere, eine zweite Begrabung 
habe. Es ist eine interessante Beleuchtung über das Vorkommen von 
Eisen in Hünengräbern von DANNEIL zu erwarten“ *). 

Wenn LISCH nun späterhin behauptet hat 2 ), dass er das Drei¬ 
periodensystem schon 1837 im Friderico-Francisceum ausgesprochen 
habe, so ist es dort, wie ich glaube gezeigt zu haben, nur in einem 
Entwicklungsstadium erst angedeutet, aber noch lange nicht klar vor¬ 
handen. Wenn LISCH dann aber den Beweis für die Richtigkeit seiner 
Behauptung darauf gründet, das er „diese Ansichten (das ist das Drei¬ 
periodensystem) nach der schwierigen und langwierigen Entdeckung der 
damals noch unbekannten Eisenzeit aus der Brandzeit, auf die es bei 
der Erkenntnis der Perioden vorzugsweise ankommt, da sich die bei 
den anderen Perioden von selbst leicht herausstellten, schon 1837 aus¬ 
gesprochen habe“, so ist dieser Anspruch jedenfalls irrig. Eine Eisen¬ 
periode zu entdecken, ist ja nie in Frage gekommen, denn eine solche 
war ja von Anfang an aus der Geschichte bekannt. Den Kernpunkt der 
Kämpfe bildete vielmehr die Erkenntnis der Bronzezeit, und selbst die 
entschiedensten Gegner des Systems gingen nicht weiter als bis zu der 
Leugnung der reinen Bronzezeit. Gerade dadurch, dass die nordischen 
Archäologen in der Ausdehnung der reinen Bronzezeit zu weit gegangen 
waren, entstanden dem Dreiperiodensystem so viele Gegner. 

Die erste Stelle, an der man das Dreiperiodensystem bei LISCH nach- 
weisen kann, datiert vielmehr erst von 1839. In einer Anmerkung zu 
einem Ausgrabungsbericht in den Jahresberichten des mecklenburgischen 
Vereins J ) spricht er sich folgendermassen aus: „Das Hauptkennzeichen 
für die Zeit, aus der die Urnen stammen, bleibt der Inhalt der Urnen. 
Mag man auch die Urnen nach verschiedenen Ansichten andern Völkern 
zuschreiben, so bleibt doch der Unterschied zwischen Stein-, Bronze- 
und Eisenzeit im Norden Deutschlands unbestreitbar“. Man kann also 
nicht umhin, LISCH wenigstens die Priorität des Systems abzusprechen, 
und ich glaube, dass man dadurch seine hohen Verdienste um die Alter¬ 
tumskunde nicht mindert. Unbestreitbar dagegen bleibt es, dass er völlig 
selbständig zu gleichen Forschungsresultaten wie DANNEIL gelangt ist, 
völlig unabhängig auch von THOMSEN, von „den Dänen“, wie er 
selbst sagt 4 ) „mit deren Forschungen ich zu der Zeit der Aufstellung 
des Systems völlig unbekannt war“. 

Wenden wir uns jetzt der Altertumsforschung in den nordischen 
Ländern zu. In den nordischen Ländern hatte das Interesse der Nation 
von jeher die Sammlung von Altertümer betrieben und schon seit 1666 
bestand in Stockholm eine grosse Altertümersammlung. Aber trotzdem 


*) Erfolgt im ersten Jahresbericht des altmärkischen Vereins für Vaterland. 
Gesch. u. Industrie. 1838, S. 44. 

*) Jahrbücher des Ver. für Mecklenburgische Geschichte 1865, 30, S. 7 und 
in einem von RAUTENBERG in den Verhandl. der Berliner anthropolog. Gesellschaft 
1886, S. 551 ff. publizierten Briefe. 

0 IV, 1839, S. 44. 

4 ) Jahrbücher des Mecklenburger Vereins 30, 1865, S. 7. 

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Hugo Mötefindt. 


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versuchte man erst in gleicher Zeit wie in Deutschland auch im Norden 
von der Altertümerkunde zur Altertumsforschung überzugehen. Die 
führende Rolle in den dortigen Bestrebungen übernahm die „königliche 
Gesellschaft für nordische Altertumskunde“ in Kopenhagen. 

1816 gelangte an die Spitze des in Kopenhagen seit 1807 be¬ 
stehenden Museums ein junger, tüchtiger, für die Altertumskunde mit 
warmem Interesse und grosser Begabung versehener Mann, Chr. THOMSEN, 
von dem man ein Jahr später schreiben konnte: „In sieben Königreichen 
ist kein zweiter zu finden, der diesen Posten gleich ihm ausfüllte; die 
Sammlung der Altertümer ist durch seinen Fleiss und seine beispiel¬ 
lose Sorgfalt auf mehr als alterum tantum gewachsen, und von ihm auf 
die netteste und geschmackvollste Weise geordnet worden“ l )* 

Gerade diese Ordnung ist es, die THOMSEN berühmt gemacht hat. 
Nach und nach reifte in THOMSEN bei der Anordnung der zahlreich auf¬ 
gespeicherten Schätze des grossen Kopenhagener Museums der Gedanke 
von den drei Zeitaltern und ein wirkliches Verständnis der vielen ver¬ 
schiedenartigen Altertümer, die das Museum bereits damals enthielt. 
Vieles ist über diese allmähliche Entwicklung in THOMSEN schon ver¬ 
öffentlichtworden. In seinem nur mündlich geäusserten Plan von 1830 lässt 
sich diese Teilung schon erkennen. Obwohl THOMSEN seine Gedanken 
noch nicht schriftlich niedergelegt hatte, fanden sie doch bereits damals 
anderwärts willigen Eingang. Wie der nachmalige schwedische Reichs¬ 
antiquar Bror Emil HILDEBRAND bei der Ordnung der Sammlungen in 
Lund und Stockholm das neue System befolgte, so wurde es auch der 
Ordnung des Museums von Christiania zu Grunde gelegt, als Prof. Rudolf 
KEYSER, dem THOMSEN seine Ideen entwickelt hatte, die Leitung des¬ 
selben im Jahre 1828 übernahm; und wenn GEIJER in seiner „Geschichte 
des schwedischen Volkes“ 1832 den Gedanken der Dreiteilung deutlich 
ausspricht, so kann auch, nachdem darauf aufmerksam gemacht ist*), 
dass GEIJER in Kopenhagen geweilt hat und dort in nahe Beziehung 
zu THOMSEN gekommen ist, darüber wohl kein Zweifel bestehen, dass 
diese literarische Äusserung auf THOMSEN zurückgeführt werden muss. 

Doch THOMSEN muss seinerSache immerhin noch nicht ganz sicher 
gewesen sein, denn in seiner ersten Arbeit, die bezeichnenderweise 
keinen Verfassernamen trägt, erschienen 1832 in der Nordisk Tidksrift 
for Oldkyndighed (Nordische Zeitschrift für Altertumskunde), wird das 
Dreiteilungssystem noch gar nicht angedeutet, nicht einmal der Ausdruck 
„Steinzeit“ wird gebraucht; es heisst ganz einfach: „Die Steinsachen 
sind sicher diejenigen von unseren Altertümern, welche dem fernsten 
Zeitabschnitte angehören.“ 

Dieser Aufsatz ist auch enthalten in den 1835 von derselben Ge¬ 
sellschaft herausgegebenen, jedoch nicht in den Buchhandel gebrachten 
„Historisch-antiquarischen Mitteilungen“, eine Auswahl der hauptsäch¬ 
lichsten antiquarischen Aufsätze aus den beiden ersten Bänden der 
„Nordisk Tidskrift for Oldkyndighed“ in deutscher Sprache; aber auch 
hier bietet der anonyme Aufsatz zwar die auf der Hand liegende Zu¬ 
sammenfassung der Steingeräte und die Verweisung derselben in das 

■) MÜLLER a. a. O. S. 219. 

a ) MÜLLER a. a. O. S. 222. 


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Das Dreiperiodensystem. 


305 


„fernste Zeitalter“ (S. 63 ff.), aber keinerlei Andeutung einer weiteren Ein¬ 
teilung nach den hauptsächlich in Gebrauch befindlichen Metallen, und doch 
ist gerade diese Auswahl ebenso wie der ein Jahr später erschienene Leit¬ 
faden zu dem Zwecke veranstaltet worden, den deutschen Altertumsforschern 
vom Stande dieser Wissenschaft im skandinavischen Norden Kunde zu geben, 
und als Geschenk an die deutschen Altertumsforscher verteilt. Wäre 
demnach THOMSENs System damals schon zur Veröffentlichung reif ge¬ 
wesen, so würde man wohl kaum darauf verzichtet haben, es wenig¬ 
stens andeutungsweise zu erwähnen. So wird sich die Sache auch in 
Wirklichkeit verhalten: Er hat es geahnt, gefühlt, aber es war ihm noch 
zu unbewiesen, und da er ein äusserst vorsichtiger Mann und überaus 
bedachtsam gegenüber wissenschaftlichen Theorien war, hat #> er bis 1836 
nicht gewagt es zu veröffentlichen. Erst 1836 trug er der Öffentlichkeit 
das Dreiperiodensystem vor, aber wieder anonym, mit den Benennungen 
„Steinalter, Bronzealter, Eisenalter" in der kleinen Schrift „Ledetraad 
for nordisk Oldkyndighed“ A ). Auch er gab hier zuerst eine Einteilung 
nach der äusseren Form der Grabhügel; daneben hatte er noch eine 
zweite Einteilung, die er als „die verschiedenen Perioden“ bezeichnet, 
„in welche die heidnischen Altertümer gesetzt werden können“. Als 
solche gab er an eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit. Neben 
dieser wichtigen Einteilung hatte er aber auch noch eine dritte aus 
der Vergleichung die Zierrate gewonnen. Für jedes der drei prähistori¬ 
schen Zeitalter stellte er eine Reihe von Verzierungen auf, die charakte¬ 
ristisch sein sollten. 

Den Urheber eines Systems mit Sicherheit nachzuweisen, ist fast 
nie leicht, ganz abgesehen von der persönlichen Gereiztheit, von den 
nationalen Vorurteilen, die gar zu gern einer derartigen Diskussion einen 
unangenehmen Charakter aufdrücken. Als Begründer eines wissen¬ 
schaftlichen Systems kann ich nur den anerkennen, der das System nicht 
nur klar auffasst, sondern mitsamt den Beweisen veröffentlicht; 
ob er es von andern geliehen, kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Denn 
die Erfahrung lehrt uns, dass fast niemals eine epochemachende Ent¬ 
deckung vollkommen neu ist; der kritischen Forschung unserer Zeit ge¬ 
lingt es fast immer nachzuweisen, dass jeder Urheber einen oder 
mehrere Vorläufer gehabt hat. Vorläufer nenne ich diejenigen, die das 
System entweder geahnt oder es vielleicht ganz klar, allerdings ohne 
Beweise vorzubringen, ausgesprochen haben; die Ansichten dieser Vor¬ 
läufer sind meistens mit ihnen selbst vergangen; was sie geredet haben, 
ist bald verschollen, weil sie keine Jünger gefunden haben. Dazu 
kommt noch, dass ein System nicht immer auf einen einzigen Urheber 
zurückzuleiten ist. Perioden kommen vor, da, infolge einer durchge¬ 
machten Entwicklung die Luft — wenn ich so sagen darf — von den 
Keimen der neuen Entdeckung gesättigt ist, — bald hier, bald da wird 


l ) Deutsche Ausgabe: Leitfaden zur nordischen Altertumskunde, heraus¬ 
gegeben von der königlichen Gesellschaft für nordische Altertumskunde in Kopen¬ 
hagen 1837. II. Abschnitt (S. 25 ff.): Über Denkmäler und Altertümer aus der 
Vorzeit. Da die Vorrede ausdrücklich das Datum des November 1837 trägt, so wird 
wohl kaum anzunehmen sein, dass der Leitfaden vör dem Jahre 1838 in Deutsch¬ 
land bekannt geworden ist. — Englische Übersetzung durch Lord ELLESMERE 
unter dem Titel: A Guide to Northern Antiquities 1848. 


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Hugo Mötefindt. 


[13 


die neue Lehre ausgesprochen. Man kann Begründer eines Systems 
innerhalb eines gewissen Gebiets sein, allein von allen denjenigen, die 
das System mit Kraft und Klarheit gepredigt haben, kann man doch 
meistens einen ausscheiden, der, sobald man nicht das einzelne Gebiet, 
sondern die ganze gelehrte Welt betrachtet, als der erste Urheber an¬ 
zusehen ist. Es ist oft schwierig, die verschiedenen Ansprüche gegen¬ 
einander gewissenhaft abzuwägen, besonders schwierig aber in unserm 
Falle. 

Suchen wir in diesem Falle jetzt zum Resultate zu gelangen, so 
ergibt sich folgende Reihenfolge für die Begründer des Dreiperiodensystems, 
nach der Zeit der Veröffentlichung ihrer grundlegenden Arbeiten 
geordnet: DANNEIL, THOMSEN, LISCH. Scheiden wir LISCH anfangs 
aus und suchen wir zwischen DANNEIL und THOMSEN zu entscheiden, 
dann werden wir folgendes finden: Zwischen beiden besteht ein grosser, 
wichtiger Unterschied: ein Forscher, der durch eigene Prüfung der Fund¬ 
verhältnisse, durch persönlich vorgenommene Ausgrabungen die Wissen¬ 
schaft fördern will, im Gegensatz zu einem Museumsdirektor, der seine 
Museumsräume fast nie verlässt und der sich nur auf die Fundangaben 
verlassen muss, die ihm bei der Überreichung der Funde von den 
Findern gemacht werden. Dieser Punkt ist bisher noch nie berück¬ 
sichtigt worden, meiner Ansicht nach aber äusserst wichtig. Denn ich 
glaube DANNEIL nicht nur den Vorzug einräumen zu müssen, dass er 
seine Entdeckung zeitlich als erster veröffentlicht hat, sondern vor allem 
auch den, dass er die Dreiteilung besser beweisen konnte als THOMSEN. 
Denn THOMSEN musste sich auf die Angaben derer verlassen, die Ge¬ 
legenheitsfunde dem Museum überwiesen, DANNEIL dagegen konnte sich 
auf eigene Beobachtungen stützen, und dass solche eigenen Beobachtungen 
wertvoller sind als die Berichte von andern Leuten, die zufällig auf 
einen Fund gestossen sind, wird mir wohl jeder unbedingt zugeben. 
Ferner hatDANNEILs „Generalbericht“ vor THOMSENs Arbeit den grossen 
Vorteil, dass DANNEIL bei seiner Arbeit die Ergebnisse seiner vielen 
Ausgrabungen als Beweise für die Richtigkeit seiner Aufstellung der 
drei Perioden zusammengestellt hat, während THOMSEN Beweise 
überhaupt nicht veröffentlicht hat. Wollte man also streng 
nach dem oben angeführten Grundsatz verfahren, dann müsste THOMSEN 
mit seinen Ansprüchen sofort zurücktreten; ein solches Verfahren würde 
aber eine grosse Ungerechtigkeit gegen THOMSEN bedeuten, denn auch 
seine Wirksamkeit hat bedeutende Vorzüge, die ich weiter unten er¬ 
örtern werde. Hier möchte ich nur noch kurz bemerken, dass THOMSEN 
meiner Ansicht nach auch nie hätte beweisen können, dass Eisen, 
das in Hünengräbern gefunden sein sollte, aus Nachbestattungen her¬ 
rühren müsse, während DANN EIL es durch seine Beobachtungen bei 
den Ausgrabungen klarstellen konnte. Und wer die vielen erbitterten 
Kämpfe gerade um diesen Punkt kennt, der wird mit Recht annehmen, 
dass dieser Vorzug DANNEILs schwerwiegend ist. Für THOMSEN erwuchs 
aus dieser Museumstätigkeit ein grosser Vorteil: Er konnte in seinem 
Museum jedem, der hierzu nach Kopenhagen kam, seine Beweisgründe 
für die Richtigkeit seiner Dreiteilung der vorgeschichtlichen Zeiten vor 
Augen bringen und er konnte vor allen Dingen durch die Anordnung 
des Museums seiner Zeit dies sehen lehren. Daher kann man wohl 


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Das Dreiperiodensystem. 


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sagen, dass er sich das Urheberrecht an der Dreiteilung der vorgeschicht¬ 
lichen Zeiten mehr durch die im Laufe der folgenden dreissig Jahren 
entfalteten Wirksamkeit im Museum als durch seine kleinen Abhand¬ 
lungen gesichert habe. 

Aber auch auf einen Punkt möchte ich hier noch hinweisen: 
DANNEILs und LISCHs Ergebnisse wurden in Deutschland noch lange Zeit 
nicht beachtet und weiter verfolgt, wie auch das von ihnen gegebene 
Beispiel, systematische Untersuchungen vorzunehmen, nur sehr wenig 
Nachahmung fand. THOMSENs Aufsatz dagegen wurde in weiten Kreisen 
bekannt; sein Ordnungssystem war, wie oben erwähnt, schon vorher 
sowohl von dem schwedischen wie von dem norwegischen Reichsmuseum 
angenommen worden. Und das Kopenhagener Museum, wo er seine Lehre 
zuerst erkannt und praktisch dargestellt hatte, erwuchs unter seinen Händen 
zu dem ersten Institut seiner Art in Europa; um ihn und sein Museum 
entstand eine Schule von Altertumsforschern und eine archäologische 
Literatur, die in weiten Kreisen in Europa bekannt wurde und anregend 
wirkte. Und überall, wo nur das Dreiperiodensystem angenommen oder 
angefochten wurde, war es gewöhnlich, leider auch in Deutschland, an 
THOMSENs Namen geknüpft. DANNEIL dagegen lebte in einem kleinen 
Kreise; der archäologischen Forschung konnte er nur seine Mussestunden 
widmen, und seine Schriften erschienen in streng wissenschaftlichen Zeit¬ 
schriften. Soweit ich die Verhältnisse beurteilen kann, hat er für die 
Verbreitung seines Systems nichts tun können; kein einziger Jünger, 
der sein System aufnahm und weiterführte, ist nachgewiesen worden. 

So ist denn gekommen, dass man THOMSEN immer vor DANNEIL 
als den Begründer des Dreiperiodensystems genannt hat, dass man den 
Salzwedeler DANNEIL gar nicht beachtet und mit seinen gewiss ebenso 
berechtigten Ansprüchen nicht gewürdigt hat. Wir Deutsche haben aber 
jedenfalls keinen Grund, das Dreiperiodensystem als das „nordische“ 
zu bezeichnen, wie es LINDENSCHMIT immer getan hat, denn was deutsche 
Forscher zuerst veröffentlicht haben, kann man auch als deutsche Ent¬ 
deckung bezeichnen. Auch haben nicht etwa die Dänen das Dreiperioden¬ 
system am eifrigsten verfochten und am zähesten aufrecht gehalten. 
Keiner hat es vielmehr so gut verstanden, alles in diese Schablone ein¬ 
zufügen wie LISCH; darum schrieb VIRCHOW LISCH neben dem ersten 
Entdecker DANNEIL in Salzwedel die Vaterschaft des Systems zu. 

Es war gewiss viel erreicht, als man aus der stammenden Betrach¬ 
tung dieser unbekannten und durch kein schriftliches Zeugnis aufge¬ 
klärten Objekte lediglich durch Beobachtung und Vergleichung zu dieser 
kulturgeschichtlichen Unterscheidung gelangt war, welche für die Chrono¬ 
logie massgebend sein musste. Mochten diesen Erkenntnissen auch noch 
viele Vorstellungen anhaften, die bei genauerer Bekanntschaft mit den 
Dingen fallen mussten, so spricht doch für das Naturgemässe der Drei¬ 
teilung der Umstand, dass sie von den drei damals berufensten Forschern 
beinahe zu gleicher Zeit ausgesprochen wurde, und zwar ist jeder dieser 
Forscher aus eigener Überzeugung zu dieser Ansicht gekommen, wie 
DANNEIL später einmal ausdrücklich betont*). 


') I. Jahresbericht d. A. V. f. v. G. u. I. 1838. S. 33. 


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Hugo Mötefindt: Das Drei periodensystem. 


[15 


Fünfundsiebzig Jahre sind somit verflossen, seit der Grundstein 
zur wissenschaftlichen Vorgeschichtsforschung in Deutschland gelegt wurde. 
Lange Zeit hat es freilich noch gedauert, bis die allgemeine Anerkennung 
des Dreiperiodensystems erfolgte. Besonders VIRCHOW hielt auf Grund 
seiner Beobachtungen das Dreiperiodensystem aufrecht. LINDENSCHMIT 
und HOSTMANN dagegen zählten zu den eifrigsten Gegnern und suchten 
es über den Haufen zu werfen. Trotzdem muss selbst LINDENSCHMIT 
zugeben, dass die Aufstellung des Dreiperiodensystems „eine wichtige 
Phase in der Forschungsentwicklung“ bedeute, die erste und dadurch, 
dass sie grundlegend war, die wichtigste. Unsere heutige wissenschaft¬ 
liche Forschung hat freilich längst eine noch viel weitgehende Perioden¬ 
einteilung gefunden, und doch „verschmelzen alle diese Perioden ineinander 
gleich den Farben des Sonnenspektrums, dessen Skala trotz der unmerk¬ 
lichen Übergänge ebenso unangefochten bleiben muss wie das prähistorische 
Dreiperiodensystem“. Abschliessen möchte ich nun unsere Betrachtung 
mit den Worten DANNEILs, die er seiner Einteilung vorausschickt und 
die für unsere heutigen Forscher gewiss auch noch beherzigenswert sind: 
„Lassen wir uns nicht abhalten, tätig zu sein, wenn wir' 
auch das Ganze noch nicht überschauen können; wir ar¬ 
beiten ja in so vielen Dingen für unsere Nachwelt, und 
auch der Greis freut sich am Ende seiner Tage, wenn er 
ein junges Bäumchen pflanzt, an dem erst seine Kinder 
und Enkel Frucht sehen werden“. 


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Zum Dreiperiodensystem. 

Von Gustaf Kossinna. 


Den vorstehenden Aufsatz des Herrn MÖTEFINDT über die erste 
Aufstellung des Dreiperiodensystems habe ich dem Nannus gern einver¬ 
leibt, obgleich ich selbst vor schon fast zwanzig Jahren eine ähnliche, bis¬ 
her noch ungedruckte Arbeit über das Dreiperiodensystem abgefasst 
hatte, die aber nicht nur die Anfänge behandelt, sondern eine volle 
Geschichte des Systems bietet bis zu seinem endgiltigen Siege im 
Jahre 1892. Damals erschien wie ein letzter Keulenschlag gegen die 
kurzsichtigen Gegner des Systems Otto OLSHAUSENs Kritik des 
Werkes von L. BECK, Geschichte des Eisens l ), und namentlich seine 
Abhandlung über „die angeblichen Funde von Eisen in steinzeitlichen 
Gräbern“ *). Gleichzeitig brachte das populäre Werk von M. HÖRNES: 
Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissen¬ 
schaft, Wien 1892, eine Art Kodifikation der Geschichte des „Bronze¬ 
kulturkampfes“, die ebenfalls einen gewissen Abschluss dieser Streit¬ 
fragen bedeutete 0 ). So legte der damalige Stand der Wissenschaft es 
mir nahe, über alle Einzelheiten der Entwicklung des Streites aus den 
Originalquellen selbst genaueste Aufklärung mir zu verschaffen. Ist 
meine Arbeit durch ihre zeitlich weiter gezogenen Grenzen naturgemäss 
viel umfangreicher, als die MÖTEFlNDTs, so hat letztere ihren enger 
umgrenzten Stoff wiederum ausführlicher ausbreiten können. 

Es war mir eine Freude, zu sehen, wie in allen wesentlichen 
Punkten und namentlich in der von Sophus MÜLLER so sehr ab¬ 
weichenden Bewertung des deutschen Forschungsanteils die Ansichten 
MÖTEFlNDTs mit den meinigen übereinstimmen, zuweilen dermassen, 
dass wir unseren Gedanken fast in demselben Wortlaut Ausdruck ge¬ 
geben haben. Zunächst noch ein paar Nachträge zu MÖTEFINDT. In 
der Literaturangabe (S. 294, Anm. 1) wäre hinzuzufügen: 


*) Zschr. f. Ethnologie 1892, 129 ff. 

*) Verhandl. d. Berlin, anthropol. Ges. 1893, 89 ff. 

3 ) Dass zuweilen immer wieder noch Leute auftreten, die sich mit der Tat¬ 
sache einer einstigen reinen Bronzezeit nicht zu befreunden vermögen, zeigt ein 
Artikel in der Wochenschrift „Umschau“ 1906, Nr. 12, mit dem Titel: „Gab es ein 
Bronzealter?“ Der Verfasser antwortet auf seine Fr?ge verneinend, weil die Siegel¬ 
steine der mykenischen Schachtgräber (also reiner Bronzezeit) aus so hartem Ge¬ 
stein geschnitten wären (Sardonix, Amethyst), dass sie ohne Stahlwerkzeuge nicht 
hätten bearbeitet werden können. 


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310 Gustaf Kossinna [2 

M. HÖRNES, Geschichte und Kritik der drei prähistorischen Kultur- 
Perioden (Mitteil, der anthropol. Ges. zu Wien 23, [71—78]). 

O. MONTELIUS, Det nordiska Treperiodssystemet. En historik. 
(Svenska Fornminnesföreningens Tidskrift 1905. XII, 185—211). 

MONTELIUS nennt das System „nordisch“, wie man das heute 
noch in Skandinavien und in früheren Jahrzehnten auch in Deutschland, 
jedoch nur bei den Gegnern des Systems, zu tun pflegte. MONTELIUS 
scheint hier das Wort „nordisch“ in anderem engerem Sinne anzu¬ 
wenden, als er es sonst, wie er stets betont, tut. Sonst galt ihm als 
„nordisch“ stets der ganze Ostseeumkreis, also nicht nur Skandinavien 
und Dänemark, sondern auch die deutschen Ostseegebiete, das ganze 
nach meiner Bestimmung, der sich, wie ich aus einem Berliner Vortrag 
vom Oktober 1910 ersehen habe, nun auch MONTELIUS anschliesst, 
seit der Bronzezeit germanische Land. In dieser Schrift aber kann 
„nordisch“ nur gleich „skandinavisch nebst dänisch“ gemeint sein, da 
MONTELIUS des grossen Anteils deutscher Forschung an der Entdek- 
kung und Aufstellung des Systems völlig geschweigt. Im übrigen er¬ 
innert MONTELIUS daran, dass vor GOGUET bereits deutsche, dänische 
und schwedische Gelehrte durch neue Erdfunde dazu bewogen wurden, 
die Lehre von den drei Zeitaltern von neuem aufzustellen: Joh. Dan. 
MAJOR 1692; Joh. Georg v. ECKHARDT etwa 1720; Olof RUDBECK 
1698; Tyge ROTHE 1750. Hinzuzufügen wäre hier noch der Name des 
Schlesiers BÜSCHING (Abriss der deutschen Altertumskunde 1824, S. 11). 

Was Vedel SIMONSENs Äusserung über die von ihm bereits 
klar benannten drei Zeitalter angeht (oben S. 299 u. Anm. 1), so hat 
bekanntlich als Erster MONTELIUS auf sie hingewiesen *). Bei MON¬ 
TELIUS steht wie im Original: „wie es scheint, zuletzt das Eisen“. 
Von allen Gelehrten, die nach MONTELIUS diese Stelle besprechen, 
scheint nur UNDSET das Werk SIMONSENs wirklich in die Hand ge¬ 
nommen zu haben. 

Völlig eins bin ich mit MÖTEFINDT besonders in der Hoch¬ 
schätzung DANNEILs. Lange bevor man in Dänemark wissenschaftliche 
Ausgrabungen machte, geschah das in Deutschland, namentlich in 
Mecklenburg und in Salzwedel. So kam es, dass THOMSEN das 
Dreiperiodensystem aus unkontrollierbaren Fundeingängen zuerst nur 
intuitiv erraten, dann bekannt gemacht und schliesslich erst nachträglich 
durch systematische Grabungen zu begründen versucht hat. Umgekehrt 
hat DANNEIL erst Jahrzehnte lang solche Grabungen angestellt und 
dann das System — vor THOMSEN — sogleich mit seinen Beweisen 
veröffentlicht. Nur ein solcher Forscher konnte zu der damals genial 
zu nennenden Erkenntnis kommen, wie oft jüngere Nachbestattungen 
in alten Hügelgräbern die Ursache sind, dass für Unkundige das Aus¬ 
grabungsbild getrübt wird. Dadurch, dass DANNEIL mit der Einteilung 
nach den drei Hauptstoffen die Einteilung nach Gräberarten verband, 
zwei Prinzipien, die THOMSEN später noch in zwei Reihen unver¬ 
mittelt und ohne gegenseitige Beziehung nebeneinander laufen Hess, 


‘) O. MONTELIUS, Sveriges Forntid. Text 1. Stenäldern. Stockholm 1874, 
S. 20, wo aber SIMONSEN I, 2, S. 73 falsch zitiert ist, während die Worte vielmehr 
S. 76, Anm. 1, zu finden sind. 


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3] 


Zum Dreiperiodensystem. 


311 


dadurch wurde seine Einteilung freilich weniger elementar, sie war nicht 
so splitternackt wie die Thomsensche. Es fehlte ihr der Charakter der 
leicht fasslichen, allgemein gütigen Formel und so konnte sie für erste 
nicht so wirksam werden, selbst wenn sie bekannter geworden wäre, 
als es den Forschungen eines in ein abgelegenes Landstädtchen ge¬ 
bannten, wissenschaftlich vereinsamten Gelehrten damals möglich war. 
Darum war diese Einteilung aber, wie jeder zugeben muss, der nicht 
wie Sophus MÜLLER die Ehre eines seiner Vorgänger unter allen Um¬ 
ständen besonders zu erhöhen sich für verpflichtet hält, wissenschaftlich 
viel weiter vorgeschritten und tiefer als die bloss nach den Stoffen vor¬ 
genommene THOMSENs. 

Und noch eins ist gegen die dänische Behandlung der Bronze¬ 
alterfrage zu erinnern. Auf die dänische Forschung fällt späterhin ein 
grosser Teil der Schuld an den trostlos lange, länger als ein halbes 
Jahrhundert, sich hinziehenden Streitigkeiten über das Bestehen eines 
Bronzealters. Diese Schuld war die späte Ansetzung des Bronzealters 
in eine Zeit, in der, wie jeder deutsche Historiker schon vor hundert 
Jahren wusste, die Germanen nach dem Zeugnisse der antiken Schrift¬ 
steller hauptsächlich Eisengeräte besassen. Es war eine nachhaltige 
und empfindliche Schädigung unserer Wissenschaft, dass man in Däne¬ 
mark nur aus dem Grunde, dass die Hinterlassenschaft des Bronze¬ 
alters ein so erdrückendes Übergewicht besass gegen diejenige aus der 
Eisenzeit, an jener verkehrten Ansicht so lange festhielt. Dehnte doch 
WORSAAE die Bronzezeit 1843 bis ins 9. Jahrhundert nach Chr. aus, 
1865 noch bis ins 3. Jahrhundert nach Chr., ebenso ENGELHARDT, der 
treffliche Erforscher der grossen spätrömischen Moorfunde in Schleswig, 
noch im Jahre 1878. Demgegenüber war es ein bedeutender Fort¬ 
schritt der Wissenschaft auf deutscher Seite, dass LISCH seine bisher 
als Wendenfriedhöfe bezeichneten Urnengräberfelder frührömischer Zeit 
schon 1865 als germanische Friedhöfe des 1. und 2. Jahrhunderts nach 
Chr. erkannte, worin ihm dann um 1870 herum MONTELIUS und WOR¬ 
SAAE folgten. Ebenso war es LISCH, der schon 1863 auf der Braun- 
Schweiger Versammlung des Gesamtvereins der Geschichtsvereine mit 
genialer Intuition erkannte, dass das Bronzezeitgrab von Peckatel bei 
Penzlin in Mecklenburg wegen der meerblauen Perlen, die es enthielt, 
aus der Zeit um 1000 vor Chr. stamme, wobei er von unserer heutigen 
Ansetzung der dritten Bronzezeitperiode, in die das Grab fällt, nur um 
etwa 300 Jahre abgewichen ist. 

Um noch einmal kurz zusammenzufassen, es waren wesentlich 
zweierlei Gründe, die es verhinderten, dass die in den dreissiger Jahren 
des vorigen Jahrhunderts der dänischen überlegene norddeutsche Wissen¬ 
schaft nicht die europäische Anerkennung fand: 

Erstens: die mangelnde staatliche Organisation und 
mangelnde finanzielle Unterstützung, Dinge, an denen unsere 
Wissenschaft in Deutschland auch heute noch schwer zu leiden hat. 

Zweitens: der Mangel an zusammenfassender aufklären¬ 
der Literatur, die in Kopenhagen sehr bald durch den trefflichen 
WORSAAE einsetzte und die auch in Skandinavien nicht fehlte. Auch dieser 
Mangel ist bei uns bis heute leider nur wenig gebessert. Aber es 


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312 


Gustaf Kossinna: Zum Dreiperiodensystem. 


[4 


wird wohl bald wieder eine Zeit kommen, in der die Steinzeit, paläo- 
lithische, wie neolithische, nicht mehr eine solche Alleinherrschaft in 
unserer Forschung behaupten wird, wie es jetzt geschieht, und wo 
wieder, wie vor Jahrzehnten, der Bronzezeit ein erhöhtes Interesse und 
Studium sich zuwenden wird. Ehe dieses nicht in umfassendem Masse 
eintritt, was ich innig wünsche, werden Franzosen, Engländer und 
Italiener bei Ausdrücken wie „nordisch-germanische Vorzeit“, nament¬ 
lich aber „nordische Bronzekultur“ nach wie vor nur an Skandinavien 
und Dänemark, niemals an das gleichberechtigte und ebenbürtige nord¬ 
deutsche Ostseegebiet denken. 


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Bronzegefäss oder Stockknopf? 

Von Dr. K. H. Jacob, Leipzig. 

Mit 2 Textabbildungen. 


Im letzten Hefte des Mannus erwähnt K. WAASE als besonders 
interessanten Fund der Ruppiner Gegend ein Bronzegefäss mit zwei 
Henkeln. G. KOSSINNA gibt in einer Anmerkung eine Übersicht über 



Abb. 1. Bronzeknopf. Leipzig. Abb. 2. 


verschiedene Fundorte derartiger Bronzegefässchen, die er hier als 
mittelalterlich bezeichnet. Auch das Leipziger Museum für Völkerkunde 
hat in seiner vorgeschichtlichen Abteilung unter seinem alten Bestand ein 
solches Bronzegefäss, das in Leipzig gefunden wurde (Abb. 1). Bei der In¬ 
ventarisierung bezweifelte ich jedoch seinen vorgeschichtlichen Charakter, 
da mir eine Deutung als Stockknauf viel wahrscheinlicher erschien. Alle 
diese Bronzegefässe sind ja weder in einem Grabfunde, noch in Depot¬ 
funden, noch direkt in Ansiedelungen aufgetreten. Es sind eben Einzel- 


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314 


K. H. Jacob: Bronzegefäss oder Stockknopf? 


[2 


funde. Ich war nun bemüht, auf alten Kostümbildern womöglich eine 
Darstellung eines Stockes mit einem solchen Knauf zu finden. Ich fand 
sie in Hirth’s Kulturhistorischem Bilderbuch 6. Band auf einem Stich von 
B. Picart, La fortune des actions vom Jahre 1731 (Abb. 2). Ich glaube, 
in diesem Stock ein Exemplar gefunden zu haben, der einen Knauf 
von der Gestalt unserer Bronzegefässchen trägt. Der Stock selbst 
wurde nicht am Knauf, sondern an der oberen Stockhälfte umfasst; die 
beiden Ösen dienten, wie die Abbildung zeigt, zum Durchziehen bunter 
Bänder. Wir hätten also die Bronzegefässchen als Stockknäufe aus 
dem Anfang des 18. Jahrhunderts zu deuten. Ähnliche Stöcke, aller¬ 
dings ohne, höchstens mit einer einzigen Öse werden zu Anfang des 
19. Jahrhunderts wieder Node und jetzt zu Beginn des 20. Jahr¬ 
hunderts finden wir ähnliche Formen, bei denen aber die Ösen ver¬ 
schwunden sind und an ihre Stelle meist eine Durchbohrung zum 
Durchziehen eines Kettchens auftritt. 


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II. Aus Museen und Vereinen 


Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte. 

Zweiggesellschaft Berlin. 


Sitzungsbericht. 

In dem Bericht über den ungemein interessanten Vortrag des 
Herrn Generaloberarzt Dr. G. WILKE über .südwesteuropäische Megalith- 
kultur und ihre Beziehungen zum Orient" (Mannus II, 246 ff.) fehlte 
leider ein Hinweis auf die anschliessende sehr angeregte Diskussion, 
an der sich ausser dem Vorsitzenden, Univ.-Professor Dr. KOSSINNA 
und dem Vortragenden noch die Herren Ernst WAHLE und Professor 
Dr. OLSHAUSEN beteiligten. OLSHAUSENs Mitteilungen über den sog. 
ligurischen Bernstein in Südfrankreich erscheinen so wichtig, dass wir 
seinen ganzen Diskussionsbeitrag hier nachholen. 

Hr. O. OLSHAUSEN: 1. Auch im Norden lässt sich eine Stein¬ 
kammer mit sog. falschem Gewölbe nachweisen, nämlich in dem 
»Königsgrab" zu Seddin in der Prignitz. Ich machte diese Wahr¬ 
nehmung im Juli 1901 an Ort und Stelle; im gleichen Jahre hatte aber 
auch schon Hr. E. FRIEDEL diese eigentümliche Gewölbe-Konstruktion 
hervorgehoben in der Festschrift: Das Märkische Provinzial-Museum der 
Stadtgemeinde Berlin von 1874—1899, Berlin 1901, S. 33 ff., doch gibt 
die kleine Skizze der Kammer auf S. 34 keine richtige Vorstellung der 
Sachlage. Der im Mannus 1910, S. 232 ff. abgedruckte Bericht über 
den Ausflug unserer Gesellschaft nach Seddin im Jahre 1909 schildert 
zwar richtig die Art des Gewölbes, erschien aber erst nach dem Vor¬ 
trage des Herrn WILKE. 

2. Die von dem Herrn Vortragenden berührte Verwendung von Kuh- 
dünger zu Brennzwecken war wahrscheinlich auch bei den Chauken 
an der Nordseeküste üblich; denn das bei Plinius, nat hist. 16, 4 er¬ 
wähnte, an der Luft getrocknete „lutum“, womit sie ihre Speisen und 
sich selbst erwärmten, ist höchst wahrscheinlich Kuhdünger, wie er noch 
bis in unsere Tage auf den uneingedeichten Halligen in gleicher Weise 
verwendet wurde und vielleicht noch wird. Allerdings widerspricht dem 
die Angabe des Plinius 16, 3: non pecudem his habere, non lacte ali 
ut finitimis; aber wenngleich Plinius sonst die Lebensweise der Chauken 
überaus treffend schildert, hege ich doch bezüglich dieser Angabe Zweifel; 
denn heute ist ja, weil in dem den Meeresfluten ausgesetzten niedrigen 


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316 


II. Aus Museen und Vereinen. 


Marschländern nur Gras wächst, Viehzucht die Bedingung für die Exi¬ 
stenz der dortigen Bevölkerung, da der Fischfang, wie jetzt, so auch 
ausweislich meiner Grabungen auf Aurrum in alter Zeit nur geringe 
Bedeutung gehabt zu haben scheint. Sollte aber Plinius doch bezüg¬ 
lich des Mangels an Vieh Recht haben, so würde man bei lutum an 
den sog. Seetorf oder Darg denken müssen, welcher auch bis in 
die neueste Zeit an der Küste gegraben wurde und erst jetzt durch 
Einfuhr von Kohle verdrängt ist. 

3. Den ligurischen Bernstein anlangend, werde ich demnächst 
in einer grösseren Abhandlung erweisen, dass es sich dabei nicht um 
fossiles Harz aus dem heutigen italienischen Ligurien, oder wie HELB1G 
wollte, um Material aus dem Apennin handelte, sondern um solches aus 
dem südöstlichen Frankreich, wo zu beiden Seiten der Rhone eine An¬ 
zahl Fundstätten derartiger Harze sich nachweisen lassen, die zum Teil 
wenigstens noch vor kurzem wirklich ausgebeutet wurden. 


In der 3. Sitzung des 2. Vereinsjahres der Zweiggesellschaft 
Berlin, die am 28. Mai 1910 im Hörsaale des Königl. Instituts für 
Meereskunde stattfand, gedachte der Vorsitzende, Univ. - Professor 
Dr. G. KOSSINNA, des Brüsseler Gelehrten Julien FRAIPONT, der 
am 23. März verstarb und sich auf dem Gebiete der Skelettforschung 
einen bedeutenden Namen errungen hat, des schwedischen Prähistorikers 
Knut STJERNA, der am 11. November 1909 verschied und als Schüler 
von MONTELIUS seine Hauptstudien auf die vor- und frühgeschichtliche 
Besiedlung der Insel Bornholm, auf die archäologische Erläuterung des 
Epos Beowulf und die Vorgeschichte Gotlands gerichtet hat, und des 
württembergischen Forschers, Geheimen Medizinalrats Dr. HEDINGER, 
der am 24. Februar 1910 das Zeitliche segnete und lange Zeit als Vor¬ 
sitzender des württembergischen archäologischen Vereins auf dem Ge¬ 
biete der Vorgeschichte, u. a. bei der Untersuchung der Bemsteinfunde 
tätig war (vgl. jetzt die Nekrologe: oben S. 278f.). 

Der Vorsitzende teilte dann mit, dass die Zweiggesellschaft am 
18. und 19. Juni einen Ausflug in den neumärkischen Kreis Soldin nach 
Berlinchen zur Besichtigung von Ausgrabungen des Prof. GÖTZE bei 
Rahmhütte unternehmen werde, die ein sehr interessantes grosses 
Gräberfeld mit ostgermanischen Brandgruben der Kaiserzeit nebst Ver¬ 
brennungsplätzen zutage gefördert haben, legte darauf die Abhandlung 
von L. REINHARDT ,,Die älteste menschliche Bevölkerung zur Eiszeit und 
ihre Herkunft nach den neuesten Skelettfunden“, das Werk von Professor 
Ludwig SCHEMANN ,,Gobineau und die deutsche Kultur“, das von 
Max Freiherrn GEYER VON SCHWAPPENBURG und Peter GÖSSLER 
über „Hügelgräber im Illertal bei Tannheim“ und das hochbedeut¬ 
same reichillustrierte Katalogwerk von Robert BELTZ über „Die 
vorgeschichtlichen Altertümer im Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin“ 
vor. Zur Vorlage gelangten durch den Vorsitzenden ferner: ein Feuer¬ 
steinbeil aus der Litorinazeit, das in der Nähe von Wilsnack 


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II. Aus Museen und Vereinen. 


317 


(Prignitz) gefunden worden ist, das erste derartige aus der Provinz 
Brandenburg, und ein Scolith aus der Gegend von Friesack (West¬ 
havelland), der das Aussehen eines hölzernen (eichenen) Spatens 
hat und als solcher angesprochen worden ist. Nach Prof. POTONlfi 
werden die parallel laufenden Furchen in dem vorgelegten Stück von 
manchen Paläontologen als Wurmgänge angesehen, was wenig Wahr¬ 
scheinlichkeit hat, während Mitglied ALTRICHTER sie als Überreste von 
versteinerten Gräsern ansieht. 

Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA hielt dann einen Lichtbilder-Vortrag über 
Gallische Gottheiten und ihre Darstellung in germanischen 
Funden. Was die antike Überlieferung uns von der Götterverehrung 
der Gallier zu berichten weiss, ist nicht viel, und das geringe Material 
ist vielfach entstellt durch die bei Griechen und Römern übliche Um¬ 
deutung der fremden Gottheiten in nationale, so dass wir meist nicht 
einmal den einheimischen Namen der gallischen Götter erfahren, sondern 
nur die Namen der diesen Göttern mehr oder weniger entsprechenden 
griechischen oder römischen Gottheiten, die nach der Ähnlichkeit der 
Attribute oder nach der Ähnlichkeit des Wirkungskreises der beider¬ 
seitigen Götter gewählt waren. Einige Nachrichten erhalten wir aus 
Cäsars Beschreibung des Gallischen Krieges, der im zweiten Teil seines 
Werkes vergleichende Kulturschilderungen über Gallier und Germanen 
gibt. Als höchsten Gott der Gallier nennt er den Merkur, von dem 
diese die meisten Bildwerke hätten; er sei der Erfinder aller Künste, 
der Begleiter auf der Reise und der Beschützer von Handel und Wandel. 
Ferner verehrten die Gallier nach Cäsars Angaben den Apollo als 
Gott der Heilkunst, den Mars als Kriegsgott, den Jupiter als Herrscher 
im Himmel und die Minerva als Beschützerin der weiblichen Arbeiten 
und Künste. Zieht man die erhaltenen Denkmäler und Inschriften zu 
Rate, so ergibt sich, dass sie sämtlich erst aus der Zeit der römischen 
Herrschaft stammen. Die älteren Bilder können also nur aus Holz 
gewesen sein, wie denn die Darstellung der Götter in Menschengestalt 
überall, auch bei den Griechen, aus der Gestaltung eines einfachen 
Holzpfahles hervorgegangen ist. Von den gallischen Bildwerken 
stellen die meisten den Merkur dar (31 Bronzestatuetten im Mus6e 
St. Germain en Laye, ebensoviel in Lyon), er erscheint bärtig und mit 
einem Geldbeutel ausgestattet; als Begleiterin gesellt sich zu ihm die 
Göttin Rosmerta. Merkur hat auf den Bildwerken 16 verschiedene Bei¬ 
namen, Apollo 8, der Kriegsgott Mars 38, während Jupiter und Minerva 
nur je 4 Beinamen haben. Über die gallischen Namen dieser auf den 
Bildwerken dargestellten Gottheiten erfährt man Näheres aus den 
Scholien zu dem Epos „Pharsalia“ des römischen Dichters Lucan, 
der von Menschenopfern erzählt, die den drei gallischen Göttern Teu- 
tates, Esus und Taranis dargebracht wurden. Die Scholien er¬ 
klären Taranis (=Thonar, Donnergott) durch Jupiter, während sie sowohl 
Teutates als Esus teils als Merkur, teils als Mars auffassen, woraus 
hervorgeht, dass diese beiden gallischen Gottheiten viel Verwandtes mit 
einander gehabt haben müssen. Nach den neuesten Untersuchungen 
ist Esus, der als Baumfäller dargestellt wird, der höchste Gott und, 
wie Merkur, der Beschützer der Schiffahrt. Er erscheint auf einem 
Altar der Schiffergilde in Paris in Gemeinschaft mit Jupiter und Vul- 

Mannus, Bd. 11, Heft 4. 21 


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111. Bücherbesprechungen. 


canus, und da ersterer als Taranis erklärt wird, so muss Vulkan gleich¬ 
bedeutend mit Teutates sein. Ausserdem erscheint auf dem genannten 
Altar ein Stier mit drei Kranichen, sämtlich heilige Tiere, die auf gal¬ 
lischen Bildwerken häufig wiederkehren. In Südgallien sind eine Reihe 
von Statuen aufgefunden worden, die einen bärtigen Gott in gallischer 
Tracht mit langärmeligem Rock, Hosen und Schuhen darstellen; dies 
ist Dispater, der Himmelsgott (germ. Tiwas), von dem nach Cäsar 
alle Gallier abstammten. Er ist der Vorgänger des Merkur, der an 
seine Stelle getreten ist, und hat als Attribut der höchsten Gewalt in 
der linken Hand den langschäftigen Donnerhammer und in der rechten 
eine Vase als Zeichen der Fruchtbarkeit. Als Begleiterin dieses Gottes, 
der den Beinamen Sucellus (Schläger) führt, erscheint die Göttin Nan- 
tosvelta, über deren Bedeutung noch nichts festgestellt ist. In Ost¬ 
gallien sind Denkmäler gefunden worden, die eine dreiköpfige Gottheit 
zeigen, die manchmal von zwei anderen Göttern begleitet ist, dies ist 
Merkur-Esus, der hier die oberste Götterdreiheit verkörpert. Wichtig 
sind ferner für unser Thema die Darstellungen des gehörnten gallischen 
Gottes Cernunnos und des gallischen Jupiters mit dem Sonnen¬ 
rade. Ausser auf Steindenkmälern finden sich Darstellungen gallischer 
Gottheiten auf grossen Bronzekesseln, so dem Rynkebykessel, die 
sämtlich in Dänemark gefunden worden sind, aber gallischer Import zu 
sein scheinen. Der Vortragende ging dann auf germanische Nachbil¬ 
dungen solcher gallischer Götterfiguren und Götterköpfe näher ein und 
behandelte ausführlich den berühmten Silberkessel von Gundes- 
trup am Limfjord in Jütland, den er dem 2.—3. Jahrh. nach Chr. zu¬ 
schreibt und in dessen sieben Götterköpfen er eine Darstellung der 
Wochengötter sieht. Zum Schluss behandelte Prof. KOSSINNA die 
Darstellung des zweiten Goldhorns von Tondern und die ganze 
Reihe der Wochengötter- oder Planetenvasen, von denen die 
neueste in einem Germanengrabe bei Troisdorf, Siegkreis, 1909 von 
Rademacher gefunden worden ist. (Eine Veröffentlichung des zweiten 
Teiles dieses Vortrages, soweit die germanischen Funde in Betracht 
kommen, brachte bereits der Mannus II, 201—208 „Zur Wochengötter¬ 
vase vom Fliegenberge“ usw.). Dr. G. Al brecht. 


III. Bücher-Besprechungen. 

Ludwig Sehemann, Gobineaus Rassenwerk. Aktenstücke und Betrachtungen 
zur Geschichte und Kritik des Essai sur l’inegalite des races humaines. Stutt¬ 
gart, Fr. Frommann, 1910, XXVIII und 544 S., ungeb. Mk. 10,50. 

Über den Parteien muss stehen, wer in dem heissen Kampfe um den Wert 
und den Gehalt der Rassentheorien eine vermittelnde Rolle spielen will. Freilich 
braucht es sich dabei nicht um Kompromisse zu handeln, die der ernsten Behand¬ 
lung einer Theorie nur schaden können, wohl aber um die Fähigkeit des Autors, 


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III. Bücherbesprechungen. 


319 


aus allen verschiedenen, äusserlich vielleicht sogar gegensätzlichen, Meinungen den 
lebensfähigen und darum berechtigten Gehalt herauszulösen und ihn als treibende 
Kraft mit in den Dienst der Gegenwart zu stellen. 

Dem vorliegenden Werke des Freiburger Professors Dr. L. SCHEMANN darf 
eine so hervorragende Rolle und also auch ein bevorzugter Platz in unserer rassen- 
kundlichen Literatur zuerkannt werden. Aber nur dadurch, dass der Verfasser weit 
über Gobineaus Lebenskreis hinausgriff, dass er die ganze rassengeschichtliche Ent¬ 
wickelung bis zur vorläufigen Vollendung in Dr. Ludwig WOLTMANN umspannte, 
konnte er seine ebenso interessante wie höchst verdienstvolle Aufgabe lösen. 
Natürlich musste SCHEMANN dabei auch die Entwickelung vor Gobineau berück¬ 
sichtigen, doch schrumpft diese bei ihm erheblich zusammen. S. 509 wird aller¬ 
dings der S. 300 fallen gelassene Faden wieder aufgenommen durch Mitteilung der 
schönen Worte L. von RANKEs aus der Einleitung der 1824 erschienenen „Geschichten 
der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535*. Wie viel an wert¬ 
vollen Rassenideen schon lange vor Gobineau bei uns vorhanden war, habe 
ich 1909 in meinen „Beiträgen zur Geschichte der Rassenforschung“ nach¬ 
gewiesen. Vielleicht darf man sagen, dass in dem Zeitalter des schwersten 
politischen Druckes unter anderem auch die Sehnsucht nach einem universalen Aus¬ 
druck der Rassenideen lebendig war. Es ist kein blosser Zufall, dass vor 1848 die 
Rassenfragen, wohl auch in anthropologischen Werken, am intensivsten aber im 
Rahmen politischer Erörterungen besprochen wurden, ebensowenig wie es Zufall 
ist, dass in der ersten Germ anisten-Versammlung, die im September 1846 zu 
Frankfurt a. M. unter Jakob GRIMMs Vorsitze stattfand, die Behandlung der 
schleswig-holsteinischen Angelegenheit den ersten Punkt der Tagesordnung 
bildete. — Diesen universalen Ausdruck gefunden zu haben, ist zweifellos 
Gobineaus Verdienst, das ihm kein moderner Rassenforscher absprechen darf. 
Wenn dennoch heute Stimmen der Kritik am Werke Gobineaus laut werden, so ist 
zu bedenken, dass ein halbes Jahrhundert wissenschaftlicher Entwickelung der 
Gegenwart selbstverständlich Anlass zu Auseinandersetzungen mit Gobineau geben 
musste, wobei freilich nicht verschwiegen werden darf, dass manche dieser Kritiken 
schon vor Jahrzehnten hätten ausgesprochen werden können. Durch sie wird jedoch 
mehr die Schale als der Kern des Gobineau'schen Rassenwerkes getroffen. 

Gegen zweierlei möchte ich einen bescheidenen Einwand erheben: 1. dass 
SCHEMANN in Gobineau den Vater des Rassengedankens sieht, „namentlich, wenn 
wir den Schwerpunkt hierbei auf den Ungleichheitsgedanken legen“, 2. dass Gobineau 
gegen berechtigte Einwände allzusehr in Schutz genommen wird. Auch durch Ver¬ 
gleiche mit anderen Forschern. LEIBNIZ z. B. hätte meines Erachtens eine ganz 
andere Note verdient als die - es ist die einzige Bemerkung über ihn! —, dass 
„ihm die Ausgleichung mit den biblischen Lehren auf Schritt und Tritt am 
Herzen lag“. 

Das sind indessen im Verhältnis zum Ganzen nur Kleinigkeiten, die aber bei 
der bekannten Überempfindlichkeit unserer Rassengegner doch leicht zu unlieb¬ 
samen und für die R ssenforschung wenig erspriesslichen Auslegungen führen 
können. Aus dem Bestreben SCHEMANNs, in der Rassengeschichte möglichst viele 
Erscheinungen auf Gobineau als den Ausgangspunkt und später die Zentrale einer 
grossen Bewegung zurückzuführen, wird die ursprüngliche Absicht des Verfassers 
erkennbar, eine „einfache historische Einleitung zu Gobineaus Rassenwerk“ zu 
liefern. Aus der älteren Arbeit wuchs jedoch die neue hervor, die einen Kompro¬ 
miss zwischen einer „Geschichte des Rassengedankens“ und einer Gobineau-Bio- 
graphie darstellt. Diese vorläufige Lösung einer Riesenaufgabe muss als äusserst 

21 * 


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320 


III. Bücherbesprechungen. 


glücklich bezeichnet werden. Mit einer Liebe ohne gleichen hat der Verfasser sich 
des Stoffes bemächtigt. So zahlreiche Hinweise auf Qobineaus Werk sich auch in 
neueren Arbeiten finden, das ist doch nicht in Abrede zu stellen, dass über Gobi- 
neaus Leben selbst und die grosse Mannigfaltigkeit seines Arbeitsgebietes nicht 
allzuviel bekannt war. Auf alles dieses fällt durch Schemanns Buch hellstes Licht. 
Der Verfasser bringt nicht nur ein erstaunlich reiches Material zum Beweise für 
die weitverzweigten Beziehungen Gobineaus zu berühmten Zeitgenossen, zum Teil 
solchen, bei denen man, wie etwa bei Wilh. von HUMBOLDT, eine Berührung mit 
Rassenfragen kaum vermutet hätte; er liefert auch aus Gobineaus kleineren Arbeiten 
und teilweise nachgelassenen Schriften höchst wertvolle Ergänzungen zum Rassen¬ 
werk selbst, die hoffentlich bald als selbständige Publikationen in deutscher Über¬ 
setzung dem grösseren Werke folgen. Zweifellos werden sie weite Kreise inter¬ 
essieren und viel zur Popularisierung Gobineaus beitragen, bilden sie doch zum Teil 
den Übergang von dem grösseren Rassenwerke zu L. WOLTMANNs Schriften über 
den germanischen Einfluss in Italien und Frankreich. 

Von den Zeitgenossen Gobineaus wären — ausser den von SCHEMANN er¬ 
wähnten — noch zu nennen: Wolfgang MENZEL, E. v. WIETERSHEIM, P. A. F. G£RARD 
und Dr. Alexander von PEEZ. Letztgenannter hat schon 1856 in einer im „Deutschen 
Museum“ veröffentlichten Artikel-Serie Gobineaus Wort von der „race regulatrice“ 
im gewissen Sinne vorweggenommen, indem er die Überzeugung aussprach, dass 
in allen Völkerbewegungen und Veränderungen „die Rasse das erstentschei¬ 
dende Prinzip sei.“ 

Besondere Anerkennung verdient endlich, dass SCHEMANN den Rassen¬ 
forschern der Gegenwart im höchsten Sinne gerecht wird. Er hat damit der Rassen¬ 
lehre ein starkes Bollwerk gegen feindliche Angriffe errichtet. Die Form, in der 
der Verfasser die Gegenwart behandelt, dürfte vielleicht die nicht selten persönlich 
zugespitzten Gegensätze zwischen den einzelnen Forschern mildern. Auch hier sei 
mir erlaubt, zwei Namen als Ergänzungen zu nennen: nach der mehr wissen¬ 
schaftlichen Seite hin Eugen DÜHRING, nach der mehr praktischen Emil PILZ, der in 
seiner 1903 erschienenen „Bodenständigen Pädagogik“ den Regenerations¬ 
gedanken zur Aufnahme in den Schullehrplan empfohlen hat. PILZ hat das 
schöne Wort geprägt: „Alles, was ihr wollt, das eure Vorfahren getan haben 
möchten, um Rassetüchtigkeit zu erzielen, das tut euren Nachkommen auch.“ Das 
ist doch wohl das Ziel der Rassentheorien, dass sie schliesslich von der Wissen¬ 
schaft ins Leben selbst führen. 

SCHEMANNs Buch, durch warmen Ton ausgezeichnet, stellt sich in den Dienst 
sowohl der Wissenschaft als auch des Lebens an sich, und so darf man auch den 
— leider nicht für die allernächste Zukunft — in Aussicht gestellten Veröffent¬ 
lichungen des Verfassers mit freudiger Spannung entgegensehen. 

Hamburg. Th. Bieder. 


0. Döprenberg, Römerspuren und Römerkriege im nordwestlichen Deutschland 
nach einem im Dezember 1894 gehaltenen Vortrage nebst einem Anhänge: „Die 
Stämme der Germanen“. Leipzig. Kommissions-Verlag der Dieterich’schen Ver¬ 
lagsbuchhandlung Theodor Weicher, 1909. XI und 258 Seiten, eine Tabelle und 
13 Tafeln. Geheftet 12,50 JC } gebunden 14 JL 

Schon häufig haben Forscher die Römerspuren und Römerkriege im nord¬ 
westlichen Deutschland behandelt, doch ohne zu gesicherten, allgemein anerkannten 
Ergebnissen zu gelangen. So bietet auch der erste Teil von DÖRRENBERGs Werk, 


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III. Bücherbesprechungen. 


321 


der mit einigen Änderungen einen Vortrag aus dem Jahre 1894 wiedergibt, nur 
einen Überblick darüber, wie weit die Forschungen nach des Verfassers Ansicht da¬ 
mals gediehen waren, ohne jeden Ausblick auf die grossen seit jener Zeit besonders 
durch Grabungen erzielten Fortschritte auf diesem Gebiete. Der Verfasser ist sich 
freilich bewusst, auf wie unsicherem Boden er sich bewegt. Mit Recht betont er, 
dass man auf die Spatenforschung weitere Hoffnungen setzen müsse, da nur Funde 
endgiltigen Nachweis erbringen könnten. Aus dem Inhalte mag erwähnt werden, 
dass DÖRRENBERG Aliso im Winkel zwischen Alme, Lippe und Pader, das Varus¬ 
schlachtfeld am Fusse der Grotenburg, Idistaviso südlich der Porta Westfalica und 
den Angrivarierwall in der Gegend des Steinhuder Meeres annimmt. 

Diesen Ausführungen schliesst sich als Anhang 1 eine Quellenübersicht zu 
den Römerkriegen in Nordwestdeutschland, meist in der Übersetzung von HORKEL, an. 

Der wichtigste Teil der Arbeit ist jedoch der zweite Anhang, dem der Ver¬ 
fasser die Überschrift „Die Stämme der Germanen“ gegeben hat. Dieser Anhang 
nimmt den grösseren Teil des Buches ein, wobei ein Verzeichnis mit genauen In¬ 
haltsangaben der einzelnen Abschnitte den Überblick wesentlich erleichtert. Zunächst 
gibt der Verfasser die Entwicklung des Grundeigentums und der Stände, der Ver¬ 
fassung und des Gerichtswesens bei den Germanen. Darauf behandelt er die 
charakteristischen Besonderheiten der drei „Urnationen“ der Germanen, der Ingävonen, 
Istävonen und Sweben. 

Der Verfasser führt aus: Bei den Chatten — diese sind nach DÖRRENBERG 
Repräsentanten der Sweben, was ein bedauerlicher Irrtum ist — finden wir 4 Ur- 
gaue, die in etwa 10 Hundertschaften geteilt sind, von denen jede aus etwa 12 Zehn- 
schaften besteht. Die Zehnschaft ist wahrscheinlich aus drei Dörfern von je 4 Ur- 
hufen gebildet. Aus den Gewannen des Dorfes Maden ist der swebische Morgen 
von 25Vs bis 25'/* a, bestehend aus 2 Elementarflächen, „Förlingen“, abzuleiten. 

Die Istävonengaue sind nach dem Hundertschaftssystem zusammengesetzt. 
Der charakteristische Morgen ist 30’/* a gross, in 4 Forlinge geteilt. Bei den 
ingävonischen Friesen zerfällt der Grossgau in 4 Schultheissenschaften, jede von 
diesen in 3 Asegenbezirke; diese wieder bestehen aus je 4 Bauerschaften. 
Das Normaldorf der Ingävonen ist aus 3 Hufen gebildet. Der ingävonische 
Morgen von 0,46 bis 0,47 ha setzt sich aus 4 Förlingen zusammen. Zahlreiche 
Kartentafeln dienen zur Illustration dieser Ausführungen. 

Den vom Verfasser aufgestellten Stammeszusammenhängen kann man leider 
nur zu oft nicht beistimmen. Besonders ist der folgende Abschnitt, der die Vor¬ 
geschichte der Germanen und Slawen behandelt, nicht frei von Ansichten, die heute 
unhaltbar sind. Zum Schlüsse behandelt der Verfasser die deutschen Stämme des 
Mittelalters, wobei er besonders die Einflüsse der drei „Urnationen“ in Verfassung 
und Siedelung nachweist. 

Minden. Walther Schulz. 


Joseph Dächelette, Manuel d’archäologie prehistorique, celtique et gallo-romaine. 
I. Archäologie prehistorique, XIX u. 746 S. Paris 1908. 

Bei der archäologischen Würdigung eines Gebietes ist eine möglichst genaue 
Kenntnis auch der Nachbarprovinzen unerlässlich. Dankbar wird der Forscher ein 
Handbuch begrüssen, mit dessen Hilfe er sich schnell und unter Umgehung zeit¬ 
raubenden Suchens in der Literatur in den Stoff eines fremden Landes einarbeitet. 
Namentlich der deutschen Archäologie, welche bei ihren Arbeiten sich von fremden 
Kulturen allseitig umgeben sieht, müssen derartige Werke besonders willkommen sein. 


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III. Bücherbesprechungen. 


Von diesen Gesichtspunkten aus gebührt Herrn DECHELETTE der Dank auch der 
deutschen Archäologen. Sein trefflicher erster Band des „Manuel d’archeologie* 
wird jedem von ihnen zu einem unentbehrlichen Handbuch. Er umfasst bei aller Be¬ 
tonung der gesamteuropäischen Verhältnisse im allgemeinen, im besonderen natur- 
gemäss die Vorgeschichte Frankreichs, und zwar in der Steinzeit, und behandelt 
nach einer einleitenden Definition der Prähistorie und ihren Methoden, sowie einem 
Überblick über die Geschichte der Vorgeschichtswissenschaft die Entwicklung des 
Menschen auf allen Gebieten, wie auch die naturwissenschaftlichen Hilfswissen¬ 
schaften von den Edithen an bis zum Spätneolithikum. Nicht weniger als 249 Ab¬ 
bildungen erhöhen den Wert des Buches ebenso wie 2 bibliographische Listen, 
welche die Höhlen Frankreichs, soweit sie bearbeitete Knochen oder verzierten 
Schmuck geliefert haben, und die französischen neolithischen Stationen, nach 
Departements geordnet, verzeichnen. Ein umfangreiches Register ermöglicht ein 
schnelles Unterrichten über einen bestimmten Stoff oder eine gewisse Gegend. 

Das Paläolithikum Europas ist mit einer musterhaften Gründlichkeit und Viel¬ 
seitigkeit dargestellt, die das bekannte Werk von G. u. A. de MORTILLET und nament¬ 
lich das jüngere, aber Rückschritte gegen MORTILLET aufweisende von M. HÖRNES 
(Der diluviale Mensch in Europa, Braunschweig 1903) entbehrlich macht. Demjenigen, 
der tiefer in den Stoff eindringen will, bietet das Werk mit seinen vielen Quellen¬ 
angaben einen wertvollen Ausgangspunkt. 

Bei einem eingehenderen Studium des Vollneolithikums konnte sich jedoch 
Ref. des Eindruckes nicht erwehren, dass der Verfasser sich zu sehr in den Einzel¬ 
heiten verliert, statt eine grosszügige Übersicht zu geben. Er erdrückt dort mit 
Material, ohne dass der Leser Klarheit über den Gesamtcharakter erhält. Es be¬ 
deutet dies einen empfindlichen Nachteil, der gerade der Möglichkeit eines schnellen 
Unterrichtens, wie es in dem Abschnitt über das Paläolithikum so gut möglich ist, 
hindernd entgegentritt. Es mag dieser Mangel zum Teil darin beruhen, dass das 
französische Jungneolithikum wenig entwickelt ist; doch sei bemerkt, dass z. B. das 
beachtenswerte Vorkommen von Kragenflaschen in Frankreich auch nicht mit einem 
Worte gewürdigt wird. Bei der Behandlung des keramischen Materials stützt sich 
DECHELETTE im wesentlichen auf A. GÖTZE und P. REINECKE. Es dürfte auffallen, 
dass bei dieser Gelegenheit der Name KOSSINNA nicht genannt wird, wie auch der 
Verfasser mit den Ideen dieses Begründers der neuen deutschen Forschungsweise 
überhaupt nicht vertraut zu sein scheint. Es muss allerdings zugegeben werden, 
dass es — wenigstens vorläufig noch — für ausländische Forscher schwer ist, diese 
ethnologische Methode kennen zu lernen; das ablehnende Verhalten der Skandi¬ 
navier hiergegen dürfte im wesentlichen nur auf Unkenntnis des Materials zurück¬ 
zuführen sein. Einige Vertrautheit mit unseren neolithischen Kulturen hätte eine 
Scheidung des französischen Materials nach Kulturgruppen immerhin ermöglicht 
(vergl. Mannus I, 1909, S. 51). 

Aber abgesehen davon bietet das Werk eine wertvolle Bereicherung unserer 
Literatur. Es ist nicht nur ein Lehrbuch und der Ausgangspunkt für den Forscher, 
sondern auch eine schöne Darstellung für das weitere Publikum. 

Delitzsch. Ernst Wahle. 


Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Illustrierter Führer durch 
die Prähistorische Abteilung. Herausgegeben von der Direktion. Preis 25 Pf. 
Leipzig 1910. 

Wer in den letzten drei Jahren das Leipziger Museum für Völkerkunde be- 


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IV. Nachrichten. 


323 


suchte, konnte mit Freuden feststellen, dass der Vorgeschichte jetzt allmählich auch 
hier etwas mehr Platz an der Sonne eingeräumt wurde. Besonderen Dank ver¬ 
dient die Direktion dafür, dass sie nach dem vollendeten Ausbau der wohlgeordneten 
vorgeschichtlichen Abteilung dem grossen Publikum für den Besuch auch einen ge¬ 
druckten „Führer“ mitgibt, der im Ganzen als trefflich gelungen bezeichnet werden 
kann, obwohl er anscheinend von einem Ethnologen verfasst worden ist. Dieser 
Umstand erklärt aber vielleicht auch, weshalb er eine Reihe Mängel zeigt, auf die 
im folgenden hingewiesen werden soll, nicht um zu tadeln, sondern um eine Ver¬ 
besserung zu erreichen. 

Sehr praktisch erscheint die Beigabe einer Tabelle der absoluten Chronologie 
der Vorgeschichte ; nur die Periodisierung der Bronzezeit ist darin verfehlt. Die 
Aunetitzer Periode fällt um 2000 herum und reicht höchstens bis 1800. Die folgen¬ 
den Perioden, die ich I b und II nenne, sind im Königreich Sachsen nicht vertreten, 
eine von mir festgestellte und schon vor einem Jahrzehnt bekannt gemachte überaus 
wichtige Tatsache, die durch Schiebungen in der Periodenfassung nicht verwischt werden 
darf. Ältester Lausitzer Typus, z. B. Buckelurnen, entspricht, wie ich gleichfalls längst 
festgestellt habe, erst der Periode III a, also etwa der Zeit von 1400 ab. — Dass 
die Bevölkerung des gesamten Diluviums mit seinen so heterogenen Rassen das 
ungeteilte indogermanische Urvolk darstelle, scheint mir eine recht unklare Vor¬ 
stellung. — Laienhafte „Ansichten“, wie die von SCHUCHHARDT, wonach die sächsische 
Bevölkerung der Bronzezeit Semnonen gewesen wären, dürften einem Laienpublikum 
nicht als Wissenschaft vorgesetzt werden. — Die JACOBsche Ansicht, die gedrehten 
Tongefässe der thüringisch-sächsischen Latene-Kultur seien Importware [woher?], 
habe ich schon im Mannus I, 159, vergl. II, 242 f. abgelehnt. — Bösartiger ist, was 
über den Vettersfelder Goldfund, der wieder in die Völkerwanderungszeit gesetzt wird, 
hier zu lesen ist. — Beseitigt werden muss auch der Schnitzer über den grossen 
schlesischen Spiralhelm aus gedrehtem Bronzestab, der auf Taf. 8 abgebildet worden 
ist: er gehört nicht der Bronzezeit an, sondern, wie ostpreussische Skelettgräber¬ 
funde gezeigt haben, der frühesten Deutschordenszeit in Preussen und ist wohl ein 
Halskragen. 

Aufgefallen ist mir, dass für das auf Taf. 3 Nr. 4 abgebildete Gefäss, eine 
Amphora mit Schnittverzierung (Fischgrätenmuster), aus ‘Cröbern’ stammen soll, 
während in Näbes Schrift über die steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend 
S. 8, Abb. 18 für dasselbe Gefäss ‘Gr. Dalzig’ als Fundort genannt wird. 

G. K o s s i n n a. 


IV. Nachrichten. 

Der neue französische Gesetzesentwurf über archäologische 
und paläontologische Ausgrabungen. 

Dem Herausgeber ist als Mitglied der Societe Prdhistorique Fran^aise eine 
„dringliche Mitteilung“ des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft zugegangen, worin 
der Text des Gesetzesentwurfs zur Kenntnis gebracht wird, den die Regierung bei der 
Deputiertenkammer eingebracht hat, eines Entwurfs, den diese Mitteilung als 
„äusserst gefährlich für die Interessen der Wissenschaft be¬ 
zeichnet“. G. K. 


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IV. Nachrichten. 


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Deputiertenkammer 1 ). 

10. Legislaturperiode. 

Ausserordentliche Sitzung von 1910. 

Zusatz zum Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 1910. 

G ese tzes e ntwurf über archäologische und palä ontologische Aus¬ 
grabungen. 

Überreicht im Namen des Präsidenten der französischen Republik Armand 
F a 11 i e r e s durch den Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus 
Aristide Briand und den Minister des Unterrichts und der Künste Gaston 
Dou mergue. 

Darlegung der Gründe. 

Der Schutz des geschichtlichen Erbes Frankreichs in dem ganzen Umfange 
aller Äusserungen von Kunst und Leben, selbst der weitest zurückliegenden, gehört 
zu den ständigen Aufgaben der Regierung. Die meisten europäischen Regierungen 
haben heute Gesetze, die eine Zerstreuung und Zerstörung von Schätzen, deren 
Vorhandensein mit dem Ursprünge der Nation eng verknüpft ist, verhindern. Ein 
solches Gesetz fehlt uns aber noch. Das Gesetz vom 30. März 1887 über die Er¬ 
haltung der historischen Denkmäler berücksichtigt die paläontologischen und archäo¬ 
logischen Ausgrabungen nicht, die zwecks Aufbaus der Aufeinanderfolge der Typen 
unserer Rasse und zur Erforschung der ältesten Erzeugnisse ihrer Tätigkeit unter¬ 
nommen werden. Wenn man weiss, welche leidenschaftlichen Nachforschungen, welche 
heftigen Rivalitäten die Vorgeschichte in unserer Zeit erregt, dann wird man die 
Gefahren einer Freiheit ohre Grenzen verstehen können, die keinen Unterschied 
macht zwischen den Gelehrten, welche die kostbaren Zeugen der Vergangenheit 
zum „Sprechen“ bringen können, und den „Raubgräbern“, die deren Spuren für 
immer zerstören. 

Vorkommnisse der jüngsten Zeit haben die Aufmerksamkeit der Regierung 
auf dieses Gebiet gelenkt. In einer von unseren an vorgeschichtlichen Fundstellen 
reichsten Landschaften konnten auf zu diesem Zweck zeitweilig gemieteten Privat¬ 
grundstücken Ausgrabungen vorgenommen werden, ohne dass irgend eine Kontrolle 
ausgeübt wurde. Die Funde wurden ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Wertes 
ausserhalb Frankreichs zerstreut, zum Vorteil ausländischer Sammler und Händler. 
Daher sind wir des Besitzes von in unseren eigenen Landschaften gehobenen, für das 
Studium unserer Vorgeschichte äusserst wichtigen Funden verlustig gegangen, und 
die meisten derartigen Fundstücke sind für immer der wissenschaftlichen Unter¬ 
suchung entzogen. 

Derartige Missbräuche haben eine nur zu berechtigte Bewegung hervorgerufen: 
Die Akademie der Wissenschaften, das Comite des travaux historiques, die Societe 
d’Anthropologie haben den Schutz eines neuen Gesetzes gefordert. Die Admini¬ 
stration des beaux arts, von der der Schutz der vorgeschichtlichen Denkmäler aus¬ 
geht, hat die Vorbereitung dieses Gesetzes einer Kommission übertragen, in die 
sie nicht nur Gelehrte berufen hat, die durch ihre Arbeiten dafür besonders 
bestimmt sind, sondern auch Juristen, deren Mitarbeit unumgänglich not¬ 
wendig erschien. 

Der vorliegende Gesetzesentwurf sucht zwei Seiten gerecht zu werden: Einer¬ 
seits richtet er die Überwachung der von Privatleuten unternommenen Ausgrabungen 

') Übersetzung von H. MÖTEFINDT, Wernigerode a. H. 


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IV. Nachrichten. 


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ein und behält sogar der Regierung das Recht vor, wenn das wissenschaftliche Inter¬ 
esse es erfordert, an die Stelle des Ausgräbers zu treten. Andrerseits aber um¬ 
gibt er diese Massnahmen mit allen dem Privateigentum schuldigen Sicherungen 
und will keineswegs den Geist der freien Forschung und der individuellen Iniative, 
der ein kostbares Pfand der fruchtbarsten Entdeckungen ist, an seiner Entfaltung 
hindern. 

Die Regierung wird übrigens das Gesetz, um das sie nachsucht, nur selten 
anzuwenden brauchen. Die meisten Ausgrabungen werden durch die Persönlichkeit 
ihrer Unternehmer jeder Überwachung enthoben. Für die übrigen wird man kein 
neues Beamtenheer zu schaffen brauchen: Die Regierung findet bei den Spezial¬ 
forschern, bei den Gesellschaften uni bei der Inspection de l’Instruction publique 
et des beaux Arts jede nötige Unterstützung. 

Diese Ausführungen zeigen klar genug den Geist, der den Gesetzesentwurf 
geschaffen hat, so dass wir ihn jetzt einzeln kurz betrachten wollen: 

Ausgrabungen können ohne vorgängige Bevollmächtigung angefangen werden. 
Eine einfache Mitteilung, die es der Regierung anheimstellt, ihre Überwachung zu 
beginnen, genügt. In letzterem Falle besitzt der Überwacher der Arbeiten kein 
Recht einzugreifen. Jede Entscheidung hängt vielmehr von dem zuständigen Minister 
ab. Die der Regierung über das Privateigentum oder über im Privatbesitz befind¬ 
liche Fundstücke gegebenen Rechte werden beschränkt durch die Verpflichtung: die 
Fristen genau zu wahren, zur Erfüllung der Verpflichtungen anzuhalten, Spezial¬ 
kommissionen zu befragen und angemessene Entschädigungen festzusetzen. Erst 
beim Verkauf ins Ausland von Fundstücken aus Ausgrabungen, die ohne Vollmacht 
unternommen sind, hat der Staat das Recht des Einspruchs. 

Unter diesem wichtigen Vorbehalt ist der Schutz der Ausgrabungen tatsächlich 
gesichert durch die Massregel, dass es der Regierung immer überlassen bleibt, durch 
das Recht, einem unfähigen „Ausgräber“ die Grabung zu verbieten, ferner durch 
das Recht der Zurückforderung von Fundstücken, die eine Aufnahme in die öffent¬ 
lichen Sammlungen verdienen und durch das Recht, dass sie den Grund und Boden 
von Fundstellen nach Abschätzung enteignen kann. 

Es muss jedoch bemerkt werden, dass die geschilderten Massregeln sich nur 
auf den Urheber der ersten Mittei.ung über die Ausgrabung beziehen, ganz gleich, 
ob er Eigentümer oder Nichteigentümer des Grund und Bodens ist, ob er Verträge 
mit dritten Personen abgeschlossen hat oder nicht. Ebenso kennt die Regierung, 
wenn sie amtlich Grabungen vornimmt, der Einfachheit halber zur Festsetzung der 
Entschädigung nur den Eigentümer. 

Das sind die Massregeln, die wir zur Annahme vorschlagen. Ohne ernstlichen 
Eingriff in die bürgerlichen Rechte, ohne die Iniative zu vermindern, die immer 
hochgehalten zu werden verdient, werden sie der französischen Wissenschaft diese 
kostbaren Urkunden erhalten, diese unersetzlichen Archive, die täglich dem Erd¬ 
boden entrissen werden, die aber neues Licht auf den Ursprung unseres Volkes 
und auf den Ursprung der Menschheit werfen. 

Im Folgenden legen wir den Gesetzesentwurf vor: 

Qesetzesentwurf. 

Der Präsident der französischen Republik bestimmt: 

Der Gesetzesentwurf, dessen Inhalt folgt, wird der Deputiertenkammer über¬ 
reicht durch den Präsidenten des Staatsrats, durch den Minister des Innern und des 
Kultus, durch den Minister des Unterrichts und der Künste und diese sind mit der 
Darlegung seiner Beweggründe und mit der Beantwortung von Anfragen in der 
Diskussion beauftragt. 


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IV. Nachrichten. 


I. 

Die Überwachung der Ausgrabungen durch die Regierung. 

§ 1. Jede Gesellschaft, jede Vereinigung und jeder Privatmann, der archäo¬ 
logische oder paläontologische Ausgrabungen auf ihm gehörigen Grund und Boden 
oder auf dem Grund und Boden eines anderen vornehmen will, muss der Präfektur 
des Departements mitteilen, auf wessen Grund und Boden diese Ausgrabungen 
vorgenommen werden sollen. 

Die Ausgrabungen dürfen erst einen Monat nach dem Tage der Einregistrie¬ 
rung der Mitteilung im Generalsekretariat, von der dem Einsender der Mitteilung 
sofort eine Empfangsbescheinigung auszustellen ist, beginnen, wofern nicht eine 
besondere Erlaubnis vorliegt. 

§ 2. Die Mitteilung soll ferner Angaben über die ungefähre Grösse und 
über die ungefähr berechnete Dauer der geplanten Arbeiten enthalten. Die Mit¬ 
teilung wird schleunigst von dem Präfekten an den zuständigen Minister weiter- 
gegeben. 

Dieser hat das Recht, die Arbeiten durch jede mit den nötigen Kenntnissen 
versehene Person, die er zu diesem Zweck auswählt und deren Ernennung dem 
Einsender der Mitteilung auf amtlichem Wege mitzuteilen ist, besichtigen und über¬ 
wachen zu lassen. 

Der vom Minister mit der Überwachung Beauftragte darf jederzeit das Grund¬ 
stück, auf dem die Ausgrabungen vorgenommen werden, betreten, den Aufbewahrungs-' 
ort der Fundstücke besichtigen und im Notfälle fordern, dass die Fundstücke ihm 
übergeben werden. 

§ 3. Falls sich aus der Überwachung ergibt, dass die Fortsetzung der Aus¬ 
grabungen unter den bisherigen Bedingungen Fundstücke uud Denkmäler, deren 
Erhaltung für die Paläontologie und Archäologie wichtig ist, schwer schädigen würde, 
so fordert der Überwachende den Leiter der Ausgrabungen durch ein amtliches 
Schriftstück unter Darlegung der Gründe auf, die Grabungen in anderer Weise 
auszuführen. 

Sobald dieses Schriftstück erfolglos bleibt, kann der Überwachende den zu¬ 
ständigen Minister ersuchen, die Aufhebung der Grabungen anzuordnen und durch 
die Regierung das Recht der Ausgrabung ausüben zu lassen, unter dem Vorbehalt 
und unter den in den §§ 7, 8 und 9 vorgesehenen Bedingungen. Diese Massregel 
ist dem Leiter der Ausgrabungen mitzuteilen. Die Aufhebung der Arbeiten durch 
den Minister kann aber nur dann erfolgen, wenn die Regierung die Ausgrabungen 
amtlich fortzusetzen beabsichtigt. Die Grabungen müssen aufhören, sobald der 
Leiter der bisherigen Grabungen von dieser Massnahme in Kenntnis gesetzt ist. 

Das bindende Verbot der Ausgrabungen darf drei Monate nicht überschreiten. 
Wenn nach Ablauf der Frist keine Entscheidung getroffen ist, die dem Staate die 
Grabungen sofort fortzusetzen erlaubt, dann darf der Unternehmer die unter¬ 
brochenen Arbeiten wieder aufnehmen und die Bestimmungen des vorliegenden § 
sind dann nicht mehr anwendbar. Die Grabungen bleiben aber immer der 
Überwachung und ihren Folgen unterworfen. 

Während der Aufhebung der Arbeiten hat der Minister das Recht, an Ort 
und Stelle nach Benachrichtigung des Leiters der Ausgrabungen und nachdem er 
ihn zur Teilnahme eingeladen hat, jede Erkundigung vornehmen zu lassen und das 
Gelände, bei dem es für nötig gehalten wird ,besichtigen zu lassen. 

§ 4. Der zuständige Minister kann im Namen der Regierung und im Inter¬ 
esse der öffentlichen Sammlungen Fundstücke, die von Ausgrabungen, wie sie in 
den vorhergehenden §§ näher bezeichnet sind, herrühren, in Anspruch nehmen. 


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IV. Nachrichten. 


327 


Diese Einforderung muss während der Ausübung der Ausgrabungsarbeiten statt¬ 
finden. Sie erfolgt mittels Schriftstückes, welches das Fundstück genau bezeichnet 
und das dem Leiter der Ausgrabungen mit Unterschrift des Ministers zugeht in 
den nächsten vierzig Tagen, seit der Überwachende der Grabungen oder der Maire 
der Commune, gemäss § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887, Kenntnis von dem 
Funde erhalten hat. Vom Datum des Schriftstückes ab ist das Fundstück unver¬ 
äusserlich, bis es auf seinen Wert abgeschätzt ist und der Minister unter folgenden 
Bedingungen es in seinen Besitz genommen hat: 

Die vom Staate zu zahlende Entschädigung wird dem Werte des Fundstückes 
entsprechend in Ermanglung gütlicher Übereinkunft durch zwei Sachverständige fest¬ 
gesetzt, von denen der eine vom Minister, der andere vom Leiter der Ausgrabung 
gewählt wird. Können beide Sachverständige sich nicht einigen, dann hängt die 
Entscheidung von einem von ihnen gewählten Schiedsrichter ab. Falls die eine 
Partei keinen Sachverständigen aufstellt oder die Sachverständigen sich über die 
Wahl eines Schiedsrichters nicht haben einigen können, dann wird der Schiedsrichter 
vom ersten Präsidenten des Cour d’appel de la circonscription ernannt. Das 
Schiedsrichteramt kann in jedem Falle auch einer Kommission von Schiedsrichtern 
übertragen werden. Die Kosten fallen immer der Staatskasse zur Last. 

Von dem Tage ab, an dem der Wert des Fundstückes festgesetzt ist, hat der 
Minister eine dreimonatliche Frist, um von den gekauften Fundstücken gegen 
Quittung der erfolgten Bezahlung Besitz zu ergreifen. 

Verstreicht diese Frist, dann erhält der Besitzer freie Verfügung über seine 
Fundstücke zurück. 

Die dem Werte des Fundstückes entsprechende Entschädigung zahlt die Re¬ 
gierung nur dem Leiter der Ausgrabungen, der gemäss § 1 die Mitteilung gemacht 
hat, ohne jegliche Rücksicht auf Verpflichtungen, die auf letzteren fallen könnten, 
z. B. hinsichtlich der Eigentümer von Grund und Boden, oder dritter Personen, für 
die er allein aufzukommen hat. 

§ 5. Im Falle der Anwendung des vorhergehenden § ist der Einsender der 
Mitteilung der Regierung allein verantwortlich. Verträge zwischen dem Leiter der 
Ausgrabung und dritten Personen sind der Regierung nicht im Wege und können 
sie bei der Ausübung der ihr zukommenden Rechte nicht hindern. Die Regierung 
kann durch derartige Verträge auch nicht zur Zahlung von anderen Entschädigungen 
gezwungen werden als diejenigen, die ihr auf Grund des vorliegenden Gesetzes 
zufallen. 

§ 6. Unabhängig von der Anwendung auf Ausgrabung infolge der Aus¬ 
führung der vorhergehenden Bestimmungen geniesst die Regierung ein allgemeines 
Recht auf Vorkauf zu gleichen Preisen bei allen archäologischen oder paläonto- 
logischen Fundstücken, die aus in Frankreich unternommenen Ausgrabungen her¬ 
rühren, sobald ihre Besitzer sie ins Ausland verkaufen wollen. 

Die Veräusserung eines derartigen Fundstückes zu Gunsten einer Gesellschaft 
oder eines ausländischen Privatmannes muss infolgedessen zuvor der Präfektur des 
Departements, wo das Fundstück aufbewahrt wird, angezeigt werden, und die beab¬ 
sichtigten Verkaufsbedingungen angegeben werden. Der Verkauf darf nicht eher 
abgeschlossen werden, als der zuständige Minister in einer dreimonatlichen Frist 
vom Tage der Mitteilung ab gerechnet, keinen Gebrauch von dem der Regierung 
zustehenden Recht des Vorkaufs gemacht hat. 

Der Vorkauf zu gleichem Preise beschränkt sich nur auf die Gegenstände, 
die nicht besonders nach § 4 durch den Staat zurückgekauft werden. 


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IV. Nachrichten. 


II. 

Grabungen, die amtlich von der Regierung vorgenommen werden- 

§ 7. Im Interesse der Archäologie oder Paläontologie darf die durch den zu¬ 
ständigen Minister verkörperte Regierung amtlich auf ihr nicht gehörigem Grund 
und Boden Ausgrabungen vornehmen lassen, unter der Bedingung, dass es sich nicht 
um zu Grundstücken gehöriges, eingezäuntes Land handelt. Jedoch kann die Re¬ 
gierung in Anwendung von § 3 des vorliegenden Gesetzes schon begonnene Aus¬ 
grabungen auf derartigem Lande fortsetzen. 

§ 8. Die von der Regierung kraft § 7 vorgenommenen Ausgrabungen müssen, 
sei es, dass die Regierung die Iniative ergreift, oder dass sie die Grabungen 
eines anderen Forschers fortsetzt, durch einen dem Eigentümer oder gegebenenfalls 
dem Leiter der Ausgrabungen zugehenden Beschluss angezeigt werden. Dieser 
Beschluss tritt in Kraft, sobald der Eigentümer in einer einmonatlichen Frist seine 
Zustimmung abgegeben oder keinen Widerspruch erhoben hat. Der gleiche Beschluss 
ist auch im Falle des § 3 demjenigen mitzuteilen, von dem die Regierung die Nach¬ 
richt über die Ausgrabungen erhielt. 

Das ministerielle Schreiben ist von den nötigen Grundrissen zur Bestimmung 
der Wichtigkeit und der Entwicklung der Arbeiten zu begleiten. Es setzt gleichfalls 
die Frist fest, innerhalb der sie ausgeführt werden sollen. Die Grundrisse und die in 
Vorschlag genommene Zeit sind dem Leiter der Grabungen bekannt zu geben. 

Die Bekanntmachung ist in der Gemeinde anzuschlagen und in zwei Zeitungen 
des Departements zu veröffentlichen. 

Wenn sich in der Folgezeit die Notwendigkeit einer Vergrösserung der Arbeiten 
über die ursprünglich vorgesehenen Grundrisse hinaus und eine Notwendigkeit der 
Verlängerung der Zeit ergibt, ist eine neue ministerielle Bekanntmachung zu er¬ 
teilen und gleichfalls bekannt zu geben. 

§ 9. Falls die Ansichten über die Festsetzung der Entschädigungen, die dem 
Eigentümer des Grund und Bodens für die Ausübung des Rechts der Grabung von 
der Regierung gezahlt werden müssen, auseinandergehen, ist die Regierung ver¬ 
pflichtet, ihm einen Grundzins zu zahlen, der gleichzeitig den Schaden, den das 
Land durch die Umwühlung erlitten hat, und die freie Verfügung über die Fund¬ 
stücke der Grabung aufwiegt. Es muss ferner den Entschädigungen, die der Eigen¬ 
tümer selbst noch schuldig ist, und ferner allen denen, die Ansprüche auf Zinsen 
von dem Lande geltend machen, oder anderen derartigen Ansprüchen Rechnung ge¬ 
tragen werden, vorausgesetzt, dass diese rechtzeitig angemeldet werden. 

Die Höhe dieses Grundzinses und gegebenenfalls seine Verteilung werden 
vom Tribunal civil festgesetzt und zwar durch die Spezialkommission, die durch 
Gesetz vom 21. Mai 1856 über die Vizinalwege eingesetzt ist. Jede von beiden 
Parteien hat das Recht, in diese Kommission einen Sachverständigen zu senden, 
der an der Entscheidung teilnimmt. Die Interessen derjenigen, die Entschädigungen 
zu fordern haben, werden durch den Eigentümer vertreten, und er ist auch allein 
verantwortlich, wenn er ihre Ansprüche bekanntzugeben unterlassen hat. 

Kein besonderer Schadenersatz ist zu zahlen, wenn die Regierung gemäss 
§ 3 die Ausgrabungen, die ein anderer angefangen hat, fortsetzt. 

§ 10. Auf Bericht des Präfekten kann der zuständige Minister gleichfalls die 
Enteignung von Grund und Boden vornehmen, auf dem Ruinen, Inschriften, Natur¬ 
denkmäler oder Denkmäler der Archäologie oder Paläontologie vorhanden sind. 

Die Enteignung erfolgt im ganzen oder teilweise gemäss den Bestimmungen 
des Gesetzes vom 3- Mai 1841. 


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III. 

Strafen. 

§ 11. Die Übertretungen des vorliegenden Gesetzes werden mit einer Geld¬ 
strafe von 200—1000 Francs bestraft. Der § 463 des Strafgesetzbuches ist auf sie 
anwendbar. 

Diese Strafen können eintreten, wenn Arbeiten in Verletzung des § 3 aus¬ 
geführt sind oder wenn über Fundstücke entgegen den Vorschriften der §§ 4—6 
verfügt worden ist, oder im Falle von Beschädigungen. 

IV. 

Allgemeine Bestimmungen. 

§ 12. Die Verfügungen des § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887 werden 
nicht aufgehoben. 

Die anderen Verfügungen dieses Gesetzes sind ohne Rücksicht auf die im 
Vorigen mitgeteilten Bestimmungen anzuwenden auf Gelände oder auf Fundstätten, 
die Ruinen, Inschriften, Fundgegenstände oder Naturdenkmäler von archäologischem 
oder paläontologischem Interesse enthalten. 

§ 13. Die Grundrisse, Protokolle, Zeugnisse, amtlichen Bekanntmachungen, 
Gutachten, Verträge, Quittungen und andere kraft dieses Gesetzes entstehenden 
Akten werden durch Stempel beglaubigt und einregistriert, wenn ihre förmliche 
Einregistrierung notwendig erscheint. 

§ 14. Eine Verordnung der Regierung wird die Ausführungsmassregeln 
dieses vorliegenden Gesetzes bestimmen. 

Das Gesetz findet wie die übrigen Massregeln der Regierung seine Anwen¬ 
dung in Algerien, in den Kolonien und, falls es nötig ist, in den Ländern des 
Protektorats, unter den gleichen Bedingungen und gemäss den durch die Ver¬ 
ordnung festgesetzten Formen. 

Gegeben zu Paris am 25. Oktober 1910. 

Unterzeichnet vom Präsidenten der Republik A. Fallieres, durch den 
Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus Aristide Briand 
und durch den Minister des Unterrichts Gaston Doumerque. 


Sollte dieser Gesetzentwurf von der französischen Kammer angenommen 
werden, so würde allerdings jede Freiheit für Ausgrabungen unterbunden, jedes, 
doch so notwendige, selbständige Vorgehen auf diesem Gebiete der Forschung lahm 
gelegt sein. Darum haben sich die hauptsächlich hier in Betracht kommenden 
Instanzen, die Societe Prehistorique de France und die Societe d’Anthropologie de 
Paris, denen sich vielleicht noch die Societe de Geologie anschliessen wird, zu 
gemeinsamem, einmütigen Einspruch gegen diesen Gesetzentwurf zusammengetan, 
um damit, wenn möglich, zu verhindern, dass er eine unabänderliche Tatsache würde. 

Durch die Freundlichkeit unseres französischen Korrespondenten bin ich in 
der Lage, den Wortlaut des Einspruchsbeschlusses der Societe Prehistorique de France 
hier mitteilen zu können. Es heisst da: 

„In Anbetracht, dass die heutige Gesetzgebung durch das Gesetz vom 30. März 
1884 bereits vollkommen gerüstet ist, die Erhaltung derjenigen archäologischen 
Gegenstände zu sichern, die für unser Vaterland einen besonderen Wert besitzen; 

dass es äusserst gefährlich wäre, den Eifer der freien Ausgräber anzutasten, 
die unsere nationalen Sammlungen tagtäglich durch edelmütigste Schenkungen 
bereichern; 


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IV. Nachrichten. 


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dass die schönsten Entdeckungen und die wichtigsten Sammlungen unserer 
Museen jenen bescheidenen Gelehrten verdankt werden, unter nur Namen wie 
Boucher de Perthes, Piette, Emile Riviere, Marquis de Vibraye, Frederic Moreau, 
Baron de Baye, J. Mila, d’Acy, u.s. w. erwähnt zu werden brauchen; 

dass, wenn man gewissen allerneusten Klagen Genugtuung geben zu müssen 
glaubt, es auf alle Fälle genügt, den Artikel 14 des Gesetzes vom 14. März 1887 
durch folgende Zustände zu vervollständigen: 

1. Kein archäologischer oder paläontologischer Gegenstand, der einen nationalen 
Wert besitzt, darf ohne besondere Genehmigung des zuständigen Ministers die 
französische Grenze überschreiten; 

2. Im Falle eines Verkaufs wichtiger archäologischer oder paläontologischer 
Gegenstände kann der Staat ein Vorkaufsrecht ausüben; 

3. Jeder Fremde, der Ausgrabungen vorzunehmen wünscht, muss die mini¬ 
sterielle Genehmigung nachsuchen; 

erhebt die Societe P. de France Einspruch . . . .“ 

G. K. 


Todesfälle. 

Heinrich Zimmer. 

Am 29. Juli 1910 starb nach langem Leiden zu Hahnenklee im Harz, woselbst 
er nach eigenem Wunsche auch in die Erde gebettet ist, unser berühmtes Mitglied, 
der bedeutendste Vertreter der keltischen Sprach-, Literatur- und Sagenforschung 
der Berliner Universitätsprofessor und Akademiker, Geheimrat Dr. Heinrich ZIMMER 
(geb. 11. Dez. 1856). Ursprünglich Germanist, dann Indogermanist und Sanskritist 
— ich erinnere an sein bekanntestes Jugendwerk „Altindisches Leben“ (1879) — 
war er in seiner Forschung sehr bald ausschliesslich Keltist geworden. Mit bewun¬ 
dernswerter Energie und mit grösstem Erfolge bemächtigte er sich der keltischen 
Literaturgeschichte, besonders der Heldensage und dadurch gewann er mit der 
frühen Kulturgeschichte Galliens und Irlands nahe Fühlung. Eine auch für 
unsere Bestrebungen wichtige Schrift, seine akademische Abhandlung über den 
gallo-römischen Weinhandel habe ich schon in der Maisitzung des Jahres 1909 der 
Berliner Zweiggesellschaft vorgelegt (Mannus II, 306). Eine Fortsetzung dieser 
schönen Studien „über direkte Handelsbeziehungen Westgalliens mit Irland im 
Altertum“ ist nach seinem Tode, gleichfalls in den Sitzungsberichten der Berliner 
Akademie, erschienen. Ich hebe darin besonders No. 5 hervor, der dem „west- 
europäisch-irischen Handelsverkehr im 1. Jahrh. vor Chr.“, namentlich dem Zinn¬ 
handel gewidmet ist. Hoffentlich kann auch noch die 6. Studie über den phönizischen 
Handet nach Irland druckfertig gemacht werden, während wir wohl auf die weiter 
vorbereiteten beiden Reihen über die Einwanderung der Kelten nach den britischen 
Inseln und über ihre vorkeltischen Bewohner wehmütig Verzicht leisten müssen. 
Bei diesen Forschungen musste ZIMMER naturgemäss auch der vorgeschichtlichen 
Archäologie näher treten und bei seinen weiteren Studien wäre er sicher in ein 
noch engeres Verhältnis zu unseren Arbeiten gekommen. Wir betrauern in ihm 
eines der Mitglieder, die freudigen Herzens an der Begründung unserer Gesellschaft 
sich beteiligten. 


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IV. Nachrichten. 


331 


Emil Torger. 

Am 3. August 1910 starb unser Mitglied Zahnarzt Emil TORGER aus Halberstadt 
während eines Erholungsaufenthalts zu Maltsch in Schlesien. Er war der Leiter 
der vorgeschichtlichen Abteilung des 1905 eröffneten Stadtmuseums in Halberstadt 
und hat sich ebenso um die Begründung wie um die Vermehrung der ihm unter¬ 
stellten Abteilung die ausgezeichnetsten Verdienste erworben. Andauernd hielt er 
mich durch eingehende Berichte über seine Ausgrabungen auf dem Laufenden und 
diese Treue übertrug er auch auf unsere Gesellschaft, deren Hauptversammlung er 
für 1910 gern in Halberstadt vorbereitet hätte, ein Wunsch, dem ich bei dem Wett¬ 
bewerb anderer überlegener Ortschaften nachzugeben freilich nicht in der Lage war. 


Heinrich Kofler. 

Am 25. November 1910 verschied zu Darmstadt Hofrat Heinrich KOFLFR, der Leiter 
der vorgeschichtlichen Kabinettssammlung in Darmstadt, die der Verstorbene durch zahl¬ 
reiche Ausgrabungen vermehrt hat, unter denen die der Hügelgräber in der Koberstadt 
und im Kranichsteiner Park aus den Jahren 1890—1901 sehr bekannt wurden, da 
sich an ihnen der Grossherzog von Hessen, der Kaiser von Russland und zahlreiche 
andere allerhöchste Herrschaften zu beteiligen pflegten. Veröffentlicht sind die 
Untersuchungen dieser meist in der älteren Bronzezeit errichteten, hauptsächlich 
aber in der älteren Hallstattzeit zu Nachbestattungen benutzten Grabhügel in den 
Quartalsblättern des Historischen Vereins für das Grossherzogtum Hessen (1890, 
dann N. F. Bd. I, 11), und im Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde 
(Bd. III, 2). An letztgenannter Stelle finden sich auch die wichtigen Arbeiten über 
die „Befestigungen der Hallstattzeit in der Koberstadt“, sowie über die „Ausbreitung 
der Latene-Kultur in Hessen“ (Archiv Bd. III 1, nebst 2 Karten), eine Ergänzung zu 
seiner „Archäologischen Karte von Hessen“, die 1890 und 1899 im 1. und 2. Bande 
des hessischen Archivs erschienen war und alle hessischen Funde bis zum Jahre 
s 1895 verzeichnet. 


Angelo Mosso. 

Am 24. November, wenige Tage nach seiner Ernennung zum Mitgliede der 
Berliner Akademie der Wissenschaften, starb in seiner Vaterstadt Turin der berühmte 
Physiologe Angelo MOSSO. Geboren am 31. Mai 1846, wurde er nach beendigtem 
Studium in Leipzig ein Schüler des grossen Physiologen Karl LUDWIG und stets 
hat er in seinen Forschungen die Lebhaftigkeit südländischer Phantasie mit der 
glänzenden Methodik deutschen Geistes erfolgreich vereinigt. Seine hervor¬ 
ragende Darstellungsgabe trug ihm in seinem Vaterlande den Beinamen des 
‘physiologo poeta’ ein. Allgemein bekannt sind seine bedeutenden Werke über 
den Kreislauf des Blutes im Gehirn (1881), die Temperatur des Gehirns 
(1894), die Furcht (1889), die Ermüdung (1892). In den letzten Jahrzehnten war 
sein Hauptstudium die Beeinflussung der Körperfunktionen durch den Aufenthalt 
im Hochgebirge (Der Mensch in den Hochalpen, 1899), ein Studium, dem das von 
ihm ins Leben gerufene internationale Laboratorium auf dem Monte Rosa, das 
„Institut Mosso“, ausschliesslich gewidmet ist. Seit 5 Jahren litt MOSSO an der 
Krankheit, der er jetzt erlegen ist und gegen die er in den letzten Jahren durch 
lange Erholungsreisen im Mittelmeer, zuerst auf Sizilien, dann auf den griechischen 
Inseln und bis nach Kleinasien hin anzukämpfen suchte. Unterwegs betätigte er 
sich eifrigst an vorgeschichtlichen Ausgrabungen, besonders auf Kreta, wo er im 
Verein mit der unter HALBHERR stehenden italienischen Mission in Phaistos die 


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332 


IV. Nachrichten. 


neolithische Schicht aufdedcte (Monumenti antichi 19, 1908). Gleichzeitig veröffent¬ 
lichte er Studien über .»weibliche Idole und Tierfiguren neolithischer Zeit* (Memorie 
d. R. Accad. di Torino 58, 1907), „Fischwirbel und menschliche Oberschenkelknochen 
als Amulette“ (Atti der Turiner Akademie 42, 1907), „Vorgeschichtliche Schädel vom 
Forum Romanum“ (Not. degli Scavi 1905). In umfassender Weise untersuchte er 
die primitiven Metallgeräte der frühminoischen Periode Kretas mittels chemischer 
Analyse und stellte dadurch fest, dass diese Kultur (wie also auch die parallel 
laufende ältere Kykladenkultur, nebst Troja II) in der Hauptsache eine reine 
Kupferzeit gewesen sei (so dass also die neuestens von H. SCHMIDT versuchte 
Parallelsetzung dieser Zeit mit mitteleuropäisch Aunetitz von vornherein verfehlt war). 
Auch zeigte er, dass auf Kreta (Chrysocamino bei Gurnia) der Kupferbergbau weit 
älter gewesen sei, als auf Cypem, wie auch die primitiven Kupferbarren von Hagia 
Triada bewiesen („Die ältesten Waffen von Kupfer und Bronze“, Memorie d. R. 
Accad. d. Lincei (5) 12, 1908). Weitere Ausgrabungen veranstaltete er dann auf 
Sizilien in der Nähe von Girgenti (Memorie der Turiner Akademie 59, 1908 und 
Monumenti antichi 18. 19, 1908. 1909). Diese zahlreichen und trefflichen Einzel¬ 
schriften, bei denen man wenig daran erinnert wird, dass sie von einem blossen Lieb¬ 
haber herrühren, verarbeitete er alsbald in eine Reihe von Werken von so reizvoller 
Darstellung und so reicher, gutgewählter Bildausstattung, dass man sie mit wahrem 
Genuss liest. 

Als solche sind zu nennen: 

The palaces of Crete and their builders. London 1907 (von diesem Werke 
ist mir nur die bekanntere englische Ausgabe zugänglich gewesen). 

La Preistoria. I. Escursioni vel Mediterraneo e gli scavi di Creta. Milano 1907 
(eine 2. Auflage mit 3 neugeschriebenen Kapiteln hat MOSSO 
bereits 1909 angekündigt). 

II. Le origini della civiltä mediterranea. Milano 1910. 

III. (noch nicht erschienen) Gli Italiani dell' etä della pietra 
alla prime colonie elleniche. 

Die Tatsache, dass im italienischen Volke, selbst Oberitaliens, der Rasse nach 
verhältnismässig nur noch geringe Bestandteile indogermanischen Geblütes sich 
erhalten haben, zeigt sich unbewusst in den mangelnden Sympathien Italiens für 
Mittel- und Nordeuropa, bei Angelo MOSSO aber, der soviele Skelette minoischer 
Zeit untersucht hat, bewusst in der satten Befriedigung, mit der er in allen seinen 
Schriften als Schlusseffekt die hinreichend bekannte Tatsache auseinandersetzt, dass 
die Träger minoischer Kultur keine Indogermanen gewesen wären, womit er dann 
die doch recht fragwürdige, wenn heute auch stark verbreitete Anschauung verbindet, 
die heutige europäische Kultur beruhe auf der kretisch-mykenischen. 

Oi Ri 


Der Vorsitzende Universitätsprofessor Dr. Gustaf KOSSINNA, ebenso unser 
Mitglied Universitätsprofessor Dr. Oskar FLEISCHER wurden zu Auswärtigen Mit¬ 
gliedern der «Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt“ ernannt. 


Unser Mitglied, der wissenschaftliche Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrich-Museum 
zu Posen, Erich BLUME, hat am 14. Oktober bei der philosophischen Fakultät der 
Universität zu Berlin durch eine ausgezeichnete Dissertation „Die Germanischen 
Stämme und die Kulturen zwischen Oder und Passarge zur römischen Kaiserzeit* 


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IV. Nachrichten. 


333 


die Doktorwürde erlangt. Von der Dissertation liegen nur die ersten vier Kapitel 
gedruckt vor. Das ganze umfangreiche Werk wird als 3. Band der Forschungen zur 
Früh- und Vorgeschichte Europas, herausgegeben von Professor Dr. Gustaf 
KOSSINNA, erscheinen. 


Am 1. Januar 1911 wurde Dr. Erich BLUME, bisher wissenschaftlicher Hilfs¬ 
arbeiter beim Kaiser-Friedrich-Museum in Posen, als Direktorialassistent eben¬ 
daselbst angestellt. 


Das neu zu begründende grosse Paläontologische Institut in Paris, 
genauer „Institut für Paläontologie des Menschen“, wofür Fürst Albert von Monako 
dem französischen Unterrichtsministerium l l /s Millionen Franken zur Verfügung 
gestellt hat, wird geleitet werden von einem Verwaltungsrat, einem Arbeitsausschuss 
und mehreren Arbeitskräften. Dem Verwaltungsrat gehören ausser dem Fürsten 
selbst an: die Staatsräte DISL&RE und E. MEYER, die Professoren am Pariser 
‘Museum’ BOULE (Paläontologe) und VERNEAU (Anthropologe), ferner Salomon 
REINACH, Conservator in St. Germain en Laye und Geheimrat Louis MAYER in 
Monako. Zum Direktor des Instituts ist BOULE ernannt worden, zu Professoren 
des Instituts Professor H. BREUIL aus Freiburg (Schweiz) für vorgeschichtliche 
Ethnographie und Privatdozent Dr. H. OBERMAIER aus Wien für Geologie als 
Hilfswissenschaft der Vorgeschichte. 


Nachtrag zu S. 332: ANGELO MOSSO. 

Sofort sei hier noch nachgetragen, dass der 2. Band des Werkes La Preistoria 
von A. MOSSO soeben in englischer Übersetzung erschienen ist unter dem Titel: 
The dawn of mediterranean civilization, translated by M. HARRISON. London 1910. 


Mit Beginn des Jahres ist das Amt unseres Schatzmeisters aus 
den Händen des Herrn Dr. BORDES in die des Herrn Ernst 
SNETHLAGE in Berlin, Quitzowstr. 123 übergegangen. Bei allen 
Verhandlungen über Geldsachen innerhalb der Gesellschaft wolle 
man sich nicht, wie es noch immer durchgängig, aber missbräuchlich 
geschieht, an den Vorsitzenden, sondern stets an den Schatzmeister 
wenden. Ausserdem machen wir auch hier auf beiliegenden Streifen aufmerk¬ 
sam, der die künftige Art der Einziehung der Mitgliederbeiträge bekannt gibt. 


Die dritte Hauptversammlung der Gesellschaft wird laut Beschluss des 
Ausschusses vom 31. Juli 1910 Anfang August 1911 zu Koblenz stattfinden. 
Leiter des Ortsausschusses ist unser Ausschussmitglied Adam GÜNTHER, Vor¬ 
steher des Städtischen Tiefbauamtes in Koblenz-Lützel, Triererstr. 122. 


Mannus, Bd. II. Heft 4. 


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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte 
1. Januar 1911. 


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Vorstand. 

Kossinna, 1. Vorsitzender Alb recht, 1. Schriftführer 

Bezzenberger, 2. „ Wilke, 2. ,, 

Reimers, 3. „ Wüst, 3. „ 

Snethlage, Schatzmeister. 


Ausschuss. 


1. —7. die Mitglieder des Vorstandes. 


8. E i ch ho r n , Jena. 

9. Feyerabend, Görlitz. 

10. Günther, Koblenz-Lützel. 

11. Hahne, Hans, Hannover. 


12. Höf er, Wernigerode. 

13. Rademacher, Köln. 

14. Schmidt, R. R., Tübingen. 

15. Walter, Stettin. 


Mitglieder. 

A. Lebenslängliche. 

1. S. Kgl. Hoheit Ernst August, Herzog von Cumberland, Gmunden (1909). 

2. #1 ) Vom Rath, Emil, Geh. Kommerzien-Rat, Köln (1909). 

B. Jährlich zahlende. 

3. *Albrecht, Gustav, Dr. phil., Städtischer Bibliothekar, Charlottenburg, 
Wallstrasse 51II (1909). 

4. Almgren, Oskar, Dr., Dozent an der Universität, Upsala (1909). 

5. Altertümersammlung, Städtische, Göttingen (1909). 

6. Altertu msgesellschaf t, Graudenzer, Graudenz (1909). 

7. Altertumsgesellschaft Prussia, Königsberg i. Pr. (1910). 

8. Altertumsverein, Schlesischer, Breslau (1909). 

9. Altrichter, Karl, Rechnungsrat, Niederschönhausen b. Berlin, Blücherstr. 25 (1909). 

10. A r m st r o n g, E. C. R., Assistant of Irish Antiquities Department, Dublin, 
National-Museum (1911). 

11. Arne, T. J., Assistent am Mus. vaterl. Altert.. Stockholm (1909). 

12. Asmus, Rudolf, Dr. med., Teterow i. M. (1909.) 

13. Auerbach, Alfred, Rektor, Vorstand d. Städt. Mus., Gera (Reuss) (1909). 

14. Baldes, Prof., Birkenfeld (Fürstentum) (1909). 

15. *Baum, Albert, Museumsdirektor, Dortmund (1909). 

16. Baumann-Seyd, Frau A., Hamburg, Jordanstr. 36 (1910). 

17. Baumert, Paul, stud. phil., Spandau, Potsdamerstr. 29 (1909). 


l ) Ein Stern * bezeichnet die Gründer der Gesellschaft. 


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Mitgliederverzeichnis. 


335 


18. *Baumert, Prof. Dr. f Bromberg (1909). 

19. Beaupre, Jules, comte, Nancy, rue de Serres 2 (1909). 

20. Behm, Sanitätsrat Dr. med., Berlin NW. 6, Luisenplatz 6 (1909). 

21. *Belck, Waldemar, Dr. phil., Frankfurt a. M., Baumweg 62 (1909). 

22. *Beltz, Robert, Prof. Dr., Museumsvorstand, Schwerin i. M. (1909). 

23. Be re nt, Anna, Schmargendorf, Spandauerstr. 1a (1909). 

24. Bergen, v., Frau, Magdeburg, Lennestr. 11 (1909). 

25. Berger, Paul, Merseburg, obere Bergstr. 5 (1909). 

26. Beringuier, Richard, Amtsgerichtsrat Dr., Berlin W. 62, Nettelbeckstr. 21 (1909). 

27. Berner, Ulrich, stud. phil., Berlin NW. 5, Stephanstr. 4 (1909). 

28. *Bezzenberger, Adalbert, Geh.-R. Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Steind. 
Wall V* (1909). 

29. Bibliothek, Kgl. öff., Dresden (1909). 

30. Bibra, Freiherr v., Major a. D., Hannover, Jungfernplan 10 (1909). 

31. *Bieder, Theodor, Hamburg-Eilbeck, Eilbecktal 54 (1909). 

32. Blanckenhorn, Max,Prof.Dr.,Berlin-Halensee, Joachim-Friedrichstr.57(1909). 

33. Blasius, Wilhelm, Geh. Hofrat Prof. Dr., Braunschweig (1909). 

34. # Blume, Erich, Dr., Mus.-Assist., Posen, Ritterstr. 9 II (1909). 

35. *Blume, Karl, Rentier, Steglitz, Fichtestr. 11 (1909). 

36. *B odenstab, E., Apotheker, Neu-Haldensleben (1909). 

37. *Borchling, Konrad, Professor am Kolonialinstitut Dr., Hamburg (1909). 

38. *Bordes, Otto, Dr., Zahnarzt, Berlin W., Nürnbergerstr. 8 (1909). 

39. Bork, Ferdinand, Oberlehrer, Königsberg i. Pr., Tiergartenstr. 1 (1909). 

40. Boseck, Karl, Dr. med., prakt. Arzt, Stolp (Pomm.), Blücherpl. 9 (1909). 

41. *B rächt, Eugen, Geh.-R. Prof., Dresden, Franklinstr. 3b (1909). 

42. Brandenburg, Erich, Dr., Konstantinopel, Poste allemande (1909). 

43. Brandes, Hotelbesitzer, „Deutsches Haus“, Bergen b. Celle (1999). 

44. Bredow, Karl Frh. von, Hauptm. a. D., Rittergutsbesitzer, Dom. Vietznitz bei 
Friesack (1910). 

45. Bünte, W., Dr., Zeven (Hannover) (1909). 

46. # Busse, Hermann, Rentier, Woltersdorfer Schleuse b. Berlin (1909). 

47. Busse, v., Landschaftsrat, Latkowo b. Hohensalza (1909). 

48. Cämmerer, Prof. Dr., Arnstadt i. Th. (1909). 

49. Carstenn, Edward, Dr., Elbing, Spiringstr. 301 (1909). 

50. Cederhvarf, B., Mag. phil., Helsingfors, Skatuddsg. 1 (1909). 

51. Cervinka, J. L., Ingenieur, Kojetein (Mähren) (1909). 

52. Dechelette, Joseph, Conservateur du Musee, Roanne (Loire), Frank¬ 
reich (1909). 

53. Demetrykiewicz, Wladimir, Prof. Dr., Krakau, Smolenskgasse 19 (1909). 

54. Diels, Paul, Univ.-Prof. Dr., Prag-Smichow, 741, Kreuzherrng. 1 (1909). 

55. Dorr, R., Prof. Dr., Elbing, Inn. Mühlendamm 34 (1909). 

56. Drevin, Apotheker, Halle a. S., Wielandstr. 12 II (1909). 

57. Dublange, pharmacien, Le Fleix (Dordogne) Frankreich (1910). 

58. ^Eichhorn, Gustav, Dr. med., Mus.-Konservator, Jena (1909). 

59. Exsteens, Louis, Brüssel, rue de Loxum 21 (1909). 

60. Ey, Ludwig, Buchhändler, Hannover, Langelaube (1909). 

61. Faden, Eberhard, stud. phil., Berlin, Stephanstr. 35 (1909). 

62. *Feist, Sigmund, Dr., Berlin N. 54, Weinbergsweg 13 (1909). 

63. *Feyerabend, Luc’wig, Mus.-Dir., Görlitz (1909). 

64. Fiddicke, Dr. med., Freienwalde a. O. (1909). 

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336 


Mitgliederverzeichnis. 


65. *Fischer, Rieh., Hamburg 20, Eppendorfer Landstr. 130 (1909). 

66. Fischer, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Freiburg i. Br. (1909). 

67. Fischer vonMollard, Hauptm. d. Res., Dominium Gora, Kr. Jarotschin (1909). 

68. Fleischer, Oskar, Univ.-Prof., Berlin W., Motzstr. 17 (1909). 

69. Florschütz, Prof. Dr., Gotha (1909). 

70. *Forrer, Robert, Dr., Strassburg i. E., Universitätsstr. 3 (1909). 

71. Förster, Max, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Sedanstr. 4 (1909). 

72. Franck, Ernst, Frankfurt a. M., Marschnerstr. 2 (1909). 

73. *Franke, Ernst, Rittergutsbesitzer, Rohrsheim b. Halberstadt (1909). 

74. Freystedt, Alvin, Landesbauinspektor, Posen, Königsplatz 6 III (1909). 

75. Friedemann, Traugott, Oberlehrer, Einbeck (1911). 

76. Fritze, Oberbaurat, Meiningen (1910). 

77. Fr öd in, Otto, Dr., Alvastra (Schweden) (1909). 

78. *Fuhse, Mus.-Direktor Dr., Braunschweig (1909). 

79. *Gädcke, Karl, Prof., Salzwedel (1909). 

80. Genthe, Theod., Dr., Berlin-Wilmersdorf, Kaiser Allee, Ecke Güntzelstr. (1909). 

81. Gesellschaft, Deutsche f. Kunst u. Wissensch-, Abt. f. Geschichte, (Hist. Ges. 
f. d. Netzedistr.) Bromberg (1909). 

82. Gesellschaft, Naturhistorische, Nürnberg (1909). 

83. Gesellschaft, Oberlausitzer, f. Anthropologie und Urgeschichte, Bautzen (1909). 

84. Gibasiewicz, Pfarrer, Siedlemin, Post Golina (Kr. Jarotschin) (1909). 

85. Girke, Georg, stud. phil., Berlin, Potsdamerstr. 117 (1909). 

86. Goecke, Theodor, Landes-Baurat, Prov. Konservator, Professor, Berlin W. 10, 
Königin Augustastr. 1911 (1909). 

87. Götze, Alfred, Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde, Steglitzerstr. 42 (1909). 

88. Goldmann, Karl Eduard, Kaufmann, Neutomischel (Posen) (1909). 

89. Gold sehe, Gustav, Stadtältester, Friesack (Mark) (1909). 

90. Goury, Georges, Conservateur au Muvee Lorrain, Nancy, rue des Tier- 
celins 5 (1909). 

91. Graef, Josef, Juwelier, Kronstadt (Siebenbürgen), Pürzengasse (1910). 

92. Graefe, Holm, Ingenieur, Hannover-Linden, Davenstedterstr. 311 (1909). 

93. Graf, C. Eberhard, stud. phil., Berlin-Steglitz, Peschkestr. 16 (1909). 

94. Guebhard, A., Professor Dr., Präsident der Societe Prehistorique de France, 
Paris V, Rue de l’abbe de l’epee 4 (1909). 

95. *Günther, A., Vorsteher des Städt. Tiefbauamtes, Coblenz-Lützel, Trierer¬ 
strasse 122 (1909). 

96. Gutmann, K., Schulvorsteher, Mülhausen i. E., Barfüsserstr. 14 (1909). 

97. *Haake, Dr. med., Braunschweig, Friedrich Wilhelmstr. 7 (1909). 

98. H a cke, Theodor, Eisenbahnbauinspektor a.D., Osnabrück, Heinrichstr.471 (1909). 

99. Hack man, A., Dr., Helsingfors, Fredsgatan 13 (1909). 

100. *Hagen, v. d., Joachim Otto, Rittergutsbesitzer, Schmiedeberg bei Greiffen- 
berg (Uckermark) (1909). 

101. Hahne, Bertha, Frau Kommerzienrat, Hannover, Jägerstr. 7 (1909). 

102. *Hahne, Hans, Privatdozent Dr., Direktorialassistent am Provinzialmuseum, 
Hannover, Jägerstr. 8 (1909). 

103. Hampel, Erich, Dr. med., Bernburg, Kaiserstr. 11a (1909). 

104. Harte, Philipp, Reg.-Assessor Dr., Guben, Haugstr. 13 (1909). 

105. Hartwich, Dr. med., Havelberg (1909). 

106. Hauser, O., Archäologe, Basel (1909). 

107. Heintzel, G., Dr., Chemiker, Lüneburg (1909). 


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Mitgliederverzeichnis. 


337 


108. Heller, Major, Inf.-Regt. 158, Paderborn (1909). 

109. He lim ich, M., Kgl. Landmesser, Breslau V, Brandenburgerstr. 25 (1909). 

110. Hennig, F., Erfurt, Nonnenrain 11 (1910). 

111. Herrmann, Karl, Lehrer, Naumburg (Saale) (1909). 

112. Hess v. W i ch d o rf f, Hans, Dr., Kgl. Geologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909). 

113. Hildebrand, Pfarrer, Leuthen bei Kottbus (1909). 

114. "Hindenburg, Dr. med., Grossbeeren (1909). 

115. Hintze, Georg, Friesack (Mark) (1910). 

116. "Hintze, Robert, Dr., prakt. Arzt, Rheinsberg (Mark), Am Markt 6 (1909). 

117. Hirsch, Dr., Rechtsanwalt, Halle a. S., Händelstr. 20 (1909). 

118. Hobus, Felix, Pastor, Dechsel, Kr. Landsberg a. W. (1909). 

119. "Höf er, Paul, Prof., Dr., Blankenburg a. H. (1909). 

120. Höf er, Lehrer, Römhild (Sachs.-M.) (1910). 

121. Hofbibliothek, Grossherzogliche, Darmstadt (1909). 

122. Hoops, Joh., Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Klingenteich 13 (1909). 

123. Horvath, Dr. med., Hzl. Coburgischer Herrschaftsarzt, Vereskö Gömör 
(Ungarn) (1909). 

124. Hungerland, Lektor, Dr., Lund (1909). 

125. Institut f. Geschichte d. Medizin an der Universität Leipzig, Leipzig (1909). 

126. Institut für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, Leipzig (1910). 

127. "Jäkel, Otto, Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909). 

128. Jaffe, S., Kgl. Ökonomierat, Sandfort b. Osnabrück (1909). 

129. Jahn, Martin, stud. hist., Berlin, Lortzingstr. 38 (1909). 

130. Jekelius, Erich, stud. theol., Kronstadt, Schwarzgasse 17 (1909). 

131. "Jentsch, Hugo, Prof. Dr., Guben (1909). 

132. Jira, Josef Anton, Podbaba bei Prag, Villa Majorka (1909). 

133. Kabitzsch, Curt, Verlagsbuchhändler, Würzburg (1909). 

134. Kade, Apotheker, Römhild i. Th. (1909). 

135. Kaiser Friedrich-Museum, Posen (1909). 

136. Kallius, Erich, Univ.-Prof. Dr., Greifswald, Karlsplatz 17 (1909). 

137. Keller, Apotheker, Dermbach (S.-Meiningen) (1910). 

138. Kellner, Heinrich, Rentner, Köln, Gereonstr. 17—19 (1909). 

139. "Kiekebusch, Alb., Dr. Mädchenschullehrer, Berlin-Karlshorst, Prinz Oskar¬ 
strasse 7 (1909). 

140. Kimakowicz, v., Mus.-Direktor, Hermannstadt (Siebenbürgen) (1909). 

141. Kitzler, G. E., Redakteur der „Mark“, Berlin, Lausitzerstr. 8 (1909). 

142. Klaatsch, Hermann, Univ.-Prof. Dr., Breslau, Anatomie (1910). 

143. Kleist, Otto, Apothekenbesitzer, Friesack (Mark) (1910). 

144. Klepp, Hans, Potsdam, Brandenburgerstr. 48 (1909). 

145. Kling holz, F., Professor, Hannover, Geibelstr. 13 A (1909). 

146. Klittke, M., Mittelschullehrer, Frankfurt a. O. (1909). 

147. Knoke, Friedrich, Prof. Dr., Gymn.-Direktor, Osnabrück, Rats-Gymnasium (1909). 

148. Koch, Julius, Dr., Realgymnas.-Direktor, Berlin-Grunewald (1910). 

149. Korn, Joh., Dr. phil., Bezirksgeologe, Berlin-Wilmersdorf, Bingerstr. 87 (1909). 

150. "Kossinna, Gustaf, Univ.-Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde 3, Karlstr. 10 (1909). 

151. Kossinna, Richard, Justizrat, Nordhausen a. H. (1909). 

152. Krause, Hans, Dr., Döbeln (Sachsen), Schillerstr. 1211 (1909). 

153. Krause, Paul Gust., Dr., Landesgeologe, Berlin, Invalidenstr. 44 (1909). 

154. Krauth, Prof. Dr., Erfurt, Klingenstr. 3 (1910). 

155. Krehan, Rechnungsamtmann, Buttstädt (S.-Weimar) (1910). 


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338 


Mitgliederverzeichnis. 


156. Kreismuseum, Oberharzer, Zellerfeld (1909). 

157. Kreismuseum, Hadersleben (Schleswig) (1910). 

158. *Kropp, Philipp, Jena, Forstweg 31 (1909). 

159. Kümpel, C., Technikumslehrer, Hildburghausen (1910). 

160. Kuntze, Rentmeister, Burgscheidungen bei Tröbsdorf, Kr. Querfurt (1909). 

161. Kunze, K., Prof. Dr., Bibliotheksdirektor, Hannover, Am Archiv 1 (1909). 

162. Lampe, Karl, stud. hist., Jena, Jahnstr. 19 pt. (1909). 

163. Lampe, W., Lehrer, Harriehausen bei Gandersheim (1910). 

164. Lamprecht, Kgl. Rektor, Kaufbeuren (1909). 

165. Landes - und Stadtbibliothek, Düsseldorf (1909). 

166. Landesdirektorium, Hannover (1909). 

167. Landesmuseum, Schweizerisches, Zürich (1909). 

168. Landesverein, Hannoverischer, für Vorgeschichte, Hannover (1910). 

169. *Langerhans, Wilhelm, Landgerichtsrat, Berlin W. 15, Kaiser Allee 221 (1909). 

170. *Le h m a nn - H au p t, Carl Fr., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Marburgerstr. 6 (1909). 

171. *Lemcke, Hugo, Geh. R. Prof. Dr., Stettin, Kantstr. 9 (1909). 

172. Liebmann, Rudolf,Generalz.D.,Charlottenburg,Wilmersdorferstr. 102/3(1909). 

173. *Lienau, M. M., Abt.-Vorstand am Museum, Lüneburg, Villa Waldesruh (1909). 

174. Lillge, F., Dr., Oberlehrer, Bremen, Mathildestr. 31 (1909). 

175. Lilliendahl, F., Kommerzienrat, Neudietendorf b. Erfurt (1910). 

176. Lüders, Dr. med., prakt. Arzt, Neustadt b. P., Kr. Neutomischel (1909). 

177. Lüh mann, H., Oberlehrer, Braunschweig (1909). 

178. Lütcke, Heinr., Dr. phil., Charlottenburg, Bismarckstr. 63 (1909). 

179. Magistrat der Stadt Kottbus, Kottbus (1909). 

180. Magistrat der Res.-Stadt Hannover, Hannover (1909). 

181. *Malachowski, Frau Reg.-Baumeister,Charlottenburg,Lietzenseeufer 11 (1909). 

182. Mankiewicz, Zahnarzt, Graz, Burgring 10 (1910). 

183. Martens, Heinr., Hotelbesitzer, Bergen b. Celle (1909). 

184. *Martin, J., Mus.-Dir. Prof. Dr., Oldenburg (Grossh.) (1909). 

185. Massenbach, Frh. von, Geh. Reg.-Rat, vortr. Rat im Landw. Minist., Berlin- 
Wilmersdorf, Xantenerstr. 4 II (1909). 

186. Matern, Erich, Dr. med., prakt. Arzt, Berlin NW., Turmstr. 66 (1909). 

187. Mente, Kantor, Lüchow, Hannover (1909). 

188. Meyer, Major und Ingenieuroffizier am Platz, Marienburg, Wpr. (1909). 

189. Meyer, C. H., Fabrikbesitzer, Bergen b. Celle (1909). 

190. *Meyer, Rieh. M., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Vossstr. 16 (1909). 

191. Michaelis, Georg, Dr., Berlin W. 15, Knesebeckstr. 44 (1909). 

192. Michaelsen, Militärbauinspektor, Frankfurt a. M., Unterlindau 56 11 (1909). 

193. *Mielke, Robert, Zeichenlehrer, Charlottenburg, Rönnestr. 18 (1909). 

194. Milleker, Felix, Musealkustos, Werschetz (Ungarn) (1909). 

195. Miske, Kalman, Freih. von, Köszeg (Günz) (Ungarn) (1909). 

196. # Möller, Armin, Museumskustos, Weimar, Stadt. Museum (1909). 

197. Mötefindt, H., Wernigerode, Karlstr. 2 (1910). 

198. Mogk, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Grimmaischestr. 32 (1909). 

199. Mohrbutter, Alfred, Professor, Berlin W., Kaiserallee 180 (1910). 

200. Mohrmann, Prof. a. d. technischen Hochschule, Hannover, Herrenhäuser 
Kirchweg 17 (1909). 

201. Montelius, Oskar, Dr., Reichsantiquar, Stockholm (1909). 

202. Morgenstern-Museum, Städtisches, Geestemünde (1909). 

203. Much, Rud., Univ.-Prof Dr., Wien, Penzingerstr. 82 (1910). 


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Mitgliederverzeichnis. 


339 


204. Mühlke, K., Geh. Baurat, Berlin W. 62, Lutherstr. 18 11 (1909). 

205. Müller, O., Apotheker, Friesack (Mark) (1910). 

206. Müller-Brauel, Hans, Schriftsteller, Zeven, Haus Sachsenheim (1909). 

207. Museenvereinigung f. vorgesdiichtl. Landesforschung, i. d. P.Hannover. (1909). 

208. Museum, Bergens, Bergen (Norwegen) (1909). 

209. Museum, Städtisches, Braunschweig, Steintorwall 14 (1909). 

210. Museum, Vaterländisches, Celle (1909). 

211. Museum f. Heimatliche Geschichte und Altertumskunde der Provinz Sachsen, 
Halle a. S. f Domstr. 5 (1909). 

212. Museum, Historisches, des Staates, Helsingfors (Finnland) (1909). 

213. Museum, Schleswig-Holstein., Vaterl. Altertümer, Kiel (1909). 

214. Museum, Städtisches, für Völkerkunde, Leipzig (1909). 

215- Museum für Natur- und Heimatkunde, Magdeburg (1909). 

216. Museum, Szekely Nemzety, Sepsi-Szent-György (Ungarn) (1909). 

217. Museum, Stavanger, Stavanger (Norwegen) (1910). 

218. Museumsgesellschaft, Teplitz-Schönau (Böhmen) (1910). 

219 Museumsverein Goslar, Goslar (1909). 

220. Museumsverein Harburg (Elbe) (1909). 

221 Museumsverein f. d. Fürstentum Lüneburg, Lüneburg (1909). 

222. M useu ms verei n f. d. Reg.-Bez. Osnabrück, Osnabrück (1909). 

223. Museumsverein Pettau, Pettau, Steiermark (1909). 

224. Museumsverein, Altmärkischer, Stendal (1909). 

225. Näbe, F. Max, Leipzig-Gohlis, Luisenstr. 24 (1909). 

226. Nationalmuseum, Kopenhagen (1909). 

227. Niedner, Felix, Prof. Dr., Charlottenburg, Schlossstr. 23 (1910). 

228. Obermaier, Hugo, Dr. Privatdozent der Urgesch. des Menschen, Wien 111, 
Rennweg 31 (1909) 

229. Ol bricht, Konrad, Dr., Geologe, Lüneburg, Wilsenbrucherweg 1 (1909). 

230. Olshausen, Otto, Prof. Dr., Berlin SW., Anhaltstr. 5 (1909). 

231. Osborne, Wilh., Rentier, München, Kaulbachstr. 93 (1909). 

232. Paape, Dr. Prof., Berlin-Schöneberg, Meiningerstr. 3 (1909). 

233. Palliar di, K. K. Notar, Mährisch-Budwitz (Mähren) (1910). 

234. *Pastor, Willy, Schriftsteller, Berlin-Wilmersdorf, Gasteinerstr. 4/5 (1909). 

235. *Peiser, Felix, Univ.-Prov. Dr., Königsberg i. Pr., Goltz-Allee 11 (1909). 

236. Peschei, E., Lehrer, Nünchritz, Bez. Dresden (1910). 

237. Pfau, C., Prof. Dr., Rochlitz (Sachsen) (1909). 

238. Pfeiffer, Ludwig, Geh. Medizinalrat Dr., Weimar (1909). 

239. Pollmann, Lehrer, Diesten b. Sülze (Kr. Celle) (1909). 

240. Polthier, O., Professor, Wittstock (Dosse) (1909). 

241. Pötte rs, Karl, Mag.-Sekretär, Charlottenburg, Pestalozzistr. 42 (1909). 

242. Preuss, Eugen, Bankier, Berlin NW, Flensburgerstr. 2 (1909). 

243. Provinzialmuseum, Hannover (1909). 

244. Qu ei sn er, Hugo, Dr. med , Bromberg, Töpferstr. 14 (1909). 

245. *Rademacher, Carl, Rektor, Vorst, d. prähist. Mus., Köln, Zugweg 44 (1909). 

246. Ratig, Wilhelm, Rendant, Perleberg (1909). 

247. Rauch, W., Inspektor, Helmsdorf, Mansf. Seekreis (1909). 

248. Re hie n, W., Magistratsrat, Nürnberg (1909). 

249. ^Reimers, I., Mus.-Dir. a. D. Dr., Charlottenburg, Lietzenseeufer 8 (1909). 

250. Reisch el, G., Prof. Dr., Hannover, Ifflandstr. 11 (1909). 

251. Reiss, Eugen, Privatier, Berlin, Lindenstr. 112 (1909). 


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340 


Mitgliederverzeichnis. 


252 Rieken, Käthe, Frau Dr., Kottbus, Bahnhofstr. 72 (1909). 

253. Riemschneider, Buchdruckereibesitzer, Hannover, Knochenhauerstr. (1909). 

254. *Rimpau, Rittergutsbesitzer, Anderbeck, Kr. Oschersleben (1909). 

255. Römer-Museum, Hildesheim (1909). 

256. Römstedt, Präzeptor, Bergen b. Celle (1909). 

257. *R o e t h e, Gustav, Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Berlin-Westend, Ahorn-Allee 39 (1909). 

258. Roggenkamp, Hans, Turnlehrer, Eschwege (1909). 

259. Ross, Hochschulprofessor, Hannover, Geibelstr. 25 (1909). 

260. Rossbach, Gustav, Dr. med., Lichtenfels (1909). 

261. Rüchardt, G., Rittergutsbesitzer, Schackenhof b. Bischofswerda (1910). 

262. Ru tot, A., Convervateur, Brüssel, Rue de la Loi 177 (1909). 

263. Sammlung, Städtische naturwissensch., Chemnitz (Stadtmuseum) (1909). 

264. Sammlungen, Grossherzogi. Badische, Karlsruhe, Baden (1909). 

265. Scheidemandel, Dr. med., Hofrat, Nürnberg (1909). 

266. S diel zig, Elisabeth, Hermsdorf (Mark), Schulenburgstr. 2 (1909). 

267. Schemann, Ludwig, Prof. Dr., Freiburg i. B., Maximilianstr. 22 (1910). 

268. Schetelig, Haakon, Dr., Museumskonservator, Bergen (Norwegen), Bergens 
Museum (1909). 

269. *Schliz, Alfred, Dr. med., Hofrat, Heilbronn (1909). 

270. Schmidt, Dr. med., Oberarzt, Städt. Anstalten, Wuhlgarten bei Berlin (1910). 

271. Schmidt, Rob. R., Dr., Tübingen, Geolog. Institut (1909). 

272. ^Schmidt, Erich, Prof. Dr., Bromberg (1909). 

273. Schmidt, Heinrich, Dr., Univ.-Prof., Debreczin (Ungarn), Bethlen Utca 12 (1909). 

274. Schmidt, Hermann, Oberlehrer, Löbau i. S., Eichelg. 1 (1909). 

275. Schnittger, Bror, Museumsassistent, Stockholm 15, National-Museum (1909). 

276. *Schötensack, Otto, Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Blumenstr. 1 (1909). 

277. Schröder, A., Verlagsbuchhändler (Strecker & Schröder), Stuttgart (1909). 

278. Schröder, Arno, Pfarrer, Hainichen b. Dornburg a. S. (1909). 

279. Schröder, Edward, Geh -R., Univ.-Prof. Dr., Göttingen (1909). 

280. Schröder, H., Landesgeologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909). 

281. Schubandt, A., Privatlehrer, Burg bei Magdeburg (1909). 

282. *Schultze, M, Prediger, Fahrenwalde bei Brüssow (1909). 

283. Schul tze, Vict., Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909). 

284. Schulz, Walther, stud. hist., Minden i. W., Rodenbeckerstr. 44 (1909). 

285. *Schulze-Veltrup, Prof. Dr., Berlin NW. 23, Lessingstr. 30 (1909). 

286. Schumann, Gottlieb, Erfurt, Regierungsstr. 39 (1910). 

287. *Schuster, Georg, Archivrat Dr., Berlin-Halensee, Halberstädterstr. 2 (1909). 

288. Schütte, Karl, Berlin W. 66, Leipzigerstr. 13 (1909). 

289. Schwantes, G., Lehrer, Hamburg, Grindelberg 7a (1909). 

290. Schwarz, E, Lehrer, Berlin N., Kastanien-Allee 100 (1910). 

291. Sckerl, Regierungs- und Baurat, Bromberg, Johannisstr. 18 (1910). 

292. Seel mann, Hans, Dr. med-, Dessau, Kavalierstr. (1909). 

293. *Seemann, Otto, Zahnarzt, Berlin, Schönhauser Allee 177 (1909). 

294. Seesselberg, F., Professor, Friedenau-Berlin, Kaiser Allee 108 (1909). 

295. *Seger, Hans, Prof. Dr., Privatdozent, Mus.-Dir., Breslau, Viktoriastr. 117(1909). 

296. Seil mann, Lehrer, Mühlhausen i. Th. (1909). 

297. Seminar, Germanisches, der Universität Berlin (1911). 

298. *Siebs, Theodor, Univ.-Prof. Dr., Breslau XIII, Hohenzollernstr. 53 (1909). 

299. Siedentopf, Dr. med., Magdeburg (1909). 

300. *Sieglin, Wilhelm, Univ.-Prof. Dr., Berlin-Steglitz, Kaiser Wilhelmstr.6 (1909). 


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FRtNCETÖN UNTVER51TY - 



Mitgliederverzeichnis. 


341 


301. Sievert, Heinrich, Gutsbesitzer, Schwanebeck, Kr. Oschersleben (1909). 

302. Sir et, Luis, Ingenieur, Cuevas de Vera, Prov. Almeria, Spanien (1909). 

303. *Snethlage, Ernst, Sekretär, Berlin NW, Quitzowstr. 123 (1909). 

304. So lg er, Friedrich, Dr., Univ.-Prof., Peking (China) (1909). 

305. *S prater, Fr., Dr., Konservator des Historischen Museums, Speier (1909). 

306. Stadtbibliothek, Hannover, Friedrichstr. 16 (1909). 

307. Staffel, San.-Rat Dr., Chemnitz, Langestr. 19 (1909). 

308. Stieda, L., Geh. R. Univ.-Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Schützenstr. 1 (1909). 

309. Stirn ming, R., prakt Arzt, Gr. Wusterwitz b. Brandenburg (1909). 

310. Streitberg, Wilhelm, Univ.-Prof., Dr., München, Isabellastr. 31 11 (1909). 

311. Tallgren, A. M., Magister phil., Helsingfors (Finnland), Histor. Museum des 
Staates (1909). 

312. Tatarinoff, E., Prof. Dr. Direktor d. Hist. Museums, Solothurn (Schweiz) (1909). 
313 Teutsch, Julius, Mus.-Vorstand, Kronstadt - Brasso (Siebenbürgen), Ross¬ 
markt 4 (1909). 

314. Troitzsch, Reinhard, Lehrer, Berlin N. 28, Granseerstr. 7 (1909). 

315. Uni versitätsbibliothek, Königliche, Greifswald (1909). 

316. Un i versitätsb ibliot hek, Königliche, Tübingen (1909). 

317. Vasvarmegyei K u 1 tur-egycsület, Szombathely (Ungarn) (1909). 

318. Vater, Lehrer, Schkeuditz b. Halle a. S. (1910). 

319. Verein für Geschichte und Altertümer, Stade (1909). 

320. Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Erfurt (1909). 

321. Verein für Heimatkunde, Kottbus, Gymnasialstr. No. 8 (1909). 

322. Verein für Heimatkunde für den Kreis Lebus, Müncheberg (Mark) (1909). 
323 Vorwerg, Hauptmann a. D., Warmbrunn (1909). 

324. Waase, Karl, Mittelschullehrer, Neu-Ruppin, Möhringstr. 2 (1909). 

325. Wacken ro der, Dr. phil., Hannover, Prov.-Museum (1909). 

326. Wahle, Ernst, stud. hist., Charlottenburg, Goethestr. 31 III (1909). 

327. *Walter, E, Prof. Dr., Stettin, Friedrich Karlstr. 4 (1909). 

328. Walther, Heinrich, Dr., Landwirtschaftslehrer, Chemnitz, Lotharstr. 9II (1909). 

329. Walther, Max, Architekt, Berlin W. 57, Göbenstr. 2 (1909) 

330. Weise, Julius, Prof. Dr., Amalienau b. Königsberg i. Pr., Harbrückerstr. 12 (1909). 

331. Wels, Postassistent, Friesack (Mark) (1910). 

332. Weiter, Timotheus, Kaiserl. Notar, Metz, Priesterstr. 17 (1909). 

333. Wernert, Paul, stud. rer. nat., Tübingen (Geol. Institut) (1909). 

334. Wiegand, Karl, Zollassistent, Leipzig, Gustav Adolfstr. 42 III (1909). 

335. Wilcke, Max, Dr., Kreisschulinspektor, Zeitz (1909). 

336. *Wilke, Georg, Dr. Generaloberarzt, Chemnitz, Heinrich Beckstr. 56 (1909). 

337. Wilke, Karl, Architekt, Berlin, Grossbeerenstr. 74 (1910). 

338. Winckler, Albert, stud. hist., Charlottenburg, Neue Kantstr. 32 (1909). 

339. Winkelmann, Fr., Dr., Eichstätt (Bayern) (1911). 

340. Witz, Oberleutnant, Ingolstadt, k. bayr. Hauptlaboratorium (1911). 

341. W olff, Kgl. Distriktskommissar, Filehne (1909). 

342. Wolff, Karl Felix, Schriftsteller, Bozen (1909). 

343. Wossidlo, Rieh., Prof. Dr., Waren (Meckl.) (1909). 

344. Wüst, Ewald, Univ.-Prof. Dr-, Kiel (1909). 

345. Zechlin, Konrad, Mus.-Konservator, Salzwedel (1909). 

346. *Zschiesche, Paul, Geh. San.-R. Dr., Erfurt, Walkmühlstr. 6 (1909). 

347. Zschiesche, Amtsrichter, Kölleda, Thüringen (1910). 


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Sachregister 


A bfallgruben, german., a. d. Kaiser¬ 
zeit 1. 

Absatzaxt 211. 

Absplisse von Feuerstein Tafel VII, 46. 

Ackerbau im schwed. Steinzeitalter 141. 

v. Adclson-Berlin t **78. 

Albano, bronzezeitliche Gräber 23, 30. 

Al b re cht-Charlottenburg, 1. Schrift¬ 
führer der D. G. f. V. 280. 

Albrechtsdorf (Kr Breslau), Schnur¬ 
scherben 102. 

Alemannen 200 

Al mg re n-Stockholm an die Universität 
Upsala berufen 280. 

Aloppe (Schweden), Tierzähne als 
Anhänger 132. 

— Keramik 151. 

Aisengemme 229. 

Altäre mit Darstellungen der Planeten¬ 
götter 205. 

Alt-Barnim (Kr. Ober - Barnim), 
neolith. Becher 86. 

A 11 - B u k o w (Mecklenburg), wendische 
Skelettgräber 219. 

Alt-Damerow (Kr. Saatzig), Hünen¬ 
gräber 87. 

Alt-Farpen bei Wismar, bronzezeit¬ 
liche Hügelgräber 215. 

Alt - Friedrichsdorf (Kr. Friede¬ 
berg i. N.), Hünengrab 87. 

Alt-Reetz (Kr. Königsberg i. N.), 
neolith Scherben 87. 

Alvastra (Schweden), Pfahlbau 109. 

Alvensleben (Kr. Neuhaldensleben), 
Spiralkeramik 60. 

Amalienfelde (Kr. Neustadt,Westpr.), 
Schnurscherben 98. 

Amethyst 309. 

Amulet aus Bernstein 65. 

Ancyluszeitliche Funde a. d. Prov. 
Posen 221. 

Andernach, Glockenbecher 57. 

— älteste Nennung des Namens 35. 

— s. Neuwieder Becken. 

Anhänger 224 

— aus Bernstein 228. 

— aus Zähnen gearbeitet 132. 

Ansiedlungen, s. Wohnstätten. 


Anthropologisches zur neolith. 

Bevölkerung Mecklenburgs 209. 
Apfel als Kulturerzeugnis 145. 
Apfelfunde in Skandinavien und 
Mitteleuropa 142, 143, 148. 
Arktische Kulturin Bernburg 65. 
Armbergen 236. 

Armbrustfibel 216. 

Armringe s. Ringe. 
Armschutzplatte aus Stein 105. 
Arnimsheim (Uckermark),Sichel 180. 
Aurignacien v. Kärlich b. Koblenz 45. 

— Metternich b. K. 45. 

— Rhens b. K. 47. 

A u r i g na c - R a s s e 169, 170, 171, 173, 
240. 

Ausgrabungen, Gesetzesentwurf üb. 

A. in Frankreich 323. 

Axelshof (Kr. Demmin), neolith. Grab 

97. 

Äxte, aus Stein 83, 91, 99, 101, 105, 
123, 210, 221, 222, 223, 231. 

— doppelschneidig 124, 146, 148, 149, 
150. 

— bronzezeitlich 223, 224, 232. 
s. Absatzaxt, Randaxt. 

Axthämmer aus Stein 221, 222, 223, 
229 

Badewitz (Kr. Leobschütz), Kragen¬ 
flasche 62, 85. 

Badow b. Wittenburg, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Balga (Kr. Heiligenbeil), neolith. Grab 

100 . 

Bandfibeln von Bronze 212, 216, 217. 
Bandkeramik im Rheinland 51. 

— Lütticher Gruppe 59. 

— nördlich vom deutschen Mittelgebirge 

60, 62, 65. 

Bär, diluvial, i. Neuwied. Becken 44. 
Bärenknochen a. e. Pfahlbau 140. 
B a rt m a n n s k r ü g e 10. 

Bavai, Wochengöttervase von 6, 205. 
Becher, kaiserzeitlich 5, 12, 207, 208. 

— v. Rössener T pus 52. 

— s. Blumentopfbecher, Glockenbecher, 
Schnurkeramik, Trichterrandbecher, 
Zonenbecher. 


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Original fro-m 

PRINCETON UNIVERS1TY 




Sachregister. 


343 


Befestigung s. Urmitz. 

— s. Mayen. 

Beile 87, 94, 97, 101, 102, 103, 105, 
221, 222, 223, 231, 232. 

— aus Achat 95. 

— aus Diabas 176. 

— aus Grünstein 123, 146, 149. 

— aus Feuerstein 80, 84, 86, 87, 88, 
89, 90, 91, 92, 93, 94, 97, 102, 103, 
104, 105, 107, 122, 148, 149, 316. 

— aus gebändertem Feuerstein 90, 92. 

— aus Quarzit 149. 

— mit Schäftungsabsatz oder Rillen 231. 

— s. Hohlbeil. 

Belgien, Heimat der Wochengötter¬ 
vasen 11. 

— Bandkeramik in 59. 

— paläolith. Skelette 170. 

Bellin (Mecklenburg), slawische Wohn- 
grube 218. 

— Skelettgräber 219. 

Bemalte Keramik Osteuropas 59. 

— ohne Bernstein 65. 

— mit knöchernen Gürtelplatten 76. 
geschliff. Silexgeräte b. d. 80. 

Bernburg, Bernsteinamulet 65. 

— bandkeram. Grabfund 65. 

Bern bürg er Typus 73, 86, 87. 
Bernitt (Mecklenburg), neolith. Ge- 

fäss 210. 

Bernstein, Einfuhrware in Alvastra 
(Schweden) 134. 

— in Kegelgräbern 302. 

— ligurischer 316. 

— a. e. diluv. Fundstelle, Taf. VI. 

— mit den Nord - Indogermanen nach 
Osten gehend 76. 

— sicheres Zeichen nordindogerman. 
Bevölkerung 64. 

Ber nstein am ulet 65. 

B e r n st ein f u n de in Schweden 134. 
Bernsteinknopf 227. 
Bernsteinperlen 133, 150, 213, 

214, 228. 

B e r n s t e i n s ch m u ck 64, 83, 84, 88,90, 
91, 92, 93, 94, 97, 98, 99, 100, 101, 
103, 106. 

Beschläge mit Tragringen 2, 3. 

— von Holzgefässen 3, 208. 

Betten aus Reisig 116. 

Beveringen (Ostprignitz), bronze- 

zeitl. Funde 236. 

Bieskau (Kr. Leobschütz), Schnur¬ 
scherben 103. 

Bimssandablagerungen im Neu- 
wieder Becken 40, 42, 49. 

Birglau b. Thorn, Steinaxt 223. 

— (Kr. Thorn), neolith. Gefäss 99. 
Birnbaum, Kugelamphore 69, 90. 
Birkenbruch (Kr. Wirsitz). eizenzeitl. 

Urne 225. 

B i s m a rckst r e u (Kr. Hohensalza), 
Steingeräte 222. 


Bismarckstreu (Kr Hohensalza), 
slaw. Keramik 227. 

— Lanzenbruchstück 228. 

— s. Jesuiterbruch. 

Bitterfeld, Trichterrandbecher 71. 

Bleckendorf (Kr. Wanzleben), neo¬ 
lith Fund 78. 

Blottnitz (Kr.Grossstrehlitz), Schnur¬ 
scherben 103. 

Blumberg (Kr. Pyritz), Megalith¬ 
grab 88. 

Blume-Posen, Promotion zum Dr. 
phil. 332. 

Blumentopfbecher d. ostdeutsch. 
Schnurkeramik 72, 96, 98, 100, 102, 
103, 104, 105. 

Bochow (Kr. Zauch-Belzig), dreiglied¬ 
riger Gürtelhaken 198. 

Böhmen, neolith. Funde 70, 72, 76. 

Bohrer a. d. Magdalenien 49. 

— aus Feuerstein 126. 

B ord e s - Berlin , Schatzmeister der 
D G. f. V., Änderung der Adresse 280. 

Bordesholm (Holstein), Schnur¬ 
becher 77. 

Borkenstein (Kr. Saatzig), Kujav. 
Grab 87. 

Bos, diluvial i. Neuwied. Becken 43, 
44, 48. 

Bösenfleisch (Kr. Könitz), Stein¬ 
kreis 89. 

Brahnau (Kr. Bromberg), neolith. 
Funde 222. 

- — bronzezeitl. Gefäss 224. 

Brandgräber, slawische 219. 

Brandgruben 316. 

Brandstellen paläolithische 46. 

— i. e. Megalithgrab 209. 

— auf Feuersteinwerkstätten 211. 

Braunschweig, Bandkeramik in 60. 

Bredentin (Mecklenburg), bronze¬ 
zeitl. Hügelgrab 212. 

Breitenau (Kr. Neumarkt), Schnur¬ 
keramik 102. 

Brennmaterial der Germanen 315. 

Breslau, neolith. Funde 77, 102. 

B r i e s e n (Westpr), neolith. Gräber 90. 

Bri et z i g (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 87. 

Broch b. Flatow (Westpr.), silberner 
Ring 227. 

Brockau (Kr. Breslau), Jordansmühler 
Typus 60. 

Bro nie wo (Kr Hohensalza), Schädel 229. 

-neolith. Funde 221. 

— — Bernsteinknopf 227. 

Bronze, Herkunft der 297. 

Bronze in neolith. Gräbern 107. 

Bronzeciste 239. 

Bronzedosen s. Hängegefässe. 

Bronzegefässe, mittelalterl. 192,313. 

— italische in Norddeutschland 239, 240. 

- jüngerbronzezeitlich 215, 238, 239. 

— kaiserzeitlich 218. 


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Original fro-m 

PRINCETON UNIVERS1TY 




344 


Sachregister. 


Br o nzegefä sse i. d. Prignitz 239. 

— Blechdeckel dazu 239. 

B ronzegef äss-Reste 4, 5, 16. 

Bro nzek e s se 1 aus Dänemark 203,318. 
Bronzeschlacken 224. 
Bronzetasse 238. 

Bronzezeit, Gräber in Italien 23, 
28, 29. 

— im Kgr. Sachsen 323. 

— Steingeräte a. d. 236. 

— s. Hämmer. 

— ostpreussisches Skelettgrab 100. 

— rheinische Keramik 2. 

— Funde von Kantow (Kr. Ruppin) 181. 

— erstes Auftreten von Eisen in der 239. 

— neue Funde in Mecklenburg 211. 

— Steinäxte a. d. 2 '3, 224. 

— neue Funde a. d. Prov. Posen 223. 

— in der Prignitz 234. 

B rücken f u n d a m e n te a. slawischer 
Zeit 219. 

B rü n i n g - Münster, berufen nach 
Hannover 280. 

Brünn, paläolith. Skelett 81, 169. 
Brünne 218. 

Brunnenfund 211. 

Brunow b. Grabow, Kasserolle 218. 
Bschanz (Schlesien), Stichreihenkera¬ 
mik 60. 

B u ch b. Berlin, bronzezeitliche Haus¬ 
reste 244. 

Buchholz (Kr. Greifenhagen), neolith. 
Grab 76, 97. 

Buchtafort b. Thorn, Steinaxt 223. 
Büddow (Kr. Dramburg), Bernstein¬ 
beigabe 76. 

Bügelfibel a. d Kaiserzeit 4. 
Bülow (Mecklenburg), neolith. Pfahl¬ 
bau 210. 

Burgwälle 83, 84, 98, 219, 227. 
Büsching und das Dreiperioden¬ 
system 310. 

Cäsars Rheinübergänge 36, 37. 

Ca m min (Mecklenburg), wendische 
Skelettgräber 219. 

Ci sse wie (Kr. Könitz), Steinkreise 89. 
Ciste aus Bronze 239. 

Charlotten höh (Kr.Prenzlau),schnur- 
keram. Grab 78, 80. 

Combe Capelle (Frankreich),Skelett¬ 
fund 169, 171, 240. 

Conow b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

C r ed n er - Grossgörschen f 278. 
Cröbern b. Leipzig, Amphora 323. 

— gedrehte Gefässe 243. 
Cro-Magnon, Skelette von 170, 171, 

172. 

C r o - M a gno n - Ra ss e 169, 170, 172, 

173. 

Crone (Kr. Bromberg), Mahlstein aus 
e. Grabe 228. 


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Czeschewo (Kr. Wongrowitz), neolith. 
Gefäss 84. 

I 

Dachkonstruktion e. Pfahlbaues 112. 

Dachsknochen a. e. Pfahlbau 140,148. 

Dachstützen a. e. Pfahlbau llz. 

Dagsmoor (Alvastra), Zusammen¬ 
setzung 111. 

— Entstehungsgeschichte 119. 

Daheim (Kr. Hohensalza), Gefässbruch- 
stücke 222, 228. 

Damm (Mecklenburg), wendische Hügel¬ 
gräber 219. 

— — bronzezeitlicher Urnenfriedhof 
215. 

Damme reez b. Boitzenburg, Grab¬ 
hügel 213. 

Dänemark, doppelschneidige Äxte 124. 

— neolith. Knochenpfriemen 129. 

— Trichterrandbecher 65. 

— Kragenflaschen 61. 

— bronzezeitl. Fibel 192. 

— Bronzekessel 318. 

Dann ei 1 - Salzwedel und das Drei¬ 
periodensystem 298, 299 — 301, 306 
307, 310. 

Dannenwalde (Prignitz), bronzezeitl. 
Grab 236. 

Dargun (Mecklenburg), eisenzeitlicher 
Urnenfriedhof 217. 

— — Depotfund 214. 

Dassow (Mecklenburg), bronzezeitl. 
Flachgrab 215. 

Deckel für Bronzegefässe 239. 
i Deckplatte auf einer latenezeitlichen 
Urne 195. 

Dedelow (Kreis Prenzlau), Kugel¬ 
amphore 74. 

Denkmalschutz, vorgeschichtlicher 295. 

Depotfunde von Eisengeräten 2, 206. 

— bronzezeitliche 214, 215. 

— allgemeines 215. 

— s. Moorfunde. 

Deutsch Breile (Schlesien), Stich¬ 
reihenkeramik 60. 

D e u t sch e GesellschaftfürVorgeschichte, 
Mitgliederzahl 280. 

— Veränderungen in der Besetzung der 
Ehrenämter 280. 

— Einladung zur 2. Tagung in Erfurt 280. 

— Vorstand der Zweiggesellschaft Ber¬ 
lin 242. 

Diele, s. Estrich. 

— s. Lehmdiele. 

Dobberphul (Kr.Greifenhagen), neo- 
lithische Gefässe 97. 

— (Kr. Pyritz), kujawische Gräber 88. 

Dobieszewko (Kr. Schubin), Mega¬ 
lithkeramik 66, 84. 

Dobritz (Orlagau), Höhle mit Fauna 
und Feuersteinsplittern 174. 

Dobritzhügel (Östthüringen), Tar- 
denoisien 175. 


Original frorn 

PRINCETON UNfVERSITY 



Sachregister. 


345 


Dolche aus Feuerstein 93, 97, 209. 

— aus Bronze 236. 

Dölitz (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88. 

Dolken (Kr. Kulm), neolith. Ansiede¬ 
lung 90. 

Donaukultur in Mittel- und Nord¬ 
deutschland 59. 

— nordöstlichster Vertreter 61. 

Doppelaxtförmige Bernsteinperle 

133. 

Doppelhammer 99. 

Doppelknöpfe 236, 239. 

Doppelschneidige Äxte in Schweden 
und Dänemark 124. 

Dorf Poltnitz (Mecklenburg), bronze- 
zeitl. Hügelgrab 212. 

Dornrade (Kr Bremervörde), bronze- 
zeitl. Fibel 192. 

Drehscheibe, auf der, gearbeitete 
Gefässe 198, 242, 323. 

— s. Wochengöttervasen. 

D r e i d o r f (Kr. Wirsitz), Steingerät 222 

Dreiperiodensystem 294, 3<»9. 

Duchow (Kr Randow), neolith. Grab 97. 

Dulzig (Kr. Schwetz), neolith. Siede- 
lung 89. 

Dünen, Entstehung der 288. 

Eberschädel als Grabbeigabe 88. 

Eberzähne 91, 100, 103, 105. 

Eckartsfelde (Kr. Znin), Bruchstücke 
einer Gesichtsurne 225 

Eckhardt und das Dreiperioden¬ 
system 310. 

E de 1 h i r s ch knochen als Gerätmaterial 
131, 148 

— a. e. Pfahlbau 140, 148. 

Eichenhagen (Kr.Wirsitz), Bernstein¬ 
perle 228. 

— — neolith. Grab 91. 

E i ch h o r n (Kr. Königsberg i. N.), Stein¬ 
kammer 87. 

Eiersteine 224. 

Eigenheim (Kr. Hohensalza), Stein¬ 
gerät 222. 

Eimerhenkel 3, 206. 

E i n b a u m 219. 

Einladung zum Besuch des Hauser’- 
schen Ausgrabungsgebietes in der 
Dordogne 274. 

E i nz e 1 s t e in g r a b 75. 

— s. Monolithgräber. 

Eisen 297. 

— in Hünengräbern 300, 301, 302. 

— fehlt in Kegelgräbern 302. 

— in spätbronzezeitl. Gräbern 239. 

E is z e i t, Erklärung der 285. 

— Klima während der 286, 287. 

Elbekosteletz (Böhmen), Kugel¬ 
amphore 70. 

Elch zäh ne als Anhänger 132, 140. 

Elephas primig. i. Neuwied. Becken 
43, 44. 


Elsenheim (Kr. Hohensalza), Bern¬ 
steinanhänger 228. 

Engelhardt und die bronzezeitliche 
Chronologie 311. 

Engis, Schädeldach von 171. 

England, Skelett von Galley Hill 169. 

Erfurt, Zweite Tagung für Vorge¬ 
schichte 1910, 281. 

Ertebölle (Schweden), Tierzähne als 
Anhänger 132. 

Estrich in einer Wohngrube 55. 

Eyersheim (Rheinpfalz), Kragenfla¬ 
schen 61. 


Falkenberg (Kr. Pyritz), Megalith¬ 
gräber 88. 

Falzbein aus Geweih 92. 

Farbezin (Kr. Naugard), neolith. Grab 

88 . 

Fauna, diluviale, im Neuwieder Becken 
43. 

— des Magdalenien von Andernach 48. 

— und paläolith. Menschenrassen 173. 

— ostthüringischer Tardenoisien-Fund- 
stellen 174. 

—- neolithische, Südschwedens 129, 131, 
139. 141. 

— interglaziale u. postglaziale, in Nord¬ 
deutschland 287, 290. 

Federzangen aus Bronze 185, 190, 
212, 213, 238. 

Feuerschlagsteine 135, 148, 149. 
Feuerschwamm im vorgesch. Europa 

138. 

Feuerstein, gebändert 90, 92. 

— Einfuhrware in Alvastra 123, 126. 
Feuersteinbearbeitung, Unter¬ 
lage dazu 46. 

Feuersteingeräte, nordische, in 
Osteuropa 80. 

Feuersteinkern a. d. Aurignacien 
47. 

Feuersteinsäge 88, 105, 193. 
Feuersteinspäne 126, 148, 222. 

— zum Feuermachen 136. 
Feuersteinsplitter, bearbeitet 185, 

187, 190. 

Feuerstei n Werkstätten 93. 211. 
Feuerstellen, paläolithische 46. 
Fibeln, bronzezeitliche 192, 213, 236. 

— — aus Italien 26, 28. 

— latönezeitliche 197, 198, 199, 217. 

— kaiserzeitliche 3, 4, 16. 

— s. Bandfibel, Bügelfibel, Scheiben¬ 
fibel, Spangenfibel. 

Fibeln ad el von Bronze 211. 
Fingerspiralen 236. 

Fingerring mit Gemme 229. 
Finkenthal (Mecklenburg), eisenzeitl. 
Urnenfriedhof 217. 

Finkenwalde (Kr. Greifenhagen), 
neolith. Gräber 97. 


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Original fro-m 

PRtNCETON UNIVERS1TY 



346 


Sachregister. 


Fischknochen a. e. Pfahlbau 140. 
Fläschchen aus Glas, kaiserzeitlich 5. 
Flasche aus Glas, römisch 226. 
Fleischer-Berlin, Ernennung zum Mit¬ 
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt 
332. 

Flora des Pfahlbau-Untergrundes von 
Alvastra 121. 

Flosspf ahlbauten 117. 
Flügelnadeln 216 
Flurnamen in der Überlieferung fort¬ 
lebend 36. 

Fraipont-Brüssel t 279, 316. 
Frankfurt a. O. (?), Megalithkeramik 

83. 

Frankreich, Kragenflaschen in 61. 

— Rassen in 154. 

— paläolith. Skelettfunde 169, 170, 171, 
172, 173, 24t. 

— Bernstein in F. anstehend 316. 

— Sichel 179. 

— Gesetzesentwurf über Ausgrabungen 
323. 

— s. Maz d’Azil, Mentone. 
Friebeberg (Kr. Breslau), neolith. 

Gräber 102. 

Friedrich Franz von Mecklenburg als 
Förderer der Vorgeschichte 295. 
Friedrichsdorf b Neubukow (Mecklen¬ 
burg), neolith. Flachgrab 210. 

— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215. 
Friedrichsruh e (Mecklenburg), bronze¬ 
zeitl. Hügelgrab 212. 

— — völkerwanderungszeitl. Urnen¬ 
friedhof 218. 

Friesack (Mark), Scolith von 317. 

-gedrehtes Gefäss 243. 

Fuchs, s. Polarfuchs. 

Fürstensee (Kr. Pyritz), Megalith¬ 
gräber 88. 

Fussurne, german , a. d. Kaiserzeit 2. 


G ä ge 1 o w (Mecklenburg), neolith. Pfahl¬ 
bau 210. 

Galizien, neolith. Funde (Statistik) 
85, 86, 94, 95, 103, 105, 106. 

— Kujawische Gräber 68. 

— Kragenflaschen 62. 

— Kugelamphoren 70. 

— Mondhenkelkrüge 67. 

— Schnurkeramik 73, 74, 75, 77, 78. 

— Rhinozeros-Fund 173. 

G a 11 e y - H i 11 (England), paläolithisches 
Skelett 169. 

Gallische Elemente a. d. Kessel von 
Gundestrup 204. 

— Gottheiten 317. 

Gandow (Prignitz), Hausurne 236. 
Gefässe, auf Drehscheibe gearbeitet 10. 

— aus Holz 3, 208. 

s. Bronzegefässe, Bronzeciste. 

G e ij e r und das Dreiperiodensystem 299. 


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Ge lens (Kr. Kulm), kujaw. Gräber 90. 
Geologie des Neuwieder Beckens 37. 

— der römischen Campagna 19. 

— und Vorgeschichtsforschung 23, 26, 
29, 30, 31. 

Gera (Thüringen) s. Pfortener Berg, 
Steinertsberg. 

Gerste a. e. steinzeitl. Pfahlbau 141, 
142. 

Gesetzesentwurf über Ausgrabungen 
in Frankreich 323. 

Gesichtsurne 225. 

Gesichtsvasen s. Wochengöttervasen. 
Gestempelte Verzierungen 105. 
Getreide a. e. neolith. Grab 105. 
i. d. Steinzeit Schwedens 142. 

— bei den Alemannen 200. 
Getreidekörner a e. Pfahlbau 141. 
Geweih, Äxte aus 221. 

— bearbeitet 227. 

— s. Hirschhorn 
Gewölbe, falsche 315. 

Giebelloch bei Dolmen 246. 

Gilgen bürg (Kr. Osterode), neolith. 

Gräber 100. 

Gingst (Rügen), Megalithkeramik 62, 
65, 70. 

Glas in Kegelgräbern 302, 311. 
Glasflasche 226. 

Glasgefässe 218. 

Glasow (Kr.Randow), neolith.Gräber 97. 
Glasperlen s. Perlen 
Glasschlacke 4, 5. 

Glätter aus Knochen 103. 

— aus Geweih 132. 

Gleinitz (Kr. Nimptsch), Stichreihen¬ 
keramik 60. 

Glocke s. Schelle 
Glockenbecher 57, 178. 
Glockengräber 225. 

Glogau, Schnurbecher 102. 
Glogischdorf (Kr. Glogau), Schnur¬ 
scherben 101. 

Gnichwitz (Kr. Breslau), schlauchförm. 
Krug 72, 102. 

Gniewkowitz (Kr. Hohensalza), versch. 
Funde 228. 

— Abbau (Kr. Hohensalza), Steinbeil 

221 . 

Godsiszewo-Kokorzyn, neolith. Vor- 
ratsgefäss 84. 

Goguet und das Dreiperiodensystem 

298, 310. 

Göhlen b. Ludwigslust, bronzezeitl. 
Urnenfriedhof 215. 

Göhlitzsch, (Kr. Merseburg), Stein¬ 
kistengrab 297. 

Goldarmring 236. 

Goldfund von Vettersfelde 323. 
Goldhörner von Tondern 205, 318. 
Goldschmuck 236, 239. 

Golotty (Kr. Kulm), neolith. Scherben 
78, 83, 99. 


Original frorn 

PRINCETON UN1VERSITY 



I I ooo 


Sachregister. 


347 


G o n d e s (Kr.Bromberg), Steingeräte 222. 

— Tonring 228. 

Gorschendorf b Malchin, völkerwan- 
derungszeitl. Urnenfriedhof 218. 

— — wendische Skelettgräber 219. 

Gorzewice (Kr. Samter), kl. Deckel¬ 
dose v Bronze 192. 

Gostyn (Prov.Posen), Axthammer 223. 

Götterbilder auf Gesichtsvasen 5,12. 

— auf Bronzekesseln 204, 318. 
bei den Galliern 317. 
nachgeahmt von den Germanen 318. 
ttheiten der Gallier 13, 202, 317. 
ab in Schiffssetzung 228. 
äber auf einem steinzeitl. Wohn- 
platz 147, 149. 

— frühestneolithische 81. 

— siehe Brandgräber. Monolithgräber, 
Schachtgräber, Schiffssetzung. 

Grabformen , neolithische, in Mecklen¬ 
burg 209. 

— jüngerbronzezeitl.,i. Mecklenburg 214. 

Grabitz (Kr. Birnbaum), neolith Ske¬ 
lette 100. 

Gräbschen (Kr. Breslau), Trichterrand¬ 
becher 65, 85. 

— — Jordansmühler Typus 60. 

Gramenz (Kr. Neustettin), neolith. 

Grab 77, 98. 

Granowko (Kr. Kosten), neolithische 
Scherben 84. 

Granzin b. Hagenow, Urnenhügel 214. 

— bronzezeitl. Urnenfriedhof 215. 

— bronzezeitl. Hügelgrab 212. 

Graudenz, bandkeram. Kugelnapf 61. 

Griffzungenschwert 213. 

Grimaldi rasse 170. 

Gristow (Kr. Kammin), neolith Grab 
' 76, 83. 

Grossbeeren (Kr. Teltow), latene- 
zeitl. Brandgräber 194, 241. 

Gr. Bengerstorf (Mecklenburg), Fibel¬ 
nadel 211. 

Gross -Dalzig b.Leipzig, Amphora 323. 

Gr. Koluda (Kr. Hohensalza), neolith. 
Doppelhenkelkrug 69, 91. 

Gr. Leistenau (Kr. Graudenz), neolith. 
Grab 76, 90. 

Grössler-Eisleben f 245, 276. 

Gr. Morin (Kr Hohensalza), neolith. 
Gräber 76, 101. 

Gr. Paglau (Kr. Könitz), neolithischer 
Becher 98. 

Gr. Pankow (Ostprignitz), bronzezeitl. 
Funde 236. 

Gr. Rambin (Kr. Belgard), Bernstein¬ 
beigabe 76. 

— — Steinkiste mit Kugelamphoren 
69, 88. 

Gr. Roge b. Teterow, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Gr. Tschansch (Kr. Breslau), Schnur 
becher 102* 


Gr. Tschansch (Kr. Breslau), Stich¬ 
reihenkeramik 60. 

Grubenhagen b. Teterow, bronzezeitl. 
Urnenfriedhof 215. 

Grünstein, Geräte aus 123, 146, 

148, 149. 

Guckelwitz (Kr. Breslau), neolithische 
Keramik 102. 

Guhrwitz (Kr. Breslau), neolith. Ske¬ 
lette 102. 

Gulcz-Abbau (Kr. Filehne), 2 Mühl¬ 
steine 228. 

Gullrum (Gotland), neolith. Fundplatz 
124, 132, 136, 151. 

Gundestrup, Silberkessel 203, 318. 
Günther-Koblenz gewählt in den Aus¬ 
schuss der D. G. f V. z80. 
Gürtelhaken aus Eisen 196, 199. 

— zweitl. Scharniergürtelhaken 198,199. 

— aus Bronze 196. 

— dreigliedrig 198, 199. 

— ostgerman. Form 198. 
Gürtelplatte von Schwalbenschwanz¬ 
form 199 

Gürtelplatten aus Knochen 76, 93, 
94, loO. 

Gürtelscheiben 236. 

Güstrow (Mecklenburg), neolithische 
Wohnstellen 210. 

— Kegelgrab 213. 

Guttowo (Kr Strassburg), neolith.Grab 

76, 90. 

Hacken aus Hirschgeweih 84, 90. 
Hafer Nahrung der Alemannen 200. 
Hagenow, bronzezeitl. Urnenfriedhof 

215. 

— kaiserzeitl. Funde 218. 

— völkerwanderungszeitlicher Urnen¬ 
friedhof 218. 

— wendische Skelettgräber 219. 
Hahne-Hannover, ernannt zum Direk¬ 
torialassistent am Prov. Mus. das. 
280. 

Haken aus Holz 134 
Halberstadt, Trichterrandbecher 71. 
Hallstattzeitl. Gefässe 2. 
Halsbergen von Bronze 212, 236. 
Halsring, (latenezeitlich) auf gallischen 
Götterbildern 202. 

Hals ringe von Bronze 213, 214, 239. 
Halsketten von Tierzähnen s. Zähne. 
Halskragen 323. 

Hammelstall (Kr Prenzlau), Trichter¬ 
randbecher 65. 

— — schnurverz. Becher 71. 

Hämmer 57. 

— von einem Relief 8, 9. 

— von ostdeutsch-schwedischem Typus 

85, 93. 

— aus Stein 89, 91, 94, 96, 100, 101, 
102, 103, 104, 105, 106, 107, 221, 
229, 231. 


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Original fro-m 

PRINCETON UNIVERS1TY 




348 


Sachregister. 


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Hämmer, bronzezeitlich 223, 224, 232. 

— mit Halbkugelnacken 64- 

— d. Schnurkeramik i. d. Ukraine 80. 

— fazettiert 56. 

Handbergen von Bronze 212. 

Handel, s. Feuerstein. 

— s. Bernstein. 

Hängegefässe von Bronze 215, 236. 

Hän&espiralen aus Kupfer 79. 

Hartlieb (Kr. Breslau), Trichterrand¬ 
becher 65, 85. 

Harpunen a. d. Magdalenien 49. 

Haselnüsse a. e. Pfahlbau 128, 141, 
149. 

Hasenknochen als Qerätmaterial 129, 
131, 140. 

Hastiere (Frankreich), paläolith. Unter¬ 
kiefer 171. 

Hausbau, s. Wohnstätten 

Hauser-Les Eyzies, Einladung zum 
Besuch des Ausgrabungsgebietes 274. 

Hausformen 24a. 

Haustiere im schwed. Neolithikum 
129, 139, 141. 

Hausurnen, allgemeines 24. 

— deutsche 236. 

— italische 23, 24, 25. 

— Zeitstellung 26. 

Hechtknochen a. e. Pfahlbau 140. 

Hedinger-Stuttgart f 278, 316. 

Hedwigshorst (Kr. Schubin), Axt¬ 
hammer 222. 

Heidnische Zeit Preussens, Fund a. d. 

323. 

Heitbrack (Hannover), Nadel 216. 

Helldorf (Kr Kolmar i P), Kragen¬ 
flasche 62, 84. 

Helm bei den Germanen 204. 

— aus Bronze 323 

Helme gallischer Art 204. 

Herd a. e. Pfahlbau 149. 

Herde aus Stein 113. 

Herdgruben, germanische,a.d. Kaiser¬ 
zeit 1. 

Herdpflaster in german. Wohn- 
gruben 1. 

Herzsprung (Prignitz), Bronzeschilde 
239. 

Hindenburg (Altmark), einhenklige 
Kugelamphore 74. 

Hinrichshof (Mecklenburg), bronze- 
zeitl. Urnenfriedhof 215. 

Hirsch, diluvial, i. Neuwieder Becken 
43, 44, 45, 46. 

— s. Edelhirsch. 

Hirschhorn-Geräte 131, 146. 

Hockerbestattung, allgemeines 240. 

Hockerbestattungen in Südrussland 

68, 81. 

Hockergräber, neolithische 56. 

— s. Skelettgräber. 

Hockerstellung eines paläolith. Ske¬ 
lettes 240. 


Hörn es und das Dreiperiodensystem 

309, 310. 

Hohen -Niendorf (Mecklenburg), 
bron^ezeitl. Grabfund 211. 

H o h e n w u t z o w, dreigliederiger Gürtel¬ 
haken 198. 

Hohlbeile von Bronze 225, 238. 
Höhlenhyäne 44. 

Höhlentiger, diluvial i. Neuwieder 
Becken 43. 

Hohlmeissei 238. 

Holzgefässe 3, 208. 

Holzgerät, s. Haken. 

Holzkeule 95. 

Holzspuren in Gräbern 212, 219 
Holzversteifung i. e. Grabe 105. 
Homo Aurignacensis 169, 170, 172. 
Hörner bei den Germanen 104. 

— aus Gold 205, 318. 

Hornstein verwendet im Magdalenien 

48. 

Hostmann und das Dreiperioden¬ 
system 308. 

Hügelgräber, neolithische, 87,88,89, 
92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 102, 105, 
106, 107. 

— bronzezeitliche 211—215, 235, 236, 
239. 

— früheisenzeitliche 216. 

— wendische 219. 

Hügelgräberfelder, neolith. i. d. 
Ukraine 78. 

Hundeknochena. e. Pfahlbau 140, 148. 
Hundezähne als Halsband 107. 
Hundisburg (Kr. Neuhaldensleben), 
Bandkeramik 60. 

— — Kugelamphore 71. 
Hünengräber, s Megalithgräber. 
Hyäne, diluvial, i. Neuwied. Becken 44 


Imatrastein 100. 

Indogermanen 59. 

— Nordindogermanen in Osteuropa 61. 

— Südindogermanen in Mittel- und 
Norddeutschland 59. 

— Bernstein sicheres Zeichen für Nord-, 
64. 

— Ableitung aus paläolithischen Ras¬ 
sen 169. 

Indogermanenzüge nach Osteuropa 

61. 

— Zuzug von Sachsen-Thüringen 75. 
Inkrustierte Keramik 54, 70, 96, 102, 

103, 225. 

Isinger (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88. 
Italien, bronzezeitl. Funde 23, 28, 29. 

— vulkan. Ausbrüche i. d. Campagna 22, 

23, 26, 30. 

— Rassen in Italien 154. 

— s. Albano. 

— s. Remedello. 

— s. Sardinien. 


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Sachregister. 


349 


Iwno (Kr. Schubin),Stichreihenkumpf60. 

— Schnurkeramik 77. 

— Gräber 101. 

— eisenzeitl. Keramik 225. 

Jacewo (Kr. Hohensalza), Gefässbruch- 
stücke 227. 

— Reibstein 228. 

Jägerhaus bei Mühlheim, Rössener 
Wohnplätze 51, 57. 

— Glockenbecherkeramik 57. 

Jagow (Kr. Pyritz), Megalithgrab 88. 
Jassperson, Justiziarius in Schles¬ 
wig 298. 

Jesuiterbruch (Kr. Hohensalza), Me¬ 
galithkeramik 84. 

— Kupferbeil 232. 

— (Schulbezirk, Kr. Hohensalza), Stein¬ 
geräte 231. 

Jordansmühl (Kr. Nimptsch), Band¬ 
keramik 60. 

— Megalithkeramik 62, 65, 67, 71, 85. 

— Schnurkeramik 103. 
Jordansmühler Typus 60. 

Jupille, Wochengöttervase von 6, 205. 
Jütchendorf (Kreis Teltow), latäne- 

zeitl Urnengräber 197, 241, 243. 

Kahlhorst (Ostprignitz), bronzezeitl. 
Grab 232. 

Kahlstädt (Kr. Kolmar i. P.), Steinaxt 

223. 

Kaiserswalde (Kr. Wirsitz), schnur- 
verz. Becher 72, 100. 

Kaiserzeit, german. Gräber 1, 316. 

— Depotfund von Eisensachen 2. 

— neue Funde aus Mecklenburg 217. 

— neue Funde aus Posen 226, 229. 
Kalbe a. S., Spiralkeramik 60. 

Kaldus (Kr Kulm), Trichterrandbecher 

65 

Kalender der Steinzeit 286. 

Ka 1 zig (Kr.Züllichau), neolith.Gräber 97. 
Kamm aus Knochen 4, 16. 
Kammstrichverzierung 194, 196. 
Kantow (Kreis Ruppin), bronzezeitl. 
Funde 181. 

Kärlich b. Koblenz, Aurignacien 45. 
Karpodaken 191, 235. 
Karpodakische Funde a d Prov. Posen 

224. 

Karrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl. 
Grabhügel 213. 

Kartause b. Koblenz, Steinmeissei 55. 
Karzen (Kr. Nimptsch), neolith Gräber 

103. 

Kasekow (Kr Randow), neolith. Grab 

97. 

Käsesteine 224. 

Kasserolle 218. 

Kastorf b Stavenhagen, Einbaum 219. 
Kathrein b. Troppau, Kragenflasche 

62, 85. 

Mannus, Bd. II, Heft 4. 


Katznase (Kr. Elbing), neolith. Scher¬ 
ben 89. 

Kegelgräber 300, 301. 

— s. Hügelgräber. 

Kehrberg (Ostprignitz), bronzezeitl. 
Gefäss 186. 

Keile aus Stein 210. 

Kelpin (Kr. Tuchei), neolith. Siede- 
lung 98. 

Kemnitz (Prignitz), bronzezeitl. Grab¬ 
hügel 239. 

Keramik, bemalte, in Osteuropa 59. 

— — ohne Bernstein 65. 

— — mit knöchernen Gürtelplatten 76. 

— — geschliff. Silexgeräte b. d. 80. 

— inkrustierte 54. 

— mittelalterliche 227. 

Keramische Technik 10. 

— s Drehscheibe. 

Ketten, latenezeitlich 199. 

Ketzin a. H., Kugelamphore 70. 

Keulenköpfe 87, 223, 231. 

Kieselschiefer verwendet im Magda- 

lenien 48. 

Kleidung 212. 

Kl. Babenz (Kr. Rosenberg), neolith. 
Grab 77, 99. 

Kleinburg (Kr. Breslau), Schnurkera¬ 
mik 102. 

Kl Gandau (Kr. Breslau), Schnur¬ 
becher 102. 

Klein kamsdorf s Dobritzhügel. 

Kl.Korbetha (Kr. Merseburg), gedrehte 
Gefässe 243. 

Kl. Krebbel (Kr. Schwerin), Trichter¬ 
randbecher 65, 84, 90. 

— Kugelamphorenkeramik 67,69,84,90. 

Kl. Methling b. Gnoien, neolith. Flach¬ 
gräber 210. 

Kl. Mölln (Kr. Greifenhagen), Schnur¬ 
scherben 97. 

Kl. Pankow (Prignitz), bronzezeitl. Grab 
236. 

Kl. P r i tz (Mecklenburg), Steingeräte 211. 

Kl. Rietz (Kr. Beeskow), Stichreihen¬ 
kumpf 60. 

Kl. Schwiesow b. Güstrow, bronze¬ 
zeitl. Urnenfriedhof 215. 

Klemmen (Kr.Kammin), Hünenbett87. 

Klima der subborealen Zeit 118, 122. 

— der Nacheiszeit 241. 

— Norddeutschlands seit der Eiszeit 285. 

Klingen mit Kratzerende a. d. Aurig¬ 
nacien 47. 

— a. d Magdalenien 48. 

Klingenabspl isse a. d. Aurignacien 
Taf. V, VI, VII. 

Klopfstein a. d. Aurignacien 47. 

— von Quarzit 126. 

Kloxin (Kr. Pyritz), kujav. Gräber 88. 

Kluess b. Güstrow, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Klützow (Kr. Pyritz), neolith. Grab 88. 

23 


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PRINCETON UNIVERS1TY 



350 


Sachregister. 


Knebel aus Bronze 239. 
Knochengeräte 92, 93, 97, 129, 148. 
Knochenmaterial a. e. schwed. Pfahl¬ 
bau 139, 148. 

Knochennadeln 100. 

— mit Doppelhammerkopf 78,79,107,108. 
Knochen perlen 79, 93, 107, 132. 
Knochenspatel 105. 
Knochenwerkzeuge a. d. Magdale- 

nien 49. 

Knoke - Osnabrück gegen Schuchhardt 

265. 

Knöpfe aus Bronze 187, 190, 212. 

— aus Bernstein 227. 

Koben (Kr.Steinau), neolith.Grab 78,91. 
Koblenz, älteste Nennungen des Na¬ 
mens 35. 

— s. Neuwieder Becken. 

Kof ler-Darmstadt + 331. 

Kogel b. Wittenburg, Hügelgrab 213. 

— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215. 
Königsberg i. N., Zapfenbecher 96. 
Königsberg - Rollberg i. N., neolith. 

Grab 96. 

Königsbrunn (Kr. Strelno), neolith. 

Scherben 84. 

Koralle 100. 

Kossin (Kr Pyritz), kujaw. Gräber 88. 
Ko ss in na -Berlin, Ernennung zum Mit¬ 
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt 332. 
Kownatken-See (Kr. Neidenburg), 
Schnurscherben 100. 

Kraazen (Kr Soldin), neolith. Grab 97. 
Kragenflaschen s. Megalithkeramik. 
Krapina (Kroatien), paläolith. Skelett¬ 
teile 173. 

Kratzer des Aurignacien 45. 

K rause-Berlin + 278. 

K r e i s ch a u (Kr.Steinau), Schnurscherben 

102 . 

Kretz (Rheinland), Bandkeram. Ge- 
fässe 51. 

Kropfnadeln aus Eisen 195. 

Krüge, schlauchförmige 72. 
Kruschwitz (Kr. Strelno), Schlittkno¬ 
chen 227. 

K r ü s sow (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88. 
Küchenabfallhaufen 98, 99. 
Kugelamphore, Entstehung 69. 

— s. Schnurkugelamphore. 
Kugelamphoren, östlich der Oder 64, 

67, 69, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 
95, 96. 

— westlich der Oder 71, 73. 

Kuhn au (Kr.Nimptsch), Schnurscherben 
103. 

— — Stichreihenkeramik 60. 

Ku ja wische Gräber 67, 68, 87, 88, 89, 
90, 91, 92. 

Ku 1 m s ee (Kr. Thorn), neolith. Scherben 
84. 

— — Megalithamphore 69, 90. 


Kummer bei Ludwigslust, bronzezeitl. 
Urnenfriedhof 215. 

Kupfer in neolith. Gräbern 79, 81, 92, 

101, 107 

Kupferbeil 232. 

Kupferdolch 92. 

Kupferschalen, schwach versilbert 227. 
Kupfersicheln 179, 180. 

Kurzschädel s. Schädel. 

Küstrin, schnurverz. Scherben 96. 

Landau (Kr Neumarkt), Megalith¬ 
keramik 85. 

Landschaftscharakter Norddeutsch¬ 
lands während der Eiszeit und Nach¬ 
eiszeit 289. 

Langschädel s. Schädel. 

Lankow b. Schwerin, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Lanze, italische Miniaturnachbildung 26. 
Lanzenspitzen 228. 

— aus Eisen 4, 14, 217, 219, 226. 

— aus Bronze 213, 224, 236. 

— aus Feuerstein 87, 88, 89, 97, 100, 

102, 103, 107, 229, 236. 

— aus Knochen 221. 

Lanzettartiges Bronzegerät 238. 
Lassek-Luban (Kr. Posen - West), 

Schnurscherben 101. 

Latenezeit, Grab 100. 

— gedrehte Gefässe und Mäanderge- 
gefässe 242. 

— Grabfund a d Rheinland 1. 

— Funde a. d. Kreise Teltow 194. 

— abgedrehtes Gefäss 198. 

— Funde in Mecklenburg 216. 

— Funde in Posen 226. 

Latkowo (Kr. Hohensalza), latfcnezeitl. 
Gefäss 226. 

— — kaiserzeitl. Funde 226. 

-slawische Funde 227. 

— — versch. Funde 227. 

-Skelettreste 229. 

-Axt aus Geweih 221. 

Lauenburg (Pommern), Schnurbecher 

98. 

Lausitzer Typus, Anklänge in Meck¬ 
lenburg 215, 323. 

Lebehn (Kr. Randow), Kugelamphore 
70, 74. 

Lehmdiele i. e. Megalithgrab 209. 
Leichenbrand, Entstehung des Ritus 

235. 

— in neolith. Gräbern 89, 91, 96, 97, 
106, 107. 

— in slawischen Gräbern 219. 

Leipzig, „Bronzegefäss“ aus 313. 
Leizen (Mecklenburg), Halsring 213. 
Lemming 290. 

Lettnin (Kr. Pyritz), neolith. Gräber 
8S, 98. 

Liebenthal (Kr. Marienburg), neolith. 
Grab 89. 


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PRINCETON UNIVERSITY 



Sachregister. 


351 


Liepe (Kr. Kolmar). Steinbeil 223. 

Liessow (Mecklenburg), Steinäxte 210. 

— — völkerwanderungszeitl. Urnen¬ 
friedhof 218. 

Limes, das Neuwieder Becken einbe¬ 
ziehend 35. 

Lindenschmit und das Dreiperioden¬ 
system 307, 308. 

Lindentaler Hyänenhöhle, bearbei¬ 
tete Knochen 174. 

Lipke (Kr. Landsberg a. W.), neolith. 
Gefäss 87. 

L i s ch in Schwerin und das Dreiperioden¬ 
system 301, 302, 303, 306, 307, 311. 

Litorinazeitliche Funde 316. 

Lobedan (Kr. Grottkau), neolithische 
Gräber 103. 

Lobositz a. E. (Böhmen), Schnur¬ 
keramik 76. 

Lorenzberg (Kr. Kulm), Trichterrand¬ 
becher 83. 

Löss 287, 2*8, 290. 

Lössablagerungen im Neuwieder 
Becken 40. 

Löwe, diluvial, im Neuwied. Becken 43. 

Löwenbruch (Kr. Teltow), latenezeitl. 
Funde 198, 241. 

Lucretius unddasDreiperiodensystem 

298. 

Ludwigsfelde (Kr. Teltow), latöne- 
zeitl. Funde 241. 

Lulin (Kr. Obornik), neolith. Funde 91. 

Lupow (Kr. Stolp), kujaw. Gräber 89. 

Lüssow b. Güstrow, Bronzeschwert 216 

Luttom Kr. Könitz), Steinkreise 89. 

Lutynia (Kr. Pieschen), Kragenflasche 
62, 84. 


Mäandergefässe 217, 243. 

Mäanderverzierung 217. 

Magdalenien nicht in Metternich und 
Rhens 47. 

— von Andernach 48. 

Mahlsteine 107, 227, 228. 

Major und das Dreiperiodensystem 310. 

Malliss b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Mammut, diluvial, i.Neuwied.Becken 44. 

— fehlt im Magdalenien von Ander¬ 
nach 48. 

— in Ostthüringen 174. 

Marderknochen a. e. Pfahlbau 140. 

Marschwitz (Kr. Ohlau), neolith. Ske¬ 
lettgräberfeld 103. 

Marwitz (Kr. Greifenhagen), schnur- 
verz. Becher 98. 

— — neolith. Grab 87. 

Marzenin (Kr. Witkowo), Wurfspeer¬ 
spitze 221. 

Maulbeerwalde (Ostprignitz), früh- 
bronzezeitl. Grab 235 

Mayen (Eifel), neolith. Festung 51. 


Maz d’Azil, frühestneolithische Be¬ 
stattung 81. 

Mecklenburg, frei von Kragenflaschen 
62. 

— Trichterrandbecher 65. 

— Funde u. Untersuchungen in 209. 
Megalithgräber 127,134,150,300,302. 

— ihre Ostgrenze 61. 

— in der Mark Brandenburg 234. 

— Hauptkennzeichen des 2. indogerman. 
Zuges nach Osteuropa 67. 

— östlich der Oder 87,88,89,90,91,92, 
93, 94. 

— in Mecklenburg 209. 
Megalithkeramik in Ostdeutschland 

61 ff., 83, 85. 

Megalithkultur, südwesteuropäische 
246. 

Meissei aus Feuerstein 94,97,107,122, 
148, 149. 

— aus Knochen und Hirschhorn 91, 
104, 131, 148. 

— aus Stein 89, 99, 100, 210. 

— aus Bronze 213. 

— aus Kieselschiefer 55. 

— s. Hohlmeissei 238. 

Menhirs 247. 

Menschenfigur aus Ton 26. 
Menschenknochen a. e. Pfahlbau 
140, 146. 

Menschen masken auf dänischen 
Bronzekesseln 203. 

Mentone, palaeolith. Grab 81. 
Mertensdorf (Ostprignitz), bronze- 
zeitl. Funde 236. 

Mertschütz (Kr. Liegnitz), Bandkera¬ 
mik 60. 

Messer aus Feuerstein 55, 83, 87, 88, 
90, 93. 94, 95,97,100,105,106,126,193, 
210, 231. 

aus Bronze 4, 5,206,212,213,224,238. 
— italisch 26. 

— aus Eisen 2, 217, 239. 

— des Aurignacien Taf.V, VI, 46,47,48. 
Messergriff aus Rengeweih geschnitzt 

49. 

Metternich b. Koblenz, Aurignacien 
45, 47, 57. 

Miesenheim b. Koblenz, Schüssel der 
Glockenbecherkultur 57. 

Mikrolithisehe Werkzeugea d.Magda¬ 
lenien 49. 

— Feuersteinwerkzeuge s. Tardenoisen. 
Miniaturwaffen 26, 216. 
Mittelalterliche Bronzegefässe 192. 

— Keramik 227. 

Mitteleuropa, Gerste im steinzeit¬ 
lichen 142. 

Mogilno, neolith. Funde 101. 

Mölln (Mecklenburg-Strelitz), bronze- 
zeitl. Fibel 192. 

Molzow (Mecklenburg), Trichterrand¬ 
becher 65, 67. 

23* 


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Original frorn 

PRINCETON UNIVERS1TY 



352 


Sachregister. 


Mondhenkeikrüge östlich der Oder 

61, 67, 74, 85. 

Monolithgräber 76,89,90,94,100, 103. 
Mo ns (Belgien), Vasenfragment mit 
Tricephalus 206. 

Montelius und das Dreiperioden¬ 
system 310. 

Montwy (Kr. Strelno), neolith. Scherben 

84. 

— — Spondylusschalen 61 
Moor s. Dagsmoor, Quellmoor. 
Moorfunde, bronzezeitl. 214, 215,216. 
Möritzsch (Kr. Merseburg), gedrehte 

Gefässe 243. 

Moschusochse, diluvial 43, 45. 

Mo sso, Angelo + 331. 

Moustier, Skelett von 170. 
Mühlen-Eichsen b. Gadebusch, eisen- 
zeitl Urnenfriedhof 216. 
Mühlsteine 228. 

Mszanno (Kr. Strasburg, Westpr.), neo¬ 
lith. Grab 90. 

Much-Wien + 242, 274. 

Müller, S., und das Dreiperioden¬ 
system 309. 

Münchowshof (Kr. Neustettin), neo¬ 
lith. Grab 89. 

Münzen, römische 1, 226. 
Muschelschale als Grabbeigabe 187, 
190. 

— s. Spondylusmuscheln. 
Muschelschmuck, paläolithisch 240 
Mützeiburg (Kr. Pyritz), kujawische 

Gräber 88. 

Mysinge (Öland), Bernsteinperlen 134. 

Nachbestattungen in älteren Grä¬ 
bern 301, 303, 310. 

Nadel a. d. Magdalenien 49. 

Nadeln von Eisen 199, 239. 

— von Bronze 211, 213, 214, 224, 231. 

— s. Kropfnadeln. 

— s. Nähnadeln. 

— s. Vasenkopfnadeln. 

Nägelstedt (Kr. Langensalza), Kragen¬ 
flaschen 61. 

Nähnadeln aus Eisen 196. 
Naturwissenschaft in der Vorge¬ 
schichtsforschung 285. 

Nawra (Kr. Thorn), Schnurkugelam¬ 
phore 69, 74, 90. 

Neandertalrasse 170, 172, 173. 
Neolithische, (frühest-) Bestattungen 

81. 

Netzsenker aus Ton 228. 

Neubukow (Mecklenburg), Feuerstein¬ 
werkstätten 211. 

— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215. 
Neuenfeldt (Kr. Prenzlau), Trichter¬ 
randbecher 65. 

Neuhaldensleben, bronzezeitl. Fibel 

192 

Neuhof (Kr. Flatow), neolith. Grab 98. 


Neu 1 in den(Kr Hohensalza),s.Jesuiter¬ 
bruch 

Neu mark (Kr. Stuhm), neolith. Siede- 
lung 99. 

— (Kr. Greifenhagen), Hünengräber 87. 
Neu-Nantrow (Mecklenburg), eisen- 

zeitl. Urnenfriedhof 217. 
Neu-Wenden (Mecklenburg), eisen- 
zeitl. Urnenfriedhof 217. 
Neu-Wendorf (Mecklenburg), slaw. 
Hügelgrab 219. 

Neuwieder Becken, verkehrsgeogra¬ 
phische Bedeutung 34. 

— Entstehungsgeschichte 37. 

— Diluviale Fauna 43. 

Niederjeser (Kr. Sorau), Hausreste 

245. 

Nieder-Strelitz (Kr. Bromberg), slaw. 

Siedelung 227. 

Nierenring 215. 

Nikolaiken (Kr. Stuhm), s. Neumark. 
Nilpferd, diluvial, i Neuwied.Becken44. 
Nimbus auf einer Wochengöttervase 
7, 9. 

Nörenberg (Kr. Saatzig), neolith. Grab 

83. 

Nosswitz (Kr. Glogau), neolith. Funde 
62, 65, 67, 85. 

Nu eleu s 222. 

— a d. Aurignacien 47. 

Nütschow (Mecklenburg), eisenzeitl. 

Urnenfriedhof 217. 

Oberfier (Kr. Bublitz), neolith. Gräber 

88 . 

Oberwerth b. Koblenz, neol. Funde 56. 
Objezierze (Kr. Obornik), neolithische 
Schale 84. 

-neolith. Grab 91. 

Objezierze-Kowalewko (Kr. Obor¬ 
nik), neolith. Grab 91. 

Obstbau, in der Vorgesch. Schwedens 
144. 

Oderschnurkeramik 71, 72, 80. 

— uckermärkische 96 

Odry (Kr. Könitz), Steinkreise und 
Trilithen 89. 

Ofnethöhle, frühestneolithische Be¬ 
stattungen 81. 

Oh lau (Kreis), Kragenflasche 62, 85. 

— schlauchförmiger Krug 103. 
Ohnesorge - Lübeck tritt a. d. Aus¬ 
schuss der D. G. f. V. 280. 

Ohrringe 225. 

— s. Segelohrringe. 

Ökull (Schweden). Feuerschlagstein 136. 
Olbersdorf (Kr. Frankenstein), Stich¬ 
reihenkeramik 60. 

Olshausen und das Dreiperioden¬ 
system 309. 

Opfer 212. 

Opferstein 128. 

Ordenszeit Preussens, Fund a. d. 523. 


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Sachregister. 


353 


Orle (Kr. Graudenz), Schnurscherben 

99. 

Ortkrug b. Schwerin, bronzezeitlicher 
Urnenfriedhof 215. 

Ossowo (Kr. Pr. Stargard), Steinkreis 

89. 

Ostburg (Kr. Hohensalza), Steinaxt 

222 . 

— — röm. Münzen 226. 

Österreich, paläolith. Funde 47, 48, 
173 

Ostgermanische Funde a. d- Prov. 
Posen 225. 

Ostgermanischer Mäander 243. 
Ostorf b. Schwerin, neolith. Flachgräber 

209. 

Ostrowek (Kr Strelno), Reibstein 228. 
Ostsee, ihre Geschichte seit der Eis¬ 
zeit 291. 

Ottitz (Kr. Ratibor), Jordansmühler 
Typus 60. 

Oxhöft (Kr. Neustadt, Westpr.), neolith. 
Funde 98. 

Oxstedt b. Cuxhaven, kaiserzeitlicher 
Becher 208. 


Padniewo (Kr.Mogilno), Kugelamphore 
69. 

P a k o sch (Kr Mogilno), Kugelamphore 69. 
Paläolithische Bestattungen mit rot¬ 
gefärbten Skeletten 81. 

— Rassen und Skelettfunde 169. 

— Funde a. d Neuwieder Becken 45. 
Pa mp in b. Grabow, Urnenhügel 214. 
Pannwitz (Kr.Trebnitz), Jordansmüh¬ 
ler Typus 60. 

Panzer 218. 

Parchanie (Kr. Hohensalza), Schnur¬ 
becher 101, 229. 

— — vorgesch. Funde 229, 231. 
Peckatel (Mecklenburg), Grabfund 311. 
Pegau (Sachsen), gedrehte Gefässe 243. 
Pennewitt b. Warin, Megalithgrab 209. 
P e n z i n (Mecklenburg), bronzezeitl. Grab¬ 
hügel 213. 

— — slawische Skelettgräber 219. 
Perlen aus Bernstein 133, 150, 213, 

214, 228. 

— aus Glas 196, 199, 311. 

— aus Knochen 132. 

— aus Ton 224. 

— an Ohrringen 196, 199, 225. 
Perlenketten 97, 98, 107. 

Persanzig (Kr. Neustettin), neolith. 

Gräber 89. 

Peterwitz (Kr. Strehlen), schnurkeram. 
Gräber 103. 

Pf ah Iba uten, steinzeitlich 100,109,210. 

— Definition der Bezeichnung 117. 
Pfahlbaukulturin Urmitz u. Mayen 49. 
Pfeilspitzen aus Feuerstein 101, 104, 

105, 106, 126, 236. 


Pfeilspitzen aus Bronze 236. 

— s. Spanpfeil. 

Pferd, diluvial, i. Neuwieder Becken 43, 
44, 45, 48. 

Pferdeknochen a. e. Wohngrube 219. 

Pflugschar 223, 231. 

Pfortener Berg bei Gera, Tardenoi- 
sien 176. 

Pfriemen aus Bronze 214. 

-mit Horngriff 213. 

— aus Knochen 129. 

Pilikoppen - Nidden (Kr. Memel), 

neolitn. Funde 100. 

Pilzgefäss des Jordansmühler Typus 
60. 

Pinzette s. Federzange. 

Planetenvasen s. Wochengöttervasen. 

Plastik, gallische, der Spätlatenezeit 
203. 

— s. Vogelkopf. 

P1 a s t i s di e Darstellung v. Menschen 26. 

Plauerhagen b. Plau, bronzezeitl. Ur¬ 
nenfriedhof 215. 

Plön zig (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88. 

Podejuch (Kr. Randow*, neolith Grab 
76, 97. 

Polarfuchs im Magdalenien von An¬ 
dernach 48. 

Poln. Peterwitz (Kr. Breslau), neolith. 
Funde 102. 

Pössneck (Thüringen), Feuerstein¬ 
splitter von 174. 

Pottangow (Kr. Stolp), kujaw. Grab 89. 

P r a g s d o r f (Mecklenburg-Strelitz), bron¬ 
zezeitl. Fibel 192. 

Pre11 m i n (Kr. Kolberg), Schnurscherben 

98. 

Priedemost (Kr. Glogau), Stichreihen¬ 
keramik 60. 

Prignitz, kulturgeschichtl. Stellung in 
der Vorzeit 234. 

Prillwitz (Kr. Pyritz),kujaw. Gräber 88. 

Pumptow (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88. 

Puschkowa (Kr. Breslau), neolith. Ge- 
fäss 102. 

Pu schwitz (Kr. Neumarkt), Blumentopf¬ 
becher 73, 101. 

Püttelkow b Wittenburg, eisenzeitl. 

Urnenfriedhof 217. 

Quarz a. e. Wohngrube 55. 

Quarzit verwendet im Magdalenien 49. 

— zum Feuerschlagen 136, 148, 149. 

— als Gerätmaterial 149. 

— Mahlstein aus 55. 

Quarzitplatte, bearbeitet 46. 

Quellmoor von Alvastra 119. 

Queraxt aus Grünstein 123. 

Querschneidige Pfeilspitzen 126. 

Rabenhorst (Kr Bromberg), Funde 
aus Steinkistengräbern 225. 


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354 


Sachregister. 


Rachow b. Güstrow, bronzezeitl. Flach¬ 
grab 214 

— spätlatene- und kaiserzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Rackschütz (Kr. Neumarkt), neolith. 
Grab 102. 

Radewitz (Kr. Hohensalza), neolith. 
Grab 101. 

Radschin (Kr. Kolmar), Steinaxt 223. 
Rahmhütte (Kr. Soldin), Brandgruben 
316. 

Randäxte 211, 223. 

Randschärfer a. d. Aurignacien 47, 
Tafel VII. 

Rankau (Kr. Nimptsch), Schnurscherben 
103. 

Rasiermesser s. Messer. 

Rasse, Wesen des Begriffes 152. 
Rassen, die, Europas 154. 

— paläolithische, in Europa 169. 
Rassenforschung. Geschichte der 

deutschen, vor Gobineau 164. 
Rassenmischung und Kulturauf¬ 
schwung 160, 162. 

Rehknochen als Gerätmaterial 129. 

— a. e. Pfahlbau 140. 

Reibstein 17, 90, 210, 227, 228, 231. 
Reimannsfelde (Kr. Elbing), neolith. 
Scherben 89. 

Reimers-Hannover tritt in den Ruhe¬ 
stand 280. 

Religion, derzeit. Zustand der Er¬ 
forschung altgermanischer 201. 
Remedello (Italien), rotgefärbte Ske¬ 
lette 81. 

Renntier 290. 

— im Magdalenien von Andernach 48. 
Renntiergeweih, geschnitzt 49. 
Renczkau (Kr. Thorn),Schnurscherben 

99. 

R e nth au (Kr.Sprottau), Schnurscherben 

102 . 

Reppenhagen b.Grevesmühlen,eisen- 
zeitl. Urnenfriedhof 217. 

Reth ra(Mecklenburg),Tempelstätte219. 
Retz in (Prignitz), Bronzetasse 239. 
Rhein b. d. Lahnmündung, steinerner 
Hammer 57. 

Rheinübergänge Cäsars 36, 37. 

— in späterer Zeit 35. 

Rhens b. Koblenz, Aurignacien 47,57. 
Rhinozeros in Ostthüringen 174. 

— im Neuwied. Becken 43, 44. 

— fehlt im AndernacherMagdalenien 48. 

— Funde in Galizien und Böhmen 173. 
R ibni tz(Mecklenburg),Feuersteinwerk¬ 
stätten 211. 

Riesenburg (Kr. Rosenberg), neolith. 
Gräber 99. 

R iethnordhausen (Kr. Sangerhausen), 
gedrehte Gefässe 243 
Rinderknochen a.e. Pfahlbau 139,148. 

— a. e. Wohngrube 55. 


Rinderknochen als Grabbeigabe 92. 
Rindszahn a. e Wohngrube 55. 
Ringe aus Bronze 4, 174, 211, 212, 
213, 214, 224, 236, 238, 239. 

— aus Gold 236. 

— aus Silber 227. 

— aus Stein 107. 

— aus Ton 86, 228. 

— s. Fingerring, Nierenring. 
Ringbrünne 218. 

Ringsee (Schweden), doppelschneidige 
Axt 124. 

Robenhausen (Schweiz), schnurverz. 
Scherben 77. 

Rollstempelmäander 217. 

Rom, Gräber unter dem Forum 23. 
Römerstrassen 35. 

Rörchen (Kr. Greifenhagen), Zapfen¬ 
becher 98. 

Rosko (Kr. Filehne\ Schnurscherben 

100 . 

-Mahlstein 228. 

Rosko Annavorwerk (Kr. Filehne), 
bronzezeitl. Keramik 224. 
Rössen-Niersteiner Keramik im 
Neuwieder Becken 51. 

— von Steeten a. L 57. 

Rossitten (Kr. Fischhausen), neolith. 

Grab 100. 

Rostin (Kr. Soldin), Hünenbetten 87. 
Rötel a.e. paläolith. Station 49. 

— a. e. neolith. Grab 106. 
Rotgefärbte Skelettknochen 78,80,81. 
Rothe und das Dreiperiodensystem 310. 
Rothenmoor b. Malchin, Bronze¬ 
schwert 215. 

Rübenach (Rheinland), Feuerstein¬ 
messer 55. 

Rudbeck und das Dreiperiodensystem 
310. 

Ruhlsdorf (Kr. Teltow), latönezeitl. 
Brandgräber 197. 

Rundschaber s. Scheibenschaber. 
Russland. Vorrücken der Nordindo¬ 
germanen in 61. 

— bemalte Spiralkeramik 59. 

— neolithische indogermanische Funde 
(Statistik) 85—86, 91—94, 96, 103 
—105, 106—108. 

Rutzau (Kr. Putzig), neolith. Siedelung 

7*, ^8. 

Rynkebykessel aus Dänemark 318. 
Rzeczynek (Kr. Strelno), neolithische 
Funde 69, 76, 91, 101. 

Sabow (Kr. Pyritz), kujaw. Grab 88. 
Säge aus Feuerstein 88, 105, 193. 
Sägemühle (Kr. Kolmar), Steinbeil 

232. 

Sa 11 enti n (Kr. Pyritz),kujaw. Gräber88. 
Sammlungen vorgeschichtlicher Alter¬ 
tümer, alte 294, 303. 


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Sachregister. 


355 


San kau (Kr. Braunsberg), neolithische 
Siedelung 100. 

Säpzig «Kr. West-Sternberg), neolith. 

Steinkammer 86. 

Sardinien, Sicheln 179. 

Sardonix 309 

Sattel, der, bei den Germanen 204. 
Säter (Schweden), steinzeitl. Wohnplatz 
151. 

Satzkorn (Kr. Osthavelland), Trichter¬ 
randschale 65. 

Schaber 105. 

— des Aurignacien Tafel VII, 45. 

— aus dem Magdalenien 48. 

— aus Feuerstein 94, 105, 125, 148, 
222, 231. 

— s. Spannschaber. 

Schabernack (Ostprignitz), frühbronze- 
zeitl Grab 235. 

— — bronzezeitl Grab 236. 

— — Bronzeciste 239. 
Schachtgräber, mykenische 309. 
Schädel 229. 

— neolithische 88. 90, 92, 94, 96, 100, 
101. 107, 108. 

— rotgefärbt 106. 

— Kurzschädel 154. 

— Langsd\ädel 81, 154. 
Schädelbestattung 95. 
Schafknochen als Gerätmaterial 129, 

130. 

— a. e. Pfahlbau 140. 

Schalensteine 126. 

Scharnese (Kr. Kulm), neolith. Wohn¬ 
stätte 90. 

Scheibenfibel 14. 

Scheiben sch ab er aus Feuerstein 125, 
148. 

Schelle mit Klöppel 2, 3. 

Schere aus Bronze 206. 

— von Eisen 4, 16. 

Schiffsornament auf Rasiermesser 

238. 

Schiffssetzung 228. 

Schilde, ihre Form auf d Kessel von 
Gundestrup 205. 

— bronzezeitliche 239. 

— italische Miniaturnachbildung 26. 
Schildbeschläge 217. 

Schildbuckel, kaiserzeitlich 2, 3, 206. 
Sch lab au (Kr. Mogilno), kujav. Gräber 

91. 

Schlagsteine a. d Aurignacien 47. 
Schlagstock aus Hirschhorn 146. 
Schleifstein 92, 129. 

— aus Sandstein 149. 

Schliewen (Kr. Dirschau), neolithische 

Scherben 83. 

Schlittknochen 227. 

Schlönwitz (Kr. Schivelbein), 2 neolith. 

Steinsetzungen 88 
Schlüssel, kaiserzeitlich 2. 


Schmiedeberg(Kr. Prenzlau),Trichter¬ 
randbecher 65. 

Schmiedkow b. Greifswald, Megalith¬ 
grab 67. 

Schmuckscheiben von Bronze 215. 
Schmuckstücke, neolithische 132. 

— paläolithische 49. 

Schneehuhn im Magdalenien von 

Andernach 48. 

Schnuramphoren, Entstehung 74. 
Schnurbecher. Entwicklung aus dem 
Trichterrandbecher 70, 71. 
Schnurkeramik i.NeuwiederBecken56. 

— polnisch-russische Gruppe 75. 

— — verziert mit Wellenlinien 77. 

— östlich der Oder 71 — 80, 96—108, 
222, 229. 

Schnurkugelamphore 73 
Schöningsburg (Kr. Pyritz), kujaw. 
Doppelgrab 88. 

— — Stichreihenkeramik 60. 
Schönlanke (Kr. Czarnikau), Feuer¬ 
steinbeil 223 

S ch ö n o w (Kr. Randow), Schnurbecher 97. 
Schönthal (Kr. Neustettin;, neolith. 
Grab 89. 

Schrepau (Kr. Glogau), Jordansmühler 
Typus t>0. 

Schriftzeichen aus südwesteurop. 
Dolmen 248. 

Schuchhardt als römisch-germanischer 
Forscher 255. 

Sch u m a n n - Löcknitz t 240. 
Schwarzbach b. Triptis (Ostthüringen), 
Tardenoisien 17ö. 

Schweden, steinzeitl. Pfahlbau 109. 

— ältersteinzeitl. Spalter 109. 

— doppelschneidige Äxte 124. 

— Knochenperlen u. Tierzahnanhänger 
132. 

— Bernstein zum ersten Mal a. e. Wohn¬ 
platz 134 

— Geräte zur Feuererzeugung 135, 148. 

— steinzeitl. Ackerbau 141. 

— Kulturdualismus z. Zt. der Gang¬ 
gräber 150. 

— bronzezeitl. Fibel 192. 
Schwefelkies zum Feuermachen 135, 

136, 137, 138, 148. 
Schweinegebiss 97. 
Schweineknochen als Gerätmaterial 
129. 

— a. e. Pfahlbau 139, 148, 149. 
Schweinezähne, bearbeitet 132, 149. 
Schweiz, s. Robenhausen 
Schwerin, Feuersteinwerkstätten 211. 
Schwerter, Miniaturnachbildungen 26, 

216. 

— auf dem Urnenfriedhof v. Rackow 
b. Güstrow fehlend 217. 

— aus Eisen mit Silberbelag 219. 

— aus Eisen 2, 4, 16, 208. 

— aus Bronze 191, 215,216,236,238, 339. 


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356 


Sachregister. 


Sch wetz, eisenzeitl. Keramik 225. 

— (Kreis), 2 Randäxte 223. 

— — Lanzenspitze 224. 

Schwochow (Kr. Pyritz), Megalithgrab 

88. 

Scolith von Friesack 317. 

Seddin (Westprignitz), Königsgrab 232, 
236, 239, 315. 

— — Hügelgräber 236, 238, 239. 

-Hausurne 236. 

Seefeld (Kr. Karthaus), Steinkreise 
und Trilithen 89. 

Seeort (Kr. Kolmar), Funde a e.bronze- 
zeitl. Urnenfriedhof 224, 232. 
Segelohrringe 196, 199. 

Selpin (Mecklenburg), neolith. Wohn- 
grübe 210. 

-eisenzeitl. Urnenfriedhof 217. 

Se mm er in b. Grabow, eisenzeitlicher 
Urnenfriedhof 217. 

Sibirische Kupfersicheln 180. 

Sichel, zur Geschichte der 179. 

— aus Kupfer 179, 180. 

— aus Bronze 224. 

— Entwicklung der Knopfsichel 180. 
Siegelsteine 309. 

Siethen (Kr. Teltow), latenezeitliche 
Funde 241. 

Silber, Häufigkeit bei Germanen und 
Kelten 205. 

— fehlt in Kegelgräbern 302. 

— Fibel aus 4, 16. 

Silber (Kr. Saatzig), kujaw. Grab 87. 
Silberbelag auf ein. eis Schwert 219. 
Silbe rkessel von Gundestrup 203,318. 

— — Alter und Herkunft 205. 
Silberklümpchen, kaiserzeitlich 4, 5. 
Silberner Ring 227. 

Simonsen (Vedel) und das Dreiperio¬ 
densystem 299, 310. 

Sinz low (Kr. Greifenhagen), neolith. 
Siedelung 83. 

— — Zapfenbecher 98. 

Sitzplatz a. e. Pfahlbau 116. 
Skelette unter Steinpackung 191. 

— rotgefärbt 78, 80, 81, 107, 108. 

— sitzend bestattet 94, 95, 98. 

— slawische 219. 

— übereinander bestattet 95. 
Skelettgräber, neolithische 83 ff. 

— bronzezeitliche 191, 211. 

— slawische 219. 

— s. Gräber. 

Skelettreste a. d. Prov. Posen 229. 

— a. e. Pfahlbau 147, 149. 

Sklaven 152, 243. 

Slawische Funde, neue aus Mecklen¬ 
burg 218. 

— a. d. Prov. Posen 227. 

Slawischer Gefässrest 174. 

Slu py (Kr.Schubin),Megalithkeramik84. 
Smolong (Kr.Stargard i.Wpr.), neolith. 
Skelettgräber 82. 


Solutreen von Kärlich b. Koblenz 45. 

Söndrum (Schweden), Schwefelkies a. 
e. Steinkiste 136. 

Sonnenburg-Säpzig (Kr. West-Stern - 
berg), neolith. Steinkiste 86 

Spalter, steinzeitlich 109. 

Spangenfibeln 218. 

Spanien - Portugal, Sicheln 179, 180. 

Spanmesser aus Feuerstein 106, 126, 
231. 

Spanpfeilmit Schaftzunge 126,148,150. 

Spanschaber aus Feuerstein 125, 148, 
149. 

Speerspitzen s. Lanzenspitzen. 

Spelz 200. 

Spinnwirtel 4, 15, 192, 199, 228. 

Spiralanhänger 224. 

Spiralen 236. 

Spiralkeramik, bemalte in Osteuropa 

59. 

— — ohne Bernstein 65. 

— — mit knöchernen Gürtelplatten 76. 

-mit geschliff. Silexgeräten 80. 

— im Harzvorland 60. 

— in Schlesien 60, 62. 

Spiral-Mäanderkeramik ad. Rhein¬ 
land 51. 

Spiralringe von Bronze 212, 213, 214. 

— von Gold 236. 

Spiralröliehen von Bronze 212. 

Spondylusmuscheln 60, 61, 65. 

Sporen in vorgesch. Zeit 205. 

Spy (Belgien), paläolith.Skelette 170,172. 

Stäbchen aus Bronze, ornamentiert 4. 

Stabeiwitz (Schlesien), Stichreihen¬ 
keramik 60. 

Standesunterschiede i d. Steinzeit 
Schwedens 152 

Stargard i. P , Gefässe v. Bernb. Typus 
87. 

Megalithgrab 87. 

Starschiska (Kr. Pr. Stargard), Stein¬ 
kreise 89. 

S t a r u n i a(Ostgalizien),Rhinozeros-Fund 
173. 

Steeten a. L., Rössen-Niersteiner Ke¬ 
ramik 57. 

SteetenerHöhle a.L., Aurignacien 57. 

Stjerna-Upsala + 279, 316. 

Steinalleen 247. 

Steindämme über Urnen 216, 217. 

Steine als Unterlage einer Urne 197. 

Steinertsberg bei Gera, Tardenoisien 
176. 

Steingeräte in bronzezcitl. Funden 
236. 

— s. Hämmer. 

St ei n kam me rgräber 86,87,88,91,93, 
94, 315. 

Steinkistengrab aus Urmitz, neoli- 
thisch 177. 

Steinkistengräber, neolithische 86, 
87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95. 


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Sachregister. 


357 


Steinkistengräber, bronzezeitliche 
191, 236. 

— ostgermanische 225. 

Steinkranz um bronzezeitl.Hügel 212, 

213. 

Steinkreise 67, 89, 90, 247. 
Steinpackung mit Skelett 191. 

— latenezeitlid\ 194. 
Steinpackungen, Urnen in 182—188, 

214, 215, 216. 

Steinzeit, Pfahlbau 109. 

— in Südrussland 59 ff. 

— Bestattungsformen in Mecklenburg 

209. 

— neue Funde a.d. Prov.Posen 221, 229, 
231, 232. 

— Spalter 109. 

— jüngere im Neuwieder Becken 49. 

— Herdgruben 193, 210. 
Steppenfauna s. Fauna. 

Sternkrug b. Grevesmühlen, Hügel¬ 
grab 213. 

Stempelverzierungen 7, 9. 
Stettin, neolith. Grab 97. 

Stichel a.d. Aurignacien Taf. V, VII. 

— a. d. Magdalenien 48. 
Stichreihenkeramik nördlich vom 

deutschen Mittelgebirge 60. 
Stjerna-Upsala f 279. 

— sein Nachfolger im Amt 281. 
Stockknöpfe aus Bronze 313. 

Stolz (Kr. Frankenstein), Spiralkeramik 

60. 

Stora Förvar (Schweden), Tierzähne 
als Anhänger 132. 

— Schweineknochen 139. 

Stove (Mecklenburg), neolith. Pfahlbau 

210 . 

— — wendische Skelettgräber 219. 
Strassenzüge, vorrömische 35. 
Streckenthin (Kr. Saatzig), neolith. 

Steingrab 87. 

Strega (Kr.Guben), schnurkeram.Grab 

72. 

Studsin (Kreis Kolmar), eisenzeitliche 
Keramik 225. 

Stuhl s. Sitzplatz. 

Stülow (Mecklenburg), bronzezeitliche 
Hügelgräber 212. 

Subbo reale Zeit in Skandinavien 118, 

122 . 

Succow (Kr. Saatzig), Kugelamphore 
69, 87. 

Suckow (Prignitz), Depotfund 236. 

— b. Parchim, Griffzungenschwert und 
Lanzenspitze 213. 

-bronzezeitl. Urnenfriedhof 215. 

Sulaszewo (Kr.Kolmar), Steinbeil 232. 
Sülten b. Stavenhagen, früheisenzeitl. 
Hügelgrab 216. 

— — wendische Hügelgräber 219. 
Sundsholm (Schweden), Bernstein¬ 
scheibe 134. 


Sylt, Denghoog, Trichterrandbecher 65. 

— bronzezeitl. Fibel 192. 

Szczonowo (Kr. Jarotschin), Kugel¬ 
amphore 69, 91. 

Tagung der D.G.fV. in Erfurt, August 

1910 281. 

Tagungen im Jahre 1910 281. 
Tannenzweigornament 83, 84. 
Tannhofen (Kr. Hohensalza), Trichter¬ 
randbecher 65, 84. 

Tardenoisien in Ostthüringen 174. 
Tassen, in Bronze getrieben 215. 
Tempelstätte von Rethra 219. 

Terni (Italien), bronzezeitl. Gräber 28 

29, 30. 

Terrassen an Rhein und Mosel 38. 
Teterow (Mecklenburg), Feuerstein¬ 
werkstätten 211. 

Thomsen in Kopenhagen und das Drei¬ 
periodensystem 3U4 — 306, 307, 310. 
Thorn, Keulenkopf 223. 

— bronzenes Hohlbeil 225. 

Thure (Kr. Schubin), Axt aus Ge¬ 
weih 221. 

Thüringen, Tardenoisen in 174. 
Tierbilder auf dänischen Bronze¬ 
kesseln 203. 

Tierknochen als Grabbeigaben 55, 
88, 92, 97, 139, 148. 

Tiger, diluvial, i. Neuwied. Becken 43. 
Tinz (Kr. Breslau),’ Schnurkeramik 102. 
Toddin b. Hagenow, eisenzeitl. Urnen¬ 
friedhof 217. 

Todendorf b. Teterow, kaiserzeitl. 
Urnenfriedhof 217. 

Tolkemit (Kr. Elbing), Küchenabfall¬ 
haufen 78, 99. 

Tondern, Goldhörner 205, 318. 
Tonperlen 94, 224. 

Topolno (Kr. Schwetz), neolith. Ge- 
fässe 99. 

Torgau, gedrehte Gefässe 243. 

To r ge r-Halberstadt + 331. 

Torques s. Halsring, Ring. 
Totenbaum 212. 

Trebnig (Kr. Nimptsch), Megalith¬ 
keramik 65, 85. 

Tricephalus auf Gesichtsvasen 5,13, 

205, 206. 

— auf Steindenkmälern 13, 202. 

— von Mons (Belgien) 206. 
Trichterrandbecher u. -schalen öst¬ 
lich der Oder 61, 64, 65. 

— in Deutschland 65. 

— Weiterbildungzum schnurkeramischen 
71. 

Trilithen in Westpreussen 67, 89. 

Tri sch in (Kr. Bromberg), eisenzeitl. 
Gefäss 225. 

Troisdorf (Reg.-Bez. Köln), german. 
Gräber 1, 201, 318. 

Trzebcz (Kr. Kulm), Steinkreise 76, 90. 


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358 


Sachregister. 


Tuckhude (Mecklenburg), bronzezeitl. 

Urnenfriedhof ‘215. 

Tüllenbeil s. Hohlbeil. 
Tüllenmeissel s. Hohlmeissel. 

T u t u 1 i 236. 

Überlieferung alter Flurnamen 36. 
Uckermärkische Schnurkeramik 96. 
Undset u. das Dreiperiodensystem 310. 
Untergrombacher Kultur in Urmitz 
und Mayen 49. 

Unterwellenborn s. Dobritzhügel. 
Urmitz b. Koblenz, neolith. Festung 49. 

— Meissei a. Kieselschiefer 55. 

— Schnurkeramik 56. 

— Glockenbecher 57. 

— Zonenbecher 177. 

Urnenfelder, bronzezeitliche in Meck¬ 
lenburg 215. 

— eisenzeitliche in Mecklenburg 216. 

— völkerwanderungszeitliche in Meck¬ 
lenburg 2H. 

bronzezeitl. in Posen 224. 

— eisenzeitl. in Posen 225. 

— von Kantow (Kr Ruppin) 181. 

Usch (Kr.Kolmar), eis.Lanzenspitze226. 
Ustrinen s. Verbrennungsplätze. 
Uszczerberg (Kr. Kulm), neolithische 

Scherben 90. 


Vaale (Schleswig-Holstein), bronze¬ 
zeitl. Fibel 192. 

Vallendarb Koblenz, Steinhammer 57. 
Vasen mit Götterköpfen 6. 
Vasenkopfnadeln 224. 

V e h 1 o w 1 Prignitz >, bronzezeitl. G rab 236. 
Verbrennungsplätze 316. 

Verklas b. Dömitz, völkerwanderungs- 

zeitl. Urnenfriedhof 218. 
Vettersfelde, (Lausitz), Goldfund 323. 
Virchow und das Dreiperiodensystem 
308. 

V i e 11 ü b b e (Mecklenburg - Schwerin), 

bronzezeitl. Fibel 192. 

Vogelkopf ausRengeweih geschnitzt 49. 
Vogelsang(Kr. Greifenhagen), Schnur¬ 
scherben 98. 

Völkerwanderungszeit, neue Funde 
aus Mecklenburg 218, 323. 
Vorgeschichte und Naturwissenschaft 

285. 

Vorgeschichte in der französischen 
Deputiertenkammer 269. 
Vorgeschichtliche Denkmäler, Ein¬ 
teilungen in früherer Zeit 3ü0, 301, 
302. 

Vorgeschichtsforschung und Geo¬ 
logie 23, 26, 29, 30, 31. 

— zur Geschichte der 294. 
Vorgeschichtswissenschaft, die 
deutsche im 19. Jahrhundert 311. 
Vorratsgefäss, neolithisch 84. 


Vulkanische Ausbrüche i. d. Cam- 
pagna in histor. Zeit 22. 

— in vorhistor. Zeit 23, 26, 30. 

Wachliner Busch (Mecklenburg), sla¬ 
wische Gräber 219. 

Wagenitz (Kr.Westhavelland), gedreh¬ 
tes Gefäss 243. 

Wagram (Österreich), Lössstationen 47. 
Waldalgesheim, Maskenschmuck von 

205. 

Wände i. e. Pfahlbau fehlend 115. 
Waren (Mecklenburg), Feuersteinwerk¬ 
stätten 211. 

Warmhof (Kr.Marienwerder), Trichter¬ 
randbecher 65, 83 

Warnitz (Kr.Königsberg i.N.|, neolith. 
Grab 97. 

Warrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl. 
Grabfund 211. 

Warsin (Kr. Pyritz), Megalithgräber 88. 
Wartenberg (Kr. Pyritz), neolithische 
Gräber 88. 

Weissenberg (Kr. Stuhm), neolith. 

Scherben 83, 89, 99. 

Weissenhöhe (Kr. Wirsitz), neolith. 
Becher 100. 

neolith. Steinkammer 91. 

— — Steingeräte 222. 

Weissenturm b.Koblenz, Stein-Meissel 

55. 

Weitgendorf (Prignitz), bronzezeitl. 

Grab 236, 239. 

Weizen 142, 200. 

Wellenlinien, Sdmurabdrücke als 77, 
99, 104. 

Wellenornament auf slaw. Scherben 
174. 

Wendelringe, bronzezeitlich 239. 
Wendisch-Warnow (Prignitz), Bronze¬ 
henkel 239. 

Westgermanischer Mäander 244. 

Wetzstein 87. 

W i bs ch i Kr. Thorn), neolith.Scherben 84. 
Wierzbiczany (Kr.Hohensalza), Bron¬ 
zenadel 231. 

Wildpferd in Ostthüringen 174 
Wi 1 ko witz (Kr. Breslau), neolith. Funde 

102 . 

Wil len berg (Kr.Stuhm), neolith Siede- 
lung 99. 

— — Grabfund 187. 

W i 11 e n d o r f (Österreich), paläolithische 
Funde 48. 

Wilsnack (Prignitz), Feuersteinbeil 316. 
Wirtschaftsstufen in der Steinzeit 
Schwedens 151. 

Wiskiauten (Kr. Fischhausen), neolith. 
Grab 76, 100. 

Wismar, neolith. Pfahlbau 210. 
Wochengöttervasen a d. Kaiserzeit 

5, 205. 

| — Technik 10. 


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Sachregister. 


359 


Wochengöttervasen, Herkunft aus 
Belgien 11. 

Zeitstellung 11. 

Wochengöjtervase von Troisdorf 
(Rheinlandi 6. 201, 206, 318. 

Wochengottheiten auf Vasen dar¬ 
gestellt 6, 318. 

— ihre Deutung 12, 208. 

Woez b. Wittenburg, bronzezeitl. Urnen¬ 
friedhof 215. 

Wohnstätten 228, 241. 

— älterneolithische 109. 

— neolithische *3, 84, 85, 89, 90, 98, 99, 
100, 106, 107, 193, 210. 

— bronzezeitliche 244, 245. 

— slawische 218, 219, 227. 

— s. Herdgruben, Pfahlbau. 

Woischau (Kr. Glogau), Schnurscher¬ 
ben 102. 

Woischwitz (Kr. Breslau), Jordans- 
mühler Typus 60. 

— — schlauchförm. Krug 102. 

Wolfshagen (Westprignitz), bronze¬ 
zeitl. Funde 236, 239. 

Wollenes Gewand 212. 

Wolsko (Kr. Wirsitz), slaw. Funde 227. 

Woitfick (Kr. Pyritz), Megalithgräber 
88 

Wolfknochen a. e. Pfahlbau 140, 148. 

Wolfzähne als Halsband 107. 

Worsaae und das Dreiperiodensystem 
311. 

Woydahl (Kr. Hohensalza), Stein¬ 
hämmer 221. 

-bronzezeitl. Gräber 223. 

— — eisenzeitl. Funde 225. 

-versch. Funde 228. 

— — Skelettreste 229. 

Wreschin (Kr. Filehne), Funde von e. 
bronzezeitl. Urnenfriedhof 224. 

Wulkow (Kr. Saatzig), neolith. Grab 
98. 


Wüst-Halle, ernannt zum a. o. Pro¬ 
fessor in Kiel 280. 

Wustrow-Niehagen (Mecklenburg), 
neolith. Funde 211 

Wuttrienen (Kr. Allenstein), neolith. 
Grab 77, 84. 

Zähne als Anhänger 49, 78, 82, 132. 

— in Knochen nachgeahmt 93, 133. 

— als Halsband 107. 

Zapfenbecher s. Schnurbecher. 

Zarrentin (Kr Grimmen), Megalith¬ 
keramik 61, 64, 67. 

-Kugelamphore 67. 

Zauchel (Kr. Sorau), Hausreste 245. 

Zechlau(Kr. Schlodtau), Kugelamphore 
a. e. Grab 69, 89. 

Zechlin (Ostprignitz), bronzezeitliches 
Gefäss 184. 

Zechow (Kr. Landsberg), neolith. Grä¬ 
ber 77, 97. 

Zellin (Kr. Königsberg i. N.), neolith. 
Grab 87. 

Zeremonialfeuer 212. 

Zeugreste 212. 

Ziegenknochen als Gerätmaterial 129, 
130, 131. 

— a. e. Pfahlbau 140. 

Zimmer-Berlin + 330. 

Zonenbecher 178. 

— aus Urmitz 177. 

Znin, schlauchförm. Krug 72. 

— neolith. Steingrab 91. 

— Gräber 101. 

Züllichau (Kreis), Keramik von Bern¬ 
burger Typus 86. 

Zülow b. Schwerin, Absatzaxt 211. 

Zunder 138. 

Züschen (Kr. Fritzlar), Kragenflaschen 
61. 

Zylinder aus Bronze 224. 

Zylinderspiralen 236. 


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Bücher-Besprechungen 


Seite 

Bieder, Th., Beiträge zur Geschichte der Rassenforschung und der Theorie 

der Germanenheimat, Leipzig 1909 (Berner).249 

Blasel, C., Die Wanderzüge der Langobarden, Breslau 1909 (Schulz) . . . 252 

Dechelette, J., Manuel d’archeologie prehistorique, celtique et gallo-romaine. 

I Archäologie prehistorique, Paris 1908 (Wahle) .321 

Dörrenberg, O-, Römerspuren und Römerkriege im nordwestlichen Deutsch¬ 
land, Leipzig 1909 (Schulz).320 

Forrer, R., Keltische Numismatik der Rhein-und Donaulande, Strassburg 1908 

(Regling).251 

Gradmann, R., Der Getreidebau im deutschen und römischen Altertum, Jena 

1909 (Krause).254 

Sehe mann, L., Gobineaus Rassenwerk, Stuttgart 1910 (Bieder).318 

Schoetensack, O., Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden 

von Mauer bei Heidelberg, Leipzig 1908 (Schmidt).249 

Schwantes, G., Aus Deutschlands Urgeschichte, Leipzig 1908 (Wahle) . . 248 

Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Illustrierter Führer durch 

die Prähistorische Abteilung, Leipzig 1910 (Kossinna).322 


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Verzeichnis der Abbildungen 

im Text und auf den Tafeln. 

(Chronologisch geordnet.) 


Seite,Taf. 

1. Paläolithisches. 

Deutschland. 

Aurignacien von Kärlich bei Koblenz 4b 


— von Metternich bei Koblenz . V, VI 

— von Rhens bei Koblenz VII, VIII 
Magdalenien von Andernach 48, 49 


Frankreich. 

Homo Aurignacensis, Skelett in situ 

und Schädel.XI 


2. Frühneolithisches. 

Deutschland. 

Axt aus Geweih von Netzwalde, 


Kr. Schubin.221 

— von Domin. Latkowo, Kr. Hohen- 

salza.221 

Wurfspeerspitze von Marenzin, Kr. 

Witkowo.221 

Tardenoisien aus Ostthüringen 175 


3. Jüngerneolithische Zeit. 


Karte der östlichen Ausbreitung der 
Indogermanen in neolithischer 
Zeit.; . X 

D e u ts ch 1 a n d. 

Keramik von Urmitz 50, 57, 177, 178 
Keramik vom Jägerhaus bei Mühl¬ 
heim 52, 53, 54, 55, 57, IX 

Feuersteinmesser von Rübenach . 56 

Glockenbecherkeramik .... 57 

Gefäss von Iwno, Kr. Schubin 60 

Kragenflasche von Helldorf, Kr. 

Kolmar .62 

— —ad. Kreise Ohlau ... 63 


Seite,Taf. 

Grab von Jordansmühl .... 63 

8 deutsche Trichterrandbecher. 64, 65 


Schale vonDobieszewko,Kr.Schubin 65 

Steinkreis von Trzebcz, Kr Kulm 66 

Trilithen von Odry, Kr. Könitz . 66 

Ostdeutsche Kugelamphoren . . 68 

Megalithamphore von Kulmsee, Kr. 

Thorn.68 

Amphore von Koben, Kr. Steinau 69 

Doppelhenkelkrug von Kl. Krebbel, 

Kr. Schwerin.69 

Keramik von Hammelstall, Kr. 

Prenzlau.71 

Trichterrandbecher von Halberstadt 72 

Amphore von Hundisburg, Kr. Neu¬ 
haldensleben .72 

Ostdeutsche schlauchförmige Krüge 

und Blumentopfbecher ... 73 

Schnurkugelamphore von Nawra, 

Kr. Thorn.74 

Knochenplatte von Wiskiauten, Kr. 

Fischhausen.76 

Gefäss von Bordesholm (Holstein) 77 

Henkelbecher v. Birglau, Kr. Thorn 99 

Gefäss von Znin (Prov. Posen) 101 


— von Parchanie, Kr Hohensalza 101 
Silexmesser v. Kantow (Kr. Ruppin) XV 
Amphore von Bernitt b. Bützow 210 
Gefässcherbcn von Brahnau, Kr. 

Bromberg ..222 

Axthammer von Gostyn .... 223 

Steingeräte und Becher von Wierz- 

biczany, Kr. Hohensalza . . . 230 

Schweden. 

Pfahlbau von Alvastra; Lageplan HO 

— Ansicht des Geländes . 112—113 

— — des untersuchten Teiles 114 

— Ein Herd ..115 

— Beile und Äxte 123, 124, 125, 146, 

147, 148, 150 

— Silexgeräte . . . 125, 126, 147 


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362 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite, Taf. 

Klopfsteine . . . 126, 127, 137 

— Knochengeräte 130,131,132,146,147, 

148 

— Anhänger aus Zähnen . . . 132 

— Bernsteinperle.133 

Haken aus Holz .... 135 

Keramik. 135, 147, 148 

Schwefelkies u. Zunderschwamm 137 

— Gerste u. Apfelreste . . 141, 142 

Knochenperle von Lundby, Wester- 

götland .132 

— von Luttra Knaggeg&rden, We- 

stergötland .132 

Schlagstein von Ökull, Westergöt- 

land.136 

Gefässcherben von Säter, Äloppe 
und Gullrum .151 

Russland. 

Grabfund von Nalenczow, Gouv. 

Lublin.63 

— von Lelowice, Gouv. Kielce 63 

Kujawisches Grab von Chotel, Gouv. 

Kalisch .68 

— — von Janischewek ... 68, 69 

Osteuropäische Kugelamphoren 69, 70 
Grabfund von Szeromin, Gouv. 

Warschau.71 

Schnurkugelamphore von Winiary, 

Bez. Sandomir.74 

Keramik von Zlota, Gouv. Kielce 75, 77 

— von Nowa Sieniawa, Podolien 75 

— von Siwki, Wolhynien ... 75 

Funde von Jackowica, Gouv. Kiew 

78, 79, 80 

— von Kobrynowa, Gouv. Kiew 79 

— von Nowosiolka, Gouv. Kiew 79 

Gefäss von Lepesocka, Wolhynien 95 

Österreich. 

Knochenplatte von Lobositz . . 76 

Knochenplatten und Silexmesser 

aus Ostgalizien .76 

Sch wei z. 

Gefässcherben von Robenhausen 77 

Früchte und Kerne aus Pfahlbauten 144 

F rankreich. 

2 Kragenflaschen aus Finistere u. 

Morbihan.62 

4. Bronzezeit. 

Deutschla nd. 

Tongefässe vom Fliegenberg bei 

Troisdorf. 2 


Seite, Taf. 

Kantow, Kr. Ruppin, Gräber in 
situ und Funde . . . XII-XVI 

Gedrehter Halsring von Leizen 

(Mecklenburg).213 

Schwert von Rothenmoor b. Malchin 215 
Lanzenspitze a. d. Kreise Schwetz 224 
Königsgrab v. Seddin (Westprignitz) 


— Ansicht des Hügels . . 

XVII 

— — der Grabkammer . . 

235, 237 

— Eingang zum Grab . . 

. . 236 

— Innenansicht der Kammer 

. 238 

— Funde ....... 

XVII 

Italien. 

Hausurnen . 

23, 24, 25 

Bronzefibel von Albano . . 

. . 25 

Bronzemesser ebendaher 

. . 25 

Miniatur-Schild ebendaher . 

. . 25 

— -Lanze ebendaher . . . 

. . 25 

— -Schwert ebendaher . . 

. . 25 

Tonbild von Albano . . . 

. . 26 

Gräber von Terni .... 

. 28, 30 

Fibel und Ringe ebendaher 

. . 29 

Frankreich. 

Sichel im Museum NTmes . 

. . 179 

Pyrenäen-Halbinsel. 

Sichel aus Praganca, Estremadura 179 

— aus Mertola, Alemtejo 

. . 180 


5. Vorrömische Eisenzeit. 

Deutschland. 

Tongefäss vom Fliegenberg bei 

Troisdorf. 2 

Grossbeeren, Kr. Teltow, Lage¬ 
plan .194, 195 

-Keramik . . . 194, 196, 197 

-Nadeln und Fibeln . 195, 197 

Gefässcherben von Ruhlsdorf, Kr. 

Teltow.197 

Funde von Jütchendorf, Kr. Tel¬ 
tow .197, 198 

— von Löwenbruch, Kr. Teltow 198, 199 

Gefässe von Rachow b. Güstrow 218 
Gefäss von Trischin ?, Kr. Bromberg 225 
Schale von Latkowo, Kr. Hohensalza 226 

6. Römische Kaiserzeit. 

Deutschland. 

Fliegenberg b. Troisdorf, Tongefässe 

2, 16, 207, I, II 


— — Schildbuckel. 3 

— — Bronzefibel. 3 

— — Speerspitzen. 4 


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Verzeichnis der Abbildungen. 


363 


Seite, Taf. 


Fliegenberg bei Troisdorf 

— — Bronzemesser. o 

— — Verzierung eines Gefässes 9 

— — Spinnwirtel.15 

— — Schere .15 

— — Schwert (?).16 

— — Eimerbeschläge .... 207 

Funde von Latkowo, Kr.Hohensalza 226 
Becher von Oxstedt bei Cuxhaven 207 
Darstellung eines Hammers auf 

einem Relief. 9 

Silberner Ring von Domin Broch bei 

Flatow.227 

Keramik von Wierzbiczany, Kr. 

Hohensalza.230 

Fingerring mit Gemme .... 230 

Frankreich. 

Vase von Bavay .111 

Belgien. 

Vase von Jupille.IV 

Tricephalus der Gesichtsvase von 

Mons.206 


7 Völkerwanderungszeit. 

Deutschland. 

Gefäss von Verklas (Mecklenburg) 219 

8. Mittelalter. 

Wendisches. 

Eisenschwert von Gorschendorf b. 

Malchin.219 


Seite, Taf. 

Spätere Zeit. 


„Bronzegefäss“.XV 

„Bronzeknopf 41 .313 


9. Geographisches und 
Geologisches. 


Karte eines Teiles von Mittelitalien 20 

Karte von Terni und der Gegend 

östlich davon .27 

Querschnitt durch das Quellmoor 

von Alvastra .119 

Wiesenkalkboden auf Gotland 120 


Trockengelegter Wiesenkalkboden 121 
Karte des Rückzuges des diluvialen 

Eises aus Norddeutschland . 287 

Blick vom Landgrafenberg b. Jena 288 
Klimazonen in der Nähe des dilu¬ 


vialen Inlandeises.289 

— in der Nähe des heutigen ark¬ 
tischen Eises.289 

Kurve der Schwankungen des mittl. 
jährl. Wasserstandes am Elb¬ 
pegel zu Sandau.293 

10. Bildnisse. 

Matthäus Much.275 

Hermann Grössler.277 

11. Verschiedenes. 

Bronzene Nadel von Wierzbiczany, 

Kr. Hohensalza.230 

Kavalier des 18. Jahrhunderts 313 


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Fig. 1. 


Fig. 2. 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. 


Taf. f. 


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PRINCETON UNIVERSITY 


Fliegenberg* bei Troisdorf. 


Rademacher, Germanische Gräber usw. 


Curt Kabitzsch, Leipzig. 


Fig. 5. 

Fig. 1—4 aus Grab 1. 
Fig. 5 aus Grab 3. 


1. Nimbusgott. Fig. 4. 2. Tricephalus. 

Vase mit 6 Götterbildern. 

Prähistor. Museum in Köln. 


l. Tricephalus. 


3. Göttin 



























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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. //. 


Taf. II. 



Fig. 1. 


Fig. 2. 



Fig. 3. Tricephalus. Fig. 4. Nimbuskopf. 

Fliegenberg - bei Troisdorf. 

Fig. 1, 2 aus Grab 3; Fig. 3, 4 aus Grab 1. 


Rademacher, Germanische Gräber usw. 


Curt Kabitzsch, Leipzig. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. ff. 7 ' a f /// 



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». Mars. 6. Merkur. 7. Jupiter. 

Im „Cebinet des Medailles" zu Paris (nach E. Krüger: Deux monuments usw.). 




































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7. Venus, 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. 


Tat. V. 



Aurignacien-Werkzeuge von Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau. V* nat. Gr. 


A. Günther, Neuwieder Becken. 


Curt Kobitzsch, Leipzig. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II. 


Taf. VI. 


Aurignacien-Werkzeuge aus Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau; links unten Friedhofen. 

'/* nat. Gr. 


A. Günther, Neuwieder Becken. 


Curt Kabitzsch, Leipzig. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. fl. 


Taf. Vff. 



Aurignacien-Werkzcuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. 1 /* nat. Gr. 


A. Günther, Neuwiedcr Becken. 


Curt Kabitzsch, Leipzig. 


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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. fl. 


Taf. VIII. 



Aurignacien-Werkzeuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. x a nat. Gr. 


A. Günther, Neu wieder Becken. 


Curt Kabitzsch, Leipzig. 


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Rössen-Niersteiner Keramik vom Jägerhaus bei Mülheim. 










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Abb. 3. 


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Aurignacensis. 


Curt Kabitzscli (A. Stuber’s VerQ^rVWtfEftfg. 

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Mannus , Zeitschrift für Vorgeschichte , Zu/. //. 


Tafel XL 



Abb. 1. 



Abb 2. 



Abb. 3. 


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"Gü'-gtc" 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), WurzbuTgj fpQm 

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U rn UJSLtfceflf^Jf^dr^z 


de Cb er, Cork er et 


Das Flachgräberfeld bei Kantow. 

A und B. Früher gefundene Gefässe. C. Durchschnitt von Grab 2. D. Rekonstruktion der Graburne von Grab 2. 

E, F und G. Fragmente von Grab 4. H. Beigefass aus Grab 5. J Aschenurne, K und L Beigefässreste, M Deckschale aus Grab 10. 
N Fragment des Beigefässes, O Deckschale, P, Q und R Reste derselben aus Grab 11. 


Waase, Kantow 

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ver Eiin de. 

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Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg. 

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VAsSi 


Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. 


Ta f. XII. 


Die Zage des J(a/?/ou>er 
Flaenöräberfeldes. 












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Atannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. 


Taf. XIII. 



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Das Flachgräberfeld von Kantow. 

Grab 2 geöffnet, ln der Mitte links: Lage der Gräber 1 bis 4 zueinander. Unten links: Teil von Grab 11 
Oben rechts: Reste des Gcfässes von Grab 10. Rechts in der Mitte und unten: Grab 17. 


Curt Kabitzsch (A. Stufte l V%h!Jjß, m Würibw 

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Das Flachgräberfeld von Kantow. 

A. Urne aus Grab 12, B. Bruchstück derselben, C. Beigefäss aus Grab 12. — D. Grab 13 — E. Bruchstück aus Grab 14. 

F, G und H. Beigabe aus Grab 15. — J. Urne aus Grab 16, K und L. Beigabe aus 16. — M. Grab 17. N. Bruchstück aus 
Grab 19. — O. Urne, P. Deckschüssel, Q und R. Bruchstücke derselben aus Grab 22. — S. Urne, T. Beigefäss, U, V und W 
Beigabe aus Grab 27. — X. Grabgefäss und Deckel aus Grab 28. — Y und Z. Beigabe aus Grab 29. 


\V aase, Kantowcr Funde 


Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg. 


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Maimus , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II. 


ben links: Grab 22, oben rechts: die leere Graburne 22. — ln der Mitte links: Grab 27. — Rechts: Nadel, Bügel und die ganze Fibel 
üinzelfund aus dem Dorfstich. — Unten links. Rückensäge aus einer Herdgrube. — Unten rechts: Kleines Bronzegefäss. Einzelfund. 


Curt Kabitzsch (A. StubbKi : ;?VetJ|ia|l)ySWürzburg. 

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Abb. 2. Seddin, Westprignitz. Hauptfundstücke des Königsgrabes. 

1. Königstonurne; 2. gedrehter Halsring; 3. Tüllenquerbeil; 4. Doppelknopf; 5. Rasiermesser; 

6. Königsbronzeurne; 7. Tüllenmeißelchen; ö. Doppelknopf; 9. Messer; 10. Schwert; 11. Bartzange; 

12. Knebel; 13. gegossene Bronzetasse mit eingehängtem Armring; 14. getriebenes Bronzeschälchen; 15. Lanzette. 


Kos sin na. Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz. 


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Curt Kobitzsch, Lcip' 
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