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Band I.
Heft 1/2.
MANNUS
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Zeitschrift für Vbi^gcsdiichtc
Or^an der Deutschen Gesellschaft
für "Vorgeschichte
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Professor DlGustaf Kossinna
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WÜRJüBURG
Curt Kabifzsdi (AStubersVeriag)
1909.
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Inhalts-Verzeichnis des 1/2. (Doppel-) Heftes.
Geleitwort.
Gründungsbericht und
Satzungen der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte.
I. Abhandlungen:
Koiitnna G., (Berlin). Der Ursprung der Urflnnen und der Ürindogermanen
und Ihre Ausbreitung nach dem Osten. I. Urfinnen und Nordindogermanen.
Mit 25 Textabbildungen und 11 Tafeln.
Hontelins O., (Stockholm). Das Sonnenrad und das christliehe Kreuz. I. Mit
40 Abbildungen im Text.
Hevelr A., (Brest). Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. Mit 4 Textabbildungen
und 8 Tafeln.
Bademacher C., (Köln). Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegen¬
berge bei Troisdorf, Siegkreis, Reg -Bez. Köln. Mit 4 Textabbildungen und
1 Tafel.
Schmidt K. K., (Tübingen). Das Aurignaelen in Deutschland. Vergleichende
Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum. Mit 3 Tafeln.
II. Mitteilungen:
Goetzc A., (Berlin). Ostgotlsehe Helme und symbolische Zeichen. Mit 4 Text¬
abbildungen und 1 Tafel.
Hess von WlchdorfT H., (Berlin). Ober die ersten Anfänge vorgeschichtlicher
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte der
vorgeschichtlichen Wissenschaft.
Kossinna G.. (Berlin). Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld der Latöne-
Zeit (?) in Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710. Hit I Text¬
abbildung.
^ III. Aus Museen und Vereinen:
Kiekebuach A., (Berlin). Die vorgeschichtliche Abteilung des Märkischen Museums
der Stadt Berlin. Mit 5 Textabbildungen.
Blume B., (Posen). Aus der Provinz Posen. Erwerbung des Kaiser Friedrich-Museums
zu Posen vom Juli—Dezember 1908.
Deutsche Gesellschaft Naturw.-Abt. in Posen. Vortrag: Blume, die chronologische
und die ethnographische Methode der vorgeschichtlichen Forschung.
Socidtd pr£historique de France.
Sitzungsberichte der Berliner Zweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vor¬
geschichte 1—3.
IV. Bücherbesprechungen.,^.
V. Nachrichten. (Mit 1 Tafel).
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Bezugsbedingungen:
„Mannus“, Zeitschrift für Vorgeschichte
erscheint in
awangleaer Folge, jährlich etwa 3-4 Hefte, die zusammen einen Band
von ca. 20 Druckbogen mit ebensoviel Tafeln und reichlichen Textlllustratlonen
bilden. Kimgelne Hefte sind nicht känfflich.
Abonnementspreis pro Jahr M. 16 .—.
Manuskripte sind an den Herausgeber Professor Dr. Gustaf Kossinna, Gross-Lichter-
felde, Karlstr. 10 einzusenden, Illustrationsmaterial in reproduktionsfähiger Ausführung
erbeten. Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch 30 Separata unberechnet.
Zum Geleit.
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Mit dem vorliegenden Hefte der „Zeitschrift für Vor¬
geschichte“ tritt zum ersten Male ein Organ an die
Öffentlichkeit, das aus dem Zusammenschluss der deutschen
Vertreter der Vorgeschichtsforschung als erste Frucht er¬
wachsen ist und hinfort für die Fachleute der Ort sein soll,
wo alle ihre Äusserungen von mehr als lokaler oder eng
landschaftlicher Bedeutung vereinigt werden sollen. Von
keiner anderen Erwägung gingen wir bei der Gründung der
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte aus, als von der
Erkenntnis der Notwendigkeit, unserer Wissenschaft, deren
Kundgebungen und Taten bisher nach allen Windrichtungen
hin zerflatterten, endlich auch in Deutschland einen solchen
allgemeinen Sprechsaal zu schaffen, wo alle diejenigen ihrer
Jünger ihre Stimme erheben könnten und erheben sollten,
die etwas in höherem Sinne Förderliches und für jeden
Fachmann unentbehrlich Neues mitzuteilen haben.
Wir folgen hiermit nur dem vor fünf Jahren so glänzend
gegebenen Beispiele unserer französischen Fachgenossen,
sowie der Belgier, denen sich im vorigen Jahre Engländer
und Schweizer angeschlossen haben.
So wenig die Pflege der Vorgeschichte in Deutschland
nachsteht dem Stande dieser Wissenschaft in den genannten
Ländern, so wenig darf uns die frohe Zuversicht fehlen
auf ein gleich glückliches Gedeihen unserer Gesellschaft
und unserer Zeitschrift, wie es die ausländischen Gesell¬
schaften und ihre Organe über Erwarten zu erleben die
Freude hatten.
Mannus. Bd 1, H 1. 1
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Zum Geleit.
Uber die Einzelheiten, die bei der Gründung der Gesellschaft
und der Zeitschrift in Frage gekommen sind, bringt der im Eingänge des
Heftes wieder abgedruckte Bericht über die gründende Versammlung die
nötigste Aufklärung. Hier sei daraus nur kurz wiederholt, dass ein
Bedürfnis nach einer selbständigen Gesellschaft vorgeschichtlicher Fach¬
leute bei uns schon seit Jahrzehnten sich fühlbar machte, seit 1900
ständig beraten wurde und im Herbst vorigen Jahres endlich seine
Befriedigung fand, so dass am 3. Januar d. J. die formelle Begründung
der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vollzogen werden konnte.
Unser Ziel geht einmal dahin, durch Veranstaltung von wissen¬
schaftlichen Sitzungen in Haupt- wie in Zweigversammlungen dauernde
Anregungen zu bieten, geistigen Austausch und persönlichen Zusammen¬
schluss herbeizuführen.
Unser Hauptziel liegt jedoch in der Schöpfung einer Zeitschrift,
deren Aufgabe es ist, sowohl den wissenschaftlichen Kleinbetrieb
zu pflegen durch Einrichtung eines Nachrichtendienstes und durch Berichte
über wichtige Vorgänge und Arbeiten auf allen Gebieten unserer Wissen¬
schaft, als auch den höheren Anforderungen der Wissenschaft gerecht
zu werden durch Darbietung gewählter grösserer und kleinerer Original¬
arbeiten. Nach Raum und Zeit soll hier die ganze Vorgeschichte des
europäisch-vorderasiatischen Kulturkreises nach Möglichkeit gleichmässig
berücksichtigt und zur Bearbeitung empfohlen werden.
Tüchtigen Leistungen des Auslandes, in erster Linie solchen
unserer zahlreichen ausländischen Mitglieder, stehen, wie gleich das erste
Heft zeigt, unsere Blätter ebenso offen, wie deutschen Arbeiten; doch
muss mit Rücksicht auf jenen Teil unserer Mitglieder und Leser, die
ausschliesslich unsere Landessprache lesen, für Arbeiten in fremder Sprache
die Übersetzung ins Deutsche eintreten.
Die Anordnung der Zeitschrift wird sich demnach so gestalten,
dass an der Spitze eines jeden Heftes eine Reihe von längeren Ab¬
handlungen steht, dann kleinere Mitteilungen, eine Abteilung „Aus
Museen und Vereinen“, sowie Besprechungen von Werken folgen,
endlich Nachrichten den Beschluss machen. Natürlich lässt sich diese
Einrichtung erst allmählich bei fortschreitender Organisation ebenmässig
durchführen.
Und nun noch ein Wort über den Namen der Zeitschrift, der ich den
Obertitel Mannus gegeben habe. Derartige Übernamen für Zeitschriften
und Sammlungen von Werken, die manchen vielleicht altmodisch an¬
muten und ans 18. Jahrhundert erinnern, sind in neuerer Zeit immer
häufiger in Aufnahme gekommen, weil sie von grossem praktischen Vor¬
teil sind wegen der bequemen, sichern und von Missverständnissen freien
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Zum Geleit.
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Art ihres Zitierens, während ein langatmiger Titel innerhalb des engeren
Kreises intimer Fachleute in der Schrift sehr bald eine feste Abkürzung
annimmt, die jedem Neuling wie Laien ein Rätsel aufgibt. Darum be¬
standen oder bestehen noch Zeitschriftentitel wie „Euphorion“, „Klio“,
„Merrmon“.
Und bedarf es noch vieler Worte, es zu rechtfertigen, dass nicht
ein farbloses antikes Wort gewählt wurde, sondern eben „Mannus“?
Mannus war, wie Tacitus in dem berühmten zweiten Kapitel seiner
Germania mitteilt, nach der germanischen Anthropogonie und
Ethnogonie der Sohn des erdgeborenen Tuisto, jenes zweigeschlechtigen
Urwesens, dem der nordische Ymir und der indische Yama entspricht,
und war zugleich der erste Nann, der Menschenvater, gleichsam der
Urmensch und zwar der indogermanische, wie auch in der indischen
Mythologie Manus, der Bruder des ebengenannten Yama, der erste Sterb¬
liche ist. Unser Wort „Mensch“ ist ja nur eine adjektivische Ableitung
von „Mann“, eigentlich also der „Männische“.
So eignet sich „Mannus“ vorzüglich als Name einer deutschen Zeit¬
schrift für Vorgeschichte, weit besser als etwa „Anthropos“, der Mensch
schlechthin, wie bekanntlich eine andere Zeitschrift sich nennt.
Wir Vorgeschichtsforscher suchen hinter den äusserlich nur zu oft so
unscheinbaren, für den Fachmann aber doch so unendlich beredten Resten
der Vorzeit stets den Menschen selbst zu entdecken und womöglich auch
die Volksgemeinschaft, der er angehört. Keine Volksgemeinschaft ist
aber für unsere Vorgeschichte von grösserer Wichtigkeit, als die indo¬
germanische, und innerhalb dieser nehmen wiederum ein erhöhtes Interesse
in Anspruch, nicht an sich, sondern wegen ihrer geschichtlichen Kultur¬
mission die sogenannten Centum-Völker, d. h. die Nordindogermanen.
Ihr Typus ist aber am reinsten bewahrt bei den Germanen. Es
lag darum nahe, eine der schönsten und sprechendsten Verkörperungen
dieses Typus, die Büste des in kräftigster Jugendblüte prangenden Germanen
des Berliner Museums, der früher unter dem Namen des Kaisers
Victorinus ging, als Abbild unseres Mannus zur Titelvignette zu wählen.
So mögen denn, die Wünsche und die Zuversicht, womit
wir dieses erste Heft in die Weite senden, in dieselben Worte
zusammengefasst werden, die den Ausklang der „Gründenden
Versammlung“ der Gesellschaft bildeten: „Setjen wir die
Vorgeschichte in den Sattel; reiten wird sie schon können!“
Grosslichterfelde West, Karlstrasse 10, 1. Mai 1909.
G. K.
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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Verhandlungsbericht der gründenden Versammlung
am 3. Januar 1909 im Vortragssaal des Märkischen Museums.
(Dauer der Sitzung 11—2 Uhr, 43 Anwesende.)
I. Prof. Dr. Kossinna begrüsst die Versammlung mit folgenden Worten:
„Hochverehrte Herren!
So ist denn die für uns grosse Stunde gekommen, wo Sie die
Vorgeschichte durch neue Organisationen als befreit von allen
fesselnden Banden, als selbstbewussten Vollbürger unter den ihr
nahestehenden Wissenschaften endlich erklären sollen. Sie alle,
die Sie hergekommen sind, haben schon durch Ihr Erscheinen
bezeugt, dass Sie in diesem Streben mit mir einig sind. Schon
für diesen Beweis Ihres Vertrauens bin ich Ihnen zu tiefem Dank
verpflichtet. Ich bin mir voll bewusst, wie viel ich von Ihnen
verlangt habe, wenn ich verlangte, dass Sie gerade jetzt kom¬
men sollen. Waren doch für die Auswärtigen nicht nur die ge¬
wöhnlichen Unbequemlichkeiten einer weiteren Reise zu über¬
winden, sondern diesmal kam noch der Kampf mit hartem Wind
und Wetter, mit Frost und Schnee hinzu. Und fast noch schlimmer
ist die Wahl des Tages am Jahresbeginn, wo fast jedermann durch
gehäufte Amtsgeschäfte an seinen Wohnsitz gebunden ist, wo auch
die Einheimischen vielfach durch den Besuch lieber Gäste ans
Haus gefesselt werden. Man sagte dieser Versammlung darum
ein sicheres Fiasko voraus, und es wurde der Wunsch laut, dass
ich aus eigener Machtvollkommenheit die Gesellschaft für ge¬
gründet erklären und als Vorsitzender mir einen Schriftführer
küren, alle genaueren Festlegungen aber der sommerlichen Haupt¬
versammlung überlassen sollte. Auf diesen Wunsch glaubte ich
nicht eingehen zu dürfen. Denn eine formelle Gründung schien
mir unter allen Umständen notwendig, und wenn sie nur durch
zehn Anwesende vorgenommen werden sollte. Denn an der Form
hängt hier alles. Wie der deutsche Kaiser des Mittelalters trotz
einstimmiger Wahl nicht Kaiser war, wenn es ihm nicht gelang,
die Reichskleinodien in seinen Besitz zu bringen, so wären auch
wir noch keine regelrechte, allgemein anzuerkennende Gesell¬
schaft geworden durch den blossen Willen der Mitglieder. Es
muss auch hier die rechtliche Form hinzukommen, um die Grün-
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6
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
düng als vollkommen erscheinen zu lassen. Nur so werden wir
eine Macht sein, die verhandeln kann, die den jetzt überall
gärenden Elementen der Nachbarwissenschaften als Rech¬
nungsfaktor erscheinen wird; nur so können wir nach
Auseinandersetzung mit den unser Eigenleben hemmenden
Nachbarorganisationen, nach reinlicher Scheidung vonihnen,
dazu kommen, einen ehrenvollen Frieden zu schliessen,
zum Zwecke gleichberechtigter, einträchtiger Arbeit. Denn
das ist ja unser Ziel von vornherein gewesen; nicht Krieg
ist unsere Losung, sondern durch Kampf zum Frieden, zu
fruchtbarer Arbeit im Geiste unserer Wissenschaft *)•
Darum müssen Sie heute unsere Organisation schaffen, und
darum mussten Sie herkommen. Sie alle, hochverehrte Kollegen
und Freunde unserer Wissenschaft, die Sie das in schöner Einig¬
keit und unter Zurückstellung aller Sonderwünsche und aller
Einzelheiten, die bei der Gründung nicht unmittelbar in Frage
kommen, heute bewirken wollen, Sie alle begrüsse ich in herz¬
lichster Dankbarkeit und hebe zum Schluss noch mit Freude
hervor, dass ich in Ihren Reihen auch manches noch jugendliche
Gesicht leuchten sehe, eine Tatsache, die bei früheren Versamm¬
lungen von Vorgeschichtsforschern schwerlich zu beobachten ge¬
wesen wäre. Es ist mir das ein gutes Vorzeichen, dass, wie
unsere noch so junge Wissenschaft einer reichen Zukunft entgegen¬
sieht, so auch unsere Gesellschaft die Jugend und damit die Zu¬
kunft für sich hat."
Hierauf schlägt Prof. Dr. Kossinna als 1. Vorsitzenden der
heutigen Sitzung Herrn Prof. Dr. Lehmann-Haupt-Berlin vor, der
zusammen mit Herrn Dr. Hahne-Hannover als 2. Vorsitzenden,
sowie den Herren Mielke-Berlin und Blume-Posen die Leitung
der Tagung übernimmt.
II. Prof. Lehmann-Haupt legt eine Tagesordnung vor, welche
genehmigt wird. Sie enthält folgende Punkte:
1. Verlesung eines Aufrufes, worin die Grundsätze zum Ausdruck
gebracht werden, die der zu gründenden Gesellschaft als Richt¬
schnur ihrer Arbeit vorgeschlagen werden sollen.
2. Verlesung der vorläufigen Satzungen.
3. Vorschläge zur Wahl des Ausschusses und Vorstandes der
der Gesellschaft.
4. Verhandlungen.
III. Dr. Hahne verliest den Aufruf, dem er als Einleitung die fol¬
genden Worte vorausschickte:
„M. H.! Dieser Aufruf soll sogleich eine Antwort sein auf viele
bereits ausgesprochene und noch unausgesprochene Fragen grund¬
sätzlicher Art, die mit der Gründung der „Deutschen Gesellschaft
*) Deshalb wird sich unser freier, nur wissenschaftlichen Bedürf¬
nissen entsprungener und wissenschaftlichen Zwecken dienender Zusammenschluss
auch bewähren, trotz der jüngsten gegen uns gerichteten „Verbände“, die aus dem
Zustande unerer Wissenschaft eine Machtfrage machen, wobei dann die Vorge¬
schichtsforschung „nicht frei“ sein kann — in unserem Sinne. G. K.
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Gründungs-Versammlung.
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für Vorgeschichte" im Zusammenhänge stehen, und wir hoffen,
dass dadurch die heutigen Verhandlungen vereinfacht werden
möchten zugunsten ihres Hauptzweckes, die Gesellschaft als
gegründet zu erklären."
„Die Grundsätze des Aufrufes sowie die Ihnen alsbald vorzu¬
legenden Satzungen und Wahlvorschläge stellen zugleich das Er¬
gebnis einer sechsstündigen vertraulichen Vorberatung dar, die
gestern im Kreise von 13 Vertretern und Förderern der europäisch¬
vorderasiatischen Vorgeschichtsforschung stattgefunden hat, deren
Namen sich übrigens grösstenteils in der Vorschlagsliste für die
Ausschusswahl finden".
Aufruf.
Die Vorgeschichtsforschung ist im letzten Jahrzehnt auch in
Deutschland eine selbständige Wissenschaft geworden; ihre Interessen
können daher nicht mehr nur nebenher durch Organisationen vertreten
werden, die andere Hauptzwecke verfolgen; — sie muss eine selbständige
Organisation haben.
Herr Professor Dr. Kossinna hat es für seine, ihm als erstem Inhaber
eines deutschen Lehrstuhles für Vorgeschichte vorgeschriebene Pflicht er¬
achtet, neben den idealen auch die praktischen Ziele unserer Wissen¬
schaft zu verfolgen 1 ). Mit der Gründung einer „Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte“ und eines selbständigen Fachorganes glaubt er und
mit ihm an 200 Vertreter und Freunde der Vorgeschichte, die letzte
Weihe zu der Mündigkeitserklärung der Vorgeschichtsforschung für
Deutschland vollziehen zu können.
Wir bitten Sie also, in der heutigen Sitzung vor allem Ihre Zu¬
stimmung dazu zu geben, dass die „Deutsche Gesellschaft für Vorge¬
schichte“ als gegründet erklärt wird.
Es schweben natürlich noch viele einzelne Fragen, worüber die¬
jenigen, die künftig die Gesellschaft vertreten und die Hauptarbeit leisten
sollen, sich einigen müssen.
Das ist jedoch nebensächlich gegenüber dem Hauptzweck der
heutigen Versammlung: unseren Zusammenschluss vor aller Welt zu
erklären. Deshalb bitten wir Sie dringend, lassen Sie uns alle Fragen,
die die Ausgestaltung und das Arbeitsprogramm der Gesellschaft be¬
treffen, auf künftige Sitzungen verschieben. Vorstand und Ausschuss
werden dann alle Schwierigkeiten viel leichter lösen, als es eine Grün¬
dungsversammlung vermag.
Die Satzungen, die wir ausgearbeitet haben, zeigen die grund¬
legenden Absichten und Ansichten über das, was wir wollen. Wie wir
es erreichen können, darüber wird noch vielfach zu beraten sein.
*) Wir würden es begrüssen, wenn ein zweiter, ebenfalls schon lange erstrebter
Zusammenschluss zustande käme, nämlich aller Museen, welche die Vorgeschichte
pflegen, und Hand in Hand mit uns die rein praktische Seite unserer Forschung
betrieben: möchte doch die durch persönliche Zwistigkeiten immer stärker ein¬
reissende Zersplitterung unserer Kräfte bald Platz machen einer grossen, ein¬
heitlichen, jede besonnene ideale Konkurrenz sichernden Organisation unserer
Wissenschaft, G. K,
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PRINCETON UNIVERS1TY
8
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Was wir jetzt ausführen wollen mit der Gründung der „Deutschen
Gesellschaft für Vorgeschichte“, ist ein ganz alter Plan, der unter ver¬
schiedenen Formen schon oft erwogen ist, aber nie ausgeführt wurde
aus Mangel an einer kräftigen Initiative.
Aus ihrer ungünstigen, ja bedrängten Lage kann unsere Wissen¬
schaft nur ein energischer Schritt herausführen: das ist nach unserer
Meinung die Gründung einer „Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte“.
Die Vereinigung der Kräfte als Gegengewicht gegen die
alte Zersplitterung ist unser Ziel. Möchte vor allem persön¬
liche Uneinigkeit in idealen oder praktischen Fragen zugunsten
der Sache zurückgedrängt werden durch weiterblickende Be¬
sonnenheit, die der Begeisterung für die gemeinsame Arbeit
zur Seite stehen muss, damit etwas Ganzes geleistet werde.
Wir bieten die Hand jeder Organisation, jedem Institut,
allen Persönlichkeiten und allen Wissenschaften, die in ernster
Arbeit dazu mithelfen wollen, dass sich die Vorgeschichte einen
Platz an der Sonne erobert.
Der Aufruf wird mit lebhaftem Beifall aufgenommen und soll
nach dem späteren Beschluss der Gesellschaft (s. S. 11)
dem ersten rein persönlichen Aufruf Prof. Kossinnas zur
Gründung der Gesellschaft als die erste offizielle Äusse¬
rung der Gesellschaft folgen 1 ).
l ) Mein erster Aufruf war in der Tat ganz persönlich gehalten und auch
von mir ganz allein unterzeichnet worden, da es zu umständlich gewesen wäre,
einen aller Beteiligten genehmen Aufruf zustande zu bringen. Absichtlich wurden
darum die Namen derjenigen, die sich bei der zu gründenden Gesellschaft als
Mitglieder angesagt hatten, auf eine besondere Blattseite gerückt und sie selbst
eben nur als Mitglieder bezeichnet („als Mitglieder sind beigetreten“). Unverständ¬
lich ist es mir daher, wie dennoch eine Unzufriedenheii einiger weniger dieser
Herren entstehen konnte, die in Verkennung meiner klaren Worte gemeint haben,
diese ihre Namen vielmehr als Unterschriften meines Aufrufs auffassen zu müssen.
Mein erster Aufruf war, wie ich es in der Eröffnungsansprache (oben S. 6) ange¬
deutet habe, ein Kampfesaufruf, der natürlich Schärfen nicht vermeiden konnte,
sollte endlich einmal die Wahrheit gesagt werden. „Fanfaren klingen niemals
liebenswürdig“, so charakterisierte Willy Pastor meinen Aufruf ganz richtig. Nur
diejenigen werden freilich diese Schärfen verstehen, die da wissen, wie viele Hinder¬
nisse die oft recht persönlichen Beweggründen entsprungene gegnerische Haltung
der von mir bezeichneten Kreise unserer aufstrebenden Wissenschaft bereitet hat.
Meine Freunde und Fachgenossen sind über meine aus dieser Kampfesstimmung
hervorgegangene Äusserungen hinweggegangen, die unter meiner Fürsprache bereits
in der gründenden Versammlung durch einen neuen Aufruf ersetzt worden sind.
Die zürnende Berliner anthropologische Gesellschaft hat eine im versöhnlichen Geiste
gehaltene Erklärung von mir, die ich ihr alsbald nach unserer Gründung zugehen
liess, angenommen (Zeitschrift für Ethnologie 1909, S. 117). — Aus einer Stelle
meines Aufrufes, die sich gegen Übergriffe gewisser Vertreter der Römerforschung
wendet, hat man in Westdeutschland vielfach einen Angriff gegen die Römisch¬
germanische Kommission in Frankfurt a. M. herauslesen wollen. Darauf kann ich nur
erwidern, dass ich nicht einmal daran gedacht habe, die Wirksamkeit dieser Kom¬
mission und besonders ihres trefflichen Leiters Dragendorff, mit dem ich fort¬
dauernd in Verbindung stehe, in die Erörterung zu ziehen: somit sind alle Ver¬
dächtigungen nach dieser Richtung hin völlig hinfällig. Unversöhnten Gegnern sei
hier gesagt, dass es nicht in meiner Absicht lag, irgendwen zu kränken, und wenn
dies irgendwo doch so — unrichtig — empfunden worden sein sollte, so tut mir dieses
aufrichtig leid. G. K.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Gründungs-Versammlung.
9
IV. Herr Mielke verliest die vorläufigen Satzungen.
V. Prof. Lehmann-Haupt verliest die Vorschlagsliste für die Wahl
des Ausschusses und des Vorstandes der Gesellschaft und weist
darauf hin, dass sie der derzeitigen örtlichen Verteilung der Mit¬
glieder der Gesellschaft (siehe VII b) entspreche.
VI. Eine Anwesenheitsliste wird aufgestellt.
VII. Die nunmehr eröffneten Verhandlungen beginnen damit, dass:
a) sich die Versammlung einstimmig mit dem Inhalt des Auf¬
rufes einverstanden erklärt unter Zufügung einiger gering¬
fügiger Zusätze, und dass
b) Prof. Dr. Kossinna auf Wunsch weitere Angaben über die
Anzahl der angemeldeten Mitglieder und deren Verteilung gibt.
Prof. Dr. Kossinna: „Es wird Sie interessieren, zu hören, wie
sich unsere Mitglieder, rund 200, über Deutschland und über Europa
verteilen. 1 )
Das Deutsche Reich teilt sich unter diesem Gesichtspunkte in
fünf Gebiete:
1. Berlin, die stärkste Gruppe, zählt 55 Mitglieder.
2. Nordostdeutschland, westlich bis zur Elbe, ohne Berlin
und den Anteil des Königreichs Sachsen: 45 Mitglieder. Somit
gehört die Hälfte unserer Mitglieder in das Gebiet östlich
der Elbe.
3. N or d we std eu tsch 1 a nd: 33 Mitglieder.
4. Sachsen-Thüringen: 31 Mitglieder.
5. Süddeutschland: 19 Mitglieder.
Aus dem deutschen Sprachgebiet sind weiter zu nennen:
Österreich-Ungarn: 6 Mitglieder; Schweiz: 3 Mitglieder; ferner
Dänemark: 1 und Schweden: 3 Mitglieder; endlich Belgien: 2
und Frankreich: 1 Mitglied; bemerkenswert ist, dass die Vorstände
von Vereinen und Instituten einen starken Anteil unserer Mitglieder
ausmachen: im Nordosten sind es 23 unter 45; im Nordwesten
23 unter 33, in Sachsen-Thüringen 20 unter 31, im Süden 10
unter 19, im Auslande 12 unter 16, insgesamt also 88 unter 144.“
Anmerkung: Da der Aufruf auf die Geschichte des Gründungs¬
planes nicht näher eingeht und diese Geschichte nur dem kleinen
Kreise wirklicher Fachleute bekannt ist, erscheint es angemessen,
die einschlägigen Sätze aus einer Mitteilung von Prof. Dr. Kos¬
sinna bei Eröffnung der vorberatenden Vertreterversammlung hier
einzuschalten:
„Als Einleitung zu den Satzungsverhandlungen darf ich wohl
einige ganz kurze Ausführungen machen über die früheren Ver¬
suche, die Vorgeschichte selbständig zu organisieren, die ja leider
alle gescheitert sind. Vor Jahrzehnten schon wollten die Vorge-
! ) Dass innerhalb unserer Gesellschaft Kleinmut nicht am Platze ist, mag
die Tatsache zeigen, dass wir trotz aller systematisch betriebenen Versuche der
Gegenseite, unsere Mitglieder abspenstig zu machen was freilich nur in den
allerseltensten Fällen gelungen ist —, wir uns jetzt auf 242 Mitglieder vermehrt
haben; die neuen Zugänge liegen hauptsächlich in Nordost, Berlin, Nordwest und
im Auslande. G. K.
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PRINCETON UNIVERS1TY
10
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
schichtsforscher innerhalb der Berliner Anthropologischen Ge¬
sellschaft eigene Fachsitzungen veranstalten; allein die Sache fiel
ins Wasser, vielleicht mehr aus persönlichen als aus sachlichen
Gründen. Später hat der verstorbene Direktor Voss den Plan
gehabt, ausserhalb der anthropologischen Gesellschaften die
Vorgeschichtsforscher zu einigen um einen festen Kern, den die
zahlreichen mitteldeutschen Forscher und Museen, namentlich in
der Provinz Sachsen und Thüringen, bilden sollten. Aber auch
diesem Plane fehlte ein umsichtiger und kraftvoller Führer der
Bewegung. Seit der Hallischen Anthropologenversammlung von
1900, wobei die Angelegenheit von neuem als dringlich bezeichnet
und vertraulich durchgesprochen wurde, lag die Frage der Ge¬
samtorganisation der Vorgeschichte geradezu in der Luft.
Und doch geschah nichts. Wie man vorzugehen habe, wurde
ernstlicher nur erwogen in dem kleinen Kreise, den meine ersten
Schüler und Zuhörer um mich bildeten. Unter ihnen war es be¬
sonders Herr Dr. Hahne, der sich meinen Bestrebungen zur Ver¬
fügung stellte und sogar selbständig wirkte. Diese Besprechungen
und Agitationen waren schon 1905 und besonders 1906 in vollem
Gange. Als Beweis hiefür lese ich ihnen eine Stelle vor aus
einem Aufsatze Hahnes in Tilles „Deutschen Geschichtsblättern"
Jahrgang 1906, Band 8, Seite 56: „Hoffentlich werden die Be¬
strebungen, gerade die der deutschen vaterländischen vorge¬
schichtlichen Forschung gewidmeten Sammlungen durch zusam-
menschliessende Organisation zu heben, bald von Erfolg sein".
> 1907 ging Herr Dr. Hahne nach Hannover ans Provinzialmuseum
und damit fing unser Plan an, greifbare Formen anzunehmen.
Mit der Vollendung der Neuordnung der vorgeschichtlichen Ab¬
teilung dieses Museums, die zu Weihnachten 1907 von Dr. Hahne
erhofft wurde, glaubten wir die Gründung einer Gesellschaft für
Vorgeschichte verbinden zu können. Aber die Gründung musste
hinausgeschoben werden wegen widriger Verhältnisse im Privat¬
leben der Nächstbeteiligten und weil auch die Neuordnung in
Hannover nur langsam vorrücken konnte. So kam das Jahr 1908,
und ich beschloss nun, dem langen Zögern ein Ende zu machen
und ganz allein die Sache in die Hand zu nehmen. So ist denn,
nach Rücksprache mit befreundeten Fachgenossen im Sommer
1908, die Sache im Herbst fertig geworden. Natürlich steht uns
nach wie vor die Frage der Gesellschaft an erster Stelle. Aber
eine wissenschaftliche Gesellschaft ohne Zeitschrift ist ein Unding.
Darum war von jeher der Plan der Zeitschrift ein un¬
erlässlicher Bestandteil unserer Gründung“ *).
VIII. Beratung der Satzungen:
A. Nach sehr eingehenden Erörterungen werden die §§1,3, 4,
5, 6, 7, 8, 9, 10 und 12 mit unwesentlichen Änderungen an-
•
*) Auch an dieser Stelle verwahren wir uns nachdrücklich gegen alle mit
den Tatsachen in Widerspruch befindlichen Unterstellungen und Deuteleien, wie sie
von bekannter Seite her bei der Agitation gegen unseren Zusammenschluss fort¬
dauernd verbreitet werden! G, K.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
Gründungs-Versammlung.
11
genommen. Bei Besprechung der §§ 5 und 6 wurde nament¬
lich betont, dass der Geschäftsordnung des Vorstandes bezw.
Ausschusses vieles anheim gestellt werden solle, was die
Regelung der Beziehungen zu anderen Organisationen usw.,
sowie innere Fragen der Gesellschaft betrifft.
B. § 2 wurde in der Form eines Antrages des Herrn Prof. Peiser-
Königsberg in die Satzungen aufgenommen; § 11 in der
ursprünglichen Fassung mit geringen Veränderungen.
Die §§ 2 und 11, die wegen ihres inneren Zusammenhanges
gemeinsam besprochen wurden, gaben Veranlassung zu folgenden
grundsätzlichen Darlegungen seitens der Versammlung:
1. Der zu Beginn der Sitzung verlesene Aufruf soll als erste
offizielle Äusserung der Gesellschaft sobald als möglich ge¬
druckt und versandt werden, zugleich mit den endgiltigen
Satzungen der Gesellschaft und dem Bericht über die grün¬
dende Versammlung.
2. Anerkannt werden die Dezentralisationsbestrebungen, die sich
in den vorgelegten Satzungen und dem Aufruf ausdrücken,
und es gelangen die Wünsche und Ansichten der Versamm¬
lung über das Verhältnis zu alten und neuen Vereinigungen
für Vorgeschichte in folgendem Hinweis zum Ausdruck:
Die Satzungen der Gesellschaft enthalten den Wunsch und
die Möglichkeit, dass alle Vereinigungen, Institute usw. für
Vorgeschichtsforschung, unbeschadet ihrer besonderen und
örtlichen Bestrebungen, Mitglied der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte werden können. Die Deutsche Gesell¬
schaft für Vorgeschichte will die Ergebnisse der Einzelarbeit
auf allen wissenschaftlichen Gebieten, soweit sie der Förde¬
rung der europäisch-vorderasiatischen Vorgeschichtswissen¬
schaft dienen, zusammenfassen. Diesem Zweck dient vor
allem die Zeitschrift der Gesellschaft.
3. Berlin ist aus naheliegenden praktischen Gründen zum Sitz
der Gesellschaft gewählt worden; die Vertretung der Inter¬
essen der Berliner Mitglieder soll einer Berliner Ortsgruppe
zufallen.
IX. Der Vorsitzende der Gründungsversammlung, Herr Prof. Lehmann-
Haupt, erklärt nach Annahme der Satzungen (s. S. 14) die Deutsche
Gesellschaft für Vorgeschichte für gegründet und spricht ihr die
ersten Glückwünsche aus.
X. Die Wahl des Ausschusses wird in Übereinstimmung mit der vor¬
gelegten Wahlliste einstimmig durch Zuruf vollzogen. Die erst¬
malige Wahl des satzungsgemäss vom Ausschuss zu wählenden
Vorstandes wird seitens der gründenden Versammlung durch An¬
nahme der zur Tagesordnung vorgelegten Vorstandsliste vollzogen.
Die anwesenden Mitglieder des somit gewählten Ausschusses und
Vorstandes nehmen die Wahl an.
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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
In den Ausschuss der Gesellschaft wurden gewählt:
Geheimrat Prof. Dr. Adalbert Bezzenberger— Königs¬
berg i. Pr.,
Univ.-Professor für vergleichende Sprachwissenschaft, Vor¬
sitzender der Altertumsgesellschaft Prussia.
Dr. med. Gustaf Eichhorn — Jena,
Konservator des Germanischen Museums.
Museumsdirektor Feyerabend — Görlitz.
Dr. Hans Hahne — Hannover,
Vorsteher der vorgeschichtlichen Abteilung des Provinzial¬
museums, Privatdozent für vorgeschichtliche Archäologie an
der Technischen Hochschule.
Prof. Dr. Paul Höfer — Wernigerode am Harz,
Vorsteher des Fürst-Otto-Museums.
Dr. Albert Kiekebusch — Berlin-Karlhorst,
Ordner der vorgeschichtlichen Abteilung des „Märkischen
Museums".
Prof. Dr. Gustaf Kossinna — Berlin-Gr.-Lichterfelde-West,
Univ.-Professor für deutsche Archäologie.
Prof. Dr. Karl Lehmann-Haupt—Berlin,
Univ.-Professer für alte Geschichte.
Obersekretär Hermann Maurer—Berlin.
Prof. Dr. Ohnesorge — Lübeck.
Rektor Karl Rademacher — Köln,
Vorsteher des „Prähistorischen Museums".
Dr. J. Reimers — Hannover,
Provinzialkonservator, Direktor des Provinzialmuseums.
Prof. Dr. Walter — Stettin.
Generaloberarzt Dr. Georg Wilke — Chemnitz.
Dr. Ewald Wüst — Halle a. S.,
Privatdozent für Geologie und Paläontologie an der Universität.
In den Vorstand wurden gewählt.
1. Vorsitzender: Prof. Dr. Kossinna — Berlin.
2. Vorsitzender: Geheimrat Prof. Dr. Bezzenberger,
Königsberg i. Pr.
3. Vorsitzender: Museumsdirektor Dr. Reimers — Hannover.
1. Schriftführer: Dr. Kiekebusch — Berlin.
2. Schriftführer: Generaloberarzt Dr. Wilke — Chemnitz.
3. Schriftführer: Privatdoz. Dr. Wüst — Halle a. S.
Schatzmeister: Obersekretär Maurer Berlin.
XI. Prof. Dr. Ohnesorge-Lübeck dankt im Namen der Anwesenden
Herrn Prof. Lehmann-Haupt als dem Leiter der heutigen Ver¬
sammlung und Herrn Prof. Dr. Kossinna, dessen tatkräftigen und
unermüdlichen Werbungen es zugeschrieben werden müsse, dass
die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zur
Tat geworden sei.
XII. Schlusswort des Herrn Prof. Dr. Kossinna:
„M. H! Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Erscheinen und Ihre
verständnisvolle und einträchtige Mithilfe bei den ersten Anfängen
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Gründungs-Versammlung.
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einer eigenen Arbeitsorganisation unserer Wissenschaft. Ich muss
ein Wort Bismarcks mit geringer Änderung hier anwenden:
„Setzen wir die Vorgeschichte in den Sattel! Reiten wird sie
schon können!“ Und nun zum Schluss ein Heil der Vorgeschichte
und allen, die es gut mit ihr meinen“.
Nach Schluss der Sitzung fand im Ratskeller ein gemeinschaft¬
liches Mahl statt, an dem sich 25 Mitglieder beteiligten und bei
dem zu dem erwünschten Ausbau persönlicher Beziehungen viel¬
versprechende Anfänge gemacht wurden.
An Seine Majestät den Deutschen Kaiser wurde folgendes
Huldigungstelegramm gesandt:
An des Kaisers und Königs Majestät!
Die in Berlin aus allen deutschen Gauen versammelten
Vertreter der Vorgeschichtsforschung, die soeben die
„Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte“ gegründet
haben mit dem Ziel, die Anfänge europäischer Kultur
aufzuhellen, bitten, Ew. Majestät als dem erhabenen
Förderer aller Wissenschaften ihre ehrfurchtsvolle
Huldigung darbringen zu dürfen.
I. A: Der Vorsitzende
Universitätsprofessor Dr. Gustaf Kossinna, Berlin.
Am nächsten Tage lief beim 1. Vorsitzenden folgendes Tele¬
gramm ein:
Herrn Prof. Dr. Kossinna, Gr. Lichterfelde, Karlstr. 10.
Seine Majestät der Kaiser und König lassen für die
Meldung von der Gründung der „Deutschen Gesell¬
schaft für Vorgeschichte“ und den Huldigungsgruss
danken.
Auf Allerhöchsten Befehl
der Geheime Kabinettsrat von Valentini.
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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte
Satzungen.
I. Name, Zweck, Sitz und Geschäftsjahr der Gesellschaft.
§ 1 .
Die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte bezweckt den Zu¬
sammenschluss der Vertreter und Freunde der Vorgeschichte zur
Wahrnehmung aller Interessen der Vorgeschichte: Pflege vorgeschicht¬
licher Forschung, Verbreitung vorgeschichtlicher Kenntnisse, Schutz
vorgeschichtlicher Denkmäler und Verhinderung des Raubbaues.
§ 2 .
Um diesen Zweck zu erreichen, tritt die Gesellschaft in enge
Verbindung mit den Provinzial- und Lokalvereinen für Vorgeschichte
und regt dort, wo Mangel an solchen empfunden wird, zu Neugrün¬
dungen an. Als eigenes Arbeitsgebiet behält sie sich die Veranstaltung
der Hauptversammlung und die Herausgabe einer Zeitschrift vor.
§ 3.
Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Berlin.
§ 4.
Das Geschäftsjahr der Gesellschaft ist das Kalenderjahr.
II. Organisation.
§ 5.
An der Spitze der Gesellschaft steht ein Vorstand von 7 Mit¬
gliedern: 3 Vorsitzende, 3 Schriftführer und 1 Schatzmeister. Dieser
Vorstand wird bei Gelegenheit der Hauptversammlung durch den Aus¬
schuss aus dessen Mitte auf 3 Jahre gewählt und hat innerhalb der
Wahlperiode das Recht der Zuwahl. Der Vorstand gibt sich eine
Geschäftsordnung.
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Satzungen.
15
§ 6 .
Der Ausschuss, der aus 15 Mitgliedern besteht, wird durch die
Hauptversammlung auf Grund einer vom Vorstande vorzulegenden Liste
von 30 Namen auf 3 Jahre gewählt und ergänzt sich innerhalb der
Wahlperiode durch Zuwahl.
§ 7.
Die Mitgliedschaft wird durch Anmeldung beim Vorstande unter
Berufung auf zwei Mitglieder nachgesucht. Über die Aufnahme ent¬
scheidet der Vorstand. Die Ernennung zu korrespondierenden und
Ehren-Mitgliedern erfolgt auf Antrag des Vorstandes durch den Ausschuss.
§ 8 .
Die Mitgliedschaft erlischt:
a) durch Austritt, der schriftlich vor Schluss des Geschäfts¬
jahres erklärt werden muss,
b) durch Ausschliessung mittelst einer Mehrheit von */s des
Ausschusses.
III. Beitragszahlung.
§ 9.
Jedes Mitglied zahlt einen Jahresbeitrag von 10 Mark und erhält
dafür die Zeitschrift der Gesellschaft. Durch Zahlung eines einmaligen
Beitrages von 300 Mark wird die immerwährende Mitgliedschaft erworben.
IV. Hauptversammlung.
§ 10 .
Alljährlich findet eine Hauptversammlung statt, die den Jahres¬
bericht des Vorstandes entgegennimmt und dem Schatzmeister Ent¬
lastung erteilt.
Den Ort der Hauptversammlung bestimmt der Ausschuss.
V. Zweiggesellschaften.
§ 11 .
Vereinigungen von Mitgliedern der „Deutschen Gesellschaft für
Vorgeschichte“ zu Zweiggesellschaften haben das Recht, sich eigene
Satzungen zu geben, die jedoch nicht in Widerspruch zu den Satzungen
der Hauptgesellschaft stehen dürfen.
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Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Satzungsänderungen und Auflösung.
§ 12 .
Eine Änderung der Satzungen oder die Auflösung der Gesellschaft
kann nur durch die Hauptversammlung, die in letzterem Falle auch
über das Gesellschaftsvermögen entscheidet, mit Dreiviertel-Mehrheit
vorgenommen werden. Anträge müssen dem Vorstande 8 Wochen
vorher eingereicht und in ihrem Wortlaute den Mitgliedern mit der
Einladung zur Hauptversammlung zugestellt werden.
Der Vorstand:
I. A.
Univ.-Prof. Dr. Gustaf Kossinna
I. Vorsitzender.
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Per Ursprung der Urfinnen und der Urindoger-
manen und ihre Ausbreitung nach dem Osten.
Vortrag gehalten am 18. Juli 1908
von Gustaf Kossinna.
1. Urfinnen und Nordindogermanen.
Mit 25 Textabbildungen und 11 Tafeln.
Vorbemerkung: Es lag ursprünglich in meiner Absicht, diesen Vortrag
mit Ausfüllung der vorhandenen mittleren Lücke und genauen Literaturangaben
gesondert herauszugeben. Da aber zunächst mehrmonatige Reisen, dann die Grün¬
dung und nun fortgesetzt cie weitere Organisation der Deutschen Gesellschaft für
Vorgeschichte mich vollkommen in Beschlag nehmen, wollte ich nicht länger zögern,
die schriftliche Unterlage meines Vortrages, wie sie im Juli vorigen Jahres ab¬
gefasst war, weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was mir von vielen Seiten
dringend empfohlen worden ist. Es sei hier gleich bemerkt, dass dieser Vortrag
Anschauungen wiedergibt, wie ich sie grösstenteils, beispielsweise über die Ancylus-
kultur und ihre Herleitung aus dem Magdalenien Westeuropas bereits in meinen Vor¬
lesungen über die Steinzeit in den Wintersemestern 1904/5 und 1906/7, sowie über das
indogermanische Urvolk im Wintersemester 1905/6 und nur zu einem kleineren
Teile erst in einer Wiederholung dieses letzten Kollegs im Wintersemester 1907/8
ausgesprochen habe. — Diese Bemerkung erscheint darum besonders notwendig,
weil zufällig gerade bald nach meinem Vortrage eine ganze Reihe einschlägiger
Arbeiten erschienen sind, die ich, selbst wenn ich ihnen in keinem Punkte zu
folgen imstande wäre, nicht in die Erörterung ziehen könnte, ohne das Gefüge
meiner Darstellung sei es auch nur durch Erweiterung ganz wesentlich zu ändern.
Am wenigsten gilt dies von den in der Mainzer Zeitschrift Jahrg. III. 1908 er¬
schienenen Kompilationen über die frühneolithische Zeit in Deutschland, die den
von mir mitgeteilten Tatsachen und Anschauungen weder etwas hinzuzutun noch
etwas abzutragen geeignet ist. — Dagegen berührt sich mit meinen Anschauungen
und Ergebnissen, wenn auch keineswegs in den ethnologischen Hauptsachen, wo wir
sehr auseinandergehen, so doch in zahlreichen . Einzelheiten archäologischer
Forschung die durchaus gediegene Arbeit von Wilke über „Neolithische Keramik
und Arierproblem“ (Archiv f. Anthropologie 1909). Dasselbe Heft des Archivs bringt
zwei Arbeiten zur Anthropologie des neolithischen Mitteleuropa, deren Ergebnisse
ich durchaus anerkenne und vielleicht ohne grössere Schwierigkeit in meinen
Vortrag hätte hinarbeiten können, wenn mir die nötige Müsse zu Gebote gestanden
hätte; es sind das die Abhandlungen von O. Reche, Zur Anthropologie der jüngeren
Steinzeit in Schlesien und Böhmen, und von A. Schliz, Die vorgeschichtlichen
Mannus. Bd. I. 2
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18
Gustaf Kossinna.
[2
Schädeltypen der deutschen Länder in ihren Beziehungen zu den einzelnen Kultur¬
kreisen der Urgeschichte. Namentlich die letztere ist von einschneidender Bedeutung
durch die Bestätigung, die nun von der anthropologischen Seite her meine schon 1902
rein auf kultureller Grundlage vorgenommene Zuweisung der Bevölkerung des
Rössener Stiles zur nordischen Gruppe, dagegen der bis dahin von anderen mit
ihr gleichgestellten Bevölkerung des Grossgartacher Stiles, wie auch des Hinkel¬
steinstiles und ganz natürlich der Spiralkeramik zur donauländischen Gruppe er¬
fährt. Überhaupt wird Schlizens anthropologischer Nachweis, dass die archäo¬
logisch festgestellten Kulturkreise nicht in beliebiger Weite und Form
ausgespreitete Kulturteppiche sind, sondern, wie es von mir zuerst und stetig auf¬
gefasst worden ist, wirklich getragen waren von wohlcharakterisierten
Volksstäm m en m it bestimmtem s o m a t i s c h - a n t h ro p o 1 og i sc h e m Ha¬
bitus, der kleinen, aber um so anmasslicheren Schreiergruppe der „Nicht¬
ethnologen“ unter den Vorgeschichtsforschern hoffentlich wenigstens für einige Zeit
einen wohltätigen Dämpfer aufsetzen und ihnen endlich die ernste Frage nahelegen,
ob ihr verständnisloses Abweisen der ethnologischen Gesichtspunkte auf einem
eigensinnigen blossen Nichtwollen oder vielleicht auf einem durch mangelhaftes
Erkennen hervorgerufenen Nichtkönnen beruht.
Trotzdem ist es besser, dass mein Vortrag die ihm ursprünglich geliehene
Gestalt beibehalten hat, damit man den Anteil der verschiedenen Forschungsweisen
an den gesicherten Ergebnissen der jetzigen Behandlung der indogermanischen
Frage klarer erkennen kann. Im übrigen habe ich nur selten einmal auf diese
oder jene allerneueste, im Texte noch nicht benutzte Literaturerscheinung, die
nur für Einzelfragen von Bedeutung ist, anmerkungsweise hingewiesen.
Als ich zuerst meine Absicht kund gab, heute über die Indoger¬
manen zu sprechen, begegnete ich der erschrockenen Frage, ob ich
denn den ganzen Stoff behandeln wollte. Nun, ich kann Sie be¬
ruhigen , das will ich nicht, weil dazu die Vorlesung eines ganzen
Wintersemesters nicht ausreichen würde. So kompliziert ist die „in¬
dogermanische Frage“ hauptsächlich dadurch, dass erst eine Unmenge
„Vorfragen“ aus allen möglichen Wissenschaften ins Reine zu bringen
sind. Die Erledigung dieser Vorfragen nahm in meinem schon mehrere
Male gelesenen Kolleg über die indogermanische Urzeit stets soviel
Zeit in Anspruch, dass ich die Entstehung und Ausbreitung der Indo¬
germanen selbst nur in einem kurzen Anhang behandeln konnte. Diese
Vorfragen lasse ich heute beiseite, muss aber, um Verständnis zu
finden, für einige dieser Fragen meinen festen Standpunkt genau kund tun.
Zunächst über die indogermanische Ursprache. Da war es vor
einiger Zeit Mode — heute ist es Gott sei Dank wieder nicht mehr so
der Fall —, sich in hyperkritischen Zweifeln zu gefallen, ob es eine solche
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3] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. J Q
Ursprache überhaupt gegeben habe. Selbst Sprachforscher und Sprachver-
gleicher machten die Mode mit und sprachen mit überlegener Selbstironie
von der nur hypothetisch angesetzten Ursprache als einem Phantom, dessen
Wiederaufbau nur den Zweck habe, zu den ältesten erreichbaren Sprach-
formen der Einzelsprachen zu gelangen und diese zu erklären. Sie
spotteten so ihrer selbst und wussten nicht wie. Aber es waren das
solche Sprachforscher, die nur am grünen Tisch arbeiteten, ohne ge¬
nügend Geschichte und Volksforschung zu kennen. Die Realforscher
unter den Sprachgelehrten haben diese, wie alle ungesunde Hyper¬
kritik, im Grunde ganz unwissenschaftliche Mode abgetan oder nie
mitgemacht, aber bei Naturforschern findet man sie auch heute immer
noch.
Wenn es also eine indogermanische Ursprache für mich unter allen
Umständen gegeben hat, dann natürlich auch ein indogermanisches
Urvolk. Der Zweifel hieran entspringt einem beinah noch unklareren
Denken, als der Zweifel an der Ursprache. Denn eine lebendige
Sprache ohne scharf umrissenes Volk, das sie spricht, ist ein Unding.
Dieses Volk muss wie alle Völker ursprünglich auf einem ver¬
hältnismässig engen Raume gewohnt haben, wo es eben entstanden ist.
In so ausgedehnten Räumen, wie etwa das ganze Flachland von Nord¬
frankreich durch Norddeutschland und Mittelrussland bis zum Ural hin,
wo in früheren und jetzigen Zeiten einige, freilich wenige Sprach¬
forscher, aber auch ein Mann wie Ratzel die Urheimat der Indoger¬
manen sahen und sehen — in solchen Räumen entsteht kein Volk —
ganz abgesehen davon, dass schon die archäologischen Verhältnisse
gerade diese Annahme ganz unmöglich erscheinen lassen.
Also ein Urvolk mit einer indogermanischen Ursprache
auf nicht zu grossem Raume.
Und dies Urvolk hatte auch einen bestimmten Typus, wie das
zwar nicht bei einem modernen Volk, wohl aber bei einem Urvolk nur
natürlich ist. Wenn Sie also wollen, setzen Sie hier meinetwegen auch
das verpönte Wort „Rasse“ ein. Der bekannte Spott über das „kurz¬
köpfige Wörterbuch“ als Gegenstück zur „indogermanischen Rasse“
schreckt mich so wenig, dass er vielmehr nicht den geringsten Eindruck
auf mich macht. Selbstverständlich warne ich die Anfänger in der
Vorgeschichte stets vor der Verwechslung der Begriffe „Volk“ und
„Rasse“. Hier liegt die Sache aber denn doch anders; man darf auch
hier nicht Prinzipienreiterei treiben, sondern muss daran denken, dass,
je weiter wir in die Vorzeit zurückgehen, desto mehr die den Be¬
griffen „Rasse“ und „Volk“ zugrunde liegenden Tatsachenunterschiede
schwinden, so dass schliesslich beide Begriffe zusammenfallen. Hier
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Gustaf Kossinna.
[4
haben wir einfach die geschichtlichen Tatsachen sprechen zu lassen.
Die ältesten Geschichtsquellen und Denkmäler, und auf die ältesten
kommt es allein an, bezeugen die Indogermanen ausnahmslos als
hochgewachsen und mit heller Komplexion; die Gräberfunde fügen dazu
die Langköpfigkeit und drittens spricht die Häufigkeit der Vereinigung
gerade dieser drei Merkmale in einem und demselben Typus bei den
heutigen Völkern derjenigen Länder, die für die Urheimat der Indo¬
germanen in Betracht kommen, d. h. also Europa ohne die drei süd¬
lichen Halbinseln und ohne Osteuropa oder Nordosteuropa, für jenen
Typus als indogermanischen Typus, der also dasselbe ist, was wir heute
den nordischen oder nordeuropäischen Typus nennen. Diese vier Dinge,
d. h. indogermanische Ursprache, indogermanisches Urvolk, kleinerer
Urraum als Urheimat und nordischer Typus der Indogermanen, sind
heute für mich indiskutabel, da ich ein ungeheueres Material in Be¬
wegung setzen müsste, um die Gründe hierfür vorzuführen.
Um den Ursprung der Indogermanen zu ermitteln, ist es also
nach meiner Ansicht nur nötig, die früheste Verbreitung des nordischen
Typus in Europa zu ermitteln. Das war auch schon mein Standpunkt,
als ich im Jahre 1902 meine archäologische Beleuchtung der indoger¬
manischen Frage in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlichte. Leider
hat mich damals noch die anthropologische Forschung im Stich ge¬
lassen, so dass ich in einem sehr wichtigen Punkte zu einem Fehl¬
schlüsse kam.
Ich hatte damals als erster die grosse Zweiteilung der nord- und
mitteleuropäischen Steinzeitkultur erkannt und bekannt gemacht: auf der
einen Seite in Skandinavien und Norddeutschland die nordische Kultur mit
Ausläufern nach Mitteldeutschland und später von hier nach Nord¬
österreich, Süddeutschland und der Schweiz, auf der andern Seite im
ganzen Donaugebiet die sogenannte bandkeramische Kultur, die um¬
gekehrt ihre Ausläufer nordwärts nach Mitteldeutschland sendet: zwei
enorme Gegensätze. Man hat später an gewisser Stelle diese bedeut¬
same Klärung ignorieren zu dürfen geglaubt, um überflüssigerweise
weiter gegen die alte, zu enggefasste Einteilung der Neolithik in Band-
und Schnurkeramik kämpfen zu können. Es sind dabei neue Ein¬
teilungsversuche gemacht worden, es ist von alteuropäischem Horizontal-
und Vertikalsystem im Gegensatz zum freien Dekorationssystem geredet
worden. Ein anderer jemand hat statt dessen die Schlagworte „Um¬
lauf- und Rahmenstil“ erfunden. Beide aber glaubten mit diesen
nach ganz einseitigen Gesichtspunkten ausgedachten Scheidungen meine
auf dem gesamten hinterlassenen Kulturmaterial aufgebauten ethno¬
logischen Anschauungen widerlegt zu haben, zeigten aber dadurch nur,
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5] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 21
wie wenigen heute immer noch die Fähigkeit zu eindringender ethno¬
logisch-archäologischer Erkenntnis gegeben ist.
Nun schien es damals nach freilich nicht fachmännisch geführten
Untersuchungen so, als wiesen die mitteldeutschen Ausläufer der
Bandkeramik in Rheinhessen und in der Pfalz denjenigen anthropolo¬
gischen Typus auf, den man den mittelländischen nennt. Und auch
über die Jordansmühler Skelette ging mir von Breslau aus das Urteil
zu, sie wären einer kleinwüchsigen, langschädeligen Rasse ange¬
hörig. So war es nicht wunderbar, dass ich mich dahin entschied, in
dem grossen, scheinbar auch anthropologisch bestätigten Gegensatz
jener beiden Kulturen zugleich den von Indogermanen und Nichtindo¬
germanen ausgedrückt zu sehen.
Seitdem sind nun namentlich durch Paul Bartels (1904) und
Schliz (1906) treffliche anthropologische Untersuchungen gerade der
Träger der Donaukultur gemacht worden und haben gezeigt, dass diese
Stämme gleichfalls, nicht nur in Lengyel, was längst bekannt und von
mir gebührend hervorgehoben worden war, sondern durchweg einen
wenn auch wohl nicht völlig nordischen, so doch mit dem nordischen
nächstverwandten Typus aufweisen. Die vereinzelten Gräber dieser
Kultur, die in Nordfrankreich begegnen, die hunderte von Gräbern am
Rhein und Neckar, die wenigen aus Thüringen bekannten, die zahlreichen
aus Schlesien, endlich die wegen des dort fast allein herrschenden
Leichenbrands wieder nur in geringerer Zahl beobachteten Skelette aus
Ostgalizien und vom Dnjepr, sie alle auf dieser weiten Strecke zeigen
ohne Ausnahme denselben einheitlichen langschädeligen Typus, der sich
nur durch überall feinere Formen von der eigentlich nordischen Abart
zu unterscheiden scheint. Und genau so besitzen die unzähligen
Gräber der nordindogermanischen Schnurkeramiker ausnahmslos den
einheitlichen gröberen, nordischen Typus mit extremer Dolichocephalie,
wie er übrigens in Skandinavien keineswegs in dieser Einheitlichkeit an¬
zutreffen ist. Damit war meine frühere Ansicht unhaltbar geworden.
Ich muss aus diesen anthropologischen Gründen jetzt also er¬
klären: sowohl die Träger der nordischen Kultur sind Indogermanen,
wie die Träger der Donaukultur. Der von mir erkannte Gegensatz
dieser beiden Kulturen, dem sich alle einzelnen neolithischen Kultur¬
gruppen nur als verschiedene Erscheinungsformen oder jüngere Ent¬
wickelungen ünterordnen, bleibt aber natürlich bestehen, und wir haben
also damit jetzt schon eine N o r d g r u p p e und eine Südgruppe der
Indogermanen zu unterscheiden. Ich will gleich jetzt erklären, dass
für mich kein Zweifel besteht, dass diese beiden Gruppen dieselben
Urgruppen sind, die die Sprachforschung ermittelt hat, die sie aber
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Gustaf Kossinna.
[6
anders benennt, nämlich West- und Ostindogermanen nach den ge¬
schichtlichen Sitzen jener Gruppen. Zur Ostgruppe rechnet die Sprach¬
forschung die Arier in Asien und von den europäischen Stämmen die
Slawoletten und die thrakische Völkerfamilie, zu der auch die Armenier
in Kleinasien gehören. Deren Ahnen sind nun meine Südindogermanen,
die Donauleute der Bandkeramik.
Alle anderen europäischen Indogermanen, also Germanen, Kelten,
Illyrier, Italiker, Griechen, heissen sprachlich Westindogermanen; deren
Vorfahren sind nach meiner Ansicht die Träger der nordischen Kultur,
meine Nordindogermanen. Doch damit kommen wir schon zur Aus¬
breitung der Indogermanen.
Zuerst müssen wir aber noch dem Ursprung der Indogermanen
weiter nachgehen.
Ein so ungeheueres Gebiet, von Skandinavien und vom Rhein bis
zum unteren Dnjepr, kann natürlich nicht als die Urheimat der Indo¬
germanen angesehen werden, zumal wir hier schon zwei ganz differen¬
zierte Kulturgebiete haben. Mein Vaterland muss „kleiner" sein oder
gewesen sein, sagt der Urindogermane. Die Frage ist also: lag der
Entstehungsherd der Indogermanen im Donaugebiet bei den Südindo¬
germanen, oder an der Ostsee bei den Nordindogermanen, oder in
keinem dieser beiden Gebiete, sondern an einer dritten Stelle?
Hier müssen wir die Siedlungsarchäologie befragen, wie ich sie
seit Jahrzehnten betreibe. Die Grundsätze sind sehr einfach: zeigt ein
Gebiet in einer Periode mehr oder weniger starke Besiedlung, in der
folgenden, d. h. unmittelbar anschliessenden, aber starke Abnahme
der Siedlungen oder gar Leere, so ist eine Abwanderung der Bevölke¬
rung anzusetzen. Wohin die Bevölkerung abgewandert ist, lässt sich
nur dann mit voller Sicherheit feststellen, wenn wir Anzeichen einer
Fortsetzung, d. h. meist einer jüngeren Entwickelung der besonderen
Kultur der Auswanderer in einem neuen Lande feststellen können.
Andernfalls aber sind wir auf Mutmassungen oder Wahrscheinlichkeiten
angewiesen. Umgekehrt liegen Zuwanderungen vor, wenn ein dünn¬
bevölkertes Gebiet ganz plötzlich starke Besiedlung aufweist.
In der neolithischen Epoche sehe ich nun keine Möglichkeit, im
eigentlichen Gebiete der Indogermanen einen Ausgangspunkt des indo¬
germanischen Typus zu finden. Sein Ursprung muss weit älter sein.
Man hat zwar sehr naturwissenschaftlich sein wollen und gesagt: da,
wo die stärkste Verbreitung einer Art ist, muss auch ihre Heimat
liegen, so will es die Botanik. Und daher soll der nordische Typus
nur aus Skandinavien stammen können. Aber der Mensch ist eben
keine Pflanze, und so gilt auch jener botanische Grundsatz für die
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7] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 23
Menschengeschichte nicht. Denn sonst müssten wir am Ende die Ur¬
heimat der Angelsachsen nicht an der deutschen Nordseeküste, sondern
vielmehr in Nordamerika suchen. So allgemeine Grundsätze sind über¬
haupt für alle geschichtliche Forschung eine bedenkliche, ja gefährliche
Sache. Diese soll vielmehr jedesmal die besonderen Tatsachen unter¬
suchen und dann mit umfassendem Wissen und gesundem Menschen¬
verstand ihre Schlüsse daraus ziehen. Darum bin ich auch nie ein
Anhänger der skandinavischen Urheimattheorie gewesen. Der nor¬
dische Typus muss weit älteren Ursprungs sein, als dass er aus Skan¬
dinavien stammen könnte: er muss in der Diluvialzeit seine Wurzeln haben.
Wendet man die siedlungsarchäologischen Grundsätze auf die paläo-
lithische Epoche an, so ergibt sich, wie das auch sonst schon an¬
erkannt ist, dass die dünne Bevölkerung von Mittel- und Südost¬
europa während der Zwischeneiszeiten von dem dichtest bevölkerten
Frankreich ausgegangen ist und beim Herannahen jeder neuen Ver¬
gletscherung den ungünstigen Wirkungen des Klimas durch Rückwan¬
derung nach Westeuropa sich wieder entzogen hat. Ebenso ist es all¬
gemein anerkannt, dass die frühneolithische Langkopfrasse von der fran¬
zösischen Cro-Magnonrasse abstammen muss; denn sie hat keine andern
ihr noch näher stehenden unmittelbaren Vorgänger. Es fragt sich nun,
wann sind diese langschädeligen Neolithiker von Frankreich nach Mittel¬
und Nordeuropa ausgewandert?
So lange ich die Nordindogermanen für die einzige Indoger¬
manen-Gruppe hielt, war die Sache einfacher. Jetzt kommen aber
die Südindogermanen dazu, und da muss ich sagen, ich kann die früheste
Kultur der Südindogermanen nicht von derjenigen der Nordindogermanen
ableiten, ebensowenig aber umgekehrt die der Nordindogermanen von der
der Südindogermanen. Beide Kulturen entstammen also einem fremden
Gebiete, das in der Hauptsache ein und dasselbe Gebiet gewesen sein muss.
Untersuchen wir zuerst die nordischen Verhältnisse, weil diese
früher zu beginnen scheinen.
I.
Sieht man ab von der geringfügigen Hinterlassenschaft des
paläolithischen Menschen, die sich hauptsächlich an einigen Punkten in
der Umgebung Berlins, bei Eberswalde, bei Edingen in Pommern, bei
Lübeck und vielleicht auch bei Labiau und Rossitten in Ostpreussen vor¬
finden, so wird die früheste Besiedelung, die wir in Norddeutschland
und Skandinavien feststellen können, durch Geräte bezeugt, die aus
dem Geweih des von Süden dorthin vereinzelt vorgedrungenen dilu¬
vialen Rens hergestellt sind: es handelt sich hierbei nach den bisherigen,
leider noch gar zu unvollständigen Materialuntersuchungen neben einigen
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Gustaf Kossinna.
[8
rundschaftigen Fischharpunen mit beiderseitigem Widerhaken (Taf. IV, 5),
die dem Havellande entstammen (Privatbesitz), namentlich um mehrere
Schaftstangen zu grossen Hacken, Äxten oder vielleicht Würdezeichen aus
dem zusammenhängenden Gebiete von Schleswig-Holstein, Jütland und
Fünen, sowie um einen Setzkeil aus Prenzlau (Taf. I, 2, 3). Alle diese
Geweihstangen weisen eine rundliche Durchbohrung auf, die bei entspre¬
chenden Geräten des obersten Magdalenien niemals vorkommt, wenn auch
die Durchbohrung des Rengeweihes als solche dem Magdalenien wohlbe¬
kannt war, wie die sogenannten Kommandostäbe zeigen. Das Fehlen des
Abb. 1. Typen des Tardenoisien
(M. Hörnes, d. diluv. Mensch S. 94 Fig. 37).
diluvialen Rens überall im eigentlichen Frühneolithikum, sein spärliches
Auftreten in Skandinavien überhaupt, wo es nur im südlichsten Teile
von Schweden vereinzelt festgestellt werden konnte, beweisen, dass die
fraglichen Geräte in eine unmittelbar an das Magdalenien anschliessende
Periode zu setzen sind, d. h. in diejenige Epoche der geologischen
Entwicklung des Ostseebeckens, die von den schwedischen Eiszeit¬
forschern (de Geer) nach einer charakteristischen arktischen Muschel
die Yoldia-Periode, nach der Verteilung von Wasser und Land
aber die Eismeer-Periode der Ostsee genannt wird (Karte Taf. 1,1) und von
mir seit Jahren in die Epoche nach Schluss des Bühlstadiums der
Alpengletscher Pencks, das wiederum mit der vierten nordischen Dilu¬
vialeiszeit (ungerechnet die tertiäre Günzeiszeit) gleichzeitig ist, ge¬
setzt wird.
Auf welchem Wege wir von diesen Frühzeugen des neolithischen
Menschen ohne Sprünge weiter zu den reichbezeugten Siedelungen des
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9] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 25
eigentlichen Frühneolithikums innerhalb der Ancylus- und Litorina-Pe-
riode der Ostsee gelangen, darüber gewinnen wir einige chronologische
Sicherheit nur durch den Vergleich des Nordens mit dem Westen
Europas, ln Frankreich und Belgien, den klassischen Ländern für alle
Fragendes Paläolithikums, sind auch die Übergänge ausdemPaläolithikum
ins Frühneolithikum und die ersten Stufen dieser letztgenannten Epoche
neuerdings lückenlos und völlig klar aufgedeckt worden. Rutot hat
schon mehrfach auf die im obersten Magdalenien eingestreut vorkom¬
menden Formen einer mikrolithischen Kultur aufmerksam gemacht, d. h.
Formen von Miniatur-Silexgeräten, die nur mittelst einer Schäftung in
Gebrauch genommen werden konnten. Diese Art von Geräten des aus¬
gehenden Paläolithikums ist die Vorstufe zu der frühstneolithischen Kul¬
turstufe des Tardenoisien, benannt nach dem französischen Fundort
Fere-en-Tardenois (Aisne), worin jene Formen selbständig werden, d. h.
nunmehr ausschliesslich auftreten (Abb. 1). Denn nicht nur Pfeilspitzen,
wie man früher annahm, sondern alle für den damaligen Menschen not¬
wendigen Geräte enthält das Tardenoisien: Beile, Messer, Schaber,
Hobel, Bohrer, und die Mehrzahl dieser Stücke zeigt die kleine, eigen¬
tümliche, drei- bis viereckige, sogenannte „geometrische" Gestalt. Auch
in Norddeutschland gibt es zahlreiche Wohnstätten mit einer solchen
Kulturhinterlassenschaft, die man früher Feuersteinwerkstätten nannte.
Ich erwähne nur die im Berliner Museum für Völkerkunde vorhandenen
Proben aus solchen Wohnstätten des Havel- und Spreegebietes, wie
Kladow und Schmöckwitz, ferner solche aus der Lüneburger Heide.
Während das Tardenoisien keinen Abbruch der Kultur, sondern
eine, wenn auch einseitige Weiterbildung seiner Vorstufe darstellt, folgt
ihm in Belgien und Nordfrankreich, teilweise auch in Mittelfrankreich,
sowie im ganzen Dordognegebiet eine Kultur mit völlig andersartigem,
archaischem Charakter, bei der die Silexgeräte — überwiegend Hohl¬
schaber, während Pfeilspitzen unbekannt sind — wieder in ganz früh¬
diluvial - eolithischer Weise mittels eines als Retoucheur dienenden
rohen Silexknollens nur ganz grob handlich zugehauen werden und
allein die „pics" genannten Schlägel, selten und noch unvollkommen
auch die „Spalter“ (tranchets) eine beabsichtigte Form erhalten. Rutot
schreibt diese Kultur einem fremden Barbarenvolke zu, dessen Ein¬
bruch den Untergang der vorgeschrittenen Kulturstufe des Tardenoisien
herbeigeführt habe. Ich denke weniger an den Einbruch einer fremden
Bevölkerung, für die ein Ursprungsgebiet nicht zu ermitteln ist, als
vielmehr an das Emporkommen einer bestimmten Rasse, nämlich der
kurzköpfigen, gegenüber der bisher in Alleinherrschaft befindlichen Cro-
Magnon-Rasse. Rutot hat 1905 diese Kultur nach einem Hauptfundorte,
Flenu bei Mons in Belgien, das Flenusien (Taf. II) genannt. Dieser
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Gustaf Kossinna.
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Stufe entspricht in Norddeutschland diejenige makroHthische Silexkultur,
die wir in ein frühes Stadium der Ancylus-Periode der Ostsee setzen
Abb. 2. Ostseegebiet in der Ancylus-Periode
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden. Taf. 5).
müssen, d. h. jener Periode, in der die Ostsee infolge starker Land¬
hebung namentlich im Süden des Beckens einen geschlossenen Binnensee
bildete, ein Süsswasserbecken mit Süsswassermollusken, wie die Ancylus-
Schnecke (Karte s. Abb. 2). Eine Fundstätte solcher Silexgeräte ist vor
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11] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 27
kurzem am Rande eines Moores bei Kalbe a. d. Milde in der Altmark aufge¬
deckt und beschrieben worden (Taf. 111), während jenes Moor selbst vor
Jahrzehnten schon treffliche Vertreter eines etwas jüngeren Stadiums der
Ancylus-Kultur herausgegeben hat. Fällt die Yoldia - Periode aller¬
mindestens zehntausend Jahre vor Christus, so wird die Ancylus-
Periode, die dem Gschnitz-Stadium der Alpeneiszeiten Pencks ent¬
spricht, wie die anschliessende Litorina-Periode dem Stadium der
Daun-Moränen parallel geht, um 8000 vor Christus oder noch früher
anzusetzen sein.
Während der voll entwickelten Ancylus-Periode, d. h. jenes
Stadiums dieser Periode, da statt der Birken- und Zitterpappelbestände
schon Kiefernflora und etwa das heutige Klima in Dänemark herrschte,
ist in Norddeutschland von Hannover bis Ostpreussen, in Dänemark,
in Südschweden nordwärts bis zur Seensenke und in den baltischen
Provinzen eine Kultur sehr reich vertreten, die weniger durch Silex¬
geräte als durch Geräte aus Knochen und Geweih charakterisiert wird.
Unvergänglich wird Georg Sarauws Verdienst bleiben, der aus dem
bisherigen unklaren Gewirr frühstneolithischer Erscheinungen diese Stufe
sauber herausgeschält und ebenso klar als erschöpfend im Jahre 1903
dargestellt hat 1 ). Elch und Urstier sind jetzt im ganzen Umkreise die
bedeutungsvollsten Tiere im Leben des Menschen und für Dänemark
durchaus zeitbestimmend. Offenkundigst weist diese Kultur auf das
Magdalenien Süd- und Mittelfrankreichs, Belgiens und des Oberrhein¬
gebietes als ihren Vorgänger hin. So finden sich jetzt zahlreiche Typen,
die während des Magdalenien aus Rengeweih hergestellt wurden, ent¬
weder in derselben oder in weitergebildeter Form wieder, aber nun¬
mehr aus Knochen und Geweih vom Elch und Edelhirsch, zuweilen
vom Urstier, wozu sich weiter die Verwendung der Wildschweinshauer
gesellt. Um nur einige jener Übereinstimmungen hervorzuheben, wobei
ich das auch hier ergiebige Gebiet der Steingeräte übergehe, nenne ich
') Anmerkung. Die seit April 1908 tätige neue Direktion der „Prähisto¬
rischen Abteilung des Kgl. Museums für Völkerkunde in Berlin“, d. h. Carl Schuch¬
hardt, hat mit der Einrichtung einer im August fertig gewordenen „Sonderaus¬
stellung“ ihre Wirksamkeit begonnen. Schuchhardt selbst hat jedoch hieran keinen
Anteil genommen, sondern die neue Aufstellung im Museum einem seiner Assistenten
überlassen. Wenn der „berufenste Vertreter“ der Vorgeschichte Norddeutschlands,
wie er sich selbst nennt, an diese Aufgabe sich nicht herangewagt hat, wird er
seine Gründe hierzu gehabt haben, und jeder Kenner wird diese weise Vorsicht
billigen. Bei dieser Sachlage sollte Schuchhardt aber auch alle Belobigungen des
geistigen Eigentums Schmidts (Amtliche Berichte aus den Königl. Kunstsammlungen,
Berlin, Oktober 1908) den Kennern überlassen. Dass diese Ausstellung ihrem Ver¬
fertiger als Gipfelpunkt in der Entwickelung der heutigen Vorgeschichte erscheint,
darüber werden sich die Fachleute nicht wundern, wenn sie selbst auch der An-
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Gustaf Kossinna.
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✓
Schaftröhrenäxte mit schräg geschnittener Schneidenfläche aus dem Mittel-
fussknochen des Urstieres (Abb. 3), wie sie in gleicher Weise das Magda-
lenien der Freudenthaler Höhle bei Schaffhausen lieferte (Abb. 4). Ebenso
Abb. 3. '/« Schaftröhrenaxt,
Magiemose, Seeland
(Aarböger f. nord. oldk. 1903, 222).
Abb. 5. Vi EUbogenknochen-
dolch, Magiemose
(Aarböger f. n. o. 1903, 232).
traten die jetzt häufigeren Dolche, die aus dem Ellbogenknochen vom Elch
oder Edelhirsch geschnitten wurden (Abb. 5), wie schon in der früheren
Diluvialzeit, so auch in der Rentierzeit Frankreichs auf, wo der EU-
sicht sein sollten, dass der schöne und umfangreiche Denkmälervorrat nicht ent¬
fernt genügend in seinen grossen Zusammenhängen beherrscht und dargestellt
worden ist, so dass das Ganze einen durchaus unbefriedigenden Eindruck hinter¬
lässt und trotz der Auswahl im Grunde noch eine „rudis indigestaque moles“
bleibt, auch in den Einzelheiten nicht ohne böse Fehler. Gefreut hat es mich aber,
dass Schmidt jetzt gelernt hat, dass die ältesten ostdeutschen Buckelurnen nun
doch nicht in die früheste Bronzezeit gehören, wie er vor einigen Jahren sehr
bestimmt mich belehren wollte. Dass ich gerade an dieser Stelle auf die Sonder¬
ausstellung hinweisen muss, daran ist eine der schlimmsten Sünden im Steinzeit¬
saal schuld, wo ebenso wie in dem „Führer“ nicht die geringste Kenntnis vom Be¬
stehen der Ancylus-Kultur wahrzunehmen ist. Und dies ist um so belastender, als
gerade das Berliner Museum, besonders infolge der hervorragenden Stellung der
Mark Brandenburg innerhalb dieser Epoche, wohl das an einschlägigen Denkmälern
reichste ist: diese Denkmäler sind nun sämtlich in der Versenkung verschwunden!
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13 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 29
bogenknochen des Bären hiefür verwendet wurde. Von den für die
Ancyluszeit besonders charakteristischen Fischharpunen finden sich so¬
wohl die rundschaftigen mit ein- oder seltener beiderseitigen Wider¬
haken aus Elchgeweih (Taf. IV, 5, 6, 2f), als die flachen vierkantigen,
aus Rippen hergestellten, die spiessartig meist nur einen Endwiderhaken
besitzen (Taf. IV, 2e), endlich auch die einseitig dicht gekerbten (Taf. IV, 2g)
genau so im Magdalenien aus Rengeweih und Renknochen hergestellt;
die einseitig dicht gekerbten z. B. im Kesslerloch bei Thaingen (Taf. IV, 3).
Dagegen werden die breiten, flachen Hirschgeweihharpunen mit ein-
oder doppelseitigen Widerhaken und steter Schaftlochbohrung, die für
das durchaus nur westeuropäische Asylien (Tourassien) in Südfrank¬
reich, Oberitalien, Schottland und für die Anfänge der Schweizer Pfahl¬
bauten charakteristisch sind (Taf. IV, 7), durch einen Fund aus dem
Kieler Hafen bei Ellerbek (Taf. IV, 8), d$r ein versprengtes Exemplar
dieser Art aufweist, mit dem gesamten Asylien in eine jüngere Epoche
gerückt, die einem frühen Stadium der Litorina-Periode parallel läuft.
Zuweilen zeigen die Ancylus-Harpunen Ornamente, und zwar derselben
Art wie die paläolithischen, so ein Zickzackband, das auch sonst in der
Ancyluszeit häufig ist, schon in der Yoldia-Periode (Taf. I, 2 Mitte)
und ebenso bei paläolithischen Harpunen und anderen Knochen¬
geräten, z. B. aus dem Kesslerloch, auftritt. Oder es erscheinen
naturalistische Tierdarstellungen, so auf einer Harpune von der Ost¬
seeinsel Langeland (Taf. IV, I), auch dieses durchaus im Stile des
Magdalenien.
Dem Typus der mit eingebohrtem Schaftloch versehenen Hirsch¬
geweihhacken (Taf. V, 1—3) entsprechen im Magdalenien solche ohne
Durchbohrung. Auch diese Geräte zeigen in der Ancylus-Periode zuweilen
reiche Verzierungen in dem genannten, an französischen Rengeweihstücken
so häufigen Stile (Taf. VI, 1). Dem einfachen gesellt sich das mehrfache
Zickzack band, ferner Winkelreihen, Wellenlinien, Längslinien, die mit einem
Saume kurzer, schräg oder senkrecht gestellter Querstrichelchen oder
kleiner Keile versehen sind, Dreieck- und Rautengruppen u. a. Ein her¬
vorragendes Stück ist ein durchbohrter, feinpolierter Geweihschaft aus
Kl.-Machnow, Kr. Teltow, nahe Berlin, bei dem diese stark eingetieften Ver¬
zierungen, die zumeist ein „ausgespartes Zickzackband“ freilassen, mit
schwarzer Birkenteerharzmasse emailliert sind (Taf. V, 4, 5). Ähnliches
Emailmuster weist eine prächtige Harpune von Peitschendorf, Kr. Sens-
burg in Ostpreussen, auf (Taf. IV, 4). Eine andere Geweihhacke, wahr¬
scheinlich aus Elchgeweih, die zu Ystad in Schonen gefunden wurde,
zeigt neben einem schraffierten Rautenmuster, das keineswegs, wie
Almgren meint, auf jüngerneolithischen Ursprung hinweist, auf beiden
Seiten die trefflich eingeritzte Darstellung eines Hirsches oder Rehs
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Gustaf Kossinna.
14 ]
(Taf. VI, 2). Besonders reich an geometrischen Verzierungen sind die
früher als Saumglätter bezeichneten, jetzt als Abhäute- oder Schuppen¬
messer gedeuteten, falzbeinartigen, zugespitzten, stets mit einem Anhänge¬
loch versehenen Platten aus Edelhirschknochen, die gleichfalls eine
Erbschaft der Rentierzeit sind, damals aus Rengeweih geschnitten. Schöne
Beispiele hiefür lieferten das Havelland (Fernewerder Taf. VI, 4), Hol¬
stein (Travenort Taf. VI, 3), Dänemark.
Wie die Harpune, so gehen auch ihre siegreichen Nebenbuhler,
die Angelhaken, auf Vorbilder und Anfänge des südfranzösischen Magda-
lenien zurück, wo sie stets einästig gebildet sind, während sie in der
Ancylus- wie auch in der folgenden Litorina-Periode schon die heutige
zweiästige Form haben, doch stets mit glatter Spitze, noch ohne den
in jüngerneolithischer Zeit aufgekommenen Widerhaken (Taf. VI, 5, 6).
Dasselbe gilt endlich auch von den an beiden Enden filetnadelartig mit
zwei Spitzen versehenen Netzknüpfern.
Westwärts der deutschholländischen Grenze lassen sich die Er¬
scheinungen der Ancyluskultur durch Holland, Belgien und Nordfrank¬
reich bis an die Seine hin verfolgen, indessen doch nur spärlich, so dass
man sagen muss, diese Kultur entspricht im ganzen einem älteren
Einfluss, der von dem Magdalenien Süd- und Mittelfrankreichs sowie
des Ober-Rheintals, keineswegs aber etwa Österreichs ausgeht. Da
nun dieser Einfluss in ein so gut wie leeres Land kam, so ist es
klar, dass er sich deckt mit einer Besiedelung gleichen Ursprungs und
gleicher Richtung.
Gegenüber dieser mehr auf Südfrankreich zurückweisenden Ein¬
wanderung der Leute der Ancyluskultur, zu der sich allerdings gleich¬
zeitig Einwanderungen der Leute des mehr nordfranzösischen und belgischen
Flenusien gesellen, erscheint die weitere Fortsetzung der Ancylus-Kultur
im Ostseegebiet ausschliesslich auf neue Einwirkungen und Einwanderungen
aus Nordfrankreich und Belgien zurückzugehen. Gewaltige Landsen¬
kungen im Ostseegebiet führen die klimatisch auffallend milde, durch
Eichenwaldflora gekennzeichnete Litorina-Periode herbei, so genannt
wiederum nach einer charakteristischen Schnecke dieses Brackwasser¬
stadiums der Ostsee (Karte: Abb. 6). Die Kultur dieser Zeit, allbekannt
als die der ältesten dänischen Muschelhaufen, ist eine Tochter des franzö¬
sisch-belgischen Campignien, oder nach Rutot besser Campignyien ge¬
schrieben, das wiederum nichts ist als eine in Stoffauswahl und Formgebung
der Geräte verfeinerte Stufe des alten Flenusien, mit dem es nicht nur im
Hennegau (Mons), sondern auch anderwärts überaus häufig an den¬
selben Fundstätten vereinigt angetroffen wurde. Die Spitzhacken oder
Schlägel (pics) des Flenusien leben hier weiter, die dort begonnene
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15] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 31
Ausbildung der Form der grossen annähernd dreieckigen „Spalter" mit
jener charakteristischen, durch einen einzigen Hieb zugeschlagenen,
schiefen, langen Schneide ist jetzt vollendet und wird ganz besonders
MO*»
Abb. 6. Ostseegebiet in der Litorina-Periode
(nach: de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf. 6).
bevorzugt (Abb. 7 links). Einen sehr bemerkenswerten Fortschritt bedeutet
die erste Anfertigung von Tongefässen in zunächst noch rohen Formen, wie
sie im Asylien, Campignyien und in der Litorina-Kultur (Abb. 8 a) gleich-
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17] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 33
zeitig auftritt. Die fast völlige Übereinstimmung jener Schlägel des Campi-
gnyien mit den Beilen der Muschelhaufen (Abb. 8b), jener „tranchets" mit
den „Spaltern" (Abb. 8c), der beiderseitigen Spitzen, Bohrer (Abb. 7
rechts unten; 8d), Rund- und Löffelschaber (Abb. 7 rechts), der „Papagei¬
schnäbel" genannten Werkzeuge (Abb. 7 ganz rechts oben), der Sägen, der
Scheibenkernsteine, Wurfsteine sichern die Annahme einer Einwanderung
neuer Bevölkerungsnachschübe längs den Küsten der Nordsee von Westen
nach Osten, und ihre Spuren erscheinen am Südrande der Nordsee nur
darum ausgelöscht, weil hier bis heute fortdauernde Landverluste den
Strand der Litorina-Zeit mit Meeresflut bedeckt haben. Ob die oberitalieni¬
schen Erscheinungen des Campignyien gleichfalls auf Einwanderung aus
Nordfrankreich beruhen, wie ich glauben möchte, kann nur durch genaue
Erforschung der dort unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden
Kulturperioden, also der Bevölkerungszusammenhänge ermittelt werden,
wie wir das an der Ostsee zu tun in der Lage sind.
Während die Ancylus-Kultur gebunden scheint besonders an
stehende Binnengewässer, ist die Litorina-Kultur, abgesehen von Einzel¬
erscheinungen in Polen, wesentlich auf die Küstengebiete beschränkt.
Sie erscheint in Schleswig-Holstein, Rügen und Vorpommern, östlich
nicht über Greifswald hinaus, in ganz Dänemark, Schonen und Südnor¬
wegen. Aus dem grössten Teile der Länder am Süd- und Ostrande
des Ostseebeckens hat sich also eine Abwanderung der Bevölkerung
der Ancylus-Periode vollzogen, nach Osteuropa, wie wir später sehen
werden. In Norwegen wird diese Epoche fast ausschliesslich durch eine
Kultur vertreten, in der die Beile vom Nöstvettypus das Hauptcharakte¬
ristikum abgeben, ein Typus, der in seinem zuerst, obwohl nur selten
noch, rhombischen, dann dreieckigen, endlich trapezförmigen Querschnitt
durchaus den echten Litorina-Silexbeilen (pics) gleicht (Taf. VII, 1—4),
allein wegen des in Norwegen mangelnden Rohstoffes nicht aus Silex
hergestellt ist, sondern aus einem möglichst ähnlichen, d. h. harten,
feinkörnigen Eruptivgestein oder vielfach Hornblende, die sich in der
Art der damaligen Silextechnik grob zuschlagen Hessen 1 ).
Die Erkenntnis, dass die Wohnplätze, die jene Beile vom Nöstvet¬
typus bergen, ebenso wie die dänischen Muschelhaufen durchaus dem
Verlauf der weit über dem heutigen Küstensaume liegenden Strandlinien
*) Bald nachdem ich diesen Vortrag gehalten hatte, erschien eine Schrift
von A. W. Brögger: Vistefundet, En aeldre Sfenalders Kjökkenmödding fra Jaederen.
Stavanger 1908, worin Viste in Jaederen als erster Wohnplatz Norwegens be¬
schrieben wird, der, abgesehen von dem stärkeren Hervortreten der Erbschaft aus
der Ancylus-Zeit, mit der dänischen Kultur der Muschelhaufen in Stoff und Ge¬
staltung völlig identischen Inhalt birgt.
Mannus. Bd. I. 3
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Gustaf Kossinna.
[18
der Litorina-Zeit folgen, dass diese Ansiedelungen aus der Zeit bis zum
Maximum der Litorina-Senkung stammen, dass endlich dieses Maximum
nach dem Zusammenstimmen der geologischen und archäologischen
Berechnung mit grosser Sicherheit um die Zeit von 5000 vor Chr. zu
setzen ist, — diese Erkenntnisse verdanken wir den jüngsten trefflichen
Forschungen der beiden Norweger Brögger, Vater und Sohn, des Geo¬
logen und des Archäologen.
Allein, welche Beziehungen liegen hier vor zur indogermanischen
Frage? Sind diese Frühneolithiker überhaupt Indogermanen? Sind es
Langköpfe? Müssen es nicht Langköpfe sein, wenn sie von der
Magdalenien-Bevölkerung Frankreichs und Belgiens abstammen sollen?
Mit dreifachem Nein beantworte ich diese Fragen. Im Jung-
paläolithikum Belgiens und des östlichen Nord- und Mittelfrankreichs
gab es auch eine Kurzkopfrasse, die man nach dem Fundorte
Grenelle bei Paris oder weniger gut nach dem belgischen Fundort mehr
mesocephaler Schädel Furfooz benannt hat, eine wahrscheinlich ein¬
heimische Rasse, mag sie nun, wie man neuerdings gemeint hat, von
einem Zweig der Neandertalrasse abstammen oder nicht, mithin völlig
zu scheiden von den aus Vorder- oder Mittelasien eingewanderten
Kurzkopfkolonien, deren Ergebnis die sogenannte alpine Rasse ist.
Desgleichen haben wir in der neolithischen Zeit Frankreichs einen
starken Prozentsatz Kurzschädel festzustellen, 146 21,2°/o nach der
letzten Berechnung Salmons von 1895, neben weiteren 145 21,1 °/o
mesocephaler Schädel gegenüber 397 57,70°/o Langschädel. Leider
hat die französische Forschung nicht feststellen können, welchen ge¬
nauer umschriebenen Kulturen diese neolithischen Kurzschädel Frank¬
reichs angehören, die sich von Belgien durch ganz Ostfrankreich bis
nach dem Mittelmeer erstrecken mit besonders starken Anhäufungen
im Seinegebiet (Pariser Becken) und an der unteren Rhone.
Allein in Deutschland sind alle Schädel, die wir mit Bestimmtheit
der frühneolithischen Periode zuschreiben müssen, ausnahmslos Kurz¬
schädel. So aus der Ancylus-Periode die Schädel von Kl. Machnow, Kr.
Teltow, Spandau (Kopfindex 88,4), Plau in Mecklenburg (Kopfindex
82), ferner die zahlreichen uralten sogenannten Torfschädel, ich nenne
die aus Trampe, Kr. Prenzlau (84,1) und Leipzig und die mecklen¬
burgischen, über die sich Ludwig Brückner ausgelassen hat, wie die
aus Dömitz (79,8) und Gnewezin (80). Nicht anschliessen darf man
hier die in ihrer Zeitstellung nicht gesicherten kurzköpfigen Skelette
aus dem Rinnekains in Livland, einem Hügel, aus dem zwar reiche
Fundstücke eines gleich zu besprechenden jüngeren Ausläufers der
Ancylus-Kultur gehoben, allein auch Gräber der Eisenzeit festgestellt
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19] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw,
worden sind. Aus der Litorina-Zeit kennen wir leider nur sehr wenige,
dazu nicht einmal fachmännisch gehobene Skelette, was wohl der einzige
Punkt ist, den man an der sonst die höchsten wissenschaftlichen An¬
forderungen befriedigenden neueren Untersuchung ., .
einer Reihe dänischer Muschelhaufen bemängeln kann.
Die jütländischen Skelette von Ertebölle wie von
Aamölle (Abb. 9) sind beide gross und kräftig, aber
über die Schädelbildung ist nichts Sicheres festzu- ffi]
stellen möglich gewesen. Hier treten ergänzend um-
gekehrt westeuropäische Tatsachen in die Lücke:
die Skelette der beim bergmännischen Gewinn der L p j
Silexknollen aus unterirdischen Kreideschichten durch
Einsturzmassen verschütteten Arbeiter, wie sie in
Belgien schon vor langem zu Obourg (Abb. 10), ganz ^ ;
neuerdings auch zu Strepy entdeckt worden sind, von r
1,55 m und 1,70 m Länge, die Schädel kurz, der von
Abb. 10. Bergmannsskelett. Obourg, Belgien (nach A. Rutot: Bull, de la soc. d’anthrop. de Bruxelles. XXIV. PI. I),
Schon die eigentliche Litorina-Kultur besitzt, wie die zeitlichen
westeuropäischen Entsprechungen, das Asylien und Campignyien, die
ersten Anfänge einer neuen Technik der Steinbearbeitung, indem sie
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Gustaf Kossinna.
[20
die Kunst des Schleifens von Knochen und Geweih auf weiche, grob¬
körnige Eruptivgesteine, den Grünstein, überträgt. Doch wird zunächst
nicht die ganze Oberfläche der Steingeräte geschliffen, sondern nur die
Schneide, wie das schon bei der Hälfte der alttypischen, d. h. drei¬
eckigen Nöstvetbeile zu beobachten ist, bei den jüngeren trapezförmigen
aber, sowie bei den ihnen parallel laufenden südschwedischen Beilen
des Limnhamntypus (Taf. VIII, 1) durchweg der Fall ist. Damit
kommen wir in die Periode, in der das trapezoide Nöstvetbeil in
die völlig internationale Form des stumpfnackigen, allseitig runden
„Walzenbeils“ (Taf. VIII, 2, 3) übergeht, das in England wie in
Frankreich und sogar in Nordafrika erscheint, innerhalb Mittel- und
Nordeuropas aber wesentlich nur in Skandinavien und Nordost¬
deutschland , auffallend häufig in der Mark Brandenburg, der nebst
Ostpreussen stärkestbevölkerten Gegend der Ancylus-Kultur, wo dieses
Beil also gewissermassen ein späterer, spärlicher Ersatz für die
fehlende Litorina-Kultur ist. Eigentümlich ist ihm, dass seine ziem¬
lich glatte Aussenfläche nicht durch Zuhauen, sondern durch allmäh¬
liches, mühsames Abstossen geformt wird. In Norwegen findet sich
das Walzenbeil noch ganz wie die Litorina-Kultur durchaus gebunden
an eine Küstenbevölkerung. Es erscheint zudem im Vereine mit einem
anderen Beiltypus, den ich nur als eine jüngere Erscheinungsform des
grossen Litorinaspalters ansehen kann, allerdings nicht eines solchen aus
Feuerstein (Silex), sondern eines aus weicherem Gestein, wie er in
Norwegen vorkommt, aber mit derselben charakteristischen, einseitig
angeschärften schiefen Schneide, die nunmehr allerdings nicht mehr
zugeschlagen, sondern angeschliffen wird. Es ist die von Brögger ge¬
kennzeichnete und Vespestadtypus (vgl. Abb. 11 ganz unten rechts)
genannte Form [aus Elchgeweih vorgebildet schon während der Lito-
rinazeit in dem vorerwähnten (S. 33 Anm.) wichtigen Wohnplatz von
Viste in jaederen].
Eine wichtige Fundstelle dieser früharktischen Kultur, wie
ich diese Erscheinungen in Skandinavien nennen will, ist ein Wohnplatz
von Gullrum auf Gotland, der ausserdem ein gleichzeitiges Skelettgrab
barg. Hier traf man einmal Harpunen, Spitzen, Meissei, Messer und
Pfriemen aus Elchknochen oder Elchgeweih als Erbschaft der Ancylus-
Zeit, sowie das eigentümliche Knochenkämmchen der Litorina-Art,
daneben aber zugleich jungneolithische, mit Widerhaken versehene
Angelhaken, eine entwickeltere, reichverzierte Keramik, das nur an der
Schneide geschliffene Grünstein - Walzenbeil, das ganz geschliffene
Vespestadbeil, endlich — für die Zeitbestimmung dieses Fundes be¬
deutungsvoll — aus Dänemark oder Schonen eingeführte geschlagene
Silexbeile (Abb. 11).
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21] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 37
Diese an grösseren Wohnplätzen in Skandinavien erst selten
angetroffene, in Einzelfunden aber ausserordentlich stark und von
Dänemark nordwärts bis Lappland und Finnmarken immer zahlreicher
und dichter auftretende
arktische Kultur ist ja
ihrem Hauptinhalte nach
längst bekannt und 1874
auf dem internationalen
Prähistorikerkongress zu
Stockholm von A. Rygh
für Norwegen und von
O. Montelius für Schwe¬
den ausführlich be¬
schrieben und durch
Abbildungen erläutert
worden. Eine grosse
Rolle spielen hier neben
den weichsteinigen Ves-
pestadbeilendieüberden
ganzen Körper hin ge¬
schliffenen Schiefergeräte: Hohlmeissel, Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen
(Taf. IX, 1, 2). Die Schieferspitzen hat A. W. Brögger wohl mit Recht als
schon in der Ancylus-Zeit beginnenden Ersatz der frühneolithischen
Knochenspitzen aufgefasst. Eine zweite Klasse sind die Geräte aus Elch¬
geweih, die in der südskandinavischen gleichzeitigen Kultur fehlen, wie
Harpunen, Angelhaken, Kämme, Löffel. Dazu kommen noch, wie an
den Wohnstätten auf der norwegischen Insel Kjelmes am Varangerfjord
(Taf. IX, 3—5), Geräte aus Rengeweih derselben Form, wie die ge¬
nannten Elchgeweihgeräte; sie können natürlich nicht von dem längst
ausgestorbenen Diluvialren Südschwedens stammen, sondern nur von
der abweichenden, aus Sibirien neu eingewanderten Art des „grön¬
ländischen“ Rens.
Eine ähnliche, vielfach gleichartige arktische Kultur herrscht nun¬
mehr auch in Finnland, wo Silex äusserst selten und nur in spät¬
nordischen Formen eingeführt wurde, für die einheimischen geschliffenen
Geräte aber, wie arktische Messer, Pfeil- und Lanzenspitzen, Meissei
und Hacken ausschliesslich Grünstein, Sandstein oder Hornblende Ver¬
wendung fand (Taf. IX, 6—14). Dass die arktische Kultur in dieser Form
bis ans Ende der neolithischen Zeit dauerte, zeigen eigenartig durch¬
lochte Axthämmer mit herausstehenden Knollen, eine Art Kommandoäxte
(Taf. IX, 12), wie sie ausserhalb Finnlands zuweilen auch in Skandinavien
Vorkommen (einmal auch in Brandenburg), ferner durchlochte Axt-
Abb. 11. Wohnplatzfunde, Gullrum, Gotland
(nach Svenska fornminnes fören. Tidskr. 1897. X).
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Gustaf Kossinna.
[22
hämmer mit plastischem Tierkopfende (Taf. IX, 11). Auch hier Ton-
gefässe mit halbkugelförmigem Boden, weiter Öffnung und denselben
Abb. 12. Finnland (nach A. Hackman,
die Bronzezeit Finnlands Fig. 3).
Abb. 13. Finnland (nach A. Hackman,
die Bronzezeit Finnlands Fig. 4).
eigenartigen Verzierungen wie in Skandinavien, wobei das Grubenorna¬
ment in Horizontalreihen abwechselt mit Zonen von dichtgestellten in
Schnitt ausgeführtenTannen-
zweigornamentreihen oder
von schräggerichteten Punkt¬
stichreihen (Abb. 12. 13),
welch letzteres Ornament
(z. B. zu Aloppe in Uppland)
Almgren, vielleicht mit Recht,
von einem ähnlichen Muster
der südskandinavischen
Ganggräber-Keramik herlei¬
ten will. Diese Verzierung
der Tongefässe geht weiter
über Finnland südwärts nach
Livland, wo der Rinnekains
eine solche Keramik auf¬
weist, und ostwärts nach
dem Ladoga- und Onega-
Abb. 14. Ilmensee (nach Archiv f. Anthrop. N. F. 111. Taf. XV). See Und durchs ganze nörd¬
liche und mittlere Russland
bis zur Wolga, hier besonders stark in den Gouvernements Jaroslaw
und Wladimir vertreten.
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Nicht ohne Bedeutung ist es, dass solch ein Gefäss vom Ilmensee
(Abb. 14) die punktierte Darstellung einer nackten Frau nebst Vierfüssern
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23] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 39
aufweist. Wird diese Art der Kunstübung der Menschendarstellung
in der arktischen Kultur selten angetroffen, so ist um so häufiger die
Tierzeichnung. Und während die Menschendarstellung, wie auch ander¬
wärts zu allen Zeiten schon oft an primitiver Kunstübung beobachtet
worden ist, wenig gelungen und unbeholfen erscheint, wird die Tierwelt
in bewunderungswürdiger Naturtreue wiedergegeben, vor allem dasjenige
Tier, das dem Frühneolithiker seit der Ancylus-Zeit als einziges Haus¬
tier stündlich vor Augen war, der Hund. Und zwar muss der Hund
seinem Aussehen nach von der Art der nordischen Spitze gewesen sein,
wie ihn jetzt noch die nordischen Fischer- und Jägernomaden, auch
die Eskimos, die alle ja auch sonst die Ancylus-Kultur in erstaunlicher
Treue bis heute bewahrt haben, als Haustier züchten. Solch eine
Hundekopfskulptur mit hochstehenden Ohren, als Gegenstück zu einem
Menschenkopf an dem anderen Ende, ziert den erwähnten Kamm von
Gullrum (oben S. 36 f.; Taf. X, 1). Der Fundort Aloppe lieferte zwei
prächtige, naturalistisch gebildete kleine Elche aus gebranntem Ton
(Taf. X, 3, 4). Aus einem Moore bei Falköping in Vestergötland stammt
ein kleiner Bernsteinhängeschmuck in Gestalt eines bärtigen Menschen¬
kopfes mit Stirnbinde, dessen tiefe Augenhöhlen zu beiden Seiten der
balkenförmigen Nase nach einer guten Bemerkung Almgrens ganz auf¬
fallend den Menschenkopf des Gullrumer Elchknochenkammes wieder¬
holen (Taf. X, 2). Und genau so gestaltet ist das Gesicht eines Bernstein¬
hängestückes aus Finnland (Taf. IX, 15) und sind weiter die Gesichter der
bekannten steinzeitlichen Bernsteinamulettfiguren, die bei Schwarzort
nächst Memel aus dem Grunde des Kurischen Haffes (Taf. XI, 1—6)
ausgebaggert worden sind: wichtige Fingerzeige für die feinere Chrono¬
logie und die engeren Kulturzusammenhänge im Beginn der jünger-
neolithischen Zeit l ). Das ostpreussische Bernsteinland hat ja auch
’) Während der Korrektur kann ich noch auf die neueste Arbeit des unge¬
mein rührigen norwegischen Steinzeitforschers A. W. Brögger wenigstens kurz hin-
weisen : Et norsk ravfund fra stenalderen: Bergens Museums Aarbog 1908. No. 11.
Es handelt sich um einen neuen und zwar erst den zweiten bedeutenderen stein¬
zeitlichen Bernsteinfund Norwegens, aus Linnes, Amt Süddrontheim, wie der frühere
von Gustafson veröffentlichte aus Herö im Romsdal ein Moorfund arktischer Kultur,
dessen Herkunft über Schweden (Gotland?) aus Ostpreussen gezeigt wird. Be¬
sonderes Gewicht wird auf den Nachweis gelegt, das die gesamte arktische Kultur
Norwegens aus dem östlichen Schweden und weiter aus den baltischen Provinzen
Russlands nebst Ostpreussen herübergekommen sei, ein Nachweis, der, selbst wenn
er sich voll aufrecht erhalten lassen sollte, für die ethnologische Frage und für
meine hier dargelegten Ansichten überhaupt von untergeordneter Bedeutung wäre.
Vollere Aufklärung auf diesem Gebiete wird voraussichtlich das zusammenfassende
Werk Bröggers über die arktische Kultur bringen.
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PRINCETON UNIVERS1TY
40
Gustaf Kossinna.
[24
nach Westen über Norddeutschland manche seiner figürlichen Gebilde
entsandt, so die bekannten drei Tierfiguren aus Bernstein, den Eber
von Danzig, den Bären von Stolp in Hinterpommern und den Bären
oder das Pferd von Woldenberg Kr. Friedeberg in der Neumark, aber
auch das in diesem Zusammenhang noch nie genannte kleine Menschen¬
bild (Taf. X, 5) von Bernburg (Anhalt), das natürlich nichts mit dem in
seiner Nachbarschaft aufgedeckten spiralkeramischen Grabfund zu tun hat,
sondern in den Kreis dieser ostpreussischen, arktischen Idole gehört,
worüber im zweiten Teile dieses Vortrages noch zu r^en sein wird.
An irgend einen direkten Zusammenhang zwischen der figuralen Skulptur
der arktischen Kultur und derjenigen des donauländischen und süd¬
russischen Kulturkreises der Bandkeramik zu denken, ist für einen
Kenner der Steinzeitkultur Mittel- und Südosteuropas eine bare Un¬
möglichkeit. Dieser Gedanke Almgrens und anderer vor wie nach ihm
war wirklich kein glücklicher.
Die weitere Ausbreitung eines jüngeren Stadiums der arktischen
Kultur, das man natürlich nicht vorschnell mit der Ancylus-Kultur gleich¬
setzen darf, über Finnland nach Russland hinein, bezeugen ausser der
eben berührten Keramik die gleichfalls schon genannten Schaftlochhämmer
aus Finnland und Russisch Karelien mit jenem Tierkopfende, das wiederum
nichts anderes darstellt, als den Kopf des arktischen Spitzhundes
(Taf. IX, 11 ; XI, 10), ein Fortleben des in der arktischen Kultur Skandi¬
naviens so zahlreich an Schiefermessern erscheinenden Hundekopfgriffes,
dessen allmählich bis zur Unkenntlichkeit vorschreitende Degenerierung
Almgren in eine typologische Reihe gebracht (Taf. XI, 8). Zu den
Seltenheiten gehört ein Axthammer aus Finnland in Widderkopfgestalt
(Taf. XI, 2).
In denselben Kreis gehören die Knochenschnitzereien, Menschen-
und Tierbilder, die Inostranzeff aus der neolithischen Station des La¬
dogasees veröffentlicht hat (Taf. X, 6, 7), endlich in weiterer Ferne die
merkwürdigen schon stark degenerierten Silexbilder aus Wolosowo im
Gouvernement Wladimir (Taf. X, 8—11) und andere ostrussische Funde
gleicher Art. Von entscheidender Bedeutung ist es, dass die einzigen
gesicherten Schädel dieser Funde, die von Wolosowo, einer kurzköpfigen
Rasse angehören.
Noch weiter darüber hinaus bis ins Jenisseigebiet nach Ostsibirien
führen uns die Gräber mit Skeletten einer kurzköpfigen, doch nicht
mongolisch gestalteten Menschenart, mit Knochen- und Stein-, aber auch
schon Kupfergeräten, die an der BasaYkha bei Krasnojarsk aufgedeckt
wurden, vor allem das Grab eines Schamanen, dem ein plump ge¬
schnitztes knöchernes Menschenidol und neben anderen Tierskulpturen
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25 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 41
die ausserordentlich naturgetreuen Bilder einer Elchkuh und eines Elch¬
kalbes, aus Elchgeweih geschnitzt, beigegeben waren (Taf. XI, 9). Viel¬
leicht schliesst sich hieran als letztes Glied dieser langgezogenen Kette
von Kulturwanderungen am äussersten Meere die Steinzeit der Aino¬
stämme.
Das blosse Vorkommen von Muschelhaufen, die nach Münsterbergs
Angabe (Japanische Kunstgeschichte I, 70) im Süden des Ainolandes
älter sein sollen, als im Norden, fällt für unsere Frage kaum ins Gewicht.
Die ihnen zugehörige Keramik zeigt Mattenabdruck. Eher wären hier
die bekleideten tönernen Menschenfiguren heranzuziehen, während Tier¬
figuren gerade sehr selten sind. Völlige Übereinstimmung zeigen nur
die von N. G. Munro in seinem soeben erschienenen „Prehistoric Japan“
(Yokohama 1908) auf drei Tafeln abgebildeten neolithischen Fischhar¬
punen aus Hirschgeweih. Wibling hat bereits vor einem Jahrzehnt die
arktische Keramik Schwedens und die entsprechende Russlands mit der
von ihm als sehr ähnlich befundenen der Alaska-Eskimos verglichen,
die er in Berlin gesehen hat. Allein die mir von Seler aufgewiesenen
ganz rohen Tongefässe der Ingalik haben trotz der am Halse befind¬
lichen Reihe tiefeingedrückter Gruben (keine Grübchen) nicht die ge¬
ringste Ähnlichkeit mit arktischer Keramik, wohl aber stimmen die
Schieferpfeilspitzen und die holzgeschafteten Schiefermesser der Männer
in auffallendster Weise mit den gleichen Schiefergeräten der arktischen
Kultur. Diese arktische Kultur nun mit Wibling eine „mongolische“ zu
nennen, wäre sehr voreilig. Was es mit der von Wibling behaupteten
Übereinstimmung der Steingeräte der Blekingschen Küstenfunde ark¬
tischer Kultur mit den Geräten der Steinzeitleute am Amur auf sich
habe, konnte ich jetzt, wo die sibirische Sammlung des Berliner
Museums für den Umzug verpackt ist, nicht ermitteln.
Dass diese Kulturwanderungen zugleich ein Zeichen, weil eine
Folge der Ausbreitung eines Stammes sind und zwar eines der grössten
Stämme der altweltlichen Menschheit, der Finno-Ugrier, steht
für mich ausser Frage. Aber noch haben wir ein neues, sprechendes
Zeugnis für dieses Kulturgebiet und die Anfänge jenes Hauptstammes
zu behandeln, das sind die Felsenzeichnungen. Allbekannt sind ja jene
skandinavischen Hällristningar, die in unzähligen Wiederholungen einen
kleinen Kreis von Stoffen vorführen und sich nicht genug erschöpfen
können an Sonnenrädern und Fusssohlen, an kleineren und grösseren
bemannten Ruderschiffen, auch wohl an kindlich unbeholfen dargestellten
Tieren, wie Rindern und Pferden, sowie an Menschen. Das Bohuslän
und die Smalene sind das Hauptgebiet dieser eigenartigen zu Beginn
der Bronzezeit einsetzenden Zeichnungen, doch reichen sie in minder
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Gustaf Kossinna.
[26
zahlreicher Verbreitung noch weiter nordwärts, in Schweden bis Upp-
land, in Norwegen bis zum Drontheimfjord. Diese Zeichnungen tragen
südskandinavischen Charakter. Ganz anderer Art sind die zum Teil
erst im letzten Jahrzehnt durch den Norweger Lossius und den Schweden
Hallström bekannt gewordenen nordskandinavischen Felsenzeichnungen:
sie gehören der arktischen Kultur an. Ihre Anzahl ist vorläufig noch
gering, zehn im ganzen, von denen drei auf das schwedische Jämtland,
Abb. 15. Gebiet arktischer Felsenzeichnungen (1—10) und Felsenmalereien (11—13) in Skandinavien
(nach .Fornvännen“ 1907, 161).
die übrigen auf Norwegen fallen und hier vom Drontheimfjord im Land¬
inneren nordwärts bis zu dem Ofotenfjord Vorkommen. Ausserdem
finden sich auf der schwedischen Seite 1 ) noch drei Felsenmalereien, zwei
in Jämtland und eine in Härjedalen (vgl. die Karte: Abb. 15). Sie
steigen empor bis zu Höhen von über 500 m wie zu Landverk im
Jämtlande; einige liegen jedoch so tief, dass sie wohl unterhalb der
Strandlinie der Litorinasenkung sich befinden, also erst der jüngerneo-
lithischen Zeit angehören können.
') In dem soeben (April 1909) mir zugegangenen ersten Hefte des diesjährigen
„Fornvännen“ S. 55 f. zieht Hallström auch eine norwegische, schon 1878 veröffent¬
lichte arktische Felsenmalerei ans Licht, von Hindhammern in Nordmöre.
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27 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 43
Sie bieten keine religiösen Darstellungen, keine Genreszenen, keine
Geschichtsdarstellungen, wie die Wikingerkriegszüge über See auf den
südskandinavischen, germanischen Felsenritzungen, sondern lediglich
Wildtiere des Hochlandes, den
Bären, den Elch, das Ren in
meist wunderbar naturalistischer
Vollendung der Umrisse, gegen
die jene südskandinavischen
Tierdarstellungen armselige
Stümperei sind. Wir haben
hier in ausgesprochener Weise
an einer und derselben Stelle
die Gegensätze nebeneinander:
auf der einen Seite das primi¬
tive, allein von der grossen
Stärke der Erinnerung geleitete,
vom Denken aber unbeirrte
Schaffen einer direkt aus der
Natur schöpfenden Jägerkunst,
auf der anderen Seite das in
hohem Masse durch star¬
kes seelisches Innenleben
und gedankliche Vorstel¬
lungen beeinflusste Bilden
der mehr aus fernerer
blässerer Erinnerung
schaffenden Phantasie des
kultivierten, an das Haus
gebundenen Ackerbauers
und Viehzüchters; Gegen¬
sätze, die man neuerdings
unter die Schlagworte
„physioplastische“ und
„idioplastische“ Kunst ge¬
bracht hat.
Wiedergegeben seien
hier zunächst die bei¬
den Zeichnungen von
Landverk in Jämtland
(Karte Nr. 3, Abb. 16.17)
und von Böla im Dront-
heimfjord (Karte Nr. 6, Abb. 19. 20. Böla (nach „Fornvännen“ 1908, 70f ).
Abb. 16. 17. Landverk (nach .Fornvännen* 1907, 186, 187).
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Gustaf Kossinna.
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Abb. 18—20). Das leider stark abgewaschene Bild von Landverk
zeigt einen Elch, dem nachstellend ein Bär folgt. Störend an der
Abb. 21. Bardal (nach .Fornvännen* 1908, 63).
strengen Profilauffassung ist nach Hallströms richtiger Bemerkung nur
die Wiedergabe je zweier Ohren, bei denen übrigens auch die Ohr¬
muschel angedeutet ist, statt eines einzigen. In Böla, wo bis 1897
der nördlichste bekannte
Fundort der Felsenzeich¬
nungen lag, befindet sich
an einer senkrechten Wand
neben einem kleinen
Wasserfall ein sehr schön
naturalistisches Bild eines
Rens mit ganz eigenartig
gestaltetem Geweih, wie
Abb. 22 . Bardal (nach „FomvÄnnen - 1908 , 65). es aber nach der beige¬
gebenen Zeichnung eines
lebendigen Renochsen auch heute noch in der Natur vorkommt.
Eine der schönsten und zugleich die bedeutsamste ist die ark¬
tische Felsenzeichnung von Bardal am Drontheimfjord, die nur 40 m über
dem Meere angebracht ist (Karte Nr. 5, Abb. 21. 22). Dort befinden sich
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29J Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 45
zwei vollständige und mehrere angefangene treffliche Elchbilder, jedes
3 m lang, 2 m hoch, und gleichzeitig ist die Klippe in einer Länge von
fast 30 m und einer Breite bis 10 m mit Schälchenvertiefungen, Fuss-
sohlen, Menschenfiguren, an fünfzig Tieren und hundert Schiffen über-
Abb. 23. (Nach Congrfes international d’anthrop. et d’arch^ol. VII. Stockholm 1874, T. I, 192).
zeichnet, von denen eines 4,3 m Länge und 89 Mann Besatzung auf¬
weist: dies alles in südskandinavischem Stile. Dass diese letzteren
jünger, die arktischen Zeichnungen viel älter sind, also weit hinein in
die jüngere Steinzeit reichen, hat schon Lossius erkannt und Hallström
neuerdings sicher erwiesen durch die Beobachtung, dass einerseits die
feineren Linien der Elchumrisse zwar von den breiten, tiefen Rinnen
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46 Gustaf Kossinna. [30
der Schiffslinien durchbrochen werden, nicht aber von den ebenso
breiten Naturfurchen der Klippe, durch die jene Elchumrisslinien, statt
sie zu überspringen, vielmehr ohne Unterbrechung hindurchlaufen.
Eine erwünschte Bestätigung des hier behandelten grossen kul¬
turell-ethnographischen Zusammenhanges für den ferneren Osten bieten
die von Aspelin veröffentlichten Felsenzeichnungen vom Onega, denen
sich wiederum völlig übereinstimmende aus dem Sibirischen anschliessen.
• = N'östvettypus und arktisch,
S = Seefinnen \ im 16. Jahr
L = Lappensicdelungen j hundert,
x = Finnen-Ortsnamen.
Verbreitung der Kurzköpfe in Norwegen
(nach A. M. Hansen, Landnlm i Norge
Tf. VI. VII).
Es ist sehr bedauerlich, dass die von Savenkow bewirkten Auf¬
nahmen der Felsenzeichnungen aus dem Jenisseigebiet, die nach seinem
Urteil eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den Schöpfungen des Künstlers
von der BasaYkha (oben S. 40) besitzen, vor ihrer Veröffentlichung
ihm abhanden gekommen sind und darum zum Vergleich hier nicht
näher herangezogen werden können.
In wie ausgedehntem Masse die Feststellung der Hinterlassenschaft
der arktischen Kultur in Skandinavien heute gegenüber dem Stande
vom Jahre 1874 gewachsen ist, zeigt ein Vergleich der älteren Ver¬
breitungskarte von A. Rygh (Abb. 23) mit der neueren von A. M. Hansen,
jenem gedankenreichen, aber in archäologischen, geologischen und
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31] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 47
anthropologischen Fragen vielfach auf unsolidem Boden stehenden Ver¬
fasser des Werkes „Landnam i Norge“. Dieser Unterschied bleibt
wirksam, auch wenn man die zuerst von Hansen als notwendig erkannte
Einbeziehung der frühneolithischen Siedlungen in die Entwickelung der
arktischen Kultur als stärksten Zunahmefaktor bei dieser Vergleichung
ausser Spiel lässt (Abb. 24).
Setzt man weiter die Verteilung der arktischen Kultur über die
Küstengebiete Norwegens und die gleichmässige Gebundenheit der
Litorina-Kultur an die Küstengegend in Vergleich mit der Verbreitung
der ebenso auf die Küstengebiete beschränkten, aber hier sehr stark
überwiegenden heutigen norwegischen Kurzkopfbevölkerung, wie dies
gleichfalls Hansen auf Grund der Untersuchungen von Arbo und Larssen
getan hat, so ist der innere Zusammenhang dieser Tatsachen un¬
verkennbar (Abb. 25).
Der anthropologische Typus der skandinavischen Kurzköpfe ist in
der Hauptsache umschrieben durch die Eigenschaften: blond, blauäugig,
hochgewachsen. Dazu treten weiter die Merkmale einer schräggewölbten
Stirn und stark vortretender Brauenbögen. Vor allem aber ist wichtig,
dass die Kurzköpfigkeit nicht hervorragend erscheint, sondern den Index
80 zeigt oder wenig darüber. Somit haben wir es mit einem Typus
zu tun, der dem dänischen Steinzeittypus von Borreby entspricht, und
sogar schon bei den Skeletten der Muschelhaufen, wie wir gesehen
haben, vorzuliegen scheint. Und auch Schweden bietet heute in seinem
südlichsten und östlichsten Gebiete, also gerade dort, wo einst die
Ancylus- und Litorina-Kultur stark vertreten war, verhältnismässig nicht
unbedeutende Zahlen dieses hellerfarbigen hochgewachsenen Kurzkopfes:
erreicht doch nach den Untersuchungen von Gustaf Retzius (1902)
Schonen mit etwa 19°/o Kurzköpfen fast die Zahlen von Westerbotten,
während Uppland mit 21 °/o nur wenig hinter Lappland mit 23,6 zurück¬
steht. Dagegen ist Mittelschweden ein breites Band stärkster Lang-
köpfigkeit, die in Södermannland nur 5°/o, in Dalsland gar nur 4,86 °/o
Kurzköpfe neben sich hat.
In Dänemark muss dieser Kurzkopftypus noch viel allgemeiner sein,
wenn man die neuerdings von H. P. Steensby für Nordfünen, Anholt und
Westjütland, von L. Ribbing für Bornholm gewonnenen Ergebnisse auf
das ganze Land übertragen darf, was nach einer soeben erschienenen
Darstellung von Sören Hansen zulässig erscheint. Es stimmt dazu,
dass auch die vorerwähnten belgischen Bergmannsskelette eine mäs-
sige Kurzköpfigkeit aufweisen.
Um also aus all diesen archäologischen und anthropologischen
Erkenntnissen meinen Schluss zu ziehen, so bin ich der Ansicht, dass
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48
Gustaf Kossinna.
[32
eine Bevölkerung vom Borrebytypus — vielleicht neben einer stark kurz¬
köpfigen, die zugleich von kurzem Wüchse war — seit dem Ende des
Magdalenien in allen Stadien der frühneolithischen Epoche von Frank¬
reich, Belgien und dem Oberrhein nach Norddeutschland, Dänemark
und Südskandinavien gewandert ist und hier die ausgehende paläoli-
thische Kultur in teilweise neuen Formen weitergebildet hat. Diese
Bevölkerung muss schon am Schlüsse der Ancylus-Zeit aus Mittel¬
schweden und aus dem ganzen östlichen Norddeutschland und den
baltischen Provinzen ausgewandert und, wie ich glaube, nach Osten
gezogen sein, da einmal die Litorina-Kultur hier so gut wie unvertreten
bleibt, dann vor allem aber gerade in diesen Gebieten später und bis
heute noch der ausgesprochen langschädelige nordische Typus in grös¬
serer Reinheit und Stärke vertreten ist. Innerhalb der baltischen
Provinzen birgt nur der Rinnekains in Livland noch die mit finnischer
Keramik ausgestattete jüngerarktische Kultur. Dass aber auch auf
Livland dann der Indogermane seinen Fuss gesetzt hat, zeigt eines
der bis jetzt noch so seltenen neolithischen Gräber des Ostbaltikums,
das 1904 zu Woisek Kr. Fellin aufgedeckt worden ist und nach
R. Weinberg einem extremen Langschädel von rund 67 Längen¬
breitenindex zugehörte. Am Ausgang der neolithischen Zeit hat die
arktische Bevölkerung dann Finnland, das Ladoga-, Onega- und
Wolga-Gebiet besiedelt. Das mittlere bis untere Wolgagebiet und
weiter westlich das Land bis in die Nähe des mittleren Dnjeprs
müssen die Gegenden gewesen sein, wo die Finnen bereits am Ende
der neolithischen Zeit eine in der finnischen Sprache als Nieder¬
schlag noch heute fortbestehende Kultureinwirkung durch die am
Dnjepr sesshaften Arier erlebt haben, bevor diese nach Asien ab-
wanderten. ln ähnlicher Weise, wie später die Indogermanen, hat die
arktische Bevölkerung endlich auch grosse Teile von Asien bis nach
Ostsibirien und möglicherweise sogar Nordjapan hin mit ihrer Kultur
und Sprache belegt, um hier jedoch, wiederum ähnlich wie die Arier,
aber auch wie die Indogermanen Ost- und Südeuropas, dem Blute nach
von der einheimischen Bevölkerung früher oder später absorbiert zu
werden. Daher die körperliche Verschiedenheit des in den nördlichen
Breiten Europas und Asiens weit auseinandergezogenen finno-ugrischen
Stammes, dessen fremde Rassenbestandteile trotz finnischer Sprache
uns schon im germanischen Norden durch die Lappen so klar vor Augen
geführt werden.
Ist meine Herleitung der finnischen Urbevölkerung richtig, dann
fallen auch alle die schweren Bedenken fort und werden alle die
Winkelzüge derjenigen Sprachforscher unnötig, die von der auch mir
über allem Zweifel sicheren Urverwandtschaft des finnischen und des
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33] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 4Ö
indogermanischen Sprachstammes überzeugt sind, aber nun darum, wie
O. Schräder, — freilich ohne eine Spur sonstiger inneren Nötigung, ja
Berechtigung — die indogermanische Urheimat möglichst nahe an die
europäisch-asiatische Grenze zu rücken bestrebt sind. Die gemeinsame
oder wenigstens nahe benachbarte Urheimat beider Ursprachen in
Frankreich würde alles genügend erklären. Während nun aus Nord¬
deutschland, den baltischen Provinzen und Mittelschweden die arktisch¬
finnische Bevölkerung zeitig abrückte, war ihr in Dänemark, Südschweden
und Norwegen bei dem späteren Eindringen einer neuen überlegenen
Bevölkerung ein Ausweichen und Abwandern nach aussen hin nicht
möglich oder dieses trat wenigstens nicht ein, wie die heutigen anthro¬
pologischen Verhältnisse beweisen. Die Urbevölkerung wurde hier
gegen Ende der neolithischen Zeit von den neuen südwärts hergekom¬
menen Eindringlingen unterworfen und verlor den Besitz der eigenen
altererbten Kultur, von der innerhalb der skandinavischen Bronzezeit
oder gleichzeitig mit ihr sich nicht mehr die geringsten Spuren finden.
Es ist daher durchaus irrig, mit Montelius von der arktischen Kultur
als von einer „lappischen“ Kultur zu reden, die seit der Steinzeit her
in Skandinavien alle Perioden bis auf unsere Tage überdauert haben
soll, selbst wenn wir nicht wüssten, wie spät die heutigen Lappen
in Skandinavien eingewandert sind.
II.
Wie die Verschmelzung der arktischen und der skandinavisch-indo¬
germanischen Bevölkerung in eine in gewissem Sinne neue, die skandina¬
visch-germanische, sich vollzogen hat, ist schwer zu sagen. Kleine, aller¬
dings doch recht unsichere archäologische Anzeichen einer Vermischung
könnten vielleicht schon Wohnstättenfunde in Jaederen (Vespestad, Hole¬
heien) und Uppland (Aloppe) und ein Skelettgrab in Gotland (Gothem)
andeuten, woselbst unter hauptsächlich arktischen Steingeräten auch
eine geringe Anzahl südskandinavischer Silexgeräte erschienen. Allein
man muss annehmen, dass die Indogermanen durch strenge Vermeidung
der Ehegemeinschaft mit Arktiern ihren rein nordischen Typus lange
bewahrt haben. Als unterworfene, versklavte Leute konnte die arktische
Bevölkerung weder im Staats- noch im Kriegsleben eine Rolle spielen,
kam daher auch beim Aussenden eines ver sacrum der jungen Mann¬
schaften von Skandinavien nach Süden, d. h. nach Deutschland, wenig
in Betracht. Beweis ist die anthropologisch unvergleichlich rein nordisch
gestaltete Bevölkerung, die von Norddeutschland aus während der Stein¬
zeit das mittlere und südliche Mitteleuropa besetzte und ebenso die¬
jenige Bevölkerung, die von Dänemark und Schleswig-Holstein aus im
Mannus. Bd. I. 4
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50
Gustaf Kossinna.
[34
Laufe der zweiten Bronzezeitperiode Nordwestdeutschland, insonderheit
Hannover und Oldenburg, während der dritten Bronzezeitperiode aber
Nordostdeutschland, insonderheit Mecklenburg,Vorpommern, Nordsachsen,
Nordbrandenburg besiedelte und hierdurch zum erstenmale und dauernd
mit dem germanisch zu nennenden Teilvolke des indogermanischen
Stammes besetzte, mit jenem Volke, das damals sicher schon rein ger¬
manisch sprach, d. h. eine Sprache, die längst mit dem Vollzug der so¬
genannten germanischen Lautverschiebung nach allen Richtungen hin
gleichmässig begonnen haben musste.
Doch wir sprachen schon von den Gegensätzen der arktisch-finnischen
und südskandinavisch-indogermanischen Kultur und Bevölkerung, ohne
vorher die Anfänge und die Herkunft der letzten untersucht zu haben. Wir
sahen, dass die internationale Form des stumpfnackigen Walzenbeils
(Taf. VIII, 2) an der Ostsee ein kennzeichnender Bestandteil der späteren
Litorina- und der arktischen Kultur wurde und als solcher in Skandinavien
an eine Küstenbevölkerung gebunden war. Wie überall, wo es erscheint,
geht dieses Walzenbeil gewissermassen durch Plattdrücken allmählich
und in unzähligen Übergängen in das jüngere, mehr abgeflachte Walzen¬
beil (Taf. VIII, 3) und weiter in das zuerst noch etwas rundliche, dann flach
und flacher gestaltete, gleichfalls internationale spitznackige Beil über
(Taf. VIII, 4). Dieses Spitzbeil kommt nun nie in arktischen Funden
oder auf arktischem Gebiete vor. In Norwegen gehört es im Gegen¬
satz zu seinem Vorgänger, dem Walzenbeil, durchaus einer binnen-
ländisehen, auf Ackerbau und Viehzucht gestellten Bevölkerung an.
Es erscheint weiter nicht nur in Silex, sondern in geschliffenem Silex,
geschliffen zuerst nur an der Schneide, dann über den ganzen Körper
hin. Das sind aber Erscheinungen, die der arktischen Kultur gänzlich
fremd sind. Mit grosser Sicherheit setze ich daher die Anfänge der
indogermanischen Einwanderung in die Periode des spitznackigen Beils,
die zugleich die Anfänge eines Ackerhackbaues und der Viehzucht mit¬
bringt. Aber woher? Aus Mitteleuropa kaum, denn ausser der arktisch¬
finnischen Bevölkerung Norddeutschlands hat dort in frühneolithischer
Zeit (und von dort weiter bis in die spätneolithische Zeit hinein) nur
noch die Pfahlbautenbevölkerung gesessen, in der Schweiz, im oberen
Rheingebiet bis nach Andernach abwärts und in Württemberg [ ), mit der
*) In dem Augenblick, da ich das Imprimatur erteile, erhalte ich durch meinen
Freund A. Schliz eine Abhandlung über ‘neolithische Landsiedlungen der Pfahlbau¬
zeit 1 im Neckargebiet (Röm.-germ. Korrespondenzblatt 1909, 17 ff.). Ferner entnehme
ich einer Bemerkung C. Rademachers (s. unten S. 83), dass nunmehr diese Kultur
nordwärts sogar schon bis Scheuerbusch bei Wahn, Kr. Mühlheim a. Rh., von ihm
festgestellt worden ist.
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35] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogenr.anen u. ihre Ausbreitung usw. 51
Kultur des sogenannten Michelsberger Typus, mit riesenhaften Erd¬
festungen und nachweislich mit einer anthropologisch vom nordischen
Typus durchaus abweichenden, also nicht indogermanischen Bevölkerung.
Es steht uns als Ursprungsland des indogermanischen Typus, der ja
vom Cro-Magnontypus abzuleiten ist, gegenwärtig nur Frankreich zu
Gebote. Und dort liegen die Siedelungsverhältnisse der neolithischen
Zeit so, dass die Archäologie geradezu einen massenhaften Auszug der
Bevölkerung zu Beginn der spätneolithischen Zeit verlangt, jener Zeit,
da einmal das aus dem Walzenbeil durch Abflachung entstandene zwei¬
flächige, im Durchschnitt spitzovale, im Umriss dreieckige spitznackige
Beil weiterhin durch Herausbildung von immer deutlicher werdenden
Schmalseiten in das im Durchschnitt nunmehr vierseitige Spitzbeil über¬
geht, dann ebenso auch das durch Verbreiterung des Nackens entstandene
zweiflächige, im Durchschnitt spitzovale ,,breitnackige“ Beil durch dieselbe
Herausbildung von Schmalseiten zum vierseitigen sogenannten „dünn¬
nackigen“ Beil wird. Dieses letztgenannte Beil ist bekanntlich dasjenige,
in dessen Epoche in Mittel- und Nordeuropa die Anfänge der durch
reiche Entwickelung der Keramik gekennzeichneten jungneolithischen
Gräberepoche heraufgeführt werden. Da trifft es sich eigenartig, dass
in Frankreich diese eben erwähnten Beilformen die dortige Beilent¬
wickelung neolithischer Zeit abschliessen, die jüngeren in Mittel- und
Nordeuropa entwickelten Beilformen wie vor allem das dicknackige
Beil, das eigentliche Beil der Gräberepoche, dagegen dort völlig fehlen.
Man könnte nun versucht sein, dem ja immer sehr bedenklichen, um
nicht zu sagen verzweifelten Auswegsgedanken Raum zu geben, es habe
dort eine sogenannte Uberdauer der älteren Formen stattgehabt bis ans
Ende der neolithischen Zeit. Aber eine solche Annahme wird ad ab¬
surdum geführt durch die zweite, mit jener ersten in schönem Einklang
befindliche Tatsache, dass in Frankreich mit Ausnahme des Pyrenäen¬
gebietes und des Dolmengebietes der Bretagne auch jede nennenswerte
neolithische Keramik völlig fehlt, wie ich nicht nur aus dem Studium
der Literatur versichern kann, sondern auch in den französischen Museen
bestätigt gefunden habe. Denn die sehr spärlichen nordfranzösischen
Erscheinungen von Bandkeramik des Stichreihen- und des Spiral¬
musterstils sind klärlich nicht der Ausgangspunkt der mitteleuropäischen
Bandkeramik, sondern versprengte Ausläufer des mittelrheinischen oder
eher noch des Lütticher Gebietes dieser Kultur, des sogenannten
Omalien Rutots. Die am Ausgang der neolithischen Epoche stehende,
kupferzeitliche Dolmenkeramik der Zonenbecher Frankreichs aber, noch
dazu aus Kurzkopfbegräbnissen, ist erst recht kein geeigneter Ersatz
für das Fehlen sonstiger reicherer neolithischer Keramik und noch
weniger ein Ausgangspunkt der mittel- und nordeuropäischen jünger-
4 *
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PRINCETON UNIVERS1TY
52 Gustaf Kossinna: Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen usw. [36
neolithischen Kultur gewesen. In dem fast völligen Abbruch der jünger-
neolithischen Kultur Frankreichs gerade an dem Punkte, wo in Mittel¬
und Nordeuropa in zwei Gebieten eine grossartige Entwickelung von rasch
sich folgenden Kulturen beginnt, sehe ich allerdings eine volle Be¬
stätigung meines von vornherein gefassten Gedankens, dass der Ursprung
dieser Bevölkerung am letzten Ende in Westeuropa, insonderheit in
Frankreich, liegen müsse. (Fortsetzung folgt.)
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Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /.
3. Rengcweihhacke,
Prenzlau, Brandenburg (nach Arch
d. Brandenburgs 10 Taf. 111, 1).
1. Ostseegebiet in der Yoldia-Periode (nach
de Geer, Skandinaviens utveckl. u. istiden Taf 3).
2 . Durchlochte Rengeweihschäfte, Dänemark (Aarb. f. n. oldk. 1896, 305).
Kossinna, Der
Digit
r
und Urindogermancn.
Curt Kabitzsch (A. Stüber’s -Verlag), Würzburg
PR1NCET0N UNIVERSITY
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Dd. I. Taf. II.
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Silexgeräte des Flenusien, Flenu (Belgien).
Beil; 2. Messer; 3. Spalter; 4. Hobel; 5 Hohlhobel; 6. Hohlschaber; 7. Bohrer; 8. Hobel; 9. Schaber; 10. Wurfstein. Gebrauchskanten überall unten, nur bei No. 2 und 9 rechts.
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Mannus, Zeitschri)
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mm.
"/• 5.
Hirschgeweihhacken. 1—3 Typen. 4, 5 KI. Machnow bei Berlin. 5. abgerollte Verzierung (nach Globus 84, 108).
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verlag), Wurzburg.
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Mantius, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1.
Taf. VI.
5. 6. Angelhaken aus Elchgeweih: Gollwitz, Kr. Zauch-Belzig,
Brandenburg; Reddies, Kr. Rummelsburg, Hinterpommern.
^ - -^
4. V« Fernewerder, Kr. Westhavelland (Nachrichten ü. d. Alt. 1902, 31).
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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illllmimm
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1.
Taf. Vll.
Entwickelung des Nöstvetbeiltypus.
1. Litorinabeil. 2. Nöstvetbeil mit rhombischem, 3. mit dreieckigem, 4. mit trapezförmigem Querschnitt
(nach A. W. Brögger, öxer av Nöstvettypen Taf. X; IV; V; III, 5).
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermancn. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf. VIII.
4
1—4 = '/■•
Vom Nöstvetbeil zum Spitzbeil.
1. Limnhamntypus; 2. rundes Walzenbeil; 3. abgeplattetes Walzenbeil; 4. gewölbtes spitznackiges Beil.
(I. 2. 3. nach A. W. Brögger, öxer av Nöstvettypen, Taf. VIII, 13; IX; VIII, 14. — 4. nach W. C. Brögger
Strandliniens beliggenhed under stenalderen I. d. s. Norge. Taf. VII).
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würiburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf IX.
Arktische Kultur Norwegens (1—5) und Finnlands (6—15).
(1.-5. nach Congrfes internat. d'anthrop. & d’archcol. pr6h. Stockholm 1874, 5. 183 ff.; 6.—15. nach Hackman: Fennia 17, No. 31, 5. 3, 5).
Koi> vm\£*'\y
Urg^jf W
und riiulogcrmancn.
Curt Kabitzscb (A. Stubcrlfc'JYdrkljgj Würzburg.
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6. 7. Knochen: Ladogasee.
9—11. Silexfiguren: Wolosova
Arktische Skulptur aus Skandinavien, Norddeutschland, Russland.
!•—4., 9.—11. nach Almgren, Nordiska stenaldersskulpturer (Fornvännen 1907, Fig. 1—3. 9. 21—26).
Ko ssin na, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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-6. Bernsteinamulette; Schwarzort, Ostpreussen
Schiefermesser; Schwedisch Norrland
9. Sibirien.
10. Russisch Karelien, Finnland
Figürliche Skulpturen arktischer Kultur
6. nach R. Klebs, d. Bernsteinschmuck der Steinzeit v. Schwarzort Taf. IX; 7. nach Ailio: Journ. d. 1. soc. finno-ougr. XXIII
8. nach O. Almgren: Fornvännen 1907, 116; 9. nach Congrfes intcrnat. d’archöologic XI. Moscou 1892 II, 330;
10. nach Congrfes internat. d'anthrop. et d’archlol. VII. Stockholm 1874, T. X, 290.
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogcrmanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Das Sonnenrad und das christliche Kreuz \
Von
Oskar Montelius.
Mit 72 Textabbildungen.
I.
In einem vor wenigen Jahren veröffentlichten Aufsatz 2 ) habe ich
nachgewiesen, dass das Rad eines der Symbole der Sonne und des
Sonnengottes war, dass dieses Symbol bereits lange vor dem Auftreten
des Christentums dazu angewendet wurde, um die Göttlichkeit zu be¬
zeichnen, und dass es in der christlichen Kirche von der ältesten Zeit
her dieselbe heilige Bedeutung gehabt hat.
Da die wirklichen Räder hier auf Erden im Anfang aus vollen
Scheiben bestanden, also ohne irgend welche Speichen, war ihre Ähnlich¬
keit mit dem am Himmel dahinrollenden Sonnenrade in der Form grösser,
als zu der Zeit, da die Wagenräder Speichen bekamen. Lange Zeit war
die Anzahl der letzteren nur vier, wurde alsdann zuerst auf sechs und
weiterhin auf acht vermehrt, welche Anzahl erst in vergleichsweise
später Zeit überschritten wurde. Daher wurde auch das himmlische
Rad bald mit.vier, bald mit sechs oder acht Speichen dargestellt.
Wir werden nun sehen, wie das Radsymbol im Laufe der Jahr¬
tausende so grossen Veränderungen unterlag, dass alle, die mit der Ent¬
wickelungsgeschichte dieses Zeichens nicht vertraut sind, nicht ahnen
können, dass die Gestalt, worin das Zeichen sich schliesslich zeigt,
durch eine allmählich sich vollziehende Veränderung aus der ursprüng¬
lichen Form hervorgegangen ist. Dies gilt nicht bloss von dem vier-
speichigen Rade, sondern ebenso von dem Rade mit sechs oder acht
Speichen.
') Übersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von
G. Kossinna.
*) Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher und christlicher Zeit
(Prometheus. Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie
und Wissenschaft herausgegeben von Dr. Otto N. Witt. XVI. Jahrgang. Berlin 1904/1905
No. 16-18).
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54
Oskar Montelius.
[2
Der scheinbar unwichtige Umstand, dass so lange Zeit Räder
mit nur vier Speichen an Wagen benutzt wurden, hat ganz unerwartete
Folgen gehabt, wie die nun folgende Darstellung der Entwickelung des
vierspeichigen Radsymbols zeigen wird.
Fig. 1. Konsekrationskreuz Fig. 2. Grabstein,
(Wandmalerei zur Einweihung Schottland,
der Kirche), Schweden.
Fig. 3. Konsekrationskreuz,
Schweden.
Wir erinnern uns, wie man in älterer Zeit bei diesem Symbol oft
nicht nur den Radreifen und die Speichen, sondern auch das für die
Achse vorgesehene Loch in der Mitte wiedergab. Es war indes weit
j
Fig. 4. Mosaik. Markuskirche, Venedig.
leichter, nur den Reifen und die Speichen abzubilden. Daher fehlt
auch gewöhnlich das Loch in der Mitte. Bisweilen sieht man die Ritze
zwischen dem Reifen und dem äusseren Ende der Speichen, aber ge¬
wöhnlich ist sie nicht angegeben.
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3]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
55
Ursprünglich sind die Speichen, wie beim wirklichen Rade, ziemlich
schmal und überall fast gleichbreit. Allmählich nehmen sie jedoch an
Breite zu, wobei sie im Anfang noch überall fast gleich breit sind
Fig. 5. Konsekrations¬
kreuz, Schweden.
Fig. 6. Haustein,
Dänemark.
Fig. 7. An einem Kapitäl,
Markuskirche, Venedig.
(Fig. 1), schliesslich aber werden sie am äusseren Ende stark aus¬
geschweift (Fig. 2—4 und 6).
Lange bildeten Reifen und Speichen ein Ganzes. Allmählich
wurde jedoch die Vereinigung zwischen ihnen aufgelöst. Die vier
Speichen lösen sich vom Reifen, so dass sie innerhalb desselben frei
Fig. 8. Steinsarkophag, Ravenna.
schweben. Die Enden der Speichen sind entweder abgerundet, so dass
sie der Innenkante des Reifens folgen, oder nach innen geschweift,
wie bei Fig. 5, oder sie haben auch andere Formen.
Der Zwischenraum zwischen Reifen und Speichenenden ist ge¬
wöhnlich ganz schmal, wird aber zuweilen breiter. Dann sind einige
Male die vier Speichen nicht von gleicher Länge, sondern eine von
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56
Oskar Montelius.
[4
ihnen, die nach unten gerichtete, wird allmählich länger (Fig. 7—9).
So sieht man unter den Mosaikbildern, welche die Apsis der berühmten
Kirche San Apollinare in Classe bei Ravenna schmücken, das in Fig. 9
wiedergegebene: ein Kreuz, das am unteren Teil viel länger ist als am
oberen, zeigt sich von einem Reifen umgeben; aber der Zwischenraum
zwischen beiden Teilen ist so gross, dass das Kreuz überall frei steht.
Das Kreuz kann sogar so lang sein, dass es sich bis unterhalb
des Reifens erstreckt. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür haben wir
Fig 9. Mosaik, Ravenna.
in dem in Fig. 13 abgebildeten Kapitäl aus der Kirche San Clemente
in Rom.
Manchmal hat der Radreifen, wie in dem zuletzt angeführten
Falle, seinen ursprünglichen Charakter verloren. Nicht selten ist er zu
einem Blattkranz geworden, wie in Fig. 8, 10 und 11.
Wir erinnern uns, dass man bereits frühzeitig, lange vor dem
Auftreten des Christentums, zwischen den vier Speichen des Sonnen¬
rades Strahlen einsetzte, die offenbarten, dass das Rad ein Abbild der
strahlenden Sonne war. Solche Strahlen sieht man auch in der christ¬
lichen Zeit nicht selten, sowohl in der Kreuzesglorie hinter dem Haupte
Christi — wozu ein Beispiel in dem früheren Aufsatz angeführt wurde —
als auch in anderen Fällen. Fig. 10 und 12 zeigen gleicharmige Kreuze,
die zwischen den Kreuzarmen Strahlen haben; das erstere ist nicht von
einem gewöhnlichen Radreifen umgeben, sondern von einem Blattkranz.
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58
Oskar Montelius.
[6
Während die Speichen sich in der Weise, wie wir es eben kennen
gelernt haben, veränderten, war der Radreifen lange erhalten geblieben,
entweder in seiner ursprünglichen Form, oder in der Umwandlung zu
einem Blattkranz. Andererseits kommt es vor, dass, während die
Speichen in der Breite zunehmen, der Reifen immer schmaler wird,
so dass er schliesslich fast verschwindet. Dies ist der Fall bei den
Originalen zu Fig. 4 und 6. In der ersteren Figur wird der Kranz nur
von einer schmalen Linie gebildet, während die Speichen sehr breit
Fig. 13. Kapital, Rom.
sind. Besser als eine lange Abhandlung beweist dies, dass wir hier
wirklich ein ursprüngliches Rad vor uns haben, dessen vier Speichen
im Begriff sind sich aus dem Radreifen zu lösen und ein gleicharmiges
Kreuz zu bilden, und dass es nicht ein Kreuz ist, das von einem Ringe
umgeben wird.
Schliesslich sieht man überhaupt keinen Ring mehr. Nur die
vier Speichen bleiben übrig, indem sie ein gleicharmiges Kreuz
bilden.
Dieses Kreuz, das unter dem Namen des griechischen bekannt
ist — zum Unterschied von dem ungleicharmigen lateinischen Kreuz —,
hat manchmal Arme mit breiten abgerundeten Enden, ein Andenken
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7]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
59
an die Zeit, da es ein Teil des Rades war und die Enden der Speichen
sich nach dem Radreifen formten.
Diese Form haben ein paar Kreuze, die aus christlichen Gräbern
auf Björkö im Mälarsee, dem durch Ansgars Lebensbeschreibung be-
Fig. 14. Silberkreuz, Björkö. Fig 15. Eingehauenes Kreuz im alten Altartisch.
Dreifaltigkeitskirche, Uppsala.
rühmten Birka, herstammen (Fig. 14), und einige andere schwedische
Kreuze aus dem älteren Teile unserer christlichen Zeit.
Oft haben die Enden indessen andere Formen (Fig. 15).
Sehr lehrreich ist ein Vergleich zwischen den beiden in Fig. 16
und 18 abgebildeten Symbolen, beide um 1500 an französischen
Kirchenglocken angebracht. Die erstere Figur zeigt ein vierspeichiges
Rad auf einem hohen Fuss, die letztere ein gleicharmiges Kreuz auf
solchem Fusse. Die Arme des Kreuzes sind auf ganz dieselbe Weise
abgerundet wie die gegen .den Radreifen stossenden Speichenenden.
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eo
Oskar Montelius.
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Das gleicharmige, sogenannte griechische Kreuz hat
also ursprünglich nichts mit dem Kreuze Christi zu tun,
ein Verhältnis, das um so mehr besondere Aufmerksamkeit verdient,
als diese Kreuzform äusserst verbreitet gewesen ist und noch ist, nicht
Fig. 19. Langobardisches Goldkreuz, Italien.
nur in der griechischen, d. h. der morgenländischen, sondern auch
gerade in der abendländischen Kirche.
Die Kreuze, die in Mittel- und Südeuropa in den Gräbern ger¬
manischer Völker aus der Zeit kurz nach ihrer Annahme des Christen¬
tums angetroffen werden, haben diese Form (Fig. 19), und dieselbe
Form haben die Kreuze auf den schwedischen Runensteinen aus der
Übergangszeit zwischen Heidentum und Christentum (Fig. 20).
Dass dieses Symbol oder richtiger das vierspeichige Rad wirklich
zu jenen Zeiten als ein Kreuz aufgefasst worden ist, wird in unzweifel-
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9]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
61
hafter Weise dadurch bewiesen, dass man auf manchen zu derselben
Zeit geprägten Münzen, die innerhalb der Inschrift ein Rad mit vier
Speichen zeigen, das lateinische Wort crux (Kreuz) zwischen diesen
Speichen liest (Fig. 17).
Obwohl das griechische Kreuz in seiner ältesten Form, mit vier
gleich langen Teilen, sich überhaupt nicht für die Kreuzigung eignet,
findet man doch, unter anderem aus den ersten christlichen Zeiten im
skandinavischen Norden, mehrere als Schmuck getragene Silberkruzifixe
von dieser Form, wie das aus den ältesten christlichen Gräbern auf
Fig. 23. Silberkruzifix, Schweden.
Fig. 24. Silberkruzifix, Gotland.
Björkö stammende Original von Fig. 21 und die Fig. 22—24 abgebil¬
deten Kreuze. Wie bei manchen anderen griechischen Kreuzen hat
der untere Teil, falls er auch nicht ebenso gross ist, wie die beiden
Seitenarme, so doch durchaus dieselbe, oder mindestens nahezu dieselbe
Länge, wie der obere Teil; die zwei wagerechten Arme können etwas
kürzer sein. Bald ist Christus mit deutlich angegebenen Nägeln, die
durch die Hände gehen, am Kreuze befestigt (Fig. 23), bald ist er
daran festgebunden (Fig. 24).
Aus dem früheren Aufsatz erinnern wir uns, dass das vierspeichige
Rad bisweilen auf einem Stabe getragen wird. Auf dieselbe Weise
wird auch das gleicharmige Kreuz getragen.
In der Mitte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung sehen
wir ein solches auf einem Stabe sitzende Kreuz oft zur Darstellung
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Oskar Montelius.
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Christi angewendet. So ist es unter anderem der Fall auf einem um
550 für den Erzbischof von Ravenna verfertigten prächtigen Thron, der
mit künstlerisch geschnitzten Elfenbeinplatten bedeckt ist. Eine dieser
Platten (Fig. 25) stellt den Augenblick bei der Hochzeit von Kana dar,
da Christus das Wasser in Wein verwandelt. Er trägt in seiner linken
Fig. 25. Elfenbein, Ravenna. Fig. 26. Taufstein, Schweden.
Hand ein kleines fast gleicharmiges Kreuz, das auf einem Stabe be¬
festigt ist.
Bereits zu jenen Zeiten hatte man wohl vergessen, dass dieses
Zeichen eigentlich ein Sinnbild seiner Göttlichkeit war. Es gab nur an,
wer der Abgebildete war.
Zu derselben Zeit, wie auch in der Kunst späterer Zeiten, sieht
man ein solches, auf einer langen Stange getragenes, gewöhnlich gleich¬
armiges Kreuz gleichfalls in der Hand Johannes des Täufers, wie auf
dem Fig. 27 wiedergegebenen, im fünften Jahrhundert ausgeführten
Mosaikbild, welches die Wölbung im Baptisterium von San Giovanni zu
Ravenna schmückt. In diesem Falle kann das Kreuz selbstverständlich
keine Beziehung auf eine Kreuzigung haben, da ja Johannes den Tod
nicht auf diese Weise erlitten hat. Wir haben hier deutlich das aus
uralter Zeit herstammende Zeichen für die Göttlichkeit, oder wohl in
diesem Falle vielmehr für eine göttliche Sendung.
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11]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
63
Bei Kenntnis dieses Verhältnisses können wir ohne Schwierigkeit
die auf den ersten Blick eigentümliche Erscheinung erklären, dass man
bisweilen ein kleines Kreuz in der Weise angebracht findet, wie auf
dem Fig. 23 abgebildeten, bei Alt-Uppsala gefundenen Kruzifix aus
Silber, das als Schmuck getragen wurde. Das Haupt des Gekreuzigten
ist von einem Heiligenschein umgeben, der zwar durch den langdauernden
Gebrauch sehr abgenutzt worden ist, aber wahrscheinlich ein gewöhn¬
licher Heiligenschein ist, nicht eine Kreuzglorie. Über dem Haupte
sehen wir ein kleines, fast gleicharmiges Kreuz und darüber die Hand
Fig. 27. Mosaikbild, Ravenna.
Gottvaters mit zwei ausgestreckten Fingern, das Zeichen des Segens.
Dieses Kreuz verhält sich zu der ganzen Darstellung ganz ebenso wie
die in dem früheren Aufsatz erwähnte Kreuzglorie. Wie diese kann es
keine Beziehung auf die Kreuzigung selbst haben, weil es ja deutlich
genug ist, dass der Abgebildete gekreuzigt ist. Aber es war von Wich¬
tigkeit, anzugeben, wer der Gekreuzigte ist. Diese Aufgabe hatte das
auf unzähligen Kruzifixen hinter dem Haupte Christi sitzende vier-
speichige Rad, das Kreuzglorie genannt zu werden pflegt; und dieselbe
Aufgabe hatte das über seinem Haupte auf dem Kruzifix Fig. 23 dar¬
gestellte Kreuz.
Da man des Zeichens ursprüngliche Bedeutung vergessen hatte,
war man sich nicht bewusst, dass man sowohl mit der Kreuzglorie als
mit dem kleinen Kreuze tatsächlich die Göttlichkeit des Gekreuzigten
angab.
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64
Oskar Montelius.
[12
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Ein kleines gleicharmiges Kreuz ist in gleichem Sinne sichtbar
über dem Haupte Christi auf dem Fig. 24 wiedergegebenen Silber¬
kruzifix. Es lag in einem auf Gotland gefundenen Silberschatz, der
gemäss dem Zeugnis der Münzen im Anfang des 11. Jahrhunderts
vergraben wurde.
Manchmal sieht man auch hinter dem Haupte des Gekreuzigten
statt der Kreuzglorie ein Kreuz, ohne dass ein Ring es umgibt. Das
ist der Fall bei dem Fig. 26 wiedergegebenen Christusbilde auf einem
schwedischen Taufstein aus dem Anfang des Mittelalters; natürlich sind
nur drei von den vier Armen sichtbar. Der Umstand, dass das Kreuz
hier den Platz der Kreuzglorie, das heisst des Rades, einnimmt, ist ein
Fig. 28. Silbernes Ellakreuz, Schweden.
Fig. 29. Silbernes Ellakreuz, Schweden.
interessanter Beweis — wenn noch ein weiterer Beweis erforderlich
wäre — für die Entwickelung des gleicharmigen Kreuzes aus dem Rade.
Infolge der Neigung an den einmal angenommenen Formen fest¬
zuhalten, die stets alles kennzeichnet, was mit Religion zu tun hat,
leben die älteren Formen beständig fort an der Seite der jüngeren:
das Rad mit den vier schmaleren oder breiteren Speichen — entweder
hängen diese mit dem Radreifen zusammen oder haben sich von ihm
gelöst — kann also Vorkommen, und kommt in der Tat allgemein noch
zu der Zeit vor, da das von dem Reifen ganz befreite, gleicharmige
Kreuz bereits längst in Gebrauch war. So haben die sogenannten
„Eliakreuze", die in sehr später Zeit in Schweden verfertigt wurden,
um Heilung von Krankheiten zu schaffen, bald die Form eines Rades
mit vier am Ende breiteren Speichen (Fig. 28), bald das Aussehen, wie
es Fig. 29 zeigt, mit einem kleinen gleicharmigen Kreuze, viel kleiner
als der Kreis, der es umgibt.
Es kommt eben darauf an, dass man grosse Zeiträume überschaut,
um einen richtigen Überblick über die in Frage stehende Entwickelung
zu gewinnen.
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13]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
65
Noch notwendiger wird dies aus einem anderen Grunde. Lange
bevor die Entwickelung des Radsymbols, die wir soeben mit besonderer
Beziehung auf die christliche Kirche geschildert haben, innerhalb dieser
Kirche — manche hundert Jahre nach dem Anfang unserer Zeitrech¬
nung — dazu geführt hatte, dass das gleicharmige Kreuz auftritt, ohne
von einem Kranze umgeben zu sein, gab es nämlich bereits ein heiliges
Zeichen von ganz ebenderselben Form.
Dieses unerwartete Verhältnis findet seine Erklärung darin, dass
das gleicharmige Kreuz
bereits lange vor dem
Auftreten des Christen¬
tums ein Symbol der
Göttlichkeit war.
Ganz regelrecht steht
dies in Zusammenhang mit
dem in hohem Grade merk¬
würdigen Umstand, dass die- pig. 30. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.). Assyrien,
selbe Entwickelung des
gleicharmigen Kreuzes
aus demRade, die wir so¬
eben innerhalb der christ¬
lichen Kirche kennen ge¬
lernthaben, auch bereits
lange vor Christi Geburt
vor sich gegangen ist.
In dem früheren Aufsatze
sahen wir, dass die assyrischen Könige im neunten Jahrhundert vor
unserer Zeitrechnung oft mit einem Halsschmuck dargestellt sind, der
von den Symbolen der Sonne, des Mondes und des Istarsternes ge¬
bildet wird (Fig. 30). Das Zeichen der Sonne ist das vierspeichige Rad.
Bisweilen sieht man aber an Stelle dieses Rades ein gleicharmiges
Kreuz, ganz gleich den vier Speichen des Rades (Fig. 31). Diese Speichen
haben sich also aus dem Radreifen auf vollkommen dieselbe Art ge¬
löst, wie wir das Verhältnis in der christlichen Zeit gefunden haben.
Manchmal trägt der assyrische König um den Hals nur das Bild
der Sonne, ein gleicharmiges Kreuz, so gleich dem christlichen Kreuze,
dass man an dessen hohes Alter nicht glauben sollte, wenn es nicht
über allen Zweifel erhaben wäre, wie bei der Frage nach dem Original
zu Fig. 32, das sich aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor
Chr. herschreibt.
Gleicharmige Kreuze von derselben Form, wie die christlichen,
Mannus. Bd. 1. 5
Fig. 31. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien.
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66
Oskar Montelius.
[14
sieht man auf vielen asiatischen Abbildungen aus dem letzten vor¬
christlichen Jahrtausend und noch früher.
Auf ägyptischen Denkmälern aus der Zeit Ramses des Grossen,
also aus dem letzten Teile des zweiten Jahrtausends, tragen einige
Fig. 32. Steinskulptur (9. Jahrh. vor Chr.), Assyrien.
Gefangene, die sich durch ihre charakteristischen Gesichtszüge und ihre
eigentümliche Tracht als Semiten erweisen, solche Kreuze um den
Fig. 33. Münze aus Phönizien Fig. 34. Münze des Kaisers
(Anfang des 3. Jahrh. n. Chr.). Konstantin d. Gr.
Fig. 35. Münze des Kaisers
Maxentius (Anfang des 4. Jahrh.).
Hals. Andere dergleichen Kreuze kommen auf Siegelzylindern mit
babylonischer Keilschrift vor, bald vor einem anbetenden Manne, bald
über einem sitzenden Gotte.
Es kann somit kein Erstaunen erregen, dass solche gleicharmige
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15 ]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
67
Kreuze ebenso auf Sachen aus der römischen Kaiserzeit zu sehen sind,
über deren heidnischen Ursprung kein Zweifel herrscht. Auf Münzen,
die in Phönizien unter der Regierung des Caracalla geprägt sind, findet
man solche Kreuze über den Häuptern der Dioskuren (Fig. 33). Auf
einer für Maxentius, den Gegenkaiser Konstantins des Grossen, also
um 300 geprägten Münze sieht man ein solches Kreuz an dem Giebel
eines heidnischen Tempels (Fig. 35).
Ein solches Kreuz sieht man auch auf einer Münze mit dem
Namen der Stiefmutter Konstantins, der Kaiserin Theodora; aber es ist
ungewiss, ob die mit ihrem Namen geprägte Münze als heidnisch oder
christlich betrachtet werden muss. Dieselbe Ungewissheit herrscht auch
in bezug auf das Kreuz von ganz derselben Form, das auf Münzen
mit dem Namen der wirklichen Mutter Konstantins, der Kaiserin Helena,
vorkommt.
Heidnisch ist dagegen offenbar das Kreuz von derselben Form,
das auf der Fig. 34 wiedergegebenen Rückseite einer eigenen Münze
Konstantins angebracht ist. Man hat wenigstens allen Anlass anzunehmen,
dass sie geprägt wurde, bevor er Christ wurde! die Rückseite der
Münze zeigt nämlich, wie aus der Inschrift hervorgeht, das Bild des
Sonnengottes mit einer kleinen strahlenden Sonne auf der einen und
einem kleinen gleicharmigen Kreuze auf der anderen Seite.
Auf alle Fälle sind all diese Kreuze vollkommen gleich den
christlichen, die zu derselben Zeit abgebildet worden sind.
Andererseits ist das Kreuz, das man auf der zuletzt genannten
Münze an der einen Seite des Sonnengottes sieht, etwas ganz anderes,
als das Zeichen, das Konstantin vor dem entscheidenden Kampfe mit
Maxentius erschienen sein soll — das Zeichen, in dem der Sieg ersterem
verheissen wurde. Dieses Zeichen, das auf vielen von Konstantin nach
seinem Siege geschlagenen Münzen dargestellt ist, war weder ein
griechisches noch ein lateinisches Kreuz. Es war eine Form des sechs-
speichigen Sonnenrades, worin, wie man, unbekannt mit der wirklichen
Geschichte des Symbols, glaubte, die zwei
ersten Buchstaben des griechisch geschrie¬
benen Namens Christi sich fänden.
Mehrere Abbildungen in den römischen
Katakomben und anderwärts zeigen, dass die
ersten christlichen Jahrhunderte neben dem
gleicharmigen Kreuze, wie wir es jetzt be- Hakenkreuz. Runenstein,Schweden,
trachtet haben, auch noch ein ähnliches
Symbol benutzten, das unter dem Namen „Hakenkreuz" bekannt ist
und nicht selten mit seinem indischen Namen „Swastika" benannt
5*
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68
Oskar Montelius.
[16
wird (Fig. 36). Es ist ein gleicharmiges Kreuz, aber mit rechtwinkelig
umgebogenen Enden.
Auch dieses Symbol ist uralt. Aber während das oben besprochene
gleicharmige Kreuz mit geraden Enden ursprünglich bei den semitischen
Völkern vorkommt, gehört das Hakenkreuz eigentlich den indogermani-
E;COEM‘CALLISTI
L -pi IVCII^AIA/^C/
FACU.EKCQEM-CYRIACAE
Fig. 38. Hakenkreuz und
vierspeichiges Rad, Stein
aus den Calixtuskatakomben.
Fig. 39. Hakenkreuz und Inschrift,
Stein aus den römischen Katakomben.
sehen Völkern an. Bei ihnen kann dieses Symbol sehr frühzeitig, be¬
reits im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt nachgewiesen werden.
Fig. 40. Hakenkreuz auf dem Gewand eines Totengräbers.
Wandmalerei, Katakomben, Rom.
Es kommt aber auch in den darauf folgenden Zeiten in Griechenland
und Italien wie anderwärts vor.
Beim Auftreten des Christentums war somit dieses Zeichen, gleich-
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17 ]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
69
wie das Rad und das gleicharmige Kreuz, seit uralten Zeiten ein
heiliges Symbol und wurde als solches von den Christen, wie wir aus
den römischen Katakomben ersehen, angenommen (Fig. 38—40).
Bei den heidnischen Schweden war das Hakenkreuz in den Jahr¬
hunderten, die dort der Predigt des Christentums zunächst vorangingen,
wohl bekannt. Es ist daher leicht erklärlich, dass manche von den
Kreuzen der Runensteine ein Hakenkreuz in der Mitte aufweisen, wie
bei Fig. 37. (Fortsetzung folgt.)
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Urzeitliche Astronomie in Westeuropa
Von Commandant Alf. Devoir in Brest.
Mit 4 Textabbildungen und 3 Tafeln.
Die Altertumsforscher haben sich seit langer Zeit vorwiegend mit
der Bestimmung der megalithischen Bauwerke beschäftigt; da Dolmen
und Hügel als Grabbauten angesehen wurden, richtete sich ihre Auf¬
merksamkeit auf die Gruppen von Menhirs und besonders auf die Stein¬
reihen.
Gabriel de Mortillet spricht sich in „Le Prehistorique“ folgender-
massen aus: „Man hat ganz zu Anfang die Steinreihen als Friedhöfe
angesehen, doch haben die Grabungen diese Vermutung nicht bestätigt.
Man hat Versammlungsplätze öffentlichen, politischen und religiösen
Charakters daraus gemacht. Nichts stützt diese Vermutung; im Gegenteil
scheint die schmale und langgestreckte Form der Steinreihen dem zu
widersprechen. Die Steinreihen waren wahrscheinlich eine Art Archive;
jeder aufgerichtete Stein erinnert an eine Tat, eine Person oder einen
bestimmten Zeitpunkt".
Diese Ansicht, die der gelehrte Altertumsforscher als die „ver¬
nünftigste Erklärung“ hinstellt, befriedigt den Geist nicht mehr als die¬
jenigen, die er verurteilt.
Nach Sir John Lubbock dienten die grossen englischen „Crom-
lechs“ vielleicht als Tempel, doch spricht er nicht über die Bestimmung
der Steinreihen. Ein Altertumsforscher aus Morbihan (Bretagne),
Herr Gaillard, der in Plouharnel Carnac wohnte und die Denkmäler
dieser Gegend genau kannte, kam auf den Gedanken, dass die Stein¬
reihen astronomische Merkzeichen waren; ungenaue Beobachtungen
erlaubten es ihm aber nicht, aus diesem glücklichen Gedanken die
Folgerungen zu ziehen, die er im Keime enthielt; er gelangte vielmehr
zu einer verwickelten Gedankenreihe, die einige ungewisse Hypothesen
erforderte.
J ) Aus der französischen Handschrift übersetzt von Ernst Wahle, revi¬
diert von G. Kossinna.
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72
Alf. Devoir.
[2
Herr Gaillard versuchte es übrigens nicht, zu verallgemeinern, und
er sprach dies sehr unumwunden in seiner Abhandlung aus, die in der
Zeitschrift „Les Sciences appliquees" veröffentlicht ist: „Ich behandle
nur die Steinreihen von Morbihan, und es war meine Absicht, aus¬
schliesslich diese zu erklären" 1 ).
Genauere, in der Betragne und in England angestellte Beobachtungen
erlauben uns heute, die Frage umfassender zu behandeln.
Einige Monate vor der Veröffentlichung der Arbeit Gaillards hatte
ich in Gemeinschaft mit meinem Freunde, dem Gendarmerie-Hauptmann
Grossin, eine Erforschung der megalithischen Denkmäler der Umgegend
von Brest begonnen; wir waren durch die Tatsache in Erstaunen ge¬
setzt worden, dass eine bestimmte Anzahl Menhirs und Dolmen parallele
Reihen bildeten, die deutlich von Osten nach Westen ausgerichtet
waren, und wir dachten, dies wäre die Hauptrichtung, die von den
vorgeschichtlichen Baumeistern eingehalten worden sei.
Das war aber nur ein kleiner Teil des Rätsels.
Weitere Untersuchungen, die Aufnahme von Denkmälern, die uns
im Jahre 1895 unbekannt waren, riefen mir Feststellungen ins Gedächtnis
zurück, die ich einige Jahre früher in dem westlichen Teil des Bezirkes
Lorient gemacht hatte. Die Menhirs im Departement Finistere, die
bedeutend weniger zahlreich sind als die von Carnac und Erdeven,
unterscheiden sich von den unserigen durch gewöhnlich weit beträcht¬
lichere Abmessungen; während die in der Umgegend von Carnac be¬
nutzten Blöcke unbearbeitet und von unregelmässiger Form sind, trifft
man in der Nordwestecke von Finistere wahre Obelisken, deren ebene
oder abgerundete Flächen nicht nur aus dem gröbsten herausgearbeitet,
sondern sorgfältig zugerichtet sind; allein schon der zerbrochene Riese
von Locmariaker kann von dieser ausgezeichneten Arbeit der vor¬
geschichtlichen Steinmetzen eine Vorstellung geben.
Ich habe es nicht nötig gehabt, wie Herr Gaillard, Zuflucht zu
nehmen zur Bestimmung von Standpunkten des Beschauers und zu
Menhir-Indexen; die Richtlinien, die von den mitunter einander ziemlich
nahen, mitunter mehrere hundert Meter von einander entfernten Menhirs
abgesteckt werden, geben die unmittelbare Lösung in einem der
wichtigsten Fälle.
Für die hervorragendsten Denkmälergruppen ist die abgesteckte Rich¬
tung diejenige des Aufgangspunktes der Sonne zur Sommersonnenwende,
') Sir Norman Lockyer nennt in seinem Werke Stonehenge and other stone
monuments (London 1906) S. 97 diese Abhandlung von F. Gaillard: L’Astronomie
Prehistorique und die Zeitschrift, in der sie erschienen ist: Les Sciences populaires,
revue mensuelle internationale (Paris, 15 Rue Lebrun). Kossinna.
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3]
Urzeitliche Astronomie in Westeuropa.
73
oder umgekehrt die des Untergangspunktes zur Wintersonnenwende;
mit anderen Worten: der vorgeschichtliche Beobachter, der sich an
einem Endpunkte der Reihe aufhielt, sah zur Zeit der Sonnenwende
die Sonne an dem andren Endpunkte auf- oder untergehen.
Er war also in der Lage, seinem Stamm mitzuteilen, dass man
den kürzesten oder den längsten Tag des Jahres hatte.
Auf diese Weise wurde in unsern Gegenden die erste Art der
Zeitmessung ausgeführt.
Die Richtigkeit dieser Beobachtungen sollte bald bekräftigt werden;
im Jahre 1901 kam der bedeutende englische Astronom Sir Norman
Lockyer, der soeben das Denkmal von Stonehenge hinsichtlich der
Richtlinien studiert hatte, zu denselben Schlüssen, und stellte in einem
von der Royal Society herausgegebenen Bericht fest, dass die Achse
dieses Denkmales nach dem Aufgangspunkt der Sonne zur Sommer¬
sonnenwende gerichtet sei 1 ).
Der Unterschied zwischen der in England aufgenommenen Richt¬
linie und derjenigen, die ich in unserm Finistere festgelegt hatte, ent¬
sprach genau dem Unterschied der geographischen Breiten der beiden
Länder; der Beweis war also geliefert.
Sobald ich die Abhandlung Sir Norman Lockyers kennen lernte,
teilte ich ihm die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen mit; sie
sind der Gegenstand von Erörterungen in der englischen Zeitschrift
„Nature“ gewesen. Zahlreiche seit dieser Zeit gemachte Messungen
haben den Wert des Vorhergehenden nur bekräftigt; sie haben gezeigt,
dass die vorgeschichtlichen Menschen auch — jedoch seltener — die
Linie Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende — Sonnenuntergang zur
Sommersonnenwende absteckten.
Es muss hervorgehoben werden, dass die Bestimmung der zur
Sonnenwende gehörigen Richtlinien sehr genau ist, dagegen sind die
auf die Nachtgleiche bezüglichen Richtungen ziemlich schlecht ausge¬
richtet. Diese Tatsache ist nichts Auffallendes, wenn man erwägt, dass
in der Nähe der Sonnenwende die Auf- und Untergangspunkte sich
sehr wenig von Tag zu Tag verändern, während zur Zeit der Nacht¬
gleiche der Unterschied sehr gross ist.
Die auf die Sonnenwenden bezüglichen Beobachtungen sind wahr¬
scheinlich die ältesten; nachdem die astronomischen Zauberer Beginn
und Ende der längsten und der kürzesten Tage durch Merkzeichen
festgelegt hatten, bestimmten sie die Dauer des Halbjahres, das sie
mittels der auf die Tag- und Nachtgleiche bezüglichen Merkzeichen
in zwei Vierteljahre weiter teilten.
*) Vgl. Proceedings of the Royal Society (London), Vol. 69, 137 ff. Kossinna.
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74
Alf. Devoir.
[4
Diese ureinfache Zeitmessung musste noch vervollkommnet werden.
Ich hatte — und dieselbe Beobachtung ist in England gemacht
worden — das Vorhandensein einer dritten Richtlinie beobachtet, oder
vielmehr zweier in bestimmtem Verhältnis zur Ost-Westlinie stehenden,
symmetrisch verlaufenden Richtlinien.
Sir Norman Lockyer hat den Zweck der einander entsprechenden
Absteckungen, die zwischen den auf die Sonnenwenden und die Tag-
und Nachtgleichen bezüglichen Richtungen liegen und von ersteren
um einen für ein- und dieselbe Breite unveränderlichen Winkel abweicht,
vollkommen bestimmt.
Sie legen die Richtung fest, in der man den Sonnenaufgang zu
Zeiten sah, die von den Tag- und Nachtgleichen und von der einen
oder anderen Sonnenwende gleich weit entfernt sind, und erlaubten
infolgedessen die Einteilung des Jahres in acht untereinander augen¬
scheinlich gleiche Teile.
Im Norden und Westen von Finistere sind die Zwischenrichtungen
allgemein durch die Absteckung einer auf die Sonnenwendepunkte be¬
züglichen Richtlinie abgeschnitten; ihre Absteckung lässt ausserordentlich
wenig von der Ungenauigkeit der Absteckung der Tag- und Nachtgleiche
merken.
Um alles mitzuteilen, was mit den grossen, vielgestaltigen Denk¬
mälern in Beziehung steht, bleibt nur noch übrig zu sagen, dass jede
Ausdehnung in die Breite im allgemeinen in einer senkrechten Linie
oder in Parallelen zur Grundrichtung erfolgt, die ihrerseits die Richtung
nach dem Tag- und Nachtgleichenpunkt, nach dem Sonnenwendepunkt,
oder die Zwischenrichtung sein kann.
Die zugehörigen Azimute sind für die Breite von Brest: von
Norden 54° und 66° nach Osten, oder symmetrisch von Süden 66°
und 54° nach Osten. Die Azimute der Sonnenwendpunkte und der
Zwischenrichtungen nähern sich offenbar dem Meridian, wenn die
geographische Breite grösser wird.
Diese einfachen Feststellungen lassen sich gleichmässig gut auf
die grossen Menhirreihen der Gegend von Morbihan anwenden, wenn
man die in der Schrift des Herrn Gaillard eingeschalteten Pläne für
genau hält. So beziehen sich die Steinreihen von Ste. Barbe und
S. Pierre Quiberon auf den Sonnenaufgang in gleichem Abstand von
der Herbst- Tag- und Nachtgleiche und der Wintersonnenwende, oder
auf den entsprechenden Untergang; diejenigen von Erdeven bestimmen
den Aufgangspunkt der Sonne zur sommerlichen Zwischenzeit. Le Menec
und Kerlescant bezeichnen die auf die Tag- und Nachtgleiche bezügliche
Linie, während Kermario und Le Menec-vihan die Richtung des Sonnen-
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5]
Urzeitliche Astronomie in Westeuropa.
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76
Alf. Devoir.
[6
Überlegenheit mancher Stammesglieder musste die geistige Auslese, die
die Baumeister-Astronomen bildeten, unbedingt die Leitung des Stammes
in die Hand bekommen.
ln der Tat können es nur durchaus hierarchisch gegliederte Ver¬
bände dahin bringen, so mächtige Bauwerke wie die Steinreihen von
Carnac, wie gewisse Cromlechs in Finistere oder England zu vollenden.
Hunderter von Armen, die einem einzigen Haupt gehorchten, bedurfte
es, um die gewaltigen Dolmen von Locmariaker zu bauen, um die
granitenen Obelisken der Umgebung von Brest aufzurichten, von denen
manche ein Gewicht von mehr als 50 Tonnen besitzen.
Und man ist aufs höchste erstaunt, wenn man bedenkt, dass
einer von ihnen, der Menhir von Melon, — das wichtigste Merkzeichen
einer auf den Aufgangspunkt der Sonne zur Zeit der Sonnenwende
bezüglichen Richtung—, dessen Gewicht nicht unter 14,000 kg beträgt,
so aufgerichtet worden ist, dass zwei seiner ebenen und parallelen
Flächen auch parallel zur astronomischen Richtlinie sind, die 1500 m
davon entfernt durch eine Reihe von drei Menhiren festgelegt ist. Die
vier Blöcke sind genau in einer geraden Linie aufgestellt (Taf. XII, 1, 2).
Die Aufrichtung von neuen Denkmälern (Taf. XII, 3, 4; XIII, 1,2;
Abb. 2, 3), die Anstellung von Beobachtungen an den Hauptzeitpunkten
des Jahres waren wahrschein¬
lich die Gelegenheit zu Ver¬
sammlungen und auch zu
Festen, in deren Verlauf die
neolithischen Ackerbauer die
Grösse der Werke feierten, die
von ihnen oder ihren Vorfahren
vollendet worden waren, und
ihre unterwürfige Frömmigkeit
schrieb ohne Zweifel das Ver¬
dienst der Einrichtung allein
dem übernatürlichen Können
der Zauberer zu.
Haben wir nicht vor vier
Jahren gesehen, dass die See¬
leute von Nippon ihren Sieg
allein den göttlichen Vorfahren
des Mikado zuschrieben?
Mein trefflicher Freund Le Rouzie, dessen Arbeiten für die Archäo¬
logie der Gegend von Carnac so wertvoll sind, hat schon lange den
Gedanken ausgesprochen, dass man mitten in den Steinreihen astrono-
Abb. 2. St. Denec.
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7]
Urzeitliche Astronomie in Westeuropa.
77
misch-religiöse Feste feierte; die früher gemachten Beobachtungen be¬
kräftigen diese Meinung in einzigartiger Weise.
Die Sonnwendfeuer erinnern noch jetzt an diese Jahrtausende
alten Bräuche; bei den Steinreihen von Erdeven, die nach dem Zwischen¬
aufgangspunkt der Sonne im Sommer ausgerichtet sind, haben die
Neolithiker am 6. Mai jeden Jahres das Blühen feiern können und
vielleicht auch die Arbeit.
Seit dieser Zeit würde dieser Brauch nur um sechs Tage vorgerückt
sein. Wenn man alle die Feste prüft, die von dem römischen Heiden¬
tum in den katholischen Kirchenbrauch übergegangen sind, würde man
sehr viele Überbleibsel wiederfinden, die auf die vorgeschichtlichen
Zeiten zurückweisen; daher ist auch oft das Kreuz auf dem Menhir
angebracht, und der Fromme kniet in unsern Tagen an demselben Ort
nieder, wo vor 5000 Jahren der Fromme betete (Taf. XIII, 3).
Das enthüllen uns plumpe Blöcke, die auf unserm Boden von
Menschen aufgerichtet sind, deren Namen wir niemals erfahren werden.
ln der Heide tauchte eine vielleicht weniger gelehrte, aber nicht
weniger alte Astronomie als die der Chaldaer auf, und wir ahnen,
welches der geistige und wirtschaftliche Zustand unserer fernen Vor¬
fahren sein konnte.
Eine Welt, von der man glauben konnte, dass sie auf ewig ver¬
schwunden ist, steigt aus der Nacht der Vergangenheit hervor: in ihren
seit 40 oder 60 Jahrhunderten verschlossenen Grabkammern haben uns
die Dolmen und Grabhügel den Schmuck und die Waffen verstorbener
Geschlechter bewahrt; ihr Denken selbst stellt uns in seiner erhabensten
Form die Einfachheit der plumpen Denkmäler vor, die sie gebaut haben.
In welche Vorzeit versetzt uns diese allein auf der Sonnen¬
beobachtung begründete Astronomie, wenn wir bedenken, dass alle
südasiatischen oder arischen Völkerschaften seit etwa 40 Jahrhunderten
im Besitze eines Mondkalenders sind!
In bestimmten Fällen werden uns die Denkmäler selbst sagen, zu
welcher Zeit sie aufgerichtet worden sind.
Die astronomischen Richtlinien, welche die vorgeschichtlichen
Zauberer festzulegen suchten, sind in der Tat langsamen Veränderungen
unterworfen, die selbst die Folge von der vorrückenden Bewegung der
Nachtgleichen sind.
Diese Unterschiede können der Berechnung unterworfen werden,
deren Ergebnisse, verglichen mit den im Gelände gemachten Beobach¬
tungen, wertvolle Abschätzungen erlauben.
Auf diese Weise schreibt Sir Norman Lockyer, der die Hypothese
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Alf. Devoir.
[8
einer von den Architekten von Stonehenge gut ausgeführten Absteckung
vertritt, diesem Denkmal ein Alter von 36 Jahrhunderten zu.
Die grossen Menhire von Finistere können zur gleichen Zeit auf¬
gerichtet worden sein, das heisst mitten in der Kultur der Bronze
(Morgien)*).
Der kühne Versuch des berühmten Astronomen zeigt, welch un¬
geheures Feld sich vor der Altertumskunde der Gegenwart eröffnet;
das Studium der „monumen¬
talen" Zeitrechnung steckt noch
in den Kinderschuhen.
Wieviel an megalithischen
Resten noch reiche Gegenden
sind im Gegensatz zu den
wenigen in der Bretagne und
auf der anderen Seite des
Ärmelkanals erforschten Qua¬
dratkilometern entweder noch
unerforscht oder ungenügend
untersucht.
Wenn man ehedem Menhirs '
und Dolmen als allein stehende,
von einander unabhängige Denk¬
mäler hat ansehen können, so
hat eine derartige Auffassung
heute keine Geltung mehr. Wir
müssen in jedem von ihnen
eines der Glieder einer zu¬
sammengehörenden Gruppe
sehen, von der uns ein Rest
erhalten ist oder hat verschwinden können, einen der Ringe einer mehr
oder weniger ausgedehnten Kette, die vom Menschen und von den Un¬
bilden der Witterung mehr oder weniger zerstört worden ist.
Es ist also wichtig, die Lage aller noch vorhandenen Denkmäler
genau zu bestimmen, mögen sie in gutem Zustande oder verfallen sein;
dagegen sind Verzeichnisse oder Kataloge mit unbestimmten Angaben,
deren einige vorhanden sind, nunmehr vollständig ungenügend.
Was die heutige Wissenschaft nötig hat, was wir denen vererben
müssen, die nach uns kommen, das sind topographische Verzeichnisse
*) Nach der durch 0. Montelius begründeten Chronologie wäre das Jahr 1700
vor Chr. gegen Ende der ersten Periode der reinen Bronzezeit zu setzen. Kossinna.
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9]
Urzeitliche Astronomie in Westeuropa.
79
in grossem Massstabe, die durch die Ergebnisse astronomischer
Forschungen vervollständigt werden.
Die Kenntnis der auf die Sonne bezüglichen Richtungen ist übrigens
in hohem Masse dazu angetan, die Arbeit der Forscher zu erleichtern;
cten Kompass in der Hand müssen sie, von einem bekannten Denkmal aus¬
gehend, diejenigen aufsuchen, die sie noch nicht kennen; dieser Methode
verdanke ich zu wiederholten Malen ausgezeichnete Ergebnisse.
Die Zukunft wird — zweifellos besser als wir es können — die
neuen Zeugnisse verwerten, die von sorgfältig ausgeführten Erkundungen
geliefert würden; solch ein auf der Erde liegender Block, den heut¬
zutage der Archäologe verachtet, würde ein wertvolles Anzeichen sein,
wenn seine Lage auf einer abgesteckten Linie ihn zu einem unbestreit¬
baren Denkmalrest macht, der seinerseits dazu angetan ist, neue Ent¬
deckungen einzuleiten.
Aber die Arbeit, kartographisch unsere vorgeschichtlichen Denk¬
mäler systematisch aufzunehmen, ist schwer; um sie gut auszuführen,
wird es vieler Zeit und vielen guten Willens bedürfen.
Werden diejenigen, die sich dem widmen werden, in einigen Jahren
alle noch heute vorhandenen Denkmäler auffinden?
Das Gegenteil ist leider weit wahrscheinlicher: Die Ausbreitung
der Feldbestellung hat schon zahllose vorgeschichtliche Denkmäler ver¬
schwinden lassen; der Bau von neuen Dörfern, das Anlegen von Ein¬
friedigungen in gewissen Gegenden, wo der Besitz sehr zerstückelt ist,
haben ähnliche Folgen gehabt; in der Bretagne besonders sind die
niedrigen, die Felder begrenzenden Mauern aus der Geschichte der
Vergangenheit hergestellt.
Zweifellos ist es in vielen anderen Ländern ebenso.
Es würde ein grossartiges Werk sein, in dem Geist der Landleute
die Achtung vor diesen kostbaren Überresten zu wecken; gewiss müssen
die Archäologen sich damit befassen, aber sie würden dieser Aufgabe
nicht gewachsen sein.
Sie brauchen hingebungsvolle Mitarbeiter, die dem Landmann
näher stehen, als es bei ihnen der Fall ist, um das gute Wort überall
da durchdringen zu lassen, wo vorgeschichtliche Überreste vorhanden
sind, — und wenige Gegenden in Europa *) sind vollständig frei von
solchen (Taf. XIV).
J ) Zahlreiche Menhire des sächsischen und böhmischen Gebietes sind er¬
wähnt bei G. Wilke: Neolithische Keramik und Arierproblem (Archiv f. Anthropologie
1909, N. F. VII, 300 Anm.); einige böhmische bei Piö, Cechy predhistoricke I, 67 ff.;
die 22 thüringischen jetzt in dem Werke: Vor- und frühgeschichtliche Altertümer
Thüringens von A. Götze, P. Höfer, P. Zschiesche. Würzburg 1909. Kossinna.
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80
Alf. Devoir.
[10
Nach Massgabe der Ausdehnung der zu erkundenden Gebiete
müssen diese Mitarbeiter zahlreich sein; sie müssen Ausdauer besitzen,
um eine Arbeit von mitunter langer Dauer zu einem guten Ende zu
führen.
Für eine solche Aufgabe sind die Lehrer von Natur bestimmt;
mögen sie die Kinder lehren, dass einst — vor sehr langer Zeit —
Menschen diese jetzt vom Schweiss ihrer Eltern benetzten Ländereien
bebauten, dass diese Menschen nicht zu schreiben verstanden, aber
dass sie, um ihre ländlichen Arbeiten zu regeln, um die Zeit zu messen
und sich der denkwürdigen Ereignisse zu erinnern, in den Boden grosse
Steinblöcke setzten.
Mögen sie ihnen sagen, dass diese vor Zeiten aufgerichteten Steine
nicht zerstört, sondern gleich den Feenhöhlen, den Zwergenhäusern,
Tempeln und Grabstätten der Menschen vergangener Zeiten sorgfältig
erhalten werden müssen.
Später werden sie ihnen sagen, was diese Menschen waren, oder
wenigstens, was wir davon wissen, und der gute, dem Kinde anvertraute
Same wird gedeihen für die ganze Umgebung.
Auf diese Weise werden die alten Denkmäler, nunmehr besser
gekannt von denen, die bei ihnen wohnen, vor der Zerstörung bewahrt
bleiben; die erste Ursache so vieler unwiederbringlicher Verluste ist in
der Tat nur die Unwissenheit.
Alberne Legenden haben bis auf heute viele Landleute davon ab¬
gehalten, sich für die Spuren der Vergangenheit zu interessieren, die
zumeist als Werke bösartiger Geister hingestellt werden, deren Macht
die Zeit nicht vollständig gebrochen hat.
Wenn die Landleute lernen, dass man diese Denkmäler ihren Vor¬
fahren verdankt, und welches ihre Bestimmung war, dann werden sie
die ersten sein, die ihnen die Erhaltung sichern.
Jedoch nur der Lehrer kann der Verbreiter dieser Elementar¬
kenntnisse, der unentbehrliche Vermittler zwischen der archäologischen
Wissenschaft und der ländlichen Bevölkerung sein.
Für jeden von uns ist es also Pflicht, mit den Lehrern, unseren
natürlichen Mitarbeitern, in den Flecken oder Dörfern ihres Bezirkes
Beziehungen anzuknüpfen und ihr Interesse für unsere Arbeiten zu
wecken: wie viele von ihnen werden, fern von den Zerstreuungen der
Stadt, glücklich sein, in den archäologischen Forschungen ein Mittel zu
finden, sich in ihrer Mussezeit zu beschäftigen, und gleichzeitig ein
wirklich nützliches und wissenschaftliches Werk zu tun, dem auch die
Geistlichen der verschiedenen Bekenntnisse ihre Mitarbeit widmen
könnten.
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11]
Urzeitliche Astronomie in Westeuropa.
81
Es ist hier natürlich notwendig, einer mehr glühenden als aufge¬
klärten Begeisterung entgegenzutreten; Aufgabe der organisierten archäo¬
logischen Gesellschaften und ebenso der Staatsgewalt ist es, hier eine
Bremse anzulegen, und jede Schädigung der Denkmäler zu verhindern.
Wenn ihre Erhaltung jeden guten Willen für sich hat, müssen die
Forschungen und Untersuchungen einer strengen gesetzlichen Regelung
Schema einer megalithischen Gruppe nach den Arbeiten von Sir N. Lockyer und Comm. Devoir
Kord
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48“ 30' nördliche Breite.
Abb 4.
unterworfen werden; zu viel Schätze können bei Gelegenheit einer
schlecht geleiteten Ausgrabung verschwinden.
Zum Aufsuchen der Denkmäler nach einfachen, hier angegebenen
Regeln muss die Archäologie alle diejenigen auffordern, die sich dem
Studium der vorgeschichtlichen Vergangenheit widmen wollen.
Viele würden augenscheinlich mehr Interesse daran haben,
Grabungen auszuführen, Sammlungen zu vergrössern: ganz recht, aber
wir müssen nicht nur für uns selbst, sondern auch für diejenigen arbeiten,
die nach uns kommen.
Das Aufsuchen der megalithischen Architekturreste erscheint auf
M annus. Bd. I. 6
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Original frorn
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82 Alf. Devoir: Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. [12
den ersten Blick eine wenig verführerische Arbeit; vernünftig unter¬
nommen, mit dem Kompass in der Hand, wird sie dagegen Leiden¬
schaft erwecken in jedem, der sich ihr ernsthaft widmet, weil sie von
nun an auf Grundlagen ruht, deren festes Gefüge sechzig Jahrhunderte
nicht erschüttert haben.
Unsere Zeit wird ihre Aufgabe gut erfüllt haben, wenn es ihr ge¬
lingt, die Bausteine für die zukünftige Wissenschaft vorzubereiten und
zu erhalten.
In dieser Richtung müssen ohne Zeitverlust und in völliger Über¬
einstimmung alle diejenigen arbeiten, die es sich Mühe kosten lassen,
in den „megalithischen Gebieten“ die Kenntnis der menschlichen Ver¬
gangenheit vorwärts zu bringen.
Gck igle
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Gck igle
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PRfNCETON UNIVERSITY
4. Kergadion.
Menhire der Bretagne.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
3. Kergadion.
Devoir, Urzeitlicbe Astronomie.
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /.
Ta/. XII
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PRfNCETON UNIVERSITY
Mattnus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd . /.
Taf XIII.
1. Kcrivoul.
2. Kerivoul.
3. Bar ar Lann (Portsalle).
Menhire und Dolmen der Bretagne.
D^voir, Urzeitlicbe Astronomie.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), W-rzburg.
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Mannns, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. 1.
Taf XIV.
2. Grösserer HUnenstein 3. Kleinerer Hünenstein
bei Benzingerode am Harz.
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Deyoir, Urzeitll
Menhire in Mitteldeutschland.
Curt K&biRöüilC 55*** QfWWE IWVY
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Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit
am Fliegenberge
bei Troisdorf, Siegkreis, Reg.-Bez. Köln.
Von
C. Rademacher.
Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel.
Es ist bekannt, dass zu beiden Seiten des Niederrheins, auf den
letzten Ausläufern des Gebirges, sich zahlreiche Gräberfelder befinden,
die zu verschiedenen Zeiten teilweise untersucht und mehr oder weniger
wissenschaftlich beschrieben worden sind 1 ). Eine zusammenhängende,
abschliessende Arbeit über die ganze Frage der niederrheinischen Grab¬
hügel steht noch aus. Die letzte zusammenfassende Arbeit von
A. Kiekebusch 2 ) weist den Grabhügeln einen Zeitraum von der Hall¬
statt- bis zum Ende der Kaiserzeit zu. Kiekebusch glaubt ferner, dass
Germanen während dieser ganzen Zeit am Niederrhein gesessen haben.
Ganz gelöst ist diese Frage noch nicht, denn man hatte bis heran
noch keine einzige Wohnstättenanlage in dem ganzen Gebiete aufgedeckt.
Um so erwünschter war es, dass die Untersuchungen des Bericht¬
erstatters in den zwei letzten Jahren am Niederrhein, und zwar in un¬
mittelbarer Nähe der Stadt Köln, nicht weniger als vier Wohnstätten¬
anlagen ergaben. Zwei dieser Anlagen reichen nun in eine frühere
Zeit zurück, während die andern mehr oder weniger mit den Grab¬
hügeln in Verbindung zu setzen sind.
Die erste Anlage befindet sich im Scheuerbusch bei Wahn, Kr.
Mühlheim a. Rh., auf dem Gräberfelde, das von der Hallstattzeit bis in
die Kaiserzeit hinabreicht 3 ). Es sind dort steinzeitliche Hausanlagen
zum Vorschein gekommen mit einem Inventar 4 ), das der Untergrombacher
*) Die einschlägigen Veröffentlichungen des Berichterstatters befinden sich
in den „Bonner Jahrbüchern“ Band 105; „Nachrichten über deutsche Altertums¬
funde“ Jahrgang 1893, 94, 95, 96, 97, 98. 99.
2 ) Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im Spiegel der
Hügelgräber des Niederrheins von Dr. A. Kiekebusch. Berliner Dissertation 1908.
*) Vergl. den Aufsatz des Berichterstatters in dem Berichte über die Prä¬
historiker-Versammlung in Köln am 23.—31. Juli 1907. S. 126 ff.
4 ) Funde im prähistorischen Museum zu Köln.
6 *
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84
C. Rademacher.
[2
Periode entspricht, eine Periode, die durch Direktor Lehner bei Urmitz
und Mayen ebenfalls festgestellt wurde.
Die zweite derartige Anlage liegt auf der Höhe des Vorgebirges
bei Bonn. Daselbst befindet sich ein kleines Hügelfeld, das der
ältesten Bronzezeit (Montelius I) zum Teil angehört, wie das eine
Bronzeaxt 1 ) mit einem triangulären Dolche beweisen. Das Inventar
einer Wohnstätte auf dem Terrain dieses Begräbnisplatzes ergab eine
Keramik, die dem Übergange der Steinzeit zur Bronzezeit entspricht,
das Bruchstück eines Zonenbechers 2 ) kam an der Stelle zum Vorschein.
In der Ebene zwischen Rhein und dem Vorgebirge, man könnte fast
sagen am Fusse jener Höhen, welche die eben erwähnten Grabhügel
tragen, waren Scherben gefunden worden, die den grossen, dick¬
wandigen Gefässen*) mit langem, zylinderförmigem Halse und fast
wagerechtem Rande angehören, die man bis vor kurzem der jüngsten
Bronzezeit, nach Reineckes Vorgang jedoch der älteren Hallstattzeit
zuschreibt. Die Auffindung dieser Scherben, welche zum ersten Male
die ältere Hallstattzeit, und zwar in unverkennbarer Übereinstimmung
mit süddeutschen Formen, für den Niederrhein festlegt, gab Veranlas¬
sung, dort Grabungen vorzunehmen. Es kamen hier mehrere Wohn-
gruben zum Vorschein, die jedoch der La Tenezeit zuzuweisen sind,
was die Übereinstimmung mit typischen La Tenezeitlichen Funden in
Kessenich bei Bonn beweist.
Die vierte Wohnstättenanlage ward in dem Walde bei Troisdorf
am Fliegenberg 4 ) entdeckt. Hier sind eingehendere Untersuchungen
bereits angestellt, über die in folgendem weiter berichtet werden soll.
Der Fliegenberg ist einer der letzten Erhebungen der bergischen
Höhen zwischen Siegburg und Troisdorf. Die ganze Gegend ist sehr
reich an Grabhügeln. So befinden sich ausgedehnte Gräberfelder bei
Siegburg, Niederpleiss, Caldauen, Schreck, Altenrath und, kaum 1 km
vom Fliegenberge selbst, am Ravensberg. Die Funde von dem Be¬
gräbnisplatz am Ravensberg beweisen das Hinaufreichen desselben in
die Hallstattzeit (viele Graphiturnen, konische Halsbildung u. a. m.)
Der Fliegenberg senkt sich terrassenförmig der Rheinseite zu und
endigt in einer sehr wasserreichen, sumpfigen Niederung. Nach der ent-
] ) Funde im prähistorischen Museum zu Köln.
2 ) Im präh. Museum zu Köln.
3 ) Viele derartige grosse Urnen befinden sich im Museum zu Giessen und
im Museum zu Frankfurt.
4 ) Es yrar zuerst die Bezeichnung „am dicken Stein“ gewählt. Weil dieser
Stein aber durch das Quarzitbrechen längst verschwunden ist, erscheint der Name
des Berges, an dessen Fusse die Anlage sich befindet, angemessener.
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3]
Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw.
85
gegengesetzten Seite verbindet ein Bergsattel den Fliegenberg mit dem
Güldenberg und dem Lohmarer Berg; ersterer ist die grösste Erhebung
der Gegend, welche dieselbe in weitem Umkreise beherrscht. Zunächst
am Fliegenberg erhebt sich der Güldenberg, der nach einer Seite steil
Lageplan der Grabung am 17.-20. IX. und 1. —5. X. 1907. Fliegenberg bei Troisdorf.
Abb. 1.
zum Aggerflusse abfällt. Üppige Wiesen breiten sich dicht an den
Berg hinan. Der Güldenberg ist mit einem Walle gekrönt, der das ganze
Plateau umschliesst in Form eines unregelmässigen Vierecks (s. Abb. 1).
Nicht weit von dieser Wallanlage liegen drei vereinzelte Grabhügel.
Man sieht, alle Vorbedingungen für eine prähistorische Dorfanlage
sind hier gegeben: Wasserreichtum, terrassenförmiges Absenken des
Gebirges für den Ackerbau, geschützte Lage (nach der Rheinseite un¬
durchdringlicher Sumpf, nach der anderen der Aggerfluss) dazu uner¬
messliche Wälder für die Jagd. So wird es uns auch erklärlich, dass
wir schon für eine frühe Besiedelung der Gegend deutliche Spuren
antreffen. Hierzu gehören zahlreiche mikrolithische Geräte, dem Tar-
denoisien angehörig, eine Werkstätte zur Herstellung von Steingeräten
aus dem dort anstehenden Material (feiner Quarzit), und endlich zwei
grosse Vorratsgefässe *), die der jüngsten Bronzezeit zuzuschreiben sind.
*) Alle hier genannten Funde befinden sich im Museum zu Köln.
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C. Rademacher.
[4
Der Fliegenberg und überhaupt die ganze Gegend sind mit allu¬
vialem Sande bedeckt, worunter Lager von Ton sich befinden. In
diesem Ton liegt nesterweise Quarzit, der in grossen Blöcken, stellen¬
weise wenigstens, auch bis auf die Oberfläche tritt. Dieser Quarzit
wird gegenwärtig ausgebeutet, und bei diesen Arbeiten kamen vereinzelte
dunklere Stellen mit Scherben und dgl. zum Vorschein. Dieser Um¬
stand war Veranlassung, dass von seiten des Kölner Museums hier
Ausgrabungen vorgenommen wurden, welche um so erwünschter waren,
Grabung 1. Fliegenberg bei Troisdorf- 17. — 20. IX. 1907; 1- X. 1907. Wohngrube I. Baumloch 1 u. 2
Abb. 2.
da die Scherben, von denen vorhin die Rede war, nicht mit der Keramik
der nahen Begräbnisplätze übereinstimmten und auch recht zahlreiche
Bruchstücke römischer Provenienz sich vorfanden.
Die erste Grabung fand auf dem vorhin beschriebenen Hang nicht
weit von der unteren Grenze statt. Zwei nebeneinander liegende kreis¬
runde Gruben, deren sich auf dem Hange eine ganze Anzahl befinden,
wurden angeschnitten. Es galt zunächst festzustellen, ob diese Gruben
als Wohngruben oder als Baumlöcher anzusprechen seien. Da wieder¬
holt kleine Scherben prähistorischen Charakters dicht neben und in
den Gruben aufgehoben waren, schien die Meinung, dass wir es mit
Wohngruben zu tun hätten, nicht aussichtslos. Durch einen 19 m
langen Graben wurden die beiden Löcher seitlich angeschnitten, ln
durchschnittlich 75—80 cm Tiefe zeigte sich der Urboden, sehr heller
trockener Sand, in dem stellenweise Eiseninfiltrationen harte, etwas
dunklere Stellen hervorgebracht haben. Einzelne Scherben, darunter
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C. Rademacher.
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Bei der Grabung 4 wurde eine Stelle innerhalb eines kleinen
Wallvierecks gewählt (vgl. Abb. 1 links). Dieses Wallviereck mit einer Seite
fast dicht an einen Weiher stossend, ist ganz geebnet. Ein kleiner Graben
und ein dementsprechender Wall umgibt die Stelle. Ein Durchschnitt des
Walles erzielte kein Resultat. Das Wallviereck ist durch zahlreiche
Kaninchen-Gänge ausgezeichnet; bei ihrem Wühlen hatten die Tiere
einzelne Scherben ans Tageslicht gebracht. Bei diesem Kaninchenbau
wurde die Untersuchung begonnen. Bald stellte sich ein Dunklerwerden
Grabung 4. Fliegenberg bei Troisdorf. 3.-4. X. 1907. Wohngrube II.
Masstab 1:1 SO.
Abb. 3.
des Bodens ein; ganze Massen von Scherben kamen zutage, und in Tiefe
von 1,25 m wurde der etwas muldenförmige Boden einer Wohngrube fest¬
gestellt (Abb. 3). Die Kulturschicht hatte wieder eine Mächtigkeit von
40 cm, doch setzten sich die Scherben auch über die Oberfläche der
dunklen Schicht in ziemlicher Menge fort. Unter der Kulturschicht
fand sich ein aus faust- und handgrossen Steinen hergestelltes Pflaster
(tief 110—115 cm), das etwa 1 qm bedeckte. Überdeckt war dieses
Pflaster von einem hellgrauen, feinkörnigen Sande, der grösstenteils
aus Asche bestand. Kohlenspuren auf den Steinen, das rotgebrannte
Aussehen derselben ergaben mit Sicherheit, dass dieses Pflaster als
Herd benutzt wurde. Die Steine waren flache Flussgeschiebe aus der
nahen Agger. In dem Pflaster, am östlichen Rande der Grube gelegen,
fand sich ein römischer Scherben der mittleren Kaiserzeit und ein Glas¬
stück, im westlichen Teile einige Knochen und ein Pferdezahn.
Die Bodenverhältnisse dieser Wohnstätte waren gleich denen der
ersten Grube, sehr heller Urboden (Sand), ziemlich schwarze Kultur¬
schicht, darüber eine braune, nicht sehr dunkle Oberschicht. Beim
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7] Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw. 89
Weitergraben a — a , ß—ß fand sich je ein Bruchstück eines Mühlsteines,
ausserhalb der Wohngrube.
Die Querschnitte a — er, ß — ß sind zu beachten; sie sind ziemlich
genau, da bei dieser Grube die Dichtigkeit der Kulturschicht am
stärksten war. Die eine Kurve a—cc gibt den mittleren Durchmesser
an; die zweite ß — ß liegt mehr nach dem südöstlichen Rande hin.
Bei Vergleichung der beiden Querschnitte ergab sich, dass nur eine
runde Form der Grubenwand beide Kurven ganz in ihrer Fläche auf-
ürabung 5. Fliegenberg bei Troisdorf. 4. X. 1907. Wohngrube III. Baumloch 4.
liasstab 1:150.
Abb. 4.
zunehmen vermag. Es ist dies ein direkter Anhalt für die runde Form
der Wohngrube.
Die folgende Grabung, nicht weit von der bei der ersten Grabung
entdeckten Wohngrube, begann, wie aus Abbildung 4 ersichtlich ist,
mit einem Durchschnitt durch eine nunmehr als Baumloch erkannte
Grube. Der Durchschnitt bestätigte das bei den früheren Grabungen
gewonnene Ergebnis. Da sich an einer Stelle Scherben zeigten, auch
der Boden eine etwas dunklere Färbung annahm, wurde der Graben
NW—SO fortgesetzt. In den ersten 4—5 m wurde ein Tiefergehen der
dunklen, auf den ursprünglichen Boden aufgelagerten Schicht (von
55 cm—110 cm) festgestellt. Dann stieg der helle Sand wieder auf
80 cm, um von da ab langsam bei fortwährend dunkler und härter
werdender Erde auf 110 und endlich auf 120 cm Tiefe zu sinken.
Hier war also eine dritte Wohngrube mit einer vorgelagerten Neben¬
grube festgestellt.
Die Wohngrube III (siehe Abb.) hatte dieselbe Anlage wie Wohn-
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C. Rademacher.
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grübe I und II, nur war die Kulturschicht bei Grube III viel weniger
durch Kultureinwirkungen gefärbt, auch das Scherbenmaterial erreichte
nur die Hälfte der Ausbeute von Grube I und II. Dass die Grube aber
dennoch als Wohngrube anzusprechen ist, beweist die Feuerungsanlage
an der süd-östlichen Seite. 0,5 m von der Mitte der Grube entfernt
fanden sich drei in einer Linie aufgestellte, ziemlich derbe, mehr als
kopfgrosse Quarzitblöcke, die von dem ursprünglichen Boden der Hütte
25—30 cm aufragten. Hinter diesen, also nach dem südöstlichen
Rande, zeigte sich eine starke Brandschicht mit sehr viel Kohle und
Asche. Diese Feuerstelle, die eines Pflasters entbehrte, vielmehr direkt
auf dem Sande angelegt war, hatte 1 qm Flächenraum. Die drei
Quarzitsteine haben offenbar als Abschluss des Feuerraumes gegen den
übrigen Teil des Raumes gedient. Beim Entfernen der Steine behufs
Untersuchung des unter ihnen befindlichen Bodens fanden sich unter
den Steinen römische und germanische Scherben vor.
Eine bemerkenswerte Stelle ist noch bei d im Profil ß—y (siehe
Abb.). Hier senkte sich die Kulturschicht bis auf 150 cm, also noch
25 cm unter dem sonstigen Boden der Grube. Es muss sich demge¬
mäss hier eine Vertiefung befunden haben, Funde wurden in dieser
Vertiefung nicht gemacht.
Eine sechste Grabung (s. Abb. 1) wurde an einem Hügel westlich
der ersten und fünften Grabung vorgenommen, die kein Ergebnis lieferte.
Die siebente Grabung erstreckte sich wiederum auf einem länglichen,
natürlichen Hügel, etwa 15 m Länge, 90 m Breite, 0,80 m Höhe. Ein
grosser Kreuzgraben lieferte einige Scherben, einen kleinen Bronzering
von 25 mm Durchmesser und eine kleine römische Münze, sog. Tetri-
kus. Eine Wohnstättenanlage konnte hier jedoch nicht festgestellt werden.
Die letzte Grabung fand an einem Punkte statt, dessen Umgebung
durch Abräumungsarbeiten für die Quarzitgrube sehr stark durchwühlt
und teilweise abgetragen oder mit grossen Abraummassen bedeckt war.
An dieser Stelle waren Mengen von Scherben, kleine Bronzestücke,
unbearbeitete Feuersteinstücke zum Vorscheine gekommen. Nur ein
kleiner Teil des Platzes war unversehrt geblieben und auf diesen be¬
schränkte sich die Grabung. Etwa 80 cm unter der Oberfläche steht
der helle, unversehrte Sand an. Darüber beginnt eine dunkelbraune
Erdschicht, die sich ungeändert bis unter die Humusdecke an der
Oberfläche hinaufzieht. In dieser braunen Schicht ziemlich viele
Scherben, römische und germanische, auch einige grobe Feuerstein¬
stücke. Zu bemerken ist hier, dass von Arbeitern in der Nähe dieser
Stelle ein Feuersteinmesser gefunden war, 8 cm lang, 2,5 cm breit, mit
gut retouchierten Schneiden. Eine Menge flacher, rotgebrannter Fluss-
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Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw.
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geschiebe kamen zum Vorschein, die einem Herdpflaster angehört haben;
leider war dieses durch die Arbeiten zerstört, so dass nichts Genaueres
darüber mitgeteilt werden kann.
Als die ganze Kulturschicht ausgeräumt und untersucht worden
war, wurden die Grabungen im klaren, unversehrten Sande fortgesetzt,
und zwar nach Westen. Scherben kamen längst keine mehr zum Vor¬
schein, dafür jedoch eine Anzahl sehr kleiner Feuersteinstücke, meist
eclats; einzelne mussten als Spitzen angesprochen werden, darunter
eine sehr fein gearbeitete, überall retouchierte sog. Diederspitze und
noch ein Schaber von der Grösse eines kleinen Fingernagels. Auch
ein Nukleus für die kleinen Geräte fand sich vor und ein etwas
grösserer Schaber aus Quarzit.
Diese Fundstücke, mikrolithischer Art, haben offenbar mit den
Wohngruben und ihrem Inhalte nichts zu tun. Sie sind wohl dem Tarde-
noisien zuzuschreiben und, wie Dr. Hahne mitteilt, dem Funden zu
vergleichen, die auch in der Lüneburger Heide Vorkommen.
II.
Das Fundmaterial.
Nach Beendigung der Grabung sind von den Arbeitern der Quar¬
zitgruben noch mancherlei Funde in dunklen Kulturschichten gemacht
worden, um deren Bergung und Überweisung an das Kölner Prä¬
historische Museum Herr Hauptlehrer C. Breuer in Altenrath grosse
Verdienste sich erworben hat. Es ist Pflicht des Berichterstatters, dem
Herrn auch an dieser Stelle den besten Dank auszusprechen. Da die
oben erwähnten dunkleren Kulturschichten meist als Wohn- oder Abfall¬
gruben anzusehen sind und das Material vollständig mit dem durch
die systematischen Grabungen gewonnenen übereinstimmt, so möge eine
kurze Zusammenstellung der Funde hier folgen (vgl. Tafel XV).
Funde von Eisen: Ziehmesser, Meissei, Glocke (Abbildung), kleinere
Eisenstücke unbekannter Verwendung.
Bronze: Kannenbeschlag (Abbildung), Bronzering, Bronzeblech, Aucissa-
Fibel (Abbildung).
Münzen: Augustus - Münze mit Nachstempel, Tetrikus-Münze, Denar
des Posthumus.
Mühlsteine: Zwei ganz erhaltene, in der bekannten runden Form der
römischen Handmühlsteine mit Loch, mehrere Bruchstücke,
darunter einer mit tiefen, bogenförmig gezogenen Rillen.
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C. Rademacher.
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Spinnwirtel: Zwei flache, zwei konisch geformte, einer frgm. ohne
Ornamente.
Feuerstein: Messer, 8 cm lang, mehrer kleine Feuersteinstücke zum
Feuerschlagen.
Poliersteine aus schwarzem Kieselschiefer.
Hausverputz: Lehmbrocken der Wände und aus Kalkmörtel hergestellter
feiner Verputz.
Formen: Eine massive Tonform zur Herstellung der Gefässe.
Perlen: Frgm. blaue Glasperle.
Glas: Einige Bruchstücke römischen Glases.
Römische Gefässe: Scherben von Sigillata-Gefässen mittlerer Kaiserzeit
(Abbildung), Scherben von Kochtöpfen mit umgebogenem
Rande (Abbildung), Henkel und Bruchstücke grosser Am¬
phoren, Henkel von zweihenkeligen Gefässen, Scherben von
grösseren und kleineren Gefässen mit profiliertem Rande,
einige mit eingeritztem Wellenornament.
Germanische Gefässe: Meist nicht mit Drehscheibe hergestellt. Es
ergeben sich Gefässe aller Art, Gefässe mit Fuss, Gefässe
mit scharf abgesetzter Bauchwand, zahlreiche Gefässe (weit
über 50) mit einfachem Randprofil, meist nur kleine Rand¬
leiste aussen.
Die Farbe der einheimischen Gefässe ist bald schwarz, bald
schokoladebraun, bald gelb, bald braun, einzelne von sehr
feiner Arbeit.
Unter den Ornamenten tritt verhältnismässig oft die Verzierung
durch Fingernageleindrücke auf und zwar nicht selten in komplizierter
Form in der Weise, dass jedes Ornament durch zwei Eindrücke her¬
gestellt erscheint, einmal nach rechts, das andere Mal nach links
gebogen. Meist sind es die kleineren Gefässe mit scharf abgesetzter
Bauchwand, deren Unterteil diese Verzierung aufweist. Auch auf dem
Rande tritt deren Fingernagelornament auf, bei einigen Gefässen um¬
zieht ein Band solcher Eindrücke die weiteste Stelle der Bauchwand.
Mit dem Fingernagelornament verbunden tritt auch das Ausstechen
kleiner Flächen in dreieckähnlicher Form auf. Zunächst gibt es Gefässe,
auf denen letztere Verzierung allein angewandt worden ist, daneben
aber auch solche, auf denen beide Ornamentarten zusammen Vorkommen.
Die Gefässwand ist in Felder zerlegt; abwechselnd ornamentierte man
nur ein Feld mit dem Fingernagel, das andere Mal zog man vertikale
Furchen, die dann mit Ausstich verziert wurden (Abbildung). Ein drittes
Ornament ist eine kleine rundliche Vertiefung, sehr fein und zart an-
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Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw.
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gebracht in winkelbandähnlicher Form. Die Winkelbänder treten durch
Linien, welche die Punzen umziehen, scharf hervor (Abbildung).
Ein weiteres Ornament entsteht durch das Herausarbeiten kleiner
Nupfen und Warzen, die, in verschiedener Höhe herausmodelliert, in
grosser Anzahl die Gefässwand bedecken. Oft ist auch durch Furchen
oder herausmodellierte dünne Stäbchen die Gefässwand abgeteilt, und
die Nupfen und Warzen füllen die Abteilungen aus.
Endlich ist die Kammstrichverzierung zu erwähnen, die entweder
über der ganzen Gefässwand für sich angebracht ist, oder aber in
Verbindung mit polierten, mehr oder weniger breiten vertieften, vertikalen
Streifen.
Ein Vergleich des gesamten Fundmaterials mit dem der benach¬
barten sehr zahlreichen Hügelgräber, auch mit dem des nur 1 km vom
Fliegenberge entfernten Begräbnisplatzes am Ravensberg, beweist sofort
die grosse Verschiedenheit. Die einheimische Keramik vom Fliegen¬
berge in Form und Ornamentierung ist mit der vom Ravensberge
nicht gleichzeitig. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es
am Fliegenberge mit einer germanischen Dorfanlage der Kaiserzeit
(also nach 50 n. Chr.) zu tun haben, das beweisen die Münzen, die
Sigillata, die Formen der römischen Gefässe*)• Können wir so die
Dorfanlage nicht mit den naheliegenden Begräbnisplätzen in Verbindung
bringen, so tritt sehr auffallend die Übereinstimmung mit den Funden
zutage, die 1899 von Prof. Gundermann im Giessener Stadtwalde ge¬
macht worden sind und die sich nunmehr im Museum zu Giessen be¬
finden. Hier finden wir dieselben Ornamente in Nupfen und Warzen, in
Kreisen und Kammstrichen wie am Fliegenberge, hier finden wir dieselben
Formen der Gefässe. Zahlreiche Fussurnen sind dort bei Giessen gefunden,
es war ein Begräbnisplatz ohne Grabhügel. Die Übereinstimmung ist so
gross, dass die Scherben eines Gefässbodens von Giessen, den Herr
Hauptmann Kramer mit anderen Scherben dem Kölner Museum freund-
lichst überliess, mit einem vom Fliegenberge vollständig übereinstimmt.
Es ist dies ein Gefässboden, der in Giessen und am Fliegenberge innen
zu einer kegelförmigen Spitze herausgearbeitet ist, ein Vorkommnis,
das auf keiner Graburne bis jetzt beobachtet werden konnte (Abbil¬
dung von Giessen und Fliegenberg). Hat nun der Giessener Begräb¬
nisplatz, dessen Keramik mit der der Dorfanlage am Fliegenberge über-
*) Die provinzialrömischen Teile des Fundes gehören, soweit sie ohne
Kenntnis der Originale bestimmbar sind, in die frührömische Zeit (vgl. Aucissa-
fibel), die germanischen dagegen, die der Vf. ganz richtig mit den Funden aus
Giessen vergleicht, mindestens grösstenteils erst ins 3. Jahrh. nach Chr., was be¬
sonders das Warzenornament der Tongefässe dartut. G. K.
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C. Rademacher.
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einstimmt, als Graburnen nur jene oben erwähnten Fussurnen, so
müssen wir unbedingt auch von dem Begräbnisplatze, der zu der Dorf¬
anlage des Fliegenberges gehört, ähnliche oder dieselben Fussurnen
erwarten.
Im Jahre 1882 hatte der Berichterstatter von einem Arbeiter in
den Quarzitgruben eine Graburne gekauft, die in demselben Jahre dort
gefunden worden war. Der Mann hat die Stelle damals mir gezeigt.
Bei dieser Urne, so erzählte der Arbeiter, habe ein ,,roter Deckel mit
ausgearbeiteten Figuren“ gelegen. Dieser Deckel war verloren gegangen,
so dass ich ihn nicht zu Gesicht bekommen habe. 1883 vertauschte ich
die Urne vom Fliegenberge Herrn Geheimrat Finkelnburg in Godesberg,
ich habe sie seit der Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen, hatte aber
wohl noch in der Erinnerung, dass die Form nicht mit den bekannten
Urnenformen der Gegend übereinstimmte. Die neuesten Ausgrabungen
am Fliegenberge, die Übereinstimmung des Fundmaterials mit Giessen,
brachte mir jene Urne lebhaft in die Erinnerung. Herr Prof. Wiede¬
mann in Bonn, Schwiegersohn des Herrn Geh. Rat Finkelnburg, hatte die
Freundlichkeit, die Urne dem Kölner Museum zu schenken; es war
eine Fussurne, genau wie die vom Giessener Stadtwalde (Abbildung).
Bei den Giessener Graburnen sind Sigillatagefässe in grösserer Anzahl
gefunden worden, und so wird auch der ,,rote Deckel“, von welchem der
Arbeiter sprach, eine solche Sigillata-Schale gewesen sein. Hoffentlich
gelingt es, den Friedhof zu der Ansiedelung aufzufinden. Aber auch
jetzt schon haben wir den Beweis, dass neben unseren Hügelgräbern
sich Grabfelder am Niederrhein befinden, die, ohne Hügel errichtet,
eine andere Kultur zeigen, als die in den bekannten Grabhügeln.
Es ist das erstemal in hiesiger Gegend, dass eine germanische
Dorfanlage der Kaiserzeit festgestellt werden konnte. Noch nicht über
alle Fragen der Hausanlage sind wir unterrichtet, weitere Ausgrabungen
werden hierüber Aufklärung geben.
Für die gesamte Beurteilung der niederrheinischen Hügelgräber
sind die Funde am Fliegenberge aber jetzt schon von grosser Bedeutung.
Nachtrag.
Gerade in den Tagen der Korrektur der vorstehenden Mitteilungen
sind von dem Berichterstatter neue Ausgrabungen am Fliegenberge
vorgenommen worden, über die an dieser Stelle einige kurze Bemerkungen
beigefügt werden müssen.
Zunächst konnte noch eine Wohnstättenanlage (Grabung 10 siehe
Abb. 1), aufgefunden werden, welche neue Gesichtspunkte der Beurteilung
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Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge usw.
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nicht ergab, nur fehlen die römischen Scherben hier vollständig. Sehr wichtig
sind aber Gräberfunde, etwa 300 m von der 1. Grabung entfernt (siehe
Abb. 1), Gräber, die mit der Dorfanlage unbedingt zusammen hängen.
Unter den Funden sind an erster Stelle zu bemerken: ein Gefäss
gallisch-römischer Herkunft mit 6 Gesichtern auf der Bauch¬
wand, die 6 keltische Gottheiten darstellen, darunter eine Gottheit mit 3
Gesichtern, ein Gesicht en face, die beiden andern im Profil darge¬
stellt; ein römisches Gefäss, mit Rillen und S-förmigem Halse, ein
germanisches Gefäss mit eingeschnittenen Rillen und winkelförmig
gegeneinander gelegten Strichgruppen, mit kleinen Punzen und Warzen,
Bruchstücke eines grossen Bronzegefässes, geschmolzenes Silber, zwei
Bronzemesser mit Ornamentation, eine Lanzenspitze, eine Eisenfibel mit
gebogenem Bügel, eine Scheibenfibel mit Feder, Bruchstücke einfacher
Gefässe und geschmolzenes Glas, einer Flasche wahrscheinlich angehörig.
Dieser Fund beweist aufs neue die Wichtigkeit der Niederlassung.
Eine eingehende Publikation wird im 2. Hefte des „Mannus“ erfolgen.
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Afanuus, Zeitschrift für Vorgeschichte J3d. J . Tafel XV*
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Radcmacher, Die germanische Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge.
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Das Aurignacien in Deutschland.
Vergleichende Stratigraphie des älteren Jungpaläolithikum
von Rob. Rud. Schmidt-Tübingen.
Mit 3 Tafeln.
In meinem Aufbau der jungpaläolithischen Kulturen Deutschlands 1 ),
den ich auf Grund neuer Funde und Untersuchungen diluvialer Wohn-
plätze festlegte, habe ich bereits kurz auf die Vertretung des Aurignacien
in Deutschland hingewiesen. Die Zahl der Funde erlaubt es heute
durch unmittelbare Gegenüberstellung, durch eine vergleichende
Stratigraphie der Fundplätze, die Elemente dieser Kultur für Deutsch¬
land eingehender zu untersuchen.
Die Frage nach dem Aurignacien, der Vorsolutre-Epoche, die sich
zwischen der primitiven Kultur des Spätmousterien und der Kultur der
Lorbeerblattspitzen des Frühsolutreen einschaltet, ist in den letzten
Jahren neu belebt worden.
Unter den ersten Forschern, welche die Zusammenhänge der eis¬
zeitlichen Spuren des Menschen, den natürlichen Kulturaufbau zu ent¬
schleiern suchten, war Lartet, welcher dem Jungpaläolithikum zwei
verschiedene Gruppen zuteilte. Er unterschied eine ältere Gruppe von
Aurignac, Chateiperron und Gorge d’Enfer, der er eine zweite jüngere
Gruppe mit dem Magdalenien von La Madeleine und dem Solutreen
von Laugerie-Haute voranstellte.
Das System Mortillets, das hauptsächlich auf einer Morphologie
der Industrien basierte, bot dem Vorsolutreen keinen Raum und man
verlor diese grundsätzlichen Unterschiede der Lartetschen Einteilung
aus dem Auge, indem man bemüht war, nach Möglichkeit den lücken¬
haften Aufbau Mortillets auszuflicken. Einen von diesen systematischen
Zielen unabhängigen Weg betrat Dupont, dessen Forschungen in bel¬
gischen Höhlen eine schärfere Horizontierung und Wechsel des archäo¬
logischen Inventars erkennen lassen. Erst neue Nährstoffe, die der
Frage nach dem Vorsolutreen durch die jüngeren kritischen Forschungen
und Ausgrabungen Breuils, Cartailhacs, Peyronys, Bardons, Bouyssonies
*) R. R. Schmidt, Die späteiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland. Korresp.
Blatt d. deutsch, anthrop. Ges. 1908.
M a n n u s. Bd. I. 7
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Rob. Rud. Schmidt.
[2
u. a. zugeführt wurden, machten sie wieder lebenskräftig. Ein ent¬
scheidender Schritt war hier die vergleichende stratigraphische Studie
H. Breuils 1 ), der die Typenreihe der einzelnen Aurignacienhorizonte
festlegte. Breuil unterscheidet besonders auf Grund der Funde von
Spy, Trou Magrite und Goyet in Belgien, Solutre, Brassempouy, Pair-
non-Pair, Arcy-sur-Cure, Le Trilobite, La Ferrassie und Cro-Magnon
drei Niveaus.
I. Das untere Niveau, charakterisiert durch die Funde von
Brassempouy, La Ferrassie, Abri Audit und Pont Neuf, weist noch eine
Anzahl von Formen des Spät-Mousterien auf, kennzeichnet sich aber
vor allem durch die Spitzen vom Typus Chateiperron, eine gekrümmte
Spitze mit einem retuschierten Rande. Hierzu gesellen sich schon
breitflache Klingen, grobe Werkzeuge aus Knochen und Horn, schaufel¬
förmig zugeschärfte Knochensplitter und Pfriemen.
II. Vielgestaltiger ist das Inventar des mittleren Aurignacien, das
an zahlreichen Fundplätzen vertreten ist, wie in Cro-Magnon, La Fer¬
rassie, Tarte, Aurignac, Les Cottes und in mustergültiger Weise von
Bardon und Bouyssonie in La Comba-del-Bouitou untersucht und
charakterisiert wurde. Im Vordergründe stehen Leitformen wie der
Kielkratzer, ein hochdicker nukleusförmiger Kratzer von meist nur
2—4 cm im Durchmesser 2 ). Als gleichwertige Leitform ist die
Spitze von Aurignac ihm an die Seite zu stellen, eine flache oder
halbrunde Knochenspitze, die an ihrer abgerundeten Basis mit einer
engen Querspalte versehen ist, jedoch kommen auch solche ohne ge¬
spaltene Basis vor. Häufig sind die Messer mit tiefen Kerben und
Einbuchtungen versehen, die sich entweder unmittelbar gegenüberliegen
und so eine Taille erzeugen oder an ihren Rändern eine Serie schräg
gegenüberliegender Wechselbuchten tragen. Weniger zahlreich, beson¬
ders selten an der Basis des mittleren Aurignacien (Bouitou, unteres
Niveau) sind die Stichel. Das erste Erscheinen des Bogenstichels, ein
kurzer plumper Stichel, der durch länglich abgesprengte Lamellen
bogenförmig zugespitzt ist, fällt noch in das mittlere Aurignacien.
Neben diesem werden Stichel an feineren Klingen und Klingenkratzern
angebracht.
III. Das jüngste obere Aurignacien, das grundlegend in La Font
Robert, La Gravette und Le Trilobite vertreten, vernachlässigt bereits die
*) H. Breuil, La question Aurignacienne, Revue prehistorique 1907, Nr. 6 und
7; und Les gisements Presolutreens du type d’Aurignac, XIIle Congres d’Anthro-
pologie et d’Archeologie prehistoriques, Monaco 1906.
2 ) Seine verschiedenen Variationen gehen aus der Studie Bardons und
Bouyssonies, Grattoir carene et ses ddrivds (Revue de l’ecolc d’Anthropologie 1906)
hervor.
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3 ]
Das Aurignacien in Deutschland.
99
feinere Retuschierung der Klingenränder. Den Kielkratzer behält dasselbe
noch bei, der sich von seinem massiven Vorläufer durch kleinere Typen
unterscheidet. Erst zur vollen Geltung gelangt der Bogenstichel, nicht
minder typisch sind der Eckstichel mit terminaler Endretusche, prisma¬
tische und polyedrische Kernstichel. In die gleiche Typenreihe setzt
Breuil den Typus von La Gravette, eine spitze Klinge mit einer abge¬
stumpften Schneide, dessen Bedeutung als Leitform aber dadurch
herabgemindert wird, dass dieser selbst noch im Solutreen wiederkehrt.
Überhaupt enthält das ausgehende Aurignacien Westeuropas bereits eine
Anzahl von Prototypen des Solutreen (wie La Font-Robert).
Rutots Feststellungen für das belgische Aurignacien 1 ) beruhen
im wesentlichen auf den bereits erwähnten Forschungen Duponts. Als
unteres Aurignacien bezeichnet Rutot das belgische Niveau von Hastiere,
das indessen noch das vervollkommnete Mousterien von La Quina ent¬
hält und somit noch in den Kulturkreis des ausgehenden Mousterien
fällt. Nach Rutots Annahme aber entspricht der Horizont von La Quina
dem Breuilschen Horizont der Chateiperronleitformen, denen er nur
eine lokale Bedeutung zuschreibt. Somit bliebe für das belgische
Aurignacien nur noch ein mittleres Aurignacien, das belgische Niveau
von Montaigle, das mit dem Niveau von Cro-Magnon und Gorge d’Enfer
sich deckt und ein oberes Aurignacien, das belgische Niveau von Trou
Magrite, bestehen, das dem Niveau von La Font-Robert entspricht und
wie dieses bereits die Vorboten der Solutreenindustrie aufweist.
In Osteuropa ist die Aurignacienkultur in typischer Weise in
Krems und Willendorf vertreten und von Obermaier in den Funden am
Wagramdurchbruch des Kamp (Niederösterreich) nachgewiesen worden“).
Überall zeigt sich hier, dass das Aurignacien dem jüngeren Löss an¬
gehört, der nach Obermaiers Feststellung für Niederösterreich und
Mähren die Kulturen des Aurignacien, Solutreen und Magdalenien ein-
schliesst. Inwiefern diese Feststellung sich bestätigt, werden wir aus
den deutschen Funden ersehen können.
Für die Stratigraphie und Typologie des Aurignacien in Deutsch¬
land sind vor allem die drei Fundplätze Sirgenstein (Schwäb. Alb),
Ofnet (bei Nördlingen) und Wildscheuer bei Steeden a. d. Lahn grund¬
legend, über die ich bereits in einigen kurzen Fundberichten meiner
*) Rutot, Le Presolutreen ou Aurignacien en Belgique, Congres prehistorique
de France 1907. Ders. Mousterien et Aurignacien, Bulletin de l’Academie royale
de Belgique 1908.
*) Obermaier, Die am Wagramdurchbruch des Kamp gelegenen niederösterr.
Quartärfunde, Jahrb. f. Altertumskunde, Zentralkommission f. Kunst- und histor.
Denkmale, Bd. II. 1908.
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Rob. Rud. Schmidt.
[4
Ausgrabungen der Jahre 1905—08 Mitteilung gemacht habe 1 ), während
eine eingehende Bearbeitung in meiner Gesamtarbeit über das deutsche
Paläolithikum Aufnahme findet.
Sirgenstein. (Schwab. Alb).
Die Funde im Sirgenstein, die zum ersten Male für Deutschland
den Beweis erbracht haben, dass eine Entwicklung der jungdiluvialen
Kulturen sich auch für unsere Gebiete bestätigte, kommen in erster Linie
für unsere Aurignacienfrage in Betracht. Der Sirgenstein (Schwäb. Alb),
eine geräumige Jurahöhle, leicht zugänglich und wohnlich, mit einer
breiten davor liegenden Terrasse, Hess drei Hauptablagerungen unter¬
scheiden, deren mittlere durch zwei Nagetierschichten von einer unteren
und oberen Hauptablagerung geschieden wurde. Diese drei Haupt¬
ablagerungen haben einen gleichzeitigen, markant sich vollziehenden
Wechsel in der Beschaffenheit der Bodenablagerung, der Tierwelt, wie
auch des Nutzinventars des Menschen gemeinsam. Aber die schneller
fortschreitende industrielle Entwicklung überholt den faunistisch klima¬
tischen Wechsel, der in diesen drei grösseren Ablagerungen zum Aus¬
druck kommt und so zeigen sich innerhalb dieser mehrere weitere
archäologische Schichten, die sich durch die verschiedenen übereinander
lagernden Herdstellen der Höhle und Terrasse deutlicher kennzeichnen.
Die älteste Diluvialablagerung, die unmittelbar auf einem Tertiär
ruht, zeigt in ihrer unteren Lage ein primitives Mousterien, während
der obere Horizont ein vervollkommnetes Mousterien enthält, das uns
in klassischer Weise in dem Mousterien perfectionne von La Quina,
dem belgischen Horizont von Hastiere, entgegentritt. Dieser Horizont
zeichnet sich im Sirgenstein durch eine Reihe prächtig retuschierter
zugeschlagener Schaber vom Typus La Quina, zahlreiche Handspitzen,
ein auf beiden Flächen bearbeiteter Doppelschaber in Fäustelform,
Knochenunterlagen (Compresseur) u. a. aus, während er jeglicher An¬
zeichen einer typischen Aurignacienindustrie entbehrt. Unter der Tier¬
welt dieser Schicht finden wir die grosse ausgestorbene Diluvialfauna,
Mammut, Rhinozeros, aber auch Wildpferd, Ren u. a. Auffallend ist hier
das starke Überwiegen des Höhlenbären.
Mit dem Ausgang des La Quina-Horizontes kündet sich eine klima¬
tische Schwankung an, die der kleinen Nagetierwelt der Tundra vorüber¬
gehend günstige Lebensverhältnisse gewährte. Die Nagetierschicht, welche
') R. R. Schmidt, Die neuen paläolithischen Kulturstätten der Schwäb. Alb,
Arch. f. Anthr. 1908; die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Bericht des natur-
hist. Ver. f. Schwaben und Neuburg, Augsburg 1908; Die späteiszeitlichen Kultur¬
epochen in Deutschland, Korrespondenzbl. f. Anthr. 1908.
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Das Aurignacien in Deutschland.
101
über dem La Quina-Horizont lagert, ist sowohl im Sirgenstein, wie in Ofnet
und Wildscheuer nur wenige Zentimeter stark. Für uns ist dieselbe aber von
besonderer stratigraphischer Bedeutung. Mit Abschluss des feuchtkalten
Klimas bricht ein vollkommener Wechsel in der industriellen Tätigkeit
sich Bahn. Die Mousterienindustrie tritt mehr und mehr zurück, die
Bearbeitung der prismatischen Klingen und der organischen Substanz
gelangt in den Vordergrund, als Elemente der jungpaläolithischen Industrie.
In der mittleren Diluvialablagerung, die das Aurignacien enthielt,
Hessen sich drei archäologisch verschiedene Horizonte dieser Kultur
feststellen, die ich hier mit Früh- (Unteres), Hoch- (Mittleres) und
Spät- (Oberes) Aurignacien bezeichne.
Das Frühaurignacien. Die Hauptmasse der Steinwerkzeuge
gehört auch hier noch der Moustiertechnik an. Den prismatischen Klingen
mangelt noch die typische Retusche des Aurignacien, während die
Ränder zahlreiche Aussplitterungen tragen, so dass sie zuweilen tief aus¬
gekerbt sind. Die Klingen haben nur flüchtig zugeschlagene Kratzer¬
enden und gleichen vollkommen den Stücken, welche sich in dem
tieferen Aurignacienniveau der Ofnet und Bocksteinhöhle fanden. Häufiger
sind kurzdicke Absplisse mit Kratzerenden (Fig. 4, Taf. XVI), die wohl
als Vorläufer der eigentlichen Tart£kratzer oder Kielkratzer anzusehen sind.
Wohl weist dieses Niveau eine Reihe zugespitzter Klingen auf, die jedoch
nicht mit dem Typus von Chateiperron übereinstimmen. Die geschliffenen
Knochenwerkzeuge wie Pfriemen sind kantig und uneben zugeschärft,
Merkmale, die gleichfalls die älteren Stücke des Bocksteinaurignacien
zeigen werden.
Das Hochaurignacien des Sirgensteins bietet einen reicheren
Typenschatz, hinter dem die dekadente Moustierindustrie mehr noch
als in dem vorhergehenden Frühaurignacien zurücktritt. Die Aurignacien-
retusche ist bestrebt, alle Ecken und Kanten abzustumpfen und zu
runden. So entsteht eine Reihe symmetrischer Formen, längliche oder
spitzovale Kratzer (Fig. 6, Taf. XVI), Doppelkratzer und blattspitzen¬
förmige Geräte. Vielfach sind an den Klingen ein oder mehrere Nutz¬
buchten angebracht.
Für die volle Übereinstimmung mit dem westeuropäischen mittleren
Aurignacien spricht vor allem eine Serie typischer Kielkratzer (Fig. 9a,
Taf. XVII von oben gesehen, Fig. 9b Seitenansicht), wie sie in West¬
europa in Spy, Tarte, Brassempouy, Cro Magnon, La Ferrassie,
Pont Neuf, Bouitou, Les Cottes, Trilobite, im Osten in Krems, Willen¬
dorf u. a. wiederkehren. Einige mehr längliche und kleinere Kiel¬
kratzer fanden sich an der oberen Grenze dieser Schicht. Selten sind
noch die Stichel, die an dicken blattförmigen Absplissen und an den
Kanten der Klingen und Klingenkratzer auftreten, dagegen fehlt dem
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102
Rob. Rud. Schmidt.
[6
mittleren Sirgensteinaurignacien noch der Bogenstichel. Zu dem weniger
typischen Hausrat sind hier noch Klingen mit Aussplitterungen, sog.
Steinmeissei, Bohrer u. a. zu erwähnen, die aber auch in den übrigen
Aurignacienhorizonten wiederkehren. Weit zurück treten im Verhältnis
zu den zahlreichen Steingeräten des Sirgenstein-Hochaurignacien die
Knochenwerkzeuge; im Vordergründe stehen hier eine Anzahl von
Qlättern, die aus den Rippen grösserer Tiere (Bär, Pferd etc.) ver¬
fertigt sind, ferner zugespitzte Elfenbeinsplitter, Wurfspeerspitzen und
Pfriemen aus Knochen und Horn, Kernstücke von Mammutstosszähnen
mit sog. Jagdmarken u. a. m. Der gleichen Fundschicht gehört auch
eine der Form nach mit der Aurignacienspitze übereinstimmende Spitze
ohne gespaltene Basis an. Alle Knochenartefakte sind hier vollkom¬
mener geschliffen als diejenigen der unteren Aurignacienschicht.
Einige grundsätzliche Unterschiede weist das jüngste, folgende
Spätaurignacien des Sirgensteins auf. Zunächst lässt die grosse
Masse der Steinmanufaktur die sorgfältige Retuschierung, welche dem
mittleren Horizont ihren besonderen Stempel aufprägt, vermissen. Die
Klingenabsplisse sind durchschnittlich kleiner und dünner, so dass eine
Reihe kleinerer, einfacher und doppelter Kratzer hier vorwalten. Noch
einige kleinere Exemplare des Kielkratzers (Fig. 13a, b, Taf. XVIII) ent¬
stammen dem Spätaurignacien. Mehr stratigraphische Bedeutung kommt
hier wohl den zahlreicheren Stichelvarietäten zu, von denen der Bogen¬
stichel (Fig. 17, Taf. XVII), der hier sowohl wie in der Bocksteinhöhle
ausschliesslich einem späteren Aurignacien zufällt. Häufiger sind kurz¬
dicke Kantenstichel (Fig. 21 a, b, Taf. XVIII) und polyedrische Stichel,
wie auch dünne Eckstichel mit terminaler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII).
Hier haben wir das erste Auftreten kleiner spitz zuretuschierter Klingen,
deren eine Schneide abgestumpft ist, die Breuil mit dem Namen Typus
de la Gravette (Fig. 22a, b, Taf. XVIII) belegt und als Leitform des
ausgehenden Aurignacien bezeichnet. Diese Form erlöscht aber noch
nicht mit dem Aurignacien, kehrt im Solutreen des Sirgenstein wieder
und lässt sich morphologisch bis in das Spätmagdalenien verfolgen. Ein
gleiches gilt von den Stielklingen. Auffälliger erscheinen mir einige
breitere dünne Klingen mit Stielansätzen und der gekrümmte Bohrer
(Fig. 15, Taf. XVIII), die ich nur in unserem Spätaurignacien bisher ange¬
troffen habe. Die Knochenwerkzeuge des Sirgenstein-Spätaurignacien
zeigen keine wesentlichen Unterschiede von denen des vorangehenden
Hochaurignacien auf. Auch diesem Niveau sind wie in dem Früh- und
Hochaurignacien immer noch eine grössere Anzahl schlecht ausgeprägter
Moustiertypen beigesellt, anscheinend jedoch nur an Fundplätzen, wo
grössere Werkstätten sich vorfinden. Bemerkenswert ist, dass eine Reihe
solcher Moustierstücke eine zweite Retuschierung erfahren, die eine
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7 ]
Das Aurignacien in Deutschland.
103
völlig verschiedene Patina aufweist; also von verschiedenen Generationen
benutzt wurden. An einem Fundplatze wie der Sirgenstein, wo einzelne
Schichten zuweilen mit Silexstücken übersät waren, ist es nicht zu
verwundern, wenn hin und wieder einige Stücke an die Oberfläche ge¬
rieten, von neuen Ansiedlern verwendet und nach ihrer Weise verbessert
wurden.
Das Sirgenstein - Aurignacien erhält ein besonderes faunistisches
Gepräge durch das auf dieses Niveau beschränkte, wenn auch seltene
Vorkommen der Höhlenhyäne und des Höhlenlöwen. Das Ren ist
in der Ablagerung des Früh- und Hochaurignacien weit seltener, und
die nordischen Nager, sowie das Moor- und Alpenschneehuhn fehlen.
Ein wärmeres kontinentales Steppenklima scheint auf das Kältemaximum
der unteren Nagetierschicht gefolgt zu sein. Unter der bereits im
Mousterien vorhandenen Fauna tritt besonders das Wildpferd zahlreich
hervor; Höhlenbär, Mammut und Rhinozeros begegnen wir fast in gleicher
Stärke. Hier reihen sich u. a. noch Edelhirsch, Wildkatze, Caniden
und Ovis argaloides an.
Die Sirgensteinstratigraphie weist über dem Aurignacien eine
weitere Folge zweier Kulturepochen auf, eines Solutreen und eines
älteren Magdalenien.
Die Ofnethöhle (Bayr. Ries).
Bereits in den Jahren 1875 bis 1876 nahm O. Fraas 1 ) eine Grabung
in der grösseren Ofnethöhle vor. Die Aufmerksamkeit, die seither auf
die Ofnet gelenkt wurde, förderte nicht gerade unsere Kenntnisse von
den eiszeitlichen Kulturen, denn dieser nach dem Sirgenstein reichste
diluviale Fundplatz Deutschlands wurde durch Raubbau fast völlig er¬
schöpft. Das Material, das in den verschiedenen Museen und Privat¬
sammlungen verstreut lag, überzeugte mich, dass in der Ofnet ein Auf¬
bau von mehreren Kulturen vorliegen müsse, der uns wichtige
Aufschlüsse über die Folge und Entwicklung der jungpaläolithischen
Kulturen versprach. In den Jahren 1907, besonders im Herbst 1908,
nahm ich umfassende Ausgrabungen vor, in der Hoffnung noch un¬
gestörte Lagerungen zu finden, die eine stratigraphische Feststel¬
lung erlauben könnten. Diese Hoffnung wurde in gewissem Sinne
übertroffen. Unter einem gewaltigen, unmittelbar unter dem Höhlen¬
eingang lagernden, zimmergrossen Felsblock, den ich sprengen liess,
baute sich zunächst eine 90 cm mächtige alluviale Schicht auf, mit den
Einschlüssen der Metallzeiten und der jungsteinzeitlichen Kultur. In
einer Tiefe von 1 m zeigte sich eine nur wenige Zentimeter starke
rötlichbraune Schichtung mit zahlreichen Ockerstückchen und kleinen
*) O. Fraas, Korresp.-Blatt f. Anthr. 1876 S. 57.
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Rob. Rud. Schmidt.
[8
Feuersteinmessern, die sich zu zwei muldenförmigen Vertiefungen er¬
weiterte und an dieser Stelle zwei kreisförmige Schädelbestattungen in
Ocker aufwies. Der grössere Bestattungskreis enthielt 27, der kleinere
6 mit mannigfachen Schmuckbeigaben ausgestattete Schädel, die zahl¬
reichsten fossilen Menschenreste, welche uns aus jener Epoche erhalten
blieben. Die Tierwelt dieser Schicht verweist uns an das Ende des
Diluviums, an die Schwelle der heutigen geologischen Ära. Der hier
stattgehabte Ritus ist ein spät-paläolithischer Brauch, die Schmuck¬
beigaben und Steinwerkzeuge weisen deutlicher auf das Azilien-Tarde-
noisien des aussterbenden Paläolithikums. Dieser Ablagerung folgen in
weiterer Tiefe ein wohl ausgeprägtes Spätmagdalenien, ein typisches
Solutreen und Aurignacien. Ich kann mich hier auf eine kurze Auf¬
zählung des Aurignacieninventars beschränken, da ich diesen Fund unter
dem gleichen Gesichtspunkte bereits in meinem Bericht über die vor¬
geschichtlichen Kulturen der Ofnet 1 ) erwähnt habe und eine erschöpfendere
Mitteilung hierüber in Vorbereitung ist, die in meiner Gesamtarbeit über
die paläolithischen Kulturen Deutschlands Aufnahme findet.
Für das Vorhandensein eines Frühaurignacien sprechen auch
hier tiefausgekerbte und ausgesplitterte Klingen mit nur flüchtig zuge¬
schlagenen Kratzerenden (Fig. 5, Taf. XVI), denen die feinere Aurig-
nacienretusche noch mangelt. Eine stärkere Betonung findet diese
Epoche durch den Typus von Chateiperron (Fig. 3, Taf. XVI). Andrer¬
seits aber fehlt das reichere Moustierinventar, welches diese Epoche
im Sirgenstein auszeichnet.
Die Anzeichen eines vollentwickelten Hochaurignacien künden
die verschiedenen Kratzervarietäten mit typischer Aurignacienretusche
und symmetrische Werkzeugformen, darunter Klingen mit einfachen
und doppelten Kratzerenden, ferner einige coche-grattoirs (Fig. 10a,
Taf. XVII, Vorderansicht, Fig. 10 b, Rückansicht), Bohrer u. a. Ein
bei meinen Ausgrabungen Vorgefundener Kielkratzer und eine unter dem
Material des Stuttgarter Naturalienkabinetts befindliche Aurignacien-
knochenspitze mit gespaltener Basis verweisen noch stärker auf die
Vertretung eines Hochaurignacien in der Ofnet.
Einige flüchtig retuschierte Klingen, die ich in einem höheren
Niveau der Aurignacienschicht vorfand, sowie Kratzer, Stichel, atypische
Kielkratzer, Nukleuskratzer, Messer mit stielförmigen Ansätzen, Pfriemen
aus Knochen gehören wahrscheinlich bereits einem jüngeren, einem
Spät-Aurignacien an. Dagegen fehlen diesem Niveau die spitzen
Klingen vom Typus Gravette, sowie der Bogenstichel und gekrümmte
Bohrer, die das jüngere Aurignacien vom Sirgenstein auszeichnen.
*) R. R. Schmidt, Die vorgeschichtlichen Kulturen der Ofnet, Ber. d. naturw.
Ver. Schwaben u. Neuburg, Augsburg 19C8.
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9]
Das Aurignacien in Deutschland.
105
Charakteristisch treten die klimatischen Verhältnisse hervor,
welche zur Zeit des Aurignacien bestanden. Eine dünne, durch
nur wenige Nagetiere angedeutete Ablagerung zeichnet auch hier die
untere faunistische Grenze, über der sich das Aurignacien aufbaut.
Auch die Stratigraphie der Ofnet bestätigt, wie bereits in meinem
Fundbericht mitgeteilt worden ist: Das Aurignacien der Ofnet fällt in
die Epoche einer etwas wärmeren, klimatischen Schwankung, die eine
reichere Anwesenheit der südlichen Spezies, wie der hier so zahlreich
vertretenen Hyäne und das vereinzelte Vorkommen des Höhlenlöwen
gestattete, während die hochnordische Tierwelt, wie das Ren äusserst
selten erscheint und die klimatisch empfindsamere arktische KJeinfauna
fast gänzlich zurückgedrängt wird. Eine auffallendere Erscheinung im
faunistischen Gepräge des Aurignacienzeitalters der Ofnet ist das massen¬
hafte Vorkommen und Überwiegen des Wildpferdes, des Hauptnahrungs¬
tieres des Altsteinzeitmenschen, dessen zahlreichste Reste gerade dieser
Epoche angehören, während den übrigen Diluvialschichten kaum ein
Zehntel des Pferdekonsums zufällt. Das gleiche Vorwiegen des Wild¬
pferdes im Aurignacienzeitalter bestätigten ja bereits die Funde im
Sirgenstein u. a. Noch drastischer geht die „Blüteperiode" des Wild¬
pferdes aus dem Aurignacien des französischen Fundplatzes Solutre
hervor, das durch ein mächtiges Knochenlager dieser Einhufer charak¬
terisiert wird. Unter der übrigen Tierwelt der Aurignacienschicht finden
wir die Zähne und aufgeschlagenen Knochen des Mammuts, des woll-
haarigen Rhinozeros, des Höhlenbären, des Bison, des Riesenhirsches
und der verschiedenen Caniden.
Die Stratigraphie beider nur wenige Meter voneinander getrennter
Ofnethöhlen ist vollkommen die gleiche. In beiden wird das Aurignacien
überlagert durch ein typisches älteres Solutreen, die Kultur der Lorbeer¬
blattspitzen, wodurch zugleich mit Evidenz die Folge von Aurignacien,
Solutreen und Magdalenien für Mitteleuropa nachgewiesen wird, eine
Folge, die von Girod und A. de Mortillet durch die irrtümliche Auslegung
der Cro-Magnon-Stratigraphie für Westeuropa bisher bestritten wurde.
Die Bocksteinhöhle. (Schwäb. Alb.)
Ein Aurignacien, das uns gleichfalls einigen Einblick in seine
Entwicklung gewährt, lieferten die 1883—84 von Bürger und Losch
gemachten Funde in der Bocksteinhöhle des kleinen höhlenreichen
Halbtrockentales der Lone (Schwäb. Alb). Bürger l ) unterscheidet zwei
*) Bürger, Der Bockstein, XXIII. Versamml. d. d. anthr. Ges. zu Ulm 1892,
Verein für Kunst u. Altertümer in Ulm und Oberschwaben. — Die Bocksteinfunde
befinden sich im Altertumsmuseum in Ulm, im Naturalienkabinett, in der Alter¬
tumssammlung und in der Privatsammlung Hedinger in Stuttgart, sowie in anderen
Sammlungen. Der Rest der Sammlung, den Bürger, der indessen verstorben ist,
behielt, ist nicht mehr zu ermitteln.
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PRINCETON UNIVERS1TY
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Rob. Rud. Schmidt.
[10
Hauptkulturschichten. Die obere Kulturschicht, welche die meisten
Funde lieferte, war 26—30 cm mächtig. Eine 0,50 bis 1 m starke
lehmige Zwischenablagerung, die nur sehr wenige Einschlüsse enthielt,
trennte diese von einer zweiten unteren Kulturschicht, die in einer
Gesamttiefe von 1,90 m etwa eine Stärke von 40—60 cm hatte und
bis auf den lebendigen Felsgrund der Grotte herabreichte. Der einheitliche
Charakter der unteren Schicht blieb dank ihrer tiefen und getrennten
Lage am stärksten gesichert. Dagegen ist bei der oberen Kulturschicht
weder eine scharfe Trennung von der Humusablagerung beobachtet,
noch innerhalb dieser an einer Horizontierung festgehalten worden, so
dass Neolithikum, Spätmagdalenien und Spätaurignacien in eine Reihe
gestellt werden. Ein Übelstand mag zu dieser Vermischung der Kul¬
turen beigetragen haben, denn die jungfräuliche Unberührtheit, die
Bürger seiner Fundstätte nachrühmt, traf nicht zu. Eine Kindesmörderin
wurde, wie sich nachträglich durch amtliche Überlieferung nachweisen
liess, dort bestattet, um deren diluviales Alter damals ein heftiger
Streit entbrannte.
Die untere Kulturschicht enthielt, wie sich aus Bürgers In¬
ventarisierung ergiebt, grosse, breite, im Profil leicht gebogene Klingen,
deren Ränder unregelmässig retuschiert und mit zahlreichen Aus¬
splitterungen versehen sind. Die Enden der Klingen tragen nicht die
sorgfältige Rundung des fortgeschrittenen Aurignacien. Für eine archai¬
sierende Technik spricht auch ein kleiner mandelförmiger Keil (Fig. 2,
Taf. XVI), der über eine Fläche hin retuschiert ist, wie solche noch dem
Spätmousterien, aber auch dem frühen Aurignacien beigesellt sind.
Mehrere längliche Kiesel, die in diesem Horizont angetroffen wurden,
dienten als Unterlage zur Werkzeugherstellung (compresseur). Ganz
der Technik eines frühen und mittleren Aurignacien entsprechen schaufel¬
förmig zugeschärfte breite Elfenbeinsplitter, ein grober grosser Pfriemen
(Fig. 1, Taf. XVI), sowie kleinere, alle aber ausgezeichnet durch eine
gleiche typische, noch unvollkommene Schleiftechnik, d. h. die Stücke
sind kantig, die Spitze läuft nicht gleichmässig geglättet aus und
trägt konzentrische Vertiefungen und Unebenheiten. Es sind die frühen
Versuche einer noch nicht lang erworbenen technischen Errungenschaft
(desgl. Sirgenstein). Von einer etwas vollkommeneren Technik zeugt
ein 25 cm langer, aus einer Rippe verfertigter Glätter, dessen Enden
gerundet, wie sie meist im Hoch- und Spätaurignacien sich finden.
Die Knochenartefakte der unteren Bocksteinkulturschicht sind wesentlich
dunkler gefärbt und zeigen eine weiter fortgeschrittene Fossilisation als
diejenige der oberen Kulturschicht.
Die Industrie der oberen Kulturschicht kennzeichnet sich
durch eine Anzahl typischer kurzdicker Bogenstichel (burin busque),
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11]
Das Aurignacien in Deutschland.
J07
Eck-Stichel mit transversaler Endretusche, kleiner Kernstichel und kurzer
einfacher Schaber; dem gleichen Niveau gehört nach Bürgers Inventari-
sferung eine prachtvolle Aurignacienknochenspitze mit gespaltener Basis
(Fig. 8 a und b, Taf. XVII) an, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach
dem tieferen Aurignacienniveau entstammt *), ferner ein Pfriemen mit
Kopf aus dem Metacarpale des Rens, wie ich solche in der oberen
Aurignacienschicht der Wildscheuer gewann. (Ein vollkommen gleiches
Stück, als sei es aus derselben Hand hervorgegangen, fand ich in der
eine halbe Stunde vom Bockstein entfernten Höhle des Hohlesteins des
gleichen Tales, unterhalb einer mächtigen Nagetierschicht). In das
gleiche obere Aurignacien der Bocksteinhöhle gehören eine Anzahl fein¬
gerundeter und polierter kleiner Pfriemen; sie sprechen für eine viel
grössere technische Vollkommenheit als die Knochenwerkzeuge der
unteren Aurignacienschicht. Noch ein anderer wesentlicher Unterschied
besteht darin, dass zu den Artefakten aus organischer Substanz der
unteren Kulturschicht fast ausschliesslich Elfenbein, zu denen der
oberen Kulturschicht Horn und Knochen verwendet wurden. Unter den
Schmuckstücken der oberen Kulturschicht befindet sich ein aus Rentier¬
geweih verfertigter geschliffener Anhänger und ein durchbohrter Bären¬
zahn, wie Bürger einen solchen auch der unteren Kulturschicht zuweist.
Die Verschiedenartigkeit der Tierwelt dieser beiden Kulturschichten
giebt sich nach Bürger darin zu erkennen, dass nur der unteren Kultur¬
schicht, die nach meiner Feststellung die Einschlüsse eines frühen bis
mittleren Aurignacien enthält, die Relikte des Höhlenlöwen, des Riesen¬
hirsches und zugleich die zahlreichsten der Hyäne angehören, die auch
in der oberen Kulturschicht (des Spätaurignacien) wiederkehrt.
Die übrige Diluvialfauna wie Höhlenbär, Wildpferd und Ren kommt
in beiden Kulturschichten vor. Das Mammut, Rhinozeros und Bison
fehlen nach Bürgers Horizontierung dem oberen Niveau. Dieser Tat¬
sache ist wohl nur die Bedeutung eines Lokalkolorits beizumessen.
Die obere Kulturschicht Bürgers enthielt aber sowohl die Tierwelt
als die archäologischen Einschlüsse zweier chronologisch weit getrennter
Epochen: des Spätaurignacien und davon gut zu unterscheiden Arbeiten
eines Spätmagdalenien, das nicht allzu reichlich aber typisch ver¬
treten ist. Wir können also bei der Vermischung dieser beiden Kultur¬
ablagerungen faunistisch kein sicheres Bild für das jüngere Aurignacien
mehr gewinnen.
Im Sommer vergangenen Jahres, wo ich eine systematische
l ) Der dem Stücke anhaftende Boden ist nicht hellgelb, wie derjenige den
oberen Kulturschicht, sondern rotbraun wie die Ablagerung der unteren
Kulturschicht.
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Rob. Rud. Schmidt.
[12
Durchforschung der Höhlen des kleinen weltabgeschiedenen Lonetales
vornahm, überzeugte ich mich, dass der Fundplatz bis auf den Fels¬
boden der Grotte ausgegraben war. Ein grösserer, vor der Grottb
gezogener Graben zeigte unter der 1 m mächtigen Schuttablagerung früherer
Ausgrabungen die alte Humusdecke in einer Stärke von 53 cm, darunter
eine dünne graue blättrige Erdschicht von wenigen Zentimetern, mit
einigen keramischen Einschlüssen der jüngeren Steinzeit. Weniger
deutlich vollzog sich der Wechsel zu einer hellgraugelben Ablagerung,
deren oberer etwa 15 cm mächtiger Teil feinsandiger, der tiefere, etwa
20 cm starke Teil lehmiger war und durch zahlreiche Brandstreifen und
Knochenkohlen sich abhob. Den wenigen Knochenresten, die ich in
der letzteren Schicht vorfand, haftete das gleiche Medium an, das sich
auch noch an einigen Artefakten der von Bürger beschriebenen Stücke
aus dem oberen Niveau befindet. Nicht nur aus Analogie, sondern
auch aus diesen stratigraphischen Feststellungen lassen sich hier also
zwei Niveaus festlegen. Das obere würde hiernach dem Spätmagda-
lenien, das untere dem Spätaurignacien entsprechen. Während ich
unterhalb dieser Ablagerung eine nur durch einige Knochenfragmente
ausgezeichnete dunkelgelbe, lehmige Zwischenablagerung von etwa 1 m
Mächtigkeit antraf, die auch Bürger erwähnt, zeichnete sich die unterste
Kulturschicht durch ihre dunkelgelb- bis rotbraune Färbung aus,
in der ich vorwiegend grössere Knochenstücke von Mammut, Rhino¬
zeros, Wildpferd u. a. vorfand, die hier bis auf eine Gesamttiefe von
3,40 m und bis zu dem Felsboden herabreichten. Nagetierschichten
konnte ich nicht beobachten und keine weitere Horizontierung der
archäologischen Einschlüsse feststellen. Dazu mangelte es an Fund¬
stücken. Von meiner früher geäusserten Annahme, dass sich auch ein
Solutreen unter den Bocksteinfunden befinde, muss ich nach dieser
erneuten Nachprüfung abstehen. Die
Wildscheuer bei Steeden an der Lahn 1 )
ist schon seit 1820 als prähistorische Wohnstätte bekannt. Von ihr
drang einer der ersten schwachen Lichtstrahlen in die Dämmerung
urgeschichtlicher Forschung. 1874 nahm Oberst Cohausen 2 ) eine
grössere Ausräumung der Höhle vor und hinterliess darüber einige
Aufzeichnungen und Angaben über die Fundtiefe der augenfälligsten
Stücke. Behlen 3 ), der 1905 abermals eine Grabung vornahm, wandte
*) R. R. Schmidt, Die späteiszeitlichen Kulturepochen in Deutschland und
Die neuen paläolithischen Funde, Korrespondenzbl. f. Anthrop. 1908.
*) Cohausen, Die Höhlen und die Wallburg bei Steeden a. d. Lahn, Ann. d.
Ver. f. Nass. Altertumskunde XV, 1879, S. 223.
3 ) Behlen, Eine neue Nachgrabung vor der Steedener Höhle Wildscheuer,
Ann. d. Ver. f. Nass, Altertumsk, Bd. 35, S. 29, 1905.
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Rob. Rud. Schmidt.
[14
Stimmung mit den westlichen Funden diese Epoche. Zwei durchbohrte
Pferdezähne, zwei gleichfalls durchbohrte Geschiebesteine als Anhänger,
eine durchlochte Lyditperle, drei Korallen und ein unbearbeitetes Bern¬
steinstück sind aus den Aurignacienschichten; ob sie indessen der
oberen oder der unteren Aurignacienschicht entstammen, lässt sich
aus den Cohausenschen Notizen nicht mehr feststellen.
Für das faunistische Gepräge trifft im wesentlichen das zu, was
bereits für das Sirgenstein- und Ofnetaurignacien gilt. Wärmere Spezies,
deren bereits das spätere Jungpaläolithikum entbehrt, charakterisieren
diese Epoche. Die Hyäne ist auf die untere Aurignacienschicht, also
das Hochaurignacien, beschränkt, wo auch die arktische Mikrofauna
gänzlich fehlt. Auffallend selten ist das Ren im Vergleich zu seinem
massenhaften Vorkommen in der Magdalenienschicht. Höhlenbär, Mam¬
mut, Rhinozeros tichorhinus, Wildpferd sind in beiden Aurignacien¬
schichten vertreten, zahlreich jedoch nur das Wildpferd.
Der Hohlefels bei Schelklingen 1 )
ist eine geräumige Nachbarhöhle des Sirgenstein, im Achtale der Blau-
beurer Alb, ein gewaltiger Höhlenbärschlupf, der schon in den 70er
Jahren durch O. Fraas teilweise ausgegraben wurde, von Lokal-Forschern
aber auf der Suche nach Höhlenbärresten gänzlich durchwühlt wurde,
so dass eine nachträgliche stratigraphische Feststellung aussichtslos ist.
Die Funde sind nicht reich. Eine schichtengemässe Untersuchung lag
den Anforderungen der damaligen urgeschichtlichen Forschung noch
fern. Das Material enthält vorwiegend ein typisches Spätmagdalenien.
Einige grössere Klingen und Kratzer, sowie ein massiver Glätter (Fig. 12,
Taf. XVIII), gehören wahrscheinlich einem späten Aurignacien an. Die
Tierwelt ist im wesentlichen die gleiche wie diejenige des Sirgensteins.
Das Buchenloch (Eifel).
Ein Künstler, der der urgeschichtlichen Forschung ein lebhaftes
Interesse entgegenbringt, Maler Eugen Bracht, nahm auf der Suche
nach den Spuren des steinzeitlichen Menschen eine Durchforschung
dieser im romantischen Kylltal gelegenen Höhle bei Gerolstein vor, deren
Ergebnisse er in einer ausführlichen Monogrophie niedergelegt hat 2 ). Die
Funde sind indessen nicht so zahlreich, dass sie unsere Frage neu
beleuchten könnten. Bracht unterscheidet eine moderne Ablagerung
mit römischen Gefässscherben, eine Zwischenablagerung mit zahlreichen
Resten einer arktischen Nagetierwelt (der oberen Nagetierschicht Sirgen¬
stein, Ofnet, Wildscheuer entsprechend), die nur am Eingang der Höhle
*) O. Fraas, Die Funde im Hohlefels bei Schelklingen. Württ. Jahreshefte 1872.
*) Eugen Bracht, Die Ausgrabung des Buchenlochs, Festschr. z. XIV. Vers. d.
Anthr. Ges. in Trier 1883.
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15 ]
Das Aurignacien in Deutschland.
111
zu erkennen war, und eine darunter befindliche diluviale Kulturschicht.
Die diluviale Besiedlung der Höhle fällt in eine faunistische Ära, die
durch Mammut, Rhinozeros, Ren, Wildpferd, Bison priscus und Höhlen¬
bär ausgezeichnet wird. Unter den Silexartefakten sind eine Moustier-
spitze, ein Klingenabspliss mit Aussplitterung (lame esquille) und einige
Stücke, die nur wenige Gebrauchsspuren aufweisen. Das Trierer Pro¬
vinzialmuseum besitzt einige Knochenartefakte, darunter ein Fragment
eines Glätters, der aus einem Rippenstück verfertigt ist, und zwei zuge¬
schliffene Elfenbeinsplitter, wovon der eine spitz, der andere breit aus¬
läuft, alle ausgezeichnet durch kantige Schleifflächen, wie sie die älteren
Aurignacienstücke des Sirgensteins und der Bocksteinhöhle aufweisen.
Diese Stücke gehören auf Grund analogen Vorkommens dem Früh-
Aurignacien an, das hier möglicherweise von einem Mousterien unter¬
lagert ward.
Die Lössfunde und paläolithischen Funde aus dem
offenen Diluvium.
Zeugen die Höhlenablagerungen für mitteleuropäische Verhältnisse
von einem gewissen Reichtum technischer Erzeugnisse des Aurigna-
cienzeitalters, so sind die Funde aus dem offenen Diluvium überaus
spärlich zu nennen.
Es ist die verdienstvolle Arbeit Obermaiers, die österreichischen
Lössfunde vom Standpunkt der modernen diluvialarchäologischen
Forschung aus neu beleuchtet zu haben und jener einseitigen Beurteilung
entgegen getreten zu sein, die von rein glacial-geologischem Gesichts¬
punkte aus die Funde beliebigen archäologischen Epochen zuteilt,
in gänzlicher Unvertrautheit mit der Technik und den Leitformen der
einzelnen Kulturen. So war es auch bisher in Deutschland als fest¬
stehende Tatsache betrachtet worden, dass alle im jüngeren Löss be¬
findlichen Kulturreste ins Solutreen gehören. Indessen weisen die
Lössfunde auch in Deutschland nach meinen letzten archäologischen
Feststellungen, ausser dem typischen Solutreen, alle Kulturphasen des
Jungpaläolithikum auf, sowohl Aurignacien wie Magdalenien.
Metternich (Rheinland).
Der am besten erforschte Aurignacienlössfund liegt unweit jenes
Gebietes, das bereits eine Wohnstätte der Aurignacienleute der Wild¬
scheuer aufweist. Die paläolithische Fundstelle bei Metternich (Re¬
gierungsbezirk Coblenz), lenkte bereits vor drei Jahrzehnten die Auf¬
merksamkeit einzelner Forscher auf sich, und A. Schaffhausen hat in
den Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preuss. Rheinlande
und Westfalens der Jahre 1879—83 öfters über diese Funde Bericht
erstattet, ohne dass ihnen das weitere Interesse der Fachgelehrten
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PRINCETON UNIVERS1TY
112
Rob. Rud. Schmidt.
[16
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bisher zugewandt wurde. Sichere Aufschlüsse gewannen wir erst in
den letzten Jahren durch die Beobachtungen Günthers, der, gestützt
auf eigene Nachgrabungen, sowohl die eigentliche Kulturschicht fest¬
stellte, wie auch genaue Mitteilungen über die Fauna und archäolo¬
gischen Einschlüsse machte 1 ). Ich beschränke mich deshalb auf eine
archäologische Betrachtung dieser Funde, in denen Günther ein Solu-
treen vermutet. Die meisten Artefakte bestehen aus einer Reihe mittel¬
grosser und kleiner Klingenabsplisse, die kleinsten unter ihnen sind völlig
unretuschiert geblieben und nur als ein Abfallsprodukt zu betrachten.
Typischer hingegen sind längliche polyedrische (Fig. 19 a und b,
Taf. XVIII) und kürzere nukleusförmige Stichel, wie sich solche unter
der Sammlung Günthers und unter den früheren Funden des Bonner
Provinzialmuseums befinden. Diese sind als typische Formen des Spät-
aurignacien anzusehen und kehren zur gleichen Epoche im Sirgenstein,
Bockstein u. a. wieder. Bemerkenswert ist noch ein prächtiger Klopfer,
wie er nicht gerade ausschliesslich aber doch häufig im oberen Aurigna-
cien des Westens (Trilobit u. a.) vorkommt. Die Tierwelt ist nicht
vollzählig vertreten, enthält aber die wesentliche Fauna des älteren
Jungpaläolithikum: Mammut, Rhinozeros tich., Edelhirsch, Bos primi-
genius und Wildpferd.
Rhens (Rheinld.).
Noch besser kennzeichnet seine chronologische Zugehörigkeit der
einige Kilometer von Metternich entfernte Lössfund von Rhens, wenn
auch seine Stratigraphie und Tierwelt zurzeit noch nicht vollkommen
erforscht ist. Die Stücke decken sich im wesentlichen mit denjenigen
von Metternich. Hier haben wir ausser einer Reihe von Klingenab-
splissen, die keiner weiteren Bearbeitung unterzogen sind, einen grossen
Klingenkratzer (Fig. 11, Taf. XVIII) mit einer Retuschierung, wie sie
übereinstimmend die Aurignacienstücke der Wildscheuer tragen. Ferner
einen typischen polyedrischen Stichel und einen Bogenstichel (Fig. 18,
Taf. XVII).
Thiede (bei Wolfenbüttel).
Von den weiteren Funden aus dem offenen Diluvium, welche
paläolithische Artifakte lieferten, kommt das von Nehring untersuchte
Thiede 2 ) in Betracht, dessen paläolithischer Fundhorizont faunistisch
in das Bereich des älteren Jungpaläolithikum gehört. Es liegen in¬
dessen nur einige retuschierte Klingenabsplisse vor, sodass die Zuteilung
‘) Günther, Paläolithische Fundstellen im Löss bei Coblenz, Bonner Jahr¬
bücher Heft 116, 1907 und im Bericht über die Prähistoriker-Versammlung 1907
in Köln.
*) Nehring, Die quartären Faunen von Thiede und Westeregcln nebst Spuren
des vorgeschichtlichen Menschen (Arch. f. Anthr. 10 u. 11).
Go igle
Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
17]
Das Aurignacien in Deutschland.
113
zum Aurignacien nicht weiter nachweisbar ist. Die Gleichaltrigkeit der
Funde in der Wildscheuer und derer von Thiede und Westeregeln hat,
auf faunistische Basis gestützt, schon Nehring richtig erkannt.
Auch den Taubach-Weimar-Ehringsdorf-Funden wird durch die
jüngsten Forschungen Hahnes ein Aurignacieninventar zugeschrieben 1 ).
Der Gedanke, dass zur gleichen industriellen Epoche in den Distrikten
Norddeutschlands und denen Mittel- und Süddeutschlands zwei ver¬
schiedene Tierwelten parallel gehen, ist vielleicht vom geologischen Stand¬
punkt aus diskutierbar, allein wir müssen feststellen, dass typische Leitfor¬
men des Aurignacien bisher wenigstens fehlen. Von allen Taubach-Weimar-
Ehringsdorf-Stücken, welche mir bisher in öffentlichen und privaten Samm¬
lungen zugänglich waren, sowie aus bisher erschienenen Publikationen und
Abbildungen ist mir nicht ein Stück bekannt, das mit Sicherheit
dem Aurignacien zuzuschreiben wäre. Ein dem grattoir carene als
„nahestehend“ angesprochener kahnförmiger Schaber 2 ) dürfte wohl kaum
eine Ähnlichkeit mit diesem Typus aufweisen (vergleiche die Typen¬
reihe von Bouitou u. a.). Die Bearbeitung sämtlicher Stücke steht
durchaus im Einklang mit der Technik des Acheuleen und Mousterien.
Die typische Aurignacienretusche mangelt gänzlich. Mehr Aufschlüsse
gewähren vielleicht die jüngsten Funde, von denen Hahne in der Zeit¬
schrift für Ethnologie (Heft 5, 1908) berichtet und worunter falzbein¬
artige Glätter und ein dem Typus Pointe ä la Gravette nahestehende
Spitze erwähnt werden.
Fasse ich die Resultate, die einer vergleichenden Stratigraphie
dieser Fundplätze zugrunde liegen, zusammen, so ergeben sich folgende
Schlussfolgerungen:
Das Aurignacien erfährt durch die Ablagerung einer arktischen
Kleinfauna, die untere Nagetierschicht, die den La Quina-Horizont des
ausgehenden Mousterien begrenzt, zunächst eine scharfe Trennung, die
sich übereinstimmend in den Funden des Sirgensteins, der Ofnet und
Wildscheuer findet.
Die Industrie des Früh-Aurignacien, die aus dem Sirgenstein,
der Ofnet, dem Bockstein und dem Buchenloch hervorgeht, zeigt einer¬
seits noch eine stärkere Abhängigkeit von der primitiven Moustiertechnik,
vereint aber andererseits schon in sich die wesentlichen Züge der neuen
jungpaläolithischen Technik. Die typischen Leitformen des vorge¬
schrittenen Aurignacien wie Kielkratzer, Aurignacienspitze und Bogen¬
stichel fehlen noch gänzlich. Die Randschärfung der im Profil leicht
*) Hahne und Wüst, Die paläolithischen Fundschichten und Funde der Gegend
von Weimar. Zentralbl. f. Min. 1908.
a ) Fig. 7. S. 206 der Hahneschen Abhandlung.
Mannus. Bd. 1. 8
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114
Rob. Rud. Schmidt.
[18
gebogenen Klingen ist noch eine unvollkommene, die Retusche ist un¬
regelmässig über die tief ausgekerbten und ausgesplitterten Klingen¬
ränder verteilt (Fig. 5, Taf. XVI). Nur selten tragen die Klingen flüchtig
zugeschlagene Kratzerenden (Fig. 4 und 5, Taf. XVI). Feinsymmetrische
Formen finden wir noch nicht. Kurze dickprismatische Kratzer (Fig. 4,
Taf. XVI) mögen als Vorläufer des eigentlichen Kielkratzers des Hoch-
aurignacien anzusehen sein. Der Typus von Chateiperron (Fig. 3,
Taf. XVI) zeigt eine geringe Verbreitung und kommt nur in der Ofnet
vor. An die altpaläolithische Industrie sich anlehnende kleine mandel¬
förmige Keile (Fig. 2, Taf. XVI) sind wie dem Spätmousterien so auch
dem Frühaurignacien (Bockstein) nicht fremd. Eine spezifische noch
in ihrer ersten Entwickelung beharrende Technik weist die Bearbeitung
der organischen Substanz auf. Die groben Pfriemen (ohne Kopf)
(Fig. 1, Taf. XVI) und die schaufelförmig zugeschärften Knochen und
Elfenbeinsplitter sind durch kantige oder unebene Schleifflächen aus¬
gezeichnet (Sirgenstein, Bockstein, Buchenloch). Die dekorative Aus¬
schmückung der Knochengeräte setzt im Frühaurignacien noch nicht
ein, auch findet die Jagdtrophäe als Schmuck noch keine Verwendung.
Für den Gebrauch von Farbstoffen spricht das Vorkommen des Ockers
schon mit dem Beginn des Spät-Mousterien im Sirgenstein. Ebenso
lassen mannigfache ortsfremde Mineralien und Gesteine auf einen be¬
reits schon früher entwickelten Sammeltrieb schliessen. Die indu¬
striellen Charakteristika des Frühaurignacien der erwähnten Fundplätze
sind im wesentlichen die gleichen, die uns in dem unteren Aurignacien-
Niveau des Abri Audit, von Chateiperron, Roche au Loup, Pont Neuf
u. a. entgegentreten.
Die technisch-stilistischen Eigenschaften des Hoch-Aurignacien
werden durch die Fundplätze Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer und Bock¬
stein beleuchtet, deren Inventar durch eine gleiche Typenreihe, durch
gleiche technische Konventionen scharf hervortritt. Die unregelmässige
Retuschierung des Frühaurignacien wird abgelöst durch eine sorgfältige,
tiefkannelierende Randschärfung, die sogenannte Aurignacienretusche.
Die Hochaurignacienarbeit ist leicht kenntlich durch ihre tiefkannelierende
Retusche, die zuweilen einreihig die ganzen Ränder der prismatischen
Klingen, häufiger mehrreihig die halbe Oberfläche der Artefakte über¬
zieht oder die Basis der mehr dickprismatischen Klingen durch läng¬
lich schmale Lamellen kielförmig abstumpft. (Fig. 6, Taf. XVI). Diese
Bearbeitung hat eine Reihe symmetrischer Formen zur Folge. Es ist,
als sei mit der Epoche der Rundfiguren auch ein stärkeres Symmetrie¬
gefühl erwacht, das selbst in den mitteleuropäischen Werkstätten an
dem Nutzinventar der Aurignacienleute zum Durchbruch kommt, die
nicht den vollen Anteil haben an jener hohen künstlerischen Entwick-
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19]
Das Aurignacien in Deutschland.
115
lung, von der uns die Höhlen Spaniens und Südfrankreichs künden.
Vielfache Anbringung kleiner Buchten an grösseren und kleineren
Klingen (Fig. 10 a, b, Taf. XVII) und Klingenkratzern ist vor allem dem
Hochaurignacien eigen. Der Kielkratzer (Fig. 9a, b, Taf. XVII) steht
im Vordergründe der Typenreihe und zeigt seine grösste Frequenz im
Hochaurignacien (Sirgenstein, Ofnet, Wildscheuer). Die Aurignacien-
spitze (Fig. 8a, b, Taf. XVII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein) scheint,
soweit hier feststellbar, ausschliesslich diesem Niveau anzugehören.
Die Stichel zeigen noch nicht jene Variation und Häufigkeit, die ihnen
im Spätaurignacien zukommt, meist kehren sie an dicken, blattförmigen
Absplissen wieder. Der Eckstichel taucht schon im Hochaurignacien
auf, dagegen liegt nur aus dem späten Hochaurignacien der Wildscheuer
ein Bogenstichel vor, ein Typus der mehr auf das Spätaurignacien be¬
schränkt zu sein scheint. Die Bearbeitung der organischen Substanz
gelangt zur volleren Entwicklung. Ausser der Spitze von Aurignac ist
einer der verbreitetsten Typen der grosse Knochenpfriemen mit Kopf,
der meist aus der Metacarpale des Pferdes und Rens hergestellt wird
(Wildscheuer, Bockstein, Hohlestein). Grössere und kleinere Glätter,
Falzbeine (Fig. 7, Taf. XVII) und Wurfspeerspitzen aus Elfenbein und
Knochen, geglättete und an der Basis gerundete Elfenbeinsplitter, die
teilweise mit Kerben, den sogenannten Jagdmarken versehen sind, gehören
zu den Arbeiten der Hochaurignacienleute. Alle Stücke weisen glatte
Schleifflächen oder gleichmässig zulaufende und gerundete Spitzen auf
und unterscheiden sich dadurch merklich von der plumperen Ware und
unvollkommenen Technik des vorausgegangenen Frühaurignacien. Das
Hochaurignacien Deutschlands steht mit seinen technischen Eigenschaften
in Übereinstimmung mit dem mittleren Aurignacien von La Ferrasie,
Cro-Magnon, Tarte, Aurignac, Les Cottes, Bouitou, dem belgischen
Niveau von Montaigle und dem mittelosteuropäischen Aurignacien von
Krems.
Das Spät-Aurignacien, das durch die jüngste Aurignacienschicht
des Sirgenstein, der Ofnet, der Wildscheuer, des Bockstein, ferner durch
die Funde im Hohlefels und den Lössfunden von Metternich und Rhens
charakterisiert wird, hat teils noch die rudimentären Züge der vergangenen
Epoche, teils schon die Charaktere des späteren Jungpaläolithikum.
Das Inventar der Spätaurignacienschichten ist stets weniger reichhaltig
als dasjenige des Hochaurignacien. In seinem Gesamtmaterial lässt das
ausgehende Aurignacien bereits den Verlust der typischen Aurignacien-
retusche erkennen. Damit treten auch die symmetrischen Formen mehr
und mehr zurück. Die Klingen sind durchweg kleiner und dünner und
nähern sich der Industrie des späten Jungpaläolithikum, während die
Moustierabsplisse ausser in dem Spätaurignacien des Sirgenstein nicht
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116
Rob. Rud. Schmidt.
[20
wiederkehren. Die Kielkratzer sind seltener und kleiner (Fig. 13, Taf. XVIII).
Reichere Variationen zeigen nun die Stichel. Der Bogenstichel (Fig.
17, 18, Taf. XVII Sirgenstein, Bockstein), dessen erstes vereinzeltes Er¬
scheinen bereits in das Hoch-Aurignacien fällt, ist jetzt etwas häufiger.
Zahlreicher ist der an dünnen Klingen angebrachte Eckstichel mit termi¬
naler Endretusche (Fig. 20, Taf. XVIII, Sirgenstein, Ofnet, Bockstein,
Metternich). Fast ausschliesslich diesem Niveau ist der kurze nucleus-
förmige Kantenstichel (Fig. 21, Taf. XVIII, Sirgenstein, Bockstein u. a.)
eigen; der mehr längliche polyederische Stichel (Fig. 19, Taf. XVIII), der
einem Nucleus für sehr schmale längliche Klingen gleicht (Metternich,
Rhens), ist nur in dem Spätaurignacien anzutreffen und auch in Westeuropa
auf die jüngsten Ablagerung des Aurignacien beschränkt (z. B. Laussei,
Dordogne). Einen gewissen chronologischen Anhaltspunkt gewährt unter
den Bohrertypen des Spätaurignacien der gekrümmte Bohrer (Fig. 15,
16, Taf. XVIII, Sirgenstein, Wildscheuer) und nur den Gerätschaften des
Spätaurignacien fand ich dünne, breite Klingen mit Stielansätzen (Fig.
14, Taf. XVIII) beigesellt (Sirgenstein, Ofnet, Bockstein, Wildscheuer).
Die Spitze von Gravette (Fig. 22, Taf. XVIII), kommt dem Spätaurig¬
nacien des Sirgenstein und der Wildscheuer zu, besitzt hingegen nicht
die Bedeutung einer Leitform, da sie auch in der späteren Epoche des
Solutreen wiederkehrt. Ganz fehlen die Stielklingen, die das Spät-
Aurignacien von La Font-Robert auszeichnen, die hingegen auch dem
Solutreen und Magdalenien eigen sind. Die Knochengeräte weisen keine
wesentlichen Unterschiede gegenüber denen des Hoch-Aurignacien auf.
Zu Pfriemen wird ein kleineres Material bevorzugt, ebenso sind die
grösseren Glättwerkzeuge seltener. Die Verwendung des Elfenbeins
tritt mehr zurück, während Artefakte aus Horn und Knochen vorwiegen.
Die technisch-stilistischen Eigenschaften dieser Epoche sind im wesent¬
lichen analog dem oberen Aurignacien von La Gravette und Le Trilobite,
während es die Prototypen des Solutreen von La Font-Robert und des
belgischen oberen Aurignacien-Niveau von Trou Magrite entbehrt.
Im engsten Zusammenhang mit dem Streben nach Symmetrie,
nach einem gewissen Formideal, das an den Gerätschaften des Paläo-
lithen des entwickelteren Aurignacien, des Hoch- und Spätaurignacien,
zum Ausdruck kommt, steht ein neues Element: der Sinn für den
Körperschmuck. Das erste Glied in dieser Entwickelungsreihe scheint
die Jagdtrophäe einzunehmen, denn aus den tieferen Ablagerungen des
Hochaurignacien liegen durchbohrte Tierzähne des Höhlenbären und
des Wildpferdes und ein durchbohrter Anhänger aus Rentiergeweih vor.
Es fehlen hingegen die eigentlichen Kommandostäbe, deren Prototypen
bereits im Aurignacien Westeuropas erscheinen. Aber noch mit dem
Hochaurignacien gesellt sich zu dem erwähnten animalischen Schmuck
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Das Aurignacien in Deutschland.
117
der Schmuck aus durchbohrten Geschiebesteinen, Perlen, Gagat u. a.
Zur Ausschmückung der Geräte finden die einfachsten geometrischen
Ornamente Anwendung, das Rautenornament (Fig. 7, Taf. XVIII) im späten
Hoch-Aurignacien, das Wolfszahnornament im Spätaurignacien. Be¬
schränkt sich die Kunst des Aurignacienmenschen unserer Gebiete auf
diese schwachen Andeutungen, die dem Inventar der Aurignacien-
schichten der Wildscheuer entstammen, so versagt die Plastik wie die
parietale Kunst, deren Anfänge im Westen Europas bis in das Aurignacien
zurückzuführen sind, anscheinend gänzlich.
Die Aurignacienindustrie aber, die hier eine in allen ihren wesent¬
lichen Punkten übereinstimmende Typenfolge aufweist, bestätigt auch
trotz des Ausfalls einer höher entwickelten Kunst, eine Verbindung der
Kulturzentren West- und Mitteleuropas. Die Einflüsse des Aurignacien
finden wir selbst in Italien wieder und ihre Kulturgrenze reicht weit
über Europa hinaus. Geringere Anhaltspunkte haben wir über die
Existenz und Verbreitung der Rassen des Aurignacienzeitalters. Das
Aurignacien Westeuropas weist in Spy (zwischen dem Niveau von Hastiere
und dem typischen Aurignacienniveau) einerseits noch den Neandertal-
typus auf, während die Aurignacienleute von Mentone der kunstbe¬
gabten Grimaldi-Rasse angehören, die auch als die ersten Vorläufer der
spätpaläolithischen rituellen Bestattung anzusehen sind. Aus unserem
Gebiete liegen menschliche Reste des Aurignacien nur aus dem Sirgen-
stein vor, einige Zähne, die unmittelbar über einer mächtigen Brand¬
schicht im unteren Teile des Aurignacien lagerten; sie zeigen keine
neandertaloiden Merkmale.
Von allgemeiner Gültigkeit für das innerhalb meines Untersuchungs¬
gebietes fallende Mittel- und Süddeutschland dürfte die faunistische
Horizontierung und scharfe geologische Abgrenzung sein, welche aus
dieser durch mehrere Funde belegten Stratigraphie des älteren Jung-
palaeolithikum hervorgeht. Das Aurignacien Deutschlands ist ausge¬
zeichnet durch ein wärmeres kontinentales Steppenklima. Die ver¬
gleichende Stratigraphie der Profile zeigt, dass jene Periode als eine
etwas wärmere klimatische (postglaciale) Schwankung aufzufassen ist, die
zwischen zwei Kältemaxima eines feuchtkalten Tundraklimas (der oberen
und unteren Nagetierschicht) fällt. Im Zusammenhang mit der wär¬
meren Klimaphase steht die stete Anwesenheit der südlicheren Spezies
wie Höhlenhyäne und Höhlenlöwe, welche hier ausschliesslich diesem
Zeitabschnitt des Jungpaläolithikum angehören, während die subarktische
Kleinfauma gänzlich fehlt und das Ren sich vor allem selten in den unteren
Aurignacienschichten findet. Eine Statistik der Tierwelt des Jung¬
paläolithikum Deutschlands ergibt ferner, dass die zahlreichsten Relikte
des Wildpferdes dem Aurignacien zufallen, dessen Blüteperiode gleich-
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118
Rob. Rud. Schmidt.
[22
falls aus dem westeuropäischen späten Aurignacien hervorgeht, das in seiner
Faunenreihe ein je nach seiner geographischen Lage sehr verschiedenes
Colorit zeigt. Auch das Mammut ist in dem Aurignacien unseres
Untersuchungsgebietes noch häufiger als im späteren Jungpaläolithikum.
In den Höhengebieten Süddeutschlands ist der Höhlenbär besonders
in dem frühen Aurignacien sehr zahlreich. Zu der übrigen Tierwelt
gehören das wollhaarige Rinozeros, Bison, Riesenhirsch, Edelhirsch, die
Caniden, Wildkatze, Ovis argaloides u. a.
Während nun die Höhlen Mittel- und Süddeutschlands alle Zeit¬
abschnitte enthalten, liegt aus dem Löss bisher kein älteres Auri¬
gnacien vor.
Die wichtigsten Profile, die ich durch eigne Ausgrabung oder nach¬
trägliche Untersuchung selbst feststellen konnte, gebe ich zum Vergleich
in schematischer Darstellung hier wieder.
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Schematische Darstellung der Profile zum Vergleich.
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Erklärung zu Tafeln XVI-XVIII. 1 )
R. R. Schmidt, das Aurignacien in Deutschland.
Früh-Aurignacien.
Tafel XVI, Fig. 1 Grober Pfriemen, Bockstein, Untere Kulturschicht.
Tafel XVI, Fig. 2 Mandelförmiger Keil, Bockstein, Untere Kulturschicht.
Tafel XVI, Fig. 3 Chatelperronspitje, Ofnet, Untere Aurignacienschicht.
Tafel XVI, Fig. 4 Kurzer dicker Abspliss mit zugeschlagenem Kratjerende, Sirgen-
stein, Untere Aurignacienschicht.
Tafel XVI, Fig. 5 Klinge mit unregelmässig retuschierten und ausgekerbten Rändern,
Ofnet, Untere Aurignacienschicht.
Hoch-Aurignacien.
Tafel XVI, Fig. 6 Länglich ovaler Krater mit typischer Retusche des Hochaurignacien,
Sirgenstein, Mittlere Aurignacienschicht.
Tafel XVII, Fig. 7 Falzbeinförmiges Elfenbeinartefakt mit Rautenverzierung, Wild¬
scheuer, Untere Aurignacienschicht.
Tafel XVII, Fig. 8 Aurignacienknochenspitje, Bockstein, Obere Kulturschicht.
Tafel XVII, Fig. 9a Kielkratjer, von oben gesehen, 9b Seitenansicht, Sirgenstein,
Mittlere Aurignacienschicht.
Tafel XVII, Fig. 10 Klingenabspliss mit Buchten, Ofnet, Aurignacienschicht.
Spät-Aurignacier».
Tafel XVIII, Fig. 11 Klingenkrafcer, Rhens, Lössschicht.
Tafel XVIII, Fig. 12 Fragment eines Glätters, Hohlefels-Schelklingen.
Tafel XVIII, Fig. 13 Kleinere Kielkratjer, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht.
Tafel XVIII, Fig. 14 Klingen mit Stielansa^, Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht.
Tafel XVIII, Fig. 15 Gekrümmter Bohrer Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht.
Tafel XVIII, Fig. 16 Desgl. Wildscheuer, Obere Aurignacienschicht.
Tafel XVII, Fig. 17 Bogenstichel, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht.
Tafel XVII, Fig. 18 Desgl. Rhens, Lössschicht.
Tafel XVIII, Fig. 19 Länglicher polyedrischer Stichel, Metternich, Löss.
Tafel XVIII, Fig. 20 Stichel mit terminaler Endretusche, Sirgenstein, Obere Aurig¬
nacienschicht.
Tafel XVIII, Fig. 21 Kurzer kernförmiger Kantenstichel, Sirgenstein, Obere Aurig¬
nacienschicht.
Tafel XVIII, Fig. 22 Gravettespifce, Sirgenstein, Obere Aurignacienschicht.
! ) Alle Figuren sind in natürlicher Grösse.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf XVI.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
DigitizüftflSÖ^
in Deutschland.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Fig. 1.
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Schmidt, Das
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf. XVIII.
Fig 15.
Schmidt, Das Anrignacien in
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Fig. 16.
n Deutschland.
Fig. 13 a.
Fig. 13 b.
Fig. 19 b.
Fig. 21b. Fig. 22.
Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verjag), Würzburg.
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II. Mitteilungen
Ostgotische Helme und symbolische
Zeichen.
Von Professor Dr. Alfred Götze in Berlin.
(Vorgetragen in der Sitzung der „Berliner Zweiggesellschaft für Vorgeschichte“
vom 22. April d. J.)
Mit 4 Textabbildungen und 1 Tafel.
Bei den Vorarbeiten für die Fortsetzung der „Germanischen Funde
aus der Völkerwanderungszeit", deren zweiter Band 1 ) ostgotische
Diademe und Helme behandeln soll, hat sich eine Anzahl interessanter
Probleme ergeben, von denen ich hier einige Punkte vorläufig kurz
hervorheben möchte, deren ausführliche Behandlung aber der genannten
Veröffentlichung Vorbehalten bleibt.
Über die Herkunft der sechs- bezw. vierteiligen Spangenhelme
der Merovingerzeit ist
trotz mehrfachen Erörte¬
rungen noch nichts einiger-
massen Sicheres ermittelt
worden. Namentlich ist
es bisher noch fraglich
geblieben, wie sich der
Typus entwickelt hat
und auf welche Vor¬
läufer er zurückgeht; all¬
gemeine Vergleiche mit
orientalischen Helmen
führen nicht zum Ziel.
Wenn es nach dem Ent¬
wicklungsgang, den die
germanische Kunst der
Völkerwanderungszeit im
allgemeinen genommen
hat, von vornherein wahr¬
scheinlich ist, dass man
die Vorläufer der Spangenhelme im ostgotischen Kulturkreise Südruss¬
lands zu suchen hat, fehlte es doch bisher an einschlägigem Fundmaterial.
l ) Erster Band: Gotische Schnallen. Berlin 1907.
Abb. 1. Ostgotischer Helm aus Südrussland.
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122
Alfred Götze.
[2
Diesem Mangel ist nun durch einige neuerdings bekannt gewordene
Helme ostgotischer Herkunft abgeholfen worden, in denen ich die Vor¬
läufer der Spangenhelme sehen möchte (Abb. 1). Sie bestehen aus
vier dreieckigen Eisenplatten, die an den Rändern zusammengenietet
sind. Zu beiden Seiten befindet sich je ein Loch zur Befestigung des
Kinnriemens (oder der Wangenklappen?). Spuren im Eisenrost, in einem
Falle sogar Überreste eines gepressten Silberbandes lassen erkennen,
dass den unteren Rand ein umgelegter Ornamentstreifen zierte. Wenn
auch die Unterschiede zwischen diesen Helmen und den Spangenhelmen
nicht übersehen werden dürfen, sind sie, was das Wesentliche der Kon¬
struktion anlangt, jedoch derart, dass die ostgotischen Helme die ver¬
nünftige konstruktive Vorstufe für die eigentlich widersinnige Konstruk-
Abb. 2. Schnalle aus
der Gegend von
Kertsch.
Abb. 3. Zeichen von den Runcn-
specren von Müncheberg
und Kowel.
Abb. 4. Südrussische Zeichen.
tion der Spangenhelme bilden. Man kann sich den Entwicklungsgang
wohl so vorstellen, dass die Nietränder zunächst durch Ornamentbänder
verdeckt wurden, dass letztere immer festere Struktur und konstruktive
Bedeutung erlangten, wodurch schliesslich die Nietung der Eisenplatten
aneinander überflüssig wurde und so letztere in ihrer Form degene¬
rierten.
Ob der ostgotische Helmtypus das originale Ergebnis aus Zweck
und Technik ist, was wegen der einfachen Form und Technik nicht
unmöglich erscheint, oder ob schon bestehende Helmtypen mitgewirkt
haben, lässt sich noch nicht mit Sicherheit nachweisen. In letzterem
Fall kommt der bosporanische Kulturkreis in Betracht, wo ähn¬
liches vorliegt. Namentlich handelt es sich um Wandmalereien und
Reliefs, auf denen ganz ähnlich geformte Helme dargestellt sind. Bei
den engen Beziehungen zwischen der bosporanischen und goti¬
schen Kultur würde es wenigstens durchaus nicht auffallen, wenn
ausser manchem anderen Kulturgut auch der Helmtypus von den Goten
übernommen worden wäre. Diesen Beziehungen will ich hier nicht
weiter nachgehen, sondern sie nur durch ein Beispiel illustrieren. Im
bosporanischen Kulturkreis kommen eigentümliche Zeichen zahlreich
vor, die an Gebrauchsgegenständen, Tongefässen, Waffen, Schmuck-
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Marums, Zeitschrift für Vorgeschichte Bei. I. Tafel XIX.
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Bosporanische Grabsteinplatte aus Südrussland.
3]
Ostgotische Helme und symbolische Zeichen.
123
Sachen, besonders an Schnallen (s. Abb. 2), ferner auch auf Grab¬
steinen und sonstigen Skulpturen (s. Tafel XIX, Herr Mavrogordato war
so liebenswürdig, mir die Photographie zur Publikation zu überlassen)
angebracht sind. Sie kommen ferner vor in Funden, die schon gotische
Elemente aufweisen, sie müssen also den Goten bekannt gewesen sein;
die Chronologie bereitet keine Schwierigkeiten, da sie sich noch im 3. Jahrh.
n. Chr. nachweisen lassen. Han trifft sie schliesslich in den ver¬
schiedensten Varianten zusammen mit anderen Zeichen an, die in der
Form zwar etwas abweichen, aber doch noch unverkennbar verwandt sind.
Hier kommen wir an eine Stelle, wo Bosporanisch-Gotisches mit
Skythischem zusammentrifft. Auch die skythische Kultur kennt eigen¬
artige Zeichen, die den bosporanisch-gotischen verwandt sind. Hierauf
und auf die sonstigen Zusammenhänge skythischer und gotischer Kultur
(den Nachweis eines direkten Zusammenhanges werde ich an anderer
Stelle bringen) will ich aber hier nicht eingehen, sondern nur noch
kurz auf die Beziehungen obiger Zeichen zu den bekannten Runen¬
speerspitzen von Müncheberg und Kowel hinweisen.
Auf beiden befinden sich ausser der Runeninschrift allerhand
Zeichen, die teils, wie Triquetrum und Suastika, allgemein verbreitet
sind, teils aber bisher sonst unbekannt waren (Abb. 3).
In den oben erwähnten südrussischen Zeichen, die sich an die
bosporanischen anschliessen, treten nun Vergleichsstücke zu den Runen¬
speer-Zeichen auf (Abb. 4). Die Übereinstimmung im konkreten Bei¬
spiel ist zwar nicht vollkommen; wenn man aber den Stil der in den
verschiedenartigsten Formen auftretenden südrussischen Zeichen, von
denen hier nur einige Proben gegeben sind *), in ihrer Gesamtheit über¬
sieht, kann man nicht im Zweifel sein, dass hier ein Zusammenhang
mit jenen der Runenspeerspitzen vorliegt.
Das Hakenkreuz Abb. 4 c erscheint als eine Zusammensetzung
aus zwei Zeichen der Form 3b; es kommt übrigens in ganz identischer
Form auf einem Eisenmesser aus dem Gräberfelde der römischen
Kaiserzeit von Fohrde, Kr. Westhavelland, vor. Die „Mondsichel" der
beiden Runenspeere ist in Südrussland auf einen altarartigen Bau ge¬
setzt, wie es dort mit jenen Zeichen gern geschieht.
Es erhebt sich nun die Frage: sind die Runenspeere in ihrem
Fundgebiete oder in Südrussland hergestellt? In ersterem Fall ergibt
sich ein starker Einfluss der südrussisch-gotischen Kultur auf die nord¬
ostgermanische. Im zweiten Fall tritt sofort die schwerwiegende Frage
nach der Herkunft der Runen überhaupt in den Vordergrund, für deren
südlichen Ursprung man die angedeuteten Verhältnisse mit in Anspruch
nehmen kann.
*) Ich hoffe, das mir vorliegende reiche Material, das ich zum Teil Herrn
Mavrogordato verdanke, zum Teil auf meiner vorjährigen Reise in Südrussland ge¬
sammelt habe, bald veröffentlichen zu können.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
Über die ersten Anfänge vorgeschichtlicher
Erkenntnis im Ausgange des Mittelalters.
Ein Beitrag zur Geschichte der prähistorischen Wissenschaft.
Von Dr. Hans Hess von Wichdorff in Berlin.
Ein eigenartiges Schicksal hat es gewollt, dass die beiden be¬
deutendsten Geologen im Ausgange des Mittelalters — Georg Agricola
und Petrus Albinus — trotz ihrer umfangreichen und eingehenden
Kenntnisse sich von den mittelalterlichen Anschauungen über das Wesen
und die Entstehung der Versteinerungen nicht loszureissen vermochten.
Noch ein Jahrhundert später erblickte man allgemein in den zahlreichen
fossilen Pflanzen- und Tierresten, die in den verschiedenen geologischen
Formationen als Zeugen vergangener Erdepochen und ihres organischen
Lebens inneliegen, merkwürdige Zufallsgebilde oder, wie man sie nannte,
„lusus naturae". Um so auffälliger ist es daher, dass beide Forscher
auf vorgeschichtlichem Gebiete, dessen Objekte in jener Zeit in ganz
gleicher Weise abergläubische Deutung erfuhren, bahnbrechend für die
modernen Anschauungen wirkten.
Mit welcher Zähigkeit man damals, hauptsächlich wohl aus reli¬
giösen Bedenken, trotz besserer Erkenntnis die alten negierenden An¬
sichten über vorgeschichtliche Urnenfunde zu vertreten pflegte, zeigt am
besten Johannes Matthesius in seiner Bergpostille (Sarepta con-
cione XV x ):
„Ein wunderlich ding ist es gleichwol / das so mancherley form an
„denselben Töpffen sein / das auch keiner dem andern gleich ist / vnd
„das sie vnter der Erden weich sein / wie die Corelien im Wasser / vnd
„an der Lufft hart werden. Item das in einem jeden Topff was sonder-
„lichs lieget. Ich hab ein wundschaffen Ringlein an einer Greffin ge-
„sehen / von Gold / Silber vnd Kupffer / sehr artig gewunden / das hat
„man in einem solchen Erdtopff gefunden. Man disputirt wol / es sey
„etwan an dem ort ein Begrebnus gewesen / darinnen man todter Leut
„Asche i wie in den alten Vrn oder Trentöpfflein / darein man der
„weinenden Zeeren gefasset habe. Aber weil man die Töpffe nur in
„Meyen grebt / da sie sich selber verrathen / vnd als were die Erden
„schwanger / einen Hübel machen / darnach sich die so ihnen nach
„gehen / richten / las ichs natürliche vngemachte/vnd von
„Gott vnd der natur gewirckte Töpffe sein."
l ) Zitiert bei Petr. Albinus „Meyssnische Bergchronika“ pg. 179.
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PRINCETON UNIVERS1TY
2] Über die ersten Anfänge vorgeschichtlicher Erkenntnis im Ausgange usw. \ 25
Der abergläubische Sinn des gemeinen Mannes aber hing an der
uralten Überlieferung, wonach die vorgeschichtlichen Gefässe das Geschirr
der sagenhaften früheren Zwergbevölkerung, die als Pygmäen die Höhlen
des Landes einst bewohnt haben sollten, dargestellt hätten; man nannte
sie daher gewöhnlich auch Zwergtöpfe. Der erste Mann, der mutig
eine neue Anschauung vertrat, war der ausgezeichnete Geologe und
beste Bergwerkskenner seiner Zeit, der Arzt Georg Agricola, der zuerst
in Joachimsthal, später bis an sein Lebensende in Chemnitz ansässig
war. Agricola wies nach, dass die Erdtöpfe tatsächlich die Urnen seien,
in denen die frühere heidnische Bevölkerung des Landes ihrer Sitte
nach die Asche der verbrannten Toten beigesetzt habe.
Im 3. Anhang des 7. Buches seines im Jahre 1546 erschienenen
Werkes „De natura fossilium“ gibt Georg Agricola seine Ansichten über
vorgeschichtliche Fundgegenstände folgendermassen wieder (nach der deut¬
schen Übersetzung des Bergmeisters Ernst Lehmann, Freiberg 1810):
„Man hat innerhalb der Erde thönerne Gefässe mit engem Halse,
„weitem Bauche, mit 1,2 bis 3 Henkeln, zuweilen sogar mit einem
„Deckel, angetroffen. Sie werden an mehreren Orten ausgegraben, be¬
sonders bey dem sächsischen Dorfe Fertesleben, einem Matthias Schulen-
„burg gehörig, in einem Weinberge; ferner bey Lübben in der Nieder-
„lausitz, 10 000 Schritt von Luckau; weiter auf dem Seeberge in
„Thüringen, 1 bis 2 Schleuderwürfe weit von Steinburg. Der unwissende
„Haufe in Sachsen und in der Niederlausitz glaubt, dass sich diese
„Flaschen innerhalb der Erde erzeugt haben; der thüringische, dass
„sich ihrer die Affen bedient haben, welche ehemals den ausgehöhlten
„Seeberg bewohnet. Bey Lichte betrachtet sind es Urnen, worin die
„alten Germanen, dem Christenthume noch nicht zugewandt, die Asche
„der verbrannten Leichname aufbewahrten. In allen diesen bedeckten
„Gefässen findet man Asche, manchmal auch Kohlen, ja sogar Ringe."
Petrus Albinus, Agricolas geistvoller Nachfolger, hat in seinen
historischen und bergbaugeschichtlichen Werken sich zu der gleichen
Meinung bekannt und zugleich mit besonderem Interesse die Kenntnis
der vorgeschichtlichen Dinge befördert. Er war wohl auch der erste
deutsche Forscher, der eine systematische vorgeschichtliche Aus¬
grabung veranstaltete, um gewisse vorgeschichtliche Fragen zu lösen.
Sein Ausgrabungsbericht, vermutlich der älteste erhaltene, lautet folgen¬
dermassen:
„Derwegen ich mich im Jar 1587 im Herbst / die warheit zu
„erkündigen / selbs vnterstanden etliche solcher Hügel / so nicht fern
„von dem Städtlein Zanaw / bey dem Dorff B ergzana w / auff vnd
„durchgraben zu lassen / da ich denn in des meisten theils solche Reyen
„oder Circkel von grossen Feldtsteinen / vnd im mittelsten Circkel die
„Vrnas mancherley form / aber weil sie vielleicht von der vietrifft vnd
„wind am Sande sehr entblöset / meistes theils zubrochen vnd voll Sande
„oder Erden gefunden / darneben gleichwol in etlichen Aschen / Beyn
„vnd Kohlen gewesen. Dieses aber ist sonderlich zumercken / das ich
„kleine Näplein dabey gefunden / fast in der form / wie man die Käss-
„näplein macht / doch vnten kewlich / auff deren jeden an einer seiten
„ein Löchlein mit einem Daumen eingedruckt / das mans desto besser
„dabey halten mögen / Solche haben ich vnd Magister Osswaldus Vogel /
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\
126 Hans Hess von Wichdorff: Über die ersten Anfänge usw. [3
„Superintendens zur Zanaw / mein lieber Gevatter vnd vertrawter Freund /
„für die jenigen Vrnulas angesehen / darein man die Trenen der wei¬
senden, so vorzeiten zu den exequiis oder bestetigung der verstorbenen /
„mit Gelde sein gedinget worden / gesamlet. Werden von etlichen Plen-
„disteria genennet.
„In dem grösten Hübel oder Berg aber so fast mitten vnter den
„andern / deren in 16 oder mehr gewesen / funden wir erstlich eins
„Lachters tieff / ein gantz Menschen Gebein in der Ordnung / wie das
„Cadauer war begraben worden / an welchem die schinbein grosserer
„lenge / auch die Kinbacken noch gar voll frischer weisser Zeen. Vnter
„welche noch eins Lachters tieff etliche grosse Feldwacken lagen / mit
„breite Steinen bedackt / da zwischen ein grosser hauffen gar schöne
„weisgrawlichte Aschen / welche etwas fette anzugreiffen gewesen. Aus
„welchen allen so viel zu sehen ! das es Begrebnussen der Heyden sein. —
„Ich las es derwegen dabey bleiben / das es urnae mortuorum sein".
Albinus erwähnt in seiner „Meissnischen Bergchronika 1 ) M ferner
eine grosse Anzahl vorgeschichtlicher Fundorte, deren Namen mit ihren
entsprechenden heutigen Bezeichnungen ich hier folgen lasse:
a) Clöden und Schmiedeberg, zwischen Torgau und Wittenberg rechts
und links der Elbe gelegen (Provinz Sachsen).
b) Caschenberg bei Senftenberg Coschenberg bei Senftenberg (Nieder¬
lausitz).
c) Tribel am Buchholtzerberg = Triebei bei Sorau (Niederlausitz),
Buchholz Nachbardorf.
d) Luben zwee Meilen von Luccaw = Lübben bei Luckau (Niederlausitz).
e) Guckelberg */* Meile von Sagen in Schlesien = bei Sagan in Schlesien.
f) Zwischen Bergsdorff vnd Greus = zw. Bergisdorf und Greisitz bei
Sagan.
g) Nicht näher bezeichneter Ort zwischen Bober und Neisse in
Schlesien.
h) Fertesleben in einem Weinberg ein halbe meil vom Schlos Schricka
= Farsleben bei Schricke unweit Wolmirstädt bei Magdeburg.
i) Reinisch Zabern = Dorf Rheinzabern (Pfalz).
k) Im Land zu Hessen bey Giesa im Dorff Dudershoffen = Duden¬
hofen bei Giessen (Hessen).
l) Zanaw und Wergzanaw = Zahna und Marzahna bei Wittenberg
(Prov. Sachsen).
m) Guben (Niederlausitz).
l ) Petrus Albinus, Meissnische Bergk Chronica. Dresden 1590. Seite 177—180.
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Vergessener Bericht über ein Urnen¬
gräberfeld der Latene-Zeit (?) in Ermsleben,
Mansfelder Gebirgskreis, vom Jahre 1710.
Von Gustaf Kossinna.
Mit 1 Textabbildung.
Paul Christ. Hoepfneri, scholae senat. Halberstad. Con-Rect., Ger¬
mania antiqua oder kurtze Fragen von denen alten Gebräuchen der
Teutschen bis auf den ersten Teutschen Käyser Carolum den Grossen
aus den bewerthesten Auctoribus, soviel davon vorhanden, zusammen
gefasset. Halle im Magdeb. a. 1711. [Vorrede Blatt b9—b 11 ].
„Es haben auch erst neulich bey Ausgang des 1710ten und Ein¬
gang des 1711 ten Jahres einige solche Todten-Töpfe in und ausser
Ermsleben sich hervorgetan . . . Und ist also glaubähnlich, dass diese
Todten-Töpfe von den alten Teutfchen in dem Heidenthum herrühren,
und über 1000. Jahre alt sind. Deren sind etliche in dem Orte selbst,
bey Gelegenheit eines neuerbauten Hauses gefunden: etliche aber ausser
demselben an einem Wassergraben, da das von den nahe gelegenen
Bergen herabschissende Regenwasser unter die Erde nach gerade weg-
gespület, dass sie oben nachgefallen, wodurch diese Todten-Töpfe un-
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128 Gustaf Kossinna: Vergessener Bericht über ein Urnengräberfeld usw. [2
gefähr sind entdecket worden, davon itzt gedachter Herr Past. prim, und
Inspect. Reimann viele Scherben, aber auch unterschiedliche ganze Töpfe
bekommen hat, welche Er in Kupfer hiervor stechen lassen [vgl. Abbildung].
Es sind aber deren einige von groben Thon fast einen Finger dicke, andere
aber dünner, und sind inwendig roth, wie ein gemeiner Thon gestalt:
oder sie sind in der Mitte schwartz und ausswendig und inwendig roth.
Andere sind ganz zart, wie Serpentin, und schwartz, deren etliche etwas
dicker, etliche aber gantz dünne, und schön gläntzen, wenn sie von der
anklebenden Erde gesäubert werden. Ihre Gestalt ist gar unterschiedlich,
denn einige gehen unten spitz zu: einige sind breit und mit einem
dicken Bauche. Der Hals ist bey den gröberen lang, bey den subtilem
kleiner, oder es ist gar nur ein kleiner Rand herum. Die Groben sind
mit vielen Finger Knippen herum gezeichnet, oder auch mit vielen kleinen
Strichen. Die subtilen sind oft ganz bloss, oder haben in der Mitte
einen oder mehr Reifen herum; oder sind mit viel andern Strichen und
Puncten bezeichnet. An den groben sind mehrenteils eine oder zwo
gebogene Henge oder Handhaben oder nur grosse Puckeln oder Hacken
von Thon: an den subtilen sihet man dergleichen nicht. Es sind auch
auf etlichen Deckel gewesen, die aber aus Unverstand und Unvorsichtig¬
keit entzwey gestossen. Insgemein sind sie theils grösser, theils kleiner,
darunter ein klein schwartzer wie ein Suppen-Töpchen vor die Kinder,
wobey auch ein k[l]einer Löffel ist von eben der Materie, der vielleicht
den Todten solte dienen die Speise damit zu nehmen. Wie man denn
weiss, dass man den Todten allerley Geräthe habe mit gegeben, so sie
in diesem Leben gebrauchet, dass sie selbiger auch in jenem Leben
sich bedienen können, und daneben ihnen Essen und Trinken ins Grab
gesetzet, wie Micrael. praefat. part. 2. lib. 3 bezeuget. Und Herr
Schottel, Von der Teutschen Hauptsprache lib. 5 Tract. 6. p. 1287
meldet dieses: Ich weiss, dass noch vor wenig Jahren verstopfte Gläser
mit schönen Bier gefüllet, aus der Erden, da man sie vor vielen Jahren
den Todten zu gut hineingesetzt, gegraben seyn, und solch ein Glass
ist mir einmahl in D. Christoph. Albini Medici Stetinensis Hause ge-
zeiget, welches zum Gedächtnis aufgehoben war. Mit welchen Worten
ich diese Vorrede schliesse und dem geneigten Leser gegenwärtiges
Werkchen bestens recommendire, nicht als etwas Vollkommenes, sondern
als einen Anfang und Anleitung die Antiquitäten unsers Vater¬
landes mehr und mehr aufzusuchen, damit wir nicht hospites
in patria seyn mögen, da andere Völker ihre Alterthümer so
sorgfältig zu untersuchen bemüht sind, und wir uns in den
vorigen Zeiten mehr um andere, als um uns selbst beküm¬
mert haben.
Er lebe wohl!!!" [nämlich: der geneigte Leser.]
Man sieht: „Einst alles wie Heut’!“.
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PRINCETON UNIVERSUM
J
III. Aus Museen und Vereinen
Vorbemerkung. Diese Abteilung unserer Zeitschrift, die bei
dem ersten Versuche noch recht unvollkommen oder wenigstens unvoll¬
ständig erscheint, soll künftig möglichst reichhaltig ausgebaut werden.
Dazu ist natürlich die Mitarbeit aller interessierten Museen und ge¬
lehrten Gesellschaften und Vereine unseres Faches allererste und not¬
wendigste Vorbedingung. Vor allem werden hierdurch diejenigen
Museen und Vereine, die wir zu unseren Mitgliedern
zählen, ebenso aber auch alle diejenigen, deren mass¬
gebende Vorstände oder Vorstandsmitglieder unserer Ge¬
sellschaft angehören, aufgefordert, ungesäumt an die Arbeit zu
gehen und baldmöglichst — so dass das nächste Heft des ,Mannus‘
schon die Früchte dieser Arbeit darbieten kann — Berichte über
wichtige Vorgänge, Tätigkeiten und Veränderungen ihres
Bereiches abzufassen und dem Herausgeber unaufgefordert
einzusenden. Besonders wichtig erscheinen ganz knapp gehaltene
und durch genaue chronologische Bestimmung und Verweisung
auf bekannte Typen und bekannte Abbildungen verdeutlichte
Berichte über die Funde der letzten Zeit, denen passend einige Abbildungen
wichtiger Stücke beizugeben wären, ln vielen Punkten ist hier der Be¬
richt über das Posener Kaiser-Friedrich-Museum von Erich Blume ge¬
radezu vorbildlich. Strenge, knappe Sachlichkeit ist Haupterfordernis.
Eingeleitet wird diese Abteilung durch einen Bericht über die
Neuordnung der Vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums,
die durch den Neubau des Museums herbeigeführt worden ist. Die
ursprüngliche Absicht der Verwaltung dieses Museums war es, die Neu¬
ordnung wiederum nach dem verfehlten, von mir seit Jahrzehnten be¬
kämpften und jetzt sogar auch von dem Kgl. Museum für Völkerkunde
in Berlin aufgegebenen Prinzip der örtlichen Herkunft der Gegen¬
stände vorzunehmen. Noch in zwölfter Stunde aber gelang es mir
glücklicherweise, die massgebenden Stimmen nach der Richtung zu
beeinflussen, dass ein System der Aufstellung zu bevorzugen sei,
das bei einheitlichem Material das chronologische Prinzip zugrunde
legt, beim Auftreten verschiedener Kulturgebiete aber zunächst die
Kulturgruppen und dann erst das chronologische Moment berück¬
sichtigt. Seit langem vertrete ich dieses gemischte System, dem
ich in der Literatur oder in der Praxis sonst noch nicht begegnet
bin, als das einzige mir brauchbar erscheinende. Ich halte um so mehr
an diesem meinem Prinzipe fest, als nunmehr an der sog. »Aus¬
stellung* der Prähistorischen Abteilung des Kgl. Museums
für Völkerkunde in Berlin jedem fachmännischen Beur¬
teiler klar geworden sein muss, zu welchen Ungeheuer¬
lichkeiten unklaren Wirrwarrs man gelangt bei einem
Versuche einer völlig starren Durchführung des chrono-
Mannus. Bd. I. 9
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PRINCETON UNIVERSITY
130
III. Aus Museen und Vereinen.
logischen Prinzips — sei es auch nur in der unvollkom¬
menen Zergliederung der Perioden, wie sie das Berliner
Kgl. Museum aufweist — an einem Materiale, das über eine
solche Menge miteinander völlig unverwandter Kulturen
sich ausdehnt.
Die Hauptsache war aber, dass ich es durchsetzte, dass die Neu¬
ordnung des Märkischen Museums nur einem wissenschaftlich
geschulten Fachmanne anvertraut werden dürfte. Die Leistungen
des Herrn Dr. Kiekebusch hierbei haben gezeigt, was alles unter diesen
Umständen für die Wissenschaft, wie noch mehr für das grössere
Publikum zu erreichen ist. G. K.
Die vorgeschichtliche Abteilung des
Märkischen Museums der Stadt Berlin.
Von Dr. A. Kiekebusch.
Mit 5 Textabbildungen.
Das Märkische Museum ist im Jahre 1874 vom Stadtrat E. Friedei
gegründet worden. Anlass zur Gründung der vorgeschichtlichen Abteilung
selbst gab der Bronzedepotfund aus der Wuhlheide bei Cöpenick 1 ).
Die Gegenstände dieses Fundes tragen noch heute die Nummern 1—7.
Die neueste im laufenden Jahre eingetragene Nummer des Verzeichnisses
ist 24164. Diese Ziffer kennzeichnet zur Genüge die Arbeit dreier
kurzer Jahrzehnte. Der bei weitem grösste Teil der Sammlung ist
durch die Rührigkeit E. Friedeis, der vom Kustos Buchholz unterstützt
wurde, in den Besitz des Museums gelangt. Zwei Vorzüge zeichneten
die vorgeschichtliche Abteilung des Märkischen Museums aus, wie sie
mir im Dezember 1907 auf die Empfehlung meines Universitätslehrers
Prof. Dr. Kossinna hin zur Neuordnung und Aufstellung in den neuen
Räumen übergeben wurde, Vorzüge, die den Gründern und Verwaltern
des Museums gewiss ein ehrenvolles Zeugnis ausstellen.
Einmal ist bei der Sammlung der Altertümer nie darauf gesehen
worden, dass nur Paradestücke ins Museum kämen. Alles, was an vor¬
geschichtlichen Altertümern im märkischen Boden gefunden wurde, das
hat man wohlverwahrt. Wertlose vorgeschichtliche Alter¬
tümer gibt es nicht. Diese uns heute in Fleisch und Blut über¬
gegangene Binsenwahrheit ist in früheren Jahrzehnten selbst von Fach¬
leuten selten richtig erkannt worden ' 2 )- Gerade die wenig anspruchsvollen
Altertümer haben sich aber für die Wissenschaft als recht fruchtbar
erwiesen, und bei der Behandlung der in heutiger Zeit auf der Tages¬
ordnung stehenden Fragen, wie z. B. der durch Ausgrabung der „Römer¬
schanze" bei Nedlitz unweit Potsdam wieder aufgerollten Frage nach
der Chronologie der märkischen Burgwälle 3 ) werden die zahlreichen
! ) Zeitschr. für Ethnologie II. 1870. S. 171.
2 ) Vgl. dazu: A. Kiekebusch: Einfluss der röm. Kultur auf die germanische usw.
Stuttgart 1908. Strecker u. Schröder. S. 3 f.
3 ) Zeitschr. f. Ethn. XLI. 1909. S. 127 ff.
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PRINCETON UNIVERS1TY
III. Aus Museen und Vereinen.
131
Scherben des Märkischen Museums noch ein ernstes Wort mitzureden
haben. Auch auf „neue Formen“ wurde im Märkischen Museum nicht
einzig und allein gesehen. Ein Provinzialmuseum hat unbedingt die
Aufgabe — soweit sie ihm von einzelnen Lokalmuseen nicht abgenommen
wird — alles zu sammeln, was auf die Vorzeit der Provinz nur irgend¬
welches Licht wirft. Für die Beurteilung der Besiedlungsverhältnisse
in einer bestimmten Zeit ist es z. B. von unermesslichem Werte, zu
wissen, wie häufig die einzelnen Formen wiederkehren. Ein Zentral¬
museum mag sich vor Dubletten fürchten. Das Provinzialmuseum hat
seinem ganzen Charakter nach dazu keine Ursache. Jedenfalls liegt
aber in diesem Unterschiede auch eine der Möglichkeiten, die Interessen¬
sphären beider für die Zukunft in friedlicher Weise abzugrenzen.
Ein zweiter Vorzug der Sammlung des Märkischen Museums hat
mir die Arbeit wesentlich erleichtert. Die Identifizierung der einzelnen
Gegenstände erforderte wenig Zeit. Die Nummer war auf jedem Stück
selber angegeben, nicht etwa auf einem Zettel. Ersteres ist aber un¬
bedingt erforderlich, um unzählige Irrtümer zu vermeiden. Im andern
Falle richtet jeder Umzug nie wieder gut zu machende Verwirrung an.
Auch grosse Museen könnten davon einiges erzählen. Man braucht des¬
wegen die Altertümer nicht zu verunstalten. Die Nummer allein an
wenig auffallender Stelle genügt vollkommen. Wer sie sucht,
wird sie schon finden.
Auf Vollkommenheit hat natürlich auch die vorgeschichtliche Samm¬
lung des Märkischen Museums nie Anspruch erhoben. Die Funde sind
fast ausschliesslich Einzel- oder Depotfunde oder Proben aus Gräber¬
feldern, Burgwällen u. dergl. Zusammenhängende Funde aus Gräber¬
feldern, die vom ersten bis zum letzten Grabe untersucht worden
wären, fehlen fast ganz. Für die wirklich wissenschaftliche Erforschung
der Vorzeit sind sie aber unentbehrlich. So bleibt der Zukunft noch
eine grosse, schöne Aufgabe. Bisher fehlte es der Museumsverwaltung
an Mitteln, um umfangreichere Ausgrabungen vornehmen zu können.
Die äusseren Schicksale der Sammlungen des Märkischen Museums
waren ja bisher eine ununterbrochene Leidensgeschichte. Im Laufe
weniger Jahrzehnte mehrfache Umzüge. Und unzulänglich waren die
Räume immer. Da entschieden sich denn die städtischen Behörden zu
einem Neubau. Seit dem Juni 1908 ist der vom Stadtbaurat Ludwig
Hoffmann geschaffene Prachtbau vollendet. Für die vorgeschichtliche
Sammlung war das Erdgeschoss bestimmt. Sieben Räume von ver¬
schiedener Grösse standen zur Verfügung, und in diesen Räumen war
bereits eine beschränkte Zahl von Schaukästen vorhanden. Diese Be¬
schränkung kam meinen Ansichten und Absichten durchaus entgegen.
Vom ersten Augenblicke an war ich mir darüber klar, dass die vorge¬
schichtlichen Altertümer geschieden werden müssen in eine Schau¬
sammlung, die in erster Linie der grossen Zahl der Museumsbesucher
dient, und eine Studiensammlung für die Fachgelehrten.
Für das grosse Publikum haben die fast zahllosen Tongefässe
und Steinbeile, wie sie sich immer und immer wiederholen, gar keinen
Sinn. Die meisten Besucher gehen an den aufgehäuften Schäften ge¬
dankenlos vorüber, staunen allenfalls diese Massen an, suchen im besten
Falle die Altertümer der eigenen, engeren Heimat auf und verlassen
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PRINCETON UNIVERS1TY
132
III. Aus Museen und Vereinen.
das Museum, ohne etwas gelernt zu haben. Ermüdet oder sogar —
gelangweilt kehren die meisten einem vorgeschichtlichen Museum den
Rücken. Daher kommt es auch, dass selbst die Gebildeten fast ohne
Ausnahme von der heimischen Vorzeit nichts, geradezu gar nichts
wissen. Auch die ausgezeichnete vorgeschichtliche Abteilung des König¬
lichen Museums für Völkerkunde war bis dahin immer nur für die Ge¬
lehrten da.
Von vornherein hatte ich mir die Aufgabe gestellt: Wer in Zukunft
die Schausammlung der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen
Museums besucht, soll im Laufe von etwa zwei Stunden einen Über¬
blick über die märkische Vorgeschichte gewinnen von der Eiszeit her
bis zur Germanisierung und Christianisierung der Mark im 12. Jahr¬
hundert.
Dieser Forderung mussten sich alle anderen Wünsche beugen.
Man sage nicht, dieser Standpunkt, der das grosse Publikum so stark
berücksichtigt, wäre nicht wissenschaftlich. „Für das Volk ist das Beste
gerade gut genug." Wer aber endlich der Prähistorie ihren Platz an
der Sonne erobern will, muss auch für die Verbreitung vorgeschichtlicher
Kenntnisse sorgen. Das ist bisher von den meisten Museen versäumt worden.
Die Wissenschaft kommt bei diesem Standpunkt durchaus nicht
zu kurz. — Selbstverständlich war mirs, dass die Schausammlung
chronologisch und nach Kulturen geordnet werden musste. Unmöglich
kann man einen Überblick gewinnen, wenn man in jedem Saale Hinter¬
lassenschaften aus allen Perioden findet. Über die Notwendigkeit der
chronologischen Aufstellung brauche ich hier weiter kein Wort zu ver¬
lieren. Schwerlich würde ich den Mut gefunden haben, mich vor den
Lesern dieser Zeitschrift zu rechtfertigen, wenn es mir nicht gelungen
wäre, die chronologische Anordnung durchsetzen zu können. Dass mir
in dieser Beziehung völlig freie Hand gelassen wurde, verdanke ich dem
Vorsitzenden der Direktion, Bürgermeister Dr. G. Reicke. In Berlin
war bis dahin keine vorgeschichtliche Sammlung chronologisch geordnet.
Die prähistorische Abteilung des Königl. Museums für Völkerkunde trat
dann gelegentlich des Historikerkongresses mit einer chronologisch geord¬
neten Ausstellung an die Öffentlichkeit.
Die 7 Räume der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen
Museums liegen zu ebener Erde (Abb. 1). „Für sie wurde ein schlichter,
schwerer Eindruck erstrebt. Die Behandlung aller Vitrinen und Schränke
sowie aller Holzteile mit Verwendung von Holznägeln zeigt einen
derben ursprünglichen Charakter. Auch die Fussböden wurden in diesem
Sinne gebildet 1 )“. Der Vorraum nahm 3 Einbäume auf. Ihnen gegen¬
über habe ich 6 grosse Tongefässe aufgestellt, die zugleich je eine der
6 Perioden der märkischen Vorgeschichte vertreten. Neben diesen wie
neben allen anderen Gegenständen der ganzen Abteilung liegt je ein
mit leicht lesbarer Schrift bedruckter Zettel, der ausser
der Bezeichnung des Gegenstandes stets Fundort und
Nummer (für wissenschaftlich interessierte Besucher) sowie eine
ganz kurze Beschreibung trägt nebstAngabe derZeit, aus
! ) Ludw. Hoffmann: Neubauten der Stadt Berlin. Bd. VIII. Mark. Mus. Mit
50 Tafeln. Berlin 1909. E Wasmuth. S. VIII.
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111. Aus Museen und Vereinen.
133
welcher der Fund stammt. Ausserdem ist in jedem Saale
eine kleine Holztafel angebracht worden, auf welcher die
Zeitdauer der betreffenden Periode angegeben ist, z. B.
Saal VI: „Jüngere Bronzezeit 1200—800 v. Chr.“; Saal VIII: „Latene-
Zeit 500—1 v. Chr.“
Abb. 1. Grundriss der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums.
Unter den vorgeschichtlichen Altertümern gibt es bekanntlich viele,
die auch das Auge jedes Kunstfreundes erfreuen. Es ist darauf gesehen
worden, dass die Gediegenheit und Schönheit vieler Funde ins rechte
Licht gerückt wurde. Doch ist selbstverständlich um des schönen Ein¬
druckes willen niemals ein Gegenstand an einen falschen Platz gestellt
worden. Strenge Wissenschaftlichkeit war höchstes Prinzip. Die Prä¬
historie will ja nicht nur Kunstgeschichte — sie will mehr, sie will
Kulturgeschichte sein.
Bezüglich der Tongefässe kam es mir mehr auf Echtheit als auf
Abrundung an. Solche, von denen nur Scherben vorhanden waren,
wurden selbstverständlich zusammengesetzt, niemals aber „ergänzt“ und
noch viel weniger etwa mit der Bürste bearbeitet, um ihnen einen Glanz
zu geben, den sie niemals besessen haben.
Als Hintergrund für die Tongefässe und als Untergrund für grössere
Bronzen und für Eisen hat sich der grobe graue Rupfen meiner An-
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PRINCETON UNIVERS1TY
134
III. Aus Museen und Vereinen.
Abb. 2. 1 Periode der Bronzezeit.
Etwa 2000—1600 vor Chr. */*> nat. Gr.
Schwertstab von Metzelthin, Kr. Ruppin.
Kupferdoppelaxt: Petersberg b. Halle a S.
Kupferbeil, Nattwerder, Kr. Ost-Havelland.
Bronzenadcln mit schräg durchbohrtem
Kugelkopf: a) Paplitz, Kr. Jerichow 11,
b) Hohenkränig, Kr. Königsberg i. N.
Rollennadel, Ahrcndsdorf, Kr. Teltow,
Bronzedepotfund, Wustermark, Kr. Ost-
Havelland. 2 Armringe, Schönwerder, Kr.
Prenzlau. 2 Ösenringe, Kr. Soldin. Hals¬
ring und Spirale, Rehnitzer Bruch, Kr.
Soldin. Bronzemeissei a) Blankensee, Kr.
Templin, b) Lunow, Kr. Angermünde.
Armspirale, Neu-Ruppin. Manschetten¬
armband, Westhavelland. Langgestielte
Randäxte von Kläden, Kr. Stendal.
2 Schwertstabklingen von Gr.Schwechten,
Kr. Stendal. Bronzedolch von Lüben,
Westpreussen. In der Mitte: Entwicklungs¬
reihe der Bronzebeile (Flach-, Rand- und
älteste Form der Absatzaxt).
sicht nach durchaus bewährt. Als Unter¬
grund für Silberfunde wurde ein etwas
feineres Gewebe mit entsprechender Tönung
gewählt. Sammet blieb völlig ausge¬
schlossen; auch das Aufziehen auf Papp¬
kartons ist gänzlich vermieden worden.
Wenn die Schausammlung des Märk.
Museums auch nur eine Auswahl der vor¬
geschichtlichen Funde aufweist, so wird
dem Besucher doch nichts Wesentliches
entzogen.
Der Steinzeitsaal enthält neben einer
Sammlung von Harpunen, Hirschgeweih¬
hacken, Beiltypen, Lanzen- und Pfeil¬
spitzen, Messern und Meissein die jedem
Vorgeschichtsforscher bekannten Tonge-
fässe aus der unterirdischen Steinkiste von
Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow 1 ), und
Steinzeitfunde von Liepe, Kr. Änger-
münde 2 ), Bandelow, Kr. Prenzlau')»
Schönwerder, Kr. Prenzlau 4 ), Sternhagen,
Kr. Prenzlau 5 ) u. a. Aus der ersten
Bronzeperiode habe ich eine ganze Tür¬
vitrine belegen können, die fast sämtliche
Typen jener Zeit enthält (Abb. 2). Der
Depotfund von Mittenwalde, Kr. Teltow 6 ),
aus der zweiten Periode der Bronzezeit ist
ja von Kossinna ans Licht gezogen und in
seiner Bedeutung genügend gewürdigt wor¬
den (Abb. 3). Die Depotfunde von Spind-
lersfeld bei Cöpenick 7 ), Vehlow (Prignitz)
und die wissenschaftlich hochbedeutsamen
Funde aus den Hügelgräbern von Weit¬
gendorf 8 ) vertreten u. a. die dritte Periode.
Der Saal der jüngeren Bronzezeit ent¬
hält z. B. den Depotfund von Biesenbrow
und das berühmte Königsgrab von Seddin,
bekanntlich das Glanzstück des Märki¬
schen Museums. In Saal VII ist die Lau¬
sitzer Keramik aufgestellt, als Vertreterin
der von Kossinna so genannten Kultur
*) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (151). Brunner: Steinzeitl. Keramik in der Mark
Brdbg. Braunschweig 1898. S. 4 ff. Abb. S. 5.
а ) Zeitschr. f. Ethn. XII. S. (227) ff. 1880. XXII. S. (367) ff. 1890. XXIV. S. (180)
1892. Brunner : S. 18 (Abb.)
3 ) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. S. (180) 1892. Brunner: S. 17. Fig. 48.
4 ) Z. f. E. XXIV S. (181). 1892. Brunner: Fig. 47. S. 17.
5 ) Z. f. E. XXIV S. (181). 1892. Brunner: S. 17. Fig. 49.
б ) Zeitschr. f. Ethn. XXIV. 1902 S. 209.
7 ) Z. f. E. XXIV. S. (427) 1892. XXXIV S. (261) 1903. Brandenburgia (Monats¬
hefte) I. S. 28 u. 37 f. Abb. Tafel.
8 ) A. Götze: Kunstdenkmäler der Provinz Brdbg. I. 2. S. 64 f.
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III. Aus Museen und Vereinen.
135
der Karpo-Daker. Derselben Kultur gehört auch das von mir erst im
Februar 1908 ausgegrabene Buckelurnengrab von Hasenfelde bei Fürsten¬
walde an, das genau so aufgestellt wurde, wie ich es gefunden habe
(Abb. 4). Der grosse Saal enthält die Altertümer der Latene-Zeit und
der römischen Kaiserzeit,
neben den chronologisch
geordneten Fibeltypen
meist Funde aus den
eisenzeitlichen Gräberfel¬
dern der Mark. Bemer¬
kenswert sind namentlich
die in besonderen Vitrinen
untergebrachten Mäander¬
urnen nebst Beigaben von
Buchow und Fohrde aus
dem Havellande, vonSee-
low, Kr. Lebus und von
Milow, Kr. Westprignitz.
— Der letzte Saal birgt
Funde aus der Wenden¬
zeit (6. bis 12. Jahrh.).
Neben Altertümern aus
wendischen Ansiedlungen
und Burgwällen (Tonge-
fässen, Scherben mit
charakteristischen Verzie¬
rungen, Schlittknochen,
Schläfenringen usw.) sind
hier die hervorragenden
Hacksilberfunde *) von
Leissow, Niederlandin, Gralow, Tempelhof und Sonnenwalde ausgestellt.
Die notwendige Ergänzung der Schausammlung ist die Stu¬
diensammlung. Sie ist in 2 Geschossen des grossen Turmes unter¬
gebracht. Jedes Geschoss hat eine Grundfläche von etwa 115 qm. Das
untere enthält 16 Glasschränke (4 zweitürige, 8 dreitürige und 4 vier¬
türige). Es sind das die Schränke, die zum alten Bestände des Museums
gehören. Der Raum wird erleuchtet durch 28 Glühbirnen (jede 16 kerzig,
110 Volt). Das obere Geschoss ist rings an den Wänden mit 2,20 m
hohen neuen Schränken versehen (18 zweitürige und 1 eintüriger;
Kiefer; grau; Wasserbeize). In der Mitte des Raumes stehen für Aus¬
lagen u.a. 2 Tische (1,20 -.3 m) und an den beiden Fenstern sind kleinere
Arbeitstische angebracht, die durch je eine Glühbirne noch besonders
beleuchtet werden können. Der ganze Raum wird erhellt durch 4 Os¬
ramlampen (jede 100 kerzig, 110 Volt). Zum Anbringen von Hand¬
lampen dienen 7 Steckkontakte. — Die Funde der Studiensammlung
sind nach Landschaften, Kreisen und Ortschaften geordnet, um ein
schnelles Auffinden der einzelnen Nummern zu ermöglichen. Auch jeder
*) Vgl. Hervorragende Kunst- und Altertumsgegenstände des Mark. Mus. in
Berlin. Heft I. 1896. Mertens & Cie.
Abb. 3. Bronzefund von Mittenwalde, Kr. Teltow.
2. Periode der Bronzezeit.
Etwa 1600- 1400 vor Chr.
2 Dolchklingen, 1 Randaxt, 1 dickwanzige Bronzepinzette,
1 Bronzenadel und 1 Bronzesichel.
Im Saal V der vorgcsch. Abt. d. Märk. Museums.
'/» nat. Gr.
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136
III. Aus Museen und Vereinen.
fremde Forscher, der zu Studienzwecken das Mark. Museum besucht,
würde sich bei der ausgezeichneten Beleuchtung und der verhältnis¬
mässig weitläufigen Aufstellung sofort zurechtfinden. Die Sammlung
stellt nicht — wie so oft sonst — ein in Kisten und Kästen verpacktes
Magazin dar, sondern eine wirklich zu Studienzwecken übersichtlich ge¬
ordnete „Studiensammlung“. Die Arbeiten in dieser Abteilung sind
noch nicht beendet. Jeder Besucher dürfte aber schon den richtigen
Eindruck erhalten von der Reichhaltigkeit der vorgeschichtlichen Schätze
des Museums. Die Gefässe von Billendorf und Jessen-Jüritz aus dem
Kreise Sorau nehmen je allein einen viertürigen Schrank in Anspruch.
Im oberen Stockwerk sind die Altertümer aus dem Frankfurter Bezirke
Abb. 4. Buckelurnengrab von Hasenfelde, Kr. Lebus.
Ausgegraben am 28. Febr. 1908.
Aufgestellt im Saal VIII der vorgesch. Abt. des Mark. Museums.
1 i« nat. Gr.
untergebracht, im unteren die aus dem Potsdamer und dazu die aus
der Ältmark, aus Schleswig - Holstein, Pommern, Posen und dem
Rheinlande.
Ziel ist, dass der Forscher in Zukunft — dazu gehört
natürlich noch viel Arbeit — nicht nur die Funde selbst, son¬
dern bei jedem Funde auch die entsprechende Literatur
verzeichnet findet.
Ich bin niemals im Zweifel darüber gewesen, dass der im Märk.
Museum eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist. Wer sich sonst
noch davon überzeugen will, der beobachte das Publikum in der Schau¬
sammlung. Die allermeisten gehen nicht mehr verständnislos und ge¬
dankenlos durch die Säle. Sie studieren fast jeden Zettel, werden
durch die Beschreibung aufmerksam auf die Eigentümlichkeiten der
einzelnen Funde und nehmen wirklich etwas mit. Probe auf das
Exempel war es mir, dass einige Berichterstatter, die von der Vorge¬
schichte bisher nichts verstanden — ein einziger Schnitzer verrät ja oft
den Laien —, an der Hand meiner Zettel und des von mir verfassten
kleinen „Führers“ einen ganz brauchbaren Überblick über die märkische
Vorgeschichte geschrieben haben. Sie haben sich also durchgefunden.
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III. Aus Museen und Vereinen.
137
Das war der Zweck der Schausammlung. Manches muss noch vervoll¬
kommnet werden; durch Hinzufügung einzelner Zeichnungen (z. B. Dar¬
stellung eines germanischen Kriegers der Völkerwanderungszeit im vollen
Waffenschmuck oder der Frauenkleidung während der Bronzezeit u. dgl.)
wird vieles noch anschaulicher werden.
Der ganz kurz gefasste „Führer“ gibt selbstverständlich nur die
allernotwendigsten Fingerzeige. Die genaue Einführung und Erklärung
muss einem umfangreicheren „Führer durch die vorgeschichtliche Abteilung
des Märkischen Museums“ Vorbehalten sein.
Abb. 5. Bronze-Wendelring von Fehrbcllin (Osthavelland).
Im Saal VI der vorgesch. Abt. des Märk. Museums.
V» nat. Gr.
Aus der Provinz Posen.
Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen,
vom Juli bis Dezember 1908,
mitgeteilt von Erich Blume, Posen.
Zugrunde gelegt ist der Aufzählung eine Einteilung nach den deutlich
hervortretenden grossen Kulturgruppen, die auf Grund der Kossinnaschen
Forschungen ethnographisch benannt werden. Die allerältesten vorindo¬
germanischen Kulturstufen sind in der Provinz überhaupt nur sehr schwach
vertreten. G. v. = geschenkt von; Grf. Gräberfeld; fr. = früher*;
Slg. = Sammlung.
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138
III. Aus Museen und Vereinen.
I. Indogermanische Zeit
(Steinzeitliche Gräberperiode und Periode I der Bronzezeit).
1. Golencin, Kr. Posen-Ost: Auf den Höhen am Bogdankatal:
Prismatische Messer und Schneide eines Beiles aus Feuerstein u. a.
(auch jüngere Perioden sind in zahlreichen Scherben von verschie¬
denen Fundstellen vertreten). — G. v. Sammlungsaufseher Thamm
und wissenschaftl. Hilfsarbeiter Blume-Posen.
2. Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza: aus der Grünfliessniederung:
Randscherben mit hängenden kurzen Linien am Rande, offenbar
von einem Trichterrandbecher, u. a. — G. v. Distriktskommissar
Schober-Roneck.
3. Kischewo, Kr. Obornik: Steinbeil. G. v. Lehrer Gruhn-K.
4. Kokorzyn, Kr. Kosten: (Ziegelei): Bei einer amtlichen Aus¬
grabung (vgl. Nr. 36) fanden sich Scherben und ein Tonwirtel aus
der Steinzeit.
5. Lassek-Luban, Kr. Posen-West: in ausgewehten Sanddünen
der „Wüste" an der Warthe: Steinzeitliche Siedlungsstelle mit
massenhaften Abfällen von der Feuersteinbearbeitung, Scherben,
Bewurfstücken u. dergl. Teilweise sind noch bestimmte rundliche
Plätze mit besonders dichtliegenden Resten zu erkennen, offen¬
bar ehemalige Hüttenböden. Ins Museum gelangten zahlreiche
Funde: Prismatische Messer, Pfeilspitzen (meist mit eingewölbter
Basis) u. a. Geräte aus Feuerstein, meist kleine, selten grössere
Stücke: wie eine Lanzenspitze, ein dicknackiges Beil aus Feuerstein,
von Steinbeilen treten besonders die Arbeitsbeile mit abgesetzten
Nacken hervor. Scherben mit Schnurverzierung (unecht), häufiger
grössere Stücke von Gefässen mit Wülsten dicht unter dem Rande,
die manchmal Fingernägeleindrücke aufweisen, Griffzapfen und
-warzen u. a.
G. v. Lehrer Vorwerk-Luban und Sammlungsaufseher Thamm-Posen.
6. Neugedank, Kr. Obornik: Steinaxt. G. v. Lehrer Gruhn-K.
7. Rad lau (Grenze von Kazmierz) Kr. Samter: Schneidenteil einer
Steinaxt u. a. G. v. Distriktskommissar Münster-K.
8. Südhof, Kr. Grätz: dicknackiges Feuersteinbeil. G. v. Schäfer
Siedler-Dombrowo b. Eichenhorst.
9. Szczodrowo, Kr. Kosten: dünnackiges Jadeitbeil. G. v. Ritter¬
gutsbesitzer Lehmann-Nitsche-Chelmno b. P.
10. Szczodrowo, Kr. Kosten: Schneidenteil einer Steinaxt.
11. Szczodrowo, Kr. Kosten: Bronzedepotfund der Periode I
(2 Halsringe mit Usenenden, 4 grosse ovale offne Armringe), vgl.
Prähistorische Blätter 1894 (VI), 20 ff. Taf. IV—VI. Nachrichten
über deutsche Altertumsfunde 1892, 50. Montelius, Die Chronologie
der ältesten Bronzezeit. S. 37 Nr. 5. — Nr. 10 und 11 G. v. Pro¬
fessor Lehmann-Nitsche, La Plata.
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III. Aus Museen und Vereinen.
139
II. Thrakische (Karpodakische) Kulturgruppen.
(Älteste Stufe Zeit der Buckelurnen; mittlere Stufe Periode III—IV,
jüngste Stufe Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit).
Mittlere Stufe (ca. 1300—900 v. Chr.).
12. Bomblin II, Kr. Obornik: 7 Tongefässe, 1 Bronzenadel von
einem Gräberfeld. G. v. Lehrer Gruhn-Kischewo.
13. Czempin, Kr. Kosten: Scherben. — G. v. f Gerichtsvoll¬
zieher a. D. Grams-Posen.
14. Fol Ist ein, Kr. Filehne: 2 Tongefässe. G. v. Lehrer Hantke-F.
15. Miala, Kr. Filehne: 18 Tongefässe, 1 ‘Käsestein’ von einem
Gräberfeld. G. v. Lehrer Bartoschek-M.
Jüngste Stufe (ca. 900—500 v. Chr.).
16. Brodowo, Kr. Schroda: 3 Tongefässe. Slg. Kozubski.
17. Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda: Keramik, Bronzen (Arm¬
ringe, Nadeln u. a.), Eisenbeigaben, Perlen aus der Slg. Kozubski.
— Etwa 20 Gräber wurden auf demselben grossen Gräberfelde im
Juli amtlich ausgegraben.
18. Kazmierz, Kr. Samter. Amtliche Ausgrabung auf einem schon
zerstörten Gräberfeld. (Anm. Es handelt sich um ein anderes als
das von Schwartz, Materialien zur vorgeschichtlichen Kartographie
der Provinz Posen, Nachtrag I, 7 f., II, 6 ff., III, 6 f., IV, 3 f. be¬
handelte bekannte Gräberfeld, das auf dem zum Rittergute Neu¬
dorf (früher Kazmierz) gehörenden Vorwerk Gorzewice liegt und
richtiger unter diesem Namen geführt wird.
19. Markenfelde (fr. Markowice), Kr. Schroda: 2 Tongefässe
von einem Gräberfeld. Slg. Kozubski.
20. Pierschno, Kr. Schrimm: Keramik von einem Grf. Slg. Kozubski.
21. Roneck, Kr. Hohensalza: Zipfelschale und verzierter Rand¬
scherben. G. v. Distriktskommissar Schober-R.
22. Schroda: Tongefäss von einem Grf. G. v. Fuhrwerksbesitzer
Wilhelm Schmidt-Schr.
23. Wlostowo, Kr. Schroda: Keramik und Beigaben von einem Grf.
(vgl. Nr. 39). Slg. Kozubski.
24. Ki sehe wo, Kr. Obornik: 2 gr. fast gleiche geschlossene, hohle
Nierenringe aus Bronze mit vertieften sich schneidenden Linien und
Hoftüpfeln verziert (Periode VI), an verschiedenen Stellen einzeln
gefunden. G. v. Lehrer Gruhn-K.
III. Germanische Kulturgruppen.
(Periode V der Bronzezeit und älteste Eisenzeit im Norden. Latene-
und römische Kaiserzeit fast in der ganzen Provinz).
a) Ältere Stufen der Latenezeit (ca. 500—150 v. Chr.).
25. Chlewisk, Kr. Samter: Urne und Henkelgefäss aus zerstörter
Steinkiste.
26. Golencin, Kr. Posen-Ost: 4 Gräber (davon 3 eingepackte Stein¬
kisten) amtlich ausgegraben.
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140
III. Aus Museen und Vereinen.
27. Kirchl ich-Murzynowo, Kr. Schroda: Henkelgefäss. G. v.
Lehrer Englert-K.-M.
28. Königsrode (fr. Krolikowo), Kr. Schubin: Urnen und Beigefässe
aus einem Steinkistengrab. G. v. Gutsverwalter Plümicke-K.
29. Neu-Paulsdorf (fr. Polskawies), Kr. Gnesen: Urne mit zwei
Henkeln aus einem Steinpackungsgrabe (?) — G. v. Distrikts¬
kommissar v. Ramsau-Kletzko.
30. Nochau,Kr. Schrimm: Keramik und Beigaben. G. v. Domänen¬
pächter L. Kinder-N.
31. Radosiew, Kr. Czarnikau: 3 Tongefässe aus einer Steinkiste.
G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke.
32. Rzadkowo, Kr. Kolmar: Keramik und Beigaben aus Stein¬
kistengräbern. G. von Lehrer Wienke-Rz.
33. Walkowitz, Kr. Czarnikau: Urne aus einer eingepackten Stein¬
kiste. G. von Hauptlehrer Thiele-Schönlanke.
b) Jüngste Stufe der Latenezeit (Reinecke D. Tischler A
150—1 v. Chr.) und römische Kaiserzeit (1—400 n. Chr.).
34. Dembicz-Kolonie, Kr. Schroda (sicher? vgl. auch Nr. 39):
2 br. Latenefibelbruchstücke; ein Fibelbruchstück der älteren Kaiser¬
zeit (Slg. Kozubski).
35. Kischewo, Kr. Obornik: Vasenförmiges Tongefäss und Schale,
offener drahtförmiger Bronzearmring. G. v. Lehrer Gruhn-K.
36. Kokorzyn, Kr. Kosten (Ziegelei). Amtliche Ausgrabung von
9 Gräbern der älteren Kaiserzeit mit Beigaben (3 Brandgruben,
5 Urnen mit dunkler oder Branderde, davon 1 mit Waffen, 1 Urne
in reinem Sande mit Waffen). — Verzierter Scherben g. v. Ritt¬
meister a. D. Hildebrand-K.
37. Nochau, Kr. Schrimm: Scherben mit Branderdebelag, u. a.
Randscherben mit Henkel (D. A.), Mäanderscherben; Lanzenspitze
und -schuh mit Feuerpatina. (Anm.: Ausserdem wurde eine ver¬
rostete eiserne Lanzenspitze und ein Schädel aus einem Skelett¬
grabe geschenkt, dessen Zeitstellung nicht sicher scheint). G. von
Domänenpächter Kinder-N.
38. Siedlemin, Kr. Jarotschin. Funde aus einem Hügelgrab der
Kaiserzeit! G. von Pfarrer Gibasiewicz-S.
39. Wlostowo, Kr. Schroda: eiserne Beigaben (Schere, Messer u. a.)
aus Urnen. Slg. Kozubski.
IV. Slawische Periode (ca. 800—1200 n. Chr.).
40. Bielawy, Kr. Grätz: Tongefäss mit Wellenlinie verziert, aus
dem See. G. von Professor Lehmann-Nitsche, La Plata.
41. Golina, Kr. Jarotschin: Scherben vom Ringwall. — G. von
Pfarrer Gibasiewicz-S.
42. Montschnik, Kr. Schroda: Scherben, Knochen, Schläfenring
von einem Siedlungsplatz neben dem Kirchhof.
43. Posen: Scherben, gef. bei Kanalisierungsarbeiten in der Nähe
des Doms (ausgehende slawische Zeit). G. der Stadt Posen.
44. — Tongefässe derselben Zeit, gef. beim Abbruch des alten jüdischen
Tempels. G. der jüdischen Gemeinde zu Posen.
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PRINCETON UNIVERS1TY
III. Aus Museen und Vereinen.
141
Deutsche Gesellschaft,
Naturwissenschaftliche Abteilung, in Posen.
Am 17. März fand in der Königlichen Akademie zu Posen
die monatliche Versammlung der Natur wissenschaftlichen Ab¬
teilung der Deutschen Gesellschaft statt. Erich Blume, wissen¬
schaftlicher Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrich-Museum ergriff das Wort zu
einem Vortrag über: „Die chronologische und die ethnographische Methode
der vorgeschichtlichen Forschung". Nach einem kurzen Überblick über die
Entwickelung der Vorgeschichtswissenschaft aus der Volkssage heraus bis in
die Gegenwart, wurden die beiden in den letzten Jahrzehnten geschaffenen
Hauptmethoden: die chronologische, die auf eine zeitliche Anordnung zielt,
und die ethnographische, die sich mit der Aufstellung der geographisch ver¬
teilten Kulturgruppen, deren Verschiebung und stammeskundlicher Deutung
befasst, an Lichtbildern erläutert. Die chronologische Methode wurde einge¬
führt von Oskar Montelius in seinem schwedischen Werke ‘Om tidsbestämning
inom bronsiildern* (Stockholm 1885, Preis 6 Kr.), später für andere
Perioden weiter angewandt und schliesslich deutsch dargestellt von dem¬
selben Verfasser: „Die älteren Kulturperioden im Orient und Europa.
Die Methode." Stockholm 1903. Auf der Grundlage einer möglichst ge¬
nauen relativen Chronologie arbeitet die ethnographische Methode. Sie
wurde durch Aufstellung der Kulturgruppen in Ostpreussen von Otto
Tischler (Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft 1890, 97 ff.)
in einer gewissen Hinsicht vorbereitet und dann vornehmlich durch die
Verbindung von Ergebnissen der sprachwissenschaftlich - historischen
Stammeskunde mit den archäologischen Erkenntnissen von Gustaf Kossinna
auf sichere Grundlage gestellt in einem Vortrage auf dem Kasseler
Anthropologenkongresse von 1895 über die vorgeschichtliche Ausbreitung
der Germanen. Praktisch wurde diese Richtung weitergeführt in seinen
Arbeiten: Die indogermanische Frage archäologisch beantwortet (Zeit¬
schrift für Ethnologie 1902, 161 ff.); Über verzierte Eisenlanzenspitzen
als Kennzeichen der Ostgermanen — ebenda 1905 — und in kleineren
Aufsätzen. Durch eigene Studien gewonnene Beispiele für diese Methode
brachte der Vortragende aus den Provinzen Ost- und Westpreussen vor,
wo die germanische Stammesgeschichte zur römischen Kaiserzeit schon
besonders gut geklärt werden kann. Mit dieser Methode mündet die
Vorgeschichtsforschung in die Geschichte ein. Andererseits arbeitet sie
Hand in Hand mit den Naturwissenschaften, besonders der Anthropo¬
logie und Geologie: für die Feststellung der Anfänge der menschlichen
Kultur. Im weitesten Sinne des Wortes ist sie Kulturwissenschaft, die
Betrachtungsart der Gerätformen und Verzierungen bringt sie in Be¬
ziehung zu der Kunstgeschichte, und mit der sprachwissenschaftlichen
Altertumskunde muss sie Zusammengehen zur Ermittlung der Träger
der verschiedenen Kulturgebiete.
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142
III. Aus Museen und Vereinen.
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Societe prehistorique de France.
Unser Mitglied Dr. A. Guebhard, Vorsitzender der Societe
prehistorique de France, hat eine bemerkenswerte Ansprache gehalten,
bei der Gelegenheit, als er am 28. Januar d. J. vom Präsidentenstuhl
Besitz ergriff. Eine Stelle daraus ist auch für unsere Gesellschaft von
hohem Interesse.
Der Redner beklagt es, dass die menschliche Gedankenkapsel, die
seit der Zeit des Homo Mousteriensis so beträchtliche Erweiterungen
gewonnen habe, doch nicht unbegrenzt ausdehnbar sei und darum, wenn
sie gefüllt sei, sich erst von Altem entlasten müsse, um Neues auf¬
nehmen zu können.
„Das ist es/' so sagt er, „was immer weitere wissenschaftliche
Spezialisierungen notwendig macht. Und ist nicht aus einer solchen
Spezialisierung nach dem unabwendbaren Gesetz der Arbeitsteilung auch
unsere französische Gesellschaft für Vorgeschichte geboren worden,
die durch Spaltung entstandene Tochter der hochehrwürdigen Pariser
anthropologischen Gesellschaft, die noch ganz ausser Atem ist (ebrouee)
über diese unerwartete Parthenogenesis, aber glücklicherweise zurück¬
gekommen ist von ihrer ersten Anwandlung, das Kind zu verschlingen,
um ihm die Mutter zu erhalten? Mutter und Kind befinden sich wohl.
Warum sollte sich also erstere, die schon gross ist und täglich grösser
wird, erschrecken, wenn sie sieht, dass auch letzterer gross wird.
Den Beweis, dass hier nur ein notwendiges und durch den Lauf der
Dinge gegebenes Ereignis eingetreten ist, liefert die Tatsache, dass ein
gleiches in allen Ländern sidi wiederholt. Ganz neuerdings sind in
England, für sein Ostgebiet, ebenso in der Schweiz Gesellschaften für
Vorgeschichte gegründet worden unter dem Vorsitz hervorragender Ge¬
lehrter, die wir zu unseren Mitgliedern zu zählen die Ehre haben, so
Herrn Dr. Allen Sturge und Herrn Wiedmer-Stern, den Direktor
des historischen Museums zu Bern, „des Historischen" wohlgemerkt!
Noch bemerkenswerter ist es, dass durch eine eigenartige Umkehr der
Dinge die neue Schweizer Gesellschaft satzungsgemäss in ihr Bereich
einbezieht Anthropologie und Ethnologie, die ihrerseits eines besonderen
Gesellschaftsmittelpunktes ermangeln, und das in einem Lande, wo sie
trotzdem zahlreiche Anhänger besitzen! In Deutschland besteht die
Teilung seit lange 1 ). Solche Teilungen sind aber Vervielfältigungen.
*) Dies ist leider ein Irrtum des hochverehrten Herrn Redners, dem er, wie
er mir schreibt, durch den Umstand verfallen ist, dass ich selbst 1907 dem 3. fran¬
zösischen Prähistorischen Congress zu Autun, wo ich andauernd den anregenden
Verkehr des Herrn Guebhard, des Präsidenten jenes Congresses, zu geniessen
die Ehre hatte, als Vertreter der Deutschen anthropologischen Gesellschaft beiwohnte,
Go igle
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III. Aus Museen und Vereinen.
143
Und die Mittelpunkte wissenschaftlicher Tätigkeit vervielfältigen, heisst
alle Wissenschaften stärken, denn schliesslich zieht jede von ihnen
früher oder später ihren Vorteil aus den Fortschritten al 1er andern.
Könnten doch die törichten Eifersüchteleien ihre Ohnmacht ein-
sehen und vor der vollendeten Tatsache sich beugen! Alle haben Platz
an der Sonne; und noch niemals haben Verfolgungen oder gegen¬
seitige Bekämpfungen von Sekten den Enderfolg einer lebensfähigen
Religion hintangehalten. Oder ist etwa die Religion etwas Schöneres
als die Wissenschaft? Bleiben wir der unsrigen treu und öffnen wir
weit die Pforten des Tempels allen Adepten. Das Gotteshaus zu
schliessen ist gut für Zeiten der Gefahr. Aber wenn einmal der Kampf
ums Dasein gewonnen ist, was haben dann die priesterlichen Ver¬
wünschungen noch für einen Sinn? Lasst zu uns kommen gross und
klein; wir werden uns mit Macht verdoppeln, wenn wir sowohl unseren
inneren Wert als unsere Zahl verdoppeln.
Der Bekehrungseifer ist immer noch das beste Merkmal der Über¬
zeugung; ein Glaube, der nicht agitiert, hat keine Wirksamkeit. Jedes
Mitglied muss in seinem Kreise agitieren für die Gesamtheit durch
tätiges Werben von Beitrittserklärungen, die man nicht ab warten darf,
sondern bei jeder Gelegenheit anzuregen verstehen muss. ..."
Da können wir nur sagen: tout comme chez nous. Auch für
uns gilt in hohem Masse die letzte Mahnung, Mitglieder zu werben.
Nur eine grosse Zahl von Mitgliedern kann die Gesellschaft gegen
alle Wechselfälle und äussere Angriffe dauernd schützen. Die fran¬
zösische Gesellschaft besteht seit 1904, also 5 Jahre lang und hat es
auf nahezu 350 Mitglieder gebracht. Aber dort sind wenigstens die
Prähistoriker einig; wären wir deutsche Prähistoriker ganz einig, würden
wir schon beim ersten Zusammenschluss 350 Mitglieder gezählt haben. So
aber sind wir erst 250, wir müssen jedoch mit aller Macht dahin
streben, schon im ersten Jahre wenigstens auf 300 zu kommen. —
Dann der andere Punkt: wenn in Frankreich — und ich weiss es
durch meinen Freund Rutot auch für Belgien — nach 5 Jahren die ge¬
nannten Prähistoriker noch mit einer so starken Feindschaft der Anthro¬
pologischen Gesellschaft zu kämpfen haben, wie obige Ansprache zeigt,
so brauchen wir über unser jetziges unerquickliches Verhältnis zur Ber¬
liner und zur Deutschen Anthropologischen Gesellschaft wahrhaftig nicht
zu unglücklich zu sein; wir werden gewiss, wenn auch nicht 50 Jahre
lang, wie Moltke es nach 1870 für das Deutsche Reich voraussagte,
so doch eine Reihe von Jahren noch Gewehr bei Fuss stehen müssen,
um uns gegen die eifersüchtigen Unterdrückungsbestrebungen der älteren
Gesellschaften zu wehren. G. K.
die Herr Guebhard in derselben Rolle eines vermeintlichen Verfechters der Vorge¬
schichtsforschung gegenüber den Übergriffen der vorwiegend anthropologisch und
ethnologisch interessierten Berliner anthropologischen Gesellschaft sich dachte, die
in Paris die dortige Societe prehistorique de France gegen die ältere Societe
d’anthropologie de Paris einnimmt. G. K.
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144
III. Aus Museen und Vereinen.
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Die Gründung der Zweiggesellschaft der Berliner Gruppe der Deutschen
Gesellschaft für Vorgeschichte erfolgte am 3. Januar 1909 in unmittel¬
barem Anschlüsse an die Gründung der Hauptgesellschaft. Der auf ein
Jahr gewählte Vorstand besteht aus den drei Vorsitzenden: Universitäts¬
professor Dr. Gustaf Kossinna, General z. D. Rudolf Lieb mann
Exz., Archivrat Dr. Georg Schuster, aus den drei Schriftführern:
Dr. Albert Kiekebusch, Dr. Gustav Al brecht, Bezirksgeologe Dr.
Joh. Korn und dem Schatzmeister: Zahnarzt Otto Seemann-Berlin,
Schönhauser Allee 177. Der Jahresbeitrag ist vorläufig auf 3 Mark fest¬
gesetzt worden, für Studierende der Berliner Hochschulen auf 1 Mark.
Sitzungsberichte.
Die 1. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am
13. Februar im Vortragssaale des Märkischen Museums am Mär¬
kischen Platz statt.
Der erste Vorsitzende, Universitäts-Prof. Dr. Kossinna, eröffnete
die gut besuchte Versammlung mit einem kurzen Hinweis auf die Ziele
und Bestrebungen der Hauptgesellschaft und legte dar, dass es die Auf¬
gabe der Zweiggesellschaften sei, die Kenntnis von den Ergebnissen der
vorgeschichtlichen Forschung in den weitesten Kreisen des Volkes zu
verbreiten. Zu diesem Zwecke würde die Zweiggesellschaft Berlin in
jedem Monat eine öffentliche Sitzung mit Vorträgen und Vorlagen ver¬
anstalten und zu geeigneter Zeit Ausflüge zur Besichtigung vorgeschicht¬
licher Fundstätten unternehmen.
Prof. Kossinna hielt dann einen Vortrag „Germanen-Darstel-
lungen in der antiken Sku lptur", in dem er unter Vorführung
zahlreicher Lichtbilder einen Überblick über die der Nachwelt erhaltenen
römischen Bildwerke, auf denen Germanen dargestellt sind, gab und
seinen Zuhörern vorführte, welche Körperbeschaffenheit die alten Ger¬
manen zeigten, wie sie sich kleideten und was ihr Tun und Treiben war
in dem Augenblicke, der vom Künstler für die Darstellung gewählt wurde.
Nach den Berichten der römischen Historiker erschienen die
Germanen den Römern als eine durchaus eigenartige, reine und nur
sich selbst gleiche Rasse, deren auffallend hoher und dabei schlanker
Wuchs, deren grosse Körperkraft und selbstbewusste, stolze Haltung die
Bewunderung der römischen Eroberer erregte. Die zweite hervor¬
stechende Eigenschaft des germanischen Typus, die den Römern auffiel,
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III. Aus Museen und Vereinen.
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ist die sogenannte helle Komplexion, zu der eine weisse und zugleich
rosige Gesichtsfarbe, überhaupt durchsichtige Helle der gesamten Haut,
blaue, scharfblickende Augen und eine Fülle blonden Gelocks gehören.
Angaben über die Kopf- und Gesichtsbildung fehlen allerdings bei den
alten Historikern, aber zur Vollendung des germanischen Typus treten
hier die Grabfunde ein, denen wir entnehmen, dass Langgesichtigkeit
und Langköpfigkeit bei den Germanen durchaus vorherrschen. Zu dem
langen oder besser hohen, schmalen und kräftig profilierten Gesicht ge¬
hören eine längliche, schmale, feine Nase, die entweder gerade oder
hakenförmig als Adlernase gestaltet ist, zurücktretende Jochbeine mit
senkrecht gestellter Wangenplatte, stark hervortretende Augenbrauen
und eine breite, flache und hohe, aber nicht gerade steile, sondern
mehr allmählich aufgewölbte Stirn. Ferner ist die Kieferpartie sehr
kräftig entwickelt, mit Neigung zu schräg nach vorn gerichteter Stellung
des Vordergebisses, und der Langschädel erscheint nicht eiförmig, sondern
ellipsoid, d. h. mit etwas breiterem Stirnteil im Verhältnis zum Hinter¬
haupt, dieses aber ist vom übrigen Schädel kuppelartig abgesetzt und
nach hinten und unten stark hinausgezogen.
Aus den Berichten der römischen Schriftsteller und den Ergeb¬
nissen der heutigen archäologischen Grabforschung ergibt sich, dass man
es bei den alten Germanen überwiegend mit der nordeuropäischen hellen
Langkopf-Rasse zu tun hat, und die plastischen Denkmäler bestätigen
dies in jeder Weise. Aus der ältesten Zeit, in der die Römer mit den
Germanen bekannt wurden, aus dem Kimbern- und Teutonenkriege (um
100 v. Chr.) und den Kriegszügen Cäsars gegen die Sweben (um
50 v. Chr.) sind keine bildlichen Darstellungen erhalten, erst aus der
Zeit des Augustus, als der Kaisersohn Tiberius mit einer Flotte bis
zur Nordspitze Jütlands vordrang und die Elbe bis Magdeburg hinauf¬
fuhr. Die von ihm unterworfenen Germanenstämme mussten Gesandte
nach Rom schicken, die an seinem Triumphzuge teilnahmen, und eine
Darstellung von Szenen dieses Triumphs findet sich auf der Gemma
Augustea, einer Onyx-Kamee in Wien, auf der auch ein Germanenpaar
erscheint, der Mann mit lockigem Haupthaar, Vollbart und wildem Auf¬
blick, mit nacktem Oberkörper, Hosen und Schuhen, die Frau in trau¬
ernder Haltung mit in den Händen gestütztem Kopfe und in faltiger
Gewandung. Der Unterschied des germanischen Typus von dem auf
der Gemme ebenfalls dargestellten Typus der Skordisken oder Kelto-
illyrier, die mit dem Torques geschmückt sind und sklavische Unter¬
würfigkeit zeigen, tritt scharf hervor. Eine gleichzeitige Darstellung von
drei germanischen Männern mit je einem Kinde und einer Frau, die
bittflehend wahrscheinlich durch Tiberius dem Augustus vorgeführt werden,
zeigt die Augustusschale, die 1895 bei Boscoreale gefunden worden
ist, und mehrere Gesichtstypen germanischer Krieger erscheinen auf der
Sardonixkamee von Belgrad, auf der der thrakische Lehnskönig
Rhoemetalkes über die am Boden liegenden Daker fortsprengt. Alle
diese Gestalten sind von hohem Wüchse, vollbärtig und mit stolzem
Gesichtsausdruck, mit nacktem Oberkörper, Hosen und Schuhen dar¬
gestellt, einige tragen den viereckigen Kriegsmantel, der auf der rechten
Schulter mit einer Fibel befestigt wurde, die auf dieser Darstellung
allerdings durch einen Knopf ersetzt ist.
Mannus- Bd. I. 10
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III. Aus Museen und Vereinen.
Die Eigenart der germanischen Bekleidung zeigen auch eine Reihe
von Bronzefigürchen, die von der Verzierung römischer Pferde-
pektoralien herstammen und Nachbildungen grösserer Skulpturen sind,
einige derselben lassen auch die charakteristische Haartracht der Ger¬
manen erkennen, das schräg über den Kopf gekämmte und vorn rechts
in einen Knoten zusammengedrehte Haar, von der auch Tacitus be¬
richtet. Diese Haartracht tritt dem Beschauer ferner auf den Grab¬
steinen römischer Soldaten, die am Rhein aufgefunden worden sind,
entgegen. Auf diesen in den Museen zu Mainz, Worms, Bonn und
Wiesbaden aufgestellten Grabsteinen sprengt der römische Reiter meist
über einen am Boden liegenden Germanen, der mit Hose und Schuhen,
mit nacktem Oberkörper und Haarknoten dargestellt ist, hinweg. Auf
einem Wormser Grabstein sind auch zwei unterworfene Germanen dar¬
gestellt.
Aus der Zeit des Kaisers Vespasian sind Reste einer Säulenhalle
erhalten, die den Innenhof des Prätoriums im Mainzer Legionslager
umzog und auf deren Säulensockeln der Kampf der Römer gegen die
feindlichen Chatten dargestellt war. Man findet auf den erhaltenen
Platten marschierende und kämpfende Legionssoldaten und eine trauernde
Germania (oder Chattia), in der bekannten Trauerstellung mit aufge¬
stütztem Haupt. Aus der Zeit Domitians, unter dem der römische
Grenzwall (limes) begonnen wurde, sind Münzen mit der Darstellung
der Germania capta, einer trauernden weiblichen Gestalt, und eines
Germanen mit vorn und hinten herabhängendem Mantel bemerkenswert.
Dieser Mantel, der abweichend von sonstigen Darstellungen ein Loch
zum Durchstecken des Kopfes hat, findet sich ferner auf einem Triumphal¬
relief im Vatikan, das einen Germanenjüngling mit edlem Gesicht und
starkem Gelock zeigt, doch verrät diese Darstellung auch griechische Ein¬
flüsse, die in einigen Abweichungen in der Bekleidung (nackte Beine
und Füsse) hervortreten.
Eine Reihe von Darstellungen germanischer Volkstypen enthält die
Trajanssäule in Rom, die der siegreiche Kaiser nach den Kriegen
gegen die Daker (101—107 n. Chr.) errichten liess. Man erblickt hier
eine dakische Gesandtschaft, die von bastarnischen Kriegern geleitet
wird, eine bastarnische Gesandtschaft, Fürsten und Priester, Kampf¬
szenen u. a., und auf diesen Skulpturen erscheinen die germanischen
Männer in gefranstem Mantel, langen Hosen, die durch einen Gurt zu¬
sammengehalten werden, und Halbschuhen; das dichte Haupthaar ist
nach vorn gekämmt und dort in einem Knoten zusammengebunden.
Noch reichhaltiger sind die Darstellungen germanischer Typen der
Markussäule auf der Piazza Colonna in Rom, die zur Erinnerung an
die Kämpfe Marc Aurels gegen die Markomannen und Quaden (171
bis 175 n. Chr.) errichtet ist. Auf den nicht sehr gut erhaltenen Reliefs
erblickt man u. a. germanische Schleuderer (Quaden), die dem Kaiser
den Übergang über einen Fluss wehren, die Verteidigung eines Gebirgs¬
passes durch die Quaden gegen römische Auxiliartruppen, die Zerstörung
eines langobardischen Dorfes durch die Römer, einen gefangenen Fürsten
der Langobarden vor dem Kaiser, Edlinge der Waristen, die einen Schwur
leisten, Gruppen von Wandalen und Astingen, die Verteidigung einer
germanischen Feste durch markomannische Krieger, die Hinrichtung von
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III. Aus Museen und Vereinen.
147
aufständischen Markomannen und verschiedene Szenen aus dem Kriege
gegen die Markomannen. Die Darstellungen sind in bezug auf die
Tracht der germanischen Männer und Frauen, auf die Bauart der Häuser
und der Befestigungen, auf manche Sitten und Gebräuche, auf die Kampfes¬
weise u. a. von hoher Bedeutung, um so mehr als wir über den Ver¬
lauf der Feldzüge durch römische Schriftsteller unterrichtet sind, wodurch
auch manche Reliefs, so die Gefangennahme des Quadenkönigs Ariogaisus,
ihre Erklärung finden.
Typen des bereits erwähnten germanischen Stammes der Bastarnen
zeigen die Zinnen und Metopenbilder des Siegesdenkmals von
Adamklissi, das zur Erinnerung an die Siege des Krassus in der
Dobrudscha errichtet wurde (29 vor Chr.). Die auf diesem Denkmal darge¬
stellten Männer sind schlank und breitschulterig, haben ausdrucksvolleZüge
und tragen ein enganliegendes Wams mit aufgelegtem Pelzkragen, lange
Hosen, die zum Teil in Streifen zusammengenäht um die Beine gelegt sind,
und das Haar in einem rechtsseitigen Knoten zusammengedreht. An der
Statue der sogenannten Thusnelda in Florenz, die als eine trauernde Ger¬
mania aufzufassen ist, zeigte der Vortragende, dass sich bei diesem
Bildwerk in Gewandung und Haltung hellenistische Einflüsse geltend ge¬
macht haben, wie sie auch bei dem Tropaeon von Adamklissi zu spüren
sind. Zum Schlüsse ging der Vortragende auf die Darstellungen germa¬
nischer Krieger und Volkstypen in der modernen Kunst ein, wie sie uns
auf Gemälden, Sockelreliefs und Wandfriesen entgegentreten, und be¬
merkte, dass die hier allgemein übliche Darstellung der Germanen in unbe¬
kleidetem Zustande völlig phantastisch sei. Die Nacktdarstellungen
auf neueren Bildwerken im Gegensatz zu den bekleideten Figuren der
antiken Skulpturen gehen nach Ansicht des Vortragenden auf die Kupfer
in dem Werke Clüvers über das alte Germanien (1631) zurück, aus
dem sie in die Titelkupfer und Vignetten der Druckwerke des 18. Jahr¬
hunderts übernommen wurden. Die moderne Kunst hat diese Nackt¬
darstellungen der Germanen ohne Berücksichtigung der antiken Bild¬
werke und Nachrichten beibehalten.
Die 2. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin fand am
18. März unter Vorsitz des Prof. Dr. Kossinna im Vortragssaale des
Märkischen Museums statt.
Der Vorsitzende machte zunächst Mitteilung, dass die Mitglieder¬
zahl der Gesellschaft erheblich gewachsen sei und dass eine ganze Reihe
von Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben eingelaufen seien, worin
die Absender ihrer Freude über die Gründung der Gesellschaft und
ihrer Übereinstimmung mit ihren Zielen und Bestrebungen Ausdruck
verleihen. Darauf wurden die Satzungen der Zweiggesellschaft Berlin
vorgelegt und einstimmig von der Versammlung angenommen.
Nunmehr teilte der Vorsitzende mit, dass ein Mitglied der Gesell¬
schaft, der bekannte Archäologe O. Hauser in Basel, der in einem
interessanten Fundgebiete des Diluvialmenschen, im Vezere-Tale in
der Dordogne, schon lange tätig ist, die Mitglieder der Gesellschaft für
Vorgeschichte einlade, die dortigen Fundstätten zu besichtigen (vgl. „Nach¬
richten")» und fügte hinzu, dass er den Besuch nur dringend empfehlen
könne, da er selbst im vergangenen Sommer dort gewesen sei und
der Aufdeckung des jugendlichen Skeletts in der unteren Grotte von
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148
III. Aus Museen und Vereinen.
Le Moustier durch Prof. Klaatsch beigewohnt habe. Das Skelett und
namentlich der Schädel sei als der beste und zugleich früheste Ver¬
treter der bis vor kurzem als älteste Ausprägungsform des Menschen
geltenden Neandertalrasse zu betrachten, und ihm gleichgeartet sei ein bald
darauf im benachbarten Correze-Departement zu La Chapel le aux Saints
gefundenes Skelett desselben Typus mit besonders gut erhaltenem
Schädel. Gegen Ende des Februar sind bei Clermont sur Oise in
einer Art Höhle, deren Wände vom Wasser zernagt waren, menschliche
Gebeine gefunden worden, von denen ein Oberschenkel und ein Kiefer
mit sehr grossen Backzähnen am besten erhalten sind, doch steht die
wissenschaftliche Untersuchung noch aus. Der Vorsitzende knüpfte daran
Mitteilungen über den Fund des Homo Heidelbergensis, des ältesten
jetzt bekannten Menschenrestes in den altdiluvialen Sanden beim Dorfe
Mauer, südöstlich von Heidelberg, und über die Untersuchung des
Unterkiefers durch Schoetensack und Klaatsch und stellt einen Vortrag
von Dr. Korn über diesen Gegenstand in Aussicht.
Zur Vorlage gelangten zwei Werke von Mitgliedern der Gesell¬
schaft, von Geheimrat L. Pfeiffer (Weimar) über die Skelettreste des
Menschen und die bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thü¬
ringens (vgl. unten S. 157) und von Dr. G. Eichhorn „Die paläo-
lithischen Funde von Taubach in den Museen zu Jena und Weimar“,
ein Prachtwerk von 39 Quarttafeln mit 272 photographischen Ab¬
bildungen und zahlreichen Federzeichnungen, das als Festschrift zum
350jährigen Jubiläum der Universität Jena erschienen ist (vgl. unten
S. 156). Ausserdem teilte Prof. Kossinna mit, dass das Mitglied Frhr.
Kalman von Miske in Güns (Ungarn) den ersten Band seines reich
illustrierten Prachtwerkes über die „Prähistorische Ansiedlung bei Velem
St. Veit“ der Bibliothek der Gesellschaft zum Geschenk gemacht habe.
Dr. A. Kiekebusch sprach über die Chronologie, die Kul¬
tur und die Bevölkerung der märkischen Bronzezeit (2000
bis 500 v. Chr.) unter besonderer Berücksichtigung der Funde des
Märkischen Museums und gab seinen Zuhörern durch den reichen Inhalt
des Vortrags und durch eine Fülle von Lichtbildern ein Bild von den
Gewohnheiten und dem Leben der Bewohner der Mark und der Ost¬
seeländer zur Bronzezeit, von ihren Waffen, ihrer Kleidung und ihren
Hausgeräten, sowie von der Bestattung und der religiösen Anschauung
der damaligen Zeit.
Zunächst liess der Vortragende die zahlreich erschienenen An¬
wesenden einen Einblick tun in die Art und Weise, wie die Prähisto¬
riker allmählich Ordnung in die mannigfachen Funde der Vorzeit ge¬
bracht haben und wie besonders der Schwede Montelius durch syste¬
matische Vergleichung von Tausenden von Fundobjekten eine genaue
Typologie und Chronologie geschaffen hat, die es ermöglicht, innerhalb
der grossen vorgeschichtlichen Zeitabschnitte — Stein-, Bronze- und
Eisenzeit — ziemlich genau abgegrenzte Unterabteilungen festzulegen.
So haben die Prähistoriker schon früh beispielsweise durch die Be¬
obachtung, dass sich Bronzesachen mit Spiral Ornamenten meist in
Skelettgräbern und solche mit Drachenornamenten stets in
Brandgräbern vorfanden, festgestellt, dass man zwei Hauptperioden
der Bronzezeit zu unterscheiden habe, und durch die weitere Beobach-
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III. Aus Museen und Vereinen.
149
tung, dass die Skelettgräber in einer unteren Kulturschicht lagen, während
die Brandgräber sich darüber befanden, zuweilen in einem und dem¬
selben Grabhügel, haben die vorgeschichtlichen Forscher erkannt, dass
die Skelettgräber in diesen Fällen älter als die Brandgräber, also auch
die Gegenstände mit Spiralornamenten älter als die mit den Drachen¬
ornamenten sind. In Weiterführung dieser Erkenntnis konnte Montelius
für ganze Reihen von Bronzegegenständen, beispielsweise für Bronze¬
schwerter und Bronzezeitfibeln, eine ziemlich sichere Zeitfolge
feststellen.
Der Vortragende zeigt diese Art Ermittelung der Chronologie ge¬
nauer an den verschiedenen Arten der Beile. Die ältesten Formen der
Bronzebeile lehnen sich an die der Steinbeile an, sie sind glatt und
sassen infolgedessen bei der Schäftung nicht fest. Um ihnen mehr
Halt zu geben, wurden die Bronzebeile mit kleinen Rändern versehen,
die nach und nach erhöht wurden und dann auch einen mittleren
Quersteg („Absatz“) erhielten. Die Rand- und Absatzbeile sind also
jüngeren Datums als die glatten Beile, und ihnen folgen die Tüllen¬
beile, deren Einrichtung noch grösseren Halt bei der Schäftung gewährt.
Nach diesen vier Beiltypen hat man die Chronologie der gesamten
Bronzezeit bestimmt, indem man für jede. Periode 200 Jahre ansetzte
und für die älteste Periode 400 Jahre annahm. Durch Vergleichung
mit ägyptischen und griechischen Funden, deren Zeitbestimmung ziem¬
lich sicher ist, kam man dazu, den Beginn der Bronzezeit um das
Jahr 2000 v. Chr. Geburt anzusetzen, und erhielt so für die älteste
Periode der Bronzezeit den Abschnitt 2000 bis 1600 v. Chr., für die
folgenden 1600—1400, 1400-1200, 1200—1000 und 1000—800 v. Chr.,
denen sich eine Übergangszeit zum Eisen von 800—500 v. Chr. an-
schliesst. Die Typologie der Beile wird durch die der Schwerter und
Fibeln und durch die Formen der Gefässe des sogenannten Lau¬
sitzer Typus kontrolliert, und durch fortgesetzte Vergleichung der Fund¬
stücke ist es gelungen, eine genaue Chronologie der älteren und
jüngeren Bronzezeit und dementsprechend der anderen vorgeschichtlichen
Zeitabschnitte festzustellen. Die älteren Gefässformen des Lausitzer
Typus gehören z. B. in die dritte Periode der Bronzezeit, die jüngeren
in die frühere Eisenzeit von 800—500 v. Chr. Geb., und durch Ver¬
gleichung mit ägyptischen, kleinasiatischen und kretischen Funden war
es möglich, festzustellen, dass die älteste Bronzezeit im nördlichen
Europa gleichzeitig mit der 12. Dynastie in Ägypten, mit der mittelmino-
ischen Zeit auf Kreta, mit den Funden der zweiten trojanischen Schicht
und der Zeit des Chammurabi (1958—1916 v. Chr.) ist, während die
dritte Periode der Bronzezeit (1400—1200 v. Chr.) mit dem neuen
Reich der 18.—20. Dynastie (1580—1100) und der sechsten Schicht von
Troja (1500—1200), also mit dem Trojanischen Krieg gleichzeitig ist.
Diese Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung hat Ed. Meyer
in seiner neuen Bearbeitung der „Geschichte des Altertums“ bereits
verwertet, und es ist zu erwarten, dass die Historiker mehr als bisher
die Feststellungen der Vorgeschichte in den Kreis ihrer Betrachtungen
ziehen werden. Der Vortragende ging nun auf die verschiedene Zu¬
sammensetzung der Bronze, die ein wesentliches Hilfsmittel bei Fest¬
stellung des Alters bildet, auf ihre Herstellung und auf die Herkunft
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III. Aus Museen und Vereinen.
der Bronzegegenstände ein und zeigte, dass die nördlichen Bronzeleute
ihre Sachen gegossen haben, wie aus Funden von Gussformen und
Bronzesachen mit Gussnaht hervorgeht, während die südlichen sie auch
gehämmert haben, woraus sich mannigfache Schlüsse über die Herkunft
einzelner Fundgegenstände ziehen lassen. Aus Darstellungen auf Bronze¬
waffen und Bronzegeräten, sowie aus den nordischen Felsenbildern lässt
sich erkennen, dass die Bewohner der Mark und der norddeutschen
Tiefebene Ackerbau und Viehzucht trieben, dass sie das Pferd als Zugtier
benutzten und den Hund, das Schaf und den Ochsen kannten, dass sie
der Jagd auf Hirsche, Bären und Auerochsen nachgingen und auf Kähnen
mit Angel Fischfang trieben. Die Gräberfunde, namentlich solche aus
Eichensärgen, geben uns Aufschluss über die Art der Kleidung der
Bronzezeitleute, und die Art der Bestattung, sowie die Beigaben lassen
erkennen, wie die Bewohner des nördlichen Deutschland zur Bronze¬
zeit über das Leben nach dem Tode dachten, welche Ansichten sie über
Religion, Sitte und geselliges Leben hatten und in welchem Masse bei
ihnen abergläubische Vorstellungen entwickelt waren.
Unter Benutzung von zahlreichen Lichtbildern machte der Redner
Mitteilungen über Kleidung, Waffen und Hausgeräte der Bewohner
der Mark und Norddeutschlands zur Bronzezeit, über ihr Leben und
Treiben, über Ackerbau, Viehzucht und Jagd, über die verschiedene Art
der Bestattung, über Religion und Kultus und schloss mit einer Vor¬
führung der im Märkischen Museum befindlichen Funde aus der Bronze¬
zeit, die erkennen Hessen, dass bereits eine umfangreiche Kultur in der
Mark vorhanden gewesen ist.
3. Sitzung am 22. April 1909. In der Aprilversammlung teilte
der 1. Vorsitzende, Prof. Dr. Kossinna mit, dass die Hauptgesellfchaft
Frl. Prof. Johanna Mestorf zum 80. Geburtstage beglückwünscht
und sie zum Ehrenmitgliede ernannt habe. Frl. Mestorf hat die Ehren¬
mitgliedschaft dankend angenommen. Eine Abbildung des künstlerisch
ausgeführten Diploms, das der Jubilarin von der Deutschen Gesellschaft
überreicht worden ist, wird im 1. Hefte der Zeitschrift der Gesellschaft
veröffentlicht werden (vgl. unten S. 165). Dieses Heft soll Ende Mai
erscheinen und wird viele reich illustrierte Abhandlungen von namhaften
Prähistorikern enthalten. Der Vorsitzende teilte ferner mit, dass ver¬
schiedene auswärtige Gelehrte aus Norwegen, Finnland und Frankreich,
darunter der Vorsitzende der Societe prehistorique de France, Prof.
Dr. Guebhard, der Deutschen Gesellschaft beigetreten seien. Prof. Kossinna
machte einige Mitteilungen über die französische Gesellschaft, die 1904 ge¬
gründet worden ist und bereits 350 Mitglieder zählt, und führte mehrere
Stellen aus der Antrittsrede des Vorsitzenden Prof. Guebhard an, die mit der
Mahnung schliesst, man solle beständig Mitglieder werben, eine Mahnung,
die auch für die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte beachtenswert
ist, da diese erst 250 Mitglieder zählt und noch sehr viele Mitglieder
gebrauchen kann. (Näheres vgl. unter dieser Abteilung, oben S. 142 f.).
Zur Vorlage gelangten einige Veröffentlichungen des Leipziger
Museums für Völkerkunde, so die Abhandlungen von Näbe über die
steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend, eine reich illustrierte
inhaltreiche Darstellung, und von Jacob über die Latene-Funde der
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III. Aus Museen und Vereinen.
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Leipziger Gegend, die manches neue Material, so über feintönige, ge¬
drehte Latene-Gefässe, bringt, ferner eine Arbeit des Generaloberarztes
Dr. Wilke über die neolithische Keramik und das Arierproblem, eine
Abhandlung von Montelius über die Chronologie des britischen
Bronzezeitalters und von dem Norweger Schetelig über die kreuz¬
förmigen Fibeln Norwegens aus der Merowingerzeit (350—550 n.,Chr.),
letztere beide Arbeiten in englischer Sprache und mit zahlreichen Ab¬
bildungen, und schliesslich das bedeutsame Werk über die vor- und
frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens von Göfee, Höfer und
Zschiesche, das die Ergebnisse einer 14jährigen Forschungstätigkeit
enthält und als das Muster einer vorgeschichtlichen Landesdarstellung
zu bezeichnen ist. (Näheres hierüber, wie über die Werke von Näbe
und Jacob s. unter ,,IV. Bücherbesprechungen“, unten S. 154 ff.).
Prof. Dr. Götze machte darauf eine vorläufige Mitteilung über
die Fortsetzung seiner „germanischen Funde aus der Völker¬
wanderungszeit“. Dem ersten Bande, der „gotische Schnallen“
behandelt, soll jetzt eine Bearbeitung der ostgotischen Diademe
und Helme folgen. Das Fundmaterial ist, der Kostbarkeit und Selten¬
heit dieser Gegenstände entsprechend, nicht umfangreich, aber um so
wichtiger. Das gilt namentlich von den Helmen, die als ein Prototyp
der germanischen Spangenhelme der Merowingerzeit gelten können und
deren Ursprung bisher noch nicht genügend geklärt war. Während man
bei letzteren das Spangengerüst als das Wesentliche und die füllenden
Eisenplatten als das Sekundäre anzusehen pflegte, zeigte die Urform
das umgekehrte Verhältnis. Die gotischen Helme sind aus vier drei¬
eckigen Eisenplatten zusammengenietet; Überreste und Spuren von Or¬
namentbändern erinnern an das angesetzte Ornamentband der Spangen¬
helme. Der gotische Charakter der Eisenhelme wird wahrscheinlich
gemacht durch ihr Verhältnis zu entsprechenden Funden aus dem Bos-
poranischen Reiche. In Lichtbildern zeigte Prof. Gööe die im Museum
für Völkerkunde befindlichen Diademe und Spangenhelme und einige
in Südrussland vor kurzem gefundene gotische Eisenhelme und führte
die auf russischen Grabsteinen und in den Katakomben von Kertsch
befindlichen Darstellungen von Kriegern mit Plattenhelmen vor. Den
Schluss bildeten Bemerkungen des Vortragenden über das Verhältnis
der gotischen Kunst zur bosporanischen und skythischen und besonders
über eigenartige Monogramme. (Näheres s. unter „Mitteilungen“, oben
S. 121 ff..) — Den Hauptvortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr.
Georg Wilke aus Chemnitz über „Entstehung und Heimatland
der Spirale und ethnische Stellung der Spira 1-Mäander¬
keramik“ unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder. Unter den ver¬
schiedenartigen Verzierungssystemen in der neolithischen Keramik hat keine
der wissenschaftlichen Erklärung so grosse Schwierigkeiten bereitet wie die
Spiral-Mäander-Verzierung, die namentlich in Bosnien und Siebenbürgen
in geradezu erstaunlicher Fülle und Mannigfaltigkeit vorkommt. Solange
die mykenische Herkunft der neolithischen Spirale ein vielfach ver¬
breitetes Dogma war, suchte man die Herkunft und die Entwickelung
der Spiralornamente aus Vorbildern der Natur zu erklären; ganz anders
gestaltete sich aber diese Frage, als festgestellt worden war, dass die
neolithische Keramik weit älter als die mykenische Kultur
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III. Aus Museen und Vereinen.
ist und dass die neolithische Spirale ihre Vorläufer in der
älteren Steinzeit hat.
Es lag nun der Gedanke sehr nahe, die neolithische mit der paläo-
lithischen Spirale in Verbindung zu bringen, wie dies auch Much in
seinem Buche über die Urheimat der Indogermanen mit gewissem Vor¬
behalt und neuerdings Grössler in Eisleben in entschiedener Weise
getan haben, aber Wilke hält einen solchen Zusammenhang für völlig
ausgeschlossen, weil einmal ein ungeheurer Zeitraum die Spirale der
älteren und der jüngeren Steinzeit trennt und zweitens die neolithische
Spirale nicht an der Spifee der vier bandkeramischen Stilformen des
Neolithikums steht, sondern erst in einem sehr späten Abschnitte des¬
selben auftritt. Ihr voraus gingen Jahrtausende, in denen sich die
Ornamentik der Gefässe auf die einfachsten geometrischen Elemente
beschränkte, und es ist nicht anzunehmen, dass eine so schwierige
Dekorations weise, wie es die Spiral Verzierung ist, jahr¬
tausendelang gewissermassen im Bewusstsein des Volkes
geschlummert habe und plötzlich ohne jede erkennbare
Anregung von selbst zu neuem Leben erwacht sei, um in
raschem Siegeszuge das ganze südliche Mitteleuropa zu
erobern. Es spricht auch nach Wilkes Ansicht nichts dafür, dass die
Spirale oder die Spiral-Mäanderdekoration den Vorbildern aus der Natur
nachgebildet sei, vielmehr ist der älteste Kunststil ein rein geome¬
trischer, und selbst die figürlichen Darstellungen und die Gesichts¬
formen auf Gefässen haben sich durch rein ornamentale Umbildung
gegebener geometrischer Formen entwickelt. Der Vortragende zeigte
dies an mehreren Beispielen von Gesichtsgefässen aus Mitteldeutsch¬
land, die eine gewisse Verwandtschaft mit denen der dänischen Gang¬
gräber erkennen lassen, und bemerkte dann, dass das Entwickelungs¬
verhältnis zwischen neolithischer Ornamentik und figürlicher Darstellung
noch deutlicher als in der Plastik sich in der zeichnenden Kunst aus¬
präge, wo zuerst geometrische Ornamente erscheinen, aus denen sich
dann Tier- und Menschendarstellungen entwickeln. Im Anschluss an
diese Bemerkungen führte Wilke aus, dass die Spiral-Mäander-
Verzierung auch nicht auf bloss spekulativem Wege durch einfache
Synthese, wie man die Muster der vorangegangenen Stilart erhielt, ent¬
standen sein kann, sondern dass die komplizierten und recht mannig¬
faltigen Formen dieser Ornamentik sich an bestimmte mathe¬
matische Vorbilder angelehnt haben müssen. Für die Mäander¬
verzierungen finden sich derartige Vorbilder in den Schöpfungen der
Flecht- und Webekunst aller Völker, und selbst konzentrische Kreise
und Voluten, die als Muster für Spiralverzierungen dienen können,
kommen dort vor. All die Zickzacklinien und Winkelbänder, die Doppel¬
haken und Dreiecksreihen, die schräggestellten Quadrate und Rhomben,
die sich auf den neolithischen Gefässen finden, sind als Nachahmungen
von Flechtmustern anzusehen, und aus der Verschiebung solcher
Flechtmuster ergeben sich wieder die mannigfachen mäandrischen Figuren,
die auf den Gefässen der neolithischen Bandkeramik Vorkommen. Diese
Verschiebung der Flecht- und Webemuster kann von dem ausübenden
Künstler sowohl absichtlich wie unbewusst und versehentlich geschehen
sein, während sie andererseits ihre Entstehung einem Zufall bei der
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III. Aus Museen und Vereinen.
153
Ausbesserung von mit geometrischen Figuren verzierten Kleidungsstücken,
beim Faltenwurf des Gewandes oder beim Rollen von Matten und an¬
deren Stoffen verdanken kann.
Der Einfluss der Flecht- und Webetechnik auf die Keramik spiegelt
sich schon in den vorausgegangenen Kunstperioden wieder und durch
die Natur des Geflechtes war der Weg vorgezeichnet, den der Kunststil
einschlagen musste. Durch verschiedene Gruppierung der senkrecht oder
schräg stehenden Flecht- oder Gewebestreifen kam man notgedrungen
zu rein geometrischen Figuren und durch verschiedene Anordnung dieser
Figuren ergaben sich mannigfache Variationen, die dann zu verschiedenen
nach Zeit und Ort wechselnden Stilformen führen mussten. An einer
grossen Reihe von Beispielen erläuterte Dr. Wilke die Übereinstim¬
mung der Mäanderornamente auf den neolithischen Gefässen mit
den Mustern auf Flechtwerken und gewebten Stoffen und zeigte dann,
dass auch die Spiralornamente unter ähnlichen Einwirkungen ent¬
standen seien, und zwar durch die Verschiebung mehrerer Gruppen von
Kreisen, die entweder konzentrisch angeordnet und nebeneinander gestellt
waren oder in gleicher Anordnung sich schnitten. Die Vorführung einer
grossen Zahl von Gefässen aus Bosnien und aus Siebenbürgen mit
Spiral- und Volutenverzierungen und der von Wilke dazu entworfenen
Zeichnungen verschiebbarer Kreissysteme liess die Richtigkeit der
vom Vortragenden ausgesprochenen Ansicht erkennen.
Im weiteren Verlaufe seines Vortrags machte Dr. Wilke noch inter¬
essante Angaben über die Heimat der Spiral-Mäander-Ornamentik,
die er in das Gebiet der upteren Donau verlegt, und über ihr
Alter, für das er nach den neuesten Untersuchungen das dritte
Viertel des dritten Jahrtausends ansetzt. Much sucht die
Heimat der Spiral-Mäander-Ornamentik im Harz- und Saalegebiet, von
wo sie sich den Wanderungen der Indogermanen entsprechend fächer¬
förmig ausgebreitet haben sollte, um schliesslich im südöstlichen Mittel¬
europa durch Aufnahme neuer technischer Elemente zu höchster Voll¬
kommenheit zu gelangen. Gerade die entgegengesetzte Verbreitung
haben Kossin na und H. Schmidt angenommen, die beide die Ge¬
burtsstätte der Spirale nach Südosten verlegten und in der mittel- und
westdeutschen Bandkeramik lediglich eine Ausstrahlung jener hochent¬
wickelten, nach Kossinnas jetziger Anschauung ostindogermanischen
Kultur erblickten. Auch Wilke ist aus chronologischen Erwägungen,
wie aus technischen Gründen zu der gleichen Auffassung gelangt. Die
Heimat der SpirahMäander-Dekoration muss dort gesucht werden, wo
man sie am einfachsten, den mathematischen Konstruktionsfiguren am
meisten entsprechend antrifft und wo die Voraussetzungen zu ihrer
Entwickelung, d. h. konzentrische Kreise und Vierecke bereits bekannt
waren. Beide Voraussetzungen trafen bisher nur für das untere
Donaugebiet zu.
Nicht minder schwerwiegend sind die chronologischen Tat¬
sachen. Nach H. Schmidts Untersuchungen ergibt sich, dass alles,
was im südöstlichen Europa neolithisch ist, älter sein muss als Troja II.
Sind Dörpfelds Berechnungen richtig, so muss die Spiral - Mäander-
Dekoration des unteren Donaugebiets in die Mitte des 3. Jahr¬
tausends v. Chr. Geb. zurückverlegt werden, und zwar ziemlich weit,
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IV. Bücherbesprechungen.
da sie nicht einmal am Schlüsse der südosteuropäischen Steinzeit liegt.
Die Gräber des Rössener Typus sind, wie auch das Vorkommen des
Leichenbrandes wahrscheinlich macht, in den Anfang der 2. Hälfte des
3. Jahrtausends anzusetzen, und dementsprechend würde das erste Er¬
scheinen der Spiral-Mäander-Keramik in Mitteldeutschland daher aller-
frühestens in das 3. Viertel des 3. Jahrtausends, und selbst wenn man
ein teilweises zeitliches Zusammenfallen mit der Rössener Periode zu¬
lässt, kaum in die Mitte des 3. Jahrtausends zu verlegen sein, d. h.
später als im unteren Donaugebiete. Die Heimat der Spiral-Mäander-
Dekoration kann also nicht, wie Grössler neuerdings behauptete, in
Mitteldeutschland zu suchen sein, sondern liegt im unteren Donau¬
gebiet. Dr. Gustav Albrecht.
IV. Bücher-Besprechungen.
A. Götze, P. Höfer, P. Zschiesche, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer
Thüringens, im Aufträge Thüringischer Geschichtsvereine und wissenschaftlicher
Korporationen mit Unterstützung der Staatsregierungen von Preussen, Sachsen-
Weimar, Sachsen - Koburg - Gotha, Schwarzburg - Rudolstadt und Schwarzburg-
Sondershausen. Mit 24 Lichtdrucktafeln und einer archäologischen Karte.
Würzburg, Curt Kabitzsch (A. Stübers Verlag) 1909. XLI, 466 S.
Seit Lissauer in seinen „Prähistorischen Denkmälern Westpreussens“ eine
knapp gehaltene und doch reiche Vorgeschichte dieses Landes nebst einer nach Voll¬
ständigkeit strebenden kritischen Statistik der Funde herausgab, ist mehr als zwei
Jahrzehnte lang für kein anderes Land eine derartige Darstellung versucht worden.
Nun erhalten wir endlich die erste würdige, den Ungeheuern Fortschritt unserer
Wissenschaft seit 1887 klar wiederspiegelnde Nachfolge in einer Bearbeitung des
durch seinen Siedlungsreichtum wie durch die Mannigfaltigkeit der sich ablösenden
Kulturschichten gleich einzigartigen Thüringer Landes. Vierzehn Jahre hindurch
haben, in oft entsagungsvoller Hingabe, drei unserer trefflichsten Vorgeschichts¬
forscher daran gearbeitet, zugleich die besten Kenner thüringischer Kultur: mit
einem stattlichen Bande haben sie uns nun beschenkt, der eine neue Epoche
thüringischer Forschung heraufzuführen bestimmt ist.
Thüringen ist hier gefasst als das Land zwischen Werra und Saale, begrenzt
durch den Kamm des Thüringer Waldes im Süden, durch den Südrand des Harzes
im Norden. Dass somit das geschlossene, besonders nach Osten hin siedlungs-
massig scharf abgegrenzte Kulturgebiet des Saalebeckens von der nordsüdlich ver¬
laufenden östlichen Kartengrenzc mitten durchgeschnitten wurde, ist ein schwerer
Übelstand, wie die Bearbeiter selbst erkannt haben, Hess sich aber, nachdem ein¬
mal der Kartenumriss bestimmt war, aus technischen Gründen nicht mehr ändern.
Die drei Bearbeiter haben den Stoff in der Weise untereinander verteilt, dass
Höfer (Wernigerode) den an den Harz stossenden Nordteil, Zschiesche (Erfurt) das
Kernstück des Landes, Götze (Berlin) die Flussgebiete der Saale und der Werra
in Arbeit nahmen. Zschiesche eröffnet die Darstellung mit einer Mitteilung der
massgebenden Gesichtspunkte im Plane des Werkes und schildert sein Werden
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IV. Bücherbesprechungen.
155
(S. I—VII). Darauf folgt eine Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte Thüringens
von Götze (S. IX—XLI), dann die Statistik der Funde von allen dreien Verfassern
(S. 1—393), dazu Nachträge von Höfer (S. 394—400), endlich ein überaus sorgsam
gearbeitetes und übersichtlich gestaltetes Literaturverzeichnis von Höfer. Die von
Götze auf 24 Tafeln angeordneten 379 Abbildungen, ein unentbehrlicher Bestandteil
des Ganzen, machen den prächtig ausgefallenen Beschluss des Werkes, dessen
gesamter Inhalt bestehend in mehr als 10000 Nummern auf der im Massstab
von 1:100000 ausgeführten Karte nach einem gut gewählten Zeichen- und Farben¬
system, das in Zukunft hoffentlich überall festgehalten werden wird, eingetragen
worden ist und hier mit einem einzigen, wenn auch nicht gerade kurz zu be-
messenden Blick überschaut werden kann.
Ungünstig erscheint nur die Anwendung der kaum hervortretenden schwarzen
Farbe, die für chronologisch unbestimmbare Eintragungen gewählt ist, auch zur Be¬
zeichnung der Menhirs, deren Anzahl 23 betragen soll, aber deren Standorte allein
von der Karte her ohne Durchnahme des gesamten Textteiles nur sehr schwer zu
ermitteln sein dürfte, zumal auch ein Sachregister fehlt, während ein Ortsregister
beigegeben worden ist.
Bei der Anordnung der Fundstatistik ist der geographische Gesichtspunkt
der ausschlaggebende, insofern die Kreiseinteilung zugrunde liegt, innerhalb der
Kreise die Ortschaften in alphabetischer Reihe behandelt worden sind und die
Chronologie der Funde erst als letztes Einteilungsprinzip gilt. Ich würde statt
dessen lieber, wie es bei Lissauer und auch in Höfers Literaturverzeichnis geschehen
ist, das chronologische Moment an erster Stelle berücksichtigt haben, wodurch weit
eher ein gewisser Überblick über die Kulturentwicklung zu erreichen gewesen
wäre. Aber vielleicht waren in diesem Punkte den Verfassern von den unter¬
stützenden Lokalvereinen hindernde Verpflichtungen auferlegt worden. Voll¬
ständigkeit ist natürlich nach Möglichkeit angestrebt worden; aber dass ausser den
sogleich beigegebenen Höferschen Nachträgen sehr bald eine weit grössere Nachlese,
vielleicht sogar genügender Stoff für einen eigenen Nachtragsband sich ansammeln
wird, scheint nach einer Bemerkung Zschiesches von den Verfassern selbst ange¬
nommen zu werden. Wir möchten das als erste Frucht der Anregungen erhoffen,
die von dem Werke zweifellos ausgehen werden. Um ein paar nur zufällig auf-
gestossene Lücken zu nennen, so weise ich darauf hin, dass unter dem Stichwort
„Merseburg“ bei Aufführung der Skelettgräber der Schnurkeramik ein im Britischen
Museum befindlicher hoher Schnurbecher zu erwähnen war, der nach der Abbildung
im Bronzezeitführer des Britischen Museums (Tf. VI, 8) dem Wernigeröder Exem¬
plar eines Merseburger Schnurbecher sehr ähnlich sieht. Die schöne Merse¬
burger Amphore des Berliner Museums aber ist abgebildet in Henne am Rhyns
deutscher Kulturgeschichte l 2 S. 7 Fig. 37, einem Werke, von dessen zahlreichen
Abbildungen aus dem Berliner Museum kaum einer unser Prähistoriker Kenntnis
zu haben scheint. Aus den vielen im Dunkel verborgenen Privatsammlungen seien
hier die Beigaben aus schnurkeramischen Skelettgräbern von der Zuckerfabrik in
Artern an der Unstrut genannt, die im Besitze unseres Vorstandsmitgliedes Dr. Gustav
Albrecht in Charlottenburg sich befinden. Ferner verweise ich auf die Allstedter
Funde von Dr. Hans Hahne in Hannover. Um auch von ältester Literatur etwas
nachzutragen, so sei der mit Abbildungen versehene Bericht über Ausgrabung eines
Urnengräberfeldes bei Ermsleben, Mansfelder Gebirgskreis, hervorgeholt, den der
Halberstädter Konrektor Paul Christ. Hopfner in seiner „Germania antiqua“
(Halle 1711) bringt (neuer Abdruck oben S. 127 f.).
Eine treffliche Arbeit ist Götzes Übersicht über die Vor- und Frühgeschichte
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IV. Bücherbesprechungen.
des Gebietes. Wer berücksichtigt, wie exponiert die Stellung gerade dieses Gelehrten
im Kampfe der wissenschaftlichen Meinungen, namentlich in allen Fragen der
Steinzeitkultur, im letzten Jahrzehnt gewesen ist, wird nicht ohne hohe Anerkennung
seine streng objektive, alle strittigen Fragen fast zu sehr vermeidende Darstellung
aufnehmen. Zu begrüssen ist es auch, dass sich Götze rückhaltlos zu der Berech¬
tigung und Notwendigkeit der Frage nach den Volksgemeinschaften, die hinter den
Funden stehen, bekennt. Einspruch erheben muss ich hier nur gegen die von ihm
etzt wiederholte, wenn auch mit Fragezeichen versehene Vermutung, dass das von
Norddeutschland nach Thüringen eindringende Volk der Kugelamphoren bereits die
Germanen wären. Wer die ganze Folge der früheren und späteren Völkerbewegungen
in ganz Mitteleuropa überschaut bis zur endgiltigen germanischen Eroberung
Thüringens in der frühen Latenezeit — im letzten Punkte stimmt mir ja auch Götze
zu —, kann in der Bevölkerung der Kugelamphoren, die ja nur bis in den
Anfang der Bronzezeit in Mitteleuropa fortlebt, um dann völlig auszuwandern, nur
Nordindogermanen, nicht aber bereits Germanen sehen. Mit vollem Recht erhofft
der Verfasser, nicht nur für Anfänger und Interessenten eine geeignete Einführung
in die thüringische Vorgeschichte darzubieten, sondern auch dem kundigsten Fach¬
mann ein gutes Hilfsmittel für Forschung und Darstellung und auch manchen
trefflichen Wink gegeben zu haben.
Wir wünschen dem Werk einen schönen, raschen Erfolg, den es verdient,
auf dass wir eine baldige, auf den doppelten Umfang vermehrte Auflage erleben,
die dann auch die Behandlung des gesamten Saalegebietes miteinschliessen möge.
G. Kos s inn a.
Eichhorn, Dr. Gustav, Die paläolithischen Funde von Taubach in den Museen
zu Jena und Weimar. Mit 39 Tafeln und 301 Abbildungen. Jena, Gustav Fischer 1909.
Wenn man die Funde von Taubach-Ehringsdorf der letzten drei Jahre schon
vor dem Beschluss der Veröffentlichung des vorliegenden Tafelwerkes — es ist eine
Festschrift zum 350 jährigen Jubiläum der Universität Jena — gemacht hätte, dann
wäre vielleicht die Abbildung vieler Silexstücke unterblieben. Der Verfasser weiss
das ganz gut, er sagte sich aber offenbar, wie nützlich es sei, wenn endlich ein¬
mal der Allgemeinheit in musterhaften, einwandfreien Abbildungen zugänglich
gemacht würde, was man bisher als menschliche Artefakte der ältesten paläo¬
lithischen Station in Deutschland ansehen musste.
„Bei einem Versuch, die Taubacher Steinwerkzeuge nach einem bestimmten
System zu ordnen, das sich auf die Formen derselben aufbaut, stösst man auf
Schwierigkeiten, da viele Stücke durchaus charakterlos sind und nicht hier oder
dort untergebracht werden können. Verhältnismässig viel Spitzen gibt es, flache
blattförmige sowohl, wie lange, schmale, dreikantige und dicke. Demnächst sind
klingenförmige zu nennen, im Querschnitt drei- oder vierkantig, ferner scheiben¬
förmige, im Querschnitt flache und dicke. Da unter den Taubacher Formen typische
Formen fehlen, ist auch die speziellere Zeitstellung innerhalb des Paläolithikums
schwierig“. So der Verfasser. Jetzt liegt die Sache anders. So lange kein gründ¬
licher Gegenbeweis für die Annahme der Gleichaltrigkeit von Taubach und
Ehringsdorf erbracht wird, müssen wir Taubach dem spätesten Mousterien oder
dem Aurignacien zuweisen. Das konnte Verworn schon vor Jahren auf Grund
der in dem Eichhornschen Atlas auf 35 prächtigen Tafeln dargestellten Funde
aussprechen, ehe noch die neuen wirklich typischen, tadellos retuschierten Spitzen
und Doppelspitzen gefunden waren. Die allgemeine Form, die Ausbrechungen,
die Absplitterungen und die Retuschen geben zu denken; Eichhorn hat nun ein-
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IV. Bücherbesprechungen.
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fach alle alten Stücke abgebildet: 251 photographische Aufnahmen von Steinen
und 21 von Knochen, Prachtleistungen der Ateliers von Zeiss-Jena, auf zusam¬
men 39 Quarttafeln, denen vielfach saubere Federzeichnungen der charakteristischen
Stücke zur Klärung der verschiedenartigen Randbeeinflussung gegenübergestellt
sind, sollen den Leser selbst entscheiden lassen. Diese Klärung des photo¬
graphischen Lichtdruckes durch Zeichnung müsste bei so diffizilen Sachen eigentlich
Regel werden. Herr Eichhorn hat freilich zur Ausführung dieser idealen Ver¬
öffentlichungsart einen splendiden Verleger gefunden. Wegen seiner Idee ist der
Verfasser sehr zu loben und seines Fleisses wegen — er hat all die sau¬
beren Federzeichnungen selbst gemacht — nicht minder. Der Text beschränkt
sich auf die Beschreibung der wichtigsten Stücke gleich unterhalb der Zeichnungen,
auf 2 Seiten Vorwort und auf 8 Seiten Allgemeines; Kritik sollte in der Haupt¬
sache vermieden werden, und das war bei dem vorzüglichen Abbildungsmaterial
ganz richtig.
Weimar. A. Möller.
Pfeiffer, Dr. L., Geh. Med. Rat, Über die Skelettreste des Menschen und die
bearbeiteten Tierknochen aus der Diluvialzeit Thüringens. Sonderabdruck aus
Korrespondenz-Blätter des Allgem. ärztl. Vereins von Thüringen. Weimar 1909.
29 S. 8°.
Angeregt wurde die Arbeit durch neu gefundene bearbeitete Knochen aus
den Travertinen von Ehringsdorf sowie durch die Bekanntschaft mit Hunderten von
rohen neolithischen „Steinbeilen“ und Knocheninstrumenten aus Schweizer
Pfahlbauten, die nicht ohne weiteres — wie die Beile — als Werkzeuge zum Hauen
und Schlagen angesehen werden können. Daraufhin prüft der Verfasser die schon
bekannten Funde aus dem Ilmtal und der Hyänenhöhle zu Gera und stellt den
bisherigen Verwendungsannahmen neue entgegen, die wesentlich auf die Gerberei
hinauslaufen. Wie Mason in seinem Werke „Aboriginal skin dressing“ an hundert Bei¬
spielen die mannigfachsten Geräte aus Holz, Knochen, Horn und Stein in ihrer
Verwendung bei der Verarbeitung von Tierhäuten, Därmen und Sehnen beschreibt,
so glaubt Pfeiffer in den zylindrischen Knochenabschnitten, den flachen, ganz
wechselvoll gestalteten Knochenplatten, den schmalen meisseiartigen Artefakten,
den Pfriemen, zugespitzten Geweihsprossen und den ausgekerbten Metakarpal¬
knochen der paläolithischen Stationen Thüringens Werkzeuge zur Herstellung von
Leder, Riemen usw r . zu erblicken. Die oft auffällig abgenutzten Gelenkpfannen der
Schulterblätter, und der seit Portis als Trinkgefässe angesprochenen Beckenknochen
muss er deshalb nach amerikanischen Vorbildern als Fellschaber erklären. Die Kerben
und Kritzel auf dem bekanntesten Beispiele, dem „Becher“ aus Taubach im Städt. Mu¬
seum zu Weimar, führen ihn zur Anwendung der grösseren Knochen als Hacke¬
bretter, Ambosse, d. h. Unterlagen oder Stützflächen für das z. B. zuzuspitzende
Holzstück, von denen Weimar aus La Micoque eine ganze Reihe besitzt und denen
sich diejenigen aus Ehringsdorf (Fig. 21, 22 und 24) ganz gut anschliessen würden.
Tragen die in Fig. 12 und 13 abgebildeten Stücke wirklich absichtliche Gravierungen,
dann wären nach der französischen Chronologie die Funde der Hyänenhöhle nicht
einheitlich. Der Wellenlinie in Fig. 25 setzt der Verfasser mit Recht das war¬
nende? bei. — Die kleine Arbeit sollte eine Zusammenfassung der bearbeiteten
paläolithischen Knochen geben; man hätte dann aber auch auch das Hildesheimer
Museum und das fragliche walzenförmige Spongiosastück aus Jena berücksichtigen
müssen. Die auf den letzten Seiten der anregungsreichen Schrift gebotene Ex-
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IV. Bücherbesprechungen.
kursion in die Praxis der primitiven Gerberei (mit eigenen Versuchen) könnte zu
weiteren Experimenten veranlassen und dann sicherlich manche prüfungswerte
Gesichtspunkte zur Beurteilung der Verwendungsweise prähistorischer Geräte über¬
haupt liefern. Der Systematik, Chronologie und Typologie will die Arbeit nicht
dienen; aber die Ansichten über den materiellen Besitzstand des Paläolithikums
dürften durch derartige kulturgeschichtlich-technische Betrachtungsweisen erweitert
werden.
Weimar. A. Möller.
F. Max Näbe, Die steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend unter beson¬
derer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde. M. 6 Taf., 2 Karten und 121 Abb.
im Text (Veröffentlichungen des Städtischen Mus. f. Völkerk. zu Leipzig H. 3).
Leipzig 1908. 58 S. 4°.
/
Es gibt im Königreich Sachsen wenige Gebiete, die aus neolithischer Zeit ein so
reiches Material geliefert haben, wie die Leipziger Tiefebene. Die Zahl der Einzel¬
funde von Steingeräten beträgt hier allein über 2000. Besondere Erwähnung ver¬
dient darunter eine Zahl nordischer Feuersteinbeile und Dolche, die nur durch
Import in unsere Gegend gelangt sein können. Bemerkenswert sind die in der
ältern Literatur verstreuten Nachrichten über angebliche Pfahlbauten, von denen
an drei Stellen Reste gefunden worden sein sollen. Leider hat sich mit Ausnahme
von der 1873 beim Bau des Elster - Saale-Kanales aufgedeckten Anlage von Funden
nichts erhalten und auch von dieser sind nur einige Steingeräte übriggeblieben, während
die Gefässreste verloren gegangen sind. Von Grabfunden sind ausser zahlreichen
einzelnen Gefässen mit Schnurverzierung und zwei Kugelamphoren, die wohl trotz
des Fehlens von Skelettresten als Grabbeigaben aufzufassen sind, besonders hervor¬
zuheben zwei grössere Gräberfelder bei Cröbern und Miltitz und mehrere Hügel¬
gräber in Bienitz, sämtlich der Zeit der Schnurkeramik angehörig. Ausserdem fanden
sich noch zwei Hockergräber in Altranstädt und eines in Günthersdorf, deren
keramisches Inventar nach Deichmüller in den Aunetitzer Gräbern von Wiederau,
Pegau, Riesa, Döbeln und Meissen Analogien hat. Von Wohnstättenfunden ist
besonders bemerkenswert eine Siedlung bei Möritzsch. Der Umstand, dass sich
hier nur Scherben mit Winkel- und Stichbandkeramik fanden, Spiralbänder - Ke¬
ramik dagegen völlig fehlte, bildet einen neuen Beleg für die von mir an anderer
Stelle aufgestellten These, dass wie am Rhein so auch in Mitteldeutschland diese
verschiedenen Stilarten zeitlich zu trennen sind. Das gleiche gilt von der grossen
Station von Eutritzsch (über 200 Herdstellen!), wo in den westlichen Herdgruben
nur Stich- und Winkelbandkeramik, in den östlichen nur Spiralbänder - Keramik,
in den in der Mitte gelegenen beide Typen gemischt vertreten waren. Zu
bedauern ist nur, dass diese grosse und interessante Siedelung nicht, wie ich es s. Z.
dem Grassi-Museum vorschlug, systematisch untersucht worden ist, da eine metho¬
dische Ausgrabung, wie sie sich ein Privatmann in Anbetracht der hohen Kosten
nur ausnahmsweise leisten kann, neben sonstigen wichtigen Ergebnissen gewiss
auch Gelegenheit zu eventuellen stratigraphischen Beobachtungen geboten haben
würde. Bemerkt sei noch, dass sich in dieser Siedlung 8 m von eine Herdstelle
entfernt zwei als liegende Hocker beigesetzte Erwachsene — freilich ohne Beigaben —
fanden, während in Möritzsch in einer Herdstelle selbst aus dem Boden ein Kinder¬
skelett, gleichfalls liegender Hocker, aufgedeckt wurde. Übrigens bildet die Beisetzung
innerhalb der Wohnung durchaus nicht ein vereinzeltes Vorkommnis, wie Herr Näbe
annimmt. Weitere Beispiele kenne ich von Stützheim i. E., Michelsberg b. Unter¬
grombach in Baden, im Mansfelder Seekreis, Gross Tschernosek und Lobositz a. E. in
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IV. Bücherbesprechungen.
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Böhmen und besonders aus Griechenland, so Akropolis in Athen; Eleusis; Therikos;
Orchomenos (Bulle, Orchomenos S. 68), wo sich die Erinnerung an diese uralte
Bestattungssitte bis in die klassische Zeit erhalten hat. Ebenso ist Bestattung
in Wohnungen neuerdings auch in Thanech und Megiddo in Palästina festgestellt
worden. -- Wenn auch die Schlussfolgerungen des Verf. bei Fachleuten auf
manchen Widerspruch stossen und insbesondere die Anschauungen über die
Schnurkeramik keine Zustimmung finden werden, so bildet doch die vorliegende
Publikation, die weiten Kreisen das in vielen Privat- und öffentlichen Sammlungen
verstreute Material zugängig macht, eine sehr willkommene Gabe, deren Wert
durch die zahlreichen guten Abbildungen und die vorzüglichen, kostspieligen Tafeln
noch besonders erhöht wird.
Chemnitz. Georg Wilke.
Karl Jacob, Die La Töne-Funde der Leipziger Gegend. Ein Beitrag zur vor¬
geschichtlichen Eisenzeit der Leipziger Tieflandsbucht. Mit 29 Tafeln und 1 Fund¬
karte. Sonderabdruck aus dem Jahrbuche des Städtischen Museums für Völker¬
kunde zu Leipzig. Band II 1907. Leipzig 1908. 41 S. 4°.
Gleichzeitig mit der Darstellung der Steinzeit der weiteren Leipziger Umgebung
durch M. Näbe bietet das Leipziger Museum für Völkerkunde in dankenswertester
Weise eine solche der Latene-Periode durch den neugewonnenen Fachmann für die
vorgeschichtliche Abteilung. Mit dieser Erstlingsarbeit, die bescheidenerweise nur
das bisher, meist durch Zufallsfunde gewonnene Material vereinigt vorführen und
damit zu systematischen Nachgrabungen und eindringenderer Forschung anregen will
führt sich Jacob auf vorteilhafte Art in den Kreis der Vorgeschichtsforscher ein.
Zunächst werden die Grabfunde vorgeführt in einer Ausdehnung, die nord¬
wärts bis Delitzsch (Schenkenberg und Löbtau), südwärts an der Elster bis Pegau
und Zeitz, westwärts in den Kreis Merseburg hinein bis zur Saale (KI. Corbetha)
sich erstreckt, deren reichster Mittelpunkt aber die Leipziger Gegend und namentlich
Leipzig-Süd (Connewitz) bildet. Daran schliesst sich eine Beschreibung dreier Wohn¬
stättenfunde und den Beschluss machen allgemeine Folgerungen und Betrachtungen.
Neben wenigen bereits anderwärts gegebenen Veröffentlichungen, die hier teils ein¬
fach wiederholt, teils erweitert vorgeführt werden, wie die Hallischen Funde des
Gräberfelds von Kl. Corbetha, Kr. Merseburg, oder die Dresdener aus Pegau, wird
in der Hauptsache neues Material geboten, das bisher nur denjenigen wenigen
Forschern bekannt war, die eingehendere Studien in den Museen und Privatsamm¬
lungen der Gegend gemacht haben. Namentlich seien die schönen Funde der seit
ihrem Verkauf an das Berliner Museum für Völkerkunde unzugänglich gewordenen
Sammlung Reichsgerichtsrat Langerhans (Leipzig-Arndtstrasse, Connewitz, Cröbern:
diese reichen Gräberfunde aus Cröbern sind von Jacob nicht einmal erwähnt worden)
und die ebenso wertvolle, nunmehr dem Leipziger Museum als Leihgabe übergebene
Sammlung des Pfarrers Rosenthal in Probstheida (Gräberfeld Cröbern).
Ausserordentlich stark vertreten, ganz wie in Thüringen, sind auch in den
Leipziger Funden die feintonigen, dünnwandigen, schwarzgeschmauchten, gedrehten
Tongefässe, ein Erbteil der soeben von den Germanen hier verdrängten keltischen
Bevölkerung. Ganz ausgeschlossen erscheint es, dass diese von Jacob als ‘terra nigra'
bezeichnete Ware, deren Verbreitung von Dresden nach Rheinhessen den Weg der
Ausbreitung der herminonischen Germanen über die keltischen Sitze der Latene-
Zeit in Mitteldeutschland wiederspiegelt — wie ich bereits 1907 gezeigt habe —,
als Importware aus keltischen Ländern anzusehen wäre, wie Jacob meint, der die
Feststellung dieser frühesten germanischen Drehscheibenarbeit zudem fälschlich für
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IV. Bücherbesprechungen.
eine neue Entdeckung hält. An Import, jedoch nur aus dem Saale-Elstergebiet her,
könnte man vielleicht bei den wenigen Stücken dieser Art denken, die bis jetzt aus
dem nordöstlichen Anhalt und der westlichen Mark Brandenburg zutage gekommen
sind. Eingehender dies Thema zu erörtern, muss ich einer besonderen Darstellung
Vorbehalten. — Ungenügend sind die chronologischen Bestimmungen, die noch ganz
im alten Tischlerschen Fahrwasser laufen, trotzdem Jacob von den neuern genaueren
Untersuchungen dieser Fragen Kenntnis hat. Ein weiterer Mangel ist die Unbe¬
kanntschaft mit den Ergebnissen meiner Mäanderverzierungsforschung, infolgedessen
Erzeugnisse kaiserzeitlicher Rädchentechnik der Latene-Zeit zugeschrieben werden.
Ganz irre gegangen ist der Verf. bei den Grabfunden von Möritzsch, Kreis Merseburg,
die übrigens, soweit sie der Sammlung Waase-Neuruppin angehören, sehr unvoll¬
ständig mitgeteilt sind, wie ich aus einem mir vorliegenden Manuskript des Herrn
Waase ersehe. Aber ohnehin ist klar, dass neben offenkundigen Latene-Gräbern,
aus denen z. B. die Urne Taf. III 19 stammt, ebenso sicher kaiserzeitliche und zwar
nicht solche aus der früheren Kaiserzeit dort aufgedeckt sind, aus denen z. B. die
Fussurne Taf. III 20 herrührt, die keineswegs, wie Jacob meint, eine Latöne-Form
darstellt, ebensowenig wie das Taf. III 21 abgebildete Bruchstück eines tönernen
Beigefässes, das mit Reihen von aufgesetzten Buckelchen verziert ist, die Bronze-
gefässnietköpfe nachahmen, sowie mit je einem in die Henkelösen eingehängten
Tonringe, auf die Hallstattkultur zurückweist, wie Jacob denkt, sondern ganz
charakteristische Merkmale der späteren Kaiserzeit besitzt.
Den weiteren Arbeiten des Verfassers sehen wir mit Interesse entgegen.
G. K o s s i n n a.
Erich Blume, Verzeichnis der Sammlungen des Uckermärkischen Museums- und Ge¬
schichtsvereins in Prenzlau. Im Aufträge des Vorstandes bearbeitet. Prenzlau 1909
(1908). 103 S. 8°. Mit 125 Abb.
Vorbedingung für das schnelle und nachhaltige Aufblühen der Vorgeschichts¬
wissenschaft in den skandinavischen Ländern seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
war nicht sowohl die Menge der Funde, als vielmehr ihre gute Ordnung in den
Museen und deren mustergiltige Veröffentlichungen, die für die weitere Verarbeitung
des Fundmatcriales eine feste Basis gaben. — Auch in Mitteleuropa, besonders in
Deutschland hat eine rege, stellenweise begeisterte Sammeltätigkeit im vorigen
Jahrhundert reiche Schätje aufgehäuft, aber sie sind bis heute in wörtlichem Sinne un¬
übersehbar, da nur von wenigen Sammelstellen für die Dauer brauchbare Ver¬
öffentlichungen ausgingen und gar Sammlungs-Verzeichnisse und Führer, die wirk¬
lich führen, dem Laien wie dem Forscher fast gänzlich fehlen! Jetzt kommt ein
solcher nun aus dem kleinen Prenzlauer Museum, dessen Name für den Prä¬
historiker guten Klang hat durch Schumann-Miecks Uckermärkische Megalith-Gräber¬
forschung, das Urnenfeld von Oderberg-Bralitj, sowie manche Leckerbissen, wie die
Depotfunde von Arnimshain und Alexanderhof und das prächtige Grab von Damme. —
Dass aber noch viele andere Schätze in dem Prenzlauer Museum, das seit
1899 in der umgebauten Heiligengeisthospitalkirche untergebracht ist, „schlummerten“,
zeigt uns Blumes Sammelverzeichnis. Ein erfreuliches Büchlein, von dem man wirklich
„etwas hat“! Erstens und vor allem eine wissenschaftliche Materialsammlung, die
selbständigen Wert beanspruchen kann; als Führer und kritisches Verzeichnis
kommt es seiner Pflicht weit mehr nach als irgend eine demselben Zweck dienende
Schrift nicht nur in Deutschland.
Vorgeschichtliche Museen sind in Deutschland zumeist noch eine Welt in der
man sich langweilt. Man sieht doch aber am Prenzlauer Verzeichnis, dass es möglich
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IV. Bücherbesprechungen.
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ist, eine auch dem Laien zusagende Einführung in die vorgeschichtlichen Funde zu geben;
allerdings muss sie ein Fachmann herrichten: die Sammlung und den Führer da¬
zu ! Das ist das Geheimnis, das unsere vielen, vielfach hochwertvollen deutschen
vorgeschichtlichen Sammlungen seither meist auf dem Niveau unfruchtbarer Sammel¬
stellen hält: das Fehlen fachmännischer Leiter oder Bearbeiter! Blume ist Kossinna-
schüler, also gewöhnt an strengkritisches Arbeiten, das aber von weiteren Gesichts¬
punkten beherrscht wird. Das Prenzlauer „Verzeichnis“ ist eine der ersten Nutzan¬
wendungen der Studien der jungen Berliner Schule für Vorgeschichte! Es steckt
mehr Arbeit in solch einer Schrift, als man denkt. Ehrliche und strenge Arbeit am
Material ist aber der einzige Schlüssel für die Erschliessung der Vorzeit! Das Prenz¬
lauer Verzeichnis ist nach folgender Disposition verfasst:
I. Vorrede und Vorwort betr. die Geschichte des Museums und der vorge¬
schichtlichen Forschung in der Uckermark.
II. Die vorgeschichtlichen Altertümer eingeteilt (und aufgestellt) in die Ab¬
schnitte: Steinzeit, Bronzezeit, Latene-Zeit, röm. Kaiserzeit und slawische Zeit. Jedem
Abschnitt ist ein knapper und doch alles Wesentliche bringender Überblick über die ucker¬
märkischen Verhältnisse der betreffenden Zeit vorangestellt. Die Ergebnisse der Kossin¬
naschen Arbeiten liegen den Ausführungen zugrunde. Diese 5 Kapitel bilden zusammen
einen für Laien und Forscher sehr brauchbaren Abriss der uckermärkischen Vor¬
geschichte, reich illustriert durch die Abbildungen charakteristischer Funde aus dem
Museum. Aus der Übergangszeit vom Quartär zur geologischen Jetzt¬
zeit (Ancylus- und Litorinazeit der Ostsee entsprechend) stammen die ältesten sicheren
Funde menschlicher Kulturreste: ziemlich spärliche und nicht sehr charakte¬
ristische Einzelfunde von einfachen Stein- und Knochengeräten. Der jüngeren
Steinzeit gehören u. a. Einzelfunde der ältesten Beiltypen an, Vorläufer
der in den Gräbern der Blütezeit gefundenen. Während der neolithischen „Gräber¬
zeit“ gehört die Uckermark völlig in den nordeuropäischen Kulturkreis,
den die Tiefstichkeramik kennzeichnet und der uns für das Quellgebiet
der Indogermanenauswanderungen gilt. Vom Kreise der Nachbarkulturen erreichen
nur wenige Importe (bandkeramische Steingeräte) die Uckermark. Für alle charakte¬
ristischen Erscheinungen der norddeutschen Megalithgräberzeit bietet das Land und
das Museum viele Beispiele.
In der Bronzezeit liegt die Uckermark bis auf ein kleines Gebiet im Süd¬
osten ganz im Bereich der nordeuropäischen Gruppe, die die germanische
zu nennen ist, da sich schon aus ihr ohne Unterbrechung die frühgeschichtliche Kultur
der Germanen herleitet. Jener, Südostwinkel fällt seit der III. Periode der
Bronzezeit ins Gebiet der weitausgedehnten ungarisch-ostdeutschen Gruppe (der „kar-
podakischen“ nach Kossinna. Zeitschrift f. Ethnol. 1902). Das Urnenfeld von Oder-
berg-Bralitj ist ein Beispiel der älteren karpodakischen Gräberfelder; die jüngeren
sind spärlich vertreten.
Völlig westgermanischen Typus haben die uckermärkischen Funde der
Latenezeit bis auf wenige ostgermanische Einstreuungen im Kreise Anger¬
münde. Der Norden des Kreises Prenzlau zeigt während der Latenezeit engere
Beziehungen zu Pommern (Urnen in Steinpackung, darüber Brandschüttung) gegen¬
über den andern Kreisen, die sich den andern Nachbarn anschliessen (Urnen in
freier Erde oder in Steinpackung, aber ohne Brandschüttung). In der älteren Kaiser¬
zeit (I.—II. Jhdt. n. Chr) bleibt die Uckermark dem westgermanischen Kulturgebiet
zugehörig; in der späteren (III. —IV. Jhdt.) wird sie ostgermanisch offenbar durch
Verschiebungen der Bevölkerung. Sichere Unterlagen für Nennung von Stammes¬
namen fehlen noch für die Uckermark in diesen Jahrhunderten. Im V. Jahrhundert
M a n n u s. Bd. I, 11
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162
V. Nachrichten.
verliert die Uckermark, wie ganz Ostdeutschland, ihre Bevölkerung und damit
die Möglichkeit vorgeschichtlicher Funde. Die Zeit der slawischen Besiedelung
trägt die gleichartigen Züge von ganz Norddeutschland. Die spärlichen geschicht¬
lichen Nachrichten der Frühzeit treffen die Uckermark erst sehr spät, erst nach
der im XII. Jahrhundert vollendeten Zurückeroberung Ostdeutschlands durch
die Deutschen.
Wir wünschen dem Katalog schnelle Neuauflage, auch schon deshalb, weil
dann vielleicht Glanzpapiertafeln die grossenteils mangelhaften Textdrucke ersetzen
könnten! Ein uckermärkisches Fundortsverzeichnis und ein solches der grossen und
kleinen vorgeschichtlichen Sammlungen innerhalb der Uckermark und endlich eine
Literaturübersicht, uckermärkische Vorgeschichte betreffend, sind Zugaben, die künftig
in keinem derartigen Führer fehlen sollen.
Der geschichtliche Teil des Museums ist Inhalt des zweiten, weniger ein¬
gehend bearbeiteten Abschnittes des Verzeichnisses. Ein Gobelin aus Hindenburg
und die Reste des Prenzlauer Rolands verdienen hier besondere Beachtung.
Hannover. H. Hahne.
V. Nachrichten.
Der Nordwestdeutsche Verband für Altertumsforschung
in Kassel.
Bei der Tagung des N o r d we st d e uts chen Verbandes in Kassel vom
13.—15. April d. Js. wurden die Verhältnisse und Vorgänge mehrfach zur
Sprache gebracht, die sich seit der Gründung und dem ersten Auftreten
unserer Gesellschaft entwickelt haben. Da diese Dinge doch einmal im Zu¬
sammenhang besprochen werden müssen, ist an dieser Stelle hierfür vielleicht die
beste Gelegenheit gegeben.
Dass der Zusammenschluss der deutschen Vorgeschichts¬
forscher und - Freundein unsern Kreisen nachweislich seit Jahren geplant ist,
darüber spricht der Bericht der gründenden Versammlung (s. oben S. 9f.). Von den
Vorgeschichtsforschung treibenden Museen innerhalb Preussens
waren ausserdem seit Jahren energische Bestrebungen ausgegangen, eine Museen¬
vereinigung zu schaffen zu gemeinsamer Arbeit an der vorgeschichtlichen
Forschung, besonders um die leidige Frage der Ausgrabungskompetenzen, sowie
die der einheitlichen musealen Verwertung und der so notwendigen Förderung der
wissenschaftlichen Veröffentlichung der Funde zu lösen.
D i e s e s Unternehmen scheiterte an der mangelnden Einigkeit und besonders
daran, dass das „ Zentralmuseum “ in Berlin während des Interregnums nach
Voss’ Tode nicht in der geeigneten Weise seine Stellung und Tätigkeit in diesem
Zusammenschluss durch einen genügend bevollmächtigten Vertreter übernehmen
konnte.
In Bayern haben die gleichzeitig einsetzenden gleichartigen Bestrebungen
unterdessen zu einer höchst erfreulichen Organisation geführt, in Preussen nur in
der Provinz Hannover.
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PRINCETON UNIVERSITY
V. Nachrichten.
163
Während diese Bestrebungen, die preussischen Musee n zusammen-
zuschliessen also vorläufig ruhten, setzten nun desto energischer unsere Bemü¬
hungen ein, den andern Teil der als notwendig erkannten Organisation der deutschen
Vorgeschichtsforschung zu erledigen, den freien Zusammenschluss derEinzel-
personen, Vereinigungen und Institute in Deutschland, die Vorge¬
schichtsforschung treiben wollen, und sie führten zur Gründung unserer
Deutschen Gesellschaft fürVorgeschichte, die also von vornherein
als ein Korrelat zu der erhofften Museenvereinigung gedacht war!
War für den vor allem praktische Ziele verfolgenden Museenzusammen¬
schluss das Z e nt r a 1 m u s e u m in Berlin der gegebene Kristallisationspunkt,
zunächst wenigstens für Preussen, so war es für eine deutsche Gesellschaft
für Vorgeschichte doch natürlich der Zusammenschluss der Fachleute unter
Vorsitz des Vertreters des ersten deutschen Lehrstuhles für deutsche Vorge¬
schichte.
Der grosse sofortige Erfolg des Rufes zur Gründung unserer Gesellschaft
beweist genügend, dass diese unsere Überlegungen richtig waren.
Die somit auf einen richtigen und sichtlich erfolgreichen Weg gebrachte
Entwickelung der O rga nisations bestreb ungen wurden aber gestört durch
zwei Dinge: kaum zu entwirrende Fäden persönlicher guter und schlechter
Beziehungen „der Tonangebenden in der Wissenschaft“ mit ihren Folgen, den
dazugehörigen polemischen Auseinandersetzungen, verschleierten das
Bild des Vorganges der „Befreiung der deutschen Vorgeschichtsforschung“ in den
Augen mancher Kreise; und leider bekam unsere Gesellschaft durch die Form
eines zu heftigen Ausbruchs dieser Unterströmungen bei ihrer Begründung den
Ans c h e in e i ner „p i e t ä tl o s e n“ Sezession d e r V org es c h ich t s w is s e n-
schaft aus dem Schoss aller der wissenschaftlichen Gesellschaften und Verbände,
die bisher den in Deutschland solange unmündig gebliebenen (bzw. für unmündig
gehaltenen) Forschungszweig bemuttert (bzw. bevormundet) hatten und naturgemäss
nicht glauben möchten, dass er zum Aschenbrödel geworden war, seit seine Be¬
handlung nicht mehr entsprach seiner wachsenden Bedeutung. Nachträgliche
Einrichtung von „prähistorischen Fachsitzungen“ seitens jener Gesellschaften und
ähnliches sollen unsern bereits vollzogenen freien Zusammenschluss als unnötig
erscheinen lassen. Auf Grund dieser Vorgänge konnte ein zweites verwirren¬
des Moment erstarken. Von der vorgeschichtlichen Abteilung der Berliner
Museen ist nämlich statt der erwarteten Verfolgung des alten Programms des
Museenzusammenschlusses, von dem u. a. auch das Wiedererstehen der
leider eingegangenen „Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ in grösserem Stile
erhofft wurde, der Plan ausgegangen, eine Zeitschrift herauszugeben, der neuerdings
die Aufgabe gestellt ist „die Gesamtinteressen der deutschen vorgeschichtlichen For¬
schung zu pflegen“ und „der gesamtdeutschen Forschung auch die Zusammenhänge mit
den weiter entfernten Kulturen zu vermitteln“ (Ankündigung vom 13. IV. 1909). An sich
brauchte dieses Programm, das fast wörtlich dem unserer Gesell¬
schaft und ihrer Zeitschrift entspricht, ja nur eine „ideale Konkurrenz“
zu bedeuten, wenn nicht die Entwicklung dieses Unternehmens anderes gezeigt
hätte! Für das Zustandekommen dieser Berliner Zeitschrift wurde von vornherein
die Hilfe g era d e d e rj e ni ge n an Altertumsforschungen interessierten Gruppen
beansprucht, die sich durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vor¬
geschichte unangenehm überrascht oder mit mehr oder weniger Recht benach¬
teiligt oder v e rl c t zt fühlten und trotz aller unserer Bemühungen unversöhnlich
geblieben sind. In diesen Kreisen ist durch die Begründung der neuen
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164
V. Nachrichten.
BerlinerZeitschrift aus der Reaktion gegen den Kossinnaschen Aufruf eine Agi¬
tation gegen unsere Gesellschaft geschaffen, zu deren Kristallisationspunkt
die Bemühung um das Zustandekommen der neuen Zeitschrift gemacht wurde.
Über die Erwägungen, die zur Gründung unserer Gesellschaft geführt haben und
über deren Ziele werden höchst missverständliche „Aufklärungen“ ge¬
geben, die gelegentlich ans Komische streifen! Die Deutsche Gesellschaft für
Vorgeschichte wird bald als „eine Art grosser Heimatbund“ hingestellt im Gegen¬
satz zu den Altertumsverbänden, „die wissenschaftliche Forschung treiben, aber
keine Volksfeste veranstalten wollen“ (Äusserung in Kassel), bald als blosses Mittel
zur Begründung unserer Zeitschrift und als Konkurrenzunternehmen (!) gegen das
vermeintlich legitimere der Berliner Zentrale.
Der eigenen Unternehmung der Berliner Zentrale wird dagegen nachgerühmt,
dass sie „in erfreulichster Weise alles (sic) vereinigt, was sich in Deutschland
bisher schon mit Altertumsforschung beschäftigte“, und dass sie „auf sicherem
Boden stehe“. Durch diese und ähnliche Darlegungenwirdfürweniger
eingeweihte Kreise unsere Gesellschaft und ihre Ziele in ein völlig
falsches Licht gesetzt, zumal da die betreffenden Darstellungen
vo n e i n e r Se i t e au sg e h e n , h i nte r d e r e i n e staatliche Beihilfe steht!
Und deshalb ist jene Agitation, die an sich ja nur als Intermezzo bis zur allgemeinen
Aufklärung aufzufassen wäre, geeignet, aus Sachen der wissenschaftlichen Arbeit
eine M a ch tf r a g e, g eha nd h a b t v on Ei nzel n e n, zu machen. Diese Erkenntnis
fand nun gerade auch während der Kasseler Tagung Ausdruck, deren Verhand¬
lungen und vielfache private Auseinandersetzungen über das Thema aber schliess-
lich doch einen erfreulichen Eindruck hinterliessen; denn mit aller Ent¬
schiedenheit trat trotz des Aufwallens gegenteiliger Ansichten die Tatsache hervor»
dass in den Schlachtruf gegen uns keineswegs die G e sa m t h e i t d e r
nordwestdeutschen Altertumsforscher einstimmt. Unzweideutig fand auch
offiziell die Ansicht Ausdruck, dass der Zusammenschluss zur Deutschen Gesell¬
schaft für Vorgeschichte einen erfreulichen Schritt vorwärts für unsere Wissen¬
schaft bedeute. Von berufenster Seite wurden die persönlichen Beiklänge
der Verhandlungen a 1 s das Unwesentliche abgelehnt. Viele und berufene
Persönlichkeiten, auch aus dem nordwestdeutschen Gebiete, sind zugleich Mitglied
und Mitarbeiter unserer Gesellschaft und anderer Verbände, die durch die jüngsten
Vorgänge fast in scheinbar unversöhnlichen Gegensatz zu uns getrieben worden
wären; sehr angesehene und vornehme Vereine und Institute, die an der Förderung
der deutschen Vorgeschichtsforschung beteiligt sind, haben, z. T. in vorurteils¬
freier Weise mit dem Ausdruck der Freude über unsere endlich erfolgte Organi¬
sation der deutschen Vorgeschichtsforschung unsere Zeitschrift bereits bestellt
und wollen auch die geplante Berliner Zeitschrift unterstützen,
in der Hoffnung auf zwiefache Anregung, infolge der zu erwartenden
Äusserung verschiedener Standpunkte in den „konkurrierenden beiden vorgeschicht¬
lichen Organen, und in der Erwartung, dass künftig beide Unternehmungen fried¬
lich nebeneinander gehen werden. Zwar wird von den „Gegnern“ geflissent¬
lich stets nur Kossinnas erster „Kampfruf“ als Unterlage für die
Ausein andersetzungen über die Begleiterscheinungen unserer Organisation
benutzt, und die offiziellen Äusserungen unsererGesellscha ft im Bericht
über die Gründungsversammlung übergangen, zwar überwuchern die per¬
sönlichen Empfindungen und Rücksichten vielfach noch die sachlichen,
aber trotzdem kommen überall mehr und mehr Vertreter des weiter¬
blickenden Standpunktes zum Wort; und sie gaben auch auf der Kasseler
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V. Nachrichten.
165
Tagung — auch offiziell in der Vertreterversammlung — ihrer Ansicht energisch
Ausdruck. Dadurch ist auch z. B. der höchst modern anmutende Vorschlag
ei nes Boykottes der Konkurrenz, d. h. unserer Gesellschaft und Zeitschrift
vereitelt worden, der in den Kreisen des „Paktes“ zur Gründung der Berliner
Zeitschrift seit einiger Zeit propagiert war. Interessant ist, dass der Vorschlag
motiviert wurde mit der Behauptung, der Stoff für vorgeschichtliche Veröffentlich¬
ungen reiche nicht aus für zwei Zeitschriften!
Nun, das von der grossen Mehrheit der Vorgeschichtsforscher und -Freunde
gewünschte schnelle und frohe Aufblühen u n s e r er W i ss e n s c h a ft wird
nicht abhängen von pränumerando geführtem Streit, es wird ausgehen von den
Stellen, wo stille tüchtige Arbeit geleistet werden wird, und dafür ist eine
klare Organisation der Arbeit auf dem Gesa mtgebiet der deutschen
Vorgeschichtsforschung eine unentbehrliche Unterlage. Hoffentlich wird
sie bald in der oben eingangs skizzierten Richtung durchgeführt: gegründet auf
die natürliche Bedingung der Arbeitsteilung, nicht mehr verwirrt durch
Vo rg ä n g e u n d B e s t r e b u n g e n , dieden Forderungen u nserer Wissen¬
schaft fernstehen. H. Hahne.
Das Gesetz über prähistorische Ausgrabungen. Wie die „Inf.“ von
unterrichteter Seite erfährt, ist der Gesetzentwurf „Zum Schutz von frühgeschicht¬
lichen Denkmälern usw.“ dem Preussischen Staatsministerium zugegangen. Das
Gesetz bezweckt den nötigen Schutz gegen Raubgräbereien sicher zu stellen.
Praktisch hat sich herausgestellt, dass in erster Linie Volksschullehrer, Händler und ge¬
legentlich auch Offiziere (meist im Manöver) sich mit der Ausgrabung von Funden
dieser Art beschäftigen. Man will eine AnzeigepflichtbeidenBezirksregierun-
gen einführen. Hierdurch soll erreicht werden, dass das Auffinden und Ausgraben
frühgeschichtlicher Funde den Stellen überlassen bleibt, die sich bisher wissen¬
schaftlich damit befasst haben und sie der Öffentlichkeit zugängig machen können.
In erster Linie ist hierbei an die Museen gedacht; Bezirksregierungen und
Provinzialkonservatoren kommen hierfür nicht in Betracht. Der Entwurf wird in
dieser Tagung nicht mehr den Landtag beschäftigen, sondern es ist anzunehmen,
dass nach Beschluss des Staatsministeriums kommissarische Beratungen über ihn
stattfinden werden.
Frl. Professor Johanna Mestorf ist am 1. April d. J. aus dem Amte als
Direktor des Schleswig-Holsteinischen Museums vaterländischer Altertümer in Kiel
geschieden, das sie als Nachfolgerin von Professor Dr. Handelmann seit 1891 be¬
kleidet hat, nachdem sie schon seit 1873 als Kustos an dieser Anstalt gewirkt hatte.
Der Kaiser hat ihr aus diesem Anlass in Anerkennung ihrer ebenso unermüdlichen
als segensreichen Tätigkeit sein Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift verliehen.
Als Nachfolger von Frl. Prof. Mestorf wurde der seit 1899 am Kieler Museum
wirkende Kustos Dr. phil. Friedrich Knorr aus Eutin zum Direktor des Museums
vaterländischer Altertümer ernannt.
Am 17. April beging Frl. Professor Mestorf in Kiel ihren achtzigsten Ge¬
burtstag. Unsere Gesellschaft hat sie aus diesem Anlass nach einstimmigem Be¬
schluss des Ausschusses zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt und ihr dies in einem
künstlerisch ausgestatteten Diplom kund getan, das kennen zu lernen unsere Mit¬
glieder interessieren wird. Wir haben diesem Hefte daher auf Tafel XX eine ver¬
kleinerte Nachbildung beigegeben, die natürlich die Farben des Landschaftsbildes des
Originals, worin der Fachmann die Steinkammer von Albertsdorf auf Fehmarn so¬
gleich erkennen wird, nicht wiedergibt.
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166
V. Nachrichten.
Todesfall. Am 15. Mai d. J. hat der Tod zum ersten Male eine Lücke in
unsere Gesellschaft gerissen, leider eine sehr fühlbare, indem er den im besten
Mannesalter stehenden Oberlehrer am Gymnasium zum hl. Geist, Professor Dr.
Oskar M e rtins, einen Schulkameraden des Herausgebers dieser Zeitschrift aus
den 1870er Jahren zu Tilsit, von einem langdauernden Nierenleiden erlöste.
Obwohl von Hause aus Philologe, hat sich Mertins schon frühzeitig in das Fach
der Vorgeschichte eingearbeitet und dabei auch der notwendigen Hilfen der Natur¬
wissenschaft sich voll bemächtigt. Schon 1891 zeigte er in der kleinen Schrift „Die
hauptsächlichsten prähistorischen Denkmäler Schlesiens“ eine nicht gewöhnliche Be¬
herrschung dieses Gebietes. Es folgte dann eine längere Reihe tief eindringender
Spezialabhandlungen zur Vorgeschichte Schlesiens, die er im 6. und 7. Band der
Zeitschrift „Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild“, später in den „Beiträgen zur Ur¬
geschichte Schlesiens“ erscheinen liess, so über die Spuren des Diluvialmenschen,
Depotfunde der Bronzezeit, Kupfer- und Bronzefunde, die Urnen-Gräberfelder der
Bronzezeit, endlich über Steinzeitliche Werkzeuge und Waffen in Schlesien. Sein reiches
Wissen fasste er dann 1906 zusammen in dem ganz vortrefflichen „Wegweiser durch
die Urgeschichte Schlesiens“, der binnen Jahresfrist in neuer Auflage erscheinen
musste. Die deutsche Vorgeschichte und besonders die schlesische verliert in
Mertins eine hervorragende Kraft, die um so schwerer zu ersetzen sein wird, als
in Schlesien vorderhand noch kein Nachwuchs an Jüngern unserer Wissenschaft
herangezogen worden zu sein scheint. G. K.
Einladung des Herrn O. Hauser nach Les Eyzies (vgl. oben S. 147).
Les Eyzies, 17. II. 09.
An die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte Berlin.
Hochgeehrte Herren!
Es stehen während der diesjährigen Ausgrabungskampagne (Januar bis
November 1909) Stationen des Acheuleen, Mousterien, Aurignacien (inferieur und
superieur), Solutreen und Magdalenien zur Ausgrabung. Aller Voraussicht nach
werden meinen Arbeiten nicht nur durch das französische Unterrichtsministerium
etwelche Schwierigkeiten in Zukunft bereitet, sondern es werden auch die Grabungen
in den Stationen des Acheuleen, Mousterien, Aurignacien und Solutreen im Ver¬
laufe des Sommers ohnehin beendet sein. Ich gedenke jedoch, soweit es die Pacht¬
verhältnisse der einzelnen Lokalitäten erlauben, aus jeder Epoche und Station je
ein Profil intakt zu belassen, um den Besuchern des Vezöretales das Studium der
einzelnen Perioden in situ zu ermöglichen.
In Vorbereitung liegt eine übersichtliche Beschreibung der Stationen 1—45
(La Micoque, Laugerie, Les Eyzies, Le Moustier, Longueroche) mit Typentafeln,
Profilen, Ansichten und einem für die Besucher handlichen Übersichtsplan.
Ich gestatte mir, den verehrlichen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für
Vorgeschichte einen Besuch der klassischen Stätten der Dordogne wärmstens zu
empfehlen.
Da die Unterkunftsverhältnisse im Dorfe Les Eyzies trotj allen unseren Be¬
mühungen immer noch sehr mangelhafte sind, wurden in meinem Standquartier,
der idyllisch gelegenen Laugerie Haute, 3 gute Zimmer mit 4—5 Betten zur gefl.
Benütjung bereit gestellt. Die Küche ist tadellos reinlich und schweizerisch geführt.
Bei gutem Wetter kann das Essen im Freien auf einer neuaufgeführten Terrasse
eingenommen werden. Ferner steht den geehrten Besuchern mein neuerrichtetes
Bureau sowohl zum Aufenthalt wie auch zum Studium der dort aufgestellten Typen¬
sammlung, aus allen von mir ausgegrabenen Stationen, der Pläne und Photo¬
graphien zur Verfügung. Fuhrwerke ebenfalls in der Laugerie Haute.
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V. Nachrichten.
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Bequemste Reiseroute: Paris Quai d’Orsay (ab vormittags 10 16 ), Limoges
(an 4 25 ab 5 00 ), Perigueux (an 6 M abends). Empfehlenswertes Hotel in Perigueux:
Hotel Messageries. Zu allen weiteren Auskünften bin ich immer gerne bereit.
In vorzüglicher Hochachtung zeichnet ergebenst
O. Hauser.
Kongresse.
Der diesjährige, 5., „Congres Pr öhistoriq ue de France“ wird vom
26.— 31. Juli zu Beauvais (Oise) abgehalten.
Die ersten drei Tage sind für die wissenschaftlichen Verhandlungen und
lokalen Besichtigungen, die letzten drei Tage für wissenschaftliche Ausflüge bestimmt,
wobei besonders Besichtigungen von Dolmen und Menhirs vorgesehen sind. Der
Kongress ist diesmal verbunden mit einer Ausstellung für allgemeine Vorgeschichte
und einer zweiten für die Vorgeschichte des Oise-Departements.
Ein Besuch der stets vorzüglich vorbereiteten und geleiteten französischen Prä¬
historikerkongresse ist sehr lohnend. Der Beitrag für die Teilnehmer ist 12 Franken,
einzusenden an M. Louis Giraux, Tresorier, 9 bis Avenue Victor-Hugo, in Saint-
Mande (Seine).
Am 31. Juli d. J. beginnt der belgische Congres archeologique et
historique zu Lüttich; Beitrag 10 Franken oder mit Verzicht auf die Publikation
5 Franken, einzusenden an Messieurs les Secretaires Generaux des Kongresses in
Lüttich, Rue Fabry 14.
Die diesjährige Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen
Geschichts- und Altertumsvereine wird vom 9. —11. Septbr. in Worms tagen.
Nachdem das Provinzialmuseum in Hannover durch seinen Direktor, unser
Vorstandsmitglied, Herrn Dr. J. Reimers, an die Deutsche Gesellschaft
für Vorgeschichte die freundliche Einladung hat ergehen lassen, ihre dies¬
jährige Hauptversammlung in Hannover abzuhalten, hat der Ausschuss
unserer Gesellschaft einstimmig beschlossen, dieser Einladung Folge zu leisten.
Für die Tagung ist die Zeit vom 7. bis 9. August angesetzt worden. Die König¬
liche Technische Hochschule zu Hannover hat die Güte gehabt, Vortrags- und Aus¬
stellungsräume zur Verfügung zu stellen.
Folgender Tagesplan ist in Aussicht genommen worden:
Freitag den 6. August
Nachm. 6 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzungen.
w 8 „ Begrüssung und geselliges Beisammensein.
Sonnabend den 7. Aug]ust
Vormittags: Sitzung und Vorträge.
Mittags 12 Uhr: Wiedereröffnung der neugeordneten Vorgeschichtlichen
Abteilung des Provinzialmuseums und Führung durch diese.
Sonntag den 8. August
Ausflug in eine für die vorgeschichtliche Forschung wichtige Gegend
(Fallingbostel, Umgebung von Bergen bei Celle).
Montag den 9. August
Sitzungen und Vorträge.
Gemeinsame Mahlzeiten, Führungen und besondere Vorträge in den Museen
und andern wissenschaftlichen Anstalten Hannovers sind in Aussicht ge¬
nommen, ebenso Sonderausstellungen aus dem Gebiete der Vorge¬
schichtsforschung.
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168
V. Nachrichten.
An den Schluss der Hauptversammlung knüpft sich ein Ausflug in den
Teutoburger Wald zum Besuch der Schlachtfelder der Römerkriege, insonderheit
der Varusschlacht als Gedenkfeier zum 1900jährigen Jubiläum dieser Schlacht.
Unser Mitglied, Herr Professor Dr. Knoke in Osnabrück, hat die Führung übernommen.
Hieran schliesst sich weiter, falls eine Beteiligung von mindestens 6 Herren
stattfindet, ein diluvialarchäologischer Ausflug, dessen Führung unser
Mitglied Herr Dr. Rob. Rud. Schmidt in Tübingen übernehmen wird: be¬
sichtigt werden die von Herrn Schmidt neuaufgestellten Funde aus Andernach und
den westfälischen Höhlen (Bonner Prov. Mus.), die Diluvialfunde in Wiesbaden
(Steeden a. d. Lahn!), Stuttgart (Schussenquelle! im Naturalienkabinett; ausser¬
dem die von Schmidt neu eingerichtete paläolithische Sammlung des Altertums¬
museums), Tübingen (ausserordentlich reiche neue paläolithische Sammlung des
Geologischen Instituts), endlich auf etwaigen Wunsch noch Ulm (Bocksteinhöhlen¬
funde). Den Beschluss macht die Besichtigung eines diluvialen Profils der neuen
Ausgrabungen von v. Koken u. Schmidt in der Schwäbischen Alb.
An Vorträgen sind bereits angemeldet:
1. Univ.-Professor Dr. Gustaf Kossinna (Berlin): Über vorgeschichtlichen Handel
in Mitteleuropa (mit Lichtbildern), Eröffnungsvortrag.
2. Geheimrat Univ.-Professor Dr. Adalbert Bezzenberger (Königsberg i. Pr.):
Thema Vorbehalten.
3. Direktor Dr. J. Reimers (Hannover): Beziehungen zwischen Vorgeschichts¬
forschung und Denkmalpflege.
4. Dr. A. Kiekebusch (Berlin): Bronzezeitfunde des Märkischen Museums in Berlin.
5. Generaloberarzt Dr. Georg Wilke (Chemnitz): Spiral-Mäanderkeramik und
Gefässmalerei.
6. Privatdozenten Dr. Ewald Wüst (Halle a. S.) und Dr. Hans Hahne (Hannover):
Der gegenwärtige Stand der Paläolithikumforschung besonders im Hinblick auf
die Erforschung des Ilmtal-Paläolithikum (Weimar-Ehringsdorf-Taubach). Hier¬
mit ist verbunden eine Sonder-Ausstellung von paläolithischen Funden aus
Westeuropa und dem Ilmtal.
7. Privatdozent Dr. Hans Hahne: Einführung in die neugeordnete Vorgeschicht¬
liche Abteilung des Provinzialmuseums mit besonderen Ausführungen über
einige wichtige Fundgruppen.
8. Dr. Ol bricht (Lüneburg): Das Klima der postbaltischen Zeit und die vorge¬
schichtliche Chronologie.
9. Dr. Rob. Rud. Schmidt (Tübingen): Die spätpaläolithischen Bestattungen in
der Ofnet.
10. Hochschulprofessor B. Sch ul z (Hannover): Das Theoderichgrabmal in Ravenna
und seine Probleme.
Eine Anzahl weiterer Vorträge steht noch in Aussicht.
Eine Anmeldung fernerer Vorträge bei der Hauptversammlung kann nur
dann auf Berücksichtigung rechnen, wenn sie spätestens bis Ende Juni beim
Unterzeichneten erfolgt ist. Gustaf Kossinna.
Zum Schatzmeister unserer Haupt-Gesellschaft ist nach einer Zeit inter¬
imistischer Verwaltung dieses Amtes Herr Dr. Gustav Albrecht-Charlotten-
burg, Rönnestr. 18, gewählt worden. An ihn sind von nun an alle Zahlungen für
die Hauptgesellschaft zu richten.
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M^'inas, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf. XX.
Curt Kabitzsch (A. Stubcr’s Verlag), Würzburg,
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M
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PRINCETON UN1VERSITY
Heft 3/4.
B - Zeitschrift für Vorgeschichte
Organ der Deutschen Gesellschaft
für \forgeschichte
. herausgegeben von
M Professor Df Gustaf Kossinna
WÜRZBURG
Curt Kabitzsch (AStub er’s Verlag)
• • t »X' V
n
Inhalts-Verzeichnis des 3/4. (Doppel-) Heftes.
I. Abhandlungen:
Montelius, 0., (Stockholm), Das Sonnenrad und das christliche Kreuz II. (Fort
Setzung und Schluss.) Mit 32 Textabbildungen.
Weinzierl, R. R. von, (Teplitz-Schönau), Übersieht über die Forschungsergeb¬
nisse ln Nordböhmen. Mit 32 Textabbildungen und 1 Portrat.
RIeken, K., (Kottbus), Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
Aus der städt. Abteilung des Niediriauutzer Museums für Altertumskunde in
Kottbus N.-L. Mit 11 Textabbildungen und 1 Tafel.
Roeslnna, G., (Berlin), Der Ursprung der Urflnnen und Urindogermanen und
Ihre Ausbreitung nach Osten. II. Nordindogermanen und Südindogermanen
Mit 22 Textabbildungen und 13 Tafeln.
II. Mitteilungen: '
Schneider, H., (Leipzig), Rassereinheit und Kultur.
Wilke, 0., (Chemnitz), Der neue Skelettrund des Homo Aurlgnacensls Hauserl
Mit 1 Textabbildung.
Beltz, R., (Schwerin), Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg.
Mit 2 Textabbildungen und 1 Tafel. *
MUller-Brauel, H., (Zeven), Der „Haxenberg" am Wege Brauel-OfiTensen, Kr.
Zeven. Ern steinzeitlicher Grabhügel. Fundbericht von 1891. Mit 16 Text¬
abbildungen und 1 Tafel.
Waase, K., (Neu-Ruppin), Mörltzsaher Funde. Urnengräberfunde aus der Leipziger
Tieflandbucht. Mit 2 Tafeln. *
Hekler, fl., (Budapest), Eine neue Bronzebüste eines Germanen. Mit 1 Text¬
abbildung.
Schmidt. H., (Löbau), Ergebnis meiner Wallforschung auf dem Breitenberge bei
Striegau in Schlesien. Mit 2 Textabbildungen.
Voges, Th., Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim,
III. Aus Museen und Vereinen«:
Günther, Ä„ (Coblenz), Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertum-
Vereins für den Regierungsbezirk Coblenz. ’ \
Rademacher, C., (Köln), Prähistorisches Museum zu Köln.
Fuhse, F., (Braunschweig), Städtisches Museum Braunschweig. Mit 3 Textab¬
bildungen. > •
Blume, E., (Posen), Aus der Provinz Posen. Erwerbungen des Kaiser Friedrich
Museums zu Posen vom Januar bis Juni 1909. Mit 3 Textabbildungen.
Sitzungsberichte der Berliner Zweiggesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Vor*
geschichte.
IV. Bücherbesprechungen.
V. Nachrichten (Mit 3 Porträts).
Bezugsbedingungen :
„Mannus“, Zeitschrift für Vorgeschichte
erscheint in
swangloser Folge« jährlich etwa 3— 4 Hefte, die zusammen einen Band
von ca. 20 Druckbogen mit ebensoviel Tafeln und reichlichen Tex Illustrationen
ergeben. Einzelne Hefte sind nicht käuflich.
Abonnementspreis pro Jahr Af. 16 .—.
Manuskripte sind an den Herausgeber Professor Dr. Gustaf Kosslnna, Gross-Lichter-
relae, Karlstr. 10 einzusenden, Illustrationsmaterial in reproduktionsfähiger Ausfahrung
erbeten. Die Herren Autoren erhalten auf Wunsch 30 Sonderdrucke unberechnet.
Titel, Inhalt und Register zum vollständigen I. Band wird dem 1. Heft
des neuen II. Bandes beiliegen. Der Verlag lässt ferner eine geschmackvolle
Einbanddecke hersteilen, weiche zum Preise von Mk. 1.— bezogen werden kann.
i
i
j
i
*30
y
O
L Abhandlungen.
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz X) .
Von
Oskar Montelius.
Mit 72 Textabbildungen.
II.
Im Vorhergehenden haben wir gesehen, dass sowohl das vier-
speichige Rad wie das gleicharmige Kreuz oft oben an einem Stabe ge¬
tragen wurde. So sind beide auch auf Grabsteinen abgebildet.
Wir werden zuerst die Grabsteine betrachten, bei denen das auf
einem Stabe getragene vierspeichige Rad eingeritzt oder im Relief dar¬
gestellt ist.
Auf dem Fig. 41 abgebildeten Steine ist das Rad deutlich ange¬
geben, indem die inneren Konturen des Radreifens auch an den Enden
der Speichen zu sehen sind. Hier sind die Speichen ganz schmal und
gegen die Enden nicht erweitert. Fig. 42 zeigt einen Grabstein mit
einem ähnlichen Rade; der Unterschied ist eigentlich nur der, dass die
Speichen gegen die Enden hin bedeutend breiter werden.
Einige Male, so auf dem Fig. 43 wiedergegebenen Steine, sitzt
über dem Rade eine Flagge mit einem kleinen Kreuz zu oberst: der
Anfang zu der unter anderem aus dem Wappen Gotlands wohlbekannten
„Kreuzesfahne", die in diesem Wappen von dem Lamme getragen wird.
In den eben angeführten Fällen ist das Rad deutlich und hat noch
keine Veränderung erlitten. Der Radreifen ist leicht erkennbar und
überall von gleicher Beschaffenheit, die Speichen gehen nicht weiter,
als bis an den Reifen.
Andere Grabsteine weisen ganz abweichende Bilder auf. Die
Speichen sind nicht, wie in älterer Zeit, überall gleich breit; sie haben
ausserdem so an Länge zugenommen, dass sie über den Reifen hinaus¬
gehen, indem sie auf ihm liegen und ihn teilweise decken. Dieser
selbst bleibt auch nicht ohne Änderung. Fig. 45 zeigt, wie er zwischen
l ) Übersetzung aus dem Schwedischen von Ernst Snethlage, revidiert von
Q. Kossinna.
Mannus. Bd. I, H. 3. 12
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
170
Oskar Montelius.
[19
den Speichen sehr schmal ist. Hierdurch und durch die veränderte
Form der Speichen werden vier kleine Rundteile gebildet.
Fig. 41.
Grabstein, Dänemark.
Fig. 44.
Grabstein, Dänemark.
Fig. 43.
, Grabstein, Dänemark.
Fig. 46.
Grabstein, Schottland.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
Eine Querlinie zwischen der Oberkante des Stabes und dem unteren
Ende der abwärts gewendeten Speiche macht es deutlich, dass wir in
Fig. 48. Grabstein, Dänemark.
Fig. 47. Grabstein, Schottland.
Fig. 45 wirklich ein Rad mit vier ungefähr gleich langen Speichen vor uns haben,
das auf einem Stabe sitzt, und nicht ein lateinisches Kreuz mit einem Ring
Die vier eben erwähnten Rundteile fin¬
den sich auf den beiden Figuren 46 und 47
wieder, obwohl der Radreifen auf dem ersteren
Steine seinen ursprünglichen Charakter gänz¬
lich verloren hat und auf dem letzteren so
gut wie vollständig verschwunden ist. Auf dem
ersteren findet sich nicht mehr irgendwelche
Scheidelinie zwischen Stab und Rad. Auf dem
letzteren Steine ist kein Stab gezeichnet,
woher das Ganze sich jetzt als ein gleich¬
armiges Kreuz darstellt.
Auch auf dem Fig. 48 wiedergegebenen
Grabstein, der auf einem dänischen Kirch¬
hofe errichtet worden ist, hat der Radreifen
seine ursprüngliche Gestalt verloren; er ist
nicht mehr kreisförmig.
Der Radreifen kann auch auf eine andere Art seine eigentliche
Bedeutung verlieren. Wenn er klein wird und gleichzeitig die Speichen
lang, so entsteht eine solche Form, wie sie Fig. 44 zeigt.
Fig. 49. Grabstein, Schottland,
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172
Oskar Montelius.
[21
Auf dem Grabstein Fig. 49 ist der Reifen auch fast gänzlich ver¬
schwunden. Die vier stark ausgeschweiften Enden der Speichen sind
jedoch auf die Art, wie wir es früher kennen gelernt haben (Fig. 14
und 18) abgerundet, so dass ihre Aussenkonturen einen beinahe voll¬
ständigen Kreis bilden. Der obere Teil des Grabsteins ist fast halb¬
kreisförmig abgerundet gewesen.
Dieser Stein zeigt also in der Tat ein an einem Stabe getragenes,
gleicharmiges Kreuz, nicht ein Rad.
loJ
Fig. 50.
Grabstein, Schonen.
Fig. 51.
Grabstein, Westergötland.
Fig. 52.
Grabstein, Westergötland.
Viele andere Grabsteine tragen die Zeichnung eines gleicharmigen,
auf einem langen Stabe sitzenden Kreuzes.
Fig. 50 zeigt ein solches Kreuz, dessen Arme in abgerundete
Enden auslaufen, wie bei Fig. 14. Sie haben also die Form, wie die
Speichen in manchen Rädern, kurz bevor die ersteren frei von dem
Radreifen wurden. Fig. 51 und 52 geben Kreuze wieder, deren Arme
in breite, gradlinige Enden auslaufen.
* *
*
Andere Grabsteine haben selbst die Form eines schmaleren oder
breiteren, oft ganz hohen Unterteils, das obenauf ein vierspeichiges
Rad trägt.
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22]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
173
Die Speichen oder Kreuzarme hören entweder, wie es bei einem
Rade natürlich ist, an der Innenkante des Radreifens auf (Fig. 53);
eine deutliche Linie scheidet sie von dem Kranze. Oder sie reichen
auch ein kürzeres oder längeres Stück über diese hinaus (Fig. 54—59).
Dass der Teil des Steines, der das Rad trägt, gewöhnlich bedeutend
breiter ist, als die abwärts gerichtete Speiche, findet seine Erklärung
in der Natur des Stoffs, weil das Grabmal zu schwach geworden wäre,
wenn man nicht diese Vorsichtsmassregeln ergriffen hätte. Der Teil
der drei oberen Speichen, der innerhalb des Radreifens sitzt, ist
dagegen lange von derselben Breite, wie derjenige, der sich ausserhalb
des Reifens fortsetzt (Fig. 55), aber späterhin wird auch der äussere Teil
dieser Speichen bedeutend breiter als der innere (Fig. 54). Selten ist
jedoch der Unterschied so gross, wie auf dem Fig. 59 abgebildeten Steine.
Gewöhnlich bilden die Zwischenräume zwischen den Speichen und
dem Radreifen vier deutliche Öffnungen. Einige Male ist dies jedoch
nicht der Fall: Das Rad, sowohl der Reifen als auch die Speichen, sind
nur eingeritzt oder im Relief angegeben, obgleich der Stein dieselbe
Form hat, wie die vorher erwähnten (Fig. 61 und 62).
Allmählich wird der Reifen immer undeutlicher, so dass seine
Spur mit Schwierigkeit und nur durch einen Vergleich mit den älteren
Formen aufgefunden werden kann. Manchmal sieht man weder Reifen
noch Speichen — das heisst denjenigen Teil der letzteren, der inner¬
halb des Reifens gesessen hat —, aber die Kontur des Steines ist die¬
selbe, wie bei denen, die nach oben hin in ein vierspeichiges Rad mit
weit überschiessenden Speichen endigen (Fig. 64). Bisweilen kann in
diesem Falle, wie ein eigentümliches Andenken an den Ursprung der
Form, ein Kreis auf dem Steine eingeritzt sein, obgleich keine Speichen
innerhalb desselben angedeutet sind (Fig. 63).
Bei Figur 60 ist der Radreifen verschwunden, aber die Enden der
Speichen haben die abgerundete Form beibehalten, die sie hatten, als
sie vom Reifen umschlossen waren.
Solche Kreuze, wie sie auf den Figuren 41—64 abgebildet sind,
kommen allgemein auf den britischen Inseln vor. Sie finden sich auch
in mehreren anderen Ländern, unter anderem in Norwegen und Schweden,
besonders auf Gotland.
Die Form hat, auch in ganz ursprünglicher Gestalt, bis in die
späteste Zeit fortgelebt. Auf vielen schwedischen Kirchhöfen sieht man
solche Kreuze von Holz oder Eisen, wie sie in Fig. 65 und 66 abge¬
bildet sind. Bei diesen Kreuzen ist gewöhnlich der untere Teil ebenso
schmal, wie die Speichen, weil in diesen Fällen der Stoff kein Hinder¬
nis für eine Bewahrung der ursprünglichen Formen in den Weg legte.
* *
#
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174
Oskar Montelius.
[23
Im 2. und 3. Kapitel des ersten Buchs Mose wird der Garten in
Eden geschildert und darin erzählt, wie mitten im Garten „der Baum
des Erkenntnisses des Guten und Bösen“ stand. Da Adam troö des
Verbotes von der Frucht des Baumes ass — dass es ein Apfel ge¬
wesen wäre, wird nicht gesagt — wurde er aus dem Paradiese ver¬
trieben, auf dass er nicht desgleichen nehmen sollte von „dem Baume
des Lebens“ und essen und leben ewiglich; und ein Engel wurde mit
einem blossen, gezückten Schwerte gesetzt, um den Weg zu dem Baume
des Lebens zu bewachen.
Nach den Ausdrücken in diesem Bericht scheint es so, als ob es
zwei verschiedene Bäume gewesen sind. Aber es spricht viel dafür,
dass der Baum des Erkenntnisses und der Baum des Lebens ein und
derselbe gewesen ist, eine Ansicht, die auch im Mittelalter die gewöhn¬
liche war.
Der Bericht im ersten Buch Mose steht offenbar in Zusammen¬
hang einerseits mit dem heiligen Baum, der in der Religion und Kunst
Indiens und Assyriens eine so grosse Rolle gespielt hat, und anderer¬
seits mit der Vorstellung, von der sich Spuren bei mehreren Völkern
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24]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
175
finden, von einer Frucht, deren Genuss ewiges Leben gäbe. So glaubte
der Parse, dass die Somapflanze ewiges Leben und der Saft der
Zypresse „Erkenntnis“ gäbe. Auch die Edda erzählt ja davon, wie
Walhallas Götter ihre Jugend nur so lange bewahrten, als sie von Iduns
Äpfeln assen.
Bereits seit den ältesten Zeiten der christlichen Kirche wurde der
Baum des Lebens im Paradiese als Vorbild des Kreuzes aufgefasst,
Fig. 55. Steinkreuz, Gotland.
und das Kreuz wurde sowohl in der morgenländischen wie der abend¬
ländischen Kirche als ein Baum des Lebens inmitten des Paradieses
gepriesen. In der Kunst des Mittelalters wurde daher das Kreuz oft
als Baum des Lebens dargestellt.
So verhält es sich mit den in Fig. 67 und 68 abgebildeten Grab¬
steinen, wo wir ein gleicharmiges Kreuz oben auf einem Baume sehen.
Dieser ist stark stilisiert, wie es gewöhnlich der Fall ist bei Abbildungen
vom Baume des Lebens. Auf dem Stein Fig. 52 ist derselbe Gedanke
dadurch ausgedrückt, dass auf jeder Seite des Stabes, der das Kreuz
trägt, ein Blatt hervorgesprossen ist. Die Fig. 69 und 70 abgebildeten
Steine sind mit einem gleicharmigen, von einem Stabe getragenen, sehr
blattreichen Kreuze geschmückt, das ganz einem Baume mit grosser,
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176
Oskar Montelius.
[25
reich belaubter Krone ähnelt. Bei der zuletzt genannten Figur sieht
man am Schnittpunkte der Kreuzesarme ein solches Hakenkreuz, wie
sie oben Fig. 36 — 40 wiedergegeben sind.
# *
*
ln seiner grossen Arbeit über die christliche Kunst l ) sagt Garucci:
„Das Kreuzsymbol, das „gleicharmiges“ und „griechisches“ Kreuz ge-
Fig. 56. Steinkreuz (vom Jahre 1361), bei Wisby.
nannt zu werden pflegt, hat durchaus keine Ähnlichkeit mit dem Kreuz,
wie es für Hinrichtungen angewendet wurde, sei es bei Römern oder
Griechen oder gar im Orient. Die Völker des Altertums haben es als
Zeichen der Erlösung benutzt, man weiss nicht auf Grund welcher Über¬
lieferung“.
Die Erklärung dessen, was Garucci dunkel scheint, ist im vor¬
hergehenden gegeben: Das gleicharmige Kreuz ist nichts anderes, als
die bereits in vorchristlicher Zeit aus dem Sonnenrade gelösten vier
Speichen, und das Kreuz bezeichnet daher wie das Rad zuerst den Sonnen-
1 ) R. Garucci, Storia della arte cristiana. Prato 1881. I, 155.
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26]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
177
gott und sodann das Göttliche als solches. Es hat diese Bedeutung,
weil das Rad, wie wir gesehen haben, ursprünglich ein Bild der
Sonne war.
Aus dem Aufsatz über „Das Rad als ein religiöses Sinnbild in
vorchristlicher und christlicher Zeit“ erinnern wir uns, wie man bisweilen
zwischen den Speichen
Strahlen sieht, und
dies nicht nur in der
ältesten vorchristlichen,
sondern auch in der
christlichen Zeit. Zwi¬
schen den Speichen in
dem hinter Christi
Haupt sichtbaren Rade,
welches Kreuzglorie ge¬
nannt zu werden pflegt
— das Zeichen für
seine Göttlichkeit —
sieht man nicht selten
solche Strahlen, und
einige Male wird das
ganze Rad durch eine
strahlende Sonne er¬
setzt.
Da das gleicharmige
Kreuz aus dem vier-
speichigen Rade ent¬
standen ist, sollte es al¬
so nicht Erstaunen her-
vorrufen,wenn auch die¬
ses Kreuz als eineSonne
aufgefasst wurde. Es
wäre das um so weniger überraschend, als Christus, der ja durch das
Kreuz repräsentiert wird, selbst auf manche Art in Gedanken mit der
Sonne zusammengestellt wird.
Vor dem Christentum hatte man im Süden wie im Norden zu
Weihnachten, der Zeit der Wintersonnenwende, die Geburt der Sonne
gefeiert. Kurz nach dem Siege des Christentums durch Konstantin be¬
gann man, zuerst in der abendländischen und etwas später in der
morgenländischen Kirche, den 25. Dezember als Christi Geburtstag zu
feiern, den Tag, da „die wahre Sonne“, „die Sonne der Gerechtigkeit“
auf die Welt gekommen war. Man konnte das um so leichter tun, als
Fig. 58.
Steinkreuz, Schottland.
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178
Oskar Montelius.
[27
keine von den Büchern des neuen Testaments etwas über die Jahres¬
zeit erwähnt, da Christus geboren wurde.
Man kann sagen, dass die Evangelien selber zu einer solchen
Gleichstellung von Christus mit der Sonne berechtigen durch die Er¬
zählung von seiner Verklärung, da „sein Angesicht leuchtete wie die
Sonne, und seine Kleider wurden weiss, als ein Licht", um die Worte
des Matthäi-Evangeliums zu gebrauchen.
Im Zusammenhang hiermit müssen wir uns erinnern, dass auch
bei Jehovah sich gewisse Züge finden, die an den Sonnengott erinnern,
ein Umstand der um so weniger überraschend ist, als die Juden ja auf
allen Seiten von Völkern umgeben waren, die den Sonnengott anbeteten.
So lesen wir im zweiten Buch Mose, 19. Kapitel, beim Bericht über
die Gesetzgebung auf dem Sinai, wie der Herr vom Berge herabstieg im Feuer.
Fig. 59. Steinkreuz, Gotland.
Und im ersten Buch der Könige 18. Kapitel wurde vom Wett¬
kampf des Elias mit den Baalspriestern berichtet, um zu sehen, wessen
Gott, Jehovah oder der heidnische Sonnengott Baal, „mit Feuer ant¬
worten" würde. Baal sandte kein Feuer zu seinem Altar, aber auf
des Elias Altar „fiel das Feuer des Herrn herab und verbrannte das
Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der
Grube“.
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28]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz,
179
In der Kunst der christlichen Kirche zeigt sich auch vielfach, wie
tief eingewurzelt der Gedanke an einen Zusammenhang zwischen der
Sonne und der Gottheit ist oder wie natürlich der Gedanke ist.
Fig. 60. Steinkreuz Schottland. Fig. 62. Steinkreuz, Gotland. Fig. 61. Steinkreuz, Dänemark.
Fig. 63. Steinkreuz, Gotland.
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180
Oskar Montelius.
[29
In manchen Kirchen sieht man über dem Altar eine strahlende
Sonne mit oder ohne den Namen Jehovas oder dem Auge Gottes in
der Mitte.
Bei manchen Monstranzen strahlt eine Sonne von der Hostie, dem
Leibe Christi, aus,
wenn sie vor der knie¬
beugenden Gemeinde
in die Höhe gehoben
wird (Fig. 71).
Von manchem Kreuz
gehen Sonnenstrahlen
aus, wie auf dem
Fig. 72 abgebildeten.
Diese Figur ist einer
schwedischen Zeitung
aus dem Jahre 1903
entlehnt, wo sie als
Vignette über einer Pre¬
digt angewendet wurde.
Durch einen eigentüm¬
lichen Zufall — oder
richtiger auf Grund eines
tieferen Zusammen¬
hanges , dessen der
Zeichner sich nicht be¬
wusst war, — ist hier
die von dem Kreuze
ausstrahlende Sonne
mit dem Namen des
Wochentages zusam¬
mengestellt, der ehe¬
mals der Tag der Sonne
war und jetzt der Tag
des Herrn ist.
Hiermit will ich na¬
türlich nicht sagen, dass
die Christen noch in
unseren Tagen in ihrem
Sonnengott sehen. In ihrem Versuch, sich das vor Augen
zu stellen, was von keiner Menschenhand gezeichnet werden kann, be¬
nutzen sie als Symbol der Gottheit das Höchste, das Strahlendste, was
Menschenauge gesehen — die Sonne.
Fig. 64. Steinkreuz, Gotland.
Fig. 65.
Holzkreuz, Gotland.
Eisenkreuz (v.
1747), Jämtland.
einen
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30]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
181
Als Symbol des Göttlichen ist die Sonne ja besonders passend
auch aus dem Grunde, weil alles Leben hier auf Erden auf der Sonne
beruht. Wenn die Sonne nicht mehr ihr Licht über uns leuchten Hesse,
nicht mehr ihr Antlitz uns zuwendete, dann wäre die Erde und alles,
was auf ihr kreucht und fleugt, tot.
Dies wissen wir. Den Völkern des Altertums war das richtige
Verhältnis zwischen der Sonne und der Erde noch nicht bekannt, und
x.»w
Fig. 67. Grabstein, Westergötiand. Fig. 68. Grabstein, Westergötland.
dessenungeachtet beteten sie allgemein den Sonnengott als den vor¬
nehmsten aller Götter an.
Bei dem nahen Zusammenhang, der zwischen der vorchristlichen
und christlichen Zeit, zwischen vorchristlicher und christlicher Religion
sich findet, ist es natürlich, dass vieles im christlichen Kultus — obwohl
die Christen unserer Tage sich dessen nicht bewusst sind — bei näherer
Forschung als eng verknüpft mit längst verflossenen Zeiten sich er¬
weisen wird.
Eins von den Gliedern in der Kette, die uns und unsere Religion
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182
Oskar Montelius.
[31
mit unseren Vorfahren und deren Religion seit Jahrtausenden verknüpft,
ist das von uns eben betrachtete: die aus dem Sonnenrade gelösten vier
Speichen, das gleicharmige Kreuz.
Da das griechische Kreuz in so nahem Zusammenhänge mit der
Sonne steht, wie es nach dem, was wir im Vorhergehenden gefunden
haben, der Fall ist, und da der Halb¬
mond das heilige Zeichen der Moham¬
medaner ist, so liegt es auf der Hand,
auf das bemerkenswerte Verhältnis hin¬
zuweisen, dass, wenn Christen und Mo¬
hammedaner, wie es oft geschah, gegen¬
einander kämpften, die ersteren in der
Tat das Symbol der Sonne, die letz¬
teren das des Mondes auf ihren
Fahnen führten.
* *
*
Während beinahe zweier Jahr¬
tausende haben die christlichen Völker
in dem vierspeichigen Rad und im Kreuz
ihr heiligstes Symbol gesehen, ein Sym¬
bol, das seine unerhört grosse Bedeu¬
tung dadurch erhielt, dass man in seiner
Form das Kreuz Christi wiederge¬
geben sah.
Nunmehr wissen wir jedoch, dass
dies ein Irrtum ist.
Die Kreuze, welche die Römer und
andere Völker zu Christi Zeit bei der
Hinrichtung von Sklaven und groben
Missetätern anwandten, hatten nicht die¬
selbe Form wie das griechische Kreuz.
Sie hatten auch nicht dieselbe Form
wie das lateinische Kreuz.
Aus den Berichten im Neuen Testament erhalten wir allerdings
keine nähere Beschreibung von der Form des Kreuzes, und die Worte,
die im griechischen Text und in der lateinischen Übersetzung über das
Kreuz gebraucht werden, geben ebensowenig irgend welche Aufklärung über
die Form. Das griechische Wort staurös bedeutet nämlich Pfahl, und die
ursprüngliche Bedeutung vom lateinischen crux — das englische cross, das
schwedische kors, das deutsche Kreuz — ist nur Folterwerkzeug ').
*) Daremberg und Saglio, Dictionnaire des antiquites grecques et romaines.
Paris 1881. I 8 , 1574.
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32]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
183
Aber wenn die Schriftsteller aus den ersten christlichen Jahr¬
hunderten von der Form des Kreuzes sprechen, nennen sie es T-förmig.
Auch die älteste Abbildung, die wir von Christi Kreuz haben, zeigt uns
dieses in der Form eines
T ohne irgend eine
über das Querholz hi¬
nausgehende Verlänge¬
rung des Stammes des
Kreuzes.
Möglicherweise er¬
halte ich künftig einmal
Gelegenheit, näheres
über diese interessante
Frage im „Mannus“ mit¬
zuteilen. Da wird es
sich auch erweisen, teils
dass ein Gottessymbol
von derselben Form wie
das lateinische Kreuz,
mit sehr langem Unter¬
teil, bereits vor dem Auf¬
treten des Christentums
bestand, ebenso wie wir
gefunden haben, dass es
auch mit dem griechi¬
schen Kreuz der Fall
gewesen ist, teils dass
das Kreuz, an dem der
sterbende oder verschie¬
dene Christus seit an¬
derthalb Jahrtausenden
gewöhnlich abgebildet
ist, seine Form erhalten
hat unter dem Einfluss
von Symbolen für die
Gottheit, die wir jetzt
kennen gelernt haben.
Da das gleicharmige Kreuz von der grossen Bedeutung gewesen
ist, die wir alle kennen, so können wir nun den Sinn der Worte
verstehen, die im Anfang der ersten Abteilung dieses Aufsatzes geäussert
wurden: „der scheinbar unwichtige Umstand, dass das Rad mit nur
vier Speichen so lange Zeit an den Wagen benutzt wurde, hat sehr
Fig. 70. Grabstein (v. J. 1316), Gotland.
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184
Oskar Montelius.
[33
unerwartete Folgen gehabt“. Wenn die gewöhnlichen Räder vier Speichen
nicht während so langer Zeit gehabt hätten, dass man sich auch das
Sonnenrad allgemein als vier-
t speichig vorstellte, so wäre aller
Wahrscheinlichkeit nach das
gleicharmige griechische
1/j / Kreuz niemals entstanden.
tatsächlich seinen Ur¬
sprung in vorchristlicher
Zeit.
Dies im ernsten Augen¬
blick überraschende Ergebnis
darf indessen nicht unsere Ver¬
wunderung erwecken. Als das
Christentum entstand, waren
diejenigen, die Christen wurden,
mit den heiligen Sinnbildern
vertraut, die ihre Vorfahren seit
Jahrtausenden mit Ehrfurcht
betrachtet hatten. Zu diesen
Sinnbildern gehörte das Rad,
das gleicharmige Kreuz und das
Kreuz mit langem Unterteil. Da
war es natürlich, dass diese
Zeichen, in denen die Christen
nur Symbole des Göttlichen,
nicht irgend eines heidnischen
Gottes im Gegensatz zu dem
christlichen, sahen, von den
Christen als Symbole für ihren
Gott und seinen Sohn ange¬
wendet wurden.
Dass diese Symbole bei
den Christen die Bedeutung bekamen, die sie jetzt haben, darf noch
weniger Verwunderung erwecken.
Monstranz.
Wir wissen, wie oft es vorkommt, dass man, wenn die wirkliche
Geschichte und wirkliche Bedeutung eines Gegenstandes oder einer Er-
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34]
Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
185
scheinung unbekannt ist, eine Erklärung derselben gibt, die wohl be¬
rechtigt scheinen kann, tatsächlich aber durchaus unrichtig ist. Wenn es
sich um die Frage nach der Bedeutung eines der Sprache ursprünglich
fremden Wortes handelt, nennt man eine solche Erklärung „volksety¬
mologisch". Auch auf anderen Gebieten als dem sprachlichen, nicht zum
mindesten auf dem, das in Zusammenhang mit der Religion steht,
begegnen wir gleichen Erscheinungen.
Eine solche ist, um ein Beispiel anzuführen, die Erklärung, die
man von der Richtung der christlichen Kirchen gegeben hat. Man sieht,
Fig. 72. Vignette zu einer Sonntagsbetrachtung.
dass die Kirchen in der Richtung von Westen nach Osten gebaut werden,
mit dem Altar gegen Osten, und man glaubt, dies beruhe darauf, dass
der Altar in der christlichen Kirche gegen Jerusalem gerichtet sein soll
in derselben Weise, wie der vornehmste Platz in der mohammedanischen
Moschee die Richtung gegen Mekka angeben soll. Diese Erklärung
lässt sich gut an, ist aber unrichtig, was unter anderem daraus hervor¬
geht, dass auch die während der ersten Jahrhunderte des Christentums
gebauten Kirchen, deren Ruinen im nördlichen Syrien liegen, ihre Altäre
im Osten haben, obwohl ein jeder in jenen Gegenden wohl wusste,
dass das nicht besonders weit abliegende Jerusalem im Süden lag.
Die richtige Erklärung ist, dass der Altar in der christlichen Kirche gleich¬
wie in manchem vorchristlichen Tempel deshalb nach Osten gerichtet sein
soll, weil die Sonne im Osten aufgeht. Von alters her hatte man die
Vorstellung, dass, wenn man sich gegen Osten wände, man sich gegen
die Sonne, gegen Gott wände.
Dieselbe Bewandtnis hat es mit der richtigen Bedeutung der Sym¬
bole, die wir eben betrachtet haben. Man wusste, dass sie heilige,
von den Vätern ererbte Sinnbilder waren, und man kam dazu, die Er-
Mannus. Bd. I. H. 3. 13
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186
Oskar Montelius: Das Sonnenrad und das christliche Kreuz.
[35
klärung für ihre Heiligkeit darin zu sehen, dass sie Abbilder des Kreuzes
waren, an dem Christus einen qualvollen Tod erlitten hatte. Tatsächlich
stammen sie von so uralten Zeiten her, dass die Überlieferung ihrer
richtigen Bedeutung in Vergessenheit geraten ist.
Sie waren nicht Sinnbilder von Christi Erniedrigung
und seinem Tod als ein Missetäter.
Sie waren Sinnbilder seiner Gottheit.
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Übersicht über die Forschungsergebnisse
in Nordböhmen 1 ).
Von Inspektor R. R. von Weinzierl, Teplitz-Schönau (f).
Mit 32 Textabbildungen.
Das nördliche, wie auch das nordwestliche Böhmen ist von grosser
Bedeutung in bezug auf die Urgeschichte des Landes selbst, das
vermöge seiner zentralen Lage in Europa ein für die Erforschung der
vorgeschichtlichen Kulturen wichtiger Terrainabschnitt des Kontinentes, der
von den frühesten Zeiten an von Handelswegen durchquert war, Funde
aller Kulturabschnitte in sich birgt.
Der autochthone Bewohner hatte sich zunächst zwischen dem Erz-
und Mittelgebirge festgesetzt und von da fächerartig über die Nord¬
hälfte Böhmens verbreitet, so dass insbesondere der Elbe-, Eger- und
Bielalauf mit seinen fruchtbaren Niederungen dem Neolithen alles bot,
was er für sich und seine Viehherden und zu einer friedlichen
kulturellen Entwicklung benötigte.
Das Ende des Neolithikums ist gegeben durch das Einsetzen der
Metallzeit. Die östlichen, westlichen und auch die vom Süden aus
dem Donaugebiete Böhmen überflutenden Einflüsse der Bronzekultur
*) Der vorliegenden letzten Abhandlung des hochverdienten böhmischen
Forschers wurde die Aufnahme in den „Mannus“ nicht versagt, obwohl der vor¬
zeitige Tod des Verfassers es leider unmöglich gemacht hat, durch weitere Ver¬
handlungen seine Zustimmung zu den sachlich notwendigsten Änderungen seiner
Auffassung und Darstellung zu erlangen. Dahin gehören die verfehlten Ansätze
der absoluten Chronologie, die besonders bei den Zahlen der Lateneperioden zu
Tage treten (S. 204), für die Bronzezeit aber vom Herausgeber teilweise eingerenkt
werden mussten, ferner der Gedanke, das die feinere Ware der Zonenbecher süd¬
licher Import sei (S. 194), namentlich aber die unglückliche Verschmelzung der
keltischen Bojer und ihrer Nachfolger, der swebischen Markomannen, zu dem rein
erdachten Stamme der Keltogermanen, denen eine einheitliche, allerdings sich
stark abwandelnde Kultur zugeschrieben wird, neben der in Böhmen noch eine
geschlossene spezifisch römische Kultur einhergehen soll, wie andererseits die
Markomannen vieles schon rein Slawische zugeteilt erhalten, und manches andere,
das der Kundige alsbald erkennen wird. G. K.
13*
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
188
R. R. von Weinzierl.
[2
ergeben ein neues Bild der besiedelten Fläche. Es zeigt sich genau,
dass nunmehr mit Ausnahme der Randgebirge und deren Innerland-
Ausläufer unser heutiges Böhmen bis auf wenig Terrainabschnitte be¬
völkert war. .
Durch vielfache neue Handelsbeziehungen entstehen neue Handels¬
strassen, die von einem Kulturzentrum zum anderen führen. Schon in
der neolithischen Kulturepoche
können wir vom ursprünglichen
Sitze des Steinzeitmenschen aus
eine breite Kulturstrasse der Biela-
Eger aufwärts bis Saaz, von da
über Schlan nach den Zentrum
Böhmens und schliesslich dem
Osten zu feststellen. Von Mähren
aus ist in dieser Kulturepoche
zunächst eine Rückstauung nach
dem Westen fühlbar. In der
Bronzezeit macht sich die Ein¬
bruchstelle von Taus und jene im
äussersten Süden, sowie jene im
nordöstlichen Böhmen geltend;
letztere bildet den Eingang der
Lausitzer Kultur.
Die Hallstattkultur betritt
vom Osten und Süden her die
gebahnten Wege ihrer Vorläufe¬
rinnen, worauf die Latene-Kultur
bei Taus einbricht und der grossen
Kulturstrasse Beraun abwärts fol¬
gend zunächst in dem mächtigen
Kulturzentrum von Stradonitz einen Stützpunkt findet, dann nordwärts
wendend sich bis in das nördliche Böhmen ergiesst und den durch
die südwärts gerichteten Ausströmung der Steinzeitkultur eröffneten
primären Handelswegen nach Norden zu folgend bis in die Gegend von
Auscha fühlbar wird.
Vom Rhein her folgt der Latene- über Nordbayern die römische
Kultur, fränkische Kaufleute dringen bis an die Elbe resp. Biela vor
und in der Zeit der Völkerwanderung, die keinen Hiatus für Böhmen
bildet, bringt das Gewoge der ruhelosen Zeit noch andere Kultur¬
momente nach Böhmen. Böhmen ist mehr denn je ein Durchzugsland
geworden, insbesondere der nördliche Teil, wo alle Kulturmomente in
den mächtig entwickelten Kulturzentren ihre Einflüsse zur nachwirkenden
Robert Ritter von Weinzierl,
geb. 1855. t 9. Juni 1909.
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PRINCETON UNIVERSITY
3]
Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
189
Geltung brachten, so dass wir sagen können, dieser Abschnitt bildet
eigentlich eine breite, das Land durchquerende Handelsstrasse.
Die letzten Reste der sesshaften Kelto-Germanen verschwinden,
das Hin- und Hergewoge der Völkerwanderungszeit verwischt immer mehr
Fig. 1 a. Stier- oder Votivgefäss von Ribeian. Seitenansicht.
das deutliche Bild der kulturellen Entwicklung der einstigen Bewohner
der fruchtbaren Wasserläufe, das Bild wird immer unklarer, bis dann
mit dem Erscheinen der Slawen im VII. Jahrh. nach Ch. die Geschichte
des Landes, wenn auch nicht deutlich, so doch greifbarer wird.
Aus diesen ganz flüchtigen Andeutungen geht vor allem hervor, dass
die Urgeschichte des Landes von besonderem Interesse und von hoher
Bedeutung ist und vielfach den Fusspunkt zu fortgesetzten Studien bildet.
Aus diesem Grunde wurde massgebenden Ortes Bedacht darauf
genommen, die Forschungen eingehend durchzuführen, diese fachlichen
Arbeiten zu unterstützen und in jeder Beziehung zu fördern, um einen
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PRINCETON UNIVERS1TY
190
R. R. v. Weinzierl.
[4
vollständigen Überblick über die kulturelle Entwicklung zu gewinnen.
Gleichzeitig wurde die Wichtigkeit eines urgeschichtlichen Zentralmuseums
für das nördliche resp. nordwestliche Böhmen ins Auge gefasst.
Zu diesem Behufe hat die Gesellschaft zur Förderung Deutscher
Wissenschaft, Kunst und
Literatur in Böhmen zu
Prag die altehrwürdige
Thermenstadt Teplitz-
Schönau für die Errich¬
tung dieses Zentralin¬
stitutes ausersehen, ins¬
besondere aus dem
Grunde auch, weil seine
Lage im dichtbevölkerten
deutschen Landesteile,
inmitten vieler vorge¬
schichtlicher Kulturzen
tren, dazu berechtigt.
Im Jahre 1901
wurde das prähistorische
Inspektorat für die deut¬
schen Landesteile auf
Antrag oben genannter
Gesellschaft errichtet mit
dem Sitze in Teplitz-
Schönau und vom Lan-
desausschusse bestätigt.
Mit diesem Momente
wurde eine Organisation
der Forschungsarbeiter
durchgeführt. Ein Fund-
und Fundorte-Kataster,
genaue Kartierungen der auch wenig bedeutenden Fundorte, Pläne und
sonst noch notwendige Karten bilden heute bereits für die Urgeschichts¬
forschung einen bedeutenden wissenschaftlichen Schatz. Die Samm¬
lungen des Museums wurden fortab derart ausgestaltet, dass sie nunmehr
schon eine reichliche Übersicht geben über die kulturelle Entwicklung
des autochthonen Bewohners bis zur Slaweneinwanderung. Die Be¬
stände des Zentralinstitutes zählen heute mehr als 20000 Inv.-Nummern;
dieselben geben Zeugnis von einer jahrelangen, eindringenden Forschungs¬
arbeit, die bis nun zu folgenden Ergebnissen geführt hat.
Der autochthone Bewohner unseres Durchforschungsgebietes trägt
Fig- 1 b. Stier- oder Votivgef&ss von Ribcian. Vorderansicht.
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
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in bezug auf seine Schädelbildung jene Kriterien an sich, die zu der
Annahme berechtigen, ihn als nordische Rasse anzusprechen l ). Dieser
Neolith überschritt, von Norden herabziehend, das Erzgebirgsmassiv
nördlich des Teplitzer Bek-
kens, besiedelte nun zu¬
nächst das ganze Becken
zwischen dem Erz- und
Mittelgebirge. Die zahlrei¬
chen Siedelungen und Be¬
gräbnisplätze weisen auf eine
dichte Besiedelung hin. Die
keramischen Erzeugnisse
(Fig. 1 a, b), die Verzierungs¬
motive (Fig. 2, 3) und die
Technik, sowie die Stein¬
werkzeuge und Waffen (Fig. 4)
lassen uns einen geschlos¬
senen Kulturkreis erkennen,
der seiner Typen wegen als der der Bandkeramik bekannt ist. Selten
nur kommen einfach mit dunkler Erdfarbe bemalte Gefässe vor. Die
bis jetzt vereinzelt gefundenen Bestattungen zeigen noch keinen ausge¬
sprochenen Totenkultus, wiewohl man bereits mehr als eine Andeutung
des sogenannten liegenden Hockers vorfindet. Etappenweise rückt der
Besiedler gegen Westen, Süden und Osten vor 2 ). Am Ende der älteren
Kulturphase der jüngeren Steinzeit macht sich eine Rückstauung von
Osten her merkbar, die uns wohl auch die Bemalung des Gefässes der
Kulturzentren der Bandkeramik aus Mähren bringt. Am Ende dieses
Kulturabschnittes macht sich, jedoch nur vereinzelt, der Rössener
Typus geltend und wird nicht allein im nördlichen Böhmen, sondern
bis in das Zentrum Böhmens hinein, besonders aber an der Elbe gefunden.
Noch vor dem Erlöschen der Bandkeramik setzt von Norden her,
mit dieser parallel gehend, die Schnurkeramik ein und zwar in vehe¬
menter Weise, so dass es den Anschein hat, als ob die ältere Kultur¬
phase mit einem Male verwischt worden wäre. Es entstehen an den
alten Kulturpfaden und Handelswegen neue Kulturzentren, besonders
in der Elbegegend, wo nicht allein Gräbergruppen, sondern grössere
*) Reche O., Zur Anthropologie d. jung. Steinzeit in Schlesien und Böhmen.
(Archiv f. Anthropologie N. F. Bd. VII, Heft 2/3). Braunschweig 1908.
Schliz A., Die vorgesch. Schädeltypen der deutschen Länder in ihrer
Beziehung zu d. einz. Kulturkreisen der Urgeschichte. (Ebenda Heft 4).
*) Weinzierl R. v., Die jüng. Steinzeit in Böhmen. Mit einer Karte. Prag 1895.
Fig. 2. Bandkeramisches Gefäss von Lobositz.
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R. R. v. Weinzierl.
[6
Friedhöfe teils bereits durchforscht, teils wenigstens angeschnitten wor¬
den sind l ).
Die Keramik der jüngeren Kulturphase des Neolithikums bringt
uns neue Typen (Fig. 5, 6, 7, 8), neue Verzierungsmotive (Fig. 9) und
Fig. 3. Bandkeramische Nutzgefässe von Karbitz-Herbitz.
endlich auch eine wesentlich verschiedene Technik; dazu gehören präg¬
nante Formen der Steinwaffen und -Geräte (Fig. 10), vielfach anderer
Hausrat und dgl. m. Die Bestattung der Toten wird streng rituell
durchgeführt. Sehr selten kommen sitzende, in der Regel liegende
Hocker vor. Am Ende dieses Kulturabschnittes kommen vereinzelt auch
Verbrennungen und Schädelbegräbnisse vor. Einzelne Momente berech¬
tigen wohl auch zu der Annahme, dass die Anthropophagie in vereinzelten
*) Leitmeritz, Lobositz, Gross-Tschernosek: Weinzierl R. v., Der prähistor.
Wohnplatz und die Begräbnisstätte auf d. Lösskuppe südöstlich v. Lobositz. Mit
27 Fig. (Zeitschr. f. Ethnol. 1895).
Neue Funde auf d. Lösskuppe. Mit 7 Illustr. (Verh. d. Berl. Anthrop. Ges.
1897, 42).
Eine neolith. Ansiedelung d. Übergangszeit bei Lobositz. Mit 7 Fig. (Zeitschr.
f. Ethnol. 1894).
Eine neolith. Ansiedlung oberh. Kl.-Tschernosek. Mit 8 Illustr. (Verh. der
Berl. Anthrop. Ges. 1895, 684).
Die neolith. Ansiedelung bei Gr. - Tschernosek a. Elbe. Mit 81 Illustr. (Mitt.
d. Anthrop. Ges. Wien 1895).
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
193
Fällen noch geübt wurde. Die Trepanation (Fig. 11) kommt mit echter
Schnurkeramik vor.
In dieser Kulturphase scheint, am Ende derselben, eine robustere
nordische Rasse den autochthonen Bewohner gewaltsam unterjocht zu
Würm «i • > 51
Fig. 4. Pflugschar von Obernitz.
haben. Das Studium der zahlreichen dolichocephalen Schädel der
neolithischen Kulturepoche, die die Sammlung des Zentralinstitutes
Fig. 5. Grabgefässe zweier neolithischer Hockerbestattungen von Gr. Tschernosek.
enthält, zeitigt diese Annahmen gegenüber jenen der älteren Kultur¬
phase *).
Am Ende dieses Kulturabschnittes kommt, freilich nur vereinzelt,
*) Reche, a. a. O.
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R. R. v. Weinzierl.
[8
immer aber noch mit echter Schnurverzierung, das Ansa-lunata-Gefäss
(Fig. 12) vor und schliesslich der glockenförmige Becher (Zonenbecher)
Fig. 6. Kugelamphore von Billn.
Fig. 7. Kugelamphore von Prosmik a. E.
Fig. 8. Typen des schnurkeramischen Kulturkreises von Lobositz und Umgebung.
und in seinem Gefolge die ornamentierte breit- und flachrandige Schüssel.
Diese südliche Importware, die ihren Weg über Mähren nach Böhmen
genommen hat, ist bis in das nordwestliche Böhmen verbreitet. Es
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
195
werden auch lokale Nachahmungen gefunden, die aber gegenüber der
schönen Importware eine recht primäre Mache aufweisen.
Eine ganze Reihe der in schnurkeramischen Skelettgräbern ge¬
fundenen glockenförmigen Becher, sowie Fragmente solcher aus neoli-
thischen Kulturschichten lassen uns diese Keramik gegenüber anderen
Fundberichten noch als neolithisch ansprechen; diese reicht in die
frühmetallische Zeit hinein *).
Am Ende des Neolithikums tritt, besonders in den Gräbern, die
Fig. 9. Schnurkeramische Becher aus dem Elbegebiet.
sogenannte Pseudoschnur auf (Fig. 13, 14, 15), ein Verzierungsmotiv,
das die echten Schnurabdrücke ersetzen sollte.
In den Gräbern finden wir, freilich nur selten, Bernstein und Gold,
letzteres gleichzeitig mit Kupfer. Besonders der Bernstein und auch
der importierte Feuerstein zeigen uns, dass Handelsverbindungen mit dem
Norden, der früheren Heimat unseres Neolithen, fort bestanden haben.
Noch ehe die Bronze Böhmen überschwemmte, hatte das Kupfer
in den Steinzeitsiedlungen Eingang gefunden. In Gräbern mit echter
Schnurkeramik finden wir Ohr- oder Fingerschmuck aus Kupfer 2 ).
Das Ende der jüngeren Steinzeit können wir für Böhmen mit
dem Jahre 3000 vor Chr. festsetzen. (? G. K.)
1 ) Weinzierl R. v., Importierte neolith. Keramik in Böhmen (Prähistor.
Blätter VIII).
2 ) Gross-Tschernosek a. Elbe.
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R. R. v. Weinzierl.
[10
Nit dem Eingänge des Kupfers merken wir bereits deutliche Form¬
veränderungen an den Gefässen (Fig. 16), Veränderungen, die durch
metallzeitige Vorbilder bedingt sind.
In den Steinzeitgräbern, besonders des Elbegebietes, finden wir
eine ganze Reihe von Formen der sepulchralen Gefässe, die sich im
Laufe der Zeit verändert haben gegenüber den primären Typen, und
diese veränderten Formen erhalten im Beginne der Metallzeit eine
weitere Änderung in der Profilierung, der Henkelgestalt und den Or-
Fig. 10. Seltene Form einer gelochten Steinaxt und Steinmesser. Grabfund von Kraiditz.
namentmotiven. In einzelnen Kulturzentren wirken stärkere Einflüsse
auf bestimmte Formen ein, so dass endlich in der ältesten Bronzezeit
sich ein scheinbar neuer Formenkreis ausgestaltet hat, der nach seinem
Fundorte der Aunetitzer Typus (Fig. 17) genannt wurde. Wir können
diese neuen Formen zurückleiten bis zu den Grabinventaren der Elbe¬
gegend *), die zeitlich sehr weit von einander abstehen. Die sogenannten
Aunetitzer Gräber enthalten noch liegende Hocker und bei diesen finden
wir ein Metallinventar, das reine Typen dieser Kulturphase zeigt,
so die dreieckigen Dolche (Fig. 18), die säbelförmige Nadel mit dem
verkehrt kegelförmigen Kopfe, auf dem eine Öse aufsitzt, die einfachen
Flachbeile u. a.
’) Gross-Tschernosek, Lobositz.
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
197
Wir wissen wohl, wann die Kupferzeit einsetzt, doch können wir
weder deren Ende, noch einen Übergang zur Bronzezeit feststellen.
Es liegen uns nur wenige Kupferfunde vor und zwar Beile, die ihrer
Form nach auf die Schmalbeile der Steinzeit hinverweisen. Der in den
Fig. 11. Linksseitige Schläfenbeintrepanation von Bilin.
Fig. 12. Ansa-Iunata-Gefässe von Gr. Tschernosek.
schnurkeramischen Gräbern gefundene Schmuck (Fig. 19) besteht aus
Ringen, die aus schwachem Drahte einfach zusammengebogen sind,
ln den Muschel- und Zahngehängen finden wir kleine kugelige Kupfer¬
perlen.
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R. R. v. Weinzierl.
[12
Naturgemäss sind die Kupfersachen in der Frühbronzezeit ein¬
geschmolzen worden, daher zum grössten Teile verschwunden.
In der ältesten Bronzezeit blieb der Totenkultus derselbe wie in
der Steinzeit. Der Schädeltypus verändert sich wesentlich, neigt der
Fig. 13. Spät-schnurkeramische Formen aus dem nordwestlichen Böhmen.
Fig. 14. Amphore mit Pseudoschnurornament von Lobositz. Fig. 15. Neolithische Amphore von Hostomitz.
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
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Mesocephalie zu, wiewohl noch typische Langschädel Vorkommen. Die
Untersuchung der menschlichen Reste ergab eine Mischrasse. Etwa
um 1300 vor Chr. setzt mit aller Vehemenz die Lausitzer Kultur
ein und verwischt in der ganzen Nordhälfte Böhmens die bestandene
Kultur. Bis zum Jahre 1000 vor Chr. besteht ein anthropologischer
Hiatus. Die Toten werden verbrannt, die Asche und die zerkleinerten
Knochen werden in Urnen beigesetzt. Es entstehen sogenannte Urnen¬
friedhöfe, von welchen jene von Libochowan, Wesseln und Rosawitz
an der Elbe, von Ratsch im Mittelgebirge die bedeutendsten sind.
Nur wenige Bronzen, meist angeschmolzene, werden in der Totenasche
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Fig. 16. Spät-neolithische Grabgefässe von Teplitz-Schönau.
gefunden. Die neue Kultur hat sich in den grossen Kulturzentren
festgesetzt.
Im nördlichen und nordwestlichen Böhmen haben wir es mit
einer reinen Lausitzer Kultur zu tun, die sich wiederum in den einzelnen
Zentren zunächst autochthon, später durch verschiedene neue Einflüsse
weiter entwickelt hat.
In dem ersten Abschnitte der Bronzezeit wurde Böhmen, besonders
der nördliche Teil, von der pannonischen Kultur überflutet, auch die
entferntesten und einzelnen Niederlassungen fand der von Osten kom¬
mende Händler. Es entstand ein regelrechter Handel.
Beschädigte und gebrochene Stücke wurden in ganze umgesetzt,
die Gusstechnik fand ihren Eingang.
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R. R. v. Weinzierl.
[14
Eine grosse Zahl von Depotfunden, zahlreiche verbrauchte Guss¬
formen (Fig. 20), die in den bronzezeitigen Kulturschichten und Gruben
gefunden werden, und schliesslich zahlreich gefundene, ganze Bronze¬
objekte (Fig. 21,22), sowie die reichen Grabinventare beweisen einen
recht ansehnlichen Metallreichtum. Bedeutende Goldfunde, reicher Bern¬
steinschmuck ver¬
weisen uns wieder¬
um auf weit ver¬
zweigte Handelsver¬
bindungen mit dem
Norden und Osten.
Der Lausitzer Kultur
entspricht ein ganz
neuer, geschlosse¬
ner Formenkreis von
Gefässen mit neuen
Verzierungsmotiven.
Von der einfachen
doppelkonischen
Urne an bis zum
Etagengefäss finden
wir nur wenig An¬
klänge an alte, be¬
kannte Formen (Fig.
23). Der sogenannte
schlesische Typus
hat im nördlichen
Fig. 17 . Grosses Vorratsgefäss von stankowitz. Böhmen keinen Ein¬
gang gefunden. Wir
können in den einzelnen Varianten nur den Göritzer und Billendorfer
Typus 1 ) unterscheiden; die vom Westen und Süden nach Böhmen ein¬
dringende Hügelgräberkultur ist im Nordwesten und Norden Böhmens
nicht fühlbar geworden. Nördlich der Eger sind auch bis jetzt noch keine
Hügelgräber gefunden worden. Etwa um das Jahr 1000 v. Chr. machten
sich in den Lausitzer Kultur-Zentren neue kulturelle Momente geltend.
Neue Gefässtypen und das Eisen werden in den Urnengräbern mit Leichen¬
brand gefunden. Die Früh-Hallstattkultur dringt über Süd- und Südwest¬
böhmen bis nach Norden vor. Sehr lehrreich sind beispielsweise die Urnen¬
gräber von Libochowan. Es wurden ungestörte Grabinventare gehoben,
2 ) Voss A., Keramische Stilarten der Provinz Brandenburg und benachbarter
Gebiete. Mit zahlr. Textillustr. (Zeitschr. f. Ethnologie, Berlin 1903). Nach Voss
handelt es sich im nördl. Böhmen nur um den Lausitzer Typus „im engeren Sinne“.
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
201
in denen neben den typischen Lausitzer typische Hallstattformen
(Fig. 24) standen und neben Bronze auch Eisen gefunden wurde.
Diese Übergangsgräber zeigen so recht die Verschmelzung der Kulturen,
ln der weiteren Reihenfolge wurden wiederholt Brandgräber mit reinen
Hallstattformen (Fig. 25)
gefunden, die sich mit der ~
Hügelgräberkeramik um Pil¬
sen vollkommen decken. In
fast allen kleineren Siede¬
lungen der Lausitzer Kultur
werden, wenn auch verein¬
zelt, Anklänge an die Hall¬
stattkultur gefunden.
Weiterhin auch bringen
uns die überlagernden Kul¬
turschichten die Gewissheit,
dass die Hallstattkultur eine
lange Spanne Zeit andauerte.
In einzelnen Urnenfriedhöfen
finden wie lokalentwickelte,
neue Formen, rote bemalte
Grabgefässe und die der
Ansiedelung entsprechenden
Kulturgruben enthalten einen
typischen Hausrat dieser
Kultur.
Auch aus diesem Kul¬
turabschnitte kennen wir
keine Hügelgräber aus dem
nordwestlichen und nörd¬
lichen Böhmen (Fig. 26).
Um das Jahr 400 v.
Chr. setzt, bei Taus ein¬
brechend, die Frühlatene-Kultur ein; es dauerte eine geraume Zeit, bevor
im nördlichen und nordwestlichen Böhmen sich die kelto-germanische
Besiedlung vollzogen hatte *)• Die Kelten, ein kriegerisches Volk von hoher
Kultur, nahmen alle Elemente der besiedelten Terrainabschnitte und
Kulturzentren in sich auf und beherrschten das in Besitz genommene
Land. Ihre hohe kulturelle Stellung, ihre soldatische Organisation gab
*) Weinzierl R. v., Das Latene-Grabfeld von Langugest bei Bilin. Mit
zahlr. Textillustr. und 13 Lichtdrucktafeln. Brschw. 1899.
Mannus. Bd. I. H 3. 14
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Fig. 18. Kupferdolche von Gr. Tschernitz.
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Gussplatten von Schiessglock.
es Moment
von der
Fig. 21. Bronzezeitfunde aus dem nordwestlichen Böhmen.
Töpferdrehscheibe, doch sind, alter
gefässe in der Hand geformt
besonders aber die sepulchralen
Geflogenheit gemäss, die Gebrauchs¬
worden, während feinere Schalen,
Gefässe auf der Scheibe, meist mit
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R. R. v. Weinzierl.
[18
feiner Profilierung und Gliederung des Halses erzeugt wurden. Diese
verweisen auf die klassische Kultur der Rheinprovinzen, von wo die
römische Kultur in stetem Kontakte mit unseren Keltensiedlungen
fortab blieb.
Die zahlreichen Kleinfunde der Latene-Kulturgruben zeigen uns,
dass der Bewohner nicht
allein ein gewandter Töpfer
und Schmied war, sondern
auch alle anderen Handwerke
verstand und sich auch in
jeder Richtung hin künstle¬
risch betätigte. Die Textil¬
reste der Langugester Gräber,
fein und grob gewebte, wie
auch gemusterte Kleiderreste
aus Pflanzenfasern, führen
uns den Kelten als geübten
Weber vor Augen.
Die Wohnungen, und
dies vorweg die unter dem
Bodenniveau versenkten Win¬
terhütten, sind trotz der hoch¬
stehenden Kultur noch ebenso
primitiv zu denken, wie sie
in der Steinzeit waren.
Die Frühlatene-Kultur
macht sich durchgreifend über
den ganzen Landesteil gel¬
tend; so finden wir in den
Inventaren von 114 Gräbern
von Langugest nur bei we¬
nigen Bestattungen Anklänge
Fig. 22. FrQhbronzezeitige Gewandnadeln von Kl. Tschernitz. w... i » .%
an die Mittel-Latene, nur
einige Mittel-Latene-Typen
unter den Fibeln aus Eisen. Der schwere Fussschmuck der Frauen¬
gräber, die grossen Buckel-Scharnier-Ringe, gehören der Frühlatenekultur
ebenso an wie den beiden folgenden Abschnitten.
Die Frühlatene-Kultur gehört dem Zeitabschnitte von 200 bis
50 vor Chr., die Mittellatene von 50 vor bis 50 nach Chr. und die Spät-
latene jener von 50—200 nach Chr. an.
Die Mittellatene-Kultur war nicht durchgreifend, die Typen der¬
selben bleiben eingestreut zwischen denen des ersten Abschnittes. Die
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
205
Fig. 23 Grosses bronzezeitiges Nutzgef&ss von Stankowitz.
Fig. 24. Urnengrab mit Leichenbrand von Libochowan.
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R. R. v. Weinzierl.
[20
Spätlatene-Kultur dagegen ist schärfer gekennzeichnet in der Keramik
und den Metallfunden durch zahlreiche Anklänge an die römische Kultur.
Fig. 26. Bronzeschwert, eiserne Lanzenspitzen, Bronzegeräte und Waffen von Hostomitz.
In den Kulturgruben dieses Abschnittes werden vielfach klassische Im¬
porte gefunden, unter denen Fragmente von Terra-sigillata-Gefässen
zu erwähnen sind. Römisch-provinziale Formen werden vielfach ge-
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21 ]
Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
207
funden 1 ). Wurde bisher ausschliesslich die Bestattung des Toten ge¬
übt, so findet im 2. Jahrh. nach Chr. bereits die Verbrennung Eingang.
Fig. 27. Früh-Latfenegrabfunde von Liquitz.
Die Urnen (Fig. 30) dieser Gräber
zeigen einen durchaus klassischen Typus.
Waffen und Schmuck werden insgesamt
der Haupturne, welche die Reste des
Verbrannten enthält, beigegeben und
unter dem Bodenniveau versenkt.
Das Latene-Volk, das sich am
Ende des 3. Jahrh. v. Chr. auch auf der
Prohner Anhöhe (südlich von Langugest)
und südlich von Dux bis Hostomitz an¬
siedelte, benützte die heisse Therme
der sogenannten Riesenquelle bei Dux,
die dort mächtig zutage trat. Die baden-
*) Ein Silber - Denarfund (numi serrati) von Liebshausen in Verbindung mit
römischen Armbrustfibeln lässt die Vergrabungszeit dieses Gelddepots im 2. Jahrh.
nach Chr. feststellen.
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R. R. v. Weinzierl.
[22
den opferten Schmuckstücke, meist Fibeln und Ringe aus Bronze. Bei der
Teufung (1882) der im Jahre 1879 nach dem Döllinger-Einbruche ver¬
schwundenen Quelle wurden mehrere Tausend dieser Schmuckstücke zutage
Fig. 29. Glasarmring von Neusattel.
Fig. 30. Grabgefäss von Twerschitz.
gefördert. Die grosse Zahl der prächtigen Latene-Fibeln gehört einem
einzigen Typus, dem Frühlatene-Typus an. Bei der Teufung der im Zu¬
sammenhänge stehenden Urquelle von Teplitz im Jahre 1879 wurde
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Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen.
209
eine grosse Zahl von römischen Denaren und auch Schmuckstücke im
Quellenschlamme gefunden. Auch einige keltische Münzen wurden ge¬
hoben. Die Römer gehören der Zeit
von 83 vor bis 313 nach Chr. an. Die
Fibeln sind prägnante Formen des 2.
Jahrh. nach Chr. Die Kelten benützten
offenbar die beiden Thermen schon zu
Heilzwecken und opferten zum Danke
der Quellengöttin. Die Riesenquelle
bei Dux scheint wegen des massenhaft
geopferten Frauenschmuckes vorweg ein
Frauenbad gewesen zu sein.
Vom 3. Jahrh. an verflacht sich
die Kultur der sesshaften Kelto-Ger-
manen. Das beginnende Gewirr der
Völkerwanderung verhindert jedes kul¬
turelle Aufstreben. Die Markomannen¬
kultur ist im Niedergang begriffen; die
fortwährende Kampfesbereitschaft im
Gewoge dieser ruhelosen Zeit lässt
auch die verschiedenen kulturellen Ein¬
flüsse, die der Westen brachte, in den
einzelnen Siedelungen nicht zur Geltung
kommen. Die Merowingisch-Fränkische
Kultur, die bis hierher vordringt, hinter¬
lässt im 4. und 5. Jahrh. ihre deutlichen
Spuren in den gehobenen Grabinven-
taren des Elbegebietes (Fig. 31, 32).
Ein typisch quadischer Urnenfund ist
aus dem Westen Böhmens bekannt und
steht eben so vereinzelt da wie der
Goldfund von Schellenken bei Dux aus
dem 6. Jahrhundert.
Die Markomannenkultur sinkt auf
eine Tiefe, die charakterisiert ist durch Fiß * 31 FrÄnkisches Mannesgrab von Prosmik.
eine ganz plumpe Keramik, wohl auf
der Drehscheibe erzeugt, doch von einer rohen Masse. Der hartge¬
brannte Scherben zeigt im allgemeinen nur eine einfache Profilierung.
Das Verzierungsmotiv ist ein durch ein kammartiges Instrument einge¬
ritztes, vielfaches Wellenband.
Schmucklos sind die Gräber der Bestatteten. Das Eisen spielt
im Hausrat und als Waffe die Hauptrolle. Messer, Scheeren, Waffen
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210 R. R- v. Weinzierl: Übersicht über die Forschungsergebnisse usw.
[24
und sonstige Geräte erinnern mit ihren praktischen Formen an jene der
Spätlatene, an die nach unseren Siedlungen gebrachten römischen Formen,
die durch Jahrhunderte im Gebrauche waren, da sie den praktischen Be¬
dürfnissen der Zeiten entsprachen. Alle anderen kulturellen Momente
fanden keinen Aufschwung in der Zeit der Völkerwanderung mehr.
Die Reste der einst dichten Bevölkerung wehrten sich gegen fremde
Eindringlinge hinter angelegten Wällen, die an den grossen Kultur-
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L i l i-tuti 11 nrrTrr n i 0 i"i i TxrTi^i. i-i rirr iig 0 i rrrr
Fig. 32. Inventar des Grabes Fig. 31.
Strassen die Anhöhen krönten. Hier in diesem zusammengepferchten
Gemeinwesen gab es keine freie kulturelle Betätigung, und nur die
Nahrungssorge liess die Männer ausziehen in die Wälder, während
andere die Zugänge bewachten.
Im 7. Jahrhundert wandern die Slawen in Böhmen ein und
dringen allmählich bis ins nördliche und nordwestliche Böhmen vor. Die
Gräber ihrer Bestattungen enthalten eine ebenso rohe Keramik, wie sie
den Markomannen wenig besser eigen war. Arm an Formen und von
schlechter Masse sind die Urnen der Slawen-Gräber, aus stark glimmer¬
haltigem Tone auf der Scheibe erzeugt. Diese und die Gebrauchs-
Keramik unterscheiden sich wesentlich von jenen der Markomannen.
Der Schmuck der Gräber entbehrt jeder Mannigfaltigkeit. Stiel¬
runde Ringe mit S-förmigem Ende von verschiedener Grösse, aus
Bronze, Silber, selten aus Gold, vielfach nur mit Silber und Gold
plattiert waren in die Haarzöpfe der Schläfen eingeflochten.
Der Schädeltypus gehört vorweg einer brachycephalen Rasse an.
In der ersten Herzogszeit finden wir bereits Denare in den Gräbern.
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PRtNCETON UN1VERS1TY
Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus
der Bronzezeit.
Aus der städtischen Abteilung des Niederlausitzer Museums für Alter¬
tumskunde in Kottbus. N. L.
Von Frau Kaethe Rieken, Kottbus.
Mit 11 Textabbildungen und 1 Tafel.
Auf Anregung des Magistrats der Stadt Kottbus N. L. und durch
Bewilligung der erforderlichen Gelder seitens des Stadtverordneten¬
kollegiums wurde mir die Möglichkeit gegeben, im Verlauf von drei
Jahren planmässig ein grosses Urnengräberfeld auf einem Höhenrücken
in der Nähe der Sachsendorfer Wiesen zwischen den Dörfern Sachsen¬
dorf und Klein Gaglow aufzudecken und seine reichen Schätze, nach
ihrer Zusammengehörigkeit in der Erde grabweise zusammengehalten,
der städtischen archäologischen Sammlung einzuverleiben. Die bis jetzt
gehobenen Gräber enthalten Tongefässe und Beigaben aus der Zeit der
Buckelurnen bis zu denen aus der jüngeren Bronzezeit.
Bei der Ausgrabung wurde Graben an Graben auf 1—2 m Tiefe
gezogen, häufig durch den Ortstein hindurch. So war es möglich, dass
nur verstreute kleine Gegenstände übersehen werden konnten. Die
Arbeiter hörten mit ihrem Graben auf, sowie sie auf etwas anderes
stiessen als Sand, und nunmehr begann meine Feinarbeit in der Erde
mit Löffel und Pinsel zur Freilegung des Fundes, damit das Gesamt¬
bild vor Entfernung der Gegenstände aus ihrem Lager mit Zeichenstift
und photographischer Platte fixiert werden konnte.
Aus dem später zu gebenden umfassenden Fundbericht müssen
einige Nummern vorweg genommen werden, weil ein durch günstige
Umstände unversehrt gebliebener Inhalt zu zeigen scheint, wie die Ein¬
äscherung der Verstorbenen seitens der Stammesgenossen technisch
vorgenommen wurde.
Unsere Archäologie arbeitet im Vergleich zu den
Summen, die für Grabungen im Orient zur Verfügung ge¬
stellt werden, im engeren Vaterlande mit sehr kleinen
Mitteln, wodurch die Ausführbarkeit beabsichtigter plan-
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212
Kaethe Rieken.
[2
massiger Ausgrabungen in der Regel ein Wunsch bleibt.
So mag die Tatsache verständlich werden, dass wissenschaftlich verwertbare
Holzbrandstätten kaum gefunden zu sein scheinen, jedenfalls nicht be¬
schrieben sind, dass wir bisher keine Vorstellung über die Ausführung
der Einäscherung vor der Wikingerzeit haben, trotzdem die Funde ein¬
geäscherter kleinster Kinder wie Erwachsener erstaunlich gross ist. Er¬
klärlich wird die Seltenheit des Findens von Ustrinen weiter dadurch,
dass jede eine Dauereinrichtung war zur Benutzung bei eintretenden
Todesfällen, d. h. dass nicht für jede fernere Leiche ein neuer Brand¬
platz genommen wurde, sowie dass die Glut oberirdisch, wenn auch
wahrscheinlich in künstlichen Mulden, loderte, dass die Kohlen ober¬
irdisch liegen blieben und ihre Reste der zersetzenden Wirkung der
Witterung, der Vegetation und der nivellierenden Tätigkeit der Beacke-
rung preisgegeben wurden. Ihre Spuren scheinen gleich denen der
Wohnstätten, soweit diese auf festem Boden, nicht im Wasser, errichtet
waren, grossenteils durch jene Faktoren verwischt zu sein, aber erhalten
geblieben sein können sie dort, wo lockerer Boden vom Winde auf¬
gewirbelt, von Regenbächen bewegt, sie alsbald ausreichend bedeckte.
Folgende bekannte Tatsachen fanden sich auf dem Klein Gaglower
Gräberfelde wieder vor:
1. Die grossen Holzkohlenfunde, die auf angeglühter Erde und
um erhitzt gewesene Steine lagerten, enthielten niemals Spuren von
Knochenresten.
2. In den Gefässen mit Knochenasche fanden sich niemals (bezw.
nur selten angedeutet) Spuren von Holzbrand.
3. Die Metallbeigaben zeigen vorwiegend die Einwirkung schmel¬
zender Hitze und sind zum Teil innig mit Knochen verbacken, in Zahn¬
lücken eingeschmolzen; Glas und Goldschmuck ist zum Teil in Tropfen¬
form verändert.
4. Mit wenigen Ausnahmen sind in den Knochenurnen die Reste
derart angeordnet, dass die Kopfknochen oben liegen, darunter die
Armknochen und Rippen, zwischen ihnen häufig eine braunschwarze
Masse (Rest der inneren Organe?) und im unteren Drittel des Gefässes
Becken und Beinknochen.
5. Die Tongefässe der Gräber sind mit wenigen Ausnahmen einer
Überhitzung nicht ausgesetzt gewesen, d. h. nicht blasig aufgetrieben
oder angekohlt.
Ohne weiteres ist aus diesen Tatsachen zu folgern, dass:
1. Die Leiche in gestreckter Körperlage eingeäschert wurde, da
andernfalls der unter 4 angegebene strenge Aufbau in dem Aschen-
gefäss nicht oder nur unter schwerer Mühe ausführbar gewesen wäre,
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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
213
2. die Leiche bekleidet und ausgestattet mit Schmuckbesitz ohne
Entfernung von Weichteilen dem Feuer zur Vernichtung übergeben wurde
(Verschmelzung der Metallgegenstände mit den Knochen, zerschmolzener
Glasschmuck, mehrfacher Fund von Ton- und Glasperlen),
3. eine unmittelbare Berührung der Leiche mit dem Scheiter¬
haufenholz verhindert sein musste, so dass nur die Flamme des Holz-
stosses und die strahlende Hitze den Körper berührte und ihn ein¬
äscherte.
Die planmässige Durchforschung des Klein Gaglower Gräberfeldes
hat, wie mir scheint, den Anfang des Aufschlusses darüber gegeben,
wieweit die Technik zur Einäscherung vorgeschritten war. Für die dazu
erforderliche Menge Holz gibt einen gewissen Anhalt die Arbeit von
Olshausen „Die Leichenverbrennung in Japan“ (Zeitschrift für Ethnologie,
40. Jahrgang 1908, Seite 100).
Darnach war zur Einäscherung der sitzenden Leiche in 7—10 Stunden
bis 75 kg Tannen- oder Fichtenholz erforderlich, auch weniger, je nach
Beschaffenheit der Leiche (mager, fett, wassersüchtig usw.).
Auf dem vorgenannten Friedhof sind von mir 182 Fundstätten
gehoben, z. Teil Gräber, z. Teil Steinsetzungen ohne Spuren eines
Inhalts, darunter die in folgenden Zeilen bekannt gegebenen drei Stätten,
die den Eindruck erwecken, dass auf ihnen die Flamme den Körper
vernichtet haben kann. — Sie führen auf dem Grabplan die Ziffern
88, 100, 118 a und 118 b und lagen inmitten des Urnenfeldes. No. 100
und 118 lagen nahe zusammen.
No. 88. 0,70 m unter dem Bodenniveau zeigte sich eine zusammen¬
hängende Schicht von Holzbrand in einer Ausdehnung von 9 m O. W.
zu 6 m N. S. Sein Kern bestand aus einem unregelmässig umrandeten
Steinbau, 2,50 m O. W. und 3 m N. S. im Durchmesser haltend, mit
einer Tiefe von 0,45 bis 0,50 m (hierzu Skizze 1). Die N. S. Aus-
ffolzbrand
Skizze 1. Längsschnitt der Brandstätte (88).
dehnung des Holzbrandes war leider von den Arbeitern in nicht mehr
genau festzustellender Ausdehnung verkürzt, so dass die erhaltene
Breite mit 6 m für den Befundbericht vielleicht zu eng bemessen ist.
Der mit dem Spachtel durchgearbeitete Holzbrand enthielt weder Ton-
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Kaethe Rieken.
[4
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Scherben noch Knochensplitter. Er bildete ein längliches Oval, das in
einer Mulde ruhte. Von den dünnen, etwa 5—10 cm dicken Rändern
aus verdickte er sich schnell zum Steinbau hin auf 40—50 cm Dicke,
hatte hier also die Tiefe desselben und war ihm innig angelagert. Mit
dem Steinbau bildete der Holz-
brand ungefähr eine gleichmässige
Oberfläche, d. h. das Dickenwachs¬
tum erfolgte von der Peripherie
an abfallend in die Tiefe, mit
andern Worten, Holzbrand wie
Steinbau lagen in einer künstlich
angelegten Mulde.
Der Steinbau, 40—50 cm
0 % tief, zeigte gleich dem Holzbrand
ovale, aber durch verschiedene
Dicke der Steine bedingte unregel¬
mässig umrandete Form (Skizze2).
Seine Oberfläche war aus¬
gesprochen muldenförmig gestaltet
(Skizze 3).
Die Seiten bildeten Steine
von 30—40 cm Durchmesser, den
Grund nach dem Innern zu etwas
kleinere, auf denen solche von
Faustdicke ruhten. Alle Lücken füllte feiner aber nicht durch Hitze
verbackener Sand, d. h. dieser hatte die Lücken erst nach aufgegebener
Benutzung ausgefüllt; denn
sämtliche Steine, einschliesslich
der inneren, waren mürbe,
bröckelten, zerfielen z. T. beim
Aufheben und waren ausnahms¬
los geschwärzt, soweit sie ein¬
ander nicht berührten, d. h. sie waren alle der sprengenden Feuerein¬
wirkung ausgesetzt gewesen und der russenden Flamme. Zwischen den
Steinen lagen vereinzelte Holzkohlenreste und wenige Tonscherben ver¬
schiedener Herkunft; deren Wandstärke und Oberflächenausführung Hessen
auf Abstammung von verschiedenen Gefässen schliessen.
Die seitliche, von der Tiefe ausgehende Verjüngung des Holz¬
brandes zur Oberfläche (Skizze 1), die erst in einer Tiefe von 0,70 m
unter dem heutigen Bodenniveau begann, Hess unzweideutig die Anlage
in einer künstlich hergestellten Bodenmulde erkennen, die aber noch
weit über den Umfang des Holzbrandes hinausgegangen sein wird,
4
S.
Skizze 2. Oberfl&chenansicht des Steiniagers.
Nr. 88. Brandplatz (3 m : 2,50 m).
Skizze 3.
Querschnitt des Steinlagers bei a (Nr. 88).
(2,50 m).
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5]
Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
215
andernfalls das ganze Feld in der Zeit von rund 3000 Jahren sich
um 70 cm hätte gehoben haben müssen, wogegen die geringe Tiefe
der tatsächlichen Gräber spricht. Die Ausfüllung der Mulde konnte
leicht erfolgen durch den sehr lockeren Flugsand, vorausgesetzt, dass
er dem Winde frei ausgesetzt war, also die Fläche baumfrei war.
Die locker gefügten Steine waren wahrscheinlich der Rost, auf dem
die Leiche ruhte; sie bildeten eine lückenreiche Unterlage für den Körper,
der damit überall von der zerstörenden Glut erreicht werden konnte,
ohne dass Berührung mit dem Holzstoss nötig war, die obendrein
noch durch die muldenförmige Anordnung des Leichenlagers (Skizze 3)
erschwert wurde. Die Anlage der Ustrine in einer künstlich geschaffenen
tiefen Mulde geschah wohl im Interesse der Holzersparnis. Es wurde
damit ein langsameres Feuern möglich; die entfachte Glut konzentrierte
sich mehr, als wenn der Holzstoss der unberechenbaren Wirkung des
Windes frei ausgesetzt gewesen wäre, auf den zu vernichtenden Körper :
das Ergebnis einer feinsinnigen Beobachtungsgabe. Unter Voraussetzung
der Richtigkeit der Annahme vielfacher Benutzung desselben Brand¬
platzes zur Einäscherung darf man aus der Mürbheit auch der inneren
Steine folgern, dass die Lücken zwischen den Steinen aus Erfahrung
bewusst erhalten blieben. Dann muss die Brandstätte z. Zt. der Ruhe
vor Versandung durch irgend eine Art der Überdeckung geschützt ge¬
wesen sein.
Nr. 100. Anders gebaut war die Holzbrandstätte No. 100 (Skizze 4, 5).
In der Tiefe von 0,70 m unter der heutigen Bodenoberfläche lag in Aus¬
dehnung von 1,30 m O.W. zu 1,80 m N. S. eine Schicht grosser, etwa 1 Ztr.
schwerer geschwärzter und bröckelnder Steine, deren Lücken ausgefüllt
waren mit an der Oberfläche hart geschmolzenem Sande. Er war z. T.
innig mit den Steinen verklebt. Auf ihnen war kein Holzbrand, bzw.
nur Spuren davon zu sehen. Die Steinblöcke lagerten auf der an
dieser Stelle auffallend harten Ortsteinschicht. In gerader Fortsetzung
der N. S. Länge, unterbrochen durch Holzbrand und diesen begrenzend,
lag in 1 V 2 m Entfernung vom Südende des Steinbaues ein Haufen
nicht geglüht gewesener, wenn auch an der Holzkohlenseite angeschwärzter,
mannskopf grosser Steine in einer Tiefe von etwa 0,40 m unter der
Bodenoberfläche. Jener grosse Steinbau war allseitig umgeben von
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Kaethe Rieken.
[6
Holzbrand. Er begann im N. O. und W. etwa 20 cm unter dem Boden¬
niveau in einer Mächtigkeit von 9 cm, um bald nach der Tiefe zu auf
70 cm anzuschwellen, hart an dem Steinbau wieder nur etwa 20 cm
Dicke zu zeigen, die bestehen blieb bis zum Steinhaufen am S. Ende.
Die Ausdehnung der ganzen Brand¬
stätte betrug 6,30 m 0. W. und
7 m N. S. Die Länge des Stein¬
baus mit 1,80 m erscheint kurz für
Einäscherung einer Leiche, aber
nach der wechselnden Mächtigkeit
der Holzkohlen zu urteilen wurde
der Holzstoss in voller Stärke nicht
wie bei No. 88 hart an dem Toten¬
lager errichtet, sondern in einiger
Entfernung. So glaube ich die ge¬
ringe Mächtigkeit der Kohlenschicht
in der Nähe der Blöcke erklären
zu dürfen. — Auch bei dieser An¬
ordnung konnte die Hitze allein
einwirken, ohne dass die Gefahr
der Vermischung der Holzkohlen
mit der Leichenasche drohte. Der Holzstoss war in seiner vollen Stärke
nur auf der O. N. W. Seite, d. h. hufeisenförmig aufgetürmt (Skizze 6),
während an der S. Seite die geringe Stärke des Holzbrandes von 0,20 m
auf geringere Mächtigkeit des Holzstosses schliessen lässt.
Skizze 6. Querschnitt durch Nr. 100 im nördl. Drittel des Steinlagers.
Holzbrand u. Steinlager = 6,30 m. Steinlager = 1,30 m.
Die Vergleichung beider Brandplätze lässt vermuten, dass zwischen
der Benutzung von 88 und 100 Jahrhunderte Zeitraum liegen, was dem
Zeitunterschiede zwischen den beigesetzten Gefässen und den Beigaben
wohl entsprechen würde.
No. 118 a. 40 cm unter der Bodenoberfläche stösst man auf ein
80 cm starkes Lager wohlgeordneter, locker gelegter grosser Steinblöcke.
Der Bau zeigt die Masse 2,10 m O. W. und 1,20 m N. S.
Die Lücken zwischen den oberen Steinen sind ausgefüllt mit nur
z. T. hart gebranntem Sande. Auf den Steinen wenig, rings um die¬
selben viel Holzbrand; auf dem Lager einige Scherben von Tongefässen,
Holzbrand 6,30 (OW) und 7 m (NS)
Steinlager 1,80 (NS) und 1,30 (OW).
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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
217
etwas Knochensplitter. Rings um den Steinbau ist Sand bis zu
einiger, nicht bestimmbarer Tiefe, vermischt mit wenig Holzbrand, im
Umkreise von etwa 1 l /s m auffallend hart und fest verbacken. Die
Steinblöcke der Aussenwand wie der Oberfläche waren mürbe, zerfielen
beim Fortnehmen, während die des Innern ihre natürliche Härte be-
sassen. Auch die Grundsteine der Seitenflächen bröckelten nicht. Im
Gegensatz zu der Brandstätte 88* und 100 fehlte hier eine unzerstörte
Holzbrandschicht. Jene hartgebrannte Sandschicht deutete darauf hin,
dass auf ihr bedeutende Glut gelodert hatte.
No. 118 b. Es ist nicht unmöglich, dass zu 118 a eine Holzkohlen¬
schicht 45 cm unter der Bodenoberfläche, von 118 a etwa 2—3 m ent¬
fernt, gehört. Der Holzbrand war diffus vermischt mit kleinen mürben
Steinen und Steinsplittern und lagerte in 60—90 cm Dicke, 45 cm Breite,
80 cm Länge ungeregelt oval gestaltet, auf lockerem, nicht hart ge¬
branntem Sande. Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen,
dass der Holzbrand von der Einäscherungsstätte entfernt wurde um Platz
zu schaffen für einen neuen Holzstoss zwecks weiterer Einäscherung
und vielleicht in einiger Entfernung vergraben wurde oder auch auf die
damalige Oberfläche des Geländes geschüttet wurde. Wahrscheinlich
ersteres, wenn man berücksichtigt, dass in No. 100 der Brand an der
Nordseite in einer Tiefe von etwa 20 cm begann. Die Stichhaltigkeit
dieser Annahme vorausgesetzt, wären damit die dunklen, für mich bis
zur Auffindung der vorliegenden Holzbrandstätten unerklärbaren mehr¬
fachen Holzbrandfunde auf dem Kl. Gaglower Gräberfelde wie ander¬
wärts z. B. auch auf derp Gräberfeld in Tauer (Niederlausitzer Mittei¬
lungen Bd. IX. S. 91) erklärt, d. h. als Aschplätze. — Die Bestätigung
können nur weitere Funde von Brandplätzen mit Steinkern geben.
Die soeben beschriebenen Brandplätze wurden inmitten des Brand¬
gräberfeldes gefunden und wiesen, da die nähere Umgebung auffällig
frei von Gräbern war, daraufhin, dass sie zu ihm in Beziehung stehen. —
Die Annahme, dass die Brandstätten Opferaltäre für die Götter dar¬
stellten, ist nicht unbedingt abzulehnen, und trotz Fehlens jeglicher Hin¬
deutung muss man auch diesen Gedanken festhalten, da wir ausser
der länglichen Anordnung und zureichenden Grösse keinen Beweis für
die Auffassung gefunden haben, dass die Brandstätten zur Einäscherung
der Leichen dienten. — Es ist auffallend, dass weder Knochensplitter,
noch Metall oder andere Fragmente von den der Leiche beigegebenen
Gegenständen in den Steinlücken gefunden wurden. Freilich geschah
das Calcinieren der Knochen, d. h. die Zerstörung des Organischen,
nicht vollständig. Die schwarze Färbung in manchen grossen Röhren¬
knochen, braunrote, getrocknete Gewebreste in der Innenseite mancher
Schädelkapselfragmente und die durch den Befund nachweisbare staub-
Mannus. Bd. I. H. 3/4. 15
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Kaethe Rieken.
[8
förmige Veraschung erst innerhalb jener Knochenurnen, die durch guten
Verschluss vor Eindringen von Wurzeln und Sand geschützt waren, — so
dass das Gefäss halbgefüllt sich ganz leicht anfühlt — und der Inhalt wie
Asche deuten darauf hin, dass die Fortsetzung der Veraschung erst im
Gefäss durch jene kleinsten Lebewesen vor sich ging, die ihre Nahrung
in organischen Stoffen, nicht in mineralischen Kalksalzen finden.
Immerhin sollte man vermuten, dass trotzdem einzelne Reste sich in
den sandgefüllten Lücken der Steinsetzung gefunden hätten. Die Unter¬
suchung des Sandes auf Phosphorsäure, die einen Hinweis bei positivem
Ausfall hätte geben können, wenn die Reste einstmals vorhanden waren,
unterblieb leider. Auf diese Unterlassung wurde ich erst aufmerksam
durch das freundliche Interesse, das Herr Professor Dr. Goetze-Berlin
meiner Arbeit entgegenbrachte.
Theoretisch ist diese Möglichkeit der Einäscherung von Leichen
auf den beschriebenen Brandplätzen nicht von der Hand zu weisen,
wenn wir daran denken, dass unsere Soldaten beim Abkochen im Felde
ihre Speisen einschliesslich Frischfleisch nicht im Feuer, sondern hinter
dem Feuer, d. h. in der Richtung: Wind, Feuer, Kochgeschirr in einer
kleinen Mulde kochen und Frischfleisch in l J% bis 3 /4 Stunden gar be¬
kommen. Das Kochgeschirr ist zwar geschlossen, aber der an seiner
Oberfläche verkohlende Leichnam ist auch ein geschlossener wasser¬
reicher Körper, dessen Inhalt durch Feuer in Kochen gerät, dessen
Aussenfläche nach Verdunstung des Wassers zunächst mumifiziert ist und
verschliessend wirkt, so dass die Flüssigkeit im Innern alsbald ins
Sieden geraten und verdunsten kann aus den durch Platzen entstehenden
Rissen, Sprüngen und den natürlichen Öffnungen, worauf nach Verar¬
mung an Wasser der weitere Prozess des Verkohlens, Veraschens und
schliesslich auch Calcinierens der Knochen nicht mehr schwer ist. Dass
die Hitze in der Umgebung der Steine, die sich dem Leichnam mitteilte,
eine gewaltige gewesen sein muss, zeigt die Mürbheit selbst 1 Ztr.
schwerer Steine bis zum Kern.
Die zur Einäscherung erforderliche Zeit kann nur eine Versuchs¬
reihe ergeben. Konnte die Vernichtung des Körpers auf jenen Brand¬
plätzen stattfinden, dann ist entweder allsogleich ein den Steinbau
überragender grosser Holzstoss um den auf jenem lagernden Leichnam
errichtet, oder es ist nach Bedarf Holz nachgeschichtet worden bis zur
dauernden Höhe des Steinlagers. Letzteres Verfahren hat die grössere
Wahrscheinlichkeit für sich; denn dann konnten Flamme und besonders
strahlende Hitze, dauernd in der Mulde zusammengehalten, gleichmässig
auf den Leichnam einwirken bei zweckentsprechend sparsamem Holz¬
verbrauch, und so fände auch die Anlage eines erhöhten Steinlagers
für Aufbahrung der Leiche ihre praktische Erklärung, d. h. Hochlagerung
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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
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derselben auf porösem Ruhebett zur Benutzung der nach oben mittwärts
und durch Lücken strahlenden Hitze.
Die beschriebenen Funde lassen erkennen, dass sie die erhaltenen
Reste eines Krematoriums oder auch einer Kultstätte sind, die durch
natürliche günstige Bedingungen ihr Aussehen annähernd unzerstört aus
der Zeit ihrer Entstehung bis zur Auffindung bewahrt hatten. Ihre
Veröffentlichung kann daher berechtigt erscheinen.
Die Bekanntgabe nachfolgender Funde mit den Brandstätten erfolgt
dagegen nur in der Absicht, dass sie wegen ihrer Eigentümlichkeit und
etwaigen Zusammengehörigkeit mit den Brandstätten in der Literatur
niedergelegt sind zu späterer Bewertung beim Auffinden ähnlicher
menschlicher Bauwerke. Eine auch nur annähernd sichere Deutung der
Art der Verwendung ist zurzeit unmöglich.
Als der Magistrat der Stadt Kottbus wusste, dass in seinem Ge¬
lände Gräber aus alten Zeiten ruhten, wurde mir der Auftrag, den
Inhalt des Feldes zu retten. Voraussetzungslos fing ich in der annähernd
bestimmten geographischen Mitte des Feldes an und stiess auf die
Funde 1.2. 3. 4. durch Anlage eines Grabens in W. 0. Richtung und
bis zur Tiefe der Ortsteinschicht 1—2 m tief. Sie erhielten erst eine
gewisse Bedeutung bei der Durchsicht der von Anfang an angelegten
Karte, die gleich dem Felde in Quadrate von 10,0 m:10,0 m Seitenlänge
eingeteilt wurde. Die Funde 1. 2. 3. 4. wurden Spätsommer 1906 gehoben,
die Brandstätte 88 Oktober 1907. Erst ihr Zusammenliegen auf der
Karte führte zu dem Gedanken, dass diese Nummern aktuell zusammen¬
gehören können, um so mehr, als Karte und Aufzeichnungen ergeben,
dass erstens ausser in der Nähe der Brandstätten keine ähnlichen Ge¬
bilde vorhanden waren und zweitens die Urnen in 0,35 m Tiefe oder
weniger lagerten, während die Oberfläche des Steinkerns der Brand¬
stätten erst in 0,70 m Tiefe sich zeigte gleich der nachstehend be¬
schriebener Bauwerke.
Fund 1 (Skizze Nr. 7). In einer Tiefe von 0,70 m kommt in
weissem Sande ein 1,90 m (N. S.) langes, 0,60 m (O. W.) breites
lückenhaftes Lager faust- bis mannskopfgrosser Steine (16—20 Stück)
zutage.
Es wird umgeben in 0,30—0,60 m Entfernung (je nachdem in
diesem Lager offenbar durch Entfernung von Blöcken in früheren Zeiten
Lücken entstanden sind) in demselben Niveau von einem Oval eng
aneinander gelagerter kleinerer bis grösserer, etwa faustgrosser Steine,
das am S. Ende einen etwa 0,50 m hohen Berg faustgrosser Steine
einkreist, dem am N. Ende zwei ebensolche Haufen auswärts angelagert
sind. Ein locker gepflastertes Oval vielleicht kindskopfgrosser Steine
umgibt das erste in einer Entfernung von 0,60 — 0,80 m und ist an
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Kaethe Rieken.
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der N. O. und N. W. Seite markiert durch je einen mannskopfgrossen
Block. Auf dem einen fand sich etwa ein teelöffelgrosser Rest
Knochenasche (?) und eine Spur Holzbrand. Irgendwelchen Inhalt
barg die Fundstätte ausser den Steinen nicht.
Fund 2 (Skizze 8). Dem Funde 1 parallel in 2 m Entfernung nach
O., in derselben Bodentiefe gelagert, ruht ein offensichtlich verwüstetes
Lager Steine mit 2,10 m (N. S.) Länge und 0,50 bis 0,80 (O. W.) Breite.
Am S. Ende etwa faustgross, bilden sie hier eine dreifache Schicht,
während das N. Ende nur noch zwei übermannskopfgrosse Steine
aufweist. Etwa in der Mitte zwischen beiden Enden liegen verstreut 6
mannskopfgrosse Steine. Ein geschlossenes Oval dicht aneinander ge-
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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
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reihter, taubenei- bis faustgrosser Steine umringt das Lager in einer
Entfernung von 0,50—0,80 m. — Offenbar zwecks Erzielung gleicher
Höhe sind an den Stellen, an denen kleinere Steine verwendet wurden,
diese bis zur Dicke der grösseren gehäuft. Nur das N. Ende ist her¬
vorragend. Es ist hergestellt aus drei sich berührenden Steinen, von
denen der mittlere rund und mannskopfgross ist, die zwei seitlichen
am Fusse flach, sonst gerundet sind. Der Ostseite des Steinovals
angelagert ist eine 2 m lange, 0,70—1,0 m breite, 0,02—0,1 m mächtige
Schicht Holzbrand, in der sich durch Brand gelockerte kleine Stein¬
platten und fragliche Knochenreste finden.
Fund 3 (Skizze 9). In 3 m Entfernung nach O. von Fund 2,
diesem parallel mit geringer südlicher Verschiebung gelagert kommen ver¬
einzelte grosse Steine zutage, die zwei grössten mit dem Durchmesser
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Kaethe Rieken.
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21 :33:17 cm bezw. 34:24 cm. — Für sich betrachtet hatte dieser Fund
gar keine Bedeutung, aber 0,28 m unter ihm und von ihm getrennt durch
eine 0,28 m dicke Sandschicht fand sich ein locker gelegtes Oval faust¬
grosser und kleinerer Steine mit
einer Länge von 1,80 m (N. S.)
zur Breite von 0,85 m (O. W.).
Dieses Pflaster, in der Skizze
punktiert gezeichnet, war fast
lückenlos erhalten und in der¬
selben Höhe, in 0,10 m Entfernung
umgeben von einem stellenweise
unterbrochenen Oval von 1—2
dicht aneinander gelegter faust¬
grosser Steine. Der eine jener
grösserer Blöcke lag ausserhalb
der Grenzen des tieferen Bau¬
werks.
Fund 4 (Skizze 10). In
2 m Entfernung von No. 3 zeigt
sich nach Beseitigung der Sand¬
massen, in derselben Tiefe wie
bei den vorangehenden, folgen¬
des Bild.
Ein nur noch in wenigen Steinen erhaltenes Steinoval von 1 m
(N. S.) Länge und 0,50 m (O. W ) Breite (Steine mannsfaustgross)
umgibt in einer Entfernung von 0,33 m
ein Kreis kindsfaustgrosser Kiesel. Am
Südende berührt der Ring jenes lücken¬
hafte Lager. An der N. W. Seite ist
der Kreis durch einen grossen Stein
unterbrochen, der mit drei kleineren
eine Nische bildet, in welcher sich
Holzbrand ohne Knochensplitter mit
V* Fuss Tiefe, 1 Fuss Länge und
Breite findet. Die diese Nische bil¬
denden Steine sind intensiv geschwärzt.
Fund 88 lag im S. von Fund 1.
2. 3. 4. mit etwa 5 m Abstand.
Stehen diese Funde in aktueller Abhängigkeit zueinander, dann darf
gefolgert werden, dass für No. 88, dessen Sohle im Gebiet des Stein¬
kerns um etwa 0,50 m tiefer lag, als 0,70 m unter dem Bodenniveau,
eine künstliche Bodenmulde aus Zweckmässigkeitsgründen angelegt wurde,
Skizze 9 (Fund 3). Vergr. 200: 1.
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Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit.
223
eine Annahme, zu der bereits die muldenförmige Gestalt des Holzbrandes
berechtigte. — Nehmen wir die Tiefe der Gräber hinzu (in Frage
kommen als nächst gelagerte die Funde: 19. 7. 8. 17. 18. 85. 84. 90.
89. 150. 151. 149. 153. 152. 82. 81. 80. 79. 83. 86. 87. 91. 62. 45.
Fund 108 und 109.
53. 60. 20. 5.), die fast durchweg 0,35 m und weniger betrug, so darf
man, wenn die Funde 1. 2. 3. 4. in Verbindung mit Fund 88 stehen, und
alle fünf dem Leichenkult dienten, annehmen, dass diese Stätte ins¬
gesamt in einer künstlichen Mulde angelegt wurde, nicht in einer
natürlichen! Denn der lockere Sand des Gräberfeldes duldet eine er¬
hebliche Niveauverschiedenheit auf kleinem Terrain so wenig, dass ich
bei meiner Grabarbeit besondere Funde, die ich andern Forschern in
ihrer Lage zeigen wollte, kaum für wenige Tage konservieren konnte.
Der Flugsand deckte den Fund alsbald zu. — Aus dieser elementaren
Tätigkeit des Flugsandes darf man schliessen, dass die Wächter der
Stätten Vorrichtungen kannten, etwa in Gestalt von dichten Umzäu¬
nungen, eine Versandung zu verhindern. Denn wie früher erwähnt,
die Brandstätten sind fraglos in mehrfachem Gebrauch gewesen und
ihre Konservierung war beabsichtigt und notwendig.
Fund 108 und 109, Steinsetzungen, sind in photographischer Nach¬
bildung beigegeben. Sie lagen von 100 (Skizze 5) bis 6 m entfernt in
0,70 m Tiefe. Die Urnengräber 96. 97. 99. 103. 104. 106. 107. 114.
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224 Kaethe Rieken: Drei Holzbrandplätze mit Steinkern aus der Bronzezeit. [14
103., die später bekannt gegeben werden, ruhten 0,35 m tief und
weniger.
Fund 116 und 117 in der Nähe von 118 a und 118 b waren
Urnengräber. Die planmässige Ausgrabung dieses Feldes
hat mir erneuert den Beweis geliefert, dass das Gräber¬
suchen mit der Sonde gleichkommt einer Vernichtung
von sich ergänzenden Urkunden. Der Töpfe sind für die
Wissenschaft genug gesammelt. Die keramischen Feinheiten
der Töpfe und die Beigaben können für ihre kulturelle Bewertung
aufklärende Ergänzung nur bekommen durch planmässige Ergänzung
des Inhalts ganzer Gräberfelder, nicht einzelner Gräber.
Im Einzelgrabe ruht ein Moment, im Gräberfelde mit
seiner 1 okalen Umgebung eine Summe von Momenten, die
Geschichte von zusammengehörenden Generationen.
Anmerkung. Während der Drucklegung vorstehenden Fundberichtes über¬
sendet Herr Prof. Dr. Schuchhardt mir seine Arbeit: „Verbrennungsstätten beim
Darzauer Urnenfriedhofe“ Zeitschrift des Histor. Ver. für Niedersachsen 1906. Die¬
selbe enthält reichen Literaturnachweis über vorliegende Materie und beschreibt das
Einäscherungsverfahren vor 1650—1900 Jahren, d. h. aus einer etwa 1'/* Jahrtausende
später liegenden Zeit als die oben behandelte. Der Unterschied zwischen den
späteren und früheren Methoden liegt darin, dass auf den Darzauer Verbrennungs¬
stätten abgedecktes, schwälendes Feuer die Leiche vernichtete, auf den Gaglower
Krematorien (wenn man diese als Leichenbrandplätje gelten lassen will) die frei¬
lodernde Flamme. Fortschritte in der technischen Beherrschung des Feuers d. h.
seiner wirksamen Glut mögen langsam das aesthetische Gefühl für eine Änderung
der Verbrennung beeinflusst haben. Die in offenem Feuer verbrennende Leiche
mit den anfänglichen Bewegungen einzelner Teile, je nachdem die Glut den einen
Teil früher austrocknete als den andern, mag die Empfindung des Grauenvollen
wachgerufen haben. Die wirtschaftliche Frage nach sparsameren Holzverbrauch wird
bei dem Reichtum an Wald zu damaliger Zeit kaum die Ursache zur Änderung der
Technik gewesen sein.
Ebenfalls während der Drucklegung übersendet mir Herr Professor
Kossinna die Arbeit: Schliz „Der Entwicklungsgang der Erd- und Feuerbe¬
stattung usw.“ 6. Heft des Historischen Vereins Heilbronn, 1900. Der Unterschied
im Verbrennungsmodus Heilbronn gegen den von Gaglow ist gross! Dort Ein¬
äscherung des Körpers unter Bedeckung mit Brennmaterial (wie es scheint), hier
sorgfältiges Fernhalten desselben von der Leiche, deren Vernichtung allein durch
die strahlende Hitze, — dort Vernachlässigung der Asche der einzelnen Leiche, hier
pietätvolles Sammeln derselben und Ausstattung des Grabes mit Lebensmitteln
und Beigabe von Schmuck- und Gebrauchs- bezw. auch Lieblingsgegenständen, —
dafür dort Anhäufung des Leichenbrand haltenden Brennmaterials aus vielen Ein¬
äscherungen zu einem Hügel (der Rest oder der Anfang der Pietät gegen den Ver¬
storbenen?), hier Vernachlässigung des Brennmaterials, das keine Leichenreste
enthielt und am geeigneten Platz vergraben oder einfach verschüttet wurde —
dort ein Aufbau aus aneinanderpassenden, kantigen Steinen zur Errichtung des
Crematoriums, hier Aufbau des Leichenlagers aus unbearbeiteten Findlingen, ent¬
sprechend dem Fehlen anstehenden Gesteins in unsrer Gegend, obwohl die
Sprengung der Steine auch den hiesigen Bronzezeitmenschen bekannt war, wie
einzelne Gräber beweisen, deren Grenzen aus in Bogenform gesprengten Granit¬
stücken bestehen. —
Das sind bedeutsame Differenzen in der Ideenwelt der früheren Bewohner
jener Gegenden, die, räumlich weit getrennt, gleichzeitig vor der Sonne ihr Dasein
führten. —
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Der Ursprung der Urfinnen und llrindoger-
manen und ihre Ausbreitung nach Osten.
Vortrag gehalten am 18. Juli 1908
von Gustaf Kossinna.
2. Nordindogermanen und Südindogermanen.
Mit 22 Textabbildungen und 13 Tafeln.
Vorbemerkung. 15. X. 09. Wie für das erste, so gilt auch für
dieses zweite Drittel meines Vortrages, dass die ihm zugrunde liegende
Niederschrift hier in derjenigen Fassung erscheint und erscheinen muss,
die sie vor anderthalb Jahren erhalten hat, obwohl gerade die in Kapitel III
berührten Probleme jetzt noch mehr als damals zu näherer Erörterung
anreizen: leider aber mangelt es mir dafür z. Z. ganz an der nötigen
Müsse. Es ist das um so bedauerlicher, als ich sogleich nach der
Tagung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte zu Hannover eine
Studienreise von anderthalb Monaten durch Österreich-Ungarn nebst
Rumänien, Bukowina, Galizien unternahm, die mir für diesen damals
bereits gedruckten zweiten Teil, wie auch für den noch ungedruckten
Schlussteil einen reichen Schatz neuen Stoffes und neuer Ergebnisse
einbrachte, die eine zeitraubende Umarbeitung der Darstellung künftig
notwendig machen werden. Jetzt nur einige kurze Bemerkungen.
Da der Jordansmühler Typus herangezogen wird (S. 235), so muss
ich hervorheben, dass nicht nur, wie bereits Seger in seiner Behandlung
der schlesischen Steinzeit bemerkt hat, für die hochfüssigen Pilzgefässe
und die entsprechenden fusslosen Näpfe in Nord-Böhmen, Mähren
(Brünner Gegend) und Ungarn zahlreiche Parallelerscheinungen sich
finden, sondern dass in der Umgebung Prags die Jordansmühler Keramik
vollzählig vertreten ist, also mit Einschluss jener so eigenartig verzierten
charakteristischen Henkelkrüge, die Seger für ureigensten, sonst nirgends
sich wiederholenden Besitz des Gebietes zwischen Zobten und Oder
erklärt hat. Doch sind es in Böhmen nicht Doppelhenkel-, sondern
Einhenkelkrüge, wie sie in gleicher Form, wenn auch abweichender
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Verzierung™ der Pfahlbau im Laibacher Moor geliefert hat. In einem
Falle finden sich innerhalb einer Kulturschicht mit Spiralkeramik
neben drei Skelettbestattungen der Spiralkeramik zwei Jordansmühler
Brandgräber so eingeschlossen, dass sie eine später eingetretene Störung
der zusammenhängenden spiralkeramischen Kulturschicht zu sein scheinen
(Abb. 1, 2). Einen endgiltigen Schluss auf die Zeitfolge beider Kulturen
möchte ich hieraus noch nicht wagen.
Auffällig ist zugleich der Ritus der Brandbestattung, der innerhalb
der Donaukultur, wenn man von den in der Kulturstellung unsicheren
Abb. 1. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung A. J. Jfra zu Podbaba.
Abb. 2. Jordansmühler Typus in der Umgebung Prags. Sammlung A. J. Jfra zu Podbaba.
1. 2. 5. 6. 7. 10. 11. Podbaba Reiser, Sandgrube mit 2 BrandgrÄbern; 12. Kulturgrube mit Spiralkeramik
gemischt; 13. Kulturschicht mit Spiralkeramik gemischt.
4. 8; 15. Podbaba Meilbedc, 2 Kulturgruben.
9. 14. Weleslawin, 2 Kulturgruben; 14 gemischt mit Spiralkeramik. 16. Scharkatal, Burgwall, Kulturschicht.
3. Gr. Holletitz, Bez. Saaz: zusammen tnit Spiralkeramik. — 17. Ungarn.
Brandgräbern mit Steinchenhalsbändern der Hanauer Gegend (ob Gross-
gartacher oder Rössener Stil?) absieht, hier zum ersten Male festge¬
stellt worden ist; ebenso die verhältnismässig grosse Zahl der so sel¬
tenen Skelettgräber der Spiral- und Stichreihenkeramik in der Nähe
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39] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 227
von Prag (Podbaba 4, Bubentsch 2, Weleslawin bei Wokowitz 1, Jeneralka
im Scharkatale 1).
Alle diese wichtigen Funde konnte ich in der ausgezeichneten, an
tadellos erhaltenen Objekten und selbst an erlesenen Kabinetstücken
überreichen Privatsammlung des Herrn Jos. Ant. Jira zu Podbaba
studieren. Es wäre für das Weiterblühen der archäologischen Vorge¬
schichtsforschung Böhmens von besonderem Vorteile, wenn diesem ebenso
fleissigen und gewissenhaften, als bescheiden im Hintergründe ver¬
bleibenden, überaus interessierten Arbeiter endlich ein geeigneter Wir¬
kungskreis auf diesem Gebiete in seinem Lande eröffnet würde.
Noch wichtigere, ja einschneidende Ergebnisse brachte das Studium
der osteuropäischen bemalten Keramik der Steinzeit. Zunächst für ihr
Verbreitungsgebiet. Professor Hadaczek schätzt, wie er mir mitteilte, die
Zahl der Ansiedlungsplätze dieser Kultur allein in Ostgalizien auf die
gewaltige Höhe von etwa 200. Trembowla ist der Nordpunkt am Sered,
welcher Fluss übrigens nicht so strenge die Westgrenze dieser Kultur
bezeichnet, wie es bisher schien. Ausser dem S. 239 erwähnten
Koczylowce ist noch Zerwanica westlicher gelegen; der äusserste West¬
punkt rückt jetzt bis nach Jezupol bei Halicz, nördlich von Stanislau.
Dagegen muss ich den Fundort Mokrzyszow an der Weichsel in der
Gegend von Tarnobrzeg, den man wegen eines einzigen, 3 cm hohen,
auch bei Kohn & Mehlis, Materialien I, 238 Fig. 105 abgebildeten,
spiralig weiss und rot bemalten Gefässchens heranziehen könnte, nach¬
dem ich das winzige Original in der Krakauer Akademie gesehen habe,
in Übereinstimmung mit Professor Demetrykiewicz unberücksichtigt lassen:
es ist klingend hart gebrannt und stand in einer grossen Urne, die ich
dem 4. Jahrhundert nach Chr. zuschreiben möchte.
Von grösster Wichtigkeit sind dann die Beobachtungen über die
Siedelungsanlagen, die mir sowohl von Hadaczek in Lemberg, der in
Koszylowce umfassend gegraben hat, als auch von Demetrykiewicz in
Krakau mitgeteilt wurden, der einmal die Ausgrabungen Ossowskis in
Bilcze Zlota nachgeprüft und weitergeführt, sodann in Wasylkowce durch
neue Grabungen sich klare Anschauungen verschafft hat. Danach be¬
ruhen Ossowskis Angaben über seine Ziegelgräber mit
Leichenbrandurnen durchweg auf Täuschung: was er sah,
sind lediglich Hüttenreste; dieangeblich nur symbolische
Beisetzung geringfügiger Knochenreste vom Leichenbrande
ist falsche Deutung tatsächlicher Funde von verbrannten
Tierknochen. Sehr verdächtig erscheinen hiernach auch die wundersamen
Leichenbrandbegräbnisse in unterirdischen Gemächern mit bemalten Wänden
in Südrussland, wie in Petreny: Chwoikos und v. Sterns Grabungen
bedürfen in diesem wichtigen Punkte entschieden einer strengen Nach-
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Gustaf Kossinna.
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Prüfung. Jedenfalls ziehe ich jetzt schon alle meine Folgerungen über
die osteuropäische Heimat des steinzeitlichen Leichenbrandes vollkommen
zurück. Auch in der bei Bilcze gelegenen Qipshöhle Werteba liegen
keine Gräber vor: die dort zerstreut vorkommenden Skelette sind die
Reste der Opfer des Einsturzes von Teilen der Höhle gewesen, die
von Bergarbeitern herrühren mögen. Anthropologisch sind diese Skelette,
die der Kultur der bemalten Keramik angehören, darum natürlich nicht
minder wertvoll. Eine Publikation der gesamten einzigartigen Bilcze-
Werteba-Funde, auch der Skelette, die übrigens nach der Versicheruung
von Demetrykiewicz von der Krakauer Akademie in die Wege geleitet
wird, würde einem wahren Bedürfnisse der Wissenschaft abhelfen.
Darunter befindet oder leider befand sich auch ein jetzt nur noch
in Abbildung vorhandenes Gefässchen mit Farbmasse, die zum Bemalen
der Gefässe diente. Verhältnismässig häufig begegnet hier Tiermalerei
(Stier, Pferd [?], Hirsch, Eichhörnchen), selten auch Menschenmalerei,
wie einmal auch in Koszylowce, einer Ansiedlung, in der Hadaczek eine
jüngere, mehr entwickelte Phase erkennen möchte. Beide Fundstätten
lieferten eigentümliche rechteckige, verzierte, knöcherne Gürtelplatten,
die an die im Schlussabschnitt zu besprechenden geschweift trapez¬
förmigen Stücke gleicher Bestimmung innerhalb der schnurkeramischen
Kultur stark erinnern, ebenso wie ein in der Form völlig vereinzelt da¬
stehendes bemaltes Gefäss von Bilcze genau die Gestalt der in Galizien
ja auch auftretenden schnurkeramischen Amphoren besitzt. Anscheinend
liegen hier chronologische Hinweise vor. Andererseits kommen in der
bemalten Keramik Osteuropas (aber auch in Siebenbürgen) horizontale
Umkränzungen des Gefässhalses mit plastischen Nietköpfen vor, wie sie
Köhl im Niersteiner Typus aufgewiesen hat. — Ein sitzendes Menschen¬
idol von Horodnica mit Vereinigung beider Beine zeigt übrigens, dass
der von Chwoiko aufgestellte Unterschied der Beinbildung bei stehenden
und sitzenden Idolen nicht überall gilt.
Was die lediglich mit eingeritzter Verzierung bedeckten Gefässe
und Scherben angeht, so finden sie sich nach Demetrykiewicz und
Hadaczek überall vereint mit der bemalten Keramik, nach Demetrykiewicz
zu etwa ein Drittel des Anteiles der bemalten Keramik: das entspricht
also dem Stil II von Chwoiko.
Geradezu erstaunlich ist in Ostgalizien und in der Bukowina der
Reichtum an Silexgeräten gegenüber ihrem Mangel oder verschwindend
geringen Auftreten in Bessarabien und Südrussland: ein Umstand, der
mit der Fülle des Rohmateriales am Fuss der Nordkarpaten zu¬
sammenhängt. Und zwar erscheint der Silex in Ostgalizien, z. B. bei
Nizniow, wie auch in Wolhynien eingebettet in Kreideablagerungen, in
Westgalizien aber in Jura. Neben massenhaften grossen Nuclei und
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Schabern sind es hauptsächlich die riesigen, etwas gebogenen Späne
(Prismenmesser), die Erstaunen erwecken und an die frühneolithischen
oder spätpaläolithischen gleichen Stücke von Pressigny gemahnen. Es
scheinen auch grosse Silexbeile vollkommen nordischer Form dieser
Kultur anzugehören, wie wenigstens Chwoiko in seltenen Fällen für das
Dnieprgebiet festgestellt hat, Hadaczek aber für Ostgalizien als ganz
gewöhnlich annimmt. Auch aus Kukuteni sah ich in Bukarest eine An¬
zahl derselben. Die gewaltigen Massen dieser Stücke in meisterhafter
Ausführung, die man in den Lemberger und Krakauer Sammlungen als
Einzelfunde und besonders aus grossen ‘Silexwerkstätten* aufgehäuft
sieht, bin ich allerdings geneigt, den eingedrungenen nordischen Kulturen
zuzuweisen, wie auch Demetrykiewicz will. Namentlich scheint das der
Fall zu sein mit den zahllosen herrlichen, grossen Säge- oder Sichel¬
messern, die allerdings seltener in den rein nordischen, symmetrischen
Formen erscheinen, als gerade in einer unnordischen Form mit einem
spitzen und einem breiten, gerade abgeschnittenen Ende (Abb. 3): eine
Abb. 3. Silex-Sägemesser aus Sieniawa am San.
(nach Zbiör wiadomo&ci VI. Krakau 1882. Taf. VI, 17).
Form, die auffallenderweise innerhalb der von der osteuropäischen so
merklich abweichenden siebenbürgischen bemalten Keramik in der Um¬
gebung von Kronstadt sehr häufig aus Sandstein nachgebildet erscheint,
nur einmal aus Silex (Steinbruchhügel und Schneckenberg). Selbst¬
verständlich handelt es sich bei allen galizischen und wolhynischen Silex¬
geräten niemals um nordischen Import, auch wo sie hier in nordischen
Kulturen auftreten. Das wird nicht nur durch die teilweise eigenartigen
Formen, sondern auch durch das Rohmaterial erwiesen. Schon seit
vielen Jahren spürte ich der Herkunft der in ganz Ostdeutschland nicht
seltenen, stets meisterhaft geschliffenen Silexbeile nach, die jene reizvolle,
achatähnliche Maserung aufweisen (Abb. 4—6), ohne etwas Sicheres darüber
ermitteln zu können. In Ostgalizien ist aber dieses Rätsel leicht gelöst,
wie eine flüchtige Durchsicht des Dzieduszycki-Museums Jedermann
sogleich belehren wird. Ostgalizien ist das Ursprungsland des
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gebänderten Silex und der daraus gefertigten schönen Werkzeuge.
Von hier aus sind jene Beile über Ostdeutschland bis nach Vorpommern
(Hinrichshagen), Westhavelland (Kl.-Kreutz), Anhalt (Coswig), Merse¬
burg (Schkopau) verhandelt worden. Da nun die langen Schaber und
Abb. 4—6. Gebänderter Silex aus der Prov. Posen, Kaiser-Frfedrlch-Museum in Posen.
4. Kl. Drensen, Kr. Filehne; 5. Biskupin, Kr. Znin; 6. Jankowo, Kr. Mogilno.
die kolossalen Spanmesser, die sicher einheimische Arbeit sind, zum
Teil auch die Maserung besitzen, so zu Wierzbowiec bei Trembowla
am Sered und zu Horodnica, so ist jeder Zweifel an meiner Auffassung
ausgeschlossen.
III.
Nordindogermanen und Südindogermanen in Mitteleuropa.
Nachdem wir so ermittelt zu haben glauben, dass in jener Über¬
gangszeit von der älterneolithischen zur jüngerneolithischen Periode, die
durch die älteste, dem Walzenbeile noch nicht zu fern stehende Form
des spitznackigen Beiles bezeichnet wird, der nordeuropäische Zweig
der Indogermanen aus Frankreich nach Norddeutschland und Südskan¬
dinavien eingewandert ist, hat es keine Schwierigkeit, seine weitere Ent¬
wickelung zu verfolgen. Die Zeit des ,spitznackigen 1 Beiles ist zugleich
diejenige des wie jenes im Querschnitt spitzovalen ,breitnackigen 4 Beiles,
das dem spitznackigen nicht nachfolgt, sondern neben ihm hergeht, denn
beide Formen nehmen allmählich die Entwickelung der scharfen Seiten¬
ränder zu dünnen Schmalseiten vor. Ich kann daher das breitnackige
Beil nicht mit Sophus Müller aus dem spitznackigen herleiten, sondern
führe es auf das ihm ähnlich gestaltete Litorinabeil zurück. Nur das breit-
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43] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 231
nackige Beil entwickelt sich andauernd weiter, zuerst durch Ausbildung
von Schmalseiten zu dem ,dünnnackigen‘, dann durch Verdickung des
Rückens (Bahnendes, Nackens), zu dem ,dicknackigen 1 Beile, das in
der Metallzeit fortlebt. Mit der Schöpfung des dünnnackigen, meist über
den ganzen Körper hin geschliffenen Beiles sind wir bereits in die
Epoche der Megalithgräber der nordischen Indogermanen eingetreten, wo zu¬
erst die kleinen Dolmen, danach die grossen rechteckigen Hünenbetten und
Ganggräber erscheinen, schliesslich die ganz unterirdischen Steinkammern
und die kleineren Steinkisten folgen. Wir haben mehrere Versuche,
das Gebiet dieser Steingräber Norddeutschlands kartographisch darzu¬
stellen: leider sind aber alle, auch der letzte von Meitzen, sehr unvoll¬
kommen, da die Grenzen des Gebietes nach Süden wie nach Osten
überall erheblich zu eng gezogen sind.
Im Verlaufe dieser Entwickelung, die bis zur Form der einfachen,
steinschutzlosen Flachgräber führt, findet ein immer weiteres Vordringen
der Nordindogermanen nach Mitteldeutschland statt, endlich sogar nach
Süddeutschland, nach der Schweiz und nach Österreich bis fast ans
Donauufer hin, ja auch gewisse Entwickelungen der österreichischen
Alpenländer und selbst Ungarns-Siebenbürgens scheinen nordische Ab¬
leger zu sein. Die nicht geringe Reihe von selbständigen Kulturen, die
die Nordindogermanen hierbei aus dem ursprünglichen Kerne der Mega¬
lithgräberkultur hervorgehen lassen, nämlich zunächst die Ausgestaltung
des Nierstein-Rössener Stiles, der in zwei Strömungen südwärts geht,
einmal von Westhannover an den Mittelrhein und unteren Main und
Neckar, das andere Mal zwischen Harz und Elbe nebst Saale nach
Thüringen; zweitens diejenige Vertretung der Megalithgräberkultur in Mittel¬
deutschland, die an der Elbe und am Harz im Latdorfer (Bernburger)
Typus zu neuer Eigenart auswächst; drittens die Kultur der Kugel¬
amphoren, die gleichzeitig mit dem Latdorfer Typus zwischen Elbe und
Oder in Westpommern und Nordbrandenburg zur Blüte gelangt und von
hier aus auf dem einen, südwestlich gerichteten Zuge an die Elbe, die Elbe
aufwärts bis Böhmen, ebenso die Saale aufwärts und bis ins westliche
Thüringen sich verbreitet; endlich viertens den jüngsten Sprössling,
die Elb-Saale-Schnurkeramik, bei deren Geburt norddeutscher, Lat¬
dorfer und Kugelamphorenstil in gleicher Weise Gevatter gestanden
haben — das ausführlich zu erörtern sollte ursprünglich das Kernstück
meines Vortrages werden. Allein die Überfülle des Stoffes zwang mich
zur Beschränkung — und so will ich die Darlegung dieses Kapitels
der Ausbreitung der Indogermanen, zumal ich damit bereits 1902 einen
ersten Versuch gemacht habe, für ein anderes Mal zurückstellen.
Einen kartographischen Niederschlag der genannten nordindoger¬
manischen Kulturen hat noch niemand angefertigt. Wer die unlängst
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von Schliz herausgegebene Karte der Verbreitung der in Süddeutschland
nachgewiesenen steinzeitlichen Kulturen ansieht, wird dort von den
norddeutschen Kulturen nur die jüngste derselben, die schnurkeramische,
berücksichtigt finden, wenn auch längst nicht in ihrer vollen Ausdehnung.
Man muss innerhalb des erstaunlich weiten Bezirkes dieser Kultur zwei
mehr durch die Gleichzeitigkeit ihres Daseins, als durch ihre innere
Übereinstimmung verbundene Gebiete scheiden. Im Osten entwickelte
sich der eine Zweig, den ich die Oderschnurkeramik nenne und auf den
ich später noch näher eingehe, im Westen der andersartige Zweig des
Elb-Saalegebietes in der Provinz und dem Königreich Sachsen, sowie
in Thüringen. Die thüringische Abteilung dieser Kultur entsendet Kolo¬
nien nach Nordböhmen und Mähren, nach Kurhessen, Nassau, Hessen-
Darmstadt, weiter nach Baden und der Schweiz, endlich von hier wieder
ostwärts nach Württemberg nebst Bayern. Sehr augenfällig ist im
untersten Maingebiet und in ganz Süddeutschland ein starker direkter
Einfluss von einer späten Phase der nordwestdeutschen Megalithkeramik
her, der jene schwach S förmig geschweifte, aber auffallend hoch
aufstrebende Becherform der Megalithgräberkultur dorthin bringt, bei
der meist der ganze Körper des Gefässes mit dichtgestellten Zonen
von Tannenzweigornament (Sparrenmuster) oder von ähnlichen Mustern
bedeckt ist, während die nur spärlich und in kleiner, verkümmerter
Gestalt auftretende schnurkeramische Amphore durch thüringische Ein¬
flüsse herangeführt wird. Charakteristisch für diesen Becher ist ein
schmaler, oft zugleich vom Bauch scharf abgesetzter Standfuss, der
dem thüringischen Typus durchaus fehlt: dort ist der Boden des Bechers die
Standfläche des breiten Bauches. Es ist das eine Form, die von manchen
Forschern, namentlich von Soph. Müller und leider auch von Montelius, ganz
falsch beurteilt wird, indem sie ohne allen triftigen Grund als eine „südliche“
Form dargestellt wird. Solche hohen Becher mit verjüngtem Fuss
erscheinen häufiger in Holstein, im Hannoverschen, in Westfalen, am
Niederrhein und in Holland, dann in dem beregten hessen-nassauischen
und süddeutschen Gebiet (Taf. XXII, 1—8). Es ist das zugleich die Form,
mit der die Nordindogermanen Nordwestdeutschlands und Hollands in
der Kupferperiode der Steinzeit nach England ziehen, wo die Lang¬
schädelgräber in Langhügeln ihnen angehören und zugleich der Bern¬
stein jetzt häufiger sich zeigt, während im Laufe der Bronzezeit hier
wiederum eine kurzköpfige Bevölkerung mehr und mehr in den Vor¬
dergrund tritt (Taf. XXII, 9—11).
In Süddeutschland und Nordösterreich erfüllt die Kultur der Schnur¬
keramik Gebiete, die vorher von einer durchaus andersartigen Kultur
eingenommen waren, nämlich von der bandkeramischen oder Donaukultur.
Wohl nicht mit Unrecht hat man die ersten Anfänge und Siede-
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45] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 233
lungen der Donaukultur an die mittlere Donau verlegt, in die aus¬
gedehnten Lössgebiete an der ungarischen Donau-Theissebene, nebst
Siebenbürgen, Serbien, Bosnien, Niederösterreich, Mähren. Hier
finden wir die dichteste Besiedelung, die reichste Entwickelung und,
wie es scheint, auch die frühesten, primitivsten Erscheinungen dieser
Kultur d. h. diejenigen, die der Entwickelung der Stichreihenkeramik
und des mit ihr gleichzeitigen Hinkelsteintypus vorausliegen. Von hier
aus gehen auch in späterer Zeit Anregungen künstlerischer Art aus, wie
die aus dem Muster von Systemen konzentrischer Kreise und ineinan¬
dergesetzter Vierecke auf dem Wege der »Verschiebung* entwickelte
Spiral-Mäander-Verzierung, die nach Wilkes für mich überzeugendem
Nachweis je weiter hinauf nach der oberen Donau und dem Mittelrhein
hin, desto mehr als nur halb verstandene Nachahmung der fertigen
östlichen Muster übernommen und weitergegeben und zudem hier fast
nur in den allereinfachsten Gestaltungen ausgeführt wird 1 ).
Man muss danach das Gebiet der oberen Donau bis zum Rhein
und das Rheingebiet für die verhältnismässig späte Epoche der Spiral-
Mäanderkeramik als ein Kolonialgebiet jenes österreich-ungarischen Kern¬
landes ansehen. Ein zweites Kolonialgebiet waren die mitteldeutschen
Länder Schlesien, Böhmen, Sachsen, Thüringen; ein drittes, wenn auch
kulturell stark abweichendes, war Südosteuropa.
Es entsteht jetzt die Frage, wann diese Donaukultur einsetzt im
Verhältnis zu den Anfängen der nordisch-indogermanischen Besiedelung.
Sieht man auch hier die Steingeräte als Leitmotive an, so ist zunächst
zu bemerken, dass die anscheinend frühesten derartigen Werkzeuge der
Donaukultur gekennzeichnet werden durch eine eigentümliche untere Ab¬
plattung, die den ganzen Gerätkörper entlang läuft; ich meine, die all¬
bekannten sogenannten hochgewölbten ,Hobel*, in Plättbolzenform, doch
mit ,aufgewippter Nase* (Schneide), denen sich (später?) die ähnlich be¬
handelten »flachen Hacken* gesellen. Der hochgewölbte Hobel hat nun
eine Form, die ihrer ganzen Art nach nicht gut aus einem anderen Vor¬
gänger abgeleitet werden kann, als aus dem Walzenbeil, und zwar durch
seitliche Zusammendrückung und einseitige untere Abplattung. Er müsste
l ) Inzwischen hat H. Grössler (Eisleben) in seiner Abhandlung: „Die Ent¬
stehung der Spiral- und Mäanderverzierung, ihr Alter und ihr Ursprungsland“
(Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüring. Länder 1908 VII, 124 ff.)
diesen Ursprung ins Saalegebiet verlegt. So geschickt Grössler auch seine Gegner
bekämpft, ich kann mich doch zu seiner Ansicht nicht bekennen, weil damit der Ur¬
sprung dieser über so grosse Weiten verbreiteten Kultur gerade in einem äusseren
Grenzgebiet angenommen wird. Auch stehen die von ihm nachgewiesenen Fälle
des Vorkommens konzentrischer Kreise in Thüringen zu vereinzelt da gegenüber der
Fülle der Erscheinungen im östlicheren Donaugebiet.
Mannus. Bd. 1. H. 3/4. 16
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dann einer verhältnismässig frühen Zeit angehören und damit könnte
gut stimmen, das er typisch ist in der rheinhessischen Hinkelsteinkultur,
der ältesten Vertretung der dortigen Donaukultur, die nach meiner An¬
sicht von der nordischen Rössener Kultur und Bevölkerung überdeckt
wird, bald aber im Grossgartacher Stil eine eigenartige Mischung her¬
vorbringt, bei der die Urbevölkerung nach Ausweis der Anthropologie
wieder Oberwasser gewinnt, um dann in der Spiralkeramik ganz zur Herr¬
schaft zu gelangen und erst von der nordischen Kultur der Schnurkeramik
im Verein mit der Zonenbecherkultur völlig verdrängt zu werden. Schwierig¬
keiten macht allerdings die Tatsache, dass die mitteldeutsche Stichreihen¬
keramik, zu der ja im weiteren Sinne auch der Hinkelsteintypus gehört,
in Zeiten fällt, die wir nicht für relativ früh anzusehen haben. Hier
haben wir nämlich den seltenen, bisher noch gar nicht ausgenutzten Fall,
dass wir nordische und Donaukultur in Vergleich setzen können. In Ost¬
deutschland ist zweimal zu beobachten, wie sogenannte Kümpfe der Stich¬
reihenkeramik (Abb. 8) mit nordischer Keramik in demselben Grabe vereinigt
sind: zu Kl. Rietz, K. Beeskow-Storkow,(Flachgrab in Steinkiste) mit Kugel¬
amphoren, die schon Schnurornament aufweisen (Abb. 7), und zu Iwno,
Abb. 7, 8. Steinkistengrab von Kl. Rietz, Kr. Beeskow-Storkow, Prov. Brandenburg.
7. Kugelamphoren und weitmundige Näpfe. 8. Stichreihenkumpf.
Kr. Schubin, mit in nordischen Gräbern, die in den Kreis der ostdeutschen
Schnurkeramik gehören (Abb. 9), mindestens mit dieser gleichalterig sind,
ausserdem Gefässe von einer Form enthalten, die sich sehr stark den
Zonenbechern nähert (Abb. 10). Im westlicheren Mitteldeutschland, an der
Saale sehen wir weiter, dass die böhmisch-thüringische Stichreihenkeramik
durch Formenaustausch sich als gleichaltrig mit den Anfängen des
Latdorf-Bernburger Typus erweist, wie ich das ein andermal zeigen
werde. Soviel scheint dadurch festzustehen, dass der Hinkelsteintypus und
die Stichreihenkeramik kaum so alt sein können, als die frühesten Erschei-
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47] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 235
nungen der nordwestdeutsch-dänischen Dolmenkeramik, die aber wiederum
in ostdeutschen Ausläufern, wie wir sehen werden, sich als gleichalterig
erweist mit dem Jordansmühler Typus in Schlesien, einer Kulturgruppe,
die etwa dasselbe Alter haben wird, wie die Stichreihenkeramik.
Wie weit das reine
spitznackige Beil inner¬
halb oder wenigstens in
l /3. Etwa 1 / 2 .
Abb. 9. 10. Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen.
dem Gebiete der Donaukultur vorkommt, entzieht sich noch meiner
genauen Kenntnis, allein zu Butmir bei Sarajewo, einer Station, deren
Anfänge für besonders altertümlich gelten — vielleicht mit Unrecht —,
erscheint neben dem echten hochgewölbten Hobel das Spitzbeil, allerdings
gleichfalls schon mit der charakteristischen unteren Abflachung. [Das
echte Spitzbeil fehlt im Osten. Korrekturnote] 1 )'
Alles in allem werden wir vorläufig wohl nicht zu arg in die Irre
gehen, wenn wir annehmen, dass die ersten Anfänge der südindogerma¬
nischen Siedelungen an der Donau nicht allzuviel später fallen, als die
der Nordindogermanen an der Ostsee. Wir haben danach anzunehmen,
dass am Schlüsse der mittelneolithischen Epoche, genauer um die Zeit
des Gebrauchs des spitznackigen und des gleichzeitigen breitnackigen Beiles,
*) Inzwischen ist im August 1908 zu Frankfurt a. M. diese Spezialfrage für
Süddeutschland von A. Schliz in einem Vortrage behandelt worden, dem ich jedoch
nach vielen Richtungen hin, in Chronologie, wie in Beurteilung der Kultur¬
zusammenhänge meine Zustimmung versagen muss, wie ich das in Frankfurt so¬
gleich betont habe (Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft
1908, 92 ff.). Dass der Pfahlbaukultur der Typus des spitznackigen Beiles zukomme,
kann ich sehr wohl unterschreiben; dieser Kultur gehört aber nur ein kleines Gebiet
n i chtindogermanischer Bevölkerung. Für die südindogermanischen Gebiete ist die
Frage also noch weiter zu verfolgen.
16*
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Gustaf Kossinna.
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aus dem bald das dünnnackige hervorging, die Auswanderung der Indo¬
germanen aus Westeuropa ziemlich gleichzeitig nach zwei Richtungen
stattgefunden hat. Dann hätten wir hier eine merkwürdige Parallele
zu den beiden ebenfalls gleichzeitig — um 400 vor Chr. — vollzogenen
grossen gallischen Auswanderungen aus Frankreich, genauer aus Nord¬
frankreich, des Bellovesus-Zuges nach den südeuropäischen Halbinseln,
des Sigovesus-Zuges nach dem Ostalpengebiet.
IV.
Südindogermanen in Osteuropa.
Wir haben soeben den Ursprung der Nord- und der Südindoger¬
manen uns klar zu machen gesucht und wenden uns nunmehr dem
anderen im Thema angekündigten Hauptpunkte zu, der östlichen
Ausbreitung.
Auch hier werden wir naturgemäss zu einer Zweiteilung des Stoffes
gezwungen, entsprechend der uranfänglichen Zweiteilung der Indoger¬
manen. Doch wenden wir uns diesmal
zuerst den Südindogermanen zu und
zwar dem östlichen Ausläufer der Donau¬
kultur, der ausserhalb der Karpaten, jener
bedeutungsvollen ursprünglichen Ost- und
Südostgrenze des Stammgebietes dieser
Kultur, seine Stätte gefunden hat und
bisher in den Kreisen der deutschen Vor¬
geschichtsforscher doch noch wenig ein¬
gehender gewürdigt worden ist, obwohl
er in einzelnen Teilen, wie namentlich
aus Ostgalizien, schon vor mehr denn
dreissig Jahren aufgedeckt worden ist.
Es ist dies jene neben Wohnstätten fast ausschliesslich aus Leichen¬
brandgräbern mit bewundernswerter bemalter Spiralkeramik gekennzeich¬
nete Kultur, die ausser dem östlichen Teile von Galizien die Bukowina,
Rumänien, Bessarabien und Südrussland bis an den Dniepr nebst einer
Exklave auf der Krim einnimmt. Ein gutes Beispiel für Ostgalizien
bilden die von Ossowski in einer Reihe von Arbeiten veröffentlichten
reichen Grabanlagen von Bilcze Zlota: Urnengräber in „Ziegel¬
packung“ (Abb. 11), bei denen die eigentliche Urne sich darstellt ent¬
weder als grosses birnenförmiges, nur auf dem Oberteile der Aussen-
seite bemaltes Gefäss mit zugespitztem Fusse und engem, kurzem
Halse — dem eine stets nur auf der Innenseite bemalte Schale als
Deckel aufsitzen kann (Abb. 12 a, b und Tafel XXIII, 10, 11) —, oder
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49] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 237
geringe Spuren des
Leichenbrandes, der
nur in symbolischer
Andeutung beige-
Abb. 12 a—c. Bilcze Zlota Grab 8 (nach Ossowski). , /8. Setzt wird (Abb. 11).
Unter den Beigaben
fallen auf kleinere hochgestreckte doppelkonische Qefässe (Taf. XXIII, 8. 9),
ferner halbkugelförmige Schalen mit scharf abgesetztem, sehr stark aus¬
ladendem Rande, die wegen ihrer Form von russischen Forschern
„Schwedenhelme" genannt worden sind (Taf. XXIII, 7; XXX unterste Reihe;
XXXI ebenso). Diese Schalen tragen die Bemalung stets nur auf dem
äusseren Kugelboden, müssen daher ursprünglich als hochangebrachte
Hängegefässe gedacht worden sein, wenn sie nicht vielmehr, was wahr¬
scheinlicher ist, als Deckel der grossen Urnen ge¬
dient haben. Die merkwürdigste Beigabe sind
eine Art doppeltrichterförmige Pokalgefässe mit
oberer und unterer Schale und mittlerer Er-
^ _ Weiterung, doch ohne Boden,
also ganz hohl, von den klein-
sten bis zu den grössten For-
* men (30 cm hoch in Bilcze).
Man hat sie, da sie meist in
Abb. 13. Latdorfer Trommel. Abb. ,7Toperngudter' Zwillingsform, durch Stäbe drei-
Schkopau, Kr. Merseburg. d. Tripoljekultur, Dniepr- f ac h miteinander verbunden,
gegend (nach Chwoiko).
auftreten, Opernguckergefässe
genannt und als Untersätze für Schalen gedeutet (Abb. 12c und Taf. XXIII, 5;
XXX oberste; XXXI unterste Reihe). Meiner Ansicht nach sind sie als
Trommeln aufzufassen ganz wie die seit langem bekannten ähnlichen
Abb. 13. Latdorfer Trommel,
Schkopau, Kr. Merseburg.
Abb. 14. „Operngucker"
d. Tripoljekultur, Dniepr-
gegend (nach Chwoiko).
auch als grosses Gefäss in griechischer Kraterform mit scharf abgesetztem
oder gleitend übergehendem weit ausladenden und umgebogenen Halse
(Taf. XXIII, 1.6; XXIV, 7. 11. 12). Zuweilen auf die Kante gestellt und
durch die Packung in dieser Form gehalten, birgt diese Urne allerdings bloss
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238
Gustaf Kossinna.
[50
Tongeräte des Latdorfer (Bernburger) Stils (Abb. 13. 14), die an¬
scheinend auch der Form nach in einem Zusammenhänge mit diesen
spiral verzierten Trommeln stehen *), wobei es nur noch nicht klar
ist, von welchem dieser beiden Gebiete die Beeinflussung auf das
andere ausgegangen ist, da wir eben über Zeitverhältnis der nordischen
Kulturen zu den Donaukulturen, insbesondere zur bemalten Keramik
noch zu wenig haben ermitteln können (s. S. 228. 234). In der
Malerei erscheinen nicht nur Bänder von meist sehr stark dege¬
nerierten Spiralen, die auch in einen geschlossenen Kreis, eine Rad¬
figur oder einen Stern (Taf. XXIV, 1. 8. 9. 11. 12) sich wandeln können,
sondern als Zwickelfüllung auch unvollkommene Tier- und sogar Menschen¬
figuren (Abb. 15. 16; Taf. XXVI; XXVIII rechts) 2 ).
Ständige Merkmale dieser Kultur sind tönerne Frauenidole, das
Symbol der Fruchtbarkeitsgöttin (Taf. XXIX), und tönerne Tierbilder, die
das im Haushalt der Donaukultur wichtigste Haustier, das Rind (Taf. XXIII,
18. 19) und andere Haustiere versinnbildlichen. Nur selten erscheinen
Mannesidole, bei denen ausser der Geschlechtsbezeichnung ein von der
rechten Schulter nach der linken Hüfte über den Leib laufendes Band
dargestellt und stets nur ein Ohr, das linke, durchbohrt ist, während
bei den Frauenidolen beide Ohrmuscheln zur Aufnahme von Hänge¬
schmuck eingerichtet sind (Abb. 17 a—c; d).
Horodnica ist das einzige Gräberfeld, und die bei Bilcze gelegene
Höhle Werteba die einzige Wohnstätte dieser Kultur in Ostgalizien, die
eine grössere Anzahl von Menschenskeletten geliefert hat: alles aus-
*) Hinweisen möchte ich hier wenigstens auf die aus dem nordischen Stil
stark herausfallenden Verzierungsweisen des Zahnrads und des Malteserkreuzes, die
beide im Latdorfer Stil, namentlich aber bei den Latdorfer Trommeln häufiger Vor¬
kommen, das Malteserkreuz auch auf Gefässen, wie der Schale vom Schöffenberg
bei Oberwiederstedt (Mansfelder Seekreis), der Halsamphore von Elbekosteletz,
Gefässresten von Prerow und vom Schlaner Berg, diese drei in Böhmen. Dieselbe
Kreuzverzierung, nicht eingetieft nach nordischer Art, aber gemalt und zwar stets
schwarz, findet sich nun recht häufig auf Böden kleinerer Schalen der bemalten
Keramik. Das Zahnradmotiv scheint allerdings mehr auf den Mondseetypus hin¬
zuweisen.
2 ) Als westliche Parallele hierzu bringt H. Grössler eine an genannter Stelle
(S. 233 Anm.) veröffentlichte mehrfache Ritzung eines klar als solcher erkennbaren
Auerhahnes auf einem Gefässe von Gr. Oerner, Mansfelder Gebirgskreis. Allein es
will mir scheinen, als ob das Gefäss trotz aller Fundverhältnisse nach Form (Schalen¬
form) und plastischer Verzierung (senkrechte Bauchwülste) vielmehr in die spätere
Kaiserzeit (3. Jhr. nach Chr.) gehört und eine Parallele ist zu dem benachbarten
gleichalterigen Gefäss von Stimnitz Kr. Querfurt, das eine ganz ähnliche Vogel¬
ritzung mit Grübchenumsäumung aufweist und nach seiner Form und den in die
drei Henkel eingehängten Tonringen unbedingt kaiserzeitlich ist (abgebildet: Album
der Berliner prähistor. Ausstellung 1880 Sect. V, Taf. 17).
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51] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 239
gesprochene Langschädel, die aber noch einer näheren wissenschaftlichen
Charakterisierung entbehren.
Um manche neue Züge bereichert wurde unsere Kenntnis dieser
Kultur durch die Ausgrabungen R. Kaindls in Schipenitz in der Buko¬
wina 1 ) > namentlich aber durch die Aufdeckung der
interessanten, kompliziert gebauten Grabstätten von
Petreny bei Bilzi in Bessarabien, die v. Stern auf
dem archäologischen Kongress zu Jekatarinoslaw ein¬
gehend dargestellt hat(Taf.XXIII-XXVI). Noch reicher
ist diese Kultur in Podolien entwickelt, wo die archäo¬
logische Karte von Th. Volkow vor wenigen Jahren
Abb. 15. Grosses birnenförmiges Gefäss mit Tier- Abb. 16. Menschenmalerei auf Scherben
malerei, gefüllt mit angebrannten Weizenkörnern. der Tripoljekultur, Dnieprgebiet (nach Chwoiko).
Podolien.
noch gar keine einschlägigen Funde kannte (Taf. XXXIV), und vor allem im
Dnieprgebiet. Hier ist im Gouvernement Kiew, ein wenig auch noch in die
Gouvernements Cherson und Tschernigow hinein, besonders durch Chwoikos
mehr als zehnjährige unermüdliche und mit glänzendem Erfolge aus¬
geführte Grabungen fast eine neue Urzeitwelt entstanden. In der rus¬
sischen, wie fremden Literatur wird diese ukrainische Steinzeitkultur
l ) Neuestens hat dieser Forscher eine weitere Veröffentlichung einschlägiger
Art über eine Wohnstätte in Koszylowce bei Tluste in Ostgalizien gemacht, die ich
dem Stil II der Tripoljekultur gleichsetze, den wir sogleich kennen lernen werden
(Tierkopfhenkel an Gefässen, Form der weiblichen Idole).
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PRINCETON UNIVERS1TY
240
Gustaf Kossinna.
[52
nach einem der ergiebigsten Fundorte Tripolje-Kultur genannt. Chwoiko,
der 1899 beim Kiewer Kongresse die erste grössere Ausstellung und
Abb. 17 a—d. Steinzeitliche Frauenidole (a-c) und Mannesidol (d). Podolien.
Veröffentlichung dieser Kultur veranstaltete, vermag neuestens drei Stil¬
perioden innerhalb dieser Kultur zu unterscheiden.
Stil I, der älteste, ist ausschliesslich vertreten in Wohngruben
(Semljanki) der Kyrillus-
strasse in Kiew (Abb. 18).
Dies sind etwa 40 cm
tief ausgeschachtete Plätze
von runder bis rechteckiger
Form im Verhältnis von
4:5 m, in deren Mitte
eine Feuerherdstelle ein¬
getieft ist, die mit Speise¬
resten, wie Muscheln und
Tierknochen, mit Scher¬
ben , kleineren glatten
Beilen aus Elch- oder
Hirschgeweih ohne charakteristische Form, selten mit kleinen rohen
Silexgeräten, wie Schabern und Messern, sehr selten kleinsten Silex-
Abb. 18. Steinzeitliche Wohngrube der Kyrillusstrasse in Kiew
(nach Chwoiko).
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53] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 241
heilen angefüllt ist (Abb. 19). Durchaus fehlen Pfeilspitzen, grössere
Steinbeile sowie Schaftlochhämmer; zuweilen birgt die Grube ein ge¬
krümmt liegendes Skelett. Die verhältnismässig rohen Scherben sind
in ganz einfacher Weise durch Einritzung von punktierten und einfach
oder mehrfach gestrichelten Linien, von Tannenzweigmustern und alter¬
nierenden Zickzackstrichbändern verziert (Taf. XXXII, 1).
In Stil II (früher Stil B genannt), der wie Stil III ausschliesslich
in den „Ploschtschadki“ genannten Familiengräbern, jenen mit Holz¬
konstruktionen gestützten, innen aus¬
gemalten Lehmbauten (Taf. XXVII), vor¬
kommt, treffen wir manche der schon
aus Petreny bekannten Tongefässformen
(Abb. 20 und Taf. XXVIII), wie die kra¬
terförmigen mit hohlgewölbtem Bauch,
eingezogenem Halse und ausladendem
Rande, am Oberteil mit eingeritzter
Verzierung oder mit Tierkopfreliefs
(Taf. XXIII, 13.14). Dazu kommen soge¬
nannte „Fassurnen“ in doppelkonischer,
rundlicher Wölbung, fast ohne Hals und
Rand, mit ein bis drei Reihen um¬
laufender Öhre unterhalb der schmalen
Öffnung, am Oberteile mit eingeritztem
Tannenzweigmuster (Abb. 20 unterste
Reihe). Eigenartig sind die kleinen
„Wasserschöpfer“, trichterförmige Schäl¬
chen mit eingezogener Wandwölbung
und wulstartig verdicktem Standboden
(Abb. 20 oberste Reihe). Ausser dem Tannenzweigmuster und anderen
Motiven des ersten Stils werden jetzt Sterne, kleine Kreise, Kreuze,
konzentrische Halbkreise eingeritzt; dazu kommt noch die Bemalung mit
schwarz gesäumten Spiralbändern auf hell- oder dunkelbraunem Grund
(Taf. XXXII, 2). Die entweder stehend mit Vereinigung der Beine in
einen Stumpf oder sitzend mit Sonderung der Beine dargestellten
weiblichen Idole zeigen nach Art des steatopygen Schönheitsideals
starke Betonung des Geschlechtscharakters an Brüsten und zuweilen
auch Geschlechtsteilen, übertrieben gross dargestellte Gesässe, gewaltige
durchbohrte Ohren, herausgetriebene Nasen, gut bezeichnete Augen: im
Ganzen, wenn die Mundbezeichnung fehlt, eine Art Eulenkopf (Taf. XXIX).
Dem Stil III (früher Stil A genannt) eigenen die reichst aus¬
geführten Spiralmuster, Wellenlinien, Wellenbänder, Systeme konzen¬
trischer Kreise, geritzt und weiss eingelegt, dazu der Gefässgrund mit
Abb. 19. Stein-, Knochen- und Geweihgeräte
der frühesten Tripolje-Kultur (nach Chwoiko).
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242
Gustaf Kossinna.
[54
Buntmalerei bedeckt (Taf. XXXII, 3; XXXIII). Der Grundton ist vorherrschend
zimmetbraun; die Buntmalerei verwendet die Farben weiss, rot, orange,
schwarz, gelblich, hell- und dunkelbraun bis violett. Waren die Gefässe des
Abb. 20. Gefässtypen des Stils II der Tripolje-Kultur (nach Chwoiko).
II. Stils schon eine feine Tonware zu nennen, so erreicht jetzt die
Feinheit der Tonschlemmung, die Sauberkeit der Form, oft auch die grosse
Dünnheit der Qefässwandung den Gipfel und alles das ohne Anwendung
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55] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 243
der Drehscheibe (Taf. XXX. XXXI). Von hervorragendem Formensinn zeugt
die Umgestaltung der grossen kurzhalsigen Birnenurne zur vollen hals¬
losen Bombenform mit engster Mündung, eine Form, die vor kurzem
von gewisser Seite fälschlich als
hingestellt wurde (Taf. XXXI Mitte).
In diese Periode gehören die schon
genannten glockenförmigen „ Schwe¬
denhelme" , äusserst geschmackvoll
gefärbt und geritzt (Taf. XXX; XXXI
unterste Reihen), ebenso die Trommeln
(„Operngucker“), die entweder in
zimmetbraunem Überzug ein gefurchtes
Muster aufweisen, oder weiss bemalt
sind mit schwarz oder dunkelbrauner
Umrisssäumung (Taf. XXX. XXXI). Zu
nennen sind weiter kleine glatte Halbkugelterrinen, auf zwei bis drei
Füsschen stehend und mit ein bis drei Reihen von Öhren unter dem
abgesetzten kurzen Halse (Taf. XXXI, oberste Reihe Mitte), endlich noch
die aus Stil II bekannten,
flüchtig gearbeiteten klei¬
nen T richterhalsschalen,
die jetzt auch zimmetfarbig
und mit gefurchtem Muster
verziert, sowie mit zwei
zipfelartig abwärts gerich¬
teten Öhrzapfen versehen
sind (ebenda rechts und
links). • Auch weibliche
Tonfiguren leben noch
fort, doch zu schemati¬
schen, kreuzförmigen Ge¬
staltungen entartet, die an
dem ornamentierten bein¬
losen weiblichen Leibe Kopf und Arme nur als Stümpfe andeuten und somit
den aegaeischen Brettidolen sich nähern (Taf. XXIII, 15.16; XXIX, 23. 26).
Gemalte Tier- und Menschenbilder scheinen dem II. und III. Stile ge¬
meinsam zu sein. Statt der plastischen Tierköpfe als Vasenschmuck des
II. Stils erscheinen jetzt dreieckig oder herzförmig gebildete Menschen¬
gesichter (Abb. 21). Nur in Stil III begegnen durchlochte Steinhämmer,
sowie eine kleinere Anzahl flacher Kupferbeile nebst einem grossen
kupfernen Doppelaxthammer, der auf der einen Seite als Beil, auf der
anderen als gekrümmte Spitzhacke gebildet ist (Abb. 22, Mitte unten).
Abb. 22. Geräte aus Stein, Knochen, Geweih, Kupfer der
Tripolje-Kultur (nach Chwoiko).
eine Urform der Bandkeramik
Abb. 21. Gefässscherben mit plastischen
Menschengesichtern des Stils 111 der Trlpolje-
Kultur (nach Chwoiko).
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244
Gustaf Kossinna.
[56
Skelettfunde sind neben den fast durchgängigen Leichenbrandgräbern
äusserst selten; neuerdings hat Chwoiko ihren Anteil auf zwei bis drei
vom Hundert abgeschätzt. Nach brieflicher Mitteilung sind diese Skelette
stets langschädelig mit einem Kopf-Index von 72—74.
Die West- und Südgrenze der Tripolje-Kultur (Taf. XXXIV) bildet in
Ostgalizien zunächst der Sered, ein von Norden in den obersten Dniestr
fallender linker Nebenfluss 1 ), dann läuft die Linie nach Horodnica am Süd¬
ufer des Dniestr, springt südwärts über an den Prut nach Schipenitz bei
Tschernowitz in der Bukowina, geht an diesem Flusse weiter bis Kuku-
teni bei Jassy in Rumänien, dann über Petreny bei Bilzi in Bessarabien,
durchquert den mittleren Dniestr bei Soroki, dann den Bug in der Nähe
von Haissin in Podolien, um bei Uman die Westgrenze des Gouver¬
nements Kiew zu überschreiten, bei Kolnibolota an der Sinjucha das
Gouvernement Cherson zu berühren, über Swenigorodki dem Ros sich
zuzuwenden, diesem bis zu seiner Mündung in den Dniepr bei Kanew
zu folgen und endlich jenseits des Dniepr im Kreise Oster des Gouver¬
nements Tschernigow zu endigen.
Ein Blick auf die geologisch-klimatologische oder pflanzengeo¬
graphische Karte Russlands zeigt, dass diese ältesten Siedelungen des
neolithischen Menschen, gerade wie die wenigen paläolithischen Stationen
Südrusslands, südwärts durchaus innerhalb des Gebietes der Schwarzen
Erde bleiben und von der Nordgrenze der eigentlichen Steppe sich noch
erheblich fernhalten, eine Tatsache, die auch dann nicht einzuschränken
wäre, wenn es mit der Exklave der Tripoljekultur an der Krimküste,
von der Furtwängler Mitteilung gemacht hat, seine Richtigkeit hat, da
ja die Südküste der Krim nicht zum Steppengebiet gehört. In der
eigentlichen Steppe konnte naturgemäss weder in paläolithischer noch in
neolithischer Zeit der Mensch dauernd bestehen; wenigstens sind dort
keine Spuren von Ansiedelungen oder Gräbern angetroffen worden, die
über die Zeit des Skytheneinfalls, also um 800 vor Chr., hinausgehen.
Es bedarf daher keiner langen kritischen Erörterung, um das Ungereimte
der nun Jahrzehnte lang wiederholten Behauptung Otto Schräders dar¬
zutun, die südrussische Steppe sei nicht nur das eigentliche Geburtsland
der Indogermanen, sondern auch diejenige Urheimat, von der aus sie
über Europa und Asien sich verteilt hätten.
Man geht nicht zu weit, wenn man alles, was die Sprachforschung
bisher gerade über diese Urheimat ermittelt zu haben glaubt — welche
Ansicht auch immer man hier nachprüft —, in Bausch und Bogen als
hinfälliges Kartenhaus bezeichnet. Die gesamte sprachvergleichende
') Nur der oben (S. 239 Anm.) genannte neue Fundplatz Koszylowce liegt
noch weiter westlich.
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57] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 245
Paläontologie geht auch heute noch vorschnell, ja unbesonnen auf ein
Endziel aus, das erst über weite Zwischenstationen vielleicht einmal
von ihr erreicht werden kann. Sie will sogleich die Kultur der noch
ungeteilten Urindogermanen durch blosse, noch dazu ganz unsystematisch
betriebene Wortvergleichungen herausdestillieren, ohne zu beachten,
dass schon mehrere Jahrtausende vor Christus es hier so enorme
Gegensätze gibt, wie nordische Kultur und Donaukultur, Gegensätze,
wie sie auch durch die Sprachforschung ermittelt worden sind, was ich
oben schon erwähnt habe, ohne dass diese aber aus ihrer Erkenntnis
die nötige Schlussfolgerung für ein methodisches Erschliessen der
Urzeit gezogen hat. Methodisch würde sie vorgehen, wenn sie auf
sprachlichem Wege zuerst einmal erschliessen wollte: erstens die gemein¬
same Kultur der Nordindogermanen oder Centum-Völker, zweitens die
gemeinsame Kultur der Südindogermanen oder Satem-Völker. Dann
erst Hessen sich innerhalb jeder dieser Gruppen alter Kulturbesitz und
späte Kulturübertragung sicherer auseinanderhalten. (Forts, folgt.)
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<s*V. -‘ <
i«yr*rmfftyfi
Taf XXII.
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Abb. 9. i/3- Andernach a. Rhein
(nach Bonner Jahrb. 92 Taf. II 10)
Abb. 7. */6. Blömkeberg b. Bielefeld,
Westfalen (Mus. Bielefeld).
Abb. 8. */5. Kaaks b. Itzehoe, Holstein
(nach Alt. u. heidn. Vorz. V, 49).
Abb. 13. 14. Gegend von Overzaal, Twente;
Borger bei Assen, Drente (nach Holwerda,
Nederlands vroegste beschaving Taf. I, '1.12).
<Abb. 10. Etwa 1 / 5 .
Unteres Nahetal.
Abb. 11. Vs. Abb. 12. 1/5.
Holzheim bei Giessen. Hebenkies bei Wiesbaden.
(10—12 nach Alt. u. h. Vorz. V, 49).
Abb. 15. Holderness Etwa 1 / 5 . 2 /«
’ (nach Greenwell, Abb. 16. 17. Wiltshire, England; Fifeshire, Schottland
British Barrows). (nach Archaelogia LXI, Taf. X und S. 111).
Spätneolithische Tonbedier Nordwestdeutschlands, Hollands, Englands und Schottlands.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
(Kossinna, Der Ursprung der Urfinncn und Urindogermancn.
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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Manniis , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. /.
Taf. XXV.
Grosses Gefäss der bemalten Spiralkeramik aus Petreny, Bessarabien.
Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen.
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Curt Kabitzsrh (A. Stuber's Verlag', Wiirzburg.
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Mannus y Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf XXVI.
Grosses Gefäss der bemalten Spiralkeramik mit Menschendarstellung aus Petreny, Bessarabien.
Kosiinna, Der Ursprung der Urfinnnn und Urindogermanen.
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Curt Kabit/M'h (A. Stuber’s Verlag). Würzburg.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf XXVII.
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Wohnplätze der Tripoljekultur Stil III bei Tscherbanjewka
(nach Chwoiko).
Kossinna, Der
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(Sprung der U|finn
finnen und Urindogermanen.
Curt Kabitzsch (A.
, Würzburg.
narrr;
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Tönerne Frauenidole der Tripoljekultur Stil II und III.
I t p, *t i i“ n »t D< ^2p0 r 8
ncn und Urindogermancn.
Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag) Würiburg.
PRINCETON UNIVERSITY
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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogennanen. Curt Kabitisch (A. Stüber’. Verlag), Wünburg.
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Mantius , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. L Taf. XXXII.
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Kossinn a, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I. Taf. XXXIII.
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Kossinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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Mannus , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. L Taf XXXIV.
Koisinna, Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen. Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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II. Mitteilungen
Rassereinheit und Kultur.
Von Privatdozent Dr. Hermann Schneider, Leipzig.
In dem landläufigen Rassenbegriff sind zwei Elemente verschiedener
Herkunft zu scheiden, ein biologisches und ein kulturgeschichtliches. Der
ältere kulturgeschichtliche Faktor ist eine Gleichsetzung der wesentlichen
Leistungen und Eigentümlichkeiten einer Kultur oder mehrerer Kulturen
mit einem bestimmten, historisch gegebenen Bestandteil des Volkes oder
der Völker, die die betreffende Kultur besitzen. Wo Germanen auf-
treten, entwickelt sich ein glänzendes Rittertum, eine Kunst voll naiver
Innerlichkeit, eine Weltanschauung voll tiefer Mystik; wo Semiten er¬
scheinen, herrschen anmassende Pfaffen und harte Geldmenschen, die
Kunst stirbt ab, die Weltanschauung predigt herrische hartherzige Götter,
die durch Opfer und Demut in guter Laune erhalten werden müssen.
Psychologisch gewandt erhalten wir den ritterlichen, naiven und tiefsin¬
nigen Germanen einerseits und den anmassenden und doch kriechenden,
kunstfeindlichen und fanatischen Semiten andererseits. Die „reine Rasse"
ist der unveränderliche Kern, der sich in allerlei äusserlich herangebrachtem
Stoff immer in derselben Weise ausprägt; von ihr stammen alle eigen¬
artigen und wertvollen Kulturleistungen; sie ruhen samt und sonders
in ihr als Keime von dem Moment der Rassenbildung an. Der Rasse¬
begriff ist in diesem Sinn ein zeitloser Begriff, etwas vollkommen Un¬
veränderliches; wenn die reine Rasse in andere Völker aufgeht, lässt
sich ihr Geist als das einzig produktive in diesen nachweisen bis die
Rasse vollkommen zerstört ist und mit ihr die Produktivität des neu
entstandenen Gemisches.
Diesem zeitlosen qualitativen Rassebegriff hat die biologisch und
entwicklungsgeschichtlich interessierte neuere Forschung einen naturwissen¬
schaftlichen und genetischen Anbau gegeben. Die Rasse bleibt dabei
unveränderlich, aber sie erhält eine Entstehungsgeschichte, wir fragen
überall nach dem Werden, also muss auch das Werden der Rasse unter¬
sucht sein. Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden
der Tierzüchter bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tier¬
rassen. Neue Rassen erhält der Züchter durch Auswahl, Kreuzung nicht
allzu entfernter Verwandter und durch Reinzüchtung. Also entstehen
Menschenrassen durch ein glückliches Zusammentreffen guter Elemente,
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248
Hermann Schneider.
[2
das die Auswahl ersetzt, durch ihre Mischung und durch ihre Isolation,
die zur Reinzüchtung führen muss. Durch diese Erweiterung ist der alte
Rassebegriff, ohne irgend etwas von seinen Vorzügen einzubüssen, be¬
deutend verschönt und modernisiert; er hat etwas Darwinistisches in
sich aufgenommen.
Leider haben aber Anbauten immer etwas Missliches. Wenn
Mischung und Reinzüchtung geeigneter Elemente neue produktive Rassen
schaffen, dann ist nicht zu verstehen, warum diese reinen Rassen, wenn
sie sich mit bestehenden Völkern mischen, nicht zu neuen noch produk¬
tiveren Rassen werden können, sondern „sich auflösen“ „degenerieren“.
Hier wissen wir nun einmal sicher, das ein Element der Mischung
„edel“ ist, wir beobachten Mischung und manchmal auch eine lange
Reinzüchtung, aber die Produktivität versiegt. Die Einführung des Ent¬
wicklungsbegriffs erschüttert den älteren Teil des Rassenbegriffs. Früher
waren die Rassen einfach da, „geschaffen“, wenn man will; da gab es
kein Fragen, warum sie so aussahen, warum sie alle aus der Urzeit
stammten; in der Urzeit lag eben die Schöpfung. Wenn aber Rasse ein
Produkt einer Mischung und Reinzüchtung edler Elemente ist, warum ist
dann die Mischung in der Urzeit „Rasse“, in historischer Zeit „Mischmasch“?
Es gibt keine andere Möglichkeit, als konsequent zu sein und zu
sagen: Rasse ist immer, in der Urzeit wie heute, jedes dauernde
Ergebnis einer Mischung und Reinzüchtung, das in der Ausbildung von
körperlichen oder geistigen Zügen gleicher Art bei einer grossen Zahl
von Individuen besteht und sie im Vergleich mit Verwandten als eine
besondere Gruppe hervortreten lässt. Rasseneigenart, nationale Eigen¬
art, Stammeseigenart und Familieneigenart sind auf ein und dieselbe
Weise entstanden: nur die Grösse der Gruppen macht den Unterschied,
ln diesem Sinn kann ich von einigen der heutigen Nationen, die aus
der Völkerwanderung hervorgegangen sind als Rassen reden; Rassen
sind die Enderzeugnisse jeder Völkermischung; der Ägypter und Baby¬
lonier der persischen Zeit hat Anspruch auf diese Bezeichnung, wie der
um 3000 v. Chr.; auch er ist das körperlich und geistig eigenartige
Ergebnis einer Mischung und fortgesetzten relativen Isolation, einer
anderen, vielleicht komplizierteren Mischung, einer weniger strengen Iso¬
lation, als seine Urahnen, aber eine „Rasse“, wie sie.
Nun ist freilich der Ägypter und Babylonier der persischen Zeit
kulturell unfruchtbar, der der Urzeit dagegen höchst schöpferisch.
Sehen wir aber genau zu, so ist in Ägypten nicht eine fertig eintretende
ägyptische Rasse kulturell fruchtbar, sondern etwas Werdendes, ein Ge¬
misch aus drei als Rassen wohlcharakterisierten Elemente, einem libyschen,
einem semitischen und einem negroiden; unter unsern Augen treten
diese Bestandteile zu einem neuen zusammen und dann erst setzt mit
der Wucht einer Explosion die Kulturentwickelung ein; im Verhältnis
der fortschreitenden Verschmelzung der Teile, der Reinzüchtung der
neuen eigentlich ägyptischen Rasse, versiegt die kulturelle Produktivität.
Dasselbe scheint für Babylon zu gelten; die grossen kulturellen Leistungen
sind nicht sumerisch, noch semitisch, sondern das Erzeugnis der Mischung
von Sumerern und Semiten zu einer neuen babylonischen Rasse, die
im Mass ihrer Vollendung unfruchtbar zur Kulturneuschöpfung wird.
Wenn wir nun auf die Bildung unseres Rassebegriffs zurückgehen
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Original fram
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3]
Rassereinheit und Kultur.
249
und besonders die Erfahrungen der Züchter ins Auge fassen, die auf
ihn übertragen sind, finden wir, dass eigentlich nie etwas anderes zu
erwarten war. Der Züchter will bestimmte neue körperliche oder geistige
Eigenschaften in seiner neuen Rasse haben, darum wählt er aus und
mischt; er will diese Eigenschaften dauernd haben, darum züchtet er
sein Produkt rein. Das Neue, „Höhere“, die Leistung, der Fortschritt,
entsteht nur durch Auswahl und Mischung; die Reinzüchtung hebt jede
weitere Neuschöpfung auf, hemmt die Produktion, führt zur Konstanz,
zum Stillstand. Die Mischung der verwandten, aber verschiedenen Ele¬
mente gibt neue schöpferische Möglichkeiten; die Reinzüchtung hebt
diese Möglichkeiten grösstenteils wieder auf.
Man kann in einem Bild das Verhältnis der Rassenmischung zur
Kultur so ausdrücken, dass man sagt: Wo verschiedene Elemente zu
einer Mischung zusammentreten, erfolgt ein Ausgleich, der im Beginn
der Mischung mit der grössten Energie angestrebt wird und am Schluss
in einem Gleichgewicht vollendet ist. Reine Rassen sind im Gleichge¬
wicht; sie stellen einen Endzustand dar, sind kulturell unfruchtbar.
Treten sie mit anderen zusammen, so erfolgt eine Gleichgewichtsstörung,
die der Differenz bez. der Spannung proportional ist; die reinen Rassen
verlieren ihre Reinheit, „lösen sich auf“, und schaffen nun eine Kultur¬
arbeit, die der Spannung entspricht und sich mit der Spannung im Lauf
des Ausgleichs vermindert; schliesslich ist die neue Rasse fertig, rein¬
gezüchtet, wenn keine äussere Störung eintritt, und damit kulturell ent¬
wickelt, aber zu neuen schöpferischen Leistungen unfähig geworden.
Man kann als „Rasse“ auch weiterhin das Ergebnis einer Mischung
nicht allzu ferner Verwandter mit folgender Reinzüchtung ansehen, muss
sich aber darüber klar sein, dass wohl die Mischung, nicht aber die
Reinzüchtung schöpferische Kulturleistungen bedingt, ja, dass die fort¬
schreitende Reinheit das Aufhören schöpferischer Kulturtaten bedeutet,
Gleichgewicht, ein Höchstmass der Kulturbreite, nicht der Kulturhöhe.
Die Rassereinheit ist so weit entfernt, eine Anwartschaft auf schöpferische
Kulturleistungen zu geben, dass man geradezu sagen kann, dass Rasse¬
reinheit und schöpferische Begabung sich ausschliessen.
Daraus folgt ohne weiteres, dass es nicht angeht, Kulturleistungen,
die eben nur bei Mischung von mehreren Rassenelementen entstehen
können, einem dieser Elemente zuzuschreiben und so eine Rassen¬
begabung zu konstruieren. Die Verführung zu falschen Schlüssen dieser
Art liegt natürlich darin begründet, dass Kulturrassen, die dem Gleich¬
gewicht nahe, also kulturell unproduktiv sind, beim Eintritt einer neuen
reinen Rasse wieder schöpferisch werden können; der babylonische
Sumerosemit kommt zu neuen Fortschritten durch das Eintreten kana-
anäischer und später chaldäischer Semiten; der spätrömische Bewohner
Italiens wird durch germanische Elemente zum Italiener der Renaissance.
Es liegt sehr nahe, die neuen Leistungen einfach als Leistungen der
neuen Ankömmlinge zu buchen und zu vergessen, dass diese für sich
allein, rein, trotzdem es ihnen nicht an Zeit und Anregung von den
Kulturländern her gefehlt haben kann, nichts erhebliches für die Kultur
geleistet haben. Der voreilige Schluss muss aber aufgegeben werden;
es gibt kulturelle Leistungen der italienischen Rasse, aber keine der
Germanen in dem Italien der Renaissance.
Mann us. Bd. I. H. 3/4. 17
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250
Hermann Schneider.
[4
Damit fällt aber fast der ganze qualitative Inhalt der zeitlosen
Rassenformeln zu Boden. Viel geht dabei nicht verloren; die Rassen¬
formeln dieser Art, kulturgeschichtlich und psychologisch, sind so ärmlich
und so deutlich Schöpfungen der Rassen- und Nationaleitelkeit, sowie
des Rassen- und Nationalhasses, dass man nur eine innige Genug¬
tuung empfinden kann, wenn sie ausgemerzt werden.
Die Frage ist nur, was an ihre Stelle zu treten hat. Am besten
wird man den Ausdruck Rasse beschränken auf Völker uns unbekannter
Mischung, die nach einer langen Reinzüchtung als körperliche Typen
differenziert in die Geschichte und damit in andere Mischungen ein-
treten. Die Ergebnisse dieser neuen Mischungen, die logisch nicht von
den Rassen zu trennen sind, könnten Völker, Nationen heissen. Es
gäbe also eine indogermanische, semitische, sumerische Rasse, aber keine
ägyptische, babylonische etc. Dabei muss im Bewusstsein gehalten
werden, dass diese Trennung nur eine willkürlich vorgenommene Ver¬
einfachung zu besserer Verständigung ist, dass die „Rassen“ nichts sind
als Endzustände älterer unbekannter Mischungen gleicher Art, wie die,
in die sie selbst eintreten. Dass normalerweise die Völker und Nationen
Europas und Vorderasiens nicht so ausgeprägte Typen darzustellen
scheinen, als die Rassen der Germanen, Semiten, Hethiter usw. erklärt
sich daraus, dass 1. zur Zeit der Ausbildung dieser Rassen Europa
und Vorderasien relativ leer, die Isolation vollkommener war, 2. daraus,
dass primitive Völker gleichartiger aussehen und 3. daraus, dass die
heutigen Nationen aus diesen älteren Rassen entstanden, ihre Mischung,
also auch körperlich einen Ausgleich bilden.
Treten verschiedene Rassen oder Völker zusammen, so entsteht
eine Mischung; ihr Ergebnis ist ein körperlicher und geistiger Ausgleich,
ein neues Volk und eine neue Kultur. Beide entstehen nur nach und
nach, im Verhältnis der fortschreitenden Mischung; daraus erklärt sich,
dass die neuen Kulturleistungen erst einige hundert Jahre nach der
ersten Mischung erscheinen. Die neu entstehende Kultur kann einen
Fortschritt über alles bis dahin in dem Weltteil oder in der Menschheit
geleistete darstellen, oder nur eine Ausbreitung älterer Leistungen auf
eine grössere Zahl sein. Die ersten Leistungen sind auffälliger und
wichtiger für den Fortschritt der Menschheit, deshalb bisher allein be¬
rücksichtigt worden.
Welche Faktoren bestimmen die Höhe der Kulturleistung eines
Volkes? Da käme zunächst die Verschiedenheit der beiden oder mehreren
Mischungsbestandteile in Betracht, als verschiedene Kulturhöhe und als
verschiedene Eigenart. Die erste bestimmt die Menge des nachzu¬
lernenden, die zweite die Zahl neuer Möglichkeiten; beide ergeben die
Grösse der „Spannung“. Ist die Differenz der Kulturhöhe sehr gross,
so wird die Wahrscheinlichkeit einer Übergipfelung durch die primitivere
Rasse sinken; ist sie sehr klein, so wird es ebenso sein. Die Wahr¬
scheinlichkeit, dass die Eigenart der Rassentypen sehr verschieden ist,
besteht namentlich in der Zeit dünner Bevölkerung der Erde und
weiter Wanderungen; sie nimmt mit wachsender Bevölkerungsdichte und
wachsender Mischung aller vorhandenen Rassen bis zur völligen Er¬
schöpfung ab.
Neben diesem Verhältnis der Mischungsbestandteile zueinander
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51
Rassereinheit und Kultur.
251
kommt in jedem Fall in Rechnung der Ort der Herkunft und der der
Mischung der Bestandteile, d. h. der der Kulturentwicklung. Rassen,
die Gegenden entstammen, welche, wie der Norden oder die Steppe,
die Spannkraft im Kampf ums Dasein entwickeln und üben, werden in
weichen Klimaten, in Ruhe und Überfluss grosse Kraftüberschüsse auf
Kulturleistungen wenden können. In reichen Ländern, womöglich noch
in leicht zu schliessenden Grenzen, wird die Entfaltung aller Keime, aber
auch die Erschlaffung leicht eintreten; von der Natur weniger begünstigte
Gebiete werden vielleicht gelegentlich noch höhere Kulturleistungen
sehen, weil sie ihre Bewohner elastisch erhalten; die jüdische, die
japanische und die mitteleuropäischen Kulturen sind Beispiele dafür,
doch scheint eine gewisse Entwicklungshöhe in benachbarten reicheren
Gegenden und deren Einfluss auf das ärmere Land dafür Voraus¬
setzung zu sein.
Die absolute Höhe der kulturellen Entwicklung im Mischungs- und
Entwicklungsgebiet ist endlich für die erreichte Kulturhöhe in jedem
einzelnen Fall ausserordentlich wichtig; was die neueintretende Rasse
an Kultur vorfindet, ist massgebend für das, was sie erreicht. Offenbar
gibt es gewisse Punkte in der Kulturentwicklung der Menschheit, deren
Erreichung dem Glücklichen mühelos, fast mechanisch selbstverständlich
ganz neue Gebiete erschliesst; ein solcher Punkt ist die Entbindung
einer Lautschrift. Andere Punkte sind ungünstig und fesseln gewisser-
massen den neu eintretenden. Jedenfalls kann man aus der vorliegenden
Grösse der kulturellen Leistung nicht ohne weiteres auf Begabungs¬
unterschiede schliessen; auch hier spielt das Glück eine Rolle.
Schliesslich bleibt als Restfaktor bei Berechnung der erreichbaren
Kulturhöhe einer Rassenmischnng die Begabung der Mischungsbestandteile.
Sie lässt sich nicht ausschalten und soll nicht ausgeschaltet werden. Nur
die voreilige, wissenschaftlich unfruchtbare und schädliche Bildung quali¬
tativer Rasseformeln soll vermieden werden; wir können das nicht anders,
als indem wir alles irgend mögliche auf quantitative und sonst kontrollier¬
bare Elemente zurückführen; sonst wird die „Begabung“, die ja eigentlich
nur tautologisch „erklärt“, ein Faulbett, statt eines fördernden Durchgangs¬
faktors. Was an qualitativen Elementen sich dem Schema der Entwicklungs¬
stufen der Menschheit, wie allen Erklärungen durch quantitative und
der Rolle der Quantität in der Naturwissenschaft analoge Hilfsmittel
entzieht, das soll Begabungsfaktor der in die jeweilige Mischung eintreten¬
den Rassenelemente sein. So sehen wir in der Ferne neue, höhere und
reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters. Hoffen wir, dass mit
ihnen niemals in Begeisterung und Hass soviel Unfug getrieben wird,
wie mit ihren heutigen Ahnen.
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Der neue Skelettfund
des Homo Aurignacensis Hauseri.
Von Georg Wilke, Chemnitz.
Mit 1 Textabbildung.
Wie den Lesern des Mannus schon aus den Tageszeitungen be¬
kannt sein wird, hat sich dem Homo Mousteriensis Hauseri, dessen
Auffindung und Hebung im August vorigen Jahres mit Recht ein so
allgemeines Aufsehen erregte, ein neuer, gleichfalls einer sehr frühen
Periode des Paläolithikum angehörender Skelettfund zugesellt, dessen
Aufdeckung wiederum den in grosszügigster Weise und nach streng
wissenschaftlichen Gesichtspunkten geleiteten Ausgrabungsarbeiten des
Herrn 0. Hauser zu danken ist.
Die Fundstelle liegt aber diesmal nicht in Le Moustier, sondern
etwa 40 km südlich davon auf der einsamen Berghöhe von Combe
Capelle, unweit des alten Städtchens Montferrand, das sich mit seinen
alten Burgruinen malerisch über dem Tale der Couze erhebt. Wie bei
allen paläolithischen Fundstellen in den Dordogne, so handelt es sich
auch hier um einen abri sous röche, wie wir ihnen in den Tälern der
Vezere und Lorreze und ihren Nebenflüssen in so grosser Zahl be¬
gegnen, und zwar ist Combe Capelle noch insofern von besonderem
Interesse, als hier vier verschiedene Kulturschichten von etwa 0,2 bis
0,5 m Dicke, getrennt durch sterile Zwischenschichten von x / 3 — l / 2 rn,
übereinander gelagert sind.
Die unterste Schicht, ein Aurignacien inferieur, unterscheidet sich
hinsichtlich der in ihr eingeschlossenen Kulturreste nur wenig von der
ihr unmittelbar vorausgehenden Periode, dem Mousterien superieur,
wie wir sie von der klassischen Fundstelle, der oberen Grotte oder
Terrasse von Le Moustier kennen. Wie hier, so steht auch im Aurignacien
inferieur von Combe Capelle das Feuersteingerät im allgemeinen auf
einer ziemlich tiefen Stufe und ist noch wenig differenziert. Die bei
weitem meisten Stücke, denen man begegnet, sind einfache Feuerstein¬
schaber (racloirs) mit ziemlich groben Randretuschen. Nur selten er¬
scheinen feinere Messer und Bohrer oder sorgfältiger bearbeitete Kratzer
(grattoirs) mit den charakteristischen feinretuschierten Bögen.
Erst in der zweiten Schicht von unten, dem Aurignacien moyen,
wird das Feuersteingerät mannichfaltiger und die Bearbeitung eine feinere.
Die für das Mousterien charakteristischen Typen verschwinden vollständig
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2]
Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri.
253
und neue Formen stellen sich ein, unter denen die eigentümlichen pyra¬
midenförmigen grattoirs Tarte und schöne regelmässige viereckige Doppel¬
kratzer mit bogenförmigen Schmalkanten und sehr sorgfältig ausgeführten
Randretuschen besonders charakteristisch sind.
Noch mehr differenziert erscheint das Feuersteingerät in der dritten
Schicht, dem Aurignacien superieur wo wir zum ersten Male jene präch¬
tigen messerartigen Feuersteinklingen mit zierlichem Griff und ausser¬
ordentlich feinen Retuschen antreffen (pointes ä cran) und auch schon
eleganteren Schmuckgeräten aus Knochen oder Rengeweih begegnen.
In der vierten Schicht von Combe Capelle, die bereits einem
reinen Solutreen angehört, erreicht diese Kultur ihre höchste Entwicke¬
lung. Die schon in der dritten Ablagerung vereinzelt vorkommenden
pointes ä cran sind hier von einer erstaunenswerten Eleganz und Fein¬
heit, und nicht weniger die jetzt zum ersten Male auftretenden pointes
en feuille de laurier, die loorbeerblattartigen Klingen, die den schönsten
Lanzenblättern aus der Blütezeit der dänischen Feuersteinindustrie kaum
nachstehen dürften. Daneben erscheinen, wie schon in der vorigen
Periode zahlreiche penjoirs und burins, kleine Pfeilspitzen und lange
schmale drei- oder vierkantige, oft sehr fein retuschierte Späne oder
Stäbchen, die wenigstens zum Teil jedenfalls als Angelhaken gedient
haben mögen, teilweise wohl auch zur Bearbeitung von feinen Holz-
und Knochenwerkzeugen benutzt wurden.
Interessant ist die Tatsache, dass sich bestimmte Gerätetypen, wie
dies auch anderwärts beobachtet wird, ja bis zu einem gewissen Grade
schon in La Micoque der Fall ist, immer nesterweise beisammen finden.
Man darf daraus wohl schliessen, dass schon in jenen fernen Zeiten
eine gewisse Arbeitsteilung bestand und dass namentlich die Herstellung
der feineren Werkzeuge wie der pointes ä cran und der Lorbeerblatt¬
spitzen gewerbsmässig von darin besonders geschulten und kunstgeübten
Meistern betrieben wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf
einen Irrtum hinweisen, dem man sehr häufig begegnet: Wenn auch die
Zahl der Feuersteingeräte in allen abris eine ganz ungeheuere ist und
selbst auch die schöneren Stücke in Fragmenten noch ziem¬
lich häufig Vorkommen, so bilden doch vollständig intakte
Exemplare eine grosse Seltenheit. Während der zwei Tage,
an denen wir trotz der drückenden Sonnenglut in Combe
Capelle mit wahrem Bienenfleiss arbeiteten — ausser Herrn
Hauser und mir noch zwei Arbeiter — kam nur eine einzige
vollständig erhaltene und in jeder Beziehung tadellose pointe
ä cran zum Vorschein. Ausser dieser fand ich selbst noch in
der zweitobersten Schicht ein sehr zierliches Stück mit ausser- Abb. i. ■/,
ordentlich zarten Retuschen an der inneren Stilseite (Abb. 1), zierliche
das mir Herr Hauser, wie alles übrige, was ich in Combe Capelle mitTehr feinen
und den sonstigen Stationen persönlich ausgegraben habe, 2 R sdiid!t C von
zu überlassen, die grosse Freundlichkeit hatte. Und wie in oben.
Combe Capelle erging es uns auch in Longueroche, Le
Moustier und La Micoque. Wirklich schöne und typische Stücke, wie
sie für Museumszwecke geeignet sind, fanden sich auch hier nur sehr
dünn gesät. Soviel über das Milieu.
Die Aufdeckung des Skelettes, das in der untersten Schicht lag,
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254
Georg Wilke.
[3
erfolgte am 26. August, nur wenige Tage nach meinem Besuch von
Combe Capelle. „Sie müssen dem Menschen geradezu an den Hühner¬
augen herumgekrabbelt haben. — Pech“ so lautete die vorläufige kurze
Notiz, die mir Herr Hauser in der ersten Freude über seinen neuen
Fund zukommen liess. Bei der neuen Grabung stiess man in der völlig
intakten Schicht — eine breccienartige, aus zahllosen Feuersteingeräten
und Knochenresten, durch Sand und Kalk zusammengekittete Masse —
zunächst auf die Oberfläche eines Schädels und bei weiterer Freilegung
auf eine Reihe sorgfältig durchbohrter Schneckengehäuse, die Reste eines
Kolliers, das man dem Toten in das Grab mitgegeben hatte.
Wie im vorigen Jahre bei der Auffindung des Homo Mousteriensis,
so stellte Herr Hauser auch dieses Mal die Grabungen vorläufig ein,
um die weitere Hebung und Bergung Herrn Professor Klaatsch zu über¬
lassen, den er telegraphisch von dem neuen Skelettfunde in Kenntnis
gesetzt hatte. Man muss die Fundstelle selbst gesehen und selbst
dort gegraben haben, um die enormen Schwierigkeiten voll würdigen
zu können, die das Herauspräparieren der morschen und gebrechlichen
Skelettreste aus dem harten Kalksteine verursacht haben muss. Aber
die mühsame Arbeit ward reichlich belohnt. Denn es gelang nicht nur
den Schädel, der trotz des riesigen, viele Jahrzehntausende auf ihm
lastenden Druckes und trotz einer frischen Verletzung bei seiner Auf¬
findung im ganzen leidlich erhalten war, glücklich zu bergen, sondern
auch das übrige Skelett zeigte sich bis auf einige Hand- und Fuss-
wurzelknochen völlig intakt.
Besonders interessant war die Lage des Skelettes, das in einer
künstlichen, den Körperformen sorgfältig angepassten Bodenvertiefung
deponiert war. Der Körper war etwas nach rechts geneigt, die Beine
stark gegen den Leib angezogen, sodass wir es hier bereits mit einer
echten „Hockerbestattung“ zu tun haben, wie sie in den späteren Perioden
bis zum Schlüsse der jüngeren Steinzeit fast überall in Europa geübt
wurde und im Kaukasus selbst noch in den älteren Abschnitten der
Hallstattzeit gebräuchlich war.
Über die Kulturperiode, der das Skelett von Montferrand angehört,
haben die Grabbeigaben, die über der Brust und neben den Händen
und Füssen lagen, hinreichend Aufschluss gegeben. Es sind dies typische
Geräte des entwickelten Aurignacien und es kann daher keinem Zweifel
unterliegen, dass wir es hier mit einem Vertreter dieser Stufe zu tun
haben. Wenn sich ausserdem auch noch neben und zwischen den Teilen
des Skeletts verschiedenerlei charakteristische Mousteriengeräte fanden,
so erklärt sich dies eben dadurch, dass man bei der Anlegung des
Grabes zufällig in die alte Kulturschicht gelangt war. Zu dieser Alters¬
bestimmung passt wohl auch am besten das prächtige Muschelkollier,
da meines Wissens im Aurignacien inferieur durchbohrte Muscheln bis¬
her noch nicht beobachtet worden sind.
Welcher Rasse gehörte nun dieser Homo Aurignacensis Hauseri,
wie er nach der Kulturperiode und seinem Entdecker benannt werden
soll, an? Solange nur ein kleiner Teil des Schädels aufgedeckt und die
Beigaben noch nicht freigelegt waren, durfte man das Skelett in Anbe¬
tracht seiner Lage in der untersten Kulturschicht auf diese Periode be¬
ziehen und es lag daher die Vermutung nahe, dass wir es hier mit
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4]
Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri.
255
einem Verwandten des im vorigen Jahre freigelegten Homo Mousteriensis
Hauseri, also einem neuen Vertreter der Neandertalrasse oder wenigstens
einem Abkömmling von ihr zu tun haben würden. Diese Vermutung
hat sich indes nicht bestätigt. Nach zahlreichen Photographien und den
brieflichen Mitteilungen, die ich darüber von den Herren Klaatsch und
Hauser erhalten habe und nach einem Vortrag, den ersterer am 13. 10. im
Verein für Erdkunde in Leipzig gehalten hat, handelt es sich hier vielmehr
um eine völlig verschiedenartige Rasse. Im Gegensatz zu dem Moustier-
schädel, der mit seinen stark entwickelten Augenbrauenbögen, seiner
ausserordentlich niedrigen fliehenden Stirn, der starken Einschnürung
der Schläfenbeinpartien, der hochgradigen Prognathie, der Form des
Unterkiefers und vor allem dem negativen Kinn noch stark pithekoide
und negroide Merkmale darbietet, haben wir es beim Homo Aurig¬
nacensis mit einem weit höher stehenden Menschentypus mit schön
gewölbtem Schädel zu tun, der hinter dem des heutigen Europäers
kaum wesentlich zurücksteht. Seine nächsten Verwandten bilden viel¬
mehr die Schädel von Brüx und Brünn in Mähren und der von Galley
Hill, die sämtlich mit dem von Combe Capelle die ganz auffallende
Länge und Schmalheit und die hochgewölbte Stirn gemein haben und
ihm auch in der Bildung der Augenbrauenbögen und der Nasenwurzel
gleichen. Auch die, freilich nur spärlichen sonstigen Skelettreste von
Galley Hill — Unterkiefer und Gliedmassen — stimmen mit dem Homo
Aurignacensis durchaus überein. Insbesondere sind beide durch das
neutrale Kinn charakterisiert. Endlich gehört dieser Rasse auch noch
das Skelett von Chancelade (Dordogne) an, das freilich einer viel
jüngeren geologischen und Kulturperiode entstammt, nämlich dem
Magdalenien. Dieses Skelett, das vor zwanzig Jahren von dem Kon¬
servator des Museums in Perigueux, Dr. Feaux, gehoben und von
Professor Testus in Lyon sehr eingehend untersucht und beschrieben
worden ist, hat mit dem Menschen von Combe Capelle nicht nur die
Schädelform, sondern auch den sonstigen Skelettbau gemein. Insbe¬
sondere zeichnen sich beide durch die verhältnismässige Kürze von Arm
und Bein und durch das Grössenverhältnis zwischen den oberen und
unteren Abschnitten der Beine und Arme aus. In beiden Fällen haben
die Unterschenkel fast dieselbe Länge wie die Oberschenkel und ebenso
stimmt der Vorderarm fast genau mit dem Oberarm überein.
Dieses eigentümliche Grössenverhältnis, das wir in ganz ähnlicher
Weise auch bei den Negern und Australiern beobachten, bildet den
Hauptunterschied gegenüber den schlanken hochgewachsenen CroMagnon-
leuten, die im übrigen, insbesondere in der Schädelbildung eine ganz
überraschende Übereinstimmung mit der Aurignacgruppe zeigen und
nach Auffassung des Herrn Klaatsch als unmittelbare Abkömmlinge von
ihnen zu gelten haben. Hat sich dann weiter aus der Cro Magnon-
Klasse der europäische Menschentypus entwickelt, so bildet also der
Homo Aurignacensis den eigentlichen Stammvater unseres Geschlechtes.
Wo haben wir den Ausgangspunkt dieses neuen Menschentypus
zu suchen? Auch diese Frage wurde von Herrn Klaatsch in seinem
Leipziger Vortrage ziemlich eingehend behandelt. Während die Neander¬
talrasse, wie sie am vollkommensten durch den Homo Mousteriensis
Hauseri repräsentiert wird, ganz unverkennbare negroide Merkmale dar-
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Georg Wilke.
[5
bietet und übereinstimmend mit diesen somatischen Beziehungen zu¬
sammen mit einer ausgesprochenen afrikanischen Fauna, dem Elephas
antiquus u. s. f. erscheint, weist die Fauna, die mit dem Aurignac¬
menschen auftritt, der Elephas primigenius, die Nagetierformen u. a. m.
auf Asien hin. Freilich bildet auch Asien nur das Durchgangsland.
Denn die eigentliche Heimat lag weiter südlich in Australien, dessen
Bevölkerung nicht nur mit der Aurignacrasse sondern selbst noch mit
dem heutigen Europäer manche Züge gemein hat. Während den Europäer,
sagt Herr Klaatsch, sowohl die Negerbevölkerung Afrikas, wie die mongo-
loide Bevölkerung Asiens und des malayischen Gebietes vollständig fremd
anmuten, fühlt er sich zum Australier wie zu einem ihm viel näher stehenden
Menschentypus hingezogen. In der Tat waren unter den von Herrn Prof.
Klaatsch skioskopisch vorgeführten Australierköpfen nicht wenige, die man
auf den ersten Blick recht wohl für altgermanische Erscheinungen halten
könnte und selbst einige sprachliche Beziehungen glaubt Herr Klaatsch
wie er mir nach Schluss des Vortrages persönlich mitteilte, vermuten
zu dürfen. So kennt das Australische die Dualbildung und auch laut¬
lich finden sich namentlich mit dem Lateinischen gewisse Überein¬
stimmungen. Mehr Gewicht, als auf diese wohl mehr auf Zufall be¬
ruhenden sprachlichen Übereinstimmungen möchte ich auf gewisse
Kulturparallelen zwischen den heutigen Australiern und den Aurignac-
und Cro-Magnonleuten legen, auf die Herr Klaatsch in seinem Vortrage
gleichfalls hinwies. So findet sich die Hockerstellung, wie wir sie oben
bei dem Skelett von Combe Capelle kennen gelernt hatten auch bei
den australischen Mumien. Mit den bekannten Höhlenzeichnungen der Cro
Magnon-Leute in der Dordogne lassen sich recht wohl die australischen
Felsenzeichnungen vergleichen, die wie jene oft sehr naturalistisch aus¬
geführt sind und meist Darstellungen der heimischen Fauna bilden.
Die Reihe kleiner Striche, die sich bogenförmig über den Leib der Venus
von Brassempouy hinzieht und für die man bisher keine befriedigende
Erklärung hatte *)> hat eine überraschende Ähnlichkeit mit den gleichfalls
reihenförmig angeordneten Hautnarben, mit denen sich die modernen
Australierinnen ihren Körper verschönern, und schliesslich sprechen
einige Umstände insbesondere die Bildung des Fusses und gewisse
Feuersteingeräte dafür, dass auch die Art des Erkletterns der Bäume
mittelst der grossen Zehe, die in eingeschlagene Löcher eingesetzt wird,
bei den Aurignac-Menschen die gleiche war, wie noch heute bei den
Australiern.
Als die Aurignacrasse in Europa einzog, fand sie die Neandertal-
rasse bereits vor, die damals über einen grossen Teil des europäischen
Kontinentes verstreut war. Selbstverständlich wird es dabei nicht an
harten Kämpfen gefehlt haben, denn man kann sich nur schwer vor¬
stellen, dass zwei so grundverschiedene Rassen, wie es die Neandertal-
Moustier und Aurignac-Galley Hill-Menschen waren, auf die Dauer
hätten friedlich neben- und untereinander wohnen können. Auf diese
*) Mortillet, Musee prehist. pl. XXVII 230 will in diesen Strichen die
Darstellung eines Gürtels erkennen, doch spricht dagegen schon der Verlauf der
Strichreihe, die etwa einem Pfeilbogen gleicht. Hätte der paläolithische Künstler
einen Gürtel darstellen wollen, so würde er wohl sicher die Linie horizontal um
den Leib geführt haben.
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Der neue Skelettfund des Homo Aurignacensis Hauseri.
257
Rassenkämpfe ist wohl auch das Verschwinden des Neandertaltypus
zurückzuführen, sei es, dass die Vertreter dieser Rasse allmählich der
Vernichtung anheimfielen, oder dass sie den neuen Ankömmlingen
weichend in andere Länder abzogen. Immerhin müssen beide Rassen
doch noch längere Zeit nebeneinander existiert haben, da sowohl für
das im vorigen Jahre aufgedeckte Skelett von La Chapelle-aux Saints,
Dep. Correze als die Reste von Spy, die beide dem Neandertaltypus an¬
gehören das jung-diluviale Alter durch das Vorkommen reichlicher Mam¬
mut- und Rentierfunde einwandfrei festgestellt ist. Dann aber wird
man auch mit der Möglichkeit wiederholter Blutmischungen rechnen
müssen, deren Folgeerscheinungen sogar noch in der Gegenwart sich
geltend machen mögen.
Anmerkung. Hier ist der Hinweis wohl nicht unangebracht, dass das vor
Jahrzehnten in Le Moustier ganz nahe der Fundstelle des Hauserschen Homo
Mousteriensis von Riviere aufgedeckte Skelett einer Frau, das leider noch immer
nicht veröffentlicht worden ist, nicht den Neandertaltypus zeigt, also wohl nur der
Aurignacrasse angehören kann und dann, weil aus dem Mousterien stammend, ein
noch älterer Vertreter der hochstirnigen Aurignacrasse wäre als das Skelett vom
Combe Capelle, ebenso auch die beiden von Dupont in der Höhle zu Hastiere gefun¬
denen Unterkiefer mit ausgebildetem Kinnhöcker, also wohl „positivem“, mindestens
„neutralem“ Kinn nach Klaatschens neuester Terminologie, und das bekannte von
Schmerling entdeckte Schädeldach von Engis (unteres Aurignacien), während der
Alte von Cro-Magnon, der Urvertreter der jungdiluvialen Cro-Magnon-Rasse, be¬
kanntlich dem mittleren Aurignacien entstammt, also genau ebenso alt ist, wie der
Hocker von Combe Capelle. G. K.
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Einige seltenere steinzeitliche Funde
aus Mecklenburg.
Von R. Beltz, Schwerin.
Mit 2 Textabbildungen und 1 Tafel.
1. Als ergiebigste steinzeitliche Siedelung des Landes hat sich
immer mehr die Fundstelle von Wustrow - Niehagen erwiesen, gelegen
auf der schmalen Halbinsel Fischland zwischen Ostsee und Saaler
Bodden. Seit 1898 ausgebeutet (vgl. Mecklb. Jahrb. 64 S. 68 und 106)
hat sie eine Unzahl von Stücken ergeben, deren Hauptmasse sich in
der Sammlung ihres glücklichen Entdeckers, des Herrn Dr. med. Lettow
in Wustrow befindet. Die Lagerungsverhältnisse sind sehr einfach:
am steilen Abbruchufer über etwa 2 km hin bis etwa 800 m land¬
einwärts liegen auf einer starken Schicht festen Ortsteins (Aus¬
scheidungsprodukt der früheren Heidesandoberfläche) die Gegenstände
unter einer bedeutenden, vom Winde stark beeinflussten Schicht Blei¬
sandes und Flugsandes. Unter dem Ortstein lagert gelber Geschiebe¬
mergel. Zur Beurteilung der Stelle ist festzuhalten, dass die ganze
Küste sich in Abbruch befindet und der Landverlust am Fischlande
jetzt jährlich noch etwa 0,5 m beträgt, früher natürlich mehr, vor un¬
gefähr 4000 Jahren also, zur Steinzeit, die ganze Stelle weit von der
See, vier bis fünf Kilometer gering gerechnet, entfernt lag. Auch
andere Momente weisen dahin, dass die ausserordentlich starke Be¬
siedelung des Fischlandes (und des Darsses) dem Bodden, nicht der
See nachgegangen ist. —Auf der Stelle der Wustrow-Niehagener Siedelung
ist nun ein Stück aufgetreten, das durch Form und Lagerung aus dem
Kreise der anderen herausfällt. Der (Taf. XXXV 1 a, b) in zwei Ansichten
abgebildete „Faustkeil" von (jüngerem) St. Acheul-Typ ist nach der
bestimmten Angabe des langjährigen und geübten Erforschers der Stelle,
des Dr. Lettow nicht auf der Ortsteinschicht, sondern unter der¬
selben im Diluvialmergel gefunden, in der Lehmwand des Hohen
Ufers. Er besteht aus schwarzem Feuerstein, hat zum Teil noch die
Kruste, 10 cm Länge, 7 cm Breite, die Seiten leicht gewölbt, eine mit
Rückenkante; er ist gearbeitet in bekannter altpaläolithischer Technik, ohne
Retouchen, zeigt auch keine Rollspuren. Das Stück sei hier verzeichnet
als einer der sehr wenigen Belege für eine ältere nordisch-norddeutsche
Paläolithik; zu einer Einreihung in ein geologisch-chronologisches Schema
genügen die Angaben natürlich nicht. — Hinzugefügt sei ein zweites
Stück von derselben Fundstelle, über dessen Lagerung leider kein Bericht
vorliegt, ein stumpfspitziger Bohrer altpaläolithischer Form, 13 cm lang,
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1
2]
Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg.
259
oben der natürliche Stein mit seiner alten Kruste (Taf. XXXV, 2). ln
der Lettowschen Sammlung sind alle Übergangsformen zu den feineren
scharfspitzigen neolithischen Bohrern vorhanden, und das Vorkommen
eines derben, altertümlich anmutenden Exemplars in neolithischer Um¬
gebung würde nichts Befremdliches haben, hat übrigens auch in ähn¬
lichen Stücken aus Feuersteinwerkstätten in der Schweriner Sammlung
(Arendsee b. Kröpelin, Büttelkow b. Kröpelin) seine Parallelen.
2. ln der sicher neolithischen Fundschicht von Wustrow-Niehagen
finden sich auch Bohrer von einem älteren (Kjökkenmöddings-)Habitus
(das auf Taf. XXXV, 3 abgebildete Stück 9 cm lang), vielfach, und auch
sonst tritt diese alte Stufe recht stark hervor, in Spaltern (das auf
Taf. XXXV, 4 befindliche Stück 7 cm lang), Äxten usw. Ein recht
hübsches Beispiel für den Übergang der Kjökkenmöddingsaxt zu der
„spitznackigen“ neolithischen gibt das in Abb. 5 wiedergegebene Stück
(10 cm lang). — Die Masse der Funde ist echt neolithisch, doch ist
es recht auffallend, dass unter der kaum übersehbaren Fülle von
Gegenständen einige Gruppen fast ganz ausfallen. So sind Kernsteine
und grössere, prismatische Messer direkt selten, dagegen überwiegen die
kleinen zierlichen Geräte (kleinste Messer, Nadeln, besonders die Pfeil¬
spitzen, unter denen allein 300 querschneidige usw.) in einem Masse,
wie an keiner zweiten Stelle des Landes. (Aus Pommern erinnert das
Ensemble der Feuersteinmanufaktur von Scholpin b. Stolp sehr an das
Wustrower.) Eine Besonderheit bilden flache runde Scheiben mit ge¬
dengelten Rändern, die man an einer Stelle in Masse aufgelesen hat;
der Durchmesser beträgt 1,2 bis 4 cm, die Oberfläche ist oft die des
natürlichen Steines, oft aber auch sehr fein geschliffen; bei fünf ist deut¬
lich erkennbar, wie sie aus geschliffenen Keilen zurechtgearbeitet sind.
Bei der Mehrzahl der geschliffenen versagt die Erklärung dieser ‘petits
disques’ als Rundschaber, zumal auch die Schmalseite nicht wie bei den
Schabern abgeschrägt, sondern scharf gerade abschneidend gebildet ist.
Man hat sie in Wustrow als Amulette bezeichnet und speziell als
einen Ersatz der runden, durch Trepanation dem Schädel entnommen
Knochenplättchen französischer Gräber. In der Form ähneln sie diesen
in der Tat sehr. Wir geben als Beispiele einen grösseren derberen
Schaber von 4 cm und ein „Amulett“ sorgsamster Herstellung von 2 cm
Durchmesser (Taf. XXXV, 6, 7). Eine fernere Besonderheit ist ein kleines
Tongebilde (Abb. 8), stark gebrannt, aus grauer Masse, 4,7 cm lang,
ein Unterarm mit geballter Faust, auf der die Finger durch feine Striche
angegeben sind. Sonst tritt Keramisches leider nicht besonders hervor.
Die zahlreichen Scherben sind klein, mit Tupfenband, Kerbenband, Band¬
reihen in Glockenbechergeschmack usw.; etwas bessere Specimina sind
in das Berliner Völkermuseum gelangt. — Die nordischen neolithischen
Feuersteintypen finden sich vollzählig, wenn auch die durchgebildeten
Formen der Klingen und Sägen mangeln. Aus anderem Gestein die üb¬
lichen Quetschmühlen, Reibsteine, Schleifsteine, während Äxte usw. sehr
zurücktreten: ausser einigen Bruchstücken nur zwei durchbohrte Äxte
aus Gneis und zwei undurchbohrte.
Eine hübsche Ergänzung zu der grossen Wustrow-Niehagener
Stelle bieten zwei in geringer Entfernung (1 bezw. 2 km) ebenfalls
auf sandigem Kuppen liegende Feuersteinschlagstätten bei Alt-
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260
R. Beltz.
[3
ha gen und Ahrenshoop, deren Untersuchung sich Herr Lehrer
Mät in Wustrow angenommen hat und die ebenfalls ein recht beträcht¬
liches Material ergeben haben. Der Charakter aller Stellen ist ver¬
schieden: in Althagen überwiegen grössere, gut gearbeitete Messer,
Kernsteine usw., Ahrenshoop zeichnet sich durch prächtige Feuerstein¬
keile aus usw. Sodann sind noch im Bodden bei niedrigem Wasser¬
stande an zwei Stellen, bei Niehagen und bei Barnstorf Steingeräte,
Abb. 2. Abb. 1.
Selpin bei Tessin.
Tierknochen usw. unter Umständen beobachtet worden, die auf Pfahl¬
bausiedelungen deuten. — Die Siedelungsverhältnisse des Fischlandes
laden zu einer monographischen Behandlung ein; es wäre eine dankbare
Aufgabe, auch von allgemeinerer Bedeutung, festzulegen, wie sich diese
verschiedenen Lokalitäten, die doch Sondercharaktere zeigen, zueinander
verhalten, besonders auch ihr zeitliches Verhältnis zu bestimmen. Mit
der Heranziehung der zahlreichen norddeutschen Feuersteinwerkstellen
zu einer Gruppierung der Typen und Chronologisierung der Typen¬
komplexe ist ja noch nicht einmal der Anfang gemacht worden.
3. Bei Gelegenheit der sorgsameren Absuchung und Untersuchung
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Original fro-m
PR1NCETON UNtVERSITY
Matmus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf XXXV.
-V
Wustrow-Niehagen.
Beltz, Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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4]
Einige seltenere steinzeitliche Funde aus Mecklenburg.
261
einer Feldmark, des Gutes Selpin bei Tessin haben sich auch zwei
ungewöhnliche Steingeräte ergeben: 1. Einer der bekannten Kj ökken-
möddingspalter(7cm lang), in echter alter grossflächiger Technik her¬
gestellt, merkwürdig dadurch, dass die Schneide geschliffen ist (Abb. 1).
In den ergiebigeren neolithischen Stationen finden sich Gegenstände
älteren Typs und älterer Technik regelmässig, und mit der Erklärung,
dass es sich da um Relikte einer früheren Kultur handelt, kommen wir
nicht aus. Es sind vielmehr alte Typen neben den späteren die
ganze Steinzeit hindurch hergestellt, gelegentlich auch, wie an unserem
Beispiel, mit der jüngeren Technik; übrigens fanden sich in Wustrow-
Niehagen auch geschliffene quersqhneidige Pfeilspitzen. 2. Ein Feuer-
steinmeissel einfachster Form (10 cm lang), hergestellt aus einer leicht
gewölbten, nur 1 cm dicken Platte, deren obere Seite die natürliche
Kruste und deren untere (konkave) Seite einen alten Bruch hatte; alle
vier Seiten sind durch Schliff etwas geglättet, am meisten die rundlich
geformte Spitze; mir in dieser Art sonst nicht bekannt (Abb. 2).
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Der „Hexenberg“
am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven.
Ein steinzeitlicher Grabhügel. Fundbericht von 1891.
Mit 16 Textabbildungen und 1 Tafel, nach Zeichnungen des Verfassers.
Von Hans Müller-Brauel, Haus Sachsenheim bei Zeven.
Ziemlich in der Mitte zwischen den Dörfern Brauel und Offensen
ergiesst sich die Mede, ein kleiner Bach, in die Oste. Von hier ab an
bildet die (alte) Oste ein Wiesental, auf beiden Seiten ist sie dann von
Heidehöhen eingeschlossen. Auf diesen Höhen liegen südlich der Oste,
unmittelbar am alten Osteufer, fünf grosse und mittelgrosse Grabhügel
dicht beieinander in einer Reihe.
Alle zeigen die Spuren früherer
Grabungen und ich vermute stark,
dass dies die Hügel sind, die im
Jahre 1696 der Konsistorialrat
Spilker untersucht hat und wo¬
rüber er in seiner Schrift: „Disser-
tatio tumulum cum urnis aliquot in
Duc. Bremensi inventis..“ berichtet
hat. Er fand darin verzierte Urnen,
Metallgeräte, Zangen und einen
Pferdezahn. Die Urnen und Bei¬
gaben befanden sich, siehe Wäch¬
ters Angabe, 1841 noch auf der
Stadtbibliothek in Stade; ich habe
nicht erfahren können, wo sie
heute sind.
Ewa 200 Schritte weiter süd¬
lich liegen abermals vier Grab¬
hügel, zum Teil sehr grosse, dicht
beisammen. Der grösste führt im
Volksmunde den Namen „Uhlen-
Abb. 1. 2. Beile aus Feuerstein. Uhlenberg. */* nat. Gr.
berg" (das umliegende Feld führt heute noch den Namen Uhlenkamp,
früher lag hier ein alter Kiefernwald, dessen letzte Reste ich noch
kannte). — Den Uhlenberg habe ich 1891 untersucht, er sollte eben¬
falls wegen Steingewinnung zerstört werden. Das Grab lag auf dem
Urboden, in etwa 2 m Tiefe, unter dem Scheitelpunkt des Hügels. An
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Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven,
Beigaben fanden sich: zwei sehr schöne, gut geschliffene Steinbeile aus
hellem Feuerstein (Abb. 1. 2), ein ungewöhnlich schöner, schiffsboot¬
förmiger Hammer aus einer stark glimmerhaltigen Gesteinsart (Abb. 3),
ein vasenförmiges Tongefäss mit Bindfadenverzierung (Abb. 4) und
Abb. 3. Steinhammer. Uhlenberg. '/* nat. Grösse.
zwei rohe Feuersteinmesser (Abb. 5. 6). Letztere lagen wohl in einer
Tiefe, in nächster Nähe, aber nicht unmittelbar mit den Fundsachen zu¬
sammen. Von dem erwähnten Hammer Hess sich der Holzstiel bis auf
f9 eine Länge von 40 cm in der feucht-moorigen
Erde verfolgen, aber mehr nur als dunkler,
modriger Strich in der Erdmasse; Stückchen
aufzuheben war nicht mehr möglich. Nahe dem
Grabe lag eine grosse Menge verkohlter Eicheln.
Sie müssen schon bei der Bestattung hinein¬
gelegt sein; ein späteres Hineinkommen in
diese Tiefe erscheint ausgeschlossen, denn es
liess sich genau erkennen, dass kein Mauseloch
oder etwas ähnliches von der Fundstelle ab
nach oben führte, oder auch je nach oben oder
der Seite geführt hatte — die Schichtung des
Hügels, aus Heidesoden, war überall deutlich
erkennbar und intakt erhalten. Sie lagen süd¬
lich von der Fundstelle. Erwähnt sei, dass ich
in ganz gleichen und gleichzeitigen Grabhügeln
des öfteren südlich der Grabstelle, in gleicher Tiefe lose hingeschüttet
einen Haufen Holzkohlen fand.
Auf dem zweiten, halb zerstörten Hügel fand ich vor langen
Jahren ein kleines Feuersteinmesserchen und eine Ur-
nenscherbe, die der Bronzezeit angehört. Dieser
Hügel ist früher durch den Tierarzt Ehlers-
Soltau geöffnet worden, nach Leutebericht soll j, f
er hier einen Steinhammer gefunden haben. JE K iE
Der dritte, nicht sehr hohe, aber dafür sehr
umfangreiche Hügel zeigte viele Spuren früherer | 0^$}
Grabungen. Bei der von mir angestellten Unter¬
suchung ergab er ein Brand-Bohlengrab; die
Schicht liess sich, deutlich erkennbar, auf eine
Länge von drei Metern verfolgen, bei rund
50 cm Breite; irgendwelche Beigaben fanden sich nicht vor.
Der vierte Hügel, sehr zergraben, flach, niedrig, umfangreich, ist bisher
nicht von mir untersucht worden, dürfte aber bei seinem Zustande kaum
noch irgendwelche Funde ergeben. Auf dem bedeutend höheren Heide-
Abb. 4. Tongefäss mit Bindfaden¬
verzierung. Uhlenberg. 1 5 nat. Gr.
Abb. 5. 6. Feuersteinmesser.
Uhlenberg. '/* nat. Gr.
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264
Hans Müller-Brauel.
[3
rücken auf der Nordseite der Oste liegen insgesamt 10 mehr oder
minder grosse Grabhügel nahe beisammen, hart an einem alten Strassen-
zuge. Zweimal kehrt unter diesen die Form der sog. Zwillingshügel wieder.
Zwei Hügel sind inzwischen durch den jetzt genau darüber führenden Dorf¬
weg Brauel-Offensen eingeebnet und verschwunden. Aus einem dieser
Hügel stammt ein Steinbeil, das ich zurückkaufte (Abbild. 7). Nach Unter¬
suchung des Herrn Dr. Gottsche-Hamburg besteht es
aus einer feinen dichten Dyabasart. Von dem zweiten
nun eingeebneten Hügel war vor Jahren noch eine
kleine Anhöhe erhalten; als ich diese untersuchte, fand
sich eine Steinpflasterung von etwa 1 Quadratmeter
Grösse, an Fundgegenständen aber nichts mehr.
Die weiter ab nach Westen liegenden Hügel, dar¬
unter ein Zwillingshügel, werden z. Z. eingeebnet; bis
jetzt ist eine kleine rotgelbe Scherbe zum Vorschein
gekommen, die ersichtlich einem steinzeitlichen vasen¬
förmigen Gefäss angehört.
Der grösste der Hügel nördlich der Oste, einer der
grössten überhaupt im Kreise Zeven führt im Volksmunde
den Namen „Hexenberg“. Er liegt in nächster Nähe
der beiden ganz abgetragenen Hügel, bildet den süd¬
lichen Anfang einer aus noch drei Hügeln bestehenden Gräberreihe,
welche in gerader Richtung nach Norden führt. Alle diese sind recht
klein, niedrig und stark zergraben.
Der Hexenberg sollte
vom Besitzer Herbst 1890
aufgegraben werden zwecks
Gewinnung von Steinen.
Da erbat ich mir vorher
die Erlaubnis einer Unter¬
suchung gegen Zusicherung,
alle Steine sorgsam aus¬
zulesen. Diese Untersuch¬
ung hat höchst interessante
und wichtige Resultate ge¬
bracht, deshalb sei ein¬
gehender darüber berichtet.
Äusserer Befund.
Der Hügel war vor
Beginn der Ausgrabung
ziemlich kreisrund, seinUm-
fang betrug reichlich 100
Schritt, sein Durchmesser, hüünu o
Richtung Süden - Norden Der Hexenberg vor der Aufgrabung mit den Löchern.
18 ! /2 m, Richtung Osten-
Westen 20 m, die Höhe, vom Urboden gemessen, gut 3,50 m; er war
ganz mit Heide bewachsen. Auf seiner Oberfläche zeigte er an neun
Stellen die Spuren früherer Grabungen, wirklich tief war aber nur der,
auf der Abbildung 8 mit a bezeichnete Einschnitt, der eine Tiefe von
Abbild. 7. Hügel,
nahe beim Hexenberg.
*/• nat. Grösse.
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PRfNCETON UNIVERSUM
4]
Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven.
265
ca. 1,25 m erreicht hatte. Wahrscheinlich war hier eine, sich in hiesigen
Hügeln oft findende Nachbestattung einer Urne, die stets dann in Steinen
gepackt war, gefunden und dann, in der Annahme, weitere Steine berge
der Hügel nun nicht, die Grabung eingestellt worden. Bei b fand sich
eine Scherbe der Latene-Zeit; im Verlaufe der Arbeit wurden an dieser
Stelle Urnenscherben, Knochen und kleine Eisenbruchstücke gefunden.
Hier handelte es sich ebenfalls um eine von Steinsuchern zerstörte Nach¬
bestattung. Der mit c bezeichnete Einschnitt war ganz neueren Datums
und von einem alten Schäfer gemacht, der daselbst nach seiner eigenen
Aussage „einen Topf mit Geld hatte leuchten sehen“, dann aber beim
Nachgraben nichts gefunden, auch nichts vorgeschichtliches zerstört hatte.
Ganz oben, im Gipfel des Hügels, fand sich eine arg zertrümmerte
Urne,* dicht unter der Oberfläche. Sie enthielt eigentümlicherweise keine
Knochen, sondern ausschliesslich Holzkohle; nach Bestimmung des Herrn
Dr. Voigt, Assistenten am Hamburger Botanischen Museum, sind es
Tannenholzkohlen. Die Urne war umstellt mit fünf mässig grossen
Handsteinen, erhalten ist sie nicht, da der Scherben durch Frostein¬
wirkung vollständig zermürbt war.
Aufbau des Hügels.
Eigentümlich war der Aufbau des Hügels, sowohl in Hinsicht auf
grössere und kleinere Steinpackungen als namentlich in bezug auf die
Erdmasse. Wie aus Abbildung 9
ersichtlich — die Abbildung
zeigt die sämtlichen Steinpak-
kungen des Hügels von oben
aus gesehen, keine reichte über
1 m tief hinunter — war der
Fuss des Hügels von einem
Kranz von Steinpackungen ein¬
gefasst, die aber nicht zusam¬
menhingen. Sie bestanden, wie
überhaupt alle Steinpackungen
des Hügels, aus nur kopfgrossen
Steinen. Auch der Mantel des
Hügels enthielt oft dicht unter
der Oberfläche viele Stein¬
packungen, die aber bis auf
eine derselben, ohne jeden In¬
halt waren. Diese
eine enthielt in schö¬
ner Packung ein
“ nuviiu. 7.
kleines, ziemlich roh Hexenberg, die Steinpackungen von oben gesehen.
geschlagenes Messer
aus Feuerstein, das ersichtlich in der Mitte der Packung ein-
Abb. io.‘/tGr. gelegt war (Abbild. 10).
Feuerstein 5 I n Abbildung 11 ist die Erdschichtung des Hügels dar-
Heienberg. gestellt. Schon zu Anfang der Ausgrabung — ich wähle
Für sich in stets den Weg, die Erdmasse eines Hügels ganz von der
s?einsetzung n Stelle zu bewegen — zeigte sich eine recht regelmässige
Mannus. Bd. I. H. 3/4. 18
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266
Hans Müller-Brauel.
[5
Schichtung der Erdmassen. Die Lagerung des schwarzgrauweisslichen
Sandes (nur auf der Westseite zeigte sich ein Strich harten schwarzen
Ockers) wurde in Abständen von 4—10 cm von schwarzen, etwa 3 bis
6 mm dicken Linien durchzogen, nur der Scheitel des Hügels war bis
Abbild. 11. Hexenberg. Durchschnitt.
auf eine Tiefe von durchgängig 70 cm ohne diese Linien. Hier hatten
augenscheinlich Frost und Regen verwitternd eingewirkt. Vom Urboden
ab wurden an allen Seiten durchgängig 45 solcher Schichten gezählt,
Schichten, die sich gebildet hatten durch Vermoderung pflanzlicher Stoffe.
Hier darf man nun wohl bestimmt annehmen, dass die zum Auf¬
bau des Hügels verwandte Erde in Körben, oder noch richtiger vielleicht
in grossen Soden einst zusammengetragen wurde. Da das Zusammen¬
tragen in Körben eigentlich lose Erde voraussetzt, die dann ja bei vor¬
wärtsschreitender Erbauung zusammengetreten wäre, und nicht in dieser
Regelmässigkeit die Schichtung bewahrt haben würde, so darf eine Er¬
bauung aus abgerissenen oder abgestochenen Soden mit Sicherheit vor¬
ausgesetzt werden. Wer einmal Gelegenheit hatte, in früheren Jahren
eine sog. Miete, wie sie der Landmann errichtete aus Dünger und Heide¬
soden, zu sehen und deren Schichtung beachtet hat, wird diesem zu¬
stimmen. Nur so konnte auch hier bei einer solchen Schichtung der
einzelnen Soden sich diese Lagerung bilden. Übrigens spricht noch ein
weiterer Umstand dafür: die Beschaffenheit mancher Stellen, ja manch¬
mal einzelner Soden, die in weissgrauem Sande sonst lagen, war mehr
oder minder torfartig und entsprach ganz der Oberfläche des nur etwa
1000 Schritt entfernten „Düngelmoores“.
Hauptgrab.
Nicht ganz in der Mitte des Hügels, etwas nach der Ostseite hin,
in 3 m Tiefe, war das Hauptgrab. Allem Anscheine nach war der Tote
unverbrannt beigesetzt worden. Es konnten zwar keine Skelettreste
mehr gehoben werden, aber eine weisslich graue, schmierig fette Erd¬
schicht bezeichnete in dem dort moorigen Boden doch noch mit einiger
Sicherheit die einstige Lage der Leiche. Weiter muss sie einst, der
Lage der Beigaben nach, in der Längsrichtung Süden-Norden, mit dem
Kopfe nach Norden beigesetzt sein. Über dieser Leichenrestschicht
hatten die vorhin beschriebenen dünnen schwarzen Schichtstreifen eine
bedeutend grössere Dicke, ebenso am Kopf- und Fussende, wo diese
Streifen, deutlich erkennbar, senkrecht liefen.
Man wird sich demnach die Bestattung wie folgt vorzustellen haben:
Auf dem Urboden legte man die Leiche mit sämtlichen Beigaben
nieder. Dann stellte man besonders grosse Heidesoden um
dieselbe herum, Steine wurden dazu nicht verwandt; darauf erfolgte
der Aufbau des ganzen Hügels in der oben weiter beschriebenen Weise.
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6]
Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven.
267
Beigaben.
Als Beigaben fanden sich folgende Gegenstände. An der Ost¬
seite des Kopfes ein grosser schwerer Schleifstein aus rotem Granit.
Die Schleifbahn ist nicht besonders glatt, nur recht wenig hohl ge¬
schliffen, also nur kurze Zeit benutzt. Die Ecken des Schleifsteins sind
teilweise, ebenso wie die Seiten, künstlich abgerundet; dadurch hat der
Stein eine etwas ovale Form bekommen. Die Länge ist 34 cm, die
Breite 28 cm. Es könnte erwogen werden, ob nicht der Stein nur zur
Herstellung des weiter gefundenen Hammers verwandt sei, dann weiter
nicht benutzt wurde, oder nicht weiter benutzt werden durfte, weil zur
Herstellung einer Totenbeigabe verwendet, und so in dasselbe Grab
gelegt wurde.
An der Westseite des Kopfes stand ein arg zerdrücktes grosses
Tongefäss (Abbild. 12), mit drei grossen Henkeln. Diese waren der
Abbild. 12.
Abbild. 13.
Tongefäss mit 3 Henkeln.
Hexenberg. */..
Vasenförmiges Tongefäss.
Hexenberg. l Ji.
Leiche zugekehrt, also handgerecht für den Liegenden zum Anfassen.
Das Gefäss ist von einer ganz ungewöhnlichen und sehr seltenen Form,
kleiner Fuss, weiter Bauch, eingezogener enger Hals. Der Bodendurch¬
messer beträgt 9,4, die obere Halsöffnung 14,5, die Höhe 33, der
Bauchumfang dabei jedoch 91 cm. Die Wandstärke beträgt oben 0,8
bis 1 cm. Eigentümlicherweise sitzen die drei Henkel einmal auf der
grössten Bauchbiegung, dann auf einer Hälfte des Gefässes. Die Ver¬
zierung weicht völlig von anderen steinzeitlichen Gefässen ab; um den
Hals des Gefässes bis hinab auf die Bauchbiegung läuft ein Ornament,
das man als umgekehrte Tannenbäume bezeichnen könnte. Es wieder¬
holt sich siebenmal. Auf den Henkeln verläuft eine leichte Rille, die
wohl durch Fingerstriche hergestellt ist.
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268
Hans Müller-Brauel.
[7
Mir ist nirgendwo, namentlich nicht mit reinen Steinzeitfunden, ein
ähnliches Gefäss bekannt geworden J ).
Besser gearbeitet und gewohnter in der Form ist das zweite vasen¬
förmige Gefäss von 24,2 cm Höhe. Es stand an der Ostseite der
Leiche, 85 cm südlicher. Ist das grosse Gefäss aus grobem, dunkel¬
braunen Ton gearbeitet, so dieses aus feinerem gelbroten, der aber
recht schlecht gebrannt ist. Diesem Umstande ist wohl die schlechte
Erhaltung zuzuschreiben, — bei der Auffindung war das Gefäss nur ein
feuchter zermatschter Tonklumpen, erst in
wochenlangem Suchen gelang der, dann frei¬
lich sichere Aufbau des Gefässes. Der Boden¬
durchmesser beträgt 7 cm, die obere Öffnung
18 cm. Als Verzierung sind am oberen
Rande fünf Reihen Striche eingedrückt; Ab¬
bildung 13 zeigt das Gefäss in x /s Grösse,
Abbildung 14 gibt ein Randstück in natür¬
licher Grösse. Gefässe dieser Art und Form
Abbild. 14. */« Gr. sind in Nordhannover ziemlich häufig ge¬
funden, in meiner eigenen Sammlung be¬
wahre ich allein aus engem Bezirk fünf heile und Reste von etwa
ebensovielen, in der Sammlung des Provinzialmuseums stehen zwei,
von Friedrich Tewes ausgegrabene, aus Hohenaverbergen bei Verden.
Soweit meine Beobachtungen reichen sind sie fast immer in stein -
losen Hügelgräbern gefunden, Hügel, die sich durch ihre Grösse und
oft kegelförmige Gestalt auszeichnen. Bei diesem Gefäss sind die Ver¬
zierungen mit einem Stempel oder einem Holzstäbchen in den noch
feuchten Ton eingedrückt und zwar besteht jeder Strich, wie aus Ab¬
bildung 14 hervorgeht, aus zwei, vor, bezw. ineinander gemachten Ein¬
drückungen 2 ).
Diesem Gefäss gegenüber auf der Westseite des Körpers lag der
in Abbildung 15 gegebene schöne Steinhammer. Nach Untersuchung des
*) Das Gefäss hat die Form der in Mitteldeutschland so häufigen schnur¬
keramischen Amphore, der ja auch die senkrecht gerillten Henkelösen auf der
Bauchmitte eigentümlich sind und das senkrechte Fischgrätenornament des Ober¬
teils, wie bei dem Originale der Abbildung 12 (das nicht mit dem überall aus gleich¬
langen Sparren bestehenden Tannenzweigmuster zu vermengen ist), wenigstens
nicht unbekannt ist (Langenbogen: ‘Merkbuch’des Berliner Museums 2 Taf. II, 18;
Burgscheidungen: Mitt. a. d. Pr. Mus. Halle II, Taf. IV, 21; Einsdorf: Vorg. Altert,
d. Pr. Sachsen II, Abb. 57; Grossumstadt: Prähistor. Bll. 1895, Taf. I, 7). Merk¬
würdig ist ja die Dreizahl der Henkelösen, die in den rein nordischen Kulturen
vermieden wird und höchstens in der Weise, wie bei der Amphore vom Hexenberg,
erscheint, dass die drei Ösen nicht symmetrisch in der Form eines gleichschenkeligen
Dreiecks verteilt, sondern auf die eine Hälfte des Gefässes beschränkt sind, so
auch bei einer der schnurkeramischen Amphoren von Einsdorf (Vorg. Altert, d. Pr.
Sachsen II, Abb. 54). G. K.
2 ) Dieser hohe Becher mit verjüngtem, abgesetzten Fusse vom Hexenberg
gehört ebenso wie der vom Uhlenberg (Abb. 4) zu der in diesem Hefte des
‘Mannus’ von mir behandelten grossen Klasse spätneolithischer Gefässe Nordwest¬
deutschlands, die wir einerseits in den schnurkeramischen Gräbern von Hessen-
Nassau, Hessen-Darmstadt und Südwestdeutschland wiederfinden und die anderer¬
seits sich in England und Schottland weiter entwickeln (Mannus I, 232 und
Taf. XXII). G. K.
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PRINCETON UNIVERSUM
8 ]
Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven.
269
Herrn Dr. Gottsche-Hamburg ist er aus einem sehr schönen, dichten,
kristallinischen Hornblendegestein, das etwas Schwefelkies enthält, ange¬
fertigt. Die Länge des Hammers beträgt 13,5, die Dicke, im Bohrloch
gemessen 3,9, die grösste Breite
an der Schneide 4,7 cm. Die
Durchbohrung ist unten und
oben genau gleichweit, kreis¬
rund, mit einem Durchmesser
von 23 mm, der Rand zu beiden
Seiten des Bohrloches ist 13,
resp. 14 mm stark. Die Bohrung
selber ist sehr glatt und sauber, Abbild. 15. Hammer: Hexenberg. •/. Gr.
nur einige schwache Rillen
sind im Innern bemerkbar. Zu beiden Seiten des Bohrloches zeigt
der Hammer einen feinen, etwa halb durchgehenden alten Sprung. Bei
der Auffindung war er so weich, dass er mit einem Messer hätte ge¬
schnitten werden können, eine unbedeutende Verletzung rührt von einem
Spatenstiche her. Die untere Seite war bei der Auffindung mit einer
ziemlich dicken rostbraunen Erdkruste bedeckt, die ich zunächst für zer¬
gangenes Eisen hielt. Nach Untersuchung des Herrn Dr. Gottsche war
es aber eine Art Alaunerde, die sich am Gestein infolge der Zersetzung
des darin enthaltenen Schwefelkieses gebildet hat.
Zwischen diesen beiden Fundstücken, etwas höher, also ver¬
mutungsweise im Gürtel oder auf der Brust lag das unter Abbildung 16
gegebene, 14,2 cm lange und etwa 2 cm breite Messer aus graublauem
Feuerstein. Beide Seiten sind in ihrer ganzen Länge durch je einen
Schlag hergestellt, die scharfen Kanten zeigen nur wenige und kleine
Scharten, viel benutzt kann es demnach nicht sein.
Weitere Beigaben fanden sich trotz genauer Untersuchung
nicht vor.
Ehe ich nun an die Frage der Zeitstellung des Hügels
gehe, möchte ich hier einer Anzahl interessanter Feuerstein¬
splitter und Feuersteingeräte gedenken, die sich zerstreut in der
Erdmasse des Hügels fanden.
Schon zu Anfang der Ausgrabung zeigten sich hie und da,
in loser Erde, auffallend viele Feuersteinsplitter, bald einfache
Sprengstücke und natürliche Knollen, dann aber auch solche, die
unzweifelhafte Spuren von Bearbeitung trugen. Um völlig sicher
zu gehen, liess ich jeden auftauchenden Feuersteinsplitter,
ganz gleich ob Natur- oder Kunstprodukt, aufsammeln. Eine
nachherige Sortierung der ganzen Masse, wohl an drei Kilo,
ergab 30—40 Stücke, die entweder sichere Spuren einer Be¬
arbeitung zeigten, oder aber als Geräte oder als misslungene
Geräte mit einiger Sicherheit anzusprechen sind. Auf der bei¬
gegebenen Tafel (Taf. XXXVI) habe ich die grössere Anzahl
dieser Stücke abgebildet. Gefunden sind sie durchgängig in
einer Tiefe von etwa 1,50 m unter der Oberfläche.
Ein Versuch, die Stücke nach Formen zu sortieren, zwecks
besserer Auswahl der abzubildenden Stücke, ergab, wenn man
will, folgende Formenreihen:
Abb. 16. 1 laG r.
Hexenberg.
Messer.
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PRINCETON UNIVERS1TY
270
Hans Müller-Brauel.
[9
1. Nummer 1—4, rohe Feuersteinstücke, mit sicheren Spuren der
Bearbeitung; 1—3 messerförmig. Zum Teil ist noch die ursprüngliche
Kalkkruste des Feuersteines erhalten.
2. Nummer 5, Schaber aus weissgrauem Feuerstein, mit scharfer,
dünner Schneide.
3. Nummer 6—18, Messerchen oder Pfeilspitzen. Nummer 8 ist
im Feuer gewesen und ganz weiss gebrannt, es lag in 1,40 m Tiefe.
4. Nummer 18—22. Bei diesen Stücken könnte man glauben,
unvollendete Pfeilspitzen mit breiter Querschneide vor sich zu haben.
Gemeinsam ist ihnen allen eine obere dünne scharfe Kante, und ein
unteres dickes Ansatzende. Die Schlagmarken auf der Unterseite sind
immer deutlich vorhanden.
5. Nummer 23, ein Feuersteinstück, das teilweise noch die Kalk¬
kruste hat. Untere Seite grob abgesprungen, mit deutlicher Schlagmarke,
obere Seite hat ebenfalls deutliche Bearbeitung. Ob beabsichtigt war,
daraus eine blattförmige Lanzenspitze herzustellen?
6. Nummer 24 und 25. Beide Stücke sind sicher als kleine Keile
aufzufassen. Fig. 25 auf Unterseite glatt (schief rund abgesprungen),
zeigt nur an der Schneide daselbst Schlagmarken. Die obere Seite
ist, wie Abbildung erkennen lässt, ganz bearbeitet.
7. Nummer 28—38. Eine Anzahl Splitter, Knollen, usw. teilweise
mit sicheren Spuren von Bearbeitung.
Mir schienen diese Stücke so wichtig, dass ich die hauptsächlichsten
derselben hier auf der beigegebenen Tafel in Abbildung gebe. Ich be¬
gnüge mich mit der Feststellung, dass alle Stücke in der losen Erde
des Hügelaufbaues gefunden sind. Meiner Ansicht nach dürften wir in
diesen Stücken Gebrauchsgegenstände vor uns haben, die zu Mahlzeiten
während der Arbeiten des Hügelaufbaues benutzt wurden. In sehr kurzer
Zeit zurechtgeschlagen wurden sie entweder nach Gebrauch als wertlos
hingeworfen und kamen so in den Hügel, oder aber man könnte denken,
es seien diese Stücke nun durch den Umstand, dass sie zu Mahlzeiten
benutzt wurden, die einem Toten galten, für anderweitige Benutzung
nicht mehr in Frage gekommen —also Zeugnisse des Totenkults im weiteren
Sinne. Vielleicht kann man ja noch einen Schritt weiter gehen. Ich
habe oben weiter absichtlich betont, dass einmal der Schleifstein, als
auch Hammer und Messer aus dem Grabe sehr wenig oder gar nicht
benutzt seien im praktischen Leben. Es könnten aber diese Stücke
ebensogut Dinge sein, die von vornherein nur als Grabbeigaben hergestellt
wurden. Nun sind unter den verschiedenen Knollen und Messerchen
solche, die der Farbe nach sehr gut aus demselben Feuersteinknollen
hergestellt sein können, als das Messer, das dem Toten mitgegeben
wurde. Die Stücke haben dieselbe weisslich graublaue Farbe und zeigen
im Bruch und Sprung die gleichen Eigenheiten, Eigenschaften, die unter
diesen Umständen vielleicht doch mehr als zufällig sind. Auch stände
ja der Annahme, dass man die Reste des Knollens, aus dem das Mes¬
ser geschlagen war, nachher über den Totenhügel ausgestreut hätte, nichts
an sich entgegen. Ein Aneinanderfügen aller bei der Arbeit zurück¬
gelegten Stücke blieb freilich ergebnislos. Für eine Verwendung unserer
Stücke bei Totenmahlzeiten dürfte m. E. das eine im Feuer gewesene
Feuersteinmesserchen sprechen. Auch der Umstand, dass in der Erd-
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10]
Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen, Kr. Zeven.
271
masse des Hügels, und zwar in solcher Tiefe und in unberührten
Schichten, dass ein späteres zufälliges Hineinkommen als ausgeschlossen
gelten kann, sich Kohlen fanden, dürfte für abgehaltene Totenschmau¬
sereien sprechen. Die Kohlen sind nach Untersuchung im Laboratorium
des Botanischen Museums Hamburg Eschenholzkohlen — bemerkt sei,
dass heute hier in unseren Dörfern die Esche verhältnismässig recht
selten ist.
Aus der Gesamtmasse dieser roh geschlagenen Feuersteingeräte
dürfte aber der Schluss zu ziehen sein, dass solche ziemlich rohen und
einen hochaltertümlichen Eindruck machenden Stücke noch in verhältnis¬
mässig später Zeit—wie wir gleich sehen werden— gearbeitet wurden.
Wohnstätten, in denen also ein solche Ware vorherrschend ist, dürfen
deshalb nicht ohne weiteres der urältesten Zeit zugewiesen werden 1 ).
Erinnern will ich hier nur noch daran, dass sich roh geschlagene
Feuersteingeräte oft in Grabhügeln der älteren und auch noch vereinzelt
in denen der jüngeren Bronzezeit finden. Ja, in sächsischen Urnen,
Völkerwanderungszeit, finden sie sich noch recht häufig. In dem von
mir entdeckten und ausgegrabenen Urnenfriedhofe dieser Zeit zu Hees¬
lingen, Kreis Zeven, der 70 Gefässe und viele zerstörte lieferte, lag
in über 40 Urnen ein roh geschlagenes Messerchen oder anderes Stück
aus Feuerstein. Merkwürdigerweise zeigte bei diesem Friedhofe ein fein
und spitz zugeschlagenes Messerchen oben in loser Erde meist die dar¬
unter in der Tiefe sitzende Urne mit ziemlicher Sicherheit an: es
machte den Eindruck, als ob bei der Bestattung etwa ein Pfeil über der
beigesetzten Urne in den Boden gesteckt sei.
Für die Frage der Zeitstellung des Hügels ist natürlich
nur das Hauptgrab mit den beschriebenen Beigaben massgebend, und
hierunter besonders die Tongefässe. Form und Verzierung des vasen¬
förmigen Gefässes kennen wir hier aus Steindenkmälern, die der jüngeren
Steinzeit angehören — aus dem zerstörten Steindenkmale zu Godenstedt,
Kreis Zeven (das nur seiner Decksteine beraubt war, als ich zugezogen
wurde), hob ich neben Beilen und Dolchen von Feuerstein, neben Bern¬
steinperlen und schön ornamentierten charakteristischen Scherben dieser
Periode ein Gefäss, das diesem hier sehr ähnlich ist, wenn auch die
Ornamentik noch den älteren steinzeitlichen Gefässen etwas näher steht.
Die übrigen Gefässe dieser Form, die ich aus Grabhügeln hie¬
siger Gegend hob, zeigen bis auf zwei, die reines Bindfadenornament
haben, gleiche Verzierungsweise. Die damit zusammen gehobenen Bei¬
gaben sind aber ganz gleichartig; mit den Gefässen mit Bindfadenver¬
zierung wurden je zwei Hämmer, zwei Beile und ein kleines unverziertes
Näpfchen gefunden, mit den übrigen Gefässen je ein Beil, ein Messer und
einmal ein Dolch von Feuerstein. In Oldendorf, Kreis Zeven, woher
ich nur eine einzige Scherbe eines solchen Gefässes aus einem dort
zerstörten Hügelgrabe erhielt, soll ein Bronzebeil damit zusammen ge¬
funden sein; mit völliger Sicherheit ist aber dieser Fund als ein Fund
*) Der Verfasser hat die Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen, dass diese
m. E.-sicher älterneolithischen Feuersteingeräte bereits Jahrtausende in der Erde
sich befanden, als sie zusammen mit den sie umschliessenden Heidesoden oder
mit der lose aufgetragenen Erde beim Aufbau des Hügels zufällig mitverwendet
wurden. G. K.
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272 Hans Müller-Brauel: Der „Hexenberg“ am Wege Brauel-Offensen usw. [11
nicht zu belegen, umsomehr, da das Beil an einen wandernden Händler
verkauft wurde und so nicht erhalten blieb.
Jedenfalls aber dürften diese Gräber und namentlich auch der hier
beschriebene „Hexenberg“ bei Brauel-Offensen, ziemlich an das Ende
der jüngeren Steinzeit zu setzen sein 1 ).
Sagen möchte ich noch, dass diese Hügel mit beschriebenem Grab¬
inventar hier wenigstens immer ohne Steinbau im Innern sind, sich oft
in der nächsten Nähe eines noch vorhandenen oder vorhanden gewesenen
Steindenkmals finden und zwischen Elbe und Weser ziemlich häufig sind,
in einzelnen Gegenden, so nach der Elbe zu, sogar als sehr häufig
vorkommend bezeichnet werden müssen. Immer zeichnen sie sich aus
durch ihre bedeutende Grösse und auch von weitem schon durch ihre
bestimmte mehr kegelförmige Gestalt gegenüber den mehr runden brust¬
gewölbten bronzezeitlichen Hügeln.
J ) Der Ausdruck ‘ziemlich an das Ende der jüngeren Steinzeit’ ist sehr glück¬
lich gewählt, denn so spät auch diese Gräber mit den schlanken Fussbechern fallen
— dass sie nicht die allerletzte Phase der spätneolithischen Periode darstellen,
beweist die Parallele mit den jütischen ‘Einzelgräbern’, die nach S. Müller die
sich ablösenden Stufen der Untergräber, Bodengräber, Obergräber und Oberstgräber
A, B aufweisen, von denen die letztgenannten Oberstgräber schon gleichzeitig mit
den frühstbronzezeitlichen Gräbern vom Aunetitz-Leubinger Typus sein dürften.
Der schöne Streithammer vom Uhlenberg (Abb. 3), der dem Typus 77 in Soph.
Müllers Ordning, Stenalderen, entspricht, zeigt, dass das zugehörige Grab der Stufe
der frühesten jütischen Bodengräber entspricht (Aarböger f. nord. oldk. 1898, 230 ff.).
G. K.
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HW
Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag), Würzburg
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am Wege Brauel-Offenzen,
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Möritzscher Funde.
Urnengräberfunde aus der Leipziger Tieflandbucht.
Mit 2 Tafeln.
Von Karl Waase, Neu-Ruppin.
In Heft 1/2 des „Mannus" bespricht Herr Professor Dr. Kossinna
auf Seite 159 und 160 „Die La Tene-Funde der Leipziger Gegend" von
Karl Jacob. Am Ende der Besprechung werden auf Seite 160 auch
einzelne Fundstücke meiner Privatsammlung erwähnt. In der obigen
Schrift ist nur ein Teil meiner Funde angeführt worden, da aber die
gesamten, zum Teil recht interessanten Gegenstände meines Privat¬
besitzes für die Allgemeinheit von Interesse sein dürften, so möchte
ich dieselben im folgenden der Öffentlichkeit übergeben.
Annähernd in der Mitte der Chaussee Leipzig-Merseburg liegt
1 km nördlich von der Landstrasse das Örtchen Möritzsch, Kr. Merse¬
burg. Das Gebiet zwischen Dorf und Chaussee wird im Volksmunde
„Tiefenbreite" genannt. In dieser Feldbreite zieht sich eine Mulde
(Tiefe) entlang, die von Grossdölzig aus bis nach Günthersdorf zu ver¬
folgen ist. Die Mulde ist äusserst reich an vorgeschichtlichen Funden
aller Zeiten. (Vergleiche neben der Jacobschen Schrift auch die Arbeit
von F. Max Näbe, Die steinzeitliche Besiedelung der Leipziger Gegend
unter besonderer Berücksichtigung der Wohnplatzfunde, besprochen im
Mannus I, 158).
An einer Stelle der Tiefenbreite, der jetzigen Horburger Gemeinde¬
sandgrube (500 m südlich von Möritzsch), befindet sich eine Begräb¬
nisstätte. Vor ungefähr neun Jahren wurde diese Grube das erste Mal
geöffnet; dabei stiess man auf eine Anzahl Urnen, die leider fast alle
vernichtet wurden. Nur ein kläglicher Rest fand Schutz im Hallischen
Provinzialmuseum (durch Herrn Kantor Nothnagel-Horburg). Das von
Jacob auf Seite 24 erwähnte Gefäss gehört jedenfalls zu diesem Rest.
Im Frühjahre 1906 wurde das letzte Stück der Sandgrube abge¬
tragen. Am 8. Februar fand man drei Gefässe. Sie standen in einer
Tiefe von 80 cm direkt auf den Sandsedimenten. Zwei davon sind lei¬
der vollständig zerstückelt und ihre Scherben verstreut worden, eine
Urne dagegen ist zur grossen Hälfte und mit Inhalt erhalten geblieben.
Ihr oberer Rand hat einen Durchmesser von 19 cm. Diese Weite be-
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274
Karl Waase.
[2
hält der Hals ungefähr 4 cm bei, dann erweitert er sich kaum merk¬
lich , um sich nach unten halbkugelig zu schliessen. Die Qesamthöhe
beträgt ungefähr 12 cm. Das Äussere zeigt nichts Hervorzuhebendes.
Das Innere war noch zur Hälfte mit Asche und Knochenresten gefüllt,
unter den letzteren befanden sich viele Schädel- und Rippenteile, auch
Röhrenknochen (Tibia und Ulna-Reste). Tafel XXXVII, 1 a stellt das
rekonstruierte Gefäss dar. Der Ton hat grau-braune Farbe, die Aussen-
seite ist stark geglättet.
Die beiden anderen Gefässe scheinen keine Leichenreste enthalten
zu haben, sie bildeten vielleicht Beigaben. — Höchst interessant sind
die Fragmente der einen Urne. Zwei grosse und eine Reihe kleinerer
Scherben befinden sich in meinen Händen. Tafel XXXVII zeigt in 1 b und
1 c die Details der beiden grossen Bruchstücke (1 b siehe auch Jacob,
Tafel III, 21). Die Scherben genügen, um ein Bild der ganzen Urne
zu geben. In ihren Massen ist sie ungefähr dem obenbeschriebenen
Grabgefässe gleichgekommen. Ihre Ausführung beweist eine hochent¬
wickelte Keramik. Das Gefäss hat Schüsselform. Der obere Rand
ist glatt, nach aussen abgeschrägt und hier mit einem kleinen Wulst
versehen. Der Hals der Urne, der oben seinen grössten Durchmesser
hat und nach innen etwas eingezogen ist, hat eine Höhe von 6 cm.
Er ist mit schön geschwungenen Henkeln verziert. In jedem derselben
hängt ein festgebrannter tönerner Ring. Der Scherben Tafel XXXVII
1 b gibt uns auch Aufschluss, wie der Tonring im Henkel befestigt wurde.
Zunächst brannte man die Ringe, dann wurde das Gefäss aus weichem
Ton geknetet, hierauf wurden die Henkel geformt und nachdem man
in jeden derselben einen Ring gehängt hatte, steckte man den Henkel
durch zwei Löcher in das Gefäss. Innen am Halse drückte man die
Tonstreifen nietenartig fest, und nun wurde der so fertiggestellte Topf
gebrannt. Am oberen Halsrande ist rechts und links vom Henkel je
eine knopfartige Verzierung angebracht. Von jedem Knopfe geht senk¬
recht nach unten bis zum Halsende ein perlschnurartiges, aus vier kleinen
Kreisen bestehendes Ornament. Der untere Halsrand ist mit einem
aus ebensolchen Kreisen bestehenden Bande umgeben, sämtliche Kreise
sind kongruent, sie sind mit einem dünnen Schilfstengel oder starken
Grashalme eingedrückt worden. Vom Halsende aus wendet sich die
Wand des Gefässes in einem stumpfen Winkel nach aussen, um sich
dann schnell in kleinerem Winkel nach unten zu schliessen und dem
Ganzen einen tellerartigen Abschluss zu geben. Nach den vorhandenen
Bruchstücken ist es am wahrscheinlichsten, dass das Gefäss die Form
gehabt hat, welche die Rekonstruktion in Tafel XXXVII, 1 d wiedergibt.
Karl Jacob bezeichnet das Gefäss als „die Nachbildung eines (hall-
stätter?) Bronzegefässes“, Kossinna schreibt ihm „charakteristische Merk¬
male der späteren Kaiserzeit" zu und nimmt nach mündlicher Mittei¬
lung mit Sicherheit das einstige Vorhandensein dreier Henkel an.
Die Fragmente der zweiten Beigabe weisen auf ein Tonnengefäss
hin. Wir veranschaulichen auf Tafel XXXVII drei der grösseren Scherben in
1 e, 1 f und 1 g, sowie die Rekonstruktion des Gefässes in 1 h. Diese
Urne ist mit Strichornamenten, die parallel mit der Grundfläche gehen
und jedenfalls durch Fingernageleindrücke hervorgerufen worden sind,
verziert. Beigaben konnten bei dem bis jetzt beschriebenen Grab 1
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3]
Möritzscher Funde.
275
nicht ermittelt werden, in der Nähe wurden zwei bearbeitete Feuerstein¬
stücke (Schaber) gefunden, die wohl kaum zu dem Grabe gehören
dürften.
Den Inhalt von Grab 2 stellt die Abbildung 2a auf Tafel XXXVII dar.
Das Grabgefäss ist eine Fussurne aus glattem, graubraunen Ton. Sie
stand unverpackt in 90 cm Tiefe auf den Sandschichten. Der obere
Durchmesser beträgt 17, der Fussdurchmesser 4 */*» die Höhe 13 cm.
Die Urne fiel, wie die folgenden alle, beim Heben auseinander und
musste aus vielen Stücken zusammen geleimt werden. Das Innere war
bis an den oberen Rand mit grobem Leichenbrand gefüllt. Zwischen
den Leichenresten lagen drei Stücke von Bronzebeigaben. Zwei Teile
gehören zusammen; sie haben, wie mir Herr Professor Kossinna mit¬
geteilt hat, zu einer Schildfessel gehört*). Der grössere Teil ist mit
einem aufgenieteten Bronzekegel und mit Kreisen verziert. Wir bilden
ihn von oben und von der Seite gesehen in natürlicher Grösse ab
(Tafel XXXVII, 2 b und 2 c), ebenso das kleinere Stück (2 d). Die
dritte Bronzebeigabe ist ein Kettenrest. In einem Ringe befinden sich
drei Glieder. Tafel XXXVII, 2e zeigt ein Glied von hinten, 2f von vorn und
2 g das ganze Stück in natürlicher Grösse. Nicht weit von dieser Urne
lag in gleicher Tiefe der Fussrest eines zweiten Gefässes mit breiterer
Basis (Tafel XXXVII, 2 h). Das Grab wurde am 12. Februar 1906 auf¬
gedeckt.
Grab 3 veranschaulicht Tafel XXXVIII, 3 a. Das schüsselförmige
Gefäss ist aussen stark geglättet und schwarz gefärbt. Den Hals zieren vier
Horizontalfurchen, durch diese entstehen zwei wulstige Ringe. Bei einer
Höhe von 16 cm beträgt der obere Durchmesser 26 und der grösste
Umfang 88 cm. Zwischen dem groben Leichenbrand fand sich ein
Eisenbeigabenrest, derselbe rührt anscheinend von einer Fibel her. Er
ist insofern interessant, als sich am Eisen, da, wo sich die Spirale der
Fibel befindet, das Stück einer Muschelschale als Verzierung angebracht
ist. Tafel XXXVIII, 3 b und 3 c illustrieren die Beigabe von der Vorder- und
Rückseite in natürlicher Grösse. Das Grab wurde am 26. Februar 1906
in 1 m Tiefe aufgedeckt. Professor Kossinna bezeichnet diesen Fund
als „offenkundiges Latene-Grab“.
Grab 4 und 5. Am 4. März desselben Jahres stiess man in
einer Tiefe von 1,10 m auf zwei nebeneinanderstehende Graburnen.
Dieselben sind aussen mittelbraun, innen hellbraun gefärbt, aussen stark
gerauht, innen geglättet. Das erste Gefäss zerbröckelte trotz der an¬
gewandten grössten Vorsicht beim Ausheben so sehr, dass nur zwei
Bodenreste geborgen werden konnten (Tafel XXXVIII, 4 a und 4 b).
Das Grab 5 konnte einigermassen erhalten werden (Tafel XXXVIII, 5 a). Die
Urne hat folgende Dimensionen: Oberer Durchmesser 22 Vs, grösster
25, unterer 12 V* cm, Höhe 15 cm. Die Leichenreste beider Gefässe
sind äusserst roh gebrannt. Grab 4 hatte als Beigabe den Rest einer
eisernen Fibel. Tafel XXXVIII, Figur 4c und 4d bildet diesen in natürlicher
! ) Schildfesseln mit solchen fingerhutförmigen Bronzenietköpfen gehören haupt¬
sächlich dem 2. Jahrh. nach Chr. an, erscheinen aber au di schon am Ende des
1. Jahrh., ebenso noch am Beginne des 3. Jahrh. Dieses Grab braucht also nicht
wesentlich älter zu sein, als Grab 1. G. K.
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Karl Waase: Möritzscher Funde.
[4
Grösse in Vorder- und Rückansicht ab. Im fünften Grabe befand sich
ein schön erhaltener eiserner Gürtelhaken; von dem dazu gehörigen
Ringe war nichts zu entdecken (Tafel XXXVIII, Figur 5 b nat. Grösse).
Beide Urnen enthielten neben der Eisenbeigabe je einen Scherben mit
gleicher Bogenverzierung. Sie stammen jedenfalls von einem Gefäss
(Tafel XXXVIII, 4e und 5 c). Die Ornamentik erinnert an das von
K. Jacob auf Tafel XXI abgebildete Gefäss.
Die späteren Funde von Möritzsch sind in die von Jacob ange¬
führten Privatsammlungen übergegangen.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Taf XXXVII.
Waase, Möritzscher Funde.
Curt Kabitzsch (A, Stuber’s Verlag) Würzburg.
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Taf. XXXVIII.
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. I.
Waase, Möritzscher Funde.
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag) Würzburg.
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Eine neue Bronzebüste eines Germanen.
Von Anton H ekler, Budapest.
Mit 1 Abbildung im Text.
Die beistehend in natürlicher Grösse abgebildete Bronzebüste
stammt aus O-Szöny (Brigetio) und befindet sich gegenwärtig im Be¬
sitze des Herrn A. Milch in Komorn (Komärom, Ungarn), wo ich sie
im Frühjahr dieses Jahres mit anderen Kleinbronzen zusammen in Müsse
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278
Anton Hekler.
[2
studieren konnte. Ich kann es nicht versäumen, dem Besitzer für seine
Liberalität und für die gütigst erteilte Erlaubnis der Publikation auch
an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Die Büste, welche die ganze Brustpartie und die beiden Schultern
einschliesst, ragt aus einem breiten Blattkelch empor. Schon die Durch¬
bildung der dargestellten Körperteile weist auf einen älteren Mann von
sehnig hagerer Struktur: der Brustkorb ist mager, eingefallen und die
Schultern fallen vom Nacken steil herab. Auf diesem Oberleib sitzt
ein bärtiger Kopf mit länglichem Gesicht, dessen ruhig kontemplativer
Ausdruck eine klare Intelligenz und ein objektives Anschauungsvermögen
zu verraten scheint. Die Haare sind am Hinterkopf kurz geschnitten r
am Oberkopf dagegen lang wachsen gelassen. Dieses lange Haar ist
von hinten flach anliegend nach der rechten Seite herübergekämmt und
über der Schläfe zu einem dicken wulstigen Knoten geschlungen. Das
ist die charakteristische Haartracht der Germanen, wie man sie aus den
Schriftquellen erschlossen und auch in unserem Denkmälervorrat durch
viele Beispiele belegt vorgefunden hat. Da das einschlägige Material
vor kurzem in den Bonner Jahrbüchern (1909, Heft 118, 1 S. 63 ff.)
von A. von Salis eingehend und mit reichen literarischen Hinweisen
besprochen wurde, so glaube ich mich hier nur auf das Notwendigste
beschränken zu müssen.
Ganz frappant ist die Analogie unseres Germanenkopfes mit den
Germanendarstellungen am Tropaion von Adamklissi I ). Diese Verwandt¬
schaft im Ausdrucke und in der Durchbildung sowie die Art der Arbeit
führt mich darauf, die Büste in das 1. Jh. nach Chr. zu datieren. Die
grosse Büstenform ist kein Hindernis für diese Ansetzung in die frühe
Kaiserzeit. Für die grosse Büstenform, die aus dem Blattkelch empor¬
taucht, haben wir ja schon aus claudischer Zeit in der bekannten sog. Kiytia
den schlagendsten, sicheren Beleg 2 ). Überhaupt führt die genaue Durch¬
forschung der römischen Büsten immer mehr zu der Erkenntnis, dass
die grosse Büstenform nicht erst in der trajanisch-hadrianischen Epoche
entstanden ist. Die künstlerische Vorstellung, die Büste aus einem
Blattkelche emportauchen zu lassen, konnte nur in der hellenistischen
Zeit entstehen. Sie ist ein reizvoller Spross jener künstlerischen Richtung,
die mit kühner, erfinderischer Phantasie menschliche und tierische Formen
mit pflanzlichen Motiven im Bilde organisch zu verbinden versuchte und
die dann in den pompejanischen Wandmalereien mit tollem Übermut
eine ganze Welt der Unmöglichkeiten dem Betrachter entgegenführt 3 ).
Die Büste, die unten mit einem Blattkelch ansetzt, ist in der Kunst der
römischen Kaiserzeit reichlich verwendet worden. Ich begnüge mich mit
dem Hinweis auf einige Beispiele: Kopenhagen, Ny-Carlsberg Glyptothek
Nr. 664 (Domitian) und Nr. 671 (Trajan; hier ist am Büstenfuss ein
Akanthuskelch angebracht) usw.
Unsere Büste kann als ein neuerlicher Beleg dafür betrachtet wer¬
den, welch starke Anziehungskraft das Erfassen fremder Völkertypen
für die römischen Künstler gehabt hat. Dieses lebhafte Interesse für
') Furtwängler: Das Tropaion von Adamklissi T. VI, 1.
2 ) C. Smith: Catalogue of sculpture No. 1874 PI. XIV.
3 ) Für alles Nähere kann ich auf meine Ausführungen im Jahrbuch des kais.
deutschen arch. Instituts 190J S. 28 ff. verweisen.
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3]
Eine neue Bronzebüste eines Germanen.
279
die charakteristischen physischen und psychischen Eigenschaften fremder
Völkerschaften haben die Römer als eine glänzende Erbschaft der helle¬
nistischen Kunst übernommen. Allein auch dafür ist unser Germanen"
bildnis ein schöner Beweis, dass sie dieselbe Aufgabe mit einer von der
griechischen völlig verschiedenen Auffassung zu lösen verstanden haben.
Haben wir in der einzigen erhaltenen hellenistischen Germanendarstellung
eine leidenschaftliche, überaus aktiv-pathetische Natur vor uns, so liegt
andererseits bei den Germanenbildnissen der römischen Kunst das Haupt¬
gewicht in der klaren Akzentuierung eines ernsten, ruhigen, ethisch¬
kontemplativen Daseins. Mit diesem Gegensätze haben wir den funda¬
mentalen Unterschied berührt, der überhaupt das hellenistische und das
römische Porträt voneinander trennt. Darauf näher einzugehen soll
indes einer anderen Gelegenheit Vorbehalten werden.
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Ergebnis meiner Wallforschung auf dem
Breitenberge bei Striegau in Schlesien.
Von Oberlehrer Hermann Schmidt in Löbau i. S.
Mit 2 Textabbildungen.
Gelegentlich meines Ferienaufenthaltes in Striegau stellte ich mir
Michaelis 1906 die Aufgabe, den vorgeschichtlichen Wall auf dem Breiten¬
berge bei Striegau zu untersuchen. Die Erlaubnis zum Graben wurde
mir unter der Bedingung erteilt, dass ich etwaige wichtige Funde ab¬
liefern solle.
Aus der Broschüre „Die Striegauer Berge in naturwissenschaftlicher
und geschichtlicher Beziehung von J. Zimmermann“ (Striegau 1892),
sowie aus Behla: „Die Rundwälle im östlichen Deutschland“, Seite 167,
entnahm ich, dass schon oft in dem Walle geforscht wurde, und durch
den Werkmeister des Basaltsteinbruches, Herrn Rohner, erfuhr ich, dass
im Jahre vorher Herren vom Schlesischen Altertumsverein in Breslau
im Walle gruben und etliche Kisten mit gefundenen Scherben mitnahmen.
Der südliche Teil des Walles ist durch die Basalt-Steinbrucharbeiten
längst verschwunden; die übrigen Teile werden infolge der Erweiterung
des Steinbruches voraussichtlich demselben Schicksal verfallen. Die
Länge des westlichen Wallarmes betrug (1906) 135 m, die des östlichen
Armes nur noch 120 m. (Abb. 1.)
Zufolge der Abtragungsarbeiten seitens der Steinbrecher zeigte
der westliche Arm eine scharfabgestochene, senkrechte Schnittwand
von 1,85 m Höhe. Sie ähnelte vollständig den Schnittflächen, die sich
mir in den gewöhnlichen slawischen Erdwällen (ohne Schlacken) in der
Oberlausitz boten. Die Scherben darin trugen als Verzierung die sla¬
wische Wellenlinie. Recht deutlich zeigte sich das Kopfende eines ver¬
kohlten, 28 cm im Durchmesser haltenden Baumstammes, der in der
Längsrichtung des Walles lag.
In dem bereits abgetragenen, zu beiden Seiten des Walles hin¬
geworfenem Erdreich lagen zwischen slawischen Scherben auch solche
aus vorslawischer Zeit.
Interessanter erschien mir der östliche Wallarm, in dessen Nähe
einzelne Schlacken verstreut waren. Weil ich hier keine deutliche
Schnittwand vorfand, grub ich mit Hilfe meines Schwiegersohnes (Prä-
parandenlehrer Fritz Pollack) eifrig an vier Tagen einen senkrechten
Querschnitt bis auf den Grund und zeichnete ihn genau nach Mass ab.
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2]
Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau,
281
Grundriss des slawischen Walles auf dem Breitenberge bei Striegau in Schlesien.
Nach einer Zeichnung von Fritz Pollack.
Masstab 1 : 1000.
Die Schnittfläche hatte eine Länge von 7 m und eine Höhe von 1,20 m.
(Abb. 2.)
I. Was ich in diesem Wallarme fand.
1. Auf dem Grunde, also auf dem gewachsenen Boden unterhalb
des eigentlichen Walles, lagen in einer Schicht von ca. 15 cm einzelne
Mannus. Bd. I. H. 3,4 19
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282
Hermann Schmidt.
[3
Scherben ohne Verzierung aus vo rslawischer Zeit. (Abb. 2.) An einer
Stelle befanden sich ziemlich viel beisammen. Leichenbrand und andere
Funde beobachtete ich darin nicht.
2. Die darüberliegende, meist lockere, 20 bis 25 cm starke Erd¬
schicht enthielt Asche, etliche Scherben aus slawischer Zeit, ziemlich viel
Knochen und ein 7 cm langes Bruchstück eines eisernen Messers (an
das Schlesische Altertumsmuseum in Breslau abgeliefert), ln dieser
Erdschicht zeigte sich schräg nach aussen eine runde, 18 cm im Durch¬
messer haltende Höhlung, die ich für einen Fuchsgang hielt.
3. Über dieser zweiten Schicht erhob sich der eigentliche Schlacken¬
wall, der ganz ähnlich aufgebaut worden ist, wie man seine slawischen
Namensvetter in der Oberlausitz errichtete. Die Basalt-Schlacken lagen
in der Mitte des Walles und zogen sich in der Längsrichtung hin.
Unter den Schlacken lagerten grössere, flache Steine, die mit
einer ca. 10 cm starken Schicht dunkler Asche bedeckt waren. Die
unversehrte Schlackenschicht hatte unten eine Breite von 1,50 m und
eine Höhe von ca. 60 cm. Im oberen Teile waren die Schlacken
verwühlt.
Rechts von der Schlackenschicht zeigte sich mit ihr in gleicher
Höhe sehr deutlich ein senkrechter, 60 cm breiter Streifen von rotge¬
glühter Erde nebst kleinen, ebenfalls rotgeglühten Steinen. Noch weiter
rechts (nach aussen zu), bestand der Wall nur aus aufgeschüttetem,
totem Erdreich, ähnlich wie in den Schlackenwällen der Oberlausitz.
Als ich jedoch an dieser Stelle noch mehr vom Walle abstach, um einen
vollständigen Querschnitt zu erhalten, stiess ich — was ich nicht er¬
wartet hatte — auf weissgeglühte Erde, über der in aschenreicher Erde
ein 50 cm langes, 6 cm starkes, rundes Stück Kohle lag. Daneben
und darüber kam noch verschiedenes verkohltes Holz zum Vorschein.
Links von der Schlackenschicht suchte ich vergeblich die rotge¬
glühte Erde, wie sie sonst in senkrechtem Streifen zu beiden Seiten
der Schlacken vorkommt. Dafür befand sich dort schräg nach oben (in
der Richtung zum Wallkessel) ein Streifen teils weissgeglühter, teils
rotgeglühter Erde nebst einzelnen geglühten Steinen. Weiter links
folgte unter der inneren Wallböschung, und zwar unter grösseren Steinen,
eine mit Asche und Kohle durchsetzte Erdschicht, die viel Knochen und
Scherben mit der slawischen Wellenlinie enthielt, wie dies bei den
Oberlausitzer slawischen Wällen überall zutage tritt. Auffallend waren
einzelne Schlacken, die in der unteren Hälfte der innern Wallböschung
mehr oberflächlich lagerten.
Im oberen Teile war der Wall in seiner ganzen Breite 20 bis
30 cm tief zerstört.
Anmerkung. Weder im westlichen, noch im östlichen Wallarme war eine
Spur von einer einst freistehenden, aus Holz errichteten, mit Erde und Steinen
ausgefüllten sogenannten „gallischen Mauer“ zu sehen, wie solche in neuerer Zeit —
glücklicherweise nur von sehr vereinzelten Forschern — von allen Wällen, ins¬
besondere auch von den verschlackten, generalisierend angenommen wird. Wer
jahrelang mit Hacke und Spaten unbeeinflusst in den slawischen Wällen eingehend
• geforscht und das Innere derselben mit seinen meistens recht massigen Erd- und
Steinanhäufungen nebst den Kulturniederschlägen (Knochen, Scherben, Pflaster,
Estrich etc.) kennen gelernt hat, der wird sich wohl niemals zu dieser Ansicht be¬
kehren lassen. Ganz abgesehen davon, dass den Slawen im 6. Jahrhundert es
noch am Geschick und am Handwerkszeuge mangeln mochte, um gezimmerte Ge-
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4]
Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau.
283
rüste aufzuführen, kann ich mir nicht denken,
dass eine aus Holzbalken hergestellte, mit
Querriegeln versehene, mit Erde und Steinen
ausgesetzte, mehrere Meter starke „Mauer“ (?)
durch und durch brennt und dabei so intensiv
glüht, dass die im Innern liegenden Steine
schmelzen und verschlacken. Und wenn dies
wunderbarerweise dennoch geschähe, wie er¬
klärt sich alsdann die rotgeglühte Erde zu
beiden Seiten der Schlackenschicht ?
II. Meine Ansicht über diese
vorgeschichtliche Stätte.
1. Die Benutzung des Berges in
vorslawischer Zeit.
Die früher auf dem Breitenberge
gefundenen Bronzegegenstände: Pfeil¬
spitze, Nadel, Bruchstück eines Ringes
und Beil (Pollack: „Das prähistorische
Gewand des Breitenberges bei Striegau“.
— Striegau 1906 —, S. 7), sowie haupt¬
sächlich die in der untersten Erdschicht
gehobenen Scherben aus vorslawischer
Zeit beweisen sicher, dass der Breite¬
berg schon vor den Slawen benutzt
wurde. Ob hier eine Siedelung war,
wie auf dem Löbauer Berge in der
Oberlausitz, oder ob man nur auf der
Höhe die Toten bestattete, vermag ich
vorläufig nicht zu beurteilen. Die unter
dem Walle in der untersten Erdschicht
vielfach vorkommenden Scherben ohne
Leichenbrand lassen mich allerdings an¬
nehmen, der Berg habe in v o r slawischer
Zeit als Wohnstätte gedient. Die Toten
würde man in diesem Falle am Ab¬
hange des Berges bestattet haben, was
eine Notiz im Zimmermann (Seite 18)
bestätigen könnte, welche lautet: „dass
vor zwei Jahren (d. i. 1754) an dem
sogenannten Breiten Berge, bei Ge¬
legenheit einiger daselbst entdeckter
Urnen“.
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen,
dass man auf dem Berge wohnte und
zugleich auf ihm die Toten begrub.
Durch Nachgraben im Wallkessel dürfte
man aber schwerlich hierüber Aufschluss
finden, weil durch die spätere Benutzung
des Berges die Humusschicht vollständig
durchwühlt sein mag.
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Masstab 1 :
284
Hermann Schmidt.
[5
Anders verhält es sich mit der untersten Schicht unter dem Wall¬
ringe, wo die Erde noch unversehrt liegt, wenigstens soweit sie nicht
durch die Slawen beim Bau des Walles durchgraben wurde. Auf diese
Stelle müssen die Forscher ihr Augenmerk richten, wenn volle Klarheit
erlangt werden soll.
Durch einen Steinwall scheint die Siedelung in vorslawischer Zeit
nicht befestigt gewesen zu sein, wie Mertins in seinem Wegweiser durch
die Urgeschichte Schlesiens, S. 73, annimmt; denn Spuren davon zeigten
sich an den beiden Schnittflächen nicht.
2. Die Benutzung des Berges in slawischer Zeit.
Die überall im eigentlichen Wall ringe gehobenen Scherben mit
der typischen Wellenlinie, das Bruchstück eines im unteren Teile des
Walles gefundenen eisernen Messers und der ganze Aufbau des Walles
bezeugen sicher, dass diese Anlage eine von den Slawen errichtete,
befestigte Siedelung war, die durch Feuer zerstört wurde.
Wie ich bereits im 2. Bande (1. und 2. Heft) der Jahreshefte der
Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz dar¬
gelegt habe, denke ich mir die Entstehung einer solchen slawischen
Wohnungsanlage folgendermassen:
Nachdem während der Völkerwanderung die hier sesshaften Stämme
die Gegend verlassen hatten, zogen gegen die Mitte des ersten christ¬
lichen Jahrtausends slawische Familien, bez. Sippen aus den ausge¬
dehnten Ebenen Russlands truppweise mit ihrem Vieh in das leer¬
gewordene oder höchstens nur noch sehr schwach bewohnte Gebiet ein.
Hatte eine Familie oder eine Sippe einen ihr zusagenden, erha¬
benen, von der Natur geschützten Punkt, wie den Breitenberg, als
Wohnplatz erkoren, so baute sie am Rande der Höhe ihre einfachen
Hütten aus Holzstangen und Baumstämmen, zuweilen mit Lehmbewurf.
Zum Schutze gegen die Winterkälte schüttete sie an die hintere Wand,
wie auch zu beiden Seiten, soviel Erde und Steine auf, dass die Hütte
davon nicht nur überragt, sondern sogar bedeckt wurde. So glich die
Wohnung einem höhlenartigen Raume, in welchem die Insassen während
des Winters vor Kälte und bei Regenwetter vor Nässe vollen Schutz
fanden.
In gleicher Weise errichtete man daneben Ställe für das Vieh und
die Räume zur Aufbewahrung der Vorräte an Getreide, Stroh usw.
Zum Schutze gegen Wind und gegen feindliche Überfälle wurde der
Wall noch kreis- oder hufeisenartig fortgesetzt und nach und nach er¬
höht, so dass die Hütten nebst Ställen, Schuppen und Scheunen nach
aussen gänzlich geschützt waren. (Weil die Erde aus der nächsten
Umgebung genommen wurde, so ist es nicht ausgeschlossen, dass mit
dem Erdreich auf dem Breitenberge auch Scherben aus vorslawischer
Zeit in die Umwallung gerieten. Deshalb ist es leicht möglich, dass
einzelne vorslawische Gefässfragmente neben solchen aus slawischer
Zeit in den oberen Teilen des Walles gefunden werden.)
So glich auf primitive Weise die Anlage einem abgeschlossenen
grossen Bauernhöfe oder einem Rittergute mit seinen Wohnhäusern,
Wirtschaftsgebäuden, Hofmauern und Toren.
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6]
Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau.
285
Immerhin musste eine solche Höhlenwohnung auf dem Breiten¬
berge ziemlich feucht sein, weil man zur Umwallung keinen trockenen
Lehm verwenden konnte, der die Feuchtigkeit nicht durchgelassen hätte.
Aber man verstand es, sich dadurch zu helfen, dass man das zum
Walle verwendete Gestein und Erdreich teilweise ausglühte.
Ob man dies in einem offenen Graben in der Längsrichtung des
Walles hinter den eigentlichen Wohnräumen durch jenes Verfahren er¬
reichte, wie ich es im ,,Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesellschaft
f. Anthr., Ethn. u. Urgesch.“, XXXVII. Jahrg., No. 9/11 (1906) — und
in „Die vorgeschichtlichen Rundwälle in der Amtshauptmannschaft
Löbau i. S.“ beschrieb, oder ob die Austrocknung (Verschlackung) da¬
durch erzielt wurde, dass man im Graben abwechselnd viel kleines
Holz und Steine sehr locker schichtete, mit Erde bedeckte und das
Holz entzündete — ähnlich, wie Mauersteine aus Lehm in einer Feld¬
ziegelei gebrannt werden — will ich dahingestellt sein lassen.
Auf jeden Fall geschah die beabsichtigte Ausglühung zwischen
Erdwänden, denn sonst würde die zu beiden Seiten der Schlacken¬
schicht lagernde Erde mit den Steinen nicht rot geglüht sein, und die
Intensität der Farbe würde nicht allmählich abnehmen, je weiter das
Erdreich von den Schlacken entfernt liegt.
In dieser Beziehung unterscheidet sich der zum Teil verschlackte
Wall auf dem Breitenberge durch nichts von den Schlackenwällen der
Oberlausitz (Schmidt: „Die vorgeschichtlichen Rundwälle in der Amts¬
hauptmannschaft Löbau i. (S.“ Löbau, Olivas Buchhandlung 1909; und
Jahreshefte der Ges. f. Anthr. und Urgesch. der Oberlausitz, Bd. II,
S. 165—241.)
Wäre die Anlage auf dem Breitenberge nicht in späterer Zeit
wiederholt benutzt und dadurch an der Oberfläche durchwühlt worden,
so würde man sich von der Richtigkeit meiner Behauptung leicht über¬
zeugen können.
Nun aber ist die obere rote Schicht längst vernichtet, und sogar
der obere Teil der Schlackenschicht ist auseinander geworfen worden.
Deshalb wundert es mich nicht, wenn es bei Zimmermann auf Seite 19
heisst: „Die angeschmolzenen Steine liegen nicht schichten- und reihen¬
weise, wie bei einer Mauer, sondern sind ganz regellos im Walle auf¬
gehäuft“.
Bei weiterem Abbau des verschlackten Teiles wird der aufmerk¬
same Beobachter die geglühte Erde zu beiden Seiten der unver¬
sehrten Schlackenschicht leicht finden.
Dass an dem Querschnitt, den ich grub, das geglühte Erdreich
links nicht senkrecht stand, sondern sich nach oben schräg zum Wall¬
kessel zog, erkläre ich mir so: bei der Einäscherung des Wohnraumes
gab die schwache Wand zwischen Hütte und Schlackenschicht nach und
neigte sich nebst den Schlacken in der Richtung zum Wallkessel.
Die zutageliegenden Schlacken an der inneren Wallböschung sind
keinesfalls an der Stelle entstanden, wo sie jetzt liegen, sondern sind
von der Wallkrone aus dorthin verwühlt worden.
In den Wällen der Oberlausitz fand ich, dass sich die Wohnräume
stets nur an die innere Seite des Wallringes lehnten; auf dem Breiten¬
berge scheint jedoch — wenigstens an der Stelle, wo ich rechts von
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286
Hermann Schmidt.
[7
der Schlackenmauer auf Asche, Kohle und weissgeglühte Erde stiess —
ein Wohnraum auch nach aussen gelegen zu haben.
Die Herdfeuer brannten in den slawischen Wällen im Freien, in
der Mitte des Wallraumes, wo man für gewöhnlich die Scherben der
beim Kochen zerbrochenen Gefässe in grosser Zahl findet. Weil auf
dem Breitenberge an denselben Stellen wahrscheinlich schon in vor¬
slawischer Zeit gekocht wurde, so ist es selbstverständlich, dass hier
vor slawische und slawische Scherben durcheinander gefunden werden.
Das Wasser entnahmen die Burgwallbewohner einer brunnen¬
artigen Vertiefung, die sie an der tiefsten Stelle des Wallkessels in den
Felsen gruben. Auf dem Breitenberge ist dieses tiefe Wasserloch bereits
vor einer Reihe von Jahren dem Steinbruche zum Opfer gefallen, wie
mir ein Herr aus Striegau mitteilte, und wie es Zimmermann auf Seite 31
andeutet.
Zimmermann berichtet auf Seite 19 seiner Broschüre, dass im
Walle zwei gut erhaltene kleine Näpfchen gefunden wurden, wovon das
eine zur Hälfte mit angebrannten Gerstenkörnern gefüllt war. Hieraus
ist zu schliessen, dass die slawischen Bewohner des Breitenberges
Ackerbau trieben, wie dies von den Burgwallbewohnern der Oberlausitz
zufolge der wiederholten Getreidefunde bekannt ist.
Als der Breiteberg im Laufe der Zeit durch das Anwachsen der
Sippe nicht mehr genügenden Platz bot, verliessen einzelne Familien
den Wall und bauten sich im Tale an einem Fusse an, woselbst sie
ihrer Hauptbeschäftigung, der Viehzucht und dem Ackerbau, bequemer
nachgehen konnten, und als durch Zufall oder in kriegerischer Zeit die
hölzernen Wohnungen im Walle niederbrannten, verliessen auch die an¬
deren Wallinsassen den erhabenen Ort und siedelten sich ebenfalls im
Tale an, wodurch allmählich die slawischen Dörfer entstanden.
Infolge des Feuers stürzten die mit Erdreich bedeckten höhlen¬
artigen Hütten im Walle ein. Erde, Steine, Kohle und Asche bedeckten
nun die eingeäscherte Wohnstätte.
Alles, was sie an Wirtschaftsniederschlägen verwahrte, erhielt sich
unter der trockenen Erdschicht auf dem Grunde des Walles, weshalb
bei vorsichtigem Abtragen des aufgeschütteten Wallringes unter der
inneren Wallböschung nicht nur Scherben und Knochen, sondern auch
eiserne Geräte, Spinnwirtel etc. gefunden werden dürften.
Beim bisherigen Abtragen des Walles mag schon mancher eiserner
Gegenstand achtlos weggeschaufelt worden sein, weil man ihn mit seinem
gelbbraunen, dicken Oxydüberzuge für geglühten Lehm hielt. Wollten
doch die beiden Herren, welche zugegen waren, als ich das Bruchstück
eines eisernen Messers fand, durchaus nicht glauben, dass es Eisen sei.
Um sie von meinem Funde zu überzeugen, blieb mir weiter nichts
übrig, als den Rost an der einen Stelle vorsichtig bis auf den eisernen
Kern abzuschaben.
Wie ich von den Burgwällen der Oberlausitz annehme, dass sie
in der Zeit vom 6. bis 8. Jahrhundert erbaut und benutzt wurden, so
bin ich auch betreffs des Walles auf dem Breitenberge der Ansicht,
dass seine Errichtung und Benutzung in diesen Zeitraum fällt.
Ist meine Annahme richtig, dass sich die Slawen bei ihrer Ein¬
wanderung befestigte Wohnungen auf Höhen anlegten und erst später
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8]
Ergebnis meiner Wallforschung a. d. Breitenberge b. Striegau.
287
von dort aus die Täler an den Flussläufen besiedelten, so haben wir
reichlich Stoff, um uns ein Bild von dem Kulturzustande während der
ersten Jahrhunderte der rein slawischen Besiedelung Schlesiens (und
der Oberlausitz) zeichnen zu können und sind nicht mehr auf Vermu¬
tungen angewiesen, wie Mertins (Seite 126) schreibt.
3. Die Benutzung des Berges im Mittelalter.
Auch im Mittelalter scheint der Breiteberg als Wohnplatz gedient
zu haben; denn die auf dem Berge gehobenen, im Breslauer Alter¬
tumsmuseum aufbewahrten Eisensachen deuten darauf hin, wie Axt,
Sporn, Pfeilspitze und Stück eines Hufeisens (Pollack, S. 8).
Ebenso bieten die von Zimmermann (S. 19) erwähnten Brakteaten,
sowie die meissnischen und böhmischen Groschen Belege dafür.
Obgleich ich keine Scherben aus dieser Zeit hob, so ist doch nicht
ausgeschlossen, dass solche schon gefunden wurden oder noch zum
Vorschein kommen werden.
(Die von Zimmermann (S. 19) angeführten menschlichen Skelette
nebst den eisernen Lanzenspitzen geben keinen Anhalt für die Zeit¬
bestimmung, weil die genaue Angabe der Fundstelle nicht bekannt ist).
4. Die Benutzung des Berges in späterer Zeit.
Der Breiteberg hat nicht nur in vorgeschichtlicher Zeit und während
des Mittelalters eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen ausge¬
übt, sondern er lockte auch in späterer Zeit die Bürger Striegaus herbei.
Befand sich doch — nach dem Berichte Zimmermanns (Seite 30) —
im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts auf ihm eine kleine Bergrestau¬
ration in Gestalt eines Sommerhauses nebst einer Kegelbahn und
Lindenallee.
Für den gewissenhaften Forscher ist es nicht unwesentlich, dass
er auch davon Kenntnis nimmt, weil ihn sonst etwaige Funde von
Resten jener Anlage zu falschen Schlüssen verleiten können.
Ergebnissätze.
1. Schon in vorslawischer Zeit wurde der Breiteberg benutzt und
zwar allem Anscheine nach als Wohnplatz. (Von einer Umwallung aus
jener Zeit ist keine Spur vorhanden.)
2. Um die Mitte des ersten christl. Jahrtausends erwählten die
zuerst in Schlesien eingewanderten Slawen den Berg als Wohnstätte,
bauten auf ihm am Rande ihre höhlenartigen Erdhütten und errichteten
dadurch den Wall, den sie teilweise verschlackten, um trockene Wohn-
räume zu erhalten.
3. Auch im Mittelalter scheint der Berg bewohnt gewesen zu sein,
weil aus jener Zeit Eisensachen und Münzen gehoben wurden.
4. Am Anfänge des 19. Jahrhunderts befand sich auf ihm eine
kleine Bergrestauration nebst einer Kegelbahn und einer Lindenallee.
-Auf jeden Fall bietet der Breiteberg für den Altertumsforscher ein
äusserst interessantes Arbeitsfeld, und es ist erfreulich, zu hören, dass
sich die Direktion des Schlesischen Altertumsvereins die weitere Er¬
forschung dieser vorgeschichtlichen Stätte zur besonderen Aufgabe ge¬
stellt hat.
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Vorgeschichte
des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim.
Von Th. Voges, Wolfenbüttel.
Nicht Klosterurkunden und Stiftschroniken, auch nicht Orts- und
Flurnamen bilden die einzigen Quellen für die älteste Geschichte unserer
Dörfer, bedeutsamer noch sind die vorgeschichtlichen Altertümer, die
der Boden getreulich bewahrt hat, die Steingeräte und Bronzesachen, vor
allen die schlichten Urnen mit ihren Beigaben. Alles dies sind zwar un¬
scheinbare und geringfügige Gegenstände, aber als gleichzeitige und un¬
anfechtbare Zeugen für uralte Siedelungen unersetzlich. Längst haben
darum diese Reste aus der Vorzeit Beachtung gefunden, und mancher
eifrige Sammler hat wertvolle Schätze zusammengebracht. Wenige Orte
gibt es im braunschweigischen Lande, die, was die Zahl der vorgeschicht¬
lichen Funde anbetrifft, sich mit Beierstedt messen können. Dies Dorf,
zum Amte Schöningen gehörig, liegt am südlichen Fusse des Heeseberges,
und seine Feldmark erstreckt sich bis zum Grossen Bruche hin, das von
der Ilse und Oker bis zur Bode reicht. Nicht die Stätten, die bereits
in vorkarolingischer Zeit genannt werden, wie Ohrum und Schöningen, auch
nicht die Dörfer, deren Name allein schon auf die uralte Zeit hinweist,
wie Wittmar oder Salzdahlum, haben solchen Reichtum an vorgeschicht¬
lichen Fundstücken aufzuweisen wie Beierstedt, und selbst die Orte,
deren Feldmarken längst als ergiebige Sammelstätten solcher Sachen
gelten, wie Lelm, Halchter und Lauingen, bleiben doch in dieser Beziehung
weit hinter Beierstedt zurück. Es ist das Verdienst des Herrn A. Vasel,
dass sein Heimatdorf heute so bedeutsam dasteht. Zu Ende des Jahres
1888, als er neben Kunstwerken und Altertümern auch vorgeschichtliche
Gegenstände zu sammeln begann, waren solche wohl aus den benachbarten
Dörfern Watenstedt und Jerxheim bekannt, von der Beierstedter Flur
war bis dahin nur eine Steinaxt und eine römische Emailperle vorhanden.
Doch wussten sich die älteren Bewohner dort noch zu erinnern, dass
in den sechziger Jahren beim Rübeneinmieten auf einem Acker west¬
lich vom Dorfe ein Steinkistengrab entdeckt worden war. Innen lag ein
Skelett, neben welchem einige Tongefässe standen, auch zwei Stein¬
geräte waren beigegeben; ausserdem soll noch ein Bronzeschwert mit
im Grabe gelegen haben. Niemand wusste freilich, wo diese Sachen
geblieben waren, niemand sonst kannte Steingeräte oder Bronzesachen.
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2]
Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim.
289
Das wurde nun bald anders, als Herr Vasel sein Augenmerk auch auf
dieses Gebiet lenkte. Heute liegen in seinen Schränken wohl an 70
Steingeräte, die auf Beierstedter Feldmark aufgenommen wurden. An
Einzelfunden aus Bronze sind freilich nur 3 Stück vorhanden, wie ja
denn im nordharzischen Hügellande die Metallsachen überall in der
Minderheit bleiben. Dazu kamen nun aber sehr bald die für die Kultur¬
geschichte des Landes so wichtigen Gräber mit ihrem Tongeschirr, ihren
Bronze-, Eisen- und Glasbeigaben. An drei Stellen in der Nähe des
Dorfes sind Skelettgräber der frühen Bronzezeit aufgedeckt oder doch
wenigstens gespürt worden. Auf dem Sandberge, östlich vom Orte, liegt
ein Plan des Herrn Vasel. Hier wurde in einem Steinlager neben
einem Skelett eine Säbelnadel und ein offenes Manschettenarmband
aufgenommen, dazu fand sich hier ein zierliches Henkelgefäss, eine Tasse
vom Aunjetitzer Typus. Die zweite Stelle liegt westlich vom Dorfe auf
dem Kleinen Höckels, das Ackerstück heisst „Am Holzwege“ und gehört
dem Ackermann Herrn W. Lohl. Auch hier kamen drei Gefässe zutage,
die dem genannten Formenkreise angehören. Die dritte Stelle liegt im
Westen nahe am Dorfe und zugleich an der Soltau, das Feld heisst
„Im Möhlensdale“; sein Besitzer ist der Ackermann Herr H. Giltner.
Es lieferte eine Tasse, wiederum von Aunjetitzer Art.
Aus der Hallstattzeit stammt dann das Urnenfeld, das westlich
vom Dorfe auf dem Groten Höckels liegt, einer Erhebung, die jetzt
Kleiberg, ehemals aber auch Hakelberg genannt wurde. Der Plan ge¬
hört dem Ackermann Herrn Fr. Siemann. Der Friedhof hier erstreckt
sich von Süden nach Norden in einer Länge von etwa 66 m; er ist unge¬
fähr 30 Ar gross und enthielt 68 Gräber, deren weitaus grösste Zahl
aus Steinkisten mit Steinpackung nach Art der Gräber von Villanova
und Bismantova bestand. Es wurden aus ihnen etwa 75 Gefässe nebst
Schmucknadeln, Armringen, Messern aus Bronze erhoben; Eisen war
nur ganz wenig vorhanden, dagegen fanden sich Perlen in nicht geringer
Zahl. Wahrscheinlich ist dies Gräberfeld noch grösser, denn 30 Schritte
westlich wurde später noch eine Kiste mit Steinpackung entdeckt, die
eine doppelt gehenkelte Urne enthielt*).
Ausser den Steinkisten auf dem Groten Höckels haben sich
auffallenderweise auch Gräber an solchen Orten gefunden, wo man
solche gar nicht vermutete. Oben auf dem Heese stand im Abraume
des Müllerschen Steinbruches ein grosser Topf, in dem sich ein Napf
befand, der wiederum einen kleinen Becher umschloss. Es sind dies
Gefässe der Hallstattzeit, wahrscheinlich war es eine Urne mit Bei-
gefässen.
Ausserdem wurde altes, zerbrochenes Geschirr gefunden unten auf
dem Haferkampe, einem Plane, dicht vor den Wiesen des Grossen
Bruches, der ehemals sumpfiges Gelände war. Erhalten ist ein flacher
Napf, der jedoch zu wenig ausgesprochene Merkmale hat, um ihn einer
bestimmten Zeit zuweisen zu können. Gewiss hat auch hier eine Sie-
! ) Einige Urnen und Beigefässe nebst Bronze- und Eisenbeigaben sind ab¬
gebildet in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Jahr¬
gang XXVII (1894) Tafel I—IV. Die Fundstücke hat Herr A. Vasel dem Herzogi.
Museum zu Braunschweig überwiesen.
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
290
Th. Voges.
[3
delung bestanden. Was den Beierstedter Funden einen ganz besonderen
Wert verleiht, ist dies. Die Gräber, die man auf den Feldmarken
anderer Dörfer unseres Landes geöffnet hat, stammen — auch selbst
wenn sie in grösserer Zahl vorhanden sind — immer nur aus einer
einzigen Periode; so gehören die Urnen von Lauingen nur der Latene-
Zeit an, während das Gräberfeld von Lelm-Räbke in das dritte und
vierte nachchristliche Jahrhundert gewiesen werden muss. Die Funde
von Beierstedt dagegen stammen, wie schon angedeutet wurde, aus ver¬
schiedenen Zeiten. Die zahlreichen Steingeräte sind meist neolithisch,
und da sie sich auf der ganzen Feldflur zerstreut vorfanden, so darf
man wohl daraus schliessen, dass die Leute der Steinzeit noch keine
geschlossene Ortschaft bewohnten, sondern dass ihre Koten vereinzelt
hier und da lagen. So wird es auch noch in der frühen Bronzezeit
gewesen sein, da ja, wie bereits bemerkt, die Gräber sich an drei ver¬
schiedenen Stellen befanden, deren Entfernung voneinander die An¬
nahme eines gemeinsamen Friedhofes ausschliesst. So beträgt der
Zwischenraum zwischen den Gräbern auf dem Sandberge und dem am
Holzwege 1340 m, und dieses ist von der Fundstelle auf dem Giltnerschen
Acker an der Soltau ungefähr 240 m entfernt. Dagegen liegen die
68 Gräber auf dem Groten Höckels so dicht beisammen, dass sie einen
gemeinsamen Friedhof gebildet haben, und dieses Gräberfeld legt den
Gedanken nahe, dass unweit dieser Stätte schon zur Hallstattzeit ein
Dorf mit aneinander geschlossenen Höfen bestanden hat. Es kann kaum
ein Zweifel darüber sein, dass diejenigen, deren Brandreste hier Grab
an Grab beigesetzt sind, auch im Leben nachbarlich beieinander ge¬
wohnt haben, Hof an Hof. Und bei der geringen Entfernung dieses
Gräberfeldes vom letzten Gehöfte des Dorfes — es sind 397,5 m —
ist anzunehmen, dass dies Hallstatt-Dorf da gelegen hat, wo heute
Beierstedt liegt. Die Stätte war mit Umsicht gewählt und bot den
Siedlern mancherlei Vorteile. Im Rücken erhob sich der Hees, der
ehemals wohl bewaldet war, wie es andere benachbarte Höhen noch
jetzt sind 1 ). An seinen Abhängen breiteten sich fruchtbare Ackerflächen
aus, und Quellen lieferten für Menschen und Vieh Wasser 2 ). Anger
und Weiden, die sich zur Niederung hinabzogen, boten den Herden
gute Weide. In zahlreichen Windungen zog die Soltau dahin, und das
sumpfige Gelände dieses Baches war in Verbindung mit dem nahen
Bruche ein wirksamer Schutz gegen plötzliche Überfälle von Süden her.
Wie dies Hallstattdorf hiess, weiss niemand, sein Name ist für immer
verschollen; auch Spuren und Anzeichen der einstigen Bewohnung haben
sich nicht erhalten, kein Herd, kein Küchengeschirr, kein Hausgerät.
0 Dass der Hees früher mit Gehölz bedeckt war, darf vielleicht schon aus
dem Namen geschlossen werden; von Leo, Müllenhoff und Walther wird das Wort
als Wald. Busch und Gestrüpp erklärt. R. Andree, Braunschweiger Volkskunde 2 ,
S. 99. Übrigens trug der Hees ums Jahr 1803 noch Buschwerk. Hassel u. Bege,
Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg II, 86. Dagegen hat
der Holzweg westlich vom Dorfe damit nichts zu tun; den Weg benutzen die Beier¬
stedter, wenn sie aus dem Eime Holz holen wollen.
*) Früher entsprang eine Quelle am Südabhange des Heeseberges, deren
Wasser durch das Dorf floss. Um das Jahr 1850 gab es im Orte selbst, so vor dem
Vaselschen Hofe, noch mehrere Quellen. Eine speiste den Teich, der im Südosten
des Dorfes lag.
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PRINCETON UNIVERSITY
4]
Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim.
291
Der Grund und Boden, wo die alten Koten gestanden, ist ja auch nicht
in Ruhe geblieben, Brandschutt hat ihn überlagert, und Keller wurden
angelegt.
Ausser dem Dorfe mit seinen dicht aneinander gerückten Höfen
mögen wohl vereinzelt hier und da sowohl in der Höhe am Berge, wie
in der Tiefe am Bruche noch Siedelungen vorhanden gewesen sein, wie
die Funde auf dem Heese und auf dem Haferkampe anzudeuten scheinen.
Wie lange dies Hallstattdorf an der Soltau bestanden hat und ob
es noch in den folgenden vorgeschichtlichen Zeiträumen bewohnt ge¬
wesen ist, wissen wir nicht, wenigstens vorläufig nicht. Der Friedhof
auf dem Groten Höckels hat nur Altertümer, die der Hallstattzeit an¬
gehören, Latene-Sachen fehlen. Solche sind weder hier noch sonst wo
auf der Feldmark gefunden. Sind die Bewohner ausgewandert, oder
haben sie die Brandreste ihrer Toten anderwärts eingesenkt? Sind die
Gräber aus den folgenden Perioden, wie ja so häufig geschehen ist und
noch immer geschieht, zerstört oder stecken sie noch irgendwo verborgen
in der Erde? Wenn aber auch die nächstfolgenden Zeiten stumm und
leer sind, so ist doch schwerlich die Stätte unbewohnt geblieben. Kärg¬
liche Anzeichen liegen vor, dass in römischer Zeit doch hier Siedelungen
vorhanden waren. So wurde auf dem Giltnerschen Acker, wo das
Henkeltöpfchen der frühen Bronzezeit gelegen hatte, der Fuss eines
römischen Bronzegefässes oder eines Kandelabers gefunden, und auf
den Feldern lagen hier und da zerstreut Glas- und Emailperlen aus
römischen Fabriken. Ferner fanden sich wiederholt Wirtel, deren
Form ebenfalls auf die römische Kaiserzeit hinweist. Aus der Völker¬
wanderungszeit und den letzten Jahrhunderten vor dem grossen Sachsen¬
kampfe ist dann gar nichts mehr vorhanden, kein Geschirr, keine Fibel,
keine Waffe.
Plötzlich, ohne dass vorher der Name des Dorfes in Chroniken
und Annalen genannt wird, taucht in den klösterlichen Urkunden der
Name Begerstede auf; es ist eins der bedeutsamsten Dokumente,
worin er zuerst verzeichnet ist. Die Markgräfin Gertrud, die Brunonin,
stiftete 1115 das Ägidienkloster zu Braunschweig und begabte es u. a.
mit zehn Hufen in Begerstede 1 ). Zwölf Jahre später wird es aber¬
mals und zwar villa Beyerstede genannt 2 ). Wenngleich nun erst
damals das Vorhandensein von Beierstedt urkundlich bezeugt wird, so
ist es doch als Dorf gleichen Namens weit älter. Nach Arnold stammen
die Orte, die auf -statt ausgehen, aus dem 5. bis 8. Jahrhundert 3 ).
Ein Mann, dessen Name Begheri oder ähnlich lautete, erscheint als
sein Gründer oder — wie man jetzt wohl richtiger sagen muss — als
der Wiederhersteller des Dorfes. Wer vor etwa einem Menschenalter
die Geschichte von Beierstedt in der Art der früheren Ortschroniken hätte
schreiben wollen, würde gewiss mit dem Jahre 1115, allenfalls mit
der Gründung der Dörfer, deren Namen auf -stedt ausgehen, ange-
*) Urkunde des Kaisers Lothar vom Jahre 1134. Orig. Guelficae II, 519.
2 ) Urkunde Herzog Heinrich des Löwen für das Kloster Riddagshausen. —
Ich verdanke diese Nachricht gütiger Mitteilung des Herrn Geheimen Archivrates
Zimmermann.
3 ) W. Arnold, Studien zur Deutschen Kulturgeschichte. S. 71.
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292
Th. Voges.
[5
fangen haben; heute müsste der Verfasser nicht nur die Gründungszeit
dieser Siedelungen, also die letzten vier Jahrhunderte der vorgeschicht¬
lichen Zeit ins Auge fassen, wiewohl ja ausser dem Ortsnamen nichts
weiter vorliegt, sondern auch, trotz der noch vorhandenen Lücken, bis in die
Bronze- und Steinzeit zurückgehen. Somit würde die Geschichte des
Dorfes keine acht Jahrhunderte, sondern fast 4000 Jahre umfassen.
Dabei unterliegt es kaum einem Zweifel, dass die Zwischenräume in
der Besiedelungszeit, die jetzt noch stumm und leer sind, dereinst zum
Reden gebracht werden. Sind ja doch erst etwa 20 Jahre vergangen,
seitdem hier gesucht und geforscht wird, und darum darf man wohl
hoffen, dass diese Lücken bei einiger Aufmerksamkeit noch ausgefüllt
werden. Sollten sich aber wirklich die Gräber der Latene-Zeit und der
römischen Periode nicht mehr nachweisen lassen, so ist das Fehlen
dieser Altertümer noch immer kein Beweis für die Verödung des Dorfes
und für die Wüstenei seiner Feldmark. Aus der Völkerwanderungszeit
sowohl wie auch aus der altsächsischen Zeit kann, wie bemerkt, auch
nichts aufgewiesen werden, trotzdem doch nach der Ortsnamenforschung
das Dorf damals schon bestand. Aber auch selbst für den Fall, dass
die Bewohner auszogen, um sich anderswo neue, bessere Wohnsitze
zu suchen, dass sie mitgerissen wurden von der Wanderlust, die Ge¬
schlechter und Stämme ergriff, so werden die verlassenen Koten nicht
lange leer gestanden haben. Soweit der Blick zurückgeht in die Ge¬
schichte des Vaterlandes: zu allen Zeiten sind die Gaue bevölkert ge¬
wesen, und der Landhunger hat es nicht dazu kommen lassen, dass
das mit Mühe urbar gemachte Land wieder vom Walde in Besitz ge¬
nommen wurde; neue Einwanderer haben die ehedem bewohnten Stätten
aufgesucht und sich die Arbeit ihrer Vorgänger zu nutze gemacht.
So steht also das Dorf, das von jenem Begeri nicht gegründet,
sondern nur nach ihm genannt wurde, nicht auf neuem von ihm und
seinen Leuten der Waldwildnis abgerungenem Boden, es war vielmehr altes
Kulturland, das sie bebauten. Diese Erscheinung trifft aber auch noch bei
anderen Orten zu, die auf -stedt ausgehen. Von braunschweigischen Orten
mögen hier nur Watenstedt und Emmerstedt genannt sein. Ein Gleiches
gilt von Silstedt bei Wernigerode, von Ober-Wiederstedt im Mansfelder
Gebirgskreise und von Nienhagen, dem alten Bode-Sargstedt an der
Holzemme *).
Viele der bei diesen auf -stedt ausgehenden Dörfern gefundenen
Gegenstände sind nicht das Ergebnis planmässiger Ausgrabungen, sondern
nur durch Zufall ans Licht gekommen. Wenn aber dereinst in und bei
den Dörfern, wo sonst wohl Scherben vorgeschichtlicher Gefässe gespürt
wurden, sorgfältige Nachforschungen angestellt werden, so wird sich in
noch mehr Fällen zeigen, dass auch noch andere dieser auf -stedt aus¬
gehenden Orte keineswegs Anlagen auf eben erst gerodetem Waldlande
sind, sondern im längst offenen Gelände liegen. Auch die Dörfer, deren
Name ein -heim, -um usw. enthält, sind weit älter, als man gewöhnlich
annimmt. Er ist genau so, wie bei vielen Leben- und Büttel-Dörfern,
die durchaus nicht die ersten und ältesten Ansiedelungen an der Stätte
*) Über Nienhagen vergl. meinen Aufsatz in der Jahresschrift für die Vorge¬
schichte der sächsisch.-thüring. Länder VII (1908) S. 17.
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6]
Vorgeschichte des Dorfes Beierstedt bei Jerxheim.
293
sind, die jetzt ihren Namen trägt. Jene Fremdlinge, deren Name noch
im Bestimmungsworte der Dorfnamen steckt, haben ihre Häuser auf
den Schutthaufen verlassener Koten errichtet, sie haben den Boden bebaut,
der längst gerodet war 1 ). Die Siedelungskunde darf also nicht mit der
Frage nach der Bedeutung des Ortsnamens und der Zeit seines Auf¬
tretens einsetzen, sondern muss mit der Erforschung der vorgeschicht¬
lichen Grabstätten beginnen; sie soll nicht nur die ältesten Namensformen
aus Chroniken und Pergamenten aufsuchen, sondern die noch viel älteren
Urkunden, nämlich die Urnenfriedhöfe, aufdecken, und so das Vorhanden¬
sein von Dörfern nachweisen, deren Name freilich verklungen und un¬
wiederbringlich verloren ist.
*) Th. Voges, Vorgeschichtliche Siedelungen im nordharzischen Hügellande.
Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig (VI) 1907. S. 9. 27.
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III. Aus Museen und Vereinen.
Das Museum des Kunst-, Kunstgewerbe-
und Altertumsvereins
für den Regierungsbezirk Coblenz.
Von A. Günther, Coblenz.
Das Museum des Vereins befand sich bisher in dem der Stadt
gehörigen alten Schöffenhause, einem architektonisch merkwürdigen Ge¬
bäude, dessen zwar schöne und stimmungsvolle Räume aber seit langem
für die Unterbringung der Sammlungen nicht mehr ausreichten. Schon
seit Jahren hatte daher der Verein sein Augenmerk auf die Erlangung
weiterer Räume in dem anstossenden alten Kaufhause gerichtet, das
durch die Errichtung eines Neubaues für das dort untergebrachte städtische
Realgymnasium im Jahre 1907 frei wurde. Dank der Unterstützung
bewährter Gönner und dem Entgegenkommen der Stadtverwaltung wur¬
den ihm für seine Zwecke die Erdgeschossräume und die darunter
liegende grosse gewölbte Halle überlassen. Letztere, zurzeit noch an¬
derweitig benutzt, wird jedoch erst im nächsten Frühjahr dem Verein
übergeben werden können und soll dann zur endgiltigen und ausschliess¬
lichen Unterbringung der Altertumssammlungen dienen.
Es galt also im Berichtsjahre zunächst die Erdgeschossräume den
Zwecken des Vereins dienstbar zu machen. Ursprünglich bildeten diese
Räume einen einzigen Saal von etwa 25 m Länge und 13 m Tiefe,
dessen Decke von zwei mächtigen Steinpfeilern mit Eichenholzbügen ge¬
tragen wurde, durch Einziehen von Wänden aber in eine Anzahl Räume
getrennt war. Das Gebäude selbst wird schon im Jahre 1388 als das
sogenannte „Neuwehuys“, „ein gestolze gemacht“ erwähnt und diente
für öffentliche Zwecke als Kauf- und Versammlungshaus. Seit dem
Jahre 1480 sollte es nur noch dem Handel mit wollenen Tüchern und
Körnerwaren dienen, während für leinene Tücher, für die Aufstellung
der städtischen Wage, für Flachs- und Fettwaren ein anderes Kaufhaus
gebaut wurde. Von vornherein war es aber auch die „gewöhnliche Ge¬
richtsstätte“, wo die Schöffen ihre Sitzungen abhielten und ihr Urteil
sprachen 1 ).
*) Archivrat Richter in der Cobl. Zeitung vom 3. März 1905.
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UI. Aus Museen und Vereinen.
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Als Wahrzeichen der Stadt ist an dem Turme unter der Uhr ein
bärtiger Ritterkopf, „der Mann vom Kaufhaus“, angebracht, der nach
der Pendelbewegung die Augen rollt und mit jedem Stundenschlage den
Mund aufsperrt und die Zunge streckt. Für das Schöffengericht wurde
1530, unter Kurfürst Richard v. Greiffenklau, ein besonderes Bauwerk,
das bisher vom Verein benutzte Schöffenhaus, aufgeführt, ein noch in
spätgotischem Charakter mit Renaissance-Anklängen errichtetes Gebäude
mit schönen Netzgewölben und prachtvollem Erker.
Dieses Gebäude hatte im Jahre 1889 der um seine Vaterstadt
hochverdiente Ehrenbürger, Herr Geheimer Kommerzienrat Jul. Wegeier,
langjähriger Vorsitzender und Ehrenmitglied des Vereins, auf seine
Kosten instand setzen und für die Zwecke des letzteren herrichten lassen.
Jetzt übernahm er in ebenso hochherziger und freigebiger Weise auch
die Wiederherstellung des Saales im alten Kaufhause, die in gediegenster
Weise zur Ausführung gelangte. Der Verein glaubte sich daher und
für seine so oft bewiesene tatkräftige Unterstützung zu ganz besonderer
Dankbarkeit verpflichtet und versuchte dieser durch Beschaffung und
Anbringung einer vom Bildhauer Wildermann in Cöln gefertigten Bronze¬
plakette mit dem Bildnis des Herrn Geheimrats in dem neuen Saale
dauernden Ausdruck zu geben.
Die Eröffnung des Saales fand in feierlicher Weise am 16. Mai d. J.
in Gegenwart der Vertreter der Stadtverwaltung und vieler Mitglieder
des Vereins statt. Der stellvertretende Vorsitzende, Herr Stadtbaurat
Maeckler behandelte in einer längeren Festrede die Geschichte des Vereins,
der im Jahre 1908 auf eine 25 jährige erfolgreiche Tätigkeit zurück¬
blicken konnte 1 ). Hieran schloss sich ein Rundgang durch die Samm¬
lungen unter Führung des Unterzeichneten.
Zurzeit ist die Einteilung und Benutzung der Räume folgende:
Im Erdgeschoss des Schöffenhauses: Im vorderen Raume die ethno¬
logische Sammlung des *J" Admirals Deinhard (Geschenk des Geheimen
Kommerzienrat Wegeier), nebst einer Ausstellung mittelalterlicher und
neuzeitlicher Keramik von Coblenz und Umgebung;
im hinteren Zimmer: Bibliothek und Vorstandszimmer.
In den beiden Räumen des Obergeschosses: Kunstgewerbliche
Gegenstände verschiedener Zeitalter und Länder und Römische Funde
der Umgebung von Coblenz: Cobern-Gondorf, Urmitz, Andernach,
Plaidt und aus den Limes-Kastellen Heddesdorf und Niederberg.
In dem neuen Saale des Kaufhauses ist die Nordseite für die
Ausstellung von Gemälde- und Kunstwerken Vorbehalten, auf der Süd¬
seite sind einstweilen die vorgeschichtlichen, römischen und fränkischen
Fundstücke aus Coblenz und der näheren Umgebung ausgestellt. Ausser¬
dem birgt der Kellerraum des Schöffenhauses eine Anzahl römischer Skulp¬
turen, Meilensteine und Reste der römischen Moselbrücke aus Coblenz.
Das Museum erfreute sich eines anhaltend guten Besuches und
erwarb sich, da es seine Sammeltätigkeit in bezug auf Altertümer auf
die engere Umgebung, also Stadt- und Landkreis Coblenz, beschränkt
*) Als Festgabe aus diesem Anlasse wurde den Mitgliedern das fast aus¬
schliesslich von Angehörigen des Vereins bearbeitete Heft „Coblenz“ des Rheinischen
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz überreicht.
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III. Aus Museen und Vereinen.
und ein möglichst vollständiges Bild der kulturgeschichtlichen Entwicke¬
lung der engeren Heimat zu geben bemüht ist, in weiteren Kreisen
Anerkennung und Unterstützung. So wurden ihm mit freundlicher Hilfe
des Herrn Qymnasialdirektor Dr. Weidgen die bisher im Königlichen
Gymnasium aufbewahrten alten Skulpturen aus Coblenz, darunter das
bekannte Grabmal des Vebeius oder Ubceius und der den Kreuzweg¬
göttern Quadriviis gewidmete Stein des Publicanen C. Crisp. Cladaeus
überwiesen; die Gemeinde Arzheim stellte einen Grabfund der letzten
Latene-Zeit, bestehend in mehreren Tongefässen, Eisenschwert, Lanze,
Eisenfibel und einfachem Bronzereif mit dicker Glasperle zur Verfügung;
aus Vallendar erhielt es mehrere Hallstatt-Gefässe, aus dem Coblenzer
Stadtwald eine Urne der jüngeren Bronzezeit mit Scherben anderer
Gefässe und den Resten eines Bronze-Armringes, von Herrn Apotheker
Kiefer zwei römische Urnen (Ende des I. Jahrhd.) von seiner Baustelle
am Moselweisser Weg; von den Erben des verstorbenen Herrn Ge¬
heimrat Mütze mehrere bronzezeitliche Gefässe aus Rhens, römische
Funde aus Urmitz usw.
Aber auch finanzieller Unterstützung erfreute sich das Museum
und freiwillige Beiträge seiner Mitglieder ermöglichten nicht nur den
Erwerb weiterer Fundstücke, sondern auch die Übernahme der lokal¬
geschichtlich wertvollen und reichhaltigen Güntherschen Sammlung, wo¬
durch es seinem gesteckten Ziele der Altertumssammlung wesentlich
näher rückte.
Die Altertumssammlung umfasst nunmehr folgende Gruppen:
Paläolithische Zeit:
Diluviale Tierreste aus Metternich und Rhens, u. a. Mammutzähne,
Schädel, Unterkiefer und Zähne von Rhinozeros antiqu., Reste von
Cervus elaphus, Bos primig., Equus caball. foss. usw.
Aurignacien: Silexartefakte und Steingeräte aus Metternich und
Rhens (veröfftl.: Günther in Bonner Jahrbücher Heft 116 und R. R. Schmidt
im „Mannus“ Heft 1/2), sowie Silexartefakte aus der Friedhofenschen
Lössgrube in Metternich und aus Kärlich.
Magdalenien: Silexartefakte und Knochenstücke vom Martinsberg
b. Andernach.
Neolithische Zeit:
Silexartefakte (10 Klingen) aus Rübenach bei Coblenz, geschliffene
Steinmeissei von der Kartause (Coblenz), Urmitz u. a. 0., ein facettierter
Hammer der Schnurkeramik von Boppard, Steinwerkzeuge von Metter¬
nich usw.
Gefässe und Scherben, darunter reich verzierte Stücke, der jüngeren
Winkelbandkeramik nebst einzelnen Scherben der Grossgartacher, der
Spiral-Mäander- und der Zonenkeramik aus Wohngruben am Jägerhaus
b. Urmitz (Veröffentlichung demnächst).
Bronzezeit:
Grab- und Einzelfunde von Gefässen und Schmuckstücken ver¬
schiedener Perioden vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl. Günther
in Bonner Jahrb. Heft 110).
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III. Aus Museen und Vereinen.
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Grab- und Einzelfunde aus Metternich b. Coblenz, Rhens, Rübenach,
Urmitz, Kartause-Coblenz und Coblenzer Stadtwald.
Hallstatt-Zeit:
Fundstücke einer Hallstatt-Wohngrube in Coblenz-Lützel (veröfftl.
Günther im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11), desgl.
von der Petersschen Ziegelei in Rhens; Grab- und Einzelfunde aus
Urmitz, Vallendar und Sayn.
Latene-Zeit:
Ältere Latene-Zeit:
Grab- und Einzelfunde vom Jägerhaus b. Urmitz (zum Teil veröfftl.
Günther, Bonner Jahrbücher Heft 110), Grabfundevon Coblenz-Neuen-
dorf und Pfaffendorf bei Coblenz, 1 Flaschenurne aus Coblenz.
Mittlere Latene-Zeit:
Grabfund aus dem Coblenzer Stadtwald.
Jüngere Latene-Zeit:
Grabfunde aus dem Coblenzer Stadtwald (z. Teil veröfftl. Günther
im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. Jahrg. XXI, Nr. 11) und dem Arz-
heimer Gemeindewald.
Römische Zeit:
Die Fundstücke des frührömischen Gräberfeldes bei Coblenz-
Neuendorf (veröfftl. Günther, Bonner Jahrb. Heft 107).
Desgl. des Trevererdorfes im Coblenzer Stadtwald (veröfftl.
Bodewig in Westd. Zeitschrift XIX).
Desgl. eines frührömischen Gräberfeldes vom Kaiserin Augusta-Ring
in Coblenz (erwähnt in Bodewig, Das römische Coblenz, Westd. Zeit¬
schrift XVII, III und im Korrespbl. ders. XX, 7 und 8).
Desgl. eines Gräberfeldes des I.—IV. Jahrhd. von der Löhrstrasse
zu Coblenz (zum Teil veröfftl. ebenda).
Desgl. eines spätrömischen Gräberfeldes am Markenbildchenweg
zu Coblenz (desgl.).
Fundstücke aus der Altstadt zu Coblenz (desgl.).
Sechs römische Meilensteine vom Engelsweg (jetzt Römerstrasse)
zu Coblenz, darunter drei mit ziemlich vollständigen Inschriften von
Claudius (44 n. Chr.), Traian (98 n. Chr.) und wahrscheinlich Nerva
(97 n. Chr.), (veröfftl. von Günther in den Coblenzer Tagesblättern und
Lehner im Korrespbl. d. Westd. Zeitschr. XVIII, Nr. 4 und 5).
Römische Skulpturen und Inschriftsteine aus Coblenz und aus der
römischen Moselbrücke daselbst (zum Teil in: Bodewig, das römische
Coblenz, Westd. Zeitschr. XVII, III). •
Fundstücke des I.—IV. Jahrhunderts aus Cobern-Gondorf, Urmitz,
Andernach und Plaidt.
Fundstücke aus den Limes-Kastellen Neuwied-Heddersdorf und
Niederberg (z. T. im grossen Limeswerk (ORL), Kastell Niederberg).
Fränkische Zeit:
Grabfunde aus Coblenz, Metternich, Urmitz, Sackenheimer Hof
b. Bassenheim. Rhens, Sebastian Engers und Mülhofen.
Mann us Bd. I. H. 3/4. 20
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III. Aus Museen und Vereinen.
Hieran schliesst sich die reiche Sammlung von Erzeugnissen des
Mittelalters und der Neuzeit.
Von den Arbeiten und Erwerbungen des Vereins aus den
letzten Monaten sind zu erwähnen:
Die Aufdeckung der römischen Stadtmauer und Kulturschichten bei
dem Neubau des Hauses Altenhof 3 in Coblenz,
die Aufdeckung weiterer Teile der Römischen Heerstrasse am
alten Engelsweg, wobei auch der von Eltester (Bonner Jahrb. Heft 52,
1872) erwähnte Seitenkanal wieder festgestellt wurde,
die Aufdeckung eines Römischen Töpferofens in Niederberg (ver-
öfftl. Günther im Röm.-Germ. Korrespbl. Jahrg. II, Nr. 5, 1909),
die Aufdeckung mehrerer Gräber der Antoninen-Zeit in Arenberg
b. Ehrenbreitstein,
der Erwerb einiger fränkischer Gefässe aus Urmitz.
Prähistorisches Museum zu Köln.
Von C. Rademacher, Köln.
Das Städtische prähistorische Museum zu Köln, begründet von der
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, wurde im August 1907 eröffnet.
Die Eröffnung war verbunden mit einem prähistorischen Kongress 1 ), zu
dem namhafte Forscher des ln- und Auslandes erschienen waren. Seit
der Eröffnung haben sich die Sammlungen bedeutend vermehrt, sodass
an dieser Stelle einiges darüber mitgeteilt werden mag. Das Museum
selbst, in den Räumen des „Bayenthurmes“ untergebracht, besteht aus
drei übereinander liegenden geräumigen Sälen. Der untere Saal enthält
nur Diluvialfunde Westeuropas, der zweite Übergangsperioden zur jüngeren
Steinzeit, die jüngere Steinzeit und die Bronzezeit, der dritte Saal endlich
Hallstatt- und Latenezeit sowie römische Kaiserzeit.
Was die Vermehrung der paläolithischen Periode angeht, so sei
an erster Stelle hier erwähnt, dass bei der Eröffnung des Museums
eine Sonderausstellung von Funden aus La Micoque und La Grange aus
dem Vezeretale in dem Museum zur Aufstellung gelangt war, die
berechtigterweise die Aufmerksamkeit der Forscher wachrief. Als eine
hochherzige Schenkung des Förderers unseres Museums, des Geheimen
Kommerzienrates Herrn E. v. Rath, ist diese Sammlung in den Besitz
des Museums übergegangen. Das Kölner Museum besitzt nunmehr die
reichhaltigste und wichtigste Sammlung von La Micoque, jener bekannten
Acheuleen-Mousterien-Station, die sich durch die wunderbare Feinheit
der Objekte und ihre einzige, elfenbeinartige Patina auszeichnet. Die
*) Der Bericht über die Verhandlungen des Kongresses, herausgegeben von der
Kölner Anthropologischen Gesellschaft, ist vor kurzem erschienen, 179 S. gr. 8 mit
193 Ab. u. 5 Tafeln. Preis 3,50 Mk.
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III. Aus Museen und Vereinen.
299
zierlichen und feinen Keile vom Acheultypus sind in den verschiedenen
Formen und Grössen vorhanden und fast alle, wie auch die übrigen
Mousterientypen, von einer wunderbaren Sorgfalt der Bearbeitung. Die
Magdalenien-Station La Grange weist neben zahlreichen typischen Ge¬
räten dieser Periode einzelne hervorragende Werkzeuge auf, die eine
doppelte Bestimmung hatten. Unter den Knochen- und Hornwerkzeugen
ist bemerkenswert ein Doppelpfriem mit halbkreisförmigem Handgriff,
Amulette, verzierte Knochen und endlich eine sog. Lampe, die nicht
weit von dieser Station, bei La Marsaille, gefunden worden ist.
Aus Chelles und Acheul selbst wurden typische und atypische Stücke
erworben, daneben auch Chelles-Keile aus Italien. Prof. Schweinfurth
stiftete eine umfangreiche Sammlung paläolithischer und eolithischer Werk¬
zeuge aus Ägypten (Theben), welche die Übereinstimmung dieser primi¬
tiven Kulturen für Westeuropa und Afrika aufs deutlichste zur Anschauung
bringen. Das Mousterien der Krapinahöhle ist vertreten durch eine
Kollektion typischer Steingeräte und menschlicher Skeletteile, deren
Abgüsse der verdienstvolle Forscher der Krapinahöhle, Prof. Gorjanovic-
Kramberger in Agram, als Geschenk dem Museum überwies. Auch
die vorhandenen Sammlungen des Solutreen und Magdalenien fanden
durch geschlossene Funde reiche Vermehrung, sodass nunmehr die ge¬
samte paläolithische Abteilung in einer gewissen Vollständigkeit und
Reichhaltigkeit vorhanden ist und einen Überblick über die Kulturent¬
wickelung während des Diluviums gestattet, und das nicht nur durch
eine sog. Typensammlung, sondern hauptsächlich durch zusammen¬
hängende, geschlossene Funde.
Die Übergangsperioden zur jüngeren Steinzeit konnten durch die
Bemühungen des Museums auch im Rheinlande festgestellt werden.
Das aus den Schriften Rutots bekannte Flenusien, charakterisiert durch
die eolithenartige Bearbeitung des Silex, wurde in Muffet bei Aachen
entdeckt. Da Rutot eine Kollektion des belgischen Flenusien dem
Museum stiftete, ermöglicht die Zusammenstellung ein Urteil über die
Übereinstimmung der beiden Fundplätze. Auf dem Lousberge bei Aachen
fand sich eine Campignien-Station. Die Wohnstätten haben auf dem
Plateau des Berges gelegen. Durch Abschwemmungen sind zahlreiche
Silexstücke, darunter typische Geräte, an die Abhänge des Berges
gerollt, wo sie 1908 entdeckt worden sind. Typische Gratbeilformen
vermischt mit solchen, die bereits an das eigentliche Beil des Neolithi¬
kums erinnern, obschon die Polierung noch vollständig fehlt, beweisen,
dass die Station einer Zeit angehört haben muss, die dem polierten
Beile direkt voranging.
Die Tardenoisienindustrie mit ihren mikrolithischen Geräten konnte
in der Umgegend von Köln (Troisdorf) festgestellt werden. Dieder¬
spitzen, Schaber und andere kleine Geräte sind 1908 daselbst gefunden.
Zum Vergleich wurden französische Tardenoisiengeräte aus verschiedenen
Fundorten erworben. Das Robenhausien von Spiennes in Belgien ist
durch eine reiche Auswahl vertreten, die neben Kratzern, Schabern,
Bohrern, die Entwickelung des polierten Beiles aus dem Gratbeil vor¬
führt. Bemerkenswert sind grosse Schlägel aus Feuerstein, gefunden in
dem Bergwerk zu Spiennes, wo die Neolithiker ihren Feuerstein gewannen.
Bekannt ist die Station ja besonders durch den Umstand geworden,
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dass Skelette der alten neolithischen Feuerstein - Bergleute hier zutage
gekommen sind. (Vergl. Rutots Schrift hierüber und ‘Mannus’ 1, 35.)
Interessant ist eine Erwerbung aus den russischen neolithischen Stationen
mit denselben Formen der Feuersteingeräte und einer Keramik, die als
Ornamente tief eingedrückte, kreisförmige Stempelverzierung aufweist.
Auch die Sammlung der rheinischen polierten Steingeräte fand eine be¬
merkenswerte Ergänzung durch eine Anzahl fein polierter, zum Teil
durchbohrter Äxte und Hämmer aus der Gegend des Niederrheins, die
als Einzelfunde von dem Museum erworben werden konnten. Pfeil¬
spitzen, Schaber und Messer des Neolithikums fanden sich an ver¬
schiedenen Orten.
Für die Keramik des rheinischen Neolithikums sind bedeutsam
die Funde von dem Gräberfelde bei Kretz am Laacher See, welche die
Firma Zervas Söhne in Köln dem Museum überwies. Es sind zierliche,
der bandkeramischen Stufe angehörige Gefässe teils mit Winkelband,
teils mit Spiralverzierung. Ein kleines Gefäss verdient besondere
Beachtung. Es trägt an dem S-förmigen Halse eine Anzahl Warzen,
die als Band das Gefäss umgeben. Dem Künstler muss der Ursprung
und die Bedeutung dieser Warzen, die eine Nachahmung der Brust¬
warzen darstellen, noch geläufig gewesen sein, denn zwei solcher Warzen,
nebeneinander gestellt, ganz ausser der Reihe, beweisen dies aufs
deutlichste.
In der Nähe von Köln, bei Wahn, konnte 1907 eine steinzeitliche
Station, der Untergrombacher Periode angehörig, entdeckt werden, die
bereits charakteristische Funde lieferte. Die vollständige Erforschung
steht noch aus.
Die Sammlungen aus der Bronzezeit fanden sehr zahlreiche Ver¬
mehrung, zunächst durch Bronzefunde aus dem Bieler See samt der
dazu gehörigen Keramik und der Aufstellung eines grossen Modelles
eines bronzezeitlichen Pfahlbaudorfes, das der Verein der Kölner Alter¬
tumsfreunde dem Museum stiftete. Ungarn ist in den Erwerbungen
des letzten Jahres durch einen reichen Bronzedepotfund, wie durch eine
Anzahl der bekannten Kupferäxte vertreten, desgleichen konnten einige
zierliche Becher, alle incrustiert, erworben werden. Die rheinischen
Bronzeäxte wurden durch eine ganze Anzahl vermehrt, meist Geschenke
von Gönnern. Vor allem ist hier ein Grabfund aus einem Hügel bei
Köln zu erwähnen, der neben einem triangulären Dolche eine seltene
Form der Axt aufweist. Es ist eine Absatzaxt mit rundem, langaus¬
gezogenem Mittelstück, durch eingeschlagene Ornamente reich verziert.
Eine ähnliche Axt ist bisher in den Rheinlanden und auch in Deutsch¬
land nicht gefunden, wie das Prof. Lissauer einige Tage vor seinem
Tode noch dem Berichterstatter mitteilte. Auch eine prächtige Radnadel
aus der Gegend des Laacher Sees gelangte in das Museum. Zum Ver¬
ständnis des Publikums dienen das Modell einer Bohrmaschine zur
Durchlochung der Steingeräte, das Modell eines Pfahlbauwebstuhles
und zwei spätbronzezeitliche Gräber, welch letztere in einer Nische
des 2. Saales Aufstellung gefunden haben.
Eine andere Nische enthält einen vollständig aufgebauten Grab¬
hügel, wie sie zu Tausenden an beiden Seiten des Niederrheines sich
vorfinden. Das Grab ist aus der Hallstattzeit und leitet zu dem
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III. Aus Museen und Vereinen.
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dritten Saal über, der die Funde aus den Grabhügeln des Niederrheines
enthält. Seit der Eröffnung ist dieser Saal neugeordnet und die Samm¬
lung sehr vermehrt worden. Das Gebiet zwischen Sieg und Wupper ist
nunmehr mit einer gewissen Vollständigkeit vertreten. Von allen Be¬
gräbnisplätzen zwischen Sieg und Wupper ist eine grosse Anzahl Grabfunde
zu einem Gesamtbilde vereinigt, alles nach Gräbern sorgfältig geordnet.
Jedes Grab ist abgeteilt und enthält eine Grabskizze, die den Hügel
und seinen Inhalt zur Darstellung bringt. Nunmehr gelingt es auch
hier, an die Zeitstellung der Funde heranzutreten.
Schon bei der Eröffnung des Museums waren Funde von einer
germanischen Niederlassung auf dem Fliegenberge bei Troisdorf vor¬
handen. Die Untersuchungen über die ja im 1. Hefte des „Mannus“
Bericht erstattet worden ist, werden fortgesetzt. Es ist eine Nieder¬
lassung der römischen Kaiserzeit, die bis ins 4. Jahrhundert sich ver¬
folgen lässt. Auch die Gräber dieser Niederlassung sind gefunden,
reich ausgestattet mit Silberfibeln, Bronze-Scherben, römischen Gefässen,
germanischen Urnen, darunter auch die belgische Gesichtsvase mit
den sechs Götterbildnissen. Ein genauer Bericht hierüber wird dem¬
nächst folgen. Diese Gräber sind ohne Hügel. Im Scheuerbusche bei
Wahn konnten ebenfalls Gräber der römischen Kaiserzeit festgestellt
werden, meist zerbrochene Gefässe germanischer oder römischer Prove¬
nienz, übereinstimmend mit den Funden in Giessen. Bei Cleve ward
Ähnliches in diesem Jahre beobachtet. Dort im Walde bei Moyland
finden sich eine Anzahl Gräberfelder mit ganz verschiedenem Charakter.
Eines mit Graburnen, wie sie in niederrheinischen Hügeln typisch sind,
andere mit Scherben, darunter vielfach solche römischer Herkunft,
zahlreiche Brandasche, zerstreute Knochen, ganz kleine Hügel. In den
Grabhügeln zwischen Sieg und Wupper, wie sie im Kölner Museum
ausgestellt sind, findet sich dagegen nur einmal eine Spur römischer
Beimischung (Wahn). Die genauen Ergebnisse werden ebenfalls dem¬
nächst veröffentlicht werden.
Städtisches Museum, Braunschweig.
Neue Erwerbungen mitgeteilt von F. Fuhse.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Für die vorgeschichtliche Abteilung wurde im Geschäftsjahr 1908/09
die Sammlung des Oberrealschullehrers Krone erworben: Funde von
neolithischen (bes. bandkeramischen) Siedelungen bei Hessen a. Fallstein,
Halchter und Ohrum am Oder, Gr. Vahlberg und Wittmar an der Asse;
Latene: Leiferde, Kr. Wolfenbüttel, Wasbüttel; Völkerwanderung: Osel,
Wolfenbüttel, Harzbüttel. — An Einzelfunden der Sammlung Krone sind
zu erwähnen: 98 Steinwaffen (axte und Hämmer aus verschiedenen Ge-
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III. Aus Museen und Vereinen.
steinsarten) von der Feldmark Räbke am Elm. Der Reichtum an Stein¬
waffen auf dieser kleinen Feldmark war ein ganz ausserordentlicher. Fast
alle öffentlichen und Privatsammlungen unseres Landes besitzen von
dort eine grössere Anzahl von Steingeräten. — Vom Ösel stammt ein
Instrument von weissem Feuerstein, das als Urtypus des Töpfer¬
rädchens zu betrachten ist (s. Abbildung 1 in nat. Gr.). Man kann
mit ihm nicht nur in Ton, sondern auch in Holz und Leder bequem ein
aus Punkten sich zusammensetzendes Ornament eindrücken. — Bronze¬
absatzäxte aus Helmstedt, Wendeburg und vom Regenstein. Tüllenaxt
mit ausladender Schneide aus Helmstedt. — Ringförmige blaue Glas¬
perle mit vier gelben Augenringen aus Warberg, ähnlich Piß-Dedhelette,
Le Hradischt de Stradonitz PL VI, 44.
Abb. 2 a b. 1 / 3 .
Roskilde, Seeland.
Se. Hoheit der Herzog-Regent überwies eine grosse und aus¬
gezeichnete Sammlung dänischer Steinwaffen und Werkzeuge, darunter
die seltene ‘Flügelaxt’ von Roskilde, 18 cm lang (Abb. 2), nebst einigen
Bronzeschwertern und Äxten.
Hr. Oberlehrer Hahne III schenkte eine kleine Axt aus grauem
Stein und einen bearbeiteten Feuersteinsplitter aus dem Forstbezirke
Wolfstal bei Stiege im Harz. Bisher waren aus jener Gegend vorgeschicht¬
liche Gegenstände nicht bekannt.
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III. Aus Museen und Vereinen.
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Aus der Provinz Posen.
Erwerbungen des Kaiser-Friedrich-Museums zu Posen
vom Januar bis Juni 1909
mitgeteilt von Erich Blume.
Zur Einteilung der Funde werde ich fortan die fünf kulturell¬
chronologischen Gruppen wählen, die ich in dem Bericht über die Neu¬
ordnung der vorgesAichtlichen Abteilung, erschienen in dem Verzeichnis
über die vorgeschichtliche Sonderausstellung, dargelegt habe:
Ausstellung im Kaiser-Friedrich-Museum
vor- und frühgeschichtliche Altertümer
aus dem Gebiet der Provinz Posen. Posen 1909.
Im Folgenden werden nur die Erwerbungen aufgeführt, die in jenem
Verzeichnis nicht behandelt sind.
Abkürzungen: G. = Geschenk; Kr. = Kreis; Grf. = Gräberfeld;
Brz. = Bronzezeit; v. = von; fr. = früher.
II. Indogermanische Zeit.
1. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 177/178. Steinaxt¬
hammer; Grundriss Spitzoval, dessen eines Ende quer abgeschnitten
ist; Bohrloch konisch; gef. im Sommer 1898. — G. der kgl. Wasser¬
bauinspektion Czarnikau.
2. Golencin, Kr. Posen-Ost. Funde von einem steinzeitlichen
Siedlungsplatz (Splitter, Spanmesser, Pfeilspitzen aus Feuerstein;
Reibsteine, Schleifsteinbruchstück, Scherben u. a.) auf den Höhen
am Bogdankatal. Vgl. Mannus I, 138, Nr. 1. — Gesammelt u. gesch.
von Sammlungsaufseher Thamm, Posen.
3. Nifke, Kr. Schrimm. Funde von einer steinzeitl. Siedlungs¬
stelle auf Sanddünen an der Wartheniederung, offenbar denen
von Lassek-Luban, Kr. Posen-West (Mannus, I, 138, Nr. 5) zeit¬
lich parallel. — Am 20. VI. gefunden vom Verfasser.
III. Thrakische (karpodakisdhe) Kulturgruppen.
4. Czarnikau. Zwei Tongefässe, eines noch mit Leichenbrandresten,
und Scherben von wenigstens fünf andern (Brz. 4); gef. „bei den
Durchsticharbeiten in Station 162(3 der Netze in der Wiese der
katholischen Pfarrgemeinde Cz. w — G. d. kgl. Wasserbauinspektion
Czarnikau.
5. Bei Czarnikau aus der Netze in Station 176/7: Steinaxthammer
von fünfeckigem Grundriss; Bohrloch konisch; auf einer Seite Spur
einer falsch angesetzten Hohlbohrung. Gef. im Nov. 1898 beim
Baggern. — G. wie Nr. 4.
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III. Aus Museen und Vereinen.
6. Chojno, Kr. Rawitsch. Vom Grf. in der Grz^ba (vgl. Ausst.
Nr. 241—435 u. a.) Tongefässe und Metallbeigaben aus einem
Grabfund und viele Scherben aus zerstörten Gräbern (Brz. 5;
älteste Eisenz.). — Amtliche Untersuchung am 2. VI.
7. Sulmirschütz (Sulmierzyce), Kr. Adelnau. JFlur Zalesie (ndl.
v. S.) Verzierter graphitierter Scherben von einem Grf. (jgst. Stufe).
Vom selben Grf. stammen die beiden Tongefässe Posener archäo¬
logische Mitteilungen I, Taf. VII, 16 und VIII, 5 (Text S. 23 f.),
die also auch örtlich mit den kaiserzeitlichen Funden nichts zu tun
haben. Diese sind südlich von S. gehoben worden (Flur Wielki zal).
— Mitteilung und Geschenk von Pfarrer Gibasiewicz, Siedlemin 1 ).
IV. Germanische Kulturgruppen.
8. Tongefäss, wohl aus der Umgebung von Czarnikau, dessen Fund¬
ort aber nicht feststeht; eingeliefert mit Nr. 4. Vgl. Abb.: es er¬
innert sehr an westgermanische Lateneformen in Profil wie Ver¬
zierungen (wagerechte Linie auf der Schulter, darüber 20 alternierend
Nr. 8. i/6. Nr. 10. 1 / 3 .
schräggestellte Strichgruppen bis zum Halsansatz; herab von ihr
laufen 16 senkrechte Linien in ungleichen Zwischenräumen. Das
Tongefäss steht m. W. in der Provinz Posen vereinzelt da. —
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau.
9. Kokorzyn, Kr. Kosten. Ziegelei. Tongefäss und Bruchstücke
einer Lanzenspitze und eines Messers aus Eisen, zusammen gefunden
auf dem Grf. der römischen Kz. Vgl. Mannus I, 140, Nr. 36 und
Ausstellung Nr. 2051 und 2463—2482. — G. v. Rittmeister Hilde¬
brand, K.
‘) Herr Pfarrer Gibasiewicz besitzt von dem Gräberfeld
Zalesie noch eine wie die oben genannten Gefässe von ihm
selbst gefundene kleine Bronzeschnalle, die hier abgebildet ist.
Sie hat einen eingliedrigen -ovalen Rahmen und rechteckige,
nicht sehr sauber gearbeitete Riemenkappe. Der Dorn zeigt
eine abwärts gebogene Spitze und an der Wurzel eine recht¬
eckige Erhöhung, die mit einer Rille verziert ist und zu beiden
Seiten von dieser mit Linien. Das Stück gehört der jüngeren
Kaiserzeit an, etwa der Tischlerschen Periode D, und ist eines
der wenigen dieser Zeit aus der Provinz Posen (vgl. Ausstellung
im Kaiser-Friedrich-Museum S. 18).
Zu Nr. 7. */i.
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III. Aus Museen und Vereinen.
305
10. Posen, Stadt (Oberwilda). Kleines Tongefäss mit fast zylindrischer
Wandung und dickem ausladenden Rande, zugedeckt mit alt aus¬
gebrochenem Tongefässboden, gef. zwischen Scherben in einer
Brandgrube nahe der Grenze von Dembsen, Kr. Posen-West, beim
Bahnbau. Es enthält noch Branderde und Leichenbrandreste.
Abb. (Latenezeit). — G. d. kgl. Eisenbahnbauabteilung für den
Umbau des Bahnhofs Posen.
11. Spiegel (fr. Oporzyn), Kr. Wongrowitz. Unterteil einer Urne
aus einem Steinkistengrabe. Vgl. Ausst. Nr. 734—736. — G. v.
Lehrer Kliemke, Sp.
Unbestimmt.
12. Bei Czarnikau aus der Netze: 5 hohe gerundet pyramidenförmige,
oben wagerecht durchbohrte Netzsenker. Beschnittenes Hirschgeweih.
G. d. kgl. Wasserbauinspektion Czarnikau.
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Sitzungsbericht.
In der 4. Sitzung der Zweiggesellschaft Berlin am 22. Mai 1909 im Vor¬
tragssaale des Märkischen Museums legte der 1. Vorsitzende, Universitäts-Professor
Dr. G. Kossinna, verschiedene neu erschienene Werke vor, so die von E. H o 11 a c k
im Aufträge des Provinzialverbandes bearbeitete Vorgeschichtliche Über¬
sichtskarte von Ostpreussen nebst dem die „Erläuterungen“ enthalten¬
den Textbande, eine Arbeit, die sämtliche neueren Forschungen zu verwerten sucht,
ferner eine Abhandlung des Dorpater Gelehrten R. Hausmann, die als Fortsetzung
zu dem Kataloge der grossen archäologischen Ausstellung zu Riga vom Jahre 1896
eine „Übersicht über die archäologische Forschung in den Ost¬
seeprovinzen im letzten Jahrzehnt“ gibt, und schliesslich das zweibändige
überreich illustrierte Werk von O. v. Hovorka und A. Kronfeld „Vergleichende
Volksmedizin“, in dem sich neben volkskundlichen und kulturgeschichtlichen
Abhandlungen auch viele den Prähistoriker interessierende Mitteilungen, so über
Beigaben in Grabstätten, Amulette und andere Arten von Abwehrmitteln, Dämonen¬
glauben u. a. finden.
Der vom 1. Vorsitzenden gleichfalls vorgelegte, von J. Heierli verfasste
1. Jahresbericht der Schweiz. Gesellschaft für Urgeschichte enthält
einen Überblick über die Entstehung und die Geschichte der Gesellschaft und über
die in den Jahren 1907—1908 in der Schweiz gemachten vorgeschichtlichen Funde
und lässt ersehen, dass die Gesellschaft eine Zentralisierung der vorgeschichtlichen
Funde und die Gründung eines schweizerischen Archivs für Vorgeschichte als
Grundlage für eine künftige Vorgeschichtliche Karte der Schweiz anstrebt. Ferner
gelangten zur Vorlage mehrere Abhandlungen von Rutot über den Unterkiefer des
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306
111. Aus Museen und Vereinen.
Homo Heidelbergensis, über die Hauserschen Skelettfunde von Moustier und
über die Eolithenfrage, eine Arbeit von Schierholz über die Örtlichkeit der
Varusschlacht und eine Abhandlung von Stuhl (Würzburg) über das altrömische
Arvallied, endlich einige akademische Abhandlungen des hervorragendsten Keltisten,
unseres Mitgliedes Heinrich Zimmer „über direkte Handelsverbindungen
Westgalliens mit Irland im Altertum und frühen Mittelalter“,
worin besonders die Mitteilungen über den Weinhandel der gallorömischen Zeit
von höchstem Interesse sind.
Prof. K o s s i n n a teilte darauf mit, dass ein Mitglied der Gesellschaft,
Prof. Dr. O. Mertins in Breslau, gestorben sei, ein verdienstvoller Prähistoriker,
der zahlreiche Abhandlungen über die Vorgeschichte Schlesiens, besonders aus
der Bronzezeit, und 1906 einen „Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens*
verfasst habe (s. S. 166 u. 322). Ausserdem gelangte die Einladung der Verwaltung
des Provinzial-Museums in Hannover zum Besuch der vorgeschichtlichen
Ausstellung, die anlässlich der H a u p tv er s a m m 1 u n g der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte veranstaltet wird, zur Verlesung. Prof. Dr. Kossinna und
Privatdozent Dr. Hahne knüpften daran nähere Mitteilungen über das Programm
der vom 6.-9. August 1909 in Hannover stattfindenden Hauptversammlung.
Zur Vorbereitung auf den im Juni geplanten Ausflug nach Seddin hielt
Dr. A. Kiekebusch einen kurzen Vortrag über das Königsgrab bei Seddin,
in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder ausführliche Angaben über die
Örtlichkeit, über die Grössenverhältnisse des Grabhügels und der Grabkammer,
über die dort gemachten Funde und über die mit dem Hügel verknüpften Sagen,
sowie über einige benachbarte Hügelgräber machte.
Schriftsteller Willi Pastor behandelte darauf in einem Lichtbilder-Vortrag
das „Problem der Troj abu rgen“, in dem er die Bedeutung dieser Stein¬
setzungen als Kultstätten des Sonnendienstes nachzuweisen suchte, eine Ansicht,
die bereits Ernst Krause in seinem Werke über die „Trojaburgen Nordeuropas“
(1893) ausgesprochen hat. Der Vortragende ging von dem in der Frühlingszeit
von den Kindern eifrig betriebenen Spiele „Himmel und Hölle“ aus und zeigte,
dass der mit Kreide auf das Strassenpflaster gezeichnete Spiralgang mit den Zahlen
1—12 und den Feldern „Himmel“ und „Hölle“ eine Nachbildung der Labyrinthwege
der Trojaburgen sei. Dieses Kinderspiel weise auf ein früheres Volksfest zurück,
das wiederum seine Entstehung einem uralten Kultgebrauche verdanke.
In Wisby auf der Insel Gotland benutzen die Kinder beim „Trojaspiel“, das
unserem „Himmel-und-Hölle-Spiel“ verwandt ist, die sogenannte „Trojaburg“,
ein eigenartiges Gebilde aus Findlingsblöcken mit labyrinthisch verschlungenen
Gängen, die von den Spielenden durchlaufen werden, mit dem Zweck, als Erster
den Ausgang wieder zu erreichen. Diese Steinsetzung ist uralt, wie die in den
Erdboden halb eingesunkenen erratischen Blöcke erkennen lassen, ausserdem deuten
verschiedene Sagen von der Entstehung der Trojaburg auf ihr hohes Alter hin.
Von Kindern ist die Steinsetzung nicht erbaut worden, dagegen spricht die Grösse
einzelner Blöcke, vielmehr ist sie von Erwachsenen angelegt, und zwar, wie aus
älteren Darstellungen hervorzugehen scheint, zur Veranstaltung von Volks¬
festen. In Gotland selbst hat sich hiervon nichts erhalten, nur das „Trojarennen*
der Kinder ist als Nachklang eines früheren Volksfestes zu betrachten, aber aus
der Darstellung einer Trojaburg in einer Klosterhandschrift des 12. Jahrhunderts,
aus labyrinthischen Zeichnungen auf kretischen Münzen des 4. vorchristlichen Jahr-
hunderts und aus der figurenreichen Darstellung des Tonkruges von Traglia-
tella, der dem etruskischen Kulturkreise des 7. Jahrhunderts vor Christi Geburt
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III. Aus Museen und Vereinen.
307
angehört, ersieht man, dass die »Trojaburgen“ im Mittelalter und bereits im Alter¬
tum bekannt waren und zur Veranstaltung von Volksfesten oder Festspielen benutzt
wurden. Für die letzte Annahme ist die Darstellung auf dem Kruge von Traglia-
tella von Bedeutung: sie zeigt den aufrechtstehenden Grundriss einer Trojaburg,
ähnlich der noch erhaltenen Steinsetzung in Wisby, und vor dem Ausgange zwei
Berittene, die soeben die labyrinthisch verschlungenen Gänge verlassen haben,
während vor den Reitern eine Gestalt mit einer Keule und vor dieser sieben Jüng¬
linge im Tanzschritt einherschreiten, die mit Speeren und einem Schilde, auf dem
der Sonneneber dargestellt ist, bewaffnet sind. Der erwähnte Grundriss ist durch
das in runenähnlicher, rückläufiger Schrift eingeritzte Wort „Truia" als Trojaburg
gekennzeichnet. Man hat es hier mit einer Darstellung zu tun aus einer Zeit, als
die Trojaburgen noch Festspielplätze für Erwachsene waren.
Der Reigen, der auf dem genannten Kruge dargestellt ist, dürfte das gleiche
sein, was spätere Zeiten mit dem Namen „ludus Trojae“ bezeichnen, und da bei
diesen Spielen, wie Vergil berichtet, Figuren geritten wurden, die den Linien des
kretischen Labyrinths entsprachen, so haben sie, wie die Darstellungen auf kretischen
Münzen zeigen, in Beziehung zur Trojaburg gestanden. Welchen Charakter diese
Festspiele trugen, lässt sich aus anderen Darstellungen des Tragliatella-Kruges er¬
sehen, wo die Beischrift einer weiblichen Figur „mi Velena“, „ich bin Helena“
zeigt, dass der Inhalt des Spiels der Helena- bezw. der Trojasage entnommen
worden ist, und da diese Sage als Erzählung von den Schicksalen der entführten,
gefangenen und schliesslich wieder befreiten Sonnenfrau gedeutet wird, so
haben die Trojaspiele sicherlich in Beziehung zum Sonnenkult gestanden. Wie die
weibliche Gestalt auf dem TragliateHa-Kruge die jungfräuliche Sonne bezeichnet, so
ist die erwähnte keulentragende Gestalt als Vertreter des Wintergottes anzusprechen,
man hat es also in der Darstellung mit dem Kampfe des Winters gegen die Sonne
und mit dem Siege des wiedererwachenden Frühlings zu tun. Denselben Gedanken
sollten auch die Trojaspiele zum Ausdruck bringen, und wenn man erwägt,
dass in älteren Berichten mitgeteilt wird, durch die Volksfeste bei den Trojaburgen
und ähnlichen Steinsetzungen sei in England und in der Mark Brandenburg das
Wiedererwachen der Frühlingssonne gefeiert worden, wenn man daran denkt, dass
das „Himmel-und-Hölle-Spiel“ unserer Kinder im Mai und Juni, in den Tagen des
beginnenden Frühlings, der wiedererwachten Sonne ausgeübt wird, so dürfte es
keinem Zweifel unterliegen, dass die Trojaspiele und mit ihnen in noch höherem
Grade die Trojaburgen in Beziehung zum Sonnenkult gestanden haben.
Es fragt sich nun, aus welchen religiösen Bräuchen heraus die Trojaspiele
entstanden sind, und wie man dazu kam, diesen Festen solche merkwürdig ver¬
schlungenen Gebilde, wie es die Trojaburgen sind, zugrunde zu legen. Für die
Beantwortung dieser Frage ist von grosser Wichtigkeit ein Volksglaube, der sich,
wie Willi Pastor erwähnte, mit einer erstaunlichen Zähigkeit noch heute hier
und da in Schweden erhalten hat, der Glaube, dass man mit den Troja¬
burgen „Wetter machen“ könne. Das Landvolk glaubt, dass man einen
Sturm herauf- oder herabbeschwören, dass man die Sonne erscheinen oder ver¬
schwinden lassen kann, je nachdem man die Gänge der Trojaburg nach der einen
oder nach der anderen Richtung hin durchläuft, und diese Anschauung deckt sich
gewissermassen mit dem, was einige antike Autoren von alten heiligen Reigen be¬
richten, nämlich, dass die Teilnehmer die Dinge bezauberten oder entzauberten,
je nachdem ihr Reigen dem rechts oder links stehenden Anführer folgte. Liegt
dieser letzten Anschauung eine altgermanische Kultvorschrift, die der Rechts¬
umwandlung aller Heiligtümer, die dreimal mit der Sonne umgangen werden
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308
III. Aus Museen und Vereinen.
mussten, zugrunde, so tritt uns in der Benutzung der Trojaburgen zum Beschwören
oder Bezaubern der Sonne die Weltanschauung der noch auf schamanistischer
Stufe stehenden Völker entgegen, der Gedanke, dass man die Dinge durch
ihr Ebenbild bezaubern könne, ein Gedanke, der noch heute im Zauber¬
glauben der Naturvölker, im Votiv- und Amulettaberglauben einen Ausdruck findet.
Im Labyrinth der Trojaburgen hat man versucht, die Sonnenlaufbahn nachzu¬
bilden, und glaubte, mit diesen Gebilden über die Sonne selbst
Macht zu gewinnen.
Das kunstvoll verschlungene Gebilde einer Trojaburg, wie man sie z. B. bei
Wisby findet, kann aber nicht die älteste Gestalt dieser Stätten eines ganz ursprüng¬
lichen Sonnendienstes gewesen sein, und in der Tat finden sich einfachere Gebilde,
so eine Trojaburg auf der Insel Wier im hohen Norden, bei der konzentrische
Kreise mit wechselnden Ausgängen einen Gang umschliessen, der zu einer ganz
einfach spiraligen Anlage führt! Einfache Spiralen oder ein System konzen¬
trischer Kreise sind es auch, die uns auf alten Darstellungen der Trojaburgen, auf
den englischen Bildsteinen, auf den Schwellensteinen der nordischen Ganggräber
und in den Figuren des „Himmel- und Hölle-Spiels“ entgegentreten, und sie sind
nach Pastors Ansicht auch die ursprünglichste Form der Trojaburgen gewesen.
Und diese Form weist zugleich auf das Urs prungsland der Trojaburgen, auf den
skandinavischen Norden hin. Hier bietet die Sonnenlaufbahn tatsächlich
das Bild einer sich verjüngenden Spirale oder enger werdender konzentrischer
Kreise dar, und diese Sonnenlaufbahn, die immer wieder beobachtet wurde, hat
ein noch schamanistisch geschulter Geist in den Steinsetzungen der Trojaburgen
nachzubilden versucht. Vom Norden aus haben sich die Trojaburgen über ganz
Europa ausgebreitet, ihr Verbreitungsgebiet reicht vom nördlichen Eismeer bis in
das Mittelmeergebiet und von Island bis tief nach Russland hinein. Bei all diesen
Trojaburgen ist die Spirallaufbahn der Sonne als Grundgedanke der An¬
lage benutzt worden, und wenn sie auch, wie bei der Trojaburg in Wisby, bis
zur Unkenntlichkeit entstellt scheint, so liegt dies an dem Standpunkt des Beobach¬
ters, denn in Südschweden und weiterhin nach Süden ist die Spirallaufbahn der
hochnordischen Sonne immer weniger erkennbar. Die schräg gegen die Erde stehende
Sonne beschreibt hier Halbbogen von Osten über Süden nach Westen, die sich
gegen die Sonnenwende des Sommers zu verjüngen, gegen die des Winters erweitern f
und diese verschiedenen Halbbogen finden sich in den genau orientierten Gängen
der Trojaburg von Wisby, wie Willi Pastor durch mehrfache Beobachtungen fest¬
gestellt hat, wiedergegeben.
Dass die Spiralen allein oder in Verbindung mit konzentrischen Kreisen
das heilige Sonnenzeichen des Nordens waren, ist aus verschiedenen Dar¬
stellungen auf vorgeschichtlichen Kultdenkmälern ersichtlich, so aus den Zeichnungen
auf der Scheibe des Sonnenwagens von Trundholm auf Seeland, der aus der älteren
Bronzezeit stammt, so aus den Spiralfiguren über der Eingangspforte und auf den
Schwellensteinen irischer und skandinavischer Ganggräber und aus den mannigfach
verschlungenen Spiralornamenten auf Gegenständen aus der jüngeren Bronzezeit.
Diese Zeichnungen und flächenhaften Darstellungen der Sonnenscheibe und
ihrer spiraligen Laufbahn gehören sämtlich jüngeren Kulturperioden an, in älteren
Zeiten versuchte man die Sonnenlaufbahn plastisch nachzubilden, und als Er¬
gebnis dieser Kultur- und Kunstrichtung sind die sogenannten „Wallburgen“
anzusehen, die als Hügel von beträchtlicher Höhe entweder von einem zur Spitze
aufsteigenden spiraligen Gange umgeben oder in kreisförmigen Terrassen abgestuft
sind. Diese Hügel haben nicht, wie vielfach angenommen worden ist, zu Vertei-
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IV. Bücherbesprechungen.
309
digungszwecken gedient, sondern waren Kultstätten, und zwar Stätten des
Sonnenkults, der von jeher die germanische Weltanschauung beherrscht hat.
Man sollte die Hügel deshalb, wie Pastor vorschlägt, mit dem Namen „Wal¬
burgen“ bezeichnen, um im Anklingen an verwandte Worte, wie Walhall, Walküre,
Walstatt, auf ihre einstige Bestimmung als Kultstätten hinzuweisen. In einigen
Gegenden hat sich der Name „Walburg“, „Walsburg“ oder „der Wal“ tatsächlich
erhalten, und der frühere Brauch, um die Osterzeit nach diesen Hügeln „walpern“
zu gehen und auf der Höhe das Osterfeuer anzuzünden, deutet auf die ursprüng¬
liche Bestimmung der „Walburgen“ als Stätten des Sonnenkults hin. Dass
auf diesen Hügeln auch Steinaltäre errichtet waren, zeigt eine den Walburgen ähn¬
liche Terrassenanlage in Frankreich im Departement de l'Aveyron, auf deren Höhe
sich eine Dolmenanlage erhebt, und Pastor ist der Ansicht, dass nur ein Teil der
Dolmen als Gräber anzusehen ist, und dass andere, die frei zutage liegen und
von vierfachen Steinkreisen umgeben sind wie in Schweden, ebenso zahlreiche
Menhirs und Cromlechs als Altäre und Heiligtümer anzusprechen sind, und zwar
als Kultstätten des Sonnendienstes, wie Stonehenge und ähnliche Steinsetzungen,
die in das Kultgebiet der Trojaburgen einzureihen sind.
An den Vortrag schloss sich eine längere Besprechung, in der die Ansichten
Pastors von verschiedenen Seiten in einzelnen Punkten angefochten wurden,
ausserdem kamen einige Beispiele von Steinsetzungen, die den Trojaburgen ver¬
wandt sein dürften, zur Erwähnung. So wies Geheimrat Mühlke auf eine mittel¬
alterliche Steinsetzung in der Nähe von Ton dem, die „Treu bürg“ genannt,
hin, Rektor Monke auf den Wunderkreis oder Irrgarten auf dem Haus¬
berge bei Eberswalde, der noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts als 800
Schritt lange Laufbahn vorhanden war, auf den „J ecketanz“ bei Ahrensfelde
(Kr. Lebus) und auf „Behrend Kirchhof“ in der Schorfheide bei Joachims¬
tal, Redakteur Scheuermann auf Hügelwälle im Eisass, die den Trojaburgen
gleichen und auf denen noch heute Sonnenwendfeuer angezündet werden, und
Direktor Feyerabend auf Schalensteine mit Näpfchen und konzentrischen Kreisen
in der Nähe von Grabsteinen in der sächsischen Oberlausitz. An der Diskussion
beteiligten sich ferner Privatdozent Dr. Hahne, Dr. A. Kiekebusch und Prof.
Dr. Kossinna. Dr. G. Alb recht.
IV. Bücher - Besprechungen.
Robert Forrer, Reallexikon der prähistorischen, klassischen und frühchristlichen
Altertümer. — Mit 3000 Abbildungen. Verlag von W. Spemann in Berlin und
Stuttgart. — Gr. 8°. VIII u. 943 S. — Preis gebd. 28 Mk.
Robert Forrer, Urgeschichte des Europäers von der Menschwerdung bis zum An¬
bruche der Geschichte. — Mit mehr als 1500 Abbildungen. Stuttgart, Verlag von
W. Spemann. (Spemanns Compendien 2). — Kl. 8°. VIII u. 584 S. — Preis
gebd. 6 Mk.
Die beiden Nachschlagewerke für vorgeschichtliche Archäologie, die zu Weih¬
nachten 1907 fast gleichzeitig erschienen, bekunden schon im Titel verschiedene Ziele.
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310
IV. Bücherbesprechungen.
Julie Schlemm will in ihrem „Wörterbuch zur Vorgeschichte“ (Berlin 1908) ein
„Hilfsmittel beim Studium vorgeschichtlicher Altertümer von der paläolithischen Zeit
bis zum Anfänge der provinzialrömischen Kultur“ schaffen, indem sie vornehmlich
die in der Literatur auftauchenden Benennungen der Fundtypen sehr fleissig zu¬
sammenträgt, ohne aber kritisch zu sichten, und oft unter Ausserachtlassung gerade
des Wesentlichen.
Ganz anders Robert Forrers Reallexikon! Von den drei darin vereinigten
Stoffgebieten kommen hier nur die prähistorischen Altertümer in Frage; doch wird
manchem Forscher in diesem Fache die Mitgabe der klassischen und frühchristlichen
Artikel willkommen sein, gerade wenn er diesen Zweigen ferner steht.
Forrer geht neben der Berücksichtigung häufiger genannter Fundplätze, die
kurz durch Wort und Bild erläutert werden (z. B. Oberflacht, Rondsen), mehr darauf
aus, sich dem stofflich Wesentlichen zuzuwenden, und behandelt so die Gerätgruppen
(z. B. Äxte, Schwerter), die Zeitstufen, und eine Reihe von Realien, die in der
Fachliteratur meist nur eine untergeordnete Rolle spielen und selten ausführlicher
bearbeitet werden. Hierhin gehören die Abschnitte über Arbeitsstoffe der Vorzeit,
Flora, Fauna, zum Nahrungswesen, zur Kleidung, Bauten, Handel und Verkehr u. a.,
Abschnitte, bei denen oft die Verbindung mit der klassischen Archäologie fruchtbar
wird. Man wird sie besonders freudig begrüssen, mag auch manchmal eine lücken¬
hafte Materialsammlung und die Spärlichkeit der Literaturangaben gerade hier un¬
angenehm empfunden werden. Aber Forrer erfrischt durch die Eigenschaft, aus
eigner Anschauung darzustellen, und durch selbständige Verarbeitung des vorhandenen
Materials, die oft neue Gesichtspunkte einträgt.
Es liegt in der Natur eines Forschers, der nicht bloss aufspeichert, sondern
auch verarbeitet, über die Gruppierung des Einzelmaterials hinaus zur zusammen¬
fassenden Darstellung zu gelangen. So Hess Forrer seinem Reallexikon alsbald die
„Urgeschichte des Europäers“ folgen, die er selbst im Vorwort als Zusammenfassung
aus dem Reallexikon charakterisiert. Allerdings verdiente sie mehr den Namen
einer Kulturgeschichte, denn die Entwicklung der Kultur tritt in besonders reichem
Masse hervor. Mehr als 1500 Abbildungen die zumeist den 3000 des Reallexikons
entnommen sind, erläutern den Text und machen dieses wie jenes Werk schon
allein recht wertvoll, da sie oft neue noch nicht bekannte Gegenstände wiedergeben ! ).
Eine auf streng methodischer Grundlage ruhende Chronologie und auf dieser
wiederum aufgebaute Ethnographie liegt ihm ferner, und doch werden auch nur
auf diesem Wege die höchsten Ziele einer Kulturgeschichte erreicht werden, die die
Entstehung und Wanderung kultureller Errungenschaften und die stammestümliche
Eigenart der Kultur zur Aufgabe hat.
Das Werk entgeht auch dem Umstande nicht, der Vorzug wie Nachteil aller
bisher erschienenen Gesamtdarstellungen wie der von Hoernes 2 ), Dechelette 3 ) ist,
und den auch Sophus Müllers Urgeschichte Europas unter einer Gruppierung des
Stoffes nach grossen Kulturgebieten nur äusserlich verdeckt: nämlich dass sie immer
nur ein engeres Gebiet genauer beherrschen, das ihren Kern bildet.
Eine auf gleichmässiger systematischer Grundlage zu schreibende Übersicht
über Europa ist auch für einen heute kaum mehr möglich, es sei denn, dass ihm
*) Als recht störend empfindet man in beiden Werken, dass die auf Text¬
seiten aus den Abbildungen zusammengestellten Tafeln nach eigner Numerierung
(die überhaupt überflüssig ist) zitiert werden anstatt nach den Seitenzahlen, wo¬
durch gewöhnlich ein mehrfaches Hin- und Herblättern erforderlich wird.
*) Urgeschichte des Menschen 1892; Urgeschichte der Menschheit. 3. Aufl. 1905
(Slg. Göschen Nr. 42).
a ) Manuel d’Archeologie prehistorique celtique et Gallo-romaine. I. Paris 1908.
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IV. Bücherbesprechungen.
311
für die einzelnen Länder gründliche Vorarbeiten zu Gebote stehen. Wohl wäre eine
solche Darstellung besonders für Mitteleuropa sehr erwünscht. Ein Hand in Hand
Arbeiten mehrerer an einer solchen Aufgabe ist weit weniger denkbar, als an einem
Nachschlagebuch. Dafür möchte man es aber empfehlen, wenn man auch Forrers
Bedenken teilt (S. VIII), ist erst einmal ein Grundplan gegeben. Man wünschte
sich für die Gegenwart ein Werk, dass nach Forrerschen Gesichtspunkten mit einer
Materialsammlung nach Schlemmscher Art arbeitet, mag es immerhin umfangreicher
werden.
Die Zukunft aber wird einmal ein Sachwörterbuch der Altertumskunde er¬
heischen, das die Realien der Bodenfunde verbindet mit den auf sprachwissenschaft¬
lichem Wege gewonnenen. Noch stehen wir hier in den allerersten Anfängen.
Auf germanistischer Grundlage begann Moriz Heyne mit den 5 Büchern deutscher
Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert.
Hoops’ »Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertume“ bilden ein
anderes Beispiel. Unter Heranziehung volkskundlicher Forschung gelangt Rudolf
Meringer in seinen Arbeiten über „Wörter und Sachen“ in den Indogermanischen
Forschungen Bd. XVI—XXI und als Fortsetzung davon in der kulturhistorischen
Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung „Wörter und Sachen“ zu wertvollen Er¬
gebnissen. Leider scheint diese vielversprechende neue Forschung, die gerade für die
indogermanische Altertumskunde unentbehrliche Fühlung mit der vorgeschichtlichen
Archäologie noch nicht gewonnen zu haben. Und doch gehört auch diese Ver¬
bindung zur ganzen Erfassung des Zieles. In dieser Richtung ist auch das Real¬
lexikon späterer Zeit zu erwarten; wie es andererseits einmal kein Sprach Wörterbuch
geben wird, das ohne Abbildungen zu denken wäre, es genüge denn allereinfachsten
Übersetzungszwecken.
Posen. Erich Blume.
Emil Hollack, Vorgeschichtliche Übersichtskarte von Ostpreussen. — Erläuterungen
zur vorgeschichtlichen Übersichtskarte. Glogau-Berlin, Carl Flemming. 1908.
Gleichzeitig mit den badischen und thüringischen Inventarwerken erscheint
ein in Anlage und Ziel verwandtes von Ostpreussen, ein höchst wertvoller Gewinn
für die prähistorische Forschung, der es das gewaltige, in seiner Art ja ganz einzige
ostpreussische Material übersichtlich und zum Teil überhaupt erst zugänglich macht.
Die Aufgabe ist in die Hände eines Forschers gelegt, dessen Arbeitsfeld im wesent¬
lichen die Durcharbeitung des Landes, besonders in unerschlossenen Strichen, nach
seinen vorgeschichtlichen Bodenschätzen gewesen ist; er kann uns daher vieles
Neue und Selbstgewonnene bieten, und es ist begreiflich, wenn dieses subjektive
Element in dem Werke stark hervortritt; allerdings nicht immer zu seinem Vorteil.
So befremdet es zunächst gleich an der Karte, dass Verfasser sich seine
eigene ziemlich krause Terminologie gesucht hat, während man sich in Archäologen¬
kreisen doch längst an die Zeichen und Farben der Stockholmer Verständigung ge¬
wöhnt hat und diese in den anderen Inventarwerken zu gründe gelegt sind und
sich bewährt haben. Im übrigen ist die Karte (1:300000) einfach gehalten,
aber übersichtlich und praktisch leicht verwendbar (zur Nachahmung zu empfehlen
z. B. die Einteilung in Übersichtsvierecke), mehr als die ja sehr viel genauere,
aber dadurch unhandliche Thüringer. Wir vermissen die Angaben der Höhenzüge
oder Höhenschichten, deren Bedeutung für Besiedelungsdaten auf der west-
preussischen und mecklenburgischen so deutlich hervortritt. Die Kreise sind ab-
gegrenzt, doch fehlen leider die in dem Buche viel angewandten Landschaftsnamen
(Masuren usw.), deren Kenntnis Verfasser doch nicht allgemein voraussetzen darf,
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312
IV. Bücherbesprechungen.
zumal sie durchaus nicht gleichmässig gebraucht werden. Auch im Text war eine
kurze Charakteristik der landschaftlichen Verhältnisse und der siedelungsgeschicht-
liehen Bedingungen geboten. — Wenn das gesamte Material auf einer Karte ver¬
einigt ist, so ist dagegen hier nichts zu sagen (im allgemeinen würde Referent
eine Scheidung nach Perioden oder, wenn man eine grosse Karte haben will, Über¬
sichtskarten für die einzelnen Perioden in der Art von Lissauers westpreussischer
Karte vorziehen), da die grosse Masse der ostpreussischen Funde in eine Periode
(Hollacks „weitere Eisenzeit“) fällt. Auch ist durchaus zu billigen, wenn die Einzel¬
funde im allgemeinen auf der Karte nicht aufgenommen sind (im Text wären sie
willkommen gewesen).
Das Werk beginnt mit einer „Einführung in das Studium der Karte“, in der
eine Übersicht über den Gang der Vorgeschichte gegeben und das chronologische
Schema begründet wird, das der Terminologie der Karte zu gründe liegt. Der
Verfasser hat sich damit auf ein Gebiet begeben, das ihm sichtlich nicht liegt,
und die (auch stilistisch nicht einwandfreie) Darstellung besteht im wesentlichen aus
einem Referat der bisherigen Formulierungen, besonders Tischlers, Kemkes, Bezzen-
bergers und einer — wenig glücklichen — Kombination derselben ohne eigenen
Standpunkt. Völlig wehrlos steht H. besonders der Chronologie gegenüber, trotz
des naiven Versuchs, sich durch Synchronismen weiterzubringen (Steinzeit = Salomos
Tempelbau, 21. Dynastie usw.; ältere Bronzezeit = Lykurg, erste Olympiade; jüngere
Bronzezeit = attischer Seebund, Censoren in Rom usw.). Welche Jahrhunderte
z. B. eigentlich der älteren Bronzezeit zugeschrieben werden, wird aus der Darstellung
S. XXXVI kein Mensch entnehmen können, da Verfasser sich einverstanden erklärt
sowohl mit Bezzenberger, der die untere Grenze um 800, als mit Tischler, der einmal
— in unglücklicher Stunde — die Rantauer Funde um das 8. bis 7. Jahrh. vor Chr.
angesetzt hatte, Funde einer Stufe, die doch noch in den früheren Abschnitt
(Montelius III) der in Ostpreussen „ältere Bronzezeit“ genannten Periode fallen
und die ganze Entwicklungsreihe Montelius IV/V noch vor sich haben müssen. —
Die Gruppierung der Funde geschieht nach dem Schema: Steinzeit (ohne weitere
Gliederung); ältere Bronzezeit, unter welchem Namen man in Ostpreussen (Kemke,
Prussia-Katalog 1) die Perioden M. I—V zusammenzufassen pflegt; jüngere Bronze¬
zeit (== M . VI, jüngste Hallstatt, älteste Latöne-Stufen); erste Eisenzeit (jüngere
Latöne-Stufen), weitere Eisenzeit. Die einzelnen Abschnitte werden nach Grabformen,
Verbreitung, Gerättypen charakterisiert, etwas ungleichmässig (bei der ersten Eisen¬
zeit fehlt die Typenbeschreibung überhaupt!), aber sonst korrekt. Schmerzlich ver¬
misst man nur eine Abbildung der Typen, wie sie doch alle verwandten Inventar¬
werke gegeben haben und wie sie hier bei der ganz singulären und überreichen
Erscheinungswelt der ostpreussischen Eisenzeit dem Fernerstehenden unentbehrlich
ist. Zum Teil kann der klare und übersichtliche Prussia-Katalog aushelfen; doch
steht ja die Neubearbeituug des zweiten Teiles noch aus. — Das Schwergewicht
liegt natürlich auf dem Abschnitte über die „weitere Eisenzeit“, deren ungeheures
Material nach der Art der Gräberfelder, den Tischler -Bezzenbergerschen Typen¬
gruppen B—H nebst den dabei hervortretenden „Kulturkreisen“ (was H. dar¬
unter versteht, ist mir nicht ganz klar geworden) und der Verteilung über das
Land gesichtet wird. Nach dem Auftreten eines Typs der Gruppen B usw. ist dann
im Text und auf der Karte das Grabfeld den betreffenden Gruppen zugeschrieben;
das führt mehrfach irre, wenn vereinzelte an dem Orte gefundene Stücke als
gleichberechtigt mit der Masse der Fundstücke behandelt werden und so aus der
Beschreibung nicht hervorgeht, welchem Abschnitte das Feld im wesentlichen an¬
gehört. — Unentbehrlich für das Verständnis solcher Inventare ist auch eine Über-
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IV. Bücherbesprechungen.
313
sicht über den archäologischen Betrieb der betreffenden Landschaft. Jeder Forscher
weiss, dass es durchaus nicht gleichgiltig ist, von wem ein Denkmal untersucht
ist, und dass die grössere oder geringere Menge von Fundstellen in einer Gegend
zum grossen Teile davon abhängt, ob sich ein geschickter Erforscher gefunden hat
oder nicht, ln dem vorliegenden Werke fehlt selbst bei der Einzelbeschreibung
meist der Name des Untersuchers, das Jahr der Bergung usw., sodass nicht immer
ersichtlich ist, ob es sich um Zufallsfunde oder systematische Ausgrabung handelt,
ob die Stelle erschöpft ist, das sichtliche Denkmal noch besteht usw.
Den Hauptteil nimmt das „Verzeichnis und nähere Charakteristik der vor¬
geschichtlichen Gräber und sonstigen Plätze“ ein. In ihm liegt die eigentliche Arbeit
und der Wert des Werkes. Die Ordnung ist alphabetisch, eine systematische Über¬
sicht ist am Schluss gegeben. Die Anordnung ist klar, reiche Literaturnachweise
vorhanden. Referent hat Gelegenheit gehabt, das Verzeichnis bei einem Studium
der Sammlung zu benutzen, und es praktisch und zuverlässig gefunden. Hier er¬
füllt das Werk seinen Zweck voll, und wir schulden dem Verfasser rückhaltlosen
Dank für die entsagungsvolle Arbeit, deren Umfang nur der zu schätzen pflegt,
der selbst in ähnlicher Weise tätig gewesen ist.
Schwerin. R. Beltz.
Karl Schirmeisen, Die arischen Göttergestalten. Allgemein verständliche Unter¬
suchungen über ihre Abstammung und Entstehungszeit. — Brünn, K. Winiker.
1909. — 336 S.
Seiner vor fünf Jahren erschienenen mythologisch - prähistorischen Studie
über „die Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“ (Brünn 1904) hat
K. Schirmeisen nun ein nicht minder originelles Werk folgen lassen. Seine ein¬
gehenden Untersuchungen über die arischen Göttergestalten gründen sich wohl auf
den Inhalt des Rigveda und Awesta; in der Deutung der vedisch-awestischen Texte
folgt jedoch der Autor keineswegs den bereits von Anderen ausgetretenen Pfaden,
sondern schlägt vielfach neue Wege ein, ohne sich jedoch zu verhehlen, dass ein¬
zelne derselben später möglicherweise als Irrwege erkannt werden könnten. In der
gehaltvollen Einleitung (dem ersten der acht Abschnitte, in die das Werk geteilt
ist) bespricht Schirmeisen zunächst das „Endziel ,der mythologischen Forschung“.
Er fasst die Göttergestalten als „ein Produkt zahlreicher Faktoren, einen Nieder¬
schlag der verschiedensten Erkenntnisse und Erfahrungen der Völker“ auf und sieht
in der Mythologie neben der vorgeschichtlichen Forschung und der Ethnologie „das
beste Hilfsmittel zur Erschliessung der menschlichen Urgeschichte“. Schon in der
oben zitierten Schrift über die „Entstehungszeit der germanischen Göttergestalten“
hat der Autor dargelegt, dass jede einzelne Gottheit „das getreue Spiegelbild der
materiellen, geistigen und sittlichen Kultur des Volkes ist, von dem sie geschaffen
wurde“ und dass sich in jeder Göttergestalt .,die natürliche Beschaffenheit ihres
Entstehungsgebietes wiederspiegeln“ müsse. Diesen gewiss ganz einwandfreien
Standpunkt nimmt der Verfasser nun auch bei seinen neuen Untersuchungen ein
und sucht aus den Attributen, den Fähigkeiten und Gewohnheiten, die in den
Mythen den einzelnen Göttern zugeschrieben werden, einen Schluss auf die Ent¬
stehungszeit der letzteren zu ziehen, indem er an dem Gedanken festhält, dass die
Ausgestaltung der Gottesidee schon mit den ersten Anfängen der menschlichen
Geistesentwicklung begonnen hat und dass jede wesentliche Veränderung in den
Kulturzuständen die Tendenz erkennen lässt, eine neue Gottheit zur Herrschaft zu
bringen. Auch die Entstehung neuer Berufsstände führte zur Entstehung
Mannus. Bd. I. H. 3 4. 21
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IV. Bücherbesprechungen.
neuer Göttergestalten, wie denn auch der Einfluss von Völkerwanderungen und
Rassenmischungen auf die Entstehung neuer Götter nicht gering zu achten ist.
So kommt der Autor zu dem Schlüsse, dass die Gottheit der paläolithischen
Menschen eine noch nicht geschlechtlich differenzierte Feuergottheit,
die älteste Religion demgemäss ein absoluter Monotheismus gewesen sein
muss. In der mesolithischen Zeit trat eine Wassergottheit auf, neben der auch
Sonne und Mond — „wahrscheinlich als die Sprösslinge der alten Feuergottheit“
— verehrt wurden. In den nördlicheren Gebieten erscheint die Sonne als weibliche
der Mond als männliche Gottheit; die Mondgottheit stellt der Autor als Haupt¬
gottheit des Mesolithikums hin. In der neolithischen Zeit spielen bereits zwei
Hauptgottheiten — eine ältere südlichen und eine jüngere nördlichen Ursprungs —
eine Rolle. Neben dem „Vater Himmel“ und der „Mutter Erde“ erscheint nach
und nach eine „bäuerliche Gewittergottheit“, in den nördlicheren Gebieten wahr¬
scheinlich auch eine „Göttin der Morgen- und Frühlingsröte“. In das Neolithikum
fällt auch die erste Zusammenstellung von Gottheiten zu einer „Jahreszeitendreiheit“
sowie eine gewisse Kenntnis des Sternenhimmels. In der älteren Metallzeit (dem
„Dolchzeitalter“) treten insbesondere die Frühlingsgottheiten hervor, während
die kulturell so wichtige jüngere Metallzeit (das „Schwertzeitalter“) die Entstehung
neuer Göttergestalten, beziehungsweise die Umgestaltung der älteren Gottheiten im
wesentlichen zum Abschluss bringt. Ein wichtiges Kapitel, das an die schwierigsten
Probleme der Urgeschichtsforschung rührt, behandelt die „Einflüsse der Rasse¬
mischungen und Völkerwanderungen“, ein weiterer, sehr interessanter Abschnitt die
„Entstehung des Zodiakus“.
Der zweite Hauptabschnitt behandelt „die alten Feuergottheiten“; die Titel
der übrigen Hauptabschnitte lauten: „Der lichte, strahlende Himmelsgott und seine
abgeleiteten Formen“. — „Die Planetengottheiten“. — „Die Gewittergottheiten“. —
„Die Helfer der Gewittergottheiten“. — „Frühlingsgöttinnen“. — „Die Gottheiten
der dritten Jahreszeit und ihr Gefolge“.
Auf weitere Einzelheiten kann bei dem überreichen Inhalte des Werkes an
dieser Stelle nicht eingegangen werden. Nur an einem Beispiele möge die Art
und Weise, wie der Autor aus der von ihm eingehend studierten vedisch-awestischen
Literatur seine Schlüsse zieht, mit wenigen Worten dargelegt werden: Die Wirk¬
samkeit Vrtras und die Flucht Agnis werden mit der Eiszeit identifiziert.
Indras Sieg über Vrtra repräsentiert die Nacheiszeit. Der winterliche Charakter
Varunas deutet auf eine vorneolithische Entstehung; er ist offenbar eine
Weiterentwicklung des eiszeitlichen Feuergottes Tvashtr. Da der Schleuderstein
fast die einzige Waffe Indras ist, so fällt die Entstehung dieses mit Thor-Donar
identischen Gottes in das Neolithikum. Ähnlich fällt die Entstehungszeit Mithras
(= Merkur) in die ältere Metallzeit, da unter den Waffen dieses Frühlingsgottes
das Schwert fehlt. Das Endergebnis aller dieser Untersuchungen ist, dass im
vedischen Olymp die Mythologien dreier Völkergruppen vereinigt sind; es waren
dies wahrscheinlich Germanen, nördliche Mischvölker und Iranier.
Brünn. Prof. A. Rzehak.
Albert Kiekebusch, Der Einfluss der römischen Kultur auf die germanische im
Spiegel der Hügelgräber des Niederrheins nebst einem Anhang: Die absolute
Chronologie der Augenfibel. Inaug.-Dissert. Berlin 1908. (Auch u. d. T.: Studien
und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde. III. Stuttgart, Strecker & Schröder.
3,- M.).
Die erste Doktordissertation an der Berliner Philosophischen Fakultät über
ein Thema der vorgeschichtlichen Archäologie müsste in dieser Zeitschrift erwähnt
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IV. Bücherbesprechungen.
315
werden, auch wenn ihr Inhalt weniger bedeutsam wäre, als derjenige der oben
genannten Abhandlung. Herr Kiekebusch hat zum Erweise seiner erfolgreichen
Studien ein Thema grossen Umfangs und historischer Wichtigkeit gewählt, das
Thema vom Einfluss der römischen Kultur auf die Germanen mit der Einschränkung
auf die Germanen am Niederrhein. Es ist selbstverständlich, dass der von dem
hohen Werte seiner Wissenschaft und seines Studiums erfüllte Archäologe dieses
Thema nur auf dem Wege der Archäologie behandelt, und dass er zunächst es be¬
gründet, warum nur das Studium des Bodenmaterials, und zwar nach den neueren
Fortschritten in Typologie und Chronologie, in der Ausgrabungstechnik und in der
Sorgfalt der Beobachtung, imstande ist, die Aufgabe zu bewältigen.
Schon in diesem einleitenden Teile ahnen wir etwas von den Hindernissen
einer solchen Untersuchung gerade im Gebiete des Niederrheins, wenn wir hören,
dass bei Ausgrabungen der früheren Jahrzehnte die „barbarischen“ Altertümer acht¬
los oder verächtlich beiseite geworfen worden sind (S. 3).
Mit Recht wird in weiteren vorbereitenden Abschnitten auf die frühere Über¬
schätzung des römischen Kultureinflusses bei gänzlicher Unterschätzung der boden¬
ständigen germanischen Kultur und auf die Überwindung des letzteren Vorurteils hin¬
gewiesen; dabei auch manche Fehler früherer archäologischer Ansichten erörtert, die
durch mangelhafte Unterscheidung der verschiedenen Perioden römischer Beein¬
flussung oder auch durch Verwechselung von Handelsbeziehungen mit Beeinflussung
der Lebensart und des Handwerks herbeigeführt wurden. Hierher gehören auch
fehlerhafte Einschätzungen von gutgearbeiteten Geräten (Fibeln, Gefässen), die
man für römisch beeinflusst hielt, während die betreffende Industrie ihre Anregungen
von viel älteren südlichen Einflüssen empfangen hatte. Verfasser stellt die Forderung
auf, dass Einwirkung römischer Waren auf germanische Produktion nur dann be¬
hauptet werden darf, wenn die römischen Vorbilder aufgezeigt werden können,
nach denen gearbeitet worden ist (S. 9). Er scheint zwar diesen trefflichen Grund¬
satz bald darauf zu vergessen (S. 11), wenn er versichert, dass in der späteren
Kaiserzeit die Einwirkung römischer Arbeit auf germanische Technik sich mit Sicher¬
heit beobachten lässt, ohne uns ein einziges Beispiel von Vorbild und Nachbildungen
zu nennen; aber wir bemerken später, dass er die Durchführung seines Themas
auf das dritte und vierte Jahrhundert überhaupt nicht ausgedehnt, also diesen
wichtigen Teil der Untersuchung wohl auf spätere Zeit verschoben hat. Verfasser
beginnt den ersten Hauptteil mit Charakteristik seiner Quellen (Ausgrabungs¬
berichte, Museen), um dann die Chronologie oder besser Einteilung der römischen
Kaiserzeit zu begründen und darauf die provinzialrömische Kultur auf Grund der
Hauptfundstellen (Haltern, Hofheim) und der darauf bezüglichen Literatur zu be¬
schreiben.
Diese beiden Abschnitte, überschrieben „Die Chronologie der römischen Kaiser¬
zeit“ und „Provinzialrömische Kultur“ enthalten m. E. den besten Teil der Abhand¬
lung, eine gut begründete Einteilung der römischen Kaiserzeit in drei Perioden mit
Übergangszeiten und eine treffliche, in Kürze belehrende Beschreibung der römischen
Kulturreste am Rhein während der ersten Periode. —
Hätte K. sein Thema vollständig durchführen („bewältigen“) wollen, so hätte
er in ähnlicher Weise wie die erste auch noch die zweite und die dritte Periode
schildern müssen. Denn wer den Einfluss der römischen auf die germanische Kultur
darstellen will, muss zuerst die römische, dann die germanische, dann die Spuren
und Beweise der Beeinflussung letzterer durch erstere darstellen. In einer Disser¬
tation war dies offenbar nicht möglich; Verfasser hat sich deshalb auf Abschnitte
beschränkt; für die zweite Periode der kaiserzeitlichen Kultur verweist er auf den
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IV. Bücherbesprechungen.
Limes und seine Kastelle; für die dritte Periode unterbleibt auch ein solcher Hin¬
weis. Eine Rechtfertigung dieses abgekürzten Verfahrens liegt ja nahe, aber Ver¬
fasser hätte doch nicht unterlassen sollen, auf die Lücke aufmerksam zu machen.
Der zweite Hauptteil umfasst folgerichtig die germanische Kultur am Nieder¬
rhein und zwar unter der Überschrift „Die niederrheinischen Hügelgräber“. In der
Tat enthalten diese zahlreichen Hügelgräber das Material zur Beurteilung der ger¬
manischen Kultur; und wohl deshalb, weil man nur aus ihrem Inhalt den etwaigen
römischen Einfluss zu erkennen vermag, ist auch das (kurze) Kapitel vom römischen
Einfluss unter diese Überschrift mit aufgenommen. Dieses Kapitel S. 64—66 müssen
wir also als den logisch zu erwartenden dritten Teil der Untersuchung gelten lassen.
Diese Hügelgräber nun sollen am Niederrhein ein ganz besonders schweres
Rätsel aufgeben. Sie sollen nach bisherigen Beurteilungen einer verblassten Hall¬
stattkultur angehören, von dem Einfluss der Latene-Kultur sollen sie keine Spuren
zeigen; germanische Gräber der Latene-Zeit und der Kaiserzeit hat man vergeblich
gesucht; es soll also am Niederrhein eine Lücke geklafft haben, „die fast tausend
Jahre umfasste“ (S. 28).
Der Verfasser löst schliesslich durch eingehendes Studium des Materials und
der Ausgrabungsberichte die Schwierigkeit mit der Erkenntnis, dass der Inhalt
der Hügelgräber Beziehungen sowohl zur Hallstattzeit als auch zur Latene-Zeit und
zur römischen Kaiserzeit aufweist, dass die Gräberfelder also die ganze Zeit von
der Hallstattkultur bis zur Periode der römischen Herrschaft am Rhein ausfüllen,
und dass demnach am Niederrhein jene verblasste Hallstattkultur bis in die Römer¬
zeit fortbestanden hat. Diese Erkenntnis ist gewiss eine verdienstvolle Leistung
und die darauf verwandte Mühe alles Lobes wert. —
Aber eine Verwunderung überkommt uns darüber, wie es möglich gewesen
ist, dass diese Erkenntnis am Niederrhein solange gefehlt hat, dass man so lange
hin- und hergeraten hat, bis man gegen alle Behauptungen misstrauisch geworden
ist. Sollte hierin eine Erklärung oder Entschuldigung für die Erscheinung liegen,
dass die Römerforschung am Rhein sich so lange geringschätzig gegen die deutsche
Vorgeschichtsforschung verhalten hat?
Die Tatsache, dass die Urnengräber und Urnenfriedhöfe seit der späteren
Bronzezeit oder jüngeren Hallstattzeit bis in die Völkerwanderungszeit in der Anlage
und Bestattungsweise einander sehr ähnlich sind, ist bei uns und in ganz Nord¬
deutschland ebenso zu konstatieren, wie am Niederrhein, aber darum sie als „ein¬
heitlich“ zu bezeichnen oder „als ein untrennbares Ganzes zu betrachten“ würde
recht bedenklich sein und das Urteil verwirren. Auch bei uns sind die Beigaben
aus diesen Zeiten meist recht dürftig, aber doch ist eine Unterscheidung möglich
geworden dadurch, dass man die durch Beigaben oder Fundgemeinschaft datierten
Gefässe dazu benutzte, um die gleichartigen Gefässe, wenn sie auch ohne Beigaben
Vorkommen, mit zu datieren. Die Typen sind ja ungemein weit verbreitet. Aus
der S. 36-39 gegebenen Beschreibung der niederrheinischen Grabhügel-Keramik
glaube ich viele alte Bekannte zu erkennen, deren Periode bei uns längst bestimmt
ist, besonders auch viele der Latenezeit angehörige. Man vergleiche z. B. die mit
schönem hallstättischen Schrägrand versehenen Gefässe, die in Latene - Gräbern
Mecklenburgs gefunden sind; die rauh gemachten mit glattem Rand oder auch mit
senkrechten glatten Streifen (also rauhen Feldern), die auf der Wandtafel der Pro¬
vinz Sachsen als Latene-Typen gezeichnet sind; die mit mehrzinkigem Instrument
flechtwerkartig verzierten der Latene- und der Kaiserzeit; die vielen terrinenför¬
migen, wie die bei Koenen vom Urnenfriedhofe der Golzheimer Heide bei Düssel¬
dorf gezeichnete (Taf. XIX, 2), deren so viele bei uns aus Gräbern der Kaiserzeit
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IV. Bücherbesprechungen.
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bekannt sind, — und man wird, wie ich, auf den Gedanken kommen, dass die Ver¬
legenheit wegen der klaffenden Lücke nicht einzutreten brauchte, wenn die Finder
oder Verwalter der rheinischen Urnenschätze ihre Blicke weniger nach Westen und
Süden, als nach Osten und Norden gerichtet hätten, wo ja doch die Verbindungen
der bis zum Rhein vorgedrungenen Germanen liegen mussten.
Ein anderer Grund der eingetretenen Ratlosigkeit scheint mir aber auch in
einer gewissen summarischen Art der Ausgrabungen zu liegen. Wenn nicht jedes
Grab für sich als geschlossener Fund behandelt, sondern die Ausbeute ganzer
Felder durcheinander gebracht ist, kann man natürlich nicht die Zeitfolge in der
Besetzung eines grossen Feldes beobachten und der Inhalt eines zufällig datierten
Grabes kann nicht zur Datierung vieler anderer verwendet werden. Aus der sum¬
marischen Behandlungsweise, die Kiekebusch der als „untrennbar Ganzes“ be¬
trachteten Gräbermasse angedeihen lässt, glaube ich auf summarische Ausgrabungen
schliessen zu müssen, würde aber solche nicht mit der Meinung entschuldigen
können, dass die richtige Ausgrabungsmethode erst in den letzten zehn Jahren
gefunden sei (S. 14 und 37), da Hostmann schon 1874 gezeigt hatte, wie man ein
Urnenfeld (Darzau) ausgraben und beschreiben muss; — von vielen späteren Bei¬
spielen nicht zu reden. — Unbegreiflich ist es ferner, dass so viele Ausgrabungs¬
funde „verschollen“, dass andere nur oberflächlich beschrieben sind. Möchten doch
endlich die Grundsätze überall begriffen werden: „Wer nicht berichtet, soll auch
nicht ausgraben“ und „Urgeschichtliche Dokumente dürfen nicht in Privatzimmern
verschwinden“.
Nachdem Kiekebusch einen zusammenhängenden Kulturzustand der Be¬
wohner des Niederrheins vom 8. Jahrhundert bis in die Kaiserzeit nachgewiesen
hat, kann er zur ethnologischen Bestimmung übergehen und hat gewiss recht, wenn
er die ganze in den Hügelbrandgräbern bezeugte Kultur für eine germanische hält,
zumal im benachbarten Treverergebiet die Kelten bis zur Mitte der Latönezeit durch
Skelettgräber und anders geartete Keramik charakterisiert sind. Die germanische
Zugehörigkeit hätte m. E. auch positiv erwiesen werden können durch den Ver¬
gleich mit den germanischen Urnenfeldern Norddeutschlands, wie denn auch die
eigentümlich „verblasste“ Beschaffenheit der Hallstatt- und der Latene-Typen in
den niederrheinischen Hügelgräbern m. E. nur dadurch erklärt werden kann, dass
die Bevölkerung jene Hallstättischcn und Latene-Einflüsse nicht direkt vom rheini¬
schen Süden empfangen hat, wo ihre Feinde sassen, sondern aus ihrer östlichen
Heimat mitgebracht oder von ihren östlichen Verwandten überkommen hat, zu
denen jene Einflüsse von Böhmen (Boii) her und auf dem Elb- und Saalewege
gelangt waren.
Zuletzt wendet sich der Verfasser dem römischen Einfluss zu. Während bei
den Germanen, die der römischen Machtsphäre unterworfen waren, am Oberrhein,
Mittelrhein und im Mosellande dieser Einfluss am dortigen Fundmaterial sehr ge¬
nau erkannt und sein Fortschritt verfolgt werden kann, lehren die niederrheinischen
Hügelgräber, dass die freien Germanen sich während der frühen und mittleren
Kaiserzeit dem römischen Einfluss unzugänglich verhalten haben. Dass in der
späten Kaiserzeit (3.-4. Jahrhundert) sich die Sache anders verhält, und hier sich
römische Einwirkungen auf Technik und Leben der Eingeborenen beweisen lassen,
wird nicht ausgeführt. Ob die Hügelgräber nicht bis in diese Periode reichen? 1 )
Als Anhang gibt Verfasser noch eine dankenswerte und nützliche Unter¬
suchung über die absolute Chronologie der Augenfibel, die auf Grund der Funde
’) Nach der Veröffentlichung von Rademacher in H. 1/2 dieser Zeitschrift S. 94 scheint die späte
Kaiserzeit in Flachgräbern bestattet zu haben.
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V. Nachrichten.
und Beobachtungen in Haltern, Neuss, Hofheim, Urmitz, Andernach zu dem Ziele
führt, dass vier Entwickelungsstufen zu unterscheiden sind, die innerhalb der ersten
50 Jahre unserer Zeitrechnung sich vollzogen haben. Die germanische Herkunft
dieser Fibel ist schon von Almgren erkannt worden. Aber die wichtige von Kiekebusch
festgestellte Tatsache, dass das Prototyp und die erste Entwickelung desselben nur
in Böhmen häufiger auftreten, scheint mir einen nicht zu unterschätzenden Hin¬
weis auf das Land und das Volk zu enthalten, von dem die germanischen
Techniker jener Zeit ihre wichtigsten Anregungen empfingen.
Wernigerode. Paul Höfer.
V. Nachrichten.
Grabhügel bei Lissdorf nahe Eckartsberga,
Kreis Naumburg.
Anfang September d. J. wurde in Flur Lissdorf bei Eckartsberga ein Stein¬
kistengrab aufgedeckt. Der Gutsbesitzer Bornschein wollte einen Teil des Hügels
abtragen, um ihn mit Feldfrüchten bestellen zu können. Dabei stiess er auf eine
Steinplatte, einen der gewaltigen Decksteine des Grabes. Beim Abheben liess man
sie unvorsichtigerweise ins Grab fallen, wodurch die in der Kiste stehenden Ge-
fässe vollständig zertrümmert wurden. Als ich am 11. September die Grabstätte
untersuchte, hatten Unberufene in dem Grabe gewühlt und die vorhanden gewesenen
Scherben, durchbohrte Tierzähne, Menschenknochen usw. achtlos beiseite geworfen.
Bis zur Hälfte war jetzt das Grab mit Erde angefüllt, trotzdem es ursprünglich keine
enthielt. Ungefähr von 4 bis 5 Menschen fanden sich Knochenreste vor, sodass
ich zu dem Schlüsse kam, dass hier Nachbestattungen stattgefunden haben mussten.
Bei meiner Untersuchung beobachtete ich zunächst Reste einer Steinpackung über
der Steinkiste. Darunter fand ich im Niveau der Deckplatten eine flachgewölbte
Steindeckung von keilförmigen Steinen, die mit Gipsmörtel unter sich und mit dem
dahinterliegenden noch vorhandenen Deckstein verbunden waren. Als ich auch diese
Steinpackung entfernt hatte, kam die genannte 1,85 m lange und 0,20 m dicke Stein¬
platte zutage, die den hinteren Teil des Grabes bedeckte. Somit füllte die mit
Gipsmörtel verbundene Steindeckung eine Lücke zwischen den zwei grossen Deck¬
platten aus.
Am 14. September setzte Herr stud. phil. et archaeol. Hagemann, der am 11.
September auch zugegen war, die Ausgrabung fort. Nach kurzem Bemühen fand sich
meine Vermutung bezüglich der Nachbestattungen bestätigt; denn an der östlichen
Schmalseite der Kiste befand sich ein quadratischer Eingang von 0,55 m Seitenlänge,
durch den die Leichen in der Steinzeit nachbestattet worden sind.
Um den Zugang zu dieser Tür, die mit Steinplatten zugesetzt war, zu er¬
reichen, war ein Weg angelegt. In der Breite des Grabes führte der gepflasterte,
rechts und links mit Steinplatten eingefasste Weg, sich nach aussen zu immer ver¬
breiternd, rampenartig auf die Oberfläche des Hügels. In und neben dem rampen¬
artigen Zugänge befanden sich bronzezeitliche Nachbestattungen. Eigenartig war
die Beisetzung dieser Toten: Nachdem man die über einer Steinsetzung aufgetragene
Humuserde, ungefähr 0,75 m mächtig, abgetragen, stiess man nach Wegnahme der
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V. Nachrichten.
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Steine auf einen seitlich liegenden Hocker, der, mit dem Gesicht nach Osten ge¬
wandt, begraben worden war. Als Beigabe fand man Scherben einer Tonschale.
So setzte sich die Ausgrabung von oben nach unten zu fort, fünf Skelette zutage
fördernd, die schichtenweise, mit zwischenliegender Steinpackung übereinander be¬
stattet worden waren. Als ich am Nachmittag eintraf, konnte ich die fünfte Leiche
blosslegen, die leider fast ganz aufgelöst war. Als Beigabe fand ich Trümmer eines
schwarzen Gefässes mit ausgeschweiftem Rande. Eine Rekonstruktion war ausge¬
schlossen. Trümmer von mehreren Gefässen, die eine Zusammensetzung nur teil¬
weise ermöglichen lassen, wurden in ziemlicher Anzahl gefunden. Als hauptsäch¬
lichste Fundobjekte sind zu nennen: 1. eine 10 cm lange Bronzenadel mit annähernd
kugelförmigem Kopf; 2. die Hälfte einer Brillenspirale von 5- 6 cm im Durchmesser;
3. Teil eines Ringes aus Bronzedraht, spiralförmig gewunden; 4. kleine Röllchen
und Perlen ebenfalls aus Bronze, die, auf eine Schnur gereiht, als Halskette Ver¬
wendung gefunden haben mögen. Die Knochenteile lagen teilweise ungeordnet
durcheinander. Trotzdem die meisten Gefässe in kleinen „Steinkistchen“ mit Deck¬
platte beigesetzt waren, ist doch kein einziges vollständig aufgehoben worden. —
Beim Ausräumen des steinzeitlichen Grabes fand man in der östlichen, linken Ecke,
nahe an der Tür, mit Erde, Menschen- und Tierknochen vermengt, einen 10 cm
langen Knochenpfriemen. Sonst ist trotz sorgfältiger Untersuchung in der Kiste
nichts von uns aufgefunden worden. — Die Grabanlage befindet sich ungefähr 20
bis 25 Minuten vom Dorf entfernt und liegt nördlich vom Ort auf einer Anhöhe,
die teils mit Buschholz bewachsen, teils der Landwirtschaft nutzbar gemacht worden
ist. Der sanftgewölbte Hügel erstreckt sich von Westen nach Osten und zeigt
mehrere Erhöhungen, die vermuten lassen, dass noch mehrere Gräber vorhanden
sind. Die Ausdehnungen der bis jetzt aufgedeckten Grabanlage sind folgende: Die
Steinkiste misst in ihrer ganzen Länge, von Westen nach Osten 2,40 m und in der
Breite 1,40 m. Sie ist mit schönen Kalksteinplatten ausgesetzt, die ganz regel¬
mässig aneinandergefügt und mit Gipsmörtel verbunden sind. Die Tiefe des Grabes
beträgt 1,05 m, von der Sohle des Grabes bis zur Oberfläche des Hügels 1,80 m.
Einschliesslich der bronzezeitlichen Nebenbestattung ist die Grabanlage 3,80 m lang.
Der Hügel selbst ist ungefähr 40 m lang und 18 m breit. Die Höhe lässt sich
leider schwer bestimmen, da man schon früher die gute, aufgetragene Humuserde
behufs Feldregulierung sich zunutze gemacht hat. Was die weiteren Grabungen
noch erschliessen werden, bleibt der Zukunft Vorbehalten. Die wenigen Fundgegen¬
stände sind in den Besitz des Herrn Student Hagemann übergegangen.
Naumburg a. S., 10. X. 09. Lehrer Carl Herrmann.
Einzigartige Steinzeitfunde bei Alvastra.
Ein Pfahlbau zum ersten Mal in Skandinavien gefunden.
Viertausendjährige Äpfel, Weizenkörner und Holzgeräte.
Eine in ihrer Art einzigstehende Ausgrabung ist während des September
für Rechnung der Stockholmer Kgl. Akademie der schönen Wissenschaften, Ge¬
schichte und Altertümer von Dr. Frödin östlich vom Omberg gleich bei der Eisen¬
bahnstation Alvastra gemacht worden.
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V. Nachrichten.
Im vorigen Jahre wurden hier einige Gerätfunde gemacht, die darauf hin¬
deuteten, dass das grosse Moor, das sich dort befindet, Reste eines alten Wohn-
platzes bärge. Bei seinen Untersuchungen hat Dr. Frödin nicht nur diese Annahme
bekräftigt gefunden, sondern zugleich die äusserst interessante Entdeckung gemacht,
dass wir es hier mit Überresten eines Pfahlbaues zu tun haben, des ersten, der
in Nord-Europa gefunden wurde. Aus dem konservierenden Kalkmoor sind weiter
Waffen und Geräte aus Stein, Flint, Knochen, Horn und sogar aus Holz ausge¬
graben, und ausserdem verkohlte Äpfel und Weizenkörner — alles nach ganz zu¬
verlässiger wissenschaftlicher Datierung wohl 4000 Jahre alt. Mehr kann man
nächstes Jahr zu finden hoffen, wenn die Ausgrabungen fortgesetzt werden; unter
anderem bleibt noch zu untersuchen, welche Form und Konstruktion der gefundene
Pfahlbau gehabt hat.
Dr. Frödin, der kürzlich von seinen Grabungen nach Stockholm zurückgekehrt
ist, hat in „Dagens Nyheter“ einige Mitteilungen über den bemerkenswerten Fund
gemacht.
Der Fundplatz liegt gerade an der Kante des Dags-Moores, gleich östlich vom
Eisenbahnhotel in Alvastra. Als der Besitzer im vorigen Sommer mit Deicharbeiten
beschäftigt war, wurden die ersten Funde gemacht: Nusschalen, Steinwaffen usw.,
die zu den wissenschaftlichen Ausgrabungen dieses Sommers Veranlassung gaben.
Dr. Frödin liess einen metertiefen Graben auf 56 Quadratmeter ausheben, und hier
auf dem Boden des Grabens fand er eine Kulturschicht von ein Drittel Meter
Mächtigkeit. Unter dieser Schicht stiess er auf einen Fussboden (Plattform) von
Kiefern- und Birken-Stämmen, die meisten ausgezeichnet gut erhalten, die Birken¬
stämme noch mit der teilweise übrig gebliebenen weissen Rinde. Der Fussboden
erstreckte sich über eine Fläche von mehr als 50 Quadratmeter hinein unter die
Torfschicht zu beiden Seiten des Grabens und ruhte auf Pfählen von ungefähr
10 cm Durchmesser. Hier war also die Plattform eines Pfahlbaus, des einzigen
bisher nicht nur in Skandinavien sondern in ganz Nord-Europa gefundenen ').
In den Alpengegenden hat man Reste alter Pfahlbauten gefunden, aber ob¬
wohl augenscheinlich nach demselben Prinzip gebaut, unterscheidet sich doch der
in Alvastra ausgegrabene von diesen mitteleuropäischen Pfahlbauten. Eine geo¬
logische Untersuchung, vorgenommen von Dr. L. von Post, hat nämlich an die Hand
gegeben, dass der schwedische Pfahlbau nicht wie die Schweizer im See selbst ge¬
standen, sondern in einem Morast auf dem schwach abfallenden Strande. Die Platt¬
form hat teils auf den Pfählen geruht, teils auf dem Morastboden selbst, und das
Wasser ist unter dem Gebäude in ebenmässigem Laufe durchgeflossen. Hier waren
die Bewohner geschützt gegen Überfälle sowohl von der Land- als der Seeseite,
geschützt durch den unpassierbaren Morast. Selbst kamen sie hinüber auf schmalen
Stegen, von denen man auch einige Spuren gefunden hat.
Wie gross der alte Pfahlbau gewesen ist, kann erst die fortgesetzte Ausgrabung
zeigen. Es ist möglich, dass man andere ähnliche Bauten in der Nähe findet —
das ist sogar wahrscheinlich, da weder die schweizer Pfahlhäuser noch die Land-
wohnplätze, die man in Schweden angetroffen hat, vereinzelt liegen, sondern zu
mehreren vereint. Übrigens ist der gefundene Pfahlbau kein „Einfamilienhaus“
gewesen. Auf der Plattform liegen nämlich mehrere Herde, 6 auf der bisher aus-
gegrabenen Fläche. Die Stämme in ihrer Umgebung sind von der Hitze verkohlt
’) Um hier kein Missverständnis aufkommcn zu lassen, sei daran erinnert, dass in Norddeutsch¬
land, so in Mecklenburg (Wismar u. a.). Posen (Czeszewo) und mehrfach im südlichen Ostpreussen
(Masuren), steinzeitliche Pfahlbauten aufgedeckt und ausgebeutet worden sind. G. K.
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V. Nachrichten.
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und die Steinplatten gesprungen. Eine Raumeinteilung hat es offenbar nicht ge¬
geben, die Herde liegen so nahe aneinander, dass die Wände verkohlt waren.
Wahrscheinlich hat ein grosses Dach von Fellen oder von Zweigen und, Torf sich
über die ganze Plattform erstreckt. — Dr. Frödin hat Reste der schmalen Streben
gefunden.
Über der Plattform lag, wie schon erwähnt, eine 30 cm dicke Schicht von
Abfällen, die verschiedene interessante Sachen enthielt. Es fanden sich dort Waffen
aus Stein und Flint, Pfriemen und Meissei aus Knochen und Horn, ausserordentlich
gut erhalten im Sumpfwasser, das den Stein angegriffen, das Knochengerät aber
konserviert hat. Es fanden sich dort Scherben von Tongefässen, Wildschweinszähne,
die offenbar als Zierat gebraucht sind, Knochen in Menge von Wildschweinen und
Edelhirschen, an denen also kein Mangel war, Nussschalen in Massen. Man fand
auch verkohlte Weizenkörner und verkohlte Äpfel — ein Teil von ihnen liegt jetzt
unter Glas im Nationalmuseum, und das verdienen sie, denn wohl hat das Stein¬
museum verschiedene alte Raritäten, aber 4000-jährige Äpfel hat es bisher nicht
beherbergt. So alt sind sie indes. Der Wohnplatz gehört nämlich in die Gang¬
gräberzeit, einem späteren Teil der Steinzeit ungefähr vom Jahre 2500 bis zum
Jahre 2000 v. Chr.
Man hat wohl gewusst, dass der Weizen schon zu der Zeit bekannt war, man
weiss es aus Abdrücken in gefundenen Tongefässen, aber dies ist Originalweizen
von vor mindestens 4000 Jahren, und das ist etwas Neues. Ebenso einzigstehend
sind die Äpfel, der erste Fund seiner Art in Skandinavien. Vermutlich hätten die
jetzt verkohlten Äpfel keinen Preis auf der Herbstausstellung des Pomologischen
Vereins bekommen, sie sind wohl recht und schlecht Sauerobst gewesen, aber den
Ostgötern der Steinzeit haben sie auf alle Fälle ebensogut geschmeckt wie die Nüsse.
Weder botanisch noch zoologisch ist der Fund übrigens bis jetzt bearbeitet.
In einer Spalte zwischen zwei Stämmen fand sich schliesslich ein kleiner sehr
gut gearbeiteter Holz(angel)haken, das erste erhaltene Holzgerät, das in Schweden
aus so alten Zeiten gefunden ist. Nächstes Jahr, wenn Dr. Frödin mit der Unter¬
suchung des vom wissenschaftlichen Standpunkt Interessantesten, nämlich der Kon¬
struktion des Hauses, fortfährt, hofft er unter der Plattform im Schutz der Stämme
noch mehr merkwürdige Dinge in dem prächtigen Kalkmoor zu finden, vielleicht
geradezu Kleidungsreste.
Das schon Gefundene zeugt ausser davon, dass die Gegend schon zu der
Zeit reich und fruchtbar war und dass sie mit Menschen bevölkert war, die in Pfahl¬
hütten wohnten, auch davon, dass die Bevölkerung in Handelsverbindung mit anderen
Völkern gestanden hat. Die Flintgeräte beweisen das — aller Flint ist ja impor¬
tiert — aber auch eine schöne Bernsteinperle in Form einer Doppelaxt, dem Symbol
der Gottheit.
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322
V. Nachrichten.
Todesfälle.
Nachträglich bringen wir ein Bild des ersten uns durch den Tod geraubten
Mitgliedes, Professor Dr. Oskar Mertins in Breslau, dessen Bedeutung für
unsere Wissenschaft im „Mannus“ S. 166
bereits skizziert worden ist.
Am 5. Juni d. J. starb der Kgl.
Rumänische Hofgoldschmied Paul
Teige zu Berlin, bekannt durch die
zahlreichen trefflichen Nachbildungen
vorgeschichtlicher Gold- und Silberfunde,
z. B. von Vettersfelde, Sackrau, Pe-
troassa, Wittislingen, Hiddensö, deren
hauptsächlichste er in der Schrift
„Prähistorische Goldfunde in gesetzlich
geschützten Nachbildungen“ in Wort und
Bild behandelt hat.
Am 9. Juni verschied plötzlich
zu Freiburg i. S. unser Mitglied, der
Kustos des Teplitzer Museums, k. k.
Konservator Robert Karl Ritter
von Weinzierl. Er war geboren
1855 zu Weissaugezd in Böhmen, stu¬
dierte an der Prager Technischen Hoch¬
schule und an der dortigen Universität,
wurde Sekretär der Prager Physiokra-
tischen Gesellschaft und betrieb neben¬
bei aufs eifrigste das Studium der Vorgeschichte, die er durch fortgesetzte Aus¬
grabungen in Nordböhmen auch praktisch förderte. Seine zahlreichen Schriften zur
Vorgeschichte, mit denen er seit 1894 hervortrat, finden sich fast alle genannt in
der „Übersicht über die Forschungsergebnisse in Nordböhmen“ (Mannus S. 187 bis
210), die sein Schwanengesang werden sollte. Wegen seiner erfolgreichen Arbeiten
wurde er 1897 zum k. k. Konservator ernannt und 1899 als Kustos des von ihm
geschaffenen Zentralmuseums für Nordböhmen bestellt, das er in trefflichster Weise
einrichtete, verwaltete und vermehrte und dessen Schätze er in den „Tätigkeitsberichten“
der wissenschaftlichen Welt auch literarisch eröffnete. Der neuen tatkräftigen Be¬
wegung, die zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte führte,
schloss er sich alsbald freudigen Herzens an und sogleich stellte er seine letzte
obengenannte Abhandlung, worin er ein Fazit seiner Lebensarbeit zieht, dem ‘Mannus’
zur Verfügung. So schien es angebracht, dieser Abhandlung zugleich sein körper¬
liches Bild mitzugeben (S. 188). Möge dem nunmehr verwaisten reichen Museum
zu Teplitz bald ein Leiter erstehen, der mit gleicher Inbrunst, Tatkraft und Ge¬
schicklichkeit der Verwaltung und Mehrung seiner Schätze sich weiht.
Prof. Dr. Oskar Mertins,
geb. zu Pillau in Ostpreussen 17. 6. 1858,
gest. zu Breslau 14. 5. 1909.
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V. Nachrichten.
323
Am 20. Juli entschlief in Kiel unser erstes und einziges Ehrenmitglied
Fräulein Professor Dr. med. Johanna Mestorf, Direktor des Schleswig-Hol¬
steinischen Museums vaterländischer Altertümer
a. D. Noch zum 17. April, ihrem 80. Geburts¬
tage, hatte ich ihr zugleich mit dem im ersten
Mannushefte wiedergegebenen Ehrendiplom den
Wunsch der Gesellschaft übermittelt, sie noch
lange Jahre die unserige nennen zu dürfen.
Die Erfüllung dieses Wunsches blieb uns versagt.
Seit ihrem 70. Geburtstage, 1899, ist
J. Mestorf fortgesetzt der Gegenstand so zahl¬
reicher Ehrungen und infolgedessen so zahlreicher
öffentlicher Besprechungen gewesen, dass ihr
äusserer Lebenslauf in weiteren Kreisen bekannt
sein dürfte.
Geboren am 17. April 1829 zu Bramstedt
in Holstein als Tochter eines Arztes nahm sie
während der 50 er Jahre des vorigen Jahrhunderts
längeren Aufenthalt in Schweden, was für die Heranbildung ihier archäologischen
Neigungen und ihrer Begeisterung zu heimatlicher Altertumsforschung von ent¬
scheidender Bedeutung wurde. Seit 1859 lag sie in Hamburg antiquarischen Studien
ob, die sie seit 1865 zunächst zu Übersetzungen skandinavischer Werke führte, wie
Nilssons „Ureinwohner“, Wibergs, Hildebrands, Worsaaes, Undsets, Soph. Müllers
und Montelius’ einschlägige Schriften, denen in den letzten Lebensjahren noch
Salins „Germanische Tierornamentik“ (1904) sich anschloss.
Bald aber folgten eigene wissenschaftliche Schöpfungen, beginnend 1868 mit
den „Bildern aus der Vorzeit Schleswig-Holsteins“. Reicher wurde diese selb¬
ständige Tätigkeit, nachdem sie 1873 zum Kustos des Schleswig-Holsteinischen Mu¬
seums vaterländischer Altertümer ernannt und 1877 der „Anthropologische Verein
in Schleswig-Holstein“ gegründet worden war. Ihre beiden Werke „Vorgeschicht¬
liche Altertümer aus Schleswig-Holstein“ (1885) und „Urnenfriedhöfe in Schleswig-
Holstein“ (1886) sind die Quellen, aus denen jeder Forscher zunächst schöpft, wenn
er eine Belehrung über die Vorgeschichte Schleswig-Holsteins sucht. Dazu kam die
lange Reihe wertvoller Abhandlungen in den „Mitteilungen des Anthropologischen
Vereins“ (seit 1888) und in den „Berichten“ des Museums, besonders nachdem sie
1891 als Nachfolger Prof. Handelmanns an die Spitze dieser Anstalt gerückt war.
Hervorgehoben seien hierunter ihre Arbeiten über „Steinaltergräber ohne Stein¬
kammer unter Bodenniveau“ (1892, 1899), „holsteinische Gürtel“ (1897), „Glas¬
perlen aus Frauengräbern der Bronzezeit“ (1900), „Danewerk und Heithabu“ (1901),
„Wohnstätten der älteren neolithischen Periode in der Kieler Föhrde“ (1904),
„Moorleichen“ (1900, 1907).
Ihr Hauptwerk jedoch, womit sie sich ein dauerndes Denkmal gesetzt hat, ist
das musterhaft eingerichtete, geordnete, verwaltete Museum selbst. Hierin konnte
sie ihrem Jugendideal, die ihr in Schweden vertraut gewordene, damals der deut¬
schen so weit überlegene skandinavische Methode der archäologischen Forschung in
Deutschland anerkannt und geübt zu wissen, so recht von Herzen nachgehen, und
dies zumal im Dienste ihres engeren Heimatlandes, dem sie über alle Massen an¬
hing. Sie war ein erbitterter Feind aller Zentralisation von Berlin her und sah in
den allerneuesten Personaländerungen an der Berliner Zentralstelle, wie sie mir
in einem langen, ernsten Briefe gestand, nach allen Richtungen eine Gefahr für
Professor Dr. Johanna Mestorf.
17. 4. 1829 - 20. 7. 1909.
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324
V. Nachrichten.
den gedeihlichen Fortschritt der Vorgeschichtsforschung. Noch ganz kürzlich schrieb
sie mir, dass „nach ihren Erfahrungen die Lokalforschung von höchstem Werte“ sei,
„vorausgesetzt, dass sie nicht dilettantisch betrieben, sondern von wohlgeschulten
Kräften nach strenger Methode vollzogen wird. Diese werden der Deutschen Gesell¬
schaft für Vorgeschichte nicht fehlen und da dürfen wir von ihrer ernsten Arbeit
die schönsten Erfolge erhoffen“.
Noch von ihrem Sterbelager aus Hess sie es mich wissen, „dass sie die ihr
erwiesene Ehre“ (der Ernennung zum Ehrenmitgliede) „stets besonders dankbar
empfunden hat“.
Nicht das geringste Verdienst J. Mestorfs besteht darin, dass sie es verstanden
hat, die richtigen Kräfte zu ihrer Unterstützung im Museumsdienste heranzuziehen
und durch wissenschaftlich wie praktisch gleich gut geschulte Mitarbeiter und Nach¬
folger für die in der Museumsverwaltung so notwendige Bewahrung der Überlie¬
ferung zu sorgen.
Ende Juli starb plötzlich unser Mitglied der Schriftsteller Wilhelm Keetz
in Hitzacker (Prov. Hannover), der sich manches Verdienst um die Vorgeschichte
seiner engeren Heimat erworben hat.
Am 12. November verschied zu
Löcknitz bei Stettin nach langem, schweren
Leiden unser Mitglied Sanitätsrat Hugo
Schumann.
Geboren am 2. März 1853 als
Pfarrerssohn zu Untersiemau bei Koburg,
mit 16 Jahren ganz verwaist, studierte er
in Jena und Leipzig, um 1878 nach früher
Heirat in Löcknitz als Arzt sich niederzu¬
lassen. Der Mangel geistiger Anregungen
in dem kleinen Orte trieb ihn zum Studium
der Geschichte, dann bald der Vorgeschichte
seines neuen Heimatlandes, der er trotz
schwerer Landpraxis alle freie Zeit, meist
Nachtstunden widmete. Die erste Frucht
dieser Studien war 1886 die Schrift über
„Die Burgwälle des Randowtales“ (Balt.
Stud. 37). In raschem Zuge bemächtigte
er sich der Kenntnis der Hauptperioden
der pommersch-nordbrandenburgischenVor-
geschichte und vertiefte diese Kenntnis be¬
ständig, wie seine andauernden Veröffent¬
lichungen neuer Funde bewiesen. Seine
„Urnenfriedhöfe in Pommern“ von 1889
(Balt. Stud. 39) haben die wissenschaft¬
liche Sicherung vergänglichen Materials ge¬
bracht und können darum nie völlig ver¬
alten. Ausser den „Baltischen Studien“
brachten die „Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft“ und die
„Nachrichten über deutsche Altertumsfunde“ zahlreichste Aufsätze von ihm.
Sanitätsrat Hugo Schumann.
2. 3. 1853. — 12. 11. 1909.
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V. Nachrichten.
325
Beiträge zur Kenntnis der Steinzeit lieferte er durch Behandlung der Stein¬
kistengräber von Blumberg (1888), Lebehn (1889), Retzin (1896), Hammelstall (1902);
der Flachgräber von Glasow, Casekow, Oberfier (1891), Stramehl (1894), Char-
lottenhöh (1899); der Steingerätdepots von Bagemühl (1888), Brüssow (1890),
Randowtal (1895); sowie der Tongefässverzierungsarten (1891).
Der Bronzezeit gewidmet sind seine Abhandlungen über den Bronzedolch von
Magnushof (1902) aus Per. I; die Funde Clempenow (1897), Peenefluss (1897),
Arnimshain, Crüssow, Rosow (1901). aus Per. II; Angermünde (1901), aus Per. III;
Hörnchentutuli (1890), Alt-Storkow (1891), Schwennenz (1894), Nassenheide (1900),
aus Per. IV; Goldarmringe (1888), Hanshagen (1898), Vietkow (1900) aus Per. V.
Der frühesten Eisenzeit gehören an die Schriften: Die pommerschen Hohl¬
wülste (1892) und „Die Waffen und Schmucksachen Pommerns zur Zeit des Latöne-
Einflusses, ihr Charakter und ihre Herkunft“ (Lemckefestschrift 1898).
Sehr wichtig sind seine Veröffentlichungen über germanische Gräber aus
früh- und spätrömischer Kaiserzeit, wie die von Obliwitz (1891), Zirzlaff (1892); —
Borkenhagen, Falkenberg, Redel (1892- 94), Bodenhagen (Baumsarg 1899), Hohen-
selchow (1902); sowie aus merowingischer Zeit von Friedefeld (1898).
Reichhaltig waren auch seine Äusserungen über wendische Skelettgräber:
Ramin (1898), Boeck, Bagemühl (1890), Wollin (1891, 1892,1894), Friedefeld (1893);
über Hacksilberfunde schrieb er 1902; über ein karolingisches Gefäss 1901.
Bei den Skelettgräbern der Steinzeit, wie der römischen Kaiserzeit und der
wendischen Epoche widmete er der anthropologischen Untersuchung der menschlichen
Reste stets die grösste Sorgfalt, was nicht dankbar genug anerkannt werden kann.
Von selbständigen Werken seien noch die Festschrift der Pommerschen Ge¬
sellschaft für Geschichte und Altertumskunde an die Berliner anthropologische Ge¬
sellschaft genannt: Der Bronzefund von Hökendorf (Stettin 1894), besonders aber
seine nützliche Zusammenfassung „Die Kultur Pommerns in vorgeschichtlicher Zeit“
(Balt. Stud. 46, 1896).
In den letzten Jahren seines Wirkens widmete er sich unter dem Einfluss
seines Prenzlauer Freundes A. Mi eck, des verdienstvollen Schöpfers des schönen
Prenzlauer Museums, ganz der Erforschung der Uckermark. In diese Epoche fällt
sein kleiner Vortrag über die „Vorgeschichtlichen Beziehungen der Uckermark während
der Stein- und Bronzezeit“ (Prenzlau 1899), die mit A. Mi eck gemeinschaftlich
verfasste Schrift „Das Gräberfeld bei Oderberg-Bralitz“ (Prenzlau 1901) und nament¬
lich sein umfangreiches und reifstes Werk „Die Steinzeitgräber der Uckermark“
(Prenzlau 1904), worin er für die richtigere Beurteilung der Gräberepochen und
Kulturgebiete der Steinzeit Norddeutschlands Anerkennenswertes geleistet hat. Leider
bedeutet dies Werk nicht nur den Höhepunkt, sondern auch den Endpunkt seines
wissenschaftlichen Schaffens. In den letzten fünf Jahren lähmte ein Herzleiden
seine Arbeitskraft und verhinderte jegliche wissenschaftliche Tätigkeit.
Erstaunlich reichhaltig und vielseitig war die Arbeit dieses Mannes, der, ob¬
wohl Privatmann, in den letzten zwanzig Jahren fast allein die Vorgeschichte
Pommerns in Verwaltung genommen hatte. Ehre seinem Andenken! Man er¬
schrickt vor dem Gedanken, dass Pommern, dieses herrliche, unerschöpflich reiche
Fundgebiet der Vorzeit, etwa auch den Segen der Arbeit dieses Thüringers hätte
entbehren müssen und fragt sich, wie lange das jetzige völlige Darniederliegen der
Sorge um die Vorgeschichte dieses Landes denn noch andauern soll! Ist niemand
in Pommern da, der mit gleichem Eifer und gleidier Versenkung sich seiner Heimat
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326
V. Nachrichten.
widmen oder wenigstens einen lauten Mahnruf ins Land erschallen lässt, nachdem
Stettin und Stralsund gleichmässig verödet erscheinen? Oder wird wieder alles
Heil von dem Herrn Minister in Berlin erwartet?
Am 3. Dezember entschlief zu Bergquell-Frauendorf nach langem, schweren
Leiden unser Mitglied der Geheime Sanitätsrat Dr. Wilhelm Zenker, Leiter
eines Sanatoriums, im 71. Lebensjahre. Auf archäologischem Gebiete hatte er, wie
in Frankreich Thieullen, die Neigung in Steinen, die Naturgebilde waren, mensch¬
liche Artefakte zu erkennen. _
Erklärung.
Heft 1 der „Prähistorischen Zeitschrift“ S.101 behauptet Direktor Schuch ha rdt,
in der Versammlung des Nordwestdeutschen Verbandes, die am 19. April 1909 in
Cassel tagte, sei „festgestellt“, dass die von mir im Lager des Habichtswaldes ge¬
fundenen Scherben „nicht römisch“ seien. Diese Behauptung entspricht
nicht der Wahrheit. Vielmehr haben diejenigen Herren, die sich die Scherben
ansahen, das Vorgezeigte teils als wirklich römische, teils als möglicherweise römische,
teils als Latöne-Ware anerkannt, und diejenigen, die das nicht vermochten, wussten
überhaupt nicht, was sie damit anfangen sollten. Kein einziger der Herren
aber hat sich dem Urteil Schuchhardts, dass sie karolingisch seien,
angeschlossen.
Osnabrück. Dr. F. Knoke.
Berichtigung.
Mannus Heft 1/2 S. 134 ist unter Abb. 2 die Bezeichnung „Nachbildung“ hin¬
zuzufügen bei folgenden Stücken: Schwertstab von Metzelthin (Original in Privat¬
besitz), Randbeile von Kläden, Schwertstabklingen von Gr. Schwechten, Dolch von
Lüben. — S. 135 muss es unter Abb. 3 heissen: dickwangige Pinzette.
Unsere Gesellschaft, die am 3. Januar mit 199 Mitgliedern begründet
wurde, beim Erscheinen des ersten Mannus-Heftes (Juni) auf 250, bei der Haupt¬
versammlung in Hannover (August) auf 280 Mitglieder angewachsen war, zählt
deren gegenwärtig (Dezember) 330 .
Am Gründungstage wurde Herr Geheimer Kommerzienrat vom Rath in Köln
lebenslängliches Mitglied, im Dezember hat Seine Königliche Hoheit der
H e r zo g vo n C u m b e r la n d , Herzog zu Braunschweig und Lüneburg
die immerwährende Mitgliedschaft erworben.
Innerhalb des Ausschusses ist an Stelle des ausgeschiedenen Universitäts¬
professors Dr. Lehmann-Haupt das rührige Mitglied Privatdozent Dr. Rob. Rud.
Schmidt in Tübingen gewählt worden. — Das Amt des Schatzmeisters der Haupt¬
gesellschaft hat an Stelle von Dr. Albrecht-Charlottenburg, der aus Gesundheits¬
rücksichten sein Amt niederzulegen sich gezwungen sah, Zahnarzt Dr. Bordes in
Berlin W. Schillstr. 10 übernommen.
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V. Nachrichten.
327
Die Festschriften der Hauptversammlung zu Hannover
sind, soweit der Vorrat reicht, auf gewöhnlichem buchhändlerischen
Wege zu beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Ey
in Hannover, Georgstr. 47, und zwar:
1. Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover.
7 Bogen 4°, 6 Tafeln. Mk. 2.—
2. Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge¬
schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin
zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 8°. Mk. —.25
3. Grabungen des Museumsvereins für das Fürsten¬
tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau.
9 S. 80, 2 Tafeln. Mk. —.25
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MANNUS
Zeitschrift für Vorgeschichte
Organ der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte
:: herausgegeben von ::
Professor Dr. Gustaf Kossinna
II. Band
WÜRZBURG
Curt Kabitzsch (A. Stüber’s Verlag)
1910
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Inhalts -Verzeichnis
Seite
Vorstand und Ausschuss.*.280
Verzeichnis der Mitglieder.334
Al brecht, G.: Sitzungsberichte der Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte,
Zweiggesellschaft Berlin. 232, 240
Auerbach, A.: Tardenoisien in Ostthüringen.174
Beltz, R.: Vorgeschichtliche Funde und Untersuchungen in Mecklenburg. 1907
bis 1909 . 209
Berner, U.: Rasse, Rassenmischung und Begabung.153
B ezzen berge r, A.: Zur Geschichte der Sichel.179
Bieder, Th.: Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. Ludwig
Woltmann.162
Frödin, O.: Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.109
Günther, A.: Zur Entstehungs- und Besiedelungsgeschichte des Neuwieder
Beckens. 1.33
Günther, A.: Zwei Zonenbecher aus Urmitz.177
Hindenburg, W.: Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow . 194
Jacob, K. H.: Bronzegefäss oder Stockknopf?.313
Knoke, F.: Carl Schuchhardt als römisch-germanischer Forscher.255
Knoke, F : Entgegnung.265
Kossinna, G: Der Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen und ihre
Ausbreitung nach Osten. III. Nordindogermanen und Südindogermanen. 59
Anhang: Fundstatistik.81
Kossinna, G.: Zum Homo Aurignacensis.169
Kossinna, G.: Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis 201
Kossinna, G.: Die kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz in der Vorzeit 234
Kossinna, G.: Gedrehte Gefässe und Mäandergefässe der Latene-Zeit . . 242
Kossinna, G.: Zum Dreiperiodensystem.309
Kossinna, G: Gallische Gottheiten und ihre Darstellung in germanischen
Funden.317
Kossinna, G.: Der neue französische Gesetzesentwurf über archäologische
und päläontologische Ausgrabungen.323
Kossinna, G.: Todesfälle. 274, 330
Krause, E : Spelz- und Alemannengrenze.200
Mielke, R.: Die Vorläufer der europäischen Hausformen.243
Moetefindt, H.: Die Vorgeschichte in der französischen Deputiertenkammer 269
Moetefindt, H.: Das Dreiperiodensystem. Ein Jubiläumsbeitrag zurGeschichte
der prähistorischen Forschung. ... 294
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IV
Inhalts-Verzeichnis.
Seite
Montelius, O : Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren 19
Ols hausen, O.: Kuhdünger oder Seetang alsBrennmaterial bei den Germanen 315
Über der sogen, ligurischen Bernstein in Südfrankreich.316
Rademacher, C.: Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei
Troisdorf . 1
Schultze, M.: Bericht über Neu-Eingänge des Jahres 1909 in der vorgeschicht¬
lichen Sammlung im Museum der historischen Gesellschaft zu Bromberg 220
Solger, F.: Die klimatischen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit 241
Solger, F.: Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.285
Waase, K.: Kantower Funde.181
Wilke, G.: Südwesteuropäische Megalithkultur und ihre Beziehungen zum
Orient. 246, 315
Sachregister.342
Bücherbesprechungen.360
Verzeichnis der Abbildungen im Text und auf den Tafeln.361
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I. Abhandlungen.
Germanische Gräber der Kaiserzeit am
Fliegenberge bei Troisdorf, Siegkreis,
Reg.-Bez. Köln.
Von C. Rademacher, Köln.
Mit 14 Textabbildungen und 4 Tafeln.
Im Mannus, Band I, ist von dem Berichterstatter eine germanische
Dorfanlage der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf nach dem
gegenwärtigen Stande der Ausgrabungen behandelt worden. Wie aus
der Nachschrift zu jener Arbeit ersichtlich ist, gelangte während der
Korrektur ein Grabfund vom Fliegenberg in den Besitz des Kölner
Prähistorischen Museums, der seine Zugehörigkeit zu der erwähnten
Dorfanlage als sehr wahrscheinlich erscheinen Hess. Seit der Zeit sind
noch weitere Funde daselbst gemacht worden, so dass eine Zusammen¬
fassung und wissenschaftliche Beleuchtung der Funde geboten erscheint.
Über die Örtlichkeit ist im Mannus I, Seite 84 und 85, das
Notwendige gesagt worden. Die systematische Ausgrabung der Wohn¬
stätten wurde im Westen des Terrains, man kann sagen auf der letzten
Terrasse des Geländes, nach der sumpfigen Niederung zu, vorgenom¬
men. Beim Abtragen der sandigen Oberfläche zur Gewinnung der
Quarzite sind ausserdem mehr östlich, vereinzelt Herdpflaster, sowie
Funde, bestehend aus Scherben, Eisen- und Bronzesachen, Münzen
(Augustus, Postumus, Tetricus) zum Vorschein gekommen, entweder
als Einzelfunde, oder als Inhalt von Herd- bezw. Abfallgruben. Ein
vereinzelter Grabfund (Abb. 1) zeigte sich in diesem Gebiete, eine
Urne mit Leichenbrand und einzelnen Resten der dazu gehörigen
Schale. Sonstige Beigaben sind den Arbeitern nicht aufgefallen. Das
Gefäss, 25 cm hoch, 21 cm Durchmesser, ist wenig bauchig, der Rand
überkragend, Hals S-förmig; auf der Bauchwand ein Band von wenig
Mannus. ßd. II. M. 1. 1
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2
C. Rademacher.
(2
eingedrückten, durch gerade Linien schraffierten Dreiecken. Es ist der
Lat£nezeit zuzurechnen. Weiter entdeckten die Arbeiter nicht allzu¬
tief in der Erde einen mächtigen Scherbenhaufen, von sehr dickwan¬
digen Gefässen herstammend. Aus diesen
# Scherben Hess sich eine vollständige, grosse
Urne von 54 cm Durchmesser und 44 cm
Höhe zusammensetzen. Der Oberteil des
Bauches ist durch wenig eingedrückte Linien
verziert. Von einem zweiten Gefäss, das
als ein Vorratsgefäss angesprochen werden
muss, wurde nur der Oberteil zusammen¬
gesetzt, der mit einem Leistenband verziert
ist. Der Durchmesser dieses Gefässes beträgt
an der Öffnung 62 cm, die Höhe hat minde¬
stens 100 cm. Diese Gefässe (Abb. 2 u. 3)
gehören dem Ende der Bronzezeit, Anfang
Abb. i. der Hallstattzeit an, ein Beweis, dass
mehrere Perioden am Fliegenberge ver¬
treten sind, auch die Kaiserzeit, vgl. die Fussurne (Abb. 4) Mannus I.
Der dritte Fund, ebenfalls von den Arbeitern beim Abdecken gemacht,
führt uns auch in die Kaiserzeit zurück. Es ist ein Eisenfund, der nach
allem zu urteilen, wohl ein Depotfund gewesen sein muss.
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3]
Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf.
3
11. Eimerhenkel. 12. Beschlagstücke eines Holzgefässes. 13. Nagel.
14. Verschiedene kleinere Eisensachen. 15. Bronzefibel.
Nach dem Berichte der Arbeiter lag der Schildbuckel zu oberst,
er wurde deshalb mit der Hacke zertrümmert. Der Schildbuckel ist
halbkugelförmig und gleicht den germa-
nischen des 3. Jahrh. 1 ) (Abb. 5). Die vier
Beschläge mit den Tragringen bilden zwei
gleiche Paare, von denen das eine etwas
massiver ist. * Der Durchmesser der Ringe
beträgt 10 cm. Nach der Stellung der
Beschläge, die bei allen etwas gebogen
ist, müssen dieselben an einem rund¬
lichen oder gebogenen Gefässe, einer Tonne
etwa, befestigt gewesen sein. Die Dicke
dieses Gefässes ist aus den Nieten zu
ermessen, sie hat 1 cm betragen. Die
Schelle gleicht den römischen und der¬
jenigen, die als Einzelfund vordem in
demselben Gelände zum Vorschein kam
(Mannus, Band I). Von der Bronzefibel
ist der Bügel nur erhalten. Es ist eine
provinzialrömische Fibel der Rheinprovinzen; Almgren, Taf. I, Fig. 16
(Abb. 6). Wir haben es anscheinend mit einem Depotfund zu tun, in
dem jemand seine Habe an eisernen Geräten, unbearbeitetem und altem
Eisen, das zu jener Zeit gewiss noch einen ziemlichen Wert besass,
bei einem drohenden Überfall vergraben hat. Solcher eisernen Depot¬
funde sind aus Deutschland eine ganze Reihe bekannt.
Der späteren Kaiserzeit gehören dann
auch die Funde an, die uns jetzt beschäftigen
werden. Im Nordosten von den untersuchten
und im Mannus, Band I, beschriebenen Wohn¬
stättenanlagen , steigt das Gelände rasch an.
Es war mit Kiefern bestanden und ist jetzt
eine ziemliche Strecke hindurch der Quarzit¬
gewinnung wegen durchwühlt. Dieses abgetragene Terrain liegt etwas
parallel zu den vorhin erwähnten Grabungen. Hier sind, wie das später
in Erfahrung gebracht werden konnte, verschiedentlich Gefässe und
Scherben zum Vorschein gekommen, die aber samt und sonders nicht
beachtet und mit dem Abraum verschüttet wurden. Erst durch die
letzten Nachforschungen waren die Arbeiter aufmerksam geworden, und
') Vgl. KOSS1NNA: Zeitschr. f. Ethnologie 1905, S. 381.
1 *
Abb 6 Na*. Or.
Abb. 5. V» nat. Or.
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4
C. Rademacher.
14
als wieder (1909) eine dunkle Stelle in dem hellen Sande mit Scherben
durchsetzt sich zeigte, wusste ein Arbeiter aus Altenrath den gesamten
Inhalt dieser dunklen Schicht zu sammeln, der dann in den Besitz des
Museums überging. Der Inhalt bestand:
1. aus einer kleinen, schwärzlichen Urne mit Leichenbrand, darin
nach Angabe der Arbeiter 2 Bronzemesser, ein kleiner Bronzering, ein
geschmolzenes Silberklümpchen und Glasschlacke, eine eiserne Bügelfibel,
2. den Scherben zweier Gefässe,
3. Bronzescherben.
Das Ganze, mit Brandasche umgeben, gehörte wieder nach dem
Urteile des Arbeiters zusammen. Es könnte demgemäss der Inhalt
eines Grabes gewesen sein. Die Nachgrabungen in der Nähe dieser Stelle
legten den Rest eines zweiten Grabes bloss, hier fanden sich Scherben
eines dickwandigen nichtrömischen Gefässes; eine Fibel mit Bronze¬
platte (Bruchstück), eine Speerspitze, wozu später noch eine zweite
sich gesellte (Abb. 7), und ein Eisengerät,
unbestimmbarer Verwendung. In der Rich¬
tung des ersten Grabes, etwa 5—10 m von
diesem entfernt, wurde dann das 3. Grab
entdeckt, dessen ganze Anlage erhalten und
genau beobachtet werden konnte. In dem
hellen Sand war eine 90 cm tiefe, 50—60 cm
breite Grube eingeschnitten. Auf dem Boden
stand die Brandurne, schwärzlich, mit Knochen
gefüllt. Auf den Knochen ein Spinnwirtel,
neben derselben, parallel mit der Spitze eine
26 cm grosse eiserne Schere, über der Urne
Scherben eines Gefässes, die ganze Ver¬
tiefung mit Brandasche ausgefüllt, in der sich
nodi folgende Gegenstände vorfanden: Scher¬
ben eines zweiten Gefässes, Reste eines mit
Kreisen verzierten Knochenkammes, Bruch¬
stücke einer Silberfibel (Bügel fehlt); zahlreiche Scherben eines Bronze-
gefässes, ein plumper Bronzering, ein ornamentiertes kleines Bronze¬
stäbchen, verschlackte Bronze, und der Schere gegenüberstehend, ein
grosses eisernes Schwert (?) mit un verhältnismässig langem Griff. Der
Knopf des Griffes war ziemlich nahe unter der Oberfläche.
Da bei diesen Grabfunden sehr wichtige Gefässe zum Vorschein gekom¬
men sind, ist es nötig, auf den Inhalt der einzelnen Gräber näher einzugehen.
I. Grab.
Die kleine schwarze Urne (Taf. I, Fig. 1), die den Leichenbrand ent¬
hielt, ist germanischer Arbeit. Der Rand steht schräg, zwei Furchen am
Abb. 7. */« lut. Gr.
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5]
Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf.
5
Halse, drei am Unterteile des Bauches. Zwischen diesen Furchen ein
Band von 6 sanft vorspringenden Nupfen. Die drei unteren Furchen
sind in verschiedenen Zwischenräumen angebracht, der letztere ist breiter,
und hier findet sich ein System von schräg aneinander gelegten, parallelen
Strichgruppen. Das eine der beiden Bronzemesser war im Leichenbrand
gewesen und hatte sehr gelitten; so viel war aber noch zu erkennen,
dass es genau dem andern, sehr wohl erhaltenen gleich war. Dieses
Messer (Abb. 8), 7^2 cm lang
mit 1 cm langem Stiel, ist ziem¬
lich reich auf beiden Seiten
ziseliert, die eine Seite durch
kleine Halbkreise, vom Rücken
des Messers ausgehend, aus
kleinen, gestrichelten Linien
hergestellt. Der Raum zwischen
diesen hängenden Halbkreisen
ist mit kleinen Kreisen aus¬
gefüllt. Die andere Seite des
Messers ist ebenfalls durch
Rillen und Kreise verziert. An der Stelle wo Messer und Stiel sich
treffen, ist der Rücken durch parallele Einschnitte und halbkugelförmige
Ausschnitte gekennzeichnet. Die Glasschlacke gehört anscheinend einem
kleinen Fläschchen an, über dessen Form indes nichts zu sagen ist.
Das letztere gilt auch von den sehr verschlackten und kleinen Bronze¬
resten, auch sie lassen kein Urteil über die Gestalt der Gefässe zu.
Mit der Silberschlacke ist dasselbe der Fall.
Zu dieser Graburne gehören nun, nach Aussage des Arbeiters, die
Scherben zweier Gefässe, die sich zusammensetzen Hessen. Es ist ein
18 cm hoher, ziemlich bauchiger Becher (Taf. I, Fig. 2) mit horizontalen
Strichverzierungen. Hals und Fuss sind S-förmig geschwungen, und
gleicht derselbe in etwa den Bechern der späteren Kaiserzeit, auf denen
sich vielfach die bekannten weissen Inschriften: ‘bibe’, ‘amo te’ und dgl.
finden. Wir werden später bei der Frage nach der Zeitstellung des
Grabes auf denselben noch zurückkommen müssen.
Von dem zweiten Gefässe, das in lauter kleinen Stücken sich
vorfand, sammelte der Arbeiter 100 Scherben. Leider bilden diese
nicht die vollständige Vase, doch ist so viel erhalten, dass sie im Römisch-
Germanischen Zentral - Museum zu Mainz zusammengesetzt werden
konnte. Es ist eine Gesichtsvase, die 6 Götterbildnisse auf der Bauch¬
wand enthält (Taf. I, Fig. 3, 4; il, Fig. 3, 4). Eine dieser Darstellungen
ist ein sogenannter Triceps, das mittlere Gesicht en face, die beiden
anderen im Profil darstellend.
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6
C. Rademacher.
[6
Solcher Vasen mit Götterköpfen sind mehrere bekannt. Eine be¬
findet sich im Cabinet des Medailles zu Paris, eine zweite im Museum
zu Lüttich. BABELON, der den Katalog der Pariser Sammlung
herausgegeben hat, bezeichnet die Darstellungen als Wochengottheiten.
Er wurde wohl durch die Siebenzahl der Bildnisse dazu geführt. BABELON
schreibt: „La panse est ornöe de sept bustes, les divinites gauloises de la
semaine; Tun d’eux a trois tetes barbues, celle du centre munie de petits
cornes. Trouve ä Bavay (Nord) au siede dernier.“ Die Anordnung der
Bildnisse auf dieser Vase ist wie folgt: Gott (tricöphale), dann zwei
Götter, darauf eine Göttin, wieder zwei Götter und zuletzt eine Göttin.
Die Götter sind alle bärtig dargestellt. Wir haben also 5 Götter- und
2 Göttinnenbildnisse. (Siehe Tafel 111.)
Das Lütticher Exemplar ist in Jupille bei Lüttich gefunden (Taf. IV).
Es hat eine Höhe von 35 cm, die Grösse der Bildnisse beträgt 12 cm.
6 Bildnisse sind erhalten, das 7. fehlt; nach der Ansicht des Prof.
DEMARTEAU, der diese Vase beschrieben hat, fehlt der Tricephalus,
der hier abgeblättert ist. Die Anordnung auf der Lütticher Vase
ist folgende: Tricephalus (fehlend), ein bärtiger Gott, eine Göttin, drei
bärtige Götter, eine Göttin, also wiederum wie in Paris 5 Götter und
2 Göttinnen.
Auf dem Kölner Exemplar ist, wie schon bemerkt, die dreiköpfige
Gottheit vorhanden (Taf. II, Fig. 3). Diesem folgt ein bärtiges Götterbildnis,
von dem allerdings nur das bärtige Kinn und die rechte Seite des Mundes
mit Bart erhalten ist. Das an dieser Stelle angebrachte Fragment mit den
kleinen Haarandeutungen ist nach meiner Überzeugung hier unrichtig ange¬
bracht. Die Götterbildnisse der Kölner Vase haben diese kleinen Lockenan¬
deutungen nicht, wohl das eine erhaltene Bild einer Göttin. Der an
diese Stelle aufgeklebte Rest hat demgemäss zu einer zweiten weiblichen
Gottheit gehört. Als dritte Figur haben wir eine Göttin mit Lockenhaar,
von dem vierten Bildnis ist nichts erhalten, von dem 5. nur die rechte
Stirn mit Augenbraue, sowie der Hals und die Andeutung der Gewandung,
der 6. Kopf ist wohl erhalten, ein bärtiger Gott.
Die sieben Köpfe der Pariser und Lütticher Vase haben nach oben
keinen Abschluss, nur über den Köpfen zweier Götter der Lütticher be¬
merken wir kleine wenig eingedrückte Kreise, in welchen DEMARTEAU
„nuages“ sieht, „qui commencent ä s’en rouler“. Auf jeden Fall sind
diese beiden Köpfe hierdurch von den anderen ausgezeichnet.
Die Kölner Vase hat einen vollständigen Abschluss der Bildnisse
in einem Ornament, das zu der ganzen übrigen, weiter unten zu be¬
handelnden Ornamentation der Vase passt. Sehr wohl erhalten finden
sich über 5 Köpfen bogenförmige, rundliche Tonwülste aufgelegt, welche
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7 ] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 7
die Bildnisse sehr vorteilhaft abschliessen. Dieses Band ist regelmässig
mit je 5 Eindrücken, aus parallelen Linien bestehend, versehen. Über einem
Kopf, und zwar dem bärtigen Götterkopf, links neben dem Tricephalus
fehlt dieses Abschlussband (Taf. II, Fig. 4). Dadurch wird der Kopf von
den übrigen herausgehoben und an die erste Stelle gerückt. Dieser
Eindruck wird noch verstärkt durch eine besondere Eigentümlichkeit.
Ein nach der Mitte zu sich vergrössernder Tonwulst, unmittelbar an den
Kopf gelegt, mit diesem zu einem organischen Ganzen verbunden, ist
durch 12 runde Stempeleindrücke verziert, die tief hinunter fast das
ganze Gesicht einrahmem Als Lichtschein, „Nimbus“, müssen wir diese
Auszeichnung ansehen. Ähnlich ist auch die Umrahmung des leider nicht
ganz erhaltenen Göttinnenkopfes. Diese beiden Bildnisse stehen ein¬
ander gegenüber. Ausser diesem Abschluss über den Köpfen ist die
Kölner Vase vor den beiden obengenannten in Paris und Lüttich, noch
durch eine reiche Reliefverzierung der Zwischenräumeausgezeichnet, welche
die Verbindung der Bildnisse zu einem harmonischen Ganzen bewirkt.
Diese Verbindungsornamente sind an und für sich schon wichtig, dann
aber gibt die Art und Weise ihrer Behandlung uns manchen wertvollen
Fingerzeig über die Art der Herstellung dieser Gefässe. Es mögen des¬
halb die Zwischenornamente einzeln vorgeführt werden.
1. Zwischen dem Kopf mit Nimbus und dem Tricephalus. Zu¬
nächst ist ein bogenförmiger, hängender Wulst angebracht, der in
Höhe des Scheitels des Nimbus mit dem Bogen als Abschluss über dem
Tricephalus verbindet. An diesen Wulst ist in der Mitte ein verti¬
kales Band angebracht, das sich bis zum Abschluss der Gewanddar¬
stellung herunterzieht, sich aber dort in zwei fast wagerecht aufgelegte
Arme teilt. Am Ende ist ein Stempelornament angebracht. Dieser ver¬
tikale Streifen findet seine Fortsetzung über dem Verbindungsbogen
durch einen 2 cm langen, nach beiden Seiten halbkreisförmigen ausge¬
schnittenen Bogen, mit zwei Stempeleindrücken wie unten verziert.
Über diesem ganzen Zwischenornament, etwas nach links, das grosse
Kreisornament.
2. Zwischen dem Tricephalus und der folgenden, bärtigen Gott¬
heit, von der nur das Kinn und die eine Seite des Mundes erhalten
ist (Taf. II, Fig. 3). Dasselbe Ornament wie bei 1, nur sind diesmal zwei
gerade, etwas nach aufwärts gebogene Linien als Verbindung zwischen den
Köpfen angebracht. Das obere aufgesetzte Stück des vertikalen Randes
erscheint hier sehr deutlich nicht als ein einfacher Wulst, sondern als
ein etwas breites, fast schwertgriffartiges Ornament. Drei Stempelein¬
drücke oben; auf dem Verbindungswulst dieselben unten, also wie 1.
Das grosse Kreisornament wiederum nicht in gerader Linie über dem
Ganzen angebracht, sondern wie bei 1 etwas nach links. Dieses ganze
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C. Rademacher.
[8
Zwischenornament erhält besondere Wichtigkeit, da es vollständig er¬
halten ist.
3. Zwischen der fragmentierten bärtigen Gottheit und der Göttin.
Fast genau wie bei 2, nur ist der schwertgriffartige Aufsatz hier noch
breiter und mit zwei Stempeleindrücken in horizontaler Linie versehen.
Sonst Stempel wie bei 2. Wiederum das grosse Kreisornament auf der
Vase etwas nach links.
4. Zwischen der Göttin und dem fehlenden Bildnis. Dieses
Zwischenornament ist bis auf einen kleinen unteren Teil ergänzt. Bemer¬
kenswert, dass der unterste Stempeleindruck sich vor der Stelle befin¬
det, an der das Band sich teilt. Das grosse Kreisornament etwas
links wie bei den vorhergehenden.
5. Zwischen dem fehlenden Bildnis und dem sehr fragmentierten
erhaltenen. Es ist genau in der Art wie 1, auch die Stempeleindrücke
sind an derselben Stelle. Hier das grosse Kreisornament gerade über dem
Band, sodass die vier Stempeleindrücke in derselben Vertikalen liegen.
6. Zwischen der letzten fragmentierten Gottheit und dem Bildnis
mit dem Nimbus. Die Verbindungslinie ist hier genau wagerecht, der
mittlere Stempeleindruck wie bei 2 und 3. Der obere Kreis in dersel¬
ben Weise wie 5 auf derselben Vertikalen.
Wie man sieht, sind die aufgelegten Zwischenornamente bei aller
Gleichartigkeit im einzeln etwas verschieden. Da nicht anzunehmen ist,
dass jeder kleinen Veränderung der Ornamente eine bestimmte Absicht
zugrunde gelegen haben kann, so können wir in diesen kleinen Ver¬
schiedenheiten, die sich besonders in der Lage der eingedrückten Kreis¬
ornamente kund gibt, nur ein freies Spiel des Töpfers sehen. Nach der
Grösse der Entfernung der Bildnisse, dieselbe ist nicht überall die
gleiche, brachte er nach eigenem Ermessen sein Ornament an und drückte
die Stempel dorthin, wie es ihm nach Lage und Laune angemessen
erschien. Ein handwerksmässiger Betrieb, der solche Vasen in grösserer
Anzahl herstellte, geht daraus hervor.
Wie aus dem Angeführten, sowie aus den Abbildungen der Kölner
Vase ersichtlich, lässt das aufgelegte Ornament zwischen den Götter¬
bildnissen die Vermutung zu, dass diesem Ornamente ein besonderes
Motiv zu Grunde gelegen haben kann. Zunächst hat der Oberteil ein
fa^t schneidgriffähnliches Aussehen; das Ende des Ornamentes, nach
dem Boden des Gefässes zu, teilt sich in zwei kleine Arme, so dass
ein hammerähnliches Gebilde entsteht (Abb. 9). Abb. 10 ist die Dar¬
stellung eines Hammers auf einem Bas-Relief im Museum zu Strass¬
burg *). Dasselbe stellt einen Götterkopf dar, der die geflügelte
’) Veröffentlicht in der Schrift: „Deux Monuments du dieu Triccphale gaulois"
von E. KRÜGER.
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9 )
Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf.
9
Mütze des Merkur trägt, während die Hand den Hammer des Dispater-
Silvanus schwingt. Dieser Hammer mit seinem verdickten Mittelteile
gleicht sehr dem Ornament auf der Kölner Vase. Die Verdickung ist
hier durch das an der Stelle angebrachte Ornament angedeutet.
Eine Bemerkung noch über die runden 5tempeleindrücke, die
mit demselben Motiv, bald grösser, bald kleiner oft auf der Kölner
Vase angebracht sind. Zunächst die 6 grossen Kreise dicht am Halse
der Vase zwischen den Bildnissen. Ihr Durchmesser beträgt 2 cm,
ein vertiefter Kreis ist angebracht, der einen Kreisring der Oberfläche
einschliesst. Dieser Kreisring ist durch eine mittlere, ziemlich tiefe Ver¬
tiefung und eine äussere, nicht so tief eingedrückte Vertiefung gebildet.
Mitten in der Vertiefung sitzt ein ganz kleines kugelförmiges Gebilde.
So kehrt dieses Ornament auf den Zwischenverzierungen, dem Nimbus,
auf den Köpfen selbst an Stelle des Haupthaares wieder. Ähnliche
runde Kreiseindrücke finden sich, wie schon bemerkt, auch auf der Pariser
Vase. Sie füllen, zu je 2 oder je 3 in gleicher Grösse angebracht,
die Zwischenräume der Götterköpfe aus. Bei der Lütticher Vase haben
wir nur je einen reliefartig aufgelegten Kreis, an derselben Stelle, wo
die grossen Stempel der Kölner Vase sich befinden. DEMARTEAU sagt
hierüber: „Chaque figure du vase de Jupille est accompagnee d’un an-
neau; c’est l’orbis ou circulus, qui designe soit la revolution de l’astre
soit la zone oü il paraTt attache et se meut perpetuellement“. Andere Or¬
namente fehlen, ausser den bereits erwähnten „nuages“ über zwei Götter¬
köpfen. Bei der Pariser Vase sind die Kopfhaare aller Bildnisse durch
ähnliche kleine Eindrücke hergestellt, die meist ein spiralförmiges
Ornament hervorbringen; dasselbe ist auf der Lütticher Vase der Fall.
Die Kinn-, Backen- und Lippenbärte dieser Götter, auch des Tricephalus
der Pariser Vase, zeigen dasselbe Motiv, ebenso sind drei Bärte der
Lütticher Vase behandelt. Zwei Bärte der Pariser Vase sind durch
Striche angedeutet, ebenso auf der Lütticher Vase. Die Kölner Vase
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10
C. Rademacher.
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hat drei erhaltene Bärte, sie sind sämtlich durch Striche hergestellt,
auch der Bart des dreiköpfigen Gottes, während die Kopfhaare der
Götterbildnisse sämtlich durch die rundert Stempeleindrücke hervor¬
gebracht sind. Die Locken der weiblichen Gottheit sind durch kleine
parallele Halbkreise angedeutet. Man sieht, bei aller Gleichartigkeit im
ganzen doch mannigfache Verschiedenheit im einzelnen. Zu erwähnen
sind hier noch die beiden runden aufgelegten Kreise auf dem Haupte
des Tricephalus der Pariser Vase, die als Andeutungen von Hörnern
oder Flügeln gelten können. Ob der Kölner Tricephalus diese An¬
deutungen auch gehabt hat, kann nicht festgestellt werden, da diese
Stelle des Kopfes fehlt.
Nicht unwichtig ist auch noch zu erwähnen, dass die Pariser und
Kölner Vase am Unterteile gleichsam als Abschluss der Götterdarstel¬
lungen zunächst zwei Rillen haben, umlaufend um das ganze Gefäss, dicht
beieinander, diesen folgt, mehr nach unten angebracht, eine dritte Rille.
Das Fehlen von ganzen Gesichtern und Gesichtsteilen auf der Kölner
Vase lässt über die Art der Herstellung deutliche Schlüsse zu. Der
Töpfer hat zunächst die Vase auf der Drehscheibe gearbeitet, dann wurde
dieselbe sorgfältig geglättet und ihr ein feines, hellederfarbiges Aussehen
gegeben. Die Gesichter sind zunächst in besonderen Formen hergestellt
und zwar als eine dünne flache Scheibe. Die noch weiche Vase nahm
der Künstler dann zur Hand, trieb an der Stelle, wo er die Bildnisse
anbringen wollte, die Wand heraus und klebte dann den Kopf auf, einen
nach dem andern. Sodann brachte er die Tonbänder an und griff
zuletzt zu seinem Stempel, mit dem er die Haare, den Nimbus und
die übrigen Ornamente herstellte. Man wird bei dieser Art der Technik
unwillkürlich an die mittelalterliche Steinzeugfabrikation erinnert, wie sie
uns aus den Erzeugnissen von Höhr-Grenzhausen, Siegburg, Köln, Frechen
und Raeren bekannt ist. Auch hier geschah die Anbringung der Orna¬
mente, Wappen, Figuren und szenischen Darstellungen in der Weise,
dass man in einer Tonform dieselben zuerst presste und dann auf den im
übrigen fertig vorbereiteten Krug auftrug. Auch sei hier gleich bemerkt,
dass nach einer anderen Hinsicht hin dieser Vergleich nicht ohne Be¬
deutung ist. Aus Siegburg und den übrigen mittelalterlichen Töpferorten
sind eine grosse Anzahl von bauchigen Gefässen bekannt, die alle
einen bärtigen Mann an der dem Henkel gegenüberstehenden Seite
haben. Der Kopf dieses Mannes schneidet mit dem Rande des Gefässes
ab. Man nennt diese Krüge „Bartmannskrüge“. Die Bärte sind oft lang,
oft kurz und man wird an die bärtigen Gottheiten der Vasen in Köln,
Paris und Lüttich erinnert, und das umsomehr, weil das Museum in
Lüttich ein Gefäss besitzt, mit einem solchen „Bartmann“, dessen Kopf
mit dem Rande des Gefässes ebenfalls abschneidet. Dieses Gefäss hat
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11] Germanische Gräber der Kaiserzeit am FJiegenberge bei Troisdorf. 11
denselben Fundort wie die Vase mit den Qötterköpfen und ist nord¬
gallische, also belgische Arbeit.
Was nun die Frage nach dem Fabrikationsorte der Vasen angeht,
so werden wir in Nordgallien, also in Belgien, die Werkstätten zu
suchen haben. Die Übereinstimmung der drei Vasen ist eine überaus
grosse, ebenso die Technik, so dass wir zu diesem Schlüsse berechtigt
sind. Alle Fäden weisen nach Belgien 1 ), wo auch ähnliche Vasen mehrfadt
zum Vorschein gekommen sind, so in Aiseau, Elouges, Schalkhoven,
Tongres, Ombret, Vodec^e, also in den Tälern der Maas und Sambre.
Hier in Belgien und am Niederrhein hat während der römischen Herr¬
schaft eine bedeutende Töpferkunst geblüht, und es ist gewiss mehr
als Zufall, dass die wichtigsten Töpferorte des Mittelalters wieder am
Niederrhein sich finden und hier im 15. und 16. Jahrhundert zu einer
so hohen Blüte sich emporschwangen.
Die Auffindung der belgorömischen Gesichtsvase in einer ger¬
manischen Ansiedelung auf dem rechten Rheinufer spricht für rege
Beziehungen zwischen diesen Landschaften. Für die Beurteilung dieser
Beziehungen wäre eine Datierung der Gesichtsvasen sehr erwünscht.
Salomon REINACH *) verlegt die Herstellung der Gesichtsvasen in die
spätere Kaiserzeit, das 3. Jahrhundert etwa. Demgegenüber hat
Direktor KRÜGER 3 ) in Trier die Ansicht vertreten, dem 1. Jahrhundert
und zwar etwa der Zeit des Tiberius gehörte das Pariser Gefäss an.
KRÜGER 4 ) hält diese Periode auch für die Kölner Vase zu Rechte und
glaubt aus der sorgfältigen Behandlung des Tones, der sauberen Ausführung
der Vase selbst und den aufgelegten Tonbändern, die noch an spätes
Latene erinnerten, sowie den Abschlussrillen am Unterteile des 3auches
der Vase, diesen Schluss ziehen zu können. Die Fundumstände der
Kölner Vase geben keinen einwandfreien Aufschluss über diese Frage.
Das 2. und 3. Grab, wie das später noch dargestellt werden wird, ge¬
hören dem 3. Jahrhundert an. Darüber kann kein Zweifel bestehen.
Die Leichenbrandurne des ersten Grabes ist in dieselbe Zeit zu versetzen.
Gehören nun der Becher und die Gesichtsvase zu diesem Grabe, so
müssen sie auch der Zeit angehören. Das Urteil des Arbeiters spricht
dafür, da nach seiner Meinung die Scherben der beiden Gefässe neben
der Knochenurne von ihm aufgehoben worden sind. Weiterhin hat das
3. Grab 3 Gefässe, das erste hätte, wenn wir die drei Gefässe desselben
als zusammengehörig betrachten, auch die Dreizahl gehabt. Diese
Dreizahl ist aus vielen Gräbern bekannt. Es ist allerdings die Möglich-
l ) Vergleiche DEMARTEAU: Le vase plandtaire de Jupille.
*) Salomon REINACH: Cultes, mythes et religions.
3 ) E. KRÜGER: a. a. O.
4 ) Persönliche Besprechung mit dem Berichterstatter.
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T
12 C. Rademacher. [12
keit nicht ausser Acht zu lassen, dass die Scherben des Bechers und
der Gesichtsvase einem sehr viel früheren Grabe angehört haben und
dass dieses Grab bei der Neuanlage zerstört worden ist. Die Ansiede¬
lung am Fliegenberge hat ja, wie schon eingangs ausgeführt worden
ist, lange bestanden. Münzen der ersten Kaiserzeit wurden gefunden
und in den Wohnstätten Scherben römischer Art, von denen einzelne
in das erste Jahrhundert unbedingt zurückreichen (Siehe die Tafel
Mannus 1). Somit würde nach dieser Richtung hin mit der Möglichkeit
einer früheren Datierung zu rechnen sein. Auch der Becher trägt ver¬
schiedene Symptome, die einer früheren Datierung nicht im Wege
stehen, ja dieselbe nach der Auffassung KRÜGERS wahrscheinlich
machen. Zunächst mutet er unter den bekannten Bechern, die ihm
gleichen, fremd an. Es ist bis jetzt kein derartiges Gefäss in den
römischen Gräbern der Kölner Gegend gefunden worden. Es könnte
nach KRÜGERS 1 ) Urteil wohl das Prototyp der etwars bauchigen, aber
schlankeren Becher abgeben, die im 3. Jahrhundert mit den Inschriften
sehr bekannt sind. Dazu stimme auch die Behandlung der Standfläche,
des Fusses, die im Innern einen ziemlich hohen Kreis aufweist, der
bei dem späterem Becher nicht mehr vorkomme. Ein abschliessendes
Urteil ist demgemäss über die Datierung vorerst nicht zu fällen, obschon
es die meiste Wahrscheinlichkeit hat, dass die Gesichtsvase zu dem 1. Grabe
gehört und also der späteren Kaiserzeit zuzurechnen ist.
Auch Sinn^ und Zweck der Gesichtsvasen, welchem Kultus sie ge¬
widmet sind, ist zweifelhaft. Es liegt auf der Hand, dass wir es bei
diesen Vasen mit Götterköpfen, mit Götterdarstellungen zu tun haben,
welchen eine bestimmte Vorstellung zugrunde liegt. Schon der Tricephalus,
eine aus dem Altertum bekannte Götterdarstellung, würde dies beweisen.
Aber auch nach dieser Hinsicht gehen die Urteile sehr auseinander.
BABELON 2 ) bezeichnet die Darstellungen auf der Pariser Vase als
Planetengottheiten, dazu stimmt die Siebenzahl. DEMARTEAU 8 ) hat
für diese und die Lütticher Vase dasselbe Urteil. Er zieht zum Beweise
ein goldenes Armband im Cabinet des medailles zu Paris herbei, das aus
Syrien stammt, aber griechische Arbeit ist, mit sieben Götterköpfen, welche
die sieben Planeten der Alten darstellen und deren Name in griechischer
Sprache jedem Bildnis beigefügt sind. DEMARTEAU ist der Ansicht,
wenn man die beiden Gegenstände im Cabinet des medailles, das gol¬
dene Armband und die Tonvase mit den übrigen Götterbildnissen studiert
hätte, würden alle diese Vasen längst ihre genügende Erklärung gefunden
*) Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter.
*) In dem Führer zu dem Cabinet des Mddaillcs.
a ) In der erwähnten Schrift: Le vase plandtaire de Jupille.
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13] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 13
haben. Salomon REINACH ist der Meinung 1 ), dass die Vase und das
Armband keine Beziehungen zueinander haben. Er hat die Identifi¬
zierung 2 ) der dreiköpfigen Gottheit besonders bearbeitet und sieht in ihm
einen gallischen Merkur. Er hat nachgewiesen, dass in Frankreich eine
Anzahl Steindenkmäler zum Vorschein gekommen sind, die eine bärtige,
dreiköpfige Gottheit darstellen, stets in derselben Anordnung, wie wir
sie bei der Kölner und Pariser Vase kennen gelernt haben. Durch die
sonstigen Attribute des Tricephalus, den Bock zu den Füssen, die Flügel
bezw. Hörner, die auch anerkannte Merkurstatuen aufweisen, sei die
Identifizierung des Tricephalus mit dem gallischen Merkur bewiesen.
Nach CAESAR stellten die damaligen Gallier schon von allen Gott¬
heiten den Merkur am häufigsten dar, „plurima simulacra* sagt er von
ihm. Die Verehrung Merkurs war am meisten verbreitet. In Griechenland
wurde Hekate mit 3 Köpfen abgebildet, Hermes im 6. Jahrhundert v. Chr.
dreiköpfig und bärtig an den Kreuzwegen aufgestellt. Durch griechischen
Einfluss, so nimmt REINACH an, hatten die Gallier aus den südlichen
Kolonien diesen dreiköpfigen Gott übernommen. Durch LUCAN sind
uns die Namen von drei gallischen Gottheiten überliefert. Teutates,
Esus, Taranus. Esus ist nach der Meinung des französischen Gelehrten
Merkur. Anderer Auffassung ist KRÜGER in seiner schon wiederholt
angeführten Schrift über die Pariser Vase. Er sieht in der dreiköpfigen
Gottheit Mars. Die Art der Gewandung dieses Bildes, die einem
Panzer ähnlich sei, gab ihm Veranlassung zu dieser Annahme, die
noch durch einzelne kleine Umstände, die Striche über den Augen¬
brauen, die Dreizahl der runden Stempeleindrücke zu beiden Seiten
des Kopfes und die kleinen runden Wülste in den Haaren ihm gestützt
erscheint. Der Töpfer habe diesen Kopf als den ersten darstellen wollen,
der erste Gott sei jedoch der Mars. KRÜGER identifiziert nun die
Köpfe der Pariser Vase, mit dem Tricephalus angefangen: Mars, Merkur,
Jupiter, Venus, Saturn, Sol, Luna. DEMARTEAU glaubt das fehlende
Bildnis der Lütticher Vase stelle einen dreiköpfigen Gott dar, und zwar
sei dies der Saturn; dann folgen Sol, Luna, Mars, Merkur, Jupiter,
Venus. Er hält die Vase für einen Ausfluss der aus dem Orient ge¬
kommenen und während der römischen Kaiserzeit immer stärker auf¬
tretenden magischen Kunst der Astrologie, die ja noch zu Zeiten des
Augustinus, wie aus seinen „Confessiones“ zur Genüge her vorgeht, eine
so grosse Rolle spielte, um dann später im Mittelalter zu neuem Leben
zu erstehen.
Die Dreiköpfigkeit des Saturn, der derselbe sei, wie im XVII.
*) Persönliche Mitteilung an den Berichterstatter.
? ) In der Schrift: Cultes, mythes et religions.
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C. Rademacher.
[14
Jahrhundert bei den Astrologen Saturnus Tergeminus, erklärt DEM ARTEAU
aus dem Umstande, dass ihn die alten Astronomen mit Ihren unvoll¬
kommenen Instrumenten dreifach gesehen, also als eine Dreiheit, und
diese Dreiheit sei in der dreiköpfigen Darstellung zum Ausdruck ge¬
kommen. Er sagt ferner: „Ces grands bols, cadeaux de l’amitte, ötaient
destines ä paräitre au jours de fetes: Funde merum Genio*. Zur guten
Vordeutung hätte man die astrologischen Gottheiten samt und sonders
auf diese Art der Gefässe angebracht. Da der astrologische Kult erst in
der späteren Kaiserzeit recht in Blüte kam, dürfte hierin auch ein Be¬
weis gefunden sein, dass die Datierung nicht allzufrüh angenommen
werden kann, dass also die Kölner Gesichtsvase mit dem Becher nicht
den Rest eines früheren Begräbnisses darstellt, sondern zu den anderen
Funden gehört, mit diesen einen Grabinhalt bedeutet. Dies ist um so
wahrscheinlicher, da der bald darauf in der Nähe gefundene 2. und 3.
Grabinhalt, wie wir gleich sehen werden, in die spätere Kaiserzeit zu
setzen ist.
Fassen wir das Ganze kurz zusammen, so ergeben sich folgende
Tatsachen:
1. Die Kölner Vase hat mit denen in Paris und Lüttich sehr viele
Übereinstimmungen.
2. Auf allen Vasen sind Götterbildnisse dargestellt, die nicht mit
Sicherheit zu identifizieren sind.
3. Die Identifizierung der dreiköpfigen Gottheit ist ebenso unsicher,
da Merkur, Saturn und Mars von verschiedenen Forschern unter
dem Tricephalus begriffen werden. Dies mag darin seinen Grund
haben, dass die Götterindividualitäten in Gallien durch den rö¬
mischen Einfluss schwankend geworden waren.
4. Die Annahme, dass wir es mit Planetengottheiten oder Vater¬
gottheiten auf den Vasen zu tun haben, hat vieles für sich,
wenngleich die Sechszahl der Kölner Vase dem zu wieder¬
sprechen scheint. Man könnte allerdings annehmen, dass hier
eine Gottheit durch Zufall ausgelassen sei.
5. Die Vasen weisen auf Belgien als das Ursprungsland.
6. Als Zeit der Herstellung ist die mittlere oder spätere römische
Kaiserzeit anzusehen.
2. Grab.
Das zweite Grab, das unvollständig gehoben ist, enthält ausser
Scherben nicht römischen Charakters zwei Lanzenspitzen aus Eisen, eine
Scheibenfibel und ein Eisengerät. Die Lanzenspitzen (vergl. Abb. 7)
gehören der germanischen Kultur an.
3. Grab.
Über die Anlage des Grabes Seite 3.
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PR1NCET0N UNt VFRSyr^ ^ f
15] Germanisdie Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf.
15
Die Urne (Taf. II, Fig. 1) mit den Knochenresten ist 20 cm hoch,
ohne Drehscheibe gearbeitet, plump, wenig geglättet. Der Rand ist ver¬
dickt und nach unten mit Fingernageleindrücken verziert. Dieses Ornament
kehrt auf dem Bauche in doppelter Reihe wieder. Das zweite Gefäss
(Taf. I, Fig. 5) hat den Typus der Fussbecher, der Fuss fehlt allerdings. Es
hat eine Höhe von 11 cm und 17 cm Durchmesser. Wie bei den Fuss-
bechern sitzt der senkrechte Hals auf einem wenig gebogenen Bauche,
die weiteste Stelle ist nur einige cm von dem Beginne des Randes
entfernt. Der Rand ist etwas verdickt. Diese Rand- und Halsbildung
zeigen eine grosse Anzahl von Scherben, die in den Wohnstätten
des Fliegenberges gefunden worden sind, und hierdurch ist wohl be¬
wiesen, dass die Gräber zu den Wohnstättenanlagen gehören. Auch die
Randbildung der Urne kehrt in Funden der Wohngruben wieder, ebenso
die Ornamentierung durch Fingernageleindrücke; diese bilden ja, nach
den bis jetzt gemachten Funden, in allen möglichen Variationen ange¬
wandt, die hauptsächlichste Art der Orna-
mentation. Auf dem Knocheninhalte der
Urne lag der Spinnwirtel (Abb. 11). Der
Bauch des kleinen fussurnenähnlichen, auf
der Drehscheibe gearbeiteten Gefässes ist
nun durch Ornamente verziert, die aus
sehr kleinen, sanft eingedrückten Ver¬
tiefungen bestehen. Einige Male finden
sich je drei solcher Punkte in Form eines
Dreieckes angebracht, öfter jedoch sind die
Punkte dicht aneinandergedrückt, so dass die Gestalt eines gleicharmigen
Kreuzes entsteht. Die Endpunkte des Kreuzes sind meist etwas ver¬
stärkt eingedrückt.
Wie in dem Fundbericht erwähnt,
lagen über der Knochenurne Scherben
eines Gefässes, die nur zum Teil im
Feuer gewesen sind und sich deshalb
wieder zu einem Ganzen zusammensetzen
Hessen. Es ist ein römisches Gefäss
(Taf. II, Fig. 2) mit einer künstlichen
Färbung, die demselben das Aussehen
eines Sigillatagefässes gibt. Das Gefäss ist 18 cm hoch; Durchmessen
des Randes 11 cm, des Bauches 15 cm. Es hat eine etwas ellipsen¬
förmige, bauchige Gestalt; Hals und Fuss sind ziemlich gleichmässig
eingezogen. Der ganze Bauch, nach Rand und Fuss durch schmale
Rillen abgegrenzt, ist mit zierlichen Ornamenten versehen. Spiral-
und volutenförmig ziehen sich äusserst geschmackvolle Linien, fein und
25 cm
Abb. 1Z. V» b. nat. Gr.
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C. Rademacher.
[16
sauber ausgeführt, um die ganze Bauchwand. Die Linien endigen in
Palmetten, deren Spitzen bald nach eben, bald nach unten gerichtet
sind. Durch kleinere Palmetten sind die freibleibenden Zwischenräume
ausgefüllt. Die Palmetten sind eingeschliffen oder eingeschnitten und
verraten eine sehr geschickte Hand. Auch dieses Qefäss ist in das
3. Jahrhundert zu setzen. Die übrigen Beigaben des Grabes sind be¬
reis aufgezählt. Die Schere (Abb. 12), eine sog. Schafschere, ist 20 cm
gross und wohl erhalten. Von dem Knochenkamm waren nur geringe
Reste vorhanden, er hatte den Leichenbrand durchgemacht. Von den
Zähnen sind nur einzelne Ansätze zu erkennen; bemerkt sei, dass Bronze¬
nieten die Griffplatten Zusammenhalten. Von der Silberfibel, die genau
der Almgren (Taf. V, Fig. 101) gleicht und in den römischen Rhein¬
provinzen auch schon gefunden, ist nur der Nadelhalter da. Die Bronze-
k- ßj cm -*
Abb. 13.
I
reste gehören einem weitbauchigen Gefässe an, weitere Reste sind nicht
zu bestimmen und geben keine Anhaltspunkte. Das Schwert (?) (Abb. 13),
ebenfalls im Leichenbrand gewesen, zeigt
an einzelnen Stellen den bekannten Edel¬
rost, andere Stellen waren blasig und
aufgetrieben, so dass eine Behandlung
nötig erschien. Es ist 65 cm lang,
daran gehen 27 cm für den Griff ab.
Die Breite der Klinge beträgt 5,5 cm.
Der Typus dieses Schwertes ähnelt in
etwa den Schwertern der Völkerwan¬
derungszeit. Der ganze übrige Befund
der Grabbeigaben und ebenso der Fibel¬
rest sprechen für eine spätere Periode
der römischen Kaiserzeit.
Nach Auffindung dieser Gräber wur¬
den die Ausgrabungen in dem eingangs
Abb. N. geschilderten Terrain der Wohnstätten fort¬
gesetzt. Der erste grosse Versuchs¬
graben lieferte keine weiteren Anhaltspunkte, doch kam im hellen
Sande, 60 cm tief, mit der Öffnung nach unten stehend ein plumpes
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■••.W •-
17] Germanische Gräber der Kaiserzeit am Fliegenberge bei Troisdorf. 17
Gefäss (Abb. 14) zum Vorschein, Höhe 39 cm, Durchmesser an
der Öffnung 25 cm. Das dickwandige, rauhe Gefäss verjüngt sich stark
nach unten und hat einen gewölbten Boden. Die Innenseite ist ge¬
schwärzt; der Topf scheint als Kochgefäss benutzt worden zu sein.
Das Gefäss war im klaren reinen Sande eingebettet, ohne jede weiteren
Beigaben, es erinnert dadurch an das ebenfalls mit der Öffnung nach unten
gerichtete, im Bimssand über der Magdalenien-Ansiedelung bei Andernach
am Martinsberg gefundene Gefäss, das SCHAAFFHAUSEN in seiner
Publikation der Martinsberger Ansiedelung veröffentlicht hat.
Durch weitere Grabungen wurde eine neue Wohnstätte aufgedeckt,
die keine neuen Aufschlüsse ergab. Scherben germanischen Charakters
kamen zum Vorschein, darunter einer mit reicher Ornamentation, aus
eingeschnittenen Rillen und kleinen Kreisen bestehend. Auch ein flacher
Reibstein wurde gefunden.
Zum Schlüsse sei herzlicher Dank dem Herrn ausgesprochen,
durch dessen Unterstützung die Ausgrabungen und Ankäufe für das
Museum ermöglicht worden sind. Sie sind geeignet, neues Licht zu
bringen über die germanisch-römische Kultur, wie sie in germanischen
Ansiedelungen der späteren Kaiserzeit auf dem rechten Rheinufer ge¬
herrscht hat. —
Mannus. Bil II. M. I.
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Naturrevolutionen in Mittel-Italien
vor dreitausend Jahren 1 ^
Von Oscar Montelius.
Mit 20 Textabbildungen.
Unter den Tausenden von Pilgern, die in unseren Tagen aus allen
Ländern, protestantischen sowohl wie katholischen, nach Rom wallfahrten,
um die wunderbare Stadt und ihre schöne Umgebung kennen zu lernen,
gibt es wohl nicht viele, die es versäumen die Albanerberge zu besuchen.
Hier lag einmal Alba Longa, die Stadt, die man als Roms Mutter be¬
trachtete; hier begegnen uns die Namen Frascati und Tusculum, Genzano
und Castel Gandolfo, wo sich Papst Pio Nono so wohl fühlte, ehe die
Fiktion von seiner Gefangenschaft im Vatikan erfunden wurde.
Genzano, wie Frascati berühmt wegen seines Weines, liegt an dem
schönen, von einer prächtigen Vegetation umgebenen Lago di Nemi,
von dem schon Ovid sang. Der Nemi-See ist, wie viele andere in
Mittel-Italien, fast rund. Lange braucht man ihn und seine steilen Ufer
nicht zu betraditen, um sich klar zu werden, dass er ein erloschener, mit
Wasser gefüllter Krater ist.
Nicht weniger als fünfzehn Krater, die von vulkanischer Tätigkeit
einst in der Vorzeit zeugen, und von denen die meisten wassererfüllt
sind, liegen rings um die römische Campagne (Abb. 1).
Um nur einige von ihnen zu nennen, so haben wir südlich oder
genauer südöstlich von Rom den Lago di Albano, ganz nahe an dem
eben erwähnten Lago di Nemi gelegen, und nördlich von Rom zuerst
den Lago di Bracciano, dann den Lago di Vico, und noch weiter hin
den grossen Lago di Bolsena. In den Lago di Vico springt der Monte
di Venere vor, dessen Name daran erinnert, dass auf dem Berge einst
eine weibliche Gottheit verehrt wurde.
Alle diese Krater sind seit lange in Seen verwandelt. In anderen
ist keine solche Wasseransammlung entstanden. Der alte Kraterboden
') Übersetzung aus dem Schwedischen von Albert WINCKLER, revidiert von
Gustaf KOSSINNA.
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Abb. 1. Ein Tel! von Mittel-Italien.
3] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren. 21
liegt da trocken, natürlich sehr verändert seit der Zeit, wo der Vulkan
in Tätigkeit war.
Ein solcher „trockener“ Krater ist das kesselförmige Tal, das bei
dem durch seine schattenreichen Haine berühmten Ariccia liegt, und
das bekannt ist unter dem Namen Valle Ariccia, gewöhnlich verkürzt
zu Vallericcia.
Der Monte Cavo ist ein anderer Krater derselben Art, rund und
gross. An seinem Rand liegt das wegen seiner reinen Luft und seiner
schönen Lage bekannte Rocca di Papa, wo die Römer während der
Sommerhitze Kühlung suchen.
Ganz oben auf dem Monte Cavo, oder Mons Albanus, wie die
Römer den Berg nannten, lag in alten Zeiten der Tempel des Jupiter
Latialis, und noch ist der mit flachen Steinen belegte heilige Weg merk¬
würdig gut erhalten, auf dem einmal die Prozessionen von Rom und
ganz Latium hinauf zum Tempel zogen. Wo dieser stand, liegt jetzt ein
Kloster, von dem man eine herrliche Aussicht über Land und Meer ge-
niesst. Bei wirklich klarem Wetter kann man von hier bis hin zu den
höchsten Bergspitzen des fern gelegenen Sardinien sehen.
Vallericcia und Monte Cavo liegen ganz nahe am Lago di Albano
und Lago di Nemi. In unmittelbarer Nähe beieinander haben wir hier
somit nicht weniger als vier Krater, zwei leere und zwei mit Wasser
gefüllte.
Alle diese jetzt erloschenen Krater rings um die römische Cam-
pagna beweisen, dass es eine Zeit gab, wo es in der Umgegend Roms
ebenso unruhig war wie heutzutage in der Umgegend Neapels und an
der Strasse von Messina.
Alle Tätigkeit der unterirdischen Kräfte ist jedoch nicht vorüber
in den Gegenden um die ewige Stadt. Noch nimmt man diese Tätig¬
keit hier und da auf der Campagna wahr.
Wer von Rom nach Tivoli gefahren ist, entsinnt sich sicher, welche
Gefühle man hat, wenn man sich der alten Brücke nähert, die über den
Teverone führt, unterhalb der Hadrians-Villa. Wenn man hier rastet,
um sich in einer am Wege gelegenen Osteria mit einem Glase Wein
zu erfrischen, wird das Behagen etwas durch einen starken Schwefel¬
geruch beeinträchtigt, doch gewöhnt man sich bald daran. Der Schwefel¬
geruch kommt von den drei kleinen in der Nähe gelegenen Solfatara-
Seen, den Aquae Albulae, wie sie in alten Tagen hiessen.
Bei Viterbo, nördlich von Rom, gibt es auch warme Schwefelquellen,
und an mehreren anderen Stellen in der Nähe von Rom trifft man
Quellen, die gleichfalls im Zusammenhang mit den vulkanischen Kräften
stehen.
Hier wie bei dem westlich von Neapel liegenden, fast erloschenen
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22
Oscar Montelius.
[4
Krater, der auch unter dem Namen Solfatara bekannt ist, ist der Schwefel
eine Erinnerung daran, dass die vulkanische Tätigkeit nicht ganz und
gar zu Ende ist.
Zu Zeiten, die nicht so weit zurückliegen, als dass die Geschichte
die Erinnerung an das, was damals geschah, nicht bewahrt hätte, ist
die Tätigkeit in der Umgegend Roms weit bedeutender gewesen, als
die meisten sich jetzt vorstellen. So erzählt Livius im 31. Kapitel des
ersten Buches seiner Römischen Geschichte, wie unter der Regierung
des Königs Tullus Hostilius „an den König und den Senat die Meldung
kam, dass es auf dem Albaner Berge Steine geregnet hätte. Da dies
kaum glaublich erschien, wurden einige Personen abgesandt, um das
Wunderzeichen in Augenschein zu nehmen, und vor ihren Augen fielen
haufenweise Steine vom Himmel, nicht anders als wenn der Wind Hagel¬
wirbel auf die Erde hinabtreibt“. Aus diesem Anlass veranstalteten
die Römer ein neuntägiges Opferfest. Livius fügt hinzu, „dass der
Brauch beibehalten wurde, ein neuntägiges Opferfest zu veranstalten so
oft ein solches Wunderzeichen gemeldet wurde“.
Dies traf nicht so selten ein, auch in verhältnismässig später Zeit.
Unter dem Jahre 341 vor Chr. Geb. berichtet Livius im 28. Kapitel
des 7. Buches von einem Wunderzeichen „gleich dem, das in der Vor¬
zeit auf dem Albaner Berge gesehen worden; denn es regnete Steine
und mitten am Tage schien sich nächtliche Dunkelheit auszubreiten.
Die heiligen Bücher wurden um Rat befragt, und wegen der allgemein
herrschenden Furcht beschloss der Senat, dass ein Diktator zur Veran¬
staltung von Betfesten ernannt werden sollte. Nicht allein alle römischen
Mitbürger, sondern auch die angrenzenden Völker wurden ermahnt, dies
Betfest zu begehen, und es wurde bestimmt, an welchem Tag es von
einem jeden gefeiert werden sollte“.
Aus den über solche merkwürdigen Ereignisse von den Priestern
besonders geführten Aufzeichnungen teilt derselbe Verfasser für noch
spätere Zeiten gleiche Berichte mit. Für die Jahre 216—167 vor Chr.,
also für die verhältnismässig kurze Zeit von nur 50 Jahren, sind nicht
weniger als zehn Ausbrüche in Latium von Livius erwähnt.
• *
*
Diese schriftlichen Aufklärungen über die vulkanischen Ausbrüche
in der Gegend Roms gehen indes nicht weiter zurück als etwa zwei
und ein halbes Jahrtausend. Tullus Hostilius sollte ja um die Mitte
des siebenten Jahrhunderts vor Beginn unserer Zeitrechnung gelebt haben.
Aus anderen Aufschlüssen als den schriftlichen erfahren wir, dass
solche Ausbrüche in den Albaner Bergen mehrere Jahrhunderte früher
stattgefunden haben und dass sie sehr bedeutend gewesen sind.
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5]
Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren.
23
Zwischen Castel Gandolfo und Albano wurden vor ungefähr neunzig
Jahren einige sehr alte Gräber aufgedeckt, die verbrannte Knochen, in
Tongefässen aufbewahrt, enthielten und die in einem gelblichen vulka¬
nischen Sand unter einer 0,50—1 m dicken Schicht von „Peperino“ an¬
getroffen wurden. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man in Latium eine
Gesteinsart, gebildet aus Steinchen und vulkanischer Asche, die im Wasser
aufgeschlemmt gewesen und dann erhärtet ist. Auch nach dem Jahre 1817,
wo man auf die ersten Gräber hier aufmerksam wurde, sind bei ver¬
schiedenen Gelegenheiten solche Gräber angetroffen worden.
Der Sand, in dem die Graburnen niedergesetzt sind, rührt natür¬
lich von vulkanischen Ausbrüchen her, die älter sind als die Zeit, wo
die Gräber hier gegraben wurden. Aber von der darüberliegenden
Peperino-Schicht hat man bei genauen Untersuchungen gefunden, dass
sie jünger ist als die Gräber. Es hat sich nämlich gezeigt, dass man
sich nicht durch den Peperino gehauen hat, um die Graburnen in die
Erde zu bringen, sondern dass diese bereits an Ort und Stelle sich
befanden, als der Ausbruch eintrat, durch den die später zu Peperino
erhärteten Massen herausgeschleudert wurden.
Die im Jahre 1817 aufgedeckten Gräber erregten grosses Aufsehen,
teils weil man glaubte das Gräberfeld von Alba Longa aufgedeckt zu
haben, teils weil viele der hier gefundenen Tongefässe von eigentüm¬
licher Art waren. Sie haben die Form von Hütten und werden deshalb
„Hausumen“ genannt (Abb. 2 und 3).
Abb. 2. Hausurne. Albano. Abb. 3. Die Hausurne Abb. 2 von oben gesehen.
Solche Hausurnen sind nunmehr nicht nur aus der Umgebung Albanos
sondern auch von anderen Teilen Mittel-Italiens bekannt. Mehrere sind
aus den wichtigen Gräbern unter dem Forum in Rom zutage gebracht,
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24
Oscar Montelius.
[6
von denen ich vor ein paar Jahren in einer schwedischen Zeitschrift
gesprochen habe. „Die eigentümliche Form dieser Grabgefässe“, sage
ich dort 1 ), „steht im Zusammenhang mit dem Brauch mancher Völker,
den Verstorbenen eine Ruhestätte zu bereiten, die der Wohnung gleicht,
in der sie gelebt haben. Als man begonnen hatte, die Toten zu ver-
Abb. 4. Hausurne. Mittel-Italien. Abb. 5. Hausurne. Mittel-Italien.
brennen, anstatt sie unverbrannt zu beerdigen, war es natürlich, dass
das Grab auf andere Weise eingerichtet wurde als früher. Man konnte
nicht gut eine Handvoll verbrannte Knochen in eine grosse Grabkammer
legen, man konnte aber — und
in Mittel-Italien wurde das Brauch
— sie in ein Tongefäss von un¬
gefähr derselben Form legen wie
die Hütte, in der die Toten ge¬
lebt hatten“.
Diese Hausurnen zeigen,
dass die Hütte gewöhnlich läng¬
lichrund war (Abb. 2—6), bis¬
weilen jedoch ist die Form deut¬
lich viereckig (Abb. 7 und 8). Die
Dachbedeckung wird auf ihrem
Platz durch Stangen festgehalten,
gleich denen, die zu demselben
Zweck an Gebäuden in späteren
Zeiten angewandt wurden. Im Dach
befindet sich ein Rauchloch. Eine viereckige Tür führt in die Hütte
hinein und manchmal sieht man ein Fenster derselben Form in der
Wand (Abb. 6). Nicht selten sind die Pfosten nachgebildet, die vor
der Tür standen und oben ein kleines Dach trugen, so dass das Ganze
Abb. 6. Hausurne mit Fenster. Mittel-Italien.
*) „Neuigkeiten aus dem alten Rom“ („Nordisk Tidskrift“, 1907, S. 125).
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7]
Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren.
25
Abb. 7 und 8. Vierseitige Hausurnc, von zwei Seiten gesehen. Mittel-Italien.
Abb. 9. Bronzefibel. Albano.
Abb. 10. Bronzemesser. Albano.
eine Art Vorhalle bildete; auf der Hausurne sind diese Pfosten natürlich
auf die beiden Seiten der Tür gestellt, nicht wie am Original mitten vor
diese, da sie dann nicht
hätte geöffnet werden
können (Abb. 5). ’
Von besonderer
Bedeutung für die Zeit¬
bestimmung der in der
Nähe von Albano unter
der Peperinoschicht
aufgedeckten Gräber
wie so vieler anderer
Funde sind die aus
den Gräbern entnom¬
menen Bronzehefteln,
die sogenannten Fibeln.
Ein Studium der Ver¬
änderungen, die diese
nützlichen Schmuck¬
sachen durchgemacht
haben, hat es ermög¬
licht den Entwicklungs¬
gang im Einzelnen fest¬
zustellen, der von der
ältesten Form, ganz
gleich den heutigen
Sicherheitsnadeln, zu
Abb. 11. Miniatur-Schild von Bronze. Albano.
Abb. 12. Miniaturlanze von Bronze. Albano.
Abb. 13.
Miniatur-Schwert
von Bronze. Albano.
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26
Oscar Montelius.
[8
solchen Formen geführt hat, wie die Abb. 9 und 19 zeigen. Die Scheibe,
an der die Spitze der Nadel ruht, war zu Anfang klein und von einem
schmalen in mehreren Windungen spiralförmig gelegten Bronzedraht ge¬
bildet. Allmählich wurde die Scheibe grösser und gleichzeitig die Spiral¬
windungen breiter und geringer an Zahl. Noch später findet sich nur noch
ein unbedeutendes, und schliesslich gar kein Überbleibsel von der Spiral¬
form der Scheibe. Zu einem ziemlich späten Stadium dieser Entwicklung
gehören die in den Albanogräbern gefundenen Fibeln (Abb. 9).
Dies zeigt, dass die fraglichen Gräber sich aus der fünften der
Perioden herschreiben, in die ich die Bronzezeit Italiens eingeteilt habe.
Zu demselben Ergebnis führt eine Prüfung aller anderen aus diesen
Gräbern stammenden Sachen,
unter denen wir besonders be¬
achten müssen die Waffen und
Werkzeuge von Bronze, teils
wirkliche Messer (Abb. 10),
teils Miniaturnachbildungen von
Schild, Lanze und Schwert
(Abb. 11—13). Anstatt im
Grabe, das selbst eine Minia¬
turabbildung der Hütte war,
in der der Verstorbene gelebt
hatte, wirkliche Waffen nieder¬
zulegen, legte man symbolische
Abbildungen von solchen dort¬
hin. In einigen Gräbern fand
man auch kleine, plump aus¬
geführte Tonbilder, die aller Wahrscheinlichkeit nach bestimmt waren,
die Personen vorzustellen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben
(Abb. 14 und 15).
Die fünfte Periode, der letzte Teil der Bronzezeit in Italien, ent¬
spricht nun dem 12. Jahrhundert vor Christi Geburt. Während dieses
Jahrhunderts wurden also die Gräber bei Albano gegraben, und erst
nachdem sie angelegt waren, fand der vulkanische Ausbruch statt, durch
den sie mit der Peperinoschicht bedeckt wurden.
Obwohl es möglich ist, dass Gräber einer etwas späteren Zeit als
der eben genannten unter dem Peperino angetroffen worden sind, ist
es höchst wahrscheinlich, dass keine viel jüngeren Gräber dort gefunden
sind, und dass somit der in Rede stehende Ausbruch ungefähr 1100 Jahre
oder im elften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, also ungefähr
3000 Jahre vor unseren Tagen stattgefunden hat.
* *
*
Abb. Hund 15. Tonbild von zwei Seiten gesehen. Albano.
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9]
Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren
27
28
Oscar Montelius.
[10
Auch andere Funde geben uns bemerkenswerte Aufschlüsse von
einer gewaltigen Naturrevolution, die zu ungefähr derselben Zeit in
einer anderen Gegend Mittel-Italiens vor sich gegangen ist, die auch
nicht besonders weit von Rom liegt.
An einem von Osten in die Tiber mündenden Nebenfluss Nera
liegt die Stadt Temi, berühmt wegen des in der Nähe befindlichen
Wasserfalls Ja caduta delle marmore". Ganz nahe bei Temi, auf einem
® 1 »*e 0 _l_2_3_ < _5 b.
Abb. 17 und 18. Durchschnitt der Schichten bei Temi.
Abb. 17 1 Grab in dem oberen Gr&berfelde. — Abb. 18: Grab in dem unteren Gräberfelde.
Platz, wo ein Eisenwerk, Acciaieria, angelegt worden ist, hat man Gräber
von hohem Alter gefunden (Abb. 16).
Obwohl der Abstand zwischen Albano und Temi in der Luftlinie
noch nicht hundert km beträgt, hatte man an der letzteren Stelle die
Sitte die Toten unverbrannt zu bestatten, zu der Zeit, als die Bewohner
der Albanerberge ihre Toten verbrannten. Auch in anderer Hinsicht
war die Begräbnisart an beiden Stellen verschieden.
Bei Temi grub man in den Boden eine Grube, in die die Leiche
gelegt wurde, dann wurde über diese ein Haufen von Steinen geworfen,
der ungefähr bis zur Erdoberfläche reichte. Auf der Mitte des Haufens
wurde ein Stein aufgerichtet, der über der Erde sichtbar war und die
Lage des Grabes angab (Abb. 18).
Die Gräber enthalten Waffen von Bronze, sowie Schmuckstücke
und Tongefässe, die es unzweifelhaft machen, dass sie sich aus dem
11. Jahrhundert vor Chr. herschreiben. Die Fibeln (Abb. 19) sind etwas,
aber nicht erheblich jünger als die in den oben besprochenen Albano-
Gräbem üblichen.
Eine nähere Untersuchung sowohl der archäologischen wie der
geologischen Verhältnisse hat indessen zu sehr interessanten Ergeb¬
nissen geführt.
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PRINCETON UNIVERSTtf
J
• V • ' J ' 1 . ■
11] Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren, 29
Auf einer Lehmschicht — die, die man unten in Abb. 18 sieht —
hatte sich im Laufe der Jahre oder der Jahrhunderte eine dicke Schicht
Humus gebildet. Die jetzt besprochenen Gräber sind, wie wir bei einem
Blick auf die eben angeführte Abbildung erkennen, durch den Humus
in den Lehm hinabgegraben.
Später hat sich eine neue mächtige Lehmschicht an der Stelle
abgesetzt und das ganze Grabfeld bedeckt, sodass die Oberfläche des
Bodens, in dem die Gräber angelegt waren, ungefähr 3 Meter unter der
jetzigen Erdoberfläche liegt.
Besondere Aufmerksamkeit verdient nun der Umstand, dass man
zu einer Zeit, als die Bodenoberfläche ungefähr 1,50 Meter höher lag
als die Oberfläche der Humusschicht, durch die die ursprünglichen Gräber
gegraben wurden, von neuem hier begraben hat (Abb. 17). Die späteren
Gräber, die anderthalb Meter höher als die früheren liegen und gleich¬
falls unverbrannte Leichen enthalten, sind gewöhnlich von einem Stein¬
kreis umgeben, dessen Oberkante wahrscheinlich über der Erdoberfläche
sichtbar war (Abb. 20).
In diesen oberen Gräbern finden sich Bronzewaffen, Schmucksachen
und Tongefässe derselben Art wie in den unteren. Und bei einer
näheren Prüfung der Fibeln wie der übrigen Funde in allen diesen
Gräbern bin ich zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die
ältesten Gräber in der oberen Schicht so gut wie vollständig gleich¬
zeitig mit den jüngsten Gräbern in der unteren Schicht sind. Be¬
sondere Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, dass ein solcher
Steinkreis um das Grab, wie er eben besprochen wurde, auch in der
unteren Schicht angetroffen wurde.
Man hat also begonnen in der oberen Schicht zu begraben, un¬
mittelbar nachdem man das alte Gräberfeld hat aufgeben müssen.
Das ist aber gleichbedeutend mit der besonders merkwürdigen
Tatsache, dass die gewaltige Lehmmasse von ungefähr anderthalb Meter,
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PRINCETON UNIVERSITY
30
Oscar Montelius.
[12
die das alte Gräberfeld bedeckt, und in der das neue Gräberfeld ange¬
legt wurde, sich in einer sehr kurzen Zeit gebildet haben muss,
vielleicht in einem einzigen Jahr, und sicher im Verlauf von einigen
wenigen Jahren.
Die gleichfalls ungefähr anderthalb Meter dicke Schicht von Lehm
und Humus, die über dem oberen Gräberfeld liegt, kann dagegen all¬
mählich hinzugekommen sein. Ungefähr 3000 Jahre sind nämlich ver-
Abb. 20. Grab von einem Steinkreise umgeben, im oberen Gräberfelde. Terni.
flössen, seit man begann das obere Gräberfeld zu benutzen, was ja im
11. Jahrhundert vor Chr. Geb. geschah.
Die Tatsache aber, dass eine so mächtige Lehmschicht, wie die,
in der das obere Gräberfeld liegt, sich in der kurzen Zeit, die ich eben
nannte, gebildet hat, setzt eine ausserordentlich starke Überschüttung
voraus, verursacht entweder durch ein Erdbeben, einen vulkanischen
Ausbruch oder eine andere ähnliche Ursache.
Und besondere Aufmerksamkeit scheint es mir zu verdienen, dass
die Naturrevolution, deren Spur wir bei Terni finden, ungefähr gleich¬
zeitig gewesen sein muss mit der, da die Albanogräber mit Peperino
bedeckt wurden. Die jüngsten Gräber auf der letzteren Stelle sind näm¬
lich nicht viel älter als die ältesten Gräber in dem oberen Gräberfeld
bei Terni. Auch wenn es dasselbe zerstörende Naturereignis gewesen
ist, das wir auf den beiden eben genannten Stellen kennen gelernt
haben, wäre ja ein solcher kleiner Zeitunterschied zu erwarten, denn die
Gräber bei Albano waren schon vorhanden, als der Ausbruch geschah,
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PRINCETON UNtVERSITY
13 ]
Naturrevolutionen in Mittel-Italien vor dreitausend Jahren.
31
und die Gräber bei Terni kamen erst hinzu, nachdem dies stattge¬
funden hatte und man wieder zu ruhigen Verhältnissen gekommen war.
Wir können die Zeit, wo die Überschüttung bei Terni stattfand,
näher bestimmen, als die wo der Peperino sich über das Gräberfeld bei
Albano legte. Bei Terni wissen wir nämlich, was die jüngsten Gräber
in der unteren Schicht und die ältesten Gräber in der oberen Schicht
enthalten. Bei Albano haben wir nur einen Terminus post quem: wir
wissen, dass Gräber des 12. vorchristlichen Jahrhunderts dort vorhanden
waren, als der Ausbruch stattfand, aber, wie ich schon bemerkte, wissen
wir nicht, ob möglicherweise einige von den Gräbern, die vom Peperino
bedeckt wurden, etwas jünger, vom Anfang des 11. Jahrhunderts waren.
Um Missverständnisse zu vermeiden, darf ich vielleicht, obgleich
es wohl unnötig sein dürfte, ausdrücklich betonen, dass ich mich nicht
darüber äussern will, wie weit wir es mit ein und derselben oder mit
zwei nahezu gleichzeitigen Naturumwälzungen zu tun haben. Soweit ich
sehen kann, ist das erstere fast ebenso wahrscheinlich wie das letztere.
Es verdient hierbei besonders erwähnt zu werden, dass einer der
Flüsse, deren Wasser bei Terni übergetreten ist, in den Bergen östlich
und nicht sehr weit von Albano entspringt.
* • *
Was ich mit dieser Mitteilung bezwecke, ist darzulegen, wie man
mit Hilfe einiger interessanter Funde hat beweisen können, dass mächtige,
vermutlich sehr verheerende Naturrevolutionen, ähnlich denen, die sich
vor kurzem an der Strasse von Messina ereigneten, in Mittel-Italien vor
dreitausend Jahren verspürt wurden.
Zu Beginn unserer Zeitrechnung, kurz ehe Pompeii und Herculanum
durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört wurden, hatten die meisten ver¬
gessen, dass dieser Berg ein Vulkan ist, da er seit langem nicht in
Tätigkeit gewesen war. Er sah damals ebenso unschuldig aus, wie heute
die erloschenen Krater rings um die Campagna.
Ich hoffe, dass die, welche jetzt zwischen den Albanerbergen oder
an den alten Vulkanen nördlich des Tiber wohnen, nicht eines Tages
die furchtbare Bekanntschaft mit den im Erdinnern schlummernden Kräften
machen werden, die die Bewohner der beiden eben genannten Städte
am Vesuv einstmals machen mussten.
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Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte
des Neuwieder Beckens.
Von A. Günther, Koblenz-L.
Mit 18 Textabbildungen und Tafel V—IX.
Das enge, zu beiden Seiten von steil ansteigenden Bergen ein¬
gefasste Rheintal zwischen Bingen und Bonn, der sog. Mittelrhein, er¬
weitert sich fast genau in der Mitte dieser etwa 120 km langen Strecke
bei Koblenz zu einer „seeartig ausgebreiteten Niederung, die nur noch
auf der Ostseite durch ein massig hohes und steiles, ältere Gebirgs-
schichten entblössendes Gehänge begrenzt wird, während ihr westlicher
Rand von niedrigen, sanft abfallenden Höhen gebildet wird, die nur an
wenigen Stellen das im übrigen unter einer mächtigen Decke diluvialer
und vulkanischer Ablagerungen verborgene devonische Gebirge zutage
treten lassen“ 1 ).
Oberhalb der Moselmündung beginnt eine weite beckenartige Ein¬
senkung innerhalb des Gebirges, die rheinabwärts bis Andernach reichend,
unter dem Namen des „Neuwieder Beckens“ bekannt ist. Drei rheinische
Gebirgszüge bilden die Umfassung des Beckens: Im Süden der zwischen
Rhein und Mosel gelagerte Ausläufer des Hunsrücken mit dem Plateau
der Kartause (etwa 180 m über NN.) und dem Kühkopf (385 m
über NN.); im Osten der Westerwald mit der Montabaurer Höhe
(540 m über NN.); im Westen und nördlich die flachabfallenden Ab¬
hänge der Eifel, in deren Hintergrund kegelartig die alten Vulkanberge
des Maifeldes und des Laacher Sees aufsteigen.
Zwei bedeutende Nebenflüsse des Rheines und drei starke Bäche
münden in dem Becken ein. Auf der rechten Seite die Lahn, der
Saynbach und die Wied; auf der linken Seite die Mosel, die schon
bei Güls das Becken betritt, und die Nette. Drei weitere Bäche der
') Em. KAYSER, Erläuterungen zur geolog. Spezialkarte von Preussen usw.,
Blatt Koblenz, 1892.
M annus. Bd. 11. 3
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34
A. Günther.
(2
linken Seite, der von Rübenach kommende Bubenheimer, der Mül-
heimer und der Kärlicher Bach versiegen in den Feldern bei ihrem
Eintritt in die Rheinebene. •
Vom Fusse der Kartause bis Andernach, auf einer Strecke von
etwa 18 km. erweitert sich das linke Rheinufer bis auf etwa 3 km, das
rechte Rheinufer von Bendorf bis zur Wied auf etwa 7 km Breite; die
",
Bodenoberfläche auf durchweg 65 bis 71 m über NN. liegend.
Gleichsam die Eingänge des Beckens bewachend, liegt südlich, in
den Winkel zwischen Rhein und Mosel gebettet und um den Gebirgs-
fuss rhein- und moselaufwärts sich hinziehend, Koblenz, am nördlichen
Ende, dem steilansteigenden Kranenberg sich anschmiegend, Andernach;
beide nicht nur Gründungen der ältesten geschichtlichen Zeiten in den
Rheinlanden, sondern bis in die ältesten vorgeschichtlichen Zeiten hinauf¬
ragende Stätten menschlicher Siedlungen und Kultur. Und ebenso wie
diese beiden Städte, weist auch das ganze Becken, sowohl in der
Niederung* wie auf den begrenzenden Höhen eine stetig andauernde
Besiedelung von der Urzeit bis zur Gegenwart auf, es ist geradezu ein
Sammel- und Brennpunkt im Völkerleben *)> ein Kulturzentrum am
Mittelrhein gewesen.
Topographisch schildert in ganz vorzüglicher Weise von COHAUSEN*)
die Gegend:
„Hier bietet das Rheintal den Hochlanden, die es trennt, vier
geneigte Bahnen, die sanft zum Ufer hinableiten. Von Süden senkt
sich der Hunsrücken über das Tafelgelände der Kartaus zum Zusammen¬
fluss von Rhein und Mosel; im Westen flacht sich die Eifel und die
Pellenz in Meilenbreite zum Rheintal ab. Gegen Norden führt eine
sanfte Berglehne über Heddesdorf und Rockenfeld zu den Höhen,
welche das Rheinufer bis zum Siebengebirge begleiten, und endlich wird
der im Osten liegende Westerwald auf einer ebenso sanften Rampe
über Heddesdorf, Niederbieber, Melsbach, Rengsdorf nach Altenkirchen
erstiegen. Keine andere Nebenstrasse führt aus dem Rheintal und
selbst diese nach Norden, Osten und Süden gerichteten Strassen führen
über Gelände, das von beiden Seiten durch Talschluchten auf eine ge¬
ringe Breite eingeengt ist.“
Das in solcher Weise ein breites Eingangstor zum Rheintal bil¬
dende und für grössere Völker- und Heeresscharen den Verkehr zwischen
den beiden Stromufern vermittelnde Becken, dem die Mosei auch noch
den Wasserweg aus Gallien zuführte, muss sowohl in der Kriegs- wie
in der Kulturgeschichte der Rheinlande eine wichtige und hervorragende
') NISSEN, Bonner Jahrb. Heft 104.
’) v. COHAUSEN, Bonner Jahrb. Heft 47 (1869).
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3] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 35
Rolle gespielt haben. Aus der Kriegsgeschichte der letzten Jahrhunderte
sind die mehrfachen Rheinübergänge der Spanier, Deutschen und
Franzosen bekannt. 1620 überschritt Spinola, 1637 Jan von Werth
den Rhein bei Engers, 1672 Turenne bei Neuwied, ebenso verschiedene
Male die Franzosen 1793—1797 und die Österreicher bei Vallendar,
St. Priest 1813 oberhalb Koblenz 1 ). Dem Verkehr dienten eine ganze
Reihe alter von Hunsrück und Eifel kommender Strassenzüge, die in
ihrem oberen Verlaufe durch die Begleitung zahlreicher Hügelgräber als
vorrömische zu erkennen sind, darunter der wichtige Handelsweg Ander¬
nach—Mayen—Trier mit den über Ochtendung und Saffig-Weissenturm
und über Bassenheim—Rübenach—Kaltenengers abzweigenden Neben¬
strassen. Bei Koblenz lief die Hunsrückstrasse aus, während die von
Mainz nach Köln führende Strasse die Rheinorte des Beckens verband
und auch die erwähnten Querstrassen aufnahm. Letztere fanden aber
auch und jedenfalls sicher in der römischen Zeit ihre Fortsetzung auf
dem rechten Rheinufer.
Mit Recht folgert Professor SCHNEIDER in einer Fussnote zu
E. aus’m WEERTH: „Römerstrassen“ im Bonn. Jahrb. Heft 66, 1879,
dass die Bedeutung der Lokalität durch die Doppelstrasse (bez. die
Strassenarme Bassenheim und Ochtendung) noch mehr hervortrete, wie
auch aus'm WEERTH selbst in dem erwähnten Aufsatz für diese Strassen
entweder eine Einmündung in die dem Strom parallel laufende Ufer¬
strasse, oder den Anschluss an die Schiffahrt und ihre Hafenplätze,
oder endlich die Weiterführung jener Verkehrslinien auf dem rechten
Rheinufer annehmen zu müssen glaubt. .
Den Wert, den die Römer auf den Besitz und die Behauptung
des Beckens legten, erkennen wir aus seiner Einbeziehung in den Schutz
des rechtsrheinischen Limes, der von der Lahn bei Ems ab in nur etwa
6 — 8 km Abstand (Luftlinie) vom Rheine sich bis Rheinbrohl-Hönningen
hinzieht. Ebenso durch die spätrömischen Festungs- und Verteidigungs¬
anlagen auf dem linken Rheinufer, die den Besitz des Beckens bis zum
Ende der Römerherrschaft am Rhein bezw. in Deutschland wahrten.
Aber trotz all dieser Umstände überliefert die alte Geschichte
nichts von den Ereignissen, die sich hier abgespielt haben müssen und
auch Cäsar, dessen Rheinübergänge unter richtiger Würdigung der
lokalen Verhältnisse und der Völkergrenzen wohl nur in diese Gegend
gesetzt werden können, unterlässt ihre Schilderung und nähere Angaben
bei der sonst so eingehenden Darstellung seiner Brückenbauten. Selbst
die beiden Endpunkte Koblenz und Andernach, als Städte römischen
Ursprunges, finden nur selten Erwähnung bei den Alten. So finden wir
1 ) V. COHAUSEN, Bonner Jahrb. 1869, Heft 47.
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36
A. Günther.
(4
Koblenz: „Confluentes“ zuerst bei Suetonius im »Leben des Caligula“.
Es wird später genannt im Itmerarium Antonini und auf dem Meilen¬
stein von Tongern (3. bis 4. Jahrhundert), ferner bei Ammianus Marcel¬
linus (356 n. Chr.) und endlich in der Notitia dignitatum imperii occi-
dentis (um 400 n. Chr.) *). Andernach begegnet uns als „Antunnaco“
im Itinerarium Antonini und auf der PEUTINQER’schen Tafel, als „An-
tennacum“ bei Ammianus und als „Antonaco“ in der Notitia dignitatum*).
Neben diesen spärlichen geschichtlichen Angaben bewahrte aber
die Überlieferung im Volke manche Kunde von verschwundenen Städten,
Siedlungen und Befestigungen. So soll auf dem linken Rheinufer zwischen
Koblenz und Andernach eine grosse Stadt „Reichental“ gelegen haben,
deren Namen noch in der Flurbezeichnung erhalten ist. Gegenüber im
Reiler Feld suchte man an der Stelle des 1680 eingegangenen Dorfes Reil
ein Riol oder das Rigodulum des Ammianus. Bei Rübenach glaubt man
heute noch an eine grosse gallisch-römische Stadt „Säntenich“ 3 ) und
eine Ortschaft „Zaunheim" 4 ), beide als Gemarkungsnamen fortlebend
und als Fundorte von Altertümern bekannt. Urmitz und Engers haben
ihre Bezeichnungen: „Am Schloss“, Vallendar, Weitersburg, Niederberg
und Niederbieber ihre „Alte Burg“, Kalten-Engers einen „Leutekirchhof“
und die Heerstatt, Wallersheim einen „Rennmorgen“, Neuendorf einen
„Heerweg“, Kärlich eine Heeresgasse, Koblenz einen „Tummelberg"
(von Tumulus^ Grabhügel) 5 ) und eine „Schwedenschanze“ usw. Auf der
rechten Seite findet sich häufig die Bezeichnung Heidengraben, Pfahl,
Rennweg usw.
Seit CLÜVER’s (1616) und RElFFENBERG’s (1684) Zeiten wurden
an diese Traditionen viele Vermutungen angeknüpft und Versuche ange¬
stellt, sie mit historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Auf
sie gestützt und durch zufällige Funde begünstigt, begann HOFFMANN
von 1791 an seine Nachgrabungen bei Weissenturm und Neuwied, die zur
Feststellung römischer Kastelle bei Heddesdorf und Niederbieber führten 0 ).
Ihm folgte DOROW und 1864 im Aufträge Napoleons III. der französische
Oberst de LOCQUEYSSIE auf der Suche nach Cäsar’s Rheinübergängen
mit Nachgrabungen bei Weissenturm.
H. MÜLLER-Würzburg, B. J. 1845, Heft 7, verlegt hierher den
') A. RIESE, Das Rheinische Germanien in der antiken Literatur.
a ) A. RIESE, a. a. O.
3 ) Vergl. Dr. ESSER, B. J. 1882, Sendenich, keltisch —-Santiniacum.
4 ) Hier habe ich im November 1909 spätrömische Skelettgräber in Tuffstein¬
särgen getroffen.
®) v. STRAMBERG, Rhein. Antiquarius, Bd. 2, 2.
*) HOFFMANN, Die Zerstörung der Römerstädte zwischen Lahn und Wied,
Neuwied 1823.
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5] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 37
Sieg Cäsars über die Usipeten und Tencterer, sowie seine Rheinüber¬
gänge 1 ).
F. RITTER, B. J. 1866, Heft 39: »Das Römerlager auf der linken
und rechten Rheinseite des Tales von Neuwied“ will hierher das grosse
Lager verlegen, in dem 69 n. Chr. unter den beiden Legionen IV und
XXII in Obergermanien die Unruhen gegen Galba ausbrachen.
O. DAHM, B. J. 1897, Heft 101, möchte den Raubzug der Chatten
(50 n. Chr.) nach Obergermanien unter Pomponius nach dem Neuwieder
Becken gerichtet sehen.
Endlich die schier zahllosen Streitfragen über die Rheinübergänge
Cäsars.
Jedenfalls mit Recht folgern F. WIESELER und A. REIN, B. J. 1864,
Heft 37: „Die Bedeutung der Lage nahe der Grenze Ober- und Unter-
germaniens, an der Mündung einer mit Villen seitwärts reich bevor¬
zugten Strasse nach Trier, die wahrscheinlich die Pulsader des Verkehrs
zwischen Gallien und dem Rheine war, lassen es hinreichend begründet
erscheirten, wenn der Vereinsvorstand diesem Gebiet seine Aufmerksam¬
keit zuwandte“. Das ist auch sowohl seitens des Vereinsvorstandes,
wie seitens des Bonner Provinzialmuseums, berufener Altertumsforscher
und Privater gewissenhaft befolgt worden. Auch die Geologie befasste
sich seit von DECHEN’s Zeiten eingehend mit dem Studium der For¬
mationen und der Lagerungen des Beckens. Unterstützt und gefördert
wurden diese Arbeiten durch die infolge der regen Bautätigkeit der
letzten vierzig Jahre und der aufblühenden Industrie überall entstehen¬
den Anlagen von Bau-, Kies-, Sand- und Tongruben, sowie die Aus¬
beutung der Bimssandfelder und der Lössablagerungen für die Stein¬
industrie. Bei diesen Arbeiten wurden nicht nur wertvolle geologische
Aufschlüsse bis zu fast 40 m Tiefe gewonnen, die uns ein Bild des
Aufbaues der Gegend bieten, sondern auch neben fränkischen und
römischen Siedlungen und Gräberfeldern eine Menge vorrömischer Wohn-
und Grabstätten, selbst paläolithische Funde und Diluvialreste aufge-
dedct, durch deren Beobachtung wir in der Lage sind, uns ein fast
lückenloses Bild der kulturgeschichtlichen Entwicklung des Beckens zu
machen.
Geologisches.
Die Entstehung des Neuwieder Beckens führt Professor Erich
KAISER-Giessen auf tektonische Vorgänge zurück, die wahrscheinlich in
jungmiozäner Zeit zur Vertiefung des grössten Teiles führten und wahr¬
scheinlich auch noch in diluvialer Zeit rwichgeklungen haben. Seine
*) „Die Taten Cäsars bei Koblenz“ und in dem Werke „Marken des Vater¬
landes“.
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[6
Entstehung hängt also nicht mit der Vertiefung des Rheinbettes selbst
zusammen, sondern sie ist in ihrer Anlage wenigstens viel älter ‘).
„An der geologischen Zusammensetzung des Beckens nehmen
devonische, tertiäre, diluviale und alluviale Bildungen, sowie von Ge¬
steinen eruptiver und vulkanischer Entstehung Diabas, Basaltlava, Bims¬
stein und basaltischer Tuff teil“ 2 ). Die vulkanischen Eruptionen werden
in den Lavaausbrüchen der Tertiärzeit, in den Bimssand- und Tuffaus-
würfen mit Sicherheit dem Ende der Diluvialzeit zuzurechnen sein. Das
Liegende der Formationen bilden die Devonschichten und zwar untere
Devonschichten, die von Koblenz die allgemeine Bezeichnung „Koblenz-
Schichten“ führen. In diese Schiefer- und Grauwackenschichten ist der
Rhein eingeschnitten und da das Einschneiden nicht stetig, sondern mit
Ruhepausen erfolgte, so ist an den Flanken des Tales ein System
mehrerer Terrassen entstanden, deren Oberflächen in den verschiedenen
Höhen mit den Schotterablagerungen des Flusses bedeckt sind. Diese
Terrassen werden wieder von den Tälern der Nebenflüsse und Bäche
durchschnitten, die sich in ähnlicher Weise eingerissen haben, und wo¬
bei wir an dem Unterlauf der Mosel gleiche Terrassenbildungen fest¬
stellen können. Die Zahl und Höhen der Terrassen werden von den
Geologen verschieden aufgefasst. So unterscheidet STEINMANN vier
Diluvialterrassen: eine Niederterrasse, eine Mittelterrasse, eine Hoch¬
terrasse und den auf dem Plateau lagernden Deckenschotter.
Nach FENTEN 3 ) werden die Höhen dieser Terrassen im Becken
auf 73 bez. 86 bez. 122 bez. 200 m im Durchschnitt anzunehmen sein.
Nach E. KAISER 4 ) lassen sich auf einem Niveau von 210—270 m
über NN. die Reste einer Hochterrasse feststellen, zu deren Seiten das
Gebirge in Höhen von über 300 — 350 m ansteigt. Es dürfte diese
Terrasse einem Rheinlaufe in pliozäner Zeit entsprechen, wie die
Schotterablagerungen ausweisen. Fast die ganze Masse derselben be¬
steht aus wenig-, meist nur kantengerundeten Bruchstücken von Milch¬
quarzen, zu denen eigenartig verkieselte, oolithartige Gesteine (Kiesel-
oolithe) und Hornsteine, vereinzelt auch Grauwacke und Sandsteine des
Devons, selten Basalt, hinzutreten. Die neben dem Quarz vorkommende
Hauptmasse des Gesteins besteht aus den Kieseloolithen, deren Her¬
kunft noch nicht sicher gestellt ist. Die grosse Verbreitung deutet auf
Vorgänge hin, bei denen ein Gestein, das auf den Abhängen des Rhei-
! ) E. KAISER, Vortrag auf dem 14. Deutschen Geographen-Tag, Köln 1903.
*) Em. KAYSER, Bl. Koblenz.
3 ) Jos. FENTEN: Untersuchungen über Diluvium am Niederrhein. Verhdl. des
Naturhist. Ver. der preuss. Rheinlande und Westfalens.
4 ) E. KAISER: Pliozäne Quarzschotter iip Rheingebiet zwischen Mosel und
Niederrheinischer Bucht, Berlin 1907.
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7] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 39
nischen Schiefergebirges in grösserem Umfange gelagert haben muss,
in grossem Masstabe der Abtragung zum Opfer fiel. Entsprechend der
weiteren Erosion des Flusstales und den stetig anhaltenden Abschwem¬
mungen finden sich Reste dieser Gesteine auch auf den folgenden
Terrassen und im heutigen Rheinbett vor. Nach der Verbreitung der
Kieseloolithschotter, auf der linken Rheinseite bei Waldesch, Cobern,
Oberlützingen, Waldorf, auf der rechten Rheinseite am Geyer Kopf usw.
bei Arzheim, am Dachsberg bei Immendorf, bei Hillschied, Höhr, Gren-
hausen, Nauort, Stromberg, im Heimbacher Wald, am Burghof usw.,
biegt der in betracht kommende jungtertiäre Stromlauf etwas nach Osten
aus. Sein Eintritt in das Becken lag in der Gegend von Koblenz, sein
Austritt an der Andernacher Pforte 1 ).
Unter den Diluvialterrassen sind zu unterscheiden: Eine Haupt¬
terrasse in 160—200 m Höhenlage. Über dieser sind keine diluvialen
Rheinschotterablagerungen mehr vorhanden. Sie ist im ganzen Becken
am deutlichsten ausgebildet. Ihr gehören die Höhen von der Lahn bis
zur Sayn und von hier über Melsbach und am Nordrande mit der
Andernacher Pforte schliessend, auf der rechten Rheinseite an. Auf der
linken Rheinseite die Höhen des Koblenzer Stadtwaldes, die Metter-
nich-Rübenacher Höhen usw. bis zum Kranenberg. Mehrere Mittel¬
terrassen von 70—140 m Höhe: die unterste (IV) bei 70 m, die III.
bei 95—100 m, die II. bei 120 m, die I. in 140 m Höhe, alle mehr
oder weniger scharf ausgeprägt auf der einen oder anderen Seite des
Rheintales ').
Das Liegende aller Terrassen bilden die steilgestellten Schichten
des Unterdevons und in geringem Masse die Ton- und Geröllschichten
des Tertiärs. Das Material des Hauptterrassenschotters ist ein sehr
buntes: vorherrschend weisse Milchquarze, zumeist den Erzgängen des
Rhein-Schiefergebirges entstammend, daneben Kieselschiefer, Eisenkiesel,
Quarzite, Tonschiefer, Basalt, Trachit und viele andere Gesteine. Neben
den Kieselschiefern sind die zwar spärlichen, meist auch stark zersetzten
Porphyre und Melaphyre des Lahn- und Nahegebietes, sowie vereinzelte
Granite und Gneise für die abgelagerten Schotter charakteristisch. Die
Geschiebe von Eruptivgesteinen unterscheiden hauptsächlich diese Schotter
von den Ablagerungen der höheren Terrassen.
') E. MORDZIOL: Über das jüngere Tertiär und das Diluvium des rechts¬
rheinischen Teiles des Neuwieder Beckens. Jahrb. der Kgl. Pr. Geol. Landes-Anstalt,
Berlin, 1908.
0 FLIEGEL: Pliozäne Quarzschotter in der Niederrhein. Bucht. Jahrb. der
Kgl. Pr. Geol. L.-A., Berlin 1907 schliesst: Die diluviale Hauptterrasse ist das
Äquivalent der Haupteiszeit. Die Kieseloolithstufe hat pliozänes Alter. Kiese und
Sande sind fluviatiler Entstehung, die Tone eine Süsswasserbildung.
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[8
In den Schottern der unteren Terrassen sind sowohl die rheinischen
Devongesteine und zwar in überwiegender Menge, als auch von ausser¬
halb hergebrachte Gerolle vertreten. Beachtenswert ist in den tieferen
Terrassen die. Zunahme der Eruptivgesteine und die Abnahme der
Quarzgeschiebe l ).
Endlich wird noch eine Niederterrasse auf zirka 65 m Höhe an¬
zunehmen sein, die früher als Alluvialterrasse angesehen wurde, in der
der Rhein und auch die Mosel scharf abgesetzte Spuren früherer Fluss¬
arme hinterlassen haben. Sie bildet die Talebene, aus der sich viel¬
fach schildförmige Erhöhungen erheben, die wohl frühere Inseln im
Strombett darstellen. Dieser Niederterrasse gehören auch die Inseln
im jetzigen Stromlaufe an.
Neben den diluvialen Schotterablagerungen spielen eine grosse
Rolle in der Oberflächengestaltung die Ablagerungen von Löss und
Bimssand, die meist die ersteren überdecken und die Terrassenbildung
verschleiern. Der Löss beginnt auf der Niederterrasse bei etwa 68 m
über NN. 8 ) und steigt bis über 300 m. Nach der STEINMANN’schen
Trennung in älteren und jüngeren Löss lagert der erstere von der 120 m
Terrasse an aufwärts, die unteren Terrassen sind von jüngeren und
dejektivem Löss bedeckt, der aber auch über die höhere Terrasse hinauf¬
geht. Die Bildung des Lösses wird im allgemeinen ins letzte Inter¬
glazial- bezw. die letzte Eiszeit gesetzt. WIEGERS 3 ) hält es für wohl
denkbar, dass der ältere Löss in engerer Verbindung mit der Bildungs¬
zeit der Mittelterrasse (der vorletzten Eiszeit) steht. Jedenfalls liegt
ein weiter Zeitraum zwischen der Ablagerung des älteren und der des
jüngeren Lösses, wie die starke Verlehmungsrinde des ersteren und die
oft in langen Bänken und Schichten abgelagerten Kalkkonkretionen
(Lösskindel) beweisen. Im älteren Löss können wir Bänke von etwa
1 m Länge und 20 bis 25 cm Stärke, oder Kindel bis zu Kopfgrösse in
den Lössablagerungen der Tongruben von Mülheim und Kärlich be¬
obachten. Die Sohle (Diluvialkies) lagert hier auf etwa 170 m über
NN., die Mächtigkeit des älteren Lösses beträgt 4 — 5 m. In dem bis
auf etwa 10 m Höhe auflagernden jüngeren Löss finden sich ver¬
schiedentlich Kindelzonen mannigfachster Gestaltungen von 2 — 4 cm
*) E. KAISER, Die Ausbildung des Rheintales usw. Vortrag 1903.
Ä ) Festgestellt bei den Ablagerungen am Kaiserin Augusta-Ring und an der
Laubach, oberhalb des Schützenhofes bei Koblenz. Hier findet sich auf dem Kies
und Sand Löss mit den charakteristischen Schnecken und der Neigung zu senkrechter
Spaltung vor, der in Säure stark aufbraust und vom Bimssand in primärer Lagerung
überdeckt wird.
8 ) Fr. WIEGERS, Die diluvialen Kulturstätten Norddeutschlands, Prähistor.
Zeitschr. 1909, 1. Bd., Heft 1.
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9] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 41
Grosse bis zu über Faustgrösse. In dem jüngeren Löss der Kärlicher
Tongrube zeigen sich ausserdem zwei Streifen vulkanischer Auswürfe
eingelagert. Der untere zirka 40 cm stark unmittelbar auf dem älteren
Löss in Britzstreifen und Bimssand, abgerollte Lösskindel bis Faust¬
grösse führend. Der obere etwa 1,70 m über ersterem in 40 cm Stärke
beginnend, steigt wechsellagernd mit Löss bis etwa 1 V* m Höhe an und
führt aufwärts bis auf etwa 4 m unter Oberfläche. Die Oberfläche selbst
wird von einer 1,10m hohen Bimssanddecke mit Britzstreifen und 60 cm
Humuserde gebildet l ). Wir sehen also hier einen Bimssandauswurf
während der Lössbildung. Ein ähnlicher Fall ist auch auf der Nieder¬
terrasse bei Rhens festzustellen, wo unter der Lössablagerung ein
mächtiger Tuffauswurf ansteigt 1 ). Gute Aufschlüsse über die Lössab¬
lagerungen bieten ferner die vielen zum Zwecke der Ziegelfabrikation
angelegten Lössgruben auf den verschiedenste*! Stellen und Höhen des
Beckens. Sehr wichtig für die Formations- und Entstehungsgeschichte
des Lösses scheinen mir die Gruben von Wegelau und von Friedhofen in
Metternich. Die erstere liegt in ungefähr 150 m Abstand von der Mosel
am Abhange des Kümmelberges nach Osten auf einer Diluvialdecke an
etwa 78 m über NN., die Friedhofensche Grube in nur. 1 km Abstand
westlich von dieser auf 117 m Höhe über NN. an der Landstrasse nach
Bassenheim. Der Höhenunterschied der Grubensohlen beträgt also rund
40 m. Trotzdem sind sich aber die Profile der Lössablagerung voll¬
ständig gleich. Bei beiden sehen wir über der Grubensohle etwa 1 m
starke schwarzbraune Schichten, unterlagert von zwei Reihen Kalkkon¬
kretionen bis zu Faustgrösse, rotbraunem Lehm und hellgrauem Löss,
überlagert von Kiesstreifen und kleinen Kalkkonkretionen. Diese untere
Lage dürfte eine Abschwemmung älteren Lösses sein und der Rekurrenz-
zone STEINMANNs entsprechen, besonders da sich auch Kies und
Quarzitablagerungen der näheren Umgebung darauf finden. In der
auflagernden und bis zu 29 m Höhe über dem Kies ansteigenden jüngeren
Lössablagerung finden sich, dem Berggehänge entsprechend, 3 — 4 licht¬
braune Streifen vor, die auf der Unterseite von kleinen Lösskindein,
auf der Oberfläche von Kiesstreifen begleitet sind und alten zeitweisen
Oberflächen entsprechen. Der Löss ist an beiden Stellen so recht im
Windschatten des Berges gelagert, das eine Mal nach Osten und Norden,
das andere Mal nach Westen und Norden abfallend *). Wenn überhaupt
Beweise für die äolische Bildung des Lösses nötig sein sollten, könnten
sie schon aus den Einlagerungen des Bimssandes im Löss bei Kärlich
’) Eigene Feststellung. Bisher nicht veröffentlicht. Vergl. auch MORDZIOL
a. a. O.
’) Näheres A. GÜNTHER, Paläolithische Fundstellen im Löss bei Koblenz.
B. J. Heft 116, 1907.
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[10
und aus der gleichen Faziesbildung auf so bedeutenden Höhenunter¬
schieden bei so kurzer Entfernung in den Lössgruben von Metternich
gezogen werden.
Bei Rhens, etwa 2 Stunden oberhalb Koblenz, am Rhein, lagert
der Löss auf etwa 77 m über NN. auf den dtfuvialen Flussablagerungen
und bis zu 20 m Höhe ansteigend *). Es ist durchweg jüngerer Löss,
in den unteren Schichten stark von Schieferschmitzen durchzogen, die
sowohl nach Süden (rheinaufwärts) als nach Osten (quer zum Rhein)
abfallende Richtung zeigen. Die Schieferschmitzen entsprechen hier dem
anstehenden Gestein der nächsten Nachbarschaft, wie bei Metternich die
Kies- und Quarzitschichten aus der näheren Umgebung herrühren. Ausser
dem Vorkommen einer Tuffablagerung über dem Kies möchte ich auch
der Zwischenlagerung von braunroten und weissen Sandschichten nach
dem Rhein zu erwähnen, die an die Sandablagerungen im Thüringer
Löss erinnern dürften 2 ). Der auflagernde Löss ist ziemlich reiner,
graugelber, sandiger Staublöss.
In Koblenz-Moselweiss, gegenüber der Wegelau'schen Grube in
Metternich, lagert der Löss in der Schmitzer’schen Grube auf etwa 105 rn
Sohlenhöhe über NN. auf Grauwackenfels- und Geröllunterlage. Es ist
hier, wie in der etwa 500 m südwestlich gelegenen Grube von Pies &
Lettow, jüngerer Löss mit interessanten Zwischenlagerungen (Linsen)
von tertiärem Ton.
In den Gruben der rechten Rheinseite bei Niederberg auf etwa
155 bis 172 m Sohlenhöhe traf ich bisher nur jüngeren Löss, der auf
Grauwackenfels lagernd, etwa 4 m hoch mit Kies gemischt, von einer
60 m hohen Kiesschicht durchzogen, noch 3 bis 4 m hoch graugelben
Staublöss aufwies.
Auf der unteren Mittelterrasse und der Niederterrasse in der Ebene
lagert der jüngere Löss in 4 bez. 2 m Stärke dem Diluvialkies auf und
wird mehrfach von Kiesstreifen durchzogen.
Der auf allen Terrassen vorkommende, den Löss und die Schotter
überlagernde Bimssand 3 ) scheint einen einheitlichen Ursprung in dem
Krater des Laacher Sees zu besitzen. Er ist jünger als die Niederterrasse,
auf der er die erwähnten Erhebungen (Inseln) bedeckt, während die
alten Rheinläufe frei von ihm sind, da er hier von dem Wasser fort¬
geführt sein wird. Wo er in stehendes Wasser fiel, verdichtete
er sich zu den sog. Engerser Britzsteinen, die seit fast zwei Jahrhun-
>) A. GÜNTHER, a. a. O.
*) WIEGERS, a. a. O.
3 ) Vergl. Behlen. Das Alter und die Lagerung des Westerwälder Bimssandes
und sein rheinischer Ursprung. Jahrb. des Nassauischen Vereins für Naturkunde.
Wiesbaden 1905.
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11] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 43
derten im Gebiet des Beckens zu Bauarbeiten Verwendung fanden.
Im übrigen passt er sich meist der Gestaltung des Untergrundes an
und kommt bis zu 5 m Schichtenhöhe vor. Als Luftsediment nieder¬
gefallen, besitzt er eine weite Verbreitung, über ein von Mayen im
Westen bis Marburg im Osten reichendes, etwa 2200 qkm grosses Gebiet.
Die Lagerung ist durchweg primär, wie sich aus den überall vorkom¬
menden parallel verlaufenden Britzstreifen l ) ergibt.
Neben der Ausbeutung der Tongruben für industrielle Zwecke und
der Lössablagerungen zur Herstellung von Ziegeln, ist die Fabrikation
der sog. Schwemmsteine aus Bimssand und Kalk (seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts) der bekannteste Erwerbszweig im Neuwieder
Becken. Jährlich werden hier etwa 150 Millionen Schwemmsteine her¬
gestellt, davon etwa 80 Millionen auf der linken Rheinseite. Zur Her¬
stellung von 4 1 /2 Millionen Steinen ist durchschnittlich die Ausbeutung
von 1 Morgen (ca. 25 ! /a ar) erforderlich.
Wie überall, so sind auch im Gebiete des Beckens die Flussterrassen
wichtig für die Besiedelungsgeschichte. Entsprechend der Befreiung des
Landes vom Wasser müssen wir die ältesten Spuren des Daseins der
Wirbeltiere und des Menschen auf den höchsten Terrassen suchen.
Hierbei leistet uns die primäre Ablagerung der Bimssanddecke insofern
gute Dienste, als sie schon von vornherein eine sichere Grenze zwischen
Diluvium und Alluvium, zwischen der paläolithischen und der neoli-
thischen Zeit bildet. Was an Kulturresten dieser Zeiten unterhalb der
geschlossenen Bimssanddecke liegt, können wir unbestritten für paläo-
lithisch, was oberhalb derselben und in sie eingebettet liegt, müssen
wir für neolithisch halten.
Diluviale Fauna.
In den Lössablagerungen wurden bisher vielfach die Reste dilu¬
vialer Tiere angetroffen. So erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Schmitzer-
schen Grube bei Moselweiss und aus einer Grube bei Vallendar je einen
Schädel des Moschusochsen (ovibos moschatus) *), aus ersterer ferner
Reste von Rhinozeros, Equus, Cervus tarandus und Elephas primigenius 3 ),
aus der Wegelau'schen Grube (früher Peters) bei Metternich Reste von
Bos, Rhinozeros, Cervus tarandus und elaphus, Felis spelaea und an¬
scheinend auch von Cervus alces, vom seltenen Höhlentiger einen halben
Unterkiefer 4 ). Leider fehlt es bei diesen älteren Angaben an der
! ) Schlamm- oder Tuffstreifen, von ital. „breccie* abgeleitet.
a ) Verhandlungen des naturhistorisdien Vereins der preuss. Rheinlande und
Westfalens, 1879 und 1884.
*) Ebenda 1881.
4 ) Ebenda 1882.
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A. Günther.
[12
stratigraphischen Feststellung der Fundschichten und der genaueren
Beobachtung der Fundumstände.
Selbst erhielt ich aus den Lössablagerungen und konnte durch
eigene Beobachtung oder durch unmittelbare Nachfrage bei den Arbeitern
feststellen:
Aus der Peters’schen Grube bei Rhens-Brey:
Unterkiefer, viele Zähne, Schenkelknochen usw., von Rhinozeros
antiquitatis, Schädelstücke und Geweihteile von Cervus elaphus, Reiss¬
zahn von Bären usw. aus den unteren Schichten bis zu 2 m Höhe über
der Grubensohle (ca. 77 m über NN.) 1 );
aus den Ziegeleien Schmitzer und Pies & Lettow in Koblenz-Mosel-
weiss: Reste von Cervus elaphus und Equus caballus (etwa 105 m
über NN.);
aus der Wegelauschen Grube in Metternich: Zähne und Knochenreste
von Elephas primigenius und Rhinoceros ant., Unterkiefer und Knochen
von Cervus elaphus, Homzapfen von Bos primigenius, Kieferteile, Zähne
und Knochen von Equus caballus, alle in den unteren Schichten bis
auf etwa 3 m Höhe über der Grubensohle (etwa 78 m über NN.);
aus dem Steinbruch der Ww. Eiden in Metternich in dem Gerolle
über dem Quarzit auf etwa 140 m Höhe einen Schenkelknochen von
Rhinoceros antiqu., der nach Professor POHLIG-Bonn die Spuren der
Benagung durch eine Höhlenhyäne zeigt;
aus der Lössgrube Friedhofen & Co. in Metternich: Schädel von
Rhinozeros antiqu., Zähne von Elephas primig., Reste von Pferd und
Hirsch usw. aus den unteren Schichten des jüngeren Lösses bis etwa
2 1 /a m über Grubensohle (117 m über NN.);
bei dem Bau der Wasserleitung in Metternich bei der Anlage der
Brunnenstube an der Wolkener Strasse (1908) auf 170 m einen Stoss-
zahn von Mammut von 1,30 m Länge;
aus der Ludwigschen Tongrube bei Mülheim: über der Kiessohle
auf 174 m Höhe einen linken oberen Molar von Elephas primig.
trogontherii *), sowie einen mächtigen Schenkelknochen und Zähne vom
Pferd, (hier also unter der Kalkkonkretionsschicht des älteren Löss);
aus der Grube der Kärlicher Tonwerke, (Sohle auf etwa 170 m),
im älteren Löss: an der Sohle bezw. im Kies die Spitze eines Eck¬
zahnes vom Hippopotamus (?), an der Oberfläche Oberkieferteile vom
') Die angegebenen Höhenzahlen beziehen sich überall auf die Sohle der
Grube, bez. die diluviale Kiesablagerung.
*) POHLIG, Monatsberichte der Deutschen geol. Gesellschaft, Bd. 61, Jahr¬
gang 1909, Nr. 5.
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13] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 45
Hirsch (?), aus dem jüngeren Löss über der eingelagerten Tuffschicht:
Unterkiefer und Zähne, sowie Fussgelenkteile vom Pferd 1 ).
Endlich begegnen wir aber auch in den Lössablagerungen den ersten
Spuren menschlichen Daseins im Gebiet des Beckens.
Ältere Steinzeit.
Bereits 1882 erhielt SCHAAFFHAUSEN aus der Peterschen (jetzt
Wegelau) Grube bei Metternich Feuersteinwerkzeuge, denen er aber keine
besondere Beachtung widmete 2 ), auch glaubte er an dem Schädel des
Moschusochsen von Moselweiss von Menschenhand herrührende Ein¬
schnitte zu sehen 3 ).
Von befreundeter Seite auf das Vorkommen von Feuersteinwerk¬
zeugen und Brandschichten in den Lössablagerungen der Peters (Wege-
lau)schen Grube in Metternich aufmerksam gemacht, verlegte ich mich,
ohne die SCHAAFFHAUSENschen Mitteilungen vorher zu kennen, seit
1903 auf die Suche nach solchen und hatte bisher folgende Ergebnisse:
1. Kärlich bei Koblenz.
Aurignacien bez. Solutreen.
Als älteste Spuren des Menschen aus dem Gebiete des Beckens
fanden sich in der Kärlicher Tongrube in den Jahren 1909 und 1910
im jüngeren Löss über der Tuffeinlagerung, also auf etwa 172 m
über NN. die nachstehend abgebildeten Silexstücke (Abb. 1):
Fig. 1 u. 1 a. Roh zugeschlagenes kratzerartiges Stück ohne merk¬
bare Randretuschen.
Fig. 2 u. 2 a. Kratzerartiges Stück mit Randbearbeitung.
Fig. 3 u. 3 a. Flacher Schaber mit Randbearbeitung.
Fig. 4 u. 4 a. Atypisches Stück Feuerstein ohne besondere Be¬
arbeitungsspuren von dreikantigem Querschnitt.
Die Stücke dürften m. E. dem frühen Aurignacien zuzuteilen sein l ).
2. Metternich bei Koblenz.
a) Grube Wegelau, früher Peters 5 ).
Nach den Angaben des seit mehr als 25 Jahren dort beschäf¬
tigten Vorarbeiters Zimmermann, von dem ich wie auch von einigen
anderen Herren eine Anzahl dort gefundener Silexwerkzeuge erhielt,
! ) Die Fundstücke befinden sich in den Museen des Kunst-, Kunstgewerbe-
und Altertums-Vereins und des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Koblenz.
a ) Verhdl. d. naturwissenschaftl. Vereins der preuss. Rheinl. u. Westf. 1882.
3 ) Ebenda 1879.
4 ) Noch nicht veröffentlicht.
5 ) B. J. Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker - Versammlung,
Köln (1907).
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46
A. Gttnther.
[14
sollten sich diese Stücke etwa 5 m über der Sohle, mitten im Löss,
auf einem etwa 20 m breiten von Osten nach Westen ziehenden
Streifen finden, auch habe er dort häufig etwa 4 m breite und 15 bis
Abb. 1. Silexwerkzeuge des Auiignacien aus den Tongruben zu KBrlich bei Koblenz. '/, nat. Gr.
20 cm hohe Feuerstellen aus zusammengesetzten Steinen mit Asche
und angebrannten und gespaltenen Tierknochen angetroffen, bei denen
sich die meisten Feuersteinwerkzeuge gefunden hätten. Bei den Von
mir selbst angestellten Nachgrabungen fanden sich die Angaben des
Zimmermann inbezug auf die Höhe vollständig bestätigt. Auf etwa
84,60 m über NN. (in dem zweitunteren lichtbraunen Streifen) traf ich
auf einen Tarsus und Zähne von Cervus elaphus; auf eine bearbeitete Platte
von Quarzit, die wohl als Unterlage für die Spaltung von Knochen, oder
für die Bearbeitung von Werkzeugen gedient haben mag, auf das schön
bearbeitete Messer und einige Feuersteinabsplisse. Brandstellen habe
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—. __
15] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 47
ich bisher nicht gefunden, doch habe ich keine Veranlassung die sich*
sonst als zuverlässig erwiesenen Angaben des Zimmermann zu bezweifeln.
Die beigefügten Abbildungen (Taf. V, VI) mit den von Dr. R. R.SCHMIDT-
Tübingen freundlichst beigegebenen Bestimmungen dürften die haupt¬
sächlichsten Fundstücke näher erläutern. Hervorgehoben sei neben dem
bereits erwähnten Messer der schöne Klopf- oder Schlagstein und die
grosse Klinge mit Kratzerende.
b) Grube Gebr. Friedhofen.
Die Grube Friedhofen bietet in dem untern Profil (nordöstl.) das
getreue Spiegelbild der Wegelau sehen, trotz des bedeutenden Höhen¬
unterschiedes. Auch hier sollen sich, nach Angabe des Vorarbeiters
Höfer in etwa 4 m Höhe über der Grubensohle öfters Feuerstein¬
werkzeuge gefunden haben, doch konnte ich erst im Jahre 1908 das
erste Stück, einen dreikantigen, ziemlich atypischen Feuerstein mit Rand¬
bearbeitung, erhalten (Taf. VI).
3. Rhens bei Koblenz.
In der Sammlung des Kunst-, Kunstgewerbe- und Altertumsvereins
Koblenz fand ich eine Anzahl Feuersteinartefakte vor, die um etwa 1898
in der Lössgrube des Architekten Jul. Peters (früher Besitzer der Wegelau-
schen Grube in Metternich) gefunden worden waren. Bei meinen Nach¬
forschungen dort konnte ich durch eigene Nachgrabungen die Fundstelle
nicht ermitteln, doch scheint mir auf Grund der Aussagen der verschiedenen
Arbeiter, die mir vereinzelt und in verschiedenen Jahren einige Feuer¬
steinwerkzeuge abgaben, sicher zu sein, dass sie in etwa 1 m über
Grubensohle liegen mag, also auf etwa 78 — 80 m über NN.
Hervorzuheben dürften sein die grosse Klinge mit Kratzerende, der
Randschärfer und das von SCHMIDT Feuersteinkem (Nucleus) benannte
Stück. Letzteres möchte ich aber wegen der zahlreichen kleinen Aus¬
splitterungen auf dem abgerundeten Ende eher als einen zwischen Daumen,
Mittel- und Zeigefinger zu fassenden Schlagstein für die Nachbearbeitung
der Silexwerkzeuge ansehen (Taf. VII, VIII).
Ich habe s. Z. 1 ) die Funde von Metternich und Rhens für Solutreen
gehalten, wegen ihrer Lagerung inmitten des Löss, dabei aber auf die
Ähnlichkeit der Formen mit dem Magdalenien hingewiesen. R. R.SCHMIDT-
Tübingen erklärt sie für jüngeres Aurignacien 2 ), während Fr. WIEGERS 3 )
sie für Magdalenien bestimmen will und dabei Bezug nimmt auf Funde
im Löss des Wagram bei Gobelsburg durch Obermaier. Möglicherweise
') B. J., Heft 116 und mein Vortrag auf der Prähistoriker-Versammlung
in Köln.
J ) R. R. SCHMIDT, Das Aurignacien in Deutschland, „Mannus“ 1. Heft 1/2.
*) F. WIEGERS, a. a. O.
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A. Günther.
[16
wird auch dies noch zum Aurignacien, wie die ursprünglich für Magda¬
lenien angesehene Stücke von WILLENDORF 1 ). Die Lössablagerungen,
Fundumstände und Fauna stimmen ganz mit den Ausführungen SZOM-
BATHY’s über diese Fundstelle auf der XL. allgem. Versammlung der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Posen überein.
Magdalenien.
Eine sichere und ausgeprägte Station des Magdalenien ist die von
SCHAAFFHAUSEN und KÖNEN im Jahre 1883 aufgedeckte Nieder¬
lassung auf dem Mar¬
tinsberg bei An¬
dernach. Die Fund¬
stelle liegt auf etwa
81,45 m über NN.,
unter einer etwa 4 m
starken Bimssanddecke
auf der verlehmten
Oberfläche des jünge¬
ren Löss (vergleiche
WIEGERS, a. a. O.).
Sie unterscheidet sich
also hierdurch schon
von den oben ange¬
führten Fundstellen,
die mitten im Löss
bei Metternich 7—8 m
unter der Bimssand¬
decke lagern. Auch die
Fauna ist verschieden:
Rhinozeros und Mam¬
mut fehlen, bezeich¬
nend sind Renntier,
Polarfuchs,Schneehuhn
u. a.; häufig fanden
sich Reste von Pferd,
Ren und Urstier. Von
den sehr zahlreichen Steinwerkzeugen sind kaum 10 °/o aus Feuer¬
stein, nur ganz vereinzelte aus Hornstein und Kieselschiefer, die grosse
Mehrzahl aber aus oligozänem Quarzit hergestellt. Am häufigsten sind
darunter die klingenförmigen Schaber, Stichel, einfache Messerklingen
l ) Korrespondenzblatt d. Deutschen Gesellschaft für Anthropologie usw. 40. Jahrg.
1909, Heft 9/12.
Abb. 2.
Steingeräte aus dem Magdalenien von Andernach. Martinsberg.
*/• nat. Gr.
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17] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 49
und mikrolithische Werkzeuge (Abb. 2). Am meisten bezeichnend für
die Kulturreste sind die interessanten Schnitzwerke. So ist die Krone
eines Renntiergeweihstückes zu
einem Vogelkopf geschnitzt,
das wohl als Messergriff diente
(Abb. 3, Fig. 1). Mit Wider¬
haken versehene Harpunen
sind aus Knochen geschnitzt
(Abb. 3, Fig. 2), Bohrer aus
Horn hergestellt (Abbild. ?,
Fig. 5). Bemerkenswert ist
eine Nadel aus Bein, der ein
dünner Röhrenknochen als
Büchse dient (Abb. 3, Fig. 3).
Als Schmuck finden sich durch¬
bohrte Zähne, die als An¬
hängsel benutzt wurden, Stücke
Rötel dienten wohl zur Bemalung der Haut l )
rJL/
Abb. 3. Knochenwerkzeuge aus den Magdatenlen
von Andernach, Martinsberg. '/« nat. Gr.
(Nach Bonner Jahrbücher, Heft 86.)
Jüngere Steinzeit.
Zwischen Paläolithikum und Neolithikum findet der letzte Bims-
sandauswurf des Laacher See-Vulkanes statt. Die schnell verwitternde
Decke des Bimssandes bildete bald einen fruchtbaren und leicht zu
bearbeitenden Ackerboden, der den neolithischen Menschen wohl früh
zur Gründung von Siedlungen anzog. Diesen begegnen wir in der
fruchtbaren Talebene der linken Rheinseite auf den mit Bimssand be¬
deckten alten Strominseln, wie auf den angrenzenden Höhen. Fast
alle in Südwest-Deutschländ bekannten Kulturgruppen der jüngeren
Steinzeit finden sich hier vertreten.
Untergrombacher Periode.
Am bekanntesten ist hierunter die vom Bonner Provinzialmuseum
unter örtlicher Leitung von LEHNER und KÖNEN aufgedeckte gross¬
artige Festungsanlage inmitten des Beckens, zwischen Urmitz und
Weissenturm, die zunächst von ihrem Entdecker, Const. KÖNEN, und
vielen anderen, wegen der kriegstechnisch hervorragenden Graben- und
Wallanlagen und der grossen Ausdehnung für die „magnae munitiones"
Caesars bei seinem letzten Rheinübergang gehalten wurde 2 ). Die
') KÖNEN, Gefässkunde der vorröm. röm., und fränk. Zeit in den Rheinlanden.
1895, S. 9 und SCHAAFFHAUSEN, B. J. 86, die vorgeschichtliche Ansiedlung in
Andernach.
*) Bonner Jahrb., Heft 104.
Mann us. Bd. II. 4
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50
A. Günther.
[18
Ausschachtung der Gräben und die Untersuchung des Füllgrundes, sowie
die dabei gemachten Gefäss- und Scherbenfunde ergaben aber zur
sicheren Gewissheit, dass es sich hier um ein Werk der jüngeren Stein¬
zeit und zwar der Untergrombacher Periode handelt 2 ). Die mit der
• Nordseite an den Rhein gelehnte, etwa halbkreisförmige Anlage hat von
Osten nach Westen eine Ausdehnung von 1216 m, von Süden nach
Norden eine solche von 743 m, sie bedeckt also eine Fläche von etwa
90 ha. Breite Doppelgräben, hinter denen sich Palisadenwände und
vielleicht auch ein Wallaufwurf erhoben, wehrten die Angriffe von der
Landseite aus ab. Der äussere Graben besass etwa 7^2 m, der innere
etwa 8 7t m Breite, die Tiefe mag 3—4 m betragen haben. Zahlreiche
Schlupfpforten, die Haupttore und etwaige Ausfallpforten waren durch
zweckdienliche Verschanzungen geschützt. Die weite Ausdehnung der
Anlage kann auf eine zahlreiche Bevölkerung schliessen lassen, die ent¬
weder im Innern der Festung hauste, oder im Notfälle hier Schutz suchte,
denn die über 3 km lange Verteidigungslinie bedurfte einer entsprechenden
Anzahl wehrfähiger Männer.
Von den aufgefundenen Gefässen sind zu erwähnen: Glockenbecher
der Untergrombacher Periode, dickwandig mit Quarzkörnchen - Bei¬
mischung im Ton, etwa 16—25 cm hoch (Abb. 4, Fig. 1), ein grosser
Abb. 4. Gefässe aus der Festungsanlage bei Urmitz.
1—4. Untergrombacher Typus; 5, 6. Rössen-Niersteiner Typus. (Nach Bonner Jahrbücher 110.)
rundbauchiger Topf mit hohem, durch 6 Reihen Fingereindrücke ver¬
zierten Hals, etwa 34 cm hoch (Abb. 4, Fig. 3), glockenförmige Schüssel
mit leicht geschweiftem spitz zulaufendem Rand, gut geglättet, mit
4 Griffwarzen, 26 cm Durchm. am Rand, 18 cm hoch (Abb. 4, Fig. 2),
*) Bonner Jahrb., Heft 110. H. LEHNER, Ausgrabungs- und Fundberichte
des Prov.-Museums in Bonn.
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19] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Bechens. 5]
ein grösseres eiförmiges Tongefäss mit ziemlich enger Mündung, leder-
farben, glatt, mit 4 grossen senkrechten Schnurösen am Bauch und
10 kleineren um die Schulter, 63 cm hoch, war mit der Schüssel (Abb. 4,
Fig. 2) überdeckt (Abb. 4, Fig. 4).
Ausser weiteren Scherben und Gefässen dieser Periode auch
solche, die der Rössener Keramik angehören dürften (z. B. Fig. 5 und
6, Abb. 4).
An Werkzeugen finden sich nur solche von Stein, keine von Bronze.
Es sei hier auch der der gleichen Zeit entstammenden, in den
Jahren 1908 und 1909 vom Mayener Geschichts- und Altertumsverein
und dem Bonner Provinzial-Museum aufgedeckten Festungsanlage bei
Mayen gedacht, die zwar nicht gerade zum Gebiete des Beckens gehört,
immerhin aber mit ihm in kulturgeschichtlicher Verbindung gestanden
haben wird. Diese zwischen Ostbahnhof und dem Katzenbergerweg
belegene Anlage stellt sich als ein Areal von 360 zu 225 m dar und
ist von zwei Befestigungsringen umgeben. Der äussere, ein 2,65 bis
4 m breiter Sohlgraben, hinter dem sich der Erdwall erhob, dahinter
als zweiter, vom Graben unabhängiger Ring, eine Palisadenwand in etwa
19 bis 30 m Abstand vom Graben. Wie bei Urmitz fallen auch hier
die zahlreichen Tore auf, deren hier elf in durchschnittlich 60 bis
70 m Abstand voneinander festgestellt wurden. Auf der Südostseite
verringerte sich der Abstand bei drei Toren auf 37 und 31 m, im
Nordosten sind aber zwei Tore 134 m voneinander entfernt. Die Durch¬
lässe an den Toren sind durch ein System von senkrecht stehenden
dicken Pfosten und liegenden Baumstämmen .geschützt. Wohngruben
wurden nur ausserhalb der Befestigung und zwischen dem Graben und
der Palisade, nicht aber im Innern der Festung festgestellt. Die kera¬
mischen Funde und die Steinwerkzeuge entsprechen ganz denen von
Urmitz *)
Rössen-Niersteiner Gruppe und Bandkeramik.
In dem Berichte, Bonner Jahrb., Heft 110, S. 135, vermisste
LEHNER das Vorkommen bandkeramischer Funde in der Umgebung
der Urmitzer Festung. Diese Lücke war aber bereits ausgefüllt durch
meine inzwischen erfolgte Entdeckung von Wohnplätzen dieser Zeit am
Jägerhaus, Gemeinde Mülheim, etwa eine Stunde von der Festung ent¬
fernt (Taf. IX), und auch durch verschiedene Gefässe und Scherben aus
der Festung selbst: Kugeltöpfe mit gekerbtem Rand und Scherben eines
Gefässes mit schraffierter Dreieckverzierung, von dem etwa die Hälfte
in den Besitz des Prähist. Museums in Köln gelangt ist (vgl. Abb. 4,
Fig. 5 und 6). Das letztere besitzt auch zwei Gefässe mit Spiral-
') HAGEN, Führer durch das Museum des Mayener usw. Vereins, 1909.
4*
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52
A. Günther.
[20
mäander-Verzierung aus der näheren Umgebung des Bethens, dem
Orte Kretz b. Kruft.
Am Jägerhaus fand ich in den Jahren 1903 und 1904 erst ver¬
einzelt die Scherben eines schwarzen Bechers mit langausgezogenem
.-. Dreiecksornament und Griff-
^ warzer. (Abb. 5), (ähnlich dem
■ Gefäss aus der Steetener Höhle
_~TT__ w im Wiesbadener Museum), eine
m grosse Schnuröse und einen
yuLrm\|| roll MmhBBw | gekerbten Henkel (Abbild. 8,
vSc^VvVM VIImtSiffauJ V Fig. 2). Dann im Dezember
* 1904 auf einer etwa 4 m breiten
Aschenschicht etwa 1,20 m unter
Abb. 5. Jägerhau» bei Mülheim. der Bodenoberfläche Zwei mit
grossen Steinen überdeckte
Scherbenhaufen, die eine Menge verzierter und einfacher glatter Scher¬
ben, Schnurösen und Randstücke enthielten. Es lassen sich hieraus
nach dem Stoff und der Bearbeitung vier Gruppen von Gefässen unter¬
scheiden:
1. Grosse Gefässe, anscheinend Kugeltöpfe von roher Arbeit und
ungleichmässiger Wandstärke, die zwischen 9 und 15 mm schwankt, die
Innenseite schwarz gedämpft, die Aussenflächen schwarz oder mit schwarz-
grauem oder gelbem Tonüberzug (bis zu 2 1 /* mm Stärke) versehen. Der
Ton weist starke Beimischung grober Quarzstückchen auf. Die Schnur¬
ösen sind nicht gross, roh hergestellt, senkrecht stehend mit horizon¬
taler Durchbohrung. Der Rand ist glatt oder gekerbt. Als Schmuck
finden sich auf einzelnen Scherben leichte Fingereindrücke in horizon¬
talen Reihen (Abb. 6).
2. Grosse Gefässe, anscheinend Kugeltöpfe mit schlankem Hals,
dünnwandiger und von besserer Arbeit als bei Gruppe 1. Die Innen¬
seite schwarz gedämpft, die Aussenfläche grau bez. graugelb. Der Ton
zeigt eine mässige Beimischung ziemlich feingeriebener Quarzstückchen.
Der Rand ist glatt oder gekerbt, die Schnurösen senkrecht mit horizon-'
taler Durchbohrung. Als Verzierung finden sich auf einigen Scherben
Horizontalreihen von paarweisen Fingereindrücken, anscheinend zwischen
den Spitzen vom Daumen und Zeigefinger gebildet, „gepitscht* (Abb. 7,
Fig. 1 und 2).
3. Grosse Gefässe, z. T. von mächtigem Umfang, fast bis 1 m
Durchm., deren Scherbenstücke kaum eine Rundung aufweisen. Sehr
hart gebrannt, innen geglättet und gedämpft; aussen sauber geglättet
oder glatt poliert, grauschwarz oder weissgrau. Wandstärke 13 mm.
Ton mit geringer Beimischung kleiner Quarzstückchen. Zu dieser Ge-
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IC—r*»--
21] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 53
fässart scheint auch der gekerbte Henkel bez. Schnuröse zu gehören.
Im übrigen sind die Schnurösen klein und rundlich, an vielen Qefässen
wohl in grösserer Zahl, bez. in verschiedenen Reihen angebracht
(Abb. 8, Fig. 1 und 2).
Abb. 9. 1—14. Rössen-Niersteiner Scherben vom JAgerhaus bei Mülheim.
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54
A. Günther.
[22
4. Ziergefässe in verschiedenen Grössen mit glatten und polierten
Aussenflächen, scharf eingeschnittenen und eingeritzten Ornamenten mit
weisser Kalkfüllung. Vorwiegend grau oder schwarz, aber auch in
gelbem Ton oder mit schön roter Politur, fast möchte man sagen Glasur
(Abb. 9, Fig. 1—14).
Ein schönes Stück stellt die Scherbe von Hals und Schulter eines
grossen Gefässes dar; um die Schulter scharf eingeschnittene Winkel¬
band-Gurte, unterbrochen von Griffwarzen; am Halsansatz fünf abge¬
setzte Gurtlinien, der Halsteil durch gequaderte Pfosten mit Kopfbändern
metopenartig gegliedert, die Felder mit unregelmässigen Linien (gras¬
artiges Pflanzenornament) bedeckt, alle Linien und die Felder mit
weisser Paste ausgefüllt, die Tonflächen schwarz-poliert (Abb. 9, Fig. 1).
Die rotpolierten Scherben (Abb. 9, Fig. 2) gehören einem Ge-
fässe mit langausgezogenem, durch abgesetzte Striche gefülltem Dreieck¬
ornament an. Auch hier sind die Linien in weisser Paste gefüllt. Ähn¬
liches Ornament findet sich auch auf grossen schwarzen Gefässcherben
(Fig. 3 und 4). Die kleineren Gefässe weisen mannigfaltigen Schmuck
mit Winkelband, Doppelstichmuster usw. auf. Einige Randstücke zeigen
den charakteristischen Schmuck des Winkelbandes auf der Innenseite
(Abb. 9, Fig. 5). Die Linien sind oder waren fast ausschliesslich mit
weisser Kalkpaste gefüllt. Form und Technik dieser Gruppe entsprechen
durchaus den von KOEHL veröffentlichten Funden bei Worms l ).
3
Im April 1907 wurden von den Arbeitern zwei Herdgruben, in
etwa 20 m Abstand voneinander, aufgedeckt. Die eine enthielt: einen
grossen Kugeltopf mit 4 runden Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa
25 cm Durchm. und 23 cm hoch (Abb. 10, Fig. 1), einen Kugeltopf
mit 4 gekerbten Schnurösen und gekerbtem Rand, etwa 20 cm Durchm.
') Festschrift zur 34. allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen
Gesellschaft in Worms, 1903.
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PR1NCETON UNIVERSI1
23] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschidite des Neuwieder Beckens. 55
und 197* cm hoch (Abb. 10, Fig. 2), eine Scherbe mit kräftig ein¬
geschnittenem Winkelbandmuster, eine andere mit Stichmuster, eine
rundliche Schnuröse, eine Anzahl leichtgebrannter Lehmstücke (wohl
vom Estrich) und ein Rindszahn.
Die andere enthielt: zwei kleinere Kugeltöpfe mit glattem Rand und
Griffwarzen von 15 bz. 16 cm Durchm. und 11 bz. 13 cm Höhe (Abb. 11,
Fig. 1 und 2); dann die Hälfte eines kugelförmigen schwarzen Gefässes
von guter Arbeit mit Schnurösen von etwa 30 cm Durchm. (Abb. 1 1 , Fig. 3),
das Stück eines Mahlsteines aus Quarzit, 2 Bröckchen weisses Quarz (das
zerkleinert dem Ton der Gefässe beigemischt wurde) und einen Zahn
und Knochenstückchen vom Rind (?). Bei dieser Grube konnte ich noch
einen Durchmesser von etwa 2 m nach unten trichterförmig verlaufend
feststellen, die Sohle lag etwa 70 cm unter der Oberfläche, auf einer
8 cm starken Bretzschicht.
Die weiteren Fundstücke bis heute, die zerstreut auf dem Felde
gemacht wurden, bestehen in einem etwa halbkugelförmigen lederfarbenen
Kumpen von 15 cm Durchm. und 7 7* cm Höhe (Abb. 12), Scherben
und Schnurösen von Gefässen, Reibsteinen aus Diabas-Diorit usw.
Erwähnenswert ist die Randscherbe eines anscheinend zylindri¬
schen braunen Gefässes mit quergestellter Schnuröse, die vielleicht
der Spiral - Mäander - Keramik zugeteilt werden kann (Abb. 13j, und
eine kleine schwarze Scherbe mit Ornament des Gross-Gartacher Typus
(Abb. 14).
Abb. 12-14. Jägerhaus bei MQlhelm.
Ein bei Rübenach im Jahre 1908 bei Anlage der Wasserleitung
gemachter Fund einer Anzahl Feuersteinmesser von 67* —10 cm
Länge und 2 bis 27* cm Breite (Abb. 15) wird nach einer in der Nähe
gefundenen Gefäss-Scherbe mit Griffwarze und Dreieckornament ebenfalls
der Rössen-Niersteiner Gruppe zuzuteilen sein. Man könnte versucht
sein, diese nur durch Abschlagen vom Knollen hergestellten, dünnwan¬
digen, haarscharfen Absplisse ohne jede Retusche und Nacharbeit für
jüngeres Paläolithikum zu halten, wenn nicht hier die Einlagerung in den
Bimssand (1,50 m tief) sie dem Neolithikum überwiese. Auch die
mehrfach bei Weissenturm und Urmitz, wie auf der Kartause angetrottenen
geschliffenen Meissei aus Kieselschiefer dürften hierher pehören.
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X
A. Günther.
[24
Schnurkeramik.
In einzelnen Funden ist die Schnurkeramik, bisher aber nur in der
Ebene der linken Rheinseite vertreten.
Ausser einigen in Privatbesitz (s. Z. Dr. PICK in Koblenz) gelangten
Stücken, wurden Gefässe und Scherben dieser Periode mitten in dem
Gebiet und in der Nähe
der Festung bei den Gra¬
bungen des Provinzial¬
museums gefunden. Ein
9 cm hoher lederfarbener
Becher mit 4 Reihen
echter Schnurverzierung
(Abb. 16, Fig. 1); ein rauh-
wandiger brauner Becher,
dessen Rand fehlt, mit
6 Reihen echter Schnur¬
verzierung, jetzt 12 1 /* cm
hoch (Abb. 16, Fig. 2) und
Scherben mit 10 Reihen
echter Schnurverzierung
am oberen Teil, darunter
drei im Zickzack laufende
Schnurreihen (H. LEH-
NER, B. J., Heft 110).
Nach der Aussage eines
sehr glaubwürdigen Herrn,
der als Bauaufseher bei
dem Neubau der Eisen¬
bahnbrücke auf der Insel
Oberwerth beschäftigt
war, sollen dort mehrfach sehr schön facettierte Hämmer und auch
Hockergräber gefunden worden sein, die wir dieser oder der folgenden
Periode zuzuschreiben haben würden ! ).
Glockenbecherkeramik (Zonenbecher).
In ähnlicher Weise wie die Schnurkeramik findet sich auch die
Glockenbecherkeramik im Gebiete des Beckens verbreitet.
Ihr gehört der von SCHAAFFHAUSEN im Bonner Jahrb., Heft 86
Abb. 15. Feuerstclnmesser von Rübenach. »/* nat. Gr.
*) Die Funde sind, wie das leider häufig oder fast in der Regel bei Staats¬
bauten vorkommt, verschleudert und vergessen, nur ganz spärliche und keine
bestimmbaren Steinstücke, ich glaube zusammen 2 Stück, finden sich hiervon im
Bonner Prov.-Museum.
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PRINCETON UNtVERSITY *
25] Zur Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte des Neuwieder Beckens. 57
veröffentlichte Becher an, allerdings nicht wie er annimmt, in dem Bims¬
sandausbruch verschüttet, sondern in späterer Zeit in den Boden gelangt.
Im Gebiet der Festung wurden Bruchstücke von Gefässen gefunden
(wie Abb. 17, Fig. 1).
Mehrere geschweifte Becher mit eingeritzten und einpunktierten
Zonenmustern stammen aus der Nähe der Festung (Abb. 17, Fig. 1 u. 2).
Bei Andernach wurde ein (Abb. 17, Fig. 3) ähnlicher Becher von
16 cm Höhe und bei Miesenheim, am Rande des Beckens, eine Schüssel
2
Abb. 16. Schnurkeramik aus Urmitz. Festungsanlagc
(Nach Bonner Jahrbücher 110.)
Abb. 18. Jägerhaus bei Mülheim.
Abb. 17 Glockenbecherkeramik.
(Nach Bonner Jahrbücher 110.)
mit lederartig geglätteter Oberfläche von 10 cm Höhe und 19 1 /* cm
Durchm. gefunden (Abb. 17, Fig. 4).
Am Jägerhaus fand sich eine Scherbe (Abb. 18) anscheinend vom
Rande eines Napfes.
Auffallend mag es erscheinen, dass bisher Funde der Steinzeiten
von der rechten Rheinseite des Beckens fast unbekannt sind. Wie
SCHMIDT auf die fast gleichartige Erscheinung des Aurignacien in der
Steetener Höhle bei Limburg a. d. Lahn und von Metternich und
Rhens hinweist, so möchte ich auf die Verwandtschaft der Rössen-Nier¬
steiner Becher von Steeten und vom Jägerhaus hindeuten, Vorkommnisse,
die sich auch bei den Kulturgrenzen späterer Zeiten wiederholen.
Von Steinwerkzeugen der rechten Rheinseite des Beckens ist mir
bisher nur ein Hammer aus dem Walde bei Vallendar und ein angeblich
an der Lahnmündung im Rhein gebaggerter Hammer, beide gelocht
bekannt. Jedenfalls werden aber auch hier sich wohl die Lücken all¬
mählich füllen. (Schluss folgt.)
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Der Ursprung der Urfinnen und Urindoger-
manen und ihre Ausbreitung nach Osten.
Vortrag gehalten am 18. Juli 1908
von Gustaf Kossinna.
3. Nordindogermanen und Südindogermanen (Fortsetzung).
Mit 71 Textabbildungen und Tafel X (Karte).
V.
Nordindogermanen in Osteuropa.
Die farbenfrohe Kultur der osteuropäischen bemalten Spiral-
keramik erfreute sich keines dauernden friedlichen Daseins, sie bricht
vielmehr ab, ohne in dem besprochenen Gebiete eine Fortentwickelung
oder ein allmähliches Absterben oder ein Aüfgehen in neuen, vielleicht
weniger vorgeschrittenen Kulturformen zu finden. Es kam über sie ein
„starker, böser Feind" in der Gestalt des nordindogermanischen Bruder¬
volks. Und damit gelangen wir zu der letzten Betrachtung dieses Vor¬
trages, die dem Vordringen der Nordindogermanen nach Osten
gewidmet ist.
Bevor wir die nordindogermanische Besiedlung Ostdeutschlands
darstellen, wollen wir einen kurzen Blick werfen auf den Anteil, den
die Südindogermanen an dieserp Gebiete hatten, grösstenteils früher
hatten, als die Nordindogermanen diesen Gegenden sich zuwandten.
Auf drei Wegen dringt die Donaukultur der Südindogermanen
nordwärts nach Mitteldeutschland und in verlorenen Ausläufern sogar
bis nach Norddeutschland vor. Im Westen öffnet ihr die Rheinstrasse
den Weg bis ins Neuwieder Becken; als Aussenposten gehört hierzu
die Lütticher Gruppe (Mannus I, 51). Von Thüringen aus bildet die
Saale und von deren Mündung ab die Mittelelbe die Einfallsstrasse der
Donaukultur. Einige Besiedlung aus der Stufe der Stichreihenkeramik
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Gustaf Kossinna.
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weist das Gebiet zwischen Harz und Saale auf, eine reiche aus der
Stufe der Spiralkeramik (Kreise Bernburg, Aschersleben, Halberstadt,
Oschersleben), ebenso auch die Südhälfte von Braunschweig. Die nörd¬
lichsten Punkte der Spiralkeramik sind: an der Saale Kalbe a. S. und
im Elbgebiet Hundisburg und Alvensleben im Kreise Neuhaldensleben,
während die Stichreihenkeramik hier nur in Hundisburg vertreten ist.
Im Königreich Sachsen erreicht diese Kultur nirgendwo ganz die
Nordgrenze des Landes und erst die Oder führt sie weiter nordwärts.
Für Schlesien kommt zunächst der Jordansmühler Typus in Be¬
tracht (Mannus I, 225 f.). Zu den kürzlich von SEGER behandelten
Fundplätzen von Ottitz, Kr. Ratibor, Pannwitz, Kr. Trebnitz, Jordans¬
mühl, Kr. Nimptsch, Brockau, Gräbschen und Woischwitz, Kr. Breslau
kommt jetzt der erste niederschlesische mit den Skelettgräbem von
Schrepau, Kr. Glogau, die unter anderem ein herrliches Pilzgefäss ge¬
liefert haben, das senkrechte Bänder von Quadraten in Rollstempel¬
ausführung aufweist. Von der Stichreihenkeramik konnte ich schon 1902
mitteilen, dass sie im Kreise Glogau ihren Nordpunkt hat (Priedemost).
Zu SEGERs neuerdings mitgeteilten Funden von Deutsch Breile, Kuhnau,
Jordansmühl, Gr. Tschansch, Stabeiwitz, Bschanz ist der schon vor
langen Jahren von MERTINS veröffentlichte von Olbersdorf, Kr. Franken¬
stein nachzutragen und noch Gleinitz, Kr. Nimptsch, sowie als Vertreter
der Keramik von Butmir (lange, mit Punktstich gefüllte Zickzackbänder)
der niederschlesische Platz Mertschütz, Kr. Liegnitz, anzuschliessen. Für
die Spiralkeramik endlich ist ausser dem auch hierbei vertretenen Jor¬
dansmühl noch Stolz, Kr. Frankenstein, zu nennen.
Weit ab von Schlesien, an der
unteren Oder, erscheint dann das
Grab von Schöningsburg, Kr. Pyritz,
mit Spondylusmuscheln und Stich¬
reihenkeramik, die ich schon 1902
mit der schlesischen Gruppe in Ver¬
bindung brachte und neuerdings durch
das Zwischenglied des Stichreihen¬
kumpfes von KL Rietz, Kr. Beeskow
(Mannus 1, 234), enger verknüpfen
konnte.
ln anderer, geradezu nördlicher
Richtung geht dieser schlesische Ein¬
fluss, wenn wir in Iwno, Kr. Schu¬
bin , Pr. Posen (Mannus 1, 234),
einen solchen Stichreihenkumpf antreffen, hier jedoch mit 2 Halsösen
versehen, in der Art der nordischen Kugelamphoren (Abb. 1), Hier-
Abb. 1. »/»•
Iwno, Kr. Schubin, Prov. Posen. Grab 5.
(Nach Zeitschr. f. Ethnol. 1905, 904, 8.)
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PRINCETON UN1VERSITY
60] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 61
her können wir auch zwei ganze, aus einem Kieslager stammende,
also wohl einem vergangenen Skelett gehörige, durchbohrte Spondylus-
schalen von Montwy, Kr. Strelno, rechnen, die ich im Bromberger
Museum entdeckte.
Der nordöstlichste Vertreter der Donaukultur überhaupt ist endlich
ein kleiner Kugelnapf aus Graudenz, verziert durch Knöpfe und ver¬
bindenden Doppelvoluten mit Führungslinie. Dieses Gefässchen ist
bis nach Quedlinburg verschlagen worden, wohin es durch den ver¬
storbenen Oberbürgermeister BRECHT gelangte, der persönliche Be¬
ziehungen zu Graudenz besass, wie ich seinerzeit aus seinem eigenen
Munde noch erfahren habe, als er es mir zeigte.
Soviel über die Siedelungsspuren der Südindogermanen im mitt¬
leren und nördlichen Ostdeutschland, das dann bald von den Nord¬
indogermanen voll in Besitz genommen wird.
Es wurde schon vorher (Mannus 1, 231) angedeutet, dass die land¬
läufige Meinung, nach der die Oder die Ostgrenze der Megalithgräber
bedeute, unrichtig ist. Freilich oberirdische Steingräber sind oder waren
östlich der Oder selten. Da man aber sonst überall auch die unter¬
irdischen neolithischen Steinkammern und Steinkisten als jüngere Er¬
scheinungsformen der Megalithgräber mit in Betracht zieht, so wäre es
widerspruchsvoll, in Ostdeutschland anders zu verfahren. Wie sich nun
die nordische Megalithkeramik in mehreren Phasen von Dänemark und
dem Unterelbgebiet nach Osten allmählich ausbreitet, wie ich zeigen
werde, so ist es auch mit den ihr zukommenden Grabformen der Fall.
Ich kann hierbei zwei oder mit Anschluss der schnurkeramischen
Erscheinungen drei sich folgende grosse Züge feststellen, in denen
die nordisch-norddeutsche Bevölkerung Ostdeutschland, Polen und Süd¬
russland besiedelt (vgl. die Karte Taf. X).
Der erste dieser Züge wird bezeichnet durch die Erscheinung
von nordwestdeutsch-dänischen Kragenfläschchen und Trichterrandbechern,
denen sich im weiteren Verlauf noch Mondhenkelkrüge von dem grossen
nordböhmischen Typus gesellen, die man bisher gewöhnlich, doch mit
Unrecht der frühesten Bronzezeit zugeteilt hat.
Die-Kragenfläschchen sind zu Hause in dem Megalithgräber¬
bereich von Holland, Hannover, Oldenburg, Westfalen, Schleswig-Hol¬
stein, Dänemark, ausserdem durch vereinzelt ausgesandte Kolonien
westwärts gebracht nach der Bretagne, Dep. Finistere (Kerandreze)
und Morbihan (Lann-Blaen) (Abb. 2, 3), südwärts nach der baye¬
rischen Pfalz (Eyersheim, Gern. Weisenheim a. S.), Nordhessen
(Züschen, Kr. Fritzlar), Westthüringen (Nägelstedt, Kr. Langensalza),
ostwärts nach Vorpommern (Grabfund von Zarrentin bei Loitz, Kr.
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Gustaf Kossinna.
[61
Grimmen). Sie fehlen einerseits in Mecklenburg, andererseits in Hinter¬
pommern, Brandenburg, Westpreussen, erscheinen aber wieder in Posen
(Lutynia, Kr. Pieschen 1 ) und in Preussisch und Österreichisch Schlesien,
Abb. 2.
Kerandrfeze, Finistfere
(nach Du Chatellier).
Abb. 3. Etwa '/*•
Lann-Blaen, Morbihan; Megalith-
grab (nach Du Chatellier).
Abb. 4. '/*.
Heildorf, Kr. Kolmar in Posen.
wo zu den bisher bekannten beiden Grabfunden von Jordansmühl (No. 20
und 28) und den Exemplaren von Badewitz, Kr. Leobschütz, von
Kathrein bei Troppau und von einem unbekannten schlesischen Fundort
noch Bruchstücke hinzukommen, die im Jahre 1906 aus Wohngruben
zu Nosswitz bei Glogau aufgedeckt wurden in Gemeinschaft einerseits
mit spiralkeramischen Scherben, andererseits mit Bruchstücken von
Trichterrandbechern und -schalen, kleinen doppelkonischen Hängegefässen
der nordischen Ganggräberzeit und anderen Gefässen, die in auffallendster
Weise an die zahlreichen schönen Gefässe erinnern, die das Stralsunder
Museum aus einem Torfmoor von Gingst auf Rügen seit 1890 besitzt.
Weiter kommt dazu ein im Römisch-Germanischen Zentralmuseum zu
Mainz befindliches Stück aus dem schlesischen Kreise Ohlau, das SEGER
unbekannt geblieben ist und dessen Abbildung ich der Liebenswürdig¬
keit Karl SCHUMACHERs verdanke (Abb. 5). Endlich erscheinen
Kragenfläschchen in Westgalizien zu Zastow bei Krakau (Abb. 9), in
Ostpolen zu Nalenczow bei Lublin (Abb. 8).
In Jordansmühl, Kreis Nimptsch, treten sie innerhalb eines grossen
bandkeramischen Gräberfeldes in zwei auch nach ihrer baulichen Her¬
richtung „nordisch" gearteten Gräbern auf zusammen mit Gefässen von
l ) Dazu kommt jetzt noch das Stück der Sammlung in Samotschin aus Hell¬
dorf (früher Heliodorowo), Kr. Kolmar i. Posen: E. BLUME, Ausstellung im Kaiser-
Friedrich-Museum; Vor- und frühgeschichtliche Altertümer aus dem Gebiet der Provinz
Posen. Posen 1909. No. 510 nebst Abbildung, die hier wiederholt wird (Abb. 4 s. o.).
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62 ]
Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 63
Abb. 7. Grab 28. 1.40.
JordansmQM, Kr. Nimptsch, Schlesien.
(Nach Archiv f. Anthrop. N. F. V. Taf. XII nebst Fig. 25).
Abb. 8. Nalenczow, Gouv. Lublin, Polen (nach Swiatowlt 1905).
2 Kugelamphoren, 3 Kragenfläschchen, 1 Trichterbecher (Rest),
2 ostdeutsche Streithämmer, 3 Feuersteingeräte, 2 Bemstelnperlen.
Abb. 9. Lelowice,
Gouv. Kielce, Polen:
Trichterrandbecher;
Abb. 10. Zastow bei
Krakau:
Mondhenkelkrug,
Kragenflasche mit
Füsschen
(nach Wiadom. num.
arch. IV).
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Gustaf Kossinna.
[63
norddeutschem Typus, darunter einem Henkelkrug, einem Trichterrand¬
becher, einer ähnlich gestalteten Schale, sowie drei Ringperlen aus Bern¬
stein (Abb. 6, 7). — In den vierzehn mit Steinauslegung und teilweise auch
mit Steinplattenumzäunung versehenen Gräbern von Nalenczow (Abb. 8)
Abb. 11—15. Trichterrandbecher.
Oben: Molzow, Mecklenburg (nach Beltz); Warmhof bei Mewe, Westpreussen;
unten: Denflhoog, Sylt (nach Mestorf, Vorg. Alt. 147); Neuenfeldt, Kr. Prenzlau, Uckermark
(nach Schumann, Steinzcitgräber, Taf. 42); Tannhofen, Kr. hohensalza, Prov. Posen
(Bromberger Jahrbuch 1891).
Abb. 16, 17. */«. Trichterrandschalen.
Gingst, Kr. Rügen (Zs. f. Ethn. 1896, 552, Abb. 6). 17. Satzkorn, Kr. Osthavelland (nach Brunner,
Steinzeit!. Keramik, Abb. 6).
bei Lublin gesellen sich den Kragenfläschchen (3), genau wie im vor-
pommerschen Zarrentin, Bruchstücke von Trichterrandbechern (2), eiförmig
gestreckte Kugelamphoren mit kleinem Standfuss und vereinzelten lang
herablaufenden senkrechten Ornamentbändern, wie sie in Vorpommern
Vorkommen, grosse durchlochte Steinhämmer mit Halbkugelnacken und
weit ausladender Schneide von ostdeutsch-nordisch-österreichischem Typus
(Kupferform), endlich Bernsteinperlen. Der Bernstein ist hier, in Jordans¬
mühl und sonst oft ein sicheres Zeichen nordindogermanischer Bevölkerung,
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64] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 65
denn nur bei dieser wird er allenthalben angetroffen, niemals aber bei
der Donaukultur, wo sie auch immer auftreten mag. Wenn M. MUCH
ihn auch der ostgalizischen bemalten Keramik zuteilt, so ist diese Meinung
nur die Frucht einer allzu flüchtigen Literaturbenutzung. Ebenso irrt
GÖTZE, der ein Bernsteinamulet von Bernburg arktischer Kultur mit dem
berühmten, durch reichsten Spondylusschmuck ausgezeichneten band¬
keramischen Grabfund grundlos vereinigt (s. Mannus I, 40 und Taf. X, 5).
Nicht so sprunghaft, sondern in zusammenhängender Ausbreitung
lassen sich die mit den Kragenfläschchen gesellten Trichterrandbecher
sowie Trichterrandschalen nach Osten hin verfolgen. Ebenso häufig wie
in Nordwestdeutschland (Abb. 13) und Dänemark, jawohl noch häufiger
erscheint diese Form in Mecklenburg (Abb. 11), auf Rügen, in Vor- und
Abb. 18. Kaldus, Kr. Kulm. Westpreus&en (nach Skizze, vom Westpr. Prov.-Mus. freundlich geliefert)
a) Ansicht, b) Innenverzierung des Randes.
Hinterpommern (Abb. 16) und in der nördlichen Mark (Abb. 17), be¬
sonders im Kreis Prenzlau (Hammelstall, Neuenfeldt: Abb. 14, Schmiede¬
berg), weiter in Westpreussen (Warm
hof, Kr. Marienwerder: Abb. 12,
Kaldus, Kr. Kulm: Abb. 18), Posen
(Kl. Krebbel, Kr. Schwerin; Tai
kowo - Tannhofen Kr. Hohensalza :
Abb. 15), Schlesien (Nosswitz:
Gräbschen und Hartlieb, Kr. Breslau;
Jordansmühl (Abb. 6) und Trebnig,
Kr. Nimptsch), in Südpolen (Lelo-
wice, Bez. Miechow [Abb. 9]), sehr
zahlreich namentlich im Gouvernement Kielce, hier wieder besonders im
Bez. Stopnica, weit spärlicher im Osten des Gouvernements Radom.
Mannus. Bd. 11. 5
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Gustaf Kossinna.
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Hierher zu stellen sind auch randlose Schalen, die unter der Mündung
die typische Stridizonen- und Zickzacklinienverzierung tragen, die zwei¬
mal im Kreise Schubin, Reg.-Bez. Bromberg erscheinen (Abb. 19). In
Abb. 20 a, b. Trzebcz, Kr. Kulm, Prov. Westpreussen: Steinkreise mit Trilithen.
a) Durchschnitt A—B, b) Grundriss (nach Roznik Tow. n. Torunsk I, Taf. 111, ! 2).
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PR1NCETON UNIVER^ITY
66 ] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 67
Vorpommern (Zarrentin), Schlesien (Nosswitz, Jordansmühl) und Polen
(Nalenczow) sind sie vereinigt mit Kragenfläschchen, in Galizien und
Polen auch mit Mondhenkelkrügen von dem in Nordböhmen
(s. Mannus I, 197 nebst Abb. 12) so stark vertretenen Typus, deren
Henkel hoch geschwungen sind und von einer tiefen Mittelfurche aus
flügelartig beiderseits sich stark verbreitern: so zu Zastow bei Krakau
(Abb. 10), sowie zu dem schon genannten Lelowice.
Das Auftreten der Kugel^mphoren in Nalenczow, dem äussersten
Ostpunkte des ersten Zuges, ist zugleich das erste Zeichen für das Ein¬
treffen des zweiten Zuges nordischer Bevölkerung in Ostpolen. Ging
der erste Zug von Mecklenburg über Pommern nach Westpreussen,
dann südwärts über Posen nach Schlesien und von dort ostwärts durch
Westgalizien die Weichsel abwärts nach Südpolen, so schwenkt der
zweite Zug vom südlichen Westpreussen nach Kujawien ab und hält
sich dauernd im Gebiete der Weichsel, der er aufwärts bis Sandomir
folgt. Hier treffen sich beide Züge und die Grabfunde von Nalenczow
bezeugen die Gleichzeitigkeit der Erscheinungen beider Züge am End¬
punkte des ersten Zuges, wie die Ansiedlungsfunde von Krebbel, Kr.
Schwerin in Posen und noch weiter westlich der Grabfund aus der
Steinkammer von Zarrentin, Kr. Grimmen, dies für den Ausgangspunkt
tun. Dann rückt aber nur die Bevölkerung des zweiten Zuges, entweder
allein oder vielleicht noch im Verein mit jüngeren Entwickelungen des
ersten Zuges weiter über Ostgalizien, Podolien bis zur Ukraine, um in der
Nähe von Kiew zu endigen. Hauptkennzeichen dieses zweiten Zuges
sind Megalithgräbcr, die dem ersten Zuge ganz abgehen, oder die
Keramik der Kugelamphoren oder beides vereinigt. Die Form dieser
östlichen Megalithgräber ist zum Teil dieselbe wie westlich der Oder, also
rechteckige unterirdische Steinblockkammern oder Steinplattenkisten. In
Westpreussen finden sich einige Male mehrfache Steinkreise, die drei hoch¬
stehende Steine (Trilithen) umschliessen (Abb. 20, 21). Am zahlreichsten
aber begegnet die schon bei Greifswald einmal (Schmiedkow) erscheinende,
sonst in Hinterpommern, Westpreussen, Posen und besonders in Kuja¬
wien häufige Form der sogenannten ‘kujawischen’ Gräber. Langgezogene,
spitzdreieckige, schmale Hügel mit gleichlaufender Steinumfassung ent¬
halten am breiteren Kopfende eine in der Längsrichtung des Hügels sich
erstreckende, teils überirdische, teils unterirdische Steinkammer mit Skelett¬
bestattung (Abb. 22) und Beigaben aus der Kultur der Kugelamphoren.
Ein klassisches Beispiel ist eines der vier durch v. ERCKERT 1879
veröffentlichten Gräber von Janischewek bei Lubraniec, dessen steinum¬
fasster Hügel hundert Schritt lang war, während die Kammer 1 l /a m Länge,
1 m Breite mass (Abb. 23). Weiter östlich treten an die Stelle dieser
Megalithgräber einfache unterirdische Steinkisten, so zu Smoszewo und
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Abb 12. Chotel. Gouv. Knirsch, Polen Abb. 23. Janlschewek. Russ. Kujawien: Grab I
‘Kujawisches* Grab (nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1579. 428)
(nach Verh. d. Berl anthr. Ges. 1880, 317).
Abb. 24—26. Kugelamphoren.
24 (',*). Succow, Kr. Saatzlg, Hinterpommern
(nach Balt. 5tud. 46. Taf. I, 33);
25 (Vt). Gr. Rambin, Kr. Belgard, Hinterpommern
(nach Walter, Lemckefestschrift, Abb. 12);
26 (' s). Zechlau. Kr. Schlochau, Westpreussen
(nach Kasiski, Beschr. d. vat Alt. Taf. IV, 64).
Abb. 27, etwa Vj. Megalithamphore
Kulmsee, Kr. Thorn, Westpreussen
(nach Conwentz. d. westpr. Prov. Mus.
1880 -1905, Taf. 43).
Szeromin, Kr. Plonsk (Abb. 37), Gouvernement Warschau, zu Zurawniki,
Bez. Sandomir, Gouvernement Kielce und öfter in diesem Kreise, dann
auch in den Gouvernements Siedlce und Lublin, namentlich aber in
Ostgalizien, wo ich die Fundorte Beremiany, Czarnokonce, Kociubince,
Kuszilowce, Rakowkant, Uwisla, Czernelica nebst Graniczesti und Unter-
horodnik in der Bukowina nenne. Die jüngste Art nordischer Begräb¬
nisse findet sich naturgemäss auf dem östlichsten Teile des Zuges, in
Russland: das sind einfache, ungeschützte Hockerbestattungen in Erd¬
hügeln (Kurganen). Wolhynien bietet beide Grabarten, aber mehr Stein¬
kisten als Kurganhocker, Podolien nur noch eine bekannte Steinkiste
(Bez. Kamieniec Podolski), sonst durchweg Kurganhocker, und ebenso
die Ukraine.
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68] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 69
Das Leitgefäss, die nordostdeutsche Kugelamphore, hat sich be¬
kanntlich in Vorpommern und Nordbrandenburg aus der älteren Mega¬
lithamphore Dänemarks und Schleswig-Holsteins entwickelt. Östlich der
Oder geht ihre und ihrer Begleitgefässe Verbreitung durch die Neumark,
Hinterpommern (Succow: Abb. 24, Gr. Rambin: Abb. 25), West-
preussen (Zechlau: Abb. 26, Kulmsee: Abb. 27, Nawra: Abb. 46),
Abb. 28. '/*• Formen von Begleitgefässen der Kugelamphoren. Abb. 29. '/«.
Höben. Kr. Steinau. Niederschlesien Kl. Krebbel. Kr. Schwerin, Prov. Posen. Sdinurverxierter
(nach Nachr. Q. d. Alt. 1899. 82). Krug mit Doppelhenkel (Nadir. Q. d. Ah. 1892,66).
Abb. 30. '/•. Janischewck, Russ. Kujawlen, Grab 1 (nach Verh. d. Berl. anthr. Qcs. 1833, Tal. VD);
Abb. 31. Wies Koscielna, Abb. 32. Branica, Abb. 33.
Russ. Kujawicn Suchowolska. Gouv. Kociubince, Ostgalizien *,
(nach Verh. d. Berl. Sicdlce. Polen; Steinkistengrab
anthr. Ges. 1883 , 434). Steinkammergrab {nach Kohn-Mehlis I, 102).
(n. Kohn-Mehlis 1,92).
Abb. 34- Losiatyn,
Gouv. Kiew; Hügelgrab
(nach Zbior wiadom.
Krakau XIII, Taf. II, 7).
Posen (Kl. Krebbel: Abb. 29, Birnbaum, Gr. Koluda, Rzeszynek, Pad-
niewo, Pakosch, Szczonowo) nach Kujawien, wo neben Faliszewo, Tymin,
Wies Koscielna (Abb. 31) und Malischewo das schon genannte Grab I
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Gustaf Kossinna.
[69
von Janischewek besonders schöne Stücke geliefert hat (Abb. 30).
Seltener sind sie weiter aufwärts der Weichsel in den Gouverne¬
ments Warschau (Szeromin: Abb. 38), Kielce (Winiary: Abb. 47,
Zlota: Abb. 35, 36), Siedlce (Branica-Suchowolska: Abb. 32) und
Abb. 35, 36. Zlota, Qouv. Kielce, Polen (nach Materyaly antrop-archeoi- Krakau. IX, Taf. IX).
Lublin (Drzewce, Nalenczow: Abb. 8), sowie in Galizien am Bug
(Sobiecin), werden aber in den ostgalizischen Steinkisten der Land¬
schaft Pokutien wiederum recht zahlreich (Abb. 33), um dann in Wol¬
hynien (Leposowka, Zaluza), Podolien (Nowa Sieniawa: Abb. 50) und
in der Ukraine (Losiatyn: hier mit weisser Einlage verziert (Abb. 34),
und Kiew) sich mehr und mehr zu verlieren. Eigen ist diesen östlichen
Kugelamphoren eine weit öftere Bewahrung eines kleinen flachen
Standbodens und ein öfteres Auftreten der Vierzahl der Ösen, als
beides westlich der Oder der Fall ist (hier z. B. in Gingst auf Rügen;
Lebehn, Kr. Randow, Vorpommern; Ketzin a. d. Havel, Elbekosteletz
in Böhmen), sowie Vorliebe für das auch an den Trichterbechern ständige
und bei den östlichen Kugelamphoren schon von Hinterpommern an
auftretende Halsornament der einfachen oder mehrfachen Strichzonen,
die durch eine Zickzacklinie entweder auseinandergehalten oder unten
abgeschlossen werden können. Der Auffassung GÖTZES, dass diese
Halsstrichzonen der Kugelamphoren durch Übertragung des Schulter¬
fransenornaments auf den Hals entstanden seien, kann ich somit nicht
beistimmen.
Eine zweite Art Gefässe zeigt uns ein Megalithgrab des Gouver¬
nements Warschau, das bereits genannte von Szeromin (Abb. 38): den
Becher. Er hat Stichverzierungslinien am Halse und zwei oder vier
Ösen am Halsansatz ganz wie der Trichterrandbecher, nur ist der hier
schräge, weit ausladende gerade Hals bei unserem Becher kürzer, steiler,
zudem oft geschweift geworden. Auch der scharfe Absatz zwischen
Bauch und Halsansatz weicht einem mehr geschweiften, S-förmig ge-
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p m NC eto ruj ni ve R
70] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 71
rundeten Profil. Und solche Becher erscheinen zahlreich schon an der
unteren Oder in Pommern, in der Uckermark (Abb. 39, 40) und Neu¬
mark. Bald erhalten sie dort statt der Stichreihen am Halse ebensoviel
Abb 37, 33. Szeromin, Bez. Pultusk. Gouv. Warschau;
Steinkiste: 2 vierösige Becher, Kugelamphorenbruchstück, 2 Feuersteinbeile (eines gebÄndert)
(nach ‘Swiatowit* 1906, Taf. VI).
Schnurlinien, oder auch es lebt an ihnen die Zickzacklinie des Trichter-
wir noch die
des Bechers,
allmähliche
namentlich
Abb. 39. 40.
39. stichverziert, 40. schnurverziert. '/••
Hammelstall, Kr. Prenzlau, Uckermark;
Grab 2 und 3 (nach Schumann,
Steinzeitgr. d. Uckerm. Taf. 38).
bechers fort als Halszickzackband. Wenn
starke Verbreiterung der ganzen Gestalt
des Unterteils, hinzunehmen, so haben
wir damit alle Elemente beisammen, die
für die hauptsächlichste Gefässgattung der
von mir als „Oderschnurkeramik“ be-
zeichneten Kultur massgebend sind. Ausser¬
ordentlich beliebt ist bei diesen Bechern
der Griffzapfen, einer oder zwei, statt
der Henkel oder Ösen, recht häufig finden
sich auch jene plastischen Henkelfortsätze,
kreisförmige oder winklige, die vielfach schon
in der Megalithkeramik und bei den Kugelamphoren erscheinen (Abb. 42),
speziell auch bei den Trichterrandbechern, so in Mecklenburg (Molzow:
Abb. 11), Provinz Sachsen (Halberstadt: Abb. 41, Bitterfeld), Schlesien
(Jordansmühl: Abb. 6), Polen (Nalenczow: Abb. 8). Und in derselben
Weise, wie bei der Oderschnurkeramik, geht auch bei der Schnurkeramik
des Elb-Saalegebietes der Schnurbecher aus dem Becher der nordischen
Megalithkeramik hervor, und zwar weniger aus der bekannten älteren Form,
als vielmehr aus der jüngeren hoch und schlank ausgezogenen, die in
ganz Nordwestdeutschland vorkommt, und im zweiten Teile meines Vor¬
trages ausführlich behandelt worden ist (Mannus I, 232, Taf. XXII).
Damit haben wir schon den dritten Zug nordindogermanischer
Bevölkerung nach Polen und Südrussland berührt, der im wesentlichen
durch die Ausbreitung der ostdeutschen Schnurkeramik charakteri-
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Gustaf Kossinna.
[71
siert wird. Da die Besiedlung innerhalb dieser Kulturgruppe in den frag¬
lichen Gebieten, besonders auch in Südrussland, nicht nur wesentlich
dichter, sondern auch noch weiter südöstlich vorgeschoben erscheint, als
Abb. 42.
Hundlsburg. Kr. Neuhaldensleben.
Sammlung Neuhaldensleben.
das selbst beim zweiten Zuge der Fall ist, so haben wir es nicht nur mit
einem natürlichen Anwachsen, sondern wohl auch mit Nachschüben der
Bevölkerung aus Norddeutschland zu tun. Und zwar entwickelt sich
dieser dritte Zug anfangs ungefähr im Geleise des ersten Zuges, in West-
preussen, Nordposen, Schlesien, bis zu dessen Endpunkt an der oberen
Weichsel, folgt dann aber weiter dem östlicheren Teile des zweiten Zuges
bis an den Dniepr, den er sogar noch überschreitet. Die Oderschnur¬
keramik ist ja nicht nur an der unteren Oder entwickelt, sondern mit
Überspringung des leeren Mittellaufs des Flusses auch auf dem linken
Ufer der oberen Oder in Nieder- und Mittelschlesien, besonders dicht
in der weiteren Umgebung von Breslau. Vom Odergebiet gehört nur
das Tal der Lausitzer Neisse nicht zur Kultur der Oderschnurkeramik
sondern zur Elbschnurkeramik, wie das Skelettgrab von Strega, Kr.
Guben, zeigt. Die schlesische Schnurkeramik hat von der unteren
Oder her den Schnurbecher meist in der Form des Zapfenbechers, so¬
wie den Henkeltopf übernommen, dagegen in Gemeinschaft mit dem
benachbarten Böhmen, die, mit einer Ausnahme aus der Provinz (Znin:
Abb. 43), in Norddeutschland fehlende Form des hohen, schlauch¬
förmigen Kruges aufzuweisen (Abb. 44). Ausserdem hat aber Schlesien,
nicht von der unteren Oder her, sondern von Jütland über Westpreussen
und Posen (Abb. 45) den sogenannten Blumentopfbecher erhalten, wohl
als einen späteren Abieger aus der Megalithkeramik, die ihn ja besitzt und
Abb. 41.
Halb er stadt. Spiegelsberger Weg.
Mus. Halberstadt.
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PRINCETON UNIVERS1TY
72] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 73
auch dem Latdorf-Bernburger Typus überwiesen hat (Abb. 46). Schnur¬
becher, Blumentopfbecher und Henkeltopf wandern nun von Schlesien weiter
nach Galizien, nicht aber der böhmisch-schlesische Krug: ein Zeichen, dass
die jetzt in Schlesien heimisch gewordenen nordischen Bevölkerungs-
Abb. 43. 1 >.
Znin. Westabhang, Prov. Posen.
Abb. 44. l U, Gnichwitz, Kr. Breslau*
^nach Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, Taf. VI, 12).
massen an der Weiterwanderung nach Osten sich nicht beteiligt haben,
sondern dass diese von weiteren nordischen Nachschüben vollzogen
worden ist An der oberen Weichsel trifft der schnurkeramische Zug
auf den zweiten» den Weichselzug, und übernimmt nun Einwirkungen
Abb. 45. v
Kaiserswalde, Kr. Wirsitz,
Prov. Posen.
Abb. 46.
Puschwitz, Kr. Neumarkt, Schlesien,
aus Skelettgrab (nach Nachr. ü. d. Altert. 1899, 82).
von diesem, vor allem eine jüngere Art der Kugelamphore, die
‘Schnurkugelamphore’, und zwar in so geringer Abwandlung der Form,
dass man oft nur durch die Begleitfunde über den Gesamtcharakter
der Kultur aufgeklärt wird. Denn die Anwendung des Schnurmusters
allein entscheidet hier noch keineswegs, wie ja auch die westlichen,
typisch „reinen“ Kugelamphoren nebst ihren Begleitgefässen in Nord-
und Mitteldeutschland öfters schon als Ersatz für die mühsame
und zeitraubende Herstellung der Furchen in Sticharbeit die einfache
und leicht zu bewirkende Anwendung des Schnurmusters aufweisen.
Höchst merkwürdig ist nun eine Umkehrung dieses Verhältnisses, die
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74
Gustaf Kossinna.
[73
dadurch sehr häufig eintritt, dass man die Eigenart des Schnurmusters
wiederum durch Stichtechnik darzustellen versucht hat: die allermüh¬
samste Arbeit. Nur für diese Fälle dürfte der heute oft missbräuchlich
angewandte Terminus „falsches“ oder „imitiertes“ Schnurmuster, den
manche Forscher trotz seines ehrwürdigen Alters schon ganz haben aus¬
merzen wollen, auch künftighin mit Recht anzuwenden sein. Auch in
Sachsen-Thüringen ist ja eine bestimmte Abart der Schnuramphoren
sicher aus den Kugelamphoren hervorgegangen, zum mindesten in der
Form stärkstens durch sie beeinflusst worden. Solch eine Schnurkugel¬
amphore findet sich schon in Westpreussen aus einem Steinkistengrabe
L____i ..-- _
Abb. 47, 48. */a. Schnurkugelamphoren.
• 47. Nawa, Kr. Thorn, Westpreussen. 48. Winiary, Bez. Sandomir, Polen.
Arch&ologisdies Museum der Universität Krakau.
zu Nawra, Kr. Thorn (Abb. 47), ebenso an der oberen Weichsel zu Wengrcze
bei Krakau zusammen mit einem zylindrischen Becher in einem Monolith¬
grabe, weiter zu Winiary, Bez. Sandomir (Abb. 48) l )> und nahebei in dem
interessanten Skelettgräberfelde mit Steinkisten von Zlota, desselben
Bezirks, hier mehrmals gesellt mit einer jüngeren schnurverzierten Form
des Mondhenkelkruges (Abb. 49, 50), einem Nachkommen dieses Typus
vom ersten Besiedelungszuge. Im Ornamentmuster degeneriert, dazu ösen¬
los, wie übrigens zuweilen auch im Westen — man vergleiche Lebehn (Vor¬
pommern) und Dedelow Grab V (Kr. Prenzlau, Uckermark) und das
einhenklige Stück aus Hindenburg in der Altmark — erscheint dagegen
eine solche Schnuramphore von Sieniawa am San in Galizien, sowie
*) Für die Erlaubnis, Photographien der beiden Gefässe von Nawra und
Winiary veröffentlichen zu dürfen, bin ich Herrn Universitätsprofessor Dr.
BIENKOWSKI in Krakau zu Dank verpflichtet.
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PRINCE TQN UNIVE RSUM
74] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 75
eine andersartige aus dem 6. Hügel des Gräberfeldes von Jackowica,
Bez. Lipowec im Gouvernement Kiew. Die in der Form noch »reine*
Kugelamphore mit Strichzonen und eingestochenem Zickzackhalsband
aus Nowa Sieniawa in Podolien fand sich bezeichnenderweise in Ge¬
sellschaft eines schnurverzierten Blumentopfbechers (Abb. 51).
Abb. 49. 50
Zlota, Gouv. Kiele*», Polen
mach Materyaly IX, Taf. VIII).
Abb. 51. Nowa
Sieniawa, Podolien.
(Zbior wiaö.XIII, 42 ff ).
■:-m£ '■>
Sehr auffallend ist das Auftreten einer anscheinend echt thüringi¬
schen Schnuramphore mit zwei symmetrisch verteilten Henkeln an der
Mitte des Kugelbauches in einem Hocker- ^
kurgan zu Siwki, Bez. Ostrog in Wolhynien 'tä£S££ä*> / JsS&
(Abb. 52,2) und kaum anders erklärbar,
als durch eine wenn auch geringfügige t
Beteiligung der thüringisch-sächsischen Be-
völkerung, etwa von der Oberlausitz her ^ ^ Wr
(Bautzen), an diesem Auswanderungszuge.
Es sei hier auch wieder auf das einmalige *
Auftreten dieser Amphorenform in der
Ansiedlung der Wertebahöhle bei Bilcze
in Ostgalizien mit bemalter Keramik hin¬
gewiesen (Mannus I, 228).
Zur Charakterisierung der polnisch¬
russischen Schnurkeramik seien noch
einige Momente hervorgehoben. Erstens
tritt sie in Polen wohl noch hie und da
in Steinkisten auf, wie zu Rosiejew,
Bez. Pinczow, und in Zlota, Bez. Sandomir,
beide im Gouvernement Kielce, doch nie in
Galizien: ein Verhältnis, das die früheren Verschiedenheiten des Oder¬
und des Weichselzuges, d. h. des ersten und des zweiten Zuges fort¬
setzt. Nicht selten begegnet auf dem ganzen dritten Zuge das zuerst
von H. SCHUMANN als Typus erkannte Einzelsteingrab, GÖTZES
Abb. 52. 1-3.
Siwki, Kr. Ostrog, Wolhynien.
1,2 Hügel I; 3 Hügel III
(Zbior wiaö III. Taf. IV).
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Original fram
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76
Gustaf Kossinna.
[75
’Monol ithgrab*, ein Erdgrab, das von einem einzigen grossen Steinblock
überdeckt ist. Zweitens ist nicht ohne Wichtigkeit das Vorkommen von
meist je zwei knöchernen Gürtelplatten entweder geschweift
trapezförmiger oder halbovaler Gestalt mit eingegrabener Verzierung:
solche findet man in den Steinkistengräbern Polens und Ostgaliziens
vom zweiten Zuge, also im Verein mit Kugelamphoren (Nowy Dwor,
Uwisla: Abb. 53, Czarnokonce); aber auch in dem schnurkeramischen
Gräberfeld von Zlota, Bez. Sandomir, das wir als Zeugnis für Kultur¬
übergänge schon oben (S. 74) gekennzeichnet haben. Merkwürdig ist
das Vorkommen ähnlicher Gürtelplatten in der bemalten Keramik Ost¬
galiziens, aber auch in Siebenbürgen (Mannus 1, 228). Ähnliche Agraffen
fanden sich aber auch bei dem untersten Hocker des berühmten Grab¬
hügels zu Wiskiauten, Kr. Fischhausen in Ostpreussen (Abb. 54), und
mit letztem genau übereinstimmende wiederum bei einem schnurkera¬
mischen Hocker zu Lobositz a. d, Elbe in Böhmen (Abb. 55).
Abb. 53. Uwisla, Ostgalizien. Abb- 54. "/•
Verzierte Knochenplatten u. l Silex- Wiskiauten, Kr. Fischhausen,
messer aus Steinkistengrab (nach Ostpreussen (nach Heydeck:
Zbicr wiaöom. Krakau XV, Tat. I). Prussia-Berichte, H. 18, S. 48).
Lobositz a. E., Böhmen
(nach Mitt. Ö. Wiener anthrop.
Oes. 1895, 45, Abb. 67).
Alle drei Züge werden verbunden durch gleichmässiges Auftreten
des Bernsteins. Vom ersten Zuge wissen wir es schon. Der zweite
Zug beginnt mit mehrfachen Bernsteinbeigaben in Hinterpommern: Insel
Gristow, Kr. Kammin, Podejuch bei Damm, Gross-Rambin, Kr. Belgard,
Büddow, Kr. Dramburg; führt sie ebenso in Westpreussen: Gr. Leistenau,
Kr. Graudenz; Trzebcz, Kr. Kulm; Guttowo, Kr. Strassburg und in Posen:
Gr. Morin, Kr. Hohensalza; Rzeczynek, Kr. Strelno; aber auch in Polen:
Janischewek, Andzin (?), Nowy Dwor, Redzinskie bei Kochany, südöstlich
von Warschau ; endlich in Ostgalizien: Kociubince. Der schnurkeramische
Zug weist folgende Bernsteingrabfunde auf: Buchholz, Kr. Greifenhagen
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76] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 77
und Gramenz, Kr. Neustettin in Pommern; Zechow, Kr. Landsberg in der
Neumark; Iwno, Kr. Schubin in Posen; Kl. Babenz, Kr. Rosenberg in
Westpreussen; Wuttrienen, Kr. Allenstein in Ostpreussen; Breslau;
Wengrzce bei Krakau, Zlota. Bez. Sandomir und Chorostkow in Ost-
Abb 56 -58 Zlofa, Gouv Kielce, Polen.
Tongefässe mit Verzierung in Schnurwellenlinien (nach Materyaly IX, Taf. III, 1; X, 1, 2).
galizien. Aus West- und Südrussland dagegen habe ich keine steinzeit¬
lichen Bernsteinfunde feststellen können.
Als Merkwürdigkeit der schnurkeramischen Gräber aus dem Ge¬
biet der Bezirke Stopnica, Sandomir und ihrer Nachbarschrft im Gou¬
vernement Kielce sei die überaus beliebte, wenn auch nicht allein
herrschende Gestaltung der Schnurabdrücke auf den Gefässen in
Form von Wellenlinien hervorgehoben. Natürlich kann man hierin
kein Vorahnen des mittelalterlichen wendischen Wellenornaments an¬
nehmen, wie polnische Forscher sich gerne einreden möchten; viel¬
mehr liegt hier nur eine einseitige Bevorzugung eines der wie die
übrigen Muster aus der norddeutschen Megalithkeramik stammenden
und z. B. in Oldenburg, im Hannoverschen und in Holstein (Abb. 59) er-
Abb. 59. */..
Bordcsholm, Holstein.
(Mestorf, Vorg. Alt. 136.)
Abb. 60. */..
Pfahlbau Robenhausen, Schweiz
(nach Forrer, Urgesch. ö. Europ., Taf. 73, 15).
scheinenden Ziermotive vor. Dieses Muster ist von hier aus mit den
oft erwähnten schlanken, zur Schnurkeramik überleitenden Bechern über
Süddeutschland bis in die Schweiz (Abb. 60) gewandert. Und in Nord¬
ostdeutschland hat es der dritte Zug ebenso nach Westpreussen, wo es in
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Gustaf Kossinna.
[77
Tolkemit, Kr. Elbing, und Rutzau, Kr. Putzig, ganz üblich ist, auch in
Golotty, Kr. Kulm, erscheint, wie nach Westgalizien und Südwestpolen
gebracht, während es dem zweiten Zuge, der Kultur der Kugelamphoren,
die gradliniges, aber auch kreisförmiges Schnurmuster kennt (Blecken-
dorf, Kr. Wanzleben, Pr. Sachsen; Koben, Kr. Steinau, Schlesien [Abb.28]),
fremd war und daher in Nord- und Mittelpolen ausbleiben musste. An und
für sich ist der Übergang von Zickzacklinien in Wellenlinien überhaupt
nichts Merkwürdiges, sondern eine in manchen Kulturen auftretende
Erscheinung.
Noch eigenartigeres bieten die Hügelgräberfelder dieser Kultur in der
Ukraine , namentlich das umfangreiche von Jackowica, Kr. Lipowec, sowie
auch noch im Gouvernement Poltawa östlich des Dniepr. Hier treffen
wir die Schnurbecher noch mit stark verjüngtem, oft fast spitzem Unter¬
teil an, das, wie auch die Halsverzierung, noch lebhaft an ihren Ursprung
aus den Trichterhalsbechern gemahnt (Abb. 61, 66). Auffallend sind weiter
Abb. 61 — 63. lackowica, Qouv. Kiew; Hügelgräber.
61: Hügel 48; 62: Hügel 61; 63: Hügel 56.
(Swiatowit VI, Taf. I, 1; Taf. V; Taf. II, 4.)
dreierlei Schmuckformen: wie so häufig bei der thüringischen und böhmi¬
schen schnurkeramischen Kultur, aber auch bei der Schnurkeramik der
unteren Oder, z. B. in einem Frauengrab mit rotgefärbten Skelettknochen
zu Charlottenhöh, Kr. Prenzlau, erscheinen auch hier zu langen Bändern auf¬
gereihte, durchbohrte Hunde - und Wolf zähne, die als Hals- und Gürtel¬
gehänge getragen wurden, so im Bezirk Lipowec zu Nowosiolka, Hügel
22 und 24, und Jackowica, Hügel 30 (Abb. 64), ebenso zu Kobrynowa bei
Swenigrodki an zwei rotgefärbten weiblichen Skeletten (Abb. 65). Diese
beiden Skelette wiesen zugleich den zweiten auffälligen Schmuck dieser
Gegend auf, nämlich Knochennadeln mit einem Doppelhammerkopf,
der einer Amazonenaxt ähnlich sieht und, wie MAJEWSKI meint,
dieser geheiligten Form vielleicht nachgebildet ist. Die Nadeln waren
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78] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogermanen u. ihre Ausbreitung usw. 79
durch eine Kette knöcherner Ringperlchen mit der Hüfte der be¬
treffenden Frau verbunden gewesen (Abb. 65). Solche Doppelhammer*
nadeln fanden sich noch zu Nowosiolka, Hügel 26 (Abb. 66), -und in der
Abb. 64. Abb. 6S. Kobrynowa, Gouv Kiew, Hügel 1: 2 rotgefärbte
Jackowica: Hügel 30. weibl. Skelette mit je 1 knöchernen Doppelhammerkopfnaöel
(Swiatowit VI, 22, Fig. 27.) und Knochenperlenkette- — Ryzanowka, Gouv. Kiew: strich¬
verzierter kl- Tonbecher nebst Bronzehängespirale aus Hügel V
(nach Zbior wiaöom. Krakau, Bö- XII, Tat. X; VIII, 4, 6).
Nähe von Jackowica zu Iwachny, Hügel 72, beide Male im Verein mit
Metallobjekten, die als Bronze bezeichnet werden. Die dritte Art Schmuck
sind Hängespiralen, wie sie aus Kupfer zweimal im 60. Hügel von
Jackowica (Abb. 66) und angeblich aus Bronze zu Ryzanowka bei Swenig-
Abb. 66. a) Jackowica: spitzer Becher und Feuersteinbeil: Hügel 41; durchbohrtes Steinplättchen:
Hügel 45: Kupferhängespiralen: Hügel 60; 4 Becherchen: Hügel 60, 49, 43, 65.
b) Nowosiolka: Knochennadel mit Doppelhammerkopf. (Swiatowit VI, Tat. III, IV.)
rodki in Hügel V angetroffen worden sind (Abb. 65). Die Hänge¬
spiralen Südrusslands bilden eine Art freilich nur landschaftlicher, nicht
auch zeitlicher Brücke zwischen den Hängespiralen von Siebenbürgen
Original frnm
PRINCETON UNIVERSITY
80
Gustaf Kossinna.
[79
und den weit jüngeren des Kaukasus und sind beim Suchen nach einer
Verbindung der beiden Gebiete von der bisherigen Spezialforschung
übersehen worden. Auffällig häufig treten in dieser Kultur trefflich
geschliffene schöne grosse Schaftlochhämmer (Abb. 67) von der Art auf,
Abb. 67. Jackowica: Hügel 29. (Swiatowit VI, 10, Fig. 9.)
wie sie in Mitteleuropa häufig sind, sowie namentlich die charakteristischen
feinpolierten dicknackigen Silexbeile (Abb. 66) von rein nordischem
Gepräge, die der Bandkeramik gänzlich abgehen, wie denn überhaupt ge¬
schliffene Silexgeräte auch bei der südrussischen bemalten Spiralkeramik
zu grossen Seltenheiten gehören. Dass auch andere nordische Silexgeräte
— ich nenne nur die eigenartigen gekrümmten Sägen oder halbmond¬
förmigen Sichelmesser — sich häufig in Polen, West- und Südrussland
im Geleise der drei beschriebenen nordischen Auswandererzüge finden,
darüber habe ich schon früher Andeutungen gemacht (Mannus 1, S. 228 ff.).
Wir befinden uns bei der südrussischen Schnurkeramik in der Zeit
und dem Gebiete der rotgefärbten Skelette; in Kobrynowa sind
nicht nur die beiden genannten weiblichen, sondern alle fünfzehn Skelette
rot gefärbt, in Nowosiolka die Skelette aus Hügel 10 und 24, in Jackowica
aus Hügel 36, 41, 52 und sonst. Aus Losiatyn liegt der Inhalt eines
Grabes mit rotgefärbten Menschenknochen in der Sammlung der Krakauer
Akademie und im Czartoryski-Museum zu Lemberg ein rotgefärbter
Schädel, der im podolischen Bezirk Jampol 1896 gefunden worden ist.
Auch hierzu finden wir eine Parallele bei der Oderschnurkeramik
und zwar in einem Familiengrabe von Charlottenhöh, Kr. Prenzlau,
wo innerhalb einer starken Steinsetzung drei Hockerskelette sich vor¬
fanden, Mann, Frau und Kind; das Skelett der Frau war, wie schon
oben bemerkt worden ist, gänzlich rot gefärbt, offenbar durch Überguss
einer Rötelbrühe oder Überstreuung trockenen Eisenockers, wie die
russischen Gelehrten jetzt festgestellt haben, auf die noch unverweste
Leiche, was vielleicht eine Art Konservierung sein sollte. Nach der
Häufigkeit der südrussischen Übung eines solchen Gebrauchs wird man
allerdings anzunehmen haben, dass bei dem Charlottenhöher Falle eine
Rückwirkung der Kolonialkultur Südrusslands auf die Heimatkultur
an der unteren Oder vorliege. Abgesehen von paläolithischen Paral-
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80] Der Ursprung d. Urfinnen u. d. Urindogcrmanen u. ihre Ausbreitung usw. 81
leien, wie sie bei Brünn und Mentone und frühestneolithischen, wie
sie in Maz d'Azil und in der Ofnethöhle bei Nördlingen vorliegen,
aber zeitlich eben nicht hierher gehören, ist sonst nur noch ein gleich¬
zeitiger Fall aus der sogenannten aeneolithischen Epoche Italiens be¬
kannt, wo aus Remedello. dieselbe Art rotgefärbter Skelette mit Stein-
und Kupferbeigaben durch COLINI beschrieben worden ist.
Hier ist der Ort, wo noch eine, die einzige mir bekannte Exklave
dieser Kultur im Küstengebiet des Schwarzen Meeres anzuschliessen ist,
die Kurgane von Bjeloserskaja, an der Strasse von Nikolajew nach
Cherson, 10 km von diesem Orte entfernt. Auch hier treffen wir die
rotgefärbten Skelette, echte Hocker in flache Mulden gebettet, mit aus¬
gesprochenen Langschädeln, denen geschliffene Steingeräte, Knochen¬
geräte und Tongefässe beigegeben sind. (Schluss folgt.)
Anhang; Fundstatistik.
Mit dem Erweise der drei nordischen Züge nach Südosteuropa
habe ich eine ausführlichere Darstellung dessen gegeben, was ich in skizzen¬
hafter Kürze und nur durch Stichproben belegt, dem mir damals zur
Verfügung stehenden Raume entsprechend, bereits 1902 mitteilen konnte.
Dieser Erweis ist dann bekanntlich von Otto SCHRÄDER in ebenso
kenntnis- wie gewissenloser Weise entstellt und so seinen Lesern ver¬
mittelt worden. SCHRÄDER ist hier bei der Gehässigkeit von Moriz
HORNES in die Schule gegangen, der es ja in seiner dem ‘Globus’ auf¬
gedrängten Anzeige meiner Indogermanen-Frage fertig gebracht hat, seine
Leser zu täuschen, dass er ihnen vorredet, mit einer Nadel führte ich
die Indogermanen von Mitteleuropa nach Italien. Ähnlich sagte dann
der als gewandter, aber unkritischer Kompilator HORNES auch sonst
geistesverwandte SCHRÄDER, mit einer Kugelamphore führte ich die
Indogermanen bis an den Dnjepr. Um den furchtbaren Unsinn — milde
beurteilt einer solchen Auffassung gründlich an den Pranger zu stellen,
habe ich mich nach dem Wunsch meiner Freunde und der Zuhörer meines
Vortrages von 1908 entschlossen, den gesamten Fundstoff, natürlich in denk¬
bar gedrängtester Fassung, hier als Erläuterung der beigefügten Karte anzu¬
schliessen. Es werden dabei an 370 Fundplätze (nicht etwa Gräber, ge¬
schweige denn Gefässe) herangezogen, worunter sich solche, wie z. B. Jacko-
wica, mit über 40 Gräbern befinden! Aber da im Dnjeprgebiet nach wie vor
die AusdehnungdieserSteinzeitsiedlungen ihr Ende hat, so mag SCHRÄDER
Man uuä Bd. 11. 6
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82
Gustaf Kossinna.
[81
ruhig weiter bei seiner Meinung bleiben, dass ich mit einem Gefässe
die Indogermanen dorthin führe, denn schliesslich muss eben eines immer
das letzte sein. SCHRÄDER, unbeholfen, ja hilflos in der Beurteilung
solcher Fragen der Völkerausbreitung, die doch zu seinem eigentlichen
Handwerk gehören sollten, kann sich freilich eine Ausbreitung nicht
anders vorstellen, als dass sie stets eine bandwurmartig zusammen¬
hängende Kette von Besiedlungen schaffen müsste. Und so ver¬
langt er törichterweise, dass ich die indogermanische Kultur Südruss¬
lands ununterbrochen weiter bis nach Indien nachweise, wobei es ihm
gleichgiltig ist, ob diese Gebiete archäologisch schon erforscht worden
sind oder nicht. Er hat offenbar noch nie von Zügen über weite Flächen
hinweg unmittelbar nach fernen Ländern gehört, deren archäologischer
Niederschlag natürlich sich ganz anders darstellen muss, als seine Weis¬
heit es sich träumen lässt. Doch seit der neuesten Auflage von „Sprach¬
vergleichung und Urgeschichte“ scheidet dieser Gelehrte für mich über¬
haupt aus der Reihe derer aus, die in der Frage der Urheimat und der
Ausbreitung der Indpgermanen eine beachtenswerte Stimme in die Wag¬
schale zu legen haben.
Im einzelnen sei bemerkt, dass die Zuteilung der verzierten Scher¬
ben, wenn die Form der Gefässe nicht erkennbar ist, in manchen Ge¬
bieten ihre Schwierigkeit hat. So kann man in Westpreussen und Nord¬
posen zuweilen schwankend sein, ob solche Scherben zu Trichterrand¬
bechern des ersten Zuges oder zu Kugelamphoren des zweiten Zuges
gehören. Ebenso ist dies an der oberen Weichsel bis zur Einmündung
des San herab der Fall, wo das Hinzutreten der Schnurverzierung und
der Keramik vom Stile Zlota die Sachlage noch verwicheiter gestaltet.
Bei den wie es scheint ganz gleichzeitig sich vollziehenden ersten beiden
Zügen ist in zweifelhaften Fällen die Grabform für mich entscheidend,
indem Steingräber stets zum zweiten Zuge, steinlose oder mit geringem
Steinschutz versehene Gräber aber zum ersten gestellt worden sind.
Nordische Gefässformen, die nicht der Kulturgruppe der Kugelamphoren,
einschliesslich der zugehörigen Begleitgefässe, zufallen, habe ich in den
ersten Zug aufgenommen; ebenso offenkundig spätneolithische Flach¬
gräber ohne Steinschutz, auch wenn sie nicht ausgesprochen zur Kultur
der Schnurkeramik gehören, in den dritten Zug eingereiht. So ist nur
sehr weniges von wichtigeren Funden wegen unklarer Kulturbeziehungen
unberücksichtigt geblieben, so z. B. die merkwürdigen Skelettgräber von
Smolong, Kr. Stargard i. Wpr., bei denen sich Halsgehänge fanden
aus Zähnen vom Ur, Wisent, Edelhirsch und Wildpferdfohlen (XV. amtl.
Bericht des Westpreuss. Prov.-Mus. f. 1894, S. 24 f.).
Die Aufzählung bringt die einschlägigen Erscheinungen vom Oder¬
gebiet an ostwärts, in Hinterpommern, in der Neumark, in West- und
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82]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
83
Ostpreussen auch für die Teile, die über die Grenzen des Kartenbildes
hinaus liegen: überall nur die ganz sicheren und klaren Funde. Für
den Kundigen brauche ich nicht erst hervorzuheben, dass die Feststellung
der Fundorte schon für Galizien und mehr noch für Polen eine müh-
selige und überaus zeitraubende Arbeit war, dass aber für Russland
auch die Heranziehung der grössten erreichbaren Spezialkarten russischer
Arbeit trotz aller darangesetzten Augenüberanstrengung schliesslich ver¬
geblich war.
Die Numerierung der Fundorte erstreckt sich nur auf die in der
Karte vertretenen Plätze, die dort dieselben Nummern führen.
I. Zug.
Brandenburg.
Frankfurt a. O. (?): Senkrecht gefurchter Bauch eines nordwestdeutschen
Megalithbechers und vierfüssige kl. Schale mit Tiefstichverzierung. — Samm¬
lung des Universitätsprofessors Joh. Chrph. BEKMANN in Frankfurt a. O.
(t 1717). — Stadt. Mus. Braunschweig.
Hinterpommern.
Kr. Kammin:
Insel Gristow: Skelettgrab, Boden eines Tongefässes (hierher?), zwei Stein¬
äxte, zwei Steinmesser, Bernstein. — WALTER, Lemckefestschrift S. 10,
Nr. 36. — Mus. Stettin 156.
Kr. Greifenhagen:
Sinzlow: Ansiedlung; Scherben mit Strichzonen und Tannenzweigornament.
— WALTER, Prähistor. Funde Stettin 1889, Nr. 168. — Mus. Stettin.
Kr. Saatzig :
Nörenberg: Grab, Scherben mit Tannenzweigornament. — WALTER, ebd.
Nr. 59.
Westpreussen.
Kr. Dirschau:
1. Burgwall Schliewen: ein Scherben. — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig
für 1907, S. 20, Fig. 9 (CONWENTZ).
Kr. Stuhm:
2. Weissenberg: Ansiedlung, Scherben. — Mittig, d. Coppern. Vereins f.
Wiss. u. K. zu Thorn Heft 15, März 1907, Nr. 1, S. 8 f. (DORR). - Mus.
Elbing.
Kr. Marienwerder:
3. Warmhof bei Mewe: Trichterrandbecher (s. oben S. 64, Abb. 12, die ich
E. BLUME verdanke). - Sammlg. FIBELKORN in Warmhof.
Kr. Kulm:
4. Lorenzberg bei Kaldus: Trichterrandbecher, ganz und in Scherben (s. oben
S. 65, Abb. 18). — Amtl. Bericht des Prov.-Mus. Danzig f. 1905, S., 16
(CONWENTZ).
5. Golotty: Scherben mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Roczniki tow.
nauk. Toruniu 15, 1908, S. 169 ff., Abb. 5-13 (CHMIELECKI).
6 *
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84
Gustaf Kossinna.
[83
Kr. Thorn:
Wibsch: = Golotty (ebd. Abb. 12).
6. Kulmsee: = Golotty (ebd. Abb. 3/4).
Ostpreussen.
Kr. Allenstein:
7. Wuttrienen: Flachgrab, 2 Feuersteinbeile, Bernstei n perle, Scherben
mit Strichzonen und Zickzacklinien. — Sitz.-Ber. d. Phys.-ök. Ges. Königsberg
1877, 265 (TISCHLER); Phot. Album der Berl. Ausstellung 1880, Scct. 1,
Taf V.; KLEBS, Bernsteinschmuck 43, Taf. XI, 6. — Prov.-Mus. Königsberg.
Posen.
Kr. Schwerin:
Kl. Krebbel: Ansiedlung, Trichterrandbecher, Doppelhenkelkrug der Kultur
der Kugelamphoren, Hirschgeweihhacke. — Nachr. a. d. Alt. 1892, 66 (WEIGEL).
— Mus. f. Volk. Berlin.
Kr. Kolmar.
8. Helldorf (früher Heliodorowo): Kragenflasche (s. oben S. 62, Anm., Abb. 4).
Kr. Schubin:
9. Dobieszewko: Schale mit 2 benachbarten Ösen, auf der Gegenseite ein
senkrechtes Band, Tannenzweigmuster (s. oben S. 65, Abb. 19). — K. Frdr.-
Mus. Posen.
10. Slupy: eine gleiche Schale. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Hohensalza:
Jesuiterbruch: Verzierte Randscherben von Trichterrandbechern. —
Mannus 1, 138 (BLUME). — K. Frdr.-Mus. Posen.
11. Kolonie Tannhofen (früher Tarkowo): Wohnstätte, Trichterrandbecher nebst
Randscherben (s. oben S. 64, Abb. 15). — Jahrb. d. Histor. Ges. f. d. Netze¬
distrikt, Bromberg 1891, Tafel, Abb. 2. Mittig, d. Coppern. Ver. f. Wiss. u. K.
zu Thorn, Heft 16, Dez. 1908, Nr. 4, S. 62 ff. (SEMRAU). — Mus. Bromberg.
Kr. Strelno:
12. Königsbrunn, Burgwall: Randscherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges.
1897, 172 (LEHMANN-NITSCHE).
Montwy: Scherben. — Mus. Bromberg.
Kr. Wongrowitz:
13. Czeschewo: Gefäss, Strichzonen und Zickzacklinie. — K. Frdr.-Mus. Posen.
Kr. Obornik:
14. Objezierze: Schale mit Fingernageleindrücken und vier Buckeln auf der
Schulter. — BLUME, Ausstlg. Posen 1909, Nachtrag S. 98, Nr. 1517 mit Abb.
Kr. Kosten:
15. Granowko: Randscherben mit Strichzonen. — K. Friedr.-Mus. Posen 1901,
128 (Slg. KOEHLER).
16. Godsiszewo-Kokorzyn: Vorratsgefäss mit 5 Schnurösen unter dem kurzen
Hals, 53 cm hoch. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1107.
Kr. Pieschen:
17. Lutynia: Kragenflasche. —- Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131 (SEGER). —
Poln. Mus. Posen.
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84] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 85
Schlesien.
Kr. Glogau:
18. Nosswitz: Wohnstätten (s. oben S. 62). — Mus. Breslau.
Kr. Neumarkt:
19. Landau: Ansiedlung, 4 Qefässe im Charakter der Megalith-Keramik; Nr. 1
in der Form = BELTZ, Vorgesch. Altert. Mecklenbg. 1910, Taf. 16, 146. —
Beiträge z. Urgesch. Schlesiens 1906. III, 44 f. (RICHTER). — Mus. Breslau.
Kr. Breslau:
20. Gräbschen: Scherben von Trichterrandbechern. — Mus. Breslau.
21. Hartlieb: Ansiedlung, 2 Trichterrandbecher. — Mus. Breslau.
Kr. Nimptsch:
22. Jordansmühl: (s. oben S. 62 ff. und Abb. 6, 7); dazu Grab 33, auch von
nordischem Charakter. - Archiv f. Anthr. N. F. V, S. 129 ff. Taf. VI. VIII (SEGER).
23. Trebnig: 1 Trichterrandbecher und andere Gefässe von nordischem Charakter.
— Schles. Vorzeit VI, 65 f. 1894 (SEGER). — Mus. Breslau.
Kr. Ohlau:
24. ?: Kragenflasche (s. oben S. 62 f., Abb. 5). — Röm. German. Zentralmus.
Mainz.
Kr. Leobschütz:
25. Badewitz: Kragenflasche. — Archiv f. Anthrop. N. F. V, 131, Fig. 27 (SEGER).
Mus. Breslau.
Kr. Troppau:
26. Katharein: Ansiedlung, Kragenflasche. — Mittig, d. prähist. Kommission.
Wien I, 408, Fig. 2 (HÖRNES).
West-Galizien.
Bez. Chrzanow:
27. Lipowiec: Scherben mit Strichzonen und Meisseistichreihen. — Akad. Krakau.
Bez. Krakau:
28. Zastow (nordöstlich von Krakau): Ansiedlung oder Grab, Kragenfläschchen,
Mondhenkelkrug, Streithammer aus Serpentin vom ostdeutsch-schwedischen
Typus (s. oben S. 63, Abb. 10). — Wiadom. numizmat. arch. IV, 313. Krakau
1901 (DEMETRYKIEW1CZ). — Univers. Krakau.
30. Kami ow, östl. von Krakau: Mondhenkelkrug, gef. 1858. — Wiad. num.
arch., a. a. O. — Akad. Krakau.
Polen.
Gouv. Kielce:
Bez. Olkusz:
29. Jerzma nowic bei Oicow, Kr. Cianowice: Trichterrandbecher-Keramik. —
F. RÖMER: die Knochenhöhlen von Oicow in Polen. Cassel 1883. Taf. VI. 4.
(Palaeontographica XIX, 4).
Oicow, Kr. Cianowice: Randscherben mit Zickzacklinie und senkrechten
Leiterbändern. — Materyaly antrop.-archeol. i. etnogr. 1901. 111. 52 ff.
(SZARNOWSKI).
Bez. Miechöw:
31. T o m a s z o w bei Proszowic, Kr. Wawrzynczyce: Trichterrandbecher-Keramik. —
Wiad. num. arch., a. a. O. — Univers. Krakau. Nr. 8546, 8650.
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86
Gustaf Kossinna.
[85
32. Mieroszow: Trichterrandbecher. — Materyaly III, 55 (WAWRZENIECKI).
33. Radziemice, Kr. Lentkowice: Trichterrandbecher-Keramik. — SWIATOWIT
1900. II, 84 (MAJEWSKI).
34. L e 1 o w i c e, Kr. Paleczince: (s. oben S. b5 ff. u. Abb. 9). — Wiad. num. arch.
a. a. O. — Akad. Krakau.
Bez. Stopnica:
35. Jastrzembiec, Kr. Stopnica: Randscherben mit Strichzonen. — SWIATOWIT
I. Taf. V oben (MAJEWKSI).
36. Gora, Kr. Lubnice: ein Randscherben. — SWIATOWIT II, Taf. VII (MAJEWSKI).
37. Grabowa, Kr. Lubnice: Strichzonenscherben. — SWIATOWIT II, Taf. V
(MAJEWSKI).
Ossowka, Kr. Szydlow: Randscherben. — MAJEWSKI, Przedhistoryczne
narzendzia krzemienne, zebrane pod wsi% Ossowka. Warszawa 1895, Taf.
XXI, 11, 12, 13.
Gouv. Radom:
Bez. Radom:
39. Z a wady, Kr. Jedlinsk; Scherben von Trichterrandbechern. — Materyaly X, 50.
Taf. XIX (WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau.
Gouv. Lublin:
Bez. Nowo-Aleksandrija.
40. N al enczo w, Kr. Wamwolnica: (s. oben S. 63 f., Abb. 8, vgl. unten Zug II,
Nr. 85.) - SWIATOWIT 1905, VI, 84 ff. (WIERCIENSKI).
Gouv. Warschau:
Bez. Wloclawek:
41. Potok, Kr. Smilowice: gef. 1880, Randscherben mit Strichzonen u. a. —
Univers. Krakau.
Gouv. Plock:
Bez. Lipno.
42. Pokrzy wnik, Kr. Skempe: Scherben wie Potok Nr. 35. — Univ. Krakau.
Ostgalizien.
Bzhmsch. Cieszanow:
Bez. Cieszanow:
Ruda Rozaniecka: 1 unverzierter Trichter randbecher, Scherben eines zweiten
Gefässes, dicknadciges Feuersteinbeil. — Mitteilungen d. Wien, anthr. Ges. 1884,
Verh. 111 (WATTMANN, SZOMBATHY); M. MUCH, Kunsthistor. Atlas. Wien
1889. Taf. VII. — Privatbesitz.
II. Zug.
Brandenburg.
Kr. West-Sternberg:
Sonnenburg-Säpzig: Unterirdische Steinkiste, 3 Skelette, Feuersteinbeil,
Tonring. — Kat. d. prähist. Ausst. 1880, S. 84, 8; Phot. Album ders. Ausst. IV, 8.
Säpzig: Unterirdische Steinkammer, 5 Skelette, 5 Feuersteinbeile. — Kat. d.
prähist. Ausst. 1880, S. 105 ff. — Mus. Müncheberg i. d. Mark.
Kr. Züllichau:
(?): 3 Gefässe vom Bernburger Typus. — BRUNNER, Steinzeitliche Keramik in
d. M. Brandenburg, Fig. 29, 64, 65. — Mark. Mus. Berlin.
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Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
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Kr. Landsberg a. W.:
Lipke: Sehr grosses, stark gebauchtes Tongefäss mit schmälstem Boden, auf
den Schultern mit einem System v'orf je 3 nasenartigen Wülsten besetzt. —
Mus. f. Völk. Berlin.
Kr. Königsberg i. N.:
Alt-Reetz: Scherben mit Ornament in der Art der Kugelamphoren. —
BRUNNER, a. a. O. Fig. 74. — Mark. Mus. Berlin.
Eichhorn bei Grüneberg: Oblonges Steinkammergrab („Steinkeller“), Südseite
offen. — BEKMANN, Hist. Beschreibung d. Chur- und Mark-Brandenburg,
Brl. 1750, I, 359 Taf. I, Abb. V.
Zell in a. Oder: Steinsetzung, darin Wetzstein, »Behaustein“ (= Steinbeil),
»durchbohrte Kugel“ (= Keulenkopf). - BEKMANN, a. a. O. I, 411, Taf. XII,
Abb. 5/6.
Kr. Soldin:
Rostin: 10—11 sog. Hünenbetten. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 303
(VOSS).
Kr. Friedeberg i. N.:
Alt-Friedrichsdorf: ein aus grossen Steinen gebautes Hünengrab. — Akten
d. Kgl. Mus. f. Völk. Berlin 878, 97.
Hinterpommern.
Kr. Kammin:
Klemmen: Hünenbett, Scherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 73 (VOSS).
Kr. Greifenhagen:
Marwitz: Steinkiste mit „Urnen“, 2 Steinbeile. — WALTER, Prähistor. Funde,
Nr. 186.
Neumark: 3 „Hünengräber“; in einem von ihnen eine Steinkiste mit Hocker.
— WALTER, a. a. O., Nr. 151.
Kr. Saatzig:
Alt-Damerow a. d. Ihna b. Stargard: Kujawische und länglich viereckige Gräber.
— WALTER, a. a. O., Nr. 74.
Berkenstein: Kujawisches Grab. — WALTER, a. a. O., Nr. 75.
Silber: Kujawisches Grab im Hügel. — Mündl. Mittig. STUBENRAUCHs.
Stargard i. P.: 1. Megalithkammer in viereckiger Steinsetzung. — BEKMANN,
a. a. O., Taf. III, Nr. III.
2. 2 hochhalsige Amphoren vom ältesten Bernburger Typus, reichst verziert.
— WALTER, Lemcke-Festschrift S. 10, Abb. 40, 41. — Mus. f. Völk. Berlin.
Streckenthin: zerstörte Steinkammer unter grossem Hügel, Skelett, Gefässe
(verloren), Beil, Speerspitze und Messer aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. V.
1901, 18 f. Abb. I — III (STUBENRAUCH). — Privatbesitz.
Succow: Kugelamphore, gefunden im Torfmoor (s. oben S. 68, Abb. 24). —
Balt. Studien Bd. 46, 1896, Taf. I, 33 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke-
festschrift S. 3, Abb. 2. — Mus. Stettin.
Kr. Pyritz:
1. Kujawische Gräber:
Brietzig: 11, dabei 6 rundliche Steingräber. — WALTER, Prähistor.
Funde Nr. 141.
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Gustaf Kossinna.
[87
Dobberphul: 2. - WALTER Nr. 93.
Dölitz: 3, nebst 2 Steinkammergräbern. — WALTER Nr. 95; Balt. Stud.
1902, N. F. VI, 173 f. (WALTER).
Isinger: 2. — WALTER Nr. 164.
Kloxin: 5. - WALTER Nr. 136.
Klützow: .Hünengrab*, Feuersteinbeil. — Balt. Stud. 1904. N. F. VIII,
108 (STUBENRAUCH). - Mus. Stettin.
Kossin: 5. - WALTER Nr. 140.
Krüssow: 2. — WALTER Nr. 100.
Lettnin: 15. - WALTER Nr. 142.
Mützeiburg: 24. — WALTER Nr. 140.
Plönzig: mehrere. — R. HOLSTEN, d. Verkehrsverhältnisse im Pyritzer
Weizacker in vorgeschichtlicher Zeit. Pyritz 1909, S. 9.
Prillwitz: 10. - WALTER Nr. 139.
Pumptow: mehrere. — WALTER Nr. 96.
Sabow: 1 (?). - WALTER Nr. 163.
Sallentin: mehrere. — WALTER Nr. 99.
Schöningsburg: Kujawisches Doppelgrab, 80 Schritt lange Steinum¬
fassungen. — Balt. Studien Bd. 46, 1896. Taf. I, 3 (STUBENRAUCH);
WALTER Nr. 123.
2. Steingräber mit länglich viereckigen Steinumfassungen:
Blumberg: 1. - WALTER Nr. 96.
Falkenberg: 4. — WALTER Nr. 92.
Fürstensee: 4. — WALTER Nr. 122.
Jagow: 1. - WALTER Nr. 120.
Schwochow: 1. — WALTER Nr. 159.
Warsin: 5. - WALTER Nr. 121.
Wartenberg: 1. —- WALTER Nr. 165. — Ausserdem 1 Steinkiste mit
Lanzenspitze, Beil, Säge (?) aus Feuerstein. — Balt. Stud. N. F. VIII.
1904, 156 (WALTER).
Woitfidc: 4. - WALTER Nr. 38.
Kr. Naugard:
Farbezin: zerstörte unterirdische Steinkiste, Scherbenreste, Beil und Messer
aus Feuerstein. — Pomm. Monatsbl. 1897, 66 ff., Abb. S. 72 f. (STUBEN¬
RAUCH). — Mus. Stettin.
Kr. Schivelbein:
Schlönwitz: 2 Steinsetzungen, je 100 Schritt lang. — BEKMANN. a. a. O.
S. 365, Taf. IV, Fig. I und II.
Kr. Belgard:
43. Gr. Rambin: Steinkiste in Hügel, 5 Hocker, 1 Feuersteinmeissei, B ern¬
st einperle, 5 Kugelamphoren (s. oben S. 68, Abb. 25), Eberschädel. —
Balt. Studien, Bd. 46, Taf. I, 15, 20, 32 (STUBENRAUCH); WALTER, Lemcke-
festschrift S. 4 f., Abb. 8—12. —* Mus. Stettin.
Kr. Bublitz:
44. Oberfier: Steingräber, ein Schädel. — Jahresber. d. Ges. f. pomm. Gesch.
III, 50 u. IV, 23; Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1891, 488 f. (SCHUMANN). -
Mus. Stettin.
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Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
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Kr. Neu-Stettin:
45. Persanzig, Mühle: 4Steinzeitgräber,Steinhämmer. — KASISKI,Beschreibung
d. vaterl. Altert, im Neustettiner u. Schlochauer Kreise. Danzig 1881. S. 51,
55, 57 f., 74 ff. (Hügel 11, 16, 33 j .Hünengrab“).
46. Schönthal: Steinplattenkiste in Hügel, Skelett, 2 Feuersteinbeile, Feuer¬
steinlanzenspitze. — KASISKI, a. a. O. S. 87.
47. Münchöwshof: Steinkistengrab, Feuersteinbeil, Feuersteinlanzenspitze. —
Kat. der Berl. Ausst. 467, 4. 13.
Kr. Stolp:
Lupow: kujawische Gräber. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1877, 304 (VOSS).
Pottangow: kujawisches Grab mit Hügel. — Mündl. Mittig. STUBENRAUCH’s.
Westpreussen.
Kr. Schlochau:
48. Zechlau: Monolithgrab in Hügel, Kugelamphore (s. oben S. 68, Abb. 26).
— KASISKI, a. a. O. S. 45 f., Taf. IV, 64. — Mus. f. Volk. Berlin.
Kr. Könitz:
49. Luttom: 8 m weite Steinkreise ohne Mittelstein. — Bericht d. Prov.-Mus.
Danzig f. 1894, S. 25 (CONWENTZ).
50. Cissewie: Steinkreise. — Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1890, S. 10 f.
(CONWENTZ).
51. Odry: 9 Steinkreise und 11 Gruppen Trilithen (1874) (s. oben S. 66 f., Abb. 21).
— Schriften d. Danz. Naturf.-Ges. N. F. III, 3, S. 16 (LISSAUER).
52. Bösenfleisch: Grosser Steinkreis. — Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marien¬
werder II, 77, Nr. 4 (HIRSCHFELD).
Kr. Pr. Stargard:
53. Starschiska: Steinkreise um grösseren Mittelpfeiler, Tongefässe u. a. —
Zeitschr. d. hist. Ver. f. Marienwerder 1877, II, 81 (HIRSCHFELD); LISSAUER,
Denkmäler S. 42, Nr. 9.
54. Ossowo: Steinkreis. — OSSOWSKI, Carte archdol. S. 81, Nr. 11.
Kr. Karthaus:
Seefeld: Steinkreise um Trilithen herum. — Preuss. Prov.-Blätter 1852, 1,136
(FOERSTEMANN); LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 8.
Kr. Schwetz:
Dulzig: Ansiedlung, Scherben (hierher?), Steingeräte. — 29. amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1908, 22 (CONWENTZ).
Kr. Marienburg:
56. L i e b e n t h a 1: Steinkistengrab, Leichenbrand, Tongefässe, SteinmeissQl, 2 Stein¬
hämmer. — Sitzber. d. Danz. anthr. Ges., 7. Dez. 1881 (FLOEGEL); Verh. d.
Berl. anthr. Ges. 1892, 153 (Olshausen). — Mus. Danzig.
Kr. Elbing:
Katznase: Verzierte Scherben. — Mittig, d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K. zu Thorn,
März 1907, Heft 15, Nr. 1, S. 8 f., Abb. 35-43. (DORR). - Mus. Elbing.
Reimannsfelde: Verzierte Scherben. — Ebda. Abb. 28-34.
Kr. Stuhm:
55. We iss e nb e rg (vgl. oben Zug I Nr. 2): Verzierte Scherben. — Ebda.
Abb. 44 -48.
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Gustaf Kossinna.
[89
Kr. Graudenz:
57. Gross-Leistenau: Unterirdische Steinkiste, 7 Gefässe (verloren), Beil
aus gebändertem Feuerstein, 4 Bernsteinperlen, 1 Bernstei nlinse. —
Schriften d. Phys.,ökon. Ges. Königsberg 1883 , 24, 104 f. (TISCHLER).—
Prov.-Mus. Königsberg i. Pr.
Kr. Briesen i. Westpr.:
58. B riesen i. Westpr.: 2 Skelette in Steinumfassung, 2 grosse Feuerstein¬
messer, 1 Schädel, brachycephal (82,8). — Kat. d. präh. Ausst. Berlin 1880,
413, 467. — Prov.-Mus. Königsberg i. Pr.
Kr. Strasburg i. Westpr.:
59. Mszanno, Schöngrund: Steinkiste, 2 gebänderte Feuersteinbeile. —
OSSOWSK1, Monuments prdh. de Tanc. Pologne 1881, I, 2, 60; Zbior wiad.
V. 3, 4.
Guttowo: Monolithgrab unter gewaltigem erratischen Block, Skelett, vierösige
kl. Amphore (oder Becher?) mit Strichzonen und Zickzacklinien, Bernstein¬
röhrenperlen. — 29. amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1908, S. 22, Abb. 3
(CONWENTZ).
Kr. Kulm:
60. G e 1 e n s: Kujawische Gräber, Feuersteinbeil. — Sitz.-Ber. Danz. anthr. Ges.
12. Nov. 1884 (v. WINTER).
Dolken: Ansiedlung, Scherben (hierher.?), Steingeräte. — 29. amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1908, S. 22 (CONWENTZ).
61. Trzebcz: 3 Steinkreise um 3 Mittelsteine (s. oben S. 66 f., Abb. 20a, b), reich
verziertes Gefäss, Reibestein, 4 Bernsteinröhrenperlen. — Zeitschr. d.
hist. V. f. Marienwerder, 1877, II, 82; OSSOWSKI, Monuments pr^hist. de
l’anc. Pologne I, 3, 1885, Taf. 32, 33; Rocznik tow. nauk. Toruniu I, 1 ff.; Taf.
II, III, (OSSOWSKI); KLEBS, Bernsteinschmuck S. 48. — Poln. Mus. Thorn.
62.Scharnese: Wohnstätte, reich verzierte Scherben. — Amtl. Bericht d.
Prov.-Mus. Danzig f. 1902, 23; 1903, 24 (CONWENTZ).
Uszczerberg bei Kulm: Verzierte Scherben. — Mus. Magdeburg (Smlg.
BAUER).
Kr. Thorn:
63. N a wra: Steinkiste mit Kugelamphore (s. oben S.69.74, Abb.47).— OSSOWSKI,
Carte archeol. S. 67, Nr. 216. — Univ. Krakau Nr. 622.
64. Kulmsee: Ansiedlung, Kugelamphore (s. oben S. 68 f., Abb. 27). — XXII.
Amtl. Bericht d. Prov.-Mus. Danzig f. 1901, 28 (CONWENTZ); CONWENTZ,
d. westpreuss. Prov.-Mus. Taf.. 43, 2.
Prov. Posen.
Kr. Birnbaum:
Birnbaum: Kugelamphore. — Blume, Katalog Ausst. Posen 1909 Nachtr.
S. 171. - Mus. f. Völk. Berlin, I d 2077.
Kr. Schwerin:
Kl. Krebbel (vgl. oben Zug I S. 84): Ansiedlung (s. oben S. 65. 67.69, Abb. 29),
schnurverzierter Krug mit 2 nahegestellten grossen Henkeln (Begleitgefäss der
Kugelamphoren), Trichterrandbecher, Hirschgeweihhacke. — Nachr. ü. d. Alt.
1892,66, Fig. 1 (WEIGEL); Zeitschr. f. Ethnol. 1902, 173, Abb. 18 (KOSSINNA).
— Mus. f. Volk, Berlin.
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Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
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Kr. Wirsitz:
65. Eichenhagen: 1. Steingrab mit Skelett, 2. Steinkammer, darunter ge*
strecktes Skelett, Scherben. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883 , 435,
(V1RCHOW).
66. Weissenhöhe: Steinkammer mit Skelett, 4 Feuersteinbeile. — Dieselb.
Verh. 1876, 219, Nr. 3. - Mus. f. Völk. Berlin (Smlg. CRÜGER).
Kr. Obomik:
67. Objezierze: „Bedecktes Steingrab mit Urnen“, Feuersteinbeil. — Kat. d.
präh. Ausst., Berlin 1880, S. 389, Nr. 12. — (Smlg. WITT).
Objezierze-Kowalewko: Steinkiste mit Skelett. — BLUME, Kat usw.
Nachtrag S. 94, Nr. 1381.
68. Lulin: „Schöne Gefässe“, Feuersteinbeil, Steinaxt (hierher ?). — W.
SCHWARTZ, Materialien. Progr. Posen 1875. — Poln. Mus. Posen (?).
Schlesien.
Kr. Steinau:
69. Köben: Grosse Steinsetzung mit Leichenbrand; weitmundiger, grosser Napf,
(Begleitgefäss der Kugelamphoren) (s. oben S. 69, Abb. 28). — Nadir, f. d.
Alt. 1899, 82 (BRUNNER). - Mus. f. Völk. Berlin.
Prov. Posen.
Kr. Znin:
70. Znin: Steingrab, 4 Gefässe. — K. Friedr.-Mus. Posen, H. S. 1685.
Kr. Mogilno:
71.Schlabau (früher Slaboszewo): 2 kujawische Megalithgräber, Tongefässe,
Feuersteinbeile, Diorithammer, Geweihmeissei, viel Menschen- und Tierknochen.
— Verh. d. Bert anthr. Ges. 1879, 225 ff. (W. SCHWARTZ). — Poln. Mus.
Posen.
72. Padniewo: Kugelamphore, Scherben. — Poln. Mus. Posen.
P<akosdt: Verzierte Scherben einer Kugelamphore (gef. 1910). — K. Friedr.
Mus. Posen.
Kr. Hohensalza:
73. Gr. K o 1 u d a : Doppelhenkelkrug = Kl. Krebbel (s. S. 90). - Pos. arch.
Mitt. I, 61. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Strelno:
74. Rzeszy nek: A. B. Kujawisches Grab, 2 Skelette, Kugelamphore; C. Hügel:
Kugelamphore, Begleitnapf, Becher; E. Steinkammer, Skelett, 2 Feuersteinbeile,
1 davon gebändert, grosse durchlochte Bernsteinlinse, Eberzahn. — Pos.
arch. Mitt. I, 36, Taf. XIII, XIV (v. LEBLINSKI); KOEHLER u. ERZEPKI,
Posener Album I, Taf V. — Poln. Mus. Posen.
Kr. Jarotschin:
75. Szczonowo bei Pogorzelice: degenerierte Kugelamphore. — K. Friedr.-
Mus. Posen.
Gouv. Warschau:
Bez. Nieszawa:
76. R adziejevyo, Kr. Byton:
terialien I, 107.
Polen:
Kujawische Gräber. — KOHN und MEHLIS, Ma-
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Gustaf Kossinna.
[91
77. Wies Koscielna, Kr. Osienciny: Kugelamphore (s. oben S. 69, Abb. 31.) —
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 434 (VIRCHOW); Zeitschr. f. Ethnol. 1902,
173, Abb. 18 (KOSSINNA). — Univ. Krakau.
78. Pscinno, Kr. Byton: Kujawische Gräber mit Skeletten, Scherben. — Schriften,
d. Danz. Naturf.-Ges. III, Bd. 2, Heft 9, (SCHARLOCK).
79. F a 1 is ze wo, Kr. Byton: Kujawisches Grab, Scherben vom Kugelamphorenstil,
Feuersteinbeil. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 325, Fig. 4, 5. (v. ERCKERT,
VIRCHOW).
80. Czarnocice, Kr. Byton: mehrere kujawische Gräber, Skelette, verzierte
Scherben. — Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1880, 329 (v. ERCKERT).
81. Swierczynek, Kr. Czamanin: viele kujawische Gräber; eines untersucht:
Skelett, verzierte Scherben, Feuersteinbeil, Rindknochen. — Dieslb. Verh.
S. 328.
82. Swierczy n, Kr. Czamanin: 2 kujawische Gräber. — Dieslb. Verh. S. 316.
84. Wierzbinek, Kr.Boguszyce: viele kujawische Gräber; eines enthielt 4 Skelette,
Scherben, Knochengerät, weiblicher Schädel mit Index 84,9! — Dieslb.
Verh. S. 326 ff.
Bez. Wloclawek:
83. Janischewek, Kr. Piaski: 4 kujawische Gräber, Grab 1: (s. oben S. 67 f.,
Abb. 23), Skelett, 2 Kugelamphoren, 1 vierösige Amphore mit Standboden,
1 zugehöriger Napf (s. oben S. 69 f., Abb. 30), durchlochte Bernsteinscheibe,
verziertes Falzbein (Geweih); in einem der Gräber kleiner Kupferdolch. —
Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1879, 428 f.; 1883, 430 f., Taf. VII (v. ERCKERT,
VIRCHOW).
G o u v. K a 1 i s ch :
Bez, Kolo:
85. Tymin, Kr. Izbica: 5 kujawische Gräber, Scherben von Kugelamphoren, ge¬
bändertes Feuersteinbeil, Schleifstein. — Verh. der Berl. anthr. Ges. 1880,
330, Fig. 6 (v. ERCKERT, VIRCHOW).
86. Chotel, Kr. Izbica: kujawisches Grab (s. oben S. 68, Abb. 22), mehrere Ton-
gefässe (zerfallen), 2 gebänderte Feuersteinbeile, Skeletteile. — Dieslb. Verh.
S. 317, 326.
Gouv. Warschau:
Bez. Wloclawek:
87. Zurawice, Kr. Pyszkowo: kujawisches Grab, Skelettknochen, »sehr geschickt
gemachtes* Gefäss. — KOHN und MEHLIS I, 93 f.
Gouv. Plock:
Bez. Lipno:
88. Maliszewo, Kr. Bobrowniki: Bauch einer Kugelamphore. — Univ. Krakau.
Gouv. Warschau:
Bez. Plonsk:
89. Szeromin, Kr. Wojty Zamoscie: (s. oben S. 68. 70f., Abb. 37, 38) Steinkiste,
aufgedeckt 1882, Kugelamphorenrest, 2 vierösige Becher, 2 Feuersteinbeile
(eines gebändert) - SWIATOWIT 1906, VII, 44, Taf. VI (RUTKOWSKI).
90. Smoszewo a. Weichsel, Kr. Wychodz: Steinkiste (s. oben S. 67) in Hügel,
Becher = Szeromin, mit dreifachem Zickzackband zwischen zwei Strichzonen.
— OSSOWSKI, O Ceramice Domowej w okresie grobow kamiennych
skrzynkowych, Krakau 1891, S. 11 ff., Fig. 2—5. — Akad. Krakau.
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PRINCETON UNIVEI
92] Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. 93
91.Andzin, Kr. Blendowko: Runder „Steinkeller“ mit Skelett und Bern¬
stein (?)-Perlen. - KOHN und MEHLIS 1, 89.
Bez. Pultusk:
93. Lelewo a. d. Wkra, Kr. Czaijki: „Steinkeller“ aus Steinplatten auf Hügel,
Durchm. 4 m.- KOHN und MEHLIS, 1, 88.
Bez. Warschau:
Pencice, Kr. Pruszow: Skelett auf Feldsteinen. —KOHN und MEHLIS 1,87.
94. Nowy Dwor a. d. Weichsel: Steinkiste, 1890 von SAMOKWASSOW auf¬
gedeckt, 8 Skelette, Feuersteinbeile, knöcherne verzierte Gürtelplatte
(— Uwisla), mehrere Dutzend Berns tei n perlen. — Bulletin de la Soc.
d'anthropol. de Paris, 1895, S. 132 (ZABOROWSKI).
Bez. Nowominsk:
R e d zy n s k i e, *Kr. Iwowe, nahe am Swider: Feuersteinwerkstätte (hierher?),
durchbohrte B e r n s t e i n linse. — KOHN und MEHLIS I, 167 Abbildung
(PRZYBOROWSKI).
Gouv. Lomza:
Bez. Lomza:
Piantnica, Kr. Drozdowo: „Steinkeller“ mit Skelett. — KOHN und
MEHLIS I, 87 f.
Gouv. Lublin:
Bez. Nowo Aleksandrija:
95. Drzewce, Kr. Wamwolnica: Steinkammer in Hügel, „5—7 Urnen zerstört“,
die grösste wahrscheinlich eine Kugelamphore, angeblich mit „Asche und
Knochen“, 1 Feuersteinbeil. - KOHN und MEHLIS I, 95 f.
96. Nalen czow, Kr. Wamwolnica (vgl. oben Zug I, Nr. 40): 14 Gräber (s. oben
S. 63 f., Abb. 8), Skelette, Kragenflaschen, Amphoren, Trichterrandbecher,
Feuersteinspäne, Knochengeräte, Knochen- und Bernsteinperlen, 2 ost¬
deutsche Streithämmer. - SWIATOWIT 1905, VI, 81 f. (WIERCIENSKI).
Gouv. Kielce:
Bez. Sandomir:
97. Garbowa, Kr. Dwikosy: Unterirdisches Megalithgrab, Feuersteinbeile, Feuer¬
steindolch, Feuersteinmesser; daneben Skelett in Feldsteinpackung. — KOHN
und MEHLIS I, 85 f.
98. Winiary, Kr. Dwikosy: Kugelamphore (s. oben S. 70.74, Abb. 48). — Vgl.
Materyaly III, 87 ff. (DEMETRYKIEWICZ). — Univ. Krakau.
99. Z Iota, Kr. Lamborzec: Steinkisten mit Hockern, 101 Gefässe, Amphoren,
Becher, Henkeltöpfe, Mondhenkeltöpfe, Schalen, Feuersteinbeile, Streithämmer
(s. oben S. 70. 74 ff., Abb. 35, 36, 49, 50, 56, 57, 58). In einem unveröffent¬
lichten Grabe grosse knöcherne Gürtelplatte, Halsgehänge aus knöchernen
Nachbildungen von Hundezähnen, kleinste Knochenperlchen, 2 kleine Bern-
steinperlen mit A -Bohrung. — Materyaly antropol.-archeol. i etnogr.
Krakau 1906. IX, 1 ff., Taf. I- X. (HADACZEK). — Dzieduszycki-Mus. Lemberg.
Bez. Opatow:
100. Stodoly, Kr. Woyciechowice: Unterirdisches Megalithgrab. — KOHN und
MEHLIS I, 87 f.
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PRINCETON UNIVERS1TY
f
94 Gustaf Kossinna. [93
Bez. Pinczow:
101. Zurawniki, Kr. Zlota: Steinkammer mit Skelett und Steinbeil (1817). —
KOHN und MEHLIS I, 93.
102. Rosiejow, Kr. Drozejowice: 3 Steinkistengräber, Nr. 1 mit Skelett, Nr. 3 mit
verzierten Scherben (wie Nr. 99 Zlota). — Materyaly antrop.-archeol. X, 75 ff.,
Fig. 4, u. Taf. XVIII, 9 (WAWRZEN1ECKI).
103. 7 G r uszewo bei Proszowice: Gräber = Nr. 90.
Bez. Radzyn:
104. Branica-Suchowolska: 2 Steinkammern, in der ersten ein Feuerstein¬
messer, in der zweiten (s. oben S. 69 f., Abb. 32), 2 Kugelamphoren, 1 vier-
ösige Amphore mit Standboden, 1 weiteres Gefäss, 1 Feuersteinmesser. —
KOHN und MEHLIS I, 91 ff.
105. Okalew, Kr. Licia Wolka: 1. „Steinkeller“, Skelettknochen, Feuersteinbeile,
Tongefässe, 2. ein anderes Megalithgrab. — KOHN und MEHLIS I, 90 f.
Ost-Gal 5 zien:
Bzhptmsch. Jaroslau a. San:
Bez. Jaroslau:
106. Sobi eci n: 2 unverzierte Kugelamphoren, viele Steinhämmer, viele polierte
Tonschieferbeile, nur 2 kleine Feuersteinmeissei. — Dzieduszycki - Mus.
Lemberg.
Bzhmsch. Zaleszczyki:
Bez. Tluste:
107. Beremiany: Steinkammer (1827) aus 6 Platten unter grossem Hügel,
5 Skelette nebst Feuersteinbeilen, Scherben (auch Schnurornament). — KOHN
und MEHLIS I, 98 f. — Akad. Krakau.
108. Kuszylowce: Steinplattengräber, Kugelamphore mit Winkclstich und Schnur¬
ornament, 3 Feuersteinschaber. — Akad. Krakau.
Bzhmsch. Husiatyn:
Bez. Kopyczince:
109. U wisla: Steinplattenkisten ohne Hügel; 1 Kiste mit kurzköpfigem Hocker,
1 Feuersteinmesser, verzierte knöcherne Gürtelplatten (s. oben S. 76,
Abb. 53), 1 Tongefäss; zu Füssen 2 zusammengeschobene Skelette, langköpfig,
mit je 1 Kugelamphore. — Zbior wiad. 1891, XV, 19 ff. Fig. 6, 7, u. Taf. 1
(OSSOWSKI).
110. K ociubince: 1. Steinkammer unter Hügel, 2 sitzende Skelette, 2 Kugel¬
amphoren (s. oben S. 68 f., Abb. 33), durchlochte B e r ns tei n linse, Tonperle,
3 Feuersteinbeile; nahebei 3 Skelette (1 Hocker), 2. Monolithgrab mit
Skelett. — Zbior wiad. 1877, I, 24 ff., Taf. I (KIRKOR); Schädel: ebd. I, 55,
ff. (KOPERNICKI); KOHN und MEHLIS I, 99. - Akad. Krakau.
111. Rakowkant: Steinkiste (1866), Feuersteinbeil, Streithammer. — Zbior wiad.
1891, XV, 28 Taf. II, 1/2 (OSSOWSKI).
Bez. Husiatyn:
112. Czarnokonce: Steinkiste, Kugelamphore, verzierte knöcherne Gürtel¬
platten, Feuersteinmesser. — Zbior wiad. 1878, 11, 5 f. (KIRKOR); 1891, XV-
25 f., Fig. 8 (OSSOWSKI). - Akad. Krakau.
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94]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
95
Bzhmsch. Horodenka:
Bez. Horodenka:
113. Czernelica, poln. Czarnolice: Steinkiste wie Nr. 99 Kociubince. —
Slowansky Sbornik 1881, I, 25 (KIRKOR). — Freundliche Mittig, von
L. NIEDERLE. Da die Zeitschrift in Deutschland nicht aufzutreiben ist, setze
ich die Übersetzung der einschlägigen Stelle aus dem Aufsatze von A. KIRKOR
„Vorgeschichtliche Gräber und Grabhügel in Polen, Litauen und Russland“
hierher: „Im Laufe der Forschung gelang es mir noch, in Öernokonce, Se-
menowo, Beremiany und Kusilovce solche Steingräbe zu entdecken, die in
Bauart und Inventar dieselben waren und immer zwei Skelette enthielten.
Mit dem Grabe von Kociubince, Beremiany, Chorostkowo und Zielince haben
wir jetzt [d. h. 1881] 8 Steingräber aus der neolithischen Zeit, alle im gali-
zischen Podolien. Dazu hat noch H. PRZYBYSLAWSKI ein Grab derselben
Gattung in Czarnolice in Pokutien gefunden. In Beremiany werden jähr¬
lich solche aufgedeckt; mir gelang es nur eines zu erforschen.“
Bukowina:
Bez. Radautz:
114. Unterhorodnik: Hügel mit Steinkiste und Skelett. -• Jahrb. d. Bukowincr
Landesmus. III, 22 (SZOMBATHY).
Bez. Sereth:
115. Graniczestie, Jankulberg (1872): Steinplattengrab, 2 Skelette übereinander,
zwischen den Beinen des grösseren 2 Tongefässe, rechts ein Achatbeil und
eine Holzkeule. — Mittig, der Centr.-Commiss. Wien 1881, VII, S. LXXX,
Not. 49. — Mus. Czemowitz.
Wolhynien:
Bez. Kremenec:
116. Lepesovka: Steinkiste mit fladibodiger Kugclamphorc (Abb. 68). —
Petersburger Izvestija arch. komm. 1909, H. 29, S. 54 (SP1CYN). — Freundl.
Mittig, von L. NIEDERLE.
Bez. Ostrog:
117. Zaluza: Hügel (1869) mit sitzendem Hocker, eine rohe Kugelamphore mit
Schrägstrichhalsband neben Schädel, Feuersteinmesser. - KOHN und MEHLIS I,
293 ff. (Abbildung ungenau). — Akad. Krakau.
118. Radzimin: Steinkiste. — Trudy des XI. russ. arch. Kongresses, Kiew 1899,
S. 145 f. (ANTONOWITSCH).
119. Okniny: Steinkiste. — Ebd.
120. Stadniki: Steinkiste. — Ebd.
121 Nowomalin: Steinkiste. — Ebd.
122. Berchow: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Nowogradwolynski:
123. Ostroschka: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Owrutsch :
124. Sbranki: Steinkiste. — Ebd
125. Dowgenitschki: Steinkiste. — Ebd.
Bez. Shitomir:
126. Da widowka : Steinkiste. — Ebd.
127. Gorosch ki: Steinkiste. — Ebd.
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96
Gustaf Kossinna.
[95
Podolien.
Bez. Kamenec Podolski:
? (»neuerdings"): Steinkiste, Skelett »mit streng nordischem Schädel", 3 Feuer¬
steinstücke. — Angeblich Zbior wiad. XIX, welcher Band aber nicht existiert;
Bull, de la Soc. d’anthrop. de Paris 1895, 132 (ZABOROWSK1).
Bez. Litin:
128. Nowa Sieniawa: (1884) Kugelamphore, Scherben, Blumentopfbecher mit
Schnurornament (s. oben S. 75, Abb. 51). — Zbior wiad. 1889, XIII, 42 ff.,
Fig. 1—3 (NEYMAN); L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449,
Abb. 1, 2.
Ukraine.
Bez. Wassilkow: *
129. Losiatyn: Flacher Hügel, Skelett im gewachsenen Boden, Kugelamphorc
(s. oben S. 69 f., Abb. 34), mit weiss eingelegten Strichzonen. — Zbior wiad.
1889, XIII, 12 ff., Taf. I, 1, II, 4-7, (OSSOWSKI); L. NIEDERL£, a. a. O.
451, Abb. 1. — Akad. Krakau.
Bez. Kiew:
130. Kiewer Gegend (?): Kugelamphore mit senkrechten Bauchbändern, wie
zu Gingst auf Rügen, Rand fortgebrochen. — Collection KHANENKO,
Antiquites de la region du Dnjepr, Bd. 1, Taf. V, 8.
Nicht im einzelnen gehe ich auf die reich entwickelte uckermärkische
Abteilung der Oderschnurkeramik ein, da man sie in SCHUMANN’s ‘Stein¬
gräbern der Uckermark’ ausführlich behandelt findet: Einzelgräber und ganze
Gräberfelder bietet der Kreis Prenzlau an den Fundplätzen von Bandelow,
Bagemühl, Basedow, Charlottenhöh (s. oben S. 80), Hammelstall (s. oben S. 71,
Abb. 39, 40), Jagow, Moor, Neuenfeldt, Schönwerder, Sternhagen, Stramehl, Woll-
schow; — der Kreis Angermünde in Hohensathen, Liepe, Lunow, Pinnow. —
Anzureihen wäre hier noch ein solcher Fund, ein Becher mit horizontalem
Tannenzweigornament am Halse, aus Alt-Barnim, Kr. Ober-Barnim;
Sammlung G. A, WIRTH in Letschin-Oderbruch.
III. Zug.
Brandenburg.
Kr. Königsberg i. N.
Königsberg i. N.: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. 0.
Fig. 44. — Mus. f. Volk., Berlin.
Königsberg-Rollberg: Flachgrab, Leichenbrand (?), Zapfenbecher mit Schnur¬
verzierung, undurdhbohrter Streithammer. — Verhandl. d. Berl. Anthr. Ges.
1892, 181 (GÖTZE); 1908, 772 Anm. (HINDENBURG); GÖTZE, Vorgeschichte
der Neumark, Fig. 7; BRUNNER a. a. O., Fig. 50. — Mus. f. Volk., Berlin.
Küstrin: Scherben mit Schnurverzierung. — BRUNNER a. a. O., Fig. 75.
Mus. f. Völk., Berlin.
Warnitz: Flachgrab, Leichenbrand (?), 2 rohe Becher, schöner Streithammer.
Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,178 (GÖTZE); BRUNNER a. a. O., Fig. 45, 46.
— Mus. f. Volk., Berlin.
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96)
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
97
Kr. Soldin:
Kraazen: Hügel mit linkseitig liegendem Hocker, Feuersteinmesser, Knochen¬
gerät. — Kat. d. präh. Ausst. 1880, Berlin, S. 84 f. No. 3, Phot. Album
Sect. IV, Taf. 8.
Kr. Landsberg:
Zechow; Flachgräber, 2 Skelette, Feuersteinbeil, 2Schmalmeissel, Bernstein-
perle, Schweinegebiss. — GÖTZE, a. a. O., Fig. 10, 11; — BRUNNER, a. a. O.,
S. 53, No. 40. — Mus. f. Volk., Berlin.
Kr. Züllichau:
K a 1 z i g: Gräber mit Schnurkeramik, Leichenbrand (?). — Ausgrabung M. SCHULTZE
in Bromberg (1909).
Vorpommern.
Kr. Demmin:
Axelshof: „Hünengrab von Steinen“, Schnurbecher, Feuersteinlanzenspitze. —
Balt. Studien 1904, N. F. VIII, 109, Taf. II, IV (STUBENRAUCH). - Mus.
Stettin.
Kr. Randow:
Duchow: Hügel, Schnurbecher, 2 Feuersteinbeile, Feuersteindolch, Messer und
Dioritbeil. -r- Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 181 (GÖTZE); WALTER,
Lemckefestschrift, Abb. 24; Balt. Studien. 1896. XLVI, Taf. I, 34 (STUBEN¬
RAUCH). — Mus. Stettin.
Glasow: Flachgräber, 3 Skelette, Feuersteinmesserchen. — Verhandl. d. Berl.
anthr. Ges. 1891, 467 (SCHUMANN). — Mus. Stettin.
Kasekow: Flachgrab mit Skelett, Becher der Schnurkeramik, 2 Näpfe, Feuer¬
steinmesser, Feuersteinbeil. — WALTER, Lemckefestschrift, Abb. 15—17;
Schädel: Verh. d. ^erl anthr. Ges. 1891, 487 (SCHUMANN). — Mus. Stettin.
P o d e j u c h: „Steinkaveln“ Schnurbecher, Bernstein scheibe, Feuersteinlanzen¬
spitze, Dioritbeil. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892, 180 (GÖTZE);
WALTER, a. a. O., Abb. 21. — Mus. Stettin.
Schönow: Schnurbecher, Einzelfund. — WALTER, a. a. O., Abb. 13. — Mus. Stettin.
Hinterpommern.
Kr. Stettin:
Stettin unterhalb Bellevue: Skelett mit „Kette von steinzeitlichen Perlen“. —
Balt. Stud. 46, 1896, S. 229 f. (WALTER). — Mus. Stettin.
Kr. Qreifenhagen:
B u ch h o 1 z: 7 Gefässe u. a. — Pomm. Monatsbl. 1904,1 ff. (STUBENRAUCH); Balt.
Stud. 1907, N. F. XI, 216; 1908, N. F. XII, 215 (WALTER). — Mus. Stettin.
Finkenwalde bei Altdamm: 1. Grab mit Steinpackung, 3 Gefässe mit Schnur¬
verzierung (darunter 1 Schnurbecher), 3 Feuersteinbeile. — WALTER, Lemcke¬
festschrift S. 10; Balt. Stud. 1907, N. F. XI, 216 (WALTER). - Mus. Stettin.
2. Steingrab (?) („uralter Backofen“), Feuersteinbeil. -- Balt. Stud. 1909, N. F.
XIII, 205 (WALTER). — Mus. Stettin.
Dobberphul: Schnurbecher und -Napf. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,
181 (GÖTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 25, 26. — Mus. Stettin.
Kl. Mölln: Schnurscherben. — Balt.Studien XLVI, 229 (WALTER). — Mus. Stettin.
Mannus, Bd. 11. 7
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98 Gustaf Kossinna. [97
Marwitz: Burgwall: 2 Becher der Schnurkeramik: (1 Zapfenbecher). — Pomm.
Monatsbl. 1890, 78; WALTER, a. a. O., Abb. 19/20. — Mus. Stettin.
Rörchen: Zapfenbecher mit Schnurverzierung. — Mus. f. Volk., Berlin.
Sinzlow: (vergl. oben Zug I) Moorfund: Zapfenbecher. — WALTER, a. a. O.,
Abb. 14. —* Mus. Stettin.
Vogelsang, Mühle: Schnurscherben. — WALTER, Lemcke-Festschr. S. 12. —
Mus. Stettin.
Kr. Pyritz:
Lettnin: Grab, 3 Becher mit Schnurverzierung. — Pomm. Monatsbl. 1890,
149, 152, Abb. 1-3 (LEMCKE); WALTER, a. a. O., Abb. 18; Balt. Studien
XL1V, 356 (WALTER). - Mus. Stettin; Sml. MICHAELIS, Lettnin.
Kr. Saatzig:
Wulkow: „Hünengrab“, Schnurbecher. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1892,
181 (GÖTZE); WALTER, a. a. O., Abb. 23. — Mus. Stettin.
Kr. Kolberg:
Prettmin: Schnurscherben. — Ber. d. phys.-ök. Ges. Königsberg i. P. 1883, 112
(TISCHLER). - Mus. Stettin.
Kr. Lauenburg:
Lauenburg: Schnurbecher. — WALTER, a. a. O., Abb. 22. — Mus. Stettin.
Kr. Neustettin:
1. Gramenz: Sitzender Hocker mit Bernstein haiskette. — Balt. Studien XX,
Heft 2, 13.
Westpreussen.
Kr. Neustadt:
Amalienfelde: Schnurscherben. — LISSAUER, Dkm. 45. — Mus. Danzig.
Oxthöft, Heiliger Berg: Zylindrischer Zapfenbecher mit Schnurverzierung,
Schnurscherben. — LISSAUER, Dkm. S. 45, Nr. 15; Amtl. Bericht d. Mus.
Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ); Abb.: Westpr. Wandtafel I.
Kr. Putzig:
Rutzau: Grosser Ansiedlungsplatz („Küchenabfallhaufen“): Schnurscherben u. a.
(s. oben S. 78), - Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1894, 22; 1896, 32 (CON¬
WENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-Museum 1880-1905, Taf. 42.
Kr. Könitz:
2. Gr. Paglau: kl. Becher mit Schnuröse u. a. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig
f. 1898, 36; 1899, 28 (CONWENTZ).
Kr. Tuchei:
3. Kelpin: Ansiedlung, Schnurscherben, Steingeräte u. a. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1898. 35 f. 1901, 28 (CONWENTZ).
Kr. Flatow:
4. Forsthaus Neuhof bei Vandsburg: Skelettgrab 70 cm tief, zylindrischer
Zapfenbecher mit Schnurwindungen in Schraubenlinie. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig 1896, 33 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-
Mus. usw., Taf. 43, 1.
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98]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
99
Kr. Schwetz: . ;
5. Topolno: Grube, tulpenartiger Becher mit eingeächweiftem Zapfen und
ähnlicher zapfenloser Becher 'als Deckel. — Nachr. ü. d. A. 1902, 5 ff. (GÖTZE).
— Mus. f. Volk., Berlin.
Kr. Elbing:
Tolkemit: „Küchenabfallhaufen“, Schnurscherben und vieles andere (s. oben
S. 77). — Photogr. Album Ausst. Berlin 1880, Sect. I, Taf. IV, Nr. 162;
Schriften d. Phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 28 ff. (TISCHLER); amtl. Bericht
d. Mus. Danzig f. 1898, 34 (CONWENTZ); CONWENTZ, d. westpreuss. Prov.-
Mus., Taf. 41; Mittig, d. Cop. Ver. f. Wiss. u. K, zu Thorn, Heft 15, März
1907, Nr. 1, S. 2 ff., Abb. 1-27 (DORR). — Prov.-Mus. Königsberg; Mus.
Danzig.
Kr. Stuhm:
6. Weissenberg (vgl. Zug I, Nr. 2; II. Nr. 55): Ansiedlung, Schnurscherben,
Steingeräte. — Schriften der phys.-ök. Ges. Königsberg XXIII, 22 (TISCHLER);
amtl. Bericht d. Mus. Danzig für 1895, 34 (CONWENTZ). — Prov.-Mus.
Königsberg; Mus. Danzig.
W i 11 e n b e r g : Wohnstätte, Schnurscherben, Steingeräte. — TISCHLER, a. a. O. 22;
LISSAUER, Dkm. S. 36, Nr. 14. — Prov.-Mus. Königsberg; Mus. Danzig.
7. Neumark: Wohnstätte, Schnurscherben. — TISCHLER, a. a. O. 23. —
Prov.-Mus. Königsberg.
8. Nikolaiken: = 3aa Neumark.
Kr. Rosenberg:
9. Riesenburg: 2 Skelettgräber in Lehmmulde, elliptischer Doppelhammer,
Schmalmeissei. — LISSAUER, Dkm. S. 35. — Mus. Danzig.
10. Kl. Babenz: Grabhügel I, gestrecktes Skelett, Scherben, Streitaxt, grosse
Bernstein perle. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1903, 24 f. (CON¬
WENTZ); CONWENTZ, d. westpr. Prov.-Museum, Taf. 45.
Kr. Graudenz:
11. Orle: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1893, 21 (CONWENTZ).
Kr. Kulm:
12. Golotty: Scherben mit Wellenschnurorna¬
ment (s. oben S. 78). — Amtl. Bericht d.
Mus. Danzig f. 1892, 16 f.; 1897, 27; 1898,
35 (CONWENTZ).
Kr. Thorn :
13. Birglau: Henkelbecherchen (Abb. 69), „Ein
dergleichen Töpfchen von grauem Thon von
der natürlich grösze wie abgebildet ist bey
Birglau im Sande von einem jungen ge¬
funden worden, allein es war nichts darinnen,
es kann auch ein Thränen Töpfgen gewesen
seyn allein solches ist ungewisz. 1780.“ —
Thorner Ratsarchiv XIII, 60. — Die Abbildung verdanke ich der Freundlich¬
keit des Herrn Prof. SEMRAU in Thorn.
14. Renczkau: Schnurscherben. — Amtl. Bericht d. Mus. Danzig f. 1898 , 36
(CONWENTZ).
7*
Abb. 69. '/,.
Birglau, Kr. Thorn, Westpreussen.
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100
Gustaf Kossinna.
f99
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Ost preussen.
Kr. Osterode:
15. Gilgenburg: 2 Skelette, Monolithgrab (1 Kopfindex 79), 2 Eberzähne, ein
Tongefäss (hierher?). — Schriften d. phys.-ök. Ges. Königsberg 18, 265;
23, 26 (TISCHLER); Schädel: 10, 144 ff. (v. W1TTICH). — Prov.-Mus.
Königsberg.
Kr. Neidenburg:
16. Kownatken-See: Wahlbau (?), auch Schnurscherben. — Kat d. Prussia-
Mus. 1906, 1, 71, Nr. 272 (KEMKE).
Kr. Heiligenbeil :
B a 1 g a: Hügelgrab, Streithammer, Dioritmeissel, Feuersteinmesser. —* LISSAUER,
Dkm. S. 39. — Pruss.-Mus. Königsberg.
Kr. Braunsberg:
San kau: Wohnstätte mit Schnurscherben — TISCHLER, a. a. O. 22. — Prov.-
Mus. Königsberg.
Kr. Fischhausen:
Wiskiauten, im Wäldchen Kaup: Hügel mit 2 Hockern übereinander, darüber
1 frühbronzezeitliches Skelett, zu oberst ein Grab der Latene-Zeit; unterer
Hocker (Kopfindex 63,1) mit 2 verzierten, je 4mal durchbohrten knöchernen
Gürtelplatten und 1 Feuersteinlanzenspitze (s. oben S. 76, Abb. 54), oberer
Hocker (Kopfindex 68,8) mit Porphyrhammer, Feuersteinmesser, Knochen¬
nadel. — Prussia-Berichte 1892/3, S. 46 ff., mit Abb. (HEYDECK); Kat. d.
Prussia-Mus. 1906, I, Nr. 135 ff. (KEMKE).
Rossitten: Skelettgrab, Streithammer, Feuersteinmesser, Knochennadel, Bern¬
stein ring, Imatrastein, versteinerte Koralle. — Kat. d. präh. Ausst. Berlin
1880. S. 413, Nr. 164 (TISCHLER). — Prov.-Mus. Königsberg.
Kr. Memel:
Pillkoppen-Nidden: Scherbenstelle, geschweifter Becher mit horizontalen
Schnittlinien und Tannenzweigmuster. — Schriften d. phys.-ök. Ges., Sitz.-Ber.
1883, 24, 112, Fig. 9 (TISCHLER).
Posen.
Kr. Birnbaum:
Grabitz: 2 Skelette unter Steinpflaster (hierher?). — Kais. Friedr.-Mus. Posen.
- Frdl. Mittig, von E. BLUME. 17. IV. 1910.
Kr. Wirsitz:
17. Kaiserswalde: Blumentopfbecher mit Schnurornament (s. oben S. 72 f.,
Abb. 45), Streithammer. — E. BLUME, Kat. Ausst. Posen 1909, S. 61; Nr. 620,
621 Abb.
18. Weissenhöhe (vgl. oben Zug II, Nr. 66): Becher = Nr. 8 Kaiserswalde.
— Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1883, 436 f. t Taf. VIII, 1 (VIRCHOW). —
Mus. f. Volk. Berlin.
Kr. Filehne:
19. Ros ko: Randscherben eines Schnurbechers. — Kais. Friedr.-Mus. Posen
1896: 141.
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PRINCETON UNIVERS1TY
100]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
101
Kr. Schubin:
20.1 wno: 8 Gräber (= Nr. 5 Topolno) in unregelmässiger Steinpackung, tulpen¬
förmige Becher, Henkeltopf mit Schnurornament, vierfüssige Schalen, Bern¬
stein perle, zweiösiges Gefäss mit Doppelstichreihen, Steingerät. — Zeitschr.
f. Ethnologie 1905 , 899 ff. (BRUNNER); Mannus I, S. 235* Abb. 9, 10;
II, S. 59, Abb. 1 (KOSS1NNA).
Kr. Znin:
21. Znin (vgl. oben Zug II, Nr. 70), Abhang
westlich der Stadt: Schlauchförmiger Henkel¬
krug, der einzige Vertreter dieses Typus
nördlich von Schlesien (s. oben S. 72 f f ,
Abb. 43), mit „nachgeahmter“ Schnurver¬
zierung, nebst einem grösseren Gefäss. —
E. BLUME, Kat. d. Ausst. Posen 1909,
Nachtrag S. 172, Nr. 752 Abb.
Znin, Höhe westlich der Stadt: Henkeltopf
mit 3 Paar hängenden Wülsten und wulst¬
artig verlängerten Henkelrändern. — E.
BLUME, a. a. O., Nr. 753, mit Abb. (Abb. 70).
Znin: Henkeltopf mit „nachgeahmter“ Schnurverzierung. — Kais. Friedr.-Mus.
Posen 1906: 448.
Kr. Hohensalza:
22. Gr. Morin: Hügel mit 4 Skeletten; 1. Skelett (Kopfindex 66,5) mit Diorit-
streithammer, durchbohrter Bernstein linse; 2. Skelett mit Diorithammer.
— Zeitschr. f. Ethnologie 1878, 126, Taf. II; Schädel: Taf. IV, 8 (L1SSAUER);
LISSAUER, Dkm. S. 26. — Mus. Danzig.
23. R a d e w i t z (früher Radajewitz): Sandhügel mit Skelett, 20 Feuersteinpfeil'
spitzen, Kupf erdraht. — Verhandl. d. Berl. anthr. Ges. 1876, 215; LISSAUER,
Dkm. S. 26, Nr. 15. — Poln. Museum Posen (?).
24. Parchanie, Parzelle: vierösigerSchnur¬
becher (Abb. 71). — Mannus II (unten):
M. SCHULTZE, Mus.-Ber. Bromberg Nr.
70, 4, Abb. 15. — Mus. Bromberg.
25. Lassek-Lusan: Schnurscherben.
Kais. Friedr.-Mus. Posen.
Kr. Strelno:
26. Rzeszynek (vgl. oben Zug II, Nr. 74):
Schnurscherben. — Kaiser Friedr.-Mus.
Posen.
Kr. Mogilno:
27. M o g i 1 n o: Tongefässe (wie ?), Steinaxt,
Steinbeil (hierher?). — LISSAUER, Dkm.
S. 28, Nr. 19. — Poln. Mus. Posen (dort
nicht zu finden).
Abb. 7t.
Parchanie, Kr. Hohensalza, Prov. Posen.
Abb. 70. */»
Znin, Prov. Posen.
Schlesien.
Kr. Glogau:
28. Glogischdorf: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
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102
Gustaf Kossinna.
[101
29. Glogau, Schiessplatz: Schnurbecher. — Kais. Friedr.-Mus. Posen.
30. W o i s ch a u: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Sprottau:
31. Reuthau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Steinau:
32. K r e i sch a u: Schnurscherben. — Mus. Breslau..
Kr. Neumarkt:
33. Breitenau: Schnurverzierter Henkeltopf, Blumentopfbecher mit horizontalem
Tannenzweigmuster, Feuersteinbeil. — Mus. Breslau.
34. Rackschütz: Hügel, Skeletteile, roher Becher, 2 Feuersteinbeile. — MER-
TINS, Die hauptsächl. prähistor. Denkmäler Schlesiens 1891, Taf. I, 12—14.
— Mus. Breslau.
35. P u s ch w i t z: Skelettgrab, Blumentopfbecher mit Schnurverzierung in Schrauben¬
linien (s. oben S. 73, Abb. 46). - Nachr. ü. d. Alt. 1899, 81 f. Abb. (BRUNNER);
MERTINS, Wegweiser durch die Urgeschichte Schlesiens. Abb. 68. — Mus. f.
Volk. Berlin.
Kr. Breslau:
36. Kl. Gandau: Schnurbecher mit Zapfen. — MERTINS, Denkmäler, Taf. I, 23;
MERTINS, Wegweiser, Abb. 64. — Mus. Breslau.
37. Auf dem Friebeberg: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. Ur-
gesch. Schles. II, 37, Fig. 31 (SEGER); MERTINS, Wegweiser, Abb. 69. —
Mus. Breslau.
38. Breslau, Gabitzweg: Schlauchkrüge, doppelkonische Krüge, Henkeltöpfe,
Napf mit „Lobositzef“ Henkel, Schale mit massivem Fuss, Serpentinhammer
vom Zobtentypus. — Mus. Breslau.
39. Wo isch w i tz: Schlauchförmiger Krug u. a. — Mus. Breslau.
40. Gr. Tschansch: 1 Schnurbecher. — Mus. Breslau.
41. Tinz: Schnurkeramik. — SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. II, 36, Anm. 1.
— Mus. Breslau.
42. Klei nburg: Schnurkeramik. - SEGER, Beitr. z. Urgesch. Schles. II, 36,
Anm. 1. — Mus. Breslau.
43. G n i ch w i t z: Schlauchförmiger Krug, weiss eingelegt (s. oben S. 72 f., Abb. 44).
— Verh. d. Berl. anthr. Ges. 1884, 282 f., Taf. VI, 12 (VIRCHOW).
44. Guhrwitz: Skelettreste, Henkelkrug (1894); Hocker, Streithammer vom
Zobtentypus (1900). — Schles. Vorz. VI, 171, vgl. VI, 63 (SEGER); MERTINS,
Wegweiser, Abb. 65. — Mus. Breslau.
45. Po ln. Peterwitz: 2 schlauchförmige Krüge, Blumentopfbecher mit Schnur¬
ornament, ein zweiter mit Tannenzweigornament, vierfüssiges Tontischchen,
3 Streithämmer, Steinbeil, Feuersteinlanzenspitze. — Schles. Vorz. VII, 239
(SEGER); Zeitschr. f. Ethnologie 1902, S. 174, Abb. 20, 21 (KOSSINNA);
MERTINS, Wegweiser, Abb. 66. — Mus. Breslau.
46. Wilkowitz: Skelette, schlauchförmiger Krug. — Beitr. z. Urgesch. Schles. 11,
37, Fig. 29 (SEGER). — Mus. Breslau.
47. G u de e 1 w i tz: Grosser Henkelkrug mit Schnurverzierung. — Mus. Breslau.
48. Al b rechts d o rf: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
49. Puschkowa: Kleiner Henkelkrug mit Schnurmusterzickzack in Cardiumtechnik.
— Mus. Breslau.
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102]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
103
Kr. Nimptsch:
50. Rankau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
51. Karzen: Skelette, Tongefäss (hierher?) — Schles. Vorz. V, 16 (SEGER).
— Mus. Breslau.
52. Jordansmühl (vgl. ooen Zug I, Nr. 22): Wohngrube 35, Schnurscherben;
„zerstörtes Grab“ mit verziertem Henkelkrug. — Archiv f. Anthr. N. F. V,
S. 133 f., Abb. 29-33 (SEGER). — Mus. Breslau.
Kuhnau: Schnurscherben. — SEGER, a. a. O., S. 141, Taf. X, 12. — Mus.
Breslau.
Kr. Strehlen:
53. Peterwitz; Skelettgräber, 2 schlauchförmige Krüge, Henkeltopf, Schale. —
Schles. Vorz. VII, 550 f. (SEGER). — Mus. Breslau.
Kr. Ohlau:
54. M a rsch w itz: Grosses Skelettgräberfeld. — Beitr. zur Urgcsch. Schles. 1904.
II, S. 27 ff. (SEGER). — Mus. Breslau; Mus. f. Volk. Berlin.
55. Ohlau: Schlauchförmiger Krug. — Mus. f. Volk. Berlin.
Kr. Gross Strehlitz:
56. B1 ottnitz: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Leobschütz:
57. Bi es kau: Schnurscherben. — Mus. Breslau.
Kr. Grottkau:
Lobe d an: Skelettgräber, Beile, Hämmer, Feuersteinlanzenspitze (hierher?).
— Schles. Vorz. VII, 545. — Mus. Breslau.
West-Galizien.
Bzhmscht. Krakau:
Bez. Krakau:
58. Grembalow: Hocker (1897) mit Tongefäss, Feuersteinbeil, Diorithammer,
knöcherner Glätter, Eberzahn. — Materyaly antrop.-archcol. i. etnogr. 1898,
III, 91 (DEMETRYKIEWICZ). - Akad. Krakau.
59. Wengrcze: Monolithgrab (1880), Skelett, Feuersteinbeil, kl. Hammer,
2 Mörserbecher mit Stichpunktverzierungen in der Art der Schnurbecher, eine
Amphore, schnurverziert und weiss eingelegt, durchlochte Bernstein scheibe.
— Zbior wiad. V, 9, Taf. I (KIRKOR); Wiadom. numizmat.-archcol. 1890. I,
17 ff. (OSSOWSKI); Gr. Abb. eines Mörsers: Materyaly 1898. III, 88, Fig. 4
(DEMETRYKIEWICZ). - Akad. Krakau.
60. Batowice: Gehenkelter Blumentopfbecher mit 3X4 Schnurlinien (vgl. Zbior
wiad. XIV. Taf. I). — Wiadom. numizm.-arch., a. a. O. (OSSOWSKI). —
Univ. Krakau.
61. Krzesla wice: Hocker. — Materyaly 1898, III, 90 (DEMETRYKIEWICZ).
Polen.
Gouv. Kielce:
Bez. Miechow:
62. Piotrkowice, Kr. Koniusza: Skelettgrab (?), schnurverzierfe Amphore
ohne Henkel, Feuersteinbeil. — Akad. Krakau.
63. Smrokow b. Prandocin, Kr. Miechow: Skelett (?), grosse, glatte, vierösige
Amphore mit zwei umlaufenden gekerbten Horizontalwulsten. — Akad. Krakau.
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104
Gustaf Kossinna.
[103
64. Wenzerow, Kr. Kacice: Skelettgrab, Blumentopfbecher mit etwas umge-
legtem Rand, schnurverziert, Feuersteingeräte. —* Materyaly 1903. VI, 40 f.
(WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau.
65. Gruszow, Kr. Palecznica: Becher in Form der Schnurbecher mit Punkt-
stichreihe, Feuersteinbeil, kl. Hammer, langer Knochenmeissel. — Materyaly
1904. VII, 158 f., Taf. 13, 1-4 (WAWRZENIECKI). - Akad. Krakau.
Bez. Pinczow:
66. Czarkowa, Kr. Korczyn: Kl. Becher mit Horizontalschnurlinien. — Univ.
Krakau.
67. Kobylnica wolowska, Kr. Zagosc? oder Topola?: Schnurscherben. —
Univ. Krakau.
Bez. Stopnica:
68. Dzieslawice, Kr. Stopnica: Schnurscherben mit Wellenlinien. — Swiatowit
II, 44 ff. Taf. X—XII; V, 4 ff. (MAJEWSKI).
69. Jastrzembiek, Kr. Stopnica (vergl. Zug I, Nr. 35): Schnurscherben. —
Swiat. 1899, I, 38 ff. Taf. IV (MAJEWSKI).
Ja n i n a, Kr. Szczytniki: Schnurscherben, auch mit Wellenlinien, Amphorenrest
0= Zlota). — Swiat. 1901, III, 72 ff., Fig. 30, 31; Taf. XIV; 1904, V, 4, Abb. 1
(MAJEWSKI).
Badrzychowice, Kr. Grotniki: Schnurwellen. — Zs. f. Ethnol. 1906, 222
(MAJEWSKI).
Niecieslawice, Kr.Tuczempy: Schnurwellen. — Swiat. 1904, V, 6, Abb. 6
(MAJEWSKI).
70. Gor a, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 36): Schnurscherben mit Wellenlinien.
— Swiat. 1900, II, 43, Taf. VII (MAJEWSKI).
Borki, Kr. Lubnice: Schnurwellen. — Swiat. 1904, S. 4, Abb. 2 (MAJEWSKI).
71. Grabowa, Kr. Lubnice (vergl. Zug I, Nr. 37): Schöne Gefässe mit Schnur¬
verzierung, auch Wellenlinien. — Swiat. 1900, II, 29 ff., Abb. 25, 26 und Taf. IV.
VI (MAJEWSKI); 1904, V, 4, Abb. 3 (MAJEWSKI).
72. Borszymo w, Kr. Olesnica: Schnurscherben. — Swiat. 1901, III, 144
(MAJEWSKI).
Beszowa, Kr. Olesnica: Schnurwellennapf. — Swiat. 1905, VI, 150, Abb. 69
(MAJEWSKI).
Gouv. Radom:
Bez. Sandomir:
73. Zlota, Kr. Lamborzec (vergl. oben Zug II, Nr. 99): Schnuramphoren, Schnur¬
becher, Schalen mit Schnurwellen, Henkeltopf mit Schnurlinien. — (s. oben
S. 77, Abb. 56, 57, 58).
Bez. Opatow:
74. Stodoly, Kr. Wojciechowice (vergl. obön Zug II, Nr. 100): Gehenkelter
Schnurscherben. — Akad. Krakau.
Bez. Rozwadow:
75. Zaleszany, Kr. Tarnobrzeg: Schnurscherben. — Materyaly 1897, II, 147,
Fig. 13 (DEMETRYKIEWICZ).
Bez. Radom:
76. Stromiecka Wola, Kr. Stromiec: Schnurscherben, Feuersteinpfeilspitze. —
Materyaly X, 53, Taf. XVIII, 3, 4 (WAWRCENIECKI).
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PRINCETON UNIVERS1TY
104 ]
Der Ursprung der Urfinncn usw., Fundstatistik.
105
77. Bierwiecka Wolka, Kr. Jedlinsk: Schnurscherben. — WAWRCENIECKI,
a. a. O., Abb. 10-12.
78. Zawady, Kr. Jedlinsk (vergl. oben Zug I, Nr. 39)* Schnurscherben. — WAWR¬
CENIECKI, a. a. O., Taf. XIX, 7, 9.
Gouv. Pietrokow:
Bez. Brzeziny:
79. Ke m bl in, Kr. Biala: Schnurscherben. — DEMETRYKIEWICZ, Wykopalisko z
Keblin usw., Taf. I, 30, 31 (Sonderdruck aus: Wiadom.-numizmat.-archeol.
Nr. 62, 1905.)
Bez. Rawa:
80. B y s z e w i c e, Kr. Regnow: Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly 1901,
V, 43 (WAWRCENIECKI).
Gouv. Lublin:
Bez. Lublin:
81. Chodel, Kr. Chodeh Schnurscherben, Scherben mit Bogenstichreihen und
gestempelten Strichzonen (wie Zlota), Feuersteinmesser. — Akad. Krakau.
Ostgalizien.
Bzhmsch. Lancut:
Bez. Lezajsk:
82. Lezajsk: Scherben, Feuersteingeräte. — Zbior. wiad. 1881. VI, Taf. VIIA,
4-10 (ZIEMIECKI).
Bzhmsch. Ja ros lau:
Bez. Sieniawa:
83. Sienia wa: Henkellose Amphore mit Schnurlinien nebst Beil. — Zbior. wiad.
1881. VI, 52 ff., Taf. VI, 1 a, b. (ZIEMIECKI). - Mus. Czartoryski Krakau.
84. Morawsko: Geschweifter Becher mit horizontalen Tannenzweigmuster¬
bändern. — Akad. Krakau.
Bzhmsch. Przemysl:
Bez. Przemysl:
85. Orzechowce: Hocker (1886), links am Kopf Feuersteinbeil, bei den Hüften
2 Schaber und ein Knochenspatel, am linken Fuss eine Steinaxt. — Materyaly
1898. III, 79 (DEMETRYKIEWICZ).
86. Siedliska: Hocker (1886), Schnurbecherrest, 2 winzigste Näpfchen, Eber¬
zahn, Porphyrhammer, Feuersteinbeile. - DEMETRYKIEWICZ, a. a. O. III,
76 ff. — Univ. Krakau.
Bzhmsch. Moäciska:
Bez. Mo&ciska:
87. Balice: 19 Grabhügel, gestreckte Skelette, „abnorm lang“.
Hügel IV: Henkeltopf 180 „mit einem ganz primitiven Schnurornament ver¬
sehen“; Hügel V: Skelett in Holzversteifung; Hügel VI: Feuersteinsäge,
-messer, Streithammer; Hügel VII: Skelett, dreiösige Amphore 181 zwischen
den Füssen, Feuersteinbeil, -schaber, -pfeilspitzen; Hügel XIV: Zylinderbecher
mit Schnurverzierung; Hügel XVI: viel Steingeräte, Kugelgefäss enghalsig,
„mit 3 durchlochten Knopfhenkeln“, Schale 183; Hügel XIX: Topf mit Zick¬
zackband am Halse, darin verschiedene Getreidearten. — Jahrb. d. Centr.-
Comm. Wien 1903. I, 141 ff. (v. CHIZZOLA).
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106
Gustaf Kossinna.
[105
Bzhmsch. Drohobycz:
Bez. Drohobycz:
88. Wacowice: Hocker in Hügel, Schnurscherben, Feuersteingeräte. — Materyaly
1897 II, 126, Fig. 3; 1898 III, 85, Fig. 3 (DEMETRYKIEWICZ).
Bzhmsch. S o k a 1:
Bez. Sokal:
89. Zawisznia am Bug: Henkelloses Kugelgefäss mit ausladendem Rand und
drei Doppelschnurlinien. — Mus. Dzieduszycki Lemberg.
90. Starogrod: Ansiedlung, Schnurscherben. — Mus. — 81.
Bzhmsch. Husiatyn:
Bez. Kopyczynce:
91. Chorostkow: Hügel bei Uwisla mit Skelett und zylindrischem Henkel¬
becher mit 8 Doppelsdmurlinicn, gr. durchbohrte B e r n s t c i n linse. — Zbior
wiad. 1890, XIV, 40 ff., Taf. I, 6-8 (OSSOWSKI).
Bukowina.
Bez. Radautz:
92. U nte rh o ro d n i k (vgl. oben Zug II, Nr. 114): 1. Hügel I der vierten
Gruppe, im Zentrum neolithisches Brand grab, schöner Steinhammer, Arm¬
schutzplatte mit 4 Durchbohrungen aus geschliffenem Stein, 2 Silexlamell-
bruchstüdce. — Einen halben Meter höher ein starker Hocker nebst Scherben.
2. Hügel III der dritten Gruppe neolith. Brandgräber, Scherben, 2 Feuer¬
sleinspäne. - Jahrb. d. Bukowinaer Landesmus. 1894 II, 9 f.; 1895 III, 22
(SZOMBATHY).
Wolhynien.
Bez. Ostrog:
93. Siwki: Skelettgräber. Hügel I: Skelett, Schnuramphore, Becher mit ge¬
kerbtem Halswulst neben dem Kopf, Feuersteinmesser in 1. Hand; Hügel III:
doppclkonisches Gefäss mit ausladendem Rand, Oberteil schräg gefurcht
(s. oben S. 75, Abb. 52). - Zbior wiad. 1879 III, 62 ff., Taf. IV, 1-3 (RAD-
ZIMINSKI); Trudy d. 9. russ. arch. Kongresses, Wilna 1893 II, 79 ff.
(RADZIMINSKI).
94. Radzi min (vgl. oben Zug II, Nr. 118): Gleiche Hügelgräber wie Nr. 85
Siwki. — Dieselbe Literatur Taf. IV, 4—6; Schädel: Zbior wiad. 1877. I,
48 ff., Taf. I (KOPERNICKI).
Podolien.
Bez. Kamenec Podobki:
95. Zawadyniec: Hügel, Skelett I: Tongefäss mit Messer und Eisenrötel;
Skelett II: Feuersteinpfeilspitzen, Steingeräte. — Zbior wiad. 1890 XIV, 8 (?).
Bez. Jampol:
96. (?) (1896) Rotgefärbter Schädel (s. oben S. 80). — Mus. Dzieduszycki Lemberg.
Bez. Litin:
97. Nowa Sieniawa: (vgl. oben Zug II, Nr. 128; s. oben 5. 75, Abb. 51).
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PRINCETON UNIVERSUM
106]
Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik.
107
Ukraine.
Gouv. Kiew:
Bez. Lipowic:
98. Nowosiolka: Skelettgräber in Hügeln (1-27), Hügel X: Rotgefärbtes
Skelett, Feuersteinbeil (Abb. 104). - Swiatowit 1904. V, 75 (BYDLOWSKI);
Hügel XXII: Schnurgefäss und Halsband aus Hundezähnen (Abb. 3);
Hügel XXIV: Rotgefärbtes Skelett, Becher mit gekerbtem Rand, (Abb. 4),
Hundezahnhalsband (Abb. 5);
Hügel XXV: Derselbe Becher (Abb. 6);
Hügel XXVI: Tongefäss, Knochennadel mit Doppelhammerkopf (Abb. 7; s. oben
S. 78 f., Abb. 66), dabei angeblich Bronze;
Hügel XXVII: Tongefäss, Steinring (Abb. 8). - Swiat. 1905. VI, 2 (BYDLOWSKI).
99. Ja c ko wi ca: 43 Hügelgräber: (28-71) (s. oben S. 78 ff., Abb. 61 -64, 66, 67).
— Swiat. 1905, VI, 8 ff. (BYDLOWSKI); Schädel (Kopfindices: 67,92; 73,16;
77,30): ebd. 73 ff. (STOLYHWO).
100. Iw ach ny bei Jackowica: 2 Hügel (72, 73) (s. oben S. 79). — Swiat. 1905,
VI, 8 ff. (BYDLOWSKI).
101. Podwysokie bei Jadcowica: 3 Hügel (74—76): Schnurkeramik. — Swiat.
1905, VI, 27 ff. (BYDLOWSKI).
Bez. Swenigrodki:
102. Ryza n owka: Hügel V: 1. Zentralbodengrab mit Hocker, 2. Seitwärts ein ge¬
strecktes Skelett, je ein Tongefäss r. u. 1. der Oberschenkel, das eine mit
abwechselnd gerichteten Schrägstrichen bedeckt (s. oben S. 79, Abb. 65), eine
B ro nz e hängespirale. — Zbior wiad. 1888, XII, 30 ff., Taf. VII, VIII
(OSSOWSKI).
103. Kob ryn o wa: Hügel I (1887): 15 rotgefärbte Skelette in 12 mit Lehm ausge¬
schlagenen Gruben, Tonschale, 2 Knochennadeln mit Doppelhammerkopf
(s. oben S. 78 f., Abb. 65). Halsband von Wolfzähnen, 2 Doppelketten aus
Knochenperlen; Schädelindices: weiblich, Grab II 70,27; III = 73,74;
XII = 64,06; männlich Grab VII = 67,87. — Zbior wiad. 1888, XII, 58 ff.,
Taf. IX, X (OSSOWSKI). - Akad. Krakau (e i n Grab).
Bez. Kiew:
104. Gatno je (1874): Drei Gruppen von drei, drei und zwei Skeletten, Tonge-
fässe, auch mit Schnurverzierung, Feuersteinmeissei, Mahlstein u. a. —
Zapiski imper. russ. archeolog. obsßestva. St. Petersburg 1899, Bd. XI, S. 248;
L. NIEDERLE, Slovanske Starozitnosti I, 2, 449, Abb. 10.
Bez. Wassilkow:
105. Losiatyn (vgl. oben Zug II, Nr. 129): Grab mit rotgefärbten Knochen
Feuersteinspanstück (Grabung OSSOWSKI). -- Akad. Krakau.
106. Streti wka, nahe dem Dnjepr südl. von Kiew: 4 Hügel. 1. Hügel 7 Gcfässe
(Becher dar Schnurkeramik), um kalzinierte Knochen herum, 5 Feuerstein¬
beile, 3 Hämmer; 3. Hügel: rechtsseitig liegender Hocker, Feuersteinlanzen¬
spitze; 4. Hügel: Hocker. — Materyaly Ukrainsko-Ruskoje etnologie, Lem¬
berg 1900, III, 1 ff., Sommaire S. 10 m. Abb. (VOLKOW); L. NIEDERLE,
a. a. O., Abb. 3 — 6.
107. St a n is 1 a wk i am Ros: Hockergrab als Zentralbodengrab unter flachem
Hügel. — Zbior wiad. 1889, XIII, 6 ff., Taf. I, Abb. 4, 5 (OSSOWSKI).
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PRINCETON UNIVERS1TY
108 Gustaf Kossinna: Der Ursprung der Urfinnen usw., Fundstatistik. [107
Gouv. Poltawa:
Bez. Solotonosh:
108. Kelebord: Spitzbecher mit Schnurverzierung (= Jackowica). — Collection
KHANENKO, Antiquitds de la rdgion du Dnjepr I, Taf. V, 10.
Gouv. Cherson:
109. B jeloserska ja: Hügelgräber, rotgefärbte langschädlige Skelette mit Stein¬
geräten und Tongefässen. — Trudy d. 8. russ. archaeol. Kongresses, Moskau
1890, Bd. III (SKADOWSKY).
(Diese wichtige Abhandlung konnte ich mir leider noch nicht übersetzen lassen).
Gouv. Jekaterinoslaw:
Nach CHOINOWSKY sollen auch im Kurgan Saur bei Werchne Dnie-
prowsk, Gouv. Jekaterinoslaw, rotgefärbte Skelette aufgedeckt worden sein.
Bei Abschluss der Korrektur erhalte ich durch freundl. Mitteilung von A. GÖTZE
folgende Fundnachrichten, die er von seiner Reise nach Südrussland heim¬
gebracht hat:
Jekaterinoslaw, Potemkingarten: Ansiedlung mit Schnurscherben. — Mus.
Jekaterinoslaw.
Chutor Blagadatny, Gouv. Jekaterinoslaw: 4 rotgefärbte Skelette, ein kleiner
geschweifter Becher, eine knöcherne Doppelhammerkopfnadel mit reich ver¬
ziertem Schaft (Ausgrabung EWARNITZKY, 1905). — Mus. Jekaterinoslaw.
Gouv. Astrachan:
Remontnoje: knöcherne Doppelhammerkopfnadel mit reich verziertem Schaft.
— Otöet imperatorskoj archeologiö. kommissii 1904, St. Petersburg 1907,
S. 133.
Gouv. Taurien:
1 gleiche Nadel. — Th. BRAUN, Compte rendu des fouilles faites dans le Gouv.
de Tauride en 1898 (Izvestija imperat. archeolog. kommissii Heft 19, St. Peters¬
burg 1906, S. 87, Abb. 16).
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PRINCETON UNIVERS1TY
Ein
schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit 1 )
von O. Fr ödin, Stockholm.
Mit 80 Abbildungen im Text.
Der westliche Teil von Östergötland ist seit alters ein wichtiges
Kulturland gewesen, und dass es sich schon zur Steinzeit so verhalten
hat, davon zeugt die grosse Anzahl von Funden aus dieser Zeit, die
bisher gemacht worden sind und noch fortwährend zutage treten.
Als einer der merkwürdigsten verdient hier angeführt zu werden der
im Jahre 1904 bei Aby Fyrbondegärd im Kirchspiel Ödeshög gemachte
Fund von „grossen Spaltern" nebst anderen Feuersteingeräten und Ab¬
fallstücken, der offenbar von einem Wohnplatz herrührt 8 ). Er beweist,
dass bereits in der älteren nordischen Steinzeit, der Zeit der dänischen
Muschelhaufen, diese durch die Natur so begünstigte Gegend von
Menschen in Besitz genommen war.
Etwa 6 km weiter gegen Norden bei Broby im Kirchspiel Vestra
Tollstad, nahe bei Alvastra wurde im Jahre 1908 in einem Moor eine
Anzahl Gegenstände vorgefunden, die bei dem Besuche, den aus diesem
Anlass der Amanuensis B. SCHNITTGER im Auftrag des Reichsantiquars
auf dem Platze machte, zu der Annahme führten, dass es sich hier um
einen steinzeitlichen Wohnplatz handele 3 ). Eine genauere Untersuchung
war indes damals wegen der weit fortgeschrittenen Jahreszeit nicht
möglich, sondern musste bis auf weiteres aufgeschoben werden.
Die im Sommer 1909 begonnene Untersuchung hat ein besonders
merkwürdiges Ergebnis geliefert. Daher dürfte eine vorläufige Mitteilung
berechtigt sein, um so mehr als die Ausgrabung sicherlich sehr umfassend
wird und der zusammenfassende Bericht hierüber darum nicht so schnell
zu erwarten ist.
') Soeben gedruckt in „Fornvännen“ 1910. Herausgegeben von der König¬
lichen Akademie der schönen Wissenschaften, Geschichte und Altertumskunde in
Stockholm. Übersetzung von Ernst SNETHLAGE, revidiert von G. KOSSINNA.
*) T. J. ARNE, Ett fynd Mn den äldre sten&ldern i Östergötland, Ymer 1905,
S. 119 f. und Meddelanden Mn Östergötlands Fornminnesförening 1905, S. 31 f.
*) B. S(CHNITTGER), Mossfynd Mn sten&ldern vid Alvastra, Meddelanden
Mn Östergötlands Fornminnesförening 1908, S. 33 ff.
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PRINCETON UNIVERS1TY
110
0. Frödin.
[2
Der Fundplatz (Abb. 1) ist etwa 400 m ONO von der Eisenbahn¬
station Alvastra gelegen, etwa 200 m O vom Eisenbahnhotel und ge¬
nau NO vom Landweg* nach Heda und Rök, in einem von der Gemar¬
kung Broby abgesonderten Bezirk, der jetzt als Acker dient, aber in
Yettrrsee Ttlkrrmee
Abb. 1. Ausdehnung des Dagsmoores (Dagsmosse) —. Lage des Wohnplatzes (bei C0)-
Nach der Generalstabskarte Blatt Hjo 1 s 100000.
naher Zukunft seiner Bebauung entgegensieht. Zu diesem Zweck ist er
durch eine Anzahl von Ost nach West gehender wieder zugedeckter
Gräben drainiert worden, bei deren Herstellung man die oben genannten
Funde gemacht hat.
Das Gelände, das gegen Norden und Westen schwach abschüssig
ist, besteht aus Moorboden, da das grosse Dagsmoor (Dagsmosse) 1 ),
das im Nordosten vom Täkernsee begrenzt ist, sich mit einer etwa
500 m breiten Zunge hierher erstreckt, deren äusserste Spitze 900 m
südlich von der Eisenbahnstation gelegen ist (Abb. 2).
Im Norden von dem nördlichsten der soeben erwähnten Gräben
*) Das Moor umfasst etwa 900 Hektar.
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PRINCETON UNIVER
3]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
111
läuft in einem Abstand von 13 m ein mit diesem im grossen und
ganzen paralleler offener Graben, bei dessen Reinigung man gleichfalls
auf eine Anzahl Gegenstände gestossen ist. Zwischen diesen beiden
Gräben und auf den Schmalseiten von ihnen begrenzt ist ein 4 m
breiter Schacht ausgehoben worden, dessen Länge von Norden nach Süden
also 13 m ausmacht (Abb. 3).
Unter einem 1 bis 1,1 m mächtigen Lager von Sumpftorf, der
reich an Phragmites ist, wurde eine in ihrem oberen Teil noch mit
Torf gemischte, aber abwärts allmählich mehr homogen werdende, 0,2 bis
0,35 m dicke Kulturschicht bloss gelegt, welche die für solche Bildungen
gewöhnliche Zusammensetzung aufwies. Es muss hinzugefügt werden,
dass der unterste Teil des Torflagers ebenso wie der oberste Teil der
Kulturschicht (bis zu einer Tiefe von einigen cm) in auffallendem Grade
mit Zweigen, Pflöcken und Wurzeln, grösseren wie kleineren Borken¬
stücken (Birke und Kiefer) durchsetzt ist, dass daneben auch ein. und
der andere Baumstumpf (Erle) auftritt, und der Torf nicht unbedeutend mit
Amblystegium gemischt ist. Dieses Lager, das sich also zwischen dem
Torf und der Kulturschicht in inniger Verbindung mit beiden befindet
und auf dessen Erklärung ich später zurückkomme, misst in der Dicke
0,1 bis 0,15 m.
Nachdem die Kulturschicht durchgegraben war, zeigte es sich, dass
sie auf einem Boden von Stämmen ruhte (Abb. 3 im Vordergrund),
unter dem ein graugelber Kalkmoder folgt. Was dieser und die
darunter folgende Schicht betrifft, so weise ich auf Dr. L. von POST’s
Darstellung weiter unten hin.
Wohl das Wichtigste bei dem Wohnplatz ist seine Lage in dem
gegenwärtigen Moor und die dank dessen konservierender Eigenschaften
erhaltenen Hausreste, merkwürdig insofern, als hier zum erstenmal in
Skandinavien die weniger widerstandsfähigen Teile einer Steinzeit¬
wohnung der Nachwelt als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung
bewahrt worden sind. Leider musste, gerade als der Boden beinahe
von seiner Kulturschicht befreit worden war, die Untersuchung für dies
Jahr abgebrochen werden, weil der Herbstregen schon begann und
Anstalten auf der Stelle getroffen werden mussten, um die empfind¬
lichen Holzreste auf dem Boden des Schachtes gegen die Winterkälte
und Niederschläge zu schützen. Es geschah das auf die Weise, dass
sie mit Sackleinwand bedeckt wurden, hierüber eine dicke Lage Stroh,
hierüber eine solche von Tannenreisig und zu oberst ein Dach von
Brettern gelegt wurde. Erst im kommenden Sommer kann also dieser
Teil der Anlage vollständig und im einzelnen klargelegt werden, und
für jetzt beschränke ich mich darauf, einige allgemeine Beobachtungen
darzulegen.
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PRINCETON UNIVERS1TY
112
O. Frödin.
[4
Der Boden, der im grossen und ganzen horizontal 1,25 bis 1,35 m
tief unter der Oberfläche des Moores liegt, besteht aus bis 0,2 m dicken
Stämmen von Birken und Kiefern, Kante auf Kante gelegt und schräg
gegen die Längsrichtung des Schachtes. Dass sie nicht unmittelbar der
Abnutzung ausgesetzt gewesen sind, geht daraus hervor, dass die Borke
noch teilweise daran sitzt 1 ). Wie weit der Boden sich erstreckt, kann
noch nicht bestimmt werden, da er sich auf den vier Seiten des Schachtes
fortsetzt, aber der Umstand, dass er den ganzen, 52 qm grossen aus-
Abb. 2. Landschaft gesehen vom Omberg;
gegrabenen Umkreis einnimmt, deutet auf jeden Fall darauf hin, dass
hier eine besonders bedeutende Anlage vorliegt. Vielleicht sind die
noch verborgenen Teile nicht die geringsten; denn dass es sich so
gefügt haben sollte, dass der im Verhältnis zur Breite recht lange
Schacht mitten in der alten Wohnstätte ausgehoben worden ist, ist
kaum anzunehmen.
Hier und da wurden kleine Pfähle von etwa 0,05 m Durchmesser
beobachtet, in Reihen geordnet, die mit den Stämmen parallel laufen.
Nach oben zu sind sie am Boden oder einige dm darüber abgebrochen,
während das untere, zugespitzte Ende entweder eingekeilt zwischen den
Stämmen sitzt, oder sich 0,1 bis 0,2 m unter diesen befindet. Nach
allem zu schliessen sind sie die Reste von Dachstützen.
Die Konstruktion des Daches kann gegenwärtig nicht bestimmt wer¬
den. Man kann annehmen, dass es mit Häuten, Stroh, Schilf, Borke, Reisig¬
geflecht oder dergleichen gedeckt war, und es ist möglich, dass hieraus
ein Teil der oben genannten borken- und zweigreichen Schicht besteht,
*) Vergl. die später erwähnten Spuren von Reisigbetten auf dem Boden.
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PRINCETON UNIVERS1TY
5]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
113
die zwischen der Torf- und der Kulturschicht liegt und in beide
hineinragt.
Auf dem Boden wurden sieben Herde gefunden (sechs sind auf
Abb. 3 sichtbar), von denen drei nur teilweise ausgegraben worden
sind, da die Grenze des Schachtes gerade über sie hinweggeht l )* Während
einer von den Herden (Abb. 3 am weitesten nach links im Hintergründe,
ebenfalls in Abb. 4 a oben in der linken Ecke sichtbar) von einer ein¬
zigen, ovalen Kalksteinplatte, 0,58X0,42 m gross, gebildet wird, sind
Phot. d. V#r1
der Wohnplatz bei X. ganz links der TSkemsee.
die übrigen aus einer Mehrzahl von oft durch Brand bröckligen
Steinen hergestellt und in der Form mehr oder minder unregelmässig.
Der am sorgfältigsten gebaute (Abbildung 4, ebenfalls sichtbar auf
Abb. 3 mitten im Hintergrund), der 1,65 m in der Länge und 0,9 m in
der Breite misst, besteht eigentlich aus zwei Teilen, erstens einem
ziemlich ovalen Kreis von 1,15 m Länge,, hergestellt aus Kalksteinsplittern
und kleineren Rollsteinen von Granit oder Gneis, die sämtlich eine
durch die Hitze auseinander gesprengte Kalksteinplatte umschliessen —
also dem eigentlichen Platz für das Feuer —, dann aus der seitwärts
hiervon aus teilweise auf die Kante gestellten Steinen gebauten „Grube“,
in die man Glut und Asche fegte. Rund um die Herde ist übrigens
der Boden oft bedeutend verkohlt.
Von den sieben Herden liegen zwei (Abb. 3 unten rechts) Kante
an Kante miteinander und auf beträchtlich ungleichem Niveau; man
kann daher für diese einen deutlichen Altersunterschied feststellen.
*) Ein Teil abgesondert liegender Steine — hauptsächlich im südlichen Teil
des Schachtes — sind wahrscheinlich als Reste aufgegebener Herde zu betrachten,
in welchem Falle die Anzahl also noch grösser gewesen wäre.
Mannus. Bd. II. 8
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7]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
115
Abb. 4 a. Herd.
Phot. d. *tr1.
Dagegen ist dies bei den übrigen nicht der Fall, sondern diese sind,
nach allem zu urteilen, gleichzeitig angelegt. Es dürfte im Zusammen¬
hang hiermit die Frage zu stellen sein, inwiefern sie irgend eine Art
von Raumeinteilung darstellen.
Unmöglich ist ja ein solches Ver¬
hältnis nicht, aber da keine Spur
von Wänden beobachtet werden
konnte, und da die verstreut liegen¬
den Funde auch keine Stütze für
eine derartige Vermutung abgeben,
so bin ich bis auf weiteres wenig¬
stens zu der Annahme geneigt,
dass der jetzt untersuchte Teil
des Hauses einen einzigen grossen
Raum gebildet hat. Die Mög¬
lichkeit ist ja jederzeit vorhanden,
dass er mittelst Häute oder der¬
gleichen abgeteilt wurde, aber
eine solche Anordnung dürfte kaum
mit Bestimmtheit nachgewiesen
werden können. Jedenfalls haben
zwei von den Herden, der auf
Abb. 4 wiedergegebene und der
oben genannte aus einer einzigen
Platte bestehende, ein und demselben Raum zugehört, da sie in einem
Abstand von nur 0,9 m voneinander gelegen sind; im übrigen wechselt
der Abstand zwischen 2,5 und 3 m.
8 *
Abb. 4b. Grundriss desselben Herdes; die Zahlen geben
die Tiefe unter der Oberfläche des Moores ln cm an.
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116
O. FrÖdin.
[8
Zu der Einrichtung des Hauses gehört ferner ein Sitzplatz (Abb. 3),
der aus einem länglichen Stein (Granit), 0,6 m lang, 0,3 m breit und
hoch, besteht und zwischen zwei von den Herden und in einem Abstand
von etwa 1,2 m von dem nächsten aufgestellt ist. Während die Seiten
übrigens eine von Natur ebene, schwach konvexe Qberfläche aufweisen,
hat die Oberseite sichtbarlich von Menschenhand und mit Absicht eine
etwas nach innen geschweifte Form erhalten 1 )- Dass der „Stuhl" oft
auch als „Tisch* gedient hat, ist naturgemäss anzunehmen.
0,9 m von dem Herd (Abb. 4) liegt ein anderer, auf der Abbildung
jedoch nicht sichtbarer Stein, gleichfalls länglich, aber kleiner, 0,45 m
lang und 0,35 m breit. Anzunehmen ist, er habe dieselbe Bestimmung
gehabt, aber die Oberseite weist keine absichtliche Bearbeitung auf,
sondern hat ihre natürliche schwach konvexe Oberfläche.
Hier und da kann man in der Kulturschicht Äste und feinere
Zweige beobachten, deutliche Überbleibsel von Reisigbetten, die auf den
Boden gelegt waren.
Von der grössten Bedeutung für unsere Auffassung von dem
Charakter der Anlage ist die Frage nach der Beschaffenheit des Unter¬
grundes. Wie oben erwähnt ist, folgt unmittelbar unter dem Boden
des Schachtes ein graugelber loser Kalkmoder, der folglich den Erd¬
boden ausmacht, der sich ründ um das Gebäude ausbreitete. Wie dieser
Erdboden in Wirklichkeit sich zeigte, darüber sind die geologischen
Sachkundigen — indem sie sich auf Vergleiche mit neuen Bildungen
derselben Art stützen — imstande, uns eine vollkommen sichere Ant¬
wort zu geben: er hat (siehe unten) „aus einer lockeren, geneigten,
von Quellfluten beständig überrieselten Moderfläche bestanden, dünn
bewachsen mit Schilf (Phragmites communis) und Binsenschneide
(Cladium Mariscus)", so locker, dass sie „eine gehende Person
nicht getragen hat*. Aber ein Erdboden von dieser losen Beschaffenheit
hat füglich nicht die höchst bedeutende Last tragen können, die von dem
ansehnlichen Gebäude mit seinen Herden, seiner Kulturschicht und seinen
Bewohnern gebildet wurde, sondern eine weitere Stütze muss voraus¬
gesetzt werden; dies um so mehr als der Boden nicht überall unmittel¬
bar auf dem Moder ruht. Bei Bohrungen im südlichen Teil des Schachtes
hat sich nämlich gezeigt, dass hier zwischen dem Boden und dem
Moder eine etwa 0,05 m dicke Kulturschicht auftritt. Sie ist also recht
unbedeutend, zeigt aber dennoch, dass ein gleich grosser, leerer Raum
sich einstmals unter diesem Teil des Hauses befunden hat, ein leerer Raum,
der sich allmählich mit Kulturresten gefüllt hat. Diese sind entweder
’) Die Oberfläche ist zu rauh, als dass der Stein als Mühlstein hatte ver¬
wendet werden können.
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9]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
117
durch die Risse im Fussboden herabgefallen, oder nach aussen vor die
Wohnstätte fortgeworfen und von den Quellfluten, die unter dem Fuss¬
boden dahinrieselten, dorthin geführt worden.
Das Gebäude muss also daneben vonPfählen getragen
worden sein. Und solche sind auch an der einzigen Stelle, wo dies
möglich war, festgestellt worden, d. h. dort, wo der unter dem Boden
liegende Moder in grösserer Ausdehnung bloss gelegt worden ist 1 ).
Man darf hier nicht vergessen, dass die Untersuchung abgebrochen
werden musste, gerade als der Boden frei gelegt worden war, aber an
einer Stelle — wo der oben erwähnte offene Graben weiter geht —
ist dieser bis in den Moder hinein durchschnitten worden, und hier
finden sich auch drei Pfähle in ihrer ursprünglichen Lage. Diese Pfähle,
von etwa 0,1 m Durchmesser, sind bis zu einer noch nicht festge¬
stellten, aber jedenfalls ganz beträchtlichen Tiefe herabgetrieben worden,
während deren obere Enden an der Unterseite des Bodens endigen und
dort anstossen. Die Einzelheiten der Konstruktion, die vielleicht hier
vorhanden waren, sind natürlicherweise verloren gegangen.
Der ganze Charakter des Wohnplatzes von Alvastra stellt ihn zu
der grossen Gruppe der Pfahlbauten, dies Wort in seiner weiteren
Bedeutung genommen, wonach es nicht bloss auf Pfählen draussen im
Wasser aufgeführte Häuser, wie die mitteleuropäischen Dörfer in der
jüngeren Steinzeit und Bronzezeit, sondern jede Anlage umfasst, die
durch ihre Lage in einem unzugänglichen Sumpf gegen Angriffe geschützt
ist und hierdurch ihren Zweck als Verteidigungsanlage erfüllt. Derselben
Auffassung folgt Sophus MÜLLER, wenn er in seiner Urgeschichte
Europas 2 ), Seite 98 f., bei der Behandlung der Pfahlbauten Mittel¬
europas sowohl von „Wasserpfahlbauten" als auch von „Hütten auf
Moorgrund“, Anlagen „in Wasser oder auf unzugänglichem Grunde"
(„auf feuchtem und weichem Grunde“) spricht*). Noch weiter geht
FORRER 4 ), der zu den Pfahlbauten auch die „Flosspfahlbauten" rechnet,
') Dass man mittels Bohrung auf senkrecht stehende Pfähle treffen könnte,
ist natürlicherweise höchst unwahrscheinlich.
2 ) Strassburg 1905.
3 ) Beispiele für Anlagen der letzteren Art sind solche „Packwerkbauten“, wie
die bei Wauwyl und Niederwyl in der Schweiz sowie Schussenried in Württemberg
(Robert MUNRO, Lake-Dwellings of Europe, London 1890, S. 78 f., 118 ff. und
147 ff., wo sich auch ausführliche Literaturnachweise finden). Von hier ist der
Weg nicht weit zu den einer späteren Zeit angehörigen irischen und schottischen
„Crannogs“, die am ehesten als künstliche Inseln, die in Seen oder Mooren angelegt
waren, zu betrachten sind.
4 ) Robert FORRER, Urgeschichte des Europäers, Stuttgart 1908, S. 166. — Die
Angabe dieses Verf. (S. 169) über steinzeitliche Pfahlbauten im Maribosee in Däne¬
mark hat sich nicht hestätigt (vergl. Sophus MÜLLER, Nord. Altertumsk., Strass¬
burg 1897, I, S. 20).
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PRINCETON UNIVERS1TY
0. Frödin.
[10
115
wie z. B. die Flösse des Wohnplatzes im Magiemoor. Das am meisten
Charakteristische für diese Wohnplätze ist, wie gesagt, ihre gegen An¬
griffe geschützte Lage, und in dieser Hinsicht muss man sagen, dass
gerade die in den Mooren angelegten am besten ihren Zweck erfüllten.
Einem über dem Wasser aufgeführten Hause konnte sich ja ein Feind
im Boote nahen, zu denen im Moor dagegen konnte man weder rudern
noch gehen, und die Stege, die, wie man r\dt\ denken muss, die Ver¬
bindung der Bewohner mit dem Lande vermittelt haben, konnten ja
zur Nachtzeit oder im Fall eines Angriffes leicht und schnell ungangbar
gemacht werden.
Bei Alvastra hat man sich natürlich auch solcher Stege bedient.
Es ist daher durchaus nicht überraschend, dass sich Spuren davon
gefunden haben, bisher an zwei Stellen, 40 und 50 m westlich von
dem Schacht, teils in dem offenen Graben, teils in einem kleineren
Probeschacht. Bei den zukünftigen Untersuchungen dürfte ihre Bauart
näher erkannt werden.
Gerade diese Eigenschaft des Wohnplatzes als Verteidigungsanlage
gibt uns Aufklärung über die Ursache, weshalb er einstmals aufgegeben
wurde. Oft hat man bei den Pfahlbauten der Alpengegenden beobachten
können, dass sie durch Feuer verheert worden sind. So verhält es
sich hier nicht. Keine Spur irgend welcher Art deutet darauf hin,
dass das Haus verbrannt oder durch irgend eine andere Katastrophe
der Verwüstung ausgesetzt worden ist. Statt dessen kann man mit der
grössten Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es die langsam, aber sicher
wirkende Kraft der Natur war, die den Ausschlag gab, in diesem Falle
die stufenweis vor sich gehende Klimaveränderung, wovon u. a. unsere
Torfmoore und auch das Dagsmoor (s. unten) Zeugnis ablegen. Das
Ergebnis dieser Änderung war das warme und trockene Klima der sub-
borealen Zeit. Infolgedessen begannen die Quellfluten, die das Gelände
rings um den Pfahlbau bewässerten, an Wirksamkeit abzunehmen und
der Pflanzenwuchs zu gleicher Zeit auf den Moderboden hinauszuwandern.
Hierdurch wurde es sowohl für Menschen wie Tiere möglich, ihn zu
betreten. Aber weil die Anlage so ihre hauptsächlichste Bedeutung,
nämlich einen sicheren Zufluchtsort für die Bewohner abzugeben, verlor,
wurden diese gezwungen aufzubrechen und sich nach einem geschützteren
Platz zu begeben.
Da das Gebäude schliesslich vermodert war, bildete der Rest nur
eine schwache Erhöhung, etwas trockener als der Erdboden, der sie
umgab. Hier wanderte nun eine weniger wasserliebende Pflanzenwelt
ein, wie Eilernbüsche und sogar einige Ellembäume, die ihrerseits
wieder von der überhandnehmenden Torfbildung erstickt wurden. In
jedem Jahr, das verging, legte sich eine neue Torfschicht auf die alte,
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PRINCETON UNJXEft
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit,
bis schliesslich jede Spur menschlicher Wirk¬
samkeit verwischt wurde. Aber tief unten
im Moore lag wohl geschützt das Material,
das einst über das hier Jahrtausende vor
unseren Tagen herrschende Leben Licht ver¬
breiten sollte.
Ich habe den grossen Vorzug gehabt,
die für die Kenntnis der dort vor Zeiten
herrschenden Naturverhältnisse so bedeu¬
tungsvollen geologischen Lokaluntersuchungen
Dr. LENNART v. POST überlassen zu können,
der sich zur Erforschung der Entwicklungs¬
geschichte des Täkernsees und Dagmoores
gerade in der Gegend aufhielt. Der Bericht,
den Dr. v. POST hierüber gibt, und auf
den ich im vorhergehenden bei verschiedenen
Gelegenheiten hingewiesen habe, lautet:
„Der Pfahlbau bei Alvastra ist nicht wie
seine bekannten schweizerischen Gegenstücke
ausserhalb der Ufer eines Sees aufgeführt
gewesen. Die aus Kalktuff, Kalkgyttja (Kalk¬
moder), Wiesenkalk und Torf bestehende
hügelförmige Ablagerung, worin seine Reste
angetroffen werden, gehört nämlich ihrer
Entstehung nach nicht zusammen mit dem |
naheliegenden Moor Dagsmosse — dem von ^
T orfbildungen ausgefüllten südwestlichen
Teile des Täkernseebeckens —, sondern ge¬
hört zu dem mit den nordskandinavischen
„backmyrar“ verwandten, in Schweden bis
jetzt wenig beobachteten, aber in Nord¬
deutschland wohl bekannten Typus von Torf¬
ablagerungen, die „Quellmoore“ genannt
werden. Die Hauptzüge der Schichtenfolge i
des Alvastra - Quellmoores sind von unten
gerechnet (Abb. 5):
Kalktuff auf einer aus sandiger s
Moräne und sehr losem Ton bestehenden,
stark wasserführender^- lh«rlage; Mächtig¬
keit bis 4 m;
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PRINCETON UN1VERSITY
Radialschnitt durch das Quellmoor bei Alvastra. Von
120
O. Frödin.
[12
Cladiumtorf, besonders oben mehr oder minder mit Gyttja
vermischt; bildet in der Regel eine zusammenhängende 2 zu 3 dm —
1 m mächtige Decke über dem Kalktuff, aber ist hier und dort auf¬
gelöst in grössere oder kleinere, unregelmässig liegende, linsenförmige
Partien;
Kalkgyttja, hier und dort mit Rändern von Kalktuff und C1 adium-
torf, sowie überall mit einzelnen, bis zerstreuten Rhizomen von Cladium
und Phragmites;
Sumpftorf mit Phragmites und einzelnen Ellernstubben,
1—1,3 m mächtig.
Alle diese Schichten fallen nach Süden, Westen und Norden hin
ab, d. h. von dem Moränenhügel bei Broby strahlenförmig gegen das
*
Pt*ot. v. J. E. t junfqulst.
Abb. 6. Wiesenkalkboden in Mästermyr auf Gotland.
Dagsmoor hin. Die Grenzlinie zwischen der Kalkgyttja und dem Torf, die
sich überall scharf abhebt und in dem aufgenommenen Profile fast
gradlinig ist, hat ebenso wie die gegenwärtige Torfoberfläche ein Gefälle
von ungefähr 1 zu 50. Der Ausläufer des Torfes auf dem Brobyhügel
liegt 6,2 m und die Torfoberfläche bei dem Pfahlbauplatz 3,9 m über
der höchsten Strandlinie des Täkemsees, der Pfahlbau-Fussboden selbst
im Mittel 2,6 m über dem genannten Niveau.
Die Altertümer sind sämtlich auf der Grenzlinie zwischen der
Kalkgyttja und dem Torf oder richtiger in der obersten Schicht des
ersteren angetroffen worden. Der Erdboden, worauf der Pfahlbau auf-
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PRINCETON UNIVERS1TY
13]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
121
geführt war, hat aus einem lockeren, geneigten, von Quellfluten be¬
ständig überrieselten Moderfläche bestanden, dünn bewachsen mit Schilf
(Phragmites communis) und Binsenschneide(CladiumMariscus)
und am nächsten vergleichbar dem auf Abb. 6 wiedergegebenen (vergl.
rÖjfiiL _ _ ■■■UPI .
y. v ., V' I \ i r+' f , } >
'
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C : ‘
*• ITT!
^ v * *'>i i
Phot. v. J. t LiuM^wiat.
Abb. 7. Trockcngelcgtcr Wiesenkalkboden mit Sfirpus und Phragmites
bestanden. Der Boden bei dem Pfahlbau ist wahrscheinlich niemals so
trocken gewesen, wie es das Bild zeigt.
Abb. 7). Der Pfahlbau ist hier noch besser geschützt gewesen, als wenn
er in einem See gestanden hätte. Die lose Moderoberfläche hat eine
gehende Person nicht getragen, und wegen der geringen Tiefe des Wassers
(einige wenige cm) konnte sie auch nicht mit einem Boot befahren
werden. Die einzige Möglichkeit, das etwa 100 m vom damaligen Lande
gelegene Gebäude zu erreichen, war dies auf hinausgeschobenen Stegen
zu tun, von denen auch bereits Überreste angetroffen sind. Ein vor¬
trefflicher natürlicher Schutz also gegen Angriffe jeder Art von Feinden,
Menschen wie Tieren.
Es ist augenscheinlich, dass der Wohnplatz im Zusammenhang mit
der Entstehung der Torfdecke über dem Kalkmoder aufgegeben worden
ist. Ohne Zweifel ist auch gerade das Auftreten einer zusammenhängen¬
den Pflanzendecke rings um das Gebäude der Umstand gewesen, der
die Bewohner veranlasste, einen neuen Wohnplatz aufzusuchen. Denn hier¬
durch hat der Platz seine wichtigste schützende Eigenschaft verloren: seine
Unzugänglichkeit. Auf der neugebildeten festen Wurzeldecke des Sumpfes
haben nämlich Menschen wie Tiere mit Leichtigkeit zu dem vorher voll¬
kommen unerreichbaren Gebäude wandern können.
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PRINCETON UNIVERS1TY
122
O. Frödin.
[14
Das augenscheinlich überall gleichzeitige Auftreten einer geschlos¬
senen Pflanzendecke auf der Kalkgyttja bei Broby ist ohne Zweifel
hervorgerufen worden durch verminderten Wasserzufluss in den Quellen,
aus deren Wasser sich die Gyttja abgesetzt hatte. Für eine ähnliche Aus¬
trocknung liefert auch die Entwicklung des Täkernsees und des Dags-
moores ein deutliches Zeugnis. Zu einem gewissen Zeitpunkt, nach
allem zu urteilen ungefähr gleichzeitig mit dem Abnehmen der Broby-
quellen, fing nämlich ein allmähliges Fallen des Wasserstandes im Täkern-
see an, das zuletzt das Niedrigwasser derselben bis zu 1,9 m unter dem
natürlichen Hochwasserniveau senkte. Grosse Teile vom Dagsmoor wurden
von starkem Walde (zuerst Laubbäumen, später Kiefernwalde) über¬
zogen, von dessen früherem Dasein ein ausgebreitetes und wohl aus¬
gebildetes Stubbenlager ein unzweideutiges Zeugnis ablegt. (Das Dags¬
moor war schon zur Zeit des Pfahlbaues ungefähr ih seinem jetzigen
Umfang vorhanden und war in seinem pflanzenphysiognomischen Cha¬
rakter ein Cladium-Carex-Sumpf von demselben Typus wie z. B.
die gotländischen Sümpfe.) Die subboreale Zeit— in Skandinavien
der trockenste und wärmste Zeitraum der Alluvialzeit — war eingetreten,
und unter der Einwirkung ihres Klimas sanken die Wasserflächen der Seen,
die vorher nassen Torfmoore bekleideten sich mit Wald, und die Quellen
wurden schwächer. Alle diese Veränderungen trafen aber nicht nur um
den Täkernsee ein, sondern die Spuren derselben sihd im ganzen süd¬
lichen Skandinavien beobachtet worden; und, wie oben gezeigt, erstreckte
die Klimaveränderung ihre Wirkungen auch auf die Bebauung, indem die
Aufgabe des Wohnplatzes bei Alvastra ohne Zweifel darin ihre tiefste
Ursache hatte*.
*
*
*
Von dem Kulturstandpunkt, auf dem die Bewohner standen, liefern
uns die in de r Kulturschicht angetroffenen Altertümer 1 ) ein besonders
gutes Bild, das überdem — dank den ungewöhnlich günstigen Konser¬
vierungsverhältnissen auf dem Platze — teilweise ganz überraschende
Einzelheiten bietet. Mit Rücksicht auf die nur vorläufige Natur dieser
Mitteilungen kann indessen der Bericht über das reichhaltige Material
für jetzt nur in der Form einer kurzgefassten Fundbeschreibung erstattet
werden, wobei die Vergleiche mit dem übrigen in- und ausländischen
Material auf das mögliche Mindestmass beschränkt werden.
Von geschliffenen Beilen und Meissein aus Feuerstein liegt
eine Menge von Splittern und Stückchen vor, die in den Fällen, wo sie
*) Sie haben im Historischen Staatsmuseum die Inventarnummer 13 929.
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PR1NCET0N UNIVERSITY
15]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
123
Aufschlüsse über den Typus geben, zeigen, dass dieser vierseitig und,
näher bestimmt, dick nackig gewesen ist.
Im Verhältnis zum Feuerstein hat der Grünstein offenbar eine
vergleichsweise bedeutendere Rolle als Rohstoff gespielt, ganz natürlich
übrigens in Gegenden wie diese, wo der erstere in natürlichem Zustande
nicht vorkommt, sondern hat eingeführt werden müssen. Die sechs
Beile aus Grünstein 1 ), die gefunden und von denen drei abgebildet
worden sind (Abb. 8—10, s. auch Abb. 32), sind typologisch recht schwer
zu bestimmen aus dem Grunde, weil die Gesteinsart — nach dem
Gutachten des Dr. A. GAVELIN »ein sehr umgewandelter schiefriger Grün¬
stein“— in durchaus ungewöhnlich hohem Grade angegriffen und durch
die Feuchtigkeit der Torferde aufgelöst ist. Daher sind die Kanten
in den meisten Fällen abgerundet worden, und die charakteristischen
Einzelheiten sind verloren gegangen; besonders gilt
dies von dem Nackenteil. Die Form ist jedoch deut¬
lich (wie auf Abb. 8 und 9) vierseitig, und augen¬
scheinlich ist der Typus gleich den eben genannten
Feuersteinbeilen d i ck n a ck i g gewesen. Die Axt Abb. 10,
die eine Queraxt ist, ist deutlich dicknackig aber
mit einem mehr ovalen Durchschnitt.
Dieselbe verwitterte Oberfläche zeigen die Äxte mit Schaftloch,
die in sieben mehr oder minder fragmentarischen Stücken vorliegen.
Die Axt Abb. 11, die mit ihrem quergestellten dünnen Nacken von
ganz ungewöhnlicher Form ist, ist möglicherweise eine Queraxt gewesen;
Abb. 11. Axt mit Schaft¬
loch. Alvastra '/»•
! ) Eines von ihnen besteht nur aus einem Fragment (Bahnteil).
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PRINCETON UNIVERS1TY
124
O. Frödin.
[16
das doppelkonische Loch ist auffallend klein (der kleinste Durchmesser
9 mm) und dürfte schwerlich irgend eine praktische Bedeutung gehabt haben.
Die übrigen sechs Äxte mit Schaftloch sind alle von doppel-
schneidiger Form (Abb. 12—17, s. auch Abb. 32), ein Typus, dessen
Abb. 12-17. Doppelschncidige Schaftlochäxte. Alvastra '/••
Vorkommen hier von grösstem Interesse ist, unter anderm auch aus
dem Grunde, weil er auf den Wohnplätzen vergleichsweise selten beob¬
achtet worden ist. In Schweden ist er demgemäss nur an zwei Fund¬
orten angetroffen worden, beide Male in einem Exemplar, nämlich bei
Gullrum und am Ausfluss des Ringsees 1 ) und auf den dänischen
Wohnplätzen wird er gleichfalls sehr selten getroffen. Um so charakteri¬
stischer ist der Typus dagegen für die dänischen (besonders seeländischen)
Ganggräber, woneben er bekanntlich in einer grossen Zahl zufälliger
Funde, nicht am wenigsten in Schweden, vorliegt. Aus Östergötland
kenne ich ihn jedoch nur in drei Exemplaren 2 ), warum sein Auftreten
bei Alvastra um so bemerkenswerter ist 3 ).
l ) Vergl. Oscar ALMGREN, Uppländska stenäldersboplatser, Fornvännen 1906,
S. 111 f.
*) Stat. Hist. Mus. 9170:570 (Kirchspiel Kisa), 9374 (Hults bruk, Kirchspiel
Kvillinge) und 9170:571 (unbekannten Fundorts).
3 ) Hierzu kommen ferner die im folgenden erwähnten.
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17]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
125
Diese Äxte entsprechen, wo sie typologisch näher bestimmbar
sind, am meisten der Form bei MÜLLER, Ordning 94*), also dem etwas
fortgeschrittenen Typus mit dem weiter oben gegen die Bahn hin an¬
gebrachten Schaftloch. In vier Fällen sind sie unvollendet geblieben.
Bei der Axt Abb. 14 fehlt das Schaftloch, und die Äxte Abb. 12, 13 u. 15
sind, bevor das Durchbohren angefangen wurde, auseinander gebrochen
und als wertlos fortgeworfen worden 2 ). Wie das Verhältnis bei dem
Exemplar Abb. 16 gewesen ist, ist unsicher; jedenfalls ist die Axt
Abb. 17 die einzige, von der man mit Gewissheit sagen kann, dass
sie in Gebrauch gewesen ist.
Der Feuerstein ist natürlich auch, zur Anwendung gekommen als
Rohstoff für verschiedene kleinere Gerätschaften. Am zahlreichsten sind
Schaber, die in 35 Exemplaren vorliegen, davon 11 Spanschaber
— 9 mit konvexer Schneide an einem Ende (Abb. 18 u. 19), 1 mit
ebensolcher Schneide an beiden Enden (Abb. 21), 1 mit mehr grader
Schneide an einem Ende (Abb. 20) — und 15 Scheibenschaber
unter denen 4 runde wie Abb. 23, 2 rundlich drei- und vierkantige
(Abb. 22), der Rest unregelmässig oder fragmentarisch 3 ); die übrigen
*) Sophus MÜLLER, Ordning af Danmarks Oldsager, Stenalderen, Kopen¬
hagen 1888.
a ) Eigentümlich genug sind die Exemplare Abb. 12 u. 13 der Länge nach
geborsten, was augenscheinlich darauf beruht, dass die Schiefrigkeit des Steines
in dieser Fläche liegt.
a ) Einer der Scheibenschaber ist „wahrscheinlich aus Kristianstadfeuerstein*
gemacht (nach der Bestimmung von Dozent Dr. C. WIMAN, Uppsala).
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Original fra-m
PRINCETON UNIVERS1TY
126
O. Frödin.
[18
9 Schaber sind aus unregelmässigen Splittern verfertigt. Es muss
darauf hingewiesen werden, dass mehrere von den Schabern (z. B. Abb. 19
u. 22) eine geschliffene Fläche aufweisen, woraus hervorgeht, dass sie
aus Splittern von Beilen gemacht sind; man hat offenbar möglichst
lange das kostbare Feuersteinmaterial ausnützen wollen.
Die Pfeilspitzen, die in acht Exemplaren angetroffen wurden,
sind in sieben Fällen querschneidig (Fig. 24), von dem Typus bei
MÜLLER, Ordning 17, während die achte ein Spanpfeil mit Schaft¬
zunge 1 ) ist von dem Typus bei MÜLLER, Ordning 174. Während
der letztere Typus im ganzen nordischen Gebiet vorkommt, ist der
erstere aus dem östlichen Schweden bis jetzt nicht bekannt gewesen.
Daher ist das Vorkommen des Typus bei Alvastra von Interesse.
Schliesslich müssen zwei Bohrer erwähnt werden (Abb. 25 u. 26),
sowie ein Spanmesser (Abb. 27) von dem Typus bei MÜLLER, Ord¬
ning 143. Gewöhnliche Feuersteinspäne sind ausserdem in grosser
Anzahl gefunden worden, obwohl von geringer Grösse (der längste
7,5 cm lang).
Zum Zuhauen der Steinwerkzeuge hat man sich der Klopfsteine
bedient, die bis zur Anzahl von etwa 50 angetroffen worden sind. Es
sind von Natur mehr oder minder abgerundete Steine von Quarzit mit
Schlagmarken an den Enden oder auf den mehr vorspringenden Teilen,
bisweilen über den grösseren Teil der Oberfläche hin (Abb. 28) *).
Abb. 27. Messer aus Feuerstein. Abb. 28 und 29.
Alvastra. •/»• Klopfsteinc aus Quarzit. Alvastra. ’/»•
Einer von ihnen (Abb. 29) ist ausserdem mit drei eingeschlagenen
Vertiefungen versehen, sicherlich, um besser mit den Fingern an¬
gefasst werden zu können; irgend ein Anlass scheint dagegen nicht vor¬
handen zu sein, sie mit den schalenförmigen Vertiefungen zu vergleichen,
die sich bisweilen gerade auf dergleichen kleineren Steinen angebracht
1 ) Bruchstück (Zungenende).
2 ) Dass sie auch in anderen Fällen den Dienst als Hammer versehen haben,
muss man natürlich als gegeben annehmen.
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19]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
127
finden (MÜLLER, Ordning 200), und denen jetzt allgemein eine religiöse
Bedeutung beigelegt wird *).
Eine gleiche eingeschlagene Vertiefung findet sich auf einem an¬
deren in der Kulturschicht angetroffenen Stein (Abb. 30). Dieser be¬
steht aus einer 18,8 cm langen,
15,7 cm breiten und 6,3 cm
dicken, unregelmässig vierkantigen
Grünsteinplatte mit Spuren von
grober Zuhauung längs der Kanten.
Mitten auf der einen Flachseite
ist die ovale, 6,5 cm lange,
4,5 cm breite und 1,6 cm tiefe
Vertiefung angebracht. Der Stein
lag mit dieser Seite nach oben
in dem untersten Teil der Kultur¬
schicht (Abb. 31).
Die Frage ist nun, WOZU Abb. 30. Stein m. schalenförmiger Vertiefung. Alvastra. 1 /*
dieser Stein angewandt worden ist.
Wäre er mit mehreren dergleichen Vertiefungen versehen worden, so
scheint es mir, dass man voll berechtigt worden, ihnen dieselbe religiöse
PM»I. 4. V«rf.
Abb. 31. Bei X der Stein Abb. 30, bei zwei Klopfstei/te. Alvastra.
Bedeutung zuzuschreiben, die oben kurz berührt ist, und ihn gleich¬
zustellen z. B. mit dem in dem Ganggrab bei Lundby in Westergötland
l ) Ein Stein dieser letzteren Art ist vielleicht der auf dem Wohnplatz bei
Mjölkbo in Uppland gefundene (ALMGREN, a. a. O., S. 109, Abb. 32); gegen die Er¬
klärung als Klopfstein spricht der Umstand, dass sich gar keine Spuren von Schlagmarken
auf ihm findet.
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PRINCETON UNIVERS1TY
128
O. FrSdin.
[20
von MONTELIUS im Jahre 1884 angetroffenen Stein 1 ), d. h. ihn als
einen Opferstein zu erklären. Nun muss man gleichfalls in Betracht
ziehen, dass er sehr wohl einem rein praktischen Zwecke gedient haben
kann, z. B. als Unterlage für eine der Stützen, die das Dach getragen.
In solchem Falle hätte diese mit dem unteren Ende in der kleinen
Vertiefung geruht. Eine andere Erklärung dürfte indessen eine noch
grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben. In der Kulturschicht kommen
grosse Massen von zerquetschten Nusschalen vor; Haselnüsse sind also
eine sehr beliebte Speise gewesen. Knackte man nun die Nüsse zwischen
zwei Steinen auf, so konnte es leicht geschehen, dass die Kerne fort¬
sprangen; legte man sie hingegen in eine kleine Schale, wie die hier
vorliegende, so konnte man sie ohne Gefahr mit einem Klopfstein, wie
den oben beschriebenen, zerquetschen. Zwei solche Klopfsteine lagen
gerade bei dem Stein, in nur 15 cm Abstand von ihm und in derselben
Tiefe (Abb. 31), ein Umstand, der, wie es mir scheint, in gewissem
Grade für die Erklärung der Bestimmung des Steines, die hier versucht
ist, spricht.
Zum Schleifen den Steinwerkzeuge hat man Schleifsteine von
Sandstein und Quarzit angewandt, die in recht grosser Anzahl
Phot. d. Vorf.
Abb. 32. Bei X zwei doppclschncidige Schaftlochäxte (= Abb. 12 und 14), bei -f zwei Beile
aus Grünstein (das grösste = Abb. 9). bei O Schleifstein aus Quarzit; alle in situ. Unten links ein
Teil des Herdes Abb. 4. Alvastra.
angetroffen sind, obwohl zumeist in Bruchstücken. Als Zeugnis für
die Anfertigung der Werkzeuge liegt ferner eine Menge Abfall von
Feuerstein und noch mehr von Grünstein und anderen Steinarten vor.
*) Oscar MONTELIUS, Kulturgeschichte Schwedens, Leipzig 1906, S. 55.
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PRINCETON UNIVEj
21]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
129
Man hat also seine Waffen und Geräte auf dem Platze ver¬
fertigt (Abb. 32).
Im Gegensatz zu den Äxten aus Grünstein sind alle Gegen¬
stände aus Knochen und Horn besonders gut erhalten. Dieses
so überraschende Verhalten findet indessen seine Erklärung. Man hat
nämlich die grosse Rolle dargetan, die der Kalkgehalt des Bodens bei
der Erhaltung der Skeletteile spielt, insofern in kalkarmen Gegenden diese
mehr oder minder von den Humussäuren aufgelöst werden, während
letztere in kalkreicheren Erdschichten gebunden und hierdurch unschädlich
gemacht werden 1 ). Es ist also dem glücklichen Umstande, dass der Fund¬
platz in einer kalkreichen Gegend gelegen ist, zu verdanken, dass die
hier angetroffenen Knochen- und Horngeräte so ausserordentlich gut kon¬
serviert sind, in ihrem Aussehen oft am nächsten an poliertes Maha¬
goni erinnernd.
Von den Knochenwerkzeugen sind die Pfriemen die zahlreichsten
(Abb. 33—41). Die Bruchstücke eingerechnet, sind sie in 39 Exemplaren
vorhanden, wechselnd in der Länge zwischen 3,5 cm und 15,3 cm.
Von diesen 39 sind 18 hinsichtlich des Materials bestimmbar*), wobei
es sich zeigt, dass 6 verfertigt sind aus Knochen der Ziege (Kahn¬
bein, Abb. 39 und 40), 4 des Schafes (2 vom Schienbein, Abb. 36 u.
37, 2 vom Kahnbein, Abb. 38), 1 des Schafes oder der Ziege (Schien¬
bein, Abb. 33), 1 des Schweines (Wadenbein, Abb.34) sowie ödes Hasen
(4 vom Schienbein, Abb. 35, 1 von der Speiche, 1 vom Ellbogenbein).
Abgesehen von der grossen Bedeutung, die diese Bestimmungen haben
durch die Aufklärungen, die sie über die Haustiere der Bevölkerung
geben, sind sie von Interesse bei einem Vergleich mit den Beobachtungen,
die man in Dänemark über die Knochenpfriemen der Steinzeit gemacht
hat 3 ).
Es hat sich dort gezeigt, dass diese in der älteren (nordischen) Stein¬
zeit in überwiegendem Masse aus dem Kahnbein des Rehes angefertigt
worden sind, und zwar in der Weise, dass das untere Ende des Knochens
entfernt wurde, während das obere erhalten blieb, um als Kopf zu
dienen. In der jüngeren Steinzeit dagegen hat man in gleich über-
‘) Qunnar ANDERSSON, Studier öfver Finlands torfmossar och fossila kvar-
färflora, Bulletin de la comm. gdol. de Finlande, Nr. 8, S. 142. — Rutger SERNANDER,
Einige Vertebratenfunde aus schwedischen Torfmooren, Bulletin of the Geol. Inst, of
Upsala, Nr. 10, Bd. V, Teil 2, 1903, S. 232 f.
*) Die zoologische Bestimmung dieser und der folgenden Altertümer ist gütig
ausgeführt von Kandidat L. HEDELL, Uppsala.
3 ) A. P. MADSEN, Sophus MÜLLER u. a., Affaldsdynger fra Stenalderen
i Danmark, Kopenhagen 1900, S. 60 ff. und 140 ff. — Aarböger f. nord. Oldkyndig-
hed 1888, S. 262 ff„ und 1903, S. 236 ff.
M annus- Bd. II. ®
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130
O. Frödin.
[22
wiegendem Masse das Kahnbein des Schafes benutzt, aber man hat
dabei den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, indem man das obere
Ende entfernte und das untere behielt, dessen beide Gelenkrollen einen
vorzüglichen Kopf für die beiden Pfriemen bildeten, die man dadurch
erhielt, dass man den Knochen der Länge nach in zwei Hälften spaltete.
Was nun die Pfriemen des Alvastrafundes betrifft, so sind auch
diese öfter aus den Knochen von Haustieren, als denen wilder Tiere
33 34 35 36 37 38 39 40 41
‘ Abb. 33—41. Knochenpfriemen. Alvastre.
angefertigt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die Ziege hier eine
grössere Rolle als in Dänemark gespielt zu haben scheint l ). Aber der
für die jüngere Steinzeit typische Knochenpfriem ist bei Alvastra nur in
sechs Exemplaren vorhanden (Abb. 39); die übrigen sind mehr oder minder
abweichend, ln einem Falle ist der Knochen nicht in der oben an¬
gegebenen Weise der Länge nach geteilt, sondern die beiden Gelenkrollen
bilden den Kopf des Pfriemens (Abb. 38); in einem anderen Falle besteht
dieser aus dem oberen Ende des Knochens (Abb. 40), also ein für
die ältere Steinzeit charakteristischer Zug, der jedoch auch einige Male
auf den Wohnplätzen der jüngeren Steinzeit in Dänemark beobachtet
ist*). Ferner hat man in drei Fällen das Schienbein des Schafes oder der
l ) Vergl. Aarböger 1888, S. 264.
*) Affaldsdynger, S. 168.
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PRtNCETON UNIVERS1TY“
r *^ schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
131
Ziege benutzt (/r® c 33, 36, 37), einen in der jüngeren Steinzeit in Däne¬
mark zu diesem*wWeck höchst selten angewandten Knochen (nur zwei
Beispiele dürften davon bekannt sein) l ). Von ihnen ist der Pfriemen
Abb. 33 durch den Einschnitt bemerkenswert, mit dem er versehen
ist, offenbar, damit er hierdurch sicherer geführt würde; bei dem Ein¬
schnitt mit dem äussersten Glied des Zeigefingers gefasst liegt er besonders
fest in der Hand. Schliesslich sind sechs Pfriemen aus Knochen des Hasen
verfertigt, davon in vier Fällen wiederum aus dem Schienbein (Abb. 35);
nach der mir zugänglichen Literatur zu urteilen, dürfte dies das erste
Mal sein, dass man beobachtet, dass der Hase Material für steinzeitliche
Pfriemen geliefert hat.
Meissei sind in fünf Exemplaren angetroffen worden (Abb. 42),
davon vier aus Knochen (in zwei Fällen dem Kahnbein vom Edelhirsch);
Ger&t aus Hirschhorn.
Aivastra.
Abb. 43. Meissei aus Hirschhorn. Abb. 44.
Aivastra. '/«•
Abb. 42. Knochenmeissei.
Aivastra. '/*•
der fünfte ist ein vorzüglich schöner und wohlerhaltener Meissei aus
Hirschhorn (Abb. 43).
Ein anderes Gerät aus Hirschhorn (Abb. 44) besteht aus
einer abgebrochenen oder vielleicht eher abgehauenen Hornspitze, die
sehr an einen Schlagstock (s. S. 146 f.) erinnert, aber die für dieses Werk¬
zeug charakteristische abgeschnittene Spitze nicht besitzt. Statt dessen
‘) Affaldsdynger, S. 153 f.
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PRINCETON UN1VERSITY
132
O. Frödin.
[24
ist sie von der Spitze an ein gut Stück aufwärts inutzt^em Masse ver¬
schlissen und ausserdem am dicken Ende an der Stkim, wo die Hand
sie umfasst hat, blankgeschliffen; nach allem zu urteilen, ist sie viel in
Gebrauch gewesen, vielleicht als Saumglätter oder bei der Anfertigung
von Tongefässen (auch in solchem Falle als „Glätter").
Einige weitere Knochen- und Hornfragmente weisen Spuren von
Bearbeitung auf; über ihre Bestimmung kann jedoch für jetzt nichts
gesagt werden.
Auch Schmuckstücke kommen in mehreren Arten vor. Die
gewöhnlichsten scheinen aus Zähnen gearbeitete Anhänger ge¬
wesen zu sein, die in einer Anzahl von 11 Stück gefunden sipd, von
Alvastra. */». Lundby, • Luttra Knaggegärden, Abb. 48- 50. Anhänger aus
Westergötland. */•• Westergötland. •/*. Zähnen gearbeitet. Alvastra.
denen acht aus Vorderzähnen des Schweines (vermutlich Wildschwein,
Abb. 48) gefertigt sind, einer aus einem Stück eines Backenzahnes
gleichfalls vom Schwein, sowie zwei aus Vorderzähnen des Elches (Abb.
49u.50). Sie sind also zu gleicher Zeit als Jagdtrophäen getragen worden.
Alle sind mit einer rings um das Wurzelende eingeschnittenen Furche
versehen, ein selten beobachtetes Verfahren (Gullrum l ); Stora Förvar
auf Stora Karlsö, Äloppe 2 ), Ertebölle *)) im Vergleich mit dem in der
Steinzeit gewöhnlichen, nämlich der Durchbohrung des Wurzelendes.
Als Perle ist sicherlich auch der abgenutzte, an beiden Enden ab-
geschnittene Röhrenknochen (Abb. 45) verwandt worden. Solche sind
bisher angetroffen worden bei Hemmor und Gullrum auf Gotland (auf
beiden Stellen in 2 Ex.), in der Karlsögrotte (1 Ex.), in dem vorher
’) Hans HANSSON, En sten&ldersboplats
foreningens Tidskrift, X, S. 13.
*) ALMGREN, a. a. O., S. 111.
s ) Affaldsdynger, S. 70.
25]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
133
erwähnten Ganggrab bei Lundby, Kirchspiel Lundby, Westergötland
(1 Ex., Abb. 46; St. H. M. 7 494 B), in einem Ganggrab bei Luttra
Knaggegärden, Kirchspiel Luttra, Westergötland (1 Ex., verziert: Abb. 47;
St. H. M. 3165) 1 ) sowie auf dem Wohnplatz beim Ausfluss des Ring¬
sees, Schonen (1 Ex.) 2 ). In Norwegen ist der Typus nur einmal ge¬
funden worden, in dem der älteren (nordischen) Steinzeit angehören¬
den „Kjöckenmödding“ bei Viste auf Jäderen 3 ), in Dänemark dagegen
in mehreren Fällen 4 ), und weiter nach Süden ist er gleichfalls bekannt,
z. B. aus mitteleuropäischen Pfahlbauten 5 ). Fast ohne Ausnahme gehört
er also der jüngeren Steinzeit an 6 ), und unmöglich ist es nicht, dass er
— wenigstens in Dänemark und Südschweden — als eine in Knochen
ausgeführte Nachbildung der röhrenförmigen
Bernsteinperlen (MÜLLER, Ordning 254)
zu betrachten ist, insofern etwas vollkommen
analoges mit der kleinen in einem Ganggrab
bei Frugärden nahe Falköpinggefundenen Perle
aus Knochen, die als Vorbild eine Bernstein¬
perle in Form einer doppelschneidigen Axt
gehabt hat 7 ). Ein Beispiel für dasselbe
Verfahren — nämlich ein kostbares Material
durch ein minder schwer erreichbares zu Abb. 51. Bernsteinperle. Alvastra. */»•
ersetzen — bieten übrigens die nicht unge¬
wöhnlichen, in Knochen ausgeführten Imitationen von Zähnen, die als
Anhänger getragen wurden 7 ).
Besonders merkwürdig ist der Fund einer Bernsteinperle in
Form einer doppelschneidigen Axt 8 ), die in Abb. 51 wiedergegeben ist.
l ) Antiqvarisk Tidskrift f. Sverige, I, S. 263.
C. D. REVENTLOW, Ringsjöfynden, Ymer 1905, S. 158.
3 ) A. W. BRÖGGER, Vistefundet, Stavanger 1908, S. 61.
4 ) A. P. MADSEN, Gravhöje og Gravfund fra Stenalderen i Danmark, Det
östl. Danmark, Kopenhagen 1896, Taf. 21, Abb. k (Ganggrab, Aarby, Seeland) und
Taf. 27, Abb. n (Ganggrab, Bidstrup, Seeland). — Afbildninger af danske Oldsager
og Mindesmaerker, Steenalderen, Kopenhagen 1868, Taf. 16, Abb. 8 (Ganggrab, Stege,
Möen) und Taf. 17, Abb. 12, verziert (Ganggrab, Borreby, Seeland; vergl. den in
demselben Grabe gefundenen Gegenstand aus Knochen, Abb. 11, mit den beiden
zylindrischen Knochenstücken aus dem Ganggrabe bei Mysinge auf Öland, T. J. ARNE,
Sten&ldersundersökningar, II, Fornvännen 1909, S. 94). — MÜLLER, Ordning 249.
6 ) FORRER, a. a. O., S. 196, Abb. 130 u. 131.
®) Vergl. hiermit die im Magiemoor angetroffenen Hornstücke (Georg F. L.
SARAUW, En Stenalders Boplads i Magiemose ved Mullerup, Aarböger 1903, S.269f.).
7 ) MONTEL1US, a. a. O., S. 22. — Vergl. hiermit das bei A-loppe gefundene
axtförmige Schmuckstück aus Ton (Almgren, a. a. O., S. 111).
8 ) Wegen der symbolischen Bedeutung der Form verweise ich auf MONTEL1US,
a. a. O., S. 55 f., und Sophus MÜLLER, Nord. Altertumskunde, I, S. 152.
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134
0. Frödin.
[26
Das schöne, vorzüglich erhaltene Stück ist bereits in der Steinzeit am
Loch entzwei gebrochen, aber durch das Bohren je eines neuen Loches
in jedem der beiden Stücke hat man die beiden Hälften wieder zu¬
sammenbinden und so den sicherlich hoch geschätzten Schmuck von
neuem verwendbar machen können. Dies ist das erste Mal, wo ein
Gegenstand aus Bernstein auf einem Wohnplatz aus der Steinzeit in
Schweden angetroffen worden ist, und gleichfalls der erste Bemstein-
fund aus der Steinzeit in Östergötland. Überhaupt sind solche Funde
sehr selten im östlichen Schweden; es sind nur zwei bisher gemacht
worden. Der eine besteht aus einer runden, ganz dicken, in der Mitte durch¬
bohrten Scheibe, gefunden bei Sundsholm, Kirchspiel Gladhammar, SW von
Westervik (St. H. M. 12558), der andere aus einer Anzahl Perlen aus dem
oben genannten Ganggrab bei Mysinge im Kirchspiel Resmo auf Öland 1 ).
Im westlichen Schweden dagegen hat man öfter Perlen aus diesem
Material gefunden, und besonders haben die Steinzeitgräber Westergöt-
lands eine grosse Anzahl geliefert. Bei diesem Verhältnis kann man
mit der grössten Gewissheit annehmen, dass die Verbindungen, die die
hier vorliegende Perle von Dänemark, dem Heimatland des Rohstoffes,
nach Östergötland geführt haben, nicht längs den Küsten von Blekinge
und Smaland, sondern über Westergötland gegangen sind 2 ). Es muss
im Auge behalten werden, dass Alvastra nur sieben Meilen von Schwedens
grösstem Bernsteinzentrum, Falbygden, abliegt.
In seiner Art einzig dastehend ist der Holzhaken Abb. 52, das
erste Holzgerät aus der Steinzeit Schwedens, das bei einer wissen¬
schaftlichen Untersuchung angetroffen worden ist 8 ). Der kleine Haken,
der besonders gut geschnitten und glatt geputzt ist, ist oben abgebrochen,
und auch an der Aussenseite, etwas über dem Anfang der Umbiegung,
kann man eine Bruchfläche beobachten, die möglicherweise darauf hin¬
deutet, dass der Haken ursprünglich ein Doppelhaken gewesen ist. Aus
den Pfahlbauten der Alpengegenden kennt man gleichfalls Haken aus Holz.
Dass nicht mehr Holzgeräte angetroffen worden sind, beruht ohne
Zweifel darauf, dass die Untersuchung bis jetzt nur die auf dem
Boden liegende Kulturschicht umfasst hat, und dass die in dieser etwa
befindlichen Holzsachen bereits in der Zeit, da das Haus bewohnt war,
schnell vermorscht und nachher durch das ständige Darauftreten, dem
sie ausgesetzt waren, Zermalmt worden sind. Dass es sich wirklich so ver¬
halten hat, wird überdies durch die Fundstelle des Holzhakens be-
! ) ARNE, a. a. O., S. 93 f.
2 ) Mit vollem Recht hat A. W. BRÖQQER („Den arktiske stenalder i Norge*,
Christiania 1909, S. 205 f.) es für wahrscheinlich gehalten, dass diese Verbindungen
unmittelbar von Jütland über das Kattegatt bis zur Mündung der Götaelf gegangen sind.
•) Er wurde von Dr. O. ALMGREN bei einem Besuch des Platzes gefunden.
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27]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
135
stätigt, da dieser zwischen zwei Bodenbalken gefunden wurde, wo er
natürlich wohl geschützt gelegen hat. Unter dem Boden, sowie im
Moder ausserhalb des Hauses sind ganz gewiss noch ein ganz Teil
Sachen sowohl aus Holz als aus anderem noch empfindlicheren Material
zu finden.
Auch die Keramik ist aus denselben Ursachen, die eben berührt
sind, sehr schlecht vertreten. Allerdings sind die Bruchstücke von Ton-
gefässen recht zahlreich, aber in den meisten Fällen ganz klein — so
unbedeutend, dass sie keine Andeutung über die Form des Gefässes
geben —, und ausserdem mehr oder minder von der Feuchtigkeit der
Abb. 52. Haken aus Holz. 5} 54
Alvastra. '/•- Abb. 53 und 54. TongefÄsscherben. Alvastra. •/*.
Torferde aufgelöst. Aus diesem Grunde ist die Masse dem Aussehen
nach schlechter gebrannt, gröber und mehr mit Sand gemischt, als sie
sicherlich ursprünglich gewesen ist. Wenn Verzierung vorkommt, besteht
sie gewöhnlich aus grösseren oder kleineren Grübchen, rund oder un¬
regelmässig, in einem Falle vereinigt mit wagerechten Zickzacklinien
(Abb. 53). Eine andere Scherbe ist mit ähnlichen Zickzacklinien
in senkrechter Stellung verziert (Abb. 54). Auf diesen beiden Scherben
ist ausserdem die Oberseite der Kante mit Strichen verziert. Ich
komme unten auf die Keramik zurück.
Eine sowohl in der Steinzeit als noch weit später gewöhnliche
Art, sich Feuer zu verschaffen, bestand darin, dass man Feuerstein
gegen Schwefelkies schlug, wobei der auf solche Weise erhaltene Funke
in Berührung mit Zunder gebracht wurde. Durch SARAUW’s Unter¬
suchung l ) wissen wir, wie im südlichen Skandinavien und ebenso in
den Ländern im Süden und Westen schon in der jüngeren Steinzeit die
hierzu verwendeten Feuersteinstücke eine diesem Zweck besser angepasste
Form erhielten; man benutzte vorzugsweise einen — ziemlich dicken —
*) Georg F. L. SARAUW, Le feu et son emploi dans le Nord de l’Europe
aux temps prdhistoriques et protohistoriques, Annales du XX. Congrfes archäologique
et historique de Belgique (Gent 1907) I, S. 196 ff.
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PR1NCETON UNIVERSITY
136
O. Frödin.
[28
Feuersteinspan, der durch Retuschierung längs der Kanten geebnet
wurde, um bequemer in der Hand gehalten werden zu können. Die
abgerundeten Enden wurden durch den Gebrauch mehr
oder minder abgenutzt, bisweilen überall blank ge¬
schliffen. Diese Feuerschlagsteine sind vor kurzem auch
in Norwegen *) nachgewiesen worden, und im südlichen
Schweden sind sie ebenfalls, sowohl in Gräbern wie auf
Wohnplätzen, angetroffen worden. So z. B. ist der auf
Abb. 55 abgebildete in einer Steinkiste bei Ökull,
Kirchspiel Lundby, . Westergötland gefunden worden
(St. H. M. 6163).
Was den Schwefelkies betrifft, so erfordert er zu
seiner Erhaltung sehr günstige Verhältnisse, aber dessen
ungeachtet ist er gleichfalls einige Male angetroffen
worden, z. B. auf dem Wohnplatz bei Gullrum*) und
in einer Steinkiste im Kirchspiel Söndrum, Halland 3 ).
Bei Alvastra hat man dieselbe Methode ange-
f euerschiagstein aus wandt, um Feuer zu schlagen, doch etwas verändert
Feuerstein, ökull, #
Westergötland. >/i. mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse. Der Feuer¬
stein war ja hier eine kostbare Ware, die sich auf
den Bahnen des Handels hier herauf ihren Weg suchte, und die man
daher für solche Geräte Vorbehalten musste, die mit grösserem Recht
Anspruch auf ein derartiges erstklassiges Material machen konnten. Das
Feuerzeug dagegen war damals wie in unseren Tagen ein für das täg¬
liche Leben notwendiger Artikel, der vor allem leicht zu beschaffen sein
musste. Da galt es also den Feuerstein durch ein anderes Material
zu ersetzen, das sich in der Gegend vorfand und in möglichst hohem
Grade dieselben Eigenschaften besass, durch eine Steinart mithin, die
nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung am meisten mit dem
Feuerstein übereinstimmte. Und einen solchen Stoff erhielt man in
dem Quarzit 4 ). Dieser stand zur Verfügung z. B. auf der aus Kies und
Sand bestehenden Anhöhe einige 100 m westwärts oder weiter unten am
Strand des Wetternsees, an beiden Stellen in Form von rund geschliffenen
Kieseln. Durch einfaches Zuhauen gab man .diesen Kieselsteinen,eine
ihrem Gebrauchszweck mehr angepasste und handlichere Form. Sie sind
gewöhnlich länglich und laufen dann sehr oft in eine Spitze aus — der
*) Haakon SCHETELIG, Pierres ä Feu Ndolithiques de la Norvege, Bergens
Museums Aarbog 1908, Nr. 9.
*) HANSSON, a. a. O., S. 14.
3 ) T. J. ARNE, Stenäldersundersökningar, Fornvännen 1907, S. 144.
4 ) An Stelle des Quarzit hat man in einzelnen Fällen den Bergfeldkiesel
(nach d. Gutachten von Dr. A. GAVELIN), Quarz und Porphyr angewandt.
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PRINCETON UNIVERS1
29]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
137
ohne Vergleich gewöhnlichste Typus (Abb. 57) — einige Male in zwei
Spitzen; seltener sind sie dreieckig mit drei Spitzen (Abb. 56).
Oft ist die ursprüngliche, vom Wasser glatt geschliffene Oberfläche des
Steines nicht gänzlich entfernt (Abb. 56). Wie bei den zum Feuer-
56 57
Abb. 56 und 57. Feuerschlagsteine aus Quarzit. Alvastra. */»•
schlagen benutzten Feuersteinen sind auch bei diesen Steinen die
Spitzen durch den Gebrauch mehr oder minder abgerundet und ab¬
genutzt. Diese — übrigens früher nicht beobachtete — Art von Alter¬
tümern liegt, die Bruchstücke eingerechnet, in der bedeutenden Anzahl
von etwa 150 Exemplaren vor.
Dass diese Steine wirklich zu dem eben genannten Zweck gedient
haben, darüber dürfte nicht der mindeste Zweifel herrschen. Schon
im Anfang der Untersuchung setzte es mich in Erstaunen, dass sie in
Abb. 58. Abb. 59.
Schwefelkieskugel. Alvastra. */». Zunderschwamm. Alvastra. i/s.
einer die übrigen Sachen so übersteigenden Anzahl auftraten, ein Um¬
stand, der an und für sich vermuten Hess, dass hier ein auf den täglichen
Lebensbedarf bezügliches Gerät vorlag. Deswegen, und da andere zum
Feuerschlagen geeignete Geräte nicht vorkamen, lag es nahe, in ihnen
Steine zum Feuerschlagen zu sehen, um so mehr als ein paar Stücke
Schwefelkies bald darauf angetroffen wurden. Die Bestätigung fand
sich schliesslich, als ein solcher Stein und ein Stück Schwefelkies zu-
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PRINCETON UNIVERS1TY
138
O. Frödin.
[30
sammenliegend, dicht bei einander, gefunden wurden; später wurde
noch ein Feuerschlagstein Kante an Kante mit einem Stück Schwefel¬
kies liegend angetroffen.
Solche Stücke Schwefelkies liegen in zehn Exemplaren vor und
bestehen aus runden Kugeln (Abb. 58) oder Bruchstücken davon. Als
Folge der Stösse gegen den Stein sind die Kristalle an der Oberfläche
mehr oder minder zerquetscht.
Wie oben erwähnt, wurde der Funken mittels Zunder aufgefangen.
Auch solcher ist angetroffen. Das auf Abb. 59 wiedergegebene Stück
besteht nämlich — nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. LAGERHEIM —
aus echtem Zunderschwamm (Polyporus fomentarius (L)
Fr.). Nach dem glatten Aussehen der Bruchfläche zu urteilen, hat man
mit einem schneidenden Gerät — also absichtlich — den Schwamm
von dem Baumstamm, auf dem er gewachsen ist, gelöst; dass er zu¬
fällig in die Kulturschicht sollte gekommen sein, dürfte aus diesem
Grunde als ausgeschlossen anzusehen sein. Es muss hinzugefügt werden,
dass er gefunden wurde zwischen dem oben erwähnten Sitzplatz und
dem diesem zunächst gelegenen Herde, in einem Abstand von 0,5 m
von dem ersteren und umgeben von etwa 20 Feuerschlagsteinen, von
denen 10 in ungefähr derselben Tiefe in der Kulturschicht lagen.
ln Schweden ist der Feuerschwamm nur ein Mal früher auf einem
steinzeitlichen Wohnplatz beobachtet worden; SERNANDER erwähnt
nämlich ein Bruchstück von Polyporus cfr. igniarius Fr. vom Wohn¬
platz im Bare Moor, Kirchspiel Svalöf, Schonen 1 ), ln Dänemark ist er
an zwei Orten gefunden (der eine ist das Magiemoor), auch hier ist es
Polyporus igniarius*). Aus Deutschland kennt man ihn gleichfalls
und noch mehr von den mitteleuropäischen Pfahlbauten (Polyporus
igniarius in allen Fällen, wo die Art angegeben ist 3 ). Es verdient
Beachtung, dass die bei Alvastra gefundene Art der echte Zunder¬
schwamm ist, der den besten Zunder liefert.
* *
»
*) Geol. Föreningens Förhandlingar, Bd. 30 (1908), S. 391.
*) SAR AUW, Aarböger 1903, S. 193 f.
s ) Oswald HEER, Die Pflanzen der Pfahlbauten, Zürich 1865, S. 42 (Sonder¬
druck aus dem Neujahrsblatt der Naturforsch. Gesellschaft auf das Jahr 1866). —
Dozent Dr. Th. WULFF hat eben hervorgehoben, dass „HEER von den schweize¬
rischen und norditalischen Pfahlbauten angibt, dass er fast regelmässig Zunder¬
schwamm angetroffen habe, doch nach HEER’s Schilderung einer anderen, schlech¬
teren Art (Polyporus igniarius), soweit man sich auf HEER’s Bestimmung ver¬
lassen kann. Ausserdem hat HEER in einigen Pfahlbauten einen anderen Schwamm
angetroffen, Daedalea quercina, der ebenfalls in Schweden vorkommt, aber
einen weit schlechteren Zunder liefert, als die beiden genannten Polyporus - Arten".
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PRINCETON UNfVE
31]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
139
Das in der Kulturschicht angetroffene, bedeutende Knochen-
material ist vorläufig von Dozent Dr. A. PIRA untersucht worden,
der hierüber folgendes gütigst mitteilt:
„Die Knochensammlung besteht aus Bruchstücken von Skelett¬
resten, zum grössten Teil nur aus Knochensplittern; ganze, lange
Knochen von Extremitäten kommen im Funde fast gar nicht vor, sondern
diese sind entweder zermalmt oder abgeschlagen; ein Teil ist der Länge
nach gespalten. Ebenso sind die Schädel zersplittert, so dass sich in
dem Funde einzelne Zähne in ziemlicher Menge vorfinden, während
nur eine sehr geringe Anzahl Zahnreihen Vorkommen. Manche von
den Knochenstücken weisen Spuren von Feuer auf, einige auch Merk¬
male von scharfen Instrumenten.
Folgende Säugetiere finden sich in dem Funde vertreten:
Schwein, zahlreich. Ein grosser Teil der Knochenstücke vom
Schwein deutet auf grosse, kräftige Tiere hin, besonders einige hintere
Backzähne sowie Eckzähne von Ebern, die dieselben Grössen zeigen
wie die entsprechenden Teile bei den Schädeln des Wildschweins aus
den Torfmooren Schonens; diese Bruchstücke dürften sich vom Wild¬
schwein herleiten. Andererseits finden sich in der Knochensammlung
Zähne von kleineren Grössenverhältnissen, die sehr wohl von der
kleinen zahmen Schweinerasse stammen können, die sich in den
oberen Lagern in der Grotte von Stora Karlsö und später in Funden
weitab gegen das 17. Jahrhundert vorfindet 1 ).
Doch will ich betreffs dieser Zähne darauf aufmerksam machen,
dass sie nicht so beschaffen sind, dass sie den vollen Beweis für die
Anwesenheit des zahmen Schweines im Alvastrafunde liefern, obwohl
sie mir dafür zu sprechen scheinen.
Rind, zahlreich. Ein Teil der Skelettreste und Zähne vom Rind
scheinen von grossen Tieren herzustammen, aber andererseits deutet
manches darauf hin, dass sich kleineres Rindvieh bei dem Wohnplatz
vorgefunden hat, so besonders eine Zahnreihe in dem Viereck H8b, be¬
stehend aus den fünf hintersten Backzähnen im Oberkiefer, die hier
zusammen 98 mm in der Länge messen, während das entsprechende
Mass bei einem grossen Kuhschädel 115 mm ist. Die grossen massiven
Skelettreste aus einer so entfernten Zeit legen den Gedanken an den
einst in Schweden wild lebenden Urstier (Bos primigenius) nahe,
besonders wenn man bedenkt, dass, falls das Steinzeitvolk bei Alvastra
zahmes Rindvieh gehabt hat, dieses von kleinem Wuchs gewesen sein
müsste, entsprechend dem Verhalten der primitiven Rindviehrassen im
‘) PIRA, Studien zur Gesdhichte der Schweinerassen, insbesondere derjenigen
Schwedens, S. 371 ff. (Zoologische Jahrbücher, Suppl. X, Heft 2, 1909.)
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
140
O. Frödin.
[32
allgemeinen. Nun kann man zugeben, dass sich ja auch Andeutungen
von kleineren Tieren vorfinden, aber was das obengenannte Kieferbruch¬
stück von H8b betrifft, so muss von ihm bemerkt werden, dass die
hochgradige Abnutzung der Zähne beweist, dass es von einem sehr
alten Tier herrührt, ein Umstand, der nach RÜTIMEYER und anderen,
die sich mit Untersuchungen von Skelettresten aus Wohnplätzen be¬
schäftigt haben, dafür spricht, dass hier das Überbleibsel eines wilden
Tieres vorliegen kann. Einen direkten Ausspruch darüber, inwie¬
weit das Rindvieh bei Alvastra wild oder zahm gewesen ist,
traue ich mir jedoch nicht zu tun; die Möglichkeit wird ja stets
vorhanden sein, dass sich im Funde Überbleibsel von zahmen
wie wilden Tieren finden.
Schaf oder Ziege. Bruchstücke von diesen Tieren sind sehr dürftig
und bestehen nur in einem Backzahn vom Oberkiefer, einem Backzahn
vom Unterkiefer sowie einem Bruchstück vom Unterkiefer mit allen sechs
Backzähnen. (S. unten.)
Elch. Zähne.
Edelhirsch. Bruchstücke vom Mittelfussknochen.
Reh. Ein Unterkieferstück mit den fünf vordersten Backzähnen
sowie der untere Teil eines Mittelfussknochens.
Marder. Zwei Unterkieferstücke.
Dachs. Ziemlich zahlreich.
Canis, Zwei Mittelfussknochen und ein Zehenglied entsprechen
ihrer Grösse nach denselben Teilen beim Wolf, wogegen zwei Eckzähne
vom Oberkiefer von einem mittelgrossen Hund herzurühren scheinen.
Bär. Der horizontale Teil einer linken Unterkieferhälfte; alle Zähne
ausser dem nächst vordersten Backzahn sind ausgefallen“.
Bei der Untersuchung der Knochenwerkzeuge hat es sich, wie oben
ausgeführt ist, gezeigt, dass sowohl das Schaf als auch die Ziege
sowie ausserdem der Hase Vorkommen 1 ).
Auch einige Fischknochen liegen vor, darunter, nach der Be¬
stimmung von Kandidat HEDELL, Knochen vom Hecht. Aus der
geringen Anzahl geht hervor, dass der Fisch eine höchst unbedeutende
Rolle im Haushalt gespielt hat, eine Erscheinung, die — im Verein
*) Zusammen mit den Tierknochen wurden im nördlichsten Teil des Schachtes
einige zerstreute Menschenknochen angetroffen, nämlich (nach PIRA): ein oben ab¬
gebrochener Oberarmknochen und ein unten abgebrochener Ellbogenknochen, beide
von der rechten Seite und wahrscheinlich von demselben Individuum, ein Bruchstück
vom Wadenbein, sowie ein Sprungbein; die langen Knochen sind abgebrochen,
aber nicht der Länge nach gespalten. Irgend ein Anlass für die Annahme, dass
diese Knochen von etwas anderem, als von zerstörten Gräbern herrühren, lässt sich
bis jetzt nicht finden.
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33]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
141
mit der Abwesenheit von Angelhaken — in ihrer Weise bestätigt, was
die geologische Untersuchung bereits nachgewiesen hat, nämlich dass
der Wohnplatz weit ab vom offenen Wasser gelegen war.
Durch ältere Funde wissen wir, dass unsere gewöhnlichen Haus¬
tiere im südlichen Schweden sich bereits in der jüngeren Steinzeit vor¬
fanden. Es ist daher nicht überraschend, dass in der Fauna von Alvastra
Schaf und Ziege, Schwein (wahrscheinlich), Rind (möglicherweise)
und Hund (mutmasslich) Vorkommen. Was den letztgenannten be¬
trifft, so werden die fortgesetzten Untersuchungen sicherlich endgültig
auch die Anwesenheit dieses ältesten Haustieres des Menschen fest¬
stellen; jedenfalls scheint der Hund eine vergleichsweise untergeordnete
Rolle gespielt zu haben, zumal da solche Merkmale, deren Ursprung
im Nagen des Hundes gesucht werden kann, selten an den Tierknochen
Vorkommen.
* *
*
Das Steinzeitvolk bei Alvastra hat nicht nur von Fleisch, sondern
auch von Pflanzenkost gelebt. Bereits im vorhergehenden ist in anderem
Zusammenhang dargestellt, dass Haselnüsse offenbar eine sehr be¬
liebte Speise ausgemacht haben.
Man hat ausserdem Ackerbau getrieben. An einigen Stellen in
der Kulturschicht, in der Nähe von ein paar Herden, aber auch
zwischen den Kulturresten unter dem Boden am südlichen Ende des
Schachtes *), wurde nämlich ein Teil verkohlter Getreidekörner (Abb.60)
angetroffen, die ich den grossen Vorzug hatte, Professor Dr. N. Hj. N1LS-
SON zu Swalöf zur Untersuchung übergeben zu können. Es hat sich
dabei gezeigt, dass es Körner der sechszeiligen Gerste sind und
„mehr als wahrscheinlich von Hordeum hexastichum*; eigentümlich
ist, dass die Acheln fast vollständig verloren gegangen sind, „während“,
wie Professor N1LSSON schreibt, „der Kern selbst mit seinem dünn¬
wandigen und mit Stärke gefüllten Parenchym so er¬
staunlich gut erhalten ist. Ich habe z. B. darin deut¬
lich sowohl die Membranen als auch einzelne erkenn¬
bare Stärkekörner gesehen. Doch ist anzunehmen,
dass die Körner auf dem Fundplatz noch von den GerstMHoideum
Schalen umschlossen gewesen sind, obwohl diese bei he *AiJls££ um) '
der Verkohlung sich losgelöst haben und wegen ihrer Doppc,tc nat Gr *
Dünnheit zerfallen sind. Dies wird sich bei der Fortsetzung der Gra¬
bungen wohl feststellen lassen.“
Durch einige im südlichen Skandinavien gemachte Funde wissen
*) Die hier gefundenen Körner wurden bei Bohrungen angetroffen (s. S. 116).
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PRINCETON UNIVERS1TY
142
O. Frödin.
[34
wir, dass man in der jüngeren Steinzeit Ackerbau hier getrieben
und dabei Weizen und Gerste angebaut hat 1 ); die Alvastraunter-
suchung hat nun den ersten unmittelbaren Beweis geliefert, dass es —
wenigstens betreffs der letzteren Getreideart — auch in Östergötland der
Fall gewesen ist. Dass die Art gerade H. hexastichum ist, ist eine
besonders wichtige Tatsache, da diese vermutlich die älteste angebaute
ist. Sie wurde z. B. von dem Volke der Pfahlbauten Mitteleuropas
angebaut*). Sie befindet sich jetzt noch in Kultur z. B. in dem nörd¬
lichsten und innersten Lappland.
Wie ersichtlich, hat die Ausgrabung manche unerwartete Sachen
zutage gefördert. Am merkwürdigsten dürften doch die verkohlten
Äpfel sein, die an mehreren Stellen, teils im unteren Teil der Kultur¬
schicht, teils auf dem Boden selbst zwischen den Bodenbalken ange¬
troffen wuden. Dozent Dr. Th. WULFF, der sie einer eingehenden Unter¬
suchung unterworfen hat, hat hierüber folgendes Gutachten abgegeben:
»Das Material besteht aus verkohlten Stücken von Apfelfrüchten,
teils kleinere Bruchstücke, teils halbierte Früchte (Abb. 61). Sie sind
c
Abb. 61. Verkohlte Apfelstücke. Alvastra. '/«• Gezeithnet von Fräulein Rosenius.
a. Halbierter Apfel von dem grösseren Typus, b, c. Kleinere Apfelstüdce mit den Pergamentwänden
und den Samen der Kernhäuser in situ, d, e. Halbierte Apfel von dem kleineren Typus. Man be¬
achte die eingerollten Kanten der Apfel a, d, e, die andeuten, dass sie vor der Verkohlung an der Luft
gedörrt worden sind.
so gut erhalten, dass Fruchtschale, Fruchtfleisch, Kernhaus mit seinen
Pergamentwänden sowie der Same deutlich unterschieden werden können.
Die Samen scheinen voll entwickelt und die Früchte also in völlig reifem
Zustande eingesammelt worden zu sein. Stiele fehlen, aber Reste des
Kelches (die „Fliege“)' können in einigen Fällen beobachtet werden.
Man gewinnt durchaus die Auffassung, dass die Früchte mit Ab¬
sicht zerschnitten worden sind, wahrscheinlich um gedörrt zu werden und
*) Georg F. L. SARAUW, De aeldste Spor af Saedearternes Dyrkning i Sverige,
Förhandlingar vid det 15^« skandinav. naturforskaremötet i Stockholm 1898, S. 293 ff.
*) HEER, a. a. O. S. 12 ff. — Georg BUSCHAN, Vorgeschichtliche Botanik,
Breslau 1895, S. 38 ff.
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PRINCETON UNSVERS,
I
isynmj
35]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
143
als Wintervorrat zu dienen. In den meisten Fällen sind die Äpfel der
Länge nach geteilt worden, nur in ein oder zwei Fällen querüber.
Das Kernhaus ist niemals entfernt worden, sondern findet sich noch
bei allen Äpfeln vor. Man gewinnt die Auffassung, dass die Äpfel ge¬
dörrt worden sind, ehe sie verkohlten. An den am besten erhaltenen
Apfelstücken findet man nämlich deutliche Zeichen, dass das Fruchtfleisch
und die Schale vor der Verkohlung auf dieselbe Weise eingeschrumpft
sind, wie die Frucht beim Dörren an der Luft einschrumpft. Die
Frucht, die in frischem Zustande verkohlt ist, behält nach der Ver¬
kohlung eine glatte Schnittfläche und eine glatte Schale bei.
Alle hier soeben angeführten Beobachtungen sind fast Punkt für
Punkt dieselben, wie sie Oswald HEER*) als bezeichnende Merkmale
bei den Apfelfunden in den schweizerischen und norditalischen Pfahl¬
bauten gefunden hat.
Von den aus Alvastra zur Untersuchung mir übergebenen Apfel¬
stücken haben sieben eine zuverlässige Messung gestattet. Dabei sind
folgende Masse festgestellt worden:
Breite X Länge
1.
22
mm X 23
mm
2.
24
„ X 23
»
3.
22
. X 20
»
4.
24
. X 20
»
5.
24
. X 25
0
6.
32
» X 28
0
7.
34
„ X 30
0
Hieraus geht ja deutlich hervor, dass von den gemessenen Äpfeln
die fünf ersten (Nr. 1—5) einem kleineren Typus (Mitteldimen¬
sionen : 23,2 X 22,2 mm), die beiden letzten (Nr. 6 u. 7) dagegen einer
etwas grösseren Klasse (Mitteldimensionen: 33X29 mm) angehören.
Es ist dabei von einem gewissen Interesse, dass HEER 2 ) unter
den Äpfeln aus den von ihm untersuchten Pfahlbaufundorten gleichfalls
zwei Typen hat ausscheiden können (Abb. 62):
a) Den kleinen Holzapfel mit einer Länge von 15—24 mm
und einer Breite von 18—27 mm;
b) Den grösseren, runden Pfahlbauapfel mit einer Länge
von 29—32 mm und einer Breite bis zu 36 mm.
Von den Äpfeln aus Alvastra schliessen sich also Nr. 1—5 an den
kleineren Apfeltypus HEER’s an, während Nr. 6 und 7 deutlich inner¬
halb der Grenzen des grösseren Pfahlbauapfels HEER’s fallen.
') A. a. O., S. 24 f.
*) A a. O., S. 25.
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PRINCETON UNfVERSITY
144
O. Frödin.
[36
HEER hat in diesem grösseren Pfahlbauapfel, der in notorischen
Steinzeitschichten angetroffen ist, einen Beginn des Obstbaues sehen
wollen, weil dieser grössere Apfel grössere, fleischigere, mehr veredelte
l
3
5
6
w 10 ff?
9 10 11 12 b U a 15 a 16 b c 7
Abb. 62 FrQ^ te und Kerne in schweizerischen Pfahlbauten aus der Steinzeit gefunden.
(Nach Osw. HEER.)
1-4. Holzipfel: a, b. Kerne, c. Stiel. 5, 6. Kultivierte Apfel. 7. Holzbirne. 8a. Erdbeersame, vergrössert.
8b. Wasser-Ranunkel, vergrössert. 9. Same der Himbeere, viermal vergrössert. 10. Same der Brom¬
beere, vergrössert. 11. Kern der Weinbeere: a. b. nat. Gr., c. vergrössert. 12. Cornel (Cornus mas).
13. Felsenkirsche (Prunus mahaleb): a, b. von Castione bei Parma, c, d. von Robenhausen. 14. Ahl-
kirsche (Prunus Padus): a, b. mit rundem Stein von Robenhausen, c. mit l&ngllchem Stein von
Concise. 15. Schlehenstein (Prunus sp inosa). 16. Pflaumenstein (Prunus insititia): a. Bauch¬
seite, b. Breitseile, c. Rückenfurche. 17, 18. Kirschensteine (Prunus avium).
Früchte zeigt gegenüber denen, die für gewöhnlich den wilden Apfelbaum
kennzeichnen. Selbst wenn man vielleicht nicht voll berechtigt ist, von
dem Vorkommen dieses grösseren Apfeltypus auf einen primitiven,
neolithischen Obstbau zu schliessen, so ist es jedenfalls deutlich, dass
das Steinzeitvolk in der Schweiz sowohl wie bei Alvastra beim Ein¬
sammeln seiner Holzapfelvorräte die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen
verhältnismässig grossfrüchtiger Formen des wilden Apfelbaumes ge*-
richtet hat.
Sehr möglich ist es ja, dass das Steinzeitvolk in der Nähe seines
Wohnplatzes die mehr grossfrüchtigen Individuen des wilden Apfelbaumes,
die es auf seinen Fahrten in den Wäldern entdeckt, eingepflanzt hat.
Dadurch würde es ja um so bequemer, die Ernte für den Winterbedarf
einzusammeln. In solchem Falle würden wir es hier mit den ersten
Versuchen des Obstbaues in Schweden zu tun haben.
Aus Skandinavien ist, so viel ich weiss, dieser Fund von Apfel-
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PRINCETON UNIVERS1TY
37 ]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
145
früchten der erste in seiner Art*)• Dann kommt der Zeit nach ein Fund
von 3 Stück Holzäpfeln in einem Grabe aus der Bronzezeit in Däne¬
mark *). Diese Äpfel gehörten zu demselben Grössentypus wie HEER's
kleinerer Pfahlbauapfel.
Von vorgeschichtlichen Apfelfunden in Skandinavien haben wir dem¬
nächst die reichen Vorräte zu verzeichnen, die in dem norwegischen
Wikingerschiff von Oseberg angetroffen wurden 3 ). Diese norwegischen
Äpfel aus der Eisenzeit gehörten sämtlich unserem oben beschriebenen
kleineren Typus an und hatten im Durchschnitt eine Länge von 23 mm
gegen eine Breite von 20 mm". —
Dass Dozent WULFF also dartun kann, dass man die Äpfel für
den Winterbedarf eingesammelt und gedörrt hat, ist an und für sich
ein äusserst wichtiges Ergebnis seiner Untersuchung, die uns unerwartet
eine kleine Einzelheit aus der Haushaltung und dem täglichen Leben
des Steinzeitvolkes enthüllt.
Was dagegen die Frage betrifft, in wie weit die grössere Apfel¬
varietät als ein Kulturerzeugnis zu betrachten ist, will ich daran erinnern,
dass, seitdem HEER zuerst diese Ansicht ausgesprochen hat, sie auch
von anderen Fachmännern angenommen worden ist 4 ), worauf sie ganz
allgemein in den archäologischen Kreisen gutgeheissen wurde. Aus Dozent
WULFF’s Gutachten geht nun hervor, dass die Sache keineswegs un¬
bestreitbar ist; es ist also der Forschung der Zukunft Vorbehalten, diese
sowohl vom botanischen wie archäologischen Gesichtspunkt gleich wichtige
Frage ins reine zu bringen. Dagegen hält, wie es scheint, Dozent WULFF
die Möglichkeit keineswegs für ausgeschlossen, dass das Steinzeitvolk
in der Nähe seiner Wohnplätze verhältnismässig grossfrüchtige wilde
Apfelbäume eingepflanzt hat, in welchem Falle man also dennoch be¬
rechtigt sein würde, von einem Anfang des Obstbaues bereits in der Stein¬
zeit zu reden. Es kann da von archäologischer Seite hervorgehoben
werden, dass der höhere Kulturstandpunkt und die sesshaftere Lebensweise,
die ein wenn auch primitiver Obstbau voraussetzen muss z. B. im Ver¬
gleich mit dem Getreidebau, sowohl bei dem Pfahlbauvolk der Alpen
als bei den Bewohnern des Pfahlbaues bei Alvastra vorhanden war.
l ) REVENTLOW erwähnt (a. a. 0., S. 160) aus dem Wohnplatz beim Ausfluss
des Ringsees eine Gefässscherbe, an deren Innenseite „zwischen anderen Speise¬
resten eine Fruchtschale festsitzt, die einem Apfelkern angehört zu haben scheint*.
Die Bestimmung ist also unsicher. (FRÖDIN.)
*) Vilhelm BOYE, Fund af Egekister fra Bronzealderen i Danmark, Kopen¬
hagen 1896, Taf. 15, Abb. B2.
8 ) Jens HOLMBOE, Studier over norske planters historie, Nyt Magazin for
Naturvidenskaberne, Bd. 44 (Kristiania 1906), S. 35 f. Grosse Mengen Holzäpfel
wurden hier angetroffen „teils in einer Kiste bei dem Mast im Südende der Grab¬
kammer und teils in zwei Bütten in dem oben genannten Schlitten.“
4 ) Vergl. z. B. BUSCHAN, a. a. O., S. 169 ff.
Mmnus. Bd. I). 10
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PRINCETON UNIVERS1TY
146
0. Frödin.
[38
Ich habe schliesslich in grösster Kürze über die Funde zu be¬
richten, die auf dem Platze vor dem Anfang der Ausgrabungen gemacht
worden sind, weil sie unter anderem unsere Auffassung von der Aus¬
dehnung der Anlage vervollständigen.
Beim Reinigen des Grabens, der längs der nördlichen, kurzen Seite
des Schachtes hinläuft, sind in dessen Fortsetzung gegen Westen längs
einer Strecke von etwa 30 m folgende Gegenstände angetroffen worden:
Abb. 63. Doppelschneidige Schaftlochaxt. Abb. 64. Gerät aus Hirsch- Abb. 65. Schlagstock aus
Alvastra. 7*. horn. Alvastra. Hirschhorn. Alvastra. 1 $.
1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 63), sehr verwittert,
das Schaftloch nicht angefangen;
2 Beile aus Grünstein, sehr verwittert, das eine jedoch mit
deutlichen Schmalseiten;
1 „Schlagstock" aus Hirschhorn (Abb. 65);
1 Gerät aus Hirschhorn (Abb. 64), bestehend aus einer ab¬
geschnittenen Hornspitze, infolge des Gebrauchs überall glatt abgenutzt,
möglicherweise zu demselben Zweck bestimmt wie das Gerät Abb. 44;
Tongefässscherben, davon drei verziert, eine mit Zickzack¬
linien in senkrechter Stellung (vergl. Abb. 54), die beiden anderen mit
Eindrücken in Doppelstich (Abb. 66);
1 Bruchstück vom menschlichen Wadenbein;
Tie rkn oche^n.
Von Interesse ist es, hier den „Schlagstock" (MÜLLER, Ordning 40)
zu finden. Dieses Gerät, das zur feineren Bearbeitung des Feuer¬
steins benutzt wurde, liegt aus Schweden sonst nur aus Schonen vor 1 ).
’) Bror SCHNITTGER, Förhistoriska flintgrufvor och kulturlager viel Kvarnby
och S. Sallerup i Skj\ne, Antikvarisk Tidskrift, 19, S. 11 f.
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Gck >ale
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Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit,
Das bei Alvastra angetroffene Exemplar weist gerade das charakteristische
Merkmal seiner Anwendung auf, die kleine Absplitterung an der Innen¬
seite der Spitze.
An der Kante des Grabens habe ich ausserdem Spuren eines
menschlichen Skeletts aufgefunden, das, wenn die Ausgrabung
Abb. 67. Doppelschneidige Schaftlochaxt.
Alvastra. '/*.
Abb. 66. Tongefässcherbe.
Alvastra. •/*.
wieder beginnt, freigelegt werden wird. Dass hier ein mit dem Wohn
platz gleichzeitiges Grab vorliegt, ist keinem Zweifel unterworfen.
Abb. 70 u. 71. Knochenmeissei.
Alvastra. '/».
Abb. 68 u. 69. Schaber aus Feuerstein.
Alvastra. •/*.
In einem von dem Graben einige Meter gegen Süden gezogenen
Graben, etwa 10 m westlich von dem grossen Schacht, sind ein ganz
Teil Funde ans Licht gekommen:
Original frnm
PRINCETON UNIVERSITY
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148
0. Frödin.
[40
1 doppelschneidige Schaftlochaxt (Abb. 67), unvollendet,
das Schaftloch nicht angefangen;
8 Bruchstücke von geschliffenen Beilen oder Meissein aus
Feuerstein;
4 Spanschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in Abb. 68
wiedergegeben;
4 .Scheibenschaber aus Feuerstein, einer von ihnen in
Abb. 69 wiedergegeben;
1 unregelmässiger Schaber aus Feuerstein;
1 Spanpfeil mit Schaftzunge, das Zungenende, (Abb. 72),
vom Typus MÜLLER, Ordning 174;
etwa 30 Späne und Scherben aus Feuerstein;
2 Meissei aus Knochen (Abb. 70 u. 71), der eine (Abb. 70)
aus dem Kahnbein des Edelhirsches verfertigt;
8 Feuerschlagsteine aus Quarzit, ganz oder in Bruch¬
stücken ;
1 Stück Schwefelkies;
einige Tongefässscherben, davon eine mit senkrechten Zick¬
zacklinien im Verein mit runden Grübchen verziert, die Oberseite der
Mündungskante schräggestrichelt (Abb. 73);
A
Abb. 72.
Spanpfeil aus Feuerstein.
Alvastra. */*.
1 7ZZZ^
Abb. 73.
Tongef&sscherbe.
Alvastra. ■/«.
Abb. 74.
Doppelschneidige Schaftlochaxt.
Alvastra. */••
1 verkohlter Apfel von dem oben beschriebenen kleineren Typus;
Tierknochen, darunter vom Schwein, Rind, Edelhirsch,
Dachs und Canis (wahrscheinlich sowohl vom Wolf wie Hund).
Als der längs der südlichen, kurzen Seite des Schachtes sich hin¬
ziehende Drainierungsgraben aufgenommen wurde, traf man in einem
Abstand von etwa 7 m westlich vom Schacht auf folgende Gegenstände
(St. H. M. 13572) *):
*) Betreffs dieser und der folgenden Funde vergl. SCHNITTGER’s zuerst
angef. Arbeit, S. 34.
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PRINC ETON UN IVERSJfl^y^
41]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
149
1 sehr verwittertes Bruchstück einer doppelschneidigen Schaft¬
lochaxt (Abb. 74), das Schaftloch nicht angefangen.
1 kleines Bruchstück eines geschliffenen Beiles oder Meisseis
aus Feuerstein;
1 dicknackiges Beil aus Grünstein (Abb. 75), gut gearbeitet
und geschliffen, (in Privatbesitz);
1 Beil aus Grünstein mit Schmalseiten, verwittert, das Bahn¬
teil abgeschlagen;
1 Beil aus Quarzit, angefertigt aus einem zufälligen, von einem
Kiesel abgeschlagenen, grösseren Splitter, die Schneide geschliffen;
1 Spanschaber aus Feuerstein mit konvexer Schabeschneide
an dem einen Ende;
1 Feuerschlagstein aus Quarzit;
1 abgeschlagener Schleifstein aus Sandstein mit abge¬
schliffener Oberfläche auf zwei Seiten;
Steinabfall;
1 Schädel (die Kalotte) sowie 2 Zähne vom Menschen, der
Schädel dolichocephal, von einem vermutlich männlichen, etwa 40jähr.
Individuum *);
1 kleiner Eckzahn vom Schwein mit Spuren von Bearbeitung;
Knochen von Säugetieren;
Haselnussschalen.
Daneben hatte man Kohlen, mürbe gebrannte Steine und „Baum¬
stümpfe“ beobachtet; die letzteren sind offenbar Reste von einem
Hause, die ersteren ebenso wahrscheinlich die Überbleibsel eines
Herdes. Der Menschenschädel nebst den Zähnen deutet darauf hin,
dass auf dem Platze sich ausserdem ein Grab befindet.
Etwa 20 m weiter westwärts wurden beim Ziehen eines anderen
Drainierungsgrabens angetroffen:
1 dicknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 77), die Schmal¬
seiten ungeschliffen, (St. H. M. 13540);
1 dicknackiges Beil aus Feuerstein (Abb. 76), Querbeil,
die Schmalseiten ungeschliffen, (in Privatbesitz);
1 grosser Eckzahn vom Schwein (St. H. M. 13540).
Soweit es hat ermittelt werden können, sind alle jetzt erwähnten
Gegenstände ungefähr in der Grenzlinie zwischen dem Torf und dem
Kalkmoder angetroffen und also gleichzeitig mit den bei der Ausgrabung
gemachten Funden.
! ) Nach dem Gutachten von Dr. G. BACKMAN.
* #
*
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
150
O. Frödin.
[42
Dass der Wohnplatz bei Alvastra der jüngeren Steinzeit und,
näher bestimmt, ihrem späteren Teil, angehört, ist offenbar. Indessen
dürfte es angezeigt sein zu untersuchen, in wie weit in dem reichen
. 76 77
'/*. Abb. 76 u. 77. Feuersteinbeile. Alvastra. */••
Fundmaterial sich Typen finden, die eine noch schärfere Datierung
möglich machen.
Es sind da drei Formen von Altertümern, die in erster Reihe
genannt werden müssen, die doppelschneidigen Schaftlochäxte, die
Spanpfeile und die Bernsteinperle; aus einer grossen Anzahl Funde
sowohl aus Schweden wie aus Dänemark ist nämlich mit voller Ge¬
wissheit hervorgegangen, dass diese der Periode der Ganggräber an¬
gehören. In diese Periode, die nach der Chronologie von MONTELIUS
die Zeit etwa 2500—2000 v. Chr. umfasst, haben wir also den Alvastra-
wohnplatz zu datieren.
Ein für die Zeit der Ganggräber am meisten charakteristischer
Zug ist, was Schweden betrifft, der Kulturdualismus, der sich geltend
macht, der deutliche Gegensatz zwischen der südskandinavischen Kultur
einerseits und andererseits derjenigen Kultur, die von den ostschwe¬
dischen Wohnplätzen vertreten wird. Man kann nun fragen, welche
Stellung das Alvastralokal zu diesen beiden Kulturen einnimmt.
Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Es sind nicht nur die einzelnen
Formen der Altertümer, die in den meisten Fällen, wo sie zur Lösung
der Frage beitragen können, nach Süden und Westen weisen; die ver¬
schiedenen Axttypen, die Pfeilspitzen und, wie bereits hervorgehoben
wurde, die kleine Bemsteinperle zeigen in ihrer Art, dass die Bewohner des
Abb. 75.
GrUnsteinbeil. Alvastra.
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Original fro-m
PRINCETON UNtVERSITY
43]
Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit.
151
Wohnplatzes ihre nächsten Verwandten in dem Volke hatten, das seine
Toten in den Ganggräbern Westergötlands begrub. Von noch grösserer
Bedeutung ist jedoch das allgemeine Kulturbild, das der Wohnplatz
aufweist. Wenn man ihn z. B. mit dem zur ostschwedischen Gruppe
gehörenden Wohnplatz bei Säter') im Kirchspiel Kvarsebo, ebenfalls
in Östergötland, vergleicht, so ist der -Gegensatz auffallend, und doch sind
es nur 12 Meilen, welche die beiden Lokale voneinander trennen: bei
Säter eine Bevölkerung von Jägern und Fischern, bei Alvastra dagegen
Ackerbau und Haustiere mit dem höheren Grad von Sesshaftigkeit, der
hieraus folgt.
Es ist also typisch südskandinavische Kultur, die uns bei Alvastra
begegnet 8 ). Doch hat, wie es in der Natur der Sache liegt, die nahe
Nachbarschaft zu dem ostschwedischen Kulturgebiet nicht unterlassen,
Spuren ihrer Einwirkung zu liefern 3 ). Ich habe im Vorhergehenden
bei der Schilderung der Tongefässreste die Aufmerksamkeit auf einige
Scherben gelenkt, die mit senkrechten Zickzacklinien, in wagerechten
Bändern geordnet, verziert sind, darunter in einem Fall im Verein mit
78 (V.) 79 c 80 ('/,)
Abb. 78—80. Tongefässcherben aus Säter, Aloppe und Gullrum.
grossen runden Grübchen (Abb. 54 u. 73). Gerade dieses Verzierungsmotiv
ist eins der am meisten charakteristischen für die Keramik auf den ost¬
schwedischen Wohnplätzen (Abb. 78—80) und danach weiter ostwärts.
Die auf diese Weise verzierten Scherben sind nur in einer Anzahl
von drei Stück vertreten, weshalb man ihnen keine zu grosse Wichtigkeit
') O(scar) A(LMGREN), Sten&ldersboplatsen vid Bräviken, Meddelanden fr&n
Östergötlands Fornminnesförening 1906, S. 23 ff., und Fornvännen 1906, S. 118.
*) Vergl. Oscar MONTELIUS, Östergötland under hednatiden, Svenska Forn-
minnesföreningens Tidskrift, XII, S. 312.
3 ) Einer der Schaber ist, wie oben erwähnt wurde, wahrscheinlich aus der im
nordöstlichen Schonen heimischen, dunkelfarbigen und hellgetüpfelten Feuersteinart,
die Kristianstadfeuerstein genannt zu werden pflegt, verfertigt. In solchem Falle ist
das Material sicherlich den Küsten Blekinges und Smälands bis hinauf nach Östergöt¬
land gefolgt, wo es früher gerade auf dem Wohnplatz bei Säter angetroffen worden
ist. (ALMGREN, a. a. O., S. 27 u. 29.)
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PRINCETON UNIVERS1TY
tWi
' •. • . /f" fV
152 O. Frödin: Ein schwedischer Pfahlbau aus der Steinzeit. [44
beimessen darf; das Auftreten des Motives kann ja auf zufälliger Ein¬
fuhr beruhen. Im übrigen ist, wie gesagt, die Keramik besonders nichts¬
sagend. Sollte indessen aus den fortgesetzten Untersuchungen hervor¬
gehen, dass sie einen mehr durchgehenden Einfluss vom Osten her
aufweist, so könnte die Erklärung vielleicht darin zu suchen sein, dass
die Anfertigung der Tongefässe sicherlich etwas war, was den Sklaven
und Frauen zukam. Und ganz gewiss stammten diese zum grossen
Teil aus der Küstenbevölkerung im Osten. Denn nimmt man an, dass
die beiden Kulturen getragen wurden sei es von getrennten Rassen oder
Stämmen, sei es nur von verschiedenen Volksklassen, also einer Ober¬
klasse und einem „Proletariat“, so muss man Streitigkeiten und Reibe¬
reien zwischen ihnen voraussetzen. Vielleicht war dies gerade der
Grund, warum das Steinzeitvolk bei Alvastra sich mit solcher Sorgfalt
gegen Angriffe zu schützen suchte. Vielleicht ist die Art der Anlage
— der Pfahlbau — dadurch bedingt, dass wir uns hier in einem Grenz¬
gebiet zweier Kulturen befinden. Wenn dem so ist, würden wir damit
eine Erklärung für das eigentümliche Verhältnis erhalten, dass Wohn-
plätze dieser Gattung nicht in dem eigentlichen südskandinavischen Kultur-*
gebiet, besonders Schonen-Dänemark, angetroffen worden sind.
’ Wie es scheint, sind es Fragen von wesentlicher Bedeutung für
unsere ganze Auffassung von der Kultur der Zeit der Ganggräber, die
hiermit berührt worden sind. In dem jetzigen Stadium der Ausgrabung
dürfte es jedoch angezeigt sein, nicht näher auf diese Fragen einzu¬
gehen, sondern das Ergebnis der fortgesetzten Untersuchungen abzu¬
warten. Da der Schacht des Jahres 1909 nur 52 qm umfasst, während
das ganze Gebiet des Überbleibsel menschlicher Wirksamkeit zu ent¬
halten scheint, schätzungsweise berechnet auf 2000 bis 3000 qm hinauf¬
geht, so ist es nicht zu kühn zu hoffen, dass das Moor bei Alvastra
uns ferner noch manchen unerwarteten Beitrag zu unserer Kenntnis vom
Leben in Schweden in jenen entlegenen Zeiten liefern wird.
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II. Mitteilungen.
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
Von Ulrich Berner, Berlin.
Um den überaus verwickelten und schwierigen Problemen, die die
historische Rassentheorie bietet, erfolgreich beikommen zu können, ist
es unumgänglich nötig, die grundlegenden Begriffe klar zu erfassen.
ln seinem Aufsatz. „Rassereinheit und Kultur" (Mannus I, 3/4),
scheint mir Herr Dr. SCHNEIDER dem Wesen des Begriffes „Rasse"
keineswegs gerecht geworden zu sein. In der Tat werden ganz allge¬
mein unter Rasse zwei verschiedene Begriffe, ein historisch politischer
und ein naturwissenschaftlicher verstanden, die aber nicht miteinander
zu verbinden, sondern zur Vermeidung der grössten Verwirrung auf das
strengste zu sondern sind. Im Grunde hat nur der zweite innere Be¬
rechtigung; denn der zunächst zoologisch-naturwissenschaftliche Begriff
Rasse wurde in voreiliger und falscher Weise auf historischer und poli¬
tischer Grundlage auf den Menschen übertragen. Später, als die junge
Wissenschaft der Anthropologie sich genügend entwickelt hatte, wurde
auf rein naturwissenschaftlicher Grundlage ein neuer von dem vorigen
völlig geschiedener anthropologischer Begriff der Menschenrassen auf-
bestellt.
Ganz allgemein ist die Ansicht verbreitet, jede Völkergruppe
oder auch jedes Volk 1 ) bilde eine physische (anthropologische) Ein¬
heit, also eine eigene Rasse. In Europa z. B. gäbe es entweder eine
deutsche, französische, italienische, russische, bulgarische oder aber eine
germanische, keltische, lateinische, slawische usw. Rasse. Bei anthropo¬
logischen Untersuchungen stellt sich aber heraus, dass die einzelnen
europäischen Völker sich stets aus 2—3 streng geschiedenen Rassen
zusammensetzen und zwar stets aus denselben 2 ). Ich möchte hier wieder¬
geben, was TOPINARD auf dem 10. internationalen Anthropologen¬
kongress 1889 zu Paris gesagt hat 3 ): „Lassen Sie mich Ihnen eine der
’) Wie ungeklärt und verworren die Anschauungen sind, kann man auch aus
folgendem erkennen. Gar zu oft findet man etwa Semiten und Germanen,
Deutsche und Slawen gegenübergestellt, wo doch nur semitisch und indogermanisch,
slawisch und germanisch gleichwertige und ohne weiteres vergleichbare Begriffe sind.
*) Ich sehe hier vollkommen von einer eventuellen 4. Rasse ab, über die sich
die Ansichten noch nicht genügend geklärt haben, und die auch das Gesamtbild nicht
wesentlich verändern würde.
3 ) Compte rendu S. 391.
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PRINCETON UNIVERS1TY
154
Ulrich Berner.
[2
sichersten Tatsachen der allgemeinen Anthropologie, die man nicht oft
genug wiederholen kann, ins Gedächtnis zurückrufen. Das ist, dass der
Begriff Rasse mit dem des Volkstums nicht das mindeste zu tun hat;
dass alle Völker Europas ungefähr aus denselben Rassenbestand¬
teilen, nur in verschiedenen Mischungsverhältnissen zu¬
sammengesetzt sind; dass, wenn man die Dinge von einer höheren
Warte betrachtet, es eigentlich nur drei grosse Rassen in unserem Welt¬
teil gibt, eine, die im Norden vorherrscht, hochgewachsen, hellfarbig
und langköpfig; eine andere, hauptsächlich im Süden, im Umkreis des
Mittelmeeres, auf den Inseln und Halbinseln vertreten, schwarzhaarig,
klein, aber ebenfalls langköpfig; die dritte zwischen beiden und
rundköpfig, vom Grundstock in Frankreich, oder vielleicht in Keltiberien,
sich durch Süddeutschland, die Alpenländer, Böhmen und die Karpaten
bis nach Russland erstreckend. Die europäischen Völker sind nichts
als Mischungen dieser drei Rassen, erzeugt durch die geschichtlichen
Wanderungen und im Grunde nur politische Verbände, Gesellschaften
auf Gegenseitigkeit“. Hierzu wäre vielleicht nur zu bemerken, dass man
den Grundstock und das Zentrum verhältnismässig grösster Reinheit der
letzten Rasse nicht nach Keltiberien, freilich auch nicht wie WILSER ! )
nach Russland, sondern etwa in die Alpenlande (daher der Name
„alpine“ Rasse) zu verlegen hat; doch ist dies nur von nebensächlicher
Bedeutung.
Die Deutschen z. B. sind eine Mischung zwischen den nordischen
Langschädeln und den alpinen Kurzschädeln und zwar so, dass in
Norddeutschland die nordisdie, in Süddeutschland die alpine Rasse über¬
wiegt. Natürlich gehen diese beiden Extreme ganz allmählich in¬
einander über. In Frankreich kommt dazu im Süden noch die dritte,
die mittelländische (mediterrane) Rasse, die in Deutschland keine nennens¬
werte Rolle spielt. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Italien. Hier
findet sich, wie die Untersuchungen von LIVI zeigen, im Norden ein
Grundstock von überwiegend alpinen, im Süden von überwiegend medi¬
terranen Leuten (zwischen beiden natürlich eine Übergangszone). Dazu
kommt noch von Norden nach Süden abnehmend ein numerisch geringer
Einschlag vom nordischen Typus. Aus dem Gesagten erhellt, dass man
Volk und Rasse auf das strengste trennen muss und es auf keinen
Fall angeht, von einer germanischen, slawischen, deutschen oder sonstigen
Rasse zu reden 2 ). Eine Völkermischung braucht also noch lange keine
Rassenmischung zu bedingen.
*) WILSER: Die Germanen. 1904. S. 70 71. Das ganze betreffende Kapitel
ist zur Lektüre sehr zu empfehlen.
a ) Dieselben drei Rassen finden sich aber auch ausserhalb Europas sowohl
bei indogermanischen wie andern Völkern. Nach den Untersuchungen von Prof,
v. LUSCHAN wissen wir über Vorderasien folgendes: Am numerisch zahlreichsten ist hier
ein dem sogenannten alpinen zwar nicht vollkommen entsprechender aber doch sehr
nahestehender Typ, der sog. alarodische, dem auch die Hauptmasse der heutigen
Juden und Armenier angehört. In geringem Grade ist er vermischt mit einer
zweiten Rasse, die mit der europäischen mediterranen mehr oder minder völlig
identisch ist und die unter anderem in ziemlicher Reinheit in Zentralarabien vor¬
kommt. Ausserdem finden wir in Vorderasien einen schwankenden Prozentsatz
blonder Leute (bis über 10 °/o), die einen Einschlag nordischer Rasse bedeuten, der
wohl besonders stark in einigen Gegenden des Kaukasus, vielleicht auch bei
Kurden ist.
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PRINCETON UNIVERS1TY
3 ]
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
155
Will man aber doch von der Rasse eines Volkes reden, so könnte
man von zwei Gesichtspunkten ausgehen, die man aber logischerweise
nicht zusammenwerfen darf. Entweder bezeichnet man die gegen¬
wärtig numerisch ganz überwiegend vorherrschende Rasse als „die
Rasse“ des betreffenden Volkes, oder man geht auf den Urzustand
zurück. Im ersten Falle muss man zwischen Völkern und Völkergruppen
unterscheiden. Bei Völkergruppen wie Germanen, Slawen, Kelten,
Romanen ist ein derartiges Überwiegen einer Rasse kaum zu beobachten
und auch bei den Völkern nur in Ausnahmefällen. In diesem Fall
kann es aber ganz leicht geschehen, dass die Völkergruppen auseinander
gerissen werden und dass Völker, die sprachlich Und volklich nichts
Gemeinsames haben, Zusammenkommen wie etwa Juden und Armenier.
Nun könnte der Einwand gemacht werden, dass z. B. die Germanen,
wenn auch heute nicht mehr, so doch in der Vorzeit von einem ein¬
heitlichen, und zwar wie wir sagen würden, vom nordischen Typus waren.
Geht man aber bei Slawen, Kelten, ja bei allen indogermanischen Völkern
genügend weit in die Vergangenheit zurück, in eine Zeit, wo sie noch
nicht mit fremdem Blute gemischt waren, so wird man hier dasselbe
bemerken. Von einem Gegensatz zwischen Urkelten und Urgermanen usw.
ist demnach also auch nichts zu bemerken. Freilich kann man, wenngleich
zahlreiche Gelehrte auch in der Vergangenheit jeden Zusammenhang
zwischen indogermanischer Sprache und indogermanischem Urvolk einer¬
seits und nordeuropäischer Rasse anderseits leugnen, im Anschluss an
andere Forscher Urbeziehungen zwischen beiden annehmen. Auch sons ( t
hälte ich einen Urzusammenhang zwischen den ganz grossen Sprach-
stämmen und einzelnen Rassen für ziemlich wahrscheinlich 1 ).
Wohlgemerkt ist heute und überhaupt in historischer Zeit die
Mischung durchgängig soweit fortgeschritten, dass der Begriff „indo¬
germanisch" ein rein sprachlicher ist, und eine indogermanische Rasse
nicht mehr vorhanden ist. Den Ausdruck u rindogermanische Rasse würde
ich, freilich nur um irgend welchen Verwirrungen vorzubeugen, auch für
die Urzeit zu vermeiden suchen. Ich möchte hier diese Frage nicht
weiter besprechen und will nur bemerken, dass, wenn unsere letzte
Ansicht zu recht besteht, selbstverständlich alle brünetten Elemente
*) Ich möchte hier als Beispiel die Malayen im weiteren Sinne anführen.
Bekanntlich sind auch die Malayen nicht von einheitlicher Rasse, sondern eine ganze
Anzahl davon ist an der anthropologischen Zusammensetzung der malayisch redenden
Völker beteiligt. Von einer malayischen Rasse schlechthin zu reden, ist also ein
Unding. Freilich hat für mich ein Urzusammenhang zwischen der einen dieser Rassen,
die auch besonders in Polynesien ziemlich rein auftritt, und der urmalayischen Sprache
eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Mehr zu sagen, scheint mir vorläufig recht unvor¬
sichtig. Desgleichen scheint mir ein Urzusammenhang zwischen der zentralarabischen
langschädlig - geradnasigen Rasse und den Ursemiten nicht so ohne weiteres von der
Hand zu weisen. Soviel steht jedenfalls vollkommen fest, dass die heute bei den
Juden, überhaupt allen Nordsemiten, bei weitem vorherrschende alarodische Rasse
mit gebogener Nase und kurzem Schädel zu Beginn historischer Zeit mehr oder
minder ausserhalb des semitischen Völker- und Sprachenkreises stand. Warnen
aber möchte ich davor, alle diese hypothetischen Zusammenhänge zwischen einzelnen
Rassen und Sprachstämmen allgemein als etwas Sicheres zu betrachten, und selbst
im günstigsten Falle ist es in historischer Zeit keineswegs erlaubt, die Begriffe
Rasse und Sprache bezw. Volk zu identifizieren.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
156
Ulrich Berner.
[4
Europas in der Urzeit, heute bis auf spärliche Reste verloren gegangene
nicht indogermanische Sprachen gesprochen haben müssen.
Wie wir gesehen haben, ist also der geschichtliche Rassenbegriff
mehr oder minder zerfallen, und es bleibt nur der naturwissenschaftliche
übrig, der für die historische Praxis nichts mit dem andern gemein hat.
Wenn nun freilich auch in rasselich nicht einheitlichen Völkern bestimmte
Charaktereigenschaften als herrschende auftreten, so handelt es sich hier
um nicht rassenhafte Erscheinungen, die wohl durch die Wirkungen des
gleichen Milieus hervorgerufen werden, das auch eine bestimmte Tradi¬
tion erzeugen kann. Diese Erscheinungen der Tradition können wohl
durch Jahrhunderte und länger erkennbar sein, aber sie können auch
irgendwie unterbrochen werden und sind nicht wie Rasseneigentümlich¬
keiten auch ohne Gleichbleiben des Milieus vererbbar. Doch davon
weiter unten.
Wenden wir uns nun dem naturwissenschaftlichen Rassenbegriff
zu. Herr Dr. SCHNEIDER sagt vom Werden der Menschenrassen:
„Zugrunde gelegt werden die Erfahrungen und Methoden der Tierzüchter
bei der künstlichen Erzeugung reiner und neuer Tierrassen". Ich möchte
mir die Frage erlauben, von wem? Vielleicht vom Herrn CHAMBER-
LAIN ? Von den Anthropologen, die bei dieser Frage doch wohl in
erster Linie mitzureden haben, jedenfalls nicht. Ist es unter Umständen
schon nicht ungefährlich, ohne weiteres Analogieschlüsse von Tieren auf
die Menschen zu ziehen, so ist dies bei Haustieren in noch viel höherem
Masse der Fall. Besonders bei dem schwierigen Problem der Rassen¬
bildung. Denn bei den Haustieren herrschen geradezu widernatürliche
Verhältnisse in der Auslese, während beim Menschen wie bei den wilden
Tieren die Natur nur in ganz allgemeiner Richtung eine Auslese und
damit eine neue Rassen- und Artbildung vornimmt. Seine Ursache hat
dieser Irrtum wohl mit in dem Umstande, dass der Ausdruck Rasse
beim Menschen recht unglücklich gewählt ist. Er kommt nur bei Haus¬
tieren und Menschen vor. Bei jenen ist er gleichbedeutend mit „variatio“.
Ob nun die sogenannten Menschenrassen besser als „species" (Arten)
oder vielleicht auch als „gute Arten" zu bezeichnen sind, will ich als
ziemlich müssige Frage hier nicht näher erörtern; soviel aber steht fest,
dass sie etwas ganz anderes sind als die Haustierrassen, und ebenso
ist auch ihre Entstehungsgeschichte ganz verschieden. Bei den Haus¬
tieren ist es dem Züchter möglich, durch Mischung zweier Rassen und
durch Auslese eine der zahlreichen möglichen Mischformen zu einer neuen
Rasse fortzuzüchten, indem er rücksichtslos alle Individuen mit auftre¬
tenden Atavismen ausmerzt, die ihm nicht passen, oder sie an der Fort¬
pflanzung verhindert. Anders bei wilden Tieren und Menschen. Hier
ist eine vorhergehende Mischung der Bildung neuer Formen in der
Regel hinderlich, indem die auftretenden neuen Merkmale nur verwischt
werden. Der Idealzustand für eine Fortentwickelung ist möglichste Art¬
oder Rassenreinheit; denn die Natur, deren Auslese nur in ganz all¬
gemeiner Richtung wirkt, kann ein Auseinanderfallen der Mischung in
die einzelnen Komponenten nicht verhindern.
Für die historische Rassentheorie ist übrigens die Entstehungs¬
geschichte der Rassen eine weniger bedeutende Frage; denn es ist eins
der sichersten Ergebnisse der Anthropologie, dass die Rassen in histori-
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Original fram
PRINCETON UNIVERSl
5]
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
157
scher Zeit völlig konstant sind, d. h. zu Anfang der historischen Zeit
sind alle jetzt bestehenden Menschenrassen schon in genau derselben
Ausbildung vorhanden gewesen wie heute, ln historischer Zeit haben
nur Mischungen, aber keinerlei Reinzüchtungen stattgefunden. Denn
wir sehen, dass auch in sehr langer Zeit nie eine vollkommene Mischung
eintritt, dass stets eine gewisse Anzahl mehr oder minder reinrassiger
Individuen beider Komponenten bestehen bleibt. Von den Mischlingen
wird ein Teil mehr die Merkmale der einen, ein anderer mehr die der
andern Rasse zeigen, während endlich ein dritter Teil im Masse halb
und halb die Kennzeichen der beiden Rassen vereinigen wird. Bei einer
Verbindung mischrassiger Individuen können aber die Nachkommen
bekannterweise wieder vollkommen der einen oder der andern reinen
Rasse zuneigen.
Ausserordentlich interessant sind die Beobachtungen Prof. v.
LUSCHANS über die griechische Bevölkerung in Adalia. Obwohl hier
seit Jahrhunderten die Griechen bei einer nicht übermässigen Personen¬
zahl nur untereinander heiraten, kommen doch bei ihnen noch ganz
deutlich erkennbar zwei verschiedene Rassen vor. Oft trifft man in
derselben Familie unter Geschwistern extrem lange wie auch extrem kurze
Schädel an. Ähnlich weisen die Mikronesier von Nauru, die sich aus der
hellen, schlichthaarigen, kurzschädligen polynesisch malayischen und der
dunklen, kraushaarig - langschädligen melanesischen Rasse zusammen¬
setzen, rund je V 3 mehr oder minder reine Vertreter der beiden Rassen
auf, während nur ein weiteres Drittel ausgesprochenen Mischcharakter
zeigt. Dies ist um so bemerkenswerter, als bei der geringen Einwohner¬
zahl der kleinen Insel verhältnismässig eine recht starke Inzucht statt¬
gefunden hat.
Ähnlich, wenn auch nicht so deutlich, liegen die Verhältnisse in
allen andern Gegenden, so auch in Deutschland, wo wir immer noch
ganz deutlich die beiden Typen der nordeuropäischen und der alpinen
Rasse unterscheiden können.
Sehen wir nun zu, was sich ergibt, wenn auf eine solche Rassen¬
mischung ein auslesender Faktor einwirkt. Wir können beim Menschen
besonders zwei Arten der Auslese feststellen, die sogenannte klimatische
und die sexuelle. Man kann deutlich beobachten, dass eine rasseum-
bildende Kraft der klimatischen Auslese in historischer Zeit nicht
zukommt. Die betreffenden Rassenelemente können wohl in einem für
sie ungeeigneten Klima zugrunde gehen, aber die Rassen scheinen in
der Urzeit sich so gefestigt zu haben, dass eine Umänderung ihnen jetzt
unmöglich ist. Betrachtet man eine Gesellschaft, die für das betreffende
Klima geeignete und ungeeignete Rassenelemente enthält, so sieht man
deutlich, dass bei Rassenmischung nie eine homogene Masse entsteht,
sondern die beiden Elemente mehr oder minder wieder auseinander¬
fallen. In diesem Falle tritt eine natürliche Wiederreinzüchtung des
geeigneten durch allmähliche Vernichtung des ungeeigneten Rassenele¬
mentes ein 1 ). Untersucht man das Verhalten der Mulatten in tropi¬
schen und nichttropischen Gegenden, so bekommt man äusserst lehr¬
reiche Resultate. In Westindien will man bemerkt haben, dass die
*) Siehe Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologic 1909, II. S. 271 ff.
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PRINCETON UNIVERS1TY
158
Ulrich Berner.
[6
Mulatten bei Fortpflanzung untereinander immer dunkler würden und
sich allmählich immer mehr dem reinen Negertyp näherten. Unter den
Mulatten wird es immer hellere, europäerähnliche und dunklere, neger-
ähnliche Individuen geben. Jenen wird stets eine hervorragende Emp¬
fänglichkeit für Tropenkrankheiten anhaften, und so wird mit der Zeit
auch hier rein äusserlich eine Ausmerzung der helleren Elemente und
eine allmähliche Reinzucht auf die Negerrasse erfolgen.
Genau umgekehrt liegen die Verhältnisse im Orient. Hier hat
nachweislich seit Jahrtausenden eine Einfuhr von Negerelementen in
teilweise nicht unbeträchtlichen Mengen stattgefunden. Gleichwohl findet
man nur dann Individuen mit negroiden Merkmalen, wenn unter den
Vorfahren nachweislich in den allerletzten Generationen Neger gewesen
sind. Hier nämlich, in Vorderasien, ist das Klima für Neger und negroide
Mischlinge noch zu rauh, und so tritt sehr rasch, vor allem durch Schwind¬
sucht, eine Eliminierung der schwarzen Elemente ein. Hierzu möchte
ich noch bemerken, dass in diesem Falle die „weisse“ Bevölkerung als
eine Einheit gefasst werden musste, die sie ja tatsächlich nicht ist, und
dass ferner an Stelle des direkten Aussterbens auch eine Aufhebung
oder doch Herabminderung der Fruchtbarkeit treten kann.
Aber auch die einzelnen europäischen Rassen scheinen nicht die¬
selben Lebensbedingungen zu haben. Der nordeuropäische Typ z. B.
findet in Südeuropa wohl nicht mehr günstige Lebensbedingungen und
ist im Laufe der Jahrhunderte einer klimatischen Auslese zugunsten der
brünetten Elemente erlegen. So haben z. B. die Griechen im Altertum
in hervorragendem Masse nordische Rassenelemente enthalten l ), die jetzt
fast völlig verschwunden sind.
Eine sexuelle Auslese findet dann statt, wenn irgend welche körper¬
lichen Eigenschaften zum Schönheitsideal und deren Träger infolge¬
dessen bei der Fortpflanzung bevorzugt werden. Wenn nun die Merkmale
einer der Mischungsrassen Ideal werden, so muss auch hier eine all¬
mähliche Reinzüchtung auf die betreffende Rasse stattfinden. Die Fest¬
züchtung eines Mischtyps ist aber auch auf diesem Wege nicht beobachtet
worden.
Die Rassenbildung der Urzeit muss durch diese oder irgend eine
andere Auslese bewirkt sein. Selbstverständlich kann niemand sagen,
wie der Vorgang im einzelnen zu denken ist. Man kann z. B. von der
Entstehungsgeschichte der nordeuropäischen Rasse nur im allgemeinen
sagen, eine reine, brünette, langschädlige Rasse oder ein Teil von ihr
ist in einem milden, neblig kühlen Klima, das das Pigment unnötig
machte, im Laufe biologisch-geologischer Epochen durch auslesende Be¬
günstigung der zufällig Pigmentlosen zu der heutigen blonden, blauäugigen
Form herangezüchtet worden.
Nachdem wir so dem Wesen der Rasse etwas näher gekommen
sind, wollen wir auf die Frage eingehen, ob Mischung einen günstigen
oder ungünstigen Einfluss auf die Kulturentwicklung hat. Zu diesem
Behuf ist es unumgänglich nötig, vorher der Frage nach der verschiedenen
geistigen Veranlagung der einzelnen Rassen näher zu treten.
*) Auch das griechische Schönheitsideal scheint besondere Beziehungen zum
nordeuropäischen Typ gehabt zu haben.
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PRINCETON UNIVfi&lSMta
7 ]
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
159
Die Frage ist in den Grundzügen noch sehr ungeklärt, und bei
Beurteilung gewonnener Forschungsresultate ist demnach die grösste
Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Anderseits sind diejenigen Herren 1 ),
die von vornherein, zum Teil vielleicht aus politischer Voreingenommen¬
heit, eine verschiedene Begabung der einzelnen Menschenrassen als un¬
möglich hinstellen, durchaus zurückzuweisen. Bei den einzelnen Tier¬
arten nimmt niemand Anstoss, eine höhere oder niedere Intelligenz,
ja sogar ausgesprochene Temperamente anzunehmen; weshalb soll dies
beim Menschen von vornherein nicht im Bereich des Möglichen liegen?
Ich kann hier in aller Kürze nicht auf die verschiedenen Methoden
rassetheoretischer und der damit verbundenen sozialanthropologischen
Forschung genauer eingehen, ich möchte aber einige beachtenswerte
Gesichtspunkte hervorheben. Klar ist, dass man unterscheiden muss
zwischen der zeitweiligen Kulturhöhe und der Kulturbegabung. Man
darf also nicht ohne weiteres aus dem Vergleiche der zufällig gleich¬
zeitigen Kulturhöhe zweier Rassen für alle Zeiten gültige Schlüsse
ziehen. Ferner ist zu unterscheiden zwischen Temperament einer Rasse
und allgemeiner Begabung und Intelligenz derselben. Verschiedenheiten
in erster Hinsicht brauchen noch lange keine in zweiter zur Folge zu haben.
Rassenpsychologischen Untersuchungen darf man natürlich nicht einzelne
Individuen zugrunde legen, sondern es sind grössere Durchschnittswerte
zu nehmen; denn in einer geistig hochstehenden Rasse wird es auch
minder begabte Individuen geben und umgekehrt. In der gut veranlagten
Rasse werden sich aber mehr intelligente und weniger geistig tiefstehende
Elemente finden als bei der schlecht veranlagten Rasse. Selbstver¬
ständlich darf man die Psychologie der Völker, über die ja schon ziem¬
lich viel geschrieben worden ist, nicht mit einer Rassenpsychologie ver¬
wechseln. Wenn wir bei Völkern, die sich aus ganz verschiedenen Rassen
zusammensetzen, einen mehr oder minder einheitlichen Charakter finden,
während andere Völker gleicher Rassenzusammensetzung ganz ver¬
schiedene Charaktere aufweisen, so ist dies etwas ausserhalb des Rassen¬
haften liegendes, das durch die Wirkungen des Milieus bedingt ist.
Dass hier das Rassenhafte nicht hineinzuspielen braucht, geht auch
daraus hervor, dass man auch innerhalb der einzelnen Völker bei den
einzelnen Stämmen besondere Eigentümlichkeiten feststellen kann, wo
an anthropologische Unterschiede nicht zu denken ist. Charakterunter¬
schiede zwischen Nord- und Süddeutschen Hessen sich ja wohl auf
Rassenunterschiede zurückführen. Wie aber soll dies z. B. bei den
rasselich fast gleichen Schwaben und Bayern der Fall sein? Wirsehen
ja auch, wie solche Charaktereigentümlichkeiten im Laufe von wenigen
Jahrhunderten entstehen können wie z. B. bei den Einwohnern des
preussischen Staates, während doch alles Rassenhafte in historischer
Zeit konstant ist. Freilich hat Dr. SCHNEIDER, entsprechend seiner
falschen Auffassung des Rassenbegriffes, solche völkisch - politischen
Charaktereigenschaften für rassenhafte angesehen. Aber abgesehen von
diesen bleibt vielleicht beim Temperament, sicher aber bei der allge¬
meinen Begabung noch etwas für die wirkliche Rasse übrig.
Ausserordentlich kompliziert werden die Dinge durch den Umstand,
‘) z. B. FINOT, Das Rassenvorurteil 1906.
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•—l't .■
160 Ulrich Berner. [8
dass es reine Rassen in grösserer Ausbreitung nicht mehr gibt. Wir
kommen hiermit auf das eigentliche von Dr. SCHNEIDER berührte
Gebiet von den schädlichen oder günstigen Wirkungen der Mischung auf
die Kultur. Es scheint mir noch gar nicht so ausgemacht, dass Rassen-
mischung in der Regel einen Kulturaufschwung im Gefolge hat 1 2 * )-
Jedenfalls wären darüber noch eingehende Untersuchungen anzustellen.
So müssten z. B. in Nordamerika danach die Mulatten usw. diejenigen
sein, die sich durch eine besonders hohe Kulturbegabung auszeichnen
im Gegensatz zu den Negern einerseits und den Weissen anderseits.
Nun gibt es tatsächlich unter den Mischlingen eine ganze Anzahl be¬
kannter, ja berühmter Männer, während unter den reinen nordamerika¬
nischen Negern solche kaum Vorkommen *). Eine höhere Begabung der
Mischlinge als der Weissen anzunehmen, schlägt aber allen Tatsadien
ins Gesicht. Mit Recht sagt H. FEHLINGER*): „B. F. Washington und
W. E. B. Dubois sind die bedeutendsten lebenden Vertreter der farbigen
Rasse; in gleichem Masse befähigte Weisse fallen unter der Masse ihrer
Volksgenossen gar nicht auf, weil ihre Zahl zu gross ist". Diese Ver¬
hältnisse zeigen uns, dass die Mulatten in ihrer Begabung zwischen
ihren beiden Stammrassen stehen. Ganz klar sind hier der Hauptmasse
nach die Kulturleistungen der Mulatten der oder den weissen Rassen
zuzuschreiben. Auch sonst kann man den Anteil der einzelnen Rassen
an der Kulturleistung der Völker sehr gut erkennen durch die anthro¬
pologische Betrachtung der Genies. In mancher Hinsicht vorbildlich
sind hier die Arbeiten von WOLTMANN über die italienischen Genies 4 ).
Wenn auch WOLTMANN unbedingt zu weit gegangen ist und sehr vieles
zur nordeuropäischen Rasse gerechnet hat, was gar nicht dazu gehört,
so ergibt sich doch, dass die nordische Rasse einen ganz erheblichen,
über den numerischen Anteil bei weitem hinausgehenden Einfluss auf die
Genieerzeugung und damit auf die Kulturbildung Italiens gehabt hat,
während die mediterrane Rasse in dieser Hinsicht fast gar keine Rolle
gespielt hat 5 ). Freilich gibt es eine germanische Rasse ja ebensowenig
wie eine italienische, aber WOLTMANN meint stets da, wo er im anthro¬
pologischen Teil seines Buches von Germanen redet, Angehörige der
nordeuropäischen Rasse.
Wenn ich auch den Fanatikern der reinen Rasse nicht folgen kann, so
kann ich auch nicht einsehen, wieso Mischung immer von günstigen Folgen
begleitet sein muss. In Afrika hat man mit der Mischung oft recht
1 ) Wie schon erwähnt, kann Völkermischung auch Rassenmischung im Gefolge
haben, braucht es aber nicht.
2 ) Von den nordamerikanischen Farbigen sind nur etwa drei Viertel rein-
bliitige Neger, während der Rest verschieden starke Prozentsätze weissen Blutes
enthält. Auch die beiden weiter unten erwähnten Männer gehören nur zu den
Farbigen, nicht zu den reinen Negern.
*) FEHLINGER, Die Neger in.den Vereinigten Staaten. Politisch-Anthropo¬
logische Revue VI, S. 379.
*) WOLTMANN, Die Germanen und die Renaissance in Italien. Leipzig 1905.
Ähnlich: Die Germanen in Frankreich. Jena 1907.
*) Nicht anschliessen kann ich mich WOLTMANN bei der alpinen Rasse, die
er zugunsten der nordischen sehr zurüdegesetzt hat, die aber in der Tat ebenfalls
einen hervorragenden Anteil bei der anthropologischen Zusammensetzung der Genies
ausmacht.
9]
Rasse, Rassenmischung und Begabung.
161
traurige Erfahrungen gemacht, obwohl hier das ungünstige soziale Milieu
berücksichtigt werden muss. Mein subjektives Empfinden — von mehr
zu reden würde ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht empfehlen —
geht dahin, dass Rassenmischung ohne weiteres gar keine besonderen
Folgen hat. Die Kulturbegabung der Mischung ist etwa das arithmetische
Mittel der Begabung der beiden Mischungskomponenten. Dementsprechend
ist gegen die Vermischung zweier geistig gleichstehenden Rassen aus
kulturellen Gründen nichts einzuwenden, wohl aber gegen die einer gut
und einer schlecht begabten Rasse. Die Mischung wird im Durchschnitt
über dem Niveau der einen, aber stets auch unter dem der andern
stehen.
Sollte man aber in der Geschichte bemerken, dass auf Zeiten mit
starker Rassenmischung Perioden besonderer Kulturentfaltung folgen, so
ist noch eins zu bedenken. Die Rassenmischung wird meist hervor¬
gebracht durch grosse politische Umwandlungen. Diese treten aber
besonders dann auf, wenn aus irgend welchen Gründen die allgemeinen
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Niedergange begriffen sind.
Dies ändert sich natürlich mit einem Schlage, wenn etwa fremde Er¬
oberer, seien sie derselben oder einer fremden Rasse, die auf einer
andern Kulturstufe stehen, hereinbrechen. So kann rein äusserlich nicht
durch Mischung, sondern durch deren Vorbedingungen eine Gesundung
der Kulturgrundlage stattfinden.
Soviel glaube ich aber nach allem als ziemlich sicher hinstellen
zu können, dass wir in diesem wie im vorigen Punkte auf keinen Fall
weiter kommen durch theoretische Spekulation, die sich auf subjektives
Empfinden gründet, sondern nur durch praktische Detailarbeit, zu der
schon einige, im einzelnen zwar manchmal nicht ganz einwandfreie, aber
doch recht löbliche Ansätze vorhanden sind.
Das eine scheint mir Dr. Schneiders Aufsatz deutlich gezeigt zu
haben, dass man die Probleme der historischen Rassentheorie ebenso¬
wenig unter Vernachlässigung und Ausscheidung der Anthropologie er¬
folgreich erforschen kann, wie man ihnen unter Ausscheidung der Ge¬
schichte von rein naturwissenschaftlichem Standpunkt gerecht zu werden
vermag.
Mannus. Bd. II.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Die deutsche Rassenforschung und ihre
Ausprägung in Dr. Ludwig Woltmann.
Eine Entgegnung auf Dr. Hermann Schneiders Artikel im Mannus I, 247 ff.
Von Th. Bieder, Hamburg.
Rassenfragen stellen noch heute eines der umstrittensten Gebiete
dar, und kaum auf einem anderen setzt sich der Forscher so leicht dem
Vorwurfe des Dilettantismus aus wie gerade auf diesem. Es ist mit
Sicherheit anzunehmen, dass, wenn irgend ein sich mit Rassenfragen
beschäftigender Artikel erscheint, in dem Leserkreise grosse Parteien für
und gegen ihn entstehen, denn die einzelnen Rasselehren sind zu sehr
divergierend und führen teilweise sogar zur Verneinung aller qualitativen
Rassenunterschiede. Selbst die einfache Frage: „Was heisst Rasse?“
erfährt die verschiedenartigsten Beantwortungen. Dennoch enthalten die
Rassenfragen nicht nur ein Stück, sondern eine ganze Weltanschauung,
hat doch auch Prof. KAINDL l ) ein der Rassenforschung nahe verwandtes
Gebiet, die Ethnologie, „die Philosophie der Zukunft“ genannt. Die
verschiedenartigen Weltanschauungen mögen denn auch wohl in erster
Linie für die verschiedenartige Wertung der Rassentheorien mitbestim¬
mend sein. Dennoch wäre es wertvoll, wenn die Rassenfragen endlich
einmal, wie es doch für einen Zweig der Naturwissenschaft selbstver¬
ständlich sein müsste, auf eine allgemein anerkannte wissenschaftliche
Norm gebracht werden könnten.
Wie wenig das bis jetzt der Fall ist, zeigt Dr. Hermann
SCHNEIDERS Artikel über „ Rasse rein heit und Kultur“ (Mannus,
Bd. I, Heft 3 4). Der erste Absatz mit interessanten Bemerkungen über
den zeitlosen qualitativen Rassenbegriff wird S. 250, Abs. 1 vollständig
aufgehoben und ist darum zunächst irreleitend. Der qualitative Inhalt
der zeitlosen Rassenformeln soll möglichst über Bord geworfen werden,
weil diese nach des Verfassers Ansicht Ausfluss der Nationaleitelkeit und
des Rassenhasses sind. Das ist eine Ansicht, die dem auf dem Gebiete
der Rassenfrage doch wohl überwundenen Jean FINOT bedenklich
nahe kommt. Dr. SCHNEIDER stellt denn auch im Schlüsse die For¬
derung auf, alles in der Rassentheorie auf quantitative und sonst kon¬
trollierbare Elemente zurückzuführen. In der Ferne aber sieht er neue,
höhere und reinere Rassenbegriffe qualitativen Charakters, ohne diese
*) Die Volkskunde, ihre Bedeutung, ihre Ziele und ihre Methode, Leipzig und
Wien, 1903.
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2] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 163
doch, wie er es m. E. hätte tun müssen, auf bestimmte Formeln bringen
zu können. Es mag schliesslich unentschieden bleiben, ob der biologische
Rassenbegriff überhaupt von dem qualitativen zu trennen ist und ob
Dr. SCHNEIDER sich nicht in der „Perspektive“ irrt, wenn er in dem
biologischen Rassenbegriff einen Anbau zum qualitativen erblickt. Die
Gegenwart zeichnet sich ja durch eine „reinliche Scheidung“ der Begriffe
aus; in der Rassenkunde früherer Zeiten fliessen aber die Begriffe in¬
einander, weil die kulturelle Entwickelung einer Rasse zugleich aus
dem Milieu ihrer Entstehung und ihren Lebensbedingungen erklärt
wurde, und es ist nicht immer leicht zu sagen, ob irgend eine Äusse¬
rung nur dem qualitativen oder nur dem biologischen Rassenbegriffe
zugute kommt. Schliesslich wird die Qualität doch nur durch die
Intensität des in einzelnen Rassen lodernden und Kultur fördernden
Lebensfeuers bestimmt und ist somit dem biologischen Momente
wohl gleichzusetzen.
Herr Dr. SCHNEIDER hätte, wie gesagt, die nach seiner Meinung
in der Ferne heraufdämmernden qualitativen Rassenbegriffe formulieren
und namentlich Dr. Ludwig WOLTMANN nennen müssen, gegen den
sich eigentlich die Absage an die heute bestehenden qualitativen Rassen¬
begriffe richtet. Mit besonderer Deutlichkeit geht dies aus den Worten
hervor: „Der spätrömische Bewohner Italiens wird durch germanische
Elemente zum Italiener der Renaissance. Es liegt sehr nahe, die
neuen Leistungen einfach als Leistungen der neuen Ankömmlinge zu
buchen und zu vergessen, dass diese für sich allein, rein, trotzdem es
ihnen nicht an Zeit und Anregung von den Kulturländern her gefehlt haben
kann, nichts erhebliches für die Kultur geleistet haben. Der voreilige
Schluss muss aber aufgegeben werden; es gibt kulturelle Leistungen
der italienischen Rasse, aber keine der Germanen in dem Italien der
Renaissance.“
Die hier zitierte Stelle ist aus lauter irrigen Ansichten zusammen¬
gesetzt. Dass die reinen, unvermischten Germanen nichts für die Kultur
geleistet haben sollen, ist eine so ungeheuerliche Behauptung, dass
man sich wundert, sie in einer Zeitschrift für Vorgeschichte anzutreffen,
denn mehr als jedes anderes Fach sollte gerade die Vorgeschichte die
Nebel verscheuchen, die noch immer die germanische, und damit unsere
Vorzeit und Kulturfähigkeit verdecken. Ich verweise hier besonders auf
Dr. WOLTMANNS Artikel „Die Bedeutung des Milieus für die Rassen¬
entfaltung" (Politisch-anthropologische Revue, Januar 1906), und weil
man leicht einwerfen könnte, dass niemand Richter in eigener Sache sein
kann, auf den Artikel von Dr. Max KEMMERICH „Der Kulturwert der
Germanen“ im 2. Bande (1906) der von Dr. Ulrich SCHM1D heraus¬
gegebenen „Walhalla“. Die Bezeichnung „italienische Rasse“ kennzeichnet
des Verfassers eigentümliche Ansicht von der Entstehung der Rassen.
In dem vor bald zwei Jahrzehnten erschienenen „Tuisko-Land“ von
Dr. Ernst KRAUSE wird gleich im 1. Kapitel die „indogermanische
Rasse“ —auch diese Bezeichnung hat Dr. SCHNEIDER aufgenommen —
als Trugbild dargestellt, aber mit bewundernswerter Regelmässigkeit kehren
längst als Irrtümer erkannte Sätze neu drapiert in unserer Literatur wieder.
Übrigens darf nicht verkannt werden, dass gerade in der Frage nach
dem Ursprünge der italienischen Renaissance die Meinungen ungeheuer
11 *
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PRINCETON UNIVERS1TY
164
Th. Bieder.
[3
weit auseinandergehen. So schreibt z. B. Dr. Karl VOSSLER in der
1900 in der „Sammlung Göschen" erschienenen Italienischen Literatur¬
geschichte: „Im 14. Jahrhundert beginnt jene gewaltige und segensreiche
Reaktion italienischen Geistes und lateinischer Traditionen gegen die
Infiltrierung mittelalterlich-germanischer Elemente. Diese grosse geistige
Bewegung, die noch heute nicht ihren Abschluss erreicht haben dürfte,
nennt der Italiener die Wiedergeburt, il Rinascimento; wir Deutschen
aber — als möchte uns eine aufrichtige Übersetzung des Wortes be¬
schämen — haben sie Renaissance getauft“. Man sieht, es sind bei
dieser Frage alle Schattierungen vertreten; darüber aber, welche der
verschiedenartigen Ansichten den Sturm der Zeiten überdauern wird,
werden diejenigen keinen Zweifel hegen, die der „Politisch-anthropo¬
logischen Revue“ innerlich nahe stehen.
Für einen Rassenforscher unserer Tage wäre es m. E. eine dank¬
bare Aufgabe, das, was an Rassenideen aller Art bei uns vorhanden
ist, zu sichten und das Stichhaltige gut zu fundieren. Daraus kann die
Wissenschaft mehr Nutzen ziehen, als durch neue „Anbauten“. Und
einer solchen Arbeit müsste das Studium der Entwicklung heimischer
Rassenforschung die gesunde Grundlage liefern. Wie wenig diese Ent¬
wicklung bisher beachtet wurde, geht daraus hervor, dass man fast überall
in GOBINEAU den Begründer der Rassenlehre erblickt. Daran sind
bis jetzt noch alle Gegner heimischer Rassenforschung, wie Prof. Dr.
Ludwig STEIN und Jean F1NOT gescheitert, und auch Dr. Albrecht
W1RTH ist diesem Schicksale nicht entgangen *). GOBINEAU hat weder
den Begriff „Rasse“ noch hat er den qualitativen Unterschied der Menschen¬
rassen entdeckt, wenngleich nicht verkannt werden darf, dass e r es war,
der in den weitesten Kreisen Interesse und Verständnis für diese
Fragen weckte.
Vielleicht ist ein kurzer Auszug aus der Geschichte der deutschen
Rassenforschung vor GOBINEAU an dieser Stelle nicht unangebracht.
Im Zeitalter BLUMENBACHS hielt man die weisse Rasse für die
Urrasse und alle farbigen Rassen für Differenzierungen aus derselben.
Auch der bekannte Entomologe Joh. Chr. FABRIC1US trat dieser An¬
sicht in seinen „Betrachtungen über die allgemeinen Einrichtungen in
der Natur“ (Hamburg, 1781) bei; er hielt es auch für wahrscheinlich,
„dass die Mohren durch eine wirkliche Vermischung des weissen Menschen
mit den Affen entstanden seien.Ausser dem Vaterlande der
Affen, Afrika, finden wir keine Mohren. Amerika, ob es gleich den-
selbigen Himmelsstrich, dieselbige Hitze hat, bringt demohngeachtet
keine Mohren hervor, vermutlich weil es keine Affen hat“.
Henrich STEFFENS, Anthropologie, 2. Bd., Breslau 1822,
') Das Juli-Heft 1909 der Politisch-anthropol. Revue brachte einen Auszug
aus einem in den Alldeutschen Blättern veröffentlichten Aufsatze Dr. Albrecht
WIRTHS, in dem es unter anderem heisst: „Dichtung und Wissenschaft mag sich
mit Rassenfragen beschäftigen — und es gibt kaum ein anziehenderes, dank¬
bareres Gebiet — aber die Staatskunst kann auch hier nur mit Gegebenem rechnen.
Mit Gobineau begann es. Nicht mit dem Wiedererwecken, mit der Rettung eines
Deutschen. Mit einem Ausländer.“
Davon trifft nur zu, dass die Staatskunst mit den Rassenfragen nichts anzu¬
fangen weiss, und das ist sehr betrübend, weil der Degeneration dadurch Vorschub
geleistet wird.
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PRINCETON UNIVERS1TY
4 ] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 165
S. 367: „Es ist entschieden, dass die empirische Naturwissenschaft ge¬
nötigtist, mehre menschliche Stämme anzunehmen, die eine ursprüng¬
liche Grundverschiedenheit des Geschlechts. Alle geschichtliche Entwick¬
lung — die mit Bewusstsein zurückgehende Erinnerung des Geschlechts
— trifft diese Urverschiedenheit als ihr Fundament. Sie gehört nicht
zu den Verwandlungen, deren Ursache wir durch Wahrnehmung zu
verfolgen im stände sind. Eben das Unveränderliche bildet die soge¬
nannten Rassen. . . . Was auf andere Weise, durch äussere Einflüsse
des Klimas, durch veränderte Lebensart, eine Veränderung der Form
hervorruft, eine einmal daseiende abweichen lässt, heisst Schlag,
Varietät, nicht Rasse. Die Rassen können sich also allerdings ver¬
ändern; aber das Eigentümliche der Rassen kann anders, als durch
Mittelzeugungen, nie aufgehoben werden.“
Prof. J. M. LEUPOLDT, Die gesamte Anthropologie neu begründet
durch allgemeine Biosophie und als zeitgemässe Grundlage der Medizin
im Geiste germanisch-christlicher Wissenschaft, Erlangen, 1834, 2 Bde.:
„Das weibliche Geschlecht der occidentalischen Rasse ist den der Viel¬
weiberei ergebenen Orientalen gar willkommen, hat aber wohl auch
durch seine Nachkommenschaft gar viel dazu beigetragen, dass ein be¬
deutender Teil der übrigen verweichlichten und schwelgerischen Asiaten
nicht schon viel weiter herabgekommen ist. Dadurch hat sich
zugleich die Ur-, Stamm- oder Zentral-Rasse eben auch als Mutter
und Lebenskraft für einen Teil der anderen bewiesen. ... In der
Erdgegend, welche die *Rasse inne hat, lebte daher das Volk, welches
durch das ganze Altertum unter allen Völkern die reinste und kräftigste
Religion bewahrte, die Hebräer; aus ihr, besonders nördlicher her,
kamen die weissen und weisen ersten Erzieher und Bildner
roher und zugleich dunkel gefärbter Völker verschiedener
anderer Erdgegenden. ... Es hat sich also auch in dieser
edleren Beziehung diese Rasse als Lebenskraft des Mensch¬
heitsorganismus erwiesen.“
Wolfgang MENZEL, Geist der Geschichte, Stuttgart, 1835:
„Streng genommen gibt es nur zwei einander absolut entgegengesetzte
Menschenrassen, die schwarze und die weisse. Die Weissen aber sind
offenbar Kinder des Nordens unter dem Einfluss des grossen
Fixsternhimmels, unter dem Gesetz einer höheren Weltordnung,
begabt mit einem Geist und Streben, die über das gemeine Natur¬
gesetz hinausgehen, und die, weit entfernt, sich der rohen Naturgewalt
zu unterwerfen, vielmehr die ganze Geschichte hindurch die Befreiung
von dieser Gewalt bezweckt haben. Die Schwarzen dagegen sind
Kinder des Südens unter dem Einfluss der Sonne, gebannt in den
Tierkreis, der die Erde umgürtet, und ewig befangen in dem tierischen
Bedürfnis, ohne freies Selbstbewusstsein, ohne historische Erinnerung,
ohne ein Ziel des Strebens, nur dem nächsten Tage lebend.“
Ferner: „Es fragt sich nun, ob künftig . . . eine allgemeine Ver¬
mischung, wie in Amerika, entstehen wird? oder ob in diesen drei Welt¬
teilen (Asien, Afrika und Australien) eine Reaktion der farbigen Urvölker
gegen die weissen Kolonisten eintreten wird? und ob im letztem Fall
jene farbigen Rassen wie bisher in ihrer Verstockung verharren, oder
ob sie aus freien Stücken das Christentum und die europäische Zivili-
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PRINCETON UNIVERS1TY
166
Th. Bieder.
[5
sation annehmen werden? Es wäre ein ungeheueres Phänomen
in der W elt-Geschichte, wenn die starre Rinde jener alten
Völker plötzlich auftaute, und wenn sie, die sich seit sechs
Jahrtausenden gleich geblieben, plötzlich wie durch einen
ZauberstabmitdemGeistderweissenRassebeseeltwürden.“
Theodor ROHMER, Deutschlands Beruf in der Gegenwart und
Zukunft, Zürich und Winterthur, 1841 : „So viel zeigt uns alle Geschichte,
dass das Volk an sich vergänglich, veränderlich ist, während
die Race, derTypus unwandelbar und ewig dauert. Araber,
Juden, Mongolen, Neger haben bestanden und werden bestehen, solang
es Geschichte gibt; Römer, Griechen, Franzosen, Russen, Deutsche fallen
dem Untergang anheim, um so schneller, je weniger sie den Typus
ihrer ganzen Rasse, um so langsamer, je mehr sie ihn darstellen.
1843 begann Gustav KLEMM die „Allgemeine Kulturgeschichte
der Menschheit“, in der er das Menschengeschlecht in aktive und passive
Rassen teilte
Wilhelm L1NDENSCHMIT, Die Rätsel der Vorwelt, oder sind
die Deutschen eingewandert? Mainz, 1846: „Die Germanen brachten
eine Anzahl der wichtigsten Güter der Jetztwelt als ihren Einstand in
die Weltgeschichte, und zwar nicht etwa unter Anleitung der über¬
kommenen Kultur wie andere Völker, sondern als ein freies, ange¬
borenes Geschenk ihres Naturells.“
Wilhelm L1NDENSCHMIT, Bruder des Direktors des Mainzer
Zentral-Museums Ludwig LINDENSCHMIT, gehört eigentlich in die
Reihe der modernsten Forscher. Seine Ansicht, dass die weisse ger¬
manische Rasse ursprünglich über ganz Europa verbreitet und durch
den Zuzug fremder Rassen auf die Mitte des nördlichen Europa be¬
schränkt wurde, stimmt völlig mit Dr. WOLTMANNS Lehre überein,
und sie ist auch noch jüngst nach dem Berichte der Germanisch-roma¬
nischen Monatsschrift (Dez. 1909) in dem Vortrage S. FEISTS „Europa
im Lichte der Vorgeschichte“ (50. Versammlung deutscher Philologen
und Schulmänner in Graz, 27. Sept. bis 1. Okt. 09) zum Ausdruck ge¬
bracht worden.
Dr. Ernst KAPP, Philosophische oder vergleichende allgemeine
Erdkunde, 2 Bde., Braunschweig, 1845: Die kaukasische Rasse
ist vor den übrigen, deren Einseitigkeiten in ihr harmonisch
sich ausgleichen, so bevorzugt, dass sie allein bis auf den
heutigen Tag die geschichtsfähige gewesen ist.
Eduard ARND, Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung
des französischen Volkes, 3 Bde., 1844/46: „In den Teilen der römischen
Welt, welche die germanischen Eroberer nur vorübergehend betraten,
oder auf die sie mehr ihre äusseren Einrichtungen als ihre Gesinnungen
übertrugen, blieb diese, jetzt nicht nur jedes höheren Zieles entbehrende,
sondern auch von aller Wahrheit und Wirklichkeit getrennte Richtung,
die Form über den Gehalt, den Schein über das Wesen zu stellen,
lebendig und wurde sogar der unterscheidende Charakter der Völker
lateinischen und germanischen Ursprungs. . . . Noch heute liegt die
wahre Kraft Frankreichs mehr im Norden als im Süden. In der Bretagne,
der Normandie, in Lothringen und Champagne ist mehr Kraft und
Tüchtigkeit als in der Gascogne, Languedoc und der Provence zu finden“.
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PRtNCETON UNIVERSITY
6] Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung in Dr. L. Woltmann. 167
Dem Verfasser galt „Deutschland mit Recht als das Herz Europas,
dessen Blut einst alle übrigen Glieder des europäischen Körpers belebt
hat und in dessen lebenswarmer Tiefe es noch heute am reinsten
strömt.“ Die gleiche Ansicht vertrat E. M. ARNDT in seinem 1843
erschienenen „Versuch in vergleichender Völkergeschichte.“
Carl Gustav CARUS Hess 1849 zur Jahrhundertfeier des Ge¬
burtstags Goethes eine Schrift „Über die ungleiche Befähigung der
verschiedenen Menschheitsstämme für höhere geistige Entwicklung“ er¬
scheinen, in der er das Menschengeschlecht in „Tag- und Nacht-
Völker“ teilte.
Karl HAGEN, Zur vergleichenden Staatskunde (drei Artikel in
Kolatscheks Deutscher Monatsschrift, 1850) unter Berufung auf KLEMM:
„Schöpferische geistige Kraft ist am meisten bei den Germanen
anzutreffen, sowohl an Tiefe als an Umfang: sie haben auf allen Ge¬
bieten menschlicher Tätigkeit sich versucht und hier das Grösste ge¬
leistet. . . . Die Germanen haben wohl eine entschiedene Nationalität,
aber sie tritt nicht gerade schroff hervor, weil sie das Talent besitzen,
die Eigentümlichkeit anderer Stämme zu verstehen und zu begreifen,
sie in ihrem eigentlichen Wesen aufzufässen, mit einem Worte, sie
objektiv zu betrachten. Durch dieses Talent sind sie vorzugsweise
der universelle Stamm, derjenige, der dazu berufen ist, auf der
Warte der Weltgeschichte zu stehen. . . . Die Germanen, als in der
Mitte stehend, geographisch wie geistig, sind das vermittelnde und ver¬
mischende Element, und zwar nach allen Richtungen hin.“
Erst 1853 erschienen die beiden ersten Bände des „Essai sur
l’inegalite des races humaines“ von Gobineau.
Dieser Auszug macht natürlich auf Vollständigkeit keinen Anspruch
und die als besonders markant zitierten Stellen sollen nur zu weiterem
Studium der betreffenden Autoren anregen.
Wie verhält sich nun Dr. WOLTMANNS Rassentheorie zu den
hier gegebenen Belegen? Ich erblicke in ihr die konsequenteste
Ausprägung der schon lange vor Gobineau bei uns heimischen
Rassenideen und glaube schon deshalb, ihr „Stichhaltigkeit“ zusprechen
zu können. Ernst zu nehmende Gegner konnte Dr. WOLTMANN nur
bei den Vertretern der Sprachwissenschaft finden, und auch Dr. WOLT¬
MANN sehr nahe stehende Forscher wie Dr. L. WILSER 1 ) haben etymo¬
logische Fehlschlüsse in seinen Schriften zugeben müssen. Der Gehalt
seiner Rassenlehre wird aber dadurch nicht getroffen. Sie lautet in
drei Kernsätzen zusammengefasst:
1. Der Norden Europas ist als Urquell der weissen Rasse mit
dem Germanentum als dem Zentralvolke anzusehen,
2. von der Heimat des Germanentums aus haben, untrennbar mit
der Rasse verbunden, europäische Kultur und Gesittung ihren
Ausgang genommen,
3. Mischungen zwischen Germanen und anderen Völkern haben
letzteren zu erhöhter Kulturtätigkeit verholfen.
Der erste Punkt hat sich als Hauptgrundlage für die Erforschung
der Vorgeschichte Europas, ja der alten Welt insgesamt, erwiesen. Diese
*) S. „Rassentheorien“, Stuttgart, Strecker & Schröder, 1908.
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PRINCETON UNIVERS1TY
168 Th. Bieder: Die deutsche Rassenforschung und ihre Ausprägung usw.
[7
Lehre ist nicht erst durch LATHAM und BENFEY vertreten worden,
ich habe sie in fast ununterbrochener Kette bis ins 18. Jahrhundert
zurückverfolgen können. Durch sie gewinnt unser geschichtliches Bild
eine Zentrierung, die bis jetzt, wie es scheint, noch nicht zum Abschlüsse
gekommen ist.
Punkt 2 ist besonders wichtig für die Beurteilung der vorgeschicht¬
lichen Kulturstufen, der Wanderungen der Ornamente usw.
Im dritten Punkte endlich nähert sich Dr. WOLTMANN Karl
HAGEN (1850) und anderen der erwähnten Rasseforscher vor 1850
und entfernt sich von Dr. Hermann SCHNEIDER, denn gegenüber
der von Dr. SCHNEIDER geäusserten Ansicht, dass „man Rasse als
das Ergebnis einer Mischung nicht allzu ferner Verwandter mit folgen¬
der Reinzüchtung ansehen kann, dass man sich aber darüber klar sein
muss, dass wohl die Mischung, aber nicht die Reinzüchtung schöpferische
Kulturleistungen bedingt'*, muss es als ein höheres Stadium der Er¬
kenntnis angesehen werden, wenn die Germanen als das ver¬
mischende Element angesprochen werden, weil dabei doch Aktivität
und Kulturförderung nach einer bestimmten Richtung hin vorausgesetzt
werden. Dr. SCHNEIDERS Ansicht über Reinzüchtung und Mischung,
die, wie erwähnt, durch die Vorgeschichte hinlänglich widerlegt werden
dürfte, berührt sich vielfach mit Heinrich DRIESMANS. Auch in
dem Punkte, dass Dr. SCHNEIDER befürchtet, die Rassenbegabung
könnte leicht ein Faulbett statt eines fördernden Durchgangsfaktors
werden. Gerade diese Seite hat Heinrich DRIESMANS prachtvoll
herausgearbeitet, wenn seine Rassentheorie auch nicht sonderlich hoch¬
steht. DRIESMANS gehört nicht zu den „ruhigen" Schriftstellern, er
setzt, wie man zu sagen pflegt, viele Lichter auf, leuchtet aber gerade
so in manche Ecken und Winkel hinein, „vor denen jeder gern vorüber¬
schleicht". Dass die besondere Rassenbegabung ihre besondere Ver¬
pflichtungen und zwar in jeder Beziehung mit sich bringt, ist also ein
Gedanke, der mich mit Herrn Dr. SCHNEIDER eint.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Zum Homo Aurignacensis
von Gustaf Kossinna.
Mit Tafel XI.
Über den Homo Aurignacensis von Combe Capelle habe ich unter
Vorführung von Lichtbildern und Erläuterungen, die sich die Mitteilungen
der Zeitungen zu nutze gemacht hatten, bereits Anfang November vorigen
Jahres in meinem Kolleg über das indogermanische Urvolk und bald
darauf (18. November) in der ersten Wintersitzung unserer Berliner
Zweiggesellschaft gesprochen. Durch diesen neuen und nach allen Rich¬
tungen ausgezeichneten Vertreter einer Rasse, von der wir in den Ske¬
letten von Galley-Hill und namentlich von Brünn, Franz-Josephstrasse,
schon so gut charakterisierte, von KLAATSCH klar beschriebene Belege
besassen, wurde ich in meiner im Kolleg schon seit Jahren aus¬
gesprochenen Ansicht bestärkt, dass wir es hier mit jener Rasse zu tun
haben, die ihre reinsten Ableger in der nordischen Rasse der neoli-
thischen Indogermanen Mittel- und Nordeuropas hinterlassen hat, wenn
auch andersartige Beimischungen innerhalb dieser nordischen Rasse un¬
verkennbar sind, wie ich (1908) und dann SCHLIZ ja gezeigt haben.
Wenn ich gerade in diesem Punkte der Ableitung der nordischen Rasse
von einer oder von mehreren Rassen des Paläolithikums bei meinem
Vortrage über den Ursprung der Urfinnen und Urindogermanen 1908,
wo ich diese Frage übrigens nur in einer Zeile gestreift habe (Mannus 1,51),
zu der landläufigen Ansicht zurückgekehrt war, wonach die nordische Rasse
von der Cro-Magnon-Rasse herstammen soll, so beruhte dieses Schwanken
nur auf der Erwägung, dass wir von der Aurignac-Rasse noch keinen
Vertreter besitzen, oder wenigstens bis jetzt mit Sicherheit kennen, der
jünger ist als das Zeitalter des Aurignacien: sie fehlt uns noch aus dem
Solutreen und Magdalenien, wohl auch aus dem Frühneolithikum, wäh¬
rend vom Cro-Magnon-Typus Belege bis ins Magdalenien herab bekannt
waren. Und somit fehlte vorläufig die verbindende Brücke der Fort¬
pflanzung zwischen dem Menschen von Brünn aus dem Aurignacien
und dem Nordeuropäer des beginnenden Jungneolithikums: eine Lücke,
die mir als Archäologen sehr bedenklich vorkam. Denn auf dem archäo¬
logischen Gebiete mit seiner soviel reicheren Stoffüberlieferung würde
mir eine solche Lücke die Möglichkeit einer Ableitung einfach unmöglich
machen. Die Anthropologen sind jedoch, entsprechend der soviel geringeren
Menge ihres Materials, in ihren methodischen Ansprüchen weniger streng.
KLAATSCH versicherte mir, dass ihm diese Überlieferungskluft wenig
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Gustaf Kossinna.
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Bedenken mache. Da man auf eine Ergänzung fehlender Funde des
Menschen aus diesen Zeiten mit Sicherheit rechnen kann, so ist wohl
auch auf Erscheinen jüngerer Belege des Aurignacien zu hoffen, und
somit kann ich meine alte Ansicht: nordeuropäische Rasse Brünn
nunmehr in der erweiterten Fassung Aurignac-Rasse unbedenklich
wieder aufnehmen. Denn der Herleitung vom Cro - Magnon-Typus
widerspricht ganz entschieden die Breite der unteren Gesichtspartie
des Cro-Magnon, worin dieser ein Element des Neandertaltypus in sich
aufgenommen zu haben scheint.
Soweit meine ersten Erwägungen. Nun erschien als erste ein¬
gehendere Mitteilung der Aufsatz von G. WILKE (Mannus I, 252 ff.),
der kurz vor KLAATSCH an der Fundstelle des Skeletts gegraben
hatte. Ich beabsichtigte WILKEs Aufsatz eine Tafel beizugeben, was
sich aber nicht ermöglichen liess. Erst jetzt kann ich mit Einwilligung
des Herrn O. HAUSER diese Absicht ausführen (Tafel XI). Einer be¬
sonderen Erklärung der Tafel bedarf es nicht, da in dem Aufsatz von
WILKE alles nötige dazu bereits bemerkt worden ist.
Aus WILKE’s Mitteilung wurde bekannt, dass KLAATSCH den
Cro-Magnon-Typus für einen Nachkommen des Aurignacensis erklärt
hat, freilich für keinen reinen, sondern für einen mit einigen Elementen
des Neandertaltypus versetzten. Das machte mich stutzig. Damit war
die Frage des Nebeneinanderlebens der verschiedenen paläolithischen
Rassen angeschnitten. In dieser Beziehung hatte ich bisher die Ansicht
vertreten und gelehrt, dass innerhalb des späten Mousterien und Aurignacien
tatsächlich eine länger dauernde Berührung der Neandertalrasse mit
Jungdiluvialrassen (Cro Magnon, Grimaldi) stattgefunden habe, denn
die neanderthaloiden Skelette von Spy waren nach den geologischen
Untersuchungen RUTOT’s ins mittlere Aurignacien zu setzen und der
Neandertaler selbst nach Ausweis der Artefakte in die gleiche Periode
wie Spy. Andrerseits ist es über allem Zweifel erhaben, dass die drei
Menschen aus dem Cro-Magnon-Abri ebenfalls aus dem mittleren Aurig¬
nacien stammen, aus derselben Schicht, der auch diejenigen Vertreter
des Cro-Magnon-Typus angehören, die unmittelbar über den Negroiden
der Grimaldihöhle bei Monaco lagerten.
Zu diesen drei Rassen des Aurignacien kommt nun als vierte der
Aurignacensis Hauseri, der nach HAUSER freilich aus dem unteren
Aurignacien stammen soll. Somit wäre also sein frühestes Erscheinen
nur um eine Aurignacienstufe älter gegenüber dem des Cro-Magnon-
Menschen und ebenso gering wäre der Zeitraum bemessen für
die Mischung des Aurignacensis mit dem aussterbenden Neandertaler
zur Erzielung des Cro-Magnon-Menschen. Ich sah mich also innerlich
gezwungen, durch eine ganz kurze Anmerkung zu WILKE’s Aufsatz auf
das Alter der verschiedenen Skelettfunde hinzuweisen und damit für
jeden Kundigen die Schwierigkeiten der Frage hervorzuheben, die allein
schon in der Zeitstellung der vorhandenen Zeugnisse liegen.
Ich hob zunächst den Fund des weiblichen Skelettes von Moustier
hervor, das RIV1ERE schon so lange aufgedeckt und MANOUVRIER immer
noch nicht veröffentlicht hat, und von dem nur bekannt ist, dass es nicht
dem Neandertaltypus angehört. Ich legte ihm also vermutungsweise
Aurignac-Charakter bei. Herr HAUSER, dem diese Konkurrenz zu
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-EfUMCFTON. UNIVERSUM
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Zum Homo Aurignacensis.
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seinem Mousteriensis offenbar sehr unlieb ist, schrieb mir in dem ihm
eigenen Lapidarstil: „kann nur mittelalterliche Nachbestattung sein,
eventuell ein verscharrter Leichnam". RIVIERE hält jedoch an der
Echtheit, d. h. am paläolithischen Charakter seines Fundes fest. Da
indes, wie mir RUTOT freundlich mitteilt, nicht nur BOULE, sondern
auch die RIVIERE befreundeten Fachleute von der „Echtheit" dieses
Skelettes nicht überzeugt sindT muss dieser Fund bis auf weiteres von
wissenschaftlicher Verwertung ausgeschlossen werden.
Aufrecht zu erhalten sind aber die von mir gleichfalls schon als
Konkurrenten des Aurignacensis erwähnten beiden von DUPONT in der
Höhle zu Hastiere gefundenen Unterkiefer, die RUTOT allerneuestens
dem Aurignac-Typus zuzählt 1 ). Zu streichen dagegen ist das weiter
von mir dort namhafte Schädeldach von Engis, das ich nach RUTOT’s
früherer Bestimmung dem untern Aurignacien zuteilte. Da dieser berühmte
Fund SCHMERLING’s bei den Forschungen von SCHL1Z eine Rolle spielt
und ganz neuerdings wieder von KLAATSCH 2 ) stark herangezogen
worden ist, so muss hier mit Nachdruck auf die Mitteilung RUTOT’s
(a. a. O. 226) hingewiesen werden, wonach dieser Forscher nach ein¬
gehender Untersuchung des Schädelrestes und der Fundstelle zu der
Ansicht FRAIPONT’s, des leider nun verstorbenen ausgezeichneten
Anthropologen, sich bekehrt hat, dass hier ein neolithischer Fund vor¬
liege und bei der Betrachtung der paläolithischen Rassen also ganz
auszuscheiden habe.
Voll aufrecht erhalten muss ich jedoch die letzten Zeilen meiner
Anmerkung, wonach die Cro-Magnon-Skelette genau ebenso alt seien,
wie der Aurignacensis Hauseri, d. h. also, dass beides dem mittleren
Aurignacien angehört. Auch diese Behauptung muss Herrn HAUSER
sehr unangenehm sein, denn er schrieb mir hierüber wörtlich: „Cro-
Magnon ist nicht Aurignacien; das zeigt schon ein kurzer Blick auf
die Schädel von Cro-Magnon und Combe Capelle und die Stratigraphie
von Cro-Magnon. Sehen Sie sich die Originale bitte an, dann müssen
Sie wahrscheinlich Ihren Irrtum anerkennen!“ Nun mit wissenschaftlicher
Erörterung haben diese Worte wohl nicht viel gemein und ich würde
ihnen keine Bedeutung zugemessen haben, wenn nicht bei KLAATSCH
als Antwort auf meinen Einwurf über das Alter des Cro-Magnon in der
seinem Berliner Vortrag folgenden Diskussion ein Echo der HAUSER’schen
Ansicht mir entgegen geklungen hätte.
Man weiss ja, dass KLAATSCH von den Errungenschaften der
heutigen Diluvialarchäologie und ihrer weitgehenden Periodenteilung
nicht viel hält. „Das überzeugt mich nicht“, hat man oft von ihm ge¬
hört. Er hält sich nach wie vor an die beiden gegensätzlichen Diluvial¬
faunen als Haupteinteilungsprinzip. Aber es ist wohl zu bezweifeln,
dass er Zeit gefunden hat, sich in die neueren Ergebnisse der Diluvial¬
archäologie so zu vertiefen, dass seiner Ablehnung besonderer Wert bei¬
gemessen werden könnte. Ich habe es mit Staunen und Freude begrüsst,
*) A. RUTOT: Coup d’oeil synthetique sur l’epoque des Cavernes. Bulletin
de la soc. beige de geol. 1909, XXIII, 272.
*) Vortrag in der Berliner anthrop. Gesellschaft vom 19. 4. 1910.
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Gustaf Kossinna.
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dass er sich offenbar unter HAUSER’s günstigem Einflüsse zur An¬
erkennung des Aurignacien verstanden hat.
Hinsichtlich der Cro-Magnon-Skelette sprach er sich abfällig über
das Bestreben aus, einer andern Periode sie zuzuweisen, als der Ent¬
decker getan habe, also als dem Magdalenien. Er leugnete sogar die
Möglichkeit der Nachprüfung jener Funde an Ort und Stelle. Danach
sind ihm also die in jeder Beziehung zuverlässigen und abschliessenden
Untersuchungen, die BREUIL zu verschiedenen Zeiten an der Fundstelle
gemacht hat, ganz unbekannt geblieben. Nachdem dort zuerst RIVl^RE
gegraben, haben dann BREUIL und PEYRONY gearbeitet. BREUIL hat
bekanntlich die Fundstelle LARTET’s wieder entdeckt und bei der Zurück¬
weisung der falschen Deutungen MASSENAT’s, GIROD’s und A. de
MORTILLET’s in der Frage des höheren Alters des Aurignacien oder
des Solutreen festgestellt, dass in dem Abri ausschliesslich mittleres
Aurignacien vorkommt 1 ). Damit ist diese Angelegenheit für mich
erledigt.
Aber für die Fundstelle des Aurignacensis nimmt HAUSER nach
dem durch KLAATSCH vorgeführten geologischen Schichten-Profil die
Bezeichnung ‘unteres Aurignacien’ in Anspruch. In demselben Abri auf
der Bergspitze Combe Capelle hatten schon im Sommer 1907 mehrere
Laien und Forscher gegraben, wovon KLAATSCH nichts zu wissen
schien. BREUIL und BOUYSSONIE haben dort auf der linken Seite
unabhängig von einander, aber völlig übereinstimmend die Schichtenfolge
in der Tiefe mit dem mittleren Aurignacien begonnen, kennen
also weder das Mousterien, noch das untere Aurignacien HAUSER’s.
Da sie im übrigen aber dieselbe Zahl und Folge der Schichten wieder¬
geben wie HAUSER, so ist mir das ein Beweis, dass HAUSER, selbst
wenn er das Skelett mehr nach der rechten Seite hin gefunden haben
sollte, sich bei der Beurteilung der Schichten in einem Irrtum be¬
findet. Abbe BREUIL hatte die Freundlichkeit, mir auch brieflich zu
bestätigen, dass an seiner Fundstelle von einer Mousterienschicht nicht
die Rede sein könne.
Diese Ergebnisse sind nicht ganz gleichgiltig, denn sie führten
mich zu der Ansicht, dass wir nunmehr an dem Punkte sind, für ein
Zusammenleben von Neandertalrasse und sogenannter jüngerdiluvialer
Rasse, sei es Cro-Magnon oder Aurignacensis, kein unmittelbares
Zeugnis zu haben, seitdem die bisher einzigen ins mittlere Aurignacien
datierten Vertreter der Neandertalrasse, die Skelette von Spy, nach
jetzt übereinstimmendem Urteile von FRAIPONT und RUTOT (a. a. O.
235 ff.) vielmehr ins untere Aurignacien hinabzurücken sind. Das ist
aber nur der augenblickliche Stand der Zeugnisse. Ich weiss nicht, ob
ich so indiskret sein darf, zu verraten, dass RUTOT über kurz oder
lang zeigen will, dass bereits in der Chellesperiode sowohl der Typus
des Aurignacensis wie des Cro-Magnon-Menschen in Frankreich ge¬
funden und nur als solche bisher nicht erkannt worden sind: den Be¬
weis hierfür müssen wir freilich erst abwarten.
Indirekte Beweise für ein Zusammenleben der Neandertalrasse
und der hohem Diluvialrassen liegen allerdings bereits vor, wenn die
*) H. BREUIL: La question aurignacienne (Revue Prehistorique 1907, 209 ff.);
l'Aurignacien presolutreen (ebd. 1909, Nr. 8 und 9 [Sonderdruck S. 21 ff.]).
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Zum Homo Aurignacensis.
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Ansicht von KLAATSCH, wie ich glaube, richtig ist, dass der Neander¬
taler Mensch etwas im Cro-Magnon-Menschen und noch mehr in Teilen
nordischer Bevölkerung sein Blut vererbt hat. Ein direkter Beweis für
ein altes Zusammenleben der beiden Rassen ist aber soeben wieder
gegeben durch die von KLAATSCH in seinem Berliner Vortrag gemeldete
Tatsache — die übrigens schon RUTOT kurz angedeutet hatte —, dass
zu Krapina Skeletteile beider Rassen, des Neandertalers wie des
Aurignacensis, gemischt vorgekommen sind, und dass hier wahrscheinlich
ein Kampfplatz beider Rassen entdeckt worden ist.
Wenn KLAATSCH die Aurignacrasse mit Recht aus Asien ein¬
wandern lässt, so wäre es ja allerdings nicht wunderbar, wenn die bis
jetzt frühesten Zusammenstösse beider Rassen in Osteuropa stattgefunden
hätten. Denn die Fundstätte von Krapina wird man trotz RUTOT, der
sie ins untere Aurignacien verlegt, wohl besser dem Mousterien, wie
bisher, belassen. Ich hebe aber nochmals hervor, dass durch diese Auf¬
fassung von Krapina das bis jetzt einzige Zeugnis für die Gleichzeitigkeit
jener Rassen geliefert wird, und dass für Westeuropa die Gleichzeitig¬
keit durch direkte Zeugnisse bis jetzt nicht erhärtet worden ist. Hier
reicht die Neandertalrasse bis ins untere Aurignacien herab, die Aurignac-
und Cro-Magnon-Rasse beginnt aber erst im mittleren Aurignacien.
Was endlich die Verbindung der Neandertalmenschen mit der An-
tiquus- Fauna und die Parallelisierung mit den Gorilloiden und heutiger
afrikanischer, an heisses Klima gewöhnten Tierwelt und dem gegenüber die
Verbindung des Aurignacensis mit der pelzgeschützten Mammutfauna
und den kalten Gebieten Nord- und Mittelasiens angeht, so schliesse
ich hieran die Mitteilung, dass ich auf meiner vorjährigen Studienreise in
Südosteuropa im Museum zu Lemberg ein Rhinozeros tichorinus mit
vollständiger Erhaltung der Weichteile sah, die jedoch des nach KLAATSCH
zu erwartenden Pelzkleides gänzlich entbehrten. Erhalten waren
nicht nur beide Hörner, auch schon eine Seltenheit, sondern auch das Ohr,
die Zehen, Haar und Haut, während man bisher nur einen einzigen
mangelhaft erhaltenen Kopf dieses Tieres aus Ostsibirien in Petersburg
aufbewahrt. Der Fundort ist Starunia, Bezirk Bohorodczany in Ost¬
galizien. Verdankt wird dieser einzigartig gute Erhaltungszustand der
Lagerung im Erdwachs, das 5 m über dem Rhinozeros auch ein vollständig
erhaltenes, leider zerbrochenes Mammut barg, dabei ein Stück diluvialen
Holzes und viele Pflanzen und Früchte. Der Direktor des Dzieduszycki-
Museums, Prof. LOMNICKI, überreichte mir freundlichst seine vorläufigen
Berichte über diese glänzenden Funde vom Herbst 1906:
1. Über den Mammuts- und Rhinozerosfund in Starunia.
2. Die Mollusken in pleistocänen Ton des Mammutschachtes in
Starunia. Lemberg 1907 und 1908 (aus der polnischen Zeitschrift
„Kosmos“ Jahrg. 32 und 33, mit deutschem Auszuge).
Eine ausführliche Veröffentlichung wird vorbereitet.
Bei der Gelegenheit füge ich noch hinzu — wenn es auch zu un¬
serem Thema keine Beziehung hat —, dass ich in der trefflichen Sammlung
des Herrn J. A. JIRA in Podbaba bei Prag ein vollständig erhaltenes
Skelett des Rhinozeros tichorinus sah, in dessen Innerem sich das Skelett
eines Rhinozeros-Embryo befand.
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Tardenoisien in Ostthüringen.
Von Alfred Auerbach, Gera.
Mit 9 Textabbildungen.
Gelegentlich der Vorarbeiten für eine Neuaufstellung der vorge¬
schichtlichen Abteilung des Städtischen Museums zu Gera ergab eine
genaue Prüfung des magazinierten Materials eine Anzahl früher nicht
beachteter Stücke, die für die Vorgeschichte Ostthüringens von Wichtigkeit
sind. Neben sicher bearbeiteten Knochen aus der Lindentaler Hyänen¬
höhle, die bis jetzt in den Publikationen über dieselbe noch keine Be¬
rücksichtigung gefunden haben, sind es hauptsächlich Feuersteinwerkzeuge
vom Typus der Mikrolithe, deren Existenz in unserer Gegend bisher voll¬
ständig übersehen worden ist. Sie stammen aus dem Orlagau und vom
Gipfel des Pfortener Berges bei Gera.
Im Jahre 1884 grub Herr Robert EISEL aus Gera eine Höhle im Zech¬
stein und die sie von dem Talhange abschliessende wallartige Erhöhung
am oberen rechten Rande des steilen Mullentales bei Dobritz im Orla¬
gau aus, die er als die „Wüste Scheuer“ bezeichnete. Das bereits früher
durchwühlte Höhleninnere lieferte ihm Knochenreste von 25 Tieren der
Diluvialzeit, unter denen auch Rhinozeros, Mammut und Wildpferd be¬
stimmbar waren, und zirka 100 Feuersteinsplitter, der Abschlusswall von
solchen fast 200 Stücke, einen Bronzeringrest und einen Scherben mit
slawischem Wellenornament. EISEL berichtete über diese seine Ausgrabung
in der Berliner Zeitschrift für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte,
Band 18, 1886, S. (50) — (52). Wir finden an dieser Fundstelle die
Reste verschiedener Perioden von der Diluvialzeit bis herauf zur sla¬
wischen Zeit zusammenliegend; die mehrfachen früheren Umwühlungen
der Fundstelle nach „Schätzen“ haben freilich alle und jede Schichten¬
folge unrettbar vernichtet. Es gelang mir, die Bestände des Städtischen
Museums zu Gera an Feuersteinsplittern von dieser Stelle gelegentlich
verschiedener Exkursionen noch zu vermehren.
Herr Dr. Richard LOTH aus Erfurt sammelte 1886, wie er in seiner
Abhandlung: „Spuren vorgeschichtlicher Ansiedelungen in der Umgegend
von Pössneck“ berichtet, dort ebenfalls über 100 Feuersteinsplitter „von
sehr verschiedener Grösse. Neben grösseren Knollen finden sich cha¬
rakteristische messerförmige Splitter von 3 — 4 cm Länge und 1 cm
Breite mit muscheligem Bruch und dreieckigem Querschnitt vor. Andere
haben eine pfeilartige Form, die meisten sind kleiner ohne charakteristische
Formen“. Daneben erwähnt er noch den Fund eines 6 cm langen, an
einer Seite eigentümlich künstlich ausgezackten Geweihstückchens.
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RtNCETON UNTVER5f
2]
Tardenoisien in Ostthüringen.
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Feuersteinsplitter von dieser Fundstelle finden sich ausserdem auf¬
bewahrt in den städtischen Museen zu Pössneck und Saalfeld, die ich
leider einer genaueren Durchsicht nicht unterziehen konnte.
Eine sorgfältige Sichtung unseres Geraer Materials nun liess mich
bald eine Anzahl Stücke erkennen, deren Habitus sie der Epoche des
Tardenoisien zuwies. Es sind dies Stücke der typischen Triangulärform
(Abb. 1—3). Ausserdem sind charakteristisch Messerchen mit abge¬
drücktem Rücken, eine Klinge mit Kerbe und Stichel mit Mittelspitzen.
/
6
Abb. 1—3 Döbritz, 4—5 Schwarzbach, 6-9 Pförtner Berg bei Gera.
Herr Dr. R. R. SCHMIDT in Tübingen hatte die Güte, das Material
nochmals genau zu prüfen und bestätigte seine Zugehörigkeit zum Tarde-
nosien. Auch machte er darauf aufmerksam, dass auf Grund der Funde
in dem ursprünglichen Profile des Höhlenbodens drei Schichten vorhanden
gewesen sein müssen, von denen die untere die Reste der diluvialen
Tierwelt, die darüberliegende die Feuersteingeräte vom Ende des Paläo-
lithikums und die obere die Fundstücke der vorgeschichtlichen Metall¬
zeiten geliefert haben.
Die Tatsache, dass Funde der Epoche des Tardenoisien aus Ost¬
thüringen bisher noch nirgends in der Literatur erwähnt worden sind,
veranlasste mich zu einer genaueren Prüfung der Angelegenheit. Im
Städtischen Museum zu Saalfeld konnte ich leider die hier liegenden
zahlreichen Bestände an Feuersteinsachen von den verschiedensten Fund¬
orten aus der Umgegend nicht eingehend genug daraufhin durchprüfen,
ob Material der jungpaläolithischen Epochen, besonders des Tardenosien,
darunter vertreten sei.
In der Sammlung des Herrn Kassierers KALDEBORN in Unter¬
wellenborn sah ich zehn zum Teil sehr schöne Messerchen mit abge¬
drücktem Rücken, die vom Besitzer auf dem Dobritzhügel zwischen
Unterwellenbom und Kleinkamsdorf gefunden worden sind. Trotzdem
gerade diese Formen in mehreren Epochen des Paläolithikums auftreten,
möchte ich doch auch hier, durch die Lage des Fundortes veranlasst,
die Zugehörigkeit zum Tardenoisien voraussetzen. Vielleicht bestätigen
noch einige glückliche Funde von Typen diese Annahme.
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PRINCETON UNIVERS1TY
176
Alfred Auerbach: Tardenoisien in Ostthüringen.
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Auch liegen in der Sammlung des Herrn Lehrers A. MÜLLER in
Niederrossla bei Apolda, früher in Schwarzbach bei Triptis, vier Stück
vom Tardenoisientypus, die vom Schindel- und Gickelsberge, östlich des
zuletzt genannten Ortes, herstammen (Abb. 4, 5).
Der Gipfel des Pfortener Berges südlich von Gera, an der Ein¬
mündung des Gessentales in das Elstertal, lieferte schon früher und
bis in die neueste Zeit herein eine Menge Feuersteinsplitter vom früh-
neolithischen Typus. Unter ihnen konnten neben einseitig bearbeiteten
Stücken, wie sie teilweise schon im Jungpaläolithikum Vorkommen, auch
typische Stücke der Tardenoisienmikrolithik festgestellt werden (Abb. 6
bis 9). Die charakteristische Lage an der Talmündung und die Ge¬
staltung des Fundortes, bei dem wagerecht aus dem Boden hervor¬
ragende Zechsteinbänke als natürliche Tische zur Feuersteinbearbeitung
einluden, haben mich schon vor Jahren die Stelle als Lagerplatz von
Jägerhorden ansprechen lassen, die hier die aus dem nahen Diluvium
stammenden Feuersteinknollen für ihre Zwecke hergerichtet haben.
Den an dieser Stelle zu beobachtenden äusseren Merkmalen nach¬
gehend, konnte ich bereits vor einer Reihe von Jahren nordöstlich von
Gera am Nordwesthange des Steinertsberges eine ähnliche Lagerstätte
feststellen, die zahlreiche Feuersteinsplitter, ein Fragment eines ge¬
schliffenen Steinbeils aus Diabas und Reste aus den vorgeschichtlichen
Metallzeiten geliefert hat. Unter diesem Materiale wurden bis jetzt zwei
Reste von Feuersteinmesserchen von etwa 9 mm Länge und 4 */* mm
grösster Breite mit deutlich abgedrücktem Rücken und retuschierten
Enden aufgefunden, die dem Tardenoisien zuzuweisen sein dürften.
Sind es also auch zunächst nur wenige Stellen, an denen die
Epoche des Tardenoisien in Ostthüringen bis jetzt nachgewiesen werden
konnte, die kleinen unscheinbaren, sie charakterisierenden Feuerstein¬
splitterchen fanden eben bis jetzt bei . den Sammlern noch zu wenig
Beachtung, so bin ich doch der festen Überzeugung, dass sich die Zahl
der Fundstellen wesentlich erhöhen wird, wenn man auch bei uns dem
Materiale dieser Kulturepoche grössere Aufmerksamkeit schenkt und
ihm auch hier nachzugehen verstehen lernt.
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Original fro-m
PRtHeETOmJNIVERSn
Zwei Zonenbecher aus Urmitz.
Von A. Günther, Koblenz-L.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Zur Zonenbandkeramik (Glockenbecher) kann ich als Nachtrag zu
meiner „Vorgeschichte des Neuwieder Beckens“ (Mannus II, 32 ff.),
nunmehr über zwei eigene Erwerbungen aus Urmitz berichten.
Im April d. J. erwarb ich von einem Arbeiter in Mülheim ein
schwarzes Becherchen (Abb. 1). Dasselbe war so mit Lehm beschmiert
und von unscheinbarem Äusseren, dass es dem Auge eines
kurz vorher nach Altertümern fragenden Händlers entgangen
war. Es ist von roher Arbeit, der Ton stark mit Quarz¬
körnchen gemischt und gedämpft. Die Form erinnert fast
an rohe fränkische Arbeit: mit den Fingern ausgearbeitete
Fussplatte, rundbauchige Wandung und leicht ausladender
Rand. Die Ornamente, 6 horizontale Gurtlinien und ein
umlaufendes Band abwärtshängender Dreiecke, scheinen l , /t
mit Rädchen eingeritzt zu sein. Die Höhe beträgt
8^2 cm; die Fussplatte hat 5 cm, der Rand 7*/*■ cm Durchmesser.
Abb. 2.
Am 1. Mai d. J. wurde auf einer Sandgrube in der Nähe des
Ketticher Weges und in etwa 9 cm Abstand von dem westlichen äusseren
Graben der Steinzeitfestung, deren Graben- und Palisadenrandprofil
Mannus. Bd. II. 12
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PRINCETON UNIVERS1TY
178 A. Günther: Zwei Zonenbecher aus Urmitz. [2
hier nochmals und zwar an einer Ausgangsstelle freigelegt war, ein
aus Steinplatten hergerichtetes Grab aufgedeckt. Einige Tage nachher
zeigte mir ein Vorarbeiter die Stelle und erklärte mir den Aufbau des
Grabes, das aus fünf grossen 10—15 cm starken Schieferbruchstein¬
platten von je 0,95—1,0 m Länge und 40—50 cm Breite zusammen¬
gesetzt war (Abb. 2). Ausser einigen Knochenresten, darunter Teilen
vom Schädel, die aber sofort ganz zerfallen seien, habe sich nichts vor¬
gefunden. Der Arbeiter, von dem ich wenige Tage später das Tonge-
fäss (Abb. 3) erwarb, bestätigte im allgemeinen die Angaben des Vor¬
arbeiters, das Gefäss habe aber unter der
Steindeckung gestanden, während der Schä¬
del und die Knochenreste sich fast ausser¬
halb befunden hätten. Das Gefäss ist von
sehr guter Erhaltung und sauberer Arbeit;
innen und aussen mit rotgelbem Ton¬
überzug versehen, der zwischen den Orna¬
mentbändern geglättet erscheint. Die ganze
Aussenwandung ist mit Zonenbändern be¬
deckt, deren Einfassungslinien mit Rädchen
eingeritzt zu sein scheinen. Unmittelbar
über der Bauchkante zieht sich ein Fries
kleiner eingeritzter Rechtecke hin. Der
Boden, 7 cm Durchmesser, ist glatt, der
nach aussen leicht ausladende abgerundete
Rand hat einen Durchmesser von 19 cm;
die Höhe beträgt 21 x /a cm. Da der Ar¬
beiter, von dem ich das Becherchen (Abb. 1)
erhalten habe, früher auf derselben Bimssandgrube arbeitete, so scheinen
beide Gefässe von der gleichen Fundstelle zu sein.
Beide befinden sich jetzt in der Sammlung des hiesigen Vereins.
Anmerkung. Wir haben es bei dem grösseren Becher (Abb. 3) zwar mit
einem Zonenbecher, nicht aber mit einem G 1 ocke nbecher von dem bekannten
west-, süd- und mitteleuropäischen Typus zu tun, die jüngst GRÖSSLER und
SCHUMACHER behandelt haben. Der Form nach gehört dieses Gefäss zu jenen
spätneolithischen Bechern, die ich 1909 (Mannus I, 232, vgl. 267, 272 Anm. und
Tafel XXII) besprochen habe, die wohl Zonenornament aufweisen, aber doch aus
den nordwestdeutschen Megalithgräberbechern sich entwickelt haben. Das Erscheinen
des Bechers in einem Steinplattengrab liefert ein neues Moment für die Richtigkeit
meiner Ansicht. Nach GRÖSSLER’s Vorgang wird man jene internationale Form
künftig am besten ausschliesslich als Glockenbecher bezeichnen, jene nur in West¬
deutschland (nebst England und sehr selten auch Nordfrankreich) einheimische Form
aber Zonenbecher nennen. Das Zonenornament allein kennzeichnet eben nicht
genügend. G. K.
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Zur Geschichte der Sichel.
Von A. Bezzenberger.
Mit 3 Abbildungen im Text.
In dem durch Hubert SCHMIDTs Güte mir zugegangenen glänzenden
II. Teil der „Archeological excavations in Anau and Old Merv“ ist eine
Kupfer-Sichel veröffentlicht (PI. 39, Fig. 3, S. 154, Fig. 274), über die
der Genannte folgendes sagt: „It differs in its form from all European
types of sickles .... The characteristics of the sickle of Anau are the
smooth surface of the blade and the form of the tang or haft, the end
of which is bent backward. The same peculiarities I find, in contrast
to the European types of the bronze period, only on the sickles from
Troja which belong to a hoard of the VI city“ (S. 182).
Eine genau entsprechende europäische Form kann auch ich nicht
nachweisen. Wohl aber kenne ich mehrere Sicheln aus Südwest-
Europa — ob Bronze, wie ich glaube, oder Kupfer habe ich nicht fest¬
stellen können —, die dadurch, dass ihr Schaftende aufgebogen ist, mit
der Sichel von Anau verwandt sind. Es sind dies:
Abb. 1, 9—10 cm lang im
Museum von Nimes.
Abb. 2, 13 cm lang, im Museu
ethnol. in Lissabon aus Pragancja,
Estremadura, nebst einem zweiten
Exemplar dieses Typus aus Estrema¬
dura. Im hinteren Rande des ab¬
gebildeten Stücks eine runde Ver¬
tiefung, die nicht durchgeht und ein blosser Gussfehler sein kann.
Es scheint mir klar zu sein, und das überflüssige Loch im Blatt
von Abb. 2 bestätigt es, dass diese Sicheln auf der primitiven, voll¬
kommen ebenen Sichel
beruhen, wie sie P1NZA
Monumenti antichi XI,
Taf. XVII, Fig. 3 bietet,
und die mit Nägeln am
Holzgriff befestigt wurde.
Sie ist mir in Sardinien
in zwei Exemplaren in
Cagliari und einem in
Sassari begegnet, die zwar
sämtlich von unbekannter Herkunft sind, aber als sardinische Formen
durch die von PINZA ebenda Sp. 168 veröffentlichte Gussform aus
Sardara erwiesen werden.
12 «
Abb. 2.
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PRINCETON UNIVERS1TY
180
A. Bezzenberger: Zur Geschichte der Sichel.
P
Eine andere unmittelbare Entwickelung dieser primitiven Form
bilden die sibirischen Kupfersicheln MARTIN L’äge du bronze an musee
de Minoussinsk PI. 10 (Fig. 14 scheint hinten aufgebogen zu sein), an
Abb. 3.
welche die Sichel von Arnimsheim
(Mitteil, des uckermärk. Geschichts¬
vereins I, 7 unter 14) sich anzureihen
scheint. Mittelbar aber lassen sich
aus solchen einfachen Sichelblättem
auch die ,,faucilles ä bouton aplati“
und damit die Knopfsicheln überhaupt
ableiten: die Umbiegung von Abb. 1
und 2 wurde zunächst im Guss nachgeahmt und dann konisch zu¬
sammengezogen.
Als Nachtrag zu H. SCHMIDTs Aufsatz, Zs. f. Ethnol. XXXVI, 416
und meiner eigenen, wie es scheint, noch nicht bemerkten Behandlung
der Bronzesicheln (Bronze-Analysen S. 28) gebe ich schliesslich
Abb. 3, entsprechend zwei Sicheln aus Mertola, Alemtejo, im
Museu ethnol. in Lissabon. Länge 16,5 cm. Die Unterseite ist glatt.
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PRINCETON UNIVERSI'
Kantower Funde.
Mit Tafel XII—XVI.
Von Karl Waasf, Mittelschullehrer in Neu-Ruppin.
I. Das Flachgräberfeld bei Kantow.
Westlich von Neu-Ruppin und fast nördlich von Wildberg liegt das
Dorf Kantow. Im Norden dieses Ortes breitet sich ein ziemlich um¬
fangreiches, bis jetzt ganz unbekannt gewesenes Flachgräberfeld aus.
Unser genauer Lageplan auf Tafel XII zeigt dasselbe in 1, 2 ist der Ort
Kantow, 3 die neue Chaussee nach Lögow und 4 die nach Gottberg.
5 und 6 sind Wirtschaftswege, 5 führt nach Blankenberg und 6 nach
Paalzow.
Der Besitzer des Gräberfeldes ist Herr Ortsvorsteher WITTKOPF
in Kantow. Er erzählt, dass ihm das Feld schon manches Fuder Steine
geliefert habe. Beim Ackern wäre er häufig auf Steinhaufen gestossen.
Diese sind ausgerodet worden, auf jedem Flecke sei in der Regel eine
Kastenkarre voll gewesen. Meist seien auch Topfscherben mit dazwischen
gewesen. Ein paarmal wären auch ganze Töpfe mit zutage gefördert wor¬
den. Der Besitzer des Nachbarfeldes Herr Amtmann BERLIN (siehe,
„Lageplan“, Tafel XII 8) teilt mit, dass auch bei ihm Steinhaufen gefun¬
den sind. Einmal ist ein grosser Topf mit Dedcel herausgehoben und
vom Inspektor mitgenommen worden. Über den Verbleib ist nichts
mehr ausfindig zu machen.
In dem Besitz des Herrn WITTKOPF befanden sich noch 2 Grab¬
reste. Es sind teilweis zerstörte Urnen, mit Asche und Knochen gefüllt.
Beigaben hatten die Gefässe nicht enthalten. Beide Urnen konnten fast
ganz wieder zusammen gestellt werden. Das eine Gefäss ist 15 cm hoch.
Der untere Durchmesser beträgt 7, der mittlere 17 und der obere 15 cm.
Den Hals zieren zwei schwach gebogene Henkel. Um das untere Hals¬
ende verläuft ein Band aus drei parallelen Linien. An demselben
hängen Bändergruppen, die ebenfalls aus drei Parallelen zusammenge¬
setzt sind. Abbildung Tafel XII, A. Das zweite Gefäss ist eine doppel¬
konische Urne. Sie ist wie die erste aus hellbraunem Ton, der an man¬
chen Stellen graue Farbe hat, gefertigt. Das Gefäss ist geglättet und
unverziert. Unterer Durchmesser 10 cm, mittlerer 26, oherer 20, Höhe
ungefähr 20 cm. Die Urne war ebenfalls mit Brandknochen angefüllt.
Tafel XII, B.
Auf Grund des vorstehenden Materials und der oben angeführten
Berichte beschloss ich, das Feld systematisch abzugraben. Wir began-
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
182
Karl Waase.
[2
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nen Anfang August 1909 und deckten im ganzen dreissig Gräber auf. Der
Umenfriedhof befindet sich auf einer schwachen, immerhin doch deut¬
lich aus der Landschaft heraustretenden Erhebung. Die Flachgräber
lagen sämtlich auf dem Hange nach Südosten. Die Urnen standen
alle in Steinpackungen in einer durchschnittlichen Tiefe von 40—50 cm.
Eine regelmässige Anordnung der Gräber Hess sich noch genau festlegen,
trotzdem bereits sehr viele durch Steineroden zerstört waren. Wir wer¬
den die Anordnung der Gräber weiter unten genauer besprechen. Die
meisten Gräber enthielten nur eine Urne, die in der Regel mit einer
Schale, des öfteren auch nur mit Steinen bedeckt war. Sämtliche
Gefässe waren durch die schweren Steinpackungen gesprengt und nur
mit vieler Mühe Hess sich ein Teil derselben wieder zusammensetzen.
Das gesamte Fundmaterial befindet sich zurzeit in den Händen des Ver¬
fassers und soll dem zukünftigen Heimatmuseum der Grafschaft Ruppin
einverleibt werden.
Wir geben nun zunächst eine kurze Beschreibung der Gräber mit
ihrem Inventar.
8. August 1909.
Grab 1. Zwischen einer regellosen Steinpackung aus Feldsteinen
fanden sich einige Scherben von bräunlich gebranntem Tone vor. Die
Urnenreste hatten im Innern schwärzliche Farbe. Sie Hessen auf ein
sehr roh bearbeitetes Gefäss schliessen, waren äusserst glimmerreich,
innen geglättet und aussen rauh. Das Grab lag ungefähr 40 cm tief
unter der Erdoberfläche. Es war zweifellos durch die Feldarbeit oder
durch Steineroden früher gestört worden. Aschenreste Hessen sich
nicht mehr feststellen.
Grab 2. Dasselbe lag 2 kleine Schritte von dem ersten entfernt.
In 40 cm Tiefe befand sich zwischen einer ziemlich grossen Steinpackung
ein tonnenartiges, schwach ausgebauchtes Gefäss. Um dasselbe lager¬
ten kleine Feldsteine, grössere lagen ausserhalb. Einen idealen Durch¬
schnitt dieses Flachgrabes bilden wir auf Tafel XII in C ab. Es gelang,
die Urne freizulegen. Wir veranschaulichen das geöffnete Grab auf
Tafel XIII oben links. Der photographische Apparat ist schräg von oben
in die Erdgrube gerichtet. Der dunkle Schattenriss des Grabgefässes
tritt deutlich hervor. Die Feldsteine, welche die Packung bildeten, er¬
blicken wir oben auf dem Bilde. Das Gefäss war über die Hälfte mit
Leichenbrand, der ziemlich grosse Knochenreste enthielt, gefüllt. Eine
Beigabe war nicht zu ermitteln, ebenso fehlten die Beigefässe. Leider
war die Urne durch den Steindruck so zersprengt worden, dass sie nicht
ganz geborgen werden konnte, sie zerbröckelte in unzählige Stückchen.
Der obere und untere Durchmesser betrugen ungefähr 12 cm, die Höhe
20 cm. Innen war das Grabgefäss geglättet, aussen absichtlich rauh
gemacht. Ornamente und Henkel fehlen. Der Halsrand ist schwach
nach aussen zurückgebogen. Ein Deckelgefäss war nicht vorhanden.
Der äusserst glimmer- und quarzreiche Ton hatte graue Farbe, diese
ging an der Aussenseite ins Rötliche über. Die Rekonstruktion des
Gefässes zeigt Tafel XII in D.
Grab 3. In gleicher Entfernung wie 1 von 2 lag 3. Das Grab
war früher schon geöffnet worden und nur noch wenige Steine deuteten
auf die einstige Anwesenheit eines solchen hin.
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PR1NCETON UNIVERS
3]
Kantower Funde.
183
Grab 4. Das Grab zeichnete sich durch eine Steinpackung von
ungeheuer grossen Feldsteinen aus. Über den Gefässen lagerte ein
solcher von über 150 Pfund Schwere, infolgedessen waren diese gänz¬
lich zerquetscht und die Scherben verstreut. Leichenbrand wurde reich¬
lich zutage gefördert, doch fehlten auch hierin wieder jegliche Beigaben
von Metall. Es enthielt ein grosses und ein kleines Henkelgefäss. Das
grosse war das Aschengefäss. Tonstruktur wie bei Grabgefäss 2. Der
Henkel ist kurz gebogen. Abbildung eines Henkelstückes von vorn und
von der Seite auf Tafel XII in E und F (*/* nat. Gr.). Das kleine Gefäss
war das Beigefäss. Es ist aus fein geschlemmtem Ton gefertigt. Es
hatte vermutlich die Form eines einhenkligen, tassenartigen Topfes.
Die bauchige Erweiterung zierten senkrechte Furchungen. (Bruchstück
Tafel XII, G.) Die Lage der vier Gräber zueinander vergegenwärtigt
das Bild auf Tafel XIII in der Mitte. Jeder der vier Schüler steht an
einer Grabstelle.
11. August 1909.
Grab 5. Zwischen schwerer Steinpackung fanden sich in 50 cm
Tiefe ein total zerdrücktes doppelkonisches Gefäss mit äusserst grobem
Leichenbrand wiederum ohne jegliche Beigaben von Metall oder Stein.
Daneben stand, ebenfalls vollständig zersprengt ein Beigefäss, welches
einen Bodendurchmesser von 5 und eine Höhe von 9 cm hatte. Die
vielen Fragmente dieses Gefässes lassen die Rekonstruktion zu, die
Tafel XII in H zeigt. Der Beigabe fehlte jede Ornamentik. Am Halse
befinden sich zwei kleine Henkel.
Grab 6. Die wenigen Feldsteine, die beim Blosslegen auftraten,
deuteten schon darauf hin, dass das Grab früher gestört worden war.
Es fanden sich Reste eines geglätteten, hellbraunen Gefässes ohne
Ornamentik. Die Fragmente lagen über den Steinen.
12. August 1909.
Grab 7. Ungefähr 10 mittelgrosse Feldsteine, keine Urnen- und
Brandspuren. Gestört. (Nach Aussage des Besitzers sind in der Gegend,
in der wir augenblicklich graben, von ihm zahlreiche Steinhaufen aus¬
gegraben worden.)
Grab 8. Wie 7.
Grab 9. Wie 7.
Grab 10. In 55 cm Tiefe befand sich eine sehr umfangreiche
Steinpackung. Die Feldsteine waren von beträchtlicher Grösse, sie um¬
gaben 3 Gefässe, die wiederum total zerweicht und durch Steinmassen
zerdrückt waren, immerhin Hess sich ein Bild von ihnen gewinnen. Das
Hauptgefäss war von ganz bedeutender Ausdehnung. Es hatte einen
grössten Durchmesser von fast 40 cm und eine Höhe von 28 cm. Es
war dickwandig, innen geglättet, aussen sehr rauh. Es erweckt den
Eindruck, als ob die rauhen Erhebungen auf der Aussenseite durch
Streichen mit den Fingern erzeugt worden wären. Gefässtücke, bei denen
das besonders hervortritt, zeigt Tafel XIII oben rechts. Henkel fehlten,
der Ton hatte aussen gelbbraune und im Innern schwärzliche Farbe. Die
Urne war mit sehr viel Brandresten angefüllt. Unsere Hoffnung hier endlich
einmal eine Metallbeigabe zu finden, um einen chronologischen Anhalt
zu haben, erfüllte sich nicht. Das rekonstruierte Gefäss zeigt Tafel XII, J.
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184
Karl Waase.
[4
Neben der Graburne fanden sich Reste eines geglätteten Henkel¬
kruges. Wir illustrieren ein Halsstück mit ansitzendem Henkelreste auf
Tafel XII in K. Ausserdem fanden sich Fragmente eines zweiten Bei¬
gefässes, dasselbe muss ungefähr die Gestalt des Beigefässes von Grab
5 (Tafel XII, H) gehabt haben. Es unterscheidet sich von ihm durch die
Ornamentik. Am Halsrand und ebenso an der sehr starken Ausbauchung
der Beigabe verlaufen Systeme von vier parallelen Furchungen. Bruch¬
stück Tafel XII L. Das Aschengefäss war mit einer henkellosen Schüssel
bedeckt. Sie war aussen und innen geglättet und hatte hellgelbe Farbe.
Ihr Rand ist etwas eingezogen. Rekonstruktion Tafel XII M.
Grab 11 bis 16. Sämtlich in 40 bis 50 cm Tiefe.
14. August 1909.
Grab 11. Das in kleiner Steinpackung liegende Grab enthielt
eine mit einem Deckel versehene Urne. Sie zeigt äusserst rohe Bear¬
beitung. Die Aussenseite ist sehr stark gerauht, der Ton glimmer- und
quarzreich, die Farbe desselben teilweise rot. Bodendurchmesser 11 cm,
oberer Durchmesser fast ebensogross, Höhe ungefähr 20 cm. Das frei¬
gelegte Gefäss nach Entfernung des Deckels zeigt Tafel XIII unten links.
Die Urne war über die Hälfte mit grobem Leichenbrand angefüllt, ihm
fehlten metallische Beigaben, doch fanden sich Reste eines kleinen
Beigefässes vor. Dieses war am Halse mit Horizontalfurchen verziert.
Bruchstück siehe Tafel XII N. Struktur, Form und Grösse dieser Grab¬
urne erinnern an Grabgefäss 2. Äusserst gute Bearbeitung zeigt das
Deckelgefäss. Es ist eine flache, mit einem Henkel versehene Schale,
welche aus sehr fein geschlemmtem Ton angefertigt ist. Sie hat hell¬
braune Farbe, die an manchen Stellen ins Rötliche und Ockergelbe
übergeht. Die Schale ist mit parallelen Liniensystemen verziert, diese
verlaufen strahlenartig fast vom Halsrande bis zum Boden. Am Hals¬
rande befindet sich eine horizontal verlaufende Liniengruppe. Der Henkel
selbst zeigt kurze Linieneindrücke. Die Ornamente sind mit einem
vierzinkigen Instrument in den Ton eingeritzt worden. Das Gefäss
konnte fast vollständig wieder hergestellt werden. Der Bodendurch¬
messer beträgt 9, der obere Durchmesser 28, die Höhe 12 cm. Die
Abbildung der Schale finden wir auf Tafel Xll in O. P gibt ein Bruch¬
stück aus der Nähe des Bodens, Q ein Randstück und R den unteren
Teil des Henkels im Bilde wieder.
Grab 12. In einer ziemlich umfangreichen Steinpackung stand
ein zerquetschtes Tonnengefäss von der Gestalt, wie es Tafel XIV in A
vergegenwärtigt. Der Bodendurchmesser betrug 12 cm. Das einge¬
schnittene Ornament besteht aus unregelmässigen Vierecken, welche
durchkreuzt werden. Einen Scherben in */ 2 nat. Grösse veranschaulicht
XIV B. Die Urne hatte dunkelbraune Färbung. Eine Eigentümlichkeit
zeigten die Bruchstücke. Sie spalteten sich der Länge nach, so, dass
sich der Ton im Innern der Scherben auseinander gab. Das vorstehende
Grabgefäss gleicht in allen Stücken der sich im Königlichen Museum zu
Berlin befindlichen Tonurne von Zechlin - Ostprignitz. (Vergleiche: die
vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler des. Kreises Ostprignitz. Von
Direktorial - Assistent Dr. GÖTZE. 1907. Seite 67, Abb. 37.) Auf den
Aschenresten, die ziemlich grosse Stücke angekohlter Knochen enthielten,
stand ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Beigefäss von hellbrauner,
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PRINCETON UIMHVEF^ 1
5]
Kantower Funde.
185
mehr ockergelber Farbe. Es ist fast ganz erhalten, hat 2 1 /* cm unteren,
4 3 ,U cm oberen Durchmesser und 4 1 /* cm Höhe. Die Henkel sind durch
zwei Löcher in das Gefäss gesteckt und innen ist der Tonstreifen nieten¬
artig angedrückt worden. Die aussen geglättete Tränenschale ist mit
Gruppen von drei parallelen Linien verziert, die senkrecht vom Hals
nach dem Boden verlaufen (Abb. XIV C). Metallbeigaben waren trotz
des eifrigsten Durchsuchens des Grabes auch hier nicht zu finden.
15. August 1909.
Grab 13. Zwischen der Steinpackung lag stark zerdrückt ein
doppelkonisches Gefäss, welches henkellos, unverziert und mit einer
Tonschüssel als Deckel versehen war. Urne und Deckel sind mittelbraun
gefärbt, von feinerem Ton wie 11 und 12 angefertigt und aussen und
innen geglättet. Der Leichenbrand ist nicht so grob wie bei 11. Re¬
konstruktion siehe Tafel XIV D. Beigaben fehlten.
17. August 1909.
Grab 14. Das vorliegende Grab ist gestört worden, doch zeigten
sich eine Reihe von Scherben mit einem aus vier nebeneinander laufenden
parallelen Furchen zusammengesetzten Ornament. Dieses erinnert an
Grab 10, Tafel XII L. Ein Bruchstück bildet Tafel XIV in E ab.
Grab 15. Das Grabgefäss hat tonnenförmige Gestalt gehabt.
Oberer Rand etwas eingezogen. Aussenseite rotbraun gefärbt und mit
grobem Sande gerauht. Innenseite geglättet und von schwarzbrauner
Farbe. ^ Urne stark zerstört. Zwischen den Brandresten befand sich
ein dreieckiger Feuersteinsplitter, der sehr gut bearbeitet ist. Wir er¬
blicken ihn auf Tafel XIV in F von der Vorder-, in G von der Rückseite
und in H im Durchschnitt, alles in natürlicher Grösse. Die Rundung
ist glatt abgeschliffen und scharfkantig.
Grab 16. Das durch die Steinpackung zertrümmerte Aschengefäss
war schwach ausgebaucht, der Halsrand etwas nach aussen gebogen. Die
Urne zeichnet sich vor allen andern durch ihre Dickwandigkeit aus.
Die Aussenseite ist sehr rauh, nur am Halsrande etwas glätter. Rekon¬
struktion siehe Tafel XIV J. Wir haben das erste Grab vor uns, das
eine Beigabe von Metall enthielt. Zwischen den Brandresten lag eine
Bronzepinzette mit tiefdunkelgrün glänzender Patina. XIV, K veranschau¬
licht den senkrechten Durchschnitt und XIV L die Vorderansicht dieser
Beigabe in natürlicher Grösse. Am unsteren breiten Ende der Pinzette
befinden sich auf jeder Seite zwei Löcher, in der Mitte ist eine durch
einen spitzen Gegenstand hervorgerufene Erhöhung angebracht.
19. August 1909.
Grab 17. In 47 cm Tiefe lag eine ziemlich umfangreiche, aus
fast gleichgrossen Feldsteinen bestehende Steinpackung. Zwischen der¬
selben befand sich ein doppelkonisches, mit 2 Henkeln und einem hohen
Hals versehenes Gefäss. Die Rekonstruktion dieses Grabes zeigt Tafel
XIV in M. Die Ausdehnung der Urne war eine ziemlich umfangreiche.
Höhe ungefähr 36 cm, unterer Durchmesser 12, mittlerer und grösster
36, Durchmesser von Henkel zu Henkel 16, oberer fast 12 cm. Die
Aussenfläche des Gefässes war vom Boden bis zum grössten Durchmesser
gerauht, über demselben geglättet. Die IJrne war so zerbrechlich dass
der obere Teil bis zu den Henkeln in kleinen Stücken, der Teil zwischen
Halsende und grösstem Durchmesser in etwas grösseren Stücken ab-
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PRINCETON UNIVERS1TY
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Karl Waase.
[6
bröckelte; der untere Teil zeigte mehr Festigkeit. Wir erblicken ihn auf
Tafel XIII unten rechts alleinstehend, darüber in seiner weiteren Umgebung.
Die Urne war mit einem schüsselartigen Deckelgefäss, welches unver-
ziert war und 12 cm Bodendurchmesser hatte, verschlossen. In dem
Grabgefäss befand sich sehr grober Leichenbrand, dem jede Spur von
Beigaben fehlte. Die bei Grab 12 erwähnten „Vor- und frühgeschicht¬
lichen Denkmäler des Kreises Ostprignitz" bringen auf Seite 51 die
Abbildung eines ganz ähnlichen, mit einem Deckel versehenen Grab-
gefässes von Kehrberg, südlich von Pritzwalk. Diese Fundstätte liegt
etwa 25 km westnordwestlich vom Kantower Flachgräberfelde.
24. August 1909.
Grab 18. Gestört, der grösste Teil der Steinpackung ist her¬
ausgenommen worden, zwischen wenigen Feldsteinen lagen Reste eines
aussen rauhen Gefässes, das vermutlich Tonnenform hatte.
Grab 19 ist ebenfalls gestört worden. Zwischen einzelnen Stei¬
nen fanden sich Scherben mit Strichverzierungen. Die Strichornamente
kreuzen sich und bilden Rhomben. Ein Gefässbruchstück gibt Tafel XIV
in N wieder
26. August 1909.
Grab 20. Die Steinpackung ist entfernt worden. Einzelne Reste
eines kleinen Beigefässes wurden zutage gefördert. Der Ton hat innen
graue, aussen rötliche Färbung.
Grab 21. Zwischen einer umfangreichen Steinpackung fanden sich
die stark zertrümmerten Reste eines aussen und innen geglätteten dop¬
pelkonischen Gefässes. Form und Beschaffenheit der Urne erinnern an
Graburne 13.
Grab 22 enthielt eine in einer Steinpackung stehende und mit
einem Deckel verschlossene Aschenurne. Die Aufnahme auf Tafel XV
oben links zeigt die Urne nach Entfernung des Deckels und der Stein¬
packung. Sie ist fast bis zum Halsrand mit grobem Leichenbrand
gefüllt, in diesem befanden sich keine Beigaben. Auf Tafel XV oben
rechts erblicken wir die Urne nach Entfernung der Knochenasche. Das
Gefäss hat doppelkonische Form. Der untere Durchmesser beträgt 9,
der mittlere und grösste 25, der obere 19 und die Höhe 18 cm. Die
Urne hat graubraune Farbe, sie ist aussen und innen geglättet (Taf. XIV 0).
Der Deckel hatte Schüsselform. Er war mit einem Henkel versehen.
Der Ton besass aussen rauhe Beschaffenheit (Abb. siehe Tafel XIV in P).
Im Innern ist das Deckgefäss geglättet und mit Furchenverzierungen ver¬
sehen. Am Schüsselrande verlaufen drei Furchenkreise, auf dem Boden
vier, sie sind jedenfalls durch Fingereindrücke erzeugt worden. Tafel XIV
illustriert in Q ein Randstück und in R das Bodenstück.
Grab 23. Gestört. Zwischen wenigen Steinen traten einzelne
Scherben auf. Diese sind stark geglättet und innen von gelbbrauner,
aussen von glänzend schwarzer Farbe.
7. September 1909.
Grab 24. Gestört. Zwischen regelloser Steinpackung Reste eines
unverzierten Gefässes, darunter ein hellbraunes, geglättetes Henkelstück.
9. September 1909.
Grab 25. Gestört. Reste eines didcwandigen braunen Gefässes
aus grobem Ton, sowie Teile eines verzierten Beigefässes fanden sich
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PRINCETON UNIVERS
Kantower Funde.
187
7 ]
vor. Die Scherben des letzteren haben gelbrote Farbe. Ornament
und Struktur erinnern an Tafel XII L, Grab 10.
10. September 1909.
Grab 26. Zwischen der gestörten, nur noch aus wenig Steinen
bestehenden Packung lagen Fragmente einer äusserst dickwandigen,
aussen rauhen, innen geglätteten, rotgebrannten Urne. Dicke der Scher¬
ben 1 V 2 cm.
11. September 1909.
Grab 27. In der Steinpackung stand eine unbedeckelte Urne aus
äusserst porösem, bröckligen Ton. Sie hatte doppelkonische Form.
Sie weicht von den bisher erwähnten doppelkonischen Gefässen dadurch
ab, dass Hals und Fuss etwas abgesetzt sind. Den Halsrand zieren
vier Horizontalfurchen. Bodendurchmesser 10 , oberer Durchmesser 12 ,
Höhe 16 cm. Die geglättete Aussenseite hat gelbbraune, die ebenso
beschaffene Innenseite graue Farbe. Abbildung Tafel XIV S. Im Innern
der Urne stand auf den Brandresten eine einhenklige, tassenartige
Tränenschale. Sie ist schwach geglättet, hat graubraune Farbe und
keine Verzierungen. Bodendurchmesser 5,3, oberer Durchmesser 10 ,
Höhe am Henkel 5 1 /*, an der dem Henkel gegenüber liegenden Seite
4 1 /* cm. Tafel XIV T. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bronzener
Knopf, flach gewölbt, mit Öse an der unteren Fläche, ähnlich wie bei
unseren Militärknöpfen. Derartige Knöpfe sind auch in Hallstatt gefunden
worden. Unser Gewandknopf gleicht ferner den drei Knöpfen aus dem
Grabfund bei Willenberg, Kreis Stuhm. Vergleiche hierüber: Alter¬
tümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreussen und den angren¬
zenden Gebieten von Dr. A. LISSAUER. I. Seite 19, Tafel X, 10 bis
12 . — Den in Kantow gefundenen Knopf bilden wir auf Tafel XIV in U
von der Oberseite, in V von der Unterseite und in W von der Seite
ab. (Natürliche Grösse.) Den Unterteil der Graburne zeigt nach
Entfernung der Packung und des Leichenbrandes die Photographie auf
Tafel XV in der Mitte links.
17. September 1909.
Grab 28. Zwischen der Steinpackung stand in 45 cm Tiefe ein
verdeckeltes Tonnengefäss, das fast ganz mit grobem Leichenbrand
gefüllt war. Unter diesem befand sich der Teil einer Muschelschale
(Malermuschel?). Der Ton von Urne und Deckel hatte schokoladenbraune
Farbe. Beide Gefässe sind aus grobem Ton gefertigt, die Aussen- und
Innenseiten sind schwach geglättet. Grössenverhältnisse: Urne: 16 cm
unterer, 15 cm oberer Durchmesser, 17 cm Höhe. Deckschüssel: Un¬
terer Durchmesser 12 , oberer 20 , Höhe 6^2 cm. Abbildung Tafel XIV X.
Grab 29. In der zusammengestürzten Steinpackung lag ein voll¬
ständig zerdrücktes, dickwandiges Tonnengefäss. Der Ton war beider¬
seitig geglättet und hatte innen braune, aussen rote Farbe. Ausserdem
waren Fragmente eines mit Horizontalfurchen verzierten Beigefässes zu
finden. Zwischen dem Leichenbrand lag ein bearbeitetes Stück Feuer¬
stein; es ist am Rande äusserst scharf und sehr spitz. Tafel XIV Y
Vorderseite, Z Rückseite in natürlicher Grösse. Ausserdem lagen zwischen
dem Leichenbrand vier verschiedene Gefässhenkel, die in keinerlei Be¬
ziehung zu den Grabgefässen stehen, so dass man annehmen muss, dass
sie als Beigabe mit in das Grab gegeben worden sind.
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PRINCETON UNIVERS1TY
188
Karl Waase.
[8
20. September 1909.
Grab 30. In einer grossen Steinpackung stand ein dickwandiges
Tonnengefäss von Form, Struktur und ungefährer Grösse der Graburne 2.
Interessant sind die Fragmente eines zierlichen, äusserst dünnwandigen
Beigefässes. Die Scherben desselben sind auf beiden Seiten gut ge¬
glättet und von glänzend rotbrauner Farbe. Im Innern der Scherben hat
der Ton schwarze Farbe. Rekonstruktion des Beigefässes Tafel XVI A.
26. September 1909.
Die Umgebung des Flachgräberfeldes wurde an diesem Tage genau
abgesudit, es fanden sich hier und da einzelne Scherben, die an der
Oberfläche lagen und jedenfalls durch Tiefpflügen dahingekommen sind.
Eine Untersuchung des Ackers mit der Sonde ergab, dass überall noch
Steinpackungen in der Erde lagern, das Flachgräberfeld ist ungefähr
viermal so gross als das abgegrabene Gebiet.
9. Oktober 1909.
Nachdem die Arbeiten des schlechten Wetters wegen eingestellt
werden mussten, galt es noch, die genaue Lage der Grabung festzulegen.
Sie vergegenwärtigt Skizze II auf Tafel XVI. Vom Wegweiser Blanken¬
berg-Paalzow geht man den Paalzower Weg 118. Schritte aufwärts
und kommt so ungefähr in die Mitte zwischen Baum 10 und 11. Von
diesem Punkte wenden wir uns 10 Schritte in den Acker hinein und
stossen hier auf das abgegrabene Gebiet, welches 25 Schritte lang und
15 breit ist.
Rückblick.
A. Die Anlage des Flachgräberfriedhofs.
Wenn wir einen Blick auf Tafel XVI, Skizze III werfen, so tritt uns
die regelmässige Lage der einzelnen Gräber zueinander deutlich vor
Augen. Die Gräber sind reihenweise angeordnet, sie liegen dicht bei¬
einander, 1 l /», höchstens 2 m voneinander entfernt. Wir können auf
unserem abgegrabenen Gebiet deutlich 8 Grabreihen, die von Westen
nach Osten verlaufen, erkennen.
Reihe 1: Grab 29 und 30.
Reihe 2: Grab 25.
Reihe 3: Grab 22 und 23.
Reihe 4: Grab 8, 1, 2, 3, 10, 16 und 21.
Reihe 5: Grab 9, 4, 12, 11, 5, 17, 18 und 20.
Reihe 6: Grab 13, 27 und 24.
Reihe 7: Grab 19, 6, 15, 14, 26 und 28.
Reihe 8: Grab 7.
Fast vollständig sind Reihe 4 und 5 erhalten, es fehlt in jeder
nur ein Grab. In den übrigen Reihen sind in früherer Zeit sehr viele
Gräber beim Steinroden entfernt worden, infolgedessen die zahlreichen
Lücken. Wenn die 25 Schritte lange und 15 Schritte breite abgegrabene
Fläche vollständig ungestört geblieben wäre, so hätte sie ungefähr 70
Gräber enthalten müssen. Die angrenzenden, noch undurchforschten
Gebiete des Flachgräberfeldes sind nach Aussage des Besitzers noch
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Original ftom
PRINCETON UJSIjVI
9]
Kantower Funde.
189
mehr zerstört worden, da man auf ihnen häufig Rüben- und Kartoffelmieten
angelegt hat und bei dieser Arbeit die Steinpackungen entfernt worden
sind. — Alle Urnen lagerten in fast gleicher Tiefe, die am flachsten
liegenden 40, die am tiefsten stehenden 55 cm. Steinpackungen hatten
alle Gräber, desgleichen Aschenurnen, ohne Urne frei im Boden ver¬
grabene Brandknochen waren nicht zu finden.
B. Keramik.
Die keramischen Erzeugnisse unserer Fundstätte zeigen grosse
Einheitlichkeit. Bei den Aschenurnen können wir deutlich zwei Typen
unterscheiden, nämlich das tonnenförmige, eigentlich mehr kesselartige
oder terrinenförmige und das doppelkonische Gefäss. Der erste Typus
tritt in den Gräbern 2, 4, 11, 12, 15, 16, 18, 28, 29 und 30 auf.
Die meisten dieser Grabgefässe sind aussen absichtlich gerauht, einzelne
schwach geglättet; sie haben fast alle einen steilen Hals auf mehr oder
weniger abgerundet abschliessenden Bauche. Nur ein einziges trägt
Verzierungen (Grab 12, Tafel XIV A). Die doppelkonische Form haben
die Aschenurnen der Gräber 5, 10, 13, 17, 21, 22 und 27, ausserdem
eines der vor Beginn der Grabungen in früherer Zeit gefundenen Gefässe.
Sämtliche Graburnen der vorliegenden Art sind geglättet und aus feinerem
Material angefertigt als der erste Typus. Von der rein doppelkonischen
Form weichen die Gefässe 17 und 27 ab. Das erstere hat einen Hals,
an dessen unterem Rande zwei Henkel stehen, das letztere trägt am
etwas abgesetzten Halse ein horizontales Band mit vier parallelen Linien.
Den übrigen Graburnen fehlt die Ornamentik.
Das von Herrn WITTKOPF früher aufgedeckte Grabgefäss Tafel XII A
weicht von den beiden Grabgefässformen bedeutend ab. Wir haben es hier
mit einem schön ornamentierten, zweihenkligen Schüsselgefäss zu tun.
Die Deckelgefässe der Urnen sind in der Mehrzahl henkellose
und unverzierte Schüsseln, 10, 13, 17 und 28. Einzelne sind mit einem
Henkel versehen (11 und 22) und schön verziert (11).
Die Beigefässe sind sämtlich aus feinem Material hergestellt und
sorgfältiger bearbeitet worden, wie die Aschengefässe. Sie sind teilweise
äusserst dünnwandig, in der Regel aussen und innen gut geglättet und
meist mit Horizontalfurchen verziert. Wir begegnen der einhenkligen,
tassenartigen Tränenschale (4, 27), dem kleinen zweihenkligen ausge¬
bauchten Gefässe (5, 10, 12, 30) und dem einhenkligen krugartigen
Topf (10).
Die Henkel sind meist kurz gebogen und so klein, dass man nicht
mit einem Finger hindurch greifen kann. Die Beigefässe sind durch¬
weg gehenkelt, seltener tritt der Henkel bei den Grab- und Deckel-
gefässen auf. Gehenkeltes Grabgefäss; Tafel XII A, Henkeldeckschüsseln:
11 und 22, Beigefässe mit Henkeln: 4, 5, 10, 12, 27 und 30.
Als Ornament treten eingeritzte Linien auf, dieselben können regel¬
mässig (Grab 19) oder unregelmässig (Grab 12) das ganze Gefäss
bedecken. Liniensysteme, die aus drei oder vier nebeneinander laufen¬
den Parallelen bestehen, sind in gewissen Gruppierungen (Strichgruppen¬
verzierungen) am Gefäss angebracht (Tafel XII A, Grab: 27, 11, 12, 10
und 4). Endlich finden sich auch ganz flache, ohne erkennbare Kanten,
also mit ganz allmählichem Übergang, wahrscheinlich mit einem Finger
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
190
Karl Waase.
[10
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in die Wandung eingedrückte, horizontal herumlaufende Furchen oder
Kanneluren (Deckschüssel von Grab 22).
Das Material der Tonnengefässe besteht meist aus blättriger,
magerer und bröckliger Tonmasse, mit viel Glimmer und Quarzstücken.
Die übrigen keramischen Erzeugnisse sind aus feinerem, dichterem,
jedenfalls geschlemmtem Tone hergestellt.
C. Beigaben.
Was die Beigaben im Kantower Flachgräberfelde betrifft, so lässt
sich eine auffallende Armut an solchen, anderen Gräberfeldern gegen¬
über, konstatieren. Man kann allerdings nie wissen, wieviel von ver¬
gänglichen Stoffen, wie Zeug, Holz, Leder etc., von denen wir jetzt gar
keine Ahnung haben, den Toten mit in das Grab gegeben wurden;
dass das der Fall war, ist sehr wahrscheinlich. Der Mangel an un¬
vergänglichen Beigaben macht sich an unserer Fundstätte ausserordent¬
lich fühlbar. Von Metallsachen wurden nur die Bronze - Pinzette aus
Grab 16 und der bronzene Gewandknopf aus Grab 27 zutage gefördert.
Von Steinbeigaben fanden wir die beiden gut bearbeiteten Silexspitzen
in den Gräbern 15 und 29. Hiermit sind die Metall- und Steinbeigaben
des Gräberfeldes erschöpft.
Von tierischen Resten wäre das Stück Muschelschale aus Grab 28
zu erwähnen.
D. Zeitstellung des Kantower Gräberfeldes.
Die sämtlichen Gräber unserer Fundstätte entstammen fraglos ein
und derselben Periode, dafür spricht die regelmässige Anlage des Fried¬
hofs. Sämtliche Gräber lagerten fast in gleicher Tiefe und gleicher
Entfernung. Wenn wir die Ausbeute unseres Begräbnisplatzes mit den
Funden anderer Gräberfelder vergleichen, so finden wir manche Ähn¬
lichkeiten. Doppelkonische Aschenumen von fast demselben Typus wie
hier zeigen die Gräberfelder von Päpersberg bei Geesthacht, von Horst
in den Vierlanden, von Stocksee (Hamburger Museum). Das letzte
Grabfeld hat auch einhenklige, tassenartige Beigefässe, wie wir einem
solchen in Grab 27 begegneten. In Herzenberg bei Waldhusen fand
man ähnliche doppelkonische Gefässe mit ungehenkeltem schüsselartigen
Deckgefäss. (Siehe: Museum zu Lübeck, Vorgeschichtliche Zeit, Abtei¬
lungsbuchstabe V, Joch 6.) Die Tinsdahler Grabfunde weisen eine ganze
Reihe von ähnlichen keramischen Erzeugnissen auf wie unser Gebiet
(Museum vaterländischer Altertümer in Kiel, Saal 6, Schrank 11 und
12). Die Funde vom Urnenfriedhof Horsdorf, sowie aus Eutin, Plöner-
strasse zeigen ebenfalls nahe Verwandtschaft mit den unsrigen. (Museum
zu Eutin.) Die sämtlichen vergleichsweise angeführten Funde sind der
vorrömischen, meist der Bronzezeit zugeschrieben, ebenso die bei den
einzelnen Gräbern schon herangezogenen Fundstücke.
Wenn wir noch einmal einen Blick auf Abschnitt „B. Keramik
des Kantower Flachgräberfeldes“ werfen, so finden wir, dass die Ge¬
fässe an die Formen des bekannten Urnengräberfeldes von Oderberg-
Bralitz im Uckermärkischen Museum zu Prenzlau erinnern. Die dort
freigelegten Gräber zeigen als Gefässtypen „terrinenförmige Urnen,
doppelkonische Gefässe, kleinere Gefässe mit Strichgruppenverzierung
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Original fram
njNIVERSITY
11]
Kantower Funde.
191
und zwei Ösen, einhenklige Krüge und Tassen, Näpfe und Schüsseln
mit Schnurösen, die oft als Deckel für die Urnen benutzt werden“.
Dieselben Typen treten uns in Kantow entgegen.
Die Funde von Oderberg-Bralitz gehören der jüngeren Bronzezeit
(4. und 5. Periode) an. Sie sind vermutlich *von einem sprachlich fast
ganz verschollenen Stamme der Thraker hinterlassen worden. Univ.-
Professor Dr. KOSS1NNA legt den nordwestlich von den Karpaten
sitzenden Stämmen den Namen „Karpodaken“ bei. Diese wohnten auch
in dem südlichen Teile der Provinz Brandenburg, die südöstliche Ucker¬
mark wurde noch von ihnen berührt. Etwa nördlich von Aller und
Ohre, Magdeburg, Spandau, Eberswalde, Angermünde und Schwedt
sassen die Germanen. Wir haben auch hier in Kantow zweifellos eine
germanische Begräbnisstätte vor uns. Unverkennbar ist aber der Ein¬
fluss des südöstlichen, karpodakischen Nachbargebietes auf die Kultur
der germanischen Bevölkerung von Kantow. Wie weit Periode IV (1200
bis 1000 v. Chr.) oder Periode V (1000 — 800) in Betracht kommt
(oder ob beide), ist bei den geringfügigen Beigaben schwer zu sagen.
Offenbar aber ist das Kantower Flachgräberfeld der jüngeren
Bronzezeit zuzuweisen und seine Entstehung (nach dem heutigen Stande
der Wissenschaft) in die Jahre 1200—800 vor Chr. zu verlegen.
II. Weitere Grabfunde von Kantow.
Nach dem Bericht der Ortseinwohner sind in früherer Zeit an
zwei anderen Stellen der Flur Gräber aufgedeckt worden. Ein Nach¬
suchen am 10. Oktober 09 an den beiden erwähnten Stellen hatte keinen
Erfolg, doch verdienen die glaubwürdigen Mitteilungen über beide Grab¬
funde wiedergegeben zu werden.
1 km südöstlich vom Flachgräberfelde befindet sich eine flache Erhe¬
bung. Sie ist auf Tafel XVI in Skizze I mit 2 bezeichnet. Dort ist man
vor mehreren Jahren (genau nicht mehr festzustellen) im Felde auf
eine Menge Steine gestossen. Diese hat der Besitzer (Amtmann BERLIN)
abfahren lassen. Es waren im ganzen sieben Fuder. Unter den Stein¬
massen soll ein ziemlich grosses menschliches Skelett gelegen haben. Ob
Beigaben gefunden worden sind, ist heute leider nicht mehr zu ermitteln.
Recht glaubwürdig klingt der zweite Bericht. Eines der ältesten
Gemeindemitglieder erzählt, dass er im Jahre 1879 beim Steineroden
nach Kerzlin zu, nahe bei der Schreimühle (siehe Tafel XVI, Skizze I 3)
auf drei richtige lange Steinkisten, die aus Steinplatten zusammenge¬
stellt und mit Lehm verklebt gewesen wären, gestossen sei. In diesen
Kisten hätten Knochen gelegen, in einer auch „Grünspanzeug“. Er
kann sich noch genau auf zwei Gegenstände besinnen, das eine Stück
hat wie ein „Szepter“ ausgesehen und hat am Griff oben zwei Spiralen
gehabt. Das andere Stück sei schüsselartig, aber durchbrochen ge¬
wesen, der Boden ist aber nicht flach, sondern zugespitzt gewesen.
Die Sachen haben schönen grünen Glanz gehabt, sie sind den Kindern
zum Spielen gegeben worden, wo sie dann hingekommen sind, . weiss
er nicht.
Wir haben es hier zweifellos mit Steinkistengräbern aus der Bronze¬
zeit zu tun. Das „Szepter“ war sicher ein Bronzeschwert mit zwei
Spiralen am Griff (Jüngere Bronzezeit. Altere Hallstattperiode).
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PRINCETON UNIVERS1TY
192
Karl Waase.
[12
III. Kantower Einzelfunde.
Von Einzelfunden war trotz fleissigen Suchens nichts zu entdecken.
In den Händen der Einwohner fanden sich wenige Stücke, die im fol¬
genden beschrieben werden sollen. Ungefähr 900 Schritte östlich vom
Gräberfeld beginnt das Luch. Hier fand man beim Torfstechen auf
dem Gebiete des Ortvorstehers WITTKOPF eine sehr gut erhaltene
bronzene Gewandnadel. Diese ist nicht mit grüner Patina überzogen,
sondern hat goldgelbe Farbe (Moorpatina). Sie besteht aus zwei Teilen,
nämlich aus einer 13 cm langen Nadel und einem gebogenen Bronze¬
blechstreifen, der gestreckt 12 cm lang ist. Derselbe ist an beiden Enden
drahtartig zusammengeschlagen. Die spitzen Enden sind zu Haken um¬
gewandelt. Der eine greift in das Loch der Nadel, der andere umklammert
die letztere, dadurch erhält die Gewandspange Armbrustform. Tafel XV
zeigt in der Mitte die Nadel, darunter die Spange und unten rechts beide
Teile zusammen. Wir bilden ausserdem die gebogene Spange mit ihrer
genauen Ornamentik in natürlicher Grösse ausgestreckt auf Tafel XVI in B
ab (Fundstelle der Nadel: Tafel XVI, Skizze I, 4). Unter dem am Rande
des Bronzebleches entlang laufenden, aus senkrechten, parallelen, kurzen
Strichen bestehenden Ornament zieht sich eine Verzierung aus neben¬
einander gereihten Halbmonden hin, an der einen Seite sind es 23, an
der andern 25 derartiger Eindrücke 1 ).
Als zweiter Einzelfund ist ein tönerner Spinnwirtel aus der Flur
Kantow zu erwähnen. Genaue Fundstelle nicht mehr bekannt. Grösster
Durchmesser 3 cm, Höhe 1,6 cm. Er ist abwechselnd mit tief ein¬
geschnitzten und mit ganz dünnen Horizontalkreisen verziert. Abb.
Tafel XVI in C.
Ein weiterer interessanter Einzelfund ist beim Grabenauswerfen
von Wiesenwärter Granzow-Wildberg in der Flur Kantow zutage be¬
fördert worden. Es ist ein kleines, mit zwei Henkeln versehenes Bronze-
gefäss ohne Patina. Höhe 5 cm, grösster Durchmesser 4,5, oberer
Durchmesser 2,3 cm. Abbildung: Tafel XV unten rechts. Das Fund¬
stück befindet sich jetzt in der Privatsammlung des Herrn Rektor
BARTELT-Neu-Ruppin 2 ).
*) Diese Fibel ist zweifellos der interessanteste Fund von Kantow, denn sie
gehört zu jenen seltenen Urtypen dieses Schmuckgerätes, die noch der 2. Periode
der Bronzezeit angehören. Charakterisiert wird sie vor den gleichzeitigen ähnlichen
Typen durch das altertümliche Fehlen der Spiralscheiben an den Bügelenden, den
breitbandförmigen, gepunzten Bügel und den noch sehr wenig entwickelten Nadel¬
kopf. Entsprechende Stücke sind mir nur bekannt aus Mecklenburg-Strelitz (Prags¬
dorf; Mölln bei Neubrandenburg), Mecklenburg-Schwerin (Vietlübbe), Prov. Sachsen
(Neuhaldensleben), Prov. Hannover (Dornrade b. Bremervörde), Schleswig-Holstein
(Vaale 2; Krooksberg auf Sylt), Jütland (Thisted Amt 2; Aarhus Amt 2), Schweden
(Vestergötland). G. K.
2 ) Derartige mittelalterliche „Bronzegefässchen“ trifft man in fast allen vor¬
geschichtlichen Sammlungen an. Ich kenne solche aus den Museen zu Berlin
(Mus. f. Völkerk., 4 Exemplare: Berlin, Luckau u. a.; vgl. Bastian & Voss, Bronze¬
schwerter Taf. IV 12; — Märk. Mus.: Hohennauen), Friesack i. d. Mark, Gr. Kühnau,
Leipzig, Halle (Rogätz: vgl. Schultheiss, Wolmirstedt, Taf. VIII, 24), Quedlinburg,
Neuhaldensleben, Jena (Weimar), Münster i. W., Bonn (Köln); ebenso aus Privat¬
sammlungen (Rimpau in Anderbeck; Cämmerer in Arnstadt; Schloss Pforten bei
Sorau: Niederlaus. Mitt. III, 49, Taf. 2,7; Richly, Depotfunde in Böhmen, Taf. IV).
Etwas anderer Art scheint das Deckeldöschen zu sein, das angeblich aus Grab 26
des Hallstattgräberfeldes bei Gorzewice, Kr. Samter in Posen, stammt (Schwartz,
Materialien, 2. Nachtrag, Taf. II, 3) und jetzt verschollen ist. G. K.
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PRINCiTON UN1VER5*
13]
Kantower Funde.
193
IV, Herdgrubenfunde in der Kantower Flur.
Am 8. September 1909 fanden wir in der hart am Dorfe liegen¬
den Sandgrube (Tafel XVI, Skizze 1, 5) des Herrn Ortsvorstehers WITT¬
KOPF mehrere freigelegte Herdgruben. In einer derselben lagen Scherben,
die von verschiedenen Gefässen herrührten, ohne Verzierung waren und
aus sehr grobkörnigem Material bestanden. Ausserdem befand sich
darin ein gut bearbeitetes halbmondförmiges Messer (Rückensäge, aus
Feuerstein von nur 6 cm Länge. Die etwas verkleinerte Abbildung
zeigt Tafel XV unten links.
Vergleiche hiermit die Funde des neolithischen Grabfeldes von
Ostorf bei Schwerin. (Siehe: Archiv für Anthropologie, Band VII der
neuen Folge, Heft 4, Seite 271, Tafel XI, Abb. 5.)
In einer Sandgrube in der Nähe der Schrei-Mühle (Tafel XVI,
Skizze I, 6) wurden am 10. Oktober 09 ebenfalls Herdgruben aufge¬
deckt. In diesen fanden wir ausser einigen grobkörnigen Scherben ohne
Ornamentik nichts Bemerkenswertes.
V. Schlusswort.
Der Verfasser kann diese Arbeit nicht abschliessen, ohne dankbar
derer zu gedenken, die ihm bei den Ausgrabungen mit Rat und Tat
zur Seite standen. Es gebührt zunächst Dank den Herren Besitzern,
die mir in freundlichster Weise das Betreten und Graben auf ihren Grund¬
stücken gestatteten, besonders dem Herrn Ortsvorsteher WITTKOPF.
Ganz hervorragend hat sich Herr stud. theol. HARRICH-Greifswald bei
den Ausgrabungen verdient gemacht. Genannter Herr stand mir bei
den Arbeiten stets hilfsbereit bei und grub auch vielfach selbst mit
Gewissenhaftigkeit und Erfolg. Ohne seine tatkräftige Hilfe wären die
Kantower Arbeiten in diesem Jahre schwerlich so weit vorgeschritten.
Auch der Herren Gutsbesitzer GOTTSCHALK, Rittergutsbesitzer BERLIN
und stud. ing. MOSOLF muss ich mich an dieser Stelle dankend erinnern.
Es wäre höchst wünschenswert, wenn man an allen Orten auf der¬
artige freundliche Unterstützungen rechnen könnte, die deutsche Vorge¬
schichte käme dadurch ein gut Stück weiter.
M«nniis. Bd. II.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Neue Funde
der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow.
Von Dr. Walther Hindenburg, prakt. Arzt in Grossbeeren.
Mit 21 Textabbildungen.
Südwestlich von Grossbeeren, 1,25 km von der Mitte des Dorfes,
dem früheren Chausseehause, grub ich im Jahre 1903 auf einem Acker
des Bauerngutsbesitzers Friedrich Rathenow, wo vor Jahrzehnten bei
Abb. 1. Grossbeeren. '/•
Ausrodung eines Waldes, von
dem jetzt nur noch geringe Reste
unter der Bezeichnung „die
Schinderfichten“ bestehen, zahl¬
reiche Urnen zerstört sein sollen.
Ausser vielen Scherben fand
ich etwa 0,5 m tief Teile
eines grossen Napfes (Abb. 1,
Wiederaufbau), der in schräger
Lage mit Leichenbrand neben
einer Steinpackung lag (Durch¬
messer der Öffnung 29 cm, des
Bodens 11 cm, Höhe 13 cm).
Er besteht aus rötlichgelbem
Ton mit Beimengung von
Glimmer- und Quarzstückchen.
Die Innenfläche ist glatt, die
Aussenfläche mit Kammstrich¬
verzierung versehen. Die Strich¬
gruppen verlaufen oben und
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PRINCETON UNIVERS1TY
2]
Neue Funde der Latfene-Zeit aus dem Kreise Teltow.
195
unten mehr horizontal, im übrigen kreuz und quer (Nachahmung eines
geflochtenen Korbes).
1905 stiess ich etwa 200 m weiter nordöstlich auf eine ergiebigere
Stelle beim Suchen nach einer angeblich vor 40—50 Jahren gefundenen
und vom Finder wieder vergrabenen grossen tönernen Urne mit Leichen¬
brand und einem Paar Sporen (?). Die Stelle war nicht wiederzufinden,
weil dort Wege und Grenzen bei der Anlage von Rieselfeldern verlegt waren.
Aber ich fand dicht dabei an der östlichen ^—*—/
Böschung eines dem Bauerngutsbesitzer August Abb. 4. Grossbeeren.
Paul gehörigen Privatweges (Abb. 2) oberfläch¬
lich die Hälfte einer kleinen Urne und in unmittelbarer Nähe, mitten auf dem
5 Schritte breiten Wege, eine zerbrochene, umgestülpte Urne und an
deren Boden eine gekröpfte eiserne, 64 mm lange Nadel mit kölnischem
Kopf (Abb. 3). Nun wurde der Weg einfach rigolt, und es kamen dann
zutage 2 Urnen ohne Beigaben, einige Schritte weiter bergan einige
Scherben und Teile einer eisernen Latene-Fibel, endlich noch 11 Schritte
weiter eine Gruppe von 6 Gefässen (Abb. 4). Sie waren sämtlich
mit Deckeln versehen, auf der einen ruhte ausserdem ein 9 kg schwerer
plankonvexer Deckstein. Nirgends fanden sich hier oder in der nächsten
Umgebung Steinpackungen. Diese Gefässe wurden bandagiert und später
zu Hause mit grösster Vorsicht untersucht. Trotzdem zerbrachen die meisten
Deckel, welche in strengen Wintern der Frost mürbe gemacht hatte,
und 3 Von den Urnen, die durch Baumwurzeln zersprengt waren. Nr. 4
enthielt nur Leichenbrand, keine Beigaben, der Deckel zerbrach; die
Urne ist terrinenförmig (Höhe 19,5 cm, Durchmesser der Öffnung 20,75 cm,
des Bodens 11,75 cm, grösster Durchmesser 26 cm) mit einem eng-
Abb. 5. Grossbeeren.
lurchbohrten Henkel. Urne Nr. 5 war auch ohne Beigaben, von bröckligem,
rötlichem Ton; der Deckel hatte einen Henkel. Nr. 6 enthielt eine
gekröpfte eiserne Nadel von 112 mm Länge mit schaufelförmigem Kopf
(Abb. 5); der napfförmige Deckel blieb erhalten, die bauchige Urne
zerbrach; sie trug auf der glatten Aussenfläche ein Ornament: eine
Doppelreihe eckiger Einstiche über dem Absatz zwischen Hals und Bauch
und hängende Dreiecke aus ebensolchen Doppelreihen unter dem Absatz
13*
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
Walther Hindenburg,
(Abb. 6). Nr. 7 und 9, bauchige Gefässe, und ihre Deckel gingen in
Trümmer, in der einen lag ein eiserner Gürtelhaken und eine eiserne
Nähnadel mit Öhr. Nr. 8 ist ein hoher schlanker Topf von gelbröt¬
lichem Ton mit groben Beimengungen (25,5 s 16 :11,5 : 20,25 cm); der
Abb. 6. Grossbeeren
Hals ist glatt, durch einen Absatz vom Unter¬
teil getrennt, der mit Kammstrich verziert und
mit 8 vertikalen und einem auf der Konvexi¬
tät verlaufenden horizontalen halbfingerbreiten
glatten Streifen versehen ist; am Absatz sass ein
Henkel (Abb. 7). Auch hier ist offenbar ein Korb
in Ton nachgeahmt worden; die glatten Streifen sind die Spanten, der
Kammstrich das Flechtwerk. Die Urne enthielt ausser einer eisernen
___ Nähnadel mit Öhr 8 bron¬
zene, westgermanische Se¬
gelohrringe. Mir ist übrigens
die Achtzahl bei derartigen
Ohrringen auch sonst, näm¬
lich in Löwenbruch, be¬
gegnet. Von den Ringen
waren 2 mit bröckligen weis-
sen (vielleicht Knochen-)
Perlen, die übrigen mit
teils blauen, teils rötlich¬
braunen Glasperlen ver¬
sehen. Der Deckel trägt
Kammstrichverzierung.
Auf dem Felde west¬
lich von dem mit solchem
Erfolge durchsuchten Wege
fand ich dann in den fol¬
genden Jahren noch 6 meist
zerstörte Urnen mit Eisen¬
gürtelhaken und einem
Stück eines Bronzegürtel-
Abb. 8. Grossbeeren. hakens. Eine in der Haupt*
Sache erhaltene, auffallend
grosse (> 34 : ca. 17 :13 : 32), bauchige Urne von geschwärztem Ton mit
geglätteter Oberfläche hatte 4 halbmondförmige Henkel und am Schul¬
terteil über denselben ein mit wenig Sorgfalt eingeritztes Ornament;
zwischen 2 horizontalen, etwa 3 cm voneinander entfernten Rinnen ver-
Abb. 7. Grossbeeren; etwa V«-
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Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow
läuft eine Zickzacklinie, die stellenweise von einer zweiten gekreuzt wird.
Die so entstehenden Dreiecke und Vierecke sind meist mit punktförmigen
Abb. 9. Grossbccren
und länglichen Einstichen ausgefüllt
(Abb. 8). Die Urne enthielt eine
wundervoll erhaltene Mittel-Latene-
Fibel aus Eisen (Abb. 9).
Auf dem nächsten südwestlichen
Parallelwege stand ganz vereinzelt auf 2 platten Steinchen eine Tasse
mit breitem Henkel; die untere Hälfte ist mit seichten, kleinfinger-
— ^ breiten, schrägen, von links oben nach rechts
fepnooooool unten gerichteten, die obere über dem Umbruch
f mit 3 horizontalen gleichen Rinnen versehen (Abb. 10).
Das Gefäss enthielt geringe Reste vom Leichen¬
brande eines Kindes. Ich will nicht mit Sicherheit
behaupten, dass diese Urne von Lausitzer Cha¬
rakter der Latene-Zeit angehört.
Weitere Grabungen waren bis jetzt ergebnislos. Das im übrigen
zerstörte Gräberfeld war offenbar nicht gross, lange nicht so gross wie
das bei Löwenbruch, das tausende
von Urnen enthalten hat.
Spuren eines kleinen zer¬
störten Latene-Gräberfeldes habe
ich 1905 auch auf dem Krekel¬
oder Judenberge beiRuhlsdorf ,
entdeckt. Einige gerettete Scher¬
ben zeigen hängende Dreiecke
(Abb. 11), andere eine Art Korb¬
muster (Abb. 12). Ebendaher
stammt ein gegossenes draht¬
förmiges 3,5 mm dickes Stück Bronze mit Gusszapfen.
Endlich habe ich Latene-Gräber 1907 bei Jütchendorf festgestellt,
Abb. 10. Grossbccren
Abb. 11. Ruhlsdorf. */ 1 ,
Abb 12 Ruhlsdorf
Abb 13. Jütchendorf. */ 3 Abb. 14. Jütchendorf. ’/»
südlich der Landbrücke zwischen dem Siethener und dem Gröbener See,
dicht an der Chaussee Siethen-Jütchendorf. Bei Erdarbeiten wurden
Original frnm
PRINCETON UN1VERSITY
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198
Walther Hindenburg.
[5
dort 4 Urnen mit Leichenbrand gefunden. Die eine, leider zerbrochene,
ist von rotem Ton, aussen geschwärzt und geglättet, stark profiliert;
sie ist, was sehr bemerkenswert ist, auf der Töpferscheibe gearbeitet
(Abb. 13). Solche Gefässe kommen bei uns in der Latenezeit äusserst
selten vor. Ich hielt die Urne für viel jünger, für zufällig dort bei
Latene-Sachen vergraben; Herr Professor KOSSINNA machte mich erst
auf die Zeitstellung und auf die Bedeutung des Fundes aufmerksam.
Mit den Scherben dieses Gefässes wurden ausser einem Teile einer
eisernen Fibel mit geknicktem Bügel (Abb. 14) Bruchstücke eines
dreigliedrigen Gürtelhakens
aus Bronze mit 7 Längs¬
rippen gefunden (Abb. 15).
Derartige Gürtelhaken sind
nach den Untersuchungen
KOSSINNAS (Über verzierte
Eisenlanzenspitzen als Kenn¬
zeichen der Ostgermanen.
Zeitschr. f. Ethn. 1905) ostgermanisch und bisher nur auf ostgerma¬
nischem Gebiet gefunden. Die westlichsten bisher bekannten Fundorte
liegen ziemlich genau an der Oder von Pommern bis Schlesien. Ausser
dem Stück von Jütchendorf be¬
sitze ich noch ein zweites aus
Löwenbruch mit 1 Mittelrippe
und einem Zickzackornament in
Tremolierstich in den beiden Fel¬
dern (Abb. 16), und einem dritten
Exemplare scheint mir ein Bruch¬
stück aus Bochow, Kreis Zauch-
Belzig, im Königlichen Museum
für Völkerkunde anzugehören
(Nr. I. f. 512), das genau wie
das bekannte Stück aus Hohenwutzow mit 2 sich kreuzenden Zickzack¬
bändern in Tremolierstich verziert ist. Somit ist die Westgrenze für
diese Gürtelhaken weit in westgermanisches, durch Segelohrringe be¬
zeugtes Gebiet hinausgerückt.
Nun gibt es noch eine andere Art Gürtelhaken, die den Ost¬
germanen eigentümlich ist und für die KOSSINNA in der erwähnten
Arbeit fast die gleiche Westgrenze gezogen hat, nämlich zweiteilige
Scharniergürtelhaken aus Eisen. Auch von diesen ist in Löwenbruch
wenigstens ein halbes Exemplar gefunden worden (Abb. 17). Es
Abb. 17. Löwenbruch.
Abb. 16. Löwenbruch. ty».
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Original fro-m
-PfWtCETON UMtVETt
6]
Neue Funde der Latene-Zeit aus dem Kreise Teltow.
199
gehört zu einem reich ausgestatteten Frauengrabe mit einer 70 cm
langen zusammengebogenen eisernen Schmucknadel mit Bronzekopf und
4 Ringwülsten, ferner einer schwalbenschwanzförmigen Gürtelplatte mit
2 durch Ösen befestigten beweglich gewesenen Ringen, sodann einem
Abb. 18—20. Löwenbruch. */j
eisernen Gürtelhaken mit 2 eingenieteten Knöpfen und paarweise angeord¬
neten Punktkreisen, weiter einer Nadel von Eisen mit löffelartigem
Kopf mit eingenietetem Bronzestück, grossen Segelohrringen mit getrie¬
benem Ornament, von denen
Bruchstücke und 2 Glasperlen
erhalten sind, ferner zerschmol¬
zenem Bronzeblech, eisernen
Ringen, zum Teil mit Öhr,
und in Spuren erhaltenen Ketten
teils von Eisen, teils von Bronze,
Abb. 21. Löwenbruch. f /j endlich einer Bronzefibel, von
der sich nur Spirale und
Nadel vorfanden. Die Urne ist nicht erhalten 1 ).
Von Löwenbrudi erwähne ich zum Schluss zwei schöne und bemer¬
kenswerte Stücke, nämlich einen mit halbkreisförmigen Eindrücken
verzierten Spinnwirtel, das Ornament ist auf beiden Seiten verschieden
(Abb. 18—20), und eine Früh-Latfene-Fibel aus Bronze (Abb. 21).
D Anmerkung. Die beiden dreiteiligen, verzierten Bronzegürtelhaken von
Jütchendorf (Abb. 15) und Löwenbruch (Abb. 16) stehe ich nicht an, als solche an¬
zuerkennen: es werden vermutlich ostgermanische Importstücke sein. Dagegen
dürfte das Eisengerät von Löwenbruch (Abb. 17) kaum zu einem ostgermanischen
Charniergürtelhaken gehört haben, da solche „Krampen“ oder wie man sonst diesen
Gegenstand nennen mag, auch in der Kaiserzeit, sogar in der späteren Kaiserzeit
mir begegnet sind, wo doch an Gürtelhaken längst nicht mehr zu denken ist. G. K.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Spelz- und Alemannengrenze.
Von Privatdozent Dr. Ernst H. L. Krause, Strassburg i. E.
Unlängst habe ich im Mannus (s. S. 254 dieses Bds.) GRADMANNS
Hypothese vom alemannischen Ursprung des Spelzbaues abgelehnt,
konnte aber für das auffällige Zusammentreffen der Stammes- und der
Wirtschaftsgrenze keine befriedigende anderweite Erklärung geben. In¬
zwischen habe ich sie gefunden.
Die ins Alpenvorland einrückenden Alemannen assen Hafer Be¬
weise dafür findet man in einer Arbeit Th. SCHLATTERS im Jahres¬
bericht der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 1893/4.
Als das Volk am Anfänge des 8. Jahrhunderts katholisch geworden war,
musste es, soweit das Klima dies zuliess, weisses Korn und Reben
bauen. Weissbrot und Wein gebrauchte man unbedingt zur Eucharistie
und zum Lebensunterhalt der Mönche. Der Weizen der alten Raeter
war Binkelweizen, derselbe den man in vorgeschichtlichem Zustande
als kleinen Pfahlbauweizen und in der Botanik als Triticum compactum
bezeichnet. Er wurde im 19. Jahrhundert noch von Steiermark bis
zum Jura an vielen Orten gebaut. Er ist ein Sommerkorn und lässt
sich in dem grössten Teile des Alemannenlandes im Winterfelde nicht
halten. Da nun die Alemannen den Anbau des Hafers nicht mit einem
Male aufgaben, und da sich Hafer und Sommerweizen unter damaligen
Verhältnissen nicht in rationeller Wirtschaft vereinigen Hessen, mussten
die am Weisskorn interessierten Klöster sich nach einer brauchbaren
Wintersaat umsehen. Eine solche war der Spelz. Er war schon in der
Bronzezeit in der Westschweiz gewesen und dort niemals ausgestorben;
im 19. Jahrhundert baute man ihn noch im Chamonixtale. Spelz, Hafer,
Brache wurde also die neue Fruchtfolge der Alemannen, die, nachdem
das Haferessen aus der Mode kam, in Zweifelderwirtschaft überging.
Die östlichen Nachbaren der Alemannen in Bayern sind wahrscheinlich
Roggenesser gewesen, die nahmen also einfach den Weizen ins Sommer¬
feld. Das Bistum Strassburg hat ein so gutes Klima, dass auf den
meisten Fluren der alte gallorömische Winterweizen gedeiht. Dort wurde
Weizen, Hafer, Brache die alemannische Fruchtfolge, die auch hier strich¬
weise in Zweifelderwirtschaft übergeht. Also aus dem alten Haferbau
der Alemannen und den klimatischen Bedingungen des Weizenbaus er¬
klärt es sich, dass im Süden und Osten die Alemannengrenze eine
Spelzgrenze wurde. Die Westgrenze des Spelzes ist im wesentlichen
die lokale Ostgrenze des Winterweizens. Dass der Spelzbau nicht auch
in die klimatisch schlechtgestellten Dörfer des Strassburger Sprengels
kam, liegt wohl daran, dass man ohne diesen Weizen genug hatte und
nicht zweierlei Mühlen bauen wollte. Denn Spelz erfordert besondere
Mühlen.
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Gck igle
Original frorn
-PKFNUETO NUN IVER SHT
Zur Wochengöttervase
vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis
(Mannus II, 1 ff.).
Von Gustaf Kossinna.
Mit 5 Text-Abbildungen.
Der erstmalige Fund einer belgischen Wochengöttervase als Bei¬
gabe eines germanischen Grabes des 3. Jahrhunderts nach Chr. —
denn nur als Grabbeigabe wird man bei unbefangener Betrachtung, die
sich frei hält von hyperkritischer Tüftelei, nach Lage der Fundumstände
das Gefäss anzusehen haben — dieser Fund, sage ich, war so über¬
raschend, dass er mich anregte, den Darstellungen gallischer Religions¬
vorstellungen auf germanischem Boden überhaupt nachzugehen und sie
im Zusammenhänge unserer Berliner Zweigges^llschaft vorzuführen, was
durch einen von zahlreichen Lichtbildern begleiteten längeren Vortrag in
der Maisitzung geschah. Einiges davon sei hier in kürzestem Auszuge
mitgeteilt.
Es wurde dabei ausgegangen von dem unerfreulichen Zustande
der gegenwärtigen Forschung auf dem Gebiete des Wiederaufbaues der
altgermanischen Religion, wo sich die beiden jetzt herrschenden Methoden
in gegenseitiger Abneigung den Rücken kehren. Die ältere, literarisch-
sprachwissenschaftliche Methode, die nur ausländische Quellen befragt,
hat nach der zweitgenannten Richtung hin so ziemlich Fiasko gemacht,
wenn wir von der Erschliessung des Himmelsgottes absehen, deren Be¬
rechtigung freilich auch angezweifelt worden ist, jedoch mit Unrecht, da
hier die andere, jüngere Methode, die Befragung der einheimischen
Quellen, jene Erschliessung bestätigt. Diese zweite noch zukunfts¬
reiche Methode, die sich auf feste Denkmäler und auf lebendige Volks¬
überlieferung stützt, darf aber gewiss auch nicht blind mechanisch be¬
trieben werden, wenn sie nicht ebenso zu schweren Irrtümern führen soll.
Das könnte eintreten, wenn man Denkmäler, die aus der Fremde ein¬
geführt sind, als vollgiltige Zeugnisse für heimisches Volksbewusstsein
gelten liesse. Solch ein allgemeines Verkennen des Ursprungs von
Denkmälern oder Zweifel über ihre eigentliche Herkunft sind jetzt
glücklicherweise nur noch in seltensten Fällen vorhanden. Schlimmer
ist es, wenn ein einheimischer Künstler aus der Fremde gekommene
Kunstgegenstände nachbildet und so fremden religiösen Vorstellungen
den Schein einheimischer Geltung verschafft. Diesen teils fremden, teils
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PRINCETON UNIVERS1TY
202
Gustaf Kossinna.
[2
fremdartigen Denkmälern mit Darstellungen aus dem Gebiete gallischer
Religion gilt unser Interesse.
Bei den Galliern hat, wie bei den Germanen, der ehemals höchste
Gott, der Himmelsgott (germ.* Tiwaz), einen Teil seines Wirkungsbereichs
sich noch erhalten, namentlich in Südgailien, dem spät eroberten Kolonial¬
lande der in Nordfrankreich heimischen Gallier. Das ist die Pluto-
Serapis-Erscheinung des Dispater, von dem, wie Cäsar mitteilt, alle
Gallier abzustammen sich rühmten. Ihn kennzeichnet ausser seiner
streng gallischen Volkstracht der in der Linken gehaltene langschäftige
Hammer, das alte Attribut des Himmelsgottes, der Blitz, mit dem er
gegen das eherne Himmelsgewölbe schlägt, so dass es dröhnt und
‘donnert*. Darum heisst er in linksrheinischen Bildnissen Sucellus,
‘Schläger*.
Zu Cäsars Zeiten war aber der Hauptgott der Gallier nach seiner
Angabe Merkur, eine Bezeichnung, die die Römer auch demjenigen unter
den germanischen Göttern beilegen, der in jüngerer Zeit statt des alten
Himmelsgottes Tius den Götterthron einnimmt (Wodan). Daneben
hätten die Gallier Apollo, Mars, Jupiter nebst Minerva verehrt. Durch
den Dichter Lucan erfahren Wir die Namen der vornehmsten gallischen
Götterdreiheit: Esus, Teutates, Taranis. Durch den Scholiasten zu
Lucan erfahren wir weiter, dass sich hinter dem Donnergott Taranis
Cäsars Jupiter verbergen muss. Der gallische Hauptgott Esus wird mit
dem Merkur gleichzusetzen sein, der unter der römischen Herrschaft
namentlich in Ostgallien von allen Göttern die weitaus meisten Bild¬
werke erhalten hat. Teutates dagegen ist der gallische Mars,.
Der bekannte, 1760 entdeckte Schifferaltar von Notre Dame zu
Paris zeigt ausser ‘Esus* (= Merkur) und ‘Jovis* (= Taranis) den
‘Volcanus’ statt des Mars als Vertretung der dritten Gottheit in der
gallischen Hauptgöttertriade (= Teutates). Wie aber das Scholion zu
Lucan sowohl bei der Auslegung des Esus wie bei der des Teutates in
doppelter Weise schwankt, indem beide sowohl mit Merkur als mit Mars
gleichgesetzt werden, so zeigen, wie wir später sehen werden, zu¬
weilen auch die Denkmäler diese offenbar im tatsächlichen Schwanken
der volkstümlichen gallischen Auslegung begründete Unsicherheit.
Der gallische Merkur ist nicht wie der klassische jugendlich und
unbeweibt, sondern voll bärtig, stets mit dem gallischen Geldbeutel
in der Hand und von Rosmerta begleitet. Eigentümlich ist den gallischen
Göttern der aus der Zeit der Freiheit des Volkes stammende volkstüm¬
liche Halsschmuck, der Latene-Halsring, mit Kugel- oder Halb¬
kugelenden, den zu tragen im Volke selbst unter römischer Herrschaft
nicht mehr üblich war.
In Ostgallien sind weiter zuhause Bildwerke gallischer Götter¬
dreiheiten, deren Hauptglied zuweilen als dreiköpfig wiedergegeben
wird, entsprechend dem griechischen Hermes.
Ein solcher ‘Tricephalus* befindet sich als Relief auf dem 1871
beim Neubau des Pariser Hospitals aufgefundenen Steinaltar, der eine
allegorische Darstellung des von Kaiser Tiberius nach einem Aufstande
entwaffneten und befriedeten Galliens aufweist. E. KRÜGER hat diesen
Altar neuerdings als einen hohen Pfeiler, den eine Statue des römischen
Mars bekrönte, rekonstruieren und nun den Tricephalus statt mit Merkur
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3]
Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 203
hier vielmehr mit Mars gleichsetzen wollen 1 ). Allein das ist nicht zwingend,
da hier der gallische Hauptgott Merkur als Repräsentant des gallischen
Volkes und als Zeuge des ehrlichen Friedensschlusses sehr wohl am
Platze ist, ohne damit als Dublette des bekrönenden römischen Mars
gedacht worden zu sein.
Die Tricephalusbilder und ebenso die Reliefs des gehörnten
Gottes Cernunnos zeigen uns aber neben dem gallischen Torques
und vielfach gallischer Tracht auch noch die altgallische Eigenart des
Sitzens mit untergeschlagenen Beinen, die Verwendung des Torques auch
als Weihgabe, die dem Götterbildnis irgendwo angehängt wird, die Bei¬
gabe einer Widderkopfschlange oder eines blossen Widderkopfes und
ebenso eines Stieres oder eines blossen Stierkopfes.
Endlich ist hier noch der häufigen Darstellung des gallischen
Sonnengottes, des Jupiters mit dem Rade, das aber ein Sonnenrad
ist, zu erwähnen.
In Dänemark, und zwar aus Fünen und Seeland, besitzen wir eine An¬
zahl von Bronze kesseln etwa aus dem letzten Jahrhundert vor Chr.,
teilweise mit Eisenrand und eisernen Henkelringen, die auf der Aussen- wie
auf der Innenseite Platten mit figürlichem Bildwerk in Hochrelief zeigen,
teils gegossene Bronze-Tierbilder, teils getriebene Menschenmasken.
Die Masken sind durch die Halsringe als solche gallischer Gottheiten
gekennzeichnet. Die Eigenart der Gesichter, die auffallend breit und
kräftig sind, die grosse Nase, die hohe Oberlippe, der gekniffene Mund,
oft mit herabgezogenen Mundwinkeln, das lange Kinn, die eigentümliche
Haarbehandlung, die nur geringe Andeutung des Ohres, die Form der
Augen mit linsenförmigem stark hervortretendem Augapfel, der durch
Einsatz blauen Glasflusses hergestellt ist, schliesslich der leere Ausdruck
des Gesichts: alles das kehrt auf einer grossen Anzahl vereinzelt gleich¬
falls in Dänemark, zum grössten Teile aber in Frankreich zum Vorschein
gekommener Bronzefigürchen, Bronze- und Silberköpfe und -masken wieder.
Sehr eigenartig ist die zum gallischen Porträtstil gehörige geringe Länge
(Tiefe) des Kopfes, der auch in voller Darstellung hinter der Scheitel¬
höhe eine plötzlich abfallende, nur schwach gewölbte Hinterwand zeigt.
Das Haar fliesst seltener vom Mittelscheitel aus geteilt in langen, glatten
Strähnen herab, die in einer Locke aufgerollt enden; meist ist es nur
vorn um das Gesicht herum angebracht, wie ein Kranz, der aus einer
langen Reihe von spiraligen Lockenknäueln besteht.
Genau solche Köpfe finden wir nun auch in grösster Zahl an dem
berühmten 1891 in Gundestrup nahe am Limfjord in Jütland ent¬
deckten Silberkessel desselben Typus, wie die ebengenannten insel¬
dänischen.
Dieser Kessel trägt als breite Randzierde innen 5 länglich recht¬
eckige, aussen dagegen 8 quadratische Silberplatten, alle sehr reich mit
religiösen Darstellungen in getriebenem Relief geschmückt. Von den
8 Aussenplatten fehlt eine; die vorhandenen 7 zeigen durchweg Götter¬
köpfe von dem geschilderten gallischen Typus: 2 weibliche, 4 männliche,
') E. KRÜGER, Deux monuments du Dieu tricephalc gaulois (Extr. du Con-
grös de la Federation archeologique et historique en Belgique XXI c session)
Liöge 1909.
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PRINCETON UNIVERS1TY
204
Gustaf Kossinna.
[4
sowie eine Götterdreiheit mit dem Kopfe einer Göttin als Hauptdar¬
stellung und je einem kleineren Gotte zu beiden Seiten. Es ist also
recht ungenau, wenn Soph. MÜLLER davon spricht, dass Köpfe von
3 Göttinnen und 4 Göttern abgebildet worden waren und ganz unsicher,
wenn man um der Symmetrie willen annimmt, die fehlende 8. Platte
hätte den Kopf einer Göttin getragen und es hätte immer ein weib¬
licher mit einem männlichen Kopfe abgewechselt. Vielmehr wissen wir
nichts über die Reihenfolge der einzelnen Platten.
Die Innenplatten enthalten sehr reichlich gallische Elemente; am
meisten wohl die erste (MÜLLER Nr. VI), die einen Aufzug von Kriegern
zu Fuss und zu Pferde zur Feier eines Menschenopfers schildert. Die Reiter
tragen Helme sowie Helmzierden in Gestalt von Ebern, Vögeln, Rädern.
Das ist durchaus gallisch. Wenn bei den Germanen der Hörnerhelm
schon in der Bronzezeit nachgewiesen ist, so beweist das bei der so
grossen Seltenheit, man kann fast sagen, bei dem Fehlen germanischer
Helme vor der Merowingerzeit herzlich wenig. Eberhelme kennen die Ger¬
manen vor der Merowingerzeit überhaupt nicht. Ganz dasselbe gilt von
den Sätteln, von den Blashörnern mit Schallöffnung in Gestalt von Tier¬
köpfen, von dem zopfartigen Haarschmuck des Priesters, dem man den
Kriegerzopf gallischer Münzbilder annähern kann.
Platte VIII zeigt einen Gott mit dem Sonnenrad, begleitet von
Greifen, also wohl den Sonnengott; Platte IX den vollständigen ge¬
hörnten Cernunnos mit der Widderkopfschlange, daneben einen Hirsch,
der auch auf dem Relief von Rheims dem Cernunnos zugesellt ist. —
Platte X zeigt wiederum eine Kulthandlung: ein Jüngling weist nach
dem Sonnenrad in der Hand eines Gottes; dabei befindet sich wieder
die Schlange und der Greif.
Die Götterköpfe der Aussenplatten sind riesengross, nackt, mit den
Torques geschmückt und, soweit sie männlich sind, durchweg bärtig,
während die menschlichen Männer durchweg unbärtig erscheinen. Die
Attribute der 7 Gottheiten sind für uns zu wenig verständlich, als dass
wir danach die Gottheiten mit bestimmten Namen bezeichnen könnten.
Eine Ausnahme macht allein die auf Platte XIII, 1 sehr kenntlich dar¬
gestellte Liebesgöttin, die Venus. Es ist ein recht naheliegender Ge¬
danke, in den 7 Gottheiten die 7 Wochengötter, die Planeten, wieder¬
zuerkennen, wobei es zweifelhaft bleibt, ob die Göttertriade mitzurechnen
ist oder etwa ausserhalb der Reihe steht und dem etwa auf der ver¬
lorenen Platte dargestellten Gott den Platz einzuräumen hat. Die
Liebesgöttin ist dann natürlich der Freitag, die zweite weibliche Gottheit
der Montag, die Triade, wie wir noch- sehen werden — falls sie mitzu¬
rechnen ist —, Dienstag, Mittwoch oder Sonnabend; die vier Götter waren
dann die übrigen vier Wochentage.
Dann kann aber der Kessel nicht, wie von der Mehrzahl der
Forscher angenommen worden ist, dem 1. Jahrh. nach Chr., noch weniger
natürlich dem 1. Jahrh. vor Chr. angehört haben, denn vor 200 nach Chr.
ist an Wochengötterdarstellungen nicht zu denken. Abzulehnen ist aber
auch die Datierung Salomon REINACHs, der den Kessel ins 5. Jahrh.
nach Chr. oder noch später versetzt. Als Kuriosum sei noch erwähnt,
dass LOESCHCKE in Bonn den Gundestruper Kessel nach einer ver¬
meintlichen Parallele, die er bei dem Maskenschmuck des berühmten
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PRINCETON-UNftfl
5] Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis. 205
gallischen Grabes von Waldalgesheim gefunden haben will, dem 4. oder
3. Jahrh. vor Chr. zuschreibt. Diese Meinung verrät jene lächerliche
Unkenntnis der vorgeschichtlichen Kultur West- und Mitteleuropas, die
so bezeichnend ist als berechtigte Eigentümlichkeit für jene westdeutsche
Gruppe klassischer Archäologen, die die Wissenschaft der Prähistorie
erst zu dem Range einer wirklichen Wissenschaft zu erheben sich allein
für berufen halten, in Wahrheit aber sie nur als melkende Kuh aus¬
nützen wollen.
Die Reiter von Gundestrup tragen Sporen: die ältesten europäischen
Sporen erscheinen aber bei Galliern und Germanen und zwar erst kurz
vor Chr. Geburt. Ganz ähnliches gilt von der Form des Schildes, die
auch nicht älter ist als das 1. Jahrh. vor Chr. Ferner sagt die Ver¬
wendung des Silbers in solchen Mengen, wie bei unserem Kessel, schon
ganz allein dem Kundigen genug. Bei den Germanen fehlt das Silber
vor der Zeit des Augustus so gut wie vollständig und bei den Kelten
findet es nur wenig früher eine seltene und äusserst sparsame Ver¬
wendung im Kleinschmuck (Fibeln).
Nach alledem ist mir das 2.— 3. Jahrhundert nach Chr.
als Entstehungszeit des Silberkessels sehr wahrscheinlich.
Seine Motive stammen teils aus Gallien, teils aus dem klassischen
Süden. Seine vollendete Technik weist nicht ohne weiteres nach Gallien;
der naive, unbeholfene Stil legt eher nahe, an einheimisch-germanische
Nachbildung fremder Vorbilder zu denken. Wir können das um so
eher glauben, als die Gestalten zweier gallischer Götter, der gehörnte
Cernunnos und der Dreikopf, auf dem zweiten der Tondernschen
Goldhörner (Gallehus), dem von 1734, das sicher ein germanischer
Künstler angefertigt hat, wiederkehren.
Um das 2. bis 3. Jahrhundert sehen wir gerade in Ostfrankreich und
im rheinisch-süddeutschen Keltengebiete Steinaltäre mit Darstellungen
der Planetengötter als eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Parallel mit
diesen Altären gehen im belgischen Gebiete die Planetenvasen, gleich¬
falls des 3. Jahrhunderts, wie sie schon Sal. REINACH richtig datiert
hat, ehe die endgiltig zeitbestimmenden Gräber vom Fliegenberg ent¬
deckt worden waren. Diese Vasen zeigen die Wochengötterköpfe genau
mit demselben eigentümlich gallischen Porträt, das wir nun schon ge¬
nügend kennen; ausserdem ist einer der Götterköpfe stets als Trice-
phalus gestaltet. Am bekanntesten ist die in der Revolutionszeit in
Nordfrankreich entdeckte sog. Vase von Bavai (Mannus, Bd. II, Taf. 111),
sicher eine Planetenvase trotz der Ableugnung von Sal. REINAGH, der
im Tricephalus nur den Merkur sehen will l ), während er bei richtiger
Anordnung der Bildnisse, an der zu zweifeln sonst koin Grund vorliegt,
hier vielmehr den Mars vertreten muss. Dass der Mittelkopf des Trice¬
phalus hier ausnahmsweise 2 hörnerartige Auswüchse zeigt, verwertet
Sal. REINACH für seine Deutung des Tricephalus als Merkur, indem
er vielmehr Reste der Merkurflügel hier erhalten sieht. Zwingend ist
das nicht.
Eine andere schöne Wochengöttervase stammt aus Jupille bei
0 Sal. REINACH? Revue de l’histoire des religions 1909, 57 ff.; wiederab-
gedruckt in dess. Vfs.: Cultes, mythes et religions T. III, 170 ff.
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PRINCETON UNIVERS1TY
206
Gustaf Kossinna.
[6
Lüttich (Mannus Bd. II, Taf. IV): bei ihr ist leider ein Götterbildnis
abgeblättert. Wenn an dieser Stelle der sonst übliche Tricephalus sich
befand und die Reihe der Planeten richtig eingehalten ist, müsste der
Tricephalus hier den Saturnus bedeuten. Zu diesem aber hat der Trice¬
phalus trotz DEMARTEAU, der hierzu viel Phantastisches und noch mehr
Falsches vorbringt 1 ), keine andere Beziehung, als die sehr entfernte,
dass die Römer die Wochentagzählung damals mit Saturn begannen
und somit dieser Planet eine Art Vorrangstellung einnahm, die in einer
Vertretung durch den Tricephalus angedeutet werden sollte.
Ein im Museum zu Mons befindliches Vasenfragment mit dem
Tricephalus, aus der Umgegend Mons in Belgien, sei hier als Er¬
gänzung wiedergegeben (Abb. 1).
Die neue Vase vom Fliegenberg hat nur 6 Götterköpfe. Trotz¬
dem wird niemand bezweifeln, dass in ihr derselbe Vasentypus vorliegt,
wie bei den oben genannten Planetenvasen. Leider sind einige Köpfe
bis zur Unkenntlichkeit zerstört;
doch ist gerade der Tricephalus
ziemlich gut erhalten.
Was zunächst die Zeit an¬
langt, so war mir sofort die Da¬
tierung ins 3. Jahrhundert nach
Chr. klar und wurde immer zweifel¬
loser, je mehr Abbildungen von
Grabbeigaben und sonstigen Fun¬
den dieser Örtlichkeit mir Herr
RADEMACHER übersandte. Zu¬
nächst gehört dieser Zeit ein in
den Wohnstätten gefundenes sog.
„Eisendepot“ an (oben S. 2 f.).
Dies beweist der Schildbuckel S. 3
Abb. 5, der oberhalb des Randes
nicht, wie gewöhnlich, streng zy¬
lindrisch aufsteigt, sondern in
sehr merklich nach innen ge¬
schweifter Einwölbung, wie ich
Stücken des 3.—4. Jahrhunderts
kenne, die zum Merowingertypus überleiten.
Die eisernen Eimerbeschläge, an denen der bewegliche Eisenbügel
befestigt war, je 2 von verschiedener Art (Abb. 2, 3), zeigen in dem
einen Typus die bekannte spätkaiserzeitliche Form mit gespaltenen
Enden (Abb. 2).
Es folgen die drei Gräber, sämtlich derselben Zeit angehörig.
Grab i: Die beiden von RADEMACHER erwähnten, völlig gleich¬
gestalteten sog. Bronzemesser sind natürlich die beiden Klingen einer
verzierten Bronzeschere gewesen, wie sie seit Beginn der Kaiserzeit
in germanischen Gräbern häufig anzutreffen sind. Nur eine Spezial¬
behandlung sämtlicher derartiger Stücke könnte ermitteln, ob in der
Verzierungsweise zeitliche Unterschiede erkennbar sind, die eine Zu-
*) J. E. DEMARTEAU, le vase planetaire de Jupille (M^langes Godefroid
Kurth. T. II Liege 1908).
Digitized by GOOgle PR1NCETON UNtVERSIT^*“
Abb. 1. Tricephalus der Gesichtsvase von Mons
(Belgien), (nach Rev. arch^ol. 1593, 1, 256 f.).
sie nur an ganz spätkaiserzeitlichen
Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg bei Troisdorf, Siegkreis,
Weisung in die früh- und spät¬
römische Kaiserzeit gestatten. —A.
Hier erübrigt sich dies, da die (
germanische Urne selbst un- ff \\
zweifelhaft spätkaiserzeitlich ist. j j | n
Nit dieser Urne zusam- rjj
men ist ein bauchiger Becher ___ JJf
gefunden worden, von dem v
ich aus Abbildung und Be-
Schreibung nicht entnehmen ß
kann, ob er römische oder r —
germanische Arbeit ist. Für Qp
mich hat das letztere grössere
Wahrscheinlichkeit, sicher ist ^^
seine Verwandtschaft mit ge-
wissen spätrömischen Formen. jh/f
Wir werden daher, wenn wir nf
ohne vorgefasste Meinung an ll l|
die Sache herantreten, auch der Vv JJ
mitgefundenen Vase mit den.
Götterköpfen dasselbe Alter
unbedenklich zuschreiben kön- IvST
nen, ja zuschreiben müssen. Fy 1 1
Die von KRÜGER dagegen j ^ _
geltend gemachten Einwen-
düngen sind ganz unsicherer
Natur und können nicht im
geringsten überzeugen Abb # und 3 EimerbesdllJge
Auch Ürab 11 und 111 ge- Fliegenberg bei Troisdorf. Siegkreis. Rheinlande,
hören ohne Widerrede ins 3.
Jahrhundert. Der mit eingefurchten Rankeniinien verzierte eiförmige
Abb. 5. '/♦.
Ostedt bei Cuxhaven (nach Rautenberg).
Abb. 4. i/s.
Fliegenberg bei Troisdorf. Siegkreis. Grab 3.
Original frorn
PRINCETON UNIVERSITY
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208
Gustaf Kossinna: Zur Wochengöttervase vom Fliegenberg usw.
[8
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Becher provinzial römischer Arbeit (Abb. 4) hat seine Parallele in einem
germanischen Grabe derselben Spätzeit aus Oxstedt bei Cuxhaven
(Abb. 5), wo ein solcher Becher in Gemeinschaft eines kleineren ähn¬
lichen und zweier Bronzebeschläge eines Holzeimers von der oben ab¬
gebildeten Form (Abb. 2) gefunden worden ist 1 ).
Das merkwürdige Schwert (S. 16 Abb. 13) verrät durch den
gegenüber der kurzen Klinge riesenhaft langen Griff seinen ungermani¬
schen, provinzialrömischen Ursprung.
Schliesslich noch ein Wort über die Deutung der 6 Götterköpfe
der Kölner Vase. Es fragt sich, welcher Planet oder welcher Wochen¬
tagsgott hier übergangen worden ist (O). Zunächst sei die Stellung des
Tricephalus innerhalb der Reihe der männlichen (|) und weiblichen (—)
Köpfe bei den andern behandelten Vasen übersichtlich vorgeführt-
1. Bavai
*
2. Jupille 3. Fliegenberg
- 1
Di.
Tricephalus
i
a) Tric.
b) ?
c) Nimbus
Mars
Mi.
|
i
|
o
Tric.
Merkur
Do.
i
i
O
—
|
Jupiter
Fr.
—
—
—
Nimbus
—
Venus
Sa.
i
(Tric. ?)
?
Tric.
?
Saturn
So.
i
1
-(!)
|
O
Sol
MoT
—
—
Nimbus
.
—
Luna
Wendet man eines dieser beiden Schemata, sei es das von Bavai
oder das von Jupille, auf die Fliegenberger Vase an, so ist das Ergebnis
sehr unbefriedigend. Beim Schema Bavai (a) Tricephalus — Dienstag)
müsste der Donnerstag (Jupiter) übergangen (O), der Sonntag (Sol) aber
durch eine Göttin, umgekehrt der Montag (Luna) durch den hervor¬
ragenden männlichen Nimbusgott wiedergegeben worden sein. Und beim
Schema Jupille (b) Tricephalus — Saturn) müsste der Donnerstag (Jupiter)
weiblich dargestellt worden sein, der Nimbusgott aber die Venus be¬
deuten. Das alles ist unmöglich. Ein voller Sinn wird aber erreicht,
wenn wir den Tricephalus mit REIN ACH als Merkur auffassen (Mitt¬
woch c), dann würde der Nimbusgott vorzüglich passen zum Vertreter des
Mars-Teutates, Jupiter und beide Göttinnen erhalten ihre richtige Stellung,
Saturn ist ein völlig zerstörter Kopf und Sol ist übergangen worden.
Wir sehen also jetzt, was es auf sich hat, wenn ich oben sagte, dass
die Denkmäler ein Schwanken der gallischen Auslegung für Merkur und
Mars selbst zu bestätigen scheinen.
’) E. RAUTENBERG, Römische und germanische Altertümer aus dem Amte
Ritzebüttel und aus Altenwalde, S. 10 ff., Taf. 11, 1—3a. Jahrb. der Hamburg,
wissensch. Anstalten IV, 1887.
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PRINCETON U^V ^ R ^ ITY
III. Aus Museen und Vereinen.
Vorgeschichtliche Funde und Unter¬
suchungen in Mecklenburg. 1907 bis 1909.
Von Robert Beltz, Schwerin.
Mit 9 Textabbildungen.
Die Ergebnisse, welche die letzten Jahre uns gebracht haben, be¬
ruhen im wesentlichen auf zufälligen Beobachtungen, die bei der Boden¬
kultur gemacht sind und den daran anschliessenden Untersuchungen;
diese mussten sich im allgemeinen mit der Feststellung des Tatbestandes
und der Bergung von Fundstücken begnügen, die den Charakter der
Fundstelle belegen. Grössere Unternehmungen haben wir, zumal die
vorhandenen Mittel und Arbeitskräfte durch die Herstellung eines um¬
fassenden Katalogwerkes in Anspruch genommen waren, nicht in die
Hand nehmen können. Auch in jenen bescheidenen Grenzen aber haben
sich die Grundzüge der Besiedelungsgeschichte des Landes, wie sie Ref.
z. B. auf der Anthropologenversammlung in Halle (Korrespondenzbl. 1901,
S. 10 ff.) formuliert hat, ganz wesentlich vertiefen lassen, und die
Zahl von gegen 100, meist neu bekannt gewordenen Stellen, über die wir
zu berichten haben, bedeutet nicht nur eine statistische Bereicherung.
1. Steinzeit. Dass unsere bisherige Statistik selbst bei den auf¬
fallendsten Denkmälern der Vorzeit, den Megalithgräbern, noch unvoll¬
ständig ist, zeigt eine Beobachtung von Pennewitt bei Warin, wo aus
einem wüsten, bis dahin unbeachtet gebliebenen Steinhaufen sich ein
schönes und typisches Hünengrab herausschälen liess: 5, bezw. 4 Trag¬
steine an den Längsseiten, 2 an den Schmalseiten, 4 (ursprünglich 5)
Decksteine, Länge (NO.-SW.) 9,60, Breite 3,20 m; die Fugen zwischen
den Steinen ausgefüllt mit flachen Keilsteinen und Lehm; die Grab¬
kammern ausgenommen, wohl erhalten aber der Grund, bestehend aus
Lehmdiele mit den üblichen geglühten Feuersteinen; darauf zwei Brand¬
stellen. — Die Megalithgräber stellen im nordischen Steinzeitgebiet nicht
die einzige Grabform dar;, aber über ihr Verhältnis zu den ebenfalls
vertretenen Flachgräbern ist noch keine Sicherheit erzielt; es ist klar,
dass die Form des Flachgrabes allein nichts sagt: gerade in Mecklenburg
haben wir in den bedeutungsvollen Ostorfer Gräbern zweifellose Gleich¬
zeitigkeit mit der Megalithkultur (Archiv, f. Anthrop. VII. 1909, S. 268),
aber somatische Verschiedenheit der Bestatteten (SCHLIZ ebenda S. 275).
Eine andere Gruppe von Flachgräbern hebt sich dagegen auch durch
ihre Ausstattung (Dolchklingen) von den Megalithgräbern ab und wird
allgemein als jünger betrachtet. Diese Gräber westlich von Mecklenburg,
Mannus. Bd. li. 14
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PRINCETON UNIVERS1TY
210
III. Aus Museen und Vereinen.
in Jütland und Schleswig-Holstein, einerseits, östlich, z. B. in der Ucker¬
mark, anderseits längst bekannt, wollten bisher nicht recht kommen, und
wir begrüssen es, dass jetzt in Kl. Methling bei Gnoien einige geborgen
sind, die in der Anlage und Ausstattung der vierten Gruppe der jütischen
Einzelgräber Sophus MÜLLERS genau entsprechen, leider auch, wie
diese, ohne bestimmbare Gebeinreste. Ein Flachgrab von Friedrichsdorf
bei Neubukow enthielt nur wenig charakteristische Scherben und Stein¬
messer. — Steinzeitliche Wohn- oder Herdgruben sind aufgedeckt bei
Güstrow (kleine runde Brandstellen auf einem Steinpflaster mit unschein¬
barer Megalithkeramik, auffallend wenig Tierknochen), und Selpin b. Tessin
(interessante Anlage, Rechteck von 2,50 und 1,25 m, gepflastert, mit verein¬
zelten Scherben und Lehmbewurfstücken, daran anschliessend, quadratisch
von etwa 1,25 m, eine Herdstelle mit Tierknochen, Scherben, Steinmessern).
— Auch für die Pfahlbauten hat sich mancherlei ergeben. Es ist ja be¬
kannt, dass die ersten deutschen Pfahlbauten in Mecklenburg, bei Gägelow
und Wismar, entdeckt sind, schon 1863, dass aber infolge von Fälschungen,
die bei der Ablieferung der Fundstücke vorgekommen waren, der ganze Pfahl¬
bau von Wismar in Verdacht gezogen und überhaupt ausgeschaltet wurde;
noch S. MÜLLER konnte (Nordische Altertumskunde I, S. 202) schreiben:
„von den eigentümlichen (steinzeitlichen) Pfahlbauten ist in Skandinavien
und überhaupt in Nordeuropa keine Spur entdeckt worden". In Wirk¬
lichkeit ist der Wismarsche Pfahlbau so authentisch wie überhaupt eine
nach damaligem Betriebe untersuchte Station und hat vor dem Auftreten
des Fälschers und auch, nachdem dieser unschädlich gemacht war, dieselben
Fundstücke ergeben. .Eine Anzahl besonders schöner und belegender
Stücke, der bekannten Äxte, Meissei, Keile, waren in Wismar in den Händen
eines der ersten Untersucher geblieben und sind nunmehr auch der
Schweriner Sammlung zugeflossen. — Auch an einer zweiten älter be¬
kannten Stelle, von Bülow bei Rehna,
wo aus guten Gründen ein Pfahlbau
vermutet wurde (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64,
S. 154), der aber infolge ungünstiger
Wasserverhältnisse sich der Untersuch¬
ung entzogen hat, sind bei Torfarbeiten
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, Reibsteine,
Feuersteingeräte neu aufgetaucht und
geborgen. — Ebenso stiess man in
Stove b. Neubukow bei Aushebung des
Torfgrundes zwecksAnlage eines Karpfen¬
teiches auf in dem Boden stehende
Pfähle, Kohlen, Tierknochen, an Alter¬
tümern ist eine durchbohrte Grünstein¬
axt und eine ungeschliffene Feuersteinaxt
(dicknackig) der Schweriner Sammlung
zugegangen. — Die Bedeutung der recht
häufigen Steinfunde in den Mooren muss
ja meist zweifelhaft bleiben, so auch eines Fundes von Liessow b. Brüel, von
wo ebenfalls eine durchbohrte Grünsteinaxt und eine dicknackige Feuer¬
steinaxt eingeliefert sind. — Interessant ist der Fund eines Tragtopfes
von Bernitt b. Bützow, welcher 5 m tief in schwerem Lehm in quelligem
Abb. i.
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PRINCETON UNIVERSUM
III. Aus Museen und Vereinen.
211
Boden mit zwei anderen (verworfenen) gefunden ist, wohl ein Brunnen¬
fund (Abb. 1).
Sehr zahlreich sind dann die Beobachtungen von Feuerstein¬
werkstätten, wie sie besonders auf sandigen Kuppen in der Nähe
von Wasserbecken oder Wasserläufen allgemein auftreten. Genauere
Untersuchungen haben ja nur wenige erhaLten, und eine Sonderung des
massenhaften Materials ist noch nicht in Angriff genommen. Immerhin
haben sich an einigen Stellen des Landes Lokalforscher gefunden, die
ihre Gegend regelrecht absuchen und durch deren Beobachtungen sich
auch die Individualität der einzelnen Plätze ergibt. Das gilt besonders
für die Umgegend von Schwerin, Waren, Teterow, Neubukow, Ribnitz.
Bei sorgsamerer Untersuchung haben sich meist auch Brandstellen
und Scherben ergeben, aber stets so vereinzelte, dass sie nur auf ge¬
legentliche Benutzung der Stelle zurückgehen können. Bei Schwerin
zieht sich ein Kranz von steinzeitlichen Werkstellen um die Seeufer und
über ihre Inseln, ähnlich bei Waren an der Müritz und in der Neu-
bukower Gegend, die an steinzeitlichen Funden überhaupt die reichste
des Landes ist. Ein Eingehen auf die einzelnen Stellen erübrigt sich
hier (über die Wustrow-Niehagener s. Mannus I, S. 258), ebenso wie
eine speziellere Behandlung der Einzelfunde. Einen sehr erfreulichen
Zuwachs stellt die Erwerbung einer grossen Sammlung von Stein¬
geräten dar, die auf der Feldmark eines Gutes, Kl.-Pritz bei Stern¬
berg, allmählich gefunden waren und auch einige seltenere Typen gut
repräsentieren.
2. Ältere Bronzezeit. Bei dem grossen Reichtum des Landes
an Bronzen war es befremdlich, dass dasselbe für die Gräber der älteren
Stufen fast völlig versagte. Für Montelius I war überhaupt nur ein
Grabfund (Warrenzin; Mecklb. Jahrb. 67, S. 194) bekannt. Jetzt kommt
(durch private Untersuchung) wenigstens noch einer dazu. Bei Hohen-
Niendorf bei Kröpelin stiess man im flachen Boden (wenigstens ohne
erkennbaren Hügel) auf einen flachen Stein, der von kleineren gehalten
wurde; Gebeine sind darunter nicht beobachtet, doch war der Raum
gross genug, um einen Körper zu bergen, und die Gegenstände lagen
in ihm verteilt; es waren: eine „langgestielte Randaxt“ von dem Typ
LISSAUER, Ztschr. f. Ethnol. 1904, S. 548, 21, bisher in Mecklenburg
fremd, 19 cm lang; zwei einfache, spitz zugehende Ringe von 8 cm
Weite; eine Nadel, deren Kopf leider fehlt. —
Ähnlich ist Montelius II auffallend schwach vertreten; in der Schweriner
Sammlung kommen auf 233 als Montelius III charakterisierbare Gräber
nur 20 Montelius II. Daran ändern auch die neuen Funde nichts. Vier¬
zehn Gräber sind durch Untersuchungen oder Funde neu bekannt ge¬
worden; davon gehören zwei in M. II, neun in M. III, drei sind un¬
sicher. Dazu entstammen die M. II-Funde, eine Absatzaxt nordischen
Typs (LISSAUER, a. a. O. 1905, S. 799, wie sie neuerdings HAHNE aus
einem hannoverschen Grabe im Jahrb. d. Prov. Mus. 1909, T. XIII., 2
gegeben hat), von Zülow b. Schwerin; und die Nadel einer Fibel etwa
wie S. MÜLLER Ordning. 11 von Gr. Bengerstorf bei Boizenburg, zer¬
störten Gräbern, auf deren Anlage nicht geachtet ist. — Die M. 111-
Funde sind natürlich im wesentlichen den stattlichen Hügelgräbern (sog.
„Kegelgräbern“) entnommen. Die erste Stelle gebührt einem Grabe
14 *
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III. Aus Museen und Vereinen.
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von Dorf Poltnitz bei Neustadt, das gerade für die eigentümlich
mecklenburgische Richtung in M. III ausserordentlich charakteristisch ist:
ein Hügel aus Sand aufgeschichtet von ungefähr 3 m Höhe und 24 m
Durchmesser, früher von einem Steinkranze umgeben, bei dessen Ent¬
fernung zahlreiche Urnen zerstört sind. Auf dem Urboden zwei Gräber:
1. im nördlichen Teile auf Steinpflaster westlich gerichtet; die Lage der
Beerdigten (denn es ist ein Frauengrab) war durch die Beigaben,
die alle an ihrer Stelle lagen, deutlich bestimmbar. Holzspuren, die
am Kopf- und Fussende stärker, in der Mitte schwächer waren, führen
auf die Beisetzung in einem Totenbaume, Zeugreste an den Bronzen,
besonders am Halse auf ein wollenes Gewand. Die Bronzen waren:
am Kopfende kleine Spiralröllchen und ein Spiralring, wohl Haarschmuck,
in der Halsgegend eine Halsberge (— BELTZ, Vorg. Altert, von Meck¬
lenburg-Schwerin 1 ) 30, 75) und ein gewundener Ring, auf der Brust
eine grosse Bandfibel mecklenburgischen Typs (= VAM 29, 66), in der
Gegend der Hände (Arme gestreckt zur Seite vorausgesetzt), je ein Hand¬
ring, an der rechten Seite auch ein spiraliger Fingerring mit Platten, an den
Fussgelenken vier Ringe, davon zwei sog. Handbergen (= VAM 32, 67), die
ja auch sonst als Knöchelringe nachgewiesen sind, alles sicher weibliche Aus¬
stattung; 2. im südlichen Teile des Hügels ein zweiter Grabraum, nach Nor¬
den mit einer Steinmauer aus Granitblöcken abgegrenzt; an Fundstücken
nur ein Messer und eine Pinzette; wohl ein Männergrab. Über beiden
Gräbern Steinkegel, die fast bis an die Spitze des Hügels reichten; der ganze
Hügel oben in geringer Tiefe mit einer pflasterartigen Steinüberdeckung
abgeschlossen. Die Erde des Auftrags war durchsetzt mit Kohlen und
einzelnen Scherben; an mehreren Stellen, besonders in dem Raume
zwischen den beiden Gräbern, fanden sich auch Brandstellen, wohl von
Zeremonialfeuern, die bei der Anlage des Grabes brannten; hoch im
Steinkegel der ersten Bestattung kleine Spiralröllchen, oberhalb der
zweiten im Erdmantel zwei Gürtelknöpfe, beides wohl nachträgliche Bei¬
gaben („Opfer“) an die Bestatteten. — Nahe der Oberfläche ohne Stein¬
schutz auf Steinpflaster ein Skelett ow. gelagert, zu Füssen Reste eines
Tongefässes, welches bronzezeitlich sein kann; sonst ist über die zeit¬
liche Stellung dieses Grabes nichts zu sagen. Beachtenswert ist in
dem Poltnitzer Grab, das Verhältnis der männlichen und der weib¬
lichen Bestattung. Männer- und Frauengräber in demselben Hügel
sind ja in unseren grösseren Hügelgräbern die Regel, auch die reichere
Ausstattung der Frauengräber ist das gewöhnliche (Beispiele in Fried¬
richsruhe, Stülow usw., s. Jahrb. 67, u. s.). Recht auffallend war es
dabei, dass wiederholt der Mann beerdigt, die Frau verbrannt war;
man darf aber doch diese Beobachtung nicht verallgemeinern: zu Bei¬
spielen der letzten Jahre von Stülow b. Doberan, Granzin b. Lübz,
Bredentin b. Güstrow, wo die Frau reich geschmückt in gleicher Be¬
stattungsart dem Manne beigegeben war, kommt jetzt Poltnitz; mit be¬
sonders drastischer Betonung der Hochschätzung der Frau* denn während
sonst überall dem Manne mindestens sein Schwert mitgegeben ist, muss
er sich hier mit den notwendigsten Toiletterequisiten Pinzette und Rasier¬
messer begnügen, selbst seine Gürtelknöpfe hat man ihm erst nachträg¬
lich zugestellt. —
*) Im folgenden als VAM zitiert.
Gck igle
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PRINCETON UNJü£fi»r
III. Aus Museen und Vereinen.
213
Nicht weit von Poltnitz liegen auf dem Felde von Karrenzin bei
Neustadt eine Reihe von Grabhügeln, von denen drei allmählich soweit
niedergeackert sind, dass der Inhalt zutage getreten ist: ein gewundener
Halsring, zwei Handringe, eine Fibel, ein Spiralring, meist nur in Resten,
und zwei Bernsteinperlen sind geborgen. — Ein sehr schönes Ergebnis
hatte dann auch die Ausgrabung eines Kegelgrabes von Güstrow, wo in
dem Priemerwalde (Buchenwald auf Lehmboden) nicht weniger als 29,
soweit äusserlich erkennbar, sämtlich gut erhaltene Grabhügel dieser Art
sich befinden. Das ausgegrabene hatte 2 m Höhe, 12 l /a m Durchmesser
und war aufgetragen aus schwerem Lehm; in der .Mitte unter einer etwa
3,50 m langen, 1 m breiten, 30 cm hohen Steinüberdeckung der ost¬
westlich gerichtete Grabraum, in dem unverbrannte Gebeine und an einer
Stelle, offenbar zusammen verpackt, folgende Bronzen: Meissei von
13,8 cm Länge, Messer mit durchbrochenem Griff, Messerklinge ohne
Griff, Pfriemen mit Homgriff, nadelförmiges Gerät, Pinzette, Nadel
mit Kugelkopf, kleine Fibel mit gestrecktem Bügel (= VAM 29, 68),
alle Gegenstände auffallend zart, interessant durch die seltene Zu¬
sammenstellung. —
Geringer war die Ausbeute in dem grossen »Hopfenberge“ von
Penzin bei Bützow, einem aus schwerem Lehmmergel aufgeschichteten
Hügel, wo Ref. schon
wiederholt gegraben
hat, und in dem eine
Anzahl Körpergräber,
sehr schön aus Stein¬
platten gebaut oder
mit einigen Steinlagen
überdeckt, aber mit
sehr geringfügigem In¬
halt, vereinzelt im
Berge zerstreut, zum
Teil übereinander, De¬
gen. — Niederge¬
ackerten und auf
diese Weise zerstörten
Gräbern entstammt
ein G riff zungenschwert
(= VAM 24, 16)
und eine Lanzenspitze
(= VAM 25, 26)
von Suckow b. Par- Abb 2.
diim und ein pracht¬
voller Torques mit umgerollten Enden von Leizen bei Röbel (Abb. 2).
Einige Ausgrabungen sind ergebnislos an Fundstücken verlaufen;
zwei sehr deutliche und nur oberflächlich berührte Hügel von Sternkrug bei
Grevesmühlen und Kogel bei Wittenburg ergaben keine erkennbare Grab¬
anlage; ähnlich ein Grab von Dammereez bei Boizenburg, das nach aussen
durch eine Steinumfassung von 23—26 m Durchmesser abgeschlossen
war und im Innern eine mächtige, kreisrunde, sehr gut gebaute Stein¬
packung von 10 m Durchmesser enthielt, aber keine Grabausstattung
aufwies. —
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PRINCETON UNIVERSITY
214
III. Aus Museen und Vereinen.
Das Hügelgrab dominiert in der älteren Bronzezeit so, dass andere
Grabformen dagegen verschwinden; doch deuteten schon frühere (vgl.
Mecklbg. Jahrb. 67, S. 152) Beobachtungen darauf hin, dass wir auch
in der älteren Bronzezeit Gräber im natürlichen Boden entweder ohne
jede Erdüberhäufung (also Flachgräber) oder doch mit nur geringem
Aufwurf anzunehmen haben. Ein neuer Fall liegt vor in einem Grabe
von Rachow bei Güstrow, wo in ganz ebenem Boden 50 cm tief ein
Grab in der Form des Körpergrabes, aber mit Leichenbrand (eine vom
Ende von M. III ja wohl bekannte Erscheinung) angetroffen ist. Inhalt
zerbrannte Reste eines Halsringes und zweier Bernsteinperlen.
An Fundstücken, die nicht Gräbern entstammen haben wir aus
dieser Zeit nur einen Moorfund erhalten, gemacht bei Dargun in den
Kl. Rosinwiesen, die schon lange durch Steinfunde und steinzeitliche
Keramik pfahlbauverdächtig sind (vgl. Mecklbg. Jahrb. 64, S. 156):
einen bronzenen Pfriemen und ein bronzenes Spiralarmband einfachster
Art, die beide ganz wohl in M. I gehören können und bei denen ein
Zusammenvorkommen mit Steingeräten nicht befremden würde.
3. Jüngere Bronzezeit. Nach wie vor unser Schmerzenskind,
das sich hartnäckig der ersehnten Gliederung widersetzt; es ist bisher
unmöglich gewesen, die keramischen Funde und damit die Grabfelder
auf die in Frage kommenden Perioden M. IV, V, VI aufzuteilen. Der
Mangel an entscheidenden Metall-Beigaben einerseits, die Gleichmässig-
keit der meist wenig charakterisierten und langlebigen Tongefässtypen
anderseits sind noch nicht überwunden. Wir besitzen kein einziges
Grab, von dem wir behaupten können, dass es unter M. IV fällt. Dabei
mehrt sich die Zahl der Gräber stetig; und auch ein sicher nicht be¬
deutungsloser Unterschied an Grabformen tritt schärfer hervor, deren
wesentliche wir als Urnenhügel, Hügelgrab und Umenfeld bezeichnen.
Ein Urnenhügel ist ausgegraben bei Pampin bei Grabow, von den
beträchtlichen Ausmessungen von 3,30 m Höhe und 20 bis 22 m
Durchmesser. Das Innere bestand ganz aus Steinen, z. T. Steinpackungen,
welche die Grabräume gebildet hatten (14 könnten festgestellt werden),
z. T. Steinhäufungen, die über diesen lagerten; die ersteren waren
sämtlich zusammen gesunken und ergaben kein konstruierbares Bild.
Sie hatten auch die Urnen meist zur Unkenntlichkeit zerdrückt. Die
bestimmbaren erinnern an älterbronzezeitliche Typen (VAM S. 191,
1. a. b. 2 b) und die geringfügigen Bronzebeigaben (tordierter Hand¬
ring, Nadel) sagen nichts; sicher ist also die Stellung des Hügels nicht,
doch finden wir Analogien zu der Grabanlage erst in der jüngeren
Bronzezeit. — In unmittelbarer Nähe des Pampiner Hügels liegen eine
Anzahl sehr ähnlicher, von denen einer früher gute M. III-Funde er¬
geben hat; zwischen diesen Hügeln finden sich schwächere Bodener¬
hebungen mit Urnen, die z. T. den bekannten jungbronzezeitlichen Typ
des weitbauchigen hohen Topfes (VAM S. 258,12) haben, ein Zusammen¬
liegen von älter- und jüngerbronzezeitlichen Gräbern, wie es in Mecklen¬
burg in zahlreichen Fällen beobachtet ist. — Einfacherer Art waren
Urnenhügel odei Hügelgräber von Granzin bei Hagenow, wo in dem
Toddiner Forst eine grosse Anzahl von 1 bis 1,5 Meter Höhe und 5 bis
6 Meter Durchmesser liegen, die stets mehrere (bis 12) Umen-
stellungen ergaben, in Steinverpackung ohne erkennbare Ordnung im
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III. Aus Museen und Vereinen.
215
Hügel verteilt, leider infolge des Baumwuchses und früherer Störung
im Zustande hoffnungsloser Zertrümmerung. — Im allgemeinen dienen
Hügelgräber zur Bergung einer oder doch nur weniger Urnen; es
sind noch nicht viele* untersucht, neu bekannt geworden eine Gruppe
von Alt-Farpen bei Wismar. — Stärker dagegen als wir früher annah-
men, treten jetzt die jungbronzezeitlichen Urnenfelder bezw. Urnen¬
gräber (denn einige scheinen wirklich vereinzelt zu sein) hervor; bei
nicht genauer untersuchten muss ja die Abgrenzung vom Hügelgrabe
zweifelhaft bleiben, bei der grossen Mehrzahl der aufzuzählenden aber
ist es zweifellos, dass sie den eisenzeitlichen Urnenfeldern völlig gleichen.
Auch in der Lage auf flachen Kuppen in der Nähe von Wasser, der
Bergung, dem Schwanken der Anordnung (gruppenweise Stellung der
Urnen und Reihen wechseln oft auf demselben Grabfelde) ist das Bild
dasselbe; nur die durchgehende sorgsame Behandlung der gereinigten
und vollständig gesammelten Gebeine ist ein charakteristisch jungbronze¬
zeitlicher Zug. Die folgende Aufzählung bestätigt die ältere Beobach¬
tung, dass das Urnenfeld im wesentlichen den südlicheren Strichen des
Landes angehört: im Norden nur Neubukow, Friedrichsdorf bei Neu-
bukow und Damm bei Dargun, im Nordwesten Dassow (sehr schöne
kleine Steinkammer tief im Boden, zu der Urne ein Beigefäss), in der
Mitte KL Schwiesow bei Güstrow und Plauerhagen bei Plau, beide sehr
ausgedehnt, Grubenhagen bei Teterow, im Süd westen Kogel bei
Wittenburg, Woez bei Wittenburg, im Süden Ortkrug bei Schwerin,
Hagenow VII, Kummer bei Ludwigslust, Goehlen bei Ludwigslust, Tuck¬
hude bei Neustadt, Suckow bei Parchim, Granzin bei Lübz, Hinrichshof
bei Röbel. Die Ausstattung ist stets unbedeutend und nichtssagend,
die Urnen meist von wenig ausgeprägtem Typ. Ein besonderes Inter¬
esse nehmen in Anspruch nur Tuckhude durch die ungewöhnliche Fein¬
heit seiner an ältere Lausitzer Produkte erinnernden Gefässe und beson¬
ders Goehlen: die Urnen die bekannten mit scharfem Umbruch (VAM
S. 258, 1—4) oder weithalsige Töpfe mit scharfem Absatz (ebd. S. 259,
13—16), z. T. mit einfachen Strichverzierungen; aber in geringer Ent¬
fernung von den Urnen (etwa 20 m) fand sich in derselben Tiefe
wie diese und in derselben Verpackung mit kleinen Steinplatten ein
Depotfund von Bronzen (Hängegefäss, zwei getriebene Tassen, drei
getriebene flache Schmuckscheiben, Nierenring, alles in der Art M. V),
dessen Zusammenhang mit dem Urnenfelde nach den Lagerungsverhält¬
nissen kaum abzuweisen ist, m. W. das erste Mal, dass Grabfeld und
Depotfund in Verbindung zu bringen sind, sicher ein starkes Gewicht
für die Annahme, dass die Depotfunde als „Selbstausstattung für ein
künftiges Leben" einen Ersatz der zurückgedrängten Sitte der Grab¬
ausstattung darstellen.
Von anderweitigen Funden hat die Sammlung sich eines hervorragen¬
den Stückes zu erfreuen, eines bei Rothenmoor b. Malchin in einem Moore
gefundenen Bronzeschwertes (Abb. 3). Das Stück ist nicht unbekannt,
wenn auch bisher wenig beachtet, indem es lange Jahre als Leihgabe im
Stralsunder Museum gelegen hat. Von dort ist es nunmehr mit freund¬
lichstem Entgegenkommen seiner Heimat zurückgegeben. Es ist ein sehr
guter Vertreter des jüngeren nordischen Bronzeschwerttyps (MÜLLER,
Ordning 171), der ein vortreffliches Paradigma für die typologische
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PRINCETON UNIVERS1TY
216
111. Aus Museen und Vereinen.
Betrachtungsweise abgibt und in diesem Sinne auch von
MONTELIUS gern benutzt wird (z. B. Ältere Kulturperioden,
S. 42); dass aber diese Entwickelung sich nicht spontan voll¬
zogen hat, sondern unter Einwirkung des Antennenschwerttpys,
zeigt sich an dem besprochenen Stück deutlich; die Form
ergibt die Abbildung, der Griff ist mit Goldblech belegt.
Länge 84 cm. Die Sammlung besass bisher nur ein gleiches
Schwert, ebenfalls Moorfund (von Lüssow bei Güstrow) und
ein Miniaturschwert dieses Typs (VAM 35, 9).
4. Ältere Eisenzeit. Bei der Verschwommenheit
unserer jüngstbronzezeitlichen Erscheinungen ist eine Grenz¬
linie zur älteren Eisenzeit bisher nicht zu fixieren gewesen,
und es mögen manche der oben als jungbronzezeitlich be-
zeichneten Urnenfelder sich später einmal als ältereisenzeitlich
darstellen. Mit eigenartiger Keramik setzt die älteste Eisen¬
zeit hier sicher nicht ein. Immerhin heben sich einige Vor-
Latene-Erscheinungen jetzt deutlicher ab. Für eine ältere
Gruppe kann der „unechte Torques“ als Leitform dienen;
ein neues Grab der Art (Hügelgrab!) ergab Sülten bei Staven-
hagen. Sodann ist ein sehr interessanter Vertreter der
„Jastorfer“ Stufe aufgetaucht, das erste ergiebigere und
deutlich redende im Lande; dasselbe liegt bei Mühlen-Eichsen
bei Gadebusch. Anlage die übliche: hoch gelegenes, sandiges
Gelände am Abhang zu einem Bach; die Urnen waren fast
ausnahmslos stark verpackt, z. T. unter, zusammenhängenden
Dämmen; Erderhöhungen über den Gräbern waren nirgends
zu erkennen. Urne und Metallgeräte entsprechen genau den
von SCHWANTES, Präh. Zeitschr. I, S. 141 aufgeführten.
Chronologisch wichtig in diesem Ensemble ist eine Arm¬
brustfibel mit breitem Bügel und freiem Schlusstück der
viel besprochenen „Kaulwitzer“ Art (OLSHAUSEN, Zeit¬
schr. f. Ethn. 1902, Verh. S. 205); eigenartig ist auch die
Gestaltung von Flügelnadeln (SCHWANTES 17 u. a.), die
z. T. in barockgrossen Formen auftreten und auch durch eine
zweite Nadel zu Fibeln umgewandelt sind, eine Konstruktion,
wie sie ja auch die Nadel von Heitbrack bei SCHWANTES
21 zeigt. Der Streifen an der Elbe, auf dem diese für die
norddeutsche Vorgeschichte so wichtige Gruppe auftritt, ver¬
breitert sich durch das Mühlen-Eichsener Feld noch etwas
nach Norden. — Auf demselben Felde sind nun auch, leider
nicht von sachkundiger Hand gehoben, sechs frührömische
Bandfibeln (zwei Bronze, vier Eisen) von der Form Alm-
gren 37 u. ä. gefunden; ein zeitlicher Zusammenhang mit
den oben besprochenen Altsachen ist nicht denkbar; doch
ist ein grosser Teil der Funde und damit sehr viele Urnen
unbeachtet zerstreut (die ersten Funde wurden bei einem
Chausseebau gemacht) und die Möglichkeit der kontinuier¬
lichen Benutzung nicht abzuweisen.
Die Masse unserer ältereisenzeitlichen Urnenfelder ge¬
hört einer weiteren Stufe an, die im allgemeinen den ost-
At*b. 5
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III. Aus Museen und Vereinen.
217
hannoverischen Gräbern der SCHWANTESschen Stufen IIc und III ent¬
spricht; eine scharfe Abgrenzung der Keramik nach oben und unten
ist noch nicht angängig, denn es liegt wirklich nicht so, dass „der Töpfe
für die Wissenschaft genug gesammelt“ seien (Mannus I, S. 224), und die
Metallbeigaben versagen. Sichtlich bestehen auch lokale Unterschiede;
die Umenfelder der östlichen Landesteile scheinen eine Sondergruppe zu
bilden. In der Grabform tritt die Vorliebe für Abdeckung einer Anzahl
von Urnen mit gemeinsamer Steindecke hervor; überhaupt überwiegt die
gruppenweise Stellung vor der reihenweisen durchaus. Die Urnentypen
sind die VAM 47, 40. 48, 42. 43, 47. 49, 49. 50, 60. 51, 63 gegebenen.
Wir begnügen uns mit einer Aufzählung der neu bekannt gewordenen:
Reppenhagen bei Grevesmühlen, Lankow bei Schwerin, Badow bei Witten¬
burg, Toddin bei Hagenow, Conow bei Dömitz (besonders reich und
charakteristisch), Malliss bei Dömitz, Semmerin bei Grabow, Kluess bei
Güstrow, Gr.-Roge bei Teterow, Dargun (das dritte Grabfeld dieser
Stufe auf derselben Feldmark), Finkenthal bei Dargun, Neu-Nantrow
bei Neubukow (interessant durch seine Lage auf einem hohen Berge),
Selpin bei Tessin, Neu-Wenden bei Tessin, Nütschow bei Sülze.
Klar tritt dann der Schlussabschnitt hervor, ebenfalls Urnenfelder
mit massenhaften Urnen, nun aber in geringem Steinschutz, meist dicht
zusammengedrängt. Die Urnenformen sind die stark profilierte hohe
Schale (hochliegende grösste Weite, kleine Standfläche), fast stets schwarz
und gut gearbeitet (VAM 51, 65. 66) und der rundliche Topf (VAM 51,
67), mit diskretem Ornament gekreuzter Linien mit Punktsaum u. ä. In
diesen Feldern liegt der Übergang zu der frührömischen Periode. Mäander,
auch schon Bandfibeln treten gelegentlich auf. Ein guter Vertreter ist
bei Püttelkow bei Wittenburg aufgedeckt, ebenfalls das dritte ältereisen-
zeitliche Umenfeld auf einer Feldmark.
5. Frührömische Eisenzeit. Die wichtigste Bereicherung stellt
ein Feld von Rachow bei Güstrow dar, welches von der Spät-Latene- zur
frührömischen Zeit hinüberführt und auch durch seine Lage (es ist das
erste grössere im östlichen Landesteile ausgebeutete) bedeutungsvoll
wird. Schon die Anlage war originell: Reihen, aber nicht gleichmässig
über die grosse Fläche, die mit Grabanlagen besetzt ist, verteilt;
zum ersten Male in Mecklenburg wirkliche Brandgräber und eine inter¬
essante Zwischenform von diesen zum Urnengrabe, indem die Beisetzung
der Gebeine (ohne Reinigung) und die Mehrzahl der Beigaben in einer
(meist feinen schwarzen) Urne vorgenommen, aber um diese oder auch
über sie Brandmasse geschüttet wurde, in dieser Masse vereinzelte Geräte
und mehrfach einfache braune Tongefässe (wie Abb. 7), eine singuläre
Erscheinung, da grössere Beigefässe der hiesigen Eisenzeit in ihrem
ganzen Verlauf sonst fremd sind. Die Urnenformen (Abb. 4. 5. 6. 7)
stellen alle Übergangsstufen von der Latene-Situla zur frührömischen
Schale dar und auch die Ornamentik (ausgezogene Mäander und Roll¬
stempelmäander) geht denselben Weg. Die Ausstattung enthält in ge¬
ringerem Masse Waffen (Lanzenspitzen, Schildbeschläge, keine Schwerter),
besonders aber Messer und Fibeln von der Spät-Latene-Rahmenfibel bis
zu den Bandfibeln (A. 27. 37 usw.). — Etwas jünger ist ein Feld von
Todendorf bei Teterow, nicht weit von Rachow entfernt.
Aus der kleinen Gruppe der Gräber mit „römischen“ Inventar, den
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III. Aus Museen und Vereinen.
sog. „Römergräbem“, hat das bei weitem wichtigste, das von Hagenow,
wiederum bedeutungsvolle Funde ergeben: 1,30 m tief frei im Boden
mehrere einfache Bronzegefässe mit Eisenhenkel, darin reiche kriegerische
Ausstattung, worunter (das erste Mal) sich auch eine Ringbrünne be¬
findet. Eine schmerzliche Erwerbung stellt eine schöne römische Kasse-
Abb. 6 . Abb. 7.
rolle mit Fabrikstempel VE.... dar, von Brunow bei Grabow, denn
es ist der letzte, durch Zufall bewahrte Rest eines grossen vor Jahren
gemachten und verworfenen Grabfundes, von dem nur der Bericht zu
erhalten war, dass das Grab aus grossen Steinen gebildet gewesen sei
und eine grosse Zahl Bronzen und Gläser enthalten habe.
6. Spätrömische und nachrömische Zeit. Die wenig er¬
forschte Periode erhellt sich jetzt in einigen reichen und guten Feldern,
besonders wie schon früher mit Konzentration im westlichen Landesteile,
der Elbe zu. Es sind Urnenstellungen ohne Steinschutz, dicht zusammen,
wohl ausnahmslos in Reihen, die Urnen neben den flachen Schalen
mit Streifen und Rosettenverzierung, getriebenen Leisten u. a. der ein¬
fache braune Topf (Beispiel von. Verklas Abb. 8). Es handelt sich um
Grabfelder von Verklas bei Dömitz, Hagenow (das achte Grabfeld auf
dieser an Gräbern reichsten Feldmark des Landes, mit ungewöhnlich
jungen Typen, z. B. Spangenfibeln) Friedrichsruhe bei Krivitz und
Liessow bei Brüel; im Osten nur Gorschendorf bei Malchin.
7. Wendische Zeit: Neben den steinzeitlichen Werkstätten sind
die wendische Wohngruben die am häufigsten neu auftretenden Fund¬
stätten. Sie scheinen wirklich ziemlich gleichmässig über das ganze Land
verbreitet zu sein. Allgemeines Interesse bietet keine der neu verzeich-
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PRiNCETON UNIVERSITY
III. Aus Museen und Vereinen.
219
neten; eine Beobachtung, die ich bisher noch nicht gemacht habe, war
in einer Wohngrube von Bellin bei Krakow das Vorkommen zer¬
schlagener Pferdeknochen, nach denen also auch das Pferd zur Nahrung
gedient hat. Ebenso ergaben wen¬
dische Skelettgräber, in allen dieses-
mal vorliegenden Fällen ohne Bei¬
mengung von Leichenbrand, von
Hagenow, Penzin bei Bützow, Bellin
bei Krakow (auf derselben Fläche
wie die Wohngruben), Cammin bei
Laage, Alt-Bukow bei Neubukow und
Stove bei Neubukow keine neuen
Züge; wohl aber fand sich in einem
solchen von Gorschendorf bei Malchin
zum ersten Male ein Schwert (Eisen
mit Silberbelag am Griffe Abb. 9);
fremdartig ist auch eine Skelett-
Bestattung in einem Hügel bei Neu- Abb. a
Wendorf bei Tessin; es liegen dort
eine Anzahl Hügel, die dem Aussehen und früheren Funden nach jung¬
bronzezeitlich sein müssen; auf der Sohle eines derselben 1,60 tief lag
aber nw.-so. gestreckt ein Skelett, das durch Scherbenbeigaben als
wendisch gesichert ist, an der rechten Seite mit Holzspuren und einem
zur Unkenntlichkeit verrosteten Eisenstück, anscheinend Lanze mit Schaft;
das Grab ist wohl als Nachbestattung in einem jungbronzezeitlichen
Hügel anzusehen. (Wobei aber zu bemerken, dass wendische Hügel¬
gräber doch auch Vorkommen; wir haben Beispiele von Damm bei Dargun
und Sülten bei Stavenhagen, beide Male ausschliesslich mit Leichen¬
brand, also wie in den s. Z. stark hervorgehobenen vom Wachliner Busch.)
— An Einzelfunden sei ein schöner Einbau m aus einem Tannen¬
stamm von 4,5 Meter Länge erwähnt, von Kastorf bei Stavenhagen,
der in einem mit ausserordentlich starken wendischen Kulturresten
besetzten Seegelände (zwei Burgwälle, eine befestigte Insel, ein Skelett¬
gräberfeld liegen dicht zusammen, Brückenfundamente führen von der
Insel zum Ufer) gefunden ist und dadurch seinen wendischen Ursprung
wenigstens wahrscheinlich macht.
Über die wichtigste Untersuchung aus wendischer Zeit auf mecklen¬
burgischem Boden, die Untersuchung des Geländes, wo die Tempel¬
stätte Rethra vermutet wird, sei auf die betreffenden Berichte
Ostens in der Zeitschrift für Ethnologie verwiesen.
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PRINCETON UNIVERS1TY
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Bericht
über Neu-Eingänge des Jahres 1909 in der
vorgeschichtlichen Sammlung im Museum
der historischen Gesellschaft zu Bromberg.
Von M. Schultze, Bromberg.
Mit 20 Textabbildungen *).
Im Laufe des verflossenen Arbeitsjahres wurde die vorgeschicht¬
liche Sammlung der historischen Gesellschaft einer durchgreifenden Neu¬
ordnung unterzogen. Es handelte sich in erster Linie darum, die Be¬
stände chronologisch und kulturell auf Grund der neuesten wissen¬
schaftlichen Ergebnisse zu gruppieren. Die hervortretenden grossen
Kulturgruppen wurden nach den Forschungen Prof. KOSSINNA’s ethno¬
graphisch bezeichnet. Bei der Aufstellung musste vor allen Dingen der
bescheidene und bereits allein für die vorgeschichtliche Sammlung in
gar keiner Weise mehr ausreichende Raum in Betracht gezogen werden.
Jedoch blieben manche Misstände unbeseitbar. Überhaupt ist die
Raumfrage augenblicklich eine Lebensfrage für ein weiteres gedeihliches
wissenschaftliches Weitersammeln der Gesellschaft. Daher ist es um
so mehr zu begrüssen, dass die Stadt der historischen Gesellschaft die
Überlassung der ganzen Nonnenkirche in absehbarer Zeit in Aussicht
gestellt hat. Erst dann wird es sich ermöglichen lassen, auch ein den
Laien belehrendes und befriedigendes Bild unserer heimatlichen Vor¬
geschichte zu geben, und damit würde bei dem hier erfreulicherweise
immer reger werdenden Interesse an der Erforschung unserer heimatlichen
Vorgeschichte nur einem dringenden Bedürfnisse nachgekommen sein. Von
den zahlreichen Neu-Eingängen sind eine Anzahl bislang nur leihweise
übergeben. Dieselben sind als Leihgaben gekennzeichnet. Es steht
jedoch zu erwarten, dass ein grosser Teil derselben dauerndes Eigentum
der Gesellschaft wird. Zum Schluss ist es mir noch ein Bedürfnis,
Herrn Prof. Dr. Erich SCHMIDT auch an dieser Stelle meinen Dank
auszusprechen für die weitsichtige und tatkräftige Unterstützung, die er
mir anlässlich der Neuordnung unserer Sammlung angedeihen Hess.
*) Die Zeichnungen zu 13 c und 46 sind von Herrn Bibliotheksassistent
BOEHLKE angefertigt worden.
Gck igle
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PRINCETQ N UNIVEP^ Lp 1 **»
III. Aus Museen und Vereinen.
221
I. Vorindogermanische Kulturstufen. (Ancylus-Zeit.)
1. Thure bei Netzwalde, Kreis Schubin. Abbild. 1.
Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener,
teilweise abgenutzter Schneide.
Beim Ausheben von Torf in Tiefe von 15 m gefunden. E. J.2145.
G. v. Ober-Bürgermeister Knobloch, Bromberg.
Abb. 1. •/« Abb. 2. '/,
Abb. 3. V»
2. Domin. Latkowo, Kreis Hohensalza. Abbild. 2.
Axt aus Geweih mit runder Durchbohrung und schräg abgeschnittener
Schneide, 1,50 m in gewachsener kalkhaltiger Tonschicht gefunden.
E. J. 2079, G. v. Landschaftsrat v. Busse, auf Latkowo.
3. Gegend von Marzenin, Kreis Witkowo. Abbild. 3.
Wurfspeerspitze. E. J. 2083,
durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
II. Indogermanische Kulturstufen. (Neolithische Zeit.)
4. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
a) Steinhammer mit breitem Kopf und dicht unterhalb des Bohr¬
loches befindlicher Schneide. Die eine Bohrbahn zeigt ungenau
angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2029 a.
b) Kahnförmiger Axthammer mit etwas überhängender Schneide.
E. J. 2030,
a) durch Rittergutsbesitzer Schwarz, b) durch Gutsverwalter Kölpin.
5. Kiesgrube Broniewo, Kreis Hohensalza.
a) Schneidenteil eines Steinhammers. E. J. 2049.
b) 2 Bruchstücke von dickwandigem rötlichbraunem Tongefäss mit
dickem breitem ösenförmigen Henkel. E. J. 2131,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
6. Broniewo, Kreis Hohensalza.
Bohrzapfen einer Steinaxt. Die dazu gehörige Axt wurde zer¬
schlagen. E. J. 2059.
7. Gniewkowitz Abbau, Kreis Hohensalza.
Dicknackiges Steinbeil, Schneidenteil stark beschädigt. E. J. 2050.
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222
III. Aus Museen und Vereinen.
8. Eigenheim (Gonsk), Kreis Hohensalza.
a) Axthammer mit Mittelgrat auf der einen Bohrbahn und über¬
hängender Schneide, am Bohrloch verbreitert. E. J. 2051. S. Katal.
des Prussia-Mus. Teil I, Fig. 9.
b) Kleines Einsatzbeil. E. J. 2052.
Nr. 6—8 durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
9. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza.
a) Dicknackiges Beil. E. J. 2121,
b) kleines Einsatzbeil. E. J. 2122,
von Schmied Rodewald daselbst käuflich erworben.
10. Ostburg (Wonorze), Kr. Hohensalza.
Steinaxt von dreiseitigem Grundriss. Die eine Bohrbahn zeigt
ungenau angesetzte Gegenbohrung. E. J. 2082.
durch Woinke, Hohensalza. — Leihgabe.
11. Daheim, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstück mit je paarweise nebeneinander gestelltem Leiter¬
ornament verziert, das nach unten durch kurze Vertikalstriche ab¬
gegrenzt wird. E. J. 2130,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
12. Göndes, Kreis Bromberg.
a) Steinaxt mit stark abgenütztem unteren Teil. E. J. 2077.
b) Kopfteil einer Steinaxt. E. J. 2078,
c) dicknackiges Feuersteinbei). E. J. 2076,
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg.
13. Brahnau, Kreis Bromberg.
a) Schaber und Späne von Feuerstein, von denen einige Feuer¬
einwirkung zeigen — sowie Bruchstücke von Gefässen in aus¬
gewehten Sanddünen gesammelt. E. J. 2183 a—c. Einzelne
Bruchstücke gehören dem Mittelalter an.
Durch M. Schultze, Bromberg.
b) 2 Bruchstücke von Gefässen mit Schnurverzierung, sowie ein
prismatischer Feuersteinspan,
c) 5 Bruchstücke, 2 mit Griffansatz, 1 mit Griffzapfen, mit Gruppen
seichter vertikaler Striche verziert, die von einer horizontalen
Reihe von Punkteinstichen begrenzt sind. Abbild. 4. E. J. 2182.
b und c durch Dr. Kothe, Berlin. —
Leihgabe.
14. Weissenhöhe, Kreis Wirsitz.
a) dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2074,
durch Dr. Brunk, Nakel.
b) Feuersteinkernstück. E. J. 2167,
durch Hauptlehrer Mathwig, Weissen¬
höhe.
15. Dreidorf, Kreis Wirsitz.
Bruchstück einer Steinaxt E. J. 2169,
durch Gutsbesitzer Stockmann, Dreidorf.
16. Hedwigshorst, Kreis Schubin.
Axthammer von Stein mit ebenen Bohr¬
bahnen und gewölbten Seitenflächen.
E. J. 2175, durch Baurat Schulz, Schneidemühl.
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III. Aus Museen und Vereinen.
223
17. Kahlstädt, Kreis Kolmar.
Steinaxt, Ober- und Unter-Seite eingesenkt. E. J. 2166,
durch Lehrer Lück, Lindenwerder.
18. Rad sch in, Kreis Kolmar.
Steinaxt (Pflugschar?). Der Kopfteil zeigt ein altes Bohrloch.
E. J. 2161,
durch Lehrer Kretschmann — Leihgabe.
19. Liepe, Kreis Kolmar.
Dicknackiges Steinbeil. E. J. 2176,
durch Baurat Schulz, Schneidemühl.
20. Schönlanke, Kreis Czarnikau.
Dicknackiges Feuersteinbeil. E. J. 2085,
Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
21. Gostyn, Kreis Gostyn, Reg.-Bez. Posen. Abbild. 5.
Axthammer von Stein mit ebener unterer Bohr¬
bahn, die obere gewölbt, Schneide überhängend.
Der Kopf springt nach vorn etwas vor. E. J. 2028.
In einem Torfmoor gefunden.
Durch Dr. Kothe, Berlin aus der Sammlung des
verstorbenen Friedrich Franc v. Liechtenstein.
— Leihgabe.
22. Birglau bei Thorn, Prov. Westpr.
Steinaxt von 5 seitigem Grundriss. E. J. 2087.
Dieser Typus gehört jedoch wahrscheinlich bereits
der Bronzezeit (thrakische Kulturgruppe) an.
23. Buchtafort bei Thorn, Prov. Westpr.
Steinaxt. E. J. 2086.
24. Umgegend von Thorn, Prov. Westpr.
Melonenförmiger Keulenkopf. E. J. 2084.
Die Nr. 22—24 durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
Abb. 5. »;*.
Älteste Bronzezeit; Periode I des Montelius.
25. Kreis Schwetz? Prov. Westpr.
a) Randbeil, entspricht dem norddeutschen Typus der Randäxte.
E. J. 2034.
durch Th. Schemel in Crone a. Br. — Leihgabe,
b) Randbeil von gleichem Typus. E. J. 2035,
durch Adolf Kolwitz, Bromberg, — Leihgabe.
26. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza 1 ).
Inhalt zweier reich ausgestatteter Gräber. S. dazu auch Korre-
spondenz-Bl. der D. anthrop. Ges. 09, Heft 9/12, p. 100.
Grab 1. E. J. 2029 e—n,
Grab 2. E. J. 2029 o,
durch die Herren Rittergutsbes. Schwarz, Regierungsrat Sckerl und
Gutsverwalter Kölpin. Die im Besitze des Regierungsrates Sckerl
befindlichen Bronzen sind bedauerlicher Weise nur leihweise
übergeben.
l ) Die beiden Gräber scheinen nicht gleichaltrig zu sein und können keines¬
falls beide in Per. I der Bronzezeit gesetzt werden. G. K.
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224
III. Aus Museen und Vereinen.
III. Thrakische Kulturgruppen. Mittlere Stufe.
27. Kreis Schwetz? Prov. Westpr.
Bronzene Lanzenspitze. E. J. 2036. Abbild. 6
durch Adolf Kolwitz, Bromberg. Leihgabe.
28. Wreschin, Kreis Filehne.
(vgl. dazu Ausstellungskatalog des K.-F.-M. in Posen, Posen 09,
Nr. 507—511) auch Nachtrag unter Wreschin.
a) 91 Tongefässe, Bruchstück einer 5 seitigen Stein¬
axt neben einer Urne gefunden. 2 Käsesteine
(tonnenförmig), 1 Bronzenadel mit annähernd
kugelförmigen in der Mitte durch 2 Einfurchungen
gegliedertem Kopf, 2 Vasenkopfnadeln (Bronze),
2 kleine Bronzeringe (kreisförmig), einer davon
geschlossen, 2 Bronzeschlacken. E. J. 2118.
b) 39 Gefässe, 2 Käsesteine und 3 Eiersteine (die¬
selben lagen zusammen in einer zerstörten Urne),
ein Gefässbruchstück. E. J. 2119.
c) Inhalt 3 er Gräber. Fo. Nowakscher Wald, östlich
von obiger Fundstelle.
Grab 1. Urne und 7 Beigefässe, 2 davon nicht
erhalten. In der Urne lag 1 Bronzenadel mit
doppelkonischem Kopf, 2 Spiralanhänger, 2 kleine
Bronzezylinder, 1 kleine Tonperle.
Grab 2. Urne mit 4 Beigefässen. In der Urne
ein Angelhaken.
Grab 3. Urne mit 6 Gefässen. In der Urne 1 Vasenkopfnadel
(Bronze) und 2 kleine Bronzestücke. Neben diesem Grab fand
sich ein Bruchstück einer 5 seitigen Steinaxt. E. J. 2119.
a—c Privatsammlung Wolff (Oberleutnant und kgl. Distrikts¬
kommissar in Filehne) zur dauernden Aufstellung übergeben.
d) 13 leihweise übergebene Gefässe vom gleichen Gräberfeld im
Besitze des Bergrates Ertel, Hohensalza wurden auf Verlangen
zurückgegeben. E. J. 2117.
29. Rosko Annavorwerk, Kreis Filehne.
5 Tongefässe, Areal des Ansiedlers Lüders. E. J. 2120,
durch Distriktskommissar Wolff, Filehne. Privat-Sammlg. Wolff.
30. Seeort (Alt Witkowitz), Kreis Kolmar.
Vergl. dazu Ausstellungskatalog des K. F. M., Posen 1909, S. 110 f.,
Nr. 1721—50.
25 Tongefässe, 14 kleine Tonperlen, Bruchstück eines Rasiermessers,
Bruchstück einer kleinen Bronzeknopfsichel, 2 kleine spiralig ge¬
wundene Bronzeringe (2 Windungen), 1 Vasenkopfnadel (Bronze),
1 Nadel mit Stempelkopf und gegliedertem Hals (Bronze), 4 Käse¬
steine (einer tonnenförmig und einer prismatisch geformt). E.J.2103,
durch Lehrer Lück in Essen a. Ruhr. — Leihgabe.
31. Brahnau, Kreis Bromberg.
Ein nur teilweise erhaltenes Gefäss. E. J. 2073,
durch Arbeiter Schmidt, Bromberg.
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III. Aus Museen und Vereinen.
225
32. Gegend der unteren Netze.
Bronzenadel mit grossem spiralig aufgerolltem Kopf. E. J. 2038«
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
33. Gegend von Thorn, Prov. Westpr.
Bronzehohlbeil. E. J. 2088,
durch Landgerichtsdirektor Engel, Gnesen.
IV. Ostgermanische Kulturgruppen,
a) Älteste Eisenzeit bis zur Lat&ne-Zeit.
34. Rabenhorst, Kreis Bromberg.
a) Aus einem Steinkistengrab 1 Bronzeohrring, 3 Bruchstücke eines
eisernen Ohrringes mit aufgezogenen Perlen. E. J. 2157.
b) Aus einem weiteren Grabe Gefässbruchstücke, dieselben zeigen
Verzierung mit hängenden Bogen. E. J. 2158,
Fo. von a und b Propsteiland,
durch Gutsbesitzer Steller, Rabenhorst.
35. T risch in? Kreis Bromberg. Abbild. 7.
Urne mit Resten des Leichenbrandes. Der
Gefässkörper ist mit vertikalen und horizon¬
talen Furchen gitterartig verziert. E. J. 2037
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. —
Leihgabe.
36. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
Urne mit Deckel. E. J. 2029 i,
durch Rittergutsbesitzer Schwarz.
37. Birkenbruch, Kreis Wirsitz.
1 Urne gefunden auf dortiger Feldmark.
E. J. 2184,
durch Gemeindevorsteher Bethke.
38. Iwno, Kreis Schubin.
Gefässbruchstücke aus einem zerstörten Grabe. E. J.2146,
durch M.. Schuftze, Bromberg.
Es handelt sich um das gleiche Gräberfeld wie Zeitschr. f. Ethnol.
1905, S. 899. Es sind hier durch Erdarbeiten anscheinend 20
Gräber, darunter auch Glockengräber zerstört worden. Das Gräber¬
feld enthält demnach Gräber aus 2 verschiedenen Perioden.
39. Eckartsfelde, Kreis Znin.
Bruchstück mit dem Gesichtsteil einer Gesichtsurne mit Nasen¬
löchern. Die Augen weiss inkrustiert. E. J. 2159,
durch Dr. Küster, Exin.
Ein Teil der Bruchstücke befindet sich noch im Besitze des Dr.
Küster.
40. Studsin. Kreis Kolmar.
2 Urnen mit Resten des Leichenbrandes, eine mit Deckel. E. J. 2180
durch Kauf von Besitzer Gatzke, Studsin.
41. Sch wetz, Prov. Westpr.
2 Gefässe, Bruchstücke von Gefässen und Beigaben von Eisen
und Bronze. E J. 2179,
durch Buchdruckereibesitzer Büchner, Schwetz.
Mannus. Bd. II. 15
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226
III. Aus Museen und Vereinen.
b) Latene-Zeit.
42. Lat ko wo, Kreis Hohensalza. Abbild. 8.
Kleine Schale mit abge¬
setztem Rand, halb er¬
halten , mit schwacher
Bodendelle. Die Gefäss-
Schulter umzieht ein Band
kleiner schräger Eindrücke,
nach oben und unten
durch eine schmale Ein¬
furchung abgegrenzt. Der
Unterteil des Gefässes
ist durch breitere, nach
dem Boden zu radial ver¬
laufende Furchen verziert.
E. J. 2067,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
43. Usch, Kreis Kolmar.
Eiserne Lanzenspitze. E. J. 2040,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
Abb 8. v.
Abb 9. ■/*
c) Römische Kaiserzeit.
44. Ost bürg (Wono ree), Kreis Hohensalza.
4 römische Münzen. E. J. 2172 1 )»
durch Kauf erworben.
Abb. 10 «/, Abb. 11. '/,
45. Latkowo, Kreis Hohensalza.
a) 2 Denare des Kaisers Trajan. E. J. 2114 und 2115,
b) römische Salbenflasche (Glas). E. J. 2101. Abbild. 9.
c) Tontasse mit Henkel und 1 Tongefäss S. Zeitschr. f. Ethnol. 05,
S. 394. Abbild. 3. E. J. 2063 u. 64. Abbild. 10, 11.
a—c durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
’) Durch Herrn Dr. Regling, Berlin, freundlichst bestimmt: 2 Denare des
Kaisers Trajan, Cohen 2 No. 404 und 405; Denar des Kaisers Hadrian, Cohen 1 -
No. 874; Hadrianus, Grossbronze Cohen* No. 817.
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PRINCETON UNtVERSITY
III. Aus Museen und Vereinen.
46. Domin. Broch bei Flatow, Prov. Westpr.
Silberner Ring, das eine Ende ist breit ge¬
hämmert und zu einer Ose umgebogen. Ein
Teil des Ringes ist mit dünnem Silberdraht
umwickelt. E. J. 2174 1 ) Abb. 12,
durch Oberbürgermeister Knobloch. — Leih¬
gabe.
V. Slawische Periode.
48. Lat ko wo, Kreis Hohensalza.
a) Gefässbruchstücke und Tierknochen aus
E. J. 2126,
durch Herrn Landschaftsrat v. Busse, Latkowo,
b) bearbeitete Geweihsprosse. E. J. 2070,
durch Landschaftsrat v. Busse.
48. Nieder-Strelitz bei Fordon, Kreis Bromberg.
Gefässbruchstücke von einer slavischen Siedelung, Areal de$ Be¬
sitzers Kunkel. E. J. 2104,
durch N. Schultze, Bromberg.
49. Kruschwitz, Kreis Strelno.
Ein Schlittknochen. E. J. 2039,
durch Regierungsrat Sckerl, Bromberg. — Leihgabe.
50. Wolsko, Kreis Wirsitz.
4 Gefässbruchstücke und ein Bewurfstück, vom Burgwall daselbst.
E. J. 2164,
durch Hauptlehrer Mathwig, Weissenhöhe.
51. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza
Gefässbruchstücke, einige bereits aus dem Mittelalter. Areal des
Schmiedes Rodewald. E. J. 2140,
durch M. Schultze, Bromberg.
Funde aus verschiedenen Perioden.
52. Latkowo, Kreis Hohensalza.
a) Gefässbruchstücke von 3 verschiedenen Fundplätzen daselbst.
E. J. 2062,
durch Landschaftsrat v. Busse u. M. Schultze, Bromberg,
b) 3 Bruchstücke von 2 schwach versilberten Kupferschalen. E. J. 2065
c) Reibstein und Mahlstein. E. J. 2171,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
53. Jacewo, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstücke. Acker des Ansiedlers Wendt 2135 und E. J. 2162
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
54. Broniewo (Kiesgrube), Kreis Hohensalza.
Konischer durchbohrter Bernsteinknopf. E. J. 2137,
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
’) Die Zeitbestimmung ist unsicher. Vielleicht gehört der Ring bereits in
die folgende Periode.
15*
227
einer Siedelung.
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
228
III. Aus Museen und Vereinen.
55. Elsenheim (Wilkostowo), Kreis Hohensalza.
Bernsteinanhänger, neolithisch? E. J. 2136,
durch Lehrer Schmitt, Jacewo.
56. Eichenhagen, Kreis Wirsitz.
Bernsteinperle, römische Kaiserzeit? E. J. 2168,
durch Lehrer Nicolaus, Eichenhagen.
57. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
a) Tonschale. E. J.2031,
durch Lehrer Becker, Hohensalza,
b) Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E. J.
2029 e,
durch Rittergutsbesitzer Schwarz,
c) Holzkohle und Tongebilde, anscheinend aus einer zerstörten
Wohngrube. E. J. 2160,
durch M. Schultze, Bromberg.
58. Qniewkowitz, Kreis Hohensalza.
3 Spinnwirtel. E. J. 2054/56,
Spinnwirtel aus Stein. E. J. 2057,
Tonnenförmiges durchbohrtes Tongerät (Netzsenker?) E. J. 2053.
59. Daheim, Kreis Hohensalza.
Gefässbruchstück. E. J. 2130,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
60. Bismarckstreu, Kreis Hohensalza.
Bruchstück einer Lanzenspitze. E. J. 2139,
durch Schmied Rodewald daselbst.
61. Gon des, Kreis Bromberg.
Tonring (als Gefässuntersatz?) E. J. 2112,
durch Landschaftsdirektor Franke, Bromberg.
62. Ros ko, Kreis Filehne.
Mahlstein, gefunden auf einem Steinhaufen, Areal des Besitzers
Mathwig. E. J. 2152.
Privatsammlung Wolff Filehne.
63. Crone a. Br., Kreis Bromberg.
Mahlstein aus einem Grabe in Schiffssetzung auf dem Iwickischen
Vorwerk. Im Grabe soll eine Urne gewesen sein, die nicht er¬
halten wurde. E. J. 2148.
G. v. Theodor Schemel in Crone a. Br.
64. Gulcz Abbau, Kreis Filehne.
2 Mühlsteine. E. J. 2150-2151,
Privatsammlung Wolff, Filehne.
65. Jacewo, Kreis Hohensalza.
1 Reibstein. E. J. 2044,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
66. Insel Ostrowek im Goplo See, Kreis Strelno.
Reibstein. E. J. 2149,
durch Brauereibesitzer Schemel in Crone a. Br.
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PRINCETON UNlVERSii;
III. Aus Museen und Vereinen.
229
Schädel und Knochenreste aus zeitlich nicht sicher
bestimmbaren Gräbern.
67. Kiesgruben Woydahl, Kreis Hohensalza.
a) Schädel mit Unterkiefer. E. J. 2029 f,
b) defekter Schädel nebst Unterkiefer. E. J. 2029 h,
c) Bruchstücke eines menschlichen Schädels. E. J. 2029 g,
a—c durch Rittergutsbesitzer Schwarz auf Schadlowitz.
Die Schädel stammen von dem gleichen Felde wie Fund Nr. 26,
doch lassen sie sich nicht sicher datieren.
68. Broniewo bei Güldenhof, Kreis Hohensalza.
a) Schädel. E. J. 2032,
durch die. Knabenmittelschule in Hohensalza,
b) Schädel. E. J. 2033,
durch Lehrer Eugen Schmitt, Jacewo.
Diese Schädel stammen von dem gleichen Gräberfeld, von dem
früher Geräte und Schmucksachen der neolithischen Zeit aus
Geweih und Knochen eingeliefert wurden, sind auch wahr¬
scheinlich mit diesen Funden gleichzeitig anzusetzen; s. auch
Nr. 5 a und b ferner Korrespondenzbl. der D. Ges. f. Anthrop.
Jahrg. 09, Heft 9/12, p. 100.
69. Lat ko wo, Kreis Hohensalza.
Bruchstücke eines menschlichen Schädels sowie Knochenreste aus
einem Grabe. E. J. 2125*
Das Skelett lag zwischen 4 Steinen von je ca. '/* m Höhe. Der
Durchmesser des Grabes betrug ca. 3 /4 m. Nach Angabe des Finders
Herrn Landschaftsrates v. Busse soll es in zusammengezogener
Stellung gelegen haben,
durch Landschaftsrat v. Busse, Latkowo.
70. Sammlung des Freiherrn v. Schlichting auf Wierzbiczany,
Kreis Hohensalza. — Leihgabe.
Indogermanische Zeit.
1. Axthammer mit schräg zulaufendem Bahnende. E. J. 2090.
2. Streithammer mit halbkugelförmig abgesetztem Kopf, am Bohrloch
verbreitert, Schneidenteil überhängend. Die obere Bohrbahn mit
3 Vertikal-Furchen und unterhalb des Kopfes mit 2 Horizontal-
Furchen verziert. E. J. 2089. Abbild. 13.
3. Lanzenspitze aus Feuerstein. E. J. 2099. Abbild. 14.
4. Schnurbecher mit 11 zeiliger Schnurverzierung unterhalb des Randes
und 4 wagerecht durchbohrten Ösen. E. J. 2091. Abbild. 15.
Römische Kaiserzeit.
5. 2 Henkeltassen. E. J. 2092 und 2093. Abbild. 16, 17.
6. 1 schwarzer Becher. E. J. 2095. Abbild. 18.
Gegenstände verschiedener Perioden.
7. Fingerring. Abbild. 19.
Gemme (Alsenpaste), darauf ein Reiter mit Pferd? eingeritzt —
in Bronzefassung, wohl provinzialrömische Arbeit.
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III. Aus Museen und Vereinen.
III. Aus Museen und Vereinen.
231
8. Nadel aus Bronze. Oberer Teil des Nadelschaftes vierkantig, mit
eingravierten Quer- und Schräg-Linien verziert — in eine Öse aus¬
gehend mit kleinem Ring, an dem ein halbmondförmiger Anhänger,
mit 2 Reihen eingehämmerter Punkte verziert. An beiden Enden
desselben hängt gleichfalls an Ringen 1 kleinerer unverzierter
halbmondförmiger Anhänger. E. J. 2100. Abbild. 20.
9. Ein Reibstein. E. J. 2096.
Sämtliche Gegenstände mit Ausnahme von Nr. 8 in Parchanie
Parzelle auf dem Windmühlenberg gefunden.
Fo. von der Nadel Nr. 8 hinter dem Park von Wierzbiczany in
den Überresten einer zerstörten Aschenurne. (Mitteil, des Herrn v.
Schlichting.)
71. Sammlung des Oberlehrers Rohloff in Weissenfels a. S.
E. J. 2155. Leihgabe.
Die Gegenstände sind sämtlich von Schulkindern innerhalb des
Schulbezirkes Jesuiterbruch, Kr. Hohensalza, gesammelt. Der
Schulbezirk Jesuiterbruch umfasst die Gemeinden: Jesuiterbruch,
Kaczkower Neudorf (heute Neu linden) und 3 Gehöfte der Ge¬
meinde Klein Glinno (heute Bismarckstreu). (Bericht des Ober¬
lehrers Rohloff.) Die Stücke gehören der Hauptmasse nach in die
indogermanische Zeit.
1. 2 Beile mit Schäftungsrillen. Nr. 34 u. 36.
2. 1 Beil mit Schäftungsabsatz. Nr. 35.
3. Steinaxt (Pflugschar?). Nr. 37.
4. 2 Kopfteile von Steinäxten. Nr. 47 u. 48.
5. Schneidenteil eines Steinhammers. Nr. 46.
6. Beile von spitzovalem Querschnitt. Nr. 3. u. 23.
7. 1 Feuersteinbeil v'm spitzovalem Querschnitt. Fo. Jesuiterbruch.
Nr. 4.
8. Steinbeil von ovalem Querschnitt. Nr. 22.
9. 2 Steinbeile. Nr. 21, 33.
10. Kleines Einsatzbeil, eine Seite eben. Nr. 8.
11. 11 dicknackige Beile verschiedener Grösse, zum Teil mit be¬
schädigter Schneide. Nr. 9—11, 14 u. 15, 17, 19, 20, 28, 29, 32.
12. 3 dicknackige Beile. Fo. K. Neudorf. Nr. 12, Jesuiterbruch.
Nr. 16 u. 18.
13. Dicknackiges Beil aus Feuerstein. Nr. 7.
14. 2 kleine dicknackige Beile aus Feuerstein. Fo. K. Neudorf. Nr. 5.
Jesuiterbruch. Nr. 6.
15. 6 dicknackige Beile von beinahe rechteckigem Grundriss. Nr. 13,
26, 30, 31. Jesuiterbruch. Nr. 24. Kl. Glinno. Nr. 27.
16. 9 Schneidenteilbruchstücke dicknackiger Beile. Nr. 1, 2, 38, 40,
41, 43—45. Fo. K. Neudorf. Nr. 42.
17. 2 Bruchstücke mit bogenförmiger Schneide. Nr. 39. Fo. K. Neu¬
dorf. Nr. 25.
18. 1 Schaber und 5 prismatische Feuersteinspäne. Nr. 57.
19. Keulenkopf, in Form einer flach gedrückten Kugel, mit flacher
peripherisch eingeschnittener Rinne, an den Polen schwach erhöht.
Fo. Kl. Glinno. Nr. 49.
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PRINCETON UNIVERS1TY
232
III. Aus Museen und Vereinen.
20. Kupferflachbeil. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 51.
21. Stein prismatischer Form. Fo. Jesuiterbruch. Nr. 50.
72. Sammlung des Hauptlehrers Lück, Margonin.
E. J. 2177. Unter Vorbehalt des Eigentumsrechts übergeben.
1. Sagemühle, Kr. Kolmar.
Schneidenteilbruchstück eines grösseren Steinbeiles von ovalem
Querschnitt.
2. Sulaszewo, Kr. Kolmar.
Schneidenteilbruchstück eines dicknackigen Beiles mit bogenförmiger
Schneide.
3. Seeort (Alt-Wittkowitz), Kr. Kolmar.
Etwas beschädigte Steinaxt von 5seitigem Grundriss,
16 Gefässe, sowie mehrere Bruchstücke von Gefässen, vergl. dazu
auch Nr. 30. Es handelt sich um Funde von dem gleichen
Gräberfeld.
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Ausflug nach Seddin.
Am Sonntag, den 20. Juni 1909, unternahm die Zweiggesellschaft Berlin unter
Führung des 1. Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA einen Ausflug nach
Perleberg und dem Königsgrabe bei Seddin in der Prignitz.
Mit dem fahrplanmässigen D-Zuge fuhren die Teilnehmer der Wanderfahrt
zunächst nach Wittenberge und von dort nach kurzem Aufenthalte über Perleberg
weiter nach Rohlsdorf, wo Rendant RATIG aus Perleberg die Führung übernahm.
Vom Bahnhof Rohlsdorf begab man sich zunächst nach Kreuzburg, einem alten
Runddorfe am Ufer der Stepnitz. In der Mitte des Dorfes liegt auf einer Erhöhung
die einfache Fachwerkkirche ohne Turm, in der sich einige Heiligenfiguren aus
dem 15. und drei Leuchter und ein Kelch aus dem 17. Jahrhundert befinden, neben
der Kirche steht der hölzerne Glockenschuppen mit zwei Glocken aus dem
Jahre 1846, die das Wappen der Edlen Gänse von Putlitz tragen. Von Kreuzburg
ging es in nördlicher Richtung auf das Gehöft Kahl hörst zu, in dessen Um¬
gegend mehrere Steingräber liegen. Eins von diesen, das Rendajit Ratig
untersucht und dem er verschiedene Waffen und Gerätschaften aus Bronze ent¬
nommen hat, wurde besichtigt, dann wanderte man nach dem nördlich von Kahl¬
horst belegenen Seddiner Grabhügel. Eine Höhe von 11 m, ein unterer Durch¬
messer von 70—80 m und ein Umfang von etwa 300 Schritt lassen das Königs-
grab bei Seddin alle bisher in Norddeutschland bekannten vorgeschichtlichen
Grabstätten an Grösse übertreffen. Die Sage behauptete, in dem Hinzberge,
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III. Aus Museen und Vereinen.
233
wie der Hügel auch genannt wurde, sei der König Hinz, ähnlich wie in der Attila¬
sage, in einem dreifachen Sarge, in einem steinernen, kupfernen und goldenen
Sarge beigesetzt worden, während die beiden südlich bei Kahlhorst gelegenen Grab¬
hügel seinen Ring und seine Schatztruhe enthalten sollten. Trotzdem Jahrtausende
seit der Bestattung vergangen sind und die Bevölkerung mehrmals in der Prignitz
gewechselt hat, blieb die Sage von dem Königsgrabe im Volke erhalten, und viele
Schatzgräber haben es seit Jahrhunderten versucht, den goldenen Sarg des Riesen¬
königs und die im Grabe verborgenen Schätze zu heben, aber alle Nachgrabungen
hatten bei dem gewaltigen Umfange des Grabhügels keinen Erfolg, zumal die
Grabungen in der Mitte des Hügels vorgenommen wurden, während die Grab¬
kammer, wie bei vielen vorgeschichtlichen Gräbern, seitlich mehr nach Süden hin
liegt. Ganz zufällig stiessen im September 1899 Arbeiter beim Abtragen der Feld¬
steine, die nebst den mit Lehm gemischten Sandmassen den Inhalt des künstlich
aufgeschütteten Hügels bilden, auf eine grössere Steinplatte und auf die dahinter
liegende Grabkammer. Ihr Inhalt wurde auf Veranlassung des Rechtsanwalts
HEINEMANN am 20. September 1899 von der Pflegschaft des Märkischen Museums
geborgen und nach Berlin ins Museum gebracht.
Die Grabkammer ist in dem Zustande, wie sie gefunden wurde, belassen
worden, der Eingang ist, nachdem die Regierung der Provinz Brandenburg den
Hügel käuflich erworben hat, durch eine Aufmauerung von Steinen geschützt wor¬
den, um ein Herabrutschen der Sandmassen zu verhindern; ausserdem schliesst
eine eiserne Gittertür die Grabkammer gegen unbefugtes Betreten ab. Durch eine
schmale Öffnung steigt man etwa einen halben Meter hinab und befindet sich nun
in einem kleinen Raume, dessen Höhe in der Mitte 1,60 m und an den Seiten
1 m beträgt, während der Durchmesser der neunseitigen Grabkammer zwischen
1,96 und 2,12 m schwankt. Die Seiten der Kammer werden von neun glatten Stein¬
platten gebildet, die in polygoner Grundrissform aneinander gesetzt sind und 1 m
über die Sohle der Kammer emporragen, während sie 1 m tief in den Sandboden ein¬
gesenkt sind. Die Decke des Grabgewölbes wird durch zwei Reihen über die
Seitenwände vorstehender Steinplatten gebildet und ist durch eine darübergelegte
Platte geschlossen, wodurch eine Wölbung entsteht, wie sie bei den mykenischen
Kuppelgräben vorkommt. Die senkrechten Steinplatten waren bei der Aufdeckung des
Grabes mit einem Bewurf von fettem Lehm bedeckt, auf den Malereien in Form
von zwei parallelen, am oberen Rande umlaufenden Streifen mit troddelartigen An¬
hängseln aufgetragen waren J ). Jetzt ist diese Bemalung zum grössten Teil ver¬
schwunden, da sich viele Besucher Teile des Lehmbewurfs als Andenken mitge¬
nommen haben. In dieser Grabkammer standen eine grosse Ton-Urne und in
dieser ein Bronzegefäss von doppelkonischer Gestalt mit Bronze-Deckel, das den
Leichenbrand einer männlichen Person und verschiedene Beigaben aus Bronze
enthielt, so eine Bronzeschale, Hals- und Fingerring, Messer und Hohlbeil, und vier
Tongefässe mit Leichenbrand und allerhand Beigaben; neben der grossen Urne
steckte ein 50 cm langes Bronzeschwert mit dem Griffe im Boden. Es handelt sich,
wie die Grösse der Anlage und die Kostbarkeit der Beigaben zeigt, um angesehene
Toten, vermutlich ein germanisches Fürstenpaar.
Was die Beisetzung betrifft, so könnte man an eine Art Mausoleum denken,
’) Bei einem Besuch der Grabkammer am 7. Oktober 1900 fand ich noch beträchtliche Spuren
der Wandmalerei, und zwar .var die gegen 1 m hohe Seitenwand an einer Stelle durch drei tiefrote
parallele Streifen, die je 12 cm breit waren, verziert. Der unterste Streifen war vom Boden der Grab¬
kammer 18 cm entfernt, der Zwischenraum zwischen dem 1. und 2. Streifen betrug gleichfalls 18 cm,
der zwischen dem 2. und 3. Streifen 13 cm. Albrecht.
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III. Aus Museen und Vereinen.
in dem die Personen, deren Asche gefunden worden ist, nacheinander beigesetzt
wurden. Wahrscheinlicher ist allerdings die Annahme, dass bei der Verbrennung
der Leiche des Fürsten die Gattin und Leute aus dem Gefolge sich dem Flammen¬
tode weihten, eine Sitte, die in jener Zeit bei den Germanen und auch bei den
Italikern verbreitet war, und dass die Bestattung der im Seddiner Grabe ruhenden
Toten zu gleicher Zeit erfolgt ist, nachdem die Verbrennung im Beisein einer
grossen Volksmenge erfolgt war, die zur feierlichen Bestattung herbeigeströmt war.
Von den Stammgenossen des dahingeschiedenen Fürsten wird dann auch die
Aufschüttung des gegen 30 800 Kubikmeter Sand und Lehm nebst Feldsteinen ent¬
haltenden Hügels vorgenommen worden sein. Rings um den Grabhügel wurde ein
Bannkreis von grossen Findlingsblöcken gelegt, der zum grössten Teil heute noch
erhalten ist.
Vor dem Eingang zur Grabkammer wies Prof. Dr. KOSSINNA auf die Be¬
deutung der im Königsgrabe gemachten Funde und auf die Stellung, die die Prignitz
durch ihre Fundstätten in der Vorgeschichte der Provinz Brandenburg einnimmt,
hin (s. unten). Nach der Besichtigung des Königsgrabes wanderten die Teil¬
nehmer des Ausfluges nach dem Dorfe Seddin und dann weiter durch den
schönen Park des Rittergutes Wolfshagen, das dem Baron von Putlitz gehört,
nach dem Bahnhof bei Gross-Pankow, von wo die Rückfahrt nach Perleberg er¬
folgte. Hier wurden bei einem Rundgange durch die Stadt die städtische Alter¬
tumssammlung im Rathause, die alte Backsteinkirche, der Roland auf dem Markte
und verschiedene Giebelhäuser mit Holzschnitzereien besichtigt. Zum Schluss folgte
man einer Einladung des Rendanten RATIG, um dessen reichhaltige Sammlung von
vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Gegenständen in Augenschein zu nehmen.
Dr. Gustav Albrecht.
Ansprache über die
„Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz in der Vorzeit“
von Gustaf Kossinn a.
Mit 6 Textabbildungen und Tafel XVII.
Wenn wir den ersten Ausflug unserer Gesellschaft in den äussersten Nord¬
westwinkel der Mark Brandenburg gerichtet haben, so leitete mich dabei der Ge¬
danke, unsere Mitglieder vor das berühmteste Denkmal der ganzen brandenburgischen
Vorgeschichte und gleichzeitig in eine Landschaft zu führen, die sich in vorgeschicht¬
licher Zeit ganz eigenartig entwickelt hat.
Die Prignitz nimmt innerhalb der Mark Brandenburg, ja selbst innerhalb des
nordwestlichen Gebietes der Mark, das in der Vorzeit stets ein ziemlich einheit¬
lich gleichartiges Kulturantlitz zeigt, doch eine Sondereinstellung ein, insofern sie
sich vollständig dem benachbarten Mecklenburg anschliesst.
Schon in der Steinzeit ist das der Fall, denn in der Westhälfte der Mark
ist die Prignitz die einzige Stelle, wo wir Megalithgräber vorfinden, die nordwärts
in Mecklenburg ausserordentlich zahlreich auftreten, nach Süden zu aber gänz¬
lich fehlen.
Diese Übereinstimmungen werden noch sprechender innerhalb der Bronze¬
zeit. Zunächst negativer Art, insofern in beiden Gebieten die Frühperiode, in¬
sonderheit die zweite Hälfte der ersten Periode und auch die zweite Periode der
Bronzezeit fast ganz ausfällt. Nur die Ostprignitz besitzt in Gräbern von
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III. Aus Museen und Vereinen.
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Schabernack bei Meyenburg und Maulbeerwalde bei Wittstock geringe Zeugnisse
einer dünnen Besiedlung während der zweiten Periode.
Hervorragend vertreten in Kultur und Besiedlung ist dagegen, genau wie in
Mecklenburg, die dritte Periode der Bronzezeit: das bezeugt die unerschöpfliche Zahl
Abb. 1. Seddin, Westprignitz.
Erste Aufnahme der Kammer des Königsgrabes.
der „Kegelgräber“, jene hohen Erdhügel die im Innern oft einen Steinkern bergend,
eine oder mehrere Körperbestattungen enthalten, aber gleichzeitig auch schon
Leichenbrandgräber desselben Alters — diese oft als Frauengräber neben männ¬
lichen Bestattungsgräbern. Die volle Konsequenz des neuen Glaubens, der in dem
neuen Ritus des Leichenbrandes sich kund tut und von der Voraussetzung ausgeht,
dass das Fortleben der Seele des Toten nicht mehr an die Unversehrtheit seines
Körpers gebunden sei, sondern dass sie gereinigt durch die Verbrennung des
Körpers fortan ein ruhiges Sonderdasein weiterführe, wurde wohl von den karpo-
dischen Stämmen Ostdeutschlands gezogen, noch nicht aber von den Germanen, die
wahrscheinlich von jenen Karpodaken die strenge Durchführung des Leichenbrandes
sich aneigneten: die Konsequenz nämlich, nunmehr die Beigaben, die den
Bedürfnissen des Leibes im Jenseits dienen sollten, den Toten nicht mehr mit¬
zugeben.
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236 III. Aus Museen und Vereinen.
Der Typus dieser Gräber der dritten Periode liegt in herrlicher Vertretung
vor, meist aus der Ostprignitz, so zu Schabernack und Kl. Pankow (M. f. Volk.),
Weitgendorf, Vehlow, Dannenwalde (Mark. Mus.). Die Frauengräber enthalten breite,
gerippte und spiralverzierte Halskragen, schwere quergefurchte Armringe, mit schrägen
Strichbändern verzierte Armbänder, lange vielgewundene Zylinderspiralen für den
Unterarm, prachtvolle, grosse spiralverzierte Gürtelscheiben mit Mittelspitze, kleinere
pyramidale Tutuli, Doppelknöpfe, am Fussende die grossen reichverzierten Bänder
mit doppelten Spiralscheibcnendigungen (sog. Armbergen), Gewandnadeln (Fibeln),
endlich Goldschmuck (Fingerspiralon). Die Männergräber enthalten ein Schwert,
Abb. 2. SedJin, Westprignitz-
Schluchtweg zum Eingangsloch des Königsgrabes.
einen Dolch, eine Lanzenspitze (auch von Feuerstein), Pfeilspitzen (Feuerstein und
Bronze), einen Goldarmring oder eine goldene Fingerspirale.
Aber in der jüngeren Bronzezeit (Periode IV und V) erweist sich die Prignitz
als reicher denn Mecklenburg; während nämlich jetzt in Mecklenburg die Besiedlung
auf lange hin andauernd immer dünner wird, ist das in der Prignitz nicht der Fall.
Das zeigen die ungemein reichen Grabfunde von Seddin und Wolfshagen in
der Westprignitz, ebenso aber solche der Ostprignitz (Beveringen, Gr. Pankow,
Mertensdorf usw.). Aus Sukow besitzen wir eine jener kunstvollen, herrlich ver¬
zierten mit Goldschmuck gefüllten Bronzedosen, wie sie die Frauen damals am
Gürtel trugen, ähnlich den silbernen Geldtaschen der heutigen Damenwelt. Die
Grabform ist jetzt die kleine Steinplattenkiste in kleineren Hügeln, die Graburne
zuweilen eine rechteckige oder ovale Schachtelurne mit zugehörigem engschliessen-
den Deckel, sehr selten eine sog. Hausurne (Seddin, Gandow).
ln diese Zeit gehört auch unser Seddiner Königsgrab, das im Gegen¬
satz zu der jetzt üblichen Bestattungsweise und zu einer Reihe benachbarter kleiner
III. Aus Museen und Vereinen.
237
Hügelgräber gleicher Zeit ausnahmsweise noch die riesenhaften Formen der mittleren
Bronzezeithügel fortführt. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Urgrab des
Hügels einer älteren Zeit angehört und noch unberührt in der Tiefe des Hügels
ruht. Die Abbildungen werden zum grössten Teil dem freundlichen Entgegenkommen
des Herrn Druckereibesitzers Grunick in Perleberg verdankt, der drei Cliches seiner
Schrift ,Das Königsgrab von Seddin bei Perleberg* geliehen hat: Taf. XVII, Abb. 1
zeigt die Ansicht des Hügels von Südwest, Textabb. 1 die durch den gestützten
Stein noch verschlossene Grabkammer, wie sie bei Ankunft der Kommission am
Abb. 3. Seddin. Westprignilz.
Königsgrab, Tür vor dem Kammerloch.
20. Sept. 1899 sich darstellte; Taf. XVII, Abb, 2 die Hauptfundstücke des Grabes.
Textabb. 2 gibt nach einer von unserem Mitgliede Herrn Rendant RATIG in Perle¬
berg gemachten Aufnahme eine Ansicht von der durch Grabung hergestellten
Schlucht, die auf die Grabkammer führte, wobei ersichtlich ist, wie viel höher über
dem Wege und leichter zugänglich anfangs das Eingangsloch gelegen hat. Sehr
bald müssen aber Erdmassen in die Schlucht herabgestürzt sein, infolgedessen
im Jahre 1900 der Eingang durch Mauerwerk geschützt, mit Eisengitter überdeckt und
durch eine eiserne Türe verschlossen wurde. Durch den Nachsturz der Erdmassen
liegt seitdem der Schluchtweg hoch über der Kammeröffnung (Abb. 3), durch die
man in das Grab herunterrutschen muss. Abb. 4 zeigt nach einer Skizze unseres
Mitgliedes R. MIELKE den Grundriss der im Innern neuneckigen Kammer, Abb. 5
die Innenansicht der Kammer und Abb. 6 gibt, gleichfalls nach MIELKE, eine Probe
der dreistreifigen roten Wandmalerei, deren Muster nach den wenigen erhaltenen Resten
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III. Aus Museen und Vereinen.
sehr verschiedenartig gestaltet gewesen sein muss. Es erscheint unbegreiflich, wie
dieser Innenschmuck von der Leitung des Märkischen Museum nach der Entdeckung
nicht sofort genau aufgenommen und bei seiner bröckeligen Beschaffenheit von der
Wand abgelöst und ins Museum übergeführt werden konnte.
Was die Zeit der Beisetzung in der Grabkammer anlangt, so habe ich mich
vor Jahren, wie in dem Grunicksehen Heftchen erwähnt ist, für das 10. Jahrhundert
ausgesprochen, d. h. für die Übergangszeit von der IV. in die V. Periode der Bronze-
Abb. 6. Seddin, Westprignitz. Königsgrab, Bemalte Mörtelstücke der Kammerwand.
zeit. Die Beigaben, die in ihrem Charakter einem Teil der früher schon aus andern
Hügelgräbern der Seddiner Gegend gewonnenen Fundstücken aufs genaueste ent¬
sprechen (Mus. f. Völkk., Berlin), fallen aber durchaus in die V. Periode und nicht
einmal in den frühesten Abschnitt dieser Periode. Das Bronzeschwert mit dem
charakteristisch germanischen Knauf von nierenförmiger Gestalt (No. 1), das Rasier¬
messer mit punziertem Schiffsornament, dessen Griff die frei aufgewickelte Drahtspiral¬
scheibe in ihrer jüngsten Gestaltung zeigt (Nr. 5), die reichverzierte Bartzange (No. 11),
das ebenso reichverzierte, lanzettartige Instrument für ärztliche oder Toilettenzwecke
(No. 15), der im Henkel der gegossenen Bronzetasse hängende Armring mit
Petschaftenden (No. 13), das Messer mit hochgebogener Spitze und ringförmigen
Griffen (No. 9), das kleine Tüllenquerbeil (No. 3), der Miniaturtüllenmeissel (No. 7),
Gck igle
Origin
III. Aus Museen und Vereinen.
239
die Doppelknöpfe (No. 4 u. 8), der Knebel (No. 12), alles spricht für Periode V.
Dahin weist auch der dünne geriefelte Halsring mit Hakenenden (No. 2). Es ist ein
sogenannter Wendelring ältester Form mit ganz dünndrahtigem Körper. Da er aber
nicht, wie am ersten Anfang dieses Typus, nur einmaligen Wechsel, sondern bereits
dreimaligen aufweist, so kann er nicht am Beginn der V. Periode hergestellt sein,
deren Verlauf wir jetzt in die Zeit von 900—700 vor Chr. legen. Dieser Ring bestimmt
als die Zeit des Grabes also etwa das Jahr 800 vor Chr. Wir lernen somit, dass
grosse, getriebene italische Bronzegefässe, wie das Seddiner (No. 6), nicht nur in
der IV., sondern auch noch in der V. Periode nordischer Bronzezeit gang und gäbe
waren. Nicht den geringsten Anstoss erregen die beiden eisernen Nadeln aus der
Urne der Königin (gedeckeltes Gefäss hinter No. 12), obwohl eine von ihnen als
Nähnadel sicher nicht zum Schmuck diente, wozu ja das neue Metall in der aller¬
ersten Zeit allein Verwendung fand, sondern ein Werkzeug war. Aber allenthalben
bieten die norddeutschen Gräber der V. Bronzezeitperiode bereits eine andere
Art eiserner Werkzeuge, nämlich Eisenmesser (Brandenburg, Mecklenburg, Schleswig-
Holstein). Es fehlen allerdings die einheimischen Eisenwaffen noch vollständig *).
Schliesslich sei noch die Frage erörtert, ob man von der Prignitz sagen kann,
sie mache in der ganzen Vorzeit einen „etwas hinterwäldlerischen Eindruck“, wie
A. GÖTZE in seiner Statistik der vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler de.* Ost-
prignitz (Berlin 1907) von letztgenanntem Gebiet behauptet hat. Die einem solchen
Urteil zu Grunde liegende Anschauung über die Vorzeit Mittel- und Nordeuropas,
wo es ausser den Fürstensitzen überhaupt keine Handelszentren und also auch
keine kulturell rückständigen Gegenden gab und geben konnte, scheint an sich un¬
berechtigt. Für die Prignitz kann man während der Bronzezeit aber leicht eher
das Gegenteil von Götzes Behauptung nachweisen. Denn kein Land Mittel¬
europas stand damals derart mit dem Süden, mit Italien in Ver¬
bindung, wie eben die Prignitz. Das zeigt besonders der Bezug italischer
getriebener Bronzegeräte, meist Gefässe. Schon in der dritten Periode der Bronze¬
zeit, d. h. so früh wie pur irgendwo anders, haben wir die italische Bronzetasse
aus einem der Grabhügel von Weitgendorf; in die vierte Periode fallen die beiden
getriebenen Bronzeschilde aus Herzsprung. Zu Wolfshagen fand sich eine gehäm¬
merte Bronzetasse mit getriebenen Buckeln in Form konzentrischer Kreise (Per. IV),
weiter zwei getriebene gebuckelte Blechdeckel zu Bronzegefässen (die Bestimmung
dieser Stücke war bisher stets eine irrige); zu Retzin kam gleichfalls eine getriebene
Tasse zum Vorschein; aus Wendisch-Warnow ist ein gedrehter Bronzehenkel zu
einem grossen, italischen Bronzegefäss erhalten. Aus Seddin haben wir ausser dem
grosser., getriebenen Grabgefäss je zwei kleine getriebene Schalen des Königsgrabes zu
verzeichnen, ausserdem ein getriebenes Gefäss aus den Gräbern, deren Inhalt das
Berliner Museum für Völkerkunde beherbergt. Selbst noch aus der frühesten Eisen¬
zeit dauert dieser Import an, wie eine weitgerippte Ciste mit losen Bügeln aus
Schabernack beweist. Und auch Gold ist genug in der Prignitz vorhanden. Ich
nenne jetzt nur noch den Grabhügel zu Kemnitz bei Pritzwalk, der „den goldnen
Sarg de? Hünenkönigs“ beherbergte, aus dem ein goldner Armring, ein Bronze¬
schwert, dessen Griff mit Goldzierat bekleidet war, u. a. zum Vorschein kam.
Innerhalb der reinen Bronzezeit besitzt die Prignitz also 13 italische getrie¬
bene Geräte aus 7 Fundorten. Diesem Reichtum kommt nur Mecklenburg, ein
’) Wenn MONTEL1US nach Balt. Stud. Bd. 28 und 33 nun seit 25 Jahren stets von neuem die
Angabe wiederholt, zu Billerbedc Kr. Pyritz in Pommern seien zwei Antennenschwerter mit Eisenklingen
gefunden worden, so muss hier kräftig darauf hingewiesen werden, dass STUBENRAUCH. Pomm.
Monatsbl. 1892, 51 und in endgiltiger Fassung, Balt. Stud. 1904, 121 ff. diese falsche Angabe richtig ge¬
stellt hat.
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III. Aus Museen und Vereinen.
Land weit grösser als die Prignitz, nahe mit 10 Fundorten solcher Bronzen aus der
reinen Bronzezeit. Aus der gesamten Mark Brandenburg ausserhalb der Prignitz
sind noch 10 derartige Fundorte bekannt; aus der gesamten Prov. Sachsen aber
nur 5, aus Pommern nur 4, aus Schlesien 3, aus Kgr. Sachsen 3, aus Hannover,
Thüringen, Westpreussen nur je 1. Frankreich und England haben fast gar keine
solche italischen Importen; wohl aber Dänemark und Südschweden. Damit ist wohl
gezeigt, dass die Prignitz kein Land von Hinterwäldlern war, sicher nicht innerhalb
der Bronzezeit.
Sitzungsberichte.
In der 5« Sitzung des ersten Vereinsjahres, die am 18.November
1909 im Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende,
Universitäts-Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 12. November 1909 verstorbenen
Mitgliedes, des Sanitätsrats Dr. Hugo SCHUMANN in Löcknitz, der sich hervorragende
Verdienste um die Vorgeschichte Pommerns und der Uckermark erworben hat. Er
veröffentlichte eine Reihe von Berichten über Ausgrabungen und vorgeschichtliche
Funde in Pommern und in der Mark Brandenburg, so über das „Gräberfeld in
Oderberg-Bralitz“, und verschiedene Einzelschriften, wie „Vorgeschichtliche Bezieh¬
ungen der Uckermark während der Stein- und Bronzezeit“ und „Steinzeitgräber der
Uckermark“ und förderte unter anderen die Gründung und Einrichtung des Ucker¬
märkischen Museums in Prenzlau (vergl. KOSSINNA, Mannus I, 324 ff.).
Nachdem Dr. KIEKEBUSCH einen Bericht über die Hauptversammlung der
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte in Hannover vom 6.-9. August und über
die Ausflüge in die Lüneburger Heide und den Teutoburger Wald gegeben und die
Aufnahme durch die Behörden und die Museums-Verwaltung in Hannover rühmend
hervorgehoben hatte, sprach Prof. KOSSINNA über den neuesten Skelettfund, den
der Schweizer Forscher Otto HAUSER im Verein mit Prof. KLAATSCH vor kurzem
auf der Höhe Combe Capelle bei Montferrand in der Dordogne gemacht hat. Das
vollständig erhaltene Skelett lag in halber Hockerstellung im Sande, umgeben von
Silexbeigaben und von durchbohrten Muscheln; der Leichnam war also in einem
rituellen Grabe beigesetzt, ein Beweis, dass schon in der Zeit des Aurignacien, der
dieser Grabfund angehört, der Gedanke an die Unsterblichkeit vorhanden war. Der
Schädel des neuen Skelettfundes erinnert nur wenig an den Neandertalmenschen,
weicht namentlich in der Stirn-, Nasen-, Kiefer- und Kinnbildung von diesem ab und
gehört nach den Untersuchungen von KLAATSCH einer zweiten diluvialen Rasse, der
Aurignac-Rasse an, die in der Schädelbildung bereits einen modernen Eindruck
macht und der Hauptvorläufer der neolithischen nordischen Rasse ist, der die In¬
dogermanen angehören. Auf die Zeit der Aurignacien deuten auch die Silexbei¬
gaben hin. Der neue Fund wurde in verschiedenen Lichtbildern vorgeführt, ferner
zum Vergleiche der von KLAATSCH rekonstruierte Schädel des Neandertalers und
der des Grabfundes von Le Moustier, der im vergangenen Jahre von HAUSER ge¬
hoben wurde (vergl. jetzt WILKE, Mannus 1, 252 ff; KOSSINNA, Mannus II, 169 ff.).
Im Anschluss an den Vortrag bemerkte Prof. LEHMANN-HAUPT, dass die
Beisetzung in Hockerstellung nach DIETERICH's Ansicht darum gewählt worden sei,
weil sie an die Embryolage im Mutterleibe und an die Rückkehr des Menschen in
den Schoss der Mutter Erde erinnere. Herr MIELKE bemerkte, dass diese be¬
denkliche Erklärung DIETERICH’s nichts weniger als neu sei.
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III. Aus Museen und Vereinen.
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Über Gräberfunde aus der Latene-Zeit in der Gegend von Grossbeeren und
Ludwigsfelde berichtete Dr. HINDENBURG unter Vorlegung verschiedener Fundstücke.
Der Vortragende hat an verschiedenen Stellen südwestlich von Grossbeeren
(Kr. Teltow), so bei den Schinderfichten und an einem Wege 200 m nördlich davon,
vorgeschichtliche Grabstätten und kleinere Gräberfelder aufgefunden, in denen Ton-
gefässe mannigfacher Formen mit Kammstrichverzierung im blossen Sande standen,
ferner Grabstätten bei Löwenbruch, Ludwigsfelde, Siethen undJütgen-
dorf, die sämtlich der Latfene-Zeit angehören, ausserdem hier und da auch
Spuren von Wohnstätten, die aber erst genauer untersucht werden müssen, um
festzustellen, ob sie gleichfalls der Latöne-Zeit angehören. Die Beigaben bestanden
in eisernen Nähnadeln, gekröpften Nadeln, eisernen Gürtelhaltern mit Stichorna¬
menten und Segelohrringen mit und ohne Glasperlen. Von den vier bei Jütgendorf
gefundenen Tongefässen war eine Urne, wie Prof. KOSSINNA festgestellt hatte, auf
der Drehscheibe hergestellt, eines der überaus seltenen Exemplare der Art in der
märkischen Latene-Zeit (näheres jetzt Mannus II, 192 ff<).
Zur Vorlage gelangten ferner eine grössere Anzahl von photographischen
Aufnahmen niedersächsischer Hünengräber, die MÜLLER-BRAUEL in Zeven gemacht
hat und die verkäuflich sind, und das Prachtwerk über die vorgeschichtlichen
Wandmalereien in der Altamira-Höhle bei Santander in Spanien, das im Aufträge
des Fürsten von Monaco von CARTAILHAC und BREUIL verfasst worden ist. Von
dem reich illustrierten Werke, das paläolithische Zeichnungen des Wisents, des Ebers,
des Pferdes, der Hirschkuh und anderer Tiere enthält, ist der Deutschen Gesellschaft
für Vorgeschichte ein Exemplar von dem Fürsten geschenkt worden, wofür der Vor¬
sitzende, Prof. KOSSINNA, in warmen Worten den ehrerbietigsten Dank der Ge¬
sellschaft aussprach. Dr. A. KIEKEBUSCH gab die nötigen Erklärungen zu den mittelst
Projektionsapparat vorgeführten farbigen Abbildungen des Werkes.
Den Hauptvortrag des Abends hielt Privatdozent Dr. F. SOLGER über die klima¬
tischen Bedingungen in Norddeutschland seit der Eiszeit. Der Redner ging davon aus,
dass das Wort „Klima“ eigentlich Neigung bedeutet und ursprünglich die Abhängigkeit
der klimatischen Verhältnisse von der Höhe der Sonne über dem Horizonte ausdrückt,
die durch die geographische Breite bedingt ist. Tatsächlich hängt das Klima aber von
vielen anderen Umständen ab, insbesondere sind die klimatischen Änderungen seit
der Eizseit nicht die Folge von Änderungen der geographischen Breite. Die Annahme,
dass zur Eiszeit der Nordpol im nordatlantischen Ozean gelegen habe, ist zurück¬
zuweisen. Auch die megalithischen Steinsetzungen, die nach den Sonnenaufgangs¬
punkten zur Sommer- und Wintersonnenwende ausgerichtet sind, zeigen, dass zu
ihrer Zeit die Sonnenhöhen der betreffenden Orte gleich den heutigen wären. Die
Änderungen des Klimas seit der Eiszeit müssen wir lediglich als eine Folge davon
betrachten, dass die allgemeine, wohl auf kosmische Ursachen zurückgehende Ab¬
kühlung der Eiszeit verschwand und damit auch die Klimawirkungen, die durch das
Vorhandensein der grossen Eismassen mittelbar hervorgerufen worden waren. Die
wesentlichste dieser Wirkungen war die Bildung eines Systems von Winden, die von
dem diluvialen Inlandeise in das Vorland hinauswehten und, da sie trocken waren,
hier ein wüstenartiges Klima erzeugten, dessen Vorhandensein durch die Talformen
Norddeutschlands und die zahlreichen Dünenbildungen in jener Zeit erwiesen ist.
An den Wüstengürtel schloss sich südlich ein steppenartiges Gelände und erst jen¬
seits dieser zweiten Zone begann der Wald. Mit. dem Rückzuge des Eises wurden
auch die vom Eise her wehenden Winde schwächer, die Wüstenzone verschwand, der
Wald rückte näher an den Eisrand und heutzutage ist die nördliche Grenze des
Waldes auf der Erde bis an den Tundragürtel der Polarregion hinaufgeschoben. Im
Mannus. Bd. II. 16
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III. Aus Museen und Vereinen.
ganzen genommen erscheint auf diesem Hintergründe die Geschichte des Menschen
in Nordeuropa folgendermassen: Der Mensch lebte an der Grenze von Wald und Steppe,
in Mittel- und Westeuropa. Mit dem Zurückweichen des Eises und dem Vorrücken
des Waldes folgte er dem Waldrand nach Norden, hat aber durch den Übergang
zum Landbau die Ausbreitung des Waldes in Nordeuropa stellenweise zurückgehalten.
Denn auch zu Tacitus Zeiten beziehen sich die Nachrichten von den ausgedehnten
Wäldern Deutschlands in erster Linie auf die nordwestdeutschen Moore und die
waldigen Gebirge. Die unwegsamen, fast ununterbrochenen Waldungen Osteibiens
in der Slawenzeit hängen aber wohl damit zusammen, dass die Wenden das Land
hatten verwildern lassen, und das Klima wird während dieser ganzen Zeit von dem
heutigen kaum verschieden gewesen sein.
In der 1. Sitzung des 2. Vereinsjahres, die am 29. Januar 1910 im
Vortragssaale des Märkischen Museums stattfand, gedachte der 1. Vorsitzende, Univ.-
Professor Dr. G. KOSSINNA, des am 17. Dezember 1909 verstorbenen Gelehrten
Matthäus MUCH, den er als den hervorragendsten Prähistoriker Österreichs be-
zeichncte und dessen Werken er Worte der Anerkennung widmete (vgl. unten S. 274).
— Darauf fand die Neuwahl des Vorstandes statt, bei der die vorjährigen Mitglieder
mit Ausnahme von Dr. A. KIEKEBUSCH wiedergewählt wurden. Der Vorstand be¬
steht aus den Herren Univ.-Professor Dr. G. KOSSINNA (1. Vorsitzender), General
z. D. LIEBMANN (2. Vorsitzender), Kgl. Archivrat Dr. G. SCHUSTER (3. Vorsitzen¬
der), Städt. Bibliothekar Dr. G. ALBRECHT (1. Schriftführer), Sekretär SNETHLAGE
(2. Schriftführer), Bezirksgeologe Dr. KORN (3. Schriftführer) und Zahnarzt O.
SEEMANN (Schatzmeister).
Zur Vorlage gelangten folgende Werke: Jul. AILIO, Die steinzeitlichen Wohn-
plätze in Finland (Helsingfors 19C9), J. L. PIC (Prag), Aphorismen über Ethno¬
graphie und Kunstgewerbe in der prähistorischen Archäologie (Prag 1910), BIEDER,
Beiträge zur Geschichte der Rassenforschungen und der Theorie der Germanen¬
heimat (Hildburghausen 1909), A. RUTOT, Coup d'oeil synthetique sur l'epoque
des cavernes (Brüssel 1909) und einige Veröffentlichungen der Gobineau-Ge-
s e 11 s ch a f t, mit der die Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte in Schriftenaustausch
getreten ist, namentlich das nach Form und Inhalt gleich ausgezeichnete neue Werk
des Vorsitzenden dieser Gesellschaft, Prof. Ludwig SCHEMANN (Freiburg): Gobi-
neaus Rassenwerk (Stuttgart 1910).
Im Anschluss an die in der Novembersitzung vorgelegten Latene-Funde aus
dem Kreise Teltow sprach Prof. Dr. KOSSINNA über Gedrehte Gefässe und
Mäandergefässe der Latene-Zeit, um unter Vorführung zahlreicher Ge-
fässformen in Lichtbildern den Nachweis zu führen, dass mit der Drehscheibe her¬
gestellte Gefässe in Mitteleuropa bereits in der frühen Latene-Zeit im Gebrauch
gewesen sind. Die Drehscheibe war in Ägypten schon um 3000 v. Chr. bekannt,
und gedrehte Gefässe finden sich in Troja in den Schichten der zweiten Stadt und
in Kreta in der dritten frühminoischen Zeit, also in der frühesten Bronzeperiode. Durch
die Griechen wurde die Kenntnis der Drehscheibe und der mit dieser hergestellten
Tongefässe dem übrigen Europa übermittelt, und bereits im 5. Jahrhundert n. Chr.
finden sich gedrehte Gefässe in Frankreich und in Süddeutschland. Der Vortragende
zeigte Beispiele solcher Gefässe mit langem Hals und friesartigen Verzierungen
aus Bayern, andere mit starker Bauchung und mit Riefen, dann eimerartige Ge¬
fässe mit vorstehendem Rand und solche von doppelkonischer Gestalt mit Wülsten,
die aus keltischen Skelettgräbern stammen und den Beigaben nach teils der ersten,
III. Aus Museen und Vereinen.
243
teils der mittleren Periode der L a t e n e z e i t angehören, ferner Abbildungen
von glänzend schwarzen und dünnwandigen Gefässen mit Wülsten um den Hals,
die aus germanischen Brandgräbern herrühren und der mit Heren und späten
Latenezeit zuzurechnen sind. Diese Gefässe, die sämtlich auf der Drehscheibe
hergestellt wurden, stammen aus Niederbayern, Rheinhessen, Thüringen
(Riethnordhausen, Möritzsch und Klein-Korbetha), Sachsen (Pegau, Cröbern und
Torgau) und Brandenburg (Jütgendorf, Wagenitz und Friesack) und zeigen, dass
der Gebrauch der gedrehten Gefässe sich schon in der mittleren Latenezeit aus
den keltischen Ländern in die von Germanen bewohnten Gebiete verbreitet hat.
Die Kenntnis der Drehscheibe wurde den Germanen vielleicht durch kel¬
tische Frauen, mit denen sie ein Ehebündnis eingingen oder die sie als Skla¬
vinnen besassen, übermittelt, und so finden sich gedrehte Gefässe auch in Gegenden,
die niemals von Kelten bewohnt gewesen sind. Auf unged rehte n, glänzendschwarzen
germanischen Gefässen vom Ausgange der Latenezeit, die den gedrehten Gefässen
der Latenezeit sehr ähnlich sehen, finden sich häufig Mäanderverzierungen,
und zwar in primitiver Form, mit der Hand eingeritzt, als Strichmäander mit Punkt¬
verzierung zu beiden Seiten, erst später, in der Kaiserzeit, tritt auf diesen schwärz¬
lichen Gefässen der mit dem Rädchen hergestellte Mäander auf. Durch Vergleichung
der verschiedensten Typen hat Prof. KOSS1NNA festgestellt, dass in der Kaiserzeit
die Strichmäanderverzierung nur noch auf den ostgermanischen Gefässen vor¬
kommt, in reicher Entwicklung, während der Rädchenmäander sich ausschliesslich
auf den gleichzeitigen Gefässen der Westgermanen findet.
Den zweiten Vortrag des Abends hielt Schriftsteller Robert MIELKE über die
Vorläufer der e u r o p ä i s che n H a u s f o r m e n. In einer Reihe von Lichtbildern
zeigte der Vortragende zunächst die Haupttypen des deutschen Bauernhauses und
erläuterte daran die Ergebnisse der Bauernhausforschung. Als das hervorragendste
Ergebnis dieser Studien kann es gelten, dass nunmehr festgestellt ist, dass das
Altsachsenhaus, jenes weitverbreitete Wohnhaus mit seiner grossen Diele,
bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. in seiner typischen Form vorhanden gewesen ist.
In seinen Formen schliesst es sich eng an das bereits früher festgestellte Dach¬
haus an, als dessen Heimat MIELKE unbedingt ein Ebenenland (Norddeutschland,
Schonen) annimmt. Die Frage, wie sich die Entwicklung im einzelnen gestaltet hat,
erläuterte der Vortragende an einer grossen Zahl von Beobachtungen aus Nieder¬
deutschland. Es ergab sich, dass das Dach in seiner Gesamtheit emporgehoben
wurde, hauptsächlich aber durch die innere Konstruktion des Säulengerüstes. Da¬
neben aber zeigte sich auch, dass das altnordische Haus mit seiner Halle und
Vorhalle in engster Verbindung mit dieser Entwicklung blieb. Die Vorstadien dieser
Entwicklung lassen sich noch heute in der Provinz Hannover an vielen Beispielen
nachweisen. Ein ausgebildetes Antenhaus, ähnlich der Urform des griechischen
Tempels, fand MIELKE auch in Littauen. Diesem Dachhaus gegenüber stellte der
Vortragende das Wandhaus, das in Deutschland hauptsächlich von der ober¬
deutschen Hausform getragen wird. Als ein Ergebnis der Mittelmeerkultur lassen
sich die Anfänge eines solchen Hauses bis in die Steinzeit zurückverfolgen, wie die
vorgeschichtlichen Funde in Stützheim, Gross-Gartach, Niederwyl, Schussenried,
Untergrombach usw. erkennen lassen. Zunächst ist die Form noch schwankend,
denn es tritt teils als Rundhaus, teils als sehr unregelmässig gebautes Viereckhaus
auf, vielfach findet sich aber auch die Form des grossen Haupthauses mit verschie¬
denen Nebenhäusern. Als innere Kräfte für die Gestaltung beider Urtypen nahm
der Vortragende die individualistische und kommunalistische Lebensauffassung der
nordeuropäischen bezw. der Mittelmeer-Völker in Anspruch. Als ältestes Beispiel
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PRINCETON UNIVERS1TY
244
III. Aus Museen und Vereinen.
führte er das vorminoische Ovalhaus von Chamaizi Sitcia auf Kreta an.
Aus dem Schwanken der Form des Hauses in Deutschland löst sich das oberdeutsche
Haus erst durch die Anwendung der Blockbuutechnik los. Eines der ältesten
Beispiele offenbart die Latene-Pfahlbausiedlung von Donja Dolina in Bosnien.
Dazu kam die Ausbildung der mit dem Rundbau verbundenen Herdanlage; sie be¬
wirkte einerseits eine höhere Wohnkultur, andererseits die Ausbildung von Einzel¬
häusern für jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Die Ansichten MIELKE’s, der sich
dann eingehend mit dem Vorhallenhause beschäftigte, stehen mit den Ergebnissen
der jüngsten Ausgrabungen auf der Römerschanze und bei Buch im Einklänge und
machen es wahrscheinlich, dass das typische Vorhallenhaus, von dem man in Skan¬
dinavien, in Deutschland und im ganzen östlichen und südöstlichen Europa Beispiele
aus vorgeschichtlichen Ansiedlungen und in gegenwärtigen Hausformen hat, die erste
entwickelte Stufe auf Deutschlands Boden war.
Im Anschluss an diesen Vortrag berichtete Dr. A. KIEKEBUSCH über seine
neuesten Ausgrabungen beim Dorfe Buch, nördlich von Berlin, wo er die Über¬
reste eines vorgeschichtlichen Wohnhauses aus der Bronzezeit auf-
gedeckt hat. Die Fundstelle liegt nordwestlich von dem genannten Dorfe nach dem
Forsthause zu, wo seit einiger Zeit Erdarbeiten für den Bau der 4. städtischen
Irrenanstalt vorgenommen werden. Bei der Freilegung der Stelle stiessen die Arbeiter
auf eine Brandschicht, auf verschiedene geschwärzte Überreste von Holzteilen und
auf Urnenscherben, worauf die Verwaltung des Märkischen Museums benachrichtigt
wurde. Diese entsandte den Ordner der prähistorischen Abteilung zur näheren
Untersuchung nach Buch, und letzterer stellte bald fest, dass die kleinen schwarzen
Stellen Überreste von Pfosten eines vorgeschichtlichen Hauses seien. Die in
ziemlich gerader Linie neben einander angelegten Pfostenlöcher, von denen
einige spärliche Reste von verkohlten Holzteilen enthalten, umschliessen einen vier¬
eckigen Raum von 6,60 m Länge und 3 m Breite, in dem Dr. KIEKEBUSCH den
Grundriss eines vorgeschichtlichen Wohnhauses erkannt hat. Während
die Pfostenreihe auf drei Seiten eine einfache ist, hat man auf der Ostseite des
Hauses eine doppelte Reihe blossgelegt, die ungefähr 50 cm von einander ent¬
fernt ist. Der durch die doppelte Pfostenreihe eingeschlossene Nebenraum ent¬
spricht vermutlich dem noch heute bei norwegischen Häusern üblichen Anbau, dem
sogen. „Svalegang* und diente wohl zum Fortstellen von Geräten und dergl. Zur
Herstellung der Wände zwischen den Pfosten werden die vorgeschichtlichen Bewohner
des Hauses vermutlich Flechtwerk von Zweigen verwendet haben, über das sie Felle
oder Häute von Tieren spannten oder das sie mit Lehm bewarfen, doch haben sich
bisher Spuren davon nicht gefunden. Der Eingang des Hauses befand sich an der
Südseite, wo die Türpfosten und die Brandschicht der dazwischen befindlichen
Holztür festgestellt wurden. Ausserdem lag an dieser Seite eine Vorhalle, wie sich
aus der Anordnung zweier im Innern befindlichen Pfosten ergibt. Die Herd¬
stelle befindet sich ebenfalls im Innern des Hauses an der Nordseite und be¬
steht ln einer Grube, in der einige kleinere Steine, Gefässcherben und Knochen¬
reste lagen. Das vorgeschichtliche Hallenhaus bei Buch zeigt im Grundriss
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem im vergangenen Jahre von SCHUCHARDT auf
der Römerschanze entdeckten Hause und dürfte nach den in seiner Umgebung ge¬
fundenen Gefässcherben der jüngeren Bronzezeit (etwa 1000 bis 800 v. Chr.) angehören.
Durch die neuen Funde in Buch und auf der Römerschanze, so führte der
Vortragende aus, sei mehr Klarheit in die Wohnungsverhältnisse der vorgeschicht¬
lichen Zeit gekommen. Man habe wohl gewusst, dass die Bewohner Südeuropas in der
paläolithisdhen Zeit in Höhlen und, wie aus Felsenzeichnungen ersichtlich ist» in
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III. Aus Museen und Vereinen.
245
Zelten von Tierfellen gewohnt und dass die Menschen der neolithischen Zeit in
Wohngruben, wie sie im Eisass, im Rheinland und in Böhmen erhalten sind, ge¬
haust haben, aber man nahm bisher mit Sophus MÜLLER an, dass diese gruben¬
artigen Hüttenanlagen der jüngeren Steinzeit und die ovalen Lehmhütten, die sich
in ganz Europa finden, bis in die Völkerwanderungszeit hinein in Nordeuropa die
Wohnstätten der vorgeschichtlichen Bevölkerung gebildet hätten. Dies ist ein Irrtum,
wie die erwähnten Funde deutlich erkennen lassen. Sie zeigen, dass das in Italien
und im östlichen Südeuropa seit dem Beginn der Bronzezeit übliche Hallenhaus mit
rechteckigem Grundriss und mit einer Vorhalle an der Schmalseite bereits in der
jüngeren Bronzezeit auch in Nordeuropa bekannt und gebräuchlich war. Was die
theoretische Forschung schon längst behauptet hat, wird durch die neuen Funde
bestätigt und der von Sophus MÜLLER vertretenen Ansicht über das Verhältnis der
nordischen zur mykenisdien Kultur, soweit sie sich auf die Wohnplätze im Norden
bezieht, jede Grundlage entzogen. Schliesslich kann es unter Umständen möglich
sein, durch die über die Wohnplätze gelagerte Brandschicht zwei Bauperioden zu
unterscheiden und dadurch Licht zu bringen in die Chronologie des sogenannten
Lausitzer Typus.
In der anschliessenden Diskussion bemerkt Prof. GÖTZE, dass viereckige
Hausgrundrisse, wie sie jetzt von Buch und der Römerschanze gemeldet werden,
in der Mark schon vor Jahren beobachtet worden seien und zwar bei Zauchel und
Niederjeser, beide im Kreise Sorau. Nach BÖTTCHER’s Bericht (Niederlausitzer
Mitteilungen Bd. II, Heft 4, 1892, S. 275 ff.) handelt es sich an erstgenanntem Ort
um Wohnungen in Form von Rechtecken von 4-5 m Länge; sie bestanden aus
etwa 15 cm starken Lehmwänden, die an armstarke hölzerne, in die Erde ge¬
schlagene Stöcke von aussen geklebt waren. Die Wohnungen von Niederjeser waren
in gleicher Weise aus 5—7 cm starken Lehmwänden errichtet, die auf der Innen¬
seite mit geschälten armstarken Holzpfosten, auf der Aussenseite mit ungeschälten
oder doch sehr roh behauenen Balken verkleidet waren. Auch Kochherde aus
Steinen werden erwähnt. Die Anlagen werden von BÖTTCHER in die Hallstallzeit
datiert. Dr. Gustav Albrecht.
In der 2. Sitzung des 2. Vereinsjahrs, die am 9. März 1910 im Vortrags¬
saale des Märkischen Museums stattfand, teilte der 1. Vorsitzende, Universitäts-
Professor Dr. G. KOSSINNA, mit, dass die 2. Hauptversammlung der deutschen
Gesellschaft für Vorgeschichte vom 1. bis 3. August in Erfurt stattfinden würde
und dass sich daran Ausflüge nach Weimar-Ehringsdorf, Dermbach, Fladungen und
Römhild anschliessen würden. Die Teilnehmer der Tagung würden Gelegenheit
haben, den Durchschnitt eines Schlaclcenwalles bei Hetschburg und eine Reihe
keltischer Befestigungsanlagen auf den Höhen der Vorderrhön zu sehen.
Der Vorsitzende gedachte darauf des am 4. Februar 1910 verstorbenen Mit¬
gliedes, Professor Dr. GRÖSSLER, in Eisleben, eines der Mitgründer der Hauptge¬
sellschaft, deren Namen schon der erste Aufruf gebracht habe, und hob rühmend
seine erfolgreiche Tätigkeit auf vorgeschichtlichem Gebiete hervor, die er durch
Untersuchungen der Gräberfelder des Mansfelder Seekreises, der Gräber bei Burg¬
scheidungen und des Helmsdorfer Fürstengrabes und durch Veröffentlichungen
über diese Forschungen in der Hallischen Jahresschrift für sächsisch-thüringische
Vorgeschichte bewiesen habe. GRÖSSLER hat auch reichhaltige Sammlungen
vorgeschichtlicher Gegenstände hinterlassen, die zurzeit in beschränkten Räumen
in den beiden Lutherhäusern in Eisleben untergebracht sind, und es wäre zu
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246
III. Aus Museen und Vereinen.
wünschen, dass der Magistrat dieser Stadt für eine würdige Aufbewahrung dieser
wertvollen Sammlungen in einem städtischen Museum sorgte (vgl. unten S. 278).
Den Vortrag des Abends hielt Generaloberarzt Dr. Georg WILKE aus
Chemnitz über „Südwesteuropäische M egal it h k u ltu r und ihre Be¬
ziehungen zum Orient“, in dem er unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder
eine Übersicht über die im Westen und Süden Europas, an der afrikanischen
Nordküste und in Kleinasien vorhandenen Megalithbauten gab und an der Hand
der einzelnen Funde die Beziehungen der westländischen Kultur zur orientalischen
erläuterte. Als älteste Megalithbauten sind die Steingräber ansusehen, die aus
3 bis 5 im Kreise gelagerten Steinen und einer Deckplatte bestehen und sich in
Frankreich, Portugal und Spanien sowie auf den Inseln des Mittelmeeres und an
der Küste Afrikas finden, während die Dolmen mit kurzem Gang und Vorgesetztem
Eingangsstein schon eine weitere Entwicklung der Megalithkultur kennzeichnen.
Zu einer höheren Kulturstufe sind die Ganggräber zu rechnen, Grabstätten,
die aus einer aus Steinplatten oder grossen Blöcken gebildeten Grabkammer be¬
stehen, zu der ein längerer, gleichfalls aus Steinen gebildeter Gang führt, und
ebenso die Ganggräber, bei denen an die Hauptkammer Nebenkammern angesetzt
sind, so dass der Grundriss zuweilen ein Kreuz oder noch kompliziertere Figuren
bildet. Noch jüngeren Ursprungs sind die Stein gräber, bei denen durch über¬
kragende Steine ein falsches Gewölbe gebildet wird, wie sie sich ausser auf
der Pyrenäenhalbinsel in der Bretagne, in Phrygien und in Mykenä finden. Jünger
als diese megalithischen Bauten sind dann die vertieften Stein gräber, zu
denen ein Gang abwärts führt, der zuweilen mit Stufen versehen ist, oder bei
denen der hinabführende Gang senkrecht steht und mit der Grabkammer durch
einen wagerechten Stollen verbunden ist. Solche Grabbauten finden sich ausser in
Frankreich, Spanien und auf den Inseln des Mittelmeeres auch in Ägypten, Klein¬
asien, Persien und anderen Ländern des Orients, und da hier fast ausschliesslich
die fertigen Schachtgräber Vorkommen, während in Westeuropa neben diesen die
Anfangsstadien der vertieften Grabanlage sich vorfinden, so kann man annehmen,
dass die Verbreitung dieser Megalithbauten von Westen her über
die Mittel meerländer nach dem Orient erfolgt ist, zumal die Ent¬
wicklung nur von den horizontalen zu den senkrechten Formen vor sich gegangen
sein kann.
Bei manchen Dolmen zeigt eine der Steinplatten ein künstlich eingefügtes
rundes Loch, das sogenannte Giebel loch, doch hat sich diese Besondernheit
nicht in Spanien, sondern, ausser in den östlichen Ländern, wie in Kleinasien und
auf den Inseln des Mittelmeeres, nur in Frankreich und dem nordischen Ver¬
breitungsgebiet der Steingräber gefunden. Eine andere bemerkenswerte Erscheinung
bilden die Megalithbauten mit schalenförmigen Vertiefungen auf der Ober- oder
Unterfläche des Decksteines, die sich im Norden, in Spanien und Frankreich, aber
auch im Osten bis nach Japan finden, und ebenso die in englischen Megalith¬
gräbern vorkommenden Steinschalen, die auch in Palästina bekannt sind und
lebhaft an gewisse von SCHLIEMANN in Troja gefundene Tonschalen erinnern.
Im Innern der Megalithgräber sind vielfach auch Steinpfeiler oder Holzsäulen als
Stützen verwendet worden, so in Spknien, und die Konstruktion dieser Säulen ist
die gleiche wie bei den Mykenischen Säulen.
Die megalithischen Grabbauten sind den menschlichen Wohnstätten nach¬
gebildet. Es sind sowohl vorgeschichtliche Hütten bekannt, zu deren Wohnraum ein
offener oder ein bedeckter Gang führt, als auch Wohnplätze aus historischer Zeit, so
die der Phrygier und Armenier, die nach V1TRUVS Schilderung eine ähnliche
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III. Aus Museen und Vereinen.
247
Anlage zeigen, und noch heute findet man bei den Lappen-Gammen und den
Höhlenwohnungen der spanischen Bergstämme diesen Gang vor dem Wohnraume.
Den Erbauern der Megalithgräber scheint demnach der Gedanke vorgeschwebt zu
haben, dem Toten eine Wohnung zu bieten, wie er sie bei Lebzeiten gehabt hatte.
In Verbindung mit den Steingräbern standen andere .megalithische Bauten,
wie die Menhirs, die Alignements und die Cromlechs, die als Kultstätten dienten
und sich nicht nur in England, Frankreich, Spanien und anderen Ländern des
südlichen Europas, sondern auch im Orient zahlreich finden, auch sie scheinen
ihre Verbreitung vom Westen aus gefunden zu haben. Die Menhirs sind frei¬
stehende Steine bis 22 Meter Höhe und 1 bis 5 Meter Dicke. Sie sind in der
älteren Zeit meist roh und plump, in der Bronzezeit dagegen sorgfältig bearbeitet.
Sie kommen ausser in Nord- und Mitteleuropa in Nordfrankreich, Spanien und
Portugal, ferner in Afrika, Palästina und im Orient vor. Zuweilen sind sie
wie die Giebelsteine der Dolmen durchbohrt, so auf Cypern, und oft stehen sie
in langen Reihen nebeneinander und bilden die sogenannten Stein all een oder
Alignements, wie in der Bretagne und an einzelnen Punkten des Orientes.
Eine andere Gruppe megalithischer Denkmäler sind die Steinkreise oder
Cromlechs, die in England, Spanien, Nordafrika, Palästina und Ägypten Vor¬
kommen und zu denen im Prinzip auch der bekannte Plattenring von Mykenä
gerechnet werden muss. Sie sind als Kultstätten zu betrachten und nach bestimmten
Verhältnissen, die zum Sonnenkult in Beziehung stehen, erbaut. Zu den berühm¬
testen Cromlechs gehört das Stonehenge bei Salisbury im südwestlichen England.
Der Vortragende ging dann näher auf den Inhalt der megalithischen Gräber
ein und zeigte, dass sich hiernach, ausser der noch vorausgehenden Periode der
Muschelhaufen, v i e r Kulturepochen derneolithischen Zeit unterscheiden
lassen. Die älteste dürfte bis in das 5. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück-
reichen. Ihr gehören die kleinsten und primitivsten Dolmen in Westeuropa, deren
Inhalt rohe Erzeugnisse einer unentwickelten Keramik, Gefässe aus schlechtge¬
schlämmtem Ton mit Fingernägel-Verzierungen und ohne Henkel bilden. Daneben
finden sich grob gearbeitete Feuersteingeräte, Knochenpfriemen und Amulettbeile.
In die zweite Kulturepoche gehören die grösseren Ganggräber, die feiner
gearbeitete Tongefässe und sorgfältiger hergestellte Silexgeräte, wie Pfeile und
Speerspitzen enthalten, ferner Schieferplattenamulette mit und ohne Verzierungen
und die sogenannten Krummstäbe, die vermutlich Häuptlingsabzeichen sind. Die
dritte Entwicklungsstufe der neolithischen Zeit bezeichnen die Gräber, in denen
Glockenbechergefässe mit Zickzackverzierung, eigenartige Steinäxte und Marmor¬
zylinder gefunden worden sind. Die Gräber der vierten Epoche zeichnen sich
durch einen gewissen Luxus aus: die sorgfältig hergestellten Tongefässe sind be¬
malt und mit Tierdarstellungen geschmückt, die Waffen und Geräte aus Feuer¬
stein sauber gearbeitet und poliert und neben Gebrauchsgegenständen finden sich
zahlreiche Schmucksachen aus Stein, Knochen und Muschelschalen.
Bemerkenswert sind die in nordportugiesischen Dolmen der ältesten Kategorie
und in anderen iberischen Begräbnisstätten aufgefundenen Schrift Zeichen, die
eirtmal mit den in Kreta, Cypern und auf trojanischen Spinnwirteln vorkommenden
Schriftzeichen eine grosse Übereinstimmung erkennen lassen, anderseits aber auch
den auf bemalten Kieseln und Renntierstäben des westeuropäischen Asylien be¬
obachteten piktographischen Zeichen in überraschender Weise ähneln. Da sich
ausser diesen schriftartigen Zeichen auch noch zahlreiche andere archäologische
Parallelen zwischen der südwesteuropäischen Megalith-Kultur und dem Orient
nachweisen lassen, so muss in neolithischer Zeit eine enge Verbindung zwischen
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248
IV. Bücherbesprechungen.
beiden Kulturgebieten bestanden haben und zwar muss angesichts des höheren
Alters der westeuropäischen Funde die Kulturströmung in den älteren Abschnitten
in der Hauptsache von West nach Ost stattgefunden haben, während am Schlüsse
des Neolithikums das Verhältnis sich umkehrt. Dr. G. ALBRECHT.
IV. Bücher-Besprechungen.
Gustav Schwantes, Aus Deutschlands Urgeschichte. Leipzig, 1908. Quelle & Meyer.
IV, 183 S. 1,80 M.
In einer Sammlung naturwissenschaftlicher Schriften ist das vorstehende kleine
Werk erschienen. Es beabsichtigt, „der Jugend und weiteren Kreisen des Volkes
eine erste Einführung in die Urgeschichte unseres Vaterlandes in die Hand geben
zu können“; es will also eine bisher schmerzlich empfundene Lücke in der archäo¬
logischen Literatur ausfüllen. Fehlte es doch trotz der bedeutenden Fortschritte
unserer Wissenschaft in den letzten Jahren an einem Werk, das die Ergebnisse der
Forschung in schlichter Weise den Kreisen der Laien vortrug.
Die Lösung der Aufgabe, die der Verfasser sich gestellt hat, ist ihm im Wesent¬
lichen gelungen. Er ist bestrebt, dem Leser die materielle Kultur in ihrem Werden
vor Augen zu führen, und ihm ein Bild von dem Leben in der Vorzeit zu ent¬
werfen. In anschaulicher Weise wird Kunst und Handwerk, Leben und Treiben,
religiöse Vorstellungen und Sorge um die Toten geschildert. Man sieht den Menschen
in seiner Behausung, wie er Geräte herstellt und Gefässe fertigt, man begleitet
ihn auf die Jagd und beobachtet ihn beim Bestellen des Feldes.
Die Bedeutung des Werkes wird dadurch nicht geschmälert, dass es als erstes
seiner Art mancher Verbesserungen bedarf. So wirkt es störend, dass bei der Behandlung
der jüngeren Steinzeit der Einfluss des Orients auf das Abendland zu stark in den Vorder¬
grund tritt. Der Verfasser lehnt sich dabei eng an MONTELIUS und S. MÜLLER an, und
leitet Megalithgräber, Glockenbecher u. a. m. von den südöstlichen Kulturländern ab.
Wohl spricht er den Nordländern „eine gewisse Selbständigkeit in der Erfindung und
besonders der Weiterentwicklung der südlichen Einflüsse“ nicht ab, aber er hätte diese
den fremden Einflüssen gegenüber auch wirklich genügend betonen müssen! So,
fürchte ich, bekommt der Leser von den neolithischen Kulturen Nordeuropas ein
ganz falsches Bild, zumal Verf. von einem „barbarischen Europa in der Stein- und
Bronzezeit“ redet. Ferner ist die häufige Wiederkehr des Ausdruckes „Barbaren“
selbst noch bei Behandlung der römischen Kaiserzeit etwas auffallend, wo doch
ausdrücklich die „eigenen Kulturen der geistig hoch veranlagten Nordvölker“ hervor¬
gehoben werden.
Erläutert werden die Ausführungen des Verfassers durch 170 meist der Fach¬
literatur entnommene Abbildungen, die recht sorgfältig ausgewählt sind und den
Text in trefflicher Weise ergänzen. Vielleicht ist es möglich, einige von ihnen bei
einer späteren Auflage durch deutlichere zu ersetzen. So kommen in den Figuren
55 und 57 die Verzierungsmuster der Gefässe nicht zur Geltung, wie man überhaupt
die Abbildung wirklich schöner neolithischer Keramik vergeblich sucht.
IV. Bücherbesprechungen.
249
Ethnologische Probleme hat der Verfasser nicht angeschnitten, wie er auch
auf eine Ausarbeitung von Kulturgruppen völlig verzichtet. Und zwar mit gutem
Recht; denn derartige Fragen gehören nicht in ein Buch hinein, das zur Einführung
dienen soll.
Das geringe Verständnis weiterer Kreise für Vorgeschichte liegt einerseits
an der unzweckmässigen Aufstellung des Materials in den meisten Museen, sodann
aber auch an dem Fehlen einer geeigneten Einführung. Es ist zu hoffen, dass
das vorliegende Werk denen, die Interesse für die Vorzeit haben, ein erster Weg¬
weiser sein und sie anregen wird zu tieferem Eindringen in die vorgeschichtliche
Wissenschaft: dann hat es seinen Zweck erfüllt.
Delitzsch. Ernst Wahle.
Th. Bieder, Beiträge zur Geschichte der Rassenforschung und der Theorie der
Germanenheimat. Leipzig. Thüringische Verlagsanstalt 1909. Beiträge zur Rassen¬
kunde. Heft 7.
Der Verfasser hat in seiner überaus fleissigen Arbeit dem Mangel an einer
historischen Übersicht über die genannten Forschungsgebiete einigermassen abzu¬
helfen gesucht durch Zusammenstellung der „Ansichten und Erfahrungen einiger
Urgeschichtsforscher, deren Namen und Meinungen in den einschlägigen Werken
entweder gar nicht oder doch nur oberflächlich berührt werden.“
Die Literatur über die historische Rassentheorie (speziell diese meint der
Verfasser unter Rassenforschung) schwillt ja immer mehr an, und kaum ein Jahr
vergeht, in dem nicht mehrere dicke Bücher und eine grosse Anzahl längerer und
kürzerer Aufsätze darüber veröffentlicht würden. Leider muss man sagen, dass bei
der grossen Mehrheit der Druck ohne Schaden hätte unterbleiben können. Zu
einem besseren Verständnis der zunächst unglaublichen Fehler, Unrichtigkeiten und
Begriffsverwirrungen kommt man nun durch Betrachtung der früheren fast ver¬
gessenen und unbekannten Vorläufer der Rassentheorie, mit denen die heutigen
dilettantischen Aussenseiter rassentheoretischer Forschung oft sogar in Einzelheiten
übereinstimmen, wenn auch eine unmittelbare Beeinflussung ausgeschlossen ist.
Natürlich können wir, die wir an die exakte und ins einzelne gehende Methode der
modernen Urgeschichtsforschuug gewöhnt sind, an den ganz allgemeinen Gründen
und Beweisführungen voriger Jahrhunderte an und für sich nur in bedingtem Masse
Geschmack finden; selbstverständlich aber bleibt dadurch der geschichtliche Wert der
Arbeit unberührt.
Berlin. Ulrich Berner.
0. Schötensack, Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Senden von
Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen. Leipzig, 1908,
Verlag Engelmann.
Die bedeutenden Aufschlüsse, die der Heidelberger Kiefer in morphologischer
Beziehung brachte, veranlasst mich heute noch, auf Wunsch des „Mannus“, eine
kurze Besprechung nachzuholen, zumal diese Entdeckung über alles gegenwärtig
aktuelle hinaus ihre hervorragende Bedeutung beibehält. Eröffnet dieser Fund
doch für alle Kreise, die sich um die Paläanthropologie gruppieren, neue Perspektiven.
SCHÖTENSACK hat schon vor 20 Jahren seine Aufmerksamkeit dem Diluvium
von Mauer zugewandt; dadurch war von vornherein einer etwaigen Verschleude¬
rung von Funden vorgebeugt, eine Massnahme, die sich nicht als unangebracht
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*
250 IV. Bücherbesprechungen.
erweisen sollte: denn am 21. Oktober 1907 ward ein Unterkiefer als das älteste
organische Relikt des Menschen aus den Diluvialsanden von Mauer geborgen.
Das Profil der Fundstätte, etwas vereinfacht, ist folgendes:
Jüngerer Löss.5,74 m.
Älterer Löss, resp. Sandlöss .4,18 *
Sand, Geröllschicht mit Eistransportblöcken und Unio-
resten, Letten und Geröll wechselnd.7,15 „
Fetter Letten . . ..2,25 „
Wechselnd Sand und Letten.1,65 w
Sand. 3,13 „
Fundschicht: Geröllschicht mit dünnen Lettenlagen . 0,10 „
Sand durchzogen von einer Geröllschicht mit weissem
Jura und Unio ..0,87 „
Das geologische Alter dieser fossilführenden Sande wird durch Tiere wie
Rhinoceros etruscus, Equus stenonis, Elephas antiquus, Ursus Deningeri, Bison
priscus, Cervus capreolus, Cervus elaphus, Cervus latifrons usw. als altdiluvial
bestimmt.
Die bisher sehr verschiedene Zuteilung, welche die Sande von Mauer er¬
fahren haben, zeigt, wie schwierig es ist, auf paläontologischer Basis den Alters¬
beweis durchzuführen. Das faunistische Kolorit lässt Beziehungen zu der Forest
bed- und der Mosbacher Fauna erkennen.
Die Paläontologie und vergleichende Stratigraphie weist den Homo Heidel-
bergensis als ältestes menschliches Fossil an den Ausgangspunkt unserer gesamten
paläanthropologischen Fundgruppen. Dieses wird bestätigt durch die morphologische
Stellung, die der Heidelberger Kiefer unter den letzteren einnimmt. Die anato¬
mische Untersuchung der Mandibula stützt sich auf die morphologische Methode von
H. KLAATSCH. Die spezifische massige Ausbildung des Kiefers lässt zunächst keinen
Vergleich mit den prähistorischen Gruppen zu. „Angenommen, nur ein Fragment
wäre gefunden ohne Zähne, so würde es nicht möglich sein, dieses als menschlich zu
diagnostizieren. Mit gutem Grunde würde man bei einem Teile der Symphysenregion
die Zugehörigkeit zu einem Anthropoiden, etwa von gorilloidem Habitus, vermuten,
und bei einem Bruchstücke des Ramus ascendens an eine grosse Gibbonvarietät
denken*. Auffallend ist das vollkommene Fehlen des Kinnvorsprungs, ein Charak¬
teristikum, das noch in weit verstärkterem Masse hervortritt, als dies bei den bisher
vorliegenden Kiefern des Diluvialmenschen der Fall ist. Gewaltige Dimensionen
zeigen der Unterkieferkörper und die Äste.
Die wichtigsten Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit dieses Fossils zur Species
„Homo“ liegen in der Ausbildung des wohl erhaltenen Gebisses. Die Zähne ragen
nicht über die Variationsbreite des rezenten Menschen heraus, sie tragen zur Evidenz
den Stempel „Mensch“. Um so markanter kommt daher die Disharmonie der kleinen
Zähne und des gewaltigen Kiefergerüstes zum Ausdruck. Die Canini stehen im
Einklang mit den niedrigen Zähnen, sie sind nicht stärker entwickelt, wie es etwa bei
einem primitiveren Gliede der menschlichen Vorfahrenreihe anzunehmen wäre. Auch
der dritte Molar zeigt keine übermässige kräftige Entwicklung. Für einen vierten
Molar wäre noch bequem Raum geschaffen. Die Pulpahöhlen sind geräumiger als
diejenigen bei den rezenten Europäern kindlichen Alters. „Es liegt auf der Hand,
dass wir es bei dem Hom^ Heidelbergersis mit der Fortführung eines Merkmals
zu tun haben, das heute für den Jugendzustand von Europäern typisch ist. Damit
soll nicht eine sekundäre Ausprägung eines infantilen Charakters behauptet werden,
sondern die Persistenz eines primitiven Charakters überhaupt, wie er in der Stam-
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IV. Bücherbesprechungen.
251
mesgeschichte des Primatengebisses als notwendiges Durchgangsstadium angenommen
werden muss*. Die relativ dünne Wandung der Zähne, die eine den Höckerbil¬
dungen entsprechende Faltung und Biegung erhielt, ist gleichfalls auf diesen Fort¬
bildungsprozess zurückzuführen. .Kein Anthropoidenstadium kann hier voraus¬
gegangen sein. Wir haben es hier vielmehr mit einem uralten, gemeinsamen Ur¬
zustand zu tun, wie er auch dem der Anthropoiden vorausgegangen sein muss*.
Ein Vergleich der Heidelberger Mandibula mit den paläolithischen Unterkiefern be¬
stätigt, dass das Heidelberger Fossil bis in die Einzelheiten einem Vorfahrenstadium
desjenigen von Spy I. entspricht, damit kommen wir auf seine zentrale Stellung als
präneandertaler Typus zurück. „Die Mandibula des Homo Heidelbergensis lässt den
Urzustand erkennen, welcher den gemeinsamen Vorfahren der Menschheit und der
Menschenaffen zukam. Der Fund bedeutet den weitesten Vorstoss abwärts in die
Morphogenese des Menschenskelettes, den wir bis heute zu verzeichnen haben“.
Unsere Frage nach der Kultur des Homo Heidelbergensis bleibt vorerst offen.
Weder bearbeitete Tierknochen noch Silices konnten nachgewiesen werden.
Das SCHÖTENSACK’sche Werk hat eine geschmackvolle Ausstattung erfahren
und wird begleitet von einer wertvollen Tafelserie, die ausser sieben photo¬
graphischen Wiedergaben des Kiefers, Ansichten der Röntgendurchstrahlung, Ab¬
bildungen der Tierwelt von Mauer und des Profils umfasst.
Tübingen. Rob. Rud. Schmidt.
Forrer, Dp. Robert, Keltische Numismatik der Rhein- und Donaulande. Mit
555 Münzabbildungen, 48 Tafeln und Karten. Strassburg, Karl J. Trübner. 1908.
24 M.
FORRERS „Keltische Numismatik“ behandelt die Münzprägung der keltischen
und germanischen Völker vorzugsweise in den Rhein- und Donaulanden, in der
Zeit, bevor diese Gebiete dem römischen Reiche einverleibt wurden. Voran geht
ein systematischer Teil, der in die Geschichte der Disziplin einführt, die Entlehnung
fremder Typen und ihre allmähliche Weiterbildung, Münzmetall und Münztechnik
behandelt. Auch später kommen noch einige Kapitel, die mehr systematischen
Inhalts sind (z. B. 31, 32, 46). Es folgt der beschreibende Teil, der das erhaltene
Münzmaterial vorführt und örtliche und seitliche Zuteilung sowie die Fragen der
Typen und der Währung behandelt. Spanien beginnt, dann folgt das eigentliche
Gallien; von nun an gibt das jeweilige Vorbild die Disposition ab: Nachahmungen
nach Münzen von Rhoda, Emporiae, Massilia, Tarent usw., nach römisch-republi¬
kanischen Denaren und Kaisermünzen. Dann geht es zu den Nachahmungen nach
mazedonischen und anderen nordgriechischen Silbermünzen: Philipp II., Patraos,
Audoleon, Alexander III., Philipp III., Lysimachos, Thasos, Maroneia usw.; endlich
folgen die „Regenbogenschüsselchen“ und die weitverzweigte Gruppe von Gold¬
münzen nach Philipps II. Muster. Ein allgemeiner Abschnitt über die Lehren, die
aus der Verbreitung der einzelnen Vorbilder für die Wege und Wandlungen der
Kultur sich ergeben, ein paar Nachtragskapitel, zwei Exkurse über die besonderen
Münzverhältnisse der Schweiz und den grossen Goldmünzfund von Tayac-Liboume,
in dem FORRER ein Überbleibsel aus dem Kimbernzuge erblickt (vgl. dagegen
jetzt BLANCHET: Revue des etudes anciennes 1910, S. 21 ff.), sowie die Register
bilden den Schluss. Textabbildungen in reicher Fülle, leider technisch oft nicht auf
der Höhe, illustrieren das Ganze und werden zum Schluss nochmals auf 48 Tafeln
wiederholt.
Für die vorgeschichtliche Forschung in Deutschland spielen die römischen
Münzen, besonders die der Kaiserzeit, bekanntlich eine nicht unbedeutende Rolle
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IV. Bücherbesprechungen.
als eines der Mittel zur Datierung von Fundgenossen, von Schichten und Siedelungen.
Weit minder bedeutsam ist in diesem Zusammenhänge die Rolle der keltisch-ger¬
manischen Münzen, einmal weil sie nur in einem kleineren Teile Reichsdeutschlands
Vorkommen, vor allem aber einfach deshalb, weil sie selbst einer sicheren Datierung fast
stets ermangeln: nie tragen sie wirkliche Jahreszahlen, historisch bekannte Personen
kommen auf ihnen nur selten, Namen datierbarer staatlicher Verbände fast nie vor;
Münzen, deren Typen oder Aufschriften sich auf bestimmte historische Ereignisse be¬
ziehen, fehlen hier so gut wie ganz; endlich und vor allem versagt aber hier auch der
Stil als Datierungsmittel fast völlig: dieTypen sind meist nicht originell erfunden, sondern
fremden nachgeahmt, und nur die grössere oder geringere Stümperhaftigkeit der
Entlehnung scheint die Möglichkeit, eine relative Chronologie aufzustellen, zu ge¬
währen; aber auch diese Möglichkeit wird hinfällig, da für grössere Barbarei oft
nicht ein weiterer zeitlicher Abstand von der Vorlage, sondern die Tatsache die
Ursache ist, dass es sich um Nachahmungen nach Nachahmungen handelt, wie Ver¬
fasser das mehrfach treffend betont. Im wesentlichen dieselben Gründe, vor allem
das fast völlige Fehlen von Orts- und Landesnamen, erschweren auch die örtliche
Zuteilung dieser keltisch-germanischen Prägungen, für die wir schliesslich fast nur
auf Fundnotizen angewiesen sind. Alle diese Schwierigkeiten und dazu der uner¬
freuliche Stil der Münzen haben es mit sich gebracht, dass die Forschung hier sehr
vernachlässigt ist, und darum ist jedes Werk, welches das alte Material wiederum
durcharbeitet und ordnet sowie neues zur Stelle schafft, dankbar zu begrüssen.
So also auch das FORRERsche.
Besondere Anerkennung verdient FORRER namentlich dafür, dass er den
wenigst bebauten Teil der keltischen Münzforschung, nämlich das sog. ostkeltische
Gebiet, sich hat besonders angelegen sein lassen, und die Abschnitte über jene
grossen Silberstücke nach dem Muster Philipps II. und ihre Deszendenten bis hinab
zu den Häuptlingsmünzen eines Biatec, Adnamat usw., ihre örtliche und zeitliche
Verbreitung, die Entwicklung und Umbildung ihrer Typen sind eine in jeder Be¬
ziehung gelungene Leistung. Mancherlei Mängel, wie allzukühner Flug der Phantasie
bei Ausbeutung numismatischer Tatsachen zu historischen Schlüssen, Störungen der
Disposition, nichtausreichende Ausschöpfung der übrigen Literatur, nachlässige Zitier¬
methode, die ihm anhaften, sind schon an anderer Stelle (Römisch-germanisches
Korrespondenzblatt 2, 1909, S. 27 ff., vgl. auch KUBITSCHEK in der Wiener numis¬
matischen Zeitschrift 42, 1909, S. 267 ff.) besprochen worden.
Berlin. Kurt Regling.
Carl Blasel, Die Wanderzüge der Langobarden. Ein Beitrag zur Geschichte und
Geographie der Völkerwanderungszeit. Breslau 1909, Müller & Seiffert. XIX,
133 S. 8°.
Da wir eine Fülle von Abhandlungen älteren und jüngeren Datums über die
Langobarden besitzen, so ist die Arbeit von BLASEL schon wegen der eingehend
behandelten Literatur in geschichtlicher Übersicht sehr willkommen. Der Verfasser
will, gestützt auf die Vorarbeiten, vom historischen Standpunkte seine Aufgabe
lösen. „Wo andere Fachwissenschaften, wie Archäologie, Ethnographie, Rechts- und
Sprachwissenschaft in Frage kommen, da soll des Verfassers Urteil schweigen, und
nur die gesicherten Ergebnisse derselben sollen referierend zur Darstellung kommen
und zum weiteren Ausbau dienen.“
Der Vorgeschichtswissenschaft jedoch hätte schon in der Untersuchung der Ur¬
heimat der Langobarden ein grösserer Raum gewährt werden, ja sogar die Ent-
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IV. Bücherbesprechungen.
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Scheidung zufallen müssen. Der Verfasser aber tut kurz die Ansichten derer ab,
welche die Heimat der Indogermanen oder Germanen im Norden Europas suchen.
Auch durfte er nicht die Forschungen von MONTELIUS zusammenstellen mit der
phantasievollen Arbeit des OLAF RUDBECK aus dem Jahre 1675, der den plato¬
nischen Mythus von der Insel Atlantis auf Skandinavien beziehend, die Äsen, Giganten,
Amazonen, Goten, Langobarden usw. von da stammen lässt. Hätte der Verfasser
die gesicherten Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen von KOSSINNA sich
zu eigen gemacht, nach denen die Goten aus Skandinavien eingewandert sind, dann
würde er auch nicht so hart über JORDANES geurteilt haben, dem er Unverfroren¬
heit in der Erfindung der Ursitze seines Volkes vorwirft.
Die Nachrichten der antiken Schriftsteller über die Heimat der Langobarden
vereinigt der Verfasser mit denen der langobardischen Geschichte, indem er den
Nachweis zu bringen sucht, dass auch Scathanavia des Fredegar, Scadana in der
Origo gentis Langobardorum und Scatenauge im Chronicon Gothanum die Gegend
an der Unterelbe bezeichnet. Erst PAULUS DIACONUS habe fälschlich unter dem
Einflüsse von PLINIUS und JORDANES die für ihn unverständliche Bezeichnung
Scadana auf die Halbinsel Skandinavien übertragen.
Als Zeitpunkt der Auswanderung aus der Heimat bestimmt der Verfasser die
Wende des 4. oder den Anfang des 5. Jahrhunderts. Doch die Erwägung, dass die
Langobarden in das ostelbische Land gezogen sind, als dieses von den ostgermani¬
schen Stämmen aufgegeben war, da das kleine Volk seinen Weg nicht mit Waffen¬
gewalt erzwingen konnte, ist nicht stichhaltig. Denn die Ostgermanen hatten sich
nach den Forschungen von KOSSINNA in jenen Gegenden nicht so weit nach Westen
ausgedehnt, dass sie die Langobarden an der Übersiedlung in das Gebiet rechts
der Elbe hätten hindern können.
Bei der Behandlung der Wanderstationen der Langobarden zieht der Ver¬
fasser auch archäologische Funde heran. Doch die Schalenurnen des 3. und 4. Jahr¬
hunderts, die in Böhmen und im Waagtale Vorkommen, und die er mit WEIGEL
für die Langobarden in Anspruch nimmt, gehören allen Westgermanen an. Aber
auch die Funde von Tonscherben des Darzauer Gefässtiles im Waagtale beweisen
den dortigen Aufenthalt der Langobarden nicht, da der Typus der Maänderurnen
nach KOSSINNA nur bis zum Anfang des dritten Jahrhunderts sich findet und nicht
auf die Langobarden beschränkt ist. Nach den in der Wandersage genannten
Stationen nimmt der Verfasser an, dass die Langobarden vom Bardengau über die
Elbe zogen, dem Laufe des Stromes nach Süden folgten und dann nach Schlesien
abbogen; von dort wanderten sie nach Böhmen und 488 in das Rugiland.
Es hätte hier erwähnt werden müssen, dass noch in späterer Zeit nördlich
der Alpen Langobarden sassen; denn nach der Nachricht des Johannes von
Ephesus, auf die KOSSINNA in der Zeitschrift für deutsches Altertum Band 35
S. 264 aufmerksam gemacht hat, standen unter Justinian im Perserkriege des
Jahres 575 60000 Langobarden, die offenbar die Hilfstruppen sind, die nach
EUAGRIUS jenseit der Alpen ausgehoben worden waren.
Mit Recht verweist der Verfasser den Zusammenstoss der Langobarden mit
den Amazonen in das Bereich der Fabel. Daran schliesst er eine Geschichte der
Amazonensage, weil noch kürzlich WESTBERG versucht hatte, die Amazonen als
historisches Volk nachzuweisen.
In den drei letzten Kapiteln behandelt BLASEL den Zug der Langobarden
vom Rugiland über das „Feld* nach Pannonien, die langobardischen Quellen und
die verschiedenen Deutungen des Langobardennamens.
Berlin. Walther Schulz.
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IV. Bücherbesprechungen.
Alter-
S. 8°.
^ 2 )
Robert Gradmann, Der Getreidebau im deutschen und römische 1 »^
tum. Beiträge zur Verbreitungsgeschichte der Kulturgewächse. Jena. 1909. 11*
GRADMANN hat früher (Württ. Jahrb. für Statistik und Landeskunde
nachzuweisen versucht, das der Spelz ein altes und eigenes Kulturgut der Alt.
mannen sei. Eigentlich niemand war mit seinen Schlussfolgerungen einverstanden,
aber es Hess sich wenig gegen sie Vorbringen. Erst HOOPS (Waldbäume und Kultur¬
pflanzen) stellte die Tatsachen zusammen, die der GRADMANNschen Annahme ent¬
gegenstanden. Er ging sogar weiter und meinte beweisen zu können, dass der
Spelz dasselbe sei wie das römische Far. Hierzu nimmt GRADMANN jetzt aufs
neue Stellung, und in dem vorliegenden Buche ist dem Spelz mehr Raum gewidmet
als allem anderen Getreide zusammen. Wie ein Motiv hört man überall aus der Dar¬
stellung heraus, dass die Germanen 1 Ä ine einzige Getreideart den Römern zu ver¬
danken haben. Andrerseits wird der römische Ursprung des deutschen Gartenbaues
voll anerkannt. Es ist GRADMANN gelungen, nachzuweisen, dass die Berichte aus
dem orientalischen und klassischen Altertum, die man früher auf Spelz bezogen
hat, zum grossen Teile Emmer betreffen, und dass der Rest, soweit es sich
nicht um Einkorn handelt, zweifelhaft bleibt. Für den ganzen Orient und Ost¬
europa lässt sich jetzt mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass man dort niemals
Spelz gekannt hat, für Italien ist das gleiche wenigstens möglich. Prähistorisch ist
Spelz aus der Bronzezeit der Westschweiz nachgewiesen. In der Literatur erscheint
er 301 n. Chr., und zwar zugleich als scandula und spelta und zusammen mit Roggen
und Hafer. Im frühen Mittelalter hat man dies Getreide in Südwestdeutschland,
dem Mosellande und Nordostfrankreich gebaut, die gegenwärtigen Anbaugebiete sind
Südwestdeutschland, Belgien, Dauphind und Nordspanien, und zwar hier nach Will¬
komm (Vegetationsverh. d. iber. HalbinseJ) besonders Asturien, nicht „Gallaecien“,
wie GRADMANN S. 100 vorträgt. Die Grenze des Hauptspelzgebietes in Südwest¬
deutschland fällt im Mittelalter wie noch jetzt auf weiten Strecken in auffälliger
Weise zusammen mit den Grenzen der alemannischen Siedelung. Den Ausnahmen
gesteht GRADMANN wenig Bedeutung zu, während HOOPS gerade diese hervor¬
gehoben hatte. Wie wäre es, wenn man einmal die alten Spelzkulturen mit den
Sprengelgrenzen von Basel, Augsburg, Eichsta’tt, Speier und Trier vergliche? Es
scheint ja, als seien diese Sprengelgrenzen identisch mit Bezirksgrenzen der aus¬
gehenden römischen Kaiserzeit. Die auffälligste spelzfreie Exklave des alemannischen
Siedelungsgebietes ist jedenfalls das Bistum Strassburg, von Basel her reicht der
Spelz in GRADMANNS Nachweisen bis Colmar, von Speyer her bis Hatten. Das
mittelrheinische Gebiet betrachtet GRADMANN übrigens nicht mehr als alemannisch;
die meines Wissens kaum bestrittene Tatsache, dass die deutsche Sprachgrenze im
Bezirk Lothringen, die keine Spelzgrenze ist, eine alte Alemannengrenze sei, wird
nicht erörtert. Die Spelzkultur im Bistum Trier wird mit der belgischen zusammen
als altkeltisch angenommen. Der Ursprung des Spelzes erscheint nun ganz dunkel.
Aus den vorgeschichtlichen Funden ergibt sich, dass er in der Schweiz lange war,
bevor die Alemannen kamen, und in deren vorgeschichtlichen Wohnsitzen ist keine
Spur von Spelzbau erkennbar. Der von GRADMANN angedeutete Ursprung dieses
Getreides aus einer vorgeschichtlichen deutschen Steppe ist unannehmbar. Denn
soweit wir die postglazialen Felder auf Grund von Fossilien und Relikten im Geiste
wiederherstellen können, müssen sie in Fauna und Flora durchaus einen russisch¬
sibirischen Charakter gehabt haben — und dort im Osten wird ja gerade jede Spur
von Spelz vermisst. Dieser muss demnach wohl westeuropäisch sein. Ich möchte
darauf hinweisen, dass in südfranzösischen Fruchtäckern zuweilen Bastarde entstehen
zwischen dem Weizen und einem Unkraute namens Aegilops. Nach Rückkreuzungen
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IV. Bücherbesprechungen.
255
mit Weizen entsprangen in Kulturversuchen aus solchen Bastarden samenbeständige
Rassen eines minderwertigen, in manchen Merkmalen spelzähnlichen Getreides
(Aegilops speltaeformis). Auch Bastarde zwischen verschiedenen Arten dreschbaren
Weizens haben in mehreren Fällen Spelzmerkmale gezeigt. (Vgl. Solms, Weizen
und Tulpe, wo die betr. Literatur zusammengestellt ist.) >
Ausser dem Spelz behandelt GRADMANN nur noch den Emmer etwas aus¬
führlicher (10 Seiten). Er legt grosses Gewicht darauf, dass dessen wilde Stamm¬
form in Palästina entdeckt sei. Aber wie will man in jenem Lande einem wilden
Weizen ansehen, dass seine Ahnen nicht verwilderte Kulturpflanzen waren? Im
Strassburger botanischen Garten trieb dieser angebliche Urweizen (Triticum dicoc-
coides) aus ein und demselben Stocke so verschiedenartige Halme, wie man es bei
einem spezifisch reinen Grase nicht für möglich halten sollte. Obwohl so die Basis
der GRADMANNschen Ausführungen eine ganz unsichere wird, muss doch anerkannt
werden, dass die olyra der alten Ägypter, das Kussemet des Alten Testaments und
manche altgriechische zeia zum Emmer gehören. Dass auch das römische far Emmer
sei, lässt sich nicht so sicher beweisen. Von far gab es nämlich verschiedene Arten
(Columella VI), und wenn auch die meisten Emmer waren, könnten andere doch
Spelz gewesen sein. Nach Arcangeli Compendio della flora Italiana (1882) wäre
Emmer in Italien jetzt ohne Vulgärnamen, während der Spe*z ,,Grano*Farro“ hiesse.
Die Abstammung des Weizens vom Emmer ist recht unwahrscheinlich, da
beider Bastarde grossenteils unfruchtbar ausfallen (s. die Quellen bei Solms a. a. O.).
Den bei Cato und Columella stark hervortretenden Unterschied von triticum und
siligo hat GRADMANN nicht erörtert.
Über das paläolithische Getreide, das GRADMANN mehrfach erwähnt, habe
ich mich schon bei Besprechung des HOOPSschen Buches (Gött. gel. Anz. 1906,
S. 939) sehr skeptisch geäussert. Inzwischen habe ich von gut unterrichteter Seite
erfahren, dass diese Funde in Frankreich nie ernst genommen, aber aus persönlichen
Rücksichten nicht kritisch beleuchtet wurden.
Der Hafer ist nach GRADMANN möglicherweise ein Parvenü aus dem Stande
der Unkräuter. Wenn in schlechten Jahren auf den Saatfeldern nichts stand als
Avena fatua, musste man notgedrungen diesen essen, gewöhnte sich an ihn und
zog ihn schliesslich des sicheren Ertrages wegen dem alten Getreide vor.
Strassburg i. E. Ernst H. L. Krause.
Carl Schuchhardt als römisch-germanischer Forscher 1 ).
Unter allen meinen Gegnern ist SCHUCHHARDT wohl der rührigste. Noch
1902 soll er freilich nach der Mitteilung KOEPPS in der Zeitschr. f. Vaterländ.
Gesch. und Altert, zu Münster 60, S. 2 ausgesprochen haben, er „verschmähe“ es,
„sich auf Diskussionen“ mit mir „ferner einzulassen“; natürlich, denn Lorbeeren
waren für ihn hierbei nicht zu pflücken. Das hielt ihn aber doch nicht ab, nun¬
mehr in seinen vielen Vorträgen, Aufsätzen und Kritiken — denn auch das gehört
heutzutage zur wissenschaftlichen Methode — fortwährend versteckt oder offen
') Um den Vorgeschichtsforschern einen Überblick über die Streitfragen der römisch-germanischen
Forschung zu geben, auf die sich die'Erklärung* (Mannus 1,326) und die 'Entgegnung’ (Mannus II, 265 ff.)
unseres Mitgliedes Direktor Prof. Dr. KNOKE gegen die auf die Leichtgläubigkeit der Leser spekulierenden
Anwürfe Carl SCHUCHHARDT’s beziehen, sei hier auf die Schlaglichter hingewiesen, die KNOKE bereits
in seiner Schrift «Eine Eisenschmelze im Habichtswalde bei Stift Leeden, Berlin 1901“. S. 14—26 auf
diese Dinge im allgemeinen und auf die wissenschaftlich • sittliche Persönlichkeit SCHUCH HARDTs im
besonderen geworfen hat. — Was hier oben zur Würdigung SCHUCHHARDT’s mitgeteiit wird, ist ein
Wiederabdruck aus KNOKE's spaterer Schrift: Neue Beiträge zu einer Geschichte der Römerkriege in
Deutschland Berlin 1907. S. 46 ff. Der Herausgeber.
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256
IV. Bücherberprechungen.
sich in Ausfällen gegen mich zu ergehen. Darum erscheint es angebracht, die
Tätigkeit dieses Mannes einmal in etwas helleres Licht zu rücken.
Bekannt machte sich SCHUCHHARDT zuerst durch die Entdeckung
römischer Kastelle im Hannoverschen. Dahin gehörte die Aseburg, der Schulten¬
hof zu Rössel und die Wekenborg an der Hase, ferner die Wittekindsburg bei
Rulle und die Heisterburg bei Deister. Ja dieses Gebirge sollte nach ihm gar mit
einer grösseren Menge römischer Kastelle ausgestattet worden sein. Scherben, die
er in den Burgen vorgefunden hatte, sollten „zweifellos römischer Import“ sein.
„Weisse Topfware und gar mit Bemalung, so meinte er, sei sowohl für altgerma¬
nische wie für mittelalterliche Fundstätten bei uns ganz unerhört“. Auch die „dick¬
wandige dunkele Topfware“ musste nach ihm der römischen Zeit zugewiesen werden.
Ja sie sollte „künftighin als ein wichtiges Datierungsmittel für andere Fundstätten
verwendet werden“. Weitgehende Folgerungen für die Wissenschaft wurden dem¬
nach an seine Entdeckungen geknüpft.
Es war nur schade, dass alle diese Kombinationen sich gar bald als
trügerisch erwiesen. Konst. KOENEN deckte nämlich eine karolingische
Töpferwerkstatt bei dem Orte Pingsdorf mi* denselben rotbemalten Scherben auf
und damit brach das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen.
Diese Erfahrung wäre nun freilich wohl geeignet gewesen,
SCHUCHHARDT zu einiger Bescheidenheit zu führen. Doch würde
das nicht seiner Art entsprochen haben. Er wusste vielmehr sich
bald zuhelfen und machteausderVerlegenheiteineTugend,indem
er ohne weiteres auf dem Bremer Philologentage sich nunmehr
dahin äusserte, „man“ habe zwar jene Burgen bisher für römisch
gehalten oder, wie er sich an einer anderen Stelle ausdrückt, sie
seien „bisher fast immer als römisch angesprochen“, er könne
jedoch nunmehr beweisen, dass sie karolingisch seien. Er zeigte
alsokeineSpurvon Reue,sondern rechneteessich obendrein noch
zum Verdienst an, die Ergebnisse der Wissenschaft berichtigt zu
haben. Dass er es aber selbst gewesen, durch den der Irrtum in
die Welt gekommen war, das wurde wohlweislich von dem Vor¬
tragenden verschwiegen.
Zum zweiten Male wurde unser Forscher als Beurteiler des Varuslagers
im Habichtswalde viel erwähnt. Wir haben bereits dargelegt, wie er dieses Lager
anfangs als eine Forstanlage ausgab 1 ), dann aber JOSTES Recht gab, indem nun¬
mehr — was ihm früher entgangen war — die Umwallung „durchaus den Charakter
der bäuerlichen Zuschlagswälle“ haben sollte 2 ), und wie er endlich wieder RITTER-
') KNOKE S. 15: Die Üblen Erfahrungen, die die Herren machten, begannen sogleich mit der Veröffent¬
lichung des Herrn SCHUCHHARDT. So hiesa es S. 196: „Das Profil des iusseren Rings zeigt keinen regel-
missigen Wall und Graben, wie er alten Befestigungen immer eigen ist", eine Bemerkung, die geradezu laienhaft
erscheinen musste, und wobin das Urteil: „dieganze äussere Umwallung muss ich daher fQr eine Wallhecke
halten, die von der Forstverwaltung angelegt ist" führen musste, sollte sich bald zeigen. Dazu die vielen
unrichtigen Behauptungen im einzelnen. Eine Erwiderung, die ich noch in demselben Bande der „Mitteilungen*
drucken lassen durfte, konnte denn auch mit den Worten Schlüssen: „Das Ergebnis dieser Ausführungen . . .
ist demnach, dass keine der gegen mich vorgebrachten Behauptungen des Herrn SCHUCHHARDT den
Tatsachen entspricht und dass ebenso sein Urteil über den Ursprung oder den Zweck des Werkes sicher
zu verwerfen Ist."
') KNOKE, S. 17: Ganz sicher schien sich SCHUCHHARDT bei seiner Behauptung, das dort befind¬
liche Lager sei von einem Förster hergestellt, doch nicht zu fühlen. Denn als Professor JOSTES aus Münster
herausgebracht haben wollte, die Anlage heisse im Munde des Volkes „Schulte Loosen Toslag" und sei von ihrem
Besitzer bei Gelegenheit der Markenteilung 1. J. 1668 angelegt, da erkürte er in den Mitteilungen der
Weatfäl. Altertums-Kommission IS. 41 sofort, jetzt erst sei mein Vsruslager endgültig aus der Welt geschafft.
„Denn, so sagte er, dass eine Sache nicht römisch sein kann, beweist man erst vollgültig, wenn man
dsrtut, was sie denn wirklich ist." Aber nicht bloss das, nein auf der Bremer Pbilologtnversammlung
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IV. Bücherbesprechungen.
257
LING beipflichtete, nach dessen Urteilsspruch die Befestigung in das Mittelalter
zu verlegen sei 1 ). Dies alles seiner Gewohnheit gemäss jedesmal mit einer
Sicherheit, als könnte es gar nicht anders sein. Wir haben ferner dar¬
gelegt, wie SCHUCHHARDT trotz des römischen Charakters der Befestigungen,
trotz der Funde prähistorischer Scherben, die in den Lagergräben lagen, und trotz
der wichtigen Altertümer römischer Zeit, die sonst noch in und bei den von mir
entdeckten Lagerstätten ausgehoben wurden, alle diese Römerlager kurzerhand als
Bauernwälle ausgab und noch immer ausgibt. Wer so leichtfertig urteilt,
verdientnichtmehr den Namen eines wissenschaftlichen Mannes.
In der Wissenschaft steht als Tugend obenan die Wahrheits¬
liebe. Wie kann man aber da noch von Wahrheit reden, wo ein
Kritikerfortwährend einemAutoretwasunterschiebt,wasernicht
behauptet hat. Ja was soll man dazu sagen, dass er, nachdem ihm
in einer einzigen Kritik achtzehn Unwahrheiten nachgewiesen
worden waren, hinterher abermals vermittelst falscher Wieder¬
gabe des Gesagten den Vorwurf der Unwahrheit auf den Gegner
zurückzuschieben suchte?
Und dabei hat ein solcher Mann dann noch den Mut, in einer
Versammlung von Philologen einen Vortrag zu halten und zum
Schluss zu sagen: „Ich würde sehr glücklich sein, v.enn Sie daraus die An¬
regung entnehmen möchten, an der grossen Aufgabe in irgend einer Weise mitzu-
wirken, sei es durch eigene Beobachtung und Forschung, sei es durch Einführung
der Jugend in eine vernünftige und sachliche Betrachtung dieser Dinge, die, dilet¬
tantisch gehandhabt, freilich die Phantasie auf schlimme Abwege führen und auch
einen ordentlichen Mann zum Narren haben können, wissenschaftlich aber, d. h.
gründlich und mit Selbstzucht betrieben, den schönsten Erfolg versprechen“.
In der Tat, hier gilt der Spruch: „Spottet sein selbst und
weiss nicht, wie“.
Völlig unwahr ist es auch, wenn SCHUCHHARDT in demselben Vortrage
gegen mich S. 20 äussert: „Alles was sonst behauptet ist von Varus- und Cäcina-
lagern, von Moorbrücken und Brandhügeln muss glatt gestrichen werden. Es stammt
von Leuten, die ... . fast immer befangen in dem Bestreben einer bestimmten
Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen, nicht den Überblick ge¬
wannen um zu sehen, wie trügerisch es ist, aus irgend einer einzelnen Überein¬
stimmung zwischen Schriftsteller und Gelände grosse Schlüsse zu ziehen“. Denn
es handelt sich bei allen meinen Untersuchungen niemals um eine Neigung für
diese oder jene Gegend — sind mir diese doch fast alle erst auf meinen Unter¬
suchungsreisen bekannt geworden —, niemals um eine einzelne Übereinstimmung,
behauptete er nunmehr, als hätte er nie etwas anderes gesagt, die äussere Umwallung habe „durchaus den
Charakter der bäuerlichen Zuschlagswälle, d. h. der Wälle, welche die Bauern bei der Markenteilung um
den ihnen zugeschlagenen Teil anlegten*. Auch pflichtete er JOSTES darin bei, dass die innere Befestigung
lediglich eine Eichenschonung sei. Die porta principalis dextra aber sei nichts weiter als eine „Sägestätte*.
Das sei das „traurige Ende eines glänzenden Namens*, das uhs wohl „zur Vorsicht mahnen* müsse.
Ja er gefiel sich nachträglich so sehr in dieser Anschauung, dass er die von mir gefundenen
römischen Befestigungen, mochten sie im Habichtswalde oder bei Iburg oder bei den pontes longi liegen,
von nun an überhaupt als „Bauernwälle* ausgab.
KNOKE, S. 19: SCHUCH HARDT aber atmete wieder erleichtert auf und schrieb frohlockend in
der Deutschen Literaturzeitung 1901 Nr. 51/52: „Broschüre über Broschüre stopft KNOKE in sein Danaiden¬
fass, das Varuslager im Habichtswalde, ohne doch dem armen Ding einen Boden verschaffen zu können. . .
Wir wollen heute dies alles ruhig über uns ergehen lassen : es ist eine alte deutsche Rechtswohltat, dass, wer
einen Prozess verloren hat, eine Weile ungestört schimpfen darf.“ Dass, indem er RITTERLING’s Urteil
gelten liess, freilich auch Schulte Loosens Toslag wieder preisgegeben war, bereitete ihm selbstverständ¬
lich keine Schmerzen.
Mannus. Bd. II. 17
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IV, Bücherbesprechungen.
sondern um eine Summe von Beweismitteln, die den verschiedensten Zweigen un¬
serer Wissenschaft entnommen sind, die Jedoch zu übersehen meinem Gegner
offenbar die Fähigkeit abgeht.
Wie unüberlegt der Versuch SCHUCHHARDT’s, den von mir entdeckten
Moorbrücken den römischen Ursprung abzustreiten, unternommen wurde, habe ich
bereits weiter oben nachgewiesen 1 ). Denn auch hierüber wusste er sich zu äussem,
obwohl er selbst zugestehen musste, dass er der Aufdeckung einer Moorbrücke
niemals beigewohnt habe.
Ebenso will er auch Philologe sein. Drum weiss er es besser als
die ersten Tacituserklärer, was die Worte in Ann. I, 63: mox reducto ad Amisiam
exercitu bedeuten und folgert aus dieser Kenntnis heraus, dass die pontes longi
„auf der Strecke Rheine-Xanthen zu suchen“ seien. Ebenso weiss er, dass Ann. II,
7 vermöge „einer stilistischen Laune, wie sie bei Tacitus so häufig und gerade so
amüsant“ seien, mit dem castellum Lupiae flumini adpositum Aliso bezeichnet
worden sei.
Eine besondere Kunstfertigkeit entwickelt er bei seinem „Bestreben einer
bestimmten Gegend dieses oder jenes grosse Ereignis zuzuschanzen“, wenn er uns
beweisen will, dass die Grotenburg bei Detmold der Ort sei, der dem Teutoburger
Walde den Namen gegeben habe. Nach ihm ist nämlich Teutoburg die „Volksburg“,
und er tat sich einst viel darauf zu gute, herausgebracht zu haben, dass sie die
einzige Volksburg in jenem ganzen Gebirgsstriche sei. Anderseits sei sie die
Teutoburg, weil der Berg, auf dem sie liege, noch im ganzen Mittelalter „der Teut“
geheissen habe.
Dass diese Behauptung unrichtig ist, wurde bereits an anderer Stelle nach¬
gewiesen, und es muss auf schärfste gerügt werden, dass sie trotzdem immer von
neuem wiederheit wird. Hier aber ist es geradezu ein Unsinn, wenn
nach seiner Annahme der erste Teil des Wortes Teutoburg das eine
Mal soviel wie „Volk“ und das andere Mal wieder einen „Berg“ be¬
deuten soll, als wenn das beides mit einander möglich wäre.
Dass die Versuche, seiner Teutoburg-Hypothese durch Funde von Altertümern
eine Stütze zu verleihen, völlig scheitern mussten, war für Kundige nicht über¬
raschend. Noch in dem Berichte über die Fortschritte der römisch-germanischen
Forschung i. J. 1904 waren freilich diese Untersuchungen als besonders wichtig
im voraus angekündigt worden. Aber die Hoffnung SCHUCHHARDT's, die Ver¬
sammlung von Altertumsfreunden, die um Ostern 1906 in Detmold tagte, mit diesen
entscheidenden Ergebnissen zu überraschen, ging nicht in Erfüllung. „Trotz
wochenlanger Bemühungen haben wir“ — so klagt er — der Grotenburg „bisher
nur ein einziges Feuerstein-Messerchen abringen können“. Diese Angabe steht
freilich im Widerspruch mit dem im Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in
'j KNOKE, S. 16: Dem Muaeumsdirektor CONWENTZ in Danzig war es gelungen, an der Grenze
zwischen Ost- und Westpreussen einige Moorbriicken aufzudecken, über die er eine besondere Schrift herausgab.
Dass diese nicht römischen Ursprungs sein konnten, lag auf der Hand. Aber es war auch von PREJAWA und
mir nie behauptet worden, dass alle in den Mooren Nordwestdeutschlands gefundenen Brücken römisch seien;
wir hatten vielmehr zwischen prähistorischen, römischen und mittelalterlichen längst unterschieden. Nun
zeigten die in Preussen ans Tageslicht gekommenen Brücken eine völlig andere Technik, als die von uns
für römisch ausgegebenen, und CONWENTZ selbst war es gar nicht in den Sinn gekommen, diesen
Unterschied zu leugnen. Gleichwohl wurde sofort von SCHUCHHARDT udd seinem Anhang in die Welt
hinein gerufen, nunmehr sei es aus mit meinen Römerbrücken hei Mehrholz-Brägel; denn CONWENTZ
habe ganz gleiche fern im Osten, wohin die Römer nie gekommen seien, aufgefunden.
Man hatte mit demselben Recht behaupten können, es gebe bei uns keine römischen Gefässe, weil
in Deutschland auch solche aus vorrömischen Zeiten aufgefunden worden seien. Nicht bloss auf den
Unterschied der einen wie der anderen Moorübergänge konnte indessen hingewiesen werden, sondern es
zeigte sich, dass die bei Mehrbolz aufgedeckten auch denjenigen entsprachen, die G. WOLFF am Limes
ausgegraben hatte, eine Tatsache, die freilich regelmässig totgeschwiegen wurde.
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IV. Bücherbesprechungen.
259
Niedersachse;n VII S. 74 gegebenen Fundbericht, nach dem innerhalb der Groten-
burg als gesamtes Inventar zwei Steinbeile und ein gemutmasster Schleifstein auf¬
gefunden wurden, während das Feuerstein-Messerchen dem kleinen Hünenringe
unterhalb der Grotenburg angehört, und es ist bezeichnend, dass im Gedächtnis
unseres Forschers die beiden Ringe sich so bald vertauschen konnten. Aber auch
nach dem von SCHUCHHARDT selbst gelieferten Fundbericht weist die Anlage
der Grotenburg auf die Steinzeit zurück, ist in späteren Jahren unbenutzt geblieben
und hat darum mit einer germanischen Volksburg römischer Zeit nichts zu tun.
In der S c h e r be n k u n d e war SCHUCHHARDT stets ein unzuver-
lässigerBeurteiler. Deswegen wird man ihm auch keineswegs ohne weiteres folgen
dürfen, wenn er neuerdings wieder ganze Kulturen bald der römischen, bald der
sächsischen, bald der karolingischen Periode zuschreibt. Noch viel weniger
aber kann man den Ergebnissen seiner Forschung zustimmen,
wenn er mit der grössten Sicherheit die eine Burg als sächsisch,
die andere als fränkisch anspricht. Was kann es z. B. beweisen, wenn er
in dieser oder jener seiner Burgen karolingisches Geschirr antrifft? Das Vorkommen
solcher Scherben lässt doch höchstens den Schluss zu, dass die Burg zu spät-
fränkischen Zeiten noch benutzt wurde. Ihr Ursprung kann aber darum recht
wohl in ältere Zeit zurückgehen. Denn dass man an der Stelle alter Burgen später
neue baute, ist nicht nur an sich durchaus natürlich, sondern diese Tatsache wird
uns durch historische Nachrichten obendrein bestätigt.
Ausserdem ist es für die Bestimmung der Burgen doch entscheidend, an
welcher Stelle und in welcher Tiefe, ob auf dem gewachsenen Boden oder in der
Kulturerde die Altertümer aufgefunden wurden. Darüber aber erfahren wir in den
Fundberichten SCHUCHHARDT’s selten etwas. Die Fundumstände sind 'auch
wohl nicht immer genügend kontrolliert worden, da er bei seinen Ausgrabungen
regelmässig eine grössere Anzahl Arbeiter zu beschäftigen pflegt, deren Tätigkeit
im einzelnen zu überwachen natürlich gar nicht möglich ist.
Wie trügerisch die Kombinationen auf den fraglichen Gebieten sind, zeigt
sich im folgenden. SCHUCHHARDT tat sich vor kurzem viel darauf zu gute,
den sog. karolingischen Burgtypus nachgewiesen zu haben. Wie Burgscheidungen,
auf das er sich beruft, so seien bei uns viele fränkische Burgen angelegt: „bim¬
förmig von einem Bergkopfe herumziehend und der Bergkopf mit besonderem
Ringe umgeben“, nämlich die Babilönie bei Lübbecke, die Burg auf dem Reren-
berge usw. So äusserte sich SCHUCHHARDT in dem Atlas vorgesch. Bef. in
Niedersachsen VII S. 58, und es war für ihn eine besondere Genugtuung, dass
RÜBEL aus Dortmund auf Grund seiner archivajischen Studien zu demselben Er¬
gebnisse gelangt sei.
Nun hat sich aber in der Babilönie bisher kein Gegenstand gefunden, der
uns gestattete, sie als fränkisch zu bezeichnen. Die Ausgrabungen, die neuerdings
daselbst angestellt wurden, haben vielmehr das Gegenteil von dem erwiesen, was
SCHUCHHARDT und mit ihm RÜBEL als sichere Ergebnisse ihrer Untersuchungen
uns hinzustellen unternahmen. Oberlehrer LANGEWIESCHE aus Bünde, der
unter Beihilfe SCHUCHHARDT’s die Ausgrabungen vorgenommen hat, fasst in
dem 20. Jahresbericht des historischen Vereins zu Bielefeld 1906 S. 64 nach dem
ihm von Professor Dr. SCHUMACHER aus Mainz zugegangenen Urteil, dem sich
übrigens auch SCHUCHHARDT gefügt hat, das Ergebnis mit den Worten zu¬
sammen: „Mit Sicherheit geht aus alledem hervor, dass die Burg auf der Babilönie
weder von den Römern (was übrigens auch wohl kein Sachverständiger behauptet hatte),
noch von Franken angelegt ist, denn von beiden fand sich dort keine Spur, sondern
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PRINCETON UNIVERS1TY
260
IV. Bücherbesprechungen.
mit ihren gewaltigen Grössenverhältnissen ist sie eine Volksburg für die Bewohner
der heimischen Gegend gewesen und hat als solche bis zur karolingischen Zeit
bestanden, wie die zahlreichen Funde heimischer Ware beweisen.“
Damit ist denn auch ein Argument gefallen, das ebenfalls in der Feststellung
karolingischer Burgen eine gewisse Rolle spielte. Zu ihrem Typus sollten nämlich
die in Kalk gelegten Mauersteine gehören. Nun hat sich aber herausgestellt, dass
auch in die oberste Wallanlage der soeben besprochenen Babilonie eine Mauer
mit Kalkmörtel eingebaut war, und SCHUCHHARDT muss selbst zugeben, dass
diese vorfränkischen Ursprungs sei.
Also mit dem karolingischen Burgtypus ist es wiederum
nichts. Es geht damit ebenso wie mit dem von SCHUCHHARDT
einst erfundenen römischen Kastelltypus an der Hase, und wir
sind genötigt, trotz oder vielmehr wegen seiner Forschungen mit
unseren Untersuchungen über alte Burgen wieder von vorn anzu¬
fangen.
Auch die Heisterburg, die nach SCHUCHHARDT karolingisch sein sollte,
hat diesen Anspruch fallen lassen müssen, seitdem man im dortigen Mauermörtel
eine Münze Konstantins des Grossen aufgefunden hat.
Es wäre übrigens auch unbegreiflich, wenn alle von SCHUCHHARDT als
karolingisch ausgegebenen Burgen diesen Namen verdienten. Liegen sie doch
meist auf Bergen im Versteck der Wälder. Das ist nicht die Art, wie ein eroberndes
Volk Befestigungen anlegt. Vielmehr pflegen die im fremden Lande vordringenden
Eroberer sich vorerst der Heerstrassen zu bemächtigen und durch Stationen diese
zu befestigen. So haben es die Römer einst gemacht, und so macht man es noch
jetzt in Afrika. Jene von SCHUCHHARDT zu karolingischen Anlagen gestempelten
Burgen werden also ursprünglich Zufluchtsstätten der heimischen Bevölkerung
gewesen sein. Dass die Heerstrassen von Karl dem Grossen befestigt wurden, ist
ja allerdings der richtige, wenn auch keineswegs neue Gedanke, der den Unter¬
suchungen RÜBELS zugrunde liegt. Aber man zwängt mit Gewalt die vorhandenen
Wallbefestigungen in dieses System hinein, wenn RÜBEL nebst anderen Verkehrt¬
heiten seiner Schrift von der Burg auf dem Rerenberge behauptet, sie beherrsche
die Strasse von Iburg nach Osnabrück, während sie in Wirklichkeit weitab von
diesem Wege sich ebenfalls im tiefen Waldversteck befindet.
Aber SCHUCHHARDT wird nicht müde, neue Typen aus¬
findig zu machen. So sollen mit einem Male alle Ringwälle bei
uns zu Lande sächsisch sein. Indessen was in der Düsseiburg bei Rehburg
ans Tageslicht gekommen ist, widerspricht gleich wieder dieser Anschauung. Denn
ganz abgesehen davon, dass die Bestimmung der daselbst gefundenen Scherben
auf Willkür beruht — sagt SCHUCHHARDT doch selbst in seinem Ausgrabungs¬
bericht, dass sie am Rhein gefunden der römischen Periode zugerechnet werden
würden — ist vor dem Hauptwalle noch ein das Ganze einschliessender Steinwall
zum Vorschein gekommen, der jedenfalls auf eine viel frühere Zeit zurückzuführen
ist. Damit in Übereinstimmung steht, dass unlängst in und vor der Düsseiburg
auch Steinwaffen — und zwar nicht bloss, wie SCHUCHHARDT behauptet, Feuer-
stein-Messerchen — ausgehoben worden sind. Es spricht also alles dafür, dass
die Düsseiburg uralt ist und auch zur Römerzeit, ganz wie ich es in meinen
„Kriegszügen des Germanicus“ angenommen hatte, bereits bestanden hat. Auch
die Ringwälle sind also bei uns zu Lande nicht samt und sonders als sächsisch
anzusprechen.
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IV. Bücherbesprechungen.
261
Nach SCHUCHHARDT sollen die Sachsen von Holstein aus als eroberndes
Volk vorgedrungen sein, und sie sollen von der Elbmündung her allmählich bis
zum Mittelgebirge sich verbreitet haben. Was sich daher an Ringwällen oder
Scherben aus den Ländern ihrer Herrschaft findet, bezeichnet er ohne weiteres
als sächsisch, d. h. als den Nachlass der Eroberer. Aber gesetzt, die Ansicht von
dem einwandernden Volke wäre richtig, was sie gewiss nicht ist, wie kann man
gleich behaupten, dass alles, was an Topfwaren aus jenen Zeiten stammt, von
Sachsen herrührt? Die Eroberer könnten doch immer nur einen geringen Teil der
Volksmasse ausgemacht haben, und es ist unmöglich, anzunehmen, dass die ganze
übrige Bevölkerung seit der Unterwerfung ihres Landes nur noch sächsische
Töpfe herstellte oder sich sächsischen Fabrikates bediente, während in den ver¬
schiedenen Landesteilen sich die heimischen Dialekte erhielten, ebenso die übrigen
Lebensgewohnheiten, wie wir noch jetzt sehen können, die Art der Siedelungen,
den Bau der Häuser, die Anlage der Gehöfte überall verschieden waren. Will
man von einer sächsischen Periode der Keramik sprechen, so kann damit immer
nur ein Zeitverhältnis bezeichnet werden, nicht aber die Kultur eines bestimmten
Stammes. Ist dies aber der Fall, so erhalten wir gar keine Möglichkeit, aus den
Funden von Scherben den Nachweis zu erbringen, dass diese oder jene Burg, diese
oder jene Siedelung von Sachsen herrührt.
Und nun widerlegt sich die Hypothese SCHUCHHARDT’s weiter durch
die Tatsache, dass die Ringwälle keineswegs auf die Gegenden beschränkt geblieben
sind, die als sächsisches Gebiet angesprochen werden könnten. Sie sind vielmehr
auch östlich der Elbe, im Brandenburgischen und besonders in der Lausitz, massen¬
haft aufgefunden worden. Diese sind nun aber zum grossen Teil slawischen
Ursprungs. Das gibt auch Sch. zu. Aber wenn er sich darauf beruft, es seien
unter ihnen auch manche aus vorslawischer Zeit, so allein in der Lausitz 14 solcher
Art nachgewiesen worden, wie kann man da behaupten, es kämen für sie als
Erbauer „allein“ die Sachsen „in betracht“? In vorslawischen Zeiten haben ja
ganz andere Stämme dort gesessen, und erst in den Zeiten Ottos d. Gr. drangen
die Sachsen in jene slawischen Gebiete ein.
Die hier besprochene Hypothese hat SCHUCHHARDT 1906 in einer Ver¬
sammlung des Philologenvereins der Provinz Hannover vorgetragen, und nach
dem gedruckten Bericht „lebhaftesten Beifall“ für seinen Vortrag geerntet. Wir
wollen annehmen, dass dieser Beifall ihm aus Höflichkeit gespendet worden ist,
können aber die Ansicht doch nicht unterdrücken, dass es nicht zum Ansehen
des Gelehrtenstandes beiträgt, wenn einem Dilettanten von dem
Charakter SCHUCHHARDT’s Gelegenheit geboten wird, unter
Ausfällen auf Mitglieder des Vereins so, wie geschehen, seine
Ware an den Mann zu bringen.
SCHUCHHARDT meint in dem mehr erwähnten Atlas VII, S. 57, die ganze
Beurteilung der alten Befestigungen bei uns zu Lande habe bisher unter dem
Fehler gelitten, dass wir sie durchweg auf ein viel zu hohes Alter schätzten,
während die meisten früh- und manche sogar hoch-mittelalterlich seien. Die
Untersuchungen SCHUCHHARDT’s haben nicht dazu geführt, die meisten der
genannten Wälle des hohen Alters zu berauben. Vielmehr ist anzunehmen, dass
ein guter Teil derselben trotz sog. sächsischer und karolingischer Scherben in
prähistorischen Zeiten schon als heimische Zufluchtsstätten dienten.
So fällt denn auch die dritte Berühmtheit unseres Forschers
wiederum in sich zusammen.
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PRINCETON UNIVERS1TY
262
IV. Bücherbesprechungen.
Die vierte Berühmtheit gewann SCHUCH HARDT durch die
Auffindung des Kastells Aliso an der Lippe. Bekanntlich wurde er von
der Westfälischen Altertumskommission, die sich in Münster gebildet hatte, in
Dienst genommen, um die römische Befestigung auf dem Annaberge bei Haltern,
die der Oberstleutnant Schmidt bereits sechzig Jahre früher festgestellt hatte,
nachzuprüfen. Kaum aber hatte er, nach einigen vergeblichen Versuchen, die
Spur derselben wieder aufgefunden, so trat er auch schon mit der Behauptung
vor die Welt, er habe auf dem Annaberge das Kastell Aliso entdeckt.
Dann aber wurden östlich des genannten Berges neue Befestigungen aus¬
gegraben, die die dabei beteiligten Archäologen ihrerseits wieder als Aliso aus¬
zugeben für angemessen hielten, und wirklich entsprachen sie mehr als jene den
gegebenen Bedingungen. SCHUCHHARDT aber wollte sich den Ruhm
eines Alisoentdeckers nicht entgehen lassen, und so stellte er
nunmehr die Behauptung auf, alles, was an römischen Verschan¬
zungen in der Nähe von Haltern gefunden werde, gehöre ein¬
schliesslich des Annaberger Lagers zu dem vielbesprochenen
Kastell. Der Annaberg sei „das Kastell, die Citadelle geblieben, das Winter
und Sommer gehalten wurde, während die untere Anlage dem Aufmarsch und der
Verproviantierung diente“.
Sprachen nun freilich von vorn herein manche triftige Gründe gegen die
Ansetzung Alisos bei Haltern überhaupt, so wurde diese hinfällig durch die Wahr¬
nehmung, dass unterhalb der grösseren Befestigungen zwischen dem Annaberge
und der Stadt der Graben eines grossen Feldlagers zum Vorschein kam, das, wie
man behauptet, nach den daselbst gemachten Funden ebenfalls einst von den
Römern längere Zeit besetzt gehalten wurde. Denn war das richtig, so konnten
die dortigen Kastellanlagen um so weniger Aliso sein, als dieses Kastell bereits
auf ihrem ersten Zuge in die Gegend als älteste dauernde Befestigung von den
Römern hergerichtet worden war.
Doch SCHUCHHARDT wusste alsbald von neuem sich zu helfen. Das
Feldlager sollte nunmehr auf dem Vormarsche des Drusus i. J. 11 angelegt worden
sein. Nachher, auf dem Rückzuge „stationierte er eine Truppenabteilung am Platze
— vielleicht in dem Annaberglager — um an der Stelle des alten Feldlagers nun
ein festes Kastell zu errichten“. Dieses sollte also jetzt Aliso sein.
Spitzgräben, die ausserdem noch unter der Stadt Haltern und östlich von ihr
aufgefunden wurden, hält er diesmal, obwohl römische Altertümer in den Gräben
nicht gesehen wurden, nicht für Bauernwälle, sondern gleichfalls für römische
Lagerbefestigungen, wie sie etwa Germanicus i. J. 16 n. Chr. für seine sechs Legio¬
nen nötig hatte. So vereinigen sich denn alle Strahlen der Geschichte in dem
einen Punkte Haltern.
Ein wichtiger Grund der für die Verlegung Alisos nach Haltern entscheiden
sollte, war für SCHUCHHARDT die Voraussetzung, dass Aliso das einzige Kastell
gewesen sei, das von den Römern an der Lippe hergerichtet wurde. Hatte ich
jedoch schon früher diese Annahme als eine durchaus unwahrscheinliche und die
weitere Forschung lähmende bezeichnet, so wurde sie durch die Tatsache hinfällig,
dass es vor kurzem dem Pastor PREIN gelang, bei Oberaden westlich von Hamm
ein neues Kastell zu entdecken. Ja diese Befestigung entspricht in der Tat allen
Anforderungen, die man an Aliso nach Lage und Beschaffenheit zu stellen hat, und
kann überdies in der Ortsbezeichnung Elsey eine Übereinstimmung mit dem Namen
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IV. Bücherbesprechungen. 263
Aliso aufweisen, während eine derartige Übereinstimmmung bei Haltern ver¬
misst wird *).
Das Kastell bei Oberaden, das ganz wie geschaffen war, um von sicherer
Stellung aus die feindlichen Sugambrer und Cherusker in Schach zu halten, besitzt
eine Grösse von mehr als 30 ha und wird durch einen Graben von etwa 5 m Breite
und 2 1 /* m Tiefe geschützt. Gewaltige Pfostenlöcher, die aufgedeckt wurden, be¬
weisen, dass die Wälle durch Palisaden und Holzwände einst gesichert waren. Es
ist die grösste aller römischen Befestigungen, die bisher an der Lippe nachgewiesen
worden sind.
Trotz aller dieser Tatsachen bleibt jedoch SCHUCHHARDT dabei, dass das
Aliso nur bei Haltern gelegen haben könne. Warum? Erstens soll das La^er von
Oberaden mit seinen 30 ha zu gross für ein Kastell sein; es soll vielmehr eben
wegen dieser Grösse dem alten Feldlager bei Haltern entsprechen. Früher war
SCHUCHHARDT freilich anderer Ansicht, denn im Jahre 1901 verkündigte er in
einer seiner vielen Wanderreden, das Kastell von Haltern habe einen
Umfang von 700:750 Seitenlange, d. i. einen Raum von mehr als 52 ha, und bei
dieser „grossen Ausdehnung der Anlagen sei an der Benennung Aliso nicht
mehr zu zweifeln.“ Doch was macht sich SCHUCHHARDT aus der¬
gleichen Widersprüchen?
Dass Aliso „die bedeutendste Festung der Römer in Niedergermanien war“,
gibt SCHUCHHARDT auch jetzt noch zu. So wird denn behauptet, die Anlage
von Oberaden sei gar kein Kastell, sondern nur ein Marschlager gewesen. Das
gehe auch daraus hervor, dass es nur einen Graben habe, während das grosse
Kastell bei Haltern deren zwei besitze. Auch dieser Einwand ist jedoch nicht
stichhaltig, und zwar am wenigsten im Munde SCHUCHHARDT’s, der s. Z die
Anlage auf dem Annaberge für Aliso ausgab und auch jetzt noch an ihrer Eigen¬
schaft als Kastell festhält, trotzdem dass sie ebenfalls nur einen, und zwar einen
viel schwächeren Graben aufweist.
Nun spricht aber das Vorhandensein eines einfachen Grabens viel eher für
Aliso. Denn bedenken wir wohl, dass dies die älteste Befestigung der Römer an
der Lippe war und dass man sich mit ihrer Herstellung, weil sie während des
Rückzuges im Jahre 11 erfolgte, ganz gewiss beeilt haben wird, während man für
die Anlagen bei Haltern sich später Zeit nehmen konnte. Hierzu kommt, dass
auch bei den Drususkastellen am Rhein der einfache Graben Verwendung fand.
Insbesondere ist er bei Urmitz nachgewiesen worden, und wenn SCHUCHHARDT
meint, der einfache Graben komme nur bei kleinen Kastellen vor, so beruht auch
diese Behauptung lediglich auf unbegründeter Vermutung. Der einfache Graben
ist also kein Beweis gegen Aliso, sondern eher noch dafür.
Nach SCHUCHHARDT soll auch in der Art der Befestigung das Lager von
Oberaden dem alten Feldlager bei Haltern gleichen. Das ist jedoch nicht richtig,
denn einmal fehlt in jenem Feldlager jede Spur einer Palisadenbefestigung, während
bei Oberaden bedeutende Pfostenlöcher dafür nachgewiesen worden sind. Sodann
ist aber auch das Profil der Gräben hier und dort verschieden. Bei Oberaden ist
der Graben durchschnittlich 5 m breit und 2*/s m tief. Der Graben des Feldlagers
’) Es sei hiei nochmils darauf hingewiesen, dass die Schrifr, der diese Charakteristik SCHUCH*
HARDTS entnommen ist, aus dem Jahre 1907 stammt und daher nur den Stand der Forschung diese«
Jahres wiederspiegeln kann. Inzwischen sind die Ansichten über Oberaden, Haltern und beider Verhklt*
nis zu Aliso wiederum andere geworden: wir wissen da überhaupt nichts sicheres. Aber hier kommt es
|a weniger auf rein sachliche Belehrung, als darauf an, die wissenschaftliche Rolle SCH'JCHHARDTS
auch in dieser Frage bis zum Jahre 1907 klar zu beleuchten. Der Herausgeber,
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264
IV. Bücherbespredmngen.
misst dagegen in seiner Breite kaum 3 m und in seiner Tiefe nur 1 , / 2 m, das ist
denn doch ein grosser Unterschied.
Weiter schliessen die Missen von Altertümern, insbesondere von Amphoren¬
scherben die Annahme einer Feldbefestigung bei Oberaden völlig aus. So viele
Gegenstände konnten unmöglich in einem einfachen Marschlager verloren gehen,
selbst wenn man die Ausflucht, die SCHUCHHARDT sich gestattet, gelten
lassen wollte, dass man nämlich nicht wissen könne, „ob Tage, ob Wochen, ob
eine ganze Campagne“ das Oberadener Lager benutzt worden sei. Amphoren mit
ihrem schweren Gewicht hat man auf einfachen Märschen sicherlich nicht mit¬
genommen. Was aber besonders von Belang ist, das sind die vielen hölzernen
Speere, die sog. pila muralia, die man in dem Festungsgraben liegend aufgefunden
hat und die es beweisen, dass die Verschanzung eine schwere Belagerung aus¬
gehalten haben muss. Von einem Marschlager kann demnach unmöglich die
Rede sein.
Aber SCHUCHHARDT hat schliesslich noch ein Beweismittel gegen Ober¬
aden ins Feld geführt. Er beruft sich nämlich darauf, dass Aliso i. J. 9 n. Chr.
eine völlige Zerstörung und nachher eine Wiederherstellung erfahren habe. Diese
beiden Bauperioden seien denn auch wirklich an dem Kastell bei Haltern nach¬
gewiesen, während es sich bei Oberaden um eine einmalige Anlage handle.
Nun ist freilich nicht abzusehen, inwiefern bei Haltern die zweite Anlage
6ine völlige Zerstörung der ersten zur Voraussetzung haben soll. Denn es ist
wohl zu beachten, dass man bei der späteren Erweiterung der ursprünglichen An¬
lage auf drei Seiten den alten Graben auch für das neue Werk ohne weiteres be-
nutzt hat. Der alte Graben muss also wenigstens zur Zeit, als das zweite Werk
geschaffen wurde, in ziemlich unversehrtem Zustande gewesen sein; denn einen
verfallenen Graben kann man unmöglich wieder ausbessern.
Aber die ganze Auffassung von der Zerstörung Alisos und seiner späteren
Wiederherstellung — etwa unter Germanicus — beruht auf einer falschen Aus¬
legung unserer schriftstellerischen Quellen. Das ist von mir bereits in den „Kriegs¬
zügen des Germanicus“ S. 304 ff. nachgewiesen worden. Hier ist namentlich ge¬
zeigt worden, dass in dem Bericht des Cassius Dio und seines Epitomators Zonaras,
die ausführlichere Kunde von der Belagerung der Römer in Aliso und dem Abzüge
aus der Festung geben, ein Widerspruch entstehen würde, wenn wir annehmen
wollten, es sei die gesamte Mannschaft abgezogen. Die Bemerkung des Zonaras,
dass das Kastell von zahlreichen Bogenschützen verteidigt wurde, dass aber zur
Bedeckung der Abziehenden, die z. T. aus Weibern und Kindern bestanden, nur
wenige Soldaten mitgingen, beweist hinlänglich, dass diese nur einen Teil der bis¬
herigen Besatzung ausgemacht haben können. Entscheidend ist auch, dass es bei
Cassius Dio ausdrücklich heisst, die Germanen hätten alle festen Plätze in ihrem
Lande mit Ausnahme eines einzigen, nämlich Alisos, erobert; diesen aber hätten
sie nicht nehmen können. Denn der Schriftsteller gebraucht hier die Form des
Aorists, der niemals zur Bezeichnung eines zeitweiligen Verhältnisses dient, son¬
dern immer nur eine äbschliessliche Bedeutung hat. Es heisst im Texte: &AA'
oö6 ixetvö yeLQoioao&at tjöwYi&rjcyav = „aber auch dieses vermochten sie nicht
einzunehmen“. Die Form qdvp/fttjaav beweist also, dass die Germanen das Kastell
überhaupt in jenem Kriege nicht eingenommen haben. Hätte der Schriftsteller
sagen wollen, sie hätten es anfangs nicht gekonnt, später hätten sie es aber in dem
Kriege doch erobert, so hätte er sich der Form ifiüvavzo bedienen müssen. Die
Griechen sind in der Wahl der Tempora immer sehr genau gewesen. Man zeige
mir eine einzige Stelle aus ihren Schriften, an der eine Verwechslung von Imper-
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IV. Bücherbesprechungen.
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fektum und Aoristus vorkommt. Es gibt keine. Nur unsere modernen
Kastell forscher haben das Recht, sich über diese Kleinigkeit hin¬
wegzusetzen.
Nun heisst es freilich bei Zonaras weiter: „Als aber niemand ihnen Hilfe
brachte und sie von Hungersnot bedrängt wurden, warteten sie eine unwetterliche
Nacht ab und zogen aus." Aber der Schriftsteller setzt gleich hinzu : „Es waren
dies aber nur wenige Soldaten, dagegen viele Unbewaffnete.“ Die Hauptmasse der
Verteidiger blieb demnach in der Befestigung zurück.
Auch VELLEIUS bestätigt demnach lediglich, dass Aliso von den Deutschen
im Winter 9/JO n. Chr. nicht erobert worden ist.
Hiermit fällt aber auch der letzte Einwand, der von SCHUCHHARDT gegen
die Verlegung Alisos nach Oberaden erhoben worden ist.
Aus diesem Verhältnis soll jedoch keineswegs gefolgert werden, dass die
erwähnte Festung niemals eine bauliche Veränderung erfahren habe. Im Gegenteil
würde es durchaus verständlich sein, wenn das Kastell anfangs in kleinerem
Umfange hergestellt worden wäre und alsdann bei gesteigerter Bedeutung eine
Erweiterung erfahren hätte. Ob dies wirklich der Fall gewesen ist, muss die
Zukunft lehren. Ja es bestätigt sich, dass etwa 200 m östlich des Westgrabens
mit diesem parallel ein älterer Graben angelegt worden ist, sodass die Grösse
des ursprünglichen Kastelles der von PREIN gegebenen Zeichnung entsprechen
würde, so ist hiergegen natürlich nicht das Geringste einzuwenden.
Bis jetzt spricht also alles für die Verlegung Alisos nach Oberaden und
nichts dagegen. Darum wird es auch wohl richtig sein, dass dort das berühmte
Kastell gelegen hat.
So müssen wir es denn erleben, dass auch der vierte Ruhmeskranz,
den SCHUCHHARDT sich um sein Haupt gewunden hat, verwelkt
da hin sin kt, und es bleiben ihm nur noch seine technischen Verdienste, die er bei
seinen Ausgrabungen sich erworben hat und die ihm nicht bestritten werden sollen.
Es war für mich notwendig, diese Gegenstände blosszulegen, um zu zeigen,
wie dilettantisch, ja wie leichtfertig ge wi sse Z w e ige derForschung
gegenwärtig noch immer bei uns behandelt werden.
Das würde nun an sich noch kein so grosses Unglück sein, wenn es nicht
die Träger jener Afterwissenschaft verstanden hätten, durch
Wanderreden,durch die Presse ihren Aufstellungen einen weiten
Absatz zu verschaffen, ja dadurch, dass sie als Vorstände wissenschaftlicher
Vereinigungen auftraten, ihren Meinungen sozusagen einen offiziellen Stempel auf¬
zudrücken. Fr. Knoke.
Entgegnung.
In der Prähistorischen Zeitschrift I, S. 417 ff. behandelt SCHUCHHARDT unter
besonderer Berücksichtigung meiner Person die Frage nach der Lage des Teutoburger
Schlachtfeldes und gibt hierbei seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass die Ver¬
fasser der aus Anlass der Schlachtfeier i. J. 1909 erschienenen Festschriften sämtlich
»wieder in die Detmolder Gegend zurückgekehrt 0 seien, während ich allein die
Katastrophe in das Osnabrücker Land verlegte.
Die Behauptung ist nicht ganz richtig. BENEKE z. B., dem NÖTHE zustimmt,
hat die Hülsenbecksche Hypothese vom Arnsberger Walde wieder aufgenommen. Doch
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IV. Bücherbesprechungen.
sehen wir von dieser ab, so ist es nicht weiter auffallend, dass diejenigen Schrift¬
steller, die den Festteilnehmern in Detmold eine Freude bereiten wollten, die Schlacht
daselbst erfolgen Hessen. Die Wissenschaft haf von ihnen keinen Nutzen gehabt.
Für jeden, der die Sache ernstlich prüft, ist vielmehr die Detmoldhypothese ein für
allemal abgetan.
Übrigens war es nicht MÜLLER von Sondermühlen, der zuerst die Walstatt
in dem Osnabrücker Berglande annahm. Schon früher ist das durch MÖSER und
J. E. STÜVE geschehen. Doch ist es falsch, einfach von der Osnabrücker These zu
sprechen und hierunter alles zusammenzufassen, was von MÖSER an bis heute zu¬
gunsten dieser Gegend geschrieben worden ist. Denn das Osnabrücker Bergland
ist sehr ausgedehnt und die gemeinten Theorien weichen z. T. erheblich voneinander
ab, und insbesondere steht meine Aufstellung den übrigen gegenüber durchaus
selbständig da.
Auch hat sich die Überzeugung nicht „mehr und mehr Bahn gebrochen“, dass
die bei Barenau gefundenen Münzen anders als durch die Hinterlassenschaft gefallener
Soldaten erklärt werden könnten. Wer die Fundumstände aufmerksam beachtet,
kann eben zu keiner anderen Überzeugung gelangen. Allerdings passt die dortige
Gegend nicht zu der Schlacht v. J. 9, desto besser aber zu der v. J. 15 nach Chr.
Missverständlich ist die Bemerkung SCHUCHHARDT’s, ich wolle die Varus-
schlachL im Osnabrückischen belassen, weil ich u. a. dort das erste und zweite
Varuslager wiedergefunden zu haben glaubte. Ich habe vielmehr aus der Über¬
einstimmung der örtlichen Verhältnisse mit den schriftstellerischen Quellen bereits
i. J. 1886 eine solche Folgerung gezogen und würde an dieser Meinung festhalten,
auch wenn ich nachträglich gar keine Römerspur daselbst aufgefunden hätte.
SCH. hätte es jedoch unterlassen sollen, das Lager bei Iburg dadurch zu
verdächtigen, dass er wieder von einer Reihe von Feldwällen spricht, wie sie die
Bauern der Gegend herzustellen pflegten. Denn der geringe, im Walde noch vor¬
handene Rest eines Erdwalles hat mich keineswegs zu meiner Meinung veranlasst;
vielmehr liegen die Spuren des Wallgrabens unter der Erde im Acker, und der
Beweis, dass es sich um eine römische Lagerstätte handelt, ist durch die dort ge¬
fundenen Altertümer gegeben.
Ebenso töricht ist es, von einem Bauernwalle vor den „pontes longi“ zu
sprechen, nachdem sich, wie SCH. wissen sollte, in der Spitze des dortigen Lager¬
grabens Scherben römischer Zeit gefunden haben.
Und nun das Lager im Habichtswalde. SCH. meint: Als ich i. J. 1896 diese
Lagerbefestigung aufgefunden hatte, sei es während der Herrschaft der Hölzermann-
schen Hypothese „geradezu gegeben gewesen, die neue Befestigung für römisch zu
halten“ dann muss man sich aber wundern, wie SCH. damals dazu kam, sie für
die Anlage eines modernen Försters auszugeben.
Überhaupt aber hat SCH. in der Deutung dieser Befestigung wiederholt ge¬
wechselt. Kaum hatte er sein erstes Urteil abgegeben, so erklärte er sich auch schon
für die Ansicht des Professors JOSTES, der sie in die Zeit der Markenteilung (1668)
verlegen wollte. Dann wieder sollte RITTERLING endgültig recht haben, der meinte,
sie gehöre in das Mittelalter. Jetzt aber bleibt er trotz aller Gegenbeweise dabei,
die Anlage sei eine Curtis aus der Zeit Karls d. Gr. Warufrn? Zuerst hiess es, die
dort gefundenen Scherben seien sidher karolingisch. Dann wieder beschränkte SCH.
dieses Urteil auf ein paar Scherben, die ausserhalb des Lagers aufgefunden worden
waren, und jetzt erfahren wir abermals, dass alles „was von wirklich bestimmbarem
Material aus der Befestigung ihm vor Augen gekommen sei, entschieden karolingisch“
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IV. Bücherbesprechungen. 267
sei. Nicht eine einzige sicher römische Scherbe hätte ich bisher daselbst gefunden.
Es ist Zeit, dass mit diesem Märchen endlich aufgeräumt wird.
Dass die eisernen Geräte, insbesondere die im Lager aufgefundene Schnell¬
wage, ebenso das Bleigewicht einer Schnellwage nicht römisch seien, diesen Nach¬
weis hat bis jetzt noch niemand erbringen können. Was jedoch die Scherben be¬
trifft, so brauche ich das Urteil KOENENS nicht zu wiederholen. Ich kann mich
noch auf andere Autoritäten berufen, so auf KOSSINNA, ANTHES, G. WOLFF und
LÖSCHCKE. Sie alle b ezeugen, dass unter den Altertümern solche
sich befinden, die sicher römisch sind. Geheimrat LÖSCHCKE sagte
mir z. B. wörtlich: „Das ist unbedingt römisch.“ Andere Scherben sind als
Latene-Ware frührömischer Zeit erkannt. Das ist auch das Urteil SCHUMACHERS,
der übrigens verschiedenen der Altertümer den römischen Ursprung nicht abspricht.
Kein einziger von allen Archäologen ausser SCH. hat es aber ge-
wagt, irgend einen der Gegenstände für karolingisch auszugeben.
Dagegen hat SCH. den Mut, zu behaupten, die Beurteiler hätten nur aus
Höflichkeit mir gesagt, „dies und jenes Stück sehe sehr römisch aus“. Er scheint
demnach von der Wahrheitsliebe unserer ersten Archäologen eine eigentümliche
Vorstellung zu haben. Doch das mag er mit jenen Herren selbst ausmachen.
Dass das im Lager gefundene Inventar nicht karolingischen Ursprungs sein
kann, ist augenfällig. Wäre es der Fall, so müsste doch irgend ein Stück unter
den vielen hundert Scherben sich befinden, das für jene Zeit typisch wäre, und das
umsomehr, als nicht weit von jenem Lager ausserhalb des Waldes wirklich eine
karolingische Wohnstätte von mir aufgefunden wurde, die lediglich Scherben dieser
Zeit zutage gefördert hat. Von allen solchen Gegenständen findet sich jedoch im
Lager des Habichtswaldes keine Spur, während umgekehrt auch eine einzige sicher
römische Scherbe für die Datierung der Befestigung bestimmend sein muss.
Dass aber römisches Lagerinventar sowie die mit ihm zusammen gefundene
Latene-Ware nicht anders als durch römische Soldaten in den Wald gelangt sein
können, liegt auf der Hand; dann aber kann es bei Berücksichtigung der Örtlichkeit
und der Beschaffenheit der Anlage sich doch nur um das zweite Varuslager aus der
Schlacht im Teutoburger Walde handeln.
Die Beweise, die SCH. für die Detmolder Gegend geltend macht, fallen da¬
gegen samt und sonders in sich zusammen. So soll Strabon erzählt haben, die
Katastrophe habe sich im Cheruskerlande ereignet. Dieser Schriftsteller spricht
aber im Gegenteil von den Cheruskern und ihren»Bundesgenossen, in deren
Lande sie sich zugetragen habe. Der Beweis ist also hinfällig, so oft er auch
wiederholt werden mag.
Die Worte des Tacitus Ann. I, 60: ‘ad Ultimos Bructerorum übersetzt SCH.:
„bis in den letzten Winkel des Bruktererlandes“, und natürlich findet dann der arglose
Leser diesen spitzen Winkel zwischen den Quellen der Ems und Lippe nahe dem
Lippischen Walde wieder. Aber Tacitus wird doch das Wort ‘ultimos in demselben
Sinne wie die übrigen römischen Schriftsteller gebraucht haben. Bei diesen be¬
zeichnet es aber, wenn es auf Völker angewandt wird, stets diejenigen, die von Rom
am weitesten entfernt wohnten, und das waren unter den Brukterern die am weitesten
nordöstlich wohnenden.
An der Lippequelle soll sich Germanicus i. J. 15 auf einmal, d. h. also
unerwartet ganz nahe der Stätte des Teutoburger Waldes befunden haben. Dass
er vor der Eröffnung des grossen Feldzuges i. J. 15 bereits, als er Segestes entsetzte,
in jener Gegend sich aufgehalten haben muss, wird hierbei leider nicht beachtet.
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268
IV. Bücherbesprechungen.
Der Ausdruck ‘Teutoburgiensis saltus’ meint SCH., setze eine Teutoburg, d. i.
eine Volksburg voraus. Das ist indessen keineswegs der Fall. Vielmehr ist die von
mir gegebene Erklärung „Dütegebirge“, die auch den Beifall angesehener Germa¬
nisten gefunden hat, bis jetzt noch nicht widerlegt. Bei der grossen Menge von
Volksburgen, die es überall in Deutschland gab, wäre auch der Ausdruck „Volksburgs-
gebirge“ recht unpassend gewesen. Dazu kommt, dass die auf der Grotenburg vor¬
handene Steinschüttung durchaus nicht mit Sicherheit als die Überreste einer Be¬
festigung anzusehen sind.
Nicht entschieden genug kann es gerügt werden, wenn SCH*, immer wieder
behauptet, die Grotenburg habe im Mittelalter „Teut“ geheisseh. Das war nicht
der Fall. Nur ein Gehöft am Fusse jenes Berges hies ‘to dem Toyte’. Das ist aber
sprachlich sowohl wie sachlich etwas anderes, ganz abgesehen davon, dass es eine
Ungereimtheit ist, das Wort Teut das eine Mal als Berg, das andere Mal aber
wieder als Volk wie in Theotmalli zu erklären.
Es ist bis jetzt noch nicht möglich gewesen, die Berichte unserer Quellen auch
nur im entferntesten mit der Detmolder Gegend zu vereinigen, wie denn auch alle
Grabungen daselbst nichts genützt haben. Aber man hat sich nun einmal daran
gewöhnt, das Schlachtfeld dort zu wähnen, und so greift man auf eine missverstan¬
dene Stelle des Florus zurück und beruft sich auf RANKE, der der Meinung war,
die Römer seien durch Armin in ihrem Sommerlager überfallen worden. Dann war
man allerdings an eine bestimmte Örtlichkeit nicht mehr gebunden, zumal wenn
man sich über die schriftstellerische Mitteilung, dass dieses Sommerlager an der
Weser aufgeschlagen wurde, leichten Sinns hinwegsetzte.
Es ist hier nicht der Ort, das Verkehrte der RANKE’schen Hypothese, an die
der berühmte Geschichtsforscher übrigens selbst nicht recht geglaubt hat, des weiteren
nachzuweisen. SCH. irrt aber, wenn er meint, mit ihr vertrügen sich auch Vellejus
sowie Tacitus. Im Gegenteil sagt Vellejus, das römische Heer sei von Wäldern und
Sümpfen eingeschlossen gewesen, als es überfallen wurde (inclusus silvis, paludibus,
insidiis). In solch einer Gegend wurde jedoch sicherlich das Sommerlager nicht
aufgeschlagen. Tacitus aber wollte an der bekannten Stelle Ann. I, 61, wo er von
der Errichtung zweier Lager nach einander redet, nur die Vorstellung von den Be¬
gebenheiten der Schlacht selbst in dem Leser hervorrufen. Für diesen aber hatte
es kein Interesse, zu erfahren, dass das Sommerlager der drei Legionen, was sich
ja von selbst verstand, wirklich von dem gesamten Heere hergerichtet worden war.
Nicht minder führt die Erklärung, die SCH. von den Worten ‘tres vacuas
legiones’ (Ann. II, 46) gibt, in die Irre. ‘Vacuas’ soll „dienstfrei“ heissen. Was das
Wort bedeutet, erfahren wir aus Hist. IV, 47: proinde arriperent vacui occupatos,
integri fessos, oder Agr. 37 j Britanni, qui adhuc pugnae expertes summa collium
insederant et paucitatem nostrorum vacui spernebant degredi paulatim et circumire
terga vincentium coeperant. So auch Caes. b. c. I, 82,4: Tertia (acies) vacabat, ad
incürsum atque impetum militum relicta. ‘Vacuus’ bezeichnet also eine für den
Kampf günstige Lage der Soldaten, und das Heer des Varus kann daher unmög¬
lich mit diesem Ausdruck bezeichnet werden. Für vacuas ist also vagas, d. i. „in
Unordnung einherziohend“ an der angeführten Stelle zu lesen. Auch die Stelle
Veget. III, 10 spricht nicht für die gegnerische Ansicht, denn sie handelt von dem
Heere auf dem Marsche.
Es wäre endlich an der Zeit, dass diejenigen, die mit der Sprache unserer
klassischen Schriftsteller nicht recht vertraut sind, sich in der Frage nach der Lage
des Teutoburger Schlachtfeldes einer grösseren Zurückhaltung befleissigten. Wir
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V. Nachrichten.
269
kommen nun einmal ohne eine richtige Interpretation unserer Schriftsteller zu keinem
befriedigenden Ergebnis.
Ich habe hier nur diejenigen Beweismittel, die SCH. zugunsten der Det¬
moldhypothese vorträgt, zurückzuweisen für nötig gehalten. Dass auch aus vielen
anderen Gründen diese Hypothese unhaltbar ist, glaube ich anderswo genügend dar¬
getan zu haben.
Osnabrück. Dr. Knoke.
V. Nachrichten.
Die Vorgeschichte in der französischen Deputiertenkammer.
In der französischen Deputiertenkammer kam in der Sitzung vom 28. Januar
1910 bei der Aufstellung des Budgets des beaux arts auch das Kapitel der nationalen
Museen zur Erledigung. Bei dieser Gelegenheit hat der Abgeordnete des Marne¬
departements Dr. PßCHADRE die Wünsche der französischen Vorgeschichtsforscher
ausgesprochen und für die Erfüllung dieser Wünsche ist noch besonders eifrig der
ehemalige Präsident der Societe prehistorique de France Dr. BAUDON eingetreten.
Der Bericht über diese Sitzung scheint auch für Deutschlands Vorgeschichtsforscher
einiges Interesse zu besitzen, denn man erfährt aus ihm, wie'die Franzosen die
Wissenschaft der Vorgeschichte weiter auszubilden und unter das Volk zu bringen
gedenken. Es tritt ferner in dieser Debatte ein von der Regierungsseite sehr scharf
betonter Gegensatz hervor zwischen den wirklich wissenschaftlichen Vorgeschichts¬
forschern, die die Regierung gern unterstützen will, und denjenigen, die ohne
genügende Vorbildung nur aus Liebhaberei sich mit der Vorgeschichte beschäftigen
und dann bald grosse Entdeckungen gemacht zu haben glauben. Die Übersetzung
folgt mit einigen Kürzungen dem in L’homme prehistorique 1910, No. 3, S. 86 ff.
aus dem Journal officiel vom 28. Januar teilweise nachgedruckten amtlichen Sitzungs¬
berichte der Deputiertenkammer. Hugo Moetefindt.
Kapitel 35. Nationale Museen.
Her- P&CHADRE: Ich möchte den Herrn Unterstaatssekretär an eine Unter¬
redung erinnern, die ich vor kurzem mit ihm über die Aufbewahrung der vor¬
geschichtlichen Altertümer gehabt habe, und auch der Kammer einige Anregungen
über diese interessante Frage geben. Die Mehrzahl unserer vorgeschichtlichen
Sammlungen befindet sich gegenwärtig im Museum von Saint Germain, Sie stehen
dort etwas zusammengedrängt da und erdrückt durch die den Hauptreichtum dieses
wichtigen Museums bildenden gallisch-römischen Sammlungen. Von einem Ge¬
danken; dem Museum von Saint Germain auch nur eins von den in ihm aufbewahrten
Fundstücken zu nehmen, kann natürlich keine Rede sein. Die Societe prehistorique,
deren Wünsche ich hier ausspreche, meint, dass zwecks Anregung der Vorgeschichts¬
forscher und zwecks Entwicklung der Vorgeschichte als Lehrfach viel auf die
Schaffung eines vorgeschichtlichen Studienmuseums im Mittelpunkte von Paris
ankommen würde, und hiermit würde man dem Wunsche einer grossen Anzahl der
sich für diese fesselnde und fruchtbare Wissenschaft interessierenden Forscher und
Sammler Frankreichs und des Auslandes entgegenkommen. Dieses Museum würde
dann in seine Sammlungen nicht nur Funde aus der Vorgeschichte Frankreichs,
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PRINCETON UNIVERS1TY
270
V. Nachrichten.
sondern aus der ganzen Welt aufnehmen. Seltsam ist es, dass es in Frankreich
noch kein einziges Spezialmuseum für Vorgeschichte gibt, trotzdem die Wissenschaft
der Vorgeschichte im hohen Grade eine französische ist. ln Frankreich, in Aude,
in dem von Ihnen, Herr Unterstaatssekretär vertretenen Departement machte
TOURNAL zum ersten Male im Jahre 1828 auf die Spuren einer vorgeschichtlichen
Werktätigkeit in den Höhlen aufmerksam. Ebenfalls in Frankreich, im Sommetal,
hat BOUCHER DE PERTHES um 1840 die Aufmerksamkeit der ganzen Gelehrten¬
welt auf in Sandgruben gefundene Steinartefakte gelenkt
In einem vor dem anthropologischen Verein in Göttingen vorgetragenen
Bericht über eine Studienreise sprach Professor VERWORN von dem Reichtum
Frankreichs an prähistorischen Funden. Besonders redete er von der Station Les
Eyzies im Vezöretale, die er als Paradies der Vorgeschichtsforscher schilderte.
Dabei sprach VERWORN seine Verwunderung über unsere Gleichgiltigkeit solchen
Schätzen gegenüber aus 1 )*
Unsere Pflicht ist es, diesen Reichtum zu erhalten, ihn in unseren Museen
aufzubewahren und jederzeit zu verhindern, dass er ins Ausland gehe, dass er in
alle Winde zerstreut werde.
Wir verwenden reiche Geldmittel für die Entdeckung und das Studium der
Altertümer Ägyptens, Persiens und Griechenlands. Ich will mich nicht darüber
beklagen, aber vielleicht wäre es doch möglich auch ein kleines Opfer für das
Studium der Vorzeit unseres eigenen Landes zu bringen. Viele ergebene und
uneigennützige Forscher, deren Eifer und Tatkraft alle Anerkennung verdient, haben
sich der Erforschung der Vorzeit gewidmet.
Daher scheint es mir nützlich, nein dringend notwendig, in Paris selbst eine
Einrichtung zu schaffen, die allen auf diesem Gebiete tätigen Gelehrten Genüge
leistet. Wenn einmal dieses Spezialmuseum durch Ihre fürsorgliche Tätigkeit ge¬
schaffen ist, dann werde ich bitten, nein, wir werden dann bitten, wir, nämlich
Herr BAUDON und ich, da Herr BAUDON an diesen Fragen in gleicher Weise wie
ich selbst interessiert ist, dann werden also wir den Unterrichtsminister um die
Errichtung eines Speziallehrstuhles für Vorgeschichte bitten. Dieser Lehrstuhl soll
dann einem allseitig anerkannten Vorgeschichtsforscher anvertraut werden und die
Vorträge dieses Lehrstuhlinhabers sollen sich nicht nur an die Interessenten, sondern
an alle wenden.
Man darf nicht vergessen, dass die Vorgeschichte, wie schon ihr Name an¬
deutet, nichts mit geschriebenen Urkunden zu tun hat. Erst durch eine lange Reihe
von äusserst klugen Hcrleitungen und scharfsinnigen Erklärungen ist man dazu
gelangt, so weit zurückliegende, teilweise mit den Uranfängen der Menschheit selbst
verschmelzende Zeiten vor unserm Auge zu rekonstruieren.
Meiner Meinung nach würden wir alle einig sein, wenn ich Ihnen gesagt
hätte, dass ich weder eine Verbesserung noch eine neue Vorlage fordere. Einzig
und allein bitte ich die Kammer und den Herrn Unterstaatssekretär ihr Wohlwollen
und ihre Fürsorge diesen wirklich Interesse verdienenden Fragen zuzuwenden.
Den Herrn Unterstaatssekretär bitte ich dringend um geneigte Befolgung meiner
Vorschläge und um Erfüllung der Bitten und Forderungen der Societd prehistorique
de France. (Allgemeine Zustimmung.)
Herr Generalberichterstatter: Jedermann kann nur den Ausführungen
) Sitzungsberichte des Göttinger anthropologischen Vereins. Bericht über die Sitzung vom
24. Kovcmbcr 1907, abgedrudet im Korrcspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie
39. 1908. S. 13. Anm. des Übersetzers.
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Original frorrr
PR1NCET0N UN1VERSITY '
V. Nachrichten.
271
des Herrn PliCHADRE beipflichten unter dem Drucke der Notwendigkeit einer
gleichzeitigen Reform des Unterrichts und der prähistorischen Museen. Unser Herr
Kollege wird mir jedoch die Bemerkung gestatten, dass die Vorgeschichte nicht die
Kunst fördert, sondern nur die allgemeine Bildung. Ein Lehrstuhl für Vorgeschichte
hat mit der Kunst nur eine sehr entfernte Beziehung, und Museen für Vorgeschichte
haben, das werden Sie mir zugeben, ebenfalls nicht minder indirekte Beziehungen
mit der Kunst. Mit diesem Vorbehalt bin ich zur Erklärung bereit, dass man Ihren
Ausführungen notwendigerweise Rechnung tragen und auf diesem Forschungsgebiete
Verbesserungen ausführen muss. Auf keinen Fall darf man jedoch glauben, dass
auf diesem Gebiete noch nie etwas getan sei, ebenso wenig die Männer vergessen,
die sich schon lange der Vorgeschichte widmen, und die Stiftungen, die mit dieser
Aufgabe betraut sind. Z. B. darf man da das Museum für Naturgeschichte nicht
vergessen, an dem der im- prähistorischem Gebiete tüchtigste und in der ganzen
Welt angesehene Professor BOULE lehrt. (Allgemeine Zustimmung.)
Ohne Zweifel kann und muss der Staat wissenschaftliche Lehrstühle, wissen¬
schaftliche und Kunstmuseen schaffen. Man darf ihm jedoch nicht mit der Bitte
kommen, sie auch denen, die sich nur aus Liebhaberei mit ihnen beschäftigen, zu
öffnen. Sie dürfen einzig und allein wahrer Wissenschaft gewidmet sein, wahrhaft
wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen, ähnlichen Arbeiten wie denen
des Professors BOULE, zum Beispiel den erst vor kurzem ausgeführten Grabungen
in der Coröze, die einen besonderen vorgeschichtlichen Menschentypus, der dem
uns bei unseren gegenwärtigen Lebensbedingungen begreiflich erscheinenden weit
vörausgegangen zu sein scheint, ans Tageslicht geschafft haben. Schliesslich darf
man wahrer Wissenschaft nicht schaden durch Begünstigung dessen, was doch weiter
nichts als Lieblingsbeschäftigung ist, und noch dazu eine Lieblingsbeschäftigung, die
durch Privatmittel unterstützt werden kann. (Allgemeine Zustimmung.)
Herr BAUDON: Ich schliesse mich der Bitte meines Freundes Herrn
p£chadre an den Unterstaatssekretär um Gewährung eines Asyls für die Vor¬
geschichtsforscher an und ich spreche als ehemaliger Präsident der Socidtd
prehistorique de France, mit der ich noch immer zusammenarbeite.
Die Vorgeschichtsforscher suchen in der Tiefe der Erde den Ursprung des
Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Sie haben wichtige und hoch¬
interessante Sammlungen zusammengebracht, und diese Sammlungen können jetzt
keinen Schutzort finden. Im Museum von Saint Germain kann man sie nicht auf¬
stellen, da dieses nur für unsere Nationalaltertümer bestimmt ist. Dem Museum
für Naturgeschichte kann man sie aber auch nicht geben, denn dort mangelt es
an Platz. Die dortigen Sammlungen sind ausserdem schlecht geordnet. Ich will
in keiner Weise Herrn BOULE, dessen Bedeutung ich anerkenne und schätze,
einen Vorwurf machen. Was die Sammlungen anbelangt, so kann man sie aus
Mangel an Platz für die Glasschränke nicht aufstellen. Ich kenne Sammlungen,
z. B. die des Herrn Marquis von VIBRAYE, die man nur auf Leitern besichtigen
kann. Unter solchen Umständen ist ihr Studium vollkommen unmöglich.
Der Herr Generalberichterstatter: Die Staatshaushaltskommission
hat 100000 Fr. jährlich mehr für Einrichtungen am Museum für Naturgeschichte
bewilligt, die eine bessere Aufstellung der Sammlungen ermöglichen.
Herr BAUDON: Noch einmal erkenne ich hier die Bedeutung des Herrn
BOULE an, dessen Person mit dieser ganzen Frage nichts zu tun hat. Es ist
vollkommen wahr, dass es gegenwärtig in Paris kein Studienmuseum für Vor¬
geschichte gib!. Privatleute wollen gern Sammlungen stiften und können es
nicht, da sie wissen, dass die wissenschaftliche Aufstellung dieser Sammlungen
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272
V. Nachrichten.
unmöglich ist. Wie mein Freund, Herr P&CHADRE, richtig bemerkte, ist die
Wissenschaft der Vorgeschichte eine hervorragend französische Wissenschaft. Be¬
sonders nach den hervorragenden Entdeckungen von BOUCHER DE PERTHES in
den Alluvialschichten der Somme ist sie durch einen unserer ehemaligen Kollegen
Gabriel de MORTILLET, dessen Namen Sie sicher kennen, geschaffen -worden.
Wir besitzen in Frankreich wunderbare Fundstellen. Die Grotten der Dordogne,
Charente haben ausserordentlich merkwürdige Funde der Vorzeit geliefert. Aber
diese Dokumente stehen nicht einzig da. Die Geschichte der Menschen kann sich
nur auf Vergleiche gründen. Die wichtigsten Fundstätten liegen wohl in Frankreich;
man muss jedoch auch die im Auslande, in Afrika, in Asien und in Amerika ans
Tageslicht gebrachten Funde studieren. Wenn wir die Urgeschichte des Menschen
uns rekonstruieren wollen, dann brauchen wir Material, das solche vergleichenden
Studien zulässt. Ich bitte daher den Herrn Unterstaatssekretär um gute Aufstellung
der Sammlungen, die wie gesagt, von ihren Eigentümern gern dem Staate zum
Geschenk gegeben werden, und ich werde ihn, da wie ich hoffe, bald im grossen
Seminar von Saint Sulpice leere Räume vorhanden sein werden, um Bereitstellung
einiger Räume bitten zur Schaffung eines Museums für vorgeschichtliche Studien,
das gleichzeitig ein Museum für Jedermann sein soll, nicht allein für die Fachleute,
wie der Herr Berichterstatter der Budgetkommission soeben betont hat, sondern
auch für die Öffentlichkeit, und ich werde ihn bitten, den Vorgeschichtsforschern
ein Gebäude anzuweisen, das ihnen eine Aufstellung ihrer Sammlungen erlaubt.
Ich bitte ferner den Herrn Minister um einen Hörsaal für Vorgeschichte, um es
den Gelehrten zu überlassen, diese in allgemein wissenschaftlicher wie auch ganz
besonders in philosophischer Beziehung so wertvolle Wissenschaft zu verbreiten.
(Allgemeine Zustimmung.)
Der Herr Unterstaatssekretärs Unsere Kollegen wissen, mit welchem
Interesse der Unterstaatssekretär in seinem Schutz, ich will nicht sagen die Wissen¬
schaft, denn ich habe nicht die Wissenschaft zu schützen — das ist ja Aufgabe des
Unterrichtsministers — sondern die Kunst genommen hat. Wir begegnen in unsern
Felsenhöhlen Beispielen der künstlerischen Vorstellung der ersten Menschen und
beim Betrachten des Natursinnes, mit dem diese Urmenschen ihre ersten Ein¬
drücke von der Aussenwelt nachgezeichnet haben, geraten wir in Versuchung, diese
Zeichnungen als Modelle für unsere Schule hinzustellen. (Lebhafte Zustimmung.)
Unter diesem Gesichtspunkte befassen wir uns mit der Vorgeschichte. Wir
haben auch eine Pflicht, und zwar die des Aufkaufens des diese herrlichen Fund¬
stellen einschliessenden Geländes. Ich werde nochmals mit dem Herrn Minister
des Unterrichts und der Kunst diese wichtige Frage prüfen. Wenn wir den Sammlern
vorgeschichtlicher Kunst im neuen Luxembourg-Museum einige Säle einräumen
können, werden wir es sehr gern tun. Ich bin jedoch der Ansicht, dass es infolge
des Aufschwunges, den die vorgeschichtliche Wissenschaft genommen hat, unum¬
gänglich ist, im Museum für Naturgeschichte, im Museum von Saint Germain oder
sonst irgendwo ein weitausgedehntes Museum für Vorgeschichte zu schaffen. (Leb¬
hafte Zustimmung.)
Herr Generalberichterstatter: Ich bin folgender Ansicht: Wir empfehlen
Herrn Unterstaatssekretär die Erledigung dieser Vorgeschichtsfragen und bitten ihn,
die nötige Hilfe bei der Ausbreitung der Wissenschaft der Vorgeschichte zu leisten.
Ich bitte ihn jedoch, sich nur an wirkliche Gelehrte zu wenden und sich zu hüten
den Forschungen derer, die sich nur aus Liebhaberei mit der Vorgeschichte be¬
fassen, den Stempel des Staates aufzudrücken.
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PRINCETON.
V. Nachrichten. 273
Herr p£CHADRE: Die letzten Worte des Herrn Generalberichterstatters setzen
mich in Erstaunen; ich habe für eine gerechte Sache gesprochen ....
Herr Generalberichterstatter: Ich habe nur betont, dass man einer¬
seits diejenigen, die wirklich wissenschaftlich arbeiten und die infolgedessen unter¬
stützt werden müssen, und anderseits aber die, welche ohne genügende Vorbildung
in der Meinung sind, grosse Entdeckungen gemacht zu haben, wohl unterscheiden
muss. Vor den letzteren wird sich der Staat in acht nehmen müssen.
Herr BAUDON: Ich will hier nicht darüber sprechen, ob die Vorgeschichte
nur Wissenschaft oder ob sie gleichzeitig auch Kunstwissenschaft ist. Fest steht,
dass man in den Höhlen auch Wunderwerke gefunden hat, die uns die Uranfänge
der Kunst erkennen lassen. Bei der Urgeschichte des Menschen ist beides zu¬
sammen ein Begriff; es ist vollkommen unmöglich, die Urgeschichte auf ihrer ersten
Entwicklungsstufe derartig zu zergliedern.
Ich danke Herrn Unterstaatssekretär für alles, das er zur Erhaltung der vor¬
geschichtlichen Denkmäler getan hat. Er hat die Kommission für die vorgeschicht¬
lichen Denkmäler geschaffen, die uns die Erhaltung und Klassifizierung von 9000
in Frankreich unbekannten vorgeschichtlichen Denkmälern ermöglichen wird. Er
wird gleichfalls die Grotten klassifizieren lassen, damit man die dort aufgefundenen
Skulpturen und Gravierungen, die oft wegen ihrer Zeichnung und Formenreinheit
bewundernswert sind, sammeln und erhalten kann. Die Erfüllung unserer jetzigen
Bitten ist aber dringend notwendig. Die Wissenschaft der Vorgeschichte muss ver¬
breitet werden, und zum Zwecke dieser Verbreitung fordern wir die Schaffung
eines Hörsaales und eines alle Gebiete dieser interessanten Wissenschaft umfassen¬
den Spezialmuseums. (Lebhafte Zustimmung.)
Herr LEFAS: Seit langer Zeit existiert schon ein derartiger Lehrstuhl für
Altertümer an der dcole du Louvre. Dieser Lehrstuhl ist augenblicklich mit dem
Konservator des historischen Museums von Saint Germain, Salomon REINACH, be¬
setzt; sein Vorgänger war Alexandre BERTRAND. Beide Gelehrte scheinen be¬
sonders für das Lehrfach, um das es sich hier handelt, befähigt zu sein.
Herr BAUDON: Es handelt sich eigentlich sozusagen gar nicht um einen
Lehrstuhl. Derartige wichtige Fragen können wir nicht in der Sitzung erledigen.
Herr SEMBAT: Unser Freund Herr BAUDON hat vollkommen der Wahrheit
gemäss geredet. Nicht vor der Kammer können derartige Fragen verhandelt
werden. Jeder Vorbeschluss muss vielmehr vermieden werden. Man darf nicht
sagen: Wir schaffen hier den Lehrstuhl, während im Zusohauerraum schon gehört
wird, dass man ihm dem oder dem Gelehrten geben wird. In dieser Hinsicht
darf nichts bindend sein und hierin stimme ich vollkommen mit Herrn General¬
berichterstatter überein. Tatsächlich gibt es doch auch ausser den Männern, die
sich dem Vorgeschichtsstudium gewidmet haben und denen jedermann Achtung er¬
weist, auch noch junge Leute, die Karriere gemacht haben, die auch Rang und
Würde haben und die auch bekannt geworden sind. Die Rechte dieser müssen
unter allen Umständen gewahrt bleiben. Am Museum von Saint Germain gibt es
Männer, deren Namen ich hier gar nicht nennen will, da sie in der Gelehrtenwelt
guten Klang genug besitzen.
Man muss jedoch verstehen, dass die Kammer ein für allemal darauf ver¬
zichtet hat, irgend jemand auf eine abgetane Weise in ein Amt einzuführen, dass
es selbstverständlich ist, dass, wenn wir erst einen Lehrstuhl für dieses Fach ge¬
schaffen haben, einzig und allein die Verwaltung nach Befragung der Universität
den Inhaber dieses Lehrstuhles bestellen darf. (Lebhafte Zustimmung.)
Herr P&CHADRE: Es wird gut sein, wenn ich hier, um jeden Irrtum zu ver-
Mannus, Bd. II. 18
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PRINCETON UNIVERS1TY
274
V. Nachrichten.
meiden, mich genauer ausspreche. Herr SEMBAT hat soeben die Frage der
Schaffung eines Lehrstuhles verhandelt. Soweit sind wir noch gar nicht. Ich habe
von einer derartigen Schaffung gesprochen als von etwas erst in Aussicht genom¬
menem. Vor der Schaffung eines derartigen Lehrstuhles muss meiner
Ansicht nach erst ein dem Lehrstuhlinhaber zwecks Demonstrationen
zur Verfügung stehendes Spezialmuseum geschaffen werden. Man
muss doch der Reihe nach vorgehen! Wenn erst dies Spezialmuseum geschaffen
ist, dann kann über die Frage der Errichtung eines Lehrstuhles verhandelt werden.
Augenblicklich bleibt unsere Debatte noch zwecklos. Bilden Sie, Herr Unterstaats¬
sekretär, bitte zuerst im Seminar von Sulpice oder anderswo die Studiensammlung,
von der ich soeben gesprochen habe, dann werden wir uns mit der Errichtung
eines Lehrstuhles, dessen Bedürfnis sehr lebhaft empfunden wird, zu beschäftigen
haben. (Allgemeine, lebhafte Zustimmung.)
* *
»
Diese letzten Bemerkungen des Herrn PfeCHADRE treffen den Nagel auf
den Kopf. Wie in Frankreich, so könnte auch anderwärts die Regierung es sich
gesagt sein lassen, dass zu einem Lehrstuhl für Vorgeschichte unbedingt ein grosses
Lehrmuseum gehört, über das der Inhaber des Lehrstuhles frei verfügen muss.
Statt dessen zieht man es in Preussen vor, beide Ämter, dieses Lehrfach und die
Museumsverwaltung, in gegensätzliche Stellung zueinander zu bringen, vor allem da¬
durch, dass man es fertig bekommen hat, an die Spitze des grössten Museums
eitlen Mann zu stellen, dem vor der Berufung die Vorgeschichte ein fremdes Ge¬
biet war, und der in den zwei Jahren seiner neuen Tätigkeit gezeigt hat, dass kaum
Hoffnung besteht, er werde auf dem Gebiete jemals zu einem Kenner werden.
G. K.
Unser Mitglied O. HAUSER hat, wie im vorigen Jahre, so auch jetzt unsere
Gesellschaft nach Les Eyzies eingeladen zum Besuch seines Ausgrabungsgebietes,
das in den verschiedenen Tälern der Dordogne jetzt an 30 Niederlassungen aus
paläolithischer Zeit aufweist, die leicht zugänglich gemacht worden sind durch Ein¬
stellung eines Automobils. Zu den bisher hier erschlossenen Kulturstufen vom
Acheuleen bis Magdalenien gesellt sich nunmehr als älteste eine Schicht mit dem
RUTOTschen Strdpyien. Sein kleines Museum hat HAUSER vergrössert. Inter¬
essenten erteilt er gern jede nähere Auskunft.
«. «
Todesfälle.
Am 17. Dezember 1909 starb zu Wien nach langem Leiden Regierungsrat
Dr. Matthäus MUCH, der bekannte, hochgeschätzte Altmeister der österreichischen
Vorgeschichtsforschung, geboren am 10. Oktober 1832 zu Göpfritz in Niederösterreich.
Ursprünglich Jurist und im Staatsdienst wurde er 1858 durch den Übergang einer
Wiener Zitherfabrik in seinen Besitz genötigt, Geschäftsmann zu werden. Als
solcher leistete er Vorzügliches und sah sich zugleich in die Möglichkeit versetzt,
in eindringender Weise vaterländischen Studien auf germanistischem, bald auch auf
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PBfWC ETCJR'TJfff
V. Nachrichten.
275
vorgeschichtlich archäologischem Gebiete nachzugehen. Auf seine germanistischen
Anfänge sah er selbst später als gereifter Forscher wie auf dilettantische Versuche
herab und doch glückte ihm schon damals mancher gute Funds so, wenn er lange
vor MERINGER und RAUTENBERG unser ‘Wand’ mit gotisch ‘vandus’ = „Rute*
gleichsetzte und so auf das geflochtene’ Haus kam. Vor allem waren es die ur¬
alten Erdbefestigungen und vorgeschichtlichen Ansiedlungen in Niederösterreich,
denen er seine Untersuchungen wid¬
mete und die ihn andauernd, bis
an sein Lebensende hin, zu Publi¬
kationen veranlassten.
Ein zweites Gebiet seiner
Forschung waren die österreichischen
Pfahlbauten, namentlich die des
Mondsees, deren Reste er seit 1872
Jahrzehnte lang mit verbesserten
Methoden in so gründlicher Sorg¬
falt ans Tageslicht brachte, dass ihm
die Bergung zahlreicher Holzgeräte,
Speisereste, Getreidemengen u. a.
glückte, was den Erforschern der
anderen österreichischen Pfahlbauten
nicht gelungen war. Eine vortreff¬
liche Stütze war ihm hierbei sein
Sohn Rudolf, jetzt Universitätspro¬
fessor in Wien, unser Mitglied.
Diese wichtigen und reichen Funde,
insonderheit die Kupfergeräte, ver¬
anlassten ihn, der Frage des vor¬
geschichtlichen Kupferbergbaus und
einer vor der Bronzezeit liegenden,
besonderen Kupferperiode sein an¬
dauerndes Interesse zuzuwenden,
aus dem dann sein erstes und wohl bleibend wichtigstes Werk entstand: „Die Kupfer¬
zeit in Europa und ihr Verhältnis zur Kultur der Indogermanen“ (Wien 1886,
* Jena 1893). Unbestritten bleibt sein Verdienst hier als einer der ersten klarer
gesehen und diesen neuen Erkenntnissen und Anschauungen durch treffliche Dar¬
stellung wenigstens in der Hauptsache zum Siege verholfen zu haben. Es war ein
Genuss, diesem Forscher zu lauschen und ihm zu folgen, als er 1905 im Anschluss
an die Wiener Tagung die Anthropologen in beneidenswerter Frische zu dem auf
der Mitterbergalp gelegenen, von ihm so oft untersuchten, vorgeschichtlichen Kupfer¬
bergwerk führte. Im Sommer 1908 begann er von neuem auf dem Mitterberge zu
graben und noch wenige Monate vor seinem Tode überdachte er auf dem Kranken¬
bette neue Ausgrabungen an jener geliebten Stätte.
An dritter Stelle untersuchte er die niederösterreichischen Hügelgräber und
förderte dabei eine überraschende Menge herrlicher Fundstücke, die einen Glanz¬
punkt seiner ohnehin auf allen Gebieten grossartigen Sammlung zur Vorgeschichte
Österreichs bilden, einer Sammlung von einem Umfange und einer Bedeutung, der
sich m. W. keine andere eines Privatmannes entfernt an die Seite stellen kann,
Wer diese Sammlung in der Penzingerstrasse studiert hat, wird den Eindruck mit¬
genommen haben, als habe er ein unter peinlichster Aufsicht stehendes Staats¬
museum besichtigt. 18 *
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PRINCETON UNIVERS1TY
276
V. Nachrichten.
Den in dem Werke über die Kupferzeit nur angedeuteten Zusammenhang
dieser Epoche mit der Zeit der Ausbreitung der Indogermanen verfolgte er nach
allen Seiten weiter in seinem Buch „Die Heimat der Indogermanen im Lichte der
vorgeschichtlichen Forschung“ (Jena 1901, 1 1904). Hier schieden sich unsere Wege,
wobei — wenn ich von allem Persönlichen absehe — die Methode seiner Forschung
mein Hauptanstoss war. MUCH untersuchte nicht die einzelnen Kulturen Europas
als Ganzes und im Einzelnen, um sie dann zu vergleichen, ihr Abhängigkeits¬
verhältnis klarzulegen und daraus den Gang der Ausbreitung der Indogermanen
abzulesen, sondern sah von vornherein fast ganz Europa als indogermanisch an und
wollte dies nachweisen, indem er den Stoff weder chronologisch, noch räumlich,
sondern nach Kategorien einteilte. In der zweiten Auflage des Werkes besserte
und vermehrte er die Darstellung wohl in Einzelheiten, die ich angegriffen hatte,
er vermied es aber — und das war eine Schwäche seines wissenschaftlichen Cha¬
rakters — auch nur die leiseste Spur einer Kenntnis meiner gegen ihn erhobenen
und jetzt allgemein als zutreffend anerkannten methodischen Forderungen zu zeigen.
— Vortrefflich war dann aber wieder sein letztes Werk „Trugspiegelung orienta¬
lischer Kultur in den vorgeschichtlichen Zeitaltern Mittel- und Nordeuropas“ (Jena 1903),
worin er den völlig verstiegenen Ideen Sophus MÜLLER’s über die Abhängigkeit
unserer Gebiete vom Süden und Südosten und der infolge hiervon durch MÜLLER
geradezu ins Ungeheuerliche verzerrten Chronologie der Vorgeschichte Europas mit
Entschiedenheit und Glück entgegentrat.
Zuletzt sei noch der unermüdlichen Arbeit gedacht, die MUCH seit 1877 in
der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale leistete, wobei
als Früchte zugleich die Wandtafel „Vor-, und frühgeschichtliche Altertümer aus
Österreich-Ungarn“ (Wien 1894) und vor allem der für jeden Forscher unentbehrliche
„Kunsthistorische Atlas“ Bd. I (Wien 1889) reiften.
MUCH war ein durch und durch nationaler Mann, ohne dass er diese Seite
seines Charakters irgendwie in den Vordergrund schob. Seine von vaterländischem
Hauch durchwehten Ansprachen auf den Versammlungen der Deutschen anthropo¬
logischen Gesellschaft werden jedem unvergesslich sein, der sie mit anzuhören die
Freude hatte.
Ehre dem Andenken dieses deutschen Mannes und dieses Forschers.
Am 4. Februar d. J. verschied nach kaum dreitägiger Krankheit an leichter
Lungenentzündung nebst zutretender Herzschwäche unser Mitglied Professor Dr.
Hermann GRÖSSLER zu Eisleben, wo er seit 40 Jahren gewohnt und gewirkt
hatte, in noch nicht vollendetem 70. Lebensjahre. — Dieser Verlust berührt unsere
Gesellschaft schwer, denn einmal ist mit GRÖSSLER einer jener 63 Männer dahin¬
gegangen, die ich 1908 in meinem Aufruf zur Gründung unserer Gesellschaft als
erstangeschlossene mitbegründende Mitglieder aufführen konnte, und dann hoffte
ich gerade von ihm erfolgreiche Mitwirkung bei unserer Erfurter Tagung. Nahm er
doch in Nordthüringen als arbeitender Mittelpunkt dieselbe führende Stellung ein,
wie unser Mitglied Geheimrat ZSCHIESCHE seit Jahrzehnten und hoffentlich noch
für lange in Südthüringen. Noch kurz vor seinem Tode war seine, in der Stoff¬
sammlung wieder ungemein reiche, dabei kenntnisreiche und förderliche Schrift über
die Glockenbecher Thüringens erschienen. Ich konnte ihn im Januar noch
auf einige Lücken aufmerksam machen und sofort war er entschlossen, dem Werke
einen Nachtrag folgen zu lassen, eine Aufgabe, die nunmehr anderen Kräften zufällt.
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PRINCETOW UNIVERSi
V. Nachrichten.
277
GRÖSSLER, geboren am 2. April 1840 zu Naumburg a. d. Saale, promovierte
1870 zu Jena und wirkte von 1871—1905 am Gymnasium zu Eisleben. Von Hause
aus Geschichtsforscher hatte er die Erforschung der Geschichte seiner Heimatprovinz
und darin besonders die des Mansfelder Landes zu seiner Lebensarbeit erkoren und
eine schier unübersehbare Fülle von Beiträgen in allen geschichtlichen Zeitschriften
des thüringisch'Sächsischen Gebietes, ebenso auch Einzelschritten hierüber sind Zeug¬
nisse seiner Gelehrtenarbeit. Daneben
noch die Vorgeschichte zu treiben hatte
er erst vor etwa 12 Jahren begonnen, zu¬
nächst durch eifrige, wissenschaftlich zu¬
verlässige Ausgrabungen, dann auch in
umfangreichen Veröffentlichungen aus
seinem Arbeitsgebiete. Seit seiner Pen¬
sionierung (1905) nahm die Vorgeschichts¬
forschung sogar weitaus die erste Stelle
in seinen Betätigungen ein. Er wurde
immer mehr auch auf diesem Gebiete
Fachmann und gleichzeitig begünstigte
ihn das Glück, indem ihm vergönnt war,
das in Fachkreisen ganz Europas schnell
berühmt gewordene „Fürstengrab“ im
Gr. Galgenberg bei Helmsdorf aus der
Frühperiode der Bronzezeit, mit seinem
Holzsarg in Form eines Dachhauses und
dem prachtvollen Goldschmuck, in aus¬
gezeichneter Weise auszugraben und zu
beschreiben (1907). Sein Mansfelder
Gebiet ist ja für die jungneolithischen und
altbronzezeitlichen Kulturperioden viel¬
leicht das ergiebigste in ganz Europa und erfordert wegen der durch den Bergbau ver-
anlassten anhaltend starken Erdbewegungen geradezu die dauernde Anwesenheit
eines besonderen Konservators für Vorgeschichte. Diesen Posten der Überwachung
des Geländes versah GRÖSSLER ohne Entgelt mit einer rastlosen Liebe und einem
Feuereifer, dass er rasch alle thüringischen Forscher überflügelte und an ihre Spitze
trat, sowohl in der Spatenforschung (wobei er an unserm Mitgliede Herrn Rent¬
meister KUNTZE in Burgscheidungen einen erfahrenen und verständnisvollen Helfer
fand), als in rascher und geschickter, dabei sorgsam fleissiger Veröffentlichung seiner
Ergebnisse. Nehmen wir nur seine grösseren Publikationen
1. Vorgeschichtliche Gräber und Funde im Amtsbezirk Burgscheidungen
a. d. Unstrut, Kr. Querfurt:
a) Mitteilungen des Provinzial-Museums zu Halle a. S. II. 70—104, 1900.
b) Jahresschrift I. 1902, S. 88—115.
c) „ III. 1904. S. 107-128.
2. Geschlossene vorgeschichtliche Funde aus den Kreisen Mansfeld, Querfurt,
Sangershausen:
a) Jahresschrift I. 1902, S. 125—244.
b) „ III. 1904, S. 97-106.
3. Das Fürstengrab im Grossen Galgenhügel am Paulsschachte bei Helmsdorf
(Mans. Seekreis):
Jahresschrift VI. 1907, 1- 87.
Prof. Dr. Hermann Grössler
2. 4. 1840 - 4. 2 1910.
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PRtNCETON UNIVERSITY
278
V. Nachrichten.
4. Vorgeschichtliche Funde aus der jüngeren Steinzeit vom Hüttenberg . . . .
unweit Gn örner, (Mansf. Gebirgskreis):
Jahresschrift VII. 1908, 95-134.
5. Die Tongefässe der Glockenbecherkultur und ihre Verbreitung in Thüringens
Jahresschrift VIII. 1909, 1-86,
sowie einige kleinere aus den von ihm 1887 geschaffenen und geleiteten „Mans-
felder Blättern“ hinzu, so hat er allein auf dem Gebiete der Vorgeschichte in neun¬
jähriger Tätigkeit an 500—600 Druckseiten veröffentlicht.
Seine letzte Schrift, die erst nach seinem Tode erschien, war das diesjährige,
34. Neujahrsblatt der Hallischen Historischen Kommission „Vom Einzelhof bis zum
Stadtkreis“. Als Mitglied und seit 1893 als zweiter Vorsitzender dieser Kommission
gehörte er auch dem Verwaltungsausschuss des Hallischen Provinzialmuseums an.
Trotz seiner wissenschaftlichen Erfolge gelang es ihm nicht, bei der Stadtver¬
waltung in Eisleben irgend welche nennenswerte Unterstützung durchzusetzen, um
die wertvollen Fundstücke des Landes, die in den beiden Lutherhäusern der Stadt
Eisleben eine ganz kümmerliche Unterkunft gefunden haben, in einem würdigen
oder auch nur anständigen Museumsbau in wissenschaftlich zureichender Weise dem
Publikum und den Gelehrten zur Anschauung zu bringen. So ist das Werk dieses
Mannes trotz aller Hingabe unvollendet geblieben; sein Tod hat in den wissenschaft¬
lichen Betrieb seines Heimatlandes eine klaffende Lücke gerissen, die zunächst
sicher unäusgefüllt bleiben wird. Sein Wirken aber wird unvergessen bleiben.
Am 2. Februar d. J. starb zu Berlin der Anatom Universitäts-Professor Geh,
Medizinalrat Dr. med. et phil. Wilhelm KRAUSE, in unseren Kreisen bekannt durch
seine Abhandlung „Über den niedersächsischen Schädeltypus“ in der Schrift von
I. H. MÜLLER „Die Reihengräber zu Rosdorf“ bei Göttingen (Hannover 1878) und
andere Schriften derselben Gattung.
Am 23. Februar d. J. starb unser Mitglied Rittergutsbesitzer P. R. CREDNER
in Grossgörschen bei Merseburg; ebenso haben wir den Tod unseres Mitgliedes
Hans von ADELSON, Direktors der Union in Berlin, zu beklagen.
Am 25. Februar d. J. verschied infolge von Magenblutung unser Mitglied
Medizinalrat Dr. August HEDINGER in Stuttgart, ein auf dem Gebiete der Anthropo¬
logie und namentlich der Vorgeschichte überaus eifriger Forscher, der von 1896 bis
1904 den Vorsitz im Württembergischen Anthropologischen Verein führte und als
solcher in Vorträgen aus den verschiedensten Gebieten der Vorgeschichte, meist mit
weiten Perspektiven, in seinem Heimatland sehr anregend gewirkt hat. Mehrfach
hat er auch Ausgrabungen unternommen, so in Hügelgräbern der Schwäbischen Alp
und Tirols, über die er auch Berichte verfasst hat. Ausser grösseren Abhandlungen,
die meist im Archiv für Anthropologie erschienen sind, sei als selbständige Schrift
genannt „Die vorgeschichtlichenBernstetnartefakte und ihre Herkunft“ (Strassburg 1903),
worin er die bisher anstandslos anerkannte Helm’sche Methode der chemischen
Untersuchung des Bernsteins auf Säure hin und die Schlüsse auf nordische Herkunft
der durch ein gewisses Mass von Bernsteinsäure gekennzeichneten Artefakte angriff,
ohne jedoch Klarheit in diese Fragen bringen zu können.
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PRINCETON UNIVER:
V. Nachrichten.
279
Am 23. März d. J. starb der belgische Anthropologe Jullien FRAIPONT, der
sich einen berühmten Namen gemacht hat durch seine ausgezeichnete Untersuchung
der Skelette von Spy, worin er trotz R. VIRCHOW’s einflussreicher, aber schädlicher
Autorität den rassenhaften Charakter der neandertaloiden Eigenschaften glänzend
erwies.
Nachträglich sei noch dem bereits am 15. November 1909, leider viel zu jung
gestorbenen, ausgezeichneten, gedankenreichen, schwedischen Forscher Knut STJERNA,
Dozent für Vorgeschichte an der Universität Upsala, ein Nachruf gewidmet. Geboren
am 14. März 1874 zu Malmö, studierte er in Lund Geschichte und Kunstgeschichte
und fand bei der Vertiefung in die Probleme des Beowulfepos durch Heran¬
ziehung von Vedels grossem Werk über die Vorgeschichte Bornholms die Brücke
zur Vorgeschichte, der er sich nun ganz widmete, wobei jedoch Beowulf wie auch
Bornholm weiter im Mittelpunkt seiner Forschung blieben. Den Wechsel von zu-
und abnehmender, ja völlig fehlender Bevölkerung auf dieser Insel seit 700 vor Chr.
bis zum Ende der heidnischen Zeit stellte er in seiner trefflichen Doktorarbeit
B Bidrag tili Bornholms Befolkningshistoria“ (1905) dar, worin er ganz in meiner
Weise, aber bei der Beschränkung auf ein kleinstes Gebiet zugleich in entsprechend
genauester Kleinforschung ethnologische Vorgeschichte und Besiedelungsgeschichte
trieb, mit dem einen Hauptergebnis, dass die Insel von 300 nach Chr. ab völlig
verödet und erst um 550 wieder neu besiedelt wird und zwar vom östlichen Schweden
aus. Äusserst wertvoll sind dann die archäologischen Untersuchungen zu Beowulf,
die nur die Zeit des sechsten Jahrhunderts nach Christus als Datierungsmöglichkeit
für den Inhalt des Epos offen lassen: Helme und Schwerter 1903; der Drachen¬
schatz 1906; Skölds Hintritt 1905 (behandelt Bootbestattungen = Charonsfahrten);
Bodenaitertümer 1908 (behandelt männliche Doppelgräber von Brüdern oder Milch¬
brüdern); Moorfunde und Walhall 1906 (Moorfunde nicht Weihgaben an Götter,
sondern an die Geister der Erschlagenen); Schweden und Gauten 1905. Diese
letzte bedeutende Abhandlung zeigt, wie die Gauten, die sich an der germanischen
Völkerwanderung stark beteiligten, so zahlreich nach Mitteleuropa abwanderten, dass
die geschwächten Reste des Volkes dem Ansturm der nördlichen Schweden nicht
mehr gewachsen waren und in Öster-Götland und Öland während des fünften Jahr¬
hunderts von jenen unterjocht wurden. So erklärt sich der plötzliche Abbruch des
Goldzustroms aus Byzanz nach Öland um 500, während er nach Bornholm und
Gotland bis um 550 andauert, ein Zeichen, dass dort erst 50 Jahre später die
Schwedenherrschaft einsetzt, was ja schon die Untersuchung über Bornholm gezeigt
hatte. Die Bevölkerungsgeschichte Ölands zu schreiben war eine Aufgabe, der
STJERNA demnächst sich widmen wollte: dazu ist er leider nicht mehr gekommen.
Das alles hatte er unter drückendsten Verhältnissen in einer Doppelstellung als
Landesarchiv-Assistent zu Lund und gleichzeitig als Journalist zu Malmö geschaffen.
Archäologische Reisen durch ganz Europa kamen zu alledem dazu. Erst 1906 wurde
er, nachdem Almgren seine privaten Vorlesungen in Upsala aufgegeben hatte, als
festangestellter Dozent für Vorgeschichte an die dortige Universität berufen. Er
hat dort eine hervorragende Tätigkeit entwickelt und seinen Schülern äusserst
nachhaltige Anregungen mitgegeben. Ein schon länger drohendes Herzleiden be¬
endete dann im November 1909 ganz plötzlich dieses arbeits- und erfolgreiche
Gelehrtenleben, das noch zahlreichste Früchte wissenschaftlicher Erkenntnis reifen
zu lassen versprochen hatte. Gustaf Kossinna.
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PRINCETON UNIVERS1TY
280
V. Nachrichten.
Ernennungen.
Unser Dritter Vorsitzender Provinzialkonservator und Direktor des Provinzial¬
museums Dr. J. REIMERS in Hannover ist am 1. April in den Ruhestand getreten
und nach Charlottenburg übergesiedelt. Wir wünschen dem verehrten Mitarbeiter und
Gönner unserer Gesellschaft einen langewährenden gesegneten Lebensabend und
hoffen fernerhin auf seine erprobte Hilfe in Rat und Tat. — An seine Stelle ist
der bisherige Direktor des Landesmuseums in Münster (Westfalen), Dr. BRÜNING,
nach Hannover berufen worden.
Unser Schriftführer Privatdozent für Geologie Dr. WÜST in Halle ist zum
ausserordentlichen Professor an der Universität zu Kiel ernannt worden.
Unser Ausschussmitglied Dr. Hans HAHNE, Privatdozent für vorgeschichtliche
Archäologie an der Kgl Technischen Hochschule zu Hannover, der seit 1907 als
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am dortigen Provinzialmuseum tätig war, ist am
1. April d. J. zum Direktorialassistent an diesem Museum ernannt und mit der
Leitung der vorgeschichtlichen und ethnographischen Sammlungen betraut worden.
Unser Mitglied, der Konservator am Nationalmuseum in Stockholm, Dr. Oskar
ALMGREN, ist als etatsmässiger Dozent für vorgeschichtliche Archäologie an die Uni¬
versität Upsala gegangen, wo er die durch den Tod von Dr. Knut STJERNA (s.
oben S. 279) entstandene Lücke ausfüllt.
Unser Ausschussmitglied Professor Dr. OHNESORGE in Lübeck hat sich
wegen andauernder Kränklichkeit genötigt gesehen, sein Ehrenamt niederzulegen;
an seine Stelle ist unser rühriger Mitarbeiter Adam GÜNTHER, Vorstand des
städtischen Tiefbauamts in Koblenz, getreten.
Mit Beginn dieses Jahres hat das Amt als unser 1. Schriftführer der städtische
Bibliothekar Dr. Gustav ALBRECHT in Charlottenburg, Wallstr. 52 übernommen. —
Unser Schatzmeister Dr. O. BORDES wohnt jetzt Berlin W., Nürnbergerstr. Nr. 8..
Unsere Gesellschaft ist in das Jahr t910 mit 333 Mitgliedern hinein¬
gesteuert und hat si<h seitdem langsam, aber andauernd vermehrt, so dass wir
jetzt 850 Mitglieder zählen, darunter 50 Institute und Vereine, in folgender land¬
schaftlicher Verteilung:
Mitglieder, davon Institute oder Vereine
Berlin.
. 70 .
... —
Norddeutschland östlich der Elbe 65 .
... 9
Nordwestdeutschland ....
. 74 .
... 17
Sachsen-Thüringen ....
. 64 .
... 11
Süddeutschland.
. 32 .
... 5
Österreich-Ungarn.
. 21 .
... 3
Schweiz.
. 3 .
... 1
Skandinavien . . . . . .
. 9 .
... 2
Finnland.. .
. 4 .
... 1
Belgien.
. 2 .
... —
Frankreich.
. 4 .
... 1
Spanien.
. 1 •
... —
China.
. 1 .
... —
350
50
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PR1NCETON UNIVERSUM ' '
V. Nachrichten.
281
Tagungen.
21.—27. August! 6. Congrös pröhistorique de France in Tours (Indre et Loire).
7.—8. September: Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts-
und Altertumsvereine in Posen.
18.—24. September! 82. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in
Königsberg i. Pr.
29.—30. September! 11. Tag für Denkmalpflege in Danzig.
Zweite Tagung für Vorgeschichte.
Erfurt, 31. Juli — 3. August 1910.
Die diesjährige zweite Hauptversammlung der deutschen Gesell¬
schaft für Vorgeschichte wird in Erfurt stattfinden, nachdem von dort im
Einvernehmen mit dem Magistrat eine Einladung seitens des Vereins für die Geschichte
und Altertumskunde von Erfurt und der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften
daselbst ergangen ist.
Das Bureau befindet sich in den für die Tagung freundlichst zur Verfügung
gestellten Räumen der Gesellschaft Ressource (Klostergang), und ist vom
31. Juli nachmittags 4 Uhr an geöffnet. In der Ressource finden auch die Vorstands¬
und Ausschussitzungen, die Begrüssung am 31. Juli abends, die wissenschaftlichen
Vorträge, die gemeinschaftlichen Mittagsmahlzeiten und der Bierabend der Stadt
Erfurt statt.
Als Beitrag zu den Unkosten werden von jedem Teilnehmer an der Ver¬
sammlung 5 Mark, für eine Damenkarte und eine Studentenkarte 2 Mark erhoben.
Für die Beteiligung an den gemeinschaftlichen Mahlzeiten, den Ausflügen und dem
Bierabend liegen im Bureau Listen auf. Wegen der nötigen Vorbereitungen ist
vorherige Einzeichnung unbedingt notwendig
Gasthöfe ! Erfurter Hof (Zimmer von 2,50M. an): Silber (Zimmer
von 2,50 M.), beide dicht am Bahnhof; Europäischer Hof, Casinostr.
(Zimmer von 2,50 M.); Centralhotel, Bahnhofstr. (Zimmer von 2,00 M.)j
ebenso in den nachstehenden Hotels: Ri11er, Johannesstr.; Weisses Ross,
Krämpferstr.; PreussischerHof, Trommsdorffstr.; nahe der Post; Park-
hotel, Epinaystr.; Reichshof, Bahnhofstr. — Wegen des regen Fremden¬
verkehrs im Sommer ist vorherige Bestellung der Zimmer geboten.
Die Teilnehmer werden gebeten, sich direkt mit den Hotels in Verbindung
zu setzen.
Der Ortsausschuss. Der Vorstand der Gesellschaft.
Prof. Dr. Biereye,
Direktor des Königl. Gymnasiums.
Gensei, Dr. Overmann, Schröer,
Stadtrat. Stadtarchivar. Justizrat
Prof. Dr. Stange, Teichfischer,
Stadt Bibliothekar. Kaufmann.
Dr. Zschiesche,
Geh. San.'Rat
Universitätsprofessor Dr. G. Kossinna,
1. Vorsitzender.
Stadt. Bibliothekar Dr. G. Albrecht,
1. Schriftführer.
Dr. O. Bordes,
Schatzmeister.
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PRINCETON UNIVERS1TY
282
V. Nachrichten.
Tagungsplan.
Sonnabend, den 30. Juli* Vortagung in Magdeburg.
Nachmittag 4 V* Uhr: Besichtigung der von Dr. HAHNE neugeordneten vor¬
geschichtlichen Abteilung des städtischen Museums für Natur- und
Heimatkunde (Domplatz 5). Führung: Dr. HAHNE. — Darauf Spazier¬
gang in der Stadt. —
Abends: Gemeinsames Abendessen (kalt) in der Klause des Künstlervereins.
Sonntag, den 31. Juli.
Nachm. 5 Uhr: Vorstands- und Ausschusssitzung in der Ressource in Erfurt
(Klostergang).
Abends 8 Uhr: Begrüssung und geselliges Beisammensein ebendort.
Montag, den 1. August.
Vorm. 9 Uhr: Eröffnungsvortrag des 1. Vorsitzenden Univ.-Professor Dr. G.
Kossinna. — Begrüssungsreden.
Vorm. 11—11V* Uhr: Frühstückspause.
Vorm. 1t 1 /* —2 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Nachm. 2—3 l /i Uhr: Gemeinschaftliches einfaches Mittagessen.
Nachm. 3 1 /*—5■/« Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Nachm. 6 ai Abfahrt mit der Eisenbahn nach Bischleben (Fahrzeit 8 Minuten;
Doppelkarte Erfurt—Bischleben). — Besuch der Burg (vorgeschichtliche
Befestigung) bei Möbisberg (15—20 Min. Weg), dann gemeinschaftliches
Beisammensein im Gasthof »Zur Forelle“ in Möbisberg. Rückfahrt
nach Erfurt von Bischleben 10**.
Dienstag, den 2. August.
Vorm. 8 Uhr: Geschäftssitzung. Jahresbericht des Vorstandes, Bericht des
Schatzmeisters und dessen Entlastung. — Antrag des Schatzmeisters auf
Satzungsänderung: Erhöhung des Jahresbeitrags der Mitglieder.
Vorm. 9 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Vorm. 11—11 Vt Uhr: Frühstückspause.
Vorm. 11 */*—1V* Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Nachm. 17i—3 Uhr: Gemeinschaftliches einfaches Mittagessen.
Nachm. 3—5 Uhr: Wissenschaftliche Vorträge.
Von 5 Uhr ab: Rundgang durch die Stadt (Führung: Prof. Dr. Biereye
und Dr. Overmann) und Besuch des Städt. Museums usw. (Führung:
Dr. Zschiesche).
Abends 8 Uhr pünktlich: Bierabend der Stadt Erfurt in der Ressource (die
ersten vier Reden sind vergeben).
Wissenschaftliche Vorträge.
1. Eröffnungsvortrag des Ersten Vorsitzenden Univ.-Prof. Dr. G. KOSSINNA (Ber¬
lin) : Die Frau in derVorgeschichteMitteleuropas (mit Lichtbildern).
2. Zweiter Vorsitzender Geheimrat Univ.-Professor Dr. A. BEZZENBERGER
(Königsberg i. Pr.): Ältere und jüngere Steinzeit in Ostpreussen.
3. Schriftführer Generaloberarzt Dr. G. WILKE (Chemnitz): Thema Vorbehalten.
4. Ausschussmitglied Oberbautechniker GÜNTHER (Koblenz): Die Bronzezeit
im Neuwieder Becken (mit Demonstrationen).
5. Ausschussmitglied Privatdozent Direktorialassistent Dr. H. HAHNE (Hannover) s
Die Moorleichen der Provinz Hannover (mit Lichtbildern).
6. Ausschussmitglied Dr. Rob. R. SCHMIDT (Tübingen): Das Altpaiäolithikum
Deutschlands und seine Parallelen mit Westeuropa.
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■PRINCETON U N\V
V. Nachrichten.
283
7. Paul BERGER (Merseburg): Demonstrationen interessanter Fundstüdce seiner
Sammlung.
8. Univ.-Prof. Dr. FLEISCHER (Berlin): DieStellung Inner-Kleinasiens
zu den Indogermanen um das Jahr 1000 v. Chr.
9. Prof. Dr. PFAU (Rochlitz): Feuersteinwerkstätten aus der Roch-
litzer Gegend (mit Demonstrationen).
10. Emst WAHLE (Delitzsch): Ein Fall von Skelettbestattung und ein
neolithisches Totenopfer aus dem Mansfeldischen (mit Demon¬
strationen).
11. Geheimrat Dr. ZSCHIESCHE (Erfurt): Vorgeschichte von Erfurt;
Demonstration seiner vorgeschichtlichen Sammlung.
Mittwoch, den 3* August.
Ausflug. Abfahrt von Erfurt nach Weimar vorm. 8 13 Uhr, (Fahrkarte
Erfurt—Hetschburg).
Erste Gruppe: Besichtigung des Steinbruchs in Ehringsdorf (paläo-
lithische Fundstätte). —
Zweite Gruppe: Besuch des Städt. Museums unter Führung des
Herrn Kustos A. MÜLLER. — Punkt 12 Uhr: Gemeinschaftliches ein¬
faches Mittagessen im Hotel „Kaiserin Augusta*, dicht am Bahnhof.
Nachm. I 10 Uhr: Weiterfahrt nach Hetschburg vom Thüringer Bahn¬
hof aus. Besuch des Schlackenwalles auf der Martinskirche,
event. auch der Buchfartsburg bei Buchfart. Gemeinschaftliches
Zusammensein in Buchfart oder Hetschburg. Rückfahrt von Hetschburg 8 46 .
Etwaige Änderungen in dem Programm werden in dem Bureau durch An¬
schlag bekannt gemacht.
Donnerstag, den 4. August bis Sonntag, den 7. August.
Viertägiger Ausflug nach den vorgeschichtlichen Burgen des Feldatals
und der Steinsburg (Kleiner Gleichberg) bei Römhild.
Anmeldungen an Herrn Geheimen Sanitätsrat Dr. ZSCHIESCHE in Erfurt, Walk¬
mühlstrasse. Abschluss der Teilnehmerliste am 1. August abends.
Donnerstag, den 4. August.
Abfahrt von Erfurt 7 66 Uhr früh mit der Eisenbahn nach Vacha, Ankunft
dort 11 14 mittags, Mittagessen im Gasthof „Zum Adler“ in Vacha. —
Besteigung des *öchsen (630 m — 1 V* Stunde) und Besichtigung der
vorgeschichtlichen Wälle (2 Stunden). Rundblick vom Aussichtsturm
auf die Rhön. — Vesper in Völkershausen. — Abstieg nach Dietlas
(1 Stunde). Abfahrt von Dietlas 9 Uhr abends mit der Eisenbahn nach
Dermbach, Ankunft dort 9 61 Uhr abends. — Nachtquartier in Derm¬
bach im Hotel Sächsischer Hof..
Freitag, den 5. August.
Vorm. 7*/* Uhr: Besteigung des *Beyer (710 m — 1 */j Stunde). Besich¬
tigung der Wälle, Ackerterrassen, Wohnpodien und Hügelgräber (2 1 /* Stunde).
— Abstieg nach Dermbach (1 Stunde). Mittagessen in Dermbach; darauf
Besichtigung der Sammlung des Herrn Apotheker KELLER.
Nachm. 4 49 Abfahrt von Dermbach mit der Eisenbahn nach Kaltennord¬
heim, Ankunft dort 5 29 nachm. — *Wagenfahrt über den Stellberg
nach Fladungen. Bei rechtzeitiger Ankunft in ^Fladungen Besichtigung
der mittelalterlichen Ringmauer.
Nachtquartier in Fladungen im Hdtel „Zur Post“.
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PRINCETON UNIVERS1TY
284
V. Nachrichten.
Sonnabend, den 6. August.
Vorm. 7*° Uhr: Abfahrt von Fladungen mit der Eisenbahn über Mellrichstadt—
Rentwertshausen nach Römhild, Ankunft dort IO* 5 vorm.
Besichtigung der BONSACK’schen Sammlung von Steinsburgfunden, der
Kirche mit einem Bronzeguss des Peter Vischer und verschiedener alter
Bauten. — Mittagessen in Römhild. —
Nachmittags: Wanderung über die Alteburg (Wallburg) und gegebenen¬
falls den Grossen Gleichberg (Ringwall) nach dem Wald haus
(2 bezw. 4 Stunden).
Nachtquartier im Waldhaus Waidmannsruh.
Sonntag, den 7. August.
Vormittags: Besichtigung der *Stelnsburg auf dem Kleinen Gleichberg
in Gemeinschaft mit dem Hennebergischen Altertumsforschenden Verein
aus Meiningen.
Nachmittags: Beendigung des Ausflugs.
Rückreise über Römhild oder Hildburghausen.
Abfahrt vom Waldhaus mit Wagen nach beiden Richtungen um 5 Uhr
nachm. Abgang der Züge von Römhild 6 10 abends, von Hildburghausen
in der Richtung nach Meiningen 6 58 abends, von Hildburghausen nach
Koburg 8 47 abends.
Bei längerem Aufenthalt auf der Steinsburg mit ihren einzigartigen
ausgedehnten Steinmauern, Gräbern und Wohnungen und mit ihrem
grossartigen Panorama über die Gebirgsketten des Thüringer Waldes, des
Frankenwaldes und der Rhön nochmals Nachtquartier auf dem Waldhaus und
Rückreise am 8. August.
Von den
Festschriften der ersten Hauptversammlung zu Hannover
sind noch Exemplare auf gewöhnlichem buchhändlerischen Wege zu
beziehen durch den Kommissionsverlag von Ludwig Eyin Hannover,
Georgstr. 47, und zwar:
1. Festschrift des Provinzialmuseums zu Hannover.
7 Bogen 4°, 6 Tafeln. Mk. 2.—
2. Kurze Übersicht der wichtigsten Literatur der Vorge¬
schichte Mitteleuropas auf Grund des Vorgeschichtlichen
Apparates des Germanischen Seminars der Universität Berlin
zusammengestellt von Ernst Wahle, revidiert und ergänzt von
Gustaf Kossinna. 1 Bogen 8°. Mk. —.25
3. Grabungen des Museumsvereins für das Fürsten¬
tum Lüneburg im Jahre 1908. Von Michael Martin Lienau.
9 S. 8°, 2 Tafeln. Mk. —.25
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PRINCETON UNIVERS1TY
I. Mitteilungen
Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
Vortrag gehalten in der Sitzung der
Deutschen Gesellschaft für Vorgeschichte vom 18. November 1909.
Von Universitätsprofessor Dr. Friedrich Solger, Peking.
Mit 5 Text-Abbildungen.
Wenn ich als Geologe hier im Kreise einer Gesellschaft für Vor¬
geschichte spreche, so leite ich die Berechtigung daraus ab, dass wir
uns von dem Werden unserer Vorfahren und Vorgänger auf dem Heimat¬
boden keine Meinung bilden können, wenn wir nicht auch den Natur¬
hintergrund kennen, von dem sich diese Entwicklung abhebt, die klima¬
tischen Bedingungen, unter denen der Mensch in Norddeutschland lebte,
seit das Land von dem Eise frei gegeben wurde für die Besitznahme
durch den Menschen. Wir werden dabei sehen, dass der Rückzug des
Eises dem Menschen nicht nur die Möglichkeit gab, sich hier anzusiedeln,
sondern dass er ihn geradezu dazu zwang. Das ergibt sich aus einer
Betrachtung der klimatischen Wandlungen, die Norddeutschland seit der
Eiszeit durchgemacht hat, und wir wollen uns darauf beschränken, die¬
jenigen Wandlungen hervorzuheben, die auf die Entwicklung der Menschen
von merklichem Einflüsse gewesen sein können. Das Wort „Klima"
gehört zu denen, deren Fremdwortnatur uns längst hat vergessen lassen,
was sie eigentlich bedeuten. Es heisst zunächst nur „Neigung", und
seinen heutigen Sinn erhielt es, weil man die klimatischer. Unterschiede
auf die verschiedene Neigung zurückführte, die die Sonnenstrahlen unter
verschiedener geographischer Breite gegenüber dem Horizont besitzen.
Diese Unterschiede haben nun zwar unzweifelhaft eine grosse Bedeutung
für das Klima, aber sie beherrschen es nicht. Die mannigfaltigen Klima¬
schwankungen, die Norddeutschland seit der Eiszeit durchgemacht hat,
sind jedenfalls nicht auf Änderungen der geographischen Breite zurück¬
zuführen. Zwar hat man die Eiszeit selbst dadurch erklären wollen,
dass man annahm, damals habe der Nordpol im Gebiete des heutigen
nordatlantischen Ozeans gelegen und da Europa infolgedessen eine höhere
geographische Breite gehabt hätte, sei sein Klima ein kälteres gewesen.
Diese Erklärung der Eiszeit ist aber aufgegeben worden, weil sie die
allgemeine Erniedrigung der Temperatur auf der ganzen Erde nicht er-
Mannus, Bd. II, Heft 4. 19
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klärt, die wir aus den überall auftretenden Gletscherspuren schliessen
müssen. Auch physikalisch ist keine Ursache anzugeben, die imstande
wäre, eine solche Verschiebung des Pols in den jüngsten geologischen
Zeiten herbeizuführen, zumal grössere Gebirgsbildungen seitdem nicht
mehr stattgefunden haben.
Wir müssen vielmehr annehmen, dass unsere Heimat während der
Eiszeit bereits unter demselben Breitengrad lag wie heute. Das be¬
zeugen auch die ältesten Kalendarien, die uns in den Menhiren der
Bretagne erhalten sind und von denen im ersten Hefte des Mannus
Herr DEVOIR l ) berichtete. Den interessanten Mitteilungen, die dort
gegeben sind, möchte ich noch einige Bemerkungen hinzufügen.
Die Steinreihen der Bretagne und Englands sind so angeordnet,
dass sie im allgemeinen die Richtung vom Sonnenaufgangspunkt bei
Sommersonnenwende zum Sonnenuntergangspunkt bei Wintersonnen¬
wende und die vom Sonnenuntergangspunkt bei Sommersonnenwende
zum Sonnenaufgangspunkt bei Wintersonnenwende bezeichnen.
Daneben kommen auch Reihen vor, die auf die Sonnenauf- und
Untergangspunkte bei Tag- und Nachtgleiche zu gerichtet sind. Die Auf-
und Untergangspunkte bei Sonnenwende sind von der geographischen
Breite abhängig, aus den betreffenden Steinreihen geht hervor, dass
die Breite damals gleich der heutigen war. Dann muss in Norddeutsch¬
land das Gleiche der Fall gewesen sein. Endlich finden sich noch
gewisse Mittelrichtungen, die einerseits den Aufgangspunkt vom 6. Mai,
der gleich dem vom 8. August ist, mit dem Untergangspunkt vom 4. Februar,
bezw. 8. November, verbinden, andererseits den Aufgangspunkt vom 4. Fe¬
bruar (8. November) mit dem Untergangspunkt vom 6. Mai (8. August).
Diese Zwischendaten sind von LOCKYER gedeutet worden als die
Mitten der Hauptabschnitte des landwirtschaftlichen Jahres für unser
Klima: Anfang November Anfang der Saat, Anfang Februar Beginn des
Aufspriessens, Anfang Mai Beginn der Blütezeit, Anfang August Beginn
der Reife. Hieraus einen Schluss auf das damalige Klima zu ziehen,
möchte ich aber entschieden warnen; denn die genannten Zeitpunkte
erklären sich viel einfacher und ungezwungener aus der Halbierung der
Zeit zwischen den Sonnenwenden und den Tag- und Nachtgleichen.
Das Jahr war durch die Sonnenwenden in zwei gleiche Teile geteilt,
durch die Tag- und Nachtgleichen wurde jedes dieser Halbjahre wieder
halbiert, durch die Einfügung jener Zwischenrichtungen entstehen acht
gleiche Abschnitte innerhalb des Jahres. Diese Einteilung lag in jedem
Klima gleich nahe. Andererseits brauchte man keine Steinreihen auf¬
zurichten, um zu wissen, wann die Saat aus dem Boden kam.
Für das Klima finden wir also aus diesen Steinreihen keinen
Anhalt. Zur Erforschung der Wandlungen, die es durchgemacht hat, sind
wir vielmehr auf rein geologische und biologische Anzeichen hingewiesen.
Als sicherer Anfangszustand, von dem wir hier ausgehen wollen, bietet
sich uns die Eiszeit, während deren die Mitteltemperatur Norddeutsch¬
lands um ungefähr 4° niedriger gewesen sein muss als heute. Die
Frage, die uns nun beschäftigen soll, ist die, wie das eiszeitliche Klima
überging in das jetzige.
*) A. DEVOIR, Urzeitliche Astronomie in Westeuropa. Mannus Bd. I, S. 71 ff.
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Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
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Wir fragen zunächst: Welches Klima herrschte am Rande des
diluvialen Eises? Dass es etwas kälter war als heute, bezeugt die da¬
malige Verbreitung der Gletscher, die heute auf die Hochgebirgsgegenden
Skandinaviens beschränkt sind. Aus derselben Tatsache hat man auch
auf ein feuchteres Klima schliessen zu dürfen geglaubt, aber die nähere
Forschung ergibt das Gegenteil. Schon vor einem Menschenalter wies
NEHR1NG 1 ) darauf hin, dass das Vorkommen von Steppentieren in
interglazialen Ablagerungen von Braunschweig ein Steppenklima nahe
dem Eisrande erforderte. Das Gleiche ging aus dem Auftreten des
Lösses hervor, nachdem Von RICHTHOFEN seine Entstehung aus
Staub, den der Wind mitführte, nachgewiesen hatte. In der Tat müssen
wir jetzt annehmen, dass das Klima am Rande des Eises ein sehr
Abb. 1. Rückzug des diluvialen Eises aus Norddeutschland.
Oie didcen schwarzen Linien bedeuten Stillstandslagen des Eisrandes, die unterbrochenen Linien geben
die allgemeine Richtung anderer Eisrandlagen wieder, soweit sie sich bisher haben ermitteln lassen.
Masstab 1 : 6 000 000.
trockenes war, und wir sind auch über die meteorologischen Voraus¬
setzungen unterrichtet, die das verursachten. JENTZSCH, WEBER, VAHL
u. a., unterstützt durch die Erfahrungen der letzten Südpolarexpeditionen,
haben darauf hingewiesen, dass sich über den riesigen Eismassen des
diluvialen Inlandeises dauernd ein Überschuss von kalter und darum
schwerer Luft ansammeln musste, der ein dauerndes Abströmen nach
dem Eisrande zur Folge hatte. Daher herrschten in der unmittelbaren
Umgebung des Eises Winde, die aus dem kalten Eisgebiet in das wärmere
Vorland hinausbliesen und die JENTZSCH als „Eiswinde“ bezeichnet hat.
*) NEHRING, Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, unter beson¬
derer Berücksichtigung ihrer Fauna. Berlin 1890.
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Das Eis hat sich aus Norddeutschland in der Hauptsache gegen Nordosten
zurückgezogen (Abb. 1), wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe 1 ).
Wir sollten also Nordostwinde am damaligen Eisrande erwarten. Die
von jenen erzeugten Dünenbildungen zeigen aber, dass es Ostwinde,
vielleicht sogar Ostsüdostwinde waren. Das rührt daher, dass durch die
Erddrehung auf der nördlichen Halbkugel alle Winde im Sinne des Uhr¬
zeigers abgelenkt werden. Diese Ostwinde, die aus einem kalten Gebiete
kamen, enthielten demgemäss sehr wenig Feuchtigkeit. Da sie sich in
dem eisfreien Vorlande erwärmen mussten, trockneten sie noch mehr
aus und bewirkten, dass hier die Pflanzenwelt zunächst nicht aufkommen
konnte. Mit dem kahlen trocknen Boden trieb der Wind sein Spiel,
er häufte den Sand zu Dünen auf, den Staub trug er hinüber in die
angrenzenden Gegenden, in denen wenigstens Steppengräser fortkamen.
Hier blieb der Staub in den Grashalmen hängen, und es entstand der
Lössboden, der die Magdeburger Börde z. B. zu einer so fruchtbaren
Rübengegend macht und in dem wir die Reste zahlreicher Steppentiere
finden. Erst jenseits dieser Steppenzone dürfen wir die damalige
Waldgrenze annehmen.
Dass tatsächlich in der Nähe des Eises zunächst eine wüstenartige
Zone vorhanden gewesen sein muss, das geht auch aus der Oberflächen¬
gestaltung unserer Mittelgebirge hervor, die ja während der Hauptver¬
eisungszeit diesem Randgebiete angehörten. Die Bergformen Thüringens
sowohl wie der Sächsischen Schweiz sind nur zu verstehen, wenn man
davon ausgeht, dass sie in einem dürren Klima entstanden, in dem die
Wirkung des Windes die des Wassers überwog. Um das an einem
möglichst bekannten Beispiel klar zu machen, wähle ich die Umgebung
von Jena, z. B. das Gembdental mit dem Jenzig und den Kembergen, die
seine Gehänge bilden (Abb. 2). Wir haben hier ein breites und tiefes Tal
Abb. 2. Blick vom Landgrafenberg bei Jena auf Jenzig und das Gembdental.
Beispiel von Oberflächenformen,
die ihre wesentliche Ausbildung in der diluvialen Trodcenperiode erhielten.
vor uns, das in seiner ersten Anlage unzweifelhaft auf die nagende
Tätigkeit des Wassers zurückzuführen ist. Hätte diese Wasserwirkung
ungehindert angedauert, dann müssten ganz in derselben Weise wie aus
der Zerschneidung des Saaletalgehänges das Gembdental hervorgegangen
J ) SOLGER, Über den Rückzug des diluvialen Inlandeises aus dem mittleren
Norddeutschland. Mon.-Ber. d. Dtsch. Geol. Ges. Bd. 60 (1908) S. 215 ff.
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Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
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war, auch die Gehänge dieses Tales weiter durch Wasserrisse zerschnitten
worden sein, und wir müssten eine Zerlegung der ganzen Hochfläche in
ein Gewirr von einzelnen Spitjen und sternförmig auseinander gehenden
Graten erwarten. Statt dessen sehen wir zu beiden Seiten des Gemb-
dentales je eine fast ganz glatte Felswand. Eine so gleichmässige Ab¬
tragung des Gehänges, wie sie zur Erzeugung solcher Formen nötig ist,
kann nur der Wind bewirken, und damit er wirken kann, muss die
Pflanzenwelt bedeutungslos gewesen sein. Heute ist diese letztere es,
die jede Abtragung durch den Wind so gut wie ganz verhindert, weil
sich bei der allgemeinen Pflanzenbedeckung einerseits kein Staub bilden
kann, mit dessen Körnern der Wind den Boden abschleifen könnte, und
weil andererseits dieser Boden selbst, wo er locker ist, durch die Bewach¬
sung davor geschützt wird, vom Winde fortgeblasen zu werden. Ganz
ähnliche Schlüsse gestatten die Formen des Königsteins, Liliensteins,
der Kaiserkrone u. a. in der Sächsischen Schweiz 1 ).
Wir müssen uns also während der Eiszeit vor dem Eisrande
drei aufeinander folgende Klimazonen vorstellen: zunächst Wüste,
dann Steppe, dann Wald (Abb. 3). Heute gehört Nordeuropa, soweit
der Mensch das Pflanzenkleid nicht völlig umgeändert hat, dem Waldgebiet
/n/*nd*is
Abb. 3. Klimazonen in der Nähe des diluvialen Inlandeises.
an bis in die hohen Breiten hinauf, in denen die Julitemperatur^unter
10° sinkt. Von da ab fehlt der Baumwuchs, und so breitet sich die
Tundra mit ihren niedrigen Moos- und Heidepolstern aus. Dann folgt
das arktische Eis, das heute jedoch wenigstens an der Nordgrenze Europas
keine Gletscher enthält, sondern lediglich Meereseis ist (Abb. 4). Nur in Grön-
Wslct
Abb. 4. Klimazonen in der Nähe des heutigen arktischen Eises.
land und auf den arktischen Inseln finden wir innerhalb dieser Zone auch
Gletscher. Heute besteht also die Reihenfolge der alten Klimazonen
nicht mehr, sondern statt dessen die Aufeinanderfolge: Eis, Tundra, Wald.
Hier sind der Einfachheit wegen für die einzelnen Klimate die
Bodenbedeckungen gesetzt, die aus jenen folgten, und in denen sich am
klarsten die Lebensbedingungen ausdrücken, die jedes der verschiedenen
Klimate für den Menschen bot. Es möge auch für das Folgende diese
Abweichung von der streng logischen Ausdrucksweise gestattet sein, da sie
0 Während der Niederschrift dieses Aufsatzes ist eine Arbeit von Dr. E. OBST
erschienen (Die Oberflächengestaltung der schlesisch-böhmischen Kreideablagerungen,
Hamburg 1909), worin die grosse Bedeuturg der trockenen Ostwindperiode auch für
die Entstehung der schlesischen Bergformen dargetan wird.
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die Anschaulichkeit erhöht und ohne Gefahr ist, so lange wir uns
ihrer bewusst bleiben.
Manche Tiere, die heute in der Tundra und nahe ihrer Grenze
leben, sind während der Eiszeit auch bei uns vorgekommen, so das Renntier
und der Lemming. NEHRING unterschied deshalb seiner Zeit zwischen
dem Rande des Eises und dem Steppengürtel eine Tundrazone. Indessen
ist es mehr als zweifelhaft, ob wir dabei an eine Tundra im Sinne der
heutigen denken dürfen. Die Tundra ist mit der Steppe nur insofern
verwandt als beide des Baumwuchses entbehren. Aber bei beiden
beruht dies auf ganz verschiedenen Ursachen. Die Steppe ist zu trocken,
die Tundra zu kalt. Der Boden der Steppe besteht aus Löss, d. h. Staub¬
ablagerungen, deren Entstehung eine benachbarte Wüste zur Voraus¬
setzung hat. Der Boden der Tundra enthält Humusbildungen, er stellt
sich somit nicht als eine arktische Steppe, sondern als eine arktische
Heide dar. Irgend eine heideartige Pflanzenformation war aber zwischen
der Diluvial wüste und -Steppe durch die Trockenheit ausgeschlossen.
Wenn sich heute gewisse Tiere, die damals bei uns lebten, in der
Steppe wiederfinden, andere dagegen in der Tundra, so müssen wir
bedenken, dass es ein Klima, wie das diluviale Klima Norddeutschlands,
heute überhaupt nicht mehr gibt. Steppen sind heute auf niedrigere Breiten,
also auf Gegenden von höherer Mittelwärme beschränkt. Tiere, die in
so warmen Gegenden nicht leben konnten, mussten sich in die Tundra
wohl oder übel zurückziehen, auch wenn sie sich dabei an eine andere
Pflanzenkost gewöhnen mussten. So dürfen wir aus dem Auftreten
des Renntiers und des Lemmings nicht auf echte Tundra, sondern nur
auf kalte Steppen schliessen. Dann erscheint aber auch grössere Vor¬
sicht geboten, ehe man aus einem Wechsel von „Tundratieren" und
„Steppentieren“ an einem Fundpunkt einen Wechsel zwischen kühlerem
und wärmerem Klima herleitet. Wenn unsere Anschauungen über die
Dürrezonen vor dem Eisrande richtig sind, dann würde eine Erwärmung,
die naturgemäss zum Zurückweichen des Eises führen musste, vor allem
eine Verschiebung des Wüsten- und des Steppengürtels zur Folge ge¬
habt haben, da diese gemeinsam mit dem Eise zurückweichen mussten.
Man müsste dann also einen Wechsel zwischen Steppe und Wald finden.
Das ist auch an manchen Stellen der Fall, und dort ist ein Klimawechsel
sicher. Aber innerhalb der Steppe, deren Breite wir allerdings nicht
kennen, zwei Zonen anzunehmen, die den Tundratieren und den Steppen¬
tieren entsprächen, ist zu gewagt, als dass man es ohne andere sicherere
Anzeichen tun dürfte. Wenn wir uns erinnern, dass man allgemein
zwischen der Eiszeit und unserem heutigen Klima nur einen mittleren
Temperaturunterschied von 4° annimmt, dann werden wir zweifelhaft
sein, ob man innerhalb des doch nur in der Nähe des Eises möglichen
Steppengürtels so grosse Wäfmeunterschiede annehmen darf, dass zwei
ganz verschiedene Tiergemeinschaften dadurch voneinander getrennt
wurden. Gerade für die Urgeschichtsforschung möchte ich also davor
warnen, aus solchen Anzeichen allein auf Klimaänderungen zu schliessen.
Die Tiergeographie wird nun, nachdem wir die klimatischen Verhältnisse
am Eisrande näher kennen, als es zu NEHRINGS Zeiten möglich war,
von neuem zu der Frage Stellung nehmen müssen, ihr Ergebnis bleibt
abzuwarten.
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FR I NC E TQN U fr ttV ERSFFY
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Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
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Mit dem Zurückweichen des Eises wurde die Luftmasse, die über
ihm abgekühlt werden konnte, immer geringer, und damit musste der
Einfluss der Eiswinde immer mehr eingeschränkt werden. Wüste und
Steppe wurden nicht nur dabei nach Norden gedrängt, sondern sie ver¬
loren überhaupt an Boden, und diesen Boden eroberte der Wald.
Zwischen Wald und Eis blieb schliesslich nur das Gebiet frei, in dem
die Kälte an sich keinen rechten Pflanzenwuchs aufkommen liess. Da¬
bei müssen wir in Betracht ziehen, dass der Wald mit dem Rückzug
des Eises in Gebiete mit immer kürzer werdendem Sommer vordrang.
Die Bedeutung dieses Vorganges für den Menschen werden wir noch
zu berücksichtigen haben. Hier wollen wir uns zuerst der Frage zu¬
wenden, wie das Klima Norddeutschlands sich nach dem Verschwinden
des Dürregürtels am Eisrande weiter entwickelt hat. Wir teilen die Zeit
nach dem Rückzuge des Eises aus unserer engeren Heimat gewöhnlich
ein in die Yoldia-, Ancylus- und Litorinazeit, der wir die Mya- oder
geologische Jetztzeit folgen lassen. Diese Einteilung ist nicht von kli¬
matischen Wandlungen hergenommen, sondern von Veränderungen der
Umrisse von Meer und Land, die hauptsächlich die skandinavischen
Küsten betrafen. Die Ostsee, die in der Yoldiazeit mit dem Polarmeer
in Verbindung stand, ist in der Zeit des Ancylussees ein abgeschlossener
Süsswassersee, dessen Küsten sich in der Litorinazeit senken und eine
offene Verbindung mit der Nordsee entstehen lassen. Gewiss werden
diese Wandlungen nicht ohne Einfluss auf das Klima gewesen sein,
aber in Norddeutschland selbst sind klimatische Schwankungen von
irgend wie erheblichem Betrage während dieser Zeit nicht nachzuweisen.
Wir können nur ein allmähliches Feuchterwerden und dann Wärmer¬
werden des Klimas erkennen. Die ersten Moore, also die ersten Zeichen
der zunehmenden Feuchtigkeit, schreibt DEECKE in Pommern wohl
mit Recht der Ancyluszeit zu. Wir finden in ihren ältesten Schichten
gewisse Pflanzen, die wir als Glazialpflanzen zu bezeichnen gewöhnt
sind. Wir kennen sie heute teils von der alpinen, teils von der ark¬
tischen Baumgrenze her, wie Dryas octopetala und die Zwergbirke,
Betula nana. Doch findet sich die Zwergbirke auch auf Hochmooren
der Jetztzeit bei uns. Es scheint sich also weniger darum zu handeln,
dass diese Pflanzen an eine niedere Temperatur gebunden wären, als
dass sie sich vielmehr auf den Rand des von Pflanzen besiedelbaren
Gebietes beschränken müssen, weil sie in dessen biologisch günstigeren
Teilen von lebenskräftigeren Arten verdrängt werden. Wir werden aus
ihrem Vorkommen also nur den Schluss ziehen dürfen, dass um diese
Zeit die Waldgrenze etwa durch Norddeutschland ging, wahrscheinlich
noch umgeben von einem nicht unbedeutenden Steppensaum. Die später
auftretenden Pflanzen weichen nicht merklich von unseren heutigen ab.
Für Skandinavien hat man eine Reihe von Klimaperioden aus dem Auf¬
treten von Baumschichten in Mooren zwischen baumlosem Torfe unter¬
schieden. In den grossen norddeutschen Mooren lässt sich das nicht
durchführen. Wir finden zwar in den nordwestdeutschen Mooren zwischen
einem älteren und jüngeren Moostorf eine Heidetorfschicht mit Zer¬
setzungserscheinungen, die auf grössere Trockenheit schliessen lassen.
Selbst wenn wir darin aber eine Klimaänderung widergespiegelt sehen
wollen, würde deren Betrag nicht grösser zu sein brauchen als etwa
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der Unterschied zwischen dem Klima von Hannover und Posen, also
für den Menschen nicht von merklichem Einfluss gewesen sein. Auch
die Unterscheidung einer Kiefer-, Eichen- und Buchenzeit ist, wenn man
ihre Verschiedenheiten auf dem Gebiet des Klimas suchen will, nicht
hinreichend begründet. Dass ein Waldbaum den anderen ablöst, kann
bei den kurzen Zeiträumen, um die es sich hier handelt, sehr wohl die
Folge einer gewissen Bodenmüdigkeit sein, indem unter den obwalten¬
den Klimaverhältnissen eine bestimmte Waldart den Boden in einer
für sie ungünstigen Richtung verändert. Es entsteht dann eben nicht
sofort eine dauernde Pflanzenformation, sondern die Baumarten lösen
sich solange ab, bis schliesslich ein Baum Besitz von dem Lande er¬
greift, der den Boden nicht ermüdet. Dieser wird dann auch nicht ver¬
drängt werden. Das scheint mit dem letzten der genannten Bäume, der
Buche, der Fall zu sein, sie beeinflusst den Boden in einer für sie
selbst günstigen Weise, weshalb sie auch wohl als „Mutter des Waldes“
gerühmt worden ist. Nur in zu feuchten Gebieten wird der Wald mit
der Zeit überhaupt verdrängt durch Bildung von Hochmoor. So waren
die grossen Moorgebiete Nordwestdeutschlands nach der Eiszeit alle
bewaldet. Die Baumstümpfe finden sich unter der Torfschicht noch heute.
Jetzt ist durch die grössere Luftfeuchtigkeit und die grösseren Nieder¬
schlagsmengen eine regionale Humusbildung eingeleitet, es ist ein Hoch¬
moor entstanden. Aber der Schluss wäre falsch, dass während des
Gedeihens der Bäume, deren Reste sich jetzt in den unteren Torf¬
schichten finden, ein trockneres Klima notwendig hätte herrschen müssen.
Die ersten Bäume siedelten sich hier allerdings an, nachdem vorher
sicher ein trockneres Klima geherrscht hatte. Aber während ihrer An¬
wesenheit bis zu ihrem Untergange braucht eine weitere Zunahme der
Feuchtigkeit nicht eingetreten zu sein. Es entwickelten sich nur all¬
mählich unter der Herrschaft des neuen Klimas die Verhältnisse, die
die Bäume vertrieben, vor allem eine immer steigende Bedeckung des
Bodens mit Humusablagerungen, die den Bäumen die Luft für die
Wurzeln entzogen.
Wir haben also keine Ursache, nach dem Einrücken des Waldes in
das norddeutsche Flachland noch Klimaschwankungen .von solcher Be¬
deutung anzunehmen, dass sie für den Menschen merklich andere
Daseinsbedingungen geschaffen hätten. Dass kleine Schwankungen ein¬
getreten sind, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen, kennen wir solche
doch aus historischer Zeit. BRÜCKNER l ) hat darauf hingewiesen, dass
sich etwa alle 35 Jahre Perioden grösserer und geringerer Niederschläge
abzuwechseln pflegen, die auch einen Unterschied in der mittleren Jahres¬
wärme zeigen. Eine solche Periode prägt sich z. B. recht deutlich in
dem Wasserstande der Elbe während des letzten Jahrhunderts aus (Abb. 5).
Ebenso scheinen Schwankungen von mehrhundertjähriger Dauer
aus den Veränderungen der Hochgebirgsgletscher gefolgert werden zu
müssen. Doch sind diese Veränderungen alle nicht von solcher Grösse,
dass sie sich in den Daseinsbedingungen des Menschen wiederspiegeln
könnten. Nur insofern wäre ein Einfluss nicht unmöglich, als eine Reihe
von Jahren oder Jahrzehnten, die dem Pflanzenwuchs besonders günstig
’) BRÜCKNER, Klimaschwankungen seit 1700. Wien 1890.
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Das Klima Norddeutschlands seit der Eiszeit.
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waren, vielleicht eine stärkere Vermehrung des Volkes herbeiführten oder
doch bewirkten, dass der Bevölkerungszuwachs längere Zeit hindurch
noch seine Nahrung fand. Beim Einsetzen schlechterer Klimaverhältnisse
mögen sich die Erträge vermindert haben, jener Zuwachs wurde nun
Abb. 5. Schwankungen des mittleren jährlichen Wasserstandes am Elbpegel
zu Sandau 1820- 1895 (Summenlinie). Nach den amtlichen Elbstromwerken.
Höhenmasstäb: 1:150.
Die Summenlinie gibt nicht die Wasserstände selbst an, sondern die Summe der Abweichungen vom
Mittelwert seit 1820. Da hierdurch abweichende Wasserstände einzelner Jahre zurücktreten gegenüber
länger dauernden, so eignet sich die Darstellung besonders für die Veranschaulichung grösserer Perioden
in den Pegelschwankungen Die hohen Wasserstände um 1820, 1855, 1890 und die niedrigen in den
Zwischenzeiten treten scharf hervor. (Summa 1835/36 = 26,2 mm).
als Übervölkerung empfunden, und die Folge war eine Auswanderung.
So lassen sich die einzelnen Wellen der von den Ufern der Ostsee
ausgehenden Völkerwanderungen vielleicht mit Klimaschwankungen in
Verbindung bringen. Indessen gehört der Nachweis solchen Einflusses
nicht in das Gebiet des Geologen, sondern des Urgeschichtsforschers.
Als Geologe wollte ich nur auf die Möglichkeit aufmerksam machen.
Von ungeheurem Einfluss auf den Menschen musste dagegen das
Vorrücken des Waldes sein und das Zurückweichen des Steppenlandes;
denn an dieses war der Mensch ursprünglich gebunden. Den Menschen
als ein kletterndes Baumwesen aufzufassen, wie es KLAATSCH versucht
hat, geht nicht an und ist von anatomischer Seite bereits widerlegt
worden. Der Wald war dem alten Deutschen noch immer das Heilige,
das Unnahbare, nicht das Lebensgebiet. Unsere Getreidearten sind
Steppenpflanzen, und wir müssen den Menschen auffassen als einen
Bewohner der Steppe, allenfalls des Waldrandes, der mit seinem
einfachsten Landbau sicher auf die Steppe angewiesen war. So musste
er auch mit dem Waldrande nach Norden rücken, und so musste er
andererseits mit dem Verschwinden der Steppe dazu gedrängt werden,
sich künstliche Steppen zu erzeugen, den Wald auszuroden. Diese Not¬
wendigkeit kann für ihn erst eingetreten sein, als das Eis erheblich
zusammen geschmolzen war und damit auch die Breite des Steppengürtels
entsprechend abgenommen hatte. Wir können uns deshalb wohl denken,
dass der aus Mitteleuropa vor dem Walde her wandernde Mensch bis
an die Gestade der Ostsee gekommen sein mag. Erst von hier ab
wird sich die allmähliche Verengerung des Steppengebietes fühlbar ge¬
macht haben. Damit musste ein neues Entwicklungsmoment gegeben
sein, zugleich aber auch ein Stillstand der Wanderung. Wollten diese
Menschen sich weiter ausbreiten, dann mussten sie gegen den Wald
Vordringen nach Süden. Beide Ursachen zusammengenommen dürfen
wir wohl als den tieferen Untergrund ansehen dafür, dass die Umgebung
der Ostsee die Wiege des Indogermanentums wurde.
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Das Dreiperiodensystem.
Ein Jubiläumsbeitrag zur Geschichte der prähistorischen
Forschung.
Von Hugo Mötefindt, Wernigerode a. H.
Über die erste Aufstellung des Dreiperiodensystems herrschen auch
heute noch in den Forscherkreisen sehr verschiedene Ansichten; man
schwankt vielfach, wem man die Entdeckung zuschreiben soll. Die grund¬
legenden Arbeiten der damaligen Forscher sind meistens sehr schwer
zu bekommen. Da nun vollends seit der ersten Aufstellung des Drei¬
periodensystems 75 Jahre verflossen sind und somit die prähistorische
Wissenschaft auf eine 75jährige wissenschaftliche Tätigkeit zurückblickt,
so stelle ich hier die Ergebnisse meiner Nachforschungen über die erste
Aufstellung des Dreiperiodensystems zu folgendem Jubiläumsbeitrag zur
Geschichte der prähistorischen Wissenschaft zusammen 1 ).
Die ehrwürdigen Denkmäler der vorgeschichtlichen Zeit, welche die
Oberfläche der Erde verbirgt, haben zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit
der Menschen auf sich gelenkt. Durch viele Jahrhunderte lässt sich dieses
Interesse für die vorgeschichtlichen Altertümer zurückverfolgen. Lange
aber währte es, bis man in diesen Altertümern einen Nutzen für die
Geschichte erkannte. Schon um 1520 brachte man dem Herzog Heinrich
dem Friedfertigen von Mecklenburg ausgegrabene Urnen, und der das
Altertum in hohem Masse schätzende und schützende Herzog fing an,
die Urnen zu sammeln, die älteste mir bekannte Sammlung von vorge¬
schichtlichen Altertümern. Eine Beschreibung der im Laufe der Zeit
wieder verschollenen Funde von des Herzogs antiquarischem Rat Nikolaus
Marschalkus THURIUS ist uns erhalten *). Derartige über Funde aus dieser
*) Übersicht über die in Frage kommende Literatur:
VIRCHOW, R., Priorität der Lehre von den drei archäologischen Perioden. Verhandl.
der Berliner anthr. Gesellschaft 1885, S. 263—267. Ferner zu vergleichen:
Verhandl. 1881, S. 220 und Verhandl. 1885, S. 409.
RAUTENBERG, E., Beitrag zu den Erörterungen über den Prioritätsstreit in Betreff der
Entdeckung der prähistorischen Kulturperioden. Verhandl. 1885, S. 551-553.
UNDSET, Zur Geschichte der Lehre von den drei Perioden. Verhandl. 1886, S. 18—22.
HILDEBRAND, Hans, Zur Geschichte des Dreiperiodensystems. Verhandl. 1886,
S. 357-367.
MÜLLER, Sophus, Nordische Altertumskunde l, S. 217 ff.
2 ) LISCH, Friderico-Francisceum S. 15.
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2]
Das Dreiperiodensystem.
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Zeit uns erhaltenen Nachrichten bilden jedoch nur vereinzelte Erschei¬
nungen. Die meisten Funde sind ohne jede Nachricht verschwunden.
Unachtsamkeit und Unkenntnis, Kriegsstürme und politische Kämpfe im
Vaterlande drängten in den folgenden Jahren die Bemühungen für Kunst
und Wissenschaft in den Hintergrund. Erst im achtzehnten Jahrhundert
veranlassten wieder zufällige Entdeckungen von Grabaltertümern unmittel¬
bare Untersuchungen der alten Grabhügel, welche man bis dahin als
Denkmäler der heidnischen Zeit aus abergläubischer Furcht gemieden
hatte. Diese Untersuchungen, oft schon mit Sorgfalt und Umsicht aus¬
geführt, brachten manch wertvolles Fundstück zutage. Die Funde wurden
jedoch unter die Kuriositäten der fürstlichen Kunstkabinette und Antiken¬
sammlungen zerstreut und sind teilweise im Laufe der Zeit verschollen
oder erst in bedeutend späterer Zeit mühsam wieder zusammengestellt
und der Forschung zugänglich gemacht. Eine umfangreiche Literatur hat
sich schon damals aus den Ausgrabungsberichten und Fundbeschreibungen
gebildet.
Mit tiefergehenden Untersuchungen allgemeinerer Natur befasste
man sich erst im Anfänge des neunzehnten Jahrhunderts, als infolge der
Freiheitskriege ein reges allgemeineres Interesse in weiteren Kreisen für
die Geschichte des Vaterlandes und besonders durch die Wirksamkeit der
Gebrüder GRIMM für die deutsche Altertumskunde herrschte. Eine Pflege¬
stätte dieses Interesses bildete sich bald in den zahlreichen damals ge¬
gründeten, zum grössten Teil noch jetzt bestehenden Geschichtsvereinen,
von denen ich hier nur erwähne den thüringisch-sächsischen Verein für Er¬
forschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denk¬
mäler, gegründet 1820, den Verein für mecklenburgische Geschichte und
Altertumskunde, gegründet 1835 und den altmärkischen Verein für vater¬
ländische Geschichte und Industrie, gegründet am 13. Juli 1836, die sich
alle mit Feuereifer der Sammlung und Ausgrabung von vorgeschichtlichen
Altertümern hingaben. Auch viele Fürsten bekundeten reges Interesse
für die Altertumsforschung. Wieder war es besonders ein Grossherzog
von Mecklenburg, Friedrich Franz, der nicht bloss eifrig für die Ver¬
mehrung seiner Sammlung bestrebt war, sondern dessen Bestrebungen
der Altertumsforschung überhaupt zugute kamen. Durch seine Unter¬
stützung wurde ein für die damalige Zeit epochemachendes Werk, das
„Friderico-Francisceum oder grossherzogliche Altertümersammlung aus
der altgermanischen und slavischen Zeit Mecklenburgs", 6 Hefte Abbil¬
dungen und ein Band Text, angeregt und ermöglicht; die Herausgabe
verzögerte sich jedoch lange Zeit durch Tod der Bearbeiter und wurde
erst 1837 durch LISCH vollendet. Wie sehr sich die Altertümer des
fürstlichen Schutzes dieses Herrschers erfreuten, mögen nachfolgende,
öffentlich bekannt gemachte Verordnungen beweisen, die zugleich
wertvolle Beiträge zur Geschichte der Gesetzgebung über die Grabalter¬
tümer sein dürften. Interessant ist für uns besonders die zweite Ver¬
ordnung, da in ihr die Gesetzgebung der damaligen Zeit noch weiter
gegangen ist, als man heute überhaupt strebt: Nicht nur alle neuen
Funde sollen an eine öffentliche Sammlung abgeliefert werden, sondern
überhaupt alle im Privatbesitz befindlichen Altertümer. Damit wird zum
ersten Male der Grundsatz aufgestellt, gegen den immer noch so viel
gesündigt wird und der doch endlich bald überall begriffen werden
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Hugo Mötefindt.
[3
könnte: „Urgeschichtliche Dokumente dürfen nicht in Privat¬
sammlungen verschwinden“. Daher mögen diese Gesetze auch
hier noch einmal folgen.
Friedrich Franz von G. G. H. z. M. usw.
Wir befehlen euch, alle Pächter und Dorfschaffen in dem euch anvertrauten
Amte dahin anzuweisen, dass sie keine anscheinend heidnischen Gräber berühren,
um Steine auszugraben. Ihr selbst aber habt an Uns unmittelbar ein Verzeichnis
einzusenden, wie viele heidnische Gräber im Amte befindlich sind, und auf welchen
Feldmarken selbige sich befinden. An dem geschieht Unser gnädiger Wille und
Meinung. Gegeben auf Unserer Vestung Schwerin, den 13. April 1804.
Friedrich Franz, H. z. M.
An alle Beamte.
Friedrich Franz v. G. G. H. z. M. usw.
Da Wir die Absicht haben, Unser Antikenkabinett zu erweitern, so würden
Wir es mit gnädigstem Dank erkennen, wenn jeder Gutsbesitzer in Unsern Landen
Uns höchst unmittelbar aus Gefälligkeit anzeigen wollte, wie viele heidnische Gräber,
die unbegraben sind, er auf seinem Gute oder auf seinen Gütern habe, damit Wir
auf unsere Kosten und unter Aufsicht des von Uns zu diesem Geschäft bestimmten
Hauptmanns Zinck an den anzuzeigenden Orten graben lassen können. Wir lassen
dies zur öffentlichen Bekanntmachung gelangen. Gegeben auf Unserer Vestung
Schwerin, den 13. April 1804. Friedrich Franz, H. z. M. ! ).
11 .
Friedrich Franz v. G. G. Gr. H. v. M. usw.
Wir befehlen in Erweiterung Unseres Verbots vom 13. April 1804 wegen Auf¬
grabens heidnischer Gräber euch hierdurch:
1. Den Pächtern und Dorfschaften in den euch untergebenen Ämtern bei
scharfer Ahndung aufzugeben, sich aller Beschädigung der Gräber und Denkmäler
der Vorzeit, nicht weniger aller Zerstörung derselben, zu Abhülfe wirtschaftlicher
und baulicher Bedürfnisse zu enthalten, so wie selbst strenge darauf zu wachen,
dass ohne eingeholte Unsere besondere unmittelbare Erlaubnis diesem nicht ent¬
gegengehandelt werde.
2. Alle früher oder künftig zufällig gefundenen, in Privathänden befindlichen
Altertümer von den Domainaleingesessenen einzufordern und dieselben mit einem
möglichst genauen Bericht über Fundort und Fundart an Unsere Altertumssammlung
in Ludwigslust einzusenden.
Übrigens soll den Besitzern solcher Altertümer zwar eine Entschädigung für
die durch die Ablieferung versäumte Zeit nach Tagelohn sowie durch Erstattung des
Metallwertes, wenn es begehrt werden sollte, zugestanden werden, jedoch habt ihr
eure Amtsuntergebenen in vorkommenden Fällen über den höchst geringen Geld¬
wert der meisten Altertümer angemessen zu belehren. An dem geschieht Unser
gnädigster Wille und Meinung. Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin am
11. Dezember 1836. Friedrich Franz. L. H. von Plessen.
An alle Beamte.
Friedrich Franz v. G. G. Gr. H. z. M. usw.
Fügen, mit respektiver Entbietung Unseres gnädigsten Grusses, allen Obrig¬
keiten Unserer Ritter- und Landschaft und überhaupt allen Unseren Untertanen
und Landeseingesessenen hiermit zu wissen: wie Wir bei der hohen wissenschaft¬
lichen Bedeutung und der Ehrwürdigkeit der Gräber der Vorzeit und der in ihnen
l ) SCHRÖDERS neueste mecklenburgische Gesetzsammlung II, 2, Seite 336.
LISCH, Friderico-Francisceum S. 7 ff.
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4]
Das Dreiperiodensystem.
297
gefundenen Altertümer Unser Verbot wegen Aufgrabens heidnischer Gräber in
Unsern Domainen vom 13. April 1804 durch vorstehende Verordnung zu erweisen
geruht haben, und Wir es mit dem gnädigsten Danke erkennen würden, wenn auch
die auf den ritterschaftlichen und städtischen Grundstücken befindlichen alten Grab¬
stätten nicht anders als etwa zu wissenschaftlichen Zwecken geöffnet würden, auch
dafür Sorge getragen werden wollte, dass alle auf diesen Besitzungen zufällig ge¬
fundenen oder sonst im Besitze von Privaten befindlichen Altertümer an eine der
öffentlichen Altertumssammlungen abgegeben werden, da alle Erfahrungen den end¬
lichen Untergang von Gegenständen des Altertums im Privatbesitze gelehrt haben.
Wir lassen dies durch Unser Wochenblatt zur öffentlichen Bekanntmachung gelangen.
Gegeben durch Unsere Regierung. Schwerin, am 16. Dezember 1836.
Friedrich Franz. L. H. v. Plessen 1 )*
Trotz aller Bemühungen um die deutsche Altertumskunde konnte
diese Wissenschaft zu keiner Sicherheit in ihren Resultaten gelangen.
Nach dem Muster der Antikenkabinette sammelte und beschrieb man
gewöhnlich nur einzelne Stücke; auch ging man von vorgefassten Mei¬
nungen aus und wollte mit einzeln gefundenen Altertümern historische
Thesen beweisen. Endlich beschrieb man auch mehr als dass man Ab¬
bildungen veröffentlichte. In den Sammlungen wurden alle Funde aus¬
einandergerissen, alle Stücke nach ihrer Form oder nach ihrem Material
geordnet *).
Nach und nach, besonders seit dem Wiedererwachen der Liebe zur
vaterländischen Geschichte fing man allmählich an diesen Altertümern
eine historische Seite abzugewinnen. Natürlich waren die übereilt aus
ihnen gezogenen Folgerungen anfangs sehr einseitig. So wollte man
damals, ohne dass man grössere Gebiete überschauen konnte, die Alter¬
tümer bestimmten Völkern zuschreiben: das Eisen hielt man für slawisch;
die Bronze sollte nach der Ansicht der einen Forscher von den Römern
herrühren, nach andern ein Kennzeichen der Germanen sein, und wieder
andere schrieben sie den Kelten zu, denen überhaupt fast alles, was älter
als römisch war, angehören sollte. Um auch ein anderes von den vielen
Beispielen der damaligen Forschungsmethoden anzuführen, erwähne ich
folgendes: Als 1750 bei Göhlitzsch, Kr. Merseburg, ein Steinkisten¬
grab entdeckt wurde, dessen Wandsteine in ihrer ganzen Ausdehnung
mit eingeritzten, rot ausgemalten geometrischen Ornamenten bedeckt
waren und ausserdem einige andere Einritzungen, die als Darstellungen
von Bogen, Köcher usw. gedeutet sind, zeigten, da wurde das Grab
ohne weiteres einem Heerführer des Attila zugeschrieben a ).
Lange Zeit hat es gedauert, bis man sich von dieser einseitigen und
oberflächlichen, nur auf einen kleinen Gesichtskreis beschränkten Forschung
abwandte. Als man dann aber anfing, die Ergebnisse der Ausgrabungen in
verschiedenen Gegenden zusammenzustellen, da fand man, dass gewisse
Formen der Hügel mit ihrem Inhalt im wesentlichen sich überall wieder¬
holten, fand aber auch, dass in gewissen Gegenden abweichende Formen
vorkamen. Da in Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland histo¬
risch nachweisbar nie Slawen gewohnt haben, so legte man die dortigen
*) LISCH, Friderico-Francisceum S. 8 ff.
2 ) Man sieht: „Einst alles wie heut’!“
3 ) ROSENKRANZ' Neue Zeitschr. für die Geschichte der germ. Völker, I. Band,
Heft 3, 1832, S. 53—68, Taiel 1 und II; weitere Literatur in GÖTZE-HÖFER-
ZSCHIESCHE, die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens, S. 11.
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!
298 Hugo Mötefindt. [5
Forschungsresultate zu Grunde und schloss, dass alle die Grabhügel,
die in ihrer Bauart und ihrem Inhalt mit denen, die sich dort fanden,
übereinstimmten, germanischen Ursprungs sein müssten. Man gewann
dadurch einen beinahe sicheren Haltepunkt und versuchte eine Einteilung
der Gräber nach ihrer äusseren Form, wobei der Inhalt erst in zweiter
Linie in Betracht kam.
Der erste mir bekannte Altertumsforscher, der die Gräber
nach der äusseren Form einteilte, zwar nur die Hügelgräber, und
daraus dann auf die Zeit, aus der sie herrühren, schliessen wollte, war
der Justiziarius JASSPERSON in Oestergarde in Schleswig 1 2 ). Er unter¬
scheidet zwei Arten von Gräbern: Hünenbetten von länglich-runder Form,
aus Steinblöcken aufgeführt, und Erdhügel in halbkugel- oder backofen-
förmiger Gestalt mit verschiedener innerer Einrichtung. Dann trat 1835
der Salzwedeler Rektor DANNEIL mit einer auf Grund von reichlich 100
von ihm selbst veranstalteten Ausgrabungen aufgestellten Einteilung
hervor, in der DANNEIL dadurch, dass er die Funde selbst mehr berück¬
sichtigte, zum ersten Male das Dreiperiodensystem mit Beweisen ver¬
öffentlichte. Ehe wir aber DANNEILs Einteilung betrachten, müssen wir
uns der Vorgeschichte des Dreiperiodensystems selbst zuwenden.
Schon in allen Zeiten hatten besonders erleuchtete Köpfe der
Wissenschaft etwas von einer Dreiteilung der vorgeschichtlichen Zeit ge¬
ahnt. So findet sich eine Bemerkung über die drei Zeitalter schon im
Altertume bei dem römischen Dichter LUKRETIUS, der von 98—55
v. Chr. Geb. lebte; in seinem unvollendet hinterlassenen Lehrgedicht
„De natura rerum" findet sich nämlich Vers 1282—1285 folgende Stelle:
„Arma antiqua manus, ungues, dentesque fuerunt,
Et lapides, et item sylvarum fragmina rami,
Posterius ferri vis est aerisque reperta;
Sed prius aeris erat quam ferri cognitus usus".
Auf deutsch: In der Urzeit bildeten Hände, Nägel und Zähne, Steine
und Baumzweige die Waffen; dann kamen das Eisen und die Bronze,
aber zuerst die Bronze, denn die Verwendung des Eisens wurde erst
später erkannt.
Erst viele Jahrhunderte später taucht dann die Vorstellung von
den drei Zeitaltern wieder auf, und zwar ist es diesmal ein Franzose,
A. H. GOGUET, der sich in seinem 1758 erschienenen Werke „L’Origine
des lois, des arts et des Sciences" folgendermassen 8 ) darüber aus¬
spricht: „Toute l’antiquitö s’accorde ä dire qu'il a ete un temps oü le
monde etait prive de l’usage des metaux" und 3 ) „L’usage du cuivre a
precede celui du fer“. GOGUETs Auffassung gewann jedoch keine An¬
hänger. „Bei den Archäologen der folgenden Zeit trifft man höchstens
ein paar unbestimmte und ganz schwankende Äusserungen über das
Verhältnis zwischen Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Und doch war
GOGUETs Werk nicht vergessen; noch 1820 erschien es in sechster
Ausgabe" 4 ).
1 ) In KRUSE, Deutsche Altertümer, Band 3, Heft 1, 1828, S. 41 ff.
2 ) Band I, Buch II, Kap. IV, S. 133.
3 ) A. a. O. S. 149.
4 ) Soph. MÜLLER, Nordische Altertumskunde I, 232.
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[6
Das Dreiperiodensystem.
299
Ein halbes Jahrhundert nach GOGUETs Aufstellung finden wir wieder
eine Notiz über die drei Zeiten, und zwar bei dem dänischen Geschichts¬
forscher Vedel SIMONSEN, der in seiner „Udsigt over National-
historiens äldste og märkeligste Perioder“ (Übersicht über die ältesten
und denkwürdigsten Perioden der Nationalgeschichte) im ersten, 1813
erschienenen Bande folgendermassen darüber schreibt: „Die Waffen
und Werkzeuge der alten Skandinavier waren zuerst aus Stein und Holz;
später lernten sie das Kupfer bearbeiten, und, wie es scheint, zuletzt
das Eisen. Ihre Kulturgeschichte könnte hiernach in eine Stein-, eine
Kupfer- und eine Eisenzeit eingeteilt werden“ l ). Diese Äusserung des
Dreiperiodensystems ist dadurch merkwürdig, dass sie den Perioden
zum ersten Male besondere Namen gibt. Man hat Vedel SIMONSEN
daraufhin als den Begründer des Dreiperiodensystems bezeichnet; aber
auch er brachte keine Beweise für die Richtigkeit seiner Thesen vor
und so kann man ihn nicht als Gründer bezeichnen. „Es war eben
damals in den gelehrten Kreisen Dänemarks eine allzubekannte Sache,
dass es eine alte Theorie über eine solche Aufeinanderfolge der grossen
Kulturperioden gab. Sie galt für nicht vielmehr als eine Hypothese,
die sich nicht näher beweisen Hess, und über deren Bedeutung man
sich nicht recht klar war. Der Gedanke an sich konnte jedenfalls keinen
Anspruch auf besonderen Wert erheben, denn er war uralt, und Be¬
weise fehlten bis dahin. In einer solchen Sache aber ist der
Beweis alles“ *).
Bald darauf kommt eine neue Äusserung: Im Jahre 1832 erschien
in Deutschland der erste Teil einer Geschichte des schwedischen Volkes,
von einem Schweden, Prof. GEIJER in Upsala verfasst, in der es
S. 109 heisst: „Die Waffen und die Wikingerflotten zeigen uns früh
den Gebrauch des Eisens; noch ältere Waffen sind aus Kupfer oder
einem mit Kupfer gemischten Metalle, die ältesten von Stein.“ Das
Werk Geigers war keine unbedeutende Publikation. Es gehört in die grosse
Sammlung von geschichtlichen Werken, die von HEEREN und UCKERT
gegründet worden ist. Dass es in Deutschland nicht unbeachtet ge¬
blieben ist, geht schon daraus hervor, dass jener erste Teil von LISCH
im Texte des Friderico-Francisceums mehrere Male zitiert wird.
Soweit in kurzem die Vorgeschichte des Systems bis zu dem im
Jahre 1836 erfolgten Auftreten DANNEILs. DANNEIL war es Vorbehalten,
die wissenschaftliche Grundlage des Systems zu bringen, denn bisher
war die Aufeinanderfolge der drei Zeiten nur ein einfacher Ausdruck
ohne jeden Beweis, der daher für die Wissenschaft ein totes Wort
bleiben musste.
DANNEILs Ausgrabungen in der Altmark fangen 1824 3 ) an. Seine
ersten Ausgrabungsberichte finden sich in KRUSEs Deutschen Altertümern 4 )
*) Der Zusatz „wie es scheint“ findet sich bei MÜLLER a. a. O. S. 233 und
UNDSET a. a. 0. S. 20, während ihn HILDEBRAND a. a. O. S. 361 nicht mit anführt.
Das Werk selbst hat mir nicht Vorgelegen und daher kann ich nicht entscheiden,
ob sich dieser Passus im Originaltexte vorfindet oder nicht.
*) MÜLLER a. a. O. S. 233.
3 ) Nicht wie HILDEBRAND a. a. O. S. 358 angibt, 1829.
4 ) DANNEIL, Erster Bericht über mehrere bei Salzwedel gefundene Altertümer
KRUSE, Deutsche Altertümer I, Heft 5, S. 48 — 66. — Zweiter Bericht. KRUSE II,
Heft 2, S. 48-63.
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300
Hugo Mötefindt.
[7
und in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiete historisch¬
antiquarischer Forschung 1 ). Seit 1825—1838 hat DANNEIL an die General¬
intendantur der Königl. Museen in Berlin mit den Fundgegenständen
leider nicht gedruckte Ausgrabungsberichte eingesandt. Diese Berichte,
die wohl in Berlin noch zu finden sind, könnten die Lücken in
DANNEILs literarischer Wirksamkeit, soweit sie gedruckt vorliegt, viel¬
leicht ausfüllen. Die Hauptergebnisse seiner Ausgrabungen endlich finden
sich zusammengefasst in seinem „Generalbericht“ *).
DANNEIL teilt in seinem Generalbericht die ihm bekannten vor¬
geschichtlichen Gräber der Altmark in drei Klassen ein: in Hünen¬
gräber, in Gräber von Backofen- oder Kugelsegmentform und in Gräber
ohne künstliche Erhöhungen, oder in „urgermanische, germanische und
wendische“. Für die zweite Form wählt DANNEIL später die sich auch
durch die Kürze empfehlende Bezeichnung „Kegelgräber“, nachdem
LISCH in Schwerin die Resultate seiner Forschung veröffentlicht und
für diese Klasse die Bezeichnung Kegelgräber gewählt hatte a ).
Die erste Klasse, die Hünengräber, gliedert DANNEIL wieder in
3—4 Arten; diese Gliederung stützt sich nur auf Äusserlichkeiten in
dem Bau der Gräber und kommt deshalb hier nicht in Betracht. Die
Ausbeute, welche ihm die Gräber seiner ersten Klasse gaben, ist
DANNEILs Ansicht nach unbedeutend. „Einzelne Scherben von tönernen
Gefässen, sehr selten eine ganze mit Sand gefüllte Urne, einzelne Streit¬
hämmer und keil- oder meisseiförmige Geräte aus Feuerstein oder
anderm Gesteine von verschiedener Grösse, das ist das wenige, was
man für die Kosten hat.“
Die Gräber rühren seiner Ansicht nach aus einer Zeit her, in der
der Mensch noch keine Metalle bearbeiten konnte; dass aber die stei¬
nernen Geräte die ersten sind, welche die anhebende Zivilisation fertigt,
lehrten ihm die Vergleiche mit den Bewohnern der Südsee. Auf Grund
genauer Forschung kann er darum die Behauptung, dass sich Eisen in
diesen Hünengräbern vorfinden solle, verwerfen. „Mit meinen Forschungen
stimmen die Resultate überein, die in Schweden, Dänemark, Mecklen¬
burg und Holland von andern gewonnen sind. Die Altertumsforscher
in Skandinavien und in Holland leugnen das Vorkommen des Eisens
und des Metalls überhaupt in diesen Gräbern. Herr LISCH hingegen
sagt, Eisen komme in den mecklenburger Hünengräber nicht selten
vor; es ist zu bedauern, dass derselbe nicht die nähern Umstände
angegeben hat, unter denen Eisen gefunden ist. Nach meiner vollsten
Überzeugung gehört das gefundene Eisen nicht den Hünengräbern, sondern
einer späteren Zeit an, wie eine von mir in diesem Jahre veranstaltete
Nachgrabung beweist“. „Nach den Ausgrabungen von Mellin, Thüritz
*) Zwei Berichte über die Ausgrabungen bei Güssefeld in der Altmark. Neue
Mitteilungen II, 1835, Heft 1, S. 108 -128.
*) Generalbericht über Aufgrabungen in der Umgegend von Salzwedel von
Professor DANN EIL zu Salzwedel. Abgeschlossen und datiert vom 20 September 1835,
veröffentlicht in Förstemanns Neuen Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-anti¬
quarischer Forschungen. 2. Band, 1836, Heft 3/4, S. 544, und in etwas veränderter
Form im ersten Jahresberichte des alimärkischen Vereins für vaterländische Ge¬
schichte und Industrie. 1838, S. 31.
3 ) Zweiter Jahresbericht des altmärkischen Vereins f. v. G. u. J. 1839, S. 82.
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8]
Das Dreiperiodensystem.
301
und Klein-Möhringen scheint notwendig angenommen werden zu müssen,
dass die Slawen sich zuweilen schon vorhandener deutscher Begräbnis¬
plätze zur Bestattung ihrer Urnen bedienten und dann lässt es sich auch
erklären, wie im Mecklenburgischen in Hünengräbern Eisen Vorkommen
konnte. Auch die sibirischen Völkerschaften sollen, wie Lisch behauptet,
noch jetzt in und an alten Grabhügeln ihre Toten bestatten. Man
sollte hierauf bei den Ausgrabungen sorgfältig achten, damit nicht später
von den Slawen in germanischen Gräbern beigesetzte Urnen mit deren
Inhalt für germanisch gehalten werden, was leicht zu Verwirrungen
führen kann“.
Seine zweite Klasse, die Kegelgräber, zergliedert er in zwei Unter¬
abteilungen, wieder nach dem Bau der Hügel, doch auch ihr Inhalt wird
als Ünterscheidungsmal berücksichtigt. „Die Geräte, welche sich in den
Urnen der ersten Abteilung finden, bestehen aus einer verschiedenen
Mischung des Zinnes, in der Regel Erz genannt; Eisen kommt nicht
vor, wenigstens äusserst selten, und wo es gefunden ist, mag es wohl
aus Urnen genommen sein, die später von den Slawen in den vorhan¬
denen Hügeln beigesetzt wurden“. In der zweiten Unterabteilung tritt
Eisen gemeinschaftlich mit dem Erze auf. „Darum müssen diese Gräber
notwendigerweise einer späteren Zeit als die der ersten angehören“.
Diese Unterabteilung bildet für ihn den Übergang zur Eisenzeit, zu den
Gräbern ohne künstliche Erhöhung, die er den Wenden zuteilt, seiner
dritten Hauptklasse, der Eisenperiode. Man sieht also, dass schon 1835
von Danneil eine Einteilung aufgestellt ist, die von der Form der Gräber
ausgehend zu einer Unterscheidung nach dem vorwiegenden Gebrauch
des Steins, der Bronze und des Eisens gelangt, die, wenn sie die
Perioden auch noch nicht mit bestimmten Namen bezeichnet, im Grunde
das Dreiperiodensystem darbietet.
Etwas später als DANNEIL stellte der um die mecklenburgische
Altertumsforschung hochverdiente Archivar LISCH eine Einteilung der
Gräber auf, zuerst 1837 in seinen „Andeutungen über die altgerma¬
nischen und slavischen Grabaltertümer Mecklenburgs und die norddeutschen
Grabaltertümer aus der vorchristlichen Zeit überhaupt“ *) und dann kurz
darauf im „Friderico-Francisceum“ 1837. In seinen Andeutungen teilt
LISCH die Altertümer in drei Klassen ein; die Einteilung des Friderico-
Francisceums, in der er in der Einteilung nach der äussern Grabform
weitergeht und so acht Klassen herauskonstruiert, ist viel zu gekünstelt,
als dass sie eine eingehende Beachtung verdient. Für unsere Betrachtung
wertvoll ist dagegen die erste Einteilung.
I. Klasse: Germanen- oder Kegelgräber. „Was in diesen Gräbern
den Toten mitgegeben wurde, zeichnet sich zunächst nach dem Material
aus. Vorherrschend ist überall Bronze in den schönsten Farben, nach
chemischen Untersuchungen ungefähr aus 85°/« Kupfer und 15°/« Zinn
bestehend, jedoch in abweichenden Mischungen, nach der Bestimmung
des Gerätes sorgfältig berechnet. Alle Gegenstände aus Erz scheinen
gegossen zu sein. Alle sind stark vom Rost angegriffen oder mit den
herrlichsten, glänzendsten edlen Rost bedeckt, wenn sie nicht im Moor
') Auch abgedruckt im Freimüthigen Abendblatt 1837, Nr. 943 und 944 und
im 11. Jahresbericht des Mecklenburgischen Vereins S. 146.
Mannut, ßd. II. Heft 4. 20
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302 Hugo Mötefindt. [9
gefunden sind, welches Sachen aus Bronze Jahrtausende lang völlig
unversehrt und wie neu erhält. Zum Schmucke findet sich öfter reines
Gold. Eisen ist bisher in keinem Kegelgrab bemerkt, jedoch an ein¬
zelnen gefundenen Gegenständen, wiewohl höchst selten beobachtet.
Silber ist nie gefunden. Bernstein ist nicht selten, Glasflüsse sind
zweifelhaft.“
Seine zweite Klasse bilden die Slawengräber: „Das Material, aus
dem die meisten Sachen gefertigt sind, ist Eisen; Bronze tritt in den
Hintergrund, nur einzelne Gegenstände sind aus Erz gefertigt, z. B.
kleine Ringe, Knöpfe, Schnallen, Nadeln, moderne Stopfnadeln, kleine
Brusthefteln mit gebogenen Bügeln, und einer kleinen, dünnen Nadel,
während alle diese Gegenstände auch aus Eisen neben andern derselben
Art aus Erz Vorkommen. Gold ist nie bemerkt, Silber findet sich häufig
bei allen Gegenständen, die auch aus Erz Vorkommen“.
Eine dritte Klasse endlich bilden die Hünengräber, über die er
1837 schreibt: „Nach den Funden hat man die Hünengräber einer ur¬
alten Zeit zugeschrieben, in welcher der Gebrauch der Metalle noch
nicht bekannt war. Aber es ist unleugnbar, dass in Mecklenburg in
denselben auch Spuren von Eisen Vorkommen; gewöhnlich ist dieses
Metall vergangen, aber man hat auch einzelne Geräte noch ziemlich
gut erhalten aus ihnen hervorgeholt, wie Ringe, Streithämmer und
dergleichen. Die holländischen Forscher leugnen zwar das Vorkommen
von Eisen in den Hünengräbern, aber es lassen sich sichere Auf¬
grabungen in Mecklenburg nicht wegleugnen. Das Vorkommen des
Eisens setzt die Bestimmung der Hünengräber einen Augenblick in
Zweifel, aber ein Hinblick auf die geographische Verbreitung derselbsn
gibt zur weiteren Forschung Mut. Die Hünengräber finden sich näm¬
lich in allen den Gegenden, in welchen die germanischen Kegelgräber
Vorkommen: in Norddeutschland, in den Niederlanden, in Nordfrank¬
reich, in Britannien und in Skandinavien, also am häufigsten in den
Ländern, wohin die Slawen nie gedrungen sind. Man ist also ge¬
zwungen, sie einer nichtslawischen Bevölkerung zuzuschreiben, und will
man nicht annehmen, dass die Germanen im Laufe der Zeit gewaltige
Rückschritte gemacht haben, so ist man veranlasst die Hünengräber
einer alten germanischen Zeit anzuweisen, gewiss einer Zeit, welche
der voraufging, in der die Kegelgräber erbaut wurden, aus denen
römischer Einfluss nur zu klar hervorleuchtet. Auffallend bleibt aller¬
dings die Zurückdrängung des Eisens durch das römische Erz; aber
der Mangel an Technik zur vollkommenen Bearbeitung des Eisens
mag wohl Veranlassung zur allgemeinen Aufnahme der schönen, brauch¬
baren und edlen Kupferkomposition durch die Bekanntschaft mit den
Römern geworden sein. Auch kommen allerdings Beispiele von dem
fortgesetzten Gebrauche des Eisens in Kegelgräbern vor“. Hierzu gibt
LISCH aber noch eine Anmerkung, und zwar nur in dem spätesten Ab¬
druck seiner „Andeutungen“, in den Jahrbüchern des mecklenburgischen
Vereins: „Das auffallende Vorkommen von Eisen in den Hünengräbern,
welches jedoch nur hin und wieder bemerkt ist, ist unbestreitbar. Es
ist bisher jedoch nur in Hünengräbern derjenigen Länder beobachtet,
in welchen einst Wenden gesessen haben. Auch Professor Direktor
DANNEIL zu Salzwedel hat in geringer Tiefe Urnen mit eisernen Gerät-
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10]
Das Dreiperiodensystem.
303
schäften in Hünengräbern gefunden. Dieser Forscher hat daher die
richtige und schöne Ansicht gefasst, dass in jüngeren Zeiten oft Slawen
in Hünengräbern beigesetzt worden seien, und man also in uralten
Gräbern neben der alten noch eine spätere, eine zweite Begrabung
habe. Es ist eine interessante Beleuchtung über das Vorkommen von
Eisen in Hünengräbern von DANNEIL zu erwarten“ *).
Wenn LISCH nun späterhin behauptet hat 2 ), dass er das Drei¬
periodensystem schon 1837 im Friderico-Francisceum ausgesprochen
habe, so ist es dort, wie ich glaube gezeigt zu haben, nur in einem
Entwicklungsstadium erst angedeutet, aber noch lange nicht klar vor¬
handen. Wenn LISCH dann aber den Beweis für die Richtigkeit seiner
Behauptung darauf gründet, das er „diese Ansichten (das ist das Drei¬
periodensystem) nach der schwierigen und langwierigen Entdeckung der
damals noch unbekannten Eisenzeit aus der Brandzeit, auf die es bei
der Erkenntnis der Perioden vorzugsweise ankommt, da sich die bei
den anderen Perioden von selbst leicht herausstellten, schon 1837 aus¬
gesprochen habe“, so ist dieser Anspruch jedenfalls irrig. Eine Eisen¬
periode zu entdecken, ist ja nie in Frage gekommen, denn eine solche
war ja von Anfang an aus der Geschichte bekannt. Den Kernpunkt der
Kämpfe bildete vielmehr die Erkenntnis der Bronzezeit, und selbst die
entschiedensten Gegner des Systems gingen nicht weiter als bis zu der
Leugnung der reinen Bronzezeit. Gerade dadurch, dass die nordischen
Archäologen in der Ausdehnung der reinen Bronzezeit zu weit gegangen
waren, entstanden dem Dreiperiodensystem so viele Gegner.
Die erste Stelle, an der man das Dreiperiodensystem bei LISCH nach-
weisen kann, datiert vielmehr erst von 1839. In einer Anmerkung zu
einem Ausgrabungsbericht in den Jahresberichten des mecklenburgischen
Vereins J ) spricht er sich folgendermassen aus: „Das Hauptkennzeichen
für die Zeit, aus der die Urnen stammen, bleibt der Inhalt der Urnen.
Mag man auch die Urnen nach verschiedenen Ansichten andern Völkern
zuschreiben, so bleibt doch der Unterschied zwischen Stein-, Bronze-
und Eisenzeit im Norden Deutschlands unbestreitbar“. Man kann also
nicht umhin, LISCH wenigstens die Priorität des Systems abzusprechen,
und ich glaube, dass man dadurch seine hohen Verdienste um die Alter¬
tumskunde nicht mindert. Unbestreitbar dagegen bleibt es, dass er völlig
selbständig zu gleichen Forschungsresultaten wie DANNEIL gelangt ist,
völlig unabhängig auch von THOMSEN, von „den Dänen“, wie er
selbst sagt 4 ) „mit deren Forschungen ich zu der Zeit der Aufstellung
des Systems völlig unbekannt war“.
Wenden wir uns jetzt der Altertumsforschung in den nordischen
Ländern zu. In den nordischen Ländern hatte das Interesse der Nation
von jeher die Sammlung von Altertümer betrieben und schon seit 1666
bestand in Stockholm eine grosse Altertümersammlung. Aber trotzdem
*) Erfolgt im ersten Jahresbericht des altmärkischen Vereins für Vaterland.
Gesch. u. Industrie. 1838, S. 44.
*) Jahrbücher des Ver. für Mecklenburgische Geschichte 1865, 30, S. 7 und
in einem von RAUTENBERG in den Verhandl. der Berliner anthropolog. Gesellschaft
1886, S. 551 ff. publizierten Briefe.
0 IV, 1839, S. 44.
4 ) Jahrbücher des Mecklenburger Vereins 30, 1865, S. 7.
20 *
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PRINCETON UNIVERS1TY
304
Hugo Mötefindt.
[11
versuchte man erst in gleicher Zeit wie in Deutschland auch im Norden
von der Altertümerkunde zur Altertumsforschung überzugehen. Die
führende Rolle in den dortigen Bestrebungen übernahm die „königliche
Gesellschaft für nordische Altertumskunde“ in Kopenhagen.
1816 gelangte an die Spitze des in Kopenhagen seit 1807 be¬
stehenden Museums ein junger, tüchtiger, für die Altertumskunde mit
warmem Interesse und grosser Begabung versehener Mann, Chr. THOMSEN,
von dem man ein Jahr später schreiben konnte: „In sieben Königreichen
ist kein zweiter zu finden, der diesen Posten gleich ihm ausfüllte; die
Sammlung der Altertümer ist durch seinen Fleiss und seine beispiel¬
lose Sorgfalt auf mehr als alterum tantum gewachsen, und von ihm auf
die netteste und geschmackvollste Weise geordnet worden“ l )*
Gerade diese Ordnung ist es, die THOMSEN berühmt gemacht hat.
Nach und nach reifte in THOMSEN bei der Anordnung der zahlreich auf¬
gespeicherten Schätze des grossen Kopenhagener Museums der Gedanke
von den drei Zeitaltern und ein wirkliches Verständnis der vielen ver¬
schiedenartigen Altertümer, die das Museum bereits damals enthielt.
Vieles ist über diese allmähliche Entwicklung in THOMSEN schon ver¬
öffentlichtworden. In seinem nur mündlich geäusserten Plan von 1830 lässt
sich diese Teilung schon erkennen. Obwohl THOMSEN seine Gedanken
noch nicht schriftlich niedergelegt hatte, fanden sie doch bereits damals
anderwärts willigen Eingang. Wie der nachmalige schwedische Reichs¬
antiquar Bror Emil HILDEBRAND bei der Ordnung der Sammlungen in
Lund und Stockholm das neue System befolgte, so wurde es auch der
Ordnung des Museums von Christiania zu Grunde gelegt, als Prof. Rudolf
KEYSER, dem THOMSEN seine Ideen entwickelt hatte, die Leitung des¬
selben im Jahre 1828 übernahm; und wenn GEIJER in seiner „Geschichte
des schwedischen Volkes“ 1832 den Gedanken der Dreiteilung deutlich
ausspricht, so kann auch, nachdem darauf aufmerksam gemacht ist*),
dass GEIJER in Kopenhagen geweilt hat und dort in nahe Beziehung
zu THOMSEN gekommen ist, darüber wohl kein Zweifel bestehen, dass
diese literarische Äusserung auf THOMSEN zurückgeführt werden muss.
Doch THOMSEN muss seinerSache immerhin noch nicht ganz sicher
gewesen sein, denn in seiner ersten Arbeit, die bezeichnenderweise
keinen Verfassernamen trägt, erschienen 1832 in der Nordisk Tidksrift
for Oldkyndighed (Nordische Zeitschrift für Altertumskunde), wird das
Dreiteilungssystem noch gar nicht angedeutet, nicht einmal der Ausdruck
„Steinzeit“ wird gebraucht; es heisst ganz einfach: „Die Steinsachen
sind sicher diejenigen von unseren Altertümern, welche dem fernsten
Zeitabschnitte angehören.“
Dieser Aufsatz ist auch enthalten in den 1835 von derselben Ge¬
sellschaft herausgegebenen, jedoch nicht in den Buchhandel gebrachten
„Historisch-antiquarischen Mitteilungen“, eine Auswahl der hauptsäch¬
lichsten antiquarischen Aufsätze aus den beiden ersten Bänden der
„Nordisk Tidskrift for Oldkyndighed“ in deutscher Sprache; aber auch
hier bietet der anonyme Aufsatz zwar die auf der Hand liegende Zu¬
sammenfassung der Steingeräte und die Verweisung derselben in das
■) MÜLLER a. a. O. S. 219.
a ) MÜLLER a. a. O. S. 222.
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12]
Das Dreiperiodensystem.
305
„fernste Zeitalter“ (S. 63 ff.), aber keinerlei Andeutung einer weiteren Ein¬
teilung nach den hauptsächlich in Gebrauch befindlichen Metallen, und doch
ist gerade diese Auswahl ebenso wie der ein Jahr später erschienene Leit¬
faden zu dem Zwecke veranstaltet worden, den deutschen Altertumsforschern
vom Stande dieser Wissenschaft im skandinavischen Norden Kunde zu geben,
und als Geschenk an die deutschen Altertumsforscher verteilt. Wäre
demnach THOMSENs System damals schon zur Veröffentlichung reif ge¬
wesen, so würde man wohl kaum darauf verzichtet haben, es wenig¬
stens andeutungsweise zu erwähnen. So wird sich die Sache auch in
Wirklichkeit verhalten: Er hat es geahnt, gefühlt, aber es war ihm noch
zu unbewiesen, und da er ein äusserst vorsichtiger Mann und überaus
bedachtsam gegenüber wissenschaftlichen Theorien war, hat #> er bis 1836
nicht gewagt es zu veröffentlichen. Erst 1836 trug er der Öffentlichkeit
das Dreiperiodensystem vor, aber wieder anonym, mit den Benennungen
„Steinalter, Bronzealter, Eisenalter" in der kleinen Schrift „Ledetraad
for nordisk Oldkyndighed“ A ). Auch er gab hier zuerst eine Einteilung
nach der äusseren Form der Grabhügel; daneben hatte er noch eine
zweite Einteilung, die er als „die verschiedenen Perioden“ bezeichnet,
„in welche die heidnischen Altertümer gesetzt werden können“. Als
solche gab er an eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit. Neben
dieser wichtigen Einteilung hatte er aber auch noch eine dritte aus
der Vergleichung die Zierrate gewonnen. Für jedes der drei prähistori¬
schen Zeitalter stellte er eine Reihe von Verzierungen auf, die charakte¬
ristisch sein sollten.
Den Urheber eines Systems mit Sicherheit nachzuweisen, ist fast
nie leicht, ganz abgesehen von der persönlichen Gereiztheit, von den
nationalen Vorurteilen, die gar zu gern einer derartigen Diskussion einen
unangenehmen Charakter aufdrücken. Als Begründer eines wissen¬
schaftlichen Systems kann ich nur den anerkennen, der das System nicht
nur klar auffasst, sondern mitsamt den Beweisen veröffentlicht;
ob er es von andern geliehen, kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Denn
die Erfahrung lehrt uns, dass fast niemals eine epochemachende Ent¬
deckung vollkommen neu ist; der kritischen Forschung unserer Zeit ge¬
lingt es fast immer nachzuweisen, dass jeder Urheber einen oder
mehrere Vorläufer gehabt hat. Vorläufer nenne ich diejenigen, die das
System entweder geahnt oder es vielleicht ganz klar, allerdings ohne
Beweise vorzubringen, ausgesprochen haben; die Ansichten dieser Vor¬
läufer sind meistens mit ihnen selbst vergangen; was sie geredet haben,
ist bald verschollen, weil sie keine Jünger gefunden haben. Dazu
kommt noch, dass ein System nicht immer auf einen einzigen Urheber
zurückzuleiten ist. Perioden kommen vor, da, infolge einer durchge¬
machten Entwicklung die Luft — wenn ich so sagen darf — von den
Keimen der neuen Entdeckung gesättigt ist, — bald hier, bald da wird
l ) Deutsche Ausgabe: Leitfaden zur nordischen Altertumskunde, heraus¬
gegeben von der königlichen Gesellschaft für nordische Altertumskunde in Kopen¬
hagen 1837. II. Abschnitt (S. 25 ff.): Über Denkmäler und Altertümer aus der
Vorzeit. Da die Vorrede ausdrücklich das Datum des November 1837 trägt, so wird
wohl kaum anzunehmen sein, dass der Leitfaden vör dem Jahre 1838 in Deutsch¬
land bekannt geworden ist. — Englische Übersetzung durch Lord ELLESMERE
unter dem Titel: A Guide to Northern Antiquities 1848.
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
306
Hugo Mötefindt.
[13
die neue Lehre ausgesprochen. Man kann Begründer eines Systems
innerhalb eines gewissen Gebiets sein, allein von allen denjenigen, die
das System mit Kraft und Klarheit gepredigt haben, kann man doch
meistens einen ausscheiden, der, sobald man nicht das einzelne Gebiet,
sondern die ganze gelehrte Welt betrachtet, als der erste Urheber an¬
zusehen ist. Es ist oft schwierig, die verschiedenen Ansprüche gegen¬
einander gewissenhaft abzuwägen, besonders schwierig aber in unserm
Falle.
Suchen wir in diesem Falle jetzt zum Resultate zu gelangen, so
ergibt sich folgende Reihenfolge für die Begründer des Dreiperiodensystems,
nach der Zeit der Veröffentlichung ihrer grundlegenden Arbeiten
geordnet: DANNEIL, THOMSEN, LISCH. Scheiden wir LISCH anfangs
aus und suchen wir zwischen DANNEIL und THOMSEN zu entscheiden,
dann werden wir folgendes finden: Zwischen beiden besteht ein grosser,
wichtiger Unterschied: ein Forscher, der durch eigene Prüfung der Fund¬
verhältnisse, durch persönlich vorgenommene Ausgrabungen die Wissen¬
schaft fördern will, im Gegensatz zu einem Museumsdirektor, der seine
Museumsräume fast nie verlässt und der sich nur auf die Fundangaben
verlassen muss, die ihm bei der Überreichung der Funde von den
Findern gemacht werden. Dieser Punkt ist bisher noch nie berück¬
sichtigt worden, meiner Ansicht nach aber äusserst wichtig. Denn ich
glaube DANNEIL nicht nur den Vorzug einräumen zu müssen, dass er
seine Entdeckung zeitlich als erster veröffentlicht hat, sondern vor allem
auch den, dass er die Dreiteilung besser beweisen konnte als THOMSEN.
Denn THOMSEN musste sich auf die Angaben derer verlassen, die Ge¬
legenheitsfunde dem Museum überwiesen, DANNEIL dagegen konnte sich
auf eigene Beobachtungen stützen, und dass solche eigenen Beobachtungen
wertvoller sind als die Berichte von andern Leuten, die zufällig auf
einen Fund gestossen sind, wird mir wohl jeder unbedingt zugeben.
Ferner hatDANNEILs „Generalbericht“ vor THOMSENs Arbeit den grossen
Vorteil, dass DANNEIL bei seiner Arbeit die Ergebnisse seiner vielen
Ausgrabungen als Beweise für die Richtigkeit seiner Aufstellung der
drei Perioden zusammengestellt hat, während THOMSEN Beweise
überhaupt nicht veröffentlicht hat. Wollte man also streng
nach dem oben angeführten Grundsatz verfahren, dann müsste THOMSEN
mit seinen Ansprüchen sofort zurücktreten; ein solches Verfahren würde
aber eine grosse Ungerechtigkeit gegen THOMSEN bedeuten, denn auch
seine Wirksamkeit hat bedeutende Vorzüge, die ich weiter unten er¬
örtern werde. Hier möchte ich nur noch kurz bemerken, dass THOMSEN
meiner Ansicht nach auch nie hätte beweisen können, dass Eisen,
das in Hünengräbern gefunden sein sollte, aus Nachbestattungen her¬
rühren müsse, während DANN EIL es durch seine Beobachtungen bei
den Ausgrabungen klarstellen konnte. Und wer die vielen erbitterten
Kämpfe gerade um diesen Punkt kennt, der wird mit Recht annehmen,
dass dieser Vorzug DANNEILs schwerwiegend ist. Für THOMSEN erwuchs
aus dieser Museumstätigkeit ein grosser Vorteil: Er konnte in seinem
Museum jedem, der hierzu nach Kopenhagen kam, seine Beweisgründe
für die Richtigkeit seiner Dreiteilung der vorgeschichtlichen Zeiten vor
Augen bringen und er konnte vor allen Dingen durch die Anordnung
des Museums seiner Zeit dies sehen lehren. Daher kann man wohl
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14]
Das Dreiperiodensystem.
307
sagen, dass er sich das Urheberrecht an der Dreiteilung der vorgeschicht¬
lichen Zeiten mehr durch die im Laufe der folgenden dreissig Jahren
entfalteten Wirksamkeit im Museum als durch seine kleinen Abhand¬
lungen gesichert habe.
Aber auch auf einen Punkt möchte ich hier noch hinweisen:
DANNEILs und LISCHs Ergebnisse wurden in Deutschland noch lange Zeit
nicht beachtet und weiter verfolgt, wie auch das von ihnen gegebene
Beispiel, systematische Untersuchungen vorzunehmen, nur sehr wenig
Nachahmung fand. THOMSENs Aufsatz dagegen wurde in weiten Kreisen
bekannt; sein Ordnungssystem war, wie oben erwähnt, schon vorher
sowohl von dem schwedischen wie von dem norwegischen Reichsmuseum
angenommen worden. Und das Kopenhagener Museum, wo er seine Lehre
zuerst erkannt und praktisch dargestellt hatte, erwuchs unter seinen Händen
zu dem ersten Institut seiner Art in Europa; um ihn und sein Museum
entstand eine Schule von Altertumsforschern und eine archäologische
Literatur, die in weiten Kreisen in Europa bekannt wurde und anregend
wirkte. Und überall, wo nur das Dreiperiodensystem angenommen oder
angefochten wurde, war es gewöhnlich, leider auch in Deutschland, an
THOMSENs Namen geknüpft. DANNEIL dagegen lebte in einem kleinen
Kreise; der archäologischen Forschung konnte er nur seine Mussestunden
widmen, und seine Schriften erschienen in streng wissenschaftlichen Zeit¬
schriften. Soweit ich die Verhältnisse beurteilen kann, hat er für die
Verbreitung seines Systems nichts tun können; kein einziger Jünger,
der sein System aufnahm und weiterführte, ist nachgewiesen worden.
So ist denn gekommen, dass man THOMSEN immer vor DANNEIL
als den Begründer des Dreiperiodensystems genannt hat, dass man den
Salzwedeler DANNEIL gar nicht beachtet und mit seinen gewiss ebenso
berechtigten Ansprüchen nicht gewürdigt hat. Wir Deutsche haben aber
jedenfalls keinen Grund, das Dreiperiodensystem als das „nordische“
zu bezeichnen, wie es LINDENSCHMIT immer getan hat, denn was deutsche
Forscher zuerst veröffentlicht haben, kann man auch als deutsche Ent¬
deckung bezeichnen. Auch haben nicht etwa die Dänen das Dreiperioden¬
system am eifrigsten verfochten und am zähesten aufrecht gehalten.
Keiner hat es vielmehr so gut verstanden, alles in diese Schablone ein¬
zufügen wie LISCH; darum schrieb VIRCHOW LISCH neben dem ersten
Entdecker DANNEIL in Salzwedel die Vaterschaft des Systems zu.
Es war gewiss viel erreicht, als man aus der stammenden Betrach¬
tung dieser unbekannten und durch kein schriftliches Zeugnis aufge¬
klärten Objekte lediglich durch Beobachtung und Vergleichung zu dieser
kulturgeschichtlichen Unterscheidung gelangt war, welche für die Chrono¬
logie massgebend sein musste. Mochten diesen Erkenntnissen auch noch
viele Vorstellungen anhaften, die bei genauerer Bekanntschaft mit den
Dingen fallen mussten, so spricht doch für das Naturgemässe der Drei¬
teilung der Umstand, dass sie von den drei damals berufensten Forschern
beinahe zu gleicher Zeit ausgesprochen wurde, und zwar ist jeder dieser
Forscher aus eigener Überzeugung zu dieser Ansicht gekommen, wie
DANNEIL später einmal ausdrücklich betont*).
') I. Jahresbericht d. A. V. f. v. G. u. I. 1838. S. 33.
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308
Hugo Mötefindt: Das Drei periodensystem.
[15
Fünfundsiebzig Jahre sind somit verflossen, seit der Grundstein
zur wissenschaftlichen Vorgeschichtsforschung in Deutschland gelegt wurde.
Lange Zeit hat es freilich noch gedauert, bis die allgemeine Anerkennung
des Dreiperiodensystems erfolgte. Besonders VIRCHOW hielt auf Grund
seiner Beobachtungen das Dreiperiodensystem aufrecht. LINDENSCHMIT
und HOSTMANN dagegen zählten zu den eifrigsten Gegnern und suchten
es über den Haufen zu werfen. Trotzdem muss selbst LINDENSCHMIT
zugeben, dass die Aufstellung des Dreiperiodensystems „eine wichtige
Phase in der Forschungsentwicklung“ bedeute, die erste und dadurch,
dass sie grundlegend war, die wichtigste. Unsere heutige wissenschaft¬
liche Forschung hat freilich längst eine noch viel weitgehende Perioden¬
einteilung gefunden, und doch „verschmelzen alle diese Perioden ineinander
gleich den Farben des Sonnenspektrums, dessen Skala trotz der unmerk¬
lichen Übergänge ebenso unangefochten bleiben muss wie das prähistorische
Dreiperiodensystem“. Abschliessen möchte ich nun unsere Betrachtung
mit den Worten DANNEILs, die er seiner Einteilung vorausschickt und
die für unsere heutigen Forscher gewiss auch noch beherzigenswert sind:
„Lassen wir uns nicht abhalten, tätig zu sein, wenn wir'
auch das Ganze noch nicht überschauen können; wir ar¬
beiten ja in so vielen Dingen für unsere Nachwelt, und
auch der Greis freut sich am Ende seiner Tage, wenn er
ein junges Bäumchen pflanzt, an dem erst seine Kinder
und Enkel Frucht sehen werden“.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Zum Dreiperiodensystem.
Von Gustaf Kossinna.
Den vorstehenden Aufsatz des Herrn MÖTEFINDT über die erste
Aufstellung des Dreiperiodensystems habe ich dem Nannus gern einver¬
leibt, obgleich ich selbst vor schon fast zwanzig Jahren eine ähnliche, bis¬
her noch ungedruckte Arbeit über das Dreiperiodensystem abgefasst
hatte, die aber nicht nur die Anfänge behandelt, sondern eine volle
Geschichte des Systems bietet bis zu seinem endgiltigen Siege im
Jahre 1892. Damals erschien wie ein letzter Keulenschlag gegen die
kurzsichtigen Gegner des Systems Otto OLSHAUSENs Kritik des
Werkes von L. BECK, Geschichte des Eisens l ), und namentlich seine
Abhandlung über „die angeblichen Funde von Eisen in steinzeitlichen
Gräbern“ *). Gleichzeitig brachte das populäre Werk von M. HÖRNES:
Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stande der Wissen¬
schaft, Wien 1892, eine Art Kodifikation der Geschichte des „Bronze¬
kulturkampfes“, die ebenfalls einen gewissen Abschluss dieser Streit¬
fragen bedeutete 0 ). So legte der damalige Stand der Wissenschaft es
mir nahe, über alle Einzelheiten der Entwicklung des Streites aus den
Originalquellen selbst genaueste Aufklärung mir zu verschaffen. Ist
meine Arbeit durch ihre zeitlich weiter gezogenen Grenzen naturgemäss
viel umfangreicher, als die MÖTEFlNDTs, so hat letztere ihren enger
umgrenzten Stoff wiederum ausführlicher ausbreiten können.
Es war mir eine Freude, zu sehen, wie in allen wesentlichen
Punkten und namentlich in der von Sophus MÜLLER so sehr ab¬
weichenden Bewertung des deutschen Forschungsanteils die Ansichten
MÖTEFlNDTs mit den meinigen übereinstimmen, zuweilen dermassen,
dass wir unseren Gedanken fast in demselben Wortlaut Ausdruck ge¬
geben haben. Zunächst noch ein paar Nachträge zu MÖTEFINDT. In
der Literaturangabe (S. 294, Anm. 1) wäre hinzuzufügen:
*) Zschr. f. Ethnologie 1892, 129 ff.
*) Verhandl. d. Berlin, anthropol. Ges. 1893, 89 ff.
3 ) Dass zuweilen immer wieder noch Leute auftreten, die sich mit der Tat¬
sache einer einstigen reinen Bronzezeit nicht zu befreunden vermögen, zeigt ein
Artikel in der Wochenschrift „Umschau“ 1906, Nr. 12, mit dem Titel: „Gab es ein
Bronzealter?“ Der Verfasser antwortet auf seine Fr?ge verneinend, weil die Siegel¬
steine der mykenischen Schachtgräber (also reiner Bronzezeit) aus so hartem Ge¬
stein geschnitten wären (Sardonix, Amethyst), dass sie ohne Stahlwerkzeuge nicht
hätten bearbeitet werden können.
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PRINCETON UNIVERS1TY
310 Gustaf Kossinna [2
M. HÖRNES, Geschichte und Kritik der drei prähistorischen Kultur-
Perioden (Mitteil, der anthropol. Ges. zu Wien 23, [71—78]).
O. MONTELIUS, Det nordiska Treperiodssystemet. En historik.
(Svenska Fornminnesföreningens Tidskrift 1905. XII, 185—211).
MONTELIUS nennt das System „nordisch“, wie man das heute
noch in Skandinavien und in früheren Jahrzehnten auch in Deutschland,
jedoch nur bei den Gegnern des Systems, zu tun pflegte. MONTELIUS
scheint hier das Wort „nordisch“ in anderem engerem Sinne anzu¬
wenden, als er es sonst, wie er stets betont, tut. Sonst galt ihm als
„nordisch“ stets der ganze Ostseeumkreis, also nicht nur Skandinavien
und Dänemark, sondern auch die deutschen Ostseegebiete, das ganze
nach meiner Bestimmung, der sich, wie ich aus einem Berliner Vortrag
vom Oktober 1910 ersehen habe, nun auch MONTELIUS anschliesst,
seit der Bronzezeit germanische Land. In dieser Schrift aber kann
„nordisch“ nur gleich „skandinavisch nebst dänisch“ gemeint sein, da
MONTELIUS des grossen Anteils deutscher Forschung an der Entdek-
kung und Aufstellung des Systems völlig geschweigt. Im übrigen er¬
innert MONTELIUS daran, dass vor GOGUET bereits deutsche, dänische
und schwedische Gelehrte durch neue Erdfunde dazu bewogen wurden,
die Lehre von den drei Zeitaltern von neuem aufzustellen: Joh. Dan.
MAJOR 1692; Joh. Georg v. ECKHARDT etwa 1720; Olof RUDBECK
1698; Tyge ROTHE 1750. Hinzuzufügen wäre hier noch der Name des
Schlesiers BÜSCHING (Abriss der deutschen Altertumskunde 1824, S. 11).
Was Vedel SIMONSENs Äusserung über die von ihm bereits
klar benannten drei Zeitalter angeht (oben S. 299 u. Anm. 1), so hat
bekanntlich als Erster MONTELIUS auf sie hingewiesen *). Bei MON¬
TELIUS steht wie im Original: „wie es scheint, zuletzt das Eisen“.
Von allen Gelehrten, die nach MONTELIUS diese Stelle besprechen,
scheint nur UNDSET das Werk SIMONSENs wirklich in die Hand ge¬
nommen zu haben.
Völlig eins bin ich mit MÖTEFINDT besonders in der Hoch¬
schätzung DANNEILs. Lange bevor man in Dänemark wissenschaftliche
Ausgrabungen machte, geschah das in Deutschland, namentlich in
Mecklenburg und in Salzwedel. So kam es, dass THOMSEN das
Dreiperiodensystem aus unkontrollierbaren Fundeingängen zuerst nur
intuitiv erraten, dann bekannt gemacht und schliesslich erst nachträglich
durch systematische Grabungen zu begründen versucht hat. Umgekehrt
hat DANNEIL erst Jahrzehnte lang solche Grabungen angestellt und
dann das System — vor THOMSEN — sogleich mit seinen Beweisen
veröffentlicht. Nur ein solcher Forscher konnte zu der damals genial
zu nennenden Erkenntnis kommen, wie oft jüngere Nachbestattungen
in alten Hügelgräbern die Ursache sind, dass für Unkundige das Aus¬
grabungsbild getrübt wird. Dadurch, dass DANNEIL mit der Einteilung
nach den drei Hauptstoffen die Einteilung nach Gräberarten verband,
zwei Prinzipien, die THOMSEN später noch in zwei Reihen unver¬
mittelt und ohne gegenseitige Beziehung nebeneinander laufen Hess,
‘) O. MONTELIUS, Sveriges Forntid. Text 1. Stenäldern. Stockholm 1874,
S. 20, wo aber SIMONSEN I, 2, S. 73 falsch zitiert ist, während die Worte vielmehr
S. 76, Anm. 1, zu finden sind.
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Gck igle
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3]
Zum Dreiperiodensystem.
311
dadurch wurde seine Einteilung freilich weniger elementar, sie war nicht
so splitternackt wie die Thomsensche. Es fehlte ihr der Charakter der
leicht fasslichen, allgemein gütigen Formel und so konnte sie für erste
nicht so wirksam werden, selbst wenn sie bekannter geworden wäre,
als es den Forschungen eines in ein abgelegenes Landstädtchen ge¬
bannten, wissenschaftlich vereinsamten Gelehrten damals möglich war.
Darum war diese Einteilung aber, wie jeder zugeben muss, der nicht
wie Sophus MÜLLER die Ehre eines seiner Vorgänger unter allen Um¬
ständen besonders zu erhöhen sich für verpflichtet hält, wissenschaftlich
viel weiter vorgeschritten und tiefer als die bloss nach den Stoffen vor¬
genommene THOMSENs.
Und noch eins ist gegen die dänische Behandlung der Bronze¬
alterfrage zu erinnern. Auf die dänische Forschung fällt späterhin ein
grosser Teil der Schuld an den trostlos lange, länger als ein halbes
Jahrhundert, sich hinziehenden Streitigkeiten über das Bestehen eines
Bronzealters. Diese Schuld war die späte Ansetzung des Bronzealters
in eine Zeit, in der, wie jeder deutsche Historiker schon vor hundert
Jahren wusste, die Germanen nach dem Zeugnisse der antiken Schrift¬
steller hauptsächlich Eisengeräte besassen. Es war eine nachhaltige
und empfindliche Schädigung unserer Wissenschaft, dass man in Däne¬
mark nur aus dem Grunde, dass die Hinterlassenschaft des Bronze¬
alters ein so erdrückendes Übergewicht besass gegen diejenige aus der
Eisenzeit, an jener verkehrten Ansicht so lange festhielt. Dehnte doch
WORSAAE die Bronzezeit 1843 bis ins 9. Jahrhundert nach Chr. aus,
1865 noch bis ins 3. Jahrhundert nach Chr., ebenso ENGELHARDT, der
treffliche Erforscher der grossen spätrömischen Moorfunde in Schleswig,
noch im Jahre 1878. Demgegenüber war es ein bedeutender Fort¬
schritt der Wissenschaft auf deutscher Seite, dass LISCH seine bisher
als Wendenfriedhöfe bezeichneten Urnengräberfelder frührömischer Zeit
schon 1865 als germanische Friedhöfe des 1. und 2. Jahrhunderts nach
Chr. erkannte, worin ihm dann um 1870 herum MONTELIUS und WOR¬
SAAE folgten. Ebenso war es LISCH, der schon 1863 auf der Braun-
Schweiger Versammlung des Gesamtvereins der Geschichtsvereine mit
genialer Intuition erkannte, dass das Bronzezeitgrab von Peckatel bei
Penzlin in Mecklenburg wegen der meerblauen Perlen, die es enthielt,
aus der Zeit um 1000 vor Chr. stamme, wobei er von unserer heutigen
Ansetzung der dritten Bronzezeitperiode, in die das Grab fällt, nur um
etwa 300 Jahre abgewichen ist.
Um noch einmal kurz zusammenzufassen, es waren wesentlich
zweierlei Gründe, die es verhinderten, dass die in den dreissiger Jahren
des vorigen Jahrhunderts der dänischen überlegene norddeutsche Wissen¬
schaft nicht die europäische Anerkennung fand:
Erstens: die mangelnde staatliche Organisation und
mangelnde finanzielle Unterstützung, Dinge, an denen unsere
Wissenschaft in Deutschland auch heute noch schwer zu leiden hat.
Zweitens: der Mangel an zusammenfassender aufklären¬
der Literatur, die in Kopenhagen sehr bald durch den trefflichen
WORSAAE einsetzte und die auch in Skandinavien nicht fehlte. Auch dieser
Mangel ist bei uns bis heute leider nur wenig gebessert. Aber es
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Gustaf Kossinna: Zum Dreiperiodensystem.
[4
wird wohl bald wieder eine Zeit kommen, in der die Steinzeit, paläo-
lithische, wie neolithische, nicht mehr eine solche Alleinherrschaft in
unserer Forschung behaupten wird, wie es jetzt geschieht, und wo
wieder, wie vor Jahrzehnten, der Bronzezeit ein erhöhtes Interesse und
Studium sich zuwenden wird. Ehe dieses nicht in umfassendem Masse
eintritt, was ich innig wünsche, werden Franzosen, Engländer und
Italiener bei Ausdrücken wie „nordisch-germanische Vorzeit“, nament¬
lich aber „nordische Bronzekultur“ nach wie vor nur an Skandinavien
und Dänemark, niemals an das gleichberechtigte und ebenbürtige nord¬
deutsche Ostseegebiet denken.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Bronzegefäss oder Stockknopf?
Von Dr. K. H. Jacob, Leipzig.
Mit 2 Textabbildungen.
Im letzten Hefte des Mannus erwähnt K. WAASE als besonders
interessanten Fund der Ruppiner Gegend ein Bronzegefäss mit zwei
Henkeln. G. KOSSINNA gibt in einer Anmerkung eine Übersicht über
Abb. 1. Bronzeknopf. Leipzig. Abb. 2.
verschiedene Fundorte derartiger Bronzegefässchen, die er hier als
mittelalterlich bezeichnet. Auch das Leipziger Museum für Völkerkunde
hat in seiner vorgeschichtlichen Abteilung unter seinem alten Bestand ein
solches Bronzegefäss, das in Leipzig gefunden wurde (Abb. 1). Bei der In¬
ventarisierung bezweifelte ich jedoch seinen vorgeschichtlichen Charakter,
da mir eine Deutung als Stockknauf viel wahrscheinlicher erschien. Alle
diese Bronzegefässe sind ja weder in einem Grabfunde, noch in Depot¬
funden, noch direkt in Ansiedelungen aufgetreten. Es sind eben Einzel-
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PRINCETON UNIVERS1TY
314
K. H. Jacob: Bronzegefäss oder Stockknopf?
[2
funde. Ich war nun bemüht, auf alten Kostümbildern womöglich eine
Darstellung eines Stockes mit einem solchen Knauf zu finden. Ich fand
sie in Hirth’s Kulturhistorischem Bilderbuch 6. Band auf einem Stich von
B. Picart, La fortune des actions vom Jahre 1731 (Abb. 2). Ich glaube,
in diesem Stock ein Exemplar gefunden zu haben, der einen Knauf
von der Gestalt unserer Bronzegefässchen trägt. Der Stock selbst
wurde nicht am Knauf, sondern an der oberen Stockhälfte umfasst; die
beiden Ösen dienten, wie die Abbildung zeigt, zum Durchziehen bunter
Bänder. Wir hätten also die Bronzegefässchen als Stockknäufe aus
dem Anfang des 18. Jahrhunderts zu deuten. Ähnliche Stöcke, aller¬
dings ohne, höchstens mit einer einzigen Öse werden zu Anfang des
19. Jahrhunderts wieder Node und jetzt zu Beginn des 20. Jahr¬
hunderts finden wir ähnliche Formen, bei denen aber die Ösen ver¬
schwunden sind und an ihre Stelle meist eine Durchbohrung zum
Durchziehen eines Kettchens auftritt.
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Original fro-m
RINCETQN UNIVERSIJY
II. Aus Museen und Vereinen
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte.
Zweiggesellschaft Berlin.
Sitzungsbericht.
In dem Bericht über den ungemein interessanten Vortrag des
Herrn Generaloberarzt Dr. G. WILKE über .südwesteuropäische Megalith-
kultur und ihre Beziehungen zum Orient" (Mannus II, 246 ff.) fehlte
leider ein Hinweis auf die anschliessende sehr angeregte Diskussion,
an der sich ausser dem Vorsitzenden, Univ.-Professor Dr. KOSSINNA
und dem Vortragenden noch die Herren Ernst WAHLE und Professor
Dr. OLSHAUSEN beteiligten. OLSHAUSENs Mitteilungen über den sog.
ligurischen Bernstein in Südfrankreich erscheinen so wichtig, dass wir
seinen ganzen Diskussionsbeitrag hier nachholen.
Hr. O. OLSHAUSEN: 1. Auch im Norden lässt sich eine Stein¬
kammer mit sog. falschem Gewölbe nachweisen, nämlich in dem
»Königsgrab" zu Seddin in der Prignitz. Ich machte diese Wahr¬
nehmung im Juli 1901 an Ort und Stelle; im gleichen Jahre hatte aber
auch schon Hr. E. FRIEDEL diese eigentümliche Gewölbe-Konstruktion
hervorgehoben in der Festschrift: Das Märkische Provinzial-Museum der
Stadtgemeinde Berlin von 1874—1899, Berlin 1901, S. 33 ff., doch gibt
die kleine Skizze der Kammer auf S. 34 keine richtige Vorstellung der
Sachlage. Der im Mannus 1910, S. 232 ff. abgedruckte Bericht über
den Ausflug unserer Gesellschaft nach Seddin im Jahre 1909 schildert
zwar richtig die Art des Gewölbes, erschien aber erst nach dem Vor¬
trage des Herrn WILKE.
2. Die von dem Herrn Vortragenden berührte Verwendung von Kuh-
dünger zu Brennzwecken war wahrscheinlich auch bei den Chauken
an der Nordseeküste üblich; denn das bei Plinius, nat hist. 16, 4 er¬
wähnte, an der Luft getrocknete „lutum“, womit sie ihre Speisen und
sich selbst erwärmten, ist höchst wahrscheinlich Kuhdünger, wie er noch
bis in unsere Tage auf den uneingedeichten Halligen in gleicher Weise
verwendet wurde und vielleicht noch wird. Allerdings widerspricht dem
die Angabe des Plinius 16, 3: non pecudem his habere, non lacte ali
ut finitimis; aber wenngleich Plinius sonst die Lebensweise der Chauken
überaus treffend schildert, hege ich doch bezüglich dieser Angabe Zweifel;
denn heute ist ja, weil in dem den Meeresfluten ausgesetzten niedrigen
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II. Aus Museen und Vereinen.
Marschländern nur Gras wächst, Viehzucht die Bedingung für die Exi¬
stenz der dortigen Bevölkerung, da der Fischfang, wie jetzt, so auch
ausweislich meiner Grabungen auf Aurrum in alter Zeit nur geringe
Bedeutung gehabt zu haben scheint. Sollte aber Plinius doch bezüg¬
lich des Mangels an Vieh Recht haben, so würde man bei lutum an
den sog. Seetorf oder Darg denken müssen, welcher auch bis in
die neueste Zeit an der Küste gegraben wurde und erst jetzt durch
Einfuhr von Kohle verdrängt ist.
3. Den ligurischen Bernstein anlangend, werde ich demnächst
in einer grösseren Abhandlung erweisen, dass es sich dabei nicht um
fossiles Harz aus dem heutigen italienischen Ligurien, oder wie HELB1G
wollte, um Material aus dem Apennin handelte, sondern um solches aus
dem südöstlichen Frankreich, wo zu beiden Seiten der Rhone eine An¬
zahl Fundstätten derartiger Harze sich nachweisen lassen, die zum Teil
wenigstens noch vor kurzem wirklich ausgebeutet wurden.
In der 3. Sitzung des 2. Vereinsjahres der Zweiggesellschaft
Berlin, die am 28. Mai 1910 im Hörsaale des Königl. Instituts für
Meereskunde stattfand, gedachte der Vorsitzende, Univ. - Professor
Dr. G. KOSSINNA, des Brüsseler Gelehrten Julien FRAIPONT, der
am 23. März verstarb und sich auf dem Gebiete der Skelettforschung
einen bedeutenden Namen errungen hat, des schwedischen Prähistorikers
Knut STJERNA, der am 11. November 1909 verschied und als Schüler
von MONTELIUS seine Hauptstudien auf die vor- und frühgeschichtliche
Besiedlung der Insel Bornholm, auf die archäologische Erläuterung des
Epos Beowulf und die Vorgeschichte Gotlands gerichtet hat, und des
württembergischen Forschers, Geheimen Medizinalrats Dr. HEDINGER,
der am 24. Februar 1910 das Zeitliche segnete und lange Zeit als Vor¬
sitzender des württembergischen archäologischen Vereins auf dem Ge¬
biete der Vorgeschichte, u. a. bei der Untersuchung der Bemsteinfunde
tätig war (vgl. jetzt die Nekrologe: oben S. 278f.).
Der Vorsitzende teilte dann mit, dass die Zweiggesellschaft am
18. und 19. Juni einen Ausflug in den neumärkischen Kreis Soldin nach
Berlinchen zur Besichtigung von Ausgrabungen des Prof. GÖTZE bei
Rahmhütte unternehmen werde, die ein sehr interessantes grosses
Gräberfeld mit ostgermanischen Brandgruben der Kaiserzeit nebst Ver¬
brennungsplätzen zutage gefördert haben, legte darauf die Abhandlung
von L. REINHARDT ,,Die älteste menschliche Bevölkerung zur Eiszeit und
ihre Herkunft nach den neuesten Skelettfunden“, das Werk von Professor
Ludwig SCHEMANN ,,Gobineau und die deutsche Kultur“, das von
Max Freiherrn GEYER VON SCHWAPPENBURG und Peter GÖSSLER
über „Hügelgräber im Illertal bei Tannheim“ und das hochbedeut¬
same reichillustrierte Katalogwerk von Robert BELTZ über „Die
vorgeschichtlichen Altertümer im Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin“
vor. Zur Vorlage gelangten durch den Vorsitzenden ferner: ein Feuer¬
steinbeil aus der Litorinazeit, das in der Nähe von Wilsnack
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PRINCETON UNIVERSUM
II. Aus Museen und Vereinen.
317
(Prignitz) gefunden worden ist, das erste derartige aus der Provinz
Brandenburg, und ein Scolith aus der Gegend von Friesack (West¬
havelland), der das Aussehen eines hölzernen (eichenen) Spatens
hat und als solcher angesprochen worden ist. Nach Prof. POTONlfi
werden die parallel laufenden Furchen in dem vorgelegten Stück von
manchen Paläontologen als Wurmgänge angesehen, was wenig Wahr¬
scheinlichkeit hat, während Mitglied ALTRICHTER sie als Überreste von
versteinerten Gräsern ansieht.
Univ.-Prof. Dr. KOSSINNA hielt dann einen Lichtbilder-Vortrag über
Gallische Gottheiten und ihre Darstellung in germanischen
Funden. Was die antike Überlieferung uns von der Götterverehrung
der Gallier zu berichten weiss, ist nicht viel, und das geringe Material
ist vielfach entstellt durch die bei Griechen und Römern übliche Um¬
deutung der fremden Gottheiten in nationale, so dass wir meist nicht
einmal den einheimischen Namen der gallischen Götter erfahren, sondern
nur die Namen der diesen Göttern mehr oder weniger entsprechenden
griechischen oder römischen Gottheiten, die nach der Ähnlichkeit der
Attribute oder nach der Ähnlichkeit des Wirkungskreises der beider¬
seitigen Götter gewählt waren. Einige Nachrichten erhalten wir aus
Cäsars Beschreibung des Gallischen Krieges, der im zweiten Teil seines
Werkes vergleichende Kulturschilderungen über Gallier und Germanen
gibt. Als höchsten Gott der Gallier nennt er den Merkur, von dem
diese die meisten Bildwerke hätten; er sei der Erfinder aller Künste,
der Begleiter auf der Reise und der Beschützer von Handel und Wandel.
Ferner verehrten die Gallier nach Cäsars Angaben den Apollo als
Gott der Heilkunst, den Mars als Kriegsgott, den Jupiter als Herrscher
im Himmel und die Minerva als Beschützerin der weiblichen Arbeiten
und Künste. Zieht man die erhaltenen Denkmäler und Inschriften zu
Rate, so ergibt sich, dass sie sämtlich erst aus der Zeit der römischen
Herrschaft stammen. Die älteren Bilder können also nur aus Holz
gewesen sein, wie denn die Darstellung der Götter in Menschengestalt
überall, auch bei den Griechen, aus der Gestaltung eines einfachen
Holzpfahles hervorgegangen ist. Von den gallischen Bildwerken
stellen die meisten den Merkur dar (31 Bronzestatuetten im Mus6e
St. Germain en Laye, ebensoviel in Lyon), er erscheint bärtig und mit
einem Geldbeutel ausgestattet; als Begleiterin gesellt sich zu ihm die
Göttin Rosmerta. Merkur hat auf den Bildwerken 16 verschiedene Bei¬
namen, Apollo 8, der Kriegsgott Mars 38, während Jupiter und Minerva
nur je 4 Beinamen haben. Über die gallischen Namen dieser auf den
Bildwerken dargestellten Gottheiten erfährt man Näheres aus den
Scholien zu dem Epos „Pharsalia“ des römischen Dichters Lucan,
der von Menschenopfern erzählt, die den drei gallischen Göttern Teu-
tates, Esus und Taranis dargebracht wurden. Die Scholien er¬
klären Taranis (=Thonar, Donnergott) durch Jupiter, während sie sowohl
Teutates als Esus teils als Merkur, teils als Mars auffassen, woraus
hervorgeht, dass diese beiden gallischen Gottheiten viel Verwandtes mit
einander gehabt haben müssen. Nach den neuesten Untersuchungen
ist Esus, der als Baumfäller dargestellt wird, der höchste Gott und,
wie Merkur, der Beschützer der Schiffahrt. Er erscheint auf einem
Altar der Schiffergilde in Paris in Gemeinschaft mit Jupiter und Vul-
Mannus, Bd. 11, Heft 4. 21
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318
111. Bücherbesprechungen.
canus, und da ersterer als Taranis erklärt wird, so muss Vulkan gleich¬
bedeutend mit Teutates sein. Ausserdem erscheint auf dem genannten
Altar ein Stier mit drei Kranichen, sämtlich heilige Tiere, die auf gal¬
lischen Bildwerken häufig wiederkehren. In Südgallien sind eine Reihe
von Statuen aufgefunden worden, die einen bärtigen Gott in gallischer
Tracht mit langärmeligem Rock, Hosen und Schuhen darstellen; dies
ist Dispater, der Himmelsgott (germ. Tiwas), von dem nach Cäsar
alle Gallier abstammten. Er ist der Vorgänger des Merkur, der an
seine Stelle getreten ist, und hat als Attribut der höchsten Gewalt in
der linken Hand den langschäftigen Donnerhammer und in der rechten
eine Vase als Zeichen der Fruchtbarkeit. Als Begleiterin dieses Gottes,
der den Beinamen Sucellus (Schläger) führt, erscheint die Göttin Nan-
tosvelta, über deren Bedeutung noch nichts festgestellt ist. In Ost¬
gallien sind Denkmäler gefunden worden, die eine dreiköpfige Gottheit
zeigen, die manchmal von zwei anderen Göttern begleitet ist, dies ist
Merkur-Esus, der hier die oberste Götterdreiheit verkörpert. Wichtig
sind ferner für unser Thema die Darstellungen des gehörnten gallischen
Gottes Cernunnos und des gallischen Jupiters mit dem Sonnen¬
rade. Ausser auf Steindenkmälern finden sich Darstellungen gallischer
Gottheiten auf grossen Bronzekesseln, so dem Rynkebykessel, die
sämtlich in Dänemark gefunden worden sind, aber gallischer Import zu
sein scheinen. Der Vortragende ging dann auf germanische Nachbil¬
dungen solcher gallischer Götterfiguren und Götterköpfe näher ein und
behandelte ausführlich den berühmten Silberkessel von Gundes-
trup am Limfjord in Jütland, den er dem 2.—3. Jahrh. nach Chr. zu¬
schreibt und in dessen sieben Götterköpfen er eine Darstellung der
Wochengötter sieht. Zum Schluss behandelte Prof. KOSSINNA die
Darstellung des zweiten Goldhorns von Tondern und die ganze
Reihe der Wochengötter- oder Planetenvasen, von denen die
neueste in einem Germanengrabe bei Troisdorf, Siegkreis, 1909 von
Rademacher gefunden worden ist. (Eine Veröffentlichung des zweiten
Teiles dieses Vortrages, soweit die germanischen Funde in Betracht
kommen, brachte bereits der Mannus II, 201—208 „Zur Wochengötter¬
vase vom Fliegenberge“ usw.). Dr. G. Al brecht.
III. Bücher-Besprechungen.
Ludwig Sehemann, Gobineaus Rassenwerk. Aktenstücke und Betrachtungen
zur Geschichte und Kritik des Essai sur l’inegalite des races humaines. Stutt¬
gart, Fr. Frommann, 1910, XXVIII und 544 S., ungeb. Mk. 10,50.
Über den Parteien muss stehen, wer in dem heissen Kampfe um den Wert
und den Gehalt der Rassentheorien eine vermittelnde Rolle spielen will. Freilich
braucht es sich dabei nicht um Kompromisse zu handeln, die der ernsten Behand¬
lung einer Theorie nur schaden können, wohl aber um die Fähigkeit des Autors,
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III. Bücherbesprechungen.
319
aus allen verschiedenen, äusserlich vielleicht sogar gegensätzlichen, Meinungen den
lebensfähigen und darum berechtigten Gehalt herauszulösen und ihn als treibende
Kraft mit in den Dienst der Gegenwart zu stellen.
Dem vorliegenden Werke des Freiburger Professors Dr. L. SCHEMANN darf
eine so hervorragende Rolle und also auch ein bevorzugter Platz in unserer rassen-
kundlichen Literatur zuerkannt werden. Aber nur dadurch, dass der Verfasser weit
über Gobineaus Lebenskreis hinausgriff, dass er die ganze rassengeschichtliche Ent¬
wickelung bis zur vorläufigen Vollendung in Dr. Ludwig WOLTMANN umspannte,
konnte er seine ebenso interessante wie höchst verdienstvolle Aufgabe lösen.
Natürlich musste SCHEMANN dabei auch die Entwickelung vor Gobineau berück¬
sichtigen, doch schrumpft diese bei ihm erheblich zusammen. S. 509 wird aller¬
dings der S. 300 fallen gelassene Faden wieder aufgenommen durch Mitteilung der
schönen Worte L. von RANKEs aus der Einleitung der 1824 erschienenen „Geschichten
der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535*. Wie viel an wert¬
vollen Rassenideen schon lange vor Gobineau bei uns vorhanden war, habe
ich 1909 in meinen „Beiträgen zur Geschichte der Rassenforschung“ nach¬
gewiesen. Vielleicht darf man sagen, dass in dem Zeitalter des schwersten
politischen Druckes unter anderem auch die Sehnsucht nach einem universalen Aus¬
druck der Rassenideen lebendig war. Es ist kein blosser Zufall, dass vor 1848 die
Rassenfragen, wohl auch in anthropologischen Werken, am intensivsten aber im
Rahmen politischer Erörterungen besprochen wurden, ebensowenig wie es Zufall
ist, dass in der ersten Germ anisten-Versammlung, die im September 1846 zu
Frankfurt a. M. unter Jakob GRIMMs Vorsitze stattfand, die Behandlung der
schleswig-holsteinischen Angelegenheit den ersten Punkt der Tagesordnung
bildete. — Diesen universalen Ausdruck gefunden zu haben, ist zweifellos
Gobineaus Verdienst, das ihm kein moderner Rassenforscher absprechen darf.
Wenn dennoch heute Stimmen der Kritik am Werke Gobineaus laut werden, so ist
zu bedenken, dass ein halbes Jahrhundert wissenschaftlicher Entwickelung der
Gegenwart selbstverständlich Anlass zu Auseinandersetzungen mit Gobineau geben
musste, wobei freilich nicht verschwiegen werden darf, dass manche dieser Kritiken
schon vor Jahrzehnten hätten ausgesprochen werden können. Durch sie wird jedoch
mehr die Schale als der Kern des Gobineau'schen Rassenwerkes getroffen.
Gegen zweierlei möchte ich einen bescheidenen Einwand erheben: 1. dass
SCHEMANN in Gobineau den Vater des Rassengedankens sieht, „namentlich, wenn
wir den Schwerpunkt hierbei auf den Ungleichheitsgedanken legen“, 2. dass Gobineau
gegen berechtigte Einwände allzusehr in Schutz genommen wird. Auch durch Ver¬
gleiche mit anderen Forschern. LEIBNIZ z. B. hätte meines Erachtens eine ganz
andere Note verdient als die - es ist die einzige Bemerkung über ihn! —, dass
„ihm die Ausgleichung mit den biblischen Lehren auf Schritt und Tritt am
Herzen lag“.
Das sind indessen im Verhältnis zum Ganzen nur Kleinigkeiten, die aber bei
der bekannten Überempfindlichkeit unserer Rassengegner doch leicht zu unlieb¬
samen und für die R ssenforschung wenig erspriesslichen Auslegungen führen
können. Aus dem Bestreben SCHEMANNs, in der Rassengeschichte möglichst viele
Erscheinungen auf Gobineau als den Ausgangspunkt und später die Zentrale einer
grossen Bewegung zurückzuführen, wird die ursprüngliche Absicht des Verfassers
erkennbar, eine „einfache historische Einleitung zu Gobineaus Rassenwerk“ zu
liefern. Aus der älteren Arbeit wuchs jedoch die neue hervor, die einen Kompro¬
miss zwischen einer „Geschichte des Rassengedankens“ und einer Gobineau-Bio-
graphie darstellt. Diese vorläufige Lösung einer Riesenaufgabe muss als äusserst
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III. Bücherbesprechungen.
glücklich bezeichnet werden. Mit einer Liebe ohne gleichen hat der Verfasser sich
des Stoffes bemächtigt. So zahlreiche Hinweise auf Qobineaus Werk sich auch in
neueren Arbeiten finden, das ist doch nicht in Abrede zu stellen, dass über Gobi-
neaus Leben selbst und die grosse Mannigfaltigkeit seines Arbeitsgebietes nicht
allzuviel bekannt war. Auf alles dieses fällt durch Schemanns Buch hellstes Licht.
Der Verfasser bringt nicht nur ein erstaunlich reiches Material zum Beweise für
die weitverzweigten Beziehungen Gobineaus zu berühmten Zeitgenossen, zum Teil
solchen, bei denen man, wie etwa bei Wilh. von HUMBOLDT, eine Berührung mit
Rassenfragen kaum vermutet hätte; er liefert auch aus Gobineaus kleineren Arbeiten
und teilweise nachgelassenen Schriften höchst wertvolle Ergänzungen zum Rassen¬
werk selbst, die hoffentlich bald als selbständige Publikationen in deutscher Über¬
setzung dem grösseren Werke folgen. Zweifellos werden sie weite Kreise inter¬
essieren und viel zur Popularisierung Gobineaus beitragen, bilden sie doch zum Teil
den Übergang von dem grösseren Rassenwerke zu L. WOLTMANNs Schriften über
den germanischen Einfluss in Italien und Frankreich.
Von den Zeitgenossen Gobineaus wären — ausser den von SCHEMANN er¬
wähnten — noch zu nennen: Wolfgang MENZEL, E. v. WIETERSHEIM, P. A. F. G£RARD
und Dr. Alexander von PEEZ. Letztgenannter hat schon 1856 in einer im „Deutschen
Museum“ veröffentlichten Artikel-Serie Gobineaus Wort von der „race regulatrice“
im gewissen Sinne vorweggenommen, indem er die Überzeugung aussprach, dass
in allen Völkerbewegungen und Veränderungen „die Rasse das erstentschei¬
dende Prinzip sei.“
Besondere Anerkennung verdient endlich, dass SCHEMANN den Rassen¬
forschern der Gegenwart im höchsten Sinne gerecht wird. Er hat damit der Rassen¬
lehre ein starkes Bollwerk gegen feindliche Angriffe errichtet. Die Form, in der
der Verfasser die Gegenwart behandelt, dürfte vielleicht die nicht selten persönlich
zugespitzten Gegensätze zwischen den einzelnen Forschern mildern. Auch hier sei
mir erlaubt, zwei Namen als Ergänzungen zu nennen: nach der mehr wissen¬
schaftlichen Seite hin Eugen DÜHRING, nach der mehr praktischen Emil PILZ, der in
seiner 1903 erschienenen „Bodenständigen Pädagogik“ den Regenerations¬
gedanken zur Aufnahme in den Schullehrplan empfohlen hat. PILZ hat das
schöne Wort geprägt: „Alles, was ihr wollt, das eure Vorfahren getan haben
möchten, um Rassetüchtigkeit zu erzielen, das tut euren Nachkommen auch.“ Das
ist doch wohl das Ziel der Rassentheorien, dass sie schliesslich von der Wissen¬
schaft ins Leben selbst führen.
SCHEMANNs Buch, durch warmen Ton ausgezeichnet, stellt sich in den Dienst
sowohl der Wissenschaft als auch des Lebens an sich, und so darf man auch den
— leider nicht für die allernächste Zukunft — in Aussicht gestellten Veröffent¬
lichungen des Verfassers mit freudiger Spannung entgegensehen.
Hamburg. Th. Bieder.
0. Döprenberg, Römerspuren und Römerkriege im nordwestlichen Deutschland
nach einem im Dezember 1894 gehaltenen Vortrage nebst einem Anhänge: „Die
Stämme der Germanen“. Leipzig. Kommissions-Verlag der Dieterich’schen Ver¬
lagsbuchhandlung Theodor Weicher, 1909. XI und 258 Seiten, eine Tabelle und
13 Tafeln. Geheftet 12,50 JC } gebunden 14 JL
Schon häufig haben Forscher die Römerspuren und Römerkriege im nord¬
westlichen Deutschland behandelt, doch ohne zu gesicherten, allgemein anerkannten
Ergebnissen zu gelangen. So bietet auch der erste Teil von DÖRRENBERGs Werk,
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III. Bücherbesprechungen.
321
der mit einigen Änderungen einen Vortrag aus dem Jahre 1894 wiedergibt, nur
einen Überblick darüber, wie weit die Forschungen nach des Verfassers Ansicht da¬
mals gediehen waren, ohne jeden Ausblick auf die grossen seit jener Zeit besonders
durch Grabungen erzielten Fortschritte auf diesem Gebiete. Der Verfasser ist sich
freilich bewusst, auf wie unsicherem Boden er sich bewegt. Mit Recht betont er,
dass man auf die Spatenforschung weitere Hoffnungen setzen müsse, da nur Funde
endgiltigen Nachweis erbringen könnten. Aus dem Inhalte mag erwähnt werden,
dass DÖRRENBERG Aliso im Winkel zwischen Alme, Lippe und Pader, das Varus¬
schlachtfeld am Fusse der Grotenburg, Idistaviso südlich der Porta Westfalica und
den Angrivarierwall in der Gegend des Steinhuder Meeres annimmt.
Diesen Ausführungen schliesst sich als Anhang 1 eine Quellenübersicht zu
den Römerkriegen in Nordwestdeutschland, meist in der Übersetzung von HORKEL, an.
Der wichtigste Teil der Arbeit ist jedoch der zweite Anhang, dem der Ver¬
fasser die Überschrift „Die Stämme der Germanen“ gegeben hat. Dieser Anhang
nimmt den grösseren Teil des Buches ein, wobei ein Verzeichnis mit genauen In¬
haltsangaben der einzelnen Abschnitte den Überblick wesentlich erleichtert. Zunächst
gibt der Verfasser die Entwicklung des Grundeigentums und der Stände, der Ver¬
fassung und des Gerichtswesens bei den Germanen. Darauf behandelt er die
charakteristischen Besonderheiten der drei „Urnationen“ der Germanen, der Ingävonen,
Istävonen und Sweben.
Der Verfasser führt aus: Bei den Chatten — diese sind nach DÖRRENBERG
Repräsentanten der Sweben, was ein bedauerlicher Irrtum ist — finden wir 4 Ur-
gaue, die in etwa 10 Hundertschaften geteilt sind, von denen jede aus etwa 12 Zehn-
schaften besteht. Die Zehnschaft ist wahrscheinlich aus drei Dörfern von je 4 Ur-
hufen gebildet. Aus den Gewannen des Dorfes Maden ist der swebische Morgen
von 25Vs bis 25'/* a, bestehend aus 2 Elementarflächen, „Förlingen“, abzuleiten.
Die Istävonengaue sind nach dem Hundertschaftssystem zusammengesetzt.
Der charakteristische Morgen ist 30’/* a gross, in 4 Forlinge geteilt. Bei den
ingävonischen Friesen zerfällt der Grossgau in 4 Schultheissenschaften, jede von
diesen in 3 Asegenbezirke; diese wieder bestehen aus je 4 Bauerschaften.
Das Normaldorf der Ingävonen ist aus 3 Hufen gebildet. Der ingävonische
Morgen von 0,46 bis 0,47 ha setzt sich aus 4 Förlingen zusammen. Zahlreiche
Kartentafeln dienen zur Illustration dieser Ausführungen.
Den vom Verfasser aufgestellten Stammeszusammenhängen kann man leider
nur zu oft nicht beistimmen. Besonders ist der folgende Abschnitt, der die Vor¬
geschichte der Germanen und Slawen behandelt, nicht frei von Ansichten, die heute
unhaltbar sind. Zum Schlüsse behandelt der Verfasser die deutschen Stämme des
Mittelalters, wobei er besonders die Einflüsse der drei „Urnationen“ in Verfassung
und Siedelung nachweist.
Minden. Walther Schulz.
Joseph Dächelette, Manuel d’archäologie prehistorique, celtique et gallo-romaine.
I. Archäologie prehistorique, XIX u. 746 S. Paris 1908.
Bei der archäologischen Würdigung eines Gebietes ist eine möglichst genaue
Kenntnis auch der Nachbarprovinzen unerlässlich. Dankbar wird der Forscher ein
Handbuch begrüssen, mit dessen Hilfe er sich schnell und unter Umgehung zeit¬
raubenden Suchens in der Literatur in den Stoff eines fremden Landes einarbeitet.
Namentlich der deutschen Archäologie, welche bei ihren Arbeiten sich von fremden
Kulturen allseitig umgeben sieht, müssen derartige Werke besonders willkommen sein.
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III. Bücherbesprechungen.
Von diesen Gesichtspunkten aus gebührt Herrn DECHELETTE der Dank auch der
deutschen Archäologen. Sein trefflicher erster Band des „Manuel d’archeologie*
wird jedem von ihnen zu einem unentbehrlichen Handbuch. Er umfasst bei aller Be¬
tonung der gesamteuropäischen Verhältnisse im allgemeinen, im besonderen natur-
gemäss die Vorgeschichte Frankreichs, und zwar in der Steinzeit, und behandelt
nach einer einleitenden Definition der Prähistorie und ihren Methoden, sowie einem
Überblick über die Geschichte der Vorgeschichtswissenschaft die Entwicklung des
Menschen auf allen Gebieten, wie auch die naturwissenschaftlichen Hilfswissen¬
schaften von den Edithen an bis zum Spätneolithikum. Nicht weniger als 249 Ab¬
bildungen erhöhen den Wert des Buches ebenso wie 2 bibliographische Listen,
welche die Höhlen Frankreichs, soweit sie bearbeitete Knochen oder verzierten
Schmuck geliefert haben, und die französischen neolithischen Stationen, nach
Departements geordnet, verzeichnen. Ein umfangreiches Register ermöglicht ein
schnelles Unterrichten über einen bestimmten Stoff oder eine gewisse Gegend.
Das Paläolithikum Europas ist mit einer musterhaften Gründlichkeit und Viel¬
seitigkeit dargestellt, die das bekannte Werk von G. u. A. de MORTILLET und nament¬
lich das jüngere, aber Rückschritte gegen MORTILLET aufweisende von M. HÖRNES
(Der diluviale Mensch in Europa, Braunschweig 1903) entbehrlich macht. Demjenigen,
der tiefer in den Stoff eindringen will, bietet das Werk mit seinen vielen Quellen¬
angaben einen wertvollen Ausgangspunkt.
Bei einem eingehenderen Studium des Vollneolithikums konnte sich jedoch
Ref. des Eindruckes nicht erwehren, dass der Verfasser sich zu sehr in den Einzel¬
heiten verliert, statt eine grosszügige Übersicht zu geben. Er erdrückt dort mit
Material, ohne dass der Leser Klarheit über den Gesamtcharakter erhält. Es be¬
deutet dies einen empfindlichen Nachteil, der gerade der Möglichkeit eines schnellen
Unterrichtens, wie es in dem Abschnitt über das Paläolithikum so gut möglich ist,
hindernd entgegentritt. Es mag dieser Mangel zum Teil darin beruhen, dass das
französische Jungneolithikum wenig entwickelt ist; doch sei bemerkt, dass z. B. das
beachtenswerte Vorkommen von Kragenflaschen in Frankreich auch nicht mit einem
Worte gewürdigt wird. Bei der Behandlung des keramischen Materials stützt sich
DECHELETTE im wesentlichen auf A. GÖTZE und P. REINECKE. Es dürfte auffallen,
dass bei dieser Gelegenheit der Name KOSSINNA nicht genannt wird, wie auch der
Verfasser mit den Ideen dieses Begründers der neuen deutschen Forschungsweise
überhaupt nicht vertraut zu sein scheint. Es muss allerdings zugegeben werden,
dass es — wenigstens vorläufig noch — für ausländische Forscher schwer ist, diese
ethnologische Methode kennen zu lernen; das ablehnende Verhalten der Skandi¬
navier hiergegen dürfte im wesentlichen nur auf Unkenntnis des Materials zurück¬
zuführen sein. Einige Vertrautheit mit unseren neolithischen Kulturen hätte eine
Scheidung des französischen Materials nach Kulturgruppen immerhin ermöglicht
(vergl. Mannus I, 1909, S. 51).
Aber abgesehen davon bietet das Werk eine wertvolle Bereicherung unserer
Literatur. Es ist nicht nur ein Lehrbuch und der Ausgangspunkt für den Forscher,
sondern auch eine schöne Darstellung für das weitere Publikum.
Delitzsch. Ernst Wahle.
Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Illustrierter Führer durch
die Prähistorische Abteilung. Herausgegeben von der Direktion. Preis 25 Pf.
Leipzig 1910.
Wer in den letzten drei Jahren das Leipziger Museum für Völkerkunde be-
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IV. Nachrichten.
323
suchte, konnte mit Freuden feststellen, dass der Vorgeschichte jetzt allmählich auch
hier etwas mehr Platz an der Sonne eingeräumt wurde. Besonderen Dank ver¬
dient die Direktion dafür, dass sie nach dem vollendeten Ausbau der wohlgeordneten
vorgeschichtlichen Abteilung dem grossen Publikum für den Besuch auch einen ge¬
druckten „Führer“ mitgibt, der im Ganzen als trefflich gelungen bezeichnet werden
kann, obwohl er anscheinend von einem Ethnologen verfasst worden ist. Dieser
Umstand erklärt aber vielleicht auch, weshalb er eine Reihe Mängel zeigt, auf die
im folgenden hingewiesen werden soll, nicht um zu tadeln, sondern um eine Ver¬
besserung zu erreichen.
Sehr praktisch erscheint die Beigabe einer Tabelle der absoluten Chronologie
der Vorgeschichte ; nur die Periodisierung der Bronzezeit ist darin verfehlt. Die
Aunetitzer Periode fällt um 2000 herum und reicht höchstens bis 1800. Die folgen¬
den Perioden, die ich I b und II nenne, sind im Königreich Sachsen nicht vertreten,
eine von mir festgestellte und schon vor einem Jahrzehnt bekannt gemachte überaus
wichtige Tatsache, die durch Schiebungen in der Periodenfassung nicht verwischt werden
darf. Ältester Lausitzer Typus, z. B. Buckelurnen, entspricht, wie ich gleichfalls längst
festgestellt habe, erst der Periode III a, also etwa der Zeit von 1400 ab. — Dass
die Bevölkerung des gesamten Diluviums mit seinen so heterogenen Rassen das
ungeteilte indogermanische Urvolk darstelle, scheint mir eine recht unklare Vor¬
stellung. — Laienhafte „Ansichten“, wie die von SCHUCHHARDT, wonach die sächsische
Bevölkerung der Bronzezeit Semnonen gewesen wären, dürften einem Laienpublikum
nicht als Wissenschaft vorgesetzt werden. — Die JACOBsche Ansicht, die gedrehten
Tongefässe der thüringisch-sächsischen Latene-Kultur seien Importware [woher?],
habe ich schon im Mannus I, 159, vergl. II, 242 f. abgelehnt. — Bösartiger ist, was
über den Vettersfelder Goldfund, der wieder in die Völkerwanderungszeit gesetzt wird,
hier zu lesen ist. — Beseitigt werden muss auch der Schnitzer über den grossen
schlesischen Spiralhelm aus gedrehtem Bronzestab, der auf Taf. 8 abgebildet worden
ist: er gehört nicht der Bronzezeit an, sondern, wie ostpreussische Skelettgräber¬
funde gezeigt haben, der frühesten Deutschordenszeit in Preussen und ist wohl ein
Halskragen.
Aufgefallen ist mir, dass für das auf Taf. 3 Nr. 4 abgebildete Gefäss, eine
Amphora mit Schnittverzierung (Fischgrätenmuster), aus ‘Cröbern’ stammen soll,
während in Näbes Schrift über die steinzeitliche Besiedlung der Leipziger Gegend
S. 8, Abb. 18 für dasselbe Gefäss ‘Gr. Dalzig’ als Fundort genannt wird.
G. K o s s i n n a.
IV. Nachrichten.
Der neue französische Gesetzesentwurf über archäologische
und paläontologische Ausgrabungen.
Dem Herausgeber ist als Mitglied der Societe Prdhistorique Fran^aise eine
„dringliche Mitteilung“ des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft zugegangen, worin
der Text des Gesetzesentwurfs zur Kenntnis gebracht wird, den die Regierung bei der
Deputiertenkammer eingebracht hat, eines Entwurfs, den diese Mitteilung als
„äusserst gefährlich für die Interessen der Wissenschaft be¬
zeichnet“. G. K.
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324
IV. Nachrichten.
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Deputiertenkammer 1 ).
10. Legislaturperiode.
Ausserordentliche Sitzung von 1910.
Zusatz zum Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 1910.
G ese tzes e ntwurf über archäologische und palä ontologische Aus¬
grabungen.
Überreicht im Namen des Präsidenten der französischen Republik Armand
F a 11 i e r e s durch den Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus
Aristide Briand und den Minister des Unterrichts und der Künste Gaston
Dou mergue.
Darlegung der Gründe.
Der Schutz des geschichtlichen Erbes Frankreichs in dem ganzen Umfange
aller Äusserungen von Kunst und Leben, selbst der weitest zurückliegenden, gehört
zu den ständigen Aufgaben der Regierung. Die meisten europäischen Regierungen
haben heute Gesetze, die eine Zerstreuung und Zerstörung von Schätzen, deren
Vorhandensein mit dem Ursprünge der Nation eng verknüpft ist, verhindern. Ein
solches Gesetz fehlt uns aber noch. Das Gesetz vom 30. März 1887 über die Er¬
haltung der historischen Denkmäler berücksichtigt die paläontologischen und archäo¬
logischen Ausgrabungen nicht, die zwecks Aufbaus der Aufeinanderfolge der Typen
unserer Rasse und zur Erforschung der ältesten Erzeugnisse ihrer Tätigkeit unter¬
nommen werden. Wenn man weiss, welche leidenschaftlichen Nachforschungen, welche
heftigen Rivalitäten die Vorgeschichte in unserer Zeit erregt, dann wird man die
Gefahren einer Freiheit ohre Grenzen verstehen können, die keinen Unterschied
macht zwischen den Gelehrten, welche die kostbaren Zeugen der Vergangenheit
zum „Sprechen“ bringen können, und den „Raubgräbern“, die deren Spuren für
immer zerstören.
Vorkommnisse der jüngsten Zeit haben die Aufmerksamkeit der Regierung
auf dieses Gebiet gelenkt. In einer von unseren an vorgeschichtlichen Fundstellen
reichsten Landschaften konnten auf zu diesem Zweck zeitweilig gemieteten Privat¬
grundstücken Ausgrabungen vorgenommen werden, ohne dass irgend eine Kontrolle
ausgeübt wurde. Die Funde wurden ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Wertes
ausserhalb Frankreichs zerstreut, zum Vorteil ausländischer Sammler und Händler.
Daher sind wir des Besitzes von in unseren eigenen Landschaften gehobenen, für das
Studium unserer Vorgeschichte äusserst wichtigen Funden verlustig gegangen, und
die meisten derartigen Fundstücke sind für immer der wissenschaftlichen Unter¬
suchung entzogen.
Derartige Missbräuche haben eine nur zu berechtigte Bewegung hervorgerufen:
Die Akademie der Wissenschaften, das Comite des travaux historiques, die Societe
d’Anthropologie haben den Schutz eines neuen Gesetzes gefordert. Die Admini¬
stration des beaux arts, von der der Schutz der vorgeschichtlichen Denkmäler aus¬
geht, hat die Vorbereitung dieses Gesetzes einer Kommission übertragen, in die
sie nicht nur Gelehrte berufen hat, die durch ihre Arbeiten dafür besonders
bestimmt sind, sondern auch Juristen, deren Mitarbeit unumgänglich not¬
wendig erschien.
Der vorliegende Gesetzesentwurf sucht zwei Seiten gerecht zu werden: Einer¬
seits richtet er die Überwachung der von Privatleuten unternommenen Ausgrabungen
') Übersetzung von H. MÖTEFINDT, Wernigerode a. H.
Gougk™
_ Origina l fro-m_ __
FKINCETON UNIVERSITY
IV. Nachrichten.
325
ein und behält sogar der Regierung das Recht vor, wenn das wissenschaftliche Inter¬
esse es erfordert, an die Stelle des Ausgräbers zu treten. Andrerseits aber um¬
gibt er diese Massnahmen mit allen dem Privateigentum schuldigen Sicherungen
und will keineswegs den Geist der freien Forschung und der individuellen Iniative,
der ein kostbares Pfand der fruchtbarsten Entdeckungen ist, an seiner Entfaltung
hindern.
Die Regierung wird übrigens das Gesetz, um das sie nachsucht, nur selten
anzuwenden brauchen. Die meisten Ausgrabungen werden durch die Persönlichkeit
ihrer Unternehmer jeder Überwachung enthoben. Für die übrigen wird man kein
neues Beamtenheer zu schaffen brauchen: Die Regierung findet bei den Spezial¬
forschern, bei den Gesellschaften uni bei der Inspection de l’Instruction publique
et des beaux Arts jede nötige Unterstützung.
Diese Ausführungen zeigen klar genug den Geist, der den Gesetzesentwurf
geschaffen hat, so dass wir ihn jetzt einzeln kurz betrachten wollen:
Ausgrabungen können ohne vorgängige Bevollmächtigung angefangen werden.
Eine einfache Mitteilung, die es der Regierung anheimstellt, ihre Überwachung zu
beginnen, genügt. In letzterem Falle besitzt der Überwacher der Arbeiten kein
Recht einzugreifen. Jede Entscheidung hängt vielmehr von dem zuständigen Minister
ab. Die der Regierung über das Privateigentum oder über im Privatbesitz befind¬
liche Fundstücke gegebenen Rechte werden beschränkt durch die Verpflichtung: die
Fristen genau zu wahren, zur Erfüllung der Verpflichtungen anzuhalten, Spezial¬
kommissionen zu befragen und angemessene Entschädigungen festzusetzen. Erst
beim Verkauf ins Ausland von Fundstücken aus Ausgrabungen, die ohne Vollmacht
unternommen sind, hat der Staat das Recht des Einspruchs.
Unter diesem wichtigen Vorbehalt ist der Schutz der Ausgrabungen tatsächlich
gesichert durch die Massregel, dass es der Regierung immer überlassen bleibt, durch
das Recht, einem unfähigen „Ausgräber“ die Grabung zu verbieten, ferner durch
das Recht der Zurückforderung von Fundstücken, die eine Aufnahme in die öffent¬
lichen Sammlungen verdienen und durch das Recht, dass sie den Grund und Boden
von Fundstellen nach Abschätzung enteignen kann.
Es muss jedoch bemerkt werden, dass die geschilderten Massregeln sich nur
auf den Urheber der ersten Mittei.ung über die Ausgrabung beziehen, ganz gleich,
ob er Eigentümer oder Nichteigentümer des Grund und Bodens ist, ob er Verträge
mit dritten Personen abgeschlossen hat oder nicht. Ebenso kennt die Regierung,
wenn sie amtlich Grabungen vornimmt, der Einfachheit halber zur Festsetzung der
Entschädigung nur den Eigentümer.
Das sind die Massregeln, die wir zur Annahme vorschlagen. Ohne ernstlichen
Eingriff in die bürgerlichen Rechte, ohne die Iniative zu vermindern, die immer
hochgehalten zu werden verdient, werden sie der französischen Wissenschaft diese
kostbaren Urkunden erhalten, diese unersetzlichen Archive, die täglich dem Erd¬
boden entrissen werden, die aber neues Licht auf den Ursprung unseres Volkes
und auf den Ursprung der Menschheit werfen.
Im Folgenden legen wir den Gesetzesentwurf vor:
Qesetzesentwurf.
Der Präsident der französischen Republik bestimmt:
Der Gesetzesentwurf, dessen Inhalt folgt, wird der Deputiertenkammer über¬
reicht durch den Präsidenten des Staatsrats, durch den Minister des Innern und des
Kultus, durch den Minister des Unterrichts und der Künste und diese sind mit der
Darlegung seiner Beweggründe und mit der Beantwortung von Anfragen in der
Diskussion beauftragt.
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326
IV. Nachrichten.
I.
Die Überwachung der Ausgrabungen durch die Regierung.
§ 1. Jede Gesellschaft, jede Vereinigung und jeder Privatmann, der archäo¬
logische oder paläontologische Ausgrabungen auf ihm gehörigen Grund und Boden
oder auf dem Grund und Boden eines anderen vornehmen will, muss der Präfektur
des Departements mitteilen, auf wessen Grund und Boden diese Ausgrabungen
vorgenommen werden sollen.
Die Ausgrabungen dürfen erst einen Monat nach dem Tage der Einregistrie¬
rung der Mitteilung im Generalsekretariat, von der dem Einsender der Mitteilung
sofort eine Empfangsbescheinigung auszustellen ist, beginnen, wofern nicht eine
besondere Erlaubnis vorliegt.
§ 2. Die Mitteilung soll ferner Angaben über die ungefähre Grösse und
über die ungefähr berechnete Dauer der geplanten Arbeiten enthalten. Die Mit¬
teilung wird schleunigst von dem Präfekten an den zuständigen Minister weiter-
gegeben.
Dieser hat das Recht, die Arbeiten durch jede mit den nötigen Kenntnissen
versehene Person, die er zu diesem Zweck auswählt und deren Ernennung dem
Einsender der Mitteilung auf amtlichem Wege mitzuteilen ist, besichtigen und über¬
wachen zu lassen.
Der vom Minister mit der Überwachung Beauftragte darf jederzeit das Grund¬
stück, auf dem die Ausgrabungen vorgenommen werden, betreten, den Aufbewahrungs-'
ort der Fundstücke besichtigen und im Notfälle fordern, dass die Fundstücke ihm
übergeben werden.
§ 3. Falls sich aus der Überwachung ergibt, dass die Fortsetzung der Aus¬
grabungen unter den bisherigen Bedingungen Fundstücke uud Denkmäler, deren
Erhaltung für die Paläontologie und Archäologie wichtig ist, schwer schädigen würde,
so fordert der Überwachende den Leiter der Ausgrabungen durch ein amtliches
Schriftstück unter Darlegung der Gründe auf, die Grabungen in anderer Weise
auszuführen.
Sobald dieses Schriftstück erfolglos bleibt, kann der Überwachende den zu¬
ständigen Minister ersuchen, die Aufhebung der Grabungen anzuordnen und durch
die Regierung das Recht der Ausgrabung ausüben zu lassen, unter dem Vorbehalt
und unter den in den §§ 7, 8 und 9 vorgesehenen Bedingungen. Diese Massregel
ist dem Leiter der Ausgrabungen mitzuteilen. Die Aufhebung der Arbeiten durch
den Minister kann aber nur dann erfolgen, wenn die Regierung die Ausgrabungen
amtlich fortzusetzen beabsichtigt. Die Grabungen müssen aufhören, sobald der
Leiter der bisherigen Grabungen von dieser Massnahme in Kenntnis gesetzt ist.
Das bindende Verbot der Ausgrabungen darf drei Monate nicht überschreiten.
Wenn nach Ablauf der Frist keine Entscheidung getroffen ist, die dem Staate die
Grabungen sofort fortzusetzen erlaubt, dann darf der Unternehmer die unter¬
brochenen Arbeiten wieder aufnehmen und die Bestimmungen des vorliegenden §
sind dann nicht mehr anwendbar. Die Grabungen bleiben aber immer der
Überwachung und ihren Folgen unterworfen.
Während der Aufhebung der Arbeiten hat der Minister das Recht, an Ort
und Stelle nach Benachrichtigung des Leiters der Ausgrabungen und nachdem er
ihn zur Teilnahme eingeladen hat, jede Erkundigung vornehmen zu lassen und das
Gelände, bei dem es für nötig gehalten wird ,besichtigen zu lassen.
§ 4. Der zuständige Minister kann im Namen der Regierung und im Inter¬
esse der öffentlichen Sammlungen Fundstücke, die von Ausgrabungen, wie sie in
den vorhergehenden §§ näher bezeichnet sind, herrühren, in Anspruch nehmen.
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PRiNCETON UNIVERSUM
IV. Nachrichten.
327
Diese Einforderung muss während der Ausübung der Ausgrabungsarbeiten statt¬
finden. Sie erfolgt mittels Schriftstückes, welches das Fundstück genau bezeichnet
und das dem Leiter der Ausgrabungen mit Unterschrift des Ministers zugeht in
den nächsten vierzig Tagen, seit der Überwachende der Grabungen oder der Maire
der Commune, gemäss § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887, Kenntnis von dem
Funde erhalten hat. Vom Datum des Schriftstückes ab ist das Fundstück unver¬
äusserlich, bis es auf seinen Wert abgeschätzt ist und der Minister unter folgenden
Bedingungen es in seinen Besitz genommen hat:
Die vom Staate zu zahlende Entschädigung wird dem Werte des Fundstückes
entsprechend in Ermanglung gütlicher Übereinkunft durch zwei Sachverständige fest¬
gesetzt, von denen der eine vom Minister, der andere vom Leiter der Ausgrabung
gewählt wird. Können beide Sachverständige sich nicht einigen, dann hängt die
Entscheidung von einem von ihnen gewählten Schiedsrichter ab. Falls die eine
Partei keinen Sachverständigen aufstellt oder die Sachverständigen sich über die
Wahl eines Schiedsrichters nicht haben einigen können, dann wird der Schiedsrichter
vom ersten Präsidenten des Cour d’appel de la circonscription ernannt. Das
Schiedsrichteramt kann in jedem Falle auch einer Kommission von Schiedsrichtern
übertragen werden. Die Kosten fallen immer der Staatskasse zur Last.
Von dem Tage ab, an dem der Wert des Fundstückes festgesetzt ist, hat der
Minister eine dreimonatliche Frist, um von den gekauften Fundstücken gegen
Quittung der erfolgten Bezahlung Besitz zu ergreifen.
Verstreicht diese Frist, dann erhält der Besitzer freie Verfügung über seine
Fundstücke zurück.
Die dem Werte des Fundstückes entsprechende Entschädigung zahlt die Re¬
gierung nur dem Leiter der Ausgrabungen, der gemäss § 1 die Mitteilung gemacht
hat, ohne jegliche Rücksicht auf Verpflichtungen, die auf letzteren fallen könnten,
z. B. hinsichtlich der Eigentümer von Grund und Boden, oder dritter Personen, für
die er allein aufzukommen hat.
§ 5. Im Falle der Anwendung des vorhergehenden § ist der Einsender der
Mitteilung der Regierung allein verantwortlich. Verträge zwischen dem Leiter der
Ausgrabung und dritten Personen sind der Regierung nicht im Wege und können
sie bei der Ausübung der ihr zukommenden Rechte nicht hindern. Die Regierung
kann durch derartige Verträge auch nicht zur Zahlung von anderen Entschädigungen
gezwungen werden als diejenigen, die ihr auf Grund des vorliegenden Gesetzes
zufallen.
§ 6. Unabhängig von der Anwendung auf Ausgrabung infolge der Aus¬
führung der vorhergehenden Bestimmungen geniesst die Regierung ein allgemeines
Recht auf Vorkauf zu gleichen Preisen bei allen archäologischen oder paläonto-
logischen Fundstücken, die aus in Frankreich unternommenen Ausgrabungen her¬
rühren, sobald ihre Besitzer sie ins Ausland verkaufen wollen.
Die Veräusserung eines derartigen Fundstückes zu Gunsten einer Gesellschaft
oder eines ausländischen Privatmannes muss infolgedessen zuvor der Präfektur des
Departements, wo das Fundstück aufbewahrt wird, angezeigt werden, und die beab¬
sichtigten Verkaufsbedingungen angegeben werden. Der Verkauf darf nicht eher
abgeschlossen werden, als der zuständige Minister in einer dreimonatlichen Frist
vom Tage der Mitteilung ab gerechnet, keinen Gebrauch von dem der Regierung
zustehenden Recht des Vorkaufs gemacht hat.
Der Vorkauf zu gleichem Preise beschränkt sich nur auf die Gegenstände,
die nicht besonders nach § 4 durch den Staat zurückgekauft werden.
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PRINCETON UNIVERS1TY
328
IV. Nachrichten.
II.
Grabungen, die amtlich von der Regierung vorgenommen werden-
§ 7. Im Interesse der Archäologie oder Paläontologie darf die durch den zu¬
ständigen Minister verkörperte Regierung amtlich auf ihr nicht gehörigem Grund
und Boden Ausgrabungen vornehmen lassen, unter der Bedingung, dass es sich nicht
um zu Grundstücken gehöriges, eingezäuntes Land handelt. Jedoch kann die Re¬
gierung in Anwendung von § 3 des vorliegenden Gesetzes schon begonnene Aus¬
grabungen auf derartigem Lande fortsetzen.
§ 8. Die von der Regierung kraft § 7 vorgenommenen Ausgrabungen müssen,
sei es, dass die Regierung die Iniative ergreift, oder dass sie die Grabungen
eines anderen Forschers fortsetzt, durch einen dem Eigentümer oder gegebenenfalls
dem Leiter der Ausgrabungen zugehenden Beschluss angezeigt werden. Dieser
Beschluss tritt in Kraft, sobald der Eigentümer in einer einmonatlichen Frist seine
Zustimmung abgegeben oder keinen Widerspruch erhoben hat. Der gleiche Beschluss
ist auch im Falle des § 3 demjenigen mitzuteilen, von dem die Regierung die Nach¬
richt über die Ausgrabungen erhielt.
Das ministerielle Schreiben ist von den nötigen Grundrissen zur Bestimmung
der Wichtigkeit und der Entwicklung der Arbeiten zu begleiten. Es setzt gleichfalls
die Frist fest, innerhalb der sie ausgeführt werden sollen. Die Grundrisse und die in
Vorschlag genommene Zeit sind dem Leiter der Grabungen bekannt zu geben.
Die Bekanntmachung ist in der Gemeinde anzuschlagen und in zwei Zeitungen
des Departements zu veröffentlichen.
Wenn sich in der Folgezeit die Notwendigkeit einer Vergrösserung der Arbeiten
über die ursprünglich vorgesehenen Grundrisse hinaus und eine Notwendigkeit der
Verlängerung der Zeit ergibt, ist eine neue ministerielle Bekanntmachung zu er¬
teilen und gleichfalls bekannt zu geben.
§ 9. Falls die Ansichten über die Festsetzung der Entschädigungen, die dem
Eigentümer des Grund und Bodens für die Ausübung des Rechts der Grabung von
der Regierung gezahlt werden müssen, auseinandergehen, ist die Regierung ver¬
pflichtet, ihm einen Grundzins zu zahlen, der gleichzeitig den Schaden, den das
Land durch die Umwühlung erlitten hat, und die freie Verfügung über die Fund¬
stücke der Grabung aufwiegt. Es muss ferner den Entschädigungen, die der Eigen¬
tümer selbst noch schuldig ist, und ferner allen denen, die Ansprüche auf Zinsen
von dem Lande geltend machen, oder anderen derartigen Ansprüchen Rechnung ge¬
tragen werden, vorausgesetzt, dass diese rechtzeitig angemeldet werden.
Die Höhe dieses Grundzinses und gegebenenfalls seine Verteilung werden
vom Tribunal civil festgesetzt und zwar durch die Spezialkommission, die durch
Gesetz vom 21. Mai 1856 über die Vizinalwege eingesetzt ist. Jede von beiden
Parteien hat das Recht, in diese Kommission einen Sachverständigen zu senden,
der an der Entscheidung teilnimmt. Die Interessen derjenigen, die Entschädigungen
zu fordern haben, werden durch den Eigentümer vertreten, und er ist auch allein
verantwortlich, wenn er ihre Ansprüche bekanntzugeben unterlassen hat.
Kein besonderer Schadenersatz ist zu zahlen, wenn die Regierung gemäss
§ 3 die Ausgrabungen, die ein anderer angefangen hat, fortsetzt.
§ 10. Auf Bericht des Präfekten kann der zuständige Minister gleichfalls die
Enteignung von Grund und Boden vornehmen, auf dem Ruinen, Inschriften, Natur¬
denkmäler oder Denkmäler der Archäologie oder Paläontologie vorhanden sind.
Die Enteignung erfolgt im ganzen oder teilweise gemäss den Bestimmungen
des Gesetzes vom 3- Mai 1841.
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IV. Nachrichten.
329
III.
Strafen.
§ 11. Die Übertretungen des vorliegenden Gesetzes werden mit einer Geld¬
strafe von 200—1000 Francs bestraft. Der § 463 des Strafgesetzbuches ist auf sie
anwendbar.
Diese Strafen können eintreten, wenn Arbeiten in Verletzung des § 3 aus¬
geführt sind oder wenn über Fundstücke entgegen den Vorschriften der §§ 4—6
verfügt worden ist, oder im Falle von Beschädigungen.
IV.
Allgemeine Bestimmungen.
§ 12. Die Verfügungen des § 14 des Gesetzes vom 30. März 1887 werden
nicht aufgehoben.
Die anderen Verfügungen dieses Gesetzes sind ohne Rücksicht auf die im
Vorigen mitgeteilten Bestimmungen anzuwenden auf Gelände oder auf Fundstätten,
die Ruinen, Inschriften, Fundgegenstände oder Naturdenkmäler von archäologischem
oder paläontologischem Interesse enthalten.
§ 13. Die Grundrisse, Protokolle, Zeugnisse, amtlichen Bekanntmachungen,
Gutachten, Verträge, Quittungen und andere kraft dieses Gesetzes entstehenden
Akten werden durch Stempel beglaubigt und einregistriert, wenn ihre förmliche
Einregistrierung notwendig erscheint.
§ 14. Eine Verordnung der Regierung wird die Ausführungsmassregeln
dieses vorliegenden Gesetzes bestimmen.
Das Gesetz findet wie die übrigen Massregeln der Regierung seine Anwen¬
dung in Algerien, in den Kolonien und, falls es nötig ist, in den Ländern des
Protektorats, unter den gleichen Bedingungen und gemäss den durch die Ver¬
ordnung festgesetzten Formen.
Gegeben zu Paris am 25. Oktober 1910.
Unterzeichnet vom Präsidenten der Republik A. Fallieres, durch den
Präsidenten des Staatsrats, Minister des Innern und des Kultus Aristide Briand
und durch den Minister des Unterrichts Gaston Doumerque.
Sollte dieser Gesetzentwurf von der französischen Kammer angenommen
werden, so würde allerdings jede Freiheit für Ausgrabungen unterbunden, jedes,
doch so notwendige, selbständige Vorgehen auf diesem Gebiete der Forschung lahm
gelegt sein. Darum haben sich die hauptsächlich hier in Betracht kommenden
Instanzen, die Societe Prehistorique de France und die Societe d’Anthropologie de
Paris, denen sich vielleicht noch die Societe de Geologie anschliessen wird, zu
gemeinsamem, einmütigen Einspruch gegen diesen Gesetzentwurf zusammengetan,
um damit, wenn möglich, zu verhindern, dass er eine unabänderliche Tatsache würde.
Durch die Freundlichkeit unseres französischen Korrespondenten bin ich in
der Lage, den Wortlaut des Einspruchsbeschlusses der Societe Prehistorique de France
hier mitteilen zu können. Es heisst da:
„In Anbetracht, dass die heutige Gesetzgebung durch das Gesetz vom 30. März
1884 bereits vollkommen gerüstet ist, die Erhaltung derjenigen archäologischen
Gegenstände zu sichern, die für unser Vaterland einen besonderen Wert besitzen;
dass es äusserst gefährlich wäre, den Eifer der freien Ausgräber anzutasten,
die unsere nationalen Sammlungen tagtäglich durch edelmütigste Schenkungen
bereichern;
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330
IV. Nachrichten.
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dass die schönsten Entdeckungen und die wichtigsten Sammlungen unserer
Museen jenen bescheidenen Gelehrten verdankt werden, unter nur Namen wie
Boucher de Perthes, Piette, Emile Riviere, Marquis de Vibraye, Frederic Moreau,
Baron de Baye, J. Mila, d’Acy, u.s. w. erwähnt zu werden brauchen;
dass, wenn man gewissen allerneusten Klagen Genugtuung geben zu müssen
glaubt, es auf alle Fälle genügt, den Artikel 14 des Gesetzes vom 14. März 1887
durch folgende Zustände zu vervollständigen:
1. Kein archäologischer oder paläontologischer Gegenstand, der einen nationalen
Wert besitzt, darf ohne besondere Genehmigung des zuständigen Ministers die
französische Grenze überschreiten;
2. Im Falle eines Verkaufs wichtiger archäologischer oder paläontologischer
Gegenstände kann der Staat ein Vorkaufsrecht ausüben;
3. Jeder Fremde, der Ausgrabungen vorzunehmen wünscht, muss die mini¬
sterielle Genehmigung nachsuchen;
erhebt die Societe P. de France Einspruch . . . .“
G. K.
Todesfälle.
Heinrich Zimmer.
Am 29. Juli 1910 starb nach langem Leiden zu Hahnenklee im Harz, woselbst
er nach eigenem Wunsche auch in die Erde gebettet ist, unser berühmtes Mitglied,
der bedeutendste Vertreter der keltischen Sprach-, Literatur- und Sagenforschung
der Berliner Universitätsprofessor und Akademiker, Geheimrat Dr. Heinrich ZIMMER
(geb. 11. Dez. 1856). Ursprünglich Germanist, dann Indogermanist und Sanskritist
— ich erinnere an sein bekanntestes Jugendwerk „Altindisches Leben“ (1879) —
war er in seiner Forschung sehr bald ausschliesslich Keltist geworden. Mit bewun¬
dernswerter Energie und mit grösstem Erfolge bemächtigte er sich der keltischen
Literaturgeschichte, besonders der Heldensage und dadurch gewann er mit der
frühen Kulturgeschichte Galliens und Irlands nahe Fühlung. Eine auch für
unsere Bestrebungen wichtige Schrift, seine akademische Abhandlung über den
gallo-römischen Weinhandel habe ich schon in der Maisitzung des Jahres 1909 der
Berliner Zweiggesellschaft vorgelegt (Mannus II, 306). Eine Fortsetzung dieser
schönen Studien „über direkte Handelsbeziehungen Westgalliens mit Irland im
Altertum“ ist nach seinem Tode, gleichfalls in den Sitzungsberichten der Berliner
Akademie, erschienen. Ich hebe darin besonders No. 5 hervor, der dem „west-
europäisch-irischen Handelsverkehr im 1. Jahrh. vor Chr.“, namentlich dem Zinn¬
handel gewidmet ist. Hoffentlich kann auch noch die 6. Studie über den phönizischen
Handet nach Irland druckfertig gemacht werden, während wir wohl auf die weiter
vorbereiteten beiden Reihen über die Einwanderung der Kelten nach den britischen
Inseln und über ihre vorkeltischen Bewohner wehmütig Verzicht leisten müssen.
Bei diesen Forschungen musste ZIMMER naturgemäss auch der vorgeschichtlichen
Archäologie näher treten und bei seinen weiteren Studien wäre er sicher in ein
noch engeres Verhältnis zu unseren Arbeiten gekommen. Wir betrauern in ihm
eines der Mitglieder, die freudigen Herzens an der Begründung unserer Gesellschaft
sich beteiligten.
Go >gle
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IV. Nachrichten.
331
Emil Torger.
Am 3. August 1910 starb unser Mitglied Zahnarzt Emil TORGER aus Halberstadt
während eines Erholungsaufenthalts zu Maltsch in Schlesien. Er war der Leiter
der vorgeschichtlichen Abteilung des 1905 eröffneten Stadtmuseums in Halberstadt
und hat sich ebenso um die Begründung wie um die Vermehrung der ihm unter¬
stellten Abteilung die ausgezeichnetsten Verdienste erworben. Andauernd hielt er
mich durch eingehende Berichte über seine Ausgrabungen auf dem Laufenden und
diese Treue übertrug er auch auf unsere Gesellschaft, deren Hauptversammlung er
für 1910 gern in Halberstadt vorbereitet hätte, ein Wunsch, dem ich bei dem Wett¬
bewerb anderer überlegener Ortschaften nachzugeben freilich nicht in der Lage war.
Heinrich Kofler.
Am 25. November 1910 verschied zu Darmstadt Hofrat Heinrich KOFLFR, der Leiter
der vorgeschichtlichen Kabinettssammlung in Darmstadt, die der Verstorbene durch zahl¬
reiche Ausgrabungen vermehrt hat, unter denen die der Hügelgräber in der Koberstadt
und im Kranichsteiner Park aus den Jahren 1890—1901 sehr bekannt wurden, da
sich an ihnen der Grossherzog von Hessen, der Kaiser von Russland und zahlreiche
andere allerhöchste Herrschaften zu beteiligen pflegten. Veröffentlicht sind die
Untersuchungen dieser meist in der älteren Bronzezeit errichteten, hauptsächlich
aber in der älteren Hallstattzeit zu Nachbestattungen benutzten Grabhügel in den
Quartalsblättern des Historischen Vereins für das Grossherzogtum Hessen (1890,
dann N. F. Bd. I, 11), und im Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde
(Bd. III, 2). An letztgenannter Stelle finden sich auch die wichtigen Arbeiten über
die „Befestigungen der Hallstattzeit in der Koberstadt“, sowie über die „Ausbreitung
der Latene-Kultur in Hessen“ (Archiv Bd. III 1, nebst 2 Karten), eine Ergänzung zu
seiner „Archäologischen Karte von Hessen“, die 1890 und 1899 im 1. und 2. Bande
des hessischen Archivs erschienen war und alle hessischen Funde bis zum Jahre
s 1895 verzeichnet.
Angelo Mosso.
Am 24. November, wenige Tage nach seiner Ernennung zum Mitgliede der
Berliner Akademie der Wissenschaften, starb in seiner Vaterstadt Turin der berühmte
Physiologe Angelo MOSSO. Geboren am 31. Mai 1846, wurde er nach beendigtem
Studium in Leipzig ein Schüler des grossen Physiologen Karl LUDWIG und stets
hat er in seinen Forschungen die Lebhaftigkeit südländischer Phantasie mit der
glänzenden Methodik deutschen Geistes erfolgreich vereinigt. Seine hervor¬
ragende Darstellungsgabe trug ihm in seinem Vaterlande den Beinamen des
‘physiologo poeta’ ein. Allgemein bekannt sind seine bedeutenden Werke über
den Kreislauf des Blutes im Gehirn (1881), die Temperatur des Gehirns
(1894), die Furcht (1889), die Ermüdung (1892). In den letzten Jahrzehnten war
sein Hauptstudium die Beeinflussung der Körperfunktionen durch den Aufenthalt
im Hochgebirge (Der Mensch in den Hochalpen, 1899), ein Studium, dem das von
ihm ins Leben gerufene internationale Laboratorium auf dem Monte Rosa, das
„Institut Mosso“, ausschliesslich gewidmet ist. Seit 5 Jahren litt MOSSO an der
Krankheit, der er jetzt erlegen ist und gegen die er in den letzten Jahren durch
lange Erholungsreisen im Mittelmeer, zuerst auf Sizilien, dann auf den griechischen
Inseln und bis nach Kleinasien hin anzukämpfen suchte. Unterwegs betätigte er
sich eifrigst an vorgeschichtlichen Ausgrabungen, besonders auf Kreta, wo er im
Verein mit der unter HALBHERR stehenden italienischen Mission in Phaistos die
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IV. Nachrichten.
neolithische Schicht aufdedcte (Monumenti antichi 19, 1908). Gleichzeitig veröffent¬
lichte er Studien über .»weibliche Idole und Tierfiguren neolithischer Zeit* (Memorie
d. R. Accad. di Torino 58, 1907), „Fischwirbel und menschliche Oberschenkelknochen
als Amulette“ (Atti der Turiner Akademie 42, 1907), „Vorgeschichtliche Schädel vom
Forum Romanum“ (Not. degli Scavi 1905). In umfassender Weise untersuchte er
die primitiven Metallgeräte der frühminoischen Periode Kretas mittels chemischer
Analyse und stellte dadurch fest, dass diese Kultur (wie also auch die parallel
laufende ältere Kykladenkultur, nebst Troja II) in der Hauptsache eine reine
Kupferzeit gewesen sei (so dass also die neuestens von H. SCHMIDT versuchte
Parallelsetzung dieser Zeit mit mitteleuropäisch Aunetitz von vornherein verfehlt war).
Auch zeigte er, dass auf Kreta (Chrysocamino bei Gurnia) der Kupferbergbau weit
älter gewesen sei, als auf Cypem, wie auch die primitiven Kupferbarren von Hagia
Triada bewiesen („Die ältesten Waffen von Kupfer und Bronze“, Memorie d. R.
Accad. d. Lincei (5) 12, 1908). Weitere Ausgrabungen veranstaltete er dann auf
Sizilien in der Nähe von Girgenti (Memorie der Turiner Akademie 59, 1908 und
Monumenti antichi 18. 19, 1908. 1909). Diese zahlreichen und trefflichen Einzel¬
schriften, bei denen man wenig daran erinnert wird, dass sie von einem blossen Lieb¬
haber herrühren, verarbeitete er alsbald in eine Reihe von Werken von so reizvoller
Darstellung und so reicher, gutgewählter Bildausstattung, dass man sie mit wahrem
Genuss liest.
Als solche sind zu nennen:
The palaces of Crete and their builders. London 1907 (von diesem Werke
ist mir nur die bekanntere englische Ausgabe zugänglich gewesen).
La Preistoria. I. Escursioni vel Mediterraneo e gli scavi di Creta. Milano 1907
(eine 2. Auflage mit 3 neugeschriebenen Kapiteln hat MOSSO
bereits 1909 angekündigt).
II. Le origini della civiltä mediterranea. Milano 1910.
III. (noch nicht erschienen) Gli Italiani dell' etä della pietra
alla prime colonie elleniche.
Die Tatsache, dass im italienischen Volke, selbst Oberitaliens, der Rasse nach
verhältnismässig nur noch geringe Bestandteile indogermanischen Geblütes sich
erhalten haben, zeigt sich unbewusst in den mangelnden Sympathien Italiens für
Mittel- und Nordeuropa, bei Angelo MOSSO aber, der soviele Skelette minoischer
Zeit untersucht hat, bewusst in der satten Befriedigung, mit der er in allen seinen
Schriften als Schlusseffekt die hinreichend bekannte Tatsache auseinandersetzt, dass
die Träger minoischer Kultur keine Indogermanen gewesen wären, womit er dann
die doch recht fragwürdige, wenn heute auch stark verbreitete Anschauung verbindet,
die heutige europäische Kultur beruhe auf der kretisch-mykenischen.
Oi Ri
Der Vorsitzende Universitätsprofessor Dr. Gustaf KOSSINNA, ebenso unser
Mitglied Universitätsprofessor Dr. Oskar FLEISCHER wurden zu Auswärtigen Mit¬
gliedern der «Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt“ ernannt.
Unser Mitglied, der wissenschaftliche Hilfsarbeiter am Kaiser-Friedrich-Museum
zu Posen, Erich BLUME, hat am 14. Oktober bei der philosophischen Fakultät der
Universität zu Berlin durch eine ausgezeichnete Dissertation „Die Germanischen
Stämme und die Kulturen zwischen Oder und Passarge zur römischen Kaiserzeit*
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IV. Nachrichten.
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die Doktorwürde erlangt. Von der Dissertation liegen nur die ersten vier Kapitel
gedruckt vor. Das ganze umfangreiche Werk wird als 3. Band der Forschungen zur
Früh- und Vorgeschichte Europas, herausgegeben von Professor Dr. Gustaf
KOSSINNA, erscheinen.
Am 1. Januar 1911 wurde Dr. Erich BLUME, bisher wissenschaftlicher Hilfs¬
arbeiter beim Kaiser-Friedrich-Museum in Posen, als Direktorialassistent eben¬
daselbst angestellt.
Das neu zu begründende grosse Paläontologische Institut in Paris,
genauer „Institut für Paläontologie des Menschen“, wofür Fürst Albert von Monako
dem französischen Unterrichtsministerium l l /s Millionen Franken zur Verfügung
gestellt hat, wird geleitet werden von einem Verwaltungsrat, einem Arbeitsausschuss
und mehreren Arbeitskräften. Dem Verwaltungsrat gehören ausser dem Fürsten
selbst an: die Staatsräte DISL&RE und E. MEYER, die Professoren am Pariser
‘Museum’ BOULE (Paläontologe) und VERNEAU (Anthropologe), ferner Salomon
REINACH, Conservator in St. Germain en Laye und Geheimrat Louis MAYER in
Monako. Zum Direktor des Instituts ist BOULE ernannt worden, zu Professoren
des Instituts Professor H. BREUIL aus Freiburg (Schweiz) für vorgeschichtliche
Ethnographie und Privatdozent Dr. H. OBERMAIER aus Wien für Geologie als
Hilfswissenschaft der Vorgeschichte.
Nachtrag zu S. 332: ANGELO MOSSO.
Sofort sei hier noch nachgetragen, dass der 2. Band des Werkes La Preistoria
von A. MOSSO soeben in englischer Übersetzung erschienen ist unter dem Titel:
The dawn of mediterranean civilization, translated by M. HARRISON. London 1910.
Mit Beginn des Jahres ist das Amt unseres Schatzmeisters aus
den Händen des Herrn Dr. BORDES in die des Herrn Ernst
SNETHLAGE in Berlin, Quitzowstr. 123 übergegangen. Bei allen
Verhandlungen über Geldsachen innerhalb der Gesellschaft wolle
man sich nicht, wie es noch immer durchgängig, aber missbräuchlich
geschieht, an den Vorsitzenden, sondern stets an den Schatzmeister
wenden. Ausserdem machen wir auch hier auf beiliegenden Streifen aufmerk¬
sam, der die künftige Art der Einziehung der Mitgliederbeiträge bekannt gibt.
Die dritte Hauptversammlung der Gesellschaft wird laut Beschluss des
Ausschusses vom 31. Juli 1910 Anfang August 1911 zu Koblenz stattfinden.
Leiter des Ortsausschusses ist unser Ausschussmitglied Adam GÜNTHER, Vor¬
steher des Städtischen Tiefbauamtes in Koblenz-Lützel, Triererstr. 122.
Mannus, Bd. II. Heft 4.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte
1. Januar 1911.
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Vorstand.
Kossinna, 1. Vorsitzender Alb recht, 1. Schriftführer
Bezzenberger, 2. „ Wilke, 2. ,,
Reimers, 3. „ Wüst, 3. „
Snethlage, Schatzmeister.
Ausschuss.
1. —7. die Mitglieder des Vorstandes.
8. E i ch ho r n , Jena.
9. Feyerabend, Görlitz.
10. Günther, Koblenz-Lützel.
11. Hahne, Hans, Hannover.
12. Höf er, Wernigerode.
13. Rademacher, Köln.
14. Schmidt, R. R., Tübingen.
15. Walter, Stettin.
Mitglieder.
A. Lebenslängliche.
1. S. Kgl. Hoheit Ernst August, Herzog von Cumberland, Gmunden (1909).
2. #1 ) Vom Rath, Emil, Geh. Kommerzien-Rat, Köln (1909).
B. Jährlich zahlende.
3. *Albrecht, Gustav, Dr. phil., Städtischer Bibliothekar, Charlottenburg,
Wallstrasse 51II (1909).
4. Almgren, Oskar, Dr., Dozent an der Universität, Upsala (1909).
5. Altertümersammlung, Städtische, Göttingen (1909).
6. Altertu msgesellschaf t, Graudenzer, Graudenz (1909).
7. Altertumsgesellschaft Prussia, Königsberg i. Pr. (1910).
8. Altertumsverein, Schlesischer, Breslau (1909).
9. Altrichter, Karl, Rechnungsrat, Niederschönhausen b. Berlin, Blücherstr. 25 (1909).
10. A r m st r o n g, E. C. R., Assistant of Irish Antiquities Department, Dublin,
National-Museum (1911).
11. Arne, T. J., Assistent am Mus. vaterl. Altert.. Stockholm (1909).
12. Asmus, Rudolf, Dr. med., Teterow i. M. (1909.)
13. Auerbach, Alfred, Rektor, Vorstand d. Städt. Mus., Gera (Reuss) (1909).
14. Baldes, Prof., Birkenfeld (Fürstentum) (1909).
15. *Baum, Albert, Museumsdirektor, Dortmund (1909).
16. Baumann-Seyd, Frau A., Hamburg, Jordanstr. 36 (1910).
17. Baumert, Paul, stud. phil., Spandau, Potsdamerstr. 29 (1909).
l ) Ein Stern * bezeichnet die Gründer der Gesellschaft.
Go igle
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PRINCETON UNIVERSUM
Mitgliederverzeichnis.
335
18. *Baumert, Prof. Dr. f Bromberg (1909).
19. Beaupre, Jules, comte, Nancy, rue de Serres 2 (1909).
20. Behm, Sanitätsrat Dr. med., Berlin NW. 6, Luisenplatz 6 (1909).
21. *Belck, Waldemar, Dr. phil., Frankfurt a. M., Baumweg 62 (1909).
22. *Beltz, Robert, Prof. Dr., Museumsvorstand, Schwerin i. M. (1909).
23. Be re nt, Anna, Schmargendorf, Spandauerstr. 1a (1909).
24. Bergen, v., Frau, Magdeburg, Lennestr. 11 (1909).
25. Berger, Paul, Merseburg, obere Bergstr. 5 (1909).
26. Beringuier, Richard, Amtsgerichtsrat Dr., Berlin W. 62, Nettelbeckstr. 21 (1909).
27. Berner, Ulrich, stud. phil., Berlin NW. 5, Stephanstr. 4 (1909).
28. *Bezzenberger, Adalbert, Geh.-R. Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Steind.
Wall V* (1909).
29. Bibliothek, Kgl. öff., Dresden (1909).
30. Bibra, Freiherr v., Major a. D., Hannover, Jungfernplan 10 (1909).
31. *Bieder, Theodor, Hamburg-Eilbeck, Eilbecktal 54 (1909).
32. Blanckenhorn, Max,Prof.Dr.,Berlin-Halensee, Joachim-Friedrichstr.57(1909).
33. Blasius, Wilhelm, Geh. Hofrat Prof. Dr., Braunschweig (1909).
34. # Blume, Erich, Dr., Mus.-Assist., Posen, Ritterstr. 9 II (1909).
35. *Blume, Karl, Rentier, Steglitz, Fichtestr. 11 (1909).
36. *B odenstab, E., Apotheker, Neu-Haldensleben (1909).
37. *Borchling, Konrad, Professor am Kolonialinstitut Dr., Hamburg (1909).
38. *Bordes, Otto, Dr., Zahnarzt, Berlin W., Nürnbergerstr. 8 (1909).
39. Bork, Ferdinand, Oberlehrer, Königsberg i. Pr., Tiergartenstr. 1 (1909).
40. Boseck, Karl, Dr. med., prakt. Arzt, Stolp (Pomm.), Blücherpl. 9 (1909).
41. *B rächt, Eugen, Geh.-R. Prof., Dresden, Franklinstr. 3b (1909).
42. Brandenburg, Erich, Dr., Konstantinopel, Poste allemande (1909).
43. Brandes, Hotelbesitzer, „Deutsches Haus“, Bergen b. Celle (1999).
44. Bredow, Karl Frh. von, Hauptm. a. D., Rittergutsbesitzer, Dom. Vietznitz bei
Friesack (1910).
45. Bünte, W., Dr., Zeven (Hannover) (1909).
46. # Busse, Hermann, Rentier, Woltersdorfer Schleuse b. Berlin (1909).
47. Busse, v., Landschaftsrat, Latkowo b. Hohensalza (1909).
48. Cämmerer, Prof. Dr., Arnstadt i. Th. (1909).
49. Carstenn, Edward, Dr., Elbing, Spiringstr. 301 (1909).
50. Cederhvarf, B., Mag. phil., Helsingfors, Skatuddsg. 1 (1909).
51. Cervinka, J. L., Ingenieur, Kojetein (Mähren) (1909).
52. Dechelette, Joseph, Conservateur du Musee, Roanne (Loire), Frank¬
reich (1909).
53. Demetrykiewicz, Wladimir, Prof. Dr., Krakau, Smolenskgasse 19 (1909).
54. Diels, Paul, Univ.-Prof. Dr., Prag-Smichow, 741, Kreuzherrng. 1 (1909).
55. Dorr, R., Prof. Dr., Elbing, Inn. Mühlendamm 34 (1909).
56. Drevin, Apotheker, Halle a. S., Wielandstr. 12 II (1909).
57. Dublange, pharmacien, Le Fleix (Dordogne) Frankreich (1910).
58. ^Eichhorn, Gustav, Dr. med., Mus.-Konservator, Jena (1909).
59. Exsteens, Louis, Brüssel, rue de Loxum 21 (1909).
60. Ey, Ludwig, Buchhändler, Hannover, Langelaube (1909).
61. Faden, Eberhard, stud. phil., Berlin, Stephanstr. 35 (1909).
62. *Feist, Sigmund, Dr., Berlin N. 54, Weinbergsweg 13 (1909).
63. *Feyerabend, Luc’wig, Mus.-Dir., Görlitz (1909).
64. Fiddicke, Dr. med., Freienwalde a. O. (1909).
22 *
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65. *Fischer, Rieh., Hamburg 20, Eppendorfer Landstr. 130 (1909).
66. Fischer, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Freiburg i. Br. (1909).
67. Fischer vonMollard, Hauptm. d. Res., Dominium Gora, Kr. Jarotschin (1909).
68. Fleischer, Oskar, Univ.-Prof., Berlin W., Motzstr. 17 (1909).
69. Florschütz, Prof. Dr., Gotha (1909).
70. *Forrer, Robert, Dr., Strassburg i. E., Universitätsstr. 3 (1909).
71. Förster, Max, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Sedanstr. 4 (1909).
72. Franck, Ernst, Frankfurt a. M., Marschnerstr. 2 (1909).
73. *Franke, Ernst, Rittergutsbesitzer, Rohrsheim b. Halberstadt (1909).
74. Freystedt, Alvin, Landesbauinspektor, Posen, Königsplatz 6 III (1909).
75. Friedemann, Traugott, Oberlehrer, Einbeck (1911).
76. Fritze, Oberbaurat, Meiningen (1910).
77. Fr öd in, Otto, Dr., Alvastra (Schweden) (1909).
78. *Fuhse, Mus.-Direktor Dr., Braunschweig (1909).
79. *Gädcke, Karl, Prof., Salzwedel (1909).
80. Genthe, Theod., Dr., Berlin-Wilmersdorf, Kaiser Allee, Ecke Güntzelstr. (1909).
81. Gesellschaft, Deutsche f. Kunst u. Wissensch-, Abt. f. Geschichte, (Hist. Ges.
f. d. Netzedistr.) Bromberg (1909).
82. Gesellschaft, Naturhistorische, Nürnberg (1909).
83. Gesellschaft, Oberlausitzer, f. Anthropologie und Urgeschichte, Bautzen (1909).
84. Gibasiewicz, Pfarrer, Siedlemin, Post Golina (Kr. Jarotschin) (1909).
85. Girke, Georg, stud. phil., Berlin, Potsdamerstr. 117 (1909).
86. Goecke, Theodor, Landes-Baurat, Prov. Konservator, Professor, Berlin W. 10,
Königin Augustastr. 1911 (1909).
87. Götze, Alfred, Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde, Steglitzerstr. 42 (1909).
88. Goldmann, Karl Eduard, Kaufmann, Neutomischel (Posen) (1909).
89. Gold sehe, Gustav, Stadtältester, Friesack (Mark) (1909).
90. Goury, Georges, Conservateur au Muvee Lorrain, Nancy, rue des Tier-
celins 5 (1909).
91. Graef, Josef, Juwelier, Kronstadt (Siebenbürgen), Pürzengasse (1910).
92. Graefe, Holm, Ingenieur, Hannover-Linden, Davenstedterstr. 311 (1909).
93. Graf, C. Eberhard, stud. phil., Berlin-Steglitz, Peschkestr. 16 (1909).
94. Guebhard, A., Professor Dr., Präsident der Societe Prehistorique de France,
Paris V, Rue de l’abbe de l’epee 4 (1909).
95. *Günther, A., Vorsteher des Städt. Tiefbauamtes, Coblenz-Lützel, Trierer¬
strasse 122 (1909).
96. Gutmann, K., Schulvorsteher, Mülhausen i. E., Barfüsserstr. 14 (1909).
97. *Haake, Dr. med., Braunschweig, Friedrich Wilhelmstr. 7 (1909).
98. H a cke, Theodor, Eisenbahnbauinspektor a.D., Osnabrück, Heinrichstr.471 (1909).
99. Hack man, A., Dr., Helsingfors, Fredsgatan 13 (1909).
100. *Hagen, v. d., Joachim Otto, Rittergutsbesitzer, Schmiedeberg bei Greiffen-
berg (Uckermark) (1909).
101. Hahne, Bertha, Frau Kommerzienrat, Hannover, Jägerstr. 7 (1909).
102. *Hahne, Hans, Privatdozent Dr., Direktorialassistent am Provinzialmuseum,
Hannover, Jägerstr. 8 (1909).
103. Hampel, Erich, Dr. med., Bernburg, Kaiserstr. 11a (1909).
104. Harte, Philipp, Reg.-Assessor Dr., Guben, Haugstr. 13 (1909).
105. Hartwich, Dr. med., Havelberg (1909).
106. Hauser, O., Archäologe, Basel (1909).
107. Heintzel, G., Dr., Chemiker, Lüneburg (1909).
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108. Heller, Major, Inf.-Regt. 158, Paderborn (1909).
109. He lim ich, M., Kgl. Landmesser, Breslau V, Brandenburgerstr. 25 (1909).
110. Hennig, F., Erfurt, Nonnenrain 11 (1910).
111. Herrmann, Karl, Lehrer, Naumburg (Saale) (1909).
112. Hess v. W i ch d o rf f, Hans, Dr., Kgl. Geologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909).
113. Hildebrand, Pfarrer, Leuthen bei Kottbus (1909).
114. "Hindenburg, Dr. med., Grossbeeren (1909).
115. Hintze, Georg, Friesack (Mark) (1910).
116. "Hintze, Robert, Dr., prakt. Arzt, Rheinsberg (Mark), Am Markt 6 (1909).
117. Hirsch, Dr., Rechtsanwalt, Halle a. S., Händelstr. 20 (1909).
118. Hobus, Felix, Pastor, Dechsel, Kr. Landsberg a. W. (1909).
119. "Höf er, Paul, Prof., Dr., Blankenburg a. H. (1909).
120. Höf er, Lehrer, Römhild (Sachs.-M.) (1910).
121. Hofbibliothek, Grossherzogliche, Darmstadt (1909).
122. Hoops, Joh., Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Klingenteich 13 (1909).
123. Horvath, Dr. med., Hzl. Coburgischer Herrschaftsarzt, Vereskö Gömör
(Ungarn) (1909).
124. Hungerland, Lektor, Dr., Lund (1909).
125. Institut f. Geschichte d. Medizin an der Universität Leipzig, Leipzig (1909).
126. Institut für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, Leipzig (1910).
127. "Jäkel, Otto, Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909).
128. Jaffe, S., Kgl. Ökonomierat, Sandfort b. Osnabrück (1909).
129. Jahn, Martin, stud. hist., Berlin, Lortzingstr. 38 (1909).
130. Jekelius, Erich, stud. theol., Kronstadt, Schwarzgasse 17 (1909).
131. "Jentsch, Hugo, Prof. Dr., Guben (1909).
132. Jira, Josef Anton, Podbaba bei Prag, Villa Majorka (1909).
133. Kabitzsch, Curt, Verlagsbuchhändler, Würzburg (1909).
134. Kade, Apotheker, Römhild i. Th. (1909).
135. Kaiser Friedrich-Museum, Posen (1909).
136. Kallius, Erich, Univ.-Prof. Dr., Greifswald, Karlsplatz 17 (1909).
137. Keller, Apotheker, Dermbach (S.-Meiningen) (1910).
138. Kellner, Heinrich, Rentner, Köln, Gereonstr. 17—19 (1909).
139. "Kiekebusch, Alb., Dr. Mädchenschullehrer, Berlin-Karlshorst, Prinz Oskar¬
strasse 7 (1909).
140. Kimakowicz, v., Mus.-Direktor, Hermannstadt (Siebenbürgen) (1909).
141. Kitzler, G. E., Redakteur der „Mark“, Berlin, Lausitzerstr. 8 (1909).
142. Klaatsch, Hermann, Univ.-Prof. Dr., Breslau, Anatomie (1910).
143. Kleist, Otto, Apothekenbesitzer, Friesack (Mark) (1910).
144. Klepp, Hans, Potsdam, Brandenburgerstr. 48 (1909).
145. Kling holz, F., Professor, Hannover, Geibelstr. 13 A (1909).
146. Klittke, M., Mittelschullehrer, Frankfurt a. O. (1909).
147. Knoke, Friedrich, Prof. Dr., Gymn.-Direktor, Osnabrück, Rats-Gymnasium (1909).
148. Koch, Julius, Dr., Realgymnas.-Direktor, Berlin-Grunewald (1910).
149. Korn, Joh., Dr. phil., Bezirksgeologe, Berlin-Wilmersdorf, Bingerstr. 87 (1909).
150. "Kossinna, Gustaf, Univ.-Prof. Dr., Gr.-Lichterfelde 3, Karlstr. 10 (1909).
151. Kossinna, Richard, Justizrat, Nordhausen a. H. (1909).
152. Krause, Hans, Dr., Döbeln (Sachsen), Schillerstr. 1211 (1909).
153. Krause, Paul Gust., Dr., Landesgeologe, Berlin, Invalidenstr. 44 (1909).
154. Krauth, Prof. Dr., Erfurt, Klingenstr. 3 (1910).
155. Krehan, Rechnungsamtmann, Buttstädt (S.-Weimar) (1910).
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Mitgliederverzeichnis.
156. Kreismuseum, Oberharzer, Zellerfeld (1909).
157. Kreismuseum, Hadersleben (Schleswig) (1910).
158. *Kropp, Philipp, Jena, Forstweg 31 (1909).
159. Kümpel, C., Technikumslehrer, Hildburghausen (1910).
160. Kuntze, Rentmeister, Burgscheidungen bei Tröbsdorf, Kr. Querfurt (1909).
161. Kunze, K., Prof. Dr., Bibliotheksdirektor, Hannover, Am Archiv 1 (1909).
162. Lampe, Karl, stud. hist., Jena, Jahnstr. 19 pt. (1909).
163. Lampe, W., Lehrer, Harriehausen bei Gandersheim (1910).
164. Lamprecht, Kgl. Rektor, Kaufbeuren (1909).
165. Landes - und Stadtbibliothek, Düsseldorf (1909).
166. Landesdirektorium, Hannover (1909).
167. Landesmuseum, Schweizerisches, Zürich (1909).
168. Landesverein, Hannoverischer, für Vorgeschichte, Hannover (1910).
169. *Langerhans, Wilhelm, Landgerichtsrat, Berlin W. 15, Kaiser Allee 221 (1909).
170. *Le h m a nn - H au p t, Carl Fr., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Marburgerstr. 6 (1909).
171. *Lemcke, Hugo, Geh. R. Prof. Dr., Stettin, Kantstr. 9 (1909).
172. Liebmann, Rudolf,Generalz.D.,Charlottenburg,Wilmersdorferstr. 102/3(1909).
173. *Lienau, M. M., Abt.-Vorstand am Museum, Lüneburg, Villa Waldesruh (1909).
174. Lillge, F., Dr., Oberlehrer, Bremen, Mathildestr. 31 (1909).
175. Lilliendahl, F., Kommerzienrat, Neudietendorf b. Erfurt (1910).
176. Lüders, Dr. med., prakt. Arzt, Neustadt b. P., Kr. Neutomischel (1909).
177. Lüh mann, H., Oberlehrer, Braunschweig (1909).
178. Lütcke, Heinr., Dr. phil., Charlottenburg, Bismarckstr. 63 (1909).
179. Magistrat der Stadt Kottbus, Kottbus (1909).
180. Magistrat der Res.-Stadt Hannover, Hannover (1909).
181. *Malachowski, Frau Reg.-Baumeister,Charlottenburg,Lietzenseeufer 11 (1909).
182. Mankiewicz, Zahnarzt, Graz, Burgring 10 (1910).
183. Martens, Heinr., Hotelbesitzer, Bergen b. Celle (1909).
184. *Martin, J., Mus.-Dir. Prof. Dr., Oldenburg (Grossh.) (1909).
185. Massenbach, Frh. von, Geh. Reg.-Rat, vortr. Rat im Landw. Minist., Berlin-
Wilmersdorf, Xantenerstr. 4 II (1909).
186. Matern, Erich, Dr. med., prakt. Arzt, Berlin NW., Turmstr. 66 (1909).
187. Mente, Kantor, Lüchow, Hannover (1909).
188. Meyer, Major und Ingenieuroffizier am Platz, Marienburg, Wpr. (1909).
189. Meyer, C. H., Fabrikbesitzer, Bergen b. Celle (1909).
190. *Meyer, Rieh. M., Univ.-Prof. Dr., Berlin, Vossstr. 16 (1909).
191. Michaelis, Georg, Dr., Berlin W. 15, Knesebeckstr. 44 (1909).
192. Michaelsen, Militärbauinspektor, Frankfurt a. M., Unterlindau 56 11 (1909).
193. *Mielke, Robert, Zeichenlehrer, Charlottenburg, Rönnestr. 18 (1909).
194. Milleker, Felix, Musealkustos, Werschetz (Ungarn) (1909).
195. Miske, Kalman, Freih. von, Köszeg (Günz) (Ungarn) (1909).
196. # Möller, Armin, Museumskustos, Weimar, Stadt. Museum (1909).
197. Mötefindt, H., Wernigerode, Karlstr. 2 (1910).
198. Mogk, Eugen, Univ.-Prof. Dr., Leipzig, Grimmaischestr. 32 (1909).
199. Mohrbutter, Alfred, Professor, Berlin W., Kaiserallee 180 (1910).
200. Mohrmann, Prof. a. d. technischen Hochschule, Hannover, Herrenhäuser
Kirchweg 17 (1909).
201. Montelius, Oskar, Dr., Reichsantiquar, Stockholm (1909).
202. Morgenstern-Museum, Städtisches, Geestemünde (1909).
203. Much, Rud., Univ.-Prof Dr., Wien, Penzingerstr. 82 (1910).
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204. Mühlke, K., Geh. Baurat, Berlin W. 62, Lutherstr. 18 11 (1909).
205. Müller, O., Apotheker, Friesack (Mark) (1910).
206. Müller-Brauel, Hans, Schriftsteller, Zeven, Haus Sachsenheim (1909).
207. Museenvereinigung f. vorgesdiichtl. Landesforschung, i. d. P.Hannover. (1909).
208. Museum, Bergens, Bergen (Norwegen) (1909).
209. Museum, Städtisches, Braunschweig, Steintorwall 14 (1909).
210. Museum, Vaterländisches, Celle (1909).
211. Museum f. Heimatliche Geschichte und Altertumskunde der Provinz Sachsen,
Halle a. S. f Domstr. 5 (1909).
212. Museum, Historisches, des Staates, Helsingfors (Finnland) (1909).
213. Museum, Schleswig-Holstein., Vaterl. Altertümer, Kiel (1909).
214. Museum, Städtisches, für Völkerkunde, Leipzig (1909).
215- Museum für Natur- und Heimatkunde, Magdeburg (1909).
216. Museum, Szekely Nemzety, Sepsi-Szent-György (Ungarn) (1909).
217. Museum, Stavanger, Stavanger (Norwegen) (1910).
218. Museumsgesellschaft, Teplitz-Schönau (Böhmen) (1910).
219 Museumsverein Goslar, Goslar (1909).
220. Museumsverein Harburg (Elbe) (1909).
221 Museumsverein f. d. Fürstentum Lüneburg, Lüneburg (1909).
222. M useu ms verei n f. d. Reg.-Bez. Osnabrück, Osnabrück (1909).
223. Museumsverein Pettau, Pettau, Steiermark (1909).
224. Museumsverein, Altmärkischer, Stendal (1909).
225. Näbe, F. Max, Leipzig-Gohlis, Luisenstr. 24 (1909).
226. Nationalmuseum, Kopenhagen (1909).
227. Niedner, Felix, Prof. Dr., Charlottenburg, Schlossstr. 23 (1910).
228. Obermaier, Hugo, Dr. Privatdozent der Urgesch. des Menschen, Wien 111,
Rennweg 31 (1909)
229. Ol bricht, Konrad, Dr., Geologe, Lüneburg, Wilsenbrucherweg 1 (1909).
230. Olshausen, Otto, Prof. Dr., Berlin SW., Anhaltstr. 5 (1909).
231. Osborne, Wilh., Rentier, München, Kaulbachstr. 93 (1909).
232. Paape, Dr. Prof., Berlin-Schöneberg, Meiningerstr. 3 (1909).
233. Palliar di, K. K. Notar, Mährisch-Budwitz (Mähren) (1910).
234. *Pastor, Willy, Schriftsteller, Berlin-Wilmersdorf, Gasteinerstr. 4/5 (1909).
235. *Peiser, Felix, Univ.-Prov. Dr., Königsberg i. Pr., Goltz-Allee 11 (1909).
236. Peschei, E., Lehrer, Nünchritz, Bez. Dresden (1910).
237. Pfau, C., Prof. Dr., Rochlitz (Sachsen) (1909).
238. Pfeiffer, Ludwig, Geh. Medizinalrat Dr., Weimar (1909).
239. Pollmann, Lehrer, Diesten b. Sülze (Kr. Celle) (1909).
240. Polthier, O., Professor, Wittstock (Dosse) (1909).
241. Pötte rs, Karl, Mag.-Sekretär, Charlottenburg, Pestalozzistr. 42 (1909).
242. Preuss, Eugen, Bankier, Berlin NW, Flensburgerstr. 2 (1909).
243. Provinzialmuseum, Hannover (1909).
244. Qu ei sn er, Hugo, Dr. med , Bromberg, Töpferstr. 14 (1909).
245. *Rademacher, Carl, Rektor, Vorst, d. prähist. Mus., Köln, Zugweg 44 (1909).
246. Ratig, Wilhelm, Rendant, Perleberg (1909).
247. Rauch, W., Inspektor, Helmsdorf, Mansf. Seekreis (1909).
248. Re hie n, W., Magistratsrat, Nürnberg (1909).
249. ^Reimers, I., Mus.-Dir. a. D. Dr., Charlottenburg, Lietzenseeufer 8 (1909).
250. Reisch el, G., Prof. Dr., Hannover, Ifflandstr. 11 (1909).
251. Reiss, Eugen, Privatier, Berlin, Lindenstr. 112 (1909).
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340
Mitgliederverzeichnis.
252 Rieken, Käthe, Frau Dr., Kottbus, Bahnhofstr. 72 (1909).
253. Riemschneider, Buchdruckereibesitzer, Hannover, Knochenhauerstr. (1909).
254. *Rimpau, Rittergutsbesitzer, Anderbeck, Kr. Oschersleben (1909).
255. Römer-Museum, Hildesheim (1909).
256. Römstedt, Präzeptor, Bergen b. Celle (1909).
257. *R o e t h e, Gustav, Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Berlin-Westend, Ahorn-Allee 39 (1909).
258. Roggenkamp, Hans, Turnlehrer, Eschwege (1909).
259. Ross, Hochschulprofessor, Hannover, Geibelstr. 25 (1909).
260. Rossbach, Gustav, Dr. med., Lichtenfels (1909).
261. Rüchardt, G., Rittergutsbesitzer, Schackenhof b. Bischofswerda (1910).
262. Ru tot, A., Convervateur, Brüssel, Rue de la Loi 177 (1909).
263. Sammlung, Städtische naturwissensch., Chemnitz (Stadtmuseum) (1909).
264. Sammlungen, Grossherzogi. Badische, Karlsruhe, Baden (1909).
265. Scheidemandel, Dr. med., Hofrat, Nürnberg (1909).
266. S diel zig, Elisabeth, Hermsdorf (Mark), Schulenburgstr. 2 (1909).
267. Schemann, Ludwig, Prof. Dr., Freiburg i. B., Maximilianstr. 22 (1910).
268. Schetelig, Haakon, Dr., Museumskonservator, Bergen (Norwegen), Bergens
Museum (1909).
269. *Schliz, Alfred, Dr. med., Hofrat, Heilbronn (1909).
270. Schmidt, Dr. med., Oberarzt, Städt. Anstalten, Wuhlgarten bei Berlin (1910).
271. Schmidt, Rob. R., Dr., Tübingen, Geolog. Institut (1909).
272. ^Schmidt, Erich, Prof. Dr., Bromberg (1909).
273. Schmidt, Heinrich, Dr., Univ.-Prof., Debreczin (Ungarn), Bethlen Utca 12 (1909).
274. Schmidt, Hermann, Oberlehrer, Löbau i. S., Eichelg. 1 (1909).
275. Schnittger, Bror, Museumsassistent, Stockholm 15, National-Museum (1909).
276. *Schötensack, Otto, Univ.-Prof. Dr., Heidelberg, Blumenstr. 1 (1909).
277. Schröder, A., Verlagsbuchhändler (Strecker & Schröder), Stuttgart (1909).
278. Schröder, Arno, Pfarrer, Hainichen b. Dornburg a. S. (1909).
279. Schröder, Edward, Geh -R., Univ.-Prof. Dr., Göttingen (1909).
280. Schröder, H., Landesgeologe, Berlin N. 4, Invalidenstr. 44 (1909).
281. Schubandt, A., Privatlehrer, Burg bei Magdeburg (1909).
282. *Schultze, M, Prediger, Fahrenwalde bei Brüssow (1909).
283. Schul tze, Vict., Geh.-R., Univ.-Prof. Dr., Greifswald (1909).
284. Schulz, Walther, stud. hist., Minden i. W., Rodenbeckerstr. 44 (1909).
285. *Schulze-Veltrup, Prof. Dr., Berlin NW. 23, Lessingstr. 30 (1909).
286. Schumann, Gottlieb, Erfurt, Regierungsstr. 39 (1910).
287. *Schuster, Georg, Archivrat Dr., Berlin-Halensee, Halberstädterstr. 2 (1909).
288. Schütte, Karl, Berlin W. 66, Leipzigerstr. 13 (1909).
289. Schwantes, G., Lehrer, Hamburg, Grindelberg 7a (1909).
290. Schwarz, E, Lehrer, Berlin N., Kastanien-Allee 100 (1910).
291. Sckerl, Regierungs- und Baurat, Bromberg, Johannisstr. 18 (1910).
292. Seel mann, Hans, Dr. med-, Dessau, Kavalierstr. (1909).
293. *Seemann, Otto, Zahnarzt, Berlin, Schönhauser Allee 177 (1909).
294. Seesselberg, F., Professor, Friedenau-Berlin, Kaiser Allee 108 (1909).
295. *Seger, Hans, Prof. Dr., Privatdozent, Mus.-Dir., Breslau, Viktoriastr. 117(1909).
296. Seil mann, Lehrer, Mühlhausen i. Th. (1909).
297. Seminar, Germanisches, der Universität Berlin (1911).
298. *Siebs, Theodor, Univ.-Prof. Dr., Breslau XIII, Hohenzollernstr. 53 (1909).
299. Siedentopf, Dr. med., Magdeburg (1909).
300. *Sieglin, Wilhelm, Univ.-Prof. Dr., Berlin-Steglitz, Kaiser Wilhelmstr.6 (1909).
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FRtNCETÖN UNTVER51TY -
Mitgliederverzeichnis.
341
301. Sievert, Heinrich, Gutsbesitzer, Schwanebeck, Kr. Oschersleben (1909).
302. Sir et, Luis, Ingenieur, Cuevas de Vera, Prov. Almeria, Spanien (1909).
303. *Snethlage, Ernst, Sekretär, Berlin NW, Quitzowstr. 123 (1909).
304. So lg er, Friedrich, Dr., Univ.-Prof., Peking (China) (1909).
305. *S prater, Fr., Dr., Konservator des Historischen Museums, Speier (1909).
306. Stadtbibliothek, Hannover, Friedrichstr. 16 (1909).
307. Staffel, San.-Rat Dr., Chemnitz, Langestr. 19 (1909).
308. Stieda, L., Geh. R. Univ.-Prof. Dr., Königsberg i. Pr., Schützenstr. 1 (1909).
309. Stirn ming, R., prakt Arzt, Gr. Wusterwitz b. Brandenburg (1909).
310. Streitberg, Wilhelm, Univ.-Prof., Dr., München, Isabellastr. 31 11 (1909).
311. Tallgren, A. M., Magister phil., Helsingfors (Finnland), Histor. Museum des
Staates (1909).
312. Tatarinoff, E., Prof. Dr. Direktor d. Hist. Museums, Solothurn (Schweiz) (1909).
313 Teutsch, Julius, Mus.-Vorstand, Kronstadt - Brasso (Siebenbürgen), Ross¬
markt 4 (1909).
314. Troitzsch, Reinhard, Lehrer, Berlin N. 28, Granseerstr. 7 (1909).
315. Uni versitätsbibliothek, Königliche, Greifswald (1909).
316. Un i versitätsb ibliot hek, Königliche, Tübingen (1909).
317. Vasvarmegyei K u 1 tur-egycsület, Szombathely (Ungarn) (1909).
318. Vater, Lehrer, Schkeuditz b. Halle a. S. (1910).
319. Verein für Geschichte und Altertümer, Stade (1909).
320. Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Erfurt (1909).
321. Verein für Heimatkunde, Kottbus, Gymnasialstr. No. 8 (1909).
322. Verein für Heimatkunde für den Kreis Lebus, Müncheberg (Mark) (1909).
323 Vorwerg, Hauptmann a. D., Warmbrunn (1909).
324. Waase, Karl, Mittelschullehrer, Neu-Ruppin, Möhringstr. 2 (1909).
325. Wacken ro der, Dr. phil., Hannover, Prov.-Museum (1909).
326. Wahle, Ernst, stud. hist., Charlottenburg, Goethestr. 31 III (1909).
327. *Walter, E, Prof. Dr., Stettin, Friedrich Karlstr. 4 (1909).
328. Walther, Heinrich, Dr., Landwirtschaftslehrer, Chemnitz, Lotharstr. 9II (1909).
329. Walther, Max, Architekt, Berlin W. 57, Göbenstr. 2 (1909)
330. Weise, Julius, Prof. Dr., Amalienau b. Königsberg i. Pr., Harbrückerstr. 12 (1909).
331. Wels, Postassistent, Friesack (Mark) (1910).
332. Weiter, Timotheus, Kaiserl. Notar, Metz, Priesterstr. 17 (1909).
333. Wernert, Paul, stud. rer. nat., Tübingen (Geol. Institut) (1909).
334. Wiegand, Karl, Zollassistent, Leipzig, Gustav Adolfstr. 42 III (1909).
335. Wilcke, Max, Dr., Kreisschulinspektor, Zeitz (1909).
336. *Wilke, Georg, Dr. Generaloberarzt, Chemnitz, Heinrich Beckstr. 56 (1909).
337. Wilke, Karl, Architekt, Berlin, Grossbeerenstr. 74 (1910).
338. Winckler, Albert, stud. hist., Charlottenburg, Neue Kantstr. 32 (1909).
339. Winkelmann, Fr., Dr., Eichstätt (Bayern) (1911).
340. Witz, Oberleutnant, Ingolstadt, k. bayr. Hauptlaboratorium (1911).
341. W olff, Kgl. Distriktskommissar, Filehne (1909).
342. Wolff, Karl Felix, Schriftsteller, Bozen (1909).
343. Wossidlo, Rieh., Prof. Dr., Waren (Meckl.) (1909).
344. Wüst, Ewald, Univ.-Prof. Dr-, Kiel (1909).
345. Zechlin, Konrad, Mus.-Konservator, Salzwedel (1909).
346. *Zschiesche, Paul, Geh. San.-R. Dr., Erfurt, Walkmühlstr. 6 (1909).
347. Zschiesche, Amtsrichter, Kölleda, Thüringen (1910).
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PRINCETON UNIVERSITY
Sachregister
A bfallgruben, german., a. d. Kaiser¬
zeit 1.
Absatzaxt 211.
Absplisse von Feuerstein Tafel VII, 46.
Ackerbau im schwed. Steinzeitalter 141.
v. Adclson-Berlin t **78.
Albano, bronzezeitliche Gräber 23, 30.
Al b re cht-Charlottenburg, 1. Schrift¬
führer der D. G. f. V. 280.
Albrechtsdorf (Kr Breslau), Schnur¬
scherben 102.
Alemannen 200
Al mg re n-Stockholm an die Universität
Upsala berufen 280.
Aloppe (Schweden), Tierzähne als
Anhänger 132.
— Keramik 151.
Aisengemme 229.
Altäre mit Darstellungen der Planeten¬
götter 205.
Alt-Barnim (Kr. Ober - Barnim),
neolith. Becher 86.
A 11 - B u k o w (Mecklenburg), wendische
Skelettgräber 219.
Alt-Damerow (Kr. Saatzig), Hünen¬
gräber 87.
Alt-Farpen bei Wismar, bronzezeit¬
liche Hügelgräber 215.
Alt - Friedrichsdorf (Kr. Friede¬
berg i. N.), Hünengrab 87.
Alt-Reetz (Kr. Königsberg i. N.),
neolith Scherben 87.
Alvastra (Schweden), Pfahlbau 109.
Alvensleben (Kr. Neuhaldensleben),
Spiralkeramik 60.
Amalienfelde (Kr. Neustadt,Westpr.),
Schnurscherben 98.
Amethyst 309.
Amulet aus Bernstein 65.
Ancyluszeitliche Funde a. d. Prov.
Posen 221.
Andernach, Glockenbecher 57.
— älteste Nennung des Namens 35.
— s. Neuwieder Becken.
Anhänger 224
— aus Bernstein 228.
— aus Zähnen gearbeitet 132.
Ansiedlungen, s. Wohnstätten.
Anthropologisches zur neolith.
Bevölkerung Mecklenburgs 209.
Apfel als Kulturerzeugnis 145.
Apfelfunde in Skandinavien und
Mitteleuropa 142, 143, 148.
Arktische Kulturin Bernburg 65.
Armbergen 236.
Armbrustfibel 216.
Armringe s. Ringe.
Armschutzplatte aus Stein 105.
Arnimsheim (Uckermark),Sichel 180.
Aurignacien v. Kärlich b. Koblenz 45.
— Metternich b. K. 45.
— Rhens b. K. 47.
A u r i g na c - R a s s e 169, 170, 171, 173,
240.
Ausgrabungen, Gesetzesentwurf üb.
A. in Frankreich 323.
Axelshof (Kr. Demmin), neolith. Grab
97.
Äxte, aus Stein 83, 91, 99, 101, 105,
123, 210, 221, 222, 223, 231.
— doppelschneidig 124, 146, 148, 149,
150.
— bronzezeitlich 223, 224, 232.
s. Absatzaxt, Randaxt.
Axthämmer aus Stein 221, 222, 223,
229
Badewitz (Kr. Leobschütz), Kragen¬
flasche 62, 85.
Badow b. Wittenburg, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Balga (Kr. Heiligenbeil), neolith. Grab
100 .
Bandfibeln von Bronze 212, 216, 217.
Bandkeramik im Rheinland 51.
— Lütticher Gruppe 59.
— nördlich vom deutschen Mittelgebirge
60, 62, 65.
Bär, diluvial, i. Neuwied. Becken 44.
Bärenknochen a. e. Pfahlbau 140.
B a rt m a n n s k r ü g e 10.
Bavai, Wochengöttervase von 6, 205.
Becher, kaiserzeitlich 5, 12, 207, 208.
— v. Rössener T pus 52.
— s. Blumentopfbecher, Glockenbecher,
Schnurkeramik, Trichterrandbecher,
Zonenbecher.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
Sachregister.
343
Befestigung s. Urmitz.
— s. Mayen.
Beile 87, 94, 97, 101, 102, 103, 105,
221, 222, 223, 231, 232.
— aus Achat 95.
— aus Diabas 176.
— aus Grünstein 123, 146, 149.
— aus Feuerstein 80, 84, 86, 87, 88,
89, 90, 91, 92, 93, 94, 97, 102, 103,
104, 105, 107, 122, 148, 149, 316.
— aus gebändertem Feuerstein 90, 92.
— aus Quarzit 149.
— mit Schäftungsabsatz oder Rillen 231.
— s. Hohlbeil.
Belgien, Heimat der Wochengötter¬
vasen 11.
— Bandkeramik in 59.
— paläolith. Skelette 170.
Bellin (Mecklenburg), slawische Wohn-
grube 218.
— Skelettgräber 219.
Bemalte Keramik Osteuropas 59.
— ohne Bernstein 65.
— mit knöchernen Gürtelplatten 76.
geschliff. Silexgeräte b. d. 80.
Bernburg, Bernsteinamulet 65.
— bandkeram. Grabfund 65.
Bern bürg er Typus 73, 86, 87.
Bernitt (Mecklenburg), neolith. Ge-
fäss 210.
Bernstein, Einfuhrware in Alvastra
(Schweden) 134.
— in Kegelgräbern 302.
— ligurischer 316.
— a. e. diluv. Fundstelle, Taf. VI.
— mit den Nord - Indogermanen nach
Osten gehend 76.
— sicheres Zeichen nordindogerman.
Bevölkerung 64.
Ber nstein am ulet 65.
B e r n st ein f u n de in Schweden 134.
Bernsteinknopf 227.
Bernsteinperlen 133, 150, 213,
214, 228.
B e r n s t e i n s ch m u ck 64, 83, 84, 88,90,
91, 92, 93, 94, 97, 98, 99, 100, 101,
103, 106.
Beschläge mit Tragringen 2, 3.
— von Holzgefässen 3, 208.
Betten aus Reisig 116.
Beveringen (Ostprignitz), bronze-
zeitl. Funde 236.
Bieskau (Kr. Leobschütz), Schnur¬
scherben 103.
Bimssandablagerungen im Neu-
wieder Becken 40, 42, 49.
Birglau b. Thorn, Steinaxt 223.
— (Kr. Thorn), neolith. Gefäss 99.
Birnbaum, Kugelamphore 69, 90.
Birkenbruch (Kr. Wirsitz). eizenzeitl.
Urne 225.
B i s m a rckst r e u (Kr. Hohensalza),
Steingeräte 222.
Bismarckstreu (Kr Hohensalza),
slaw. Keramik 227.
— Lanzenbruchstück 228.
— s. Jesuiterbruch.
Bitterfeld, Trichterrandbecher 71.
Bleckendorf (Kr. Wanzleben), neo¬
lith Fund 78.
Blottnitz (Kr.Grossstrehlitz), Schnur¬
scherben 103.
Blumberg (Kr. Pyritz), Megalith¬
grab 88.
Blume-Posen, Promotion zum Dr.
phil. 332.
Blumentopfbecher d. ostdeutsch.
Schnurkeramik 72, 96, 98, 100, 102,
103, 104, 105.
Bochow (Kr. Zauch-Belzig), dreiglied¬
riger Gürtelhaken 198.
Böhmen, neolith. Funde 70, 72, 76.
Bohrer a. d. Magdalenien 49.
— aus Feuerstein 126.
B ord e s - Berlin , Schatzmeister der
D G. f. V., Änderung der Adresse 280.
Bordesholm (Holstein), Schnur¬
becher 77.
Borkenstein (Kr. Saatzig), Kujav.
Grab 87.
Bos, diluvial i. Neuwied. Becken 43,
44, 48.
Bösenfleisch (Kr. Könitz), Stein¬
kreis 89.
Brahnau (Kr. Bromberg), neolith.
Funde 222.
- — bronzezeitl. Gefäss 224.
Brandgräber, slawische 219.
Brandgruben 316.
Brandstellen paläolithische 46.
— i. e. Megalithgrab 209.
— auf Feuersteinwerkstätten 211.
Braunschweig, Bandkeramik in 60.
Bredentin (Mecklenburg), bronze¬
zeitl. Hügelgrab 212.
Breitenau (Kr. Neumarkt), Schnur¬
keramik 102.
Brennmaterial der Germanen 315.
Breslau, neolith. Funde 77, 102.
B r i e s e n (Westpr), neolith. Gräber 90.
Bri et z i g (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 87.
Broch b. Flatow (Westpr.), silberner
Ring 227.
Brockau (Kr. Breslau), Jordansmühler
Typus 60.
Bro nie wo (Kr Hohensalza), Schädel 229.
-neolith. Funde 221.
— — Bernsteinknopf 227.
Bronze, Herkunft der 297.
Bronze in neolith. Gräbern 107.
Bronzeciste 239.
Bronzedosen s. Hängegefässe.
Bronzegefässe, mittelalterl. 192,313.
— italische in Norddeutschland 239, 240.
- jüngerbronzezeitlich 215, 238, 239.
— kaiserzeitlich 218.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
344
Sachregister.
Br o nzegefä sse i. d. Prignitz 239.
— Blechdeckel dazu 239.
B ronzegef äss-Reste 4, 5, 16.
Bro nzek e s se 1 aus Dänemark 203,318.
Bronzeschlacken 224.
Bronzetasse 238.
Bronzezeit, Gräber in Italien 23,
28, 29.
— im Kgr. Sachsen 323.
— Steingeräte a. d. 236.
— s. Hämmer.
— ostpreussisches Skelettgrab 100.
— rheinische Keramik 2.
— Funde von Kantow (Kr. Ruppin) 181.
— erstes Auftreten von Eisen in der 239.
— neue Funde in Mecklenburg 211.
— Steinäxte a. d. 2 '3, 224.
— neue Funde a. d. Prov. Posen 223.
— in der Prignitz 234.
B rücken f u n d a m e n te a. slawischer
Zeit 219.
B rü n i n g - Münster, berufen nach
Hannover 280.
Brünn, paläolith. Skelett 81, 169.
Brünne 218.
Brunnenfund 211.
Brunow b. Grabow, Kasserolle 218.
Bschanz (Schlesien), Stichreihenkera¬
mik 60.
B u ch b. Berlin, bronzezeitliche Haus¬
reste 244.
Buchholz (Kr. Greifenhagen), neolith.
Grab 76, 97.
Buchtafort b. Thorn, Steinaxt 223.
Büddow (Kr. Dramburg), Bernstein¬
beigabe 76.
Bügelfibel a. d Kaiserzeit 4.
Bülow (Mecklenburg), neolith. Pfahl¬
bau 210.
Burgwälle 83, 84, 98, 219, 227.
Büsching und das Dreiperioden¬
system 310.
Cäsars Rheinübergänge 36, 37.
Ca m min (Mecklenburg), wendische
Skelettgräber 219.
Ci sse wie (Kr. Könitz), Steinkreise 89.
Ciste aus Bronze 239.
Charlotten höh (Kr.Prenzlau),schnur-
keram. Grab 78, 80.
Combe Capelle (Frankreich),Skelett¬
fund 169, 171, 240.
Conow b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
C r ed n er - Grossgörschen f 278.
Cröbern b. Leipzig, Amphora 323.
— gedrehte Gefässe 243.
Cro-Magnon, Skelette von 170, 171,
172.
C r o - M a gno n - Ra ss e 169, 170, 172,
173.
Crone (Kr. Bromberg), Mahlstein aus
e. Grabe 228.
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Czeschewo (Kr. Wongrowitz), neolith.
Gefäss 84.
I
Dachkonstruktion e. Pfahlbaues 112.
Dachsknochen a. e. Pfahlbau 140,148.
Dachstützen a. e. Pfahlbau llz.
Dagsmoor (Alvastra), Zusammen¬
setzung 111.
— Entstehungsgeschichte 119.
Daheim (Kr. Hohensalza), Gefässbruch-
stücke 222, 228.
Damm (Mecklenburg), wendische Hügel¬
gräber 219.
— — bronzezeitlicher Urnenfriedhof
215.
Damme reez b. Boitzenburg, Grab¬
hügel 213.
Dänemark, doppelschneidige Äxte 124.
— neolith. Knochenpfriemen 129.
— Trichterrandbecher 65.
— Kragenflaschen 61.
— bronzezeitl. Fibel 192.
— Bronzekessel 318.
Dann ei 1 - Salzwedel und das Drei¬
periodensystem 298, 299 — 301, 306
307, 310.
Dannenwalde (Prignitz), bronzezeitl.
Grab 236.
Dargun (Mecklenburg), eisenzeitlicher
Urnenfriedhof 217.
— — Depotfund 214.
Dassow (Mecklenburg), bronzezeitl.
Flachgrab 215.
Deckel für Bronzegefässe 239.
i Deckplatte auf einer latenezeitlichen
Urne 195.
Dedelow (Kreis Prenzlau), Kugel¬
amphore 74.
Denkmalschutz, vorgeschichtlicher 295.
Depotfunde von Eisengeräten 2, 206.
— bronzezeitliche 214, 215.
— allgemeines 215.
— s. Moorfunde.
Deutsch Breile (Schlesien), Stich¬
reihenkeramik 60.
D e u t sch e GesellschaftfürVorgeschichte,
Mitgliederzahl 280.
— Veränderungen in der Besetzung der
Ehrenämter 280.
— Einladung zur 2. Tagung in Erfurt 280.
— Vorstand der Zweiggesellschaft Ber¬
lin 242.
Diele, s. Estrich.
— s. Lehmdiele.
Dobberphul (Kr.Greifenhagen), neo-
lithische Gefässe 97.
— (Kr. Pyritz), kujawische Gräber 88.
Dobieszewko (Kr. Schubin), Mega¬
lithkeramik 66, 84.
Dobritz (Orlagau), Höhle mit Fauna
und Feuersteinsplittern 174.
Dobritzhügel (Östthüringen), Tar-
denoisien 175.
Original frorn
PRINCETON UNfVERSITY
Sachregister.
345
Dolche aus Feuerstein 93, 97, 209.
— aus Bronze 236.
Dölitz (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Dolken (Kr. Kulm), neolith. Ansiede¬
lung 90.
Donaukultur in Mittel- und Nord¬
deutschland 59.
— nordöstlichster Vertreter 61.
Doppelaxtförmige Bernsteinperle
133.
Doppelhammer 99.
Doppelknöpfe 236, 239.
Doppelschneidige Äxte in Schweden
und Dänemark 124.
Dorf Poltnitz (Mecklenburg), bronze-
zeitl. Hügelgrab 212.
Dornrade (Kr Bremervörde), bronze-
zeitl. Fibel 192.
Drehscheibe, auf der, gearbeitete
Gefässe 198, 242, 323.
— s. Wochengöttervasen.
D r e i d o r f (Kr. Wirsitz), Steingerät 222
Dreiperiodensystem 294, 3<»9.
Duchow (Kr Randow), neolith. Grab 97.
Dulzig (Kr. Schwetz), neolith. Siede-
lung 89.
Dünen, Entstehung der 288.
Eberschädel als Grabbeigabe 88.
Eberzähne 91, 100, 103, 105.
Eckartsfelde (Kr. Znin), Bruchstücke
einer Gesichtsurne 225
Eckhardt und das Dreiperioden¬
system 310.
E de 1 h i r s ch knochen als Gerätmaterial
131, 148
— a. e. Pfahlbau 140, 148.
Eichenhagen (Kr.Wirsitz), Bernstein¬
perle 228.
— — neolith. Grab 91.
E i ch h o r n (Kr. Königsberg i. N.), Stein¬
kammer 87.
Eiersteine 224.
Eigenheim (Kr. Hohensalza), Stein¬
gerät 222.
Eimerhenkel 3, 206.
E i n b a u m 219.
Einladung zum Besuch des Hauser’-
schen Ausgrabungsgebietes in der
Dordogne 274.
E i nz e 1 s t e in g r a b 75.
— s. Monolithgräber.
Eisen 297.
— in Hünengräbern 300, 301, 302.
— fehlt in Kegelgräbern 302.
— in spätbronzezeitl. Gräbern 239.
E is z e i t, Erklärung der 285.
— Klima während der 286, 287.
Elbekosteletz (Böhmen), Kugel¬
amphore 70.
Elch zäh ne als Anhänger 132, 140.
Elephas primig. i. Neuwied. Becken
43, 44.
Elsenheim (Kr. Hohensalza), Bern¬
steinanhänger 228.
Engelhardt und die bronzezeitliche
Chronologie 311.
Engis, Schädeldach von 171.
England, Skelett von Galley Hill 169.
Erfurt, Zweite Tagung für Vorge¬
schichte 1910, 281.
Ertebölle (Schweden), Tierzähne als
Anhänger 132.
Estrich in einer Wohngrube 55.
Eyersheim (Rheinpfalz), Kragenfla¬
schen 61.
Falkenberg (Kr. Pyritz), Megalith¬
gräber 88.
Falzbein aus Geweih 92.
Farbezin (Kr. Naugard), neolith. Grab
88 .
Fauna, diluviale, im Neuwieder Becken
43.
— des Magdalenien von Andernach 48.
— und paläolith. Menschenrassen 173.
— ostthüringischer Tardenoisien-Fund-
stellen 174.
—- neolithische, Südschwedens 129, 131,
139. 141.
— interglaziale u. postglaziale, in Nord¬
deutschland 287, 290.
Federzangen aus Bronze 185, 190,
212, 213, 238.
Feuerschlagsteine 135, 148, 149.
Feuerschwamm im vorgesch. Europa
138.
Feuerstein, gebändert 90, 92.
— Einfuhrware in Alvastra 123, 126.
Feuersteinbearbeitung, Unter¬
lage dazu 46.
Feuersteingeräte, nordische, in
Osteuropa 80.
Feuersteinkern a. d. Aurignacien
47.
Feuersteinsäge 88, 105, 193.
Feuersteinspäne 126, 148, 222.
— zum Feuermachen 136.
Feuersteinsplitter, bearbeitet 185,
187, 190.
Feuerstei n Werkstätten 93. 211.
Feuerstellen, paläolithische 46.
Fibeln, bronzezeitliche 192, 213, 236.
— — aus Italien 26, 28.
— latönezeitliche 197, 198, 199, 217.
— kaiserzeitliche 3, 4, 16.
— s. Bandfibel, Bügelfibel, Scheiben¬
fibel, Spangenfibel.
Fibeln ad el von Bronze 211.
Fingerspiralen 236.
Fingerring mit Gemme 229.
Finkenthal (Mecklenburg), eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Finkenwalde (Kr. Greifenhagen),
neolith. Gräber 97.
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PRtNCETON UNIVERS1TY
346
Sachregister.
Fischknochen a. e. Pfahlbau 140.
Fläschchen aus Glas, kaiserzeitlich 5.
Flasche aus Glas, römisch 226.
Fleischer-Berlin, Ernennung zum Mit¬
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt
332.
Flora des Pfahlbau-Untergrundes von
Alvastra 121.
Flosspf ahlbauten 117.
Flügelnadeln 216
Flurnamen in der Überlieferung fort¬
lebend 36.
Fraipont-Brüssel t 279, 316.
Frankfurt a. O. (?), Megalithkeramik
83.
Frankreich, Kragenflaschen in 61.
— Rassen in 154.
— paläolith. Skelettfunde 169, 170, 171,
172, 173, 24t.
— Bernstein in F. anstehend 316.
— Sichel 179.
— Gesetzesentwurf über Ausgrabungen
323.
— s. Maz d’Azil, Mentone.
Friebeberg (Kr. Breslau), neolith.
Gräber 102.
Friedrich Franz von Mecklenburg als
Förderer der Vorgeschichte 295.
Friedrichsdorf b Neubukow (Mecklen¬
burg), neolith. Flachgrab 210.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Friedrichsruh e (Mecklenburg), bronze¬
zeitl. Hügelgrab 212.
— — völkerwanderungszeitl. Urnen¬
friedhof 218.
Friesack (Mark), Scolith von 317.
-gedrehtes Gefäss 243.
Fuchs, s. Polarfuchs.
Fürstensee (Kr. Pyritz), Megalith¬
gräber 88.
Fussurne, german , a. d. Kaiserzeit 2.
G ä ge 1 o w (Mecklenburg), neolith. Pfahl¬
bau 210.
Galizien, neolith. Funde (Statistik)
85, 86, 94, 95, 103, 105, 106.
— Kujawische Gräber 68.
— Kragenflaschen 62.
— Kugelamphoren 70.
— Mondhenkelkrüge 67.
— Schnurkeramik 73, 74, 75, 77, 78.
— Rhinozeros-Fund 173.
G a 11 e y - H i 11 (England), paläolithisches
Skelett 169.
Gallische Elemente a. d. Kessel von
Gundestrup 204.
— Gottheiten 317.
Gandow (Prignitz), Hausurne 236.
Gefässe, auf Drehscheibe gearbeitet 10.
— aus Holz 3, 208.
s. Bronzegefässe, Bronzeciste.
G e ij e r und das Dreiperiodensystem 299.
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Ge lens (Kr. Kulm), kujaw. Gräber 90.
Geologie des Neuwieder Beckens 37.
— der römischen Campagna 19.
— und Vorgeschichtsforschung 23, 26,
29, 30, 31.
Gera (Thüringen) s. Pfortener Berg,
Steinertsberg.
Gerste a. e. steinzeitl. Pfahlbau 141,
142.
Gesetzesentwurf über Ausgrabungen
in Frankreich 323.
Gesichtsurne 225.
Gesichtsvasen s. Wochengöttervasen.
Gestempelte Verzierungen 105.
Getreide a. e. neolith. Grab 105.
i. d. Steinzeit Schwedens 142.
— bei den Alemannen 200.
Getreidekörner a e. Pfahlbau 141.
Geweih, Äxte aus 221.
— bearbeitet 227.
— s. Hirschhorn
Gewölbe, falsche 315.
Giebelloch bei Dolmen 246.
Gilgen bürg (Kr. Osterode), neolith.
Gräber 100.
Gingst (Rügen), Megalithkeramik 62,
65, 70.
Glas in Kegelgräbern 302, 311.
Glasflasche 226.
Glasgefässe 218.
Glasow (Kr.Randow), neolith.Gräber 97.
Glasperlen s. Perlen
Glasschlacke 4, 5.
Glätter aus Knochen 103.
— aus Geweih 132.
Gleinitz (Kr. Nimptsch), Stichreihen¬
keramik 60.
Glocke s. Schelle
Glockenbecher 57, 178.
Glockengräber 225.
Glogau, Schnurbecher 102.
Glogischdorf (Kr. Glogau), Schnur¬
scherben 101.
Gnichwitz (Kr. Breslau), schlauchförm.
Krug 72, 102.
Gniewkowitz (Kr. Hohensalza), versch.
Funde 228.
— Abbau (Kr. Hohensalza), Steinbeil
221 .
Godsiszewo-Kokorzyn, neolith. Vor-
ratsgefäss 84.
Goguet und das Dreiperiodensystem
298, 310.
Göhlen b. Ludwigslust, bronzezeitl.
Urnenfriedhof 215.
Göhlitzsch, (Kr. Merseburg), Stein¬
kistengrab 297.
Goldarmring 236.
Goldfund von Vettersfelde 323.
Goldhörner von Tondern 205, 318.
Goldschmuck 236, 239.
Golotty (Kr. Kulm), neolith. Scherben
78, 83, 99.
Original frorn
PRINCETON UN1VERSITY
I I ooo
Sachregister.
347
G o n d e s (Kr.Bromberg), Steingeräte 222.
— Tonring 228.
Gorschendorf b Malchin, völkerwan-
derungszeitl. Urnenfriedhof 218.
— — wendische Skelettgräber 219.
Gorzewice (Kr. Samter), kl. Deckel¬
dose v Bronze 192.
Gostyn (Prov.Posen), Axthammer 223.
Götterbilder auf Gesichtsvasen 5,12.
— auf Bronzekesseln 204, 318.
bei den Galliern 317.
nachgeahmt von den Germanen 318.
ttheiten der Gallier 13, 202, 317.
ab in Schiffssetzung 228.
äber auf einem steinzeitl. Wohn-
platz 147, 149.
— frühestneolithische 81.
— siehe Brandgräber. Monolithgräber,
Schachtgräber, Schiffssetzung.
Grabformen , neolithische, in Mecklen¬
burg 209.
— jüngerbronzezeitl.,i. Mecklenburg 214.
Grabitz (Kr. Birnbaum), neolith Ske¬
lette 100.
Gräbschen (Kr. Breslau), Trichterrand¬
becher 65, 85.
— — Jordansmühler Typus 60.
Gramenz (Kr. Neustettin), neolith.
Grab 77, 98.
Granowko (Kr. Kosten), neolithische
Scherben 84.
Granzin b. Hagenow, Urnenhügel 214.
— bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
— bronzezeitl. Hügelgrab 212.
Graudenz, bandkeram. Kugelnapf 61.
Griffzungenschwert 213.
Grimaldi rasse 170.
Gristow (Kr. Kammin), neolith Grab
' 76, 83.
Grossbeeren (Kr. Teltow), latene-
zeitl. Brandgräber 194, 241.
Gr. Bengerstorf (Mecklenburg), Fibel¬
nadel 211.
Gross -Dalzig b.Leipzig, Amphora 323.
Gr. Koluda (Kr. Hohensalza), neolith.
Doppelhenkelkrug 69, 91.
Gr. Leistenau (Kr. Graudenz), neolith.
Grab 76, 90.
Grössler-Eisleben f 245, 276.
Gr. Morin (Kr Hohensalza), neolith.
Gräber 76, 101.
Gr. Paglau (Kr. Könitz), neolithischer
Becher 98.
Gr. Pankow (Ostprignitz), bronzezeitl.
Funde 236.
Gr. Rambin (Kr. Belgard), Bernstein¬
beigabe 76.
— — Steinkiste mit Kugelamphoren
69, 88.
Gr. Roge b. Teterow, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Gr. Tschansch (Kr. Breslau), Schnur
becher 102*
Gr. Tschansch (Kr. Breslau), Stich¬
reihenkeramik 60.
Grubenhagen b. Teterow, bronzezeitl.
Urnenfriedhof 215.
Grünstein, Geräte aus 123, 146,
148, 149.
Guckelwitz (Kr. Breslau), neolithische
Keramik 102.
Guhrwitz (Kr. Breslau), neolith. Ske¬
lette 102.
Gulcz-Abbau (Kr. Filehne), 2 Mühl¬
steine 228.
Gullrum (Gotland), neolith. Fundplatz
124, 132, 136, 151.
Gundestrup, Silberkessel 203, 318.
Günther-Koblenz gewählt in den Aus¬
schuss der D. G. f V. z80.
Gürtelhaken aus Eisen 196, 199.
— zweitl. Scharniergürtelhaken 198,199.
— aus Bronze 196.
— dreigliedrig 198, 199.
— ostgerman. Form 198.
Gürtelplatte von Schwalbenschwanz¬
form 199
Gürtelplatten aus Knochen 76, 93,
94, loO.
Gürtelscheiben 236.
Güstrow (Mecklenburg), neolithische
Wohnstellen 210.
— Kegelgrab 213.
Guttowo (Kr Strassburg), neolith.Grab
76, 90.
Hacken aus Hirschgeweih 84, 90.
Hafer Nahrung der Alemannen 200.
Hagenow, bronzezeitl. Urnenfriedhof
215.
— kaiserzeitl. Funde 218.
— völkerwanderungszeitlicher Urnen¬
friedhof 218.
— wendische Skelettgräber 219.
Hahne-Hannover, ernannt zum Direk¬
torialassistent am Prov. Mus. das.
280.
Haken aus Holz 134
Halberstadt, Trichterrandbecher 71.
Hallstattzeitl. Gefässe 2.
Halsbergen von Bronze 212, 236.
Halsring, (latenezeitlich) auf gallischen
Götterbildern 202.
Hals ringe von Bronze 213, 214, 239.
Halsketten von Tierzähnen s. Zähne.
Halskragen 323.
Hammelstall (Kr Prenzlau), Trichter¬
randbecher 65.
— — schnurverz. Becher 71.
Hämmer 57.
— von einem Relief 8, 9.
— von ostdeutsch-schwedischem Typus
85, 93.
— aus Stein 89, 91, 94, 96, 100, 101,
102, 103, 104, 105, 106, 107, 221,
229, 231.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
348
Sachregister.
Digitized by
Hämmer, bronzezeitlich 223, 224, 232.
— mit Halbkugelnacken 64-
— d. Schnurkeramik i. d. Ukraine 80.
— fazettiert 56.
Handbergen von Bronze 212.
Handel, s. Feuerstein.
— s. Bernstein.
Hängegefässe von Bronze 215, 236.
Hän&espiralen aus Kupfer 79.
Hartlieb (Kr. Breslau), Trichterrand¬
becher 65, 85.
Harpunen a. d. Magdalenien 49.
Haselnüsse a. e. Pfahlbau 128, 141,
149.
Hasenknochen als Qerätmaterial 129,
131, 140.
Hastiere (Frankreich), paläolith. Unter¬
kiefer 171.
Hausbau, s. Wohnstätten
Hauser-Les Eyzies, Einladung zum
Besuch des Ausgrabungsgebietes 274.
Hausformen 24a.
Haustiere im schwed. Neolithikum
129, 139, 141.
Hausurnen, allgemeines 24.
— deutsche 236.
— italische 23, 24, 25.
— Zeitstellung 26.
Hechtknochen a. e. Pfahlbau 140.
Hedinger-Stuttgart f 278, 316.
Hedwigshorst (Kr. Schubin), Axt¬
hammer 222.
Heidnische Zeit Preussens, Fund a. d.
323.
Heitbrack (Hannover), Nadel 216.
Helldorf (Kr Kolmar i P), Kragen¬
flasche 62, 84.
Helm bei den Germanen 204.
— aus Bronze 323
Helme gallischer Art 204.
Herd a. e. Pfahlbau 149.
Herde aus Stein 113.
Herdgruben, germanische,a.d. Kaiser¬
zeit 1.
Herdpflaster in german. Wohn-
gruben 1.
Herzsprung (Prignitz), Bronzeschilde
239.
Hindenburg (Altmark), einhenklige
Kugelamphore 74.
Hinrichshof (Mecklenburg), bronze-
zeitl. Urnenfriedhof 215.
Hirsch, diluvial, i. Neuwieder Becken
43, 44, 45, 46.
— s. Edelhirsch.
Hirschhorn-Geräte 131, 146.
Hockerbestattung, allgemeines 240.
Hockerbestattungen in Südrussland
68, 81.
Hockergräber, neolithische 56.
— s. Skelettgräber.
Hockerstellung eines paläolith. Ske¬
lettes 240.
Hörn es und das Dreiperiodensystem
309, 310.
Hohen -Niendorf (Mecklenburg),
bron^ezeitl. Grabfund 211.
H o h e n w u t z o w, dreigliederiger Gürtel¬
haken 198.
Hohlbeile von Bronze 225, 238.
Höhlenhyäne 44.
Höhlentiger, diluvial i. Neuwieder
Becken 43.
Hohlmeissei 238.
Holzgefässe 3, 208.
Holzgerät, s. Haken.
Holzkeule 95.
Holzspuren in Gräbern 212, 219
Holzversteifung i. e. Grabe 105.
Homo Aurignacensis 169, 170, 172.
Hörner bei den Germanen 104.
— aus Gold 205, 318.
Hornstein verwendet im Magdalenien
48.
Hostmann und das Dreiperioden¬
system 308.
Hügelgräber, neolithische, 87,88,89,
92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 102, 105,
106, 107.
— bronzezeitliche 211—215, 235, 236,
239.
— früheisenzeitliche 216.
— wendische 219.
Hügelgräberfelder, neolith. i. d.
Ukraine 78.
Hundeknochena. e. Pfahlbau 140, 148.
Hundezähne als Halsband 107.
Hundisburg (Kr. Neuhaldensleben),
Bandkeramik 60.
— — Kugelamphore 71.
Hünengräber, s Megalithgräber.
Hyäne, diluvial, i. Neuwied. Becken 44
Imatrastein 100.
Indogermanen 59.
— Nordindogermanen in Osteuropa 61.
— Südindogermanen in Mittel- und
Norddeutschland 59.
— Bernstein sicheres Zeichen für Nord-,
64.
— Ableitung aus paläolithischen Ras¬
sen 169.
Indogermanenzüge nach Osteuropa
61.
— Zuzug von Sachsen-Thüringen 75.
Inkrustierte Keramik 54, 70, 96, 102,
103, 225.
Isinger (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Italien, bronzezeitl. Funde 23, 28, 29.
— vulkan. Ausbrüche i. d. Campagna 22,
23, 26, 30.
— Rassen in Italien 154.
— s. Albano.
— s. Remedello.
— s. Sardinien.
Go igle
Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
Sachregister.
349
Iwno (Kr. Schubin),Stichreihenkumpf60.
— Schnurkeramik 77.
— Gräber 101.
— eisenzeitl. Keramik 225.
Jacewo (Kr. Hohensalza), Gefässbruch-
stücke 227.
— Reibstein 228.
Jägerhaus bei Mühlheim, Rössener
Wohnplätze 51, 57.
— Glockenbecherkeramik 57.
Jagow (Kr. Pyritz), Megalithgrab 88.
Jassperson, Justiziarius in Schles¬
wig 298.
Jesuiterbruch (Kr. Hohensalza), Me¬
galithkeramik 84.
— Kupferbeil 232.
— (Schulbezirk, Kr. Hohensalza), Stein¬
geräte 231.
Jordansmühl (Kr. Nimptsch), Band¬
keramik 60.
— Megalithkeramik 62, 65, 67, 71, 85.
— Schnurkeramik 103.
Jordansmühler Typus 60.
Jupille, Wochengöttervase von 6, 205.
Jütchendorf (Kreis Teltow), latäne-
zeitl Urnengräber 197, 241, 243.
Kahlhorst (Ostprignitz), bronzezeitl.
Grab 232.
Kahlstädt (Kr. Kolmar i. P.), Steinaxt
223.
Kaiserswalde (Kr. Wirsitz), schnur-
verz. Becher 72, 100.
Kaiserzeit, german. Gräber 1, 316.
— Depotfund von Eisensachen 2.
— neue Funde aus Mecklenburg 217.
— neue Funde aus Posen 226, 229.
Kalbe a. S., Spiralkeramik 60.
Kaldus (Kr Kulm), Trichterrandbecher
65
Kalender der Steinzeit 286.
Ka 1 zig (Kr.Züllichau), neolith.Gräber 97.
Kamm aus Knochen 4, 16.
Kammstrichverzierung 194, 196.
Kantow (Kreis Ruppin), bronzezeitl.
Funde 181.
Kärlich b. Koblenz, Aurignacien 45.
Karpodaken 191, 235.
Karpodakische Funde a d Prov. Posen
224.
Karrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl.
Grabhügel 213.
Kartause b. Koblenz, Steinmeissei 55.
Karzen (Kr. Nimptsch), neolith Gräber
103.
Kasekow (Kr Randow), neolith. Grab
97.
Käsesteine 224.
Kasserolle 218.
Kastorf b Stavenhagen, Einbaum 219.
Kathrein b. Troppau, Kragenflasche
62, 85.
Mannus, Bd. II, Heft 4.
Katznase (Kr. Elbing), neolith. Scher¬
ben 89.
Kegelgräber 300, 301.
— s. Hügelgräber.
Kehrberg (Ostprignitz), bronzezeitl.
Gefäss 186.
Keile aus Stein 210.
Kelpin (Kr. Tuchei), neolith. Siede-
lung 98.
Kemnitz (Prignitz), bronzezeitl. Grab¬
hügel 239.
Keramik, bemalte, in Osteuropa 59.
— — ohne Bernstein 65.
— — mit knöchernen Gürtelplatten 76.
— — geschliff. Silexgeräte b. d. 80.
— inkrustierte 54.
— mittelalterliche 227.
Keramische Technik 10.
— s Drehscheibe.
Ketten, latenezeitlich 199.
Ketzin a. H., Kugelamphore 70.
Keulenköpfe 87, 223, 231.
Kieselschiefer verwendet im Magda-
lenien 48.
Kleidung 212.
Kl. Babenz (Kr. Rosenberg), neolith.
Grab 77, 99.
Kleinburg (Kr. Breslau), Schnurkera¬
mik 102.
Kl Gandau (Kr. Breslau), Schnur¬
becher 102.
Klein kamsdorf s Dobritzhügel.
Kl.Korbetha (Kr. Merseburg), gedrehte
Gefässe 243.
Kl. Krebbel (Kr. Schwerin), Trichter¬
randbecher 65, 84, 90.
— Kugelamphorenkeramik 67,69,84,90.
Kl. Methling b. Gnoien, neolith. Flach¬
gräber 210.
Kl. Mölln (Kr. Greifenhagen), Schnur¬
scherben 97.
Kl. Pankow (Prignitz), bronzezeitl. Grab
236.
Kl. P r i tz (Mecklenburg), Steingeräte 211.
Kl. Rietz (Kr. Beeskow), Stichreihen¬
kumpf 60.
Kl. Schwiesow b. Güstrow, bronze¬
zeitl. Urnenfriedhof 215.
Klemmen (Kr.Kammin), Hünenbett87.
Klima der subborealen Zeit 118, 122.
— der Nacheiszeit 241.
— Norddeutschlands seit der Eiszeit 285.
Klingen mit Kratzerende a. d. Aurig¬
nacien 47.
— a. d Magdalenien 48.
Klingenabspl isse a. d. Aurignacien
Taf. V, VI, VII.
Klopfstein a. d. Aurignacien 47.
— von Quarzit 126.
Kloxin (Kr. Pyritz), kujav. Gräber 88.
Kluess b. Güstrow, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Klützow (Kr. Pyritz), neolith. Grab 88.
23
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
350
Sachregister.
Knebel aus Bronze 239.
Knochengeräte 92, 93, 97, 129, 148.
Knochenmaterial a. e. schwed. Pfahl¬
bau 139, 148.
Knochennadeln 100.
— mit Doppelhammerkopf 78,79,107,108.
Knochen perlen 79, 93, 107, 132.
Knochenspatel 105.
Knochenwerkzeuge a. d. Magdale-
nien 49.
Knoke - Osnabrück gegen Schuchhardt
265.
Knöpfe aus Bronze 187, 190, 212.
— aus Bernstein 227.
Koben (Kr.Steinau), neolith.Grab 78,91.
Koblenz, älteste Nennungen des Na¬
mens 35.
— s. Neuwieder Becken.
Kof ler-Darmstadt + 331.
Kogel b. Wittenburg, Hügelgrab 213.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Königsberg i. N., Zapfenbecher 96.
Königsberg - Rollberg i. N., neolith.
Grab 96.
Königsbrunn (Kr. Strelno), neolith.
Scherben 84.
Koralle 100.
Kossin (Kr Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Ko ss in na -Berlin, Ernennung zum Mit¬
glied der Kgl. Akademie zu Erfurt 332.
Kownatken-See (Kr. Neidenburg),
Schnurscherben 100.
Kraazen (Kr Soldin), neolith. Grab 97.
Kragenflaschen s. Megalithkeramik.
Krapina (Kroatien), paläolith. Skelett¬
teile 173.
Kratzer des Aurignacien 45.
K rause-Berlin + 278.
K r e i s ch a u (Kr.Steinau), Schnurscherben
102 .
Kretz (Rheinland), Bandkeram. Ge-
fässe 51.
Kropfnadeln aus Eisen 195.
Krüge, schlauchförmige 72.
Kruschwitz (Kr. Strelno), Schlittkno¬
chen 227.
K r ü s sow (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Küchenabfallhaufen 98, 99.
Kugelamphore, Entstehung 69.
— s. Schnurkugelamphore.
Kugelamphoren, östlich der Oder 64,
67, 69, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94,
95, 96.
— westlich der Oder 71, 73.
Kuhn au (Kr.Nimptsch), Schnurscherben
103.
— — Stichreihenkeramik 60.
Ku ja wische Gräber 67, 68, 87, 88, 89,
90, 91, 92.
Ku 1 m s ee (Kr. Thorn), neolith. Scherben
84.
— — Megalithamphore 69, 90.
Kummer bei Ludwigslust, bronzezeitl.
Urnenfriedhof 215.
Kupfer in neolith. Gräbern 79, 81, 92,
101, 107
Kupferbeil 232.
Kupferdolch 92.
Kupferschalen, schwach versilbert 227.
Kupfersicheln 179, 180.
Kurzschädel s. Schädel.
Küstrin, schnurverz. Scherben 96.
Landau (Kr Neumarkt), Megalith¬
keramik 85.
Landschaftscharakter Norddeutsch¬
lands während der Eiszeit und Nach¬
eiszeit 289.
Langschädel s. Schädel.
Lankow b. Schwerin, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Lanze, italische Miniaturnachbildung 26.
Lanzenspitzen 228.
— aus Eisen 4, 14, 217, 219, 226.
— aus Bronze 213, 224, 236.
— aus Feuerstein 87, 88, 89, 97, 100,
102, 103, 107, 229, 236.
— aus Knochen 221.
Lanzettartiges Bronzegerät 238.
Lassek-Luban (Kr. Posen - West),
Schnurscherben 101.
Latenezeit, Grab 100.
— gedrehte Gefässe und Mäanderge-
gefässe 242.
— Grabfund a d Rheinland 1.
— Funde a. d. Kreise Teltow 194.
— abgedrehtes Gefäss 198.
— Funde in Mecklenburg 216.
— Funde in Posen 226.
Latkowo (Kr. Hohensalza), latfcnezeitl.
Gefäss 226.
— — kaiserzeitl. Funde 226.
-slawische Funde 227.
— — versch. Funde 227.
-Skelettreste 229.
-Axt aus Geweih 221.
Lauenburg (Pommern), Schnurbecher
98.
Lausitzer Typus, Anklänge in Meck¬
lenburg 215, 323.
Lebehn (Kr. Randow), Kugelamphore
70, 74.
Lehmdiele i. e. Megalithgrab 209.
Leichenbrand, Entstehung des Ritus
235.
— in neolith. Gräbern 89, 91, 96, 97,
106, 107.
— in slawischen Gräbern 219.
Leipzig, „Bronzegefäss“ aus 313.
Leizen (Mecklenburg), Halsring 213.
Lemming 290.
Lettnin (Kr. Pyritz), neolith. Gräber
8S, 98.
Liebenthal (Kr. Marienburg), neolith.
Grab 89.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERSITY
Sachregister.
351
Liepe (Kr. Kolmar). Steinbeil 223.
Liessow (Mecklenburg), Steinäxte 210.
— — völkerwanderungszeitl. Urnen¬
friedhof 218.
Limes, das Neuwieder Becken einbe¬
ziehend 35.
Lindenschmit und das Dreiperioden¬
system 307, 308.
Lindentaler Hyänenhöhle, bearbei¬
tete Knochen 174.
Lipke (Kr. Landsberg a. W.), neolith.
Gefäss 87.
L i s ch in Schwerin und das Dreiperioden¬
system 301, 302, 303, 306, 307, 311.
Litorinazeitliche Funde 316.
Lobedan (Kr. Grottkau), neolithische
Gräber 103.
Lobositz a. E. (Böhmen), Schnur¬
keramik 76.
Lorenzberg (Kr. Kulm), Trichterrand¬
becher 83.
Löss 287, 2*8, 290.
Lössablagerungen im Neuwieder
Becken 40.
Löwe, diluvial, im Neuwied. Becken 43.
Löwenbruch (Kr. Teltow), latenezeitl.
Funde 198, 241.
Lucretius unddasDreiperiodensystem
298.
Ludwigsfelde (Kr. Teltow), latöne-
zeitl. Funde 241.
Lulin (Kr. Obornik), neolith. Funde 91.
Lupow (Kr. Stolp), kujaw. Gräber 89.
Lüssow b. Güstrow, Bronzeschwert 216
Luttom Kr. Könitz), Steinkreise 89.
Lutynia (Kr. Pieschen), Kragenflasche
62, 84.
Mäandergefässe 217, 243.
Mäanderverzierung 217.
Magdalenien nicht in Metternich und
Rhens 47.
— von Andernach 48.
Mahlsteine 107, 227, 228.
Major und das Dreiperiodensystem 310.
Malliss b. Dömitz, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Mammut, diluvial, i.Neuwied.Becken 44.
— fehlt im Magdalenien von Ander¬
nach 48.
— in Ostthüringen 174.
Marderknochen a. e. Pfahlbau 140.
Marschwitz (Kr. Ohlau), neolith. Ske¬
lettgräberfeld 103.
Marwitz (Kr. Greifenhagen), schnur-
verz. Becher 98.
— — neolith. Grab 87.
Marzenin (Kr. Witkowo), Wurfspeer¬
spitze 221.
Maulbeerwalde (Ostprignitz), früh-
bronzezeitl. Grab 235
Mayen (Eifel), neolith. Festung 51.
Maz d’Azil, frühestneolithische Be¬
stattung 81.
Mecklenburg, frei von Kragenflaschen
62.
— Trichterrandbecher 65.
— Funde u. Untersuchungen in 209.
Megalithgräber 127,134,150,300,302.
— ihre Ostgrenze 61.
— in der Mark Brandenburg 234.
— Hauptkennzeichen des 2. indogerman.
Zuges nach Osteuropa 67.
— östlich der Oder 87,88,89,90,91,92,
93, 94.
— in Mecklenburg 209.
Megalithkeramik in Ostdeutschland
61 ff., 83, 85.
Megalithkultur, südwesteuropäische
246.
Meissei aus Feuerstein 94,97,107,122,
148, 149.
— aus Knochen und Hirschhorn 91,
104, 131, 148.
— aus Stein 89, 99, 100, 210.
— aus Bronze 213.
— aus Kieselschiefer 55.
— s. Hohlmeissei 238.
Menhirs 247.
Menschenfigur aus Ton 26.
Menschenknochen a. e. Pfahlbau
140, 146.
Menschen masken auf dänischen
Bronzekesseln 203.
Mentone, palaeolith. Grab 81.
Mertensdorf (Ostprignitz), bronze-
zeitl. Funde 236.
Mertschütz (Kr. Liegnitz), Bandkera¬
mik 60.
Messer aus Feuerstein 55, 83, 87, 88,
90, 93. 94, 95,97,100,105,106,126,193,
210, 231.
aus Bronze 4, 5,206,212,213,224,238.
— italisch 26.
— aus Eisen 2, 217, 239.
— des Aurignacien Taf.V, VI, 46,47,48.
Messergriff aus Rengeweih geschnitzt
49.
Metternich b. Koblenz, Aurignacien
45, 47, 57.
Miesenheim b. Koblenz, Schüssel der
Glockenbecherkultur 57.
Mikrolithisehe Werkzeugea d.Magda¬
lenien 49.
— Feuersteinwerkzeuge s. Tardenoisen.
Miniaturwaffen 26, 216.
Mittelalterliche Bronzegefässe 192.
— Keramik 227.
Mitteleuropa, Gerste im steinzeit¬
lichen 142.
Mogilno, neolith. Funde 101.
Mölln (Mecklenburg-Strelitz), bronze-
zeitl. Fibel 192.
Molzow (Mecklenburg), Trichterrand¬
becher 65, 67.
23*
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Original frorn
PRINCETON UNIVERS1TY
352
Sachregister.
Mondhenkeikrüge östlich der Oder
61, 67, 74, 85.
Monolithgräber 76,89,90,94,100, 103.
Mo ns (Belgien), Vasenfragment mit
Tricephalus 206.
Montelius und das Dreiperioden¬
system 310.
Montwy (Kr. Strelno), neolith. Scherben
84.
— — Spondylusschalen 61
Moor s. Dagsmoor, Quellmoor.
Moorfunde, bronzezeitl. 214, 215,216.
Möritzsch (Kr. Merseburg), gedrehte
Gefässe 243.
Moschusochse, diluvial 43, 45.
Mo sso, Angelo + 331.
Moustier, Skelett von 170.
Mühlen-Eichsen b. Gadebusch, eisen-
zeitl Urnenfriedhof 216.
Mühlsteine 228.
Mszanno (Kr. Strasburg, Westpr.), neo¬
lith. Grab 90.
Much-Wien + 242, 274.
Müller, S., und das Dreiperioden¬
system 309.
Münchowshof (Kr. Neustettin), neo¬
lith. Grab 89.
Münzen, römische 1, 226.
Muschelschale als Grabbeigabe 187,
190.
— s. Spondylusmuscheln.
Muschelschmuck, paläolithisch 240
Mützeiburg (Kr. Pyritz), kujawische
Gräber 88.
Mysinge (Öland), Bernsteinperlen 134.
Nachbestattungen in älteren Grä¬
bern 301, 303, 310.
Nadel a. d. Magdalenien 49.
Nadeln von Eisen 199, 239.
— von Bronze 211, 213, 214, 224, 231.
— s. Kropfnadeln.
— s. Nähnadeln.
— s. Vasenkopfnadeln.
Nägelstedt (Kr. Langensalza), Kragen¬
flaschen 61.
Nähnadeln aus Eisen 196.
Naturwissenschaft in der Vorge¬
schichtsforschung 285.
Nawra (Kr. Thorn), Schnurkugelam¬
phore 69, 74, 90.
Neandertalrasse 170, 172, 173.
Neolithische, (frühest-) Bestattungen
81.
Netzsenker aus Ton 228.
Neubukow (Mecklenburg), Feuerstein¬
werkstätten 211.
— — bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Neuenfeldt (Kr. Prenzlau), Trichter¬
randbecher 65.
Neuhaldensleben, bronzezeitl. Fibel
192
Neuhof (Kr. Flatow), neolith. Grab 98.
Neu 1 in den(Kr Hohensalza),s.Jesuiter¬
bruch
Neu mark (Kr. Stuhm), neolith. Siede-
lung 99.
— (Kr. Greifenhagen), Hünengräber 87.
Neu-Nantrow (Mecklenburg), eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 217.
Neu-Wenden (Mecklenburg), eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 217.
Neu-Wendorf (Mecklenburg), slaw.
Hügelgrab 219.
Neuwieder Becken, verkehrsgeogra¬
phische Bedeutung 34.
— Entstehungsgeschichte 37.
— Diluviale Fauna 43.
Niederjeser (Kr. Sorau), Hausreste
245.
Nieder-Strelitz (Kr. Bromberg), slaw.
Siedelung 227.
Nierenring 215.
Nikolaiken (Kr. Stuhm), s. Neumark.
Nilpferd, diluvial, i Neuwied.Becken44.
Nimbus auf einer Wochengöttervase
7, 9.
Nörenberg (Kr. Saatzig), neolith. Grab
83.
Nosswitz (Kr. Glogau), neolith. Funde
62, 65, 67, 85.
Nu eleu s 222.
— a d. Aurignacien 47.
Nütschow (Mecklenburg), eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Oberfier (Kr. Bublitz), neolith. Gräber
88 .
Oberwerth b. Koblenz, neol. Funde 56.
Objezierze (Kr. Obornik), neolithische
Schale 84.
-neolith. Grab 91.
Objezierze-Kowalewko (Kr. Obor¬
nik), neolith. Grab 91.
Obstbau, in der Vorgesch. Schwedens
144.
Oderschnurkeramik 71, 72, 80.
— uckermärkische 96
Odry (Kr. Könitz), Steinkreise und
Trilithen 89.
Ofnethöhle, frühestneolithische Be¬
stattungen 81.
Oh lau (Kreis), Kragenflasche 62, 85.
— schlauchförmiger Krug 103.
Ohnesorge - Lübeck tritt a. d. Aus¬
schuss der D. G. f. V. 280.
Ohrringe 225.
— s. Segelohrringe.
Ökull (Schweden). Feuerschlagstein 136.
Olbersdorf (Kr. Frankenstein), Stich¬
reihenkeramik 60.
Olshausen und das Dreiperioden¬
system 309.
Opfer 212.
Opferstein 128.
Ordenszeit Preussens, Fund a. d. 523.
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PRINCETON UNfVERSfTY
Sachregister.
353
Orle (Kr. Graudenz), Schnurscherben
99.
Ortkrug b. Schwerin, bronzezeitlicher
Urnenfriedhof 215.
Ossowo (Kr. Pr. Stargard), Steinkreis
89.
Ostburg (Kr. Hohensalza), Steinaxt
222 .
— — röm. Münzen 226.
Österreich, paläolith. Funde 47, 48,
173
Ostgermanische Funde a. d- Prov.
Posen 225.
Ostgermanischer Mäander 243.
Ostorf b. Schwerin, neolith. Flachgräber
209.
Ostrowek (Kr Strelno), Reibstein 228.
Ostsee, ihre Geschichte seit der Eis¬
zeit 291.
Ottitz (Kr. Ratibor), Jordansmühler
Typus 60.
Oxhöft (Kr. Neustadt, Westpr.), neolith.
Funde 98.
Oxstedt b. Cuxhaven, kaiserzeitlicher
Becher 208.
Padniewo (Kr.Mogilno), Kugelamphore
69.
P a k o sch (Kr Mogilno), Kugelamphore 69.
Paläolithische Bestattungen mit rot¬
gefärbten Skeletten 81.
— Rassen und Skelettfunde 169.
— Funde a. d Neuwieder Becken 45.
Pa mp in b. Grabow, Urnenhügel 214.
Pannwitz (Kr.Trebnitz), Jordansmüh¬
ler Typus 60.
Panzer 218.
Parchanie (Kr. Hohensalza), Schnur¬
becher 101, 229.
— — vorgesch. Funde 229, 231.
Peckatel (Mecklenburg), Grabfund 311.
Pegau (Sachsen), gedrehte Gefässe 243.
Pennewitt b. Warin, Megalithgrab 209.
P e n z i n (Mecklenburg), bronzezeitl. Grab¬
hügel 213.
— — slawische Skelettgräber 219.
Perlen aus Bernstein 133, 150, 213,
214, 228.
— aus Glas 196, 199, 311.
— aus Knochen 132.
— aus Ton 224.
— an Ohrringen 196, 199, 225.
Perlenketten 97, 98, 107.
Persanzig (Kr. Neustettin), neolith.
Gräber 89.
Peterwitz (Kr. Strehlen), schnurkeram.
Gräber 103.
Pf ah Iba uten, steinzeitlich 100,109,210.
— Definition der Bezeichnung 117.
Pfahlbaukulturin Urmitz u. Mayen 49.
Pfeilspitzen aus Feuerstein 101, 104,
105, 106, 126, 236.
Pfeilspitzen aus Bronze 236.
— s. Spanpfeil.
Pferd, diluvial, i. Neuwieder Becken 43,
44, 45, 48.
Pferdeknochen a. e. Wohngrube 219.
Pflugschar 223, 231.
Pfortener Berg bei Gera, Tardenoi-
sien 176.
Pfriemen aus Bronze 214.
-mit Horngriff 213.
— aus Knochen 129.
Pilikoppen - Nidden (Kr. Memel),
neolitn. Funde 100.
Pilzgefäss des Jordansmühler Typus
60.
Pinzette s. Federzange.
Planetenvasen s. Wochengöttervasen.
Plastik, gallische, der Spätlatenezeit
203.
— s. Vogelkopf.
P1 a s t i s di e Darstellung v. Menschen 26.
Plauerhagen b. Plau, bronzezeitl. Ur¬
nenfriedhof 215.
Plön zig (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Podejuch (Kr. Randow*, neolith Grab
76, 97.
Polarfuchs im Magdalenien von An¬
dernach 48.
Poln. Peterwitz (Kr. Breslau), neolith.
Funde 102.
Pössneck (Thüringen), Feuerstein¬
splitter von 174.
Pottangow (Kr. Stolp), kujaw. Grab 89.
P r a g s d o r f (Mecklenburg-Strelitz), bron¬
zezeitl. Fibel 192.
Pre11 m i n (Kr. Kolberg), Schnurscherben
98.
Priedemost (Kr. Glogau), Stichreihen¬
keramik 60.
Prignitz, kulturgeschichtl. Stellung in
der Vorzeit 234.
Prillwitz (Kr. Pyritz),kujaw. Gräber 88.
Pumptow (Kr. Pyritz), kujaw. Gräber 88.
Puschkowa (Kr. Breslau), neolith. Ge-
fäss 102.
Pu schwitz (Kr. Neumarkt), Blumentopf¬
becher 73, 101.
Püttelkow b Wittenburg, eisenzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Quarz a. e. Wohngrube 55.
Quarzit verwendet im Magdalenien 49.
— zum Feuerschlagen 136, 148, 149.
— als Gerätmaterial 149.
— Mahlstein aus 55.
Quarzitplatte, bearbeitet 46.
Quellmoor von Alvastra 119.
Queraxt aus Grünstein 123.
Querschneidige Pfeilspitzen 126.
Rabenhorst (Kr Bromberg), Funde
aus Steinkistengräbern 225.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
354
Sachregister.
Rachow b. Güstrow, bronzezeitl. Flach¬
grab 214
— spätlatene- und kaiserzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Rackschütz (Kr. Neumarkt), neolith.
Grab 102.
Radewitz (Kr. Hohensalza), neolith.
Grab 101.
Radschin (Kr. Kolmar), Steinaxt 223.
Rahmhütte (Kr. Soldin), Brandgruben
316.
Randäxte 211, 223.
Randschärfer a. d. Aurignacien 47,
Tafel VII.
Rankau (Kr. Nimptsch), Schnurscherben
103.
Rasiermesser s. Messer.
Rasse, Wesen des Begriffes 152.
Rassen, die, Europas 154.
— paläolithische, in Europa 169.
Rassenforschung. Geschichte der
deutschen, vor Gobineau 164.
Rassenmischung und Kulturauf¬
schwung 160, 162.
Rehknochen als Gerätmaterial 129.
— a. e. Pfahlbau 140.
Reibstein 17, 90, 210, 227, 228, 231.
Reimannsfelde (Kr. Elbing), neolith.
Scherben 89.
Reimers-Hannover tritt in den Ruhe¬
stand 280.
Religion, derzeit. Zustand der Er¬
forschung altgermanischer 201.
Remedello (Italien), rotgefärbte Ske¬
lette 81.
Renntier 290.
— im Magdalenien von Andernach 48.
Renntiergeweih, geschnitzt 49.
Renczkau (Kr. Thorn),Schnurscherben
99.
R e nth au (Kr.Sprottau), Schnurscherben
102 .
Reppenhagen b.Grevesmühlen,eisen-
zeitl. Urnenfriedhof 217.
Reth ra(Mecklenburg),Tempelstätte219.
Retz in (Prignitz), Bronzetasse 239.
Rhein b. d. Lahnmündung, steinerner
Hammer 57.
Rheinübergänge Cäsars 36, 37.
— in späterer Zeit 35.
Rhens b. Koblenz, Aurignacien 47,57.
Rhinozeros in Ostthüringen 174.
— im Neuwied. Becken 43, 44.
— fehlt im AndernacherMagdalenien 48.
— Funde in Galizien und Böhmen 173.
R ibni tz(Mecklenburg),Feuersteinwerk¬
stätten 211.
Riesenburg (Kr. Rosenberg), neolith.
Gräber 99.
R iethnordhausen (Kr. Sangerhausen),
gedrehte Gefässe 243
Rinderknochen a.e. Pfahlbau 139,148.
— a. e. Wohngrube 55.
Rinderknochen als Grabbeigabe 92.
Rindszahn a. e Wohngrube 55.
Ringe aus Bronze 4, 174, 211, 212,
213, 214, 224, 236, 238, 239.
— aus Gold 236.
— aus Silber 227.
— aus Stein 107.
— aus Ton 86, 228.
— s. Fingerring, Nierenring.
Ringbrünne 218.
Ringsee (Schweden), doppelschneidige
Axt 124.
Robenhausen (Schweiz), schnurverz.
Scherben 77.
Rollstempelmäander 217.
Rom, Gräber unter dem Forum 23.
Römerstrassen 35.
Rörchen (Kr. Greifenhagen), Zapfen¬
becher 98.
Rosko (Kr. Filehne\ Schnurscherben
100 .
-Mahlstein 228.
Rosko Annavorwerk (Kr. Filehne),
bronzezeitl. Keramik 224.
Rössen-Niersteiner Keramik im
Neuwieder Becken 51.
— von Steeten a. L 57.
Rossitten (Kr. Fischhausen), neolith.
Grab 100.
Rostin (Kr. Soldin), Hünenbetten 87.
Rötel a.e. paläolith. Station 49.
— a. e. neolith. Grab 106.
Rotgefärbte Skelettknochen 78,80,81.
Rothe und das Dreiperiodensystem 310.
Rothenmoor b. Malchin, Bronze¬
schwert 215.
Rübenach (Rheinland), Feuerstein¬
messer 55.
Rudbeck und das Dreiperiodensystem
310.
Ruhlsdorf (Kr. Teltow), latönezeitl.
Brandgräber 197.
Rundschaber s. Scheibenschaber.
Russland. Vorrücken der Nordindo¬
germanen in 61.
— bemalte Spiralkeramik 59.
— neolithische indogermanische Funde
(Statistik) 85—86, 91—94, 96, 103
—105, 106—108.
Rutzau (Kr. Putzig), neolith. Siedelung
7*, ^8.
Rynkebykessel aus Dänemark 318.
Rzeczynek (Kr. Strelno), neolithische
Funde 69, 76, 91, 101.
Sabow (Kr. Pyritz), kujaw. Grab 88.
Säge aus Feuerstein 88, 105, 193.
Sägemühle (Kr. Kolmar), Steinbeil
232.
Sa 11 enti n (Kr. Pyritz),kujaw. Gräber88.
Sammlungen vorgeschichtlicher Alter¬
tümer, alte 294, 303.
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PRINCETON UNIVERSITY
Sachregister.
355
San kau (Kr. Braunsberg), neolithische
Siedelung 100.
Säpzig «Kr. West-Sternberg), neolith.
Steinkammer 86.
Sardinien, Sicheln 179.
Sardonix 309
Sattel, der, bei den Germanen 204.
Säter (Schweden), steinzeitl. Wohnplatz
151.
Satzkorn (Kr. Osthavelland), Trichter¬
randschale 65.
Schaber 105.
— des Aurignacien Tafel VII, 45.
— aus dem Magdalenien 48.
— aus Feuerstein 94, 105, 125, 148,
222, 231.
— s. Spannschaber.
Schabernack (Ostprignitz), frühbronze-
zeitl Grab 235.
— — bronzezeitl Grab 236.
— — Bronzeciste 239.
Schachtgräber, mykenische 309.
Schädel 229.
— neolithische 88. 90, 92, 94, 96, 100,
101. 107, 108.
— rotgefärbt 106.
— Kurzschädel 154.
— Langsd\ädel 81, 154.
Schädelbestattung 95.
Schafknochen als Gerätmaterial 129,
130.
— a. e. Pfahlbau 140.
Schalensteine 126.
Scharnese (Kr. Kulm), neolith. Wohn¬
stätte 90.
Scheibenfibel 14.
Scheiben sch ab er aus Feuerstein 125,
148.
Schelle mit Klöppel 2, 3.
Schere aus Bronze 206.
— von Eisen 4, 16.
Schiffsornament auf Rasiermesser
238.
Schiffssetzung 228.
Schilde, ihre Form auf d Kessel von
Gundestrup 205.
— bronzezeitliche 239.
— italische Miniaturnachbildung 26.
Schildbeschläge 217.
Schildbuckel, kaiserzeitlich 2, 3, 206.
Sch lab au (Kr. Mogilno), kujav. Gräber
91.
Schlagsteine a. d Aurignacien 47.
Schlagstock aus Hirschhorn 146.
Schleifstein 92, 129.
— aus Sandstein 149.
Schliewen (Kr. Dirschau), neolithische
Scherben 83.
Schlittknochen 227.
Schlönwitz (Kr. Schivelbein), 2 neolith.
Steinsetzungen 88
Schlüssel, kaiserzeitlich 2.
Schmiedeberg(Kr. Prenzlau),Trichter¬
randbecher 65.
Schmiedkow b. Greifswald, Megalith¬
grab 67.
Schmuckscheiben von Bronze 215.
Schmuckstücke, neolithische 132.
— paläolithische 49.
Schneehuhn im Magdalenien von
Andernach 48.
Schnuramphoren, Entstehung 74.
Schnurbecher. Entwicklung aus dem
Trichterrandbecher 70, 71.
Schnurkeramik i.NeuwiederBecken56.
— polnisch-russische Gruppe 75.
— — verziert mit Wellenlinien 77.
— östlich der Oder 71 — 80, 96—108,
222, 229.
Schnurkugelamphore 73
Schöningsburg (Kr. Pyritz), kujaw.
Doppelgrab 88.
— — Stichreihenkeramik 60.
Schönlanke (Kr. Czarnikau), Feuer¬
steinbeil 223
S ch ö n o w (Kr. Randow), Schnurbecher 97.
Schönthal (Kr. Neustettin;, neolith.
Grab 89.
Schrepau (Kr. Glogau), Jordansmühler
Typus t>0.
Schriftzeichen aus südwesteurop.
Dolmen 248.
Schuchhardt als römisch-germanischer
Forscher 255.
Sch u m a n n - Löcknitz t 240.
Schwarzbach b. Triptis (Ostthüringen),
Tardenoisien 17ö.
Schweden, steinzeitl. Pfahlbau 109.
— ältersteinzeitl. Spalter 109.
— doppelschneidige Äxte 124.
— Knochenperlen u. Tierzahnanhänger
132.
— Bernstein zum ersten Mal a. e. Wohn¬
platz 134
— Geräte zur Feuererzeugung 135, 148.
— steinzeitl. Ackerbau 141.
— Kulturdualismus z. Zt. der Gang¬
gräber 150.
— bronzezeitl. Fibel 192.
Schwefelkies zum Feuermachen 135,
136, 137, 138, 148.
Schweinegebiss 97.
Schweineknochen als Gerätmaterial
129.
— a. e. Pfahlbau 139, 148, 149.
Schweinezähne, bearbeitet 132, 149.
Schweiz, s. Robenhausen
Schwerin, Feuersteinwerkstätten 211.
Schwerter, Miniaturnachbildungen 26,
216.
— auf dem Urnenfriedhof v. Rackow
b. Güstrow fehlend 217.
— aus Eisen mit Silberbelag 219.
— aus Eisen 2, 4, 16, 208.
— aus Bronze 191, 215,216,236,238, 339.
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PRINCETON UNIVERS1TY
356
Sachregister.
Sch wetz, eisenzeitl. Keramik 225.
— (Kreis), 2 Randäxte 223.
— — Lanzenspitze 224.
Schwochow (Kr. Pyritz), Megalithgrab
88.
Scolith von Friesack 317.
Seddin (Westprignitz), Königsgrab 232,
236, 239, 315.
— — Hügelgräber 236, 238, 239.
-Hausurne 236.
Seefeld (Kr. Karthaus), Steinkreise
und Trilithen 89.
Seeort (Kr. Kolmar), Funde a e.bronze-
zeitl. Urnenfriedhof 224, 232.
Segelohrringe 196, 199.
Selpin (Mecklenburg), neolith. Wohn-
grübe 210.
-eisenzeitl. Urnenfriedhof 217.
Se mm er in b. Grabow, eisenzeitlicher
Urnenfriedhof 217.
Sibirische Kupfersicheln 180.
Sichel, zur Geschichte der 179.
— aus Kupfer 179, 180.
— aus Bronze 224.
— Entwicklung der Knopfsichel 180.
Siegelsteine 309.
Siethen (Kr. Teltow), latenezeitliche
Funde 241.
Silber, Häufigkeit bei Germanen und
Kelten 205.
— fehlt in Kegelgräbern 302.
— Fibel aus 4, 16.
Silber (Kr. Saatzig), kujaw. Grab 87.
Silberbelag auf ein. eis Schwert 219.
Silbe rkessel von Gundestrup 203,318.
— — Alter und Herkunft 205.
Silberklümpchen, kaiserzeitlich 4, 5.
Silberner Ring 227.
Simonsen (Vedel) und das Dreiperio¬
densystem 299, 310.
Sinz low (Kr. Greifenhagen), neolith.
Siedelung 83.
— — Zapfenbecher 98.
Sitzplatz a. e. Pfahlbau 116.
Skelette unter Steinpackung 191.
— rotgefärbt 78, 80, 81, 107, 108.
— sitzend bestattet 94, 95, 98.
— slawische 219.
— übereinander bestattet 95.
Skelettgräber, neolithische 83 ff.
— bronzezeitliche 191, 211.
— slawische 219.
— s. Gräber.
Skelettreste a. d. Prov. Posen 229.
— a. e. Pfahlbau 147, 149.
Sklaven 152, 243.
Slawische Funde, neue aus Mecklen¬
burg 218.
— a. d. Prov. Posen 227.
Slawischer Gefässrest 174.
Slu py (Kr.Schubin),Megalithkeramik84.
Smolong (Kr.Stargard i.Wpr.), neolith.
Skelettgräber 82.
Solutreen von Kärlich b. Koblenz 45.
Söndrum (Schweden), Schwefelkies a.
e. Steinkiste 136.
Sonnenburg-Säpzig (Kr. West-Stern -
berg), neolith. Steinkiste 86
Spalter, steinzeitlich 109.
Spangenfibeln 218.
Spanien - Portugal, Sicheln 179, 180.
Spanmesser aus Feuerstein 106, 126,
231.
Spanpfeilmit Schaftzunge 126,148,150.
Spanschaber aus Feuerstein 125, 148,
149.
Speerspitzen s. Lanzenspitzen.
Spelz 200.
Spinnwirtel 4, 15, 192, 199, 228.
Spiralanhänger 224.
Spiralen 236.
Spiralkeramik, bemalte in Osteuropa
59.
— — ohne Bernstein 65.
— — mit knöchernen Gürtelplatten 76.
-mit geschliff. Silexgeräten 80.
— im Harzvorland 60.
— in Schlesien 60, 62.
Spiral-Mäanderkeramik ad. Rhein¬
land 51.
Spiralringe von Bronze 212, 213, 214.
— von Gold 236.
Spiralröliehen von Bronze 212.
Spondylusmuscheln 60, 61, 65.
Sporen in vorgesch. Zeit 205.
Spy (Belgien), paläolith.Skelette 170,172.
Stäbchen aus Bronze, ornamentiert 4.
Stabeiwitz (Schlesien), Stichreihen¬
keramik 60.
Standesunterschiede i d. Steinzeit
Schwedens 152
Stargard i. P , Gefässe v. Bernb. Typus
87.
Megalithgrab 87.
Starschiska (Kr. Pr. Stargard), Stein¬
kreise 89.
S t a r u n i a(Ostgalizien),Rhinozeros-Fund
173.
Steeten a. L., Rössen-Niersteiner Ke¬
ramik 57.
SteetenerHöhle a.L., Aurignacien 57.
Stjerna-Upsala + 279, 316.
Steinalleen 247.
Steindämme über Urnen 216, 217.
Steine als Unterlage einer Urne 197.
Steinertsberg bei Gera, Tardenoisien
176.
Steingeräte in bronzezcitl. Funden
236.
— s. Hämmer.
St ei n kam me rgräber 86,87,88,91,93,
94, 315.
Steinkistengrab aus Urmitz, neoli-
thisch 177.
Steinkistengräber, neolithische 86,
87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95.
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Original fro-m
PRINCETON UNIVERS1TY
Sachregister.
357
Steinkistengräber, bronzezeitliche
191, 236.
— ostgermanische 225.
Steinkranz um bronzezeitl.Hügel 212,
213.
Steinkreise 67, 89, 90, 247.
Steinpackung mit Skelett 191.
— latenezeitlid\ 194.
Steinpackungen, Urnen in 182—188,
214, 215, 216.
Steinzeit, Pfahlbau 109.
— in Südrussland 59 ff.
— Bestattungsformen in Mecklenburg
209.
— neue Funde a.d. Prov.Posen 221, 229,
231, 232.
— Spalter 109.
— jüngere im Neuwieder Becken 49.
— Herdgruben 193, 210.
Steppenfauna s. Fauna.
Sternkrug b. Grevesmühlen, Hügel¬
grab 213.
Stempelverzierungen 7, 9.
Stettin, neolith. Grab 97.
Stichel a.d. Aurignacien Taf. V, VII.
— a. d. Magdalenien 48.
Stichreihenkeramik nördlich vom
deutschen Mittelgebirge 60.
Stjerna-Upsala f 279.
— sein Nachfolger im Amt 281.
Stockknöpfe aus Bronze 313.
Stolz (Kr. Frankenstein), Spiralkeramik
60.
Stora Förvar (Schweden), Tierzähne
als Anhänger 132.
— Schweineknochen 139.
Stove (Mecklenburg), neolith. Pfahlbau
210 .
— — wendische Skelettgräber 219.
Strassenzüge, vorrömische 35.
Streckenthin (Kr. Saatzig), neolith.
Steingrab 87.
Strega (Kr.Guben), schnurkeram.Grab
72.
Studsin (Kreis Kolmar), eisenzeitliche
Keramik 225.
Stuhl s. Sitzplatz.
Stülow (Mecklenburg), bronzezeitliche
Hügelgräber 212.
Subbo reale Zeit in Skandinavien 118,
122 .
Succow (Kr. Saatzig), Kugelamphore
69, 87.
Suckow (Prignitz), Depotfund 236.
— b. Parchim, Griffzungenschwert und
Lanzenspitze 213.
-bronzezeitl. Urnenfriedhof 215.
Sulaszewo (Kr.Kolmar), Steinbeil 232.
Sülten b. Stavenhagen, früheisenzeitl.
Hügelgrab 216.
— — wendische Hügelgräber 219.
Sundsholm (Schweden), Bernstein¬
scheibe 134.
Sylt, Denghoog, Trichterrandbecher 65.
— bronzezeitl. Fibel 192.
Szczonowo (Kr. Jarotschin), Kugel¬
amphore 69, 91.
Tagung der D.G.fV. in Erfurt, August
1910 281.
Tagungen im Jahre 1910 281.
Tannenzweigornament 83, 84.
Tannhofen (Kr. Hohensalza), Trichter¬
randbecher 65, 84.
Tardenoisien in Ostthüringen 174.
Tassen, in Bronze getrieben 215.
Tempelstätte von Rethra 219.
Terni (Italien), bronzezeitl. Gräber 28
29, 30.
Terrassen an Rhein und Mosel 38.
Teterow (Mecklenburg), Feuerstein¬
werkstätten 211.
Thomsen in Kopenhagen und das Drei¬
periodensystem 3U4 — 306, 307, 310.
Thorn, Keulenkopf 223.
— bronzenes Hohlbeil 225.
Thure (Kr. Schubin), Axt aus Ge¬
weih 221.
Thüringen, Tardenoisen in 174.
Tierbilder auf dänischen Bronze¬
kesseln 203.
Tierknochen als Grabbeigaben 55,
88, 92, 97, 139, 148.
Tiger, diluvial, i. Neuwied. Becken 43.
Tinz (Kr. Breslau),’ Schnurkeramik 102.
Toddin b. Hagenow, eisenzeitl. Urnen¬
friedhof 217.
Todendorf b. Teterow, kaiserzeitl.
Urnenfriedhof 217.
Tolkemit (Kr. Elbing), Küchenabfall¬
haufen 78, 99.
Tondern, Goldhörner 205, 318.
Tonperlen 94, 224.
Topolno (Kr. Schwetz), neolith. Ge-
fässe 99.
Torgau, gedrehte Gefässe 243.
To r ge r-Halberstadt + 331.
Torques s. Halsring, Ring.
Totenbaum 212.
Trebnig (Kr. Nimptsch), Megalith¬
keramik 65, 85.
Tricephalus auf Gesichtsvasen 5,13,
205, 206.
— auf Steindenkmälern 13, 202.
— von Mons (Belgien) 206.
Trichterrandbecher u. -schalen öst¬
lich der Oder 61, 64, 65.
— in Deutschland 65.
— Weiterbildungzum schnurkeramischen
71.
Trilithen in Westpreussen 67, 89.
Tri sch in (Kr. Bromberg), eisenzeitl.
Gefäss 225.
Troisdorf (Reg.-Bez. Köln), german.
Gräber 1, 201, 318.
Trzebcz (Kr. Kulm), Steinkreise 76, 90.
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PRINCETON UNIVERS1TY
358
Sachregister.
Tuckhude (Mecklenburg), bronzezeitl.
Urnenfriedhof ‘215.
Tüllenbeil s. Hohlbeil.
Tüllenmeissel s. Hohlmeissel.
T u t u 1 i 236.
Überlieferung alter Flurnamen 36.
Uckermärkische Schnurkeramik 96.
Undset u. das Dreiperiodensystem 310.
Untergrombacher Kultur in Urmitz
und Mayen 49.
Unterwellenborn s. Dobritzhügel.
Urmitz b. Koblenz, neolith. Festung 49.
— Meissei a. Kieselschiefer 55.
— Schnurkeramik 56.
— Glockenbecher 57.
— Zonenbecher 177.
Urnenfelder, bronzezeitliche in Meck¬
lenburg 215.
— eisenzeitliche in Mecklenburg 216.
— völkerwanderungszeitliche in Meck¬
lenburg 2H.
bronzezeitl. in Posen 224.
— eisenzeitl. in Posen 225.
— von Kantow (Kr Ruppin) 181.
Usch (Kr.Kolmar), eis.Lanzenspitze226.
Ustrinen s. Verbrennungsplätze.
Uszczerberg (Kr. Kulm), neolithische
Scherben 90.
Vaale (Schleswig-Holstein), bronze¬
zeitl. Fibel 192.
Vallendarb Koblenz, Steinhammer 57.
Vasen mit Götterköpfen 6.
Vasenkopfnadeln 224.
V e h 1 o w 1 Prignitz >, bronzezeitl. G rab 236.
Verbrennungsplätze 316.
Verklas b. Dömitz, völkerwanderungs-
zeitl. Urnenfriedhof 218.
Vettersfelde, (Lausitz), Goldfund 323.
Virchow und das Dreiperiodensystem
308.
V i e 11 ü b b e (Mecklenburg - Schwerin),
bronzezeitl. Fibel 192.
Vogelkopf ausRengeweih geschnitzt 49.
Vogelsang(Kr. Greifenhagen), Schnur¬
scherben 98.
Völkerwanderungszeit, neue Funde
aus Mecklenburg 218, 323.
Vorgeschichte und Naturwissenschaft
285.
Vorgeschichte in der französischen
Deputiertenkammer 269.
Vorgeschichtliche Denkmäler, Ein¬
teilungen in früherer Zeit 3ü0, 301,
302.
Vorgeschichtsforschung und Geo¬
logie 23, 26, 29, 30, 31.
— zur Geschichte der 294.
Vorgeschichtswissenschaft, die
deutsche im 19. Jahrhundert 311.
Vorratsgefäss, neolithisch 84.
Vulkanische Ausbrüche i. d. Cam-
pagna in histor. Zeit 22.
— in vorhistor. Zeit 23, 26, 30.
Wachliner Busch (Mecklenburg), sla¬
wische Gräber 219.
Wagenitz (Kr.Westhavelland), gedreh¬
tes Gefäss 243.
Wagram (Österreich), Lössstationen 47.
Waldalgesheim, Maskenschmuck von
205.
Wände i. e. Pfahlbau fehlend 115.
Waren (Mecklenburg), Feuersteinwerk¬
stätten 211.
Warmhof (Kr.Marienwerder), Trichter¬
randbecher 65, 83
Warnitz (Kr.Königsberg i.N.|, neolith.
Grab 97.
Warrenzin (Mecklenburg), bronzezeitl.
Grabfund 211.
Warsin (Kr. Pyritz), Megalithgräber 88.
Wartenberg (Kr. Pyritz), neolithische
Gräber 88.
Weissenberg (Kr. Stuhm), neolith.
Scherben 83, 89, 99.
Weissenhöhe (Kr. Wirsitz), neolith.
Becher 100.
neolith. Steinkammer 91.
— — Steingeräte 222.
Weissenturm b.Koblenz, Stein-Meissel
55.
Weitgendorf (Prignitz), bronzezeitl.
Grab 236, 239.
Weizen 142, 200.
Wellenlinien, Sdmurabdrücke als 77,
99, 104.
Wellenornament auf slaw. Scherben
174.
Wendelringe, bronzezeitlich 239.
Wendisch-Warnow (Prignitz), Bronze¬
henkel 239.
Westgermanischer Mäander 244.
Wetzstein 87.
W i bs ch i Kr. Thorn), neolith.Scherben 84.
Wierzbiczany (Kr.Hohensalza), Bron¬
zenadel 231.
Wildpferd in Ostthüringen 174
Wi 1 ko witz (Kr. Breslau), neolith. Funde
102 .
Wil len berg (Kr.Stuhm), neolith Siede-
lung 99.
— — Grabfund 187.
W i 11 e n d o r f (Österreich), paläolithische
Funde 48.
Wilsnack (Prignitz), Feuersteinbeil 316.
Wirtschaftsstufen in der Steinzeit
Schwedens 151.
Wiskiauten (Kr. Fischhausen), neolith.
Grab 76, 100.
Wismar, neolith. Pfahlbau 210.
Wochengöttervasen a d. Kaiserzeit
5, 205.
| — Technik 10.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Sachregister.
359
Wochengöttervasen, Herkunft aus
Belgien 11.
Zeitstellung 11.
Wochengöjtervase von Troisdorf
(Rheinlandi 6. 201, 206, 318.
Wochengottheiten auf Vasen dar¬
gestellt 6, 318.
— ihre Deutung 12, 208.
Woez b. Wittenburg, bronzezeitl. Urnen¬
friedhof 215.
Wohnstätten 228, 241.
— älterneolithische 109.
— neolithische *3, 84, 85, 89, 90, 98, 99,
100, 106, 107, 193, 210.
— bronzezeitliche 244, 245.
— slawische 218, 219, 227.
— s. Herdgruben, Pfahlbau.
Woischau (Kr. Glogau), Schnurscher¬
ben 102.
Woischwitz (Kr. Breslau), Jordans-
mühler Typus 60.
— — schlauchförm. Krug 102.
Wolfshagen (Westprignitz), bronze¬
zeitl. Funde 236, 239.
Wollenes Gewand 212.
Wolsko (Kr. Wirsitz), slaw. Funde 227.
Woitfick (Kr. Pyritz), Megalithgräber
88
Wolfknochen a. e. Pfahlbau 140, 148.
Wolfzähne als Halsband 107.
Worsaae und das Dreiperiodensystem
311.
Woydahl (Kr. Hohensalza), Stein¬
hämmer 221.
-bronzezeitl. Gräber 223.
— — eisenzeitl. Funde 225.
-versch. Funde 228.
— — Skelettreste 229.
Wreschin (Kr. Filehne), Funde von e.
bronzezeitl. Urnenfriedhof 224.
Wulkow (Kr. Saatzig), neolith. Grab
98.
Wüst-Halle, ernannt zum a. o. Pro¬
fessor in Kiel 280.
Wustrow-Niehagen (Mecklenburg),
neolith. Funde 211
Wuttrienen (Kr. Allenstein), neolith.
Grab 77, 84.
Zähne als Anhänger 49, 78, 82, 132.
— in Knochen nachgeahmt 93, 133.
— als Halsband 107.
Zapfenbecher s. Schnurbecher.
Zarrentin (Kr Grimmen), Megalith¬
keramik 61, 64, 67.
-Kugelamphore 67.
Zauchel (Kr. Sorau), Hausreste 245.
Zechlau(Kr. Schlodtau), Kugelamphore
a. e. Grab 69, 89.
Zechlin (Ostprignitz), bronzezeitliches
Gefäss 184.
Zechow (Kr. Landsberg), neolith. Grä¬
ber 77, 97.
Zellin (Kr. Königsberg i. N.), neolith.
Grab 87.
Zeremonialfeuer 212.
Zeugreste 212.
Ziegenknochen als Gerätmaterial 129,
130, 131.
— a. e. Pfahlbau 140.
Zimmer-Berlin + 330.
Zonenbecher 178.
— aus Urmitz 177.
Znin, schlauchförm. Krug 72.
— neolith. Steingrab 91.
— Gräber 101.
Züllichau (Kreis), Keramik von Bern¬
burger Typus 86.
Zülow b. Schwerin, Absatzaxt 211.
Zunder 138.
Züschen (Kr. Fritzlar), Kragenflaschen
61.
Zylinder aus Bronze 224.
Zylinderspiralen 236.
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PRINCETON UNIVERS1TY
Bücher-Besprechungen
Seite
Bieder, Th., Beiträge zur Geschichte der Rassenforschung und der Theorie
der Germanenheimat, Leipzig 1909 (Berner).249
Blasel, C., Die Wanderzüge der Langobarden, Breslau 1909 (Schulz) . . . 252
Dechelette, J., Manuel d’archeologie prehistorique, celtique et gallo-romaine.
I Archäologie prehistorique, Paris 1908 (Wahle) .321
Dörrenberg, O-, Römerspuren und Römerkriege im nordwestlichen Deutsch¬
land, Leipzig 1909 (Schulz).320
Forrer, R., Keltische Numismatik der Rhein-und Donaulande, Strassburg 1908
(Regling).251
Gradmann, R., Der Getreidebau im deutschen und römischen Altertum, Jena
1909 (Krause).254
Sehe mann, L., Gobineaus Rassenwerk, Stuttgart 1910 (Bieder).318
Schoetensack, O., Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden
von Mauer bei Heidelberg, Leipzig 1908 (Schmidt).249
Schwantes, G., Aus Deutschlands Urgeschichte, Leipzig 1908 (Wahle) . . 248
Städtisches Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Illustrierter Führer durch
die Prähistorische Abteilung, Leipzig 1910 (Kossinna).322
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PRINCETON UNIVERSUM
Verzeichnis der Abbildungen
im Text und auf den Tafeln.
(Chronologisch geordnet.)
Seite,Taf.
1. Paläolithisches.
Deutschland.
Aurignacien von Kärlich bei Koblenz 4b
— von Metternich bei Koblenz . V, VI
— von Rhens bei Koblenz VII, VIII
Magdalenien von Andernach 48, 49
Frankreich.
Homo Aurignacensis, Skelett in situ
und Schädel.XI
2. Frühneolithisches.
Deutschland.
Axt aus Geweih von Netzwalde,
Kr. Schubin.221
— von Domin. Latkowo, Kr. Hohen-
salza.221
Wurfspeerspitze von Marenzin, Kr.
Witkowo.221
Tardenoisien aus Ostthüringen 175
3. Jüngerneolithische Zeit.
Karte der östlichen Ausbreitung der
Indogermanen in neolithischer
Zeit.; . X
D e u ts ch 1 a n d.
Keramik von Urmitz 50, 57, 177, 178
Keramik vom Jägerhaus bei Mühl¬
heim 52, 53, 54, 55, 57, IX
Feuersteinmesser von Rübenach . 56
Glockenbecherkeramik .... 57
Gefäss von Iwno, Kr. Schubin 60
Kragenflasche von Helldorf, Kr.
Kolmar .62
— —ad. Kreise Ohlau ... 63
Seite,Taf.
Grab von Jordansmühl .... 63
8 deutsche Trichterrandbecher. 64, 65
Schale vonDobieszewko,Kr.Schubin 65
Steinkreis von Trzebcz, Kr Kulm 66
Trilithen von Odry, Kr. Könitz . 66
Ostdeutsche Kugelamphoren . . 68
Megalithamphore von Kulmsee, Kr.
Thorn.68
Amphore von Koben, Kr. Steinau 69
Doppelhenkelkrug von Kl. Krebbel,
Kr. Schwerin.69
Keramik von Hammelstall, Kr.
Prenzlau.71
Trichterrandbecher von Halberstadt 72
Amphore von Hundisburg, Kr. Neu¬
haldensleben .72
Ostdeutsche schlauchförmige Krüge
und Blumentopfbecher ... 73
Schnurkugelamphore von Nawra,
Kr. Thorn.74
Knochenplatte von Wiskiauten, Kr.
Fischhausen.76
Gefäss von Bordesholm (Holstein) 77
Henkelbecher v. Birglau, Kr. Thorn 99
Gefäss von Znin (Prov. Posen) 101
— von Parchanie, Kr Hohensalza 101
Silexmesser v. Kantow (Kr. Ruppin) XV
Amphore von Bernitt b. Bützow 210
Gefässcherbcn von Brahnau, Kr.
Bromberg ..222
Axthammer von Gostyn .... 223
Steingeräte und Becher von Wierz-
biczany, Kr. Hohensalza . . . 230
Schweden.
Pfahlbau von Alvastra; Lageplan HO
— Ansicht des Geländes . 112—113
— — des untersuchten Teiles 114
— Ein Herd ..115
— Beile und Äxte 123, 124, 125, 146,
147, 148, 150
— Silexgeräte . . . 125, 126, 147
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PRINCETON UNIVERS1TY
362
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite, Taf.
Klopfsteine . . . 126, 127, 137
— Knochengeräte 130,131,132,146,147,
148
— Anhänger aus Zähnen . . . 132
— Bernsteinperle.133
Haken aus Holz .... 135
Keramik. 135, 147, 148
Schwefelkies u. Zunderschwamm 137
— Gerste u. Apfelreste . . 141, 142
Knochenperle von Lundby, Wester-
götland .132
— von Luttra Knaggeg&rden, We-
stergötland .132
Schlagstein von Ökull, Westergöt-
land.136
Gefässcherben von Säter, Äloppe
und Gullrum .151
Russland.
Grabfund von Nalenczow, Gouv.
Lublin.63
— von Lelowice, Gouv. Kielce 63
Kujawisches Grab von Chotel, Gouv.
Kalisch .68
— — von Janischewek ... 68, 69
Osteuropäische Kugelamphoren 69, 70
Grabfund von Szeromin, Gouv.
Warschau.71
Schnurkugelamphore von Winiary,
Bez. Sandomir.74
Keramik von Zlota, Gouv. Kielce 75, 77
— von Nowa Sieniawa, Podolien 75
— von Siwki, Wolhynien ... 75
Funde von Jackowica, Gouv. Kiew
78, 79, 80
— von Kobrynowa, Gouv. Kiew 79
— von Nowosiolka, Gouv. Kiew 79
Gefäss von Lepesocka, Wolhynien 95
Österreich.
Knochenplatte von Lobositz . . 76
Knochenplatten und Silexmesser
aus Ostgalizien .76
Sch wei z.
Gefässcherben von Robenhausen 77
Früchte und Kerne aus Pfahlbauten 144
F rankreich.
2 Kragenflaschen aus Finistere u.
Morbihan.62
4. Bronzezeit.
Deutschla nd.
Tongefässe vom Fliegenberg bei
Troisdorf. 2
Seite, Taf.
Kantow, Kr. Ruppin, Gräber in
situ und Funde . . . XII-XVI
Gedrehter Halsring von Leizen
(Mecklenburg).213
Schwert von Rothenmoor b. Malchin 215
Lanzenspitze a. d. Kreise Schwetz 224
Königsgrab v. Seddin (Westprignitz)
— Ansicht des Hügels . .
XVII
— — der Grabkammer . .
235, 237
— Eingang zum Grab . .
. . 236
— Innenansicht der Kammer
. 238
— Funde .......
XVII
Italien.
Hausurnen .
23, 24, 25
Bronzefibel von Albano . .
. . 25
Bronzemesser ebendaher
. . 25
Miniatur-Schild ebendaher .
. . 25
— -Lanze ebendaher . . .
. . 25
— -Schwert ebendaher . .
. . 25
Tonbild von Albano . . .
. . 26
Gräber von Terni ....
. 28, 30
Fibel und Ringe ebendaher
. . 29
Frankreich.
Sichel im Museum NTmes .
. . 179
Pyrenäen-Halbinsel.
Sichel aus Praganca, Estremadura 179
— aus Mertola, Alemtejo
. . 180
5. Vorrömische Eisenzeit.
Deutschland.
Tongefäss vom Fliegenberg bei
Troisdorf. 2
Grossbeeren, Kr. Teltow, Lage¬
plan .194, 195
-Keramik . . . 194, 196, 197
-Nadeln und Fibeln . 195, 197
Gefässcherben von Ruhlsdorf, Kr.
Teltow.197
Funde von Jütchendorf, Kr. Tel¬
tow .197, 198
— von Löwenbruch, Kr. Teltow 198, 199
Gefässe von Rachow b. Güstrow 218
Gefäss von Trischin ?, Kr. Bromberg 225
Schale von Latkowo, Kr. Hohensalza 226
6. Römische Kaiserzeit.
Deutschland.
Fliegenberg b. Troisdorf, Tongefässe
2, 16, 207, I, II
— — Schildbuckel. 3
— — Bronzefibel. 3
— — Speerspitzen. 4
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Verzeichnis der Abbildungen.
363
Seite, Taf.
Fliegenberg bei Troisdorf
— — Bronzemesser. o
— — Verzierung eines Gefässes 9
— — Spinnwirtel.15
— — Schere .15
— — Schwert (?).16
— — Eimerbeschläge .... 207
Funde von Latkowo, Kr.Hohensalza 226
Becher von Oxstedt bei Cuxhaven 207
Darstellung eines Hammers auf
einem Relief. 9
Silberner Ring von Domin Broch bei
Flatow.227
Keramik von Wierzbiczany, Kr.
Hohensalza.230
Fingerring mit Gemme .... 230
Frankreich.
Vase von Bavay .111
Belgien.
Vase von Jupille.IV
Tricephalus der Gesichtsvase von
Mons.206
7 Völkerwanderungszeit.
Deutschland.
Gefäss von Verklas (Mecklenburg) 219
8. Mittelalter.
Wendisches.
Eisenschwert von Gorschendorf b.
Malchin.219
Seite, Taf.
Spätere Zeit.
„Bronzegefäss“.XV
„Bronzeknopf 41 .313
9. Geographisches und
Geologisches.
Karte eines Teiles von Mittelitalien 20
Karte von Terni und der Gegend
östlich davon .27
Querschnitt durch das Quellmoor
von Alvastra .119
Wiesenkalkboden auf Gotland 120
Trockengelegter Wiesenkalkboden 121
Karte des Rückzuges des diluvialen
Eises aus Norddeutschland . 287
Blick vom Landgrafenberg b. Jena 288
Klimazonen in der Nähe des dilu¬
vialen Inlandeises.289
— in der Nähe des heutigen ark¬
tischen Eises.289
Kurve der Schwankungen des mittl.
jährl. Wasserstandes am Elb¬
pegel zu Sandau.293
10. Bildnisse.
Matthäus Much.275
Hermann Grössler.277
11. Verschiedenes.
Bronzene Nadel von Wierzbiczany,
Kr. Hohensalza.230
Kavalier des 18. Jahrhunderts 313
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Fig. 1.
Fig. 2.
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II.
Taf. f.
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Fliegenberg* bei Troisdorf.
Rademacher, Germanische Gräber usw.
Curt Kabitzsch, Leipzig.
Fig. 5.
Fig. 1—4 aus Grab 1.
Fig. 5 aus Grab 3.
1. Nimbusgott. Fig. 4. 2. Tricephalus.
Vase mit 6 Götterbildern.
Prähistor. Museum in Köln.
l. Tricephalus.
3. Göttin
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. //.
Taf. II.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3. Tricephalus. Fig. 4. Nimbuskopf.
Fliegenberg - bei Troisdorf.
Fig. 1, 2 aus Grab 3; Fig. 3, 4 aus Grab 1.
Rademacher, Germanische Gräber usw.
Curt Kabitzsch, Leipzig.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. ff. 7 ' a f ///
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». Mars. 6. Merkur. 7. Jupiter.
Im „Cebinet des Medailles" zu Paris (nach E. Krüger: Deux monuments usw.).
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7. Venus,
PRINC
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II.
Tat. V.
Aurignacien-Werkzeuge von Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau. V* nat. Gr.
A. Günther, Neuwieder Becken.
Curt Kobitzsch, Leipzig.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. II.
Taf. VI.
Aurignacien-Werkzeuge aus Metternich bei Koblenz, Grube Wegelau; links unten Friedhofen.
'/* nat. Gr.
A. Günther, Neuwieder Becken.
Curt Kabitzsch, Leipzig.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. fl.
Taf. Vff.
Aurignacien-Werkzcuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. 1 /* nat. Gr.
A. Günther, Neuwiedcr Becken.
Curt Kabitzsch, Leipzig.
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Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte, Bd. fl.
Taf. VIII.
Aurignacien-Werkzeuge aus Rhens bei Koblenz, Grube Peters. x a nat. Gr.
A. Günther, Neu wieder Becken.
Curt Kabitzsch, Leipzig.
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Rössen-Niersteiner Keramik vom Jägerhaus bei Mülheim.
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Abb. 3.
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Aurignacensis.
Curt Kabitzscli (A. Stuber’s VerQ^rVWtfEftfg.
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Mannus , Zeitschrift für Vorgeschichte , Zu/. //.
Tafel XL
Abb. 1.
Abb 2.
Abb. 3.
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Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), WurzbuTgj fpQm
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U rn UJSLtfceflf^Jf^dr^z
de Cb er, Cork er et
Das Flachgräberfeld bei Kantow.
A und B. Früher gefundene Gefässe. C. Durchschnitt von Grab 2. D. Rekonstruktion der Graburne von Grab 2.
E, F und G. Fragmente von Grab 4. H. Beigefass aus Grab 5. J Aschenurne, K und L Beigefässreste, M Deckschale aus Grab 10.
N Fragment des Beigefässes, O Deckschale, P, Q und R Reste derselben aus Grab 11.
Waase, Kantow
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ver Eiin de.
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Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Würzburg.
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VAsSi
Mannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II.
Ta f. XII.
Die Zage des J(a/?/ou>er
Flaenöräberfeldes.
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Atannus, Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II.
Taf. XIII.
_
Das Flachgräberfeld von Kantow.
Grab 2 geöffnet, ln der Mitte links: Lage der Gräber 1 bis 4 zueinander. Unten links: Teil von Grab 11
Oben rechts: Reste des Gcfässes von Grab 10. Rechts in der Mitte und unten: Grab 17.
Curt Kabitzsch (A. Stufte l V%h!Jjß, m Würibw
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Das Flachgräberfeld von Kantow.
A. Urne aus Grab 12, B. Bruchstück derselben, C. Beigefäss aus Grab 12. — D. Grab 13 — E. Bruchstück aus Grab 14.
F, G und H. Beigabe aus Grab 15. — J. Urne aus Grab 16, K und L. Beigabe aus 16. — M. Grab 17. N. Bruchstück aus
Grab 19. — O. Urne, P. Deckschüssel, Q und R. Bruchstücke derselben aus Grab 22. — S. Urne, T. Beigefäss, U, V und W
Beigabe aus Grab 27. — X. Grabgefäss und Deckel aus Grab 28. — Y und Z. Beigabe aus Grab 29.
\V aase, Kantowcr Funde
Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag), Wiirzburg.
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Original frorn
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Maimus , Zeitschrift für Vorgeschichte Bd. II.
ben links: Grab 22, oben rechts: die leere Graburne 22. — ln der Mitte links: Grab 27. — Rechts: Nadel, Bügel und die ganze Fibel
üinzelfund aus dem Dorfstich. — Unten links. Rückensäge aus einer Herdgrube. — Unten rechts: Kleines Bronzegefäss. Einzelfund.
Curt Kabitzsch (A. StubbKi : ;?VetJ|ia|l)ySWürzburg.
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Abb. 2. Seddin, Westprignitz. Hauptfundstücke des Königsgrabes.
1. Königstonurne; 2. gedrehter Halsring; 3. Tüllenquerbeil; 4. Doppelknopf; 5. Rasiermesser;
6. Königsbronzeurne; 7. Tüllenmeißelchen; ö. Doppelknopf; 9. Messer; 10. Schwert; 11. Bartzange;
12. Knebel; 13. gegossene Bronzetasse mit eingehängtem Armring; 14. getriebenes Bronzeschälchen; 15. Lanzette.
Kos sin na. Kulturgeschichtliche Stellung der Prignitz.
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Curt Kobitzsch, Lcip'
Original fram
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